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German Pages 730 [734] Year 2012
Deutsches Literatur-Lexikon Das Mittelalter
Deutsches Literatur-Lexikon Das Mittelalter Herausgegeben von Wolfgang Achnitz Band 4 Lyrik und Dramatik Mit einf¨uhrenden Essays von Franz-Josef Holznagel und Klaus Vogelgsang
De Gruyter
Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dieses Bandes PD Dr. Wolfgang Achnitz, M¨unster; Florian Altenh¨ofer, M.A., M¨unchen; Prof. Dr. Christoph Fasbender, Chemnitz; Mag. Sabina Foidl, Mu¨ nchen; Prof. Dr. Albrecht Hausmann, Oldenburg; Bruno Jahn, M¨unchen; Mona Kirsch, M.A., Heidelberg; Dr. Jacob Klingner, Heidelberg; Dr. Valeska Lembke, Oldenburg; Dr. Mike Malm, M¨unchen; Dr. Carla Meyer, Heidelberg; Dr. Gesine Mierke, Chemnitz; Dr. Mario M¨uller, Chemnitz; Prof. Dr. Katharina Philipowski, Erlangen; Dr. Hanno R¨uther, M¨unster; Dr. Nikolaus Ruge, Trier; Dr. Christine Stridde, Z¨urich; Dr. Silvan Wagner, Bayreuth; Dr. Volker Zapf, Mu¨ nchen
Redaktionelle Leitung Bruno Jahn
ISBN 978-3-598-24993-8 e-ISBN 978-3-598-44142-4 Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet u¨ ber http://dnb.d-nb.de abrufbar. © Copyright 2012 Walter de Gruyter GmbH & Co. KG, Berlin/Boston Satz: bsix information exchange GmbH, Braunschweig Druck: Strauss GmbH, Mo¨ rlenbach ∞ Gedruckt auf s¨aurefreiem Papier Printed in Germany www.degruyter.com
INHALTSVERZEICHNIS Abk¨urzungs- und Siglenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
VII
Franz-Josef Holznagel: Die deutschsprachige Lyrik des Mittelalters. Eine Skizze . . . . . . . . . .
1
Deutschsprachige Lyrik von den Anf¨angen bis um 1500 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
61
Klaus Vogelgsang: Das deutschsprachige Drama des Mittelalters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1009 Das deutschsprachige Drama von den Anf¨angen bis um 1500 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1037 Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1393
V
¨ ABKURZUNGSUND SIGLENVERZEICHNIS ¨ ABKURZUNGSVERZEICHNIS a.a.O. Abb. Abh. Abt. ahd. Akad. allg. Anm. Anz. Arch. as. AT Aufl. Ausg.
am angef¨uhrten Ort Abbildung(en) Abhandlung(en) Abteilung althochdeutsch Akademie allgemein Anmerkung(en) Anzeiger Archiv alts¨achsisch Altes Testament Auflage Ausgabe
bair. Bd., Bde. bearb., Bearb.
bairisch Band, B¨ande bearbeitet, Bearbeiter(in), Bearbeitung begr¨undet Beiheft(e) Beitrag, Beitr¨age Bericht(e) besonders Bibliothek, Biblioth`eque Bibliographie Biographie Blatt, Bl¨atter Bayerische Staatsbibliothek, Mu¨ nchen
begr. Beih. Beitr. Ber. bes. Bibl. Bibliogr. Biogr. Bl., Bll. BSB Cgm
ehem. Einf. eingel. erg. Erg.-Bd. Erl., erl. erw.
ehemalig, ehemals Einf¨uhrung eingeleitet erg¨anzt Erg¨anzungsband Erl¨auterung, erl¨autert erweitert
f., ff. Faks. fol. Fragm., fragm. Frankfurt/M. Frankfurt/O. Freiburg i. Br. FS
folgende Seite(n), folgendes (folgende) Jahr (Jahre) Faksimile folio Fragment, fragmentarisch Frankfurt am Main Frankfurt an der Oder Freiburg im Breisgau Festschrift
gedr. germ. Ges. Gesch., -gesch.
gedruckt germanisch Gesellschaft Geschichte, -geschichte
H. HAB
hist. Hs., Hss. hsl.
Heft(e) Herzog August-Bibliothek, Wolfenb¨uttel Handbuch herausgegeben, Herausgeber(in) historisch Handschrift, Handschriften handschriftlich
Hb. hg., Hg.
Chron. Clm Cod., Codd. Cpg
Codex germanicus monacensis Chronik(en) Codex latinus monacensis Codex, Codices Codex palatinus germanicus
Inst.
Institut
Jb., Jbb. Jg. Jh.
Jahrbuch, Jahrb¨ucher Jahrgang Jahrhundert
¨ d. A. d. J. ders. dies. Diss. dt. durchges.
¨ der Altere der J¨ungere derselbe dieselbe(n) Dissertation deutsch durchgesehen
Kap. Kat. kgl. Kl. Komm., komm. krit. Kt.
Kapitel Katalog k¨oniglich Klasse Kommentar, kommentiert kritisch Kanton
ebd. ed.
ebenda edited
lat. LB
lateinisch Landesbibliothek VII
Lex. Lfg. Lit. LMB
Lexikon Lieferung Literatur Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel
MA, ma. masch. mhd. Mitt. mlat. mnd. mndl. Ms(s).
Mittelalter, mittelalterlich maschinenschriftlich mittelhochdeutsch Mitteilungen mittellateinisch mittelniederdeutsch mittelniederl¨andisch Manuskript(e)
Nachdr. Nachw. nd. ndl. Neudr. NF nhd. Nr. NS
Nachdruck Nachwort niederdeutsch niederl¨andisch Neudruck Neue Folge neuhochdeutsch Nummer Neue Serie, Nova Series, Nuova Serie. Neues Testament
NT o. J. o. O. o. O. u. J. o. S. obd. ¨ ONB o¨ sterr. Pap. Perg. phil. philol. Publ. Red. Reg. rev. RUB
VIII
ohne Jahr ohne Ort ohne Ort und Jahr ohne Signatur oberdeutsch ¨ Osterreichische Nationalbibliothek, Wien o¨ sterreichisch Papier Pergament philosophisch philologisch Publikation(en), publication(s) Redaktion, Redakteur(in) Register revidiert, revised Reclams UniversalBibliothek
S. Sb. SBB Schr. Ser. Slg. sog. Sp. StB StLB Str. StUB
Suppl.
Seite(n) Sitzungsbericht(e) Staatsbibliothek zu Berlin Schrift(en) Serie, series Sammlung(en) sogenannt Spalte(n) Stadtbibliothek Stadt- und Landesbibliothek Strophe(n) Stadt- und Universit¨atsbibliothek Studien Staats- und Universit¨atsbibliothek Supplement
Tf. Tl., Tle.
Tafel(n) Teil, Teile
u. a. u. d. T. UB u¨ berarb. ¨ Uberl., u¨ berl. u¨ bers. ULB Univ. Unters.
und andere, unter anderem unter dem Titel Universit¨atsbibliothek u¨ berarbeitet ¨ Uberlieferung, u¨ berliefert u¨ bersetzt Universit¨ats- und Landesbibliothek Universit¨at Untersuchung(en)
V. v. Ver. verb. verm. Ver¨off. Verz. vollst. Vorw.
Vers(e) von Verein verbessert vermehrt Ver¨offentlichung(en) Verzeichnis vollst¨andig Vorwort
Wb. Wiss.
W¨orterbuch Wissenschaft(en)
Z. ZB zit. Zs.
Zeile(n) Zentralbibliothek zitiert Zeitschrift
Stud. SUB
SIGLENVERZEICHNIS AB¨aG
ADB
AfdA
AfK AH
ATB
Amsterdamer Beitr¨age zur a¨lteren Germanistik. Amsterdam 1972 ff. Allgemeine deutsche Biographie. Hg. durch die Historische Commission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. 56 Bde., Leipzig 1875–1912 Anzeiger f¨ur deutsches Altertum und deutsche Literatur (beigeheftet der ZfdA). Leipzig u. a. 1876–1989 Archiv f¨ur Kulturgeschichte Analecta Hymnica Medii Aevi. Hg. v. C. Blume, G. M. Dreves (und H. M. Bannister). 55 Bde., 1886–1922. Nachdr. 1961. Register hg. v. M. L¨utolf. 2 Bde., 1978 Altdeutsche Textbibliothek, 1882 ff, 1959 ff.
Brunh¨olzl
CCCM CCSL Chron.dt.St.
Cramer
CSEL BB
BBKL
BdK BHL
Bibl.dt.Nat.-Lit.
BMA
De Boor/Newald
Bayerische Bibl. Texte aus zw¨olf. Jh. Hg. v. Hans P¨ornbacher und Benno Hubensteiner. 5 Bde., Mu¨ nchen 1978–90 Biographisch-bibliographisches Kirchenlexikon. Begr. und hg. v. Friedrich Wilhelm Bautz. Fortgef¨uhrt v. Traugott Bautz. Hamm (sp¨ater Herzberg, Nordhausen) 1970 ff. Bibliothek deutscher Klassiker. Frankfurt/M. Bibliotheca hagiographica latina. 2 Bde., Br¨ussel 1898–1901. Suppl.-Bd. 21911 Bibliothek der gesamten deutschen National-Literatur von der a¨ ltesten bis auf die neueste Zeit Bibliothek des Mittelalters. ¨ Texte und Ubersetzungen. Deutscher Klassiker-Verlag, 1987 ff. Geschichte der deutschen Literatur von den Anf¨angen bis zur Gegenwart. Begr. v.
DA DACL
DHGE
Dict. Spir.
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Helmut de Boor und Richard Newald. 1949 ff. Franz Brunh¨olzl: Geschichte der lat. Lit. des MA. Bd. 1–2, Mu¨ nchen 1975 und 1992 Corpus Christianorum, Continuatio Mediaevalis. Turnhout 1966 ff. Corpus Christianorum, Series Latina. Turnhout 1954 ff. Die Chroniken der deutschen St¨adte. Hg. v. der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. 1862–1931 Thomas Cramer (Hg.): Die kleineren Liederdichter des 14. und 15. Jahrhunderts. 4 Bde., M¨unchen 1977–85 Corpus scriptorum ecclesiasticorum latinorum. Wien u. a. 1866 ff. Deutsches Archiv f¨ur Erforschung des Mittelalters Dictionnaire d’arch´eologie chr´etienne et de liturgie. Hg. v. Fernand Cabrol u. a. Paris 1907 ff. Dictionnaire d’histoire et de g´eographie eccl´esiastiques. Hg. v. Alfred Baudrillart u. a. Paris 1912 ff. Dictionnaire de spiritualit´e asc´etique et mystique. Doctrine et histoire. Fond´e par M. Viller ... 17 Bde., Paris 1937–95 Deutsche Texte des Mittelalters, 1904 ff. Der Deutschunterricht. Beitr¨age zu seiner Praxis und wissenschaftlichen Grundlegung. Seelze 1948/49 ff. Deutsche Vierteljahrsschrift f¨ur Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte. Stuttgart/ Weimar 1923 ff. IX
Ehrismann
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GAG GRM GW
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Gustav Ehrismann: Geschichte der deutschen Literatur bis zum Ausgang des Mittelalters. 4 Bde. M¨unchen 1932–35 Enzyklop¨adie des M¨archens. Handw¨orterbuch zur historischen und vergleichenden Erz¨ahlforschung. Begr. v. Kurt Ranke. Hg. v. Rolf Wilhelm Brednich und Hermann Bausinger. Berlin/New York 1977 ff. Enzyklop¨adie Philosophie und Wissenschaftstheorie. In Verbindung mit Gereon Wolters hg. v. J¨urgen Mittelstraß. 4 Bde., Stuttgart/Weimar 1995/96. 2., neu bearb. und wesentlich erg. Aufl. In Verbindung mit Martin Carrier hg. v. J¨urgen Mittelstraß. Stuttgart/ Weimar 2005 ff. Euphorion. Zeitschrift f¨ur Literaturgeschichte. Heidelberg 1894 ff. G¨oppinger Arbeiten zur Germanistik, 1960 ff. Germanisch-Romanische Monatsschrift. Heidelberg 1909 ff. Gesamtkatalog der Wiegendrucke. Bd.1–8,1 hg. v. der Kommission f¨ur den Gesamtkatalog der Wiegendrucke. Leipzig 1925–40. Bd.8,2 ff. hg. v. der Deutschen Staatsbibliothek zu Berlin. Stuttgart u. a.1978 ff. Historisches Biographisches Lexikon der Schweiz. 7 Bde., Neuenburg 1921–34 Historisches Lexikon der Schweiz. Hg. v. der Stiftung Historisches Lexikon der Schweiz. Basel 2002 ff. Minnesinger. Ges. und hg. v. Friedrich Heinrich von der Hagen. 7 Tle. in 3 Bdn. 1838–56. Neudr. Leipzig 1963
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Handw¨orterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte. Hg. v. Adalbert Erler und Ekkehard Kaufmann, Bd. 5 zus¨atzlich v. Dieter Werkm¨uller. 5 Bde., Berlin 1971–98. 2., v¨ollig u¨ berarb. und erw. Aufl. Hg. v. Albrecht Cordes, Heiner L¨uck und Dieter Werkm¨uller. Berlin 2004 ff.
JOWG
Jahrbuch der Oswald von Wolkenstein-Gesellschaft. Marbach/N. u. a. 1981 ff.
Killy
Literatur-Lexikon. Autoren und Werke deutscher Sprache. Hg. v. Walther Killy. Bd. 1–12. G¨utersloh/ M¨unchen 1988–92. 2., vollst¨andig u¨ berarb. Aufl. u.d.T. Killy Literaturlexikon. Autoren und Werke des deutschsprachigen Kulturraumes. Hg. v. Wilhelm K¨uhlmann. Berlin/New York 2008 ff. Kindlers Neues LiteraturLexikon. Hg. v. Walter Jens. 22 Bde., Mu¨ nchen 1988–98 Carl von Kraus: Dt. Liederdichter des 13. Jh. Bd. 1: Text. 1952. Bd. 2: Komm. besorgt v. H. Kuhn. 1958. 2., v. Gisela Kornrumpf durchges. Aufl. 2 Bde., T¨ubingen 1978
KNLL Kraus LD
LACL
LCI LexMA LexthW
Lexikon der antiken christlichen Literatur. Hg. v. Siegmar D¨opp u. a. 3., vollst¨andig neu bearb. und erw. Aufl. Freiburg u. a. 2002 Lexikon der christlichen Ikonographie. 8 Bde., Rom u. a. 1968–76 Lexikon des Mittelalters. 10 Bde., Mu¨ nchen/Z¨urich 1980–99 Lexikon der theologischen Werke. Hg. v. Michael Eckert, Eilert Herms, Bernd Jochen Hilberath und Eberhard J¨ungel. Stuttgart 2003.
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MTU
Mu¨ nchner Texte und Untersuchungen zur deutschen Literatur des Mittelalters. Hg. v. der Kommission f¨ur deutsche Literatur des Mittelalters der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, 1960 ff.
NDB
Neue Deutsche Biographie. Hg. v. der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Berlin 1953 ff. Niederdeutsches Jahrbuch. Jahrbuch des Vereins f¨ur niederdeutsche Sprachforschung. Neum¨unster 1876 ff.
NdJb
PBB (Halle)
PBB (T¨ub.)
PG Phil.Stud.u.Qu. PL
RAC
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XII
Beitr¨age zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur (Pauls und Braunes Beitr¨age), Halle 1874 ff. Beitr¨age zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur (Pauls und Braunes Beitr¨age), T¨ubingen 1955 ff. Patrologia Graeca. Hg. J.-P. Migne. 161 Bde., Paris 1857–66 Philologische Studien und Quellen, Berlin 1950 ff. Patrologia Latina. Hg. J.-P. Migne. 217 Bde., 4 Registerb¨ande, Paris 1844–64. Reallexikon f¨ur Antike und Christentum. Sachw¨orterbuch zur Auseinandersetzung des Christentums mit der antiken Welt. Hg. v. Theodor Klauser u. a. Stuttgart 1950 ff. Reallexikon zur deutschen Kunstgeschichte. Hg. vom Zentralinstitut f¨ur Kunstgeschichte M¨unchen. Mu¨ nchen 1937 ff. Reallexikon der germanischen Altertumskunde. 2., v¨ollig neu bearb. u. stark erw. Aufl. Hg. v. H. Beck u. a. Berlin, New York 1973 ff.
RGG
RheinVjbl. RL
RLW
RSM
Die Religion in Geschichte und Gegenwart. Handw¨orterbuch f¨ur Theologie und Religionswissenschaft. 3., v¨ollig neu bearb. Aufl. Hg. v. Kurt Galling in Gemeinschaft mit Hans Frhr. von Campenhausen, Erich Dinkler, Gerhard Gloege und Knud E. Løgstrup. 6 Bde., Registerband. T¨ubingen 1957–65. Religion in Geschichte und Gegenwart. 4., v¨ollig neu bearb. Aufl. Hg. v. Hans Dieter Betz, Don S. Browning, Bernd Janowski und Eberhard J¨ungel. 8 Bde., Registerband. Tu¨ bingen 1998–2007. Rheinische Vierteljahrsbl¨atter Reallexikon der deutschen Literaturgeschichte. Hg. v. Paul Merker und Wolfgang Stammler. 4 Bde. Berlin 1925–31. Reallexikon der deutschen Literaturgeschichte. Bde. 1–3, hg. v. Werner Kohlschmidt und Wolfgang Mohr. Berlin 1958–77. Bd. 4 hg. v. Klaus Kanzog und Achim Masser. Berlin 1984. Reallexikon der deutschen Literaturwissenschaft. Neubearbeitung des Reallexikons der deutschen Literaturgeschichte. Hg. v. Klaus Weimar (Bd. I), Harald Fricke (Bd. II), Jan-Dirk Mu¨ ller (Bd. III). Berlin/ New York 1997–2003. Repertorium der Sangspr¨uche und Meisterlieder des 12. bis 18. Jahrhunderts. Hg. v. Horst Brunner und Burghart Wachinger. 13 Bde, 3 Registerb¨ande, T¨ubingen 1986–2002.
Schulthess/Imbach Peter Schulthess/Ruedi Imbach: Die Philosophie im lateinischen Mittelalter. Ein
Handbuch mit einem biobibliographischen Repertorium. Z¨urich u. a. 1996. Tervooren
TRE
TspMA TTG Tusculum-Lex.
Ueberweg
Helmut Tervooren: Bibliographie zum Minnesang und zu den Dichtern aus «Minnesangs Fr¨uhling». Berlin 1969. Theologische Realenzyklop¨adie. Hg. v. Gerhard Krause (bis Bd. 12) und Gerhard M¨uller in Gemeinschaft mit Horst Balz u. a. 36 Bde., Berlin/New York 1977–2005. Texte des sp¨aten Mittelalters. Berlin 1956 ff. Texte und Textgeschichte. W¨urzburger Forschungen. T¨ubingen 1980 ff. Wolfgang Buchwald/Armin Hohlweg/Otto Prinz: Tusculum-Lex. griechischer und lat. Autoren des Altertums und des MA. 3., neu bearb. und erw. Aufl. Darmstadt 1982. Grundriß der Geschichte der Philosophie. Begr. v. Friedrich Ueberweg. Neubearb. Ausg. Basel 1983 ff.
VL
Volpi
WdF Wimmer/Melzer
ZfdA
ZfdPh
Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon. Begr. v. Wolfgang Stammler. Fortgef¨uhrt v. Karl Langosch. 2., v¨ollig neu bearb. Aufl. hg. v. Kurt Ruh zusammen mit Gundolf Keil, Werner Schr¨oder, Burghart Wachinger und Franz Josef Worstbrock. Ab Bd. 9 hg. v. Burghart Wachinger. 14 Bde., Berlin/New York 1978–2008. Franco Volpi (Hg.): Großes Wortlexikon der Philosophie. 2 Bde., Stuttgart 1999. Wege der Forschung. Darmstadt 1956 ff. Otto Wimmer/Hartmann Melzer: Lexikon der Namen und Heiligen. Bearb. und erg. v. Josef Gelmi. 6., verb. und erg. Aufl. Innsbruck/ Wien 1988. Zeitschrift f¨ur deutsches Altertum (und deutsche Literatur). Stuttgart 1841 ff. Zeitschrift f¨ur deutsche Philologie. Berlin 1954 ff.
XIII
¨ BUCHER DES AT UND NT Abk¨urzungen der biblischen B¨ucher nach der Neuen Jerusalemer Bibel
ORDENSBEZEICHNUNGEN OCarm OCart OCist OEDSA OESA OFM
Ordo Carmelitarum Ordo Cartusiensis Ordo Cisterciensis Ordo Fratrum Eremitarum Discalceatorum S. Augustini Ordo Fratrum Eremitarum S. Augustini Ordo Fratrum Minorum
OFMCap OMin OP OPraem OSA OSB
Ordo Fratrum Minorum Capuccinorum Ordo Minorum Ordo Fratrum Praedicatorum Ordo Praemonstratensis Ordo Sancti Augustini Ordo Sancti Benedicti
VERFASSER-SIGLEN AH BJ CF CM CS FA GM HR JK KP
XIV
Albrecht Hausmann Bruno Jahn Christoph Fasbender Carla Meyer Christine Stridde Florian Altenh¨ofer Gesine Mierke Hanno R¨uther Jacob Klingner Katharina Philipowski
MK MM MMu¨ NR SF SW VL VZ WA
Mona Kirsch Mike Malm Mario Mu¨ ller Nicolaus Ruge Sabina Foidl Silvan Wagner Valeska Lembke Volker Zapf Wolfgang Achnitz
Die deutschsprachige Lyrik des Mittelalters Eine Skizze*) von Franz-Josef Holznagel
Die mittelalterliche deutsche Lyrik als Vortragskunst Der Begriff ‹Lyrik› leitet sich etymologisch von der altgriechischen Form der Handharfe, der Lyra, ab und bezeichnet urspr¨unglich Texte, die vorgesungen und mittels dieses Instruments musikalisch begleitet wurden. Schon in der Antike wird dieser Ausdruck auf andere literarische Formen u¨ bertragen; gleichwohl bleibt eine enge Bindung von Text und Musik bestehen, und in diesem erweiterten Sinne kann er auch auf die metrisch gebundenen und f¨ur den Gesangsvortrag konzipierten deutschsprachigen Texte des 9. bis 16. Jahrhunderts angewendet werden, die in dem nachfolgenden Abriss vorgestellt werden sollen. Dass diese Lyrik im Regelfall gesungen wurde, l¨asst sich u. a. daran ablesen, dass sie o¨ fter (und im Sp¨atmittelalter zunehmend) mit Melodien u¨ berliefert wird: Die fr¨uhesten Zeugnisse greifen dabei auf Neumen zur¨uck, eine Notationsform ohne Liniensystem, die sich vermutlich aus den Akzent- und Prosodiezeichen der sp¨atantiken Grammatiker entwickelte und die mit der Hilfe von Einzelnoten und von Zeichen f¨ur auf- und absteigende Tongruppen den Melodieverlauf wiedergibt, aber weder die Tonh¨ohenverh¨altnisse noch die Tonl¨angen exakt fixiert. Seit dem 14. Jahrhundert finden mit der deutschen gotischen Choralnotation und der Quadratnotation zwei Systeme Anwendung, die dann auch den Tonh¨ohenverlauf mit vier oder f¨unf Linien festlegen; außerdem wird die Tonh¨ohe durch Schl¨usselbuchstaben angegeben (c-, f- oder g-Schl¨ussel). Da die Lyrik des fr¨uhen und hohen Mittelalters einstimmig und durchweg solistisch ist, waren diese Aufzeichnungssysteme zweifellos ausreichend. Erst mit der Einf¨uhrung der Mehrstimmigkeit in den Liedern des M¨onchs von Salzburg und Oswalds von ¨ Wolkenstein wird eine gravierende Anderung der Notationspraxis notwendig, die nicht nur Tonh¨ohe und -l¨ange deutlich erkennen l¨asst, sondern u¨ berdies (z. B. durch die unterschiedliche Gestaltung der Notenk¨opfe und/oder durch den Farbwech1
¨ sel der Noten) die Anderung der rhythmischen Verh¨altnisse verzeichnet (Mensuralnotation). Gerade f¨ur die Fr¨uhzeit der deutschen Lyrik wird man eine reine Leselyrik schon deshalb nicht erwarten, weil das intendierte Zielpublikum, die adelige Laiengesellschaft, zwar die Schrift als Kulturtechnik gezielt einsetzt, ihren Gebrauch jedoch an Spezialisten, zumeist lateinisch gebildete Kleriker, delegiert. In abgeschw¨achter Form d¨urfte dies auch f¨ur die Autoren gelten. Speziell bei den Minnes¨angern des 12. und 13. Jahrhunderts, die meist als adelige Dilettanten einzusch¨atzen sind, ist eine ausgebildete Literalit¨at eher die Ausnahme. Diese ist lediglich bei den Verfassern der fr¨uhen religi¨osen Lyrik anzunehmen, die durchweg aus der Schicht der gebildeten Kleriker stammen d¨urften, sowie bei der Gruppe von Berufsdichtern, deren Texte auf lateinischen, d.h. immer auch schriftlichen Traditionen beruhen (wie z. B. bei Konrad von W¨urzburg oder Frauenlob). Im 14. und 15. Jahrhundert wird man sowohl bei den Autoren als auch beim Publikum der deutschsprachigen Lyrik mit einem durchweg h¨oheren Maß an literaler Bildung rechnen k¨onnen und damit auch mit der zunehmenden Mo¨ glichkeit einer lediglich lesenden Aneignung der Texte; gleichwohl bleibt, wie die wachsende Anzahl von Melodieaufzeichnungen belegt, auch im Sp¨atmittelalter die Kombination aus Text und Musik erhalten. Die durchg¨angige Bindung der deutschen Lyrik des Mittelalters an den Gesangsvortrag f¨uhrt dazu, dass a¨hnlich wie in der antiken Lyrik die Sprachverwendung nach festgelegten Prinzipien geregelt werden muss. Diese betreffen u. a. die Gliederung der Texte in strukturierte Binneneinheiten wie Verse oder Versgruppen oder die Herstellung von Klang¨ahnlichkeiten durch Reime. Doch w¨ahrend die antike Lyrik die Verse nach quantifizierenden *) Bei der nachfolgenden Skizze handelt es sich um eine stark gek¨urzte, aktualisierte und in einzelnen Passagen u¨ berarbeitete Version des Beitrags: Franz Josef Holznagel, Mittelalter. In: Ders. [u. a.]: Geschichte der deutschen Lyrik. Stuttgart 2004. S. 11–94, 670–674, 685–689, 696–702.
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Die deutschsprachige Lyrik des Mittelalters Metren baut, also die Abfolge von langen und kurzen Silben regelt, arbeitet die Metrik der germanischen Sprachen nach einem akzentrhythmischen System, das auf dem Wechsel von betonten und unbetonten Silben, von sog. ‹Hebungen› und ‹Senkungen›, beruht, wobei als Grundregel f¨ur die Verh¨altnisse im Versinnern gilt, dass Hebung und Senkung sich regelm¨aßig abwechseln (alternierender Versbau). Ein weiterer Unterschied zur Antike betrifft die Endreime, also die Lautwiederholungen am Schluss einer metrischen Einheit. Diese spielen in der griechischen und lateinischen Lyrik lediglich eine untergeordnete Rolle; in der deutschsprachigen Lyrik ist dagegen der Endreim ein konstitutives Element, das vor allem zur Markierung des Versschlusses herangezogen wird, aber auch zur Gestaltung des Versinneren eingesetzt werden kann (Binnenreime). Besonderen Regeln unterliegt der Versschluss, die sog. Kadenz, weil hier nicht nur die akzentrhythmischen Verh¨altnisse wichtig sind, sondern auch das Ausmaß der Sprachenergie, das f¨ur die Artikulation einer Silbe aufgewendet werden muss. Vereinfacht gesprochen unterscheidet man zwischen zwei Haupttypen: Bei der m¨annlichen Kadenz schließt der Vers mit einer Silbe beliebiger Quantit¨at, die dann auch die letzte Hebung tr¨agt (einsilbig m¨annlich; Beispiel: mhd. l´ant); diese Art des Versendes kann durch die Abfolge von zwei metrisch kurzen Silben ersetzt werden (zweisilbig m¨annlich; Beispiel: mhd. t´a-ge). Im anderen Falle besteht die Kadenz aus einer metrisch langen und hebungstragenden Silbe sowie einer metrisch kurzen und im Regelfall unbetonten Silbe (weibliche Kadenz; Beispiel: mhd. l´an-d`e). Im Ausnahmefall k¨onnen bei einer weiblichen Kadenz auch einmal die letzten beiden Silben betont werden (Beispiel: l´an-d´e); man spricht dann von einer klingenden Kadenz. In der sp¨atmittelalterlichen Lyrik wird dieses System durch lautgeschichtliche Prozesse verein¨ facht: Da beim Ubergang vom Mittelhochdeutschen zum Fr¨uhneuhochdeutschen die Kurzvokale in offener Silbe gedehnt werden, schwindet die Differenz zwischen zweisilbig m¨annlicher und weiblicher Kadenz; stattdessen ist dann nur der Unterschied zwischen ein- oder mehrsilbigem Versschluss wichtig. Auf der Basis dieser schlichten metrischen Prinzipien (alternierender Versbau; Nutzung des Endreims am Versschluss; Differenzierung der Kadenztypen) werden in der deutschsprachigen Ly3
rik des Mittelalters die unterschiedlichsten formalen Strukturen hervorgebracht. Diese Vielfalt beruht im Wesentlichen darauf, dass (anders als in der mittelhochdeutschen Epik) die Anzahl der Hebungen pro Vers nicht festgelegt ist und dass es u¨ berdies m¨oglich ist, beliebig viele Zeilen zu gr¨oßeren Einheiten zusammenzustellen, die wiederum den Grundbaustein f¨ur den Aufbau l¨angerer literarischer Reihen abgeben k¨onnen. Was solche zeilenu¨ bergreifenden Komplexe angeht, so lassen sich in der deutschsprachigen Lyrik des Mittelalters strophische und nicht-strophische Formen unterscheiden. Strophische Formen sind dadurch charakterisiert, dass sie auf der Wiederholung von identischen Einheiten basieren, deren gleich bleibende textmetrische Struktur durch die Wiederholung derselben Melodie unterstrichen wird (Schema: A A ... A). Die wichtigsten Vertreter der strophischen Lyrik sind das Lied, dessen textuelle Einheit auf einem Verbund von mehreren Strophen beruht, und der Sangspruch, bei dem die Verbindung zwischen den einzelnen Strophen eher locker ist. Im Unterschied zu Lied und Sangspruch finden sich in der mittelalterlichen Lyrik aber auch Strukturen, die aus der Abfolge von metrisch abweichenden und dementsprechend musikalisch variierten Einheiten (sog. Versikeln) gebildet werden (Schema: A B C ... X). Diese durchkomponierten und oftmals recht komplexen St¨ucke finden ihre wichtigste Parallele in der lateinischen Sequenz sowie im franz¨osischen Lai und Descort; in der hochmittelalterlichen Lyrik werden sie von den Autoren und den Schreibern der Handschriften als Leich bezeichnet. Die Auff¨uhrungsform der Lyrik liegt weitgehend im Dunkeln. Als Regelfall (zumal f¨ur die hochmittelalterlichen Verh¨altnisse) wird der Solovortrag angenommen. Diese These wird u. a. dadurch untermauert, dass in den Texten immer wieder IchSprecher inszeniert sind, die in der sozialen Rolle eines Gesangsk¨unstlers auftreten. Eine Strophe des Minnes¨angers Kaiser Heinrich (Ich gr¨ueze mit gesange) legt u¨ berdies nahe, dass die Lieder nicht nur von den Autoren, sondern auch von (professionellen?) Nachs¨angern vorgetragen sein k¨onnten. Neben dem solistischen Vortrag deuten die Texte aber auch andere Performanzformen an. So scheint der Leis In gotes namen fara wir als Chorgesang, Das Petruslied hingegen als Wechselgesang zwischen einem Vors¨anger und einem Chor realisiert worden zu sein. 4
Die deutschsprachige Lyrik des Mittelalters Mit der Einf¨uhrung der Polyphonie durch den Mo¨ nch von Salzburg und Oswald von Wolkenstein werden die Informationen u¨ ber die Performanzsituationen etwas konkreter. So zeigen die Handschriften, dass es sich beispielsweise bei Oswalds Tagelied Wach auff, mein hort! um einen mehrstimmigen Liedsatz handeln muss, der eine Instrumentalstimme mit einer Gesangsstimme verbindet, im Falle seiner Tageliedparodie Stand auff, Mare¨ del! belegt die Uberlieferung, dass zwei textierte Singstimmen zu einem regelrechten Gesangsduett zusammengef¨uhrt werden, w¨ahrend das Trinklied Her wiert, uns d¨urstet also sere offenbar als Kanon gesungen wurde. Gleichwohl lassen sich auch f¨ur die sp¨atmittelalterliche Liedkunst wichtige Parameter der Auff¨uhrung wie das Spieltempo oder die Dynamik kaum noch rekonstruieren. Das gilt letztlich auch f¨ur die Begleitung des Gesangs durch Instrumente. Diese ist zwar u. a. durch eine Notenschrift im K¨onigsteiner Liederbuch, die speziell f¨ur die Laute entwickelt worden ist (die sog. ‹Lautentabulatur›), eindeutig nachweisbar. Ferner zeigen die Miniaturen des Codex Manesse mittelhochdeutsche Lyriker gleich mehrfach mit Musikwerkzeugen: Der von Buochein bedient ein Psalterium (eine Art Tischorgel), w¨ahrend Reinmar der Fiedler (seinem Namen gem¨aß) mit der videl dargestellt wird, einer fr¨uhen Form der Geige, die z. B. auch in zwei Tanzleichs des Tannh¨ausers Erw¨ahnung findet. Meister Heinrich Frauenlob steht sogar inmitten einer Schar von Musikern, die u¨ ber eine Handtrommel, Fl¨oten, eine Schalmei, zwei Videln, ein Psalterium und einen Dudelsack verf¨ugen. In Gottfrieds von Straßburg Tristan wird schließlich die Harfe als Begleitung f¨ur den solistischen Gesang belegt, so dass sich in den Bildern, in den Liedern und in erz¨ahlenden Texten des Hoch- und Sp¨atmittelalters ein ganzes Spektrum unterschiedlicher Instrumente abzeichnet, mit deren Hilfe ein Liedvortrag unterst¨utzt worden sein k¨onnte. Gleichwohl sagen alle diese Zeugnisse nur wenig dar¨uber aus, wie im Einzelfall die Performanz von lyrischen Texten ausgesehen hat. F¨ur die hochmittelalterlichen Verh¨altnisse geht die Forschung davon aus, dass der Autor der Texte in der Regel identisch ist mit dem Komponisten der Melodie. Diese Annahme wird u. a. dadurch plausibilisiert, dass die Ich-Sprecher in den Liedern gelegentlich auch als die Erfinder der wˆısen imaginiert werden. Die Verh¨altnisse sind bei n¨aherem Hinsehen jedoch wesentlich komplexer. So ist schon 5
f¨ur die Vorauer Fassung des Ezzoliedes belegt, dass Textdichter und Melodieerfinder auseinander treten, berichtet doch die Prologstrophe, dass der phaphe Ezzo den Text verfasste, w¨ahrend sein Mitbruder Wille die Musik dazu geschaffen habe (V. 8 f.). Des Weiteren haben manche Autoren des sog. romanisierenden Minnesangs evidenterweise Melodien aus Frankreich u¨ bernommen und sie mit eigenen, deutschsprachigen Texten versehen. Beispiele solcher sog. Kontrafakturen sind etwa im Œuvre Friedrichs von Hausen oder Rudolfs von Fenis ¨ nachweisbar. Ahnliche Melodie¨ubernahmen, dieses Mal aus der lateinischen Literatur, finden sich dann in der geistlichen Lyrik des Sp¨atmittelalters (etwa bei Heinrich von Laufenberg oder in den geistlichen Liederb¨uchern) geh¨auft, zudem ist in diesem Kontext auch die Unterlegung von bekannten weltlichen Melodien mit neuen religi¨osen Texten gang und g¨abe. Das Weiterdichten auf der Basis a¨ lterer T¨one gilt uberdies ¨ als ein Spezifikum der meisterlichen Liedkunst sowie der NeidhartRezeption des 15. Jahrhunderts, so dass in der deutschen Liedkunst des Sp¨atmittelalters keineswegs immer wort und wˆıse aus einer Hand stammen m¨ussen. Dies belegt besonders eindr¨ucklich der spektakul¨are Fall des adeligen Dichters Hugo von Montfort, der angibt, seine Lieder von einem namentlich bekannten Gefolgsmann, B¨urg Mangolt, vertonen zu lassen.
Epochen deutscher Lyrik des Mittelalters Dass sich die gesungene deutschsprachige Lyrik des 9. bis 16. Jahrhunderts bis heute erhalten hat, verdankt sich dem Umstand, dass diese Literatur etwa seit dem 10. Jahrhundert in Handschriften aufgezeichnet worden ist; dieser Prozess der Verschriftlichung einer prim¨ar f¨ur den m¨undlichen Vortrag konzipierten Gattung ist jedoch keineswegs einheitlich und kontinuierlich; innerhalb des Zeitraums, der in der germanistischen Medi¨avistik u¨ blicherweise als ‹mittelalterlich› charakterisiert wird, lassen sich vielmehr drei Phasen der schriftlichen Tradierung unterscheiden, n¨amlich a) die fr¨uhen, im kirchlichen Kontext vorgenommenen Aufzeichnungen von deutscher Lyrik vornehmlich religi¨osen Inhaltes (10.–13. Jahrhundert), die lediglich an den R¨andern der lateinischen Schriftkultur erscheinen; 6
Die deutschsprachige Lyrik des Mittelalters b) die großen Liederhandschriften des 13. und fr¨uhen 14. Jahrhunderts, in denen sich die am Hof etablierte lyrische Tradition des Hochmittelalters kodifiziert, und c) die typologisch vielf¨altigen Textzeugen des 15. und fr¨uhen 16. Jahrhunderts, die entwickelt worden sind, um die diversen und an verschiedenen Orten (Kloster, Hof, Stadt) produzierten und rezipierten lyrischen Subdiskurse des Sp¨atmittelalters zu verschriften. Aufgrund dieser mediengeschichtlichen Einschnitte gliedert sich die nachfolgende Darstellung in drei Kapitel. Das erste besch¨aftigt sich (kurz) mit den lyrischen Texten, die in Handschriften tradiert worden sind, die zeitlich vor der Etablierung der großen mittelhochdeutschen Liedercodices liegen. Das zweite charakterisiert auf der Grundlage des Codex Manesse und der Jenaer Liederhandschrift die hochmittelalterliche Tradition von Minnesang, Spruch- und Leichdichtung, w¨ahrend der Schlussabschnitt im Ausgang von den wichtigsten Handschriften und Handschriftentypen des Sp¨atmittelalters die wesentlichen Erscheinungsformen der deutschen Lyrik vom Ende des 14. Jahrhunderts bis hin zu den ersten gedruckten Liederb¨uchern aus der ersten H¨alfte des 16. Jahrhunderts skizziert.
Deutschsprachige Lyrik in lateinischen Handschriften des 10. bis 13. Jahrhunderts Dass es bereits im Fr¨uhmittelalter metrisch gebundene und f¨ur den Gesangsvortrag konzipierte Texte in deutscher Sprache gegeben hat, wird durch mindestens drei sichere Zeugnisse belegt. Das erste ist das Petruslied vom Ende des 9. Jahrhunderts, ein neumierter, dreistrophiger Bittgesang an den Apostel Petrus, der offenbar als respondierender Zwiegesang konzipiert worden ist: W¨ahrend der Priester zwei binnengereimte Langzeilen intoniert, in denen Petrus als Heilsbringer und Himmelsw¨achter vorgestellt wird, antwortet die Gemeinde mit einem Refrain, dem liturgischen Kyrie, eleison! Christe, eleison («Herr, erbarme dich! Christus, erbarme dich»). Das Petruslied ist damit das erste schriftlich fixierte Beispiel eines religi¨osen Gemeinschaftsliedes (nach dem Refrain auch «Leis» genannt). Das zweite Zeugnis ist das in etwa gleichzeitige Ludwigslied, das in 59 binnengereimten Langzeilen schildert, wie der westfr¨ankische K¨onig Ludwig III. 7
mit Gottes Beistand und dank seiner heroischen Tugenden den Sieg uber ¨ die Normannen erringt; dass dieser melodielos tradierte Text tats¨achlich gesungen wurde, deutet sich nur in der lateinischen Beischrift an, die den christlich fundierten F¨urstenund Heldenpreis als Rithmus teutonicus bezeichnet. Bei dem dritten Beleg handelt es sich um ein im 10. Jahrhundert aufgezeichnetes Text-Fragment aus lediglich drei gereimten und neumierten Halbversen, das in der Forschung als Hirsch und Hinde bezeichnet wird. Die wenigen erhaltenen Worte deuten einen Dialog mit erotischem Hintersinn an; sie k¨onnten also zu einer fr¨uhen Tradition weltlicher Liebeslieder geh¨oren, von der sich ansonsten kaum Spuren nachweisen lassen. Alle diese Texte sind lediglich an den R¨andern der dominierenden lateinischen Buchkultur aufgezeichnet worden: Es handelt sich um eher schlichte, sporadische Eintr¨age, die keine nachweisbare Tradition begr¨unden (die Lieder sind alle unikal u¨ berliefert worden) und die vermutlich nur deshalb den Weg in den Codex gefunden haben, weil ihre Themen und Formen den Interessen der mit der Verwaltung von Schrift betrauten Klerikern entgegengekommen sind. An einer umfassenden Dokumentation der laikalen Liedkultur waren die Schreiber offenbar nicht interessiert; von daher ist es wenig verwunderlich, wenn andere Quellen die Existenz von Liedtypen bezeugen (wie z. B. durch Gesang begleitete Reigent¨anze oder lyrische Totenklagen), von denen sich keine althochdeutschen Texte erhalten haben. Hinzuweisen ist etwa auf die lateinischen Vokabularien, in denen auch die Terminologie volkssprachlicher literarischer Genera erscheint, oder auch auf das ber¨uhmte lateinische Mirakel, das von der Bestrafung von zw¨olf jungen M¨annern erz¨ahlt, die um 1020 mit einem von Gesang begleiteten Tanz die Weihnachtsmesse von K¨olbigk gest¨ort haben sollen. Im 12. und fr¨uhen 13. Jahrhundert scheint sich ¨ gegen¨uber der althochdeutschen Zeit die Uberlieferungssituation f¨ur deutschsprachige Lyrik nur wenig ver¨andert zu haben: Die Anzahl der erhaltenen Texte ist immer noch gering, und nach wie vor werden die meisten von ihnen in lateinischen Kontexten aufgezeichnet. Als sicher sangbar lassen sich das Ezzolied, die Mariensequenz von Muri, der Spruch Ubermuot diu alte, der Leis Christ ist erstanden sowie einige anonyme St¨ucke aus dem Codex Buranus nachweisen. Mo¨ glich, aber nicht sicher ist die 8
Die deutschsprachige Lyrik des Mittelalters Sanghaftigkeit anderer Dichtungen wie des Melker Marienliedes und verwandter Marientexte sowie weiterer kleiner St¨ucke aus dem 12. Jahrhundert. Bei genauerem Hinsehen zeigen sich indes auch charakteristische Differenzen: Zum Ersten nimmt das literarische Niveau der Texte erheblich zu: Neben eher schlichten St¨ucken (Ubermuot diu alte; Christ ist erstanden) stehen anspruchsvollere Dichtungen, unter denen zwei besonders hervorzuheben sind, welche die sp¨ater breit bezeugte Gattung des deutschsprachigen Leichs vorwegnehmen, n¨amlich das auf 1057–65 datierte Ezzolied, ein gesungener Abriss der Heilsgeschichte (Sch¨opfungspreis, Schilderung des S¨undenfalls, Christus als Erl¨oser der Menschheit), der in der Langversion 34 ungleich große Abschnitte mit insgesamt 420 Versen umfasst und die um 1180 entstandene Mariensequenz von Muri, eine mit den Mitteln der Figuraldeutung arbeitende Marienpreisdichtung nach der lateinischen Sequenz Ave praeclara maris stella, deren 69 Verse sich auf sieben jeweils wiederholte Versikel (‹Doppelversikel›) sowie einen Einleitungsund einen Schlussabschnitt verteilen. Zum Zweiten lassen sich jetzt gleich mehrere F¨alle von Mehrfach¨uberlieferung nachweisen (Ezzolied, Mariensequenz von Muri; Christ ist erstanden) und damit die Ans¨atze zu einer Traditionsbildung in der Schrift. Auf eine ver¨anderte literarische Situation weist u¨ berdies der Sonderfall des Codex Buranus hin (M¨unchen, Bayerische Staatsbibliothek: clm 4660/4660a), eine um 1230 angelegte Sammelhandschrift, die haupts¨achlich lateinische Texte (Lyrica und geistliche Spiele) enth¨alt, die aber auch die nicht unbetr¨achtliche Anzahl von 52 mittelhochdeutschen Strophen tradiert, die am Schluss von großteils neumierten, lateinischen oder lateinisch-deutschen Liedeinheiten eingetragen wurden und von denen einige auf der Grundlage sp¨aterer Handschriften als Dichtungen von zeitgen¨ossischen Minnes¨angern identifiziert werden k¨onnen (Heinrich von Morungen; Reinmar; Walther von der Vogelweide; Otto von Botenlauben; Neidhart). Der Codex Buranus zeigt zum ersten Mal in der Geschichte der deutschen Literatur an, dass lateinisch gebildete Sammler und Handschriftenbesitzer die deutschsprachige Lyrik als literarischen Diskurs ernst nehmen und ihn als Gegenpart und Erg¨anzung zu der dominanten lateinischen Kultur aufzeichnen lassen. Verbunden ist dies mit der Aufmerksamkeit f¨ur die metrisch-musikalische Seite 9
der Lieder und mit dem Interesse an einem recht begrenzten, vor allem auf die Themen ‹Tanz› und ‹Freude› konzentrierten Spektrum der Minnedarstellung, das mit den Konventionen der mittellateinischen Liebeslyrik besonders gut zusammengeht; eine umfassende Dokumentation der volkssprachigen Lyrik wurde aber auch von diesen Sammlern nicht angestrebt.
Hofische ¨ Lyrik – Die deutschsprachige Lyrik des Hochmittelalters Dieser Weg in die Schriftlichkeit wird erst Jahrzehnte sp¨ater in dem Tradierungstyp der großen mittelhochdeutschen Liederhandschrift eingeschlagen, der lyrische Texte in deutscher Sprache nicht mehr nur mit¨uberliefert, sondern sie in das Zentrum des Sammlerinteresses r¨uckt. Als ¨ fr¨uhestes Beispiel solch eines Uberlieferungstr¨ agers hat sich die um 1270–1280 im Elsass entstandene Kleine Heidelberger Liederhandschrift A (Heidelberg, Universit¨atsbibliothek, cpg 357; mit sp¨ateren Erweiterungen) erhalten; die von A repr¨asentierte ¨ Uberlieferungsform d¨urfte indes, wie die markan¨ ten Ubereinstimmungen mit anderen Textzeugen belegen, schon a¨ lter sein. In der Zeit um 1300 und zu Beginn des 14. Jahrhunderts ist sie dann gleich mehrfach vertreten: Hier sind vor allem die Weingartner Liederhandschrift B (Stuttgart, W¨urttembergische Landesbibliothek, HB XIII 1; Konstanz, nach 1300 mit Nachtr¨agen), die auch als Codex Manesse bezeichnete Große Heidelberger Liederhandschrift C (Heidelberg, Universit¨atsbibliothek, cpg. 848; Z¨urich um 1300 mit Nachtr¨agen) und die Jenaer Liederhandschrift J (Jena, Universit¨atsbibliothek, Ms. El.f. 101; niederdeutsch, um 1330) zu nennen. Im Unterschied zu zeitgleich entstandenen Lyrikhandschriften in Frankreich und Italien sind die zentralen Grunds¨atze, nach denen in diesen ¨ Uberlieferungszeugen die Texte angeordnet werden, sehr einheitlich: Gemeinsam ist ihnen allen, dass sie jedem lyrischen Text einen Textdichter und Melodieerfinder zuweisen (Autorprinzip) und dass sie alle Texte desselben Verfassers in einer geschlossenen Sammlung vereinen (Corpus-Prinzip). Dabei weichen die einzelnen Handschriften in der Anzahl der aufgezeichneten Autorsammlungen und deren Reihung sowie hinsichtlich der in den einzelnen Corpora vertretenen Texte und 10
Die deutschsprachige Lyrik des Mittelalters Textgattungen deutlich voneinander ab; diese Unterschiede m¨ogen sich teils aus den Interessen der Auftraggeber und Redaktoren, teils aus der Quellenlage ergeben. Weitere Differenzen betreffen die Bilder oder die Melodien, die den Texten beigef¨ugt sein k¨onnen. Bilder finden sich vor allem in der Gruppe u¨ berlieferungshistorisch recht eng zu¨ sammenh¨angender Uberlieferungszeugen alemannischer und bairischer Provenienz, die (fast) jedes Corpus mit einer Miniatur er¨offnen, die den Autor der nachfolgend eingetragenen Texte darstellt (vor allem B und C). Eine Melodienotation fehlt dagegen in den illustrierten Handschriften g¨anzlich; sie ist u¨ berhaupt im oberdeutschen Sprachraum des 13. und fr¨uhen 14. Jahrhunderts nur selten belegt. Stattdessen findet sich im niederdeutschen Raum, im weiteren Umkreis der Jenaer Liederhandschrift, ein regelrechtes Zentrum von Melodiehandschriften, die nun umgekehrt alle ohne Autorenbilder ausgestattet sind. Neben der selbstst¨andigen Lyrikhandschrift sind vom 12. bis zum 14. Jahrhundert noch weitere Tradierungsformen bezeugt, n¨amlich die Einzelaufzeichnungen in fremder Umgebung (wie in der althochdeutschen und fr¨uhmittelhochdeutschen Lyrik) sowie Lyriksammlungen in gattungs¨ubergreifenden Mischhandschriften. Letztere sind z. T. nach dem Autor- und Corpusprinzip organisiert, wie z. B. die wichtigste zusammenh¨angende Sammlung von Neidhart-Liedern, die in eine ansonsten von epischen Texten dominierte Handschrift eingetragen worden ist (Berlin, SBPK, mgf 1062 = Neidhart R), oder die in sich geschlossenen Lyrikcorpora aus dem sog. ‹Hausbuch› des W¨urzburger Protonotars Michael de Leone (M¨unchen, Universit¨atsbibliothek, 2° cod. ms. 731 = Walther von der Vogelweide/Reinmar E). Mitunter findet sich aber auch eine Anordnung nach Themen und/oder Gattungen (Minnesangflorilegien; anonyme Sangspruchsammlungen). Sonderf¨alle sind die Handschrift D, die haupts¨achlich die Texte eines einzigen Autors, des Sangspruchdichters Reinmar von Zweter, enth¨alt (Heidelberg, UB, cpg 350), sowie der Frauendienst Ulrichs von Liechtenstein, eine fiktive Lebensgeschichte des Autors, in die seine Lieder und Leichs eingebettet worden sind (M¨unchen, BSB, cgm 44). ¨ Die typologisch ausdifferenzierte Uberlieferung des 13. und fr¨uhen 14. Jahrhunderts thesauriert nun eine im Verh¨altnis zum Fr¨uhmittelalter explosionsartig angestiegene lyrische Tradition, die seit der 11
Mitte des 12. Jahrhunderts an den Herrschaftszentren des Hochadels entsteht und f¨ur das dort lebende Publikum konzipiert worden sein d¨urfte. Da die Handschriften jetzt in der Regel die Namen (und oft auch den Stand) der Verfasser u¨ berliefern, k¨onnen nun viele der genannten Autoren einigermaßen verl¨asslich einem bestimmten sozialen Stand zugeordnet werden: Es handelt sich einerseits um Herrscher und Landesf¨ursten (z. B. Kaiser Heinrich VI., K¨onig Wenzel II. von B¨ohmen, Markgraf Otto IV. von Brandenburg mit dem Pfeile) und die Mitglieder der h¨ofischen F¨uhrungseliten (z. B. Friedrich von Hausen, Schenk Ulrich von Winterstetten, der Truchsess von St. Gallen), andererseits aber um vom Hof oder vom st¨adtischen Patriziat abh¨angige Berufsdichter (wie Spervogel, Walther von der Vogelweide, Reinmar von Zweter, Rumelant von Sachsen oder Konrad von W¨urzburg), w¨ahrend Kleriker wie der Dominikaner Eberhard von Sax nur selten als Verfasser von h¨ofischer Lyrik in Erscheinung treten. Mit dem Wechsel vom Bischofssitz und dem Kloster zum Hof a¨ ndert sich der Charakter der Lyrik auf eine grundlegende Weise. Dies betrifft zun¨achst die Inhalte: Zwar werden immer noch viele St¨ucke verfasst, die im allerweitesten Sinne als ‹geistlich› zu bezeichnen sind; daneben steht jetzt aber ein breit ausdifferenzierter lyrischer Diskurs zum Thema ‹Liebe› sowie eine Tradition didaktischer, nicht ausschließlich theologisch argumentierender Texte, die ein großes Spektrum unterschiedlicher Themen anvisieren. Eine weitere Differenz betrifft die Reimtechnik und die Metrik. Unter den Neuerungen des 12. Jahrhunderts ist zun¨achst die (auch in der zeitgen¨ossischen Epik erkennbare) Tendenz hervorzuheben, die phonetischen Bedingungen f¨ur den Endreim enger zu fassen: Brauchte sich in der fr¨uhen Lyrik der Gleichklang lediglich auf eine Klang¨ahnlichkeit im Vokal zu beziehen, wird jetzt die Identit¨at beider Vokale gefordert; ¨ außerdem wird die gew¨unschte lautliche Ubereinstimmung auf den nachfolgenden Konsonanten ausgedehnt: Assonanzen (mhd. hant : munt) werden genauso vermieden wie konsonantische Halbreime (mhd. hant : kalt). Eine zweite formale Innovation betrifft den Bau strophischer Texte, die seit der zweiten H¨alfte des 12. Jahrhunderts immer o¨ fter von dem aus Frankreich u¨ bernommenen Kanzonenschema gepr¨agt sind. Dieses Schema legt fest, dass die Makrostruktur der Strophe aus zwei ungleich großen und me12
Die deutschsprachige Lyrik des Mittelalters trisch voneinander abweichenden Abschnitten besteht, aus dem Aufgesang und dem Abgesang, wobei sich der Eingangsteil nochmals in zwei metrisch identische Abschnitte, die beiden Stollen, gliedert, so dass sich insgesamt eine Dreigliederung in 1. Stollen, 2. Gegen-Stollen und 3. Abgesang ergibt (Schema: A A B). Dieser Bauplan kann vielf¨altig variiert und weiterentwickelt werden. Besonders wichtig sind dabei die Rundkanzone, bei der Schlussteile der Stollenmelodie am Ende des Abgesanges wiederholt werden, und der im Bereich der Sangspruchdichtung weit verbreitete sog. ‹Reprisenbar›, der die Dreierstruktur des Kanzonenschemas zu einer Vierergliederung ausweitet, indem nach dem Abgesang die Stollenmelodie nochmals wiederholt wird (Schema: A A B A). Die Kanzonenform und ihre Varianten verdr¨angen sukzessive a¨ltere Strophenbaupl¨ane, die mit z¨asurierten Langzeilen arbeiten, also mit 6-, 7- oder 8-hebigen Versen, die mittels einer Pause (der sog. Z¨asur) in zwei Abschnitte, den An- und Abvers gegliedert werden. Das bekannteste Beispiel einer Strophenstruktur, die auf solchen Langzeilen basiert, ist die K¨urenberger-Strophe, die in ihren Grundz¨ugen mit dem Bau der Nibelungenlied-Strophe u¨ bereinstimmt. Im Sp¨atmittelalter wird sie (um eine Hebung im Abvers der vierten Zeile verk¨urzt) als Hildebrandston wieder aufgegriffen. Schließlich wird in der 2. H¨alfte des 12. Jahrhunderts aus mindestens zwei Gr¨unden das System der lyrischen Subtypen komplexer. Zum Ersten wird im Bereich der strophischen Dichtungen eine Differenzierung erkennbar, die auf der Koppelung von thematisch-inhaltlichen und formalen Gesichtspunkten beruht: Sp¨atestens in der Zeit um 1200 wird die Liebesthematik durchweg in mehrstrophigen Einheiten (im Minnelied) verhandelt, die dadurch gekennzeichnet sind, dass f¨ur jeden Text eine neue metrisch-musikalische Form (ein Ton) gew¨ahlt wird, w¨ahrend politisch-soziale, moraldidaktische oder religi¨ose Inhalte im Medium des Sangspruches vermittelt werden, welcher der Tendenz nach auf in sich abgeschlossene Einzelstrophen hin konzipiert worden ist. Dabei verwenden die Verfasser oftmals f¨ur eine ganze Vielzahl von thematisch sehr weit gespannten Sangspruchstrophen eine einzige Melodie; im Extremfall Reinmars von Zweter liegen u¨ ber 250 Strophen in der gleichen metrisch-musikalischen Struktur, dem Frauen-Ehren-Ton, vor. Diese Neigung zur Einstrophigkeit schließt indes keineswegs aus, dass 13
gelegentlich thematisch passende Einzelstrophen zu gr¨oßeren Zyklen zusammengeschlossen werden konnten (Spervogel; Walther von der Vogelweide). Am Ende des 13. Jahrhunderts kommt es u¨ berdies zu der Sonderentwicklung, dass aus ¨ Sangspruchstrophen locker gef¨ugte, in der Uberlieferung h¨ochst variabel gestaltete Textkonglomerate entstehen (Winsbecke; Winsbeckin; Tirol und Fridebrant; der Wartburgkrieg-Komplex). In Folge dieser Neuerungen verteilt sich die deutschsprachige Lyrik des Hochmittelalters im Wesentlichen auf drei Hauptgruppen: auf den durchkomponierten Leich, das haupts¨achlich mehrstrophige Minnelied und den tendenziell einstrophigen Sangspruch, der thematisch nicht festgelegt ist. Mehrstrophige Einheiten mit religi¨oser Thematik sind dagegen eher die Ausnahme (z. B. bei Meister Alexander). Zudem wird innerhalb dieser drei Textgruppen Leich, Minnelied und Sangspruch noch eine ganze Anzahl von Subtypen ausgebildet, die teils auf thematisch-inhaltlichen Merkmalen, teils auf formalen Kennzeichen beruhen. Diese Binnendifferenzierung soll nun (weitgehend auf der Basis der in C und J tradierten Texte) etwas ausf¨uhrlicher beschrieben werden; auf eine chronologische Pr¨asentation des Materials wird jedoch mit Ausnahme eines kurzen historischen Abrisses am Ende des Kapitels verzichtet. Solch ein Vorgehen erw¨achst dabei nicht nur aus der Schwierigkeit, dass der u¨ berwiegende Teil der in C und J aufgezeichneten Texte nur schwer zu datieren ist, sondern tr¨agt vor allem dem Umstand Rechnung, dass im Bereich der mittelhochdeutschen Lyrik sp¨atestens seit 1200 keine ‹Entwicklung› mehr in dem Sinne vorliegt, dass die verschiedenen Textcorpora direkt aufeinander aufbauen w¨urden. Charakteristisch ist vielmehr, dass die Autoren des 13. Jahrhunderts auf jeweils eigenst¨andige Weise etablierte Form- oder Inhaltselemente ausw¨ahlen, diese miteinander kombinieren oder modifizieren, um sie f¨ur ihre individuellen Darstellungsabsichten zu funktionalisieren.
Typen hofischer ¨ Lyrik Die Binnengliederung des hochmittelalterlichen deutschen Minneliedes
In der Tradition der hochmittelalterlichen Liebeslyrik in deutscher Sprache wird von Anfang an ein Ensemble von Liedtypen ausgebildet, die sich 14
Die deutschsprachige Lyrik des Mittelalters vor allem in der Ausgestaltung der textinternen Kommunikation unterscheiden. Analysiert man die Sprecher- und Adressaten-Rollen des hochmittelalterlichen Minneliedes und die dort vorgenommenen Kontextualisierungen der liedinternen Sprechakte, dann kristallisieren sich vier charakteristische Grundmuster heraus (Werbelied; Frauenmonolog; Wechsel; Dialoglied), die jedoch weiterentwickelt und modifiziert werden konnten. Der erste Subtyp, das Werbelied, setzt einen m¨annlich konturierten Sprecher voraus, der eine geliebte Frau aus einer Position der Distanz heraus adressiert oder u¨ ber sie redet. Topische Elemente dieser Rede sind der Frauenpreis, die Bekundung von Dienstbereitschaft durch den Mann oder auch die mehr oder minder verh¨ullte Artikulation sexueller W¨unsche. Als textinterner Empf¨anger fungieren die umworbene Dame selbst oder eine in der Regel wenig konkrete Gruppe, die gesellschaftliche Außennormen vertritt. Gelegentlich werden auch Gott oder die Personifikationen h¨ofischer Werte adressiert. Zumeist wird im Werbelied ein h¨ofischer Kontext vorausgesetzt; u¨ ber den konkreten sozialen Status des Sprechers und der umworbenen Dame geben die Texte allerdings keine Auskunft. Die in der a¨lteren Forschung g¨angige Meinung, im Werbelied a¨ ußere sich ein Ritter, der seine verheiratete Herrin umwerbe und zum Ehebruch auf¨ fordere, ist durch die Texte nicht gedeckt. Ahnlich undeutlich bleibt die Referenz auf die Gesellschaft, die lediglich unter dem gattungstypischen Gesichtspunkt eingef¨uhrt wird, ob sie den Sprecher unterst¨utzt (vriunt) oder aber (und dies h¨aufiger) als Hindernis f¨ur die Liebenden wahrgenommen wird. Die Hindernisse werden konkretisiert in der Instanz der huote (der sozialen Kontrolle) oder in der Person des merkære (des Aufpassers). Schon fr¨uh zeigt sich im Werbelied eine Ausdifferenzierung der Sprecher-Instanz, die nicht nur als Liebender erscheint, sondern auch andere Rollen u¨ bernehmen kann: Hierzu geh¨ort vor allem die Konturierung des Liebenden als Vortragsk¨unstler, der o¨ ffentlich u¨ ber Minne und den Minnesang singt (und auf diese Weise ein f¨ur die Gattung typisches Moment von poetologischer Reflexion erzeugt); hinzu kommt die aus dem sprachlichen Gestus des Sangspruchs u¨ bernommene Rolle des Lehrenden und Kritikers, der die Rede u¨ ber Minne als Medium f¨ur eine Reflexion u¨ ber den Zustand der Gesellschaft nutzt. 15
Das direkte Gegenst¨uck zum Werbelied ist der zweite Subtyp, der Frauenmonolog, in dem die Sprecher-Instanz durch eine weibliche Person besetzt ist, die sich u¨ ber ihre Liebe zu einem Ritter a¨ ußert. Auch hier ist die kommunikative Situation oft so gestaltet, dass die Sprecherin aus einer Position der Distanz zum Adressaten heraus redet. Typische Inhalte der Frauenrede sind die Artikulation von erotischen W¨unschen oder die Klage u¨ ber die Hindernisse der Liebe; sehr charakteristisch ist auch die Reflexion u¨ ber die Gefahren, die der Sprecherin entst¨unden, wenn sie dem erotischen Begehren des Ritters nachk¨ame. Der Empf¨anger der Rede ist der geliebte Ritter, der in der Regel als abwesend und nicht erreichbar vorgestellt wird: Im Unterschied zum Werbelied, das sehr oft eine o¨ ffentliche Sprechsituation imaginiert, erscheinen die Sprechakte vieler Frauenmonologe als nicht-¨offentlich. Aufgrund dieser Restriktion des Redeortes entf¨allt die f¨ur viele Werbelieder charakteristische Ausdifferenzierung der Sprecherrolle in einen ‹privat› Liebenden und einen ‹¨offentlich› agierenden S¨anger oder Gesellschaftskritiker; gleichzeitig wird ein im Vergleich mit dem Werbelied gr¨oßerer Innenraum er¨offnet, in dem (als gekonnter Inszenierungseffekt m¨annlicher Autoren) scheinbar authentische weibliche W¨unsche und Emotionen artikuliert werden. Der dritte Subtyp, der Wechsel, arbeitet mit zwei sprechenden Personen, einer weiblichen und einer m¨annlichen, die u¨ bereinander, aber nicht miteinander reden, so dass die Kommunikation eine r¨aumliche und zeitliche Distanz zwischen den sprechenden Personen voraussetzt. Oft wird diese Form dazu genutzt, die Irritationen im Umgang der Geschlechter darzustellen, die nicht einfach nur thematisiert, sondern mittels der texttypenspezifischen Gestaltung der Redesituation regelrecht simuliert werden. Im Unterschied dazu setzt der vierte Subtyp, das Dialoglied, die r¨aumlich-zeitliche N¨ahe der am Gespr¨ach beteiligten Personen voraus. Dabei lassen sich zwei typische Grundkonstellationen unterscheiden. Im ersten Fall kommunizieren Dame und Ritter miteinander. Ziel dieses Gespr¨achs ist es, genderspezifische Sichtweisen auf das Geschlechterverh¨altnis und die Minne vorzuf¨uhren – oft mit der u¨ berraschenden Pointe, dass die weibliche Person als rhetorisch u¨ berlegen erscheint. Im zweiten Fall wendet sich ein m¨annlicher Sprecher an ein personalisiertes Abstraktum (Frau Minne, die 16
Die deutschsprachige Lyrik des Mittelalters Natur). Hier wird der Dialog als eine rhetorische Strategie genutzt, um die Position des Sprechers in Abgrenzung zu anderen Einstellungen zu verdeutlichen. Die vier skizzierten Grundformen des Minnesangs k¨onnen nun auf verschiedene Weise erweitert und modifiziert werden. Eine h¨aufig angewendete Technik der Variation besteht darin, zwischen Sender und Empf¨anger eine vermittelnde Figur einzuschieben (Botenlied). Dies geschieht meist in der Weise, dass ein Teilnehmer der Minnekommunikation (m¨annlich oder weiblich) einen Boten anspricht und ihn instruiert, was er dem eigentlichen Adressaten (der Dame oder dem Ritter) mitteilen m¨oge; gelegentlich wird aber auch ein Dialog zwischen dem oder der Minnenden und dem Boten gestaltet. Außerdem kann diese Kommunikation mit dem Boten durch eine Stellungnahme des anderen Minnepartners erg¨anzt werden (sog. ‹erweiterter Wechsel›). Die Botenfigur erkl¨art sich funktional als eine Konkretisierung der aus dem Werbelied bekannten Instanz des Helfers (der dort jedoch nur selten zu Wort kommt). Die Einf¨uhrung dieser neuen Instanz dient generell zur Stilisierung der Distanz zwischen Mann und Frau; u¨ berdies erm¨oglicht sie es, die innere Einstellung des oder der Sprechenden in einem nicht-¨offentlichen, vertrauten Rahmen zu artikulieren. Eine weitere Form der Variation wird durch eine Kontextualisierung der liedinternen Kommunikation erreicht. Dies ist am besten am Tagelied, an dem abendlichen Einlasslied (Serena) und an der Pastourelle zu erkennen: Das entscheidende Prinzip dieser Liedtypen besteht darin, die Kommunikation zwischen den Liebenden an Orte und Situationen zu binden, die der o¨ ffentlichen Kontrolle entzogen sind und deshalb eine ganz andere Art des Sprechens u¨ ber Liebe und Sexualit¨at erm¨oglichen. Das Tagelied setzt die Situation eines Liebespaares am Morgen nach einer gemeinsam verbrachten Nacht voraus und thematisiert den Konflikt zwischen dem Verlangen, noch l¨anger beieinander bleiben zu wollen, und der (von außen) an den Mann herangetragenen Notwendigkeit, den Ort der Liebesvereinigung zu verlassen. Diese Grundsituation kann durch die Aufnahme einer zus¨atzlichen kommunikativen Instanz erweitert werden, die entweder nur adressiert wird oder auch in einen Dialog mit Ritter oder Dame treten kann. Im Regelfall wird diese zus¨atzliche Instanz als ‹W¨achter› konturiert, der den Tagesanbruch verk¨undet. Er 17
wird zum Vertrauten der Liebenden stilisiert, vertritt aber auch mit seiner Mahnung zum Aufbruch Außennormen. Mitunter wird diese Figur durch eine Dienerin der Dame bzw. einen Freund oder Vertrauten ersetzt; Ulrich von Winterstetten kombiniert Dienerin und W¨achter. Die Einf¨uhrung dieser zus¨atzlichen kommunikativen Instanz erm¨oglicht eine Vielzahl unterschiedlicher Sprechsituationen. So kann das Tagelied z. B. als Dialog zwischen Mann und Frau oder als Dialog zwischen der Dame und dem W¨achter gestaltet werden, daneben finden sich Lieder mit einer u¨ berwiegenden oder alleinigen W¨achterrede oder mit einem reinen M¨annermonolog; gelegentlich wird das Tageliedgeschehen auch ganz als Erz¨ahlung eines unkonturierten Sprechers pr¨asentiert. Die mit dem Tagelied verwandte Gattung des Einlassliedes (Serena) zeigt eine a¨ hnliche Liebeskonzeption, beschreibt jedoch nicht die Situation nach, sondern vor der Liebesnacht. Serena und Tagelied k¨onnen auch dergestalt miteinander verbunden werden, dass auf die Beschreibung der Einlassszene die Schilderung des morgendlichen Abschiedes folgt. W¨ahrend Tagelied und Serena die soziale Gleichrangigkeit der Liebenden imaginieren, konstruiert die Pastourelle die Begegnung eines Ritters oder Klerikers mit einem einfachen M¨adchen (pastorella ‹Sch¨aferin›). Diese Begegnung findet außerhalb des h¨ofischen Bereiches statt, oft an einem locus amoenus, der durch eine Strophe mit Naturmotiven eingef¨uhrt werden kann. In der Regel wird die Pastourelle als Verf¨uhrungsdialog gestaltet, der entweder gelingt (und dann mit der Schilderung erotischer Details einhergeht) oder scheitert (und dann den Witz und die rhetorische Finesse des sozial unterlegenen M¨adchens vorf¨uhrt). Im Unterschied zum weit verbreiteten Tagelied sind deutschsprachige Pastourellen (anders als in Frankreich) selten bezeugt. Manche Tagelieder und Pastourellen sind narrativ organisiert, d.h., sie arbeiten anders als das klassische Werbelied mit zwei liedinternen kommunikativen Niveaus, n¨amlich mit der Ebene eines (in der Regel unkonturierten) Erz¨ahlers und seines Adressaten und der der agierenden Figuren. Diese Ausdifferenzierung der kommunikativen Ebenen stellt eine weitere Mo¨ glichkeit zur Bildung neuer Liedtypen bereit. Hierzu geh¨ort etwa das Schwanklied, das die Integration der textinternen Kommunikation in einen Erz¨ahlrahmen f¨ur die Darstellung komischer oder obsz¨oner Geschehnisse nutzt. Das 18
Die deutschsprachige Lyrik des Mittelalters bekannteste Beispiel ist das B¨uttner-Lied Gottfrieds von Neifen, das mittels metaphorisierter Ausdr¨ucke aus dem Bereich des Fassbindens auf eine leicht durchschaubare Weise von erotischen Vorg¨angen erz¨ahlt; das Schwanklied geh¨orte aber bereits zum Repertoire Neidharts. Neben der burlesken Variante findet sich vor allem im Œuvre Hadloubs auch eine h¨ofische Form des Erz¨ahlliedes, die eine Werbesituation in einem courtoisen Kontext narrativ ausgestaltet. Diese Texte verzichten keineswegs auf Komik, ihnen fehlt indes das f¨ur die Schwanklieder Neidharts oder Gottfrieds von Neifen charakteristische Element des Zotigen. Varianz kann ferner dadurch erzielt werden, dass der Minnediskurs mit anderen Normsystemen konfrontiert wird, wie dies etwa im Kreuzlied und im Herbstlied geschieht. Beim Kreuzlied handelt es sich in der Regel um einen S¨angermonolog, der am Beispiel des Kreuzzugs eine Spannung zwischen zwei Wertewelten konstruiert, n¨amlich zwischen dem Dienst des Ritters f¨ur die Dame und der als Gottesdienst verstandenen Teilnahme an einer milit¨arischen Unternehmung gegen nichtchristliche oder heterodoxe Religionsgemeinschaften. Zumeist entscheidet sich der m¨annliche Sprecher f¨ur die religi¨ose Aufgabe; allerdings gibt es im Werk Neidharts und des Tannh¨ausers auch Texte, in denen mit Blick auf die Freuden der Minne eine Kritik an den Kreuzzugsunternehmungen ge¨ubt wird. W¨ahrend das klassische Kreuzlied den Dienstgedanken des Werbeliedes durch den Hinweis auf religi¨ose Verpflichtungen problematisiert, indem es h¨ohere Werte ins Spiel bringt, erfolgt im Herbstlied die Kritik an der Lohnlosigkeit des Minneverh¨altnisses aus der genau entgegengesetzten Richtung, indem es gegen den Triebaufschub in der h¨ofischen Liebe die leicht zug¨angliche Befriedigung des Leibes durch den kulinarischen Genuss ausspielt. Das Herbstlied kann als eine regelrechte Komplement¨argattung aufgefasst werden, die auf einer bewussten Umkehrung oder Verschiebung von spezifischen Merkmalen des Werbeliedes beruht. Dieser Umgang mit vorgegebenen Strukturen des Minneliedes ist indes keine Besonderheit eines bestimmten Liedgenres; es ist vielmehr f¨ur den Systemcharakter der mittelhochdeutschen Minnelyrik und ihre Autoreferenz kennzeichnend, dass es von Anfang an Texte gibt, die mit konstitutiven Komponenten der gerade neu entstehenden lyrischen Genres spielen, indem sie diese parodistisch 19
gegen den Strich b¨ursten oder in andere Gattungskontexte stellen. Insbesondere das Tagelied besitzt ein so hohes Maß an Pr¨agnanz, dass es sehr leicht zu parodieren und mit anderen Gattungen zu kombinieren ist. Den mit Abstand produktivsten Fall eines kreativen Umgangs mit Mustern des Werbeliedes zeigt indes das poetische System Neidharts, das freilich nicht ohne die bereits in den Liedern Walthers von der Vogelweide greifbaren Verschiebungen und Modifikationen der Minnesangtradition denkbar ist; wegen ihrer Originalit¨at und ihrer enormen Wirkung auf die nachfolgende Liedkunst sollen diese beiden Neuans¨atze weiter unten etwas genauer vorgestellt werden.
Binnentypen des Sangspruchs Im Sangspruch f¨allt die Gestaltung der kommunikativen Verh¨altnisse wesentlich einfacher aus als im Minnelied. Die Sprecher werden oft im R¨uckgriff auf eine Ich-Rolle gestaltet, k¨onnen jedoch auch ganz unkonturiert bleiben. In ihrer argumentierend-r¨asonierenden und wertenden (seltener erz¨ahlenden) Besch¨aftigung mit einer ganzen Spanne geistlicher und weltlicher Themen vertreten die Spr¨uche zumeist eine allgemein belehrende, konstatierende Didaxe, die akzeptiertes Wissen von der Welt in sprachlich pr¨agnanter Form pr¨asentiert und deshalb auf keine konkrete Zielgruppe hin formuliert werden muss (Lehrspruch). In anderen F¨allen wendet sich der Sprechakt an identifizierbare Adressaten (an hochgestellte Personen der Zeitgeschichte oder aber an a¨ltere und zeitgen¨ossische Sangspruchautoren) und arbeitet dann mit Formen der Illokution, die (wie Klage, Bitte oder Tadel) auf den oder die Angesprochenen einzuwirken versuchen (Mahnspruch). Die kommunikative Grundsituation ist in der Regel die des Monologes; Dialoge kommen (vom Ausnahmefall des Wartburgkrieges und anderer gr¨oßerer Sangspruchkomplexe einmal abgesehen) eher selten vor (etwa im Rahmen eines fiktiven Gespr¨achs zwischen einem Sprecher und einer Personifikation). Anders als im thematisch festgelegten Minnelied ist beim Sangspruch eine Binnengliederung nach Inhaltstypen m¨oglich; um die große Masse der Spr¨uche in eine erste Ordnung zu bringen, bietet sich zun¨achst eine Grobunterscheidung in weltliche und geistliche Texte an. Dabei sollen als 20
Die deutschsprachige Lyrik des Mittelalters ‹geistlich› diejenigen Dichtungen bezeichnet werden, in denen es prim¨ar um die Vermittlung zentraler christlicher Werte und Dogmen oder um das Seelenheil und das Leben nach dem Tode geht. Umgekehrt werden diejenigen St¨ucke als ‹weltlich› klassifiziert, die das Verhalten der Menschen nicht ausschließlich sub specie aeternitatis betrachten, sondern in der Vielfalt ihrer sozialen Beziehungen und die dabei diesseitig-profane Wertmaßst¨abe anlegen. Die solchermaßen als ‹weltlich› klassifizierten Spr¨uche lassen sich nach der H¨aufigkeit, in der sie in prominenten Corpora des 12. und 13. Jahrhunderts vertreten sind, nochmals in mehrere Untergruppen einteilen: Bei der ersten Untergruppe handelt es sich um moraldidaktische Spr¨uche, die einer nicht dezidiert st¨andisch fixierten Didaktik verpflichtet sind. Im Unterschied dazu entfalten manche Texte eine regelrechte Herrenlehre: Sie fordern die Freigebigkeit und kritisieren den Geiz, problematisieren das Verh¨altnis von adeligem Stand und Ansehen und kritisieren Ratgeber und Intriganten; mitunter sind solche hofkritischen Texte in die umfangreicheren Sangspruchkomplexe wie Tirol und Fridebrant oder den Winsbecke integriert. Eng verbunden mit der Herrenlehre sind einerseits Spr¨uche zur Fahrendenthematik, in denen auf die soziale Situation der abh¨angigen Berufsdichter hingewiesen wird, und andererseits G¨onnerlob und -schelte. Als eine besondere Gruppe kristallisieren sich seit Walther von der Vogelweide die politischen Spr¨uche heraus, die solche einschneidenden Ereignisse wie den Thronstreit zwischen Staufern und Welfen, die Spannungen zwischen Kaiser und Papst oder das Interregnum von 1256 bis 1273 thematisieren und aus der Sicht einer bestimmten Partei heraus bewerten. Daneben hat es selbstverst¨andlich auch Texte gegeben, die eher auf regionalpolitische Vorg¨ange reagieren. Als Beispiele seien Rumelants Stellungnahmen zu dem Mord an Erich V. von D¨anemark oder Stolles Spr¨uche auf die Hinrichtung der Maria von Brabant genannt. Im Medium des Sangspruchs werden u¨ berdies Fragen der Minne, des Geschlechterverh¨altnisses und der Ehe diskutiert. In einer genderspezifischen Zuspitzung, als Minnelehre f¨ur die jungen Frauen, ist dieses Thema der zentrale Gegenstand der Dialoge in der Winsbeckin, einem Sangspruchstrophenkomplex, der als Dialog zwischen der Winsbeckin und ihrer Tochter gestaltet ist. Eine Besonderheit ist der sog. ‹wˆıp-frouweStreit›, eine zwischen verschiedenen Sangspruchautoren des 13. Jahrhunderts (Frauenlob, Regen21
bogen, Rumelant von Sachsen) gef¨uhrte literarische Debatte, ob zur Kennzeichnung der Frau der Terminus wˆıp oder der Begriff frouwe angemessener sei. Diese Debatte geh¨ort in den Kontext von auch anderw¨arts bezeugten literarischen Interaktionen zwischen Sangspruchautoren. In diesen ‹Dichterfehden› wird zum einen um poetologische Prinzipien gestritten; diese Strophen m¨ussen vor dem Hintergrund betrachtet werden, dass die Sangspruchautoren generell die literarischen Gegebenheiten der Gattung zum Thema ihrer Texte machen k¨onnen. Zum anderen werden in diesen Strophen aber auch die Leistungen anderer Lyriker gelobt oder getadelt; diese Form von Kommunikation u¨ ber andere Autoren wird von Reinmar von Brennenberg, dem Marner oder Hermann Damen zu regelrechten Dichterkatalogen ausgebaut; sie spiegelt sich u¨ berdies in der Anlage der C-Fassung des Wartburgkrieges wider, eines umfangreichen Komplexes aus Sangspruchstrophen in haupts¨achlich zwei T¨onen (Th¨uringer F¨urstenton; Klingsors Schwarzer Ton), der in seinem ersten Teil (dem F¨urstenlob) einen fiktiven Wettkampf schildert, bei dem verschiedene (teils fiktive, teils historisch bezeugte) Spruchautoren darum streiten, wer den besten F¨ursten preist. Im zweiten Teil wird das R¨atselspiel angeh¨angt, das davon erz¨ahlt, wie der Laie Wolfram von Eschenbach die R¨atsel des gelehrten Klingsor aufl¨ost. Diese Strophen f¨uhren zwei weitere Inhaltstypen des Sangspruchs zusammen, n¨amlich einerseits die R¨atsel-, L¨ugen- und Scherzspr¨uche und andererseits die Spr¨uche zu gelehrten Themen (vor allem der Naturkunde, Astrologie oder Kosmogonie). Die geistlichen Spr¨uche lassen sich auf der Basis ihrer Haltung zu den vermittelten Gegenst¨anden in drei Hauptgruppen einteilen: religi¨ose Par¨anese, Preisgedichte und Bittgedichte. Prim¨ar belehrende geistliche Spr¨uche pr¨asentieren g¨angige Kenntnisse u¨ ber wichtige Ereignisse der Heilsgeschichte, wie das Weihnachts- oder das Karfreitags- und Ostergeschehen, und kommentieren den Sinn der Sakramente oder die Aufgaben der Kirche. In diesen Kontext lassen sich auch die Spr¨uche einordnen, die eine generelle Kritik an der Welt formulieren und die Sterblichkeit des menschlichen Lebens in Erinnerung rufen. Die geistlichen Preisspr¨uche stellen vor allem das Lob Gottes, Marias oder der Trinit¨at in den Vordergrund. Die gebetsartigen Spr¨uche sind vor allem dadurch charakterisiert, dass sie die 22
Die deutschsprachige Lyrik des Mittelalters Adresse an transzendente Instanzen mit einer Bitte um Beistand f¨ur Leben und Sterben kombinieren. Neben diesen drei Hauptformen finden sich noch Sondergruppen wie z. B. die zur religi¨osen Umkehr aufrufenden geistlichen Weckrufe in Sangsprucht¨onen oder die Segensw¨unsche.
Binnentypen des Leichs Der Leich ist dadurch gekennzeichnet, dass sein Bau nicht wie das Lied auf der Abfolge strophischer Einheiten beruht; seine Makrostruktur entsteht vielmehr dadurch, dass metrisch ungleich gebaute Einheiten hintereinander gestellt werden. Bei der Reihung dieser Bauelemente (‹Versikel›) l¨asst sich eine Vielzahl von Gestaltungsm¨oglichkeiten feststellen, von denen einige besonders wichtige hervorgehoben werden sollen. Zum Ersten k¨onnen Versikelfolgen (‹Perikopen›) von metrisch abweichenden Anfangs- und Endst¨ucken eingerahmt werden. Zum Zweiten lassen sich Versikel paarweise anordnen; ist die Form ganz auf die Abfolge von solchen Doppelversikeln abgestellt (A A – B B – C C – D D ...), so spricht man von fortschreitender Repetition. Diese Struktur steht dem Aufbauprinzip der lateinischen Sequenz sehr nahe. Zum Dritten besteht die Mo¨ glichkeit, nicht nur einzelne Versikel, sondern ganze Perikopen zu wiederholen (Reprisentypus); geschieht dies in der Weise, dass eine anfangs pr¨asentierte Versikelfolge in einem zweiten Abschnitt repetiert wird, liegt ein sog. ‹doppelter Cursus› (A B C – A B C) vor. Inhaltlich l¨asst sich wie im Fall der Sangspruchdichtung zwischen eher geistlichen und tendenziell weltlichen Texten unterscheiden. Die weltlichen Leichs besch¨aftigen sich uberwiegend ¨ mit Frauenpreis und Minneklage, so dass eine große N¨ahe zum Typus des klassischen Werbeliedes vorliegt. Im Minneleich Frauenlobs ist das Thema in ein philosophisch-theologisches Preisgedicht auf die Gattung Frau u¨ berf¨uhrt worden. Eine thematische Erweiterung liegt ferner in den Tanzleichs des Tannh¨ausers und Ulrichs von Winterstetten vor, weil dort die textinterne Kommunikation durch eine imaginierte Reigenszenerie konkretisiert wird; Tannh¨auser verbindet dies auch noch mit Elementen aus dem Sangspruch und der Pastourelle. Die geistlichen Leichs besch¨aftigen sich vor allem mit christologischen und marianischen Fragen; 23
beide Aspekte k¨onnen wie im Fall des Leichs von Walther von der Vogelweide miteinander kombiniert werden. Außerdem klingt bei Walther noch das (ansonsten im Spruch vermittelte) Thema der Kirchenkritik an. Die Verbindung von religi¨osem Inhalt und Zeitgeschichte ist ansonsten noch im Leich Heinrichs von Rugge bezeugt, der einen regelrechten Kreuzzugsaufruf formuliert. Der H¨ohepunkt des religi¨osen Leichs ist sicherlich mit den Texten Frauenlobs erreicht: Der umfangreiche Kreuzleich ist dem Lob der Trinit¨at, der Inkarnation und dem Preis des heiligen Kreuzes gewidmet. Der Marienleich ist ein sprachlich h¨ochst elaboriertes Lob der Gottesmutter, das u. a. durch seine k¨uhne Metaphorik und durch seine ungew¨ohnliche Gestaltung der Sprechrollen auff¨allt (der Ich-Sprecher erscheint in der Rolle des vision¨aren Johannes auf Patmos; dann ergreift die von Johannes Gepriesene selbst das Wort).
Etappen der mittelhochdeutschen Lyrik von 1140 bis 1350 Die Geschichte der mittelhochdeutschen Lyrik bis um 1350 gliedert sich grob in zwei Etappen. In der ersten, die von 1140/50 bis in die Zeit um 1200 reicht, wird mit Ausnahme weniger Sonderformen das oben skizzierte System der lyrischen Subgenera eingef¨uhrt; die zweite Etappe, beginnend mit den beiden Ausnahme-Œuvres Walthers von der Vogelweide und Neidharts, ist dann dadurch charakterisiert, dass die bis dahin entwickelten Formund Inhaltstraditionen als relativ feste Vorgaben f¨ur die neue dichterische Produktion anerkannt werden. Die Etablierung der in C gesammelten mittelhochdeutschen Lyrik setzt, wenn man den u¨ blichen Datierungen und Lokalisierungen folgt, um 1140/50–70 im Donaugebiet mit den Texten und Melodien des K¨urenbergers, Meinlohs von Sevelingen und der Burggrafen von Regensburg und Rietenburg ein. Formal ist diese fr¨uhe Lyrik durch konzeptionelle Einstrophigkeit, Langzeilenstrophen und große Lizenzen im Reim gepr¨agt; inhaltlich handelt es sich um Minnedichtungen, die das erotische Begehren von M¨annern wie Frauen, aber auch die Abwehr dieser W¨unsche oder die Sorge um Entdeckung des Liebesverh¨altnisses vorf¨uhren. 24
Die deutschsprachige Lyrik des Mittelalters Mit der Rezeption altfranz¨osischer und provenc¸ alischer Lyrik, die im Allgemeinen um 1170 datiert wird, werden diese fr¨uhen Formen des Minnesangs in den Hintergrund gedr¨angt oder u¨ berformt. Zu den wichtigsten Vertretern dieser neuen Form des Minnesangs z¨ahlen der Reichsministeriale Friedrich von Hausen und andere Autoren des sog. rheinischen Minnesangs (Bligger von Steinach; Bernger von Horheim; Ulrich von Gutenburg), aber auch der Graf Rudolf von Fenis-Neuenburg, ferner Albrecht von Johannsdorf, Heinrich von Rugge und nicht zuletzt der wegen seines Eneasromans ber¨uhmte Limburger Berufsdichter Heinrich von Veldeke. Die formalen Kennzeichen der romanisierenden Liebeslyrik sind die Etablierung des mehrstrophigen Verbandes (Einstrophigkeit ist allerdings bei Heinrich von Veldeke noch deutlich erkennbar), die Durchsetzung der dreiteiligen Kanzonenstrophe (AAB) und des reinen Endreims. Gekoppelt ist dies mit dem ebenfalls aus der Romania u¨ bernommenen Hohen Sang, der im Medium des als M¨annermonolog gestalteten Werbeliedes aus der Distanz zu der Dame heraus die Best¨andigkeit des Liebenden beteuert und die als Frauenpreis artikulierte Minne als Dienst versteht. Daneben finden sich aber auch andere Konzeptualisierungen des Geschlechterverh¨altnisses, etwa im Kreuzlied (wo die Minne des S¨angers als gesellschaftlich und religi¨os problematisch beschrieben wird) oder im Tagelied (das wegen seiner topischen Ausgangssituation nach einer gemeinsamen Liebesnacht erf¨ullte Sexualit¨at voraussetzt). Zeitgleich mit dem romanisierenden Minnesang finden sich auch die ersten Beispiele f¨ur nichtstrophische Formen (ein Minneleich bei Ulrich von Gutenburg und ein Kreuzleich bei Heinrich von Rugge) sowie f¨ur den Sangspruch, der in den Handschriften A und C unter den Namen Spervogel / Der junge Spervogel firmiert und dort ein erstaunliches Spektrum an Themen aufweist (allgemeine Didaxe und religi¨ose Belehrung; Lasterlehre und Hofkritik; Fahrendenproblematik und G¨onnerlob). Autoren aus der Zeit um 1200, wie Otto von Botenlauben, Heinrich von Morungen, Reinmar oder Hartmann von Aue, entwickeln den Minnesang nun auf eine zweifache Weise fort. Einerseits kommt es zu einer Ausdifferenzierung von autorspezifischen Minnekonzepten wie der Spiritualisierung der Minne bei Reinmar und der f¨ur sein 25
Werk typischen Hyperbolik des Frauenpreises, ferner der Vorstellung von der Liebe als bewegender und existenzgef¨ahrdender magischer Gewalt bei Heinrich von Morungen oder Hartmanns Minnedidaxe. Andererseits pr¨asentieren die Liedcorpora der genannten Autoren aber durchweg noch andere Register, die deutlich von den Vorstellungen des klassischen Werbeliedes abweichen (Reinmars Frauenlieder und die unter seinem Namen tradierten schwankartigen Lieder mit erf¨ullter Sexualit¨at; Hartmanns von Aue Absage an die Hohe Minne; die Tagelieder und Serenas Ottos von Botenlauben). Als Besonderheit dieser Zeit ist schließlich das lyrische Œuvre des haupts¨achlich als Epiker bekannten Wolfram von Eschenbach zu nennen, das u¨ berwiegend aus Tageliedern besteht und die literarischen Mo¨ glichkeiten dieses Subgenres regelrecht durchspielt. Wichtig f¨ur die Entwicklung der Untergattung ist dort (wie auch in den in etwa zeitgleichen Liedern des Markgrafen von Hohenburg) die Pr¨asenz der W¨achterfigur und die Verlagerung der Tageliedsituation in ein eindeutig h¨ofisches Milieu. Ist Wolfram der Meister eines spezifischen Subgenres, so kann sein etwas j¨ungerer Zeitgenosse, der fahrende Berufsdichter Walther von der Vogelweide, f¨ur sich beanspruchen, das thematisch wie formal am weitesten gespannte Œuvre um und nach 1200 geschaffen zu haben, das in der Handschrift C einen Leich und 440 Strophen in etwa 100 T¨onen (Minnesang und Sangspruchdichtung) umfasst. Im Unterschied zu den meisten anderen Lyrikern der Zeit l¨asst sich dieses außergew¨ohnliche Werk auf der Grundlage textexterner wie textinterner Indizien recht exakt datieren. Das wichtigste Zeugnis findet sich in den Reiserechnungen des Passauer Bischofs Wolfger von Erla, in denen f¨ur das Jahr 1203 festgehalten wird, dass der cantor Walther von der Vogelweide am 12. November in Zeiselmauer, einem Ort bei Wien, Geld f¨ur einen Pelzrock bekommen habe; im Falle der politischen Sangspr¨uche hilft u¨ berdies die Nennung historisch bezeugter Namen von G¨onnern und Adressaten bei der zeitlichen Einordnung der Texte weiter. Nimmt man die wichtigsten Datierungshinweise zusammen, ergibt sich, dass Walther von der Vogelweide etwa zwischen 1190 und 1230 gedichtet haben d¨urfte. Walthers Lyrik steht in einer eigent¨umlichen Spannung zwischen Innovation und Tradition: Einerseits greift er immer wieder Elemente auf, 26
Die deutschsprachige Lyrik des Mittelalters die als l¨angst etabliert gelten m¨ussen, andererseits beschreitet er wie kaum ein Minnes¨anger und Spruchdichter zuvor neue Wege. Im Bereich der Minnelyrik zeigt sich die Traditionsgebundenheit vor allem darin, dass einige S¨angermonologe die literarischen Mo¨ glichkeiten des Hohen Sangs virtuos aufgreifen; an a¨ltere Formen schließen ferner einige Botenlieder und Wechsel an. Zu den Texten mit einer vergleichsweise konventionellen Minnethematik z¨ahlen ferner einige der Dialoglieder. Neu ist hingegen auf der Ebene der Inhalte, dass manche Lieder ein Minnesangkonzept entwickeln, das in Radikalisierung der schon bei Hartmann von Aue formulierten Kritik an der Hohen Minne die klassische Hierarchie zwischen Sprecher-Ich und Dame einebnet, indem es den einseitigen, lohnlosen Dienst des S¨angers ablehnt und stattdessen die Gegenseitigkeit der Liebe einfordert (Bin ich dir unmære oder Saget mir ieman, waz ist minne); neu ist auf der Ebene intertextueller Bez¨uge, dass einige T¨one Walthers kritisch oder ironisch auf die Lieder zeitgen¨ossischer oder etwas a¨ lterer Minnes¨anger (Reinmar; Heinrich von Morungen) reagieren (besonders Ein man verbiutet ein spil æne pfliht) und die z. T. selbst wiederum zum Anlass f¨ur literarische Reaktionen Reinmars (und Wolframs von Eschenbach) werden; neu ist aber vor allem, dass Walther von der Vogelweide mit der systematischen Konkretisierung von Sprech- und Adressatenrollen sowie der Verschiebung des Darstellungsinteresses zwei sehr erfolgreiche Strategien eingef¨uhrt hat, die weit u¨ ber sein Œuvre hinaus dazu genutzt werden, die vorgegebenen Muster des Werbeliedes umzugestalten. Das markanteste Beispiel f¨ur die Umbesetzung der textinternen Instanzen findet sich im Sumerlaten-Lied (Lange swˆıgen), in dem das zum komischen Alten stilisierte S¨anger-Ich die topisch dienende Haltung der klassischen Minnes¨angerrolle aufgibt und seinen læn regelrecht einklagt, weil das lop der Dame lediglich auf der Attraktivit¨at seiner Liedkunst beruhe. Dort wird zun¨achst die S¨angerrolle konkretisiert (das zeitlose Ich des Hohen Sangs erscheint gleichermaßen als Schwankfigur und als selbstbewusster und einflussreicher Hofs¨anger). Diese Umdeutung der S¨anger-persona zieht aber auch eine Ver¨anderung in der Gestaltung der Adressaten-Instanz nach sich: Aus der unerreichbaren und ewig idealen Dame des Werbeliedes wird die gealterte Sch¨onheit, deren Haut durch 27
die Rutenschl¨age junger Liebhaber gegerbt werden soll. In diesem Text ist die Umbesetzung von textinternen Instanzen so extrem, dass die typische Kommunikation des Werbeliedes fast bis zur Unkenntlichkeit abgewandelt wird. Gleichwohl markiert dieses Lied aber nicht ‹Minnesangs Ende›, sondern lediglich eine f¨ur die Gattung typische Form der poetologischen Reflexion, indem es als Parodie des Werbeliedes die Kenntnis des Parodierten voraussetzt und damit genau diejenigen literarischen Muster in Erinnerung ruft, mit denen vordergr¨undig gebrochen wird. Solche Umbesetzungen von textinternen Instanzen k¨onnen u¨ berdies dazu genutzt werden, den thematischen Schwerpunkt des Werbeliedes von der Minneklage und vom Frauenpreis hin auf die Diskussion gesellschaftlicher Fragen zu verschieben. In der konventionellen Konzeption dieses Genres konzentriert sich alles auf die Behandlung der Liebesthematik; die Beziehungen des Sprechers zu seinem sozialen Umfeld stellen dabei lediglich ein Nebenthema dar. Wie das Beispiel des sog. Preisliedes (Ir sult sprechen willekomen) zeigt, kann nun diese Hierarchie umgekehrt werden: Der S¨anger erscheint als weitgereister Berufsdichter und als kompetente Autorit¨at in Minnefragen und empfiehlt sich seinem Publikum durch ein allgemeines Lob der Adressaten; die mit diesem Preis verbundene Reflexion auf das Verh¨altnis zwischen S¨anger und Publikum tritt dabei so weit in den Vordergrund, dass die Liebe zu der ‹individuellen› Dame fast gar nicht mehr zur Sprache kommt. Auch in Walthers Spruchdichtung ist die Spannung von Tradition und Innovation zu sp¨uren. Traditionell sind einige Inhalte wie die Fahrendenthematik, die Hofkritik und die Moraldidaxe oder die religi¨ose Belehrung, die sich bereits in Spr¨uchen des Spervogel-Komplexes finden; Neuland betritt er dagegen in den politischen und den extrem kirchen- und papstfeindlichen Spr¨uchen. Herauszuheben sind neben dem bekannten Reichston, der auf eine eher allgemein r¨asonierende Art auf die Thronwirren um die K¨onigswahl von 1198 reagiert, die Spr¨uche, welche die Legitimit¨at Philipps von Schwaben im R¨uckgriff auf den Zeichencharakter von Schaukr¨onungen und der im staufischen Besitz befindlichen Herrschaftsinsignien unterstreichen, sowie die a¨tzendpolemischen Angriffe gegen die Kurie, die ihren rhetorischen H¨ohepunkt in der Selbstdenunziation des Papstes finden, der sich in den sog. 28
Die deutschsprachige Lyrik des Mittelalters Opferstock-Strophen der Geldgier und der Sucht nach Macht bezichtigt. Wichtig ist ferner, dass Walther nach anf¨anglichen Experimenten mit an a¨ltere Formen der Lyrik erinnernden Strophenformen (z. B. mit dem auf Reimpaarversen beruhenden Reichston) die Kanzonenform auf die Spruchdichtung u¨ bertr¨agt; diese Verbindung von Gattung und strophischem Bau l¨asst sich dann bis in den Meistersang hinein verfolgen. Gewissermaßen zwischen den strophischen Gattungen Minnesang und Spruch angesiedelt sind die religi¨os-politischen T¨one, zu denen auch das ber¨uhmte Pal¨astina-Lied z¨ahlt, das angesichts der im Heiligen Land dokumentierten Ereignisse der Heilsgeschichte politische, soziale und rechtliche Defizite der Gegenwart kritisiert. F¨ur diese Lieder existieren im deutschen Sprachraum keine direkt benennbaren mittelhochdeutschen Vorbilder. In ihrer thematischen Ausrichtung erinnern sie an den geistlichen Sangspruch, in ihrer formalen Gestaltung als Strophenverbund liegen sie hingegen parallel zum Minnelied, so dass sich ihre literarischen Besonderheiten am einfachsten aus einer Gattungsmischung erkl¨aren; die Anregung zu diesem Experiment stammt wahrscheinlich aus der zeitgen¨ossischen lateinischen und franz¨osischen Literatur. Dass die Verbindung aus Religi¨osem und Politischem ein besonderes Anliegen Walthers war, l¨asst sich auch an seinem Leich beobachten, der den Preis der Trinit¨at und der Gottesmutter ebenfalls mit einer Sozialkritik kombiniert, die im Modus einer Klage u¨ ber den Zustand der Christenheit vorgetragen wird. Gleichzeitig mit Walther von der Vogelweide, oder nur wenig sp¨ater, entwirft dann Neidhart am o¨ sterreichischen Hof der Babenberger sein mit ironischen Glanzlichtern versehenes poetisches System um die literarische Kunstfigur des Riuwentalers. Dieses System beruht wie manche Lieder Walthers auf der planvollen Umgestaltung der aus dem Werbelied bekannten Strukturen; allerdings wird das Spiel mit der Tradition erheblich radikalisiert, indem Neidhart alle bekannten Sprech- und Adressatenrollen des Werbeliedes mit dezidiert nicht-h¨ofischen Figuren besetzt und so das ganze Liedgeschehen in der grotesken Kunstwelt der d¨orper verortet: Als Konkretisierung des m¨annlichen Ich-Sprechers erscheint der verarmte, außerhalb des Hofes lebende Krautjunker mit dem sprechenden Namen ‹Riuwentaler› (‹Der aus dem Jammertal›); die Instanz der h¨ofischen Dame wird 29
mit weiblichen Personen aus einer unh¨ofisch konturierten Umgebung besetzt und die Gesellschaft mit m¨annlichen Konkurrenzfiguren, den aggressiven und unbeherrschten D¨orpern, die sich als Gegenentw¨urfe zum h¨ofischen M¨annerideal pr¨asentieren. Das spannungsreiche Dreiecksverh¨altnis zwischen dem Riuwentaler, den nicht-h¨ofischen M¨adchen und Frauen sowie den D¨orpern wird nun immer wieder neu in zwei sich spiegelbildlich erg¨anzenden Liedtypen durchgespielt, die gerade deshalb, weil sie als dezidiert aufeinander zugeordnete, antithetische Subsysteme von Neidharts Bauerntheater erkannt werden sollen, die besondere K¨unstlichkeit dieses poetischen Entwurfs betonen: In den sog. Sommerliedern, die oft (aber keineswegs immer) mit einem Natureingang er¨offnet werden, der den Fr¨uhling oder den fr¨uhen Sommer preist, erscheint diese Figur als attraktiver S¨anger, Vort¨anzer und Liebhaber, der von den Frauen (alten wie jungen) umworben wird und sexuell sehr erfolgreich ist; die g¨anzlich chancenlosen m¨annlichen Konkurrenten werden lediglich am Rande erw¨ahnt. Die Faszination, die der S¨anger auf M¨utter wie T¨ochter aus¨ubt, a¨ ußert sich u¨ berwiegend in Monologen und -dialogen der weiblichen Figuren. Die Winterlieder, die meistens mit einer Klage u¨ ber die kalte Jahreszeit eingeleitet werden, konturieren dagegen den Riuwentaler als erfolglosen Minnediener, der entweder beim Tanz in der Stube dem ungehobelten Werben der D¨orper um die M¨adchen zuschaut oder sich den aggressiven Angriffen durch seine Konkurrenten ausgesetzt sieht. Speziell in dieser Liedgruppe verschiebt sich das Darstellungsinteresse sehr deutlich von der Liebesthematik hin zu einer Beschreibung der D¨orperk¨ampfe, die sich zu regelrechten Gewaltorgien steigern k¨onnen. Diese Lieder sind in der Regel als M¨anner-Monologe des Riuwentalers gestaltet. Neben den Haupttypen der Neidhartschen Lyrik finden sich noch einige besondere Liedformen wie die bereits erw¨ahnten AntiKreuzlieder, in denen aus der Sicht des sprechenden Ich die Schrecken des Krieges beklagt und R¨uckkehrphantasien formuliert werden, ferner das untypische Klagelied mit Sommerlied-Eingang Maie dˆın liehter schˆın sowie die Lieder von der werlt-s¨ueze, die das geistliche Programm der Abkehr von Welt mit burlesken D¨orperszenen unterlaufen. Sp¨atestens nach Walther von der Vogelweide und Neidhart stellt sich die mittelhochdeutsche Lyrik als ein umfangreicher und typologisch in sich reich 30
Die deutschsprachige Lyrik des Mittelalters differenzierter Diskurs dar, dessen Form- und Inhaltselemente als Tradition zur Verf¨ugung stehen und die teils konservativ ubernommen, ¨ teils mit Mitteln der Brechung und Umkehrung ver¨andert werden k¨onnen. Eine auf die mutmaßliche Teleologie der Gattungsentwicklung abzielende Betrachtungsweise k¨onnte leicht versucht sein, diesen ostentativen Traditionsbezug als Anzeichen epigonaler Erstarrung zu deuten. Sachlich angemessener ist es, die deutschsprachige Lyrik des 13. Jahrhunderts als eine Kunst der Variation zu bezeichnen, die auf einer K¨onnerschaft der Autoren und der Kennerschaft des Publikums beruht. Wie die Lyriker des 13. Jahrhunderts auf jeweils eigene Weise Diskurselemente ausw¨ahlen, sie miteinander kombinieren und f¨ur ihre Darstellungsabsichten funktionalisieren, ließe sich nahezu an jedem gr¨oßeren Œuvre zeigen; hier m¨ussen einige knappe Hinweise auf die Texte von Gottfried von Neifen, Tannh¨auser und Frauenlob gen¨ugen. F¨ur den schw¨abischen Grafen Gottfried von Neifen, der sich h¨aufig in der Umgebung von K¨onig Heinrich VII. und Kaiser Friedrich II. aufh¨alt, ist beispielsweise charakteristisch, dass er in seinem Œuvre unterschiedliche Traditionen des Minnesangs miteinander verbindet. Dies gelingt ihm zum Ersten dadurch, dass er einen an den Konventionen der Werbelyrik geschulten Inhalt (vor allem den auf das Lob des roten Mundes zentrierten Frauenpreis) mit formalen Merkmalen Neidharts (wie etwa der h¨aufigen Nutzung eines Natureingangs und der Trennung der T¨one in Sommerund Winterlieder) verbindet. Zum Zweiten erweitert er sein Œuvre um ein Register mit derberotischen Erz¨ahlliedern, die in der Direktheit, mit der sexuelle Vorg¨ange angesprochen werden, wiederum auf die Neidhart-Tradition (und zwar dieses Mal auf thematische Merkmale der Schwanklieder) zur¨uckgreifen. Ist f¨ur Gottfried von Neifen also die Verbindung verschiedener Stilrichtungen des Minnesangs typisch, so kann in der Lyrik des um die Mitte des 13. Jahrhunderts am Wiener Hof lebenden Tannh¨ausers die Amalgamierung aller drei Hauptgattungen beobachtet werden: So kombinieren manche seiner Texte die nicht-strophische Großform des Leichs mit der im Minnesang breit vertretenen Tanzthematik und verbinden dies mit einem f¨ur den Sangspruch charakteristischen Herrscherpreis, der mit einer ebenso gattungstypischen Armutsklage einhergeht. Ausgangspunkt f¨ur dieses Spiel mit den Traditionen ist die auch in manchen 31
Leichs Ulrichs von Winterstetten belegte Konkretisierung der internen Sprechsituation als Rede w¨ahrend eines l¨andlichen Reigens. Diese Strategie erlaubt es, den G¨onner Tannh¨ausers, den Babenberger Herzog Friedrich II., als begehrten Tanzpartner mit erotischer Ausstrahlung sowie als Inbegriff und Garanten h¨ofischer Freude auftreten zu lassen und das Sprecher-Ich wie den Riuwentaler Neidharts als gleichermaßen kompetenten wie unterst¨utzungsbed¨urftigen Musiker und Dichterkomponisten zu konturieren. Einen anderen Weg, die lyrische Tradition des 12. und 13. Jahrhunderts weiterzuentwickeln, beschreitet Heinrich von Meißen (Frauenlob). Er erzielt zum Ersten eine bis dahin nicht erreichte formale Artistik (vor allem bei den Leichs); zum Zweiten zeichnet er sich durch eine anspruchsvolle Bildlichkeit aus, die den Rezipienten ein sehr hohes Maß an Deutungsaktivit¨at abfordert; Heinrich von Meißen ist deshalb ein geradezu klassischer Vertreter des sog. Gebl¨umten Stils, der sich durch seinen außerordentlichen Redeschmuck auszeichnet. Dem korrespondiert, dass seine Texte sehr oft auf gelehrtem Bildungswissen beruhen. Eine weitere Neuerung Frauenlobs besteht darin, dass er in der Art des Wartburgkrieges Sangspruchstrophen zu einem großen Textkomplex zusammenstellt (das Streitgespr¨ach Minne und Welt). Der Minnesang wird im 13. Jahrhundert von einer Vielzahl weiterer Autoren fortgef¨uhrt, unter denen Hadloub, Rubin, Steinmar, Ulrich von Liechtenstein (der seine lyrischen Texte in den 1255 abgeschlossenen Roman Frauendienst inseriert), Burkhard von Hohenfels, Ulrich von Singenberg sowie Ulrich von Winterstetten hervorstechen. Wichtige Sangspruchautoren (und z. T. auch Leichdichter) des 13. Jahrhunderts sind Der Wilde (Meister) Alexander, Boppe, Friedrich von Sonnenburg, Konrad von W¨urzburg, der Kanzler, Der Marner, Regenbogen, Reinmar von Brennenberg, Reinmar von Zweter oder Bruder Wernher.
Pluralisierung der Diskurse – Die Lyrik des sp¨aten Mittelalters (1350–1525) In der Mitte des 14. Jahrhunderts, gewissermaßen auf dem H¨ohepunkt ihrer schriftliterarischen Pr¨asenz, bricht die in C und J kodifizierte Tradition der h¨ofischen Lyrik ab; ein Neueinsatz wird 32
Die deutschsprachige Lyrik des Mittelalters dann erst in den Handschriften des sp¨aten 14. sowie des 15. und 16. Jahrhunderts erkennbar: Die dort tradierten lyrischen Texte greifen zwar immer wieder und in unterschiedlich deutlicher Weise auf fr¨uhere Traditionen des Minneliedes und der Sangspruchdichtung zur¨uck, gehen jedoch aufs Ganze gesehen in Inhalt und Form andere Wege und sind jetzt auch an zum Teil merklich anders gelagerte Produktions- und Rezeptionsbedingungen gekn¨upft, die sich vor allem dadurch auszeichnen, dass sich die Stadt als ein neues literarisches Zentrum neben dem Hof und dem wieder produktiven Kloster etabliert. Der Vielfalt der Orte, an denen Lyrik entstehen kann, entspricht das Nebeneinander der teils konvergierenden, teils auseinanderlaufenden und in jeweils eigenen Tradierungsformen u¨ berlieferten Diskurse, unter denen der sp¨ate Sangspruch und der Meistersang, ferner die Fortf¨uhrung der Neidhart-Tradition und die Kunst der sp¨atmittelalterlichen adeligen Minnes¨anger, dann die anonyme Lyrik der weltlichen und geistlichen Liederb¨ucher sowie das historisch-politische Lied ¨ die wichtigsten sind. Der nachfolgende Uberblick ist so angelegt, dass zun¨achst die Erscheinungen vorgestellt werden, die als direkte Rezeptionszeugnisse von lyrischen Diskursen des Hochmittelalters zu bezeichnen sind; in einem zweiten Schritt werden dann Liedcorpora pr¨asentiert, die bei aller Referenz auf a¨ ltere Texttraditionen deutliche Neuans¨atze zeigen.
Die Rezeption hochmittelalterlicher Lyrik im 15. Jahrhundert Die Lieder Neidharts und ihre produktive Weiterentwicklung
¨ Die Uberlieferung der Lieder, die im allerweitesten Sinne mit dem Namen Neidharts verbunden werden k¨onnen, gliedert sich in zwei unterschiedliche Etappen, eine weitgehend auf der Basis von Pergamenthandschriften beruhende Fr¨uh¨uberlieferung, die bis in die Zeit um 1350 reicht, und eine Sp¨at¨uberlieferung in den Papierhandschriften des 15. und 16. Jahrhunderts. Die Differenz zwischen der ersten und der zweiten Phase wird am besten deutlich, wenn man das Hauptcorpus der fr¨uhen Neidhart-Tradition in der am Ende des 13. Jahrhunderts entstandenen Riedegger Handschrift (Neidhart R; Berlin, SBPK, mgf 1062) mit den 33
lyrischen Texten der j¨ungeren, um 1461–66 angelegten Berliner Handschrift Neidhart c (SBPK, mgf 779) vergleicht. Neidhart c tradiert in seinem dritten Teil (Bl. 130–273) unter der Rubrik Etwevil des Neitharts rayen («Etliche der rayen [Tanzlieder] des Neidhart») sprachlich modernisierte Lieder von den namentlich identifizierbaren Dichterkomponisten des 13. Jahrhunderts (Neidhart; Der von Stammhein; G¨oli; Rudolf von Rotenburg), aber auch Texte und Textteile, f¨ur die es keine Entsprechung in ¨ der fr¨uhen Uberlieferung gibt und die vermutlich sp¨ateren Datums sind. So weisen viele To¨ ne, die sowohl in R als auch in c aufgezeichnet worden sind, ¨ in dem sp¨ateren Uberlieferungstr¨ ager einen durchweg gr¨oßeren Bestand an Strophen auf, die das in der R-Fassung Angedeutete weiter ausf¨uhren. Außerdem kombinieren die ausschließlich in c tradierten Liedeinheiten oftmals die in der Fr¨uh¨uberlieferung bezeugten Neidhartschen Subgenres mit¨ einander. Schließlich nimmt gegen¨uber der Uberlieferung vor 1350 die Anzahl der derb-erotischen T¨one und der Erz¨ahllieder schwankartigen Zuschnitts enorm zu. F¨ur die Neidhart-Rezeption des Sp¨atmittelalters ist dabei vor allem der sog. Veilchenschwank wichtig, der davon erz¨ahlt, wie das Sprecher-Ich f¨ur die Herzogin von Bayern das erste veyel des Jahres sucht. Nach gl¨ucklichem Fund bedeckt der Sprecher das pl¨uemelein mit seinem Hut und eilt an den Hof, um die Herzogin herbeizuf¨uhren. Als er vor den Augen der Landesherrin und des Hofstaates den Hut aufhebt, wird er schlagartig um die Fr¨uchte seiner M¨uhe gebracht, weil in der Zwischenzeit das begehrte Veilchen von missg¨unstigen Bauern unter einem Kotberg begraben worden ist. Die Kr¨ankung des auf diese Weise o¨ ffentlich D¨upierten wird zum Anlass, die Bauern w¨ahrend eines Tanzvergn¨ugens zu u¨ berfallen und zu verst¨ummeln. Gegen¨uber der a¨ lteren Tradition fallen nicht nur der durcherz¨ahlte Charakter des Liedes, seine F¨akal-Komik und die merklich gesteigerte Drastik der Gewaltdarstellung auf; bemerkenswert ist u¨ berdies, dass das Sprecher-Ich mit dem Namen des textexternen Dichterkomponisten versehen wird, so dass aus dem Autor Nˆıthart nunmehr ein Schwankheld geworden ist. Diese literarische Figur geh¨ort zu den wirkungsm¨achtigsten Erscheinungen der gesamten Tradition mittelhochdeutscher Lyrik: Sie wird nicht nur in Heinrich Wittenwˆılers Ring (um 1400) 34
Die deutschsprachige Lyrik des Mittelalters aufgegriffen, insbesondere das mit ihr verbundene grobianische Geschehen um das erste Veilchen wird gleich mehrfach in andere Gattungen und Medien u¨ bertragen. Es wird zum weltlichen Spiel umgeformt und er¨offnet damit die Tradition der weltlichen Dramatik des deutschsprachigen Mittelalters. Außerdem dient es als Initialgeschichte einer (etwa ab 1491) gedruckten und mit Holzschnitten geschm¨uckten Schwanksammlung vom Neidhart Fuchs, die (einem biographischen Schema folgend) vom Aufstieg des Protagonisten zum Bauernfeind, von seinen Abenteuern in d¨orperlicher Umgebung sowie von seinem Ende und von seiner Grablegung im Wiener Dom erz¨ahlt. Schließlich beruhen auf Liedern in der Art des Veilchenschwanks die Wandmalereien mit Neidhart-Motiven in Regensburg, Wien, Winterthur und Zu¨ rich, die im Kontext der ansonsten von geistlichen Themen bestimmten Kunstform eine bemerkenswerte Ausnahme darstellen. Ein interessanter Seitenzweig der NeidhartRezeption ist das schmale Œuvre des 1451–1483 urkundlich bezeugten Hans Heselloher, dessen Tanzlieder ein d¨orperliches Geschehen aus der Perspektive eines unbeteiligten Beobachters bissig kommentieren; besonders erfolgreich war das in mehreren Fassungen tradierte Lied Von u¨ ppiglichen dingen, ein regelrechter Schlager des Sp¨atmittelalters, der vielfach aufgegriffen wurde und der unter anderem als Vorbild f¨ur geistliche Kontrafakturen diente.
Von den Tonen ¨ der alten Meister zum Meistersang Die anonyme Rezeption von Sangspruchen ¨ des 13. Jahrhunderts in der Kolmarer Liederhandschrift
Das Ph¨anomen, dass lyrische Texte des Hochmittelalters in Handschriften des 15. Jahrhunderts u¨ bernommen, aber mit den Texten j¨ungerer, anonym gebliebener Autoren zu neuen, gr¨oßeren Toneinheiten zusammengestellt werden, l¨asst sich nicht nur f¨ur das Minnelied Neidhartscher Pr¨agung beobachten; es findet sich, wie ein Blick auf die um 1459/62 in Rheinfranken (vielleicht in Speyer) angelegte Kolmarer Liederhandschrift zeigt, auch im Bereich der Sangspruchdichtung. Der Codex t (Mu¨ nchen, BSB, Cgm 4997) ist die mit Abstand 35
wichtigste Sammlung f¨ur die meisterliche Liedkunst – eine lyrische Kunstform, die sich sachlich wie zeitlich an die Sangspruchdichtung des 12. und 13. Jahrhunderts anschließt, indem sie die thematische Offenheit dieses lyrischen Subgenres besitzt, jedoch die f¨ur die a¨ ltere Tradition typische Ausrichtung auf die pointierte Einzelstrophe aufgibt zugunsten eines Verbundes aus mehreren, zumeist ungeradzahligen Strophen, den sog. ‹Baren› (oder nach sp¨aterer Terminologie: ‹Meisterliedern›), so dass die alte Differenz zwischen Spruch und Minnelied jetzt partiell aufgegeben wird: Minnelied und meisterliches Lied unterscheiden sich außer in ihren Inhalten lediglich dadurch, dass in der Meisterlied-Tradition in einem Ton sehr viele Bare gedichtet werden k¨onnen, w¨ahrend in der Liebeslyrik nach wie vor der Regelfall gilt, dass jede Melodie nur einmal verwendet wird. Dass die in t gesammelte meisterliche Liedkunst direkt in der Tradition der hochmittelalterlichen Spr¨uche steht, l¨asst sich vor allem daran ablesen, dass ein nicht unerheblicher Anteil der hier zusammengetragenen Texte in den T¨onen ber¨uhmter Sangspruchautoren gedichtet worden ist (z. B. Frauenlob, Konrad von W¨urzburg, Der Marner, Regenbogen). Wie sich in diesem Falle a¨ltere und j¨ungere Tradition zueinander verhalten, l¨asst sich besonders gut am Beispiel der Rezeption der Texte und Melodien Walthers von der Vogelweide in der Kolmarer Handschrift beobachten. Charakteristisch sind bereits die Beischriften: t ¨ rezipiert n¨amlich, wie z. B. die Uberschrift Her Walthers von der Vogelweide hoffwyse oder wendelwys («Herrn Walthers von der Vogelweide Hofmelodie oder Wendelmelodie») zeigt, den Dichterkomponisten aus der Zeit um 1200 im Wesentlichen in seiner Eigenschaft als Tonerfinder. Dass diese Rubrik (wie die anderen Beischriften mit Walthers Namen) nicht einfach nur eine Metonymie verwendet, die den Komponisten anstelle des Autors von Text und Musik nennt, sondern dass damit tats¨achlich ein g¨anzlich anderes Dichtungsverst¨andnis angezeigt wird, in dem der Verfasser der Texte und der Erfinder der Melodie auseinander treten, ergibt sich aus dem Umstand, dass in t die Mehrzahl der mit Walther von der Vogelweide verbundenen Texte (32 von insgesamt 35 Strophen) von namentlich nicht bekannten, vermutlich sp¨ateren Textdichtern stammen, die die ber¨uhmten Melodien eines Lyrikers aus dem 13. Jahrhundert mit einem neuen Text versehen haben. Der in diesem 36
Die deutschsprachige Lyrik des Mittelalters Rezeptionsvorgang ausgedr¨uckten Wertsch¨atzung der Musik entspricht dabei sowohl die sorgf¨altige Aufzeichnung der Melodien in deutscher gotischer Choralnotenschrift in f¨unflinigen Systemen als auch der Umstand, dass die T¨one jetzt als individuierte metrisch-musikalische Einheiten behandelt werden, die feststehende Namen erhalten (wie z. B. Hofweise, Wendelweise). Von den rund 20 Sprucht¨onen, die bis zum Ende des 13. Jahrhunderts mit dem Namen Walthers verbunden werden k¨onnen, rezipiert die Hs. t lediglich zwei (den Wiener Hofton, der in t Hof- oder Wendelweise heißt, und den K¨onig-Friedrich-Ton, der in t als Gespaltene Weise bezeichnet wird). Vergleicht man nun das Walther-Corpus in ABC und die in t mit Walthers Namen verbundenen Texte, so l¨asst sich eine deutliche Umakzentuierung festhalten: Aus dem K¨onig-Friedrich-Ton werden lediglich drei politische Strophen u¨ bernommen, die durch ihre Integration in zwei religi¨ose Dreier-Bare ins rein Geistliche gewendet werden; dem entspricht, dass auch die in t tradierten Strophen im Wiener Hofton ein religi¨oses Thema entfalten (das Lob der Gottesmutter) und damit keinerlei Ber¨uhrung mit dem weitgespannten Spektrum der Inhalte aufweisen, die in den fr¨uheren Handschriften in diesem Ton verhandelt worden sind.
Meisterliche Liedkunst: Heinrich von Mugeln, ¨ Muskatblut und Michel Beheim Die Kolmarer Liederhandschrift enth¨alt in der urspr¨unglichen Anlage ein Register, dann die Texte und Melodien der t¨onereichsten alten ‹Meister› und die T¨one, die am h¨aufigsten aufgegriffen worden sind, sowie einen Wartburgkrieg-Komplex. In diese Struktur sind dann die Texte und Melodien von j¨ungeren Autoren eingef¨ugt worden, die zwar wie die oben besprochenen anonymen Meisterlieddichter mehrstrophische Bare verfassen, dazu aber auf neue metrisch-musikalische Strukturen zur¨uckgreifen, und die u¨ berdies ihre T¨one fest mit ihrem Namen verbinden und zum Teil in autornahen Sammlungen kodifizieren konnten. Unter diesen stechen besonders Heinrich von Mu¨ geln und Muskatblut hervor, die zusammen mit dem (in der Kolmarer Handschrift nicht vertretenen) Michel Beheim eine fest umrissene (und auch 37
sozial relativ homogene) Gruppe namentlich bekannter ‹Neut¨oner› bilden, die auf ihre Art die Sangspruchtradition des 12. und 13. Jahrhunderts fortf¨uhren. Andere wichtige Autoren der meisterlichen Liedkunst sind Suchensinn (urkundlich 1386–1392), der Harder, Albrecht Lesch (beide aus der zweiten H¨alfte des 14. Jahrhunderts) sowie J¨org Schiller (urkundlich 1453–1462). Heinrich von M¨ugeln, der etwa von 1345 bis 1380 im Umkreis verschiedener hochrangiger G¨onner (K¨onig Karl IV., Herzog Rudolf IV. ¨ von Osterreich, K¨onig Ludwig I. von Ungarn) wirkte, hat ein Gesamtwerk von imponierenden Ausmaßen vorgelegt, das u. a. einen Psalmen¨ Kommentar, eine mittelhochdeutsche Ubertragung der dem Valerius Maximus zugeschriebenen lateinischen Exempelsammlung und eine großangelegte Marienpreisdichtung (Der meide kranz) umfasst, ferner lateinische Texte u¨ ber die artes liberales und Themen der Bibel sowie eine lateinische Ungarn-Chronik, die von M¨ugeln selbst noch ins Deutsche u¨ bertragen wurde, sowie u¨ ber 383 Strophen in vier Meisterliedt¨onen und einige wenige Minnelieder. Die Meisterlieder stehen formal in der Tradition Frauenlobs (‹Gebl¨umter Stil›), ¨ und auch hinsichtlich der Inhalte gibt es Ahnlichkeiten und Parallelen: Wie Frauenlob zeigt sich Heinrich von M¨ugeln als ein poeta doctus (und wird deshalb in der Meistersangtradition zum Doktor der Theologie stilisiert), allerdings sind die f¨ur Frauenlob typischen spekulativen Z¨uge bei ihm nicht so stark ausgepr¨agt; daf¨ur entfaltet er in seinen Liedern ein ungeheures Wissen, das die intime Vertrautheit mit gelehrt-lateinischer Bildung voraussetzt. In der zentralen Handschrift seiner Meisterlieder (G¨ottingen, UB, Cod. philos. 12) werden diese Kenntnisse in 16 thematisch gebundenen B¨uchern pr¨asentiert, die sich u. a. mit Astronomie, Kosmologie und Naturkunde besch¨aftigen, aber auch Fragen des Trivium und Quadrivium diskutieren sowie geistliches Wissen u¨ ber das Alte Testament oder u¨ ber die Gottesmutter vermitteln. Der Autor Muskatblut, m¨oglicherweise mit einem von 1424 bis 1458 urkundlich bezeugten fahrenden Berufsdichter und zeitweiligen diener des Mainzer Erzbischofs und des Reichserbk¨ammerers Konrad von Weinsberg identisch, verfasste knapp unter 100 Lieder in sechs T¨onen, die nahezu durchg¨angig mit einem Verfassernamen markiert werden; die meisten von ihnen finden sich in der 1434 abgeschlossenen K¨olner Handschrift (K¨oln, 38
Die deutschsprachige Lyrik des Mittelalters Historisches Archiv, Cod. W. 4æ 8*), die sicher auf eine in Autorn¨ahe entstandene Textsammlung zur¨uckgeht. Thematisch gliedert sich sein Œuvre in moraldidaktische und geistliche (meist dem Lob Mariens gewidmete) Meisterlieder sowie wenige Liebeslieder. Im Vergleich zu Heinrich von M¨ugeln fehlt Gelehrtes nahezu ganz; daf¨ur kommt in einigen Liedern Zeitpolitisches zur Sprache, wie das Konstanzer Konzil und die Verbrennung des Jan Hus oder der Krieg gegen die Hussiten. Diese Texte stehen damit den oftmals anonym tradierten historisch-politischen Ereignisliedern nahe. Die f¨ur Muskatblut typische Verbindung aus Moraldidaxe, geistlicher Par¨anese und politischer Ereignisdichtung findet sich in a¨hnlicher Weise auch bei dem Weber und sp¨ateren Berufsdichter Michel Beheim (um 1416–1474/78), der Muskatblut als sein Vorbild lobt; gleichwohl gibt es zwischen den beiden Œuvres markante Unterschiede. So ist einmal in den Liedern Beheims die st¨arkere Beachtung politischer Themen auff¨allig, wie sie etwa in seinen Liedern zum Krieg zwischen den Reichsst¨adten und den F¨ursten oder zur Bedrohung des Reiches durch die T¨urken greifbar werden. Diesem inhaltlichen Schwerpunkt Beheims entspricht es, dass er u¨ ber die Meisterlieddichtung hinaus noch drei umfangreiche Reimpaarchroniken (das Buch von den Wienern, das Buch von der Stadt Triest sowie die Pf¨alzische Reimchronik) verfasst hat, die auf eine Melodie, die sog. angstweise, gesungen werden konnten (und damit eine interessante typologische Zwischenstellung zwischen gesprochener Reimpaarchronistik und gesungenem Meisterlied einnehmen).
Meistersang: Die Transformation des Sangspruchs in den deutschen St¨adten des Sp¨atmittelalters Fast gleichzeitig mit Muskatblut und Michel Beheim etabliert sich in s¨uddeutschen St¨adten wie Mainz, Augsburg oder Straßburg und vor allem in N¨urnberg eine typologisch ganz vergleichbare Form der Aneignung von hochmittelalterlicher Sangspruchdichtung, n¨amlich der Meistersang (oder Meistergesang). Ganz wie in der meisterlichen Liedkunst greifen die Meisters¨anger bevorzugt (wenn auch nicht ausschließlich) auf die T¨one alter Meister zur¨uck und u¨ bernehmen sowohl das Bar-Prinzip als auch die Praxis der Ton39
benennung. Schließlich existieren auch hinsicht¨ lich der Inhalte sehr starke Ubereinstimmungen: Tontraditionalisten und ‹Neut¨oner‹ (wie Heinrich von M¨ugeln, Muskatblut und Michel Beheim) behandeln religi¨ose Themen (wie Maria, Trinit¨at, Passio Christi), verfassen Lieder zum Lob des Gesangs oder behandeln Fragen der septem artes liberales sowie anderer Wissensbereiche. Lediglich der bei Muskatblut und Michel Beheim bezeugte Bereich der politischen Lieder wird bis zur Reformation weitgehend ausgeklammert. Der wesentliche Unterschied zwischen den beiden Rezeptionsstadien der hochmittelalterlichen Sangspruchdichtung liegt demnach weniger auf der Ebene der Texte und Melodien; er besteht vielmehr in den g¨anzlich gewandelten Produktionsund Rezeptionsbedingungen: W¨ahrend die meisterliche Liedkunst des 14. und 15. Jahrhunderts (wie die Sangspruchtradition des Hochmittelalters) im Wesentlichen eine von abh¨angigen Berufsdichtern verfasste h¨ofische Auftragskunst darstellt, wird der Meistersang von Vertretern der st¨adtischen Unter- und Mittelschichten getragen, die sich sp¨atestens seit dem 16. Jahrhundert zu eigens f¨ur die F¨orderung dieser Liedkunst entwickelten Organisationen, den Meistersanggesellschaften, zusammenschließen. Das erkl¨arte Ziel dieser Zusammenschl¨usse besteht darin, u¨ ber das Medium gesungener, deutschsprachiger Literatur einen Kanon des Wissenswerten f¨ur ein nicht-akademisches st¨adtisches Publikum unterhalb der d¨unnen sozialen Oberschicht bereitzustellen und die eigenen Mitglieder in elementare Praktiken des Erwerbs und der musikalischen Weitervermittlung solchen Wissens einzu¨uben. Von daher erkl¨art sich nicht nur die relativ enge thematische Ausrichtung dieser Liedkunst, sondern auch ihre strenge Normierung: Der Meistersang soll lehr- und lernbar sein, und damit dieses didaktische Ziel erreicht werden kann, wird ein elaboriertes und schriftlich in den sog. ‹Tabulaturen› fixiertes Regelwerk aufgestellt, das en d´etail festlegt, wie Meisterlieder gedichtet und vortragen werden sollen. Außerdem wird die Beherrschung dieser Regeln in einem o¨ ffentlich angek¨undigten Gesangswettstreit, der sog. ‹Singschule›, abgepr¨uft, wo die merker jeden Fehler exakt aufzeichnen und den S¨anger, dessen Vortrag die wenigsten Abweichungen von der Tabulatur aufzuweisen hat, zum Sieger der ganzen Veranstaltung erkl¨aren. Vor 40
Die deutschsprachige Lyrik des Mittelalters und nach diesem auf religi¨ose Lieder konzentrierten Hauptsingen hat es dann noch weniger for¨ melle Zusammenk¨unfte gegeben (das sog. Offentliche Freisingen, bei dem auch der Vortrag von weltlichen Liedern erlaubt ist, sowie das Zech¨ singen, das unter Ausschluss der Offentlichkeit in Wirtsh¨ausern veranstaltet wird). Auf der Basis erhaltener Zeugnisse (Textsammlungen; Schulordnungen; Tabulatoren) und historischer Nachrichten l¨asst sich der fr¨uheste zunftm¨aßige Zusammenschluss von Meisters¨angern am besten f¨ur N¨urnberg erschließen, wo im 15. und fr¨uhen 16. Jahrhundert gleich mehrere Generationen von bekannten Autoren gewirkt haben. Der fr¨uheste unter ihnen ist der von 1392 bis 1403 bezeugte Fritz Kettner; hervorzuheben sind u¨ berdies seine Zeitgenossen, der B¨ackermeister Michel Nachtigall und dessen Sohn Konrad, ferner der 1482 gestorbene Nagelschmied Fritz Zorn und der um 1527 gestorbene Leineweber Lienhard Nunnenbeck, der Hans Sachs in den Meistersang eingef¨uhrt hat. Der mit Abstand wichtigste und produktivste Autor des vorreformatorischen Meistersangs ist indes der Barbier und Wundarzt Hans Folz, der ein enorm breit gespanntes Werk hinterlassen hat, zu dem u. a. 12 Fastnachtspiele, 47 Texte in Reimpaaren (Verserz¨ahlungen; Reden und versifizierte Fachliteratur) sowie etwa 90 Lieder (in eigenen wie fremden T¨onen) geh¨oren. W¨ahrend Folz seine Theaterst¨ucke und seine Reimpaardichtungen u¨ ber das neue Medium des Drucks verbreitete (er hat sogar in den Jahren 1479–88 eine eigene Offizin betrieben), sind die Lieder (von wenigen Ausnahmen abgesehen) uberwiegend ¨ in zwei Teilautographen (Weimar, Herzogin Anna AmaliaBibliothek, Q 566; Mu¨ nchen, BSB, cgm 6353) sowie in einer von Hans Sachs angelegten Sammelhandschrift (Berlin, SBPK, mgq 414) aufgezeichnet worden. Vom Themenspektrum her ist Folz’ Liedkunst vergleichsweise konventionell; es l¨asst sich auf der Basis einer von ihm selbst verfassten Einleitung in drei Sektionen, eine (dominierende) geistliche, eine weltliche sowie eine moraldidaktische Abteilung, gliedern. Die Besonderheit der Folzschen Meisterlieder liegt eher auf dem Gebiet der Bildung von strophen¨ubergreifenden Themenkomplexen: Jedenfalls ist einerseits die Tendenz zu beobachten, thematisch verwandte Lieder zu (allerdings recht locker gef¨ugten) Reihen zusammenzustellen, dann f¨allt andererseits die Vorliebe f¨ur recht lange (im Extremfall mehr als zwanzig Strophen umfassende) T¨one auf. 41
Durch den Schuhmachermeister und sp¨ateren Berufsdichter Hans Sachs (1494–1576) ver¨andert sich der N¨urnberger Meistersang in zweifacher Hinsicht. Zum einen wird er etwa ab 1523 ganz entschieden in den Dienst der Reformation gestellt: Die Lutherbibel ist von nun an hier (wie anderw¨arts) die wichtigste Stoffgrundlage f¨ur die geistlichen Lieder, um im Sinne der Reformation das Gotteswort in deutscher Sprache zu vermitteln, w¨ahrend das Marienlied, ein nahezu klassisches Subgenre des vorreformatorischen Meistersangs, fast ganz verschwindet. Zum anderen o¨ ffnet sich der Schulbetrieb st¨arker als zuvor weltlichen Themen; von besonderer Bedeutung ist der Umstand, dass jetzt auch literarische und historische Stoffe der Antike und der italienischen Renaissance (z. B. Ovids Metamorphosen, die Troja-Sage oder Boccaccios Decameron) im Lied verhandelt werden. Im engeren Sinne politische Lieder bleiben indes nach wie vor die Ausnahme.
Neuans¨atze in der Lyrik des sp¨aten Mittelalters Die sp¨ate Neidhart-Tradition und die Weiterentwicklung des Sangspruchs im 14. und 15. Jahrhundert verbindet miteinander, dass charakteristische Merkmale eines lyrisches Subgenres (wie die pseudobiographische Konturierung des SprecherIch durch die Riuwentaler-/Neidhart-Rolle oder die Formtradition des Spruchtons) u¨ ber einen Zeitraum von mehr als 200 Jahren immer wieder aufgegriffen werden konnten. Im Spektrum unterschiedlicher Reaktionsweisen auf vorangehende lyrische Konventionen sind sie deshalb den eher traditionsbezogenen Formen zuzuordnen. Parallel dazu hat jedoch das deutschsprachige Sp¨atmittelalter auch Liedsammlungen und Liedtypen hervorgebracht, die eher der innovativen Seite des Spektrums zuzuordnen sind. Die Neuerungen liegen dabei auf sehr unterschiedlichen Ebenen und f¨ugen sich auch nicht zu einer einheitlichen Tendenz; es ist vielmehr so, dass gerade hinsichtlich der Merkmale, die in der deutschen Lyrik des 14. und 15. Jahrhunderts nicht durch a¨ltere Traditionen abgedeckt werden, die erstaunlichsten Divergenzen, ja oft sogar Gegens¨atze zu beobachten sind: So stehen auf der Ebene der Inhalte dezidiert Weltliches neben Religi¨osem oder der Zug zum Autobiographischen 42
Die deutschsprachige Lyrik des Mittelalters neben systematischen Versuchen, eine Gebrauchslyrik in deutscher Sprache zu entwickeln, die von der Individualit¨at der Autoren und des Publikums ¨ ostentativ absieht. Ahnliches gilt f¨ur die formale Seite der Lieder: Hier ist auf der einen Seite eine zunehmende Artistik festzustellen, die a¨ltere metrisch-musikalische Strukturen weiterentwickelt und im Komplexit¨atsgrad u¨ berbietet, w¨ahrend auf der anderen Seite schlichtere Strophenformen und eine weniger anspruchsvolle Reimtechnik das Bild pr¨agen. Hinzu kommt eine charakteristische Differenz in der Tradierungsweise: W¨ahrend ein Teil der sp¨atmittelalterlichen Lyrik in direkter Autorn¨ahe verschriftet und mit dem Namen des Textdichters und Tonerfinders verbunden wird, wird ein anderer Teil ohne Namen u¨ berliefert, wobei mit der anonymen Sammel¨uberlieferung der sogenannten. Liederb¨ucher nun ein Typ von Lyrikhandschrift gebr¨auchlich wird, der im Hochmittelalter keine Parallele besitzt. Um das vielf¨altige Material zu ordnen, orien¨ tiert sich das nachfolgende Kapitel an den Uberlieferungsgegebenheiten: W¨ahrend zun¨achst die lyrischen Innovationen vorgestellt werden, wie sie in den streng autorbezogenen Textensembles greifbar werden, besch¨aftigt sich der zweite Abschnitt mit der anonym tradierten Kunst der Liederb¨ucher.
Lyrische Groß-Œuvres des 14. und 15. Jahrhunderts Unter den autorbezogen gesammelten Lyrikcorpora des deutschsprachigen Mittelalters ragen nach Umfang und Anspruch der Lieder die Œuvres Heinrich Laufenbergs, des Mo¨ nchs von Salzburg und Oswalds von Wolkenstein heraus. Da sie u¨ berdies voneinander abweichende literarische Str¨omungen repr¨asentieren, die zudem in drei unterschiedlichen sozialen Kontexten (Kloster, Bischofssitz und Adel) angesiedelt sind, ist es naheliegend, das Kapitel u¨ ber die Innovationen der ¨ sp¨atmittelalterlichen Lyrik mit einem Uberblick u¨ ber diese drei Werke zu er¨offnen.
Seelsorgerische T¨atigkeit und geistliche Liedkultur: Heinrich Laufenberg Heinrich Laufenberg ist seit 1421 in verschiede¨ nen geistlichen Amtern in Freiburg i. Br. und 43
in Zopfingen bezeugt; gestorben ist er 1460 im Straßburger Kloster zum Gr¨unen W¨orth, dem er vermutlich auch seine literarischen Texte u¨ berlassen hat. Die Laufenberg-Handschriften (alle 1870 bei einem Brand der Straßburger Bibliothek zerst¨ort) weisen ihn als einen Verfasser umfangreicher religi¨oser Schriften in deutscher Sprache (Spiegel des menschlichen Heils; Buch der Figuren) sowie einer deutschen astrologisch-di¨atetischen Gesundheitslehre (Regimen) aus; seine literaturhistorische Bedeutung beruht jedoch vor allem auf der von ihm selbst veranstalteten Sammlung von rund 120 geistlichen Gedichten, die er weitgehend chronologisch geordnet und oft mit Namen und Entstehungsdatum versehen hat (ehemals Straßburg, Stadtbibliothek, Cod. *B 121 4æ). Nach den fr¨uhmittelhochdeutschen Anf¨angen und neben dem M¨onch von Salzburg ist Heinrich Laufenberg der erste deutschsprachige Dichter, der systematisch lateinische Hymnen, Sequenzen und Cantiones ins Deutsche oder in deutschlateinische Mischgedichte u¨ bertr¨agt; er sch¨opft dabei alle M¨oglichkeiten der Aneignung aus, von ¨ der textnahen Ubersetzung bis zur freien Bearbeitung. Da die von Heinrich u¨ bertragenen St¨ucke oft durchkomponiert sind, zeigen auch die nach ihnen geschaffenen deutschen Texte einen nichtstrophischen Bau, so dass hier (unabh¨angig von der hochmittelalterlichen Leichtradition) nochmals in gr¨oßerem Umfang sequenzartige Formen der mittelhochdeutschen Lyrik entstehen. Die anderen Texte Laufenbergs zeichnen sich durch Mehrstrophigkeit und eine eher einfache, oft nicht-stollige metrische Form aus; sie repr¨asentieren damit einen im Sp¨atmittelalter weit verbreiteten Typ von religi¨oser Lyrik, f¨ur den es im Bereich der hochmittelalterlichen Literatur kaum Vorbilder gibt. Im Fall Heinrich Laufenbergs erkl¨art sich diese Innovation sehr oft aus dem Verfahren der geistlichen Kontrafaktur, also aus der Technik, die Melodie eines a¨ lteren weltlichen Liedes mit einem neuen geistlichen Text zu unterlegen. Die Adressaten dieser Lyrik waren wenigstens zu einem Teil religi¨os interessierte Frauen oder geistliche Frauengemeinschaften, wie sie Laufenberg in seiner Eigenschaft als Geistlicher zu betreuen hatte; der Ort, f¨ur den diese Lyrik bestimmt wurde, d¨urfte demnach das Frauenkloster sein. Diese Kombination aus seelsorgerischer T¨atigkeit und der Produktion von geistlichen Liedern in deutscher Sprache 44
Die deutschsprachige Lyrik des Mittelalters ist außer bei Heinrich Laufenberg noch bei anderen namentlich bekannten Autoren bezeugt; zu nennen sind u. a. Konrad von Queinfurt (urkundlich 1382), Antonius von Lambsheim (gest. 1458) und Ludwig Moser (1442–1510).
Geistliche und weltliche Liedkunst am Bischofshof: Der Monch ¨ von Salzburg Die Lyrik des M¨onchs von Salzburg stammt dagegen aus einer g¨anzlich anderen sozialen Sph¨are. Auf der Grundlage von Autornennungen und Widmungsadressen in den Handschriften A (Mu¨ nchen, BSB, cgm 715), C (Mu¨ nchen, BSB, cgm 628) und ¨ E (Wien, ONB, Cod. Vindob. 4696), kann als relativ sicher gelten, dass der Liederdichter und Komponist in der zweiten H¨alfte des 14. Jahrhunderts ein Kleriker in der Umgebung des Salzburger Erzbischofs Pilgrim II. von Puchheim war, so dass als Entstehungskontext der deutsch-lateinische und als Kunstzentrum bekannte Salzburger Bischofssitz anzunehmen ist. Das Œuvre des M¨onchs umfasst einen lateinischen Ton sowie 48 geistliche und 57 weltliche Lieddichtungen in fr¨uhneuhochdeutscher Sprache, ¨ die in weit u¨ ber hundert Uberlieferungszeugen tradiert werden und damit zu den mit Abstand am h¨aufigsten u¨ berlieferten lyrischen Texten des gesamten deutschsprachigen Mittelalters z¨ahlen. Die geistlichen Lieder lassen sich aufgrund thematischer Merkmale einteilen in Dichtungen zum Lobpreis Mariens (und zu den hohen kirchlichen Mariengedenktagen) und in Texte zu anderen großen Festen des Kirchenjahres. Manche dieser Dichtungen, wie z. B. das ber¨uhmteste St¨uck, das sogenannte Guldein ABC (Ave, Balsams Creatur), d¨urften im Kontext einer privaten Fr¨ommigkeitspraxis stehen; einige von ihnen stehen dagegen wie das auch heute noch gebr¨auchliche Josef lieber nefe mein im Umkreis der Liturgie. Bei einem Teil der geistlichen Texte handelt es sich (wie im Werk Heinrich Laufen¨ bergs) um die Ubertragungen lateinischer Hymnen und Sequenzen oder aber um sequenzartig gebaute, durchkomponierte St¨ucke, welche die Form lateinischer Vorbilder aufgreifen, ohne die Inhalte zu u¨ bernehmen. Die restlichen Lieder religi¨osen Inhaltes stehen eindeutig in der Formtradition der Kanzonenstrophe; in einzelnen F¨allen ist sogar die ¨ direkte Ubernahme von Bauformen aus dem 13. Jahrhundert nachzuweisen. 45
Die weltlichen Dichtungen umfassen haupts¨achlich Texte aus dem Bereich der Liebeslyrik. Hierzu geh¨oren zun¨achst einmal Lieder, die in der Tradition des mittelhochdeutschen Werbeliedes stehen, wie Sch¨onheitspreis und Sehnsuchtsklagen, wobei sich gegen¨uber den Liedern aus der Zeit um 1200 die Sprechsituation grundlegend a¨ndert. Artikuliert im hochh¨ofischen Werbelied das S¨anger-Ich seine W¨unsche aus einer Distanz zu der (bislang) unerreichten Dame heraus, so setzt das Liebeslied des Mo¨ nchs ein grunds¨atzliches Einverst¨andnis des Sprechers mit der textinternen Adressatin voraus. Wenn Anlass zur Klage besteht, beruht diese nicht auf einer grunds¨atzlichen Ablehnung des m¨annlichen Ich durch die Dame, sondern auf der Existenz widriger Umst¨ande. Des Weiteren sind Lieder zu nennen, die mit der Tradition des Tageliedes und der Serena spielen; hier ist vor allem die bereits bei Steinmar bezeugte Kontextualisierung des Liedgeschehens in einem b¨auerlichen Umfeld herauszuheben. Als letzte Gruppe der weltlichen Lieder ist noch der (ebenfalls schon bei Steinmar belegte) Typus des Trinkliedes zu erw¨ahnen (zu dem auch das von Heinrich Laufenberg kontrafazierte Martinslied Wolauf, lieben gesellen vnuerczait geh¨ort, bei dem die Verfasserschaft des Mo¨ nchs indes ungesichert ist). Sind die geistlichen Lieder des M¨onchs an lateinischen und deutschen Vorbildern geschult, so zeigen die weltlichen Lieder einen klaren Einfluss aus der Romania: Dies gilt vor allem f¨ur die gr¨oßte metrisch-musikalische Besonderheit in diesem Œuvre, n¨amlich die Einf¨uhrung der Mehrstimmigkeit, aber auch f¨ur die Lieder mit musikalischer Binnenrepetition und Refrain, die sich als Parallelen zu den verschiedenen Formen der franz¨osischen ballades und virelai darstellen. F¨ur einen dritten Typ, die durchkomponierten Tenores gibt es hingegen keine aussagekr¨aftigen Parallelen; vielleicht beruhen sie auf der Textierung von urspr¨unglich rein instrumentalen St¨ucken.
Das lyrische Œuvre als Medium adeliger Selbstpr¨asentation: Die Lieder Oswalds von Wolkenstein Dass die in Text und Musik h¨ochst ausdifferenzierte Lyrik des M¨onchs am kulturell hochstehenden Salzburger Bischofssitz entsteht, ist sicherlich kein Zufall, sondern das Resultat eines ge46
Die deutschsprachige Lyrik des Mittelalters zielten G¨onnerinteresses. Das in mehrfacher Hinsicht a¨ hnlich elaborierte Œuvre des j¨ungeren Oswald von Wolkenstein (1376/77–1445) ist dagegen weder im Kloster (wie die Lyrik Heinrich Laufenbergs) noch am Hof (wie die Lieder des Mo¨ nchs) verortet, sondern geht auf die pers¨onliche Initiative eines adeligen Dichterkomponisten zur¨uck, der sowohl im Land Tirol als auch als diener des K¨onigs und sp¨ateren Kaisers Sigismund im Reich eine keineswegs unbedeutende Rolle gespielt hat. Oswald hat seine Lyrik gleichermaßen als Instrument sozialer Repr¨asentation wie als hochgradig stilisiertes Medium der Lebensbew¨altigung genutzt; dieser Ausgangssituation entspricht die weitgehend auf seinen engeren Umkreis konzentrierte und großteils von ihm selbst initiierte Tradierung seiner ¨ Texte und Melodien (Hs. A: Wien, ONB, Cod. Vindob. 2777; Hs. B: Innsbruck, UB, ohne Signatur; beide Handschriften aus Pergament, mit einem Autorenbild versehen). Das in A und B konservierte Œuvre gliedert sich (neben den unsanglichen Texten Kl 67 und 112) auf der Basis der Inhalte in eine Gruppe von eher weltlichen und eine Gruppe von religi¨osen Liedern; quer zu dieser Einteilung liegt dann die Differenzierung in ein- und mehrstimmige Lieder. Oswald von Wolkenstein ist zwar nicht der erste deutschsprachige Dichterkomponist, der mehrstimmige Lieder verfasst; er kann jedoch f¨ur sich in Anspruch nehmen, diese Musiktradition als Erster systematisch und in großem Umfang eingesetzt zu haben: Von den 124 in AB tradierten und sangbaren T¨onen sind immerhin 38 (mehr als ein Viertel!) in mehreren Stimmen notiert. Die weltlichen Lieder orientieren sich zu einem nicht unerheblichen Teil an den bekannten Mustern der Minnesang-Tradition (Werbelieder, Frauenpreisdichtungen und Liebesdialoge), wobei, a¨hnlich wie beim Mo¨ nch von Salzburg, die Gestaltung der textinternen Kommunikation das gegenseitige Einverst¨andnis der Liebenden voraussetzt. Eine zweite Gruppe von Minneliedern ist als Rezeption der genres objectifs zu beschreiben; aufgegriffen werden dabei die Pastourelle und vor allem das Tagelied, dessen literarische wie musikalische M¨oglichkeiten von Oswald, auch darin dem Mo¨ nch folgend, durch die Einf¨uhrung von Mehrstimmigkeit, die Verlagerung des Liedgeschehens ins d¨orperliche Milieu, die Kombination mit Merkmalen anderer Genres und nicht zuletzt durch geistliche 47
Kontrafaktur regelrecht durchgespielt werden. Oswalds gr¨oßte thematische Innovation liegt indes in der systematischen autobiographischen Konkretisierung von Liedinhalten. In seinen Texten finden sich biographische Details in einer F¨ulle wie bei keinem anderen deutschsprachigen Lyriker zuvor. Dabei wird grunds¨atzlich kaum ein Lebensbereich ausgespart; es werden aber vor allem die markanten Ereignisse und Episoden seiner Vita herausgestrichen, zu denen unter anderem die Teilnahme am Konstanzer Konzil, die großen Reisen im Auftrag oder im Gefolge des K¨onigs (und sp¨ateren Kaisers) Sigismund und die lebensbedrohlichen Gefangenschaften z¨ahlen, aber auch lokalpolitische Ereignisse wie die verschiedenen Auseinandersetzungen zwischen dem Tiroler Adel mit Herzog Friedrich. In keinem der Lieder wird indes versucht, den Eindruck einer planen Abbildung lebensweltlicher Verh¨altnisse zu erzeugen; die biographischen Details werden im Gegenteil so eng mit literarischen und nicht-literarischen Diskursen wie den Konventionen lyrischer Genera, den Denkformen der Theologie oder den Sprachregelungen der juristischen Praxis kombiniert, dass sie als wichtige Strukturelemente eines hochgradig artifiziellen Aussagezusammenhangs erscheinen. Als ein weiteres gr¨oßeres Segment des Oswaldschen Œuvres ist der Bereich der geistlichen Lyrik zu nennen, der u. a. durch Hymnen- und Hymnen¨ubertragungen, einige liturgienahe Lieder, durch Lieder uber ¨ feste theologische Themen und vor allem durch Marienlieder vertreten ist, die zum Teil mit R¨uckgriffen auf die Sprache der Minnelyrik und auf die Gattungskennzeichen des Tageliedes arbeiten. Was die formale Seite der Lieder betrifft, so dominiert zumal bei den einstimmigen Liedern das Aufbauschema der Kanzone; dieses gewinnt allerdings durch die H¨aufung von Binnen- und Schlagreimen sowie von K¨ornern (¨uber die Strophengrenzen hinausgehende Reimbindungen) an metrischer Komplexit¨at. Ferner kann der dreiteilige Bauplan mittels eines Refrains oder der Wiederholung eines Strophenteils (des Stollens oder des Abgesangs) variiert werden. Dar¨uber hinaus finden sich auch wenige durchkomponierte Formen. Bei den mehrstimmigen Liedern muss vor allem das Verh¨altnis der verschiedenen Stimmen beachtet werden: Neben eher schlichten Tenorliedern, die als zweite Stimme (Diskant) oft nur eine rein instrumentale Begleitung aufweisen, finden sich Kanons und Tenorlieder mit genuiner Mehrstimmigkeit 48
Die deutschsprachige Lyrik des Mittelalters und schließlich Lieds¨atze, die ganz auf dem Stand der westlichen Mehrstimmigkeit des 14. Jahrhunderts sind; bei der letzten Gruppe ist der Liedsatz oft aus verbreiteten italienischen oder franz¨osischen St¨ucken u¨ bernommen worden. In diesen F¨allen besteht die (keineswegs gering zu sch¨atzende) Leistung Oswalds in der einf¨uhlsamen, auf nuancierte Wort-Ton-Verh¨altnisse abzielenden Neutextierung einer musikalischen Vorgabe. Eine letzte Besonderheit Oswalds betrifft den Stil seiner Lieder: Anders als die Anh¨anger des ›Gebl¨umten Stils‹ verwendet er kaum gewagte Bilder und Vergleiche; dennoch sind seine Lieder nicht einfach zu verstehen. Dies liegt vor allem an seiner Sprachversessenheit, die sich unter anderem an dem Spiel mit den unterschiedlichsten sprachlichen Registern und an seinem Interesse f¨ur andere Sprachen und Dialekte bemerkbar macht: In Oswalds Liedern findet sich das gehobene h¨ofische Idiom genauso wie die grobe Mundart, mehr oder minder standardsprachliches Material ebenso wie die entlegensten Ausdr¨ucke aus den Fach- und Sondersprachen der J¨ager, Bauern und Seeleute; außerdem ist eine Lust an Sprachmischungen jedweder Art sowie nicht zuletzt an Lautmalerei charakteristisch, die durch die Vorliebe f¨ur Reimh¨aufungen (auch innerhalb der Verse und u¨ ber Strophengrenzen hinweg) noch unterst¨utzt wird. Das Œuvre Oswalds ist im deutschsprachigen sp¨aten Mittelalter in Umfang und Qualit¨at nur noch mit dem Werk des M¨onchs von Salzburg vergleichbar; der Autorentyp des aus adeligen Verh¨altnissen stammenden Dilettanten, der ohne einen G¨onnerauftrag lyrische Texte verfasst und sie auf eigene Kosten aufzeichnen l¨asst, ist indes vor, neben und nach Oswald mit solchen Liederdichtern wie Hugo von Montfort (1357–1423), Eberhart von Cersne (urkundlich 1408) sowie Graf Heinrich von W¨urttemberg (1448–1519) vertreten.
Die anonym uberlieferte ¨ Lyrik der sogenannten Liederbucher ¨ Die deutschsprachige Lyrik des Hochmittelalters ist auffallend oft in autorbezogenen Corpora aufgezeichnet worden; im Sp¨atmittelalter ver¨andert sich die Situation insoweit, als diese Tradierungsweise jetzt erg¨anzt wird durch die Trennung von Textautor und Tonerfinder, wie sie in den Sammlungen der meisterlichen Liedkunst und des Meister49
sangs vorgenommen wird, und durch eine g¨anz¨ lich anonymisierte Uberlieferungsform in den sogenannten Liederb¨uchern des 15. und 16. Jahrhunderts. Bei diesen handelt es sich um Kollektionen von sowohl geistlicher wie weltlicher Lyrik des deutschsprachigen Sp¨atmittelalters, die (mit oder ohne Melodien) als selbstst¨andige Handschriften (zumeist eher kleineren Formates) oder als klar abgegrenzte Teilabschnitte von Sammelhandschriften angelegt werden und in der Regel keine Verfassernamen tradieren (und zwar auch dann nicht, wenn die Autoren grunds¨atzlich bekannt sind). Dieser ¨ Uberlieferungstyp ist in einigen fr¨uheren, anonymen Sammlungen mit Liedto¨ nen des 13. Jahrhunderts (wie in der sog. niederrheinischen Liederhandschrift [Leipzig, UB, Cod. Rep. II. fol. 70a] oder der Losse-Sammlung [Kassel, Murhardsche Bibliothek der Stadt- und Landesbibliothek, Cod. iur. fol. 25]) vorgebildet; der Schwerpunkt seiner Verbreitung liegt jedoch im 15. und 16. Jahrhundert (etwa ab 1520 liegen solche Liedkollektionen auch in gedruckter Form vor). Je nach Sammelschwerpunkt kann man zwischen eher geistlichen und eher weltlichen Liederb¨uchern unterscheiden. Zu den wichtigsten handschriftlichen Sammlungen mit u¨ berwiegend weltlichen Texten z¨ahlen (bis ca. 1520) Fichards Liederhandschrift (verbrannt), das K¨onigsteiner Liederbuch (Berlin, SBPK, mgq 719), das Berliner schw¨abische Liederbuch (Berlin, SBPK, mgq 1107), das Lochamer Liederbuch (Berlin, SBPK, Mus. ms. 40b13), das Augsburger Liederbuch (Mu¨ nchen, BSB, cgm 379), das Liederbuch des Jakob Kebicz (M¨unchen, BSB, cgm 811), das Liederbuch der Clara H¨atzlerin (Prag, Knihovna N´arodn´ıho muzea, Cod. X A 12) und das Rostocker Liederbuch (Rostock, UB, Mss. Philol. 100/2). Anders als die großen Liederhandschriften um 1300 sind diese Textzeugen keineswegs repr¨asentative Prachtcodices, sondern preiswerte Aufzeichnungen, f¨ur die relativ oft eine große N¨ahe zur musikalischen Auff¨uhrungspraxis in der Stadt und an den Adelsh¨ofen nachgewiesen werden kann: Das Lochamer Liederbuch zum Beispiel entsteht im Sch¨ulerkreis des blinden N¨urnberger Organisten Konrad Paumann (gest. 1473 in M¨unchen), dem unter anderen der Hauptschreiber, Rubrikator und Erstbesitzer der Handschrift (Wolflein von Lochamer) angeh¨ort; das Rostocker Liederbuch kodifiziert die Liedkunst eines niederdeutschen Sammlerkreises (evtl. im Umfeld der Rostocker Universit¨at); das K¨onigsteiner 50
Die deutschsprachige Lyrik des Mittelalters Liederbuch schließlich geht auf eine zeremonielle Minnegeselligkeit im Umkreis der gr¨aflichen Familie von Eppstein-K¨onigstein zur¨uck, die gleichermaßen den (durch die Laute begleiteten) Vor¨ trag von Minnelyrik wie die Ubersendung von mit Devisen, Monogrammen und Zeichnungen geschm¨uckten Liedeinzelaufzeichnungen umfasst. Was das literarische Profil der weltlichen Liederb¨ucher betrifft, so lassen sich zwei Hauptgruppen unterscheiden: Zum einen gibt es Sammlungen wie das K¨onigsteiner Liederbuch, die ein sehr eingeschr¨anktes, lediglich auf die verschiedenen Facetten der sp¨atmittelalterlichen Liebeslyrik konzentriertes Spektrum an literarischen Formen aufweisen; zum anderen finden sich aber auch Ensembles, in denen eine Vielzahl alter und neuer Liedtypen vertreten sind: So tradiert das Rostocker Liederbuch neben den Minneliedern in den klassischen Genres (Werbelieder, Sehnsuchtsklagen; Tagelieder und Pastourellenartiges; Tanzlieder) und ihren ironischen Brechungen (Parodien und DerbErotisches) auch noch Trink- und Necklieder sowie durchaus ernste Formen wie moraldidaktische, einige wenige deutsche und lateinische Lieder geistlichen Inhaltes sowie eine Reihe von historisch-politischen Liedern, die sich mit norddeutschen Hegemonialkonflikten des 15. Jahrhunderts besch¨aftigen.
Exkurs: Gesungene Zeitgeschichte Das historisch-politische Lied im Sp¨atmittelalter
Politische Lyrik ist bis weit ins 14. Jahrhundert hinein eine Dom¨ane der Sangspruchdichtung und der meisterlichen Liedkunst; daneben hat es aber noch eine zweite Form von gesungener Zeitgeschichte gegeben, die eine wichtige Facette der sp¨atmittelalterlichen Literatur darstellt: das historisch-politische Lied. Es unterscheidet sich vom politischen Sangspruch zum Ersten dadurch, dass es auf die Verwendung etablierter T¨one verzichtet; es greift in der Regel nicht einmal auf das f¨ur die a¨ ltere Tradition kanonische Bauprinzip der Kanzone zur¨uck, sondern nutzt im Allgemeinen einfachere, nicht-stollige Strophenformen. Zum Zweiten l¨asst sich eine merklich andere Tradierungsweise feststellen: Historisch-politische Lie51
der sind sehr oft ohne den Namen des Verfassers oder Tonerzeugers u¨ berliefert, und in den klassischen Sammelbecken der Sangspruchdichtung, der meisterlichen Liedkunst und der Meisters¨anger sind sie nur im Ausnahmefall vertreten. Stattdessen finden sie sich sehr oft in thematisch und formal offenen Miszellaneen-Handschriften, in manchen weltlichen Liederb¨uchern (so in Fichards Liederbuch, im Liederbuch der Clara H¨atzlerin, im Augsburger Liederbuch oder im Rostocker Liederbuch) sowie in chronikalischen Kontexten. Kennzeichnend f¨ur diese Lyrik ist auf der Inhaltsebene, dass sie sich in deutlich wertender (und oftmals in polemisch zugespitzter Weise) mit aktuellen politischen Ereignissen der Zeit besch¨aftigt; dies verbindet sie mit anderen, nicht-sanglichen Formen der politischen Ereignisdichtung in Reimpaar- oder Kreuzreimversen. Die Palette der rhetorischen Mittel, die dazu herangezogen werden, um die rechte Perspektive auf den zur Debatte stehenden Sachverhalt zu vermitteln, ist sehr weit; besonders beliebt ist indes der Vergleich der agierenden Figuren oder Sozialverb¨ande (wie z. B. Adelskoalitionen, St¨adte und St¨adtegemeinschaften oder innerst¨adtische Gruppen) mit (Wappen-)Tieren, deren Merkmale allegorisch ausgelegt werden. In jedem Fall ist die Wahl der Tropen und Figuren von dem Bem¨uhen um ¨ Uberredung und Beeinflussung gesteuert. Diese Lyrik soll parteilich sein, sie will die eigenen Reihen st¨arken und den Gegnern schaden; f¨ur eine differenzierte Argumentation oder etwa gar den Versuch, den Streitfall aus der jeweils anderen Warte zu sehen, ist in diesen Texten kaum Platz. In den weltlichen Liederb¨uchern werden Texte dieser Art oftmals mit informierenden oder belehrenden St¨ucken zusammengestellt, die Themen aus dem Bereich der weltlichen Morallehre verhandeln. * Sind also die weltlichen Liederb¨ucher typische Resultate einer literarischen Interessenbildung am sp¨atmittelalterlichen Hof und in der Stadt, so sind die Liederb¨ucher, die nicht nur am Rand, sondern schwerpunktm¨aßig anonyme, geistliche Lieder in deutscher Sprache sammeln, literarische Reflexe der in sich ausdifferenzierten, sp¨atmittelalterlichen Klosterkultur. Zu den wichtigsten z¨ahlen: das Liederbuch der Anna von K¨oln (Berlin, SBPK, mgo ˇ e Budˇejovice, 280), das Hohenfurter Liederbuch (Cesk´ Knihovna, Ms. 1 VB 8 b), das Ebstorfer Liederbuch 52
Die deutschsprachige Lyrik des Mittelalters (Ebstorf, Kloster-Bibliothek, Hs. VI 17), die Katharinentaler Liedersammlung (Frauenfeld, Thurgauische Kantonsbibliothek, Y 74), der Pfullinger Liederanhang (Stuttgart, WLB, Cod. theol. et philos. 4° 190) oder das Wienh¨auser Liederbuch (Wienhausen, Klosterarchiv, Hs. 9). Diese Sammlungen reagieren unmittelbar auf die je spezifische Fr¨ommigkeitspraxis, aus der sie entspringen. So ist f¨ur eine relativ eng zusammenh¨angende, in norddeutschen Frauenkl¨ostern lokalisierte Gruppe von Handschriften, zu der u. a. das Liederbuch der Anna von K¨oln und das Ebstorfer Liederbuch geh¨oren, ein deutlicher Zusammenhang mit der aus dem Niederl¨andischen stammenden Fr¨ommigkeitsbewegung der devotio moderna zu erkennen. Das Programm dieser Handschriftengruppe l¨asst sich am besten an dem umfangreichsten Zeugnis dieser Gruppe, dem Wienh¨auser Liederbuch, verdeutlichen: Zum Ersten finden sich lateinische und deutsch-lateinische Lieder, die zur gemeinsamen Feier hoher Festtage wie Weihnachten und Ostern (z. B. das heute noch gebr¨auchliche In dulci iubilo) gesungen wurden, dann zum Zweiten Lieder, in denen die Lebensform der Frauenkl¨oster gerechtfertigt wird (etwa mit Hinweis auf die Verderblichkeit der Welt oder auf die alle weltliche Liebe u¨ bersteigende Jesusminne) und schließlich zum Dritten deutsche und lateinischdeutsche Marienlieder. Wenngleich einzelne Lieder Ankl¨ange an verbreitete mystische Grundvorstellungen zeigen m¨ogen, so fehlt dennoch in den norddeutschen Frauenkl¨ostern die hochgradig spekulative Lyrik in der Art des ber¨uhmten, sowohl deutsch wie lateinisch kommentierten granum sinapis (Kiepe/Kiepe, S. 13 f.), wie sie in der Nachfolge von Meister Eckhart entwickelt worden ist. Diese Lyriktradition hat dagegen das Interesse der f¨ur ihre mystische Religiosit¨at bekannten Dominikanerinnen in Katharinental gefunden, die ein zusammenh¨angendes Corpus von Liedtexten, die um das Programm der unio mystica kreisen, sowie einige andere geistliche St¨ucke in Sangspruch- und Meisterlied-T¨onen in ihr Schwesternbuch eingetragen haben. Wiederum andere literarische und religi¨ose Interessen zeigt das im ostmitteldeutschen Zisterzienserkloster Hohenfurt entstandene Liederbuch, in dessen Ensemble vor allem die große Anzahl der geistlichen Kontrafakte hervorzuheben ist sowie die geistlichen Rufe (rueff), umfangreiche Liederzyklen u¨ ber das Weihnachtsgeschehen und die Passion, die mit einem 53
kollektiven ›Wir‹-Sprecher arbeiten und offenbar f¨ur eine gemeinschaftliche Auff¨uhrung gedacht waren.
Das Ende des Mittelalters In diesem Abriss wird die sp¨atmittelalterliche Lyrik in deutscher Sprache auf die Zeit von um 1350 bis 1525 datiert. Der entscheidende Grund f¨ur diese Festlegung der Epochengrenze liegt darin, dass sich die Jahre von 1520 bis 1525 gleich in mehrfacher Hinsicht als Schwellenzeit darstellen: Unter mediengeschichtlichem Gesichtspunkt ist das Erscheinen der ersten gedruckten Liederb¨ucher zu nennen; auf der Ebene der Inhalte markiert die im Zuge der Reformation auftretende Konfessionalisierung der Aussagen einen charakteristischen Einschnitt; hinsichtlich der Texttypen ist einerseits das allm¨ahliche Nachlassen sp¨atmittelalterlicher Vorbilder festzustellen und andererseits das Entstehen neuer Genera, unter denen das Kirchenlied, die an lateinische und romanische Muster angelehnte Kunstlyrik in deutscher Sprache und die u. a. von Georg Forster gesammelte Tenorlied-Tradition namentlich bekannter Komponisten wie Heinrich Isaac (Innsbruck, ich muss dich lassen) oder Ludwig Senfl besonders hervorzuheben sind. Dies bedeutet nun nicht, dass es sp¨ater keine Formen von Lyrik mehr gegeben h¨atte, die sich auf hoch- oder sp¨atmittelalterliche Traditionen bezie¨ hen: So lassen sich der Uberlieferungstyp der geistlichen und weltlichen Liederb¨ucher, das historischpolitische Lied, das Schwanklied in der Nachfolge Neidharts oder die Dichterballaden (M¨oringer; Bremberger; Tannh¨auser) noch sehr lange weiter verfolgen; im Fall des zunftm¨aßig organisierten Meistersangs wird mit der Entwicklung eigener Organisationsformen und mit dem monumentalen Œuvre von Hans Sachs sogar noch einmal ein richtiggehender H¨ohepunkt von Schreibkonventionen greifbar, die ihren Ursprung in der Zeit um 1200 besitzen und die erst 1875, mit der Schließung der letzten Meisters¨angervereinigung in Memmingen, endg¨ultig abbrechen. Gerade die Geschichte des Meistersangs belegt aber noch einmal eindr¨ucklich die generelle Einsicht der Literaturgeschichte, dass sich Epochengrenzen weniger von den Prozessen der Traditionsbildung her bestimmen lassen, sondern eher von den Innovationen her, die 54
Die deutschsprachige Lyrik des Mittelalters sich im Literaturbetrieb etablieren, und unter dieser Vorgabe wird man bei allen Zugest¨andnissen an die Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen festhalten d¨urfen, dass etwa ab dem ersten Viertel des 16. Jahrhunderts eine neue Epoche der deutschen Lyrik beginnt.
Literaturhinweise Weiterf¨uhrende Forschungsliteratur Ewald Jammers (Hg.): Ausgew¨ahlte Melodien des Minnesangs. Einf¨uhrung, Erl¨auterungen ¨ und Ubertragung. T¨ubingen 1963 (ATB. Erg.Reihe 1). Hugo Kuhn: Minnesangs Wende. 2., verm. Aufl. 1967 (Hermaea NF 1). Johannes Janota: Studien zu Funktion und Typus des deutschen geistlichen Liedes im Mittelalter. M¨unchen 1968 (MTU 23). Horst Brunner: Die alten Meister. Studien zu ¨ Uberlieferung und Rezeption der mittelhochdeutschen Sangspruchdichter im Sp¨atmittelalter und in der fr¨uhen Neuzeit. Mu¨ nchen 1975 (MTU 54). Olive Sayce: The Medieval German Lyric. 1150– 1300. The Development of its Themes and Forms in their European Context. Oxford 1982. Ulrich M¨uller: Die mittelhochdeutsche Lyrik. In: Heinz Bergner (Hg.): Lyrik des Mittelalters. Probleme und Interpretationen. Bd. II. Stuttgart 1983 (RUB 7897), S. 7–227. Frieder Schanze: Meisterliche Liedkunst zwischen Heinrich von Mu¨ geln und Hans Sachs. Bd. 1: Untersuchungen. Bd. 2: Verzeichnisse. Mu¨ nchen, Zu¨ rich 1983/84 ( MTU 83.84). Hans-Herbert R¨akel: Der deutsche Minnesang. Eine Einf¨uhrung mit Texten und Materialien. Mu¨ nchen 1986 (Beck’sche Elementarb¨ucher). Hermann Apfelb¨ock: Tradition und Gattungsbewußtsein im deutschen Leich. Ein Beitrag zur Gattungsgeschichte mittelalterlicher musikalischer ‹discordia›. T¨ubingen 1991 (Hermaea NF 62). Johannes Rettelbach: Derivation, Variation, Imitation. Untersuchungen zu den T¨onen der Sangspruchdichter und Meistersinger. T¨ubingen 1993 (Fr¨uhe Neuzeit 14). Helmut Tervooren (Hg.): Gedichte und Interpretationen. Mittelalter. Stuttgart 1993 (RUB 8864). 55
Helmut Tervooren: Sangspruchdichtung. Stuttgart, Weimar 1995 (Sammlung Metzler 293). G¨unther Schweikle: Minnesang. 2. Aufl. Stuttgart, Weimar 1995 (Sammlung Metzler 244). Karina Kellermann: Abschied vom ‹historischen ¨ Volkslied›. Studien zu Funktion, Asthetik und Publizit¨at der Gattung ‹historisch-politische Ereignisdichtung›. T¨ubingen 2000 (Hermaea NF 90). Harald Haferland: Hohe Minne. Zur Beschreibung der Minnekanzone. Berlin 2000 (ZfdPh. Beihefte 10). Michael Baldzuhn: Vom Sangspruch zum Meisterlied. Untersuchungen zu einem literarischen Traditionszusammenhang auf der Grundlage der Kolmarer Liederhandschrift. T¨ubingen 2002 (MTU 120). Achim Diehr: Literatur und Musik im Mittelalter. Eine Einf¨uhrung. Berlin 2004. Franz-Josef Holznagel: Mittelalter. In: Ders. u. a.: Geschichte der deutschen Lyrik. Stuttgart 2004. S. 11–94, 670–674, 685–689, 696–702. Gert H¨ubner: Minnesang im 13. Jahrhundert. Eine Einf¨uhrung. T¨ubingen 2008 (NarrStudienb¨ucher). Horst Brunner/Burghart Wachinger (Hg.): Repertorium der Sangspr¨uche und Meisterlieder des 12. bis 18. Jahrhunderts (unter Mitarbeit von Eva Klesatschke, Dieter Merzbacher, Johannes Rettelbach und Frieder Schanze). Bd. 1–16. T¨ubingen 1986–2009. Gaby Herchert: Einf¨uhrung in den Minnesang. Darmstadt 2010 (Einf¨uhrungen Germanistik). Ulrich M¨uller: Das Mittelalter. In: Walter Hinderer (Hg.): Geschichte der deutschen Lyrik vom Mittelalter bis zur Gegenwart. Stuttgart 1983, S. 20–48. Horst Brunner/Karl-G¨unther Hartmann (Hg.): Spruchsang. Die Melodien der Sangspruchdichter des 12. bis 15. Jahrhunderts. Kassel u. a. 2010 (Monvmenta monodica medii aevi 6). Sieglinde Hartmann: Deutsche Liebeslyrik vom Minnesang bis zu Oswald von Wolkenstein oder die Erfindung der Liebe im Mittelalter. Wiesbaden 2012 (Einf¨uhrung in die deutsche Literatur des Mittelalters 1). Sammelausgaben der Texte (Auswahl) Martina Backes (Hg.): Tagelieder des deutschen Mittelalters. Mittelhochdeutsch/Neuhochdeutsch. Ausgew¨ahlt, u¨ bersetzt und kommentiert von Martina Backes. Einleitung von Alois Wolf. Stuttgart 1992 (RUB 8831). 56
Die deutschsprachige Lyrik des Mittelalters Karl Bartsch (Hg.): Meisterlieder der Kolmarer Handschrift. Stuttgart 1862 (Bibliothek des Literarischen Vereins in Stuttgart. 68). Nachdr. Hildesheim 1998. Franz Magnus B¨ohme: Altdeutsches Liederbuch. Volkslieder der Deutschen nach Wort und Weise aus dem 12. bis zum 17. Jahrhundert. Leipzig 1877. Nachdr. Hildesheim 1966. Helmut Brackert (Hg.): Minnesang. Mittelhoch¨ deutsche Texte mit Ubertragungen und Anmerkungen. Hg., u¨ bersetzt und mit einem Anhang versehen. Frankfurt/M. 1983 u. o¨ . (Fischer TB 6485). Horst Brunner (Hg.): Fr¨uheste deutsche Lieddichtung. Mittelhochdeutsch / Neuhochdeutsch. Hg., u¨ bersetzt und kommentiert. Stuttgart 2005 (RUB 18388). Thomas Cramer (Hg.): Die kleineren Liederdichter des 14. und 15. Jahrhunderts. Bd. 1–4. Mu¨ nchen 1977–85. Ludwig Erk/Franz Magnus B¨ohme (Hg.): Deutscher Liederhort. Auswahl der vorz¨uglichsten Deutschen Volkslieder, nach Wort und Weise aus der Vorzeit und Gegenwart gesammelt und erl¨autert. Nach Erk’s handschriftlichem Nachlasse und auf Grund eigener Sammlung neubearbeitet und fortgesetzt von F. M. B. Bd. 1–3. Leipzig 1893–1894. Nachdr. Hildesheim 1988. Renate Hausner (Hg.): Owe do tagte ez. Tagelieder und motivverwandte Texte des Mittelalters und der fr¨uhen Neuzeit. Bd. 1. G¨oppingen 1983 (GAG 204). Werner H¨over /Eva Kiepe (Hg.): Gedichte von den Anf¨angen bis 1300. Nach den Handschriften in zeitlicher Folge. Mu¨ nchen 1978 (Epochen deutscher Lyrik 1). Ingrid Kasten (Hg.): Deutsche Lyrik des fr¨uhen und hohen Mittelalters. Edition der Texte und ¨ Kommentare von I. K. Ubersetzungen von Margherita Kuhn. Frankfurt/M. 1995 (BMA 3/ BdK 129). Nachdr. im Taschenbuch Frankfurt/M. 2005 (Deutscher Klassiker Verlag im Taschenbuch 6). Ingrid Kasten (Hg.): Frauenlieder des Mittelalters. ¨ Zweisprachig. Ubersetzt und hg. Stuttgart 1990 (RUB 8630). Eva Kiepe/Hansju¨ rgen Kiepe (Hg.): Gedichte 1300–1500. Nach Handschriften und Fr¨uhdrucken in zeitlicher Folge. Mu¨ nchen 1972 (Epochen deutscher Lyrik 2). 57
Eva Klesatschke/Horst Brunner (Hg.): Meisterlieder des 16. bis 18. Jahrhunderts. T¨ubingen 1993 (Fr¨uhe Neuzeit 17). Carl von Kraus (Hg.): Deutsche Liederdichter des 13. Jahrhunderts. Bd. 1: Text. Bd. 2: Kommentar. Besorgt v. Hugo Kuhn. 2. Aufl. durchges. v. Gisela Kornrumpf. T¨ubingen 1978. Rochus von Liliencron (Hg.): Die historischen Volkslieder der Deutschen vom 13. bis 16. Jahrhundert. Bd. 1–4. Leipzig 1865–1869. Nachdr. Hildesheim 1966. Max L¨utolf (Hg.) [in Verbindung mit Mechthild Sobiela-Caanitz, Cristina Hospenthal und Max Schiendorfer]: Geistliche Ges¨ange des deutschen Mittelalters. Melodien und Texte hand¨ schriftlicher Uberlieferung bis um 1530. Bd. 1 ff. Kassel u. a. 2003 ff. (Das deutsche Kirchenlied. Abt. II). Hugo Moser/Helmut Tervooren (Hg.): Des Minnesangs Fr¨uhling. Unter Benutzung der Ausgaben von Karl Lachmann und Moriz Haupt, Friedrich Vogt und Carl von Kraus. Bd. 1: Texte. 38. Aufl. Stuttgart 1988. Bd. 2: Editionsprinzipien. Melodien, Handschriften, Erl¨auterungen. 36. Aufl. Stuttgart 1977. Ulrich M¨uller (Hg.): Deutsche Gedichte des Mittelalters. Mittelhochdeutsch/Neuhochdeutsch. Ausgew¨ahlt, u¨ bers. und erl¨autert, in Zusammenarbeit mit Gerlinde Weiss. Stuttgart 1993. 2., u¨ berarb. und aktualisierte Aufl. Stuttgart 2009 (RUB 8849). Ulrich M¨uller (Hg.): Politische Lyrik des deutschen Mittelalters. Texte I. Von Friedrich II. bis Ludwig dem Bayern. Texte II. Von Heinrich von Mu¨ geln bis Michel Beheim. G¨oppingen 1972/73 (GAG 68.84). Bert Nagel (Hg.): Meistersang. Meisterlieder und Singschulzeugnisse. Auswahl und Einf¨uhrung. Stuttgart 1965 (RUB 8977). Max Schiendorfer (Hg.): Die Schweizer Minnes¨anger. Nach der Ausgabe von Karl Bartsch neu bearb. Bd. 1: Texte. Tu¨ bingen 1990. G¨unther Schweikle (Hg.): Die mittelhochdeutsche Minnelyrik. Bd. 1: Die fr¨uhe Minnely¨ rik. Texte und Ubertragungen, Einf¨uhrung und Kommentar. Darmstadt 1977. Manfred Stange (Hg.): Deutsche Lyrik des Mittelalters. Wiesbaden 2005. Judith Theben (Hg.): Die mystische Lyrik des 14. und 15. Jahrhunderts. Untersuchungen – Texte – Repertorium. Berlin, New York 2010 (Kulturtopographie des alemannischen Raums 2). 58
Die deutschsprachige Lyrik des Mittelalters Ludwig Uhland (Hg.): Alte hoch- und niederdeutsche Volkslieder mit Abhandlung und Anmerkungen. Bd. 1–4. Bd. 1–2: Liedersammlung. Bd. 3: Abhandlung u¨ ber die deutschen Volksb¨ucher. Bd. 4: Anmerkungen zu der Abhandlung. Mit Einleitung von Hermann Fischer. Stuttgart 1893. Zweib¨andiger Nachdr. u. d. T.: Alte hoch- und niederdeutsche Volkslieder. Mit Abhandlung und Anmerkungen. Mit Einleitung von Hermann Fischer. Bd. 1–2. Band 1: Liedersammlung, Buch 1–5, Nachtr¨age, Quellen, Liederanf¨ange. Band 2: Abhandlung, Anmerkungen zu der Abhandlung. Stuttgart, Berlin o. J. [ca. 1910].
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Burghart Wachinger (Hg.): Deutsche Lyrik des sp¨aten Mittelalters. Frankfurt/M. 2006 (BdK 191/BMA 22). Philipp Wackernagel (Hg.): Das deutsche Kirchenlied von der a¨ ltesten Zeit bis zu Anfang des 17. Jahrhunderts. Mit Ber¨ucksichtigung der deutschen kirchlichen Liederdichtung im weitern Sinne und der lateinischen von Hilarius bis Georg Fabricius und Wolfgang Ammonius. Bd. 1–5. Leipzig 1864–77. Nachdr. Hildesheim 1990. Max Wehrli (Hg.): Deutsche Lyrik des Mittelalters. ¨ Auswahl und Ubersetzung. 7., durchges. Aufl. Z¨urich 1988 (Manesse Bibliothek der Weltliteratur).
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Hirsch und Hinde Paulus Diaconus → Band 3, Sp. 5–8. Hildebrandslied → Band 5. Alkuin → Band 1, 6–11. Carmen ad Deum → Band 1, Sp. 21 f. De Karolo rege et Leone papa → Band 3, Sp. 12 f. Wessobrunner Gebet → Band 1, Sp. 25–28. Murbacher Hymnen → Band 1, Sp. 28–31. Hrabanus Maurus → Band 1, Sp. 75–84. Veni, creator spiritus → Band 1, Sp. 84–89. Prudentius → Band 1, Sp. 89–93. Walahfrid Strabo → Band 1, 93–103. Ratpert von St. Gallen → Band 3, Sp. 32–34. Ludwigslied → Band 3, Sp. 34–38. Notker I. von St. Gallen → Band 1, Sp. 118–125. Georgslied → Band 1, Sp. 128–132. Petruslied → Band 1, Sp. 135–139. Salve festa dies → Band 1, Sp. 168 f. Uffing von Werden → Band 1, Sp. 191 f. De Heinrico → Band 3, Sp. 48–50. 61
2. H¨alfte 10. Jh. Hirsch und Hinde. – Teil eines Versgedichts, zweite H¨alfte 10. Jh. Die zwei sowohl stab- wie endreimenden Langverse, von denen der zweite nach der Z¨asur abbricht, lauten: «Hirez runeta hintun in das ora uildu noh hinta [...?]». Sie befinden sich am oberen Rand des Blattes und sind mit Neumen u¨ berschrieben. Dass sie daher f¨ur den Sang gedacht waren, hatte schon Steinmeyer bezweifelt, da sich Neumen auch auf lat. Hexametern und sogar astronomischen Regeln finden. Die ebenfalls neumierte Otmar-Sequenz («Mendaces ostendit dominus [...]») hatte Bischoff an eine Entstehung der Texte in St. Gallen denken lassen, obwohl die Schreiberh¨ande der gesamten Handschrift nach Nordfrankreich weisen. Die obd. Verse entstammen wohl dem sp¨aten 10. Jh., wobei die Formen auf eine Abschrift eines etwas fr¨uheren Textes schließen lassen. Die u¨ berlieferte Form als zweioder eineinhalbversige Langzeilendichtung weist ¨ Ahnlichkeiten mit den St. Galler Spottversen auf. ¨ Allgemein geht man von dem Uberbleibsel eines allegorischen Liebes- oder Verf¨uhrungsgedichts aus; den erotischen Charakter hatte schon K¨ogel (S. 189) betont. Der Zusammenhang mit Verkleidungsbr¨auchen im Kontext von Fruchtbarkeitsriten ist erwogen worden (Erb, Hermann); ein Vergleich mit Hirsch- und Hindespielen skandinavischen Ursprungs (Dencker/Str¨omb¨ack) k¨onnten auf einen lyrischen Ausdruck von Liebesund Paarungspielen hindeuten (Frings). Als Neujahrsbrauch verurteilt Caesarius von Arles das «cervulum facere» als «schmutzige Sch¨andlichkeit» (Mu¨ ller, S. 385). Eine Runeninschrift deutet auf einen gemeinsamen Zusammenhang hin: «Aigil andi Ailrun el[?]ahu gasokun» (D¨uwel). Da eine breitere Kontextualisierung fehlt, muss jede Annahme u¨ ber den kulturgeschichtlichen Hintergrund und die Funktion des kleinen Gedichts Spekulation bleiben. ¨ Uberlieferung: Br¨ussel, Kgl. Bibl., ms. 8860–67 (Kat.-Nr. 1351), 15v (Perg., sp¨ates 10. Jh., obd., mit Neumen versehen). Ausgaben: Karl Mu¨ llenhoff/Wilhelm Scherer (Hg.): Denkm¨aler dt. Poesie und Prosa aus dem VIII.–XII. Jh. Bd. 1: Texte. Bd. 2: Anm. Berlin 21892 (Nachdr. Berlin/Zu¨ rich 1964), Nr. 6, Bd. 1, S. 20, Bd. 2, S. 57 f. – Elias von Steinmeyer (Hg.): Die kleineren ahd. Sprachdenkm¨aler. Berlin 1916, Nr. LXXIX. – J. Sidney Groseclose/Brian O. Murdoch: Die ahd. poetischen Denkm¨aler (Slg. 62
um 1000 Metzler 140). Stuttgart 1976, S. 98 f. – Ahd. Lit. Eine kommentierte Anthologie. Ahd./Nhd. ¨ Altnd./Nhd. Ubers., hg. und komm. v. Stephan M¨uller. Stuttgart 2007, S. 260 f., 385. Literatur: Stefan Sonderegger, VL2 4 (1983) ¨ Sp. 48 f. – Ernst D¨ummler: Die hsl. Uberl. der lat. Dichtungen aus der Zeit der Karolinger. In: Neues Arch. 4 (1879) S. 155–158. – Rudolf K¨ogel: Gesch. der dt. Litteratur bis zum Ausgange des MA. Bd. 1.2. Straßburg 1894–97. – Joseph van den Gheyn: Catalogue des Manuscrits de la Biblioth`eque Royale de Belgique. Tome 2: Patrologie. Br¨ussel 1902, Nr. 1351, S. 289–292, bes. S. 292. – Paul Herrmann: Altdt. Kultgebr¨auche (Dt. Volkheit 54). Jena 1928. – Dag Str¨omb¨ack: Cult remnants in Icelandic dramatic dances. In: Arv 4 (1948) S. 132–145. – Nils Dencker (Hg.): Sveriges s˚anglekar: sammanparningslekar och friarleka. Med f¨orord av D. Str¨omb¨ack (Skrifter utgivna genom Landsm˚als-och Folkminnesarkivet i Uppsala B.9). Uppsala 1960. – Theodor Frings: H. u. H. In: PBB (Halle) 85 (1963) S. 22–26. – Ewald Erb: Gesch. der dt. Lit. von den Anf¨angen bis zur Gegenwart. Hg. v. Klaus Gysi. Berlin 1964, Bd. 1, S. 674, 702, 994. – Bernhard Bischoff: Pal¨aographische Fragen dt. Denkm¨aler der Karolingerzeit. In: Fr¨uhma. Stud. 5 (1971) S. 101–134 (wieder in: Ders.: MA Stud. Ausgew¨ahlte Aufs¨atze zur Schriftkunde und Literaturgesch. Bd. 3. Stuttgart 1981, S. 73–111), hier S. 120. – Ute Schwab: Das ahd. Lied ‹H. u. H.› in seiner lat. Umgebung. In: Latein und Volkssprache im dt. MA 1100–1500. Hg. v. Nikolaus Henkel/Nigel F. Palmer. T¨ubingen 1992, S. 74–122 (Abb. S. 118 f.). – Klaus D¨uwel: Zur Runeninschrift aus der silbernen Schnalle von Pforzen. In: Hist. Sprachforschung 110 (1997) S. 281–291. – Ernst Hellgardt: Neumen in Hss. mit dt. Texten. Ein Kat. In: ‹Ieglicher sang sein eigen ticht›. Germanistische und musikwissenschaftliche Beitr. zum dt. Lied im Sp¨atMA. Hg. v. Christoph M¨arz u. a. (Elementa Musicae 4). Wiesbaden 2011, S. 163–207, hier S. 168 (Nr. 5). – Michael Klaper: ‹H. u. H›. Zum gesanglichen Vortrag ahd. Verse im Spannungsfeld zwischen Kontrafaktur- und Tropenpraxis. In: ebd., S. 41–56. CS Boethius → Band 1, Sp. 194–198. Ekkehart IV. von St. Gallen → Band 3, Sp. 65–71. 63
Boethius Das Tanzlied von Kolbigk ¨ / Die Legende vom Kolbigker ¨ Tanz → Band 1, Sp. 208 f. Carmina Cantabrigiensia → Band 3, Sp. 75–78. Ezzo → Band 1, Sp. 231–234. Annolied → Band 3, Sp. 88–93. Die a¨ ltere Judith / Die drei Junglinge ¨ im Feuerofen → Band 1, Sp. 295–299. Das Lob Salomons → Band 1, Sp. 299–301. Vorauer Marienlob → Band 1, Sp. 327–329. Baumgartenberger Johannes Baptista → Band 1, 342 f. Melker Marienlied → Band 1, Sp. 343–345. Cantilena de conversione Sancti Pauli → Band 1, 349 f. Admonter Liebesgruß → Band 3, Sp. 125. Hamburger Jungstes ¨ Gericht → Band 1, Sp. 361 f. Die Wahrheit → Band 1, Sp. 362–364. Archipoeta. – Lat. Lieddichter, 12. Jh. Der A. z¨ahlt zwar zu den herausragenden lat. Dichtergestalten des MA, ist aber nur als Verfasser von zehn u¨ berlieferten Liedern gesichert. Dieses d¨urfte kaum seiner tats¨achlichen literarischen Produktion entsprechen. Aus der Masse anonym u¨ berlieferten lat. Liedgutes konnten ihm aber keine weiteren St¨ucke mit Sicherheit zugesprochen werden. Lied X, die sog. Vagantenbeichte (Incipit: «Meum est propositum»), z¨ahlt mit u¨ ber 40 Belegen zu den meist¨uberlieferten Texten des MA. Das Namenspseudonym, das auch von sp¨ateren Dichtern verwandt wurde, ist im G¨ottinger Hauptzeugen f¨ur die Lieder des A. u¨ berliefert. Die historische Person, die sich hinter dem Namen verbirgt, ist nicht bekannt. Die Lieder des A. belegen Beziehungen zum Hof Friedrichs I. (eines der Lieder ist direkt an Barbarossa gerichtet) und vor allem zu dessen Kanzler Rainald von Dassel. Diesem gegen¨uber nennt sich der A. «poeta tuus» und «vates 64
Archipoeta tuus». Rainald war von 1156–67 Reichskanzler, was f¨ur die Lieder den zeitlichen Rahmen an die Hand gibt. Mo¨ glich ist, da Rainald von 1159–67 auch Erzkanzler von Italien war, dass das Dichterpseudonym eine Analogiebildung zu «Archicancellarius» ist. Welcher Art die Beziehungen des A. zum staufischen Hof genau waren und ob ein konkretes Dienstverh¨altnis zu Rainald bestand, ist umstritten (Hofdichter, Beamter, Diplomat, Notar, Jurist [?]). Dass der A. nachweislich im dt. Kulturkreis wirkte, muss nicht bedeuten, dass er auch Deutscher war, wie manche (mitunter nationalistische) Stimmen glaubhaft machen wollten (Langosch 1935 [s. Lit.]). Sein Latein weist keine volkssprachlichen Eigent¨umlichkeiten auf (wie etwa ein lat.-franz¨osisches Mischgedicht des → Hugo Primas von Orleans). Einziger Hinweis auf die Abkunft des A. ist Lied III, das sowohl Rainald als auch den Dichter selbst mit dem Attribut «transmontanus» versieht. Ob hier aber wirklich auf das gemeinsame transalpine dt. Geburtsland oder vielleicht nur auf eine gemeinsame kaisertreue (‹n¨ordliche›) Gesinnung angespielt wird, ist v¨ollig offen. Auch s¨amtliche weiteren biographischen Hinweise sind textimmanent und daher nur unter Vorbehalt heranzuziehen. So z¨ahlt sich der A. in Lied X. zu den «iuvenes», was gemeinhin aber nicht zwingend ein Lebensalter von 28 bis 49 Jahren meint. Hieraus wurde das ungef¨ahre Geburtsdatum 1130/40 erschlossen. Nach Lied IV war er von ritterlicher Abkunft («ortus ex militibus»), zog aber, als «scolaris» dem Vergil folgend («malui Virgilium sequi»), Studien und Dichtung vor. Nach Lied VI habe er das Vorhaben, in Salerno Medizin zu studieren krankheitsbedingt aufgegeben. Als Aufenthaltsorte nennen die Lieder K¨oln und Wien, gelobt werden Pavia und Novarra, getadelt wird Mailand. Unzweifelhaft tritt in den Liedern des A. dessen exquisite Bildung zu Tage: in der biblischen wie klassischen Literatur aber auch in Theologie und Philosophie. Da offenbar nach Rainalds Tod keine Dichtungen des A. mehr u¨ berkommen sind, k¨onnte es sein, dass er wie dieser 1167 an einer vor Rom ausgebrochenen Malaria-Epidemie verstorben ist. Der A. verbindet in seinen Liedern die traditionellen Themen der «vagantischen» Dichtung (Wein, Spiel, Liebe; Armuts- und Krankheitsklage, Lohnersuchung) mit kirchlichen Formen wie Vision (Lied V) und Beichte (Lied II und X) und streut zus¨atzlich Anspielungen an die klassische 65
Mitte 12. Jh. Literatur ein. Das Resultat sind kunstreiche Parodien. Das in der Vagantenbeichte anfangs lustvoll vorgetragene Su¨ ndenbekenntnis macht die sp¨atere Reue schon allein dadurch unglaubw¨urdig, dass die Sinnenlust als unab¨anderliche Natur des S¨angerIchs gekennzeichnet wird. Außerhalb des «vagantischen» Kontextes steht der Kaiserhymnus (Lied IX), in dem der staufische Reichsgedanke propagiert wird. Formal neigt der A. einfachen und gel¨aufigen Formen zu, pr¨asentiert diese aber mit hoher Kunstfertigkeit. Sein Latein ist dabei so fl¨ussig wie stilsicher. Er verwendet sowohl rhythmische als auch metrische Verse. F¨ur die Achtsilber und Tiradenreime in Lied II und die leoninischen Verse in Lied II scheint Hugo Primas vorbildlich gewesen zu sein. Es gibt keine Hinweise darauf, dass der A. noch in anderen Formen als dem Lied gedichtet haben k¨onnte wie etwa sein Zeitgenosse Walter von Chˆatillon. Angeblich (so Lied IV) hat er den Auftrag zu einem Barbarossa-Epos mit dem Hinweis auf den zu knappen zeitlichen Rahmen abgelehnt. Zeugnis der Popularit¨at des A. ist vor allem die ¨ breite (und u¨ beraus variantenreiche) Uberlieferung der Vagantenbeichte. In Zeugnissen ab dem 13. Jh. gehen der A., Hugo Primas, Walter Mappes und Walter von Chˆatillon mitunter im Sammelnamen «Golia» auf. ¨ Uberlieferung: G¨ottingen, SUB, 8° Cod. Ms. philol. 170, 4 Perg.-Doppelbll. (zweite H¨alfte 12. Jh.); enth¨alt die Lieder I–VIII mit der jeweiligen ¨ Uberschrift «Archipoeta», die bei Lied I vermutlich wegen Beschneidung fehlt. – Br¨ussel, Kgl. Bibl., Ms 2067–73 (vormals 368) 104v–105r (12./13. Jh., aus Stablo); enth¨alt (anonym) Lied VII sowie IX und X und eine vorangehende Ars dictamina, die sich auf Rainald beziehen l¨asst. Der Codex ist daher Grundlage der Gesamtzuweisung der Lieder I–X an den A. – Lied X in 41 Hss. (darunter die Hs. der → Carmina Burana), I in drei Hss., IV, VII und IX in zwei Hss., II, III, V, VI, VIII unikal bezeugt. ¨ Ausgaben und Ubersetzungen: Grimm (s. Lit) S. 189–211/S. 49–73. – Max Manitius: Die Gedichte des A. (M¨unchener Texte 6). M¨unchen 1913, 21929. – Karl Langosch: Hymnen und Vagantenlieder. Lat. Lyrik des MA mit dt. Versen. Darmstadt 1954, S. 219–227. – Heinrich Watenphul/Heinrich Krefeld (Hg.): Die Gedichte des A. Mit Einf. und Komm. Heidelberg 1958 (vgl. dazu: Walther Bulst, in: AfdA 72 [1961] S. 145–159). – K. Langosch (Hg.): Die Lieder des A. Lat. und 66
Mitte 12. Jh. Dt. (RUB 8942). Stuttgart 1965 u. o¨ . – H. Krefeld: Der A. Lat. und dt. (Schr. und Quellen der alten Welt 41). Berlin 1992. – Fleur Adcock: Hugh Primas and the Archpoet (Cambridge Medieval Classics 2). Cambridge u. a. 1994, S. 69–127 (mit engl. ¨ Ubersetzung). Literatur: Manitius 3 (1931) S. 978–984. – Bernhard Bischoff, NDB 1 (1953) S. 336 f. – G¨unter Bernt, VL2 1 (1978) Sp. 423–430. – Dieter Schaller, Lex. MA 1 (1980) Sp. 899 f. – Jens Pfeiffer, Killy2 1 (2008) S. 187–190. – Jacob Grimm: Gedichte des MA auf K¨onig Friedrich I. (Abh. der Akad. der Wiss. Berlin 1843). Berlin 1845, S. 143–211 (wieder in: Ders.: Kleine Schr. Bd. 3. Berlin 1866, S. 1–99). – Bernhard Schmeidler: Zum A. In: Hist. Vierteljahresschr. 14 (1911) S. 367–395, 612 f. – Wilhelm Meyer: Der K¨olner A. In: Nachrichten der Kgl. Ges. der Wiss. zu G¨ottingen, gesch¨aftliche Mitt. 1914, S. 99–105. – B. Schmeidler: Noch einige Bemerkungen zum Carmen V (IX) des A. In: Annalen des Hist. Ver. f¨ur den Niederrhein 103 (1919) S. 186–191. – Hennig Brinkmann: Die Dichterpers¨onlichkeit des A. In: GRM 13 (1925) S. 102–119. – Karl Strecker: Die zweite Beichte des A. In: Ma. Hss. Pal¨aographische, kunsthist., literarische und bibliotheksgeschichtliche Unters. FS Hermann Degering. Leipzig 1926, S. 244–252. – Goswin Frenken: Der Erzpoet und das Kloster St. Martin in K¨oln. In: Jb. des K¨olnischen Geschichtsver. 11 (1929) S. 130–135. – Heinrich Meyer-Benfey: War der A. ein Deutscher? In: ZfdA 71 (1934) S. 201–209. – Karl Langosch: Der A. war ein Deutscher! (Auch einiges Grunds¨atzliche zur mlat. und nationalen Wiss.). In: Hist. Vierteljahresschr. 30 (1935) S. 493–547. – Walter Stach: Salve, mundi domine! Kommentierende Betrachtungen zum Kaiserhymnus des A. (Ber. u¨ ber die Verhandlungen der S¨achsischen Akad. der Wiss. Philol.-Hist. Kl. 91, 3). Leipzig 1939. – Ernst Robert Curtius: Der A. und der Stil der ma. Dichtung. In: Romanische Forschungenen 54 (1940) S. 105–164. – K. Langosch: Stud. zum A. I–II. In: Dt. Arch. f¨ur die Gesch. des MA 5 (1942) S. 387–418 (wieder in: Ders.: Kleine Schr. Hg. v. Paul Klopsch u. a. Hildesheim/M¨unchen 1986, S. 205–236). – Ders.: Polit. Dichtung um Kaiser Friedrich Barbarossa. Berlin 1943. – Ders.: Zur ‹Komposition› beim A. In: Dt. Vierteljahrsschr. f¨ur Literaturwiss. und Geistesgesch. 21 (1943) S. 417–436. – Gustavo Vinay: Ugo Primate e l’A. 67
Archipoeta Ricerche. In: Cultura neolatina 9 (1949) S. 5–40. – Hans Joachim Moser: Kommerslieder vom MA bis zum Rokoko. In: Dt. S¨angerschaft 63 (1958) S. 272–285. – Watenphul/Krefeld (s. Ausg.). – Paul Pascal: Notes on the confessions of the Archpoet. In: Neophilolologus 43 (1959) S. 142–147. – Robert Burchard Constantijn Huygens: Die Gedichte von Gillebert. In: Sacris erudiri 13 (1962) S. 519–586. – Rudolf Stark: A. C. III (Grimm) In: Classica et mediaevalia 23 (1962) S. 218–224. – Frederic James Edward Raby: ‹Turris Alethie› and the ‹Ecloga Theoduli›. In: Medium aevum 34 (1965) S. 226–229. – Willibrord Heckenbach: Zur Parodie beim A. In: Mlat. Jb. 4 (1967) S. 145–154. – P. Klopsch: Zu ‹Kaiserhymnus› und ‹Beichte› des A. In: ebd., S. 161–166. – Ders.: Acyrus (A. VII 11,2). In: ebd., S. 167–170. – K. Langosch: Zur ‹Bittpredigt› des A. In: ebd., S. 155–160 (wieder in: Ders.: Kleine Schr. [s. o.] S. 257–262). – P. Klopsch: Der A. In: Der altsprachliche Unterricht 12 (1969) 4, S. 31–47. – Heinrich Naumann: Gab es eine Vagantendichtung? In: ebd., S. 69–105. – Dirk Kuijper: Archipoetica duo. In: Mlat. Jb. 7 (1972) S. 125 f. – Otto Zwierlein: Antike Motive beim A. und im ‹Ligurinus›. In: ebd., S. 102–124; ebd. 9 (1974) S. 313. – Fritz Wagner: Colores rhetorici in der ‹Vagantenbeichte› des A. In: Mlat. Jb. 10 (1975) S. 100–105. – William T. H. Jackson: The Politics of a Poet: The A. as Revealed by his Imagery. In: Philosophy and Humanism. Hg. v. Edward P. Mahoney. New York 1976, S. 320–338. – Anne Betten: Lat. Bettellyrik: literarische Topik oder Ausdruck existentieller Not? Eine vergleichende Skizze u¨ ber Martial und den A. In: Mlat. Jb. 11 (1976) S. 143–150. – Francis Cairns: The A.’s Confession. In: Mlat. Jb. 15 (1980) S. 87–103. – Ders.: The A.’s ‹Jonah-Confession›. In: Mlat. Jb. 18 (1983) S. 168–193. – Johannes Hamacher: Die ‹Vagantenbeichte› und ihre Quellen. In: ebd., S. 160–167. – Rudolf Schieffer: Bleibt der ¨ 98 (1990) S. 59–79. – JoA. anonym? In: MIOG hannes Fried: Der A. – ein K¨olner Scholaster? In: Ex ipsis rerum documentis. Beitr. zur Medi¨avistik. FS Harald Zimmermann. Hg. v. Klaus Herbers u. a. Sigmaringen 1991, S. 85–90. – Peter Dronke: Hugh Primas and The Archpoet: some historical (and unhistorical) testimonies. In: Adcock (s. Ausg.) S. XVII–XXII. – Johannes Feneberg: Die Bittpredigt des A. (Carmen Buranum 129) und die u¨ brigen vagantischen Bittgedichte. In: Lit. in 68
Der von Kurenberg ¨ Bayern 36 (1994) S. 66–75. – Fidel R¨adle: A. – ‹obendrein› Komponist. Zur Crux in Carmen VII 11,2 (Watenphul/Krefeld). In: Mlat. Jb. 29 (1994) S. 39–44. – Hans Bayer: Gottfried von Straßburg und der ‹A.›. Die literarischen Masken eines Ehrund Namenlosen (Spolia Berolinensia 8). Hildesheim u. a. 1996. – Thomas Cramer: Das Genie und die Physik: zu ‹Estuans intrinsecus› des A. In: Der fremdgewordene Text. FS Helmut Brackert. Hg. v. Silvia Bovenschen. Berlin u. a. 1997, S. 1–10. – Peter Godmann: Archness: The Archpoet and the Arch-Chancellor. In: Geistliches in weltlicher und Weltliches in geistlicher Lit. Hg. v. Christoph Huber u. a. T¨ubingen 2000, S. 51–89. – Carsten Wollin: Mutabilit¨at in der lat. Dichtung des HochMA. Die Kleidermetamorphosen des Hugo Primas und des A. In: Sacris erudiri 40 (2001) S. 329–413. – Peter Landau: Der A.: Deutschlands erster Dichterjurist. Neues zur Identifizierung des politischen Poeten der Barbarossazeit (Bayerische Akad. der Wiss., phil.-hist. Kl., Sitzungsberichte 2011, 3). M¨unchen 2011. VZ Hildegard von Bingen → Band 1, Sp. 377–384. Der von Kurenberg. ¨ – Minnes¨anger, um 1150–60. Unter der Bezeichnung «Der (Herr) von K¨urenberg» u¨ berliefern die → Große Heidelberger Liederhandschrift (C) 15, das → Budapester Fragment (Bu) wohl aufgrund von Blattverlust nur neun Strophen (entsprechend C 1–9) in gleicher Reihenfolge, aber mit zum Teil signifikant unterschiedlichem Wortlaut, die sich durch den «Reiz einer unersetzlichen Altert¨umlichkeit» (Worstbrock) auszeichnen. Wer dieser Herr von K¨urenberg war, der allgemein als der fr¨uheste u¨ berlieferte deutschsprachige Minnes¨anger gilt, l¨asst sich nicht feststellen. Es ist m¨oglich, dass ein Redaktor/Sammler im Vorfeld der Handschriften C und Bu die Autorzuschreibung u¨ berhaupt erst sekund¨ar aus der Erw¨ahnung des Namens in MF 8,1 (Hs. C: «in kvrenberges wˆıse» – ‹in der Melodie des K¨urenberger›; Hs. Bu: «in chvrenbergere wˆıse» – ‹in der Melodie der K¨urenberger›; zur Varianz vgl. Worstbrock) entwickelt hat. Fu¨ r die Lokalisierung in Frage kommende Orte mit dem Namen K¨urenberg gab es sowohl im Su¨ d¨ westen als auch in Ostbayern und Osterreich; die Machart der Lieder in Stil und Programmatik des Fr¨uhen Minnesangs weist aber klar in den Donauraum. Der archaische Charakter der Lieder und das 69
Mitte 12. Jh. v¨ollige Fehlen romanischer Einfl¨usse sprechen f¨ur eine Datierung schon um 1150 bis 1160. Die starke inhaltliche Abgeschlossenheit der meisten Strophen, Reimassonanzen, die Strophenform mit Langversen (¨uberwiegend der Grundstruktur der Nibelungenstrophe entsprechend), der große Anteil von Frauenstrophen und insbesondere der Inhalt ohne alle Kennzeichen des hohen Minnesangs ordnen die K¨urenberger-Strophen dem fr¨uhen, ‹donaul¨andischen› Minnesang zu. Pr¨asentiert wird in je leicht variierter Konstellation, insgesamt aber mit den Akteuren und Requisiten einer aristokratisch-h¨ofischen Welt («rˆıter», «wˆıp», «frouwe», «magedˆın», Bote, die Aufpasser – Zinne, Jagdfalke) ein Minnekonzept, in dessen Zentrum das Spannungsverh¨altnis zwischen weiblichem Liebesbegehren, sozialer Kontrolle und m¨annlicher Souver¨anit¨at steht. Die Frauen erscheinen in den Frauenstrophen jeweils liebesbereit und gelegentlich auch sexuell fordernd (MF 8,9), verlieren aber in der Liebe ihre Freiheit und Souver¨anit¨at. Unter den Verboten und Nachstellungen der Gesellschaft (Aufpasser) leiden sie mehr als die M¨anner; so kann der Mann in MF 10,1 als L¨osung zur heimlichen Liebe raten, w¨ahrend die Frau in MF 7,19 kein Mittel gegen die Aufpasser kennt. Mehrfach thematisiert der K¨urenberger auf charakteristische Weise die Bedrohung m¨annlicher Souver¨anit¨at durch eine Besitz ergreifende liebende Frau (MF 8,1 und MF 9,29 – die liedhafte Zusammengeh¨origkeit der beiden Strophen als sogenannter ‹Zinnenwechsel› ist allerdings strittig und wird durch die Lesarten von Bu eher dementiert) – so auch im zweistrophigen ‹Falkenlied› (MF 8,33 und MF 9,5), dem bekanntesten und am h¨aufigsten besprochenen Text des K¨urenbergers. Das Bild vom Falken, der sich den Domestizierungsversuchen des Sprecher-Ichs durch Entfliegen in «andere L¨ander» entzieht, dessen freier Flug zugleich vom Ich aber als «sch¨on» empfunden wird, ist am plausibelsten als Metapher f¨ur den Mann zu interpretieren, der sich von der Frau nicht festhalten l¨asst (Wapnewski, 1959); dann haben beide Strophen ein weibliches Sprecher-Ich. ¨ Auf die bedeutsame Uberlieferungsvarianz zwischen Bu und C im Schlussvers des Falkenliedes hat Worstbrock hingewiesen. Dass sich in den Texten des K¨urenbergers bereits eine kritische Auseinandersetzung mit dem romanisch beeinflussten hohen Minnesang dokumentiert, wie insbesondere Krohn postuliert hat, ist an keiner Stelle zu belegen und 70
Mitte 12. Jh. w¨urde eine Sp¨atdatierung erforderlich machen, die nicht gerechtfertigt erscheint. In der Handschrift C ist deutlicher als im fragmentarisch verk¨urzten Korpus von Bu erkennbar, dass die Strophen des zweiten Tones (MF 7,19 – MF 10,20) nach dem Geschlecht der Ich-Figur angeordnet sind (Frauenstrophen vor Mannesstrophen; die ungew¨ohnliche Dialogstrophe MF 8,9 steht unter den Frauenstrophen, vielleicht weil sie mit den gleichen Worten beginnt wie die vorhergehende Strophe). Diese Anordnung kann sekund¨ar sein; sie scheint strophen¨ubergreifende inhaltliche Zusammenh¨ange zu ignorieren. Auf eine Auff¨uhrungspraxis mit verteilten Rollen (m¨annlich-weiblich, Schilling) wird diese Anordnung kaum hindeuten – dagegen sprechen schon die gelegentlichen inquitFormeln («sˆo sprach das wˆıp», MF 8,12), die nur in Frauenstrophen vorkommen. Wesentlich f¨ur die K¨urenberger-Forschung war die Entdeckung des Budapester Fragments, das die Texte nach den Befunden Worstbrocks erkennbar konservativer und urspr¨unglicher u¨ berliefert als die Handschrift C. ¨ Uberlieferung: Heidelberg, cpg 848 (C, Große Heidelberger Liederhs.), 63r-v. – Budapest, Sz´ech´enyiNationalbibl., Code Germ. 92 (Bu, Perg., Regensburg [?], um 1300, bair.), 1r-v. Ausgaben: MF S. 24–27, 464. – G¨unther Schweikle: Die mhd. Minnelyrik I: Fr¨uhe Minnelyrik. Stuttgart/Weimar 1993, S. 118–123. – Die Lyrik des fr¨uhen und hohen MA. Hg. v. Ingrid ¨ Kasten. Ubersetzung v. Margherita Kuhn (BdK 129/BMA 3). Frankfurt/M. 1995, S. 44–50. Literatur: G¨unther Schweikle: K¨urenberg. In: VL2 5 (1985) Sp. 454–461. – Ricarda Bauschke: K¨urenberger, Der. In: LexMA 5 (1991) Sp. 1581. – Manfred Eikelmann, Killy2 7 (2010) S. 107–109. – Franz Pfeiffer: Der Dichter des Nibelungenliedes. Wien 1862. – Anton Wallner: ‹Ich zˆoch mir einen valken›. In: ZfdA 40 (1896) S. 290–294. – Ders.: K¨urenbergs Falkenlied. In: ZfdA 50 (1908) S. 206–214. – Carl Wesle: Das Falkenlied des K¨urenbergers. In: ZfdPh 57 (1932) S. 209–215. – Max Ittenbach: Der fr¨uhe dt. Minnesang. Strophenf¨ugung und Dichtersprache (DVjs Buchreihe 25). Halle 1939. – Hendrik W. J. Kroes: K¨urenbergiana. In: Neophilologus 36 (1952) S. 88–90. – G¨unther Jungbluth: Zu Minnesangs Fr¨uhling 7, 1–18. In: Neophilologus 37 (1953) S. 237–239. – Arthur Thomas Hatto: Das Falkenlied des K¨urenbergers. In: Euph. 53 (1959) S. 20–23. – Peter Wapnewski: Des K¨urenbergers Falkenlied. In: 71
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Mitte 12. Jh. einer mhd. Liedgattung (Beitr. zur a¨lteren Literaturgesch.). Heidelberg 1997, S. 74–78. – Franz Josef ¨ Worstbrock: Der Uberlieferungsrang des Budapester Minnesang-Fragm. Zur Historizit¨at ma. Textvarianz. In: Wolfram-Stud. 15 (1998) S. 114–142. – Mark Chinca: Women and hunting-birds are easy to tame. Aristocratic masculinity and the early German love-lyric. In: Masculinity in Medieval Europe. Hg. v. Dawn M. Hadley. London 1999, S. 199–213. – U. Mu¨ ller: Der erste Liebeslyriker in dt. Sprache. D. v. K. In: Studia niemcoznawcze 20 (2000) S. 309–319. – Ders.: Heinrich von Ofterdingen, K¨urenbergers Falken-Lied, Novalis und der Ofterdingen-Roman von Johannes R¨uber (1988). In: ‹Swer sˆınen vriunt behaltet, daz ist lobelˆıch›. FS Andr´as Vizkelety. Hg. v. Marta Nagy u. a. (Budapester Beitr. zur Germanistik 37/Abrogans 37). Piliscsaba u. a. 2001, S. 493–501. – Stephan Mu¨ ller: ¨ ¨ Minnesang im Himmelreich? Uber Ortlichkeiten literarischer Kommunikation an den Grenzen des H¨ofischen beim K¨urenberger, in der ‹Kudrun›, im ‹Dukus Horant› und im ‹himelrˆıche›. In: Literarische Kommunikation und soziale Interaktion. Stud. zur Institutionalit¨at ma. Lit. Hg. v. Beate Kellner u. a. (Mikrokosmos 64). Frankfurt/M. u. a. 2001, S. 51–71. – Peter Kern: Die K¨urenberg-Texte in der Manessischen Hs. und im Budapester Fragm. In: Entstehung und Typen ma. Lyrikhss. Akten des Grazer Symposiums 13.–17. Oktober 1999. Hg. v. Anton Schwob u. a. (Jb. f¨ur internationale Germanistik, Reihe A, Kongressberichte, 52). Bern 2001, S. 143–163. – Helmut Tervooren: eber, ber, valke. Kleine wortgeographische Beobachtungen ¨ zur K¨urenberg-Uberl. und Deutungsversuche zu K¨urenbergs Str. Jˆo stuont ich nehtint spˆate. In: ebd., S. 291–301. – Corinna D¨orrich/Udo Friedrich: Bindung und Trennung – Erziehung und Freiheit. Sprachkunst und Erziehungsdiskurs am Beispiel des K¨urenberger Falkenliedes. In: Der Deutschunterricht 55 (2003) S. 30–42. – Maria del Carmen Balbuena Torezano: Frauenlied, Frauenstr. El discurso femenino en la l´ırica de D. v. K. Propuesta de un an´alisis literario desde el punto de vista recepcional (Arias Montano 65). Huelva 2003. – Michael Schilling: Sedimentierte Performanz. Die K¨urenberg-Str. in der Heidelberger Liederhs. In: Euph. 98 (2004) S. 245–263. – Lorenz Deutsch: K¨urenbergers ‹tunkel sterne› und die Rhetorik des magischen Sprechens. Ein Liebeszauber. In: ZfdPh 125 (2006) S. 107–111. – Katharina Boll: ‹Alsˆo redete ein vrowe schoene›. Unters. zu Konstitution 74
Mitte 12. Jh. und Funktion der Frauenrede im Minnesang des 12. Jh. (W¨urzburger Beitr. zur dt. Philologie 31). W¨urzburg 2007, S. 155–176. AH Dietmar von Aist (auch: Eist, Ast, Ditmarus de Agast, Agist). – Minnes¨anger. Eine Zeichnung in der → Heidelberger Liederhandschrift C stellt den Minnes¨anger D. als Mann im blauen Reisemantel dar. Er steht hinter einem zahlreiche Spindeln transportierenden Esel und spricht mit einer Frau, die einen weißen Hund im Arm ¨ tr¨agt. Uber den dargestellten Figuren ist ein Wappen mit einem Einhorn im Schild zu sehen. Leider hat auch diese elaborate Illustration es bis heute nicht erm¨oglicht, die historische Person hinter dem Minnes¨anger D. zweifelsfrei zu ermitteln. Mo¨ glicherweise handelte es sich bei ihm um einen gleichnamigen Freiherren aus einer seit 1125 nachweisbaren Familie ober¨osterr. Edelfreier, die in der N¨ahe von Ried/Inn ans¨assig war. In verschiedenen Urkunden ist dieser D. zwischen 1135/36 und 1161 nachweisbar, meist als Zeuge. Er schenkte dem Kloster Aldersbach ein Gut bei Mauthausen und starb zwischen 1161 und 1171. Der gleiche D. scheint auch die literarisch interessierten Konrad I. von Peilstein, Heinrich III. von Schala und Liutold I. von Plain gekannt zu haben, wird er in Urkunden doch h¨aufiger neben diesen genannt. Allerdings hat man verschiedentlich die Autorschaft des Freiherrn angezweifelt, weil eine dichterische T¨atigkeit bei ihm nicht belegt ist und die literaturhistorische Einordnung von D.s Werk diesen eher im sp¨aten 12. Jh. verortet. D. k¨onnte in diesem Fall auch einer Seitenlinie der Familie von Aist angeh¨ort haben oder ein Ministerialer der genannten Freiherren gewesen sein. Auch k¨onnte er im fr¨uhen 13. Jh. gestorben sein, da → Heinrich von dem T¨urlin in seinem Roman Diu Crˆone (um 1220) D.s Tod beklagt. Freilich m¨usste auch dieser biographisch kaum umreißbare D. noch unmittelbar mit dem uberlieferten ¨ D.-Korpus in Verbindung gebracht werden. Nicht nur D.s Person ist schwer greifbar, sondern auch sein Werk. In C werden D. 16 Minnelieder in 42 Strophen zugeordnet, was die umfangreichste ¨ Uberlieferung darstellt. Auch in der verlorenen Handschrift BC waren D.s Lieder vertreten. Die → Heidelberger Liederhandschrift A enth¨alt drei Lieder D.s, die → Weingartner Liederhandschrift (B) 16 Strophen und die → Carmina Burana eine Strophe. 75
Dietmar von Aist Allerdings sind die Zuschreibungen in den Handschriften nicht immer korrekt. In B werden D.s Lieder → Reinmar zugeschrieben, in A → Heinrich von Veltkilchen (= Veldeke), → Leuthold von Seven und dem Jungen → Spervogel. Die Carmina Burana-Strophe ist anonym aufgezeichnet. Auch die Forschung hat unterschiedliche Zuschreibungen diskutiert. Oft gelten elf St¨ucke als authentisch, die zum Grundbestand von BC gez¨ahlt werden. Teile der Forschung betrachten hingegen nur die Lieder I, II und III als authentisch, andere auch die Lieder IV, V, XI und XIII. Die Unsicherheiten u¨ ber D.s Werk sind u. a. der Heterogenit¨at der ihm zugeschriebenen Texte geschuldet. Dies wird besonders an deren Strophenbau deutlich. In D.s Korpus finden sich lang- und kurzzeilige Strophen, → K¨urenberger-, Periodenund Stollenstrophen, aber auch Kombinationen. Insgesamt vollzieht sich bei D. eine literaturhistorische Entwicklung von isolierten Einzelstrophen zu mehrstrophigen Liedern von inhaltlicher und stilistischer Geschlossenheit. Bei D. herrscht in dieser Hinsicht die dreistrophige Form vor, die aus Einleitung, Durchf¨uhrung und abschließender Zusammenfassung besteht. Daneben finden sich einbis f¨unfstrophige Strukturen. Weiterhin kennt D. Abges¨ange mit vier- oder sechshebigen Versen und Langzeilen mit Zweitaktern. Paarreime sind h¨aufig. Abweichende Merkmale sind bei den eher als unecht geltenden Strophen festzustellen. Sie verwenden oft Vier- und Sechstakter sowie Kreuzund Schweifreime mit bis zu f¨unf Reimkl¨angen, w¨ahrend die Langzeilen nur f¨ur die Schlussbeschwerung benutzt werden. Inhaltlich sind die meisten der D. zugeschriebenen Lieder vom Thema der getrennten Liebenden gepr¨agt, die sich nach Vereinigung sehnen. H¨aufig wechseln sich M¨anner- und Frauenstrophen miteinander ab, doch enth¨alt das Korpus auch reine M¨anner- oder Frauenklagen. In den zweigeschlechtlichen Klagen erscheinen die Sprechenden als gleichberechtigt. Oft stehen sie in einem Spannungsfeld zwischen Freude und Leid. Die Darstellung der Liebenden zeigt Ankl¨ange an die h¨ofische Minne, aber auch romanische Elemente. W¨ahrend D.s wahrscheinlich fr¨uhe Lieder wohl a¨lter als der K¨urenberger sind, r¨ucken die j¨ungeren Lieder ihn in die N¨ahe Reinmars und → Walthers von der Vogelweide. Die Forschung hat D. auch dem donaul¨andischen Minnesang zugeordnet. 76
Dietmar von Aist Angesichts der unsicheren Zuschreibungen ist eine Gesamtbewertung von D.s Werk nur mit Vorsicht vorzunehmen. Nennenswert ist die von D. praktizierte Flexibilit¨at der strophischen Form. Von Bedeutung sind auch mehrere literarische Innovationen in D.s Liedern: Der von D. gerne benutzte Natureingang ist in seinem Werk fr¨uh voll ausgestaltet. Lied XII enth¨alt den vielleicht fr¨uhesten bekannten Refrain der mhd. Dichtung und Lied XIII gilt als eines der a¨ ltesten dt. Tagelieder. Sollten diese Lieder tats¨achlich von D. stammen, w¨urden sie ihn als ebenso vielseitigen wie einfallsreichen Minnes¨anger identifizieren, der zu den Meistern seiner Zeit z¨ahlte. ¨ Uberlieferung: Mu¨ nchen, BSB, Clm 4660 (Perg., um 1230 bis zweite H¨alfte 14. Jh.). – Heidelberg, UB, Cpg 357 (Perg., 1270 bis drittes Viertel 14. Jh., niederalemannisch). – Stuttgart, LB, cod. HB XIII 1 (Perg., erstes Viertel 14. Jh., alemannisch). – Heidelberg, UB, Cpg 848, 64r–66ra (Perg., erste H¨alfte 14. Jh.). ¨ Ausgaben: Altere Ausg. bei Tervooren Nr. 14 ff., 354, 356. – Hennig Brinkmann (Hg.): Liebeslyrik der dt. Fr¨uhe in zeitlicher Folge. D¨usseldorf 1952, S. 108–112. – Ewald Jammers: Ausgew¨ahlte Melodien des Minnesangs. Einf., Erl¨auterungen und ¨ Ubertragung. Tu¨ bingen 1963, S. 197 f. (Melodien). – Hugo Moser/Joseph Mu¨ ller-Blattau (Hg.): Dt. Lieder des MA. Von Walther von der Vogelweide bis zum Lochamer Liederbuch. Texte und Melodien. Stuttgart 1968, S. 17 (‹Der winter waere mir ein z¯it›, mit Melodie), 318. – G¨unther Schweikle (Hg.): Die mhd. Minnelyrik. Bd. 1. Texte ¨ und Ubertragungen. Einf. und Komm. Darmstadt 1977, S. 136–159, 388–408. – MF 1 (381988) S. 56–69. – Ez stuont ein vrouwe alleine. In: Frauen und Sexualit¨at. Ein hist. Lesebuch. Hg. v. Herrad Schenk. Mu¨ nchen 1995, S. 226 f. – Slˆafest du, vriedel ziere? In: Tagelieder des dt. MA. Mhd./Nhd. Ausgew¨ahlt, u¨ bers. und komm. v. Martina Backes (RUB 8831). Stuttgart 2003, S. 84 f., 239. – Ingrid Kasten (Hg.): Dt. Lyrik des fr¨uhen und hohen MA. Frankfurt/M. 22005, S. 68–83 (Online-Ausg. Cambridge 2003). – Fr¨uheste dt. Lieddichtung. Mhd./Nhd. Hg., u¨ bers. und komm. v. Horst Brunner (RUB 18388). Stuttgart u. a. 2005, S. 76–107, 210–219 (Komm.). – D. v. A. Kommentierte Ausg. nach Codex Manesse mit den Fassungsvarianten der Parallel¨uberl. Hg. v. Klaus Wolf. In: Leuvense Bijdragen 96 (2007–10) S. 79–119. – Vgl. auch die 77
Mitte 12. Jh. Ausg. der Heidelberger Liederhandschrift C, Weingartner Liederhandschrift und Carmina Burana. ¨ Ubersetzungen: Schweikle 1977 (s. Ausg.). – Kasten 2005 (s. Ausg.). – Brunner 2005 (s. Ausg.). ¨ Literatur: Altere Lit. bei Tervooren Nr. 473–483 u. o¨ . – HMS 4 (1838) S. 111. – Wilhelm Scherer, ADB 1 (1875) Sp. 167. – Hugo Kuhn, NDB 3 (1957) S. 675. – Gundolf Keil, VL2 2 (1980) Sp. 95–100. – Ursula Schulze, LexMA 3 (1986) Sp. 1015 f. – De Boor/Newald 2 (111991) S. 227–231 u. o¨ . – Christoph M¨arz, MGG2 Personenteil 5 (2001) Sp. 1011–1013. – Jens Pfeiffer, Killy2 3 (2008) S. 18 f. – Alfred Romain: Die Lieder D.s v. E. In: PBB 37 (1912) S. 349–431. – Kurt Rathke: D. v. A. Leipzig 1932. – Hansj¨org Koch: Zu D. v. E. MF. 40, 19f. In: PBB 61 (1937) S. 180–182. – Franz B¨auml: Notes on the ‹Wechsel› of D. v. A. In: Journal of English and Germanic Philology 55 (1956) S. 58–69. – G¨unther Jungbluth: Zu D.s Tagelied. In: FS Ulrich Pretzel. Hg. v. Werner Simon u. a. Berlin 1963, S. 118–127. – Rolf Grimminger: Poetik des fr¨uhen Minnesangs (MTU 27). M¨unchen 1969, S. 20–25. – Margarete Braun-Ronsdorf: Ein Bl. aus der Manesse-Liederhs. In: Waffen- und Kost¨umkunde 11 (1969) S. 150–154. – H. Tervooren: Reimkonjekturen bei D. v. A. und Friedrich von Hausen. Zur Arbeitsweise eines ma. Interpolators und seiner modernen Kritiker. In: ZfdPh 90 (1972) Sonderh., S. 46–65. – Max Ittenbach: Minnespr¨uche Meinlohs v. Sevelingen und D.s v. E. In: Mhd. Spruchdichtung. Hg. v. Hugo Moser. Darmstadt 1972, S. 227–245. – Alois Kircher: Dichter und Konvention. Zum gesellschaftlichen Realit¨atsproblem der dt. Lyrik um 1200 bei Walther v. der Vogelweide und seinen Zeitgenossen. Bochum 1973, S. 15–22. – Peter Wapnewski: Zwei altdt. Frauenlieder. In: Ders.: Waz ist Minne. Stud. zur mhd. Lyrik. Mu¨ nchen 21979, S. 9–22. – Ders.: D. v. E. XII: ‹Nu ist ez an ein ende Komen›. In: The Interpretation of Medieval Lyric Poetry. Hg. v. William Jackson. New York 1980, S. 163–175. – Codex Manesse. Die Miniaturen der Großen Heidelberger Liederhs. Hg. und erl. v. Ingo F. Walther unter Mitarbeit v. Gisela Siebert. Frankfurt/M. 1988 (62001) S. 54 f. (Tf. 27). – Arthur Groos: Modern Stereotyping and Medieval Topoi. The Lovers’ Exˆ der linden obene›. In: Jourchange in D. v. A.s ‹Uf nal of English and Germanic Philology 88 (1989) S. 157–167. – Manfred G¨unter Scholz: Das fr¨uhe Minnelied. D. v. A.: ‹Hei, nˆu kumet uns diu zˆıt›. In: Gedichte und Interpretationen. MA. Hg. v. H. 78
Mitte 12. Jh. Tervooren (RUB 8864). Stuttgart 1993, S. 56–70. – Robert Klugseder: Der Minnes¨anger D. v. Ayst – ein Wohlt¨ater des Klosters Aldersbach. In: Vilshofener Jb. 7 (1999) S. 15–20. – Leslie P. Johnson: Die h¨ofische Lit. der Bl¨utezeit (1160/70–1220/30) (Gesch. der dt. Lit. v. den Anf¨angen bis zum Beginn der Neuzeit 2,1). T¨ubingen 1999, S. 74–78, 85–92. – Uwe Meves (Hg.): Regesten dt. Minnes¨anger des 12. und 13. Jh. Berlin/New York 2005, S. 251–265. – Katharina Boll: Alsˆo redete ein vrowe schoene. Unters. zu Konstitution und Funktion der Frauenrede im Minnesang des 12. Jh. Wu¨ rzburg 2007, S. 195–246. – Carolin Schuchert: Walther in A. Stud. zum Corpusprofil und zum Autorbild Walthers v. der Vogelweide in der Kleinen Heidelberger Liederhs. Frankfurt/M. u. a. 2010, S. 375, 384 f., 393 u. o¨ . MM Priester Arnolt → Band 1, Sp. 387–389. Christ ist erstanden → Band 1, 392 f. Mariensequenz aus Seckau → Band 1, Sp. 411 f. Sedulius → Band 1, Sp. 431 f. Von der Siebenzahl → Band 1, Sp. 432 f. Meinloh von Sevelingen. – Minnes¨anger, zweite H¨alfte 12. Jh. Archivalisch betrachtet, liegt das Leben von M. v¨ollig im Dunkeln. Nur ein Hinweis auf einen m¨oglichen Nachfahren aus dem 13. Jh. hilft bei der Ortung des Minnes¨angers: 1240 wird ein «Meinlohus de Sevelingen» in einer Urkunde von Graf Hartmann von Dillingen als «ministerialis noster» bezeichnet. Offenbar stand das Geschlecht aus Sevelingen (heute: S¨olfingen bei Ulm) im Dienst der Grafen von Dillingen. Trotzdem wirft das nicht mehr Licht auf die Biographie von M., der wohl in der zweiten H¨alfte des 12. Jh. lebte. ¨ Uberliefert sind insgesamt 14 Strophen in großen Liederhandschriften aus der ersten H¨alfte des 14. Jh. ¨ (s. Uberl.); formal, sprachlich und inhaltlich wird sein Œuvre zum donaul¨andischen Minnesang um 1150/60–1170/80 gerechnet, f¨allt aber wegen seiner Mehrstrophigkeit auf. Die Strophenstruktur setzt sich prinzipiell aus paargereimten Langzeilern mit je zwei Vierhebern zusammen, die dann wiederum mit bzw. ohne Steg zu Achtzeilern geformt 79
Priester Arnolt werden. M. dichtete Frauen-, Mannes- und Botenstrophen – die Strophen sind auf sich allein gestellt abgeschlossene Sinneinheiten, in denen jeweils ein Gedanke zu Ende gedacht wird. Ihre zyklische Anordnung erweist sich aber eher als Rezeptionszeugnis und verr¨at mehr u¨ ber das Minneverst¨andnis der Sammler bzw. Redaktoren, die sich um die Aufzeichnung k¨ummerten, als u¨ ber die Entstehungsreihenfolge der Minnelieder selbst (vgl. Kropik). Inhaltlich geh¨ort die Lyrik haupts¨achlich zum fr¨uhh¨ofischen Minnesang. So demonstriert die Frau bisweilen noch keine (erst sp¨ater u¨ bliche) scheue Zur¨uckhaltung. Einzelne Strophen weisen indes schon den Weg zum Werberitual des Hohen Minnesangs, wie etwa der hyperbolische Frauenpreis oder das Dienstangebot an die Geliebte: «du hˆast im nˆach bekˆeret beidius sin unde leben: / er hˆat dur dˆınen willen / eine ganze fr¨oide gar umbe ein trˆuren gegeben.» Das Werk von M. bewegt sich also direkt in einer Umbruchsphase der Minnedichtung. Sein eher gedanklich ausgerichtete Stil weist in die Richtung von → Reinmar den Alten, Ideen und Konzepte bleiben weitgehend abstrakt und erlauben kaum eine sinnliche Dimension. ¨ Uberlieferung: Stuttgart, LB, cod. HB XIII, 1 (→ Weingartner Liederhs. B, Konstanz [?], erstes Viertel 14. Jh., alemannisch), Nr. 5, S. 21–23 («Her Meinlo von Sewelingen»: 11 Str. zwischen dem [nachtr¨aglich eingeschobenen] Burggrafen von → Riedenburg und Graf → Otto von Botenlauben). – Heidelberg, UB, Cpg 848 (→ Heidelberger Liederhs. C, um 1300, Nachtr¨age erste H¨alfte 14. Jh., alemannisch), Nr. XL (recte 43), Bl. 120v–121rv («Her Milon von Seuelingin»: 14 Str., in der 11. Lage zwischen dem Burggrafen von Riedenburg und → Heinrich von Rugge). Ausgaben: MF 1 (381988) S. 28–31. – Hennig Brinkmann (Hg.): Liebeslyrik der dt. Fr¨uhe. In zeitlicher Folge. D¨usseldorf 1952, 102–106, 369 f. – G¨unther Schweikle (Hg.): Die mhd. Minnelyrik. Bd. 1. Darmstadt 1977, S. 126–135, 378–387 (mit ¨ nhd. Ubersetzung und Komm.). – Gedichte von den Anf¨angen bis 1300. Nach den Hss. in zeitlicher Folge hg. v. Werner H¨over/Eva Willms (Epochen der dt. Lyrik 1). M¨unchen 1978 (Nachdr. [Dt. Lyrik von den Anf¨angen bis zur Gegenwart 1] ebd. 2001) S. 61–63. – Die Große Heidelberger Liederhs. (Codex Manesse). In getreuem Textabdruck hg. v. Fridrich Pfaff [1909]. 2., verb. und erg. Aufl. bearb. v. Hellmut Salowsky. Heidelberg 80
Hugo von Orl´eans ¨ 1984, Sp. 405–408 (Nr. xl). – Teilausgaben mit Ubersetzung: Helmut de Boor (Hg.): MA. Texte und Zeugnisse. 2. Teilbd. (Die Dt. Lit. Texte und Zeugnisse. I/2). Mu¨ nchen 1965 (Nachdr. ebd. 2001) S. 1495 f. – Fr¨uheste dt. Lieddichtung. Mhd./Nhd. Hg., u¨ bers. und komm. v. Horst Brunner (RUB 18388). Stuttgart 2005, S. 42–51, 200–203. – Dt. Lyrik des Fr¨uhen und Hohen MA. Edition der ¨ Texte und Kommentare v. Ingrid Kasten. Ubersetzungen v. Margherita Kuhn (BdK 129/BMA 3). Frankfurt/M. 2005, S. 52–61, 594–598. Literatur: [Konrad] Burdach, ADB 34 (1892) S. 72 f. (unter Sevelingen). – Ehrismann 2.2.2 (1935) S. 226 f. – Claudia H¨andl, NDB 16 (1990) S. 677. – De Boor/Newald 2 (11991) S. 234 f. – G¨unther Schweikle, VL2 6 (1987) Sp. 314–318. – C. H¨andl, Killy2 8 (2010) S. 128 f. – Max Ittenbach: Der fr¨uhe dt. Minnesang. Strophenf¨ugung und Dichtersprache (Buchreihe 24). Halle 1939, S. 89–104. – G¨unther Jungbluth: Zu den Liedern M.s v. S. In: Neophilologus 38 (1954) S. 108–120. – John K. Bostock: Her M. v. S., 14, 14–37. In: The Modern Language Review 50 (1955) S. 508 f. – Hans P¨ornbacher: M. v. S. In: Lebensbilder aus dem Bayerischen Schwaben. Bd. 7. Hg. v. G¨otz Freiherr von P¨olnitz. M¨unchen 1959, S. 1–11. – Elisabeth Lea: Die Sprache lyrischer Grundgef¨uge. MFr. 11, 1–15, 17. In: PBB (Halle) 90 (1968) S. 305–379. – Karl-Heinz Schirmer: Die h¨ofische Minnetheorie und M. v. S. In: Zeiten und Formen in Sprache und Dichtung. FS Fritz Tschirch. Hg. v. dems./Bernhard Sowinski. K¨oln/Wien 1972, S. 52–73. – Codex Manesse. Die Miniaturen der Großen Heidelberger Liederhs. Hg. und erl. v. Ingo F. Walther unter Mitarbeit v. Gisela Siebert. Frankfurt/M. 1988 (62001) S. 86 f. (Tf. 43). – Manfred Eikelmann: Denkformen im Minnesang. Unters. zu Aufbau, Erkenntnisleistung und Anwendungsgesch. konditionaler Strukturmuster des Minnesangs bis um 1300 (Hermaea NF 54). T¨ubingen 1988, Reg. – Eva Willms: Liebesleid und Sangeslust. Untersuchungen zur dt. Liebeslyrik des sp¨aten 12. und fr¨uhen 13. Jh. (MTU 94). Mu¨ nchen 1990, Reg. – Waltraud Fritsch-R¨oßler: Die Kunst des Komparativs. Zu M.s v. S. ‹Ich bin holt einer vrouwen› (MF 13,1). In: ZfdPh 115 (1996) S. 18–25. – Andreas Hensel: Vom fr¨uhen Minnesang zur Lyrik der Hohen Minne. Stud. zum Liebesbegriff und zur literarischen Konzeption der Autoren K¨urenberger, Dietmar v. Aist, M. v. S., Burggraf von Rietenburg, Friedrich von Hausen 81
2. H¨alfte 12. Jh. und Rudolf von Fenis (Europ¨aische Hochschulschr. 1, 1611). Frankfurt/M. u. a. 1997. – Joachim Bumke: Gesch. der dt. Lit. im hohen MA. 4., aktualisierte Aufl. Mu¨ nchen 2000 (52004) S. 86 f. – Elisabeth Schmidt: Die Inszenierung der weiblichen Stimme im dt. Minnesang. In: Frauenlieder – Cantigas de amigo. Internationale Kolloquien des Centro de Estudos Human´ısticos (Universidade do Minho), der Faculdade de Letras (Universidade do Porto) und des Fachbereichs Germanistik (Freie Univ. Berlin), Berlin, 6.11.1998, Ap´ulia, 28.–30.3.1999. Hg. v. Thomas Cramer u. a. Stuttgart u. a. 2000, S. 49–58. – Maurice Sprague: Manifestations of Love. De amore and the Middle High German Poetic Environment. In: AB¨aG 58 (2003), S. 92–122, bes. 97 f., 118. – Christoph Huber: Spruchhaftes im Minnelied des Donauraums. Budapester Fragm., M. und sp¨atere Traditionen. In: Dt. Lit. und Sprache im Donauraum. [Internationale medi¨avistische Konferenz, Olm¨utz 5.5.–7.5.2005]. Hg. v. Christine Pfau/ Krist´yna Sl´amov´a. Olm¨utz 2006, S. 143–157. – Cordula Kropik: Strophenreihe und Liebesroman. ¨ Uberlegungen zu zyklischen Tendenzen bei M. v. S. In: PBB 131 (2009) S. 252–276. FA Hugo von Orl´eans (H. Primas; H. Aurelianensis), * um 1093/94 Orl´eans, † um 1160 (?). – Mlat. Dichter. H. ist ein bedeutender Vertreter der Vagantendichtung. Ihm werden rund 50 Gedichte zugeschrieben. Handschriftliche Bezeichnungen H.s als «Hugo scholasticus» und «Hugo Magister» legen nahe, dass er die Artes studiert hat und lehrte. Vermutlich im Kontext dieser Lehrt¨atigkeit sind mythologische Dichtungen H.s entstanden: zu Troja (ganz nach Vergil gearbeitet), Odysseus oder Orpheus und Eurydike. Sein Ansehen als Dichter und seinen ehrenvollen Beinamen d¨urfte H. aber seinen «vagantischen» Dichtungen verdanken, vor allem Liebes-, Trink- und Spiellieder. Unter den Liebesliedern ragt ein Dreierzyklus heraus, der sich der Geliebten «Flora» widmet. Daneben finden sich geistliche sowie satirische Lieder und Spottlieder auf den Klerus. H. setzt in seinen Liedern auch gr¨obste Obsz¨onit¨at ein. Auch finden sich Angaben zu verschiedenen Aufenthaltsorten H.s (Amiens, Reims, Sens, Beauvais, Paris und England) – ein m¨oglicher Hinweis darauf, dass H. sich kontinuierlich neue Arbeitgeber suchen musste. Seine ma82
2. H¨alfte 12. Jh. terielle Abh¨angigkeit von diesen G¨onnern kommt in seinen «Bettelgedichten» zum Tragen. H. beweist in seinen rhythmisch vielgestaltigen Gedichten eine hohe formale Kunstfertigkeit und seine Kennerschaft r¨omischer Dichtung (vor allem Horaz). Dem → Archipoeta hat H. als Vorbild gedient. Mit einem Lied ist H. auch in den → Carmina Burana vertreten (Nr. 194) und mit 1–2 St¨ucken in der → Herdringer Vagantenliedersammlung (Nr. 1 [?], Nr. 14). Eine Kleidersatire des Archipoeta (Carmina Burana, Nr. 220a) nimmt auf ein entsprechendes Gedicht H.s (aus der Herdringer Sammlung) deutlichen Bezug (Hans Walther: Initia carminum ac versuum medii aevi posterioris latinorum. G¨ottingen 1959, Nr. 9027). Traktat IV der Summa recreatorum enth¨alt Exzerpte aus einem satirischen Lied H.s. In Zeugnissen ab dem 13. Jh. gehen H., der Archipoeta, Walter Mappes und Walter von Chˆatillon im Sammelnamen «Golia» auf. ¨ Uberlieferung: Haupths. mit H.-Slg.: Oxford, Bodleian Libr., Ms. Rawlinson G 109, S. 3–30 (um 1200, aus Frankreich [?]) 23 Gedichte. – Das hier 14. Gedicht (Carmina Burana 94) ist in mehr als 40 Hss. bezeugt. Ausgaben: Wilhelm Meyer: Die Oxforder Gedichte des Primas (des Magisters H. v. O.). In: Nachrichten von der kgl. Ges. der Wiss. zu G¨ottingen, Philol.-hist. Kl. 1907. Berlin 1907, H. 1, S. 75–111; H. 2, S. 113–175 (Nachdr. Darmstadt 1970 [Libelli 288]). – Paul Lehmann: Mlat. Verse in ‹Distinctiones monasticae et morale› vom Anfang des 13. Jh. (Sb. Bayerische Akad. der Wiss., phil.-hist. Kl., 1922, 2). M¨unchen 1922. – Karl Langosch: Hymnen und Vagantenlieder. Lat. Lyrik des MA mit dt. Versen. Darmstadt 31961, S. 147–218 ¨ (mit dt. Ubersetzung). – Christopher James McDonough: The Oxford Poems of Hugh Primas and the Arundel Lyrics (Toronto Medieval Latin Texts 15). Toronto 1984 (nur Oxforder Codex). – Fleur Adcock: Hugh Primas and the Archpoet (Cambridge medieval classics 2). Cambridge u. a. 1994 ¨ (mit engl. Ubersetzung). – C. J. McDonough: The Arundel Lyrics. The Poems of Hugh Primas (Dumbarton Oaks Medieval Library 2). Cambridge MA ¨ 2010, S. 143–223 (mit engl. Ubersetzung). Literatur: Manitius 3 (1931) S. 973–978. – Jerold C. Frakes, Dictionary of the Middle Ages 6 (1985) S. 319 f. – Michael Tilly, BBKL 2 (1990) Sp. 1144. – Hans Martin Schaller, LexMA 5 (1991) Sp. 174 f. – Berthe M. Marti: Hugh Primas and Arnulf of 83
Hugo von Orl´eans Orl´eans. In: Speculum 30 (1955) S. 233–238. – Frederic J. E. Raby: A History of Secular Latin Poetry. Oxford 21957, S. 171–180. – Langosch (s. Ausg.) S. 292–304. – K. Langosch: Profile des lat. MA. Geschichtliche Bilder aus dem europ¨aischen Geistesleben. Darmstadt 1965, S. 250–294. – Sten Ebbesen: Zu Oxforder Gedichten des Primas H. v. O. In: Mlat. Jb. 3 (1966) S. 250–252. – Heinrich Roos: Zum Oxforder Gedicht XVI. des Primas. In: ebd., S. 253. – Therese Latzke: Die Mantelgedichte des Primas H. v. O. und Martial. In: Mlat. Jb. 5 (1968) S. 54–58. – Heinrich Naumann: Gab es eine Vagantendichtung? In: Der altsprachliche Unterricht 12 (1969) 4, S. 69–105. – WiduWolfgang Ehlers: Zum 16. Gedicht des H. v. O. In: Mlat. Jb. 12 (1977) S. 78–81. – Mary C. Uhl: The learned lyrics of Hugh Primas: interpretations of Hugh’s secular latin poems with special reference to the ‹Ars versificatoria› of Matthew of Vendome. Diss. Cornell University 1977. – C. J. McDonough: Miscellaneous notes to H. Primas and Arundel 1. In: Mlat. Jb. 14 (1979) S. 187–199. – Johannes B. Bauer: Stola und tapetum – Zu den Oxforder Gedichten des Primas. In: Mlat. Jb. 17 (1982) S. 130–133. – C. J. McDonough: Two poems of Hugh Primas reconsidered: 18 and 23. In: Traditio 39 (1983) S. 115–134. – Ders.: Hugh Primas and the bishop of Beauvais. In: Mediaeval Studies 45 (1983) S. 399–409. – Francis Cairns: The Addition to the ‹Chronica› of Richard of Poitiers and H. Primas of O. In: Mlat. Jb. 19 (1984) S. 159–161. – C. J. McDonough: Hugh Primas 18: A Poetic Glosula on Amiens, Reims and Peter Abelard. In: Speculum 61 (1986) S. 806–835. – Ders.: Hugh Primas’s bilingual poem 16. In: Mediaeval Studies 56 (1994) S. 247–278. – Carsten Wollin: Die Primas-Epigramme der Compilatio singularis exemplorum. In: Jb. f¨ur internationale Germanistik 33 (2001) 1, S. 157–185. – Ders.: Mutabilit¨at in der lat. Dichtung des HochMA. Die Kleidermetamorphosen des H. Primas und des Archipoeta. In: Sacris erudiri 40 (2001) S. 329–413. – Ders.: Die Epigramme des Primas in der Hs. London BL Cotton Vespasianus B. XIII. In: Mlat. Jb. 39 (2004) S. 45–69. – Christine Schmitz: Satirische Heimkehr eines epischen Helden. Odysseus im Gedicht ‹Post rabiem rixe› des H. Primas. In: Epochen der Satire. Traditionslinien einer literarischen Gattung (Spolia Berolinensia. Berliner Beitr. zur Medi¨avistik 28). Hg. v. Thomas Haye/Franziska Schnoor. Hildesheim 2008, S. 55–72. VZ 84
Hug von Salza Die Hochzeit → Band 1, Sp. 463 f. Vorauer Sundenklage ¨ → Band 1, Sp. 465–468. Erinher → Band 1, Sp. 468. Der Linzer Entecrist → Band 3, Sp. 171 f. Hug von Salza (Haug von Saltza), zweite H¨alfte des 12./erste H¨alfte des 13. Jh. – Mhd. Dichter. H. v. S. ist neben → Hartmann von Aue, → Reinmar, → Dietmar von Aist, → Heinrich von Rugge, → Friedrich von Hausen und → Ulrich von Gutenburg in Diu Crˆone des → Heinrich von dem T¨urlin als Dichter aufgef¨uhrt. Von seinem Werk haben sich jedoch keine Handschriften erhalten. Der Darstellung in Diu Crˆone ist zu entnehmen, dass H. v. S. vor deren Abfassung verstorben war. Demnach ist sein Schaffenszeitraum vor das Jahr 1215–20 oder 1230 zu datieren. Ein H. v. S. ist auch in zwei Urkunden aus Th¨uringen belegt: Am 21.12.1174 tritt er als Zeuge f¨ur einen G¨uterverkauf Landgraf Ludwigs III. von Th¨uringen an Abt Hermann von Reinhardsbrunn in Siebleben auf (Wenzel 1908, Nr. 243; Dobenecker 1900, Nr. 491). Auch in einem undatierten Schriftst¨uck, ausgestellt von Heinrich, Herzog von Sachsen und Pfalzgraf bei Rhein, dem Sohn Heinrichs des L¨owen, das zwischen 1195 und den 23.3.1225 anzusetzen ist, erscheint der Name (F¨orstemann 1844, Nr. 21; Dobenbecker 1900, Nr. 2198). Der des Weiteren in einer auf Schloss Altenburg ausgestellten Verleihungsurkunde Kaiser Friedrichs I. vom 29.9.1188 (MGH DD F.I. X.4 1990, Nr. 982) sowie vereinzelt in einigen Dokumenten des Markgrafen → Heinrich III. von Meißen genannte H. v. S. (Dobenecker 1925, Nr. 1912) ist als historische Bezugsperson auszuschließen, wobei es sich bei Letzterem jedoch um einen Nachkommen, vielleicht einen Sohn, des Lyrikers handeln k¨onnte (Mewes 2006). Die Herren von Salza bezeichnen eine Adelsfamilie und ein Ministerialengeschlecht aus Langensalza, die Ministerialen von Ober-Salza bei Nordhausen und ein Geschlecht in der N¨ahe von Straußfurt an der Unstrut. F¨ur H. v. S. wird meist eine Zugeh¨origkeit zum Ministerialengeschlecht der Landgrafen von Th¨uringen aus Langensalza vermutet. Umstritten ist eine Verwandtschaft des Minnes¨angers zu dem Deutschordensmeister Hermann von Salza (m¨oglicherweise der 85
2. H¨alfte 12. Jh. Bruder). Zwar wird in einer Urkunde Kaiser Friedrichs II. vom 21.6.1237 f¨ur das Zisterzienserinnenkloster in Nordhausen neben «Hermannus, magister domus theutonice» auch ein «Hugoldus, frater suus, miles» genannt (Linke 1936, Nr. 6; Dobenecker 1925, Nr. 685; RI V.1 1881, Br. 2258), jedoch sprechen die weiterhin nicht belegte Namenform und die Bezeichnung «miles» sowie die Datierung von der Crˆone gegen eine Gleichsetzung mit dem Dichter H. v. S. ¨ Schweikle (Schweikle 1983) erachtet eine Ubereinstimmung zwischen dem Dichter aus Diu Crˆone und dem f¨ur Ludwig III. urkundenden H. v. S. am wahrscheinlichsten, der somit zeitgleich mit dem Aufbl¨uhen der h¨ofischen Dichtung an den th¨uringischen Hof zu verorten w¨are und m¨oglicherweise als Zeitgenosse → Heinrichs von Veldeke wirkte. Seine Bedeutung f¨ur den mitteldt. Minnesang, selbst wenn er dessen einzig namentlich bekannten Vertreter darstellen w¨urde, l¨asst sich ¨ aufgrund der fehlenden Uberlieferung jedoch nicht weiter ergr¨unden. Literatur: Konrad Burdach: Salza Hugo. In: ADB 30 (1890) S. 289. – G¨unther Schweikle, VL2 3 (1983) Sp. 220. – Otto Dobenecker (Hg.): Regesta diplomatica necnon epistolaria Historiae Thuringiae. Bd. 2: 1152–1227. Jena 1900; Bd. 3: 1228–1266. Jena 1925. – Albrecht Wenzel (Hg.): Urkundenbuch der Stadt und des Kreises Langensalza w¨ahrend des MA. Bd. 1: Regesten, Urkunden sowie Ausz¨uge aus anderen ma. Quellenschr. v. der a¨ltesten Zeit bis zur Erhebung Langensalzas zur Stadt. Mit 12 Excursen. Langensalza 1908 (Nachdr. ebd. 2009). – E. G. Fo¨ rstemann (Hg.): Urkunden des Benediktinerklosters Homburg bei Langensalza aus den Jahren 1136 bis 1226. Mitgetheilt v. Professor E. G. F¨orstemann. Halle 1844. – Arch. der Stadt Nordhausen (Hg.)/G¨unter Linke (Bearb.): Die kaiserlichen und kgl. Urkunden des Arch. 1159–1793 (Urkunden und Regesten). Theil 1. Nordhausen 1936. – Joachim Bumke: M¨azene im MA. Die G¨onner und Auftraggeber der h¨ofischen Lit. in Deutschland 1150–1300. Mu¨ nchen 1979. – Fritz P. Knapp/Manuela Niesner: Heinrich v. dem Tu¨ rlin: Die Krone (V. 1–12281). Nach der Hs. 2779 der ¨ ONB. Nach den Vorarbeiten v. Alfred Ebenbauer, Klaus Zatloukal und Horst P. P¨utz (ATB 112). T¨ubingen 2000, V. 2406–2455. – Uwe Meves (Hg.): Regesten dt. Minnes¨anger des 12. und 13. Jh. Berlin/New York 2005, S. 685–690. MK 86
2. H¨alfte 12. Jh. Hartwig von Raute. – Minnes¨anger, zweite H¨alfte 12. Jh. Der Dichter H. selbst ist in außerliterarischen Kontexten wahrscheinlich nicht belegt. Eine Tr¨ager dieses Namens («Hartuwic de Route», «Hartwic de Routa/Route») erscheint zwar zwischen 1130 und 1150 in bayerischen und ober¨osterr. Urkunden (Tegernsee, Weihenstephan, Baumberg [Traunkreis]), doch d¨urfte es sich hier wohl um einen Vorfahren (Vater [?]) gehandelt haben. Formal-stilistische Kriterien lassen H.s Wir¨ ken eher im sp¨ateren 12. Jh. vermuten, in der Ubergangsphase vom fr¨uhen zum hohen Minnesang. So finden sich im u¨ berlieferten Œuvre H.s sowohl Merkmale des fr¨uhen (Halbreime, freier Versrhythmus) als auch des rheinischen Minnesangs (Durchreimung, Kreuzreime). Das Textcorpus besteht aus einem dreistrophigen Lied und drei Einzelstrophen. Die Einzelstrophen sind einerseits ein R¨uckverweis auf die Einstrophigkeit der fr¨uhen Dichter (vgl. auch → Bernger von Horheim und → Bligger von Steinach), gehen aber mit ihrem metrisch und reimtechnisch komplexen Strophenbau weit u¨ ber diese hinaus. Das dreistrophige stollige Lied ist vermutlich eine Kontrafaktur eines Cansons des Trobadors Gaucelm Faidit. Thematisch lassen sich Ankn¨upfungspunkte an die Hausenschule erkennen. So hadert das S¨angerIch im Dreistropher mit dem Konflikt zwischen Minnedienst und Ritterdienst. Im Gegensatz zu den Kreuzliedern → Friedrichs von Hausen obsiegt hier aber die Minneverpflichtung. Dieses Lied H.s, das in einer Erweiterung in der → Weingartner Liederhandschrift (B) eine explizite Absage an den Kriegsherren enth¨alt, k¨onnte im Zuge der staufischen Italienz¨uge (Heinrich VI. [1196] ?) entstanden sein. Die einstrophigen Lieder pr¨asentieren drei verschieden Typen des von der Minne beherrschten Dieners: Minnegefangener, Minneerdulder und Minnenarr. ¨ Uberlieferung: Stuttgart, LB, Cod. HB XIII 1 (B) S. 112–114 (Perg., erstes Viertel 14. Jh., alemannisch) 7 Str. in 4 oder 5 Liedeinheiten: Die Erweiterung von Lied 1 ist als selbstst¨andiges Lied denkbar. – Heidelberg, UB, Cpg 848 (→ Große Heidelberger Liederhs. C) 248v–249ra (Perg., um 1300, alemannisch) 7 Str. (4 Lieder) in der gleichen Reihung wie B. – Die Miniaturen beider Hss. stimmen weitgehend u¨ berein: Der Dichter gibt einem Knaben, der durch eine Textrolle als Bote gekennzeichnet ist, eine Ohrfeige. Das gleiche Grundmotiv haben 87
Hartwig von Raute auch die Miniaturen → Ulrichs von Munegur, der sowohl in B als auch in C dem H.-Corpus vorangeht. Auch die Wappenschilde in B und C. stimmen u¨ berein. Bild¨uberschrift B.: «H HARTWIG RAUTE»; C: «von Raute». Ausgaben (Auswahl): HMS 2 (1838) S. 63 f. – Hennig Brinkmann: Liebeslyrik der dt. Fr¨uhe in zeitlicher Folge. D¨usseldorf 1952, S. 171–173. – G¨unther Schweikle: Die mhd. Minnelyrik. Texte ¨ und Ubertragungen, Einf. und Komm. Bd. 1: Die fr¨uhe Minnelyrik. Darmstadt 1977 (Nachdr. Stuttgart 1993) S. 316–318; 538–540. – MF 1 (381988) S. 230–232 (Nr. XVII). – Olive Sayce: Romanisch ¨ beeinflusste Lieder des Minnesangs mit Ubersetzung, Komm. und Glossar (GAG 664). G¨oppingen 1999, S. 143–155. – Helmut Brackert: Minnesang. ¨ Mhd. Texte mit Ubertragungen und Anm. Frank2 furt/M. 2008, S. 82 f. Bibliographie: H. Tervooren: Bibliogr. zum Minnesang und zu Dichtern aus ‹Des MF› (Bibliogr. zur dt. Lit. des MA 3). Berlin 1969, Nr. B.17. Literatur: Konrad Burdach, ADB 30 (1890) S. 38. – G¨unther Schweikle, VL2 3 (1981) Sp. 536–538.– De Boor/Newald 2 (111990) S. 250 f. – K. Burdach: Reinmar der Alte und Walther v. der Vogelweide. Ein Beitr. zur Gesch. des Minnesangs. Leipzig 1880, 21928, S. 42 f. – Brinkmann (s. Ausg.) – Margaret Fitzgerald Richey: Essays on Medieval German Poetry with translations in English verse. Oxford 21969, S. 100. – MF 2 (371977) S. 95. – Codex Manesse. Die Miniaturen der Großen Heidelberger Liederhs. Hg. und erl. v. Ingo F. Walther unter Mitarbeit v. Gisela Siebert. Frankfurt/M. 1988 (62001) S.162 f. (Tf. 79). – Sayce (s. Ausg.) – Harald Haferland: Hohe Minne. Zur Beschreibung der Minnekanzone (Beih. ZfdPh 10). Berlin 2000, S. 130, 132 f. und Reg. – Cornelia Herberichs: Auf der Grenze des H¨ofischen. Gewalt und Minnesang. In: Gewalt im MA. Realit¨aten – Imaginationen. Hg. v. Manuel Braun/C. Herberichs. M¨unchen 2005, S. 341–364, hier S. 356. VZ Friedrich von Hausen, † 6.5.1190 bei Philomelium (heute Ak¸shir/T¨urkei). – Minnes¨anger. F. ist der bekannteste und wirkungsm¨achtigste Vertreter des «rheinischen Minnesangs», der sich in der zweiten H¨alfte des 12. Jh. im staufischen Umkreis entwickelte. F¨ur diese erste Generation von S¨angern, die dem Konzept der «Ho88
Friedrich von Hausen hen Minne» verpflichtet war und sich auch formal an romanischen Vorbildern orientierte, wurde auch der Begriff der «Hausenschule» gepr¨agt. Zu ihr werden Kaiser → Heinrich (VI.), → Bernger von Horheim, → Bligger von Steinach, → Ulrich von Gutenburg und Graf → Otto von Botenlauben gez¨ahlt. F. wird von der Forschung einhellig mit dem von 1171–90 bezeugten «Fridericus de Husen (Husa)» gleichgesetzt, Sohn des staufischen Freiherrn Walther von Hausen. Dieser urkundet u¨ ber zwanzig Mal im Zeitraum 1140–73, oft im Umfeld Kaiser Friedrichs I. Die Zeugnisse verweisen auf das rheinpf¨alzische/rheinhessische Gebiet; die Familie war zwischen Oppenheim und Worms beg¨utert. Als Familienstammsitz wurde – nach langer und kontroverser Diskussion – die abgetragene Burg Rheinhausen an der Neckarm¨undung bei Mannheim ermittelt. Walther von Hausen erscheint im Kontext eines Rechtsgesch¨aftes in einer Lorscher Urkunde auch zusammen mit Bligger von Steinach und dessem gleichnamigen Vater. Sein Tod wird von einer → Spervogel/Herger-Strophe beklagt (MF 25,21), so dass man schon F.s Vater eine Beziehung zur Dichtkunst unterstellen darf. F. selbst erscheint in Urkunden zun¨achst gemeinsam mit dem Vater und 1172 zum ersten Mal allein, wenn auch noch mit Bezug auf Walther. 1175 nennen ihn zwei Urkunden, die der Mainzer Erzbischof Christian I. von Buch vor Pavia angefertigt hat. Dies legt eine Teilnahme F.s am f¨unften Italienzug Barbarossas nahe, in dessen Vorverhandlungen Christian involviert war. Nach elf Jahren ohne archivalischen Nachweis wird F. 1186/87 in zwei Urkunden Heinrichs (VI.) genannt, offenbar z¨ahlte er mittlerweile zum engsten staufischen Kreis. Weitere biographische R¨uckschl¨usse gestattet das Chronicon Hanoniense (um 1200) des Historiographen Gislebert von Mons. Dieses z¨ahlt F. zu den «familiares et secretarii» des Staufers. F. d¨urfte demnach als Reichsministeriale einzustufen sein. Ferner berichtet die Chronik von den Kreuzzugsteilnahmen F.s im Gefolge Friedrichs I., von diplomatischen Missionen und von seinem Tod w¨ahrend des dritten Kreuzzugs nur wenige Wochen vor dem Tod des Kaisers. Demnach sei F. nach einem Sturz vom Pferd, der sich bei der Verfolgung feindlicher T¨urken ereignet habe, gestorben. Im 13. Jh. wird F. auch in der Dichtung erw¨ahnt: in einer Totenklage auf S¨anger des sp¨aten 12. Jh. → Reinmars von Brennenberg (RSM: 1ReiBr/13), in einer Liste 89
2. H¨alfte 12. Jh. verstorbener Leichdichter im dritten Leich des von → Gliers (obwohl von F. kein Leich u¨ berliefert ist) und in einer Dichterliste in der Crˆone → Heinrichs ¨ von dem T¨urlin, die auch sonst Uberschneidungen mit derjenigen des von Gliers aufweist. Von F. sind insgesamt 55 Strophen in 17–20 Liedeinheiten u¨ berliefert (je nach editorischer/interpretatorischer Entscheidung, MF hat 17 Lieder). Als Schaffenszeitraum wird man ungef¨ahr 1170–90 annehmen k¨onnen. Eine chronologische Ordnung der Lieder ist mehrfach mit unterschiedlichen Ergebnissen erwogen worden aber letztlich spekulativ. Das unter F.s Namen u¨ berlieferte Werk ist eine Weiterentwicklung heimischer Lyrik (Wechsel, Frauenklage) aber vor allem ist es der provenzalischen und altfranz¨osischen Verskunst verpflichtet, von der es thematische, motivliche und formale Anregungen reich empfing und umsetzte. Kontakt zur franz¨osischen Dichtung d¨urfte F. vor allem u¨ ber die Beziehungen des kaiserlichen Hofes zur Heimat von Friedrichs Ehefrau, Beatrix von Burgund, gehabt haben. Aus der Verbindung zweier literarischer Traditionen erschuf F. ein durchaus eigenst¨andiges Werk und z¨ahlt so neben → Heinrich von Veldeke und → Rudolf von Fenis zu den einflussreichsten Vermittlern der romanischen Liedkunst. Erstmals in der dt. Dichtung f¨uhrt F. die ritualisierte «Hohe Minne» in seine Lieder in Form einer stets ergebenen wie vergeblichen Dienstverpflichtung ein, die sich von der potentiell erf¨ullbaren Liebesbeziehung des «donaul¨andischen Minnesangs» konsequent abgrenzt. Ankl¨ange einer vom Dienstgedanken gepr¨agten Minnekonzeption finden sich zwar schon bei → Meinloh von Sevelingen, doch fand F. dieses Konzept schon weiter entwickelt bei der Trobador- und Trouv`ere-Dichtung vor, wenn auch noch nicht in der u¨ berh¨ohten und ausschließlichen Spielart, wie sie f¨ur den hochh¨ofischen dt. Minnesang und vor allem f¨ur → Reinmar den Alten charakteristisch ist. Auch das bei Reinmar typische l¨auternde Moment des Minnedienstes fehlt noch bei F. Die formalen und metrischen Anleihen bei der romanischen Dichtung in F.s Liedern erweisen sich schon allein durch die zahlreichen (gesicherten oder wahrscheinlichen) Kontrafakturen franz¨osischer Vorlagen; als gesichert gelten Kontrafakturen von Liedern Folquets de Marseille, Conons de B´ethune und Guiots de Provins. Es sind von F. neben den reinen Minneliedern auch Kreuzlieder u¨ berliefert. Die Minnelieder lassen sich in Werbelieder aus der N¨ahe und 90
2. H¨alfte 12. Jh. aus der Ferne differenzieren. Das stilgeschichtlich a¨lteste Lied (MF 48,32) ist F.s einziger Wechsel, der das Minnepaar noch in gesellschaftlichem Einverst¨andnis zeigt. In anderen Liedern erscheint die Gesellschaft in der Rolle des «merkære» als abstrakte Instanz der «huote». Der Begriff der «huote» taucht vor F. nur bei → Dietmar von Aist auf (MF 32,3). Aufgrund der Unerf¨ullbarkeit der Minne wird diese vom S¨anger zwar als Minneleid erfahren aber dennoch auch als Gnade Gottes (MF 50,19; 51,13). Das Leid wird daher geduldig ertragen und die Minneklage kontrapunktisch mit Frauenpreis verkn¨upft. So gestaltet sich F.s Minnekonzeption als dialektisches Spannungsfeld mit den Fixpunkten Dame, Gesellschaft und Gott. In den Fernminne-Liedern u¨ bernimmt die r¨aumliche Distanz die Funktion der «huote» als Verhinderung des Minnegl¨ucks, das hier schon allein in der Ansicht der Dame liegen k¨onnte. F¨ur die Kreuzlieder ist neben Abschied und Fernminne der Konflikt von Frauen- und Gottesminne kennzeichnend. F.s Kreuzlieder sind daher keine Propagandalieder sondern Minnelieder mit dem zus¨atzlichen Kreuzzugsaspekt. Der S¨anger entscheidet sich in ihnen f¨ur den Gottesdienst und den Kreuzzug. Eine Vereinbarung von Liebesbeziehung und Kreuzzugsteilnahme wie sp¨ater bei → Albrecht von Johansdorf ist F. fremd, seine Kreuzlieder sind Abschiedsklagen. In F.s bekanntestem Kreuzlied (MF 47,9: Mˆın herze und mˆın lˆıp diu wellent scheiden) wird der Konflikt als Trennung von «lˆıp» (auf dem Kreuzzug) und «herze» (bei der Dame) dargestellt. Dieses Lied ist auch das von der Forschung am breitesten diskutierte im Œuvre F.s u¨ berhaupt: zum einen hinsichtlich der Deutung des gesamten Lieds und zum anderen in Bezug auf den gleichermaßen ber¨uhmten wie kryptischen Vers, wonach das Wort der Dame «gelˆıche gˆe / rehte als ez der sumer von triere taete» (MF 47,38). Was f¨ur die Kreuzlieder in besonderem Maße gilt, n¨amlich dass F. konzeptuell Minnereflexion und religi¨ose Thematik verbindet, ist auch ein Kennzeichen seiner Werbelieder, bei denen die Gottgewolltheit des Dienstes und die Gottesgnade der Minne die «Hohe Minne» in ein religi¨os-transzendentes Umfeld r¨ucken. Zur lyrischen Umsetzung seiner neuen Minnekonzeption geht F. nahezu ausschließlich abstrakt reflektierend vor. Anschauliche Motive und topische Vorstellungen sind selten, auch Naturbez¨uge, die bei Heinrich von Veldeke oder Dietmar von Aist h¨aufig sind, fehlen weitgehend. Durchgehend verzichtet 91
Friedrich von Hausen F. auch auf Natureing¨ange, die im fr¨uhen Minnesang und dann wieder im 13. Jh. Standard sind. Mit F.s reflektierendem Stil korrespondiert seine Syntax, die, um die komplexen Gedanken zu transportieren, vom prinzipiell parataktischen Satzbau der fr¨uhen S¨anger abr¨uckt und einer teils komplizierten Hypotaxe Raum gibt. Der hypotaktische Satzbau F.s wiederum bedingt zahlreiche Enjambements (im Gegensatz zum fr¨uheren parataktischen Zeilenstil). Auch in andern formalen Punkten beschreitet F. unter romanischem Einfluss Neuland. Die einfachen Grundformen des fr¨uhen dt. Minnesangs bereichert er durch eine Vielzahl von Formelementen und unterschiedlichen Kombinationen und Variationen dieser Elemente. Seine Lieder sind – ganz oder partiell – durchgereimt. Der Paarreim als h¨aufigster Reim seiner Vorg¨anger erscheint nur noch in einem Lied (MF 45, 37) und wird ersetzt durch Kreuz- und umschließende Reime. Die Verse F.s sind nicht mehr grunds¨atzlich vierhebig (auch Zwei-, Drei-, F¨unf-, Sechsheber) und tendenziell regelm¨aßig alternierend. Auch begegnen dreisilbige Takte (mhd. Daktylen, MF 43,28; 52,37). Die h¨aufigste Strophenform bei F. ist zum ersten Mal die stollige Kanzonenstrophe (MF 51,33 bereits mit dreiteiligem Stollen), die in der westlichen Chansonkunst seit der ersten H¨alfte des 12. Jh. verbreitet war. Die Strophen sind zum Teil heterometrisch gebaut, z. B. als Kombination aus Zwei-, Vier und F¨unfhebern (MF 45,37). Thematik, Stil, Sprache und Form zeigen F. als einen Dichter des Umbruchs, der auf der Grenze zwischen fr¨uhh¨ofischem und hochh¨ofischen Minnesang steht. Vor allem die thematische Neuausrichtung der Gattung durch das Konzept der «Hohen Minne» verschafft dem Minnelied eine neue moralisch-gesellschaftliche Dimension, die den fr¨uhen S¨angern fremd war und deren volles Potential von → Walther von der Vogelweide ausgesch¨opft werden sollte. ¨ Uberlieferung: Stuttgart, LB, Cod. HB XIII 1 (→ Weingartner Liederhs. B) S. 9–18 (Perg., erstes Viertel 14. Jh., alemannisch) 36 Str. in 12 To¨ nen, ¨ ¯ HUSEN». – Uberschrift: «H FRIDERICH VO Heidelberg, UB, Cpg 848 (→ Heidelberger Liederhs. C) 116v–119ra (Perg., um 1300, alemannisch) 53 ¨ Str. in 17 T¨onen, Uberschrift: «her Friderich von husen». – B bietet keine Str. die nicht auch v. C. u¨ berliefert wird. Die Miniaturen der beiden Hss. 92
Friedrich von Hausen zeigen das gleiche Motiv: F. als Ritter (Kreuzfahrer) auf einem Schiff. Ein Wappen fehlt bei beiden Darstellungen. – MF 54,1 auch in: Bern, Burgerbibl., Cod. 260 (p) 235v (Perg., Mitte 14. Jh., aus Straßburg [?]) 1 Str. (54,1–18) ohne Verfasserangabe. – Weimar, Herzogin Anna Amalia Bibl., Cod. Quart 564 (→ Weimarer Liederhs. [F]) 106r-v, Schluss (5 Verse) auf 109r (Pap., drittes Viertel 15. Jh.) 5 Str. mit 2 Zusatzstr. gegen¨uber C (54,1–40) ohne Verfasserangabe; die «Echtheit» der Zusatzstr. ist Diskussionsgegenstand ebenso wie die «Echtheit» von ¨ MF 54,1 u¨ berhaupt. – Die Uberl. ist durchgehend ohne Melodien. Ausgaben (Auswahl): HMS 1 (1838) S. 212–218. – MF 1 (381988) S. 73–96 (Nr. 10). – G¨unther Schweikle: Die mhd. Minnelyrik. Texte ¨ und Ubertragungen, Einf. und Komm. Bd. 1: Die fr¨uhe Minnelyrik. Darmstadt 1977 (Nachdr. Stuttgart 1993) S. 222–259, 468–505. – Ders. F. v. H. Lieder. Mhd./Nhd. (RUB 8023). Stuttgart 1984. – Dt. Lyrik des fr¨uhen und hohen MA. Edition ¨ der Texte und Komm. v. Ingrid Kasten. Ubers. v. Margherita Kuhn (BMA 3). Frankfurt/M. 1995, S. 110–135, 636–658. – Olive Sayce: Romanisch ¨ beeinflusste Lieder des Minnesangs mit Ubersetzung, Komm. und Glossar (GAG 664). G¨oppingen 1999, S. 19–48. – Dazu kommen Auswahlausg. in zahlreichen Anthologien. Zuletzt: Dorothea Klein: Minnesang. Mhd. Liebeslieder. Eine Auswahl. Mhd./Nhd. (RUB 18781). Stuttgart 2010, S. 59–64, 106 f. Bibliographie: H. Tervooren: Bibliogr. zum Minnesang und zu Dichtern aus ‹Des MF› (Bibliogr. zur dt. Lit. des MA 3). Berlin 1969, S. 62–65 (Nr. 493–521/1). Literatur: G¨unther Jungbluth/Ursula Aarburg, NDB 5 (1961) S. 599. – G¨unther Schweikle, VL2 2 (1980) Sp. 935–947; 11 (2004) Sp. 468. – Ursula Schulze, LexMA 4 (1989) Sp. 966 f. – De Boor/Newald 2 (111991) Reg. – Christoph M¨arz, MGG2 Personenteil 7 (2002) Sp. 146–148. – Claudia H¨andl, Killy2 4 (2009) S. 14–16. – Karl M¨ullenhoff: Zu F. v. H. In: ZfdA 14 (1869) S. 133–143. – Fritz Grimme: Gesch. der Minnesinger. Bd. 1: Die rheinisch-schw¨abischen Minnesinger. Paderborn 1897, S. 2–5, 144–148. – Hans Spanke: Romanische und mlat. Formen in der Metrik von Minnesangs Fr¨uhling. In: Zs. f¨ur romanische Philologie 49 (1929) S. 191–235 (wieder in: Der dt. Minnesang. Aufs¨atze zu seiner Erforschung. Bd. 1. Hg. v. Hans Fromm [WdF 15]. Darmstadt 51972, 93
2. H¨alfte 12. Jh. S. 255–329. – Maximilian Ittenbach: Der fr¨uhe dt. Minnesang. Strophenf¨ugung und Dichtersprache. Halle 1939, S. 190–198 (Passage wieder abgedruckt in: Mhd. Spruchdichtung. Hg. v. Hugo Moser [WDF 154]. Darmstadt 1972, S. 227–245, u. d. T. Minnespr¨uche Meinlohs v. Sevelingen und Dietmars v. Eist; Kreuzstr. F.s v. H.). – Henning Brinkmann: F. v. H. Bad Oeynhausen 1948. – Istv´an Frank: Trouv`eres et Minnes¨anger. Recueil de textes pour servir a` l’´etude des rapports entre la po´esie lyrique romane et le Minnesang au XIIe si`ecle (Schr. der Univ. des Saarlandes). Saarbr¨ucken 1952, S. 2–33, 64–68, 133–164. – Karl Herman May: Stammsitz, Rechtsnachfolger und Erben des Minnes¨angers F. v. H. († 1190). In: Hessisches Jb. f¨ur Landesgesch. 2 (1952) S. 16–23. – U. Aarburg: Melodien zum fr¨uhen dt. Minnesang. In: ZfdA 87 (1956/57) S. 24–45 (¨uberarbeitet wieder in: WdF 15 [s. o.] S. 378–421). – Friedrich Maurer: Zu den Liedern F.s v. H. In: Neuphilol. Mitt. 53 (1952) S. 149–170 (wieder in: Ders.: Dichtung und Sprache des MA. Gesammelte Aufs¨atze [Bibliotheca Germanica 10]. Bern u. a. 1971, S. 80–94). – G. Jungbluth: Mˆın herze und mˆın lˆıp diu wellent scheiden. Zu F. v. H. 47,9. In: Euph. 47 (1953) S. 241–259. – Hans-J¨urgen Rieckenberg: Leben und Stand des Minnes¨angers F. v. H. In: AfK 43 (1961) S. 163–176. – Martin Vogel: Der ‹sumer von triere› bei F. v. H. In: Die Musikforschung 22 (1969) S. 149–161. – Hermann Deuser/Knut Rybka: Kreuzzugs- und Minnelyrik. Interpretationen zu F. v. H. und Hartmann v. Aue. In: Wirkendes Wort 21 (1971) S. 402–411. – David Guthrie Mowatt: Friderich von Hˆusen. Introduction, text, commentary and glossary. Cambridge 1971. – Ulrich M¨uller: F. v. H. und der ‹sumer von Triere› (MF 47,38). In: ZfdPh 90 (1971) Sonderh. S. 107–115. – Helmut Tervooren/Regine Weidemeier: Reimkonjekturen bei Dietmar v. Aist und F. v. H. Zur Arbeitsweise eines ma. Interpolators und seiner modernen Kritiker. In: ebd., S. 46–65. – Hugo Bekker: F. v. H.: ‹Lichte ein unwiser man verw¨uete›. In: Seminar 8 (1972) S. 147–149. – Karl Bertau: Dt. Lit. im europ¨aischen MA. Bd. 1. Mu¨ nchen 1972, S. 578–584, 654–688. – H. Bekker: F. v. H.: ‹Ich muoz von schulden sin unfrˆo›. In: Husbanding the Golden Grain. FS Henry W. Nordmeyer. Hg. v. Luanne T. Frank/Emery E. Georg. Ann Arbor MI 1973, S. 24–45. – Hans-Herbert S. R¨akel: Drei Lieder zum dritten Kreuzzug. In: DVjs 47 (1973) S. 508–550 (wieder in: Der dt. Minnesang. 94
2. H¨alfte 12. Jh. Aufs¨atze zu seiner Erforschung. Bd. 2. Hg. v. H. Fromm [WdF 608]. Darmstadt 1985, S. 309–361). – Norbert Wagner: Zum Wohnsitz des F. v. H. In: ZfdA 104 (1975) S. 126–130. – Arne Holtorf: F. v. H. und das Trierer Schisma v. 1183–1189. Zu MF 47,9 ff. und zur Biogr. des rheinischen Minnes¨angers. In: Rheinische Vierteljahrsbll. 40 (1976) S. 72–102. – Volker Mertens: Der ‹heiße Sommer› 1187 v. Trier. Ein weiterer Erkl¨arungsversuch zu H.s MF 47,38. In: ZfdPh 95 (1976) S. 346–356. – Silvia Ranawake: H¨ofische Strophenkunst. Vergleichende Unters. zur Formentypologie v. Minnesang und Trouv`erelied an der Wende zum Sp¨atMA (MTU 51). Mu¨ nchen 1976, S. 177–182. – MF 2 (361977) S. 74–79. – H. Bekker: F. v. H. Inquiries into his poetry (Univ. of North Carolina Studies in the Germanic languages and literatures 87). Chapel Hill 1977. – Ulrich Mehler: F. v. H. ‹Sˆı darf mich des zˆıhen niet›. Beobachtungen zur Form von Hau V [= MF 45,37]. In: Euph. 72 (1978) S. 323–332. – William T. H. Jackson: Contrast Imagery in the Poems of F. v. H. In: The Challenge of the Medieval Text. Studies in Genre and Interpretation. Hg. v. dems. u. a. New York 1985, S. 37–48. – Karl-Hubert Fischer: Zwischen Minne und Gott. Die geistesgeschichtlichen Voraussetzungen des dt. Minnesangs mit besonderer Ber¨ucksichtigung der Fr¨ommigkeitsgesch. (Europ¨aische Hochschulschr. 1,843). Frankfurt/M. u. a. 1985, S. 197–232. – Stephanie C. van D’Elden: Diversity despite Similarity. Two Middle High German Contrafakta of a Proven¸cal Song. In: Studia Occitanica. FS Paul Remy. Bd. 1. Hg. v. HansErich Keller. Kalamazoo MI 1986, S. 323–337. – Manfred Eikelmann: Denkformen im Minnesang. Unters. zu Aufbau, Erkenntnisleistung und Anwendungsgesch. konditionaler Strukturmuster des Minnesangs bis um 1300 (Hermaea NF 54). T¨ubingen 1988, Reg. – Codex Manesse. Die Miniaturen der Großen Heidelberger Liederhs. Hg. und erl. v. Ingo F. Walther unter Mitarbeit v. Gisela Siebert. Frankfurt/M. 1988 (62001) S. 82 f. (Tf. 41). – Rebecca J. Davies: The Reception of Conon de B´ethune’s ‹Ahi! Amors, com dure departie› in Minnesang: Questions of music and metrical form. In: JOWG 9 (1996/97) S. 495–508. – Anka Fuss/Susanne Kirst/Manfred G¨unther Scholz: Zur Sprecherkonstellation in H.s Lied ‹Mˆın herze und mˆın lˆıp diu wellent scheiden›. In: Euph. 91 (1997) S. 343–362. – Andreas Hensel: Vom fr¨uhen Minnesang zur Lyrik der Hohen Minne. Stud. zum 95
Friedrich von Hausen Liebesbegriff und zur literarischen Konzeption der Autoren K¨urenberger, Dietmar v. Aist, Meinloh v. Sevelingen, Burggraf v. Rietenburg, F. v. H. und Rudolf v. Fenis (Europ¨aische Hochschulschr. 1,1611). Frankfurt/M. u. a. 1997. – Jens K¨ohler: Der Wechsel. Textstruktur und Funktion einer mhd. Liedgattung (Beitr. zur a¨ lteren Literaturgesch.). Heidelberg 1997, S. 123–125. – Manfred Kern: Edle Tropfen vom Helikon. Zur Anspielungsrezeption der antiken Mythologie in der dt. h¨ofischen Lyrik und Epik (Amsterdamer Publ. zur Sprache und Lit. 135). Amsterdam/Atlanta 1998, S. 222–228 und Reg. – Sebastian Neumeister: Das Bild der Geliebten im Herzen. In: Kultureller Austausch und Literaturgesch. im MA. Hg. v. Ingrid Kasten u. a. (Beih. zur Francia 43). Sigmaringen 1998, S. 315–330 (wieder in: Ders.: Literarische Wegzeichen. Vom Minnesang zur Genration X. Hg. v. Roger Friedlein [GRM Beih. 18]. Heidelberg 2004, S. 11–42. – Harald Haferland: Hohe Minne. Zur Beschreibung der Minnekanzone (ZfdPh Beih. 10). Berlin 2000, passim. – Hubertus Fischer: Sumer von triere – Trevirensis. Aufl¨osung der crux in F.s v. H. ‹Mˆın herze und mˆın lˆıp›. In: Euph. 96 (2002) S. 321–348. – Timo Reuvekamp-Felber: Kollektive Repr¨asentation als soziale Funktion von Minnesang? Zur Pluralit¨at und Variabilit¨at der Ich-Figurationen in der Minnekanzone am Beispiel F. v. H.s. In: Text und Handeln. Zum kommunikativen Ort von Minnesang und antiker Lyrik. Hg. v. Albrecht Hausmann (Beih. zum Euph. 46). Heidelberg 2004, S. 203–224. – C. M¨arz: Liedkorrespondenzen. Zu Guillaumes de Machaut ‹Le Voir Dit› und einigen dt. Liedern. In: Lit. und Wandmalerei. Bd. 2: Konventionalit¨at und Konversation. Hg. v. Eckart Conrad Lutz u. a. T¨ubingen 2005, S. 95–107. – Anthonius H. Touber: Romanischer Einfluss auf den Minnesang. F. v. H. und die Hausenschule. In: PBB 127 (2005) S. 62–81. – Uwe Meves (Hg.): Regesten dt. Minnes¨anger des 12. und 13. Jh. Berlin/New York 2005, S. 280–296 und Reg. – Katharina Boll: Alsˆo redete ein vrowe schoene. Unters. zu Konstitution und Funktion der Frauenrede im Minnesang des 12. Jh. (W¨urzburger Beitr. zur dt. Philologie 31). W¨urzburg 2007, S. 254–263. – Andreas Parwis Wirwalski: ‹Staetekeit› und Wahnsinn. Ein gewagter ‹Clash der Emotionen› zwischen dem deutschsprachigen Minnes¨anger F. v. H. (1150/60–1190) und dem persischen Dichterf¨ursten Nez¯ami (1141–1209). In: ‹vorschen, den96
Heinrich von Veldeke ken, wizzen›. Vom Wert des Genauen in den ‹ungenauen Wiss.›. FS Uwe Meves. Hg. v. Cord Meyer u. a. Stuttgart 2009, S. 131–135. VZ Heinrich von Veldeke, * 1. H¨alfte 12. Jh., † um 1190 (?). – Epiker, Minnes¨anger. Der Begr¨under des h¨ofischen Romans in dt. Sprache wurde wahrscheinlich vor der Mitte des 12. Jh. geboren. Glaubt man H.s Verslegende Servatius (V. 6172), so stammte er aus einem Ort namens Veldeke. Noch in der neueren Zeit existierte nahe der belgischen Stadt Spalbeek bei Hasselt eine Velkermolen, in deren N¨ahe H. geboren sein d¨urfte. ¨ Der Dichter wird in der Uberlieferung h¨aufig als «Herr» oder «Meister» bezeichnet, weshalb man allgemein von einer adligen Herkunft H.s ausgeht. Meist wird er einem seit 1195 nachweisbaren Rittergeschlecht zugeordnet, dessen Mitglieder Minis¨ terialen der Grafen von Loon waren. Uber H.s Ausbildung k¨onnen nur Vermutungen angestellt werden. Seine Werke verraten neben Latein- und Franz¨osischkenntnissen auch ein gelehrtes Wissen, das H. an einer Dom- oder Klosterschule und in einer klerikalen Ausbildung erworben haben k¨onnte. H.s weiteres Leben ist nur u¨ ber Angaben im Werk oder bei anderen Autoren grob zu rekonstruieren. So scheint die bis 1175 bezeugte Gr¨afin Agnes von Loon ihn gef¨ordert zu haben, wird sie doch im Servatius lobend erw¨ahnt. Sie habe H. ebenso zum Schreiben der Verslegende angespornt wie «Herr Hessel», der K¨uster von St. Servatius in Maastricht. Identifiziert man Hessel mit einem zu dieser Zeit nachgewiesenen Diakon Hezilo, so ist seine Amtszeit um 1171–76 anzusetzen. Als Bewahrer der dortigen Schatzkammer war er auch f¨ur die ServatiusReliquien zust¨andig. Hessel k¨onnte also eine volkssprachige Servatius-Dichtung angeregt haben und stellte H. vielleicht eine lat. Quelle zur Verf¨ugung. Weitere Anhaltspunkte f¨ur H.s Biographie ergeben sich im Zusammenhang mit seinem Versroman Eneas. Dessen unvollendetes Manuskript habe H. an Margareta von Cleve ausgeliehen, der es dann 1174 w¨ahrend ihrer Hochzeit mit Ludwig III. von Th¨uringen gestohlen worden sei – so berichten es die eingeschobenen, aber als zuverl¨assig geltenden Verse 13429–13460 im Gothaer Eneas-Kodex. Den Diebstahl beging wahrscheinlich der Th¨uringer Graf Heinrich Raspe III. Erst neun Jahre sp¨ater gab Landgraf Hermann von Th¨uringen dem Dichter die Handschrift zur¨uck und lud ihn zur Fertigstellung des Werks auf Schloss Neuenburg bei Freyburg ein. Danach nahm H. 1184 wahrscheinlich am 97
2. H¨alfte 12. Jh. Mainzer Hoftag von Kaiser Friedrich I. Barbarossa teil. In seinem Roman vergleicht H. die Hochzeit von Eneas und Lavinia mit diesem pr¨achtigen Fest (V. 13221–13251). Der Tod H.s wird meist um 1190 angesetzt. → Wolfram von Eschenbach nennt ihn im Parzival als fr¨uh Verstorbenen und → Gottfried von Straßburg erw¨ahnt H. im Tristan. Illustrationen in der → Heidelberger Liederhandschrift C und der → Weingartner Liederhandschrift B zeigen H. mit einer unbeschriebenen Schriftrolle, wie er von V¨ogeln umgeben in der freien Natur sitzt und nachdenklich den Kopf auf seine linke Hand st¨utzt. Neben H.s epischen Werken steht seine Minnelyrik. Unter H.s Namen u¨ berliefert A 17 Strophen, B 48 Strophen und C 61 Strophen. Die Echtheit mancher Strophen ist in der Forschung aber ebenso umstritten wie die Gruppierung der Strophen zu Liedern. Daher schwankt die Zahl der H. zugeschriebenen Lieder zwischen etwa 25 und 37. Unsicher sind auch die Entstehungsumst¨ande der Lieder und ihre zeitliche Abfolge. Die gelegentliche Annahme, die meisten Lieder seien bis etwa 1183 entstanden, ist keineswegs zwingend. ¨ Sprachlich steht die obd. Uberlieferung der Lieder im Kontrast zu H.s mndl. Herkunft. Unklar ist, ob H. seine Lyrik urspr¨unglich in der hochdt.-nd. ¨ Sprachmischung der Uberlieferung verfasste oder im niederfr¨ankisch-altlimburgischen Idiom seiner Heimat. Baulich bevorzugt H. ein- oder zweistrophige Lieder mit dreiteiligen Kanzonenstrophen. Aber auch die drei- oder mehrstrophigen Formen des klassischen Minnesangs beherrscht der Dichter. Meist verwendet er vierhebige, alternierende Verse mit zwei, seltener drei Reimb¨andern. Gerne benutzt H. seine Reime auch f¨ur Sprachspiele. Die Formensprache der Minnelyrik wird von H. um Elemente erweitert, die etwa aus Tanzlied, volkst¨umlicher Gnomik oder mlat. Dichtung (Conductus) stammen. Hinzu kommen franz¨osische Einfl¨usse, die H. etwa u¨ ber eine Liedvorlage von Chr´etien de Troyes aufnahm. Eine franz¨osische Leichtigkeit zeigt sich auch im spielerischen Charakter von H.s Lyrik, der diese von der ernsthafteren dt. Minnelyrik unterscheidet. H.s Lieder verherrlichen zumeist die Freude, die bei H. im Schl¨usselbegriff «blˆıtscap» fassbar wird und sich als Liebes- und Sinnesfreude a¨ ußert. Nat¨urlich thematisiert H. neben der erwiderten Liebe auch vereinzelt das nicht erh¨orte Werben. Jedoch kritisiert er die Trauer als grunds¨atzlich minnefeindlich. H.s Verh¨altnis zur Hohen Minne 98
2. H¨alfte 12. Jh. ist gespalten: Er greift einzelne ihrer Elemente auf, wahrt aber zugleich eine manchmal ironisch gef¨arbte Distanz. So reflektiert H. einerseits u¨ ber das Ideal einer ethisch-vern¨unftigen Minne, die ihm die einzig rechte Minne scheint. Andererseits unterscheidet er sich u. a. durch sein vielschichtiges, manchmal sogar innerhalb eines Lieds wechselndes Frauenbild von der klassischen Minne. Ein weiteres Kennzeichen von H.s Lyrik ist ihre Bildm¨achtigkeit, die sich besonders in realistischen Naturbildern a¨ ußert. Letztere beeinflussen auch die Form der Lieder, entfalten sie sich doch in stark erweiterten Natureing¨angen. Insgesamt gelten H.s Minnelieder als spielerisch, pointiert und musikalisch. Sie stehen sprachlich und inhaltlich zwischen romanischen und dt. Traditionen, die H. gekonnt beherrscht. Sein Umgang mit den Konventionen des Minnesangs ist eigenst¨andig bis originell. Allerdings erzeugte sein lyrisches Werk im Gegensatz zu seinen epischen Texten wenig Widerhall. H.s Lyrik wurde prim¨ar im s¨udwestlichen Reichsgebiet rezipiert und wirkte auf → Friedrich von Hausen, → Heinrich von dem T¨urlin und den → Marner, indirekt vielleicht auch auf → Hadewijch und → Heinrich von Rugge. Ausgabe: MF 1, S. 97–149. Literatur: Richard M. Meyer, ADB 39 (1895) S. 565–571. – Ehrismann 2.2.1 (1927) S. 79–94. – G. Schieb, NDB 8 (1969) S. 428 f. – Ludwig Wolff/ Werner Schr¨oder, VL2 3 (1981) Sp. 899–918; 11 (2004) Sp. 638. – Jan Goossens, LexMA 4 (1989) Sp. 2109 f. – De Boor/Newald 2 (111991) S. 39–46 u. o¨ . – Hans Fromm/Heiko Hartmann, Killy2 5 (2009) S. 213–216. – Helmut Tervooren, KLL3 7 (2009) S. 305 f. – Edward Schr¨oder: Zu den Liedern H.s v. V. In: ZfdA 67 (1930) S. 127 f. – Hennig Brinkmann: Friedrich von Hausen. Bad Oeynhausen 1948, S. 28–36. – Theodor Frings und Gabriele Schieb: H. v. V. Die Entwicklung eines Lyrikers. In: FS Paul Kluckhohn und Hermann Schneider. T¨ubingen 1948, S. 101–121. – Friedrich Maurer: ‹Rechte› Minne bei H. v. V. In: Arch. f¨ur das Studium der neueren Sprachen und Literaturen 187 (1950) S. 1–9. – Paulus B. Wessels: Zur Sonderstellung des ndl. Minnesangs im Germ.-Romanischen Raum. In: Neophilologus 37 (1953) S. 208–218. – Helmuth Thomas: Zu den Liedern und Spr¨uchen H.s v. V. In: PBB (Halle) 78 (1956) S. 158–264. – Ludwig Schneider: H. v. V. Die ‹Strophenpaare› MF 60,2965,5 und MF 61,1861,25. Syllogismen in Reimversen. In: Interpretationen mhd. Lyrik. 99
Der Wilde Mann Hg. v. G¨unther Jungbluth. Bad Homburg 1969, S. 83–107. – Werner Schr¨oder: V.-Stud. Berlin 1969. – Thomas Klein: Gedehntes a und altes langes aˆ in der Sprache H.s v. V. In: PBB (T¨ub.) 93 (1971) S. 151–167. – Norbert de Paepe: V.s Lyrik als Gesellschaftskunst. In: Heinric van Veldeken Symposion Gent 23–24 Oktober 1970. Hg. v. Gilbert de Smet. Antwerpen 1971, S. 87–106. – H. Tervooren: Maasl¨andisch oder Mhd.? Bemerkungen eines versp¨ateten Rezensenten zu der Ausg. v. V.s Liedern durch Theodor Frings und Gabriele Schieb. In: ebd., S. 44–69. – John R. Sinnema: Hendrik van V. New York 1972. – Anthonius H. Touber: V.s Stabat Mater. In: ebd., S. 70–76. – Cola Minis: Epische Ausdrucksweisen insbesondere mit ‹Sehen› in V.s Liedern. In: ZfdA 90 Beih. (1972) S. 80–90. – Codex Manesse. Die Miniaturen der Großen Heidelberger Liederhs. Hg. und erl. v. Ingo F. Walther unter Mitarbeit v. Gisela Siebert. Frankfurt/M. 1988 (62001) S. 32 f. (Tf. 16). – Volker Mertens: Intertristanisches. Tristan-Lieder von Chretien de Troyes, Bernger von Horheim und H. v. V. In: Methodenkonkurrenz in der germanistischen Praxis. Vortr¨age des Augsburger Germanistentags 1991. Hg. v. Johannes Janota. T¨ubingen 1993, S. 37–55. – Bernd Bastert: Mo¨ glichkeiten der Minnelyrik. Das Beispiel H. v. V. In: ZfdPh 113 (1994) S. 321–344. – H. Tervooren: ‹Wan si suochen birn uˆ f den buochen›. Zur Lyrik H.s v. V. und zu seiner Stellung im dt. Minnesang. In: Queeste 4 (1997) S. 1–14. – Thomas Bein: ‹Mit fremden Pegasusen pfl¨ugen›. Unters. zu Authentizit¨atsproblemen in mhd. Lyrik und Lyrikphilologie (Phil.Stud.u.Qu. 150). Berlin 1998, S. 353–385. – Frank Willaert: ‹Zwischen dem Rotten und der Sowe?› Einige Thesen zur Stellung V.s im fr¨uhen Minnesang. In: Sprache und Lit. des MA in den ‹nideren landen›. Gedenkschrift f¨ur Hartmut Beckers. Hg. v. Volker Honemann u. a. K¨oln u. a. 1999, S. 309–323. – Ludger Lieb: Modulationen. Sangspruch und Minnesang bei H. v. V. In: Neue Forschungen zur mhd. Sangspruchdichtung. Hg. v. Horst Brunner/H. Tervooren. Berlin 2000, S. 38–49. – Jan Goossens: De rijmen van V.s eerste lied. In: Spiegel der Letteren 45 (2003) S. 107–120. – Jozef D. Janssens: Peren op de Beuken. Hendrik van V. en Zijn Tijd (1130–1230). Hasselt 2007. – A. H. Touber: Die Strophenformen der Lyrik H.s v. V. und Frankreich. In: PBB 132 (2010) S. 378–384. MM Der Wilde Mann → Band 1, Sp. 490–493. 100
Spervogel/Herger/Der Junge Spervogel Herdringer Vagantenliedersammlung. – Kompilation von Vagantendichtung. Die H. V. war in einer urspr¨unglich aus dem L¨utticher Benediktinerkloster St. Jakob stammenden Handschrift u¨ berliefert, die sich sp¨ater u. a. auf Schloss Herdringen und in der UB L¨owen befand und 1940 verbrannte. Aloys B¨omer stieß 1907 auf die Handschrift und gab die H. V. heraus. W¨ahrend das Manuskript um die zweite H¨alfte des 14. Jh. entstand, sind die in der Sammlung enthaltenen lat. Texte jedoch a¨lter und reichen vom 12. Jh. (→ Hugo Primas, → Archipoeta) bis etwa in die Mitte des 13. Jh. Von den 20 St¨ucken der H. V. (Z¨ahlung nach B¨omer) sind 13 auch an anderen Stellen u¨ berliefert, jedoch in oft sehr unterschiedlichen Redaktionen. Dies betrifft vor allem die bekannteren Autoren der Sammlung wie Hugo Primas, Archipoeta und Walter von Chˆatillon. Mehrere Texte sind italienischer und franz¨osischer Herkunft, einzelne St¨ucke auch aus Deutschland. Verschiedene St¨ucke der Sammlung u¨ berschneiden sich mit den → Carmina Burana (CB). Als Kompilation von Vagantendichtung wird die H. V. formal naturgem¨aß von der Vagantenstrophe bestimmt. Hinzu kommen Stabat-mater-Strophen (Nr. 1, 5 f., 15) und Hexameter (Nr. 12). Inhaltlich ist die Sammlung stark von mal satirischer, mal mahnender Klerus- und Zeitkritik gepr¨agt, die sich besonders gegen den als dekadent beschriebenen hohen Klerus richtet (Nr. 3 f., 7 f., 11 f., 15 f., 19 f.). Auch Preislieder auf den Wein (Nr. 2, 9), Weihnachtslieder (Nr. 5 f.), Ratschl¨age f¨ur junge Magister (Nr. 10, 17), ein Siegesgesang (Nr. 13), ein Kreuzlied (Nr. 18) und ein Mantelgedicht (Nr. 1) sind in der H. V. enthalten, allerdings keine Liebeslieder. Die bekannteren St¨ucke der H. V. umfassen die Hugo Primas zugeschriebenen Texte De vestium transformatione (Nr. 1) und Conquestio primatis expulsi de domo leprosorum (Nr. 14), Archipoetas Comedia goliardorum (Nr. 2, auch CB 191) sowie das kompilatorische Invectio contra prelatos (Nr. 4), in dem auch Strophen des Walter von Chatillon enthalten sind. Von Walter stammen außerdem Petitio primatis porrecta pape pro beneficio obtinendo (Nr. 15), Comedia de adventu anticristi (Nr. 19) und Comedia magistralis redarguens vitia (Nr. 20). Zu den Carmina Burana-Texten z¨ahlt Invectio contra sacerdotes (Nr. 3, CB 91). Erw¨ahnt sei hier außerdem die Apokalypse des Golias (Nr. 16). Insgesamt ist die H. V. wegen der darin u¨ berlieferten Alternativfassungen 101
2. H¨alfte 12. Jh. mancher St¨ucke von Interesse, reicht als Sammlung aber nicht an die Carmina Burana heran. ¨ Uberlieferung: L¨owen, UB, G 65 (fr¨uher Herdringen/Arnsberg, F¨urstenbergische Schlossbibl.), CIIr–CXXIv (zweite H¨alfte 14. Jh.; 1940 verbrannt). Ausgaben: Eine Vagantenliederslg. des 14 Jh. in der Schlossbibl. zu Herdringen (Kr. Arnsberg). Hg. v. Aloys B¨omer. In: ZfdA 49 (1908) S. 161–238 (Teilausg. der damals noch unver¨off. St¨ucke der Slg., Nr. 1, 6, 8, 9, 10, 13, 17, 18). – Vgl. auch die Ausg. der im Artikel genannten Verfasser einzelner St¨ucke der Slg. sowie Worstbrock 1981 (s. Lit.). Literatur: Manitius 3 (1913) S. 966–969. – Franz J. Worstbrock, VL2 3 (1981) Sp. 1032–1035. – B¨omer (s. Ausg.). – Hans Walther: Das Streitgedicht in der lat. Lit. des MA. M¨unchen 1920 (Nachdr. Hildesheim u. a. 1984) S. 52. – Karl Polheim: Der Mantel. In: Corona Quernea. FS Karl Strecker. Hg. v. Edmund E. Stengel. Leipzig 1941 (Nachdr. Stuttgart 1962) S. 41–64, hier S. 52 f. – Paul Lehmann: Die Parodie im MA. Stuttgart 21963, S. 133, 154 f. MM Spervogel/Herger/Der Junge Spervogel. – Sangspruchdichter, zweite H¨alfte 12. Jh. Die → Heidelberger (A, C) und Jenaer (J) Liederhandschriften enthalten als Teil ihrer Sangspruch¨uberlieferung auch Strophen unter den Namen S. und J. S. In A werden S. 25 Strophen zugeschrieben (Z¨ahlung nach Bein), dem J. S. 26 Strophen. In C stehen 54 Strophen unter S.s Namen, von denen 20 als Texte des J. S.s auch in A erhalten sind. J tradiert 13 Strophen als Werk S.s. Strophen aus dem S./J. S.-Korpus werden in der weite¨ ren Uberlieferung auch → Neidhart, → Leuthold von Seven, → Waltram von Gresten und dem → Jungen Stolle zugeschrieben. Diese un¨uber¨ sichtliche Uberlieferungssituation f¨uhrte auch in der Forschung zu wechselnden Zuschreibungen und sogar zur Konstruktion eines zus¨atzlichen Autors: Aufgrund inhaltlicher und formaler Divergenzen innerhalb des u¨ berlieferten Werks f¨ugte die Forschung den Namen S. und J. S. im 19. Jh. einen dritten Verfasser namens «Herger» hinzu. Unter diesem Namen tritt in einer S.-Strophe eine Erz¨ahlerfigur auf, die mit dem Verfasser gleichgesetzt wurde. «Herger» galt gegen¨uber S. als a¨ lterer und weniger kunstfertiger Autor. Die neuere Forschung hat «Herger» allerdings wieder angezweifelt, da seine Existenz aus der 102
2. H¨alfte 12. Jh. ¨ Uberlieferung nicht eindeutig abzuleiten ist. Die sicherlich vorhandenen Divergenzen im Werk d¨urfen nicht u¨ berbewertet werden. Auch m¨ussen sie nicht auf einen eigenst¨andigen Autor verweisen. Mo¨ glicherweise waren die unter den Namen S. und J. S. vereinigten Strophen unterschiedlicher Herkunft und wurden von einem fahrenden S¨anger gesammelt. Entsprechend wird manchmal auch die Bezeichnung «S.-Anonymi» verwendet. Letztlich sind die Identit¨aten S.s bzw. des J. S.s bis heute ungekl¨art. Ein Geschlecht namens S. ist in Eger ab 1288 nachgewiesen, was allerdings nicht mit der u¨ blichen Datierung des Werks korrespondiert. Eine Nennung Walthers von Hausen im Text sowie die Verwendung von Bildern aus der Ritterwelt verweisen vielmehr auf die zweite H¨alfte des 12. Jh., vielleicht auf um 1170. S. gilt daher als Zeitgenosse → Walthers von der Vogelweide und → Reinmars des Alten. Er war wahrscheinlich nicht adelig, bediente aber ein adeliges Publikum, wie Textstellen nahelegen. Ein Leben S.s als fahrender Berufss¨anger erscheint auch wegen entsprechender Themen im Werk m¨oglich. Zwei Wilhelm von Conches-Zitate S.s legen eine geistliche Bildung nahe. Eine Illustration in C zeigt den S¨anger mit einem Speer in der Hand, auf dem f¨unf Tauben in unterschiedlichen Farben sitzen. ¨ Da Uberlieferungsund Zuschreibungssituation problematisch bleiben, werden S. bzw. dem J. S. in der Forschung unterschiedlich viele T¨one zugeordnet. So hat man lange S. und «Herger» jeweils einen Ton zugeschrieben. Als Hauptton S.s gilt ein unstolliger Ton mit sechs Zeilen in Paarreimen. Auf zwei sechshebige lange Zeilen folgen darin zwei vierhebige Kurzzeilen und zuletzt zwei Langzeilen mit Abversen in klingender Kadenz. Dieser Ton ist in J auch zusammen mit einer QuadratnotenMelodie erhalten. Der «Herger»-Ton besteht aus vierhebigen Siebenzeilern in Paarreimen mit einer Waise in der vorletzten Zeile und einer langen Zeile als Strophenausgang. Am Ende steht eine Schlussbeschwerung. Die knappen T¨one korrespondieren mit S.s Vorliebe f¨ur in sich geschlossene Einzelstrophen, die wiederum mit seiner pointierten, oft gnomischen Dichtungsweise zusammenh¨angen. Darauf verweisen auch priamelartige oder epigrammatische Elemente in den Strophen. Inhaltlich sind die Strophen des S.-Korpus stark didaktisch gepr¨agt. Sie lehren u. a. den rechten Umgang mit Freunden und Frauen oder erteilen Ratschl¨age f¨ur ein gottgef¨alliges, maßvolles und 103
Spervogel/Herger/Der Junge Spervogel gl¨uckliches Leben. Auch die Ratgeberschaft selbst wird thematisiert. Ein weiterer Bereich der S.Strophen betrifft Armut und Reichtum, die besonders aus der Perspektive eines Fahrenden betrachtet werden. Dieser beklagt etwa die eigene Mittellosigkeit, Dienst ohne Lohn und die ungerechte Verteilung von Gaben. Die C-Strophen greifen auch religi¨ose Themen auf (S¨unden, Tugenden, Passion Christi), w¨ahrend die A-Strophen des J. S.s dem Minnesang zugeschlagen werden k¨onnen. Insgesamt liegt die Bedeutung der S.-Strophen in der von ihnen vollzogenen Weiterentwicklung der Sangspruchdichtung. Diese emanzipiert sich hier von a¨ lteren Kleinformen wie Spr¨uchen und Sprichw¨ortern. Stattdessen keimt in ihr die Gnomik des 13. Jh. S.s schlichte Sprache und zugespitzte Formulierungen erfuhren im weiteren Mittelalter eine nicht immer explizite, doch sichtbare Rezeption. Einfl¨usse S.s hat man etwa bei → Walther von der Vogelweide, → Ulrich von Liechtenstein, → Freidank, → Rumelant, → Tannh¨auser und dem → Marner vermutet. ¨ Uberlieferung: A: Heidelberg, UB, Cpg 357, 27r–29r (Perg., 1270 bis drittes Viertel 14. Jh., niederalemannisch). – C: Heidelberg, UB, Cpg 848, 415v–417vb (Perg., erste H¨alfte 14. Jh., alemannisch). – J: Jena, ULB, Ms. El. f. 101, 29ra–30ra (Perg., um 1330, nd./mitteldt.). – Zur weiteren Streu¨uberl. vgl. MF (s. Lit.); RSM (s. Lit.); Bleck 2000 (s. Lit.) S. 26, 91. Ausgaben: HMS 2 (1838) S. 371; 3 (1838) S. 32. – Ausgew¨ahlte Melodien des Minnesangs. Hg. v. Ewald Jammers. T¨ubingen 1963, S. 152. – Kraus LD 1 (21978) S. 268–274. – MF 1 (381988) S. 38–55; 2 (361977) S. 35 u. o¨ . – Dt. Lyrik des fr¨uhen und hohen MA. Hg. v. Ingrid Kasten (BMA 3). Frankfurt/M. 1995, Nr. 3 (Teilausg.). – Fr¨uheste dt. Lieddichtung. Hg. v. Horst Brunner. Stuttgart u. a. 2005, S. 124–184. – Vgl. auch die Ausg. der Heidelberger und Jenaer Liederhss. ¨ Literatur: Altere Lit. bei Tervooren S. 51–61. – Gustav Roethe, ADB 35 (1893) S. 139–144. – MF 3/1 (1981) S. 48–74; 3/2 (1981) S. 342–365. – Volker Honemann: Herger. In: VL2 3 (1981) Sp. 1035–1041; 11 (2004) Sp. 646 f. – Burghart Wachinger/Volker Mertens: Der Junge S. In: VL2 4 (1983) Sp. 911–913. – Ursula Schulze: Herger. In: LexMA 4 (1989) Sp. 2153 f. – RSM 5 (1991) S. 377–389; 2/1 (2009) S. 264 f. – De Boor/Newald 2 (111991) S. 375 f. u. o. ¨ – Dies.: LexMA 7 (1995) Sp. 2094 f. – Helmut Tervooren, VL2 9 104
Spervogel/Herger/Der Junge Spervogel (1995) Sp. 81–87. – Ursula Aarburg, MGG2 Personenteil 15 (2006) Sp. 1176. – H. Tervooren: Herger/S. In: KLL 7 (2009) S. 394 f. – Norbert H. Ott, NDB 24 (2010) S. 672 f. – Thomas Bein, Killy2 11 (2011) S. 114 f. – G. Roethe: Zum Anonymus S. In: ZfdA 48 (1906) S. 146. – Otto Gr¨uters: Zu S. In: ZfdA 52 (1910) S. 388–390. – Max H. Jellinek: Zum S. In: PBB 38 (1913) S. 566 f. – Gustav Ehrismann: Beitr. zur Erkl¨arung der Spervogelspr¨uche. In: FS Max H. Jellinek. Wien/Leipzig 1928, S. 7–21. – Hans Spanke: Romanische und mlat. Formen in der Metrik v. MF. In: Zs. f¨ur romanische Philologie 49 (1929) S. 191–235 (wieder in: Der dt. Minnesang. Aufs¨atze zu seiner Erforschung 1. Hg. v. Hans Fromm. Darmstadt 1961, S. 255–329). – Karl Helm: MFr. 30,22 f. (Herger). In: ZfdA 69 (1932) S. 122 f. – Edward Schr¨oder: Herger MFr. 27,11 f. In: ebd., S. 106. – Eduard H. Kohnle: Stud. zu den Ordnungsgrunds¨atzen mhd. Liederhss. (die Folge der Lieder in A und E) mit einem Anh.: Der Verf. der sog. jungen Spervogelstr. A 27–30. Stuttgart u. a. 1934. – Salomon Anholt: Die sog. Spervogelspr¨uche und ihre Stellung in der a¨lteren Spruchdichtung. Amsterdam 1937. – Theodor Frings u. a.: Der Anonymus S.-Herger. In: PBB 65 (1941) S. 229–280. – Bodo Mergell: Zur zyklischen Form der Spruchdichtung Hergers. In: DVjs 27 (1953) S. 31–47 (wieder in: Mhd. Spruchdichtung. Hg. v. Hugo Moser. Darmstadt 1972, S. 246–267). – Judy Mendels: S. In: Neophilologus 37 (1953) S. 52 f. – Otto Ludwig: Die Priameln S.s. In: PBB (T¨ub.) 85 (1963) S. 297–314 (wieder in: Mhd. Spruchdichtung. Hg. v. H. Moser. Darmstadt 1972, S. 268–287). – H. Moser: Die ‹Spr¨uche› Hergers. Artzugeh¨origkeit und Gruppenbildung. In: FS Jost Trier. Hg. v. William Foerste/Karl Heinz Borck. K¨oln 1964, S. 284–303 (wieder in: Ders.: Kl. Schr. 2. Stud. zur dt. Dichtung des MA und der Romantik. Berlin 1984, S. 117–132). – H. Tervooren: Einzelstr. oder Strophenbindung. Unters. zur Lyrik der Jenaer Hs. Diss. Bonn 1966, S. 183–192. – Kurt Ruh: Mhd. Spruchdichtung als gattungsgeschichtliches Problem. In: DVjs 42 (1968) S. 309–324 (wieder in: Ders.: Kl. Schr. 1. Hg. v. dems./Volker Mertens. Berlin u. a. 1984, S. 68–102). – Rolf Grimminger: Poetik des fr¨uhen Minnesangs (MTU 27). M¨unchen 1969, S. 113 f. – Emil Ploss: Der Beginn politischer Dichtung in dt. Sprache. In: ZfdPh 88 (1969) S. 1–18. – Otto Paul/Ingeborg Glier: Dt. Metrik. M¨unchen 81970, S. 91 f. – H. Tervooren: Doppelfassungen bei S. 105
2. H¨alfte 12. Jh. (zugleich ein Beitr. zur Kenntnis der Hs. J). In: ZfdA 99 (1970) S. 163–178. – Joachim Teschner: Das bispel in der mhd. Spruchdichtung des 12. u. 13. Jh. Diss. Bonn 1970, S. 17–57, 66–69. – Otto H¨ofler: S., Herger, Harugwari. In: Mediaevalia litteraria. FS Helmut de Boor. Hg. v. Ursula Hennig/Herbert Kolb. M¨unchen 1971, S. 211–227. – Walter Blank: Die kleine Heidelberger Liederhs. Cod. Pal. Germ. 357 der UB Heidelberg. Wiesbaden 1972, S. 86–93. – Kurt H. Halbach: ‹Klassizit¨at› um 1200. Archipoeta, Anonymus/Herger ¨ und Walther. In: Uber Lit. und Gesch. FS Gerhard Storz. Hg. v. Bernd Huppauf/Dolf Sternberger. Frankfurt/M. 1973, S. 87–113. – George Z. Gillespie: Spuren der Heldendichtung und Ans¨atze zur Heldenepik in literarischen Texten des 11. und 12. Jh. In: Stud. zur fru¨ hmhd. Lit. Cambridger Colloquium 1971. Hg. v. Leslie Peter Johnson u. a. Berlin 1974, S. 235–263. – Horst Brunner: ¨ Die alten Meister. Stud. zu Uberl. und Rezeption der mhd. Sangspruchdichter im Sp¨atMA und in der fr¨uhen Neuzeit (MTU 54). M¨unchen 1975, S. 183. – Uwe Stamer: Ebene Minne bei Walther v. der Vogelweide. Stud. zum gedanklichen Aufbau und zum Einfluß der Tradition (GAG 194). G¨oppingen 1976, S. 188 f. u. o¨ . – Gisela Kornrumpf/B. Wachinger: Alment, Formentlehnung und T¨onegebrauch in der mhd. Spruchdichtung. In: Dt. Lit. im MA. Kontakte und Perspektiven. FS Hugo Kuhn. Hg. v. Christoph Cormeau. Stuttgart 1979, S. 356–411, hier S. 365, 367. – Klaus Grubm¨uller: Meister Esopus. Unters. zu Gesch. und Funktion der Fabel im MA. M¨unchen u. a. 1979, S. 112–123. – Ders.: Die Regel als Komm. Zu einem Strukturmuster in der fr¨uhen Spruchdichtung. In: Wolfram-Stud. 5 (1979) S. 22–40. – Martin Liechtenhan: Die Strophengruppen Hergers im Urteil der Forschung. Eine wissenschaftsgeschichtliche Unters. zu den ‹Spr¨uchen› im a¨ lteren ‹Spervogelton›. Bonn 1980. – Olive Sayce: The Medieval German Lyric 1150–1300. The Development of Its Themes and Forms in Their European Context. Oxford 1982, S. 412–416. – Codex Manesse. Die Miniaturen der Großen Heidelberger Liederhs. Hg. und erl. v. Ingo F. Walther unter Mitarbeit v. Gisela Siebert. Frankfurt/M. 1988 (62001) S. 275 f. (Tf. 134). – Ulrich M¨uller: ‹Herger›. Ein Sangspruch-S¨anger aus Minnesangs Fr¨uhling, aus ‹Minnesangs Winter› oder aus ‹Minnesangs zweitem Fr¨uhling›? In: ‹Dˆa hoeret ouch geloube zuo.› ¨ Uberl.und Echtheitsfragen zum Minnesang. FS 106
2. H¨alfte 12. Jh.
Burggraf von Regensburg / Burggraf von Riedenburg
G¨unther Schweikle. Hg. v. R¨udiger Krohn/WulfOtto Dreessen. Stuttgart 1995, S. 139–154 (wieder in: U. M¨uller: Ges. Schr. zur Literaturwiss. 1. Hg. v. Margarete Springeth. G¨oppingen 2010, S. 137–152). – Reinhard Bleck: Die Lieder Hergers, S.s und des J. S./Jungen Stolle (GAG 688). G¨oppingen 2000. – Karin Brem: Herger/S. Die a¨ltere Sangspruchdichtung im Spannungsfeld von Konsenszwang und Profilierung, Konformit¨at und Autorit¨at. In: Neue Forschungen zur mhd. Sangspruchdichtung (ZfdPh Sonderh. 119). Hg. v. H. Brunner/H. Tervooren. Berlin 2000, S. 10–37. – Shao-Ji Yao: Der Exempelgebrauch in der Sangspruchdichtung vom sp¨aten 12. Jh. bis zum Anfang des 14. Jh. W¨urzburg 2006, 36 f., 61 f. u. o¨ . – Carolin Schuchert: Walther in A. Stud. zum Corpusprofil und zum Autorbild Walthers von der Vogelweide in der Kleinen Heidelberger Liederhs. Frankfurt/M. u. a. 2010, passim. MM Burggraf von Regensburg / Burggraf von Riedenburg. – Minnes¨anger, zweite H¨alfte 12. Jh. Unter den Bezeichnungen «Der Burggraf von Riedenburg (‹rietenburg›)» bzw. «Der Burggraf von Regensburg» kennt die Minnesang¨uberlieferung zwei kleine Strophenkorpora: (1) In der → Heidelberger Liederhandschrift C sowie zum Teil auch in der → Heidelberger Liederhandschrift A stehen vier Strophen unter dem Namen «Der Burggraf von Regensburg» (in A zwei davon unter «Leuthold von Seven» – wohl sekund¨are Zuschreibungsvarianz); dies ist das AC-Korpus. (2) C und das → Budapester Fragment (Bu) enthalten jeweils sieben Strophen, von denen f¨unf in gleicher Reihenfolge auch in der → Weingartner Liederhandschrift B enthalten sind; dies ist das BuBC-Korpus. Hier variiert die Autorbezeichnung: In C und B lautet sie «Der Burggraf von Riedenburg», in Bu dagegen «Der Burggraf von Regensburg». Die Burggrafen von Riedenburg geh¨orten dem im Altm¨uhltal ans¨assigen Geschlecht der Paponen an und hatten bis 1185 auch die Burggrafenschaft von Regensburg erblich inne; es ist deshalb durchaus denkbar, dass beide Korpora von ein und derselben Person verfasst wurden. Laut Meves kommt daf¨ur insbesondere Graf Heinrich IV. von Riedenburg (bezeugt ab 1171, gest. 1185) in Frage. Wenn hinter ¨ der Uberlieferung doch zwei Autoren stehen, dann am ehesten der ab 1155 bezeugte und 1181 verstorbene Friedrich I. von Riedenburg und wiederum dessen Bruder Heinrich IV. (Meves). 107
Der besondere Reiz des kleinen Œuvres besteht darin, dass es sowohl typische Strophen des fr¨uhen, donaul¨andischen Minnesangs als auch eine fr¨uhe Form des aus Frankreich beeinflussten hohen Minnesangs enth¨alt und damit m¨oglicherweise einen Entwicklungsprozess dokumentiert. Formal wird dies im Nebeneinander von a¨ lterer Langzeilenstrophe und modernerer Kanzonenstrophe deutlich, inhaltlich steht das Konzept der gegenseitigen, aber von den Nachstellungen der Gesellschaft gest¨orten fr¨uhen Minne neben der Dienstund Bew¨ahrungskonzeption des hohen Minnesangs. Dieser hybride Charakter ist durch die Entdeckung des Budapester Fragments (Bu) im Jahr 1985 und durch die darauf fußenden Untersuchungen Worstbrocks erst vollst¨andig durchsichtig geworden: Hatte man zuvor (seit Wilhelm Scherer) gemeint, einen a¨lteren Regensburger (ACKorpus) von einem j¨ungeren Riedenburger (BCKorpus) unterscheiden zu k¨onnen, wurde jetzt klar, dass diese Trennung auf regulierenden Eingriffen des Schreibers der Hs. C beruhte; dieser hatte offenbar die urspr¨unglichen Langzeilenstrophen MF 18,1 und MF 18,9 in Kanzonenstrophen umgeformt und Assonanzen im Reim getilgt, um ein homogenes, insgesamt moderneres Riedenburger-Korpus zu erhalten (Worstbrock). Das Regensburger/Riedenburger-Œuvre ist inso¨ fern auch f¨ur Studien zum Uberlieferungshabitus der Hs. C h¨ochst relevant. Die a¨ ltere Schicht wird gebildet von den Strophen MF 16,1–16,23 und MF 18,1–18,9. Sie zeigen sowohl formal (Langzeile, Assonanzen) als auch inhaltlich (hoher Anteil von Frauenstrophen, Rede der liebesbereiten Frau, Klage u¨ ber die liebesfeindliche Gesellschaft, b¨undiger Stil) die wesentlichen Kennzeichen des fr¨uhen Minnesangs. Die u¨ brigen, nach der romanischen Kanzonenform gebauten Strophen bilden die j¨ungere Schicht: Ausschließlich aus m¨annlicher Perspektive wird nun die Hoffnung auf Minneerf¨ullung in der Zukunft besungen; im fortgesetzten Dienst und in der Konzentration auf die eine Dame sieht das m¨annliche Specher-Ich die Mo¨ glichkeit, seine Best¨andigkeit zu bew¨ahren (metaphorisch im Bild von der L¨auterung des Goldes, MF 19,17). Teilweise wurde Formgleichheit mit frz. Chansons festgestellt (Aarburg). Mit der Festlegung auf ein m¨annliches Sprecher-Ich besteht nun auch die Mo¨ glichkeit, dass das Ich sich als S¨anger inszeniert (Ausbildung der S¨anger-Rolle, MF 19,24). 108
Burggraf von Regensburg / Burggraf von Riedenburg In einer wohl fr¨uhen Auspr¨agung findet sich in den Strophen der j¨ungeren Schicht auch das Formprinzip des hohen Minnesangs, dass jedes neue Lied eine neue Bauform (Ton) haben muss: Zwar bleibt es noch bei einstrophigen Liedern (wie im fr¨uhen Minnesang), doch diese haben einen je eigenen Ton. ¨ Uberlieferung: AC-Korpus: Heidelberg, UB, Cpg 357 (A, Kleine Heidelberger Liederhs.), 39r; zwei Strophen in derselben Hs. unter Leuthold von Seven (37v). – Ebd., Cpg 848 (C, Große Heidelberger Liederhs.), 318r-v. – BuBC-Korpus: Budapest, Sz´ech´enyi-Nationalbibl., Code Germ. 92 (Bu, Perg., Regensburg [?], um 1300, bair.), 2r-v. – C, 119v–120r. – Stuttgart, LB, cod. HB XIII.1 (B, Weingartner Liederhs.), S. 19. Ausgaben: MF, S. 32–37, 465–467. – G¨unther Schweikle: Die mhd. Minnelyrik I: Fr¨uhe Minnelyrik. Stuttgart. Weimar 1993, S. 124 f., 160–165. – Dt. Lyrik des fr¨uhen und hohen MA. Edition der ¨ Texte und Kommentare v. Ingrid Kasten. Ubersetzungen v. Margherita Kuhn (BdK 129/BMA 3). Frankfurt/M. 1995, S. 62–67, 598–602. Literatur: Ursula Schule: Burggraf von Regensburg. In: LexMA 2 (1983) Sp. 1050 f. – Dies.: Burggraf von Rietenburg. In: LexMA 2 (1983) Sp. 1051 f. – G¨unther Schweikle: Burggraf von Regensburg. In: VL2 7 (1989) Sp. 1087–1089. – Ders.: Burggraf von Riedenburg. In: VL2 8 (1992) Sp. 64–67. – Gisela Kornrumpf: Budapester Liederhs. In: VL2 11 (2004) Sp. 305–307. – Wilhelm Scherer: Dt. Stud. II. Die Anf¨ange des Minne¨ sangs. In: Sb. der Osterr. Akad. der Wiss., phil.hist. Kl. 77 (1874) S. 437–516, bes. S. 461–471 und 510–512. – Manfred Mayer: Gesch. der Burggrafen von Regensburg. M¨unchen 1883. – Ders.: Regesten zur Gesch. der Burggrafen von Regensburg. In: Verhandlungen des hist. Vereins von Oberpfalz und Regensburg 43 (1889) S. 1–55. – Robert Priebsch: Zu Lachmann und Haupt. Des Minnesangs Fr¨uhling 18, 1–16. In: Modern Language Review 12 (1917) S. 205 f. – Konrad Burdach: Reinmar der Alte und Walther von der Vogelweide. 2., berichtigte Aufl. mit erg¨anzenden Aufs¨atzen u¨ ber die altdt. Lyrik. Halle/Saale 1928, S. 359–361 und Reg. – Edward Schr¨oder: MFR 18, 27. 28. In: ZdfA 69 (1932) S. 123 f. – Max Ittenbach: Der fr¨uhe dt. Minnesang. Halle 1939, S. 117–140. – G¨unther Jungbluth: Zum Text des Burggrafen von Regensburg. In: GRM 34 (1953) S. 345–348. – Rolf Grimminger: Poetik des fr¨uhen Minnesangs 109
2. H¨alfte 12. Jh.
(MTU 27). M¨unchen 1969, S. 62–64. – U. Aarburg: Melodien zum fr¨uhen dt. Minnesang. Nachtrag. In: Der dt. Minnesang. Hg. v. Hans Fromm (WdF 15). Darmstadt 51972, S. 418–421. – Karl Bertau: Dt. Lit. im europ¨aischen MA I. M¨unchen 1972, S. 363–370. – Joachim Bumke: M¨azene im Mittelalter. Die G¨onner und Auftraggeber der h¨ofischen Lit. in Deutschland 1150–1300. M¨unchen 1979, S. 125. – Olive Sayce: The Medieval German Lyric 1150–1300. Oxford 1982, S. 96–98. – Andr´as Vizkelety/Karl-August Wirth: Funde zum Minnesang. Bll. aus einer bebilderten Liederhs. In: PBB 107 (1985) S. 366–375. – Stephen J. Kaplowitt: The Ennobling Power of Love in the Medieval German Lyrik (Univ. of North Carolina Studies in the Germanic Languages and Literatures 106). Chapel Hill/New York 1986, S. 17–19. – Andr´as Vizkelety: Die Budapester Liederhs. Der Text. In: PBB 110 (1988) S. 387–407. – Nikolaus Henkel: Lit. im ma. Regensburg. In: Regensburg im MA. Hg. v. Martin Angerer. Regensburg 1995, S. 301–310. – Andreas Hensel: Vom fr¨uhen Minnesang zur Lyrik der Hohen Minne. Stud. zum Liebesbegriff und zur literarischen Konzeption der Autoren K¨urenberger, Dietmar von Aist, Meinloh von Sevelingen, Burggraf von Rietenburg, Friedrich von Hausen und Rudolf von Fenis (Europ¨aische Hochschulschr. 1,1611). Frankfurt/M. ¨ u. a. 1997. – Franz Josef Worstbrock: Der Uberlieferungsrang der Budapester Minnesang-Fragm. Zur Historizit¨at ma. Textvarianz. In: Neue Wege der MA-Philologie. Landshuter Kolloquium 1996. Hg. v. Joachim Heinzle u. a. (Wolfram-Stud. 15). Berlin 1998, S. 114–142. – Johannes Janota: Zum Burggrafen von Regensburg im Budapester Fragm. In: Entstehung und Typen ma. Lyrikhss. Akten des Grazer Symposiums 13.–17. Oktober 1999. Hg. v. Anton Schwob u. a. (Jb. f¨ur internationale Germanistik, Reihe A, Kongressberichte, 52). Bern 2001, S. 131–142. – Thomas Neukirchen: ‹Sˆıt sich hˆat verwandelt diu zˆıt›. Alter Sang und neuer Sang beim Burggrafen von Rietenburg in der Red. der Hs. C (MF 19,7–19,27). In: GRM 51 (2001) H. 3, S. 285–302. – Uwe Meves (Hg.): Regesten dt. Minnes¨anger des 12. und 13. Jh. Berlin/New York 2005, S. 183–225. – Katharina Boll: ‹Alsˆo redete ein vrowe schoene›. Unters. zu Konstitution und Funktion der Frauenrede im Minnesang des 12. Jh. (W¨urzburger Beitr. zur dt. Philologie 31). W¨urzburg 2007, S. 182–194. AH 110
2. H¨alfte 12. Jh. Mariensequenz Sp. 508–510.
Mariensequenz aus Muri aus
Muri
→ Band
1,
A solis ortus cardine → Band 1, Sp. 517–519. Hartmann von Aue, * etwa 1165, † um 1210. – Verfasser von Minneliedern, Artusromanen und Erz¨ahlungen. Obwohl H. zu den bedeutendsten und meisterforschten Autoren des MA z¨ahlt, ist er als historische Gestalt kaum greifbar. Da urkundliche Belege nicht bekannt sind, hat die Forschung im Werk H.s nach Anhaltspunkten f¨ur seine Biographie gesucht. Sichere Fakten sind auf diese Weise freilich nicht zu erhalten. H. bezeichnet sich selbst als Ministerialen («dienstman») und nennt sich «von Ouwe» und «ein Ouwaere». In Au bei Freiburg i. Br. existierte tats¨achlich ein seit 1112 nachweisbares Ministerialengeschlecht der Z¨ahringer. Ein Vertreter dieser Familie namens H. ist allerdings nicht bekannt. Auch Weißenau bei Ravensburg, Obernau bei Rottenburg, Owen/Teck, Reichenau und Eglisau sind als Herkunftsorte H.s diskutiert worden. In zwei Liedern beklagt H. den Tod eines namentlich nicht genannten Dienstherren. Nimmt man eine Verbindung zwischen H., Au und den Z¨ahringern an, k¨onnte es sich dabei um den 1186 verstorbenen Berthold IV. von Z¨ahringen gehandelt haben. Als m¨ogliche Herren oder F¨orderer H.s sind aber auch Vertreter der Welfen und Staufer erwogen worden. Aufgrund sprachlicher Merkmale ist H. wohl im alemannisch-oberrheinischen Raum anzusiedeln, vielleicht im Herzogtum Schwaben, aus dem er laut → Heinrich von dem T¨urlin stammte. Nach eigenen Angaben genoss H. eine gelehrte, sicher lat. orientierte Ausbildung. Seine Adaption des Werks von Chr´etien de Troyes l¨asst auch Franz¨osischkenntnisse vermuten. Ungekl¨art ist bis heute, ob H. an den Kreuzz¨ugen von 1189/90 oder 1197/98 teilgenommen hat, wie man es verschiedentlich aus seinen drei Kreuzzugsliedern herauslesen wollte. H.s Erw¨ahnung des 1193 verstorbenen Sultans Saladin (Lied XVII) gilt aufgrund textlicher Unw¨agbarkeiten heute nicht mehr als Indiz einer Kreuzzzugsteilnahme des Dichters. Angesichts der unbefriedigenden Quellenlage ist auch H.s Werk nur grob zu datieren. Seine Entstehung wird meist f¨ur die Zeit von etwa 1180 bis 1200 angesetzt, manchmal auch f¨ur 1190 bis 1205. Wahrscheinlich begann H. seine literarische T¨atigkeit mit Liedern, 111
dann folgten die Klage, Erec, Gregorius, Der arme Heinrich und Iwein. Letzterer wird im Parzival des Wolfram von Eschenbach erw¨ahnt, d¨urfte also um 1200 fertiggestellt gewesen sein. H. lebte danach noch mehrere Jahre lang, wenn man den Angaben zweier anderer Autoren glauben kann: Er wird im Tristan des → Gottfried von Straßburg um 1210 als Lebender und in der Crˆone des Heinrich von dem T¨urlin nach 1220 als Verstorbener genannt. Neben diesen literarischen Erw¨ahnungen erfuhr H. auch bildliche Darstellungen. Illustrationen in der → Heidelberger Liederhandschrift C und der → Weingartner Liederhandschrift B zeigen ihn als Ritter zu Pferd. Der Dichter ist hier jeweils mit R¨ustung, Schild und Lanze ausger¨ustet und f¨uhrt einen Adlerkopf als Helmzier und Wappentier. Das abgebildete Wappen erlaubt keine R¨uckschl¨usse auf H.s Identit¨at und ist historisch erst sp¨ater f¨ur das Thurgauer Geschlecht der Wespersb¨uhler nachgewiesen. M¨oglicherweise ist das Wappen in B und C aus dem roten Adlerwappen der Z¨ahringer abgeleitet, was f¨ur eine Verbindung H.s zu Berthold IV. von Z¨ahringen sprechen w¨urde. H.s Lyrik ist in mehreren großen Liederhandschriften erhalten. A u¨ berliefert unter seinem Namen 10 Strophen, B 28 Strophen und C 60 Strophen, jeweils ohne Melodien. Davon werden in an¨ deren Uberlieferungstr¨ agern sieben Strophen auch → Reinmar dem Alten und → Walther von der Vogelweide zugeschrieben. Von den insgesamt 18 Liedern in den Handschriften sind vier Lieder bis heute in ihrer Echtheit umstritten. Auch ist eine genaue Datierung von H.s lyrischem Werk nicht m¨oglich. Es wird meist seiner fr¨uheren Schaffenszeit zugerechnet, k¨onnte aber auch bis zur Wende vom 12. zum 13. Jh. entstanden sein. F¨ur diese erweiterte Datierung wird man vor allem pl¨adieren, wenn man eine Teilnahme H.s am Kreuzzug von 1197/98 annimmt, die sich dann in den Kreuzzugsliedern niederschlug. Den Hauptteil von H.s Lyrik bilden 15 Minnelieder, die außer Lied XV der Hohen Minne angeh¨oren. So sind diese Lieder meist von Minnereflexionen und Klagen u¨ ber fruchtlos bleibenden Minnedienst gepr¨agt. Die tugendhafte Dame erscheint als kaum erreichbares, fernes Ideal, weshalb die m¨ogliche Erf¨ullung der Minneliebe bei H. nur selten angedeutet wird (Lied XIII). Charakteristisch ist insbesondere das Erwachsen eines vorsichtigen Optimismus des Minnenden gerade aus der Distanz zur Dame. Bemerkenswert 112
Hartmann von Aue ist H.s R¨uckbeziehung seiner Erfolglosigkeit auf ihn selbst. So macht er die eigene Unvollkommenheit f¨ur das Scheitern seiner Minnewerbung verantwortlich, etwa weil ihm die wichtigste Tugend der Best¨andigkeit («staete») fehle. Im sog. Unmutslied (Lied XV) richtet H. seine Kritik dann nicht gegen sich selbst, sondern gegen die Nutznießerinnen seines Minnedienstes. Er kontrastiert die Einseitigkeit des Minnedienstes und die Undankbarkeit der Adelsfrauen mit der Gegenseitigkeit, die er bei «armen wˆıben» findet. Zwei Frauenlieder H.s stellen die Minnethematik aus weiblicher Perspektive dar. Baulich bevorzugt H. ungleichversige Strophen in eigenst¨andig variierten Kanzonenformen. Romanische Einfl¨usse sind begrenzt vorhanden; so ist Lied XIII wohl Kontrafaktur einer romanischen Vorlage. Neben H.s Minneliedern sind von ihm auch drei Kreuzzugslieder u¨ berliefert (Lieder V, VI, XVII). Sie dr¨ucken H.s ethisch-spirituell begr¨undete Wertsch¨atzung der Gottesminne gegen¨uber der Frauenminne aus. Der Einseitigkeit des Frauendiensts setzt H. den erf¨ullenden Dienst des Kreuzfahrers entgegen, in dem sich die ritterlichen Ideale verwirklichen. Wo die Frauenminne nach H.s Auffassung nur aus Worten besteht, gewinnt der Gottesdienst des Kreuzfahrers hingegen gerade durch die Verbindung von Wort und Tat seine Kraft. Die in den Kreuzliedern und im Unmutslied zum Ausdruck kommende Ambivalenz H.s gegen¨uber der Frauenminne verleiht seiner Lyrik eine interessante Spannung, die sie von den Minneliedern geringerer Dichter unterscheidet. Insgesamt stehen H.s Lieder freilich im Schatten seiner wegweisenden Epik. Ausgaben: MF 1, S. 404–430. – H. v. A.: Lieder. Hg., u¨ bers. und komm. v. Ernst von Reusner (RUB 8082). Stuttgart 1885. Nachdr. ebd. 1994. Literatur: Oskar J¨anicke, ADB 1 (1875) S. 634–636. – Ehrismann 2.2.1 (1927) S. 141–212. – Friedrich Neumann, NDB 7 (1966) S. 728–731. – Christoph Cormeau, VL2 3 (1981) Sp. 500–520. – Hans Bayer, TRE 14 (1985) S. 462–464. – Ursula Schulze, LexMA 4 (1989) Sp. 1945–1947. – De Boor/Newald 2 (111991) S. 64–79, 255–259 u. o¨ . – Uwe Ruberg, RGG4 3 (2000) Sp. 1331 f. – Thomas Bein/Elke Zinsmeister, KLL3 7 (2009) S. 129–133. – C. Cormeau/Horst Brunner, Killy2 5 (2009) S. 37–41. – Ruth Schmidt-Wiegand, HRG2 2 (2011) S. Sp. 779–782. – Paul Machule: H.s Kreuzlieder und MF 206,10–19. In: ZfdPh 35 (1903) S. 396–402. – Hans Naumann: Zu H.s Lyrik. 113
2. H¨alfte 12. Jh. In: PBB 44 (1920) S. 289–301. – Max H. Jellinek: Zu H.s Lyrik. In: PBB 45 (1921) S. 59–71. – Hendricus Sparnaay: H. v. A. Stud. zu einer Biographie. 2 Bde. Halle/Saale 1933, 1938. – F. Neumann: Wann dichtete H. v. A. In: Stud. zur dt. Philologie des MA. FS Friedrich Panzer. Hg. v. Richard Kienast. Heidelberg 1950, S. 59–72 (wieder in: F. Neumann: Kleinere Schr. zur dt. Philologie des MA. Berlin 1969, S. 42–56). – Heinz Stolte: H.s sog. Witwenklage und sein drittes Kreuzlied. In: DVjs 25 (1951) S. 184–198. – Gerhard Eis: Stammt das Kreuzlied ‹Ich var mit iuwern hulden› von H. v. A.? In: Euph. 46 (1952) S. 276–279. – Eva G¨orlach: Die Pers¨onlichkeit H.s, Wolframs und Gottfrieds in ihren Werken. Diss. W¨urzburg 1952. – Hendricus Sparnaay: Zu H.s Kreuzzugslyrik. In: DVjs 26 (1952) S. 162–177. – G¨unther Jungbluth: Das dritte Kreuzlied H.s. Ein Baustein zu einem neuen Hartmannbild. In: Euph. 49 (1955) S. 145–162. – Gertraud Ziesche: Stud. zum lyrischen Wortschatz H.s v. A. Versuch einer Einordnung von MF 217,14ff. Diss. Marburg 1963. – Richard Kienast: Das H.Liederbuch C2. Berlin 1963. – Hermann Ingebrand: Interpretationen zur Kreuzzugslyrik Friedrichs von Hausen, Albrechts von Johansdorf, Heinrichs von Rugge, H.s v. A. und Walthers von der Vogelweide. Frankfurt/M. 1966. – Hansj¨urgen Linke: Epische Strukturen in der Dichtung H.s v. A. Unters. zur Formkritik, Werkstruktur und Vortragsgliederung. M¨unchen 1968. – Ekkehard Blattmann: Die Lieder H.s v. A. Berlin 1968. – Hugo Kuhn: Minnesang als Auff¨uhrungsform. In: FS Klaus Ziegler. Hg. v. Eckehard Catholy/Winifried Hellmann. Tu¨ bingen 1968, S. 1–12 (wieder in: Ders.: Der dt. Minnesang. Aufs¨atze zu seiner Erforschung 2. Hg. v. Hans Fromm. Darmstadt 1985, S. 226–237). – Paul B. Salmon: The Underrated Lyrics of H. v. A. In: The Modern Language Review 66 (1971) S. 810–825. – Hermann Deuser/ Knut Rybka: Kreuzzugs- und Minnelyrik. Interpretationen zu Friedrich von Hausen und H. v. A. In: Wirkendes Wort 21 (1971) S. 402–411. – Hugo Kuhn/C. Cormeau (Hg.): H. v. A. Darmstadt 1973. – Wolfgang Haubrichs: ‹Reiner muot und kiusche site›. Argumentationsmuster und situative Differenzen in der staufischen Kreuzzugslyrik zwischen 1188/89 und 1227/28. In: Stauferzeit. Hg. v. R¨udiger Krohn u. a. Stuttgart 1979, S. 295–324. – Volker Mertens: Kritik am Kreuzzug Kaiser Heinrichs? Zu H.s 3. Kreuzlied. In: ebd., S. 325–333. – Peter Wapnewski: H. v. A. 114
2. H¨alfte 12. Jh. Stuttgart 71979. – Siegfried Grosse: Die Variationen der Minne in den Dichtungen H.s v. A. In: Interpretation und Edition dt. Texte des MA. FS John Asher. Hg. v. Werner Besch u. a. Berlin 1981, S. 26–38. – Helmut Brackert: Kristes bluomen. Zu H.s Kreuzlied 209,25. In: Liebe als Lit. Aufs¨atze zur erotischen Dichtung in Deutschland. FS Peter Wapnewski. Hg. v. R¨udiger Krohn. Mu¨ nchen 1983, S. 11–23. – Ernst von Reusner: H.s Lyrik. In: GRM NF 34 (1984) S. 8–28. – Eberhard Nellmann: Saladin und die Minne. Zu H.s drittem Kreuzlied. In: Philologie als Kulturwiss. Stud. zur Lit. und Gesch. des MA. FS Karl Stackmann. Hg. v. Ludger Grenzmann. G¨ottingen 1987, S. 136–148. – Codex Manesse. Die Miniaturen der Großen Heidelberger Liederhs. Hg. und erl. v. Ingo F. Walther unter Mitarbeit v. Gisela Siebert. Frankfurt/M. 1988 (62001) S. 122 f. (Tf. 60). – J¨urgen K¨uhnel: Anmerkungen ¨ zur Uberl. und Textgesch. der Lieder H.s v. A. In: ‹Ist zwˆıvel herzen nˆachgebˆur›. FS G¨unther Schweikle. Hg. v. J. K¨uhnel u. a. Stuttgart 1989, S. 11–41. – Marjatta Wis: H. v. A. ‹Vranken›. Zur Saladin-Crux im Kreuzlied MF 218.5. In: Neuphilol. Mitt. 91 (1990) S. 401–416. – Ferdinan Urbanek: Code- und Redestruktur in Hartmanns Lied ‹ich var mit iuweren hulden› (MF Nr. XVII). In: ZfdPh 111 (1992) S. 24–50. – Christa Ortmann: Minnedienst, Gottesdienst, Herrendienst. Zur Typologie des Kreuz¨ liedes bei H. v. A. In: Lied im dt. MA. Uberl., Typen, Gebrauch. Chiemsee-Colloquium 1991. Hg. v. Ernst Hellgardt u. a. T¨ubingen 1996, S. 81–99. – Nikolaus Henkel: Wer verfaßte H.s v. A. Lied XIII? ¨ Uberlegungen zu Autorschaft und Werkbegriff in der h¨ofischen Liebeslyrik. In: Autor und Autorschaft im MA. Kolloquium Meißen 1995. Hg. v. Jens Haustein u. a. T¨ubingen 1998, S. 101–113. – Petra H¨orner (Hg.): H. v. A. Mit einer Bibliogr. 1976–1997. Frankfurt/M. u. a. 1998. – Ingrid Kasten: Variationen m¨annlicher Ich-Entw¨urfe in den Liedern H.s v. A. In: Homo Medietas. FS Alois Maria Haas. Hg. v. Claudia Brinker-von der Heyde/ Niklaus Largier. Bern 1999, S. 419–435. – Francis G. Gentry (Hg.): A Companion to the Works of H. v. A. Rochester, N. Y. u. a. 2005. – C. Cormeau/Wilhelm St¨ormer: H. v. A. Epoche, Werk, Wirkung. M¨unchen 32007 (Lit.). – J¨urgen Wolf: Einf. in das Werk H.s v. A. Darmstadt 2007. – Sandra Linden: Wie die Ratio das Irrationale ge¨ biert. Uberlegungen zur Minnereflexion in Exkursen H.s v. A., Gottfrieds von Straßburg und Wolframs von Eschenbach. In: Reflexion und Insze115
Heinrich von Rugge nierung von Rationalit¨at in der ma. Lit. Blaubeurer Kolloquium 2006. Hg. v. Klaus Ridder. Berlin 2008, S. 95–118. – J. Haustein: Nichterz¨ahlte Geschichten. Zur Minnelyrik H.s v. A. In: Mhd. Beitr. ¨ zur Uberl., Sprache und Lit. FS Kurt G¨artner. Hg. v. Ralf Plate. Berlin u. a. 2011, S. 83–93. MM Heinrich von Rugge. – Lied- und Leichdichter, 12. Jh. Unter H.s Namen werden ein Kreuzleich und Lieder u¨ berliefert. Der Gesamtumfang der ihm zuschreibbaren Liedstrophen ist umstritten. Sein Autorencorpus in der → Heidelberger Liederhandschrift C umfasst 34 Strophen, aber aus diesem Bestand werden Strophen auch unter anderen Dichternamen tradiert. Hinzu kommen weitere Strophen in T¨onen aus seinem C-Corpus in anderen Dichter¨ corpora. Besonders groß sind die Uberschneidun¨ gen mit → Reinmar dem Alten (vgl. Uberl.). In einigen Editionen ist daher das als «echt» pr¨asentierte H.-Corpus stark reduziert worden: MF (1940, hg. v. Carl von Kraus) hat ungef¨ahr die H¨alfte des CCorpus. Die beiden Gegenpole sind Brinkmann (s. Ausg.), der nur sieben Strophen in zwei Liedern als «echt» anerkennt und MF (381988) mit 48 Strophen in zw¨olf Liedeinheiten. Der Dichter d¨urfte mit dem «Heinricus miles de Rugge» zu identifizieren sein, den eine zwischen 1175 und 1178 ausgestellte Urkunde des Abtes Eberhard von Blaubeuren als Zeuge nennt. Demzufolge entstammte H. der nordw¨urttembergischen Ministerialenfamilie von R., deren Stammburg sich auf dem Ruckberg bei Blaubeuren befand und die in Diensten der Pfalzgrafen von Tu¨ bingen stand. Neben der urkundlichen Erw¨ahnung wird H. in der Dichtung des 13. Jh. genannt: in einer Totenklage auf S¨anger des sp¨aten 12. Jh. → Reinmars von Brennenberg (RSM: 1ReiBr/13), in einer Strophe des → Marner (1Marn/6/17), in einer Liste verstorbener Leichdichter im dritten Leich des von → Gliers und in einer Dichterliste in der Crˆone ¨ → Heinrichs von dem Tu¨ rlin, die auch sonst Uberschneidungen mit derjenigen des von Gliers aufweist. Die an diesen literarischen Erw¨ahnungen ablesbare Bedeutung H.s in der h¨ofischen Literatur (in der Liste bei Brenneberg erscheint er u. a. neben Reinmar dem Alten, → Walther von der Vogelweide und → Friedrich von Hausen) d¨urfte sich wohl nicht nur dem Leich sondern auch seiner 116
Heinrich von Rugge Lieddichtung verdanken. Vor diesem Aspekt erscheint H.s Œuvrereduktion durch einige Herausgeber fragw¨urdig (was im Umkehrschluss nicht bedeutet, dass alle MF38-Strophen sichere Zuschreibungen sind). Der Kreuzleich H.s ist der fr¨uheste religi¨ose Leich in dt. Sprache, wom¨oglich der erste dt. Leich u¨ berhaupt. Zusammen mit → Ulrichs von Gutenberg Minneleich ist er zumindest der a¨ lteste tradierte. Durch eine Autorsignatur im letzten Versikel («der tumbe man von ruge») ist H.s Autorschaft gesichert. Diese Autornennung ist f¨ur die fr¨uhe dt. Leichdichtung h¨ochst ungew¨ohnlich und Ausdruck dichterischen Selbstbewusstseins. Die von H. gew¨ahlte Demutsform ist hierzu kein Widerspruch sondern verdankt sich der religi¨osen Thematik. F¨ur den → Tannh¨auser sollte die Selbstnennung als Verfasser sp¨ater typisch sein. Der Leich, eine dezidierte Kreuzzugspropaganda, ist entstanden unter dem Eindruck des Todes Friedrichs I. (1190) auf dem dritten Kreuzzug. Der Aufruf zur Kreuznahme pr¨asentiert sich als moralische Unterweisung mit zahlreichen Motiven aus der Kreuzzugspredigt und rekurriert verheißungsvoll auch auf die Heilserwartung der potentiellen Kreuznehmer (MF 97,17–19). Die inhaltlichen Hauptabschnitte sind Heldenpreis, Verurteilung der Dr¨uckeberger, Kritik der Torheit der Welt und Verg¨anglichkeitsmahnung. Ein Gespielinnendialog als Einschub in die Dr¨uckebergerschelte (MF 98,33–37) unterst¨utzt deren Wirkung. Der Leich ist in Sequenzform verfasst und hat 16 Abschnitte, die in Versikel und Halbversikel untergliedert sind und unregelm¨aßig sowie teilweise variiert wiederholt werden. H.s u¨ berliefertes Liedœuvre l¨asst sich grob in drei Gruppen einteilen: spruchartige Strophenreihen mit tendenziell selbst¨andigen Strophen, Minnelieder und Wechsel. Je nach Beurteilung der jeweiligen Strophenbindungen vor allem der ersten Gruppe, sind abweichende Angaben hinsichtlich der Zahl der Liedeinheiten m¨oglich. Bei der Behandlung der Minne verfolgt H. oft einen didaktischen Ansatz. Der reflektierende Stil stellt ihn dabei einerseits in die N¨ahe Friedrichs von Hausen, die Natureing¨ange und weiteren Naturbilder (die bei Hausen fehlen) erinnern andererseits an → Dietmar von Aist und → Heinrich von Veldeke. Mit letzterem teilt er auch die lehrhafte Tendenz. Einer konkreten Auspr¨agung des Minnesangs l¨asst sich H. aber nicht zuschlagen, daf¨ur ist sein Werk 117
2. H¨alfte 12. Jh. zu eigenst¨andig und mit der zeitgen¨ossischen Hausenschule verbinden ihn allenfalls formale Aspekte. Die Wechsel H.s stellen anhand zahlreicher Frauenstrophen die Minnebindung als dualistisches Konzept dar, was indes nicht bedeutet, dass es H. prim¨ar um die Auseinandersetzung mit realistischen Beziehungen ginge: In den eher didaktischen Minneliedern ist die Dame ganz ethische Instanz und die Minnereflektion weist als Stellvertreterdiskurs auf eine weiter gefasste gesellschaftliche Dimension der Auseinandersetzung. Bei den Strophenreihen finden sich auch rein didaktische Lieder ohne Minnebezug (Lied V [MF 102,27] gegen Falschheit, X [MF 108,22] gegen Unvernunft und Habgier). Im Kreuzlied IV (MF 102,1) stellt H. das Heil des Kreuzes der materiellen Ebene gegen¨uber. Generell ger¨at bei H. aber der Konflikt zwischen Gottesund Frauenminne nicht zu einem f¨ur den S¨anger existentiellen Problem, wie es bei Hausen der Fall ist. Hier steht H. eher → Albrecht von Johansdorf nahe und dessem Bestreben nach einem Ausgleich beider Verpflichtungen. W¨ahrend sich also einige thematische intertextuelle Ankn¨upfungspunkte im Liedwerk H.s finden lassen, zeigt sich seine Eigenst¨andigkeit gerade auf der formalen Ebene. Zwar gibt es zwei Tonenstprechungen (Lied I [MF 99,29] = Walther, L 71,35; VI [103,3] = Dietmar, MF 35,16 und Veldeke, MF 67,9), doch besticht H. durch seine Vielseitigkeit. So verwendet er einfache und dreiteilige Stollenstrophen aber auch zweimal Periodenstrophen (Lied XII [MF 110,26] und V [MF 102,27], letzteres mit F¨unferreimband und abschließendem Paarreim). Lied III (MF 101,15) hat einen variierten Refrain. Hinsichtlich der Metrik treten isometrische und heterometrische Formen ungef¨ahr zu gleichen Teilen auf. Daktylen begegnen in Lied III und X. Ein herausragendes Kennzeichen von H.s Lieddichtung sind die gleichermaßen differenzierten wie komplizierten Reimstrukturen. ¨ Uberlieferung: Leich: M¨unchen, BSB, Clm 4570, 239v–240v (Perg., Ende 12. Jh., aus Benediktbeuren, u¨ berwiegend lat. [enth¨alt das Canon decretorum des Bischofs → Burchard von Worms]). Der Leich ist ein sp¨aterer Nachtrag, aber wohl noch aus dem 12. Jh. Die Niederschrift d¨urfte also zeitnah zur Abfassung des Leichs erfolgt sein. Nachschrift: «Diz ist ein leich von deme heiligen grabe». Der Umstand, dass der Leich abseits der u¨ blichen Lied¨uberl. und der Liederslg. tradiert wird, ist bemerkenswert. – Lieder: Heidelberg, UB, Cpg 357 (→ Heidelberger Liederhs. A) 29v–30r (Perg, 1270–80, 118
2. H¨alfte 12. Jh. niederalemannisch). Hier jeweils 4 Strr. in 2 kur¨ zen Corpora. Uberschrift: «HEINRICH DER RICHE» und «HEINRICH VON RUCCHE»; drei weitere Str., die in C sowohl unter H. als auch unter Reinmar u¨ berliefert sind, im Corpus → Leutholds von Seven auf Bl. 37r; drei weitere Str., die in B unter H. u¨ berliefert sind, im 1. Reinmar-Corpus auf Bl. 3v; drei weitere Str., die in B und C unter H. u¨ berliefert sind, im 1. Reinmar-Corpus auf Bl. 4r; drei weitere Str., von denen zwei in B unter Friedrich von Hausen und die dritte in C sowohl unter H. als auch Reinmar uberliefert ¨ ist, im 1. Reinmar-Corpus auf Bl. 3v. – Stuttgart, LB, Cod. HB XIII 1 (→ Weingartner Liederhs. B) S. 45–50 (Perg., erstes Viertel 14. Jh., alemannisch). 19 Str., die alle in C unter H., zum Teil dort auch unter Reinmar uberliefert ¨ sind und zum Teil in A unter H., Reinmar und Seven; vier Str., die in C nur unter Reinmar u¨ berliefert sind, von denen drei auch in A unter Reinmar stehen; hinzu kommen drei Str. im Hausen-Corpus auf S. 12, die sich in C im Reinmar-Corpus finden und von denen zwei auch in A unter Reinmar stehen. Die Miniatur zeigt H. zu Pferd mit Schwert, Lanze und Schild; Bild¨uberschrift: «HERR HAINRICH VON RUCHE». – Heidelberg, UB, Cpg 848 (C) 122r–123vb (Perg., um 1300, alemannisch). 34 Str., von denen stehen: 1) 21 Str. in C schon im ReinmarCorpus (104rb–105ra, 105va–106rb); 2) 15 Str. in B im H.-Corpus sowie drei im Hausen-Corpus; 3) Eine Str. in A im Reinmar-Corpus und drei im Seven-Corpus. Hinzu kommen f¨unf Str. aus dem Reinmar-Corpus (104rb-va, 105va/b), die auch im Reinmar-Corpus von E stehen. Die Miniatur entspricht B (Schwert fehlt) bei leichter Varianz in der Farbgebung des Wappens. – Mu¨ nchen, UB, 2° Cod. ms. 731 (W¨urzburger Liederhandschrift [E], Hausbuch des → Michael de Leone) 184rb-va (Perg., 1345/54, ostfr¨ankisch, gelegentlich bair. oder mitteldt. Einschlag). F¨unf Str. im Reinmar-Corpus in einem vermutlichen Ton H.s, die in C unter Rein¨ mar erscheinen. – Eine tabellarische Ubersicht der ¨ Uberl. («Reinmar/Rugge-Vermischung») in MF 2 (361977) S. 92. Ausgaben: HMS 1 (1838) S. 220–222. – Hennig Brinkmann: Liebeslyrik der dt. Fr¨uhe in zeitlicher Folge. D¨usseldorf 1952, S. 383–388. – MF 1 (381988) S. 196–223 (enth¨alt auch Str. die von keiner Hs. H. direkt zugewiesen werden, aber in T¨onen verfasst sind, die in H.-Corpora erscheinen [s. vor allem Nr. VII und XI]). – Teilausgaben: Dt. 119
Heinrich von Rugge Lyrik des fr¨uhen und hohen MA. Hg. und komm. ¨ v. Ingrid Kasten. Ubers. v. Margeritha Kuhn (BMA 24). Frankfurt/M. 1995, S. 184–199. – Helmut ¨ Brackert: Minnesang. Mhd. Texte mit Ubertragungen und Anm. Frankfurt/M. 22008, S. 72–79. Bibliographie: H. Tervooren: Bibliogr. zum Minnesang und zu Dichtern aus ‹Des MF› (Bibliogr. zur dt. Lit. des MA 3). Berlin 1969, Nr. B 15. Literatur: Konrad Burdach, ADB 29 (1889) S. 605 f. – Paul Gerhard V¨olker, NDB 8 (1969) S. 422. – G¨unther Schweikle VL2 3 (1981) Sp. 869–874; 11 (2004) Sp. 634. – Ursula Schulze, LexMA 4 (1989) Sp. 2105. – De Boor/Newald 2 (111990) Reg. – Claudia H¨andl, Killy2 5 (2009) S. 206–208. – Erich Schmidt: Reinmar v. Hagenau und H. v. R. Eine litterarhist. Unters. Straßburg u. a. 1874. – Fritz Grimme: Gesch. der Minnesinger. Bd. 1: Die rheinisch-schw¨abischen Minnesinger. Paderborn 1897, S. 128–135. – Kurt Herbert Halbach: Walther v. der Vogelweide, H. v. R. und ‹Pseudo-Reimar›. In: ZfdA 65 (1925) S. 145–176. – H. Brinkmann: H. v. R. und die Anf¨ange Reinmars. In: FS Paul Kluckhohn/Hermann Schneider. Hg. v. Wolfgang Mohr. T¨ubingen 1948, S. 498–527. – Franz Josef Paus: Das Liedercorpus des H. v. R. Diss. Freiburg i. Br. 1964. – G. Schweikle: Reinmar der Alte. Grenzen und Mo¨ glichkeiten einer Minnesangphilologie. Habil.-Schr. T¨ubingen 1965, S. 267–345. – Hermann Ingebrand: Interpretationen zur Kreuzzugslyrik Friedrichs v. Hausen, Albrechts v. Johansdorf, H.s v. R., Hartmanns v. Aue und Walthers v. der Vogelweide. Diss. Frankfurt/M. 1966. – Friedrich Maurer: Die ‹Pseudoreimare›. Fragen der Echtheit, der Chronologie und des ‹Zyklus› im Liedercorpus Reinmars des Alten (Abh. der Heidelberger Akad. der Wiss. Phil.-Hist. Kl. 1966,1). Heidelberg 1966, passim. – Hugo Kuhn: Minnesangs Wende (Hermaea 1). T¨ubingen 21967, S. 129 f. – F. J. Paus: H. v. R. und Reinmar der Alte. In: DU 19 (1967) H. 2, S. 17–31. – Joachim Bumke: Ministerialit¨at und Ritterdichtung. Umrisse der Forschung (Edition Beck 12). M¨unchen 1976, Reg. – MF 2 (361977) S. 89–93. – Olive Sayce: The medieval German lyric 1150–1300. The development of its themes and forms in their European context. Oxford 1982, S. 133–137, 388 f. – Manfred Eikelmann: Denkformen im Minnesang. Unters. zu Aufbau, Erkenntnisleistung und Anwendungsgesch. konditionaler Strukturmuster des Minne120
Heinrich von Stretelingen sangs bis um 1300 (Hermaea NF 54). T¨ubingen 1988, Reg. – Codex Manesse. Die Miniaturen der Großen Heidelberger Liederhs. Hg. und erl. v. Ingo F. Walther unter Mitarbeit v. Gisela Siebert. Frankfurt/M. 1988 (62001) S. 88 f. (Tf. 44). – Jeffrey Ashcroft: ‹Wenn unde wie man singen solte›. S¨angerpersona und Gattungsbewußtsein (zu Rugge/Reinmar MF 108,22, Walther L.110,13 und Hartmann MF 215,14). In: Wechselspiele. Kommunikationsformen und Gattungsinterferenzen mhd. Lyrik (GRM-Beih. 13). Hg. v. Michael Schilling/Peter Strohschneider. Heidelberg 1996, S. 123–152. – Jens K¨ohler: Der Wechsel. Textstruktur und Funktion einer mhd. Liedgattung (Beitr. zur a¨lteren Literaturgesch.). Heidelberg 1997, S. 35–37, 131–153. – Thomas Cramer: Waz hilfet aˆne sinne kunst? Lyrik im 13. Jh. ¨ Stud. zu ihrer Asthetik (Phil.Stud.u.Qu. 148). Berlin 1998, S. 71–76. – Albrecht Hausmann: Rein¨ mar der Alte als Autor. Unters. zur Uberl. und zur programmatischen Identit¨at (Bibliotheca Germanica 40). T¨ubingen/Basel 1999, Reg. – Uwe Meves (Hg.): Regesten dt. Minnes¨anger des 12. und 13. Jh. Berlin/New York 2005, S. 659–664. – Manuel Braun: Autonomisierungstendenzen im Minnesang vor 1200. Das Beispiel der Kreuzlieder. In: Geltung der Lit. Formen ihrer Autorisierung und Legitimierung im MA (Phil.Stud.u.Qu. 148). Hg. v. Beate Kellner u. a. Berlin 2005, S. 1–28. – Katharina Boll: Alsoˆ redete ein vrowe schoene. Unters. zu Konstitution und Funktion der Frauenrede im Minnesang des 12. Jh. (Wu¨ rzburger Beitr. zur dt. Philologie 31). W¨urzburg 2007, S. 310–334. VZ Ave maris stella → Band 1, Sp. 547–550. Heinrich von Stretelingen (Stretlingen, Str¨attligen). – Minnes¨anger. Ein Freiherrengeschlecht von Stretelingen ist seit dem 12. Jh. bezeugt; es besaß eine gleichnamige Burg am Westende des Thuner Sees. Mit Herrschaftsrechten am linken Thunerseeufer von Leissigen bis Thun und im Simmental sowie im Z¨urcher Unterland beg¨utert, verarmte es offenbar schon im 13. Jh. und starb im 14. bzw. fr¨uhen 15. Jh. aus. Als Minnes¨anger wurden Tr¨ager des Namens Heinrich aus drei Generationen der Familie diskutiert: Aus stilgeschichtlichen Gr¨unden abgelehnt wird der a¨ lteste, in einer Urkunde Bertholds IV. von 121
2. H¨alfte 12. Jh. Z¨ahringen 1175 als «domnus Henricus de Stretelingen» bezeichnete Heinrich I. (ed. Fontes Rerum Bernensium, Bd. 1, Nr. 454). In Frage kommt jedoch sein Nachfahre Heinrich II., der erstmals 1250 in einer Urkunde zusammen mit seinem Bruder Rudolf erw¨ahnt wird (ed. Fontes Rerum Bernensium, Bd. 2, Nr. 305). Letztmals bezeugt ist er wieder gemeinsam mit Rudolf in einer Urkunde vom M¨arz 1263, in der das Geschwisterpaar als Entlohnung seiner Dienste f¨ur den Grafen Peter von Savoyen eine Herrschaft mit Burg erhielt (ed. ebd., Nr. 574; das Wappen auf dem Siegel dieser Urkunde a¨ hnelt dem der Miniaturen in den beiden Liederhandschriften; vgl. Genealogisches Handbuch, Tf. XXIII, Nr. 3). F¨ur die Identifikation des Minnes¨angers mit Heinrich II. spricht, dass er in C bei anderen Dichtern aus dem Gebiet der heutigen (Dt.-)Schweiz steht, die gew¨ohnlich in die Mitte des 13. Jh. datiert werden. Der Dichter k¨onnte jedoch auch sein Sohn Heinrich III. sein, der erstmals 1258 und 1263 gemeinsam mit dem Vater urkundete und zum letzten Mal in einem Tauschvertrag von 1294 genannt wird. 1290 verpf¨andet dieser «Heinricus advocatus de Strethelingen dominus de Spiez domicellus» einen Großteil seines Spiezer Besitzes an seinen Onkel Rudolf. Auf ihn wurde daher die Darstellung eines Heinrich in der historisch wenig verl¨asslichen Stretlinger Chronik des Eulogius → Kiburger (gest. 1506) bezogen, der als «ein kind oder ein sun dieser welt», der «geistlicher cristenlicher sachen wenig achtet», bei «groß tenz und allerlei spils» den Ruin der Familie heraufbeschworen habe. Dies werteten B¨achtold und Bartsch als Indiz, ihm auch die Versuche im Minnesang zuzuschreiben, obwohl in der Chronik davon nicht die Rede ist. Unter dem Namen H.s v. S. u¨ berliefert sind drei Lieder, deren elf Strophen durch den Grundschreiber Anfang des 14. Jh. in die → Heidelberger Liederhandschrift C eingetragen wurden; bei allen dreien handelt es sich um Minnekanzonen. Der Forschung gelten sowohl diese Gattungswahl als auch ihr Inhalt und ihre Sprache als konventionell, weshalb Heinrich zur Gruppe ‹adliger Dilettanten› des sp¨ateren 13. Jh. gerechnet wird, die mit ihren wehm¨utigen Klagen u¨ ber unerf¨ullte Liebe die Tradition des ‹Hohen Minnesangs› fortsetzten. Das in der (nach der Reihenfolge in der Liederhandschrift C) 1. Strophe aufgegriffene Bild von der Nachtigall 122
2. H¨alfte 12. Jh. als Liebesbotin wiederholt sich in einem lautmalerischen Refrain, der vielleicht bewusst das «tandaradei» → Walthers von der Vogelweide zu u¨ berbieten suchte. Nicht nur das «guot vogellˆın», auch die personifizierte Minne wird in der 3. Strophe als Helferin aufgerufen, um mit ihrem «strˆale» (Pfeil) endlich die geliebte Dame zu treffen. Im 2. Lied variiert Heinrich das Motiv der Dame, die den Liebenden mit ihren «spiegelliechten ougen» t¨odlich versehrt hat. Auf zwei Terzinen mit abnehmender Hebungszahl (4,3,2) folgt auch hier ein Refrain mit u¨ bergehendem Reim und Schlagreim. Das 3. Lied nimmt nochmals einen aus wenigen Bildern («vogelsanc», «diu vil gr¨uene heide») aufgebauten Natureingang zum Ausgangspunkt, um im Kontrast den Liebeskummer des S¨anger-Ichs zu unterstreichen und sein Publikum um Unterst¨utzung bei der «minnenklichen frouwen» zu bitten. Topoi zum Preis der weiblichen Sch¨onheit wie vor allem der «rˆote munt» erinnern an → Gottfried von Nei¨ fen (de Boor). Ubertragungen der ersten beiden Lieder ins Neuhochdeutsche haben sich 1803 von Ludwig Tieck und Anfang des 20. Jh. von Richard Zoozmann erhalten. Nur Name und Autorenbild sind von H. v. S. in dem (nach dem Zweiten Weltkrieg verschollenen, jedoch in Krakau wieder aufgefundenen) ‹Naglerschen Fragment› u¨ berliefert, einem aus zwei Pergamentbl¨attern bestehenden Bruchst¨uck einer Liederhandschrift aus der Zeit um 1300, das textlich und k¨unstlerisch in n¨achster Verwandtschaft zu C steht. Auf beiden Miniaturen stehen sich der Dichter und eine Dame beim h¨ofischen Tanz gegen¨uber, F¨uße und die schwingenden Rockfalten um den gebogenen K¨orper deuten den Tanzschritt an, die Fingerhaltung der erhobenen H¨ande scheint ein ‹Schnipsen› vorzustellen, erinnert aber auch an Redegestik. Das dem Dichter beigegebene Wappen zeigt in C auf goldenem Grund eine nach links oben gerichtete rote Pfeilspitze (im Naglerschen Fragement sind die Tinkturen vertauscht) und als Zier einen Helm mit goldenem Hirschgeweih, dessen Spitzen in roten Blumen enden. Als Anspielung auf das Wappen l¨asst sich im ersten Minnelied die Aufforderung des S¨anger-Ichs an Frau Minne lesen, ihren Pfeil gegen die Geliebte zu richten. ¨ Uberlieferung: Heidelberg, UB, cpg 848, 70v–71r (Perg., Z¨urich [?], ca. 1300 bis ca. 1340, alemannisch, Digitalisat: http://digi.ub.uniheidelberg.de/diglit/cpg848). – Krakau, Bibl. Jagiello´nska, Berol. mgo 125 (ehem. Berlin, SBB, mgo 123
Heinrich von Stretelingen 125) (Perg., um 1300 [?], alemannisch), vgl. Hermann Degering: Kurzes Verz. der germ. Hss. der Preußischen SB III. Die Hss. in Oktavformat und Reg. zu Bd. I–III. Leipzig 1932, Nachdr. Graz 1970 (Mitt. aus der Preußischen SB IX), S. 52. Abb. u. a. ¨ bei Lothar Voetz: Uberlieferungsformen mhd. Lyrik. In: Cod. Manesse. Kat. zur Ausstellung vom 12. Juni bis 4. September 1988, UB Heidelberg. Hg. v. Elmar Mittler/Wilfried Werner. Heidelberg 1988, S. 557–559 (s. auch ebd. S. 224–274, S. 249 f.). Ausgaben: Die Schweizer Minnes¨anger. Bd. 1: Texte. Nach der Ausg. v. Karl Bartsch neu bearb. v. Max Schiendorfer. Tu¨ bingen 1990, S. 82–85 (Nr. 10). – Die große Heidelberger Liederhs. (Cod. Manesse). In getreuem Textabdruck. Hg. v. Fridrich Pfaff. 2., verb. und erg. Aufl. bearb. v. Hellmut Salowsky. Heidelberg 1984, Sp. 201–203. Literatur: Richard Moritz Meyer, ADB 36 (1893) S. 575 f. – G¨unther Schweikle, VL2 3 (1981) Sp. 880–882. – Hella Fr¨uhmorgen, NDB 8 (1969) S. 424. – Michael B¨armann, eHLS (eingestellt am 29.8.2006). – Franziska H¨alg-Steffen: Str¨attligen, v. In: e-HLS (eingestellt am 24.1.2012). – Minnelieder aus dem schw¨abischen Zeitalter. Neu bearb. und hg. v. Ludwig Tieck. Berlin 1803, S. 148 (Nr. 116). – Friedrich Heinrich v. der Hagen: Handschriftengem¨alde und andere bildliche Denkm¨aler der dt. Dichter des 12. bis 14. Jh. Berlin 1853, S. 1–10 (Nr. I). – Karl Bartsch: Urkundliche Nachweise zur Gesch. der dt. Poesie. In: Germania 9 (1864) S. 145–152, hier S. 147 f. – Elogius Kiburger: Die Stretlinger Chron. Ein Beitr. zur Sagenund Legendengesch. der Schweiz aus dem XV. Jh. Hg. v. Jakob B¨achtold (Bibl. a¨ lterer Schriftwerke der dt. Schweiz 1). Frauenfeld 1877, S. 159. – Fontes Rerum Bernensium. Berns Geschichtsquellen. Bd. 2 (1218–1271). Bern 1877, Reg. (S. 70). – Fritz Grimme: Die Schweizer Minnes¨anger. In: Germania 35 (1890) S. 302–339, hier S. 315–317. – J. B¨achtold: Gesch. der dt. Dichtung in der Schweiz. Frauenfeld 1892, S. 153. – Adolf v. Oechelh¨auser: Die Miniaturen der UB zu Heidelberg. 2. Tl. Heidelberg 1895, S. 377–379. – Genealogisches Hdb. zur Schweizer Gesch. Bd. 1: Hoher Adel. Hg. v. der Schweizerischen Heraldischen Ges. Z¨urich 1900–1908, S. 262–268 und Tf. XXIII. – Dt. Minnesang. Hg. und eingel. v. Richard Zoozmann. Regensburg 1910, S. 318 f. – Helmut de Boor: Die dt. Lit. im sp¨aten MA. Zerfall und Neubeginn. 1. Tl.: 1250–1350. M¨unchen 1962, S. 308 f. – Ewald M. Vetter: Die Bilder. In: Cod. Manesse. 124
Rudolf von Fenis Die Große Heidelberger Liederhs. Komm. zum Faks. des Cod. Palatinus Germanicus 848 der Universit¨atsbibl. Heidelberg. Hg. v. Walter Koschorreck/Wilfried Werner. Kassel 1981, S. 62 f. und Tf. I, Abb. 2. – Louis H¨anni: Str¨attligen. 475 Jahre Burgergemeinde Str¨attligen 1511–1986, 1225 Jahre Scherzligen 761–1986. Thun 1984. – Jon Keller: H. v. Str¨attlingen – ein Minnes¨anger am Thunersee. In: Jb. vom Thuner- und Brienzersee (1985) S. 34–47. – Beat Frei: Beitr. zur Gesch. des Adels im Berner Oberland (12./13. Jh.). Lizenziatsarbeit Z¨urich 1988 (unpubliziert), S. 34–36. – Elmar Mittler u. a. (Hg.): Cod. Manesse. Kat. zur Ausstellung 1988 in der UB Heidelberg. Heidelberg 1988, S. 249 f. und Abb. G9/1, S. 557. – Codex Manesse. Die Miniaturen der Großen Heidelberger Liederhs. Hg. und erl. v. Ingo F. Walther unter Mitarbeit v. Gisela Siebert. Frankfurt/M. 1988 (62001) S. 60 f. (Nr. 30). – Edele frouwen – schoene man. Die Manessische Liederhs. in Z¨urich. Ausstellungskat. Schweizerisches Landesmuseum Z¨urich. Hg. v. Claudia Brinker/Dione Fl¨uhler-Kreis. Z¨urich 1991, S. 284. – Buchmalerei im Bodenseeraum. 13. bis 16. Jh. Hg. v. Eva Moser. Friedrichshafen 1997, S. 234 f. – Andr´e Schnyder: Lit. und Musik in Bern. In: Berns mutige Zeit. Das 13. und 14. Jh. neu entdeckt. Hg. v. Rainer C. Schwinges. Bern 2003, S. 460–467 und 559 f. (bes. Kasten ‹H. v. Str¨attlingen›, S. 460 mit Abb. 512 auf S. 461). – Claudia Brinker: Von den Anf¨angen bis 1700. In: Schweizer Literaturgesch. Hg. v. Peter Rusterholz/ Andreas Solbach. Stuttgart/Weimar 2007, S. 1–48, hier S. 21. CM Rudolf von Fenis (auch: R. von Neuenburg, R. von Fenis-Neuenburg), † zwischen 1192 und dem 30.8.1196. – Minnes¨anger. R. erscheint in mehreren Liederhandschriften und ma. Nekrologen. Er wird meist als Herr oder Graf von Fenis oder Neuenburg bezeichnet, etwa in der → Heidelberger Liederhandschrift C, bei → Reinmar von Brennenberg und beim → Marner. Eine Illustration in C zeigt den Dichter als jungen Mann mit einer Schriftrolle in der Hand. Das dar¨uber dargestellte Wappen verweist auf die Grafen von Neuenburg (Neuchˆatel), ein Geschlecht des schweizer. Hochadels. In den Quellen firmiert die Familie auch unter dem Namen des Burgsitzes Vinelz (bei Erlach), also Fenis. Mit dem Minnes¨anger R. wird meist Graf Rudolf II. von Fenis-Neuenburg identifiziert. Der Sohn von Graf 125
2. H¨alfte 12. Jh. Ulrich II. ist zwischen 1158 und 1192 nachgewiesen. Am 30.8.1196 stiftete sein Bruder Ulrich ihm ein Anniversarium, also d¨urfte R. zwischen diesem Datum und 1192 gestorben sein. Die Wahrscheinlichkeit einer dichterischen T¨atigkeit Rudolfs II. ist u. a. mit sprachlichen Eigenschaften der erhaltenen Lieder zu begr¨unden, deren romanische Einfl¨usse ebenfalls mit dem dt.-romanischen Hintergrund des Grafengeschlechts korrespondieren. R. werden gew¨ohnlich 27 Strophen in acht T¨onen zugeschrieben. Dieses Korpus ist prim¨ar in C und in der → Weingartner Liederhandschrift (B) u¨ berliefert. C enth¨alt 25 Strophen, von denen sich 19 Strophen in der gleichen Reihenfolge auch in B wiederfinden. Da beide Korpora bis auf kleinere Varianten weitgehend w¨ortlich u¨ bereinstimmen, ist von einer gemeinsamen Vorlage auszugehen. Die W¨urzburger Liederhandschrift (E) tradiert vier Strophen und eine zus¨atzliche Strophe, allerdings in Zuschreibung an → Walther von der Vogelweide. Zwei der E-Strophen sind in der Weimarer Liederhandschrift (F) anonym u¨ berliefert. Die → Heidelberger Liederhandschrift A enth¨alt unter → Niunes Namen eine weitere Strophe. Insgesamt gilt der gr¨oßte Teil des R.-Korpus als echt; nur der in Stil und Argumentation untypische Ton VIII bleibt umstritten, da er auch von Walther stammen k¨onnte. Mo¨ glicherweise adaptierte und erweiterte Walther aber auch Strophen des a¨lteren Dichters. Die R. zugeschriebenen Texte sind Minneklagen der hohen Minne, auf deren Motive R. ausf¨uhrlich zur¨uckgreift. Konventionell ist die Definition des Minneverh¨altnisses u¨ ber Dienst und Gnade (u. a. in Lied VII), interessant die Resignation des S¨angers angesichts seiner Abh¨angigkeit von der Dame. W¨ahrend die in den Liedern aufscheinenden Werte noch h¨ofisch gepr¨agt sind, wird die eigentliche Minne bei R. nicht als h¨ofisches Ritual, sondern als subjektives Ph¨anomen erlebt, angesichts von dessen emotionaler Kraft rationale Erkl¨arungsversuche des S¨angers scheitern. S¨anger und Dame erscheinen dabei in gegenseitiger Verbundenheit, was in Lied VI mit dem Verh¨altnis von Sonne und Mond verglichen wird. Die Dame selbst wird bei R. nur unscharf mit allgemeinen Attributen wie Sch¨onheit und Reinheit beschrieben. Daf¨ur personifiziert R. die Minne umso st¨arker und l¨asst sie als «Frau Minne» auftreten, was in der Dichtung von R.s Zeit in diesem Ausmaß eher ungew¨ohnlich ist. Ihrer Zeit voraus sind auch R.s ausf¨uhrliche Natureing¨ange (Lieder V, VI). 126
2. H¨alfte 12. Jh. R.s gleichversige Kanzonen greifen nur partiell auf die Vier- und F¨unfheber der dt. Tradition zur¨uck. Vielmehr bevorzugt der Dichter die sieben- und zehnsilbigen Verse der romanischen Dichtung, oft in Daktylen mit freiem Auftakt. Auch die Reime verweisen in Durch- und Anreimung auf romanische Vorbilder. Die von R. benutzten Halbreime stehen literaturgeschichtlich zwischen dem fr¨uhen und dem hohen Minnesang. Die Tonschemata mehrerer Lieder sind mit provenzalischen T¨onen verwandt (Lieder I–IV, VII). R.s provenzalische Anleihen sind u. a. Folquet de Marseille und Peire Vidal geschuldet, denen der S¨anger Strophen- und Versformen, aber auch Bilder und Motive entlehnt. Unsicher ist bis heute, ob R. im direkten literarischen Austausch mit den genannten Troubadours stand, also seine Lieder bereits um 1180 bis 1190 schrieb, oder sp¨ater als a¨lterer Mann auf einen bereits existierenden Bestand romanischer Lyrik zur¨uckgriff und sich diesen nur va¨ riierend aneignete. Da R.s Lyrik viele Ahnlichkeiten mit den Werken → Heinrichs von Veldeke und → Friedrichs von Hausen aufweist, d¨urfte die erstgenannte Schaffenszeit R.s wahrscheinlicher sein. Unbestritten ist R.s bedeutende Rolle als Vermittler romanischer Dichtung, weithin anerkannt auch sein handwerkliches K¨onnen. ¨ Uberlieferung: A: Heidelberg, UB, Cpg 357, 23v (Perg., 1270 bis drittes Viertel 14. Jh., niederalemannisch, unter Niune). – C: Ebd., Cpg 848, 20r–22rb (Perg., erste H¨alfte 14. Jh., alemannisch). – B: Stuttgart, LB, cod. HB XIII 1, S. 4–8 (Perg., Konstanz, erstes Viertel 14. Jh., alemannisch). – E: Mu¨ nchen, UB, 2° cod. ms. 731, 179v (Perg., W¨urzburg, Mitte 14. Jh., Str. unter Walther von der Vogelweide). – F: Weimar, Herzogin Anna Amalia Bibl., quart. 564, 106r (Pap., drittes Viertel 15. Jh., ¨ anonyme Str.). – Detailiertes Verz. der Uberl. bei Sayce 1996 (s. Ausg.). Ausgaben: Karl Bartsch (Hg.): Die Schweizer Minnes¨anger (Bibl. a¨ lterer Schriftwerke der dt. Schweiz 6). Frauenfeld 1886 (Nachdr. Darmstadt 1964) S. X–XXVI, 1–11, 403–409 (Nr. I). – Trouv`eres et Minnes¨anger. Hg. v. Istv´an Frank. Saarbr¨ucken 1952, S. 46–64, 72 f., 80–85, 150–165, 167–169. – Die mhd. Minnelyrik 1. ¨ Texte und Ubertragungen. Hg. v. G¨unther Schweikle. Darmstadt 1977 (Neuausg. Stuttgart/Weimar 1993) S. 206–221, 405–467 u. o¨ . – MF 1 (381988) S. 166–177 u. o¨ . (s. Reg.). – R. v. F.: Die Lieder, unter besonderer Ber¨ucksichtigung des romanischen Einflusses. Hg. v. Olive Sayce (GAG 127
Rudolf von Fenis 633). G¨oppingen 1996. – Dt. Lyrik des fr¨uhen und hohen MA. Hg. v. Ingrid Kasten. Frankfurt/M. 2 2005, S. 140–147, 661–671. – Vgl. auch Tervooren Nr. 14 f. und die Ausg. der Liederhss. A, B, C, E, F. ¨ Literatur: Altere Lit. bei Tervooren Nr. 550–555. Vgl. auch Sayce 1996 (s. Ausg.). – Wilhelm Wilmanns, ADB 6 (1877) S. 620. – De Boor/Newald 2 (111991) S. 240 f. u. o¨ . – Helmut Tervooren, VL2 8 (1992) Sp. 345–351. – Horst Brunner, MGG2 Personenteil 14 (2005) Sp. 619 f. – Andreas Hensel, NDB 22 (2005) S. 195 f. – Manfred Eikelmann/Katharina M¨unstermann, Killy2 10 (2011) S. 80–83. – Ernst Baldinger: Der Minnes¨anger Graf R. v. F.-N. Eine literarhist. Unters. Bern 1923 (vgl. dazu: Julius Schwietering, in: AfdA 44 [1925] S. 25–31). – Istv´an Frank: Trouv`eres et Minnes¨anger. Recueil de Textes pour Servir a´ ´ l’Etude des Rapports entre la Po´esie Lyrique Romane et le Minnesang au 12e Si`ecle. Saarbr¨ucken 1952, S. 203. – Singweisen zur Liebeslyrik der dt. Fr¨uhe. Hg. v. Ursula Aarburg. Du¨ sseldorf 1956, S. 33–36. – Dies.: Melodien zum fr¨uhen dt. Minnesang. Eine krit. Bestandsaufnahme. In: ZfdA 87 (1956/57) S. 24–45 (wieder in: Der dt. Minnesang. Aufs¨atze zu seiner Erforschung 1. Hg. v. Hans Fromm. Darmstadt 1961, S. 378–424). – Peter Br¨undl: ‹Unde bringe den websel, als ich waen, durch ir liebe ze grabe.› Eine Studie zur Rolle des S¨angers im Minnesang v. Kaiser Heinrich bis Neidhart von Reuental. In: DVjs 44 (1970) S. 409–432. – Anthonius Touber: ‹bezzer danne guot›. Das Leben einer Formel. In: ebd., S. 1–8. – Heinrich Siekhaus: Revocatio. Studie zu einer Gestaltungsform des Minnesangs. In: ebd. 45 (1971) S. 237–251. – Thomas Klein: Veldeke und die scholastische Logik. Zu den angeblich unechten Strophen MF 59, 11 und 66, 1. In: ZfdPh 90 Beih. (1972) S. 90–107. – Helen Stadler: R. v. F. and His Sources. In: Oxford German Studies 8 (1973) S. 5–19. – Ursula Peters : Niederes Rittertum oder hoher Adel? In: Euph. 67 (1973) S. 244–260, hier S. 258–260. – Gertrud Weindt: Die Lieder Heinrichs von Veldeke. Stud. zu einer Zykluskonzeption des Minnesangs und zu Veldekes Auffassung von ‹rechter› und ‹unrechter› Minne. Diss. Gießen 1975, S. 155–159. – Joachim Bumke: Ministerialit¨at und Ritterdichtung. Umrisse der Forschung. M¨unchen 1976, S. 49 f. u. o¨ . – Silvia Ranawake: H¨ofische Strophenkunst. Vergleichende Unters. zur Formentypologie von Minnesang und Trouv`erelied an der Wende zum 128
Bernger von Horheim Sp¨atMA (MTU 51). Mu¨ nchen 1976, S. 182, 191 f. – Frederic C. Tubach: Struktur im Widerspruch. Stud. zum Minnesang. Tu¨ bingen 1977, S. 77 f. u. o¨ . – Olive Sayce: The Medieval German Lyric. 1150–1300. Oxford 1982, S. 119–124 u. o¨ . – R¨udiger Schnell: Causa amoris. Liebeskonzeption und Liebesdarstellung in der ma. Lit. Bern u. a. 1985, S. 456–458 u. o¨ . – Ingrid Kasten: Frauendienst bei Trobadors und Minnes¨angern im 12. Jh. Zur Entwicklung und Adaption eines literarischen Konzepts. Heidelberg 1986, S. 255 u. o¨ . – Hans-Herbert R¨akel: Der dt. Minnesang. Eine Einf. mit Texten und Materialien. Mu¨ nchen 1986, S. 82–91. – Stephen J. Kaplowitt: The Ennobling Power of Love in the Medieval German Lyric. Chapel Hill 1986, S. 33–37. – Stephanie C. van D’Elden: Diversity Despite Similarity. Two Middle High German Contrafacta of a Proven¸cal Song. German Poems by Friedrich v. Hausen and R. v. F., of Folquet de Marsaille’s ‹En chanten m’aven a membrar›. In: Studia Occitanica in Memoriam Paul Remy 1: The Troubadours. Hg. v. Hans-Erich Keller. Kalamazoo 1986, S. 323–337. – Codex Manesse. Die Miniaturen der Großen Heidelberger Liederhs. Hg. und erl. v. Ingo F. Walther unter Mitarbeit v. Gisela Siebert. Frankfurt/M. 1988 (62001) S. 20 f. (Tf. 10). – Manfred Eikelmann: Denkformen im Minnesang. Unters. zu Aufbau, Erkenntnisleistung und Anwendungsgesch. konditionaler Strukturmuster des Minnesangs bis um 1300. T¨ubingen 1988, passim. – Gisela Kornrumpf: Die Anf¨ange der Manessischen Liederhs. In: Dt. Hss. 1100–1400. Oxforder Kolloquium 1985. Hg. v. Volker Honemann/ Nigel F. Palmer. T¨ubingen 1988, S. 279–296. – Hubert Heinen: Walther’s Adaptation of a Song by R. v. F. In: Von Otfried von Weißenburg bis zum 15. Jh. Proceedings from the 24th International Congress on Medieval Studies, May 4–7, 1989. Hg. v. Albrecht Classen (GAG 539). G¨oppingen 1991, S. 39–51. – Andreas Hensel: Vom fr¨uhen Minnesang zur Lyrik der Hohen Minne. Frankfurt/M. 1996, S. 240–390. – Volker Mertens: Dialog u¨ ber die Grenzen. Minnes¨anger, Trobadors, Trouv`eres. Intertextualit¨at in den Liebesliedern R.s v. F. In: Krit. Fragen an die Tradition. FS Claus Tr¨ager. Hg. v. Marion Marquardt. Stuttgart 1997, S. 15–41. – A. Touber: R. v. F., Heinrich von Morungen, die Troubadour-Hs. P und Karl Bartsch. In: ZfdA 132 (2003) S. 24–34. – Ders.: Romanischer Einfluss auf den Minnesang. In: PBB 127 (2005) S. 62–81. – Nicola Zotz: Int´egration courtoise. Zur Rezep129
2. H¨alfte 12. Jh. tion okzitanischer und franz¨osischer Lyrik im klassischen dt. Minnesang. Heidelberg 2005, passim. – Horst Wenzel: Wahrnehmung und Deixis. Zur Poetik der Sichtbarkeit in der h¨ofischen Lit. In: Visualisierungsstrategien in ma. Bildern und Texten. Hg. v. dems./Charles Jaeger. Berlin 2006, S. 17–43, bes. S. 30 f. – Stefanie Schmitt: Troubadourrezeption im Minnesang und in der sizilianischen Dichterschule. Beobachtungen zu Liedern Folquets de Marseille, R.s v. F. und Giacomos da Lentini. In: Vom Verstehen dt. Texte des MA aus der europ¨aischen Kultur. FS Elisabeth Schmid. Hg. v. Dorothea Klein. W¨urzburg 2011, S. 21–40. MM Bernger von Horheim. – Rheinischer Minnes¨anger, Ende 12. Jh. Unter dem Namen «Bernge von Horhein» (C) bzw. «Bernger von Horneim» (B) sind vier Lieder u¨ berliefert. Vieles spricht daf¨ur, dass es sich bei ihrem Verfasser um «Berengerius de O[re]hem» bzw. «Berlengerius de Oreim» handelt, der 1196 in zwei oberitalienischen Urkunden Philipps von Schwaben unter den Zeugen ist. Das Ausstellungsdatum passt zu der stilgeschichtlichen Zuordnung der Lieder zum rheinischen Minnesang und zur sog. Hausenschule. Auch Bez¨uge in B.s Liedern auf einige Trouv`eres st¨utzen eine Datierung Ende des 12. Jh. B. k¨onnte in Verbindung stehen zu Graf Gottfried von Vaihingen, der in beiden Urkunden die Zeugenliste anf¨uhrt. B.s Heimat w¨are dann Horrheim bei Vaihingen a. d. Enz; dazu passen auch Befunde zur Sprache der Lieder. Ein Dienstverh¨altnis der Familie von Horheim zu den Grafen von Vaihingen ist anzunehmen, aber nicht nachgewiesen. Neben dem Enztal wird aus sprachlichen Gr¨unden auch Harheim bei Frankfurt als Heimat des Dichters diskutiert. Als weiteres Lebenszeugnis des Dichters gilt die Erw¨ahnung einer Heerfahrt nach Apulien nach dem Tod eines K¨onigs in Lied IV (MF 114,21). Sie l¨asst sich auf den Tod K¨onig Wilhelms II. von Sizilien 1189 oder Tankreds von Lecce (von Sizilien) 1194 beziehen. Eine Beteiligung an den jeweils folgenden staufischen Feldz¨ugen ist aber weder f¨ur B. noch f¨ur Gottfried von Vaihingen nachweisbar, der sonst mehrfach im Umfeld Heinrichs VI. bezeugt ist. Die N¨ahe zum Stauferhof d¨urfte B.s enge literarische Beziehungen zu → Friedrich von Hausen beg¨unstigt haben, dem er dort ebenso begegnet 130
2. H¨alfte 12. Jh. sein k¨onnte wie → Bligger von Steinach. Da weitere Zeugnisse fehlen, geht man davon aus, dass B. kurz nach 1196 jung gestorben ist. In seinen Minneklagen verleiht B. konventionellen Motiven des Hohen Minnesangs h¨aufig eine poetologische Dimension. Das S¨anger-Ich verteidigt seinen Sang gegen Kritiker (MF 115,3) und Neider (MF 112,1), rechtfertigt seine Minne und mit ihr seine Minneklage. Diese ist ad¨aquater Ausdruck der Minne; das Lied soll als Botschaft an die Dame fungieren (MF 113,33). Besonders im sog. L¨ugenlied (MF 113,1) und in der formal anspruchsvollen Einzelstrophe MF 115,27 setzt B. sich mit den literarischen Konventionen des Minnesangs auseinander. Formal zeigen B.s Lieder Einfl¨usse des rheinischen Minnesangs und der romanischen Lyrik. Sie bestehen aus isometrischen vierhebigen Stollenstrophen, drei Lieder sind daktylisch, drei sind durchgereimt. Sowohl im Umgang mit den metrischen und formalen Vorgaben als auch mit Motiven des Minnesangs erweist sich B. als gewandt und sicher. MF 112,1 ist eine formale Kontrafaktur zu Chr´etiens de Troyes D’amors, ke m’ait tolut a moy, von dem B. auch den Vergleich mit der Minne Tristans sowie weitere Motive u¨ bernimmt. Ferner finden sich Anlehnungen an Bertran de Born, Conon de B´ethune und Gace Brul´e. Die in C zus¨atzlich u¨ berlieferten Strophen (MF 115,3 und MF 115,27) unterscheiden sich stilistisch von den u¨ brigen und geh¨oren m¨oglicherweise einer sp¨ateren Phase an; als unecht gilt MF 113,25 (dagegen Schweikle 1993). ¨ Uberlieferung: Weingartner Liederhs., S. 76–79 (13 Str.). – Heidelberger Liederhs. C, Bll. 178r–179r (17 Str.). Ausgaben: MF XVI. – G¨unther Schweikle (Hg.): Mhd. Minnelyrik. Bd. 1: Fr¨uhe Minnely¨ rik. Texte und Ubertragungen, Einf. und Komm. Stuttgart/Weimar 1993, S. 272–283. – Dt. Lyrik des fr¨uhen und hohen MA. Edition der Texte ¨ und Komm. v. Ingrid Kasten. Ubers. v. Margherita Kuhn (BMA 3). Frankfurt/M. 1995, S. 150–159. – Minnesang. Mhd. Liebeslieder. Eine Auswahl. Mhd./Nhd. Hg., u¨ bers. und komm. v. Dorothea Klein (RUB 18781). Stuttgart 2010, S. 65–68, 197 f. Literatur: Hans Eggers, NDB 2 (1955) S. 108 f. – G¨unther Schweikle, VL2 1 (1978) Sp. 749–752. – Ders., LexMA 1 (1980) Sp. 1982. – Claudia H¨andl/Red., Killy2 1 (2008) S. 480 f. – Codex Manesse. Die Miniaturen der Großen Hei131
Kaiser Heinrich delberger Liederhs. Hg. und erl. v. Ingo F. Walther unter Mitarbeit v. Gisela Siebert. Frankfurt/M. 1988 (62001) S. 112 f. (Tf. 55). – Manfred Scheck: Herr B. v. H. Ein Minnes¨anger im Dienste der Grafen von Vaihingen. In: Schriftenreihe der Stadt Vaihingen an der Enz. Beitr. zur Gesch., Kulturund Landeskunde. Bd. 2. Hg. v. Ernst Eberhard Schmidt. Vaihingen 21990, S. 69–124. – Volker Mertens: Intertristanisches – Tristan-Lieder von Chr´etien de Troyes, B. v. H. und Heinrich von Veldeke. In: Kultureller Wandel und die Germanistik in der Bundesrepublik. Vortr¨age des Augsburger Germanistentags 1991. Bd. 3: Methodenkonkurrenz in der germanistischen Praxis. Hg. v. Johannes Janota. T¨ubingen 1993, S. 37–55. – Schweikle (s. Ausg.) S. 516–523. – Axel Eisbrenner: Minne, diu der werlde ir vr¨oude mˆeret. Unters. zum Handlungsaufbau und zur Rollengestaltung in ausgew¨ahlten Werbungsliedern aus MF (Helfant Stud. S 10). Stuttgart 1995, S. 262–274. – Kasten (s. Ausg.) S. 672–680. – Olive Sayce: Romanisch ¨ beeinflußte Lieder des Minnesangs mit Ubersetzung, Komm. und Glossar (GAG 664). G¨oppingen 1999, S. 105–118. – Sonja Kerth: L¨ugen ha¨ ben Wachtelbeine. Uberlegungen zur dt. Unsinnsdichtung des MA. In: Vom MA zur Neuzeit. FS Horst Brunner. Hg. v. Dorothea Klein u. a. Wiesbaden 2000, S. 267–289, bes. S. 271 f. – Karin Brem: Gattungsinterferenzen im Bereich von Minnesang und Sangspruchdichtung des 12. und beginnenden 13. Jh. (Studium Litterarum 5). Berlin 2003, S. 255–261. – Uwe Meves (Hg.): Regesten dt. Minnes¨anger des 12. und 13. Jh. Berlin/ New York 2005, S. 125–132. – Anton H. Touber: Romanischer Einfluss auf den Minnesang: Friedrich von Hausen und die Hausenschule. In: PBB 127 (2005) S. 62–81, bes. S. 74 f. – Nicola Zotz: Int´egration courtoise. Zur Rezeption okzitanischer und franz¨osischer Lyrik im klasssichen dt. Minnesang (GRM-Beihefte 19). Heidelberg 2005, S. 154–159. – Klein (s. Ausg.) S. 358–361, 463–465. VL Kaiser Heinrich, * Herbst 1165 Nijmegen, † 28.9.1197 Messina. – Minnes¨anger. Die → Weingartner Liederhandschrift B und die → Heidelberger Liederhandschrift C er¨offnen jeweils ihre Liedsammlungen mit acht Strophen in drei Liedeinheiten unter dem Namen K. H.s. Als Dichter kommt letztlich nur Heinrich VI., der Sohn 132
Kaiser Heinrich Barbarossas, in Frage. F¨ur Zweifel an der Verfasserschaft des Kaisers, die von der fr¨uhen Forschung breit artikuliert wurden, gibt es weder textimmanente noch externe Gr¨unde. Bereits 1169 wurde H. im Kindesalter zum dt. K¨onig gekr¨ont. Auf dem Mainzer Hoffest empfing er 1184 die Schwertleite und wurde bald darauf mit Konstanze von Sizilien verlobt. 1186 heiratete das Paar in Mailand und H. wurde zum K¨onig von Italien gekr¨ont. Fortan vertrat er die staufischen Interessen in Italien. Nach dem Aufbruch seine Vaters 1189 zum 3. Kreuzzug fungierte H. als Reichsverweser. Nachdem Friedrich I. auf dem Kreuzug 1190 verstorben war, trat H. dessen Nachfolge an. Auf seinem ersten Italienzug, um Apulien und Sizilien als Erblande in Besitz zu nehmen, wurde er 1191 von Papst Coelestin III. in Rom zum Kaiser gekr¨ont. Nach dem vergeblichen Versuch der Einnahme Neapels wurde der Italienzug auch wegen einer Erkrankung H.s erfolglos abgebrochen. Der zweite Zug 1194 war hingegen erfolgreich und der dritte, den H. 1196 aufnahm, diente zun¨achst Verhandlungen mit der r¨omischen Kurie u¨ ber den Erbreichsplan und auch der Kreuzzugsvorbereitung. In Messina erlag H. den Folgen einer Malariainfektion. Es ist nicht auszuschließen, das H. sich bereits vor Neapel erstmalig infiziert hatte. Von Konstanze wurde er in Messina provisorisch bestattet, denn Coelestin verweigerte H., der im Zuge der Gefangennahme Richards L¨owenherz exkommuniziert worden war, ein christliches Begr¨abnis. Dieses gew¨ahrte erst Innozenz III. und H. wurde daraufhin im Mai 1198 in den Dom von Palermo u¨ berf¨uhrt. Im Umkreis H.s hielten sich mit → Friedrich von Hausen, → Bligger von Steinach, → Bernger von Horheim, Graf → Otto von Botenlauben und → Ulrich von Gutenburg Vertreter des an romanischen Vorbildern orientierten «rheinischen Minnesangs» auf. Die drei eigenen Lieder H.s k¨onnten um die Zeit des Mainzer Hoffestes entstanden sein, wobei die ersten zwei stilistisch noch am fr¨uheren «donaul¨andischen Minnesang» ausgerichtet sind und das dritte der «Hausenschule» nahe steht. Die Lieder verdanken sich gewiss direkter Anregung durch die Dichter am staufischen Hof. Lied 1 ist ein Wechsel, bei dem in der ersten Strophe das S¨anger-Ich, ein Ritter, die N¨ahe der Geliebten h¨oher bewertet als die eigene gesellschaftliche Stellung. Die Antwortstrophe der Minnedame ist vom Motiv des Rivalinnenneids 133
2. H¨alfte 12. Jh. gepr¨agt. Die Strophenform kann unterschiedlich beschrieben werden: als Stollenstrophen mit Kurzzeilen im Aufgesang und sowohl Kurz- als auch Langzeilen im Abgesang, als langzeilige Reimpaarverse oder als Kurzzeilen mit einem gedoppelten Kreuzreimkursus. Lied 2 ist eine Abschiedsklage (Tagelied-Variation [?]), die auch als Wechsel verstanden werden kann. Die erste Strophe ist eindeutig als Frauenstrophe gekennzeichnet. Wenn das «geselle» des ersten Verses der zweiten Strophe als (in dieser Form u¨ bliche) Anrede f¨ur die Frau interpretiert wird, liegt ein Sprecherwechsel vor. Im anderen Fall h¨atte man es mit einer monologischen Frauenklage zu tun. Auch hier ist die Form nicht eindeutig: Es k¨onnte sich entweder um paarreimende Langzeilen oder Stollenstrophen mit einer Waise zwischen Auf- und Abgesang handeln. Das formal-stilistisch sp¨atere, in den Textzeugen aber voranstehende Lied 3 ist ein Frauenpreis. Er setzt ein mit einem Motiv, das auch bei Friedrich von Hausen, → Heinrich von Morungen und → Neidhart begegnet, dem Gruß an die Geliebte aus der Ferne mit einem Lied. Die anf¨angliche Schilderung des Trennungsschmerzes geht u¨ ber in ein Abw¨agen von Minne und Macht: F¨ur die Frau w¨urde das S¨anger-Ich sogar auf die Krone verzichten. Der Konflikt zwischen Minnebeziehung und gesellschaftlicher Position wird im sp¨ateren Minnesang topisch, hier machen das Ineinandergreifen von S¨anger-Rolle und historisch-politischer Realit¨at und auch die vom Ich empfundene Intensit¨at der Minnebeziehung den Reiz des Liedes aus. Es ist daher zu den herausragenden Dichtungen im Minnesang des sp¨aten 12. Jh. zu z¨ahlen. Die Strophen sind stollig, der dreiversige Abgesang hat einen dreifachen Reim. Die Metrik ist mit mehrsilbigen Auftakten, Hebungen und Senkungen sowie den unregelm¨aßigen Kadenzen uneinheitlich. Aufgrund der Stildivergenzen im schmalen u¨ berlieferten Œuvre H.s ist Lied 3 ihm von der fr¨uhen Forschung mehrfach abgesprochen und Heinrich (VII.) als Verfasser erwogen worden. Die Argumentation hierf¨ur ist aber nicht u¨ berzeugend, denn das gleichzeitige Auftreten a¨ lterer und j¨ungerer Stilty¨ pen ist durchaus typisch f¨ur die Zeit des Ubergangs vom fr¨uhen zum hohen Minnesang. Auch die Corpora → Dietmars von Aist, Friedrichs von Hausen oder → Heinrichs von Veldeke enthalten formal, stilistisch und thematisch divergente Liedarten. ¨ Uberlieferung: Stuttgart, LB, Cod. HB XIII 1 (B) S. 1–3 (Perg., erstes Viertel 14. Jh., alemannisch). – Heidelberg, UB, Cpg 848 (C) 6r-vb 134
um 1200 (Perg., um 1300, alemannisch) Str. in der gleichen Reihung wie B. – Die Miniaturen beider Hss. zeigen H. thronend mit Zepter und Schriftrolle. Helm und Wappenschild mit Reichsadler nur in C. Bild¨uberschrift B: «KAISER HAINRICH»; C: «Keiser Heinrich». Ausgaben: HMS 1 (1838) S. 3 f. – Hennig Brinkmann: Liebeslyrik der dt. Fr¨uhe in zeitlicher Folge. D¨usseldorf 1952, S.143 f. – G¨unther ¨ Schweikle: Die mhd. Minnelyrik. Texte und Ubertragungen, Einf¨uhrung und Komm. Bd. 1: Die fr¨uhe Minnelyrik. Darmstadt 1977 (Nachdr. Stuttgart 1993) S. 250–265, 506–510. – MF 1 (381988) S. 70–72. – Dt. Lyrik des fr¨uhen und hohen ¨ MA. Hg. und komm. v. Ingrid Kasten. Ubers. v. Margeritha Kuhn (BMA 24). Frankfurt/M. 1995, S. 104–109, 631–636. – Helmut Brackert: Minne¨ sang. Mhd. Texte mit Ubertragungen und Anm. Frankfurt/M. 22008, S. 34–37. Bibliographie: H. Tervooren: Bibliogr. zum Minnesang und zu Dichtern aus ‹Des MF› (Bibliogr. zur dt. Lit. des MA 3). Berlin 1969, Nr. B.9. Literatur: Hans Martin Schaller, NDB 8 (1969) S. 323–326. – G¨unther Schweikle, VL2 3 (1981) Sp. 678–682. – Theo K¨olzer/Ursula Schulze, LexMA 4 (1989) Sp. 2045–1047. – De Boor/Newald 2 (111990) Reg. – Claudia H¨andl, Killy2 5 (2009) S. 179 f. – Im folgenden erscheint nur Lit., die sich auf H. als Dichter bezieht (Einen hist. ¨ Uberblick mit Quellen- und Literaturverz. bietet: Joachim Ehlers: H. VI. [1190–1197]. In: Die dt. Herrscher des MA. Hist. Portraits v. Heinrich I. bis Maximilian I. Hg. v. Bernd Schneidm¨uller/Stefan Weinfurter. Mu¨ nchen 2003, S. 258–271, 582 f.). – Jacob Grimm: K. H.s Lieder. In: Germania 2 (1857) S. 477–480 (wieder in: Ders.: Kleinere Schr. Bd. 7. Berlin 1884, S. 437–441). – Johannes Haller: War K. H. VI. ein Minnes¨anger? In: Neue Jbb. f¨ur das klassische Altertum, Gesch. und dt. Lit. 47 (1921) S. 109–126. – Margarete Pauksch: Der Minnes¨anger K. H. In: PBBB 48 (1924) S. 120–123. – Maximilian Ittenbach: Der fr¨uhe dt. Minnesang. Strophenf¨ugung und Dichtersprache. Halle 1939, S. 141–152. – Helmut de Boor: K. H. 4,17. In: PBB (T¨ub.) 77 (1955) S. 366–374 (wieder in: Ders.: Kleine Schr. Bd. 2. Hg. v. Roswitha Wisniewski/Herbert Kolb. Berlin 1966, S. 330–336). – Richard Kienast: Die deutschsprachige Lyrik des MA. In: Dt. Philologie im Aufriß. Bd. 2. Hg. v. Wolfgang Stammler. Berlin 21960, Sp. 1–131, hier 135
Reinmar der Alte Sp. 65–68. – G¨unther Jungbluth: Die Lieder K. H.s In: PBB (T¨ub.) 85 (1963) S. 65–82. – Peter Br¨undl: ‹Unde bringe den wehsel, als ich waen, durch ir liebe ze grabe›. Eine Stud. zur Rolle des S¨angers im Minnesang v. K. H. bis Neidhart v. Reuental . In: DVjS 44 (1970) S. 409–432. – Frank J. Tobin: Wolfram’s Parzival 435,I and K. H.’s ‹Ich gr¨ueze mit gesange ...› (MF 5,16). In: Modern Language Notes 85 (1970) S. 373–374. – Peter Wapnewski: Kaiserlied und Kaisertopos. Zu. K. H. 5,16. In: Ders.: ‹Waz ist minne›. Stud. zur mhd. Lyrik (Edition Beck 8). Mu¨ nchen 1975, S. 47–64. – Ulrich Pretzel: K. H.s K¨onigslied (MSF 5,16). In: ‹Sagen mit sinne›. FS Marie-Luise Dittrich (GAG 180). G¨oppingen 1976, S. 79–94. – Olive Sayce: The medieval German lyric 1150–1300. The development of its themes and forms in their European context. Oxford 1982, S. 98–101. – Joachim Schulze: Hat Friedrich II. die Lieder seines Vaters Heinrich VI. gekannt? In: GRM NF 68 (1987) S. 376–386. – Codex Manesse. Die Miniaturen der Großen Heidelberger Liederhs. Hg. und erl. v. Ingo F. Walther unter Mitarbeit v. Gisela Siebert. Frankfurt/M. 1988 (62001) S. 2 f. (Tf. 1). – Manfred Eikelmann: Denkformen im Minnesang. Unters. zu Aufbau, Erkenntnisleistung und Anwendungsgesch. konditionaler Strukturmuster des Minnesangs bis um 1300 (Hermaea NF 54). T¨ubingen 1988, Reg. – Jens K¨ohler: Der Wechsel. Textstruktur und Funktion einer mhd. Liedgattung (Beitr. zur a¨ lteren Literaturgesch.). Heidelberg 1997, S. 116–123. – Thomas Ertl: Mandate H. VI. und Konrads IV. in einer ars dictandi aus dem fr¨uhen 13. Jh. In: In: Dt. Arch. f¨ur Erforschung des MA 54 (1998) S. 121–139. – Sebastian Neumeister: Herrschermacht und Liebesdienst. Die Gedichte der Staufer (Kaiser H. VI., Kaiser Friedrich II., K¨onig Enzo). In: Inszenierungen von Subjektivit¨at in der Lit. des MA. Hg. v. Martin Baisch u. a. K¨onigstein/Taunus 2005, S. 56–74. – Katharina Boll: Alsˆo redete ein vrowe schoene. Unters. zu Konstitution und Funktion der Frauenrede im Minnesang des 12. Jh. (W¨urzburger Beitr. zur dt. Philologie 31). W¨urzburg 2007, S. 247–253. VZ Reinmar der Alte. – Minnes¨anger, um 1200. ¨ Uber die Lebensumst¨ande und -daten des Minnes¨angers, unter dessen Namen die drei großen ¨ Liederhandschriften A, B und C (s. Uberlieferung) sowie die W¨urzburger Liederhandschrift E jeweils umfangreiche Liedcorpora u¨ berliefern, ist aus 136
Reinmar der Alte außerliterarischen Quellen nichts bekannt. In den Handschriften f¨uhrt R.s Name das Attribut «Herr», was auf Herkunft aus einem (niederen?) Adels- oder Ministerialengeschlecht deuten kann, wahrscheinlicher jedoch Ausdruck einer retrospektiven Aufwertung der Minnesangkultur um 1200 ist. Der Namenszusatz «der Alte» in der Manessischen Liederhandschrift ist sekund¨ar und diente der Unterscheidung von sp¨ateren Tr¨agern des Namens Reinmar. Wenige Hinweise im eigenen Werk und in literarischen Erw¨ahnungen von Zeitgenossen erlauben eine ungef¨ahre Datierung und eine nur tastende Lokalisierung von R.s Schaffen: In der Totenklage (Fassung bC, MF 167,31) wird ein «herre luitpolt» als verstorben genannt. Wenn es sich dabei um den Ende 1194 gestorbenen Leopold V. von ¨ Osterreich handelt, was wahrscheinlich ist, d¨urfte das Lied Anfang 1195 entstanden sein. → Walther von der Vogelweide hat zwei Nachrufstrophen auf R. verfasst (L 82,24; L 83,1), diesen also u¨ berlebt. Weitere Lieder R.s und Walthers zeigen, dass sich beide kannten und zumindest zeitweise im gleichen Umfeld t¨atig gewesen sein d¨urften – vielleicht in einer Konkurrenzsituation, sicher aber auch in einer programmatisch-inhaltlichen Auseinandersetzung. Die a¨ltere Forschung hat als Ort dieser «Fehde» ohne sichere Gr¨unde gerne den Wiener Hof der Babenberger vermutet. Im Literaturexkurs des Tristan erw¨ahnt → Gottfried von Straßburg eine «Nachtigall von Hagenau» als bedeutenden, aber bereits verstorbenen Minnes¨anger, dessen legitimer Nachfolger allein Walther von der Vogelweide sein k¨onne. Vieles spricht daf¨ur, in der «Nachtigall von Hagenau» R. zu sehen, der dann um 1210, als der Tristan wahrscheinlich geschrieben wurde, bereits tot war. Welches Hagenau Gottfried meint (aus seiner Perspektive am ehesten das Hagenau im Elsass mit der damals bedeutenden Kaiserpfalz) und ob es sich dabei um einen Geschlechter- oder Herkunftsnamen oder die Benennung einer herausgehobenen Wirkungsst¨atte handelt, bleibt unklar. Die in der Forschung immer wieder verwendete Namensform «Reinmar von Hagenau» ist nirgends historisch bezeugt. Aus den genannten Hinweisen l¨asst sich auf eine Schaffensperiode R.s zwischen etwa 1190 und 1210 schließen. Gelegentlich erkennbare Adaptationen romanischer Lyrik (Zotz) und der Zusammenhang mit dem vielleicht doch els¨assischen Hagenau lassen Aufenthalte im dt. Su¨ dwesten vermuten. Die Erw¨ahnung Leopolds, der Diskurszusammenhang 137
um 1200 mit Walther von der Vogelweide und die f¨ur einen Vertreter seiner Generation eher un¨ubliche Integration fr¨uhminnes¨angerisch-donaul¨andischer Element in seinen Minnesang (Frauenlieder und -strophen) deuten aber auch auf eine T¨atigkeit im S¨udosten (Donauraum, Wien) hin. Neben Walther von der Vogelweide scheint R. der wichtigste, nach diesem auch der am umfangreichsten u¨ berlieferte Vertreter jener Minnes¨angergeneration gewesen zu sein, die sich um 1200 intensiv mit den Paradoxien der aus Frankreich bezogenen Hohen Minne auseinandersetzte, ohne selbst noch unter unmittelbarem romanischen Einfluss zu stehen. R. werden in der → Heidelberger Liederhandschrift A 70 Strophen, in der → Weingartner Liederhandschrift B in zwei Abschnitten (der zweite urspr¨unglich anonym) 115 Strophen, in der Manessischen Liederhandschrift C 262 Strophen (die gesamte 10. Lage) und in der W¨urzburger Liederhandschrift E 164 Strophen zugeschrieben, wobei es umfangreiche Schnittmengen, aber auch eine gr¨oßere Anzahl nur unikal u¨ berlieferter Texte gibt. Bei einigen Strophen bzw. Liedern liegen Zuschreibungs¨ konkurrenzen mit anderen Autoren vor (Ubersichten: Hausmann, 1999, S. 346–353; Henkes-Zin). ¨ Der Versuch, aus diesem Uberlieferungsbefund das Werk R.s zu rekonstruieren, hat zu sehr unterschiedlichen Editionen und R.-Bildern gef¨uhrt, in denen sich auch der jeweilige Stand der zeitgen¨ossischen Minnesangforschung widerspiegelt. Nach einer sehr restriktiven Echtheitskritik in der a¨ lteren Forschung, die das R.sche Œuvre stark reduzierte (von Kraus, 1919) und daraus das geschlossene Bild eines auf hochminnes¨angerische Klage festgelegten Autors entwickelte («Scholastiker der ungl¨ucklichen Liebe» – laut Schmidt, 1874, ein Zitat von Uhland), folgte seit den 1960er Jahren eine ¨ neue Auseinandersetzung mit der Uberlieferung, die diese in ihrer Breite ernst nahm (Schweikle, 1965; Tervooren, 1986). Abgeleitet wurde daraus ein weites R.-Bild, welches das scharf gezeichnete Autorprofil der a¨ lteren Forschung zugunsten einer Anerkennung letztlich aller unter R.s Namen u¨ berlieferter St¨ucke aufgab und mit einer relativ geringen Verbindlichkeit des hochminnes¨angerischen Programms f¨ur den Autor selbst rechnete (Tervooren, 1991). In Abgrenzung dazu pl¨adierte Hausmann (1999) nach einer Anregung von Bertau (1968) f¨ur eine differenzierende Betrachtung ¨ der Uberlieferung nach dem Kriterium der «historischen Relevanz» als Alternative zur u¨ berholten 138
um 1200 Echtheitskritik. In dieser Perspektive dokumentieren die Schnittmengen der u¨ berlieferten Korpora ¨ in A, B, C und E Liedgruppen («Uberlieferungs¨ reihen»), die sich unterschiedlich tief in die Uberlieferungsgeschichte zur¨uckverfolgen lassen: Liedgruppen, die in allen Handschriften in ungef¨ahr gleichem Umfang und a¨ hnlicher Reihung enthalten sind, wurden R. auch von den Zeitgenossen schon kontinuierlich zugeschrieben; sie sind von hoher Relevanz f¨ur die Rekonstruktion eines historischen R.-Bildes. Lieder außerhalb dieser Gruppen (meist unikal u¨ berliefert) sind nicht zwingend «unecht», aber von geringerer historischer Relevanz. Dazu kommt, dass in den ver¨ schiedenen Uberlieferungsstr¨ angen bereits historische Vorstellungen vom Minnesang bzw. vom Autor R. wirksam wurden, die sekund¨are Ver¨anderungen motivieren konnten; vermutet wurde allerdings auch, dass Unterschiede zwischen den Fassungen mehrfach u¨ berlieferter Texte auf den Autor selbst zur¨uckgehen (Autorvarianz – Schweikle; dagegen Hausmann, 1999). Auffallend ist z. B. das Fehlen der h¨aufig programmatisch hoch verdichteten Schlussstrophen in B (zur¨uckgehend auf *BC) und der Verzicht auf nahezu s¨amtliche Frauenstrophen in der A-Tradition. Konzentriert man sich zun¨achst auf die in diesem Sinne historisch relevanten Liedgruppen, dann entsteht das Bild eines Autors, der pointiert ein auch f¨ur ihn selbst verbindliches hochminnes¨angerisches Programm verfolgt, sich von zeitgen¨ossischen lyrischen Alternativen absetzt (Anti-Tagelied MF 154,32; Zur¨uckweisung der Ratgeberrolle der Sangspruchdichtung in MF 170,36) und attraktive Elemente des fr¨uhen donaul¨andischen Minnesangs in sein Konzept zu integrieren sucht (die liebesbereite Frau in Frauenstrophen- und liedern; der frivole Witz der Kussraubstrophe MF 159,37; Falkenmetaphorik in MF 180,10). So verstanden ist R.s Werk trotz der (von der a¨lteren Forschung kaum beachteten) Gattungsvielfalt nicht die heterogene Summe verschiedener lyrischer Mo¨ glichkeiten, sondern deren Integration in einem dezidiert hochminnes¨angerischen Programm. Der Name R. stand wohl auch den Zeitgenossen f¨ur eine bestimmte Position in einem minnes¨angerischen Diskurs, in den auch die sogenannte R.Walther-Fehde einzuordnen ist. Den Kern dieser Position bildet das Konzept einer paradoxen ‹Freude› durch freiwilligen, fortgesetzt unerf¨ullten Dienst an der Dame. Erreicht 139
Reinmar der Alte wird diese Freude in einem diskursiven Prozess des Nachdenkens, den die monologischen Lieder mit m¨annlicher Ich-Rolle pr¨asentieren und f¨ur das Publikum im Auff¨uhrungsprozess mitvollziehbar machen. Die in den R.schen Mannesliedern h¨aufig besonders ausgepr¨agte, allem Anschein nach nur inszenierte Engf¨uhrung von Singen und Minnen (‹Rollenlyrik›, Fiktionalit¨atsdebatte) in der Ich-Figuration erm¨oglicht es dem Autor, den eigenen Minnesang als a¨ sthetischen Ausdruck einer h¨ochst anspruchsvollen inneren Haltung darzustellen (z. B. MF 163,5) und mit dem Publikum u¨ ber das richtige Singen zu debattieren. Ausgangspunkt ist dabei h¨aufig eine Situation der Ratlosigkeit (Gegensatz zum Sangspruch, z. B. MF 170,36), die u¨ ber das Durchspielen verschiedener, dann wieder verworfener M¨oglichkeiten (Figur der Revocatio, z. B. MF 160,6) in den Schlussstrophen u¨ berwunden wird: Das Leid ist selbst gew¨ahlt, das Festhalten daran kann als Ausweis einer nobilitierenden Autonomie gedeutet werden und bietet deshalb Anlass zu einer Freude, die nicht von a¨ ußeren Instanzen – auch nicht von der Dame – entzogen werden kann. In exemplarischer Form ist dieses Konzept im Preislied MF 165,10 enthalten, das schon Walther von der Vogelweide als einziges Lied R.s in seiner Nachrufstrophe L 82,24 erw¨ahnt hat und das deshalb als besonders charakteristisch gelten kann. Die Frau bleibt hier ohne jegliche k¨orperliche oder visuelle Pr¨asenz, sie ist letztlich nur noch Bezeichnung f¨ur eine m¨annliche Normprojektion. Das erotische Begehren des m¨annlichen Ich-Sprechers konkurriert mit verinnerlichten Normen, als L¨osung bleibt nur die Klage, die sich damit als intellektuelle Herausforderung f¨ur das Publikum versteht. Die gedankliche Abstraktion der R.schen Manneslieder geht mit einer Sprache einher, die auf Bilder weitgehend verzichtet (mit wenigen, umso eindr¨ucklicheren Ausnahmen: «ˆosterlˆıcher tac» MF 170,19). Vielleicht um dem Eindruck einer fast vollst¨andigen Reduktion der Frau auf die Rolle einer Projektionsfl¨ache m¨annlicher Normanspr¨uche entgegenzuwirken, hat R. den Mannesliedern mehrere Lieder zur Seite gestellt, in denen eine weibliche Ich-Figur zu Wort kommt (Frauenlieder, Botenlieder, Wechsel). Diese Lieder, die das Interesse der Forschung in den letzten Jahren besonders auf sich gezogen haben (Jackson, Kasten, Hausmann, Haferland, Br¨uggen, Boll), zeigen aus 140
Reinmar der Alte weiblicher Sicht die Konsequenzen der hochminnes¨angerischen Konzeption, wie sie in den Mannesliedern formuliert wird, und geben diesen damit einen Hintergrund. Fu¨ r das Profil des Autors R. sind sie wichtig, weil Frauen- und Botenlieder in dieser Form und derart komplement¨ar auf Manneslieder bezogen f¨ur andere zeitgen¨ossische Minnes¨anger nicht bezeugt sind. Die Frauenlieder geh¨oren teilweise zu den breit u¨ berlieferten Lied¨ gruppen, finden sich aber auch in unikaler Uberlieferung und charakterisieren das R.sche Œuvre damit als Ganzes. Viele der unter R.s Namen u¨ berlieferten Lieder haben einen stark diskursiven, in sich oder auch nach außen debattierenden Charakter: Der Autor setzt sich mit seiner eigenen performativen Situation (M¨uller, 1999) oder einem (imaginierten?) Publikum auseinander, thematisiert in den beiden Kreuzliedern MF 180,28 und MF 181,13 das Lebensmodell des Kreuzzugs in Bezug auf den Anspruch der Minne und f¨uhrt ein in mehreren Liedern greifbares Gespr¨ach mit Walther von der Vogelweide, das sich auch in Liedern Walthers dokumentiert. Ausgangspunkt einer Interpretation dieser sogenannten Walther-R.-Fehde sollte das Lied L 111,23 sein, mit dem Walther nach Auskunft der Handschrift C einen Ton R.s (MF 159,1) u¨ bernimmt, offenbar um sich mit dem entsprechenden Lied sowie mit MF 170,1 inhaltlich auseinanderzusetzen. Walthers Kritik scheint sich dabei vor allem auf die Hyperbolik des R.schen Frauenpreises zu beziehen, dem von Walther eine geradezu paralysierende Wirkung unterstellt wird (Bauschke, 1999; zur a¨lteren Forschung: Schweikle, 1986). Vor allem die mehrfach unter R.s Namen u¨ berlieferten Lieder weisen eine relativ geringe formale Variationsbreite auf, was auf eine musikalische Wiedererkennbarkeit R.scher Lieder deuten kann, zugleich aber auch auf eine besonders subtile Variationskunst. Fast immer handelt es sich um Kanzonenstrophen mit meist zweizeiligen Aufgesangsstollen; der Abgesang besteht h¨aufig aus drei bis f¨unf Versen und weist sehr oft eine abschließende Terzine auf (als Waisenterzine oder mit Dreireim), was mit einer inhaltlichen Pointierung zum Strophenende hin korrespondiert. Auff¨allig ist, dass sich ¨ die Uberlieferungsreihen auch formal unterscheiden (Schwellenpartie im Abgesang regelm¨aßig in ¨ der ersten Uberlieferungsreihe MF 150,1 – MF ¨ 168,29; nicht in der anschließenden Uberlieferungsreihe). Die Reimkl¨ange sind rein und bilden 141
um 1200 h¨aufig ein u¨ ber die Einzelstrophe hinausgehendes, durch das Lied laufendes Korrespondenzensystem, das inhaltliche Bez¨uge zwischen den Strophen abzubilden scheint. Inhaltlich und formal lassen sich so h¨aufig Strophenpaare beschreiben, die im diskursiven Liedverlauf eine wichtige Rolle spielen. Ungerade Strophenzahl ist f¨ur R.s Lieder nicht verbindlich, neben drei- und f¨unfstrophigen Liedern sind vier- und sechsstrophige h¨aufig. Bei Mehrfach¨uberlieferung zeigt sich sowohl in der Stro¨ phenabfolge als auch im Strophenbestand Uberlieferungsvarianz, jedoch keine Beliebigkeit: B tendiert zu geringerem Strophenbestand, wobei vor allem die in anderen Handschriften zweite Strophe sowie die Schlussstrophenpaare fehlen. A setzt h¨aufiger eine andere Strophe als die u¨ brigen Handschriften an den Beginn, was eintragungstechnische Gr¨unde haben kann. Weitergehende Strophenfolgevarianz findet sich vor allem dort, wo sich die inhaltlichen Liedverl¨aufe als besonders diskursiv erweisen (MF 163,7). ¨ ¨ Uberlieferung: Namentliche Uberlieferung: Heidelberg, Cpg 357 (Kleine Heidelberger Liederhs.), 1r–4v (A). – Stuttgart, LB, cod. HB XIII (Weingartner Liederhs.), S. 60–69 (B) und S. 86–103 (b, urspr¨unglich anonym). – Heidelberg, Cpg 848 (Große Heidelberger Liederhs.), 98r–108v (C). – Mu¨ nchen, UB, 2° cod. ms. 731 (W¨urzburger Liederhs.), 181r–191v (E). – Strophen, die in diesen vier Hss. R. zugeschrieben werden, finden sich bisweilen auch unter anderen Autornamen (Der Vogt von → Rotenburg, → Niune, Gedrut, → Reinmar der Fiedler, Walther von der Vogelweide, → Meinloh von Sevelingen, → Heinrich von Rugge, → Hartmann von Aue, → Rubin, → Heinrich von Morungen, → Spervogel, → Walther von Mezze u. a.). – Anonyme Streu¨uberlieferung u. a. M¨unchen, clm 4660/4660a (Hs. der → Carmina burana): MF 177,10; 185,27; ¨ 203,10 (¨alteste R.-Uberlieferung). – Zur weiteren Streu¨uberlieferung vgl. Schweikle, 1989, Sp. 1181. Ausgaben: MF S. 285–403 (MF 150,1–204,14 und ‹Pseudo-Reinmar›) sowie S. 219–221 (MF 109,9–110,25). – R. Lieder. Nach der Weingartner Liederhs. (B). Mhd./Nhd. Hg., u¨ bers. und komm. v. G¨unther Schweikle (RUB 8318). Stuttgart 22006. – Die Lyrik des fr¨uhen und hohen ¨ MA. Hg. v. Ingrid Kasten. Ubersetzung v. Margherita Kuhn (BdK 129/BMA 3). Frankfurt/M. 1995, S. 290–387 (Auswahl). Literatur: G¨unther Schweikle, VL2 7 (1989) Sp. 1180–1191. – Ricarda Bauschke, LexMA 7 142
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Reinmar der Alte Liederhs. (Codex Manesse). Aachen 2004 (nur online publiziert: http://darwin.bth.rwth-aachen.de/ opus3/volltexte/2008/) S. 138–145. – I. Kasten: Walthers ‹Nachruf› auf R. Memoria, lyrische Form und der Diskurs u¨ ber Trauer im ma. Europa um 1200. In: Der achthundertj¨ahrige Pelzrock. Walther von der Vogelweide, Wolfger von Erla, Zeiselmauer. Vortr¨age gehalten am ¨ Walther-Symposion der Osterr. Akad. der Wiss. vom 24. bis 27. September 2003 in Zeiselmauer (Nieder¨osterreich). Hg. v. H. Birkhan u. a. ¨ (Sb./Osterr. Akad. der Wiss., Phil.-Hist. Kl. 721). Wien 2006, S. 177–191. – R. Krohn: Die Antwort der ‹hˆeren frouwe›. Das ‹Lindenlied› Walthers von der Vogelweide als Beitr. zu seiner Minne-Auseinandersetzung mit R. In: Von Mythen und M¨aren. Ma. Kulturgesch. im Spiegel einer Wissenschaftler-Biogr. FS Otfrid Ehrismann. Hg. v. Gudrun Marci-Boehncke u. a. Hildesheim 2006, S. 33–48. – Katharina Boll: ‹Alsˆo redete ein vrowe schoene›. Unters. zu Konstitution und Funktion der Frauenrede im Minnesang des 12. Jh. (W¨urzburger Beitr. zur dt. Philologie 31). W¨urzburg 2007, S. 359–465. – Elke Br¨uggen: Die Wort gewordene Frau. Zur Vertextung ‹weiblicher› Selbstreflexion in R.s Lyrik. In: Innenr¨aume in der Lit. des dt. MA. XIX. Anglo-German Colloquium Oxford 2005. Hg. v. Burkhard Hasebrink u. a. T¨ubingen 2008, S. 225–245. – Manfred Kern: Tod, Text und Auto(r)-Kanonisierung. Am Beispiel von Walthers Nachruf auf R. In: Der Kanon. Perspektiven, Erweiterungen und Revisionen. Tagung o¨ sterr. und tschechischer Germanistinnen und Germanisten, Olm¨utz/Olomouc 20.–23.9.2007. Hg. v. J¨urgen Struger (Stimulus 2007). Wien 2008, S. 301–313. – Fritz Peter Knapp: ‹Maniger zuo den vrouwen gˆat›. Das Mißverst¨andnis des Indefinitpronomens ‹manic›. In: ZfdA 138 (2009) S. 458–461. – Margreth Egidi: Der schwierige Dritte. Zur Logik der Botenlieder vom fr¨uhen Minnesang bis R. In: Aspekte einer Sprache der Liebe. Formen des Dialogischen im Minnesang. Hg. v. Marina Mu¨ nkler (Zs. f¨ur Germanistik: Publ. zur Zs. f¨ur Germanistik, NF 21). Bern 2011, S. 107–125. – Caroline Emmelius: Zeit der Klage. Korrelationen von lyrischer Pr¨asenz und narrativer Distanz am Beispiel der Minneklage. In: Lyrische Narrationen – narrative Lyrik. Gattungsinterferenzen in der ma. Lit. Hg. v. Hartmut Bleumer/Caroline Emmelius (Trends in Medieval Philology 16). Berlin/New York 2011, S. 215–241. – A. Hausmann: Verlust und Wiedergewinnung der 148
Ulrich von Gutenburg Dame. Zur inhaltlichen Funktion von Narrativierung und Entnarrativierung im Minnesang. In: ebd., S. 157–180. AH Ulrich von Gutenburg (Uolrich von Guotenburg/gvtenburg, Guotenburc), † vor 1220 (?). – Minnes¨anger. U. ist unter den Minnes¨angern der → Heidelberger Liederhandschrift C und der → Weingartner Liederhandschrift (B) enthalten. Eine Illustration in C stellt ihn als reitenden Falkner unter Wappen und Helm dar. In beiden Handschriften wird er als Herr bezeichnet, allerdings ist er als historische Gestalt bis heute nicht sicher identifiziert. Man hat ihn im Lauf der Zeit vielmehr verschiedenen Adelsgeschlechtern zugeordnet, etwa einer els¨assischen Familie aus Diedolshausen (heute Le Bonhomme, Kreis Rappoltsweiler) oder einem pf¨alzischen Freiherrengeschlecht, das zwischen Weißenburg (Wissembourg) und Bergzabern ans¨assig war. Der Name U. v. G. erscheint in zahlreichen Urkunden aus den Jahren von 1172 bis 1196/1202, die sich aber nicht alle auf den gleichen U. beziehen m¨ussen. 1172 weilt ein U. bei Erzbischof Christian von Mainz in Siena, 1186 bei Kaiser Friedrich I. in Casale Monferrato. Diese Italienaufenthalte passen zu den romanischen Einfl¨ussen in U.s Werk. Es gibt auch Hinweise auf Kontakte U.s zu K¨onig Heinrich VI., dem sp¨ateren Kaiser, und zu Markgraf Bonifatius I. von Montferrat. Man hat U. außerdem in einen Zusammenhang mit der sog. Hausen-Schule gebracht, also → Friedrich von Hausen, → Bligger von Steinach und → Bernger von Horheim. → Heinrich von dem T¨urlin erw¨ahnt U. dann in seiner Krone (um 1220) als verstorben. Weitere Nennungen U.s finden sich bei → Reinmar von Brennenberg und dem von → Gliers. C u¨ berliefert unter U.s Namen einen Leich und ein Lied, das auch in B erhalten ist. Aus einer kurzen Anspielung in dem Lied hat die Forschung verschiedentlich auf weitere, heute verlorene Lieder U.s geschlossen, was aber nicht beweisbar ist. Der umfangreiche Leich U.s gilt als der fr¨uheste u¨ berlieferte Minneleich in dt. Sprache. In seinem doppelkursigen Bau a¨hnelt er dem Kreuzleich des → Heinrich von Rugge, außerdem tragen Mono-, Paar-, Kreuz- und Schweifreime zur Gliederung bei. Die f¨ur einen Leich typischen sog. Formansagen hingegen sind hier nicht Strukturelement, sondern dienen als Anfangs- und Schlussmarkierungen. Die Bildersprache des Leichs verweist auf 149
um 1200 lat. und romanische Einfl¨usse, aber auch auf die dt. Literatur des 13. Jh. U. benutzt gebl¨umte Rede mit episch aufbereiteten Exempla – zum Thema Liebe werden etwa Turnus, Alexander sowie Floris und Planschiflur als Beispiele angef¨uhrt. U. benutzt auch Natur- und Zeugungsmetaphern. Insgesamt gilt U.s Text gilt als besonders formvollendetes Exemplar eines Leichs. U.s sechstrophiges Lied in B und C ist eine Kontrafaktur zu Bien doit chanter von Blondel de Nesle. In Kanzonenform geschrieben, ist das Lied sowohl wegen seiner Metrik wie wegen seiner Reime bemerkenswert. Seine Verse werden manchmal als nat¨urlich betonte, daktylische Vierheber aufgefasst, manchmal als nicht w¨agende F¨unfheber. Die Strophen werden durch Reime gebunden, die r¨uhrend, identisch oder ungenau sind. Die b-Reime sind durchg¨angig assonant. Die gegen¨uber der Perfektion des Leichs geradezu ungew¨ohnlich anmutenden Formelemente des Lieds haben U. den Ruf eines experimentierfreudigen Dichters eingetragen. Dabei steht er fest in der Tradition der hohen Minne. Neben deutlichen romanischen Einfl¨ussen verweist U.s Werk auch auf Friedrich von Hausen und → Heinrich von Veldeke. Mehr noch als bei Hausen erscheint jedoch die Geliebte bei U. als Gebieterin, um die der Liebende vergeblich wirbt. Heute wird U. bei aller Verwurzelung in dt. und romanischen Traditionen als eigenst¨andiger und technisch versierter Dichter anerkannt. ¨ Uberlieferung: Heidelberg, UB, Cpg 848, 73r–75ra (Perg., erste H¨alfte 14. Jh., alemannisch). – Stuttgart, LB, cod. HB XIII 1, S. 73–75 (Perg., erstes Viertel 14. Jh., alemannisch). Ausgaben: Die mhd. Minnelyrik 1. Texte ¨ und Ubertragungen. Hg. v. G¨unther Schweikle. Darmstadt 1977. Neuausg. Stuttgart/Weimar 1993, S. 284–315, 524–535. – MF 1 (381988) S. 150–165. – Romanisch beeinflußte Lieder des Minnesangs mit ¨ Ubers., Komm. und Glossar. Hg. v. Olive Sayce (GAG 664). G¨oppingen 1999, Nr. 7. – Vgl. auch die Ausg. der Heidelberger Liederhandschrift C und der Weingartner Liederhandschrift sowie Tervooren Nr. 14 ff. ¨ Literatur: Altere Lit. bei Tervooren Nr. 548 f. – Wilhelm Wilmanns, ADB 10 (1879) S. 220 f. – MF Unters. (1939) S. 193–203. – De Boor/Newald 2 (111991) S. 235 u. o¨ . – Helmut Tervooren, VL2 9 (1995) Sp. 1266–1271. – Norbert Ott, LexMA 8 (1997) Sp. 1199. – Horst Brunner, MGG2 Personenteil 16 (2006) Sp. 1199. – Claudia H¨andl, 150
um 1200 Killy2 11 (2011) S. 673 f. – Otto Gottschalk: Der dt. Minneleich und sein Verh¨altnis zu Lai und Descort. Diss. Marburg/Lahn 1908, S. 45–48. – Konrad Burdach: Reinmar der Alte und Walther v. der Vogelweide. Halle/Saale 21928, S. 37 f. – Hans Spanke: Romanische und mlat. Formen in der Metrik von MF. In: Zs. f¨ur romanische Philologie 49 (1929) S. 191–235 (wieder in: Der dt. Minnesang. Aufs¨atze zu seiner Erforschung 1. Hg. v. Hans Fromm. Darmstadt 1961, S. 255–329). – Hans Naumann: Die Hohenstaufen als Lyriker und ihre Dichterkreise. In: Dichtung und Volkstum 36 (1935) S. 21–49. – Ursula Aarburg: Melodien zum fr¨uhen dt. Minnesang. Eine krit. Bestandsaufnahme. In: ZfdA 87 (1956/57) S. 24–45 (wieder in: Der dt. Minnesang. Aufs¨atze zu seiner Erforschung 1 [s. o.], S. 378–423). – Karl Heinrich Bertau: ¨ Sangverslyrik. Uber Gestalt und Geschichtlichkeit mhd. Lyrik am Beispiel des Leichs. G¨ottingen 1964, S. 148. – Hans-Herbert R¨akel: Liedkontrafaktur ¨ im fr¨uhen Minnesang. In: Probleme ma. Uberl. und Textkritik. Oxford Colloquium, 1966. Hg. v. Peter Felix Ganz/Werner Schr¨oder. Berlin 1968, S. 96–117. – Schweikle 1977 (s. Ausg.). – Joachim Bumke: M¨azene im MA. Die G¨onner und Auftraggeber der h¨ofischen Lit. in Deutschland 1150–1300. Mu¨ nchen 1979, S. 127–130 u. o¨ . – Olive Sayce: The Medieval German Lyric 1150–1300. The Development of Its Themes and Forms in Their European Context. Oxford 1982, S. 128–130, 372 f., 388, 404 f. – R¨udiger Schnell: Causa amoris. Liebeskonzeption und Liebesdarst. in der ma. Lit. Bern u. a. 1985, S. 321, 458, 494. – Stephen J. Kaplowitt: The Ennobling Power of Love in the Medieval German Lyric. Chapel Hill 1986, S. 52 f. – Ingrid Kasten: Frauendienst bei Trobadors und Minnes¨angern im 12. Jh. Zur Entwicklung und Adaption eines literarischen Konzepts. Heidelberg 1986, S. 240, 255 u. o¨ . – Manfred Eikelmann: Denkformen im Minnesang. Unters. zu Aufbau, Erkenntnisleistung und Anwendungsgesch. konditionaler Strukturmuster des Minnesangs bis um 1300. T¨ubingen 1988, S. 142 u. o¨ . – Codex Manesse. Die Miniaturen der Großen Heidelberger Liederhs. Hg. und erl. v. Ingo F. Walther unter Mitarbeit v. Gisela Siebert. Frankfurt/M. 1988 (62001) S. 64 f. (Tf. 32). – Eva Willms: Liebesleid und Sangeslust. Unters. zur dt. Liebeslyrik des sp¨aten 12. und fr¨uhen 13. Jh. (MTU 94). Mu¨ nchen u. a. 1990, S. 93 f. u. o¨ . – Hermann Apfelb¨ock: Tradition und Gattungsbewußtsein im dt. Leich. Ein 151
Wolfram von Eschenbach Beitr. zur Gattungsgesch. ma. musikalischer ‹discordia›. Tu¨ bingen 1991, S. 114 f. u. o. ¨ – Oliver Uthe: Nachr. u¨ ber Oberotterbach aus dem MA. In: Oberotterbach. Aus der Gesch. eines oberpf¨alzischen Dorfes. Hg. Gemeinde Oberotterbach. Oberotterbach 1992, S. 17–42, hier S. 26 f., 34. – Uwe Meves: Urkundliche Bezeugungen der Minnes¨anger im 12. Jh. am Beispiel Bliggers v. Steinach. In: Literarische Interessenbildung im MA. DFG-Symposion 1991. Hg. v. Joachim Heinzle. Stuttgart 1993, S. 75–105. – G¨unther Schweikle: Minnesang. Stuttgart u. a. 21995, passim. – Sayce 1999 (s. Ausg.). – U. Meves: Der Minnes¨anger U. v. G. Zur Problematik seiner hist. Bezeugung. In: Vom MA zur Neuzeit. FS Horst Brunner. Hg. v. Dorothea Klein u. a. Wiesbaden 2000, S. 49–72. – Christina Kreibich: Der mhd. Minneleich. Ein Beitr. zu seiner Inhaltsanalyse. W¨urzburg 2000, passim. – U. Meves (Hg.): Regesten dt. Minnes¨anger des 12. und 13. Jh. Berlin/New York 2005, S. 823–835. – Nicola Zotz: Int´egration courtoise. Zur Rezeption okzitanischer und franz¨osischer Lyrik im klassischen dt. Minnesang. Heidelberg 2005, S. 25–34. – Rudolf Voss: Traum, Vision, Imagination. Konstruktionen innerer Wahrnehmung in der dt. Lyrik der klassisch-h¨ofischen Periode. In: Traum und Vision in der Vormoderne. Traditionen, Diskussionen, Perspektiven. Hg. v. Annette Gerok-Reiter/ Christine Walde. Berlin 2012, S. 175–198. MM Wolfram von Eschenbach, * zweite H¨alfte 12. Jh., † um 1220. – Epiker, Lyriker. W.s Name kann als authentisch gelten, da er durch Eigennennungen im Werk und Erw¨ahnungen bei zeitgen¨ossischen Autoren belegt ist. Unsicher sind hingegen W.s Lebensumst¨ande, da er als historische Gestalt nicht urkundlich nachweisbar ist. Autobiographisch anmutende Angaben in W.s Texten sind zwar vorhanden und verweisen auf eine Ehefrau und Tochter, Ritterb¨urtigkeit und ein Leben in Armut. Jedoch m¨ussen diese Details keineswegs der Wahrheit entsprechen, sondern k¨onnten auch einer fiktiven Erz¨ahlerfigur angeh¨oren. In Ableitung von W.s Namen wird als Herkunftsort oft das mittelfr¨ankische Obereschenbach (heute Wolframs-Eschenbach/Kreis Ansbach) vermutet. W. k¨onnte etwa ein Ministerialer der Grafen von Wertheim gewesen sein. Ein Geschlecht von E. ist in dem Ort erst ab 1268 belegt. Mitglieder dieser Familie errichteten W. sp¨ater 152
Wolfram von Eschenbach auch ein Hochgrab in der Kirche von Obereschenbach, hielten ihn also, vielleicht f¨alschlich, f¨ur einen Vorfahren. Allerdings bezeichnet W. selbst sich als Bayer – und Obereschenbach wurde erst im 19. Jh. bayerisch. Tats¨achlich verr¨at W.s Werk eine direkte oder indirekte Kenntnis mehrerer bayerischer Orte. Auch W.s Ausbildung ist unbekannt. Er nennt sich einen Analphabeten, doch gilt dies heute eher als literarisch motivierte Stilisierung zum Laiendichter, die der Absetzung von → Hartmann von Aue, → Heinrich von Veldeke und → Gottfried von Straßburg diente. W.s Werk zeigt die Benutzung lat. Vorlagen und Kenntnisse der franz¨osischen Literatur (vor allem Chr´etiens de Troyes). Auch kannte W. dt. Dichter wie Hartmann von Aue, Heinrich von Veldeke, → Walther von der Vogelweide und Neidhart, außerdem das → Nibelungenlied, die → Kaiserchronik und das Rolandslied von Pfaffe → Konrad. Daneben finden sich in W.s Texten u. a. geographische, theologische, naturkundliche und juristische Informationen. Die Aneignung der genannten Kenntnisse durch einen Analphabeten erscheint h¨ochst unwahrscheinlich. W.s Werke werden heute oft als Auftragsarbeiten f¨ur adelige G¨onner angesehen, die aber nicht immer eindeutig zu identifizieren sind. Mo¨ gliche F¨orderer W.s waren Poppo I. oder II. von Wertheim, die Herren von Truhendingen, die Grafen von Dollstein und Abenberg, eine Markgr¨afin von Haidstein, Heinrich von Rispach und die Freiherren von Durne, auf deren Burg Wildenberg/ Odenwald W. wahrscheinlich fr¨uhe Teile des Parzival verfasste. Eine besondere Rolle in W.s Leben d¨urfte Landgraf Hermann I. von Th¨uringen gespielt haben. Hermann, der auch Heinrich von Veldeke f¨orderte, wird im Parzival, Willehalm und Titurel als großz¨ugiger Herr gelobt. Er gilt als wahrscheinlicher Auftraggeber zumindest des Willehalm und vermittelte W. eine franz¨osische Vorlage zur Bearbeitung. Die Datierung von W.s Schaffenszeit ist nur ann¨aherend m¨oglich. So war W. wohl vom Ende des 12. Jh. bis etwa 1220 t¨atig und begann mit Lyrik, darauf folgten Parzival, Willehalm und Titurel. W.s Lieder d¨urften vor oder parallel zum Parzival entstanden sein, wurden aber bestimmt noch im 12. Jh. begonnen. W. erw¨ahnt im Parzival bereits von ihm geschriebene Lyrik, außerdem die Verw¨ustung der Erfurter Weing¨arten. Diese erfolgte w¨ahrend der Belagerung Erfurts 1203. Der Parzival verr¨at auch Kenntnis des Erec Hartmanns 153
um 1200 von Aue und des Eneas Heinrichs von Veldeke. Unter Einbeziehung dieser Indizien gelten die Jahre von etwa 1200 bis 1210 als Entstehungszeit des Parzival. Willehalm und Titurel setzen wiederum den Parzival und den Tod Hermanns I. im Jahr 1217 voraus. Der Willehalm-Text erw¨ahnt auch die Kr¨onung Ottos IV. zum Kaiser 1209. Man vermutet die Entstehung des Texts um 1210 bis 1220, des Titurel ab etwa 1217, also gegen Ende oder nach Fertigstellung der Arbeit am Willehalm. Da Willehalm und Titurel unvollendet blieben, wird W.s Tod gew¨ohnlich um 1220 angesetzt. Eine sp¨atere Illustration in der → Heidelberger Liederhandschrift C zeigt W. als Ritter in voller R¨ustung mit Schwert, Schild und Banner. In dem Bild steht er neben seinem wartenden Pferd, das ein Knappe in Zaum h¨alt. Das dargestellte Wappen mit zwei silbernen Beilen auf rotem Grund l¨asst sich historisch jedoch nicht mit W. in Verbindung bringen. W.s lyrisches Korpus ist klein, aber in allen bedeutenden Liederhandschriften vertreten. Unter W.s Namen u¨ berliefert A vier Strophen in einem Ton, B acht Strophen in drei T¨onen, C 26 Strophen in sieben T¨onen und die Parzival-Handschrift G acht Strophen in zwei T¨onen. Insgesamt sind neun Lieder in 34 Strophen ohne Melodien erhalten. Die erste Strophe von Lied IX wird in C auch → Rubin und R¨udeger und in A Gedrut (→ Geltar) zugeschrieben. Die Echtheit mancher Lieder ist bis heute umstritten (v. a. Lieder VIII, IX). Baulich handelt es sich bei W.s Liedern um Variationen der traditionellen, dreiteiligen Kanzonenstrophen mit Auf- und Abges¨angen. Vier der T¨one sind Minnelieder, die in der Konvention des hohen Sangs vor allem von Minnewerbung und Liebesversicherungen gepr¨agt sind. Erw¨ahnenswert ist etwa die Abrechnung mit einer als treulos empfundenen Minnedame in Lied IV. Im Werbungslied VI formuliert W. an seine Dame erotische Anspr¨uche, die die Grenzen der Gattung auszuloten scheinen. Die u¨ brigen Lieder W.s sind Tagelieder, deren literaturhistorische Bedeutung deutlich jene der Minnelieder u¨ bersteigt. Zu W.s Zeit war das Tagelied in Deutschland noch eine junge Gattung. Es existierten a¨ ltere Tagelieder → Dietmars von Aist und → Heinrichs von Morungen, zu denen aber ebensowenig direkte Verbindungen W.s sichtbar sind wie zu romanischen Vorbildern. W. bereicherte das Tageslied als wahrscheinlich erster dt. Dichter um die Figur des W¨achters. Dieser f¨ugte sich nun als Standardgestalt in die Grundhandlung 154
um 1200 des Tagelieds ein: Nach der heimlichen Liebesnacht einer verheirateten Frau und ihres Geliebten folgt bei Tagesanbruch der Weckruf des W¨achters, daraufhin die Trennungsklage der Liebenden, eine letzte, die Trennung hinausz¨ogernde Vereinigung und schließlich der Abschied. W. etablierte dieses Schema und entwickelte es zugleich durch Variationen weiter. Lied I zeigt die Intensit¨at der Vereinigung vor der Trennung. In Lied II handhabt W. souver¨an die dialogischen und epischen Anteile des Tageslieds. Das besonders markante Lied IV ist durch seine Absage an den W¨achter bemerkenswert. Wenn die Liebenden n¨amlich miteinander verheiratet sind, ist ihre gemeinsame Nacht gesellschaftlich legitimiert und sie brauchen keinen warnenden Weckruf. Das Lied preist konsequenterweise die liebende Ehefrau, nicht die im Tageslied u¨ bliche Geliebte. Der Text hat divergierende Deutungen hervorgerufen, die ihn mal als AntiTagelied auffassen, mal als Parodie auf die Gattung oder auf die Ehe. Umstritten ist auch die Zusammenfassung von W.s Tageliedern zu einem Zyklus. Unabh¨angig von diesen kontroversen Interpretationen ist die Bedeutung von W.s Tageliedern unstrittig. Sie wirkten u. a. wegen ihrer pr¨agenden W¨achterfiguren nachhaltig auf sp¨atere Dichter. Spuren ihrer Rezeption reichen bis zu den anonymen Tageliedern im Liederbuch der Clara → H¨atzlerin. Insgesamt blieb W.s Wirkung als Lyriker freilich hinter seinen Verdiensten als Epiker zur¨uck und war leider sogar von Irrt¨umern gepr¨agt. So z¨ahlten die Meistersinger W. zwar respektvoll zu den Zw¨olf alten Meistern, also den Begr¨undern ihrer Kunst, schrieben ihm jedoch unter dem entstellten Namen Wolf → Ron f¨alschlich T¨one zu. Ausgaben: Peter Wapnewski: Die Lyrik W.s v. E. ¨ Mu¨ nchen 1972 (mit Ubersetzung und Komm.). – Tagelieder des dt. MA. Mhd./Nhd. Ausgew¨ahlt, u¨ bers. und komm. v. Martina Backes (RUB 8831). Stuttgart 2003, S. 88–103, 242–250. Literatur: Elias von Steinmeyer, ADB 6 (1877) S. 340–346. – Ehrismann 2.2.1 (1927) S. 212–297. – De Boor/Newald 2 (111991) S. 86–121 u. o¨ . – Joachim Heinzle, LexMA 9 (1998) Sp. 310–313. – Joachim Bumke, VL2 10 (1999) Sp. 1376–1418. – Walter Haug, LThK3 10 (2001) Sp. 1281. – Almut Schneider, RGG4 8 (2005) Sp. 1685 f. – Horst Brunner, MGG2 Personenteil 17 (2007) Sp. 1128–1130. – Bernd Schirok, KLL3 17 (2009) S. 544–549. – Christian Kiening, Killy2 12 (2011) S. 554–561. – Kurt Plenio: Beobachtungen zu 155
Wolfram von Eschenbach W.s Liedstrophik. In: PBB 41 (1917) S. 47–128. – Jan H. Scholte: W.s Lyrik. In: PBB 69 (1947) S. 409–419. – Wolfgang Mohr: W.s Tagelieder. In: FS Paul Kluckhohn und Hermann Schneider. Hg. v. W. Mohr. T¨ubingen 1948, S. 148–165. – Lotte Hanemann: Die Lieder W.s v. E. Diss. Hamburg 1951. – Eva G¨orlach: Die Pers¨onlichkeit Hartmanns, W.s und Gottfrieds in ihren Werken. Diss. W¨urzburg 1952. – Helmuth Thomas: W.s Tageliedzyklus. In: ZfdA 87 (1956/57) S. 45–58. – Peter Wapnewski: W.s Walther-Parodie und die Frage der Reihenfolge seiner Lieder. In: GRM NF 8 (1958) S. 321–332. – Heinz Rupp (Hg.): W. v. E. Darmstadt 1966. – P. Wapnewski: W¨achterfigur und soziale Problematik in W.s Tageliedern. In: Der Berliner Germanistentag 1968. – J. Bumke: Die W. v. E.-Forschung seit 1945. Ber. und Bibliogr. Mu¨ nchen 1970. – Vortr¨age und Berichte. Hg. v. Karl Heinz Borck/Rudolf Henss. Heidelberg 1970, S. 77–89. – Dieter Kartschoke: Ein sumer bringet. Zu W.s Tagelied ‹Von der zinnen wil ich gen›. In: Euph. 66 (1972) S. 85–91. – J. Heinzle: Textkrit. Notiz zu W.s erstem Tagelied. In: ZfdA 101 (1972) S. 143–145. – P. Wapnewski (Hg.): Die Lyrik W.s v. E. Edition, Komm., Interpretation. Mu¨ nchen 1972 (vgl. dazu: Eberhard Nellmann, in: ZfdPh 96 [1977] S. 383–393). – J¨urgen Vorderstemann: Anti¨asthetische Poesie als Moment gesellschaftlicher Wirklichkeit. In: Neophilologus 59 (1975) S. 254–261. – Roswitha Wisniewski: Stil und Gehalt der (unechten?) Wolframlieder VIII und IX. In: Philol. Stud. Gedenkschrift f¨ur Richard Kienast. Hg. v. Ute Schwab/ Elfriede Stutz. Heidelberg 1978, S. 41–53. – K. H. Borck: W.s Tagelied ‹Den morgenblic bi wahtears sange erkos›. Zur Lyrik eines Epikers. In: Stud. zur dt. Lit. FS Adolf Beck. Hg. v. Ulrich F¨ulleborn/ Johannes Krogoll. Heidelberg 1979, S. 9–17. – Alois Wolf: Variation und Integration. Beobachtungen zu hochma. Tageliedern. Darmstadt 1979, passim. – Ernst von Reusner: W. v. E. u¨ ber individuelles verm¨ogen (lˆere) und gesellschaftliche Bindung (minne). Eine Unters. u¨ ber seine Tagelieder. In: ZfdA 109 (1980) S. 298–316. – Karl Bertau: W. v. E. Neun Versuche u¨ ber Subjektivit¨at und Urspr¨unglichkeit in der Gesch. M¨unchen 1983. – Hartmut Kokott: Zu den W¨achterTageliedern W.s v. E. ‹Ein schimpf bi klage› (VII, 3, 4). In: Acta Germanica 16 (1983) S. 25–41. – Volker Mertens: Dienstminne, Tageliederotik und Eheliebe in den Liedern W.s v. E. In: Euph. 77 (1983) 156
Albrecht von Johansdorf S. 233–246. – Gerdt Rohrbach: Stud. zur Erforschung des mhd. Tageliedes. Ein sozialgeschichtlicher Beitr. (GAG 462). G¨oppingen 1986, passim. – Codex Manesse. Die Miniaturen der Großen Heidelberger Liederhs. Hg. und erl. v. Ingo F. Walther unter Mitarbeit v. Gisela Siebert. Frankfurt/M. 1988 (62001) S. 96 f. (Tf. 47). – Olive Sayce: Die Syntax der Lieder W.s. In: Stud. zu W. v. E. FS Werner Schr¨oder. Hg. v. Kurt G¨artner/J. Heinzle. T¨ubingen 1989, S. 535–548. – Ju¨ rgen K¨uhnel: Das Tagelied. W. v. E.: ‹Sˆıne klˆawen›. In: Gedichte und Interpretationen. MA. Hg. v. Helmut Tervooren (RUB 8864). Stuttgart 1993, S. 144–168. – Dorothee Lindemann: ‹zwei herze und ein lˆıp›. Zu W.s erstem Taglied. In: ‹bickelwort› und ‹wildiu maere›. FS E. Nellmann. Hg. v. D. Lindemann u. a. (GAG 618). G¨oppingen 1995, S. 144–150. – Ursula Liebertz-Gr¨un: Ambivalenz, poetologische Selbstreflexion und inszenierte Sexualit¨at. Die Tagelieder Reinmars des Alten, Walthers von der Vogelweide und W.s v. E. In: Sexualit¨at im Gedicht. Hg. v. Theo Stemmler/Stefan Horlacher. T¨ubingen 2000, S. 65–81. – Klaus Speckenbach: Tagelied-Interpretationen zu W.s ‹Von der zinnen› (MF V) und Oswalds ‹Los, frau, und h¨or› (Kl. 49). In: Germanistische Medi¨avistik. Hg. v. Volker Honemann/Tomas Tomasek. M¨unster/Westf. 2000, S. 227–253. – C. Kiening: Zwischen K¨orper und Schrift. Texte vor dem Zeitalter der Lit. Frankfurt/M. 2003, S. 157–175, 362–366. – J. Bumke: W. v. E. Stuttgart u. a. 82004. – Ren´e P´erennec: W. v. E. Paris 2005. – Mar´ıa del Carmen Balbuena Torezano: Analyse eines prototypischen Tageliedes. W. v. E.s ‹Sine Klawen›. In: Alfinge 18 (2006) S. 5–14. – Katharina Boll: ‹Alsˆo redete ein vrowe schoene›. Unters. zu Konstitution und Funktion der Frauenrede im Minnesang des 12. Jh. W¨urzburg 2007, S. 481–500. – Sieglinde Hartmann: Sexualit¨at und ¨ S¨unde bei W. v. E.? Uberlegungen zum Lied ‹Ein wip mac wol erlouben mir› (MF III, 5,16). In: ´ Erotisme et Sexualit´e. Actes du Colloque International de 5,6 et 7 Mars 2009 a` Amiens. Hg. v. Danielle Buschinger. Amiens 2009, S. 113–119. – Wolfgang Achnitz: W. als Minnes¨anger. Intertextualit¨at und Autoreferentialit¨at der Liebeslyrik um 1200. In: ZfdA 139 (2010) S. 277–298. – Horst Brunner: W. v. E. Gunzenhausen 22010. – Manuel Braun: Epische Lyrik, lyrische Epik. W.s v. E. Werk in transgenerischer Perspektive. In: Lyrische Narrationen, narrative Lyrik. Gattungsinterferenzen in der ma. Lit. Hg. v. Hartmut Bleumer/ 157
um 1200 Caroline Emmelius. Berlin 2011, S. 271–308. – J. Heinzle (Hg.): W. v. E. Ein Hdb. 2 Bde. Berlin 2011 (Lit.). – Vgl. auch die Lit. zu Wolf → Ron. MM Albrecht von Johansdorf (Johann[e]sdorf, Jansdorf; Albertus de Jahenstorff, Janestorf, Johanstorf). – Minnes¨anger, um 1190/1200. A. geh¨orte einem niederbayerischen Ministerialengeschlecht an, das vermutlich aus der Region Landau/Vilshofen stammte. Die Herkunftsangabe Johansdorf kann mit keinem konkreten Ort zweifelsfrei identifiziert werden. Im Zeitraum 1172–1255 sind mehrere Tr¨ager des Namens A. v. J. bezeugt, bei denen es sich um mindestens drei Generationen handeln d¨urfte. Da eines der unter A.s Namen tradierten Lieder einem Lied des provenzalischen Trobadors Albert Marque de Malaspina (nachgewiesen 1188–1210) nachgebildet ist (MF 93,12), d¨urfte der Dichter der zweiten Generation zuzuordnen sein. Er wird zuerst 1180 (gemeinsam mit seinem Vater) und bis 1209 (?) urkundlich erw¨ahnt. Sowohl A. als auch sein Vater standen in einem Dienstverh¨altnis zu den Bisch¨ofen von Bamberg und Passau. Ob A. unter Bischof Wolfger von Erla am Passauer Hof gesungen hat, ist m¨oglich, aber spekulativ. Da sich unter A.s Dichtungen f¨unf Kreuzlieder finden, ist eine Teilnahme A.s am Kreuzzug Friedrichs I. (1189/90) oder aber am Kreuzzug von 1197 wahrscheinlich. Zwingend ist diese Annahme, die nur duch die Verwendung des popul¨aren Liedtypus gest¨utzt wird, indes nicht. In einem → Reinmar von Brennenberg zugeschriebenen Dichternachruf wird A. zusammen mit → Friedrich von Hausen angef¨uhrt. Ein sp¨ater literarischer Widerhall ist A.s Erscheinen in Gustav Freytags Bildern aus der deutschen Vergangenheit, wo er als Vertreter des fr¨uhen Minnesangs fungiert. Alle u¨ berlieferten Lieder lassen sich thematisch und formal der Zeit um 1190 zuordnen: A. verwendet u¨ berwiegend heterometrische strophische Großformen mit teilweise untergliederten Langzeilen und zeigt u. a. eine Neigung zu Sechstaktern und Daktylen. Wenn seine Dichtungen somit noch Merkmale aus der Tradition des donaul¨andischen Minnesangs aufweisen, sind sie in der Form dennoch modern, und A. geht mit der Anwendung der Kanzonenstrophe u¨ ber die Schule Friedrichs von Hausen hinaus. Unter seinen u¨ berwiegend monologischen Minneliedern finden sich auch zwei Wechsel und zum ersten Mal im dt. 158
um 1200 Minnesang auch zwei Dialoglieder, darunter ein Werbungsdialog. Dieser wartet mit einer u¨ berraschenden Pointe auf, indem die Minnedame als Dienstlohn f¨ur den S¨anger gesteigertes Ansehen und Selbstwertgef¨uhl in Aussicht stellt. Thematisiert werden außerdem die Fernminne, die Unerf¨ulltheit des Werbens aber auch die Gegenseitigkeit der Minne. Hinsichtlich der Liebeskonzeption A.s ist der westliche Einfluss sp¨urbar. F¨ur eines seiner Kreuzlieder ist ein Abschiedslied des Conon de B´ethune als Quelle gesichert. Dieses Lied und A.s weitere vielstrophige Kreuzlieddichtungen bilden das Zentrum seines dichterischen Schaffens und u¨ bertreffen die anderen bei ihm auftretenden Liedtypen nicht nur an Umfang sondern auch hinsichtlich ihrer literarhistorischen Bedeutung. A. behandelt die Kreuzzugsthematik immer im Kontext der Liebesbindung an die Dame, so dass seine Kreuzlieder stets auch Minnelieder sind. Dabei gelingt dem S¨anger-Ich die Vereinbarung von Liebesbeziehung und Kreuzzugsteilnahme (z. B. durch das Mitf¨uhren der Geliebten im Herzen [MF 94,31]) und es kommt nicht zur Minneabsage (wie bei Friedrich von Hausen und → Hartmann von Aue). Vielmehr pr¨asentiert A. ein Konzept der Koexistenz von Gottes- und Frauenminne, indem er auch der h¨ofischen Liebe einen hohen moralischen Wert attestiert. ¨ Uberlieferung: Heidelberg, UB, Cpg 357 ¨ «Al(→ Heidelberger Liederhs. A) 36r (Uberschrift: brecht von Johannesdorf») 2 Lieder mit 5 Str., 24r (unter → Niune) 1 Lied mit 2 Str., 25v (unter Gedrut) 1 Lied mit 4 Str. (Perg, 1270–80, niederalemannisch). – Ebd., UB, Cpg 848 (→ Heidelberger Liederhs. C) 179v–181rb (Perg., um 1300, aleman¨ nisch) Uberschrift: «Der von Johansdorf»; 12 Lieder mit insgesamt 38 Str.; die letzte Strophe wird e (→ Rubin auf 395v unter «Rubin von Rudiger» und R¨udiger) wiederholt. – Stuttgart, LB, Cod. HB XIII 1 (→ Weingartner Liederhs. B) S. 40 (Perg., erstes Viertel 14. Jh., alemannisch) 8 Lieder mit ¨ insgesamt 17 Str., Uberschrift: «Her Albreht von Jansdorf». – B bietet keine Strophe, die nicht auch in C aufgenommen w¨are; A u¨ berliefert ein vierstrophiges Kreuzlied im A.-Corpus der Hs. unikal (MF 87,5). – Die Miniaturen in B und C zeigen A. jeweils stehend mit Minnedame. Wappenschild nur in C, Kleinod (Helm mit drei roten Blumen) in B und C. Ausgaben (Auswahl): David P. Sudermann: The Minnelieder of A. v. J. Edition, commentary, interpretation (GAG 201). G¨oppingen 1976. – MF 159
Albrecht von Johansdorf 1 (381988) S. 178–195. – G¨unther Schweikle: Die ¨ mhd. Minnelyrik. Texte und Ubertragungen, Einf. und Komm. Bd. 1: Die fr¨uhe Minnelyrik. Darmstadt 1977 (Nachdr. Stuttgart 1993) S. 326–351, 546–564. – Teilausgaben: Pretzel (s. Lit.). – Ulrich M¨uller: Kreuzzugsdichtung (Dt. Texte 9). Tu¨ bingen 21979, S. 42–47. – Dt. Lyrik des fr¨uhen und hohen MA. Edition der Texte und Komm. v. ¨ Ingrid Kasten. Ubersetzung v. Margherita Kuhn (BMA 3/BdK 129). Frankfurt/M. 1995 (Taschenbuch 2005) S. 164–183, 683–700. – Olive Sayce: Romanisch beeinflußte Lieder des Minnesangs. ¨ Mit Ubersetzung, Komm. und Glossar (GAG 664). G¨oppingen 1999, Nr. 3, 4. – Helmut Brackert: ¨ Minnesang. Mhd. Texte mit Ubertragungen und Anm. Frankfurt/M. 22008, S. 60–71. – A.s v. J. Lieder finden sich zudem in zahlreichen Anthologien. Bibliographie: Helmut Tervooren: Bibliogr. zum Minnesang und zu den Dichtern aus Des Minnesangs Fr¨uhling. Mit einem Geleitwort v. Hugo Moser (Bibl. zur dt. Lit. des MA 3). Berlin 1969, Nr. 14–27 (Ausg.) Nr. 556–564 (Lit.). Literatur: Wilhelm Willmans, ADB 14 (1881) S. 484. – Wolfgang Stammler, NDB 1 (1953) S. 178. – Karl-Heinz Schirmer, VL2 1 (1978) Sp. 191–195. – David P. Sudermann, LexMA 1 (1980) Sp. 325 f. – De Boor/Newald 2 (111991) S. 492 (Reg.). – Claudia H¨andl/Red., Killy2 1 (2008) S. 81 f. – Adolar Angermann: Der Wechsel in der mhd. Lyrik. Diss. Marburg 1910, S. 71. – Kurt Herbert Halbach: Walther v. der Vogelweide und die Dichter v. Minnesangs Fr¨uhling (T¨ubinger germanistische Arbeiten 3). Stuttgart 1927. – Edward Schr¨oder: Bogenf¨ullsel. Engelhart v. Adelnburg – A. v. J. In: ZfdA 67 (1930) S. 272–287. – Ursula Aarburg: Singweisen zur Liebeslyrik der dt. Fr¨uhe. D¨usseldorf 1956, S. 40. – Werner Betz: Andreas Cappelanus und der Minnesang. In: Unterscheidung und Bewahrung. FS Hermann Kunisch. Hg. v. Klaus Lazarowicz. Berlin 1961, S. 16–19, hier S. 18. – Ulrich Pretzel: Die Kreuzzugslieder A.s v. J. In: FS Louis L. Hammerich. Kopenhagen 1962, S. 229–244 (wieder in: Ders.: Kleine Schr. Hg. v. Wolfgang Bachhofer. Berlin 1979, S. 170–186). – Robert Bergmann: Unters. zu den Liedern A.s v. J. Diss. Freiburg i. Br. 1963. – Ulrich F¨ulleborn: Die Motive Kreuzzug und Minne und das Gestaltungsprinzip in den Liedern A.s v. J. In: Euph. 58 (1964) S. 337–374 (u. d. T. ‹’Kurz und lanc gewahsen – Bˆı ein ander stuont ez schˆone’. Zu den Liedern 160
Albrecht von Johansdorf A.s v. J.› wieder in: Ders.: Besitz und Sprache. Offene Strukturen und nicht-possessives Denken in der dt. Lit. Ausgew¨ahlte Aufs¨atze. Hg. v. G¨unther Blamberger u. a. M¨unchen 2000, S. 11–49). – U. Aarburg: Melodien zum fr¨uhen dt. Minnesang. In: Der dt. Minnesang. Aufs¨atze zu seiner Erforschung. (WdF 15). Hg. v. Hans Fromm. Darmstadt 31966, S. 399–401. – Hermann Ingebrand: Interpretationen zur Kreuzzugslyrik Friedrichs v. Hausen, A.s v. J., Heinrichs v. Rugge, Hartmanns von Aue und Walthers von der Vogelweide. Diss. Frankfurt/M. 1966. – R. Bergmann: A. v. J. und seine Stellung im dt. Minnesang. In: DU 19 (1967) S. 32–50. – Maria B¨ohmer: Unters. zur mhd. Kreuzzugslyrik (Studi di filologia tedesca 1). Rom 1968, S. 39–52. – K.H. Schirmer: Rhetorisches im Kreuzlied A.s v. J.: ‹Die hinnen varn, die sagen durch got› (MF 89, 21). In: In: Mediævalia litteraria. FS Helmut de Boor. Hg. v. Ursula Hennig/Herbert Kolb. M¨unchen 1971, S. 229–253. – Hans-Herbert S. R¨akel: Drei Lieder zum dritten Kreuzzug. In: DVjs 47 (1973) S. 508–550, passim. – Ulrike Theiss: Die Kreuzlieder A.s v. J. und die anderen Kreuzlieder aus des Minnesangs Fr¨uhling. Diss. Freiburg i. Br. (1971) 1974. – Sudermann (s. Ausg.). – Hugo Bekker: The poetry of A. v. J. (Davis medieval texts and studies 1). Leiden u. a. 1978. – Ders.: A. v. J.: ‹Mich mac der tot ir minnen wol scheiden›. In: Wege der Worte. FS Wolfgang Fleischhauer. Hg. v. Donald C. Riechel. K¨oln/Wien 1978, S. 167–177. – Wayne B. Kraft: Attribution and athetization in literature with special reference to Walther von der Vogelweide and A. v. J. Diss. Urbana (IL) 1978. – Uwe Meves: Zur urkundlichen Bezeugung A.s v. J.s. In: Euph. 75 (1981) S. 103 f. – Karl Hubert Fischer: Zwischen Minne und Gott. Die geistesgeschichtlichen Voraussetzungen des dt. Minnesangs mit besonderer Ber¨ucksichtigung der Fr¨ommigkeitsgesch. (Europ¨aische Hochschulschr. 1,843). Frankfurt/M. u. a. 1985, S. 232–244. – K. H. Schirmer: Kreuz- und Liebeslied 94,15 ‹Guote liute, holt diu gabe›. In: Hb. der Lit. in Bayern. Vom Fr¨uhMA bis zur Gegenwart. Gesch. und Interpretationen. Hg. v. Albrecht Weber. Regensburg 1987, S. 79–88. – Codex Manesse. Die Miniaturen der Großen Heidelberger Liederhs. Hg. und erl. v. Ingo F. Walther unter Mitarbeit v. Gisela Siebert. Frankfurt/M. 1988 (62001) S. 115 f. (Tf. 56). – Gerhard Hahn: Habemus ad Dominam? Das Herz der Minnes¨anger zwischen Frauen und Gottesdienst. In: Sursum Corda. Variationen 161
um 1200 zu einem liturgischen Motiv. FS. Philipp Harnoncourt. Hg. v. Erich Renhart/Andreas Schnider. Graz 1991, S. 31–38. – Elke Ukena-Best: Vrowe guot. A. v. J., MF 93,12. In: Geist und Zeit. Wirkungen des MA in Lit. und Sprache. FS Roswitha Wisniewski. Hg. v. Carola L. Gottzmann/H. Kolb. Frankfurt/M. u. a. 1991, S. 151–166. – Christa Ortmann/Hedda Ragotzky: Das Kreuzlied. Minne und Kreuzfahrt. A. v. J.: ‹Guote liute, holt die gˆabe›. In: Gedichte und Interpretationen. MA. Hg. v. H. Tervooren (RUB 8864). Stuttgart 1993, S. 169–190. – Silvia Ranawake: A. v. J. Wegbereiter Walthers von der Vogelweide? In: Wolfger von Erla, Bischof von Passau (1191–1204) und Patriarch von Aquileja (1204–1218) als Kirchenf¨urst und Literaturm¨azen (Germ. Bibl. NF 3/20). Hg. v. Egon Boshof/Fritz Peter Knapp. Heidelberg 1994, S. 249–280. – Antonius H. Touber: ‹... daz ist dest w´erd`er ...›. Le refus prometteur d’A. de J. In: La ‹Fin’Amor› dans la culture f´eodale (Greifswalder Beitr. zum MA 21/Wodan 36). Hg. v. Danielle Buschinger/Wolfgang Spiewald. Greifswald 1994 S. 187–194. – Axel Eisbrenner: Minne, diu der werlde ir vr¨oude mˆeret. Unters. zum Handlungsaufbau und zur Rollengestaltung in ausgew¨ahlten Werbungsliedern aus ‹Des Minnesangs Fr¨uhling› (Helfant-Stud. 10). Stuttgart 1995, Reg. – Thomas Bein: ‹Mit fremden Pegasusen pfl¨ugen›. Unters. zu Authentizit¨atsproblemen in mhd. Lyrik und Lyrikphilologie (Phil.Stud.u.Qu. 150). Berlin 1998, Reg. – Dieter Will: A. v. J., ein Minnes¨anger und Kreuzzugsliederdichter aus dem Vilstal (geboren um 1160, gestorben nach 1209). In: Vilshofener Jb. 6 (1998) S. 7–12. – William E. Jackson: Poet, woman, and crusade in songs of Marcabru, Guiot de Dijon, and A. v. J. In: Mediaevalia 22 (1999) S. 264–290. – Harald Haferland: Hohe Minne. Zur Beschreibung der Minnekanzone (Beih. ZfdPh 10). Berlin 2000, Reg. – U. Meves (Hg.): Regesten dt. Minnes¨anger des 12. und 13. Jh. Berlin/New York 2005, S. 109–124. – Peter Folk: Der Minnes¨anger A. v. J., seine Familie und das Nibelungenlied. In: Alemannisches Jb. 2003/04 (2006) S. 107–240. – Katharina Boll: Alsˆo redete ein vrowe schoene. Unters. zu Konstitution und Funktion der Frauenrede im Minnesang des 12. Jh. (W¨urzburger Beitr. zur dt. Philologie 31). W¨urzburg 2007, S. 286–309. – Franz Hundsnurscher: Insistieren in A. v. J.s Dialoglied. In: wort unde wise – singen unde sagen. FS Ulrich M¨uller. Hg. v. Ingrid Bennewitz (GAG 741). G¨oppingen 162
um 1200
Franziskus von Assisi
2007, S. 35–52. – Theodor Nolte: A. v. J. Einer der bedeutendsten Minnes¨anger des bair. Raums. In: Ostbair. Lebensbilder. Bd. 3 (Neue Ver¨off. des Inst. f¨ur Ostbair. Heimatforschung der Univ. Passau 54,3). Passau 2007, S. 48–63. – Detlef Goller: Minnesang im Zeichen des Kreuzes. A.s v. J. Lied ‹Min erste liebe, der ich ie begann› (MF 86,1). In: Interdisziplin¨are Germanistik im Schnittpunkt der Kulturen. FS Dagmar Neuendorff. Hg. v. Michael Max Szurawitzki/Christopher M. Schmidt. W¨urzburg 2008, S. 41–54. – Anja Becker: Lyrische und epische Stichomythien: Eilhart v. Oberg – Heinrich v. Veldeke – A. v. J. In: Aspekte einer Sprache der Liebe. Formen des Dialogischen im Minnesang (Publ. zur Zs. f¨ur Germanistik NF 21). Hg. v. Marina Mu¨ nkler. Bern u. a. 2011 S. 253–272. VZ Franziskus von Assisi → Band 1, Sp. 572–575. Veni, redemptor Sp. 599–601.
gentium
→ Band
1,
Burkhard von Hohenfels. – Minnes¨anger. Der Mitbegr¨under der sp¨ath¨ofischen Minnelyrik ist in der → Heidelberger Liederhandschrift C, die auch sein Werk u¨ berliefert, bildlich als Ritter dargestellt, der einer Hofdame ein unbeschrieben wirkendes Blatt reicht. Das im oberen Teil der Illustration dargestellte Wappen verweist auf die Familie der von Hohenfels, die auf der bei Sipplingen am Bodensee gelegenen Burg Hohenfels ans¨assig war. B. selbst ist urkundlich seit 1191 nachweisbar. Er hielt sich 1216 – vielleicht als Begleiter von Bischof Konrad von Konstanz – bei Kaiser Friedrich II. in Ulm auf. Sp¨ater bewegte er sich von 1222 bis etwa 1228 im Umfeld von Friedrichs Sohn, K¨onig Heinrich VII. Zuletzt ist B. 1242 als Ritter bei Bischof Heinrich von Konstanz beurkundet. In der Forschung galt B. lange als staufischer Ministerialer, doch k¨onnte er auch im Dienst des Konstanzer Hochstifts gestanden haben. Er kannte Konrad von Winterstetten, Eberhard von Waldburg und Heinrich I. von Neifen, doch kann u¨ ber die vielleicht literarische Natur dieser Kontakte nur spekuliert werden. Die in der Forschung ebenfalls vorhandene These, es habe sich bei B. um einen von 1249 bis 1292 belegten Konstanzer Magister, Notar, Domscholaster und sp¨ateren Bischofszeller Propst gehandelt, ist bis heute nicht bewiesen. Die Zeichnung in C stellt B. jedenfalls nicht als Geistlichen dar. C u¨ berliefert unter B.s Namen ein Korpus von 18 Liedern mit insgesamt 81 Strophen, deren Melodien nicht bekannt sind. Die Eintragungen in 163
der Handschrift werden allgemein Schreiber A zugeordnet. Kodikologisch interessant ist die Einlage eines zus¨atzlichen Doppelblatts in die Handschrift (Senio Lage 11). Mo¨ glicherweise wurde ein urspr¨unglich kleineres Korpus hier durch eine neue Vorlage erg¨anzt, deren Text nachtr¨aglich eingearbeitet wurde. Der in C erhaltene Text ist von hoher Qualit¨at; seine Vorlagen und seine Autorn¨ahe sind aber ungekl¨art. B.s Werk besteht u¨ berwiegend aus drei- oder f¨unfstrophigen Kanzonen. Auf der Grundlage seiner Versstruktur kann es in zwei Hauptgruppen eingeteilt werden (Liednummern nach Kraus LD): Lieder mit gleichversigen Strophen, oft mit Beschwerung am Schluss (Lieder III, VI, IX, X, XII, XVI–XVIII), und Lieder mit ungleichversigen Strophen, u¨ berwiegend mit viertaktigen Stollen und aufwendig strukturierten Abges¨angen (II, IV, V, VIII, XIII, XIV). Neben diesen Hauptgruppen enth¨alt B.s Werk auch Tanzlieder (I, XI) und Gespielengespr¨ache (VII, XV). Die formalen und inhaltlichen Konventionen des hohen Minnesangs beherrscht B. souver¨an. B.s Bedeutung als Dichter liegt jedoch in der ¨ Uberf¨ uhrung der hochh¨ofischen Lyrik in den artistisch durchgeformten «ornatus difficilis». Der gebl¨umte Stil wird bei B. erstmals systematisch angewandt und zeigt eine Schw¨achung der ethischen Aspekte der Hochminne zugunsten des k¨unstlerischen Ausdrucks. Bemerkenswert ist besonders B.s lyrischer Umgang mit Gem¨utsbewegungen, die er in innovative Allegorien, Bilder und Vergleiche kleidet. H¨aufig entlehnt er seine Bilder aus Jagd und Falknerei (III, VIII, X, XII, XIV, XVIII) oder aus Natur und Gartenbau ( IV–VI, XIII–XV). Weiterhin finden sich milit¨arische und juristische Ankl¨ange in B.s Lyrik, etwa wenn er die Minne als Belagerung oder Belehnung darstellt. Bei B. ist u. a. schon das sp¨ater popul¨are Bild von der Minneburg angelegt. Obwohl B.s Werk stilistisch noch mit → Wolfram von Eschenbach, → Gottfried von Straßburg und → Konrad von W¨urzburg vergleichbar ist, unterscheidet es sich durch manieristische Z¨uge von seinen Vorl¨aufern. Vielmehr ist B. als Vorreiter → Gottfrieds von Neifen und → Ulrichs von Winterstetten anzusehen. Der Einfallsreichtum seiner Bilder und Allegorien wirkte bis in die sp¨atere Minnelyrik hinein. Noch im 20. Jh. griff Hugo von Hofmannsthal in seinem Jedermann (1911) auf B.s Werk zur¨uck. 164
Otto von Botenlauben ¨ Uberlieferung: Heidelberg, UB, Cpg 848, 110r–113rb (Perg., erste H¨alfte 14. Jh.). Ausgaben: Kraus LD 1 (21978) S. 33–51. – Burghart Wachinger (Hg.): Dt. Lyrik des sp¨aten MA (BdK 191/BMA 22). Frankfurt/M. 2006, S. 96–113, 685, 693 (Teilausg.). – Vgl. auch die Ausgaben der Heidelberger Liederhandschrift C. Literatur: Wilhelm Wilmanns, ADB 12 (1880) S. 673. – Manfred Krebs, NDB 3 (1957) S. 30. – Hugo Kuhn, VL2 1 (1978) Sp. 1135 f.; 11 (2004) Sp. 308. – Kraus LD 2 (21978) S. 31–52. – Volker Mertens, LexMA 2 (1983) Sp. 1105. – De Boor/Newald 2 (111991) S. 327–331. – Claudia H¨andl/Jens Pfeiffer, Killy2 2 (2008) S. 310 f. – Max Sydow: B. v. H. und seine Lieder. Eine litterarhist. Unters. Berlin 1901. – Die große Heidelberger Liederhs. in getreuem Textabdruck. Hg. v. Friedrich Pfaff. Heidelberg 1909, Sp. 372–389. – Karl Preisendanz: Minnes¨anger B. v. H. In: Badische Heimat 23 (1936) S. 136–143. – Ewald Jammers: Das k¨onigliche Liederbuch des dt. Minnesangs. Eine Einf. in die sog. Manessische Hs. Heidelberg 1965, S. 126, 140 u. o¨ . (vgl. dazu: Hella Fr¨uhmorgenVoss, in: PBB [T¨ub.] 88, 1967, S. 371–380). – Hugo Kuhn: Minnesangs Wende (Hermaea NF 1). T¨ubingen 1967, S. 7–43, 188 u. o¨ . – Helke Jaehrling: Die Gedichte B.s v. H. Hamburg 1970 (vgl. dazu: Ju¨ rgen Vorderstemann, in: AfdA 83, 1972, S. 190–193). – J. Vorderstemann: Zu B. v. H. ‹Mich m¨uet daz sˆo manger sprichet› (KLD 6, XVI). In: Beitr. zur weltlichen und geistlichen Lyrik des 13. bis 15. Jh. W¨urzburger Colloquium 1970. Hg. v. Kurt Ruh/Werner Schr¨oder. Berlin 1973, S. 40–53. – Christoph Gerhardt: B.s v. H. ‹Nˆach des aren site ir eˆ re› (KLD 6,II). In: ebd., S. 54–67. – Joachim Bumke: Ministerialit¨at und Ritterdichtung. Umrisse der Forschung. Mu¨ nchen 1976, S. 63, Anm. 358 und 370. – Silvia Ranawake: H¨ofische Strophenkunst. Vergleichende Unters. zur Formentypologie von Minnesang und Trouverelied an der Wende zum Sp¨atMA (MTU 51). Mu¨ nchen 1976, passim. – Thomas Cramer: ‹Sˆo sint doch gedanke frˆı›. Zur Lieddichtung B.s v. H. und Gottfrieds von Neifen. In: Liebe als Lit. FS Peter Wapnewski. Hg. v. R¨udiger Krohn. M¨unchen 1983, S. 47–61. – Rosemary T. Morewedge: From Game to Celebration: B. v. H., KLD 6, X and XI. In: From Symbol to Mimesis. The Generation of Walther von der Vogelweide. Hg. v. Franz Heinrich B¨auml (GAG 368). G¨oppingen 1984, S. 208–230. – Dirk Joschko: Drei Lyriker an 165
1. H¨alfte 13. Jh. der Schwelle des Sp¨atMA. B. v. H., Gottfried von Neifen, Ulrich von Winterstetten. In: Dt. Lit. des Sp¨atMA. Ergebnisse, Probleme und Perspektiven der Forschung. Hg. v. Wolfgang Spiewok. Greifswald 1986, S. 104–122. – C. H¨andl: Rollen und pragmatische Einbindung. Analysen zur Wandlung des Minnesangs nach Walther von der Vogelweide (GAG 467). G¨oppingen 1987, S. 228–257. – Codex Manesse. Die Miniaturen der Großen Heidelberger Liederhs. Hg. und erl. v. Ingo F. Walther unter Mitarbeit v. Gisela Siebert. Frankfurt/M. 1988 (62001) S. 76 f. (Tf. 38). – Susanne Staar: Die ‹chanson de malmari´ee›. B. v. H.: ‹Ich wil mˆın gem¨uete erjetten›. In: Gedichte und Interpretationen. MA. Hg. v. Helmut Tervooren (RUB 8864). Stuttgart 1993, S. 233–250. – Markus Stock: Die unm¨ogliche Emp¨orung des S¨angers. Zu Heinrichs von Morungen ‹Ich wil ein reise› und B.s v. H. ‹Mich m¨uet daz so manger sprichet›. In: Traurige Helden. Hg. v. Wolfgang Haubrichs. Stuttgart/Weimar 1999, S. 156–166. – Gert H¨ubner: Lobblumen. Stud. zur Genese und Funktion der ‹Gebl¨umten Rede›. T¨ubingen 2000, S. 301–310. – M. Stock: M¨annlichkeit in der Lyrik B.s v. H. In: Aventiuren des Geschlechts. Modelle von M¨annlichkeit in der Lit. des 13. Jh. Hg. v. Martin Baisch. G¨ottingen 2003, S. 77–100. – Uwe Meves (Hg.): Regesten dt. Minnes¨anger des 12. und 13. Jh. Berlin/New York 2005, S. 227–242. – M. Stock: ‹in den muot gebildet›. Das innere Bild als poetologische Metapher bei B. v. H. In: Im Wortfeld des Textes. Worthist. Beitr. zu den Bezeichnungen von Rede und Schrift im MA. Hg. v. Gerd Dicke u. a. Berlin 2006, S. 211–230. – Helmut Weidhase: B. v. H., ein hoher Minnes¨anger vom Bodensee aus staufischer Zeit. In: Leben am See 28 (2011) S. 80–90. MM Otto von Botenlauben (Graf O. von Henneberg), * vor dem 7.2.1245, † bestattet in der Frauenroder Klosterkirche; heutiges Grabmal: Dorfkirche Frauenroth. – Minnes¨anger und Leichdichter. O. ist der vierte Sohn Graf Poppos VI. von Henneberg und zwischen 1197 und 1244 urkundlich reichhaltig bezeugt (zun¨achst als «O. comes de Henneberg», seit 1206 als «comes de Boutenlouben» nach der Burg u¨ ber Kissingen). Wie sein Vater stand er in enger Beziehung zum Stauferhof. Der erste Nachweis (1197 als Zeuge in einer sizilianischen Urkunde Kaiser Heinrichs VI.) legt eine 166
1. H¨alfte 13. Jh. Teilnahme an Heinrichs Kreuzug nahe. Auch in Urkunden Friedrichs II. und Heinrichs (VII.) tritt O. in Erscheinung. Zwischen 1208 und 1220 ist O. teils in Syrien, teils in Deutschland bezeugt. In Syrien schloss er eine territorialpolitisch a¨ußerst vorteilhafte Ehe mit Beatrix, einer Tochter des Seneschalls von Jerusalem, Joscelins III. von Courtenay. Das Ehepaar unterhielt in Syrien enge Beziehungen zum Johanniter- und zum Deutschherrenorden. 1220 kehrte O. endg¨ultig nach Deutschland zur¨uck und erscheint oft im Umfeld W¨urzburger Kleriker. Enger Kontakt bestand insbesondere zu F¨urstbischof Hermann I. Auch urkundet O. wieder im Umkreis der Staufer. Da seine beiden S¨ohne und sein Enkel in den geistlichen Stand traten blieb O. ohne m¨annliche Erben. Zusammen mit Beatrix gr¨undete er 1231 das Zisterzienserkloster Frauenroden bei Kissingen, welches das Paar in der Folge mit großz¨ugigen Zuwendungen bedachte. 1234 wurde Burg Botenlauben an den W¨urzburger Bischof verkauft. Am 7.2.1245 ist Beatrix als Witwe bezeugt. O.s dichterisches Schaffen wird im allgemeinen angesetzt f¨ur den ungef¨ahren Zeitraum zwischen 1196/97 (Kreuzzugsthematik) und 1230, der durch die Klosterstiftung manifestierten Wendung der Familie ins Geistliche. In Relation zum relativ schmalen u¨ berlieferten Œuvre sind die Lieder O.s vielseitig: neben einem Leich finden sich sechs Werbelieder (Lied 1, 2, 5–7, 10), wobei sich noch ein Frauen-Monolog (8) und ein Kreuzlied-Wechsel (12) dieser Gruppe zuordnen lassen, und f¨unf Tagelieder (3, 4, 9, 13, 14). Die Gruppe der Werbelieder ist thematisch gepr¨agt vom Fernminne-Thema. Inhaltlich sind sie von der «Hausen-Schule» (→ Friedrich von Hausen) und → Albrecht von Johansdorf beeinflusst. Sprache und Reime sind einfach und konventionell. Kennzeichen vor allem der einstrophigen Werbelieder ist die sentenzhafte Knappheit der Aussagen und die pointierte Bildhaftigkeit. Formal handelt es sich um vier- und f¨unfhebige Kanzonenstrophen mit Zweiversstollen in der Tradition des staufischen Minnesangs mit seinen romanischen Bauformen. Auff¨allig ist die ausnahmslose Einstrophigkeit der (meist auftaktigen) Vierheber (Lied 1, 2, 6, 10). Neben den romanischen Einfl¨ussen verweisen die oft gleichversigen Strophen allerdings auch schon auf den sp¨ateren schw¨abischen Minnesang (vor allem → Gottfried von Neifen). Die Kanzonen der Tagelieder basieren auf der dt. Langzeilentradition. Lied 13 hat den in der 167
Otto von Botenlauben Romania typischen «alba»-Refrain. Lied 3 und 13 sind W¨achtertagelieder (3 ist ein W¨achter-RitterDialog, in 13 kommt zus¨atzlich auch die Dame zu Wort). Lied 4, 9 und 14 sind originelle Variationen des Grundtypus, die mit dem gleichen Personal nicht den Abschied sondern das Warten auf den Liebhaber und die Begr¨ußung schildern. Inhaltlich und formal besteht eine N¨ahe zu den zeitgen¨ossischen Tagelied-Dichtungen des Markgrafen von → Hohenburg und → Wolframs von Eschenbach. Die j¨ungeren Tagelieder → Ulrichs von Winterstetten und → Ulrichs von Liechtenstein k¨onnten von O. beeinflusst sein. Der Leich ist ein fr¨uhes Beispiel f¨ur einen von romanischen Lais und Descorts angeregten dt. Minneleich und basiert formal auf der zweitaktigen Lai-Zeile. Die einzelnenh Versikel unterscheiden sich lediglich in der unterschiedlichen Zusammnestellung dieser Zeilen, gelegentlich scheinen auch Viertakter eingesetzt zu sein. In formal kunstvollu¨ ppiger Gestalt (in Kontrast zu den schlichten Werbeliedern) werden hier typische Minnesituationen ausf¨uhrlich durchgespielt. Eine Wirkung auf Winterstettens Leichdichtung ist wahrscheinlich. ¨ O. steht literarhistorisch als Ubergangsgestalt zwischen der «Hausen-Schule» und dem schw¨abischen sp¨ath¨ofischen Minnesang. W¨urdigung als Minnes¨anger findet O. im Renner (V. 1179 f.) → Hugos von Trimberg. Die Mauern der Burg Botenlauben werden in einem Lied Gottfrieds von Neifen (Kraus LD XXVII) erw¨ahnt. Cyriacus Spangenberg rekurriert in der Hennebergischen Chronik (Straßburg 1599) auf eine Verserz¨ahlung u¨ ber die ritterlichen Taten O.s, doch muss diese als verloren gelten. ¨ Uberlieferung: Heidelberg, UB, Cpg 848 (→ Heidelberger Liederhs. C) 27r–28vb (Perg., um 1300, alemannisch); letzter in der Grafen-Reihe. 22 Str. (13 Lieder [7 Einstropher]) und 1 Leich inmitten der Lieder. Nach C 6/7 (Lied 4) ist Raum f¨ur eine weitere Str. gelassen. Bild¨uberschrift: «Graue Otto v¯o Bottenlˇobe». Lied 4 und 9 werden wegen thematischer Verwandschaft und Tongleichheit und ¨ wegen der Uberl. in der Prager Hs. (s. u.) v. einigen Hg. als zusammengeh¨orig betrachtet. – Stuttgart, LB, Cod. HB XIII 1 (→ Weingartner Liederhs. B) S. 23–25. (Perg., erstes Viertel 14. Jh., alemannisch). 10 Str., davon 1–8 auch im O.-Corpus von C (Lied 1–3, 5–8); 9 und 10 stehen in C unter → Walther von Mezze (dort am Beginn des Cor¯ BOT¨ «GRAVE OTTE V pus, 167ra). Uberschrift: TENLOVBEN». – Die Miniaturen von B und 168
Otto von Botenlauben C zeigen O. sitzend mit dem gleichen Wappen, das mit einem erhaltenen Familiensiegel u¨ bereinstimmt. In C u¨ bergibt O. einem Boten (angeregt durch den Namen [?]) ein Schriftband. – Heidelberg, UB, Cpg 357 (→ Heidelberger Liederhs. A) 39r-v (Perg, 1270–80, niederalemannisch) 3 Str. und der Leich (l¨uckenhaft); Str. 1 und 2 sind vermutlich ¨ von → Rubin, Str. 3 = C Lied 10. Uberschrift: «GRAVE OTTO VON BOTTENLOBEN». Eine weitere Str. aus dem C-Corpus unter Markgraf von Hohenburg (32v; Lied 5, Str. 1) und 3 Str. unter → Niune (23rv; Lied 13). – M¨unchen, BSB, Clm 4660 (→ Carmina Burana) 14r (CB Nr. 48a), 1 Str. (= C Lied 8, Str. 2). Anonyme dt. Zusatzstrophe zu CB 48. – Prag, Nationalbibl., Cod. XXIII.F.128 (vormals F¨urstl. Lobkowitzsche Bibl., Cod. 490) 98r–110r (Pap., 14./15. Jh., lat. [Abschnitt mit dt. Einsprengseln: letztes Viertel 14. Jh., sp¨atestens um 1400], ostmd.). 3 Str. (= C Lied 9 und 4). Ausgaben (Auswahl): HMS 1 (1838) S. 27–32. – Ludwig Bechstein: Gesch. und Gedichte des Minnes¨angers O. v. B. Grafen v. Henneberg. Mit einem Urkundenbuch und Abb. Leipzig 1845 (Nachdr. Neustadt a. d. Aisch 1995) S. 93–217. – Hermann St¨ockel: O. v. B. Neue Unters. und Ausg. seiner Dichtungen. M¨unchen 1882. – O. v. B. Minnelie¨ der. In Ubers. und Originaltext hg. v. Joseph Leusser. Bad Kissingen 1897, 21929. – Schuchard (s. Lit.) S. 61–85. – Kraus LD 1 (21978) S. 307–316. – Klaus Dieter Jaehrling: Die Lieder O.s v. Bodenlouben. ¨ Hamburg 1970 (mit Ubersetzung). – Auswahlausgaben: Dt. Liederdichter des zw¨olften bis vierzehnten Jh.. Hg. v. Karl Bartsch. 4. Aufl. besorgt v. Wolfgang Golther. Berlin 1900, S. 120 f. – Zatoˇcil (s. Lit.) S. 452 (Abdruck Prag). – Hugo Kuhn/ Georg Reichert: Minnesang des 13. Jh. T¨ubingen 21962, S. 59–63. – Tagelieder des dt. MA. Mhd./Nhd. Ausgew¨ahlt, u¨ bers. und komm. v. Martina Backes. Einleitung v. Alois Wolf (RUB 8831). Stuttgart 2003, S. 114–119, 254 f. – Burghart Wachinger (Hg.): Dt. Lyrik des sp¨aten MA (BdK 191/BMA 22). Frankfurt/M. 2006, S. 10–17. – Helmut Brackert: Minnesang. Mhd. Texte mit ¨ Ubertragungen und Anm. Frankfurt/M. 22008, S. 192–195. – Dt. Gedichte des MA. Mhd./Nhd. Ausgew¨ahlt, u¨ bers. und erl. v. Ulrich M¨uller in Zusammenarbeit mit Gerlinde Weiss (RUB 8849). Stuttgart 22009, S. 208–211. Literatur: Franz Xaver von Wegele, ADB 3 (1876) S. 193 f. – Norbert H. Ott, NDB 8 (1969) S. 538 f. – Silvia Ranawake, VL2 7 169
1. H¨alfte 13. Jh. (1989) Sp. 208–213. – De Boor/Newald 2 (111991) S. 208–210. – Riccarda Buschke, LexMA 6 (1993) Sp. 1583 f. – Claudia H¨andl, Killy2 9 (2010) S. 38 f. – HMS 4 (1838) S. 62–68. – Bechstein (s. Ausg.). – St¨ockel (s. Ausg.). – Johannes Voigt zu K¨onigsberg: O. v. Henneberg und die Botenlaube bei Kissingen. In: Neue Beitr. zur Gesch. des dt. Alterthums. Hg. v. dem Hennebergischen alterthumsforschenden Ver. 1. Lfg. (1858) S. 65–80. – F. X. von Wegele: Graf O. v. Henneberg-B. und sein Geschlecht 1180–1250. W¨urzburg 1875. – St¨ockel ¨ (s. Ausg.). – Franz Eisner: Uber die Syntax bei O. v. B./O. v. B.s Dichten und literarische Stellung. Schulprogr. Cilli 1911. – Hans Naumann: Die Hohenstaufen als Lyriker und ihre Dichterkreise. In: Dichtung und Volkstum 36 (1935) S. 21–49, hier S. 47–49. – Hans-Karl Schuchard: Der Minnes¨anger O. v. B. Diss. Philadelphia 1940. – Wolfgang Mohr: Wolframs Tagelieder In: FS Paul Kluckhohn/Hermann Schneider. Hg. v. dems. T¨ubingen 1948, S. 148–165, hier S. 151–155 (wieder in: Ders.: Gesammelte Aufs¨atze. Bd. 2: Lyrik [GAG 300]. G¨oppingen 1983, S. 275–295). – Leopold Zatoˇcil: Nov´e pˇr´ıspevky k slezsk´e literatuˇre stˇredov˘ek´e. In: Slezsk´y sborn´ık. Acta Silesiaca 51 (1953) S. 449–463, hier S. 452–455. – Joachim Kr¨oll: O. v. B. In: Arch. f¨ur die Gesch. von Oberfranken 40 (1960) S. 83–107. – Bruce A. Beatie: Carmina burana 48–48a: a case of ‹irregular contrafacture›. In: Modern Language Notes 80 (1965) S. 470–478. – Horst Dieter Schlosser: Stud. zum sog. lyrischen Teil des Liederbuches der Klara H¨atzerlin. Diss. Hamburg 1965, S. 79–83. – Hugo Kuhn: Minnesangs Wende (Hermaea 1). T¨ubingen 21967, Reg. – J¨ahrling (s. Ausg.). – J. Kr¨oll: O. v. B. In: Fr¨ankische Klassiker. Hg. v. Wolfgang Buhl. N¨urnberg 1971, S. 74–84. – Gerhard A. Vogt: Stud. zur Verseingangsgestaltung in der dt. Lyrik des HochMA (GAG 118). G¨oppingen 1974, Reg. – Joachim Bumke: Ministerialit¨at und Ritterdichtung. Umrisse der Forschung (Edition Beck 12). Mu¨ nchen 1976, Reg. – S. Ranawake: H¨ofische Strophenkunst. Vergleichende Unters. zur Formentypologie von Minnesang und Trouv`erelied an der Wende zum Sp¨atMA (MTU 51). Mu¨ nchen 1976, Reg. – Kraus LD 2 (21978) S. 358–380. – A. Wolf: Variation und Integration. Beobachtungen zu hochma. Tageliedern (Impulse der Forschung 29). Darmstadt 1979, S. 80–95. – Olive Sayce: The Medieval German Lyric 1150–1300. The Development of its Themes and Forms in their Euro170
1. H¨alfte 13. Jh. pean Context. Oxford 1982, Reg. – Bernd Ulrich Hucker: Zwei bisher ungedruckte Urkunden zur Gesch. des Minnes¨angers Graf O. v. B. In: Jb. f¨ur fr¨ankische Landesforschung 45 (1985) S. 169–172. – Manfred Eikelmann: Denkformen im Minnesang. Unters. zu Aufbau, Erkenntnisleistung und Anwendungsgesch. konditionaler Strukturmuster des Minnesangs bis um 1300 (Hermaea NF 54). T¨ubingen 1988, Reg. – Codex Manesse. Die Miniaturen der Großen Heidelberger Liederhs. Hg. und erl. v. Ingo F. Walther unter Mitarbeit v. Gisela Siebert. Frankfurt/M. 1988 (62001) S. 28 f. (Tf. 14). – Peter Weidisch (hg.): O. v. B. Minnes¨anger, Kreuzfahrer, Klostergr¨under (Bad Kissinger Arch.-Schr. 1). W¨urzburg 1994 (Sammelbd. mit zahlreichen Beitr.). – Rudolf Kilian Weigand: Vom ¨ Kreuzzugsaufruf zum Minnelied. Uberlieferungsformen und Datierungsfragen weltlicher Minnelyrik. In: Artes liberales. FS Karlheinz Schlager (Eichst¨atter Abh. zur Musikwiss. 13). Hg. v. Marcel Dobberstein. Tutzing 1998, S. 69–92. – Albrecht Hausmann: Corpus und Œuvre bei O. v. B.: ein Editionsmodell f¨ur mehrfach u¨ berlieferte Minnesang-‹Autoren›. In: Akten des X. Internationalen Germanistenkongresses Bd. 5. Hg. v. Peter Wiesinger u. a. Bern u. a. 2002, S. 287–292. – B. U. Hucker: Walther v. der Vogelweide – Wolfram v. Eschenbach – O., Count of B. Annotations on interpreting the references of the lives of Middle High German classical writers, specially their coats of arms. In: Vesture. Avoti un Cilveki (Zinatniskie lasijumi 18). Univ. Daugavpils 2004, S. 36–40. – Cord Meyer: Die dt. Lit. im Umkreis K¨onig Heinrichs (VII.). Stud. zur Lebenswelt sp¨atstaufischer Dichter (Kultur, Wiss., Lit. 17). Frankfurt/M. u. a. 2007, S. 316–322. – Ada St¨utzel: O. v. der Bodenlauben (Graf v. Henneberg). In: 100 Ber¨uhmte Franken. Hg. v. ders. Erfurt 2007, S. 17. VZ In gotes namen varen wir → Band 1, Sp. 605 f. Christus und Pilatus → Band 1, Sp. 606 f. Vil werde sele, halt dich wert → Band 1, Sp. 622 f. Heinrich von Morungen (Her Heinrich von Morvngen, H. H. von Morvngen, Her Heinrich von Morunge, von Morunge, Her Morung, Der. 171
In gotes namen varen wir von. Morvnge, von Mˆorungen, Mˆorungaer), Ende 12./Anfang 13. Jh. – Mhd. Dichter. Die Lebenszeit und der Wirkraum H.s v. M. lassen sich anhand der sprachlichen, formalen und inhaltlichen Merkmale seines Werkes nach Ostmitteldeutschland auf das Ende des 12./Anfang des 13. Jh. bestimmen. Mit großer Wahrscheinlichkeit leitete der Dichter seinen Namen von der Burg Altmorungen bei Sangerhausen ab. Auf das damals th¨uringische Morungen verweist auch das in → Heidelberger Liederhandschrift C dem Dichter zugeordnete Wappen, das in diesem Fall als historisch ¨ korrekt zu werten ist und große Ahnlichkeit zu dem Siegelwappen der Morunger (seit 1376 u¨ berliefert) aufweist. Ein H. v. M. ist weiterhin in zwei Urkunden des Markgrafen Dietrich von Meißen belegt. Von «Henricus de Morungen miles emeritus» datiert zwischen 1213 und dem 17.2.1221, vermutlich vom 18.8.1217, ein Zinsverzicht zugunsten des Thomasklosters. In einer Verzichtserkl¨arung im Rahmen einer G¨uter¨ubertragung an das Kloster Altzelle erscheint ein H. v. M. am 17.8.1218 als Zeuge. Chronologisch sowie geographisch ist eine Identifizierung des in den beiden Zeugnissen genannten H. mit dem Minnes¨anger m¨oglich und gilt in der Forschung zumeist als wahrscheinlich (kritisch hingegen Leuchter 2003). In diesem Fall ist von einem perso¨ nlichen Kontakt zwischen H. v. M. und Markgraf Dietrich dem Bedr¨angten von Meißen, der von → Walther von der Vogelweide in mehreren Sangesspr¨uchen gelobt wird und dessen Sohn Markgraf → Heinrich III. von Meißen ebenfalls als Lyriker wirkte, auszugehen. Sein Wirkradius st¨ande somit in Beziehung zu dem th¨uringischen Landgrafenhof als einem der wichtigsten literarischen Zentren. Hingegen sind die aus dem 16. Jh. stammenden Quellen u¨ ber den Tod H.s 1222 im Thomaskloster sowie seine angeblichen Indienfahrt mit Skepsis zu betrachten. Kein Lied des Dichters und keine zeitgen¨ossischen Belege berichten von diesen Vorg¨angen, die vermutlich durch die Ballade des Indienreisenden Der edle Moringer inspiriert wurden (vgl. dazu R¨uther 2007). ¨ Uberlieferung: Zu H.s v. M. Werk werden 35 Lieder mit insgesamt 115 Strophen gez¨ahlt. Die Große Heidelberger Liederhandschrift C enth¨alt mit 104 Strophen, von denen 56 allein nach der ¨ Uberlieferung von C* bekannt sind, die gr¨oßte Liedersammlung des Dichters: Heidelberg, UB, 172
Heinrich von Morungen cpg 848 (fr¨uher: Pariser Liederhs., Große Heidelberger/Manessische Liederhs., Codex Manesse, Hs. C), 76v–81r, (Perg., Z¨urich, um 1300). Die verschollene Handschrift Ca, die eine direkte Kopie des Codex Manesse darstellt, dokumentiert 43 Strophen, jedoch ohne Namensangabe: Berlin, SBB, Ms. germ. 4°. 519 (Troßsches Fragment, Handschrift Ca), 1r–4r (Perg., s¨udwestdt. Raum [Ellwangen?], 15. Jh.). – 28 Strophen, drei davon unter dem Namen → Dietmars von Aist, sind in der → Weingartner Liederhandschrift B und 26 Strophen in der → Kleinen Heidelberger Liederhandschrift A u¨ berl., wobei A lediglich eine neue Strophe zu dem Korpus aus BC erg¨anzt: Stuttgart, LB, HB XIII poetae germanici 1 (Weingartner/Stuttgarter Liederhs., Hs. B), S. 31 f. (unter «Dietmar von Aste»), S. 80–87 (Perg., westl. Bodenseegebiet [Konstanz?], um 1300); Heidelberg, UB, cpg 357 (Kleine Heidelberger Liederhs., Hs. A), 13v–15r (Perg., Elsass [Straßburg?], 1270–80, Nachtr¨age bis drittes Viertel 14. Jh.). – Vereinzelt erscheinen weitere Strophen in der W¨urzburger Liederhandschrift E (8 Strophen), in einer Sammelhandschrift der Berner Burgerbibliothek p (4 Strophen), der Kremsm¨unster Handschrift S (3 Strophen) und eine neumierte Strophe in den → Carmina Burana: Mu¨ nchen, UB, 20 Cod. ms. 731 (W¨urzburger Liederhs., Hs. E), 169v, 190v, 191r (Perg., W¨urzburg, um 1350); Bern, Burgerbibl., cod. 260 (Hs. p), 234r, 235r (Perg., Straßburg, Mitte 14. Jh.); Kremsm¨unster, Stiftbibl., Cod. 248 (Hs. S), 237v (Perg., Kremsm¨unster?, Mitte oder zweite H¨alfte 13. Jh.; 12 Z. Nachtrag von drei Strophen); M¨unchen, BSB, Clm 4660 und 4660a (Carmina Burana, Codex Buranus, Hs. M), 61r (Perg., bair.-¨osterr. Raum, 13. Jh.). In deutlich u¨ berwiegender Zahl ist die Echtheit der Lieder philologisch nicht angefochten worden, nach Tervooren (Tervooren 1981) kann mit relativer Sicherheit h¨ochstens die Zuschreibung von MF 136,37–137,9a, 146,11–146,35 sowie der Zusatzstrophe 22 B angezweifelt werden. In der Forschung umstritten bleiben jedoch die Versuche, durch a¨sthetisch-formale Kriterien eine Abfolge der Lieder nach ihrer Entstehung zu rekonstruieren (so Maurer 1964, Schweiger 1970, Brandes 1974). In den aktuellen Editionen (MF38, Tervooren3) wird daher erneut die Anordnung nach Handschrift C favorisiert, eine Vorgehensweise, die in Entsprechung zu den Studien Holznagels steht, der in den sorgf¨altig konzipierten Sammelhandschriften f¨ur die einzelnen nach den Autoren definierten Unterteilungen eine planvolle Anordnung 173
1. H¨alfte 13. Jh. der Strophen nach dem Corpusprinzip konstatiert (Holznagel 1995). Ausgaben: Ulrich M¨uller: H. v. M. Abb. zur ge¨ samten hsl. Uberl. (Litterae 2). G¨oppingen 1971. – MF 1, S. 236–282. – Carl v. Kraus: H. v. M. M¨unchen 1925, 21950. – Hennig Brinkmann (Hg.): Liebeslyrik der dt. Fr¨uhe in zeitlicher Folge. D¨usseldorf 1952, S. 238–267. – Helmut Tervooren (Hg.): ¨ H. v. M. Lieder. Text, Ubersetzung, Komm. (RUB 9797). Stuttgart 1975, 21996, 32003. Zum Liedkorpus: Die Lyrik H. v. M. kennzeichnet ihn als einen der bedeutendsten Vertreter der Hohen Minne. Das minnende Ich versieht seinen Dienst an der zur Apotheose gesteigerten Herrin, deren Lobpreis als «aller wˆıbe ein krˆone» (MF 122,9) sie vielfach in die N¨ahe des marianischen Ideals r¨uckt (MF 127,5 f.; MF 136,5–8). Im Bild der Minnedame vereinen sich a¨ußere Sch¨onheit und innerer Tugendadel, die der Dichter in dem wiederholten Sch¨onheitspreis (MF 124,33; MF 126,29; MF 133,2; MF 128,25; MF 131,35), der metonymische Hervorhebung einzelner Merkmale (roter Mund, helle Augen, weißer Hals etc. MF 122,22, MF 22 B; 137,17; MF 141,1–3; MF 130,27–29; MF 142,10) sowie mittels Vergleichen (die beto¨ rende Wirkung der Dame l¨asst sie in MF 126,8 ff. mit einer Elfe oder in MF 138,33 f. mit Venus gleichsetzen) betont. Im Rahmen des bei H. h¨aufig thematisierten Minnekrieges kann die unerreichbare Geliebte zur «rouberˆın» (MF 130,14) und letztlich auch zur «vil su¨ eziu senftiu toeterinne» (MF 147,4) stilisiert werden, die die Liebesqualen des Dichter-Ichs zur Verzweiflung steigert. Die Minne wird Ausl¨oser einer tiefen inneren Ersch¨utterung, die sich in euphorischer Freude (MF 125,19 ff.), h¨aufig in Wehklagen ob des unerf¨ullten Strebens, a¨ ußert. Die Nichtachtung der Dame l¨asst H. v. M. in MF 124,32 ff. in der Androhung einer Dichterrache gipfeln, indem der Sohn des Werbenden nun die Zur¨uckweisung der ihm verfallenen Herrin in umgekehrter Besetzung wiederholt (MF 125,10–19). Eine vollkommene Erf¨ullung der innigen Gef¨uhle kann dem Minnenden auf einer traumhaft-vision¨aren Ebene zuteil werden, die jedoch, wie in dem oft besprochenen Narzisslied anklingt, nach dem «wˆan» der Realit¨at weichen muss (vgl. MF 145,1 ff.; MF 143,22 ff.; MF 138,17 ff.). Die enge Bindung an die «vrouwe», deren Darstellung in der Dichtung H. v. M. jedoch deutlich konkretere Z¨uge tr¨agt als bei anderen Minnes¨angern, stellt eine Besonderheit seines Schaffens 174
1. H¨alfte 13. Jh. dar, mittels derer er «zwar die Distanz zu seiner Dame [¨uberwindet], aber nicht durch eine Absage an das Ethos des klassischen Minnesangs» (Tervooren 1981). Seine Lieder sind weiterhin durch Elemente aus der antiken Tradition, der geistlichen Lyrik, besonders der Mariendichtung, sowie den Werke der Troubadours und Trouv`eres (Bernart de Ventadorn, Guilhelm de Cabastanh und Peirol) gepr¨agt. Die genaue Herkunft der einzelnen Motivstr¨ange sowie deren Rezeptionswege sind zwar h¨aufig diskutiert worden, bleiben jedoch ungewiss. Als weiteres Kennzeichen seiner Lyrik gilt die sinnlich-intensive Bildwirkung in Verbindung mit einer stark ausgepr¨agten Musikalit¨at der Texte. Eine besondere Bedeutung spielt dabei das Moment der visuellen Wahrnehmung und des Erkennens, das der Dichter u¨ ber einpr¨agsame Vergleiche (h¨aufig erscheint die Geliebte in Anlehnung an die Mariendichtung als Sonne: MF 123,1; MF 129,20 f.; MF 134,26 f.; MF 136,28–30; im Doppelbild von Sonne und Mond werden S¨anger und Minnedame zusammengef¨uhrt: MF 124,35–37) sowie eine vielschichtige Lichtmetaphorik vermittelt, die Kasten (Kasten 1986, vgl. auch Bleumer 2010) in dem Begriff der Poetik des «schouwens» fasst. Andere ‹klassische› Motive des Minnesangs wie der Natureingang (MF 140,32) oder die Botenrolle (MF 132,3; MF 139,5) kommen nur z¨ogerlich zum Einsatz. In der Gattung des Wechsels setzt H. v. M. hingegen eigenst¨andige Schwerpunkte durch die Verbindung mit dem Tagelied zum Tageliedwechsel (MF 143,22 ff.). In der Form seiner Lieder dominiert die Kanzone, die sowohl in der schlichten Ausf¨uhrung (MF 129,19) als auch zum Teil gesteigert zu komplexen kunstvollen Einheiten mit mehrteiligen Abges¨angen (MF 133,12; MF 136,1; MF 141,15; MF 145,1) verwendet wird. Der Aufbau der Reimschemata, die Verwendung von erweiterten Reimen, Doppel-, Binnen- und Innenreimen, die auch als Gliederungsprinzip der Gedichte benutzt werden, belegen die Kunstfertigkeit des Dichters. Das k¨unstlerische Schaffen des Minnes¨angers wurde bei sp¨ateren Schriftstellern verhalten rezipiert. So wird der «von Mˆorungen» nur im Renner → Hugos von Trimberg und etwa zeitgleich als «Moˆ rungaer» im → Seifrid Helbling angef¨uhrt. Aus dem 16. Jh. datiert eine Notiz zu dem Dichter in der sog. Zimmerischen Chronik. Auch wenn bei anderen Minnes¨angern kein direkter Bezug zu H. Werk in Form von Zitaten, Kontrafrakturen 175
Heinrich von Morungen oder Parodien belegt ist, so lassen sich Ankl¨ange an Stil und Motivik bei Dichtern wie → Walther von der Vogelweide, → Neidhart, → Ulrich von Liechtenstein und → Hiltbolt von Schwangau verorten. Dem wohl nur bedingten Einfluss H.s v. M. in seiner Zeit stehen seine große Popularit¨at und sein hoher literarischer Ruhm in der Moderne gegen¨uber. Seit dem beginnenden 19. Jh. (vgl. Tieck 1803) sind seine Lieder zentraler Bestandteil des medi¨avistischen Literaturkanons. Ausgehend von dem als Selbstaussage des S¨angers verstandenen Vers «wan ich dur sanc bin ze der welte geborn» (MF 133,20) bescheinigt ihm die Forschung eine gleichsam moderne Konzeption seines Dichtertums und erkennt darin das Erwachen «des poetischen Subjektivismus» (Kircher 1973, so auch Tervooren 32003 und Kasten 1986). J¨ungere Arbeiten diskutieren diese Einsch¨atzung nun vermehrt vor dem Hintergrund einer Professionalisierung des Minnesangs (Hirschberg 1992) und der Betonung einer Minnefiktion des S¨anger-Ichs (Irler 2001, Leuchter 2003). Bibliographie: Tervooren, Nr. 575–636. – Tervooren 332003, S. 213–221. Literatur: Helmut Tervooren, VL2 3 (1981) Sp. 804–815; 11 (2004) Sp. 633. – Ursula Schulze, LexMA 4 (1989) Sp. 2101 f. – Claudia H¨andl, Killy2 5 (2009) S. 195–198. – Ludwig Tieck (Hg.): Minnelieder aus dem Schw¨abischen Zeitalter. Mit Kupfern. Berlin 1803. – Ferdinand Michel: H. v. M. und die Troubadours. Ein Beitr. zur Betrachtung des Verh¨altnisses zwischen dt. und provenzalischem Minnesang (Quellen und Forschungen zur Sprachund Kulturgesch. der germ. V¨olker 38). Straßburg 1880. – Carl v. Kraus: Zu den Liedern H.s v. M (Abh. der kgl. Ges. der Wiss. zu G¨ottingen. Philol.hist. Kl., NF 16,1). Berlin 1916. – Ders.: H. v. M., Mu¨ nchen 21950. – Friedrich Maurer: Zur Chronologie der Lieder H.s v. M. In: FS Jost Trier. Hg. v. William Foerste/Karl H. Borck. K¨oln/Graz 1964, S. 304–312. – Theodor Frings/Elisabeth Lea: Das Lied vom Spiegel und v. Narziß. M. 145,1. Kraus 7. Minnelied, Kanzone, Hymnus. Beobachtungen zur Sprache der Minne. Deutsch, Provenzalisch, Franz¨osisch, Lateinisch. In: PBB 87 (Halle 1965) S. 40–200. – Valentin Schweiger: Textkrit. und chronologische Stud. zu den Liedern H.s v. M. Diss. Freiburg i. Br. 1970. – Alois Kircher: Dichter u. Konvention. Zum gesellschaftlichen Realit¨atsproblem der dt. Lyrik um 1200 bei Walther v. der Vogelweide und seinen Zeitgenossen (Lit. 176
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Heinrich von Morungen der heide› (MF XXIII; 139,19). In: Germanistische Medi¨avistik. Hg. v. Volker Honemann/Tomas Tomasek (M¨unsteraner Einf¨uhrungen, Germanistik 4). Mu¨ nster 22005, S. 123–146. – Beate Kellner: ‹Poetik des Schauens›. Der anbrechende Tag, das Licht und die Blickordnung im dt. Minnesang. In: Aurora. Indikator kultureller Transformationen. Hg. v. Elisabeth Tiller/ Christoph O. Mayer (Beitr. zur neueren Literaturgesch. 250). Heidelberg 2007, S. 181–202. – Hanno R¨uther: Der Mythos v. den Minnes¨angern. Die Entstehung der Moringer-, Tannh¨auser- und Bremberger Ballade (Pictura et Poesis 23). K¨oln u. a. 2007. – Salah Helal: Selbstreflexion und Selbstfindung im Spannungsfeld des k¨unstlerischen Schaffensprozesses im MA. Am Beispiel v. H.s v. M. Lied ‹Ez ist site der nahtegal›. In: Alexandrinische Gespr¨ache. Forschungsbeitr. a¨ gyptischer und dt. Germanist/inn/en. Hg. v. Ursula R. Riedner. Mu¨ nchen 2008, S. 141–153. – Jens Pfeiffer: ‹Zeit› als Moment einer poetologischen Fiktionalit¨ats-Reflexion im Minnesang. Zu Walthers v. der Vogelweide ‹Lange swˆıgen des hˆat ich gedˆaht› und H.s v. M. Narziß-Lied. In: Das Sein der Dauer. Hg. v. Andreas Speer (Miscellanea Mediaevalia 34). Berlin u. a. 2008, S. 473–494. – Christoph Huber: Ekphrasis-Aspekte im Minnesang. Zur Poetik der Visualisierung bei H. v. M. mit dem Blick auf die ‹Carmina Burana› und Walther v. der Vogelweide. In: Der Tod der Nachtigall. Liebe als Selbstreflexivit¨at v. Kunst. Hg. v. Martin Baisch/ Beatrice Trinca (Berliner MA- und Fr¨uhneuzeitforschung 6). G¨ottingen 2009, S. 83–104. – Andreas Kraß: Der zerbrochene Spiegel. Minnesang und Psychoanalyse: das Narzisslied H.s v. M. In: Narziss und Eros. Bild oder Text? Hg. v. Elisabeth Bronfen/Eckhart Goebel (Manhattan Manuscripts 2). G¨ottingen 2009, S. 77–100. – Michael Rupp: Narziß und Venus. Vom Blick auf die Antike bei H. v. M., Konrad v. W¨urzburg und dem Wilden Alexander. In: ‹Texte zum Sprechen bringen›. Philologie und Interpretation. FS Paul Sappler. Hg. v. Christiane Ackermann/Ulrich Barton. Tu¨ bingen 2009, S. 35–48. – Hartmut Bleumer: Das Echo des Bildes. Narration und poetische Emergenz bei H. v. M. In: ZfdPh 129 (2010) 3, S. 321–345. – Jan-Dirk Mu¨ ller: H. v. M.: ‹Mir ist geschehen als einem kindelˆıne› (MFr 145,1). In: GRM 60 (2010) S. 3–26. – Florian Kragl: Schwalbengesang. Performative Unsch¨arferelationen im ‹Nachtigallenlied› H. v. M. (VII/ MF 127,34). In: Vom Verstehen dt. 180
Der Tugendhafte Schreiber Texte des MA aus der europ¨aischen Kultur. Hommage a` Elisabeth Schmid. Hg. v. Dorothea Klein (W¨urzburger Beitr. zur dt. Philologie 35). W¨urzburg 2011, S. 55–81. MK Wernher von Teufen, * um 1170 oder fr¨uher, † wohl bald nach 1223. – Minnes¨anger. Der einzige urkundlich belegbare Vertreter der im 13. Jh. m¨achtigen Dynastie mit dem Namen W. wird stets nur zusammen mit seinem ju¨ ngeren Bruder Kuno genannt. Dieser wurde von Friedrich II., zu dessen Hofgefolge er seit 1218 z¨ahlte, zum Prokurator von Burgund ernannt. Nach Schiendorfer ist eine Identifizierung des Minnes¨angers, dem in der → Heidelberger Liederhandschrift C (69r–70r; Schreiber As) vier Minnelieder und ein Sangspruch mit variantenreichen und eleganten Stropenformen zugeschrieben werden, mit diesem W. a¨ußerst problematisch, da die Liedertexte keinen konkreten Datierungsansatz bieten. Ausgaben: Rochat (s. Lit.) S. 27–32. – Karl Bartsch (Hg.): Die Schweizer Minnes¨anger (Bibl. a¨lterer Schriftwerke der dt. Schweiz 6). Frauenfeld 1886 (Nachdr. Darmstadt 1964) S. XLIII–XLVI, 59–65, 420 (Nr. III). – HMS 1 (1838) S. 108–110; 3 (1838) S. 596 (Text); 4 (1838) S. 114 f. (Komm.). – Helmut de Boor (Hg.): MA. Texte und Zeugnisse. 2. Teilbd. (Die Dt. Lit. Texte und Zeugnisse. I/2). M¨unchen 1965 (Nachdr. ebd. 2001) S.1568 f. – Die Schweizer Minnes¨anger. Nach der Ausg. von K. Bartsch neu bearb. und hg. v. Max Schiendorfer. Bd. 1. T¨ubingen 1990, S. 76–81. Literatur: R. M. Meyer, ADB 37 (1894) S. 611. – RSM 5 (1991) S. 567. – Max Schiendorfer, VL2 10 (1999) Sp. 957–959. – Alfred Rochat: Drei Schweizerdichter aus dem dreizehnten Jh. Heidelberg 1856, S. 23–32. – Jakob Baechtold: Die Zu¨ richer Minnesinger. Frauenfeld 1883, S. 8–13. – Paul Kl¨aui: Die Freiherren von T¨ufen. In: Genealogisches Hdb. der Schweiz 2. Fribourg 1935–45, S. 106–124. – Gisela Kornrumpf/Burghart Wachinger: Alment. Formentlehnung und T¨onegebrauch in der mhd. Spruchdichtung. In: Dt. Lit. im MA. Kontakte und Perspektiven. Hugo Kuhn zum Gedenken. Hg. v. Christoph Cormeau. Stuttgart 1979, S. 356–411, bes. S. 395 f. – Codex Manesse. Die Miniaturen der Großen Heidelberger Liederhs. Hg. und erl. v. Ingo F. Walther unter Mitarbeit v. Gisela Siebert. Frankfurt/M. 1988 (62001) S. 58 f. (Tf. 29). – Erwin Eugster: Adlige Territorialpolitik 181
1. H¨alfte 13. Jh. in der Ostschweiz. Kirchliche Stiftungen im Spannungsfeld fr¨uher landesherrlicher Verdr¨angungspolitik der Ostschweiz. Z¨urich 1991, S. 291–318. – Thomas Tomasek: Das dt. R¨atsel im MA (Hermaea NF 69). T¨ubingen 1994, S. 261–264. BJ Der Tugendhafte Schreiber (auch: Heinrich d. t. S.). – Minnes¨anger, erstes Viertel 13. Jh. Das Werk des T. S.s ist in der → Heidelberger Liederhandschrift C und → der Jenaer Liederhandschrift (J) sowie einem Maastrichter Fragement u¨ berliefert. Daneben wird der Dichter h¨aufig als Teilnehmer am S¨angerkrieg auf der Wartburg genannt. Er wird im → Leben der hl. Elisabeth ebenso erw¨ahnt wie in der verlorenen Vita Ludovici (nach 1308). In manchen Chroniken und Viten wird Heinrich als sein Vorname angegeben. Mo¨ glicherweise diente er unter den Landgrafen von Th¨uringen als Schreiber, falls sein Name als Berufsangabe aufgefasst werden kann. Ein Heinrich ist von 1208 bis 1244 als landgr¨aflicher Schreiber nachgewiesen. Die Sprache seiner Lieder legt allerdings nicht zwingend eine th¨uringische Wirkungsst¨atte nahe. Ungekl¨art ist auch, ob der S¨anger aufgrund seines Werks oder seines Lebens als «tugendhaft» bezeichnet wird. Keine Aufschl¨usse erlaubt die dem T. S. zugeordnete, bis heute r¨atselhafte Illustration in C. Darin sitzt ein Fußfesseln tragender Mann auf einer Bank, w¨ahrend zwei neben ihm stehende M¨anner sich unterhalten und ein Helfer schwarze Kugeln ¨ in eine Waagschale sch¨uttet. Uber den Personen sind ein Wappen und ein Helm dargestellt. M¨oglicherweise stellt die Szene den Loskauf eines Gefangenen dar oder tr¨agt eine unbekannte allegorische Bedeutung. Dem Korpus des T. S.s werden gew¨ohnlich elf Minnelieder (I–XI) und zwei Spruchgedichte (XII, XIII) zugerechnet. Die meisten Texte sind in C u¨ berliefert (I–XII, davon XI–XII als Nachtr¨age). J enth¨alt Ton XII, allerdings unter dem Namen Stolles und am Ende von dessen Korpus. In einem Maastrichter Fragment erscheint der Name des T. S.s im Zusammenhang mit zwei Strophen im Ersten bzw. Zweiten Philippston → Walthers von der Vogelweide. Die erste der beiden Strophen wird oft als Lied XIII des T. S.s aufgefasst. Umstritten ist jedoch bis heute, ob dem Dichter auch die darauffolgende Strophe zugeordnet werden kann. Das Werk des T. S.s zeigt einerseits klare formale Pr¨aferenzen, weist zugleich aber eine Reihe gekonnter Variationen auf. So verwendet der T. S. bevorzugt 182
1. H¨alfte 13. Jh. drei- oder f¨unfstrophige Bauformen (nur Lied VIII umfasst vier Strophen) sowie u¨ berwiegend sechsbis achtzeilige Strophen ohne Auftakt. Auftaktige Strophen im Stil eines Lais sind nur in XI zu finden. Lied IV hebt sich durch seine zehnzeiligen Strophen mit Terzinenstollen von den u¨ brigen Liedern ab. Vereinzelt gebraucht der T. S. auch daktylische Verse (I, III). Die dreistrophigen Lieder VI, IX und XI beginnen mit Natureing¨angen. Inhaltlich werden die Lieder des T. S.s von Minnewerbung und Frauendienst bestimmt, klagen aber auch u¨ ber falsche Minne (III) oder u¨ ben Zeitkritik (VIII). Im f¨unfstrophigen Lied XII, das in → Stolles Alment verfasst ist und fr¨uher als unecht galt, diskutieren der Ritter Gawan und der Sp¨otter Keie dar¨uber, ob man sich bei Hofe eher aufrichtig oder eigenn¨utzig verhalten solle. Der Text gilt als fr¨uhester Beleg des Sprichworts «Wes Brot ich ess, des’ Lied ich sing» in dt. Sprache. Erw¨ahnenswert ist auch die gegen Homosexualit¨at gerichtete Strophe im Maastrichter Fragment (XIII). Insgesamt zeigt das Korpus des T. S.s deutlich die Vertrautheit des Dichters mit den Konventionen der hohen Minne. Literarische Einfl¨usse waren neben Walther wahrscheinlich auch → Heinrich von Morungen und → Ulrich von Liechtenstein. Der T. S. erscheint sp¨ater im F¨urstenlob (im Th¨uringer-F¨ursten-Ton), in einer R¨atselspielInterpolation, in Der Meister Lob (im Schwarzen Ton) sowie in der Totenfeier (ebenfalls im Schwarzen Ton). Die → Kolmarer Liederhandschrift nennt den T. S. als Tondichter → Winsbeckes (Grußweise). → Hadamar von Laber greift die dritte Strophe von Lied IV im 14. Jh. in Des → Minners Klage auf. Der N¨urnberger Meistersinger Hans → Folz erw¨ahnt den T. S. in seinem Dichterkatalog unter fr¨uhen dt. Sangspruchdichtern, ebenso der weitgehend mit Folz’ Werk u¨ bereinstimmende Katalog des Konrad → Nachtigall. Bis heute wird das Werk des T. S.s wegen seiner hohen dichterischen, sprachlichen und rhetorischen Qualit¨at gesch¨atzt. ¨ Uberlieferung: Maastricht, Regionaal Historisch Centrum Limburg, Ms. 237 (fr¨uher 167 III.11), 1ra–1rb (Perg., um 1300, mitteldt.-nd.). – Heidelberg, UB, Cpg 848, 219v, 305r–307rb (Perg., erste H¨alfte 14. Jh., alemannisch). – Jena, ULB, Ms. El. f. 101, 7rb–7vb (Perg., um 1330, nd./mitteldt.). Ausgaben: HMS 2 (1838) S. 148–153; 3 (1838) S. 680 f. – Dt. Liederdichter des zw¨olften bis vierzehnten Jh. Hg. v. Karl Bartsch/Wolfgang Golther. 183
Der Tugendhafte Schreiber Berlin 41901, Nr. XXIV (Teilausg.). – Die dt. Lit. Texte und Zeugnisse 1/1. Hg. v. Helmut de Boor. M¨unchen 1965, S. 829–831 (Teilausg.). – Ulrich Mu¨ ller (Hg.): Politische Lyrik des dt. MA. Bd. 1 (GAG 68). G¨oppingen 1972, S. 92 f, 231. – Kraus LD 1 (21978) Nr. 53. – Epochen der dt. Lyrik 1: Gedichte v. den Anf¨angen bis 1300. Hg. v. Werner H¨over/Eva Kiepe. M¨unchen 1978 (Nachdr. 2001) S. 189–191. – Tervooren/Bein 1988 (s. Lit.) S. 4 f. (Teilausg.). – Vgl. auch die Ausg. der Heidelberger Liederhandschrift C und der Jenaer Liederhandschrift. Literatur: HMS 4 (1838) S. 463–468. – Wilhelm Wilmanns, ADB 11 (1880) S. 641. – Norbert H. Ott, NDB 8 (1969) S. 423 f. – Kraus LD 2 (21978) S. 499–507. – De Boor/Newald 2 (111991) S. 327; 3/1 (51997) S. 359, 362. – RSM 5 (1991) S. 438 f. u. o¨ .; 2/1 (2009) S. 275 f. – Gisela Kornrumpf, VL2 9 (1995) Sp. 1138–1141. – Thomas Bein, Killy2 11 (2011) S. 642 f. – Anton Wallner: Herren und Spielleute im Heidelberger Liedercodex. In: PBB 33 (1908) S. 483–540, hier S. 503 f. – Heinrich Heß: Der M¨onchshof bei Manebach und seine Beziehungen zum t. S. In: Mitt. des Ver. f¨ur Gothaische Gesch. und Altertumsforschung 1908/09, S. 97–101. – N. H. Ott: Zwei Minnes¨anger aus unserer Heimat. Heinrich, der t. S. und Graf Otto v. Henneberg-Botenlauben. In: Fr¨ankischer Heimatkalender 1970 (1970) S. 33–38. – Ingrid Kasten: Stud. zu Thematik und Form des mhd. Streitgedichts. Diss. Hamburg 1973, S. 68–73. – Burghart Wachinger: S¨angerkrieg. Unters. zur Spruchdichtung des 13. Jh. (MTU 42). Mu¨ nchen 1973, passim. – Ders./G. Kornrumpf: Alment, Formentlehnung und T¨onegebrauch in der mhd. Spruchdichtung. In: Dt. Lit. im MA. Kontakte und Perspektiven. FS Hugo Kuhn. Hg. v. Christoph Cormeau. Stuttgart 1979, S. 356–411, hier S. 398, 400 f. – Olive Sayce: The Medieval German Lyric 1150–1300. The Development of Its Themes and Forms in Their European Context. Oxford 1982, passim. – Manfred Eikelmann: Denkformen im Minnesang. Unters. zu Aufbau, Erkenntnisleistung und Anwendungsgesch. konditionaler Strukturmuster des Minnesangs bis um 1300. T¨ubingen 1988, S. 240 u. o¨ . – Helmut Tervooren/T. Bein: Ein neues Fragm. zum Minnesang und zur Sangspruchdichtung. Reinmar v. Zweter, Neidhart, Kelin, Rumzlant und Unbekanntes. In: ZfdPh 107 (1988) S. 1–26, bes. S. 2–4, 19–23. – Helmut Salowsky: Initialschmuck und Schreiberh¨ande. In: Codex Manesse. Kat. zur Ausstellung vom 12. Juni 184
Friedrich von Leiningen bis 2. Oktober 1988, UB Heidelberg, Ausstellung der Univ. Heidelberg. Hg. v. Elmar Mittler/Wilfried Werner. Heidelberg 21988, S. 423–439, hier S. 425, 431. – Codex Manesse. Die Miniaturen der Großen Heidelberger Liederhs. Hg. und erl. v. Ingo F. Walther unter Mitarbeit v. Gisela Siebert. Frankfurt/M. 1988 (62001) S. 148 f. (Tf. 72), 206 (Tf. 101). – T. Bein: Orpheus als Sodomit. Beobachtungen zu einer mhd. Sangspruchstrophe mit (literar)hist. Exkursen zur Homosexualit¨at im hohen MA. In: ZfdPh 109 (1990) S. 33–55. – Barbara Weber: Œuvre-Zusammensetzungen bei den Minnes¨angern des 13. Jh. (GAG 609). G¨oppingen 1995, S. 127–140. – Michael B¨armann: Biterolf. Ein Versuch zur Rezeption des Alexanderstoffes im ehemals z¨ahringischen Herrschaftsgebiet. In: Ma. Lit. im Lebenszusammenhang. Ergebnisse des Troisi`eme Cycle Romand 1994. Hg. v. Eckart Conrad Lutz. Fribourg 1997, S. 147–190. – Michael Baldzuhn: Vom Sangspruch zum Meisterlied. Unters. zu einem literarischen Traditionszusammenhang auf der Grundlage der Kolmarer Liederhs. (MTU 120). T¨ubingen 2002, S. 413 f. – Andreas Kraß: Die Ordnung des Hofes. Zu den Spruchstrophen des T. S.s. In: Lit. und Macht im ma. Th¨uringen. Hg. v. Ernst Hellgardt u. a. K¨oln u. a. 2002, S. 127–141. MM Christian von Hamle (Christan, Kristan von Hameln), erste H¨alfte 13. Jh. – Th¨uringischer Minnes¨anger. Weder der Verfasser der sechs unter diesem Namen u¨ berlieferten Minnelieder noch eine Familie v. H. sind nachweisbar. Aufgrund mitteldt. Reime wird C. v. H. in Th¨uringen verortet. Er steht wie → Christan von Lupin und → Heinrich Hetzbold von Weißensee in der Nachfolge → Heinrichs von Morungen, ist aus stilistischen Gr¨unden aber wohl fr¨uher als diese beiden in der ersten H¨alfte des 13. Jh. anzusetzen. Seine Miniatur in C zeigt ihn nach einem Motiv der ma. Sage vom Zauberer Vergil in einem Korb, den die Dame mit einer Seilwinde zu sich heraufzieht. In C.s Liedern herrschen enthusiastischer Frauenpreis, plastische Sch¨onheitsbeschreibungen und Minnefreude vor. Die erotische Schilderung des Liebesgl¨ucks in Lied I erinnert an die Tagelieder → Wolframs von Eschenbach, die Motive des Frauenpreises etwa in Lied III und V weisen deutlichen Einfluss Heinrichs von Morungen auf. Bei seinem Tagelied, einem Dialog zwischen der Frau und dem 185
1. H¨alfte 13. Jh. W¨achter als Besch¨utzer der Liebenden (Lied VI), orientiert sich C. m¨oglicherweise an → Ottos von Botenlauben Lied III. Besonders auff¨allig in C.s Corpus ist Lied II: Das Ich beneidet die personifizierte Wiese darum, von der Dame beim Blumenpfl¨ucken ber¨uhrt worden zu sein, und bittet um F¨ursprache: «Hˆer Anger, bitet daz mir swaere b¨ueze ein wˆıp» (3,1 f.). C. bevorzugt schlichte, gleichf¨ormig gebaute T¨one. Gr¨oßeres Interesse zeigt er an wechselnden Reimstrukturen wie Reimresponsionen und Reimspielen (Lied I) oder kunstvoller Durchreimung (Lied II). Obwohl C.s Lieder im 19. Jh. zu den h¨aufig u¨ bersetzten und bearbeiteten geh¨orten und nach wie vor u¨ berwiegend wohlwollend beurteilt werden, finden sie in der Forschung bislang meist nur beil¨aufig Beachtung. ¨ Uberlieferung: Heidelberger Liederhs. C, Bll. 71v–72v. Ausgaben: Kraus LD I, Nr. 30. – Minnesang. ¨ Mhd. Texte mit Ubertragungen und Anm. Hg., u¨ bers. und mit einem Anhang versehen v. Helmut Brackert. Frankfurt/M. 22004, S. 202 f. (Lied II). Literatur: Franz Josef Worstbrock, VL2 1 (1978) Sp. 1201 f. – Kraus LD II, S. 267–275. – Georg Obartel: Morungens Str. ‹Sˆıt si herzen liebe heizent minne› (MF 132,19) und ihre Nachwirkung. In: ZfdPh 87 (1968), Sonderheft, S. 84–91. – Codex Manesse. Die Miniaturen der Großen Heidelberger Liederhs. Hg. und erl. v. Ingo F. Walther unter Mitarbeit v. Gisela Siebert. Frankfurt/M. 1988 (62001) S. 62 f. (Tf. 31). – Angelika Koller: Minnesang-Rezeption um 1800. Falldarstellungen zu den Romantikern und ihren Zeitgenossen und Exkurse zu ausgew¨ahlten Sachfragen (Europ¨aische Hochschulschr. I, 1297). Frankfurt/M. u. a. 1992, bes. S. 246–258. – Barbara Weber: Œuvre-Zusammensetzungen bei den Minnes¨angern des 13. Jh. (GAG 609). G¨oppingen 1995, S. 140–150. – Thomas Cramer: Waz hilfet aˆ ne sinne ¨ kunst? Lyrik im 13. Jh. Stud. zu ihrer Asthetik (Phil.Stud.u.Qu. 148). Berlin 1998, S. 148 f. – Gert H¨ubner: Lobblumen. Stud. zur Genese und Funktion der ‹Gebl¨umten Rede› (Bibliotheca Germanica 41). T¨ubingen 2000, S. 313 f. VL Friedrich von Leiningen. – Minnes¨anger, erste H¨alfte 13. Jh. F. z¨ahlt zu den adligen Dilettanten, die in die → Heidelberger Liederhandschrift C Aufnahme gefunden haben. Er ist mit einem f¨unfstrophigen 186
1. H¨alfte 13. Jh. Lied vertreten. Der Dichter ist vermutlich mit dem seit 1201 bezeugten und 1237 verstorbenen Friedrich II. von Leiningen zu identifizieren. Dessen mittelrheinisches Grafengeschlecht benannte sich nach der Burg Alt-Leiningen bei Gr¨unstadt. Der zeitlich etwas fr¨uhere Friedrich I. († 1220) ist als Verfasser weniger wahrscheinlich, da das Lied formal zu modern wirkt. Das Abschiedslied mit Kreuzzugsbezug l¨asst zwar noch Ankl¨ange an → Albrecht von Johansdorf erkennen, erscheint im Umgang mit traditioneller Motivik aber schon sehr abgekl¨art und zeigt auch bereits den Einfluss → Wolframs von Eschenbach. Strophe 1 ist ein Natureingang, 2 und 3 sind teilweise reflektierende Minneklagen, 4 thematisiert den Abschied (Fahrt «gegen p¨ulle» [Apulien]) und 5 ist eine innige Frauenstrophe. Vermutlich ist in Strophe 4 der Kreuzzug von 1228/29 gemeint. Sollte aber doch Friedrich I. der Verfasser sein, w¨are auch an den Kreuzzug 1189/90 zu denken oder aber an einen Italienzug Graf Friedrichs I. von 1210 in kaiserlichem Auftrag. Friedrich II. wurde auch als Auftraggeber der Berliner Eneas-Handschrift (SBB, Mgf 282, → Heinrich von Veldeke) erwogen. ¨ Uberlieferung: Heidelberg, UB, Cpg 848 (C) 26r-va (Perg., um 1300, alemannisch); die Miniatur zeigt F. im berittenen Kampf, den Kopf seines Gegners spaltend; dessen Schild tr¨agt die Legende «HEID». Die Darstellung k¨onnte die 4. Str. des Liedes illustrieren oder Ausweis biographischer Kenntnis des Illustrators sein. Das dargestellte Wappen entspricht dem der Familie. Bild¨uberschrift: «Graue Friderich von Liningen». Ausgaben (Auswahl): HMS 1 (1838) S. 26 f. – Karl Bartsch: Dt. Liederdichter des zw¨olften bis vierzehnten Jh. Eine Auswahl. 4. Aufl. besorgt v. Wolfgang Golther. Berlin 1906 (Nachdr. Darmstadt 1966) S. 175 f. – Hugo Kuhn/Georg Reichert: Minnesang des 13. Jh. Tu¨ bingen 21962, S. 17 f. – Helmut de Boor: MA. Texte und Zeugnisse. Bd. 2 (Die dt. Lit. Texte und Zeugnisse 1,2). Berlin 1965 (Nachdr. Mu¨ nchen 1988) S. 1550 f. – Kraus LD 1 (21978) Nr. 12. Literatur: Gisela Kornrumpf, VL2 2 (1980) Sp. 953 f. – Manfred G¨unther Scholz, NDB 14 (1985) S. 145. – Eduard Brinckmeier: Genealogische Gesch. des uradeligen, reichsgr¨aflichen und reichsf¨urstlichen, standesherrlichen, erlauchten Hauses Leiningen und Leiningen-Westerburg. 187
Rex Christe factor omnium Bd. 1. Braunschweig 1890, S. 28–45. – Karl Zangemeister: Die Wappen, Helmzierden und Standarten der Grossen Heidelberger Liederhs. (ManesseCodex). G¨orlitz u. a. 1892, S. V f., 3. – Fritz Grimme: Die Gesch. der Minnesinger. Bd. 1: Die rheinisch-schw¨abischen Minnesinger. Paderborn 1897, S. 22–32, 231–235. – Theodor Kaul: Das Verh¨altnis der Grafen v. L. zum Reich und ihr Versuch einer Territorialbildung im XIII. Jh. In: Mitt. des hist. Ver. der Pfalz 68 (1970) S. 222–291. – Kraus LD 2 (21978) S. 73–75 (mit Lit.). – Joachim Bumke: M¨azene im MA. Die G¨onner und Auftraggeber der h¨ofischen Lit. in Deutschland 1150–1300. M¨unchen 1979, Reg. – Rena Leppin: Stud. zur Lyrik des 13. Jh. Tanhuser, F. v. L. (GAG 309). G¨oppingen 1980, S. 91–124. – Sibylle St¨ahle: Zur Auftraggeberschaft der Berliner Eneide-Hs. In: Der Herold NF 10 (1981/83) S. 173–180. – Codex Manesse. Die Miniaturen der Großen Heidelberger Liederhs. Hg. und erl. v. Ingo F. Walther unter Mitarbeit v. Gisela Siebert. Frankfurt/M. 1988 (62001) S. 26 f. (Tf. 13). – Uwe Meves (Hg.): Regesten dt. Minnes¨anger des 12. und 13. Jh. Berlin/New York 2005, S. 297–345. – Michael Embach: Trierer Literaturgesch. Das MA (Gesch. und Kultur des Trierer Landes 8). Trier 2007, S. 602. VZ Rex Christe factor omnium → Band 1, Sp. 640 f. Gottfried von Totzenbach. – Minnes¨anger (?), erste H¨alfte 13. Jh. Im Frauendienst berichtet → Ulrich von Liechtenstein davon, sich am 19.5.1227 mit G. v. T. im Ritterkampf gemessen zu haben. Die Burg Totzenbach (Nieder¨osterreich) ist als Stammsitz der Familie seit Mitte des 12. Jh. bezeugt. Ulrich weist G. als Lehnsmann des Domvogts von Regensburg Otto von Lengenbach aus (Neulengbach, unweit von Burg Totzenbach, in der Hs. [15vb] «dite von lengenbach»). Dieser tugendhafte und «h¨ofsche» G. h¨atte als S¨anger um die Gunst der «vrouwen» geworben: «vil gutiv liet er von in sanc». Sollte «sanc» auch das Dichten eigener Lieder einschließen, so w¨are G. ein Minnelieddichter ohne u¨ berliefertes Werk. ¨ Uberlieferung des Namens: M¨unchen, BSB, Cgm 44 (einzige vollst. Frauendienst-Hs.) 20ra, 53ra,vb, 60vb. – Frauendienst-Ausg.: Karl Lachmann: U. v. Liechtenstein mit Anm. v. Theodor v. Karajan. Berlin 1841, S. 720 (Namenreg.). – Reinhold 188
Ulrich von Singenberg Bechstein: U. v. Liechtenstein Frauendienst. 2 Bde. (Dt. Dichtungen des MA 6.7). Berlin 1881, Bd. 1, S. 268, V. 4–8 und Anm. zu 272,2. – Franz Viktor Spechtler: U. v. Liechtenstein Frauendienst (GAG 485). G¨oppingen 1987. Literatur: Walter R¨oll, VL2 3 (1981) Sp. 173. – Horst Brunner: Dichter ohne Werk. Zu einer u¨ berlieferungsbedingten Grenze ma. Literaturgesch. (Mit einem Textanhang: Die Dichterkat. des Konrad Nachtigall, des Valentin Voigt und des ¨ Hans Folz). In: Uberlieferungsgeschichtliche Editionen und Stud. zur dt. Lit. des MA. FS Kurt Ruh (TTG 31). Hg. v. Konrad Kunze u. a. T¨ubingen 1989, S. 1–31, hier S. 13 (wieder in: H. Brunner: Ann¨aherungen. Stud. zur dt. Lit. des MA und der Fr¨uhen Neuzeit [Phil.Stud.u.Qu. 210]. Berlin 2008, S. 291–303, hier S. 291 f.). – Uwe Meves (Hg.): Regesten dt. Minnes¨anger des 12. und 13. Jh. Berlin/New York 2005, S. 373–383. VZ Ulrich von Singenberg (auch: Truchsess v. S., Truchsess von St. Gallen). – Minnes¨anger und Spruchdichter, erstes Drittel 13. Jh. Bei U. v. S. handelte es sich wahrscheinlich um U. III. v. S. Er stammte aus einer Familie von St. Galler Ministerialen und war der Sohn des Truchsesses U. II. von Sitterdorf. Dessen Familiennamen a¨nderte erst U. III. in den sprechenden Beinamen S. um, m¨oglicherweise in Verbindung mit seiner dichterischen T¨atigkeit. Ab 1209 ist U. III. urkundlich nachweisbar und d¨urfte nach dem Tod seines Vaters 1219 dessem Amt als Truchsess geerbt haben. 1228 war U. III. Gesandter des Abts von St. Gallen bei K¨onig Heinrich VII. und an der Stiftung des Heiliggeistspitals in St. Gallen beteiligt. Danach ist er nicht mehr nachgewiesen. U. III. starb wohl zwischen 1230 und 1235 an einem 16. Februar. Er hatte einen Sohn namens Rudolf, der 1243/44 beurkundet ist, und einen Enkel U. IV., der in der Mitte des 13. Jh. starb. F¨ur eine Autorschaft von U. III. spricht sein Amt als Truchsess, was mit der Namensangabe in manchen Handschriften u¨ bereinstimmt, außerdem seine zeitliche N¨ahe zu → Walther von der Vogelweide, dessen Werk U. kannte und dessen Tod er beklagte. Auch wird in einer Strophe U.s ein «R¨uedelin» erw¨ahnt, der mit U.s III. Sohn Rudolf identisch sein k¨onnte. Eine Il¨ lustrationen in B (s. Uberlieferung) zeigt U. im Gespr¨ach mit einer Dame. In C ist U. vor einer Dame kniend dargestellt, die ihm einen Kranz reicht. Das 189
1. H¨alfte 13. Jh. historisch unbekannte Wappen in beiden Bildern stellt jeweils einen Hirschrumpf dar. U.s Werk ist in den Handschriften A, B und C unter seinem, im Falle einzelner Strophen auch unter anderen Namen u¨ berliefert. U. selbst werden rund 36 Lieder und Sprucht¨one zugeschrieben. Unter den unsicheren St¨ucken ist z. B. das in C → Walther von Mezze zugeordnete Lied XXVI, das auch als Walthers Werk weitertradiert wird. Andere Spr¨uche sind im Frau-Ehren-Ton des → Reinmar von Zweter verfasst und k¨onnten tats¨achlich von Reinmar stammen. Eine Strophe im K¨onig-Friedrich-Ton Walthers von der Vogelweide (XXIX) ist in C unter Walthers Namen eingetragen, d¨urfte aber U. zum Verfasser haben. In Form und Inhalt ist das meist stollig abgefasste Gesamtkorpus U.s von der Tradition des Hohen Sangs gepr¨agt, aber zugleich thematisch und stilistisch abwechslungsreich. Es weist neben wenigen Sangspr¨uchen zahlreiche klassische Kanzonen mit Minneklagen auf, daneben auch Dialoglieder und zwei Tagelied-Varianten, eine davon mit einem f¨ur die Gattung untypischen Refrain. Hier zeigt sich ein Spiel mit Formen, das auch in U.s parodierenden Umgang mit dem Minnelied deutlich wird: Mal droht der S¨anger seiner Dame mit Pr¨ugeln (XXIV), mal konterkariert U. eine formvollendete Minnekanzone durch ein derbes Nachspiel, in dem ein Vater mit seinem vorlauten Sohn streitet (XX). Auch politische und religi¨ose Elemente finden sich in manchen Texten U.s, etwa in seinem Nachruf auf einen gelehrten F¨ursten (XXXI), in seiner «vanitas»-Verurteilung (XXXV) oder seiner Ermahnung zum Vollbringen guter Taten f¨ur das Seelenheil (XVI). U.s Stil ist u¨ berwiegend dem «ornatus facilis» zuzurechnen. Paronomasien finden sich in fast allen Liedern, außerdem Ausrufe, rhetorische Fragen, sentenzenhafte Wendungen, Assonanzen und Alliterationen. Typisch f¨ur U. ist auch die Verwendung von Reimen als Bindeglieder zwischen Strophen (u. a. V, XIII, XXXVI) oder zwischen Anfang und Ende eines Liedes (u. a. VI, XX, XXXVI). Den gr¨oßten Einfluss auf U.s Werk u¨ bte neben → Reinmar dem Alten prim¨ar Walther von der Vogelweide aus, auch wenn U. dessen Klarheit und Pr¨agnanz nicht erreicht. Sein Umgang mit Walther ist zwiesp¨altig: Neben legitimen Parodien (XXVII, XXIX) stehen oft als d¨unkelhaft empfundene Bemerkungen des materiell abgesicherten Ritters u¨ ber die unsichere Existenz des S¨angers. 190
1. H¨alfte 13. Jh. Von Walther lernte U. die gekonnte Beherrschung der Formen und Motive des hohen Minnesangs. Man hat ihn deswegen verschiedentlich als epigonal bezeichnet, allerdings beweist U. in seinen Sprachspielen Eigenwilligkeit – manchmal freilich um den Preis einer allzu artifiziellen Kunstfertigkeit. ¨ Uberlieferung: A: Heidelberg, UB, Cpg 357, 14v–20v (Perg., 1270 bis drittes Viertel 14. Jh., niederalemannisch). – C: Ebd., Cpg 848, 151r–155va (Perg., erste H¨alfte 14. Jh., alemannisch). – B: Stuttgart, LB, cod. HB XIII 1, S. 115–117 (Perg., erstes Viertel 14. Jh., alemannisch). – Zudem Streu¨uberl. einzelner Strophen unter anderen Verfassernamen. Ausgaben: HMS 1 (1838) S. 288–299; 3 (1838) S. 325–327, 633–636, 802. – Karl Bartsch (Hg.): Die Schweizer Minnes¨anger (Bibl. a¨ lterer Schriftwerke der dt. Schweiz 6). Frauenfeld 1886 (Nachdr. Darmstadt 1964) S. XXVI–XLIII, 12–58, 409–419 (Nr. II); Neuausg. v. Max Schiendorfer, Bd. 1, T¨ubingen 1990, S. 88–138, 397 f., 403, 405 (mit Melodien). – Dt. Tagelieder v. den Anf¨angen der ¨ Uberl. bis zum 15. Jh. Hg. v. Sabine Freund. Heidelberg 1983, S. 228–233 (Teilausg.). – Tagelieder des dt. MA. Mhd./Nhd. Ausgew¨ahlt, u¨ bers. und komm. v. Martina Backes (RUB 8831). Stuttgart 2003 (Nachdr. ebd. 2011) S. 118–121 (Nr. XII), 256 f. – Vgl. auch die Ausg. der Liederhss. A, B und C. Literatur: HMS 4 (1838) S. 230–235, 757. – Gustav Roethe, ADB 34 (1892) S. 390–392. – De Boor/Newald 2 (111991) S. 316–318, 395 f., 473. – RSM 5 (1991) S. 440–443; 2/1 (2009) S. 276. – Hans-Jochen Schiewer, LexMA 8 (1997) Sp. 1202. – M. Schiendorfer, VL2 10 (1999) Sp. 21–27. – Claudia H¨andl, Killy2 11 (2011) S. 677–679. – Hermann Pinnow: Unters. zur Gesch. der politischen Spruchdichtung im XIII. Jh. Bonn 1906, S. 41–53. – Wilhelm Stahl: U. v. S., der Truchseß von Sankt Gallen. Rostock 1907. – Hugo Roesing: Die Einwirkung Walthers v. der Vogelweide auf die lyrische und didaktische Poesie des MA. Borna/Leipzig 1910, S. 30–43. – Herta Gent: Die mhd. politische Lyrik. Diss. Breslau 1938, S. 68, 76 f., 102 f., 105, 121–123. – Emil E. Ploss: Walthers Spruch 28, 1–10 und die Parodie des Singenbergers. In: FS Hans Eggers. Hg. v. Herbert Backes/ Birgitta Mogge. T¨ubingen 1972, S. 577–596. – Ulrich Mu¨ ller: Unters. zur politischen Lyrik des dt. MA (GAG 55/56). G¨oppingen 1974, S. 56–59. – Viola Bolduan: Minne zwischen Ideal und Wirklichkeit. Stud. zum sp¨aten Schweizer Minnesang. 191
Ulrich von Singenberg Frankfurt/M. 1982, S. 51–58, 142–162. – Olive Sayce: The Medieval German Lyric 1150–1300. The Development of Its Themes and Forms in Their European Context. Oxford 1982, passim. – M. Schiendorfer: U. v. S., Walther und Wolfram. Zur Parodie in der h¨ofischen Lit. Bonn 1983. – Ders.: Beobachtungen zum Aufbau der Minnesanghss. sowie ein editorisches Konzept. Das Beispiel U. v. S. In: ZfdPh Sonderh. 104 (1985) S. 18–51. – Codex Manesse. Die Miniaturen der Großen Heidelberger Liederhs. Hg. und erl. v. Ingo F. Walther unter Mitarbeit v. Gisela Siebert. Frankfurt/M. 1988 (62001) S. 98 f. (Tf. 48). – Manfred Eikelmann: Denkformen im Minnesang. Unters. zu Aufbau, Erkenntnisleistung und Anwendungsgesch. konditionaler Strukturmuster des Minnesangs bis um 1300. T¨ubingen 1988, passim. – Barbara Weber: Œuvre-Zusammensetzungen bei den Minnes¨angern des 13. Jh. (GAG 609). G¨oppingen 1995, passim. – Sabine Obermaier: Von Nachtigallen und Handwerkern. ‹Dichtung u¨ ber Dichtung› in Minnesang und Sangspruchdichtung (Hermaea 75). T¨ubingen 1995, passim. – Franz-Josef Holznagel: Wege in die Schriftlichkeit. Unters. und ¨ Materialien zur Uberl. der mhd. Lyrik. T¨ubingen u. a. 1995, passim. – R¨udiger Schnell: Frauenlied, ¨ Manneslied und Wechsel im dt. Minnesang. Uberlegungen zu ‹gender› und Gattung. In: ZfdA 128 (1999) S. 127–184. – Albrecht Classen: Der Schweizer Minnes¨anger U. v. S. In: Schweizerische/Alemannische Perspektiven der neunziger Jahre. Hg. v. Peter Pabisch. Vermillion 2000, S. 107–124. – Harald Haferland: Hohe Minne. Zur Beschreibung der Minnekanzone (ZfdPh Beih. 10). Berlin 2000, S. 173 f. u. o¨ . – Hans Brauchli: Drei Minens¨anger. U. v. S., Walther von Klingen, Der von Wengen. In: Ders.: Thurgauer Ahnengalerie. Weinfelden 2003, S. 58–63. – Helmut Birkhan: Gesch. der altdt. Lit. im Licht ausgew¨ahlter Texte 7: Minnesang, Sangspruchdichtung und Verserz¨ahlung der letzten Staufer- und ersten Habsburgerzeit. Wien 2005, S. 78 f. – Shao-Ji Yao: Der Exempelgebrauch in der Sangspruchdichtung vom sp¨aten 12. Jh. bis zum Anfang des 14. Jh. W¨urzburg 2006, passim. – Carolin Schuchert: Walther in A. Stud. zum Corpusprofil und zum Autorbild Walthers v. der Vogelweide in der Kleinen Heidelberger Liederhs. Frankfurt/M. u. a. 2010, S. 359–366 u. o¨ . – ¨ Christina Lechtermann: Uber die Un-/M¨oglichkeit, nicht zu antworten. Zwei Dialoglieder U.s v. S. In: Aspekte einer Sprache der Liebe. Formen des 192
Walther von der Vogelweide Dialogischen im Minnesang. Hg. v. Marina Mu¨ nkler. Bern u. a. 2011, S. 229–250. MM Walther von der Vogelweide, * um 1170, † um 1230. – Minnes¨anger, Sangspruch- und Leichdichter. W. ist der herausragende dt. Lyriker des MA. Seine beiden Hauptgattungen Minnelied und Sangspruch hat W. zu ihrem jeweiligen gattungsgeschichtlichen H¨ohepunkt gef¨uhrt und die ma. Lieddichtung um neue Formen bereichert. Die besondere Stellung W.s in der Literaturgeschichte ist ¨ an der Uberlieferung, Wirkungs-, Editions- und Forschungsgeschichte ablesbar. Vor allem die neuzeitlich moderne Rezeption W.s bis in die Gegenwart ist f¨ur einen ma. Dichter exzeptionell. Hier u¨ berstrahlt W. alle anderen Autoren bei weitem. Zu W. gibt es nur ein einziges gesichertes und folglich oft zitiertes außerliterarisches Zeugnis, den Eintrag im Ausgabenregister des Passauer Bischofs Wolfger von Erla aus dem Jahr 1203: «sequenti die apud Zei Walthero cantori de Vogelweide pro pellicio. V. sol. longos» (zitiert nach der Reinschrift). Diese Notiz besagt zun¨achst nur, dass W. sich im Gefolge des Bischofs und sp¨ateren Patriarchen von Aquileja befand und am 12. November, einen Tag nach St. Martin, bei Zeiselmauer (in der N¨ahe von Wien) f¨unf Langschillinge von Wolfger erhalten hat, um sich einen Pelzrock zu kaufen. F¨ur welche Dienste W. diese Zuwendung aber zuteilwurde, ist offen. Auf der bisch¨oflichen Reiserechnung finden sich neben W. zahlreiche weitere Unterhaltungsk¨unstler, aber auch Gesandte und Boten. W. k¨onnte die Entlohnung f¨ur einzelne k¨unstlerische Darbietungen vor der Reisegesellschaft des kunstliebenden Bischofs oder wom¨oglich im Rahmen einer festen Anstellung als S¨anger, aber auch als einfacher Bote oder diplomatischer Gesandter erhalten haben. Neben diesem nur bedingt aufschlussreichen Nachweis, sind die weiteren Hinweise zur Biographie W.s vor allem dessen eigener Sangspruchdichtung zu entnehmen (der «dominus Waltherus», der in einer Urkunde von 1213 als Legat Kaiser Ottos IV. erscheint, ist wohl nicht mit W. zu identifizieren). Doch k¨onnen textimmanent gewonnene Angaben zum Lebenslauf nur vorbehaltlich gelten, da angesichts topischen und rollenhaften Sprechens die tats¨achliche biographische Substanz der Aussagen unsicher ist. Einzelne Spruchstrophen aber geben zumindest einige Datierungen und Ortsangaben an 193
1. H¨alfte 13. Jh. die Hand. Die Spruchdichtung in ihrer Gesamtheit reflektiert zudem die entscheidende biographische Bedingung f¨ur das literarische Schaffen W.s: das Leben des fahrenden S¨angers in der Abh¨angigkeit von G¨onnern. Daneben bleiben aber die meisten Fragen zur Biographie W.s offen, wie die nach seiner Herkunft oder Ausbildung. Die ungef¨ahren Lebensdaten 1170–1230 wurden aus seiner Aussage «wol vierzic jˆar hˆan ich gesungen unde mˆe» (L 66,27) und dem Umstand, dass nach 1230 seinem Werk keine verl¨asslichen Datierungen mehr zu entnehmen sind, geschlossen. Sein Beiname d¨urfte eher Dichtername denn Herkunftsbezeichnung sein. Von den zahlreichen Vorschl¨agen zum Geburtsort (von S¨udtirol bis B¨ohmen) konnte sich denn auch keiner durchsetzen. Ebenso ist W.s Stand ungewiss. Die Selbst- und Fremdtitulierung «her» (L 18,1; → Wolfram von Eschenbach, Willehalm 286,19; → Marner [RSM: 1Marn/6/17]) ist nicht aussagekr¨aftig und und auch W.s Belehnung (s. u.) d¨urfte auf nicht mehr als ministerialische oder ritterliche Abkunft ohne Rechtsanspr¨uche schließen lassen. Zudem ist es v¨ollig ungewiss, wie W. seine literarisch-musikalischen Kenntnisse der volkssprachlichen und auch der lat. (vagantischen) Liebeslyrik und der politischen Dichtung, seinen rhetorischen Sachverstand und weiteres Hintergrundwissen erworben hat. Dies k¨onnte in einer (Kloster-)Schule erfolgt sein oder sp¨ater autodidaktisch auf seinen Reisen. Der Beginn seines dichterischen Wirkens jedenfalls ist am babenbergischen Hof in Wien unter Herzog Friedrich zu vermuten: «ze Œsterˆıch lernde ich singen unde sagen» (L 32,14). Die biographischen Ausbauversuche dieser schmalen Information in der fr¨uhen Forschung sind zu spekulativ – auch wenn man einmal davon absieht, dass diese Selbstaussage von ihrem nicht rekonstruierbaren Gebrauchkontext determiniert sein k¨onnte. Demnach h¨atte W. am Hofe bei → Reinmar dem Alten die Dicht- und Sangeskunst erlernt (Reinmars ungef¨ahr zeitgleiche Verbindung zum Babenberger Hof ist anhand eines Nachrufs auf Leopold V. gesichert [† 1294, MF 167,31]). Sp¨ater h¨atte W. sich von diesem distanziert und bis zu dessen Tod eine literarische Fehde auch um die Stellung am Wiener Hof gef¨uhrt. Zwar belegen intertextuelle Bez¨uge im Werk beider Dichter eine k¨unstlerische Auseinandersetzung, die als «Walther-Reinmar-Fehde» in die Literarhistorie eingegangen ist, doch k¨onnte sich diese auch auf gelegentliche Treffen und publikumswirksame 194
1. H¨alfte 13. Jh. Schlagabtausche zweier Fahrender beschr¨ankt haben. Auf die Babenberger Zeit bezieht sich auch einer der ersten datierbaren Sangspr¨uche W.s, die Klage auf den Tod Friedrichs († 1198) in Folge dessen W. den Wiener Hof wohl verlassen musste und als fahrender Dichter sein Auskommen suchte. Der Minnes¨anger W. hatte offensichtlich zu diesem Zeitpunkt sein Repertoire um die dem Fahrenden angemessene Spruchkunst erweitert. Als Radius seiner Reiset¨atigkeit gibt W. selbst an: «von der Seine unz an die Muore [Mur] / von dem Pfˆa [Po] bis an die Trabe [Trave]» (L 31,13 f.) und «von der Elbe unz an den Rˆın / her wider unz an der Ungerlant» (L 56,38 f.). Ferner legen sein Spr¨uche nahe, dass er sich im Umfeld des K¨onigshofes bewegt hat: zwischen 1198 und 1201 unter dem Staufer Philipp, 1212/13 unter dem Welfen Otto und vermutlich bereits ab 1213 unter Friedrich II. F¨ur diesen und dessen Reichsverweser Engelbert von K¨oln verfasste W. bis etwa 1228 Sangspr¨uche. Er nennt einen N¨urnberger Hoftag (1224 oder 1225), auf dem er anwesend gewesen sei und große Adelsh¨ofe seiner Zeit (aus unterschiedlichen politischen Lagern), an denen er sich aufhielt oder im Gefolge ihrer Herren reiste: mehrmals zwischen 1201 und 1214/15 den Landgrafen Hermann von Th¨uringen, bedeutendster M¨azen seiner Zeit und F¨orderer u. a. auch Wolframs, 1212 den Markgrafen Dietrich von Meißen, 1203 und o¨ fter Wolfger von Erla und ferner Herzog Bernhard von K¨arnten, Graf Diether II. von Katzenelnbogen, Herzog Ludwig I. von Bayern (?), Heinrich von M¨odling und einen nicht namentlich erw¨ahnten Abt vom Tegernsee. Eine dauerhafte R¨uckkehr an den Babenberger Hof unter Leopold VI. blieb W. trotz mehrfacher Aufenthalte zwischen 1203 und 1219 verwehrt (vgl. Preislied, s. u.), aber um 1220 erhielt W. von Friedrich II. ein nicht n¨aher fassbares und f¨ur ihn sp¨ates Lehen, dass er um so emphatischer begr¨ußt: «Ich hˆan mˆın lehen, al die werlt, ich hˆan ¨ mˆın lehen» (L 28,31). Aus diesem Uberschwang mag man ablesen, dass der Status des Fahrenden wohl nicht selbst erw¨ahlt und viel eher materieller ¨ Zwang war. Uber das heute noch bezeichnete Grab des «miles Waltherus» im Kreuzgang (Lusamg¨artchen) des W¨urzburger Kollegiatstifts Neum¨unster berichtete im 14. Jh. der Protonotar und Scholaster → Michael de Leone gem¨aß einer wom¨oglich real fundierten Lokaltradition. Der Verehrer W.s (s. ¨ Uberl.) wusste sogar eine lat. Grabinschrift mitzu195
Walther von der Vogelweide teilen. Dennoch ist die W¨urzburger Grabst¨atte W.s a¨ ußerst unsicher. Bei der Einteilung von W.s Œuvre erweisen sich die Gattungen Minnesang und Sangspruch trotz zahlreicher Interferenzen als praktikable und nahezu umfassende Gliederung. Nur Leich, Kreuzzugslieder und die sog. Alterslyrik mit der Elegie entziehen sich der Einordnung. W.s Minnelieddichtung vereint ganz unterschiedliche Liedtypen mit variablen Minnekonzeptionen. Neben Neuinterpretationen traditioneller Muster finden sich bei ihm Neupr¨agungen wie die M¨adchenlieder. W. variiert in den Liedern konventionelle Grundmotive und f¨uhrt daneben neue Elemente ein, die von sangspruchartiger Belehrung und Selbstnennung uber ¨ Altersmotivik und erotische Pikanterien bis zur Beschimpfung der Dame reichen. Zudem d¨urfte er die Anspr¨uche der Lieder auf wechselnde Zuh¨orerschaften zugeschnitten haben. Auch deswegen gibt es f¨ur eine Chronologie seiner Minnelieder keine validen Hinweise. Eine deskriptive Typologie des Minneliedœuvres unterscheidet in der Regel f¨unf Lied-Hauptgruppen mit freilich unscharfen Abgrenzungen: 1) Lieder in traditionellen Formen, die fr¨uhe Dichtungen sein k¨onnten. Wegen des variablen Publikumszuschnittes m¨ussen aber diese einfachen und konventionellen Lieder (wie L 99,6; 112,35) nicht automatisch fr¨uhe sein. Auch Lieder mit Ankl¨angen an Reinmar (L 95,17; 120,16 [MF 214,34 = Cormeau Nr. 93]), → Heinrich von Morungen (L 112,17; 118,24) oder an die lat. Vaganten- und Scholarendichtung (z. B. L 39,1; 51,13; 112,3; 114,23; 118,24) m¨ussen nicht zwingend fr¨uhe Werke darstellen. W.s traditionelle Minnelieddichtung bietet eine bemerkenswerte Typenvielfalt: Werbelieder, Wechsel, Frauen-, Dialog- Boten- und Tagelieder. – 2) Lieder die gleichsam dem Hohen Minnesang verpflichtet aber von h¨oherer gedanklicher wie formaler Komplexit¨at sind. Hierzu z¨ahlen auch die Lieder aus dem Komplex der «Walther-Reinmar-Fehde». Am greifbarsten ist diese im sog. Schachmattlied (L 111,12), in dem W. die uneingeschr¨ankte Hervorhebung der eigenen Dame und Herabsetzung aller anderen samt ihrer Verehrer durch Reinmar (MF 159,1) scharf r¨ugt. Der Bezug zu Reinmar ist allein dadurch evident, dass W. den gleichen Liedton verwendet (weitere Lieder zum Thema sind L 113,31; 53,25). Auch das Preislied (L 56,14 [um 1203]) k¨onnte gegen Reinmar gehen. Es ist Zeugnis der Bem¨uhungen W.s um eine Anstellung als 196
Walther von der Vogelweide Minnes¨anger am Wiener Hof (Str. 6 stilisiert die Wiederanstellung als Wiederaufnahme einer Minnebeziehung) und lobt im Gestus des weitgereisten Kenners h¨ofischer Kultur explizit dt. Frauen und M¨anner. Damit wendet sich W. gegen die Trobadorschelte (Peire Vidal [?]) und wom¨oglich auch gegen Reinmars stereotype Klagehaltung. – 3) Die sog. M¨adchenlieder. In einer kleinen Zahl von Liedern (L 39, 11; 74,20; 49,25; 50,19) ersetzt W. die «frowe» des hohen Sangs durch eine Partnerin («maget» in L 74,21), zu der die Minnebeziehung sich gegenseitig gestaltet. Im Konzept dieser Lieder tritt materieller Besitz und gesellschaftlicher Rang der Dame gegen¨uber der «wˆıpheit» der Geliebten und der Liebeserf¨ullung zur¨uck. Prominentestes Lied dieser Grupe ist das Lindenlied (L 39,11), das sein erotisch-reizvolles Ver- und Enth¨ullen vor der Schablone der romanischen Pastourelle entwickelt. Pastourellenbez¨uge hat auch das Lied von der Traumliebe, Nemet frouwe disen cranz (L 74,20). – 4) Lieder, die das Konzept des Hohen Sanges diskutieren und auch hier die Wechselseitigkeit der Liebesbeziehung einfordern. Am programmatischsten ist Saget mir ieman, waz ist minne (L 69,1). Die Antwort gibt W. in der zweiten Strophe: «minne ist zweier herzen wunne: / teilent sie gelˆıche, sˆo ist die minne da». Die Konsequenz bei Nichterh¨orung ist dann der Dienstabbruch, was einer Absage an das Konzept der Hohen Minne gleichkommt. In der Str. L 48,38 wir der allgemeinen Geschlechtsbezeichnung «wˆıp» der Vorrang vor dem Herrschaftstitel «frowe» einger¨aumt. Die liebevolle «wˆıpheit» erg¨anzt um die auch moralische Vortrefflichkeit des «wibes» ersetzt das unerreichbare Idealbild der «frowe» durch ein realit¨atsn¨aheres Leitbild. Aspekte eines neuen und w¨urdigen Minnedienstes wie «triuwe» und «staete» er¨ortern mehrere Lieder (L 52,23; 70,22; 96,29; 100,3). Die gesellschaftliche Dimension, die diese Form des reflektierten Minnesangs, der sich noch in zahlreichen weiteren Liedern niederschl¨agt, auszeichnet, ist nicht ohne den Einfluss von W.s Sangspruchdichtung vorstellbar: sowohl durch die Beisteuerung einzelner Motive als auch hinsichtlich der Grundhaltung des kritischen S¨angers, der belehrt, lobt und tadelt. – 5) Die Lieder der «Neuen Hohen Minne» sind vermutlich vor dem Hintergrund der konkurrierenden Dichtungen → Neidharts zu sehen. Nicht Minneerf¨ullung oder subjektive Aspekte stehen hier im Mittelpunkt sondern die Bedeutung des Minnesangs f¨ur die 197
1. H¨alfte 13. Jh. h¨ofische Kultur u¨ berhaupt. Hier l¨asst W. «frowe»Figuren auftreten, welche die Wertigkeit der Minne und des Dienstes garantieren, wiederum aber unter Einbezug der m¨oglichen Erf¨ullung (L 43,9; 62,6; 63,8; 92,9). Herausragende Lieder dieser Gruppe sind Sˆo die bluomen uˆ z dem grase dringent (L 45,37) und Aller werdekeit ein f¨uegerinne (L 46,32). Im letztgenannten Lied, vielleicht das in der Forschung umstrittenste, tritt die allegorische «frowe Mˆaze» auf. Deren Funktion im Minnekonzept des Liedes (Voraussetzung der «werdekeit» [?]) ist unsicher. Formal sind die Minnelieder durch ihre strophisch-metrisch-musikalische Vielgestalt gekennzeichnet, wobei sich zahlreiche origin¨are Sonderformen finden (L 39,1; 44,35; 75,25; 88,9; 94,11). W.s stollige Strophen reichen vom Sechsbis zum Elfzeiler, von der schlichten Grundform bis zur sangspruchartigen Ausdehnung. L 47, 16 und 75,25 bestechen durch ihre Reimkunststu¨ cke und vielleicht setzt W. bewusst zahlensymbolische Beziehungen zwischen Vers- und Taktzahlen. Die zeitgen¨ossisch noch wenig profilierte Sangspruchdichtung wurde durch W. zu einer dem Minnesang gleichwertigen Liedgattung. Er behielt zwar die u¨ blichen Themen Moraldidaxe, religi¨ose Belehrung und Fahrendenexistenz bei, erschloss aber auch neue Themenbereiche wie explizite politische Propaganda und den Einsatz des Sangspruches als Instrument zur Bef¨orderung pers¨onlicher Anliegen. Ein Ankn¨upfungspunkt f¨ur W. d¨urfte in der Spruchtradition zu sehen sein, die unter dem Namen → Spervogel u¨ berliefert wird und hinsichtlich der Autorschaft umstritten ist. Dem Minnesang n¨aherte W. die Spruchdichtung dadurch an, dass er nicht mehr nur einen Spruchton verwandte sondern insgesamt 20 To¨ ne erfand, die er offensichtlich aber nur f¨ur jeweil beschr¨ankte Zeit (und manchmal nur ein Mal) benutzte (Gesamtaufstellung s. RSM 5 [1991] S. 460; die namentlichen Bezeichnungen von 13 seiner authentischen T¨one wie «Reichston», «Phillipston», «Wiener Hofton», ¨ «Unmutston» usw. stammen im Ubrigen s¨amtlich aus dem 19. Jh.). Zudem f¨uhrte er die im Minnesang schon l¨anger dominierende Kanzonenform in die Spruchdichtung ein (der «Reichston» ist noch eine Reimpaarreihung), wobei er Strophenformen konzipiert, welche diejenigen seiner Minnesangstrophen noch an experimentieller Variation u¨ bertreffen. An der prinzipiellen Einstrophigkeit der Spruchdichtung hielt W. zwar fest, doch konnten mehrere Strophen auch zu einem Strophenver198
1. H¨alfte 13. Jh. bund von divergierender Festigkeit zusammentre¨ ten. Uberlieferungsvarianz hinsichtlich Strophenzahl und -reihung legen f¨ur diese Strophenverb¨ande einen variablen Gebrauch je nach Auff¨uhrungssituation nahe. W.s rhetorisch gepr¨agter Stil und sein Hang zu best¨andiger Veranschaulichung (Metapher, Gleichnis, Personifikation, Szene, Personenrede oder Sentenz) sind pr¨agnante Kennzeichen seiner pers¨onlichen Ausgestaltung der Sangspruchdichtung. In der Gruppe der Spr¨uche, die das Schicksal des Fahrenden thematisieren, finden sich Klagen u¨ ber ¨ die materiellen Angste des S¨angers (L 28,2 f., 32 und 35; 31, 29 f.) und u¨ ber ander N¨ote wie «bœse herren» (L 28,32) oder die Gesellschaft unh¨ofischer S¨anger (L 31,33; 32,7). G¨onnerlob gibt es reichlich. Neu ist die namentliche Schelte in vorher ungeh¨orter Sch¨arfe Philipps von Schwaben (L 16,36; 17,11; 19,17), Ottos IV. (L 26,33) und eines Abtes von Tegernsee (L 104,23). Die moraldidaktischen Spr¨uche bewegen sich im gattungsgeschichtlich vorgegebenen Rahmen. Dass W. bei den Herrenlehren auch dezidiert auf die Wahrung h¨ofischer Kultur und Lebensweise abzielt (L 24,33; 31,33; 32,7; 80,27; 84,22; 103,13) mag als Versuch verstanden werden, der Sangspruchdichtung einen Stellenwert einzur¨aumen, der demjenigen des Minnesangs an Prestige vergleichbar wird. Religi¨ose Themen behandelt W. in seinen Sangspr¨uchen selten losgel¨ost von verengenden Kontexten (Kreuzzug, Rolle des Papstes oder des Klerus usw.). Es geht somit mehr um die lebenspraktisch ethischen Aspekte und nicht etwa um theologischspekulative Er¨orterungen. Es begegnen aber auch rein religi¨ose Spr¨uche wie z. B. ein Gottes- und ein Marienpreis (L 78,24 und 32). W.s bekannteste Sangspr¨uche stammen aber zweifelsohne aus dem Bereich der politischen Dichtung. Die Er¨orterung aktueller politischer Themen ist hier eine bedeutende Repertoireerweiterung. Position bezieht W. zu den wichtigen machtpolitischen Brennpunkten seiner Zeit: zum Thronstreit zwischen Staufern und Welfen, zum Konflikt zwischen Reich und Papsttum und zu den Spannungen zwischen dt. K¨onigtum und Territoralf¨ursten. Ob W. f¨ur die betreffenden Spruchstrophen konkrete Auftr¨age erhalten hat oder die Themen aus eigenem Impetus behandelt hat, l¨asst sich nicht entscheiden. Dass W. dabei auch das politische Lager wechselte, begr¨undet er selbst in den jeweiligen Einzelf¨allen mit mangelnder «milte», die von ihm als legitimierende Herrschertugend verstanden wird. Als Propagandist der 199
Walther von der Vogelweide Staufer tritt er f¨ur die Kr¨onung Phillips von Schwaben ein (8.9.1198). Die ber¨uhmte «ich saz uˆ f eime steine»-Strophe des Reichstons (L 8,4 ff.) mit der Selbststilisierung des Dichters als bedr¨uckt nachdenklicher Prophet leitet die dreistrophige F¨ursprache f¨ur Philipp ein und postuliert die Notwendigkeit einer gefestigten Reichsmacht. Die zweite Strophe («Ich hˆorte ein wazzer diezen») exemplifiziert mit dem Bezug auf die Ordnung im Tierreicht die Gottgewolltheit des K¨onigtums und enth¨alt eine direkte Aufforderung an Philipp zur Macht¨ubernahme. Die letzte Strophe des Tons «Ich sach mit mˆınen ougen» zielt auf die Verteidigung der Reichsmacht gegen klerikale Anfechtungen. Die Abweisung p¨astlicher Machtanspr¨uche an das Reich ist eine kontinuierliche Haltung in W.s politischer Dichtung, unabh¨angig vom jeweiligen dt. Herrscher (Philipp, Otto IV. oder Friedrich II.) und Papst (Innozenz III., Honorius III., Gregor IX.). Diese Haltung manifestiert sich in zahlreichen Spruchstrophen (z. B. in den «her keiser»-Strophen an Otto (s. u.) oder in L 10,25; 11,18; 25,11) und geht bis zur ausdr¨ucklichen Innonzenz-Schelte im «Unmutston» (L 33,1,11 und 21; 34,4,14 und 24). Auf diesen reichspolitischen Antipapismus rekurriert → Thomasin von Zerklære im W¨alschen Gast, wenn er W. vorwirft, er habe «tˆusent man betœret» (V. 11091). Die Polemik Thomasins kann als Beleg f¨ur die Wirksamkeit der waltherschen Spruchdichtung gelten. W.s Abkehr von Philipp markieren die Spr¨uche L 18,15 und 19,15. Vermutlich trat W. in den Dienst Hermanns von Th¨uringen und Dietrichs von Meißen. Die Interessen- und Auftragslage bei den Spr¨uchen, die auf Otto IV. gehen, darunter die «her keiser»-Strophen (L 11,30; 12,6; 12,18), ist nicht eindeutig. Otto wird zur Durchsetzung des Reichsfriedens und zum Kreuzzug aufgefordert. Die Abwendung von Otto artikulieren die Spr¨uche L 26,23 und 33. Die Beziehung zu Friedrich II. wird durch Strophen gekennzeichnet, die das Bem¨uhen um G¨onnerschaft widerspiegeln (L 26,23 und 33; 27,7; 84,30). Die Bem¨uhungen wurden letztlich mit dem Lehen belohnt. Zahlreiche weitere Spr¨uche zeigen W. als Parteig¨anger des Staufers (L 10, 9,17 und 33; 29,15; 79,1 und 9). Im Kontext seines Engagements f¨ur den Reichsgedanken stehen auch der Lobspruch und die Totenklage auf den Reichsverweser Engelbert von K¨oln (L 85,1 und 9). Die Strophen des r¨ugenden «K¨onig Heinrichstons» (L 101,23 ff.) werden zumeist auf den jungen Heinrich (VII.) bezogen. 200
Walther von der Vogelweide Die Werke W.s außerhalb der beiden Prim¨argattungen Minnelied und Sangspruch sind religi¨oser Natur: der Leich, die Altersdichtung mit der Elegie und die Kreuzlieder. Die Kreuzzugsthematik behandelt W. n¨amlich nicht verkn¨upft mit der Minnethematik (wie etwa → Friedrich von Hausen oder → Albrecht von Johansdorf) sondern ausschließlich im Hinblick auf die religi¨ose Dimension. Die Aufrufe zur Kreuznahme in zwei Liedern (L 14,38; 76,22) mit zahlreichen Motiven aus der Kreuzzugspredigt und Rekurs auf die Heilserwartung erinnern in ihrer Programmatik an den Kreuzleich → Heinrichs von Rugge. Das Pal¨astinalied (L 14,38; Nˆu alrˆest leb ich mir werde) war nach ¨ dem Zeugnis der (sehr variablen) Uberlieferung das bekannteste Kreuzlied. Es betont das christliche Recht auf das hl. Land als St¨atte des Heilsgeschehens, enth¨alt aber keinen direkten Kreuzzugsaufruf. Das Ich des Liedeingangs l¨asst sich interpretieren als Ausweis der Teilnahme an einem Kreuz- oder Pilgerzug W.s oder als Rollen-Ich: des Pilgers, der im heiligen Land geistliche Erf¨ullung fand, oder Friedrichs II. Die lyrische Großform des Leichs dient auch bei W. dem Nachweis des eigenen poetischen Verm¨ogens und der Erh¨ohung des dichterischen Gegenstands, hier vor allem Maria. Formal folgt der Leich der lat. Sequenz. Der Marienpreis wird mit Betonung der Mysterien der Trinit¨at, Menschwerdung und Jungfrauengeburt inhaltlich akzentuiert. Auch die sog. Alterslyrik hat einen religi¨osen Einschlag. Diese sehr perso¨ nlich wirkenden Lieder haben kein Vorbild in der a¨ lteren Dichtung. Der S¨anger rechnet r¨uckblickend mit Minne und Welt ab und a¨ußert sich scheinbar abschließend zu seinen lebenslangen Bem¨uhungen als Minnes¨anger. Typologisch stehen diese Lieder im Interferenzfeld von Minnesang und Spruchdichtung. L 122,4 ist eine bedingungslose Weltabsage. Besondere Erw¨ahnung verdient auch das Lied Frˆo Welt, ir sult dem wirte sagen (L 100,24), welches das S¨angerIch im Gespr¨ach mit der Frau Welt pr¨asentiert, die im Gasthaus des Teufels arbeitet. Deren verlockenden Angeboten widersteht der S¨anger angesichts ihres entstellten R¨uckens. Vermutlich war es W., der die allegorische und sp¨ater auch in der bildenden Kunst verbreitete Figur der Frau Welt in die dt. Dichtung eingef¨uhrt hat (vgl. z. B. die «Frau-WeltLieder» Neidharts oder Der Welt Lohn → Konrads von W¨urzburg). Ein weiteres Bindeglied zwischen Sangspruch und Minnesang ist die sog. Elegie (Owˆe, war 201
1. H¨alfte 13. Jh. sint verswunden alliu mˆıniu jˆar; L 124,1). Deren paargereimte Strophen zu je 16 Langversen sind hinsichtlich ihrer formalen Bewertung umstritten und erinnern am ehesten an die → K¨urenberger/→ Nibelungenstrophe. Auch inhaltlich erzeugt die Elegie Kontroversen. Sie vereint in ihren drei Strophen Altersr¨uckblick, Verfallsklage und Kreuzzugsaufruf. Abweichende Forschungspositionen gibt es sowohl zu Detailaussagen (biographische Deutungen, Datierungen) als auch hinsichtlich der Gesamttendenz des Liedes. Unstrittig ist der poetische Rang, die bildliche Komplexit¨at und gedankliche Abstraktion der Elegie, die in ihrer ersten Strophe mit einer Altersr¨uckschau von zeitloser Eindringlichkeit aufwartet. Als «Verm¨achtnis» W.s wird gemeinhin das Lied Ir reiniu wˆıp, ir werden man gewertet (L 66,21), welches den Bestand der kulturellen Leistung des Dichters auch u¨ ber dessen Tod hinaus postuliert. Es kann auch als Ausdruck des dichterischen Selbsbewusstseins gesehen werden, dass W. oft attestiert worden ist. Die Rezeption W.s und die Auseinandersetzung mit seiner Dichtung setzt bereits zu Lebzeiten ein und erreicht im 13. Jh. ihren ersten H¨ohepunkt. Sein Name erscheint regelm¨aßig in Dichterkatalogen und Nachrufen (im Renner → Hugos von Trimberg, bei → Ulrich von Singenberg, → Reinmar von Brennenberg, → Rubin). Schon → Gottfried von Straßburg bezeichnet ihn im Tristan (V. 4774) als Meister aller Minnes¨anger. Die zitierenden Anspielungen Wolframs (Parzival; 297,24 und Willehalm; 286,19) sind hingegen in ihrer Tendenz nicht eindeutig und Thomasin von Zerklaere u¨ bt Kritik (s. o.). In der Sangspruchdichtung hat W. vor allem u¨ ber Bruder → Wernher und → Reinmar von Zweter gewirkt und fand so Eingang in den Katalog der von den Meisters¨angern verehrten Zw¨olf alten Meister, wenn auch nicht in exponierter Position. Die Zahl der Meisterlieder in W.s T¨onen oder «unechten» aber ihm zugeschriebenen To¨ nen ist dementsprechend relativ bescheiden. Im Minnesang ist sein unmittelbarer Einfluss bis zu Johannes → Hadlaub sp¨urbar. → Ulrich von Liechtenstein etwa konnte davon ausgehen, dass ein Zitat aus W.s Preislied vom Publikum als solches erkannt werden w¨urde (Frauendienst, 240,6–9). Weitere Zitierungen finden sich bei → Rudolf vom Ems (Willehalm von Orlens, 102,8), im J¨ungeren Titurel → Albrechts (8,9) oder in der → Moringer-Ballade (72,31; hier ohne Verfasserbezug). Der «wip»-«frowe»-Streit zwischen 202
1. H¨alfte 13. Jh. → Frauenlob, → Regenbogen und → Rumelant von Sachsen hat seinen Ausgangspunkt in L 48,38 (s. o.). Im → Wartburgkrieg erscheint W. als eine vom Werk losgel¨oste prominente Figur und vom 14. bis zum 16. Jh. wird W.s Nachwirkung zur rudiment¨aren Kenntnis von ihm minimiert. Einzelne seiner Texte aber wurden bereits kurz nach 1600 vom Polyhistor Melchior Goldast wieder bekannt gemacht und in der Folge von Barockpoetiken zitiert. Stellt dies auch den Beginn der gelehrten Rezeption dar, so setzt W.s neuzeitliche breitenwirksame Rezeption erst im 19. Jh. mit der Romantik ein. Den Literaten des dt. Vorm¨arz wurde er zur Vorbildfigur f¨ur die politische Dichtung und Hoffmann von Fallersleben ließ sich beim Lied der Deutschen vom Preislied anregen. Literarische Auseinandersetzungen des 20. Jh. stammen von Franz Josef Degenhardt, Peter R¨uhmkorf und Eberhard Hilscher. ¨ Uberlieferung: Heidelberg, UB, Cpg 357 (→ Heidelberger Liederhs. A) 5v–13v (Perg, 1270–80, niederalemannisch) 151 Str. (umfangreichstes Cor¨ pus der Slg.); Uberschrift: «WALTHER VON DER VOGELWEIDE». 38 weitere Str., die anderw¨arts oder von der Forschung W. zugeschrieben werden, in den Corpora von → Hartmann von Aue, → Leuthold von Seven, → Niune, Reinmar und dem → Truchsess von St. Gallen. – Stuttgart, LB, Cod. HB XIII 1 (→ Weingartner Liederhs. B) S. 139–170 (Perg., erstes Viertel 14. Jh., alemannisch) 112 Str., vermutlich verringerte Strophenzahl durch Blattverlust (einziges Corpus der Slg., ¨ das auch Sangspr¨uche enth¨alt). Uberschrift: «H[s]. s ¯ s WALTH . V. D . VOGELWAIDE». – Heidelberg, UB, Cpg 848 (→ Heidelberger Liederhs. C) 124r–145v (Perg., um 1300, alemannisch) Leich und 447 Str. (7 doppelt; umfangreichstes Corpus in C und gr¨oßte ¨ W.-Slg. u¨ berhaupt). Uberschrift: «Her walther v¯o der Vogelweide». 31 weitere Str., die anderw¨arts oder von der Forschung W. zugeschrieben werden, in den Corpora von Hartmann von Aue, Heinrich von Morungen, Reinmar, → Rudolf von Fenis/ Neuenburg, → Rudolf von Rotenburg, Rubin, → Walther von Mezze. – Die Autorminiaturen in B und C sind typusgleich: Illustration der ersten Str. des «Reichstons» und Stilisierung W.s als sorgenvoller ritterlicher Dichter mit Wappen und Schwert. – Nennenswerte Erg¨anzung des Bestandes dieser drei Hauptsammlungen nur durch: M¨unchen, UB 28 Cod. 2° ms 731 (W¨urzburger Liederhs. [E, Hausbuch des Michael de Leone]) 168v–180v (Perg., 203
Walther von der Vogelweide ¨ um 1345/54, ostfr¨ankisch). Uberschrift: «Hie hebent sich die lieder an des meistss von der vogelweide hern walther». Blattverlust am Ende der Sammlung. In der in der Hs. folgenden ReinmarSammlung sind drei Str. anderw¨arts gut f¨ur W. bezeugt. – Insgesamt finden sich Str., die W. namentlich zugeschrieben, durch Parallel¨uberlieferung f¨ur ihn bezeugt oder anderweitig f¨ur ihn in Erw¨agung gezogen werden in rund 30 Hss. (vgl. Ausg. Cormeau [1996] S. XXIV–XLV). Erste Bezeugung in: M¨unchen, BSB, Clm 4660 (→ Carmina Burana) 61v (CB 151a) 68r (CB 169a) 92v (CB 211a) (Perg., um 1230, bair.-o¨ sterr.). Drei anonyme Str., die anderw¨arts f¨ur W. bezeugt sind, werden jeweils als Einzelstr. im Anschluss an lat. Lieder gleichen Tons u¨ berliefert. – Die Melodie¨uberlieferung in deutbarer Notation zu f¨ur W. gesicherten Texten beschr¨ankt sich auf: M¨unster, Staatsarch., Msc. VII Nr. 51 («M¨unstersches Fragm.» [Z]) 1 Perg.-Doppelbl. (erste H¨alfte/Mitte 14. Jh., mitteldt. von nd. Schreiber). 26 Str., 1 vollst. Melodie (zum Pal¨astinalied), drei fragmentarische («K¨onigFriedrichs-Ton», «Zweiter Philipps-Ton» und unbekannter Sangspruchton [W. in der Regel abgesprochen]). – Von den f¨unf T¨onen, die W. in der meisterlichen Tradition zugeschrieben und von Meisters¨angern verwandt werden, sind drei untergeschoben und zwei gelten als authentisch («Ottenton», «Wiener Hofton»). Melodien hierzu sind in Meisterlied-Hs. u¨ berliefert (erstmals: → Kolmarer Liederhs. [k]), freilich nicht mehr in der v. W. ur¨ spr¨unglich intendierten Form. Ubersicht der Melodie¨uberlieferung: RSM 2,1 (2009) S. 290–295. Ausgaben (Auswahl): Karl Lachmann: Die Gedichte W.s v. d. V. Berlin 1827; 31853 besorgt v. Moriz Haupt; 51875 besorgt v. Karl Mu¨ llenhoff; 7 1907 besorgt v. Carl v. Kraus; 101930 mit Bezeichnung der Abweichungen von Lachmann und mit seinen Anm. neu hg. v. C. v. Kraus; 131965 aufgrund der 10. v. C. v. Kraus bearb. Ausg. neu hg. v. Hugo Kuhn. – W. v. d. V. Leich, Lieder, Sangspr¨uche. 14., v¨ollig neu bearb. Aufl. der Ausg. K. Lachmann. Hg. v. Christoph Cormeau. Mit Beitr. v. Thomas Bein und Horst Brunner. Berlin/New York 1996. – Franz Pfeiffer: W. v. d. V. (Dt. Klassiker des MA 1). Leipzig 1864; 31869 bearb. v. Karl Bartsch; 71911 bearb. v. Hermann Michel. – Wilhelm Willmanns: W. v. d. V. (Germanistische Handbibl. 1). Halle 1869; 4. vollst. umgearb. Aufl. v. Viktor Michels in 2 Bdn. 1916/24. – Hermann Paul: Die Gedichte W.s v. d. V. (ATB 1). Halle 1881; 61943 besorgt 204
Walther von der Vogelweide v. Albert Leitzmann; 9., durchges. Aufl. besorgt v. H. Kuhn (T¨ubingen 1959). – Silvia Ranawake: W. d. V. Gedichte. 11. Aufl. auf der Grundlage der Ausg. v. H. Paul, mit einem Melodieanh. von H. Brunner. Bd. 1: Der Spruchdichter. T¨ubingen 1997. – Friedrich Maurer: Die Lieder W.s v. d. V. Unter Beif¨ugung erhaltener und erschlossener Melodien. Bd. 1: Die religi¨osen und die politischen Lieder (ATB 43). T¨ubingen 1955, 41974. Bd. 2: Die Liebeslieder (ATB 47). Ebd. 1956, 31969. – H. Brunner/Ulrich Mu¨ ller/Franz Viktor Specht¨ ler: W. v. d. V. Die gesamte Uberl. der Texte und Melodien. Abb., Materialien, Melodietranskriptionen (Litterae 7). G¨oppingen 1977. – G¨unther ¨ Schweikle: W. v. d. V. Werke. Gesamtausg. Ubers. und komm. Bd. 1: Spruchlyrik (RUB 819). Stuttgart 1994; 32009 hg. v. Ricarda Bauschke-Hartung. Bd. 2: Liedlyrik (RUB 820). Ebd. 1998; 22011 hg. v. R. Bauschke-Hartung. – Auswahlausgaben mit Kommentar: Dt. Lyrik des fr¨uhen und hohen MA. Edi¨ tion der Texte und Komm. v. Ingrid Kasten, Ubersetzungen v. Margherita Kuhn (BMA 3). Frankfurt/M. 1995. – Melodieausgaben: Horst Brunner/ Karl-G¨unther Hartmann: Spruchsang. Die Melodien der Sangspruchdichter des 12. bis 15. Jh. (Monumenta monodica medii aevi 6). Kassel 2010, S. 408–419. Tontr¨ager (Auswahl): W. v. d. V. Ausgew¨ahlte Gedichte. ‹Ir sult sprechen willekomen›. Gelesen und komm. v. Peter Wapnewski. 4 CD. 2000. ¨ Nhd. Ubersetzungen (Auswahl): Gedichte W.s ¨ v. d. V. Ubers. v. Karl Simrock und erl. v. dems. und Wilhelm Wackernagel. 2 Bde. Berlin 1833; zahlreiche Neu- und Auswahlausg. mit wechseln¨ den Titeln; zuletzt: W. d. V. Die Gedichte. Ubers. v. K. Simrock. Text neu ausgew¨ahlt und durchges. v. Christian Morgenstern. Augsburg 2003. – P. Wapnewski: W. v. d. V. Gedichte. Mhd. Text und ¨ Ubertragung. Ausgew¨ahlt, u¨ bers. und mit einem Komm. versehen (Fischer B¨ucherei 732). Frankfurt/M. 1962; 7., u¨ berarb. Aufl. 1970 u. o¨ ., Neuausg. 2008. – F. V. Spechtler: W. v. d. V. S¨amtliche Gedichte. Klagenfurt 2003. – Zu weiteren Ausg. ¨ und Ubers. s. Bibliographien. Bibliographien: Manfred G¨unther Scholz: Bibliogr. zu W. d. V. (Bibliogr. zur dt. Lit. des MA 4). Berlin 1969. – Fortf¨uhrung v. Barbara Bartels: Bibliogr. zu W. v. d. V. In: Wissenschaftliche Zs. der Ernst-Moritz-Arndt-Univ. Greifswald. Gesellschafts- und sprachwissenschaftliche Reihe 30 (1981) S. 85–90. – M. G. Scholz: W. -Bibliogr. 205
1. H¨alfte 13. Jh. 1968–2004 (W.-Stud. 3). Frankfurt/M. 2005. – Ders.: W.-Bibliogr. 2005–2009. In: W. v. d. V. – ¨ Uberlieferung, Deutung, Forschungsgesch. (2010, s. u.) S. 329–354. – Hinzu kommen Bibliogr. in Allgemeindarstellungen und Sammelb¨anden. Literatur: Konrad Burdach, ADB 41 (1896) S. 35–92. – RSM 5 (1991) S. 460–491; 2,1 (2009) S. 290–295. – Joachim Bumke, KNLL 17 (1992) S. 398–403. – Frieder Schanze, MarLex 6 (1994) S. 690 f. – Ursula Schulze, LexMA 8 (1997) Sp. 2004–2006. – Klaus-Gunther Wesseling, BBKL 13 (1998) Sp. 241–308. – Gerhard Hahn, VL2 10 (1999) Sp. 665–697. – Hermann Reichert, TRE 35 (2003) S. 435–439. – H. Brunner, MGG2 Personenteil 17 (2007) Sp. 447–450. – G. Hahn, Killy2 12 (2011) S. 124–129. Allgemeindarstellungen/Sammelb¨ande: Konrad Burdach: W. v. d. V. Philol. und hist. Forschungen. Bd. 1. Leipzig 1900. – Ders. Reinmar der Alte und W. v. d. V. Ein Beitr. zur Gesch. des Minnesangs. Leipzig 1888, 21928. – C. v. Kraus: W. v. d. W. Unters. Berlin/Leipzig 1935. – Siegfried Beyschlag (Hg.): W. v. d. V. (WdF 112). Darmstadt 1971. – Timothy McFarland/S. Ranawake: W. v. d. V. Twelve Studies (Oxford German Studies 13, Sonderh.). Oxford 1982. – Kurt Herbert Halbach: W. v. d. V. 4., durchges. und erg. Aufl. v. M. G. Scholz (Slg. Metzler 40). Stuttgart 1983. – G. Hahn: W. v. d. V. Eine Einf. (Artemis Einf¨uhrungen 22). M¨unchen 1986, 21989. – Hans-Dieter M¨uck (Hg.): W. d. v. W. Beitr. zu Leben und Werk (Kulturwissenschaftliche Bibl. 1). Stuttgart 1989. – Jan-Dirk Mu¨ ller/ Franz Josef Worstbrock: W. v. d. V. Hamburger Kolloquium 1988 zum 65. Geburtstag von KarlHeinz Borck. Stuttgart 1989. – Theodor Nolte: W. v. d. V. H¨ofische Idealit¨at und konkrete Erfahrung. Stuttgart 1991. – Clifton D. Hall/Samuel S. Coleman: W. v. d. V. A complete reference work. Head-word and rhyme-word concordances to his poetry. Niwot (Colorado) 1995. – H. Brunner/G. Hahn/U. Mu¨ ller/F. V. Spechtler: W. v. d. V. Epoche – Werk – Wirkung. M¨unchen 1996, 22009. – M. G. Scholz: W. v. d. V. (Slg. Metzler 316). Stuttgart u. a. 1999, 22005. – G. Hahn: Wer ist ‹W. v. d. V.›. Zur Einheit seines literarischen Werks. In: Vom MA zur Neuzeit. FS H. Brunner. Hg. v. Dorothea Klein u. a. Wiesbaden 2000, S. 147–160. – Volker Mertens/U. Mu¨ ller (Hg.): W. lesen. Interpretatio¨ nen und Uberlegungen zu W. v. d. V. FS Ursula Schulze (GAG 692). G¨oppingen 2001. – T. Bein (Hg.): W. v. d. V. Beitr. zu Produktion, Edition 206
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Walther von der Vogelweide 1956. – G. Schweikle: Minne und Mˆaze. Zu Aller werdekeit ein f¨uegerinne (W. 46,32). In: DVjs 37 (1963) S. 498–528. – P. Wapnewski: Der S¨anger und die Dame. Zu W.s Schachlied (111,23). In: Euph. 60 (1966) S. 1–29. – Wolfgang Mohr: Die ‹vrouwe› W.s v. d. V. In: ZfdPh 86 (1967) S. 1–10 (wieder in: Ders.: Gesammelte Aufs¨atze. Bd. 2: Lyrik [GAG 300]. G¨oppingen 1983, S. 173–184). – G. Hahn: ‹Nemt frowe disen kranz› (74,20). In: Interpretationen mhd. Lyrik. Hg. v. G¨unther Jungbluth. Bad Homburg 1969, S. 205–226. – F. V. Spechtler: Zur Stilisierung der Distanz. Zur Rolle des Boten im Minnesang bis W. und bei Ulrich von Liechtenstein. In: Peripherie und Zentrum. Stud. zur o¨ sterr. Lit. FS Adalbert Schmidt. Hg. v. Gerlinde Weiß/Klaus Zelewitz. Salzburg u. a. 1971, S. 285–310 (wieder in: Ders.: Gesammelte Abh. zur dt. Lit. des MA. Hg. v. Michaela Auer-M¨uller u. a. [GAG 736]. G¨oppingen 2006, S. 223–246). – Alois Kircher: Dichter und Konvention. Zum gesellschaftlichen Realit¨atsproblem der dt. Lyrik um 1200 bei W. v. d. V. und seinen Zeitgenossen (Lit. in der Ges. 18). Bochum 1973. – G. Jungbluth: Thesen zu einigen Waltherliedern. In: FS Hugo Moser (s. o.) S. 101–112. – Roswitha Wisniewski: Werdekeit und Hierarchie. Zur soziologischen Interpretation des Minnesangs. In: Strukturen und Interpretationen. FS Blanka Horacek. Hg. v. Alfred Ebenbauer (Philologica germanica 1). Wien/ Stuttgart 1974, S. 340–379. – K.-H. Borck: ‹Den diu Minne blendet, wie mac der gesehen?› Zu W.s Lied 69,1. In: Gedenkschr. Jost Trier. Hg. v. Hartmut Beckers/Hans Schwarz. K¨oln u. a. 1975, S. 309–320. – Gert Kaiser: Zur Funktion des Hofes in der Lyrik W.s v. d. V. In: Ruperto Carola 54 (1975) S. 59–66. – Uwe Stamer: Ebene Minne bei W. v. d. V. Stud. zum gedanklichen Aufbau und zum Einfluß der Tradition (GAG 194). G¨oppingen 1976. – Herbert Herzmann: W.s ‹Under der linden› (39, 11) – Ein Lied der ‹Niederen Minne›? In: ZfdPh 96 (1977) S. 348–370. – H. Kuhn: ‹Herzeliebez vrowelin› (W. 49,25). In: Medium Aevum Dt. Beitr. zur dt. Lit. des hohen und sp¨aten MA. FS Kurt Ruh. Hg. v. Dietrich Huschenbett u. a. T¨ubingen 1979, S. 199–213 (wieder in: Ders.: Kleine Schr. Bd. 3: Liebe und Gesellschaft. Hg. v. Wolfgang Walliczek. Stuttgart 1980, S. 69–79). – Trude Ehlert: Konvention – Variation – Innovation. Ein struktureller Vergleich von Liedern aus MF und von W. v. d. V. (Phil.Stud.u.Qu. 99). Berlin 1980. – Hans G¨unther Meyer: Die Strophenfolge und ihre Gesetzm¨aßigkeiten im Minnelied 208
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1. H¨alfte 13. Jh. Hg. V. Gudrun Marci-Boehncke/J¨org Riecke. Hildesheim 2006, S. 33–48. – Jens Pfeiffer: ‹Zeit› als Moment einer poetologischen Fiktionalit¨atsReflexion im Hohen Minnesang. Zu W.s v. d. V. ‹Lange swigen des hat ich gedaht› und Heinrichs von Morungen ‹Mir ist geschehen als einem kindeline›. In: Das Sein der Dauer (Miscellanea mediaevalia 34). Hg. v. Andreas Speer/David Wirmer. Berlin 2008, S. 473–494. – H. Brunner: Das ‹Lindenlied› W.s v. d. V. Bemerkungen zur Interpretation. In: Bilder – Sachen – Mentalit¨aten. Arbeitsfelder hist. Kulturwiss. FS Wolfgang Br¨uckner. Hg. v. Heidrun Alzheimer u. a. Regensburg 2010, S. 201–206. – Uta Goerlitz: Neue Aspekte zum ‹Preislied› W.s v. d. V. In: DVjs 85 (2011) S. 3–29. Sangspruchdichtung: Arthur Thomas Hatto: W. v. d. V.’s Ottonian poems. A new Interpretation. In: Speculum. 24 (1949) S. 542–553 (dt. in Beyschlag [1971, s. o.] S. 230–250). – F. Maurer: Die politischen Lieder W.s v. d. V. T¨ubingen 1954, 31972. – Helmut Tervooren: Einzelstrophe oder Strophenbindung? Unters. zur Lyrik der Jenaer Hs. Diss. Bonn 1967, passim. – P. Wapnewski: Die Weisen aus dem Morgenland auf der Magdeburger Weihnacht: Zu W. v. d. V., 19.5. In: Lebende Antike. Symposion f¨ur Rudolf S¨uhnel. Hg. v. Horst Meller. Berlin 1967, S. 74–94 (wieder in: Waz ist minne. Stud. zur mhd. Lyrik [Edition Beck 8]. M¨unchen 1975, 21979, S. 155–180). – M. G. Scholz: Die Strophenfolge des ‹Wiener Hoftons›. In: ZfdPh 92 (1973) S. 1–23. – A. Masser: Zu W.s Propagandastrophen im ersten Philippston (L 18,29 und 19,5). In: FS Hugo Moser (s. o.) S. 68–87. – U. M¨uller: Unters. zur politischen Lyrik des dt. MA (GAG 55/56). G¨oppingen 1974, Reg. – Volker Schupp: Er hˆat tˆusent man betoeret. Zur o¨ ffentlichen Wirkung W.s v. d. V. In: Poetica 6 (1974) S. 38–59. – H. ¨ Brunner: Die alten Meister. Stud. zur Uberl. und Rezeption der mhd. Sangspruchdichter (MTU 54). M¨unchen 1975, Reg. – Bernd Niles: Pragmatische Interpretationen zu den Sprucht¨onen W.s v. d. V. Ein Beitr. zu einer kommunikationsorientierten Literaturwiss. (GAG 274). G¨oppingen 1979. – C. Douglas M. Cossar: The unity of the Wiener Hofton. In: Neophilologus 64 (1980) S. 534–547. – Jeffrey R. Ashcroft: Die Anf¨ange von W.s politi¨ scher Lyrik. In: Minnesang in Osterreich (s. o.) ¨ S. 1–24. – U. M¨uller: Zur Uberl. und zum hist. Kontext der Strophen W.s v. d. V. im Reichston. In: Spectrum Medii Aevi. Essays in early German literature in honor of George Fenwick Jones. Hg. 210
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Walther von der Vogelweide d. V. In: Sprachkunst 2 (1971) S. 329–356 (wieder in: Gesammelte Aufs¨atze Bd. 2: Lyrik [GAG 300]. G¨oppingen 1983, S. 209–242). – Wolfgang Haubrichs: Grund und Hintergrund in der Kreuzzugsdichtung. Argumentationsstruktur und politische Intentionen in W.s ‹Elegie› und ‹Pal¨astinalied›. In: Philologie und Geschichtswiss. Demonstrationen literarischer Texte des MA (Medium Lit. Studienbibl. f¨ur Wiss. und Unterricht 5). Hg. v. H. Rupp. Heidelberg 1977, S. 12–62. – C. Cormeau: Minne und Alter. Beobachtungen zur pragmatischen Einbettung des Altersmotivs bei W. v. d. V. In: Mittelalterbilder aus neuer Perspektive. Diskussionsanst¨oße zu amour courtois, Subjektivit¨at in der Dichtung und Strategien des Erz¨ahlens (Beitr. zur romanischen Philologie des MA 14). Hg. v. Ernstpeter Ruhe/Rudolf Behrens. M¨unchen 1985, S. 147–165. – Berndt Volkmann: ‹Owˆe war sint verswunden›: die ‹Elegie› W.s v. d. V. Unters., krit. Text, Komm. (GAG 483). G¨oppingen 1987. – J.-D. M¨uller: W. v. d. V.: ‹Ir reinen wˆıp , ir werden man›. In: ZfdA 124 (1995) S. 1–25 (wieder in: Ders.: Minnesang und Literaturtheorie. Hg. v. Ute v. Bloh/ Armin Schulz. T¨ubingen 2001, S. 151–176). – S. Ranawake: W. v. d. V. und die Trobadors. Zu den Liedern mit Kreuzzugsthematik und ihrem literarischen Umfeld. In: Arch. f¨ur das Stud. der neueren Sprachen und Literaturen 236 (1999) S. 1–32. – Meinolf Schumacher: Die Welt im Dialog mit dem ‹alternden S¨anger›? W.s Absagelied ‹Frˆo Welt, ir sult dem wirte sagen› (L.100,24). In: Wirkendes Wort 50 (2000) S. 169–188. – Andrea Grafetst¨atter: Der Leich W.s v. d. V. Transkriptionen, Komm., Analysen (Bamberger Stud. zum MA 5). M¨unster 2004. ¨ Uberlieferung, Textkritik: Gisela Kornrumpf: Einf. zu: Die Lieder Reinmars und W.s v. d. V. aus der W¨urzburger Hs. 2° Cod. Ms. 731 der UB M¨unchen. Bd. 1: Faks. Wiesbaden 1972. – B. Wachinger: Der Anfang der Jenaer Liederhs. In: ZfdA 110 (1981) S. 299–306. – Thomas Klein: Zur Verbreitung mhd. Lyrik in Norddeutschland (W., Neidhart, Frauenlob). In: ZfdPh 106 (1987) S. 72–112. – Codex Manesse. Die Miniaturen der Großen Heidelberger Liederhs. Hg. und erl. v. Ingo F. Walther unter Mitarbeit v. Gisela Siebert. Frankfurt/M. 1988 (62001) S. 90–93 (Tf. 45). – T. Bein: ¨ Uber die sog. ‹unechten› Str. und Lieder in der 13. Aufl. v. K. Lachmanns W.-Edition. In: Mittelalterforschung und Edition (Wodan. Recherches en litt´erature m´edi´evale 6). Hg. v. Danielle Buschinger. Amiens 1990, S. 7–26. – Ingrid Bennewitz: 212
Carmina Burana Die SCHRIFT des Minnesangs und der TEXT ¨ des Editors. Stud. zur Minnesang-Uberl. im ‹Hausbuch› des Michael de Leone (Minnesang-Hs. E). Habil.-Schr. Salzburg 1992, passim. – Franz-Josef Holznagel: Wege in die Schriftlichkeit. Unters. und ¨ Materialien zur Uberl. der mhd. Lyrik (Bibliotheca Germanica 32). T¨ubingen/Basel 1995, Autorenreg. – T. Bein (Hg.): W. v. d. V. Textkritik und Edition. Berlin u. a. 1999. – Johannes Janota: W. am Ende. Zur j¨ungsten Aufzeichnung von Minneliedern W.s v. d. V. in der ‹Weimarer Liederhs.›. ¨ In: MA und fr¨uhe Neuzeit. Uberg¨ ange, Umbr¨uche und Neuans¨atze (Fortuna vitrea 16). Hg. v. Walter Haug. Tu¨ bingen 1999, S. 78–99. – T. Bein: ‹die ¨ ma. Texte und ihre Konstitua¨chte lesart›. Uber tionen (am Beispiel W.s v. d. V.). In: Text. Krit. Beitr. 9 (2004) S. 107–123. – U. Schulze: Zum Profil W.s v. d. V. in der W¨urzburger Liederhs. E. In: W¨urzburg, der Große L¨owenhof und die dt. Lit. des Sp¨atMA (Imagines medii aevi 17). Hg. v. H. Brunner. Wiesbaden 2004, S. 211–225. – Elmar Willemsen (Hg.): W. v. d. V. Unters. zur Varianz in der Lied¨uberl. (W.-Stud. 4). Frankfurt/M. u. a. 2006. – Carolin Schuchart (Hg.): W. in A. Stud. zum Corpusprofil und zum Autorbild W.s v. d. V. in der Kleinen Heidelberger Liederhs. (W.-Stud. 6). Frankfurt/M. 2010. – T. Bein: Varianztypen in ¨ der hsl. Uberl. W.s v. d. V. In: Kunst und saelde. FS T. Ehlert. Hg. v. Katharina Boll/Katrin Wenig. W¨urzburg 2011, S. 9–24. Rezeption, Forschungsgeschichte: Alfred Hein: W. v. d. V. im Urteil der Jh. (bis 1700). Ein Beitr. zur literarischen Erschließung des W.-Bildes. Diss. Greifswald 1934. – Hans-Dietrich Czaplinski: Das Bild W.s v. d. V. in der dt. Forsch. v. Ludwig Uhland bis zum Ende des Dritten Reiches. Unters. zum Einfluß politischer Anschauungen auf die Literaturgesch. Diss. Gießen 1969. – Manfred Gradinger: Die Minnesang- und Waltherforschung von Bodmer bis Uhland. Diss. Mu¨ nchen 1970. – Roland Richter: Wie W. v. d. V. ein ‹S¨anger des Reiches› wurde. Eine sozial- und wissenschaftsgeschichtliche Unters. zur Rezeption seiner ‹Reichsidee› im 19. und 20. Jh. (GAG 484). G¨oppingen 1988. – H. Brunner: Hoffmann von Fallersleben und W. v. d. V. In: August Heinrich Hoffmann von Fallersleben, 1798–1998. FS zum 200. Geburtstag (Braunschweiger Beitr. zur dt. Sprache und Lit. 1). Bielefeld 1999, S. 225–238 (wieder in: Ders.: Ann¨aherungen. Stud. zur dt. Lit. des MA und der fr¨uhen Neuzeit 213
1. H¨alfte 13. Jh. [Phil.Stud.u.Qu. 210]. Berlin 2008, S. 140–157). – Ders.: W. v. d. V. und die W¨urzburger Professoren. In: Bl¨utezeit. FS Peter Johnson. Hg. Mark Chinca u. a. T¨ubingen 2000, S. 123–139 (wieder in: Ann¨aherungen [s.o.] S. 126–139). – Heinz R¨olleke: ‹Ich saz u¨ f eime steine...›. Ikonographische und literarische Rezeption des Reichsspruchs W.s v. d. V. In: Wirkendes Wort 57 (2007) S. 173–184. – A. Ebenbauer: W. v. d. V. als Romanheld: Zu W. und seiner Heimat in ausgew¨ahlten W.-Romanen. In: Der Schlern 81 (2007) 2, S. 50–65. VZ Carmina Burana. – Sammlung von Lyrik und geistlichen Spielen. Die bedeutendste Anthologie mlat. weltlicher Lyrik erhielt ihren heute gebr¨auchlichen Namen erst im 19. Jh. Johann A. Schmeller, der die Sammlung 1847 edierte, bezeichnete sie nach ihrem ehemaligen Aufbewahrungsort im Kloster Benediktbeuern als C. B., also «Beurer Lieder». Dabei stammte die Anthologie urspr¨unglich mit großer Sicherheit nicht aus Benediktbeuern. Ihre Entstehung l¨asst sich vielmehr nicht exakt datieren und lokalisieren. Pal¨aografische u. a. Analysen verorten den Hauptteil der Anthologie vor der Mitte des 13. Jh. Die C. B. enthalten z. B. eine Strophe aus → Neidharts Kreuzlied, das auf 1217/19 datiert wird und einen terminus post quem bildet. Heute geht man allgemein von einer Entstehung um 1230 aus, mit Nachtr¨agen bis zum Ende des 13. Jh. Die Auftraggeber der Sammlung sind unbekannt und vielleicht im h¨oheren Klerus zu suchen. Da die C. B. wohl im s¨udlichsten Bereich des deutschsprachigen Raums zusammengestellt wurden, wird als m¨oglicher Entstehungsort h¨aufig der bisch¨ofliche Hof in Seckau/Steiermark genannt. Hier k¨onnten etwa die Bisch¨ofe Karl (1218–31) oder Heinrich (1232–43) die C. B. in Auftrag gegeben haben. Nicht ausgeschlossen ist auch eine Entstehung in K¨arnten oder in S¨udtirol, etwa im Kloster Neustift/Brixen. Die Schreibformen weisen italienische Einfl¨usse auf. Die einzige bekannte Handschrift der C. B., der sog. Codex Buranus, wurde von zwei Hauptschreibern (h1, h2) verfasst. Weitere H¨ande trugen vor allem Nachtr¨age und Neumen ein. Es d¨urften aber auch einer oder mehrere Redaktoren an der Zusammenstellung beteiligt gewesen sein. Dies w¨urde die strukturierte Gesamtanlage der Sammlung erkl¨aren. Das Schicksal der 214
1. H¨alfte 13. Jh. Pergament-Handschrift war wechselhaft. So gingen im Lauf der Zeit nach neueren Sch¨atzungen bis zu 24 Bl¨atter verloren, darunter der Eingangsteil der Sammlung. Eine wohl im 15. Jh. erfolgte Neubindung des Codex f¨uhrte zu einer teilweise falschen Anordnung der Blattlagen. So war das heute bekannte Titelblatt der C. B. mit dem gezeichneten Rad der Fortuna urspr¨unglich im Innenteil eingebunden. Hinzu kam mindestens eine Aufteilung des Codex, die sich in den erhaltenen Textzeugen spiegelt: Neben der in 112 Bl¨attern u¨ berlieferten ¨ Haupthandschrift (Clm 4660, s. Uberlieferung) liegen sieben aus der Handschrift gel¨oste Bl¨atter separat vor (Clm 4660a). Die Umst¨ande dieser kodikologisch bedeutsamen Ver¨anderungen sind ebenso unbekannt wie die historischen Ereignisse, die zur Aufbewahrung der C. B. im Kloster Benediktbeuern f¨uhrten. Dort wurde die Handschrift nach der S¨akularisation 1803 vom Bibliothekar Johann Christoph von Aretin aufgefunden, der sie in die Mu¨ nchner Hofbibliothek (heute BSB) brachte. Der erhaltene Textbestand umfasst in der Z¨ahlung der kritischen Gesamtausgabe von Hilka und Schumann insgesamt 228 Haupt- (CB 1–228) und 26 Zusatznummern (CB 1*–26*). Rechnet man die gew¨ohnlich durch Kleinbuchstaben gekennzeichneten Unternummern hinzu (z. B. CB 26a*), so ergibt sich ein Corpus von mehr als 300 Spielen, Liedern und Einzelstrophen. Etwa drei F¨unftel der Texte sind außerhalb der C. B.-Handschrift nicht u¨ berliefert. F¨ur die u¨ brigen Texte existiert eine teils reiche Parallel¨uberlieferung; CB 101 ist z. B. in 67 weiteren Textzeugen ¨ erhalten. Erw¨ahnenswert sind auch Ubereinstimmungen zwischen C. B.-Textgruppen und anderen Handschriften. So finden sich rund 15 Texte auch in der sog. Bekynton Anthology von um 1200 (Oxford, Bodleian Library, Add. A 44). Wahrscheinlich flossen eine ganze Reihe von heute unbekannten Vorlagen in die C. B. ein, darunter Liedsammlungen, Kompilationen einzelner Autoren, aber auch m¨undlich u¨ berlieferte Texte. Die Redaktoren der C. B. behandelten ihre Vorlagen allerdings nicht immer gewissenhaft, und so gelten viele St¨ucke der Anthologie als textlich korrupt oder stark bearbeitet. Neben antiken Texten gingen auch St¨ucke aus dem 11. Jh., vor allem aber aus dem 12. und fr¨uhen 13. Jh. in die Sammlung ein. Die Lieder sind meist westeurop¨aisch und stammen zu einem großen Teil aus franz¨osischen Repertoires wie Notre-Dame 215
Carmina Burana und St. Martial. Die geistlichen Spiele der Sammlung und vor allem die Lieder ab CB 135 sind eher s¨uddt. Ursprungs. Viele der Lieder und Einzelstrophen lassen sich bekannten Autoren zuordnen: Horaz, Ovid, Juvenal, Ausonius, Marbod von Rennes, → Otloh von St. Emmeram, Gottfried von Winchester, Hugo Primas von Orl´eans, Hilarius von Orl´eans, → Archipoeta, Walter von Chˆatillon, der → Marner, → Reinmar der Alte, Petrus von Blois, Gottfried von St. Viktor, Philipp der Kanzler, → Walther von der Vogelweide, → Freidank, → Heinrich von Morungen, Neidhart, → Dietmar von Aist und → Otto von Botenlauben. Auch eine Strophe des Eckenlieds ist in der Sammlung enthalten. Namentlich genannt sind im Codex Buranus allerdings nur Walter von Chˆatillon (Eigennennung in CB 123) und der Marner (CB 6*, 9*). Die Anonymit¨at der Anthologie steht somit in einem star¨ ken Kontrast zur oft namentlichen Uberlieferung des h¨ofischen Minnesangs. Deutlich ist z. B. der Unterschied zur → Heidelberger Liederhandschrift C, in der Dichter nicht nur namentlich erw¨ahnt, sondern auch durch Illustrationen gew¨urdigt werden. Entsprechend sind die Texte im Codex Buranus nicht nach Verfassern, sondern nach inhaltlichen Kriterien gruppiert. Auch wenn die Zuordnungen einzelner Texte in der Forschung nicht immer einheitlich sind, werden die C. B. meist in vier Hauptgruppen eingeteilt: moralisierendzeitkritische Dichtungen (I, CB 1–55), Liebeslieder und Naturlyrik (II, CB 56–186), Vaganten-, Trink- und Spielerlieder (III, CB 187–226) sowie geistliche Dramen (IV, CB 227 f.). Innerhalb der Hauptgruppen werden h¨aufig auch Untergruppen differenziert. Hauptgruppe I thematisiert Dekadenz, Habgier, Korruption, Simonie und Neid (CB 1–13), Fortuna (CB 14–18), Tugenden (CB 19–25) und Bekehrungen (CB 26–32), beinhaltet außerdem klerikale Standeslehren (CB 33–40), romkritische Lieder (CB 41–45), Kreuzzugslieder (CB 46–52) sowie Schismenlieder und Beschw¨orungen. Teil II besch¨aftigt sich mit Liebe und Verlangen (CB 56–88) sowie verbotenen und kontroversen Liebesverh¨altnissen (CB 89–102), enth¨alt aber auch Liebes- (CB 103–120) und sonstige Klagen (CB 122–131), Liebeslieder mit Natureingang (CB 135–160), Amor- und Venuslieder (CB 161–175) sowie vermischte Liebeslieder. In Gruppe III finden sich Hofgedichte (CB 187–191), Trinkund Spielerlieder (CB 195–206), eine Spielermesse (CB 215) und verschiedene Vagantenlieder (CB 216
Carmina Burana 216–226). Teil IV umfasst das Benediktbeurer Weih¨ nachtsspiel (CB 227) mit dem sog. Agyptenspiel (CB 228). Außerhalb der genannten Hauptgruppen stehen die Nachtr¨age der C. B. Sie enthalten neben Liebesgedichten vor allem geistliche Texte, darunter Hymnen, Sequenzen, Marienklagen und die f¨unf sog. → Benediktbeurer Spiele (CB 13*, 15*, 23*, 26*, 26a*). Die Vielzahl der genannten Gruppen verweist auf den großen Gattungs- und Formenreichtum der C. B.: Liebes-, Fortuna-, Tanz-, Trink- und Spielerlieder finden sich in der Sammlung ebenso wie Naturlyrik, geistliche Spiele, Hymnen, Sequenzen, Leiche, Elegien, Pastourellen, Lehrgedichte, Satiren und Parodien. Manchmal ist diese Vielfalt zu Bl¨ocken vereinigt, wie z. B. die Sequenzen in CB 56–73 oder Strophenlieder ohne Refrain in CB 74–79. Freilich sind diese Bl¨ocke nicht immer streng geschlossen angelegt. Die f¨ur die C. B. typische Vielfalt zeigt sich auch in dem Nebeneinander von Monostichen, Distichen, Pentametern und Hexametern, h¨aufigen Vagantenstrophen und vereinzelter Reimprosa. Hinzu kommen Strophen mit individuell gestalteten Reimen und metrischen Formen von teilweise großer Komplexit¨at. Die Sprache der C. B. ist zu rund vier F¨unfteln lat., ansonsten u¨ berwiegend mhd. Unter den dt. Textteilen finden sich vollst¨andige Lieder ebenso wie einzelne Liedteile – manchmal als dt.-lat. Mischtexte (z. B. CB 184 f.), meistens aber als lat. Lieder mit dt. Zusatzstrophen (u. a. CB 136, 138, 142, 146). Oft sind diese zus¨atzlichen Strophen in Form und Melodie den vorangehenden lat. Strophen angeglichen. Einige altfranz¨osische Verse und Strophen sowie ein teilweise griechischer Refrain sind weitere Beweise f¨ur die Vielfalt der Anthologie. Die Texte des Codex Buranus werden durch Neumen und Miniaturen erg¨anzt. Mehr als 50 Lieder der Sammlung sind neumiert. Die Neumierung erfolgte linienlos u¨ ber den Textzeilen. Obwohl manche Melodien aus der umfangreichen Parallel¨uberlieferung zu erschließen sind, ist die Herkunft vieler Melodien bis heute ungekl¨art, auch wenn man verschiedentlich etwa u¨ ber ScholarenLiederb¨ucher als m¨ogliche Quellen spekuliert hat. Die wenigen Illustrationen der C. B. stammen alle vom gleichen Schreiber und stellen meist rot oder gr¨un konturierte Figuren auf blauem Grund und in gr¨unen Rahmen dar. Manchmal sind die Zeichnungen auch mit gelben oder schwarzen Akzentuierungen versehen. Die Illustrationen zeigen das 217
1. H¨alfte 13. Jh. Rad der Fortuna (Titelblatt), eine Waldlandschaft (64v), ein Liebespaar (72v), die Geschichte von Aeneas und Dido (77v) sowie Trink- (89v) und Spielszenen (91r–92r). Die teilweise mehrzeiligen Initialen der Handschrift sind in roter Tinte geschrieben und meist mit floralen Ornamenten oder Gesichtern versehen. In den C. B. sind viele Autoren ersten Ranges vertreten, deren Werke u¨ ber das MA hinaus eine breite Rezeption erfuhren. Auch einzelne Lieder der Anthologie waren in ganz Europa bekannt. Eine Rezeption der C. B. als Sammlung erfolgte jedoch lange Zeit nicht. Ihre einzige bekannte Handschrift wurde zun¨achst in Benediktbeuern unter Verschluss gehalten. Erst nach der Entdeckung durch Aretin erfolgte eine allm¨ahliche Aufarbeitung der C. B. durch die Wissenschaft. Man diskutierte etwa die Anordnung der Blattlagen, die Gruppierung der Texte, die Zugeh¨origkeit der Nachtr¨age und Fragmente sowie die Parallel¨uberlieferung. Johann Schmeller und Wilhelm Meyer legten wichtige editorische Grundlagen, w¨ahrend zugleich die Popularisierung der C. B. begann. Diese nahm im studentischen Milieu ihren Anfang, da lat. Trinklieder aus der Sammlung in Kommersb¨ucher und Anthologien aufgenommen wurden. Durch Carl Orffs Kantate Carmina Burana, die auf Schmellers Edition beruhte und 1937 uraufgef¨uhrt wurde, gelangten die C. B. schließlich in ¨ das Bewusstsein einer breiten Offentlichkeit. Die Bedeutung der Anthologie liegt besonders in der F¨ulle ihrer Texte, in denen sich der gesamte kulturelle Reichtum des MA widerspiegelt. Obwohl der Codex Buranus vor allem als gr¨oßte Sammlung weltlicher mlat. Lyrik bekannt ist, zeichnet ihn doch gerade ein fruchtbares Nebeneinander von lat. und dt. Sprache sowie weltlichen und geistlichen Bestandteilen aus. Mythen der heidnischen Antike wechseln sich mit biblischen Bez¨ugen ab, moralische Ratschl¨age mit sinnlicher Lebenslust. Die stilisierte Strenge des h¨ofischen Minnesangs oder die trockene Fr¨ommigkeit der geistlichen Dichtung sind in diesem bunten Reigen aus Gattungen und Formen nur noch graduell fassbar. So erscheint die Geliebte in den C. B. wirklichkeitsnah als komplexe Frau, nicht als die entr¨uckte Herrin der Minnes¨anger. Auf die derbe Lebenswirklichkeit der Zeit verweisen auch die Trink- und Spielerlieder. Dass sich weltliche, geistliche u. a. Elemente in den C. B. nicht als schrille Gegens¨atze gegen¨uberstehen, sondern von einem 218
1. H¨alfte 13. Jh. umfassenden Sammelgeist verso¨ hnt werden – dies darf als eine der gr¨oßten Errungenschaften der unbekannten Redaktoren gelten. ¨ Uberlieferung: M¨unchen, BSB, Clm 4660, 112 Bll. (Perg., um 1230 bis zweite H¨alfte 13. Jh., bair.o¨ sterr., illustriert, teilweise mit Neumen). – Ebd., Clm 4660a, 7 Bll. (Perg., um 1230 bis zweite H¨alfte 13. Jh., bair.-¨osterr., sog. Fragmenta Burana, urspr¨unglich Teil von Clm 4660 und wahrscheinlich vor und hinter deren Schlusslage eingebunden). – Jenseits des Codex Buranus existiert eine umfangreiche Parallel¨uberl. von rund zwei F¨unfteln der C. B.-Texte; vgl. etwa Hilka 2/1 1930 (s. Ausg.) S. 3–93. Ausgaben: C. B. Lat. und dt. Lieder und Gedichte einer Hs. des 13. Jh. aus Benedictbeuern auf der Kgl. Bibl. zu M¨unchen. Hg. v. Johann Andreas Schmeller. Stuttgart 1847. Neudr. Amsterdam 1966 (Online-Ausg. BSB M¨unchen [o. J.]). – Fragmenta Burana. Hg. v. Wilhelm Meyer. Berlin 1901. – Die dt. Lieder der C. B. nach der Hs. CLM 4660 der Staatsbibl. Mu¨ nchen. Hg. v. Friedrich L¨uers. Bonn 1922. – C. B. Hg. v. Alfons Hilka/Otto Schumann. 2 Bde. in 4 Tln.: Bd. 1/1: Die moralisch-satirischen Dichtungen. Heidelberg 1930; Bd. 2/2: Die Liebeslieder. Ebd. 1941; Bd. 1/3: Die Trink- und Spielerlieder. Die geistlichen Dramen. Nachtr¨age. Ebd. 1970; Bd. 2/1: Komm. Einleitung. Die moralischsatirischen Dichungen. Ebd. 1930 (auch Grundlage einer einb¨andigen Taschenbuch-Ausg. u. d. T.: C. B. Die Lieder der Benediktbeurer Hs. Hg. v. A. Hilka. Mu¨ nchen 1979, 61995. Erg¨anzend: Dieter Schaller: Bemerkungen zum Schlußbd. der krit. Edition der C. B. In: Mlat. Jb. 10, 1975, S. 106–115. Vgl. auch: Walther Bulst. In: Gnomon 44, 1972, S. 460–467). – Golias. Lieder der Vaganten. Hg. v. Eberhard Brost. Berlin [1939] (zahlr. Neuaufl. und Nachdr. u. d. T.: C. B. Lieder der Vaganten, zuletzt Darmstadt 2004). – C. B. Faks.-Ausg. der Hs. Clm 4660 und Clm 4660a. Hg. v. Bernhard Bischoff. Mu¨ nchen 1967 (mit Einf¨uhrungsbd.). – C. B. Die Gedichte des Codex Buranus lat. und dt. Hg. v. G¨unter Bernt mit Carl Fischer und Hugo Kuhn. Z¨urich u. a. 1974 (bearb. Neuausg. Stuttgart 2003). – Thirty Poems from the C. B. Hg. v. Patrick G. Walsh. Bristol [1976] (Nachdr. ebd. 1997). – C. B. Gesamtausg. der mlat. Melodien mit den dazugeh¨origen Texten. Hg. v. Michael Korth mit Ren´e Clemencic und Ulrich M¨uller. Mu¨ nchen ¨ 1979. – C. B. Texte und Ubersetzungen. Mit den Miniaturen aus der Hs. und einem Aufsatz. Hg. v. 219
Carmina Burana Benedikt K. Vollmann. Frankfurt/M. 1987. – Love Lyrics from the C. B. Hg. v. P. G. Walsh. Chapel Hill u. a. 1993. – C. B. Hg. v. Alexandre Micha. Paris 2002. – C. B. Lieder aus Benediktbeuren. Hg. v. Matthias Hackemann. K¨oln 2006. Die Liedfassungen Carl Orffs wurden u. a. in folgenden Editionen herausgegeben: C. B. Lieder aus der Benediktbeurer Hs. Weltliche Ges¨ange f¨ur Soli und Chor mit Begleitung von Instrumenten und mit Bildern. Hg. v. Wolfgang Schadewaldt. Mainz [um 1977]. – C. B. Benedictbeuern Songs. Lyrics of the Twelfth-Century Goliards, Set to Music by Carl Orff (1895–1982) in 1936. Hg. v. Mark Herman/Ronnie Apter. o. O. 1994. – C. B. Cantiones Profanae. Hg. v. Judith Lynn Sebesta. Wauconda/ Illinois 1996. ¨ ¨ Ubersetzungen: Dt. Ubers. in den zweisprachigen Ausgaben v. Hilka, Brost, Bernt, Korth, Vollmann und Hackemann (s. Ausg.). – Von den ¨ ausl¨andischen Ubers. seien hier genannt: Selections from the C. B. A Verse Translation. Hg. v. David Parlett. New York u. a. 1986. – The Love Songs of the C. B. Hg. v. Ewald D. Blodgett/Roy A. Swanson. New York/London 1987. – Hinzu kommen ¨ zahlreiche Ubers. einzelner C. B.-Texte in Anthologien u. a¨. Literatur: Zur a¨lteren Lit. vgl. die Ausg., bes. Hilka/Schumann mit den Erg¨anzungen v. Schaller (s. Ausg.). – Manitius 3 (1931) S. 965–970 u. o¨ . – G. Bernt, VL2 1 (1978) Sp. 1179–1186. – Volker Mertens u. a., LexMA 2 (1983) Sp. 1513–1517. – Johannes Staub, LThK3 2 (1994) Sp. 956. – Benedikt K. Vollmann, MGG2 Sachtl. 2 (1995) Sp. 456–459 (mit Bibliogr. zur musikwiss. C. B.-Forschung). – De Boor/Newald 3/1 (51997) S. 128, 144–146, 305–308 u. o¨ . – B. K. Vollmann, Killy2 2 (2008) S. 362–366. – Henning Thies, KLL3 3 (2009) S. 532 f. – W. Bulst: Studia Burana. In: Hist. Vierteljahrsschrift 28 (1934) S. 512–521. – Otto Schumann: Die Textgruppen des Codex Buranus. In: ebd. 29 (1935) S. 286–301. – Walther Holtzmann: Propter Sion non tacebo. Zur Erkl¨arung von C. B. 41. In: DA 10 (1953/54) S. 170–175. – William Jackson: The German Poems in the C. B. In: German Life and Letters NS 7 (1953/54) S. 36–43. – Walther Lipphardt: Unbekannte Weisen zu den C. B. In: Arch. f¨ur Musikwiss. 12 (1955) S. 122–142. – Dennis R. Bradley: ‹Heu voce flebili cogor enarrare.› In: Mediaeval Studies 19 (1957) S. 217–226. – Peter Dronke: The Text of C. B. 116. 220
Carmina Burana In: Classica et Mediaevalia 20 (1959) S. 159–169. – Miroslav Marcovich: Fragmentum Buranum. In: Classica et Mediaevalia 29 (1968) S. 219–222. – Helga Schueppert: Kirchenkritik in der lat. Lyrik des 12. und 13. Jh. (Medium Aevum 23). Mu¨ nchen 1972, S. 191–193 u. o¨ . – Goswin Spreckelmeyer: Das Kreuzzugslied des lat. MA (MMS 21). M¨unchen 1974, S. 40 f. u. o¨ . – P. Dronke: Poetic Meaning in the C. B. In: Mlat. Jb. 10 (1975) S. 116–137. – Therese Latzke: Das Verwahrungsgedicht mit bes. Ber¨ucksichtigung der C. B. 95 und 117. In: ebd. 11 (1976) S. 151–176. – Durant W. Robertson: Two Poems from the C. B. In: The American Benedictine Review 27 (1976) S. 36–62 (wieder in: Ders.: Essays in Medieval Culture. Princeton 1980, S. 131–150, 355–357). – U. M¨uller: Beobachtungen zu den C. B. 1. Eine Melodie zur Vaganten-Strophe, 2. Walthers ‹Pal¨astinaLied› in ‹versoffenem› Kontext, eine Parodie. In: Mlat. Jb. 15 (1980) S. 104–111. – Ders.: Mehrsprachigkeit und Sprachmischung als poetische Technik. Barbarolexis in den C. B. In: Europ¨aische Mehrsprachigkeit. FS Mario Wandruszka. Hg. v. Wolfgang P¨ockl. T¨ubingen 1981, S. 87–104 (wieder in: U. Mu¨ ller: Ges. Schr. zur Literaturwiss. 1 [GAG 750]. Hg. v. Margarete Springeth. G¨oppingen 2010, S. 217–234). – Alison G. Elliott: The Bedraggled Cupid. Ovidian Satire in C. B. 105. In: Traditio 37 (1981) S. 426–437. – Robert W. Carrubba: The Meaning of C. B. 193.72. In: Classica et Mediaevalia 33 (1981/82) S. 205–209. – W. Lipphardt: Zur Herkunft der C. B. In: Lit. und bildende Kunst im Tiroler MA. Die Iwein-Fresken v. Rodenegg und andere Zeugnisse der Wechselwirkung von Lit. und bildender Kunst. Hg. v. Egon K¨uhebacher. Innsbruck 1982, S. 209–223. – A. G. Elliott: The Art of the Inept ‹Exemplum›. Ovidian Deception in C. B. 117 and 178. In: Sandalion 5 (1982) S. 353–368. – Jeffrey R. Ashcroft: Venus Clerk. Reinmar in the C. B. In: Modern Language Review 77 (1982) S. 618–628. – Georg Steer: Das Fortuna-Bild der C. B. Hs. clm 4660. Eine Darstellung der ‹fortuna caesarea› Kaiser Friedrichs II.? In: Lit. und bildende Kunst im Tiroler MA. Die IweinFresken v. Rodenegg und andere Zeugnisse der Wechselwirkung von Lit. und bildender Kunst. Hg. v. Egon K¨uhebacher. Innsbruck 1982, S. 183–207. – G. Steer: C. B. in S¨udtirol. Zur Herkunft des clm 4660. In: ZfdA 112 (1983) S. 1–37. – Burghart Wachinger: Dt. und lat. Liebeslieder. Zu den dt. Strophen der C. B. In: Der dt. Minnesang 2. Hg. v. 221
1. H¨alfte 13. Jh. Hans Fromm. Darmstadt 1985, S. 275–308. – Peter und Dorothea Diemer: ‹Qui pingit florem non pingit floris odorem›. Die Illustrationen der C. B. (Clm 4660). In: Jb. des Zentralinst. f¨ur Kunstgesch. 3 (1987) S. 43–75. – Kurt Smolak: Epicurus propheta. Eine Interpretation von Carmen buranum 211. In: Wiener Stud. 100 (1987) S. 247–256. – B. K. Vollmann: Carmen Buranum 60/60a. In: Scire litteras. Forschungen zum ma. Geistesleben (Abh. der Bayerischen Akad. der Wiss., phil.-hist. Kl. NF 99). Hg. v. Sigrid Kr¨amer/Michael Bernhard. Mu¨ nchen 1988, S. 409–422. – David A. Traill: Notes on ‹Dum Diane vitrea› (CB 62) and ‹A globo veteri› (CB 67). In: Mlat. Jb. 23 (1988) S. 143–151. – U. M¨uller: C. B. – Carmini Popolari? Zu den ma. ‹Originalmelodien› und den modernen Auff¨uhrungsversuchen. Mit zwei Postscripta zu den dt. Strophen der C. B. und zur Melodie der ‹Vagantenstrophe›. In: FS Paul Klopsch (GAG 492). Hg. v. Udo Kindermann u. a. G¨oppingen 1988, S. 359–369 (wieder in: U. M¨uller: Ges. Schr. zur Literaturwiss. 1 [GAG 750]. Hg. v. Margarete Springeth. G¨oppingen 2010, S. 235–246). – Marie-Claire G´erard-Zai: Le Vocabulaire Courtois dans les C. B. In: Courtly Literature. Culture and Context. Selected Papers from the 5th Triennial Congress of the International Courtly Literature Society, Dalfsen, The Netherlands, 9–16 August, 1986. Hg. v. Keith Busby/Erik Kooper. Amsterdam 1990, S. 191–198. – Verio Santoro: Plurilinguismo nei C. B. L’elemento tedesco. In: Medioevo e Rinascimento NS 1 (1990) S. 103–112. – Jens Haustein: Dietrich, Ecke und der W¨urfelspieler. Zu ‹C. B.› Nr. 203 und 203a. In: ‹Ja muz ich sunder riuwe sin.› FS Karl Stackmann. Hg. v. Wolfgang Dinkelacker u. a. G¨ottingen 1990, S. 97–106. – Marianne P¨utz: Hohe Minne in den C. B. In: AB¨aG 39 (1990) S. 51–60. – Olive Sayce: Plurilingualism in the C. B. A Study of the Linguistic and Literary Influences on the Codex (GAG 556). G¨oppingen 1992. – Lorenz Welker: Die Notation dt. Lieder in ma. Hss. Codex Buranus, Jenaer und Kolmarer Hs. Mondsee-Wiener Liederhs. Oswald v. Wolkenstein (Hs A), Lieder und Gedichte des Hugo v. Montfort. In: Imagination 8 (1993) H. 3, S. 10–19. – Jeffrey Peterson: Writing Flowers. Figuration and the Feminine in C. B. 177. In: Exemplaria 6 (1994) S. 1–34. – Johannes Fenenberg: Die Bittpredigt des Archipoeta (Carmen Buranum 129) und die u¨ brigen vagantischen Bittgedichte. In: Lit. in Bayern 36 (1994) S. 66–75. – Stephen K. Wright: The Play of 222
1. H¨alfte 13. Jh. the King of Egypt. An Early Thirteenth-Century Music-Drama from the C. B. Ms. In: Allegorica 16 (1995) S. 47–71. – Tuomas M. S. Lehtonen: Fortuna, Money, and the Sublunar World. TwelfthCentury Ethical Poetics and the Satirical Poetry of the C. B. Diss. Helsinki 1995. – Hedwig Meier/ Gerhard Lauer: Partitur und Spiel. Die Stimme der Schr. im Codex Buranus. In: ‹Auff¨uhrung› und ‹Schr.› in MA und Fr¨uher Neuzeit. Hg. v. Jan-Dirk M¨uller. Stuttgart/Weimar 1996, S. 31–47. – Ernest Hoetzl: C. B. in Maria Saal? Zur Frage der Herkunft des clm 4660 und 4660a. In: Carinthia I 188 (1998) S. 259–265. – Robert Porod: Sprache, Gedankengang und Komposition der C. B. In: Carinthia 188 (1998) S. 273–278. – Fritz Peter Knapp: Die ‹C. B.› als Ergebnis europ¨aischen Kulturtransfers. In: Kultureller Austausch und Literaturgesch. im MA. Kolloquium im Dt. Hist. Inst. Paris (16.–18.3.1995). Hg. v. Ingrid Kasten u. a. (Beih. der Francia 43). Sigmaringen 1998, S. 282–301. – Dietz-R¨udiger Moser: Vaganten oder Vagabunden? Anm. zu den Dichtern der C. B. und ihren literarischen Werken. In: Die dt. Lit. des MA im europ¨aischen Kontext. Tagung Greifswald, 11.–15. September 1995 (GAG 651). Hg. v. Rolf Br¨auer. G¨oppingen 1998, S. 9–25. – Hansj¨urgen Linke: Beobachtungen zu den geistlichen Spielen im Codex Buranus. In: ZfdA 128 (1999) S. 185–193. – Johannes Janota: Zum Refrain in den lat.-dt. Liebesliedern des Codex Buranus. In: Vom MA zur Neuzeit. FS Horst Brunner. Hg. v. Dorothea Klein u. a. Wiesbaden 2000, S. 211–226. – Reinhard D¨uchting: Sexualit¨at in der Liebeslyrik der C. B. In: Sexualit¨at im Gedicht. Hg. v. Theo Stemmler/Stefan Horlacher. T¨ubingen 2000, S. 51–64. – The C. B. Four Essays. Hg. v. Martin H. Jones. London 2000. – Udo K¨uhne: Dt. und Lat. als Sprachen der Lyrik in den C. B. In: PBB 122 (2000) S. 57–73. – D. Schaller: Gattungsund Formtypen in den C. B. amatoria. In: Mlat. Jb. 36 (2001) S. 77–93. – Clare Carpenter: Medievalism and Paganism. Interpretations of the C. B. Diss. York 2002. – Johann Drumbl: Stud. zum Codex buranus. In: Aevum 77 (2003) S. 323–356. – D. A. Traill: Carmen Buranum 59. A Plea for Chastity, or Free Love? In: Mlat. Jb. 38 (2003) S. 189–198. – Carsten Wollin: Die Troiagedichte des Petrus Riga in den C. B. (CB 102 und CB 99a). In: Sacris Erudiri 43 (2004) S. 393–426. – F. P. Knapp: Die Bauform v. Walthers Leich im Lichte von Carmen 223
Engelhart von Adelnburg Buranum 60/60a. In: Der achthundertj¨ahrige Pelzrock. Walther v. der Vogelweide, Wolfger v. Erla, Zeiselmauer. Hg. v. Helmut Birkhan. Wien 2005, S. 231–250. – Susanne Daub: Carmen Buranum 89. In: Mlat. Jb. 40 (2005) S. 383–395. – D. A. Traill: A Cluster of Poems by Philip the Chancellor in C. B. 21–36. In: Studi Medievali Ser. III 47 (2006) S. 267–285. – Gerlinde Bretzigheimer: Artes Amoris. Carmen Buranum 105. In: Mlat. Jb. 42 (2007) S. 211–234. – P. Dronke: Latin Songs in the C. B. Profane Love and Satire. In: Ders.: Forms and Imaginings from Antiquity to the Fifteenth Century. Rom 2008, S. 257–270. – Ernst Hellgardt: Neumen in Hss. mit dt. Texten. Ein Kat. In: ‹Ieglicher sang sein eigen ticht›. Germanistische und musikwissenschaftliche Beitr. zum dt. Lied im MA. Hg. v. Christoph M¨arz u. a. (Elementa Musicae 4). Wiesbaden 2011, S. 163–207, hier S. 185–187 (Nr. 23). MM Engelhart von Adelnburg. – Bairischer Minnes¨anger, um 1230. Handschrift C u¨ berliefert ein dreistrophiges Lied und eine Einzelstrophe unter dem Namen «Endilhart von Adelburg»; im Register der Handschrift ist das Werk unter «Endelhart von Adelnburg» verzeichnet. In sieben Urkunden sind zwischen 1180 und 1230 vermutlich zwei verschiedene Tr¨ager des Namens «Engilhardus» oder «Engelhardus» aus dem oberpf¨alzischen Geschlecht v. A. bezeugt. Ob es sich bei einem von ihnen um den Dichter handelt, ist unklar. E.s ungew¨ohnliches Wappen in C, zwei rote Krebsscheren auf goldenem Grund, bietet keinen Anhaltspunkt. Die Forschung orientiert sich dennoch stets an den Urkunden. Diese deuten immerhin auf Verbindungen zu bekannten M¨azenen. In der Zeugenliste einer Urkunde Friedrichs II. von 1230 erscheint neben E. m¨oglicherweise auch der Minnes¨anger → Reinmar von Brennenberg. Aufgrund der parallelen Verwendung der Formel «dˆest der tˆot» bei diesem und E., des weiteren wegen Anspielungen auf → Wolfram von Eschenbach und → Reinmar (den Alten) sowie weiterer stilistischer Indizien gilt inzwischen eine Sp¨atdatierung der Lieder E.s um 1230 als wahrscheinlich. Das Lied (MF 148,1) bietet in drei stilistisch eher schlichten Stollenstr. eine Minneklage mit direkter Anrede der Dame in Str. 2. Die Miniatur nimmt offenbar Bezug darauf, sie zeigt E. mit einem Pfeil in der Brust vor seiner Dame kniend. Die konventionellen Motive – Klage u¨ ber die 224
Markgraf von Hohenburg unbegr¨undete Zur¨uckweisung, Frauenpreis, unbedingter Dienstwille – werden geschickt variiert. So vergleicht E. die Dame in einer lit. Anspielung auf Wolframs Parzival mit dem hl. Gral («Saelden vruht, der ougen s¨ueze», Str. 2,1) und widmet sich auf originelle Weise dem Verh¨altnis von Gott und Minne. Dies ist auch das Thema der Einzelstr. (MF 148,25): Minnewerbung «mit triuwen» kann nicht S¨unde sein, sonst m¨ussten die «boesen» in den Himmel kommen und die «biderben» ihr Seelenheil verlieren. Der einfache Ton (Vierheber mit Waisenterzine) ist weit verbreitet, er findet sich so oder a¨ hnlich etwa bei → Hartmann von Aue (MF 211,20), → Heinrich von Morungen (MF 137,10 und 144,17) oder in → Carmina Burana 114 und 114 a. ¨ Uberlieferung: Heidelberger Liederhs. C, Bll. 181v–182r. Ausgaben: MF XX. – G¨unther Schweikle (Hg.): Mhd. Minnelyrik. Bd. 1: Fr¨uhe Minnelyrik. Texte ¨ und Ubertragungen, Einf. und Komm. Stuttgart u. a. 1993, S. 322–325. Literatur: Franz Josef Worstbrock, VL2 2 (1980) Sp. 554 f. – Hans Spanke: Romanische und mlat. Formen in der Metrik von MF. In: Der dt. Minnesang. Aufs¨atze zu seiner Erforschung (WdF 15). Darmstadt 1972, S. 319. – Ursula Aarburg: Melodien zum fr¨uhen dt. Minnesang. Eine krit. Bestandsaufnahme. In: ebd. S. 379. – Anthonius H. Touber: E. v. A. In: ZfdA (1984) S. 1–8. – Codex Manesse. Die Miniaturen der Großen Heidelberger Liederhs. Hg. und erl. v. Ingo F. Walther unter Mitarbeit v. Gisela Siebert. Frankfurt/M. 1988 (62001) S. 116 f. (Tf. 57). – Schweikle (s. Ausg.) S. 544 f. – Karin Brem: Gattungsinterferenzen im Bereich von Minnesang und Sangspruchdichtung des 12. und beginnenden 13. Jh. (Studium Litterarum 5). Berlin 2003, S. 156–158. – Uwe Meves (Hg.): Regesten dt. Minnes¨anger des 12. und 13. Jh. Berlin/New York 2005, S. 267–277. VL Markgraf von Hohenburg. – Minnes¨anger, erste H¨alfte 13. Jh. In den alemannischen Liederhandschriften (→ Heidelberger Liederhandschrift A, → Weingartner Liederhandschrift B, → Heidelberger Liederhandschrift C) verteilen sich diejenigen Lieder, die mindestens einmal einem Markgrafen von Hohenburg zugeschrieben werden, u¨ ber die Corpora mehrerer Autoren. Daher ist der tats¨achliche Umfang des an den 225
1. H¨alfte 13. Jh. M. v. H. zuschreibbaren Liedgutes nicht zweifels¨ frei gesichert (s. Uberlieferung). Gemeinhin wird von sieben Liedern mit insgesamt 18 Strophen ausgegangen. Als Urheber der Dichtungen kommen zwei Vertreter der oberpf¨alzischen Markgrafen von Vohburg, Cham und Nahburg (auch: Diepoldinger) in Frage: entweder Markgraf Diepold V. von Vohburg (bezeugt 1205–25), der seit seiner Heirat (um 1210) auch den Titel eines Markgrafen von Hohenburg f¨uhrte, oder dessen Sohn Berthold IV. von Hohenburg (bezeugt 1230–56). Beide sind mehrfach in unmittelbarer N¨ahe der staufischen Herrscher nachgewiesen: Diepold 1220–23 bei Friedrich II. in Italien und danach bis 1225 bei Heinrich (VII.) und Bertold 1232 und 37 bei Friedrich II. sowie 1242 bei Konrad IV. in Deutschland. Bertold wurde 1238 mit Sizilien belehnt und 1239 Kapit¨an von Como, 1252 Großseneschall von Sizilien und schließlich 1254 dessen Statthalter. Nachdem er im selben Jahr dieses Amt an den sp¨ateren K¨onig Manfred u¨ bergeben musste, wechselte er auf die Seite der Kurie, wurde 1255 gefangen genommen, zum Tod verurteilt und zu lebenslanger Haft begnadigt. Um 1257 d¨urfte Bertold gestorben sein. Nach stilistischen und inhaltlichen Kriterien k¨onnten die Lieder sowohl in den 20er Jahren des 13. Jh. am Hofe Heinrichs (VII.) oder in den 40er Jahren im Umfeld Konrads IV. entstanden sein. Chronologische Gr¨unde (N¨ahe zu → Friedrich ¨ von Hausen, s. Uberlieferung) k¨onnten f¨ur den Vater sprechen. F¨ur Bertold wiederum spricht eine ihm in den Mund gelegte lat. «Lamentatio» (Zitatmontage). Sie belegt in jedem Fall sein literarisches Interesse: «carmina, qui quondam studio florente peregi». Auch wenn hier ein direktes Zitat aus der Consolatio Philosophiae des → Boethius vorliegt, kann der Vers dennoch als Hinweis auf eigene Lieddichtung Bertolds verstanden werden. Nicht g¨anzlich auszuschließen ist aber auch, dass sowohl Vater als auch Sohn f¨ur jeweils einen Teil der Lieder verantwortlich zeichnen. Die Lieder selbst sind konventionell gehaltene Variationen g¨angiger Modelle. Themen sind vor allem Frauenpreis und Trennungsklage. Daktylische Verse und durchlaufende Reimb¨ander lassen noch Ankl¨ange des fr¨uhen Minnesangs erkennen. Als Haupteinfluss l¨asst sich Friedrich von Hausen ausmachen, dessen Formkunst im bayerischen Raum auch bei → Hiltbolt von Schwangau noch fortwirkt. Einzelne Lieder zeigen formale oder inhaltliche Entsprechungen zu → Rubin, → Ulrich 226
1. H¨alfte 13. Jh. von Liechtenstein, → Ulrich von Winterstetten, → Otto von Botenlauben und → Gottfried von Neifen. Ob das Tagelied (C 5) die Tagelieddichtung → Wolframs von Eschenbach voraussetzt, ist unklar. C 1 k¨onnte von → Reinmar und → Walther von der Vogelweide beeinflusst sein. ¨ Uberlieferung: Heidelberg, UB, Cpg 357 (A., Perg, 1270–80, niederalemannisch). Autorencorpus ¨ auf 32v–33r, Uberschrift: «Der Marcgrave von Hohenburc»; von den 11 Str. in A weist C die erste → Otto von Botenlauben zu, die Str. 6–11 (2 Lieder) stehen in C unter → Waltram von Gresten. Ein dreistrophiges Lied, das C dem M. v. H. zuweist, findet sich in A im sehr autorvariablen → Niune¨ Corpus auf 23v. Auf 36rv steht unter der Uberschrift «Der Marcgrave von Rotenburc» ein dreistrophigen Liedes, das in C unter Hiltbolt von Schwan¨ gau erscheint. Gegen¨uber der C-Uberl. fehlt in A die dortige 2. Str., daf¨ur bietet A eine 3. Str., die nicht in C steht. Die Autorangabe von A ist als Redaktions- oder Schreiberfehler zu bewerten, da es nie einen Markgrafen von Rotenburg gab. Eine Verfasserschaft des M. v. H. (gegen Hiltbolt) ist dennoch denkbar. – Stuttgart, LB, Cod. HB XIII 1 (B, Perg., erstes Viertel 14. Jh., alemannisch). Im Autorencorpus Friedrichs v. Hausen stehen auf S. 13 f. zusammenh¨angend 7 Strr. in 4 To¨ nen, die C im Corpus des M. v. H. f¨uhrt. – Heidelberg, UB, Cpg 848 (C, Perg., um 1300, alemannisch). Im Autorencorpus auf 29vab stehen 5 Lieder mit insgesamt 13 Str., im Corpus des Hiltbolt von Schwangau steht auf 147ra auf ein dreistrophiges Lied, das mit Strophenvarianz in A unter dem Markgrafen von Rotenburg steht (s. o.). Das erste, dreistrophige Lied von C wird in u¨ berarbeiteter Form wiederholt im Corpus → Rudolfs von Rotenburg. Die 3. Str. r¨uckt dort an die erste Stelle, gefolgt von Str. 1; Str. 2 entf¨allt, Str. 3 ist eine Neudichtung. Das Lied im M. v. H.-Corpus scheint die a¨ltere Fassung zu sein. Die jeweiligen Verfasserschaften der einzelnen Versionen sind ungekl¨art. – Das Wappen der Miniatur in C (29r) stimmt nicht mit dem des Markgrafengeschlecht u¨ berein sondern entspricht dem Wappen der Schweizer Grafen von Bechburg in der Z¨urcher Wappenrolle (1335/45). Die Miniatur zeigt den M. v. H. mit Schriftrolle und Boten. – In B ist keine Str. enthalten, die nicht von C parallel u¨ berliefert wird (wenn auch zum Teil in anderen Corpora). In A stehen 2 Str., die nicht in C sind: neben der Hiltbolt/Rotenburg-Str. bietet A zum Lied 4 von C eine 4. Strophe. 227
Markgraf von Hohenburg Ausgaben: HMS 1 (1838) S. 33 f. – Dt. Liederdichter des zw¨olften bis vierzehnten Jh.. Hg. v. Karl Bartsch. 4. Aufl. besorgt v. Wolfgang Golther. Berlin 1900, S. 91–93 (Ausw.). – Kraus LD (21978) Nr. 25 und S. 386, 393. – Helmut de Boor: MA. Texte und Zeugnisse. Bd. 2 (Die dt. Lit. Texte und Zeugnisse 1,2). Berlin 1965 (Nachdr. M¨unchen 1988) S. 1557 f., 1677 (Ausw.). – Helmut Brackert: ¨ Minnesang. Mhd. Texte mit Ubertragungen und Anm. Frankfurt/M. 22008, S. 200–203 (Ausw.). – Nur das Tagelied: Dt. Tagelieder v. den Anf¨angen ¨ der Uberl. bis zum 15. Jh. Nach dem Plan Hugo Stopps hg. v. Sabine Freund (Germ. Bibl. NF 7,2). Heidelberg 1983, S. 149 f. – Tagelieder des dt. MA. Mhd./Nhd. Ausgew¨ahlt, u¨ bers. und komm. v. Martina Backes. Einleitung v. Alois Wolf (RUB 8831). Stuttgart 2003, S. 122–125, 257 f. – Ulrich Mu¨ ller: Dt. Gedichte des MA. Mhd./nhd. Ausgew¨ahlt, u¨ bers. und erl. v. Ulrich M¨uller in Zusammenarbeit mit Gerlinde Weiss (RUB 8849). Stuttgart 22009, S. 220 f. – Lamentatio: Anna Moscati: La ‹Lamentacio› di Bertoldo di Hohenburg. In: Bullettino dell’Istituto storico italiano per il medio evo 65 (1953) S. 121–127. Literatur: Michael Doeberl: Hohenburg, Berthold, ADB 50 (1905) S. 440 f. – Hans Martin Schaller: Berthold, Markgraf v. Vohburg-Hohenburg, NDB 2 (1955) S. 158 f. – Volker Mertens, VL2 4 (1983) Sp. 91–94. – De Boor/Newald 2 (111991) S. 257, 306 f., 312; 3,1 (51997) S. 260, 272, 299 f. – HMS 4 (1838) S. 68–72. – Wilhelm v. Giesebrecht: Beitr. zur Genealogie des bayerischen Adels im 11., 12., 13. Jh. (Sb. der Bayerischen Akad. der Wiss., Hist. Kl. 1) M¨unchen 1870, bes. S. 565–587. – M. Doeberl: Regesten und Urkunden zur Gesch. der Diepoldinger Markgrafen aus dem Nordgau (Progr. des Kgl. Ludwigsgymnasium Mu¨ nchen 1892/93). M¨unchen 1893. – Ders.: Berthold v. Vohburg-Hohenburg (ebd. 1893/94). Ebd. 1894. – Ders.: Berthold v. Vohburg-Hohenburg. In: Dt. Zs. f¨ur Geschichtswiss. 12 (1894/95) S. 201–278. – Walter Busse: Der M. v. H. Diss. Leipzig 1904. – Ernst Kantorowicz: Kaiser Friedrich II. Berlin 1927 (Stuttgart 71994; Nachdr. der Erstausg. ebd. 1998, 3 2010) S. 289–293; Erg.-Bd. Berlin 1931 (Stuttgart 41994) S. 274 f. – Friedrich Neumann: Der. M. v. H. In: ZfdA 86 (1955/56) S. 119–160. – Hugo Kuhn: Minnesangs Wende (Hermaea 1). T¨ubingen 21967, S. 83. – Joachim Bumke: M¨azene im MA. Die G¨onner und Auftraggeber der h¨ofischen Lit. in Deutschland, 1150–1300. M¨unchen 228
Kol von Niunzen 1979, Reg. – Kraus LD 2 (21978) S. 223–239. – Gisela Kornrumpf/Burghart Wachinger: Alment. Formentlehnung und T¨onegebrauch in der mhd. Spruchdichtung. In: Dt. Lit. im MA. Kontakte und Perspektiven. Hugo Kuhn zum Gedenken. Stuttgart 1979, S. 356–411, hier S. 362. – A. Wolf: Variation und Integration. Beobachtungen zu hochma. Tageliedern (Impulse der Forsch. 29). Darmstadt 1979, S. 75–79, Reg. – Max Schiendorfer: Hsl. Mehrfachzuweisungen. Zeugen s¨angerischer Interaktion im MA? Zu einigen T¨onen namentlich aus der Hohenburg-, Rotenburg- und Walther¨ Uberl. In: Euph. 79 (1985) S. 66–94. – Codex Manesse. Die Miniaturen der Großen Heidelberger Liederhs. Hg. und erl. v. Ingo F. Walther unter Mitarbeit v. Gisela Siebert. Frankfurt/M. 1988 (62001) S. 30 f. (Tf. 15). – Cord Meyer: Die dt. Lit. im Umkreis K¨onig Heinrichs (VII.). Stud. zur Lebenswelt sp¨atstaufischer Dichter (Kultur, Wiss., Lit. 17). Frankfurt/M. u. a. 2007, S. 336–341. – Carolin Schuchert: Walther in A. Stud. zum Corpusprofil und zum Autorbild Walthers v. der Vogelweide in der Kleinen Heidelberger Liederhs. (Walther-Stud. 6). Frankfurt/M. u. a. 2010, Reg. VZ Kol von Niunzen (auch K. v. Niussen, N¨ussen, Neunzen). – Verfasser erotischer Lieder, 13. Jh. K.s Lebensumst¨ande sind unbekannt. Sein Beiname v. N. k¨onnte auf das schweizerische Neuß verweisen, ebenso aber auf die o¨ sterr. Herrschaft Neunzen. Er d¨urfte im 13. Jh. gewirkt haben, zu dessen Beginn man ihn aufgrund seiner Neigung zur Einstrophigkeit verschiedentlich verortet hat. Unsicher ist die Zuordnung einer Illustration in der → Heidelberger Liederhandschrift C, die einen Herren mit seinem Knappen bei der Vogeljagd zeigt (396r). Das wappen- und namenlose Bild steht vor K.s Gedichten, passt inhaltlich aber nicht zu diesen. Die f¨ur K. typische Pastourellensituation ist hingegen in der → Rubin und R¨udeger zugeordneten Illustration dargestellt (395r), weshalb man eine Vertauschung der Bilder vermutet hat. C u¨ berliefert von K. f¨unf mhd. Strophen in vier Liedern, von denen nur Lied I zweistrophig ist. Die ersten beiden Strophen finden sich in C auch unter Niunes Namen und in der → Heidelberger Liederhandschrift A vor Strophen anderer Dichter. Von anderen Texten in C unterscheiden sich K.s Strophen durch ihren unregelm¨aßigen Bau und ihren erotischen Inhalt. Das stollig gebaute Lied I etwa umfasst sieben Langzeilen in vier- und dreihebigen 229
1. H¨alfte 13. Jh. Versen mit willk¨urlich wirkender Z¨asurreimung, w¨ahrend sich in den Liedern III und IV Verse von ungleicher L¨ange finden. Inhaltlich sind K.s Lieder durch erotische Anspielungen und Zweideutigkeiten gepr¨agt. Lied I gilt als eine von wenigen echten Pastourellen in dt. Sprache: Nach einem Natureingang wirbt der Knappe zun¨achst in der ersten Person um die Magd, was sich in der zweiten Strophe aber in die Außenperspektive verkehrt – ein wohl bewusst vorgenommener Kunstgriff. Lied II stellt die weibliche Scham als Acker dar, den der Dichter bearbeiten will. Lied III l¨ost erotische Erwartungen in einer h¨ofischen Wendung auf und Lied IV l¨adt die Webt¨atigkeit erotisch auf, was an das sog. B¨uttnerlied des → Gottfried von Neifen erinnert. Insgesamt zeigt K. durchaus Kenntnisse h¨ofischer Formen und Motive, konfrontiert diese aber mit regellosen Versen und anz¨uglichen Anspielungen. Deswegen hat die Forschung K. nahe an das eigentliche Vagantentum heranger¨uckt. ¨ Uberlieferung: Heidelberg, UB, cpg 848, 319r (unter → Niune), 396r–396va (Perg., erste H¨alfte 14. Jh., Schreiber Es). – Die ersten beiden Strophen aus K.s Korpus sind in der Heidelberger Liederhandschrift A auch verstreut unter anderen Namen enthalten. Ausgaben: HMS 2 (1838) S. 336. – Kraus LD 1 (21978) S. 218 f. – Werner H¨over/Eva Kiepe (Hg.): Epochen der dt. Lyrik 1. Gedichte v. den Anf¨angen bis 1300. Mu¨ nchen 1978, S. 222. – Poetae minores. Weniger bekannte Dichter der großen Heidelberger Liederhs. Hg. und u¨ bers. v. Joachim Kuolt (Helfant Texte 2). Stuttgart 1987, S. 105–110. – Daniel Frey: Kleine Gesch. der dt. Lyrik, mit liebeslyrischen Modellen. Mu¨ nchen 1998, S. 23. – Burghart Wachinger (Hg.): Dt. Lyrik des sp¨aten MA (BdK 191/BMA 22). Frankfurt/M. 2006, S. 218 f. – Vgl. auch die Ausg. der Heidelberger Liederhandschrift C. Literatur: HMS 4 (1838) S. 645. – Kraus LD 2 (21978) S. 264–267. – G¨unther Schweikle, VL2 5 (1985) Sp. 14–16. – De Boor/Newald 3/1 (51997) S. 303, 307. – Ferdinand Mohr: Das unh¨ofische Element in der mhd. Lyrik v. Walther an. T¨ubingen 1913, S. 73 f. – Heinz Schneider: Spruchdichtung und Spruchdichter in den Hss. J und C. In: ZfdPh 66 (1941) S. 16–36, hier S. 30. – Olive Sayce: The Medieval German Lyric 1150–1300. The Development of Its Themes and Forms in Their European Context. Oxford 1982, S. 68, 294 u. o¨ . – Sabine Brinkmann: Die deutschsprachige Pastourelle. 13. bis 16. Jh. (GAG 307). G¨oppingen 1985, 230
1. H¨alfte 13. Jh. S. 154–161. – Codex Manesse. Die Miniaturen der Großen Heidelberger Liederhs. Hg. und erl. v. Ingo F. Walther unter Mitarbeit v. Gisela Siebert. Frankfurt/M. 1988 (62001) S. 260 f. (Tf. 127). – Barbara Weber: Œuvre-Zusammensetzungen bei den Minnes¨angern des 13. Jh. (GAG 609). G¨oppingen 1995, S. 190–195. MM Tagelied. 1. Definition/Begriffsbestimmung Als Tagelieder werden in der Forschung Minnelieder bezeichnet, die die Situation des Tagesanbruchs thematisieren, der ein Paar, das die Nacht zusammen verbracht hat, zur Trennung zwingt. In der Geschichte des Minnesangs bildet das T. durch einen festen Kern von Motiven eine relativ geschlossene und homogene Gruppe, die bereits fr¨uh von Liedern flankiert wird, die sich mit der Motivik, Thematik und Problematik des T. ausein¨ andersetzen, ohne selbst T. zu sein. Ahnlich wie Dialoglieder k¨onnen T. narrative Anteile aufweisen oder ganz aus Figurenrede bestehen. Die Tageliedthematik kann aber auch ausschließlich aus der Perspektive eines Erz¨ahlers dargestellt sein. Konstitutiv f¨ur T. sind die Motive des Tagesanbruchs, die Klage des Paares u¨ ber den unausweichlichen Abschied, das Beschw¨oren der unverbr¨uchlichen gegenseitigen Liebe und der z¨artliche, oft zur letzten Vereinigung f¨uhrende Abschied. Gemeinsam ist T. im Mittelhochdeutschen auch, dass keine Hinweise darauf gegeben werden, warum die Trennung des Paares und die Geheimhaltung der Liebesbeziehung notwendig sind, beziehungsweise, woraus die Lebensgefahr resultiert, der sich das Paar den eigenen Andeutungen nach mit der Zusammenkunft aussetzt. Von dem modernen Begriffsgebrauch ‹T.› ist eine ma. Verwendung zu unterscheiden, die mehrdeutig ist. Das Mittelhochdeutsche kennt die Begriffe ‹tagewˆıse› und ‹tageliet›, die synonym gebraucht werden k¨onnen. Beide Begriffe k¨onnen zur Bezeichnung von Liedern, die morgens gesungen werden (Weck- oder Morgenlieder), dienen. Stellenweise wird jedoch der Begriff ‹tagewˆıse› auch zur Tonbezeichnung herangezogen. Ob ‹tagewˆıse› und ‹tageliet› bereits einen spezifischen Liedtyp meinen k¨onnen, der u¨ ber seine Thematik charakterisiert ist, ist unsicher. In eben dieser Weise unklar ist die Stellung des Begriffes ‹tageliet› beispielsweise in der Aufz¨ahlung → Reinmars des Fiedlers, der ihn in 231
Tagelied ‹Got welle sˆone welle› in einer Reihe von Liedtypen auff¨uhrt, die teils u¨ ber ihre Thematik, bzw. Motivik definiert sind, teils u¨ ber ihre Pragmatik, teils auch u¨ ber ihre formalen Merkmale: ‹tageliet klageliet h¨ugeliet z¨ugeliet tanzliet leich er kan›. Ungeachtet der Tatsache, dass sich kaum feststellen l¨asst, ob der ma. Begriffsgebrauch eher auf Pragmatik oder auf Motivik abhebt, ist unverkennbar, dass ein zeitgen¨ossisches Bewusstsein f¨ur eine eigene Gruppe von Tageliedern schon fru¨ h vorliegt. Indizien daf¨ur sind u. a. schematische TageliedSituationen in großepischen Texten (gesammelt bei Hausner), die zahlreichen Bezugnahmen von Liedern, die selbst keine T. im engeren Sinne sind, auf die Thematik und Problematik der T. oder die Beibehaltung von bestimmten Kernelementen (wie Morgensituation, Klage u¨ ber die unumg¨angliche Trennung, Beschw¨orung der unverbr¨uchlichen Treue, Segensw¨unsche, Abschied) bei gleichzeitiger Variation (W¨achter wird durch Zofe ersetzt, der Mann trennt sich morgens nicht von der Geliebten, sondern bleibt bis zum n¨achsten Morgen) in der Geschichte des Minnesangs u¨ ber eine lange zeitliche Erstreckung hin. Sehr sp¨at scheint sich ein Gat¨ tungsbewusstsein schließlich auch in der Uberlieferung zu manifestieren. Darauf deuten regelrechte T.-Sammlungen in einigen sp¨aten Handschriften hin, etwa der → Mondsee-Wiener-Liederhandschrift ¨ (Wien, ONB, Cod. 2856, entstanden zwischen 1454 und 1469), das T. des → Mo¨ nchs von Salzburg konzeptuell ordnet. Eine Sammlung von 17 anonymen, sp¨aten T., die den eigentlichen Liedteil der Sammlung einleiten, umfasst auch der Grundstock des Liederbuchs der Clara → H¨atzlerin H (Prag, Nationalmuseum, Cod. X A 12, entstanden 1470/71, vgl. dazu Schnyder 2004) und entsprechend die Abschriften, n¨amlich E, also die Berliner Handschrift Mgf 488, und die bis 2001 verschollene und nun in der Universit¨ats- und Landesbibliothek Sachsen Anhalt wieder aufgefundene Bechstein’sche Handschrift B (Leipzig, UB, Ms. Apel 8 [fr¨uher Ms. 1709; davor Halle/Saale, Universit¨atsund Landesbibl., Cod. 14 A 39; davor Privatbesitz Ludwig Bechstein, Meiningen], Angaben nach ‹Handschriftencensus›). 2. Geschichte Die dem T. zugrunde liegende Motivik (Tagesanbruch, Erwachen des Paares, Trennung unter Klage) begegnet bereits in antiker Literatur, etwa bei Ovid. Ob das mhd. T., das in erkennbarem 232
Tagelied Austausch mit der occitanischen bzw. der provencalischen Alba und der Tradition der Trobadours steht, diesem auch seine Entstehung verdankt, ist – u. a. aufgrund von Datierungsschwierigkeiten der franz¨osischen Texte – umstritten. Klar ist, dass neben dem Refrain auch die Figur des W¨achters, die → Wolfram von Eschenbach in das T. einf¨uhrt, dem romanischen T. entstammt. Warum der Texttyp der Pastourelle, die, oft anz¨uglich, von der erotischen Begegnung zwischen einem Ritter und einer Hirtin fernab der Zivilisation erz¨ahlt, zwar in der romanischen Literatur popul¨ar ist, in der mhd. aber w¨ahrend des gesamten Phase des Minnesangs nicht aufgegriffen wird, ist r¨atselhaft und nach wie vor ungekl¨art. Bereits in fr¨uhchristlicher Zeit entsteht der Tages- und Weckhymnus, der die Motive des Sonnenaufgangs, des Erwachens und des Hahnenschreis auf die Ankunft Christi und die Erl¨osung bezieht. Besondere Bedeutung f¨ur die Vermittlung der christlichen Symbolik des Tagesanbruchs kommt dem Hohen Lied zu, das gerade im 12. Jh. rege rezipiert und in die Volkssprache u¨ bersetzt wird (St. → Trudperter Hohelied). Die Geschichte des T. beginnt im Mittelhochdeutschen mit einem Lied → Dietmars von Aist: ‹Slˆafest du, vriedel ziere?› (MF 39,18), das sich insofern als Dialoglied-Variation darstellt, als es noch keinen W¨achter aufweist und sich die Erz¨ahlerrede auf einen einzigen Vers beschr¨ankt. Sprachlich steht das Lied durch unreine Reime und das Wort «vriedel» dem fr¨uhen, donaul¨andischen Minnesang nahe. → Heinrich von Morungen verlegt in seinem ber¨uhmten und singul¨aren T.-Wechsel ‹Owˆe, sol aber mir iemer mˆe› (MF 143,22) das T. in die Erinnerung der beiden textinternen Sprecher, die nicht zu-, sondern u¨ bereinander reden, also keinen Erz¨ahler brauchen, weil sie selbst homodiegetische Erz¨ahler des Tagelied-Geschehens sind. Mann und Frau sprechen im Wechsel ihre jeweils ganz verschiedenen Erinnerungen an den Moment aus, in dem der Tagesanbruch die gemeinsam verbrachte Nacht beendet. Morungens Modell, Identit¨at zwischen dem Erz¨ahler und dem Subjekt der sexuellen Erf¨ullung durch die Form des Wechsels, bzw. in der Erinnerung herzustellen, hat keine Nachahmer gefunden. Das k¨onnte darauf zur¨uckzuf¨uhren sein, dass die Unmittelbarkeit der Aussage (die ja von Sprechern vorgetragen wird, die ihre eigenen Erfahrungen mitteilen) damit erkauft wird, dass es im Lied kein Paar gibt, sondern nur den Blick des 233
1. H¨alfte 13. Jh. einen auf den anderen, also die Wahrnehmung des Einzelnen und in seiner Unverbundenheit vereinzelten Subjekts. Seine maßgebliche Form und das zentrale Motiv des W¨achters, der zwischen dem Paar und der von diesem so gef¨urchteten Gesellschaft, zwischen drinnen und draußen, zwischen der Intimit¨at der Nacht und den Zw¨angen des Tages vermittelt, hat das T. durch Wolfram von Eschenbach erhalten. Er hat sieben Lieder verfasst, von denen f¨unf Tagelieder sind (Achnitz 2010). Dabei sind jedoch jene beiden Lieder, die in der T.-Forschung f¨ur besonders paradigmatisch und programmatisch gehalten werden, n¨amlich ‹Den morgenblic bˆı wahtaeres sange erkˆos› (MF 3,1) und ‹Sˆıne klˆawen durch die wolken sint geslagen› (MF 4,8) unikal und anonym im Mu¨ nchner cgm 19 u¨ berliefert. Erst Wolfram macht das TL durch zwei Neuerungen zu einer ‹episch-lyrischen Mischform› (Cormeau 1992). Erstens, indem er dem Paar mit dem W¨achter eine Figur beigesellt, die durch ihre wiederholten Aufforderungen zu Trennung und Abschied Spannung herbeif¨uhrt und so eine Komplexit¨atssteigerung der gesamten T.-Situation bewirkt. Zweitens aber nutzt Wolfram in seinen T. den Erz¨ahler als eine Mo¨ glichkeit, die sich als Parallelgeschehen zum Tagesanbruch entwickelnde k¨orperliche N¨ahe der Liebenden als Handlung und Ereignis – also narrativ – zu schildern. Aus der Perspektive des heterodiegetischen Erz¨ahlers (und nur aus dieser heraus!) wird die z¨artliche Hingabe im Angesicht des Tagesanbruchs und der von ihm erzwungenen Trennung mitteilbar. Im Wolfram’schen T. ist damit eine T.-Erz¨ahlung angelegt, die im sp¨aten Minnesang umf¨anglich realisiert und entfaltet wird. Dass das T. episch vermittelt ist, hat die a¨ ltere Forschung darauf zur¨uckgef¨uhrt, dass es mit R¨ucksicht auf seinen pikanten Gegenstand eine «Diskretions- oder Reizschwelle» (Cormeau 1992, 702) respektiere, indem das erotische Geschehen nicht unmittelbar, sondern zeitlich und sprachlich vermittelt pr¨asentiert werde. Tats¨achlich aber hat das T., anders als die Werbekanzone, nicht einen gegenw¨artigen Zustand (‹ich minne, ich leide›), sondern ein vergangenes Geschehen zum Gegenstand und verlangt dadurch nach einem Erz¨ahler, der dieses vermittelt. Die Narrativit¨at des T. ist also nicht dem anz¨uglichen Thema (der k¨orperlichen Vereinigung im Angesicht der bevorstehenden Trennung) geschuldet, sondern der Tatsache, 234
1. H¨alfte 13. Jh. dass ein Geschehen stets nur im R¨uckblick geschildert, also erz¨ahlt werden kann. Selbst in Morungens Tageliedwechsel, der die beteiligten Personen selbst zu homodiegetischen Erz¨ahlern macht, ist das Tageliedgeschehen ein vergangenes, abgeschlossenes – n¨amlich die Erinnerung der Ich-Erz¨ahler. Es ist diese unvermeidliche zeitliche Abgeschlossenheit des Ereignisses, die das T. zur episch-lyrischen Mischform macht, nicht ihr Thema. Wom¨oglich ist diese starke Narrativit¨at des T. auch der Grund daf¨ur, dass die großen Lyriker der Zeit um 1200, → Hartmann von Aue, Heinrich von Morungen, → Reinmar von Hagenau und → Walther von der Vogelweide, sich an der Tradition des T.s entweder gar nicht oder nur mit vereinzelten Experimenten beteiligt haben. So etwa Reinmar in seinem ‹Anti-T.› Sˆo ez iener nˆahet deme tage (MF 154,32), das auch als T. eines Einsamen bezeichnet wird, weil es die Situation des Tagesanbruchs aus der Perspektive dessen schildert und bewertet, der alleine erwacht und keinen Anlass hat, zu klagen, weil ihm das Gl¨uck einer Nacht mit der Geliebten nie zuteil geworden ist. Walthers von der Vogelweide T. Friuntlˆıchen lac ein rˆıter (L 88,9) hat der Forschung aufgrund seiner steifen Konventionalit¨at, seiner L¨ange, seiner Pointenlosigkeit und der zahlreichen Waisen R¨atsel aufgegeben. W¨ahrend einige Forscher es f¨ur eine Parodie halten, meinen andere, darin eine hintergr¨undige Auseinandersetzung mit der Narrativit¨at, die Wolfram dem T. verleiht, erkennen zu k¨onnen: Walther mache mit seinem T. darauf aufmerksam, dass die Vereinigung des Paares nur durch den Erz¨ahler vollzogen werden kann. Da Walthers T. auf einen Erz¨ahler weitgehend verzichtet, kann es, anders als Wolframs T., auch nicht die Vereinigung des Paares schildern, sondern nur dessen erm¨udenden Dialog wiedergeben. Kontrovers wird auch ein Lied Wolframs diskutiert, das sich mit dem Thema T.-Minne auseinander setzt, ohne selbst ein T. zu sein: In ‹der helden minnen› (MF 5,34) spricht eine nicht n¨aher spezifizierte Sprecherinstanz, die aufgrund der Konventionalisiertheit des Erz¨ahlers in den Tageliedern Wolframs wohl als Erz¨ahler verstanden werden darf, den W¨achter mit der Aufforderung an, zu schweigen. Die zweite Strophe spricht von ¨ dem, der frei von den Sorgen und Angsten des Mannes im T. dem Tagesanbruch entgegensehen kann, weil er an der Seite seiner eigenen Ehefrau erwacht. Ob Wolfram damit ein Pl¨adoyer f¨ur die Eheliebe abgibt oder nicht vielmehr gerade in 235
Tagelied Zweifel zieht, dass tats¨achlich die eigene Ehefrau jene Minne zu schenken vermag, die erst unter Einsatz des eigenen Lebens ihre h¨ochsten Mo¨ glichkeiten entfaltet, wird unterschiedlich beurteilt. Im sp¨aten Minnesang der zweiten H¨alfte des 13. Jh. bestimmen vor allem drei Tendenzen die Entwicklungen der Gattung: → Steinmar parodiert in Ein kneht, der lag verborgen (Backes, Lied XXVIII) die T.-Situation, indem er sie auf einen Knecht u¨ bertr¨agt, der morgens durch den Weckruf des Hirten neben einer Magd im Stroh erwacht. Da hier das konstitutive Moment der Gefahr dem allt¨aglichen Ruf an die Arbeit weicht, kann auch die Minne keinen hohen muot hervorrufen, sondern kulminiert im vergn¨ugten bettespil. Variiert wird die Grundkonstellation des Wolfram’schen T. etwa beim Burggrafen von → Lienz, der in Ez gienc ein juncfrou minneclˆıch (Backes, Lied XV) das T. um die Dimension der provenzalischen Serena, der Erz¨ahlung von der Zusammenkunft, bzw. dem abendlichen Stelldichein eines Paares, erweitert, dabei als weitere Figur neben dem Paar und dem W¨achter die Bedienstete der Dame einf¨uhrt und das T. mit Kreuzlied-Elementen verbindet. Solche Erweiterungen und Variationen sind auch bei anderen Autoren wie → Ulrich von Liechtenstein beliebt, der in Ein schoeniu maget (Backes Lied XX) die abgewiesene Alternative des T. durchspielt, n¨amlich den Aufschub der Trennung auf den n¨achsten Morgen. Episiert wird das T. in pr¨agnanter Weise bei → G¨unther von dem Forste, der in Nu her, ob ieman kan verneme (Backes, Lied XVII) eine 23 Strophen umfassende T.-Erz¨ahlung schafft. Die sp¨aten T., die in den Liederb¨uchern des 15. Jh. u¨ berliefert sind, greifen vor allem diese Tendenz des T., zur umf¨anglichen, geradezu enzyklop¨adischen T.-Erz¨ahlung zu werden, auf. Dieses Schwanken der Gattung zwischen lyrischen und epischen Aspekten ist es, wof¨ur sich die neuere T.-Forschung interessiert. 3. Forschung Die fr¨uhere Forschung hat sich u. a. f¨ur die Frage nach dem Dependenzverh¨altnis zwischen franz¨osischen Formen wie der nordfranz¨osischen Alba und dem mhd. T. interessiert und sich ausf¨uhrlich mit der Beziehung zwischen der Konzeption der Hohen, also unerwiderten Minne, und der T.-minne auseinander gesetzt. Dabei ist immer wieder auf die Ambivalenz der T.-minne hingewiesen worden: Sie ist einerseits Gegenmodell der entsagungsvollen Hohen Minne, insofern sie die Distanz zwischen 236
Tagelied Dame und Ritter zugunsten einer k¨orperlichen N¨ahe aufhebt, doch sie suspendiert die Leiderfahrung nicht, sondern verschiebt sie: Leidet der Werbende in den Liedern der ‹Hohen Minne› unter der Unerf¨ulltheit und Unerf¨ullbarkeit seiner Werbung, so ist die Erf¨ullung im T. zwar voraus¨ gesetzt, aber stets durch Ubertretung eines ungenannten Verbotes der Gesellschaft abgetrotzt und durch die Gef¨ahrdung von Leib und Ehre teuer erkauft. Gerade dieser hohe Preis der Erf¨ullung aber ist maßgeblich f¨ur den hohen muot und die triuwe der Liebenden, deren erotisches Gl¨uck bei aller K¨orperlichkeit nicht frivol, sondern h¨ofisch ist und als saelde verstanden wird. In der neueren Debatte um das T. steht neben einer medientheoretischen Kontextualisierung vor allem die Narrativit¨at der Gattung im Zentrum: Kiening fokussiert vor allem die Komplexit¨atssteigerung, die das T. durch die Einf¨uhrung des W¨achters erf¨ahrt. Dieser bewirke «eine ‹gl¨aserne Differenz›, die trennt und zugleich verbindet, ein Drittes, das zwischen innen und außen vermittelt und doch weder dem einen noch dem anderen ganz angeh¨ort. Was auf der Ebene der Beteiligten als St¨orung erscheint, erscheint auf der des Erz¨ahlers und des Textes als Moment einer poetischen Konstruktion, die das der Liebe Fremde und zugleich Eigene als Bedingung der M¨oglichkeit literarischer Rede entwirft.» (Kiening 2003, S. 168) Mu¨ ller setzt sich mit dem T. aus einer medienhistorischen Perspektive auseinander. Das Verh¨altnis zwischen ‹Rollenlied› und ‹T.› erkl¨art er aus ihren je unterschiedlichen Verortungen im Spannungsfeld zwischen Auff¨uhrung und Schriftlichkeit: «Mit dem Heraustreten aus der Beschr¨ankung auf die Erste und Zweite Person und eine Erweiterung auf den Bereich der Dritten wird im Lied ein textuell organisierter, abgeschlossener Rahmen der Referentialisierungen aufgebaut, der ganz anders als die dominant performative Integration der Rollenlyrik funktioniert. Die Verwendung der Ersten und Zweiten Person n¨amlich geht von der Kommunikation unter Anwesenden aus, die Dritte Person (und ihre Pronomina) dagegen verweist auf potentiell Abwesende und muss deshalb z. B. etwas u¨ ber das Geschlecht dieser dritten Person aussagen.» (Mu¨ ller 2008, S. 60) Braun r¨uckt das T. aus der unhinterfragten Zuordnung zur Lyrik heraus und n¨ahert es den großepischen Formen an, um es aus dieser Perspektive neu zu beschreiben. Denn: «Die Tagelieder sind in einem ganz handfesten Sinn 237
1. H¨alfte 13. Jh. narrativ, sodass ihre Zuordnung zum Minnesang nicht umstandslos erfolgen kann [...]. Entscheidend aber ist, dass der narrative Impuls hier den formalen u¨ berwiegt, was dem Tagelied im Allgemeinen und dem Wolframs im Besonderen einen Sonderstatus innerhalb des Minnesangs zuweist, vergleichbar vielleicht mit der sp¨ateren Ballade.» (Braun 2011, S. 307). Ausgaben: Dt. Tagelieder von den Anf¨angen ¨ der Uberl. bis zum 15. Jh. Nach dem Plan Hugo Stopps. Hg. v. Sabine Freund (Quellen zur dt. Sprach- und Literaturgesch. 2). Heidelberg 1983 (Diplomatische Transkription von Tageliedern ohne Einleitung oder Komm.). – Owe do tagte ez. Tagelieder und motivverwandte Texte des MA und der fr¨uhen Neuzeit. Hg. v. Renate Hausner (GAG 204). G¨oppingen 1983. – MF 1. – Tagelieder des dt. MA. Mhd./Nhd. Ausgew¨ahlt, u¨ bers. und komm. v. Martina Backes (RUB 8831). Stuttgart 1992, 1999 (mit ausf¨uhrlicher Einleitung von Alois Wolf). Einfuhrende ¨ Forschungsliteratur: Ulrich M¨uller, RL2 (1984) S. 345–350. – Silvia Ranawanke, RLW 3 (2003) Sp. 577–580. – Arthur T. Hatto: Das T. in der Weltlit. In: DVjs 36 (1962) S. 489–502. – Dietmar Rieger: Tagelied (Alba). In: Grundriß der romanischen Literaturen des MA. Vol. VII: les genres lyriques, tome 1, fasc. 5. Heidelberg 1979, S. 44–54. – Ulrich M¨uller: Ovid ‹Amores› – alba – tageliet [1971]. In: Der dt. Minnesang. Hg. v. Hans Fromm. Bd. 2. Darmstadt 1985, S. 362–400. – Alois Wolf: Literarhistorische Aspekte der ma. Tagelieddichtung. In: Tagelieder des dt. MA. Mhd./Nhd. Ausgew¨ahlt, u¨ bers. und komm. v. Martina Backes (RUB 8831). Stuttgart 1992, 1999, S. 11–81. – L. Peter Johnson: Wolfram von Eschenbach und das mhd. T. In: Ders.: Die h¨ofische Lit. der Bl¨utezeit (1160/70–1220/30) (Gesch. der dt. Lit. von den Anf¨angen bis zum Beginn der Neuzeit II, 1). T¨ubingen 1999, S. 173–188. – Norbert K¨ossinger: T. In: Hdb. Literarische Gattungen. Hg. v. Ralf Klausnitzer/Marina Mu¨ nkler/Guido Naschert. Stuttgart/Weimar (im Druck). Forschung: Vgl. die wissenschaftliche Bibliographie zum T. von Joachim Hamm (http://bibliographien.mediaevum.de/bibliographien/ tagelied.htm). – John A. Asher: Das T. Walthers von der Vogelweide: Ein parodistisches Kunstwerk. In: Mediaevalia litteraria. FS H. de Boor. Hg. v. 238
1. H¨alfte 13. Jh. Ursula Hennig/Herbert Kolb. Mu¨ nchen 1971. – Wolfgang Mohr: Spiegelungen des T.s. In: ebd., S. 287–304. – Peter Wapnewski: Die Lyrik Wolframs von Eschenbach. Edition, Komm., Interpretation. Mu¨ nchen 1972. – Karl Heinz Borck: Wolframs T. ‹Den morgenblic bˆı wahtaeres sange erkˆos›. Zur Lyrik eines Epikers. In: Stud. zur dt. Lit. FS A. Beck. Hg. v. Ulrich F¨ulleborn u. a. Heidelberg 1979, S. 9–17. – P. Wapnewski: Morungens T. In: Waz ist minne? Stud. zur mhd. Lyrik. Hg. v. dems. Mu¨ nchen 1979. – Alois Wolf: Variation und Integration. Beobachtungen zu hochma. Tageliedern. Darmstadt 1979. – K. H. Borck: Zu Steinmars Tageliedparodie ‹Ein kneht der lac verborgen›. In: Interpretation und Edition dt. Texte des MA. FS J. Asher. Hg. v. Kathryn Smits u. a. Berlin 1981, S. 92–102. – Volker Mertens: Dienstminne, Tageliederotik und Eheliebe in den Liedern Wolframs von Eschenbach. In: Euph. 77 (1983) S. 233–246. – Werner Hoffmann: Tageliedkritik und Tageliedparodie in mhd. Zeit. In: GRM 35 (1985) S. 157–178. – Gerdt Rohrbach: Stud. zur Erforschung des mhd. T.s. Ein sozialgeschichtlicher Beitr. G¨oppingen 1986. – Ralf Breslau: Die Tagelieder des sp¨aten MA. Rezeption und Variation eines Liedtyps der h¨ofischen Lyrik. Berlin 1987. – V. Mertens: Erz¨ahlerische Kleinstformen. Die genres objectifs im dt. Minnesang. In: Kleinere Erz¨ahlformen im MA. Hg. v. Klaus Grubm¨uller. Paderborn 1988, S. 49–65. – K. H. Borck: ‹Urloup er nam – nu merket wie!› Wolframs Tagelieder im komparatistischen Urteil Alois Wolfs. In: Stud. zu Wolfram von Eschenbach. FS Werner Schr¨oder. Hg. v. Kurt G¨artner/Joachim Heinzle. T¨ubingen 1989, S. 559–568. – Ulrich Mehler: Techniken der Parodierung. Dargestellt an ausgew¨ahlten Beispielen der mittel- und fr¨uhnhd. Tageliedparodie. In: Architectura poetica. FS J. Rathofer. Hg. v. Ulrich Ernst u. a. K¨oln/Wien 1990, S. 253–276. – Christoph Cormeau: Zur Stellung des T.s im Minnesang. In: FS Walter Haug und Burghart Wachinger. Hg. v. Johannes Janota u. a., Bd. 2. T¨ubingen 1992, S. 695–708. – J¨urgen K¨uhnel: Das T. Wolfram von Eschenbach: Sˆıne klˆawen. In: Gedichte und Interpretationen. MA. Hg. v. Helmut Tervooren (RUB 8864). Stuttgart 1993, S. 144–168. – Dorothee Lindemann: zwei herze und ein lˆıp. Zu Wolframs erstem T. In: bickelwort und wildiu mære. FS Eberhard Nellmann. Hg. v. dems./Berndt Volkmann/Klaus-Peter Wegera (GAG 618). G¨oppingen 239
Tagelied 1995, S. 144–150. – Elisabeth Lienert: Gattungsinterferenzen im sp¨aten Minnesang. Gottfrieds von Neifen ‹Wiegenlied› als Antitagelied-Parodie. In: ZfdA 125 (1996) S. 264–274. – Hans-Joachim Behr: Die Inflation einer Gattung: Das T. nach Wolfram. In: Lied im dt. MA. Hg. v. Cyril Edwards u. a. T¨ubingen 1996, S. 195–202. – Uwe Ruberg: Gattungsgeschichtliche Probleme des ‹geistlichen Tagelieds›. Dominanz der W¨achter- und Weckmotivik bis zu Hans Sachs. In: Traditionen der Lyrik. FS Hans-Henrik Krummacher. Hg. v. Wolfgang D¨using. Tu¨ bingen 1997, S. 15–29. – Andr´e Schnyder: Das T. G¨unthers von dem Forste: Ein parodistisches Kunstwerk? In: JOWG 10 (1998) S. 327–339. – Martina Probst: Nu wache uˆ f, s¨under traege. Geistliche Tagelieder des 13. bis 16. Jh. Analysen und Begriffsbestimmung. Frankfurt/M. u. a. 1999. – Marianne Derron/A. Schnyder: Das geistliche Tagelied des Sp¨atMA und der Fr¨uhen Neuzeit. Eine Bilanz und ein Projekt. In: JOWG 12 (2000) S. 203–216. – Ursula Liebertz-Gr¨un: Ambivalenz, poetologische Selbstreflexion und inszenierte Sexualit¨at. Die Tagelieder Reinmars des Alten, Walthers von der Vogelweide und Wolframs von Eschenbach. In: Sexualit¨at im Gedicht. 11. Kolloquium der Forschungsstelle f¨ur Europ¨aische Lyrik. Hg. v. Theo Stemmler/Stefan Horlacher. T¨ubingen 2000, S. 65–81. – Klaus Speckenbach: T.-Interpretationen zu Wolframs ‹Von der zinnen› (MF V) und Oswalds ‹Los, frau, und h¨or› (Kl. 49). In: Germanistische Medi¨avistik. Hg. v. Volker Honemann/Tomas Tomasek (M¨unsteraner Einf¨uhrungen: Germanistik 4). Mu¨ nster 2000, S. 227–253. – V. Mertens: Tagelieder singen. Ein hermeneutisches Experiment. In: Wolfram-Stud. 17 (2002) S. 276–293. – Christian Kiening: Poetik des Dritten. In: Zwischen K¨orper und Schrift. Texte vor dem Zeitalter der Lit. Hg. v. dems. Frankfurt/M. 2003, S. 157–175. – A. Schnyder: Zu einigen wenig beachteten Tageliedern im Liederbuch der Clara H¨atzlerin. In: Dt.-b¨ohmische Literaturbeziehungen – Germano-Bohemica. FS V´aclav Bok. Hg. v. Hans-Joachim Behr/Igor Lisov´y/Werner Williams-Krapp (Stud. zur Germanistik 7). Hamburg 2004, S. 231–256. – S. Ranawake: Sprecherrollen im sp¨atma. T. In: Gattungen und Formen des europ¨aischen Liedes vom 14. bis 16. Jh. Hg. v. Michael Zywietz/V. Honemann/Christian Bettels (Stud. und Texte zum MA und zur fr¨uhen Neuzeit 8). Mu¨ nster 2005, S. 189–202. – John Greenfield: wahtaere, swˆıc. 240
Bruder Wernher ¨ Uberlegungen zur Figur des W¨achters im tageliet. In: Die Burg im Minnesang und als Allegorie im dt. MA. Hg. v. Ricarda Bauschke (Kultur, Wiss., Lit. 10). Frankfurt/M. 2006, S. 41–61. – Stephan M¨uller: Sprechende B¨ucher – verschwundene Schrift. Probleme und Praktiken der Kodifizierung von Intimit¨at in der Volkssprache im Fr¨uhund HochMA. Zugleich eine These zur Sp¨at¨uberl. des Minnesangs. In: Schrift und Liebe in der Kultur des MA. Hg. v. Mireille Schnyder (Trends in Medieval Philology 13). Berlin 2008, S. 49–61. – Wolfgang Achnitz: Wolfram als Minnes¨anger. Intertextualit¨at und Autoreferentialit¨at der Liebeslyrik um 1200. In: ZfdA 139 (2010) S. 277–298. – Manuel Braun: Epische Lyrik, lyrische Epik. Wolframs von Eschenbach Werk in transgenerischer Perspektive. In: Lyrische Narrationen – narrative Lyrik. Gattungsinterferenzen in der ma. Lit. Hg. v. Hartmut Bleumer/Caroline Emmelius (Trends in Medieval Philology 16). Berlin/New York 2011, S. 271–308. – Franz-Josef Holznagel: Die Lieder. In: Wolfram von Eschenbach. Ein Hdb. Hg. v. Joachim Heinzle. Bd. 1: Autor, Werk, Wirkung. Berlin/Boston 2011, S. 83–143. – Sebastian M¨ockel: ‹Der s¨ueze wehsel under zwein›. Intime Dialoge im mhd. T. um 1200. In: Aspekte einer Sprache der Liebe. Formen des Dialogischen im Minnesang. Hg. v. Marina Mu¨ nkler (Publ. zur Zs. f¨ur Germanistik 21). Bern u. a. 2011, S. 127–155. – Katharina Philipowski: Zeit und Erz¨ahlung im Tagelied oder: Vom Unverm¨ogen des Pr¨asens, Pr¨asenz herzustellen. In: Lyrische Narrationen – narrative Lyrik. Gattungsinterferenzen in der ma. Lit. Hg. v. Hartmut Bleumer/Caroline Emmelius (Trends in Medieval Philology 16). Berlin/New York 2011, S. 181–213. – Dies.: ‹diu gˆab mir tugende gˆıt.› Das gabentheoretische Dilemma von milte und lˆon im hohen Minnesang, im Frauendienst und im Tagelied. In: DVJs 85/4 (2011) S. 455–488. KP Tagzeitengedichte → Band 1, 647–655. Bruder Wernher. – Sangspruchdichter, 1. H¨alfte 13. Jh. Zu W. gibt es keine außerliterarischen Zeugnisse. Seine datierbaren Spr¨uche verweisen auf eine ungef¨ahre Schaffenszeit von 1215 bis 1250. Der a¨lteste, wohl auf 1217 datierbare Spruch, ist ein ironisches Lob der Sparsamkeit Herzog Leopolds ¨ VI. von Osterreich (im Amt 1198–1230; RSM: 1 Wern/9/1) und der j¨ungste eine Totenklage auf 241
1. H¨alfte 13. Jh. Herzog Friedrich II. (den Streitbaren, † 1246) verbunden mit einer Bitte an den b¨ohmischen K¨onig ¨ Wenzel I., Osterreich beizustehen (der b¨ohmische Einmarsch erfolgte im September 1250). Diese zeitliche Einordnung korreliert mit dem Charakter der Spruchdichtung W.s: Sie steht in der Nachfolge → Walthers von der Vogelweide und kann neben dem des → Reinmar von Zweter als das herausragende Spruchwerk der ersten H¨alfte des 13. Jh. gelten. W. apostrophiert sich selbst in einer Strophe (1Wern/3/1) als Laien. Den in der Sangspruchdichtung einmaligen Beinamen «Bruder» k¨onnte er einer Mitgliedschaft in einer laikalen Gebets- oder Wallbruderschaft verdanken. M¨oglich ist auch, dass er in sp¨ateren Jahren als Laienbruder einem Kloster beigetreten ist. Auch eine metaphorische Bedeutung ist nicht auszuschließen, die den fahrenden S¨anger W. zum weit herum kommenden Pilger in Beziehung setzt, der aus reicher Erfahrung viel zu berichten hat (vgl. z. B. den sprechenden Namen → Rumelant (von Sachsen bzw. Schwaben). W. d¨urfte fahrender Berufsdichter gewesen sein, wie die Strophen 1Wern/2/6 und 1Wern/1/14 mit dezidierter Fahrenden-Thematik vermuten lassen (wobei der potentiell topische Charakter von Geizklagen u. a¨ . nicht außer Acht gelassen werden darf). Einige Lobspr¨uche erlauben (nicht immer eindeutige) R¨uckschl¨usse auf G¨onner und Aufenthaltsorte: 1Wern/5/2 nennt einen ober¨osterreichischen Herrn von Ort (Hartnid IV. [† 1230], Hartnid V. [† 1245]), 1Wern/1/21 preist den K¨artner Grafen Wilhelm von Heunberg († 1249) und 1Wern/1/25 geht auf den ostfr¨ankischen Grafen Poppo VII. von Henneberg († 1242), den Bruder → Ottos von Botenlauben, sowie einen ebenfalls ostfr¨ankischen Grafen von Castell (Rupert oder Friedrich I.). Auf Poppo oder dessen Sohn Heinrich III. († 1262) k¨onnte auch 1Wern/5/5 gem¨unzt sein, wo ein Graf «von Osterberc» gelobt wird. Gemeinhin wurde dieser Graf mit dem K¨artner Heinrich von Ortenberg identifiziert, doch k¨onnte auch die Osterburg in der Grafschaft Henneberg gemeint sein. Das Spruchwerk W.s behandelt die typischen Themen seiner Zeit und l¨asst sich Grob in drei Gruppen aufteilen: Zeitgeschichtliches, Moraldidaxe und Geistliches. Dabei zeigt sich der ausgepr¨agt didaktische Charakter seiner Dichtungen auch in den politischen Spr¨uchen, in denen h¨aufig das Exemplarische bestimmter Handlungen oder Ereignisse herausgestellt wird. Res¨umierende, mitunter sprichwortartige Strophenschl¨usse unterstrei242
1. H¨alfte 13. Jh. chen diesen Wesenszug der Spr¨uche W.s. Die Minnethematik fehlt ganz. Auch Bez¨uge zur h¨ofischen Kultur, zum geselligen Leben oder L¨ugen-, Scherzund R¨atselstrophen kommen nicht vor, ganz im Gegensatz zu Reinmar von Zweter, dessen Œuvre sich hierin bei weitem vielschichtiger zeigt als dasjenige des Zeitgenossen W., das vor allem vom religi¨osen Ernst bestimmt ist. Zusammen mit Reinmar enth¨alt sich W. der im 13. Jh. in der Spruchdichtung immer beliebter werdenden exponierten Gelehrsamkeit (vgl. etwa den → Marner). Hinsichtlich der politischen Lyrik sind W. und Reinmar gewiss Walthers bedeutendste Nachfolger. W. bietet hier ein umfangreiches Programm: Kreuzzugspropaganda, Lob- sowie Scheltspr¨uche, Totenklagen und perso¨ nliche zeitgeschlichtliche Stellungnahmen. Zahlreiche Strophen dieser Gruppe erlauben Datierungen. In den politischen Spr¨uchen erweist sich W. oftmals als F¨ursprecher o¨ sterreichischer Landesherren. Bei den Konflikten der Staufer mit dem Papsttum oder F¨ursten, h¨alt er zumeist zur staufischen Partei. Im Zentrum der moraldidaktischen Spr¨uche steht die Herrenlehre, basierend auf dem Tugendadel. Der Geiz wird als schlimmste Todsu¨ nde gebrandmarkt. Aber auch das f¨ur Mann und Frau allgemein richtige Verhalten wird behandelt (1Wern/2/2, 1Wern/2/10), wobei Ankl¨ange an die Lehrdichtung des → Stricker bestehen k¨onnten. Als wichtigste Tugenden benennt W. «ere», «triuwe» und «milte», Letztere dabei durchaus auch im eigenen Interesse des Fahrenden. Der Memento mori-Gedanke bestimmt die geistliche Dichtung W.s. Zehn Strophen behandeln den Weltlohn oder das j¨ungste Gericht und fordern eindringlich zur Umkehr im Hinblick auf das Seelenheil auf. Sie weisen Z¨uge der Bußpredigt auf. Stilistisch sind W.s Strophen schlicht. H¨aufigstes Stilmittel ist die Anapher. W. bevorzugt die Einzelstrophe, selten scheinen Strophenbindungen vorzuliegen. Die T¨one sind s¨amtlich in Kanzonenform abgefasst. Wie Walther verwendet W. mehrere unterschiedlich T¨one, die freilich Variationen ein und desselben Bautyps sind: ganz u¨ berwiegend zw¨olfversige Strophen mit je dreiversigen Aufgesangsstollen und sechsversigem Abgesang und einer Tendenz zu Langzeilen. Die Abges¨ange bestehen zumeist aus vier Kreuzreimkurzzeilen und einem abschließenden paargereimten Langzeilenpaar. Der «schlanke» Part der Kurzzeilen ist oft der Ort pointierter Textaussagen. Der Formtyp der 243
Bruder Wernher T¨one a¨ hnelt → Stolles «Alment» (1Stol), die Vorbildcharakter haben k¨onnte, und außerdem den T¨onen des → Hennebergers (1Henb) und Rumelants von Schwaben (1RumeSw) sowie dem Ton VII Rumelants von Sachsen (1Rum/7). W.s Ton IX ist baugleich mit einem Lied → Wernhers von Teufen (1WernT/1). Einzelne Zeilen der Melodien W.s h¨angen von der Psalmodie ab, was ein m¨oglicher Hinweis auf kl¨osterliche Bildung sein k¨onnte. W.s Nachwirkung ist u¨ berschaubar. W. findet bei sp¨ateren Autoren nur selten Erw¨ahnung. Er wird in einer Robyn zugeschriebenen Totenklage genannt (1Rob/2; → Rubin und R¨udiger), die neben W. den Verlust Walthers, → Neidharts, Stolles und → Reinmars (des Alten oder von Zweter) bedauert. Außerdem erscheint er im Dichterkatalog Lupold → Hornburgs (1Hornb/1–3). Von den Meisters¨angern werden W.s T¨one nicht rezipiert, auch wird er nicht den zw¨olf alten Meistern zugerechnet. W. wird lediglich im Meisterkatalog Konrad → Nachtigalls (1NachtK/5/2) und im auf Nachtigall beruhenden Prosakatalog des Valentin Voigt angef¨uhrt. In der mit Nachtigall eng verwandten Liste bei Hans → Folz (1Folz/82) fehlt W. ¨ Uberlieferung: Ingesamt werden 76 Strophen in 9 T¨onen u¨ berliefert (davon 28 in Ton I, 11 in Ton II, 3 in Ton III, 17 in Ton 4, 7 in Ton V, 6 in Ton VI, 2 in Ton VIII, jeweils 1 in Ton VII und IX). – Heidelberg, UB, Cpg 357 (→ Heidelberger Liederhs. A) 36v–30r (Perg, 1270–80, niederaleman¨ nisch). Uberschrift: «BRVDER VVERNHER»: 1 Str. in Ton II, 2 Str. in Ton VIII (letztere unikal). – Heidelberg, UB, Cpg 848 (→ Heidelberger Liederhs. C) 344v–347vb (Perg., um 1300, aleman¨ nisch). Uberschrift der Miniatur, die W. als Landfahrer mit Kr¨uckstock und Hut zeigt: «Br˚uder wernher»; 38 Str. in 8 T¨onen: 16 Str. in Ton I, 2 Str. in Ton II, 3 Str. in Ton III, 7 Str. in Ton IV, 3 Str. in Ton V, 5 Str. in Ton VI, je 1 Str. in Ton VII und IX (insgesamt 7 Unica). – Jena, ULB, Ms. El. f. 101 (→ Jenaer Liederhs. [J]) 7vb–16va (Perg., um 1330, mitteldt. mit nd. Einschlag) mit Melodien, Corpus¨uberschrift: «Bruder wirner». 67 Str. in 6 T¨onen: 26 Str. in Ton I, 11 Strophen in Ton II, 3 Str. in Ton III, 16 Str. in Ton IV, 6 Str. in Ton V, 5 Str. in Ton VI (insgesamt 36 Unica). – Prag, Nationalbibl., Cod. XXIV.C.55 (vormals Tetschen [Dˇecˇ´ın] Gr¨afl. Thunsche Bibl., Ms. 221i; Tetschener Fragment) 1v (1 Pergamentbl., zweite H¨alfte 14. Jh., o¨ sterr.-b¨ohmisch). 1 Str. in Ton IV. – Parallel¨uberlieferung: Ton I: 14 Str. in C/J. – Ton II: 1 Str. in 244
Bruder Wernher A/C/J, 2 Str. in C/J. – Ton III: 3 Str. in C/J. – Ton IV: 5 Str. in C/J, 1 Str. in C/J/Prag. – Ton V: 2 Str. in C/J. – Ton VI: 4 Str. in C/J. Ausgaben: HMS 2 (1838) S. 227–235; 3 (1838) S. 11–20. – Anton E. Sch¨onbach: Die Spr¨uche des B. W. 1 und 2. In: Sb. der Kaiserl. Akad. der Wiss. in Wien. Phil.-hist. Kl. Bd. 148 (1904) S. 1–90; 150 (1904) S. 106 (mit Komm.). – FranzViktor Spechtler: B. W. Abb. und Transkription ¨ der gesamten Uberl. Bd. 1: Abb., Bd. 2: Transkription der Texte und Melodien (Litterae 27, 1–2). G¨oppingen 1982. – Zu Ausgaben einzelner Spruchstr. vgl. RSM 5 (1991) S. 549–565. – Hinzu kommt: Dt. Gedichte des MA. Mhd./Nhd. Ausgew¨ahlt, u¨ bers. und erl. v. Ulrich M¨uller in Zusammenarbeit mit Gerlinde Weiss (RUB 8849). Stuttgart 22009, S. 222–227 (Nr. 68–70). – Melodieausgabe: Horst Brunner/Karl-G¨unther Hartmann: Spruchsang. Die Melodien der Sangspruchdichter des 12. bis 15. Jh. (Monumenta monodica medii aevi 6). Kassel 2010, S. 427–432. Literatur: Richard M. Meyer, ADB 42 (1897) S. 74–76. – De Boor/Newald 2 (111991) S. 395–402 und Reg. – RSM 5 (1991) S. 548–565; 2,1 (2009) S. 302–304. – Fritz Peter Knapp, BBKL 13 (1998) Sp. 870. – Ulrich M¨uller, LexMA 9 (1998) Sp. 9 f. – Horst Brunner, VL2 10 (1999) Sp. 870. – Ders., MGG Personenteil 17 (2007) Sp. 797 f. – Claudia H¨andl, Killy2 12 (2011) S. 325 f. – Karl Meyer: Unters. u¨ ber das Leben Reinmars von Zweter und B. W.s. Basel 1866. – Ferdinand Lamey: B. W. Sein Leben und sein Dichten. Karlsruhe 1880. – Henry Doerks: B. W. Eine literaturhist. Unters. Beilage Schulprogr. Treptow an der Rega 1889. – Gustav Roethe: Die Gedichte Reinmars von Zweter. Leipzig 1887 (Nachdr. Amsterdam 1967) Reg. – Sch¨onbach (s. Ausg.). – Hans Vetter: Die Spr¨uche B. W.s. In: PBB 1944 (1920) S. 242–267. – Albert Leitzmann: Zu B. W.s Spr¨uchen. In: PBB 65 (1942) S. 159–164. – Paul Kemetm¨uller: Glossar zu den Spr¨uchen des B.s W. nach der Textausg. v. A. E. Sch¨onbach. Diss. Wien 1952. – Helmut Tervooren: Einzelstr. oder Strophenbindung? Unters. zur Lyrik der Jenaer Hs. Diss. Bonn 1967, S. 138–161. – Udo Gerdes: B. W. Beitr. zur Deutung seiner Spr¨uche (GAG 97). G¨oppingen 1973. – U. Gerdes: Zeitgesch. in der Spruchdichtung. Beobachtungen an der Lyrik B. W.s. In: Euph. 67 (1973) S. 117–156. – U. M¨uller: Unters. zur politischen Lyrik des dt. MA (GAG 55/56). G¨oppingen 1974, 245
1. H¨alfte 13. Jh. S. 86–103 passim. – Eugen Thurnher: Die Tierfabel als Waffe politischen Kampfes. Zur Deutung der Fabelspr¨uche des B. W. In: R¨omische hist. Mitt. 18 (1976) S. 55–66. – Klaus Grubm¨uller: Meister Esopus. Unters. zur Gesch. und Funktion der Fabel im MA (MTU 56). M¨unchen 1977, S. 244 f. – Christoph Huber: Wort sint der dinge zeichen. Unters. zum Sprachdenken der mhd. Spruchdichtung bis Frauenlob (MTU 64). Z¨urich/M¨unchen 1977, Reg. – Ingrid Strasser: Zur ‹Herrenlehre› ¨ in den Spr¨uchen B. W.s. In: Osterr. Lit. zur Zeit der Babenberger (Wiener Arbeiten zur germ. Altertumskunde und Philologie 10). Hg. v. Alfred Ebenbauer u. a. Wien 1977, S. 239–254. – Joachim Bumke: M¨azene im MA. Die G¨onner und Auftraggeber der h¨ofischen Lit. in Deutschland, 1150–1300. M¨unchen 1979, Reg. – Gisela Kornrumpf/Burghart Wachinger: Alment. Formentlehnung und T¨onegebrauch in der mhd. Spruchdichtung. In: Dt. Lit. im MA. Kontakte und Perspektiven. Hugo Kuhn zum Gedenken. Stuttgart 1979, S. 356–411. – Cyril W. Edwards: Zur Rezeption B. W.s in der Jenaer Liederhs. In: Zur dt. Lit. und Sprache des 14. Jh. (Reihe Siegen. Germanistische Abt. 45). Hg. v. Walter Haug u. a. Heidelberg 1983, S. 305–319. – F. V. Spechtler: Strophen und Varianten. Zur Sangspruchlyrik des 13. Jh. am Bsp. des B. W. In: Spectrum Medii Aevi. FS George Fenwick Jones (GAG 362). Hg. v. William Cecil McDonald. G¨oppingen 1983, S. 491–508 (wieder in: Ders.: Gesammelte Abh.. Hg. v. Michaela Auer-M¨uller u. a. [GAG 736]. G¨oppingen 2006, S. 189–204). – Peter Kern: Entaktualisierung in der Jenaer Liederhs.? In: ZfdPh 104 (1985) Sonderh. S. 157–166. – Codex Manesse. Die Miniaturen der Großen Heidelberger Liederhs. Hg. und erl. v. Ingo F. Walther unter Mitarbeit v. Gisela Siebert. Frankfurt/M. 1988 (62001) S. 235 f. (Tf. 115). – H. Brunner: Die To¨ ne B. W.s. Bemerkungen zur Form und zur formgeschichtlichen Stellung. In: Liedstud. FS Wolfgang Osthoff. Hg. v. Martin Just. Tutzing 1989, S. 47–60. – P. Kern: B. W.s bˆıspel-Spruch von dem Affen und der Schildkr¨ote. In: ZfdPh 109 (1990) S. 55–68. – H. Brunner: Verk¨urztes Denken. Religi¨ose und literarische Modelle in der politischen Dichtung des dt. MA. In: Uf der mˆaze pfat. FS Werner Hoffmann. Hg. v. Waltraud Fritsch-R¨oßler (GAG 555). G¨oppingen 1991, S. 309–333 (wieder in: Ders.: Ann¨aherungen. Stud. zur dt. Lit. des MA und der Fr¨uhen Neuzeit [Phil.Stud.u.Qu. 210]. Berlin 2008, S. 272–290). – F. P. Knapp: Herrschaftsideale 246
1. H¨alfte 13. Jh. beim Stricker, bei B. W. und im ‹Buch von Bern›. In: FS W. Hoffmann (s. o.) S. 277–289. – Johannes Rettelbach: Variation – Derivation – Imitation. Unters. zu den T¨onen der Sangspruchdichter und Meistersinger (Fr¨uhe Neuzeit 14). T¨ubingen 1993, Reg. – Klaus Hofbauer: Gott und der Welt gefallen. Gesch. eines gnomischen Motivs im hohen MA (Europ¨aische Hochschulschr. 1,1630). Frankfurt/M. u. a. 1997, S. 303–314. – F. V. Spechtler/Hans Waechter: Psalmodie und Sangspruchlyrik. Zu den Melodien des B. W. In: ZfdPh 119 (2000) Sonderh. S. 50–58. – Dietlind Gade: Anleitung zu einer ‹pervertierten Totenklage›? Zu einem missverstandenen Spruch B. W.s. In: ZfdPh 122 (2003) S. 143–146. – Shao-Ji Yao: Der Exempelgebrauch in der Sangspruchdichtung vom sp¨aten 12. Jh. bis zum Anfang des 14. Jh. (W¨urzburger Beitr. zur dt. Philologie 32). W¨urzburg 2006, Reg. – Maria Dorninger: Ohne Minne, doch nicht ohne Frauen. Notizen zur Sangspruchdichtung B. W.s. In: wort unde wise – singen unde sagen: FS Ulrich M¨uller. Hg. v. Ingrid Bennewitz (GAG 741). G¨oppingen 2007, S. 25–34. – Jens Haustein/ Franz K¨orndle (Hg.): Die Jenaer Liederhs. Codex – Gesch. – Umfeld. Berlin/New York 2010, Reg. VZ Rubin. – Minnes¨anger des 13. Jh. Man hat vermutet, dass «her» Rubin zur gleichnamigen Tiroler Ministerialenfamilie geh¨orte, deren Stammburg sich bei Meran im Gebiet der Bisch¨ofe von Brixen befand. Ob es sich bei der Bezeichnung in den Handschriften um einen Herrentitel mit Orts- oder Personennamen handelt, ist nicht zu entscheiden (vgl. Wallner). Zur Bestimmung der Herkunft konnten die Wappen in B und C nichts beitragen. In B zeigt es zwei Querbalken mit schwarz-gelbem, zweireihigem Schachbrettmuster auf rotem Grund; der dazugeh¨orige Helm ist mit blauen Fl¨ugeln geziert (Ausgabe von B, S. 138). In C handelt es sich um ein redendes Wappen: ein viereckiger Rubin ist in Gold gefasst und ziert einen Ring auf blauem Grund, der gleiche Ring schm¨uckt den silber-blauen Helm. Die Szene zeigt den Autor mit einer mit einem Brief anstelle eines Pfeils geladenen Armbrust, auf eine Dame am Fenster zielend, die mit ihrer Hand eine empfangende Geste macht. Eine zweite Dame rechts daneben und das Pferd des S¨angers darunter vervollst¨andigen den zweigeteilten Bildaufbau im Stil einer Burgarchitektur mit Doppelarkade. 247
Rubin Reime, die Wallner als untirolerisch bezeichnete, hatte schon Kraus (S. 400) als f¨ur das Obd. m¨oglich nachgewiesen, als Einzelerscheinungen bewiesen sie nichts. Die Lebensdaten R.s sind ebenfalls unsicher. Kaiser erw¨agt sein Schaffen noch zu Lebzeiten → Reinmars, Kornrumpf vor dem Tod → Walthers von der Vogelweide. Die Hinweise auf seine Teilnahme an einem Kreuzzug m¨ussen sich nicht zwingend auf den Friedrichs II. (1228–1229) beziehen. R. ist h¨ochstwahrscheinlich nicht identisch mit dem in der → Jenaer Liederhandschrift zwei Spruchstrophen zugeschriebenen «Robyn» (vgl. → Rubin und R¨udeger), C erg¨anzt vier Minnestrophen nicht R.s Corpus, sondern weist sie einem Rubin von R¨udeger (auf Rasur f¨ur «Rubin und R¨udeger») zu. Kornrumpf erw¨agt aber, dass zumindest der Ton der Strophen auf R. zur¨uckgehen k¨onnte (Sp. 924). Von R. sind 21 T¨one mit 74 Strophen u¨ berliefert, 18 Minnelieder, zwei Kreuzlieder, davon eines, das zum Kreuzzug aufruft (Kraus LD VIIA), das andere ein Abschiedslied (Kraus LD XXII), ein Tagelied (Kraus LD XX) und ein Minnekasus (Kraus LD VIIB). Die inhaltlichen wie stilistischen Parallelen zu Reinmar und Walther sind offensichtlich, was seine Eigenst¨andigkeit in der Verseingangsgestaltung, in der bevorzugten Verwendung sechstaktiker Verse neben dem u¨ blicheren Viertakter und in der Binnengliederung der Kanzone jedoch nicht tangiert. Auch wenn R. positiver als Reinmar die «fr¨oude» betont und die Hoffnung auf Lohnerf¨ullung deshalb am Ende des Liedes st¨arker akzentuiert, h¨alt er doch am Konzept der Hohen Minne fest, das antizipierte «widerminne» ja zumindest als Idee einschließt. Die Tendenz geht zur Entwicklung des Werbethemas um die eine vollkommene Dame hin zur allgemeinen Reflexion des Lobs der Frauen und seiner Bedeutung f¨ur die «fr¨oude» des S¨angers (vgl. etwa Kraus LD XVIIB oder XVIII). Hierin und in der H¨aufigkeit der Verwendung des Natureingangs zeigt sich R.s N¨ahe zu → Gottfried von Neifen und → Neidhart. Das Singen ist R.s zweiter thematischer Schwerpunkt. Wachinger weist Nachbildungen von Walther 93,19 ff. durch Kraus LD XVII, von Reinmars MF 103,35 durch XII in Baumform und inhaltlichen Bez¨ugen nach. In den Handschriften erscheint R. ebenfalls in unmittelbarer Nachbarschaft von Walther und Reinmar. R. selbst wird von → Reinmar von Brennenberg (Kraus LD IV,13), dem → Marner (Kraus LD 248
Reinmar der Junge XIV,18) und Hermann → Damen (Kraus LD III,4) als verstorbener Minnes¨anger betrauert. ¨ Uberlieferung: Heidelberg, UB, Cpg 848, 169v–174rb (Perg., um 1300, Nachtrag mit dem 14. Jh., alemannisch = Große Heidelberger [Manessische] Liederhs.). – Stuttgart, LB, Cod. HB XIII 1 (erstes Viertel 14. Jh., alemannisch = Weingartner Liederhs. [B]). – Heidelberg, UB, Cpg 357, 20v–21v (Perg., 1270–80, Elsass, = Kleine Heidelberger Lie¨ derhs.) (zur anonymen oder Uberlieferung unter anderem Namen von verstreuten Einzelstrophen vgl. Kraus LD II, S. 406 und Kornrumpf, Sp. 295). Ausgaben: Minnesinger. Dt. Liederdichter des zw¨olften, dreizehnten und vierzehnten Jh. Aus allen bekannten Hss. und fr¨uheren Drucken gesammelt und berichtigt [...] v. Friedrich Heinrich von der Hagen. Erster Theil.: Manessische Sammlung aus der Pariser Urschrift. Leipzig 1838, Nr. 54, S. 311–319. – R.s Gedichte kritisch bearb. v. Julius Zupitza. Oppeln 1867. – Kraus LD 1 (1978) S. 338–358 (zit.). – Karl Bartsch/Wolfgang Golther (Hg.): Dt. Liederdichter des zw¨often und dreizehnten Jh. Eine Auswahl. Berlin 81928, Nr. LI (enth¨alt Nr. VII B, XII, XIV, XXII). – Werner H¨over/Eva Kiepe (Hg.): Gedichte von den Anf¨angen bis 1300 (Epochen der dt. Lyrik 1). M¨unchen 1978, S. 192–195 (enth¨alt Nr. VII A, XII, XIV, ¨ VI mit Ubersetzungen). Literatur: Gustav Roethe, ADB 29 (1889) S. 432. – Karl Langosch, VL1 3 (1943) Sp. 336. – De Boor/Newald 2 (111991) S. 318 f. – Gisela Kornrumpf, VL2 8 (1992) Sp. 293–296. – Norbert Ott, NDB 22 (2005) S. 155 f. – G. Kornrumpf, Killy2 10 (2011) S. 72 f. – Hagen, Minnesinger, Vierter Theil, S. 249–251, 644f. – Friedrich Grimme: Neue Beitr. zur Gesch. der Minnesinger. In: Alemannia 22 (1894) S. 33–45, hier S. 33 f. – Anton Wallner: Herren und Spielleute im Heidelberger Liedercodex (I. Die Anordnung der Sammlung S. 483; II. Die Wappen S. 491; III. Die Bilder S. 502; IV. Die Titel S. 522.). In: PBB 33 (1908) S. 483–540, hier S. 524–526. – Ferdinand Mohr: Das unh¨ofische Element in der mhd. Lyrik von Walther an. Tu¨ bingen 1913, S. 26 f. – Kraus, DL 2 (Komm.) S. 399–429. – FriedrichWilhelm Wentzlaff-Eggebert: Kreuzzugsdichtung des MA. Stud. zu ihrer gesch. und dichterischen Wirklichkeit. Berlin 1960. – Gert Kaiser: Beitr. zu den Liedern des Minnes¨angers R. Mu¨ nchen 1969 (dazu die Rezension von Helmut Tervooren in: ZfdA 82 [1971] S. 75–78). – Walter Blank: 249
1. H¨alfte 13. Jh. Die kleine Heidelberger Liederhs. Cod. Pal. Germ. 357 der Universit¨atsibl. (Facsimilia Heidelbergensia 2). Heidelberg 1972, S. 67–72. – Gerhard A. Vogt: Stud. zur Verseingangsgestaltung in der dt. Lyrik des HochMA (GAG 118). G¨oppingen 1974 (Register). – Joachim Bumke: Ministerialit¨at und Ritterdichtung. Umrisse der Forschung. Mu¨ nchen 1976 (Register). – G. Kornrumpf/Burghart Wachinger: Alment. In: Dt. Lit. im MA. Kontakte und Perspektiven. FS Hugo Kuhn. Hg. v. Christoph Cormeau. Stuttgart 1979, S. 356–411, hier S. 405 mit Anm. 147. – Olive Sayce: The Medieval German Lyric 1150–1300. Oxford 1982 (Register). – Roswitha Wisniewski: Kreuzzugsdichtung. Idealit¨at in der Wirklichkeit (Impulse der Forschung 44). Darmstadt 1984, S. 50. – Manfred Eikelmann: Denkformen im Minnesang. Unters. zu Aufbau, Erkenntnisleistung und Anwendungsgeschichte konditionaler Strukturmuster des Minnesangs bis um 1300 (Hermaea 57). T¨ubingen 1988 (Register). – Ulrich Mu¨ ller (Hg.): Kreuzzugsdichtung. 4., unver¨and. Aufl. Tu¨ bingen 1998. CS Reinmar der Junge. – Minnes¨anger, erste H¨alfte 13. Jh. (?). In der → Heidelberger Liederhandschrift A ist hinter den Texten von Reinmar dem Alten und → Reinmar dem Fiedler auch ein Lied R.s d. J. eingef¨ugt. Der Dichter ist ansonsten unbekannt, die Richtigkeit der Zuschreibung ungekl¨art. In der → Heidelberger Liederhandschrift C fehlt das Lied. Die beiden Strophen werden der ersten H¨alfte des 13. Jh. zugeordnet. Wahrscheinlich befand sich zwischen den beiden daktylischen Sechszeilern urspr¨unglich noch eine dritte Strophe, die aber verloren ist. Die erste Strophe beginnt mit einer Weltklage des Dichters, der seinen Gesang nicht genug gesch¨atzt sieht. In der zweiten Strophe findet er sich hingegen aus den Freuden der Welt gerissen. Eine mittlere Strophe k¨onnte zwischen diesen beiden Klagen u¨ bergeleitet haben. ¨ Uberlieferung: Heidelberg, UB, cpg 357, 5rv (Perg., 1270 bis dritets Viertel 14. Jh., niederalemannisch). Ausgaben: HMS 3 (1838) S. 331. – Kraus LD 1 (21978) Nr. 46. – Vgl. auch die Ausg. der Heidelberger Liederhandschrift A. Literatur: HMS 4 (1838) S. 475, 758. – Kraus LD 2 (21978) S. 398 f. – Gisela Kornrumpf, VL2 7 (1989) Sp. 1197 f. – Eduard Hans Kohnle: Stud. zu den Ordnungsgrunds¨atzen mhd. Liederhss. Die 250
1. H¨alfte 13. Jh. Folge der Lieder in A und E. Stuttgart u. a. 1934, S. 142 f. – Walter Blank: Die kleine Heidelberger Liederhs. Cod. Pal. Germ. 357 der UB Heidelberg. Wiesbaden 1972, S. 46 f. – Olive Sayce: The Medieval German Lyric 1150–1300. The Development of Its Themes and Forms in Their European Context. Oxford 1982, passim. – Carolin Schuchert: Walther in A. Stud. zum Corpusprofil und zum Autorbild Walthers v. der Vogelweide in der Kleinen Heidelberger Liederhs. Frankfurt/M. u. a. 2010, S. 36 f. u. o¨ . MM Graf Kraft von Toggenburg. – Minnes¨anger, erste H¨alfte 13. Jh. (?). K. hat als adliger Dilettant Aufnahme in die → Heidelberger Liederhandschrift C gefunden, wo er mit sieben subjektiven Minneliedern und insgesamt 25 Strophen vertreten ist. Die thurgauischen Grafen von Toggenburg waren eines der a¨ltesten und einflussreichsten Dynastengeschlechter der Ostschweiz und sind seit 1044 nachgewiesen. Im 13. und fr¨uhen 14. Jh. sind drei Mitglieder der Familie mit dem Namen Kraft bekannt: Kraft I., Sohn Diethelms von Toggenburg und bezeugt seit 1228. Kraft I. war wegen seiner Versuche, verlorene Rechtsanspr¨uche gegen den Abt von St. Gallen durchzusetzen, in eine jahrelange Fehde verwickelt, in deren Verlauf er vor 1254 starb (vgl. Christian → Kuchimeister). Dessen Sohn Kraft II. urkundet zweimal (1260/61) und verstarb sehr jung sp¨atestens 1266. Kraft III., eine Neffe Krafts II., war bei seiner ersten urkundlichen Erw¨ahnung 1286 noch unm¨undig. 1298 ist er als Kanonikus in Konstanz und seit 1301 in Z¨urich als Chorherr und sp¨ater (1309–39) als Propst am dortigen Großm¨unster nachgewiesen. Er ist auch im Umkreis der Br¨uder Manesse belegt. Hinweise auf ein literarisches Interesse der Familie von Toggenburg gibt es zudem bei Johannes → Hadlaub, in dessen Lied 2 der Bruder Krafts III., Friedrich von Toggenburg, erw¨ahnt wird, und auch bei → Ulrich von Zatzikhoven, der Dienstmann der Toggenburger war. Zur Identifikation des Dichters gibt es in der Forschung Stimmen f¨ur jeden der drei Namenstr¨ager (wenige f¨ur Kraft II, einige f¨ur Kraft III. und die meisten f¨ur Kraft I.; vgl. zuletzt Schiendorfer in HLS [s. Lit.]). Allerdings sind die Ankl¨ange von Lied 4 an den → Taler (dessen Lied 2), eines Zeitgenossen → Gottfrieds von Neifen, kein hinreichendes Indiz f¨ur Fr¨uhe, und dass die C-Miniatur K. nicht als Kleriker zeigt (wie bei → Heinrich 251
Graf Kraft von Toggenburg von Mure und → Eberhard von Sax), ist kein Ausschlusskriterium f¨ur Kraft III. Einige Lieder im u¨ berlieferten Œuvre K.s sind formal-stilistisch durchaus ansprechend, und K. geht mit seinem beschr¨ankten Motivschatz sehr souver¨an um. Er bleibt aber hinsichtlich des k¨unstlerischen Anspruches etwas hinter den anderen Grafen zur¨uck, die in der Grafenreihe von C mit zusammen ihm u¨ berliefert werden (im unmittelbaren Umfeld der Handschrift: Graf → Rudolf von Fenis-Neuenburg und → Konrad von Kirchberg). Die Lieder K.s sind f¨unf-, drei-, und zweistrophig. Die bis zu 14-versigen Strophen sind stollig, die Stollen wiederum vier- und dreizeilig. Die Verse sind u¨ berwiegend vierhebig. Alle Lieder haben einen mitunter zweistrophigen Natureingang (vier mit Sommer-, drei mit Winterbezug), auf den in jedem Fall eine Minneklage folgt. Am gelungensten ist vielleicht Lied 1, das mit dem «rosenvarwen munt» einen deutliche Bezug zu → Walther von der Vogelweide (L 51,37) und Neifen (Lied 3) aufweist und die Vorstellung aufbietet, dass von der Rose, die aus dem Munde der Geliebten beim Reden erw¨achst, «lˆıhte die sunne erl¨oschet» (ein Bild, das sp¨ater im «Apollonius» [V. 132] → Heinrichs von Neustadt noch u¨ bersteigert wird). Originell sind auch Lied 2, in dem der Blick der Minnedame das S¨anger-Ich in einen magischen Liebeszwang u¨ berf¨uhrt, oder die Anapherreihe in Lied 6 und die Wortsspiele mit dem Begriff «guot» in Lied 6 und 7, die vielleicht an Walthers «Reichston» ankn¨upfen. Einen u¨ berregionale Wirkung hat K. nicht ausge¨ubt, aber vielleicht ist Lied 19 beim Toggenburger Ministerialen Schenk → Konrad von Landeck vom «guot»-Wortspiel K.s inspiriert. In der Novelle Hadlaub Gottfried Kellers tritt K. als Mitglied des Z¨urcher Manesse-Kreises auf. ¨ Uberlieferung: Heidelberg, UB, Cpg 848 (C) 22v–23vb (Perg., um 1300, alemannisch). Die Miniatur zeigt ohne konkreten Bezug zu einem der Lieder im Corpus, wie der Dichter u¨ ber eine Leiter zur Dame steigt, die mit einem Blumenkranz in der Hand auf einem S¨oller steht. Das Wappen stimmt mit der Darstellung in der Z¨urcher Wappen¨ rolle (1335/45) u¨ berein. Uberschrift: «Graue Kraft von Toggenburg». – Krakau, Bibl. Jagiello´nska, Berol. Mgo 125 (vormals Berlin, SBB, Mgo 125) 2 Pergamentbll. (um 1300 [?], alemannisch) ‹Naglersches Fragm.› einer Liederhs. (Cb). 14 Str. (= C 8–22). Ausgaben: HMS 1 (1838) S. 20–23. – Karl Bartsch (Hg.): Die Schweizer Minnes¨anger (Bibl. 252
Neidhart a¨lterer Schriftwerke der dt. Schweiz 6). Frauenfeld 1886 (Nachdr. Darmstadt 1964) S. 74–83, 421 f. (Nr. VI). – Die Schweizer Minnes¨anger. Nach der Ausg. v. K. Bartsch neu bearb. und hg. v. Max Schiendorfer. Bd. 1: Texte. Tu¨ bingen 1990, S. 1–9 (Nr. 1). Literatur: Richard M. Meyer, ADB 38 (1894) S. 410 f. – G¨unther Schweikle, VL2 5 (1985) Sp. 330–332. – De Boor/Newald 3,1 (51997) S. 267. – Sandra Linden, Killy2 7 (2010) S. 5. – Max Schiendorfer, HLS (online, Version 21.3.2012; www.hls-dhsdss.ch/textes/d/D12043.php). – HMS 3 (1838) S. 586 f.; 4 (1838) S. 52–55. – Bartsch (s. Ausg.) S. LI–LXI. – Jakob Baechtold: Gesch. der dt. Lit. in der Schweiz. Frauenfeld 1887, S. 151. – Herta Elisabeth Renk: Der Manessekreis, seine Dichter und die Manessische Hs. (Stud. zur Poetik und Gesch. der Lit. 33). Stuttgart 1974, S. 211–217. – Joachim Bumke: Ministerialit¨at und Ritterdichtung. Umrisse der Forschung (Edition Beck 12). M¨unchen 1976, Reg. – Codex Manesse. Die Miniaturen der Großen Heidelberger Liederhs. Hg. und erl. v. Ingo F. Walther unter Mitarbeit v. Gisela Siebert. Frankfurt/M. 1988 (62001) S. 22 f. (Tf. 11). – M. Schiendorfer: Autoren des 13. Jh. und ihre hist. Lebenswirklichkeit. Fallstud. am Beispiel ‹schweizerischer› Minnes¨anger aus der Manessischen Liederhs. Habil.-Schr. Z¨urich 1996, S. 125–144. – Christine Dartmann: Das ‹lachen› der ‹vrouwe›. Unters. zur Funktion von ‹lachen› in mhd. Epik und im Minnesang (Wissenschaftliche Schr. der WWU Mu¨ nster 12, 3). Mu¨ nster 2011, S. 163–169. VZ Neidhart (auch Neithart, Her Nˆıthart, Nythardus u. a.), * sp¨ates 12. Jh., † vor 1246. – Lieddichter. Obwohl er zu den wichtigsten Lyrikern des MA z¨ahlt, ist N. als historische Gestalt bis heute kaum greifbar. Sein Name wird zwar von zeitgen¨ossischen Autoren benutzt, so von → Wolfram von Eschenbach im Willehalm und von → Wernher der G¨artner im Helmbrecht. In Urkunden ist N. jedoch nicht nachweisbar. Die in manchen Liedern vorkommende Eigennennung als «der von Riuwental» ist von der Forschung u. a. auf das bayerische Rewental/Freising und auf Reintal/Landshut bezogen worden, k¨onnte aber auch als Verweis auf das «Jammertal» von N.s Leben eine rein literarische Bedeutung gehabt haben. Der «Riuwental»-Bezug fehlt in anderen Liedern N.s, in denen o¨ sterr. Ortsnamen oder Ereignisse erscheinen. Man hat 253
1. H¨alfte 13. Jh. aus diesen und a¨ hnlichen Indizien Grundz¨uge einer m¨oglichen, aber letztlich nicht u¨ berpr¨ufbaren N.-Biografie abzuleiten versucht. Danach lebte N. zun¨achst als niederer Ministerialer in Bayern (Nennung Landshuts), wo er ein kleines Lehen besaß. Dieses wurde ihm entzogen, nachdem N. die Gunst ¨ seines Herren verloren hatte, worauf er nach Osterreich ging. Dort gewann er Herzog Friedrich II. den Streitbaren als G¨onner, der ihm ein Lehen verschaffte. Der Beginn von Friedrichs Regierungszeit (1230) und die Ermordung des bayerischen Herzogs Ludwig I. der Kelheimer (1231) liefern m¨ogliche Anhaltspunkte f¨ur N.s Umzug nach ¨ Osterreich. Dort hielt sich N. in «Medelich» auf, das meist mit dem nieder¨osterreichischen M¨odling, manchmal aber auch mit Melk gleichgesetzt wird. Er hatte zeitweise wahrscheinlich auch Beziehungen zu dem Salzburger Erzbischof Eberhard II. und Kaiser Friedrich II. Umstritten ist N.s Teilnahme an einem Kreuzzug. Anspielungen im Werk lassen sich auf Ereignisse des Kreuzzugs von 1217–21 beziehen, legen aber nicht zwingend eine pers¨onliche Beteiligung N.s an diesem oder dem sp¨ateren Kreuzzug von 1228/29 nahe. N.s Todesjahr kann ebenfalls nicht genau bestimmt werden. Da der Tod seines wohl wichtigsten F¨orderers Friedrich II. im Jahr 1246 in den Liedern nicht erw¨ahnt wird, k¨onnte N. vor dem Herzog gestorben sein. Ein Tod N.s nach 1250 gilt als unwahrscheinlich. Die Forschung hat aufgrund historischer Anspielungen in den Liedern verschiedentlich auch 1237 und 1242 als m¨ogliche Todesdaten N.s erwogen. Die Deutungen dieser Anspielungen sind allerdings umstritten. Im Helmbrecht wird N. bereits als Toter genannt. Die → Heidelberger Liederhandschrift C zeigt den Dichter, wie er unter einem nur als Umriss angedeuteten Wappen von vier M¨annern bedr¨angt wird. Bei diesen k¨onnte es sich um Dorfbewohner handeln, die den manchmal als Bauernfeind geltenden N. zur Rede stellen wollen. Vielleicht sind im Bild aber auch begeisterte Zuh¨orer dargestellt, die den popul¨aren S¨anger um die Darbietung eines Lieds bitten. N.s Schaffenszeit wird meist auf die Jahre zwischen 1210 und 1242 datiert. Bald danach be¨ ginnt auch die Uberlieferung. Ab der zweiten H¨alfte des 13. Jh. sind unter N.s Namen Lieder in rund 26 Handschriften und Fragmenten erhalten. Dieses Korpus umfasst insgesamt u¨ ber 150 Lieder mit u¨ ber 1700 Strophen sowie 69 Melodien zu 254
1. H¨alfte 13. Jh. ¨ 55 T¨onen. Zentrale Uberlieferungstr¨ ager sind drei Handschriften: R (Berlin, SBB, Mgf 1062) entstand gegen Ende des 13. Jh. in Nieder¨osterreich und enth¨alt 56 Lieder in 382 Strophen. Der Kodex enth¨alt nur Lieder N.s und gilt als fr¨uheste erhaltene Autorhandschrift des dt. MA. In C (Heidelberg, UB, cpg 848, erste H¨alfte 14. Jh.) finden sich 36 Lieder und etwa 289 Strophen N.s. Die N¨urnberger Handschrift c (Berlin, SBB, Mgf 779, um 1460) enth¨alt mit 132 Liedern in 1098 Strophen den umfangreichsten Teil des Korpus. Die Melodie¨uberlieferung beginnt im 14. Jh., verbreitert sich aber im 15. Jh. und kulminiert in c mit seinen 45 Melodien. 13 Melodien sind zweifach u¨ berliefert, jedoch in teilweise sehr unterschiedlichen Fassungen. Das unter N.s Namen u¨ berlieferte Liederkorpus wird meist in drei von den genannten Handschriften abgeleitete Bl¨ocke aufgeteilt. Diese unterscheiden sich durch Zuschreibung und Anordnung der in ihnen enthaltenen Lieder und Strophen. Neben dem fr¨uhen, s¨udostdt. R-Block steht zun¨achst der s¨udwestdt. C-Block, zu dem neben C selbst auch die bedeutenden Liederhandschriften A und B gerechnet werden. Der j¨ungere c-Block ¨ umfasst neben c weitere Uberlieferungstr¨ ager des 15. und 16. Jh. Nur 35 Lieder finden sich in allen drei Bl¨ocken. Die Zuschreibung vieler Lieder an N. oder an nachahmende Neidhartianer («PseudoNeidharte») ist bis heute umstritten. W¨ahrend der N.-Herausgeber Haupt im 19. Jh. nur 55 Lieder in R und elf Lieder in C als authentisch bewertete, hat die neuere Forschung sich hier weniger rigide gezeigt. So entschieden sich die Herausgeber der N.-Gesamtausgabe von 2007 bewusst f¨ur den Abdruck der Texte und Melodien aller bekannten N.-Handschriften und Drucke. Die Fortf¨uhrung der Echtheitsdiskussion wird auf diese Weise nicht unterdr¨uckt, sondern ermutigt. Die inhaltlichen Akzente des Werks variieren ¨ in den verschiedenen Uberlieferungsbl¨ ocken. Der u¨ berwiegend N. selbst zugeschriebene R-Block enth¨alt neben den Dorfliebschaften der Sommerund Winterlieder auch zeithistorische Elemente. So a¨ ußert sich N. kritisch u¨ ber die politischen Verh¨altnisse und desillusioniert-realistisch u¨ ber die Kreuzz¨uge. Der C-Block f¨ugt dem R-Korpus nicht nur neue Lieder hinzu, sondern ver¨andert durch Hinzuf¨ugungen, Streichungen oder Strophenumstellungen auch die mit R gemeinsamen Lieder. Als Ergebnis dieser Modifikationen gilt der C-Block 255
Neidhart gegen¨uber R als anz¨uglicher und grobschl¨achtiger, vor allem im erotischen Bereich. Außerdem ¨ weist er ein Ubergewicht von Sommerliedern auf. Die derben Elemente von C finden sich durchaus auch im c-Block wieder, allerdings werden sie dort durch die m¨aßigende Lebensm¨udigkeit des alternden Ritters abgemildert. Auch die zeithistorischen Aspekte des R-Blocks sind in c u¨ bernommen. Insgesamt gilt der c-Block jedoch eher als Produkt der Wirkungsgeschichte N.s denn als authentische Wiedergabe des Werks. Unabh¨angig von der Echtheit einzelner Lieder und Strophen sind klare Grundz¨uge der Lyrik N.s feststellbar. Dies betrifft zun¨achst ihr Verh¨altnis zur klassischen Minnedichtung. N. greift zwar Sprache, Themen und Motive des traditionellen, h¨ofischen Minnesangs auf, transferiert diese aber in eine b¨auerlich-l¨andliche Welt. Diese mag zwar weitgehend fiktiv sein, ist aber mit ihrem oft derben Personal und rauhen Sitten sehr lebendig gestaltet. Die manchmal starren Formeln und Figuren der h¨ofischen Minne weichen bei N. neuen Protagonisten und Orten: Statt adeliger Damen werden Bauernm¨adchen besungen, als Rivalen erscheinen statt Rittern nun Bauernburschen, schließlich wird der vornehme Hof als Schauplatz durch das gew¨ohnliche Dorf ersetzt. Hier leben die «d¨orper» (D¨orfler, T¨olpel), jene von N. popularisierten, fiktiven Karikaturen einfacher Landbewohner. Die «d¨orper» sind in N.s Liedern grobschl¨achtige, doch bauernschlaue Konkurrenten des Ritters, der ihnen bei der Liebeswerbung immer wieder unterliegt. Typisch f¨ur N. sind weiterhin die durch sein Werk eingef¨uhrten und sp¨ater sehr popul¨ar gewordenen Sommer- und Winterlieder. Beide Liedtypen werden meist von Natureing¨angen er¨offnet. Diese k¨onnen die entsprechende Jahreszeit behandeln, sind in den Winterliedern aber h¨aufig auch als R¨uckblick auf den Sommer gestaltet, vor allem im c-Block. In den Sommerliedern entfaltet sich eine von Spiel, Tanz- und Liebesfreuden erf¨ullte Szenerie. Darin ist der ritterliche S¨anger der Gegenstand weiblichen Begehrens und Werbens. Auch hier zeigt sich wieder N.s besonderes Verh¨altnis zum traditionellen Minnesang: Nicht der arme Ministeriale wirbt hier um die hohe Minnedame, sondern das Dorfm¨adchen um den Ritter. H¨aufig sind die Sommerlieder als Dialoge angelegt, etwa zwischen verliebter Tochter und mahnender Mutter, aber auch als Gespielinnengespr¨ache oder 256
Neidhart Pastourellen. Die Winterlieder spielen – der Jahreszeit angemessen – in der Bauernstube, wo die Dorfgemeinschaft sich mit Spiel, Tanz und Handgreiflichkeiten die Zeit vertreibt. In den Winterliedern tritt der Ritter als Minnender auf, kann sich aber gegen seine d¨orperlichen Rivalen kaum behaupten. Weitere Winterlieder enthalten Trutzstrophen, in denen die «d¨orper» selbst zu Wort kommen und gegen den Ritter sprechen. Andere Lieder dieser Gruppe sind von Weltabschied, Zeitund Altersklagen gepr¨agt oder reflektieren bilanzierend u¨ ber das von N. geschaffene Werk. Auch Reise-, Boten-, Kreuz-, Ess- und Trinklieder sind im N.-Korpus enthalten. Baulich k¨onnen N.s Lieder in zwei Grundtypen eingeteilt werden. Die Winterlieder sind u¨ berwiegend dreiteilige Kanzonen (AA/B) mit repetierter Stollenmelodie. Es finden sich im Werk aber auch Rundkanzonen und Bauformen mit drittem Stollen. Die Winterlieder-Strophen sind gew¨ohnlich l¨anger und vielz¨ahliger als in den Sommerliedern. In diesen herrschen zweiteilige Strophenformen vor (A/B), w¨ahrend Kanzonenformen erst in den Sommerliedern des c-Blocks hervortreten. Lieder und Zeilen sind außerdem meist k¨urzer als bei den Winterliedern. Die zu N.s Liedern u¨ berlieferten Melodien sind von Dreierrhythmen, Melodiezeilen-Wiederholungen und durchkomponierten Abges¨angen bestimmt. Die Sprache N.s verweist in Wortschatz und Stil einerseits auf die Werke → Reinmars des Alten, → Walthers von der Vogelweide und → Heinrichs von Morungen. Ihr Einfluss ist bei N. besonders in den Winterliedern greifbar. Die Dorfbewohner bedienen sich oft h¨ofischer Sprache, deren Gebrauch freilich im bewussten Kontrast zu den handfesten Derbheiten des b¨auerlichen Milieus steht. Zugleich sind die Lieder mit umgangssprachlichen W¨ortern und sprichw¨ortlichen Wendungen durchsetzt. Die Wirkung von N.s Liedern war immens und entfaltete sich bereits im Mittelalter. Sie erfasste zun¨achst die anonymen Neidhartianer, hinter denen sich vielleicht fahrende S¨anger verbargen und die imitativ in N.s Stil dichteten. Außerdem wurden prominente Minnelyriker und Epiker von N. beeinflusst: → Burkhard von Hohenfels, → Ulrich von Liechtenstein und der → Tannh¨auser, Wernher der G¨artner, Heinrich → Wittenwiler, → Hermann von Sachsenheim, Hans → Heselloher, Johannes → Hadloub 257
1. H¨alfte 13. Jh. und → Steinmar. Mit den u¨ berwiegend im cBlock erhaltenen 14 N.-Schw¨anken begann auch die Herausbildung der literarischen Kunstfigur des Bauernfeinds N. – der sog. N.-Legende, die sich etwa in den → N.-Spielen manifestierte und N. als sagenhaften Ritter zeichnet, der gerne Bauern u¨ berlistet und sp¨ater am Wiener Hof Herzog Otto den Fr¨ohlichen unterh¨alt. Ein wichtiges Zeugnis der N.-Legende ist der ab etwa 1491 mehrmals gedruckte Neidhart Fuchs. Diese Sammlung enth¨alt vor allem als unecht geltende Lieder und Schw¨anke sowie eine fiktive Biographie des Titelhelden. Dieser hat freilich mit dem historischen N. kaum noch etwas gemein. N. wurde auch von den Meistersingern rezipiert, so in Spielen und Liedern von Hans Sachs. Hans → Folz kannte N.s Werk ebenso wie Peter von Zittau, Konrad Celtis und wahrscheinlich Sebastian Brant. Jenseits dieser Autoren erstreckte sich N.s Wirkung bis in nd., b¨ohmische und fl¨amische Regionen. Als Dichter oder legend¨are Figur war N. dem Adel ebenso ein Begriff wie dem gebildeten B¨urgertum. Die moderne Forschung hat N. als wichtigen Impulsgeber der Minnelyrik gew¨urdigt. Seine ¨ parodistisch-satirischen Ubertragungen h¨ofischer Minnesang-Elemente auf das d¨orperliche Milieu gelten als bahnbrechend, seine Sommer- und Winterlieder als ungemein wirkm¨achtig. Damit z¨ahlt N.s Werk zu den H¨ohepunkten der mittelalterlichen Lyrik. ¨ ¨ Uberlieferung: Reiche Uberlieferung mit rund 26 Hss. und Fragm. ab der zweiten H¨alfte des 13. Jh.; umfangreiche Melodie¨uberlieferung ab dem 14. Jh. – Zusammenstellun¨ gen der Uberlieferung u. a. in den Ausgaben, vgl. zuletzt Mu¨ ller u. a. 2007 (s. Ausg.) sowie www.handschriftencensus.de/werke/269. Drucke: Drei Drucke des Neidhart Fuchs sind u¨ berliefert: Augsburg: [Johann Schaur, zwischen 1491 und 1500]. – N¨urnberg: [Jobst Gutknecht], 1537. – Frankfurt/M.: Martin Lechler, 1566. Ausgaben: HMS 3 (1838) S. 183–313, 757–801; 4 (1838) S. 436–442. – N. von Reuenthal. Hg. v. Moritz Haupt. Leipzig 1858. 21923. Nachdr. in 2 Bdn. als: N.s Lieder. Hg. v. Ulrich M¨uller u. a. Stuttgart 1986 (fr¨uheste krit. Gesamtausg.). – Lieder von N. Mit Reproduktion der Handschriften. Hg. v. Wolfgang Schmieder. Revision v. Edmund Wiessner. Wien 1930. Nachdr. Graz 1960. – Die Lieder N.s. Hg. v. Edmund Wiessner. T¨ubingen 258
1. H¨alfte 13. Jh. 1955. 51999 (Neuaufl. hg. v. Paul Sappler, mit Melodien). – N.-Lieder. Krit. Ausg. der N. von Reuenthal zugeschriebenen Melodien. Hg. v. Friedrich Gennrich. Langen bei Frankfurt 1962. – N.s Sangweisen (Abh. der S¨achsischen Akad. der Wiss. zu Leipzig, philol.-hist. Kl. 52/3 und 52/4). Hg. v. Ernst Rohloff. 2 Bde. Berlin 1962. – Materialien ¨ zur N.-Uberl. (MTU 16). Hg. v. Dietrich Boueke. ¨ Mu¨ nchen 1967. – Abb. zur N.-Uberl. Hg. v. Gerd Fritz/Edith Wenzel. 2 Bde. G¨oppingen 1973, 1976 (Faks.-Ausg.). – Die Lieder N.s. Der Textbestand der Perg.-Hss. und die Melodien. Hg. v. Siegfried Beyschlag/Horst Brunner. Darmstadt 1975. – Die Historien des Neithart Fuchs. Nach dem Frankfurter Druck von 1566 (Litterae 49). Hg. v. Erhard J¨ost. G¨oppingen 1980. – Transkription des Frankfurter N.-Fragm. O. Mit einer Nachbemerkung zum Salzburger N.-Projekt von Ingrid BennewitzBehr und U. Mu¨ ller. Hg. v. I. Bennewitz-Behr. In: Sprache, Text, Gesch. Beitr. zur Medi¨avistik und germanistischen Sprachwiss. aus dem Kreis der Mitarbeiter 1964–1979 des Inst. f¨ur Germanistik an der Univ. Salzburg (GAG 304). Hg. v. Peter Stein. G¨oppingen 1980, S. 155–173. – Die Berliner N.Hss. c (GAG 356). Hg. v. I. Bennewitz-Behr/U. M¨uller. G¨oppingen 1981. – Die Wiener N.-Hs. ¨ w (Osterr. Nationalbibl. Wien, series nova 3344). Transkription der Texte und Melodie (GAG 417). Hg. v. I. Bennewitz-Behr/U. Mu¨ ller. G¨oppingen 1984. – Herr N. diesen Reihen sang. Die Texte ¨ und Melodien der Neidhartlieder mit Ubersetzungen und Kommentaren (GAG 468). Hg. v. S. Beyschlag. G¨oppingen 1989. – Das Heidelberger N.Fragm. d (Cod. Pal. germ. 696). Transkription und Konkordanz der Lieder (GAG 689). Hg. v. Diana Rahm. G¨oppingen 2003. – Burghart Wachinger (Hg.): Dt. Lyrik des sp¨aten MA (BdK 191/BMA 22). Frankfurt/M. 2006, S. 18–95. – U. M¨uller u. a. (Hg.): N.-Lieder. Texte und Melodien s¨amtlicher Hss. und Drucke. 3 Bde. Berlin/New York 2007 (krit. Gesamtausg.; sog. Salzburger N.-Edition; vgl. dazu Burghart Wachinger, in: PBB 131 [2009] H. 1, S. 91–105). – Vgl. auch die Ausg. der Heidelberger Liederhandschrift A, der Heidelberger Liederhandschrift C, der Weingartner Liederhandschrift B und der Sterzinger Miszellaneen-Handschrift. ¨ Literatur: Altere Lit. u. a. bei Simon 1968, Brunner 1986, Beyschlag 1987 (alle s. u.) sowie M¨uller u. a. 2007 (s. Ausg.). – Richard M. Meyer, ADB 23 (1886) S. 395–399. – Ehrismann 2.2.2 (1935) S. 256–262 u. o¨ . – Gustav Rosenhagen/ 259
Neidhart Hendricus Sparnaay: D¨orperliche Dichtung. In: RL2 1 (1958) S. 269–274. – S. Beyschlag, VL2 6 (1987) Sp. 871–893. – RSM 4 (1988) S. 450; 1 (1994) S. 413 f.; 2/1 (2009) S. 198. – De Boor/ Newald 2 (111991) S. 339–356 u. o¨ .; 3/1 (51997) S. 301 f., 305–307 u. o¨ . – Ursula Schulze, LexMA 5 (1992) Sp. 1082–1084. – J¨urgen K¨uhnel, NDB 19 (1999) S. 44 f. – Horst Brunner, MGG2 Personenteil 12 (2004) Sp. 971–974. – Dorothee Lindemann, KLL3 11 (2009) S. 807–809. – Horst Brunner, Killy2 (2010) S. 512–515. – Albert Mack: Der Sprachschatz N.s v. Reuenthal. T¨ubingen 1910. – Samuel Singer: N.-Stud. Tu¨ bingen 1920. – Johanne Oster¨ dell: Inhaltliche und stilistische Ubereinstimmungen der Lieder N.s v. Reuental mit den Vagantenliedern der ‹Carmina Burana›. K¨oln 1928. – Johannes G¨unther: Die Minneparodie bei N. Halle/Saale 1931. – Elisabeth Heberling: Etymologische und philol. Unters. im Anschluß an einige Tanzw¨orter N.s und seiner Schule. M¨unster/Westf. 1947. – E. Wiessner: Ber¨uhrungen zwischen Walthers und N.s Liedern. In: ZfdA 84 (1952/53) S. 241–264 (wieder in: Walther von der Vogelweide. Hg. v. S. Beyschlag. Darmstadt 1971, S. 330–362). – E. Wiessner: Vollst¨andiges Wb. zu N.s Liedern. Leipzig 1954. 21989. – Ders.: Komm. zu N.s Liedern. Leipzig 1954. 21989. – G¨unther Currle: Die Kreuzlyrik N.s, Tannh¨ausers und Freidanks und ihre Stellung in der mhd. Kreuzzugslyrik. T¨ubingen 1957. – Christine Rainer: Walther von der Vogelweide und N. v. Rauenthal. Zur Frage ihrer Wechselbezeihungen. Diss. Innsbruck 1965. – Ulrich Gaier: Satire. Stud. zu N., Wittenwiler, Brant und zur satirischen Schreibart. T¨ubingen 1967. – Hugo Kuhn: Minnesangs Wende. Tu?bingen 21967, passim. – Eckehard Simon: N. v. Reuenthal. Gesch. der Forschung und Bibliogr. Den Haag u. a. 1968 (Lit.). – ¨ Gerd Fritz: Sprache und Uberl. der N.-Lieder in der Berliner Hs. germ. fol. 779 (c) (GAG 12). G¨oppingen 1969. – Heinz Thoelen: N. Der Dichter und sein Publikum. Mit einem Reimw¨orterverz. Diss. K¨oln 1969. – Ernst Schwarz: Die Hei¨ matfrage bei N. v. Reuental. Ein krit. Uberblick des derzeitigen Forschungsstandes. In: Formen ma. Lit. FS S. Beyschlag (GAG 25). Hg. v. Otmar Werner/ Bernd Naumann. G¨oppingen 1970, S. 91–97. – B. Wachinger: Die sogenannten Trutzstrophen zu den Liedern N.s. In: Formen ma. Lit. FS Siegfried Beyschlag. Hg. v. Kollegen, Freunden und Sch¨ulern. G¨oppingen 1970, S. 91–108. – Peter Br¨undl: ‹Unde bringe den websel, als ich waen, 260
Neidhart durch ir liebe ze grabe›. Eine Studie zur Rolle des S¨angers im Minnesang von Kaiser Heinrich bis N. v. R. In: DVjs 44 (1970) S. 409–432. – Dieter Lendle: Typus und Variation. Unters. zu den Liedern N.s v. Reuental. Diss. Freiburg i. Br. 1972. – P. Br¨undl: Minne und Recht bei N. Interpretationen zur N.¨uberl. Mu¨ nchen 1972. – E. Simon: Neidharte and Neidhartianer. Notes on the History of a Song Corpus. In: PBB (Tu¨ b.) 94 (1972) S. 153–197. – E. Wenzel: Zur Textkri¨ tik und Uberlieferungsgesch. einiger Sommerlieder N.s (GAG 110). G¨oppingen 1973. – Kurt Ruh: N.s Lieder. Eine Beschreibung des Typus. In: Stud. zur dt. Lit. und Sprache des MA. FS Hugo Moser. Hg. v. Werner Besch u. a. Berlin 1974, S. 151–168 (wieder in: Ders.: Kleine Schr. 1. Hg. v. Volker Mertens. Berlin/New York 1984, S. 107–128). – E. Simon: N. v. Reuental. Boston 1975. – John Margetts: Das Bauerntum in der Lit. und in der Wirklichkeit bei N. und in den N.-Spielen. In: Dt. Lit. des sp¨aten MA. Hamburger Colloquium 1973. Hg. v. Wolfgang Harms/Leslie P. Johnson. Berlin 1975, S. 153–163. – Ju¨ rgen Schneider: Stud. zur Thematik und Struktur der Lieder N.s. Eine krit. Auseinandersetzung mit der Forschung. Neuans¨atze einer Interpretation der Liedaussagen unter literatursoziologischen Aspekten (GAG 196/197). 2 Bde. G¨oppingen 1976. – Bruno Fritsch: Die erotischen Motive in den Liedern N.s (GAG 189). G¨oppingen 1976. – Hans Becker: Die Neidharte. ¨ Stud. zur Uberl., Binnentypisierung und Gesch. der Neidharte der Berliner Hs. germ. fol. 779 (GAG 255). G¨oppingen 1978. – Georg Oebbecke: Lebte N. in Melk? (Zu N. 75,7). In: ZfdPh 97 (1978) S. 16–23. – Hildegard Janssen: Das sog. ‹Genre objectif›. Zum Problem ma. literarischer Gattungen dargestellt an den Sommerliedern N.s (GAG 281). G¨oppingen 1980. – Mary T. Duffey: The Satiric Persona in N. v. Reuental’s Lyrics. Diss. New York 1980. – Dieter Kuehn: Herr N. Frankfurt/M. 1981. – G¨unther Schweikle: PseudoNeidharte? In: ZfdPh 100 (1981) S. 86–104. – Hans Blosen: Zur Entstehung und Charakteristik eines unechten N.-Lieds. In: Arch. f¨ur das Studium der neueren Sprachen und Literaturen 219 (1982) S. 277–295. – Petra Giloy-Hirtz: Deformation des Minnesangs. Wandel literarischer Kommunikation und gesellschaftlicher Funktionsverlust in N.s Liedern (Euph. Beih. 19). Heidelberg 1982. – U. Mu¨ ller/Hans-Dieter M¨uck: Mitt. zum 261
1. H¨alfte 13. Jh. N.-Fragm. G und zur Handschriftenslg. Grieshabers in der UB Freiburg/Br. In: JOWG 2 (1982/83) S. 315–323. – N. v. Reuental. Aspekte einer Neubewertung. Hg. v. Helmut Birkhan. Wien 1983. – H. Brunner: Tradition und Innovation im Bereich der Liedtypen um 1400. Beschreibung und Versuch der Erkl¨arung. In: Textsorten und literarische Gattungen. Dokumentation des Germanistentages in Hamburg vom 1. bis 4. April 1979. Hg. v. Vorstand der Vereinigung der dt. Hochschulgermanisten. Berlin 1983, S. 392–413. – Verskonkordanz zur Berliner N.-Hs. c (mgf 779) (GAG 418). Hg. v. I. Bennewitz-Behr. 3 Bde. G¨oppingen 1984. – Jutta Goheen: Ma. Liebeslyrik v. N. v. Reuental bis zu Oswald von Wolkenstein. Eine Stilkritik. Berlin 1984. – Hermina Joldersma: The Eavesdropping Male: Gespielinnengespr¨achslieder from N. to the Present. In: Euph. 78 (1984) S. 199–218. – H. Brunner: N. bei den Meistersingern. In: ZfdA 114 (1985) S. 240–254. – U. M¨uller/I. Bennewitz¨ Behr: Grunds¨atzliches zur Uberl., Interpretation und Edition von N.- Liedern. Beobachtungen, ¨ Uberlegungen und Fragen, exemplifiziert an N.s Lied v. der ‹Werltsu¨ eze› (Hpt 82,3:WL 28). In: ZfdPh Beih. 104 (1985) S. 52–79. – N. Hg. v. H. Brunner. Darmstadt 1986 (Lit.). – H.-D. Mu¨ ck: Ein ‹politisches Eroticon›. Zur Funktion des ‹Spiegelraubs› in N.s Liedern der Hs. c (mgf 779). In: ‹Minne ist ein swaerez Spil›. Neue Unters. zum Minnesang und zur Gesch. der Liebe im MA (GAG 440). Hg. v. Peter Dinzelbacher. G¨oppingen 1986, S. 169–207. – I. Bennewitz-Behr: Original und Rezeption. Funktions- und u¨ berlieferungsgeschichtliche Stud. zur N.slg. R (GAG 437). G¨oppingen 1987. – Codex Manesse. Die Miniaturen der Großen Heidelberger Liederhs. Hg. und erl. v. Ingo F. Walther unter Mitarbeit v. Gisela Siebert. Frankfurt/M. 1988 (62001) S. 188 f. (Tf. 92). – Elisabeth Lienert: Spiegelraub und rote Stiefel. Selbstzitate in N.s Liedern. In: ZfdA 118 (1989) S. 1–16. – G. Schweikle: N. Stuttgart 1990. – I. Bennewitz-Behr u. a.: ‹Historien des Edlen Ritters Neithart Fuchs aus Meissen›. Variation und ¨ Kontinuit¨at der fr¨uhneuzeitlichen N.-Uberl. In: JOWG 6 (1990/91) S. 189–211. – U. Schulze: N.Forschung von 1976 bis 1987. In: PBB 113 (1991) S. 124–153. – U. M¨uller: N.-Forschung von 1981 bis 1988. In: ebd., S. 483–495. – G. Schweikle: D¨orper oder Bauer. Zum lyrischen Personal im Werk N.s. In: Das Andere Wahrnehmen. Beitr. zur europ¨aischen Gesch. FS August Nitschke. Hg. v. 262
1. H¨alfte 13. Jh. Martin Kintzinger u. a. K¨oln 1991, S. 213–231. – Jutta Goheen: N.: ‹Sumers und des winders beider vˆıentschaft›. In: Gedichte und Interpretationen. MA. Hg. v. Helmut Tervooren (RUB 8864). Stuttgart 1993, S. 193–215. – Ingrid Bennewitz: Die Pastourelle. Pastourelle oder Pastourellenpersiflage? N.: ‹Wie sol ich die bluomen uberwinden› In: ebd., S. 321–337.Franz-Josef Holznagel: Litera¨ rische Interessenbildung in der N.-Uberl. bis 1350. In: Literarische Interessenbildung im MA. DFGSymposion 1991. Hg. v. Joachim Heinzle. Stuttgart 1993, S. 21–38. – I. Bennewitz-Behr: N., ‹Wie sol ich die bluomen uberwinden›. In: Gedichte und Interpretationen. MA. Hg. v. Helmut Tervooren. Stuttgart 1994, S. 321–337. – Jutta Goheen: N., ‹Sumers und des winders beider vˆıentschaft›. In: ebd., S. 193–215. – I. Bennewitz-Behr: ‹Wie ihre M¨utter?› Zur m¨annlichen Inszenierung des weiblichen Streitgespr¨achs in N.s Sommerliedern. In: Sprachspiel und Lachkultur. Beitr. zur Lit.- und Sprachgesch. FS Rolf Br¨auer. Hg. v. Angela Bader u. a. Stuttgart 1994, S. 178–193. – U. Mu¨ ller: Zur Lachkultur in der dt. Lit. des MA. N. und Neithart Fuchs. In: Laughter Down the Centuries 1. Hg. v. Siegfried J¨akel/Asko Timonen. Turku 1994, S. 161–181. – Otto Neudeck: Mo¨ glichkeiten der Dichter-Stilisierung in mhd. Lit. N., Wolfram, Vergil. In: Euph. 88 (1994) S. 339–355. – J. K¨uhnel: ¨ Aus N.s Zettelkasten. Zur Uberl. und Textgesch. des Neidhartschen Sommerliedes 23. In: ‹Dˆa hoe¨ ret ouch geloube zuo›. Uberl.und Echtheitsfragen zum Minnesang. FS G¨unther Schweikle. Hg. v. R¨udiger Krohn/Wulf-Otto Dreessen. Stuttgart 1995, S. 103–137. – Elizabeth I. Traverse: Peasants, Seasons and Werltsu¨ eze. Cyclicity in N.’s songs Reexamined (GAG 637). G¨oppingen 1997. – Herfried V¨ogel: Erfahrung der Fremde am Hof. Eine Skizze zu N.s Liedern unter dem Aspekt ihrer Auff¨uhrung. In: Fremdes wahrnehmen, fremdes Wahrnehmen. Stud. zur Gesch. der Wahrnehmung und zur Begegnung von Kulturen in MA und fr¨uher Neuzeit. Hg. v. Wolfgang Harms u. a. Stuttgart 1997, S. 167–176. – Elisabeth Lienert: ‹Hoerˆa Walther, wie ez mir stˆat›. Autorschaft und S¨angerrolle im Minnesang bis N. In: Autor und Autorschaft im MA. Kolloquium Meißen 1995. Hg. v. Jens Haustein u. a. T¨ubingen 1998, S. 114–128. – Elisabeth Hages-Weißflog: Zu N.s Sommerlied 12 und Winterlied 37. In: ZfdPh 117 (1998) S. 346–360. – E. Wenzel: The never-ending N.-Story: Vriderˆun and 263
Neidhart her Mirror. In: New Texts, Methodologies, and Interpretations in Medieval German Literature (Kalamazoo Papers 1992–1995). Hg. v. Sibylle Jefferis (GAG 670). G¨oppingen 1999, S. 41–58. – J. Goheen: ‹Swaz ich nu gesinge, daz sint klageliet ...› (WL 34). Zu Genus und Stil der Weltklage N.s. In: ebd., S. 79–105. – N.rezeption in Wort und Bild. Hg. v. Gertrud Blaschitz. Krems 2000. – Dorothea Klein: Der S¨anger in der Fremde. Interpretation, literarhist. Stellenwert und Textfassungen von N.s Sommerlied 11. In: ZfdA 129 (2000) S. 1–30. – I. Bennewitz-Behr: Von Nachtigallen, ¨ Kr¨ahen, H¨uhnern und S¨angern. Uberlegungen zu Auff¨uhrung und S¨angerrollen im Minnesang, speziell bei N. In: Edition und Interpretation. Neue Forschungsparadigmen zur mhd. Lyrik. FS Helmut Tervooren. Hg. v. Johannes Spicker u. a. Stuttgart 2000, S. 73–85. – Edith und Horst Wenzel: Die Hss. und der Autor. Neidharte oder N.? In: ebd., S. 87–102. – Gary C. Shockey: ‹Gein wem solt ich mich zˆafen?› The Peasant Lady Speaks in Summer Lay 14 of N. In: Neuphilol. Mitt. 102 (2001) S. 469–481. – Jan-Dirk M¨uller: Auf dem Weg zum Schwank. Der Spiegelraub im Berliner N. In: Fragen der Liedinterpretation. hg. v. Hedda Ragotzky u. a. Stuttgart 2001, S. 91–102. – J.D. Mu¨ ller: Strukturen gegenh¨ofischer Welt. H¨ofisches und nichth¨ofisches Sprechen bei N. In: Ders.: Minnesang und Literaturtheorie. Hg. v. Ute von Bloh/Armin Schulz. T¨ubingen 2001, S. 39–79. – Reinhard Bleck: N. Leben und Lieder (GAG 700). G¨oppingen 2002. – Lothar Voetz: Beobachtungen zur N.-Miniatur im Codex Manesse. In: Ars et Scientia. Stud. zur Lit. des MA und der Neuzeit. FS Hans Szklenar. Hg. v. Carola L. Gottzmann/ Roswitha Wisniewski. Berlin 2002, S. 135–156. – U. Mu¨ ller/Margarete Springeth: ‹Ou tu semplo, milenso, mamone!› N., Dante und die italienische Pastourelle. In: Studia Niemcoznawcze 25 (2003) S. 467–484. – J.-D. Mu¨ ller: Pr¨asens und Pr¨asenz. Einige Beobachtungen zum Tempusgebrauch bei N. In: Zeit und Text. Phil., kulturanthropologische, literarhist. und linguistische Beitr. Hg. v. Andreas Kablitz u. a. M¨unchen 2003, S. 192–207. – Dorothee Lindemann: Stud. zur N.-Tradition. Unters. zu den Liedern c 2, 8 und 15/16 der Berliner Hs. c (Edition und Komm.), zum Spiegelraubmotiv und zu den F¨urst-Friedrich-Liedern. Herne 2004. – Johannes Janota: Orientierung durch volkssprachige Schriftlichkeit (1280/90–1380/90) (Gesch. der dt. 264
Rapot (III.) von Falkenberg Lit. von den Anf¨angen bis zum Beginn der Neuzeit 3/1). T¨ubingen 2004, passim. – Jan-Christian Schwarz: ‹derst alsˆo getoufet daz in niemen nennen sol.› Stud. zu Vorkommen und Verwendung der Personennamen in den N.-Liedern. Hildesheim u. a. 2005. – Florian Kragl: Walther, N. und die Musik samt einem Anhang: Zur Erforschung der Musik des Minnesangs bis 1300. In: Der achthundertj¨ahrige Pelzrock. Walther von der Vogelweide, Wolfger von Erla, Zeiselmauer. Hg. v. H. Birkhan. Wien 2005, S. 273–346. – Jan-Christian Schwarz: ‹Der ist gehaissen rechtes namen lunnenczan›. Zu Namenverwendung und sprechenden Namen in den N.-Liedern der Hs. c. In: Proceedings of the 21st International Congress of Onomastic Sciences, Uppsala 19–24 August 2002. Bd. 1. Hg. v. Eva Brylla/Mats Wahlberg. Uppsala 2005, S. 543–554. – U. Schulze: ‹stube› und ‹strˆaze› Geschehensr¨aume in N.s Liedern. In: Die Burg im Minnesang und als Allegorie im dt. MA. Hg. v. Ricarda Bauschke. Frankfurt/M. u. a. 2006, S. 75–92. – Christoph M¨arz: Die Jahreszeiten der Sentimente. Zum Natureingang in den Liedern N.s. In: Dt. Lit. und Sprache im Donauraum. Hg. v. Christine Pfau. Olomouc 2006, S. 221–236. – Corinna Lande: Walthers ‹Enzwischen› und N.s Spiegelraub. Beobachtungen zur poetologischen Funktion von Leerstellen im Minnesang. In: Der ma. und der neuzeitli¨ che Walther. Beitr. zu Motivik, Poetik, Uberlieferungsgesch. und Rezeption. Hg. v. Thomas Bein. Frankfurt/M 2007, S. 213–232. – Jessika Warning: ¨ N.s Sommerlieder. Uberlieferungsvarianz und Autoridentit¨at (MTU 132). T¨ubingen 2007. – Mu¨ ller u. a. 2007 (s. Ausg.; mit Lit.). – Anna Kathrin Bleu¨ ler: Uberlieferungskritik und Poetologie. Strukturierung und Beurteilung der Sommerlied¨uberl. N.s auf der Basis des poetologischen Musters (MTU 136). T¨ubingen 2008. – Dies.: Zwischen Konservierung, Restaurierung und Aktualisierung. Zur Frage nach dem Verwendungszweck der Berliner N.-Hs. c. In: ZfdPh 127 (2008) S. 393–413. – U. M¨uller: Erschließung eines Textkorpus f¨ur Forschung und Lehre am Beispiel der Salzburger N.Edition oder: Wie soll und kann mhd. Lyrik heute ¨ ediert werden? In: Wege zum Text. Uberlegungen zur Verf¨ugbarkeit medi¨avistischer Editionen im 21. Jh. Grazer Kolloquium 17.–19. September 2008. Hg. v. Wernfried Hofmeister/Andrea Hofmeister-Winter. T¨ubingen 2009, S. 139–160. – U. Mu¨ ller: Ges. Schr. zur Literaturwiss. Bd. 1 (GAG 750/1). Hg. v. Margarete Springeth u. a. 265
1. H¨alfte 13. Jh. G¨oppingen 2010 (versammelt insgesamt 12 N.Aufs¨atze M¨ullers seit 1977). – Rudolf Scharl: N.s Reuental. Eine Suche im Erdinger Land. In: Concilium Medii Aevi 13 (2010) S. 59–83. – Albrecht Classen: The Ultimate Transgression of the Courtly World. Peasants on the Courtly Stage and their Grotesque Quests for Sexual Pleasures. The Poetry by the Thirteenth-Century Austrian-Bavarian N. In: Medievalia et Humanistica. Reviews. Hg. v. Paul Maurice Clogan. Lanham 2010, S. 1–24. – Kay Malcher: Wo der ‹ungev¨uege munt› klagt. Dialogi¨ sche Potentiale beim Ubergang von N. WL 17 zu SNE I: R 32. In: Aspekte einer Sprache der Liebe. Formen des Dialogischen im Minnesang. Hg. v. Marina Mu¨ nkler. Bern u. a. 2011, S. 293–318. MM Hadewijch → Band 1, Sp. 665–676. Rapot (III.) von Falkenberg. – Minnes¨anger (?), 13. Jh. R. geh¨orte einer nieder¨osterr. Adelsfamilie an und ist als historische Gestalt von 1233 bis 1271/73 urkundlich belegt. Er wird auch im Liber fundatorum Zwetlensis erw¨ahnt, der um 1310/11 fertiggestellt wurde. Eine T¨atigkeit R.s als Minnes¨anger ist verschiedentlich vermutet worden, gilt aber als unsicher. In der etwa zwischen 1282 und 1291 entstandenen Satire XIII des → Seifried Helbling-Dichters wird «der alt Rapot» im Zusammenhang mit dem Gesang eines Vogels erw¨ahnt. Daraus hat ein Teil der Forschung einen Minnes¨anger R. konstruieren wollen, w¨ahrend ein anderer Teil den Vogelvergleich nur als ironisches Spiel mit dem Namen F. interpretiert. → Ulrich von Liechtenstein nennt R. im Frauendienst (Str. 1491–1494, 1584, 1587) als einen jener Herren, die ihm 1239 in Wiener Neustadt entgegenritten. Ulrich widmet R. mehr Raum als vielen anderen Herren, spricht aber keineswegs von einer dichterischen T¨atigkeit R.s. Vielmehr beschreibt er ihn als zornigen Raubritter, der gegen¨uber seinen Herren ungehorsam sei und die Armen verachte. Es gibt also keine sicheren Belege f¨ur R. als Minnes¨anger. ¨ Uberlieferung: Erw¨ahnung im Liber fundatorum Zwetlensis: Zwettl, Stiftsarch., Hs. 2/1, 3vb (Perg., Zwettl, um 1311). Literatur: HMS 4 (1838) S. 374, 377. – Helmut Birkhan, VL2 7 (1989) Sp. 992 f. – Corpus der altdt. Originalurkunden bis zum Jahr 1300. Bd. 4: Regesten zu den Bd. 1–4, Nr. 1–3598. Hg. 266
1. H¨alfte 13. Jh. v. Friedrich Wilhelm. Lahr 1963, S. 349, 574, 669 u. o¨ . – Herbert Mitscha-M¨arheim: Gesch. Mistelbachs v. der Urzeit bis gegen 1400. In: MistelbachGesch. 1. Hg. v. dems. Mistelbach 1974. S. 15–82, hier S. 56 f. – Max Weltin: Die Urkunden des Arch. der nieder¨osterr. St¨ande. In: Mitt. aus dem Nieder¨osterr. Landesarch. 3 (1979) S. 35–47, hier S. 39 f. – Joachim Bumke: M¨azene im MA. Die G¨onner und Auftraggeber der h¨ofischen Lit. in Deutschland 1150–1300. Mu¨ nchen 1979, S. 391, ¨ Anm. 30. – H. Birkhan: Ministerialenlit. in Osterr. In: Die Kuenringer. Das Werden des Landes Nieder¨osterreich. Nieder¨osterr. Landesausstellung Stift Zwettl (Kat. des Nieder¨osterr. Landesmuseums NF 110). Hg. Amt der Nieder¨osterr. Landesregierung. Wien 21981, S. 20–36, hier S. 26. – Ursula LiebertzGr¨un: Das andere MA. Erz¨ahlte Gesch. und Geschichtserkenntnis um 1300. Stud. zu Ottokar v. Steiermark, Jans Enikel, Seifried Helbling. Mu¨ nchen 1984, S. 25. – Folker Reichert: Landesherrschaft, Adel und Vogtei. Zur Vorgesch. des sp¨atma. ¨ St¨andestaates im Herzogtum Osterreich. K¨oln u. a. 1985, S. 26, 30 f., 44, 46. – Gerald Krenn: Hist. Figuren und/oder Helden der Dichtung? Unters. zu den Personen im Roman ‹Frauendienst›. In: Ich, Ulrich v. Liechtenstein. Lit. und Politik im MA. Akten der Akad. Friesach ‹Stadt und Kultur im MA›, Friesach (K¨arnten), 2.–6. September 1996. Hg. v. Franz Viktor Spechtler. Klagenfurt 1999, S. 105–132, hier S. 111, 115. – Walter Klomfar: Walther v. der Vogelweide und das Waldviertel. Zwettl 2000, S. 55. MM Gottfried von Neifen. – Minnes¨anger des 13. Jh. G. war Angeh¨origer einer schw¨abischen Adelsfamilie mit dem Sitz in Hohenneuffen bei Reutlingen. Urkundliche Zeugnisse u¨ ber seine Person sind u¨ berliefert zwischen den Jahren 1234 und 1237 im Umkreis K¨onig Heinrichs VII. Auch G.s gleichnamiger Vater und Bruder standen in Heinrichs Diensten. Es liegt deshalb die Annahme nahe, dass auch sein literarisches Schaffen mit dem k¨oniglichen Hof verbunden gewesen ist (vgl. St¨alin, S. 583–585; de Jong, S. 65–72). Das Wappen in C zeigt drei silberne Jagdh¨orner mit rotem Band auf blauem Grund, zwei der H¨orner befinden sich gegeneinander gekr¨ummt auf dem goldenen Helm ¨ (vgl. zur Ubereinstimmung mit den Z¨urcher Wappen Wallner, S. 494, 497). Unter dem Namen «G¨otfrit von Nifen» u¨ berliefert die → Große Heidelberger Liederhandschrift 51 267
Gottfried von Neifen Lieder und damit sowohl eines der umfangreichsten als auch einflussreichsten Minnesang-Korpora u¨ berhaupt. 25 der Lieder haben einen Sommereingang, 19 einen Wintereingang, entsprechend sind Klage oder Hoffnungs¨außerung kontrastiv oder affirmierend darauf bezogen, bei Kraus LD 15.IX handelt es sich um die seltene Variante des sogenannten Absagelieds mit Sommereingang (Brunner, Minnesangs Wende). Es folgen Frauenpreis mit h¨aufiger Apostrophe an Frau Minne, Bitte um Liebeserf¨ullung, Klage und Beteuerung. Das Motiv des roten Mundes ist so allgegenw¨artig, dass Gottfried den roten Mund ins Zentrum eines eigenen Liedes stellt und gewissermaßen zum handelnden Subjekt werden l¨asst, die Aufforderung «rˆoter munt, nu lache» (Kraus LD IV.3,1) als Kernaussage des Liedes kommt dreimal vor. Der → Taler nimmt sp¨ater darauf Bezug: «Der Nˆıfer lobt die frowen sˆın und ir roeselehtez m¨undelˆın» (Die Schweizer Minnes¨anger. Nach der Ausg. von Karl Bartsch neu bearb. und hg. v. Max Schiendorfer. Bd. 1: Texte. T¨ubingen 1990, 3.II,7 f.). G. selbst bediente sich bei den meisten bekannten Vorg¨angern, etwa → Friedrich von Hausen, → Heinrich von Morungen, → Reinmar, → Walther von der Vogelweide, → Otto von Botenlauben und → Neidhart. Die Popularit¨at Gottfrieds mag nicht zuletzt an der jedenfalls thematischen Schematizit¨at und Konventionalit¨at seiner Lieder gelegen haben. 45 der Lieder folgen dem Standard des Kanzonentyps geradezu mechanisch, variieren kaum einmal wesentlich die wenigen Motive und Schl¨usselbegriffe; sie folgen im Aufbau dem immer gleichen Muster und kreisen traditionell um die subjektive Leiderfahrung im Paradox von Begehren und Entsagen im Kontext ethischer Vervollkommnung. Innerhalb des eigenen Œuvres zeigt sich das Formulierungsinventar derart verfestigt, dass es vielen Liederdichtern als zuverl¨assiger Fond traditioneller Kanzonenelemente dienen konnte. In dieser Hinsicht a¨ hnlich wie bei → Konrad von W¨urzburg war es gerade die aus moderner Perspektive eint¨onig wirkende Schablonenhaftigkeit seiner Texte, die seinen auch geographisch breiten Erfolg bis in das 14. Jh. ausmachte. → Ulrich von Winterstetten, → G¨osli von Ehenhein, dem → P¨uller, → Otto zum Turm, → Konrad von Landeck sowie Konrad und → Steinmar partizipierten am Neifenschen Kanzonenmodell. H¨ubner bezeichnet ihn deshalb auch als den «eigentliche[n] ‹Klassiker›» (Minnesang, S. 73). Vier Lieder (Kraus LD XXVII, XXX, 268
Gottfried von Neifen XLI, L; vgl. dazu Brinkmann, Tomasek, Worstbrock) sind thematisch mit der franz¨osischen Pastourelle verwandt. Das lyrische Ich begegnet einer nicht-h¨ofischen Frau bei ihrer Hand- bzw. Hausarbeit, und auch wenn die Szenerie im Bereich der niederen Minne angesiedelt ist, bleiben die Texte auf das Motiv- und Typenrepertoir des Minnesangs bezogen. Zwei weniger als Lieder sondern vielmehr als erotische Erz¨ahlungen zu bezeichnende Texte weichen von den Gattungskonventionen vollkommen ab (Kraus LD XXXIX, XL). Vermutlich adaptierte er den Stoff aus der m¨undlichen Tradition, wodurch die Texte in das Minnesangkorpus Eingang fanden. Der inhaltlichen Schemahaftigkeit korrespondieren, a¨ hnlich wie bei Konrad, eine virtuose Reimartistik und Wiederholungen von gewissen phonetischen, morphologischen und syntaktischen Elementen. Kuhn sah deshalb Gottfried als den Vertreter des «ornatus facilis», der f¨ur die dt. Literatur nach dem Vorbild der lat. Tradition diesen Stiltypus ausbildete zum Zweck des Ausstellens der eigenen Artifizialit¨at (Kuhn, S. 73 f.; vgl. auch H¨ubner, S. 75). Dabei steht die Klang¨asthetik signifikanterweise im Vordergrund, weshalb die Performanz gegen¨uber der formal zwanghaft anmutenden schriftlichen Repr¨asentation entscheidend in die Beurteilung und Interpretation der Texte einbezogen werden muss, um das Ausmaß der musikalischen Qualit¨at von G.s Artistik zu erfassen (vgl. vor allem Stock). Der Strophenaufbau folgt meist nach dem gleichen Muster einer normal proportionierten Kanzone, die Zeilen haben zumeist keinen Auftakt. Sommerlieder mit Auftakten korrespondieren Winterliedern ohne. In den nicht gleichtaktiken Strophen, die etwa die H¨alfte umfassen, sorgen entweder grammatische und r¨uhrende Reime oder u¨ bergehende Reime f¨ur Klangeffekte auch in den Reimen und Spannung auf der Ebene der Syntax (Kuhn, S. 60). Kraus bezweifelte die Echtheit von 19 Minneliedern, nur eines von sechs des «genre objectif» hielt er f¨ur echt aus Gr¨unden der einwandfreien Form, Gedankenf¨uhrung und des Ausdrucks, die er in den «unechten» nicht eingehalten sah. Auch die beiden erotischen Erz¨ahlungen seien wegen Anst¨oßigkeit f¨ur das h¨ofische Publikum nicht geeignet gewesen und gewissermaßen als zu wenig ‹klassizistisch› anzusehen (Kraus LD II, S. 88). 269
1. H¨alfte 13. Jh. ¨ Uberlieferung: Heidelberg, UB, Cpg 848, 32v–41vb (Perg., um 1300, Nachtrag 14. Jh., alemannisch = Große Heidelberger [Manessische] Liederhs. [C]). – Karlsruhe, LB, Cod. Donaueschingen 97, 115v (Perg., 1331–36, els¨assisch [i]). – Rom, Bibl. Casanatense, Mss. 1409 (olim A I 19), 1ra–1rb (Perg., zweites Viertel 14. Jh., nordalemannisch [k]). – Bern, Burgerbibl., Cod. 260 (Perg., Mitte 14. Jh., Straßburg [p]). Ausgaben: Minnesinger. Dt. Liederdichter des zw¨olften, dreizehnten und vierzehnten Jh. Aus allen bekannten Hss. und fr¨uheren Drucken gesammelt und berichtigt [...] v. Friedrich Heinrich von der Hagen. Erster Theil: Manessische Sammlung aus der Pariser Urschrift. Leipzig 1838, S. 41–62 und Dritter Theil: Aus den Jenaer, Heidelberger und Weingarter Sammlungen und den u¨ brigen Hss. und fr¨uheren Drucken, S. 468a. – Moriz Haupt (Hg.): Die Lieder G.s v. N. Aufs neue durchges. v. Edward Schr¨oder. Berlin 1932. – Cornelia Maria de Jong: G. v. N. Paris 1923. – Kraus LD 1 (1978) S. 82–127 (zit.). – Burghart Wachinger (Hg.): Dt. Lyrik des sp¨aten MA (BdK 191/BMA 22). Frankfurt/M. 2006, S. 114–131. Literatur: Karl Friedrich von Burdach, ADB 23 (1886) S. 401–403. – Hugo Kuhn, NDB 6 (1964) S. 671 f. – Volker Mertens, VL2 3 (1981) Sp. 147–151; 11 (2004) Sp. 549. – Claudia H¨andl, Killy2 4 (2009) S. 329 f. – Christoph Friedrich von St¨alin: Wirtembergische Gesch. Theil 2: Schwaben und S¨udfranken. Hohenstaufenzeit 1080–1268. Stuttgart/T¨ubingen 1847. – Gustav C. Knod: G. v. N. und seine Lieder. Eine literarhist. Unters. T¨ubingen 1877. – Wilhelm Uhl: Unechtes bei Neifen (G¨ottinger Beitr. zur dt. Philologie 4). Paderborn 1888. – Anton Wallner: Herren und Spielleute im Heidelberger Liedercodex. (I. Die Anordnung der Sammlung S. 483. II. Die Wappen S. 491. III. Die Bilder S. 502. IV. Die Titel S. 522.). In: PBB 33 (1908) S. 483–540. – Fritz Grimme: Zur Gesch. des Minnesingers Gotfried v. N. und seines Geschlechtes. Metz 1894. – Walter Muchall: Zur Poesie G.s v. N. Leipzig 1911. – Walter Behne: Die Reihenfolge der Lieder G.s v. N. G¨ottingen 1912. – Hans Naumann: Die Hohenstaufen als Lyriker und ihre Dichterkreise. In: Eurph. 36 (1935) S. 21–49, hier S. 27, 29–32. – Paul Zinsmaier: Stud. zu den Urkunden Heinrichs (VII.) und Konrads IV. In: Zs. f¨ur Gesch. des Oberrheins 100 (1952) S. 445–565. – Kraus, Ausg., Komm., S. 84–162. – Anthonius Hendrikus Touber: Rhetorik und Form im dt. 270
1. H¨alfte 13. Jh. Minnesang. Groningen 1964. – Kuhn: Minnesangs Wende. 2., verm. Aufl. (Hermaea NF 1). T¨ubingen 1967. – Gerhard A. Vogt: Stud. zur Verseingangsgestaltung in der dt. Lyrik des HochMA (GAG 118). G¨oppingen 1974, S. 207, 209, 257 f., 287 f. – Silvia Ranawake: H¨ofische Strophenkunst. Vergleichende Unters. zur Formentypologie von Minnesang und Trouv`erelied an der Wende zum Sp¨atMA (MTU 51). Mu¨ nchen 1976. – Joachim Bumke: Ministerialit¨at und Ritterdichtung. M¨unchen 1976. – Newton A. Perrin: Reification and the Development of Realism in Late Minnesang (GAG 279). G¨oppingen 1982, S. 63 f. – Thomas Cramer: Sˆo sint doch gedanke frˆı. Zur Lieddichtung Burgharts von Hohenfels und G.s v. N. In: Liebe als Lit. Aufs¨atze zur erotischen Dichtung in Deutschland. Hg. v. R¨udiger Krohn. Mu¨ nchen 1983, S. 47–61. – Sabine Brinkmann: Die deutschsprachige Pastourelle. 13. und 16. Jh. (GAG 307). G¨oppingen 1985. – C. H¨andl: Rollen und pragmatische Einbindung. Analysen zur Wandlung des Minnesangs nach Walther von der Vogelweide (GAG 467). G¨oppingen 1987, S. 257–286. – Helmut de Boor: Gesch. der dt. Lit. von den Anf¨angen bis zur Gegenwart. Bd. 2: Die h¨ofische Lit. Vorbereitung, Bl¨ute, Ausklang. 1170–1250. Mu¨ nchen 1991, S. 350–255; Bd. 3: Die dt. Lit. im sp¨aten MA. Zerfall und Neubeginn. Mu¨ nchen 1997, S. 308–313. – Elisabeth Lienert: Gattungsinterferenzen im sp¨aten Minnesang. G.s v. N. ‹Wiegenlied› als Antitagelied-Parodie. In: ZfdA 125 (1996) S. 114–128. – Tomas Tomasek: Die mhd. Lieder vom Flaschsschwingen. In: Lied im ¨ dt. MA. Uberl. – Typen – Gebrauch. Hg. v. Cyril Edwards u. a. T¨ubingen 1996, S. 115–128. – Franz Josef Worstbrock: Lied VI des Wilden Alexander. ¨ Uberl., Interpretation und Literarhistorie. In: PBB 118 (1996) S. 183–204. – Horst Brunner: Minnesangs Ende. Die Absage an die Geliebte im Minnesang. In: ‹Durch aubenteuer muess man wagen vil›. FS Anton Schwob. Hg. v. Wernfried Hofmeister/Bernd Steinbauer. Innsbruck 1997, S. 47–59. – Gert H¨ubner: Lobblumen. Stud. zur Genese und Funktion des ‹Gebl¨umten Stils›. Tu¨ bingen/Basel 2000. – Markus Stock: Das volle Wort – Sprachklang im sp¨ateren Minnesang. G. v. N., ‹Wir suln aber schˆone enpfˆahen› (KLD Lied 3). In: Text und Handeln. Zum kommunikativen Ort von Minnesang und antiker Lyrik. Hg. v. Albrecht Hausmann u. a. (Beihefte zum Euph. 46). Heidelberg 2004, S. 185–202. – Uwe Meves (Hg.): Regesten dt. Minnes¨anger des 12. und 13. Jh. Berlin/New 271
Schenk von Limburg York 2005, S. 353–371. – Wachinger (s. Ausg.) S. 693–701. – F. J. Worstbrock: Die Pastourelle G.s v. N. In: ‹mit clebeworten underweben›. FS Peter Kern. Hg. v. Thomas Bein u. a. Frankfurt/M. 2007, S. 11–17. – G. H¨ubner: Minnesang im 13. Jh. Eine Einf. T¨ubingen 2008, S. 73–83. CS Schenk von Limburg (Limpurg). – Minnes¨anger, 13. Jh. Die → Heidelberger Liederhandschrift C enth¨alt sechs Lieder unter dem Namen eines S. v. L., der auch im Renner → Hugos von Trimberg erw¨ahnt wird. Die genaue Identit¨at des Dichters geht aus ¨ der Uberlieferung allerdings nicht hervor, da weder C noch der Renner seinen Vornamen nennen. Mo¨ gliche R¨uckschl¨usse ergeben sich nur aus dem Werk und der Familiengeschichte der historischen S. v. L. Das seit 1230 beurkundete Geschlecht hatte seinen Stammsitz auf der Burg Limpurg bei Schw¨abisch Hall und z¨ahlte zu den politisch einflussreicheren Reichsministerialen des 13. Jh. Unter den Angeh¨origen der Familie gilt der von 1226/30 bis 1249 beurkundete Walther I. von Limburg als ein m¨oglicher Verfasser der u¨ berlieferten Lieder. Er war der Sohn des Reichsschenken Walther II. von Sch¨upf-R¨ottingen und seit 1230 selbst Reichsschenk, zun¨achst unter K¨onig Heinrich (VII.) und seit 1237 unter Konrad IV. 1232 weilte er auf dem Hoftag in Cividale del Friuli. 1235 und 1237 musste Walther Abtretungen an Gottfried von Hohenlohe sowie Treueschw¨ure f¨ur Konrad IV. leisten, was auf eine Beteiligung Walthers am Aufstand Heinrichs gegen Friedrich II. hindeutet. Walther z¨ahlte in den folgenden Jahren zu den Ratgebern Konrads, k¨ampfte im August 1246 neben dem K¨onig in der Schlacht bei Frankfurt/M. und starb sp¨atestens im Juli 1249. F¨ur Walthers Autorschaft spricht zun¨achst sein Italienaufenthalt, auf den in Lied III undeutlich angespielt wird. Außerdem kannte er nachweislich die Minnes¨anger → Gottfried von Neifen, → Heinrich von Anhalt und Markgraf → Heinrich III. von Meißen. Als wenig wahrscheinlich gilt eine Verfasserschaft seines Sohns Walther II., der seit 1249 beurkundet ist und 1283 starb. Eher als Autor in Frage kommt hingegen ein anderer Sohn Walthers, der seit 1256 bezeugte Konrad. Er nahm 1267/68 an Konradins Italienzug teil und starb wahrscheinlich vor 1287. F¨ur Konrad als Autor l¨asst sich immerhin eine – bei Walther II. nicht nachweisbare – Reise nach Italien ins Feld f¨uhren. Die Lieder des S. v. 272
Reinmar von Zweter L. werden in C von einer Illustration begleitet, in der eine Dame dem vor ihr knienden Ritter einen Helm u¨ berreicht. Im Hintergrund ragt ein Baum auf, an den ein Pferd angebunden ist und auf dessen ¨ Asten zwei V¨ogel sitzen, unter denen wiederum ein Wappen h¨angt. Die Minnelieder des S. v. L. sind in C vollst¨andig u¨ berliefert, Lied I und der Anfang von Lied II außerdem in einer Abschrift von C («Troßsches Bruchst¨uck»). Lied V ist ein Freudenlied, die u¨ brigen Lieder sind Sehnsuchtsklagen. Form und Inhalt der Lieder folgen weitgehend zeitgen¨ossischen Konventionen (drei- oder f¨unfstrophiger Bau, Natureing¨ange). Nennenswerte Besonderheiten sind die daktylischen Verse in Lied II und der Refrain in Lied IV. Die Eigenst¨andigkeit bzw. Abh¨angigkeit der Lieder von anderen Autoren ist in der Forschung umstritten. Man hat das Werk des S. v. L. verschiedentlich in die N¨ahe des h¨ofischen Minnesangs eines → Friedrich von Hausen oder → Reinmar von Hagenau ger¨uckt und es gleichzeitig von den Liedern Gottfrieds von Neifen, → Burkhards von Hohenfels und → Ulrichs von Winterstetten abgesetzt. Andererseits hat die Forschung deutliche Einfl¨usse Gottfrieds herausgearbeitet, von dem der S. v. L. Strukturen, Verse und Motive entlehnt. So u¨ bernimmt er von Gottfried etwa den roten Mund der Geliebten oder den Aufbau von Gottfrieds Lied XVIII (Lied III des S. v. L.). Auch im Reimwortschatz und im blockartigen ¨ Strophenbau sind Ahnlichkeiten festzustellen. Dabei ist die Dichtung des S. v. L. allerdings weniger virtuos. Insgesamt deuten die genannten Parallelen auf einen Zeitgenossen Gottfrieds als Dichter der sechs Lieder hin – ein weiterer Faktor, der f¨ur die Autorschaft Walthers I. spricht. ¨ Uberlieferung: Heidelberg, UB, Cpg 848, 82v–83vb (Perg., erste H¨alfte 14. Jh., alemannisch). – Krakau, Bibl. Jagiello´nska, Berol. mgq 519 (fr¨uher Berlin, SBB, mgq 519), 4v (Pap., 15. Jh., Abschrift aus C). Ausgaben: HMS 1 (1838) S. 131–134. – Kraus LD 1 (21978) S. 239–244 (Nr. 34). – Puella Bella. Die Beschreibung der sch¨onen Frau in der Minnelyrik des 12. und 13. Jh. Hg. v. R¨udiger Kr¨uger. Stuttgart 21993, S. 58 f. – Vgl. auch die Ausg. der Heidelberger Liederhandschrift C. Literatur: Konrad Burdach, ADB 31 (1890) S. 61 f. – Kraus LD 2 (21978) S. 287–291. – Franz J. Worstbrock, VL2 5 (1985) Sp. 833–836. – De Boor/Newald 3/1 (51997) S. 266. – Gisela 273
1. H¨alfte 13. Jh. Kornrumpf, NDB 22 (2005) S. 673 f. – Dies., Killy2 7 (2010) S. 427. – K. Burdach: Reinmar der Alte und Walther v. der Vogelweide. Halle/ Saale 21928, S. 395–397. – Emil Kost: Der S. v. L. Ein ritterlicher Minnes¨anger der Hohenstaufenzeit. In: W¨urttembergisch Franken NF 20/21 (1939/40) S. 215–239. – Karl Bosl: Die Reichsministerialit¨at der Salier und Staufer 2. Ein Beitr. zur Gesch. des hochma. dt. Volkes, Staates und Reiches (MGH Schr. 10). Stuttgart 1951, S. 379–383. – Joachim Bumke: Ministerialit¨at und Ritterdichtung. Umrisse der Forschung. M¨unchen 1976, S. 64 f. u. o¨ . – Gerd Wunder u. a.: Die Schenken v. L. und ihr Land. Sigmaringen 1982, passim. – Manfred Eikelmann: Denkformen im Minnesang. Unters. zu Aufbau, Erkenntnisleistung und Anwendungsgesch. konditionaler Strukturmuster des Minnesangs bis um 1300. T¨ubingen 1988, S. 80, 127 u. o¨ . – Codex Manesse. Die Miniaturen der Großen Heidelberger Liederhs. Hg. und erl. v. Ingo F. Walther unter Mitarbeit v. Gisela Siebert. Frankfurt/M. 1988 (62001) S. 70 f. (Tf. 35). – Codex Manesse. Kat. zur Ausstellung vom 12. Juni bis 2. Oktober 1988, UB Heidelberg, Ausstellung der Univ. Heidelberg. Hg. v. Elmar Mittler/Wilfried Werner. Heidelberg 21988, S. 11–13, 250–252, 566 f. (Abb.). – Eva Willms: Liebesleid und Sangeslust. Unters. zur dt. Liebeslyrik des sp¨aten 12. und fr¨uhen 13. Jh. (MTU 94). Mu¨ nchen u. a. 1990, S. 294. – Thomas Bein: Das Singen u¨ ber das Singen. Zu Sang und Minne in Minne-Sang. In: ‹Auff¨uhrung› und ‹Schrift› in MA und fr¨uher Neuzeit. Hg. v. Jan-Dirk Mu¨ ller. Stuttgart 1996, S. 67–92. – Harald Haferland: Hohe Minne. Zur Beschreibung der Minnekanzone (ZfdPh Beih. 10). Berlin 2000, S. 339. – Uwe Meves (Hg.): Regesten dt. Minnes¨anger des 12. und 13. Jh. Berlin/New York 2005, S. 799–822. – Cord Meyer: Die dt. Lit. im Umkreis K¨onig Heinrichs (VII.). Stud. zur Lebenswelt sp¨atstaufischer Dichter. Frankfurt/M. 2007, S. 252–275. MM Reinmar von Zweter, † um 1260 (?). – Leichund Sangspruchdichter. Obwohl R. als bedeutendster Sangspruchdichter der Generation nach → Walther gilt und sein Werk große Verbreitung erlangte, sind die Kenntnisse u¨ ber sein Leben bis heute sp¨arlich. Sein Name findet sich u. a. in der → Heidelberger Liederhandschrift C als R. v. Z., in anderen Kodizes als R. von Zweten oder Zwettl, ein m¨oglicher Bezug 274
1. H¨alfte 13. Jh. auf das gleichnamige Zisterzienserstift. Die Meistersinger entstellten R.s Namen zu «R¨omer von Zwickau». Man hat R. verschiedentlich dem pf¨alzischen Geschlecht von Zeutern (heute zu Ubstadt/ Kreis Karlsruhe) zuweisen wollen, was sich aber aufgrund sprachlicher Eigenschaften seiner Texte nicht durchgesetzt hat. Glaubt man R.s eigenen Angaben im Werk, so wurde er am Rhein gebo¨ ren, wuchs in Osterreich auf und lebte sp¨ater in B¨ohmen. M¨oglicherweise stand er um 1235/37 im Dienst von Kaiser Friedrich II., den er in seinen meist auf diese Zeit datierten Spr¨uchen lobt. Bald darauf wandte er sich polemisch gegen Friedrich, weshalb man f¨ur die Jahre von 1237 bis 1241 einen Aufenthalt R.s bei K¨onig Wenzel I. von B¨ohmen in Prag vermutet – dies w¨urde zu R.s Lob eines ungenannten b¨ohmischen K¨onigs ebenso passen wie zu seinem Hinweis auf eine b¨ohmische Lebensphase. Wenzels Verb¨undeter jener Zeit, K¨onig Erich IV. von D¨anemark, wird von R. ebenfalls gepriesen. Weitere Erw¨ahnungen und Anspielungen R.s beziehen sich auf Papst Gregor IX., einen Erzbischof von Mainz (Siegfried III. von Eppstein?), Graf Heinrich III. von Sayn und Markgraf Heinrich III. von Meißen. In welchen Dienstverh¨altnissen sich R. zuletzt befand, ist unbekannt. Nach einer Angabe im Hausbuch des → Michael de Leone wurde R. in Eßfeld (heute zu Giebelstadt/Kreis W¨urzburg) begraben. Eine Illustration in C zeigt den S¨anger mit geschlossenen Augen und aufgest¨utztem Kopf auf einer Burgzinne sitzend. Neben ihm sind Wappen und Helm dargestellt, unter ihm zwei Schreibende mit Papier und Tafel. Die geschlossenen Augen des S¨angers werden manchmal als Anspielung auf eine m¨ogliche Blindheit R.s interpretiert. ¨ Die R.-Uberlieferung ist umfangreich und kon¨ zentriert sich in D und C (s. Uberlieferung). Beide Handschriften enthalten jeweils mehr als 200 Strophen von R.s Sangspr¨uchen. Erhalten ist außerdem ¨ ein Leich R.s, der in der weiteren Uberlieferung besonders h¨aufig tradiert wird. In Umfang und Geschlossenheit ist dieses Autorenkorpus ungew¨ohnlich f¨ur seine Zeit. Man hat daher vermutet, R. k¨onnte in einer Vorstufe der C- und DSammlungen seine Texte selbst zusammengestellt haben. Die Zuschreibung mancher Strophen ist bis heute umstritten, was insbesondere f¨ur zw¨olf kurze Sprucht¨one gilt. Es handelt sich um T¨one in u¨ berwiegend vierhebigen Achtzeilern mit zweizeiligen 275
Reinmar von Zweter Stollen, in denen die Minne und die Frauen thematisiert werden. In den u¨ brigen, sicherer zuschreibbaren Strophen ist ein klares Tonprofil R.s feststellbar, sind doch immerhin u¨ ber 300 Strophen im Frau-Ehren-Ton und 24 in der Neuen Ehrenweise verfasst, hingegen nur zwei im Meister-Ernst-Ton. Die Bezeichnung des Frau-Ehren-Tons beruht auf R.s Personifizierung der Ehre als Dame. FrauEhren-Ton und Neue Ehrenweise sind strukturell verwandt, haben sie doch dreizeilige Stollen, langzeilige Strophenschl¨usse und identische Reimschemata gemeinsam. Meist fehlt auch der dritte Stollen. Der Meister-Ernst-Ton besteht nur aus Langzeilen und erinnert an T¨one des → Meißners. Zu R.s Leich und mehreren Strophen sind Neumen tradiert, zum Frau-Ehren-Ton ab dem 15. Jh. auch ¨ Melodien. Ubrigens stammen die R. manchmal zugeschriebenen To¨ ne Gesangweise und Schrankweise nicht von ihm. Der große Umfang von R.s Werk spiegelt sich in seiner inhaltlichen Vielseitigkeit wider. Mit einer oft didaktischen, aber auch frommen oder kritischen Grundhaltung behandelt R. zahlreiche Themen aus Religion, Moral und Politik. Er besingt Gott, Christus und Maria, reflektiert u¨ ber Tugend und Ehre, entwickelt Minnelehren, lobt oder verurteilt Adel und Klerus, betrachtet aber auch sein Leben als Sangspruchdichter. Dabei gelingt R. der Spagat zwischen philosophischem Ernst und verspieltem Humor. So finden sich in seinem ¨ Korpus einerseits terminologische Uberlegungen, etwa zur Definition von «wˆıp» und «vrouwe», andererseits R¨atsel- und Scherzstrophen mit kreativen Wortsch¨opfungen. In ihrer Gesamtanlage sind R.s Sangspr¨uche thematisch gruppiert. Auf religi¨ose Spr¨uche (Gott, Christus, Trinit¨at, Maria) folgen Minne- und Frauenspr¨uche (u. a. Minneklage, Tugendlehre, Minnedienst, Frauenlob und -schelte), dann Herrenlehren (Dienstverh¨altnisse, Maß und Tugend, Geburts- und Gesinnungsadel, Armut und Reichtum) und zuletzt politische Spr¨uche mit Bez¨ugen auf Adelige und Kleriker. Weitere Spr¨uche greifen verschiedene Themen aus dem genannten Spektrum auf. R.s Leich umfasst 233 vierhebige Verse wechselnder Kadenz und verweist in seiner Anlage auf Formen wie Sequenz und Lai. Inhaltlich korrespondiert der Text in seinem Lob auf Christus, Maria und die Trinit¨at mit den religi¨osen Sangspr¨uchen R.s. Die Minne wird im Leich als personifizierte N¨achstenliebe apostrophiert. 276
Reinmar von Zweter R. verarbeitete Einfl¨usse → Reinmars des Alten und → Wolframs von Eschenbach, besonders aber Walthers von der Vogelweide. Sein Werk zeichnet sich durch ein breites thematisches Spektrum aus, das von Religion u¨ ber Politik bis zur klassischen Minne reicht. Die Didaxe ist dabei integraler Bestandteil von R.s Dichtung, und zwar nicht als Pose, sondern als Ausdruck moralischen Anspruchs. Nicht umsonst hat man R. als Ethiker ritterlichh¨ofischer Werte bezeichnet, dessen Dichtung Maß und Tugend propagiere. Auf die weitere Dichtung wirkte R. nachhaltig: Sein Frau-Ehren-Ton erwies sich als ungemein fruchtbar und sein Leich blieb lange popul¨ar. Der Meißner, → Hugo von Trimberg, Hermann → Damen, → Rubin und der → Marner kannten R. oder sein Werk, wie zahlreiche Erw¨ahnungen R.s in ihren Texten beweisen. Auch das F¨urstenlob des → Wartburgkrieges nennt R. unter den versammelten Dichtern. Die Meistersinger reihten ihn ab dem 15. Jh. unter den Zw¨olf alten Meistern ein und sch¨atzten den Frau-EhrenTon. Die Anerkennung R.s gilt bis heute: Als Sangspruchdichter von Rang stellt man ihn allgemein in eine Reihe mit Walther und → Heinrich von Meißen. ¨ ¨ Uberlieferung: Umfangreiche Uberl. mit u¨ ber 30 Hss. und Fragm. – Wichtigste Slg. der Sangspr¨uche R.s in Kodex D: Heidelberg, UB, cpg 350, 1ra–36ra (Perg., Rheinpfalz, um 1300, s¨udrheinfr¨ankisch). – Zudem in C: Heidelberg, UB, Cpg 848, 323r–338ra (Perg., erste H¨alfte 14. Jh., alemannisch). – Der Leich findet sich u. a. in: ¨ Wien, ONB, cod. 2701, 11r–16v (Perg., Mitte 14. Jh., ostmitteldt.). – Vgl. auch RSM, Schanze 1983, Brunner 1989 (alle s. Lit.) und die Ausgaben sowie den Handschriftencensus. Ausgaben: HMS 2 (1838) S. 175–221. – Die Gedichte R.s v. Z. Hg. v. Gustav Roethe. Leipzig 1887. Nachdr. Amsterdam 1967 (veraltete, aber grundlegende Ausg.). – Die Sangesweisen der Colmarer Hs. und die Liederhs. Donaueschingen. Hg. v. Paul Runge. Leipzig 1896 (Nachdr. Hildesheim 1965) Nr. 99. – Ges¨ange v. Frauenlob, R. v. Z. und Alexander nebst einem anonymen Bruchst¨uck nach der Hs. 2701 der Wiener Hofbibl. Hg. v. Heinrich Rietsch. Wien 1913 (Nachdr. Graz 1960) S. 13–19 (Faks.), 62–67 (Transkription). – Zw¨olf mhd. Minnelieder und Reimreden. Aus den Sammlungen des Rudolf Losse von Eisenach. Hg. v. Edmund Ernst Stengel/Friedrich Vogt. In: AfK 38 (1956) S. 174–217, hier S. 190 f.; 277
1. H¨alfte 13. Jh. Nachtrag in AfK 39 (1957) S. 391 (vgl. dazu: Hugo Kuhn, in: PBB [T¨ub.] 80 [1958] S. 317–323). – The Art of the Minnesinger. Songs of the 13th Century. Bd. 1. Hg. v. Ronald Jack Taylor. Cardiff 1968, S. 71–86; Bd. 2, 1968, S. 110–122. – Objartel 1971 (s. Lit.) S. 219. – Eva Schumann: Stilwandel und Gestaltver¨anderung im Meistersang. Vergleichende Unters. zur Musik der Meistersinger. Kassel 1972, Nr. 18 (Notenteil). – Mhd. Spruchdichtung, fr¨uher Meistersang. Der Codex Palatinus Germanicus 350 der UB Heidelberg. Bd. 3. Hg. v. Walter Blank u. a. Wiesbaden 1974, S. 1–64. – Die T¨one der Meistersinger. Die Hss. der StB N¨urnberg Will III. 792, 793, 794, 795, 796. Hg. v. Horst Brunner. G¨oppingen 1980, S. 20. – Franz H. B¨auml/Richard H. Rouse: Roll and Codex. A New Manuscript Fragment of R. v. Z. In: PBB (T¨ub.) 105 (1983) S. 192–231, 317–330. – Helmut Tervooren: Ein neuer Fund zu R. v. Z. Zugleich ein Beitr. zu einer mitteldt./nd. Literaturlandschaft. In: ZfdPh 102 (1983) S. 377–391, hier S. 381. – Ders./Thomas Bein: Ein neues Fragm. zum Minnesang und zur Sangspruchdichtung. R. v. Z., Neidhart, Kelin, Rumzlant und Unbekanntes. In: ZfdPh 107 (1988) S. 1–26. – MF (381988) S. 403. – Andr´e Schnyder: Das geistliche Taglied des sp¨aten MA und der fr¨uhen Neuzeit. Textslg., Komm. und Umrisse einer Gattungsgesch. Tu¨ bingen/Basel 2004, S. 80. – Burghart Wachinger (Hg.): Dt. Lyrik des sp¨aten MA (BdK 191/BMA 22). Frankfurt/M. 2006, S. 160–171. – Weitere Ausg. in RSM (s. Lit.). Vgl. auch die Ausg. der Heidelberger Liederhandschrift C. Literatur: G. Roethe, ADB 28 (1889) S. 98–102. – Ehrismann 2,2,2 (1935) S. 292. – Horst Brunner, VL2 7 (1989) Sp. 1198–1207; 11 (2004) Sp. 1298. – De Boor/Newald 2 (111991) S. 395–402 u. o¨ . – RSM 5 (1991) S. 225–295; 2/1 (2009) S. 226 f. – Martin Schubert, NDB 21 (2003) S. 379 f. – H. Brunner, MGG2 Personenteil 13 (2005) Sp. 1535 f. – M. Schubert, KLL 13 (2009) S. 568–570. – Christoph Huber/ Michael Baldzuhn, Killy2 9 (2010) S. 538–540. – Emil Michael: R. v. Z. mit bes. R¨ucksichten auf seine Papstspr¨uche. In: Zs. f¨ur katholische Theologie 29 (1905) S. 588–593. – Louis E. Wolferz: The Rime Technique in the Poems of R. v. Z. Diss. Ithaca/N. Y. 1916. – Robert Petsch: R¨atselstud. (I. Zu den Reichenauer R¨atseln. – II. Zu den R¨atselstrophen des R. v. Z.). In: PBB 41 (1917) 278
1. H¨alfte 13. Jh. S. 332–346. – Edgar Bonjour: R. v. Z. als politischer Dichter. Ein Beitr. zur Chronologie seiner politischen Spr¨uche. Bern 1922. Nachdr. Nendeln 1970. – Friedrich Vogt: Reimarus caecus und der Kasseler Fund. In: PBB 48 (1924) S. 124–128. – Anton Wallner: Eine Hampfel Gr¨ubeln¨usse. In: ZfdA 64 (1927) S. 81–96. – Elfriede W¨ogerbauer: Wb. zu R. v. Z. 2 Bde. Diss. Wien 1953. – Karl ¨ Heinrich Bertau: Uber Themenanordnung und Bildung inhaltlicher Zusammenh¨ange in den religi¨osen Leichdichtungen des 13. Jh. In: ZfdPh 76 ¨ (1957) S. 129–149. – Ders.: Sangverslyrik. Uber Gestalt und Geschichtlichkeit mhd. Lyrik am Beispiel des Leichs. G¨ottingen 1964, S. 15 f. u. o¨ . – Hugo Kuhn: Minnesangs Wende. Tu¨ bingen 21967, passim. – Volker Schupp: R. v. Z., Dichter Kaiser Friedrichs II. In: Wirkendes Wort 19 (1969) S. 231–244 (wieder in: Die Reichsidee in der dt. Dichtung des MA. Hg. v. R¨udiger Schnell. Darmstadt 1983, S. 247–267). – Georg Objartel: Zwei wenig beachtete Fragmente R.s v. Z. und ein lat. Gegenst¨uck seines Leichs. In: ZfdPh Sonderh. 90 (1971) S. 217–231. – G. Roethe: Die Gedichte R.s v. Z. In: Mhd. Spruchdichtung. Hg. v. Hugo Moser. Darmstadt 1972, S. 55–129. – Burghart Wachinger: S¨angerkrieg. Unters. zur Spruchdichtung des 13. Jh. (MTU 42). M¨unchen 1973, passim. – Alison E. Cooke: The Political Songs of R. v. Z. A Re-Examination of Their Content and Chronology in the Light of Recent Scholarship. Diss. London 1974. – Ulrich M¨uller: Unters. zur politischen Lyrik des dt. MA (GAG 55/56). G¨oppingen 1974, passim. – V. Schupp: Der Kurf¨urstenspruch R.s v. Z. In: ZfdPh 93 (1974) S. 68–74 (wieder in: Die Reichsidee in der dt. Dichtung des MA [s. o.], S. 268–276). – H. Brunner: Die ¨ alten Meister. Stud. zu Uberl. und Rezeption der mhd. Sangspruchdichter im Sp¨atMA und in der fr¨uhen Neuzeit (MTU 54). M¨unchen 1975, passim. – Christoph Huber: ‹Wort sint der dinge zeichen›. Unters. zum Sprachdenken der mhd. Spruchdichtung bis Frauenlob (MTU 64). Z¨urich u. a. 1977, passim. – Ruth Schmidt-Wiegand: Fortuna Caesarea. Friedrich II. und Heinrich (VII.) im Urteil zeitgen¨ossischer Spruchdichter. In: Stauferzeit. Hg. v. R¨udiger Krohn u. a. Stuttgart 1979, S. 195–205. – Ursula Schulze: Zur Vorstellung von Kaiser und Reich in staufischer Spruchdichtung bei Walther von der Vogelweide und R. v. Z. In: ebd., S. 206–219 (wieder in: Die Reichsidee in der 279
Reinmar von Zweter dt. Dichtung des MA [s. o.], S. 403–421). – HansJoachim Behr: Projektion und Verkl¨arung. Zum Reichsbegriff R.s v. Z. und die Schwierigkeiten seiner Adaption in der dt. Germanistik. In: MARezeption. Ges. Vortr¨age des 2. Salzburger Symposions ‹Die Rezeption des MA› in Lit., Bildender Kunst und Musik des 19. und 20. Jh. Hg. v. J¨urgen K¨uhnel (GAG 358). G¨oppingen 1982, S. 31–44. – Frieder Schanze: Meisterliche Liedkunst zwischen Heinrich v. M¨ugeln und Hans Sachs 1 (MTU 82). Mu¨ nchen u. a. 1983, passim. – Dietmar Peil: ‹Im selben Boot›. Variationen u¨ ber ein metaphorisches Argument. In: AfK 68 (1986) S. 269–294. – Christoph Gerhardt: R.s v. Z. ‹Idealer Mann› (Roethe Nr. 99 und 100). In: PBB (Tu¨ b.) 109 (1987) S. 51–84. – Codex Manesse. Die Miniaturen der Großen Heidelberger Liederhs. Hg. und erl. v. Ingo F. Walther unter Mitarbeit v. Gisela Siebert. Frankfurt/M. 1988 (62001) S. 228 f. (Tf. 112). – Klaus Naß: Die Fragmentenfunde aus dem Nachlaß Martin Last. I: Pfaffe Konrad, Rolandslied. II: R. v. Z., ‹Der Leich›. III: Albrecht, J¨ungerer Titurel. IV: Der Pfarrer zu dem Hechte. In: ZfdA 118 (1989) S. 286–318. – Hans-Joachim Behr: Lit. als Machtlegitimation. Stud. zur Funktion der deutschsprachigen Dichtung am b¨ohmischen K¨onigshof im 13. Jh. Mu¨ nchen 1989, passim. – Heinz Thomas: K¨onig Wenzel I., R. v. Z. und der Ursprung des Kurf¨urstentums im Jahre 1239. In: Aus Archiven und Bibliotheken. FS Raymund Kottje. Hg. v. Hubert Mordek. Frankfurt/M. u. a. 1992, S. 347–372. – Johannes Rettelbach: Variation – Derivation – Imitation. Unters. zu den To¨ nen der Sangspruchdichter und Meistersinger (Fr¨uhe Neuzeit 14). T¨ubingen 1993, S. 87–89. – Joachim Heinzle: Wandlungen und Neuans¨atze im 13. Jh. (1220/30–1280/90) (Gesch. der dt. Lit. v. den Anf¨angen bis zum Beginn der Neuzeit 2/2). T¨ubingen 21994, passim. – M. Schubert: Die Form von R.s Leich. In: AB¨aG 41 (1995) S. 85–142. – D. Pfeil: ‹Wˆıbes minne ist rehter hort›. Die Beziehung zwischen den Geschlechtern im Spannungsfeld von Minnesang und Spruchdichtung bei R. v. Z. In: Wechselspiele. Kommunikationsformen und Gattungsinterferenzen mhd. Lyrik. Hg. v. Michael Schilling/Peter Strohschneider (GRM-Beih. 13). Heidelberg 1996, S. 179–207. – Michael Baldzuhn: Vom Sangspruch zum Meisterlied. Unters. zu einem literarischen Traditionszusammenhang auf der Grundlage der Kolmarer Liederhs. (MTU 120). T¨ubingen 2002, S. 42 f., 83, 376–379. – Margreth 280
Friedrich der Knecht Egidi: H¨ofische Liebe. Entw¨urfe der Sangspruchdichtung. Literarische Verfahrensweisen v. R. v. Z. bis Frauenlob. Heidelberg 2002. – Shao-Ji Yao: Der Exempelgebrauch in der Sangspruchdichtung vom sp¨aten 12. Jh. bis zum Anfang des 14. Jh. W¨urz¨ burg 2006, passim. – Claudia Lauer: Asthetik der Identit¨at. S¨anger-Rollen in der Sangspruchdichtung des 13. Jh. Heidelberg 2008, passim. – F. Schanze: Scharfe Schelte. Drei unedierte Str. im Ehrenton R.s v. Z. In: Dichtung und Didaxe. Lehrhaftes Sprechen in der dt. Lit. FS Christoph Huber. Hg. v. Henrike L¨ahnemann/Sandra Linden. Berlin/New York 2009, S. 107–116. MM Friedrich der Knecht. – Minnes¨anger, erste H¨alfte 13. Jh. Ausschließlich von der → Heidelberger Liederhandschrift A und der → Heidelberger Liederhandschrift C werden sechs Lieder F.s in f¨unf T¨onen mit insgesamt 21 Strophen u¨ berliefert. Weder der Sachverhalt, dass F. in C. als «her» apostrophiert wird, noch der Umstand, dass der Familienname «puer» im 13. Jh. nachgewiesen ist, sollten u¨ berbewertet werden: Bei F. wird es sich vermutlich um einen fahrenden und nichtadligen Berufsdichter gehandelt haben mit dem sprechenden Beinamen «Knecht» (wie etwa bei → Reinmar dem Fiedler). In Liedern F.s taucht «kneht» als Quasi-Signatur auf («freudeloser kneht»), so dass dieser Beiname im Sinne von «Minnediener» zu verstehen sein d¨urfte. Einige Reimgebundene W¨orter legen eine bair.-¨osterr. Herkunft F.s nahe, valide und pr¨azisere Aussagen hierzu sind aber nicht m¨oglich. H¨ochst unsicher ist die These, die Polemik bei Gedrut/→ Geltar «Hete ich einen kneht» (Kraus LD 1 [21978] Nr. 13, I) ziele auch auf F. ab. Wenn dem so w¨are, k¨onnte F. aus dem dort genannten «Mergersdorf» (Merkersdorf bei Korneuburg, Nieder¨osterreich [?]) stammen oder vor den beurkundeten Herren von Mergersdorf aufgetreten sein. F.s Dichtung, die grob im Zeitraum 1215 bis 1250 anzusetzen ist, zeigt einen deutlichen Einfluss seines Zeitgenossen → Neidhart, weist aber dabei durchaus eigene Charakteristika auf. Es handelt sich um f¨unf Kanzonen; Lied V hat keine Stollen-Form und eine Art Refrain. Die Lieder haben mit Ausnahme von Lied III winterliche Natureing¨ange und erinnern vom Strophentyp an Neidharts Winterlieder. W¨ahrend die Thematik des Hohen Minnesangs (Liebesklage, Unerreichbarkeit, Dienstgedanke usw.) prinzipiell aufrecht 281
1. H¨alfte 13. Jh. erhalten wird, l¨asst F. gezielt unh¨ofische Elemente in die Lieder einfließen mit deutlichen NeidhartReminiszenzen auch in der Wortwahl. Die Strophe 6 von Lied II gleicht dabei einer Trutzstrophe der Neidhart-Tradition. Formal wie inhaltlich ragt Lied IV aus dem Corpus heraus, dass unterschiedliche S¨angerrollen thematisiert (Minnender, Gehrender, Freudebringer). Typisch f¨ur F. sind gezielte Pointen und parodistische Effekte, welche die grunds¨atzliche Ernsthaftigkeit seiner Anliegen – als S¨anger oder in der Rolle des «knehts» – aber nicht in Frage stellen. ¨ Uberlieferung: Heidelberg, UB, Cpg 357 (A) 37v–38v (Perg, 1270–80, niederalemannisch); in Reihung und Umfang mit C identisch stehen die Str. hier in einem Corpus, das → Leuthold von Seven (vermutlich zuf¨allig) zugeschrieben ist. – Ebd., Cpg 848 (C) 316v–317vb (Perg., um 1300, alemannisch); die Miniatur zeigt eine Entf¨uhrungsszene und attribuiert F. als Knappen. Das abgebildete Wappen ist nicht nachgewiesen. Die Str. 5–6 (Kraus LD Ia) stehen um drei obsz¨one Str. erweitert auch im Neidhart-Corpus von C (278vb). Ausgaben (Auswahl): HMS 2 (1838) S. 168–170. – Hugo Kuhn/Georg Reichert: Minnesang des 13. Jh. Tu¨ bingen 21962, S. 15 f. – Kraus LD 1 (21978) Nr. 11. – Werner H¨over/Eva Kiepe: Gedichte von den Anf¨angen bis 1300. Nach den Hss. in zeitlicher Folge (Epochen der dt. Lyrik 1). Mu¨ nchen 1978 (Nachdr. 2001 u. d. T.: Dt. Lyrik v. den Anf¨angen bis zur Gegenwart 1) S. 221 f (Nr. III, ¨ IV mit Ubers.). – C 5–6 (= Kraus LD Ia): Siegfried Beyschlag: Die Lieder Neidharts. Der Textbestand der Pergamenthss. und die Melodien. Darmstadt ¨ 1975, S. 452 f. (Nr. L 82, mit Ubers.); Salzburger Neidhart Edition. Hg. v. Ulrich M¨uller u. a. Berlin 2007, Bd. 1: Neidhart-Lieder der Pergamenthss. mit ihrer Parallel¨uberl., S. 475–477; Bd. 3: Komm. ¨ zur Uberl. und Edition der Texte und Melodien [...], S. 241 f. Literatur: Gisela Kornrumpf, VL2 2 (1980) Sp. 950–952. – De Boor/Newald 3,1 (51997) S. 303, 305 f. – HMS 4 (1838) S. 478–480. – Wilhelm Wisser: Das Verh¨altnis der Minneliederhss. A und C zu ihrer gemeinschaftlichen Quelle. Schulprogramm Eutin 1895, S. 11, 12, 24. – Anton Wallner: Herren und Spielleute im Heidelberger Liedercodex. In: PBB 33 (1908) S. 483–540, hier S. 529, 532. – Ferdinand Mohr: Das unh¨ofische Element in der mhd. Lyrik v. Walther an. Diss. T¨ubingen 1913, S. 72 f. – Anthonius H. Touber: Formale Ordnungsprinzipien in mhd. Liederhss. In: 282
1. H¨alfte 13. Jh. ZfdA 95 (1966) S. 187–203, hier S. 192. – Walter Blank: Die kleine Heidelberger Liederhs. Cod. Pal. Germ. 357 der UB Heidelberg. Wiesbaden 1972, S. 130–132. – Burghart Wachinger: S¨angerkrieg. Unters. zur Spruchdichtung des 13. Jh. (MTU 42). Mu¨ nchen 1973, S. 96. – Kraus LD 2 (21978) S. 67–73, 80, 401–404. – Codex Manesse. Die Miniaturen der Großen Heidelberger Liederhs. Hg. und erl. v. Ingo F. Walther unter Mitarbeit v. Gisela Siebert. Frankfurt/M. 1988 (62001) S. 218 f. (Tf. 107). – Carolin Schuchert: Walther in A. Stud. zum Corpusprofil und zum Autorbild Walthers v. der Vogelweide in der Kleinen Heidelberger Liederhs. (Walther-Stud. 6). Frankfurt/M. u. a. 2010, Reg. VZ Arnulf von Lowen ¨ → Band 1, Sp. 676–678. Stolle (Der Alte Stolle). – Sangspruchdichter, erste H¨alfte 13. Jh. (?). Der Name S.s ist untrennbar mit dem von ihm erfundenen Ton, der Alment, verbunden. Zusammen mit dem Frau-Ehren-Ton → Reinmars von Zweter ist die Alment der a¨ lteste kontinuierlich bis ins 17. Jh. verwandte Spruchton und der einzige authentische Ton S.s. Erst der nachreformatorische Meistersang schiebt ihm weitere T¨one unter («Blutton», «Hoher» und «Langer Ton»). Das unfeste Epitheton «Alt» korrespondiert mit dem ab ¨ der Uberlieferung des 15. Jh. auftretenden Jungen → Stolle, der allerdings eine Erfindung der meisterlichen Tradition sein k¨onnte. In den Meisterkatalogen des Hans → Folz, Konrad → Nachtigall und Valentin Voigt erscheinen beide S.s, in den ab 1500 auftretenden Zw¨olf-Meister-Listen rangiert (der alte) S. auf den hinteren R¨angen, hat aber in der meisters¨angerlichen Literaturgeschichtsschreibung einen festen Platz als Mitbegr¨under des Meistersangs. Die meisterliche Tradition dichtete ihm unterschiedliche Berufe,Vornamen und Heimatorte an (Barbier, Salwirt [i. e. Kettenhemd-/ Panzermacher, sp¨ater Seiler]; Friedrich, Steffan; Br¨unn, Marburg; Einzelnachweise: VL2 9 [1995] Sp. 358 f.). Tats¨achlich aber gibt es u¨ ber S. keine gesicherten Kenntnisse. Die fr¨uhesten Namenszeugnisse sind: 1) Die Randnotiz «alt stolle» in der → Großen Heidelberger Liederhandschrift C (351rb) neben einer Almentstrophe im → Marner-Corpus. Diese Kennzeichnung des Tonautors erfolgte zeitnah zur Niederschrift der Liedtexte und ist Beleg f¨ur das Bewusstsein um die Divergenz von Text283
Arnulf von Lowen ¨ und Tonautorschaft bei den Almentstrophen in C 2) Ein Vers in → Walthers von der Vogelweide «Zweitem Ottenton» (L 32,10), der S. als unh¨ofisch attakiert: «Singe ich mˆınen h¨oveschen sanc, soˆ klagent siz Stollen». 3) Schließlich eine Robyn zugeschriebene Totenklage (1Rob/2; → Rubin und R¨udiger), die neben S. den Verlust → Reinmars des Alten (oder Reinmars von Zweter), Walthers, → Neidharts und Bruder → Wernhers bedauert. S. erscheint zwischen Walther und Neidhart und wird als «boc mit sange» apostrophiert (syntaktisch m¨oglich aber unwahrscheinlicher ist ein Bezug des «boc» auf Neidhart). Diese beiden letzten Zeugnisse stehen nicht im Einklang zu dem unter S.s Namen in der → Jenaer Liederhandschrift (J) u¨ berlieferten Liedgut. Ein weiteres Problem ist die zeitliche Einordnung seines Schaffens. J bietet eine umfangreiche Sammlung unter der Corpus¨uberschrift «Meyster stolle», von dessen textlicher Authentizit¨at die fr¨uhe Forschung stets ausgegangen ist. Die datierbaren Strophen in J verweisen auf das letzte Drittel/Viertel des 13. Jh., die sp¨ateste (1Stol/31) d¨urfte im Zeitraum 1283–90 entstanden sein. Die Almentstrophen von C stehen in den Corpora sechs ande¨ rer Textautoren (s. Uberl.). Hier ist die a¨lteste datierbare Strophe 1235/37 anzusetzen (1Hardg/1/9). ¨ Da S. der gesamten Uberlieferung, von C bis weit in die fr¨uhe Neuzeit, als Tonerfinder galt, gibt diese Strophe den terminus ante quem f¨ur die Erfindung der Alment an die Hand, was auch zur chronologischen Einordnung von S. in Robyns Totenklage zwischen Walther und Neidhart passt. Das legt aber auch den Schluss nahe, dass das teils sp¨at zu datierende Corpus von J dem Almenterfinder gar nicht oder nur teilweise geh¨oren kann, da ein Schaffenszeitraum von u¨ ber 50 Jahren f¨ur einen ma. Dichter eher unwahrscheinlich ist. Ob von S. also auch nur ein authentisches Lied u¨ berliefert ist, darf bezweifelt werden. Das Gros der u¨ berlieferten Texte jedenfalls stammt nachweislich oder ho¨ chstwahrscheinlich nicht von ihm. Der Tonname «Alment» begegnet das erste Mal in der → Kolmarer Liederhandschrift (k, um 1460) muss aber a¨lter sein (um 1300 [?]). Der Name (nhd. Allmende) bedeutet «gemeinsames Eigentum» und verweist per se schon auf eine a¨ ußerst fr¨uhe und damit ungew¨ohnliche Entlehnung des Tones, was durch die Ton¨ubernahmen in C ja auch belegt ist. Mitte des 15. Jh. war die Entlehnung von T¨onen 284
Stolle aber die Regel und nicht mehr die Ausnahme. Bezogen auf die meisterliche Tradition hat der Tonname seine Signifikanz verloren, die Namensvergabe f¨ur Stolles Ton wird somit aller Wahrscheinlichkeit nach fr¨uher erfolgt sein. Die Themen, die in Sangspr¨uchen in der Alment behandelt werden, decken – durchaus erwartbar anhand der Autorenvielzahl – das gesamte thematische Spektrum des Genres ab. Auch in der ¨ meisterlichen Uberlieferung lassen sich bei der Alment als Repertoireton keine Beschr¨ankungen in der Themenwahl oder Affinit¨aten zu bestimmten Themenbereichen feststellen, allenfalls k¨onnte man einen unterdurchschnittlichen Anteil an geistlichen Liedern attestieren. ¨ Uberlieferung: (vorreformatorische Lieder in der Alment) Heidelberg, UB, Cpg 848 (C) 183rab (→ Bligger von Steinach) 290va–291rb (Der → Hardegger) 300vab (Der von → Wengen) 307rab (Der → Tugendhafte Schreiber) 351 rab (Der Marner) 420va (→ Boppe) insgesamt 25 Str. (Perg., um 1300, alemannisch). – Jena, ULB, Ms. El. f. 101 (J) 2ra–7vb, 40 Str. (Perg., um 1330, mitteldt. mit nd. Einschlag). – M¨unchen, UB 28 Cod. 2° ms 731 (E) 225vb–226ra (Marner) 1 Str. (Perg., um 1345/54, ostfr¨ankisch). – Leipzig, UB, Rep. II. 70a (n) 95rab–95va, 96vab, 4 Str. (Perg., um 1400, niederrheinisch). – Frauenfeld, Thurgauische Kantonsbibl., S. 145ab, 1 fragmentarische Str. (Pap., erstes Drittel 15. Jh., nordostschweizerisch). – Mu¨ nchen, BSB, Cgm 4997 (k) 706ra–718vb, 80 Str. in 24 Baren (Pap., um 1460, rheinfr¨ankisch). – Ebd., Cgm. 5198 (w) 116v–119v, 15 Str. in 3 Baren (Pap., um 1500, s¨udbair.). – Heidelberg, UB, Cpg. 392 (h) 24v–25v, 45v–46v, 110v–111r, 9 Str. in 3 Baren (Pap., um 1500, bair.-schw¨abisch). – Berlin, SBB, Mgq 414 (q) 383r–385r, 6 Str. in 2 Baren (Pap., 1517/18, ¨ n¨urnbergisch). – Wien, ONB, Cod. 2981, 32rv, 1 Dreierbar (Pap., um 1534, schw¨abisch). – Drucke: N¨urnberg (Valentin Fuhrmann) 1574 (VD 16 E 4069 f.) enth¨alt 1Stol/522c; dasselbe umgearbeitet in → R¨omers «Gesangsweise» (1R¨om/1/12) in: Straßburg (Jakob Fr¨ohlich) 1540/50 (VD16 ZV 8519). – Melodie auch in: Berlin, SBB, Mgf 25, S. 130–132 (Pap., erstes Viertel 17. Jh., geschrieben v. B. v. Watt in N¨urnberg); N¨urnberg StB, Will. III. 792 und 794, 36r und 17rv (um 1700). – Detaillierter Census mit Verz. der Parallel¨uberl. und RSM-Konkordanz bei Zapf (s. Ausg.) S. 34–41. Ausgaben: HMS 3 (1838) S. 3–10, 451 f. (J, n) – Seydel (s. Lit.) S. 73–94. – Karl Bartsch: Meisterlieder der Kolmarer Hs. (Bibl. des litterarischen Ver. 285
1. H¨alfte 13. Jh. in Stuttgart 68). Stuttgart 1862, Nr. 138–144,198, 201. – Volker Zapf: S. und die Alment. Einf. – Edition – Komm. (Mediaevalia Nova 7). G¨ottingen 2010, S. 81–202 (Gesamtedition aller vorreformatorischen Alment-Strophen). – Zu Editionen einzelner Lieder s. RSM 5 (1991) S. 393–411. – Editionen v. Alment-Str. anderer namentlich bekannter Dichter s. auch jeweils dort. – Melodieausgaben: Paul Runge: Die Sangesweisen der Colmarer Hs. und die Liederhs. Donaueschingen. Leipzig 1896 (Nachdr. Hildesheim 1965) Nr. 103. – Eduard Bernoulli/Franz Saran: Die Jenaer Lie¨ derhs. Bd. 2. Ubertragung, Rhythmik und Melodik. Leipzig 1901 (Nachdr. Hildesheim 1966) S. 1 f. – Ronald J. Taylor: The Art of the Minnesinger. Songs of the thirteenth century. Bd. 1. Cardiff 1968, S. 89–91 (J, k). – Schumann (s. Lit.) Notentl. Nr. 18 I (J, k, Mgf 25). – Horst Brunner/ Johannes Rettelbach: Die To¨ ne der Meistersinger. Die Hss. der StB N¨urnberg Will. III. 792, 793, 794, 795, 796. In Abb. und Materialien. Mit einem Anhang v. Klaus Kramer (Litterae 47). G¨oppingen 1980. – H. Brunner/Karl-G¨unther Hartmann: Spruchsang. Die Melodien der Sangspruchdichter des 12. bis 15. Jh. (Monumenta monodica medii aevi 6). Kassel 2010, S. 387–395. Literatur: Gustav Roethe, ADB 36 (1893) S. 405–408. – RSM 1 (1994) S. 28; 5 (1991) S. 393–411. – Gisela Kornrumpf, VL2 9 (1995) Sp. 356–359. – H. Brunner, LexMA 8 (1997) Sp. 191. – De Boor/Newald 3/1 (51997) Reg. – Elisabeth Wunderle/Red., Killy2 11 (2011) S. 297 f. – HMS 4 (1838) S. 706 f. – Bartsch (s. Ausg.) S. 164, 717. – Wolfgang Seydel: Meister S. nach der Jenaer Hs. Diss. Leipzig 1892. – Dietrich v. Kralik: Die K¨arntner Spr¨uche Walthers v. der Vogelweide. In: Fragen und Forschungen im Bereich und Umkreis der germ. Philologie. FS Theodor Frings. Hg. v. Elisabeth Karg-Gasterst¨adt. Berlin 1956, S. 349–377, hier S. 365–368. – Helmut Tervooren: Einzelstrophe oder Strophenbindung? Unters. zur Lyrik der Jenaer Hs. Diss. Bonn 1967, S. 124–137. – Eva Schumann: Stilwandel und Gestaltver¨anderung im Meistersang. Vergleichende Unters. zur Musik der Meistersinger (G¨ottinger musikwissenschaftliche Arbeiten 3). Kassel 1972 [recte 1973], passim. – Ulrich M¨uller: Unters. zur politischen Lyrik des dt. MA (GAG 55/56). G¨oppingen 1974, S. 139–141, 150 f. – H. Brunner: Die alten Meister. Stud. zur ¨ Uberl. und Rezeption der mhd. Sangspruchdichter (MTU 54). Mu¨ nchen 1975, Reg. – Erdmute 286
1. H¨alfte 13. Jh. Pickerodt-Uthleb: Die Jenaer Liederhs. Metrische und musikalische Unters. (GAG 99). G¨oppingen 1975, bes. S. 421. – G. Kornrumpf/Burghart Wachinger: Alment. Formentlehnung und T¨onegebrauch in der mhd. Spruchdichtung. In: Dt. Lit. im MA. Kontakte und Perspektiven. Hugo Kuhn zum Gedenken. Stuttgart 1979, S. 356–411. – Frieder Schanze: Meisterliche Liedkunst zwischen Heinrich v. Mu¨ geln und Hans Sachs. Bd. 1: Unters. / Bd. 2: Verz. (MTU 82/83). Mu¨ nchen 1983/84, Reg. – H. Brunner/Johannes Rettelbach: ‹Der vrsprung des mayster-gesangs›. In: ZfdA 114 (1985) S. 221–240, bes. S. 225, 229. – J. Rettelbach: Variation – Derivation – Imitation. Unters. zu den T¨onen der Sangspruchdichter und Meistersinger (Fr¨uhe Neuzeit 14). T¨ubingen 1993, Reg. – Jens Haustein: Marner-Stud. (MTU 109). Tu¨ bingen 1995, S. 78, 80, 96–100, 165–169. – Michael Baldzuhn: Vom Sangspruch zum Meisterlied. Unters. zu einem literarischen Traditionszusammenhang auf der Grundlage der Kolmarer Liederhs. (MTU 120). T¨ubingen 2002, Reg. – Volker Zapf: ‹Diß liet stet allein oder mangelt noch eins›. Beobachtungen ¨ zur Alment-Uberl. und editorische Konsequenzen. In: Schrift – Text – Edition. FS Hans Walter Gabler. Hg. v. Christiane Henkes u. a. (Beih. zu editio 19). T¨ubingen 2003, S. 127–136. – J. Haustein/Franz K¨orndle: Die Jenaer Liederhs. Codex – Gesch. – Umfeld. Berlin/New York 2010, Reg. – Zapf (s. Ausg.) S. 23–64, 205–349. VZ Bruno von Hornberg. – Liederdichter. B.s Lebensumst¨ande sind unsicher. Er d¨urfte der im Gutachtal ans¨assigen Familie der Freiherren v. H. angeh¨ort haben. Die Forschung hat in diesem Geschlecht zwei Freiherren namens B. aufgefunden, die mit B. identisch gewesen sein k¨onnten. Der a¨ltere B. ist von 1219 bis 1244 urkundlich nachweisbar, der j¨ungere B. von 1275 bis 1310. Der j¨ungere B. unterhielt Kontakte zu Eberhard I. von Katzenelnbogen und Walther III. von Altenklingen, die wahrscheinlich ebenfalls literarisch interessiert waren. Letztlich ist B.s genaue Identit¨at jedoch weiterhin ungekl¨art. B.s Werk ist gl¨ucklicherweise deutlicher umrissen als seine Biographie. Die → Heidelberger Liederhandschrift C u¨ berliefert zwischen Konrad von Altstetten und Hugo von Werbenwang vier mhd. Lieder unter B.s Namen. Es handelt sich um zwei Minnereflexionen, eine Minneklage und ein Tagelied. Die Lieder weisen einen stolligen Bau auf; 287
Bruno von Hornberg im Tagelied und in einer Minnereflexion verwendet B. dreiteilige Stollen. In den gleichen zwei Liedern und in der Minneklage ist der Abgesang jeweils angereimt. B. bevorzugt vierhebige Verse, verwendet aber auch drei Zweiheber, zwei F¨unfheber und einen Sechsheber. Sprachlich und stilistisch gilt B. als weitgehend konventioneller Dichter. Daf¨ur sprechen neben der Schlichtheit der Sprache auch die zahlreichen traditionellen Motive in den Liedern (Herzenswunde, Minnestricke u. a.). Nennenswert sind epische Ankl¨ange in zwei beschreibenden Passagen von B.s Tagelied. Insgesamt r¨aumt die Forschung B.s Minnereflexionen einen h¨oheren Rang ein als seinen anderen Texten. Man hat B. verschiedentlich in die N¨ahe → Gottfrieds von Neifen und → Friedrichs von Hausen ger¨uckt, deren Bedeutung sein Werk freilich nie erreicht hat. In der Heidelberger Liederhandschrift C ist mit B.s Werk eine farbige Miniatur u¨ berliefert ist. Die Zeichnung, in der sich der Dichter aus einem Fenster lehnt, w¨ahrend eine blonde Reiterin ihm die H¨ande bindet, illustrierte m¨oglicherweise B.s Minneklage. ¨ Uberlieferung: Heidelberg, UB, Cpg 848, 251r–251vb (Perg., erste H¨alfte 14. Jh.). Ausgaben: HMS 2 (1838) S. 66; 4 (1838) S. 408. – Kraus LD 1 (21978) S. 22–25. – Dt. Tage¨ lieder von den Anf¨angen der Uberl. bis zum 15. Jh. Hg. v. Sabine Freund. Heidelberg 1983, S. 131 f. – Vgl. auch die Ausg. der Heidelberger Liederhandschrift C. ¨ Literatur: Altere Lit. bei Kraus LD 2 (s. Ausg.). – Wilhelm Wilmanns, ADB 13 (1881) S. 147; Korrektur in ADB 15 (1882) S. 795 und ADB 16 (1882) S. 798. – G¨unther Schweikle, VL2 1 (1978) Sp. 1063–1065. – Kraus LD 2 (21978) S. 20–33 (mit a¨ lterer Lit.). – De Boor/Newald 3/1 (51997) S. 266. – Friedrich Pfaff: Der Minnesang im Lande Baden. Heidelberg 1908, S. 6–11. – Codex Manesse. Die Miniaturen der Großen Heidelberger Liederhs. Hg. und erl. v. Ingo F. Walther unter Mitarbeit v. Gisela Siebert. Frankfurt/M. 1988 (62001) S. 166 f. (Tf. 81). – Uwe Meves (Hg.): Regesten dt. Minnes¨anger des 12. und 13. Jh. Berlin/New York 2005, S. 169–182. MM Pfeffel («her Pfeffel»). – Spruchdichter, Mitte 13. Jh. P. ist nur u¨ ber die → Heidelberger Liederhandschrift C nachweisbar, in der er als «her» bezeichnet wird. 288
Der von Sachsendorf Die a¨ ltere Forschung aus dieser Anrede eine Ritterb¨urtigkeit P.s ableiten wollen, was heute aber umstritten ist. Eine an Herzog Friedrich den Streitbaren gerichtete Strophe P.s erlaubt zumindest eine grobe Datierung seines Schaffens auf die Zeit von um 1239 bis sp¨atestens zum Tod Friedrichs 1246. P. wurde verschiedentlich mit einem Ritter «Heinricus pfeffili» gleichgesetzt, der aus Basel stammte und 1243 als Zeuge einer Schenkung nachgewiesen ist. Um die Mitte des 13. Jh. existierten aber auch ¨ in Osterreich Tr¨ager des Namens P., was den Bezug zum o¨ sterr. Herzog Friedrich erkl¨aren w¨urde. Der Name P. k¨onnte aber ebenso ein Pseudonym gewesen sein. C enth¨alt neben P.s Versen auch eine Illustration. Darin angelt der Dichter stehend einen Fisch aus einem Fluss, w¨ahrend seine Ge¨ liebte neben ihm sitzt. Uber dem Paar ist links ein wahrscheinlich erfundenes Wappen gezeichnet, das ein Brustbild des Dichters mit klerikaler Kopfbedeckung zeigt. Das gleiche Bildnis dient als Kleinod auf dem rechts oben dargestellten Helm. C u¨ berliefert drei Strophen P.s, die im Aufbau identisch, inhaltlich aber unterschiedlich sind, weshalb sie wahrscheinlich kein geschlossenes Lied darstellen. Jede Strophe umfasst 17 Kurzzeilen mit teils spiegelbildlich angeordneten Reimen (abcde – aedcb). Diese Reimstellung verweist gew¨ohnlich auf provenzalische Einfl¨usse. Strophe I lobt Herzog Friedrich f¨ur dessen mildt¨atige Gaben. Vorbild P.s war hier der an Friedrichs Vater Leopold VI. gerichtete Wiener Hofton → Walthers von der Vogelweide. Strophe II enth¨alt moralische Empfehlungen f¨ur einen jungen Mann, die an → Winsbecke erinnern. So wird der J¨ungling u. a. aufgefordert, stets Gott zu dienen. Strophe III ist ein konventionelles Minnegedicht, das eine Reihe u¨ blicher Vergleiche und Motive verarbeitet (u. a. roter Mund, Stricke, Feuer, Rose). ¨ Uberlieferung: Heidelberg, UB, Cpg 848, 302r–302va (Perg., erste H¨alfte 14. Jh., alemannisch). Ausgaben: HMS 2 (1838) S. 145 f.; 3/2 (1838) S. 680 (Nr. 100), 833. – Karl Bartsch (Hg.): Die Schweizer Minnes¨anger (Bibl. a¨lterer Schriftwerke der dt. Schweiz 6). Frauenfeld 1886 (Nachdr. Darmstadt 1964) S. XLIX f., 71–73, 421 (Nr. V). – Ulrich M¨uller (Hg.): Politische Lyrik des dt. MA. Bd. 1 (GAG 68). G¨oppingen 1972, S. 33 f. – Poetae minores. Weniger bekannte Dichter der großen Heidelberger Liederhs. Hg. und u¨ bers. v. Joachim 289
1. H¨alfte 13. Jh. Kuolt (Helfant Texte 2). Stuttgart 1987, S. 83–88. – Vgl. auch die Ausg. der Heidelberger Liederhandschrift C. Literatur: HMS 4 (1838) S. 461. – Konrad Burdach, ADB 25 (1887) S. 611 f. – RSM 4 (1988) S. 498; 2/1 (2009) S. 209. – Max Schiendorfer, VL2 7 (1989) Sp. 558–560. – De Boor/Newald 2 (1991) S. 317, 473. – Bartsch 1886 (s. Ausg.). – Anton Wallner: Herren und Spielleute im Heidelberger Liedercodex. In: PBB 33 (1908) S. 483–540, hier S. 526, 532. – Samuel Singer: Die ma. Lit. der dt. Schweiz. Frauenfeld/Leipzig 1930, S. 46. – Ulrich Mu¨ ller: Unters. zur politischen Lyrik des dt. MA (GAG 55/56). G¨oppingen 1974, S. 86 u. o¨ . – Joachim Bumke: M¨azene im MA. Die G¨onner und Auftraggeber der h¨ofischen Lit. in Deutschland 1150–1300. M¨unchen 1979, S. 187 u. o¨ . – Codex Manesse. Die Miniaturen der Großen Heidelberger Liederhs. Hg. und erl. v. Ingo F. Walther unter Mitarbeit v. Gisela Siebert. Frankfurt/M. 1988 (62001) S. 202 f. (Tf. 99). – Reinhard Bleck: Neidhart. Leben und Lieder (GAG 700). G¨oppingen 2002, S. 169–172. MM ¨ Der von Sachsendorf. – Osterreichischer Minnes¨anger, Mitte 13. Jh. Ob D. v. S. dem Ministerialengeschlecht angeh¨orte, das in Sachsendorf bei Kollersdorf in Nieder¨osterreich beheimatet war, bleibt fraglich. Erwogen wurde mehrfach die Identit¨at des S¨angers mit dem in → Ulrichs von Liechtenstein Frauendienst (472, 17 ff.) erw¨ahnten und 1249 als Ministeriale der Herren von Kuenring urkundlich bezeugten Ulrich von Sachsendorf. Von ihm u¨ berliefert die → Heidelberger Liederhandschrift C sieben der ‹hohen Minne› verpflichtete Lieder. Das in Lied III verwendete Bild des in der Glut der Minne ger¨osteten Ich findet sich auch bei → Konrad von W¨urzburg und Johannes → Hadlaub. Mehrfach wird das eigene Singen thematisiert, einmal sogar – in Lied VI – auf einen «niuwen don» hingewiesen. ¨ Uberlieferung: Heidelberg, UB, Cpg 848 (Heidelberger Liederhs. C, um 1300, Nachtr¨age erste H¨alfte 14. Jh., alemannisch), 158va–159ra; vgl. → Haager Liederhs., 21vb–22ra (Lied VI). – Die sich auf Lied VI,3 beziehende Miniatur in C (158r) zeigt den liegenden S¨anger, dem ein Arzt den Unter¨ schenkel bandagiert. Uberschrift: «Der von Sachsendorf». Ausgaben: HMS 1 (1838) S. 300–302; 3 (1838) S. 636, 830; 4 (1838) S. 236. – Karl Bartsch: Dt. 290
1. H¨alfte 13. Jh. Liederdichter des zw¨olften bis vierzehnten Jh. Eine Auswahl. 4. Aufl., besorgt v. Wolfgang Golther. Berlin 1906 (Nachdr. Darmstadt 1966) Nr. 39, S. LXII, 219 f. (= VI). – Kraus LD 1 (21978) S. 397–402; 2 (21978) S. 490–496. – Gedichte von den Anf¨angen bis 1300. Nach den Hss. in zeitlicher Folge hg. v. Werner H¨over/Eva Willms (Epochen der dt. Lyrik 1). M¨unchen 1978 (Nachdr. [Dt. Lyrik von den Anf¨angen bis zur Gegenwart 1] ebd. 2001) S. 313 f. – Die Große Heidelberger Liederhs. (Codex Manesse). In getreuem Textabdruck hg. v. Fridrich Pfaff. 2., verb. und erg. Aufl. bearb. v. Hellmut Salowsky. Heidelberg 1984, Sp. 565–569 (Nr. xlvj). Literatur: [Konrad] Burdach ADB 30 (1890) S. 146. – Ehrismann 2.2.2 (1935) S. 270. – Elisabeth Hages, VL2 8 (1992) Sp. 462–465. – Sandra Linden, Killy2 10 (2011) S. 149 f. – Karl Ferdinand Kummer: Die poetischen Erz¨ahlungen des Herrand von Wildonie und die kleineren inner¨osterr. Minnesinger. Wien 1880, S. 64 f. – Friedrich Grimme: Beitr. zur Gesch. der Minnesinger III. In: Germania 33 (1888) S. 53–55. – K. Burdach: Reimar der Alte und Walther von der Vogelweide. Halle/Saale 21928 (Nachdr. Hildesheim/New York 1976) S. 379 f. – Eduard Kranner: Ulrich v. S. Ein ¨ h¨ofischer Minnes¨anger im babenbergischen Osterreich. Wien/Leipzig 1944. – Joachim Bumke: Ministerialit¨at und Ritterdichtung. Umrisse der Forschung. Mu¨ nchen 1976, Reg. – Renate Hausner: Spiel mit dem Identischen. Stud. zum Refrain deutschsprachiger lyrischer Dichtung des 12. und 13. Jh. In: Sprache – Text – Gesch. Beitr. zur Medi¨avistik und germanistischen Sprachwiss. aus dem Kreis der Mitarbeiter 1964–1979 des Inst. f¨ur Germanistik an der Univ. Salzburg. Hg. v. Peter K. Stein u. a. (GAG 304). G¨oppingen 1980, S. 281–384, hier S. 287 Anm. 4 und 5 (zu Lied VII). – Helmut Birkhan: D. v. S. In: Die Kuenringer. Das Werden des Landes Nieder¨osterreich. Nieder¨osterr. Landesausstellung, Stift Zwettl 16. Mai – 26. Oktober 1981 (Kat. des Nieder¨osterr. Landesmuseums, NF 110). 2., verb. Aufl. Wien 1981, S. 471 f. – Codex Manesse. Die Miniaturen der Großen Heidelberger Liederhs. Hg. und erl. v. Ingo F. Walther unter Mitarbeit v. Gisela Siebert. Frankfurt/M. 1988 (62001) S. 100 f. (Tf. 49). – Eva Willms: Noch einmal Anmerkungen zum Marner. In: ZfdA 137 (2008) S. 335–353, hier S. 344 f. BJ 291
Der von Wengen Der von Wengen. – Politischer Sangspruchdichter, 13. Jh. Von W. sind sechs Sangspruch-Strophen und ein Strophenfragment u¨ berliefert, die in die 40er Jahre des 13. Jh. weisen. Er scheint Schweizer und dem Umkreis der Thurgauer Grafen von Kyburg zugeh¨orig gewesen zu sein. Fu¨ r seine Sangspr¨uche verwandte W. ausschließlich T¨one anderer Dichter (→ Stolles Alment und den Hofton → Reinmars von Brennenberg). W.s Strophen (neben einem Marienpreis und einer allgemein gehaltenen Gesellschaftsklage) haben eine politische Intention: Im Streit zwischen Kirche und Reich in der Mitte des 13. Jh. scheint er den Auftrag gehabt zu haben, die antistaufische p¨apstliche Partei unter Hartmann IV. von Kyburg zu propagieren. ¨ Uberlieferung: Heidelberg, UB, Cpg 848 (→ Heidelberger Liederhs. C, erstes Drittel 14. Jh.) 300rv (mit Miniatur). Ausgaben: HMS 2 (1838) 144 f.; 3 (1838) 680. – Karl Bartsch (Hg.): Die Schweizer Minnes¨anger (Bibl. a¨lterer Schriftwerke der dt. Schweiz 6). Frauenfeld 1886 (Nachdr. Darmstadt 1964) S. LXI–LXIV, 84–88, 422 f. (Nr. VII). – Helmut de Boor: MA. Texte und Zeugnisse. 2. Teilbd. (Die Dt. Lit. vom MA bis zum 20. Jh. I,2). Mu¨ nchen 1965 (Nachdr. ebd. 1988) S. 1025 (Auswahl). – Werner H¨over/Eva Kiepe (Hg.): Gedichte von den Anf¨angen bis 1300. Nach den Hss. in zeitlicher Folge (Dt. Lyrik von den Anf¨angen bis zur Gegenwart 1). Mu¨ nchen 22001, S. 332 f. (Auswahl). – Die Schweizer Minnes¨anger. Nach der Ausg. von K. Bartsch neu bearb. und hg. v. Max Schiendorfer. Bd. 1. T¨ubingen 1990, S. 266–271. – Volker Zapf: Stolle und die Alment. Einf. – Edition – Komm., 2010, S. 90 und 115 f. (nur die Str. im Ton Alment). Literatur: HMS 4 (1838) 458–460. – RSM 5 (1991) 546 f. – De Boor/Newald 23,1 (1997) 365. – VL2 10 (1999) Sp. 849–852. – Bartsch 1866 (s. Ausg.) LXI–LXIV. – H. Gent: Die mhd. polit. Lyrik (Diss. Breslau) 1938, S. 50, 83, 87, 105. – A. Schlageter: Unters. u¨ ber die liedhaften Zusammenh¨ange in der nachwaltherschen Spruchdg. (Diss. [masch.] Freiburg/Br.) 1953, S. 37–48. – U. Mu¨ ller: Unters. zur polit. Lyrik des dt. MA 2 (1974) S. 110 f. – Gisela Kornrumpf/B. Wachinger: Alment. In: Dt. Lit. im MA. Gedenkschr. H. Kuhn. 1979, S. 356–411, hier S. 360, 364, 396, 398 f., 401 f., 410. – Codex Manesse. Die Miniaturen der Großen Heidelberger Liederhs. Hg. und erl. v. Ingo F. Walther unter Mitarbeit v. Gisela Siebert. 292
Dietmar der Setzer Frankfurt/M. 1988 (62001) S. 200 f. (Tf. 98). – Max Schiendorfer: D. v. W. In: Edele frouwen – schoene man. Ausstellungskat. Z¨urich. 1991, S. 79–86. – Zapf (s. Ausg.) S. 223, 265–268. VZ Der von Brauneck. – Minnes¨anger. → Hugo von Trimberg nennt den «von Brˆunecke» in seinem Versepos Renner mit anderen S¨angern aus dem 13. Jh. als einen vorbildlichen «edel herren» und Dichter. Einen «Brˆunecker» erw¨ahnt außerdem → Friedrich von Sonnenburg in Versen u¨ ber Rudolf von Habsburg im Zusammenhang mit der Erscheinung eines Wunderzeichens. Bis heute ist ungekl¨art, ob in beiden F¨allen die gleiche Person gemeint ist bzw. welche Werke d. v. B. verfasst haben soll. Als m¨ogliche Herkunftsorte des unbekannten Dichters hat die a¨ ltere Forschung die Burg Bruneck bei Mellingen im Aargau und Bruneck an der Rienz im Pustertal identifiziert. Heute gilt allerdings das fr¨ankische Brauneck/Creglingen als wahrscheinlichste Heimat des unbekannten S¨angers. In diesem Fall k¨onnte es sich bei dem genannten Autor um Konrad I. von Hohenlohe-Brauneck gehandelt haben. Er ist ab 1219 nachweisbar, 1249 verstorben und als Dichter bekannt. Konrad war ein j¨ungerer Bruder des Gottfried I. von Hohenlohe und wurde durch den Erhalt der Burg Bruneck (1243) Stifter der Linie Hohenlohe-Brauneck. 1228/29 befand er sich mit Kaiser Friedrich II. auf einem Kreuzzug und bewegte sich auch danach im Umfeld Friedrichs. Er hielt sich zeitweise in Italien auf, wurde 1229 Graf von Molise und 1230/36 Graf von Romagna. Verschiedentlich wird auch Konrads 1311 gestorbener Sohn Gottfried II. von Hohenlohe-Brauneck als d. v. B. genannt. ¨ Uberlieferung: Vgl. die Artikel u¨ ber Hugo von Trimberg und Friedrich von Sonnenburg. Ausgaben: Die Verse des Hugo von Trimberg sind u. a. in R¨uther 2007 (s. Lit.) abgedruckt, die Sonnenburg-Verse in: Friedrich von Sonnenburg: Die Spr¨uche Friedrichs von Sonnenburg. Hg. v. Achim Masser. Tu¨ bingen 1979, S. 21. Literatur: Walter Blank, VL2 1 (1978) Sp. 1005 f. – Konrad Burdach: Reinmar der Alte und Walther von der Vogelweide. Halle/Saale 2 1928, 391, 405. – Hb. der baden-w¨urttembergischen Gesch. 5. Hg. v. Meinrad Schaab/Hansmartin Schwarzmaier. Stuttgart 2007, 403, 405 (genealogische Tafeln f¨ur Konrad I. und Gottfried II.). – Hanno R¨uther: Der Mythos von den 293
1. H¨alfte 13. Jh. Minnes¨angern. Die Entstehung der Moringer-, Tannh¨auser- und Bremberger-Ballade. K¨oln u. a. 2007, 127 f. – Wolfgang Achnitz: Verlorene Erz¨ahlwelten. Zum poetologischen Ort fragmentarischer Artusromane am Beispiel der Neufunde zu ‹Ma¨ nuel und Amande›. In: Mhd. Beitr. zur Uberl., Sprache und Lit. FS Kurt G¨artner. Hg. v. Ralf Plate/Martin Schubert. Berlin 2011, S. 132–164, hier S. 150, n. 37. MM Dietmar der Setzer (Sezzer). – Spruchdichter. D.s Werk ist in der → Heidelberger Liederhandschrift C u¨ berliefert. Darin stellt ihn eine Zeichnung als k¨ampfenden Ritter dar, der einem anderen Ritter mit dem Schwert den Sch¨adel spaltet. Auf eine adlige Abstammung D.s verweist neben der Illustration auch seine Bezeichnung als «her» im Text. M¨oglicherweise geh¨orte er zum Adelsgeschlecht der von Sazze (heute Soos in Nieder¨osterreich). Angesichts a¨hnlich klingender Namen in zeitgen¨ossischen Urkunden ist eine geographische Zuordnung D.s und seiner Familie jedoch bis heute nicht m¨oglich. Man hat ihn verschiedentlich auch mit dem «vagabundus dictus Seczere» des Chronicon Colmariense identifiziert. Ein fahrender Dichter D. passt freilich kaum zu den Angaben in C. Die zeitliche Einordnung D.s ist also nur auf der Grundlage seines Werks m¨oglich, das stilistisch auf die erste H¨alfte des 13. Jh. verweist. D.s Korpus in C umfasst nur vier Spruchstrophen. Diese sind in einem einheitlichen Ton geschrieben, der metrisch mit T¨onen des → Hennebergers und → Wernhers verwandt ist. Charakteristisch ist der Abgesang, der mit vier Versen in Kreuzreimen beginnt und mit zwei Langzeilen in Paarreimen endet. Die Kreuzreim-Verse sind jeweils aus kurzen, m¨annlichen Kadenzen sowie l¨angeren, klingenden Kadenzen zusammengesetzt. Der Inhalt der Strophen ist durch fromme Mahnungen bestimmt. So warnen die ersten beiden, durch Z¨asurreime verbundenen Strophen vor menschlicher Falschheit, durch die bereits Jesus verleugnet worden sei. Die dritte Strophe verweist mit dem Bild des Gl¨ucksrads auf die g¨ottliche Herkunft von Seele und Leib. Die vierte Strophe mahnt zur Mildt¨atigkeit, denn geizige Herren endeten in der H¨olle, mildt¨atige hingegen im Himmel. Insgesamt zeichnet sich D.s Werk durch eine klare, bildhafte Sprache aus. ¨ Uberlieferung: Heidelberg, UB, Cpg 848, 321v–322rb (Perg., erste H¨alfte 14. Jh.). 294
1. H¨alfte 13. Jh. Ausgaben: Kraus LD 1 (21978) Nr. 7. – Vgl. auch die Ausg. der Heidelberger Liederhandschrift C. Literatur: HMS 2 (1838) S. 174; 4 (1838) S. 486 f. – Gustav Roethe, ADB 34 (1892) S. 48 f. – Ehrismann 2,2,2 (1935) S. 297. – Kraus LD 2 (21978) S. 53–55. – Horst Brunner, VL2 2 (1980) Sp. 100 f. – RSM 3 (1986) S. 260. – De Boor/ Newald 3/1 (51997) S. 385. – Joachim Bumke: Ministerialit¨at und Ritterdichtung. Umrisse der Forschung. M¨unchen 1976, S. 44 f., 90 u. o¨ . – Codex Manesse. Die Miniaturen der Großen Heidelberger Liederhs. Hg. und erl. v. Ingo F. Walther unter Mitarbeit v. Gisela Siebert. Frankfurt/M. 1988 (62001) S. 227 f. (Tf. 111). MM Rudolf der Schreiber. – Minnes¨anger. R. ist nur in der → Heidelberger Liederhandschrift C nachweisbar, die ihn im Inhaltsverzeichnis als Herren bezeichnet. Seine Lieder weisen ihn sprachlich als Oberdeutschen aus, doch ist eine weitere Identifizierung, etwa als Augsburger Schreiber, nicht sicher m¨oglich. Die wappenlose Illustration zu R. in C stellt ihn als f¨uhrenden Mitarbeiter einer Kanzlei dar, in der er zwei Boten versiegelte Briefe u¨ berreicht, w¨ahrend zwei Schreiber zuschauen. C u¨ berliefert f¨ur R. drei Minneklagen mit insgesamt 13 Strophen. Lied I verbindet die Minneklage mit einem Vokalspiel, d. h. in jeder Strophe enden die Zeilen jeweils mit dem gleichen Vokal. In den f¨unf Strophen insgesamt sind dies A, E, I, O und U. Der formale Strophenbau des Lieds folgt Vokalspielen → Walthers von der Vogelweide und → Ulrichs von Singenberg, gilt im Vergleich zu diesen aber als konventionell. Lieder II und III zeigen mit ihren Natureing¨angen und begrenzten Minnemotiven den Einfluss → Gottfrieds von Neifen, w¨ahrend der «wˆıp»-Preis in Lied III auf Reinmar verweist. ¨ Uberlieferung: Heidelberg, UB, cpg 848, 32r, rv 362 (Perg., erste H¨alfte 14. Jh.). Ausgaben: HMS 2 (1838) S. 264 f. (Nr. 123). – Kraus LD 1 (21978) S. 394–396 (Nr. 50). – G¨unther Schweikle (Hg.): Parodie und Polemik in mhd. Dichtung. 123 Texte v. K¨urenberg bis Frauenlob samt dem Wartburgkrieg nach der Großen Heidelberger Liederhs. C. Stuttgart 1986, Nr. 23. – Poetae minores. Weniger bekannte Dichter der großen Heidelberger Liederhs. Hg. und u¨ bers. v. Joachim Kuolt (Helfant Texte 2). Stuttgart 1987, 295
Rudolf der Schreiber S. 95–104. – Vgl. auch die Ausg. der Heidelberger Liederhandschrift C. Literatur: HMS 4 (1838) S. 542 f. – Konrad Burdach, ADB 29 (1889) S. 569. – Ehrismann 2,2,2 (1935) S. 283. – Kraus LD 2 (21978) S. 488–490. – Franz Josef Worstbrock, VL2 8 (1992) Sp. 374 f. – De Boor/Newald 3/1 (51997) S. 270, 274. – K. Burdach: Reinmar der Alte und Walther v. der Vogelweide. Halle/Saale 21928, S. 376. – Elise Walter: Verluste auf dem Gebiet der mhd. Lyrik. Stuttgart 1933, S. 68 f. – Roderich Schmidt: AEIOU. Die ma. ‹Vokalspiele› und das Salomon-Zitat des Reinbot v. Durne. In: Zeiten und Formen in Sprache und Dichtung. FS Fritz Tschirch. Hg. v. KarlHeinz Schirmer/Bernhard Sowinski. K¨oln/Wien 1972, S. 113–133, hier S. 120–122. – Max Schiendorfer: Ulrich v. Singenberg, Walther und Wolfram. Zur Parodie in der h¨ofischen Lit. Bonn 1983, S. 98, 147–149, 392. – Codex Manesse. Die Miniaturen der Großen Heidelberger Liederhs. Hg. und erl. v. Ingo F. Walther unter Mitarbeit v. Gisela Siebert. Frankfurt/M. 1988 (62001) S. 244 f. (Tf. 120). MM Der Tannh¨auser (tanhˆusære). – Mittelhochdeutscher Lyriker, Schaffenszeit belegt 1245 (Leich I) und 1261/66 (Leich VI). Herkunft und Bedeutung des Namens sind ungekl¨art. Vermutlich hat sich d. T. l¨angere Zeit am Wiener Hof der Babenberger bis zum Tod Friedrichs des Streitbaren 1246 aufgehalten, dann verliert sich seine Spur. D. T. ist nach der Art der Namensgebung in der → Großen Heidelberger Liederhandschrift als fahrender Berufsdichter zu klassifizieren. Historische Anspielungen in seinem Œuvre lassen die Jahrzehnte um die Mitte des 13. Jh. als Zeitraum seines Wirkens erkennen. Sein Werk geh¨ort nicht zu den umfang-, aber zu den variationsreichsten, was die Vielfalt der vertretenen lyrischen Gattungen angeht. Unter dem Namensrubrum «Der Ta¯nhuser» sind in der Großen Heidelberger Liederhandschrift insgesamt sechs Leichs (I–VI), die mengenm¨aßig mehr als die H¨alfte seines u¨ berlieferten Werks einnehmen, und 37 Strophen in zehn verschiedenen To¨ nen (VII–XVI) versammelt. Davon entfallen 20 Strophen auf Minnesang (VII–XI, XV, davon f¨unf Lieder drei- und eines f¨unfstrophig), f¨unf Strophen auf ein Kreuzlied (XIII, ohne Minnethematik) und zw¨olf Strophen auf Spruchdichtung (XII, XIV, XVI, drei T¨one mit f¨unf, sechs und einer Strophe, 296
Der Tannh¨auser diese letzte ein R¨atsel). Die ganzseitige Autorenminiatur zeigt einen Ritter des Dt. Ordens mit dem Ordenskreuz auf dem Mantel, Helm mit Zimierde und (Phantasie-)Wappen. Neben dem Ritter Ranken mit Eichen- und Weinbl¨attern. Inhaltlich reicht die Bandbreite vom religi¨osen R¨atsel und dem ernsten Kreuzlied u¨ ber Vagantisches und allgemeine Lebensweisheiten in der Spruchdichtung bis hin zu erotisch-frivolen Beschreibungen der Geliebten und pastourellenartigen Situationen in den Tanzleichs. Im Einzelnen: Leich I beginnt als Preis Herzog Friedrichs des Streitbaren und wechselt dann zu einer Tanzaufforderung u¨ ber. Leich II schildert eine Pastourellensituation, wie sie auch den Hauptteil von Leich III, in dem eine Vielzahl altfranz¨osischer Fremdw¨orter verwendet wird, pr¨agt; der Leich endet mit einer Tanzaufforderung. Leich IV ist ein Frauenpreis, der in zahlreichen literarischen Vergleichen (z. B. Helena, Isolde) die Qualit¨aten einer Dame preist, um schließlich das Objekt der Bewunderung in einer recht pikanten «descriptio» dem Rezipienten vor Augen zu f¨uhren. In Leich V wird zun¨achst geographisch-politisches Wissen durch eine Aufz¨ahlung von Herrschern und L¨andern demonstriert, die dann unvermittelt in eine Tanzaufforderung u¨ bergeht. Leich VI ist eine Musterung verstorbener und lebender dt. F¨ursten im Hinblick auf ihre Bereitschaft, fahrende S¨anger, besonders das redende Ich, f¨ur Herrscherlob angemessen zu entlohnen. Lied VII verbindet die Klage des Ich wegen Nichterh¨orung durch die Dame mit dem Preis derselben und breiter Fr¨uhlingsnaturschilderung. Lied VIII erkl¨art nach einem herbstlichen Natureingang die Angebetete zur «belle dame sans merci», die vom Ich verlangt, unm¨ogliche Aufgaben zu erf¨ullen. Das gleiche Motiv (ohne Natureingang) wird in den Liedern IX und X verwendet. Lied XI gibt sich als vorweihnachtliches Tanz- und Frauenpreislied, in dem die k¨orperliche Sch¨onheit der Geliebten sehr nachdr¨ucklich, einschließlich des Schamhaares, beschrieben wird. Die Spruchreihe XII behandelt zun¨achst in mehreren Strophen das Schicksal des unbehausten S¨angers, das durchaus als selbst verschuldet geschildert wird, dann die geographische Lage bedeutender europ¨aischer St¨adte an Fl¨ussen, schließlich gibt es eine knappe Hofzucht. Das Kreuzlied XIII zeigt ein kreuzfahrendes Ich, das auf einem Schiff im Mittelmeer den Winden schutzlos ausgeliefert ist und sich angenehmerer Tage an Land erinnert, 297
1. H¨alfte 13. Jh. gleichwohl aber an seinem Plan festh¨alt, ins heilige Land zu fahren. In Spruchreihe XIV h¨ort man wieder einen fahrenden S¨anger, der die Ursache seines gegenw¨artigen Ungl¨ucks im eigenen Lebenswandel erkennt und klagend auf bessere Zeiten zur¨uckblickt. Lied XV verbindet einen Natureingang mit einer Klage u¨ ber die mangelnde Anerkennung, die der Liedkunst zuteil wird, einerseits und einer Klage u¨ ber die Nichterh¨orung durch die Dame andererseits. Spruch XVI verr¨atselt Ereignisse der Heilsgeschichte. Die Reim- und Formkunst Tannh¨ausers ist im Vergleich zu seinen Zeitgenossen als eher zur¨uckgenommen einzusch¨atzen, seine Texte sind gepr¨agt von einem variantenreichen Wortschatz mit zahlreichen Lehn- und Fremdw¨ortern aus dem Altfranz¨osischen. Die Originalit¨at seines Œuvres ergibt sich aus der ungew¨ohnlichen Ausgestaltung etablierter Formen, wie sie etwa durch den F¨urstenpreis im Tanzleich oder die freiz¨ugige «descriptio» der Geliebten dokumentiert sind. In sp¨aterer Zeit werden dem Tannh¨auser weitere Texte wie Tannh¨ausers Hofzucht, das Bußlied sowie eine Vielzahl an Sangspruchstrophen religi¨osen Inhalts zugeschrieben, allerdings spricht wenig daf¨ur, Texte außerhalb der Großen Heidelberger Liederhandschrift f¨ur echt zu erkl¨aren, wenngleich die Diskussion darum anh¨alt (Das Material ist u¨ ber das RSM, Bd. 16, Namenregister, erschlossen). Die intenisve Rezeption des Tannh¨ausers seit der Romantik ist allein der → Tannh¨auser-Ballade geschuldet. ¨ Uberlieferung: Heidelberg, UB, cpg 848 (Große Heidelberger Liederhandschrift), 264r–269v (Z¨urich, 1310–40, alemannisch). Ausgaben: D. T. Hg. v. Samuel Singer. T¨ubingen 1922. – Johannes Siebert: Der Dichter T. Leben – Gedichte – Sage. Halle/S. 1934. – T. Die lyrischen Gedichte der Hss. C und J. Abb. und ¨ Materialien zur gesamten Uberl. der Texte und ihrer Wirkungsgesch. und zu den Melodien. Hg. v. Helmut Lomnitzer/Ulrich M¨uller (Litterae 13). G¨oppingen 1973. – John Wesley Thomas: T. Poet and Legend. With Texts and Translations of his Works (University of North Carolina Studies in the Germanic Languages and Literatures 77). Chapel Hill 1974. – T. Die Gedichte der Manessischen Hs. Mhd./Nhd. Einleitung, Edition, Textkomm. v. ¨ Maria Grazia Cammarota. Ubersetzungen v. J¨urgen K¨uhnel (GAG 749). G¨oppingen 2009. – Von den recht zahlreichen Auswahlausgaben ist wegen des Kommentars herauszuheben: Dt. Lyrik des sp¨aten 298
1. H¨alfte 13. Jh. MA. Hg. v. Burghart Wachinger (BdK 191/BMA 22). Frankfurt/M. 2006, S. 172–209; 717–737. – Eine Skizze zur Editionsgeschichte bietet Cammarota 2009, S. 80–84. Literatur (ohne Ausgaben): Burghart Wachinger, VL2 9 (1995) Sp. 600–610. – Hanno R¨uther: T. In: EM 13 (2008) S. 182–186. – Wolfgang Mohr: Tanhusers Kreuzlied. In: DVjs 34 (1960) S. 338–355. – Helmut Tervooren: Zu T.s II. Leich. In: ZfdPh 97 (1978) S. 24–42. – Rena Leppin: Stud. zur Lyrik des 13. Jh. Tanhuser, Friedrich von Leiningen (GAG 306). G¨oppingen 1980. – Christoph Petzsch: T.s Lied IX in C und in cgm 4997. Adynatonkat. und Vortragsformen. In: Euph. 75 (1981) S. 303–324. – J¨urgen K¨uhnel: Zu einer Neuausg. ¨ des T.s. Grunds¨atzliche Uberlegungen und editionspraktische Vorschl¨age. In: ZfdPh 104 (1985) ¨ Sonderheft. Uberlieferungs-, Editions- und Interpretationsfragen zur mhd. Lyrik. Hg. v. Werner Besch/H. Tervooren, S. 80–102. – Jeffrey Ashcroft: F¨urstlicher Sex-Appeal. Politisierung der Minne bei T. und Jansen Enikel. In: Liebe in der dt. Lit. des MA. St. Andrews Colloquium 1985. Hg. v. dems u. a. T¨ubingen 1987, S. 91–106. – Claudia H¨andl: Rollen und pragmatische Einbindung. Analysen zur Wandlung des Minnesangs nach Walther von der Vogelweide (GAG 467). G¨oppingen 1987, S. 424–449. – Hedda Ragotzky: Minnethematik, Herrscherlob und h¨ofischer Maitanz. Zum I. Leich des T.s. In: Ergebnisse der XXI. Jahrestagung des Arbeitskreises ‹Dt. Lit. des MA› (Dt. Lit. des MA 4). Greifswald 1989, S. 101–125. – J. K¨uhnel: Der Minnes¨anger T. Zu Form und Funktion des Minnesangs im 13. Jh. In: ebd., S. 125–151. – Joachim Bumke: T.s Hofzucht. In: Architectura poetica. FS Johannes Rathofer. Hg. v. Ulrich Ernst/ Bernhard Sonwinski (K¨olner germanistische Stud. 30). K¨oln/Wien 1990, S. 189–205. – Hermann Apfelb¨ock: Tradition und Gattungsbewußtsein im dt. Leich. Ein Beitr. zur Gattungsgesch. ma. musikalischer ‹discordia› (Hermaea NF 62). T¨ubingen 1991, Register s.v. Tannh¨auser. – Reinhard Bleck: T.s Aufbruch zum Kreuzzug. In: GRM NF 43 (1993) S. 257–266. – Michael B¨armann: T. im Eckartsberg: Breisach und eine Sage. In: Alemannisches Jb. 1993/94 (1995) S. 33–70. – Gabriela Paule: Der Tanhˆuser. Organisationsprinzipien der Werk¨uberl. in der Manessischen Hs. Stuttgart 1994. – Tomas Tomasek: Das dt. R¨atsel im MA (Hermaea NF 69). T¨ubingen 1994, S. 277–286 [zu XVI]. – Heinz Kischkel: T.s heimliche Trauer. 299
Ulrich von Munegiur ¨ Uber die Bedingungen von Rationalit¨at und Subjektivit¨at im MA (Hermaea NF 80). T¨ubingen 1998. – Christina Kreibich: Der mhd. Minneleich. Ein Beitr. zu seiner Inhaltsanalyse (W¨urzburger Beitr. zur dt. Philologie 21). W¨urzburg 2000. Register s.v. Tannh¨auser. – Manfred Kern: Von Parisj¨ungern und neuen Helenen. Anm. zur antiken Mythologie im Minnesang. In: Neophilologus 83 (1999) S. 577–599. – Peter Strohschneider: Tanzen und Singen. Leichs von Ulrich von Winterstetten, Heinrich von Sax sowie dem T. und die Frage nach dem rituellen Status des Minnesangs. In: Ma. Lyrik. Probleme der Poetik. Hg. v. Thomas Cramer/ Ingrid Kasten (Phil.Stud.u.Qu. 154). Berlin 1999, S. 197–231. – Hans Schwarz: Das Diminutiv mhd. ‹meinel› beim T. und das Grundwort ‹mein› im Faßschwank. In: ZfdPh 119 (2000) S. 397–409. – H. R¨uther: Der Mythos von den Minnes¨angern. Die Entstehung der Moringer-, T.- und BrembergerBallade (Pictura et poesis 23). K¨oln/Weimar/Wien 2007, S. 210–234. – Gert H¨ubner: Minnesang im 13. Jh. Eine Einf. (narr studienb¨ucher). T¨ubingen 2008, S. 99–115. – Karin Tebben: T. Biogr. einer Legende. G¨ottingen 2010. HR Ulrich von Munegiur («Uolrich von Mungur»). – Minnes¨anger. U. ist nur u¨ ber die → Heidelberger Liederhandschrift C und die → Weingartner Liederhandschrift B nachweisbar, die seine Texte u¨ berliefern. Seine Schaffenszeit wird aufgrund sprachlicher und textlicher Besonderheiten meist in der ersten H¨alfte des 13. Jh. vermutet, seine Herkunft in Oberdtl. In C und B finden sich bildliche Darstellungen U.s mit einem Wappen, das aber außerhalb der Handschriften nicht belegt ist. In den Illustrationen von C und B sitzt U. jeweils auf einer Bank und reicht einem vor ihm knienden Diener ein ausgerolltes Schriftband. Allerdings h¨angt hinter der Bank in C ein Schwert, das U. als ritterlich ausweist. Auch ist das Wappen in B mit anderen Farben ausgemalt (Rot, Weiß, Schwarz) als in C (Gold, Silber, Blau). U.s Name wird in C als «Muneguiur» angegeben, in B als «Munegur». C u¨ berliefert in der Hand As drei Lieder (I–III) mit insgesamt neun Strophen. In B sind nur Lieder II und III mit sieben Strophen enthalten, die von Haupthand I im zweiten Nachtrag des Kernteils eingetragen wurden. Alle drei Lieder sind als Kanzonen gestaltet und behandeln im Geiste der hohen Minne die gegens¨atzlichen Stimmungen von 300
Stolle Freude und Leid. Dieser gemeinsame Grundzug hat vereinzelt die Zusammenfassung der Lieder als Zyklus angeregt, was sich aber bei aller Deutlichkeit ihrer Verklammerung nicht durchgesetzt hat. Lied ¨ I zeigt Ahnlichkeiten mit einem Lied → Hiltbolts von Schwangau und beklagt die Freudlosigkeit des Daseins. Die zwei Strophen des Texts bestehen aus vierhebigen, daktylischen Versen mit r¨uhrenden Reimen und einem Z¨asurreim in den Stollen. Lied II umfasst ebenfalls zwei Strophen und erg¨anzt das Leidensmotiv durch die zun¨achst nur gedanklich entwickelte Hoffnung auf zuk¨unftige Freuden. Lied III besitzt f¨unf Strophen und ist wie eine Tenzone gestaltet: Es entwickelt ein Wechselgespr¨ach zwischen dem Dichter und seiner «frouwe», in dem jeder Dialogpartner abwechselnd eine Strophe bestreitet. Auch wenn die Liebe des Dichters sich im Sinne der hohen Minne als unerwidert erweist, ist Lied III doch hoffnungsvoller gestaltet als Lied I. ¨ Uberlieferung: Heidelberg, UB, cpg 848, 247v–248rb (Perg., erste H¨alfte 14. Jh.; Lieder I–III). – Stuttgart, LB, cod. HB XIII 1, S. 109–111 (Perg., erstes Viertel 14. Jh., alemannisch; Lieder II, III). Ausgaben: HMS 2 (1838) S. 62 f. – Kraus LD 1 (21978) S. 253–255 (Nr. 37). – Poetae minores. Weniger bekannte Dichter der großen Heidelberger Liederhs. Hg. und u¨ bers. v. Joachim Kuolt (Helfant Texte 2). Stuttgart 1987, S. 45–52. – Vgl. auch die Ausg. der Heidelberger Liederhandschrift C und der Weingartner Liederhandschrift B. Literatur: HMS 4 (1838) S. 405. – Kraus LD 2 (21978) S. 303–307. – De Boor/Newald 3/1 (51997) S. 272. – Claudia H¨andl, VL2 10 (1999) Sp. 8 f. – Andr´e Moret: Les D´ebuts du Lyrisme en Allemagne. Des Origines a` 1350. Lille 1951, S. 57. – Wolfgang Irtenkauf: Die Weingartner Liederhs. Textbd. Stuttgart 1969, S. 103 f., 138–143 u. o¨ . – Olive Sayce: The Medieval German Lyric 1150–1300. The Development of Its Themes and Forms in Their European Context. Oxford 1982, S. 39, 265 u. o¨ . – Manfred Eikelmann: Denkformen im Minnesang. Unters. zu Aufbau, Erkenntnisleistung und Anwendungsgesch. konditionaler Strukturmuster des Minnesangs bis um 1300. T¨ubingen 1988, S. 80, 182. – Codex Manesse. Die Miniaturen der Großen Heidelberger Liederhs. Hg. und erl. v. Ingo F. Walther unter Mitarbeit v. Gisela Siebert. Frankfurt/M. 1988 (62001) S. 161 f. (Tf. 78). – Franz-Josef Holznagel: Wege in die Schriftlichkeit. ¨ Unters. und Materialien zur Uberl. der mhd. Lyrik. T¨ubingen u. a. 1995, passim. MM 301
Mitte 13. Jh. Stolle (Der Junge Stolle). – Sangspruchdichter des 13. Jh. (?). Der Dichtername «Junger Stolle» erscheint in der ¨ Uberlieferung ab dem 15. Jh. und k¨onnte eine Erfindung der meisterlichen Tradition sein. Das RSM z¨ahlt den J. S. zu den «Spervogel-Anonymi». Sein Name wird zuerst von der → Kolmarer Liederhandschrift (k) bezeugt. Im direkten Anschluss an deren Alment-Corpus des (Alten) → Stolle folgen 16 Strophen in zwei Liedeinheiten unter der Corpus¨uberschrift: «Dyß ist des jungen stollen getichte vnd hat nit geticht dann dyse dru par darnach starp er wie er sturbe das ste zu gotte» (Die Angabe ¨ «dru par» scheint eine Ubernahme aus der Vorlage von k zu sein). Verfasst sind die Strophen im Ton Junger Spervogel Ton I (RSM: 1SpervA/2). Die Strophen 2 und 3 des ersten (Dreier-)Bars weichen formal vom restlichen Bestand ab, was Ausweis ihres h¨oheren Alters ist, denn sie werden auch schon von der → Heidelberger Liederhandschrift C und der → Heidelberger Liederhandschrift A u¨ berliefert (in C unter → Spervogel und in A unter dem Namen → Junger Spervogel, der sonst nicht u¨ berliefert ist; auch diese Autorzuweisungen sind h¨ochst unsicher). Die restlichen zehn Strophen des zweiten Bars sind s¨amtlich Dichtungen des 15. Jh. Außerdem enth¨alt eine vorreformatorische Meisterliedsammlung des Hans Sachs von 1517/18 (q) zwei Alment-Bare, deren erstes (1Stol/529) u¨ berschrieben ist mit: «In der alment 3 lieder des jungen Stollen». Damit soll hier der Textautor bezeichnet werden. Das verdeutlicht der gemeinsame Eintrag f¨ur beide Almentbare im Register von q, der an dieser Stelle den Tonautor bezeichnet: «Jn der alment des stollen». Die Textautorzuweisung f¨ur das Bar in q durch den Schreiber Sachs oder seine Vorlage ist fraglich und widerspricht der Angabe von k, wonach die dort stehenden Strophen die einzigen Dichtungen des J. S. seien (es sein denn, dass q-Bar w¨are das fehlende dritte Bar von k). Eine wichtige Frage ist zudem, ob die Autornennung in k auf einen der k-Redaktion zeitnahen Autor verweist oder auf einen alten Sangspruchdichter. F¨ur letzteres spricht vor allem ein Tonautor-Vermerk «alt stolle» in C am Rand einer → Marner-Almentstrophe (351rb). Es ist nicht auszuschließen, dass diese Notiz in C zeitnah zur Niederschrift der Liedtexte erfolgte, d. h. m¨oglicherweise noch im ersten Drittel des 14. Jh. Das Epitheton «alt» ist nun freilich vor allem dann sinnvoll, wenn es in Abgrenzung auch einen J. S. gibt, 302
Mitte 13. Jh. der dem Schreiber des Vermerks also ein Begriff gewesen sein k¨onnte. Das r¨uckt einen m¨oglichen J. S. zeitlich weit vor die Niederschrift von k und wom¨oglich ins 13. Jh. Die Autorangabe in q wiederum w¨are falsch, da das dort enthaltene Bar der Form nach viel zu jung ist und nur auf einen meisterlichen Dichter zur¨uckgehen kann. Vielleicht hat Hans Sachs das Alter von Strophen an ihrer jeweiligen Form erkannt und verband hier mit dem Attribut «jung» lediglich einen Hinweis auf eine sp¨ate Entstehung des Liedes. Auch die Angaben zum Verfasser in k lassen sich relativieren, denn die j¨ungere Eingangsstrophe des ersten Bars bietet als Gleichnis f¨ur den dichterischen Wettstreit ein Schachspiel zwischen dem Dichter, der sich hier selbst als «jungen» bezeichnet, und seinem Gegner auf Leben und Tod. Die kryptische Corpus¨uberschrift in k k¨onnte die Fiktion weiterf¨uhren, indem sie einen fr¨uhen Tod des Dichters J. S. konstruiert. Der einzig halbwegs valide Hinweis auf einen J. S. ist damit die «alt stolle»-Notiz in C, die allerdings keine weiteren R¨uckschl¨usse erlaubt. Auch im j¨ungeren Meistergesang bleibt die stets unsichere Differenzierung von Altem und Jungen S. bestehen mit zunehmender Favorisierung des Alten S. (auch ohne Epitheton). Die Meisterkataloge von Hans → Folz, Konrad → Nachtigall und Valentin Voigt nennen beide S. Zum Inhalt der u¨ brigen unter J. S. u¨ berlieferten Strophen: Bei den beiden schon fr¨uh¨uberlieferten Strophen des ersten k-Bars handelt es sich um eine Warnung vor falschen Freunden (Str. 2) und eine Aufforderung zu angemessener Kritik (Str. 3). Das zweite, umfangreiche Bar in k behandelt die Passion Jesu. Das Dreierbar in q ist ein Hochzeitslied. ¨ Uberlieferung: Heidelberg, UB, Cpg 357 (A) 28r (Perg, 1270–80, niederalemannisch). – Ebd., Cpg 848 (C) 416v (Perg., um 1300, alemannisch). – M¨unchen, BSB, Cgm 4997 (k) 719r–720r (Pap., um 1460, rheinfr¨ankisch). – Berlin, SBB, Mgq 414 (q) 383r–384r (Pap., 1517/18, n¨urnbergisch). – Zweites Bar von k mit Ersetzung einer Strophe und Vari¨ anz der Strophenreihung auch in: Wien, ONB, Cod. 3026, 213v–215r (Pap., Mitte/zweite H¨alfte ¨ 15. Jh., o¨ sterr.; geistliche Sammelhs.) Uberschrift: «Des jungen stol dann». – Erste Strophe des kDreierbars mit Melodie auch in: Weimar, Herzogin Anna Amalia Bibl., Cod. Fol. 421/32, 10r–11r (Abschrift des k-Textes von Benedict von Watt, ¨ um 1600) Uberschrift der Str.: «Jn des stoln gedicht 303
Stolle weiß»; Beischrift der Melodie: «in deß friedrich stoln gedicht weiß»). Ausgaben: Altbezeugte Strophen: HMS 2 (1838) S. 375. – KLD 1 (21978) S. 270 (Nr. 22a/b). – Werner H¨over/Eva Kiepe: Gedichte von den Anf¨angen bis 1300. Nach den Hss. in zeitlicher Folge (Epochen der dt. Lyrik 1). M¨unchen 1978, S. 307 (nur 1 Sperv/2/2). – Des Minnesangs Fr¨uhling. Kommentare. Bd. 3,2: Anmerkungen v. Karl Lachmann, Moriz Haupt, Friedrich Vogt, Carl v. Kraus. Durch Reg. erschlossen und um einen Literaturschl¨ussel erg¨anzt v. Hugo Moser/Helmut Tervooren. Stuttgart 1981, S. 242. – Dreierbar von k: Karl Bartsch: Meisterlieder der Kolmarer Hs. (Bibl. des litterarischen Ver. in Stuttgart 68). Stuttgart 1862, Nr. 145. – Dreierbar von q: UlrikeMarianne Schulz: Liebe, Ehe und Sexualit¨at im vorreformatorischen Meistersang. Texte und Unters. (GAG 624). G¨oppingen 1995, S. 99 f. – Zapf (s. Lit.) S. 199–201. – Melodieausgaben: Paul Runge: Die Sangesweisen der Colmarer Hs. und die Liederhs. Donaueschingen. Leipzig 1896 (Nachdr. Hildesheim 1965) Nr. 104. – Horst Brunner/KarlG¨unther Hartmann: Spruchsang. Die Melodien der Sangspruchdichter des 12. bis 15. Jh. (Monumenta monodica medii aevi 6). Kassel 2010, S. 164 f. Literatur: Volker Mertens/Burghart Wachinger, VL2 4 (1983) Sp. 911–913. – RSM 5 (1991) S. 385, 387 f., 411. – Wolfgang Seydel: Meister Stolle nach der Jenaer Hs. Diss. Leipzig 1892, S. 13–22. – Eva Schumann: Stilwandel und Gestaltver¨anderung im Meistersang. Vergleichende Unters. zur Musik der Meistersinger (G¨ottinger musikwissenschaftliche Arbeiten 3). Kassel 1972 [recte 1973], S. 102, 174. – Horst Brunner: Die alten ¨ Meister. Stud. zur Uberl. und Rezeption der mhd. Sangspruchdichter (MTU 54). M¨unchen 1975, S. 90 mit Anm. 82 f., 140 mit Anm. 255, 150. – Gisela Kornrumpf/B. Wachinger: Alment. Formentlehnung und T¨onegebrauch in der mhd. Spruchdichtung. In: Dt. Lit. im MA. Kontakte und Perspektiven. Hugo Kuhn zum Gedenken. Stuttgart 1979, S. 356–411, hier S. 359 mit Anm. 48. – Michael Baldzuhn: Vom Sangspruch zum Meisterlied. Unters. zu einem literarischen Traditionszusammenhang auf der Grundlage der Kolmarer Liederhs. (MTU 120). T¨ubingen 2002, S. 44, 394–397, 480, 499. – Volker Zapf: Stolle und die Alment. Einf. – Edition – Komm. (Medievalia Nova 7). G¨ottingen 2010, S. 24, 27 f. – Vgl. auch die Lit. unter → Stolle. VZ 304
Hugo von Muhldorf ¨ Geltar. – Obd. Lied- und Sangspruchdichter, Mitte des 13. Jh. G. ist historisch nicht bezeugt; es handelt sich wohl um einen sprechenden Namen (mhd. «geltære» = Schuldner, Gl¨aubiger). Aufgrund der Erw¨ahnung der «Herren von Mergersdorf», dem heutigen nieder¨osterreichischen Merkersdorf (Ernstbrunn im Weinviertel), in Lied I k¨onnte eine Beziehung zu diesem geographischen Raum bestanden haben. Von den neun Strophen in zwei T¨onen in der → Heidelberger Liederhandschrift C stehen sieben Strophen unter «Gedrˆut» auch in der → Heidelberger Liederhandschrift A. Auch die zwei vorausgehenden, anderswo nicht u¨ berlieferten Strophen werden G. zugesprochen, da Gedrˆut als Besitzerin einer Liedersammlung gilt, die wohl nicht selbst als Dichterin t¨atig war. Als «Gegens¨anger» polemisiert G. gegen die sentimentale Fernminne → Wachsmuts von K¨unzingen (Lied Ia); er bietet eine Minnes¨angerschelte (erw¨ahnt werden Alram, Ruprecht und Friedrich), indem er den Sang der «minnewise» als Treubruch gegen¨uber dem Herrn geißelt und u¨ ber die Minnes¨anger spottet, die bei ihrer Klage fett werden (Lied I), und kritisiert aus der Sichtweise der Fahrenden den Minnesang adliger Dilletanten (Lied II). Zu seinem Werk z¨ahlen ferner ein Tanzlied mit Refrain in → Ulrichs von Winterstetten und ein Mutter-Tochter-Gespr¨ach in → Neidharts Stil. ¨ Uberlieferung: Heidelberg, UB, Cpg 848 (Heidelberger Liederhs. C, um 1300, Nachtr¨age erste H¨alfte 14. Jh., alemannisch), 320v–321rb. Die Miniatur (320v), ein stark vergr¨oßerter Ausschnitt aus dem Hirschjagdbild des von → Suonegge, zeigt G. bei der Hetzjagd. Er tr¨agt ein kurzen roten Rock und befindet sich in Begleitung von zwei ¨ Windhunden. Uberschrift: «her Geltar». – Heidelberg, UB, Cpg 357 (Heidelberger Liederhs. A, Perg, 1270–80, niederalemannisch). Ausgaben: HMS 2 (1838) S. 173. – Kraus LD 1 (21978) S. 77–79 (Texte); 2 (21978) S. 76–83 (Komm.). – Karl Bartsch: Dt. Liederdichter des zw¨olften bis vierzehnten Jh. Eine Auswahl. 4. Aufl., besorgt v. Wolfgang Golther. Berlin 1906 (Nachdr. Darmstadt 1966) S. 264–267 (Nr. LXI und LXII). – Hermann Maschek (Hg.): Lyrik des sp¨aten MA (Dt. Lit. Reihe Realistik des Sp¨atMA 6). Leipzig 1939 (Nachdr. Darmstadt 1964) S. 29 f. – Helmut de Boor (Hg.): MA. Texte und Zeugnisse. 2. Teilbd. (Die Dt. Lit. Texte und Zeugnisse. I/2). M¨unchen 1965 (Nachdr. ebd. 2001) S. 1716, 305
Mitte 13. Jh. 1758 f., 1771 f. – Gedichte von den Anf¨angen bis 1300. Nach den Hss. in zeitlicher Folge hg. v. Werner H¨over/Eva Willms (Epochen der dt. Lyrik 1). Mu¨ nchen 1978 (Nachdr. [Dt. Lyrik von den Anf¨angen bis zur Gegenwart 1] ebd. 2001) S. 316 f. – Die Große Heidelberger Liederhs. (Codex Manesse). In getreuem Textabdruck hg. v. Fridrich Pfaff [1909]. 2., verb. und erg. Aufl. bearb. v. Hellmut Salowsky. Heidelberg 1984, Sp. 1030 f. (Nr. lxxxxv). Literatur: HMS 4 (1838) S. 485, 758. – W[ilhelm] Wilmanns, ADB 8 (1878) S. 552. – KLD 2 (21978) S. 76–83. – Volker Mertens, VL2 2 (1980) Sp. 187–189. – Ders.: Gedrut. In: ebd., Sp. 1135. – RSM 4 (1988) S. 2. – De Boor/Newald 3/1 (51997) S. 306 f. – Sandra Linden, Killy2 4 (2009) S. 149. – Anton Wallner: Herren und Spielleute im Heidelberger Liedercodex. In: PBB 33 (1908) S. 483–540, hier S. 514, 527–530. – Edward Schr¨oder: Gedrut. In: ZfdA 58 (1921) S. 95 f., 240. – Hedwig Drescher: Konrad von Kilchberg, von Stammheim und der G., drei Vertreter der h¨ofischen Dorfpoesie. Diss. Breslau 1922. – Konrad Burdach: Reimar der Alte und Walther von der Vogelweide. Halle/ Saale 21928 (Nachdr. Hildesheim/New York 1976) S. 131–133. – Mihail D. Isbasescu: Gedrˆut oder G. In: ZfdPh 65 (1940) S. 172–176. – Kurt Franz: Stud. zur Soziologie des Spruchdichters in Deutschland im sp¨aten 13. Jh. (GAG 111). G¨oppingen 1974, passim. – Joachim Bumke: Ministerialit¨at und Ritterdichtung. Umrisse der Forschung. M¨unchen 1976, S. 50, 94, 98–100 102. – Codex Manesse. Die Miniaturen der Großen Heidelberger Liederhs. Hg. und erl. v. Ingo F. Walther unter Mitarbeit v. Gisela Siebert. Frankfurt/M. 1988 (62001) S. 225 f. (Tf. 110). – Franz-Josef Holznagel: Wege in die Schrift¨ lichkeit. Unters. und Materialien zur Uberl. der mhd. Lyrik (Bibliotheca Germanica 32). T¨ubingen/Basel 1995, Reg. – Gerhard Wolf: Der ‹Gegensang› in seiner Auff¨uhrungssituation. In: Wechselspiele. Kommunikationsformen und Gattungsinterferenzen mhd. Lyrik. Hg. v. Michael Schilling/Peter Strohschneider (GRM-Beih. 13). Heidelberg 1996, S. 153–177. BJ Hugo von Muhldorf ¨ (Kunz von Rosenheim). – Minnes¨anger, 13. Jh. H. werden zwei Strophen zugeschrieben, die fr¨uhestens um 1230 entstanden sein d¨urften, sicher aber vor 1270, da sie in der auf dasselbe Jahr datierten → Heidelberger Liederhandschrift A u¨ berliefert 306
Mitte 13. Jh. sind. Beide Strophen sind im gleichen Ton verfasst, der sich aus vierhebigen Zweiversstollen ohne Auftakt und mit Abgesang zusammensetzt. W¨ahrend die erste Strophe eine an den sp¨aten → Walther von der Vogelweide erinnernde Zeitklage enth¨alt, warnt die zweite Strophe vor ehrenr¨uhrigen Bemerkungen u¨ ber Frauen. Man hat die zweite Strophe inhaltlich dem h¨ofischen Wertekanon zugeordnet. Beide Strophen sind in A noch H. zugeschrieben. Die → Heidelberger Liederhandschrift C ordnet sie dann einem K. v. R. («Chuonze von Rosenheim») zu, die zweite Strophe auch → Heinrich von Veldeke. Gegen diesen als Verfasser sprechen sprachliche Eigenschaften des Texts. Der Name K. v. R. wird in C auch bei sechs anderen Strophen genannt, die von der Hand Es geschrieben wurden. Allerdings erscheinen diese Strophen in A und C auch unter den Namen → Wachsmuts von K¨unzingen, → Ulrichs von Singenberg und Gedruts. Mo¨ glicherweise stellen die K. zugeschriebenen Strophen das Repertoire eines fahrenden Dichters namens K. v. R. dar. H. v. M. w¨are dann als der urspr¨ungliche Verfasser der beiden Strophen anzusehen. ¨ Uberlieferung: A: Heidelberg, UB, cpg 357, 39r (Perg., 1270 bis drittes Viertel 14. Jh., niederalemannisch). – C: Heidelberg, UB, cpg 848, 32r, 394r–394va (Perg., erste H¨alfte 14. Jh.). Ausgaben: HMS 2 (1838) S. 335. – Epochen der deutschen Lyrik 1. Hg. v. Walther Killy/Werner H¨over. M¨unchen 1978 (Nachdr. ebd. 2001) S. 312. – Kraus LD 1 (21978) S. 180 (Nr. 26). – Vgl. auch die Ausg. der Heidelberger Liederhandschrift A und C. Literatur: HMS 4 (1838) S. 643 f. – Kraus LD 2 (21978) S. 240 f. – Volker Mertens, VL2 4 (1983) Sp. 251 f. – De Boor/Newald 3/1 (51997) S. 270, 274. – Heinz Schneider: Spruchdichtung und Spruchdichter in den Hss. J und C. In: ZfdPh 66 (1941) S. 16–36. – Codex Manesse. Die Miniaturen der Großen Heidelberger Liederhs. Hg. und erl. v. Ingo F. Walther unter Mitarbeit v. Gisela Siebert. Frankfurt/M. 1988 (62001) S. 256 f. (Tf. 125). – Margreth Egidi: H¨ofische Liebe. Entw¨urfe der Sangspruchdichtung. Literarische Verfahrensweisen von Reinmar von Zweter bis Frauenlob. Heidelberg 2002, S. 212 f. u. o¨ . MM Konig ¨ Tirol → Band 5. 307
Konig ¨ Tirol Ulrich von Winterstetten («Schenk Volrich von Winterstetten»). – Minnes¨anger, 1241–80 nachgewiesen. U. stammte aus einer schw¨abischen Ministerialenfamilie, die bei Winterstettenstadt im heutigen Kreis Biberach ans¨assig war. Als Schenk des Herzogtums Schwaben gelangte in der ersten H¨alfte des 13. Jh. U.s Großvater Konrad von TanneWinterstetten zu politischem Einfluss. Er war Vormund von K¨onig Heinrich (VII.) und Berater K¨onig Konrads IV. Konrads Schwiegersohn Konrad von Schmalegg erbte nach dem Tod des a¨ lteren Konrads 1243 den Schenkentitel. U. war der vierte Sohn Konrads von Schmalegg und ist ab 1241 nachweisbar. 1258 hatte er ein Kanonikat in Augsburg inne, 1265 eine Pfarrpfr¨unde in Biberach. 1269 erw¨ahnt ihn eine Urkunde → Walthers von Klingen als Zeugen. Zuletzt ist er 1280 bei einem Besitztausch beurkundet. Die → Heidelberger Liederhandschrift C enth¨alt eine Illustration des Grundstockmalers, in der U. einem anderen Mann ein Schriftband u¨ bergibt. Dar¨uber sind ein Helm und ein Wappen dargestellt, dessen schwarzer Doppelhaken mit dem Wappen der Familie v. W. u¨ bereinstimmt. Insgesamt gilt U.s Identit¨at heute als gesichert. Bei einem ebenfalls U. v. W. genannten und 1239 bezeugten Ministerialen des a¨lteren Konrads handelte es sich nicht um den Minnes¨anger. Von U. sind f¨unf Minneleiche und 40 Lieder in 155 Strophen u¨ berliefert. Haupt¨uberlieferungstr¨ager ist C, allerdings sind einzelne Strophen auch anonym an anderen Stellen tradiert. Lied XXXII ist in C außerdem als Werk des → Talers eingetragen. Ein Melodiefragment zu Leich IV ist heute nur noch als neuzeitliche Kopie erhalten, das Original verschollen. Die u¨ berlieferten Texte zeigen U. als Meister der Form mit einem ausgepr¨agtem Rhythmusgef¨uhl. Die Musikalit¨at der Verse dominiert dabei die eher konventionellen Themen und Motive. Dies zeigt sich deutlich in U.s Leichen, die grunds¨atzlich in der dt. Tradition der Gattung stehen, wie sie mit → Heinrich von Rugge, → Otto von Botenlauben, → Rudolf von Rotenburg und → Konrad von W¨urzburg verbunden ist. Weitaus st¨arker als die genannten Dichter teilt U. seine Verse allerdings durch Reime in Rhythmuspartikel von treibender Musikalit¨at (u. a. Schlagreime). Diese strahlt auch auf den Bau der Leiche aus. So bestehen die l¨angeren Leichs III und IV zun¨achst aus traditionellen Natureing¨angen und Minnewerbung, an die sich Aufrufe zu Gesang 308
Ulrich von Winterstetten und Tanz anschließen. Am Ende steht jeweils ein jauchzender Ausruf, wie man ihn in einem Tanzlied erwarten w¨urde. Auch das Melodiefragment zu IV verweist mit Quintsprung, Refrain und Innenrepetition auf die mittelalterliche Tanzmusik. Die textierte Endendifferenz der Leichs III bis V verdeutlicht romanische Einfl¨usse (Estampie). Zu U.s Liedern z¨ahlen f¨unf Tagelieder, zwei Dialoglieder, eine Frauenklage und ein Gespr¨ach zwischen Mutter und Tochter. Die u¨ brigen St¨ucke sind Minnelieder. 27 Lieder sind f¨unfstrophig gebaut, 13 Lieder dreistrophig, was u. a. durch das Fehlen von Natureing¨angen bedingt ist. U.s bevorzugte Bauform ist die Kanzone, die er manchmal stark erweitert, etwa zu einer doppelten Kanzone (Lied XIV). Oft benutzt U. ungleichversige Strophen mit Terzinenstollen oder Vierversstollen; auch bildet er Stollen durch Aufteilung langer Zeilen. Viele der ungleichversigen Strophen a¨hneln in ihrem rhythmischen Reimgebrauch U.s Leichen. Daneben verweisen gleichversige Vierheber auf → Gottfried von Neifen, → Burkhard von Hohenfels und die sog. Schw¨abische Schule. Ein typisches Kennzeichen von U.s Werk sind die h¨aufigen Refrains, die oft gekonnt mit den Strophen interagieren und so u¨ bergreifende Zusammenh¨ange herstellen. Daneben dienen Refrainvariationen der Setzung von Pointen. Wortspielerische, parodistische oder metaphorische Effekte sind U. ebenfalls nicht fremd. Unmittelbarkeit erreicht er durch direkte Ansprache der Zuh¨orer u¨ ber das lyrische Ich. So einfallsreich und musikalisch U. aber sein kann, so sehr gilt er inhaltlich als konventionell. Vieles verdankt er Walther von der Vogelweide, Neidhart, Neifen und Ulrich von Liechtenstein. So enthalten U.s Tagelieder neben dem u¨ blichen Handlungsschema (W¨achterruf, klagende Frau, Treueversprechen des Liebhabers) auch die Figur der warnenden Dienerin, die sich bereits in Tageliedern → Ulrichs von Liechtenstein findet. Individueller sind U.s Dialoglieder, deren teils derbe, parodistische Zu¨ ge sie von den Werken → Walthers, Ulrichs von Liechtenstein oder → Albrechts von Johansdorf abheben. Insgesamt liegen U.s bis heute anerkannten Verdienste nicht in der inhaltlichen Erneuerung des Minnesangs. Bei allen wortspielerischen und parodistischen Qualit¨aten seiner Dichtung erw¨achst die eigentliche Vitalit¨at seiner Texte aus musikalischen Einfl¨ussen, die u. a. aus den h¨ofischen Tanzliedern der Zeit stammen. Auf diese Weise erweiterte U. das Repertoire des hohen 309
Mitte 13. Jh. Sangs in besonderer Weise. Einfl¨usse U.s finden sich dann bei Konrad von W¨urzburg, → Konrad von Landeck, → Steinmar und vielleicht → Heinrich von Sax. ¨ Uberlieferung: Heidelberg, UB, Cpg 848, v 84 –95rb, unter Der Taler: 303r–304rb (Perg., erste H¨alfte 14. Jh., alemannisch). – Zur teilweise verschollenen Streu¨uberl. einzelner Strophen vgl. Ranawake 1999 (s. Lit.). Ausgaben: Die Leiche und Lieder des Schenken U. v. W. Hg. v. Jakob Minor. Wien 1882. – Dt. Liederdichter des zw¨olften bis vierzehnten Jh. Hg. v. Karl Bartsch/Wolfgang Golther. Berlin 41901, Nr. XXXVIII. – Minnesang des 13. Jh. Hg. v. Hugo Kuhn. T¨ubingen 1953, S. 160 (Melodie). – Kraus LD 1 (21978) S. 495–554. – Die sangbaren Melodien zu Dichtungen der Manessischen Liederhs. Hg. v. Ewald Jammers. Wiesbaden 1979, S. 129 (Melodie). – Dt. Tagelieder v. den Anf¨angen der ¨ Uberl. bis zum 15. Jh. Hg. v. Sabine Freund. Heidelberg 1983, S. 233–237. – Martin Selge: Minnesang in Biberach. Zwei Sommerlieder des Min¨ nes¨angers U. v. W. in neuer Ubers. und Vertonung. In: Heimatkundliche Bll. f¨ur den Kreis Biberach 15 (1992) H. 1, S. 34–39. – Minnesang in neuem Klang. Sieben Lieder und ein Leich des Schenken Uolrich v. W. (um 1225–nach 1280) mit einem Anh. zur Vertonung. Hg. v. M. Selge. Ravensburg 1993. – Tagelieder des dt. MA. Mhd./Nhd. Ausgew¨ahlt, u¨ bers. und komm. v. Martina Backes (RUB 8831). Stuttgart 2003 (Nachdr. ebd. 2011) S. 158–161 (Nr. XXI), 269 f. – Burghart Wachinger (Hg.): Dt. Lyrik des sp¨aten MA (BdK 191/BMA 22). Frankfurt/M. 2006, S. 220–237. Literatur: Konrad Burdach, ADB 31 (1890) S. 68–73. – Kraus LD 2 (21978) S. 558–597. – De Boor/Newald 2 (111991) S. 336–339 u. o¨ . – Christoph M¨arz, LexMA 8 (1997) Sp. 1204 f. – Silvia Ranawake, VL2 10 (1999) Sp. 55–61. – Horst Brunner, MGG2 Personenteil 16 (2006) Sp. 1200 f. – Max Schiendorfer, KLL 16 (2009) S. 548–550. – Rachel Raumann, Killy2 11 (2011) S. 682–684. – Cornelia de Jong: Gottfried v. Neifen. Neuausg. seiner Lieder und literarhist. Abh. u¨ ber seine Stellung in der mhd. Lit. Amsterdam [1923], S. 104–125. – K. Burdach: Reinmar der Alte und Walther v. der Vogelweide. Halle/Saale 2 1928, S. 402–408. – Aribert Selge: Stud. u¨ ber U. v. W. Berlin 1929. Nachdr. Nendeln 1967. – Hans Naumann: Die Hohenstaufen als Lyriker und ihre Dichterkreise. In: Dichtung und Volkstum 36 310
Mitte 13. Jh. (1935) S. 21–49, hier S. 28 f. – Gustav Rosenhagen: Die Leiche des Tannh¨auser und des U. v. W. In: ZfdPh 61 (1936) S. 269–274. – Karl Hein¨ rich Bertau: Sangverslyrik. Uber Gestalt und Geschichtlichkeit mhd. Lyrik am Beispiel des Leichs. G¨ottingen 1964, S. 126 u. o¨ . – Hugo Kuhn: Minnesangs Wende. T¨ubingen 21967, S. 91–142 u. o¨ . – G¨unther Bradler: Stud. zur Gesch. der Ministerialit¨at im Allg¨au und in Oberschwaben (G¨oppinger Akad. Beitr. 50). G¨oppingen 1973, S. 434 f., 527 f. – Gerhard A. Vogt: Stud. zur Verseingangsgestaltung in der dt. Lyrik des HochMA (GAG 118). G¨oppingen 1974, passim. – Joachim Bumke: Ministerialit¨at und Ritterdichtung. Umrisse der Forschung. Mu¨ nchen 1976, passim. – S. Ranawake: H¨ofische Strophenkunst. Vgl. Unters. zur Formentypologie von Minnesang und Trouv`erelied an der Wende zum Sp¨atMA (MTU 51). M¨unchen 1976, passim. – Renate Hausner: Spiel mit dem Identischen. Stud. zum Refrain deutschsprachiger lyrischer Dichtungen des 12. und 13. Jh. In: Sprache, Text, Gesch. Beitr. zur Medi¨avistik und germanistischen Sprachwiss. aus dem Kreis der Mitarbeiter 1964–1979 des Inst. f¨ur Germanistik an der Univ. Salzburg. Hg. v. Peter K. Stein (GAG 304). G¨oppingen 1980, S. 281–384. – Olive Sayce: The Medieval German Lyric 1150–1300. The Development of Its Themes and Forms in Their European Context. Oxford 1982, passim. – Gebhard Streicher: Minnesangs Refrain. Die Refrain-Kanzonen des U. v. W. Bau¨ formengrammatik, Auff¨uhrungsstruktur, Uberlieferungsgebrauch (GAG 372). G¨oppingen 1984. – Jutta Goheen: Ma. Liebeslyrik v. Neidhart v. Reuental bis zu Oswald v. Wolkenstein. Eine Stilkritik. Berlin 1984, passim. – Dirk Joschko: Drei Lyriker an der Schwelle des Sp¨atMA. Burkard v. Hohenfels, Gottfried v. Neifen, U. v. W. In: Dt. Lit. des Sp¨atMA. Ergebnisse, Probleme und Perspektiven der Forschung. Hg. v. Wolfgang Spiewok. Greifswald 1986, S. 104–122. – Claudia H¨andl: Rollen und pragmatische Einbindung. Analysen zur Wandlung des Minnesangs nach Walther v. der Vogelweide (GAG 467). G¨oppingen 1987, S. 302–337 u. o¨ . – Codex Manesse. Die Miniaturen der Großen Heidelberger Liederhs. Hg. und erl. v. Ingo F. Walther unter Mitarbeit v. Gisela Siebert. Frankfurt/M. 1988 (62001) S. 72 f. (Tf. 36). – Manfred Eikelmann: Denkformen im Minnesang. Unters. zu Aufbau, Erkenntnisleistung und Anwendungsgesch. konditionaler Strukturmuster des Minnesangs bis um 311
Wartburgkrieg 1300. T¨ubingen 1988, passim. – Sieglinde Hartmann: U. v. W. und die ‹Materie› des Dichtens. Eine Interpretationsstud. zu Lied KLD Nr. XVI. In: ‹Ist zwˆıvel herzen nˆachgebˆur.› FS G¨unther Schweikle. Hg. v. R¨udiger Kr¨uger u. a. Stuttgart 1989, S. 105–126. – Norbert Kruse: Minnesang im Oberland. Schenk U. v. Schmalegg-W. In: Im Oberland 1 (1990) H. 1, S. 10–15; ebd. 2 (1991) H. 1, S. 11–18. – Hermann Apfelb¨ock: Tradition und Gattungsbewußtsein im dt. Leich. Ein Beitr. zur Gattungsgesch. ma. musikalischer ‹discordia›. T¨ubingen 1991, passim. – Barbara Weber: ŒuvreZusammensetzungen bei den Minnes¨angern des 13. Jh. (GAG 609). G¨oppingen 1995, passim. – ¨ Ernst Bremer: Asthetische Konvention und Geschichtserfahrung. Zur hist. Semantik im Minne¨ sang U.s v. W. In: Lied im dt. MA. Uberl., Typen, Gebrauch. Chiemsee-Colloquium 1991. Hg. v. Norbert H. Ott u. a. T¨ubingen 1996, S. 129–145. – Thomas Cramer: ‹Waz hilfet aˆne sinne kunst?› Ly¨ rik im 13. Jh. Stud. zu ihrer Asthetik. Berlin 1998, S. 159–188. – Peter Strohschneider: Tanzen und Singen. Leichs v. U. v. W., Heinrich v. Sax sowie dem Tannh¨auser und die Frage nach dem rituellen Status des Minnesangs. In: Ma. Lyrik. Probleme der Poetik. Hg. v. Thomas Cramer/Ingrid Kasten. Berlin 1999, S. 197–231. – Christina Kreibich: Der mhd. Minneleich. Ein Beitr. zu seiner Inhaltsanalyse. W¨urzburg 2000, S. 64–102. – Harald Haferland: Hohe Minne. Zur Beschreibung der Minnekanzone (ZfdPh Beih. 10). Berlin 2000, S. 312, 339 u. o¨ . – S. Ranawake: ‹h¨ubscher klaffe vil.› Das Werbegespr¨ach U.s v. W. (KLD Nr. 11) und das dt. Dialoglied. In: Dialoge. Sprachliche Kommunikation in und zwischen Texten im dt. MA. Hamburger Colloquium 1999. Hg. v. Nikolaus Henkel u. a. T¨ubingen 2003, S. 175–188. – Corinna Laude: Minnesangs Ohnmacht, Minnesangs Chance. Zur Kunstauffassung U.s v. W. In: GRM NF 53 (2003) H. 1, S. 1–26. – Wachinger 2006 (s. Ausg.) S. 739–745. – Gert H¨ubner: Minnesang im 13. Jh. Eine Einf. T¨ubingen 2008, S. 116–124. – Mathias Herweg: Lieder im Dialog. Metamorphosen einer Neidhartfigur bei Gottfried v. Neifen und U. v. W. In: Euph. 104 (2010) H. 3, S. 267–294. MM Wartburgkrieg (auch: S¨angerkrieg auf der Wartburg). – Gruppe mhd. Streitgedichte, 13. Jh. Als W. wird ein Komplex mhd. S¨angerstreitgedichte in zwei T¨onen bezeichnet, dessen Kerntexte 312
Wartburgkrieg w¨ahrend des 13. Jh. entstanden und sp¨ater Erweiterungen und Nachdichtungen erfuhren. Im Mittelpunkt der W.-Texte steht ein fiktiver, zeitweise auf Leben und Tod gef¨uhrter S¨angerwettstreit am Hof eines Landgrafen von Th¨uringen. Der Wettkampf findet jedoch nur teilweise auf der namensgebenden Wartburg bei Eisenach statt. Die Verfasser der W.-Texte sind ebenso unbekannt wie die genauen Daten und Umst¨ande ihrer Entstehung. Die Gedichte selbst sind u. a. in der → Heidelberger Liederhandschrift C, der → Jenaer Liederhandschrift J und der → Kolmarer Liederhandschrift k erhalten. Die dem W. zugerechneten Gedichte sind zun¨achst durch ihre To¨ ne abgegrenzt. Die beiden W.-T¨one stehen in der baulichen Tradition der Sangspruchdichtung. Der als a¨lter geltende Schwarze Ton entstand wahrscheinlich im zweiten Viertel des 13. Jh. und ist durch zehnzeilige Kanzonenstrophen mit drei Stollen charakterisiert. Er wird in J → Wolfram von Eschenbach und in k Klingsor zugeschrieben, weshalb er ab dem 15. Jh. auch als Klingsors Schwarzer Ton u¨ berliefert wurde. Außerhalb des W.-Komplexes wurde er auch im Lohengrin und Lorengel verwendet. Der j¨ungere Th¨uringer-F¨ursten-Ton wird meist auf die zweite H¨alfte des 13. Jh datiert. In J und k Heinrich von Ofterdingen zugeschrieben, ist er auch als F¨urstenton Heinrichs von Ofterdingen bekannt, manchmal auch als Gekaufter Ton. Sein Strophenbau ist zwar wie beim Schwarzen Ton im Kanzonenstil gestaltet, jedoch sechzehnzeilig mit Stegwiederholung. Die Stollenmelodie wird am Strophenende jeweils in ver¨anderter Form wieder aufgegriffen. Als zweites typisches Merkmal der W.-Gedichte ist ihr Figurenensemble zu nennen, das aus historischen und fiktiven Gestalten besteht: → Walther von der Vogelweide, Wolfram von Eschenbach, → Reinmar von Zweter, → Biterolf und der → Tugendhafte Schreiber, der urkundlich nicht nachweisbare Heinrich von Ofterdingen sowie der fiktive Zauberer Klingsor, der dem Clinschor im Parzival nachempfunden ist. Hinzu kommen der weitgehend stumm bleibende Landgraf und seine Frau, außerdem Geister. Zum a¨ltesten Kern des W.-Komplexes k¨onnen f¨unf Texte gez¨ahlt werden: F¨urstenlob (FL), R¨atselspiel (RS), Zabulons Buch (ZB), Totenfeier (TF) und Aurons Pfennig (AP). Sie sind in zwei Fragmenten aus dem 13. Jh., vor allem aber in u¨ ber zehn Handschriften des 14. und 15. Jh. u¨ berliefert. Von besonderer Bedeutung sind darunter die großen Lieder313
Mitte 13. Jh. handschriften C, J und k, die neben dem Kernbestand auch weitere Dichtungen in den W.-T¨onen aufweisen. C enth¨alt 43 Strophen im Th¨uringerF¨ursten-Ton und 48 Strophen im Schwarzen Ton. Eine Illustration im Kodex zeigt die im Wettstreit begriffenen S¨anger vor dem Landgrafen und seiner Gattin. J tradiert neben 26 Strophen im Th¨uringerF¨ursten-Ton und 104 Strophen im Schwarzen Ton auch Melodien. Aufgrund von Textverlusten sind manche Strophen in J jedoch unvollst¨andig. Beson¨ ders umfangreich ist die W.-Uberlieferung in k mit 116 Strophen im Th¨uringer-F¨ursten-Ton und 220 Strophen im Schwarzen Ton sowie dazugeh¨origen Melodien. Zuschreibung, Gestalt und Anordnung der Haupttexte differieren je nach Handschrift. In C stehen FL, RS und ZB unmittelbar hintereinander in einem szenischen Zusammenhang, der durch Beischriften verst¨arkt und unter der Autorsigle Klingsors von Ungarn zusammengefasst wird. In J sind FL und RS zusammen gruppiert, werden aber zugleich durch angegliederte Texte erweitert (AP, TF, Sprechen ohne Meinen, An Zeitgenossen). J nennt als angebliche Tondichter vor FL Heinrich von Ofterdingen und vor RS Wolfram. Die szenische Verbindung der Kerntexte fehlt in dieser Handschrift, mehr noch aber in k. Darin sind die a¨lteren Texte redigiert und teilweise ohne Zusammenhang aufgeteilt enthalten. Die ab dem ¨ 14. Jh. entstandenen Texte der j¨ungeren W.-Uberlieferung sind dann in ihren Figuren und WettstreitSituationen nur noch in schw¨acherem Maße dem Kernbestand verpflichtet. Der a¨ lteste Kerntext im W. d¨urfte das im Schwarzen Ton geschriebene RS sein (RSM 1 Wartb/2/1 f.). Seine fr¨uhesten Teile entstanden wahrscheinlich vor 1239 und ohne Bezug zum FL. Inhalt ist ein Wettstreit zwischen dem gelehrten Zauberer Klingsor und Wolfram, der hier als gelehrter Laie dargestellt wird. Wolfram muss von Klingsor gestellte, allegorische R¨atsel l¨osen. Zu deren altem Bestand geh¨oren das R¨atsel vom schlafenden Kind, das R¨atsel von den verlockten Schafen, das R¨atsel von den K¨onigst¨ochtern, das Vierer-R¨atsel (Quater) und eine Szene, in der der Teufel Nasion Wolfram befragt und durch dessen Glauben besiegt wird. Weitere Szenen im RS besch¨aftigen sich u. a. mit der Natur Luzifers, Salomons Thron und Brandans Pfeifer. Insgesamt gilt das RS als disparater Strophenkomplex mit zahlrei¨ chen Anderungen und Erweiterungen des Kernbestands, etwa durch Hinzuf¨ugung von Figuren oder 314
Mitte 13. Jh. zus¨atzliche Angaben u¨ ber Klingsor und Wolfram. So umfasst das RS in C 43 Strophen, in J hingegen 67 Strophen. 32 Strophen des RS bilden den Anfang des Lohengrin. Wie RS ist auch AP (RSM 1 Wartb/2/3) im Schwarzen Ton verfasst. Die vielleicht im zweiten und dritten Viertel des 13. Jh. entstandene Dichtung thematisiert einen Disput zwischen Weltgeistlichen und Bettelm¨onchen um Geb¨uhren f¨ur das Spenden von Sakramenten. AP ist in J und k jeweils mit 17 Strophen u¨ berliefert, außerdem in leider verst¨ummelten Fragmenten. Als n¨achster Text des Kernbestands entstand das im Th¨uringer-F¨ursten-Ton gedichtete FL (RSM 1 Wartb/1/1). Es wird auf die Zeit zwischen 1250 und 1289 datiert und ist in C, J, k und Fragmenten meist mit rund 23 bis 25 Strophen u¨ berliefert. Die erste Strophe enth¨alt den Tonnamen. Inhaltlich steht der bekannteste Wettstreit des W.-Komplexes im Mittelpunkt: Mit einem lobenden Hinweis auf ¨ den F¨ursten von Osterreich fordert Heinrich von Ofterdingen seine S¨angerkollegen zu einem Wettkampf auf Leben und Tod heraus. Vor den Augen des Landgrafen treten daraufhin Walther, Wolfram, Reinmar, Biterolf und der Tugendhafte Schreiber gegen Heinrich an, indem sie insbesondere den Landgrafen preisen. Heinrich unterliegt schließlich Walther, erkennt seine Niederlage aber nicht an und fordert die Hinzuziehung Klingsors, was ihm auf F¨ursprache der Landgr¨afin gew¨ahrt wird. Das FL ist nicht immer ohne logische Br¨uche, was auf eine Erweiterung der urspr¨unglichen Strophen um j¨ungere Zus¨atze hindeutet, etwa in den BiterolfStrophen. Ebenfalls im Th¨uringer-F¨ursten-Ton ist ZB (RSM 1Wartb/1/2) verfasst, das wohl in den letzten Jahrzehnten des 13. Jh. entstand und sp¨ater erweitert wurde. C u¨ berliefert ZB unvollst¨andig in 18 Strophen, k in 48 Strophen und mit dem Titel «oberkrieg» sowie einem sekund¨aren Eingangsdialog. In ZB liefern sich Wolfram und Klingsor vor dem Landgrafen einen zun¨achst kosmologische Themen behandelnden Gesangswettstreit, der im Hauptteil die Geschichte des Astronomen Zabulon zum Gegenstand hat. Dieser sieht die Geburt Jesu voraus, der die Juden verjagen werde. Auf Bitten seiner j¨udischen Mutter ersinnt Zabulon magische Vorkehrungen, um die Geburt zu verhindern. So schließt er ein Zauberbuch in ein Standbild ein, wo es sp¨ater allerdings von einem R¨omer entdeckt wird. Die Geschichte um ZB ist mit vielen sagenhaften Ereignissen gef¨ullt, mit exotischen Reisen, Fabeltieren und fantastischen Gestalten. Der 315
Wartburgkrieg Zwergenk¨onig Laurin erscheint in ZB ebenso wie Dietrich von Bern und der Magnetberg. ZB ist trotz der dem FL a¨ hnlichen Wettstreit-Situation und dem teilweise identischen Personal insgesamt epischer, weitschweifiger und assoziativer angelegt als der a¨ltere Text. Im Schwarzen Ton ist die TF (RSM 1Wartb/2/4) mit vier Strophen in C und f¨unfzehn Strophen in J u¨ berliefert. Darin erz¨ahlt der Tugendhafte Schreiber eine Traumvision, in der er am Grab des Landgrafen weilt. Maria entsendet dorthin mehrere Jungfrauen, die u¨ ber das Schicksal der Seele des Landgrafen disputieren. Die Jungfrauen verk¨orpern u. a. Barmherzigkeit, Gerechtigkeit, Treue und Ehre. Diese eigentliche Vision wird durch einen Wettstreit des Tugendhaften Schreibers mit einem zweiten S¨anger (Biterolf?) erg¨anzt, m¨oglicherweise eine sp¨atere Erg¨anzung, wie textliche Unstimmigkeiten nahelegen. Weitere, meist j¨ungere Texte aus dem W.-Komplex finden sich besonders in k und u¨ berwiegend im Schwarzen Ton. Beispiele sind Der Meister Lob (RSM 1Wartb/2/504), eine R¨atselserie (RSM 1Wartb/2/507), Der Stubenkrieg (RSM 1 Wartb/2/509), Der sonrat (RSM 1Wartb/2/510), Hort von der Astronomie (RSM 1Wartb/2/502) und Der helle Krieg (RSM 1Wartb/2/501). Der W. und vor allem die Ereignisse im FL wurden von der ma. Historiographie in Th¨uringen als authentisch aufgefasst. So erscheint der W. im anonymen Leben der heiligen Elisabeth, in der Ludwigsvita des Friedrich K¨odiz und in der Chronica Reinhardsbrunnensis – also wohl auch in der verlorenen Vita Ludovici – und bei Johannes → Rothe. Dietrich von Apolda verlegte die Ereignisse um den W. gar auf dem Vorabend von Elisabeths Geburt. Als Quellen dienten jeweils die Dichtungen, aber keine a¨ lteren historischen Darstellungen. Die Meisters¨anger orientierten sich tiefgreifend am W. und seinem Wettstreit-Gedanken, an dem sie ihr eigenes Selbstverst¨andnis ausrichteten. Der Einfluss des W.Komplexes l¨asst sich noch bei Cyriacus Spangenberg und Johann Christoph Wagenseil feststellen. Sp¨ater wurde der W. von Novalis (Heinrich von Ofterdingen), E. T. A. Hoffmann und Richard Wagner (Tannh¨auser) aufgegriffen. Auch wenn der W. heute seinen fr¨uher nahezu mythischen Stellenwert verloren hat, bleibt er durch seine F¨ulle an Texten ¨ und Stoffen sowie die verwickelte Uberlieferung ein wichtiger Gegenstand der Forschung. ¨ ¨ Uberlieferung: Umfangreiche Uberl. besonders der beiden T¨one. Wichtige Hss. mit dem 316
Wartburgkrieg Kernbestand: C: Heidelberg, UB, Cpg 848, 219v–226ra (Perg., erste H¨alfte 14. Jh., alemannisch). – J: Jena, ULB, Ms. El. f. 101, 123vb–136vb (Perg., um 1330/40, mitteldt./nd., dazu Fragm. Dillingen, Studienbibl., XV Fragm. 19, 1 Bl.). – k: M¨unchen, BSB, Cgm 4997, 680r–705v, 756r–775r (Pap., um 1460, rheinfr¨ankisch). – Zu den weiteren, auch j¨ungeren Hss. vgl. RSM, Wachinger 1973 (s. Lit.) S. 492–538 und Wachinger 1999 (s. Lit.). Ausgaben: Karl Simrock. Stuttgart u. a. (Hg.): Der W. 1858. Online-Ausg. BSB Mu¨ nchen [o. J.] (bis heute umfassendste Ausg.). – Paul Runge (Hg.): Die Sangesweisen der Colmarer Hs. und die Liederhs. Donaueschingen. Leipzig 1896 (Nachdr. Hildesheim 1965) S. 159, 165 f. (Melodien). – Tom Albert Rompelman (Hg.): Der W. Amsterdam 1939. – John Vincent Tillman (Hg.): An Edition of ‹Hort von der Astronomy› from the Colmar Manuscript (cgm 4997) with an Introduction on the History of the mhg. W. Diss. Chicago 1941. – Johannes Siebert: Virgils Fahrt zum Agetstein. In: PBB (Halle) 74 (1952) S. 193–225. – Ders.: Wolframs und Klingsors Stubenkrieg zu Eisenach. In: PBB (Halle) 75 (1953) S. 365–390. – Friedrich Mess (Hg.): Heinrich von Ofterdingen. W. und verwandte Dichtungen. Weimar 1963, S. 199–216 (problematisch). – Ronald Jack Taylor (Hg.): The Art of the Minnesinger. Songs of the 13th Century. 2 Bde. Cardiff 1968, Bd. 1, S. 25–27, 151 f.; Bd. 2, S. 38–42, 236–238 (Melodien). – Thomas Cramer: Lohengrin. Edition und Unters. M¨unchen 1971, S. 189–204. – G¨unther Schweikle (Hg.): Parodie und Polemik in mhd. Dichtung. 123 Texte von K¨urenberg bis Frauenlob samt dem W. nach der Großen Heidelberger Liederhs. C. Stuttgart 1986, S. 105–142. – Stephan Mu¨ ller: ‹ioculatores Domini›. Bettelm¨onche und Spruchdichter in der W.-Episode ‹Aurons Pfennig›. Mit dem Text des K¨onigsberger Rotulus und der Kolmarer Liederhs. In: Geltung der Literatur. Formen ihrer Autorisierung und Legitimierung im MA. Hg. v. Beate Kellner u. a. Berlin 2005, S. 63–90. – Burghart Wa¨ chinger: Uberlegungen zu einer Neuausg. des W.s. Mit Editionsproben zum R¨atselstreit. In: PBB 133 (2011) S. 57–99. – Weitere Ausg. in RSM 5 (1991) S. 492. Vgl. auch die Ausg. der Heidelberger Liederhandschrft C, der Jenaer Liederhandschrift J und der Kolmarer Liederhandschrift k. ¨ Literatur: Altere Lit. bei Wachinger 1999. – Vgl. auch die Lit. zu den im Text genannten Liederhss. – Ehrismann 2.2.2 (1935) S. 75. – RSM 317
Mitte 13. Jh. 5 (1991) S. 492–538; 1 (1994) S. 75, 185, 214, 223 u. o¨ .; 2/1 (2009) S. 31, 108. – De Boor/Newald 3/1 (51997) S. 358–362 u. o¨ . – Horst Brunner, LexMA 8 (1997) Sp. 2056 f. – B. Wachinger, VL2 10 (1999) Sp. 740–766; 11 (2004) Sp. 1644. – Erdmuthe Schlottke, KLL3 17 (2009) S. 234–236. – Franziska Wenzel/Holger Runow, Killy2 12 (2011) S. 149–152. – Hugo Baumgarten: Der sog. W. Hoya 1931. – Walter Fischer: Textkritisches zu einer Ausg. des W. In: PBB 64 (1940) S. 49–82. – F. Mess: W. und Sachsenspiegel. In: Zs. der SavignyStiftung f¨ur Rechtsgesch., germanistische Abt. 74 (1957) S. 241–255. – Willy Krogmann: Stud. zum W. In: ZfdPh 80 (1961) S. 62–83. – Hedda Ragotzky: Stud. zur Wolfram-Rezeption. Die Entstehung und Verwandlung der Wolfram-Rolle in der dt. Lit. des 13. Jh. Stuttgart u. a. 1970, passim. – Leopold Peeters: Brandanprobleme. In: Leuvense Bijdragen 59 (1970) S. 3–27. – B. Wachinger: S¨angerkrieg. Unters. zur Spruchdichtung des 13. Jh. (MTU 42). M¨unchen 1973. – Herbert Wolf: ¨ Zum W. Uberlieferungsverh¨ altnisse, Inhalts- und Gestaltungswandel der Dichtersage. In: FS Walter Schlesinger. Bd. 1. Hg. v. Helmut Beumann. K¨oln/Wien 1973, S. 513–530. – Horst Brunner: ¨ Die alten Meister. Stud. zu Uberl. und Rezeption der mhd. Sangspruchdichter im Sp¨atMA und in der fr¨uhen Neuzeit (MTU 54). M¨unchen 1975, passim. – Hans Bayer: Meister Klingsor und Heinrich von Ofterdingen. Die Zeitkritik der W.-Dichtung und ihre literarischen bzw. geistesgeschichtlichen Quellen. In: Mlat. Jb. 17 (1982) S. 157–192. – Christoph Gerhardt: Schwierige Lesarten im Buch der Natur. Zum W., Str. 157. Mit einem Exkurs. In: All Gesch¨opf ist Zung’ und Mund. Beitr. aus dem Grenzbereich von Naturkunde und Theologie. Hamburg 1984, S 123–154. – H. Brunner/ Johannes Rettelbach: Der Ursprung des Maystergesangs. In: ZfdA 14 (1985) S. 221–240. – ¨ Hans Thurn: Uberlieferungsgeschichtliches zu den W¨urzburg/M¨unchener Neidhart- und W.-Fragm. In: ZfdA 117 (1988) S. 233–235. – Hannes K¨astner: Der zweifelnde Abt und die Mirabilia Descripta. Buchwissen, Erfahrung und Inspiration in den Reiseversionen der Brandan-Legende. In: Reisen und Reiselit. im MA und in der Fr¨uhen Neuzeit. Hg. v. Dieter Neukirch u. a. Amsterdam 1992, S. 389–416. – Tomas Tomasek: Zur Sinnsinstruktur des ‹F¨urstenlobs› im W. In: PBB 115 (1993) S. 421–442. – J. Rettelbach: Variation – Derivation – Imitation. Unters. zu den To¨ nen der Sangspruchdichter und Meistersinger (Fr¨uhe Neuzeit 318
Mitte 13. Jh. 14). T¨ubingen 1993, passim. – T. Tomasek: Das dt. R¨atsel im MA. T¨ubingen 1994, S. 220–252. – Klaus Klein/Helmut Lomnitzer: Ein wiederaufgefundenes Bl. aus dem W., Tl. der Jenaer Liederhs. In: PBB 117 (1995) S. 381–403. – B. Kellner/Pe¨ ter Strohschneider: Die Geltung des Sanges. Uberlegungen zum W. C. In: Neue Wege der MAPhilologie. Landshuter Kolloquium 1996. Hg. v. J. Heinzle. Berlin 1998, S. 143–167. – Bertram Lesser: Das ‹F¨urstenlob› des W. als Zeugnis literarischen M¨azenatentums der Landgrafen von Th¨uringen und der Grafen von Henneberg. In: 1125 Jahre Schmalkalden. Bearb. v. Dieter Eckardt. Schmalkalden 1999, S. 122–137. – P. Strohschneider: Textualit¨at der ma. Lit. Eine Problemskizze am Beispiel des W. In: MA. Neue Wege durch einen alten Kontinent. Hg. v. Jan-Dirk M¨uller/Horst Wenzel. Stuttgart 1999, S. 19–41. – Reinhard Hahn: ‹ein engel gap dem wˆısen man ein buoch›. Anm. zur Brandanlegende im W. In: Neue Forschungen zur mhd. Sangspruchdichtung. Hg. v. H. Brunner/ Helmut Tervooren. Berlin 2000, S. 112–129. – P. Strohschneider: Der Oberkrieg. Fallskizze zu einigen institutionellen Aspekten h¨ofischen Singens. In: Text und Kultur. MA Lit. 1150–1450. Hg. v. Ursula Peters. Stuttgart 2001, S. 482–505. – Stephan M¨uller: ‹Der tufel sach sin jamer an›. Die schmerzliche Selbsterkenntnis eines Teufels in der Episode ‹Aurons Pfennig› im mhd. Wartburgkrieg. In: Das Eigene und das Ganze. Zum Individuellen im ma. Religiosentum. Hg. v. Gert Melville/Markus Sch¨urer. M¨unster/Westf. 2002, S. 159–176. – B. Wachinger: Der S¨angerstreit auf der Wartburg. Von der Manesseschen Hs. bis zu Moritz von Schwind. Berlin/New York 2004. – B. Kellner/P. Strohschneider: Wartburgkriege. Eine Projektbeschreibung. In: Dt. Texte des MA zwischen Handschriftenn¨ahe und Rekonstruktion. Berliner Fachtagung 1.–3. April 2004 (Editio Beih. 23). Hg. v. Martin J. Schubert. T¨ubingen 2005, S. 173–202. – F. Wenzel: Textkoher¨anz und Erz¨ahlprinzip. Beobachtungen zu narrativen Sangspr¨uchen an einem Beispiel aus dem W.-Komplex. In: ZfdPh 124 (2005) ¨ S. 321–340. – Dies.: Textidentit¨at und Uberliefe¨ rungsvarianz. Uberlegungen am Beispiel von W.Gedichten. In: Texttyp und Textproduktion in der dt. Lit. des MA. Hg. v. Elizabeth A. Andersen. Berlin/New York 2005, S. 347–370. – Dies.: R¨atsel, ‹Stubenkrieg› und ‹Sonrat›. Geltungsk¨ampfe nach dem Klingsor-Wolfram-Streit in der Kolmarer Liederhs. In: Geltung der Literatur. Formen ihrer Autorisierung und Legitimierung im MA. Hg. v. B. 319
Walther von Gachnang Kellner u. a. Berlin 2005, S. 91–110. – Wilfried Warsitzka: Der S¨angerkrieg auf der Wartburg. In: Anno Domini. Zs. f¨ur ma. Kulturgesch. 10 (2005) S. 50–62. – B. Kellner/P. Strohschneider: Poetik des Krieges. Eine Skizze zum W.-Komplex. In: Das ¨ fremde Sch¨one. Dimensionen des Asthetischen in der Lit. des MA. Hg. v. Manuel Braun/Christopher Young. Berlin/New York 2007, S.335–356. – H. Runow: W.? Klingsors Schwarzer Ton in der Kolmarer Liederhs. In: GRM 57 (2007) S. 151–168. – B. Lesser: Von Hennenberg der Hochgeborn. Literarische und hist. Hintergr¨unde der HennebergInterpolation im W. In: Jb. des HennebergischFr¨ankischen Geschichtsver. 22 (2007) S. 61–82. – Freimut L¨oser: S¨angerkrieg und Dichterstreit im MA. In: Theorien der Lit. Grundlagen und Perspektiven 4. Hg. v. Hans Vilmar Geppert/Hubert Zapf. T¨ubingen 2009, S. 81–116. – Sonja W¨urtemberger: ‹Im Text-Turnier wurde keiner meiner Gegner alt›. S¨angerstreit in Sangspruch und Sprechgesang. Diss. Stuttgart 2009. MM Walther von Gachnang. – Dichter ohne u¨ berliefertes Werk, Minnes¨anger, 13. Jh. Die Zimmerische Chronik (1565/66) berichtet von einer verlorenen Konstanzer Liederhandschrift (Liederhandschrift X, um 1340) und gibt in den Chronikzus¨atzen deren Autorenverzeichnis wieder. W.s Name erscheint in einer Reihe von vier adligen Minnes¨angern (neben W. sind genannt: → Ulrich von Baumburg [«der von Pawenberg»], → der von Suonegge [«von Sonneck»] und → Konrad von Landeck [«Schenk von Landeck»]). Auch wenn von W. keine Lieder u¨ berkommen sind, darf er aufgrund dieses Kontextes zu den Minnes¨angern gez¨ahlt werden. Insgesamt f¨uhrt das Verzeichnis acht Dichter ohne bekanntes Werk. ¨ Uberlieferung: Zimmerische Chron.: Stuttgart, LB, Cod. Donaueschingen 580a/b (2 Bde.) hier Bd. 2 (b) S. 1488. Literatur: Frieder Schanze, VL2 10 (1999) Sp. 641 f. – HMS 4 (1838) S. 883. – Karl August Barack (Hg.): Zimmerische Chron. Bd. 2. Freiburg i. Br./Tu¨ bingen 21881, S. 193 f. – Elise Walter: Verluste auf dem Gebiet der mhd. Lyrik (Tu¨ binger germanistische Arbeiten 17). Stuttgart 1933, S. 70. – F. Schanze: Zur Liederhs. X. In: Dt. Hss. 1100–1400. Oxforder Kolloquium 1985. Hg. v. Volker Honemann/Nigel F. Palmer. Tu¨ bingen 1988, S. 316–329, hier S. 317, 320, 326. – Horst Brunner: Dich320
Gast ter ohne Werk. Zu einer u¨ berlieferungsbedingten Grenze ma. Literaturgesch. (Mit einem Textanhang: Die Dichterkat. des Konrad Nachtigall, des ¨ Valentin Voigt und des Hans Folz). In: Uberlieferungsgeschichtliche Editionen und Stud. zur dt. Lit. des MA. FS Kurt Ruh (TTG 31). Hg. v. Konrad Kunze u. a. Tu¨ bingen 1989, S. 1–31, hier S. 13 (wieder in: Ders.: Ann¨aherungen. Stud. zur dt. Lit. des MA und der Fr¨uhen Neuzeit [Phil.Stud.u.Qu. 210]. Berlin 2008, S. 291–303, hier S. 302). VZ Wild von Veldkurch. ¨ – Dichter ohne u¨ berliefertes Werk, 13. Jh. Die Zimmerische Chronik (1565/66) berichtet von einer verlorenen Konstanzer Liederhandschrift (Liederhandschrift X, um 1340) und gibt in den Chronikzus¨atzen deren Autorenverzeichnis wieder, wo W. genannt wird. Weder gibt es u¨ ber ihn weitere Kenntnisse noch u¨ berlieferte Dichtungen. W.s Name erscheint zusammen mit weiteren Dichtern ohne bekannte oder sicher zuweisbare Werke ¨ (→ Johannes M¨utinger [«Mu¨ etinger»], «Ottinger», → Ellentreich, → Rupherman [«Rupft-de-mann»] ¨ und Haine → Zolki; mit «Ottinger» ist vermut¨ lich nicht → Konrad Ottinger gemeint.) Es d¨urfte sich bei allen diesen um Verfasser kleinliterarischer Texte handeln, wom¨oglich von Reimpaardichtungen. ¨ Uberlieferung: Zimmerische Chron.: Stuttgart, LB, Cod. Donaueschingen 580a/b (2 Bde.) hier Bd. 2 (b) S. 1488. Literatur: Frieder Schanze, VL2 10 (1999) Sp. 641 f. – HMS 4 (1838) S. 883. – Karl August Barack (Hg.): Zimmerische Chron. Bd. 2. Freiburg i. Br./Tu¨ bingen 21881, S. 193 f. – Elise Walter: Verluste auf dem Gebiet der mhd. Lyrik (T¨ubinger germanistische Arbeiten 17). Stuttgart 1933, S. 70. – F. Schanze: Zur Liederhs. X. In: Dt. Hss. 1100–1400. Oxforder Kolloquium 1985. Hg. v. Volker Honemann/Nigel F. Palmer. Tu¨ bingen 1988, S. 316–329, hier S. 317, 320, 326. – Horst Brunner: Dichter ohne Werk. Zu einer u¨ berlieferungsbedingten Grenze ma. Literaturgesch. (Mit einem Textanhang: Die Dichterkat. des Konrad Nachtigall, des ¨ Valentin Voigt und des Hans Folz). In: Uberlieferungsgeschichtliche Editionen und Stud. zur dt. Lit. des MA. FS Kurt Ruh (TTG 31). Hg. v. Konrad Kunze u. a. Tu¨ bingen 1989, S. 1–31, hier S. 13 (wieder in: Ders.: Ann¨aherungen. Stud. zur dt. Lit. 321
Mitte 13. Jh. des MA und der Fr¨uhen Neuzeit [Phil.Stud.u.Qu. 210]. Berlin 2008, S. 291–303, hier S. 302). VZ Zolki, Haine. Es ist nichts u¨ ber den Schweizer (?) Z. bekannt, außer dass er «ain grosser Dolki» laut dem Autorenregister der verlorenen Liederhandschrift X gewesen sei, das durch die Zimmerische Chronik erhalten geblieben ist. Das sp¨ottische «Dolki» bedeutet wahrscheinlich ‹Tolpatsch›, es ist aber unklar, ob diese Erw¨ahnung aus dem Kontext eines Spottge¨ dichts stammt. Genauso unsicher ist die Ubereinstimmung mit einem gewissen Reinhard Zol, der in einem Lied von Hans → Folz nach «Romar von Zwetel» (→ Rember von Bibersee?) genannt wird (vgl. Brunner 2008, S. 302.). Literatur: HMS 4 (1838) S. 883. – Frieder Schanze, VL2 10 (1999) Sp. 1580. – Zimmerische Chron. Bd. 2. Hg. v. Karl August Barack. T¨ubingen 21882, S. 193 f. – Elise Walter: Verluste auf dem Gebiet der mhd. Lyrik (T¨ubinger germanistische Arbeiten 17). Stuttgart u. a. 1933, S. 70. – F. Schanze: Zur Liederhs. X. In: Dt. Hss. 1100–1400. Oxforder Kolloquium. Hg. v. Volker Honemann/Nigel F. Palmer. T¨ubingen 1985, S. 316–329. – Horst Brunner: Dichter ohne Werk. Zu einer u¨ berlieferungsbedingten Grenze ma. Literaturgesch. (Mit einem Textanhang: Die Dichterkat. des Konrad Nachtigall, des Valentin Voigt ¨ und des Hans Folz). In: Uberlieferungsgeschichtliche Editionen und Stud. zur dt. Lit. des MA. FS Kurt Ruh (TTG 31). Hg. v. Konrad Kunze u. a. T¨ubingen 1989, S. 1–31 (wieder in: H. Brunner: Ann¨aherungen. Stud. zur dt. Lit. des MA und der Fr¨uhen Neuzeit [Phil.Stud.u.Qu. 210]. Berlin 2008, S. 291–303). FA Mariengruße ¨ → Band 1, Sp. 733–735. Vita beatae virginis Mariae et Salvatoris rhythmica → Band 1, Sp. 741–745. Gast. – Sangspruchdichter, Mitte oder zweite H¨alfte 13. Jh. Unter G.s Namen u¨ berliefert die → Heidelberger Liederhandschrift C ein zweistrophiges Fragenpriamel in eigenem Ton. Verl¨assliche Aussagen zum Namen des S¨angers, zu seiner Herkunft und zur Datierung der Strophen sind nicht m¨oglich. Der Name («Fremdling») ist ein nicht untypischer Name f¨ur einen fahrenden S¨anger. Fr¨uhere 322
Mitte 13. Jh. Versuche, G. eine schweizerische Abkunft zu attestieren, entbehren einer validen Grundlage, so dass man sich mit dem unpr¨azisen Attribut «obd.» wird begn¨ugen m¨ussen. Als «Kunz Gast» und unabh¨angig von seinem Ton erscheint G. in den verwandten Namenskatalogen verstorbener T¨oneerfinder und Dichter des Konrad → Nachtigall und Hans → Folz und im auf Nachtigall beruhenden Katalog des Valentin Voigt aus der Mitte des 16. Jh. Das Priamel behandelt in der Form eines Fragekatalogs die Pflichten der unterschiedlichen St¨ande, angefangen beim Kaiser. Anaphorisch beginnen die meisten Verse mit «was sol». Die Pointe, wonach ein ungerechter K¨onig unn¨utz sei, k¨onnte auf einen bestimmten Herrscher gem¨unzt sein. Zu denken w¨are an Friedrich II. oder Heinrich (VII.); vielleicht ist aber auch noch Rudolf von Habsburg gemeint. Ob der Sangspruch origin¨ar zweistrophig konzipiert oder die zweite Strophe als sp¨aterer Zusatz zu bewerten ist (und also nicht von G. verfasst wurde), muss offen bleiben. Die erste Strophe wird auch unabh¨angig von der zweiten u¨ berliefert und ist allein stehend sinnvoll (vgl. Baldzuhn [s. Lit.] S. 401; anders: VL2 2 [1980] Sp. 1103, RSM 4 [1988]). Ferner k¨onnten intertextuelle Beziehungen zu → Reinmar von Zweter bestehen. Der Aufbau der G.-Strophen zeigt Reminiszenzen an Reinmar, w¨ahrend dessen Lied 102 mit dem dort erw¨ahnten «her gast» auf G. abzielen k¨onnte (RSM: 1 ReiZw/1/102). Der Ton G.s ist metrisch mit Ton 3 des → Unverzagten verwandt (1Unv/3). In C findet er auch im → Boppe-Corpus Verwendung (1Bop/7/1–4). In der → Kolmarer Liederhandschrift (k) wir der Ton als «Goldener Ton» → Wolframs von Eschenbach bezeichnet (1Wolfr/2). Unter diesem Namen war er (wenn auch zunehmend umgeformt) unter den Meisters¨angern verbreitet und wurde bis ins 17. Jh. verwandt. Durch die Umformungen wurde der Ton im Schema identisch mit Ps. → Frauenlobs «Ritterweise» (wiederum identisch mit Ps. → Regenbogens «Blauem Ton» [1Frau/23, 1Regb/8]). Die Zuweisung von G.s Ton an Wolfram k¨onnte dadurch motiviert sein, dass neben den Boppe-Strophen der einzige weitere Text in diesem Ton aus vorreformatorischer Zeit, das Meisterlied → K¨onig Artus’ Horn, u. a. von einer Parzival-Handschrift u¨ berliefert wird (Hamburg, SUB, Cod. germ. 6; 1Wolfr/2/2). Die Bezeichnung 323
Gast «Golden» verdankt sich vielleicht dem Gold-BleiMotiv der Zusatzstrophen von k. ¨ Uberlieferung: Heidelberg, UB, Cpg 848 (C) 358ra (Perg., um 1300, alemannisch) ohne Miniatur. Die Namensangabe steht in kleinerer Schrift am linken oberen Blattrand. Die Stropheninitiale sind nicht ausgef¨uhrt. – Leipzig, UB, Rep. II. 70a (→ Niederrheinische Liederhs. [n]) 95r (Perg., um 1400, niederrheinisch) nur Str. 1. – Z¨urich, ZB, ¨ Cod. C 31, 229v (Pap., 1446, obd.) Uberschrift: e ein Jud»; die Zuwei«diß haut gemacht susßkind sung an → S¨ußkind (von Trimberg) ist vermutlich abh¨angig von C, wo S¨ußkinds Spr¨uche direkt voranstehen. – M¨unchen, BSB, Cgm 4997 (k) 730ra-va ¨ (Pap., um 1460, rheinfr¨ankisch) Uberschrift: «In wolframs guldin tone von eschelbach». Str. 1, erweitert um zwei j¨ungere Zusatzstr. zum Dreierbar. Es folgt K¨onig Artus’ Horn. – Zur Melodie¨uberl. vgl. RSM 2,1 (2009) S. 319. Ausgaben: HMS 2 (1838) S. 269. – Karl Bartsch (Hg.): Die Schweizer Minnes¨anger (Bibl. a¨ lterer Schriftwerke der dt. Schweiz 6). Frauenfeld 1886 (Nachdr. Darmstadt 1964) S. CI f., 161 f., 438 (Nr. XVI). – Ulrich M¨uller (Hg.): Politische Lyrik des dt. MA. Bd. 1 (GAG 68). G¨oppingen 1972, S. 54, 228. – Werner H¨over/Eva Kiepe: Gedichte von den Anf¨angen bis 1300. Nach den Hss. in zeitlicher Folge (Epochen der dt. Lyrik 1). M¨unchen 1978 (Nachdr. 2001 u. d. T.: Dt. Lyrik v. den Anf¨angen ¨ bis zur Gegenwart 1) S. 391 (mit Ubers.). – G¨unther Schmeisky: Die Lyrik-Hss. m (Berlin, MS. germ. qu. 795) und n (Leipzig, Rep. II fol. 70a). Zur ¨ mittel- und nd. Sangverslyrik-Uberl. Abb., Transkription, Beschreibung (GAG 243). G¨oppingen 1978, S. [177] (nur Str. 1). – Die Schweizer Minnes¨anger. Nach der Ausg. v. K. Bartsch neu bearb. und hg. von Max Schiendorfer. Bd. 1: Texte. T¨ubingen 1990, S. 298 f. – Dreierbar von k: K. Bartsch: Meisterlieder der Kolmarer Hs. (Bibl. des Litterarischen Ver. in Stuttgart 68). Stuttgart 1862, Nr. 154. – Melodieausgabe: Paul Runge: Die Sangesweisen der Colmarer Hs. und die Liederhs. Donaueschingen. Leipzig 1896 (Nachdr. Hildesheim 1965) Nr. 107. – Ronald J. Taylor: The Art of the Minnesinger. Songs of the thirteenth century. Cardiff 1968, Bd. 1, S. 23; Bd. 2, S. 32 f. – Schiendorfer (s. o.) S. 395. – Horst Brunner/KarlG¨unther Hartmann: Spruchsang. Die Melodien der Sangspruchdichter des 12. bis 15. Jh. (Monumenta monodica medii aevi 6). Kassel 2010, S. 121 f. Literatur: Gisela Kornrumpf, VL2 2 (1980) Sp. 1102–1104. – RSM 4 (1988) S. 1; 2,1 (2009) 324
Der von Suonegge S. 68, 319. – H. Brunner, MGG Personenteil 7 (2002) Sp. 593 f. – HMS 4 (1838) S. 538 f. – Gustav Roethe: Die Gedichte Reinmars v. Zweter. Leipzig 1887 (Nachdr. Amsterdam 1967) S. 246–248, 463 f. – Albrecht Schlageter: Unters. u¨ ber die liedhaften Zusammenh¨ange in der nachwaltherschen Spruchlyrik. Diss. Freiburg i. Br. 1953, S. 183–190. – U. M¨uller: Unters. zur politischen Lyrik des dt. MA (GAG 55/56). G¨oppingen 1974, S. 109 f., 300 Anm. 2. – H. Brunner: Die alten ¨ Meister. Stud. zur Uberl. und Rezeption der mhd. Sangspruchdichter (MTU 54). M¨unchen 1975, Reg. – Joachim Bumke: Ministerialit¨at und Ritterdichtung. Umrisse der Forschung (Edition Beck 12). Mu¨ nchen 1976, Reg. – H. Brunner: Dichter ohne Werk. Zu einer u¨ berlieferungsbedingten Grenze ma. Literaturgesch. (Mit einem Textanhang: Die Dichterkat. des Konrad Nachtigall, des ¨ Valentin Voigt und des Hans Folz). In: Uberlieferungsgeschichtliche Editionen und Stud. zur dt. Lit. des MA. FS Kurt Ruh (TTG 31). Hg. v. Konrad Kunze u. a. T¨ubingen 1989, S. 1–31 (wieder in: H. Brunner: Ann¨aherungen. Stud. zur dt. Lit. des MA und der Fr¨uhen Neuzeit [Phil.Stud.u.Qu. 210]. Berlin 2008, S. 291–303, hier bes. S. 297). – Johannes Rettelbach: Variation – Derivation – Imitation. Unters. zu den To¨ nen der Sangspruchdichter und Meistersinger (Fr¨uhe Neuzeit 14). T¨ubingen 1993, Reg. – Heidrun Alex: Der ¨ Spruchdichter Boppe. Edition – Ubersetzung – Komm. (Hermaea NF 82). T¨ubingen 1998, Reg. – M. Schiendorfer: Ein Fremdling namens G. In: ZfdPh 119 (2000) Sonderh. S. 183–196. – Michael Baldzuhn: Vom Sangspruch zum Meisterlied. Unters. zu einem literarischen Traditionszusammenhang auf der Grundlage der Kolmarer Liederhs. (MTU 120). T¨ubingen 2002, S. 397–401. VZ Der von Suonegge (auch S[o]uneck[e], Sonneck). – Minnes¨anger, 13. Jh. Das Werk des v. S. ist in der → Heidelberger Liederhandschrift C u¨ berliefert. Auch die Erw¨ahnung eines «von Sonneck» in der Zimmerischen Chronik d¨urfte sich auf den Dichter beziehen. Allerdings ist er in beiden Werken jeweils ohne Titel oder Vornamen genannt, weshalb d. v. S. bis heute nicht sicher zu identifizieren ist. Meist wird er den Freiherren von Sanneck zugerechnet, die seit 1129/30 nachweisbar sind und deren Stammsitz in der N¨ahe des fr¨uher untersteirischen, heute slowenischen Fraßlau gelegen ist. M¨oglicherweise 325
Mitte 13. Jh. handelte es sich bei dem Dichter um Konrad I. v. S., der zwischen 1220 und 1241 belegt ist. Er wird im Frauendienst des → Ulrich von Liechtenstein erw¨ahnt, dessen Dichtung sein Werk auch a¨ hnelt. Die Verwendung eines erst ab dem Ende des 13. Jh. nachgewiesenen Reims im Werk k¨onnte auf einen von Konrads S¨ohnen als Autor hinweisen, also etwa Gebhard III. (1255–91 belegt), Konrad II. (1255–62 belegt), Leopold II. (1255–78 belegt) oder Ulrich I. (1255–1314 belegt). Auf Burg Sonnegg beim k¨arntnerischen Eberndorf war um 1300 auch ein Ministerialengeschlecht von Suneck ans¨assig, als dessen Angeh¨orige von 1296 bis 1306 ein Heinrich und 1310 ein Hermann belegt sind. Burgen mit a¨ hnlichen Namen konnten bis heute keine namentlich bekannten Adeligen zugeordnet werden, die als Autor in Frage k¨amen. Ebenfalls historisch wenig aufschlussreich ist die Illustration zum Werk des v. S. in C. Darin ist unter einem Wappen und einem Helm ein berittener Herr dargestellt, der mit einem Helfer zur Treibjagd bl¨ast, w¨ahrend vor ihm die Jagdhunde einen Hirsch reißen. Das in C unter dem Namen des v. S. u¨ berlieferte Korpus besteht aus drei Minneliedern (I–III), von denen zwei mit einem Sommer-Natureingang beginnen. Die Tradition der hohen Minne ist in den Liedern zur Formelhaftigkeit und Wiederholung von Motiven erstarrt. Dies wird nur durch religi¨ose Metaphern aufgelockert (Vergleich der Geliebten mit Engel). Die Lieder sind in ihrer Sprache besonders an → Walther von der Vogelweide, → Gottfried von Neifen, Ulrich von Liechtenstein und → Heinrich von Morungen angelehnt. In ihrer Form erinnern besonders die Lieder I (vierhebige Siebenzeiler) und II (ungleichversiger Ton) an Gottfried und Ulrich. Das individuellere Lied III weist siebenzeilige Strophen mit Refrain, Reimresponsionen, durchg¨angigen Auftaktversen und weiblichen Kadenzen auf. Die Forschung hat dem v. S. wegen dieser verfeinerten Formkunst eine gewisse Virtuosit¨at attestiert, seine Verse aber auch als anspruchslos abgetan. Tats¨achlich beherrschte der Dichter sicher die bereits entwickelten Formen und Formeln, blieb aber gerade deswegen ohne eigenes Profil. ¨ Uberlieferung: Heidelberg, UB, cpg 848, 202v–203rb (Perg., erste H¨alfte 14. Jh., alemannisch). Ausgaben: HMS 1 (1838) S. 348 f.; 3 (1838) S. 644, 831. – Die poetischen Erz¨ahlungen des Herrand von Wildonie und die kleinen inner¨osterr. 326
Mitte 13. Jh. Minnesinger. Hg. v. Karl Kummer. Wien 1880, S. 179–181, 215–217. – Der Minnesang des 12. bis 14. Jh. Bd. 1. Hg. v. Fridrich Pfaff. Stuttgart 1892, S. 200 f. – Dt. Liederdichter des zw¨olften bis vierzehnten Jh. Hg. v. Karl Bartsch/Wolfgang Golther. Berlin 41901, Nr. LIX (Teilausg.). – Kraus LD 1 (21978) S. 426. – Die steirischen Minnes¨anger. Edi¨ tion, Ubers., Komm. Hg. v. Wernfried Hofmeister (GAG 472). G¨oppingen 1987, S. 129–149. – Nemski viteski liriki s Slovenskih tal. Dt. Minnesang in Slowenien: D. v. S. Der von Obernburg. Der von Schapfenberg. Hg. v. Anton Janko/Nikolaus Henkel. Ljubljana 1997. – Vgl. auch die Ausg. der Heidelberger Liederhandschrift C. Literatur: Konrad Burdach, ADB 37 (1894) S. 157. – Kraus LD 2 (21978) S. 516–519. – Manfred Eikelmann, VL2 9 (1995) Sp. 542–544. – De Boor/ Newald 3/1 (51997) S. 270, 531. – Joachim Bumke: Ministerialit¨at und Ritterdichtung. Umrisse der Forschung. Mu¨ nchen 1976, S. 56, 107. – Olive Sayce: The Medieval German Lyric 1150–1300. The Development of Its Themes and Forms in Their European Context. Oxford 1982, S. 7, 294 u. o¨ . – Codex Manesse. Die Miniaturen der Großen Heidelberger Liederhs. Hg. und erl. v. Ingo F. Walther unter Mitarbeit v. Gisela Siebert. Frankfurt/M. 1988 (62001) S. 138 f. (Tf. 67). – Frieder Schanze: Zur Liederhs. X. In: Dt. Hss. 1100–1400. Oxforder Kolloquium 1985. Hg. v. Volker Honemann/Nigel F. Palmer. T¨ubingen 1988, S. 316–329. – Janko/ Henkel 1997 (s. Ausg.). MM Der Hardegger. – Sangspruchdichter, zweites Viertel 13. Jh. Der H. k¨onnte mit dem als «Heinricus de Hardegge» bezeugten Vertreter des Schweizer Ministerialengeschlechts der Hardegger zu identifizieren ¨ sein, das im Dienst der Abte von St. Gallen stand. Dieser Heinrich ist von 1227 (hier neben dem St. Galler Truchsessen → Ulrich von Singenberg) bis 1275 nachgewiesen. Mit dem Ministerialenstand korreliert das Fehlen der «gernden»-Thematik der fahrenden S¨anger im Œuvre H.s. Zur St. Galler Provenienz passt zum einen, dass eine WeltschelteStrophe (RSM: 1Hardg1/8) Ulrich von Singenberg zitiert (dessen Lied 30, S. 135 bei Schiendorfer [s. Ausg.]), und zum anderen die N¨ahe zum St. Galler Ministerialen von → Wengen. Diese ist gekennzeichnet durch die wechselnde Zuschreibungen von Strophen an die jeweiligen Dichter 327
Der Hardegger in den Textzeugen einerseits und andererseits dadurch, dass beide in → Stolles «Alment» gedichtet haben. Ferner sind die zwei datierbaren Strophen im Œuvre H.s (1Hardg1/9 und 10 [1235/37 und vor 1250]), die beide f¨ur die Staufer Partei ergreifen, zeitlich stimmig. Damit w¨urde der H. zu der unmittelbar auf → Walther von der Vogelweide folgenden Sangspruchdichter-Generation angeh¨oren, der auch Bruder → Wernher, → Reinmar von Zweter und der → Marner zuzurechnen sind. Die → Heidelberger Liederhandschrift C u¨ berliefert unter H.s Namen 15 Strophen in vier T¨onen. H. k¨onnte der erste bekannte Dichter gewesen sein, der u¨ berwiegend – wenn nicht gar ausschließlich – in fremden T¨onen gedichtet hat. Dies ist eine Vorwegnahme der ab dem 14. Jh. gebr¨auchlichen Tonentlehnung und k¨onnte zudem ein weiterer Hinweis darauf sein, dass es sich beim H. nicht um einen Berufss¨anger sondern um einen adligen Dilettanten gehandelt haben k¨onnte. Lediglich Ton 2 kann nicht mit einem anderen Dichter in Verbindung gebracht werden. Die anderen von H. verwandten T¨one sind mit Sicherheit von andern Dichtern erfunden worden (Ton 1 = «Alment» [1Stol], Ton 4 = «Hofweise» → Walthers von der Vogelweide [WaltV/7]) oder zumindest ist dies anzunehmen, denn Ton 3 scheint mit dem nur fragmentarisch u¨ berkommenen Ton 3 des etwas j¨ungeren von Wengen (1Weng/3) formidentisch sein. Zw¨olf Spr¨uche sind in der «Alment» verfasst und machen somit bei Weitem das Gros der ¨ Uberlieferung aus. Auf die anderen drei T¨one f¨allt jeweils nur eine Strophe. Die Mehrzahl der Strophen widmet sich religi¨osen Themen und/oder der Moraldidaxe (Tugendadel, St¨andekatalog). Neben zwei Strophen, die in der Walther-Tradition die Frau Welt schelten, findet sich auch eine Verteidigung der Welt (1Hard/3/1), die sp¨ater von → Friedrich von Sonnenburg aufgegriffen werden sollte (1FriSo/1/1–5). 1Hardg/1/12 ist eine R¨atselstrophe um das Leben als Reise zum Tod. Literarhistorisch am interessantesten ist der theologische Disput um die S¨undenvergeltung in der «Alment». Dieser Streit mehrerer Dichter beginnt mit einem Spruch des H. in C (1Hard/1/6), in dem sich H. offensichtlich gegen eine zu lasche kirchliche Bußpraxis ausspricht und umfassende Vergeltung («gelten gar») einfordert. Die → Jenaer Liederhandschrift J bietet im Stolle-Corpus diesen Spruch zusammen mit einer polemischen Gegenstrophe (1Stol/6), die den «Hartecker» w¨ortlich nennt aber 328
Graf Heinrich von Anhalt wahrscheinlich nicht von Stolle verfasst wurde. Die → Kolmarer Liederhandschrift (k) u¨ berliefert das Strophenpaar erweitert zum Dreierbar (1Stol/511). Auch die k-Zusatzstrophe widerspricht dem H. und nennt ihn namentlich («Harderkere»). ¨ Uberlieferung: Heidelberg, UB, Cpg 848 (C) 290r–291va (Perg., um 1300, alemannisch). Die Str. 1 Hardg/1/2 wird im von Wengen-Corpus auf 300va wiederholt; die Spr¨uche in den T¨onen 2 und 4 (1Hardg/2/1 und 4/1) sind Nachtr¨age. Die Miniatur (mit Wappen und Helm) zeigt H. im Gespr¨ach mit einem h¨ofischen Paar. – Jena, ULB, Ms. El. f. 101 (J) 2rb-va (nur Abgesang von 1Hardg/1/2), 3ra, 4va, 6va (Perg., um 1330, mitteldt. mit nd. Einschlag) im Stolle-Corpus. – M¨unchen, BSB, Cgm 4997 (k) 706rb-va, 710rb, 712ra (Pap., um 1460, rheinfr¨ankisch). Ausgaben: HMS 2 (1838) S. 134–137. – Karl Bartsch: Meisterlieder der Kolmarer Hs. (Bibl. des Litterarischen Ver. in Stuttgart 68). Stuttgart 1862, Nr. 138, 141 (nur 1Hardg/1/1c und 6c). – Kleinere Spruchdichter des dreizehnten Jh. Der H. – H¨ollefeuer – Der Litschauer – Singauf – Der Unverzagte. Hg., u¨ bers. und komm. v. Esther Collmann Weiß (ZfdA Beih. 5). Stuttgart 2005, S. 23–81. – Zapf (s. Lit.) S. 81, 83 f., 90, 110–114, 125, 155 (alle Str. in der Alment). – Zu weiteren Auswahlausg. und Ausg. einzelner Strophen s. RSM 4 (1988) S. 20–23; hinzu kommt: Die Schweizer Minnes¨anger. Nach der Ausg. v. K. Bartsch neu bearb. und hg. v. Max Schiendorfer. Bd. 1: Texte. Tu¨ bingen 1990, S. 269 (1Hardg/1/2). Literatur: Wilhelm Wilmanns, ADB 10 (1879) S. 558. – Gisela Kornrumpf, VL2 3 (1981) Sp. 465 f. – RSM 4 (1988) S. 20–23; 2,1 (2009) S. 81, 269 f., 292. – Horst Brunner, MGG2 Personenteil 8 (2002) Sp. 688. – Christoph Huber, Killy2 5 (2009) S. 2. – HMS 4 (1838) S. 445–447. – Gustav Roethe: Die Gedichte Reinmars v. Zweter. Leipzig 1887 (Nachdr. Amsterdam 1967). – Fritz Grimme: Beitr. zur Gesch. der a¨ lteren Minnes¨anger 3. In: Germania 33 (1888) S. 47–57, hier S. 55 f. – Ders.: Die Schweizer Minnes¨anger. In: ebd. 35 (1890) S. 302–339, hier S. 310. – Wolfgang Seydel: Meister Stolle nach der Jenaer Hs. Diss. Leipzig 1892, S. 58 f. – Anton Wallner: Herren und Spielleute im Heidelberger Liedercodex. In: PBB 33 (1908) S. 483–540, hier S. 494 f., 500, 523. – Fritz Loewenthal: Stud. zum germ. R¨atsel (Germanistische Arbeiten 1). Heidelberg 1914, S. 69–71, 147. – Hans 329
Mitte 13. Jh. Naumann: Der H. In: Beitr. zur Geistes- und Kulturgesch. der Oberrheinlande. FS Franz Schultz. Hg. v. Hermann Gumbel (Schr. des wissenschaftlichen Inst. der Elsaß-Lothringer im Reich an der Univ. Frankfurt NF 18). Frankfurt/M. 1938, S. 1–11. – Helmut Tervooren: Einzelstrophe oder Strophenbindung? Unters. zur Lyrik der Jenaer Hs. Diss. Bonn 1967, S. 125 f., 130, 134. – Burghart Wachinger: S¨angerkrieg. Unters. zur Spruchdichtung des 13. Jh. (MTU 42). Mu¨ nchen 1973, Reg. – Ulrich M¨uller: Unters. zur politischen Lyrik des dt. MA (GAG 55/56). G¨oppingen 1974, S. 103. – Joachim Bumke: Ministerialit¨at und Ritterdichtung. Umrisse der Forschung (Edition Beck 12). M¨unchen 1976, Reg. – Volker Mertens: Rezension Wachinger, S¨angerkrieg. In: AfdA 87 (1976) S. 12–18, hier S. 15 f. – G. Kornrumpf/B. Wachinger: Alment. Formentlehnung und T¨onegebrauch in der mhd. Spruchdichtung. In: Dt. Lit. im MA. Kontakte und Perspektiven. Hugo Kuhn zum Gedenken. Stuttgart 1979, S. 356–411, hier S. 396, 398–400. – Codex Manesse. Die Miniaturen der Großen Heidelberger Liederhs. Hg. und erl. v. Ingo F. Walther unter Mitarbeit v. Gisela Siebert. Frankfurt/M. 1988 (62001) S. 194 f. (Tf. 95). – Michael Baldzuhn: Vom Sangspruch zum Meisterlied. Unters. zu einem literarischen Traditionszusammenhang auf der Grundlage der Kolmarer Liederhs. (MTU 120). T¨ubingen 2002, S. 387–392. – Collmann-Weiß (s. Ausg.). – Volker Zapf: Stolle und die Alment. Einf. – Edition – Komm. (Medievalia Nova 7). G¨ottingen 2010, S. 50–54, 255–267 und Reg. VZ Graf Heinrich von Anhalt (Heinrich I. Graf von Askanien und F¨urst von Anhalt), * um 1170, † 1251/52. – Minnes¨anger. H. hat mit zwei Liedern und insgesamt f¨unf Strophen als einer der adligen Dilettanten Aufnahme in die → Heidelberger Liederhandschrift C gefunden. Die Strophen werden in gleicher Reihung auch von der → Heidelberger Liederhandschrift A u¨ berliefert. Obwohl sowohl A als auch C den Minnes¨anger als Herzog von Anhalt titulieren, ist H. mit großer Wahrscheinlichkeit mit Heinrich I. Graf von Askanien und F¨urst von Anhalt zu identifizieren, dem Onkel Markgrafs → Heinrich III. von Meißen (der falsche Herzogtitel erscheint auch in einer Urkunde von 1219). Bei den ostdt. F¨ursten (vgl. neben Markgraf Heinrich auch → Otto IV. von Brandenburg und → Heinrich von Breslau) 330
Mitte 13. Jh. war das Aus¨uben der h¨ofischen Dichtkunst offensichtlich Teil der feudal-sozialen Repr¨asentation. H. ist urkundlich und chronikalisch gut bezeugt. Der Sohn Bernhards I. von Anhalt u¨ bernahm 1212 die Regierung der Grafschaft Anhalt, w¨ahrend sein Bruder Albrecht I. dem Herzogtum Sachsen vorstand. Ab 1217 war H. Parteig¨anger Friedrichs II. und stand von 1219–21 unter kirchlichem Bann nach einem gewaltsamen Konflikt mit Abt Gernot von Nienburg (Saale). H. nahm von 1219–35 an zahlreichen Reichstagen teil und weilte 1238 beim Kaiser in Brescia. 1245 zog er sich zugunsten seines Sohnes Heinrich II. von den Amtsgesch¨aften zur¨uck. Das erste der beiden u¨ berlieferten Lieder ist ein dreistrophiges Winterlied mit Natureingang, das mit seinen gleichm¨aßigen durchgereimten Viertakt-Daktylen formal → Rudolf von Fenis nahesteht. Die Erw¨ahnung des Landes «wol al umbe den Rˆın» d¨urfte eine Anspielung auf den «rheinischen Minnesang» sein. Lied 2 ist ein Frauenpreis in Kanzonenstrophen und hat nicht nur formal sondern auch inhaltlich romanische Bez¨uge. So wird mit dem «wint» der von des «herzen kuneginne» herweht ein bei Bernart von Ventadorn entlehntes Motiv verwandt. Damit korrespondieren ungew¨ohnliche Fremdw¨orter («dormieren», «schantieren»). Ein derartiges h¨ofisches Kauderwelsch ist Ziel des Spottes im dritten Leich des → Tannh¨auser und wird im Helmbrecht → Wernhers des Gartenaere parodiert (vgl. Helmbrechts erste R¨uckkehr zum v¨aterlichen Hof, V. 717–794). Bei einem weiteren romanischen Lehnwort im f¨unften Vers der zweiten Strophe: «m¨uest ich bˆı der wolgetanen libiu kint pronieren [?]», bestehen Verst¨andnisprobleme. Zudem ist umstritten, ob hier eine Textverderbnis vorliegt (A/C bieten allerdings den gleichen Wortlaut), da die m¨ogliche Bedeutung der Passage – Kinderzeugung als Ziel der Minnebegegnung – zumindest ungew¨ohnlich w¨are. ¨ Uberlieferung: Heidelberg, UB, Cpg 357 (A) ¨ 35v–36r (Perg, 1270–80, niederalemannisch). Uberschrift: «DER HERZOGE VON ANEHALTEN». – Ebd., Cpg 848 (C) 17r-va (Perg., um 1300, alemannisch). Die Miniatur zeigt H. im Buhurt mit dem askanischen Wappen auf dem Waffenrock, das mit der Darstellung in der Z¨urcher Wappenrolle (1335/45) weitgehend u¨ bereinstimmt. Bild¨uberschrift: «Der Herzoge von Anhalt». Ausgaben: HMS 1 (1938) S. 14 f. – Dt. Liederdichter des zw¨olften bis vierzehnten Jh. Hg. v. 331
Hawart K. Bartsch. 4. Aufl. besorgt v. Wolfgang Golther. Berlin 1900, Nr. 27. – Ostdt. Minnesang. Ausw. ¨ und Ubertragung v. Margarete Lang. Melodien hg. v. Walter Salmen (Schr. des Kopernikus-Kreises 3). Lindau u. a. 1958, S. 22 f. – Hugo Kuhn/Georg Reichert: Minnesang des 13. Jh. Tu¨ bingen 21962, S. 6. – Kraus LD (21978) S. 20 f. Literatur: Otto v. Heinemann, ADB 11 (1880) S. 449 f. – Volker Mertens, VL2 3 (1981) Sp. 685–687. – Winfried Hofmann: Die Minnefeinde in der dt. Liebesdichtung des 12. und 13. Jh. Eine begriffsgeschichtliche und sozialliterarische Unters. Diss. W¨urzburg 1974. – Joachim Bumke: Ministerialit¨at und Ritterdichtung. Umrisse der Forschung (Edition Beck 12). M¨unchen 1976, S. 103 Anm. 282, Reg. – KLD 2 (21978) S. 17–20. – J. Bumke: M¨azene im MA. Die G¨onner und Auftraggeber der h¨ofischen Lit. in Deutschland, 1150–1300. M¨unchen 1979, Reg. – Codex Manesse. Die Miniaturen der Großen Heidelberger Liederhs. Hg. und erl. v. Ingo F. Walther unter Mitarbeit v. Gisela Siebert. Frankfurt/M. 1988 (62001) S. 16 f. (Tf. 8). – Detlef Goller: Landesgr¨under, Graf und Minnes¨anger: H. v. A. In: ‹Dˆo tagte ez›. Dt. Lit. des MA in Sachsen-Anhalt. Hg. v. Andrea Seidel/Hans-Joachim Solms. Halle 2003, S. 77–87. – Uwe Meves (Hg.): Regesten dt. Minnes¨anger des 12. und 13. Jh. Berlin/New York 2005, S. 385–429. VZ ¨ – Hawart (wahrscheinlich: Johann Hawart d. A.). Straßburger Stadtadliger, Liederdichter. Von H. sind in den beiden → Heidelberger Liederhandschriften (A und C) vier Lieder u¨ berliefert – jeweils 17 Strophen in gleicher Reihenfolge und mit weitgehend gleichem Wortlaut. Lied I beklagt die «verkˆerten» Christen, den Verlust des Hl. Landes und die Wirrnis im Reich; es enth¨alt auch eine Anspielung auf das Interregnum (1254–73). Lied II ruft zum Pal¨astina-Kreuzzug (1267, vgl. Bleck) und zur Befreiung des Hl. Grabes auf. Lied III bietet einen anmutigen Dialog zwischen Ritter und Dame u¨ ber die «minne» in der Nachfolge → Walthers von der Vogelweide. Die sechs Strophen schließen jeweils mit refrainartigen Versen. In Lied IV, in dem das Schema des Tagelieds umgekehrt ist, beklagt ein S¨anger seine einsame Nacht. ¨ Uberlieferung: Heidelberg, UB, Cpg 357 (→ Heidelberger Liederhs. A), 33v–34v (Perg., 1270–80, niederalemannisch). – Ebd., Cpg 848 332
Wachsmut von Muhlhausen ¨ (→ Heidelberger Liederhs. C), 313v–314r (Perg., um 1300, Nachtr¨age erste H¨alfte 14. Jh., alemannisch). Die Miniatur (313r) zeigt einen B¨arenk¨ampf. H., mit gesch¨urztem Rock, hat dem Tier den Jagdspieß durch Brust und Schulter gerannt. Der B¨arenkopf erscheint auch auf dem goldenen Wappen und der ¨ Helmzier. Uberschrift: «Her Hawart». Ausgaben: HMS 2 (1838) S. 162–164 (Text); 4 (1838) 476 f. (Komm.). – Kraus LD 1 (21978) S. 143–147 (Text); 2 (21978) S. 175–177 (Komm.). – Helmut de Boor (Hg.): MA. Texte und Zeugnisse. 1. Teilbd. (Die Dt. Lit. Texte und Zeugnisse. I/1). Mu¨ nchen 1965 (Nachdr. ebd. 2001) S. 644 f.; 2. Teilbd. (Die Dt. Lit. Texte und Zeugnisse. I/2). Mu¨ nchen 1965 (Nachdr. ebd. 2001) S. 1032–1034, 1616 f. – Ulrich M¨uller (Hg.): Politische Lyrik des dt. MA. Bd. 1 (GAG 68). G¨oppingen 1972, 56 f., 228. – Gedichte von den Anf¨angen bis 1300. Nach den Hss. in zeitlicher Folge hg. v. Werner H¨over/Eva Willms (Epochen der dt. Lyrik 1). Mu¨ nchen 1978 (Nachdr. [Dt. Lyrik von den Anf¨angen bis zur Gegenwart 1] ebd. 2001) S. 383 f. – Die Große Heidelberger Liederhs. (Codex Manesse). In getreuem Textabdruck hg. v. Fridrich Pfaff [1909]. 2., verb. und erg. Aufl. bearb. v. Hellmut Salowsky. Heidelberg 1984, Sp. 1010–1014 (Nr. lxxxx). Literatur: [Wilhelm] Wilmanns, ADB 11 (1880) S. 119. – Ehrismann 2.2.2 (1935) S. 282. – Ulrich M¨uller, VL2 3 (1981) Sp. 559–561. – RSM 4 (1988) S. 39. – Christoph Huber, Killy2 5 (2009) S. 98 f. – Wilhelm Wisser: Das Verh¨altnis der Minneliederhss. B und C zu ihrer gemeinschaftlichen Quelle. Eutin 1889, S. 34. – Friedrich Grimme: Die Anordnung der großen Heidelberger Liederhs. In: Neue Heidelberger Jbb. 4 (1884) S. 69. – Ders.: Gesch. der Minnesinger. Bd. 1: Die rheinisch-schw¨abischen Minnesinger. Urkundliche Beitr. zur Gesch. des Minnegesangs im s¨udwestlichen Deutschland. Paderborn 1897, S. 69–75. – Anton Wallner: Herren und Spielleute im Heidelberger Liedercodex. In: PBB 33 (1908) S. 483–540. – Eugen Thurnher: Wort und Wesen in S¨udtirol. Die dt. Dichtung S¨udtirols im MA. Innsbruck 1947, S. 103 f. – Norbert Richard Wolf: Tageliedvariationen im sp¨aten provenzalischen und dt. Minnesang. In: ZfdPh 87 (1968) Sonderh., S. 185–194, hier S. 190 f. – Ulrich M¨uller: Unters. zur politischen Lyrik des dt. MA (GAG 55/56). G¨oppingen 1974, Reg. – Reinhard Bleck: Versuch 333
Mitte 13. Jh. einer Datierung und Lokalisierung von H.s Kreuzzugsliedern. In: Philologische Unters. FS Elfriede Stutz. Hg. v. Alfred Ebenbauer (Philologica Germanica 7). Wien 1984, S. 79–89 (Bibliogr.). – Ders.: Ein oberrheinischer Pal¨astina-Kreuzzug. In: Basler Zs. f¨ur Gesch. und Altertumskunde 87 (1987) S. 5–27. – Codex Manesse. Die Miniaturen der Großen Heidelberger Liederhs. Hg. und erl. v. Ingo F. Walther unter Mitarbeit v. Gisela Siebert. Frankfurt/M. 1988 (62001) S. 214 f. (Tf. 105). – Franz-Josef Holznagel: Wege in die Schriftlichkeit. ¨ Unters. und Materialien zur Uberl. der mhd. Lyrik (Bibliotheca Germanica 32). T¨ubingen/Basel 1995, Reg. BJ Wachsmut von Muhlhausen ¨ (von Mu¨ lnhausen). – Minnes¨anger, erste H¨alfte/Mitte 13. Jh. (?). Die Herkunft von W. ist unklar und M¨uhlhausen ein weit verbreiteter Ortsname. Sollten mitteldt. ¨ Dialektmerkmale im obd. Uberlieferungstr¨ ager sicher nachweisbar sein (vgl. Bartsch/Golther [s. Lit.]), so w¨are an das th¨uringische Mu¨ hlhausen zu denken. Zudem weisen inhaltlich-stilistische Merkmale und einige Motiv¨ubereinstimmungen mit anderen Dichtern auf den ostdt. Minnesang. Auch f¨ur die Datierung der u¨ berlieferten Strophen gibt es keine sicheren Hinweise. Mit dem K¨onig aus «tschampanige» in Ton II k¨onnte (nach Ranawake [s. Lit.]) der Trouv`ere Graf Thibaut IV. von Champagne († 1253) gemeint sein. In den Totenklagen des → Marner und bei → Reinmar von Brennenberg wird ein «Wahsmuot/Wachsmut» angef¨uhrt (jeweils vor bzw. nach → Rubin; RSM: 1 Marn/6/17 und 1ReiBr/13). In der Regel wird dieser als → Wachsmut von K¨unzingen identifiziert. Sollte jedoch W. v. M. gemeint sein, so m¨usste er wegen anderer genannter und besser bezeugter Dichter vor 1260 gestorben sein. Die f¨unf u¨ berlieferten Lieder mit je eigenem Ton und insgesamt elf Stollenstrophen sind jeweils zweistrophig. Lediglich Ton V weist drei Strophen auf und auch seine Stollenform ist nicht eindeutig. Es handelt sich bei den Liedern u¨ berwiegend um Minnekanzonen mit Sch¨onheits- oder Frauenpreis ohne Natureingang (den lediglich Lied V aufweist). Lied II ist eine Kombination von Wechsel und Dialog. Kennzeichnend f¨ur W.s Minnesang sind weder h¨ofische Konvention noch Entbehrungsklage, sondern vielmehr Erf¨ullungswunsch und sinnliche Leidenschaft. Die Lieder sind gepr¨agt von einer dezidiert freudig-unbek¨ummerten Grundstimmung. 334
Mitte 13. Jh. Stilistisch ragt insbesonders die s¨akularisierte Trinit¨atstopik in Lied V heraus (u. a. dreifache Anaphern an den drei Strophenanf¨angen). ¨ Uberlieferung: Heidelberg, UB, Cpg 848 (→ Heidelberger Liederhs. C) 183v–184rb (Perg., um 1300, alemannisch). Die Miniatur (reitende Minnedame mit einem Pfeil in der Hand, der auf den S¨anger zeigt) d¨urfte durch Str. IV, 1 angeregt sein. Ausgaben: HMS 1 (1838) S. 327 f. – Kraus LD 1 (21978) S. 561–563. – Poetae minores. Weniger bekannte Dichter der großen Heidelberger Liederhs. Hg. und u¨ bers. v. Joachim Kuolt (Helfant Texte 2). Stuttgart 1987, S. 27–36. – Frouwe, frouwe, frouwe ¨ mˆın. Th¨uringische Minnelieder. Mit einer Ubertragung hg. v. Gerhard T¨anzer (Palmbaum-Texte 18). Bucha bei Jena 2005, S. 36–47. Literatur: Wilhelm Willmannns, ADB 22 (1885) S. 711 (Mu¨ lnhausen, Wachsmuot v.). – De Boor/Newald 3/1 (51997) S. 284 f. – Gert H¨ubner, VL2 10 (1999) Sp. 557–559. – HMS 4 (1838) S. 237 f. – Fritz Grimme: Die Gesch. der Minnesinger. Bd. 1: Die rheinisch-schw¨abischen Minnesinger. Paderborn 1897, S. 165–173. – Karl Bartsch: Dt. Liederdichter des zw¨olften bis vierzehnten Jh. Eine Auswahl. 4. Aufl. besorgt v. Wolfgang Golther. Berlin 1906 (Nachdr. Darmstadt 1966) S. LXXI, 259 f. – Joachim Bumke: Ministerialit¨at und Ritterdichtung. Umrisse der Forschung (Edition Beck 12). Mu¨ nchen 1976, Reg. – Silvia Ranawake: H¨ofische Strophenkunst. Vergleichende Unters. zur Formentypologie v. Minnesang und Trouv`erelied an der Wende zum Sp¨atMA (MTU 51). Mu¨ nchen 1976, S. 17. – Kraus LD 2 (21978) S. 606–609. – J. Bumke: M¨azene im MA. Die G¨onner und Auftraggeber der h¨ofischen Lit. in Deutschland 1150–1300. Mu¨ nchen 1979, Reg. – Manfred Lemmer: ‹Der D¨urnge bluome schˆınet dur den sn¨e›. Th¨uringen und die dt. Lit. des hohen MA. Eisenach 1981, S. 81. – Olive Sayce: The Medieval German Lyric 1150–1300. The Development of its Themes and Forms in their European Context. Oxford 1982, Reg. – Codex Manesse. Die Miniaturen der Großen Heidelberger Liederhs. Hg. und erl. v. Ingo F. Walther unter Mitarbeit v. Gisela Siebert. Frankfurt/M. 1988 (62001) S. 120 f. (Tf. 59). – Barbara Weber: Œuvre-Zusammensetzungen bei den Minnes¨angern des 13. Jh. (GAG 609). G¨oppingen 1995, Reg. – T¨anzer (s. Ausg.) S. 75–78. VZ 335
Burggraf von Lienz Burggraf von Lienz. – Verfasser zweier Tagelieder. Der B. v. L. stammte aus einer o¨ sterr. Ministerialenfamilie, die im Dienst der G¨orzer Grafen stand und an der Drau ans¨assig war. Sein Vorname ist nicht bekannt, allerdings wird er h¨aufig als Heinrich I. von Lienz identifiziert, der sp¨atestens 1269 starb. Heinrich ist ab 1231 urkundlich nachweisbar, als er unter den Ministerialen des Grafen Meinhard von G¨orz genannt wird. → Ulrich von Liechtenstein erw¨ahnt ihn als Teilnehmer eines Frisacher Turniers (1224), einer Venusfahrt (1227) und einer Tafelrunde (1240). Eines der vom B. v. L. u¨ berlieferten Lieder vermerkt seinen Aufbruch zu einem Kreuzzug, was die Forschung auf den Kreuzzug Friedrichs II. 1228 bezogen hat. Heinrich hatte einen Sohn namens Konrad II., der ab 1251 nachweisbar ist und um 1269 starb. Verschiedentlich wurde auch dieser als B. v. L. identifiziert, was sich aber nicht durchgesetzt hat. So ist Konrad u. a. nicht mit dem erw¨ahnten Kreuzzug zu vereinbaren. Neben den Lieder des B. v. L. enth¨alt die → Heidelberger Liederhandschrift C auch eine bildliche Darstellung des Adeligen. Darin spielt er in Gesellschaft von zwei anderen M¨annern Steinestoßen. Die beiden in C u¨ berlieferten Tagelieder sind W¨achterlieder und umfassen sechs (Lied I) bzw. drei (Lied II) Strophen. Lied I erh¨alt seinen gr¨oßeren Umfang vor allem durch einen erz¨ahlenden Vorspann. Darin k¨undigt ein Hoffr¨aulein dem W¨achter das Eintreffen des Ritters an, der nach kurzer Unterhaltung mit dem W¨achter eingelassen wird. Hinzu kommt eine das Lied abschließende Geleitstrophe, die, Motive aus vorhergehenden Strophen spiegelnd, den Aufbruch zum erw¨ahnten Kreuzzug besingt. Gegen¨uber dem individuell umrissenen Lied I ist Lied II als konventionelles W¨achterlied zu bezeichnen, das u¨ berwiegend aus direkter Rede besteht. Insgesamt ist das erhaltene Werk des B. stilistisch schlicht, doch ausdrucksvoll. Als m¨ogliche Einfl¨usse gelten → Walther von der Vogelweide, → Wolfram von Eschenbach, → Otto von Botenlauben und Ulrich von Liechtenstein. ¨ Uberlieferung: Heidelberg, UB, cpg 848, 115r–115vb (Perg., erste H¨alfte 14. Jh.). Ausgaben: HMS 1 (1838) S. 211 f. – Karl Bartsch/Wolfgang Golther (Hg.): Dt. Liederdich336
Niune ter des zw¨olften bis vierzehnten Jh. Berlin 41901, Nr. 35. – Ulrich M¨uller (Hg.): Kreuzzugsdichtung. T¨ubingen 1969, Nr. 66. – Kraus LD 1 (21978) Nr. 36. – Poetae minores. Weniger bekannte Dichter der großen Heidelberger Liederhs. Hg. und u¨ bers. v. Joachim Kuolt (Helfant Texte 2). Stuttgart 1987, S. 19–26. – Tagelieder des dt. MA. Mhd./Nhd. Ausgew¨ahlt, u¨ bers. und komm. v. Martina Backes (RUB 8831). Stuttgart 2003, S. 126–131, 259. – Vgl. auch die Ausg. der Heidelberger Liederhandschrift C. Literatur: HMS 4 (1838) S. 149 f. – Wilhelm Wilmanns, ADB 19 (1884) S. 617. – Kraus LD 2 (21978) S. 300–303. – Karl-Heinz Schirmer, VL2 5 (1985) Sp. 825 f. – Manfred Scholz, NDB 14 (1985) S. 532. – De Boor/Newald 3/1 (51997) S. 298. – Eugen Thurnher: Wort und Wesen in S¨udtirol. Die dt. Dichtung S¨udtirols im MA. Innsbruck 1947, S. 102 f., 217. – Kamillo Trotter: Die Burggrafen v. L. und zum Lueg. Innsbruck 1954. – Meinrad Pizzinini: Der Minnes¨anger Heinrich B. v. L. In: Beitr. zur Gesch. Tirols. Festgabe des Landes Tirol zum ¨ Elften Osterr. Historikertag in Innsbruck vom 5. bis 8. Oktober 1971. Red. ders./Erich Egg. Innsbruck 1971, S. 113–124. – Joachim Bumke: Ministerialit¨at und Ritterdichtung. Umrisse der Forschung. M¨unchen 1976, S. 64 Anm. 364. – Codex Manesse. Die Miniaturen der Großen Heidelberger Liederhs. Hg. und erl. v. Ingo F. Walther unter Mitarbeit v. Gisela Siebert. Frankfurt/M. 1988 (62001) S. 80 f. (Tf. 40). – Heike Bierschwale/Jacqueline van Leeuwen: Wie man eine Stadt regieren soll. Dt. und ndl. Stadtregimentslehren des MA. Frankfurt/M. u. a. 2005, S. 32, 119. MM Niune (Niuniu, Neune). – Mhd. Lieds¨anger, erste H¨alfte 13. Jh. Unter dem Namen N. sind in der → Heidelberger Liederhandschrift A ein Leich und 60 Liedstrophen u¨ berliefert. Der Leich und die Strophen 1–7 sind in gleicher Reihenfolge auch in der → Heidelberger Liederhandschrift C zu finden. In beiden Handschriften wird ein Großteil der Texte parallel auch anderen Dichtern zugeordnet: A (→ Rudolf von Rotenburg [Leich], → Kol von Niunzen, → Leuthold von Seven, → Wachsmut von K¨unzingen, Truchsess von St. Gallen [→ Ulrich von Singenberg], → Ulrich von Liechtenstein, → Otto von Botenlauben, Markgraf von → Hohenburg, → Waltram 337
Mitte 13. Jh. von Gresten, → Walther von der Vogelweide, → Rudolf von Fenis-Neuenburg, → Reinmar, → Neidhart, → Albrecht von Johansdorf), C (Kol von Niunzen, Rudolf von Rotenburg). 36 Strophen werden in C auf andere Dichternamen als in A verteilt (Doppelzuweisungen!). Neun Strophen sind nur im N.-Korpus erhalten, d.h. ohne Gegenst¨ucke in anderen Handschriften. Der heterogene Textkorpus enth¨alt neben dem kunstvollen Minneleich u. a. Minneklagen, Tagelieder und einen «obsz¨onen» Text (Kol). Kraus (s. Ausg.) hat unter dem Namen N. f¨unf Lieder bestehen lassen; ein sechstes ist als namenlos in MF 6,5 aufgenommen worden. Ob es sich bei N. um einen fahrenden S¨anger oder Spielmann, dessen Repertoireheft Strophen anderer Dichter ent¨ hielt, handelt oder ob der Uberlieferungsbefund in A auf die Zusammenstellung eines Redaktors zur¨uckgeht, ist umstritten (vgl. Bleumer). ¨ Uberlieferung: Heidelberg, UB, Cpg 357 (Heidelberger Liederhs. A), 21v–24v («Nivene»: Nr. 7 zwischen → Rubin und Gedrut). – Ebd., Cpg 848 (Heidelberger Liederhs. C), 319v–320r (in der 29. Lage als Nr. 94 [recte 110], zwischen dem Burggrafen von → Regensburg und → Geltar). Die Miniatur (319r) zeigt N. mit einer Dame (mit weißem Schoßh¨undchen) bei einer Bootsfahrt, das von einem Knecht/Schiffer und der Begleiterin der Dame gerudert wird. Wappen: Goldene Lilie in ¨ blauem Feld. Uberschrift: «Her N´un´u». Textvorschrift: «N´vn´u». – Die Neidhart zugeordneten Lieder sind auch in den Hss. Berlin, SBB, Mgf 1062 (R), Berlin, SBB, Mgf 779 (c), Heidelberg, UB, Cpg 696 (d), Sterzing, Stadtarch., ohne Signatur (s) und M¨unchen, BSB, Cgm 5249/26 (Cb) zu finden. Ausgaben: HMS 2 (1838) 171 f.; 3 (1838) 331 f., 684, 713, 803, 834; 4 (1838) 484 f., 646. – Kraus LD 1 (21978) S. 300 f. (Nr. 39); 2 (21978) S. 352–355 (Komm.). – Franz Pfeiffer (Hg.): Die Alte Heidelberger Lieder-Hs. (Bibl. des Litterarischen Vereins in Stuttgart 9,3). Stuttgart 1844 (Nachdr. 1962) S. 118–136. – Helmut de Boor (Hg.): MA. Texte und Zeugnisse. 2. Teilbd. (Die Dt. Lit. Texte und Zeugnisse. I/2). Mu¨ nchen 1965 (Nachdr. ebd. 2001) S. 1547. – Die Große Heidelberger Liederhs. (Codex Manesse). In getreuem Textabdruck hg. v. Fridrich Pfaff [1909]. 2., verb. und erg. Aufl. bearb. v. Hellmut Salowsky. Heidelberg 1984, Sp. 1027–1030 f. (Nr. lxxxxiiij). – Ulrich M¨uller/ 338
Mitte 13. Jh. Ingrid Bennewitz/Franz Viktor Spechtler (Hg.): Neidhart-Lieder. Texte und Melodien s¨amtlicher Hss. und Drucke. 3 Bde. (Salzburger NeidhartEdition [SNE] 1–3). Berlin/New York 2007, Bd. 1, S. 15–31; Bd. 2, S. 138–142; Bd. 3, S. 15–20, 359 f. Literatur: [Konrad] Burdach, ADB 23 (1886) S. 549 (unter Neune). – G¨unther Schweikle, VL2 6 (1987) Sp. 1169 f. – De Boor/Newald 3/1 (51997) S. 304. – Ferdinand Mohr: Das unh¨ofische Element in der mhd. Lyrik von Walther an. Diss. T¨ubingen 1913, S. 76 f. – K. Burdach: Reinmar der Alte und Walther von der Vogelweide. Halle/Saale 21928 (Nachdr. Hildesheim/New York 1976) S. 375. – Eugen Thurnher: Wort und Wesen in S¨udtirol. Die dt. Dichtung S¨udtirols im MA. Innsbruck 1947, S. 104 f. – Walter Blank: Einf. In: Die Kleine Heidelberger Lieder-Hs. Cod. pal. germ. 357 der UB Heidelberg. Wiesbaden 1972, S. 72–77. – Christoph Cormeau: Zur textkrit. Revision von Lachmanns Ausg. der Lieder Walthers von der Vogel¨ weide. Uberlegungen zur Neubearb. am Beispiel von MF 214, 34/L. 120, 16. In: Textkritik und Interpretation. FS Karl Konrad Polheim. Hg. v. Heimo Reinitzer. Bern 1987, S. 53–68 (wieder in: Altgermanistische Editionswiss. Hg. v. Thomas Bein [Dokumentation germanistischer Forschung 1]. Frankfurt/M. u. a. 1995, S. 241–253). – Codex Manesse. Die Miniaturen der Großen Heidelberger Liederhs. Hg. und erl. v. Ingo F. Walther unter Mitarbeit v. Gisela Siebert. Frankfurt/M. 1988 (62001) ¨ S. 222 f. (Tf. 109). – C. Cormeau: Uberlegungen zur Revision von Lachmanns Walther-Ausg. In: Methoden und Probleme der Edition ma. dt. Texte. Bamberger Fachtagung, 26.–29. Juni 1991. Plenumsreferate. Hg. v. Rolf Bergmann/Kurt G¨artner (Beihefte zu Editio 4). T¨ubingen 1993, S. 32–39. – Franz-Josef Holznagel: Wege in die Schriftlichkeit. ¨ Unters. und Materialien zur Uberl. der mhd. Lyrik (Bibliotheca Germanica 32). T¨ubingen/Basel 1995, Reg. – Ralf-Henning Steinmetz: Autoren – Re¨ daktoren – Editoren: Uber den Umgang mit Lachmanns Walther-Liedern 117,29 und 118,12 und die Konsequenzen. In: ZfdPh 116 (1997) S. 352–369. – T. Bein: ‹Mit fremden Pegasusen pfl¨ugen›. Unters. zu Authentizit¨atsproblemen in mhd. Lyrik und Lyrikphilologie (Phil.Stud.u.Qu. 150). Berlin 1998, bes. S. 189–192, 447 f. – Hartmut Bleumer: Zum ‹N.›-Problem: Walther 90a/b; L. 117,29/118,12. In: Walther von der Vogelweide. Textkritik und Edition. Hg. v. T. Bein. Berlin/New York 1999, S. 93–103. BJ 339
Rudolf von Rotenburg Rudolf von Rotenburg. – Minnes¨anger, erste H¨alfte 13. Jh. R.s Werk entstand wahrscheinlich w¨ahrend der ersten H¨alfte des 13. Jh. Es erscheint in der → Heidelberger Liederhandschrift C zwischen → Walther von Klingen und → Heinrich von Sax, weshalb die Forschung meist von einem schweizerischen Autor ausgeht. Lange galt ein 1257 beurkundeter Angeh¨origer einer Luzerner Ministerialenfamilie als der Minnes¨anger R. Allerdings weist C dem Dichter das Wappen der Freiherren von Rotenburg-Wolhusen zu. Diese Familie stellte die Kastv¨ogte des Stifts St. Leodegar in Luzern. Auch die → Budapester Liederhandschrift bezeichnet R. als Vogt. Eine Illustration des Grundstockmalers in C zeigt den S¨anger mit seinem Schwert im G¨urtel neben einem Pferd, das Schild und Banner des Dich¨ ters tr¨agt. Uber ihm beugt sich eine Dame von der Burgzinne und reicht ihm einen Blumenkranz. Der schweizerische Autor von → Gliers erw¨ahnt R. als verstorben. R. werden gew¨ohnlich zehn alemannische Minnelieder in 41 Strophen sowie f¨unf oder sechs Leiche zugeschrieben, die unter seinem Namen vollst¨andig in C enthalten sind. Die → Heidelberger Liederhandschrift A u¨ berliefert davon 15 Strophen unter R.s Namen sowie weitere f¨unf Strophen und einen Leich als Texte → Niunes. Die Budapester Liederhandschrift enth¨alt unter verschiedenen Namen drei T¨one mit f¨unf Strophen. Die Minnelieder sind u¨ berwiegend als Kanzonen in der Tradition Walthers von der Vogelweide und Reinmars des Alten gestaltet. In ihnen dominieren ungleichversige, f¨unfhebige Stollen ohne Auftakte. Aber auch Stollenreprisen (XIV, XVI), Gespaltene Weisen (XV) und einzeilige Stollen (XII) werden von R. benutzt. Die Leiche entsprechen zumeist dem Estampie-Typus (I–III) mit mehrfachen Wiederholungen. IV steht im Bau hingegen der Sequenz nahe und weist einen Kursus ohne Repetition auf. Leiche I und II sind aufgrund ihres a¨ hnlichen Baus verschiedentlich als Doppelleich aufgefasst worden. Typisch f¨ur R. sind enge Strophenverkn¨upfungen, untypisch Natureing¨ange (nur in Lied XV). Inhaltlich werden R.s Lieder und Leiche stark von Minnereflexion bestimmt. Sie besch¨aftigen sich h¨aufig mit dem Gegensatz von echter, treuer Minne und unechter Minne. Frauenpreis-Strophen finden sich darin ebenso wie Klagen u¨ ber die Trennung von der Geliebten. W¨ahrend f¨unf Leiche 340
Rudolf von Rotenburg R.s von der weltlichen Minne gepr¨agt sind, handelt es sich bei dem ungew¨ohnlich umfangreichen Leich VI um einen Marienpreis in Kontrafaktur zu Leich I. VI zeigt motivische Bez¨ugen zum Leich ¨ Walthers von der Vogelweide sowie Ahnlichkeiten zu einem Spruch von → Reinmar dem Fiedler. Heute wird der Leich oft nicht mehr R. zugeschrieben; m¨oglicherweise stammen auch nur Teile des Texts von ihm. R. selbst entlehnte w¨ortlich zwei Aufges¨ange aus einem Lied des Markgrafen von → Hohenburg. R.s Lied XII wiederum ist auch als Werk → Neidharts und Walthers tradiert. Dies unterstreicht R.s Einbindung in die Traditionen und Konventionen seiner Zeit, von denen sich sein Werk kaum abhebt. ¨ Uberlieferung: Heidelberg, UB, Cpg 357, 21v–22r (unter Niune), 29r–29v, 31r (Perg., 1270 bis drittes Viertel 14. Jh., niederalemannisch). – Ebd., Cpg 848, 31v–32r (unter Niune), 54r–59rb (Perg., erste H¨alfte 14. Jh., alemannisch). – Budapest, Nationalbibl., cod. Germ. 92, 3v (Perg., Ende 13. Jh., bair.-¨osterr.). – Wolfenb¨uttel, Landeskirchliches Arch., Depositum Predigerseminar H 1, 3 Bll. (Perg., Ende 13. Jh., mitteldt.-nd.; Fragm.). Ausgaben: HMS 1 (1838) S. 74–90; 3 (1838) S. 592; 4 (1838) S. 105–107. – Joseph Wahner: Dichtung und Leben des Minnes¨angers R. v. R. Greifswald 1892. – Kraus LD 1 (21978) S. 359–393; 2 (21978) S. 431–488. – Max Schiendorfer: Hsl. Mehrfachzuweisungen. Zeugen s¨angerischer Interaktion im MA? Zu einigen T¨onen namentlich aus ¨ der Hohenburg-, Rotenburg- und Walther-Uberl. In: Euph. 79 (1985) S. 66–94 (Teilausg.). – Andr´as Vizkelety: Die Budapester Liederhs. Der Text. In: PBB (T¨ub.) 110 (1988) S. 387–407. – Weitere Ausg. in Kraus LD 4 (s. o.). Vgl. auch die Ausg. der Heidelberger und Budapester Liederhandschriften. Literatur: Konrad Burdach, ADB 29 (1889) S. 297–299. – Silvia Ranawake, VL2 8 (1992) Sp. 366–369. – De Boor/Newald 3/1 (51997) S. 273 f., 308–310. – M. Schiendorfer, NDB 22 (2005) S. 197 f. – Ingo F. Walther, Killy2 10 (2011) S. 83 f. – Walther Steller: Der Leich Walthers v. der Vogelweide und sein Verh¨altnis zum religi¨osen Leich. In: PBB 45 (1921) S. 307–404, hier S. 371–380. – Hans A. v. Segesser: Einige ma. Geschlechter aus dem Gebiete des heutigen Kantons Luzern 2. In: Schweizer Arch. f¨ur Heraldik 41 (1927) S. 112–122, 166–172, hier S. 115–117. – Karl Langosch: Die Sprache des G¨ottweiger Trojanerkriegs. Leipzig 1933, S. 184, 188, 209. – Johannes Huisman: Neue Wege zur dichterischen und 341
Mitte 13. Jh. musikalischen Technik Walthers v. der Vogelweide mit einem Exkurs uber ¨ die symmetrische Zahlenkomposition im MA. Utrecht 1950, S. 123 f. – Fritz Tschirch: Die Bedeutung der Rundzahl 100 f¨ur den Umfang ma. Dichtungen. In: Gestalt und Glaube. FS Oskar S¨ohngen. Hg. [Freundeskreis]. Witten 1960, S. 77–88, hier S. 86–88. – Hugo Kuhn: Minnesangs Wende. T¨ubingen 21967, S. 119–131. – Walter Blank: Die kleine Heidelberger Liederhs. Cod. Pal. Germ. 357 der UB Heidelberg. Wiesbaden 1972, S. 93–96, 171. – Gerhard A. Vogt: Stud. zur Verseingangsgestaltung in der dt. Lyrik des HochMA (GAG 118). G¨oppingen 1974, passim. – Joachim Bumke: Ministerialit¨at und Ritterdichtung. Umrisse der Forschung. M¨unchen 1976, passim. – Olive Sayce: The Medieval German Lyric 1150–1300. The Development of Its Themes and Forms in Their European Context. Oxford 1982, S. 265, 468 u. o¨ . – Anthonius H. Touber: Walther v. der Vogelweide 112, 3 und R. v. R. 17. In: ZfdPh 102 (1983) S. 111–115. – Schiendorfer 1985 (s. Ausg.). – A. Vizkelety/Karl-August Wirth: Funde zum Minnesang. Bll. aus einer bebilderten Liederhs. In: PBB (Tu¨ b.) 107 (1985) S. 366–375. – Codex Manesse. Die Miniaturen der Großen Heidelberger Liederhs. Hg. und erl. v. Ingo F. Walther unter Mitarbeit v. Gisela Siebert. Frankfurt/M. 1988 (62001) S. 46 f. (Tf. 23). – Johannes Janota: ‹Der vogt von Rotenburch› im Budapester Fragm. In: Ma. Schauspiel. FS Hansj¨urgen Linke. Hg. v. Ulrich Mehler/Anthonius H. Touber (AB¨aG 38/39). Amsterdam u. a. 1994, S. 213–222. – Harald Haferland: Hohe Minne. Zur Beschreibung der Minnekanzone (ZfdPh Beih. 10). Berlin 2000, passim. – Christina Kreibich: Der mhd. Minneleich. Ein Beitr. zu seiner Inhaltsanalyse. W¨urzburg 2000, passim. – Albrecht Hausmann: R. v. R. im Budapester Fragm.? In: Entstehung und Typen ma. Lyrikhss. Akten des Grazer Symposiums 13.–17. Oktober 1999. Hg. v. Anton Schwob u. a. (Jb. f¨ur Internationale Germanistik, Reihe A, Kongressberichte, 52). Bern u. a. 2001, S. 65–77. – Ursula Kundert: Hist. Dekonstruktion. Fu¨ r eine kulturelle Vervielf¨altigung philol. pr¨aziser Lekt¨uren am Beispiel des mhd. Leichs. In: Germanistik im Konflikt der Kulturen 5. Kulturwiss. vs. Philologie? Hg. v. Andreas B¨assler/Jean-Marie Valentin. Bern u. a. 2008, S. 159–166. – Carolin Schuchert: Walther in A. Stud. zum Corpusprofil und zum Autorbild Walthers v. der Vogelweide in der Kleinen Heidelberger Liederhs. Frankfurt/M. u. a. 2010, passim. MM 342
Mitte 13. Jh. Heinrich von Sax. – Minnes¨anger und Leichdichter, Mitte 13. Jh. (?). Die → Heidelberger Liederhandschrift C u¨ berliefert unter dem Namen H.s einen Tanzleich mit 141 Versen und vier Minnelieder mit je f¨unf Strophen. Der Dichter d¨urfte mit dem von 1235–58 bezeugten H. II. aus dem Geschlecht der Freiherren von Sax und Hohensax zu identifizieren sein, der auf der Burg Clanx im Kanton St. Gallen (nahe Appenzell) residierte. Nicht g¨anzlich als Verfasser auszuschließen ist dessen Großvater (* um 1180, letztmals bezeugt 1247) der mehrfach im Umfeld Friedrichs II. beurkundet ist. Die Familie der Freiherren von Sax war auf unterschiedliche Weise der Dichtkunst verbunden: H.s Neffe → Eberhard von Sax ist ebenfalls in C repr¨asentiert und H.s Onkel Ulrich von Sax, Abt von St. Gallen († 1220), d¨urfte mit dem «˚ulrich» gemeint sein, der in einem Lied → Ulrichs von Singenberg betrauert wird (Nr. 12, 33 bei Schiendorfer [wie Ausg.]). Sp¨ater sollte sich die Handschrift C zumindest zeitweilig im Besitz eines Nachfahren von H. befinden, Johann Philipp von Hohensax (1550–96). Schwerpunkt aller Dichtungen im schmalen u¨ berlieferten Œuvre H.s ist der f¨ur den Minnesang topische Kontrast zwischen allgemeinen Fr¨uhlingsund Sommerfreuden und dem individuellen Minneleid des S¨anger-Ichs, das von seiner Dame nicht erh¨ort wird. Der Tanzleich lehnt sich an Leichdichtungen des → Tannh¨ausers und → Ulrichs von Winterstetten an und ist inhaltlich vor allem Frauenpreis und Minneklage, w¨ahrend die Ausgelassenheit des sommerlichen Tanzes vom S¨anger selbst nicht nachvollzogen wird. Einleitend wendet sich der S¨anger an sein Publikum und bittet um dessen Beistand. Er preist seine Dame und schildert seine Abh¨angigkeit von ihr. Trotz seines Kummers ruft er pflichbewusst zum Tanz auf, um am Schluss des Leichs aber wieder seine pers¨onliche Minnebindung zu thematisieren. Hierbei erw¨ahnt er in Vers 137 auch den roten Mund der Dame, der im Minnesang traditionell deren erotische Anziehungskraft verdeutlicht und auch in den Liedern 2, 3 und 5 auftaucht. H.s Lieder sind s¨amtlich Minneklagen, welche die inhaltlich konventionellen Klagetopoi formal kunstvoll umsetzen, z. B. mit einem gleichreimigen vierversigen Refrain in Lied 5 oder mit gleichreimigen Abgesangsterzinen nach einem vierteiligen Aufgesangsstollen in Lied 2. Der adlige Dilettant H. stellt sich mit seinem Leich in die Tradition der schweizerischen Leichdichter (vgl. Der von → Gliers, → Otto zum Turm, 343
Heinrich von Sax Johannes → Hadlaub) ist aber unabh¨angig vom lokalen Interesse, das sich durch die Aufnahme in C manifestiert, ohne Wirkung geblieben. ¨ Uberlieferung: Heidelberg, UB, Cpg 848 (C) 59v–61rb (Perg., um 1300, alemannisch). Die Miniatur zeigt H. auf Burgzinnen (tanzend [?]; springend [?]), im Torbogen unter ihm befindet sich eine Dame mit einem Steinbock (?). Die Deutung ist unklar. Das abgebildete Wappen stimmt mit dem des j¨ungeren H. v. S. in der Z¨urcher Wappenrolle (1335/45) u¨ berein und spricht daher f¨ur diesen als Autor. Bild¨uberschrift: «Her Heinrich von Sax». Ausgaben: HMS 1 (1838) S. 90–95. – Karl Bartsch (Hg.): Die Schweizer Minnes¨anger (Bibl. a¨ lterer Schriftwerke der dt. Schweiz 6). Frauenfeld 1886 (Nachdr. Darmstadt 1964) S. XCIII–XCVIII, 138–149, 435 f. (Nr. XIV). – Die Schweizer Minnes¨anger. Nach der Ausg. v. K. Bartsch neu bearb. und hg. v. Max Schiendorfer. Bd. 1: Texte. T¨ubingen 1990, S. 43–53 (Nr. 6). Literatur: Konrad Burdach, ADB 30 (1890) S. 457 f. – G¨unther Schweikle, VL2 3 (1981) Sp. 878–880. – De Boor/Newald 2 (111990) S. 317 f.; 3,1 (51997) Reg. – Claudia H¨andl/Red., Killy2 5 (2009) S. 208 f. – Fritz Grimme: Die Schweizer Minnes¨anger. In: Germania 35 (1890) S. 302–339, hier S. 318 f. – Joachim Bumke: Ministerialit¨at und Ritterdichtung. Umrisse der Forschung (Edition Beck 12). M¨unchen 1976, Reg. – Hugo Kuhn: Minnesangs Wende (Hermaea 1). T¨ubingen 21967, S. 126 f. – Olive Sayce: The Medieval German Lyric 1150–1300. The Development of its Themes and Forms in their European Context. Oxford 1982, S. 370–407 passim. – Manfred Eikelmann: Denkformen im Minnesang. Unters. zu Aufbau, Erkenntnisleistung und Anwendungsgesch. konditionaler Strukturmuster des Minnesangs bis um 1300 (Hermaea NF 54). T¨ubingen 1988, Reg. – Codex Manesse. Die Miniaturen der Großen Heidelberger Liederhs. Hg. und erl. v. Ingo F. Walther unter Mitarbeit v. Gisela Siebert. Frankfurt/M. 1988 (62001) S. 48 f. (Tf. 24). – Claudia Brinker: H. und Eberhard v. S. Zwei Minnes¨anger in der Manessischen Liederhs. In: Werdenberger Jb. 5 (1992) S. 59–70. – Barbara Weber: Œuvre-Zusammensetzungen bei den Minnes¨angern des 13. Jh. (GAG 609). G¨oppingen 1995, S. 210–217. – Peter Strohschneider: Tanzen und Singen: Leichs v. Ulrich v. Winterstetten, H. v. S. sowie dem Tannh¨auser und die Frage nach 344
Wachsmut von Kunzingen ¨ dem rituellen Status des Minnesangs. In: Ma. Lyrik. Probleme der Poetik (Phil.Stud.u.Qu. 154). Hg. v. Thomas Cramer/Ingrid Kasten. Berlin 1999, S. 197–231. – Christina Kreibich: Der mhd. Minneleich. Ein Beitr. zu seiner Inhaltsanalyse (W¨urzburger Beitr. zur dt. Philologie 21). W¨urzburg 2000, S. 40–63 und Reg. VZ Wachsmut von Kunzingen ¨ (Wahsmuot von Kunzich). – Minnes¨anger, 1. H¨alfte 13. Jh. ¨ Uber W.s Herkunft gibt es keine validen Kenntnisse. Einer unsicheren These nach k¨onnte er aus einem Ministerialiengeschlecht stammen, das in K¨untzig (Clemency/Luxemburg) beheimatet war. Seine Minnelieder sind deutlich von → Walther von der Vogelweide, → Heinrich von Morungen und → Reinmar gepr¨agt; W. selbst wiederum hat auf → Walther von Klingen gewirkt. Unter dem Namen von Gedrut ist ein Lied u¨ berliefert, das gegen das Konzept der Fernliebe in W.s Œuvre polemisiert. In den Totenklagen des → Marner und bei → Reinmar von Brennenberg wird ein «Wahsmuot/Wachsmut» angef¨uhrt (jeweils vor bzw. nach → Rubin; RSM: 1Marn/6/17 und 1ReiBr/13). Sollte hier W. gemeint sein (und nicht etwa → Wachsmut von M¨uhlhausen), m¨usste er wegen anderer genannter und besser bezeugter Dichter vor 1260 gestorben sein. Die Lieder W.s stehen in der Tradition des reflektierenden Minnesangs. Ihre Argumentation st¨utzt sich in der Regel auf Kontraste und Antithesen. Der Strophenbau der sieben unterschiedlichen T¨one (einschließlich des Liedes/Tons im → Wilhelm von Heinzenburg-Corpus von C [s. ¨ Uberl.]) ist einfach, wobei W. stilistisch eine deutliche Neigung zu Enjambements und ReimResponsionen zeigt. Schl¨usselbegriffe des Minnesangs, wie «(un)staete», «herzeliebe/-leid» usw., verwendet er oft. Im Zentrum der u¨ berlieferten Lieder steht zumeist die Klage u¨ ber die Distanz zur Minnedame, die mit eher formelhaften Jahreszeitbez¨ugen akzentuiert wird. Diese Klage wird aber in der Regel mit Beteuerung der weiteren Dienstbereitschaft verbunden und nur in einer Strophe mit Kritik an der Herrin und am Minnedienst. Zur ¨ Uberwindung der Distanz appelliert das S¨anger-Ich stattdessen an die «g¨uete» und «ˆere» der «frouwe» und bittet einmal auch um den Beistand Gottes. ¨ Uberlieferung: Heidelberg, UB, Cpg 357 (→ Heidelberger Liederhs. A) 30v–31r (Perg, 1270–80, niederalemannisch); drei Lieder mit insgesamt neun 345
Mitte 13. Jh. ¨ Str., Uberschrift: «Wahm˚vt». – Stuttgart, LB, Cod. HB XIII 1 (→ Weingartner Liederhs. B) S. 118–120 (Perg., erstes Viertel 14. Jh., alemannisch); drei ¨ Lieder mit insgesamt neun Str., Uberschrift: «Her Wahsm˚vt von Kunzich»). – Heidelberg, UB, Cpg 848 (→ Heidelberger Liederhs. C) 160v–161va, ¨ 163rb (Perg., um 1300, alemannisch); Uberschrift: «Wachsm˚ut von K¨unzingen»; sechs Lieder mit insgesamt 19 Str. und ein Lied mit vier Str.; das Lied auf 163rb [das erste des Corpus v. A] ist f¨alschlich (?) unter Wilhelm von Heinzenburg eingetragen. Dem Lied II (= IIa) ist eine im Ton ungleiche fragmentarische Strophe angeh¨angt (= IIb). – Die Miniaturen in B und C sind in der Grundgestaltung identisch (gewappneter Ritter zu Pferde in Frontalansicht; Helmzier, Schild und Fahne zeigen Fische). – Alle Strophen von A/B stehen auch in C. Die Strophenslg. in C beruht (bei Abweichungen der Strophenfolge v. Lied I) auf zwei mit B und A verwandten Quellen (*BC, Lied I und II, Str. 1–9; *AC, Lied V und VI, Str. 15–19 und HeinzenburgLied). Die Lieder 3 und 4 (Str. 10–14) sind in C uni¨ kal u¨ berliefert. – Uberl. ohne Namensnennung: Str. 1 ¨ und 2 von Lied IIa: Wien, ONB, Cod. 2940*, 24v (Pap., 1481, niederrheinisch); die Strophen erscheinen auch im → Niune-Corpus v. Hs. A (22v), dort erweitert um zwei zus¨atzliche Strophen. – Lied V (alle 3 Str.) wird in C im Kunz von RosenheimCorpus (394v, → Hugo von Mu¨ hldorf) wiederholt. Ausgaben: HMS 1 (1838) S. 302 f., Heinzenburg-Lied: S. 305. – Kraus LD 1 (21978) S. 555–560 (einschließlich Heinzenburg-Lied). – Des Minnesangs Fr¨uhling. Kommentare. Bd. 3,2: Anmerkungen v. Karl Lachmann, Moriz Haupt, Friedrich Vogt, Carl v. Kraus. Durch Reg. erschlossen und um einen Literaturschl¨ussel erg¨anzt v. Hugo Moser/Helmut Tervooren. Stuttgart 1981, ¨ S. 379 Anm. 1 (Abdr. der Strophen aus ONB, Cod. 2940*). – Hubert Heinen: Mutabilit¨at im Minnesang. Mehrfach u¨ berlieferte Lieder des 12. und fr¨uhen 13. Jh. (GAG 515). G¨oppingen 1989, ¨ S. 264–266 (Abdr. der Lieder I und II mit Uberlieferungsvarianz). Literatur: Wilhelm Willmannns, ADB 17 (1883) S. 405 (Kunzich, Wahsmuot v.). – De Boor/ Newald 3/1 (51997) S. 269, 273, 306. – Franz-Josef Holznagel, VL2 10 (1999) Sp. 555–557. – HMS 4 ¨ (1838) S. 237 f. – Fritz Grimme: Uber die Heimat des Minnesingers Wachsmuot v. K. In: Germania 37 (1892) S. 146–159. – Burghart Wachinger: S¨angerkrieg. Unters. zur Spruchdichtung des 346
Mitte 13. Jh. 13. Jh. (MTU 42). Mu¨ nchen 1973, S. 113, 115, 248 Anm. 4. – Antonius H. Touber: Dt. Strophenformen des MA (Repertorien zur dt. Literaturgesch. 6). Stuttgart 1975, S. 20, Reg. – Joachim Bumke: Ministerialit¨at und Ritterdichtung. Umrisse der Forschung (Edition Beck 12). M¨unchen 1976, S. 59 f., Reg. – Kraus LD 2 (21978) S. 597–606. – Olive Sayce: The Medieval German Lyric 1150–1300. The Development of its Themes and Forms in their European Context. Oxford 1982, Reg. – Manfred Eikelmann: Denkformen im Minnesang. Unters. zu Aufbau, Erkenntnisleistung und Anwendungsgesch. konditionaler Strukturmuster des Minnesangs bis um 1300 (Hermea NF 54). T¨ubingen 1988, S. 270 f., Reg. – Codex Manesse. Die Miniaturen der Großen Heidelberger Liederhs. Hg. und erl. v. Ingo F. Walther unter Mitarbeit v. Gisela Siebert. Frankfurt/M. 1988 (62001) S. 102 f. (Tf. 50). – Jens Haustein: MarnerStud. (MTU 109). T¨ubingen 1995, S. 9, 153, 155 f., 195. – F.-J. Holznagel: Wege in die Schriftlich¨ keit. Unters. und Materialien zur Uberl. der mhd. Lyrik (Bibliotheca Germanica 32). T¨ubingen/Basel 1995, S. 498 f. – Barbara Weber: ŒuvreZusammensetzungen bei den Minnes¨angern des 13. Jh. (GAG 609). G¨oppingen 1995, Reg. – Thomas Bein: ‹Mit fremden Pegasusen pfl¨ugen›. Unters. zu Authentizit¨atsproblemen in mhd. Lyrik und Lyrikphilologie (Phil.Stud.u.Qu. 150). Berlin 1998, S. 70–76. – Michael Embach: Trierer Literaturgesch. Das MA (Gesch. und Kultur des Trierer Landes 8). Trier 2007, S. 598–600. VZ Der von Stadegge (Rudolf von Stadeck [?]). – Minnes¨anger, Mitte 13. Jh. Die → Heidelberger Liederhandschrift C u¨ berliefert drei Lieder in Kanzonenform mit je vier, zwei und drei Strophen, als deren Autor der «von Stadegge» angegeben wird. Unter diesem Namen sind nur die steirischen Ministerialen von Stadeck bekannt, die seit dem 12. Jh. nachgewiesen sind. Allerdings stimmt das Wappen der Miniatur in C (drei W¨urfel) nicht mit deren Familienwappen (L¨owe) u¨ berein. Dennoch erscheint die Identifikation des Dichters mit Rudolf II. von Stadeck (bezeugt 1230–62) plausibel, da dessen literarisches Interesse anderweitig belegt ist. So wird er zwischen 1250 und 1261 mehrfach zusammen mit → Ulrich von Liechtenstein und → Herrand von Wildonie urkundlich erw¨ahnt; auch k¨onnte er eine Handschrift des Eneasromans → Heinrichs von Veldeke in Auftrag 347
Der von Stadegge gegeben haben (M¨unchen, BSB, Cgm 57). Sollten die Stadeck-These und die nach stilistischen und inhaltlichen Kriterien (freilich unsichere) Datierung der Lieder in C auf vor/um 1250 zutreffen, k¨onnten außer Rudolf h¨ochstens dessen Bruder Liutold II. (nachgewiesen um 1240–70) in Betracht kommen und noch weniger der zwischen 1226–46 als Kleriker beglaubigte zweite Bruder Ludwig. In seinen Liedern verbindet der von S. Natureing¨ange mit abw¨agender Reflexion u¨ ber den Dienstgedanken. Lied 1 und 3 sind Minneklagen mit Winter- bzw. Sommermotiven, die Kritik an ¨ der Minnedame u¨ ben. Lied 1 bietet zudem Uberlegungen zu «schoene» und «g¨uete», in Lied 3 k¨undigt das S¨anger-Ich den Dienst auf. Es bestehen hinsichtlich Motivik, Rederollen und der Kritik an der Frauenrolle Parallelen zu Ulrich von Liechtenstein. Lied 2 ist als Maienpreis sowohl inhaltlich als auch formal konventioneller gehalten als die anderen Lieder. In der Handschrift ist nach der zweiten Strophe dieses Liedes Platz f¨ur eine dritte ausgespart. Korrespondierend mit der dienstkritischen Haltung von 1 und 2 zeigt die Miniatur in C einen Mann, der die sich abwendende Dame ohrfeigt und am Haar zieht. Eine direkte Grundlage f¨ur diese innerhalb des h¨ofischen Kontextes drastische Dartstellung bieten die Dichtungen des von S. allerdings nicht. ¨ Uberlieferung: Heidelberg, UB, Cpg 848, 257v–258rb (Perg., um 1300, alemannisch). Ausgaben: HMS 2 (1838) S. 74 f.; 3,2 (1838) S. 662, 832. – Karl Ferdinand Kummer: Die poetischen Erz¨ahlungen des Herrand v. Wildonie und die kleinen inner¨osterr. Minnesinger. Wien 1880, S. 184–186, 218–221. – Kraus LD 1 (21978) S. 415 f. (Nr. 54). – Poetae minores. Weniger bekannte Dichter der großen Heidelberger Liederhs. Hg. und u¨ bers. v. Joachim Kuolt (Helfant Texte 2). Stuttgart 1987, S. 69–76. – Wernfried Hofmei¨ ster: Die steirischen Minnes¨anger. Edition, Ubersetzung, Komm. (GAG 472). G¨oppingen 1987, S. 57–78. Literatur: HMS 4 (1838) S. 415–417. – Konrad Burdach, ADB 35 (1893) S. 356–358. – Manfred Eikelmann, VL2 9 (1995) Sp. 214–216. – De Boor/ Newald 3,1 (51997) S. 170 f. – Norbert H. Ott, NDB 24 (2010) S. 781 f. – Karl Weinhold: Der Minnesinger v. Stadeck und sein Geschlecht. Wien. 1860. – Joachim Bumke: Ministerialit¨at und Ritterdichtung. Umrisse der Forschung (Edition Beck 12). M¨unchen 1976, Reg. – Kraus LD 1 (21978) 348
Reinmar der Fiedler S. 507–509. – Helene Rucker: Die Stadecker. Genealogie und Besitzgesch. eines steirischen Adelsgeschlechtes im MA mit Regesten. 2 Bde. Diss. Graz 1979, hier bes. Bd. 1, S. 50–55. – Olive Sayce: The Medieval German Lyric 1150–1300. The Development of its Themes and Forms in their European Context. Oxford 1982, Reg. – Codex Manesse. Die Miniaturen der Großen Heidelberger Liederhs. Hg. und erl. v. Ingo F. Walther unter Mitarbeit v. Gisela Siebert. Frankfurt/M. 1988 (62001) S. 176 f. (Tf. 86). – Burghart Wachinger: Was ist Minne? In: PBB (Tu¨ b.) 111 (1989) S. 252–267, hier S. 265 (wieder in: Ders.: Lieder und Liederb¨ucher. Gesammelte Aufs¨atze zur mhd. Lyrik. Berlin 2011, S. 25–39, hier S. 36). – Cornelia Herberichs: Auf der Grenze des H¨ofischen. Gewalt und Minnesang. In: Gewalt im MA. Realit¨aten – Imaginationen. Hg. v. Manuel Braun/C. Herberichs. M¨unchen 2005, S. 341–364, hier S. 357 f. VZ Reinmar der Fiedler (Reimar der Videler). – Spruchdichter, Mitte 13. Jh. (?). R. ist als historische Gestalt nicht fassbar; R¨uckschl¨usse erlauben nur die ihm zugeschriebenen Texte in der → Heidelberger Liederhandschrift A und der → Heidelberger Liederhandschrift C. R. d¨urfte um die Mitte des 13. Jh. gelebt haben und k¨onnte Adliger gewesen sein, da ihn C als «her» bezeichnet. Sein Beiname sowie einzelne Stellen im Werk identifizieren ihn als Fahrenden. Die R.s Werk begleitende Illustration in C zeigt einen Fidelspieler, der f¨ur eine sitzende Dame und ein tanzendes M¨adchen ¨ aufspielt. Uber der Gruppe sind ein Wappen und ein Helm abgebildet. Als Wappenbild und Helmkleinod dient jeweils eine Fidel, die sich aus R.s Beinamen herleitet und somit keine R¨uckschl¨usse auf ein historisches Geschlecht erlaubt. ¨ Die R.-Uberlieferung in A und C ist nicht einheitlich. In A steht R. zwischen → Reinmar dem Alten und → Reinmar dem Jungen, in C zwischen → Waltram von Gresten und → Hawart. A u¨ berliefert zw¨olf Strophen unter R.s Namen, C nur sechs Strophen. Die Strophen A1 bis A6 entsprechen dabei den Strophen C1 bis C6, mit nur geringen Unterschieden in einzelnen Worten und Zeilen. Von diesen sechs Strophen geh¨oren die ersten vier Strophen zu Ton I, die letzten beiden Strophen zu Ton II. Die Strophen A7 bis A10 werden in C Reinmar dem Alten zugeschrieben (C117, C192 f., C222). A9 und A10 bilden ein Lied. Die Strophen A11 349
Mitte 13. Jh. und A12 bilden Ton III und sind in C nicht enthalten. Die Zuschreibungen von A7 bis A12 sind umstritten. A11 und A12 waren in einer gemeinsamen Vorlage von A und C vielleicht nicht oder nur anonym enthalten und wurden R. dann irrt¨umlich zugeschrieben. A1 bis A6 sind R. noch am sichersten zuzuordnen. Ton I ist formal eine vierstrophige Kanzone, allerdings mit einem dreizeiligen Refrain am Ende jeder Strophe. Dieser kontrastiert metrisch mit den Strophen. Der Ton enth¨alt eine Herrenlehre, die Herrscher zu Gerechtigkeit, Großz¨ugigkeit und Ehrenhaftigkeit ermahnt. Der Refrain formuliert einen Weckruf mit Motiven des Tagelieds. Der kurze Ton II singt in der ersten Strophe vom Schicksal der Fahrenden unter geizigen Herren, w¨ahrend die zweite Strophe von jenen handelt, die das Kreuz tragen – wahrscheinlich sind hier Kreuzfahrer oder Ordensritter gemeint. Ton III lobt in Strophe 1 → Leuthold von Seven f¨ur seine reichen dichterischen F¨ahigkeiten, was allerdings als ironischer Spott gegen einen ungeliebten Vielschreiber aufzufassen sein d¨urfte. Strophe II besingt Eva und Maria. Der gleiche Ton findet sich auch in einer Basler Handschrift (Basel, UB, cod. B XI 8), die eine → Walther von der Vogelweide zugeschriebene Zeitklage u¨ berliefert. Eine Autorschaft Walthers hat die Forschung jedoch aus formalen Gr¨unden angezweifelt. ¨ Uberlieferung: A: Heidelberg, UB, cpg 357, 4v–5r (Perg., 1270 bis drittes Viertel 14. Jh., niederalemannisch). – C: Heidelberg, UB, cpg 848, 312r–312va (Perg., erste H¨alfte 14. Jh., alemannisch). Ausgaben: HMS 2 (1838) S. 161 f.; 3 (1838) S. 330 f. – De Boor 1961 (s. Lit.) S. 166 (Teilausg.). – Ulrich M¨uller (Hg.): Politische Lyrik des dt. MA. Bd. 1 (GAG 68). G¨oppingen 1972, S. 41 f. – Kraus LD 1 (21978) Nr. 45. – Epochen der dt. Lyrik 1: Gedichte v. den Anf¨angen bis 1300. Hg. v. Werner H¨over und Eva Kiepe. M¨unchen 1978, S. 314 f. (Teilausg.). – ‹Owe do tagte ez›. Tagelieder und motivverwandte Texte des MA und der fr¨uhen Neuzeit (GAG 204). Hg. v. Renate Hausner. G¨oppingen 1983, S. 141 f. (Teilausg.). – Andr´e Schnyder: Das geistliche Tagelied des sp¨aten MA und der fr¨uhen Neuzeit. Textsammlung, Komm. und Umrisse einer Gattungsgesch. T¨ubingen/Basel 2004, S. 81 f. – Vgl. auch die Ausg. der Heidelberger Liederhandschrift A und Heidelberger Liederhandschrift C. 350
2. H¨alfte 13. Jh. Literatur: HMS 4 (1838) S. 243, 474 f. – Gustav Roethe, ADB 28 (1889) S. 97 f. – Ehrismann 2,2,2 (1935) S. 297. – Kraus LD 2 (21978) S. 293 f., 396–398. – Gisela Kornrumpf, VL2 7 (1989) Sp. 1195–1197. – RSM 5 (1991) S. 223 f.; 2/1 (2009) S. 225. – De Boor/Newald 3/1 (51997) S. 364, 540. – Martin J. Schubert, NDB 21 (2003) S. 379. – Anton Wallner: Herren und Spielleute im Heidelberger Liedercodex. In: PBB 33 (1908) S. 483–540, hier S. 498, 505, 528 f. – Kurt Plenio: Bausteine zur altdt. Strophik. In: PBB 42 (1917) S. 411–502, hier S. 425 Anm., S. 436 Anm. 3. – Walther v. der Vogelweide. 2: Lieder und Spr¨uche Walthers v. der Vogelweide mit erkl¨arenden Anm. Hg. v. Wilhelm Wilmanns/Victor Michels. Halle/ Saale 41924, S. 174, 428 f. – Theodor Kochs: Das dt. geistliche Tagelied. M¨unster/Westf. 1928, S. 38 f. – Heinz Schneider: Spruchdichtung und Spruchdichter in den Hss. J und C. In: PBB 66 (1941) S. 16–36, hier S. 22. – Hugo Kuhn: Dichtung und Welt im MA. Stuttgart 1959. 21969, S. 45. – Helmut de Boor: Ein Spruch R.s d. F.s. In: PBB (T¨ub.) 83 (1961) S. 162–166. – Ewald Jammers: Das K¨onigliche Liederbuch des dt. Minnesangs. Eine Einf. in die sog. Manessische Hs. Heidelberg 1965, S. 143 f. u. o¨ . – Carl v. Kraus: Walther v. der Vogelweide. Unters. Berlin 21966, S. 128 f., 474. – Walter Blank: Die kleine Heidelberger Liederhs. Cod. Pal. Germ. 357 der UB Heidelberg. Wiesbaden 1972, S. 44–46. – Burghart Wachinger: S¨angerkrieg. Unters. zur Spruchdichtung des 13. Jh. (MTU 42). Mu¨ nchen 1973, S. 128–131, 198, 301. – U. Mu¨ ller: Unters. zur politischen Lyrik des dt. MA (GAG 55/56). G¨oppingen 1974, S. 104. – Gerhard A. Vogt: Stud. zur Verseingangsgestaltung in der dt. Lyrik des HochMA (GAG 118). G¨oppingen 1974, S. 96–98, 201. – Kurt Franz: Stud. zur Soziologie des Spruchdichters in Deutschland im sp¨aten 13. Jh. (GAG 111). G¨oppingen 1974, passim. – Joachim Bumke: Ministerialit¨at und Ritterdichtung. Umrisse der Forschung. M¨unchen 1976, S. 42, 47 u. o¨ . – Renate Hausner: Spiel mit dem Identischen. Stud. zum Refrain deutschsprachiger lyrischer Dichtung des 12. und 13. Jh. In: Sprache, Text, Gesch. Beitr. zur Medi¨avistik und germanistischen Sprachwiss. aus dem Kreis der Mitarb. 1964–1979 des Inst. f¨ur Germanistik an der Univ. Salzburg (GAG 304). Hg. v. Peter K. Stein u. a. G¨oppingen 1980, S. 281–384, bes. S. 350. – Olive Sayce: The Medieval German Lyric 1150–1300. The Development of Its Themes and Forms in 351
Ulrich von Liechtenstein Their European Context. Oxford 1982, passim. – Codex Manesse. Die Miniaturen der Großen Heidelberger Liederhs. Hg. und erl. v. Ingo F. Walther unter Mitarbeit v. Gisela Siebert. Frankfurt/M. 1988 (62001) S. 212 f. (Tf. 104). – Schnyder 2004 (s. Ausg.) S. 274. – Carolin Schuchert: Walther in A. Stud. zum Corpusprofil und zum Autorbild Walthers v. der Vogelweide in der Kleinen Heidelberger Liederhs. Frankfurt/M. u. a. 2010, S. 85, 346 f. u. o¨ . MM Ulrich von Liechtenstein (Lichtenstein; «Uolrich von Liehtenstein»), * um 1200/10, † 26.1. 1275. – Verfasser von Minnelyrik und einer fiktiven Autobiographie. Anders als bei vielen Dichtern des MA ist U.s Leben durch insgesamt 94 Urkunden zwischen 1227 und 1274 reich belegt. Daneben wird U. auch in ¨ der Osterreichischen Reimchronik des → Ottokar von Steiermark, der Chronik von den 95 Herrschaften des → Leopold von Wien und in der Cronica Austriae des Thomas → Ebendorfer erw¨ahnt. U. geh¨orte einer Familie steirischer Ministerialer an, deren Stammsitz bei Judenburg lag, war ein Sohn von Dietmar III. von Liechtenstein und mit Perchta von Weißenstein verheiratet. U.s Tochter Perchta heiratete sp¨ater den Dichter Herrand (II.) von Wildon. Der bereits unter Dietmar große politische Einfluss der Familie blieb auch unter U. bestehen, der in ¨ mehreren wichtigen Amtern hervortrat. So war er 1244–46 Truchsess, seit 1267 Marschall der Steiermark und seit 1272 steirischer Landrichter. Auch U.s politische Allianzen sind bekannt: W¨ahrend er 1253 auf der Seite des b¨ohmischen K¨onigs Ottokar II. stand, schloss er sich sp¨ater dem ungarischen Lager an und unterst¨utzte die Anspr¨uche des Ulrich von Seckau auf das Erzbistum Salzburg. Nach An¨ gaben der Osterreichischen Reimchronik saß U. nach einer Anklage wegen Hochverrats 1268 zeitweise in Kerkerhaft und musste nach seiner Freilassung zwei seiner Burgen schleifen lassen. Diese Vorg¨ange sind jedoch in anderen Quellen nicht nachweisbar. Ebenso unsicher ist der historische Wahrheitsgehalt von U.s Werk Frauendienst, das als fiktive Autobiographie gestaltet ist. Darin erw¨ahnt U. immerhin 172 historische Personen, von denen sich 86 direkt oder indirekt mit ihm verbinden lassen. Eine F¨urstenhochzeit von 1222 und der Tod Herzogs ¨ Friedrich II. von Osterreich z¨ahlen zu den realen Ereignissen, die sich im Frauendienst spiegeln. Das Werk berichtet außerdem von der Erziehung 352
Ulrich von Liechtenstein des Dichters am Hof des Markgrafen Heinrich von Istrien sowie von einer einj¨ahrigen Inhaftierung U.s durch zwei seiner Vasallen. Eine sichere Biographie l¨asst sich daraus jedoch nicht konstruieren. Eine Illustration in der → Heidelberger Liederhandschrift C zeigt U. als reitenden Ritter in voller R¨ustung mit Lanze und Schild. Er tr¨agt Venus als Helmzier und sein Wappen als Kleidungsschmuck. In der Darstellung reitet U. u¨ ber Wasserwellen, die wohl das im Frauendienst erw¨ahnte Meer bei Mestre darstellen. Im Wasser belauern sich zwei mit Schwert und Bogen bewaffnete Fabelwesen, die an Kobolde erinnern. ¨ Die U.-Uberlieferung umfasst zun¨achst den Frauendienst, der in einer M¨unchner Handschrift und zwei Fragmenten erhalten ist. 57 Lieder aus dem Text sind auch in Handschrift C enthalten, in der gegen¨uber dem Frauendienst-Text nur mehrere Strophen und ein Leich fehlen. Zwei Spruchstrophen im C-Korpus gelten heute als Werk → Gottfrieds von Straßburg. Lied XII ist in C auch unter dem Namen → Heinrichs von Veldeke enthalten, in der → Heidelberger Liederhandschrift A unter → Niune. Die erste Strophe von Lied XL ist in A anonym tradiert. Eine Wiener Handschrift (Ambraser Heldenbuch) u¨ berliefert schließlich U.s minnedidaktische Dichtung Frauenbuch. Der Frauendienst d¨urfte seit den sp¨aten vierziger Jahren des 13. Jh. entstanden sein und wurde von U. nach eigenen Angaben 1255 beendet. Der Text umfasst 1850 achtzeilige Strophen in vierhebigen Paarreimen. Dazwischen eigef¨ugt sind 57 Minnelieder, ein Leich, drei gereimte B¨uchlein mit Minnegr¨ußen und -bitten, außerdem sieben Briefe, darunter drei Prosa- und vier Reimpaarbriefe. Diese Elemente sind in eine durchg¨angige Handlung eingeordnet – der in Ich-Perspektive erz¨ahlten Lebensgeschichte eines minnenden Ritters. Der Frauendienst beginnt mit der Erziehung des Erz¨ahlers und seinem Dienst als Knappe einer adligen Dame, deren Name nie genannt wird. Nach seiner Schwertleite m¨ochte der Erz¨ahler ihr als Minneritter dienen, was die Dame allerdings ablehnt. Um sich trotzdem zu beweisen, unternimmt der Erz¨ahler zahlreiche, oft komische oder extreme Bew¨ahrungsproben. So begibt er sich als Venus verkleidet auf eine Turnierfahrt von Venedig nach B¨ohmen, besteht ritterliche K¨ampfe und unterzieht sich einer Mundoperation sowie einer Fingeramputation, um der Dame besser zu gefallen. Erst nach einer nicht genauer bestimmten «Untat» der 353
2. H¨alfte 13. Jh. Dame gibt der Erz¨ahler seine vergeblichen Minnebem¨uhungen bei ihr auf. Stattdessen wendet er sich einer anderen Dame zu. Dieses Minneverh¨altnis verlangt dem Erz¨ahler deutlich weniger Strapazen ab. Er unternimmt im Kost¨um des K¨onigs Artus eine zweite Turnierfahrt, muss seine Minne angesichts widriger politischer Umst¨ande (Tod Herzog Friedrichs II.) jedoch beenden. Der Text schließt nach Zeitklagen mit einer Ritterlehre. Der Frauendienst mischt verschiedene Gattungen, Formen, Themen und Motive. Die daraus resultierende Komplexit¨at des Werks erschwert bis heute seine Einordnung. So hat die Forschung den Text u. a. als ersten dt. Ich-Roman (Spechtler), als «Roman zum eigenen literarischen Werk» (Glier), als programmatische Schrift u¨ ber die Geltung des Minnesangs (Rischer) oder als «fiktive Versuchsanordnung» (Mu¨ ller) aufgefasst. Verschiedentlich wurde der Frauendienst auch als dt. Variante der Vidas und Razos der Trobadors bezeichnet, also kurzen Dichterviten mit biographischen Liedkommentaren (Touber). Eine einheitliche Sichtweise hat sich nicht durchgesetzt, jedoch k¨onnen zumindest Grundz¨uge des Werks festgehalten werden. So ist der erste Teil des Frauendienst episch gepr¨agt, der zweite lyrisch. Historische und politische Details des Texts sind einerseits in der zeitgen¨ossischen Realit¨at verankert, zugleich aber oft ununterscheidbar mit fiktiven, nach h¨ofischen Vorbildern stilisierten Ereignissen vermischt. Besonders im ersten Teil des Texts steht noch die idealisierte Welt der Minne und des Rittertums im Vordergrund, etwa in dern Turnierschilderungen. Diese Welt wird im zweiten Teil mit negativen Vorg¨angen der politischen Realit¨at konfrontiert, gegen¨uber denen U. die Minne als angenehme Alternative aufrechterh¨alt. U.s Darstellung des Minnediensts ist mal u¨ bertrieben bis komisch gestaltet, mal von einem ethisch bestimmten Ernst gepr¨agt. U.s Frauenbuch umfasst 2134 Verse in Reimpaaren. Das Werk wird meist auf die Zeit um 1257 datiert und entstand sicher nach dem Frauendienst. Im Frauenbuch f¨uhren ein Ritter und eine Dame einen Disput u¨ ber die h¨ofische Minnekultur, deren Zustand im Text kritisch beleuchtet wird. Dame und Ritter bezichtigen sich gegenseitig der Schuld am Niedergang des Frauendiensts, der im Frauenbuch als vergangenes Ideal erscheint. Der Dialog mit der Dame wird im weiteren Verlauf des Texts zwar formal fortgef¨uhrt, aber zunehmend von didaktischen Ausf¨uhrungen des Ritters u¨ berlagert, 354
2. H¨alfte 13. Jh. die Elemente von Minne- und Ehelehre verbinden. Am Ende greift U. als Erz¨ahlerfigur selbst in den Disput ein, wird von der Dame zum Schiedsrichter erkoren und spricht sie von den Vorw¨urfen des Ritters frei. Mit einem Frauenpreis schließt der Text. Die Forschung hat das Frauenbuch lange als fr¨uhe Minnerede angesehen. Dies ist aber zuletzt angzweifelt worden, u. a. wegen der Auktorialit¨at des Texts und weil dieser nicht nur Aspekte der Minne thematisiert, sondern auch Fragen der guten Ehef¨uhrung. Stattdessen hat man den Text in die sp¨ate Minnesangtradition ger¨uckt und als Fortset¨ zung von Uberlegungen aus U.s Frauendienst interpretiert. In beiden Werken wird der Minnedienst als Gegenentwurf zu einer unsicheren politischen und gesellschaftlichen Realit¨at dargestellt. U.s Werk zeigt Einfl¨usse des hohen Minnesangs, vor allem → Walthers von der Vogelweide, aber auch → Reinmars des Alten und → Gottfrieds von Neifen, denen er u. a. durch seine ethische Auffassung der Minne a¨hnelt. Auch U.s Beherrschung klassischer Formen und Motive der Minnedichtung verankert ihn in dieser Tradition. Zugleich zeigt ihn der Frauendienst als eigenst¨andigen Dichter – U.s Umgang mit biographisch-literarischer Fiktivit¨at, sein Spiel mit Geschlechterrollen (Verkleidung als Venus) sowie seine typische Mischung aus Selbstbez¨uglichkeit und politisch-sozialem Realit¨atsbewusstsein machen ihn bis heute zum lohnenden Gegenstand literaturwissenschaftlicher Debatten. ¨ Uberlieferung: 1. Lieder: Heidelberg, UB, Cpg 357, 23r, 42v (Perg., 1270 bis drittes Viertel 14. Jh., niederalemannisch). – Ebd., Cpg 848, 32r, 237r–247rb (Perg., erste H¨alfte 14. Jh., alemannisch). – Weitere Lieder im Frauendienst (s. u.). – 2. Frauendienst: Augsburg, Staats- und StB, Fragm. germ. 10, 1 Bl. (Perg., letztes Viertel 13. Jh., bair.-¨osterr.; Fragm.). – Landshut, Staatsarch., Vom Einband der Fischmeisteramtsrechnungen 1510, Doppelbl.-Fragm. (Perg., letztes Viertel 13. Jh., bair.). – Mu¨ nchen, BSB, Cgm 44, 129 Bll. (Perg., um 1300, nieder¨osterr.). – 3. Frauen¨ buch: Wien, ONB, cod. Ser. nova 2663, 220va–225rb (Perg., 1504–16/17, su¨ dbair.). Ausgaben: Frauendienst, oder: Gesch. und Liebe des Ritters und S¨angers U. v. Liechtenstein, von ihm selbst beschrieben. Hg. v. Ludwig Tieck. Stuttgart/T¨ubingen 1812. – U. v. L. Hg. v. Karl Lachmann. Berlin 1841. Nachdr. Hildesheim u. a. 1974. – Frauendienst. Hg. v. Reinhold Bechstein. 2 Bde. Leipzig 1888. – Burghart 355
Ulrich von Liechtenstein Wachinger: Mhd. Bruchst¨ucke aus Landshut. In: ZfdA 101 (1972) S. 326–340, hier S. 327–329. – Frauendienst (‹Jugendgeschichte›). In Abb. aus dem M¨unchner Cod. germ. 44 und der Großen Heidelberger Liederhs. Hg. v. Ursula Peters. G¨oppingen 1973. – Kraus LD 1 (21978) S. 428–494 (Lieder, Leich). – Frowendienest. Hg. v. Helmut Birkhan. Graz 1981. – Frauendienst. Hg. v. Franz Spechtler (GAG 485). G¨oppingen 1987. – Frauenbuch. Hg. v. dems. (GAG 520). G¨oppingen 1989. – Tagelieder des dt. MA. Mhd./Nhd. Ausgew¨ahlt, u¨ bers. und komm. v. Martina Backes (RUB 8831). Stuttgart 2003 (Nachdr. ebd. 2011) S. 150–157 (Nr. XIX f.), 264–269. – Das Frauenbuch. Hg. v. Christopher Young. Stuttgart 2003. – Burghart Wachinger (Hg.): Dt. Lyrik des sp¨aten MA (BdK 191/BMA 22). Frankfurt/M. 2006, S. 132–159. – Vgl. auch die Ausg. der Heidelberger Liederhandschriften A und C. ¨ Ubersetzungen: Service of Ladies. Hg. v. John W. Thomas. Chapel Hill 1969. Neuausg. Woodbridge 2004. – Frauendienst. Hg. v. Franz Spechtler. Klagenfurt 2000. Literatur: Anton Sch¨onbach, ADB 18 (1883) S. 620–623. – Kraus LD 2 (21978) S. 519–557. – F. Spechtler, NDB 14 (1985) S. 522 f. – De Boor/ Newald 2 (111991) S. 319–327, 473 f. u. o¨ . – RSM 5 (1991) S. 440. – Jan-Dirk M¨uller, VL2 9 (1995) Sp. 1274–1282. – Ulrich M¨uller/F. Spechtler, LexMA 8 (1997) Sp. 1199 f. – Horst Brunner, MGG2 Personenteil 16 (2006) Sp. 1199 f. – Karina Kellermann, KLL 16 (2009) S. 546 f. – Dies.: Killy2 11 (2011) S. 675 f. – Franz Schmidt: Zu U. v. L. I. Augsburger Fragm. des Frauendienstes. In: ZfdA 69 (1932) S. 321 f. – Hans Arens: U.s v. L. ‹Frauendienst›. Unters. u¨ ber den h¨ofischen Sprachstil. Berlin 1939. – Otto H¨ofler: U.s v. L. Venus- und Artusfahrt. In: Stud. zur dt. Philologie. FS Friedrich Panzer. Hg. v. Richard Kienast. Heidelberg 1950, S. 131–152. – Humphrey Milnes: U. v. L. and the Minnesang. In: German Life and Letters NS 17 (1963) S. 27–43. – Anthonius H. Touber: Der literarische Charakter von U. v. L.s ‹Frauendienst›. In: Neophilologus 51 (1967) S. 253–262. – Bernd Thum: U. v. L. H¨ofische Ethik und soziale Wirklichkeit. Diss. Heidelberg 1968. – J¨urgen Ruben: Zur ‹gemischten Form› im ‹Frauendienst› U.s v. L. Unters. u¨ ber das Verh¨altnis der Lieder, B¨uchlein und Briefe zum erz¨ahlenden Text. Hamburg 1969. – Marie-Luise Dittrich: Die Ideologie des guoten wˆıbes in U.s v. L. ‹Vrowen Dienst›. 356
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2. H¨alfte 13. Jh. Minnesang. In: Dt. Lit. im MA. Kontakte und Perspektiven. FS Hugo Kuhn. Hg. v. Christoph Cormeau. Stuttgart 1979, S. 160–183 (wieder in: K. Ruh: Kl. Schr. Hg. v. Volker Mertens. Berlin/New York 1984, S. 324–345). – Begriffsglossare und Indices zu U. v. L. Hg. v. K. M. Schmidt. 2 Bde. M¨unchen 1980. – J¨urgen K¨uhnel: Zu den Tagliedern U.s v. L. In: JOWG 1 (1980/81) S. 99–138. – Winfried Frey: ‹Mir was hin uˆ f von herzen gˆach.› Zum Funktionswandel der Minnelyrik in U.s v. L. Frauendienst. In: Euph. 75 (1981) S. 50–70. – Dieter Kartschoke: U. v. L. u. die Laienkultur des ¨ dt. S¨udostens im Ubergang zur Schriftlichkeit. In: Die ma. Lit. in K¨arnten. Vortr¨age des Symposions in St. Georgen/L¨angsee vom 8. bis 13.9.1980. Hg. v. Helmut Birkhan. Wien 1981, S. 103–143. – Winfried Frey: Mir was hin uˆ f von herzen gˆach. Zum Funktionswandel der Minnelyrik in U.s v. L. ‹Frauendienst›. In: Euph. 75 (1981) S. 50–70. – Michael Pieper: Die Funktionen der Kommentierung im ‹Frauendienst› U.s v. L. (GAG 351). G¨oppingen 1982. – Hermann Reichert: Exzentrizit¨at als Zentralgedanke. U. v. L. und seine Artusfahrt von ¨ 1240. In: Osterreich in Gesch. und Lit. 27 (1983) S. 25–41. – Ders.: Vorbilder f¨ur U.s v. L. Friesacher Turnier. In: Carinthia 173 (1983) S. 171–192. – Hubert Heinen: U. v. L. Homo (il)litteratus or poet/ performer? In: Journal of English and Germanic Philology 83 (1984) S. 159–172. – J.-D. Mu¨ ller: Lachen – Spiel – Fiktion. Zum Verh¨altnis von literarischem Diskurs und hist. Realit¨at im ‹Frauendienst› U.s v. L. In: DVjs 58 (1984) S. 38–73 (wieder in: Ders.: Minnesang und Lit.theorie. Hg. v. Ute von Bloh. T¨ubingen 2001, S. 1–38). – H. Heinen: Poetic Truth and the Appearance of Reality in U. v. L.’s Dawn Songs. In: From Symbol to Mimesis. Hg. v. Franz H. B¨auml (GAG 368). G¨oppingen 1984, S. 169–189. – Klaus Grubm¨uller: Minne und Geschichtserfahrung. Zum ‹Frauendienst› U.s v. L. In: Geschichtsbewußtsein in der dt. Lit. des MA. T¨ubinger Colloquium 1983. Hg. v. Nigel F. Palmer u. a. T¨ubingen 1985, S. 37–51. – H. Heinen: U.s v. L. Sense of Genre. In: Genres in Medieval German Literature. Hg. v. H. Heinen/Ingeborg Henderson (GAG 439). G¨oppingen 1986, S. 16–29. – Fritz P. Knapp: Chevalier errant und fin’amor. Das Ritterideal des 13. Jh. in Nordfrankreich und im deutschsprachigen S¨udosten. Stud. zum Lancelot en prose, zum Moriz v. Craˆun, zur Krone Heinrichs v. dem T¨urlin, zu Werken des Strickers und zum ‹Frauendienst› U.s v. L. Passau 1986. – A. H. Touber: 358
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2. H¨alfte 13. Jh. Hinweise fehlen, ist die Forschung auf sprachgeographische, sprachhistorische, u¨ berlieferungsspezifische oder stilistische Erw¨agungen angewiesen, die freilich nur Vorschl¨age liefern k¨onnen. Plausibel scheint eine Zugeh¨origkeit W.s zum Geschlecht der rheinfr¨ankischen Freiherren von Heinzenberg (Burg bei Kreuznach) zu sein, zumal die Wappen der Miniaturen in den beiden Textzeugen mit dem Siegel der Freiherrn u¨ bereinstimmen. Im 13. Jh. sind drei Familienmitglieder mit dem Namen Wilhelm bezeugt (1206–24, 1232–53, 1264–92), wobei eine sp¨ate Datierung nicht dem zeitlichen Rahmen der anderen Dichter in der → Weingartner Liederhandschrift B entspricht. Auch eine Herkunft des Dichters aus dem tirolischen Hainzenberg (Zillertal) ist zumindest nicht auszuschließen. W.s Lieder sind durchweg Minnekanzonen mit traditioneller Motivik. Der klagende Tonfall dominiert, gelegentlich wird Kritik an der Minnedame wegen deren mangelnder «g¨uete» ge¨ubt. Auff¨allig im W.-Corpus von B ist die fast ausschließliche Einstrophigkeit der Lieder. Der stollige Aufbau der einzelnen Strophen ist schlicht, dem entspricht die sprachlich-stilistische Ebene, so dass W.s Lieder das Niveau der bedeutenderen Minnes¨anger des 13. Jh. nicht erreichen. Eine Ausnahme stellt das vierstrophige Lied am Ende des Corpus in der → Heidelberger Liederhandschrift C dar. Dieses Lied wird von der → Heidelberger Liederhandschrift A dem Minnes¨anger → Wachsmut von K¨unzingen zugewiesen. Fu¨ r diese Zuweisung (der auch Kraus LD folgt) sprechen neben der Schlussposition in C der signifikant h¨ohere dichterische Anspruch ¨ und stilistische Ubereinstimmungen mit anderen Wachsmut-Liedern. ¨ Uberlieferung: Stuttgart, LB, Cod. HB XIII 1 (B) S. 125–127 (Perg., erstes Viertel 14. Jh., alemannisch); 7 Str. in 6 To¨ nen (nur das erste Lied ist zweistrophig). – Heidelberg, UB, Cpg 848 (C) 162v–163va (Perg., um 1300, alemannisch). 11 Str. (darunter alle B-Str.) in 6 T¨onen bzw. 14 Str. in 7 T¨onen bei Einbeziehung des vermeintlichen Wachsmut v. K¨unzingen-Liedes (das Farblayout der Initialen der Hs. suggeriert 5 T¨one, fasst aber Strophen unterschiedlichen Baus zusammen). – Haupt¨ unterschied der beiden Uberlieferungstr¨ ager ist, dass die u¨ berwiegende Einstrophigkeit von B sich in C nicht widerspiegelt: Die 5 Einzelstr. von B sind zu zwei Liedeinheiten zusammengefasst, das zweistrophige Lied ist um eine dritte Str. erweitert, ein gegen¨uber B zus¨atzlicher Ton ist dreistrophig 362
2. H¨alfte 13. Jh. und weist gegen¨uber den anderen mehrstrophigen Komplexen als einziger eine inhaltliche Progression u¨ ber die Strophengrenzen hinaus auf. – Die ¨ jeweiligen Miniaturen in den Hss. zeigen Ubereinstimmungen bei Wappenschild (rautenf¨ormige Spangen mit Edelsteinen) und Helm. B hat eine Frontalansicht des Dichters mit Spruchband und Schwert, C bietet eine Variante des Typus des Botenbildes. Ausgaben: HMS 1 (1838) S. 304 f. (einschließlich Wachsmut-Lied). – Kraus LD 1 (21978) S. 590–592 und 560 (Wachsmut-Lied). Literatur: De Boor/Newald 3/1 (51997) S. 273. – Gert H¨ubner, VL2 10 (1999) Sp. 1096–1098. – HMS 4 (1838) S. 238, 527, 757. – Karl Bartsch: Kleine Mitth. 1: Herr W. v. H. In: Germania 8 (1863) S. 36–38. – Fritz Grimme: Die Gesch. der Minnesinger. Bd. 1: Die rheinisch-schw¨abischen Minnesinger. Paderborn 1897, S. 81–92. – Heinz Schneider: Spruchdichtung und Spruchdichter in den Hss. J und C. In: ZfdPh 66 (1941) S. 16–36, hier S. 35 f. – Werner Zwiebelberg: Die Familie mit dem ‹Rinck›. Das Dynastengeschlecht der v. Heinzenberg zu Heinzenberg. In: Landeskundliche Vierteljahrsbll. 10 (1964) S. 23–34. – Kurt Herber Halbach: Die Weingartner Liederhs. als Slg. poetischer Texte. In: Die Weingartner Liederhs. Bd. 2: Textbd. Stuttgart 1969 (Nachdr. 1989) S. 29–132, hier S. 92 f., 123 f. – Joachim Bumke: Ministerialit¨at und Ritterdichtung. Umrisse der Forschung (Edition Beck 12). M¨unchen 1976, Reg. – Kraus LD 2 (21978) S. 638–643. – Olive Sayce: The Medieval German Lyric 1150–1300. The Development of its Themes and Forms in their European Context. Oxford 1982, Reg. – Codex Manesse. Die Miniaturen der Großen Heidelberger Liederhs. Hg. und erl. v. Ingo F. Walther unter Mitarbeit v. Gisela Siebert. Frankfurt/M. 1988 (62001) S. 104 f. (Tf. 51). – Franz-Josef Holznagel: Wege in die Schrift¨ lichkeit. Unters. und Materialien zur Uberl. der mhd. Lyrik (Bibliotheca Germanica 32). T¨ubingen/Basel 1995, Reg. – Barbara Weber: ŒuvreZusammensetzungen bei den Minnes¨angern des 13. Jh. (GAG 609). G¨oppingen 1995, Reg. VZ Hiltbolt von Schwangau. – Minnes¨anger, um 1200 oder 13. Jh. H. entstammte einem schw¨abischen Ministerialengeschlecht, das sich nach den Burgen Vorder363
Hiltbolt von Schwangau und Hinterschwangen (Schwangau bei Fu¨ ssen) benannte und seit den 20er Jahren des 12. Jh. nachgewiesen ist. Die Familie stand zun¨achst im Dienst der schw¨abischen Herz¨oge, dann der Welfen und schließlich (seit 1191) der Hohenstaufen. In der Familie sind zwei H.s bezeugt: Der erste urkundet 1146/47–82/83 neunmal und der zweite 1221–56 achtmal. Dieser zweite «Hilteboltus» war offensichtlich kein Reichsministerialer, sondern Dienstmann des Grafen Albrecht von Tirol. F¨ur den Zeitraum 1182/83–1221 besteht also eine Bezeugungsl¨ucke, die insofern problematisch ist, als dass nach verbreiteter Forschungsmeinung das Œuvre H.s nach stilistischen Kriterien in der Zeit um 1200 (1190–1210) anzusetzen sei. Stilistische Untersuchungen liefern allerdings nur chronologische Anhaltspunkte und im Widerspruch zu dieser fr¨uhen Datierung k¨onnten die zwei Kreuzlieder im Corpus H.s (Nr. XVII und XVIII) stehen. Aufgrund dieser beiden Lieder ist seine Kreuzzugsteilnahme erwogen worden (1217 [zusammen mit Albrecht] oder 1228/29), wobei mit deutlicher Einschr¨ankung zu bemerken ist, dass die Verwendung des g¨angigen Liedtypus Kreuzlied kein hinreichender Nachweis einer tats¨achlichen Kreuzzugsteilnahme ist. Im Falle H.s wirkt Lied XVII eher wie eine souver¨ane Gattungsadaption und weniger wie ein Zeugnis biographischer Betroffenheit. Gest¨utzt wird eine zeitlich sp¨atere Verortung allerdings zus¨atzlich durch die These, wonach es auch Einfl¨usse des Minnesangs des 13. Jh. bei den Liedern H.s g¨abe: So scheint Lied X, das Z¨uge eines (durchweg h¨ofischen) Tanzliedes aufweist und u¨ ber einen Refrain mit Namensnennung zweier T¨anzer verf¨ugt, einer j¨ungeren Stilschicht anzugeh¨oren (Vergleichbares findet sich erst bei → Burkhard von Hohenfels und → Ulrich von Singenberg). Abschließend ergeben sich f¨ur die Bestimmung des Liedautors anhand der Archivalien und der œuvrebezogenen Erw¨agungen mehrere M¨oglichkeiten: 1) Der um 1200 wirkende Minnes¨anger ist urkundlich nicht bezeugt. 2) Es handelt sich um das Fr¨uhwerk des ab 1221 nachgewiesenen H. 3) Die Lieder sind vom seit 1221 nachgewiesenen H. im (fr¨uheren) Beurkundungszeitraum verfasst worden. Bei den ersten beiden Optionen w¨aren unter Umst¨anden die sp¨ater verfassten (r¨uckblickend-res¨umierenden [?]) Kreuzlieder und das Lied X, das stilistische Gattungsentwicklungen vorweg nimmt, als Sonderf¨alle zu ber¨ucksichtigen. Bei 364
Hiltbolt von Schwangau der dritten M¨oglichkeit w¨are das Corpus gepr¨agt von bewusst altmodischen Liedern. Insgesamt werden unter H.s Namen 23 Lieder mit 49 Strophen u¨ berliefert (wobei ihm gemeinhin ein Dreistropher ab- und dem Markgrafen von ¨ → Hohenburg zugesprochen wird [s. Uberl]). Bis auf Lied XII, das die Gegenseitigkeit der Beziehung mit dem Klagegestus der Fernminne verbindet, handelt es sich ausschließlich um Lieder der hohen Minne. Der Anteil an ein- und zweistrophigen Liedern ist ungew¨ohnlich hoch (acht Ein-, vier Zweistropher). Die Einstropher kn¨upfen an den fr¨uhen dt. Minnesang und dessen Neigung zur autonomen Einzelstrophe an. Dabei warten sie aber jeweils mit eigenem Ton auf und vermeiden durchweg stilistische Archaik. Zumeist konzentrieren sie sich auf ein gel¨aufiges Thema des Minnesangs, das in methodischer K¨urze behandelt wird. Von den vier Zweistrophern haben zwei jeweils gleichrangige inhaltlich in sich geschlossenen Strophen und stehen daher der einstrophigen Achtergruppe nahe. H. zeigt in allen seinen Liedern eine meisterhafte Handhabung traditioneller Formen und Motive, wobei sich der motivlichsprachliche Bestand h¨aufig wiederholt, was auch Z¨uge des Kompilatorischen hat. H.s Darstellungen der Dame und des Minners zeigen noch die klassischen Rollenmerkmale: Die Dame wird nicht nur wegen ihrer a¨ ußerlichen Erscheinung sondern auch wegen ihrer ethisch-moralischen Vorz¨uglichkeit verehrt. Auf den S¨anger u¨ bt sie eine Macht aus, die ihm erst seine Kunst erm¨oglicht. Dieser wiederum geht ganz im Dienstgedanken auf, klagt, preist und hofft. Lohn wird nur dezent eingefordert. Das Kreuzlied XVII wartet mit einer Besonderheit auf, indem hier jegliche religi¨ose Reflexion fehlt und die Kreuzzugsthematik argumentativ ausschließlich auf die Minne bezogen wird (ein diametraler Gegensatz zu den Kreuzliedern → Walthers von der Vogelweide). Formal zeichnen sich die meisten Lieder durch romanisierenden Strophenstil aus. Ob H. dabei romanische Strophenformen auch selbst entlehnte oder diese sekund¨are Bildungen sind, ist unklar (so stimmt Lied XIV mit einer Canson Conons de B´ethune u¨ berein aber auch mit → Albrecht von Johansdorf MF 87,5; Lied XX wiederum entspricht einer Canson Gace Brul´es und → Hartmann von ¨ Aue MF 215,14). Uber die H¨alfte von H.s Kanzonen sind daktylische Zehn- oder Neunsilbler, 365
2. H¨alfte 13. Jh. es kommen verschiedene Formen der Durchreimung vor und die alternierenden T¨one sind ganz u¨ berwiegend viertaktig. Diese Bauformen und außerdem die Motivik und der Wortschatz – vor allem die Reimw¨orter – stellen H. in die Tradition der staufischen Minnesangskunst, die von der «Hausen-Schule» (u. a. → Friedrich von Hausen, → Bernger von Horheim, → Ulrich von Gutenburg, → Otto von Botenlauben) bis zu den sp¨ath¨ofischen, schw¨abisch-staufischen S¨angern reicht (Burkhard von Hohenfels, → Gottfried von Neifen, → Ulrich von Winterstetten). Daneben sind zwar Einfl¨usse → Reinmars des Alten und → Heinrichs von Morungen feststellbar, die aber nicht stilpr¨agend sind (Walther hinterl¨asst gar keine nennenswerten Spuren). Wo nun aber H. in dieser kontinuierlichen staufischen Tradition einzu¨ ordnen und wie er zu bewerten ist – ob als Ubergangsfigur oder doch schon als Angeh¨origer der j¨ungeren Generation – l¨asst sich aufgrund der unsicheren Datierungslage nicht kl¨aren, ist aber letztlich f¨ur die Bewertung seiner kunstvollen h¨ofischen Dichtungen auch nicht maßgeblich. Eine Nachwirkung H.s ist bei → Ulrich von Munegiur festellbar, dessen Lied 1 vermutlich H.s Lied XIX zum Vorbild hat. Das Tanzlied X k¨onnten Gottfried von Neifen und der → Tannh¨auser gekannt haben, w¨ahrend die Kenntnis von Liedern H.s bei → Brunwart von Augheim sicher ist: Er entlehnte w¨ortlich aus den Liedern X, XI und XXI. ¨ Uberlieferung: Heidelberg, UB, Cpg 848 (→ Heidelberger Liederhs. C) 146r–148r (Perg., um ¨ 1300, alemannisch); 49 Str.; Uberschrift: «her Hilte bolt v¯o Swanegoi». – Stuttgart, LB, Cod. HB XIII 1 (→ Weingartner Liederhs. B) S. 121–124 (Perg., erstes Viertel 14. Jh., alemannisch); 14 Str. (alle auch in C); zwischen S. 122 und 123 sind drei Bll. mit ¨ etwa 28 Str. ausgerissen; Uberschrift: «H. HILTE¯ SWANEGOV». – Der Bestand von B BOLT U und C d¨urfte urspr¨unglich der nahezu gleiche gewesen sein, was auf eine gemeinsame Vorlage deutet. Die Miniaturen von C und B zeigen das gleiche Wappen, das mit dem Familienwappen derer von Schwangau u¨ bereinstimmt. Die Miniaturen selbst sind unterschiedlich: In C scheint die dargestellte Tanzszene (mit Musiker) Lied X zu illustrieren; B zeigt den Dichter mit Textrolle und Minnedame. – Die Str. C 16–18 sind die einzigen, die auch von der → Heidelberger Liederhs. A u¨ berliefert werden (Heidelberg, UB, Cpg 357, 36rv [Perg, 1270–80, 366
2. H¨alfte 13. Jh. niederalemannisch]), dort unter dem Namen eines Markgrafen von «ROTENBVR» (Entstellung von «Hohenburg» [?]). C 18 erscheint auch ein zweites Mal in C, auf Bl. 29v im Korpus des Markgrafen von Hohenburg. Daher wird das Lied C 16–18 von der Forschung in der Regel dem Markgrafen zugesprochen ohne dass eine Verfasserschaft H.s ausgeschlossen werden k¨onnte. Ausgaben: HMS 1 (1838) S. 280–284. – Die Minnelieder Herrn Hildebolds v. S. zum erstenmal u¨ bers. und mit begleitendem Texte hg. v. Johannes Schrott (Bibl. der dt. Lit. 661). Augsburg 1871 (Mikrofiche-Ausg. Mu¨ nchen u. a. 1990). – Juethe (s. Lit.) S. 82–95. – Kraus LD 1 (21978) S. 163–174 (Nr. 24; in der Ausg. erstellt v. Kraus eine Reihenfolge der Str., die einen von H. selbst konzipierten Zyklus darstellen soll und zudem der Chronologie entspr¨ache. Ein solcher Zyklus wird ¨ von der j¨ungeren Forschung mit großer Uberzeugungskraft als reine Spekulation zur¨uckgewiesen.); C 16–18: S. 178 (= Hohenburg VI); Handschrifttreuer Abdruck der Str. auch bei Schiendorfer (s. Lit.) S. 78. – Teilausgaben (Auswahl): Dt. Liederdichter des zw¨olften bis vierzehnten Jh. Hg. v. Karl Bartsch. 4. Aufl. besorgt v. Wolfgang Golther. Berlin 1900 (Nachdr. Darmstadt 1966) S. 93–96. – Hugo Kuhn/Georg Reichert: Minnesang des 13. Jh. Tu¨ bingen 21962, S. 40–43. – Werner H¨over/Eva Kiepe: Gedichte von den Anf¨angen bis 1300. Nach den Hss. in zeitlicher Folge (Epochen der dt. Lyrik 1). M¨unchen 1978 (Nachdr. 2001 u. d. T.: Dt. Lyrik v. den Anf¨angen bis zur Gegenwart 1) S. 206. – Helmut Brackert: Minne¨ sang. Mhd. Texte mit Ubertragungen und Anm. Frankfurt/M. 22008, S. 204–207. Literatur: [Konrad] Burdach, ADB 33 (1891) S. 184–186 (unter Schwangau). – Hans P¨ornbacher, NDB 9 (1972) S. 162 f. – De Boor/Newald 2 (111991) S. 307 f. – Franz Josef Worstbrock, VL2 4 (1983) Sp. 12–17. – Claudia H¨andl, Killy2 5 (2009) S. 437–439. – HMS 4 (1838) S. 190–192. – Fritz Grimme: Die Gesch. der Minnesinger. Bd. 1: Die rheinisch-schw¨abischen Minnesinger. Paderborn 1897, S. 130–135, 276 f. – Bartsch/Golther (s. Ausg.) S. XLVIII. – Erich Juethe: Der Minners¨anger H. v. S. (Germanistische Abh. 44). Breslau 1913 (Nachdr. Hildesheim/New York 1977). – Hans Naumann: Die Hohenstaufen als Lyriker und ihre Dichterkreise. In: Dichtung und Volkstum (= Euph.) 36 (1935) S. 21–49. – Friedrich Zollhoefer: Der Minnes¨anger von Hohenschwangau. 367
Hiltbolt von Schwangau In: Schwabenland 7 (1940) S. 246–253. – Friedrich Neumann: Der Markgraf von Hohenburg. In: ZfdA 86 (1955/56) S. 119–160, hier S. 143 f. – H. P¨ornbacher: H. v. S. In: Lebensbilder aus dem Bayerischen Schwaben 7 (1958) S. 12–22. – H. Kuhn: Minnesangs Wende (Hermaea NF 1). T¨ubingen 21967, S. 43, 80 f. – F. Zollhoefer: Herr H. v. S., ein Allg¨auer Minnes¨anger. In: Allg¨auer Geschichtsfreund NF 67 (1967) S. 17–24. – Kurt Herbert Halbach: Die Weingartner Liederhs. als Slg. poetischer Texte. In: Die Weingartner Liederhs. Bd. 2: Textbd. Stuttgart 1969 (Nachdr. 1989) S. 29–132, hier S. 90–92. – Joachim Bumke: Ministerialit¨at und Ritterdichtung. Umrisse der Forschung (Edition Beck 12). M¨unchen 1976, Reg. – Silvia Ranawake: H¨ofische Strophenkunst. Vergleichende Unters. zur Formentypologie von Minnesang und Trouv`erelied an der Wende zum Sp¨atMA (MTU 51). Mu¨ nchen 1976, S. 230 f., 341. – Gisela Kornrumpf: Rezension v. Antonius H. Touber: Dt. Strophenformen des MA (1975). In: PBB (T¨ub.) 99 (1977) S. 319. – Eugen Thurnher: K¨onig Heinrich (VII.) und die dt. Dichtung. In: DA 33 (1977) S. 522–541. – Kraus LD 2 (21978) S. 190–223. – Max Schiendorfer: Hsl. Mehrfachzuweisungen: Zeugen s¨angerischer Interaktion im MA? In: Euph. 79 (1985) S. 66–94. – C. H¨andl: Rollen und pragmatische Einbindung. Analysen zur Wandlung des Minnesangs nach Walther v. der Vogelweide (GAG 467). G¨oppingen 1987, Reg. – Codex Manesse. Die Miniaturen der Großen Heidelberger Liederhs. Hg. und erl. v. Ingo F. Walther unter Mitarbeit v. Gisela Siebert. Frankfurt/M. 1988 (62001) S. 94 f. (Tf. 46). – Manfred Eikelmann: Denkformen im Minnesang. Unters. zu Aufbau, Erkenntnisleistung und Anwendungsgeschichte konditionaler Strukturmuster des Minnesangs bis um 1300 (Hermaea NF 54). T¨ubingen 1988, Reg. – Nico G. W. Unlandt: La chanson ‹Do ir versagen mir soˆ nˆahe gie› de H. von Swaneg¨oi comme contrefacture de la chanson PC 364,33 ‹Per melhs sofrir lo maltrait e l’afan› de Peire Vidal. In: AB¨aG 27 (1988) S. 87–102. – Volker Mertens: H. v. S. Versuch u¨ ber einen Minnedichter des 13. Jh. als ¨ Beitr. zu einer nachklassischen Asthetik des Minnesangs. In: ‹bickelwort und wildiu mære›. FS Eberhard Nellmann. Hg. v. Dorothee Lindemann u. a. (GAG 618). G¨oppingen 1995, S. 294–312. – H. P¨ornbacher: Minnes¨anger H. v. S. In: Schwangau. Dorf der K¨onigsschl¨osser. Hg. v. Wilhelm Liebhart. Sigmaringen 1996, S. 343–357. – Uwe Meves (Hg.): Regesten dt. Minnes¨anger des 12. und 368
Walther von Breisach 13. Jh. Berlin/New York 2005, S. 665–683. – Cord Meyer: ‹Klassiker› oder ‹Nachz¨ugler›: H. v. S. In: Die dt. Lit. im Umkreis K¨onig Heinrichs (VII.). Stud. zur Lebenswelt sp¨atstaufischer Dichter (Kultur, Wiss., Lit. 17). Hg. v. dems. Frankfurt/M. u. a. 2007, S. 194–227. VZ Walther von Breisach («Meister walther von prisach»). – Lied- und Sangspruchdichter, zweite H¨alfte 13. Jh. Unter den letzten Nachtr¨agen in der → Heidelberger Liederhandschrift C ist auch das Werk W.s v. B. aufgezeichnet. Da dieses Korpus nicht von einer Illustration begleitet wird, bleibt als Anhaltspunkt f¨ur eine Identifizierung des Dichters nur der in C vermerkte Name und die Bezeichnung als «Meister». Tats¨achlich ist ein Magister und «scholasticus» gleichen Namens zwischen 1256 und 1300 nachweisbar. Er lebte um 1256 zun¨achst in Breisach, um 1271 dann in Freiburg i. Br. In den Quellen erscheint er als Schulmeister sowie «rector puerorum» und wird meist zwischen Kerikern und B¨urgern genannt. Auch kannte er → Albrecht von Haigerloch und diente dem Bischof von Konstanz sowie zwei apostolischen Juristen m¨oglicherweise als Untersuchungsrichter. Eine Beschreibung dieser T¨atigkeit findet sich in einem Brief, den ein gleichnamiger Magister an den Straßburger Bischof schickte. Wahrscheinlich handelte es sich bei W. also um einen Kleriker mit niederen Weihen, doch solider Bildung, der eine Schule betrieb und daneben Gedichte schrieb. C u¨ berliefert unter W.s Namen drei T¨one (I–III) in insgesamt 22 Strophen, deren letzte Strophe aber nur unvollst¨andig erhalten ist. Ton I ist ein Gotteslob in sieben Strophen und erinnert an Ton XII des Marners. Der Text ist von Moraldidaxe bestimmt und mahnt M¨anner und Frauen zu Treue, Maß und Wahrhaftigkeit, w¨ahrend er gleichtzeitig vor der H¨olle warnt. Ton II ist ein f¨unfstrophiges Tagelied, in dem das Liebespaar vom Ruf des W¨achters aufgeweckt wird und nach letzten Liebesschw¨uren scheidet. Ton III enth¨alt einen zehnstrophigen Marienpreis, dessen erste vier Strophen verschiedentlich als eigenes Marienlied aufgefasst werden. Darin wird Maria als von Gott erkorene Magd und als Erl¨oserin der Menschen vom B¨osen dargestellt. Der Rest des sehr kunstvoll gestalteten Tons kehrt zu jener Moraldidaxe zur¨uck, die bereits Ton I pr¨agt. Auch in Ton III erteilt der S¨anger M¨annern und Frauen Ratschl¨age f¨ur angemessenes 369
2. H¨alfte 13. Jh. Benehmen und mahnt besonders zu beherrschter Rede. Insgesamt steht die Dichtung W.s v. B. unter dem Einfluss des → Marners. Die moralischreligi¨osen Anteile der T¨one I und III verweisen vielleicht auf den klerikalen Hintergrund W.s. Ob ein Tagelied wie II mit seinem amour¨osen Inhalt allerdings problemlos einem wahrscheinlichen Kleriker wie dem historischen Magister W. zugeordnet werden kann, ist bis heute umstritten. ¨ Uberlieferung: Heidelberg, UB, cpg 848, 295ra–296ra (Perg., erste H¨alfte 14. Jh., alemannisch, Schreiber «Gs»). Ausgaben: HMS 2 (1838) S. 140–143. – Pantaleon Rosmann/ Faustin Ens: Gesch. der Stadt Breisach. Freiburg i. Br. 1851, S. 457–464 (OnlineAusg. BSB M¨unchen [o. J.]). – Fridrich Pfaff: Der Minnesang im Lande Baden. Heidelberg 1908, S. 17–25. – Texte zur Gesch. des dt. Tageliedes. Hg. v. Ernst Scheunemann/Friedrich Ranke. Bern 2 1964, S. 17 f. (Teilausg.). – Die dt. Lit. Texte und Zeugnisse 1/1. Hg. v. Helmut de Boor. M¨unchen 1965, S. 425 f. (Teilausg.). – Kraus LD 1 (21978) S. 575–581. – Epochen der dt. Lyrik. Bd. 1: Gedichte v. den Anf¨angen bis 1300. Hg. v. Werner H¨over/Eva Kiepe. M¨unchen 1978 (Nachdr. ebd. 2001) S. 347 (Teilausg.). – Dt. Tagelieder v. den ¨ Anf¨angen der Uberl. bis zum 15. Jh. Hg. v. Sabine Freund. Heidelberg 1983, S. 237, 270. – ‹Owe do tagte ez›. Tagelieder und motivverwandte Texte des MA und der fr¨uhen Neuzeit. Hg. v. Renate Hausner (GAG 204). G¨oppingen 1983, S. 27 f. (Teilausg.). – Tagelieder des dt. MA. Mhd./Nhd. Ausgew¨ahlt, u¨ bers. und komm. v. Martina Backes (RUB 8831). Stuttgart 2003 (Nachdr. ebd. 2011) S. 166–169 (Nr. XXIV), 272 f. – Vgl. auch die Ausg. der Heidelberger Liederhandschrift C. Literatur: Richard W. Meyer, ADB 41 (1896) S. 33. – Kraus LD 2 (21978) S. 624–626. – RSM 5 (1991) S. 457–459; 2/1 (2009) S. 289. – De Boor/Newald 3/1 (51997) S. 298 f., 374 u. o¨ . – Eckart C. Lutz, VL2 10 (1999) Sp. 639–641. – Pfaff 1908 (s. Ausg.) S. 16. – Albrecht Schlageter: Unters. u¨ ber die liedhaften Zusammenh¨ange in der nachwaltherschen Spruchlyrik. Diss. Freiburg i. Br. 1953, S. 251–271. – Peter Nowak: Stud. zu Gehalten und Formen mhd. Gebetslyrik des 13. Jh. Bonn 1975, S. 239–243. – Horst Brunner: ¨ Die alten Meister. Stud. zu Uberl. und Rezeption der mhd. Sangspruchdichter im Sp¨atMA und in der fr¨uhen Neuzeit (MTU 54). M¨unchen 1975, 370
2. H¨alfte 13. Jh. S. 183, 186, 190. – Joachim Bumke: Ministerialit¨at und Ritterdichtung. Umrisse der Forschung. Mu¨ nchen 1976, S. 43, 77 f. – Ders.: M¨azene im MA. Die G¨onner und Auftraggeber der h¨ofischen Lit. in Deutschland 1150–1300. Mu¨ nchen 1979, S. 432. – Ursula Peters: Lit. in der Stadt. Stud. zu den sozialen Voraussetzungen und kulturellen Organisationsformen st¨adtischer Lit. im 13. und 14. Jh. T¨ubingen 1983, S. 284 f. – Eva Willms: Liebesleid und Sangeslust. Unters. zur dt. Liebeslyrik des sp¨aten 12. und fr¨uhen 13. Jh. (MTU 94). Mu¨ nchen u. a. 1990, S. 17. – Johannes Rettelbach: Variation – Derivation – Imitation. Unters. zu den T¨onen der Sangspruchdichter und Meistersinger (Fr¨uhe Neuzeit 14). T¨ubingen 1993, S. 252. – Barbara Weber: Œuvre-Zusammensetzungen bei den Minnes¨angern des 13. Jh. (GAG 609). G¨oppingen 1995, S. 250–258 u. o¨ . – Franz-Josef Holznagel: Wege in die Schriftlichkeit. Unters. und Materia¨ lien zur Uberl. der mhd. Lyrik. T¨ubingen u. a. 1995, S. 169 f. – Rudolf Johannes Merkle: W. v. B. Leben und Werk. Fribourg 1995 (Lizentiatsarbeit). – Backes/Wolf 2003 (s. Ausg.). – J. Bumke: Gesch. der dt. Lit. im hohen MA. M¨unchen 52004, S. 376. – Uwe Meves (Hg.): Regesten dt. Minnes¨anger des 12. und 13. Jh. Berlin/New York 2005, S. 837–849. – Stefan Seeber: Freundschaft bei W. v. B. und dem Kanzler. In: ZfdPh 129 (2010) H. 3, S. 347–362. MM Der von Buchein. – Liederdichter. Die → Heidelberger Liederhandschrift C u¨ berliefert unter B.s Namen vier Minnelieder und einen Spruchton. Der Spruch enth¨alt in seiner zweiten Strophe die Klage um einen verstorbenen Grafen von Calw. Dabei k¨onnte es sich um Gottfried V. von Calw handeln, der bis 1258 nachgewiesen ist, wohl sp¨atestens um 1262 starb und m¨oglicherweise in Verbindung zu B. stand. Die Forschung hat als Autor der Lieder verschiedentlich einen von 1251 bis 1282 nachweisbaren Ministerialen namens Albrecht Pilgrim v. B. identifiziert, dem Gottfried ein Rittergut in Binswangen verliehen haben soll. Die Glaubw¨urdigkeit dieser These ist von der neueren Forschung jedoch angezweifelt worden. Die Fassbarkeit B.s wird auch durch unsichere Zuschreibungen der erhaltenen Texte erschwert. Zwei der angeblich von B. stammenden Lieder werden in C unter dem Namen des von Trostberg wiederholt; ein Lied ist sogar nur in dieser Wiederholung vollst¨andig u¨ berliefert. Ein weiteres 371
Der von Buchein Lied ist in C auch bei → Heinrich von der Mure eingeordnet. Freilich ist B. als Autor auch aus Mangel an Originalit¨at schwer greifbar. Vielmehr sind seine zwei- und dreistrophigen Lieder in Form und Inhalt bis in einzelne Wendungen an → Gottfried von Neifen orientiert. Dies gilt auch f¨ur die in Terzinen geschriebenen Stollen des Spruchtons (A3aA3a- A7b). Zu B. findet sich in C auch eine farbige Illustration. Darin bietet der Dichter unter den Augen eines zuschauenden Musikers einer Frau einen Trinkbecher an – eine Veranschaulichung der Minne. ¨ Uberlieferung: Heidelberg, UB, Cpg 848, 271r–272ra (Perg., erste H¨alfte 14. Jh.). Ausgaben: HMS 2 (1838) Nr. 91. – Friedrich Pfaff: Der Minnesang im Lande Baden. Heidelberg 1908, S. 12–15. – Kraus LD 1 (21978) Nr. 5. – Ulrich M¨uller: Unters. zur politischen Lyrik des dt. MA (GAG 55/56). G¨oppingen 1974, S. 111 f. – Vgl. auch die Ausg. der Heidelberger Liederhandschrift C. Literatur: Ehrismann 2/3 (1966) S. 282. – Franz Josef Worstbrock, VL2 1 (1978) Sp. 1105 f. – Kraus LD 2 (21978) S. 26–31 (mit a¨ lterer Lit.). – De Boor/ Newald 3/1 (51997) S. 260, 264, 274, 525. – Peter Paul Albert: Ritter Albrecht ‹Pilgrim› von Buchheim, ein Minnes¨anger des dreizehnten Jh. Buchen 1937. – Joachim Bumke: Ministerialit¨at und Ritterdichtung. Umrisse der Forschung. Mu¨ nchen 1976, S. 60, 110 f. (Anm. 339). – Ders.: M¨azene im MA. Die G¨onner und Auftraggeber der h¨ofischen Lit. in Deutschland 1150–1300. Mu¨ nchen 1979, S. 271, 438 u. o¨ . – Kurt Andermann: Zur Herkunft des Minnes¨angers ‹von Buochein›. In: Zs. f¨ur die Gesch. des Oberrheins 136 (1988) S. 17–34. – Codex Manesse. Die Miniaturen der Großen Heidelberger Liederhs. Hg. und erl. v. Ingo F. Walther unter Mitarbeit v. Gisela Siebert. Frankfurt/M. 1988 (62001) S. 186 f. (Tf. 91). MM Lauda Sion salvatorem → Band 1, Sp. 800–802. Der Henneberger (Hynnenberger). – Sangspruchdichter, wohl aus der fr¨ankischen Grafschaft Henneberg. Es mag kaum etwas zum Leben dieses Sangspruchdichters bekannt sein, er l¨asst sich aber zumindest zeitlich ungef¨ahr einordnen: In einer der insgesamt elf u¨ berlieferten Strophen in der → Jenaer ¨ Liederhandschrift (s. Uberl.) beschwert sich der H. 372
Meister Alexander dar¨uber, wie «jaemmerliche ez in der Kristenheit nu stat», ein m¨oglicher Hinweis auf das Interregnum von ca. 1250 bis 1273, das mehrere Dichterkollegen seinerzeit besch¨aftigte. Sein Name bezieht sich wohl auf die fr¨ankische Grafschaft Henneberg; ob er diese Anspielung augfrund adliger Wurzeln w¨ahlte oder andere Motive eine Rolle spielten, bleibt ungewiss. Hierzu gab es schon Positionen in der Forschung, die H. eher in der N¨ahe von fahrenden S¨angern bzw. Wanderdichtern diskutierten (vgl. Tervooren, Sp. 1007; Shao-Ji Yao, S. 43 Anm.180). Die Strophen sind allesamt von mahnender, didaktischer Natur; sie lassen sich in Anbetracht dessen grob in zwei Gruppen einteilen: 1. In den von religi¨osen Motiven dominierten Strophen wird u. a. der «unsaelik man» aufgefordert, seinen Glauben zu st¨arken; außerdem betont H., wie sehr «der Mensche geeret ist», nach g¨ottlicher Gestalt geschaffen zu sein. 2. Die restlen Strophen widmen sich weltlichen Themen, Verhaltensregeln f¨ur den, der «da gerne ritter wird mit hoher wirdikeit», bzw. Tugenden f¨ur Herrscher, damit man sie noch nach dem «tode klage». Es sticht eine Strophe leicht heraus, die den Wert von Gelehrsamkeit diskutiert; doch letztlich bleibt auch diese dem religi¨osen Kontext verhaftet, wird doch in ihr bezweifelt, dass ein «tumber leie» Gottes Sch¨opfung ergr¨unden bzw. verstehen k¨onne. ¨ Uberlieferung: Jena, ULB, Ms. El. f. 101, 36va–38rb (Perg., um 1330, mitteldt. bzw. nd.). Ausgaben: HMS 3 (1838) S. 39–41. – Philipp Wackernagel: Das dt. Kirchenlied von der a¨ltesten Zeit bis zu Anfang des XVII. Jh. Bd. 2. Leipzig 1867 (Nachdr. Hildesheim u. a. 1990) S. 1156–1158 (Nr. 1437–1440). – Ronald J. Taylor: The Art of the Minnesinger. Songs of the 13th Century. 2 Bde. Cardiff 1968, Bd. 1, S. 27 f.; Bd. 2, S. 43 f. Literatur: HMS 4 (1838) S. 712. – Ehrismann 2.2.2 (1935) S. 298. – Helmut Tervooren, VL2 3 (1981) Sp. 1006–1008. – De Boor/Newald 3/1 (51997) S. 354, 371 f., 386, 391 f. 400. – Christoph Fasbender, Killy2 5 (2009) S. 266 f. – Konrad Burdach: Reinmar der Alte und Walther von der Vogelweide. Mit erg¨anzenden Aufs¨atzen u¨ ber die altdt. Lyrik. Halle 21928. – Helmut Lomnitzer: Zur wechselseitigen Erhellung von Text- und Melodie¨ kritik ma. dt. Lyrik. In: Probleme ma. Uberlieferung und Textkritik. Hg. v. Peter F. Ganz/Werner Schr¨oder. Berlin 1968, S. 127–129. – Erdmute Pickerodt-Uthleb: Die Jenaer Liederhs. Metrische 373
2. H¨alfte 13. Jh. und musikalische Unters. (GAG 304). G¨oppingen 1975, S. 442. – H. Tervooren: Sangspruchdichtung. Stuttgart 22001. – Shao-Ji Yao: Der Exempelgebrauch in der Sangspruchdichtung vom sp¨aten 12. Jh. bis zum Anfang des 14. Jh. (W¨urzburger Beitr. zur dt. Philologie 32). W¨urzburg 2006. FA Meister Alexander (Der Wilde Alexander). – Alemannischer Lyriker, zweite H¨alfte 13. Jh. Die Liederhandschriften C (Heidelberg, UB, Cpg 848, 412v–413r), J (Jena, ThULB, Ms. El. ¨ f. 101, 21vb–28rb) und W (Wien, ONB, Cod. 2701, 44v–49r) versammeln unter den Bezeichnungen ‹Der wilde Alexander› (C, W) bzw. ‹Meister Alexander› (J) einen Minneleich sowie insgesamt 41 Strophen, die sich auf sechs verschiedene T¨one verteilen. Eine einzelne dieser Strophen (II,11) sowie den Leich u¨ berliefert anonym auch die Niederrheinische Liederhandschrift (Leipzig, UB, Rep. II. 70a, 92ra). Zu allen Liedern sind die Melodien erhalten. Der Verfasser dieser Texte stammt seiner Reimsprache zufolge aus dem alemannischen Sprachraum, ist aber historisch nicht nachweisbar. In Strophe II,24 wird der Ort Burgau zwischen Augsburg und Ulm erw¨ahnt, zu dem das Ich keinen Zutritt erh¨alt: Dies spielt vielleicht auf den Aufenthalt des dt. K¨onigs Rudolf I. von Habsburg dort am 28.11.1288 an. Aus dem Inhalt sowie aus der in einigen Spruchstrophen inszenierten IchRolle schließt die Forschung, dass es sich bei A. um einen Fahrenden gehandelt haben m¨usse, der von Hof zu Hof reiste, um mit seiner Kunst seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Darauf verweist m¨oglicherweise auch die in C ins Bild gesetzte Szene, die den Dichter im roten Gewand auf einem wild galoppierenden Pferd zeigt: der Reiter schmucklos, ohne R¨ustung, Wappen oder andere Standesattribute; ein h¨ofisches Publikum auf angedeuteten Burgzinnen und die Harfe in der Hand der mittleren Dame deuten auf eine vorangegangene musikalische Veranstaltung hin. Dem vermuteten Vagantentum des Dichters steht nicht entgegen, dass sein in den Texten ausgebreitetes Wissen eine vergleichsweise hohe Bildung erkennen l¨asst (z. B. theologische, astrologische, lateinischliterarische und rhetorische Kenntnisse), die er vielleicht im klerikalen Umfeld oder w¨ahrend einer Schul- und Universit¨atslaufbahn erwarb. Auf einen entsprechenden Abschluss k¨onnte die Bezeichnung 374
2. H¨alfte 13. Jh. ‹Meister› deuten, wenn diese nicht auf den Berufsdichter, sondern auf einen Magistertitel hinweist. Die Frage nach einer adligen Herkunft des Dichters sollte von diesen Vermutungen unabh¨angig beantwortet werden: Sein Zugang zu entsprechenden Bildungseinrichtungen spricht eher daf¨ur als dagegen. Das schmale Œuvre deckt ein durchaus breites Spektrum volkssprachiger Lyrik ab und besticht durch Vielseitigkeit und Innovation. Neben geistlichen Liedern finden sich Minnelieder und Sangspr¨uche: Das Weihnachtslied (Kraus LD I), welches das Korpus in J er¨offnet, ist das a¨lteste seiner Art in dt. Sprache. Ein Minnelied (Kraus LD III) kn¨upft an Strophen → Wolframs, → Walthers und → Reinmars an, im zweistrophigen (?) Lied Kraus LD IV folgt auf einen geistlichen Weckruf eine Klage an Frau Minne. Das par¨anetische ‹Erdbeer-› oder ‹Kindheitslied› (Kraus LD V) steht als einzigartige Sonderform zwischen allen lyrischen Kategorien (Worstbrock, Kern, Knapp): In ihm wird stufenweise aus zwei Eklogenversen Vergils und unter Anspielung auf verschiedene Bibelstellen (Gen 3, Mt 25, Hld 5) eine geistliche Aufforderung zur Abkehr von allem Irdischen entwickelt. Die das lyrische Dichten reflektierende Klage an Frau Minne (Kraus LD VI) ist ebenso in J und CW variiert u¨ berliefert wie der Minneleich (Kraus LD VII), in dem sich die Minneklage mit intertextuellen Verweisen und einer allegorischen Auslegung verbindet. Schließlich lassen sich die 24 Sangspruchstrophen eines Tons (Kraus LD II) teilweise nach dem Baukastenprinzip zu l¨angeren Einheiten zusammensetzen und behandeln moraldidaktische Themen in geistlicher Perspektive (z. B. im allegorischen Antichristgedicht II,17–21); daneben finden sich metaphorisch-verh¨ullte Anspielungen auf Politik und Zeitgeschichte (z. B. unter Verwendung einer Fabel in II,14) oder die Diskussion von Minnefragen (II,22 f.). Die Strophen II,1–3 setzen sich im Anschluss an Reinmar von Zweter und dem Marner programmatisch mit dem Dichten (Kunstlehre) sowie mit dem skrupellosen Verhalten bei Hof auseinander (Achnitz), das auch an anderen Stellen kritisiert wird (Herrenlehre, II,12 f., 14 f.). Neben der k¨unstlerischen T¨atigkeit wird immer wieder die Lebenssituation des Fahrenden angesprochen, insbesondere die Notwendigkeit zur ‹milte›. Die stete Verwendung rhetorischer Figuren und allegorischer Verfahren kulminiert im Begriff der ‹wilden rede› (II,19; vgl. Schmolinsky). 375
Meister Alexander Die Nachwirkung einpr¨agsamer Bilder (Figur des nackten und blinden Cupido) findet sich bei → Johann von Konstanz, → Johann von W¨urzburg, in Der Sch¨uler von Paris B und noch bei Peter → Suchenwirt; ungekl¨art ist das Verh¨altnis A.s zu seinem Zeitgenossen → Konrad von W¨urzburg. Ausgaben: Kraus LD 1, S. 1–19; 2, S. 1–17 (Komm.). – Burghart Wachinger (Hg.): Dt. Lyrik des sp¨aten MA (BdK 191/BMA 22). Frank¨ furt/M. 2006, S. 284–301 (mit Ubersetzung), 775–784 (Komm.). – Die Jenaer Liederhs. In Abb. hg. v. Helmut Tervooren/Ulrich M¨uller. G¨oppingen 1972 (fol. 21vb–28rb). – Online-Faksimile C: http://digi.ub.uni-heidelberg.de/cpg848 (fol. 412r–413r), Online-Faksimile J: http://www. urmel-dl.de/Projekte/JenaerLiederhandschrift. html. Literatur: HMS 4 (1838) 665–670. – Ingeborg Glier, VL2 1 (1978) Sp. 213–218. – RSM 3 (1986) S. 3–6. – Sabine Schmolinsky, Killy2 1 (2008) S. 89 f. – Horst Brunner, MGG2 Personenteil (1999) Sp. 448 f. – De Boor, LG III 1, S. 326–328, 357–363. – Mark Berger-Wollner: Die Gedichte des wilden A. Diss. Berlin 1916 (Teildruck). – Rolf Haller: Der Wilde A. Beitr. zur Dichtungsgesch. des 13. Jh. Diss. Bonn 1934/35. – Helmut Lomnitzer: Zur wechselseitigen Erhellung von Text- und Melodiekritik ma. dt. Lyrik. In: Pro¨ bleme ma. Uberl. und Textkritik. Hg. v. Peter F. Ganz/Werner Schr¨oder. Berlin 1968, S. 118–144, bes. S. 133–135. – J¨urgen Biehl: Der Wilde A. Unters. zur literarischen Technik eines Autors im 13. Jh. Diss. Hamburg 1970. – Christoph Gerhardt: Rezension von J¨urgen Biehl (s. o.). In: Literaturwissenschaftliches Jh. der G¨orres-Ges. NF 12 (1971 [1973]) S. 369–379. – Norbert Wagner: Die Lebenszeit des Wilden A. In: ZfdA 104 (1975) 338–344. – Helmut Birkhan: Zum Erdbeerlied des Wilden A. In: Altgermanistische Miszellen aus ‹f¨unfzehen Zettelk¨asten gezogen›. Festgabe f¨ur Otto H¨ofler zum 75. Geburtstag. Hg. v. H. Birkhan (Philologica Germanica 3). Wien 1976, S. 15–83. – Franz Josef Worstbrock: Das ‹Kindheitslied› des wilden A. Zur Poetik allegorischen Dichtens im dt. Sp¨atMA. In: Medium Aevum deutsch. Beitr. zur dt. Lit. des hohen und sp¨aten MA. FS Kurt Ruh. Hg. v. Dietrich Huschenbett u. a. T¨ubingen 1979, S. 447–564. – Peter Kern: Das ‹Kindheitslied› des wilden A. Zur verh¨ullenden Redeweise in mhd. Lyrik. In: ZfdPh 98 (1979, Sonderheft) S. 77–91. – Ders.: M. A.’s Lied ‹Owˆe, 376
Hartmann von Starkenberg minne›. Kritik der Konjekturalkritik. In: Textkritik und Interpretation. FS Karl Konrad Polheim. Hg. v. Heimo Reinitzer. Bern 1987, S. 85–93. – S. Schmolinsky: Wie dunkel ist ‹wilde rede›? Allegorische Verfahren beim Wilden A. In: Lied im dt. MA. ¨ Uberl., Typen, Gebrauch. Chiemsee-Colloquium 1991. Hg. v. Cyril Edwards/Ernst Hellgardt/Norbert H. Ott. Tu¨ bingen 1996, S. 147–156. – F. J. ¨ Worstbrock: Lied VI des Wilden A. Uberl., Interpretation und Literarhistorie. In: PBB 118 (1996) S. 183–204 (wieder in: Ders.: Ausgew¨ahlte Schr. Bd. 1. Stuttgart 2004, S. 119–136). – Fritz Peter Knapp: Das Kindheitslied des Wilden A. und die Alterslyrik Walthers von der Vogelweide. In: Methodisch reflektiertes Interpretieren. FS Hartmut Laufh¨utte. Hg. v. Hans-Peter Ecker. Passau 1997, S. 61–74. – Wolfgang Achnitz: Ein wunder in der werlde vert. Zur Pragmatik einer Strophenfolge des Wilden A. In: ZfdPh 121 (2002) S. 34–53. – Michael Rupp: Narziß und Venus. Vom Blick auf die Antike bei Heinrich von Morungen, Konrad von W¨urzburg und dem Wilden A. In: Texte zum Sprechen bringen. Philologie und Interpretation. FS Paul Sappler. Hg. v. Christiane Ackermann/ Ulrich Barton. T¨ubingen 2009, S. 35–48. – Oliver Huck: Die Notation der mehrfach u¨ berlieferten Melodien in der ‹Jenaer Liederhs.›. In: Die ‹Jenaer Liederhs.›. Codex – Gesch. – Umfeld. Hg. v. Jens Haustein/Franz K¨orndle. Berlin/New York 2010, S. 99–120. WA Hartmann von Starkenberg. – Minnes¨anger, Mitte/zweite H¨alfte 13. Jh. H. z¨ahlt zu den adligen Dilettanten, die in die → Heidelberger Liederhandschrift C Aufnahme gefunden haben. Aufgrund der H¨aufigkeit der geographischen Angabe «Starkenberg» o. a¨. war H.s Herkunft lange umstritten. S¨achsische, rheinische, hessische und ober¨osterr. Orte scheiden aus unterschiedlichen Gr¨unden aus. In einem Tiroler Ministerialengeschlecht dieses Namens ist ein H. 1260–76 bezeugt. Vermutlich handelt es sich beim Dichter aber eher um ein Mitglied der Werdenberg-Sarganser, einer Nebenlinie der Vorarlberger Grafen von Montfort, in der zwei H.s im 13. Jh. bezeugt sind: H. I. (1254–64) und H. II. (1271–82), dessen Sohn. «Starkenberg» w¨are dann ¨ als dt. Ubersetzung von «Montfort» zu verstehen. Stilistisch-formale Merkmale korrelieren zeitlich mit den Bezeugungsdaten von H. I. oder II. und 377
2. H¨alfte 13. Jh. auch die Sprache, die grob ins bair.-o¨ sterr. Gebiet weist, passt zu den Montfortern. C. u¨ berliefert unter H.s Namen sieben Strophen in drei Liedeinheiten mit je eigenem Ton. Die ersten beiden Lieder sind Botenlieder unter dem Aspekt der Fernminne. In Lied 1 sucht das S¨angerIch in der Fremde einen Heiligen auf, damit dieser der Dame von dessen Minneleid berichte, entscheidet sich aber daf¨ur das «liet» selbst als Boten zu schicken. Einen solchen sucht auch das Ich von Lied 2 und w¨ahnt einen Boten aus «tiutsche landen» als am besten geeignet. Das Lied hat einen Natureingang und k¨onnte unvollst¨andig zu sein (s. ¨ Uberl.). Lied 3 ist eine sommerlich-fr¨ohlich gestimmte Dienstverpflichtung des S¨angers mit der Hoffnung auf Erh¨orung. Dass der Dienst auch den ritterlichen Kampf zu Ehren der Dame einbeschließt, k¨onnte von → Ulrich von Liechtenstein beeinflusst sein (Frauendienst, Lied XXXVIII). Die Kanzonenstrophen der Lieder sind formal traditionell gestaltet. Die T¨one von Lied 2 und 3 sind Abwandlungen des Tonmodells von Lied 1. Der Ton von Lied 3 ist identisch mit Ton 1 des von → Buchein (RSM: 1Buchs/1), was angesichts der H¨aufigkeit des Modells keine direkte Abh¨angigkeit bedeuten muss. ¨ Uberlieferung: Heidelberg, UB, Cpg 848 (C) 256v–257ra (Perg., um 1300, alemannisch). Nach Lied 2 ist Raum f¨ur eine weitere Strophe gelassen. Die Miniatur mit Wappen (Brackenkopf) und Helm zeigt den Dichter mit Minnedame als Waffenschmied; Bild¨uberschrift: «Hartman von Starkenberg». Ausgaben: HMS 2 (1838) S. 73 f. – Kraus LD 1 (21978) S. 141 f. – Poetae minores. Weniger bekannte Dichter der großen Heidelberger Liederhs. Hg. und u¨ bers. v. Joachim Kuolt (Helfant Texte 2). Stuttgart 1987, S. 63–68. Literatur: Konrad Burdach, ADB 35 (1893) S. 495 f. – Volker Mertens, VL2 3 (1981) Sp. 526 f. – De Boor/Newald 3,1 (51997) S. 270. – Karl Ferdinand Kummer (Hg.): Die poetischen Erz¨ahlungen des Herrand v. Wildonie und die kleinen inner¨osterr. Minnesinger. Wien 1880, S. 124 f. – Josef Schatz: H. v. S. In: Zs. des Ferdinandeums f¨ur Tirol und Vorarlberg 3. Ser. 45 (1901) S. 177–181. – Ewald Jammers: Das kgl. Liederbuch des dt. Minnesangs. Eine Einf. in die sog. Manessische Hs. Heidelberg 1965, S. 75 f., 131 f., 290 f. – Leonhard Rettig: H. v. S. Ein Minnes¨anger des 13. Jh. im Lichte der neueren Forschung. Hoppenheim 378
2. H¨alfte 13. Jh. 1973. – Joachim Bumke: Ministerialit¨at und Ritterdichtung. Umrisse der Forschung (Edition Beck 12). M¨unchen 1976, Reg. – Kraus LD 2 (21978) S. 173–175. – Codex Manesse. Die Miniaturen der Großen Heidelberger Liederhs. Hg. und erl. v. Ingo F. Walther unter Mitarbeit v. Gisela Siebert. Frankfurt/M. 1988 (62001) S. 174 f. (Tf. 85). VZ Waltram von Gresten (auch: Alram v. G.). – Minnes¨anger, 13. Jh. W. ist nur u¨ ber die ihm zugeschriebenen Liedstrophen nachweisbar, die in Sprache, Inhalt und Form dem 13. Jh. angeh¨oren. Die Bezeichnung «von Gresten» verweist m¨oglicherweise auf die gleichnamige Gemeinde in Nieder¨osterreich. Bei → Geltar wird im Zusammenhang mit dem nieder¨osterr. Mergersdorf (heute Merkersdorf) ein «Alram» erw¨ahnt, der mit W. identisch gewesen sein k¨onnte. Die → Heidelberger Liederhandschrift C enth¨alt auch eine bildliche Darstellung des Dichters. Darin sitzen W. und seine Dame auf einer Bank, hinter der ein Baum mit roten Bl¨uten ¨ w¨achst. Dessen Aste tragen ein ansonsten nicht nachweisbares Wappen mit der Aufschrift «Amor» in ihrer Mitte. Die Dame h¨alt ein Buch, dessen aufgeschlagene Seiten die ersten Verse von → Ulrichs von Zatzikhoven Lanzelet zeigen. Die Haupt¨uberlieferung von W.s Werk befindet sich in C und der → Heidelberger Liederhandschrift A. In C hat Hand As unter W.s Namen 14 Strophen in f¨unf als Kanzonen gestalteten T¨onen aufgezeichnet. Die gleichen Strophen sind auch in A erhalten, aber unter anderen Namen. So werden die Strophen C1 bis C4, C10 und C11 dem Markgraf von → Hohenburg zugeschrieben (sie entsprechen in A den Strophen A6 bis A11), C5 bis C9 dem Jungen → Spervogel (A34 bis A38) und C12 bis C14 → Niune (A35, A36, A38). Zwei Berliner Handschriften u¨ berliefern außerdem W.s Strophen C5 bis C8. Von den in C enthaltenen T¨onen wird Ton II, ein Gespielinnengespr¨ach, heute → Neidhart zugesprochen. Auch die Frauenstrophe V wird W. mittlerweile abgesprochen und als namenlos behandelt. Die in A vorgenommene Zuschreibung an den Markgraf von Hohenburg gilt als widerlegt. Somit werden W. allgemein drei T¨one zugeordnet: Lied I ist eine Minneklage mit Natureingang in vier Strophen. Inhaltlich sticht der Text nur durch die Bitte des Dichters an Gott hervor, ¨ ihm weibliche «Ubel» zu ersparen, da er mit seiner Geliebten genug Verdruss habe. Lied III ist ein 379
Waltram von Gresten heterometrisch-daktylischer Frauenpreis mit einem an → Bernger von Horheim erinnernden Reimspiel. Der Inhalt entspricht dem konventionellen S¨angerdienst und dr¨uckt die Hoffnung des S¨angers auf Erh¨orung durch die Geliebte aus. Das in A Niune zugeschriebene Lied IV umfasst zwei kurze Strophen, die sich apostrophisch an die Minne selbst wenden. Der S¨anger klagt ihr seine Sorgen und bittet um eine bessere Behandlung. Die drei W. außerdem zugeschriebenen Lieder sind nicht individuell genug, um ihre Autorschaft eindeutig zu bestimmen. Mo¨ glicherweise wurden in C Strophen mehrerer S¨anger unter W.s Namen zusammengestellt. Vielleicht stellen diese Strophen auch das Repertoire eines Berufss¨angers dar, der Lieder aus unterschiedlichen Quellen sammelte. ¨ Uberlieferung: Heidelberg, UB, cpg 357, 23v, v r 28 , 33 (Perg., 1270 bis drittes Viertel 14. Jh., niederalemannisch). – Ebd., cpg 848, 311r–311vb (Perg., erste H¨alfte 14. Jh.). – Berlin, SBB, Mgf 1062, 61va (Perg., um 1300, bair.-o¨ sterr.). – Ebd., Mgf 779, 187v (Pap., zweite H¨alfte 15. Jh., n¨urnbergisch). Ausgaben: HMS 2 (1838) S. 160 f. – Kraus LD 1 (21978) S. 582 f. – Vgl. auch die Ausg. der Heidelberger Liederhandschrift A und C. Literatur: HMS 4 (1838) S. 472–477. – Wilhelm Wilmanns, ADB 9 (1879) S. 644. – Kraus LD 2 (21978) S. 239, 626–630. – De Boor/Newald 3/1 (51997) S. 270. – Claudia H¨andl, VL2 10 (1999) Sp. 698–700. – K. Burdach: Reinmar der Alte und Walther v. der Vogelweide. Halle/Saale 2 1928, S. 382. – Elise Walter: Verluste auf dem Gebiet der mhd. Lyrik. Stuttgart 1933, S. 44. – Heinz Schneider: Spruchdichtung und Spruchdichter in den Hss. J und C. In: ZfdPh 66 (1941) S. 16–36. – Eugen Thurnher: Wort und Wesen in S¨udtirol. Die dt. Dichtung S¨udtirols im MA. Innsbruck 1947, S. 105–107. – Alban Stoeckli: Herr W. v. G., ein Walliser Minnes¨anger? In: Walliser Jb. 1960 (1960) S. 33–39. – Walter Blank: Die kleine Heidelberger Liederhs. Cod. Pal. Germ. 357 der UB Heidelberg. Wiesbaden 1972, S. 75, 118 u. o¨ . – Helmut Salowsky: Ein Hinweis auf das Lanzelet-Epos Ulrichs v. Zazikhoven in der manessischen Liederhs. Zum Bilde Alrams v. Gresten. In: Heidelberger Jbb. 19 (1975) S. 40–52. – Joachim Bumke: Ministerialit¨at und Ritterdichtung. Umrisse der Forschung. M¨unchen 1976, S. 50, 108 u. o¨ . – Olive Sayce: The Medieval German Lyric 1150–1300. The Development of Its Themes and 380
Der Taler Forms in Their European Context. Oxford 1982, S. 450 u. o¨ . – Manfred Eikelmann: Denkformen im Minnesang. Unters. zu Aufbau, Erkenntnisleistung und Anwendungsgesch. konditionaler Strukturmuster des Minnesangs bis um 1300. T¨ubingen 1988, S. 79, 127 u. o. ¨ – Codex Manesse. Die Miniaturen der Großen Heidelberger Liederhs. Hg. und erl. v. Ingo F. Walther unter Mitarbeit v. Gisela Siebert. Frankfurt/M. 1988 (62001) S. 210 f. (Tf. 103). – G¨unther Schweikle: Minnesang in neuer Sicht. Stuttgart u. a. 1994, S. 150, 407 u. o¨ . – FranzJosef Holznagel: Wege in die Schriftlichkeit. Un¨ ters. und Materialien zur Uberl. der mhd. Lyrik. T¨ubingen u. a. 1995, passim. – Katharina Boll: Alsoˆ redete ein vrowe schoene. Unters. zu Konstitution und Funktion der Frauenrede im Minnesang des 12. Jh. W¨urzburg 2007, S. 148 f. – Carolin Schuchert: Walther in A. Stud. zum Corpusprofil und zum Autorbild Walthers v. der Vogelweide in der Kleinen Heidelberger Liederhs. Frankfurt/M. u. a. 2010, S. 70–72, 100–104 u. o¨ . MM Der Taler. – Lied- und Leichdichter, zweite H¨alfte 13. Jh. Unter dem Namen des T.s tradiert die → Heidelberger Liederhandschrift C ein schmales Korpus mit einem (relativ kurzen) Leich und elf Strophen in drei Liedeinheiten. Da das Œuvre eine Reihe alemannischer Sprachformen aufweist, d¨urfte der adlige Laiendichter schweizerischer oder schw¨abischer Herkunft gewesen sein (eine n¨ahere Bestimmung lassen die sprachlichen Merkmale nicht zu). Formale, stilistische und motivlichthematische Erw¨agungen machen eine Abfassung der Dichtungen in der zweiten H¨alfte des 13. Jh. wahrscheinlich. Sicher identifizieren l¨asst sich deren Verfasser nicht. Mo¨ glicherweise ist er mit dem Ministerialen des Klosters St. Gallen Leuthold (L´utold) von Tal (bezeugt 1255–65) zu identifizieren, dessen Geschlecht seinen Stammsitz nahe Rheineck hatte. Ferner urkunden aus dieser Familie 1294 ein ‹Wernher de Tal miles› und 1312 ein Dietrich von Tal, die aber vermutlich zu sp¨at bezeugt sind. Nicht auszuschließen als Verfasser ist aber auch ein ‹miles Rudolfus de Thale› der sich nach einem Weiler in der heutigen Gemeinde Bachs (Kt. Z¨urich) benannte und am 15.2.1244 urkundet. Da die Miniatur in C eine Beziehung ¨ zum Stauferhof insinuiert (s. Uberl.), in Lied 3 → Gottfried von Neifen erw¨ahnt wird und Lied 2 381
2. H¨alfte 13. Jh. in C auch unter dem Namen → Ulrichs von Winterstetten erscheint, wird man auch eine schw¨abische Abkunft favorisieren d¨urfen. Hier w¨are an Hildebrand vom Thale zu denken aus einem Geschlecht aus der N¨ahe von Schw¨abisch-Gm¨und. Im Minneleich des T.s werden traditionelle Minnesang-Motive (Maienfreude, Minnedienst, Frauenpreis) kunstvoll durchgespielt. Das abrupte Ende (pastorellenhafte Begenung des S¨angers mit der Geliebten) erlaubt sowohl die Annahme einer parodistischen Schlusspointe als auch eines fragmentarischen Tradierungszustandes. Formal f¨allt der h¨aufige Gebrauch von Schlagreimen auf. Das folgende Lied 2 (= Winterstettens Lied 32) ist eine f¨unfstrophige Rundkanzone mit Natureingang und konventioneller Frauenpreis-Thematik. Der Refrain des Liedes wiederholt das Hauptmotiv, wonach die Dame Motivation f¨ur die Sangeskunst sei. In den drei gleichgebauten Terzinen von Lied 3 folgt auf einen traditionellen Jahreszeiteneingang eine parodistische Wendung gegen u¨ bertriebenen Minnedienst. In der zweiten Strophe wird direkt auf die Minnedichtung Neifens angespielt: e «der nifer lobt die frowen sin / und ir roselehtes m´undelin». Lied 4 (drei Stollenstrophen) ist eine Parodie auf den Typus des Botenliedes mit sexuell konnotierten Anspielungen. ¨ Uberlieferung Heidelberg, UB, Cpg 848 (C) 303r–304rb (Perg., um 1300, alemannisch). Die Miniatur zeigt drei Figuren: Zwischen einem links thronenden K¨onig (Heinrich [VII.], Konrad IV. [?]) und einem rechts stehenden Mann mit Reichssiegel kniet der S¨anger und empf¨angt aus der Hand des K¨onigs ein Pergamentbl. mit Reichssiegel. Das abgebildete Wappen ist nicht zuordenbar. Bild¨uberschrift: «Der Taler». Nach dem Leich ist viel Freiraum (insgesamt L¨ange einer ganzen Spalte) gelassen; ob f¨ur den Abschluss des Leichs oder eine weitere Dichtung ist unklar. – 5 Liedstrophen (Lied 2) stehen auch auf Bl. 93v–94r im WinterstettenKorpus (mit vertauschter Reihung der Str. 3 und 4). Ausgaben: HMS 2 (1838) S. 146–148; 3 (1838) S. 680. – Karl Bartsch (Hg.): Die Schweizer Minnes¨anger (Bibl. a¨lterer Schriftwerke der dt. Schweiz 6). Frauenfeld 1886 (Nachdr. Darmstadt 1964) S. 66–70, 420 f. (Nr. IV). – Die Schweizer Minnes¨anger. Bd. 1: Texte. Nach der Ausg. v. Karl Bartsch neu bearb. v. Max Schiendorfer. T¨ubingen 1990, S. 274–279. – Teilausgaben: K. Bartsch: Dt. Liederdichter des zw¨olften bis vierzehnten Jh. Eine Auswahl. 4. Aufl. besorgt v. Wolfgang Golther. 382
2. H¨alfte 13. Jh. Berlin 1906 (Nachdr. Darmstadt 1966) S. 157 f. – Kraus LD 1 (21978) S. 546 (Lied 2 = Winterstetten XXXII). – Helmut de Boor: MA. Texte und Zeugnisse. 2. Teilbd. (Die Dt. Lit. Texte und Zeugnisse. I/2). Mu¨ nchen 1965 (Nachdr. ebd. 2001) S. 1599 f., 1757 f. – Gedichte von den Anf¨angen bis 1300. Nach den Hss. in zeitlicher Folge hg. v. Werner H¨over/Eva Willms (Epochen der dt. Lyrik 1). M¨unchen 1978 (Nachdr. [Dt. Lyrik von den Anf¨angen bis zur Gegenwart 1] ebd. 2001) S. 345 f. Literatur: HMS 4 (1838) S. 461–463. – Richard M. Meyer, ADB 37 (1894) S. 362 f. – Ehrismann 2/2/2 (1935) S. 279. – Kraus LD 2 (21978) S. 592 f. (zu Lied 2 = Winterstetten XXXII). – Claudia H¨andl, VL2 9 (1995) Sp. 590–592.– De Boor/Newald 3/1 (51997) S. 303, 307, 309, 311. – C. H¨andl, Killy2 11 (2011) S. 423. – Bartsch (s. Ausg.) S. XLVII–XLIX. – Friedrich Grimme: Die Schweizer Minnes¨anger. In: Germania 35 (1890) S. 302–339, hier S. 312 f. – Otto Gottschalk: Der dt. Minneleich und sein Verh¨altnis zu Lai und Descort. Diss. Marburg 1906, S. 70–72, 123. – Ferdinand Mohr: Das unh¨ofische Element in der mhd. Lyrik von Walther an. Diss. T¨ubingen 1913, S. 74–76. – Gustav Rosenhagen: Die Leiche des Tannh¨auser und des Ulrich von Winterstetten. In: ZfdPh 61 (1936) S. 269–274, hier S. 274. – A. Baldegger: Der T. von Rhinegg. In: Rheintaler Almanach auf das Jahr 1956. Altst¨atten 1955, S. 17–20. – Hugo Kuhn: Minnesangs Wende (Hermaea NF 1). T¨ubingen 2 1967, S. 124 f. – Joachim Bumke: Ministerialit¨at und Ritterdichtung. Umrisse der Forschung (Edition Beck 12). Mu¨ nchen 1976, Reg. – Olive Sayce: The Medieval German Lyric 1150–1300. Oxford 1982, passim. – Codex Manesse. Die Miniaturen der Großen Heidelberger Liederhs. Hg. und erl. v. Ingo F. Walther unter Mitarbeit v. Gisela Siebert. Frankfurt/M. 1988 (62001) S. 204 f. (Tf. 100). – Hermann Apfelb¨ock: Tradition und Gattungsbewußtsein im dt. Leich. Ein Beitr. zur Gattungsgesch. ma. musikalischer ‹discordia› (Hermaea NF 62). T¨ubingen 1991, S. 7, 133 f., 140. – Barbara Weber: Œuvre-Zusammensetzungen bei den Minnes¨angern des 13. Jh. (GAG 609). G¨oppingen 1995, S. 221–236 und Reg. – Gerhard Wolf: Der ‹Gegengesang› in seiner Auff¨uhrungssituation. In: Wechselspiele. Kommunikationsformen und Gattungsinterferenzen mhd. Lyrik. Hg. v. Michael Schilling/Peter Strohschneider (GRM-Beiheft 13). Heidelberg 1996, S. 153–177, hier S. 171–174. – Christina Kreibich: Der mhd. Minneleich. Ein 383
Der von Obernburg Beitr. zu seiner Inhaltsanalyse (W¨urzburger Beitr. zur dt. Philol. 21). W¨urzburg 2000, S. 56–60 und Reg. VZ Der von Obernburg. – Urkundlich nicht belegter Minnes¨anger, wahrscheinlich zweite H¨alfte oder Mitte 13. Jh. Ob der Name des von O. mit dem Obernburg (Gornji Grad) in der Untersteiermark (Slowenien) oder mir dem Kyburger Ministerialengeschlecht von Oberburg in der N¨ahe von Burgdorf in der Schweiz (Kt. Bern) in Verbindung zu bringen ist, in der unsicher. Von ihm sind in der → Heidelberger Liederhandschrift C 20 Strophen (7 Lieder) u¨ berliefert. Die konventionellen Lieder zeichnen sich durch ausgepr¨agten Klagegestus aus. Formal ist die Verwendung von Refrain, Wortspielen und Binnenreim auffallend. ¨ Uberlieferung: Heidelberg, UB, Cpg 848 (Heidelberger Liederhs. C), 343r–343v (20 Strophen [7 Lieder]). Die Miniatur zeigt den von O. (in ritterlicher Kleidung, kniend), wie er als Werbender seiner Dame (mit weißem Schoßh¨undchen im Arm) einen Brief (Schriftband) u¨ berreicht. Ein Wappen ¨ und die Bezeichnung «her» fehlen. Uberschrift: «v¯o Obnbvrg». Ausgaben: HMS 2 (1838) S. 225–227 (Nr. 116); 3 (1838) S. 698; 4 (1838) S. 513 f. – Kraus LD 1 (21978) S. 302–306 (Nr. 40); 2 (21978) S. 355–358. – Die Große Heidelberger Liederhs. (Codex Manesse). In getreuem Textabdruck hg. v. Fridrich Pfaff [1909]. 2., verb. und erg. Aufl. bearb. v. Hellmut Salowsky. Heidelberg 1984, Sp. 1119–1123 (Nr. lxxxxviij). – Wernfried Hofmeister: Die steiri¨ schen Minnes¨anger. Edition, Ubersetzung, Komm. (GAG 472). G¨oppingen 1987. – Frank S. Wunderlich (Bearb.): ‹Ich wil wol von wibes g’vete›. Sieben Lieder des Minnes¨angers Von O. Mit Melodien von F. S. Wunderlich. Reichelsheim 2002, 22008. Literatur: K[onrad] Burdach, ADB 24 (1887) S. 102. – Ehrismann 2.2.2 (1935) S. 268. – De Boor/Newald 3/1 (51997) S. 270. – Renate Hausner, VL2 7 (1989) Sp. 6 f. – Alfred Kracher: D. v. O. – ein Steirer? In: FS Dietrich Kralik. Horn 1954, S. 162–182. – Codex Manesse. Die Miniaturen der Großen Heidelberger Liederhs. Hg. und erl. v. Ingo F. Walther unter Mitarbeit v. Gisela Siebert. Frankfurt/M. 1988 (62001) S. 232 f. (Tf. 114). BJ 384
Leuthold von Seven Leuthold von Seven (Her Liutolt von Savene, Sauene). – Minnes¨anger, um Mitte 13. Jh. Lieder unter L.s Namen sind in der → Heidelberger Liederhandschrift C, der → Heidelberger Liederhandschrift A und der → Weingartner Liederhandschrift (B) u¨ berliefert. Biographie und Schaffenszeit des Dichters sind jedoch ebenso unsicher wie die Zuschreibungen mehrerer Strophen an L. Einen Anhaltspunkt zur Datierung gibt Handschrift A, die ab der zweiten H¨alfte des 13. Jh. entstand, weshalb L. vorher gelebt haben muss. Zwei weitere Aspekte deuten auf die Mitte des 13. Jh.: L.s Werk steht → Gottfried von Neifen nahe und wird bei → Reinmar dem Fiedler erw¨ahnt, der wahrscheinlich ebenfalls zu jener Zeit wirkte. Die fr¨uher vertretene Annahme, L. sei ein Zeitgenosse → Walthers von der Vogelweide gewesen, gilt heute als widerlegt. BC und Reinmar der Fiedler bezeichnen L. als Herren und die Illustration in C zeigt ihn als Reiter im Jagdkleid, der einer Burgdame einen Brief u¨ bergibt. Der S¨anger h¨alt einen Falken, was eine Identifizierung als Adliger nahe¨ legt, aber nicht historisch korrekt sein muss. Uber der Szene sind ein Wappen und ein Helm mit weißblauen Rauten dargestellt. Die Suche nach einem adligen v. S. f¨uhrt zu dem 1218 nachweisbaren L. von Saven (heute Safenau zu Hartberg in der Steiermark). Da diese Jahreszahl nicht mit den genannten Datierungsversuchen korrespondiert, wird L. von Saven manchmal als Vater oder Onkel des S¨angers L. vorgeschlagen. Jedoch reimt Reinmar den Namen «Seven» mit «neven», was m¨oglicherweise gegen Saven oder das s¨udtiroler S¨aben spricht. Verschiedentlich wird L. auch als Fahrender identifiziert, was aber ebenso unbewiesen ist. A enth¨alt 47 Strophen unter L.s Namen, hinzu kommen jeweils 11 Strophen in B und C. Immerhin 38 A-Strophen sind in C unter anderen Namen u¨ berliefert, darunter Walther von der Vogelweide, → Reinmar der Alte, → Wissenlo, → Friedrich der Knecht, der Burggraf von → Regensburg, → Dietmar von Aist (unsicher) und → Heinrich von Rugge (unsicher). Andererseits werden vier Strophen aus B und C in A dem Jungen → Spervogel und → Niune zugeschrieben. Weitere Strophen sind anonym in anderen Handschriften enthalten. Die Forschung hat daher die These entwickelt, das L.-Korpus beruhe auf dem Liederbuch eines Fahrenden, der viele Texte nur gesammelt, aber nicht selbst gedichtet haben k¨onnte. Andererseits k¨onnte es sich auch um urspr¨unglich anonym u¨ berlieferte Strophen gehandelt haben, die 385
2. H¨alfte 13. Jh. ¨ im Lauf des Uberlieferungsprozesses verschiedenen namentlich gekennzeichneten Korpora zugeordnet wurden, ohne mit diesen eigentlich zusammenzugeh¨oren. Rechnet man L. prim¨ar die BC-Strophen sowie die nur ihm zugeschriebenen A-Strophen zu, außerdem eine anonyme Strophe in einem Ton L.s, so ergibt sich ein Korpus aus acht T¨onen mit insgesamt 18 Strophen. L.s Minnelieder stehen thematisch und motivisch vor allem in der Nachfolge Walthers. Auf die Aufges¨ange Gottfrieds von Neifen verweisen hingegen L.s Lieder II und III. Die N¨ahe L.s zur schw¨abischen Schule zeigen die h¨aufigen Natureing¨ange (Lieder I, III, V, VI). Manche Lieder weisen spruchhafte Z¨uge auf, so Lied II mit seiner Kontrastierung von guten und unsteten Frauen. Andere Lieder beklagen die Liebesleiden des S¨angers, die schwindende Unterst¨utzung f¨ur Dichter oder die fehlende Reife junger M¨anner. Die Form von L.s Liedern zeigt meist Traditionskenntnis und Gewandtheit. L. bevorzugt insgesamt auftaktlose T¨one, weshalb ihm das Fragment eines Tagelieds mit Auftakt (IV) m¨oglicherweise nicht zuzuschreiben ist. Die Problematik der Zuschreibungen macht eine Gesamtbeurteilung von L.s Werk grunds¨atzlich schwierig. Im Schatten Walthers dichtend, war L. ein konventioneller Minnes¨anger mit gehobenem Formsinn. ¨ Uberlieferung: Heidelberg, UB, Cpg 357, 36v–39r (Perg., 1270 bis drittes Viertel 14. Jh., niederalemannisch). – Ebd., Cpg 848, 164v–165ra (Perg., erste H¨alfte 14. Jh., alemannisch). – Stuttgart, LB, cod. HB XIII 1, S. 129 f. (Perg., erstes Viertel 14. Jh., alemannisch). Ausgaben: HMS 1 (1838) S. 305 f.; 3 (1838) S. 327 f., 451, 468c. – Walther v. der Vogelweide nebst Ulrich v. Singenberg und L. v. S. Hg. v. Wilhelm Wackernagel/Max Rieger. Gießen 1862, S. 259 f. – Gedichte L.s v. S¨aben. Hg. vom Waltherdenkmal-Comit´e. Bozen 2[1876]. – Der Minnesang des 12. bis 14. Jh. Vd. 1. Hg. v. Fridrich Pfaff. Stuttgart 1892, S. 118–120. – Dt. Liederdichter des zw¨olften bis vierzehnten Jh. Hg. v. Karl Bartsch/Wolfgang Golther. Berlin 41901, S. 165–167 (Nr. XXVIII). – Ulrich M¨uller (Hg.): Politische Lyrik des dt. MA. Bd. 1 (GAG 68). G¨oppingen 1972, S. 1. – Kraus LD 1 (21978) S. 245–249. – Epochen der dt. Lyrik 1: Gedichte v. den Anf¨angen bis 1300. Hg. v. Werner H¨over/Eva Kiepe. Mu¨ nchen 1978 (Nachdr. 2001) S. 192 f. – Vgl. auch die Ausgaben der Heidelberger Liederhand386
2. H¨alfte 13. Jh. schrift C, der Heidelberger Liederhandschrift A und der Weingartner Liederhandschrift. Literatur: HMS 4 (1838) S. 239–243. – Konrad Burdach, ADB 34 (1892) S. 73 f. – Ehrismann 2,2,2 (1935) S. 269. – MF Unters. (1939) S. 243 f. – Kraus LD 2 (21978) S. 69, 291–300. – Volker Mertens, VL2 5 (1985) Sp. 735–738. – Ingo F. Walther, NDB 14 (1985) S. 384 f. – RSM 4 (1988) S. 248 f.; 2/1 (2009) S. 121. – De Boor/Newald 2 (111991) S. 248, 318. – Sandra Linden, Killy2 7 (2010) S. 380 f. – Josef Schatz: Der angebliche Leutold von S¨aben. In: Zs. des Ferdinandeums f¨ur Tirol und Vorarlberg 45 (1901) S. 175 f. – Anton Wallner: Herren und Spielleute im Heidelberger Liedercodex. In: PBB 33 (1908) S. 483–540, hier S. 488, 512, 524, 536 f. – Paul Kluckhohn: Ministerialit¨at und Ritterdichtung. In: ZfdA 52 (1910) S. 135–168, hier S. 155 f. – J. J. A. A. Frantzen: Zum Waltherfunde. In: Neophilologus 1 (1916) S. 27–29. – Kurt Plenio: Bausteine zur altdt. Strophik 2. In: PBB 42 (1917) S. 411–502, hier S. 423–425. – Elise Walter: Verluste auf dem Gebiet der mhd. Lyrik. Stuttgart 1933, S. 50 f. – Mihail Isbasescu: Minne und Liebe. Ein Beitr. zur Begriffsdeutung und Terminologie des Minnesangs. Stuttgart 1940, S. 94 f. – Ewald Jammers: Das K¨onigliche Liederbuch des dt. Minnesangs. Eine Einf. in die sog. Manessische Hs. Heidelberg 1965, S. 130, 143 u. o¨ . – Carl v. Kraus: Walther v. der Vogelweide. Unters. Berlin 21966, S. 182 f., 340 f., 392, 486. – Kurt H. Halbach: Die Weingartner Liederhs. als Slg. poetischer Texte. In: Die Weingartner Liederhs. Hs. HB XIII 1 der W¨urttembergischen LB Stuttgart 2. Hg. v. Otfried Ehrismann. Stuttgart 1969, S. 29–132 (auch als Sonderdr. Stuttgart [1970]). – Walter Blank: Die kleine Heidelberger Liederhs. Cod. Pal. Germ. 357 der UB Heidelberg. Wiesbaden 1972, S. 128–132. – Burghart Wachinger: S¨angerkrieg. Unters. zur Spruchdichtung des 13. Jh. (MTU 42). Mu¨ nchen 1973, S. 102, 128–131, 301, 310. – U. Mu¨ ller: Unters. zur politischen Lyrik des dt. MA (GAG 55/56). G¨oppingen 1974, S. 55 f. – Kurt Franz: Stud. zur Soziologie des Spruchdichters in Deutschland im sp¨aten 13. Jh. (GAG 111). G¨oppingen 1974, Reg. – Gerhard A. Vogt: Stud. zur Verseingangsgestaltung in der dt. Lyrik des HochMA (GAG 118). G¨oppingen 1974, S. 203, 209 f. – Codex Manesse. Die Miniaturen der Großen Heidelberger Liederhs. Hg. und erl. v. Ingo F. Walther unter Mitarbeit v. Gisela Siebert. Frankfurt/M. 1988 (62001) S. 106 f. (Tf. 52). – Helmut Tervooren: 387
Rubin und Rudeger ¨ Gattungen und Gattungsentwicklung in mhd. Lyrik. In: Gedichte und Interpretationen. MA. Hg. v. dems. Stuttgart 1994, S. 11–39 (wieder in: Ders.: ‹Schoeniu wort mit s¨uezeme sange›. Philol. Schr. Hg. v. Susanne Fritsch/Johannes Spicker. Berlin 2000, S. 163–174, hier S. 166–169. – Franz-Josef Holznagel: Wege in die Schriftlichkeit. Unters. und ¨ Materialien zur Uberl. der mhd. Lyrik. T¨ubingen u. a. 1995, passim. – Thomas Cramer: ‹Waz hilfet aˆ ne sinne kunst?› Lyrik im 13. Jh. Stud. zu ihrer ¨ Asthetik. Berlin 1998, S. 42, 71, 85, 117. – Katharina Boll: ‹Alsoˆ redete ein vrowe schoene›. Unters. zu Konstitution und Funktion der Frauenrede im Minnesang des 12. Jh. Wu¨ rzburg 2007, S. 23 f. u. o¨ . – Carolin Schuchert: Walther in A. Stud. zum Corpusprofil und zum Autorbild Walthers v. der Vogelweide in der Kleinen Heidelberger Liederhs. Frankfurt/M. u. a. 2010, S. 36–38, 100–106, 391 u. o¨ . MM Rubin und Rudeger ¨ (Robin, Rudinger). – In der Jenaer bzw. Heidelberger Liederhandschrift genannte, ansonsten unbekannte Dichter. In der → Jenaer Liederhandschrift (J) sind unter ¨ der Uberschrift «Robyn» auf Blatt 28rv zwei wohl mitteldt. Spruchstrophen im selben Ton aus der Mitte oder der zweiten H¨alfte des 13. Jh. u¨ berliefert. Thematisch behandelt die erste rechtes Herrenlob, in der zweiten werden f¨unf verstorbene S¨anger beklagt (Reinmar [→ Reinmar der Alte?, oder → Reinmar von Zweter?], → Walther von der Vogelweide, → Stolle, → Neidhart und Bruder → Wernher). Ausgabe: HMS 3 (1838) S. 31. – Melodie: Eduard Bernoulli/Franz Saran: Die Jenaer Liederhs. Bd. 2. Leipzig 1901 (Nachdr. Hildesheim 1966) S. 19. – Barbara G. Seagrave/Wesley Thomas: The Songs of the Minnesingers. Urbana/London 1966, S. 149–151. – Ronald J. Taylor: The Art of the Minnesinger. Cardiff 1968, Bd. 1, S. 86 f., Bd. 2, S. 123 f. ¨ Auf 28v–29r u¨ berliefert J unter der Uberschrift «Meyster R˚vdinger» das dreistrophige Lied zur Verk¨undigung Mari¨a Ez ist hivte ein hochtzit. Ausgabe: HMS 3 (1838) S. 32. ¨ Unter der roten Uberschrift «Rubin von e er» (auf Rasur; Vorschrift: «Rvbin vn¯ Rvdegˆ e Rvdeger») u¨ berliefert die → Heidelberger Liederhandschrift C, 395v, vier Minnestrophen, die aus 388
Walther von Mezze vier verschiedenen Liedern stammen und durchwegs auch unter anderem Namen uberliefert ¨ sind. Es konnte nicht gekl¨art werden, welche der beiden Namensvarianten in C korrekt ist; f¨ur die Form der Vorschrift spricht die Parallele der benachbarten Namen in J. M¨oglich ist etwa die Verwendung eigener und fremder Strophen durch zwei gemeinsam fahrende S¨anger. Literatur: Gustav Roethe, ADB 28 (1889) S. 432, 465 f. – RSM 5 (1991) S. 308. – Burghart Wachinger, VL2 8 (1992) Sp. 297 f. – Anton Wallner: Herren und Spielleute [...]. In: PBB 33 (1908) S. 483–540, hier S. 513, 525 f. – Heinz Schneider: Spruchdichtung und Spruchdichter in den Hss. J und C. In: ZfdPh 66 (1941) S. 16–36, hier S. 29–31. – Dietrich Kralik: Die K¨arntner Spr¨uche Walthers v. der Vogelweide. In: Fragen und Forschungen [...]. FS Theodor Frings. Hg. v. Elisabeth Karg-Gasterst¨adt/Johannes Erben. Berlin 1956, S. 349–377, hier S. 365–368. – Carl v. Kraus: Dt. Liederdichter des 13. Jh. Bd. 2. T¨ubingen 1958, S. 404, 429–431 (Lit.). – Helmut Tervooren: Einzelstrophe oder Strophenbindung? Diss. Bonn 1967, S. 182 f. – Erdmute Pickerodt-Uthleb: Die Jenaer Liederhs. (GAG 99). G¨oppingen 1975, S. 437. – Joachim Bumke: Ministerialit¨at und Ritterdichtung. Mu¨ nchen 1976, Reg. – Codex Manesse. Die Miniaturen der Großen Heidelberger Liederhs. Hg. und erl. v. Ingo F. Walther unter Mitarbeit v. Gisela Siebert. Frankfurt/M. 1988 (62001) S. 258 f. (Tf. 126). SF Walther von Mezze (auch: Walter von Metz, Metze). – Minnes¨anger, 13. Jh. Die Prim¨ar¨uberlieferung f¨ur W. v. M. ist in den → Heidelberger Liederhandschriften A und C enthalten. In C wird W. als Herr bezeichnet und in einer Illustration als Ritter in Reiterpose mit Helm, Schild und Banner dargestellt. Das abgebildete Wappen wird in der → Weingartner Liederhandschrift (B) jedoch Rubin zugewiesen. W.s Tod wird in einem → Reinmar von Brennenberg zugeschriebenen Ton beklagt. W. erscheint dort neben anderen S¨angern der ersten H¨alfte des 13. Jh. (→ Rubin, → Wachsmut), weshalb man sein Werk meist auf diese Zeit datiert. Eine Zuordnung W.s zu s¨udtiroler oder rheinpf¨alzischen Adelsgeschlechtern ist bis heute ebenso unsicher wie seine Identifizierung als Fahrender. C u¨ berliefert unter W.s Namen 31 Strophen in zehn T¨onen, A insgesamt 16 Strophen in acht 389
2. H¨alfte 13. Jh. T¨onen, von denen sechs Strophen nicht in C enthalten sind (A8–A13). Als echt gelten allgemein die T¨one II, III, V, VI (Str. 4), VIII und X, von denen III und VIII nur in C u¨ berliefert sind. F¨unf T¨one aus C sind auch in anderen Handschriften zu finden, jedoch nicht unter W.s Namen, weshalb diese Lieder als unsicher gelten: Die beiden Strophen von Ton I beschließen in B die Lieder des → Otto von Botenlauben. Eine Strophe aus Ton III ist anonym im Minnesang-Florileg der Rappoltsteiner Parzival-Handschrift aufgezeichnet. T¨one IV und VII werden verschiedentlich als Werke → Walthers von der Vogelweide u¨ berliefert, so z. B. als f¨unfstrophige Fassungen in der W¨urzburger Liederhandschrift E, Ton IV auch zweistrophig in der → Haager Liederhandschrift. Eine Krakauer Handschrift enth¨alt Ton IV zwar anonym, jedoch zwischen weiteren Liedern Walthers von der Vogelweide. Wahrscheinlich wurde die Zuschreibung dieser Lieder eher von W. auf den bekannteren S¨anger u¨ bertragen als umgekehrt. Ton IV wird als vierstrophige Fassung in A auch einmal → Ulrich von Singenberg zugesprochen, Ton VI in B als dreistrophiger Text auch Reinmar. Hinzu kommen anonyme Fassungen in weiteren Handschriften. Aus dem Sondergut von A gilt Lied IX mittlerweile als echtes Werk W.s v. M., w¨ahrend die Strophen A9 bis A13 als unecht angesehen werden. Die meisten Lieder W.s werden der hohen Minne zugerechnet. W. bevorzugt Kanzonenstrukturen, die nur in den Liedern IX und X signifikant aufgebrochen werden. Charakteristisch f¨ur W. ist auch das Ich-Minnelied, in dem der S¨anger um seine Dame wirbt, seine unerwiderte Liebe beklagt oder u¨ ber die Minne reflektiert. W. verzichtet durchg¨angig auf Natureing¨ange und meist auch auf Jahreszeitenbilder (Ausnahmen in V, VII). Die Natur ist W. allerdings nicht fremd, etwa wenn er Blumen (IX) und V¨ogeln (X) die F¨ahigkeit w¨unscht, Aufrichtigkeit und Tugend erkennen zu k¨onnen. Der rote Mund der Geliebten ist bei W. u. a. Quelle von heilenden Worten und Minnegr¨ußen (I, VI, VII) und hebt sich positiv von den Lippen anderer ¨ Frauen ab (III). Uberhaupt vergleicht W. seine Geliebte oft mit anderen Frauen (II–V, VIII). Lieder IX und X sind in ihrer Minneauffassung didaktisch: wahre Minne u¨ be eine positive erzieherische Wirkung aus. Ton VI unterscheidet sich von anderen St¨ucken W.s durch seine Tendenz zur Weltentsagung, die mit der Ungerechtigkeit der Menschen 390
2. H¨alfte 13. Jh.
Winsbecke, Winsbeckin und Winsbecken-Parodie
begr¨undet wird. Insgesamt dichtet W. in der Tradition Walthers von der Vogelweide und Reinmars des Alten, w¨ahrend er → Gottfried von Neifen und anderen wahrscheinlichen Zeitgenossen eher unabh¨angig gegen¨ubersteht. Bilder und Motive in W.s Werk sind sicher oft traditionell, zugleich aber griffig zugespitzt, was W.s besondere Qualit¨at ausmacht. ¨ Uberlieferung: Heidelberg, UB, cpg 357, 31r–32r (Perg., 1270 bis drittes Viertel 14. Jh., niederalemannisch). – Ebd., cpg 350, 37ra (Perg., Rheinpfalz, um 1300, su¨ drheinfr¨ankisch). – Ebd., cpg 848, 166v–168rb (Perg., erste H¨alfte 14. Jh., alemannisch). – Stuttgart, LB, cod. HB XIII 1, 26 (Perg., erstes Viertel 14. Jh., alemannisch). – Krakau, Bibl. Jagiello´nska, Berol. mgo 682 (fr¨uher Berlin, SB, mgo 682), 2 Bll. (Perg., Anfang 14. Jh., mitteldt.). – Rom, Bibl. Casanatense, Mss. 1409 (olim A I 19, fr¨uher Heidelberg, UB, cpg 317), 1ra (Perg., zweites Viertel 14. Jh., niederalemannisch). – Karlsruhe, LB, cod. Donaueschingen 97, 115v (Perg., Straßburg, 1331–36, els¨assisch). – M¨unchen, UB, 2° Cod. ms. 731, 175vb–176va (Perg., W¨urzburg, Mitte 14. Jh., ostfr¨ankisch mit bair.-mitteldt. Anteilen). – Den Haag, Kgl. Bibl., cod. 128 E 2, 14r (Perg., um 1400). Ausgaben: HMS 1 (1838) S. 307–310. – Kraus LD 1 (21978) S. 564–574. – Epochen der dt. Lyrik. Bd. 1: Gedichte v. den Anf¨angen bis 1300. Hg. v. Werner H¨over/Eva Kiepe. Mu¨ nchen 1978 (Nachdr. ebd. 2001) S. 289–291 (Teilausg.). – MF (371982) S. 22 f. (Teilausg.). – Mutabilit¨at im Minnesang. Mehrfach u¨ berlieferte Lieder des 12. und fr¨uhen 13. Jh. Hg. v. Hubert Heinen (GAG 515). G¨oppingen 1989, S. 238–241, 292–296 (Teilausg.). – Die Schweizer Minnes¨anger. Bd. 1. Hg. v. Max Schiendorfer. T¨ubingen 1990, S. 122–125 (Teilausg.). – Walther von der Vogelweide: Leich, Lieder, Sangspr¨uche. Hg. v. Christoph Cormeau. Berlin u. a. 141996, Nr. 106 f. (Teilausg.). – Vgl. auch die Ausg. der Heidelberger Liederhandschriften A und C, der Weingartner Liederhandschrift B sowie der W¨urzburger Liederhandschrift E. Literatur: HMS 4 (1838) S. 243–248. – Wilhelm Wilmanns, ADB 21 (1885) S. 529. – Ehrismann 2,2,2 (1935) S. 168. – Kraus LD 2 (21978) S. 609–624. – De Boor/Newald 3/1 (51997) S. 271 f., 274, 522. – Burghart Wachinger, VL2 10 (1999) Sp. 651–655. – Anton E. Sch¨onbach: Zu W. v. Metz. In: ZfdPh 5 (1874) S. 159–164. – Walter Blank: Die kleine Heidelberger Liederhs. Cod. 391
Pal. Germ. 357 der UB Heidelberg. Wiesbaden 1972, S. 107–111. – Joachim Bumke: Ministerialit¨at und Ritterdichtung. Umrisse der Forschung. M¨unchen 1976, S. 55 f. u. o¨ . – Olive Sayce: The Medieval German Lyric 1150–1300. The Development of Its Themes and Forms in Their European Context. Oxford 1982, passim. – Codex Manesse. Die Miniaturen der Großen Heidelberger Liederhs. Hg. und erl. v. Ingo F. Walther unter Mitarbeit v. Gisela Siebert. Frankfurt/M. 1988 (62001) S. 109 f. (Tf. 53). – H. Heinen: Walther und seine Kollegen. Betrachtungen zu KLD 62 IV. In: Walther v. der Vogelweide. Beitr. zu Leben und Werk. Hg. v. Hans-Dieter Mu¨ ck. Stuttgart 1989, S. 121–131. – Helmut Tervooren: Reinmar-Stud. Ein Komm. zu den ‹unechten› Liedern Reinmars des Alten. Stuttgart 1991, S. 182 f., 198–205. – Franz-Josef Holznagel: Wege in die Schriftlich¨ keit. Unters. und Materialien zur Uberl. der mhd. Lyrik. T¨ubingen u. a. 1995, 243 f. u. o¨ . – Thomas Cramer: ‹Waz hilfet aˆ ne sinne kunst?› Lyrik ¨ im 13. Jh. Stud. zu ihrer Asthetik. Berlin 1998, S. 189 f. – Thomas Bein: ‹Mit fremden Pegasusen pfl¨ugen›. Unters. zu Authentizit¨atsproblemen in mhd. Lyrik und Lyrikphilologie (Phil.Stud.u.Qu. 150). Berlin 1998, S. 394. – Albrecht Hausmann: Autor und Text in der Weingartner Liederhs. (B). Zu M¨oglichkeiten und Grenzen der Interpreta¨ tion v. Uberlieferungsvarianz. In: Text und Autor. Beitr. aus dem Venedig-Symposium 1998 des Graduierten-Kollegs ‹Textkritik› Mu¨ nchen. Hg. v. Christiane Henkes u. a. T¨ubingen 2000, S. 33–52. – T. Bein: Zum Umgang mit hs. Autorzuweisungen. Bilanz und Vorschl¨age f¨ur eine literarhistoriographische Handhabe. In: Entstehung und Typen ma. Lyrikhss. Akten des Grazer Symposiums, 13.–17. Oktober 1999. Hg. v. Anton Schwob. Bern u. a. 2001, S. 15–36. – Katharina Boll: ‹Alsˆo redete ein vrowe schoene›. Unters. zu Konstitution und Funktion der Frauenrede im Minnesang des 12. Jh. W¨urzburg 2007, S. 148 f. – Gisela Kornrumpf: Vom Codex Manesse zur Kolmarer Lie¨ derhs. Aspekte der Uberl., Formtraditionen, Text 1 (MTU 133). T¨ubingen 2008, S. 89 u. o¨ . – Carolin Schuchert: Walther in A. Stud. zum Corpusprofil und zum Autorbild Walthers v. der Vogelweide in der Kleinen Heidelberger Liederhs. Frankfurt/M. u. a. 2010, S. 381–383 u. o¨ . MM Winsbecke, Winsbeckin und WinsbeckenParodie → Band 5. 392
Steinmar Zach¨aus von Himmelberg. – Lieders¨anger ohne u¨ berliefertes Werk, 13. Jh. Im Frauendienst → Ulrichs von Liechtenstein wird von einer Begegnung mit Z. auf dem Stammsitz von dessen Familie, der Burg Himmelberg nahe Feldkirchen (K¨arnten), berichtet (Str. 616–619): Z. m¨ochte als M¨onch verkleidet an der Venusfahrt Ulrichs teilnehmen und wird von Ulrich zwar zur¨uckgewiesen aber als ber¨uhmter Minnes¨anger gelobt («von sinem gesange wite erkant»). Z. war der Sohn Werners von Himmelberg und ist 1216–63 nachgewiesen. Sich selbst bezeichnet er in einer Schenkungsurkunde als «castellanus». Zeugnisse seiner Dichtkunst sind nicht u¨ berliefert. Literatur: Sandra Linden, VL2 10 (1999) Sp. 1473. – Reinhold Bechstein: U. v. Liechtenstein Frauendienst. 2 Bde. (Dt. Dichtungen des MA 6/7). Leipzig 1888. – August v. Jaksch: Die K¨arntner Geschichtsquellen 1263–1269 (Monumenta historica ducatus Carinthiae 4,2). Klagenfurt 1906, Nr. 1729. – Elise Walter: Verluste auf dem Gebiet der mhd. Lyrik (T¨ubinger germanistische Arbeiten 17). Stuttgart 1933, S. 43. – Bernd Thum: U. v. Lichtenstein. H¨ofische Ethik und soziale Wirklichkeit. Diss. Heidelberg 1968, S. 147–149. – Franz-Viktor Spechtler: Unters. zu U. v. Liechtenstein. Habil.-Schr. Salzburg 1974, S. 358. – Horst Brunner: Dichter ohne Werk. Zu einer u¨ berlieferungsbedingten Grenze ma. Lit.gesch. (Mit einem Textanhang: Die Dichterkat. des Konrad Nachtigall, des Valentin Voigt und des Hans Folz). In: ¨ Uberlieferungsgeschichtliche Editionen und Stud. zur dt. Lit. des MA. FS Kurt Ruh (TTG 31). Hg. v. Konrad Kunze u. a. T¨ubingen 1989, S. 1–31, hier S. 2 (wieder in: H. Brunner: Ann¨aherungen. Stud. zur dt. Lit. des MA und der Fr¨uhen Neuzeit [Phil.Stud.u.Qu. 210]. Berlin 2008, S. 291–303, hier S. 292). VZ Steinmar (auch: Berthold Steinmar von Klingnau). – Minnes¨anger, zweite H¨alfte 13. Jh. S.s Werk ist in der → Heidelberger Liederhandschrift C uberliefert. ¨ Der Name des Autors wird ¨ darin als Uberschrift benutzt und erscheint als Eigennennung in drei Liedern. Als historische Gestalt ist S. außerhalb seiner Texte jedoch nicht eindeutig greifbar. Sprachliche und inhaltliche Eigenheiten des Werks verweisen geographisch auf den s¨udwestdt. Sprachraum, zeitlich auf die zweite H¨alfte des 13. Jh. Diese Datierung beruht u. a. auf S.s Verwendung bestimmter Konventionen des 393
2. H¨alfte 13. Jh. Minnesangs, die zur Entstehungszeit des Werks bereits etabliert gewesen sein m¨ussen. Man hat S. verschiedentlich mit dem schweizer. Ministerialen Berthold S. von Klingnau (bei Zurzach/Aargau) gleichgesetzt, der von 1251 bis 1293 nachgewiesen ist und sich im Umfeld → Walthers von Klingen aufhielt. Als m¨ogliche Person hinter S.s Werk ist auch der schw¨abische Ritter S. III. von SießenStralegg erwogen worden, der seit 1259 bezeugt ist und vor 1294 starb. W¨ahrend die Forschung meist zu Berthold als Dichter neigt, muss die Identit¨at S.s letztlich bis heute als ungesichert gelten. Die S.Illustration in C zeigt vier unter B¨aumen sitzende M¨anner, die lebhaft gestikulieren und einen Becher kreisen lassen. Ein f¨unfter Mann bringt ihnen einen gebratenen Vogel und eine Trinkkanne. Weiterhin ist S. in einem Relief am Straßburger M¨unster dargestellt, das neben seinem Namen einen sitzenden Zecher zeigt. C enth¨alt unter S.s Namen 14 Lieder in 51 Strophen, darunter acht dreistrophige und f¨unf f¨unfstrophige Lieder sowie ein zweistrophiges Lied. Zehn der Lieder besitzen einen Refrain. Von besonderer Bedeutung ist S.s sog. Herbstlied (Nr. 1), das der Minnelyrik wichtige neue Impulse verlieh. In dem Text beklagt der S¨anger zun¨achst in konventioneller Manier seinen ohne Lohn bleibenden Minnedienst, den er der Dame schließlich aufk¨undigt. Stattdessen wendet er sich dem Herbst als neuen Herren zu, dem er durch ausgiebiges Essen und Trinken bis zur V¨ollerei huldigt. Die traditionellen, stets entr¨uckten Minneideale werden von S. also durch einfache und unmittelbar greifbare Sinnesfreuden ersetzt. Dieser innovative Ansatz S.s beeinflusste sp¨atere Minnereden wie → Minner und Trinker sowie Ess- und Trinklieder anderer Verfasser. In weiteren Liedern (Nr. 7, 11, 14) benutzt S. bewusst die Sprache der h¨ofischen Minnelyrik, konterkariert diese aber durch die Schilderung eines b¨auerlichen Milieus. So ist die Geliebte darin keine adelige Dame, sondern eine Bauernmagd, und das m¨annliche Interesse an ihr beschr¨ankt sich nicht auf dienstfertige Bewunderung, sondern wird von derb-erotischen Absichten bestimmt. Auch das Tagelied wird von S. in frischer Weise angegangen. Mal beleuchtet er die Vertrauensw¨urdigkeit der traditionellen W¨achterfigur und konfrontiert die Konventionen des Tagelieds mit der Realit¨at (Nr. 5), mal parodiert er das Tagelied durch die f¨ur ihn typische Verbindung von h¨ofischer Sprache und d¨orflicher Welt. Die u¨ brigen 394
2. H¨alfte 13. Jh. Lieder S.s sind st¨arker durch h¨ofische Versatzst¨ucke gepr¨agt, werden aber immer wieder durch ungew¨ohnliche Bilder und Vergleiche aufgelockert. Besonders bekannt ist etwa S.s Vergleich seines vor Liebe h¨upfenden Herzens mit einem Schwein, das in einem Sack umhertobt. Die Sprache der h¨ofischen Minne wird bei S. durch Wo¨ rter aus dem d¨orflichen und landwirtschaftlichen Alltag erg¨anzt (u. a. Schweine, G¨anse, Stroh). S.s Lyrik ist sicher nicht ohne die Vorarbeiten anderer Dichter wie → Gottfried von Neifen, → Ulrich von Liechtenstein, → Tannh¨auser und → Ulrich von Winterstetten zu denken. Sein Werk zeigt ausgezeichnete Kenntnis und sichere Handhabung von Kanzonenform, Frauenpreis, Minneklage und Natureing¨angen (Fr¨uhling wie Winter). Gleichzeitig setzt S. zahlreiche eigene Akzente. Formal sind dies etwa Refrains bzw. wie Refrains gebrauchte Elemente. Inhaltlich stechen die parodistischen, realistischen und sinnlichen Z¨uge seiner Lieder hervor, die vor allem durch l¨andliche Derbheit immer wieder die Konventionen des h¨ofischen Minnesangs unterminieren. Einflussreich war S.s neuartige Auffassung des Herbstes, der zuvor meist negativ dargestellt wurde und bei S. eine deutliche Aufwertung erfuhr. Damit wirkte S. auf Johannes → Hadlaub und → Der Herbst und der Mai. S.s Lied Nr. 7 erfuhr um 1400 eine ungew¨ohnliche Rezeption in Form einer geistlichen Kontrafaktur. ¨ Uberlieferung: Heidelberg, UB, Cpg 848, 308v–310vb (Perg., erste H¨alfte 14. Jh., alemannisch). Ausgaben: HMS 2 (1838) S. 154–159; 3 (1838) S. 681. – Rudolf Meissner: Bertold Steinmar von Klingnau und seine Lieder. Paderborn 1886, S. 35–48. – Karl Bartsch (Hg.): Die Schweizer Minnes¨anger (Bibl. a¨ lterer Schriftwerke der dt. Schweiz 6). Frauenfeld 1886 (Nachdr. Darmstadt 1964) S. CVI–CXXI, 170–188, 440–442 (Nr. XIX); Neuausg. v. Max Schiendorfer, Bd. 1, T¨ubingen 1990, S. 280–297. – Ulrich M¨uller (Hg.): Politische Lyrik des dt. MA. Bd. 1 (GAG 68). G¨oppingen 1972, 93–95, 231. – Tagelieder des dt. MA. Mhd./Nhd. Ausgew¨ahlt, u¨ bers. und komm. v. Martina Backes (RUB 8831). Stuttgart 2003, S. 178–181 (Nr. XXVII f.), 276 f. – Burghart Wachinger (Hg.): Dt. Lyrik des sp¨aten MA (BdK 191/BMA 22). Frankfurt/M. 2006, S. 322–341 (mit ¨ Ubersetzung), 797–806. – Vgl. auch die Ausgaben der Heidelberger Liederhandschrift C. 395
Steinmar Literatur: HMS 4 (1838) S. 468–471. – Richard M. Meyer, ADB 35 (1893) S. 746–748. – Ingeborg Glier, VL2 9 (1995) Sp. 281–284. – HansJochen Schiewer, LexMA 8 (1997) Sp. 102 f. – De Boor/Newald 3/1 (51997) S. 291–294 u. o¨ . – Thomas Bein, Killy2 11 (2011) S. 229–231. – Franz Schultz: S. im Straßburger M¨unster. Ein Beitr. zur Gesch. des Naturalismus im 13. Jh. Berlin u. a. 1922. – Luitpold Steinmayr: Ritter Steinmˆar, ein schw¨abischer Minnes¨anger. Genealogische Studie. Mu¨ nchen [1931]. – Dieter Krywalski: Unters. zu Leben und literaturgeschichtlicher Stellung des Minnes¨angers S. M¨unchen 1966. – Eckehard Simon: Literary Affinities of S.’s Herbstlied and the Songs of Colin Muset. In: Modern Language Notes 84 (1969) S. 375–386. – Eckhard Grunewald: Die Zecher- und Schlemmerlit. des dt. Sp¨atMA. Diss. K¨oln 1976. – Wolfgang Adam: Die ‹wandelunge›. Stud. zum Jahreszeittopos in der mhd. Dichtung (Euph. Beih. 15). Heidelberg 1979, S. 94–103. – Renate Hausner: Spiel mit dem Identischen. Stud. zum Refrain deutschsprachiger lyrischer Dichtung des 12. und 13. Jh. In: Sprache, Text, Gesch. Beitr. zur Medi¨avistik und germanistischen Sprachwiss. aus dem Kreis der Mitarbeiter 1964–1979 des Inst. f¨ur Germanistik an der Univ. Salzburg. Hg. v. Peter Stein u. a. (GAG 304) G¨oppingen 1980, S. 281–384. – Karl Heinz Borck: Zu S.s Tageliedparodie ‹Ein kneht der lac verborgen›. In: Interpretation und Edition dt. Texte des MA. FS John Asher. Hg. v. Werner Besch u. a. Berlin 1981, S. 92–102. – Viola Bolduan: Minne zwischen Ideal und Wirklichkeit. Stud. zum sp¨aten Schweizer Minnesang. Frankfurt/M. 1982, S. 83–111, 172–186. – Olive Sayce: The Medieval German Lyric. 1150–1300. Oxford 1982, S. 341 f. u. o¨ . – Ursula Peters: Lit. in der Stadt. Stud. zu den sozialen Voraussetzungen und kulturellen Organisationsformen st¨adtischer Lit. im 13. und 14. Jh. T¨ubingen 1983, S. 100 f., 109–112. – Ingeborg Glier: Konkretisierung im Minnesang des 13. Jh. In: From Symbol to Mimesis. The Generation of Walther von der Vogelweide. Hg. v. Franz Heinrich B¨auml (GAG 368). G¨oppingen 1984, S. 150–168. – Jutta Goheen: Ma. Liebeslyrik von Neidhart von Reuental bis zu Oswald von Wolkenstein. Eine Stilkritik. Berlin 1984, passim. – Werner J. Hoffmann: Tageliedkritik und Tageliedparodie in mhd. Zeit. In: GRM NF 35 (1985) S. 157–178. – Claudia H¨andl: Rollen und pragmatische Einbindung. 396
Hollenfeuer ¨ Analysen zur Wandlung des Minnesangs nach Walther von der Vogelweide (GAG 467). G¨oppingen 1987. – Codex Manesse. Die Miniaturen der Großen Heidelberger Liederhs. Hg. und erl. v. Ingo F. Walther unter Mitarbeit v. Gisela Siebert. Frankfurt/M. 1988 (62001) S. 208 f. (Tf. 102). – Ulrich Mehler: Techniken der Parodierung, dargestellt an ausgew¨ahlten Beispielen der mittel- und fr¨uhneuhochdt. Tageliedparodie. In: Architectura Poetica. FS Johannes Rathofer. Hg. v. Ulrich Ernst/Bernhard Sowinski. K¨oln 1990, S. 253–276. – Eckhard Grunewald: Das Schlemmerlied. S.: ‹Sˆıt si mir niht lˆonen wil›. In: Gedichte und Interpretationen. MA. Hg. v. Helmut Tervooren (RUB 8864). Stuttgart 1993, S. 353–367. – Gesine L¨ubben: ‹Ich singe daz wir alle werden vol›. Das S.-Œuvre in der Manesseschen Liederhs. Stuttgart 1994. – Barbara Weber: Œuvre-Zusammensetzungen bei den Minnes¨angern des 13. Jh. (GAG 609). G¨oppingen 1995, passim. – Peter Strohschneider: The Body of the Singer. Sensory Perception and the Production of Meaning in S.’s Song of Singing. In: Modern Language Notes 121 (2006) H. 3, S. 740–756. MM Hollenfeuer ¨ (H¨ollefeuer, Helleviur). – (Vermutlich fahrender) Sangspruchdichter. Zwischen «Von Wirzeburk meister Chounrat» (→ Konrad von W¨urzburg) und «der → Unverzagete» ist der «Helleviur» in einem Spruch von → Rumelant (von Sachsen) genannt, als einer der «meister, die noch leben» (vgl. HMS III [1838] S. 65); Konrad von W¨urzburg starb 1287, somit muss H. wohl mindestens in der zweiten H¨alfte des 13. Jh. gelebt und gewirkt haben. Von ihm sind sieben Strophen mit gleichem Ton in der → Jenaer Liederhandschrift erhalten. Ein weiterer Hinweis, um die Datierung plausibel zu machen, findet sich in seinem Text selbst, wenn er den Tod von Konrad IV. (1254) und Friedrich II. (1250) erw¨ahnt: «ez enirret niht ein Chuonrat, ez enirret niht ein Vriderich von Stoufe». Die Herkunft des vermutlich fahrenden Sangspruchdichters ist nicht sicher zu bestimmen (vgl. Collmann-Weiß, S. 83); bisher wurde der mitteldt. Raum angenommen (vgl. Fasbender, S. 490; Lomnitzer, Sp. 108); sein u¨ berlie¨ ferter Ton hat deutliche Ahnlichkeit mit dem von → Fegfeuer (beide K¨unstlernamen klingen ebenfalls verwandt), es ist aber zu beiden T¨onen jeweils eine andere Melodie u¨ berliefert. Das Verh¨altnis zwischen den beiden Dichtern bleibt weiterhin 397
2. H¨alfte 13. Jh. unklar; vielleicht handelt es sich lediglich um eine Ton¨ubernahme ohne große Variation. Die behandelten Themen bei H. sind neben dem Interregnum, das auch eine weitere Strophe besch¨aftigt (hier wird das Verhalten der F¨ursten bei der K¨onigswahl kritisiert), das Leiden und der Tod Christi, das nahezu mittellose Leben eines fahrenden S¨angers («armout get mit mir slafen»). Zudem gibt es lehrhafte Strophen zu Freundschaft, h¨ofischer Tugend und Neid. Die Vermutung, dass von H. nur ein kleiner Bruchteil seines Gesamtwerks erhalten sein k¨onnte, bleibt weiterhin diskussionsw¨urdig (vgl. L¨oser, S. 268). ¨ Uberlieferung: Jena, ULB, Ms. El. f. 101, 4ra–5rb (Perg., um 1330, mitteldt. bzw. nd.). Ausgaben: HMS 3 (1838) S. 33–35. – Georg Holz/Eduard Bernoulli/Franz Saran (Hg.): Die Jenaer Liederhs. Bd. 1. Leipzig 1901 (Nachdr. Hildesheim 1966) S. 56–58 (Nr. 10). – Ronald J. Taylor: The Art of the Minnesinger. Songs of the 13th Century. 2. Bde. Cardiff 1968, Bd. 1, S. 28 f.; Bd. 2, S. 45 f. – Ulrich Mu¨ ller (Hg.): Politische Lyrik des dt. MA. Bd. 1 (GAG 68). G¨oppingen 1972, S. 58. – Esther Collmann-Weiß: Kleinere Spruchdichter des dreizehnten Jh. Der Hardegger – H. – Der Litschauer – Singauf – Der Unverzagte. Stuttgart 2005, S. 83–97. Literatur: HMS 4 (1838) S. 710. – Wilhelm Wilmanns, ADB 12 (1880) S. 757 f. – Ehrismann 2.2.2 (1935) S. 297. – Burghart Wachinger, NDB 9 (1972) S. 332 f. – Horst Brunner, MGG 16 (1979) Sp. 709 f. – Helmut Lomnitzer VL2 2 (1983) Sp. 108 f. – RSM 5 (1991) S. 323 f. – De Boor/ Newald 3/1 (51997) S. 366, 388, 396. – Christoph Fasbender, Killy2 5 (2009) S. 490 f. – Karl Bartsch: H. In: Germania 25 (1880) S. 79 f. – Ders.: Unters. zur Jenaer Liederhs. Leipzig 1923. – Helmut Tervooren: Einzelstrophe oder Strophenbindung? Unters. zur Lyrik der Jenaer Hs. Diss. Bonn 1967, S. 193–195. – Franz Kurt: Stud. zur Soziologie des Spruchdichters in Deutschland im sp¨aten 13. Jh. (GAG 111). G¨oppingen 1974, S. 18. – H. Brun¨ ner: Die alten Meister. Stud. zu Uberl. und Rezeption der mhd. Sangspruchdichter im Sp¨atMA und in der fr¨uhen Neuzeit (MTU 54). M¨unchen 1975. – Erdmute Pickerodt-Uthleb: Die Jenaer Liederhs. Metrische und musikalische Unters. (GAG 304). G¨oppingen 1975, S. 439. – Freimut L¨oser: R¨atsel l¨osen. Zum Singˆuf-Rumelant-R¨atselstreit. In: Wege der MA-Philologie (Wolfram-Stud. XV). 398
2. H¨alfte 13. Jh. Hg. v. Joachim Heinzle. Berlin 1998, S. 245–275. – Johannes Rettelbach: Variation – Derivation – Imitation. Unters. zu den To¨ nen der Sangspruchdichter und Meistersinger (Fr¨uhe Neuzeit 14). T¨ubingen 1993, S. 154. – H. Tervooren: Sangspruchdichtung. Stuttgart 22001. FA Fegfeuer. – Mitteldt. Spruchdichter, zweite H¨alfte des 13. Jh. ¨ Uber das Leben von F. mag nichts bekannt sein, in den Basler Bruchst¨ucken sind jedoch sieben Strophen mit stets gleichem Ton von einem «vegeviur» u¨ berliefert, der sehr wahrscheinlich mit ihm identisch ist. Die → Jenaer Liederhandschrift (J) enth¨alt von F. insgesamt 14 Strophen mit gleichem und anderem Ton, die lange als Strophen von Meister → Gervelin missverstanden wurden. Dies lag daran, dass der Anfang der Strophengruppe und die Melodie mit zwei Bl¨attern verloren gegangen waren und man somit das Fragment dem vorangehenden Dichter zuwies. Vielleicht hat der Dichter den K¨unstlernamen «Fegefeuer» entsprechend einem anderen mitteldt. Dichter namens «H¨ollefeuer» angenommen, dessen Ton formale Parallelen zu dem von F. in J aufweist. Zu datieren w¨are er wohl in die zweite H¨alfte des 13. Jh., da er gegen → Meißner Stellung bezieht, der den → Marner wegen seiner F¨ahigkeiten als S¨anger diskreditiert («nu wil er dem Marner sines sanges niht geg¨unnen»); letzterer starb eines gewaltsamen Todes um 1270. F. selbst zieht auch gegen Dichterkollegen ins Felde («wes er dunkelmeister spilt, daz hat er gar verlorn»), wenn er nicht andere u¨ bliche Themen wie Tugend oder Fr¨ommigkeit auf belehrende Weise aufgreift. ¨ Uberlieferung: Basel, UB, Cod. N I 3 Nr. 145, v v 3 –4 (Perg., erste H¨alfte 14. Jh., schriftmitteldt., basierend auf nd.) (Ba). – Jena, ULB, Ms. El. f. 101, 34ra–35vb (Perg., ca. 1330, mitteldt. bzw. nd.) (J). Ausgaben: Wolfgang von Wangenheim (s. Lit.) S. 154–230 (mit Komm.). – Zu Ba: Ludwig Sieber/ Karl Bartsch: Bruchst¨ucke einer Minnes¨angerhs. In: Germania 25 (1880) S. 72–80. – Zu J: HMS 3/1 (1838) S. 35–38 (II 1.–III 4.). – Die Jenaer Liederhs. Bd. 1. Hg. v. Georg Holz/Franz Saran u. a. Leipzig 1901 (Nachdr. 1966) S. 59–62 (Nr. 5–18). Literatur: HMS 4 (1838) S. 711. – Gustav Roethe, ADB 39 (1895) S. 525. – Horst Brunner, MGG 16 (1979) Sp. 190 f. – Udo Gerdes, VL2 2 (1980) Sp. 714 f. – RSM 3 (1986) S. 276–279. – De 399
Fegfeuer Boor/Newald 3/1 (51997) S. 364, 373, 375, 392. – Christoph Fasbender, Killy2 3 (2008) S. 396 f. – Die Gedichte Reinmars von Zweter. Hg. v. Gustav Roethe. Leipzig 1887. – Karl Bartsch: Unters. zur Jenaer Liederhs. (Palaestra 140). Leipzig 1923, S. 47 f., 50 f., 110–112. – Konrad Burdach: Reinmar der Alte und Walther von der Vogelweide. Ein Beitr. zur Gesch. des Minnesangs. Halle 21928. – Helmut Tervooren: Einzelstr. oder Strophenbindung? Unters. zur Lyrik der Jenaer Hs. Diss. Bonn 1967, S. 195–201. – Wolfgang von Wangenheim: Das Basler Fragm. einer mitteldt.-nd. Liederhs. und sein SpruchdichterRepertoire (Kelin, F.) (Europ¨aische Hochschulschr. 1,55). Bern, Frankfurt/M. 1972. – Burghart Wachinger: S¨angerkieg. Unters. zur Spruchdichtung des 13. Jh. (MTU 42). Mu¨ nchen 1973. – Georg Objartel: Der Meißner der Jenaer Liederhs. Unters., Ausg., Komm. (Phil.Stud.u.Qu. 85). Berlin 1977, S. 45–49. – Jens Haustein: Marner-Stud. (MTU 108). T¨ubingen 1995. FA Der Marner (Ma[r]narius; in der Meistersang¨uberlieferung auch [Hans] Ludwig und vor allem Konrad der M.). – Aus Schwaben stammender (?) fahrender (?) Autor eines wohl zwischen 1220 und 1270 entstandenen, lat. und volkssprachigen Lied- und Sangspruch-Œuvres. Der M. ist urkundlich nicht greifbar; Anhaltspunkte zu seiner Biographie liefern literarische Fremd- und Selbstzeugnisse sowie eine breite, bis ins 17. Jh. reichende Rezeption der mit seinem Namen verkn¨upften Strophen und T¨one. Ein terminus ante quem non (nach 1247) ergibt sich aus der Strophe auf Graf Hermann von Henneberg (1245–1290), in einem um 1255/56 entstandenen lat. Lied dankt das S¨anger-Ich Bischof Bruno von Olm¨utz f¨ur dessen wohlwollende Haltung Spielleuten («vagis») gegen¨uber. Dazu passt, dass die Miniatur der → Heidelberger Liederhandschrift C vermutlich ebenfalls einen Fahrenden darstellt. Laut → Rumelant ist der M. «der beste diutische singer», stammt aus Schwaben und hat als blinder, gebrechlicher Greis einen gewaltsamen Tod gefunden; vgl. auch die Erw¨ahnung in der Totenklage Hermann → Damens (um 1287). Die Rumelant-Passagen reagieren wie auch eine → Fegfeuer zugeschriebene Strophe wohl auf einige polemische Strophen des → Meißners (Wachinger 1973, 151–158), der gleichwohl als einer der ersten produktiven Rezipienten des M. wahrscheinlich zu machen ist. Weitere Parallelen, die auf a¨ ltere Rezeption hindeuten, 400
Der Marner finden sich etwa im Renner des → Hugo von Trimberg oder bei → Frauenlob bzw. in dessen Umkreis. Mehr oder weniger breite Wirkung entfalten schließlich drei von M.s T¨onen, der Lange Ton bereits im sp¨aten 13./fr¨uhen 14. Jh. (→ Schulmeister von Esslingen, → Boppe, → Lupold von Hornburg), der Kurze Ton im 14. Jh. Der Goldene Ton hingegen bleibt lange mit dem Namen M. verkn¨upft und wird erst sp¨at und eingeschr¨ankt rezipiert. Der Meistersang z¨ahlt den M. unter die vier gekr¨onten und die zw¨olf alten Meister, und auch in die Anthologien von Goldast (1604) und Bodmer (1748) haben Strophen des M. Aufnahme gefunden. Die Abwertung des M.-Œuvres geht auf die Literaturgeschichtsschreibung des 19. und fru¨ hen ¨ 20. Jh. und deren anachronistische Asthetik zur¨uck. Die unter dem Namen M. u¨ berlieferten Texte weisen eine außergew¨ohnliche formale wie thematische Bandbreite auf. Einzigartig f¨ur die Lyrik ¨ des 13. Jh. ist der bilinguale Charakter der Uberlieferung, die auch vier lat. Lieder (Strauch X; S. 191–196; Willms *L9–12) und einen lat. Sangspruch (Strauch XV,19; Willms 7,19) enth¨alt. Das thematische Spektrum der volkssprachigen Lieder reicht vom Tagelied (Strauch II; Willms L1) u¨ ber die Minneklage (Strauch IV; Willms L3) bis zur Minnedidaxe (Strauch VIII, IX; Willms L6, L7). Im Bereich der Sangspr¨uche dominieren einerseits religi¨ose Sujets, insbesondere Marienstrophen (Katalog der thematischen Variationen bei Willms 2008, S. 32 f.), daneben aber auch weltliche Moraldidaxe, etwa in Form von Lobspruch (Strauch XV,4, XV,5; Willms 7,4, 7,5) oder Armutsklage (Strauch XIV,7, XIV,10; Willms 6,7, 6,18). Innovativ ist das Ausgreifen der Gattung in die ‹Sachliteratur›, namentlich die Erd- und Naturkunde (Strauch XIV,15, XIV,17, XV,15; Willms 6,14, 6,16, 7,15). Die dy¨ namische und zeitlich weit ausgreifende Uberlieferung hat immer wieder zu Zweifeln hinsichtlich der Echtheit einzelner dem M. zugeschriebener ¨ Texte gef¨uhrt, zuletzt bez¨uglich der lat. Uberlieferung durch Haustein (1995; dagegen Willms 2008). Als weitgehend authentisch gilt trotz allem das M.Corpus der Heidelberger Liederhandschrift C. ¨ Uberlieferung: Ein geschlossenes, bis auf den Nachtrag Bl. 354v volkssprachiges M.-Corpus findet sich in der Heidelberger Liederhs. C (Heidelberg, UB, Cpg 848, 349r–354v (um 1300/erste H¨alfte 14. Jh., alemannisch), der Rest ist a¨ ltere und ¨ j¨ungere Streu¨uberlieferung (detaillierte Ubersicht 401
2. H¨alfte 13. Jh. in der Ausg. von Willms, S. 2–17). Nicht ber¨ucksichtigt ist die unsichere Sp¨at¨uberlieferung (ediert bei Willms 2008, S. 360–385). ¨ Altere Hss.: Basel, UB, Cod. N I 6 Nr. 50 (Ende 13. Jh., ostalemannisch). – Bern, Burgerbibl., Cod. 260, 234rb (Mitte 14. Jh., Straßburg [?]). – Dornsberg/Tarantsberg, Schlossarch., ohne. Sign. (Einzelbl., 1322 oder 1326, bair.; verschollen). – Heidelberg, UB, Cpg 350, 58rb–61ra, 64vab, 66rb–68ra (zweites Viertel 14. Jh., rheinfr¨ankisch/hessisch und nordbair.). – Innsbruck, ULB, Cod. 256, hinterer Spiegel (letztes Viertel 13. Jh., ostobd.). – Jena, ULB, Ms. El. f. 101, 20ra-va (um 1330, mitteldt./nd.) [mit Melodie¨uberlieferung zu den T¨onen Strauch XII, XIII bzw. Willms 4 und 5]. – Leipzig, UB, Rep. II 70a, 96rb-va, 102ra-va (zweite H¨alfte 14. Jh., niederrheinisch). – Mu¨ nchen, BSB, Clm 9690, 314–318 (um 1300, bair.) [untere R¨ander]. – Mu¨ nchen, UB, 2° Cod. ms. 731, 210vb–211ra, 225vb–226ra (1345/54, ostfr¨ankisch, z. T. mit mitteldt. und bair. Spuren). Meisterliederhss.: Berlin, SBB, Mgq 414, 255r, 267r–268r, 353v–355v, 387r–388r, 403r–404r, 419r–420v, 454r–455r (1517/18, N¨urnberg, von Hans Sachs geschrieben). – Ebd., Mgq 410/3, 29r–30v (erste H¨alfte 16. Jh., N¨urnberg, von Valentin Wildenauer geschrieben). – Dessau, LB, Hs. Georg. 231, 8°, 228r–234r (erste H¨alfte 15. Jh., ostmitteldt.). – Dresden, LB, Mscr. M 13, 12r–13r (um 1440, Ulm [?]). – M¨unchen, BSB, Cgm 1019, 6v–8r (Mitte 15. Jh., ostfr¨ankisch/nordbair.). – Ebd., Cgm 4997, 447ra–451vb, 454ra–455va, 456rb–458rb, 466rb-vb, 468ra-va, 475rb-vb, 480vb, 487va–488ra, 489ra–490vb, 494ra–495va, 497vb–498va, 501ra–502va (um 1460, rheinfr¨ankisch) [mit Melodie¨uberlieferung zum Goldenen Ton (= Strauch I, Willms 1), zum Langen Ton (= Strauch XV, Willms 7) und zum Kurzen Ton (= Strauch XIV; Willms 6)]. – Ebd., Cgm 426, 46r–50v (drittes Viertel. 15. Jh., bair. mit schw¨abischen Ankl¨angen). – Ebd., Cgm 5198, 10v–13v, 17v–18r (um 1500, bair.o¨ sterr.). Lat. Texte unter dem Namen M.: Augsburg, UB, Cod. II 1. 2° 10, 237r (14. Jh.). – Berlin, SBB, Ms. lat. 2° 136, 22r (1504). – Klagenfurt, Studienbibl., Perg. Hs. 7, 6r (erstes Viertel 13. Jh.). – Mu¨ nchen, BSB, Clm 4660/4660a, 55r, 105v, IIrv (um 1225/30, Nachtr¨age bis in die zweite H¨alfte 13. Jh.) [mit Melodie¨uberlieferung zu Ton Strauch XIV bzw. Willms 6]. – Sterzing, Stadtarch. ohne Signatur, 402
2. H¨alfte 13. Jh. 16r, 29v (nach 1420). – Stuttgart, LB, HB I 91, 79v–80r (ca. 1415–18). Ausgaben: Melchior Goldast: Paraeneticorum veterum pars I. Insulae [= Lindau] 1604. Nachdr. G¨oppingen 1980. – [Johann Jacob Bodmer/Johann Jacob Breitinger:] Proben der alten schwaebischen Poesie des Dreyzehnten Jh. Aus der Maneßischen Slg. Z¨urich 1748. – Philipp Strauch: Der M. (Quellen und Forschungen zur Sprach- und Culturgesch. der germ. V¨olker 14). Straßburg/London 1876. Mit einem Nachw., einem Reg. und einem Literaturverzeichnis v. Helmut Brackert (Dt. Neudrucke. Reihe: Texte des MA). Berlin 1964. – Burghart Wachinger (Hg.): Dt. Lyrik des sp¨aten MA (BdK 191/BMA 22). Frankfurt/M. 2006, S. 244–255 ¨ (mit Ubersetzung), 749–760 (Anm.) [Strauch Nr. V; XI,2; XV,6,5; XII,12; XII,14; XV,19]. – Eva Willms: Der M. Lieder und Sangspr¨uche aus dem 13. Jh. und ihr Weiterleben im Meistersang. Einf., ¨ Ubersetzung und Stellenkomm. Berlin/New York 2008. Literatur: W[ilhelm] Wilmanns, ADB 20 (1884) S. 396. – Ehrismann 2/2 (1935) S. 299 f. – Burghart Wachinger, VL2 6 (1987) Sp. 70–79; 11 (2004) Sp. 978. – Frieder Schanze, NDB 16 (1990) S. 232 f. – Peter Strohschneider, KNLL 11 (1990) S. 222–224. – Ursula Schulze, LexMA 6 (1993) Sp. 319 f. – De Boor/Newald 3/1 (51997) S. 279 ff. und passim. – Eva Willms, Killy2 7 (2010) S. 697 f. – Felix Meyer: Ueber Leben und Dichten des M. Diss. Gießen 1873. Berlin 1873. – Bernhardus Schneider: De vita et carminibus Marneri poetae medii aevi. Diss. Leipzig 1873. – Philipp Strauch: Zum M. In: ZfdA 20 (1876) S. 127. – Fedor Bech: Allerhand Vermutungen und Nachweise. 2. Zum M. In: Germania 22 (1877) S. 36–38. – Ders.: Zum M. In: Germania 22 (1877) S. 385–390. – Philipp Strauch: Zum M. In: ZfdA 22 (1878) S. 254 f. – Ders.: Egregius dictator Marnarius dictus. In: ZfdA 23 (1879) S. 90–94. – Alfred G¨otze: Der Name M. In: ZfdPh 53 (1928) S. 184–186. – John L. Riordan: Additional Notes to a Spruch of Der M. In: Modern Language Quaterly 3 (1942) S. 605–610. – Ders.: Additional Notes to the M.’s ‹Tagelieder›. In: Modern Language Quaterly 7 (1946) S. 329–336. – Ders.: More Notes to M.’s ‹Minnelieder›. In: Modern Language Quaterly 11 (1950) S. 146–155. – Burghart Wachinger: S¨angerkrieg. Untersuchungen zur Spruchdichtung des 13. Jh. (MTU 42). Mu¨ nchen 1973. – Ulrich Mu¨ ller: Unters. zur politischen Lyrik des dt. MA (GAG 55/56). G¨oppin403
Der Meißner gen 1974, S. 116–119. – Horst Brunner. Die al¨ ten Meister. Stud. zu Uberl. und Rezeption der mhd. Sangspruchdichter im Sp¨atMA und in der fr¨uhen Neuzeit (MTU 54). M¨unchen 1975, bes. S. 189 f., 192 ff. – Gisela Kornrumpf: Eine Melodie zu M.s Ton XIV in Clm 5539. In: ZfdA 107 (1978) S. 218–230. – Thomas Arnold L¨ohr: Komm. zu den lat. Liedern des M. Magisterarbeit T¨ubingen 1982. – Christoph Petzsch: Dem Usuellen nahe Zweiteiligkeit auch beim M. und Oswald v. Wolkenstein. In: ZfdPh 101 (1982) S. 370–389. – Burghart Wachinger: Anm. zum M. In: ZfdA 114 (1985) S. 70–87. – Martin Steinmann: Das Basler Fragm. einer Rolle mit mhd. Spruchdichtung. In: ZfdA 117 (1988) Sp. 295–310. – RSM 4 (1988) S. 263–324. – Wiebke Freytag: Zum allegorischen Konzept einer Fabel des M. (XIV, 6). In: Die ma. Lit. in der Steiermark. Hg. v. Alfred Ebenbauer u. a. (Jb. f¨ur internationale Germanistik A 23). Bern u. a. 1989, S. 87–102. – Hans Ulrich Schmid: Verse Freidanks und des M. in einer lat. Predigtsammlung aus Oberaltaich. In: ZfdA 118 (1989) S. 176–180. – Udo K¨uhne: ‹... ex opere dicuntur paulite›. Zu M. CB 9*. In: PBB 113 (1991) S. 251–256. – Andreas Rohbogner: Das Preisgedicht auf Heinrich v. Zwettl. ‹Pange vox adonis› – Besinge, Stimme der Nachtigall. Kirchenrechtliches beim M. In: Lit. in Bayern 36 (1994) S. 80–86. – Jens Haustein: M.-Stud. (MTU 109). T¨ubingen 1995. – Sabine Obermaier: Von Nachtigallen und Handwerkern. ‹Dichtung u¨ ber Dichtung› in Minnesang und Sangspruchdichtung (Hermaea NF 75). ¨ T¨ubingen 1995. – U. K¨uhne: Uberlegungen zum M. Zweisprachiges Œuvre, Lateinkenntnis, ‹Modernit¨at›. In: ZfdA 125 (1996) S. 275–296. – Jens ¨ Haustein: Uberl. und Autorschaft beim lat. M. In: ZfdA 126 (1997) S. 193–199. – Hans-Jochen Schiewer: Der ‹Club der toten Dichter›. Beobachtungen zur Generation nach Walther. In: WaltherStud. 1. Hg. v. Thomas Bein. Frankfurt/M. 2002, S. 249–276. – Eva Willms: Noch einmal Anm. zum M. In: ZfdA 137 (2008) S. 335–353. – H. Brunner: Die Sprucht¨one M.s. In: ‹Texte zum Sprechen bringen›. Philologie und Interpretation. FS Paul Sappler. Hg. v. Christiane Ackermann/Ulrich Barton. T¨ubingen 2009, S. 81–87. – RSM 2/1 (2009) S. 127–131. NR Der Meißner (Meißner der Jenaer Liederhandschrift). – Sangspruchdichter, zweite H¨alfte 13. Jh. Der M. ist neben → Konrad von W¨urzburg, → Frauenlob, → Rumelant von Sachsen und Her404
Der Meißner mann → Damen der bedeutendste Spruchdichter der zweiten H¨alfte des 13. Jh. Vom M. sind 20 unterschiedliche T¨one u¨ berliefert. Mit dieser Anzahl u¨ bertrifft er alle andern Spruchdichter des 13. Jh. mit Ausnahme → Walthers von der Vogelweide. Das u¨ berlieferte Gesamtwerk von u¨ ber 120 Strophen ist das umfangreichste zwischen → Reinmar von Zweter und Frauenlob. Aufgrund der ostmitteldt. Sprachmerkmale der unter seinem Namen in der → Jenaer Liederhandschrift (J) u¨ berlieferten Sangspr¨uche k¨onnte «M.» als Herkunftsangabe zu verstehen sein. Nach Angaben in seinen Dichtungen war er fahrender Berufsdichter, der in erster Linie an adligen H¨ofen sein Auskommen suchte. Die zeitlichen Eckdaten f¨ur sein Schaffen und sein ungef¨ahrer Wirkungsraum, vor allem im o¨ stlichen Mitteldeutschland, lassen sich anhand der gepriesenen G¨onner und der weiteren erw¨ahnten historisch fassbaren Personen erschließen: In RSM, 1Mei/4/4 wird Bischof Hermann (von Gleichen) erw¨ahnt, der 1251 zum Bischof von Kammin (Pommern) gew¨ahlt und 1254 ordiniert wurde, wodurch sich ein terminus post quem f¨ur dieses Lied ergibt. Einen terminus ante quem gibt es f¨ur 1Mei/17/9, das den Markgrafen → Otto IV. von Brandenburg preist, der 1308 verstarb. Das macht eine Schaffenszeit des M. in der zweiten H¨alfte des 13. Jh. plausibel. Dezidiert gelobt wird auch Ottokar II. von B¨ohmen, den der M. Rudolf von Habsburg als Reichsschenk anempfiehlt (1Mei/1/13). Eine genaue Datierung der einzelnen Strophen oder die Erstellung einer Werkchronologie ist aber nicht m¨oglich. Thematisch ist das Spruchwerk des M. von der Ermahnung zu Tugend und Fr¨ommigkeit gepr¨agt, worin der M. die Zweckbestimmung seiner Dichtkunst gesehen zu haben scheint. Daneben finden sich auch politische Spr¨uche und Reflexionen u¨ ber Aufgabe und Wert der Kunst. An literarischen Vorbildern lassen sich vor allem Walther, der → Marner und Reinmar von Zweter ausmachen. Der M. erhebt einen laientheologisch-pastoralen Anspruch. Das individuelle Charakteristikum seiner Dichtung ist eine h¨aufige N¨ahe zur Bibel und zur Volkspredigt, z. B. wenn der M. Gebote, Sakramente oder Dogmen thematisiert. Ziel ist dabei religi¨ose Mahnung und ethische Erziehung und weniger die Vermittlung von theologischem Wissen. Seine eigene theologische Gelehrsamkeit kommt in exegetisch gepr¨agten Strophen zum Tragen, bei denen der M. 405
2. H¨alfte 13. Jh. einen souver¨anen Umgang mit den Auslegungstechniken (Etymologie, Typologie, Allegorese) offenbart. Vermutlich verf¨ugte er u¨ ber Lateinkenntnisse und k¨onnte Zugang zu gelehrten Schriften gehabt haben. Sein Wissen ist indes nicht immer exakt und scheint oftmals aus dem Ged¨achtnis reproduziert zu sein. Formal bevorzugte der M. volumin¨ose Strophenformen, u¨ berwiegend mit einem 3. Stollen (teilweise variiert oder reduziert). Die L¨ange der einzelnen T¨one (7–17 Zeilen, nur Ton XIX mit 21 Zeilen) bleibt im zeit¨ublichen Rahmen. Allerdings weist der M. einen außerordentlichen Reichtum bei den Versarten auf: Er verwendet insgesamt 19 Arten, mehr als alle anderen Tonerfinder des 13. Jh. Der M. war in literarische Auseinandersetzungen mit S¨angerkollegen verwickelt. Er polemisiert gegen den Marner (1Mei/2/18, 1Mei/12/1–4) und wird daf¨ur von → Fegfeuer (1Fegf/2/4) attackiert. Ein ironisches Lob widmet ihm Konrad von W¨urzburg (1KonrW/7/20). Rumelant von Sachsen (1Rum/8/2–3) und Hermann Damen (1Damen/2/4) hingegen w¨urdigen den M. als bedeutendsten Spruchdichter neben Konrad. Entleh¨ nungen von M.-T¨onen tauchen in der Uberlieferung dennoch h¨ochst selten auf. Neben einer Replik-Strophe → Boppes in der → Heidelberger ¨ Liederhandschrift C in Ton I (s. Uberl.) sind lediglich lat. Kontrafakturen in Ton XVII innerhalb der → Augsburger Cantionessammlung bekannt. Auch eine Rezeption bei den Meisters¨angern hat der M. nicht erfahren. Zwar sind Nennungen eines M. in meisterlichen Kontexten h¨aufig, beziehen sich aber vermutlich auf den nicht sicher fassbaren → Jungen Meißner. Von diesem, wie auch vom → Alten Meißner, d¨urfte der M. zu differenzieren sein. Literarische Nachwirkungen des M. sind anhand textlicher Parallelen beim Jungen Meißner und bei Hermann Damen feststellbar. Diese schmale bekannte Wirkungsgeschichte k¨onnte darin begr¨undet sein, dass sich die Spruchdichtung des M. weder durch stilistische Virtuosit¨at noch durch einen besonders hohen formalen Anspruch auszeichnet. Vielleicht ¨ ist aber auch lediglich ein Zufall der Uberlieferungsgeschichte hierf¨ur verantwortlich. ¨ Uberlieferung: Jena, ULB, Ms. El. f. 101 (J) 81ra–101rb (Perg., um 1330, mitteldt. mit nd. Einschlag) 128 Str. in 20 To¨ nen mit Melodienotation, die bei den letzten drei T¨onen fehlt (trotz vorhandenenem Liniensystem). Coppus¨uberschrift: «Der 406
2. H¨alfte 13. Jh. mysnere». Durch Blattverlust sind drei Str. nur fragmentarisch und ca. 15 Str. und 1 Melodie gar nicht erhalten. – Heidelberg, UB, Cpg 848 (C) 420rb (Perg., um 1300, alemannisch); nur die Str. J 12 (dort 82va, 1Mei/1/12), hier im Boppe-Corpus; auf diese folgt eine polemische Antwort im selben Ton (1Bop/3/2). – Maastricht, Regionaal Historisch Centrum Limburg, Ms. 237 (vormals 167,III-11) 2v (fragmentarisches Pergamentdoppelbl., um 1300, mitteldt.-nd.); die Str. J 37 (dort 86rb, 1Mei/4/2) steht hier als Nachtrag auf dem unteren Rand; wegen Beschneidung des Blatts sind nur die V. 1–10 erhalten. Ausgaben: HMS 2 (1838) S. 384; 3 (1838) S. 86–110. – Eduard Bernoulli/Franz Saran: Die Jenaer Liederhs. Bd. 1. Leipzig 1901 (Nachdr. Hildesheim 1966) S. 135–168 (diplomatisch). – Georg Objartel: Der M. der Jenaer Liederhs. Unters., Ausg., Komm. (Phil.Stud.u.Qu. 85). Berlin 1977, S. 160–236 (Referenzausg.). – Zu den Teilausg. und Ausg. einzelner Lieder s. RSM 4 (1988) S. 329–350; Aufnahme in eine neuere Anthologie: Dt. Gedichte des MA. Mhd./Nhd. Ausgew¨ahlt, u¨ bers. und erl. v. Ulrich M¨uller in Zusammenarbeit mit Gerlinde Weiss (RUB 8849). Stuttgart 2 2009, S. 288–295. – Melodieausgaben: Bernoulli/ Saran (s. o.) Bd. 2, S. 53–65. – Ewald Jammers: Ausgew¨ahlte Melodien des Minnesangs. Einf., Erl¨aute¨ rungen und Ubertragung (ATB Erg¨anzungsreihe 1). T¨ubingen 1963, S. 174–178. – Hugo Moser/ Joseph Mu¨ ller-Blattau: Dt. Lieder des MA. Von Walther von der Vogelweide bis zum Lochamer Liederbuch. Texte und Melodien. Stuttgart 1968, S. 103–109. – Ronald J. Taylor: The Art of the Minnesinger. Songs of the thirteenth century. 2 Bde. Cardiff 1968, Bd. 1, S. 43–58; Bd., 2 S. 70–92 (Komm.). – Horst Brunner/Karl-G¨unther Hartmann: Spruchsang. Die Melodien der Sangspruchdichter des 12. bis 15. Jh. (Monumenta monodica medii aevi 6). Kassel 2010, S. 241–252. Literatur: Georg Objartel, VL2 6 (1987) Sp. 321–324; 11 (2004) Sp. 985. – RSM 4 (1988) S. 329–350; 2 (2009) S. 134–137. – G¨unther Peperkorn, NDB 16 (1990) S. 693. – Ursula Schulze, LexMA 6 (1993) Sp. 480. – De Boor/Newald 3/1 (51997) S. 563 (Reg.). – Horst Brunner, MGG2 Personenteil 11 (2004) Sp. 1485 f. – G. Objartel/ Red., Killy2 8 (2010) S. 132 f. – Adolf Frisch: Unters. u¨ ber die verschiedenen mhd. Dichter, wel¨ che nach der Uberl. den Namen Meissner f¨uhren. Diss. Jena 1887. – Gustav Roethe: Die Gedichte 407
Der Meißner Reinmars von Zweter. Leipzig 1887 (Nachdr. Amsterdam 1967) S. 347–349 u. o¨ . – Helmut Tervooren: Einzelstrophe oder Strophenbindung? Unters. zur Lyrik der Jenaer Hs. Diss. Bonn 1967, S. 272–307. – Burghart Wachinger: S¨angerkrieg. Unters. zur Spruchdichtung des 13. Jh. (MTU 42). Mu¨ nchen 1973, S. 151–163. – Ulrich Mu¨ ller: Unters. zur politischen Lyrik des dt. MA (GAG 55/56). G¨oppingen 1974, S. 120–123. – Christoph Gerhardt: Die Kriegslist des Pelikans. In: ZfdA 103 (1974) S. 115–118. – H. Brunner: Die alten Meister. ¨ Stud. zur Uberl. und Rezeption der mhd. Sangspruchdichter (MTU 54). M¨unchen 1975, Reg. – Erdmute Pickerodt-Uthleb: Die Jenaer Liederhs. Metrische und musikalische Unters. (GAG 99). G¨oppingen 1975, S. 482–496 u. o¨ . – Peter Nowak: Stud. zu Gehalten und Formen mhd. Gebetslyrik des 13. Jh. Diss. Bonn 1975, S. 49–52, 279 f. u.¨o. – Objartel (s. Ausg.). – Joachim Bumke: M¨azene im MA. Die G¨onner und Auftraggeber der h¨ofischen Lit. in Deutschland, 1150–1300. Mu¨ nchen 1979, Reg. – G¨unther Peperkorn: Der Junge Meißner. Sangspr¨uche, Minnelieder, Meisterlieder (MTU 79). Mu¨ nchen 1982, S. 3–7. – H. Tervooren/ Thomas Bein: Ein neues Fragm. zum Minnesang und zur Sangspruchdichtung. In: ZfdPh 107 (1988) S. 1–26, hier S. 11. – Franz-Josef Holznagel: Wege in die Schriftlichkeit. Unters. und Materialien zur ¨ Uberl. der mhd. Lyrik (Bibliotheca Germanica 32). T¨ubingen/Basel 1995, S. 372 f., 387–395. – KarlFriedrich Kraft: Estote ergo prudentes! Zu Bildlichkeit und Tradition im Schlangenspruch des M.s (VIII,2). In: Geist und Zeit. Wirkungen des MA in Lit. und Sprache. FS Roswitha Wisniewski. Hg. v. Carola L. Gottzmann/Herbert Kolb. Frankfurt/M. u. a. 1991, S. 167–190. – Johannes Rettelbach: Variation – Derivation – Imitation. Unters. zu den T¨onen der Sangspruchdichter und Meistersinger (Fr¨uhe Neuzeit 14). T¨ubingen 1993, Reg. – Jens Haustein: Marner-Stud. (MTU 109). Tu¨ bingen 1995, S. 36–40 u. o¨ . – Holger Eckhardt: Plage des B¨osen oder Kleinod der Sch¨opfung: Vom Netz zur Spinne zwischen dem M. und Trakl. In: Neophilologus 81 (1997) S. 105–115. – J. Rettelbach: Sangspruchdichtung zwischen Frauenlob und Heinrich v. Mu¨ geln – eine Skizze. In: Stud. zu Frauenlob und Heinrich v. M¨ugeln. FS Karl Stackmann. Hg. v. J. Haustein/Ralf-Henning Steinmetz (Scrinium Friburgense 15). Freiburg/Schweiz 2002, S. 145–174, hier S. 152. – H. Tervooren u. a.: Van der Masen tot op den Rijn. Ein Hb. zur Gesch. der ma. 408
Liederhandschriften volkssprachlichen Lit. im Raum von Rhein und Maas. Berlin 2006, S. 141–143. – Shao-Ji Yao: Der Exempelgebrauch in der Sangspruchdichtung vom sp¨aten 12. Jh. bis zum Anfang des 14. Jh. (W¨urzburger Beitr. zur dt. Philologie 32). W¨urzburg 2006, Reg. – J. Haustein/Franz K¨orndle (Hg.): Die Jenaer Liederhs. Codex – Gesch. – Umfeld. Berlin/New York 2010, Reg. – Jens Pfeiffer: Von dem ‹strauzen› oder: ‹Eine Schlacht zwischen den alten und den modernen B¨uchern in der Bibl.› und ihre Folgen bei Konrad von Megenberg, dem Marner und dem M. In: Konrad von Megenberg (1309–1374). Ein sp¨atma. ‹Enzyklop¨adist› im europ¨aischen Kontext (JOWG 18). Hg. v. Edith Feistner. Wiesbaden 2011, S. 189–205. VZ Liederhandschriften. – Handschriftliche Liedersammlungen, 13. bis 16. Jh. Als L. werden im dt. Sprachraum meist Sammlungen mit Minne- und Spruchlyrik sowie Meisterliedern (→ Meisterliederhandschriften) be¨ zeichnet. Sie sind wichtige Uberlieferungstr¨ ager der volkssprachigen Lieddichtung des Mittelalters, die sie in allen ihren Spielarten versammeln. L. besitzen gew¨ohnlich keine individuellen Titel und werden oft nach ihren Schreib- oder Aufbewahrungsorten benannt. Die in den L. enthaltenen Werke sind meist als Korpora nach Text- oder Tonautoren angeordnet. W¨ahrend insbesondere die großen L. Texte vieler Verfasser vereinigen, existieren auch L. mit Sammlungen einzelner Autoren, die von Redaktoren oder den Dichtern selbst zusammengestellt wurden. In manchen L. sind neben Texten auch Noten enthalten, die im Rahmen der sp¨ateren Entwicklung zu den heute als Liederb¨ucher bezeichneten Sammlungen dann st¨arker in den Vordergrund traten. Nach der wegweisenden, noch u¨ berwiegend lat. L. → Carmina Burana (um 1230) folgte um 1270 bis 1350 eine Hochphase großer volksprachiger L. Diese waren maßgeblich von Minnesang gepr¨agt und entstanden – parallel zu provenzalischen und franz¨osischen Sammlungen – vor allem im S¨udwesten des dt. Sprachraums. Von u¨ berragender Bedeutung ist die → Heidelberger Liederhandschrift C (auch Große Heidelberger L., Manessische L.), die wohl um 1300 bis 1330/40 in Z¨urich geschrieben wurde. Sie enth¨alt mehr als 5200 Strophen und 36 Leichs von den damals namentlich bekannten Verfassern. F¨ur u¨ ber die H¨alfte der Texte ist C al¨ leiniger Uberlieferungstr¨ ager. C spiegelt die ganze 409
2. H¨alfte 13. Jh. F¨ulle der mittelalterlichen Genres wider, r¨aumt aber Minne- und Sangspruchlyrik eine besondere Stellung ein. Bemerkenswert sind auch die in C jedem Korpus vorangestellten Autorenbilder, die oft von Textstellen, sprechenden Namen oder den Viten der abgebildeten Dichter angeregt sind. Die 137 farbenpr¨achtigen Miniaturen in C gelten als ein H¨ohepunkt der weltlichen Buchmalerei ihrer Zeit. Bedeutsam ist auch die → Heidelberger Liederhandschrift A (auch Kleine Heidelberger L.). Der wohl els¨assische Kodex entstand um 1270/75 und u¨ berliefert fast 800 Strophen und zwei Leichs sowie Miniaturen. Auch in A sind alle Genres der damaligen Lyrik erfasst, doch liegt ihr Schwerpunkt auf dem hohen Minnesang und seinen unmittelbaren Nachfolgern. Interessant ist A auch durch seine Anordnung der im Kodex vertretenen Dichter. Beginnen B und C noch mit Kaiser Heinrich VI. als vornehmsten Dichter, auf den dann F¨ursten, Adlige («herren») und Meister folgen, wird A von Werken Reinmars des Alten und Walthers von der Vogelweide er¨offnet. Die hohe Minne dominiert auch in der → Weingartner Liederhandschrift B, die im ersten Viertel des 14. Jh. wahrscheinlich in Konstanz entstand und rund 860 Strophen sowie Miniaturen enth¨alt. Eine weitere wichtige L. jener Zeit ist die nd. → Jenaer Liederhandschrift J von um 1330/40. J ist nur unvollst¨andig erhalten und umfasst noch u¨ ber 900 Strophen und drei Leichs. Der Kodex ist besonders durch seine umfangreiche Sammlung von j¨ungerer Sangspruchdichtung mittel- und norddt. Provenienz gekennzeichnet, aber auch durch seine pr¨achtige kalligraphische Gestaltung sowie Melodien in Quadratnotation. Ansonsten sind aus dieser Zeit eine Reihe weiterer L. erhalten, so die → Budapester Liederhandschrift (um 1300), die → Heidelberger Liederhandschrift cpg 350 (erste H¨alfte 14. Jh.), die W¨urzburger Liederhandschrift des Michael de Leone (Mitte 14. Jh.), die → Wiener Leichhandschrift (Mitte 14. Jh.) und die → Niederrheinische Liederhandschrift (Ende 14. Jh.). Daneben brachte diese Periode wichtige Sammlungen einzelner Autoren hervor, so von → Neidhart, → Ulrich von Liechtenstein, → Reinmar von Zweter. ¨ Eine weitere Phase der L.-Uberlieferung setzt im 15. Jh. ein und konzentriert sich vor allem zwischen 1440 und 1480. Die alten Liedtraditionen werden fortgef¨uhrt, aber erweitert und st¨arker nach Typen gesondert. Die klassische Minne wirkt noch in den L. des fr¨uhen 15. Jh. nach, also in der 410
2. H¨alfte 13. Jh. → Berliner Liederhandschrift mgf 922, der → Haager Liederhandschrift und sp¨ater in der → Weimarer Liederhandschrift F (drittes Viertel 15. Jh.). Um 1460 entsteht mit der rund 440 Strophen umfassenden → Kolmarer Liederhandschrift k eine zentrale L. des Meisterlieds. k ist nach Tonautoren geordnet, beginnt mit Frauenlob und Regenbogen und erg¨anzt die Texte durch Noten. Um die gleiche Zeit wird auch die Neidhart-L. c mit rund 1100 Strophen und Noten geschrieben. Außerdem werden a¨ltere Korpora neu zusammengestellt, so das Werk des Mo¨ nchs von Salzburg in der → Mondsee-Wiener Liederhandschrift von um 1455/70. Hinzu kommen auch im 15. Jh. Sammlungen einzelner Verfasser wie → Hugo von Montfort, → Oswald von Wolkenstein, → Muskatblut, Michel → Beheim, Hans → Folz und Heinrich → Laufenberg. In den weiteren Sammlungen tritt die musikalische Notation immer mehr in den Vordergrund. Die traditionellen L. entwickeln sich also zunehmend zu Liederb¨uchern. Aus den Milieus von Adel, Stadtb¨urgern und Studenten gingen weltliche Sammlungen hervor, die u. a. Liebeslieder enthielten, w¨ahrend L. mit geistlichen Liedern besonders von Nonnen benutzt wurden. Beispiele f¨ur Zusammenstellungen aus der zweiten H¨alfte des 15. Jh. sind das → Augsburger Liederbuch (1454), das Liederbuch der Clara → H¨atzlerin (1471), das → Rostocker Liederbuch (zweite H¨alfte 15. Jh.), die teilweise auf k beruhende → Donaueschinger Liederhandschrift (um 1485) und die geistliche → Pfullinger Liederhandschrift (zweite H¨alfte 15. Jh.). Seit 1512 dr¨angten gedruckte Liedersammlungen die L. zur¨uck, auch wenn es im sp¨aten 16. Jh. noch Nachl¨aufer wie die Benckh¨auser Liederhandschrift (1573) gab. Bis heute sind L. als grundlegende Quellen f¨ur die Forschung von h¨ochstem Wert. Sie dokumentieren nicht nur die besonders bedeutenden Autoren und Dichtungsarten, sondern auch viele klei¨ nere Werke ohne weitere Uberlieferung. So reflektieren sie das Spektrum der mittelalterlichen Lyrik auf umfassende Weise. Dar¨uber hinaus sind sie durch ihre Melodien musikhistorisch und durch ihre Miniaturen kunstwissenschaftlich von Interesse. ¨ Uberlieferung: Zentrale L.: 1. Heidelberger Liederhandschrift A: Heidelberg, UB, cpg 357, I + 45 + I Bll. (Perg., 1270 bis drittes Viertel 14. Jh., niederalemannisch). – 2. Weingartner Liederhandschrift B: Stuttgart, LB, cod. HB XIII 1, 26, 312 S. (156 411
Liederhandschriften Bll.) (Perg., erstes Viertel 14. Jh., alemannisch). – 3. Heidelberger Liederhandschrift C: Heidelberg, UB, cpg 848, 426 Bll. (Perg., erste H¨alfte 14. Jh., alemannisch). – 4. Jenaer Liederhandschrift J: Jena, ULB, Ms. El. f. 101, 133 Bll. (Perg., um 1330/40, mitteldt./nd., dazu Fragm. Dillingen, Studienbibl., XV Fragm. 19, 1 Bl.). – 5. Kolmarer Liederhandschrift k: M¨unchen, BSB, cgm 4997, 854 Bll. (Pap., um 1460, rheinfr¨ankisch). – Zu weiteren Hss. vgl. ¨ die Uberl. in den im Text genannten Einzelartikeln sowie die entsprechenden Eintr¨age in RSM 1 (1994) (Reg.). Ausgaben: Zahlr. Faks.- und Online-Ausg.; vgl. die Ausg. der im Text genannten L. sowie De Boor/ Newald 1994 (s. Lit.). Literatur: Vgl. auch die Lit. zu den im Text genannten L. – Gisela Kornrumpf, LexMA 5 (1991) Sp. 1971–1974. – De Boor/Newald 4/1 (21994) S. 193–197, 780 f. u. o¨ . – Eduard H. Kohnle: Stud. zu den Ordnungsgrunds¨atzen mhd. L. mit einem Anhang: Der Verf. der sog. jungen Spervogelstrophen A 27–30. Stuttgart u. a. 1934. – Carl B¨utzler: Die Strophenanordnung in mhd. L. In: ZfdA 77 (1940) S. 143–174. – Ewald Jammers: Das K¨onigliche Liederbuch des dt. Minnesangs. Eine Einf. in die sog. Manessische Hs. Heidelberg 1965. – Anthonius H. Touber: Formale Ordnungsprinzipien in mhd. L. In: ZfdA 95 (1966) S. 187–203. – Christoph Petzsch: Die Kolmarer L. Entstehung und Gesch. Mu¨ nchen 1978. – Horst Brunner: Tradition und Innovation im Bereich der Liedtypen um 1400. Beschreibung und Versuch der Erkl¨arung. In: Textsorten und literarische Gattungen. Dokumentation des Germanistentages in Hamburg vom 1. bis 4. April 1979. Hg. v. Vorstand der Vereinigung der dt. Hochschulgermanisten. Berlin 1983, S. 392–413. – G. Kornrumpf: Dt. Lieddichtung im ¨ 14. Jh. Ein Aspekt der Uberl. In: Zur dt. Lit. und Sprache des 14. Jh. Hg. v. Walter Haug u. a. Heidelberg 1983, S. 292–304. – Hugo Kuhn: Die Voraussetzungen f¨ur die Entstehung der Manesseschen Hs. und ihre u¨ berlieferungsgeschichtliche Bedeutung. In: Ders.: Kleine Schr. 3: Liebe und Gesellschaft Hg. v. Wolfgang Walliczek. Stuttgart 1980, S. 80–105 (wieder in: Der dt. Minnesang. Aufs¨atze zu seiner Erforschung. Bd. 2. Hg. v. Hans Fromm. Darmstadt 1985, S. 35–76). – Manfred Zimmermann: Liedersammlungen und Liederb¨ucher des o¨ sterr. Sp¨atMA. In: Die o¨ sterr. Lit. 1. Hg. v. Herbert Zeman. Graz 1986, S. 491–509. – Thomas Klein: Zur Verbreitung mhd. Lyrik in Norddtl. 412
Heidelberger Liederhandschrift A (Walther, Neidhart, Frauenlob). In: ZfdPh 106 (1987) S. 72–112. – G. Kornrumpf: Konturen ¨ der Frauenlob-Uberl. In: Cambridger ‹Frauenlob›Kolloquium 1986 (Wolfram-Stud. 10). Hg. v. Werner Schr¨oder. Berlin 1988, S. 26–50. – Frieder Schanze: Zur L. X. In: Dt. Hss. 1100–1400. Oxforder Kolloquium 1985. Hg. v. Volker Honemann/ Nigel F. Palmer. T¨ubingen 1988, S. 316–329. – ¨ Lothar Voetz: Uberlieferungsformen mhd. Lyrik. In: Codex Manesse. Kat. zur Ausstellung vom 12. Juni bis 2. Oktober 1988, UB Heidelberg, Ausstellung der Univ. Heidelberg. Hg. v. Elmar Mittler/ Wilfried Werner. Heidelberg 21988, S. 224–274. – Lorenz Welker: Die Notation dt. Lieder in ma. Hss. Codex Buranus, Jenaer und Kolmarer Hs. Mondsee-Wiener Liederhs. Oswald von Wolkenstein (Hs. A), Lieder und Gedichte des H. v. M. In: Imagination 8 (1993) H. 3, S. 10–19. – Max Schiendorfer: Politik mit anderen Mitteln. Zu den hist. Entstehungsbedingungen der Manessischen L. In: Z¨urcher Taschenbuch 114 (1994) S. 1–28. – ¨ Helmut Tervooren: Die sp¨ate Uberl. als Editionsproblem. Bemerkungen zu Lyrikhss. des sp¨aten 14. und 15. Jh. In: Walther von der Vogelweide. Textkritik und Edition. Hg. v. Thomas Bein. Berlin 1999, S. 176–194. – Albrecht Classen: Neuentdeckung zur Frauenlit. des 15. und 16. Jh. Beitr. von Frauen zu Liederb¨uchern und L. Ein lang verschollenes Erbe. In: Jb. f¨ur Volksliedforschung 44 (1999) S. 34–67. – Ders.: Die hist. Entwicklung eines literarischen Sammlungstypus. Das Liederbuch vom 14. bis zum 17. Jh. Von der ‹Weingartner L.› bis zum ‹Venus-G¨artlein›. In: ‹daß gepfleget werde der feste Buchstab›. FS Heinz R¨olleke. Hg. v. Lothar Blum/Achim H¨olter. Trier 2001, S. 26–40. – Ursula Peters: Ordnungsfunktion, Textillustration, Autorkonstruktion. Zu den Bildern der romanischen und dt. L. In: ZfdA 130 (2001) S. 392–430. – Heike Jurzik: Digitale Editionen ma. L. am Beispiel von Walthers ‹Pal¨astinalied›. In: Walther von der Vogelweide. Beitr. zu Produktion, Edition und Rezeption. Hg. v. T. Bein. Frankfurt/M. u. a. 2002, S. 305–328. – Michael Stolz: Die Aura der Autorschaft. Dichterprofile in der Manessischen L. In: Buchkultur im MA. Schrift, Bild, Kommunikation. Hg. v. dems./Adrian Mettauer. Berlin 2005, S. 67–101. – Clara Strijbosch: Sage mir, mit wem Du umgehst. Sammelprinzipien in L. des 16. Jh. In: Neophilologus 90 (2006) S. 401–422. – G. Kornrumpf: Vom Codex Manesse zur Kolmarer L. ¨ Aspekte der Uberl., Formtraditionen, neue Texte. 413
2. H¨alfte 13. Jh. Bd. 1. T¨ubingen 2008. – Die ‹Jenaer L.› Codex, Gesch., Umfeld. Hg. v. J. Haustein/Franz K¨orndle. Berlin/New York 2010. MM Heidelberger Liederhandschrift A (Kleine Heidelberger Liederhandschrift). – Die a¨ lteste Sammelhandschrift deutschsprachigen Minnesangs. Der kleinformatige (18,5 x 13,5–14,5 cm), 45 Pergamentbl¨atter umfassende Codex ist bis auf einen sp¨ateren Anhang in den 1270er Jahren wohl im Elsass, eventuell in Straßburg entstanden. Gesicherte Hinweise auf einen Auftraggeber fehlen. Die Sigle A geht auf die Walther-Ausgabe Lachmanns (1827) zur¨uck. A steht außerhalb der Auff¨uhrungspraxis (wie in der → Heidelberger Liederhandschrift C und in der → Weingartner Liederhandschrift fehlen Melodien), ihr literarisches Profil ist schwer auf einen einfachen Nenner zu bringen. Der A-Grundstock enth¨alt schwerpunktm¨aßig Texte aus Klassik und Nachklassik und ordnet seinen Bestand nach dem Autorenprinzip, wobei die Abfolge der VerfasserŒuvres a¨ hnlich wie in einigen provenzalischen Chansonniers und anders als in den mhd. Liederhandschriften B und C nicht durch den sozialen Rang der Autoren, sondern durch die ihrem Werk entgegengebrachte Wertsch¨atzung bestimmt ist. Die derart ausgezeichneten Corpora bilden zugleich die umfangreichsten Best¨ande der Handschrift: → Reinmar der Alte mit 70 Str. (Bl. 1r–4v), gefolgt von zwei Namensvettern, → Walther von der Vogelweide mit 151 Str. (Bl. 5v–13v), → Heinrich von Morungen mit vergleichsweise bescheidenen 29 Str. (Bl. 13v–15r) und → Ulrich von Singenberg, Truchsess zu St. Gallen mit 118 Str. (Bl. 15r–20v). Der Grundstock ist wohl auf zwei unterschiedliche Vorstufen zur¨uckzuf¨uhren, Teil 1 (Bl. 1–21v) auf eine Sammlung ‹großer Namen›, w¨ahrend Teil 2 (Bl. 21v–40v) kein klares Kompilationsprinzip erkennen l¨asst. Auff¨allig sind hier vor allem die unter den Namen → Niune, Gedrut und → Leuthold von Seven subsumierten Corpora, die vermutlich auf anonyme Strophen einer Vorlage zur¨uckgehen und nicht wenige Fehlzuweisungen enthalten. Wie C und anders als B u¨ berliefert A neben Minnelyrik in geringem Umfang auch Sangspruchdichtung. Ein geographischer Schwerpunkt bei der Textauswahl l¨asst sich kaum nachweisen, N¨ahe zur Entstehungsregion scheint jedenfalls kein bestimmender Faktor gewesen zu sein. Sieht man 414
2. H¨alfte 13. Jh. von dem hinsichtlich seiner Authentizit¨at umstrittenen Reinmar der Junge-Corpus ab, sind in A nur Einzelstrophen unikal u¨ berliefert. Im Anschluss an den Grundstock haben sechs H¨ande bis ins 3. Viertel des 14. Jh. auf Bl. 40r–45v einen Anhang ohne Autorzuweisung eingetragen (1 Leich, 61 Str.), der den Bestand des Grundstocks, namentlich die → Rubin- und Walther-Corpora, erg¨anzt. ¨ Uberlieferung: Heidelberg, UB, Cpg 357 (1270–80, Nachtr¨age bis ins dritte Viertel 14. Jh.; niederalemannisch, z. T. mit mitteldt. Einfluss). Ausgaben: Die alte Heidelberger Liederhs. Hg. v. Franz Pfeiffer (Bibl. des Stuttgarter Litterarischen Vereins 9,3). Tu¨ bingen 1844 (Nachdr. Hildesheim 1962). – Die kleine Heidelberger Liederhs. In Nachbildung, mit Geleitwort und Verz. der Dichter und der Strophenanf¨ange v. Carl v. Kraus. Stuttgart 1932. – Die Kleine Heidelberger Liederhs. Cod. Pal. germ. 357 der UB Heidelberg. Bd. 1: Faks. Bd. 2: Einf. v. Walter Blank (Facsimilia Heidelbergensia 2). Wiesbaden 1972. – Digitalisat der UB Heidelberg: http://digi.ub.uniheidelberg.de/diglit/cpg357. Literatur: Gisela Kornrumpf, VL2 3 (1981) Sp. 577–584. – Dies., Killy2 5 (2009) S. 149 f. – Die Gedichte Walthers von der Vogelweide. Hg. v. Karl Lachmann. Berlin 1827, bes. S. IV. – Wilhelm Wilmanns: Zu Walther von der Vogelweide. In: ZfdA 13 (1867) S. 217–288. – Wilhelm Wisser: Das Verh¨altnis der Minneliederhss. B und C zu ihrer gemeinschaftlichen Quelle. Beilage zum Programm des großherzoglichen Gymnasiums zu Eutin Nr. 628. Eutin 1889. – Margarete Regendanz: Die Sprache der kleinen H. L. A (N. 357). Diss. Marburg 1912. – Eduard Hans Kohnle: Stud. zu den Ordnungsgrunds¨atzen mhd. Liederhss. Die Folge der Lieder in A und E (T¨ubinger germanistische Arbeiten 20). Stuttgart u. a. 1934. – Carl B¨utzler: Die Strophenanordnung in mhd. Liederhss. In: ZfdA 77 (1940) S. 143–174. – Elisabeth Bertsch: Stud. zur Sprache obd. Dichterhss. des 13. Jh. Diss. T¨ubingen 1957, bes. S. 68–87. – G¨unther Schweikle: Reinmar der Alte. I. Hsl. und u¨ berlieferungsgeschichtliche Grundlagen. Habilitationsschrift Tu¨ bingen 1965, bes. 67–87, 152–186, 203–210. – Anthonius Hendrikus Touber: Formale Ordnungsprinzipien in mhd. Liederhss. In: ZfdA 95 (1966) S. 187–203. – George Fenwick Jones/ Ulrich M¨uller/Franz Viktor Spechtler: Verskonkordanz zur Kleinen Heidelberger Liederhs. (GAG 415
Konrad von Altstetten ¨ 292–294). G¨oppingen 1979. – Lothar Voetz: Uberlieferungsformen mhd. Lyrik. In: Cod. Manesse. Kat. zur Ausstellung vom 12. Juni bis 4. September 1988, UB Heidelberg. Hg. v. Elmar Mittler/ Wilfried Werner. Heidelberg 1988, S. 224–274 mit S. 548–584, hier S. 232–234. – RSM 1 (1994) S. 175. – Franz-Josef Holznagel: Wege in die Schriftlichkeit. Untersuchungen und Materialien ¨ zur Uberl. der mhd. Lyrik (Bibliotheca Germanica 32). T¨ubingen/Basel 1995, bes. S. 89–120. – Matthias Miller/Karin Zimmermann: Die Codices Palatini germanici in der UB Heidelberg (Cod. Pal. germ. 304–495) (Kataloge der UB Heidelberg 8). Wiesbaden 2007, S. 208–229. – Carolin Schuchert: Walther in A. Stud. zum Corpusprofil und zum Autorbild Walthers v. der Vogelweide in der Kleinen Heidelberger Liederhs. Frankfurt/M. 2010. – ¨ J¨urgen Wolf: Uberl., Hss. Ulrich von Liechtenstein im Buch. In: Ulrich von Liechtenstein. Leben – Zeit – Werk – Forschung. Hg. v. Sandra Linden/Christopher Young. Berlin/New York 2010, S. 487–514, hier S. 500–503. NR Konrad von Altstetten. – Minnes¨anger, um 1300/erstes Drittel 13. Jh. (?). Der adlige Dilettant K., von dem die → Heidelberger Liederhandschrift C drei Lieder in je eigenem Ton u¨ berliefert, d¨urfte dem seit 1166 bezeugten Ministerialengeschlecht aus Altst¨atten im Oberrheintal angeh¨ort haben. Es stand in den Diensten des Abtes von St. Gallen und besetzte das Meieramt. Im 13. und 14. Jh. ist innerhalb der Familie dreimal ein Konrad bezeugt: 1235, 1268 und 1320–27. Der erste d¨urfte f¨ur den Stil der Lieder etwas zu fr¨uh sein, so dass vor allem der zweit- und der letztbezeugte als Dichter in Betracht kommen. Die Bezeugung des dritten erst deutlich nach dem Grundstock von C ist hierbei kein Ausschlusskriterium. Es spricht vielmehr einiges f¨ur eine Zeitgenossenschaft mit Johannes → Hadlaub und der dritte Konrad m¨usste dann die Lieder vor seiner ersten Beurkundung verfasst haben. Alle drei u¨ berlieferten Lieder haben Tanzweisencharakter. Frauenpreis und Minnebitte stehen dabei thematisch im Zentrum der Dichtungen, die in der Tradition → Konrads von W¨urzburg stehen und damit den Œuvres anderer Schweizer S¨anger vergleichbar sind (vgl. Meister → Teschler, → Konrad von Landeck, → Heinrich von Sax, → Heinrich von Tettingen oder → Heinrich von Frauenberg). Die Lieder 2 und 3 sind Sommerlieder 416
Sußkind ¨ von Trimberg mit Natureingang, w¨ahrend das erste Lied von der sommerlich-fr¨ohlichen Grundstimmung der anderen abweicht und den Minneschmerz st¨arker betont. Dieses ist in daktylische Kanzonenstrophen verfasst. Die achtzeiligen Vierheberkanzonenstrophen von Lied 2 stellen eine Abwandlung eines sehr gel¨aufigen Grundmusters dar, das aus der mlat. Dichtung stammen k¨onnte und noch in Lie¨ derb¨uchern des 15. Jh. auftaucht. Ahnliche Strophenformen begegnen bei → Heinrich von Veldeke, → Rudolf von Fenis, → Burkhard von Hohenfels und → Hiltbolt von Schwangau. Lied 3 hat nur scheinbar eine stollige Struktur. Der Begriff des «reigen» beschreibt das Lied besser und die unregelm¨aßigen Aufges¨ange sind ein m¨oglicher Hinweis auf eine durchkomponierte Melodie (vgl. → Neidharts Sommerlied 14 [R 15]). ¨ Uberlieferung: Heidelberg, UB, Cpg 848 (C) 249v–250rb (Perg., um 1300, alemannisch). Die Miniatur zeigt H. im Schoß der Minnedame, w¨ahrend ¨ er mit der linken Hand einen Falken f¨uttert. Uberschrift: «her Ch˚unrat v¯o Altstetten». Ausgaben: HMS 2 (1838) S. 64 f.; 3 (1838) S. 662, 832. – Karl Bartsch (Hg.): Die Schweizer Minnes¨anger (Bibl. a¨ lterer Schriftwerke der dt. Schweiz 6). Frauenfeld 1886 (Nachdr. Darmstadt 1964) S. 265–269, 450 (Nr. XXIV). – Karl Bartsch: Dt. Liederdichter des zw¨olften bis vierzehnten Jh. Eine Auswahl. 4. Aufl. besorgt v. Wolfgang Golther. Berlin 1906 (Nachdr. Darmstadt 1966) S. 349 f. – Poetae minores. Weniger bekannte Dichter der großen Heidelberger Liederhs. Hg. und u¨ bers. v. Joachim Kuolt (Helfant Texte 2). Stuttgart 1987, S. 53–62. – Die Schweizer Minnes¨anger. Nach der Ausg. v. K. Bartsch neu bearb. und hg. v. Max Schiendorfer. Bd. 1: Texte. T¨ubingen 1990, S. 213–216 (Nr.18). Literatur: Wilhelm Willmanns, ADB 1 (1875) S. 374. – Ingo F. Walther, NDB 12 (1979) S. 534 f. – Volker Mertens, VL2 5 (1985) Sp. 134 f. – HMS 4 (1838) S. 407 f. – Bartsch/Golther (s. Ausg.) S. XCI. – Bartsch Minnes¨anger (s. Ausg.) S. CLII–CLV. – Jakob Baechtold: Gesch. der dt. Lit. in der Schweiz. Frauenfeld 1887, S. 160. – Eduard Sievers: Zur Klangstruktur der mhd. Tanzdichtung. In: PBB 56 (1932) S. 181–208, hier S. 194. – Ewald Jammers: Das kgl. Liederbuch des dt. Minnesangs. Eine Einf. in die sog. Manessische Hs. Heidelberg 1965, S. 44, 49, 98, 127. – Hertha-Elisabeth Renk: Der Manessekreis, seine Dichter und die Manessische Hs. (Stud. zur Poetik und Gesch. der 417
2. H¨alfte 13. Jh. Lit. 33). Stuttgart u. a. 1974, S. 187. – Gerhard A. Vogt: Stud. zur Verseingangsgestaltung in der dt. Lyrik des HochMA (GAG 118). G¨oppingen 1974, S. 78 f., 134, 181. – Joachim Bumke: Ministerialit¨at und Ritterdichtung. Umrisse der Forschung (Edition Beck 12). Mu¨ nchen 1976, Reg. – Codex Manesse. Die Miniaturen der Großen Heidelberger Liederhs. Hg. und erl. v. Ingo F. Walther unter Mitarbeit v. Gisela Siebert. Frankfurt/M. 1988 (62001) S. 165 f. (Tf. 80). – Barbara Weber: ŒuvreZusammensetzungen bei den Minnes¨angern des 13. Jh. (GAG 609). G¨oppingen 1995, Reg. VZ Sußkind ¨ von Trimberg. – Sangspruchdichter, zweite H¨alfte 13. Jh. S.s meist auf die zweite H¨alfte des 13. Jh. datiertes Werk ist in der → Heidelberger Liederhandschrift C u¨ berliefert, die ihn als «der jude von Trimperg» bezeichnet. Der Ortsname verweist auf Trimberg zu Elfershausen im heutigen Landkreis Bad Kissingen. Ob S. tats¨achlich Jude war, ist bis heute umstritten. ¨ Entsprechende Angaben in zwei C-Uberschriften sind historisch nicht belegt und k¨onnten vielmehr von einer Stelle im Text abgeleitet sein (Ton V, Strophe 2). Darin erkl¨art S., zuk¨unftig geizige Herren und ihre H¨ofe meiden zu wollen. Stattdessen wolle er nach j¨udischer Art («in alter juden leben») mit vollem Bart, langem Mantel und tief in die Stirn gezogenem Hut umherwandern. Diese Stelle ist der einzige wirklich explizite Hinweis auf ein m¨ogliches Judentum S.s im erhaltenen Korpus. Sie k¨onnte in einer tats¨achlichen biographischen Situation begr¨undet sein, es k¨onnte sich aber ebenso um ein poetisches Bild ohne reale Grundlage handeln. Vielleicht stammt auch der Ton von S., der Text jedoch von einem anderen Verfasser. Sollte S. wirklich Jude gewesen sein, w¨are sein Werk in C einzigartig. Eine Existenz als fahrender S¨anger an Adelsh¨ofen w¨are f¨ur einen ma. Juden ebenfalls h¨ochst ungew¨ohnlich gewesen. Auch sonst sind S.s Lebensumst¨ande unklar. Glaubt man Ton V, so war er Familienvater und lebte in Armut. Dagegen zeigt ihn eine Illustration in C als vornehm gekleideten Mann mit Judenhut. S. steht in diesem Bild vor einem sitzenden Bischof und zwei ebenfalls stehenden M¨annern. Nach heutiger Deutung zeigt das Bild eine Gerichtsszene, in der S. von einem christlichen B¨urger verklagt wird. Der Bischof agiert in diesem Fall als weltlicher Gerichtsherr. Aufgrund 418
2. H¨alfte 13. Jh. seines Wappens wird der Geistliche meist als Erzbischof von K¨oln identifiziert. C enth¨alt unter S.s Namen zw¨olf Sangspruchstrophen in sechs T¨onen. Die Vorlage der CStrophen war m¨oglicherweise mitteldt., da entsprechende Mundartspuren vorhanden sind. Zwei zus¨atzliche Strophen werden in C Gast und in einer Z¨uricher Handschrift – wohl irrt¨umlich – S. zugeschrieben. Inhaltlich setzen sich die T¨one S.s besonders h¨aufig mit Tugenden auseinander. So behandelt Ton I die rechte Mischung von Tugenden sowie den Tugendadel, außerdem die menschliche Verg¨anglichkeit und die Hoffnung auf das Weiterleben der Seele durch g¨ottliche Gnade. Ton II besingt die Freiheit der Gedanken und Ton III preist Gott und tugendhafte Ehefrauen. Ton IV erteilt Ratschl¨age f¨ur ein rechtschaffenes Leben. In Ton V klagt der S¨anger u¨ ber Armut und geizige Herren. Ton VI enth¨alt ebenfalls eine Klage (hier gegen Falschheit), die von einem Wolf gesprochen wird. Neben dieser charakteristischen Wolfsfigur weist S.s insgesamt eher konventionelles Werk noch einige weitere interessante Elemente auf, so das «memento mori» in Ton I, den Gebetshymnus in Ton III, Tiervergleiche in Ton IV und eine Personifizierung der Armut in Ton V. Formal sind S.s T¨one von gehobenem Niveau und teilweise eng miteinander verwandt. So entsprechen sich T¨one I und IV weitgehend. Ton II a¨hnelt Ton VI und dieser wiederum dem Ton I → Wernhers von Hohenberg. Wernhers Ton gilt jedoch als j¨unger. Gemeinsam ist fast allen T¨onen S.s außer Ton V die Verbindung von Strophenund Stollenschl¨ussen durch Reime. Die Echtheit von Ton V ist aus formalen Gr¨unden vereinzelt angezweifelt worden, was sich aber nicht allgemein durchgesetzt hat. Insgesamt wurde S.s Werk stark unter dem Gesichtspunkt der m¨oglichen j¨udischen Identit¨at seines Verfassers rezipiert. Dieser Aspekt wird sich ohne neue Quellen aber wahrscheinlich niemals abschließend kl¨aren lassen. Eine literarische Darstellung erfuhr S. in Friedrich Torbergs Roman S¨ußkind von Trimberg (1972), der ihn als tragische Figur eines j¨udischen Außenseiters portr¨atiert. ¨ Uberlieferung: Heidelberg, UB, Cpg 848, 355r–358ra (Perg., erste H¨alfte 14. Jh., alemannisch). – Zu¨ rich, ZB, cod. C 31, 229v (Pap., 1446, wohl irrt¨umliche Zuschreibung zweier Strophen an S.). Ausgaben: HMS 2 (1838) S. 258. – Kraus LD 1 (21978) S. 421–425. – Werner H¨over/Eva Kiepe 419
Sußkind ¨ von Trimberg (Hg.): Epochen der dt. Lyrik 1: Gedichte von den Anf¨angen bis 1300. Mu¨ nchen 1978 (Nachdr. ebd. 2001) S. 470 f. – Norbert H. Ott (Hg.): Mhd. Gedichte. Mit den Nachdichtungen von Friedrich Torberg. Reicheneck 1981. – Peter Wapnewski: Der f¨unfte Ton des Juden S. v. T. In: PBB 111 (1989) S. 268–284 (wieder in: Ders.: Zuschreibungen. Gesammelte Schr. Hg. v. Fritz Wagner. Hildesheim u. a. 1994, S. 176–194). – Bauschke (s. Lit.) S. 68–83. – Helmut Birkhan: Gesch. der altdt. Lit. im Licht ausgew¨ahlter Texte 7: Minnesang, Sangspruchdichtung und Verserz¨ahlung der letzten Staufer- und ersten Habsburgerzeit. Wien 2005, S. 167–169. – Vgl. auch die Ausgaben der Heidelberger Liederhandschrift C. Literatur: Gustav Roethe, ADB 37 (1894) S. 334–336. – Kraus LD 2 (21978) S. 513–516 (Lit.). – RSM 5 (1991) S. 424–426, 636; 2/1 (2009) S. 271 f. – Burghart Wachinger, VL2 9 (1995) Sp. 548–552. – De Boor/Newald 3/1 (51997) S. 374–378 u. o¨ . – Karina Kellermann, LexMA 8 (1997) Sp. 333 f. – Christoph Huber/Sandra Linden, Killy2 11 (2011) S. 391 f. – Meier Spanier: S. v. T. In: Zs. f¨ur Gesch. der Juden in Deutschland 7 (1937) S. 138–155. – Raphael Straus: Was S¨usskint von Trimperg a Jew? In: Jewish Social Studies 10 (1948) S. 19–30. – Ludwig Rosenthal: S. v. T. Der j¨udische Spruchdichter aus der Gruppe der dt. Minnes¨anger des MA (13. Jh.). Hanau 1969. – L. Rosenthal: S. v. T. Der j¨udische Spruchdichter des MA. In: Hanauer Geschichtsbll. 24 (1973) S. 69–100. – P. Wapnewski: Ein Fremder im K¨oniglichen Liederbuch. S. v. T. In: Kontroversen, alte und neue. Akten des VII. Internationalen Germanisten-Kongresses, G¨ottingen 1985 1. Hg. v. Albrecht Sch¨one. T¨ubingen 1986, S. 111–125 (wieder in: Ders.: Zuschreibungen. Gesammelte Schr. Hg. v. Fritz Wagner. Hildesheim u. a. 1994, S. 160–175). – Manuela Jahrm¨arker: Die Miniatur S.s v. T. in der Manessischen Liederhs. In: Euph. 81 (1987) S. 330–346. – Gerd Dicke/Klaus Grubm¨uller: Die Fabeln des MA und der fr¨uhen Neuzeit. Ein Kat. der dt. Versionen und ihrer lat. Entsprechungen (MMS 60). M¨unchen 1987, Nr. 653. – Codex Manesse. Die Miniaturen der Großen Heidelberger Liederhs. Hg. und erl. v. Ingo F. Walther unter Mitarbeit v. Gisela Siebert. Frankfurt/M. 1988 (62001) S. 238 f. (Tf. 117). – Frieder Schanze: Zur Liederhs. X. In: Dt. Hss. 1100–1400. Oxforder Kolloquium 1985. 420
Kelin Hg. v. Volker Honemann/Nigel F. Palmer. T¨ubingen 1988, S. 316–329. – Malka Rosenthal: S. v. T., ein Jude? Mutmaßungen u¨ ber den ber¨uhmten Minnes¨anger des 13. Jh. In: Trib¨une 30 (1991) H. 118, S. 176–185. – Johannes Rettelbach: Variation – Derivation – Imitation. Unters. zu den T¨onen der Sangspruchdichter und Meistersinger (Fr¨uhe Neuzeit 14). T¨ubingen 1993, passim. – Edith Wenzel: ‹Autobiographische Lyrik›. S. v. T.: ‹Wˆahebˆuf und Nichtenvint›. In: Gedichte und Interpretationen. MA. Hg. v. Helmut Tervooren (RUB 8864). Stuttgart 1993, S. 284–298. – Winfried Frey: ‹ich wil in alter juden leben mich hinnˆan f¨urwert ziehen›. Der ma. Spruchdichter S¨uezkint der Jude von Trimperg. In: ‹Sluohderin› – Schl¨uchtern 993–1993. Wissenschaftliche Beitr. zur Kloster- und Stadtgesch. im Jubil¨aumsjahr. Hg. vom Heimat- und Geschichtsver. Bergwinkel. Schl¨uchtern 1994, S. 67–87. – E. Wenzel: S. v. T., ein dt.-j¨udischer Autor im europ¨aischen Kontext. In: Interregionalit¨at der dt. Lit. im europ¨aischen MA. Hg. v. Hartmut Kugler. Berlin 1995, S. 143–160. – Dietrich Gerhardt: S. v. T. Berichtigungen zu einer Erinnerung. Bern u. a. 1997 (vgl. dazu: Karl Stackmann, in: PBB 121 [1999] S. 440–455). – Gerhard Armanski: Ein ju¨ discher S¨anger im MA. S. v. T. In: Ders.: Fr¨ankische Literaturlese. Essays u¨ ber Poeten zwischen Main und Donau. W¨urzburg 1998, S. 75–93. – D. Gerhardt: Zu¨ rich und S. v. T. In: ZfdPh 118 (1999) S. 103–110. – Rudolf Weigand: S. v. T. Ein Jude als Spruchdichter im deutschen MA? In: Jenseits der Grenzen. Die Auseinandersetzung mit der Fremde in der deutschsprachigen Kultur. Hg. v. Margaret Stone. Oxford u. a. 2000, S. 13–30. – HansHerbert R¨akel: Fremd im Hermelin. Der r¨atselhafte S. v. T. In: Das 14. Jh. Abschied vom MA. Hg. v. Michael Jeismann. M¨unchen 2000, S. 66–72. – Ricarda Bauschke: ‹ich wil in alter juden leben mich hinnˆan f¨urwert ziehen›. S. v. T., ein j¨udischer Autor in der Manessischen Hs. In: Juden in der dt. Lit. des MA. Religi¨ose Konzepte, Feindbilder, Rechtfertigungen. Hg. v. Ursula Schulze. T¨ubingen 2002, S. 61–86. – Frank Stern: Dann bin ich um den Schlaf gebracht. Ein Jahrtausend j¨udisch-dt. Kulturgesch. Berlin 2002, S. 46–54. – Albrecht Hausmann: Das Bild zu S. v. T. in der Manessischen Liederhs. In: Kulturen des Manuskriptzeitalters. Ergebnisse der Amerikanisch-Dt. Arbeitstagung an der Georg-August-Univ. G¨ottingen vom 17. bis 20. Oktober 2002. Hg. v. Hans421
2. H¨alfte 13. Jh. Jochen Schiewer u. a. G¨ottingen 2004, S. 87–112. – Nico Unlandt: S. le Juif de T. ou Comment le Chansonnier d’Heidelberg se Veut ‹Politiquement Correct›. In: Comunicazione e propaganda nei secoli XII e XIII: atti del convegno internazionale (Messina, 24–26 maggio 2007). Hg. v. Rossana Castano u. a. Rom 2007, S. 629–646. – Wieland Schwanebeck: Der Ironiker verstummt. Friedrich Torbergs MA-Roman ‹S. v. T.› In: Fr¨uhma. Studien 44 (2010) S. 487–508. – Martin Przybilski: Kulturtransfer zwischen Juden und Christen in der dt. Lit. des MA. Berlin u. a. 2010, S. 267–279. MM Kelin, Meister. – Sangspruchdichter, Mitte/zweite H¨alfte 13. Jh. Zu K. gibt es keine außerliterarischen Zeugnisse. Einen Hinweis auf seine Schaffenszeit liefern zwei politische Spr¨uche (RSM: 1Kel/3/6 und 10), die w¨ahrend des Interregnums (1254–73) entstanden sein d¨urften, vermutlich zwischen 1554 und 57. Im Haupttextzeugen, der → Jenaer Liederhandschrift (J), wird K. als «Meister» bezeichnet; er selbst nennt sich in 1Kel/3/8 expressis verbis einen «gernden». Im gleichen Spruch wird der staufische Ministeriale Volkmar von Kemenaten († 1276/82) mit einem lobenden Gruß aus der Ferne bedacht (auch → Rumelant von Schwaben wird sp¨ater Volkmar r¨uhmend gedenken). Dem Spruch zufolge habe K. dem Volkmar «driu lobeliet» gesungen, die – sofern diese Angabe zutrifft – verloren sind. Dass K. obd. Herkunft sein k¨onnte, legt 1Kel/2/3 nahe. In diesem Spruch wird der Geiz der hiesigen (mitteldt./nd. [?]) Herren aus der Perspektive des Fremden beklagt. Dies kontrastiert der S¨anger mit dem Ansehen, dass er bei schw¨abischen, bayerischen und fr¨ankischen Herren gen¨osse. In weiteren Strophen mit geographischen Angaben (1Kel/3/4, 6, 8) weist nichts in den norddeutschen Raum und der Name «Ke(n)lin» ist im 13./14. Jh. nur im dt. S¨udwesten bezeugt. Die auffallende mitteldt./nd. Einf¨arbung einiger Strophen (vor allem 1Kel/1/3, 5–8; 1Kel/3/1), f¨ur die man die produktive Tradierung allein nicht wird verantwortlich machen k¨onnen, scheint hierzu im Widerspruch zu stehen. Eine L¨osung des Problems k¨onnte im Umstand liegen, dass J – wenn auch noch nicht mit der Konsequenz sp¨aterer Sammlungen – dem Tonautorprinzip folgt und daher nicht alle Spr¨uche im J-Corpus K.s zwingend den selben Textverfasser 422
2. H¨alfte 13. Jh. haben m¨ussen. Das macht aber auch etwaige textimmanente biographischen Aussagen u¨ ber K. nicht unbedingt valider. Im Marner-Corpus der → Heidelberger Liederhandschrift C sind vier Strophen in K.s Ton III enthalten (351rb; 1Marn/5/1–4). Drei davon stehen auch im K.-Corpus von J, die letzte findet sich nur in C. Unter der Spalte steht die zeitgen¨ossische Beischrift «k¯eli». Es spricht einiges daf¨ur, im Marner den Textautor der Spr¨uche zu sehen und in K. den Tonerfinder: 1) Die Texzuweisung in Handschrift C, die dem Textautorprinzip verpflichtet ist. 2) Die Tonzuweisung in Handschrift J, die dem Tonautorprinzip folgt. 2) Der Marner hat nachweislich auch in einem anderen Fremdton gedichtet, in → Stolles Alment. Die beiden Alment-Strophen gehen den K.-Ton III Strophen in C direkt voraus und auch hier gibt es mit dem redaktionellen Vermerk «alt stolle» einen Hinweis auf divergierende Text- und Tonautorschaft. In den im J-Corpus u¨ berlieferten Strophen werden die in der Sangspruchdichtung u¨ blichen Themen behandelt: Moraldidaxe, Zeitkritik und Fahrenden-Thematik mit besonderm Augenmerk auf der «milte». Geistliche Spr¨uche sind eher selten. K. enth¨alt sich dabei der f¨ur das 13. Jh. typischen exponierten Gelehrsamkeit (wie sie z. B. beim → Marner begegnet). Wohl aber stellt sich das S¨anger-Ich oft als Fu¨ rsprecher der guten Lebensf¨uhrung oder hohen Kunstfertigkeit dar und das in Abgrenzung von seiner unsittlichen, hartherzigen oder kunstlosen Umwelt. 1Kel/1/3 und 9 sind R¨atselstrophen, 1Kel/3/3–4 ist ein Dialog zwischen Ehre und Schande und 1Kel/3/5 ein Fabelspruch vom Hund am Wasser. Die Syntax der Strophen ist einfach und klar, K. neigt dabei zu pr¨agnanten Formulierungen und Wortspielen. Die T¨one I und II sind Kanzonen mit einem drittem Stollen im Abgesang, was einer zeitgen¨ossisch verbreiteten Form entspricht. Ton III hat den in der Zeit nach → Walther von der Vogelweide nur noch seltenen Bau AABB, der sich in J sonst nur noch bei Meister → Alexander findet. In der → Kolmarer Liederhandschrift (k) wird Ton III als «Hundweise» bezeichnet und → Frauenlob untergeschoben. Der Tonname ist vermutlich vom Fabelspruch 1Kel/3/5 abgeleitet, der in k als erste Strophe eines zweistrophigen Liedes erscheint (1Kel/3/501a). In der Fassung von k wurde der Ton (nach 1590) im n¨urnbergischen Meistergesang verwandt, hier unter der Bezeichnung «Hundsf¨ußweise». Der Name K.s selbst 423
Kelin wurde von den Meisters¨angern nicht tradiert und die schmale Wirkungsgeschichte K.s erfolgte somit in Losl¨osung von seiner Person. ¨ Uberlieferung: Jena, ULB, Ms. El. f. 101 (J) 16va–20va (Perg., um 1330, mitteldt. mit nd. Einschlag) mit Melodien, Corpus¨uberschrift: «Meister kelyn»; 26 Str. in 3 To¨ nen (Ton I: 9 Str., Ton II: 4 Str., Ton III: 13 Str.). – Das gleiche Corpus wie in J war vermutlich in einer heute fragmentarischen Hs. enthalten: Basel, UB, Cod. N I 3 Nr. 145, 1r–2v (vier teilweise beschnittene Perg.-Doppelbll., erste H¨alfte 14. Jh., md./nd.); 15 Str. und die 3 Melodien, gr¨oßtenteils mit Textverlust. – Maastricht, Regionaal Historisch Centrum Limburg, Ms. 237 (fr¨uher 167,III–11) (1 Perg.Doppelbl., um 1300, md./nd.); 1Kel/3/3 und 5, fragmentarisch. – Frauenfeld, Kantonsbibl., Cod. Y 74, S. 153 f. (Pap., erstes Drittel 15. Jh., nordostschweizerisch); 1 Str. (anonymes Frauengebet) innerhalb der → St. Katharinentaler Liederslg.. – M¨unchen, BSB, Cgm 4997 (k) 161r–162v (Pap., um 1460, rheinfr¨ankisch); ein Siebenerbar (Marienlied, 1Kel/3/500), ein Zweistropher (dessen 1. Str. = 1Kel/3/5) und ein (kompiliertes [?]) Dreierbar (mit Melodie). Corpus¨uberschrift: «Jn der hunt vyse fr». – Karlsruhe, LB, Cod. Donaueschingen 120 (→ Donaueschinger Liederhs.) S. 283–287 (Pap., letztes Viertel 15. Jh., alemannisch); nur 1Kel/3/500. – Zur Melodie¨uberl. vgl. RSM 2,1 (2009) S. 104. Ausgabe: HMS 3 (1838) S. 20–25, 408. – Wangenheim (s. Lit.) S. 46–151 (mit Melodien). – Zu Einzelausgaben einzelner Lieder vgl. RSM 4 (1988) S. 169–175. – Hinzu kommt: Geistliche Ges¨ange des dt. MA. Melodien und Texte hsl. ¨ Uberl. bis um 1530. Bde. 2 und 3 (Das dt. Kirchenlied 2,1–3). Hg. v. Max L¨utolf u. a. Kassel u. a. 2004/09, Bd. 2 Nr. 232, Bd. 3 Nr. 498, 507. – Melodieausgabe (Auswahl): Horst Brunner/KarlG¨unther Hartmann: Spruchsang. Die Melodien der Sangspruchdichter des 12. bis 15. Jh. (Monumenta monodica medii aevi 6). Kassel 2010, S. 173 f. Literatur: Wilhelm Wilmanns, ADB 15 (1882) S. 560. – Helmut Lomnitzer, VL2 4 (1983) Sp. 1105–1107. – RSM 4 (1988) S. 169–175; 1 (1994) S. 25; 2,1 (2009) S. 104. – H. Brunner, MGG2 Personenteil 9 (2003) Sp. 1620. – Gisela Kornrumpf, Killy2 6 (2009) S. 342 f. – HMS 4 (1838) S. 780–782. – Philipp Strauch: Der Marner (Quellen und Forschungen zur Sprach- und Culturgesch. der germ. V¨olker 14). Straßburg 1876 424
Rumelant (Nachdr. mit einem Nachwort, einem Reg. und einem Literaturverz. v. Helmut Brackert. Berlin 1965) S. 16, 63 f. – Gustav Roethe: Die Gedichte Reinmars von Zweter. Leipzig 1887 (Nachdr. Amsterdam 1967) S. 183, 190 und Reg. – Fritz Grimme: Die Gesch. der Minnesinger. Bd. 1: Die rheinisch-schw¨abischen Minnesinger. Paderborn 1897, S. 173–176, 285. – Anton Wallner: Sechs R¨atselspr¨uche. In: PBB 44 (1920) S. 110–117, hier S. 116 f. – Albrecht Schlageter: Unters. u¨ ber die liedhaften Zusammenh¨ange in der nachwaltherschen Spruchlyrik. Diss. Freiburg i. Br. 1953, S. 49–83. – Helmut Tervooren: Einzelstrophe oder Strophenbindung? Unters. zur Lyrik der Jenaer Hs. Diss. Bonn 1967, S. 161–172. – Edith Herrmann/ Horst Wenzel: ‹Her Wicman ist der ere / Her Volcnant habt irs ere›. Zu Walther von der Vogelweide (L 18,1). In: Euph. 65 (1971) S. 1–20, hier S. 18–20. – Wolfgang von Wangenheim: Das Basler Fragm. einer mitteldt.-nd. Liederhs. und sein Spruchdichter-Repertoire (K., Fegefeuer) (Europ¨aische Hochschulschr. 1,55). Bern, Frankfurt/M. 1972. – Burghart Wachinger: S¨angerkrieg. Unters. zur Spruchdichtung des 13. Jh. (MTU 42). Mu¨ nchen 1973, Reg. – Ulrich Mu¨ ller: Unters. zur politischen Lyrik des dt. MA (GAG 55/56). G¨oppingen 1974, S. 113–115. – Georg Objartel: Rezension Wangenheim. In: ZfdPh 93 (1974) S. 464–469. – H. Brunner: Die alten Meister. ¨ Stud. zur Uberl. und Rezeption der mhd. Sangspruchdichter (MTU 54). M¨unchen 1975, Reg. – Erdmute Pickerodt-Uthleb: Die Jenaer Liederhs. Metrische und musikalische Unters. (GAG 99). G¨oppingen 1975, S. 428–430 u. o¨ . – G. Kornrumpf/B. Wachinger: Alment. Formentlehnung und T¨onegebrauch in der mhd. Spruchdichtung. In: Dt. Lit. im MA. Kontakte und Perspektiven. Hugo Kuhn zum Gedenken. Stuttgart 1979, S. 356–411, hier S. 360 f., 364, 394, 410. – Helmut Tervooren/Thomas Bein: Ein neues Fragm. zum Minnesang und zur Sangspruchdichtung. Reinmar von Zweter, Neidhart, K., Rumzlant und Unbekanntes. In: ZfdPh 107 (1988) S. 1–26, bes. S. 7, 10, 18 f. (mit Abdruck Maastricht, Ms. 237). – Stefan Hohmann: Friedenskonzepte. Die Thematik des Friedens in der deutschsprachigen politischen Lyrik des MA (Ordo 3). K¨oln u. a 1992, Reg. – Johannes Rettelbach: Variation – Derivation – Imitation. Unters. zu den To¨ nen der Sangspruchdichter und Meistersinger (Fr¨uhe Neuzeit 14). T¨ubingen 1993, Reg. – Thomas Tomasek: Das dt. R¨atsel im MA (Hermaea NF 69). 425
2. H¨alfte 13. Jh. T¨ubingen 1994, S. 288 f. – Jens Haustein: MarnerStudien (MTU 109). T¨ubingen 1995, S. 39–41, 72–77, 169–171. – Maria Dobozy: Creating credibility and truth through performance: K.’s encomium. In: The Stranger in Medieval Society (Medieval Cultures 12). Hg. v. F. Ronald P. Akehurst. Minneapolis 1997, S. 92–103. – Michael Baldzuhn: Vom Sangspruch zum Meisterlied. Unters. zu einem literarischen Traditionszusammenhang auf der Grundlage der Kolmarer Liederhs. (MTU 120). T¨ubingen 2002, S. 177–179. – Renate Laszlo: Germ. R¨atsel in der Lit. des MA. Marburg 2003, S. 72–74. – Freimut L¨oser: Reich, Individuum, Religion: Daniel 2, 31–45 in der Sangspruchdichtung. In: Eine Epoche im Umbruch. Volkssprachliche Literalit¨at 1200–1300. Hg. v. Christa Bertelsmeier-Kierst/Christopher J. Young. T¨ubingen 2003, S. 267–289. – Shao-Ji Yao: Der Exempelgebrauch in der Sangspruchdichtung vom sp¨aten 12. Jh. bis zum Anfang des 14. Jh. (W¨urzburger Beitr. zur dt. Philologie 32). W¨urzburg 2006, Reg. – Der Marner: Lieder und Sangspr¨uche aus dem 13. Jh. und ihr Weiterleben im Meistersang. Hg., eingeleitet, erl. und u¨ bers. v. Eva Willms. Berlin/New York 2008, S. 28–30, 65–71, 157–166, 398 f. – J. Haustein/Franz K¨orndle (Hg.): Die Jenaer Liederhs. Codex – Gesch. – Umfeld. Berlin/ New York 2010, Reg. VZ Rumelant (von Sachsen) (Meister Rumslant, Rumeland). – Verfasser von Sangspr¨uchen und Minneliedern, zweite H¨alfte 13. Jh. R.s Werk ist prim¨ar in der → Heidelberger Liederhandschrift C und der → Jenaer Liederhandschrift (J) u¨ berliefert, die ihn beide als «Meister» bezeichnen. Glaubt man Spruch 37 in J, so war er m¨oglicherweise Sachse. Wie seine Texte nahelegen, d¨urfte er aus dem nd. Sprachraum stammen, orientierte sich aber an mitteldt. Standards. Da der Dichter urkundlich nicht fassbar ist, lassen sich weitere Erkenntnisse u¨ ber die historische Gestalt R.s nur aus Erw¨ahnungen in seinem Werk gewinnen. So reiste er wohl zwischen 1273 und 1286/87 als fahrender S¨anger durch die n¨ordlichen Reichsgebiete. Er nennt eine Reihe adeliger G¨onner aus dieser Zeit, u. a. Herzog Ludwig II. von Bayern, Rudolf I. von Habsburg (Kr¨onung 1273), Herzog Albrecht I. von Braunschweig, Graf Gunzelin III. von Schwerin und Herzog Barnim I. von Stettin und Pommern. R. hielt sich m¨oglicherweise auch am Hof des d¨anischen K¨onigs Erik V. auf, dessen Ermordung 1286 426
2. H¨alfte 13. Jh. er erw¨ahnt und dessen Sohn und Nachfolger er lobt. Eine Illustration in C zeigt R. und einen Helfer neben einem Pferd. Sie stehen vor einer Burg, von deren Zinnen aus ihnen eine musizierende und tanzende Gruppe zusieht. Der Dichter ist im Begriff, das Pferd zu besteigen und abzureisen, also «das Land zu r¨aumen», wie die Szene h¨aufig – auf R.s Namen bezogen – interpretiert wird. R.s Werk d¨urfte etwa zwischen 1273 (fr¨uhestens 1266) und 1286/87 entstanden sein. Seine Verbreitung war nach heutiger Kenntnis begrenzt, da es außer in J und C nur in mehreren Fragmenten erhalten ist. J u¨ berliefert unter R.s Namen ein Korpus von 105 Sangspruchstrophen in zehn T¨onen, davon neun mit Melodien. Weitere Strophen sind durch Blattverluste verloren. Drei zus¨atzliche Strophen sind in J urspr¨unglich unter den Namen → Singaufs und → Frauenlobs eingeordnet, werden aber durch alte Randnotizen auch R. zugeschrieben. C enth¨alt 16 Spruchstrophen in vier T¨onen (auch in J) und drei Minnelieder. Vier Strophen aus J sind hier → Walther von der Vogelweide zugeordnet. R.s Sangspr¨uche decken ein breites thematisches Spektrum ab. F¨urstenlob und Totenpreis finden sich darin ebenso wie Zeit- und Weltklagen. Auch auf politische Ereignisse seiner Zeit geht R. immer wieder ein, etwa Herrscherkr¨onungen und -morde. R.s Leben als Fahrender spielt in seinen Strophen in mehrfacher Hinsicht eine Rolle. So pr¨agt es einmal seinen Blick auf den Adel. In seinen Herrenlehren verurteilt R. geizige Herrscher mit schlechten Ratgebern und lobt stattdessen gottesf¨urchtige und großz¨ugige F¨ursten. Außerdem reflektiert R. u¨ ber die Kunst und das eigene S¨angertum. Daneben enthalten manche Strophen Spott und Tadel f¨ur andere S¨anger, die R. vielleicht als Konkurrenz empfand. W¨ahrend R. auf diese Weise Singauf und den → Marner abwertet, dr¨uckt sein Werk zugleich Wertsch¨atzung f¨ur → Konrad von W¨urzburg, den → Meißner, → H¨ollefeuer und den → Unverzagten aus. Immerhin widmet R. dem verstorbenen Marner sp¨ater aber eine respektvolle Totenklage. Neben diesen weltlichen Sangspr¨uchen stehen geistliche Strophen R.s u¨ ber Gott, Christus und Maria. Darin interpretiert er z. B. die vier Elemente auf die Passion Christi hin, deutet Nebukadnezars Traum oder preist Gott und Maria. Strophen mit Gottes- und Marienlob werden von R. besonders als Beginn neuer T¨one und als Tonweihe verwendet. Weniger vielf¨altig als die Sangspr¨uche sind R.s Minnelieder. Es handelt 427
Rumelant sich um dreistrophige Frauenpreislieder mit Natureing¨angen und Elementen von Minnereflexion und -didaxe. Das erste Lied handelt vom Finden der Liebe im Fr¨uhling, das zweite von den Qualit¨aten der Frauen und der Liebe selbst, das dritte Lied schließlich vom vers¨ohnlichen Ende des Sommers. Die verschiedentlich vorgeschlagene Gruppierung der Minnelieder zu einem Zyklus ist m¨oglich, aber nicht zwingend. Baulich bevorzugt R. stollige Kanzonenvariationen und die Da-Capo-Form. Neben Einzelstrophen enth¨alt sein Werk auch Strophenverb¨ande und -reihen, die sich liedartig gruppieren k¨onnen. R.s Sangspr¨uche sind kunstvoll gestaltet und zeichnen sich durch eine Vielzahl von Stilmitteln aus. Sie sind mal diskursiv, mal sprichwort- oder sentenzenartig angelegt, weisen zahlreiche Bilder und Metaphern auf, enthalten aber auch Allegorien, Parabeln, R¨atsel und Sprachspiele. Geistlich-gelehrte Ankl¨ange zeigen sich in R.s R¨uckgriff auf Exegese und Dingallegorese sowie in seinen Bez¨ugen auf die Bibel und Autorit¨aten. Trotz des inhaltlichen, thematischen und stilistischen Reichtums seiner Texte erfuhr R. jedoch nur eine begrenzte Rezeption. Die sog. Augsburger Cantionessammlung u¨ berliefert zwei lat. Strophen des Estas (um 1300) in R.s Ton I. Die → Kolmarer Liederhandschrift enth¨alt einen Bar im dort R. zugeschriebenen «geswinden ton», der aber nicht von ihm stammen d¨urfte. Außerdem wird R. in den Dichterkatalogen von Hans → Folz, Konrad → Nachtigall und Valentin Voigt etw¨ahnt. Heute gilt R. aufgrund der Vielseitigkeit und literarischen Raffinesse seines Werks als ¨ hervorragender Spruchdichter im Ubergang zwischen Walther und → Frauenlob. ¨ Uberlieferung: Heidelberg, UB, Cpg 848, 41r, v rb 413 –415 (Perg., erste H¨alfte 14. Jh., alemannisch). – Wolfenb¨uttel, HAB, cod. 404.9 (11) Novi, zwei Querstreifen eines Doppelbl. (Perg., erste H¨alfte 14. Jh., mitteldt./nd., Fragm.). – Maastricht, Regionaal Historisch Centrum Limburg, Ms. 237 (fr¨uher 167,III-11), 2v (Perg., um 1300, mitteldt./nd., Fragm.). – Jena, ULB, Ms. El. f. 101, 44r, 47va–62vb, 104va (Perg., um 1330, mitteldt./nd.). Ausgaben: HMS 1 (1838) S. 267 f.; 2 (1838) S. 346 f, 367–371; 3 (1838) S. 49, 52–68. – Otto von Heinemann: Aus zerschnittenen Wolfenb¨uttler Hss. In: ZfdA 32 (1888) S. 69–123, hier S. 84–86 (Nr. VI). – Die dt. Lit. Texte und Zeugnisse 1. Hg. v. Helmut de Boor. M¨unchen 1965, S. 63 f., 428
Rumelant 391 f., 416–418, 558 f., 564 f., 567, 698, 733, 763, 827, 832, 838 f., 869, 899, 913–915, 1034. – Ronald Jack Taylor (Hg.): The Art of the Minnesinger. Songs of the 13th Century 1. Cardiff 1968, S. 58–68. – Ulrich Mu¨ ller (Hg.): Politische Lyrik des dt. MA. Bd. 1 (GAG 68). G¨oppingen 1972, S. 78–84, 230. – Burghart Wachinger: S¨angerkrieg. Unters. zur Spruchdichtung des 13. Jh. (MTU 42). Mu¨ nchen 1973, S. 164 f., 173, 177, 179 f., 207, 213. – Werner H¨over/Eva Kiepe (Hg.): Epochen der dt. Lyrik. Bd. 1: Gedichte von den Anf¨angen bis 1300. Mu¨ nchen 1978 (Nachdr. ebd. 2001) S. 371–382. – Helmut Tervooren/Thomas Bein: Ein neues Fragm. zum Minnesang und zur Sangspruchdichtung. Reinmar von Zweter, Neidhart, Kelin, Rumzlant und Unbekanntes. In: ZfdPh 107 (1988) S. 1–26. – Burghart Wachinger (Hg.): Dt. Lyrik des sp¨aten MA (BdK 191/BMA ¨ 22). Frankfurt/M. 2006, S. 302–321 (mit Ubersetzung). – Holger Runow (Hg.): R. v. S. Edition, ¨ Ubersetzung, Komm. (Hermaea NF 121). Berlin/ New York 2011 (heute maßgebliche Ausg.; vgl. dazu Ulrich M¨uller, in: ZfdA 141 [2012] H. 1, ¨ S. 129–132). – Altere Ausg. und Teilausg. bei Kern 1991 (s. Lit.) und Runow 2011 (s. o.). – Vgl. auch die Ausgaben der Heidelberger Liederhandschrift C und der Jenaer Liederhandschrift. Literatur: HMS 4 (1838) S. 671–685, 714, 716. – Gustav Roethe, ADB 30 (1890) S. 97–100. – Ehrismann 2,2,2 (1935) S. 300. – RSM 5 (1991) S. 309–326; 2/1 (2009) S. 232–234. – Peter Kern, VL2 8 (1991) Sp. 382–388. – De Boor/Newald 3/1 (51997) S. 383 f., 402 f. u. o¨ . – Christoph Huber/ Holger Runow, Killy2 10 (2011) S. 108 f. – Konrad Burdach: Reinmar der Alte und Walther von der Vogelweide. Halle/Saale 21928, S. 7, 138 f., 174 f. – Hans Diesenberg: Stud. zur religi¨osen Gedankenwelt in der Spruchdichtung des 13. Jh. Bonn 1937, passim. – Herta Gent: Die mhd. politische Lyrik. Breslau 1938, S. 112 f., 118 f. u. o¨ . – Peter Hellmich: Die Gelehrsamkeit in der mhd. Spruchdichtung. Diss. T¨ubingen 1951, S. 17–20, 28 f., 58 f. u. o¨ . – Manfred Scholz: Der Wandel der Reichsidee in der nachwaltherschen Spruchdichtung. Diss. Berlin 1952, S, 61, 87, 149 f. – Helmut Tervooren: Einzelstrophe oder Strophenbindung? Unters. zur Lyrik der Jenaer Hs. Diss. Bonn 1966, S. 223–248. – Taylor (s. Ausg.) Bd. 2, S. 93–104. – Annette Georgi: Das lat. und dt. Preisgedicht des MA in der Nachfolge des genus demonstrativum. Berlin 1969, S. 101, 140. – Joachim Teschner: Das 429
2. H¨alfte 13. Jh. ‹Bispel› in der mhd. Spruchdichtung des 12. und 13. Jh. Diss. Bonn 1970, S. 166–180. – P. Kern: Trinit¨at, Maria, Inkarnation. Stud. zur Thematik der dt. Dichtung des sp¨ateren MA. Berlin 1971, S. 115, 207. – Wachinger (s. Ausg.) S. 164–181. – Erich Kleinschmidt: Herrscherdarstellung. Zur Disposition ma. Aussageverhaltens, untersucht an Texten u¨ ber Rudolf I. v. Habsburg. Bern u. a. 1974, S. 140 f., 159, 210. – Ruth Schmidt-Wiegand: ‹Kiesen› und ‹weln› in der mhd. Spruchdichtung. In: Stud. zur dt. Lit. und Sprache des MA. FS Hugo Moser. Hg. v. Werner Besch u. a. Berlin 1974, S. 358–369. – U. M¨uller: Unters. zur politischen Lyrik des dt. MA (GAG 55/56). G¨oppingen 1974, S. 134–141 u. o¨ . – Kurt Franz: Stud. zur Soziologie des Spruchdichters in Deutschland im sp¨aten 13. Jh. (GAG 111). G¨oppingen 1974, passim. – Peter Nowak: Stud. zu Gehalten und Formen mhd. Gebetslyrik des 13. Jh. Diss. Bonn 1975, S. 32, 56 f., 255–266. – Erdmute Pickerodt-Uthleb: Die Jenaer Liederhs. Metrische und musikalische Unters. (GAG 99). G¨oppingen 1975, S. 451–459 u. o¨ . – Horst Brunner: Die alten Meister. Stud. zu ¨ Uberl. und Rezeption der mhd. Sangspruchdichter im Sp¨atMA und in der fr¨uhen Neuzeit (MTU 54). M¨unchen 1975, passim. – Rainer Ilgner: Scheltstrophen in der mhd. Spruchdichtung nach Walther. Diss. Bonn 1976, passim. – C. Huber: ‹Wort sint der dinge zeichen›. Unters. zum Sprachdenken der mhd. Spruchdichtung bis Frauenlob (MTU 64). Z¨urich u. a. 1977, passim. – Joachim Bumke: M¨azene im MA. Die G¨onner und Auftraggeber der h¨ofischen Lit. in Deutschland 1150–1300. M¨unchen 1979, passim. – Codex Manesse. Die Miniaturen der Großen Heidelberger Liederhs. Hg. und erl. v. Ingo F. Walther unter Mitarbeit v. Gisela Siebert. Frankfurt/M. 1988 (62001) S. 273 f. (Tf. 133). – H. Brunner: Dichter ohne Werk. Zu einer u¨ berlieferungsbedingten Grenze ma. Literaturgesch. (mit einem Textanhang: Die Dichterkataloge des Konrad Nachtigall, des Valentin Voigt ¨ und des Hans Folz). In: Uberlieferungsgeschichtliche Editionen und Stud. zur dt. Lit. des MA. Kurt Ruh zum 75. Geburtstag. Hg. v. Konrad Kunze u. a. T¨ubingen 1989, S. 1–31 (wieder in: H. Brunner: Ann¨aherungen. Stud. zur dt. Lit. des MA und der Fr¨uhen Neuzeit. Berlin 2008, S. 291–303). – Reinhold Schr¨oder: R. v. S., ein Fahrender aus Deutschland in D¨anemark. In: The Entertainer in Medieval and Traditional Culture. A Symposium. Hg. v. Flemming G. Andersen. Odense 1997, 430
2. H¨alfte 13. Jh. S. 15–44. – Freimut L¨oser: R¨atsel l¨osen. Zum Singˆuf-R.-R¨atselstreit. In: Neue Wege der MAPhilologie. Landshuter Kolloquium 1996. Hg. v. Joachim Heinzle u. a. Berlin 1998, S. 245–275. – P. ¨ Kern: ‹Der den tzirkel tichte senewel vmme›. Uberlegungen zu einer Spruchstrophe R.s v. S. In: ‹Ir sult sprechen willekommen›. FS Helmut Birkhan. Hg. v. Ulrike Hirhager u. a. Bern 1998, S. 619–628. – William Layher: Meister R. & Co. German Poets (Real and Imagined) in 13th-Century Denmark. In: Neue Forschungen zur mhd. Sangspruchdichtung. Hg. v. H. Brunner/Helmut Tervooren. Berlin 2000, S. 143–166. – P. Kern: ‹Got in vier elementen sich erscheinet›. Ein Lied R.s v. S. In: ebd., S. 130–142. – F. L¨oser: Mein liebster Feind. Zur Rolle des literarischen Gegners in der Sangspruchdichtung am Beispiel R.s. In: Literarisches Leben. FS Volker Mertens. Hg. v. Matthias Meyer/HansJochen Schiewer. T¨ubingen 2002, S. 507–533. – Shao-Ji Yao: Der Exempelgebrauch in der Sangspruchdichtung vom sp¨aten 12. Jh. bis zum Anfang des 14. Jh. W¨urzburg 2006, S. 142–145 u. o¨ . – F. L¨oser: Von kleinen und von großen Meistern. Bewertungskategorien in der Sangspruchdichtung. In: Sangspruchdichtung. Gattungskonstitution und Gattungsinterferenzen im europ¨aischen Kontext. Internationales Symposium W¨urzburg, 15.–18. Februar 2006. Hg. v. Dorothea Klein. Tu¨ bingen 2007, S. 371–398. – Die ‹Jenaer Liederhs.› Codex, Gesch., Umfeld. Hg. v. J. Haustein/Franz K¨orndle. Berlin/ New York 2010 (Reg.). – Runow (s. Ausg.). MM
Goeli. – Minnes¨anger, zweites/drittes Drittel des 13. Jh. Ob es sich bei G. um den 1254–76 in Basel bezeugten Ritter Diethelm G. handelt, ist umstritten. Die G. in der → Heidelberger Liederhandschrift C zugeschriebenen vier Lieder in Kanzonenform sind das Werk eines → Neidhart-Nachahmers; in B, O und c sind sie mit dessen Liedercorpus u¨ berliefert. Keine der vier Handschriften kann als direkte Vorlage der anderen gelten. Die in der Form a¨hnlichen Lieder mit stolligem Strophenbau verbinden den sommerlichen Natureingang mit dem Bauerntanz und -streit der Winterlieder Neidharts. Zwei Lieder haben einen Streit um die Leitung des Tanzes zum Thema. W¨ahrend Lied I in einem Kampf zwischen Otte und Friedebolt gipfelt, ist in 431
Goeli Lied II die friedliche Verteilung der Rollen wahrscheinlich. Im dritten Lied st¨oren vier ausdr¨ucklich als D¨orper bezeichnete Figuren den Sommerreigen. Wird hier deren vergebliches Nachahmen der h¨ofischen Lebenweise verspottet, so im vierten Lied ein Modegeck, der sich durch sein Auftreten beim Tanz zun¨achst als dem S¨anger-Ich u¨ berlegen erwiesen hat. ¨ Uberlieferung: Heidelberg, UB, Cpg 848 (Heidelberger Liederhs. C), 262v–263vb (Perg., um 1300, alemannisch); 4 Lieder (18 Str. und eine unechte, auf Neidhart zur¨uckgehende Str. [263vb, Str. 1]). Die Miniatur (262v) zeigt G. (mit Pelzbarett und Bart) mit einem (j¨ungeren) ritterlichen Partner beim Brettspiel (Wurfzabel, auch Tricktrack oder e ¨ Puff). Uberschrift: «her Goli»; im Inhaltsverzeiche nis: «Goni». – Stuttgart, LB, Cod. HB XIII 1 (→ Weingartner Liederhs. [B]) S. 196–199 (Perg., erstes Viertel 14. Jh., alemannisch); Lied I und II (12 Str.) im → Neidhart-Corpus. – Berlin, SBB, Mgf 779 (Berliner Neidhart-Hs., c; Pap., N¨urnberg, um 1450); 4 Lieder (16 Str. und eine unechte Zusatzstr. zu Lied 4) im Neidhart-Corpus. – Frankfurt/M., UB, Ms. germ. oct. 18 (Frankfurter Neidhart-Fragm., O; 2 Pergamentdoppelbll., mhd.-mittelnd., Anfang 14. Jh.); Lied II (5 Str.), Teile einer Melodie. – Vgl. B¨armann 1995 (s. Lit.) S. 157–163. Ausgaben: HMS 2 (1838) S. 78–80. – Karl Bartsch (Hg.): Die Schweizer Minnes¨anger (Bibl. a¨lterer Schriftwerke der dt. Schweiz 6). Frauenfeld 1886 (Nachdr. Darmstadt 1964) S. LXXXVII–LXXXIX, 123–131, 428–433 (Nr. XII). – Die große Heidelberger Manessische Liederhs. In Abb. hg. v. Ulrich M¨uller. Mit einem Geleitwort v. Wilfried Werner (Litterae 1). G¨oppingen 1971. – Siegfried Beyschlag: Die Lieder Neidharts. Der Textbestand der Pergamenthss. und die Melodien. Darmstadt 1975, S. 478–495, 525, 631 f., Beilage 21. – Gedichte von den Anf¨angen bis 1300. Nach den Hss. in zeitlicher Folge hg. v. Werner H¨over/Eva Willms (Epochen der dt. Lyrik 1). M¨unchen 1978 (Nachdr. [Dt. Lyrik von den Anf¨angen bis zur Gegenwart 1] ebd. 2001) S. 467 f. – Die Große Heidelberger Liederhs. (Codex Manesse). In getreuem Textabdruck hg. v. Fridrich Pfaff [1909]. 2., verb. und erg. Aufl. bearb. v. Hellmut Salowsky. Heidelberg 1984, Sp. 852–857. (Nr. lxxviij). – Schweizer Minnes¨anger. Nach der Ausg. v. K. Bartsch neu bearb. und hg. v. Max Schiendorfer. Bd. 1: 432
Hesso von Rinach Texte. T¨ubingen 1990, S. 224–240. – B¨armann 1995 (s. Lit.) S. 170–188. – Ulrich Mu¨ ller/Ingrid Bennewitz/Franz Viktor Spechtler (Hg.): Neidhart-Lieder. Texte und Melodien s¨amtlicher Hss. und Drucke. 3 Bde. (Salzburger NeidhartEdition [SNE] 1–3). Berlin/New York 2007, Bd. 1, S. 243–247, 407–423; Bd. 3, S. 125 f., 200–210. – Vgl. B¨armann 1995 (s. Lit.) S. 163–169. Literatur: W[ilhelm] Wilmanns, ADB 9 (1879) S. 342. – Volker Mertens, VL2 3 (1981) Sp. 95 f. – De Boor/Newald 3/1 (51997) S. 302. – Sandra Linden, Killy2 4 (2009) S. 267. – Hans Herzog: Her G. In: Germania 31 (1886) S. 326 f. – Friedrich Grimme: Die Schweizer Minnes¨anger. In: ebd. 35 (1890) S. 302–339, hier S. 307–309. – Adolf Socin: Zu den Schweizer Minnes¨angern. In: ebd. 36 (1891) S. 311–313. – F. Grimme: Vornamenlose Minnes¨anger. 1. G. In: ebd. 37 (1892) S. 150 f. – Ders.: Gesch. der Minnesinger 1. Die rheinisch-schw¨abischen Minnesinger. Urkundliche Beitr. zur Gesch. des Minnegesangs im s¨udwestlichen Deutschland. Paderborn 1897, S. 97–105. – Jacob Faiwusch Rabbinowitsch: Probleme der Neidhartforschung. Eine Unters. u¨ ber das Verh¨altnis zwischen Neidhartliedern und Pseudoneidharten. Bussum 1928, S. 206–209. – Robert H. Weidmann: A Gloss on G. 2.10 and 3,29. In: Monatshefte f¨ur dt. Unterricht 34 (1942) S. 280–283. – Eckehard Simon: Neidhart von Reuental. Gesch. der Forschung und Bibliogr. (Harvard Germanic Studies 4). Cambridge, Mass. 1968, S. 121, 204 f. – Hans Becker: Die Neidharte. ¨ Stud. zur Uberl., Binnentypisierung und Gesch. der Neidharte der Berliner Hs. germ. fol. 779 (c) (GAG 255). G¨oppingen 1978, S. 333 ff. – Codex Manesse. Die Miniaturen der Großen Heidelberger Liederhs. Hg. und erl. v. Ingo F. Walther unter Mitarbeit v. Gisela Siebert. Frankfurt/M. 1988 (62001) S. 182 f. (Tf. 89). – Michael B¨armann: Der Neidhart-Nachahmer G¨oli und der Basler Literaturbetrieb. In: JOWG 7 (1992/93) S. 25–41 (wieder in: Editionsberichte zur ma. dt. Lit. Beitr. der Bamberger Tagung ‹Methoden und Probleme der Edition ma. dt. Texte›, 26.–29. Juli 1991. Hg. v. Anton Schwob u. a. (Litterae 117). G¨oppingen 1994, S. 109–114. – Ders.: Herr G¨oli. NeidhartRezeption in Basel (Quellen und Forschungen zur Lit.- und Kulturgesch. 4 [238]). Berlin/New York 1995. – Franz-Josef Holznagel: Wege in die Schrift¨ lichkeit. Unters. und Materialien zur Uberl. der 433
2. H¨alfte 13. Jh. mhd. Lyrik (Bibliotheca Germanica 32). T¨ubingen/Basel 1995, Reg. – M. B¨armann: Herr G¨oli. Stadtritter und Liederdichter. Auf den Spuren eines ma. Autors am Oberrhein. In: Beitr. zur Landeskunde 1 (1997) S. 1–6. – Hubert Heinen: Was G. a Pseudo-Neidhart? In: New Texts, Methodologies, and Interpretations in Medieval German Literature (Kalamazoo Papers 1992–1995). Hg. v. Sibylle Jefferis (GAG 670). G¨oppingen 1999, S. 59–77. BJ Hesso von Rinach. – Minnes¨anger, Mitte/drittes Viertel 13. Jh. H. ist als adliger Gelegenheitsdichter mit zwei Liedern in je eigenem Ton in der → Heidelberger Liederhandschrift C vertreten. Das dort abgebildete Wappen entspricht dem einer kyburgischhabsburgischen Ministerialenfamilie aus dem Aargau. Deren Stammsitz lag beim heutigen St¨adtchen Reinach. Es sind drei Hessos in der Familie nachgewiesen. Der erste (bezeugt 1196–1210) ist vielleicht etwas zu fr¨uhzeitig. Der zweite war Kleriker und ist ab 1234 nachgewiesen, zun¨achst als Kanonikus in Berom¨unster und Leutpriester in Hochdorf (zwischen Reinach und Luzern). Seit 1265 war H. Propst des Stifts St. Leodegar in Sch¨onenwerd (Solothurn). Er d¨urfte zwischen 1276 und 1282 verstorben sein. Zu diesem H. k¨onnte die Miniatur ¨ passen, die ihn als mildt¨atig darstellt (s. Uberl.). Der Klerikerstand muss der Autorschaft nicht widersprechen, zumal es sich ja auch um Jugendwerke handeln k¨onnte. Allerdings ist 1261 auch ein gleichnamiger Ritter belegt, der eine j¨ungere Linie der Familie vertritt und als Dichter nicht auszuschließen ist. Die beiden in C u¨ berlieferten Lieder entsprechen der Schweizer epigonalen Minneliedmode in der Tradition vor allem → Gottfrieds von Neifen. Lied 1 ist eine dreistrophige Minneklage. Die Strophen haben sieben Verse (V. 5 und 7 sind Langverse, V. 6 wird jeweils mit der Interjektion «hey» eingeleitet). Der Fr¨uhlings- und Minnepreis des vierstrophigen zweiten Liedes kulminiert in der letzten Strophe in der Aussage, dass die Minne der Dame «fiur des keisers golt» gehe. ¨ Uberlieferung: Heidelberg, UB, Cpg 848 (C) 113v–114ra (Perg., um 1300, alemannisch). Die Miniatur zeigt H. als wohlt¨atigen Adligen, der Versehrte und Bettler in sein bezinntes Haus einl¨asst. ¨ Uberschrift: «her Hesso von Rinach». Ausgaben: HMS 1 (1838) S. 210 f. – Karl Bartsch (Hg.): Die Schweizer Minnes¨anger (Bibl. 434
2. H¨alfte 13. Jh. a¨lterer Schriftwerke der dt. Schweiz 6). Frauenfeld 1886 (Nachdr. Darmstadt 1964) S. LXXV–LXXIX, 110–112, 426 (Nr. X). – Poetae minores. Weniger bekannte Dichter der großen Heidelberger Liederhs. Hg. und u¨ bers. v. Joachim Kuolt (Helfant Texte 2). Stuttgart 1987, S. 13–18. – Die Schweizer Minnes¨anger. Nach der Ausg. v. K. Bartsch neu bearb. und hg. v. Max Schiendorfer. Bd. 1: Texte. T¨ubingen 1990, S. 86 f. (Nr. 11). Literatur: Albert Schumann, ADB 28 (1889) S. 620–625. – G¨unther Schweikle, VL2 3 (1981) Sp. 1200 f. – De Boor/Newald 3/1 (51997) S. 264 f. – Michael B¨armann, HLS (online, Version 17.8.2010, www.hls-dhsdss.ch/textes/d/D12917.php). – K. Bartsch: Urkundliche Nachweise zur Gesch. der dt. Poesie. In: Germania 9 (1864) S. 145–152, hier S. 145 f. – Joachim Bumke: Ministerialit¨at und Ritterdichtung. Umrisse der Forschung (Edition Beck 12). M¨unchen 1976, Reg. – Codex Manesse. Die Miniaturen der Großen Heidelberger Liederhs. Hg. und erl. v. Ingo F. Walther unter Mitarbeit v. Gisela Siebert. Frankfurt/M. 1988 (62001) S. 78 f. (Tf. 39). – M. Schiendorfer: Autoren des 13. Jh. und ihre hist. Lebenswirklichkeit. Fallstud. am Beispiel ‹schweizerischer› Minnes¨anger aus der Manessischen Liederhs. Habil.-Schr. Z¨urich 1996, S. 361–372. VZ
Sigeher. – Sangspruchdichter der zweiten H¨alfte des 13. Jh. Die → Heidelberger Liederhandschrift C u¨ berliefert von S., u¨ ber dessen Herkunft nichts bekannt ist, 18 Spr¨uche und ein Marienlied. Die Sprache weist auf den obd. Raum hin. Wenige mitteldt. Sprachformen lassen einen Aufenthalt S.s am Prager Hof nach 1250 vermuten. Die Spr¨uche in f¨unf T¨onen befassen sich nach S.s Vorbild → Walther von der Vogelweide vor allem mit der politischen Situation des Reiches. Beklagt werden der Einfluss des Papstes auf die K¨onigswahl aus Habgier und die Schw¨ache der dt. F¨ursten, mit denen jener wie mit Puppen spiele (Nr. 2, «er setzt si uˆ f, er setzt sie abe»). Ihnen gegen¨uber wird K¨onig Wenzel I. von B¨ohmen (Nr. 8; in Nr. 18 mit «alexander» verglichen) als Beispielgestalt f¨ur «milte», Weisheit und Tugend herausgehoben. Neben einem siebenstrophigen Marienlied, dem fr¨uhesten Beispiel dieser Gattung, werden in 435
Sigeher den Spr¨uchen 11, 14 (Trinit¨atsspekulation) und 17 (Marienspruch) religi¨ose Themen behandelt. ¨ Uberlieferung: Heidelberg, UB, Cpg 848 (Heidelberger Liederhs. C), 410v–411v (Schreiber A). Die Miniatur (410r, Grundstockmaler) zeigt einen S¨anger (mit u¨ ber die Schultern geh¨angtem Reisehut), dem als Lohn f¨ur seinen Vortrag von einem ¨ Ritter ein Mantel geschenkt wird. Uberschrift: «meist[er] sigeher». Ausgaben: HMS 2 (1838) S. 360–364; 4 (1838) S. 661–664. – Philipp Wackernagel: Das dt. Kirchenlied von der a¨ ltesten Zeit bis zum Anfang des XVII. Jh. Bd. 2. Leipzig 1867 (Nachdr. Hildesheim u. a. 1990) S. 103 f. – Karl Bartsch: Dt. Liederdichter des zw¨olften bis vierzehnten Jh. Eine Auswahl. 4. Aufl. Besorgt von Wolfgang Golther. Berlin 1910 (Nachdr. Darmstadt 1966) S. 272–275 (Nr. LXIII). – Heinrich Peter Brodt: Meister S. (Germanistische Abh. 42). Breslau 1913 (Nachdr. Hildesheim/New York 1977). – Helmut de Boor (Hg.): MA. Texte und Zeugnisse. 2. Teilbd. (Die Dt. Lit. Texte und Zeugnisse. I/2). M¨unchen 1965 (Nachdr. ebd. 2001) S. 415 f. (Marienlied), S. 1026–1028 (= Brodt Nr. 2, 3, 7). – Ulrich M¨uller (Hg.): Politische Lyrik des dt. MA. Bd. 1 (GAG 68). G¨oppingen 1972, S. 70–73, 229. – Gedichte von den Anf¨angen bis 1300. Nach den Hss. in zeitlicher Folge hg. v. Werner H¨over/Eva Willms (Epochen der dt. Lyrik 1). M¨unchen 1978 (Nachdr. [Dt. Lyrik von den Anf¨angen bis zur Gegenwart 1] ebd. 2001) S. 341–344 (= 1, 2, 10, 15, 16, 18). – U. M¨uller (Hg.): Kreuzzugsdichtung. T¨ubingen 21979 (41998) S. 114 (= 1). – Bumke (s. Lit.) S. 599–602 (= 1, 7, 8, 9, 18). Literatur: [Gustav] Roethe, ADB 34 (1892) S. 248–250. – Ehrismann 2.2.2 (1935) S. 294 f. – RSM 5 (1991) S. 368–372. – Jens Haustein, VL2 8 (1992) Sp. 1233–1236. – De Boor/Newald 3/1 (51997) S. 365 f. 385, 392. – Norbert H. Ott, NDB 24 (2010) S. 397. – J. Haustein/Red., Killy2 11 (2011) S. 17. – Brodt (s. Ausg.). – Annette Georgi: Das lat. und dt. Preisgedicht des MA in der Nachfolge des genus demonstrativum (Phil.Stud.u.Qu. 48). Berlin 1969. – Ulrich Mu¨ ller: Unters. zur politischen Lyrik des dt. MA (GAG 55.56). G¨oppingen 1974. – Horst Brunner: Die alten Meister. Stud. zu ¨ Uberl. und Rezeption der mhd. Sangspruchdichter im Sp¨atMA und in der fr¨uhen Neuzeit (MTU 54). Mu¨ nchen 1975. – Joachim Bumke: Ministerialit¨at und Ritterdichtung. Umrisse der Forschung. M¨un436
Der von Scharfenberg chen 1976, Reg. – Codex Manesse. Die Miniaturen der Großen Heidelberger Liederhs. Hg. und erl. v. Ingo F. Walther unter Mitarbeit v. Gisela Siebert. Frankfurt/M. 1988 (62001) S. 268 f. (Tf. 131). – Hans-Joachim Behr: Lit. als Machtlegitimation. Stud. zur Funktion der deutschsprachigen Dichtung am b¨ohmischen K¨onigshof im 13. Jh. (Forschungen zur Gesch. der a¨ lteren dt. Lit. 9). Mu¨ nchen 1989, S. 83–96. – Werner Schr¨oder: Die Rolle der M¨azene und der wahre Patron des Ulrich von Etzenbach. In: ZfdA 118 (1989) S. 243–279, bes. S. 277. – H.-J. Behr: Vom Umgang mit ma. Texten. In: ZfdPh 110 (1991) S. 373–384, bes. S. 381 f. BJ Der von Scharfenberg. – Minnes¨anger, Mitte bis zweite H¨alfte des 13. Jh. Der nicht mit → Albrecht von Scharfenberg identische Dichter d¨urfte um die Mitte bis in die zweite H¨alfte des 13. Jh. gelebt haben. Er entstammte wahrscheinlich einem Geschlecht von Freiherren, das in Scharfenberg (heute Svibno) bei Ratschach/Slowenien ans¨assig war. Es k¨onnte sich bei dem Dichter um einen der vier S¨ohne des Heinrich von Scharfenberg (um 1227) gehandelt haben, die ab 1252 nachweisbar sind. Die → Heidelberger Liederhandschrift C u¨ berliefert neben den Liedern d. v. S. auch eine Darstellung des Dichters beim Schwertkampf vor einem weiblichen Publikum. D. v. S. tr¨agt in diesem Bild einen Schild, doch weder R¨ustung noch Helm. C enth¨alt unter dem Namen d. v. S. zwei Dialoglieder mit sieben bzw. f¨unf Strophen. Das unstollige Lied I wird von einem Natureingang er¨offnet und ist sprachlich eng an Neidhart angelehnt. Im Text gibt eine Mutter ihrer tanzlustigen Tochter gute Ratschl¨age, die das M¨adchen aber missachtet. In Lied II beklagen zwei Freundinnen den Verlust eines Geliebten, bis eine dritte Freundin ihnen Gesellschaft leistet und von ihrem eigenen Liebesgl¨uck berichtet. Die erste Strophe von Lied II ist bis in einzelne Formulierungen hinein von Neidhart entlehnt, ebenso die Grundkonstellation der beiden Freundinnen. Die Hinzuf¨ugung der dritten Freundin ist hingegen nicht von → Neidhart abh¨angig. In ihrer Metrik verdanken sich beide Lieder d. v. S. den Sommerliedern Neidharts, ihnen fehlen allerdings die D¨orper mit ihren Grobheiten. ¨ Uberlieferung: Heidelberg, UB, cpg 848, 204r–204vb (Perg., erste H¨alfte 14. Jh.). 437
2. H¨alfte 13. Jh. Ausgaben: HMS 1 (1838) S. 349 f. – Karl Bartsch/Wolfgang Golther (Hg.): Dt. Liederdichter des zw¨olften bis vierzehnten Jh. Berlin 41901, Nr. LIV. – Hermann Maschek (Hg.): Lyrik des sp¨aten MA (Dt. Lit. Reihe Realistik des Sp¨atMA 6). Leipzig 1939 (Nachdr. Darmstadt 1964) S. 39 f. – Kraus LD 1 (21978) S. 403–405. – Wernfried Hofmeister (Hg.): Die steirischen Minnes¨anger. Edi¨ tion, Ubers., Komm. (GAG 472). G¨oppingen 1987, S. 103–127. – Poetae minores. Weniger bekannte Dichter der großen Heidelberger Liederhs. Hg. und u¨ bers. v. Joachim Kuolt (Helfant Texte 2). Stuttgart 1987, S. 37–44. – Vgl. auch die Ausg. der Heidelberger Liederhandschrift C. Literatur: HMS 3 (1838) S. 644, 831; 4 (1838) S. 302–307. – Konrad Burdach, ADB 30 (1890) S. 774–777. – Kraus LD 2 (21978) S. 496–499. – Ingeborg Glier, VL2 8 (1992) Sp. 604–606; 11 (2004) Sp. 1375. – De Boor/Newald 3/1 (51997) S. 302 f. – K. Burdach: Reinmar der Alte und Walther v. der Vogelweide. Halle/Saale 21928, S. 381–385. – Elise Walter: Verluste auf dem Gebiet der mhd. Lyrik. Stuttgart 1933, S. 44. – Ekkehard Simon: Neidhart v. Reuental. Gesch. der Forschung und Bibliogr. Den Haag u. a. 1968, S. 121 f. – Edith Wenzel: ¨ Zur Textkritik und Uberlieferungsgesch. einiger Sommerlieder Neidharts (GAG 110). G¨oppingen 1973, S. 171, 207. – E. Simon: Neidhart v. Reuental. Boston 1975. – Joachim Bumke: Ministerialit¨at und Ritterdichtung. Umrisse der Forschung. Mu¨ nchen 1976, S. 108 Anm. 321 u. o¨ . – Ders.: M¨azene im MA. Die G¨onner und Auftraggeber der h¨ofischen Lit. in Deutschland 1150–1300. M¨unchen 1979, S. 390 f. – Olive Sayce: The Medieval German Lyric 1150–1300. The Development of Its Themes and Forms in Their European Context. Oxford 1982. – Codex Manesse. Die Miniaturen der Großen Heidelberger Liederhs. Hg. und erl. v. Ingo F. Walther unter Mitarbeit v. Gisela Siebert. Frankfurt/M. 1988 (62001) S. 140 f. (Tf. 68). – G¨unther Schweikle: Neidhart. Stuttgart 1990, S. 31 f. – Thomas Bein: Jahreszeiten. Beobachtungen zur Pragmatik, kommunikativen Funktion und strukturellen Typologie eines Topos. In: Rhythmus und Saisonalit¨at. Kongreßakten des 5. Symposions des Medi¨avistenverbandes in G¨ottingen 1993. Hg. v. Peter Dilg u. a. Sigmaringen 1995, S. 215–237. – Armin Binder: Scharfenberg: Burg, Geschlecht, Minnes¨anger. In: Der Eisengau 34 (2010) S. 118–156. MM 438
2. H¨alfte 13. Jh. Gervelin. – Sangspruchdichter, zweite H¨alfte 13. Jh. G. war vermutlich fahrender Berufss¨anger. In RSM, 1Gerv/3 z¨ahlt er sich zu den «manigen die durch got vmme ere g˚ut vurfat». Die Reimsprache der nur in der → Jenaer Liederhandschrift (J) u¨ berlieferten vier Strophen eines Tons l¨asst auf eine mitteldt., unter Umst¨anden auch nd. Herkunft schließen. In den Texten werden keine G¨onner oder historische Pers¨onlichkeiten genannt, die R¨uckschl¨usse auf den Wirkungsraum G.s geben k¨onnten, auch fehlen textliche Hinweise zu einer pr¨azisen Datierung der Spr¨uche. Hauptargument f¨ur die zeitliche Einordnung G.s ist der elfzeilige Ton seiner Sangspr¨uche. Dessen Bauform, eine Da-capo-Form mit einzeiligem nichtrepetierten Steg und drittem Stollen, hat in J sicher datierbare Parallelen (z. B. bei → Konrad von W¨urzburg, → Rumelant von Sachsen, Hermann → Damen). Unkonventionell gestaltet ist bei G. der Abgesang. Dieser bricht die Vierhebigkeit der einleitenden Verse des Aufgesangs auf in zwei Zweiheber, die aufeinander und auf den Steg reimen, und schließt mit zwei reimlosen Zeilen ab. Thematisch bewegen sich die Spr¨uche G.s im zeit¨ublichen Rahmen. Die ersten beiden Strophen sind parallel gestaltete Preisungen Christi und Marias. Dies entspricht dem Usus in J – und der zeitgen¨ossischen Konvention u¨ berhaupt –, geistliche Lobstrophen an den Beginn der Corpora zu stellen. Die beiden anderen Strophen sind moraldidaktisch: Strophe 3 behandelt «milte» und «vu˚ scamete» Herren aus der Sicht des Fahrenden, Strophe 4 den Begriff der «hochvart» ambivalent im Hinblick auf die «tugende». ¨ Uberlieferung: Jena, ULB, Ms. El. f. 101 (J) 31r-v (Perg., um 1330, mitteldt. mit nd. Einschlag) mit Melodie, Corpusu¨ berschrift: «Meister gervelyn». Durch Blattverlust (Bll. 32 und 33) fehlen der Schluss der 4. Str. und vermutlich auch weitere Spr¨uche G.s. Die Lieder auf 34r–35v in zwei weiteren T¨onen hat HMS noch G. zugerechnet (als Ton II und III), w¨ahrend Roethe (s. Lit.) diese als Ps.G. f¨uhrte. Heute gelten die Lieder als Dichtungen → Fegefeuers. Ausgaben: HMS 3 (1838) S. 35. – Philipp Wackernagel: Das dt. Kirchenlied von der a¨ltesten Zeit bis zu Anfang des XVII. Jh. Bd. 2. Leipzig 1867 (Nachdr. Hildesheim 1964/90) Nr. 1425 f. (Str. 1 und 2). – Georg Holz/Eduard Bernoulli/ Franz Saran: Die Jenaer Liederhs. Bd. 1. Leipzig 439
Gervelin 1901 (Nachdr. Hildesheim 1966) Nr. IX, 1 (mit Melodie). – Hugo Moser/Joseph Mu¨ ller-Blattau: Dt. Lieder des MA. Von Walther von der Vogelweide bis zum Lochamer Liederbuch. Texte und Melodien. Stuttgart 1986, S. 137–139 (mit Melodie). – Werner H¨over/Eva Kiepe: Gedichte von den Anf¨angen bis 1300. Nach den Hss. in zeitlicher Folge (Epochen der dt. Lyrik 1). M¨unchen 1978 (Nachdr. 2001 u. d. T.: Dt. Lyrik v. den Anf¨angen bis zur Gegenwart 1) S. 418 (nur Str. 2). – Melodieausgaben: HMS 4 (1838) S. 792. – Ronald J. Taylor: The Art of the Minnesinger. Songs of the thirteenth century. 2 Bde. Cardiff 1968, Bd. 1, S. 23 f., Komm: Bd. 2, S. 34 f. – Horst Brunner/KarlG¨unther Hartmann: Spruchsang. Die Melodien der Sangspruchdichter des 12. bis 15. Jh. (Monumenta monodica medii aevi 6). Kassel 2010, S. 123. Literatur: Helmut Lomnitzer, VL2 3 (1981) Sp. 12 f. – RSM 4 (1988) S. 6; 2,1 (2009) S. 70. – Horst Brunner, MGG2 Personenteil 7 (2002) Sp. 830. – HMS 4 (1838) S. 711. – Gustav Roethe: Die Gedichte Reinmars v. Zweter. Leipzig 1887 (Nachdr. Amsterdam 1967) S. 185 f. – Helmut Tervooren: Einzelstrophe oder Strophenbindung? Unters. zur Lyrik der Jenaer Hs. Diss. Bonn 1967, S. 195–197. – Kurt Franz: Stud. zur Soziologie des Spruchdichters in Deutschland im sp¨aten 13. Jh. (GAG 111). G¨oppingen 1974, Reg. – Erdmute Pickerodt-Uthleb: Die Jenaer Liederhs. Metrische und musikalische Unters. (GAG 99). G¨oppingen 1975, S. 388–391, 440. – Christoph Huber: Wort sint der dinge zeichen. Unters. zum Sprachdenken der mhd. Spruchdichtung bis Frauenlob (MTU 64). Z¨urich/M¨unchen 1977, S. 159 f. – Jens Haustein/Franz K¨orndle (Hg.): Die Jenaer Liederhs. Codex – Gesch. – Umfeld. Berlin/New York 2010, Reg. VZ Goldener. – Sangspruchdichter, zweite H¨alfte 13. Jh. Von G. u¨ berliefert die → Jenaer Liederhandschrift vier Sangspr¨uche mit ingesamt f¨unf Strophen gleichen Tons (Str. 4 und 5 als Randnachtr¨age, «kaum lange nach der Mitte des 14. Jahrhunderts» [Kornrumpf, S. 56]). Die genannten historischen Pers¨onlichkeiten lassen eine Entstehung der Lieder im norddt. Raum vermuten. Alle f¨unf Strophen behandeln Themen aus dem Stoff- und Motivbereich der Fahrenden. W¨ahrend in der ersten Strophe der Wind in der Anmaßung, er k¨onne besser als die Sonne einen Mann zum 440
Konig ¨ Konrad der Junge Ausziehen des Mantels bewegen, verliert – es siegt der «s˚uzen liechten schin» –, versucht der Dichter in der dazugeh¨origen zweiten Strophe den Unterschied zwischen den «k¨unsterˆıchen» und den «k¨unstelˆosen» zu verdeutlichen – verbunden mit der Bitte um «getrageniu wˆat». Im dritten Sangspruch wird ein «herre ivnc» bei einem Weitspringen von den Kampfrichtern insofern beg¨unstigt, als ihm der Sieg wegen seines guten Willens zuerkannt wird. Dass es mit dem «lop» jedoch bald vorbei sein k¨onnte, ist offensichtlich. Die beiden nachgetragenen, als F¨urstenpreis zu verstehenden Sangspr¨uche loben → Wizlaw von R¨ugen (wohl Wizlaw III, F¨urst von R¨ugen, †1325), der einen Ehrenkranz verdiene, und Markgraf Otto V. von Brandenburg († 1298). ¨ Uberlieferung: Jena, ULB, Ms. El. f. 101 (→ Jenaer Liederhs.), 46vb–47rb (Perg., um 1330, mitteldt./nd.); Text der ersten Strophe unter Notenlinien, Melodie jedoch nicht eingetragen. Korpus¨uberschrift: «Der goldener». Ausgaben: HMS 3 (1838) S. 51 f. – Georg Holz/ Franz Saran/Eduard Bernoulli (Hg.): Die Jenaer Liederhs. Bd. 1. Leipzig 1901 (Nachdr. Hildesheim 1966) S. 81 f. (Nr. XX). – Cramer 1 (1977) S. 253–255, 461 f. – Helmut de Boor (Hg.): MA. Texte und Zeugnisse. 1. Teilbd. (Die Dt. Lit. Texte und Zeugnisse. I/1). M¨unchen 1965 (Nachdr. ebd. 2001) S. 842. – Ulrich M¨uller (Hg.): Politische Lyrik des dt. MA. Bd. 1 (GAG 68). G¨oppingen 1972, 132 f., 233. Literatur: Helmut Tervooren, VL2 3 (1981) Sp. 92 f. – RSM 4 (1988) S. 7. – Christian Kiening/ Red., Killy2 4 (2009) S. 309. – Friedrich Grimme: Beitr. zur Gesch. der Minnesinger III. In: Germania 33 (1888) S. 52. – H. Tervooren: Einzelstrophe oder Strophenbindung? Diss. Bonn 1967, S. 222 f. – Annette Georgi: Das lat. und dt. Preisgedicht des MA in der Nachfolge des genus demonstrativum (Phil.Stud.u.Qu. 48). Berlin 1969, S. 153 f. – Kurt Franz: Stud. zur Soziologie des Spruchdichters in Deutschland im sp¨aten 13. Jh. (GAG 111). G¨oppingen 1974, Reg. – Ulrich Mu¨ ller: Unters. zur politischen Lyrik des dt. MA (GAG 55/56). G¨oppingen 1974, Reg. – Klaus Grubm¨uller: Meister Esopus. Unters. zu Gesch. und Funktion der Fabel im MA (MTU 56). Z¨urich/M¨unchen 1977, S. 247 und Anm. 69. – Luise Czajkowski: Die Sprache der ‹Jenaer Liederhs.›. In: Die ‹Jenaer Liederhs.›. Codex – Gesch. – Umfeld. Hg. v. Jens Haustein und Franz K¨orndle unter Mitwirkung v. Wolfgang 441
2. H¨alfte 13. Jh. Beck und Christoph Fasbender. Berlin/New York 2010, S. 29–38, hier S. 31, 34 f. – Gisela Kornrumpf: Der Grundstock der ‹Jenaer Liederhs.› und seine Erweiterung durch Randnachtr¨age. In: ebd., S. 39–79, hier S. 41, 53–56, 64 und Anm. 128, 77. BJ Konig ¨ Konrad der Junge, * 25.3.1252 Burg Wolfstein (bei Landshut), † 28.10.1268 Neapel. – Verfasser von Minneklagen. In der → Heidelberger Liederhandschrift C folgt nach der Er¨offnung des Codex durch → Kaiser Heinrich als n¨achster Staufer K. mit dem u¨ berschaubaren Corpus von zwei Minneliedern. Als deren Dichter kann mit großer Wahrscheinlichkeit Konradin der Junge, der Sohn K¨onig Konrads IV. und letzter legitimer staufischer Erbe gelten, wobei auch dessen Vater als Dichter vorgeschlagen wurde. Das Epitheton «jung» in C ist hierbei kein eindeutiger Hinweis: Zwar wurde Konradin nur 16 Jahre alt, aber in C werden die Beis¨atze «jung» oder «alt» eher relational verwandt und weniger als Hinweis auf das tats¨achliche Alter eines Dichters (vgl. in C: → Reinmar der Alte, der alte → Meißner, der → Junge Meißner). Konradin war zwar nie dt. K¨onig, f¨uhrte aber die ererbten Titel eines K¨onigs von Jerusalem und von Sizilien. Er wuchs zun¨achst bei seinem Onkel Herzog Ludwig dem Strengen von Oberbayern auf. Nachdem Ludwig seine Ehefrau Maria von Brabant 1256 wegen des Verdachts der Untreue aufsehenerregend hatte ermorden lassen (vgl. RSM: 1Stol/16 f., → Stolle), scheint Konradin sich in die Obhut seiner Vorm¨under Eberhard II. von Waldburg, Bischof von Konstanz, und des St. Galler Abtes Berthold von Falkenstein begeben zu haben. Die beiden Kleriker bef¨orderten 1262 Konradins Wahl zum Herzog von Schwaben gegen die Einw¨ande und eigenen Anspr¨uche Richards von Cornwall (1257–72 einer der K¨onige des Interregnums). Der Herzog residierte auf einem bescheidenen Burgsitz in Arbon am Bodensee. Seit 1264 war Augsburg sein Hauptsitz. Das die K¨onigsanspr¨uche Konradins aussichtslos waren, brach er 1267 in Begleitung Ludwigs des Strengen und des Grafen Meinhard II. von G¨orz und Tirol mit 3000 Rittern nach Italien auf, um sein italienisches staufisches Erbe von Karl von Anjou zur¨uckzuerobern. Nach anf¨anglichen Erfolgen wurde das staufische Heer im August 1268 bei Tagliacozzo (N¨ahe L’Aquila) von Karl geschlagen und Konradin wurde nach gescheiterter Flucht festgesetzt. 442
2. H¨alfte 13. Jh. Zusammen mit adligen Kampfgef¨ahrten (darun¨ ter Friedrich von Baden-Osterreich) wurde er in Neapel o¨ ffentlich enthauptet. Der Tod Konradins wird beklagt vom → Schulmeister von Esslingen (1Schulm/3/2), vom → Meißner (1Mei/14/2) und vom italienischen Trobador Bartolomeo Zorzi. In der Steirischen Reimchronik → Ottokars von Steiermark erf¨ahrt das Leben und Sterben Konradins eine breite Schilderung (MGH Dt. Chron 5,1, V. 2710–3552). Auch eine F¨urstenlehre-Strophe beim → Marner (von 1256 [?]; 1Marn/7/5), die den neuen K¨onig verheißt, k¨onnte auf ihn gem¨unzt sein. Die beiden in C u¨ berlieferten Lieder (zwei- und dreistrophig) sind Minneklagen in der Tradition des adelig-schw¨abischen Minnesangs. Sie sind in Stollenstrophen gedichtet. Die in puncto Strophenbau, Metrik und Reimtechnik schlichten Lieder k¨onnten mit einem jugendlichen und poetisch wenig erfahrenem Dichter korrelieren. Beide St¨ucke haben einen Natureingang und nutzen die topische Relation von Naturzustand und Minneempfinden: In Lied 1 u¨ bertrifft das Minneleid noch den Kummer u¨ ber den Einzug des Winters und in Lied 2 kann die Sommerfreude nicht u¨ ber den Liebesschmerz hinwegtr¨osten. In Lied 2 bekundet der S¨anger zudem «der jˆare [...] ein kint» zu sein. Der biographisch-tragische Hintergrund des Dichters und der vermeintlich ahnungsvolle Abschied des S¨anger-Ichs in der letzten Strophe dieses Liedes machte dessen Reiz f¨ur die sp¨atere Rezeption aus. Es fand vertont (z. B. von Ernst-Lothar von Knorr) Eingang in Liederb¨ucher. ¨ Uberlieferung: Heidelberg, UB, Cpg 848 (C) 7r–7va (Perg., um 1300, alemannisch). Die Minia¨ tur zeigt K. bei der Falkenjagd. Uberschrift: «K´unig Ch˚unrat der Junge». Das abgebildete Wappen (Jerusalemkreuz [?]) k¨onnte auf den Titel eines K¨onigs von Jerusalem verweisen. Im Register auf Bl. 4v war K. urspr¨unglich der erste Eintrag. Im Corpus ist nach Lied 1 Raum f¨ur eine 4. Strophe gelassen. Ausgaben: HMS 1 (1838) S. 4. – Hugo Kuhn/ Georg Reichert: Minnesang des 13. Jh. T¨ubingen 2 1962, S. 49. – Kraus LD 1 (21978) S. 230 f. – Poetae minores. Weniger bekannte Dichter der großen Heidelberger Liederhs. Hg. und u¨ bers. v. Joachim Kuolt (Helfant Texte 2). Stuttgart 1987, S. 1–6. – Helmut Brackert: Minnesang. Mhd. Texte ¨ mit Ubertragungen und Anm. Frankfurt/M. 22008, S. 254 f. Literatur: Eduard Winkelmann, ADB 16 (1882) S. 567–571. – Hans Martin Schaller, NDB 12 (1979) 443
Reinmar von Brennenberg S. 557–559. – G¨unther Schweikle, VL2 5 (1985) Sp. 210–213. – Peter Herde, LexMA 5 (1991) Sp. 1368. – De Bopor/Newald 3/1 (51997) S. 264 und Reg. – HMS 3 (1838) S. 583, 825; 4 (1838) S. 8–11. – Karl Hampe: Gesch. Konradins von Hohenstaufen. Innsbruck 1894; 3. Aufl. mit einem Anh. v. Hellmut K¨ampf. Leipzig 1942. – Karl Weller: K¨onig Konrad IV. und der Minnesang. In: W¨urttembergische Viertelsjahrshefte f¨ur Landesgesch. NF 34 (1928) S. 37–43. – Edward Schr¨oder: K¨onig K. d. J. In: AfdA 50 (1931) S. 91 f. – Ders.: Das Abschiedslied K¨onig Konradins. In: GRM 20 (1932) S. 385–389. – Hans Naumann: Die Hohenstaufen als Lyriker und ihre Dichterkreise. In: Dichtung und Volkstum 36 (1935) S. 21–49, hier S. 47–49. – Hans Hirsch: Konradin, sein ‹Prozeß› und sein Ende in gesamtdt. Beleuchtung. In: Gesamtdt. Vergangenheit. FS Heinrich Ritter von Srbik. M¨unchen 1938, S. 33–46. – Kraus LD 2 (21978) S. 279–281. – Eugen Thurnher: Konradin als Dichter. In: Dt. Arch. f¨ur Erforschung des MA 34 (1978) S. 551–560 (erweitert u. d. T. ‹Konradin als Dichter. Zur Frage der Restauration im MA› wieder in: Ders.: Politik und Dichtung im MA [Forschen, Lehren, Verantworten 9]. Wien u. a. 1988, S. 95–108). – G. Schweikle: Der Stauferhof und die mhd. Lyrik, im besonderen zur ReinmarWalther Fehde und zu Hartmanns herre. In: Stauferzeit (Karlsruher kulturwissenschaftliche Arbeiten 1). Hg. v. R¨udiger Krohn u. a. Stuttgart 1979, S. 245–259, hier S. 245–247. – Codex Manesse. Die Miniaturen der Großen Heidelberger Liederhs. Hg. und erl. v. Ingo F. Walther unter Mitarbeit v. Gisela Siebert. Frankfurt/M. 1988 (62001) S. 4 f. (Tf. 2). – Zahlreiche hist. Darstellungen; die letzte umfangreiche Monographie ist: Hans Uwe Ullrich: Konradin von Hohenstaufen. Die Trag¨odie von Neapel. M¨unchen 2004 (mit Bibliogr. S. 315–320). VZ Reinmar von Brennenberg. – Lied- und Sangspruchdichter, 13. Jh. R. wird meist einer dt. Ministerialenfamilie zugeordnet, die auf Burg Brennberg (Kreis Regensburg) ans¨assig war. Im 13. Jh. sind vier Angeh¨orige des Geschlechts mit Namen R. nachweisbar, n¨amlich Reinmar I. (1220–36 bezeugt), Reinmar II. (1238), Reinmar III. (1275) und Reinmar IV. (1295–1326). Der von → Wengen benutzte um 1260 einen Ton R.s, was eine Autorschaft Reinmars I. oder Reinmars II. wahrscheinlich macht. 444
Reinmar von Brennenberg Da R.s eigentliches Werk aber bis heute nicht genau datierbar ist, bleibt die Identifizierung R.s letztlich ein Desiderat. In der → Heidelberger Liederhandschrift C werden R.s Texte von einer markanten Illustration begleitet, u¨ ber deren historischen Wahrheitsgehalt ebenfalls nur spekuliert werden kann. Darin wird der S¨anger von vier mit Schwertern bewaffneten M¨annern bedr¨angt. Einer der M¨anner sticht dem S¨anger brutal ein Schwert in den Sch¨adel. Dar¨uber sind ein Wappen und ein Helm dargestellt, die den Herren von Pyrmont angeh¨oren, jedoch nicht den Brennberger Ministerialen. Die Szene k¨onnte sich auf einen Mordfall beziehen, der in einer Regensburger Urkunde von 1276 erw¨ahnt wird. Dieser zufolge wurde der Bruder eines Kanonikus Bruno von Brennenberg von Regensburger B¨urgern ermordet. Ebenso k¨onnte die Illustration mit der → Bremberger-Sage zusammenh¨angen, in der ein Minnes¨anger um die Ehefrau eines Ritters wirbt. Dieser setzt den S¨anger gefangen und ermordet ihn in manchen Fassungen der Ballade schließlich. Unklar ist freilich, ob die eigentlich erst auf das 15. Jh. datierte Sage bei der Entstehung von C bereits existierte oder vielmehr die Illustration zur Entwicklung der Sage beitrug. R.s Werk ist prim¨ar in C (Grundstockschreiber A) erhalten; hinzu kommt eine teils fragmentarische Streu¨uberlieferung. Insgesamt werden R. heute vier Minnelieder (I–III, V) und zw¨olf Sangspruchstrophen (IV,1–12) zugeschrieben. Letztere sind im sog. Hofton (auch Bremberger Hofton) verfasst. Lied I ist mit seinen l¨angeren Versen noch dem Sangspruch verwandt. Der Text erbittet zun¨achst unter Anrufung Gottes und der Minne die Gunst der Dame, endet aber didaktisch. Lied II ist eine Minneklage mit Natureingang, Lied III ein Frauenpreis. Der Natureingang ¨ von III weist w¨ortliche Ubereinstimmungen mit einem Text des Wilden → Alexander auf. Lied V, das durch seine Zweiheber hervorsticht, verbindet Minnereflexion und -klage. Die Strophen in Ton IV sind stark von der subjektiven Perspektive des lyrichen Ichs gepr¨agt. Sie widmen sich meist dem Lob der Dame (IV,1–6). Klageelemente sind hier die Ausnahme (IV,7). Ein Disput u¨ ber Liebe und «schoene» (IV,10–12) ist deutlich von Walther von der Vogelweide beeinflusst. Meist nicht mehr R. zugeschrieben wird u¨ brigens eine nur in einer Handschrift u¨ berlieferte Zeit- und Totenklage, die u. a. → Walther, → Rudolf von Fenis, → Rubin und → Reinmar den Alten betrauert. 445
2. H¨alfte 13. Jh. R.s Hofton erfuhr eine breite Rezeption, besonders in Verbindung mit Liebesliedern. Im 13. Jh. benutzten ihn der → Schulmeister von Esslingen sowie der von Wengen, im 14. Jh. dann lat. Cantiones. Seine gr¨oßte Verbreitung erlangte er im 15. ¨ und 16. Jh., auch durch die kontinuierliche Uberlieferung alter Strophen. Beispiele f¨ur HoftonStrophen finden sich in der → Kolmarer Liederhandschrift, im → K¨onigsteiner Liederbuch sowie in den Liederb¨uchern des Liebhard Eghenvelder, Jakob → Kebicz und Claus Spaun. Auch manche Fassungen der Bremberger-Ballade wurden im Hofton gedichtet. Hofton und Ballade bestimmten R.s Nachleben insgesamt st¨arker als seine eigentlichen Texte. ¨ Uberlieferung: Heidelberg, UB, Cpg 848, 188r–189vb (Perg., erste H¨alfte 14. Jh., alemannisch). – Rom, Bibl. Casanatense, Mss. 1409 (fr¨uher A I 19, davor Heidelberg, UB, Cpg 317), 1ra–1rb (Perg., zweites Viertel 14. Jh., niederalemannisch). – Karlsruhe, LB, Cod. Donaueschingen 97, 115vb (Perg., Straßburg, 1331–36, els¨assisch). – Mu¨ nchen, BSB, Cgm 5249/27, 1 Bl. (Perg., drittes ¨ Viertel 14. Jh., bair.; Fragm.). – Zur Uberl. vgl. auch die Ausgaben und RSM (s. Lit.). Zur Melodie¨uberl. vgl. Brunner 1978 (s. Lit.). Ausgaben: HMS 1 (1838) S. 335–338. – Joseph Liese: Der Minnesinger R. v. B., sein Geschlecht und seine Lieder. Posen 1897, S. 20–29. – Dt. Liederdichter des zw¨olften bis vierzehnten Jh. Hg. v. Karl Bartsch/Wolfgang Golther. Berlin 41901, S. 242–244 (Teilausg.). – Die dt. Lit. Texte und Zeugnisse 1/1. Hg. v. Helmut de Boor. M¨unchen 1965, S. 690, 880 f., 1613 f. (Teilausg.). – Kraus LD 1 (21978) S. 325–333; 2, S. 385–396, 720–723. – Epochen der dt. Lyrik 1: Gedichte v. den Anf¨angen bis 1300. Hg. v. Werner H¨over/Eva Kiepe. M¨unchen 1978 (Nachdr. 2001) S. 292 f. (Teilausg.). – Vgl. auch die Ausgaben der Heidelberger Liederhandschrift C. – Zu Ausgaben der sp¨ateren Rezeption von R.s Spruchton s. Schanze 1989. Literatur: HMS 4 (1838) S. 278–284. – Wilhelm Wilmanns, ADB 3 (1876) S. 307 f. – Kraus LD 2 (21978) S. 385–396. – Frieder Schanze, VL2 7 (1989) Sp. 1191–1195. – RSM 5 (1991) S. 201–222; 2/1 (2009) S. 225 f. – De Boor/Newald 3/1 (51997) S. 270 f., 540 u. o¨ . – Martin J. Schubert, NDB 21 (2003) S. 378 f. – Horst Brunner, MGG2 Personenteil 13 (2005) Sp. 1534 f. – Elisabeth Wunderle: Bremberger-Ballade. In: Killy2 2 (2008) S. 173. – Manfred Eikelmann, Killy2 9 (2010) S. 537 f. – Arthur Kopp: Bremberger-Gedichte. Ein Beitr. zur 446
2. H¨alfte 13. Jh. Brembergersage. Wien 1908. – Arne Holtorf: Eine Strophe R.s v. B. im Rappoltsteiner ‹Parzival›. In: ZfdA 96 (1967) S. 321–328. – Das K¨onigsteiner Liederbuch. Ms. germ. qu. 719 Berlin (MTU 29). Hg. v. Paul Sappler. Mu¨ nchen 1970, S. 221–227, 300–313. – Ingeborg Glier: Artes amandi. Unters. ¨ zu Gesch., Uberl. und Typologie der dt. Minnereden. Mu¨ nchen 1971, S. 111 f. – H. Brunner: ¨ Die alten Meister. Stud. zu Uberl. und Rezeption der mhd. Sangspruchdichter im Sp¨atMA und in der fr¨uhen Neuzeit (MTU 54). M¨unchen 1975, S. 184 u. o¨ . – Joachim Bumke: Ministerialit¨at und Ritterdichtung. Umrisse der Forschung. Mu¨ nchen 1976, S. 28 f., 86 f. – H. Brunner: Die Melodie¨uberl. v. R.s. v. B. Ton IV (Hofton). Zum Neufund in Engelberg Cod. 314. In: Litterae Ignotae. Beitr. zur Textgesch. des dt. MA. Neufunde und Neuinterpretationen. Hg. v. Uwe Mu¨ ller. G¨oppingen 1978, S. 33–38. – Josef Fendl: Her R. v. B. Ein oberpf¨alzischer Minnes¨anger. In: Oberpf¨alzer Heimat 23 (1979) S. 58–64. – Gisela Kornrumpf/Burghart Wachinger: Alment, Formentlehnung und T¨onegebrauch in der mhd. Spruchdichtung. In: Dt. Lit. im MA. Kontakte und Perspektiven. FS Hugo Kuhn. Hg. v. Christoph Cormeau. Stuttgart 1979, S. 356–411, hier S. 364, 402. – Eberhard D¨unninger: R. v. B., Hadamar v. Laaber. 13. und 14. Jh. Liederdichter der sp¨ath¨ofischen Zeit. In: Bedeutende Oberpf¨alzer. Hg. v. Sigrid F¨arber. Regensburg 1981, S. 32–37. – F. Schanze: Meisterliche Liedkunst zwischen Heinrich von Mu¨ geln und Hans Sachs 1 (MTU 82). T¨ubingen 1983, S. 323 u. o¨ . – Nikolaus Henkel: Die zw¨olf alten Meister. Beobachtungen zur Entstehung des Kat. In: PBB (Tu¨ b.) 109 (1987) S. 375–389, hier S. 384–387. – Codex Manesse. Die Miniaturen der Großen Heidelberger Liederhs. Hg. und erl. v. Ingo F. Walther unter Mitarbeit v. Gisela Siebert. Frankfurt/M. 1988 (62001) S. 124 f. (Tf. 61). – F. Schanze: Zur Liederhs. X. In: Dt. Hss. 1100–1400. Oxforder Kolloquium 1985. Hg. v. Volker Honemann/ Nigel F. Palmer. T¨ubingen 1988, S. 316–329, hier S. 317, 320. – Johannes Rettelbach: Variation – Derivation – Imitation. Unters. zu den To¨ nen der Sangspruchdichter und Meistersinger (Fr¨uhe Neuzeit 14). T¨ubingen 1993, S. 128 f. – Heinz Kischkel: Bem. zu R. v. B. In: Arch. f¨ur das Studium der neueren Sprachen und Literaturen 231 (1994) S. 359–369. – Uwe Meves (Hg.): Regesten dt. Minnes¨anger des 12. und 13. Jh. Berlin/New 447
Rumelant von Schwaben York 2005, S. 777–797. – Hanno R¨uther: Der Mythos von den Minnes¨angern. Die Entstehung der Moringer-, Tannh¨auser- und Bremberger-Ballade. K¨oln u. a. 2007, S. 267–320. MM Rumelant von Schwaben. – Sangspruchdichter, um 1275. Von R., der durch seinen Beinamen als Oberdeutscher gekennzeichnet ist, u¨ berliefert die → Jenaer Liederhandschrift J nach dem umfangreichen Werk des → Rumelant von Sachsen vier Spr¨uche, die sich mit der Problematik des Herrscherlobs und der «milte» ritterlicher Herren befassen. Die positive Erw¨ahnung der Tiroler Adligen Ulrich von Reifenberg († 1277) und Volkmar von Kemenaten († 1275) in der dritten Strophe weist auf R.s Schaffenszeit hin, der sich in der zweiten ¨ Strophe auf → Freidank (86, 14) beruft. Uberliefert ist nur ein einziger Ton, den auch → Albrecht von Haigerloch verwendete. ¨ Uberlieferung: Jena, UB, El. fol. 101 (→ Jenaer Liederhs., J), 62v–63r (vier Str., die erste mit Melodie). Ausgaben: HMS 3 (1838) S. 68 f.; 4 (1838) S. 806 (Melodie). – Georg Holz/Franz Saran/Eduard Bernoulli (Hg.): Die Jenaer Liederhs. Leipzig 1901 (Nachdr. Hildesheim 1966) Bd. 1, S. 107 f. (Nr. XXII); Bd. 2, S. 38 f. (Melodie). – Helmut de Boor (Hg.): MA. Texte und Zeugnisse. 1. Teilbd. (Die Dt. Lit. Texte und Zeugnisse. I/1). M¨unchen 1965 (Nachdr. ebd. 2001) S. 878. – Hugo Moser/Joseph Mu¨ ller-Blattau (Hg.): Dt. Lieder des MA. Von Walther von der Vogelweide bis zum Lochamer Liederbuch. Stuttgart 1968, S. 92–94 (mit Melodie), 325. – Ulrich Mu¨ ller (Hg.): Politische Lyrik des dt. MA. Bd. 1 (GAG 68). G¨oppingen 1972, S. 78, 230. Literatur: [Gustav] Roethe, ADB 29 (1889) S. 674 (Rumsland v. S.). – RSM 5 (1991) S. 327 f. – Frieder Schanze, VL2 8 (1992) Sp. 388 f. – HMS 4, S. 716 f. – Oswald Zingerle (Hg.): Friedrich von ¨ Sonnenburg (Altere tirolische Dichter 2, 1). Innsbruck 1878, S. 114. – Helmut Tervooren: Einzelstrophe oder Strophenbindung? Diss. Bonn 1967, S. 248 f. – Ulrich Mu¨ ller: Unters. zur politischen Lyrik des dt. MA (GAG 55/56). G¨oppingen 1974, S. 134. – Joachim Bumke: M¨azene im MA. Die G¨onner und Auftraggeber der h¨ofischen Lit. in Deutschland 1150–1300. Mu¨ nchen 1979, S. 281 f., 446 Anm. 230, 608 f. (Abdruck von 3–4). – Gisela Kornrumpf/Burghart Wachinger: Alment. 448
Der Litschauer Formentlehnung und T¨onegebrauch in der mhd. Spruchdichtung. In: Dt. Lit. im MA. Kontakte und Perspektiven. Hugo Kuhn zum Gedenken. Hg. v. Christoph Cormeau. Stuttgart 1979, S. 356–411, hier S. 364, 396 f. BJ Der Litschauer (auch: Der Litschower). – Spruchdichter, zweite H¨alfte 13. Jh. D. L. ist nur u¨ ber zwei ihm zugeschriebene T¨one nachweisbar. Ton I ist in der → Heidelberger Liederhandschrift C, der → Niederrheinischen Liederhandschrift und einer Wolfenb¨utteler Handschrift u¨ berliefert, Ton II in der → Jenaer Liederhandschrift (J). Als Schaffenszeit des L.s gilt meist die zweite H¨alfte des 13. Jh. Die Bezeichnung des Dichters als L. wird h¨aufig auf das nieder¨osterr. Litschau/Gm¨und bezogen. Nicht durchgesetzt hat sich die Identifizierung des Dichters als Jacobus de Litschau, der in einer Neustifter Urkunde von 1252 erw¨ahnt ist, dessen Name sich allerdings auf das s¨udlich von Trient gelegene Lizzana bezieht. Die in C enthaltene Illustration zu den Gedichten des L.s zeigt einen K¨onig und ihm gegen¨uber den S¨anger, der hinter zwei Jungen steht und diese mit beschir¨ menden Gesten festh¨alt. Uber dem K¨onig schwebt ein Helm und u¨ ber dem Dichter ein Wappen, was gegen eine manchmal angenommene b¨urgerliche Herkunft des L.s spricht. In seinen Texten erscheint er als Fahrender. Die Sprache des L.s ist im Wortschatz bair.o¨ sterr., in den Reimen aber auch mitteldt. gepr¨agt. Beide T¨one sind mit je sechs Spruchstrophen u¨ berliefert und weisen strukturelle Parallelen auf. So besitzen sie jeweils vierversige Stollen und Abges¨ange mit f¨unf Versen. Ton II besitzt gegen¨uber Ton I allerdings einen dritten Stollen und einen – bei Sprucht¨onen selten vorkommenden – Pausenreim. Auch greifen die Strophen in Ton II stark ineinander u¨ ber, was durch Wortwiederholungen, Leitw¨orter und responsorische Reime erreicht wird. Inhaltlich besch¨aftigen sich Spr¨uche des L.s u. a. mit Tugenden und Lastern, Armut und Reichtum, Minne und Dichterethos. Ein Sachsenlob des L.s war m¨oglicherweise an Herzog Albrecht II. von Sachsen gerichtet, um diesen als M¨azen anzusprechen. Eine weitere Anspielung des L.s l¨asst sich auf K¨onig Ottokar II. von B¨ohmen beziehen, bei dem d. L. vielleicht in Ungnade fiel. Eine Wendung aus Ton I des L.s findet sich auch beim → Meißner (II 2,7 f.), was aber nicht zwingend 449
2. H¨alfte 13. Jh. einen direkten Bezug nahelegt. Es k¨onnte sich auch um eine sprichw¨ortliche Wendung gehandelt haben. Heute gilt die Dichtung des L.s insgesamt als konventionell und wenig bedeutend. ¨ Uberlieferung: Heidelberg, UB, cpg 848, 422r–422vb (Perg., erste H¨alfte 14. Jh., alemannisch). – Wolfenb¨uttel, HAB, cod. 326 Novissimi 8° (fr¨uher B¨udingen, F¨urstl. Ysenburg- und B¨udingensches Arch., Ms. 54–57A/B), 2r (Perg., zweites Viertel 14. Jh., mitteldt.). – Jena, ULB, Ms. El. f. 101, 42ra–42vb (Perg., um 1330, nd./mitteldt.). – Leipzig, UB, Rep. II 70a, 94v (Perg., K¨oln, sp¨ates 14. Jh.). Ausgaben: HMS 2 (1838) S. 386 f.; 3/1 (1838) S. 46 f. – Bruchst¨ucke mhd. Hss. in B¨udingen. Hg. v. Wilhelm Crecelius. In: ZfdA 10 (1856) S. 273–291, hier S. 281 f. – The Art of the Minnesinger. Songs of the 13th Century 1. Hg. v. Ronald Jack Taylor. Cardiff 1968, S. 38 f.; Bd. 2, 1968, S. 61 f. (Melodien). – Epochen der dt. Lyrik 1: Gedichte v. den Anf¨angen bis 1300. Hg. v. Werner H¨over/Eva Kiepe. M¨unchen 1978 (Nachdr. 2001) S. 416 f. – Kleinere Spruchdichter des dreizehnten Jh. Der Hardegger. H¨ollefeuer. D. L. Singauf. Der Unverzagte (ZfdA Beih. 5). Hg. v. Esther Collmann-Weiß. Stuttgart 2005 (vgl. dazu Holger Runow, in: Arbitrium 24, 2006, H. 2, S. 172–175; Ursula Schulze, in: PBB 129, 2007, H. 3, S. 519–522). – Vgl. auch die Ausg. der Heidelberger Liederhandschrift C, der Niederrheinischen Liederhandschrift und der Jenaer Liederhandschrift. Literatur: HMS 4 (1838) S. 699 f. – Wilhelm Wilmanns, ADB 18 (1883) S. 783. – Ehrismann 2,2,2 (1935) S. 298. – Horst Brunner, MGG 16 (1979) Sp. 1146. – Gisela Kornrumpf, VL2 5 (1985) Sp. 851 f. – RSM 4 (1988) S. 256–258; 2/1 (2009) S. 124. – De Boor/Newald 3/1 (51997) S. 363, 402, 540. – Anton Wallner: Herren und Spielleute im Heidelberger Liedercodex. In: PBB 33 (1908) S. 483–540, hier S. 511 f. – Edward Schr¨oder: Der Litschower. In: ZfdA 69 (1932) S. 335. – Helmut Tervooren: Einzelstr. oder Strophenbindung? Unters. zur Lyrik der Jenaer Hs. Diss. Bonn 1966, S. 214–216. – Georg Objartel: Der Meißner der Jenaer Liederhs. Unters., Ausg., Komm. Berlin 1977, S. 253. – Maria Semper: Der Litschower. In: 600 Jahre Stadt Litschau 1386–1986. Hg. Stadtgemeinde Litschau. Litschau 1986, S. 47–50. – Codex Manesse. Die Miniaturen der Großen Heidelberger Liederhs. Hg. und erl. v. Ingo F. Walther unter Mitarbeit v. Gisela Siebert. Frankfurt/M. 1988 450
2. H¨alfte 13. Jh. (62001) S. 278 f. (Tf. 136). – Erwin Buhl: Der Minnes¨anger L. Ein Sohn unserer Heimat. Litschau 1990. – Margreth Egidi: H¨ofische Liebe. Entw¨urfe der Sangspruchdichtung. Literarische Verfahrensweisen v. Reinmar v. Zweter bis Frauenlob. Heidelberg 2002, S. 156–158 u. o¨ . – Collmann-Weiß 2005 (s. Ausg.). – Frieder Schanze: Scharfe Schelte. Drei unedierte Strophen im Ehrenton Reinmars v. Zweter. In: Dichtung und Didaxe. Lehrhaftes Sprechen in der dt. Lit. Hg. v. Henrike L¨ahnemann/ Sandra Linden. Berlin u. a. 2009, S. 107–116. MM Gunther ¨ von dem Forste. – Mhd. Lyriker, 13. Jh. G. ist urkundlich nicht bezeugt. Eine regionale oder st¨andische Einordnung ist daher nicht m¨oglich. Ungewiss ist auch die Datierung der unter seinem Namen in beiden → Heidelberger Handschriften (A und C) u¨ berlieferten sechs Lieder. G.s Tagelied (V) ist mit 23 Strophen das l¨angste der mhd. Literatur. Erst nach der gattungsuntypischen Einbeziehung des Publikums und der Schilderung der Vorgeschichte (eines vereitelten Treffens) beginnt das eigentliche Tageliedgeschehen (ohne W¨achter), das bei sparsamer Verwendung tageliedtypischer Elemente durch den dreizeiligen Refrain («ez nˆahet deme tage») gegenw¨artig bleibt. Im Dialog zwischen Ritter und Dame (in belehrender Rolle) wird die Bedeutung von «minne» und «maze» thematisiert. In einem dreistrophigen Frauenpreis (Lied IV) werden in nur einem Reimpaar r¨uhmende Attribute aneinandergereiht; ein vierzeiliger Refrain wiederholt die Begriffe «vr¨oude», «sælde» und «wunne». Schlicht und konventionell dagegen sind zwei an → Reinmar und → Walther von der Vogelweide erinnernde Minneklagen (I, II) und ein Minnepreis (III). Erhalten ist auch ein Traumlied (IV). ¨ Uberlieferung: Heidelberg, UB, Cpg 357 (Heidelberger Liederhs. A), 34v–35v (Nr. XXVI, 40 Str.). ¨ Uberschrift: «Gvnther uz dem Vorste». – Ebd., Cpg 848 (Heidelberger Liederhs. C, in der 29. Lage als Nr. 91 [recte 107]), 314v (Miniatur), 315r–316r (40 Str.). Die Miniatur zeigt ein rastendes Paar in einem stilisierten Waldst¨uck, mit zwei Pferden auf der rechten Seite; der S¨anger u¨ berreicht der Dame ¨ eine Trinkflasche. Uberschrift: «Her Gvnther von dem Vorste», Textvorschrift: «Gvnther von dem vorste». 451
Gunther ¨ von dem Forste Ausgaben: HMS 2 (1838) S. 164–168 (Text); 4 (1838) 477 f. (Komm.). – Kraus LD 1 (21978) S. 131–140 (Nr. 17); 2 (21978) S. 167–173 (Komm.). – Helmut de Boor (Hg.): MA. Texte und Zeugnisse. 2. Teilbd. (Die Dt. Lit. Texte und Zeugnisse. I/2). Mu¨ nchen 1965 (Nachdr. ebd. 2001) S. 1640 f., 1694–97. – Die Große Heidelberger Liederhs. (Codex Manesse). In getreuem Textabdruck hg. v. Fridrich Pfaff [1909]. 2., verb. und erg. Aufl. bearb. v. Hellmut Salowsky. Heidelberg 1984, Sp. 1014–1020 (Nr. lxxxxi). – Tagelieder des dt. MA. Mhd./Nhd. Ausgew¨ahlt, u¨ bers. und komm. v. Martina Backes (RUB 8831). Stuttgart 2003, S. 134–147 (Nr. XVII), 261–263 (Komm.). Literatur: Richard M. Meyer, ADB 40 (1896) S. 311 f. – Ehrismann 2.2.2 (1935) S. 270. – De Boor/Newald 3/1 (51997) S. 284, 301. – G¨unther Schweikle, VL2 3 (1981) Sp. 313–315. – Christian Kiening/Red., Killy2 4 (2009) S. 502. – Friedrich Grimme: Die Anordnung der großen Heidelberger Liederhs. In: Neue Heidelberger Jbb. 4 (1894) S. 53–90. – Richard Moritz Meyer: Alte dt. Volksliedchen. In: ZfdA 29 (1885) S. 121–236. – Kurt Halbach: Walther von der Vogelweide und die Dichter von Minnesangs Fr¨uhling (T¨ubinger germanistische Arbeiten 3). Stuttgart 1927, S. 97–99. – Eckart Pastor: Une aube allemande du d´ebut du XIVe si`ecle: G. v. d. F. In: Le Moyen Age 93 (1987) S. 373–407. – Codex Manesse. Die Miniaturen der Großen Heidelberger Liederhs. Hg. und erl. v. Ingo F. Walther unter Mitarbeit v. Gisela Siebert. Frankfurt/M. 1988 (62001) S. 216 f. (Tf. 106). – Franz-Josef Holznagel: Wege in die Schriftlichkeit. ¨ Unters. und Materialien zur Uberl. der mhd. Lyrik (Bibliotheca Germanica 32). T¨ubingen/Basel 1995, Reg. – Andr´e Schnyder: Das Tagelied G.s v. d. F. Ein parodistisches Kunstwerk. In: JOWG 10 (1998), S. 327–339. BJ Konrad von Wurzburg. ¨ – Autor des 13. Jh. Als einer der produktivsten Autoren seiner Zeit verfasste K. v. W. neben mehr oder weniger umfangreichen epischen Werken der Gattung h¨ofischer Roman, Versnovelle bzw. M¨are, Heiligenlegende, allegorische Dichtungen und Reimpaarrede eine ganze Reihe lyrischer bzw. sangbarer Dichtungen: Sangspr¨uche, Minnelieder, einen Minneleich und einen religi¨osen Leich. K. war Berufsdichter mit umfassender lat. Bildung in unterschiedlichen Wissensgebieten; Franz¨osisch beherrschte er ebenfalls. Von Zeitgenossen und Dichtern der nachfolgenden Generation als «meister» 452
Konrad von Wurzburg ¨ bezeichnet, war er zudem ein ausgezeichneter Kenner der literarischen Tradition und berief sich wie kaum ein anderer Autor auf eine beeindruckende Vielzahl von unterschiedlichsten Quellen der volkssprachlichen und lat. Literatur. Auf → Gottfried von Straßburg berief er sich als sein herausragendstes Vorbild, imitierte ihn aber keineswegs bloß, wie die a¨ltere Forschung mit dem Etikett des Epigonen suggerierte (Essen, Hoffmann), sondern arbeitete sich an dessen Poesie ab und entwickelte ganz eigenst¨andige poetische Techniken sowie einen unabh¨angigen Stil. K. reflektierte seine poetischen Voraussetzungen und Anspr¨uche in poetologischen Exkursen, entfaltete damit ein zuvor so noch nicht beschriebenes Selbstverst¨andnis des volkssprachlichen Dichters und der poetischen Kunst als solche. → Heinrich von Meißen (Frauenlob) beklagt deshalb in einem Nachruf: «Ach, kunst ist tot! nu klage, armonie [...] ich meine Conrat, den helt von Wirzeburc» (Stackmann/Bertau VIII, 26, V. 15–21). Historische Fakten zu seiner Person liefern etwa die Colmarer Annalen, die seinen Tod f¨ur das Jahr 1287 verzeichnen, und ein Basler Urkundenbuch, das u¨ ber den Besitz eines Hauses Auskunft gibt. Sein Geburtsjahr sollte um das Jahr 1230 gelegen haben. Nachrichten u¨ ber seine Auftraggeber und damit auch u¨ ber die sozialen, politischen und geographischen Kontexte seines dichterischen Schaffens liefert K. selbst in seinen Werken. Der fr¨uheste datierbare Text, das Turnier von Nantes, ist im Umkreis der Grafen von Kleve entstanden (Schr¨oder, Stud.). Der nur wenig sp¨ater verfasste Schwanritter ist laut Weidenkopf und Ruf mit den Grafen von Rieneck im Spessart zu assoziieren. Partonopier und Meliur dichtete er f¨ur den Basler Patrizier Peter Schaler, den Trojanerkrieg f¨ur den Basler Domherrn Dietrich an dem Orte (de Fine), Heinrich von Kempten f¨ur den Straßburger Domherrn Berthold von Tiersberg. Seine G¨onner und Auftraggeber geh¨oren demnach vor allem der st¨adtischen politischen und wirtschaftlichen Oberschicht an. K. selbst ist wahrscheinlich wohlhabend gewesen, war verheiratet und hatte zwei To¨ chter. Zahlreiche Dichter nehmen meist lobend, bisweilen aber auch kritisch auf K. Bezug, darunter → Hermann Damen, → Rumeland von Sachsen, → Boppe und → Heinrich von M¨ugeln. Den Meistersingern galt er als einer der Zw¨olf alten Meister. 1. Leichs: Der religi¨ose Leich (Nr. 1) bietet nicht eigentlich einen formal strukturell zusammenh¨angenden Text, sondern ist zusammengesetzt 453
2. H¨alfte 13. Jh. aus paarigen Versikeln mit unterschiedlichen metrischen Einheiten, von denen nur wenige wiederholt werden (vgl. Kuhn, Minnesangs Wende, S. 136, 140). In gebl¨umter Rede werden Gottvater, Christus und Maria gelobt. Traditionelle Motive und Metaphern werden aneinandergereiht, in oft u¨ berrraschender Weise zusammengestellt oder mit h¨ochst ungew¨ohnlichen Bildern verkn¨upft. So etwa, wenn Gottes «majestˆat» als «knopf» und «geflohten zopf» vorgestellt und mit des Menschen «herzen kopf» und «grˆawen schopf» verbunden wird (1.9–15), oder es werden unerwartete Bildbr¨uche erzeugt, wenn etwa «insigel» auf «igel» und «tigel» (1.54–58) oder «crˆucifixen» auf «wazzernixen» reimt (1.129–131) (vgl. K¨obele). Der inhaltliche Aufbau entspricht dagegen anderen religi¨osen Leichs, wie denjenigen → Walthers von der Vogelweide, → Reinmars von Zweter und Hermann Damens, mit einem einleitenden Teil u¨ ber die Trinit¨at, einem Hauptteil, der sich Maria und Christus widmet und einem Schlussgebet. K. nennt seinen Minneleich (Nr. 2) selbst einen «tanz» (2.135). Er ist formal deutlich strukturiert in zwei Großstrophen bestehend aus drei Teilen mit jeweils f¨unf sich wiederholenden paarigen Versikeln der Form AB (V. 1–14), AABB (V. 15–38), AABB (V. 39–66), CADE (V. 67–98), DADE (V. 99–126), DA (V. 127–138) (vgl. Kuhn, Minnesangs Wende, S. 123 f., 141). Die formalen Einheiten entsprechen einer thematischen Gliederung in 1. eine Klage der Verderbnis der gegenw¨artigen Welt, in der die «suoze» der Liebe, wie zwischen Riwalin und Blanscheflur vergessen ist, Mars und Discordia das Land verhehren, w¨ahrend Venus eingeschlafen und Amor verjagt wurden, 2. Mars und Venus aufgerufen werden den leidigen Zustand zu beenden und sich gegen die Gewaltherrschaft zur Wehr zu setzen und die Liebe in den Menschen neu zu entz¨unden. Am Schluss wird den Minnedamen so der Trost in Aussicht gestellt. Am Ende steht die Verfassersignatur «disen tanz hˆat iu gesungen Cuonze dˆa von Wirzeburc» (V. 135 f.). Glier (S. 169, 171) zeigt Parallelen zu des → Strickers Frauenehre, → Ulrichs von Liechtenstein Frauenbuch und einer Reihe von Minnereden auf. 2. Minnelieder: Von K. v. W. sind 23 Minnelieder u¨ berliefert. Signifikant ist das h¨aufig dreistrophige Lied und der Natureingang, der bisweilen aus dem Minnelied mit Natureingang geradezu ein Naturlied mit Minnethematik werden l¨asst. Nr. 3, 4, 7, 9, 11, 16, 20, 22, 29 sind Sommerlieder, f¨unf 454
2. H¨alfte 13. Jh. davon haben einen Refrain, Nr. 5, 6, 8, 10, 12, 13, 17, 21, 26 und 27 sind Winterlieder, Nr. 14 und 15 sind Tagelieder, Nr. 30 muss eher als einstrophiger Tageliedspruch bezeichnet werden, da er die Tageliedsituation reflektiert anstatt entfaltet. Nur Nr. 22, 26 und 28 sind zweistrophig, mehrheitlich handelt es sich um einen dreistolligen Strophenaufbau. Einzig Nr. 28 ist ohne Natureingang und nur zweistrophig tradiert, so dass man man mit einer ¨ unvollst¨andigen Uberlieferung rechnet. Die Objektivierung der Sprechhaltung durch den Wegfall des grammatischen Ich ist in fast allen von K.s Minneliedern gegeben. Damit geht eine Generalisierung der Darstellung der Liebesempfindungen auf geradezu trivialem Niveau einher, welche aus den konventionellen Motiven der Gattung entwickelt wird. Inhaltliche wie motivische Konventionalit¨at und/oder Allgemeinheit der Aussage sind daher besonderes Kennzeichen von K.s Minnelyrik. Das Formulierungsinventar zeigt sich gar so verfestigt, das intertextuelle Verkn¨upfungen innerhalb des eigenen Liedkorpus, wie die stetig wiederholte inhaltliche Dreigliedrigkeit aus Natureingang, Liebescharakterisierung und Frauenpreis charakteristisch sind. Nicht nur beginnen allein sieben Lieder mit der «jˆarlanc»-Formel, sondern gewisse Schlag- oder Reizworte aus dem Bereich h¨ofischer Minneethik werden zu «lexikalische[n] und motivische[m] Ketten» vernetzt, wodurch «zus¨atzliche Oberfl¨achenkoh¨asion» erzeugt wird (H¨ubner, S. 69). Die Allgemeinheit des Redegestus ist in der Forschung sehr unterschiedlich beurteilt worden. Die Objektivierung des Liebeskonzepts ausgel¨ost durch den Wegfall des grammatischen Ich in fast allen von K.s Minneliedern f¨uhre in der Auff¨uhrung zur radikalen Subjektivierung (Meyer), oder lasse im Gegenteil gerade kein fiktives Rollenspiel des hohen Sangs mehr erkennen, unterbinde vielmehr v¨ollig die «Teilhabe durch Identifikation» (Worstbrock, S. 195; vgl. auch Stridde). Die Schwierigkeiten der Interpretation der offensichtlichen Eigenarten von K.s Minnelyrik rechtfertigt dem Typus des ‹allgemeinen Minnelieds› den Status eines «eigene[n] Genre[s] des Minnesangs» zuzusprechen (H¨ubner, S. 65). Die Lieder 30 (ein Tageliedspruch), 13 und 26, die H¨ubner als Minnekanzonen identifiziert hat, sind im Vergleich zu den allgemeinen Minneliedern vollkommen u¨ berkodierte Reimkunstst¨ucke, in denen so gut wie alles vorkommt, was das ma. Reiminventar zu bieten hat: grammatischer Reim, Binnenreim, 455
Konrad von Wurzburg ¨ r¨uhrender Reim, Sch¨uttelreim, Mittenreim, schlagender Reim, u¨ berschlagender Reim, u¨ bergehender Reim usw. In Lied 30 ist sogar jedes Wort ein Reimwort, markante Schl¨usselworte der Liedaussage, wie «wˆıp», «walt», «kalt», «triuten» oder «ich» und «du» mit Ableitungen stehen an signifikanten metrischen Positionen. Allgemeinheit der Aussage und Reimartistik k¨onnen in einen funktions¨aquivalenten Zusammenhang gesehen werden, da Koh¨arenzstiftung vielmehr auf der Ebene der Kombination aus dem in der Tradition an Struktur-, Inhalts- und Motivelementen Vorhandenem stattfindet, die ein «fest gekn¨upfte[s] Netz der semantischen Bez¨uge [erzeugt], das die zentralen Kategorien der hohen Minne sprachlich neu inszeniert» (H¨ubner, S. 81). 3. Sangspruche: ¨ K.s Sangspruch-Œuvre umfasst 46 Strophen in sieben T¨onen (Nr. 18 = 4 Str., 19 = 4 Str., 23 = 3 Str., 24 = 2 Str., 25 = 6 Str. [Aspiston], Nr. 31 = 7 Str. [Morgenweise], 32 = 23 Str. [Hofton]), die allesamt in der → Großen Heidelberger Liederhandschrift u¨ berliefert sind, teilweise außerdem in der → Jenaer (Nr. 25 und 32) und → Kolmarer Lie¨ derhandschrift (Nr. 31) tradiert werden (zur Uberlieferung und den unechten Strophen vgl. ausf¨uhrlich Schr¨oder, Ausgabe, S. VIII ff., Mayer und sowie zu den Melodien Brunner, Repertorium). Die Themen von K.s Spr¨uchen sind vor allem konzentriert auf allgemeine Fragen im Kontext der adlig-h¨ofischen Lebenswelt, wie Tugend- und Herrenlehre, Fragen zur Adels- und Minneethik, Verurteilung von Geiz und Schmeichlerei. Geistliche Themen, wie zu Christus und Maria, der Trinit¨at, der Eucharistie, sind eher unterpr¨asent (32.1, 16, 31, 46, 256, 346). Das gleiche gilt f¨ur politische Themen, welche f¨ur die Gattung des Sangspruchs und bei den meisten anderen Autoren typisch waren. Hierzu z¨ahlen einzig zwei Strophen zu Rudolf von Habsburg und Konrad von Lichtenberg (vgl. M¨uller, S. 146 f.). Eine Pr¨aferenz kommt nicht ganz u¨ berraschend hingegen dem Thema Kunst zu, in vier Spr¨uchen (32.166, 181, 186, 301) wird das Dichten und Singen allgemein gelobt, aber auch Dichterkollegen der Hochstaplerei bezichtigt. Rezipiert wurden K.s T¨one (inbesondere Hofton, Morgenweise und Aspiston) vor allem von den Meistersingern, so bis ins 17. Jh. tradiert und f¨ur Neudichtungen benutzt (vgl. Brunner, Die Alten Meister). ¨ Uberlieferung: Heidelberg, UB, Cpg 848, 383r–391ra (Perg., um 1300, Nachtrag 14. Jh., alemannisch = Große Heidelberger [Manessische] Liederhs. [C]). – Nr. 25, 31, 32: Jena, ULB, Ms. El. 456
Konrad von Wurzburg ¨ f. 101, 101rb–102vb (Perg., um 1330, mitteldt./nd. = Jenaer Liederhs. [J]). – Nr. 21,3: Leipzig, UB, Rep. II. 70a, Sigle n, fol. 91–96 (Perg., Ende 14. Jh., ripuarisch = Niederrheinische Liederhs.). – Nr. 21: Bern, Burgerbibl., Cod. 260 (Perg., Mitte 14. Jh., Straßburg [p]). – Nr. 25, 31: M¨unchen, BSB, Cgm. 4997 (Pap., um 1460, mit Singweisen zu 25, = Kolmarer Liederhs. [k]). – Nr. 32: Basel, UB, N I 6 Nr. 50 (Perg., Ende 13. Jh., sp¨at. 1300, ostalemannisch) (vgl. Steinmann, mit Abdruck). Ausgaben: Minnesinger. Dt. Liederdichter des zw¨olften, dreizehnten und vierzehnten Jh. Aus allen bekannten Hss. und fr¨uheren Drucken gesammelt und berichtigt [...] v. Friedrich Heinrich von der Hagen. Erster Theil: Manessische Sammlung aus der Pariser Urschrift. Leipzig 1838, S. 310–335. – Karl Bartsch: K.s v. W. Partonopier und Meliur. Aus dem Nachlasse von Franz Pfeiffer und Franz Roth. Wien 1871, S. 343–402. – Edward Schr¨oder: Kleinere Dichtungen K.s v. W. Bd. 3: Die Klage der Kunst. Unver¨anderter Nachdr. mit Nachwort v. Ludwig Wolff. Berlin 1926. – Werner H¨over/Eva Kiepe (Hgg.): Epochen der dt. Lyrik. Bd. 1: Gedichte von den Anf¨angen bis 1300. ¨ Mu¨ nchen 1978, S. 356–368 (mit Ubersetzungen). – Georg Holz/FranzSaran/Eduard Bernoulli: Die Jenaer Liederhs. 2 Bde. Leipzig 1901, Nr. XXVI. – Paul Runge (Hg.): Die Sangesweisen der Colmarer Hs. und die Liederhs. Donaueschingen. Leipzig 1896, Nr. 70, 71, 74. – Ronald Jack Taylor: The art of the Minnesinger. 2 Bde. Cardiff 1968, Bd. 1, S. 34–38, 115–117, Bd. 2, S. 54–60, 176–179. – Horst Brunner (Hg.): Die T¨one der Meistersinger. Die Hss. der Stadtbibl. N¨urnberg Will III. 792, 793, 794, 795, 796. G¨oppingen 1980, S. 28. – Burghart Wachinger (Hg.): Dt. Lyrik des sp¨aten MA (BdK 191/BMA 22). Frankfurt/M. 2006, S. 258–283. Literatur: Wolfgang Golther, ADB 44 (1898) S. 356–363. – Wolfgang Walliczek, NDB 12 (1980) Sp. 554–557. – Horst Brunner, VL2 5 (1985) Sp. 272–304. – RSM. – De Boor/Newald 2 (111991) bes. S. 314–316. – H. Brunner, Killy2 6 (2009) S. 634–636. – Alwin Wode: Anordnung und Zeitfolge der Lieder, Spr¨uche und Leiche K.s v. W. Marburg 1902. – Edward Schr¨oder: Stud. zu K. v. W. In: G¨ottingische gelehrte Nachrichten 1912, S. 1–47 (I–III); 1917, S. 96–129 (IV–V). – Erika Essen: Die Lyrik K.s v. W. Marburg 1937. – Karl Ber¨ tau: Uber Themenanordnung und Bildung inhaltlicher Zusammenh¨ange in der religi¨osen Leichdichtung des 13. Jh. In: ZfdPh 76 (1957) S.129–149. – 457
2. H¨alfte 13. Jh. Manfred Brauneck: Die Lieder K.s v. W. Mu¨ nchen 1964. – Helmut Tervooren: Einzelstrophe oder Strophenbildung. Bonn 1967. – Kuhn: Minnesangs Wende. 2., verm. Aufl. (Hermaea NF 1). T¨ubingen 1967, S. 123 f. – Ingeborg Glier: Der Minneleich im sp¨aten 13. Jh. In: Werk – Typ – Situation. FS Hugo Kuhn. Hg. v. ders. Stuttgart 1969, S. 161–183. – Eberhard L¨ammert: Reimsprecherkunst im Sp¨atMA. Eine Unters. der Teichnerreden. Stuttgart 1970. – Eva Schumann: Stilwandel und Gestaltver¨anderung im Meistersang. Vergleichende Unters. zur Musik der Meistersinger (G¨ottinger musikwissenschaftliche Arbeiten 3). Kassel 1972. – Volker Mertens: Ein neumiertes Minnelied des 14. Jh. aus Kremsm¨unster. In: Beitr. zur weltlichen und geistlichen Lyrik des 13. bis 15. Jh. Hg. v. Kurt Ruh/Werner Schr¨oder. Berlin 1973, S. 68–83. – Burghart Wachinger: S¨angerkrieg. Unters. zur Spruchdichtung des 13. Jh. (MTU 42). M¨unchen 1973. – G¨unter Mayer: Probleme der Sangspruch¨uberl. Beobachtungen zur Rezeption K.s v. W. im Sp¨atMA. M¨unchen 1974. – HertaElisabeth Renk: Der Manessekreis, seine Dichter und die Manessische Hs. (Stud. zur Poetik und Gesch. der Lit. 33). Stuttgart 1974. – Ulrich M¨uller: Unters. zur politischen Lyrik des dt. MA (GAG 55/56). G¨oppingen 1974, S. 146. – Erich Kleinschmidt: Herrscherdarstellung (Bibliotheca Germanica 17). Bern/M¨unchen 1974, S. 142–144. – Burghart Wachinger: Zur Rezeption Gottfrieds von Straßburg im 13. Jh. In: Dt. Lit. des sp¨aten MA. Hg. v. Wolfgang Harms/L. Peter Johnson. Berlin 1975, S. 56–82. – Horst Brunner: Die alten Meis¨ ter. Stud. zu Uberl. und Rezeption der mhd. Sangspruchdichter im Sp¨atMA und in der fr¨uhen Neuzeit (MTU 54). M¨unchen 1975. – Inge Leipold: Die Auftraggeber und G¨onner K.s v. W. (GAG 176). G¨oppingen 1976. – Thomas Cramer: Minne¨ sang in der Stadt. Uberlegungen zur Lyrik K.s v. W. In: Lit., Publikum, hist. Kontext. Hg. v. Joachim Bumke u. a. Bern u. a. 1977, S. 91–108. – Peter Ganz: ‹Nur eine sch¨one Kunstfigur›. Zur Goldenen Schmiede K.s v. W. In: GRM 60 (1979) S. 27–45. – Ursula Peters: Lit. in der Stadt. Stud. zu den sozialen Voraussetzungen und kulturellen Organisationsformen st¨adtischer Lit. im 13. und 14. Jh. (Stud. und Texte zur Sozialgesch. der Lit. 7). Tu¨ bingen 1983. – R¨udiger Brandt: K. v. W. (Ertr¨age der Forschung 249). Darmstadt 1987, S. 81–91. – H. Brunner: K. in W¨urzburg und am Niederrhein. In: Das ritterliche Basel. Zum 700. Todestag K.s v. 458
2. H¨alfte 13. Jh. W. Hg. v. Christian Schmid-Cadalbert. Basel 1987, S. 20–22. – U. Peters: Lit. in der Stadt. Stud. zu den sozialen Voraussetzungen und kulturellen Organisationsformen st¨adtischer Lit. im 13. und 14. Jh. T¨ubingen 1983. – Martin Steinmann: Das Basler Fragm. einer Rolle mit mhd. Spruchdichtung. In: ZfdA 117 (1988) S. 296–310. – Werner Hoffmann: Minnesang in der Stadt. In: Mediaevistik 2 (1989) S. 185–202. – Burghart Wachinger: Die Welt, die Minne und das Ich. Drei sp¨atma. Lieder. In: Entzauberung der Welt. Dt. Lit. 1200–1500. Hg. v. James F. Poag/Thomas C. Fox. T¨ubingen 1989, S. 107–118. – Sabine Obermaier: Von Nachtigallen und Handwerkern. ‹Dichtung u¨ ber Dichtung› in Minnesang und Sangspruchdichtung (Hermaea 75). T¨ubingen 1995, S. 219–222. – Margreth Egidi: Textuelle Verfahrensweisen in Minnespruchstrophen von Reinmar von Zweter bis Frauenlob. In: GRM NF 48 (1998) S. 405–433, bes. S. 419–423. – H. Brunner: Die Sprucht¨one K.s v. W. Bemerkungen zur Form und zur forschungsgeschichtlichen Stellung. In: R¨ollwagenb¨uchlein. FS Walter R¨oll. Hg. v. J¨urgen Jaehrling/Uwe Meves/Erika Timm. T¨ubingen 2002, S. 95–106. – Alfred Ritscher: Lit. und Politik im Umkreis der ersten Habsburger. Dichtung, Historiographie und Briefe am Oberrhein. Frankfurt/M. 1992. – Gert H¨ubner: Versuch u¨ ber K. v. W. als Minnelyriker. In: Artibus. Kulturwiss. und dt. Philologie des MA und der fr¨uhen Neuzeit. FS Dieter Wuttke. Hg. v. Stephan F¨ussel u. a. Wiesbaden 1994, S. 63–94. – Franz Josef Worstbrock: Lied VI des Wilden Alexander. ¨ Uberl., Interpretation und Literarhistorie. In: PBB 118 (1996) S. 183–204. – Heinz Thomas: K. v. W. und die Habsburger. In: DA 52 (1996) S. 509–545. – Thomas Cramer: Waz hilfet aˆ ne sinne kunst? Lyrik ¨ im 13. Jh. Stud. zu ihrer Asthetik. Berlin 1998. – Matthias Meyer: ‹Objektivierung als Subjektivierung›. Zum S¨anger im sp¨aten Minnesang. In: Autor und Autorschaft im MA. Kolloquium Meißen 1995. Hg. v. Elizabeth Andersen. T¨ubingen 1998, S. 185–199. – Manfred Kern: Von Parisj¨ungern und neuen Helenen. Anm. zur antiken Mythologie im Minnesang. In: Neophilologus 83 (1999) S. 577–599. – M. Egidi: H¨ofische Liebe. Entw¨urfe der Sangspruchdichtung. Literarische Verfahrensweisen von Reinmar von Zweter bis Frauenlob. Heidelberg 2002. – Christoph Huber: Wege aus der Liebesparadoxie. Zum Minnesang Heinrichs von M¨ugeln im Blick auf K. v. W. In: Gattungen und Formen des europ¨aischen Liedes vom 14. 459
Meister Singauf bis zum 16. Jh. Mu¨ nster u. a. 2005, S. 89–110. – Wachinger, Ausg., Komm., S. 762–775. – Manuel Braun: Spiel – Kunst – Autonomie. Minnesang jenseits der Pragma-Paradigmen. Habil.Schr. masch. Mu¨ nchen 2007, S. 320–322. – Gerd H¨ubner: Minnesang im 13. Jh. Eine Einf. Tu¨ bingen 2008, S. 132–145. – Susanne K¨obele: Zwischen Klang und Sinn. Das Gottfried-Idiom K.s v. W. ‹Goldene Schmiede› (mit einer Anm. zur paradoxen Dynamik von Alterit¨atssch¨uben). In: Alterit¨at als Leitkonzept f¨ur hist. Interpretieren. Hg. v. Anja Becker/Jan Mohr. Berlin 2012, S. 303–333. – Christine Stridde: Innovativer Formalismus und Konkretheit des Symbolischen. K.s v. W. poetologisches Programm. In: Alles anders? Alterit¨at in der Medi¨avistik – Probleme und Alternativen. Hg. v. Manuel Braun. G¨ottingen 2012. Siehe auch den Artikel in Band 5. CS Meister Singauf (Singuf). – Sangspruchdichter, zweite H¨alfte 13. Jh. Die → Jenaer Liederhandschrift (J) u¨ berliefert unter dem Namen S.s sechs Strophen eines Tons. Die Strophen sind Kanzonen mit 13 vierhebigen Versen und siebenversigem Abgesang. Die sechste Strophe geh¨ort → Rumelant (von Sachsen), die Verfasserschaft der f¨unften ist unklar. Biographische Kenntnisse zur Person des Dichters, die sich hinter dem sprechenden Namen verbirgt, gibt es nicht. Strophe 1 ist eine Waffen- und Kleiderallegorie. Diese fordert von den Rittern neben den standesgem¨aßen Tugenden auch die christlichen Tugenden «vride» und «diemuotikeit» ein. Die zweite Strophe beklagt aus der Sicht des fahrenden Berufss¨angers den Verlust eines G¨onners und erweitert diese Klage zu einer allgemeinen Kritik an unfreigiebigen «herren». Die Strophen 3 und 4 sind R¨atselstrophen. Die Einleitung zur dritten Strophe verk¨undet selbstbewusst, dass insgesamt vier Meister zur L¨osung des R¨atsels n¨otig seien. Diesen R¨atselspr¨uchen folgen im Codex nun zwei weitere Strophen, die am Rand von alter Hand «rvmelant» zugewiesen werden (RSM: 1Rum/11/1–2). Nun bietet J auch an anderer Stelle Texte anderer Verfasser in den Autorencorpora auf, da sich die Corpora hier bereits den Toncorpora der sp¨ateren meisterlichen Sammlungen ann¨ahern (vgl. → Stolle, → Hardegger). Zudem wird in Strophe 6 der Dichter S. direkt angesprochen, so dass man hier von einer typischen Gegenstrophe sprechen kann. Und 460
Der Puller ¨ da im Rumelant-Corpus von J zwei weitere Gegenstrophen auf S. stehen (1Rum/8/2–3), ist die marginale Zuweisung an Rumelant f¨ur die sechste Strophe glaubw¨urdig. Auf diesen Gesamtkomplex der S.-R¨atselstrophen und der Gegenstrophen wird in der Forschung mit dem Terminus «S.Rumelant-R¨atselstreit» rekurriert. Strophe 6 bezieht sich mit polemischen Unterton direkt auf die anmaßende Einleitung von Strophe 3 sowie deren R¨atsel. Sie bietet auch dessen Aufl¨osung («slaf»). Der Bezug von Strophe 5 ist weniger eindeutig. Deren vierter Vers k¨onnte mit der «wisheit» die L¨osung des R¨atsels von Strophe 4 enthalten, f¨ur das in der Forschung auch «muot», «geloube» oder «Gedanke» als L¨osungen vorgeschlagen worden sind. Bei der Strophe 5 fehlt aber der polemische Unterton der sechsten. Außerdem scheint ein Bezug auch zur dritten Strophe zu bestehen. Dieser wird aber nicht widersprochchen sondern sie wird vielmehr erg¨anzt. Aufgrund dieser Unterschiede bei den Strophen 5 und 6 ist deren gemeinsame Zuweisung an Rumelant nicht g¨anzlich frei von Zweifeln. Bef¨ordert wurde die Zuschreibung gewiss auch durch die weiteren Gegenstrophen im Rumelant-Corpus. Deswegen k¨onnte die f¨unfte Strophe noch von S. verfasst und der redaktionelle Autorhinweis am Rand wom¨oglich eine Strophe zu fr¨uh gesetzt worden sein. ¨ Uberlieferung: Jena, ULB, Ms. El. f. 101 (J) 43vb–44va (Perg., um 1330, mitteldt. mit nd. Einschlag) mit Melodie, Corpus¨uberschrift: «Meister singof». Ausgaben: HMS 3 (1838) S. 49. – Karl Bartsch: Dt. Liederdichter des zw¨olften bis vierzehnten Jh. Eine Auswahl. 4. Aufl. besorgt v. Wolfgang Golther. Berlin 1906 (Nachdr. Darmstadt 1966) S. 821, 913 (Str. 1 und 3). – Werner H¨over/Eva Kiepe: Gedichte von den Anf¨angen bis 1300. Nach den Hss. in zeitlicher Folge (Epochen der dt. Lyrik 1). Mu¨ nchen 1978 (Nachdr. 2001 u. d. T.: Dt. Lyrik v. den Anf¨angen bis zur Gegenwart 1) S. 429 (Str. 1 mit ¨ Ubersetzung). – Esther Collmann-Weiß: Kleinere Spruchdichter des dreizehnten Jh. Der Hardegger – H¨ollefeuer – Der Litschauer – S. – Der Unverzagte. Hg., u¨ bers. und komm. v. Esther Collmann-Weiß (ZfdA. Beiheft 5), Stuttgart 2005, S. 131–144. – Dt. Gedichte des MA. Mhd./Nhd. Ausgew¨ahlt, u¨ bers. und erl. v. Ulrich M¨uller in Zusammenarbeit mit Gerlinde Weiss (RUB 8849). Stuttgart 22009, S. 284 (Str. 3). – Melodieausgaben: Georg Holz/Eduard 461
2. H¨alfte 13. Jh. Bernoulli/Franz Saran: Die Jenaer Liederhs. Leipzig 1901 (Nachdr. Hildesheim 1966) Nr. 18. – Ronald J. Taylor: The Art of the Minnesinger. Songs of the thirteenth century. 2 Bde. Cardiff 1968, Bd. 1 S. 87 f., Komm: Bd. 2 S. 125 f. – Horst Brunner/ Karl-G¨unther Hartmann: Spruchsang. Die Melodien der Sangspruchdichter des 12. bis 15. Jh. (Monumenta monodica medii aevi 6). Kassel 2010, S. 385. Literatur: Gustav Roethe, ADB 34 (1892) S. 389 f. – RSM 5 (1991) S. 376; 2,1 (2009) S. 264. – Jens Haustein, VL2 8 (1992) Sp. 1278–1280. – De Boor/Newald 3/1 (51997) S. 371, 396, 398. – HMS 3 (1838) S. 741; 4 (1838) S. 714. – Helmut Tervooren: Einzelstrophe oder Strophenbindung? Unters. zur Lyrik der Jenaer Hs. Diss. Bonn 1967, S. 218–220. – Burghart Wachinger: S¨angerkrieg. Unters. zur Spruchdichtung des 13. Jh. (MTU 42). Mu¨ nchen 1973, S. 170–179 (mit Abdruck von Str. 3 und 4). – Erdmute Pickerodt-Uthleb: Die Jenaer Liederhs. Metrische und musikalische Unters. (GAG 99). G¨oppingen 1975, S. 191, 449. – J¨org Arentzen/Uwe Ruberg: Die Ritteridee in der dt. Lit. des MA. Eine kommentierte Anthologie. Darmstadt 1987, 22011, S. 161–163. – Thomas Tomasek: Das dt. R¨atsel im MA (Hermaea NF 69). T¨ubingen 1994, S. 304–309. – Thomas Bein: ‹Mit fremden Pegasusen pfl¨ugen›. Unters. zu Authentizit¨atsproblemen in mhd. Lyrik und Lyrikphilologie (Phil.Stud.u.Qu. 150). Berlin 1998, S. 166–169. – Freimut L¨oser: R¨atsel l¨osen: zum Singˆuf-Rumelant-R¨atselstreit. In: Neue Wege der MA-Philologie (Wolfram-Stud. 15). Hg. v. Joachim Heinzle u. a. Berlin 1998, S. 245–275. – J. Haustein/Franz K¨orndle (Hg.): Die Jenaer Liederhs. Codex – Gesch. – Umfeld. Berlin/New York 2010, Reg. – Holger Runow: Rumelant von ¨ Sachsen. Edition – Ubersetzung – Komm. (Hermaea NF 121). Berlin/New York 2011, Reg. VZ Der Puller ¨ (auch Konrad Puller von Hohenburg), † vor 1316. – Minnes¨anger. Die → Heidelberger Liederhandschrift C u¨ berliefert die Texte des P.s unter den Ministerialen. Die Namensbezeichnung P. wird heute meist auf die Familie von Hohenburg bezogen, ein Geschlecht unterels¨assischer Ministerialer mit Sitz im Westen Weißenburgs. Angeh¨orige der Familie benutzten ab der ersten H¨alfte des 13. Jh. den Beinamen P., der 462
2. H¨alfte 13. Jh. sich m¨oglicherweise auf Apulien bezog oder vielleicht den aufbrausenden («polternden») Charakterzug eines Familienmitglieds bezeichnete. Unter den Angeh¨origen des Geschlechts gilt allgemein Konrad Puller von Hohenburg als der in C erw¨ahnte Minnes¨anger. Konrad ist von 1262 bis 1315 nachweisbar und k¨ampfte wahrscheinlich 1276–78 auf der Seite des K¨onigs Rudolf (I.) von Habsburg (1218–1291) gegen Ottokar II. von B¨ohmen. Entsprechende Anspielungen auf Wienund Ungarnaufenthalte finden sich in den Liedern des P.s (Lieder IV, V). 1278 war Konrad Schultheiss am Kloster Selz und 1283 ein von Rudolf eingesetzter Schlichter in einem Rechtsstreit. Eine Illustration in C zeigt den P. als Ritter, der in voller R¨ustung einem zweiten Ritter in ein Burgtor hinein folgt und dabei mit seinem Schwert zum Schlag ausholt. Schild und Pferdeschmuck des Ritters zeigen ein gold-blau aufgeteiltes Wappen, das dem der els¨assischen Hohenburger gleicht. C enth¨alt unter dem Namen des P.s f¨unf Lieder mit insgesamt 14 Strophen, die von Schreiber «As» eingetragen wurden. Außer dem zweistrophigen Lied II sind alle Lieder dreistrophig. Die Strophen weisen variierende Reimschemata, Strophen- und Stollenformen auf. Lied III verwendet z. B. Kreuzreimstollen, Lied IV Terzinenstollen. Als Abgesang dient mal eine Waisenterzine (Lied III), mal ein Gegenstollen (Lied IV). Lieder I bis III sind siebenzeilig angelegt, Lied V dreizehnzeilig. Die Natureing¨ange wechseln zwischen Sommer und Winter. Ihnen folgen jeweils eine Minneklage und die Bitte um Erh¨orung. In I und V wird die Minne auch direkt angesprochen. Die Trennung von der Geliebten wird in IV und V auf politische Umst¨ande wie die Belagerung Wiens und den ausw¨artigen Kriegsdienst des Dichters zur¨uckgef¨uhrt. Beide Lieder weisen thematische Parallelen zu Liedern → Konrads von Landeck auf. Die vierversigen Stollen und die Repetition im Abgesang von Lied V erinnern ebenfalls an Konrad (Lied XII). Damit steht d. P. grunds¨atzlich in einem spezifischen literaturgeschichtlichen Kontext: Die Reime und Natureing¨ange weisen den P. als Zeitgenossen → Konrads von Kilchberg, Konrads von Landeck, → Krafts von Toggenburg und → Brunwarts von Augheim aus. Seine Strophen zeigen Einfl¨usse → G¨oslis von Ehenhein, seine Sprache Ankl¨ange an → Gottfried von Neifen (roter Mund, Anrede der «leien»). Eigenst¨andigkeit beweist d. P. durch formale Variationen und einen komplexen Strophenbau, 463
Der von Kolmas gegen¨uber Konrad von Landeck auch durch die subjektiv-direkte Ansprache der Geliebten. ¨ Uberlieferung: Heidelberg, UB, cpg 848, 253v–254va (Perg., erste H¨alfte 14. Jh., alemannisch, Schreiber As). Ausgaben: HMS 2 (1838) S. 69–71; 3 (1838) S. 662 (Lesarten). – Ulrich M¨uller (Hg.): Politische Lyrik des dt. MA. Bd. 1 (GAG 68). G¨oppingen 1972, S. 96, 231. – Kraus LD 1 (21978) S. 321–324. – Werner H¨over/Eva Kiepe (Hg.): Epochen der dt. Lyrik 1: Gedichte v. den Anf¨angen bis 1300. Mu¨ nchen 1978 (Nachdr. ebd. 2001) S. 438 (Lied IV). – Vgl. auch die Ausg. der Heidelberger Liederhandschrift C. Literatur: Jakob Franck, ADB 12 (1880) S. 669–671. – Kraus LD 2 (21978) S. 382–385. – Ingo F. Walther: Konrad v. Hohenburg. In: NDB 12 (1979) S. 543 f. – Volker Mertens, VL2 7 (1989) Sp. 910–913. – De Boor/Newald 3/1 (51997) S. 267. – Sandra Linden, Killy2 9 (2010) S. 350 f. – Joseph Lefftz: Der Minnesinger Puller v. Hohenberg. In: Elsaß-Land 11 (1931) S. 71–75. – Karl Preisendanz: Der Minnesang im Elsaß. In: Oberrheinische Heimat 27 (1940) S. 388–396, hier S. 395. – Franz J. Worstbrock: Konrads des P.s v. Hohenburg Lied IV. In: ZfdA 101 (1972) S. 341–343. – Joachim Bumke: Ministerialit¨at und Ritterdichtung. Umrisse der Forschung. Mu¨ nchen 1976, S. 37 f. u. o¨ . – Olive Sayce: The Medieval German Lyric 1150–1300. The Development of Its Themes and Forms in Their European Context. Oxford 1982, S. 286 f. u. o¨ . – Codex Manesse. Die Miniaturen der Großen Heidelberger Liederhs. Hg. und erl. v. Ingo F. Walther unter Mitarbeit v. Gisela Siebert. Frankfurt/M. 1988 (62001) S. 170 f. (Tf. 83). – Joachim Heinzle: Wandlungen und Neuans¨atze im 13. Jh. (1220/30–1280/90) (Gesch. der dt. Lit. v. den Anf¨angen bis zum Beginn der Neuzeit 2/2). T¨ubingen 21994, S. 46, 90. – Uwe Meves (Hg.): Regesten dt. Minnes¨anger des 12. und 13. Jh. Berlin/New York 2005, S. 759–776. MM Der von Kolmas. – Lieddichter, zweite H¨alfte 13. Jh. In einer kleinen Liedsammlung des 14. Jh. findet sich zwischen drei Pseudo-→ Reinmar-Strophen und einer geistlichen Pseudo-→ Walther von der Vogelweide-Strophe eine vierstrophige Altersklage mit Memento-mori-Thematik. Diese ist u¨ berschrieben mit: «Disiu lied sank ein herre hiez von 464
Heinrich von der Mure kolmaz». Dieser K. wird seit MF (1857) mit einem 1262–79 bezeugten Th¨uringer «Heinricus miles de Kolmas» identifiziert. Er stammte aus Culmitzsch (bei Weida) und k¨onnte Ministeriale des Vogts Heinrich von Gera gewesen sein. Sp¨ater (um 1268) trat er in den Dienst des th¨uringischen Landgrafen Albrecht des Entarteten. Bei Eisenach wurde K. um 1277/78 belehnt. Die Altersklage ist geistlich eingef¨arbt und st¨utzt sich auf zeitgen¨ossisch gel¨aufige Motive: Notwendigkeit des Alterns (Str. 1), Hinwendung zum Paradies (Str. 2), Anrufung Marias und Preis (Str. 3), Pilgergleichnis mit Aufruf zur Umkehr (Str. 4). Die erste Strophe bietet den Topos von der Galle im Honig, der auch in Walthers sog. Elegie (L 124,36) erscheint. Der Topos war allerdings auch unabh¨angig von Walther sehr verbreitet. In jedem Fall scheint eine formale Abh¨angigkeit der Altersklage von der Elegie zu bestehen, wenngleich die Form der K.-Strophen nicht zweifelsfrei zu bestimmen ist. So scheinen die waltherschen Langzeilen teils durch Binnereime in eine Kanzonengliederung u¨ berf¨uhrt worden zu sein. Die KanzonenStollen bestehen im Aufgesang aus je drei Langzeilen, w¨ahrend der Abgesang vier Langzeilen aufweist. Die ersten beiden Stollenverse weisen die Binnenreime auf. Die Strophenschl¨usse werden durch Kadenzwechsel (von m¨annlich zu klingend) markiert. Man hat es hier mit einer eigenst¨andigen Abwandlung eines urspr¨unglich epischen Versmodells zu tun, die an sp¨atere Sprucht¨one erinnert. Dass das Lied des von K. aber einen Einfluss auf diese ausge¨ubt h¨atte, ist angesichts der geringen Verbreitung der Altersklage, die durch die unikale ¨ Uberlieferung und fehlende textuelle Bez¨uge auf diese indiziert wird, nicht anzunehmen. ¨ Uberlieferung: Z¨urich, ZB, Cod. Z XI 302, 106r (Perg., 13./14. Jh.). Schwabenspiegel-Hs., die auf dem letzten Bl. eine nachgetragene lyrische Kleinslg. enth¨alt (MF-Sigle r). Ausgaben: HMS 3,1 (1838) S. 468m f. – Wilhelm Wackernagel: Lyrische Gedichte des 12., 13. und 14. Jh. In: Altdt. Bll. 2 (1840) S. 121–133, hier S. 122 f. – MF. Hg. v. Karl Lachmann/Moriz Haupt. Leipzig 1857, S. 120 f., 278 f. (seit der Bearb. v. Friedrich Vogt [1911] aus MF ausgeschieden). – Philipp Wackernagel: Das dt. Kirchenlied von der a¨ltesten Zeit bis zu Anfang des XVII. Jh. Bd. 2. Leipzig 1867, S. 57 f. – Karl Bartsch: Dt. Liederdichter des zw¨olften bis vierzehnten Jh. Eine Auswahl. 4. Aufl. besorgt v. Wolfgang Golther. Berlin 465
2. H¨alfte 13. Jh. 1906 (Nachdr. Darmstadt 1966) S. 32 f. – Werner H¨over/Eva Kiepe: Gedichte von den Anf¨angen bis 1300. Nach den Hss. in zeitlicher Folge (Epochen der dt. Lyrik 1). M¨unchen 1978 (Nachdr. 2001 u. d. T.: Dt. Lyrik v. den Anf¨angen bis zur Gegenwart 1) S. 354 f. Literatur: [Wilhelm] W.[illmanns], ADB 16 (1882) S. 484. – Volker Mertens, VL2 5 (1985) Sp. 39 f. – Franz Pfeiffer: Rezension v. MF 1857. In: Germania 3 (1858) S. 484–508, hier S. 490. – Emil ¨ Gottschau: Uber Heinrich von Morungen. Anh.: ¨ Uber die drei Perioden des Minnesangs vor Walther von der Vogelweide. In: PBB 7 (1880) S. 335–430, hier S. 418–426. – Richard Weissenfels: Der daktylische Rhythmus bei den Minnes¨angern. Diss. Halle 1886, S. 71–77. – August Nebe: Drei th¨uringische Minnesinger. Christian Luppin, Heinrich Hetzbolt von Weissensee und Heinrich v. K. In: Zs. des Harzver. f¨ur Gesch. und Alterthumskunde 19 (1886) S. 218–223. – Anton E. Sch¨onbach: Beitr. zur Erkl¨arung altdt. Dichtwerke. 1. St¨uck: Die a¨ lteren Minnes¨anger (Sb. Akad. der Wiss. in Wien, Phil.-Hist. Kl. 141). Wien 1899, S. 108–111. – Edward Schr¨oder: Seitenf¨ullsel (K.). In: ZfdA 70 (1933) S. 120. – Rudolf Herrmann: Heinrich v. K. Ein Minnes¨anger aus der Gegend von Weida. In: Th¨uringer F¨ahnlein 4 (1935) S. 539–543. – Uwe Meves (Hg.): Regesten dt. Minnes¨anger des 12. und 13. Jh. Berlin/New York 2005, S. 699–718. – Horst Brunner: ‹Disiu lied sank ein herre hiez von kolmaz›. Das Alterslied des Heinrich v. K. In: ‹vorschen, denken, wizzen›. Vom Wert des Genauen in den ‹ungenauen Wiss.›. FS Uwe Meves. Hg. v. Cord Meyer u. a. Stuttgart 2009, S. 121–129. VZ Der von Wildonie → Band 5. Heinrich von der Mure OP (?). – Minnes¨anger, erste H¨alfte/Mitte 13. Jh. (?). Bei H., der mit neun Strophen in vier Liedeinheiten in der → Heidelberger Liederhandschrift C vetreten ist, handelt es sich vermutlich um den 1223–63 bezeugten Dominikaner H. v. M., der Dompropst in Eichst¨att und sp¨ater Prior des Augsburger Dominikanerklosters war. Seine Familie stammte aus dem schw¨abischen Mauren bei Donauw¨orth. Da die in C unter H.s Namen u¨ berlieferten Lieder sprachlich am ehesten in der ersten H¨alfte des 13. Jh. anzusiedeln sind, d¨urften sp¨atere Namenstr¨ager als Dichter ausscheiden (ein 466
2. H¨alfte 13. Jh. Z¨urcher Geistlicher [bezeugt um 1300], ein fr¨ankischer Ritter [1291–1309] und ein steirischer Adeliger [1282], dessen Familie auch von → Ulrich von Liechtenstein erw¨ahnt wird [Frauendienst 458,28]). Textimmanente Hinweise fehlen. Bei den Liedern handelt es sich um eine einstrophige Weltabsage am Beginn des Corpus und drei inhaltlich-stilistisch konventionell gestaltete Minnelieder. Deren erstes ist eine Minneklage in Form eines erweiterten Wechsels (drei M¨anner- und eine Frauenstrophe). Die beiden anderen sind jeweils zweistrophig: ein Fr¨uhlings-/Frauenpreis in Reimpaaren und eine Minneklage in Stollenstrophen. Letztere enth¨alt den Topos der Augen als Verf¨uhrer und das Motiv der «frowe», die den Engeln vorzuziehen sei. Die vorangehende Einzelstrophe, in der das S¨anger-Ich dem weltlichen Leben entsagt, k¨onnte vor dem Hintergrund eines m¨oglichen geistlichen Verfassers u¨ ber das rein Topische hinausgehen und als Bericht u¨ ber den Eintritt in den geistlichen Stand aufgefasst werden. Die Strophe scheint mit ihren zahlreichen grammatischen Reimen («geriten» – «geritenen» – «reit», «besniten» – «besnitener» – «besneit» etc.) eine Nachahmung ¨ und Uberbietung eines Liedes von → Reinmar dem Alten (MF 198,4) zu sein. ¨ Uberlieferung: Heidelberg, UB, Cpg 848 (C) 75v–76rb (Perg., um 1300, alemannisch). Die Miniatur zeigt einen Novizen und einen Dominikanerabt (neben der Miniatur zu → Eberhard v. Sax die einzige M¨onchsdarstellung im Codex). Die Darstellung d¨urfte als Rekurs auf Lied 1 den Dichter beim Klostereintritt zeigen, wobei außertextliche biogr. Kenntnisse des Malers nicht zwingend sind. Wappen und Helm weisen H.s adelige Abkunft aus; Bild¨uberschrift: «Her Heinrich von der Mu˚ re». Lied 4 (Str. 8/9) wird auf Bl. 71va/b im → Buchein-Corpus wiederholt. Ausgaben: HMS 1 (1938) S. 119 f. – Kraus LD 1 (21978) Nr. 22. – Wernfried Hofmeister: Die steiri¨ schen Minnes¨anger. Edition, Ubersetzung, Komm. (GAG 472). G¨oppingen 1987, S. 19–27. Literatur: Wilhelm Willmanns, ADB 23 (1886) S. 677. – G¨unther Schweikle, VL2 3 (1981) Sp. 837 f. – De Boor/Newald 3/1 (51997) S. 271. – Karl Bartsch: Urkundliche Nachweise zur Gesch. der dt. Poesie. In: Germania 9 (1864) S. 145–152, hier S. 150. – Fritz Grimme: Neue Beitr. zur Gesch. der Minnes¨anger. In: Alemannia 22 (1894) S. 33–45, hier S. 38–40. – Alban St¨ockli: Der Minnes¨anger Herr H. v. der M. Eine literarische 467
Otto zum Turm Stud. Stans 1941. – Alfred Kracher: Der steirische Minnesang. In: Zs. des hist. Ver. f¨ur Steiermark 47 (1956) S. 123–156. – Joachim Bumke: Ministerialit¨at und Ritterdichtung. Umrisse der Forschung (Edition Beck 12). M¨unchen 1976, S. 55. – Kraus LD 2 (21978) S. 186–188. – W. Hofmeister: H. v. M. Ein steirischer Minnes¨anger? In: Bll. f¨ur Heimatkunde (Steiermark) 58 (1984) S. 60–67. – Ders. (s. Ausg.). – Codex Manesse. Die Miniaturen der Großen Heidelberger Liederhs. Hg. und erl. v. Ingo F. Walther unter Mitarbeit v. Gisela Siebert. Frankfurt/M. 1988 (62001) S. 66 f. (Tf. 33). – Franziska Wenzel: Vom Gestus des Zeigens und der Sichtbarkeit k¨unstlerischer Geltung im Codex Manesse. In: Visualisierungsstrategien in ma. Bildern und Texten (Phil.Stud.u.Qu. 195). Hg. v. Horst Wenzel u. a. Berlin 2006. S. 44–62, hier S. 51–54. VZ Otto zum Turm. – Minnes¨anger und Leichdichter, zweite H¨alfte 13./fr¨uhes 14. Jh. Unter dem Namen O.s u¨ berliefert die → Heidelberger Liederhandschrift C ein Autorencorpus von f¨unf Liedern und einen (vielleicht fragmentarischen) Leich. Ferner steht im → WinliCorpus von C Bl. 232v ein weiterer Leich, der die Selbstadresse des S¨angers «her t´vrner» (232vb) enth¨alt. Zudem beklagt der von → Gliers in einem Katalog verstorbener Leichdichter einen «v¯o tune» (68va). Dieser handschriftliche Befund ist die Grundlage f¨ur Karl Bartschs philologisches Konstrukt, an dessen Ende in seiner Schweizer Minnes¨anger-Ausgabe zwei O.s stehen: O. z. T. (I) und O. z. T. (II). Die Argumentation ist folgende: Der bei dem von Gliers genannte Dichter «von Turne» (dessen Namen in dieser Form auf einer Konjektur [schon HMS] beruht [!]) k¨onne chronologisch nicht mit dem O. z. T. in C identisch sein; deswegen sei ein a¨ lterer, gleichnamiger Dichter anzunehmen. Dieser sei kein anderer als der Verfasser des Leichs im Winli-Corpus, weswegen dieser Leich Winli abzusprechen sei und dem konstruierten Autor O. v. T. (I) geh¨ore. Zurecht wird dieses «delikate Konstrukt» (Schiendorfer, VL2 7 [1989] Sp. 236) schon l¨anger von der Forschung zur¨uckgewiesen, zumal die Selbstnennung bei Winli auch auf den → D¨urner gehen k¨onnte. Der Name O. z. T. ist in der Gegend um Luzern erstmals 1275 und dann oft zwischen 1312 und 1331 nachgewiesen. Der lange Gesamtzeitraum spricht daf¨ur, dass es sich vermutlich um zwei Namenstr¨ager (Vater und Sohn [?]) gehandelt hat, die 468
Der Zwinger einem ostschweizerischen Ministerialengeschlecht aus Rapperswil angeh¨ort haben k¨onnten. Die Familie stand in Diensten der Grafen von Rapperswil. Um 1300 wanderte wom¨oglich ein Zweig nach Luzern aus und trat in habsburgische Dienste. Falls es sich bei den Bezeugungen um zwei differenzierbare Personen handeln sollte, sind beide nach sprachlich-stilistischen Gesichtspunkten als Verfasser der Lieder denkbar. Das O. zugewiesene C-Corpus umfasst neben dem nachstehenden Leich vier dreistrophige Lieder und eines mit elf Strophen (Lied 2). Die ersten beiden Lieder sind literarhistorisch in zweierlei Hinsicht interessant. Zum einen verwenden sie mit dem Ton des J¨ungeren Titurel → Albrechts von Scharfenberg eine Epenstrophe, die außer bei diesen beiden Liedern in der Lieddichtung des 13. Jh. nicht auftaucht (und die mit 1260/70 einen ungef¨ahren Terminus post quem f¨ur die Abfassung der Lieder liefert). Zum anderen sind sie eines der wenigen Beispiele f¨ur die mehrfache Verwendung des selben Tons durch einen Minnes¨angern. Die Lieder 3 und 4 haben Terzinenstollen, Lied 5 weist eine kunstvolle Binnereimstruktur auf. Die Reimtechnik O.s ist u¨ berhaupt ansprechend mit Reimresponsionen (Lied 2, 4, 5), Alliterationen und Schlagreimen. Thematisch bewegt sich O. innerhalb der Tradition des konventionellen Sanges, wobei er die Freude der Liebeserwartung in den Vordergrund stellt. Individuelle Zu¨ ge erlangt sein Œuvre durch die eigenwillige Metaphorik (Vergleich des unbefriedigenden Minnedienstes mit einem Paukenschlag [Lied 2, Str. 4], Falken-und Adlervergleiche in den Liedern 3 und 4). Seine ungew¨ohnlichen Bilder und der Gebrauch des Titureltons r¨ucken O. in eine entfernte Verwandtschaft zu → Wolfram von Eschenbach. ¨ Uberlieferung: Heidelberg, UB, Cpg 848 (C) 194r–195va (Perg., um 1300, alemannisch). Die Miniatur zeigt H. flankiert von zwei Edelfrauen, die ihm Schild und Helm u¨ berreichen. Das abgebildete Wappen spricht f¨ur eine Zugeh¨origkeit zum Rap¨ perswiler Geschlecht (Ahnlichkeit mit dem entsprechenden in der Z¨urcher Wappenrolle [1335/45]). ¨ Uberschrift: «her Otto vom Turne»; die Marginalie auf 194v (oben links) lautet hingegen: «her Otte zem Tvrne». Ausgaben: HMS 1 (1838) S. 343–346; 3 (1838) S. 643 f. – Karl Bartsch (Hg.): Die Schweizer Minnes¨anger (Bibl. a¨ lterer Schriftwerke der dt. Schweiz 6). Frauenfeld 1886 (Nachdr. Darmstadt 469
2. H¨alfte 13. Jh. 1964) S. 385–391, 469 f. (Nr. XXXI = O. z. T. II); der Leich fehlt, was aber ein bloßes Versehen zu sein scheint und keine Authentizit¨atsentscheidung. – Cramer 2 (1979) S. 407–415. – Walter Haas: Minnesang im Luzernbiet (Luzerner Poeten ¨ 1). Hitzkirch 1981, S. 82–99 (mit Ubersetzung). – Die Schweizer Minnes¨anger. Nach der Ausg. v. K. Bartsch neu bearb. und hg. v. Max Schiendorfer. Bd. 1: Texte. T¨ubingen 1990, S. 152–161 (Nr. 15). Literatur: Richard M. Meyer, ADB 39 (1895) S. 23 f. – Robert Durrer, HBLS 7 (1934) S. 99 f. – Max Schiendorfer, VL2 7 (1989) Sp. 235–238. – De Boor/Newald 3/1 (51997) Reg. – Franziska H¨alg-Steffen: Familienart. ‹Turm, zum›. In: HLS (online, Version 23.2.2011, www.hls-dhsdss.ch/textes/d/D20282.php). – HMS 4 (1838) S. 291–293. – Alois L¨utolf: Urkundliches zu mhd. Liederdichtern. In: Germania 9 (1864) S. 460–463. – Ders.: Herr O. vom Turne, der Minnesinger zu Lucern. In: Der Geschichtsfreund 25 (1870) S. 1–32. – Bartsch (s. Ausg.) S. CIV–CVI, CCX–CCXVI. – Fritz Grimme: Die Schweizer Minnes¨anger. In: Germania 35 (1890) S. 302–339, hier S. 305 f., 322 f. – Adolf Socin: Zu den Schweizer Minnes¨angern. In: Germania 36 (1891) S. 311–320, hier S. 313. – Jakob Baechtold: Gesch. der dt. Lit. in der Schweiz. Frauenfeld 1887, S. 154 f. – Hans A. von Segesser: Herren vom Turne. In: Schweizer Arch. f¨ur Heraldik 41 (1927) S. 170–172. – R. Durrer: Die Kunstdenkm¨aler des Kantons Unterwalden. Zu¨ rich 1899–1928 (Nachdr. Basel 1971) S. 940 f. – Walther Merz/ Friedrich Hegi (Hg.): Die Wappenrolle von Z¨urich. Z¨urich 1930, S. 126, 225 f. – Hugo Kuhn: Minnesangs Wende (Hermaea 1). T¨ubingen 21967, S. 123. – Joachim Bumke: Ministerialit¨at und Ritterdichtung. Umrisse der Forschung (Edition Beck 12). Mu¨ nchen 1976, Reg. – Cramer 2 (1979) S. 536–538. – Codex Manesse. Die Miniaturen der Großen Heidelberger Liederhs. Hg. und erl. v. Ingo F. Walther unter Mitarbeit v. Gisela Siebert. Frankfurt/M. 1988 (62001) S. 130 f. (Tf. 64). – Christina Kreibich: Der mhd. Minneleich. Ein Beitr. zu seiner Inhaltsanalyse (W¨urzburger Beitr. zur dt. Philologie 21). W¨urzburg 2000, S. 60–63 und Reg. VZ Der Zwinger. – Sangspruchdichter, 13. Jh. Lieder in T¨onen Z.s werden handschriftlich erst ab dem 15. Jh. und in der Regel anonym tradiert. Einzige Ausnahme ist ein Minnelied → Werners 470
2. H¨alfte 13. Jh. von Hohenberg (1WernH/2/1), das Z.s «Roten Ton» verwendet. Der Tod Werners 1320 ist der gesicherte Terminus ante quem, das Lied d¨urfte aber noch fr¨uher entstanden und Z. dem 13. Jh. zuzurechnen sein. Vielleicht ist auch die Verwendung des Verbs «twingen» im Lied Werners kein Zufall. F¨ur eine fr¨uhe zeitliche Einordnung Z.s spricht ferner die Benutzung des «Goldenen Tons» durch Fritz → Kettner. Außerdem stehen in der → Augsburger Cantionessammlung (Augsburg, UB, Cod. II.1.2° 10, 234va, 239ra) zwei lat. Leichs der Dichter Mersburch bzw. Estas mit der Tonangabe «in coream twingarii». Es k¨onnte sich um Kontrafakturen verlorener Lieder Z.s handeln. In der ¨ Uberlieferung ab dem 15. Jh. treten zum «Roten» (auch «Braunen») und «Goldenen Ton» noch der «Hofton». Da zu Letzterem keine Texte vor der zweiten H¨alfte des 15. Jh. bekannt sind, k¨onnte er Z. untergeschoben worden sein. Meisterliche Melodien sind zum «Roten Ton» und zum «Hofton» u¨ berliefert. Die Meisters¨anger benutzten beide T¨one weiter und gaben Z. den Vornamen Peter. Ob sich «echte» Lieder von Z. unter den in seinen T¨onen u¨ berlieferten Baren finden, ist unsicher. Das Passionslied 1Zwing/3/1 wird ihm von der → Kolmarer Liederhandschrift (k) zwar ausdr¨ucklich zugewiesen («Jn des Zwingers Rotten don sin hort», 79r [Korpus¨uberschrift]), doch sicher zu Unrecht, da das Bar j¨unger sein d¨urfte. F¨ur die erste Strophe des Dreierbars 1Zwing/3/5 (k 81v) ist anhand der Autorsignatur «zwinge» Z.s Autorschaft gesichert, da auch das Alter der Strophe nicht in Zweifel zu ziehen ist. Ob die beiden weiteren Strophen des Bars Z. geh¨oren, ist nicht ausgeschlossen aber unsicher. Es liegt keine zwingende inhaltliche Koh¨arenz u¨ ber die Strophengrenzen hinaus vor (Str. 1: Gruß an den Gastgeber, Str. 2: Vater-SohnLehre, Str. 3: Ermahnung des reichen Gastgebers), so dass die Strophen 2 und 3 auch sp¨atere Zus¨atze zur Barkomplettierung sein k¨onnten. Alt k¨onnte schließlich auch die vierte Strophe eines kompilierten Bars im «Goldenen Ton» sein (Heidelberg, UB, Cpg 680, 42r/v; 1Zwing/1/2), die neben der formalen Entsprechung auch inhaltliche Ber¨uhrungspunkte mit Kettners Prophetentanz aufweist. ¨ Uberlieferung: Vorreformatorische Lieder Z.s werden von elf Hss. und u¨ ber 20 Drucken tradiert. Vgl. RSM (s. Lit.). – Einzig k enth¨alt mit 7 Baren im «Roten Ton» ein gr¨oßeres Corpus (79r–83r), die Meisterlied-Slg. des Hans Sachs in Berlin, SBB, Mgq 414 (1517/18) bietet zu jedem der drei To¨ ne 471
Markgraf Heinrich (III.) von Meißen je ein Bar (365r–366v). Zur Melodie¨uberl. vgl.: Robert Staiger: Benedict von Watt. Ein Beitr. zur Kenntnis des b¨urgerlichen Meistergesangs um die Wende des 16. Jh. (Publ. der Internationalen Musikgesellsch. Beih. 2,13). Leipzig 1914, S. 106 f. Ausgaben: Cramer 3 (1982) S. 514–535; 4 (1985) S. 372–392. – Zu Abdrucken einzelner Lieder s. RSM (s. Lit.). – Melodieausg.: Paul Runge: Die Sangesweisen der Colmarer Hs. und die Liederhs. Donaueschingen. Leipzig 1896 (Nachdruck Hildesheim 1965) Nr. 18. – Horst Brunner/Johannes Rettelbach: Die To¨ ne der Meistersinger. Die Hss. der StB N¨urnberg Will III. 792, 793, 794, 795, 796. In Abb. und mit Materialien. Mit einem Anhang v. Klaus Kramer (Litterae 47). G¨oppingen 1980, x, Nr. 130 f. – H. Brunner/Karl-G¨unther Hartmann: Spruchsang. Die Melodien der Sangspruchdichter des 12. bis 15. Jh. (Monumenta monodica medii aevi 6). Kassel 2010, S. 452–456. Literatur: RSM 5 (1991) S. 618–629; 1 (1994) S. 28. – J. Rettelbach, VL2 10 (1999) Sp. 1632–1634. – Gisela Kornrumpf: Rezension Antonius H. Touber, Dt. Strophenform des MA. In: PBB (T¨ub.) 99 (1977) S. 313–321, hier S. 319 f. – Dies./Burghart Wachinger: Alment. Formentlehnung und T¨onegebrauch in der mhd. Spruchdichtung. In: Dt. Lit. im MA. Kontakte und Perspektiven. Hugo Kuhn zum Gedenken. Stuttgart 1979, S. 356–411. – Frieder Schanze: Meisterliche Liedkunst zwischen Heinrich v. Mu¨ geln und Hans Sachs. Bd. 1: Unters. / Bd. 2: Verz. (MTU 82/83). Mu¨ nchen 1983/84, Reg. – J. Rettelbach: Variation – Derivation – Imitation. Unters. zu den T¨onen der Sangspruchdichter und Meistersinger (Fr¨uhe Neuzeit 14). T¨ubingen 1993, Reg. – G¨unther H¨agele: Lat. ma. Hss. in Folio der UB Augsburg. Die Signaturengruppe Cod. I.2.2° und Cod. II.1.2° 1–90 (Die Hss. der UB Augsburg 1,1). Wiesbaden 1996, S. 119–122. – Michael Baldzuhn: Vom Sangspruch zum Meisterlied. Unters. zu einem literarischen Traditionszusammenhang auf der Grundlage der Kolmarer Liederhs. (MTU 120). T¨ubingen 2002, S. 263–265, 472. VZ Markgraf Heinrich (III.) von Meißen (genannt der Erlauchte [Henricus illustris]), * 1215/16 oder 1218, † 8.2.1288 Grablegung im Zisterzienserkloster Altenzella. – Minnes¨anger. H. wurde als adliger Laienk¨unstler mit sechs Liedern in die → Heidelberger Liederhandschrift C aufgenommen. Zum Geburtsdatum des Sohnes Dietrichs von Meißen, Neffen Graf → Heinrichs von 472
Markgraf Heinrich (III.) von Meißen Anhalt und Parteig¨angers Friedrich II. gibt es divergierende Angaben (zwischen dem 30.8.1215 und Juni 1216, zwischen 21.5. und 23.9.1218). Seine Mutter Jutta war die Tochter Hermanns von Th¨uringen, des F¨orderers → Wolframs von Eschenbach. Durch die zweite Ehe seiner Mutter bestanden auch famili¨are Beziehungen zu → Otto von Botenlauben. Ab 1230 f¨uhrte H. die Regierungsgesch¨afte. Sein gr¨oßtes politisches Verdienst ist die Ausweitung und Konsolidierung der wettinischen Landesherrschaft, die 1264 ihren H¨ohepunkt erreichte und die vier Reichsf¨urstent¨umer Th¨uringen, Sachsen, Pleißenland und die Mark Meißen einbeschloss. Seine drei Ehen verschafften ihm Bindungen zu den Staufern, Babenbergern und nach B¨ohmen. Seinen Beinamen verdankt er seiner aufwendigen Hofhaltung. Er veranstaltete prunkvolle Turniere, wirkte als M¨azen und komponierte neben seiner dichterischen T¨atigkeit auch geistliche Musik: 1254 wurden seine Kyrieund Gloriakompositionen von Innozenz IV. zum kirchlichen Gebrauch zugelassen. Die k¨unstlerische Bet¨atigung war bei vielen ostdt. F¨ursten (vgl. neben Graf Heinrich von Anhalt auch H.s Schwager → Wenzel (II.) von B¨ohmen, → Otto IV. von Brandenburg und → Heinrich von Breslau) offensichtlich ein Teil der feudal-sozialen Repr¨asentation. Seinem M¨azenatentum verdankt H. W¨urdigungen von namhaften Dichtern: → Reinmar von Zweter (1ReiZw/1/227), → Tannh¨auser (Leich 6) und bei → Konrad von W¨urzburg im Turnier von Nantes (V. 1002 ff.; 1021). Vielleicht zielt auch das F¨urstenlob des → Wartburgkrieges (1Wartb/1/1) indirekt auf H. Die zwei- und dreistrophigen Lieder H.s entsprechen der Konvention der Lyriker des sp¨atstaufischen Kreises. Formal, motivlich und sprachlich sind Einfl¨usse → Heinrichs von Morungen, → Reinmars des Alten, → Walthers von der Vogelweide und → Gottfrieds von Neifen feststellbar; auch Otto von Botenlauben d¨urfte nicht ohne Wirkung auf H. gewesen sein. Die Themen der Lieder sind Minneklage, Frauenpreis, Bitte um Erh¨orung und erf¨ullte Liebe. Lied 1 ragt mit seiner Absage an klassische Liedtopoi aus dem schmalen Corpus heraus. Es verwendet einen negativ konnotierten Natureingang («Lassen wir die bl˚umen rot beliben / die sint verdorben») und hinterfragt in der zweiten Strophe das Gl¨uck der Liebesnacht in einer Tageliedsituation («Ich hoere sagen im si wol zem˚vte / der tovgenlicher minne enpflege»). Die 473
2. H¨alfte 13. Jh. Baumuster der Strophen folgen gel¨aufigen Mustern des hohen Minnesangs. Der Ton von Lied 2 wird auch in einer sp¨ateren Variation → Christians von Hamle u¨ berliefert. Ton 3 ist mit Ton 1 Heinrichs von Breslau identisch, was auf einer Beeinflussung beruhen k¨onnte, deren Richtung unklar ist. Die ¨ Ubereinstimmung von Ton 5 mit einem Liedton → Hugo von Montforts (Nr. 21) hingegen d¨urfte auf einem Zufall beruhen. ¨ Uberlieferung: Heidelberg, UB, Cpg 848 (C) 14v–15va (Perg., um 1300, alemannisch); nach den jeweils nur zweistrophigen Liedern 2 und 4 ist Raum f¨ur weitere Str. gelassen (ohne dass die Lieder unvollst¨andig wirkten). Die Redaktion ging wom¨oglich von der f¨ur im sp¨ateren Minnesang kanonischen Dreistrophigkeit aus. Die Miniatur zeigt H. bei der Falkenjagd, Wappenschild und Helm sind beigegeben (Wappen stimmt mit dem markgr¨aflich-wettinischen u¨ berein); Bild¨uberschrift: «Margraue heinrich von misen». Ausgaben: HMS 1 (1938) S. 13 f. – Karl Bartsch: Die Lieder des Markgrafen H. des Erlauchten. In: Mitt. des Ver. f¨ur Gesch. der Stadt Meißen 1,3 (1884) S. 15–19. – Kraus LD (21978) S. 153–156. – Helmut Brackert: Minnesang. Mhd. Texte mit ¨ Ubertragungen und Anm. Frankfurt/M. 22008, S. 220 f. (Teilausg.). Literatur: Heinrich Theodor Flathe, ADB 11 (1880) S. 544–546. – Herbert Helbig; NDB 8 (1969) S. 373. – Volker Mertens, VL2 3 (1981) Sp. 785–787; 11 (2004) Sp. 632. – Karlheinz Blaschke, LexMA 4 (1989) Sp. 2072 f. – Jens Pfeiffer, Killy2 5 (2009) S. 193 f. – Friedrich Wilhelm Tittmann: Gesch. H.s des Erlauchten, Markgrafen zu Meißen und im Osterlande und Darstellungen der Zust¨ande in seinen Landen. 2 Bde. Dresden 1850. – Gustav Roethe: Die Gedichte Reinmars v. Zweter. Leipzig 1887 (Nachdr. Amsterdam 1967) S. 76–78. – Adolf Frisch: Unters. u¨ ber die ver¨ schiedenen mhd. Dichter, welche nach der Uberl. den Namen Meissner f¨uhren. Diss. Jena 1887. – Rudolf K¨otzschke/Hellmut Kretzschmar: S¨achsische Gesch. Werden und Wandlungen eines Dt. Stammes und seiner Heimat im Rahmen der Dt. Gesch. Leipzig 1935 (Nachdr. Frankfurt/M. 1977) S. 81–84. – Mihai Isb˘a¸se.scu: Minne und Liebe. Ein Beitr. zur Begriffsdeutung und Terminologie des Minnesangs (T¨ubinger germanistische Arbeiten 27). Stuttgart 1940, S. 149 f. – Karl Bosl: H. v. M. In: Biogr. W¨orterbuch zur dt. Gesch. Bd. 1. 474
2. H¨alfte 13. Jh. Hg. v. Hellmuth R¨oßler/G¨unther Franz. Mu¨ nchen 21973, Sp. 1094 f. – Helmut de Boor: Drei F¨ursten im mittleren Deutschland. In: FS Ingeborg Schr¨obler (PBB [Tu¨ b.] 95 Sonderh.). Hg. v. Dietrich Schmidtke/Helga Sch¨uppert. T¨ubingen 1973, S. 238–257. – Burghart Wachinger: S¨angerkrieg. Unters. zur Spruchdichtung des 13. Jh. (MTU 42). Mu¨ nchen 1973, S. 65. – Kraus LD 2 (21978) S. 182–186. – Hans Patze/Walter Schlesinger: Gesch. Th¨uringens. Bde. 2,1 und 2,2: Hohes und sp¨ates MA. K¨oln/Wien 1974/73, Reg. – Joachim Bumke: M¨azene im MA. Die G¨onner und Auftraggeber der h¨ofischen Lit. in Deutschland, 1150–1300. Mu¨ nchen 1979, S. 207, 219 und Reg. – Codex Manesse. Die Miniaturen der Großen Heidelberger Liederhs. Hg. und erl. v. Ingo F. Walther unter Mitarbeit v. Gisela Siebert. Frankfurt/M. 1988 (62001) S. 14 f. (Tf. 7). – Uwe Meves (Hg.): Regesten dt. Minnes¨anger des 12. und 13. Jh. Berlin/New York 2005, S. 431–650. – J¨org Rogge: Die Wettiner. Aufstieg einer Dynastie im MA. Ostfildern 22009, S. 59–81. VZ Hugo von Werbenwag (Huc von Werbenwˆac). – Minnes¨anger, 13. Jh. H. stammte aus einem schw¨abischen Ministerialengeschlecht, das bei Beuron ans¨assig war und im Dienst des Minnes¨angers → Albrecht von Haigerloch (Graf Albert II. von Hohenberg) stand. In einem von H.s Liedern wird auf Kaiser Friedrich II., K¨onig Konrad IV. und Gegenk¨onig Heinrich Raspe (IV.) als Zeitgenossen angespielt. H. muss also zwischen der Kr¨onung Heinrichs am 22.5.1246 und Raspes Tod am 16.2.1247 bereits dichterisch t¨atig gewesen sein. H. ist sp¨ater 1258, 1263, 1268 und 1279 urkundlich nachweisbar. 1292 ist in Salem ein Mo¨ nch gleichen Namens bezeugt, H. k¨onnte sich also im hohen Alter in das Kloster zur¨uckgezogen haben. Unsicher ist H.s Identit¨at mit einem Ritter von W., der 1267 das Kloster St. Georgen u¨ berfiel und angeblich durch eine Lepra-Erkrankung f¨ur diese Tat bestraft wurde. Die → Heidelberger Liederhandschrift C enth¨alt auch eine bildliche Darstellung H.s, die den Dichter und seine Geliebte in enger Umarmung auf einem Bett sitzend zeigt. Ein Wappen H.s ist in C allerdings nicht verzeichnet. Das in C u¨ berlieferte Korpus H.s besteht aus 16 Strophen in f¨unf T¨onen. Abgesehen von einem Frauenpreis in Lied III handelt es sich um Sommerlieder. Bekannt ist besonders Lied I, in 475
Hugo von Werbenwag dem der Dichter sich einen Minnelohn zu erstreiten versucht. Er wendet sich zu diesem Zweck an die oben genannten Kaiser und K¨onige, um zu seinem Recht zu gelangen. Die abschließende Frauenstrophe bes¨anftigt den zornigen Dichter jedoch mit dem Hinweis, Minne sei f¨ur ihn besser als Recht. Insgesamt wird H. der schw¨abischen Schule zugeordnet, da seine Lieder meist keinen Auftakt verwenden (Ausnahme: Lied V). Sein Wortschatz verweist auf den Hohen Minnesang. In den Liedern finden sich Einfl¨usse → Reinmars von Zweter, → Gottfrieds von Neifen und → Konrads von W¨urzburg. Letzterem verdankt sich wahrscheinlich H.s intensive Verwendung der Annomination in Lied V. H.s Werk wiederum wirkte auf → Rudolf II. von Stadegge, → Ulrich von Winterstetten und → Konrad von Landeck, die T¨one H.s adaptierten. ¨ Uberlieferung: Heidelberg, UB, Cpg 848, 252r–253ra (Perg., erste H¨alfte 14. Jh.). Ausgaben: HMS 2 (1838) S. 67–69. – Karl Bartsch/Wolfgang Golther. (Hg.): Dt. Liederdichter des zw¨olften bis vierzehnten Jh. Berlin 41901, Nr. XLIX (Lied 1). – Fridrich Pfaff: Der Minnesang im Lande Baden. Heidelberg 1908, S. 66–71. – Ulrich M¨uller (Hg.): Politische Lyrik des dt. MA. Bd. 1 (GAG 68). G¨oppingen 1972, S. 53 f. – Kraus LD 1 (21978) S. 181–184. – Epochen der dt. Lyrik. Bd. 1. Hg. v. Walther Killy/Werner H¨over. M¨unchen 1978 (Nachdr. ebd. 2001) S. 305. – Burghart Wachinger (Hg.): Dt. Lyrik des sp¨aten MA (BdK 191/BMA 22). Frankfurt/M. 2006, S. 238–243. – Vgl. auch die Ausg. der Heidelberger Liederhandschrift C. Literatur: HMS 4 (1838) S. 409 f. – Richard M. Meyer: Werbenwˆac, Huc von. In: ADB 41 (1896) S. 743 f. – Kraus LD 2 (21978) S. 242–244. – Volker Mertens, VL2 4 (1983) Sp. 292 f. – De Boor/Newald 3/1 (51997) S. 311, 371. – Barbara von Wulffen: Der Natureingang in Minnesang und fru¨ hem Volkslied. M¨unchen 1963, S. 16 f., 44. – Rudolf Gauger: Der schw¨abische Minnes¨anger Hug v. W. In: Zs. f¨ur Hohenzollerische Gesch. 21 (1985) S. 9–20. – Codex Manesse. Die Miniaturen der Großen Heidelberger Liederhs. Hg. und erl. v. Ingo F. Walther unter Mitarbeit v. Gisela Siebert. Frankfurt/M. 1988 (62001) S. 168 f. (Tf. 82). – Uwe Meves (Hg.): Regesten dt. Minnes¨anger des 12. und 13. Jh. Berlin/New York 2005, S. 691–697. – Cornelia Herberichs: Auf der Grenze des H¨ofischen. Gewalt und Minnesang. In: Gewalt im MA. Realit¨aten – Imaginationen. Hg. v. dems./Manuel Braun. Mu¨ nchen 2005, S. 341–364. MM 476
Markgraf Otto IV. von Brandenburg (mit dem Pfeil) Markgraf Otto IV. von Brandenburg (mit dem Pfeil), * um 1238, † 1308. – Minnes¨anger. O. ist als f¨urstlicher Dilettant mit einem schmalen Corpus von sieben Liedern in 17 Strophen in der → Heidelberger Liederhandschrift C vertreten. Der zweite Sohn Markgrafs Johann I. und Enkel K¨onig Waldemars II. von D¨anemark verdankt seinen Beinamen einer Verwundung, die er sich bei der Belagerung von Staßfurt bei Magdeburg zugezogen hat. Am Kopf von einem Pfeil getroffen, ließ sich die Pfeilspitze u¨ ber einen l¨angeren Zeitraum nicht entfernen. Nach dem Tode seines Vaters (1266) und seines Onkels Otto III. (1267) regierte O. die Mark zusammen mit seinen Br¨udern und Vettern. In der Auseinandersetzung zwischen Rudolf von Habsburg und Ottokar von B¨ohmen stand O. auf der Seite des mit ihm versippten b¨ohmischen K¨onigs. Seit 1281 nahm er unter seinen Mitregenten offenkundig die F¨uhrungsposition ein. Bei den K¨onigswahlen 1292 und 1298 u¨ bte er das Kurrecht f¨ur seine Familie aus und war 1208 zumindest unter den Wahlvorschl¨agen zum dt. K¨onig. Unter O. erlangte die Mark ihre gr¨oßte Ausdehnung w¨ahrend der askanischen Herrschaft u¨ ber Brandenburg (die allerdings kurz nach seinem erbenlosen Tod ein Ende fand). Noch im 14. Jh. fand der tatkr¨aftige Askanier Eingang in bedeutende Chroniken (→ Magdeburger Sch¨oppenchronik, → Detmar von L¨ubeck). In der Leich- und Spruchdichtung werden Brandenburger Markgrafen aus drei Generationen ger¨uhmt. O. selbst wird in einem Spruch des Meißners (RSM: 1Mei/17/9) gelobt und sein Tod wird von → Regenbogen beklagt (1Regb/1/9). Sein Vater und sein Onkel werden in → Tannh¨ausers sechstem Leich gepriesen, auch seine Br¨uder Otto V. und Albrecht der III. erscheinen in der Dichtung. Der letzte genannte Vertreter ist sein Enkel Waldemar, der bei → Frauenlob und wiederum Regenbogen erscheint. Als Dichter ist aber nur O. bezeugt, dessen Familie ein Zeugnis daf¨ur abliefert, dass die F¨orderung und Aus¨ubung der h¨ofischen Dichtkunst offensichtlich Teil der feudal-sozialen Repr¨asentation an ostdt. H¨ofen war (vgl. auch Graf → Heinrich von Anhalt, Markgraf → Heinrich III. von Meißen, → Heinrich von Breslau). O.s Lieder fallen inhaltlich und formal konventionell aus. Er bevorzugt dreistrophige Lieder, siebenversige Strophen und vierhebige Verse in schlichter Gestalt. Einige Passagen verraten die 477
2. H¨alfte 13. Jh.
Kenntnis → Walthers von der Vogelweide und vor allem → Heinrichs von Morungen. Diese Kenntnisse k¨onnten teilweise auch u¨ ber den regionalen nachklassischen Minnesang vermittelt worden sein, zu denken w¨are z. B. an Heinrich III. von Meißen. In Lied 1 und 3 begegnet das bekannte Motiv von den Vorz¨ugen langer Wintern¨achte f¨ur die Minne. Generell nimmt O. gerne traditionelle Motive auf, die er dann leicht variiert. Lehrhaft ist der Diskurs in Lied 4 u¨ ber «minne» und «unminne» geraten, der im Argumentationsstil an sp¨atere Minnereden erinnert. Der schwungvolle Frauenpreis von Lied 5 ist vielleicht O.s u¨ berzeugendste Dichtung. ¨ Uberlieferung: Heidelberg, UB, Cpg 848 (C) r 13 –14rb (Perg., um 1300, alemannisch). Die Miniatur zeigt H. beim Schachspiel mit einer Dame unter dem Wappen der Askanier als Markgrafen v. Brandenburg; Bild¨uberschrift: «margrave otte v¯o brand¯ebvg mit dem pfile». Hinter den einzigen nicht dreistrophigen Liedern des Corpus (2 und 6 [je 2 Str.] und 3 [1 Str.] ist Raum f¨ur Zusatzstrophen gelassen. Ausgaben: HMS 1 (1838) S. 11 f. – Dt. Liederdichter des zw¨olften bis vierzehnten Jh. Hg. v. Karl Bartsch. 4. Aufl. besorgt v. Wolfgang Golther. Berlin 1900, S. 252 f. (Nr 80) (nur Lied 5). – Ostdt. ¨ Minnesang. Auswahl und Ubertragung v. Margarete Lang. Melodien hg. v. Walter Salmen (Schr. des Kopernikus-Kreises 3). Lindau u. a. 1958, S. 48–51 (Lied 2, 3 und 5). – Kraus LD 1 (21978) S. 317–320 (Nr. 42). – Werner H¨over/Eva Kiepe: Gedichte von den Anf¨angen bis 1300. Nach den Hss. in zeitlicher Folge (Epochen der dt. Lyrik 1). M¨unchen 1978 (Nachdr. 2001 u. d. T.: Dt. Lyrik von den Anf¨angen bis zur Gegenwart 1) S. 462 f. (nur Lied 5, ¨ mit Ubers.). – Dt. Gedichte des MA. Mhd./Nhd. Ausgew¨ahlt, u¨ bers. und erl. v. Ulrich M¨uller in Zusammenarbeit mit Gerlinde Weiss (RUB 8849). Stuttgart 22009, S. 92 (nur Lied 3). Literatur: Otto von Heinemann/Konrad Burdach, ADB 24 (1887) S. 659–661. – Ingeborg Glier, VL2 7 (1989) Sp. 213–215. – Felix Escher, LexMA 6 (1993) Sp. 1578 f. – De Boor/Newald 3/1 (51997) S. 288. – F. Escher, NDB 19 (1998) S. 677. – Gisela Kornrumpf, Killy2 9 (2010) S. 37 f. – HMS 4 (1838) S. 25–29; 5 (1856) S. 112–130. – Friedrich Heinrich von der Hagen: Die Brandenburger Markgrafen des Askanischen Stammes als Dichter und von gleichzeitigen Dichtern besungen. In: M¨arkische Forschung 1 (1841) S. 95–114. – Gustav Roethe: Die Reimvorreden des Sachsenspiegels 478
2. H¨alfte 13. Jh. (Abh. der Ges. der Wiss. zu G¨ottingen. Philol.Hist. Kl. 2, 8). Berlin 1899, S. 59. – K. Burdach: O. v. B. In: Ders.: Reinmar der Alte und Walther von der Vogelweide. Halle 21928, S. 417–419. – Anton Wallner: Tannh¨auser-Kritik. In: ZfdA 71 (1934) S. 213–226, hier S. 219. – Marga Heyne: Das dichterische Schrifttum der Mark Brandenburg bis 1700. Eine B¨ucherkunde (Brandenburgisches Jb. 13). Potsdam u. a. 1939, S. 11–13. – Hermann Krabbo/Georg Winter: Regesten der Markgrafen von Brandenburg aus askanischem Hause (Ver¨off. des Ver. f¨ur Gesch. der Mark Brandenburg). Berlin 1955, Nr. 2105. – Johannes Schultze: Die Mark Brandenburg. Bd. 1. Entstehung und Entwicklung unter den askanischen Markgrafen (bis 1319). Berlin 1961, 42011 (5 Bde. in 1 Bd.) S. 176–205, 212–214. – Eberhard Schmidt: Die Mark Brandenburg unter den Askaniern (Mitteldt. Forschungen 71). K¨oln/Wien 1973, S. 50–52, 178–185 u. o¨ . – Joachim Bumke: Ministerialit¨at und Ritterdichtung. Umrisse der Forschung (Edition Beck 12). M¨unchen 1976, Reg. – Kraus LD 2 (21978) S. 380–382. – J. Bumke: M¨azene im MA. Die G¨onner und Auftraggeber der h¨ofischen Lit. in Deutschland, 1150–1300. Mu¨ nchen 1979, S. 226 f. und Reg. – Olive Sayce: The Medieval German Lyric 1150–1300. The Development of its Themes and Forms in their European Context. Oxford 1982, Reg. – Manfred Eikelmann: Denkformen im Minnesang. Unters. zu Aufbau, Erkenntnisleistung und Anwendungsgesch. konditionaler Strukturmuster des Minnesangs bis um 1300 (Hermaea NF 54). T¨ubingen 1988, Reg. – Codex Manesse. Die Miniaturen der Großen Heidelberger Liederhs. Hg. und erl. v. Ingo F. Walther unter Mitarbeit v. Gisela Siebert. Frankfurt/M. 1988 (62001) S. 12 f. (Tf. 6). – Eva B. Scheer: Daz geschach mir durch ein schouwen: Wahrnehmung durch Sehen in ausgew¨ahlten Texten des dt. Minnesangs bis zu Frauenlob (Europ¨aische Hochschulsschr. 1,1211). Frankfurt/M. 1990, S. 100. – Eva Willms: Liebesleid und Sangeslust. Unters. zur dt. Liebeslyrik des sp¨aten 12. und fr¨uhen 13. Jh. (MTU 94). Mu¨ nchen 1990, S. 192, 278. – HansJoachim Behr: Landesherren als Minnes¨anger. Zur Lieddichtung Markgraf O.s IV. v. B. (m. d. P.), Herzog Heinrichs IV. von Breslau und K¨onig Wenzels II. von B¨ohmen. In: JOWG 6 (1990/91) S. 85–92. – Dagmar Hoffmann-Axthelm: M. O. v. B. m. d. P. (Codex Manesse, fol 13). Zum h¨ofischen Minne-, Schach- und Instrumentalspiel 479
Durner ¨ im fr¨uhen 14. Jh. In: Musikalische Ikonographie (Hamburger Jb. f¨ur Musikwiss. 12). Hg. v. Harald Heckmann u. a. Laaber 1994, S. 157–170. – Andrea Seidel: Markgraf und Minnes¨anger. O. IV. v. B. In: ‹Dˆo tagte ez›. Dt. Lit. des MA in SachsenAnhalt. Hg. v. dems./Hans-Joachim Solms. Halle 2003, S. 71–76. – Carola L. Gottzmann: Die Lieder Wenzels und der b¨ohmische Hof als Zentrum der regierenden F¨ursten im Osten. In: B¨ohmen als ein kulturelles Zentrum dt. Lit. (Dt. Lit. in Mittel- und Osteuropa 3). Hg. v. Petra H¨orner. Frankfurt/M. u. a. 2004, S. 7–44. VZ Durner. ¨ – Minnes¨anger. Der D. ist nur durch ein in der → Heidelberger Liederhandschrift C u¨ berliefertes Minnelied nachgewiesen. Er d¨urfte im sp¨aten 13. Jh. gelebt haben und aus einer b¨urgerlichen Familie stammen, die zur damaligen Zeit im w¨urttembergischen Mengen nachweisbar ist. Das erhaltene f¨unfstrophige Lied schwelgt in Naturbildern; besonders die Rose spielt als Teil einer Traumallegorie eine wichtige Rolle. Der Text weist auch Bez¨uge zu → Frauenlob auf. In der Handschrift ist der D. u¨ brigens auch bildlich dargestellt. Die farbige Illustration zeigt ihn als reitenden Ritter in voller R¨ustung, der im Lanzenspiel gegen einen anderen Ritter begriffen ist, w¨ahrend mehrere Frauen von einer Burg aus zusehen. ¨ Uberlieferung: Heidelberg, UB, Cpg 848, 397v–398ra (Perg., erste H¨alfte 14. Jh.). Ausgaben: HMS 2 (1838) Nr. 131. – Dt. Liederdichter des zw¨olften bis vierzehnten Jh. Hg. v. Karl Bartsch/Wolfgang Golther. Berlin 41901, Nr. XC. – Kraus LD 1 (21978) Nr. 9. – Vgl. auch die Ausg. der Heidelberger Liederhandschrift C. Literatur: Ehrismann 2,2,2 (1935) S. 275, 288. – Kraus LD 2 (21978) S. 61 f. (mit a¨ lterer Lit.). – Franz Josef Worstbrock, VL2 2 (1980) Sp. 248. – De Boor/ Newald 3/1 (51997) S. 275, 279, 525. – Codex Manesse. Die Miniaturen der Großen Heidelberger Liederhs. Hg. und erl. v. Ingo F. Walther unter Mitarbeit v. Gisela Siebert. Frankfurt/M. 1988 (62001) S. 263 f. (Tf. 128). – Susanne K¨obele: Frauenlobs Lieder. Parameter einer literarhist. Standortbestimmung. T¨ubingen u. a. 2003, S. 83 f. MM von Wissenlo. – Tagelieddichter, 13. Jh. W. k¨onnte dem badischen Geschlecht derer von Wiesloch angeh¨ort haben, das s¨udlich von Heidelberg seinen Sitz hatte, doch ist dies spekulativ. Von W. sind ausschließlich Tagelieder u¨ berliefert. Die ersten beiden Verse von Lied 1 in der 480
von Wissenlo → Heidelberger Liederhandschrift C haben w¨ortliche Entsprechungen zum Anfang eines Tageliedes von → Ulrich von Winterstetten (C 89rb). Vor allem wegen der literarhistorisch gr¨oßeren Bedeutung Ulrichs wird gemeinhin angenommen, dass W. die Wendungen entlehnt habe und nicht umgekehrt. Dann m¨usste er im sp¨aten 13. Jh. gewirkt haben. In C ist W.s Liedcorpus die einzige reine Tageliedsammlung neben dem Burggrafen von → Lienz. Es stellt sich die Frage, ob die Redaktion von C wom¨oglich in diesem besonderen Fall bei der Corpuskonstitution eher Gattungs- als Autorschaftskriterien ber¨ucksichtigte. Zu Beachten ist in diesem «Authentizit¨ats»-Kontext die N¨ahe zu Ulrich von Winterstetten einerseits und andererseits der Umstand, dass eines der Lieder W.s in der → Heidelberger Liederhandschrift A unter dem Namen → Leutholds von Seven erscheint. Vier Lieder von W. mit insgesamt neun Stro¨ phen sind tradiert. Die C-Uberlieferung wird von A erg¨anzt, indem hier die Einzelstrophen in Ton 2 und 3 des C-Corpus mit Zusatzstrophen zu einem drei- bzw. zweistrophigen Lied vervollst¨andigt werden. Dass die Lieder in C unvollst¨andig sind, legen die dortigen Aussparungen f¨ur Nachtr¨age ¨ nahe (s. Uberlieferung). Die Lieder 1–3 geh¨oren dem W¨achter-Dame-Tageliedtypus an (Warnung durch den W¨achter, Klage der Dame, Dialog zwischen Dame und W¨achter oder Abschiedsszene). Das zweistrophige Lied 3 hat gegen¨uber 1 und 2 ¨ eine Strophe weniger, wof¨ur vermutlich Uberlieferungsverlust verantwortlich zu machen ist. Von diesem ist auch die Strophe in Ton 4 betroffen, bei der es sich um eine narrative Expositionsstrophe handelt, auf die vermutlich urspr¨unglich szenische Strophen folgten. Im Zentrum der einfach gehaltenen Tagelieddichtungen W.s steht der Kontrast von Gefahr und Leid, repr¨asentiert jeweils vom W¨achter und der Dame. Die Gattungstypische sexuelle Vereinigung vor dem Abschied wird nur in Lied 3 angedeutet, weswegen der Schmerz-Gl¨uckKonflikt der Dame bei W. nicht thematisiert wird. ¨ Uberlieferung: Heidelberg, UB, Cpg 848 (C) 299r–299vb (Perg., um 1300, alemannisch). Das Corpus umfasst sechs Strophen in vier T¨onen. Die Miniatur zeigt den Dichter mit der Minnedame und einem Kind (Botenjunge [?]). In Ton 1 ist ein dreistrophiges Lied aufgenommen, in Ton 4 steht eine Einzelstrophe am Corpusende. Nach den Einzelstrophen von Ton 2 und 3 ist jeweils Raum gelassen f¨ur zwei weitere Strophen. – Die in C offensichtlich fragmentarisch u¨ berlieferten Lieder 2 481
2. H¨alfte 13. Jh. und 3 finden sich in erweiterten Fassungen in A: Heidelberg, UB, Cpg 357 (Perg, 1270–80, niederalemannisch) 42v (namenloser Nachtrag a 35–37): Lied 2 mit der C-Str. und zwei weiteren Str.; 36v (im Corpus Leutholds von Seven): Lied 3, C-Str. und Zusatzstrophe. Ausgaben: HMS 2 (1838) S. 143 f.; 3 (1838) S. 425. – Fridrich Pfaff: Der Minnesang im Lande Baden (Neujahrsbll. der Badischen Hist. Kommission NF 11). Heidelberg 1908, S. 2–5. – Kraus LD 1 (21978) S. 593–595. – Dt. Tagelieder v. den ¨ Anf¨angen der Uberl. bis zum 15. Jh. Nach dem Plan Hugo Stopps hg. v. Sabine Freund (Germ. Bibl. NF 7,2). Heidelberg 1983, S. 242–244. – Renate Hausner: ‹owe do tagte ez›. Tagelieder und motivverwandte Texte des MA und der fr¨uhen Neuzeit (GAG 204). G¨oppingen 1983, S. 29–31. – Poetae minores. Weniger bekannte Dichter der großen Heidelberger Liederhs. Hg. und u¨ bers. v. Joachim Kuolt (Helfant Texte 2). Stuttgart 1987, S. 77–82 (nur C-Str.). – ‹Nu wol uf, ritter, ez ist tac!› Die Tagelieder des v. W. Mit Melodien v. Marc Lewon und Albrecht Haaf. Reichelsheim 2004; CD-Ausg. Ubstadt-Weiher 2005. Literatur: Richard M. Meyer, ADB 43 (1898) S. 549. – De Boor/Newald 3/1 (51997) S. 298, 300 f. – Gert H¨ubner, VL2 10 (1999) Sp. 1272–1274. – HMS 4 (1838) S. 456–458. – Walter de Gruyter: Das dt. Tagelied. Diss. Leipzig 1887, S. 13–16, 23–41 passim. – Fritz Grimme: Die Gesch. der Minnesinger. Bd. 1: Die rheinisch-schw¨abischen Minnesinger. Paderborn 1897, S. 48–56. – Pfaff (s. Ausg.) S. 1 f. – Friedrich Nicklas: Unters. u¨ ber Stil und Gesch. des Dt. Tageliedes (Germ. Stud. 72). Berlin 1929, S. 30–95 passim. – Elise Walter: Verluste auf dem Gebiet der mhd. Lyrik (T¨ubinger germanistische Arbeiten 17). Stuttgart 1933, S. 93. – Joachim Bumke: Ministerialit¨at und Ritterdichtung. Umrisse der Forschung (Edition Beck 12). M¨unchen 1976, Reg. – Kraus LD 2 (21978) S. 644–646. – Ulrich Knoop: Das mhd. Tagelied. Inhaltsanalyse und literarhist. Unters. (Marburger Beitr. zur Germanistik 52). Marburg 1976, S. 50–165 passim. – Olive Sayce: The Medieval German Lyric 1150–1300. The Development of its Themes and Forms in their European Context. Oxford 1982, Reg. – Codex Manesse. Die Miniaturen der Großen Heidelberger Liederhs. Hg. und erl. v. Ingo F. Walther unter Mitarbeit v. Gisela Siebert. Frankfurt/M. 1988 482
2. H¨alfte 13. Jh. (62001) S. 198 f. (Tf. 97). – Barbara Weber: ŒuvreZusammensetzungen bei den Minnes¨angern des 13. Jh. (GAG 609). G¨oppingen 1995, Reg. – Horst Wenzel: H¨oren und Sehen – Schr. und Bild. Zur ma. Vorgesch. audiovisueller Medien (Humboldt¨ Univ. Berlin, Offentliche Vorlesungen 46). Berlin 1995, S. 256 f. VZ Winli. – Minnes¨anger und Leichdichter, 13. Jh. Der Diminutiv des Namens und der Sprachstand der u¨ berlieferten Lieder legen eine Herkunft des nicht weiter bezeugten W. aus dem hochalemannischen Gebiet nahe. Zwar ist im fr¨uhen 14. Jh. eine innerschweizerische Ministerialenfamilie W. in der Region Engelberg/Wolfenschiessen nachgewiesen, doch da sogar unklar ist, ob der Name W.s als Familien-, Tauf- oder Beiname zu bewerten ist, muss eine Zugeh¨origkeit des S¨angers zu dieser Familie eine Hypothese bleiben. In jedem Fall d¨urfte W. aufgrund der Position seines Liedcorpus’ (vor → Ulrich von Liechtenstein) und seiner bildlichen Darstellung in der → Heidelberger Liederhandschrift C sowie der rein h¨ofischen Ausrichtung seiner Lieder von adeliger Abkunft gewesen sein. Inhaltliche und stilistische Aspekte lassen eine Abfassung im letzten Drittel des 13. Jh. vermuten. W.s Œuvre im einzigen Textzeugen C umfasst acht stollige Lieder und einen Leich. Dreistrophigkeit u¨ berwiegt (Lied 2–7), Lied 1 ist f¨unfstrophig, Lied 8 einstrophig. W. bevorzugt Auftaktlosigkeit, verschr¨ankte Reime und weibliche Kadenzen. Die Dreistropher sind konventionell gestaltet und haben einen Natureingang. Parallelen liegen zu → Konrad von W¨urzburg vor, doch wendet sich das S¨anger-Ich in Abgrenzung zu Konrad hier jeweils direkt an die pers¨onliche Geliebte. In Lied 7 ist ein allgemeiner Frauenpreis vorgeschaltet, auch fehlt hier der Natureingang. Auf diesen verzichtet das l¨angere Lied 1 ebenso. Dieses bietet eine individuelle Absage an die Dame und droht in der letzten Strophe gar, mit ihr vor dem Reichsgericht zu k¨ampfen (Vergleichbares findet sich in einem Lied → Hugos von Werbenwag). Lied 8 wartet nach einem konventionellen Tageliedeingang mit einer Minnekampf-Allegorie und dezent eingesetzter Sexualmetaphorik auf («mit swerten und ouch mit speren»). Trotz der f¨ur W. untypischen Einstrophigkeit ist das Lied inhaltlich abgeschlossen und hat keinen Fragmentcharakter. Auch der Minneleich hat eine sexuelle Ebene. Dessen gleichsam konventioneller Eingang mit u¨ berschwenglichen 483
Winli Preis der Geliebten erh¨alt im R¨uckbezug eine sexuelle Konnotation, nachdem der von → Neidhart bekannte «freche Griff» des S¨angers (hier an den «s¨uezzen hort») im Text erscheint. Darauf ergreift im Stile der «Trutzstrophen» Neidharts ein fiktiver Gegenpart des S¨anger-Ichs das Wort und weist dieses wegen seiner Anz¨uglichkeiten zurecht. Da dieser Gegenpart den S¨anger mit «her T¨urner» anspricht, wurde der Leich W. oft abgesprochen (wie auch mitunter Lied 8) und stattdessen dem → D¨urner oder dem von der fr¨uhen Forschung nur erschlossenen a¨ lteren → Otto zum Turm (I) zugesprochen. Ob im Text allerdings tats¨achlich eine reale Namensnennung vorliegt, darf indes bezweifelt werden. Daher ist eine Autorzuschreibung des Leichs gegen die in der Regel relativ validen Verfassercorpora von C ohne weitere Anhaltspunkte zumindest zu hinterfragen. ¨ Uberlieferung: Heidelberg, UB, Cpg 848 (C) 231r–232vb (Perg., um 1300, alemannisch); die Miniatur ist mit «Winli» u¨ berschrieben und l¨asst keine historischen R¨uckschl¨usse zu. Trotz des fehlenden und in C als Adelspr¨adikat gebrauchten «her» ist W. deutlich als Ritter stilisiert. Ausgaben: HMS 2 (1838) S. 28–32; 3,2 (1838) S. 657. – Karl Bartsch (Hg.): Die Schweizer Minnes¨anger (Bibl. a¨lterer Schriftwerke der dt. Schweiz 6). Frauenfeld 1886 (Nachdr. Darmstadt 1964) S. XCVIII–CI, 150–160, 436–438 (Nr. XV). – Die Schweizer Minnes¨anger. Nach der Ausg. v. K. Bartsch neu bearb. und hg. v. Max Schiendorfer. Bd. 1: Texte. T¨ubingen 1990, S. 200–212. Literatur: Richard M. Meyer, ADB 43 (1898) S. 457 f. – De Boor/Newald 3/1 (51997) S. 275, 279, 301, 313. – Max Schiendorfer, VL2 10 (1999) Sp. 1215–1218. – HMS 4 (1838) S. 319–321. – Hans Herzog: Urkundliches zu mhd. Dichtern. In: Germania 29 (1881) S. 31–36, hier S. 35 f. – Walter de Gruyter: Das dt. Tagelied. Diss. Leipzig 1887, S. 14. – Otto Gottschalk: Der dt. Minneleich und sein Verh¨altnis zu Lai und Descort. Diss. Marburg 1906, S. 60–63. – Manfred Brauneck: Die Lieder Konrads v. W¨urzburg. Diss. M¨unchen 1964, S. 71 f. – Joachim Bumke: Ministerialit¨at und Ritterdichtung. Umrisse der Forschung (Edition Beck 12). M¨unchen 1976, Reg. – Manfred Eikelmann: Denkformen im Minnesang. Unters. zu Aufbau, Erkenntnisleistung und Anwendungsgesch. konditionaler Strukturmuster des Minnesangs bis um 1300 (Hermaea NF 54). T¨ubingen 1988, Reg. – Codex Manesse. Die Miniaturen der 484
Konrad von Kirchberg Großen Heidelberger Liederhs. Hg. und erl. v. Ingo F. Walther unter Mitarbeit v. Gisela Siebert. Frankfurt/M. 1988 (62001) S. 156 f. (Tf. 76). – Hermann Apfelb¨ock: Tradition und Gattungsbewusstsein im dt. Leich. Ein Beitr. zur Gattungsgesch. ma. musikalischer ‹discordia› (Hermaea NF 62). T¨ubingen 1991, Reg. – Christina Kreibich: Der mhd. Minneleich. Ein Beitr. zu seiner Inhaltsanalyse (W¨urzburger Beitr. zur dt. Philol. 21). W¨urzburg 2000, S. 64–102 und Reg. VZ Heinrich von Tettingen. – Minnes¨anger, zweite H¨alfte 13. Jh. Der mit nur einer drei- und einer vierstrophigen Minneklage in der → Heidelberger Liederhandschrift C vertretene Laiendichter ist vermutlich identisch mit einem zwischen 1236 und 1300 gut bezeugten H. v. T. Dieser entstammte einer Ministerialenfamilie aus Dettingen (bei Konstanz), die in ¨ Diensten der Reichenauer Abte stand. Als Verfasser nicht g¨anzlich auszuschließen ist ein Vertreter eines gleichnamigen Geschlechtes aus dem Zu¨ richgau (bezeugt 1258–69, aus dem Umfeld → Walthers von Klingen [?]). Die beiden Lieder sind konventionell gestaltet, wobei Lied 1, das einen refrainartigen Abgesang aufweist, gepr¨agt ist von einem variantenreich bis exzessiven Gebrauch des wortes «liep» (14 Mal in der ersten Strophe). Lied 2, mit Natureingang, wartet am Schluss wom¨oglich mit einer zumindest ungew¨ohnlichen wenn nicht ironischen Pointe auf, indem auf die (hausfrauliche [?]) Kunstfertigkeit der Dame angespielt wird: «zizelwehe si wol nete». Die konkrete Bedeutung von (standardisiert) «zˆızelwæhe» ist allerdings offen, d¨urfte aber auf eine besonders fein ausgef¨uhrte Arbeit rekurrieren (vgl. → Neidhart, R 26,3 [WL 16]). ¨ Uberlieferung: Heidelberg, UB, Cpg 848 (C) 361r-va (Perg., um 1300, alemannisch). Die Miniatur zeigt H., wie er zu Pferde mit gebundenen H¨anden von zwei bewaffneten Knechten abgef¨uhrt wird. Bild¨uberschrift: «Heinrich von Tettingen». Ausgaben: HMS 2 (1838) S. 263 f. – Karl Bartsch (Hg.): Die Schweizer Minnes¨anger (Bibl. a¨lterer Schriftwerke der dt. Schweiz 6). Frauenfeld 1886 (Nachdr. Darmstadt 1964) S. CII–CIV, 163–165, 438 f. (Nr. XVII). – Poetae minores. Weniger bekannte Dichter der großen Heidelberger Liederhs. Hg. und u¨ bers. v. Joachim Kuolt (Helfant Texte 2). Stuttgart 1987, S. 89–94. – Die Schweizer Minnes¨anger. Nach der Ausg. v. K. Bartsch neu bearb. 485
2. H¨alfte 13. Jh. und hg. v. Max Schiendorfer. Bd. 1: Texte. T¨ubingen 1990, Nr. 29. Literatur: Ehrismann 2,2,2 (1935) S. 275. – G¨unther Schweikle, VL2 3 (1981) Sp. 892–894. – De Boor/Newald 3/1 (51997) S. 265. – Fritz Grimme: Die Schweizer Minnes¨anger. In: Germania 35 (1890) S. 302–339, hier S. 320–322. – Adolf Socin: Zu den Schweizer Minnes¨angern. In: Germania 36 (1891) S. 311 f., hier S. 312. – F. Grimme: Gesch. der Minnesinger. Bd. 1: Die rheinisch-schw¨abischen Minnesinger. Paderborn 1897, S. 11–14. – Friedrich Pfaff: Der Minnesang im Lande Baden. Heidelberg 1908, S. 32–35. – Otto Futterer: Die Heimat des Minnes¨angers v. Dettingen. In: Bodensee-Rundschau 1936, S. 196–208. – Kurt Hoppst¨adter: Die mutmaßliche Heimat des Minnes¨angers H. v. T. In: Saarbr¨ucker Hefte 2 (1955) S. 51–58. – Joachim Bumke: Ministerialit¨at und Ritterdichtung. Umrisse der Forschung (Edition Beck 12). M¨unchen 1976, Reg. – Codex Manesse. Die Miniaturen der Großen Heidelberger Liederhs. Hg. und erl. v. Ingo F. Walther unter Mitarbeit v. Gisela Siebert. Frankfurt/M. 1988 (62001) S. 242 f. (Tf. 119). – M. Schiendorfer: Walther v. Klingen: Vorsitzender eines Basler S¨angerkreises? Eine regionalgeschichtliche Fallstudie. In: ZfdPh 122 (2003) S. 203–229. VZ Lobgesang auf Maria → Band 1, Sp. 879. Konrad von Kirchberg (Kilchberg). – Minnes¨anger, zweite H¨alfte 13. Jh. Als adliger Dilettant ist K. mit je drei Sommerund Winterliedern in der → Heidelberger Liederhandschrift C vertreten. Der Dichter d¨urfte dem Grafengeschlecht von Kirchberg angeh¨ort haben, dessen Stammsitz in der N¨ahe des heutigen Illerkirchberg (bei Ulm) lag. Als Namenstr¨ager kom¨ men in Betracht: ein Alterer Konrad, der Sohn Ottos von Kirchberg und einer Schwester des Grafen von Schelklingen (bezeugt 1255–68), dessen Sohn (1281–1315) oder ein dritter Konrad (1275–1326), Vetter des Sohnes. Eine hinreichend begr¨undbare Entscheidung f¨ur einen der Kandidaten ist nicht m¨oglich. Sprachliche Argumente f¨ur einen j¨ungeren Dichter und stilistische f¨ur einen a¨lteren (N¨ahe zu → Gottfried von Neifen) halten sich die Waage. Alle Lieder haben einen Natureingang. Sie sind durchsetzt mit Motiven des klassischen Minnesangs, die K. bei Dichtern wie → Reinmar dem 486
2. H¨alfte 13. Jh. Alten (Lied 4 ist eine Variation von dessen Preislied [MF 165,10]), → Walther von der Vogelweide, Neifen, → Burkhard von Hohenfels, → Neidhart und dem → Tannh¨auser entlehnt. K.s Dichtungen bewegen sich somit durchweg im klassischkonventionellen Rahmen. Dennoch gibt es relevante Beitr¨age K.s zur Gattungsgeschichte – neben seinem unbestreitbaren Talent f¨ur den bildhaftsprachlichen Ausdruck: sein Vergleich der Macht des Wortes mit Steinen und Kr¨autern in Lied 1 oder die Minnebelehrung in der vierten Strophe vom zweiten Lied. In Lied 5 gelingt K. eine originelle Darstellung des herk¨ommlichen Motivs vom «schatehuot». Lied 5 k¨onnte ein Tanzlied sein, was auch f¨ur weitere Lieder des Corpus gelten mag, aber angesichts der fehlenden Melodien nicht sicher bestimmt werden kann. Auch formal bleibt K. der Konvention verhaftet. Lied 1 ist vierstrophig, die restlichen Lieder sind drei- oder f¨unfstrophig. Die Strophen sind durchweg stollig gebaut. Lied 2 hat Kornreime und erf¨ahrt durch einen einsilbigen Takt im letzten Vers eine metrische Pointierung. ¨ Uberlieferung: Heidelberg, UB, Cpg 848 (C) 24r–25rb (Perg., um 1300, alemannisch); Miniatur: Der berittene K. reicht einer Dame in einem bezinnten Turm ein Schriftband (oder empf¨angt es von ihr); das Wappen entspricht dem der Grafen von Schelklingen; Bild¨uberschrift: «Graue Ch˚unrat v¯o Kilchberg». Sechs Lieder mit insgesamt 22 Str., regelm¨aßiger Wechsel von Sommerund Winterlied. – Stuttgart, LB, Cod. HB XIII 1 (→ Weingartner Liederhs. [B]) S. 192 f. (Perg., erstes Viertel 14. Jh., alemannisch). 5 Str. (= C 2) stehen hier im → Neidhart-Corpus in anderer Reihung (1–5–2–4–3) und mit abweichendem Wortlaut. Ausgaben: HMS 1 (1838) S. 23–26. – Kraus LD 1 (21978) S. 232–238. – Auswahlausgaben: Dt. Liederdichter des zw¨olften bis vierzehnten Jh. Hg. v. Karl Bartsch. 4. Aufl. besorgt v. Wolfgang Golther. Berlin 1900, S. 260–262. – Hugo Kuhn/Georg Reichert: Minnesang des 13. Jh. Tu¨ bingen 21962, S. 50 f. – Nr. C 2: Salzburger Neidhart Edition. Hg. v. Ulrich Mu¨ ller u. a. Berlin 2007, Bd. 1: NeidhartLieder der Perg.-Hss. mit ihrer Parallel¨uberl., Nr. B 30 (synoptische Edition von B und C); Bd. 3: ¨ Komm. zur Uberl. und Edition der Texte und Melodien [...], S. 193 (Apparat). Literatur: Wilhelm Willmans, ADB 15 (1882) S. 789. – G¨unther Schweikle, NDB 11 (1977) 487
Rupherman S. 637. – Ders., VL2 5 (1983) Sp. 213–215. – De Boor/Newald 3/1 (51997) S. 267. – HMS 3,1 (1838) S. 587; 4 (1838) S. 55–59. – Fritz Grimme: Die Gesch. der Minnesinger. Bd. 1: Die rheinisch-schw¨abischen Minnesinger. Paderborn 1897, S. 209–219, 297–302. – Ferdinand Mohr: Das unh¨ofische Element in der mhd. Lyrik von Walther an. Diss. T¨ubingen 1913, S. 77 f. – Hedwig Drescher: K. v. Kilchberg, von Stammheim und der Geltar. Drei Vertreter der h¨ofischen Dorfpoesie. Diss. Breslau 1922. – Edward Schr¨oder: Graf K. v. K. In: ZfdA 67 (1930) S. 108. – Helmut de Boor: Zu K. v. Kilchberg. In: PBB (T¨ub.) 80 (1958) S. 288–291. – Ewald Jammers: Das kgl. Liederbuch des dt. Minnesangs. Eine Einf. in die sog. Manessische Hs. Heidelberg 1965, S. 93, 127, 167. – Joachim Bumke: Ministerialit¨at und Ritterdichtung. Umrisse der Forschung (Edition Beck 12). M¨unchen 1976, Reg. – Kraus LD 2 (21978) S. 281–287. – Codex Manesse. Die Miniaturen der Großen Heidelberger Liederhs. Hg. und erl. v. Ingo F. Walther unter Mitarbeit v. Gisela Siebert. Frankfurt/M. 1988 (62001) S. 24 f. (Tf. 12). – R¨udiger Kr¨uger: Puella Bella. Die Beschreibung der sch¨onen Frau in der Minnelyrik des 12. und 13. Jh. (Helfant Texte 6). Stuttgart 21993, S. 63 f. – Uwe Meves (Hg.): Regesten dt. Minnes¨anger des 12. und 13. Jh. Berlin/New York 2005, S. 719–758. VZ Rupherman (Rupft-den-Mann). – Wohl Verfasser kleinerer Dichtungen, erste H¨alfte 14. Jh. (?). Alle Dichtungen, die R. verfasst haben k¨onnte, gelten bisher als verschollen; er ist damit zu den Dichtern ohne Werk einzuordnen (vgl. Brunner). Seine T¨atigkeit («hindennach ein getiht des Ruphermans») ist sowohl im Register der Liederhandschrift von → Michael de Leone bezeugt als auch in der verlorenen Liederhandschrift X, deren Autorenregister zumindest anhand der Zimmerschen Chronik u¨ berlebt hat. Dort wird «der Rupft-denmann» erw¨ahnt, der h¨ochstwahrscheinlich mit R. identisch ist. Da das erw¨ahnte Gedicht «hindennach» eben verloren scheint, l¨asst sich nur spekulieren, worum genau es sich hierbei gehandelt haben k¨onnte. ¨ Uberlieferung: Mu¨ nchen, UB, 2° Cod. ms. 731, Bl. 2r (Perg., ca. 1345–1354, ostfr¨ank., bisweilen mit bair. oder mitteldt. Einf¨arbung, in W¨urzburg entstanden). Literatur: Frieder Schanze, VL2 8 (1992) Sp. 415 f. – Peter Keyser: Michael de Leone 488
Walther von Klingen († 1355) und seine literarische Slg. (Darstellungen aus der fr¨ankischen Gesch. 21) W¨urzburg 1966, S. 51. – Die dt. ma. Hss. der UB M¨unchen (Die Hss. der UB M¨unchen 1). Wiesbaden 1968, S. 76, 90. – Volker Mertens: Peter von Aarberg, Minnes¨anger. In: ZfdA 101 (1972) S. 344–357, hier S. 345. – F. Schanze: Zur Liederhs. X. In: Dt. Hss. 1100–1400. Oxforder Kolloquium. Hg. v. Volker Honemann/Nigel F. Palmer. T¨ubingen 1985, S. 316–329. – Horst Brunner: Ann¨aherungen. Stud. zur dt. Lit. des MA und der Fr¨uhen Neuzeit (Phil.Stud.u.Qu. 210). Berlin 2008, S. 302. FA Der von Stammheim. – Minnes¨anger, Mitte/ zweite H¨alfte 13. Jh. Die → Heidelberger Liederhandschrift C u¨ berliefert ein Lied mit elf stolligen Strophen, als deren Autor der «von Stamheim» genannt wird. Dieser Name ist im obd. Raum ein h¨aufiger Orts- und Familienname. Daher ist eine genaue Verortung des Dichters schwierig und der Versuch einer Ann¨aherung nur textimmanent m¨oglich. Eine Aufz¨ahlung von M¨adchennamen in den Strophen 8 und 9 erinnert an → Konrad von Kirchberg, so dass eine N¨ahe zum staufischen S¨angerkreis um Heinrich VII. und eine Zugeh¨origkeit zum im 13. Jh. gut bezeugten schw¨abischen Geschlecht der von S. denkbar ist. Von der Berliner → Neidhart-Handschrift c wird das Lied in einer in Richtung Meisterlied u¨ berarbeiteten Fassung parallel tradiert und in der Tat ist die Dichtung literarhistorisch in der Nachfolge der Neidhartschen Sommerlieder anzusiedeln, freilich mit deutlichen Abweichungen nicht nur im Strophenbau und Wortschatz, sondern auch in der Motivgestaltung und narrativen Struktur. Das Lied l¨asst sich gliedern in Einleitung (mit Natureingang), Dialogteil und Tanzschilderung. Im ersten Teil (Str. 1–2) ruft das S¨anger-Ich als aktiver Teilhaber der Szenerie mehrfach zum Reigen auf. Der zweite Teil pr¨asentiert zwei M¨adchen bei den Tanzvorbereitungen. In deren Gespr¨ach (Str. 3 und 8) ist wiederum ein Mutter-Tochter-Dialog eingeschaltet (Str. 4–7) u¨ ber die Wahl der Tanzkleider und geb¨uhrendes Verhalten beim Reigen. Im Streit hinterfragt die Tochter die moralisch-sittliche Integrit¨at der Mutter. Abschließend stellt das S¨angerIch, nun als Beobachter und in der Vergangenheitsform, die Szenerie beim Tanz als volkst¨umliches Idyll dar. Der interpretatorisch offene letzte Vers kontrastiert die damaligen «fr¨oiden» beim Reigen 489
2. H¨alfte 13. Jh. mit einer offensichtlich weniger freudvollen Gegenwart: «in was dort wol, got helfe uns hie». Diese negative Konnotation findet sich nicht mehr in c (Versschluss: «sam ist uns hie»). ¨ Uberlieferung: Heidelberg, UB, Cpg 848, 261r/vb (Perg., um 1300, alemannisch). – Berlin, SBB, Mgf 779, 192r–193r (Pap., zweite H¨alfte 15. Jh., n¨urnbergisch) im Neidhart-Corpus unter ¨ der Uberschrift «der sig». Ausgaben: HMS 2 (1838) S. 77 f.; 3,2 (1838) S. 663. – Kraus LD 1 (21978) S. 417–420 (Nr. 55). – Salzburger Neidhart Edition. Hg. v. Ulrich M¨uller u. a. Berlin 2007, Bd. 2: Neidhart-Lieder der Papier-Hss. mit ihrer Parallel¨uberl., S. 143–146 (Nr. c 66, synoptische Edition von C und c); Bd. 3: ¨ Komm. zur Uberl. und Edition der Texte und Melodien [...], S. 361 f. (Apparat). Literatur: Konrad Burdach, ADB 35 (1893) S. 427. – Elisabeth Hages, VL2 9 (1995) Sp. 230–232. – De Boor/Newald 3/1 (51997) S. 302 f. – HMS 4 (1838) S. 418 f. – Ferdinand Mohr: Das unh¨ofische Element in der mhd. Lyrik v. Walther an. Diss. T¨ubingen 1913, S. 70 f. – Hedwig Drescher: Konrad v. Kilchberg, v. S. und der Geltar. Drei Vertreter der h¨ofischen Dorfpoesie. Diss. Breslau 1922. – Eduard Sievers: Zur Klangstruktur der mhd. Tanzdichtung. In: PBB 56 (1932) S. 181–208, hier S. 196. – Elise Walter: Verluste auf dem Gebiet der mhd. Lyrik (T¨ubinger germanistische Arbeiten 17). Stuttgart 1933, S. 67 f. – Hans Naumann: Die Hohenstaufen als Lyriker und ihre Dichterkreise. In: Dichtung und Volkstum 36 (1935) S. 21–49, hier S. 28. – Joachim Bumke: Ministerialit¨at und Ritterdichtung. Umrisse der Forschung (Edition Beck 12). M¨unchen 1976, Reg. – Kraus LD 2 (21978) S. 509–513. – ¨ Hans Becker: Die Neidharte. Stud. zur Uberl., Binnentypisierung und Gesch. der Neidharte der Berliner Hs. germ. fol. 779(c) (GAG 255). G¨oppingen 1978, S. 324–328. – J. Bumke: M¨azene im MA. Die G¨onner und Auftraggeber der h¨ofischen Lit. in Deutschland, 1150–1300. Mu¨ nchen 1979, Reg. – Codex Manesse. Die Miniaturen der Großen Heidelberger Liederhs. Hg. und erl. v. Ingo F. Walther unter Mitarbeit v. Gisela Siebert. Frankfurt/M. 1988 (62001) S. 180 f. (Tf. 88). – Salzburger Neidhart Edition Bd. 3 (s. Ausg.). VZ Walther von Klingen, * um 1220, † 1.3.1284 Basel. – Schweizer Minnes¨anger. Die → Heidelberger Liederhandschrift C u¨ berliefert unter dem Namen W. v. K. ein Corpus von 490
2. H¨alfte 13. Jh. acht Liedern mit insgesamt 32 Strophen. Aufgrund des in C abgebildeten Wappens und der stilistischen Merkmale der u¨ berlieferten Lieder kommt als deren Verfasser letztlich nur Walther III. von Altenklingen in Frage. Der Sohn Ulrichs II. von Altenklingen entstammte einem der a¨ ltesten Freiherrengeschlechter des Thurgaus. Sein Vater hatte 1239 auf dem Aargauer Erbe seiner Gattin das St¨adtchen Klingnau bei Waldshut gegr¨undet, wo W. residierte, bis er 1269 die Besitzung an das Bistum Konstanz verkaufte. Nach dem Tod beider Eltern (1249/50) u¨ bernahm W. als neues Familienoberhaupt 1251/53 die aargauischen G¨uter aus dem m¨utterlichen Erbe. Bereits 1252 hatte W. zusammen mit seiner Frau Sophia von Frohburg drei S¨ohne und eine Tochter, vier weitere T¨ochter folgten. Als eine Stiftung unter vielen gr¨undete er 1257 das Basler Kloster Klingental (zun¨achst im Wehratal, 1274 Umzug nach Basel), 1267 war er Schiedsrichter im Kyburger Erbstreit. Wohl vor allem weil alle m¨annlichen Nachkommen fr¨uh verstarben, ver¨außerte W. 1269 seinen Erbbesitz zugunsten des gezielten Erwerbs von els¨assischen G¨utern. Als W. 1271 nach Straßburg u¨ bersiedelte, hatte er schon zwei seiner T¨ochter in Ehen mit Straßburger Reichsv¨ogten vermittelt. Allerdings verließ W. Straßburg bereits 1274, nachdem eine Tochter und ein Schwiegersohn verstorben waren. Zudem wurde 1273 W.s langj¨ahriger Vertrauter Rudolf von Habsburg zum K¨onig gew¨ahlt und so trat W. f¨ur zwei Jahre in dessen Gefolge ein. Nach der R¨uckkehr in seine schweizerische Heimat d¨urfte H. seit 1281 in Basel gewohnt haben. 1283 folgte er noch einmal Rudolfs Hoftross, vermutlich um angesichts seines Alters finanzielle Angelegenheiten zu kl¨aren (Rudolf schuldete ihm die betr¨achtliche Summe von 1100 Silbermark). W.s letzte Lebenszeichen sind in Basel unmittelbar vor seinem Tod angefertigte testamentarische Verf¨ugungen vom 26. und 28.2.1284. Weil W. urkundlich oft im Zusammenhang mit anderen Dichternamen bezeugt ist, galt er der fr¨uhen Forschung mitunter als die zentrale Figur eines regionalen S¨angerkreises. Da aber in einigen F¨allen die Identifikation der bezeugten Namen mit den betrefflichen Minnes¨angern unsicher (→ Buchein, → Bruno von Hornberg, → Ulrich von Winterstetten), in anderen unwahrscheinlich ist (→ Ulrich von Gutenburg, → Burkhard von Hohenfels), muss die gesamte S¨angerkreis-These als h¨ochst spekulativ gelten. Auch die Annahme, 491
Walther von Klingen dass zwei von W.s Dienstleuten mit den Dichtern → Steinmar und → Heinrich von Tettingen zu identifizieren seien, ist zwar erw¨agenswert aber nicht zu verifizieren. Es lassen sich auch keine stilistisch-thematischen Bez¨uge zwischen den einzelnen Dichtern erkennen, die u¨ ber die allgemeinen dichterischen Merkmale des 13. Jh. hinausgingen. Ein Spruch des von → Wengen, der vermutlich im Umfeld der Grafen von Kyburg wirkte, geht nicht auf W. – wie oft angenommen wurde – sondern auf dessen Vater Ulrich (RSM: 1Weng/2/1). Die Dichtungen des adeligen Dilettanten W. d¨urften aus seiner fr¨uhen Klingnauer Zeit stammen. Auch falls sie erst in Basel oder Straßburg entstanden sein sollten, sind sie kein Zeugnis eines spezifisch-st¨adtischen Literaturbetriebes sondern konventionell gestaltete Klage-, Werbe- und Preislieder mit formalen und thematischen Anschluss an den hohen Minnesang. Die Lieder 2–5 haben Natureingang; 1–4 und 6 wenden sich an die pers¨onliche Geliebte, w¨ahrend 5, 7 und 8 mit ihrem allgemeinen Frauenpreis ohne Werbefunktion mit einem Thema aufwarten, das urspr¨unglich der Spruchdichtung entstammt. Neben F¨unf- und Dreistrophern finden sich auch Lieder mit sechs (4), vier (5) und zwei Strophen (6, 7; wobei 5, 6 und 7 auch fragmentarisch tradiert sein k¨onnten). Die stolligen Kanzonenstrophen sind durchweg dreiteilig und zumeist werden die Reime der ersten beiden Stollen auch im Abgesang wieder aufgenommen. Von den drei Liedern ohne diese Stollenreimreprise (2, 6, 7) weichen Lied 6 und 7 mit l¨angeren Abges¨angen auch von W.s bevorzugter Bauform, der siebenzeiligen Kanzone, ab. Rhetorische Figuren verwendet W. oft, w¨ahrend eigenst¨andige Metaphern oder Bilder selten begegnen. Dass die Lieder 1, 4, 5 und 8 jeweils nur 2 Reime pro Strophe aufweisen, ist ein deutliches Zeichen f¨ur einen direkten oder indirekten romanischen Einfluss, zumal Lied 4 formal einer canson Conons de B´ethune entspricht. F¨ur einen nur indirekten Einfluss spricht die Baugleichheit von Lied 8 mit zwei Liedern → Gottfrieds von Neifen ¨ (XXXVI, XLII). Uberhaupt ist Gottfried – neben → Ulrich von Singenberg – als W.s Haupteinfluss auszumachen, aber auch vereinzelte Nachkl¨ange an → Walther von der Vogelweide sind auszumachen. Die Versuche, W. als dichterischen Nachfolger des rund 10 Jahre j¨ungeren → Konrad von W¨urzburg einzustufen, erscheinen hingegen wenig stichhaltig. Literarhistorisch kommt W. am ehesten eine 492
Der Seele Kranz vermittelnde Stellung zwischen Neifen und Konrad zu. ¨ Uberlieferung Heidelberg, UB, Cpg 848 (C) 52r–53va (Perg., um 1300, alemannisch). Die Miniatur zeigt W. beim Tjostkampf. Vorlage des Bildes d¨urfte eine Darstellung aus dem Codex des ‹Wilhem von Orlens› in Mu¨ nchen, BSB, Cgm 63 gewesen sein, der um 1270 in Z¨urich entstanden ist. Das Wappen entspricht dem des Thurgauer Dynastiezweigs Altenklingen. Bild¨uberschrift: «her walther von klingen». Nach dem vierstrophigen Lied 5 und den beiden Zweistrophern 6 und 7 ist jeweils Raum f¨ur eine weitere Strophe gelassen. Ausgaben: HMS 1 (1838) S. 71; 3 (1838) S. 592. – Karl Bartsch (Hg.): Die Schweizer Minnes¨anger (Bibl. a¨ lterer Schriftwerke der dt. Schweiz 6). Frauenfeld 1886 (Nachdr. Darmstadt 1964) S. 113–122, 427 f. (Nr. XI). – Die Schweizer Minnes¨anger. Nach der Ausg. v. K. Bartsch neu bearb. und hg. v. Max Schiendorfer. Bd. 1: Texte. T¨ubingen 1990, S. 34–42. – Helmut Weidhase: ‹... von dien minneclichen sachen krachen muoz daz herze min ...›. Acht Lieder des W. v. K. mit ¨ Ubers. und Komm. Wehr 2008. – Auswahlausgaben: K. Bartsch: Dt. Liederdichter des zw¨olften bis vierzehnten Jh. Eine Auswahl. 4. Aufl. besorgt v. Wolfgang Golther. Berlin 1906 (Nachdr. Darmstadt 1966) S. 213 f. – Helmut de Boor (Hg.): MA. Texte und Zeugnisse. 2. Teilbd. (Die Dt. Lit. Texte und Zeugnisse. I/2). M¨unchen 1965 (Nachdr. ebd. 2001) S. 1619 f. Literatur: HMS 4 (1838) S. 100. – W[ilhelm] Wilmanns, ADB 16 (1882) S. 189. – Max Schiendorfer, VL2 10 (1999) Sp. 646–650. – Claudia H¨andl, Killy2, 12 (2011) S. 122. – M. Schiendorfer, HLS (online, Version 17.3.2011) www.hls-dhsdss.ch/textes/d/ D21511.php. – Wilhelm Wackernagel: W. v. K., Stifter des Klingenthals und Minnes¨anger. Basel 1845 (Mikrofiche-Ausg. 1994). – Johann A. Pupikofer: Walther III., Freiherr von Klingen zu Klingnau, Ritter und Minnes¨anger. In: Schr. des Ver. f¨ur Gesch. des Bodensees und seiner Umgebung 2 (1870) S. 190–205. – Bartsch (s. Ausg.) S. LXXIX–LXXXVII. – Manfred Brauneck: Die Lieder Konrads von W¨urzburg. Diss. M¨unchen 1964, S. 59–63. – Otto Mittler: Gesch. der Stadt Klingnau, 1239–1939. 2., erw. Aufl. Aarau 1967, S. 32–49, 342–346. – Joachim Bumke: Ministerialit¨at und Ritterdichtung. Umrisse der Forschung (Edition Beck 12). Mu¨ nchen 1976, Reg. – Tho¨ mas Cramer: Minnesang in der Stadt. Uberlegun493
2. H¨alfte 13. Jh. gen zur Lyrik Konrads von W¨urzburg. In: Lit. – Publikum – hist. Kontext (Beitr. zur a¨lteren dt. Literaturgesch. 1). Hg. v. Gert Kaiser. Bern u. a. 1977, S. 91–108. – Ingo F. Walther: Eine direkte Vorlage der Manessischen Liederhs. In: Minnes¨anger Bd. 5. 24 farbige Wiedergaben aus der Manessischen Liederhs., mit einer Einf. v. Kurt Martin. Bildbeschreibung: I. F. Walther. Baden-Baden 1977, S. 9–12. – Ursula Peters: Lit. in der Stadt. Stud. zu den sozialen Voraussetzungen und kulturellen Organisationsformen st¨adtischer Lit. im 13. und 14. Jh. (Stud. und Texte zur Sozialgesch. der Lit. 7). T¨ubingen 1983, S. 97, 105–114. – Codex Manesse. Die Miniaturen der Großen Heidelberger Liederhs. Hg. und erl. v. Ingo F. Walther unter Mitarbeit v. Gisela Siebert. Frankfurt/M. 1988 (62001) S. 44 f. (Tf. 22). – Manfred Eikelmann: Denkformen im Minnesang. Unters. zu Aufbau, Erkenntnisleistung und Anwendungsgeschichte konditionaler Strukturmuster des Minnesangs bis um 1300 (Hermaea NF 54). T¨ubingen 1988, Reg. – Nico G. W. Unlandt: Influences romanes dans le minnesang allemand du treizi`eme si`ecle tardif. In: ‹... daz ir dest werder sint ...›. FS Anthonius H. Touber. Hg. v. Carla Dauvenvan Knippenberg (AB¨aG 30). Amsterdam/Atlanta, GA 1990, S. 71–75. – Michael B¨armann: Herr G¨oli. Neidhart-Rezeption in Basel (Quellen und Forschungen zur Lit.- und Kulturgesch. 4). Berlin/New York 1995, S. 151–153 u. o¨ . – Barbara Weber: Œuvre-Zusammensetzungen bei den Minnes¨angern des 13. Jh. (GAG 609). G¨oppingen 1995, Reg. – Hans Brauchli: Drei Minnes¨anger. Ulrich von Singenberg, W. v. K., Der von Wengen. In: Ders.: Thurgauer Ahnengalerie. Weinfelden 2003, S. 58–63. – Max Schiendorfer: W. v. K.: Vorsitzender eines Basler S¨angerkreises? Eine regionalgeschichtliche Fallstudie. In: ZfdPh 122 (2003) Sonderh., S. 203–229. – W. v. K. und Kloster Klingental zu Wehr. Hg. v. der Stadt Wehr. Ostfildern 2010; darin: Reinhard Valenta: W. v. K. Eine biographische Stud., S. 19–22; Christopher Schmidberger: Ungleicher Freund oder Vasall? Das pers¨onliche Verh¨altnis zwischen W. v. K. und Rudolf von Habsburg, S. 23–46; Erik Beck: W. v. K., Wehr und die Verlegung des Klosters Klingental, S. 47–76. VZ Der Seele Minnegarten → Band 1, Sp. 891 f. Der Seele Kranz → Band 1, Sp. 892–894. 494
2. H¨alfte 13. Jh. Boppe. – Obd. Sangspruchdichter. Sichere Fakten u¨ ber B.s Leben sind nicht bekannt. Er lebte wahrscheinlich in der zweiten H¨alfte des 13. Jh. in S¨uddeutschland und d¨urfte als Autor zumindest zwischen 1280 und 1300 aktiv gewesen sein. B.s Erw¨ahnungen mehrerer Monarchen in seinen Texten erlauben R¨uckschl¨usse auf seine Zeit (→ Konrad von W¨urzburg, K¨onig Rudolf I. von Habsburg, die badischen Markgrafen Rudolf I. und Hermann VII.). B., den die → Jenaer Liederhandschrift J als Meister bezeichnet, erscheint sp¨ater in mehreren Dichterkatalogen, zuerst um 1350 bei Lupold → Hornburg, danach bei Hans → Folz, Konrad → Nachtigall u. a. Allerdings war B. wohl nicht mit dem in den → Basler Annalen und bei → Berthold von Regensburg erw¨ahnten «starken B.» identisch. B.s erhaltenes Werk umfasst Texte sowie T¨one und ist prim¨ar in der → Heidelberger Liederhandschrift C und der Jenaer Liederhandschrift J u¨ berliefert. W¨ahrend C 20 Spr¨uche B.s enth¨alt, sind in J 18 Spr¨uche mit Melodien gesammelt, von denen aber zw¨olf auch in C vorhanden sind. Ein Basler ¨ Fragment (s. Uberlieferung) enth¨alt sechs Spr¨uche, von denen drei auch in C und J vorliegen. B.s Werk erfuhr außerdem eine reiche Streu¨uberlieferung, u. a. in der → Niederrheinischen Liederhandschrift. Inhaltlich und stilistisch weisen B.s Texte ein breites Spektrum auf, das u. a. Politik, Religion, Natur und zwischenmenschliche Beziehungen umfasst. So sind von B. etwa Preisstrophen auf Gott, Maria, Frauen und verschiedene Herrscher u¨ berliefert, allegorische Behandlungen von Tieren und Naturph¨anomenen, aber auch R¨atsel, Spott-, Lob- und Klageverse. Oft benutzt B. in sich geschlossene Einzelstrophen, die in ihrer konzisen Zuspitzung an Priameln erinnern. Gleichzeitig ist sein Werk voller katalogartiger Aufz¨ahlungen, etwa von Namen, Tieren, Sternen und Steinarten. Literarische Bez¨uge bestehen u. a. zu dem von B. selbst erw¨ahnten → K¨onig Tirol. ¨ Neben den Texten enth¨alt die B.-Uberlieferung in C auch acht T¨one. Sechs davon d¨urften jedoch nicht von B. selbst stammen, sondern werden heute anderen Autoren zugeschrieben. Diese in 20 Strophen von C pr¨asenten Fremdt¨one sind: → Marners Langer Ton, → Meißners Ton I, → Stolles Alment, → Frauenlobs Gr¨uner Ton, → Gasts Ton sowie → Klingsors Schwarzer Ton aus dem → Wartburgkrieg. B.s als Hofton oder Langer 495
Boppe Ton bekannter Hauptton gilt hingegen als authen¨ tisch. Er l¨asst sich in 30 Strophen der B.-Uberlieferung nachweisen. Im Aufbau ist er dem Langen Ton → Heinrichs von Mu¨ geln und der Gesangsweise des → R¨omers von Zwickau vergleichbar. In der weiteren Sangspruchdichtung war er sehr popul¨ar; allein in der → Kolmarer Liederhandschrift sind rund 190 Strophen im Hofton verfasst. Auch wenn B. nicht in der ersten Reihe der Sangspruchdichter steht, besaß er also unter den sp¨ateren Autoren ein nicht geringes Ansehen. ¨ Uberlieferung: Basel, UB, cod. N I 3 Nr. 145, 3r–3v (Perg., erste H¨alfte 14. Jh.). – Heidelberg, UB, cpg 848, 418r–421va (Perg., erste H¨alfte 14. Jh.). – Jena, ULB, Ms. El. f. 101, 111va–113vb (Perg., um 1330). – Zur Streu¨uberl. vgl. Kornrumpf 1978 (s. Lit.). Ausgaben: HMS 2 (1838) S. 377–386; 3,1 (1838) S. 405–407; 4 (1838) S. 692–699. – Georg Tolle: Der Spruchdichter B. Versuch einer krit. Ausg. seiner Dichtungen. Sondershausen 1894. – Dt. Lieder des MA. Von Walther von der Vogelweide bis zum Lochamer Liederbuch. Texte und Melodien. Hg. v. Hugo Moser/Joseph Mu¨ ller-Blattau. Stuttgart 1968, S. 87–92, 325. – The Art of the Minnesinger. Songs of the Thirteenth Century. Hg. v. Ronald J. Taylor. Cardiff 1968, Bd. 1, S. 87–92; Bd. 2, S. 19–22. – Ulrich M¨uller (Hg.): Politische Lyrik des dt. MA. Bd. 1 (GAG 68). G¨oppingen 1972, S. 90–92, 231. – Klaus J. Seidel: Der Cgm 379 der Bayerischen Staatsbibl. und das ‹Augsburger Liederbuch› v. 1454. Augsburg 1972, S. 721–725. – Heidrun Alex: Der Spruchdichter ¨ B. Edition, Ubersetzung, Kommentar. T¨ubingen 1998 (vgl. dazu: Albrecht Classen, in: Mediaevistik 13, 2000, S.502–504; Susanne Fritsch, in: ZfdPh 119, 2000, H. 1, S. 121–124; Jens Haustein, in: ZfdA 129, 2000, H. 1, S. 96–98; Johannes Rettel¨ bach, in: PBB 123, 2001, H. 3, S. 484–487). – Altere und Teilausg. bei Kornrumpf 1978 (s. Lit.). – Vgl. auch die Ausg. u. Faks. der Jenaer und Großen Heidelberger Liederhandschriften. Literatur: Wilhelm Wilmanns, ADB 3 (1876) S. 149 f. – Ehrismann 2,2,2 (1935) S. 300. – Wolfgang Stammler, NDB 2 (1955) S. 454. – Gisela Kornrumpf, VL2 1 (1978) Sp. 953–957. – Burghart Wachinger, LexMA 2 (1983) Sp. 445. – RSM 3 (1986) S. 209–245. – De Boor/Newald 3/1 (51997) S. 367–369, 374 f., 537 u. o¨ . – H. Alex, Killy2 2 (2008) S. 86 f. – Anton Wallner: Herren und Spielleute im Heidelberger Liedercodex. In: PBB 496
Meister Volzan 33 (1908) S. 483–540. – Hans-Friedrich Rosenfeld: Zu B. V 1 ff. In: Neophilologus 13 (1928) S. 14–16. – Jacques Handschin: Die Schweiz, wel¨ che sang. Uber ma. Cantionen aus schweizerischen Hss. In: FS Karl Nef. Hg. v. Edgar Refardt/Hans Ehinger. Z¨urich/Leipzig 1933, S. 102–133, hier S. 128 f. – Walter Fischer: Daniel von Morley. In: AfK 26 (1936) S. 342–344. – Helmuth Thomas: ¨ Unters. zur Uberl. der Spruchdichtung Frauenlobs. Leipzig 1939, S. 37–42. – Heinz Br¨uck: Strophenverbindungen in der mhd. Spruchdichtung. Diss. Bonn 1949, S. 66–68. – Heinz Enke: Der ‹hofedon› des Meister B. Ein Beitr. zum Problem der musikalischen Textkrit. In: FS Max Schneider. Hg. v. Walther Vetter. Leipzig 1955, S. 31–48. – Helmut Tervooren: Einzelstrophe oder Strophenbindung? Unters. zur Lyrik der Jenaer Hs. Diss. Bonn 1966, S. 322–332. – Christoph Petzsch: Text-FormKorrespondenzen im ma. Lied. In: DVjs 41 (1967) S. 27–60. – Peter Appelhans: Unters. zur sp¨atma. Mariendichtung. Die rhythmischen mhd. Mariengr¨uße. Heidelberg 1970, S. 28 f., 31. – Wolfgang Wangenheim: Das Basler Fragm. einer mitteldt.nd. Liederhs. und sein Spruchdichter-Repertoire (Kelin, Fegfeuer). Bern u. a. 1972, S. 24 f., 141 f. u. o¨ . – Eva Schumann: Stilwandel und Gestaltver¨anderung im Meistersang. Vergleichende Unters. zur Musik der Meistersinger. Kassel 1972. – B. Wachinger: S¨angerkrieg. Unters. zur Spruchdichtung des 13. Jh. (MTU 42). Mu¨ nchen 1973, S. 23 u. o¨ . – Horst Brunner: Die alten Meister. ¨ Stud. zu Uberl. und Rezeption der mhd. Sangspruchdichter im Sp¨atMA und in der fr¨uhen Neuzeit. M¨unchen 1975, passim. – Erdmute PickerodtUthleb: Die Jenaer Liederhs. Metrische und musikalische Unters. (GAG 99). G¨oppingen 1975, S. 171, 207–209, 501. – G. Kornrumpf/B. Wachinger: Alment, Formentlehnung und T¨onegebrauch in der mhd. Spruchdichtung. In: Dt. Lit. im MA. Kontakte und Perspektiven. FS Hugo Kuhn. Hg. v. Christoph Cormeau. Stuttgart 1979, S. 356–411. – Codex Manesse. Die Miniaturen der Großen Heidelberger Liederhs. Hg. und erl. v. Ingo F. Walther unter Mitarbeit v. Gisela Siebert. Frankfurt/M. 1988 (62001) S. 276 f. (Tf. 135). – Albrecht Classen: The Role of Wealth and Money in Medieval and Late-Medieval German Literature. In: Neuphilol. Mitt. 101 (2000) S. 415–428. – J. Haustein: Beil¨aufiges zu sechs B.Liedern. In: Neue Forschungen zur mhd. Sangspruchdichtung. Hg. v. H. Brunner/H. Tervooren. 497
2. H¨alfte 13. Jh. Berlin 2000, S. 197–207. – Johannes Spicker: Geographische Kat. bei B. Eine Anregung. In: ebd., S. 208–221. – Michael Baldzuhn: Vom Sangspruch zum Meisterlied. Unters. zu einem literarischen Traditionszusammenhang auf der Grundlage der Kolmarer Liederhs. (MTU 120). T¨ubingen 2002, 344–369. – H. Brunner: Die Sprucht¨one Heinrichs v. M¨ugeln. Bemerkungen zur Form und zur formgeschichtlichen Stellung. In: Forschungen zur dt. Lit. des Sp¨atMA. FS Johannes Janota. Hg. v. H. Brunner/Werner Williams-Krapp. T¨ubingen 2003, S. 109–124. – Tobias Bulang: ‹Wie ich die gotes tougen der werlte gar betiute›. Geltungspotentiale a¨ nigmatischen Sprechens in der Sangspruchdichtung. In: Geltung der Lit. Formen ihrer Autorisierung und Legitimierung im MA. Hg. v. Beate Kellner u. a. Berlin 2005, S. 43–62. – Shao-Ji Yao: Der Exempelgebrauch in der Sangspruchdichtung vom sp¨aten 12. Jh. bis zum Anfang des 14. Jh. W¨urzburg 2006, S. 45 f., 108–111 u. o¨ . – Udo K¨uhne: Entwicklungen der lat. Lyrik vor dem Hintergrund v. Sangspruch und Minnelied. In: Sangspruchdichtung. Gattungskonstitution und Gattungsinterferenzen im europ¨aischen Kontext. Internationales Symposium W¨urzburg, 15.–18. Februar 2006. Hg. v. Dorothea Klein. T¨ubingen 2007, S. 77–94, hier S. 86–88. – G. Kornrumpf: Vom Codex Ma¨ nesse zur Kolmarer Liederhs. Aspekte der Uberl. 1 (MTU 133). T¨ubingen 2008, passim. – Luise Czajkowski: Die Sprache der ‹Jenaer Liederhs.›. In: Die ‹Jenaer Liederhs.›. Codex, Gesch., Umfeld. Hg. v. Jens Haustein/Franz K¨orndle. Berlin u. a. 2010, S. 29–38. – G. Kornrumpf: Der Grundstock der ‹Jenaer Liederhs.› und seine Erweiterung durch Randnachtr¨age. In: ebd., S. 39–80. – Johannes Rettelbach: Die Bauformen der T¨one in der ‹Jenaer› und in der ‹Kolmarer Liederhs.› im Vergleich. In: ebd., S. 81–98. MM Meister Volzan. – Dichter ohne u¨ berliefertes Werk, 14. Jh. (?). Ein Zusatz zur Zimmerischen Chronik (1565/66) gibt Zeugnis von einer verlorenen Konstanzer Liederhandschrift («Liederhandschrift X», um 1340) und gibt auch deren Autorenverzeichnis wieder. Dort wird M. V. in einer Reihe von weiteren «Meistern gef¨uhrt»: → Frauenlob, → Konrad von W¨urzburg, → Klingsor, → S¨ußkind von Trimberg. Es ist daher davon auszugehen, dass es sich bei V., 498
2. H¨alfte 13. Jh. von dem keine Texte u¨ berliefert sind, um einen Sangspruchdichter gehandelt hat. Ob dieser Dichter mit → Pfalz von Straßburg zu identifizieren ist, dem die «Rohrweise» (RSM: 1 Pfalz) zugeschrieben wird, muss offen bleiben. ¨ Uberlieferung: Zimmerische Chron.: Stuttgart, LB, Cod. Donaueschingen 580a/b (2 Bde.) hier: Bd. 2 (b) S. 1488. Literatur: Frieder Schanze, VL2 10 (1999) Sp. 641 f. – HMS 4 (1838) S. 883. – Karl August Barack (Hg.): Zimmerische Chron. Bd. 2. Freiburg i. Br./Tu¨ bingen 21881, S. 193 f. – Elise Walter: Verluste auf dem Gebiet der mhd. Lyrik (T¨ubinger germanistische Arbeiten 17). Stuttgart 1933, S. 70. – F. Schanze: Zur Liederhs. X. In: Dt. Hss. 1100–1400. Oxforder Kolloquium 1985. Hg. v. Volker Honemann/Nigel F. Palmer. T¨ubingen 1988, S. 316–329, hier S. 317, 320, 326. – Horst Brunner: Dichter ohne Werk. Zu einer u¨ berlieferungsbedingten Grenze ma. Lit.gesch. (Mit einem Textanhang: Die Dichterkat. des Konrad Nachtigall, des Valentin Voigt und des Hans Folz). In: ¨ Uberlieferungsgeschichtliche Editionen und Stud. zur dt. Lit. des MA. FS Kurt Ruh (TTG 31). Hg. v. Konrad Kunze u. a. T¨ubingen 1989, S. 1–31, hier S. 13 (wieder in: H. Brunner: Ann¨aherungen. Stud. zur dt. Lit. des MA und der Fr¨uhen Neuzeit [Phil.Stud.u.Qu. 210]. Berlin 2008, S. 291–303, hier S. 302). VZ Der During. ¨ – Minnes¨anger des 13. Jh. Der D. ist gemeinsam mit → Christan von Luppin und Heinrich → Hetzbolt einer der dem Codex Manesse nachtr¨aglich hinzugef¨ugten Autoren mit insgesamt sieben Liedern. Mundartliche Formen lassen auf die Herkunft des Autors im Th¨uringischen schließen, zeitlich ist er, wie die Position in der Handschrift st¨utzt, in die zweite H¨alfte des 13. Jh. einzuordnen. Die Identit¨at des D. mit einem Ritter Th¨uring, der 1244 im s¨achsischen Altenburg urkundete (Dobenecker, Nr. 1206), oder mit einem Mitglied der Zunft fahrender B¨urger (de Boor) sind Spekulation geblieben. Das im Codex Manesse abgebildete Wappen, welches eine einw¨arts gekr¨ummte goldene Barbe auf blauem Grund zeigt, tr¨agt nichts zur Identifikation bei (Beschreibung der Miniatur vgl. Hagen, S. 318). Auff¨allig in allen Liedern sind die ausgepr¨agten Bem¨uhungen des Autors um u¨ berbordende Sprachkunst sowohl in der motivischen und rhetorischen Ausgestaltung wie in Reim und 499
Der During ¨ Rhythmus. So finden sich zahlreiche Epitheta neben Tropen wie Antonomasie, Periphrase und Metonymie, Vergleiche und bis zu Allegorien ausgestaltete Metaphern, metaphorische Sinnbr¨uche, ungew¨ohnliche Motivzusammenh¨ange und seltene Lexik genauso wie alles, was die zeitgen¨ossische Metrik zu bieten hat, wie a¨ quivoke und anadiplosische, Binnen- und Pausenreime, schlagende, umarmende und u¨ bergehende Reime im Spiel mit Polysemen und Homonymen. Der D. habe sich an → Konrad von W¨urzburg geschult (Worstbrock). Inhaltlich gehen die beiden Dichter doch sehr unterschiedliche Wege: mit dem typisch Konradschen «allgemeinen Minnelied», das zumeist vollkommen auf die subjektive Verstrickung des S¨anger-Ich verzichtet, haben die Lieder des D. nichts gemein. Nur zwei der sieben Lieder des D. (VI und VII) haben einen Natureingang, sie orientieren sich damit vielleicht eher an der a¨ lteren Liedgeneration, wie die → Gottfrieds von Neifen. Die Lieder IV und V ersetzen den typischen Klagegestus des S¨angers mit dem Preis des in der Vergangenheit erfahrenen Liebesgl¨ucks. In der Tradition der klassische Kanzone, die um die subjektive Leiderfahrung im Paradox von Entsagen und Begehren im Kontext ethischer Vervollkommnung kreist, kommt es vor allem in den Liedern I–V immer wieder zu ironischen Brechungen der g¨angigen Motive. Dazu dient auch das komplexe Spiel mit den Reimw¨ortern, die gleichzeitig als Polyseme und Homonyme auftreten k¨onnen. Wenn etwa in Lied IV v. «verwunden» und s. «wunden» oder s. «lachen» (Tr¨anenlache) und v. «lachen» im Schlagreim stehen, dann erzeugt der Kontrast zwischen den unterschiedlichen Bildfeldern eine ganz eigene semantische Dimension, die nicht schon mit «ehrgeiziger Ausstattungspoetik» und bloß «verschwenderischem Aufwand» (Worstbrock) eingeholt ist. Lied I geht dar¨uber aber noch weit hinaus. Es pr¨asentiert in der u¨ berlieferten Form mit deutlich h¨orbaren umarmenden und ubergehenden ¨ Reimen einen syntaktisch und semantisch schwierigen Text, der ingesamt unabgeschlossen wirkt. Inhaltlich geht es um die tugendhafte Enthaltung der das Ich beherrschenden Dame, welche die Reziprozit¨at der Tugendvervollkommnung durch den anhaltenden Dienst des S¨angers herausfordert. Eine negative Wendung erh¨alt das Lied durch eine Reihe von biblischen und profan-literarischen Liebesgeschichten, welche von Venus verflucht nur Ungl¨uck f¨ur die M¨anner bedeutet h¨atten. Hierzu 500
Hetzbold lassen sich Parallelen zu → Wolframs von Eschenbach Parzival und → Heinrich von Meißen (Frauenlob) beibringen (Kraus, S. 58 f.; Stridde). Bei dem Lied handelt es sich um das einzige ma. Palindrom, das heißt, dass die drei ungleich langen Abschnitte (V. 1–8, V. 11–12, V. 13–18) jeweils gleichzeitig von vorn und hinten gelesen ergibt, dass das erste, zweite, dritte usw. Wort der ersten H¨alfte auf das erste, zweite, dritte usw. reimt. H¨oren kann man dies freilich nicht. Die tendenzielle Unverst¨andlichkeit des Textes kann auch als Aufmerksamkeitserreger aufgefasst werden, der das Publikum anregt, selbstst¨andig nach anderen Bedeutungsdimensionen zu suchen. Dass dies ge¨ubte Lesekompetenz und ausgepr¨agte Sprachreflexion voraussetzt, liegt auf der Hand. Die medientheoretische Dimension im Zusammenspiel und Konflikt zwischen H¨oren und Lesen kann bei diesem Autor nicht hoch genug eingesch¨atzt werden (Stridde). ¨ Uberlieferung: Heidelberg, UB, Cpg 848, 229v–230vb (Perg., um 1300, Nachtrag mit dem D. 14. Jh., alemannisch, = Große Heidelberger [Manessische] Liederhs.). Ausgaben: Kraus DL 1 (1978) S. 54–58 (Text); 2 (1978) S. 55–61 (Komm.). – Alfred Liede: Dichtung und Spiel. Stud. zur Unsinnspoesie an den Grenzen der Sprache. 2 Bde. 2. Aufl. Mit einem Nachtrag ‹Parodie›, erg. Auswahlbibl., Namenreg. und einem Vorwort neu hg. v. Walter Pape. Berlin/New York 1992, Bd. 2, S. 123. – Klaus Peter Dencker (Hg.): Poetische Sprachspiele. Vom MA bis zur Gegenwart. Stuttgart 2002, S. 29 f. Literatur: Franz Josef Worstbrock, VL2 2 (1980) Sp. 247 f. – Friedrich Heinrich Hagen: Minnesinger. Gesch. der Dichter und ihrer Werke. Abb. der Hss., 4. Theil: Dt. Liederdichter des 12., 13. u. 14. Jh. aus allen bekannten Hss. und Drucken. Leipzig 1838, S. 318 f. – Karl Bartsch: ‹Der innere Reim in der h¨ofischen Lyrik›. In: Germania 12 (1867) S. 129–194, hier S. 163 f. – Otto Dobenecker: Regesta diplomatica necnon epistolaria historiae Thuringiae. Bd. 3. Stuttgart 1925. Nachdr. Vaduz/Liechtenstein 1986. – Manfred Kern: Edle Tropfen vom Helikon. Zur Anspielungsrezeption der Antike. Mythologie in der dt. h¨ofischen Lyrik und Epik von 1180–1300 (Amsterdamer Publ. zur dt. Sprache und Lit. 135). Amsterdam/Atlanta, GA 1998, S. 428 f. – Christine Stridde: Das hingew¨urfelte Wort. Ebenen der Unverst¨andlichkeit in ma. Sprach-Spielen. In: Geheimnis und Mysterium. Sondersprachenforschung im Spannungsfeld 501
2. H¨alfte 13. Jh. zwischen Arkanem und Profanem. Hg. v. Christian Braun. Berlin 2012, S. 273–300. CS Hetzbold, Heinrich, von Weißensee (auch: Hezbold). – Minnes¨anger, der in der ersten H¨alfte des 14. Jh. in Th¨uringen lebte. H. geh¨orte dem niederen Adel an; sein th¨uringisches Ministerialengeschlechts ist seit 1282 belegt. Mehrere Urkunden (1312, 1319, 1324) weisen nach, dass er im Dienst der Landgrafen von Th¨uringen stand – als Burgvogt auf der Runneburg zu Weißensee. Er hatte vermutlich dort oder in Sch¨onstedt Grundbesitz. Der Name «Hetzbold», der Assoziationen zur Jagd hervorruft, war Anlass zur graphischen Darstellung des Minnes¨angers u. a. in der → Heidelberger Liederhandschrift C, die acht Minnelieder mit je drei Strophen im Stil der Kanzonen u¨ berliefert. H.s Lieder, die allesamt amour¨oses Wehklagen gemeinsam haben, erinnern wie die Werke von → Christan von Lupin stark an → Heinrich von Morungen. So zeigt sich eine gleichartig sinnliche und affektive Sprache; daneben weisen die Lieder ebenfalls eine deutlich th¨uringische Einf¨arbung auf. H. hebt sich von seinen Vorg¨angern mit einzelnen Begriffen ab, u. a. mit dem provenzalisch klingenden «der schœne Glanz» oder dem eher biederen «trˆut herzen trˆutken» (Lieb Herzensliebchen), die er beide zur Anrede seiner Geliebten verwendet. Diese Anrufe verhallen jedoch unbeantwortet, weshalb die Ehrenhaftigkeit des «vr¨ouwelˆın» unangetastet bleibt. Ungewohnt ist die eigene Namensnennung am Schluss des ersten Liedes (gegenl¨aufige Position hierzu, vgl. Volker Mertens [s. Lit.] Sp. 1205). Dass H. sich einmal als «ich tummer affe» bezeichnet, signalisiert neben den anderen Beispielen den Wandel im Minnesang, der allm¨ahlich alles Ritterliche hinter sich l¨asst und einen Pfad in Richtung des Gesellschaftsliedes einschl¨agt. ¨ Uberlieferung: Heidelberg, UB, Cpg 848, 228r–229rb (Perg., Großteil um 1300, Nachtr¨age in der ersten H¨alfte 14. Jh., alemannisch). Ausgaben: HMS 2 (1838) S. 22–25. – Karl Bartsch/Wolfgang Golther, Deutsche Liederdichter des zw¨olften bis vierzehnten Jh. Berlin 41906 (Nachdr. Darmstadt 1966) Nr. XCIII. – Kraus LD 1 (21978) S. 148–152. – Die große Heidelberger ‹manessische› Liederhs. Hg. v. Ulrich M¨uller. G¨oppingen 1971. – Die große Heidelberger Liederhs. Codex Manesse mit einem Verz. der Strophenanf¨ange 502
2. H¨alfte 13. Jh. und 7 Schrifttf. Hg. v. Fridrich Pfaff. Heidelberg 2 1984. – Gerhard T¨anzer: «Frouwe, frouwe, frouwe min!». Th¨uringische Minnelieder. Bucha bei Jena 2005, S. 49–72. – Minnesang. Mhd. Liebeslieder. Eine Auswahl. Mhd./Nhd. Hg., u¨ bers. und komm. v. Dorothea Klein (RUB 18781). Stuttgart 2010, S. 54 f., 351 f. Literatur: HMS 4 (1838) S. 316–318. – Ehrismann 2.2.2 (1935) S. 284. – Richard M. Meyer, ADB 41 (1896) S. 609. – Marianne Kreutzer, NDB 9 (1972) S. 34. – Volker Mertens, VL2 2 (1980) Sp. 368. – De Boor/Newald 3/1 (51997) S. 257, 275, 284–286, 331 f. – Karl Helm: H. H. v. W. [VII, Str. 1, 5]. In: GRM 29 (1941) S. 247. – Kraus LD 2 (1978) S. 177–182. – Emil Gott¨ schau: Uber Heinrich von Morungen. In: PBB (Halle) 7 (1880) S. 408–430, hier S. 403–407. – August Nebe: Drei th¨uringische Minnes¨anger. In: Zs. des Harz-Ver. f¨ur Gesch. und Altertumskunde 19 (1886) S. 173–223. – Fritz Grimme: Beitr. zur Gesch. der Minnesinger. Tl. 2. In: Germania 32 (1887) S. 421 f. – Elise Walter: Verluste auf dem Gebiet der mhd. Lyrik. Stuttgart 1933. – Ewald Jammers: Das k¨onigliche Liederbuch des dt. Minnesangs. Eine Einf. in die sogenannte Manessische Hs. Heidelberg 1965. – Joachim Bumke: Ministerialit¨at und Ritterdichtung. Umrisse der Forschung. M¨unchen 1976. – Ders.: M¨azene im MA. Die G¨onner und Auftraggeber der h¨ofischen Lit. in Deutschland 1150–1300. Mu¨ nchen 1979. – Codex Manesse. Die Miniaturen der Großen Heidelberger Liederhs. Hg. und erl. v. Ingo F. Walther unter Mitarbeit v. Gisela Siebert. Frankfurt/M. 1988 (62001) S. 152 f. (Tf. 74). – Johannes Janota: Orientierung durch volkssprachige Schriftlichkeit (1280/90–1380/90) (Gesch. der dt. Lit. von den Anf¨angen bis zum Beginn der Neuzeit 3,1). T¨ubingen 1994, S. 149 f. – Gerhard T¨anzer (s. Ausg.) S. 78–82. FA Frau zur Weißenburg (Gr¨afin von, von der, zu; weißen Turm, Neuenburg, Klatschtosch, L¨owenburg; Van vrou van Lutsenborch). – Ballade, zweite H¨alfte 13. Jh. Die anonym u¨ berlieferte Ballade erz¨ahlt die Geschichte eines Verrats: Die verheiratete F. z. W. stiftet ihren Geliebten Friedrich an, w¨ahrend der Jagd ihren Gatten zu ermorden. Nach vollbrachter Tat u¨ berreicht die F. z. W. Friedrich zum Dank ein Ehezeichen, das er jedoch ablehnt. Die F. z. W. bleibt verzweifelt und allein zur¨uck. Der Text 503
Frau zur Weißenburg schließt mit der Ermahnung, stets die Konsequenzen der eigenen Taten zu bedenken. Die Handlung der Ballade beruht m¨oglicherweise auf realen Ereignissen. Friedrich III. von Goseck, ein s¨achsischer Pfalzgraf und Herr von Weißenburg, wurde 1085 auf der Jagd ermordet. Seine Witwe Adelheid heiratete daraufhin Graf Ludwig den Springer von Th¨uringen. In sp¨ateren Chroniken werden Vasallen Ludwigs als M¨order Friedrichs bezeichnet, Ludwig als Geliebter Adelheids. Auch erscheint Ludwig verschiedentlich selbst als Mo¨ rder und Adelheid als Anstifterin. Als Entstehungszeit der Ballade gilt heute die zweite H¨alfte des 13. Jh. Das Lied verbreitete sich danach in zahlreichen Fassungen u¨ ber den mitteldt., rheinischen, nd. und o¨ sterr. Raum bis in die Niederlande. Im schweizerischen Simmental ist die F. z. W. als Prosasage nachgewiesen. So wie die schweizersiche Sage sich jedoch auf Weißenburg im Kanton Bern bezog, so wurden die Orts- und Personennamen auch in anderen Fassungen des ¨ Stoffs lokal angepasst. Die schriftliche Uberlieferung der Ballade setzt 1544 mit dem Antwerpener Liederbuch ein (dort Nr. 23). Die darin enthaltene ndl. Fassung d¨urfte auf eine dt. Vorlage zur¨uckge¨ hen. Als fr¨uhester Uberlieferungstr¨ ager in dt. Sprache gilt ein Flugblatt, das um 1550 in Nu¨ rnberg gedruckt wurde. Die Ballade fand sp¨ater Eingang in Des Knaben Wunderhorn und wurde auch von Ludwig Bechstein aufgegriffen. Ausgaben: Vollschwitz 1914 (s. Lit.). – Dt. Volkslieder mit ihren Melodien 1: Balladen. Hg. v. John Meier. Berlin u. a. 1935, Nr. 30. – Das Lied von der Frau von der Weißenburg. Hg. v. Louis Pinck. In: Beitr. zur Geistes- und Kulturgesch. der Oberrheinlande. FS Franz Schultz. Hg. v. Hermann Gumbel. Frankfurt/M. 1938, S. 166–170. – Selma Hirsch: Das Spielmannslied von der F. zur Weiszenburg. In: Neophilologus 24 (1939) S. 179–193 (wieder in: Dies.: Das Volkslied im sp¨aten MA. Berlin 1978, S. 30–45). – Michael Curschmann/Ingeborg Glier (Hg.): Dt. Dichtung des MA 3. M¨unchen u. a. 1981, Nr. 41. – Weitere Ausgaben in verschiedenen Balladen- und Volksliedersammlungen. Literatur: Claudia H¨andl/Red.: F. v. W. In: Killy2 3 (2008) S. 549. – Johannes Vollschwitz: Die F. v. der W. Das Lied und die Sage. Diss. Straßburg 1914. – John Meier: Die Ballade von der F. v. W. In: Jb. f¨ur Volksliedforschung 3 (1932) S. 1–34. – Fred Quellmalz: Die a¨ lteren Melodien zur Ballade von 504
Der Kanzler der F. v. W. In: ebd. 4 (1934) S. 74–79. – Ders.: Die Melodien zur Ballade von der F. v. W. Nachtr¨age und Erg¨anzungen. In: ebd. 8 (1951) S. 116–127. – Stefania Bellicanta: Die Liebe-Tod-Thematik in den Volksliedern des sp¨aten MA. Eine Unters. zur Liederbuch- und Flugblatt-Tradition des XV. und XVI. Jh. (GAG 586). G¨oppingen 1993, S. 110 f. u. o¨ . MM Der Kanzler. – Sangspruch- und Minnelieddichter, Ende 13. Jh. Zum K. gibt es keine validen außerliterarischen Zeugnisse und auch im Werk finden sich keine verwertbaren biographischen Spuren oder stichhaltige chronologische Anhaltspunkte. Versuche, den K. urkundlich fassbar zu machen, sind daher per se ¨ ohne Uberzeugungskraft (so die Gleichsetzung mit einem gleichnamigen 1312–23 bezeugten Schulmeister aus Offenbach). Der Name k¨onnte ein Beiname sein (wie ‹Schreiber› oder ‹Schulmeister›), ist aber im obd. Raum im 13./14. Jh. auch als Familienname gut bezeugt. Die inszenierte Anrede des Dichters mit «her Kanzeler» (RSM: 1Kanzl/5/6) erlaubt keinerlei R¨uckschl¨usse auf den Stand des K.s. In der selben Spruchstrophe stilisiert sich der K. als fahrender Berufss¨anger. Die Sprache der reimgebundenen W¨orter indiziert eine obd., wom¨oglich alemannische Abkunft des Dichters. Die einzigen Hinweispunkte f¨ur die zeitliche Einordnung des K.s geben der signifikante Einfluss → Konrads von ¨ W¨urzburg in den Liedern und die Uberlieferung (u. a. Grundstock der → Heidelberger Liederhandschrift C [um 1300] und die Basler Rolle [wom¨oglich noch 13. Jh.]). Das Œuvre des K.s z¨ahlt zu den wenigen, die Sangspruchdichtung und Minnesang in nenneswertem Umfang vereinen: zw¨olf Lieder mit insgesamt 36 Strophen und 41–42 «echte» Sangspruchstrophen in vier T¨onen. In der Zeit nach → Walther von der Vogelweide ist der K. neben Konrad von W¨urzburg das einzige Beispiel f¨ur ein derartiges Gesamtwerk. Die Minnelieder des K. sind ein sp¨ater Wiederhall der artistischen Minnesangtradition in der Pr¨agung → Gottfrieds von Neifen. Sie sind durchweg dreistrophig. Zumeist folgen sie einem Haupttyp Konrads von W¨urzburg: Ausgedehnter Natureingang (sechs Sommer-, vier Winterlieder), Aufruf zur «fr¨oide» in Verbindung mit allgemeinem Frauenpreis, wobei auf Aspekte des pers¨onlichen Minnedienstes verzichtet wird. Der K. geht 505
2. H¨alfte 13. Jh. hierbei u¨ ber Konrad hinaus, indem er das S¨angerIch mit einmaliger Konsequenz in seinen Liedern eliminiert (Ausnahmen: das subjektive Kraus LD IV [«vrouwe mˆın»], das aus zwei Fragmenten zusammengesetzt sein k¨onnte, und VIII. Letzteres bietet ein Beispiel f¨ur Gattungsinterferenz. Hier wird die Minneklage ersetzt durch ein «SpruchdichterIch», das in der Minnelied-Umgebung mangelnde «milte» anprangert. Im RSM ist das Lied daher als Sangspruch aufgenommen [1Kanzl/4/1–3]). Statt des Ichs finden sich um so h¨aufiger Anregungen und Aufforderungen: an die Jahreszeit, Frau Minne oder das «wˆıp». Vielleicht im Anschluss an Walther (L 48,38) wechselt der K. in der Regel nicht zwischen den Begriffen «wˆıp» und «frouwe». Den Namen «wˆıp» deutet er a¨ hnlich wie in → Frauenlobs Minneleich als Akrostichon («wunne in Paradˆıse» [VI, X, XII]). Formal orientiert sich K. mehr an Neifen als an Konrad: Neben ungleichversigen Strophen haupts¨achlich Vierheber, u¨ berwiegend Da-capo-Formen und Auftaktlosigkeit. Zwei Lieder (VII, XI) haben im Anschluss an Konrad Refrain, zwei weitere (VII, XIV) ragen durch ihren Reimschmuck heraus. F¨ur die Spruchdichtung verwendet der K. vornehmlich die ausladenden T¨one II (1Kanzl/2) und XVI (1Kanzl/5). Die Einstrophigkeit u¨ berwiegt. Tendenzen zur meisterlichen Mehrstrophigkeit (wobei redaktionelle Arrangements nicht auszuschließen sind) gibt es mit einem dreistrophigen Trinit¨atspreis (1Kanzl/2/1–3) und einem gleichsam dreistrophigen «schame»-Lied, das sich auch durch seinen hohen gedanklichen Abstraktionsgrad hervorhebt (1Kanzl/5/14–16). Das Themenspektrum ist breit, wobei religi¨ose Spr¨uche signifikant selten sind. Es dominieren Herren-, Tugend- und Morallehren, oft grenzt sich der K. auch von Konkurrenten ab oder u¨ bt Zeitkritik und Schelte. Dabei zeigt er eine auffallende Vorliebe f¨ur Antithese und Parallelismus, spielt oft auf Fabeln an, verwendet Tierbeispiele und weitere Exempel. Seine Gelehrsamkeit demonstriert er anhand zweier AstronomieStrophen (1Kanzl/2/10–11). Die T¨one II und III (1Kanzl/3) sind Da-Capo-, I (1Kanzl/1) und XVI Repetitionsformen. Nur Ton III hat Langzeilen. Schon ins 14. Jh. verweist die geringe Zahl an unterschiedlichen Versarten beim K. Von den authentischen T¨onen des K.s ist nur zu Ton II («Goldener Ton» in der meisterlichen Tradition) die Melodie u¨ berliefert, erstmals in der 506
2. H¨alfte 13. Jh. → Kolmarer Liederhandschrift (k, um 1460). Bemerkenswert ist, dass k zum Ton zwei Melodien tradiert (Bl. 545r, 545vb–546ra), eine anspruchsvolle hohe und eine tiefe. Dazu gibt es auf Bl. 545va den redaktionellen Vermerk: «in dysem hohen guldin canczler mag man singen all die lieder dye im guldin canczler gent der ist nu herlich hoch vnd swer Aber hiernach ist genotiert ein anderer tone in demselben gemess der ist nu senfter vnd sußer zu singen [...]». Ton XVI wurde von → Heinrich von Mu¨ geln f¨ur Versabschnitte in der lat. Ungarnchronik herangezogen und dort «nota curie mensurata cancellarii rhetoris» benannt («Hofton I»; 1 HeiM¨u/410). Ton II ist zwar der einzige «echte» Ton, der ins Repertoire der Meisters¨anger einging und von diesen bis in 17. Jh. benutzt wurde, aber schon k schreibt dem K. weitere T¨one zu, die von der Forschung gemeinhin als «unecht» eingestuft werden: «Langer Ton», «Hofton II» und ein «S¨ußer Ton». F¨ur letzten ist eine Urheberschaft → K¨ungleins von Straßburg in Betracht zu ziehen (Dresden, LB, Mscr. M 13 [d, 1443] 23r–24v: «kinglys/kniglys susser don»). Die Handschrift d u¨ berliefert zus¨atzlich noch einen «Grundton» und in einer vorreformatorischen Liedsammlung des Hans Sachs (Berlin, SBB, Mgq 414 [q] 361v–362v) erscheint ein «Kurzer Ton» (vgl. → J¨origer). Im 16. und 17. Jh. waren nur noch «Goldener» und «Langer Ton» im Gebrauch. In der meisterlichen Tradition wird der K. zu den zw¨olf Gr¨undermeistern gez¨ahlt. Meisterliche Angaben (ab ca. 1500), wonach der K. Fischer in der Steiermark gewesen sei, geh¨oren dem Reich der Fiktion an. ¨ Uberlieferung: Heidelberg, UB, Cpg 848 (C) ¨ 423v–428ra (Perg., um 1300, alemannisch), Uberschrift der Miniatur (Der K. in einem gotischen Innenraum zwischen zwei Musikern sitzend): «Chanzler», Corpus¨uberschrift: «der kanzler»; 77 Str.: 12 Minnelieder und 41 Spruchstrophen (Ton I: 6 Str., Ton II: 11 Str., Ton III: 4 Str., Ton XVI: 20 Str.). Je nach Bewertung von Ton VIII als Sangspruch oder Minnelied und von Ton IV k¨onnen die Angaben variieren. – Basel, UB, Cod. N I 6 Nr. 50 (4 Pergamentl¨angsstreifen, beidseitig beschrieben, Ende 13. Jh., sp¨atestens um 1300, ostalemannisch); 1Kanzl/2/1–3, 9, 4, 7; 1 Kanzl/5/2 und 1; jeweils Beischrift: «der kantzeler». – Leipzig, UB, Rep. II. 70a (→ Niederrheinische Liederhs. [n]) 91v, 95rv (Perg., um 1400, niederrheinisch); 1Kanzl/2/9a, 1Kanzl/5/21 ohne Verfasserangabe, Letzteres unikal. – Basel, UB, Cod. O 507
Der Kanzler IV 28, 34r–35r (Pap., zweite H¨alfte 15. Jh., obd.); 1 ¨ Kanzl/2/1, 10 und 11 als Dreierbar. Uberschrift: e e ¨ «Der gulden don dru lied, kanczler»). – Zur Uberl. von Baren in T¨onen des K.s (die im Fall des «Goldenen Tons» m¨oglicherweise auch «echtes» Strophengut enthalten k¨onnten, s. VL2 4 (1983) S. 990; RSM 4 (1988) S. 149, 152–168 (16 Hss.). – Zur Melodie¨uberl. s. VL2 4 (1983) S. 990 f.; RSM 2,1 (2009) S. 101–103. Ausgaben: HMS 2 (1838) S. 387–399; 3 (1838) S. 468m. – Kraus LD (21978) S. 185–217. – Zu Ausgaben einzelner Lieder und zu Ausgaben von Liedern in T¨onen K.s siehe RSM 4 (1988) S. 152–167. – Hinzu kommen u. a.: Steinmann (s. Lit.). – Geistliche Ges¨ange des dt. MA. Melodien ¨ und Texte hsl. Uberl. bis um 1530. Bde. 1–3 (Das dt. Kirchenlied 2,1–3). Hg. v. Max L¨utolf u. a. Kassel u. a. 2003–09, Bd. 1 Nr. 95, Bd. 2 Nr. 191, Bd. 3 Nr. 372, 424. – Melodieausgaben (Auswahl): Horst Brunner/Karl-G¨unther Hartmann: Spruchsang. Die Melodien der Sangspruchdichter des 12. bis 15. Jh. (Monumenta monodica medii aevi 6). Kassel 2010, S. 165–172. Literatur: Wilhelm Wilmanns, ADB 15 (1882) S. 98. – Gisela Kornrumpf, VL2 4 (1983) Sp. 986–992; 11 (2004) Sp. 826. – RSM 4 (1988) S. 93, 149–168, 252 f.; 1 (1994) S. 25; 2,1 (2009) S. 101–103. – G. Kornrumpf, LexMA 5 (1991) Sp. 929 f. – De Boor/Newald 3/1 (51997) Reg. – H. Brunner, MGG Personenteil 9 (2003) Sp. 1463 f. – G. Kornrumpf, Killy2 6 (2009) S. 287 f. – HMS 4 (1838) S. 701–705. – Gustav Roethe: Die Gedichte Reinmars von Zweter. Leipzig 1887 (Nachdr. Amsterdam 1967) Reg. – Fritz Grimme: Die Gesch. der Minnesinger. Bd. 1: Die rheinisch-schw¨abischen Minnesinger. Paderborn 1897, S. 182–187, 287 f. – Paul Sparmberg: Zur Gesch. der Fabel in der mhd. Spruchdichtung. Diss. Marburg 1918, S. 46 f., 96. – Harald Krieger: Der K. Ein mhd. Spruch- und Liederdichter um 1300. Diss. Bonn 1931. – Johannes Siebert: Die Astronomie in den Gedichten des K.s und Frauenlobs. In: ZfdA 75 (1938) S. 1–23, hier S. 1–14. – Ders.: Meisterges¨ange astronomischen Inhalts. In: ebd. 83 (1951/52) S. 181–235, 288–320, hier S. 184 f. – Manfred Brauneck: Die Lieder Konrads von W¨urzburg. Diss. M¨unchen 1965, S. 96–101. – Hugo Kuhn: Minnesangs Wende (Hermaea 1). T¨ubingen 21967, Reg. – Johannes Teschner: Das ‹bispel› in der mhd. Spruchdichtung des 12. und 13. Jh. Diss. Bonn 1970, 508
Friedrich von Sonnenburg S. 181 f., 200–202. – Burghart Wachinger: S¨angerkrieg. Unters. zur Spruchdichtung des 13. Jh. (MTU 42). Mu¨ nchen 1973, S. 239 f. – Rudolf Erhard Zach: Der K. Unters. zur literarischen Technik eines Spruch- u. Lieddichters um 1300. Diss. Graz 1973. – Kurt Franz: Stud. zur Soziologie des Spruchdichters in Deutschland im sp¨aten 13. Jh. (GAG 111). G¨oppingen 1974, Reg. – Ulrich Mu¨ ller: Unters. zur politischen Lyrik des dt. MA (GAG 55/56). G¨oppingen 1974, S. 159 f. – Gerhard A. Vogt: Stud. zur Verseingangsgestaltung in der dt. Lyrik des HochMA (GAG 118). G¨oppingen 1974, S. 203, 208 u. o¨ . – H. Brunner: Die ¨ alten Meister. Stud. zur Uberl. und Rezeption der mhd. Sangspruchdichter (MTU 54). M¨unchen 1975, Reg. – Klaus Grubm¨uller: Meister Esopus. Unters. zur Gesch. und Funktion der Fabel im MA (MTU 56). Mu¨ nchen 1977, S. 241, 248–250. – Christoph Huber: Wort sint der dinge zeichen. Unters. zum Sprachdenken der mhd. Spruchdichtung bis F. (MTU 64). Zu¨ rich/M¨unchen 1977, S. 52–57, 77 f. und Reg. – Kraus LD 2 (21978) S. 244–264. – Christoph Petzsch: Lied Nr. III des K. Argumentieren per analogiam. In: ZfdPh 98 (1979) S. 402–406. – Olive Sayce: The medieval German lyric 1150–1300. The development of its themes and forms in their European context. Oxford 1982, Reg. – Frieder Schanze: Meisterliche Liedkunst zwischen Heinrich von Mu¨ geln und Hans Sachs. Bd. 1: Unters., Bd. 2: Verz. (MTU 82/83). Mu¨ nchen 1983/84, Reg. – H. Brunner/ Johannes Rettelbach: ‹Der vrsprung des maystergesangs›. Eine Schulkunst aus dem fr¨uhen 16. Jh. und die Kolmarer Liederhs. In: ZfdA 114 (1985) S. 221–240. – Codex Manesse. Die Miniaturen der Großen Heidelberger Liederhs. Hg. und erl. v. Ingo F. Walther unter Mitarbeit v. Gisela Siebert. Frankfurt/M. 1988 (62001) S. 281 f. (Tf. 137). – Martin Steinmann: Das Basler Fragm. einer Rolle mit mhd. Spruchdichtung. In: ZfdA 117 (1988) S. 296–310. – J. Rettelbach: Variation – Derivation – Imitation. Unters. zu den To¨ nen der Sangspruchdichter und Meistersinger (Fr¨uhe Neuzeit 14). T¨ubingen 1993, Reg. – Margreth Egidi: H¨ofische Liebe: Entw¨urfe der Sangspruchdichtung. Literarische Verfahrensweisen von Reinmar von Zweter bis Frauenlob (GRM Beih. 17). Heidelberg 2002, Reg. – Shao-Ji Yao: Der Exempelgebrauch in der Sangspruchdichtung vom sp¨aten 12. Jh. bis zum Anfang des 14. Jh. (W¨urzburger Beitr. zur dt. Philologie 32). W¨urzburg 509
2. H¨alfte 13. Jh. 2006, Reg. – J. Rettelbach: Minnelied und Sangspruch: Formale Differenzen und Interferenzen bei der Tonkonstitution im 13. Jh. In: Sangspruchdichtung. Gattungskonstitution und Gattungsinterferenzen im europ¨aischen Kontext. Hg. v. Dorothea Klein. T¨ubingen 2007, S. 153–168. – Jens Haustein: Gattungsinterferenzen in Sangspruch und Minnelied des K.s. In: ebd., S. 169–186. VZ Friedrich von Sonnenburg (Suonenburg), † vor 1287. – Obd. Spruchdichter. F.s Schaffenszeit l¨asst sich anhand datierbarer Strophen zwischen 1251 (Str. 59 mit dem Nachruf auf Kaiser Friedrich II., † 13.12.1250) und 1275 (Str. 28 und 29 mit Bezug auf p¨apstliche Schreiben von 1274) eingrenzen. Wie viele Strophen noch danach entstanden sind, ist nicht zu sagen. Laut Dichterkatalog des Hermann → Damen ist F. vor → Konrad von W¨urzburg († 31.8.1287) gestorben. Die Heimat des Dichters ist mit großer Wahrscheinlichkeit Tirol. Die Ministerialen des Benediktinerinnenklosters Sonnenburg im Pustertal treten in zahlreichen Urkunden stets unter dem Namen «de Suonenburch» o. a¨. auf, sofern sie im Klosterbereich ans¨assig waren oder von dort stammten. Auch F. k¨onnte daher Ministeriale des Klosters gewesen sein, wenngleich urkundliche Zeugnisse f¨ur ihn fehlen. Entsprechend ist auch sein Stand unklar. Die Handschriften C und J bezeichnen ihn als «meister», Hans → Folz und Konrad → Nachtigall sp¨ater als «her». Weitere Hinweise auf eine Tiroler Herkunft liefern obd. Sprachspuren im Werk sowie der Inhalt einiger Strophen: Der in Str. 30 erw¨ahnte «Brunecker» stammt wohl aus dem nahe Sonnenburg gelegenen Bruneck, und der «von Rifenberg» (Str. 41, gemeint ist wohl → Ulrich von Reifenberg) steht den Urkunden und einer Strophe → Rumelants von Schwaben (HMS III 69,3) nach in Verbindung mit benachbarten Tiroler Familien. Unter F.s Namen u¨ berliefert sind insgesamt 73 Strophen in vier einfach gebauten T¨onen, die «Zudichtung [...] geradezu herausfordern» (Masser, S. XII). Kriterien f¨ur die Echtheit einzelner Stro¨ phen sind daher kaum festzulegen. Uber das Leben F.s, der offenbar zu den fahrenden Berufsdichtern geh¨orte, geben sie ohnehin kaum Aufschluss: Die Lobstrophe auf einen b¨ohmischen K¨onig (Str. 53) und der historisch korrekte Augenzeugenbericht u¨ ber den Feldzug K¨onig Ottokars II. (Str. 52) lassen auf einen Aufenthalt am Prager Hof und auf die Teilnahme an dem Feldzug, nicht aber auf enge 510
2. H¨alfte 13. Jh. Beziehungen zu den Premysliden schließen (Behr). Wann, wo und ob F. dem von ihm gepriesenen s¨achsischen Grafen Friedrich von Beichlingen (Str. 60) oder Herzog Otto II. von Wittelsbach (Str. 51 und 65) und dessen Sohn Herzog Heinrich XIII. von Niederbayern (Str. 45) begegnet ist, ist nicht zu ermitteln. F.s Lobstrophen auf den bairischen Hof zeigen aber gute Kenntnisse u¨ ber die Wittelsbacher und sprechen f¨ur l¨angere oder h¨aufigere Aufenthalte in ihrer N¨ahe. Die Strophen zur Wahl Rudolfs von Habsburg (Str. 28–30) sind wohl nicht im direkten Umfeld des K¨onigs, sondern eher seiner Parteig¨anger entstanden. Neben politischen Inhalten behandelt F. g¨angige Themen wie das Schicksal der «gernden» und die Forderung nach «milte», die er mit dem g¨ottlichen Ursprung der Kunst rechtfertigt (Str. 19). Hinzu kommen Verhaltenslehren in Lob- und Scheltstrophen sowie h¨aufig Strophen zu geistlichen Themen, etwa das Lob des Sch¨opfers und der Gottesmutter (Str. 11–16). In J er¨offnen das Corpus f¨unf breit u¨ berlieferte Strophen zur Verteidigung der Welt, gefolgt von einer (m¨oglicherweise von einem anonymen Gegner verfassten) Gegenrede in weiteren f¨unf Strophen (Str. 1–10). Auch F.s moraldidaktische und politische Strophen sind h¨aufig von geistlicher Thematik gepr¨agt. Stilistisch auff¨allig ist die h¨aufige Verwendung von Anaphern und Wortwiederholungen, die auch der Bindung inhaltlich korrespondierender Strophen dient. Im 13. und 14. Jh. geh¨orte F. v. S. zu den bekannten und gesch¨atzten Dichtern. Lupold Hornburg (um 1350) z¨ahlt ihn neben → Walther von der Vogelweide, → Reinmar von Zweter oder → Frauenlob zu den Zw¨olf alten Meistern. Sein Name findet sich auch noch in den Meisterkatalogen des Hans → Folz, Konrad → Nachtigall und Valentin Voigt. Seine T¨one wurden jedoch von den Meistersingern nicht rezipiert. Im 16. und 17. Jh. war er nahezu unbekannt. ¨ Uberlieferung: Heidelberger Liederhs. C, Bll. 407r–409r (26 Str.). – Jenaer Liederhs. J, Bll. 63v–72v (63 Str., 3 Melodien). – Streu¨uberl. (Auswahl): Heidelberger Liederhs. A (10 Str.), Heidelberger Liederhs. cpg 350 (5 Str.), Cod. Sangall. 857 (5 Str. als Nachtrag zur Epik¨uberl.). Ausgaben: Oswald Zingerle (Hg.): F. v. S. Innsbruck 1878. – Achim Masser (Hg.): Die Spr¨uche F.s v. S. (ATB 86). T¨ubingen 1979 (zit.). – Mhd. Sangspruchdichtung des 13. Jh. Mhd./Nhd. Hg., u¨ bers. 511
Der Unverzagte und komm. v. Theodor Nolte/Volker Schupp (RUB 18733). Stuttgart 2011 (12 Str.). Literatur: Gisela Kornrumpf, VL2 2 (1980) Sp. 962–965. – Horst Brunner, MGG2 Personenteil 7 (2002) Sp. 148 f. – Elisabeth Wunderle, Killy2 4 (2009) S. 20 f. – Burghart Wachinger: S¨angerkrieg. Unters. zur Spruchdichtung des 13. Jh. Mu¨ nchen 1973, bes. S. 139–150. – Ulrich M¨uller: Unters. zur politischen Lyrik des dt. MA (GAG 55/56). G¨oppingen 1974, bes. S. 127–133. – H. Brunner: ¨ Die alten Meister. Stud. zur Uberl. und Rezeption der mhd. Sangspruchdichter im Sp¨atMA und in der fr¨uhen Neuzeit. M¨unchen 1975. – Masser (s. Ausg.) S. IX–XXVIII. – Anton Schwob: Pl¨adoyer f¨ur die wandernden Literaten: F. v. S. (Spruch 67, 68 und 69). In: Spectrum Medii Aevi (FS George Fenwick Jones). Hg. v. William C. McDonald (GAG 362). G¨oppingen 1983, S. 457–477. – Codex Manesse. Die Miniaturen der Großen Heidelberger Liederhs. Hg. und erl. v. Ingo F. Walther unter Mitarbeit v. Gisela Siebert. Frankfurt/M. 1988 (62001) S. 266 f. (Tf. 130). – Hans-Joachim Behr: Lit. als Machtlegitimation. Stud. zur Funktion der deutschsprachigen Dichtung am b¨ohmischen K¨onigshof im 13. Jh. (Forschungen zur Gesch. der a¨ lteren dt. Lit. 9). M¨unchen 1989, bes. S. 96–106. – Tomas Tomasek: Das dt. R¨atsel im MA (Hermaea NF 69). T¨ubingen 1994, S. 286–288. – Ulrich Mu¨ ller/ Franz Viktor Spechtler: ‹Si vragent wie der k¨unic von Rome Ruodolf mir behage›: F. v. S. u¨ ber Rudolf von Habsburg. In: Fragen der Liedinterpretation. Hg. v. Hedda Ragotzky u. a. Stuttgart 2001, S. 135–157. – Elke Ukena-Best: ‹Diu rechte kunst ist gotes bote›. Strategien des Gehrens und der Publikums¨uberzeugung im ‹kunst›-Spruch F.s v. S. In: Wirkendes Wort 57 (2007) S. 185–193. – RSM 2,1 (2009) S. 67; 3 (1986) S. 524–537. VL Der Unverzagte. – Sangspruchdichter, zweite H¨alfte 13. Jh. D. U. lebte zur Zeit von K¨onig Rudolf (I.) von Habsburg (1218–1291), den er in seinen Versen erw¨ahnt. Eine weitere zeitliche Eingrenzung ergibt sich durch die Erw¨ahnung des U. bei → Rumelant von Sachsen, der bis etwa 1286 wirkte. In einem gegen → Singauf gerichteten Text erw¨ahnt Rumelant den U. neben → H¨ollenfeuer, nach → Konrad von W¨urzburg und dem → Meißner als noch Lebenden. Die in der → Jenaer Liederhandschrift u¨ berlieferten 22 Strophen des U. verweisen sprachlich 512
Der Schulmeister von Esslingen auf eine m¨oglicherweise nd. Herkunft des Verfassers. D. U. benutzt in den erhaltenen Strophen drei schlichte T¨one: Ton I besteht uberwiegend ¨ aus auftaktlosen Vierhebern, Ton II ist vollst¨andig vierhebig und Ton III enth¨alt als umfangreichster der T¨one siebenhebige Verse mit neunhebiger Schlussbeschwerung. Inhaltlich richten sich die Strophen des U. an den Adel, den er mit moralischen Ratschl¨agen, Mahnungen und teils scharfer Kritik konfrontiert. Die lyrischen Spitzen des U. richten sich besonders gegen geizige Herren, die dem Dichter seinen verdienten Lohn vorenthalten wollen. D. U. verunglimpft sie u. a. durch Tiervergleiche und w¨unscht ihnen Schande, Tod und ewige Verdammnis. Insgesamt zeigen die Verse des U. hier die Perspektive des fahrenden S¨angers mit seinen unsicheren Lebensverh¨altnissen und seiner Abh¨angigkeit von G¨onnern. Sogar K¨onig Rudolf wird vom U. in einer ironischen Priamel f¨ur seinen Geiz gescholten. Weitere Strophen des Dichters warnen den Adel vor falschen Ratgebern, geben Ratschl¨age f¨ur junge M¨anner, kritisieren r¨ucksichtslose geistliche F¨ursten oder entwickeln einen Katalog ritterlicher Tugenden. Auch Schm¨ahungen gegen andere S¨anger finden sich im Werk des U. Der moraldidaktische Anspruch des S¨angers resultiert dabei aus seinem Selbstverst¨andnis als Dichter, der als Fahrender die Welt kennt und sie deshalb be- bzw. verurteilen kann. ¨ Uberlieferung: Jena, ULB, Ms. El. f. 101, 39rb–42ra (Perg., um 1330, nd./mitteldt.). Ausgaben: HMS 3 (1838) S. 43–46. – Georg Holz u. a. (Hg.): Die Jenaer Liederhandschrift 1. Leipzig 1901 (Nachdr. Hildesheim 1966) S. 68–72; Melodien in Bd. 2, 1901, S. 24–26. – Helmut de Boor (Hg.): Die dt. Lit. Texte und Zeugnisse 1/1. M¨unchen 1965, S. 675, 705, 762, 836 f.; Bd. 1/2, 1965, S. 1037 (Teilausg.). – Ronald Jack Taylor (Hg.): The Art of the Minnesinger. Songs of the 13th Century. Bd. 1. Cardiff 1968, S. 93–96 (Melodien). – Hugo Moser/Joseph Mu¨ ller-Blattau (Hg.): Dt. Lieder des MA v. Walther. Von der Vogelweide bis zum Lochamer Liederbuch. Texte und Melodien. Stuttgart 1968, S. 115–118. – Werner H¨over/Eva Kiepe (Hg.): Epochen der dt. Lyrik. Bd. 1: Gedichte v. den Anf¨angen bis 1300. Mu¨ nchen 1978, S. 447–450 (Teilausg.). – Esther Collmann-Weiß (Hg.): Kleinere Spruchdichter des dreizehnten Jh. Der Hardegger. H¨ollefeuer. Der Litschauer. Singauf. Der Unverzagte (ZfdA Beih. 513
2. H¨alfte 13. Jh. 5). Stuttgart 2005 (vgl. dazu: Holger Runow, in: Arbitrium 24, 2006, H. 2, S. 172–175; Ursula Schulze, in: PBB 129, 2007, H. 3, S. 519–522). – Vgl. auch die Ausg. der Jenaer Liederhandschrift. Literatur: HMS 4 (1838) S. 713 f. – Gustav Roethe, ADB 39 (1895) S. 322 f. – Ehrismann 2,2,2 (1935) S. 298. – RSM 5 (1991) S. 450–453; 2/1 (2009) S. 278 f. – De Boor/Newald 3/1 (51997) S. 353, 363, 369 f., 374 f. u. o¨ . – Frieder Schanze, VL2 10 (1999) Sp. 107–109. – Ders./Red., Killy2 11 (2011) S. 703. – Helmut Tervooren: Einzelstrophe oder Strophenbindung? Unters. zur Lyrik der Jenaer Hs. Diss. Bonn 1966, S. 206–214. – Burghart Wachinger: S¨angerkrieg. Unters. zur Spruchdichtung des 13. Jh. (MTU 42). M¨unchen 1973, S. 119, 179, 302. – Ulrich M¨uller: Unters. zur politischen Lyrik des dt. MA (GAG 55/56). G¨oppingen 1974, S. 35 f. – Kurt Franz: Stud. zur Soziologie des Spruchdichters in Deutschland im sp¨aten 13. Jh. (GAG 111). G¨oppingen 1974, S. 117 f. u. o¨ . – Erich Kleinschmidt: Herrscherdarst. Zur Disposition ma. Aussageverhaltens, untersucht an Texten u¨ ber Rudolf I. v. Habsburg. Bern u. a. 1974, S. 149 f. – Erdmute Pickerodt-Uthleb: Die Jenaer Liederhs. Metrische und musikalische Unters. (GAG 99). G¨oppingen 1975, S. 444–446. – Christoph Huber: ‹Wort sint der dinge zeichen›. Unters. zum Sprachdenken der mhd. Spruchdichtung bis Frauenlob (MTU 64). Z¨urich u. a. 1977, S. 117–119. – Sabine Obermaier: Von Nachtigallen und Handwerkern. ‹Dichtung u¨ ber Dichtung› in Minnesang und Sangspruchdichtung (Hermaea 75). T¨ubingen 1995, S. 190 f. – H. Tervooren: Sangspruchdichtung. Stuttgart u. a. 22001, passim. – CollmannWeiß (s. Ausg.). – Johannes Rettelbach: Die Bauformen der To¨ ne in der ‹Jenaer› und in der ‹Kolmarer Liederhs.› im Vergleich. In: Die ‹Jenaer Liederhs.› Codex, Gesch., Umfeld. Hg. v. J. Haustein/ Franz K¨orndle. Berlin/New York 2010, S. 81–98. MM Helf uns das heilige grab → Band 1, Sp. 914 f. Augsburger Sp. 915–917.
Marienklage
→ Band
1,
Der Schulmeister von Esslingen. – Spruchund Liederdichter, zweite H¨alfte 13. Jh. Der S. v. E. ist nur durch seine in der → Heidelberger Liederhandschrift C u¨ berlieferten 514
2. H¨alfte 13. Jh. Texte greifbar. Danach ist der Beginn seiner dichterischen T¨atigkeit auf um 1273 zu datieren. Er bezieht sich in seinem Werk n¨amlich auf K¨onig Rudolf (I.) von Habsburg (1218–1291), der in jenem Jahr gekr¨ont wurde. Sprachliche Eigenheiten lassen eine Verbindung zur Stadt Esslingen m¨oglich erscheinen, erlauben aber keine genaue Identifizierung des S.s. So bleibt ungewiss, ob es sich bei dem S. um einen der an der Stadtschule von Esslingen wirkenden P¨adagogen Heinrich (1279–81 belegt) oder Konrad (1289–1302 belegt) handelte. Die Bezeichnung S. k¨onnte auch als ironischer Spitzname benutzt worden sein, da die Texte eine lat. Bildung verraten und gegen¨uber K¨onig Rudolf durchaus schulmeisterlich-belehrend wirken. Vielleicht bezog sich der Name auf einen fahrenden «scholasticus», bei dem es sich auch um einen Sch¨uler oder Studenten gehandelt haben k¨onnte. Die Illustration zum Werk des S.s in C zeigt einen am Pult sitzenden Lehrer und seinen Helfer, die beide Zuchtruten tragen und mit erhobenen Zeigefingern eine Gruppe von Sch¨ulern ermahnen. Als Nachtr¨age von Hand «Es» enth¨alt C f¨unf T¨one mit zehn Spr¨uchen (I–V) sowie zwei Minnelieder (VI–VII) des S.s. Allerdings sind die Texte entgegen der u¨ blichen Praxis nicht konsequent nach T¨onen geordnet. Die T¨one I bis V werden von polemischer Herrscherkritik bestimmt. Der S. stellt K¨onig Rudolf als egoistischen Feigling dar, vergleicht ihn u. a. mit einer Vogelscheuche und w¨unscht ihm die H¨olle als Reich. Die Klage des S.s u¨ ber geizige Herren in Ton IV zielt m¨oglicherweise ebenfalls auf Rudolf. Als Bar erscheint dieser Ton auch in der → Kolmarer Liederhandschrift. Von den anderen Spr¨uchen des S.s unterscheidet sich die Strophe I,3 durch ihren anz¨uglichen Inhalt. Der Dichter klagt darin u¨ ber seine Impotenz, gegen die allerdings gutes Essen und Wein als Grundlagen der Minne Abhilfe schaffen k¨onnten. Bei den beiden anderen St¨ucken des S.s handelt es sich um dreistrophige Minnelieder mit Sommer-Natureing¨angen. Lied VI ist eine formal an → Walther von der Vogelweide angelehnte Minneklage. Lied VII entwickelt eine Kleiderallegorie, in der sich der an Freuden arme und bloße S¨anger w¨unscht, von der Liebe und den Tugenden seiner Dame bekleidet zu werden. Die Texte des S.s sind durch den h¨aufigen Gebrauch fremder T¨one gekennzeichnet. II und IV stammen von Walther, III von → Reinmar von Brennenberg und V vom → Marner. I a¨ hnelt in 515
Der Schulmeister von Esslingen der Form seiner Stollen einem Ton bei → Johann von Ringgenberg. Individuell erscheint der Bau der Strophen in Lied VII, die jeweils aus f¨unf Zeilen einreimiger Vierheber bestehen. Diese Strophenform verweist auf die lat. Hymne Quando noctis medium, jedoch nicht auf den mhd. Minnesang. Insgesamt ist das Werk des S.s am ehesten wegen seiner rhetorischen Qualit¨aten von Belang, die sich besonders in polemischen Spitzen a¨ußern. ¨ Uberlieferung: Heidelberg, UB, cpg 848, 292v–294r (Perg., erste H¨alfte 14. Jh., alemannisch, Nachtrag von Hand «Es»). Ausgaben: HMS 2 (1838) S. 137–140. – Meisterlieder der Kolmarer Hs. Hg. v. Karl Bartsch. Stuttgart 1862 (Nachdr. Hildesheim 1962) Nr. 157 (zu Bar erw. Ton IV). – Ulrich Mu¨ ller (Hg.): Politische Lyrik des dt. MA. Bd. 1 (GAG 68). G¨oppingen 1972, S. 86–89, 230. – Kraus LD 1 (21978) S. 61–67; 2 (21978) S. 63–67. – Epochen der dt. Lyrik 1: Gedichte v. den Anf¨angen bis 1300. Hg. v. Werner H¨over/Eva Kiepe. M¨unchen 1978, S. 434–438. – Burghart Wachinger (Hg.): Dt. Lyrik des sp¨aten MA (BdK 191/BMA 22). Frankfurt/M. 2006, S. 256 f., 760–762 (Teilausg.). – Vgl. auch die Ausg. der Heidelberger Liederhandschrift C. Literatur: HMS 4 (1838) S. 185, 447–454. – Gustav Roethe, ADB 33 (1891) S. 64 f. – Kraus LD 2 (21978) S. 63–67. – RSM 5 (1991) S. 364–366. – Gisela Kornrumpf, VL2 8 (1992) Sp. 869–872. – De Boor/Newald 3/1 (51997) S. 278, 350, 366 u. o¨ . – Norbert H. Ott, NDB 23 (2007) S. 684 f. – C. Huber/Sandra Linden, Killy2 10 (2011) S. 624 f. – Erich Kleinschmidt: Herrscherdarstellung. Zur Disposition ma. Aussageverhaltens, untersucht an Texten u¨ ber Rudolf I. v. Habsburg. Bern u. a. 1974, S. 139, 143–149. – U. M¨uller: Unters. zur politischen Lyrik des dt. MA (GAG 55/56). G¨oppingen 1974, S. 142–146. – Rainer Ilgner: Scheltstrophen in der mhd. Spruchdichtung nach Walther. Diss. Bonn 1976, S. 37, 147 f. – G. Kornrumpf/Burghart Wachinger: Alment, Formentlehnung und T¨onegebrauch in der mhd. Spruchdichtung. In: Dt. Lit. im MA. Kontakte und Perspektiven. FS Hugo Kuhn. Hg. v. Christoph Cormeau. Stuttgart 1979, S. 356–411, hier S. 363 f., 399 f. – Ursula Peters: Lit. in der Stadt. Stud. zu den sozialen Voraussetzungen und kulturellen Organisationsformen st¨adtischer Lit. im 13. und 14. Jh. T¨ubingen 1983, S. 284–286. – Codex Manesse. Die Miniaturen der Großen Heidelberger 516
Heinrich von Breslau Liederhs. Hg. und erl. v. Ingo F. Walther unter Mitarbeit v. Gisela Siebert. Frankfurt/M. 1988 (62001) S. 197 f. (Tf. 96). – Joachim Heinzle: Wandlungen und Neuans¨atze im 13. Jh. (1220/30–1280/90) (Gesch. der dt. Lit. v. den Anf¨angen bis zum Beginn der Neuzeit 2/2). T¨ubingen 21994, S. 43 f., 97 f. – Reinhard Bleck: Der Zu¨ rcher S. v. E. aus der Manesseschen Liederhs. In: Z¨urcher Taschenbuch 124 (2004) S. 79–115 (auch als Sonderdr. Z¨urich 2003). MM Heinrich von Breslau (Herzog Heinrich IV. von Schlesien-Breslau [?]). – Minnes¨anger, zweite H¨alfte 13. Jh. Unter dem Namen eines Herzogs H. von B. u¨ berliefert die → Heidelberger Liederhandschrift C zwei Lieder. Wer sich hinter dem adligen Dilettanten verbirgt, ist nicht mit letzter Sicherheit gekl¨art. Wahrscheinlich handelt es sich um Herzog H. IV. von Schlesien-Breslau (* um 1253, † 1290, Herzog seit 1270) und nicht um H. III. (1241–66) oder H. V. (1290–96), wof¨ur vor allem stilistisch-motivliche Ankn¨upfungspunkte an → Frauenlob sprechen. Die Belobigung des Breslauer Hofes und dessen S¨angerfreundlichkeit beim → Tannh¨auser (Leich 6, um 1256/66) ist wohl eher auf das M¨azenatentum H.s III., dem Vater von H. IV., zu beziehen. Bezeugungen bei Frauenlob (RSM: 1Frau/2/100 und 109) gehen wahrscheinlich auf H. IV., liefern aber auch keine eindeutigen Anhaltspunkte zur Identifikation des Dichters. Eine lat. Totenklage des Dichters Mersburg in der → Augsburger Cantionessammlung (1ZYMersb/9) d¨urfte ebenfalls H. IV. meinen. Wiederholt ist in der Forschung generell angezweifelt worden, dass einem Vertreter der schlesischen Linie der Piasten im 13. Jh. dt. Lieder zugesprochen werden k¨onnten. Das wiederum f¨uhrt zu der Frage, was die Motivation der C-Redaktion oder eine ihrer Vorlagen f¨ur die Zuschreibung der Lieder an einen Herzog von Breslau h¨atte gewesen sein k¨onnen. In jedem Fall bleiben hinsichtlich der Verfasserschaft der beiden Dichtungen viele Fragen offen. Aber unabh¨angig von der Autorfrage stellen die Lieder wichtige Zeugnisse der Sp¨atbl¨ute des Minnesangs an ostdt. H¨ofen dar, wo die Aus¨ubung der h¨ofischen Dichtkunst offensichtlich Teil der feudal-sozialen Repr¨asentation war (vgl. auch Graf → Heinrich von Anhalt, Markgraf → Heinrich III. von Meißen, → Otto IV. von Brandenburg). 517
2. H¨alfte 13. Jh. Sprachlich orientieren sich die Lieder g¨anzlich an oberdt. Vorbildern. Lied 1 ist ein konventionell gehaltener dreistrophiger Frauenpreis, dessen Ton mit Lied 3 Markgraf Heinrichs III. u¨ bereinstimmt, was kein Zufall sein muss. Das f¨unfstrophige Lied 2 ist als fingierte Gerichtsverhandlung rhetorisch inszeniert. Das S¨anger-Ich tr¨agt hier seine Anklage wieder die Minnedame, welche die Dienste des S¨angers nicht belohnt, vor den personifizierten Instanzen des sommerlichen Liebesgl¨uckes («meie», «sumerwunne», «liehtiu heide», «kle», «gr¨uener walt», «sunne» und «Venus») vor. Zwar gelingt es dem Kl¨ager die sommerliche Gerichtsbarkeit auf seine Seite zu ziehen, doch widerspricht er am Ende aus Mitleid und in Anlehnung an die Urteilsschelte des ma. Prozessverfahrens der angedrohten Rache. Die «revocatio» des S¨angerIchs («lˆat mich eˆ sterben, sˆı genesen») erinnert auff¨allig an einen Vers des Meister → Alexanders (Kraus LD 1 [21978] Nr. 1; VI,3,8). Auch in mehreren Minneliedern Frauenlobs finden sich a¨ hnliche Formulierungen. Generell ist der Bezug zu Frauenlob deutlich. Das Grundmotiv der Aufforderung an die Natur gegen die Geliebte zu agieren findet sich auch in einer anonymen Strophe der → Haager Liederhandschrift (ebd. Nr. 38:s) und in einem → Gottfried von Straßburg zugeschriebenem Lied (ebd. Nr. 16 [III]). ¨ Uberlieferung: Heidelberg, UB, Cpg 848 (C) 11v–12rb (Perg., um 1300, alemannisch). Die Miniatur zeigt H. als Sieger in einem Turnier, der von zwei Damen den Siegerkranz erh¨alt. Wappenschild und Helmzier stimmen mit dem Wappen der schlesischen Piasten u¨ berein; Bild¨uberschrift: «herzoge Heinrich v¯o pressela». – Weimar, Herzogin Anna Amalia Bibl., Cod. Quart 564 (→ Weimarer Liederhs. [F]) 86r-v (Pap., drittes Viertel 15. Jh.) nur Lied 2, ohne Namensnennung. – Berlin, SBB, Mgq 795 (M¨osersche Bruchst¨ucke) 3 Pergamentdoppelbll. (nd. nach hochdt. Vorlage, um 1400 [m]) nur Lied 2, Anfang fehlt, deshalb ohne Namensnennung. Ausgaben: HMS 1 (1838) S. 10 f. – Dt. Liederdichter des zw¨olften bis vierzehnten Jh. Hg. v. K. Bartsch. 4. Aufl. besorgt v. Wolfgang Golther. Berlin 1900, Nr 81 (nur Lied 2). – Ostdt. Minnesang. ¨ Ausw. und Ubertragung v. Margarete Lang. Melodien hg. v. Walter Salmen (Schr. des KopernikusKreises 3). Lindau u. a. 1958, S. 48–51 (nur Lied 2). – Hugo Kuhn/Georg Reichert: Minnesang des 13. Jh. T¨ubingen 21962, S. 38 f. (nur Lied 2). – Kraus LD 1 (21978) Nr. 23. 518
2. H¨alfte 13. Jh. Literatur: Colmar Gr¨unhagen, ADB 11 (1880) S. 607–611. – Heinrich Appelt/H. Kuhn, NDB 8 (1969) S. 394–396. – Franz Josef Worstbrock, VL2 3 (1981) Sp. 704–706; 11 (2004) Sp. 616. – Josef Joachim Menzel, LexMA 4 (1989) Sp. 2078. – De Boor/Newald 3/1 (21997) S. 286 f. – Konrad Wuttke: Der Minnes¨anger H. v. Pressela in der bisherigen Beurteilung. In: Zs. des Ver. f¨ur die Gesch. Schlesiens 56 (1922) S. 32. – Hans Heckel: Gesch. der dt. Lit. in Schlesien (Einzelschr. zur schlesischen Gesch. 2). Breslau 1929, S. 36 f. – Lang (s. Ausg.) S. 12, 48–51, 121. – Arno Lubos: Gesch. der Lit. Schlesiens. Bd. 1. W¨urzburg 1960, S. 44 f.– Joachim Bumke: Ministerialit¨at und Ritterdichtung. Umrisse der Forschung (Edition Beck 12). M¨unchen 1976, Reg. – Kraus LD 2 (21978) S. 188 f. – J. Bumke: M¨azene im MA. Die G¨onner und Auftraggeber der h¨ofischen Lit. in Deutschland, 1150–1300. M¨unchen 1979, S. 206 f., 400 und Reg. – Codex Manesse. Die Miniaturen der Großen Heidelberger Liederhs. Hg. und erl. v. Ingo F. Walther unter Mitarbeit v. Gisela Siebert. Frankfurt/M. 1988 (62001) S. 10 f. (Tf. 5). – HansJoachim Behr: Landesherren als Minnes¨anger. Zur Lieddichtung Markgraf Ottos IV. v. Brandenburg (mit dem Pfeil), Herzog H.s IV. v. B. und K¨onig Wenzels II. v. B¨ohmen. In: JOWG 6 (1990/91) S. 85–92. – Ders.: Das sp¨ate Minnelied. H. v. B.: ‹Ich klage dir, meie›. In: Gedichte und Interpretationen. MA. Hg. v. H. Tervooren (RUB 8864). Stuttgart 1993, S. 71–86. – Manfred Kern: Edle Tropfen vom Helikon. Zur Anspielungsrezeption der antiken Mythologie in der dt. h¨ofischen Lyrik und Epik (Amsterdamer Publ. zur Sprache und Lit. 135). Amsterdam/Atlanta 1998, S. 412–417. VZ Johann von Brabant (Herzog Jan I. von Brabant), * 1252/53, † 3.5.1294. – Mndl. Minnes¨anger. J. hat als adliger Gelegenheitsdichter mit neun Minneliedern Eingang in die → Heidelberger Liederhandschrift C gefunden. Er regierte seit 1268 als Herzog und war u¨ ber seine Ehe mit Margaretha von Frankreich eng mit dem franz¨osischen K¨onigshof verbunden. Im limburgischen Erbfolgekrieg erlangte er durch seinen Sieg in der Schlacht bei Worringen (1288) die Vereinigung von Brabant mit Luxemburg. Als Herrscher u¨ ber die reichen Gebiete zwischen Maas und Rhein wurde er somit zu einem der m¨achtigsten Reichsf¨ursten. 519
Johann von Brabant J., der sehr um die F¨orderung der h¨ofischen Kultur bem¨uht war, starb an den Folgen einer Verletzung, die er sich auf einem Turnier in Bar-leDuc zugezogen hatte. Bereits sein Vater Hendrik III. war poetisch t¨atig und hat franz¨osische Minnelieder gedichtet, w¨ahrend J., trotz seiner franz¨osischen Verbindungen, seine Lieder offensichtlich im brabantischen Idiom verfasst hat. Hierauf weisen die Reime und einige «Niederlandismen» hin, die im obd. Textzeugen noch erhalten sind. M¨oglich ist aber auch, dass er im Zuge seiner Ostpolitik die im Maasgebiet gebr¨auchliche ndl.-dt. Mischsprache f¨ur die Lieder herangezogen hat. Auch ist umstritten, ob alle Lieder urspr¨unglich ndl. waren und nicht einige (Lieder 1, 3, 8 und 9) wom¨oglich origin¨ar auf mhd. verfasst worden sein k¨onnten. Der unter seinen Zeitgenossen hoch angesehene J. hat nach seinem Tod eine Nachleben als eine dem → Tannh¨auser vergleichbare Dichterlegende gehabt. Indem seine Lieder biographisch-w¨ortlich interpretiert wurden, hat man ihm zum Venusritter stilisiert (vgl. zum Kontext des literarischen Nachlebens auch → Totenklage auf Herzog Johann I. von Brabant und → Lob der ritterlichen Minne). Wenn der franz¨osische Einfluss sich auch bei der Wahl der Sprache nicht ausgewirkt hat, so zeigt er sich bei den insgesamt 22 Strophen im formalen Bereich: F. orientiert sich an romanischen Liedtypen (Virelai, Ballete, Zadjal), die sonst in C kaum repr¨asentiert sind. Sieben der neun Lieder, die vor allem durch kunstvolle Reimfolgen u¨ berzeugen, haben einen Refrain und drei werden mit knappen Natureing¨angen eingeleitet. Thematisch und motivlich ist er der h¨ofischen Sangeskunst verpflichtet, wobei J. keine elaborierte Minnediskussion entwickelt, sondern offensichtlich prim¨ar an der Sangbarkeit seiner Dichtungen und damit eher an den formalen Aspekten interessiert war. Die Lieder artikulieren eine dezidierte Dienstbereitschaft des S¨anger-Ichs und pr¨asentieren es oftmals in den F¨angen einer Art Zwangminne. Diese f¨ugt Verwundungen und Schmerzen zu, welche nur die Dame selbst durch Lohngew¨ahrung lindern kann. Lied 2 ist eine Pastourelle mit spielerischen Abweichungen von typischen Gattungsmerkmalen: Der S¨anger begegnet in einem Baumgarten drei «juncfrouwen» und wird von der auserw¨ahlten sch¨onsten zweideutig mit den Worten «la stan» zur¨uckgewiesen. Der Refrain des Liedes («harba lori fa») parodiert einen Alba-Refrain. 520
Albrecht, Marschall von Raprechtswil ¨ Uberlieferung: Heidelberg, UB, Cpg 848 (C) 18r–19rb (Perg., um 1300, alemannisch). Die Miniatur zeigt J. im berittenen Kampfget¨ummel (Schlacht bei Worringen ?); Bild¨uberschrift: «Herzoge Johans von Brabant». Ausgaben: HMS 1 (1838) S. 15–17. – Karl Bartsch: Dt. Liederdichter des zw¨olften bis vierzehnten Jh. Eine Auswahl. 4. Aufl. besorgt v. Wolfgang Golther. Berlin 1906 (Nachdr. Darmstadt 1966) S. 254–257. – Jan Goossens/Frank Willaert: De liederen van Jan I. Diplomatische editie. In: Queeste 10 (2003) S. 115–126. – R¨uck¨ubersetzungsversuche ins Mndl.: Hoffmann von Fallersleben: Lieder Herzogs Jan I. v. B. In: Germania 3 (1858) S. 154 –161. – Boerma (s. Lit.) S. 234–238. Literatur: Theodor Wenzelburger, ADB 14 (1881) S. 148 f. – Heinrich Neu, NDB 10 (1974) S. 470 f. – Paul B. Wessels, VL2 4 (1983) Sp. 544 f.; 11 (2004) Sp. 763. – Piet Avonds, LexMA 5 (1991) Sp. 506 f. – Sandra Linden, Killy2 6 (2009) S. 155 f. – H. Boerma: Die liederen van Hertog Jan van Brabant. In: Tijdschrift voor Nederlandsche Taalen Letterkunde 15 (1896) S. 220–238. – H. P. Wessels: Zur Sonderstellung des ndl. Minnesangs im germanisch-romanischen Raum. In: Neophilologus 37 (1957) S. 208–218. – Nico H. J. van den Boogaard: Quelques remarques sur une pastourelle en moyen n´eerlandais, en particulier sur le refrain proven¸cal: ‹harba lori fa›. In: M´elanges Ren´e Crozet Bd. 2. Hg. v. Pierre Gallais/YvesFran¸cois Riou. Poitiers 1966, S. 1213–1216. – Norbert de Paepe: Ik zag nooit zo roden mond (Literaire verkenningen. Eerste tijdvak). Leiden 1970, S. 81–91. – F. Willaert: A propos d’une ballette de Jean Ier, duc de Brabant (1253–1294). In: Etudes germaniques 35 (1980) S. 387–397. – Renate Hausner: Spiel mit dem Identischen. Stud. zum Refrain deutschsprachiger lyrischer Dichtung des 12. und 13. Jh. In: Sprache – Text – Gesch. Beitr. zur Medi¨avistik und germanistischen Sprachwiss. Hg. v. Peter K. Stein u. a. (GAG 304). G¨oppingen 1980, S. 281–384, hier S. 312–314. – Sabine Christiane Brinkmann: Die deutschsprachige Pastourelle. 13. bis 16. Jh. (GAG 307). G¨oppingen 1985, S. 162–165. – Codex Manesse. Die Miniaturen der Großen Heidelberger Liederhs. Hg. und erl. v. Ingo F. Walther unter Mitarbeit v. Gisela Siebert. Frankfurt/M. 1988 (62001) S. 18 f. (Tf. 9). – J. Goossens: Herzog Jan I. v. B. und der limburgische Erbfolgekrieg in der ma. ndl. und dt. Lit. 521
2. H¨alfte 13. Jh. In: ZfdPh 108 (1989) Sonderh. S. 178–192. – Helmut Tervooren: Einige Bemerkungen zu Herzog Jan I. v. B. und zu seiner Pastourelle ‹Eins meien morgens fruo›. In: Ist zwˆıvel herzen nˆachgebˆur. FS G¨unther Schweikle. Hg. v. R¨udiger Kr¨uger u. a. Stuttgart 1989, S. 127–141 (wieder in: Ders.: Schoeniu wort mit su¨ ezeme sange. Philol. Schr. (Phil.Stud.u.Qu. 159). Hg. v. Susanne FritschStaar/Johannes Spicker. Berlin 2000, S. 175–185. – F. Willaert: Entre trouv`eres et Minnes¨anger: la po´esie de Jean Ier, duc de Brabant. In: Courtly Literature – Culture and Context (Utrecht Publ. in General and Comparative Literature 25). Hg. v. Keith Busby/Erik S. Kooper. Amsterdam 1990, S. 585–594. – Ders.: Geben und Nehmen. Das h¨ofische Lied in den Niederlanden und der dt. Minnesang. In: AB¨aG 47 (1997) S. 213–227. – J. Goossens: Zur Sprache der Lieder des brabantischen Herzogs J. I. in der Manessischen Liederhs. In: Lit. – Gesch. – Literaturgesch. FS Volker Honemann. Hg. v. Nine Robijntje Miedema/Rudolf Suntrup. Frankfurt/M. 2003, S. 237–248. – F. Willaert: Een dichter te paard. De minnelyriek van Jan I van B. In: Queeste 10 (2003) S. 97–115. – H. Tervooren u. a.: Van der Masen tot op den Rijn. Ein Hb. zur Gesch. der ma. volkssprachlichen Lit. im Raum von Rhein und Maas. Berlin 2006, S. 140 f. und Reg. VZ Albrecht, Marschall von Raprechtswil. – Minnes¨anger, letztes Viertel 13. Jh. oder erste H¨alfte 14. Jh. Der namentlich nur von der → Heidelberger Liederhandschrift C bezeugte A. d¨urfte Dienstmann der Grafen von Rapperswil (am Z¨urichsee) gewesen sein und nach Ausweis der Corpusu¨ berschrift bei diesen das Marschallenamt versehen haben. Eine eindeutige Identifizierung mit einem der in entsprechenden Zeitr¨aumen namenlos bezeugten Rapperswiler Marsch¨alle (Urkunden von 1272/76, 1282 und 1321/36) ist nicht m¨oglich. Der Nachtragsschreiber von C, der f¨ur den Eintrag der Lieder A.s verantwortlich zeichnet, hat haupts¨achlich – aber nicht ausschließlich – Dichter des fr¨uhen 14. Jh. aufgenommen. Die Dichtungen A.s k¨onnten indes inhaltlich wie formal auch aus dem letzten Viertel des 13. Jh. stammen und stehen in der Tradition → Gottfrieds von Neifen, → Ulrichs von Liechtenstein, → Ulrichs von Winterstetten oder → Konrads von W¨urzburg. Es han522
2. H¨alfte 13. Jh. delt sich um drei dreistrophige Lieder in jeweils eigenem Ton, wobei Ton 2 eine Abwandlung des ersten ist mit (nicht konsequent gesetzten) Binnenreimen. Der dritte Ton ist eine Kanzone und identisch mit (Minnelied-)Ton V des → Kanzlers. Alle drei Lieder haben einen Natureingang auf den ein Frauenpreis und die Bitte um Minnerf¨ullung folgen. Das Minneleid hingegen ist kein Gegenstand von A.s Dichtungen. Ein origin¨ares Motiv findet sich in der letzten Strophe von Lied 1 mit dem S¨anger, der in den (Augen-)Sternen der Geliebten sehen kann, «was hernach beschehen sol». ¨ Uberlieferung: Heidelberg, UB, Cpg 848 (C) 192v–193rb (Perg., um 1300 [Nachtr¨age erste H¨alfte ¨ 14. Jh.] alemannisch) Uberschrift (¨uber dem Text und nicht u¨ ber der Miniatur): «Albrecht marchschal v¯o Raprechtswile»; Nachtrag zum Grundstock. Am unteren Spaltenrand von Bl. 193rb sind die Anfangszeilen zweier weiterer Strophen des letzten Liedes nachgetragen. Eine halbe Spalte auf Bl. 193r und die ganze Seite 193v sind freigehalten. Die Miniatur zeigt einen k¨ampfenden Ritter mit dem Wappen der Grafen von Rapperswil; der vermutlich habsburgische L¨owe auf der Sattellehne ist lediglich Ausweis der Zugeh¨origkeit Rapperswils zu Habsburg zum Zeitpunkt der Bildentstehung. Ausgaben: HMS 1 (1838) S. 342. – Karl Bartsch (Hg.): Die Schweizer Minnes¨anger (Bibl. a¨lterer Schriftwerke der dt. Schweiz 6). Frauenfeld 1886 (Nachdr. Darmstadt 1964) S. 381–384, 468 f. (Nr. XXX). – Dt. Liederdichter des zw¨olften bis vierzehnten Jh. Hg. v. K. Bartsch. 4. Aufl. besorgt v. Wolfgang Golther. Berlin 1900, S. 284 f. (nur Lied 1). – Die Schweizer Minnes¨anger. Nach der Ausg. v. K. Bartsch neu bearb. und hg. v. Max Schiendorfer. Bd. 1: Texte. T¨ubingen 1990, S. 148–151. Literatur: Karl Bartsch, ADB 1 (1875) S. 320. – Volker Mertens, VL2 1 (1978) Sp. 199. – HMS 4 (1838) 288–290. – Bartsch (s. Ausg.) S. CCVI–CCX. – HBLS 5 (1930) S. 1929. – Elias v. Steinmeyer: Fein. In: ZfdA 34 (1890) S. 282 f. (zur Verwendung des Adjektives ‹fin› in der Nachfolge K.s v. Wu¨ rzburg). – Antonius H. Touber: Rhetorik und Form im dt. Minnesang. Groningen 1964, S. 129 f. – Ewald Jammers: Das kgl. Liederbuch des dt. Minnesangs. Eine Einf. in die sog. Manessische Hs. Heidelberg 1965, S. 21, 152. – Hertha-Elisabeth Renk: Der Manessekreis, seine Dichter und die Manessische Hs. Stuttgart u. a. 1974, S. 189. – Codex Manesse. Die Miniaturen der Großen Heidelberger Liederhs. Hg. und erl. v. 523
Brunwart von Augheim Ingo F. Walther unter Mitarbeit v. Gisela Siebert. Frankfurt/M. 1988 (62001) S. 128 f. (Tf. 63). VZ Brunwart von Augheim, Johannes (Aughein, Auggen, Oughein, Ouchein). – Liederdichter. B.s Lebensumst¨ande sind bis heute umstritten. Er k¨onnte aus einem Geschlecht von seit 1130 nachweisbaren Ministerialen stammen, die unter den Markgrafen von Hachberg dienten. Zun¨achst im breisgauischen Auggen angesiedelt, zogen die von Augheim nach der Zerst¨orung ihrer Burg 1272 nach Neuenburg am Rhein. Dort war 1272–96 ein B. v. A. Schultheiß. Sp¨ater soll er als Ratsherr in Freiburg i. Br. gelebt haben. Ein weiterer B. ist von 1272 bis 1303 belegt. In der neueren Forschung wird auch die These vertreten, B. sei Schultheiß und gr¨aflicher Rat in Freiburg gewesen. Somit d¨urfte die Frage nach B.s Identit¨at bis zur Auffindung neuer Quellen nicht abschließend zu beantworten sein. Die B. zugeschriebenen Werke sind in der → Heidelberger Liederhandschrift C u¨ berliefert. Es handelt sich um f¨unf dreistrophige Lieder, die sich stark an → Gottfried von Neifen anlehnen. Dies wird haupts¨achlich an ihrer Verbindung von Natureingang und Minneklage deutlich, aber auch an den von Neifen entlehnten Wendungen und Motiven. Daneben sind in B.s Liedern w¨ortliche Bez¨uge auf → Hiltbolt von Schwangau nachweisbar. Insgesamt gilt sein Werk als gef¨allig, doch konventionell. Neben B.s Texten enth¨alt C auch eine begleitende Illustration. In der farbigen Zeichnung h¨alt der Dichter die H¨ande einer vor ihm knienden Frau. ¨ Uberlieferung: Heidelberg, UB, Cpg 848, 258v–259rb (Perg., erste H¨alfte 14. Jh.). Ausgaben: HMS 2 (1838) Nr. 87. – Friedrich Pfaff: Der Minnesang im Lande Baden. Heidelberg 1908, S. 26–31. – Kraus LD 1 (21978) Nr. 4. – Ritter Johannes Brunwart von Auggen. Ein Minnes¨anger und seine Welt. Hg. v. Michael B¨armann/Eckart C. Lutz. Freiburg i. Br. 1987 (vgl. dazu Klaus Graf, in: Zs. f¨ur die Gesch. des Oberrheins 136, 1988, S. 515; Hubert Heinen, in: Monatshefte f¨ur deutschsprachige Lit. und Kultur 81, 1989, S. 383–385). – Vgl. auch die Ausg. der Heidelberger Liederhandschrift C. Literatur: Wilhelm Wilmanns, ADB 1 (1875) S. 658. – Franz Josef Worstbrock, VL2 1 (1978) Sp. 1075 f. – Kraus LD 2 (21978) S. 23–31 (mit a¨ lterer Lit.). – De Boor/Newald 3/1 (51997) S. 264, 524
Der Guter 524, 557. – Joachim Bumke: Ministerialit¨at und Ritterdichtung. Umrisse der Forschung. Mu¨ nchen 1976, S. 62 f. u. o¨ . – B¨armann/Lutz 1987 (s. Ausg.). – Codex Manesse. Die Miniaturen der Großen Heidelberger Liederhs. Hg. und erl. v. Ingo F. Walther unter Mitarbeit v. Gisela Siebert. Frankfurt/M. 1988 (62001) S. 179 f. (Tf. 87). MM Der Guter. – Sangspruchdichter, 13. Jh. Der G. stammte nach dem Sprachstand seiner nur von der → Jenaer Liederhandschrift (J) u¨ berlieferten Spr¨uche aus dem mitteldt. oder nd. Raum. Eine zeitliche Einordnung seiner Dichtung, ob Mitte oder eher sp¨ates 13. Jh., h¨angt von der Bewertung seines f¨unstrophigen Liedes von der Frau Welt ab (RSM, 1Gut/1/1–5). Dieses k¨onnte abh¨angig sein von Der Welte Lohn → Konrads von W¨urzburg, womit der G. f¨ur j¨unger als Konrad zu halten w¨are. Oder beide Texte haben vielleicht eine gemeinsame Vorlage, was eine ungef¨ahre Gleichzeitigkeit wahrscheinlich machte. Insgesamt sind elf Strophen in zwei T¨onen u¨ berliefert, davon sind acht in Ton 1 und drei in Ton 2 verfasst. Beide T¨one haben Kanzonenform, wobei das Schema von Ton 2 eng verwandt ist mit → Frauenlobs «Ritterweise» (1Frau/23). Die ersten f¨unf Strophen bilden das literarhistorisch herausragende Frau-Welt-Lied, die u¨ brigen sechs stellen sich als je zwei Dreiersequenzen thematisch verwandter Lieder dar. G.s Spr¨uche sind u¨ berwiegend moraldidaktisch. Das Frau-Welt-Lied schließt mit einem eindriglichen Memento mori. Die Sequenz 1 Gut/1/6–8 ist eine Mahnung an die jungen Herren zur rechten Lebensweise und 1Gut/2/1–3 behandelt die f¨ur die Spruchdichtung typischen Tugenden «truwe», «zucht» und «ere». Die FahrendenThematik klingt in den Strophen gar nicht, h¨ofisches Gedankengut nur selten an. Die Lehren des G. beruhen vielmehr auf einer christlichtranszendenten Ethik. Durch die Einbeziehung von «bˆıspeln», Sprichw¨ortern und Sentenzen (darunter ein → Winsbecke-Zitat in 1Gut/1/6 [Winsbecke 42, 8–10]) ger¨at die Argumentation der Spr¨uche des G. sehr anschaulich. ¨ Uberlieferung: Jena, ULB, Ms. El. f. 101 (J) 38rb–39ra (Ton 1) 44va–45ra (Ton 2) (Perg., um 1330, mitteldt. mit nd. Einschlag) Corpusu¨ berschrift: «Der g˚utere» und «Der gh˚uter»; nur Ton 1 hat Melodienotation. Ausgaben: HMS 3 (1838) S. 41–43. – Georg Holz/Eduard Bernoulli/Franz Saran: Die Jenaer 525
2. H¨alfte 13. Jh. Liederhs. 2 Bde. Leipzig 1901 (Nachdr. Hildesheim 1966) Nr. 14. – Karl Bartsch: Dt. Liederdichter des zw¨olften bis vierzehnten Jh. Eine Auswahl. 4. Aufl. besorgt v. Wolfgang Golther. Berlin 1906 (Nachdr. Darmstadt 1966) S. 346–348 (nur 1Gut/1/1–5). – Helmut de Boor: MA. Texte und Zeugnisse. Bd. 1 (Die dt. Lit. Texte und Zeugnisse 1,1). Berlin 1965 (Nachdr. Mu¨ nchen 1988) S. 490 f., 762 f. (nur Ton 1). – Cramer 1 (1977) S. 262–265. – Werner H¨over/Eva Kiepe: Gedichte von den Anf¨angen bis 1300. Nach den Hss. in zeitlicher Folge (Epochen der dt. Lyrik 1). M¨unchen 1978 (Nachdr. 2001 u. d. T.: Dt. Lyrik v. den Anf¨angen bis zur Gegenwart 1) S. 473 f. (nur 1Gut/1/1–5 mit ¨ Ubers.). – Melodie: Ronald J. Taylor: The Art of the Minnesinger. Songs of the thirteenth century. 2 Bde. Cardiff 1968, Bd. 1, S. 24 f., Komm: Bd. 2, S. 36 f. – Horst Brunner/Karl-G¨unther Hartmann: Spruchsang. Die Melodien der Sangspruchdichter des 12. bis 15. Jh. (Monumenta monodica medii aevi 6). Kassel 2010, S. 124. Literatur: Helmut Tervooren, VL2 3 (1981) Sp. 334 f. – RSM 4 (1988) S. 17 f.; 2,1 (2009) S. 75. – De Boor/Newald 3/1 (51997) S. 559 (Reg.). – August Closs: Weltlohn, Teufelsbeichte, Waldbruder. Beitr. zur Bearb. lat. Exempla in mhd. Gewande nebst einem Anhang: De eo qui duas volebat uxores (Germanische Bibl. 37). Heidelberg 1934, S. 16–18. – Alfons Weber: Stud. zur Abwandlung der h¨ofischen Ethik in der Spruchdichtung des dreizehnten Jh. W¨urzburg 1937, S. 79–82. – Wolfgang Stammler: Frau Welt. Eine ma. Allegorie (Freiburger Universit¨atsreden NF 23). Freiburg/ Schweiz 1959, S. 47. – H. Tervooren: Einzelstrophe oder Strophenbindung? Unters. zur Lyrik der Jenaer Hs. Diss. Bonn 1967, S. 204–206. – Kurt Franz: Stud. zur Soziologie des Spruchdichters in Deutschland im sp¨aten 13. Jh. (GAG 111). G¨oppingen 1974, Reg. – Erdmute Pickerodt-Uthleb: Die Jenaer Liederhs. Metrische und musikalische Unters. (GAG 99). G¨oppingen 1975, S. 443. – Cramer 1 (1977) S. 464. – Joachim Schulze: Ein bisher u¨ bersehenes Kontrafakt in der Jenaer Liederhs.? In: ZfdPh 108 (1989) S. 405 f. – Thomas Bein: Frau Welt, Konrad v. W¨urzburg und der G. Zum literarhistoriographischen Umgang mit weniger bekannten Autoren. In: ‹swer sˆınen vriunt behaltet, daz ist lobelˆıch›. FS Andr´as Vizkelety. Hg. v. M´arta Nagy/L´aszl´o J´on´acsik. Budapest 2001, S. 105–111. – Shao-Ji Yao: Der Exempelgebrauch in der Sangspruchdichtung vom sp¨aten 12. Jh. bis 526
2. H¨alfte 13. Jh. zum Anfang des 14. Jh. (W¨urzburger Beitr. zur dt. Philologie 32). W¨urzburg 2006, Reg. – Jens Haustein/Franz K¨orndle (Hg.): Die Jenaer Liederhs. Codex – Gesch. – Umfeld. Berlin/New York 2010, Reg. VZ Schenk Konrad von Landeck. – Minnes¨anger, zweite H¨alfte 13. Jh. (?). Die → Heidelberger Liederhandschrift C u¨ berliefert unter dem Namen K.s ein Corpus von 22 Minneliedern mit insgesamt 102 Strophen. Die Ministerialenfamilie von Landeck stammte aus der thurgauischen Grafschaft Toggenburg, war in Diensten der dortigen Grafen (vgl. Graf → Kraft von Toggenburg) und vererbte in ihren Reihen seit der zweiten H¨alfte des 12. Jh. das Schenkenamt des Stifts von St. Gallen. Die beiden Vertreter der Familie, die als Dichter in Frage kommen, sind Vater und Sohn. Ersterer (Konrad II. von Glattburg-L.) ist zwischen 1265 und 1306 bezeugt, sein Sohn von 1313 bis 1347. Wegen einer Anspielung in Lied 5 auf die Belagerung Wiens durch K¨onig Rudolf I. von Habsburg (1276) wird gemeinhin der a¨ltere Konrad f¨ur den Dichter gehalten. Auch Lied 13, das anhand einer Reihe von genannten L¨andernamen die Teilnahme des Dichters an einer Heerfahrt Rudolfs gegen Pfalzgraf Otto von Hochburgund (1289) wahrscheinlich macht, spricht f¨ur den Vater. Nach → Ulrich von Singenberg, dem Truchsess von St. Gallen, hat K. in C das gr¨oßte Corpus unter den adeligen Dichtern seiner Region (vgl. → Heinrich von Sax, → Heinrich von Frauenberg, → Konrad von Altstetten). Die Vorbilder K.s sind durch zum Teil w¨ortliche Entsprechungen ermittelbar: vor allem → Gottfried von Neifen und → Ulrich von Winterstetten, wohl auch → Rubin. Seine meist f¨unfstrophigen Lieder stehen in der Tradition des klassischen Minnesangs und sind von der zeittypischen sprachlich-formalen Variationsbreite gekennzeichnet: die stolligen Strophen sind hinsichtlich Strophenform (von der siebenzeiligen Grundform bis zu 16-versigen Großstrophen), Versl¨angen (Zwei- bis Siebenheber) und Reimschemata differenziert gestaltet. Auch grammatische Reime und Binnereime kommen vor. Lied 2 hat einen Refrain. Die Haupthemen K.s sind Frauenpreis und Minneklage. Die Lieder sind durchgehend mir Natureing¨angen versehen, die in konventioneller Form auf die Gef¨uhlslage des S¨angerIchs vorverweisen. Dabei sind genau die H¨alfte der 527
Schenk Konrad von Landeck Lieder im Corpus Winterklagen und die andere H¨alfte entf¨allt auf Mai- bzw. Sommerpreise. Dabei bleibt K. ganz dem «hohen sang» verhaftet und von den Neuerungen seit → Neidhart unber¨uhrt. Innerhalb dieser selbst gew¨ahlten thematischen Beschr¨ankung bringt es K. indes zu einer bemerkenswerten Kunstfertigkeit. Auffallend ist sein Verzicht auf die poetische Bildsprache (zu den wenigen Ausnahmen z¨ahlen das «fr¨oiden tor» in Lied 5 und «mˆınes herzens veste» in Lied 16). Stattdessen bedient er sich oft rhetorischer Mittel und Figuren: Anaphern, Alliterationen, Apostrophen, rhetorische Fragen und in Lied 1 eine «figura etymologica». Die Neigung zur Begriffsvariation und -kumulation (Lied 1 und 4: «liep»; Lied 19: «guot») k¨onnte von Kraft von Toggenburg inspiriert sein. ¨ Uberlieferung: Heidelberg, UB, Cpg 848 (C) 205r–209va (Perg., um 1300, alemannisch). Die Miniatur ist auf K.s Schenkenamt bezogen: ein knieender Mann, der einem Abt einen Pokal reicht. Eine Fahne hinter dem Abt tr¨agt das St. Galler Wappen, das auf den knieenden K. bezogene Wappen stimmt mit der Darstellung in der Z¨urcher ¨ Wappenrolle (1335/45) u¨ berein. Uberschrift: «Her Ch˚unrat der Schenke v¯o Landegge». Ausgaben: HMS 1 (1838) S. 331–363. – Karl Bartsch (Hg.): Die Schweizer Minnes¨anger (Bibl. a¨ lterer Schriftwerke der dt. Schweiz 6). Frauenfeld 1886 (Nachdr. Darmstadt 1964) S. 207–246, 443–447 (Nr. XXI). – Die Schweizer Minnes¨anger. Nach der Ausg. v. K. Bartsch neu bearb. und hg. v. Max Schiendorfer. Bd. 1: Texte. T¨ubingen 1990, S. 162–199 (Nr. 16). Literatur: Konrad Burdach, ADB 31 (1890) S. 58–61. – G¨unther Schweikle, NDB 13 (1982) S. 496. – Ders., VL2 5 (1985) Sp. 215–218. – De Boor/Newald 3/1 (51997) S. 259, 265. – Michael B¨armann, HLS (online, Version 12.11.2007, www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D32478.php). – Claudia H¨andl/Red., Killy2 6 (2009) S. 628 f. – HMS 3 (1838) S. 644; 4 (1838) S. 307–310. – Bartsch (s. Ausg.) S. CXXVIII–CXXXVII. – Fritz Grimme: Die Schweizer Minnes¨anger. In: Germania 35 (1890) S. 302–339, hier S. 326 f. – Joachim Kirchner: Herr K. der Schenk v. L. Ein Epigone des Minnesangs. Diss. Greifswald 1912. – Joachim Bumke: Ministerialit¨at und Ritterdichtung. Umrisse der Forschung (Edition Beck 12). Mu¨ nchen 1976, Reg. – Viola Bolduan: Minne zwischen Ideal und Wirklichkeit. 528
Teschler Stud. zum sp¨aten Schweizer Minnesang. Frankfurt/M. 1982, bes. S. 59–82, 163–171. – Codex Manesse. Die Miniaturen der Großen Heidelberger Liederhs. Hg. und erl. v. Ingo F. Walther unter Mitarbeit v. Gisela Siebert. Frankfurt/M. 1988 (62001) S. 142 f. (Tf. 69). – Barbara Weber: ŒuvreZusammensetzungen bei den Minnes¨angern des 13. Jh. (GAG 609). G¨oppingen 1995, Reg. – M. Schiendorfer: Autoren des 13. Jh. und ihre hist. Lebenswirklichkeit. Fallstud. am Beispiel ‹schweizerischer› Minnes¨anger aus der Manessischen Liederhs. Habil.-Schrift Z¨urich 1996, S. 314–328. – Christine Dartmann: Das ‹lachen› der ‹vrouwe›. Unters. zur Funktion von ‹lachen› in mhd. Epik und im Minnesang (Wissenschaftliche Schr. der WWU Mu¨ nster 12, 3). Mu¨ nster 2011, S. 117–128. VZ Teschler, Heinrich. – Minnes¨anger, zweite H¨alfte 13. Jh./Anfang 14. Jh. T.s Werk ist in der → Heidelberger Liederhandschrift C u¨ berliefert, die ihn als «Meister» bezeichnet. Als m¨ogliche Verfasser des Werks werden meist drei Z¨urcher B¨urger namens H. T. genannt, die im Anniversar des dortigen Großm¨unsters verzeichnet sind. Neben einem 1272 und 1275 nachweisbaren ¨ der Kanoniker z¨ahlt dazu auch ein H. T. d. A., 1250, 1253 und 1256 dem Rat angeh¨orte, 1251 und 1252 mit R¨udiger Manesse bezeugt ist und 1284 zuletzt in den Quellen erscheint. Der seit 1286 nachgewiesene Sohn dieses Ratsherren war Besitzer eines Hauses in Z¨urich und starb an einem 24. Februar zwischen 1301 und 1338/39, wohl aber nach 1310. Dieser j¨ungere H. T. war nachweislich Magister, wahrscheinlich der K¨unste, und ¨ gilt deshalb in Ubereinstimmung mit der MeisterBezeichnung in C als wahrscheinlichster Verfasser der Texte. Der Dichter ist in C auch in einer Zeichnung des ersten Nachtragsmalers dargestellt. Darin kniet der S¨anger mit bittend erhobenen H¨anden vor seiner Geliebten, die mit nacktem Oberk¨orper in einem Bett sitzt. Die Geliebte ebenso wie die neben ihrem Bett kniende Magd wehren den S¨anger mit Gesten ab. Im Hintergrund steht ein Knappe, der Schild und Schwert seines Herren tr¨agt, und u¨ ber den Personen schweben Wappen und Helm. Im Wappen und als Helmkleinod ist jeweils eine von dem Namen des Dichters abgeleitete schwarze Tasche sichtbar. Wegen der freiz¨ugigen Darstellung hat man die Illustration mit Werken → Rosts von Sarnen und → Jakobs von Warte verglichen, die 529
2. H¨alfte 13. Jh. Z¨uricher Zeitgenossen des Nachtragsmalers und vielleicht des Dichters waren. C u¨ berliefert unter T.s Namen 13 Lieder, die von Schreiber «Fs» eingetragen wurden. Mehrere Strophen wurden auch versehentlich von Schreiber «Es» unter den Liedern → Walthers von der Vogelweide einsortiert. T.s Lieder sind alle dreistrophig, Lieder IX und X auch im gleichen Ton geschrieben. Lied VII ist ein Tagelied, um das zwei Teilzyklen gruppiert sind: Im ersten Zyklus durchlebt der S¨anger eine unerwiderte Minne, die in Trennung und Resignation endet. Im zweiten Zyklus findet der S¨anger eine neue Liebe, um die er erfolgreich wirbt. T.s Strophen zeichnen sich durch lange Verse, bis zu sieben Zeilen umfassende Abges¨ange sowie komplexe Satzformen aus. Der Dichter benutzt vereinzelt Binnenreime, einen Refrain und eine Gespaltene Weise. Natureing¨ange und -bilder nach Art → Gottfrieds von Neifen sind T. fremd, stattdessen ergeht er sich wie → Reinmar der Alte in ernster Reflexionsminne. An das Frauenbild Walthers erinnernd, ist die Geliebte f¨ur T. eine «inspierierende Muse» (Brunner): weist sie den S¨anger ab, so verstummt er, und erst mit der neuen Liebe hebt auch sein Gesang wieder an. Insgesamt zeigt sich T. als rhetorisch versiert, ist aber mit Recht als bieder bezeichnet worden. ¨ Uberlieferung: Heidelberg, UB, Cpg 848, 281v–284ra (Perg., erste H¨alfte 14. Jh., alemannisch, Schreiber «Fs»). Ausgaben: HMS 2 (1838) S. 125–130; 3 (1838) S. 678. – Karl Bartsch (Hg.): Die Schweizer Minnes¨anger (Bibl. a¨lterer Schriftwerke der dt. Schweiz 6). Frauenfeld 1886 (Nachdr. Darmstadt 1964) S. LXIV–LXVIII, 89–105, 423–425 (Nr. VIII); Neuausg. v. Max Schiendorfer, Bd. 1, T¨ubingen 1990, S. 241–255. – Epochen der dt. Lyrik 1: Gedichte v. den Anf¨angen bis 1300. Hg. v. Werner H¨over/Eva Kiepe. M¨unchen 1978 (Nachdr. ebd. 2001) S. 318. – Vgl. auch die Ausg. der Heidelberger Liederhandschrift C. Literatur: HMS 4 (1838) S. 442 f. – Richard M. Meyer, ADB 37 (1894) S. 584. – HBLS 6 (1931) S. 661. – M. Schiendorfer, VL2 9 (1995) Sp. 712–714. – De Boor/Newald 3/1 (51997) S. 291, 531 u. o¨ . – Joachim Bumke: Ministerialit¨at und Ritterdichtung. Umrisse der Forschung. Mu¨ nchen 1976, S. 42–48 u. o¨ . – Ewald M. Vetter: Probleme der grossen Heidelberger (‹Manessischen›) Liederhs. Stil und Erz¨ahlweise. In: Pantheon 36 (1978) S. 207–218. – Olive Sayce: The Medieval 530
2. H¨alfte 13. Jh. German Lyric 1150–1300. The Development of Its Themes and Forms in Their European Context. Oxford 1982, S. 282, 458 u. o¨ . – Codex Manesse. Die Miniaturen der Großen Heidelberger Liederhs. Hg. und erl. v. Ingo F. Walther unter Mitarbeit v. Gisela Siebert. Frankfurt/M. 1988 (62001) S. 190 f. (Tf. 93). – M. Schiendorfer: Meister H. T. In: Die Manessische Liederhs. in Zu¨ rich. ‹Edele frouwen, schoene man.› Ausstellung, Schweizerisches Landesmuseum, Z¨urich 12. Juni – 29. September 1991. Hg. v. Schweizerischen Landesmuseum. Z¨urich 1991, S. 99–106. – G¨unther Schweikle: Minnesang. Stuttgart u. a. 21995, S. 96, 103, 105. – Barbara Weber: Œuvre-Zusammensetzungen bei den Minnes¨angern des 13. Jh. (GAG 609). G¨oppingen 1995, S. 203, 380. – Horst Brunner: Minnesangs Ende. Die Absage an die Geliebte im MA. In: Durch aubenteuer muess man wagen vil. FS Anton Schwob. Hg. v. Wernfried Hofmeister. Innsbruck 1997, S. 47–59 (wieder in: H. Brunner: Ann¨aherungen. Stud. zur dt. Lit. des MA und der Fr¨uhen Neuzeit. Berlin 2008, S. 158–172). MM Schenk von Lißberg (Dominus de Liebesberg). – Minnes¨anger, 13. Jh. (?). S. v. L. geh¨orte m¨oglicherweise einer Familie von oberhessischen Edelfreien oder einem Ministerialengeschlecht aus Trabelsdorf/Bamberg an. Sein einziges u¨ berliefertes Lied weist dialektal nach Oberhessen, allerdings ist in beiden Familien kein Schenkamt nachgewiesen. S.s Lied Dominus de Liebesberg pincerna umfasst drei Strophen und wird meist auf das sp¨ate 13. oder fr¨uhe 14. Jh. datiert. Der Text beginnt mit einem Wintereingang und ergeht sich in h¨ofischer Minneklage bzw. Minnewerbung mit zeit¨ublichen minnepsychologischen und bl¨umenden Ans¨atzen. S. v. L. verwendet u¨ bergehende Reime bei langen Stollen. Die dritte Wiederholung des Stollens wird von einem kurzen Steg er¨offnet und von einem Zusatzreim begleitet. Diese Konstellation verweist auf → Ulrich von Winterstetten (vor allem dessen Lied III) und → Konrad von W¨urzburg (Lied XXI). ¨ Uberlieferung: Kassel, LMB, 2° Ms. iur. 25, 264rv (Pap. und Perg., Mitte 14. Jh., Slg. des Rudolf Losse). Ausgaben: Zw¨olf mhd. Minnelieder und Reimreden. Aus den Sammlungen des Rudolf Losse von Eisenach. Hg. v. Edmund Ernst Stengel/Friedrich Vogt. In: AfK 38 (1956) S. 174–217, hier S. 198 f.; Nachtrag in AfK 39 (1957) S. 391 (vgl. dazu Hugo 531
Schenk von Lißberg Kuhn. In: PBB [T¨ub.] 80, 1958, S. 317–323). – Nova Alamanniae. Urkunden, Briefe und andere Quellen besonders zur dt. Gesch. des 14. Jh. [...]. 2/2. Hg. v. Edmund E. Stengel mit Klaus Sch¨afer. Hannover , S. 995. Literatur: Burghart Wachinger, VL2 5 (1985) Sp. 850. – Stengel/Vogt 1956 (s. Ausg.) S. 178 f., 183, 197 f. (auch Kuhn 1958, s. Ausg.). – Jost Trier: Venus. Etymologien um das Futterlaub. K¨oln u. a. 1963, S. 83. MM Albrecht von Haigerloch (Graf Albert II. von Hohenberg und Haigerloch), * um 1235, † 17.4. 1298. – Minnes¨anger. Die Grafen von Hohenberg benannten sich nach ihrer bei Spaichingen (W¨urttemberg) gelegenen Stammburg. A. konnte als treuer habsburgischer Parteig¨anger Bedeutung und Einfluss seiner Familie entscheidend steigern. Seine Schwester Gertrud heiratete 1254 Rudolf von Habsburg. In dessen N¨ahe ist A., der Rudolf bei mehreren Feldz¨ugen unterst¨utzte, reich bezeugt. 1274 wurde er mit der neugeschaffenen Reichslandvogtei Niederschwaben betraut und unterst¨utzte ¨ nach Rudolfs Tod Albrecht von Osterreich. 1290 weilte er am Hof → Wenzels II. von B¨ohmen. A. fiel im Kampf gegen Otto III. von Niederbayern vor seiner Burg Leinstetten. Seine Minatur in der → Heidelberger Liederhandschrift C stellt h¨ochstwahrscheinlich dieses Ereignis dar. In der Steirischen Reimchronik → Ottokars von Steiermark wird A. oft erw¨ahnt und ebenso beim lat. Chronisten → Matthias von Neuenburg, der ihn zu den «12 Recken» z¨ahlt. Von seinem Tod berichtet das Schachzabelbuch des → Konrad von Ammenhausen und ausgiebiges Lob erf¨ahrt A. im Wilhelm von ¨ Osterreich des → Johann von W¨urzburg. Vielleicht ist mit dem «von Heinberc» in einer Strophe des → Marner (RSM: 1Marn/6/17) A. gemeint (vgl. Haustein [s. Lit.]). C u¨ berliefert unter A.s Namen zwei Minnestrophen eines Tons in Kanzonenform, der identisch ist mit dem Ton → Rumelants von Schwaben (1RumeSw). Die Strophen stehen in der Tradition des reflektierenden Minnesangs und er¨ortern die offene und heimliche Minne, wobei sie jeweils unterschiedliche Positionen beziehen: Die erste lobt die «stæte» der offenen Minne gegen¨uber der falschen und heimlichen. Die zweite w¨urdigt die «tougen» Minne im Hinblick auf den Reiz des Verbotenen und zieht dabei das Sprichwort heran, 532
Der alte Meißner verbotenes Wasser sei besser als offener Wein. Das Thema wird argumentativ behandelt; die Strophen k¨onnten im Kontext eines umfangreicheren, nicht u¨ berlieferten Minnediskurses zu verorten sein. ¨ Uberlieferung: Heidelberg, UB, Cpg 848 (C) r 42 (Miniatur, Bild¨uberschrift: «Graf Albrecht von heigerlˇo»), 42va (Text) (Perg., um 1300, alemannisch). Ausgabe: HMS 1 (1838) S. 63. – Werner H¨over/Eva Kiepe: Gedichte von den Anf¨angen bis 1300. Nach den Hss. in zeitlicher Folge (Epochen der dt. Lyrik 1). M¨unchen 1978 (Nachdr. 2001 u. d. T.: Dt. Lyrik v. den Anf¨angen bis zur Gegenwart 1) S. 307 (nur Str. 2). – A. v. Hohenberg. Minnesang. Nach der großen Heidelberger Liederhs. (Manesse-Hs.) hg., u¨ bertragen und komm. v. Norbert Fein¨augle (Ausg. der Aldus-Presse Reicheneck 14). Reutlingen 1984. Literatur: Ludwig Schmid, ADB 12 (1880) S. 659–669 (Hohenberg, Graf Albert v.). – Adolf Gauert, NDB 1 (1953) S. 128 f. (Albert II.). – Hans J¨anichen, NDB 9 (1972) S. 477 f. (Familienartikel Hohenberg). – Volker Mertens, VL2 1 (1978) Sp. 186 f.; 11 (2004) Sp. 57. – RSM 3 (1986) S. 2; 2,1 (2009) S. 335. – HMS 4 (1838) S. 83–88. – Karl Bartsch: Urkundliche Nachweise zur Gesch. der dt. Poesie. In: Germania 9 (1864) S. 149. – Johann Friedrich B¨ohmer: Regesta Imperii. Bd. 6,1. Innsbruck 1898 (Nachdr. Wien u. a. 1969) S. 551 (Reg., unter Hohenberg). – Oswald Redlich: Rudolf v. Habsburg. Das dt. Reich nach dem Untergang des alten Kaisertums. Innsbruck 1903 (Nachdr. Aalen 1965. Paderborn 2012) Reg. unter Hohenberg. – Adolf Hofmeister (Hg.): Die Chron. des Matthias v. Neuenburg (MGH SS rer. Germ. NS 4). Berlin 1924/40 (Nachdr. 1984) Reg. unter Albertus de Hohenberg. – Eugen Mayser: Stud. zur Dichtung Johanns v. W¨urzburg (Germ. Stud. 101). Berlin 1931, S. 87–90. – Joachim Bumke: Ministerialit¨at und Ritterdichtung. Umrisse der Forschung (Edition Beck 12). M¨unchen 1976, S. 87 Anm. 139. – Gisela Kornrumpf/Burghart Wachinger: Alment. Formentlehnung und T¨onegebrauch in der mhd. Spruchdichtung. In: Dt. Lit. im MA. Kontakte und Perspektiven. Hugo Kuhn zum Gedenken. Stuttgart 1979, S. 356–411, hier S. 396 f. – Codex Manesse. Die Miniaturen der Großen Heidelberger Liederhs. Hg. und erl. v. Ingo F. Walther unter Mitarbeit v. Gisela Siebert. Frankfurt/M. 1988 (62001) S. 36 f. (Tf. 18). – Jens Haustein: Marner-Stud. (MTU 109). T¨ubingen 1995, S. 133 f. – Bernhard 533
um 1300 R¨uth/Andreas Zekorn: Graf A. II. und die Grafschaft Hohenberg. Tu¨ bingen 2001. – Uwe Meves (Hg.): Regesten dt. Minnes¨anger des 12. und 13. Jh. Berlin/New York 2005, S. 1–108. VZ Der alte Meißner. – Autorangabe zu drei unikal u¨ berlieferten Sangspruchstrophen des 13. Jh. ¨ Ohne Uberschrift oder Miniatur u¨ berliefert die → Heidelberger Liederhandschrift C drei Strophen unter dem Namen des A. M. Die ersten beiden Strophen sind im «Frau-Ehren-Ton» → Reinmars von Zweter (RSM: 1Rei/Zw/1) abgefasst und behandeln wahre und falsche Freundschaft. Die dritte verwendet den «Hofton» → Konrads von W¨urzburg (1KonrW/7) und vergleicht Maria als Vermittlerin g¨ottlicher Gnade mit einer Brille, die das Lesen der heiligen Schrift im Alter wieder erm¨oglicht. Ein historischer A. M. ist nicht fassbar und die Namensangabe in C muss nicht auf einen der Redaktion bekannten Autor rekurrieren. Wahrscheinlich sind Name und Epitheton eine Adhoc-Bildung zur Unterscheidung vom vorangehenden → Jungen Meißner. Auch eine biographische Deutung der Thematisierung des Alters in der dritten Strophe k¨onnte f¨ur das Epitheton veranwortlich sein. Zudem wird in C sowohl in einer «Ehren-Ton»-Strophe Reinmars als auch in einer «Hofton»-Strophe Konrads ein «Meißner» erw¨ahnt (→ Heinrich III., Markgraf von Meißen in 1Rei/Zw/1/227 [C 337ra, «michsener»]; bei 1 KonrW/7/20 [C 390vb, «missener»] ist wohl der → Meißner der → Jenaer Liederhandschrift gemeint). So k¨onnte die C-Redaktion einen Anhaltspunkt gehabt haben, anonyme Nachdichtungen in diesen T¨onen unter dem Namen «Meißner» zu subsumieren. ¨ Uberlieferung: Heidelberg, UB, Cpg 848 (C) 342ra (Perg., um 1300, alemannisch), die Stropheninitialen sind nicht ausgef¨uhrt. Namensangabe («der alte Missener») auf Bl. 342rb in kleiner Schrift u¨ ber der rechten leeren Spalte. Der Namenseintrag im Register der Handschrift auf Bl. 5v ist ein moderner Nachtrag. Ausgaben: HMS 2 (1838) S. 224. – Gustav Roethe: Die Gedichte Reinmars von Zweter. Leipzig 1887 (Nachdr. Amsterdam 1967) S. 533 (Nr. 249 f.) (nur «Frau-Ehren»-Str.). Literatur: Georg Objartel, VL2 1 (1978) Sp. 269 f. – RSM 3 (1986) S. 7. – HMS 4 (1838) S. 513. – Roethe (s. Ausg.) S. 122 f. – Adolf 534
um 1300 Frisch: Unters. u¨ ber die verschiedenen mhd. Dich¨ ter, welche nach der Uberl. den Namen Meissner f¨uhren. Diss. Jena 1887, S. 1–4, 5–18. – G. Objartel: Der Meißner der Jenaer Liederhs. Unters., Ausg., Komm. (Phil.Stud.u.Qu. 85). Berlin 1977, S. 18 f. VZ Bligger von Steinach. – Minnes¨anger und vermutlich Epiker. B. ist der – sonst seltene – Leitname eines Geschlechts, das um 1100 als Erbauer der a¨ ltesten Burgen in Steinach am unteren Neckar (heute Neckarsteinach) nachweisbar ist. F¨ur Personen dieses Namens hat Meves 42 urkundliche Belege zwischen 1142 und 1228 zusammengetragen, die sie sowohl in Rechtsgesch¨aften ihrer n¨aheren Heimat als auch in der Begleitung von drei Kaisern, Friedrich I., Heinrich VI. und Otto IV., zeigen. Probleme bereitet die Abgrenzung der einzelnen Generationen und die Identifizierung des Dichters mit einem der urkundlich bezeugten Namenstr¨ager: Zur Diskussion stehen Bligger II., der erstmals 1152 gemeinsam mit dem gleichnamigen Vater Bligger I. (belegt zwischen 1142 und vermutlich 1166) urkundlich in Erscheinung tritt und 1173 zusammen mit Walther von Hausen, dem Vater des Minnes¨angers → Friedrich von Hausen, ein Diplom Kaiser Friedrichs I. bezeugt. Als sein letztes Lebenszeichen wertet Meves einen Beleg vom 31.10.1178, w¨ahrend ihm in der bisherigen Forschung auch weitere zentrale Belege bis 1209/10 zugeschrieben werden. Sein Sohn Bligger III. ist zweifelsfrei erstmals 1196 am Hof Heinrichs VI. dokumentiert, da er dort zusammen mit seinem Bruder Ulrich urkundete. Nach Meves ist jedoch auch schon die Serie an Erw¨ahnungen von 1193 bis 1196 u. a. in Urkunden Kaiser Heinrichs VI. (darunter 1194 im norditalienischen Piacenza) auf seine Person zu beziehen. 1196 ist zugleich das Jahr, in dem neben Bligger III. auch seine noch ungenannten S¨ohne Konrad und Bligger IV. (gest. wohl 1228) erstmals urkundlich Erw¨ahnung finden – demnach sind nach Meves sogar schon f¨ur das 12. Jh. vier ‹BliggerGenerationen› zu unterscheiden. Am 20.12.1200 verzichtete ein Bligger von Harfenberg zusammen mit seiner Frau und Kindern zugunsten des Klosters Sch¨onau auf alle Anspr¨uche am Sch¨onauer Wald; er wird zumeist mit Bligger III. identifiziert, der sich hier erstmals nach der im 12. Jh. errichteten Bergmotte nannte. F¨ur die vier Lebenszeugnisse 535
Bligger von Steinach des Jahres 1209 u. a. vom Hof Kaiser Ottos IV. in Italien ist nach Meves die Zuordnung zu Bligger III. oder Bligger IV. nicht mehr zu entscheiden. Sicher sieht er Bligger IV. als Urheber der Belege seit 1211. Einen Hinweis f¨ur die Identifizierung des Minnes¨angers bietet die Erw¨ahnung eines «Steinnahe Blikˆer» (V. 4692) als offenbar noch lebendem Dichter in dem um 1210 anzusetzenden Tristan → Gottfrieds von Straßburg (V. 4692 ff.). Ein weiteres Indiz findet sich in einem unter B.s Namen u¨ berlieferten Minnelied, in dem die Sehnsucht nach der «schoenen bˆı dem Rˆıne» mit der Liebe Saladins zu Damaskus verglichen wird («diu mir ist alse Dˆomas Saladˆıne», MFMT 119,11). Daraus wurde geschlossen, das Lied m¨usse nach der Eroberung von Damaskus 1174 und vor dem Tod des Sultans 1193 gedichtet worden sein. Ob man wie in der bisherigen Forschung in Bligger II. oder wie Meves in Bligger III. den Minnes¨anger vermutet, ist demnach von der unsicheren Zuordnung der urkundlichen Belege an diese beiden Personen abh¨angig. Die Minnesang-Hss. B und C enthalten beide ein Autorenbild, das den Dichter sitzend, sein Schwert zwischen den Knien, beim Diktat zeigt. Als Wappen ist ihm eine Harfe, in C gold auf blauem Grund, in B silbern auf rot, beigegeben. Ob dies schon zu Lebzeiten B.s das Schild der Freiherren von Steinach war, ist angesichts der damals erst allm¨ahlich sich ausdehnenden Wappenf¨uhrung zweifelhaft. Ab 1200 eingef¨uhrt war jedoch die Namensgebung des Geschlechts nach der Burg Harfenberg (s. o.) und aus dem Jahr 1275 ist das Schildsiegel Hertwichs von Steinach erhalten, das eine Harfe mit neun Saiten zeigt. Die Motivwahl der Maler in den Minnesang-Handschriften k¨onnte aber auch auf eine Bemerkung Gottfrieds von Straßburg zur¨uckgehen, der das Bild der Harfe zweimal f¨ur sein Lob von B.s Dichtkunst im «Literaturexkurs» des Tristan benutzt (V. 4705 und 4708). Erhalten sind von B. v. S. durch die MinnesangHandschriften B und C zwei Lieder von zwei bzw. drei Strophen, und durch C allein ein Spruch von 15 Versen. Im ersten Lied besingt der Dichter die unverr¨uckbare Treue seiner Liebe in der Hoffnung, dass sie doch noch durch die Geliebte erwidert werde; in Str. 2 klagt er u¨ ber das Unverst¨andnis und die Missgunst seiner Umgebung. Das zweite Lied vertieft das Thema des Leidens um die ferne, am Rhein weilende «Sch¨one», das das S¨anger-Ich 536
Budapester Fragment einer Liederhandschrift seit langen Jahren ertrage und gegen das es außer seinem best¨andigen Dienst keinen Trost finde. Der Spruch r¨ugt diejenigen als ehrlos, die ihr Hab und Gut verwalten, ohne Freigiebigkeit zu zeigen. Unklar bleibt der Sinn der in die Strophe einf¨uhrenden Metapher vom Glas, dem die n¨otige H¨arte fehle. Nach Kolb k¨onnte sie, eine Konjektur in der ersten Zeile vorausgesetzt (‹grase› statt ‹glase›), an Ps. 89,6 angelehnt sein. Aus formalen Gr¨unden wurden mehrfach Zweifel an der Zuschreibung des Spruches ge¨außert. ¨ Angesichts dieser kargen Uberlieferung u¨ berrascht B.s W¨urdigung durch → Gottfried von Straßburg, der ihn im «Literaturexkurs» des Tristan als einen der bedeutendsten Dichter seiner Zeit r¨uhmt, freilich nicht unter den Lyrikern, sondern den Epikern. Gottfrieds Lob, mit «spaeher rede», kunstvollen Worten, webe B. an einem wunderbaren «umbehange», das Jahrzehnte sp¨ater auch von → Rudolf von Ems aufgegriffen wurde, haben Teile der Forschung, wenn auch nicht unwidersprochen, als Anspielung auf ein verlorenes Werk bzw. sogar Werktitel gedeutet. Dieser Auffassung folgend wurde wiederholt versucht, B.s «Umbehanc» in anonym u¨ berlieferten Erz¨ahlungen oder Erz¨ahlbruchst¨ucken wiederzuerkennen, darunter in prominenten Texten wie der Verserz¨ahlung → Moriz von Craˆun und zuletzt dem → Nibelungenlied. Diese Zuschreibungen haben jedoch keine allgemeine Akzeptanz gefunden. Zur Epik siehe Band 5. ¨ Uberlieferung: Heidelberg, UB, Cpg 848, 182v–183r (Perg., Z¨urich [?], ca. 1300 bis ca. 1340, alemannisch; Digitalisat: http://digi.ub.uniheidelberg.de/diglit/cpg848). – Stuttgart, LB, HB XIII 1, S. 26 f. (Perg., Konstanz [?], erstes Viertel 14. Jh., alemannisch; vgl. Christine Sauer: Die gotischen Hss. der W¨urttembergischen LB, Stuttgart. Tl. 1: Vom sp¨aten 12. bis zum fr¨uhen 14. Jh. [Kat. der illuminierten Hss. der W¨urttembergischen LB. Stuttgart 3]. Stuttgart 1996, Textbd. S. 59–62 [Nr. 3], Tafelbd. S. 252, 255–257 [Abb. VI, 4–8]; Digitalisat: http://digital.wlbstuttgart.de/purl/bsz319421317). Ausgaben: Karl Bartsch: Dt. Liederdichter des zw¨olften bis vierzehnten Jh. Eine Auswahl. 4. Aufl., besorgt v. Wolfgang Golther. Nachdr. Darmstadt 1968, S. 84–86 (Nr. XVII). – MF, Nr. 58, S. 233–235 (dazu Carl v. Kraus: Des Minnesangs Fr¨uhling. Unters. Leipzig 1939, S. 269–271). – Fridrich Pfaff (Hg.): Die große Heidelberger Liederhs. (Codex Manesse). In getreuem Textabdruck. 537
um 1300 2., verb. und erg. Aufl. bearb. v. Hellmut Salowsky. Heidelberg 1984, Sp. 612 f. Literatur: Richard M. Meyer, ADB 35 (1893) S. 668–670. – Herbert Kolb, VL2 1 (1978) Sp. 895–897. – Volker Mertens, LexMA 2 (1983) Sp. 278 f. – Charles Stephen Jaeger, Dictionary of the Middle Ages 2 (1983) S. 274. – Claudia H¨andl/Red., Killy2 1 (2008) S. 587 f. – Anton E. Sch¨onbach: Beitr. zur Erkl¨arung altdt. Dichtwerke. I. St¨uck (Sb. der o¨ sterr. Akad. der Wiss. 141/2). Wien 1899, S.106–108. – Fritz Grimme: Die rheinisch-schw¨abischen Minnesinger. Urkundliche Beitr. zur Gesch. des Minnegesangs im su¨ dwestlichen Deutschland (Gesch. der Minnes¨anger 1). Paderborn 1897, S. 32–40. – Robert Irschlinger: Neckarsteinach. Aus der Gesch. der vier Burgen, ihrer Bewohner und der Stadt. Neckarsteinach 1956, S. 7–10. – Maria Augusta Coppola: MF 119,3. Ich merke ein wunder an dem glase ... In: Atti della Academia Peloritana, Classe di littere, filosofia e belle arti 50 (1971/72) S. 69–102. – Dies.: Una documentazione: B. v. S. In: Studi medievali (1975) S. 907–942. – Joachim Bumke: Ministerialit¨at und Ritterdichtung. Umrisse der Forschung. Mu¨ nchen 1976, S. 41 mit Anm. auf S. 95 f. – Codex Manesse. Kat. zur Ausstellung vom 12. Juni bis 2. Oktober 1988 in der UB Heidelberg. Hg. v. Elmar Mittler/Wilfried Werner. 2., verb. Aufl. Heidelberg 1988, S. 131 f. und S. 148 f., E 15. – Codex Manesse. Die Miniaturen der Großen Heidelberger Liederhs. Hg. und erl. v. Ingo F. Walther unter Mitarbeit v. Gisela Siebert. Frankfurt/M. 1988 (62001) S. 118 f. (Nr. 58). – Uwe Meves: Urkundliche Bezeugungen der Minnes¨anger im 12. Jh. am Beispiel B.s v. S. In: Literarische Interessenbildung im MA. DFG-Symposium 1991. Hg. v. Joachim Heinzle (Germanistische-Symposien-Berichtsbde. 14). Stuttgart 1993, S. 75–105. – U. Meves (Hg.): Regesten dt. Minnes¨anger des 12. und 13. Jh. Berlin/New York 2005, S. 133–168. CM Budapester Fragment einer Liederhandschrift. – Reste einer illustrierten Liederhandschrift, bair., um 1300. Als B. F. werden die 1985 in Budapest gefundenen Reste einer um 1300 im bair. Sprachgebiet (Regensburg ?) entstandenen illustrierten Liederhandschrift bezeichnet, die wie die → Weingartner 538
um 1300 und die → Heidelberger Liederhandschrift C dem Typus einer nach Autoren geordneten und durch jeweils einleitende ganzseitige Autorenbilder gegliederten Lyrik-Sammelhandschrift entsprach. Das Fragment stammt aus einer nicht fertiggestellten Handschrift (Bilder nur vorgezeichnet; Raum f¨ur Initialen vorgesehen, aber nicht ausgef¨uhrt); es besteht aus einem Doppel- (Bl. 1/3) und einem Einzelblatt (Bl. 2) folgenden Inhalts: Bl. 1: Bildseite (Mann und Frau im Gespr¨ach) ¨ mit Wappen und Uberschrift «Der herre von Chvrenberch»; auf der R¨uckseite die sonst nur aus der Manessischen Liederhandschrift in gleicher Reihenfolge bekannten Strophe des → K¨urenbergers MF 7,1–9,12. Bl. 2: Bildseite (adliger Herr als Falkner) ¨ mit Wappen und Uberschrift «Der Burggraue von Regenspurch»; auf der R¨uckseite die in B und C sowie der Ausgabe MF dem Burggrafen von → Riedenburg zugewiesenen Strophe MF 18,1–19,36. Die Zuordnung im B. F. unterst¨utzt die Vermutung, dass es sich bei den Burggrafen von Regensburg und Riedenburg um ein und dieselbe Person handelte, jedenfalls eine Unterscheidung wie bisher nicht sinnvoll erscheint. Bl. 3: Bildseite (Mann und Frau im Gespr¨ach) ¨ mit Wappen und Uberschrift «Der vogt von Rotenburch»; auf der R¨uckseite f¨unf Str., die in anderen Handschriften unter → Heinrich von Rugge (MF 109,9–35), → Reinmar der Alte (MF 150,10–18) und → Rudolf von Rotenburg (Kraus LD 49, VII,1) uberliefert ¨ sind. In der Weingartner Liederhandschrift finden sich die ersten vier dieser Strophen sowie eine weitere (MF 150,19–27; gleich endend wie die f¨unfte Strophe im B. F.) als Einschub im Corpus → Friedrichs von Hausen. Dieser Einschub geht vermutlich auf ein herausgel¨ostes Einzelblatt in einer Vorlage der Weingartner Handschrift zur¨uck, das damit auch eine Rolle bei der Entstehung des «vogt von Rotenburch»-Corpus im B. F. gespielt haben d¨urfte. Nach den Rekonstruktionsversuchen von Hausmann k¨onnte es sich dabei um den Anfang eines Corpus mit Liedern Reinmars des Alten in einer heute verlorenen Vorlagenhandschrift handeln. Das B. F. bietet eine Reihe von neuen Einblicken in die Lyrik¨uberlieferung des 13. Jh. Vergleichende Untersuchungen lassen darauf schließen, dass die sowohl im B. F. als auch in der Manessischen und (teilweise) in der Weingartner Liederhandschrift u¨ berlieferten Texte auf eine gemeinsame Vorlage 539
Budapester Fragment einer Liederhandschrift zur¨uckgehen, bei der es sich ebenfalls bereits um eine nach dem Autorprinzip geordnete Sammelhandschrift gehandelt haben d¨urfte. Worstbrock konnte zeigen, dass die Textfassungen im B. F. weniger von sekund¨aren redaktionellen Eingriffen betroffen sind als die Fassungen in der Manessischen Liederhandschrift. Der Fund des B. F. relativiert die ¨ Vorstellung, die Sammlung und Uberlieferung von Minnesang habe sich im 13. Jh. weitgehend im s¨udwestdt. Raum abgespielt, und zeigt, dass auch im bair. Sprachraum um 1300 eine illustrierte Minnes¨angersammlung entstehen konnte. ¨ Uberlieferung: Budapest, Sz´ech´enyi-Nationalbibl., Code Germ. 92 (Perg., Regensburg [?], um 1300, bair.). – Abb. in: Codex Manesse 21988 (s. Lit.). Ausgabe: MF 1, S. 460–468. Literatur: Gisela Kornrumpf: Budapester Liederhs. In: VL2 11 (2004) Sp. 305–307. – Dies./Red.: Budapester Liederhs. In: Killy2 2 (2008) S. 264 f. – Andr´as Vizkelety/Karl-August Wirth: Funde zum Minnesang. Bll. aus einer bebilderten Liederhs. In: PBB 107 (1985) S. 366–375. – Joachim Bumke: K¨urenbergers Spur. Zur neu gefundenen Budapester Liederhs. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 22.01.1986, S. 29. – Ellen J. Beer: Fragm. einer bebilderten Liederhs. In: Regensburger Buchmalerei. Von fr¨uhkarolingischer Zeit bis zum Ausgang des MA. Ausstellung der BSB und der Museen der Stadt Regensburg (Ausstellung in Regensburg 16. Mai – 9. August 1987). Hg. v. Florentine Mu¨ therich (Red.). Mu¨ nchen 1987, S. 73 f., 77 f. – A. Vizkelety: Die Budapester Liederhs. Der Text. In: PBB ¨ 110 (1988) S. 387–407. – Lothar Voetz: Uberlieferungsformen mhd. Lyrik. In: Codex Manesse. Kat. zur Ausstellung vom 12. Juni bis 2. Oktober 1988 (UB Heidelberg). Hg. v. Elmar Mittler/Wilfried Werner. Mit Beitr. von Harald Dr¨os u. a. (Heidelberger Bibliotheksschr. 30). Heidelberg 21988, S. 224–274, 548–584. – Johannes Janota: ‹Der vogt von Rotenburch› im Budapester Fragm. In: Ma. Schauspiel. FS Hansj¨urgen Linke. Hg. v. Ulrich Mehler/Anton H. Touber (AB¨aG 38/39). Amsterdam/Atlanta, GA 1994, S. 213–222. – FranzJosef Holznagel: Wege in die Schriftlichkeit. Un¨ ters. und Materialien zur Uberl. der mhd. Lyrik (Bibliotheca Germanica 32). T¨ubingen/Basel 1995, ¨ Register. – Franz Josef Worstbrock: Der Uberlieferungsrang des Budapester Minnesang-Fragm. Zur Historizit¨at ma. Textvarianz. In: WolframStud. 15 (1998) S. 114–142. – Michael Curschmann: Wort – Schrift – Bild. Zum Verh¨altnis von 540
Christan von Lupin volkssprachigem Schrifttum und bildender Kunst vom 12. bis zum 16. Jh. In: MA und fr¨uhe Neu¨ zeit. Uberg¨ ange, Umbr¨uche und Neuans¨atze. Hg. v. Walter Haug (Fortuna vitrea 16). T¨ubingen 1999, S. 378–470. – Albrecht Hausmann: Reinmar der ¨ Alte als Autor. Unters. zur Uberl. und zur programmatischen Identit¨at (Bibliotheca Germanica 40). T¨ubingen/Basel 1999, S. 331–338. – Christa Bertelsmeier-Kierst: Das Budapester Fragm. und ¨ die Lyrik-Uberl. im bair.-o¨ sterr. Raum bis 1300. In: Entstehung und Typen ma. Lyrikhss. Akten des Grazer Symposiums 13.–17. Oktober 1999. Hg. v. Anton Schwob u. a. (Jb. f¨ur Internationale Germanistik, Reihe A, Kongressberichte, 52). Bern u. a. 2001, S. 37–46. – A. Hausmann: Rudolf von Rotenburg im Budapester Fragm.? In: ebd, S. 65–77. – Johannes Janota: Zum Burggrafen von Regensburg im Budapester Fragm. In: ebd., S. 131–142. – Peter Kern: Die K¨urenberg-Texte in der Manessischen Hs. und im Budapester Fragm. In: ebd., S. 143–163. – Gisela Kornrumpf: Die Budapester Bll. einer Liederhs. und ihre Bedeutung f¨ur die Gesch. der Minnesang¨uberl. In: ebd., S. 165–185. – Martin Roland: Kunsthistorisches zu den Budapester Fragm. In: ebd., S. 207–222. – Helmut Tervooren: ‹eber›, ‹ber›, ‹valke›. Kleine wortgeographische ¨ Beobachtungen zur K¨urenberg-Uberl. und Deutungsversuche zu K¨urenbergs Str. ‹Jˆo stuont ich nehtint spˆate›. In: ebd., S. 291–301. – A. Vizkelety: Die Schreiber einer ‹Handschriftengruppe um 1300›. In: ebd., S. 303–314. – Christoph Huber: Spruchhaftes im Minnelied des Donauraums. Budapester Fragm., Meinloh und sp¨atere Traditionen. In: Dt. Lit. und Sprache im Donauraum. Internationale Medi¨avistische Konferenz Olm¨utz 5.5.–7.5.2005. Olomouc 2006, S. 143–157. AH Christan von Lupin (Christian, Kristan von Luppin), bezeugt 1292–1312. – Th¨uringischer Minnes¨anger. Handschrift C u¨ berliefert sieben Lieder unter dem Namen «Kristan von Luppin» mit dem Zusatz «ein Diuring». Auch sprachliche Merkmale weisen nach Th¨uringen. Dort ist seit 1229 eine Familie v. L. im Raum Kelbra am Kyffh¨auser nachgewiesen. Zwischen 1292 und 1312 urkundet C. v. L. zun¨achst gemeinsam mit seinem Bruder Friedrich, sp¨ater allein. Es wird allgemein angenommen, dass es sich dabei um den Minnes¨anger handelt; Gegenargumente wurden bislang nicht vorgetragen. 541
um 1300 Die Familie stand m¨oglicherweise in einem Dienstverh¨altnis zu den Grafen von Beichlingen, von denen sie die Burg Rothenburg als Burgmannen erhalten hatten. Genaueres ist u¨ ber die Beziehungen der beiden Geschlechter jedoch nicht bekannt. 1311 wird C. als Marschall des Markgrafen Heinrich I. von Brandenburg und Landsberg bezeichnet, einem Halbbruder des Minnes¨angers Markgraf → Otto IV. von Brandenburg. Diese und weitere Urkunden deuten auf Kontakte C.s zu f¨urstlichen Minnes¨angern oder M¨azenen wie Graf Otto I. von Anhalt-Aschersleben. Die Miniatur in C, die den Dichter im Kampf gegen einen Sarazenen zeigt, nimmt keinerlei Bezug auf das Werk. In C.s Liedern dominieren Frauenpreis und Sch¨onheitsbeschreibungen nach dem Vorbild → Gottfrieds von Neifen und → Heinrichs von Morungen. Dessen Einfluss zeigt sich bes. deutlich etwa in Lied III, das die sinnliche Sch¨onheit der Dame visualisiert und Motive der Minnegefangenschaft aufgreift. Das Ich ist in Freude und Leid ganz von der Dame abh¨angig, ihre Liebe ist ihm wertvoller als das Himmelreich (Lied I). Trotz barscher Zur¨uckweisung bekr¨aftigt es seinen Dienstwillen (Lied II). Es wendet sich direkt an die Dame und erbittet einen Kuss (Lied V), eine Umarmung (Lied VI) und die Zusage ihrer Gunst (Lied VI, VII). In Lied IV beklagt es sein Leid, das durch ihre Sch¨onheit entsteht, und beschließt die beiden Strophen jeweils mit dem Refrain: «seht welch ein wˆıp! [...]» C.s komplex gebaute T¨one mit h¨aufig wechselndem Metrum, Reim- und Wortspielen zeigen einen ambitionierten Umgang mit den traditionellen Motiven des Minnesangs. W¨ahrend die a¨ ltere Forschung seine Lieder als «ungemein lebendig und eigenth¨umlich» (von der Hagen S. 315) lobte, finden sie in der neueren Forschung kaum Beachtung. ¨ Uberlieferung: Heidelberger Liederhs. C, Bll. 226v–227v. Ausgabe: Kraus LD I, Nr. 31. Literatur: Franz Josef Worstbrock, VL2 1 (1978) Sp. 1208 f. – HMS IV S. 315 f. – Fritz Grimme: Der Minnesinger Kristˆan v. L. und sein Verh¨altnis zu Heinrich von Morungen. M¨unster 1885. – August Nebe: Drei th¨uringische Minnes¨anger. Christian Luppin, Heinrich Hetzbolt von Weißensee und Heinrich von Kolmas. In: Zs. des HarzVereins 19 (1886) S. 173–223 (Separatdruck Halle 1886). – Kraus LD II, S. 275–279. – Manfred Eikelmann: Denkformen im Minnesang. Unters. 542
um 1300 zu Aufbau, Erkenntnisleistung und Anwendungsgesch. konditionaler Strukturmuster des Minnesangs bis um 1300 (Hermaea N. F. 54). T¨ubingen 1988, S. 313–315. – Codex Manesse. Die Miniaturen der Großen Heidelberger Liederhs. Hg. und erl. v. Ingo F. Walther unter Mitarbeit v. Gisela Siebert. Frankfurt/M. 1988 (62001) S. 150 f. (Tf. 73). – Johannes Spicker: Auch das was die natur zum sitzplatz außersehn / Jst dadurch wenn es dick und außgef¨ullet sch¨on. K¨orperbeschreibungen in der sp¨atma. Liebeslyrik. In: Edition und Interpretation. Neue Forschungsparadigmen zur mhd. Lyrik (FS Helmut Tervooren). Hg. v. Johannes Spicker. Stuttgart 2000, S. 115–134, bes. S. 124–126. – Detlef Goller: C. v. Luppin: Hofbediensteter und Minnes¨anger. In: Dˆo tagte ez. Dt. Lit. des MA in SachsenAnhalt. Hg. v. Andrea Seidel/Hans-Joachim Solms. D¨ossel 2003, S. 89–96. – Uwe Meves (Hg.): Regesten dt. Minnes¨anger des 12. und 13. Jh. Berlin/ New York 2005, S. 243–250. VL Damen, Hermann (auch Herman der Damen, von der Dhame). – Sangspruchdichter. D. lebte wahrscheinlich in der zweiten H¨alfte des 13. Jh. Falls die Angaben in seinem Werk stimmen, war er ein Zeitgenosse → Frauenlobs, → Konrads von W¨urzburg und des → Meißners. Die historische Person D. wird heute meist als ein Rostocker Patrizier identifiziert, der ab 1302 nachgewiesen ist. Damals kamen er und zwei Br¨uder zu Wohlstand, als sie nach dem Tod ihrer Mutter das elterliche Verm¨ogen erbten. 1307 wird D. auch als Grundst¨ucksbesitzer erw¨ahnt. Dieser Wohlstand passt zu D.s Werk, in dem an keiner Stelle u¨ ber materielle Not des S¨angers geklagt wird, obwohl dies ein damals u¨ blicher Topos war. M¨oglicherweise gab es Verbindungen D.s nach Norddeutschland oder Aufenthalte dort. An einer Stelle im Werk bezeichnet er Adolf von Segeberg als seinen Herren, auch preist er mehrmals norddt. Adelige, darunter Heinrich I. von Holstein, Johann II. von Gristow, Waldemar IV. von Schleswig sowie mehrere F¨ursten von Brandenburg. Als unwahrscheinlich gilt heute eine These der fr¨uheren Forschung, D. habe dem Adelsgeschlecht von der Dahme aus Dahme/Brandenburg angeh¨ort. D.s Texte sind heute nur noch in der → Jenaer Liederhandschrift (J) u¨ berliefert, da zwei andere Handschriften verschollen sind. Das Korpus besteht aus einem Leich (auch Ton I; Z¨ahlung nach HMS) und f¨unf weiteren T¨onen in 39 Strophen 543
Damen mit Melodien (Ton II mit sechs Strophen, III mit zehn, IV mit elf, V mit neun, VI mit drei). Der Leich ist dem Lob Marias gewidmet, deren salomonische Weisheit hier ebenso besungen wird wie ihre F¨ahigkeit zur Vergebung menschlicher S¨unden. Neben das Marienlob tritt in D.s Werk das Herrenlob, das sich besonders in den Preisstrophen auf die oben genannten Adeligen a¨ ußert (u. a. III, 4, 9 f.; V, 8 f.; VI, 3). Weiterhin enth¨alt das Korpus zahlreiche Strophen mit religi¨oser Thematik (u. a. III 1, 5 f., 8; IV, 1–3, 10; V, 1 f., 4, 6 f.). Diese sind mal als Klagen, mal als Gebete oder Mahnungen gestaltet. Sie besingen etwa die Sch¨opfung, die menschliche S¨undhaftigkeit und die g¨ottliche Barmherzigkeit. Auch Tugenden und Laster sind Themen in D.s Liedern, die u. a. von Treue, Besonnenheit, Ehre, Neid und Falschheit handeln. Eine untergeordnete Rolle spielt allerdings die Mildt¨atigkeit. Andere Strophen besch¨aftigen sich mit der Kunst (III, 3), Geld (IV, 8) oder auch mit einem sagenhaften Wundervogel (IV, 5). Literaturhistorisch interessant sind D.s Ratschl¨age ¨ an Frauenlob, den er vor Uberheblichkeit warnt und zum rechten Lob der Frauen anleitet (V, 5). D.s Sprache ist u¨ berwiegend mitteldt. gef¨arbt, kaum nd. oder obd. Sein Stil gilt als prosaisch und schlicht, seine weitgehend in den Preisstrophen konzentrierten Vergleiche sind unmittelbar anschaulich. F¨ur den Bau seiner Sprucht¨one sind Wiederholungen der Stollen am Ende der jeweiligen Abges¨ange charakteristisch. Als einziger Ton endet IV mit der zweifachen Wiederholung einer verk¨urzten und variierten Melodie des Stollens. Manche T¨one D.s zeichnen sich durch ungew¨ohnliche L¨angen aus. So umfasst Ton II nur sieben Zeilen und ist damit einer der k¨urzesten Sprucht¨one; Ton VI ist mit seinen 36 Zeilen der vielleicht l¨angste Spruchton des 13. Jh. D.s Werk erfuhr im MA keinerlei Rezeption und war schon zu Zeiten der Meistersinger vergessen. Mo¨ glicherweise dichtete D. nur f¨ur eine kleine Gruppe von Literaturliebhabern. Trotzdem bewertet die Forschung ihn aufgrund seines handwerklichen K¨onnens als wichtigen Dichter seiner Zeit. ¨ Uberlieferung: Jena, ULB, Ms. El. f. 101, 113vb–123vb (Perg., um 1330, mitteldt./nd.). – Zwei weitere Hss. mit H.s Leich sind verschollen. Ausgaben: HMS 3 (1838) S. 160–170. – Paul Schlupkoten: Herman Dˆamen. Unters. und Neuausg. seiner Gedichte. Breslau 1913. – Helena Onnes: De Gedichten van Herman der Damen. Diss. 544
Ehrenbote Groningen 1913. – Reinhard Bleck: Der Rostocker Liederdichter H. D. (ca. 1255–1307/9) (GAG 655). G¨oppingen 1998 (vgl. dazu Eva Willms, in: ZfdA 129, 2000, H.1, S. 98–103). – Vgl. auch die Ausg. der Jenaer Liederhandschrift. Literatur: HMS 4 (1838) S. 742–744. – Ehrismann 2,2,2 (1935) S. 301. – E. Kiepe-Willms, VL2 2 (1980) Sp. 36–39. – Ursula Schulze, LexMA 3 (1986) Sp. 471 f. – De Boor/Newald 3/1 (51997) S. 308 f., 363 f., 392 f. u. o¨ . – Horst Brunner, MGG2 Personenteil 8 (2002) Sp. 1392. – Christoph Huber/Red., Killy2 2 (2008) S. 547. – RSM 2,1 (2009) S. 25 f.; 3 (1986) S. 250–257. – Margarete Lang: Zwischen Minnesang und Volkslied. Die Lieder der Berliner Hs. Germ. Fol. 922. Berlin 1941, S. 14 f., 80–83. – Karl Heinrich Bertau: ¨ Sangverslyrik. Uber Gestalt und Geschichtlichkeit mhd. Lyrik am Beispiel des Leichs. G¨ottingen 1964, S. 175–181. – Roland K¨ohne: Die beiden mhd. Lobgedichte auf Otto Grafen v. Ravensberg. In: Jb. des Hist. Ver. f¨ur die Grafschaft Ravensberg 65 (1966/67) S. 57–64. – Helmut Tervooren: Einzelstrophe oder Strophenbindung? Unters. zur Lyrik der Jenaer Hs. Diss. Bonn 1966, S. 332–346. – Burghart Wachinger: S¨angerkrieg. Unters. zur Spruchdichtung des 13. Jh. (MTU 42). Mu¨ nchen 1973, S. 182–187. – Ulrich M¨uller: Unters. zur politischen Lyrik des dt. MA (GAG 55/56). G¨oppingen 1974, S. 161–163, 174 u. o¨ . – Kurt Franz: Stud. zur Soziologie des Spruchdichters in Deutschland im sp¨aten 13. Jh. (GAG 111). G¨oppingen 1974, S. 15 f. u. o¨ . – Erdmute PickerodtUthleb: Die Jenaer Liederhs. Metrische und musikalische Unters. (GAG 99). G¨oppingen 1975, S. 254, 502–506. – Karl Stackmann: Redebluomen. Zu einigen F¨urstenpreis-Strophen Frauenlobs und zum Problem des gebl¨umten Stils. In: Verbum et Signum 2. FS Friedrich Ohly. Hg. v. Hans Fromm. M¨unchen 1975, S. 329–346 (wieder in: K. Stackmann: Kleine Schr. 1. Hg. v. Jens Haustein. G¨ottingen 1997, S. 298–317). – E. Kiepe-Willms: Sus lˆeret H. D. Unters. zu einem Sangspruchdichter des sp¨aten 13. Jh. In: ZfdA 107 (1978) S. 33–49. – Ulrike Wabnitz: ‹Sanc ist der kvnst eyn gespiegelt trymz›. H. der D. und seine Dichtung. Amiens 1992. – R. Bleck: S¨angerwettstreit vor Rostock. Die Treffen Frauenlobs mit H. D. (1302) und mit Regenbogen (1311/12) auf Rostocker Ritterfesten. In: Beitr. zur Gesch. der Stadt Rostock 23 (1999) S. 23–64. – H. Tervooren: Sangspruchdichtung. Stuttgart u. a. 22001, S. 125 f. u. o. ¨ – Shao545
um 1300 Ji Yao: Der Exempelgebrauch in der Sangspruchdichtung vom sp¨aten 12. Jh. bis zum Anfang des 14. Jh. W¨urzburg 2006, S. 46, 57 u. o¨ . – Freimut L¨oser: Von kleinen und von großen Meistern. Bewertungskategorien in der Sangspruchdichtung. In: Sangspruchdichtung. Gattungskonstitution und Gattungsinterferenzen im europ¨aischen Kontext. Internationales Symposium W¨urzburg, 15.–18. Februar 2006. Hg. v. Dorothea Klein. Tu¨ bingen 2007, S. 371–398. – Gisela Kornrumpf: Der Grundstock der ‹Jenaer Liederhs.› und seine Erweiterung durch Randnachtr¨age. In: Die ‹Jenaer Liederhs.› Codex, Gesch., Umfeld. Hg. v. J. Haustein/Franz K¨orndle. Berlin u. a. 2010, S. 39–80. MM Ehrenbote (vereinzelt tradierter Beiname: vom Rhein). – Sangspruchdichter, zweite H¨alfte 13. Jh./fr¨uhes 14. Jh. (?). In einem Lobgedicht auf ber¨uhmte Sangspruchdichter des Lupold → Hornburg aus der ersten H¨alfte des 14. Jh. taucht der Name des E. zum ersten Mal auf. Sp¨ater und bis ins 17. Jh. erscheint er auch in Meisterkatalogen (darunter die Meisterlisten des Hans → Folz, Konrad → Nachtigalls und Valentin Voigts). Ab der zweiten H¨alfte des 15. Jh. (zuerst in der → Kolmarer Liederhandschrift [k]) wird der E. auch im Kontext von T¨onen oder Texten genannt und er erscheint als Tonerfinder in meisterlichen Liedsammlungen. In k sind die «Spiegelweise» (auch «Langer Ton») und die «Schallweise» (auch «Kupferton») enthalten, wobei die «Spiegelweise» (ohne Namensangabe) bereits in der → Niederrheinischen Liederhandschrift mit einer Strophe vertreten ist. W¨ahrend die Bare in der «Schallweise» sich vom Gros der meisterlichen Fr¨uh¨uberlieferung nicht signifikant abheben, l¨asst sich bei der «Spiegelweise» ein durchaus untypischer thematischer Schwerpunkt der in k u¨ berlieferten Lieder auf weltliche Morallehren beobachten. Die Bare, die auf die Verehrung von Frauen abzielen, stehen teilweise noch in der h¨ofischen Tradition. Stilistisch l¨asst sich eine Vorliebe zu Priameln und Anaphern konstatieren. Offensichtlich haben sich die Nachdichter in der «Spiegelweise» u¨ ber deren Struktur hinaus auch stilistischinhaltlich an a¨lterem Strophenmaterial orientiert. Das macht eine sichere Entscheidung, welche der Strophen in k als alte Sangspruchstrophen zu bewerten sind, unm¨oglich, ganz zu schweigen von der Frage, ob irgendeine der u¨ berlieferten Strophen vom E. selbst verfasst worden sein k¨onnte. 546
um 1300 «Echtheit» kann nur f¨ur die zweite Strophe von RSM, 1Ehrb/1/502a (= 1Ehrb/1/1a), die schon in n altbezeugt ist, erwogen werden. Als Tonerfinder kann der E. hingegen mit gr¨oßerer Sicherheit gew¨urdigt werden, denn die Tonzuweisungen in k d¨urfen als zuverl¨assig gelten und werden auch von weiteren Zeugen gest¨utzt. Die «Schallweise» erscheint allerdings ab 1500 als «Kupferton» → Frauenlobs. Dar¨uberhin¨ aus wird im Zuge der Uberlieferung der E. noch mit weiteren T¨onen in Verbindung gebracht: im 15. Jh mit der Gesangweise des → R¨omer (RSM: 1R¨omer/1), einem «Spiegelton» (offensichtlich eine Verwechslung, es handelt sich um → Frauenlobs «Spiegelweise» [1/Frau/26/1c, 8, 9a]) und einem «freyen don» (bei dem es sich um den «Kurzen Ton» → Konrads von W¨urzburg handelt [1KonrW/9/4b]); im 16. Jh. mit dem «F¨urstenton» aus dem → Wartburgkrieg (1Wartb/1), vereinzelt einem sonst unbekanntem «Langen Ton» (2A/84) und vor allem mit → Reinmar von Zweters «Frau-Ehren-Ton» (1ReiZw/1). Diese Zuweisungen d¨urften s¨amtlich als Irrt¨umer oder Konstruktionen der meisterlichen Tradition einzustufen sein, wenngleich Gustav Roethe (s. Lit.) eine Identit¨at Reinmars mit dem E. erwogen und «E.» als Spielmannsnamen Reinmars gedeutet hat. Zwar sind «Spiegelweise» und «Frau-Ehren-Ton» metrisch verwandt, auch passt die Herkunftsbezeichnung «vom Rhein» zu Reinmar und das beidseitige Auftauchen der Ehre mag auffallen – ein gewichtiges formales Argument spricht aber gegen die Identit¨at: So ist der dritte Stollen, den die «Spiegelweise» aufweist, f¨ur Reinmars Zeit faktisch nicht belegt. Eine Verortung des E. in der Reinmar-Nachfolge erscheint hingegen angemessen. ¨ Uberlieferung: (vorreformatorisch) Leipzig, UB, Rep. II. 70a (n) 96v (Perg., um 1400, niederrheinisch) 1 Str. in der «Spiegelweise» (auch in k). – Mu¨ nchen, BSB, Cgm 4997 (k) 721r–725r (Korpus¨uberschrift: «Jn erenbotten spiegel wyse») 727r–729v (Korpus¨uberschrift: «Jn Ernbotten schallwyse oder langer don») (Pap., um 1460, rheinfr¨ankisch). – Ebd., Cgm 1019 (Meisterlie¨ derhs. y) 8rv (Uberschrift: «Jm k¨upffer don ernpot») 1 Dreierbar in der «Schallweise» (Pap., um Mitte 15. Jh., nordbair. und ostfr¨ankisch). – Ebd., ¨ Cgm. 5198 (Meisterliederhs. w) 125v–126v (Uberschrift: «Frawen lob im kupfer don») 1 F¨unfer¨ bar in der «Schallweise», 142v–144v (Uberschrift: «Her Er[e]npot vom Rein») 1 Dreierbar (auch in k) 547
Ehrenbote und ein F¨unferbar in der «Spiegelweise» (Pap., um 1500, s¨udbair.). – Heidelberg, UB, Cpg. 392 (Meisterliederhs. h, Pap., um 1500, bair.-schw¨abisch) 103rv, 38v–39r (2 Dreierbare in der «Schallweise», das erste von j¨ungerer Hand irrt¨umlich mit «Jn dem guldin kantzler don» u¨ berschrieben [1Kanzl/3; → Kanzler]; auf 44v, 88r und 108v zudem weitere Tonzuschreibungen an den E. («spiegelton», «freyer don»). – Berlin, SBB, Mgq 414 (Meisterliederhs. q, Pap., geschrieben 1517/18 v. Hans Sachs in N¨urnberg) F¨unferbar in der «Schallweise» auf ¨ «Jn der k¨upfer weis frawen369v–370v (Uberschrift: lobs»); auf 7v lautete der Registereintrag urspr¨unglich: «Jn dem kupffer don ernpot von rein», «ernpot» wurde sp¨ater durch «frawenlob» ersetzt (gleiche Hand wie Lied¨uberschr.). Im Register der Hs. auf 4r findet sich in einer weiteren Korrektur auch die erste Zuschreibung des «Frau-Ehren-Tons» an ¨ den E. – Sp¨atere Uberl. und Melodie¨uberl.: s. RSM 3 (1986) S. 265; 2,1 (2009) S. 31 f. Teilausgaben: HMS 3 (1838) S. 378 f. – Adolf Holtzmann: Meisterges¨ange des XV. Jh. In: Germania 3 (1858) S. 307–328, hier S. 317, 323. – Philipp Wackernagel: Das dt. Kirchenlied von der a¨ ltesten Zeit bis zu Anfang des XVII. Jh. Bd. 2. Leipzig 1867, S. 278 f. – Karl Bartsch: Meisterlieder der Kolmarer Hs. (Bibl. des Litterarischen Ver. in Stuttgart 68). Stuttgart 1862, S. 524–535. – Roethe (s. Lit.) S. 537–539, 559–569 (Nr. 255–260, 303–329). – Dt. Liederdichter des zw¨olften bis vierzehnten Jh. Hg. v. K. Bartsch. 4. Aufl. besorgt v. Wolfgang Golther. Berlin 1900, S. 319. – Durward Saline Poynter: The Poetics of the Early Meisters¨anger as reflected in the Kolmarer Hs. (Cgm 4997). Diss. Los Angeles 1965, S. 489–494. – G¨unther Schmeisky: Die Lyrik-Hss. m (Berlin, MS. germ. qu. 795) und n (Leipzig, Rep. II fol. 70a). Zur ¨ mittel- und nd. Sangverslyrik-Uberl. Abb., Transkription, Beschreibung (GAG 243). G¨oppingen 1978, S. [183]. – Melodieausgaben: Paul Runge: Die Sangesweisen der Colmarer Hs. und die Liederhs. Donaueschingen. Leipzig 1896 (Nachdr. Hildesheim 1965) S. 161 f. – Ronald J. Taylor: The Art of the Minnesinger. Songs of the thirteenth century. Bd. 1. Cardiff 1968, S. 25–27, 72, 148. – Horst Brunner/Karl-G¨unther Hartmann: Spruchsang. Die Melodien der Sangspruchdichter des 12. bis 15. Jh. (Monumenta monodica medii aevi 6). Kassel 2010, S. 29–31. – Weitere Ausg. einzelner Lieder s. RSM 3. Literatur: Burghart Wachinger, VL2 2 (1980) Sp. 387–389. – RSM 3 (1986) S. 265–273; 2,1 548
Der von Gliers (2009) S. 31 f. – Horst Brunner, Killy2 3 (2008) S. 204 f. – Bartsch (s. Ausg.) S. 159 f. – Gustav Roethe: Die Gedichte Reinmars v. Zweter. Leipzig 1887 (Nachdr. Amsterdam 1967) S. 166–175. – Eva Schumann: Stilwandel und Gestaltver¨anderung im Meistersang. Vergleichende Unters. zur Musik der Meistersinger (G¨ottinger musikwissenschaftliche Arbeiten 3). Kassel 1972 [recte 1973], S. 175, 250, 255 f. u. o¨ . – H. Brunner: Die alten Meister. ¨ Stud. zur Uberl. und Rezeption der mhd. Sangspruchdichter (MTU 54). M¨unchen 1975, S. 91 f. und Reg. – Johannes Rettelbach: Variation – Derivation – Imitation. Unters. zu den To¨ nen der Sangspruchdichter und Meistersinger (Fr¨uhe Neuzeit 14). T¨ubingen 1993, Reg. – Michael Baldzuhn: Vom Sangspruch zum Meisterlied. Unters. zu einem literarischen Traditionszusammenhang auf der Grundlage der Kolmarer Liederhs. (MTU 120). T¨ubingen 2002, S. 481–486 und Reg. VZ Der von Gliers. – Leichdichter, letztes Drittel 13. Jh. (?). Unter dem Namen des von G. und ohne Angabe eines Vornamens enth¨alt die → Heidelberger Liederhandschrift C drei Minneleichs. Deren Dichter k¨onnte mit dem von 1267–1317 bezeugten Wilhelm von Gliers zu identifizieren sein, dem Schwiegersohn → Walthers von Klingen. Die Stammburg der Freiherren von Gliers und Froberg (Montjoie) lag im Sundgau (Oberelsass) in der N¨ahe des schweizerischen Pruntrut (Porrentruy). Die drei u¨ berlieferten Leichs entsprechen nicht dem hohen formal-k¨unstlerischem Anspruch, der f¨ur die Gattung im 13. Jh. ansonsten kennzeichnend ist. Dabei weist der erste Leich noch mehr metrische Variationen auf als II und III. Inhaltlich und motivlich ist dieser konventionell gestaltet und setzt sich aus den typischen Versatzst¨ucken Treuebekundung, Frauenpreis und Minneklage zusammen. Die beiden anderen v¨ollig gleich und bewusst einfach gebauten Leichs mit Versikeln aus paar- und kreuzgereimten Vierhebern bilden einen Doppelleich, der in dieser Form ohne weiteres u¨ berliefertes Beispiel ist. Die beiden Teile sind thematisch streng konzipiert und aufeinander bezogen. Leich II ist eine Auseinandersetzung mit Frau Minne, ¨ III wendet sich der Dame zu und stellt Uberlegungen zu deren Vortefflichkeit und zum Minnelohn an. Der Doppelleich des von G. steht den B¨uchlein und sp¨atma. Minnereden n¨aher als die 549
um 1300 meisten anderen Minneleichs des 13. Jh. Seine literarischen Kenntnisse exemplifiziert der Dichter durch Beispielfiguren (Tristan, Pyramus, Hippolytos etc.) und einen Katalog von fr¨uheren Leichdichtern (→ Ulrich von Gutenberg, → Heinrich von Rugge, → Rudolf von Rotenburg), der auch zwei Autoren nennt, von denen gar keine Leichs u¨ berliefert sind (→ Hartmann von Aue, → Friedrich von Hausen). Die gel¨aufige Ansicht, der Katalog enthalte auch den Namen → Ottos zum Turm ist unsicher und beruht auf einer Konjektur (Hs.: «v¯o ¨ auf tune», 68va). Die Liste weist Uberschneidungen zum Katalog verstorbener Dichter in der Crˆone → Heinrichs von dem Tu¨ rlin (V. 2403–2445). ¨ Uberlieferung: Heidelberg, UB, Cpg 848 (C) 66v–68vb (Perg., um 1300, alemannisch). Die Miniatur zeigt den Dichter mit Schreibtafel, Bild¨uberschrift: «Der von Gliers». Ausgaben: HMS 1 (1838) S. 102–108. – Karl Bartsch (Hg.): Die Schweizer Minnes¨anger (Bibl. a¨ lterer Schriftwerke der dt. Schweiz 6). Frauenfeld 1886 (Nachdr. Darmstadt 1964) S. 189–206, 442 f. (Nr. XX). – Die Schweizer Minnes¨anger. Nach der Ausg. v. K. Bartsch neu bearb. und hg. von Max Schiendorfer. Bd. 1: Texte. T¨ubingen 1990, S. 59–75. Literatur: Wilhelm Willmanns, ADB 9 (1879) S. 236 f. – Ingeborg Glier, VL2 3 (1981) Sp. 54 f. – De Boor/Newald 3/1 (51997) S. 308–313. – HMS 4 (1838) S. 112–114. – Bartsch (s. Ausg.) S. CXXII–CXXVIII. – Hugo Kuhn: Minnesangs Wende (Hermaea 1). T¨ubingen 21967, S. 126, 136. – I. Glier: Der Minneleich im sp¨aten 13. Jh. In: Werk – Typ – Situation. Stud. zur poetologischen Bedingung der a¨ lteren dt. Lit. FS H. Kuhn. Hg. v. dems. u. a. Stuttgart 1969, S. 161–183, hier S. 165–169. – Joachim Bumke: Ministerialit¨at und Ritterdichtung. Umrisse der Forschung (Edition Beck 12). M¨unchen 1976, Reg. – Codex Manesse. Die Miniaturen der Großen Heidelberger Liederhs. Hg. und erl. v. Ingo F. Walther unter Mitarbeit v. Gisela Siebert. Frankfurt/M. 1988 (62001) S. 56 f. (Tf. 28). – Manfred Kern: Edle Tropfen vom Helikon. Zur Anspielungsrezeption der antiken Mythologie in der dt. h¨ofischen Lyrik und Epik (Amsterdamer Publ. zur Sprache und Lit. 135). Amsterdam/Atlanta 1998, S. 241–244 und Reg. – Christina Kreibich: Der mhd. Minneleich. Ein Beitr. zu seiner Inhaltsanalyse (W¨urzburger Beitr. zur dt. Philologie 21). W¨urzburg 2000, S. 148–168 und 550
um 1300 Reg. – Lex. der antiken Gestalten in den dt. Texten des MA. Hg. v. M. Kern u. a. Berlin/New York 2003, S. 143, 305, 546. – Uwe Meves (Hg.): Regesten dt. Minnes¨anger des 12. und 13. Jh. Berlin/ New York 2005, S. 659. VZ Hadlaub, Johannes, † 16.3., vor 1340 Zu¨ rich. – Z¨urcher Minnes¨anger und Leichdichter. ¨ Uber H. ist wenig Konkretes bekannt. Er d¨urfte mit dem «Johannes Hadeloube» zu indentifizieren sein, der laut einer Ratsurkunde am 4.1.1302 im Z¨urcher Neumarktquartier ein Haus erwarb. Die Wohnlage l¨asst einen gewissen Wohlstand H.s vermuten, und dass er in der → Heidelberger Liederhandschrift C mit dem Attribut «Meister» versehen ist, legt eine gelehrte Bildung H.s nahe. Das Anniversar der Z¨urcher Großm¨unsterpropstei nennt H.s Todestag ohne Jahresangabe, wobei s¨amtliche Eintr¨age dort vor das Jahr 1340 fallen. Dieser Terminus ante quem erscheint allerdings sp¨at. Die einzigen grob datierbaren Strophen (Lied 2 [1293/94] und Lied 8 [1297–1304]) weisen auf die Zeit um 1300 und scheinen zudem keine Fr¨uhwerke zu sein. Ob die ebenfalls in Z¨urcher Urkunden bezeugten Burkhard (1260) und Peter Hadlaub (mehrmals zwischen 1308/15) zu H. in verwandschaftlicher Beziehung standen, ist unsicher. Weiteres zur Biographie l¨asst sich nur aus dem u¨ berlieferten Werk schließen. In den Liedern 2, 5 und 8 werden Mitglieder des Stadtpatriziats und geistliche W¨urdentr¨ager genannt: der Konstanzer Bischof → Heinrich II. von Klingenberg («v¨urste von Konstenz», 1293–1306), die Fu¨ rst¨abtissin von Z¨urich, Elisabeth von Wetzikon («von Z¨urich die v¨urstˆın», 1270–1298), R¨udiger II. Manesse (1252–1304) und dessen Sohn Johannes († 1297). R¨udiger erscheint ¨ im Ubrigen auch in der Urkunde zum Hauskauf und zwar an erster Stelle der Liste der Ratsherren, die den Kauf bezeugen. Lied 8 w¨urdigt die Manesses als Bewahrer der Tradition des Minnesangs. Vielleicht haben den Kreis der bei H. namentlich genannten einflussreichen Pers¨onlichkeiten neben politischen oder wirtschaftlichen Interessen auch literarische verbunden. Die Entstehung von C k¨onnte mit diesem Zirkel in Verbindung stehen, wobei H.s eigene Rolle hierbei nicht zu kl¨aren ist. Dass er der Redaktion nahe stand, legt ¨ ¨ der Uberlieferunsbefund nahe (s. Uberl.). Ob er an der Entstehung der Handschrift aber direkt beteiligt war (wom¨oglich auch als Schreiber) ist indes v¨ollig offen. 551
Hadlaub H.s Œuvre von 51 Liedern und drei Leichs ist ein breiter F¨acher unterschiedlicher Gattungsauspr¨agungen der Minnelieddichtung um 1300 und Ausweis seiner profunden literarischen Kenntnisse. Der Z¨urcher Dichter versucht sich in neuen Liedformen und vielen traditionellen Liedtypen und spielt dabei zahlreiche formale und stilistische Varianten durch. Die drei Leichs zeichnen sich weniger durch die urspr¨unglich genrecharakteristische Formalartistik aus, sondern setzen den Schwerpunkt auf die Behandlung der Thematik und deren inhaltliche-stilistische Darstellung. Hierin entsprechen sie einer Tendenz, die in der Leichdichtung des sp¨aten 13. Jh. auch sonst zu beobachten ist. Die Lieder, zumeist drei- oder f¨unfstrophig, sind u¨ berwiegend stollige Kanzonen, die Stollen wiederum u¨ berwiegend dreiteilig. Auch zwei-, vier-, f¨unfund sechsteilige Stollen kommen vor. Zus¨atzlich verwendet H. Periodenstrophen (Lied 10, 14, 24, 26, 28, 31, 34), einmal Reimpaarstrophen (Lied 16) und eine Nibelungenstrophen-Variante (Lied 32). H.s traditionelle Minnelieder sind Klage- oder Preislieder im Stile des hochh¨ofischen Minnesangs, rund zwei Drittel von ihnen haben einen Natureingang und lassen sich in Sommer- und Winterlieder differenzieren, wobei die Jahreszeiten der klassischen Folie gem¨aß mit Liebesfreude und -leid korrelieren. Die sich an → Walther von der Vogelweide orientierenden «Blumenbettlieder» (Lied 35, 41) mit Sommereingang folgen freilich mit ihrer Thematisierung der «niederen Minne» nicht mehr den hochh¨ofischen Mustern. Ferner hat H. vier Tagelieder (Lied 14, 33 f., 50) verfasst und ein Einlass- oder Nachtlied in der Tradition der provenzalischen «serena», das sich der Vorfreude und der Minnebegegnung selbst widmet (Lied 51). Die Tagelieder folgen zwar prinzipiell dem bekannten Grundmuster, sind aber durch H.s Akzentuierung des W¨achters als eigenst¨andige Variationen zu bewerten. Diese Verschiebung des Interesses auf die W¨achterfigur ist auch schon bei → Steinmar zu beobachten. Lied 15 ist ein «d¨orper»-Lied in der Tradition → Neidharts. Parodistisch ist Lied 17 ausgerichtet, das den Vergleich des leidenen Herzens des Minners mit einem im Sack quiekenden Schwein von Steinmar entlehnt hat. Gleichsam von Steinmar beeinflusst aber letztlich origin¨ar sind H.s Herbstlieder (Lied 18, 20, 44). Im Gegensatz zur Behandlung des Themas bei Steinmar tr¨ostet hier der Herbst mit seinen reichen Erntegaben nicht u¨ ber das Minneleid hinweg. Stattdessen bleibt der S¨anger in seiner melancholischen 552
Hadlaub Pose. Die im gleichen jahreszeitlichen Erz¨ahlkontext und im d¨orper-Milieu angesiedelten Erntelieder (Lied 22, 24, 43) sind als Liedtyp eine eigenst¨andige Neusch¨opfung. Auch hier bleibt der S¨anger (mit Ausnahme von Lied 22) von den d¨orperlichen Lebens- und Liebesfreuden zur Erntezeit explizit ausgeschlossen. Lied Nr. 7 u¨ ber die Sorgen des Hausvaters ist von der fr¨uhen Forschung als autobiographisch missverstanden worden. Tats¨achlich war das Haussorge-Motiv zur Zeit H.s l¨angst literarischer Topos geworden. Die Sorgen haben hier vor allem die Funktion, das Minneleid des S¨angers zu akzentuieren, dass diese noch u¨ bertrifft. Als letzte Liedgruppe sind die Erz¨ahllieder (auch: «Romanzen», Lied 1 f., 4–6) zu nennen, welche die Minnebeziehung des klassischen Gesangs autobiographisch stilisieren. Sie sind H.s eigenwilligste Sch¨opfung. In ihnen wird das Ritual der h¨ofischen Minne in ein st¨adtisches Umfeld mit einer pseudobiographischen Rahmenhandlung u¨ bertragen. Hier l¨asst H. auch die historisch identifizierbaren Figuren agieren. Vergleichbar und als Anregung denkbar ist der Frauendienst → Ulrichs von Liechtenstein mit seinen gleichsam in die pseudobiographische Handlung eingestreuten Liedern. Den Erz¨ahlliedern wurden balladenhafte, novellistische oder minneromanhafte Zu¨ ge attestiert: In jedem Fall sind sie in ihrer Art einmalig in der Lyrik des 13./14. Jh. Die Bewertungen H.s und seiner literarhistorischen Stellung sind divergent. Unbestritten sind seine Beherrschung der stilistisch-formalen Mittel seiner Zeit und seine thematische Originalit¨at sowohl bei der Variation g¨angiger Schemata als auch bei der Kreation neuer Liedtypen. Mitunter wurde seine Dichtung aber eher als handwerklich solide denn virtuos eingestuft. Aus dem Kreis zeitgen¨ossischer lokal benachbarter S¨anger (→ Kraft von Toggenburg, → Jakob von Warte, der von → Trostberg und der von → Buwenberg) ragt er dennoch heraus, ohne dass es eine sp¨atma. Wirkungsgeschichte H.s geben w¨urde. Die Rezeption seiner Lieder setzt erst mit Johann Jacob Bodmers Proben der alten schw¨abischen Poesie des dreyzehnten Jahrhunderts von 1748 wieder ein. Das k¨onnte zum einen daran liegen, dass der Manesse-Kreis sich statt der F¨orderung der Innovation eher einer konservativen Literaturpflege verpflichtet hatte, was H. ins Abseits der literarischen Entwicklung gestellt haben k¨onnte. Vielleicht hielt sich aber auch die Wertsch¨atzung der Dichtung H.s außerhalb des Manesse-Kreises 553
um 1300 schlichtweg in Grenzen. Ausdruck eines neuen Minnesangverst¨andnisses ist sie aber unabh¨angig davon: H.s Minnesang gestaltet sich als literarisches Gesellschaftspiel, indem in den Liedern der Inszenierungscharakter der Gattung in den Vordergrund r¨uckt. Bodmers Vorrede zu den Proben l¨oste neben der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit H. auch eine literarische aus. 1807 erschien eine kurze franz¨osische H.-Novelle. Gottfried Kellers H.-Novelle beruht auf biographischen Deutungen der Lieder H.s und war pr¨agend f¨ur das sp¨atere Bild von H. ¨ Uberlieferung: Heidelberg, Cpg 848 (C) 371r–380vb (Perg., um 1300 [Nachtr¨age erste H¨alfte 14. Jh.], alemannisch). Da das umfangreiche Corpus (bis auf die Einordnung der Leichs am Schluss) keine Ordnung nach thematischen oder gattungsspezifischen Kriterien erkennen l¨asst, ist es denkbar, dass die Chronologie der Lieder der Redaktion bekannt war und diese das Ordnungskriterium darstellte. Das w¨are vor allem wegen der sowohl zeitlichen als auch o¨ rtlichen N¨ahe H.s zur Handschriftenredaktion vorstellbar. Diese N¨ahe macht sich auch an zahlreichen Ph¨anomenen des H.-Corpus in C bemerkbar: Es ist notiert von einer exklusiven, in C sonst nicht vorkommenden Hand (von der vielleicht auch eine Abschrift des → Z¨urcher Richtebriefes von 1301/04 im Auftrag R¨udiger Manesses stammt). Den Textbeginn markiert die gr¨oßte und kunstvollste Filigraninitiale der gesamten Hs. Das H.-Corpus z¨ahlt zu den ganz wenigen in C, u¨ ber dem die Namensvorschrift fehlt (Hinweis auf Vertrautheit mit dem Œuvre seitens der Redaktion [?]). Mit 240 Str. (51 Lieder, 3 Leichs) ist das Corpus a¨ ußerst umfangreich (vollst¨andig [?]). Der Anfangsbuchstabe des in Lied C 2, Str. 9 erw¨ahnten «R˚udge manesse» (372ra) ist rot hervorgehoben, eine f¨ur die gesamte Handschrift beispiellose Auszeichnung. Die Miniatur ist die einzige Doppelminiatur der Handschrift. Die obere H¨alfte zeigt ein Motiv aus Lied 2 (H. wird in h¨ofischer Gesellschaft vor der Dame in die Hand gebissen), die untere eines aus Lied 1 (H. als Pilger verkleidet heftet seiner Dame einen Brief ans Kleid); Bild¨uberschrift: «Meister Johans Hadlˇob». Das dargestellte Wappen (schwarzes Eichh¨ornchen auf silbernem Grund, ohne Helm und Kleinod) findet sich ohne Namensangabe auch in der Z¨urcher Wappenrolle (1335/45; Nr. 478), dort als einzige Darstellung 554
um 1300 ebenfalls ohne Helm und Kleinod. – Bern, Burgerbibl., Cod. 260 (p) 234vb (Perg., Mitte 14. Jh., aus Straßburg [?]) 1 Str. (Lied 51, 1) ohne Verfasserangabe. Ausgaben (Auswahl): HMS 2 (1838) S. 278–308; 3 (1838) S. 707–709. – J. Hadloubes Gedichte. Im Auftrage der Zu¨ rcherischen Ges. f¨ur Erforschung und Erhaltung vaterl¨andischer Alterth¨umer hg. v. Ludwig Ettm¨uller. Z¨urich 1840 (wieder in: Mitt. der Antiquarischen Ges. Z¨urich 1 [1841] Heft 8). – Karl Bartsch (Hg.): Die Schweizer Minnes¨anger (Bibl. a¨ lterer Schriftwerke der dt. Schweiz 6). Frauenfeld 1886 (Nachdr. Darmstadt 1964) S. CLXXXIV–CXCVIII, 283–361, 453–465 (Nr. XXVII). – Max Schiendorfer: J. H. Die Gedichte des Z¨urcher Minnes¨angers. Z¨urich 1986, ¨ S. 10–178 (mit Ubersetzung). – Die Schweizer Minnes¨anger. Nach der Ausg. v. K. Bartsch neu bearb. und hg. v. M. Schiendorfer. Bd. 1: Texte. T¨ubingen 1990, S. 313–391. – Rena Leppin: J. H. Lieder und Leichs. Stuttgart u. a. 1995. – Aufnahme in zahlreiche Anthologien; zuletzt eine Auswahl u. a. in: Burghart Wachinger (Hg.): Dt. Lyrik des sp¨aten MA (BdK 191/BMA 22). Frankfurt/M. ¨ 2006, S. 342–359 (mit Ubersetzung). – Dorothea Klein: Minnesang. Mhd. Liebeslieder. Eine Auswahl. Mhd./Nhd. (RUB 18781). Stuttgart 2010, ¨ S. 219–221, 309–318 (mit Ubersetzung). Literatur: K. Bartsch, ADB 10 (1879) S. 301 f. – B. Wachinger, NDB 7 (1966) S. 417 f. – G¨unther Schweikle, VL2 3 (1981) Sp. 379–383; 11 (2004) Sp. 581. – Peter Schmitt, LexMA 4 (1989) Sp. 1821. – De Boor/Newald 3,1 (51997) Reg. – Claudia H¨andl, Killy2 4 (2009) S. 564–566. – Johann Jacob Horner: J. Hadloub, ein Minnesinger v. Z¨urich. In: Alpenrosen. Ein Schweizer Almanach 3 (1813) S. 252–263. – Iwan Adelbert Schleicher: ¨ Uber Meister J. H.s Leben und Gedichte. Diss. Leipzig 1888. – Richard M. Meyer: H. und Manesse. In: ZfdA 44 (1900) S. 197–222. – Karl Bertram: Quellenstud. zu Gottfried Kellers H. Diss. Berlin 1906. – Erich Stange: H. In: ZfdA 52 (1910) S. 276–279. – Ferdinand Mohr: Das unh¨ofische Element in der mhd. Lyrik v. Walther an. Diss. T¨ubingen 1913, S. 96–102. – Rudolf Sillib: Auf den Spuren J. H.s (Sb. der Heidelberger Akad. der Wiss. phil.-hist. Kl. 13,1). Heidelberg 1922. – Edward Schr¨oder: H. und Manesse. In: ZfdA 70 (1933) S. 136–142. – G¨unther Weydt: J. H. In: GRM 21 (1933) S. 14–32. – Eduard HoffmannKreyer: Die Namen H. und Manesse. In: Schweizer Arch. f¨ur Volkskunde 33 (1934) S. 92. – Ulrich 555
Hadlaub Rotach: H. und Manesse. In: Zu¨ rcher MonatsChron. 4 (1935) S. 212–215. – Rober Auty: Stud. zum sp¨aten Minnesang mit besonderer Ber¨ucksichtigung Steinmars und H.s. Diss. M¨unster 1937. – Hedwig Lang: J. H. (Phil.Stud.u.Qu. 5). Berlin 1959. – R. Leppin: Der Minnesinger J. H. Monographie und Textkritik. Diss. Hamburg 1961. – Franz Rolf Schr¨oder: H. und Ovid? In: GRM 43 (1962) S. 317. – Dietz-R¨udiger Moser: J. H.s Nachtlied. Zum Problem des Wirklichkeitsbezuges im sp¨aten Minnesang. In: Schweizerisches Arch. f¨ur Volkskunde 66 (1970) S. 194–211. – Herta Elisabeth Renk: Der Manessekreis, seine Dichter und die Manessische Hs. (Stud. zur Poetik und Gesch. der Lit. 33). Stuttgart 1974. – Wolfgang Adam: Die ‹wandelunge›. Stud. zum Jahreszeitentopos in der mhd. Lit. (Beih. zum Euph. 15). Heidelberg 1979, S. 26–94. – Anton Schwob: ‹hussorge tuot so we›. Beobachtungen zu einer Variante der Armutsklage in der mhd. Lyrik. In: JOWG 1 (1980/81) S. 77–97. – Viola Bolduan: Minne zwischen Ideal und Wirklichkeit. Stud. zum sp¨aten Schweizer Minnesang. Frankfurt/M. 1982, bes. S. 117–137, 187–211. – Olive Sayce: The Medieval German Lyric 1150–1300. The Development of its Themes and Forms in their European Context. Oxford 1982, S. 339–345 u. o¨ . – R. Leppin: Johannes H.s ‹Nachtlied›. In: JOWG 3 (1984/85) S. 203–231. – Schiendorfer 1986 (s. Ausg.) S. 184–235. – Max Wehrli: Das literarische Fest des Z¨urcher Manessekreises. In: Stadt und Fest. Zu Gesch. und Gegenwart europ¨aischer Festkultur. Hg. v. Paul Hugger. Unter¨ageri u. a. 1987, S. 199–210. – Codex Manesse. Die Miniaturen der Großen Heidelberger Liederhs. Hg. und erl. v. Ingo F. Walther unter Mitarbeit v. Gisela Siebert. Frankfurt/M. 1988 (62001) S. 248–251 (Tf. 122). – M. Schiendorfer: J. H. Dokumente zur Wirkungsgesch. (GAG 487). G¨oppingen 1989. – Dirk Joschko: Gehalt und Gestalt der Minnedichtung H.s. In: Ergebnisse der 22. und 23. Jahrestagung des Arbeitskreises ‹Dt. Lit. des MA› (Dt. Lit. des MA 6). Hg. v. Wolfgang Spiewok. Greifswald 1990, S. 54–65. – Rudolf Gamper: Der Z¨urcher Richtebrief v. 1301/1304. Eine Abschrift im Auftrag v. R¨udiger Manesse. In: ZB Z¨urich. Alte und neue Sch¨atze. Hg. v. Alfred Cattani u. a. Zu¨ rich 1993, S. 18–21, 147–151, hier S. 21. – M. Schiendorfer: Ein regionalpoli¨ tisches Zeugnis bei J. H. (SMS 2). Uberlegungen zur hist. Realit¨at des sogenannten ‹Manessekreises›. In: ZfdPh 112 (1993) S. 37–65. – Ders.: 556
Heidelberger Liederhandschrift Cod. Pal. germ. 350 Das ‹konkretisierte› Minnelied. Inszenierter Minnesang. J. H.: ‹Ach, mir was lange›. In: Gedichte und Interpretationen. MA. Hg. v. Helmut Tervooren (RUB 8864). Stuttgart 1993, S. 251–267. – Ders.: Das ‹hˆussorge›-Lied. J. H.: ‹Er muoz sˆın ein wol berˆaten eˆ lich man›. In: ebd., S. 268–283. – Barbara Weber: Œuvre-Zusammensetzungen bei den Minnes¨angern des 13. Jh. (GAG 609). G¨oppingen 1995, Reg. – Ursel Fischer: Johans Hadloub: Autorbild und Werkkonzeption der Manessischen Liederhs. Stuttgart 1996. – M. Wehrli: Gesch. der dt. Lit. im MA. Von den Anf¨angen bis zum 16. Jh. Stuttgart 31997, Reg. – Volker Mertens: Liebesdichtung und Dichterliebe. Ulrich v. Liechtenstein und J. Hadloub. In: Autor und Autorschaft im MA. Hg. v. Elizabeth A. Andersen u. a. T¨ubingen 1998, S. 200–210. – Ders.: ‹Biographisierung› in der sp¨atma. Lyrik. Dante – Hadloub – Oswald von Wolkenstein. In: Kultureller Austausch und Literaturgesch. im MA (Beih. zur Francia 43). Hg. v. Ingrid Kasten u. a. Sigmaringen 1998, S. 331–344. – Christina Kreibich: Der mhd. Minneleich. Ein Beitr. zu seiner Inhaltsanalyse (W¨urzburger Beitr. zur dt. Philologie 21). W¨urzburg 2000, S. 91–102 und Reg. – Otto Neudeck: Tradition und Gewalt. Zur Verkn¨upfung v. kontr¨aren Minnekonzeptionen bei J. H. In: Walther verstehen – Walther vermitteln (Walther-Stud. 2). Hg. v. Thomas Bein. Frankfurt/M. u. a. 2004, S. 141–155. – M. Schiendorfer: H. f¨urs Volk. Die zweisprachige Ausg. v. 1986 in der R¨uckschau. In: Translatio litterarum ad penates. Das MA u¨ bersetzen (Publ. du Centre de Traduction Litt´eraire 47). Hg. v. Alain Corbellari. Lausanne 2005, S. 283–297. – Claudia Brinkervon der Heyde: Meister J. H. und der ‹Manessekreis›: literarischer Zufall oder fiktionales Spiel mit hist. Personal? In: Lit. – Kunst – Medien. FS Peter Seibert. Hg. v. Achim Barsch u. a. M¨unchen 2008, S.188–200. – Simone Loleit: Erlesene Lyrik – J. H.s Lied XXXVII Was meinent nu diu vogellin. In: Exemplar. FS Kurt Otto Seidel. Hg. v. R¨udiger Brandt/Dieter Lau (Lateres. Texte und Stud. zu Antike, MA und fr¨uher Neuzeit 5). Frankfurt/M. u. a. 2008, S. 263–280. – Andrea Rapp: ‹Ir bˆızzen was so zˆartlich, wˆıblich, fˆın›. Zur Deutung des Hundes in H.s Autorbild im Codex Manesse. In: Tiere und Fabelwesen im MA. Hg. v. Sabine Obermaier. Berlin/New York 2009, S. 207–234. – Biogr. Dichtungen um H.: M. (= Jakob Heinrich Meister): Hadeloub. Anecdote historique. In: Archives litt´eraire de l’Europe 15 (1807) S. 329–345 557
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(wieder als: Voyage de Zuric a` Zuric. Par un vieil habitant de cette ville, suivi de Hadeloub, nouvelle historique. Zu¨ rich 1818). – Gottfried Keller: H. In: Ders.: S¨amtliche Werke. Bd. 9,1. Hg. v. Carl Helbling. Bern/Leipzig 1944, S. 20–127. – Leonhard Steiner: H. Festspiel mit Gesang zum 60j¨ahrigen Bestehen des M¨annerchors Zu¨ rich. Z¨urich 1886. – Georg Haeser: H. Ein dramatisches Gedicht aus Z¨urichs Vergangenheit in f¨unf Bildern. Z¨urich 1894. – Ders.: H. Lyrische Oper in drei Aufz¨ugen. Z¨urich 1903. VZ Heidelberger Liederhandschrift Cod. Pal. germ. 350. Der cpg 350 der UB Heidelberg umfasst die Heidelberger Liederhandschrift D (1ra–40vb) mit Nachtr¨agen d (41ra+42vb); Heidelberger Liederhandschrift H (43ara–64rb) mit Nachtr¨agen h (64vab) und die Heidelberger Liederhandschrift R (65ra–68vb). Die Pergamenthandschrift, die Spruchdichtung und fr¨uhen Meistersang u¨ berliefert, besteht also aus drei urspr¨unglich getrennten Sammlungen, geschrieben vom Ende des 13. bis ins 14. Jh., mit je eigener Ausrichtung und Schwerpunktsetzung. Die Handschrift stellt ein wichtiges Zeugnis der Entwicklung von der Spruchdichtung zur fr¨uhen Meisterlieddichtung dar. (Dem Artikel werden die Angaben aus dem Handschriftenkatalog der Heidelberger Universit¨atsbibliothek und die Beschreibung der Handschrift durch Kochend¨orfer zugrunde gelegt.) 1. Geschichte ¨ Uber die Geschichte des Kodex vor seinem Erwerb durch Kurf¨urst Ottheinrich l¨asst sich nur spekulieren. Die Teile D und H scheinen bereits im sp¨aten 14. Jh. verbunden gewesen zu sein. Wann der Teil R hinzukam ist unklar. Es wird davon ausgegangen, dass der Kodex nach seiner Anschaffung zum Bestand der Heilig-Geist-Kirche geh¨orte, in deren Katalog der theologischen Literatur er 1581 aufgef¨uhrt wird. Mit der Palatina gelangt er 1623 nach Rom, von wo er 1816 zur¨uckkehrt. 2. Zusammensetzung Die Heidelberger Liederhandschrift D (1ra–40vb) mit Nachtr¨agen d (41ra–42vb) besteht aus 43 Bl¨attern. Lagenstruktur: VI (12)+3IV (36) + (IV–1) (43). Der Teil D ist zweispaltig mit je 30 Zeilen pro Spalte. Der Text ist strophenweise abgesetzt, Verse sind durch Schr¨agstriche, Semikola oder Punkte 558
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Heidelberger Liederhandschrift Cod. Pal. germ. 350
getrennt. Die Schrift l¨asst sich als gotische Minuskel um 1300 (Hand 1) und der zweiten H¨alfte des 14. Jh. (Hand 2 und 3) bestimmen. Zahlreiche Textkorrekturen und Nota-Zeichen wechselnder Form dokumentieren die Sorgfalt, mit der die Handschrift hergestellt wurde. Die Schreibsprache ist s¨udrheinfr¨ankisch mit alemannischen Formen. Die Heidelberger Liederhandschrift H (43ara–64rb) weist folgende Lagenformel auf: 2 IV (58) + III (64). H ist zweispaltig mit je 30 Zeilen, der Text ist strophenweise abgesetzt, Verse sind durch Punkte getrennt. Die Schrift l¨asst sich als Gotische Minuskel des zweiten Viertels des 14. Jh. bestimmen. Die Schreibsprache ist rheinfr¨ankisch/ hessisch. Kochend¨orfer gehen aufgrund von Kopierfehlern davon aus, dass der Schreiber von H eine a¨hnlich angelegte Vorlage benutzt haben muss. Die Heidelberger Liederhandschrift R (65ra–68vb) besteht aus einer zwei Doppelbl¨atter umfassenden Lage (Bll. 65–68) aus d¨unnem Pergament von hoher Qualit¨at. Sie ist zweispaltig, die Spalten weisen 31 Zeilen auf. Der Text ist strophenweise abgesetzt, Verse sind durch Punkte getrennt. Die Schrift ist eine Textura des zweiten Viertels des 14. Jh. und von nur einer Hand geschrieben. Die Schreibsprache ist nordbairisch. 3. Inhalt Die Heidelberger Liederhandschrift D 1) 1ra–36ra [1–215 D] → Reinmar von Zweter, Sangspr¨uche in 215 Strophen 2) 6ra–37ra [216–225 D] Ps.-Reinmar von Zweter, 2 Lieder in 10 Strophen 3) 37ra–37va [226–229 D] → Reinmar der Alte (?)/→ Walther von Mezze (?), Lied in 4 Strophen in Walthers von Mezze Ton VI 4) 37va–38va [230–232 D] Anonym Heidelberg Cpg 350, 3 Sangspruchstrophen in Ton I; [233 D] → Leuthold von Seven (?), Sangspruchstrophe in Ton VIII; [234–238 D] Anonym Heidelberg Cpg 350, 5 Sangspruchstrophen in Ton II 5) 38va–40rb [239–250 D] → Walther von der Vogelweide, 12 Sangspruchstrophen in seiner Hofweise (‹Wiener Hofton›) 6) 40rb–40vb [251–255 D] Walther von der Vogelweide, Lied in 5 Strophen 7.) 40vb [256 D] Walther von der Vogelweide, unvollst¨andige Liedstrophe Die Heidelberger Liederhandschrift d (Nachtr¨age) 1) 41ra [257–258 d] 2 ‹Wartburgkrieg›-Ton-Sangspruchstrophen im F¨urstenton → Heinrichs von Ofterdingen 559
2) 42vab [259–261 d] Ps.-→ Frauenlob (Heinrich von Meißen), 3 Sangspruchstrophen im Gr¨unen Ton 43r–44r bis auf Zeilenger¨ust leer. Das n¨achste, beschriebe Blatt, das bereits zu H geh¨ort, wird in der Handschrift erneut als 43 foliiert (in der Handschriftenbeschreibung der Bibliothek deshalb mit a gekennzeichnet) Heidelberger Liederhandschrift H 1.) 43 ara [1 H] Ps.(?)-→ Reinmar von Brennenberg, Sangspruchstrophe im Hofton 2) 43 ara–44ra [2–6 H] → Friedrich von Sonnenburg, 5 Sangspruchstrophen in seinem Ton IV 3) 44rab [7 H] Reinmar von Zweter, Sangspruchstrophe in seinem Frau-Ehren-Ton 4) 44rb–44vb [8–11 H] Ps.-Reinmar von Zweter, 4 Sangspruchstrophen in seinem Frau-Ehren-Ton 5.) 44vb–45ra [12 H] Reinmar von Zweter, Sangspruchstrophe in seinem Frau-Ehren-Ton 6.) 45rab [13 H] Ps.-Frauenlob, Sangspruchstrophe im Langen Ton (Form 1) 7) 45rb [14 H] Frauenlob, Sangspruchstrophe in seinem Langen Ton (Form 1) 8) 45rb–45va [15 H] Ps.-Frauenlob, Sangspruchstrophe im Langen Ton (Form 1) 9.) 45vab [16 H] Frauenlob, Sangspruchstrophen in seinem Langen Ton (Form 1) 10) 45vb–46rb [17–19 H] Ps.-→ Regenbogen, 3 Sangspruchstrophen in der Briefweise 11.) 46rb–46vb [20–21 H] Ps.(?)-Frauenlob, 2 Sangspruchstrophen im Langen Ton (Form 1) 12) 46vb–47va [22–26 H] 5 ‹Wartburgkrieg›-TonSangspruchstrophen im F¨urstenton Heinrichs von Ofterdingen 13) 47va–48ra [27–28 H] Ps.-Reinmar von Zweter, Lied in 2 Strophen im Frau-Ehren-Ton 14) 48ra–54va [29–68 H] Ps.-→ Konrad von W¨urzburg, 40 Sangspruchstrophen in der Morgenweise 15.) 54va–55va [69–73 H] Ps.(?)-→ Marner, 5 Sangspruchstrophen im Langen Ton (Form 1, Variante) 16) 55va–56rb [74–78 H] Ps.-Walther von der Vogelweide, 5 Sangspruchstrophen in der Hofweise (Variante) 17) 56rb–58ra [79–87 H] Ps.-→ Junger Meissner, 9 Sangspruchstrophen in Ton I (Form 1) 18) 58rab [88 H] Reinmar von Zweter, Sangspruchstrophen in seinem Frau-Ehren-Ton (Dublette von D 64) 560
Heidelberger Liederhandschrift Cod. Pal. germ. 350 19) 58rb–58va [89 H] Der Marner, Sangspruchstrophe in seinem Langen Ton (Form 1, Variante) 20) 58va–61ra [90–105 H] Ps.-Marner, 13 [16] Sangspruchstrophen im Langen Ton (Form 1, Variante) 21) 61ra–63ra [106–114 H] Ps.-→ Boppe, 9 Sangspruchstrophen im Hofton (‹Langer Ton›) 22) 63ra–63va [115–117 H] Ps.-Frauenlob, 3 Sangspruchstrophen im Langen Ton (Form 1) 23) 63vab [118–119 H] Frauenlob, 2 Sangspruchstrophen in seinem Langen Ton (Form 1) 24) 64rab ‹Gebetsunterweisung f¨ur 15 Pater Noster zum Leiden Christi› (Fragm., großteils radiert) Die Heidelberger Liederhandschrift h 1) 64vab [1–3 h] Der Marner, 3 Sangspruchstrophen in seinem Kurzen Ton (Form 1). Der Schreiber dieses Nachtrags hat auch Korrekturen in D vorgenommen. Die Heidelberger Liederhandschrift R 1) 65ra–66rb [1–6 R] Ps.-Regenbogen, 6 Sangspruchstrophen im Langen Ton (Variante) 2) 66rb–67vb [7–12 R] Ps.-Marner, 6 Sangspruchstrophen im Langen Ton (Form 1, Variante) 3) 68ra [13 R] Der Marner, Sangspruchstrophe in seinem Langen Ton (Form 1, Variante) 4) 68rb–68vb [14–16 R] Ps.-Frauenlob, 3 Sangspruchstrophen im Zarten Ton (Form 1) Literarhistorische Einordnung Sammlung D Diese Sammlung enth¨alt nahezu die gesamte Spruchdichtung Reinmars von Zweter. Damit bietet sie einen repr¨asentativen Querschnitt durch Themen und Motive der Spruchdichtung allgemein. Blank spricht von einer «klaren inhaltlichen Ordnung» (Blank 1974, S. 31) der Sammlung und nimmt eine Gruppierung in die großen Komplexe Gott und Maria (Spr. 1–22), Minne (Spr. 23–55) und Welt (Spr. 56–157) vor. Dieser a¨ lteste, geschlossene Kern wurde von Roethe als Sammlung X bezeichnet. Roethe glaubt, dass X noch zu Lebzeiten Reinmars, genauer, um 1240/41, entstanden sein m¨usse. Blank spricht von einer «autorisierten Werkausgabe der Dichtung Reinmars» (Blank 1974, S. 53). Damit w¨are X nicht nur neben → Ulrichs von Liechtenstein ‹Frauendienst› die fr¨uheste Œuvre-Ausgabe von mhd. Lyrik, sondern auch die a¨ lteste geschlossene Reinmar-Sammlung. Allerdings l¨asst D gerade keine Personalisierung erkennen, sondern schließt an die Sammlung X an, was sich stofflich und thematisch anbietet. Am 561
um 1300
Ende von D stehen Nachtr¨age, in denen die thematische Geschlossenheit aufgegeben ist. Dennoch l¨asst sich, zumindest in den ersten Nachtr¨agen, eine Ordnung erkennen: Dem neuen Minnenton folgen 194–215. Daran schließt sich eine Sammlung von Minneliedern verschiedener Verfasser an (216–233). Die Strophen 257–261 sind Nachtr¨age. Es handelt sich um Spruchstrophen aus dem Wartburgkrieg (letztes Viertel des 13. Jh.) und eine Frauenlob zugeschriebene Klage angesichts des Todes. Am Ende der Walther-Sammlung (266) steht ein Gespr¨ach u¨ ber die Tugend, das mitten im Text und mitten in der Lage ohne Blattverlust abbricht. Sammlung H Wachinger zufolge ist die Sammlung H «eine der wichtigsten Quellen f¨ur die sp¨arlich u¨ berlieferte Sangspruchdichtung des 14. Jh.s, Zeugnis f¨ur eine Station in der Gattungsentwicklung zwischen dem a¨ lteren Typus, den wenig vorher die bekannten Sammelhss. erfasst haben [...] und dem j¨ungeren Typus, der durch die ‹Kolmarer Liederhs.› und die u¨ brigen ‹Meisterliederhss›. des 15. Jh.s gut bezeugt ist» (Wachinger 1981, Sp. 602). Die Sammlungen H und R unterscheiden sich in ihrer meistersingerischen Gestaltung und Ausrichtung deutlich von D. Mehr als die H¨alfte der Spruchstrophen von H gelten als unecht. Ganz offenkundig basiert die Sammlung nicht auf der Originalit¨at ihrer Autoren, sondern auf der Autorit¨at von komplexen, langen und komplizierten T¨onen, die im Meistersang sp¨ater als ‹gekr¨onte› bezeichnet werden. Die Orientierung an den T¨onen verst¨arkt sich noch in der Sammlung R, wo, anders als in H, T¨one und Tonautoren sogar namentlich genannt werden. Insofern von den Spruchton-Autoren von H (Reinmar von Brennenberg, Friedrich von Sonnenburg, Reinmar von Zweter, Heinrich Frauenlob, Regenbogen, Konrad von W¨urzburg, Marner, Walther von der Vogelweide, Boppe, [Junger Meißner?]) sieben als so genannte ‹Alte Meister› gef¨uhrt werden, l¨asst sie, genau wie Sammlung R, deutliche meistersingerische Tendenz erkennen. Dass in R sogar nur ‹gekr¨onte› Autoren vertreten sind, macht diese Sammlung noch st¨arker als H zu einer meistersingerlichen Sammlung. Das ist in R auch an der Gruppierung der Strophen zu Baren, u. a. durch Zudichtung, zu erkennen, die in H noch nicht ausgebildet ist. Neben Einzelstrophen begegnen hier Dreier- und vor allem F¨unfer-Bare (2–6; 22–26; 69–73; 74–78; 115–119). Das Bem¨uhen um 562
um 1300 die Verkn¨upfung und Gruppierung von Strophengruppen zu Baren plausibilisiert die Gleichg¨ultigkeit gegen¨uber der Authentizit¨at der St¨ucke und deren thematisch-inhaltliche Heterogenit¨at. Sammlung R R weist im Unterschied zu den mitteldt. Graphien in D und H deutlich bair. Schreibweise auf und weicht auch in der Einrichtung st¨arker von D ab als H. Außerdem unterscheidet sich R von H zun¨achst darin, dass hier die Namen von Autoren und T¨onen jeweils angegeben sind, und zwar, anders als in sp¨ateren Meisterliederhandschriften u¨ blich, vor jeder einzelnen Strophe, obwohl diese Einzelstrophen in R bereits eindeutig zu mehrstrophischen Baren verbunden sind. Es ist erkennbar, dass der Sammler von R nur Meister mit ihren ber¨uhmtesten T¨onen vereinigen wollte. Die religi¨ose Thematik ist anspruchsvoller und scholastischer ausformuliert. Mit Ausnahme einer Str. gelten alle Spr¨uche als unecht. Digitalisat: http://digi.ub.uni-heidelberg.de/ cpg350. Literatur: Burghart Wachinger, VL2 3 (1981) Sp. 597–606. – RSM 1 (1994) S. 173 f. – Mhd. Spruchdichtung, fr¨uher Meistersang. Der Codex Palatinus germanicus 350 der Universit¨atsbibl. Heidelberg. Bd. 2: Einf. und Komm. v. Walter Blank. Wiesbaden 1974. – Mhd. Spruchdichtung, fr¨uher Meistersang. Der Codex Palatinus Germanicus 350 der Universit¨atsbibl. Heidelberg. Bd. 3: Beschreibung der Hs. und Transkription von G¨unter und Gisela Kochend¨orfer. Wiesbaden 1974. – Frieder Schanze: Meisterliche Liedkunst zwischen Heinrich von M¨ugeln und Hans Sachs, Bd. 2: Verzeichnisse (MTU 83). Mu¨ nchen 1984, S. 177–179. – Karin Schneider: Gotische Schriften in dt. Sprache. I. Vom sp¨aten 12. Jh. bis um 1300. Text- und Tafelband. Wiesbaden 1987, Textband S. 240 f., Tafelband Abb. 139. – Jens Haustein: Marner-Stud. (MTU 109). T¨ubingen 1995, S. 272. – Walther von der Vogelweide: Leich, Lieder, Sangspr¨uche. 14., v¨ollig neubearb. Aufl. der Ausg. Karl Lachmanns. Hg. v. Christoph Cormeau. Mit Beitr. v. Thomas Bein und Horst Brunner. Berlin/New York 1996, S. XXIX (D). – Sangspr¨uche in T¨onen Frauenlobs. Supplement zur G¨ottinger FrauenlobAusg. Hg. v. Jens Haustein/Karl Stackmann. 1. Tl.: Einleitungen, Texte (Abh. der Akad. der Wiss. in G¨ottingen, phil.-hist. Kl. III, 232). G¨ottingen 2000, ¨ S. 16 f. – Franz-Josef Holznagel: Formen der Uberl. deutschsprachiger Lyrik von den Anf¨angen bis zum 563
Heinrich von Frauenberg 16. Jh. In: Neophilologus 90 (2006) S. 355–381. – Matthias Miller/Karin Zimmermann: Die Codices Palatini germanici in der Universit¨atsbibl. Heidelberg (Cod. Pal. germ. 304–495) (Kataloge der Universit¨atsbibl. Heidelberg VIII). Wiesbaden 2007, S. 187–195. KP Heinrich von Frauenberg, † 1314. – Minnes¨anger. Unter dem Namen H.s von F. u¨ berliefert die → Heidelberger Liederhandschrift C 16 Strophen in f¨unf Liedeinheiten. Familien, die den Namen F. f¨uhrten, gab es zahlreich im alemannischen, schw¨abischen und bair. Raum. Tr¨ager des Vornamens H. sind im 13. Jh. aber nur in der Schweiz bezeugt. Als Dichter d¨urfte der graub¨undische Freiherr H. von F. (beurkundet 1284–1305) in Frage kommen aus einem Geschlecht, dessen Stammsitz die gleichnamigen Burg bei Ruschein war. Das in C abgebildetete Wappen (goldener Greif auf blauem Grund) stimmt mit dem Familienwappen in der Z¨urcher Wappenrolle (1335/45) u¨ berein. Dieser H. war in den sp¨aten 80er Jahren des 13. Jh. in die Fehde Wilhelms von Montfort, Abt von St. Gallen, gegen Habsburg und die Werdenberger involviert. Sp¨ater war er Parteig¨anger Adolfs von Nassau. Nach und wohl auch wegen der Niederlage Adolfs 1297 bei G¨ollheim verlegte die Familie ihren Wohnsitz auf die Burg Gutenberg bei Balzers (Liechtenstein). Als Verfasser der Lieder in C vorstellbar w¨are noch ein etwas fr¨uher (1257–66) bezeugter H. aus der gleichen Familie. In der Forschung gibt es Stimmen f¨ur beide, textimmanente Hinweise zur Datierung gibt es nicht. Beim ersten Lied handelt es sich um ein Tagelied (W¨achter-frowe-Dialog), die anderen vier Lieder sind thematisch konventionelle Minneklagen in einfach gebauten Stollenstrophen. Als Einfl¨usse lassen sich → Reinmar der Alte, → Walther von der Vogelweide und → Gottfried von Neifen ausmachen. Lied 4 greift das «ostertac»-Topos von Reinmar/Walther auf. Lied 5 ist von der «Wiener Schule» gepr¨agt und erinnert mit dem «rose varwe[n] munt» der Dame, der aus des S¨angers ¨ «schaden spiset» an Walther, L 51,37–52,2. Uberhaupt f¨allt die Vorliebe H.s f¨ur den Mund der Geliebten auf (Lied 2: «munt rosen rot», «wol stender munt»). ¨ Uberlieferung: Heidelberg, UB, Cpg 848 (C) 61v–62va (Perg., um 1300, alemannisch). Die Mi564
Der von Trostberg niatur zeigt H. beim Reiterkampf; Bild¨uberschrift: «Her Heinrich von Frawenberg». Ausgaben: HMS 1 (1838) S. 95 f. – Karl Bartsch (Hg.): Die Schweizer Minnes¨anger (Bibl. a¨ lterer Schriftwerke der dt. Schweiz 6). Frauenfeld 1886 (Nachdr. Darmstadt 1964) LXXXIX–XCII, 132–137, 434 (Nr. XIII). – Dt. Tagelieder v. den ¨ Anf¨angen der Uberl. bis zum 15. Jh. Nach dem Plan Hugo Stopps hg. v. Sabine Freund (Germ. Bibl. NF 7,2). Heidelberg 1983, S. 147 f. (nur Lied 1). – Die Schweizer Minnes¨anger. Nach der Ausg. v. K. Bartsch neu bearb. und hg. von Max Schiendorfer. Bd. 1: Texte. T¨ubingen 1990, Nr. 7. – Tagelieder des dt. MA. Mhd./Nhd. Ausgew¨ahlt, u¨ bers. und komm. v. Martina Backes (RUB 8831). Stuttgart 2003, S. 146–149, 263 (nur Lied 1). – Jens Dittmar: Lyrik aus Liechtenstein. Von H. v. F. bis heute. Schaan 2005. Literatur: G¨unther Schweikle, VL2 3 (1981) Sp. 722 f. – De Boor/Newald 3/1 (51997) S. 268. – Martin Leonhard: Familienart. v. Frauenberg. In: HLS (online, Version 4.11.2009, www.hls-dhsdss.ch/textes/d/D19617.php). – Fritz Grimme: Die Schweizer Minnes¨anger. In: Germania 35 (1890) S. 302–339, hier S. 317 f. – Constanz Jecklin: H. v. F., ein b¨undnerischer Minnes¨anger. Chur 1907. – Joachim Bumke: Ministerialit¨at und Ritterdichtung. Umrisse der Forschung (Edition Beck 12). Mu¨ nchen 1976, Reg. – Ju¨ rg L. Muraro: Unters. zur Genealogie der Frh. v. Wildenberg und v. F. In: Churr¨atisches und st. gallisches MA. FS Otto P. Clavadetscher. Hg. v. Helmut Maurer. Sigmaringen 1984, 67–89. – Codex Manesse. Die Miniaturen der Großen Heidelberger Liederhs. Hg. und erl. v. Ingo F. Walther unter Mitarbeit v. Gisela Siebert. Frankfurt/M. 1988 (62001) S. 50 f. (Tf. 25). VZ Der von Trostberg. – Minnes¨anger, 13.(14.?) Jh. Das Werk des v. T. ist in der → Heidelberger Liederhandschrift C u¨ berliefert, die allerdings keine Informationen u¨ ber den Autor enth¨alt. Die Forschung hat verschiedentlich Mitglieder des Aargauer Ministerialengeschlechts v. T. als Verfasser vorgeschlagen, etwa den 1274 bis 1329 nachgewiesenen Rudolf I. v. T. oder dessen 1286 bis 1338 bezeugten Sohn Rudolf II. Allerdings unterhielt zumindest Rudolf I. wohl Kontakte zu R¨udiger Manesse und Johannes → Hadlaub, die somit auch das Wappen der Familie v. T. gekannt haben d¨urften. In C ist dieses allerdings nicht abgebildet. Mo¨ glicherweise 565
um 1300 handelte es sich bei dem v. T. u¨ berhaupt nicht um ¨ einen Schweizer, sondern um einen Osterreicher. Immerhin sind seine Texte in C unmittelbar vor den Werken der o¨ sterr. Dichter → Hartmann von Starkenberg und dem von → Stadegge platziert. D. v. T. k¨onnte in diesem Fall dem Geschlecht der Herren von Velthurns (heute Feldthurns/Su¨ dtirol) angeh¨ort haben, die Ministeriale des Bischofs von Brixen waren und bis 1290 die Burg T. (heute Trostburg/Waidbruck) besaßen. Ein Arnold v. T. ist 1262 und 1303 belegt. Seine S¨ohne waren Hugo (1290–1303 belegt), Wilhelm (1282–1303), Ulrich (1293) und ein j¨ungerer Arnold. Letzterer f¨uhrte offenbar als einziger der Genannten konsequent den Namen v. T., w¨ahrend seine Angeh¨origen sich zunehmend als Herren von Velthurns bezeichneten. Dies spricht vielleicht f¨ur eine Autorschaft von Arnold d. J. Die bildliche Darstellung des v. T. in C liefert leider keine Anhaltspunkte f¨ur eine Identifizierung. Das Bild zeigt die Belagerung einer Burg, vor der ein schussbereites Katapult aufgebaut ist. Vom Burgturm aus zielt der S¨anger mit seiner Armbrust auf einen Boten, der hinter einem Felsen versteckt niederkniet und einen bereits abgeschossenen Pfeil in der Hand h¨alt. An die Pfeile des S¨angers und des Boten sind Papierbl¨atter gebunden. Der S¨anger schießt also (Liebes-?)Botschaften ab, die gleichsam den Belagerungszustand u¨ berwinden ¨ sollen. Uber der Szene ist neben einem Helm auch ein Wappen mit einem schwarzen Stern dargestellt. Das Wappen ist allerdings f¨ur Adelsfamilien mit dem Namen v. T. nicht nachweisbar. C u¨ berliefert sechs Minnelieder des v. T. in Hand «As» sowie f¨unf Dubletten unter dem Namen des von Buchein. Lieder III und VI sind im gleichen Ton verfasst. Der Umfang der Lieder schwankt zwischen zwei und f¨unf Strophen, was zun¨achst aber nichts u¨ ber die Liedl¨ange aussagt. So enth¨alt Lied V zwar nur zwei Strophen, deren jeweils 13 Zeilen jedoch signifikant von den ansonsten vom Dichter bevorzugten Sechs- bis Achtzeilern abweichen. W¨ahrend Lied III mit direkter Ansprache der Geliebten beginnt, verwendet d. v. T. in seinen anderen Liedern Sommer-Natureing¨ange. Diese Form des Eingangs ist f¨ur ein Gespr¨achslied wie VI allerdings ungew¨ohnlich. Die Bildsprache des v. T. ist an den großen Dichtern des hohen Minnesangs geschult. So vergleicht er seine Geliebte in Lied II mit einer K¨onigin, einer Sonne und einem Morgenstern, in Lied III auch mit einem Osterspiel. Das Lachen (der Geliebten, des S¨angers, 566
um 1300 der Blumen) durchzieht als Motiv die Lieder II, III und V. Der rote Mund der Dame erscheint in allen Liedern außer V und verweist auf den Einfluss → Gottfrieds von Neifen. Aus dessen Lied XXIV (Z¨ahlung nach Kraus LD) hat d. v. T. auch beinahe verbatim die vier Anfangszeilen von Lied VI u¨ bernommen. Auch Ankl¨ange an → Walther von der Vogelweide und → Reinmar den Alten finden sich in den Liedern des v. T. Als individuelle Qualit¨at der Lieder hat die Forschung ihre rhythmische Finesse gelobt. ¨ Uberlieferung: Heidelberg, UB, Cpg 848, 255r–256rb (Perg., erste H¨alfte 14. Jh., alemannisch, Schreiber «As»). Ausgaben: HMS 2 (1838) S. 71–73; 3 (1838) S. 662. – Karl Bartsch (Hg.): Die Schweizer Minnes¨anger (Bibl. a¨ lterer Schriftwerke der dt. Schweiz 6). Frauenfeld 1886 (Nachdr. Darmstadt 1964) S. CLVI–CLXI, 270–276, 450 f. (Nr. XXV); Neuausg. v. Max Schiendorfer, Bd. 1, T¨ubingen 1990, S. 217–223. – Vgl. auch die Ausg. der Heidelberger Liederhandschrift C. Literatur: HMS 4 (1838) S. 412 f.; 5 (1856) S. 261 f. – Richard M. Meyer, ADB 38 (1894) S. 658. – Max Schiendorfer, VL2 9 (1995) Sp. 1076 f. – De Boor/Newald 3/1 (51997) S. 267 f., 531 u. o¨ . – Walther Merz: Die Wappen der Herren v. Liebegg und T. In: Schweizerisches Arch. f¨ur Heraldik 16 (1902) S. 77–81. – Ders.: Die ma. Burganlagen und Wehrbauten des Kantons Aargau. Bd. 2. Aarau 1906, S. 521–528. – Herta-Elisabeth Renk: Der Manessekreis, seine Dichter und die Manessische Hs. Stuttgart 1974, S. 95–99, 118 f., 205–209. – Joachim Bumke: Ministerialit¨at und Ritterdichtung. Umrisse der Forschung. Mu¨ nchen 1976, S. 60 u. o¨ . – Codex Manesse. Die Miniaturen der Großen Heidelberger Liederhs. Hg. und erl. v. Ingo F. Walther unter Mitarbeit v. Gisela Siebert. Frankfurt/M. 1988 (62001) S. 172 f. (Tf. 84). MM Marienleich Du rose ob allen bluomen clar → Band 1, Sp. 1005. Regenboge(n) (erhielt ab dem 16. Jh. auch den Vornamen Barthel). – Sangspruchdichter, um 1299–1311 erw¨ahnt. Wie viele Dichter seiner Zeit ist auch R. in historischen Quellen kaum fassbar. Seine Herkunft ist ebenso unbekannt wie seine Ausbildung. Die Forschung hat aus Indizien im Werk eine vielleicht 567
Marienleich Du rose ob allen bluomen clar schw¨abische, nichtadlige Herkunft R.s abgeleitet und ihn als fahrenden Berufss¨anger klassifiziert. Ein S¨anger gleichen Namens ist 1302 in dem Dorf Mittewald im S¨udtiroler Eisacktal bezeugt, wo er von dem herzoglichen K¨ammerer Ottelin ein Geldgeschenk erhielt, wahrscheinlich im Namen von Herzog Ludwig. Die Namen weiterer m¨oglicher G¨onner R.s ergeben sich aus drei Totenklagen des Dichters auf den Straßburger Bischof Konrad III. von Lichtenberg († 1299), den Markgrafen Otto IV. von Brandenburg († 1308) und Herzog Waldemar IV. von Schleswig († 1312). 1311 nahm R. wahrscheinlich an dem Rostocker Ritterfest teil, das Markgraf Waldemar von Brandenburg ausgerichtet hatte, und geh¨orte dort neben Frauenlob zu den auftretenden S¨angern. Ein R. zugeschriebenes Lob auf Waldemar schildert Details des Ereignisses. Im MA galten R. und → Frauenlob als Rivalen, die sich auch im «wip»-«frouwe»-Streit gegen¨ubergestanden haben sollen. Die Konkurrenz der beiden Dichter ist aber m¨oglicherweise ebenso fiktiv wie R.s fr¨uherer Beruf als Schmied. Letztere Annahme beruht vor allem auf einer Strophe im oft R. zugeschriebenen Grauen Ton. Darin klagt die Figur eines vom S¨angerdasein desillusionierten Mannes, zum Schmiedehandwerk zur¨uckkehren zu wollen. Freilich muss die Strophe nicht von R. selbst stammen. Ebenso k¨onnte ein unbekannter Nachahmer hier in die Rolle des Dichters geschl¨upft sein. Die sehr fr¨uhe Entstehung der Frauenlob- und Schmied-Legenden mag andererseits f¨ur einen gewissen Wahrheitsgehalt sprechen. R. d¨urfte erst nach 1312 gestorben sein, da er noch den Tod Waldemars IV. in jenem Jahr besingt. Eine bildliche Darstellung erfuhr R. in der → Heidelberger Liederhandschrift C, die ihn als Waffenschmied in seiner Werkstatt zeigt. Der Dichter disputiert sich darin mit einem zweiten Mann, der wie R. einen Dichterkranz tr¨agt und meist als Frauenlob identifiziert wird, da er dem Frauenlob-Bild ¨ in C a¨ hnelt. Uber R. schwebt in der Miniatur ein Wappen mit Hammer, Zange und Vogel. ¨ Die Uberlieferung in fr¨uher R. zugeschriebenen T¨onen umfasst bis ins 16. Jh. rund 1500 Strophen. Die Zahl der tats¨achlich von R. stammenden To¨ ne und Texte ist nach heutigem Kenntnisstand jedoch deutlich geringer. So gelten nur elf bis dreizehn Strophen als echt, die in der Briefweise verfasst sind. Sechs von ihnen sind in einem Berliner Fragment, f¨unf in C und zwei in einer Vorauer Handschrift erhalten. Die beiden Vorauer Strophen werden R. 568
Regenboge(n) manchmal abgesprochen. Ein Teil der Sangspr¨uche R.s bezieht sich auf Adelige und enth¨alt die Totenklagen auf Konrad III., Otto IV. und Waldemar IV., außerdem das Lob Waldemars und seines pr¨achtigen Ritterfests. Die u¨ brigen Strophen behandeln unterschiedliche Themen wie St¨ande- und Frauenlehre sowie die sieben artes liberales, unter denen R. Rhetorik und Musik hervorhebt. Weitere Strophen R.s sind im Frauenlob-Korpus von C mit Strophen Frauenlobs zu einem regelrechten S¨angerkrieg arrangiert. Hierbei k¨onnte es sich aber auch um das Produkt eines Nachahmers oder Redaktors handeln, das ohne Beteiligung R.s entstand. Insgesamt gelten die R. zugeschriebenen Strophen als h¨ochst konventionell. Große Reputation erlangte R. als Tonautor. Ab dem 14. Jh. schrieb man ihm zun¨achst die Briefweise, den «Kurzen Ton» («Grundweise») und den «Langen Ton» zu. «Kurzer» und «Langer Ton» werden etwa bei Heinrich von Mu¨ geln erw¨ahnt. Im 15. Jh. verband man R mit weiteren T¨onen, die vor allem in der → Kolmarer Liederhandschrift enthalten ¨ sind («Goldener Ton», «Uberlanger Ton», «Grauer Ton», «Leidton», «Tagweise», «Torenweise»). Sp¨ater wird das vermeintlich auf R. zur¨uckgehende Repertoire in den Meistersingerhandschriften erneut erweitert («Blauer Ton», «Brauner Ton», «S¨ußer ¨ Ton», «Ubergoldener Ton», «Donnerweise», «Tannweise»). Die Verfasserschaft dieser T¨one wird bis heute diskutiert. Aufgrund von Kriterien wie der Einheitlichkeit der Zuschreibung und der Zahl der tradierten Bare gelten heute «Langer», «Kurzer» und «Grauer Ton» sowie die «Briefweise» als wahrscheinlich echte To¨ ne R.s. W¨ahrend der kurze Ton nur sieben vierhebige Verse enth¨alt, umfasst der «Lange Ton» immerhin 23 Verse, darunter einen umfangreichen Abgesang mit Repetitionen gleicher Strophenteile. F¨ur den «Grauen Ton» ist ein in zwei Siebenverser gegliederter Aufgesang charakteristisch, w¨ahrend der Abgesang nur vier Verse enth¨alt. Der am h¨aufigsten R. zugeschriebene Ton ist die «Briefweise», die von sechshebigen Dreiergruppen mit Reimbindung bestimmt wird. In der «Briefweise» und im «Kurzen Ton» korrespondieren Auf- und Abgesang und auch die Verse sind gleichm¨aßig gestaltet. «Langer Ton» und «Grauer Ton» geh¨oren hingegen einem anderen Bautyp an, in dem Auf- und Abgesang einen Kontrast bilden und gegens¨atzlich gewichtet sind. Die «Briefweise» war in der dt.- und lateinsprachigen Dichtung sehr popul¨ar. Breit u¨ berliefert 569
um 1300 ¨ sind auch «Uberlanger», «Goldener» und «Leidton». Die Meisters¨anger sch¨atzten den «Grauen Ton» und vor allem den «Langen Ton», den sie zu den «Gekr¨onten T¨onen» z¨ahlten und unter den alten Meistert¨onen am h¨aufigsten benutzten. «Langer» und «Grauer Ton» wurden besonders f¨ur geistliche, die «Briefweise» eher f¨ur weltliche Themen benutzt. In den R. zugeschriebenen T¨onen existieren auch Darstellungen seiner angeblichen Fehde mit Frauenlob (Krieg von W¨urzburg, Schmiedegedichte) und R¨atselstrophen. Die ma. Rezeption R.s als Dichter ist insgesamt von großer Wertsch¨atzung gepr¨agt. W¨ahrend → Heinrich von M¨ugeln ihn noch tadelte, z¨ahlten die Meistersinger ihn als Barthel R. zu den zw¨olf alten Meistern. Erw¨ahnungen R.s finden sich bei Lupold → Hornburg, Hans → Folz und Konrad → Nachtigall, in Zw¨olferkatalogen und Verzeichnissen von To¨ nen. Fritz → Zorn variierte den «Langen Ton», → Oswald von Wolkenstein den «Grauen Ton». In den Drucken von Veronika («Briefweise») und Der Graf von Savoyen («Langer Ton») lebten die R. zugeschriebenen T¨one bis in die Zeit des Buchdrucks fort. Aus heutiger Sicht ist eine Bewertung R.s aufgrund der nicht abgeschlossenen Echtheitsdiskussionen schwierig. Die neuere Forschung hat seine Popularit¨at als Namensgeber vieler T¨one mal mit Unverst¨andnis zu Kenntnis genommen, mal mit seiner vielfach hochstilisierten, angeblichen Rivalit¨at zu Frauenlob zu erkl¨aren versucht. Das heute als authentisch eingestufte Korpus jedenfalls zeigt R. als konventionellen Textdichter und kompetenten Tonautor. ¨ ¨ Uberlieferung: Als echt geltende Uberl.: Vorau, Stiftsbibl., cod. 401 (fr¨uher CLXXII) 244v–245r (Perg., 13./14. Jh., bair.-o¨ sterr.). – Berlin, SBB, Nachlass Grimm 132,13, 1 Doppelbl. (Perg., erste H¨alfte 14. Jh., mitteldt.). – Heidelberg, UB, Cpg 848, 381r–381vb (Perg., erste H¨alfte 14. Jh., aleman¨ nisch). – Zur umfangreichen Uberl. der unsicheren oder unechten T¨one vgl. RSM und Baldzuhn 2007 (s. Lit.). Ausgaben: HMS 2 (1838) S. 309, 344–346; 3 (1838) S. 344–354, 452 f., 468i–m. – Karl Bartsch (Hg.): Meisterlieder der Kolmarer Hs. Stuttgart 1862 (Nachdr. Hildesheim 1962) S. 338–424, 599–601, 616 (Online-Ausg. BSB M¨unchen [o. J.]). – Philipp Wackernagel (Hg.): Das dt. Kirchenlied von der a¨ ltesten Zeit bis zu Anfang des XVII. Jh. Bd. 2. Leipzig 1867 (Nachdr. Hildesheim 1964) S. 254–270, 279–286 u. o¨ . – Ottokar 570
um 1300 Kernstock: Ma. Liedercompositionen. In: Anz. f¨ur Kunde der dt. Vorzeit 24 (1877) Sp. 68–73, hier Sp. 71 f. – Helmut de Boor (Hg.): Die dt. Lit. Texte und Zeugnisse 1. Mu¨ nchen 1965, S. 787. – Ulrich Mu¨ ller (Hg.): Politische Lyrik des dt. MA. Bd. 1 (GAG 68). G¨oppingen 1972, 153–155, 234. – Werner H¨over/Eva Kiepe (Hg.): Epochen der dt. Lyrik 1: Gedichte von den Anf¨angen bis 1300. Mu¨ nchen 1978 (Nachdr. ebd. 2001) S. 39. – Max L¨utolf (Hg.): Geistliche Ges¨ange des dt. MA. Melodien ¨ und Texte hsl. Uberl. bis um 1530. Bd. 1 (Das dt. Kirchenlied Abt. 2/1). Kassel u. a. 2003, Nr. 105, 156; Bd. 2, 2004, Nr. 181, 215, 229, 288; Bd. 3, 2009, Nr. 366, 492. – Baldzuhn 2007 (s. Lit.). – Ausg. der Strophen anderer Dichter in R.s T¨onen bei Kornrumpf 2010 (s. Lit.). – Vgl. auch die Ausg. der Heidelberger Liederhandschrift C. Literatur: HMS 4 (1838) S. 633–642. – Gustav Roethe, ADB 27 (1888) S. 547–549. – Frieder Schanze, VL2 7 (1989) Sp. 1077–1087. – RSM 5 (1991) S. 1–200; 2/1 (2009) S. 218–224 u. o¨ . (Reg.). – Volker Mertens, LexMA 7 (1999) Sp. 562 f. – Johannes Rettelbach, NDB 21 (2003) S. 258. – Horst Brunner, MGG2 Personenteil 13 (2005) Sp. 1401 f. – Gisela Kornrumpf, Killy2 9 (2010) S. 471–473. – Anton Wallner: Drei Spielmannsnamen (Wizlav. R. Der Freudenleere). In: PBB 33 (1908) S. 540–546. – Hermann Kaben: Stud. zu dem Meistersinger Barthel R. Diss. Schwerin 1930. – Helmuth Thomas: Unters. zur ¨ Uberl. der Spruchdichtung Frauenlobs. Leipzig 1939, S. 33–36, 127, 144 f. – Heinrich Niew¨ohner: Barthel R. In: PBB (Halle) 78 (1956) S. 485–489. – Reinhold Schr¨oder: Vor¨uberlegungen zu einer R.Edition. In: Probleme altgermanistischer Editionen. Kolloquium Marbach am Neckar 26. und 27. April 1966. Referate und Diskussionsbeitr. Hg. v. Hugo Kuhn u. a. Wiesbaden 1968, S. 138–143. – Hella Fr¨uhmorgen-Voss: Bildtypen in der Manessischen Liederhs. In: Werk-Typ-Situation. FS Hugo Kuhn. Hg. v. Ingeborg Glier u. a. Stuttgart 1969, S. 184–216 (wieder in: H. Fr¨uhmorgenVoss: Der dt. Minnesang. Aufs¨atze zu seiner Erforschung. Bd. 2. Hg. v. Hans Fromm. Darmstadt 1985, S. 77–114). – Eva Schumann: Stilwandel und Gestaltver¨anderung im Meistersang. Vergleichende Unters. zur Musik der Meistersinger. Kassel 1972, passim. – Burghart Wachinger: S¨angerkrieg. Unters. zur Spruchdichtung des 13. Jh. (MTU 42). Mu¨ nchen 1973, S. 188 f., 280–298 u. o¨ . – Horst Brunner: Die alten Meister. Stud. 571
Regenboge(n) ¨ zu Uberl. und Rezeption der mhd. Sangspruchdichter im Sp¨atMA und in der fr¨uhen Neuzeit (MTU 54). Mu¨ nchen 1975, passim. – Joachim Bumke: Ministerialit¨at und Ritterdichtung. Umrisse der Forschung. M¨unchen 1976, S. 38 u. o¨ . – F. Schanze: Meisterliche Liedkunst zwischen Heinrich von M¨ugeln und Hans Sachs (MTU 82.83). 2 Bde. Diss. T¨ubingen 1983/84, passim. – R. Schr¨oder: Die R. zugeschriebenen Schmiedegedichte. Zum Problem des Handwerkerdichters im Sp¨atMA. In: Lit. und Laienbildung im Sp¨atMA und in der Reformationszeit. Symposion Wolfenb¨uttel 1981. Hg. v. Ludger Grenzmann/Karl Stackmann. Stuttgart 1984, S. 289–313. – H. Brunner/J. Rettelbach: ‹Der vrsprung des maystergesangs›. Eine Schulkunst aus dem fr¨uhen 16. Jh. und die Kolmarer Liederhs. In: ZfdA 114 (1985) S. 221–240. – Codex Manesse. Die Miniaturen der Großen Heidelberger Liederhs. Hg. und erl. v. Ingo F. Walther unter Mitarbeit v. Gisela Siebert. Frankfurt/M. 1988 (62001) S. 252 f. (Tf. 123). – R. Schr¨oder: ‹Der regenboge den vrouwenlop bestunt gelicher wer›. ¨ Zu einigen Strophen der fr¨uhen R.-Uberl. In: ‹Ja muz ich sunder riuwe sein›. FS Karl Stackmann. Hg. v. Wolfgang Dinkelacker u. a. G¨ottingen 1990, S. 180–205. – Karl-Ernst Geith: Editionsprobleme der ‹Veronika›-Dichtung des Pseudo-R. In: Mittelalterforschung und Edition. Actes du Colloque Oberhinrichshagen bei Greifswald, 29 et 30 Octobre 1990. Hg. v. Danielle Buschinger. Amiens 1991, S. 61–74. – J. Rettelbach: Variation – Derivation – Imitation. Unters. zu den To¨ nen der Sangspruchdichter und Meistersinger (Fr¨uhe Neuzeit 14). T¨ubingen 1993, passim. – Joachim Knape: Das Grazer mnd. Veronica-Fragm. (Pseudo-R. i) aus dem 15. Jh. In: JOWG 10 (1998) S. 225–234. – Reinhard Bleck: S¨angerwettstreit vor Rostock. Die Treffen Frauenlobs mit Herman Damen (1302) und mit R. (1311/12) auf Rostocker Ritterfesten. In: Beitr. zur Gesch. der Stadt Rostock 23 (1999) S. 23–64. – Martina Probst: ‹Nu wache uˆ f, s¨under traege›. Geistliche Tagelieder des 13. bis 16. Jh. Analysen und Begriffsammlung. Frankfurt/M. u. a. 1999, S. 47–79. – Dietlind Gade: ‹Hoch in dem lufft wirt uns erzogt ir wunder›. Eine versifizierte Lucidarius-Passage in R.s Langem Tom. In: PBB 123 (2001) S. 230–252. – J. Rettelbach: Sangspruchdichtung zwischen Frauenlob und Heinrich von Mu¨ geln. Eine Skizze. In: Stud. zu Frauenlob und Heinrich von M¨ugeln. FS Karl Stackmann. Hg. v. Jens Haustein/Ralf-Henning Steinmetz. Fribourg 2002, S. 145–174. – Anna Rapp 572
Der junge Meißner
um 1300
Buri: Die Gesch. des Grafen von Savoyen auf einem Basler Wirkteppich um 1475/80. In: Lit. und Wandmalerei. Bd. 1. Erscheinungsformen h¨ofischer Kultur und ihre Tr¨ager im MA. 1. Freiburger Colloquium vom 2. bis 5. September 1998. Hg. v. Johanna Thali u. a. Fribourg 2002, S. 491–506. – Michael Baldzuhn: Vom Sangspruch zum Meisterlied. Unters. zu einem literarischen Traditionszusammenhang auf der Grundlage der Kolmarer Liederhs. (MTU 120). Tu¨ bingen 2002, 265–312 u. o¨ . – Andr´e Schnyder: Das geistliche Taglied des sp¨aten MA und der fr¨uhen Neuzeit. Textsammlung, Komm. und Umrisse einer Gattungsgesch. T¨ubingen/Basel 2004, S. 223–229, 668 f. – Maria Dobozy: Re-membering the Present. The Medieval German Poet-Minstrel in Cultural Context. Turnhout 2005, S. 150–154. – Berenike Krause: Die milte-Thematik in der mhd. Sangspruchdichtung. Darstellungsweisen und Argumentationsstrategien. Frankfurt/M. 2005, passim. – M. Baldzuhn: Minne ¨ in den Sangsprucht¨onen R.s. Eine Uberschau in typologischer Absicht. In: Sangspruchdichtung. Gattungskonstitution und Gattungsinterferenzen im europ¨aischen Kontext. Internationales Symposium W¨urzburg, 15.–18. Februar 2006. Hg. v. Dorothea Klein. T¨ubingen 2007, S. 187–242. – Marianne Derron: Des Strickers ernsthafter K¨onig. Ein poetischer Lachtraktat des MA; eine motivgeschichtliche Stud. zur ersten Barlaam-Parabel. Frankfurt/M. 2008, S. 173–188. MM Hartwig von Sp. 1017–1019.
dem
Hage
→ Band
1,
Der junge Meißner. – Lieddichter, um 1300. Der J. M. ist als Dichter schwer fassbar und die Namensangabe «J. M.» nur mit Einschr¨ankung als gesicherte Autorinstanz f¨ur das ihm von der Forschung zugewiesene Liedœuvre zu bewerten. Das gr¨oßte Liedcorpus in einem der drei T¨one, die ¨ dem J. M. durch die Uberlieferung zugeschriebenen werden, befindet sich in der → Weingartner Liederhandschrift (B), allerdings als Nachtrag ohne Autorangabe. Der Ton I (RSM: 1JungMei/1), in dem alle Strophen von B verfasst sind, ist wiederum durch die Tonautorzuweisung der → Kolmarer Liederhandschrift (k) f¨ur einen «Meißner» gesichert, allerdings hier ohne das Epitheton «Jung». Dieses kennt nur die → Heidelberger Liederhandschrift C, die ein schmales Corpus mit sechs einstrophigen 573
Spruchliedern und zwei dreistrophigen Minneliedern bietet und mit J. M. u¨ berschreibt. In C stehen im Anschluss auch drei Strophen, die einem → Alten Meißner zugeordnet sind. Ob der Namenszusatz ferner den J. M. vom → Meißner der → Jenaer Liederhandschrift differenzieren sollte, ist bloße Spekulation. Nur von C werden neben Liedern im Hauptton I auch solche in den To¨ nen II und III u¨ berliefert. Gemeinhin wird vom alt u¨ berlieferten Material in B/C als «echtem» Liedgut ausgegangen und die in k und weiteren Meisterliedhandschriften enthaltenen Bare als sp¨atere Dichtungen der anonymen meisterlichen Tradi¨ tion bewertet. Dazwischen steht die Uberlieferung im Heidelberger Cpg 350 (zweites Viertel 14. Jh., ¨ s. Uberl.), die auch als «unecht» eingestuft wird. Diese Bewertung sowie die Einsch¨atzung des kBestandes sind mit großer Sicherheit zutreffend. Die j¨ungere k-Strophengruppe unterscheidet sich signifikant von der Fr¨uh¨uberlieferung hinsichtlich der Reimsprache, den auftretenden Dialektformen und der Barbildung. Aber da auch f¨ur die Strophen in B – und damit f¨ur das Gros der fr¨uh¨uberlieferten Lieder – gilt, dass diese nur anhand der Tonidentit¨at dem Textautor J. M. zugewiesen werden k¨onnen, muss dessen Verfasserschaft auch f¨ur die B-Strophen hypothetisch bleiben. Als relativ gesichert f¨ur den J. M. bleibt so nur das C-Corpus. Von der a¨ lteren Forschung wurde der J. M. mit → Frauenlob identifiziert, weil der Hauptton I weitgehend der Form von Frauenlobs «Langem Ton» (1Frau/2) entspricht und lediglich im Abgesang einen Vers weniger aufweist. Auch die (erst seit dem 15. Jh.) u¨ berlieferten Melodien sind gleich. Welches die origin¨are und welches die sekund¨are Form des Tones ist – und welcher der Dichter somit als Tonerfinder zu gelten hat –, ist unsicher, wenngleich von der Forschung Frauenlob favorisiert wird. ¨ Uber Wirkungsraum und -zeit des Dichters der B/C-Lieder lassen sich keine verl¨asslichen Aussagen treffen. Die reimgebundene Sprache l¨asst auf eine mitteldt. Herkunft schließen, bietet aber keine signifikanten dialektalen Charakteristika. In 1 JungMei/2/1 werden die Tugenden Ludwigs von ¨ Ottingen gepriesen. Es k¨onnte sich um Graf Ludwig V. (bezeugt 1263–1313) handeln. Ein urkundliches Zeugnis von 1303 aus Ulten (S¨udtirol) nenn einen «Mihsnerius cantor». Eine Identit¨at mit J. M. ist zumindest nicht auszuschließen. Das Themenspektrum der insgesamt 35 fr¨uh¨uberlieferten Lieder des J. M. entspricht 574
um 1300 der in der zeitgen¨ossischen Spruchdichtung vorherrschenden Tendenz zur geistlichen Thematik und zum Lehrhaften. Ebenfalls zeittypisch ist die Neigung des J. M. zum gebl¨umten Stil. In B finden sich dabei inhaltlich geordnete Strophengruppen, die, wenn auch nicht in der festen Form des mehrstrophigen Liedes, u¨ ber die Strophengrenzen hinausgehend thematische Komplexe bilden (z. B. F¨urstenlehre [1JungMei/1/1–4], Minnelehre [1JungMei/1/5–7], Tugendlehre [1JungMei/1/14–23]). Daneben findet sich im Œuvre das G¨onnerlob Ludwigs und in Ton III auch perso¨ nlich gehaltene Lieder (Heischestrophe und Su¨ ndenbekenntnis). Die Liebeslieder in C haben Natureingang und Refrains. Es ist wahrscheinlich, dass der J. M. mit der Dichtung → Konrads von W¨urzburg vertraut war, w¨ahrend die Ankl¨ange an → Walther von der Vogelweide nicht zwingender Beleg einer direkten Rezeption sein m¨ussen, da viele WaltherVersatzst¨ucke als topisch gewordene Wendungen in der Lieddichtung um 1300 kursierten. Bei weiteren intertextuellen Bez¨ugen (Frauenlob, → Johann von Konstanz) ist die Richtung der jeweiligen Rezeption unklar. Eine Nachwirkung hat der J. M. vor allem durch die meisterliche Verwendung von Ton I erfahren; dies ist aber nur bedingter Ausweis der meisterlichen Wertsch¨atzung des J. M. und k¨onnte auch lediglich durch die beinahe Identit¨at mit dem «Langen Ton» Frauenlobs begr¨undet sein. ¨ Uberlieferung: Stuttgart, LB, Cod. HB XIII 1 (B) S. 240–251 (Perg., erstes Viertel 14. Jh., alemannisch) 25 Str. in Ton I als geschlossenes Nachtragscorpus ohne Namensangabe. – Heidelberg, UB, Cpg 848 (C) 339r–340rb (Perg., um 1300, alemannisch) 12 Str. in den To¨ nen I–III (Str. 1 und 2 auch in B). Corpusu¨ berl. mit Miniatur (zwei Personen bei einem Kugelwurfspiel, ohne Bild¨uberschrift), Corpusu¨ berschrift: «Der ivng misner». Auf Bl. 342r folgt nach drei freien Seiten der → Alte Meißner. – Ebd., Cpg 350, 56rb–58ra (Perg., zusammengebunden aus drei Teilen, J. M.-Str. in Tl. 2 [= H] S¨udhessen, zweites Viertel 14. Jh.), neun Str. im Ton I; die Str. erscheinen auch in k, dort in gleicher Reihung als drei Dreierbare. – Leipzig, UB, Rep. II. 70a (→ Niederrheinische Liederhs. [n]) 91rv (Perg., um 1400, niederrheinisch) eine Str. in Ton 1 (auch in B und C). – Mu¨ nchen, BSB, Cgm 4997 (k) 797rb–810va (Pap., um 1460, rheinfr¨ankisch). Von B/C unabh¨angige Slg. von 75 575
Der junge Meißner Str. in Ton I (in 28 Liedeinheiten; vier Str. erscheinen doppelt; 1 Bar [RSM: 1JungMei/1/507] steht umgearbeitet in Frauenlobs «Langen Ton» auch auf 120v–121r); Corpus¨uberschrift: «Der Michsener». – Zur Streu¨uberlieferung in weiteren vier Meisterliedhss. vgl. RSM 4 (1988) S. 135. Ausgaben: HMS 2 (1838) S. 222–224 (nach C); 3 (1838) S. 355 f., 459–465 (nach B), 356–359 (u. a. nach H). – Ludwig Ettm¨uller: Heinrichs von Meissen des Frauenlobes Leiche, Spr¨uche, Streitgedichte und Lieder (Bibl.dt.Nat.-Lit. 16). Quedlinburg/Leipzig 1843 (Nachdr. Amsterdam 1966, Mikrofiche-Ausg. Mu¨ nchen 1991) S. 37–42, 46–51, 75–78, 94, 103–107, 243–145 (nach verschiedenen Hss.). – Gesamtaugabe: G¨unther Peperkorn: Der J. M. Sangspr¨uche, Minnelieder, Meisterlieder (MTU 79). Mu¨ nchen 1982. – Zu weiteren Ausgaben einzelner Lieder vgl. RSM 4 (1988) S. 135–148. – Melodieausgabe: Paul Runge: Die Sangesweisen der Colmarer Hs. und die Liederhs. Donaueschingen. Leipzig 1896 (Nachdr. Hildesheim 1965) S. 171 f. – Ronald J. Taylor: The Art of the Minnesinger. Songs of the thirteenth century. 2 Bde. Cardiff 1968, Bd. 1, S. 169 f.; Bd. 2, S. 267–269 (Komm.). – Horst Brunner/Karl-G¨unther Hartmann: Spruchsang. Die Melodien der Sangspruchdichter des 12. bis 15. Jh. (Monumenta monodica medii aevi 6). Kassel 2010, S. 162 f. Literatur: Georg Objartel, VL2 4 (1983) Sp. 909–911. – RSM 4 (1988) S. 135–148; 2,1 (2009) S. 98 f. – G. Peperkorn, NDB 16 (1990) S. 692 f. – De Boor/Newald 3,1 (51997) S. 563 (Reg.). – Claudia H¨andl, Killy2 8 (2010) S. 133 f. – Adolf Frisch: Unters. u¨ ber die verschiedenen mhd. ¨ Dichter, welche nach der Uberl. den Namen Meissner f¨uhren. Diss. Jena 1887, S. 1–4, 9–15. – Ludwig Sch¨onach: Urkundliches u¨ ber die Spielleute in Tirol. In: ZfdA 31 (1887) S. 171–185. – ¨ Helmut Thomas: Unters. zur Uberl. der Spruchdichtung Frauenlobs (Palaestra 217). Leipzig 1939, S. 148–170, 230 f. – Helmut Lomnitzer: Liebhard Eghenvelders Liederbuch. In ZfdPh 90 (1971) Sonderh., S. 190–216, hier S. 194 f. – Mhd. Spruchdichtung, fr¨uher Meistergesang. Der Cpg 350 der UB Heidelberg (Facsimilia Heidelbergensia 3). Bd. 2: Einf. und Komm. v. Walter Blank. Wiesbaden 1974, S. 42 f., 69 f., 92 f. – H. Brunner: ¨ Die alten Meister. Stud. zur Uberl. und Rezeption der mhd. Sangspruchdichter (MTU 54). M¨unchen 1975, Reg. – G. Objartel: Der Meißner der Jenaer Liederhs. Unters., Ausg., Komm. (Phil.Stud.u.Qu. 576
Konig ¨ Wenzel von Bohmen ¨ 85). Berlin 1977, S. 14–21, 62 f. – Peperkorn (s. Ausg.) S. 3–33, 129–186. – Frieder Schanze: Meisterliche Liedkunst zwischen Heinrich v. Mu¨ geln und Hans Sachs. Bd. 1: Unters. (MTU 82). M¨unchen 1983, Reg. – Codex Manesse. Die Miniaturen der Großen Heidelberger Liederhs. Hg. und erl. v. Ingo F. Walther unter Mitarbeit v. Gisela Siebert. Frankfurt/M. 1988 (62001) S. 230 f. (Tf. 113). – Johannes Rettelbach: Variation – Derivation – Imitation. Unters. zu den T¨onen der Sangspruchdichter und Meistersinger (Fr¨uhe Neuzeit 14). T¨ubingen 1993, Reg. – Michael Baldzuhn: Wege ins Meisterlied. Thesen zum Prozess der Barbildung und Beobachtungen am k-Bestand unikaler Strophen in unfesten Liedern. In: ZfdPh 119 (2000) Sonderh., S. 252–277. – Ders.: Vom Sangspruch zum Meisterlied. Unters. zu einem literarischen Traditionszusammenhang auf der Grundlage der Kolmarer Liederhs. (MTU 120). T¨ubingen 2002, Reg. – Shao-Ji Yao: Der Exempelgebrauch in der Sangspruchdichtung vom sp¨aten 12. Jh. bis zum Anfang des 14. Jh. (W¨urzburger Beitr. zur dt. Philologie 32). W¨urzburg 2006, Reg. VZ Konig ¨ Wenzel von Bohmen ¨ (auch Wenceslaus, V´aclav II.; Wacław I. von Polen), * 1271 Prag, † 21.6.1305 Prag. Der Sohn K¨onig Pˇremysl Ottokars II. stand nach dessen Tod 1278 unter der Vormundschaft seines Onkels, Markgraf → Ottos IV. von Brandenburg (der als Minnes¨anger in der → Großen Heidelberger Liederhandschrift gef¨uhrt wird). Die meiste Zeit dieser Vormundschaft verbrachte W. in Geiselhaft. 1283 u¨ bernahm er nach seiner Freilassung als W. II. nominell die Regierung und konnte sich bis ca. 1290 vom Einfluss unterschiedlicher b¨ohmischer Adelsparteien (vor allem der Witigonen um Zawisch von Falkenstein) l¨osen. W.s schon fr¨uhzeitig verabredete und 1279 geschlossene Ehe mit Guta, einer Tochter Rudolfs von Habsburg, wurde vermutlich 1287 vollzogen. Es gelang W., b¨ohmische Machpositionen auszubauen und so bei den dt. K¨onigswahlen von 1292 und 1298 eine bedeutende Rolle zu spielen. Die Territorialpolitik W.s richtete sich auf Polen. Nach territorialen Erwerbungen wurde W. 1297 in Prag zum K¨onig von Polen gekr¨ont; 1300 zog er in Polen ein. Auch gelang es ihm nach dem Erl¨oschen des ungarischen Adelsgeschlechts der Arp´aden, seinen Sohn Wenzel III. als K¨onig von Ungarn einzusetzen. Doch offensichtlich hatte W. das b¨ohmische Potential u¨ bersch¨atzt, 577
um 1300 und sein Sohn musste bereits 1305 zugunsten der polnischen Herrschaft und nach habsburgischen Interventionen unter Albrecht I. auf die ungarische Krone verzichten. Auch als wirtschaftlicher Innovator (u. a. Mu¨ nzreform) und literarischer M¨azen ist W. von Bedeutung: Er protegierte → Ulrich von Etzenbach, dessen Alexander ihm gewidmet ist. W. ist zudem Verfasser dreier Minnelieder im kunstfertigen Prunkstil. Es gilt als gesichert, dass der «k`unig wenzel von behein» der Heidelberger Liederhandschrift C mit W. zu identifizieren ist. Das erste der drei u¨ berlieferten Lieder stellt in f¨unf Strophen keusche Enthaltung als vorbildliche Minneform dar, das zweite dreistrophige Lied widerruft am Schluss eine derartige Zur¨uckhaltung. Das dritte, ebenfalls dreistrophige Lied, ist ein Tagelied. Das schmale Corpus befindet sich gem¨aß der gesellschaftshierarchischen Ordnung des Codex Manesse weit vorn, nach K¨onig → Tyro von Schotten und vor Herzog → Heinrich von Breslau. ¨ Uberlieferung: Heidelberg, UB, Cpg 848 (C, erstes Drittel 14. Jh.) 10r–11r (mit Miniatur). Ausgaben: Kraus LD 21 (1978) S. 584–587. – Helmut de Boor: MA. Texte und Zeugnisse. 2. Teilbd. (Die Dt. Lit. vom MA bis zum 20. Jh. I,2). Mu¨ nchen 1965 (Nachdr. ebd. 1988) S. 1647 f. (Auswahl). – Tagelieder des dt. MA. Mhd./Nhd. Ausgew¨ahlt, u¨ bers. und komm. v. Martina Backes (RUB 8831). Stuttgart 2003, S. 170–173 (Nr. XXV), 273 f. – Burghart Wachinger (Hg.): Dt. Lyrik des sp¨aten MA (BdK 191/BMA 22). Frankfurt/M. 2006, S. 360–363. Literatur: [Adolf] Bachmann, ADB 42 (1897) S. 753–758. – Kraus LD 22 (1978) S. 630–635. – De Boor/Newald 3/1 (21997) S. 287 und Reg. – Josef ˇ Zemliˇ cka, LexMA 8 (1997) Sp. 2188–2190. – Burghart Wachinger, VL2 10 (1999) 862–866. – Julius ¨ Feifalik: Uber W. als dt. Liederdichter [...]. Wien 1858 (Separatdruck aus: Sb. der kaiserlichen Akad. der Wiss., phil.-hist. Cl. 25 [1857] S. 326–378). – Justus Lunzer: Zu K¨onig W.s Minneliedern. In: ZfdA 53 (1912) S. 260–274. – Karl Heinrich Bertau: ¨ Sangverslyrik. Uber Gestalt und Geschichtlichkeit mhd. Lyrik am Beispiel des Leichs (Palaestra 240). G¨ottingen 1964, S. 192–194. – Codex Manesse. Die Miniaturen der Großen Heidelberger Liederhs. Hg. und erl. v. Ingo F. Walther unter Mitarbeit v. Gisela Siebert. Frankfurt/M. 1988 (62001) S. 8 f. (Tf. 4). – Hans-Joachim Behr: Lit. als Machtlegitimation. Stud. zur Funktion der deutschsprachigen 578
um 1300 Dichtung am b¨ohmischen K¨onigshof im 13. Jh. (Forschungen zur Gesch. der a¨ lteren dt. Lit. 9). Mu¨ nchen 1989, Reg, bes. S. 234–248. VZ Wizlav der Junge (auch Wizlaw, oft gleichgesetzt mit F¨urst Wizlaw III. von R¨ugen). – Minnes¨anger und Sangspruchdichter des 13./14. Jh. Die Minnelieder u. Sangspr¨uche W.s wurden nachtr¨aglich – vielleicht um 1350 – in die → Jenaer Liederhandschrift eingef¨ugt und mit Melodien versehen. Das Œuvre ist durch Blattverlust unvollst¨andig. Da W.s Liedkorpus ohne die in dieser Handschrift u¨ bliche Verfassernennung nachgetragen wurde, kann der Zusammenhang von Text und Dichter nur u¨ ber die dreimalige Erw¨ahnung eines «Wizlav» bzw. «Wizlav den junghen» hergestellt werden. Deshalb ist auch nicht sicher, ob alle W. zugewiesenen Strophen tats¨achlich auf ihn ¨ zur¨uckgehen. Aufgrund der schwierigen Uberlieferung variieren die Angaben zum Gesamtwerk. Die maßgeblichen Editoren der Texte – Thomas/ Seagrave (1967) und Werg (1969) – gehen von 14 bzw. 13 Minneliedern sowie 13 Sangspr¨uchen aus, Wachinger (1999) z¨ahlt hingegen nach Strophen: 43 vollst¨andige und vier fragmentarische. Niederdeutsche Sprachformen in den ansonsten mitteldt. Texten W.s sowie eine Lobstrophe auf einen holsteinischen Herrn weisen auf einen Dichter nd. Herkunft hin. Sein Werk l¨asst sich zeitlich eingrenzen durch die Nachahmung K¨onig Wenzels II. von B¨ohmen (1251–1305) in der zweiten Strophe W.s und die Niederschrift der Lieder in der Mitte des 14. Jh. Unsicherheiten bestehen ebenfalls f¨ur die fr¨uhe Rezeptionsgeschichte: Es muss offen bleiben, ob die namentlichen Nennungen eines «W.» durch die N¨urnberger Meistersinger Hans → Folz und Konrad → Nachtigall wirklich den Dichter der Jenaer Liederhandschrift meinen und somit dessen Lieder bzw. T¨one im ausgehenden MA noch bekannt waren (Brunner 1989, S. 12). Das Interesse an W. seit dem fr¨uhen 19. Jh. geht weniger auf Außergew¨ohnliches in seinem Werk zur¨uck, sondern mehr auf die Identifikation des Dichters mit dem R¨ugenf¨ursten Wizlaw III. – diese Gleichsetzung bestimmt einen großen Teil der wissenschaftlichen, literarischen und musikalischen Diskussion. Die sp¨atma. Geschichtsschreibung aus Mecklenburg und Pommern berichten zwar u¨ ber den R¨ugenf¨ursten, kennen ihn aber nicht als Dichter. In der ersten vollst¨andigen Ausgabe von W.s Lie¨ dern und Spr¨uchen mit nd. Ubertragung von 1831 579
Wizlav der Junge warf Ludwig Ettm¨uller die Frage auf, in welcher Sprache W. gedichtet habe, da die Lieder in Mitteldeutsch u¨ berliefert sind, der vermutete Verfasser, F¨urst Wizlaw, hingegen aus dem nd. Sprachraum stammt. Nach einer mitteldt. Ausgabe der Minnelieder W.s durch Friedrich Heinrich von der Hagen 1838 u¨ bertrug Ettm¨uller das Werk nochmals vollst¨andig ins Niederdeutsche (1852) und stellte damit die lange Zeit g¨ultige Edition her. Die neueste Untersuchung zur Sprache W.s von Reinhard Bleck (2000) geht nach einem Vergleich mit Urkunden, die in der Kanzlei des R¨ugenf¨ursten Wizlaw III. ausgefertigt wurden, davon aus, dass «W.s poetische Sprache [...] eine Mischung aus literarischem Hochdeutsch und gesprochenem Niederdeutsch zu etwa gleichen Teilen» war (S. 152). Aus den Texten W.s spricht ein u¨ ber die zeitgen¨ossischen lyrischen Kontroversen gut informierter Dichter, der einerseits Anleihen aus Liedern anderer aufnimmt, andererseits auch antike und biblische Stoffe verarbeitet. Ihre Inhalte erschließen sich teilweise schwer aufgrund der Sprache. In den Spr¨uchen u¨ berwiegen heilsgeschichtliche Themen, verfasst als Preislieder auf den allwissenden Gottvater bzw. die hl. Maria oder als Gebete. Daneben dichtete W. mehrere moralische Lieder, die vor u¨ bler Nachrede, falschen Ratgebern und Wollust warnen. Mit einem bisher noch nicht u¨ berzeugend aufgel¨osten R¨atsel lehnt W. sich an Strophe 220 des → Reinmar von Zweter an und entspricht damit der Vorliebe seiner (h¨ofischen) Rezipienten f¨ur a¨sthetische wie auch intellektuelle Lehr- und R¨atseldichtung (m¨ogliche L¨osungen: hoher Mut, Herz, Blut). Politische Inhalte spart W. fast g¨anzlich aus, wenn man von dem Preislied auf einen «herren von holsten» absieht, in dem dessen Ehre und Tugenden gelobt werden. Dabei soll es sich um einen holsteinischen Grafen handeln (zu den diversen Identifizierungsversuchen siehe Bleck 2000, S. 31–43). In u¨ ber der H¨alfte seiner Minnerlieder arbeitete W. mit der Jahreszeitenmetaphorik, u. a. nach den Vorbildern des → Gottfried von Neifen und des → Steinmar. Dabei r¨aumt er der Klage u¨ ber die unerf¨ullte Minne ebenso Raum ein wie der Hoffnung, dass seine Sehnsu¨ chte erf¨ullt werden. Daneben geh¨ort zu W.s Œuvre auch ein Tagelied und das in der Forschung oft besprochene Preislied auf einen mutmaßlichen Dichterkollegen oder Lehrer, den Ungelehrten, der eine sehr sch¨one «sehende Weise» erdichtet habe. Ihm wolle W. nacheifern, 580
Wizlav der Junge um seine Lieder M¨annern und Frauen mit feinem Kunstverstand vortragen zu k¨onnen. Lange Zeit fiel das Urteil uber ¨ die T¨one W.s – er verwendete f¨ur seine Sangspr¨uche u¨ berwiegend Da-capo-Formen und f¨ur seine Minnelieder die gattungstypische Kanzonenstrophe – sehr verhalten aus. Im Vergleich mit zeitgen¨ossischen Vorbildern sei er wenig kreativ, sogar unbeholfen gewesen. J¨ungste Forschungen haben hingegen versucht, die reduzierte Form der Kompositionen als eine gelungene Tendenz zur Einfachheit bzw. zum sich formenden Volkslied herauszustellen (Amtst¨atter 2002). ¨ Uber den R¨ugenf¨ursten Wizlaw III. als M¨azen – nicht als Dichter – berichten zwei zeitgen¨ossische S¨anger: → Frauenlob und → Goldener (Bumke 1979, S. 636 und 642). Frauenlob preist allgemein die Tugenden W.s u. dessen «engels m˚ut» zu guten Werken; Goldner z¨ahlt die Tugenden im Einzelnen auf. Wizlaw III., um 1265 als a¨ltester Sohn seines gleichnamigen Vaters und dessen Gemahlin Herzogin Agnes von Braunschweig-L¨uneburg geboren, starb am 8.11.1325 und wurde im Zisterzienserkloster Neuenkamp (Franzburg) bestattet. Er war in erster Ehe mit einer Margarete unbekannter Herkunft verheiratet, in zweiter Ehe mit Agnes, der Tochter des Grafen Ulrich I. von Lindow-Ruppin (nicht Tochter des Grafen G¨unter!). Wizlaw und seine Familie sind durch eine engagierte Pflege der dt. Sprache und Literatur hervorgetreten. So werden unter seiner Regierung erstmals neben lat. auch dt. Urkunden in der f¨urstl. Kanzlei ausgefertigt. Seine Mutter Agnes stammte von dem literarisch interessierten Hof der Herz¨oge von Braunschweig-L¨uneburg, an dem nachweislich der Romandichter → Bertold von Holle wirkte und dessen Werk von Agnes’ Bruder, Herzog Johann I., angeregt wurde. Im Umfeld dieses Hofes entstand zum Ende des 13. Jh. die anonyme Braunschweigische Reimchronik. Ein anderer Bruder Agnes’, Herzog Albrecht I., wird von den Meisterdichtern Rumelant von Sachsen und dem Tannh¨auser als M¨azen ger¨uhmt. Im Auftrag von Wizlaws Schwester Eufemia, die mit dem sp¨ateren norwegischen K¨onig H˚akon Magnusson verheiratet war, wurden f¨ur den k¨unftigen Gemahl ihrer Tochter, den schwedischen Herzog Erik Magnusson von So¨ dermanland, drei Versromane ins Schwedische u¨ bertragen: Herra Ivan lejonriddaren (nach einer franz¨osischen Vorlage, 1303), Hertig Fredrik av Normandie (nach einer dt. Vorlage, 1308) 581
um 1300 und Flores och Blanzeflor (nach einer norwegischen Vorlage, 1312). Sie sind heute unter dem Namen Eufemiavisor, Lieder der Eufemia, bekannt. Weil diese Hinweise eine in Bildung und Literatur gleichermaßen f¨ordert¨atige Familie erkennen lassen, setzten Literaturhistoriker des 19. Jh. Wizlaw III. mit dem Dichter W. gleich und f¨ugten ihn in jenen Kreis zeitgen¨ossischer F¨ursten ein, die Lorbeeren durch ihr Dichten erworben haben. Bernhard J. Docen (1809) a¨ ußerte erstmals die Vermutung, W. k¨onne identisch mit dem R¨ugener F¨ursten sein; Friedrich Heinrich von der Hagen f¨uhrte durch eine umfangreiche Materialsamm¨ lung zu Wizlaws Biografie diese Uberlegungen aus. Auf ihn geht die Annahme zur¨uck, dass der ansonsten unbekannte Meister «Ungelarde» (der → Ungelehrte), der sich in der Hansestadt Stralsund niedergelassen hatte, W.s Lehrmeister gewesen sei – eine Verbindung zwischen dem genannten Lied und dem Stralsunder konnte allerdings nicht nachgewiesen werden. J¨ungere Arbeiten stehen diesen Konstruktionen kritisch gegen¨uber (im ¨ Uberblick: Bleck 2000, S. 25–30). Der Greifswalder Historiker Karl Theodor Pyl ¨ publizierte 1872 die erste nhd. Ubertragung der Texte, der wenig sp¨ater eine Dichterbiographie von Kuntze folgte. Beide Publikationen trugen maßgeblich zur Verbreitung der Texte und zur regionalen Identifikation mit dem «Dichterf¨ursten» Wizlaw von R¨ugen bei, die zum Teil bis heute von einem regionalpatriotischen Pathos getragen wird. Zu diesem Dichterf¨ursten entstanden ein Trauerspiel aus der Feder des Stralsunder Dichters Heinrich Kruse (Leipzig 1881), ein vierstrophiges Lobgedicht von Carl Gustav von Platen (R¨ugenscher Heimat-Kalender 1930, S. 43), Kalenderbl¨atter (Rugia-Journal 1997, S. 22 f.) und zuletzt ein Singspiel von Lothar Jahn und Peter Will: W. der Verf¨uhrer – S¨anger und Herrscher auf R¨ugen (2003, www.wizlaw.de). Die Lieder Maiensonne und Trost im Winter fanden Aufnahme in einem heimatkundlichen Lesebuch von Paul Elsholz und Paul Hoffmann: Aus niederdeutschen Herzen. Heimatbuch f¨ur Pommern (1925, S. 70 und 78). Noch beeindruckender ist die Resonanz von W.s ¨ Œuvre im Musikalischen. Mit der ersten Ubertragung der ma. Notenbilder aus der Jenaer Liederhandschrift in die gegenw¨artige Form durch von der Hagen 1838 begann eine nicht versiegende Begeisterung f¨ur die Lieder W.s., die u. a. bei Rochus von Liliencron und Wilhelm Stade (Lieder und 582
um 1300 Spr¨uche aus der letzten Zeit des Minnesangs. Weimar 1854), bei Hans J. Moser (Geschichte der deutschen Musik. Bd. 1. Stuttgart 1930) und in verschiedenen Volksliederb¨uchern (f¨ur M¨annerchor: Hg. auf Veranlassung Kaiser Wilhelms II. 2 Bde. Leipzig 1907; f¨ur gemischten Chor: Hg. auf Veranlassung Kaiser Wilhelms II. 2 Bde. Leipzig 1915) Niederschlag fand. Das Paradoxon dieser Rezeption liegt in der kuriosen Verbindung von heimatverbundenem Stolz mit deprimierenden kulturellen Zuschreibungen: «Doch es ist schon erstaunlich, daß im Norden Deutschlands, in unserer Heimat, ein damals bekannter Dichter gelebt hat» (Kr¨uger 2005, S. 272). Ausgaben (siehe auch Jenaer Liederhandschrift): Ludwig Ettm¨uller (Hg.): Lieder von Wizlau aus Pommern (Denkmæler sassischer sprˆache, 1). Jena 1831. – Friedrich Heinrich von der Hagen (Hg.): Minnesinger. Gesch. der Dichter und ihrer Werke. Bd. 3. Leipzig 1838, S. 78–85. – Jacob Grimm: Darf. In: ZfdA 7 (1849) S. 452–455. – L. Ettm¨uller (Hg.): Des F¨ursten von R¨ugen Wizlˆaw’s des Vierten Spr¨uche und Lieder in nd. Sprache. Quedlinburg/Leipzig 1852. Nachdr. Amsterdam 1969. – [Karl] Theodor Pyl: Lieder und Spr¨uche des F¨ursten Wizlaw v. R¨ugen. Greifswald 1872. – Erich G¨ulzow (Hg.): Des F¨ursten Wizlaw v. R¨ugen Minnelieder und Spr¨uche. Greifswald 1922. – Wesley Thomas/Barbara Garvey Seagrave (Hg.): The Songs of the Minnesinger, Prince W. of R¨ugen. ¨ Chapel Hill 1967 (mit Melodien, engl. Ubertragung und kommentierter Bibliogr.). – Sabine Werg: Die Spr¨uche und Lieder W.s v. R¨ugen Untersuchung und krit. Ausg. der Gedichte. Stuttgart 1969. – Reinhard Bleck: Unters. zur sog. Spruchdichtung und zur Sprache des F¨ursten Wizlaw III. v. R¨ugen. G¨oppingen 2000, S. 8–15, 46–57, 62–78. – Burghart Wachinger (Hg.): Dt. Lyrik des sp¨aten MA (BdK 191/BMA 22). Frankfurt/M. 2006, S. 432–439, 902–907 (vier ausgew¨ahlte St¨ucke). Literatur: [K.] T. Pyl, ADB 43 (1898) S. 684–688. – RSM 5 (1991) S. 575–578. – Burghart Wachinger, VL2 10 (1999) Sp. 1292–1298. – Horst Brunner, MGG2 Personenteil 17 (2007) Sp. 1061 f. – Mario Mu¨ ller, Killy2 12 (2011) S. 497–501 (mit aktuellem Literaturverz.). – Bernhard J. Docen: Versuch einer vollst¨andigen Lit. der a¨lteren Dt. Poesie [...]. In: Museum f¨ur Altdt. Lit. und Kunst 1 (1809) S. 126–234. – Friedrich Gennrich: Zu den Melodien W.s v. R¨ugen. In: ZfdA 583
Ulrich von Baumburg 80 (1944) S. 86–102. – Wilfried Seibicke: ‹wizlau diz scrip›, oder: Wer ist der Autor von J, fol. 72v–80v? In: NdJb 101 (1978) S. 68–85. – Birgit Spitschuh: W. v. R¨ugen. Diss. Greifwald 1989. – Tomas Tomasek: Das dt. R¨atsel im MA. T¨ubingen 1994, S. 299 f. – Elisabeth Hages: ‹snel hel ghel scrygh ich dinen namen›. Zu W.s Umgang mit Minnesangtraditionen des 13. Jh. In: Lied im ¨ dt. MA. Uberl., Typen, Gebrauch. Hg. v. Cyril Edwards u. a. T¨ubingen 1996, S. 157–176. – Wolfgang Spiewok: W. v. R¨ugen. Ein erster pommerscher Dichter. In: Ders.: Ma. Lit. up plattd¨utsch. Greifswald 1998, S. 52–64. – Mark E. Amtst¨atter: ‹Ihc wil singhen in der nuwen wise eyn let›. Die Sub-Strophik W.s v. R¨ugen und die Einheit von Wort und Ton im Minnesang. In: PBB 124 (2002) S. 466–483. – Ausf¨uhrliche biografische Darstellungen zu Wizlaw III.: Carl G. Fabricius: Urkunden zur Gesch. des F¨urstenthums R¨ugen unter den eingeborenen F¨ursten. Bd. 4. Berlin 1858–69: Abt. 1, S. 77–119; Abt. 2, S. 57–103; Abt. 3, S. 79–135; Abt. 4, S. 99–129. – Otto Fock: R¨ugensch-Pommersche Geschichten aus sieben Jahrhunderten. Bd. 3. Leipzig 1865, S. 1–68. – Franz Kuntze: Wizlaw III. Der letzte F¨urst von R¨ugen. Halle 1893. – Ursula Scheil: Zur Genealogie der einheimischen F¨ursten von R¨ugen. K¨oln u. a. 1962. – Thomas/Seagrave (s. Ausg.). – Manfred Kr¨uger: Wizlaw III. von R¨ugen, der f¨urstliche Dichter. In: Stadt Barth 1255–2005. Beitr. zur Stadtgesch. Hg. v. J¨org Scheffelke/Gerd Garber. Schwerin 2005, S. 269–273. – Ingrid Schmidt: Die Dynastie der R¨ugenf¨ursten. Rostock 2009, S. 90–93, 105 f. – Sven Wichert/Fritz Petrick: R¨ugens MA und Fr¨uhe Neuzeit 1168–1648 (R¨ugens Gesch. von den Anf¨angen bis zur Gegenwart, 2). Putbus/R¨ugen 2009, S. 58–61. – Roswitha Wisniewski: Wizlav III., R¨ugenf¨urst und Minnes¨anger. In: Insel im pommrischen Meer. Beitr. zur Gesch. R¨ugens. Hg. v. Irmfried Garbe/ Nils J¨orn. Greifswald 2011, S. 15–22. MMu¨ Ulrich von Baumburg (von Buwenburg, Buwenburc, Bovinburg, Bubenberg). – Minnes¨anger, Ende 13. Jh. Der in der → Heidelberger Liederhandschrift C nur als «von Buwenburg» bezeichnete S¨anger wurde lange mit Konrad von Buwenburg identifiziert. Der 1255 bis 1314 nachweisbare Freiherr geh¨orte einem w¨urttembergischen Geschlecht an und war Kantor der schweizer. F¨urstabtei Einsiedeln. Das 584
Ulrich von Baumburg Kopialbuch des Rudolf Losse nennt den Minnes¨anger «Vlricus de bovinburg armiger», was auf Ulrich II. von Baumburg verweisen k¨onnte. Dieser stammte aus einer Familie w¨urttembergischer Ministerialer und ist 1289 bis 1305 nachweisbar. Die Freiherrensippe Konrads war ebenso im Oberamt Riedlingen (heute Herbertingen, Kreis Biberach) ans¨assig wie Ulrichs Ministerialengeschlecht. Der Stammsitz Baumburg lag bei Hundersingen (heute Kreis Sigmaringen). Das in C dem v. B. zugeordnete Greifenwappen wurde im sp¨aten 13. Jh. von dem Freiherren Dietrich von Baumburg benutzt. Die in C abgebildete Szene, in der drei Ritter auf Pferden mehrere Rinder stehlen, erlaubt aber keine genauere Identifizierung des Dichters. Viehdiebst¨ahle wurden in der Malerei des fr¨uhen 14. Jh. bereits h¨aufiger dargestellt. Die neuere Forschung verneint daher eine inhaltliche Verbindung des Bildes zu einem Bauern¨uberfall auf Kloster Einsiedeln im Jahr 1314, was f¨ur Konrad als Dichter sprechen w¨urde. Die Gleichsetzung mit Konrad gilt mittlerweile als obsolet, da sie auf einer Fehlinterpretation der U.-Illustration in C beruhte. Heute wird stattdessen Ulrich II. als der Minnes¨anger angesehen. C u¨ berliefert sechs Lieder U.s, Losses Kopialbuch nur ein Lied. S¨amtliche Lieder sind dreistrophige Rundkanzonen und bis auf Lied II ohne Refrains. Alle Lieder enden mit partiellen oder vollst¨andigen Stollenreprisen. Außer in Lied IV bevorzugt U. daktylische Verse, vermeidet aber zugleich Auftakte, mit einzelnen Ausnahmen in den Liedern I und VI. U.s Aufges¨ange sind durch verschr¨ankte bzw. Schweifreime gekennzeichnet, die Abges¨ange durch umarmende Reime. Außer in Lied IV benutzt U. stets Natureing¨ange, die er meist mit Herbstmotiven (Lieder I–III, V) oder auff¨alligen Personifikationen (III, VI) ausgestaltet. U.s Vorliebe f¨ur den Herbst erinnert zun¨achst an Steinmar, doch stehen der Herbst und die Minne bei U. nicht im Wettstreit. Vielmehr lobt U. den Herbst, weil er den Menschen Nahrungsmittel f¨ur den Winter bereitstellt. Ein weiteres Kennzeichen der Lieder U.s sind zahlreiche Metaphern, etwa aus Anatomie (Herzmetapher in I und V, jeweils Str. 2), Schneiderhandwerk (u. a. in II, Str. 2) und Recht (u. a. in V, Str. 3). Bei U. finden sich außerdem Ans¨atze zur Kritik am traditionellen Minnedienst, u. a. mit dem Verweis auf unw¨urdige Minnedamen (IV) und -diener (VI), die des Minnesangs eigentlich nicht wert seien. Durch diese kritischen Spitzen gewinnt U.s Werk ebenso an individuellem Profil wie durch 585
um 1300 seine Metaphern. Letztere haben ihm jedoch auch den Vorwurf der Effekhascherei eingebracht: Der einengenden Konventionen des Minnesangs m¨ude, fl¨uchtete sich U. in gewollte Originalit¨at. ¨ Uberlieferung: Heidelberg, UB, Cpg 848, 359r–360rb (Perg., erste H¨alfte 14. Jh., alemannisch, Schreiber «As» f¨ur Str. 1–12, «Es» f¨ur Str. 13–18). – Kassel, UB/LMB, 2° Ms. iurid. 25, 264v (Perg. und Pap., zweites Viertel 14. Jh., rheinischer Raum, Kopialbuch des Rudolf Losse). Ausgaben: HMS 2 (1838) S. 261–263; 3 (1838) S. 705 f. – Karl Bartsch (Hg.): Die Schweizer Minnes¨anger (Bibl. a¨lterer Schriftwerke der dt. Schweiz 6). Frauenfeld 1886 (Nachdr. Darmstadt 1964) S. CXLVII–CLII, 256–264, 448 f. (XXIII); Neuausg. v. Max Schiendorfer, Bd. 1, Tu¨ bingen 1990, S. 300–309 (Teilausg.). – Zw¨olf mhd. Minnelieder und Reimreden. Aus den Sammlungen des Rudolf Losse von Eisenach. Hg. v. Edmund Ernst Stengel/Friedrich Vogt. In: AfK 38 (1956) S. 174–217, hier S. 200 f.; Nachtrag in AfK 39 (1957) S. 391 (vgl. dazu: Hugo Kuhn, in: PBB [T¨ub.] 80, 1958, S. 317–323). – Dt. Lyrik des MA. Hg. v. Max Wehrli. Z¨urich 21962, S. 296–300. – Vgl. auch die Ausg. der Heidelberger Liederhandschrift C. Literatur: HMS 4 (1838) S. 539 f., 883. – Wilhelm Wilmanns: v. Buwenburc. In: ADB 3 (1876) S. 667. – Max Schiendorfer, VL2 9 (1995) Sp. 1247–1250. – De Boor/Newald 3/1 (51997) S. 294, 531. – Anton Wallner: Herren und Spielleute im Heidelberger Liedercodex. In: PBB 33 (1908) S. 483–540, hier S. 486, 509, 518. – Stengel/Vogt 1956 (s. Ausg.). – Gisela Siebert-Hotz: Das Bild des Minnes¨angers. Motivgeschichtliche Unters. zur Dichterdarstellung in den Miniaturen der grossen Heidelberger Liederhs. Marburg/Lahn 1964, S. 188–190. – Herta-Elisabeth Renk: Der Manessekreis, seine Dichter und die Manessische Hs. Stuttgart 1974, S. 73–77, 200–205. – Joachim Bumke: Ministerialit¨at und Ritterdichtung. Umrisse der Forschung. M¨unchen 1976, S. 24–28. – Eckhard Grunewald: Die Zecher- und Schlemmerlit. des dt. Sp¨atMA. Diss. K¨oln 1976, S. 74–76. – Wolfgang Adam: Die ‹wandelunge›. Stud. zum Jahreszeitentopos in der mhd. Lit. (Euph. Beih. 15). Heidelberg 1979, S. 120–124. – Viola Bolduan: Minne zwischen Ideal und Wirklichkeit. Stud. zum sp¨aten Schweizer Minnesang. Frankfurt a. M. 1982, S. 112–116. – M. Schiendorfer: Vorschl¨age zu einer Neugestaltung von Bartschs ‹Schweizer 586
um 1300 Minnes¨angern›. In: ZfdPh Sonderh. 104 (1985) S. 102–123. – Codex Manesse. Die Miniaturen der Großen Heidelberger Liederhs. Hg. und erl. v. Ingo F. Walther unter Mitarbeit v. Gisela Siebert. Frankfurt/M. 1988 (62001) S. 240 f. (Tf. 118). – M. Schiendorfer: U. v. B., ‹Trutz, trutz, trutz›. Ein ‹echtes› Produkt des manessischen ‹von Bˆuwenburg›? In: ‹Dˆa hoeret ouch geloube zuo.› ¨ Uberl.und Echtheitsfragen zum Minnesang. FS G¨unther Schweikle. Hg. v. R¨udiger Krohn/WulfOtto Dreessen. Stuttgart 1995, S. 155–176. – Barbara Weber: Œuvre-Zusammensetzungen bei den Minnes¨angern des 13. Jh. (GAG 609). G¨oppingen 1995, S. 49, 110 u. o¨ . MM Der Urenheimer. – Obd. (?) Sangspruchdichter, um 1300. Die → Jenaer Liederhandschrift u¨ berliefert von U. drei Strophen im gleichen Ton (1Urnh/1–3), der im Abgesang Reimh¨aufung zeigt. In Strophe I (35v–36r) wird dem «argen», der in S¨unde altert, der allzeit «milte», dem alles zum Besten ger¨at, gegen¨ubergestellt. So wie ihnen der ungleiche Lohn Gottes gewiss ist, erhalten sie bereits auf Erden das, was ihnen geb¨uhrt. Strophe II (36r) erinnert an fr¨uhere Zeiten, als die Herren den Gesang der «rehten meister» und nicht die «lekker» belohnten. Wer Eulen statt Falken z¨ahme, verdiene kein Lob. Strophe III (36rv) lobt einen Grafen Otto von Anhalt – entweder Otto I. (gest. 1304/05) oder dessen Sohn Otto II. (gest. 1315/16). ¨ Uberlieferung: Jena, ULB, Ms. El. f. 101, v 35 –36v (Perg., um 1330, mitteldt./nd.; mit Notensystem, aber ohne Melodie). Korpusu¨ berschrift: «Der vrenheymer». Ausgaben: HMS 4 (1838) S. 38 f. – Cramer 3 (1982) S. 350 f. – Georg Holz/Franz Saran/Eduard Bernoulli (Hg.): Die Jenaer Liederhs. Bd. 1. Leipzig 1901 (Nachdr. Hildesheim 1966) S. 62 f. (Nr. XII). Literatur: HMS 4 (1838) 712. – [Gustav] Roethe, ADB 39 (1895) S. 351. – Ehrismann 2.2.2 (1934) S. 289. – Cramer 3 (1982) S. 574. – RSM 5 (1991) S. 454. – De Boor/Newald 3/1 (51997) S. 380. – Frieder Schanze, VL2 10 (1999) Sp. 123 f. – Helmut Tervooren: Einzelstrophe oder Strophenbindung? Unters. zur Lyrik der Jenaer Hs. Diss. Bonn 1967, S. 201–203. – Kurt Franz: Stud. zur Soziologie des Spruchdichters in Deutschland im sp¨aten 13. Jh. (GAG 111). G¨oppingen 1974, Reg. – Ulrich M¨uller: Unters. zur politischen Lyrik des dt. 587
Der Urenheimer MA (GAG 55/56). G¨oppingen 1974, S. 164. – Joachim Bumke: M¨azene im MA. Die G¨onner und Auftraggeber der h¨ofischen Lit. in Deutschland 1150–1300. M¨unchen 1979, S. 224, 629. – Gisela Kornrumpf: Der Grundstock der ‹Jenaer Liederhs.› und seine Erweiterung durch Randnachtr¨age. In: Die ‹Jenaer Liederhs.›. Codex – Gesch. – Umfeld. Hg. v. Jens Haustein und Franz K¨orndle unter Mitwirkung v. Wolfgang Beck und Christoph Fasbender. Berlin/New York 2010, S. 39–79, hier S. 41, 53 Anm. 71. BJ Eberhard von Sax OP. – Verfasser eines Marienlobs, 13./14. Jh. E. ist 1309 urkundlich bezeugt als Angeh¨origer des Dominikanerklosters Z¨urich, vielleicht identisch mit dem schon 1296 in Konstanz nachgewiesenen Nachtragsmaler der → Heidelberger Liederhandschrift C. Er ist Abk¨ommling der gleichen rh¨atischen Familie wie → Heinrich von Sax. Die zugeh¨origen Autorenbilder (von E. Bl. 48v) zeigen das Wappen desselben freiherrlichen Geschlechts (von Gold und Rot gespaltener Schild). Neben → Heinrich von Mure ist E. der einzige M¨onch in der Heidelberger Liederhandschrift. E. dichtete unter starkem Einfluss der Goldenen Schmiede des → Konrad von W¨urzburg ein Marienlob von 20 Strophen zu je zw¨olf Versen, das nur in C erhalten ist (1EberhS/1/1). Der immer wieder durch Unsagbarkeits- und Unf¨ahigkeitsbeteuerungen unterbrochene Preis Mariens bei Nennung meist bildlicher marianischer Attribute gipfelt in ein F¨urbittgebet (Str. 20), dem einige Verse eines Lobes auf Christus folgen. Dann bricht der Text ab. ¨ Uberlieferung: Heidelberg, UB, Cpg 848, 49vb (Perg., um 1300, alemannisch). Die Miniatur zeigt E. in der Ordenstracht der Dominikaner kniend auf der Stufe des Altars, die H¨ande im Gebet zu einer Madonnendarstellung erhoben. Das aus den H¨anden des M¨onchs aufsteigende Schriftband ist das einzige in C, das mit einer Widmung beschrieben ist. Bild¨uberschrift: «Br˚uds Eberhart v¯o Sax». Ausgaben: Proben der alten schw¨abischen Poesie des dreizehnten Jh. Aus der Manessischen Slg. Hg. v. Johann Jakob Bodmer. Zu¨ rich 1748, S. 27–29. – Friedrich Heinrich v. der Hagen (Hg.): Minnesinger. Dt. Liederdichter des zw¨olften, dreizehnten und vierzehnten Jh. Bd. 1. Leipzig 1838, S. 68–71 (Nr. 21). – Eberhardi de Sax fratris ex 588
Mulich ¨ von Prag ordine praedicatorum hymnus theodiscus in honorem beatae Mariae virginis editus et explanatus. Hg. v. Theodor Bornowski. Diss. M¨unster 1855. – Karl Bartsch (Hg.): Die Schweizer Minnes¨anger (Bibl. a¨lterer Schriftwerke der dt. Schweiz 6). Frauenfeld 1886 (Nachdr. Darmstadt 1964) S. CXCVIII–CC, 362–370, 465 f. (Nr. XXVIII). – Die große Heidelberger Liederhs. (Codex Manesse). In getreuem Textabdruck hg. v. Fridrich Pfaff [1909]. 2., verb. und erg. Aufl. bearb. v. Hellmut Salowsky. Heidelberg 1984, S. 122–127, nach S. 1601: Faks. (Tf. 4). – Die Manessische Lieder-Hs. Hg. v. Rudolf Sillib/Friedrich Panzer /Arthur Haseloff. Lpz. 1929 (Faks.). – Cramer 1 (1977) S. 188–194, 451. Literatur: Gustav Roethe: S., Bruder E. v. In: ADB 30 (1890) S. 457. – Ehrismann 2,2,2 (1935) S. 279. – Gerhard Hahn, VL2 2 (1979) Sp. 286 f. – RSM 3 (1986) S. 264. – Rudolf Weigand, MarLex 2 (1989) S. 271. – Carlo Negretti: Sax. In: NDB 22 (2005) S. 477–479, hier S. 478. – Wilhelm Wackernagel: Die Verdienste der Schweizer um die dt. Litteratur. Academische Antrittsrede. Basel 1833. – Wilhelm Grimm: Konrads von W¨urzburg Goldene Schmiede. Berlin 1840. – Joseph von Laßberg: Lieder Saal das ist: Sammelung altteutscher Gedichte. Bd. 1. St. Gallen 1846, S. VII. – Alois L¨utolf: Urkundliches zu mhd. Liederdichtern. In: Germania 9 (1864) S. 460–463, hier S. 463. – Friedrich Apfelstedt: Zur Pariser Liederhs. In: Germania 26, NR 14 (1881) S. 213–229, hier S. 217. – Die Manessische Lieder-Hs.: Einleitungen. Hg. v. Rudolf Sillib u. a. Leipzig 1929, S. 24 f. – Samuel Singer: Die ma. Lit. der dt. Schweiz. Frauenfeld u. a. 1930. – Walter Muschg: Die Mystik in der Schweiz 1200–1500. Frauenfeld/Leipzig 1935, S. 90 f., 92, 128, 183. – Ewald Jammers: Das Kgl. Liederbuch des dt. Minnesangs. Eine Einf. in die sogenannte Manessische Hs. Heidelberg 1965, bes. S. 93–96. – Thomas Kaeppeli: Scriptores Ordinis Praedicatorum Medii Aevi. Bd. 1. Rom 1970, S. 352. – Herta-Elisabeth Renk: Der Manessekreis, seine Dichter und die Manessische Hs. (Stud. zur Poetik und Gesch. der Lit. 33). Stuttgart u. a. 1974, bes. S. 23, 29–35, 119, 197. – Codex Manesse. Die Miniaturen der Großen Heidelberger Liederhs. Hg. und erl. v. Ingo F. Walther unter Mitarbeit v. Gisela Siebert. Frankfurt/M. 1988 (62001) S. 42 f. (Tf. 21). – Claudia Brinker: E. v. S. In: Die Manessische Liederhs. in Zu¨ rich. Edele frouwen – schoene man. Ausstellung, Schweizerisches Landesmuseum, Z¨urich 12. Juni – 29. September 1991. Hg. v. Schweizerischen Landesmuseum. Zu¨ rich 1991, S. 119–129. – Dies.: Heinrich 589
um 1300 und E. v. S. Zwei Minnes¨anger in der Manessischen Liederhs. In: Werdenberger Jb. 5 (1992) S. 59–70. BJ Traugemundslied → Band 5. Granum sinapis → Band 2, Sp. 1–3. Mulich ¨ von Prag. – Lied- und Spruchdichter, um 1300 (?). M. v. P. wird zuerst in der lat. Ungarnchronik (um 1359) → Heinrichs von M¨ugeln erw¨ahnt, die in einer Strophe M.s Hofton aufgreift (Nr. 37). Die Forschung hat M.s Werk u. a. wegen seiner Verwendung reiner Reime auf die erste H¨alfte des 14. Jh. datiert. Der Name des Dichters wird mal ¨ nur als M. angegeben (cpg 392, s. Uberlieferung), mal um den Zusatz v. P. erweitert, etwa in der → Kolmarer Liederhandschrift. Dialektale Besonderheiten in M.s Werk lassen eine Prager Herkunft durchaus plausibel erscheinen. In den Dichterkatalogen von Hans → Folz, Konrad → Nachtigall und Valentin Voigt wird ein «Mulck» bzw. «Molck(e)» genannt, der mit M. identisch gewesen sein k¨onnte. Nicht auf M., sondern auf Heinrich von M¨ugeln d¨urften sich die ebenfalls in den Katalogen enthaltene Nennungen eines «Heinrych Mugling» beziehen. Die u¨ ber mehrere Handschriften verstreute ¨ Uberlieferung von M.s Werk setzt im 15. Jh. ein. Erhalten ist zun¨achst ein bis heute M. zugeschriebener Rey, also Reihen oder Reigen. Der Text entspricht einem dem Tanzlied nachemfundenen Typus, der im 14. Jh. f¨ur geistliche Dichtungen popul¨ar war. M. benutzt den Reihen hingegen f¨ur einen weltlichen Frauenpreis. Nach einem Natureingang kontrastiert der Text die Strenge und K¨alte des Winters mit den positiven Eigenschaften der Frauen, darunter G¨ute, Tugendhaftigkeit und Humor. Das Lied umfasst drei jeweils dreistollige Strophen mit insgesamt 66 Zeilen. Jeder der sechszeiligen Stollen enth¨alt in den ersten Zeilen einen f¨unffachen Tiradenreim. Außerdem weisen die drei Stollenenden jeder Strophe jeweils den gleichen Reim auf. Jedem dritten Stollen geht ein Steg mit vier Zeilen in Kreuzreimen voraus. Der ¨ Reihen weist Ahnlichkeiten zu Liedern Konrads von W¨urzburg und des Kanzlers auf. M. wird auch ein Langer Ton oder Hofton zugeschrieben, der nicht mit → Boppes gleichnamigen Ton identisch ist. Der Ton umfasst 17 Zeilen 590
um 1300 mit f¨unfzeiligen Stollen in drei Versarten. Dem jeweils dritten Stollen geht ein zweizeiliger Steg voraus. In diesem Hofton sind sieben Lieder erhalten, die heute aber im Gegensatz zu dem eigentlichen Ton nicht mehr M. zugesprochen werden. Es handelt sich um drei weltliche (I, VI, VII) und vier geistliche Lieder (II–V), unter denen nur Lied IV eine vielleicht auf M. zur¨uckgehende Strophe aufweist (IV,1). Lied I preist die Geliebte des S¨angers, Lied VI besingt die sieben K¨unste und Lied VII bildet einen Abschluss. Der Hofton wurde nach seiner Benutzung durch Heinrich von Mu¨ geln zun¨achst diesem zugeschrieben. Die Meistersinger von N¨urnberg nahmen den Ton unter Heinrichs Namen in ihr Repertoire auf. Entsprechend wurde M. lange Zeit nicht als eigenst¨andiger Autor rezipiert. Heute gilt er als konventioneller Vertreter der Dichtung seiner Zeit. ¨ Uberlieferung: Mu¨ nchen, BSB, Clm 8481, 102rv (Pap., erste H¨alfte 15. Jh., nicht vor 1422; ¨ Fragm.). – Wien, ONB, cod. s. n. 3344, 109r (Pap., 1431/34). – Mu¨ nchen, BSB, Cgm 4997, 40ra–40vb, Hofton 781ra–783rb (Pap., um 1460, rheinfr¨ankisch). – Heidelberg, UB, cpg 392, 26rv (Pap., um 1500, schw¨abisch). – Berlin, SBB, Mgq 414, 338v–339r (Pap., 1517/18). – Heidelberg, UB, cpg 680, 69v–70r (Pap., um 1532/33). Ausgaben: Meisterlieder der Kolmarer Hs. Hg. v. Karl Bartsch. Stuttgart 1862 (Nachdr. Hildesheim 1962) S. 199–201, 628 f. (Online-Ausg. BSB Mu¨ nchen [o. J.]). – Die Sangesweisen der Colmarer Hs. und die Liederhs. Donaueschingen. Hg. v. Paul Runge. Leipzig 1896 (Nachdr. Hildesheim 1965) Nr. 9 (Reihen), 115 (Melodien). – Die Lieder M.s v. P. Hg. v. Richard Batka. Prag 1905. – The Art of the Minnesinger. Songs of the 13th Century 1. Hg. v. Ronald Jack Taylor. Cardiff 1968, S. 173; Bd. 2, 1968, S. 273 f. (Hofton). – Dt. Lieder des MA v. Walther v. der Vogelweide bis zum Lochamer Liederbuch. Texte und Melodien. Hg. v. Hugo Moser/Joseph Mu¨ ller-Blattau. Stuttgart 1968, S. 173 f., 333 (Melodien). – Epochen der dt. Lyrik 2: Gedichte 1300–1500. Hg. v. Eva und Hansj¨urgen Kiepe. Mu¨ nchen 1972, S. 47–49. – Kornrumpf 1977 (s. Lit.) S. 124 f. – Cramer 2 (1979) S. 336–339; 4 (1985) S. 163–181, 407 f. (in Bd. 4 die Lieder in M.s Hofton). – Vgl. auch die Ausg. der Kolmarer Liederhandschrift. Literatur: K. Bartsch, ADB 22 (1885) S. 490. – Gisela Kornrumpf, VL2 6 (1987) Sp. 743–745. – RSM 4 (1988) S. 373–377; 2/1 (2009) S. 191. – 591
Jakob von Muhldorf ¨ De Boor/Newald 4/1 (21994) S. 222 f., 788. – Horst Brunner, MGG2 Personenteil 12 (2004) Sp. 783 f. – Batka 1905 (s. Ausg.). – Christoph Petzsch: Fr¨uhlingsreien als Vortragsform und seine Bedeutung im Bˆıspel. In: DVjs 45 (1971) S. 35–79, hier S. 51 f., 66. – Helmut Lomnitzer: Liebhard Eghenvelders Liederbuch. Neues zum lyrischen Teil der sog. Schratschen Hs. In: ZfdPh 90 Sonderh. (1972) S. 190–216, hier S. 207 f. – H. Brun¨ ner: Die alten Meister. Stud. zu Uberl. und Rezeption der mhd. Sangspruchdichter im Sp¨atMA und in der fr¨uhen Neuzeit (MTU 54). M¨unchen 1975, S. 121 f. u. o¨ . – G. Kornrumpf: Handschriftenfunde zur Lit. des MA 44: M. v. P. Pfalz v. ¨ Straßburg, Albrecht Lesch. Neues zur Uberl. In: ZfdA 106 (1977) S. 121–137, hier S. 122–129. – Frieder Schanze: Meisterliche Liedkunst zwischen Heinrich v. M¨ugeln und Hans Sachs 1 (MTU 82). Diss. T¨ubingen 1983, S. 120, 358; Bd. 2, 1984, S. 316. – Johannes Rettelbach: Sangspruchdichtung zwischen Frauenlob und Heinrich v. Mu¨ geln. Eine Skizze. In: Stud. zu Frauenlob und Heinrich v. M¨ugeln. FS Karl Stackmann. Hg. v. Jens Haustein/Ralf-Henning Steinmetz. Fribourg 2002, S. 145–174. – Michael Baldzuhn: Vom Sangspruch zum Meisterlied. Unters. zu einem literarischen Traditionszusammenhang auf der Grundlage der Kolmarer Liederhs. (MTU 120). Tu¨ bingen 2002, S. 232 f. – H. Brunner: Die Sprucht¨one Heinrichs v. Mu¨ geln. Bem. zur Form und zur formgeschichtlichen Stellung. In: Forschungen zur dt. Lit. des Sp¨atMA. FS Johannes Janota. Hg. v. H. Brunner/Werner Williams-Krapp. T¨ubingen 2003, S. 109–124. MM Jakob von Muhldorf ¨ → Band 2, Sp. 36 f. Wilhelm von Varlar → Band 2, Sp. 49. Frauenlob ([Meister] Heinrich Frauenlob; [Meister] Heinrich von Meißen [der Frauenlob]), * um 1260/65, † 29.11.1318 (Grabinschrift) Mainz. – Sangspruch, Lied- und Leichdichter. F. gilt als der bedeutendste dt. Spruch- und Lieddichter seiner Zeit. Seine Dichtungen sind ein herausragendes Beispiel f¨ur den gebl¨umten Stil. Von den Meisters¨angern in h¨ochstem Maße verehrt, werden in seinen T¨onen oder in T¨onen, welche die meisterliche Tradition ihm zuschrieb, unz¨ahlige Meisterlieder u¨ berliefert. Der Beiname F., den der Dichter selbst verwendet hat und mit 592
Frauenlob dem er auch in den meisten Textzeugen bezeichnet wird, k¨onnte sich auf ein h¨aufiges Thema in seinen Liedern, den traditionellen Frauenpreis, beziehen. Vielleicht ist hinsichtlich der Namensgebung auch an den sog. «wip»-«frowe»-Streit mit → Regenbogen und → Rumelant von Sachsen zu denken (s. u.) oder aber an F.s ber¨uhmten «Marienleich» (Unser frowen leich). Demgegen¨uber d¨urfte «von Meißen» eine Herkunftsangabe sein, was mit der mitteldt. Sprache der Reime korrespondiert. ¨ Als Vorname erscheint in der Uberlieferung durchweg «Heinrich»; das singul¨are Auftreten von «Johannes» (bei → Johann von Neumarkt) beruht vermutlich auf einem Irrtum. Um 1290 d¨urfte F. begonnen haben zu dichten, dem zeitgen¨ossischen Kollegenurteil zufolge als junger und hochbegabter aber auch u¨ berheblicher K¨unstler (vgl. Hermann → Damen; RSM: 1 Damen/4/4 f.). 1299 ist er als Dienstmann des Herzogs Heinrich von K¨arnten beurkundet. Zumindest zeitweise wird F. das Leben eines fahrenden Berufss¨angers gef¨uhrt haben. Sein Lebenslauf und die einzelnen Wirkungsstationen im dt. Raum lassen sich anhand von vereinzelten Hinweisen im Werk und der Nennung von M¨azenen skizzenhaft erschließen. Da aber nur wenige Lieder sich sicher datieren lassen, ist eine zuverl¨assige Chronologie des F. zuschreibbaren Werkes und der einzelnen Stationen nicht m¨oglich. Laut einem Huldigungsgedichts anl¨asslich des Rostocker Ritterfestes (1311), gerichtet an den Markgrafen Waldemar von Brandenburg (1Frau/2/100), war F. bei der Schwertleite eines b¨ohmischen K¨onigs (→ Wenzel II. [?], 1292) und bei einem Fest Rudolfs von Habsburg zugegen. Auch werden u. a. Herzog → Heinrich IV. von Breslau (1270–1290) und der niederbayerische Herzog Otto III. (1290–1312) hier erw¨ahnt. Auf Rudolf († 1291) und Heinrich IV. ist eine Totenklage erhalten (1Frau/2/109), und ein F¨urstenpreis lobt einen d¨anischen K¨onig (Erik Menved [?], 1286–1319; 1Frau/8/101). Zudem genannte Herrscherpers¨onlichkeiten sind z. B. Erzbischof Giselbert von Bremen (1273–1306) und Wizlav (III.) von R¨ugen († 1325; vgl. → Wizlav). Der letzte G¨onner F.s war h¨ochstwahrscheinlich Peter von Aspelt, seit 1306 Erzbischof von Mainz. Bereits weit fr¨uher d¨urften F. und Peter sich begegnet sein, denn Letzterer war zun¨achst Leibarzt K¨onig Rudolfs und seit 1289 Protonotar, sp¨ater Kanzler K¨onig Wenzels II. von B¨ohmen. Wahrscheinlich datiert ihre Bekanntschaft in Peters Prager Zeit. 593
um 1300 In dessen Obhut scheint F. seine letzten Jahre in Mainz verbracht zu haben, und Peter wird es auch zu verdanken sein, dass F. die hohe Ehre eines Grabes im Kreuzgang des Mainzer Doms zuteil wurde. Eine in zwei Handschriften u¨ berlieferte Beischrift zu seinem angeblich letzten Lied im «Langen Ton» k¨undet vom pers¨onlichen Verh¨altnis der beiden M¨anner, wenn es dort heißt, F. habe ebendieses Gedicht verfasst «an sinem leczsten end in der stunde als im der erczbischoff ze mencz gocz lichnam mit sinen henden gab» (1Frau/2/24e und f). Das entsprechende Lied leitet in Codices mit F.-Corpora oft die jeweilige Sammlung ein. Allerdings k¨onnte die Beischrift auf einer biographischen Fehllesung des Liedtextes beruhen. Von F.s Begr¨abnis weiß ein Zusatz zur Chronik des → Matthias von Neuenburg zu berichten (dort ist F.s Tod f¨alschlich auf 1317 datiert). Demnach h¨atten Frauen den Leichnam von F.s Wohnst¨atte bis zum Dom getragen und dort eine vielstimmige Totenklage angestimmt. Bei der a¨ußerst ehrenvollen Zeremonie, h¨atten sie so viel Wein ins Grab gegossen, dass der Kreuzgang u¨ berschwemmt worden sei. F.s Grabstein wurde 1774 zerst¨ort und neun Jahre sp¨ater ersetzt. Die urspr¨ungliche Inschrift ist durch Dokumente von vor 1774 gesichert (vgl. Susanne Kern: Die Inschriften des Mainzer Doms und des Dom- und Di¨ozesanmuseums von 800 bis 1350 [Mainzer Inschriften 1]. Wiesbaden 2010, S. 52–55.). F.s Werk umfasst Spruchdichtung, Leichs und Minnelieder. Der Umfang der f¨ur F. gesicherten «echten» Strophen ist umstritten. Viele der Texte sind unikal u¨ berliefert und werden offensichtlich schon fr¨uh von Nachahmerstrophen flankiert. Man wird von einem Bestand von rund 330 Spruchstrophen und sieben Minneliedern ausgehen k¨onnen. Dazu kommen die drei Leichs und das allegorische Streitgedicht Minne und Welt, das in einem eigenen Ton verfasst ist. Bei den T¨onen F.s ist die ¨ Lage a¨hnlich. Von der Uberlieferung werden F. bis zu 38 T¨one zugeschrieben, von denen 10 nach heutigem Forschungsstand als «echt» einzustufen sind («Langer», «Kurzer», «Gr¨uner», «Vergessener», «Goldener», «Neuer», «Zarter Ton», «Flugton», «Minne und Welt»-Ton, «W¨urgendr¨ussel»; Letzterer verdankt seinen Namen [= «Kehlenw¨urger»] seinem außerordentlichen Umfang, der allerdings ¨ in der j¨ungeren Uberlieferung nivelliert ist). Einige der «unechten» To¨ ne stammen nachweislich von Dichtern des 13. Jh. (→ Kelin, Ton III [1Kel/3]; → Ehrenbote, «Schallweise» [1Ehrb/2]; 594
um 1300 → Konrad von W¨urzburg, «Blauer Ton» und Ton 18 [1KonrW/8 und 1KonrW/1]), die anderen gehen auf j¨ungere anonyme Urheber zur¨uck. F.s Dichtungen zeichnen sich stilistisch durch extremen und elaborierten Bilderreichtum, reichhaltigen rhetorischen Schmuck und eine bewusst komplizierte Syntax aus. Sein Erfindungsreichtum hinsichtlich ausgefallener bildlicher Figuren («redebluomen») ist bemerkenswert. Ungew¨ohnliche Reimw¨orter und Wendungen, seine bewusste Extravaganz und vor allem seine Tropen resultieren in F.s «dunklem» Stil, der im dt. MA ohne Beispiel ist. Dabei entwickelt F. ein kompliziertes Geflecht sprachlich-literarischer Anspielungen, l¨asst aber bei der Heranziehung von a¨ lterer Dichtung durch Umformung oder Anpassung stets etwas sprachlich und gedanklich Neues entstehen. Auch als Komponist seiner T¨one und Melodien zeigte er sich a¨ußerst innovativ. Diese Einzigartigkeit begr¨undete seine Popularit¨at schon unter Zeitgenossen und mag die vielen Nachdichter in T¨onen F.s auf den Plan gerufen haben. Sie war auch die Ursache f¨ur die Tendenz innerhalb der Tradition, ihm Anonymes zuzusprechen, seien es Texte, seien es T¨one. F.s Manieriertheit produzierte aber auch Widerspruch, Polemik und Parodien. Es ist nicht immer eindeutig, ob ein Nachdichter die Imitatio von F.s gebl¨umten Stil schlichtweg u¨ bertreibt oder ob eine bewusst parodistische Absicht vorliegt. F. selbst war nicht frei von Polemik und Anmaßung. Er bewies ein bemerkenswertes dichterisches Selbstbewusstsein in einem Spruch, der die alten Meister → Walther von der Vogelweide, → Wolfram von Eschenbach und → Reinmar (der Alte [?], von Zweter [?]) als oberfl¨achlich abkanzelt und demgegen¨uber die eigene Dichtkunst als tiefgehend hervorhebt (F.s «Selbstr¨uhmung», 1 Frau/2/55; polemische anonyme Gegenstrophen: 1 Frau/2/56 f.). Weitere direkte und namentliche Bez¨uge zu anderen Dichtern sind in F.s Œuvre ¨ rar. Uberliefert sind lediglich ein Nachruf auf Konrad von W¨urzburg (1Frau/5/2), der diesen als vorbildlich preist, und eine Anspielung auf die Spr¨uche, die Hermann → Damen auf F. verfasst hat (1Frau/2/20). Der literarische Streit mit Regenbogen und Rumelant von Sachsen um das Thema «wˆıp»/«frowe» und den Vorrang von Mann oder Frau, bei dem F. in Abgrenzung von Walther die Position bezieht, nicht «wˆıp» sondern «frowe» sei 595
Frauenlob ¨ der wahre Ehrentitel, wird in der fr¨uhen Uberlieferung als Strophensequenz u¨ berliefert mit Strophen F.s und Gegenstrophen der Kontrahenten (in der Reihenfolge der Strophen nach der Ausgabe von Stackmann/Bertau [1981] S. 449–456: 1 ¨ Frau/2/27–30, 10–13, 60, 31–3). Die Uberlegenheit des Titels «frowe» begr¨undet F. etymologisch, moralisch und mariologisch-geistlich. Der Streit findet eine Fortsetzung in der anonymen meisterlichen Dichtung, teilweise treten die S¨angerfiguren der jeweiligen Strophen in den Masken der alten Dichter auf (z. B. im Krieg von W¨urzburg). Eine weitere thematische Spruchsequenz ist der sp¨at und unikal u¨ berlieferte «Minne und Welt»-Komplex mit 21 Strophen, der einen Rangstreit zwischen Minne und Welt inszeniert. Der Konflikt kreist um die Frage, wem der h¨ochste Rang in Bezug auf Gott und Sch¨opfung und in Bezug auf den Menschen zukommt. Die Welt wird hier als Inbegriff alles Geschaffenen dargestellt. Die Minne pr¨asentiert sich demgegen¨uber als die sch¨opferische Macht und als Kraft, die auch zwischen Gottvater und Gottsohn waltet. Die Menschen f¨uhre sie (als Hohe Minne) zu «ˆere» und «tugent». Theoretischer Hintergrund der theologisch-kosmologischen Vorstellungen F.s, die im Streitgespr¨ach der beiden Personifikationen zum Tragen kommen, ist das platonische Konzept der Weltseele. Thematisch bleibt die Spruchdichtung F.s ansonsten im zeit¨ublichen Rahmen, das heißt neben dem Frauenpreis finden sich Geistliches, Moraldidaxen und Spr¨uche zu Politik und Kunst. Der Marienleich beginnt mit der Vision des Johannes auf Patmos, in dessen Rolle F. anf¨anglich schl¨upft. Ihm erscheint das Apokalyptische Weib als schwangere Gottesmutter. Diese wird vom S¨anger in verschiedenen Rollen angeredet, u. a. als die Geliebte aus dem Hohen Lied, weswegen der «Marienleich» in der W¨urzburger Liederhandschrift (E, → Michael de Leone) und der → Kolmarer Liederhandschrift (k) auch mit «cantica canticorum» u¨ berschrieben ist. Die Gepriesene ergreift im Folgenden selbst das Wort und r¨uhmt ihre Gottesliebschaft, welche die Erbs¨unde u¨ berwinde. Ihr g¨ottlicher Geliebter erscheint als «smit vom oberlande», der seinen Hammer in Marias Schoß wirft oder als Schneider, der sich mit dem gefertigten Gewand, dem Leib Marias, bei der Inkarnation selbst bekleidet. Im Weiteren verbindet sich Maria als Teilhaberin des weltsch¨opferischen und -gestalterischen Prinzips mit der «Sapienta Salomonis», hat direkt 596
Frauenlob Teil an der Gottheit und identifiziert sich sogar mit Gott. Der Kreuzleich ist der Heilsgeschichte gewidmet. Eine hymnische Anrufung Christi er¨offnet das Gedicht und ein an das Kreuz gerichtetes Gebet beschließt es. Die thematischen Hauptgruppen des Leichs sind die Darstellung und das Lob der trinitarischen Gottheit, die Heilstaten Gottsohnes vor der Inkarnation, die Inkarnatione selbst sowie ein al¨ legorischer Uberblick u¨ ber das Erl¨osungswerk und schließlich ein Lob des heiligen Kreuzes. Der Minneleich ist dem Lob der Frau gewidmet, die im Schlussteil des Gedichts als h¨ochster Wert des Kosmos, geistlich durch Maria u¨ berh¨oht, gew¨urdigt wird. Zu Anfang werden drei mit dem Weiblichen assozierte Modelle vorgestellt: die biblische Esther, die Allegorie der «Natura» aus dem «Planctus Naturae» des → Alanus ab Insulis und ein androgynes, die Geschlechter verschmelzendes Bild der Minne (als Vision des Magiers Selvon nach vermutlich alchemistischen Quellen). Erscheint hier die Frau als abstraktes und lebensschaffendes Prinzip, wird sie im weiteren Verlauf des Leichs konkret in ihren verschiedenen Rollen gew¨urdigt. Das Wort «wˆıp» wird dabei als Akrostichon gedeutet: «wunne», «irdisch», «paradis». F.s Minnelieder orientieren sich an der Sehnsuchtsminne des klassischen Minnesangs. Am h¨aufigsten wird das Leid des Liebhabers thematisiet, der u¨ ber nichts als das Bild der Geliebten in seinem Herzen verf¨ugt. Die Lieder sind sowohl poetologische Auseinandersetzung mit klassischen Gattungsmustern als auch deren kreative Neugestaltung. Eine erkennbare Wirkung F.s auf Dichter des 14. Jh. ist bei → Heinrich von M¨ugeln, → Peter von Reichenbach oder beim → Harder feststellbar. Die Bedeutung, die F. schon f¨ur den fr¨uhen Meistergesang hatte, verdeutlicht k: Die Handschrift enth¨alt nicht weniger als tausend Strophen in «echten» und «unechten» To¨ nen F.s (die «Briefweise», die mit rund 300 Strophen vetreten ist, wird dabei F. und Regenbogen gleichermaßen zugeschrieben [1Regb/4]). Die sp¨ateren Meisters¨anger z¨ahlten F. zu den 12 Alten Meistern, oft erscheint er an erster Stelle und galt mitunter als der eigentliche Urheber der meisterlichen Kunst, dessen Ruhm den der anderen Dichter u¨ berstrahlt. Auch wurde ihm der Titel eines Dr. der Theologie zugedichtet. N¨urnberger Meisters¨anger-Protokolle bis 1689 belegen 597
um 1300 einen Gebrauch seiner T¨one bis weit in die Neuzeit und bis zum Ende der Singschulen. Eine direkte Nachwirkung des Marienleichs ist bei den drei Strophen erkennbar, die ein → Albertus (socius intimus) um 1322/26 aufgezeichnet hat und die deutliche Ankl¨ange an den Marienleich aufweisen. Eine Vertrautheit mit F.s Minnelieddichtung ist in den schmalen Corpora Heinrichs von Breslau und K¨onig Wenzels von B¨ohmen in der → Heidelberger Liederhandschrift C sp¨urbar (und schon aus biographischen Gr¨unden naheliegend). Außerhalb der reinen Lieddichtung ist ein Einfluss F.s auf → Tilo von Kulm und → Johannes von Tepl wahrscheinlich. Zahlreiche lat. Kontrafakturen in der → Augsburger Cantionessammlung (um 1400) im «Langen» und «Goldenen Ton», im «W¨urgendr¨ussel» und im «Minne und Welt»-Ton sind Ausweis der lat. F. Rezeption. Dar¨uberhinaus bietet die → Wiener Leich¨ handschrift das Fragment einer lat. Ubersetzung des Marienleichs. Ein weiteres Zeugnis der Kenntnis von F.s Dichtung in Kreisen, die sich vornehmlich des Lateinischen bedienten, ist die lat. Paraphrase eines Gedichtes von F., die Johann von Neumarkt in einem Brief an den Erzbischof von Prag aufgezeichnet hat. F. wird vorgestellt als «Vulgaris eloquencie princeps» (das Gedicht ist dt. nicht erhalten). Hier taucht auch der falsche Vorname Johannes auf (vgl. Thoma [1965] s. Lit.). ¨ Uberlieferung: Es gibt keine geschlossene ¨ Werk¨uberlieferung. Unikale Uberlieferung ist h¨aufig (¨uber die H¨alfte der als «echt» eingestuften ¨ Strophen) und die Uberlieferungsverderbnis mitunter betr¨achtlich, was angesichts der Komplexit¨at der Lieder F.s nicht verwundert. Hss. mit nennenswerten F.-Corpora sind: Heidelberg, UB, Cpg 848 (C) 399r–404ra (Perg., um 1300, alemannisch) Marienleich, 28 Spruchstrophen in 4 To¨ nen. – Jena, ULB, Ms. El. f. 101 (→ Jenaer Liederhs. [J]) 103ra–111va (Perg., um 1330, mitteldt. mit nd. Einschlag) 80 Spruchstrophen in 4 T¨onen. – Weimar, Herzogin Anna Amalia Bibl., Cod. Quart 564 (→ Weimarer Liederhs. [F]) (Pap., drittes Viertel 15. Jh.) alle Leichs, Minne und Welt, 342 «echte» Spruchstrophen in 9 T¨onen, 7 Minnelieder mit insgesamt 32 Strophen. – Mu¨ nchen, BSB, Cgm 4997 (k) (Pap., um 1460, rheinfr¨ankisch) 32 «echte» und u¨ ber 1000 «unechte» Spruchstrophen. – Zur ¨ betr¨achtlichen weiteren (meisterlichen) Uberlieferung und Streu¨uberlieferung vgl. VL2 2 (1980) Sp. 870; RSM 3 (1986) S. 320 und die Ausg. v. 598
um 1300 Stackmann/Bertau (1981) Bd. 1, S. 17–168 und Haustein/Stackmann (2000) Bd. 1, S. 11–39. – Zur Melodie¨uberlieferung vgl. auch RSM 2,1 (2009) S. 52–66. Ausgaben (Auswahl): HMS 2 (1838) S. 337–352; 3 (1838) S. 355–405, 449–465. – Ludwig Ettm¨uller: Heinrichs v. Meissen des Frauenlobes Leiche, Spr¨uche, Streitgedichte und Lieder (Bibl.dt.Nat.Lit. 16). Quedlinburg/Leipzig 1843 (Neudr. Amsterdam 1966). – Ludwig Pfannm¨uller: F.s Marienleich (Quellen und Forschungen zur Sprachund Kulturgesch. der germ. V¨olker 120). Straßburg 1913. – Walter Friedrich Kirsch. F.s Kreuzleich (Diss. Bonn 1928). Dillingen 1930. – F. (Heinrich von Meißen). Leichs, Sangspr¨uche, Lieder. Auf Grund der Vorarbeiten von Helmut Thomas hg. v. Karl Stackmann/Karl Bertau. Bd. 1: Einleitungen, Texte. Bd. 2: Apparate, Erl¨auterungen (Abh. der Akad. der Wiss. in G¨ottingen, phil.hist. Kl. 3, 119/120). G¨ottingen 1981. – Jens Haustein/K. Stackmann: Sangspr¨uche in T¨onen F.s. Suppl. zur G¨ottinger F.-Ausg. Bd. 1: Einleitungen, Texte. Bd. 2: Apparate, Erl¨auterungen, Anh¨ange, Reg. (Abh. der Akad. der Wiss. in G¨ottingen, phil.hist. Kl. 3, 232,1/2). G¨ottingen 2000. – Zu Teilausg. und Ausg. einzelner Lieder vgl. RSM 3 (1986) ¨ S. 323–518. – Neuere Teilausg. (beide mit Ubers.): Burghart Wachinger (Hg.): Dt. Lyrik des sp¨aten MA (BdK 191/BMA 22). Frankfurt/M. 2006, S. 364–425. – Dt. Gedichte des MA. Mhd./Nhd. Ausgew¨ahlt, u¨ bers. und erl. v. Ulrich M¨uller in Zusammenarbeit mit Gerlinde Weiss (RUB 8849). Stuttgart 22009, S. 338–343. – Zu Melodieausg. vgl. MGG2 Personenteil 7 (2002) Sp. 48; RSM 2,1 (2009) S. 52; hinzu kommt: Horst Brunner/KarlG¨unther Hartmann: Spruchsang. Die Melodien der Sangspruchdichter des 12. bis 15. Jh. (Monumenta monodica medii aevi 6). Kassel 2010, S. 34–117 (insgesamt 28 T¨one). Auswahlubersetzungen: ¨ Joseph Kehrein: Das Hohe Lied F.s. Mainz 1843. – Bert Nagel: F. Aus¨ gew¨ahlte Gedichte (mit versgetreuen Ubertragungen). Heidelberg 1951. – Margarete Lang: Der Minnes¨anger F. (Mainzer Druck 4). Mainz 1951. Literatur: Zur Lit. vor 1980 s. auch VL2 2 (1980) Sp. 876 f. und Bibliogr. in: Cambridger F.-Kolloquium 1986 (s. u.) S. 207–232. – Karl Bartsch: ADB 7 (1878) S. 321–323. – Bert Nagel, NDB 5 (1961) S. 380–382. – K. Stackmann, VL2 (1980) Sp. 865–877; 11 (2004) Sp. 458. – RSM 3 (1986) S. 320–518; 1 (1994) S. 22 f.; 2,1 599
Frauenlob (2009) S. 52–66. – K. Bertau, LexMA 4 (1989) Sp. 2097–2100. – Christoph M¨arz, MarLex 2 (1989) S. 527–531. – J. Haustein, LThK3 4 (1995) Sp. 80. – De Boor/Newald 3,1 (51997) S. 404–412 und 558 (Reg.). – H. Brunner, MGG2 Personenteil 7 (2002) Sp. 46–48. – Christoph Huber, Killy2 3 (2008) S. 550–553. – HMS 4 (1838) S. 882–894. – Fedor Bech: Zu Heinrich F. In: Germania 26 (1881) S. 257–278; 29 (1884) S. 1–30. – Josef Kron: F.s Gelehrsamkeit. Beitr. zu seinem Verst¨andnis. Diss. Straßburg 1906. – Kurt Plenio: Strophik v. F.s Marienleich. In: PBB 39 (1914) S. 290–319. – Frodewin Illert: Beitr. zur Chronologie der hist. Spr¨uche F.s. Diss. Halle 1922. – Helmut Kissling: Die Ethik F.s (Heinrichs von Meissen) (S¨achsische Forschungsinstitute in Leipzig 1,3). Halle 1926. – Gustav Rosenhagen: F.s Marienleich 9, 14–26. In: ZfdPh 53 (1928) S. 158–160. – Irmentraud Kern: Das h¨ofische Gut in den Dichtungen Heinrich F.s (Germ. Stud. 147). Berlin 1934 (Neudr. Nendeln/Liechtenstein 1967). – H. Thomas: Unters. ¨ zur Uberl. der Spruchdichtung F.s (Palaestra 217). Leipzig 1939. – K. Bertau: Unters. zur geistlichen Dichtung F.s. Diss. G¨ottingen 1954. – Brunhilde Peter: Die theologisch-phil. Gedankenwelt des Heinrich F. (Quellen und Abh. zur mittelrheinischen Kirchengesch. 2). Speyer 1957. – Rudolf Krayer: F. und die Natur-Allegorese. Motivgeschichtliche Unters. Ein Beitr. zur Gesch. des antiken Traditionsgutes (Germ. Bibl. 3). Heidelberg 1960. – Helmut de Boor: F.s Streitgespr¨ach zwischen Minne und Welt. In: PBB Tu¨ b. 85 (1963) S. 383–409 (mit Textabdruck). – K. Bertau: Sang¨ verslyrik. Uber Gestalt und Geschichtlichkeit mhd. Lyrik am Bsp. des Leichs (Palaestra 240). G¨ottingen 1964, passim. – Herbert Thoma: John of Neumarkt and Heinrich F. In: Medieval German Stud. FS Frederick Norman. London 1965, S. 247–254. – K. Bertau: Genialit¨at und Resignation im Werk Heinrich F.s. In: DVjs 40 (1966) S. 316–327. – J¨org Schaefer: Walther v. der Vogelweide und F. Beispiele klassischer und manieristischer Lyrik im MA (Hermaea NF 18). T¨ubingen 1966. – Barbara V¨olker: Die Gestalt der frowe und die Auffassung der minne in den Dichtungen F.s. Diss. T¨ubingen ˆ kezzels grunde 1966. – Alexander Hildebrand: ‹Uz gˆat mˆın kunst›. Zu F. 165, 7. In: Euph. 61 (1967) S. 400–406. – K. Stackmann: Bild und Bedeutung bei F. In: Fr¨uhma. Stud. 6 (1972) S. 441–460 (wieder in: Ders.: Kleine Schr. 1: Ma. Texte als Aufgabe. 600
Frauenlob Hg. v. J. Haustein. G¨ottingen 1997, S. 249–272). – Burghart Wachinger: S¨angerkrieg. Unters. zur Spruchdichtung des 13. Jh. (MTU 42). Mu¨ nchen 1973, S. 184–187, 204–214, 280–298 u.¨o. – Eva Schumann: Stilwandel und Gestaltver¨anderung im Meistersang. Vergleichende Unters. zur Musik der Meistersinger (G¨ottinger musikwissenschaftliche Arbeiten 3). Kassel 1972 [recte 1973], passim. – H. Brunner: Die alten Meister. Stud. ¨ zur Uberl. und Rezeption der mhd. Sangspruchdichter (MTU 54). Mu¨ nchen 1975, Reg. – K. Stackmann: ‹Redebluomen›. Zu einigen F¨urstenpreisstrophen F.s und zum Problem des gebl¨umten Stils. In: Verbum et signum. FS Friedrich Ohly. Hg. v. Hans Fromm u. a. M¨unchen 1975, Teilbd. 2, S. 329–346 (wieder in: Ders.: Kleine Schr. 1 [s. o.] S. 298–317). – Ders.: Probleme der F.¨ Uberl. In: PBB (Tu¨ b.) 98 (1976) S. 203–230 (wieder in: Ders.: Kleine Schr. 1 [s. o.] S. 196–220). – C. Huber: Wort sint der dinge zeichen. Unters. zum Sprachdenken der mhd. Spruchdichtung bis F. (MTU 64). Z¨urich/M¨unchen 1977. – K. Bertau: Zum wˆıp-frowe-Streit. In: GRM NF 28 (1978) S. 225–232. – K. Stackmann: F., Ettm¨uller und das Mhd. Wb. In: In: Medium Aevum Dt. Beitr. zur dt. Lit. des hohen und sp¨aten MA. FS Kurt Ruh. Hg. v. Dietrich Huschenbett u. a. T¨ubingen 1979, S. 335–348 (wieder in: Ders.: Kleine Schr. 1 [s. o.] S. 341–352). – K. Bertau: Einige Gedanken zur poetisch-musikalischen Struktur und zu einer hist. Folgeerscheinung der Krypto-Polyphonie im ‹Minneleich› des Heinrich F. In: JOWG 1 (1980/81) S. 139–159. – Mark V. Felker: A topography of virtue. Heinrich F.’s didactics (GAG 374). ¨ G¨oppingen 1983. – K. Stackmann: Uber die wechselseitige Abh¨angigkeit v. Editor und Literaturhistoriker. Anm. nach dem Erscheinen der G¨ottinger F.-Ausg. In: ZfdA 112 (1983) S. 37–54 (wieder in: Ders.: Kl. Schr. 1 [s. o.] S. 221–238). – Ders.: Erneuung in milderer Sprache: Friedrich Hein¨ rich v. der Hagen als F.-Ubersetzer. In: Liebe als Lit. Aufs¨atze zur erotischen Dichtung in Deutschland. FS Peter Wapnewski. Hg. v. R¨udiger Krohn. M¨unchen 1983, S. 177–185 (wieder in: Ders.: Kl. Schr. 1 [s. o.] S. 353–361). – Hans Gr¨ochenig u. a.: Ein neues Fragm. aus F.s Kreuzleich. In: ZfdA 113 (1984) S. 246–286. – Harald B¨uhler: F.-Index. Mit einem Vorw. v. K. Bertau (Erlanger Stud. 69). Erlangen 1985. – B. Wachinger: Rezension Ausg. Stackmann/Bertau. In: AfdA 96 (1985) S. 37–54. – Thomas Klein: Zur Verbreitung 601
um 1300 mhd. Lyrik in Norddeutschland (Walther, Neidhart, F.). In: ZfdPh 106 (1987) S. 72–112. – Cambridger F.-Kolloquium 1986 (Wolfram Stud. 10). Hg. v. Werner Schr¨oder. Berlin 1988 (mit Beitr. v. Thomas Bein, H. B¨uhler, Manfred Eikelmann, Hartmut Freytag, Kurt G¨artner, C. Huber, D. Huschenbett, Timothy R. Jackson, Peter Kern, Gisela Kornrumpf, C. M¨arz, Nigel F. Palmer, Michael Shields, K. Stackmann, B. Wachinger). – B. Wachinger: Von der Jenaer zur Weimarer Liederhs. Zur Corpus¨uberl. von F.s Spruchdichtung. In: Philologie als Kulturwiss. Stud. zur Lit. und Gesch. des MA. FS K. Stackmann. Hg. v. Ludger Grenzmann. G¨ottingen 1987, S. 193–207. – T. Bein: Sus hup sich ganzer liebe vrevel. Stud. zu F.s Minneleich (Europ¨aische Hochschulschr. 1,1062). Frankfurt/M. u. a. 1988. – Codex Manesse. Die Miniaturen der Großen Heidelberger Liederhs. Hg. und erl. v. Ingo F. Walther unter Mitarbeit v. Gisela Siebert. Frankfurt/M. 1988 (62001) S. 264 f. (Tf. 129). – C. Huber: Die Aufnahme und Verarbeitung des Alanus ab Insulis in mhd. Dichtungen. Unters. zu Thomasin von Zerklaere, Gottfried von Strassburg, F., Heinrich von Neustadt, Heinrich von St. Gallen, Heinrich von M¨ugeln und Johannes von Tepl (MTU 89). Z¨urich/M¨unchen 1988, S. 136–199. – H. Freytag: Beobachtungen zu Konrads v. W¨urzburg ‹Goldener Schmiede› und F.s Marienleich. In: JOWG 5 (1988/89) S. 181–193. – C. M¨arz: F.s Marienleich. Unters. zur sp¨atma. Monodie (Erlanger Stud. 69). Erlangen 1989. – K. Stackmann: F. und Wolfram v. Eschenbach. In: Stud. zu Wolfram v. Eschenbach. FS Werner Schr¨oder. Hg. v. K. G¨artner/Joachim Heinzle. T¨ubingen 1989, S. 75–84 (wieder in: Ders.: Kleine Schr. 1 [s. o.] S. 186–195). – Ders.: Drei Kleinigkeiten zu F. In: PBB (T¨ub.) 111 (1989) S. 240–251 (wieder in: Ders.: Kleine Schr. [s. o.] S. 239–248). – Eva B. Scheer: ‹Ja muz ich sunder riuwe sin›: Zu F.s Lied 4. In: ‹Ja muz ich sunder riuwe sin›. FS Karl Stackmann. Hg. v. Wolfgang Dinkelacker. G¨ottingen 1990, S. 170–179. – Wb. zur G¨ottinger F.Ausg. Unter Mitarbeit v. J. Haustein redigiert v. K. Stackmann (Abh. der Akad. der Wiss. in G¨ottingen, phil.-hist. Kl. 3, 186). G¨ottingen 1990. – K. Stackmann: Das F.-Wb. In: Maschinelle Verarbeitung altdt. Texte 4. Hg. v. Kurt G¨artner u. a. T¨ubingen 1991, S. 4–18 (wieder in: Ders.: Kleine Schr. 2: Philologie und Lexikographie. Hg. v. J. Haustein. G¨ottingen 1998, S. 233–243). – P. Kern: ‹Heilvlies› ¨ und ‹selden holz›. Uberlegungen zu F.s Kreuzleich. 602
um 1300 In: FS Walter Haug/B. Wachinger. Hg. v. Johannes Janota u. a. T¨ubingen 1992, Teilbd. 2, S. 743–757. – B. Wachinger: F.s ‹Cantica canticorum›. In: Lit., Artes und Philosophie (Fortuna vitrea 7). Hg. v. W. Haug/B. Wachinger. Tu¨ bingen 1992, S. 23–43 (wieder in: Ders.: Lieder und Liederb¨ucher. Gesammelte Aufs¨atze zur mhd. Lyrik. Berlin/New York 2011, S. 195–216). – T. Bein: F.: ‹Maria, muter gotes›. In: Gedichte und Interpretationen. MA. Hg. v. Helmut Tervooren (RUB 8864). Stuttgart 1993, S. 425–440. – Susanne K¨obele: ‹Reine› Abstraktion? Spekulative Tendenzen in F.s Lied 1. In: ZfdA 123 (1994) S. 377–408. – Ralf-Henning Steinmetz: Liebe als universales Prinzip bei F. Ein volkssprachlicher Weltentwurf in der europ¨aischen Dichtung um 1300 (MTU 106). T¨ubingen 1994. – J. Rettelbach: Variation – Derivation – Imitation. Unters. zu den T¨onen der Sangspruchdichter und Meistersinger (Fr¨uhe Neuzeit 14). T¨ubingen 1993, Reg. – K. Stackmann: F. (Heinrich v. Meissen) – eine Bilanz. In: G¨ottingische Gelehrte Anzeigen 244 (1992) S. 96–143 (wieder in: Ders.: Kleine Schr. 3: F., Heinrich v. M¨ugeln und ihre Nachfolger. Hg. v. J. Haustein. G¨ottingen 2002, S. 34–89). – Peter Felix Ganz: Fortuna bei F. In: Fortuna. Hg. v. B. Wachinger/W. Haug (Fortuna vitrea 15). T¨ubingen 1995, S. 76–87. – J. Haustein: Sagen, was nicht zu sagen ist. F. in seinen Werken und in seinen Sch¨ulern. In: Forschungsmagazin der Friedrich Schiller Univ. 4 (1996) S. 32 f. – J. Rettelbach: Abgefeimte Kunst: F.s ‹Selbstr¨uhmung›. ¨ In: Lied im dt. MA. Uberl., Typen, Gebrauch. Hg. v. Cyril W. Edwards u. a. T¨ubingen 1996, S. 177–193. – K. Stackmann: Das F.-Wb. in der Diskussion. In: PBB 118 (1996) S. 379–392 (wieder in: Ders.: Kleine Schr. 2 [s. o.] S. 244–255). – Patricia Harant: Poeta faber: der Handwerks-Dichter ¨ bei F. Texte, Ubers., Textkritik, Komm. und Metapherninterpretationen (Erlanger Stud. 110). Erlangen 1997. – Achim Diehr: Mediale Doppelgestalt. Text und Melodie in F.s ‹Minneleich›. In: JOWG 10 (1998) S. 93–110. – Margreth Egidi: Textuelle Verfahrensweisen in Minnespruchstrophen v. Reinmar v. Zweter bis F. In: GRM NF 48 (1998) S. 405–453. – Beate Kellner: Vindelse. Konturen von Autorschaft in F.s ‹Selbstru¨ hmung› und im ‹wip-vrowe-Streit›. In: Autor und Autorschaft im MA. Kolloquium Meißen 1995. Hg. v. Elizabeth A. Andersen u. a. T¨ubingen 1998, S. 255–276. – S. K¨obele: Der Liedautor F. Poetologische und u¨ ber¨ lieferungsgeschichtliche Uberlegungen. In: ebd., 603
Frauenlob S. 277–298. – K. Stackmann: Wiederverwerteter F. Nichts ungew¨ohnliches – und was man daraus lernen kann. In: Neue Wege der MA-Philologie (Wolfram-Stud. 15). Hg. v. J. Heinzle u. a. Berlin 1998, S. 104–113 (wieder in: Ders.: Kleine Schr. 3 [s. o.] S. 111–121). – Reinhard Bleck: S¨angerwettstreit vor Rostock. Die Treffen F.s mit Herman Damen (1302) und mit Regenbogen (1311/12) auf Rostocker Ritterfesten. In: Beitr. zur Gesch. der Stadt Rostock 23 (1999) S. 23–64. – Ruth Finckh: Minor mundus homo. Stud. zur MikrokosmosIdee in der ma. Lit. (Palaestra 306). G¨ottingen 1999, S. 379–421, 425–441 und passim. – Susanne Fritsch-Staar: Androgynie und Geschlechterdifferenz. Zu F.s Minneleich. In: Zs. f¨ur Germanistik NF 9 (1999) S. 57–71. – Tobias A. Kemper: Der smit von oberlande. Zu F.s Marienleich 11,1f. und verwandten Stellen. In: PBB 121 (1999) S. 201–213. – S. Fritsch-Staar: K¨orper – Korpus – Korporale: zur Eucharistie bei F. In: Neue Forsch. zur mhd. Sangspruchdichtung. Hg. v. H. Brunner/H. Tervooren. Berlin 2000, S. 222–236. – Gert H¨ubner: Lobblumen. Stud. zur Genese und Funktion der ‹gebl¨umten Rede› (Bibliotheca Germanica 41). T¨ubingen/Basel 2000, Reg. – S. K¨obele: Umbesetzungen: zur Liebessprache in Liedern F.s. In: Geistliches in weltlicher und Weltliches in geistlicher Lit. des MA. Hg. v. C. Huber u. a. T¨ubingen 2000, S. 213–235. – Christina Kreibich: Der mhd. Minneleich. Ein Beitr. zu seiner Inhaltsanalyse (W¨urzburger Beitr. zur dt. Philologie 21). W¨urzburg 2000, bes. S. 204–229. – R.-H. Steinmetz: Weltlich-geistliche Tierallegorese in F.s Lied 4. In: Arch. f¨ur das Studium der neueren Sprachen und Literaturen 238 (2001) S. 260–279. – Michael Baldzuhn: Vom Sangspruch zum Meisterlied. Unters. zu einem literarischen Traditionszusammenhang auf der Grundlage der Kolmarer Liederhs. (MTU 120). T¨ubingen 2002, Reg. – M. Egidi: H¨ofische Liebe: Entw¨urfe der Sangspruchdichtung. Literarische Verfahrensweisen v. Reinmar v. Zweter bis F. (GRM Beih. 17). Heidelberg 2002. – J. Haustein/R.-H. Steinmetz (Hg.): Stud. zu F. und Heinrich v. M¨ugeln. FS K. Stackmann (Scrinium Friburgense 15). Freiburg/Schweiz 2002 (mit Beitr. zu F. v. M. Baldzuhn, H. Brunner, M. Egidi, Christoph Fasbender, C. Huber, Udo K¨uhne, C. M¨arz, J. Rettelbach und Max Schiendorfer). – Cord Meyer: Der helt von der hoye Gerhart und der Dichter F. H¨ofische Kultur im Umkreis der Grafen v. Hoya. Oldenburg 2002. – Bernhard D. 604
Wernher von Hohenberg Haage: Selvons ‹visio›. In: Medizin in Gesch., Philologie und Ethnologie. FS Gundolf Keil. Hg. v. Dominik Groß/Monika Reininger. W¨urzburg 2003, S. 245–255. – S. K¨obele: F.s Lieder. Parameter einer literarhist. Standortbestimmung (Bibliotheca Germanica 43). T¨ubingen/Basel 2003. – Walter R¨oll: Lupold Hornburg v. Rothenburg, ‹Herr Reinmar ...›. F. und F.-Nachfolge im 14. Jh. In: W¨urzburg, der Große L¨owenhof und die dt. Lit. des Sp¨atMA (Imagines medii aevi 17). Hg. v. H. Brunner. Wiesbaden 2004, S. 251–281. – Ders.: Zweimal F. In: Arch. f¨ur das Studium der neueren Sprachen und Literaturen 242 (2005) S. 117–129. – Shao-Ji Yao: Der Exempelgebrauch in der Sangspruchdichtung vom sp¨aten 12. Jh. bis zum Anfang des 14. Jh. (W¨urzburger Beitr. zur dt. Philologie 32). W¨urzburg 2006, Reg. – Marion Oswald: Vor miner a¨ugen anger: Schaur¨aume und Kippfiguren in F.s Marienleich. Eine Skizze. In: Imagination und Deixis. Stud. zur Wahrnehmung im MA. Hg. v. Kathryn Starkey/Horst Wenzel. Stuttgart 2007, S. 127–140. – Franziska Wenzel: ‹Meisterschaft› und Transgression. Stud. zur Spruchdich¨ tung am Bsp. des Langen Tons der F.-Uberl. In: ¨ Das fremde Sch¨one. Dimensionen des Asthetischen iun der Lit. des MA (Trends in Medieval Philology 12). Hg. v. Manuel Braun. Berlin u. a. 2007, S. 309–334. – Annette Gerok-Reiter: Der Mainzer Dichter F. Narr oder Dichterf¨urst? In: Mainz im MA. Hg. v. Mechthild Dreyer/Jo¨ rg Rogge. Mainz 2009, S. 131–143. – Dies: Sprachspiel und Differenz. Zur Textur v. Minnesangs Ende in F.s Lied 6. In: ‹Texte zum Sprechen bringen›. Philologie und Interpretation. FS Paul Sappler. Hg. v. Christiane Ackermann/Ulrich Barton. T¨ubingen 2009, S. 89–105. – J. Haustein/Franz K¨orndle (Hg.): Die Jenaer Liederhs. Codex – Gesch. – Umfeld. Berlin/ New York 2010, passim. – Holger Runow: Rume¨ lant von Sachsen. Edition – Ubersetzung – Komm. (Hermaea NF 121). Berlin/New York 2011, S. 324 (Reg.). VZ Sit willekomen herre kirst → Band 2, Sp. 59–61. Rudolf von Radegg → Band 3, Sp. 335–337. Wernher von Hohenberg (Homberg), * 1283, † 1320. – Minnes¨anger. Der Sohn Ludwigs I. von Hohenberg (fiel 1289 in habsburgischem Dienst) und der Rapperswiler 605
1. H¨alfte 14. Jh. Erbtochter Elisabeth war 1304/1305 Deutschordensritter in Litauen. Nach 1310 kam er im Ge¨ folge Kaiser Heinrichs VII., der ihm Amter in der Lombardei (Hauptmann der ghibellinischen Liga) und der Schweiz (Fl¨ueler Reichszoll) u¨ bertrug, nach Italien. Nach dem Tod Heinrichs 1313 geh¨orte er zur Umgebung Friedrichs des Sch¨onen. 1315 heiratete W. Maria von Oettingen, die zweite Frau des inzwischen gestorbenen Stiefvaters Rudolf. Beim Zug mit dem K¨onig gegen Ludwig von Bayern 1316 geriet er in Gefangenschaft. 1319 kam er den ghibellinischen Belagerern von Genua zu Hilfe. W. fiel vermutlich im Winterkrieg. Mit dem Tod seines kaum achtj¨ahrigen Sohnes Wernher III. 1325 starb das Geschlecht aus. Mehrere dt. und italienische Chronisten berichten von W., u. a. → Nikolaus von Jeroschin und → Matthias von Neuenburg. Die Reimpaardichtungen → Lob der ritterlichen Minne und → Totenklage auf Graf W. v. H. r¨uhmen seine Rittertaten; in der Minnerede → Die sechs Farben I wird W. als Autorit¨at zitiert. In der → Großen Heidelberger Liederhandschrift werden als Nachtrag unter W.s Namen acht Minnelieder u¨ berliefert. In Lied 6 wird der Ehemann der Geliebten als «tiuvel», der den Himmel auf Erden genießt, verw¨unscht (Strophenform eines Ps.Neidhart). ¨ Uberlieferung: Heidelberg, UB, Cpg 848 (Heidelberger Liederhs. C), 43v–44v (Schreiber Ds1, letzte Str. Nachtrag von Ds2. Bild¨uberschrift: «Grave Wernher von Honberg»). Die Miniatur zeigt W. im Kampfget¨ummel, wohl bei der R¨uckeroberung der Stadt Soncino 1312. Ausgaben: HMS I, S. 63–65; III, S. 591 (Text); IV, S. 88–95 (Komm.). – Karl Bartsch (Hg.): Die Schweizer Minnes¨anger (Bibl. a¨ lterer Schriftwerke der dt. Schweiz 6). Frauenfeld 1886 (Nachdr. Darmstadt 1964) S. CLXI–CLXXXIV, 277–282, 452 f. (Nr. XXVI). – Helmut de Boor (Hg.): MA. Texte und Zeugnisse. 2. Teilbd. (Die Dt. Lit. Texte und Zeugnisse. I/2). M¨unchen 1965 (Nachdr. ebd. 2001) S. 1649–51. – Schneider (s. Lit.) S. 240–247. – Cramer 3, S. 456–460 (Text), 585–587 (Komm.). – Die Schweizer Minnes¨anger. Nach der Ausg. von K. Bartsch neu bearb. und hg. v. Max Schiendorfer. Bd. 1. T¨ubingen 1990, S. 10–15. Literatur: RSM 5 (1991) S. 566. – De Boor/ Newald 3/1 (51997) 289 f. – Max Schiendorfer, VL2 10 (1999) Sp. 936–940. – Gisela Kornrumpf, Killy2 12 (2011) S. 331 f. – Ernst Ludwig Rochholz: Alt-Homberg, Burg u. Grafschaft im Fricktal. 606
1. H¨alfte 14. Jh. In: Argovia 15 (1884) S. 1–47. – Ders.: Die Homberger Grafen des Frick- und Sißgaues. In: ebd. 16 (1885) S. 1–152. – J¨urg Schneider: Die Grafen v. Homberg. In: Argovia 89 (1977) S. 5–310, bes. S. 98–170, 239–255, 265–267. – Theodor Nolte: Lauda post mortem. Die dt. und ndl. Ehrenreden des MA (Europ¨aische Hochschulschr. I, 562). Frankfurt/M., Bern 1983, S. 150–153. – Codex Manesse. Die Miniaturen der Großen Heidelberger Liederhs. Hg. und erl. v. Ingo F. Walther unter Mitarbeit v. Gisela Siebert. Frankfurt/M. 1988 (62001) S. 38 f. (Tf. 19). – M. Schiendorfer: Graf W. v. Homberg. In: Die Manessische Liederhs. in Z¨urich [...]. Hg. v. Claudia Brinker/ Dione Fl¨uhler-Kreis. Z¨urich 1991, S. 108–117. – Johannes Spicker: ‹Auch das was die natur zum sitz-platz außersehn [...]›. K¨orperbeschreibungen in der sp¨atma. Liebeslyrik. In: Edition und Interpretation. Neue Forschungsparadigmen zur mhd. Lyrik. FS Helmut Tervooren. Hg. v. dems. Stuttgart 2000, S. 115–134, bes. S. 122. – Johannes Janota: Orientierung durch volkssprachige Schriftlichkeit (1280/90–1380/90) (Gesch. der dt. Lit. [...] 3,1). T¨ubingen 2004, S. 157–159. – Helmut Birkhan: Gesch. der altdt. Lit. im Licht ausgew¨ahlter Texte. Tl. 7 (Edition Praesens-Studienb¨ucher 16). Wien 2005, S. 81–83. – G. Kornrumpf: Drei unbekannte Sangspr¨uche des 13. Jh. In: Der St. Marienthaler Psalter. Hg. v. Helmut Engelhart. Regensburg 2006, S. 79–87. – Dies.: Transgressionen sp¨ater Minnes¨anger (in Vorb.). BJ Weingartner Liederhandschrift (Stuttgarter Liederhandschrift). – Illustrierte Minnesanghandschrift aus dem ersten Viertel des 14. Jh. Der ausgesprochen kleinformatige (17 x 12,5 cm), mit 25 Miniaturen versehene Codex (156 Bll.) ist ausweislich der Buchmalerei wohl Ende der 1310er Jahre entstanden. Die Schreibsprache weist nach Konstanz; gewisse Indizien deuten aber auch auf die F¨urstenbergische Kanzlei in Villingen (K. Schneider 2009). Gesicherte Hinweise auf einen Auftraggeber fehlen, der gelegentlich ins Spiel gebrachte Heinrich von Klingenberg († 1306) ist aus chronologischen Gr¨unden bestenfalls als Initiator denkbar. Wie die → Heidelberger Liederhandschriften A und C steht die W. L. außerhalb der Auff¨uhrungspraxis (Melodieaufzeichnung fehlt), ihr im Vergleich mit C klein dimensioniertes Format macht aber 607
Weingartner Liederhandschrift auch eine Repr¨asentationsfunktion schwer vorstellbar. Seit der ersten kritischen → Walther-Ausgabe durch Karl Lachmann (1827) tr¨agt die Handschrift die Sigle B. Wie in den anderen zeitgen¨ossischen Liederhandschriften strukturiert der Grundstock von B sein Material nach dem Autor- und Corpusprinzip. Im Vergleich mit den beiden Heidelberger Liederhandschriften ergeben sich profilbildende Unterschiede und Gemeinsamkeiten: Wie im A-Grundstock dominieren die → Reinmarund Walther-Corpora, die W. L. fokussiert daneben aber auf Autoren der vorklassischen Periode (Kaiser → Heinrich, Burggraf von → Riedenburg, → Dietmar von Aist etc.), Nachklassisches hingegen fehlt ebenso wie die Leichform, Sangspruchstrophen finden sich nur ganz marginal. Die Ordnung der Liedcorpora folgt wie in C einer st¨andischen Hierarchie (vgl. das Kaiser Heinrich-Corpus auf S. 1–3), daneben lassen sich auch Ans¨atze einer chronologischen Pr¨asentation erkennen, der aber insbesondere die Position des mit 112 Str. quantitativ prominenten und durch ein stilistisch auff¨alliges Autorenbild ausgezeichneten Walther-Corpus (S. 139–170) zuwiderl¨auft. Mo¨ glicherweise ist der Grundstock Produkt mehrerer Arbeitsg¨ange, an deren Anfang eine st¨andisch gegliederte Sammlung a¨ lterer Autoren stand, die sukzessive und ohne erkennbare Systematik durch j¨ungere erg¨anzt wurde (Halbach 1969). Der Grundstock u¨ berliefert 602 Str. unter 25 Autorennamen. Diesen Corpora stehen jeweils Miniaturen in Deckfarbenmalerei ohne farbigen Hintergrund voran (bei den weiteren Sammlungen fehlen Abbildungen, wobei S. 177, 181, 205, 239 Raum f¨ur weitere Miniaturen frei blieb). Die neben Walther umfangreichsten Autorencorpora u¨ berliefern die Sammlungen zu Reinmar (S. 60–75 und 86–103, 122 Str.), → Friedrich von Hausen (S. 9–17, 48 Str.), → Heinrich von Veldeke (S. 51–59, 48 Str.), → Hartmann von Aue (S. 33–39, 28 Str.), → Heinrich von Morungen (S. 80–85, 25 Str.) und → Heinrich von Rugge (S. 45–50, 23 Str.). Der Text des Grundstocks wurde von einer Hand geschrieben, die auch die ersten beiden Lagen des Nachtrags anlegte und mit dem Texteintrag begann (→ Neidhart-Corpus bis S. 197, → Winsbecke bis S. 216), welcher dann von einer zweiten Hand vervollst¨andigt wurde. Die restlichen, von drei weiteren H¨anden durchgef¨uhr608
Weingartner Liederhandschrift ten Eintr¨age des Nachtrags (ab S. 240) unterscheiden sich v.a. aufgrund der unterbliebenen Initialengestaltung deutlich von den vorg¨angigen Passagen. Inhaltlich bilden die Nachtr¨age insofern einen Kontrapunkt zu den Eintr¨agen des Grundstocks, als sie auch dezidiert zeitgen¨ossische Literatur enthalten (Marienlob: S. 229–238, → Meißner-Spr¨uche: S. 240–251, → Johann von Konstanz, Minnelehre: S. 253–305). Die Texte des Grundstocks der W. L. zeigen im Strophenbestand, in der Abfolge der Corpora sowie bei der Gestaltung der Miniaturen so deutliche Parallelen zu C, dass der Ansatz einer Vorstufe *BC (unter Ber¨ucksichtigung des Budapester Fragments: *BuBC) in der Forschung nach wie vor auf Zustimmung st¨oßt (Holznagel 1995), wobei B der urspr¨unglichen Sammlung in Umfang und Format n¨aher steht, mit Sicherheit aber u¨ ber mehrere Zwischenstufen aus *BC entstanden sein muss. Die Handschrift war ausweislich eines Besitzvermerks auf S. I im 16. Jh. Eigentum des Konstanzer Patriziers Markus Schulthaiß (nach 1551–1643), der sie vor 1613 dem Benediktinerkloster Weingarten zum Geschenk machte. Von dort aus gelangte sie im Zuge der S¨akularisation 1810 mit dem gr¨oßten Teil der Weingartner Buchbest¨ande in die K¨onigliche Hand-, sp¨ater Hofbibliothek nach Stuttgart, wo sie von Ferdinand Weckherlin erstmals beschrieben wurde. Bei der 1816/17 im Auftrag K¨onig Friedrichs I. erfolgten repr¨asentativen Neubindung kam es zu starkem Beschnitt des Textblocks mit Verlust von Randeintr¨agen, Verdunklung der urspr¨unglichen Lagenverh¨altnisse sowie zur Entnahme zweier unbeschriebener Doppelbl¨atter f¨ur Ausbesserungen und Falze. ¨ Uberlieferung: Stuttgart, LB, Cod. HB XIII 1 (Perg., Konstanz [?], erstes Viertel 14. Jh.). Ausgaben: Franz Pfeiffer/Friedrich Fellner (Hg.): Die W. L. (Bibl. des Litterarischen Vereins in Stuttgart 5). Stuttgart 1843 [Abdruck]. Nachdr. Heidelberg 1966. – Faksimilia: Karl L¨offler (Hg.): Die W. L. in Nachbildung. Mit Begleitwort. Stuttgart 1927. – Die W. L. Bd. 1: Faks., Bd. 2: Textbd. Stuttgart 1969 (Nachdr. des Textbd. Stuttgart 1989). – Digitalisat der LB Stuttgart: http://digital.wlb-stuttgart.de/purl/ bsz319421317. Literatur: Ehrismann 2.2 (1935) S. 209. – Gisela Kornrumpf, VL2 10 (1999) Sp. 809–817. – Dies., Killy2 12 (2011) S. 227–229. – [Ferdinand Weckherlin:] Der Weingartner Cod. der alten Minnesinger. In: Idunna und Hermode 1816. Literarische 609
1. H¨alfte 14. Jh. Beylagen, S. 9–12, 13. – Die Gedichte Walthers v. der Vogelweide. Hg. v. Karl Lachmann. Berlin 1827, bes. S. IV. – Hermann Paul: Krit. Beitr. zu den Minnesingern. In: PBB 2 (1876) S. 406–650, bes. 487–490. – Wilhelm Wisser: Das Verh¨altnis der Minneliederhss. B und C zu ihrer gemeinschaftlichen Quelle. Beilage zum Programm des großherzoglichen Gymnasiums zu Eutin Nr. 628. Eutin 1889. – Hermann Schneider: Eine mhd. Liedersammlung als Kunstwerk. In: PBB 47 (1923) S. 225–260. – Alfred Stange: Stud. zur oberrheinischen Malerei um 1300. In: M¨unchener Jb. der bildenden Kunst NF 9 (1932) S. 17–48. – Willy J¨aggi (Hg.): Die Minnes¨anger. In Bildern der W. L. Basel 1947. – Ewald Jammers: Das kgl. Liederbuch des dt. Minnesangs. Eine Einf. in die sog. Manessische Hs. Heidelberg 1965, bes. S. 133–141. – G¨unther Schweikle: Reinmar der Alte. I. Hsl. und u¨ berlieferungsgeschichtliche Grundlagen. Habilitationsschrift Tu¨ bingen 1965. – Gebhard Spahr: Zur Gesch. der W. L. In: Jb. des Vorarlberger Landesmuseums 111 (1967) S. 49–74. – Ders.: W. L. Ihre Gesch. und ihre Miniaturen. Weißenhorn 1968. – Kurt Herbert Halbach: Die W. L. als Slg. poetischer Texte: In: Die W. L. Bd. 2 (s. Ausg.) S. 29–132. – Wolfgang Irtenkauf: Die Hs. HB XIII der W¨urttembergischen LB Stuttgart. In: Die W. L. Bd. 2 (s. Ausg.) S. 7–28. – Renate Kroos: Die Miniaturen. In: Die W. L. Bd. 2 (s. Ausg.) S. 133–172. – Hella Fr¨uhmorgen-Voss: Die W. L. In. Dies.: Text und Illustration im MA (MTU 50). M¨unchen 1975, S. 100–105. – Eugen Hillenbrand: Die Chron. der Konstanzer Patrizierfamilie Schulthaiß. In: Landesgesch. und Geistesgesch. FS Otto Herding. Hg. v. Kaspar Elm/Eberhard G¨onner/E. Hillenbrand (Ver¨off. der Kommission f¨ur geschichtliche Landeskunde in Baden-W¨urttemberg B, 92). Stuttgart 1977, S. 341–360. – Hans ¨ Becker: Die Neidharte. Stud. zur Uberl., Binnentypisierung und Gesch. der Neidharte der Berliner Hs. germ. fol. 779 (c) (GAG 255). G¨oppingen 1978, S. 24–40, 460 f. – George Fenwick Jones u. a. (Hg.): Verskonkordanz zur Weingartner-Stuttgarter Liederhs. (GAG 230/231). G¨oppingen 1978. – Hugo Kuhn: Die Voraussetzungen f¨ur die Entstehung der Manesseschen Hs. In: Ders.: Liebe und Gesellschaft. Stuttgart 1980, S. 80–105. – Wolfgang Irtenkauf: Staufischer Minnesang. Die KonstanzWeingartner Liederhs. Beuron 1983. – Eberhard Nellmann: ‹Zeizenmˆure› im Nibelungenlied und in der Neidhart-Tradition. Mit einer Edition des 610
1. H¨alfte 14. Jh. Faßschwanks nach Hs. B. In: FS Siegfried Grosse. Hg. v. Werner Besch u. a. (GAG 423). G¨oppingen 1984, S. 401–425. – G¨unther Schweikle: Reinmar der Alte, Lieder. Nach der W. L. (B) (RUB 8318). Stuttgart 1986. – Wolfgang Irtenkauf: Einige Beobachtungen zur ‹W. L.›. In: Litterae Medii Aevi. FS Johanne Autenrieth. Hg. v. Michael Borgolte/ Herrad Spilling. Sigmaringen 1988, S. 203–208. – Michael Curschmann: Pictura laicorum litteratura? In: Pragmatische Schriftlichkeit im MA. Hg. v. Hagen Keller/Klaus Grubm¨uller/Nikolaus Staubach (MMS 65). M¨unchen 1992, S. 211–229, bes. S. 221–226. – RSM 1 (1994) S. 257 f. – Franz-Josef Holznagel: Wege in die Schriftlichkeit. Unters. und ¨ Materialien zur Uberl. der mhd. Lyrik (Bibliotheca Germanica 32). T¨ubingen/Basel 1995, bes. S. 66–88, 121–139, 208–250, 332–343. – Christine Sauer: Die gotischen Hss. der W¨urttembergischen LB Stuttgart. Tl. 1: Vom sp¨aten 12. bis zum fr¨uhen 14. Jh. Mit Beitr. v. Ulrich Kuder (Kat. der illuminierten Hss. der W¨urttembergischen LB Stuttgart 3). Stuttgart 1996, Textbd. S. 59–62 (Nr. 3), Tafelbd. S. 252, 255–257 (Abb. VI, 4–8). – Dies.: Konstanzer Buchmalerei in Weingarten? Zu einer Gruppe v. Hss. aus dem 1. Drittel des 14. Jh. In: Buchmalerei im Bodenseeraum: 13. bis 16. Jh. Hg. v. Eva Moser. Friedrichshafen 1997, S. 97–108. – Albrecht Hausmann: Autor und Text in der W. L. (B). Zu Mo¨ glichkeiten und Grenzen der In¨ terpretation v. Uberlieferungsvarianz. In: Text und Autor. Beitr. aus dem Venedig-Symposion 1998 des Graduiertenkollegs ‹Textkritik› M¨unchen. Hg. v. Christiane Henkes/Harald Saller (Beih. zu editio 15). T¨ubingen 2000, S. 33–52. – Albrecht Classen: Die hist. Entwicklung eines literarischen Sammlungstypus. Das Liederbuch vom 14. bis zum 17. Jh. Von der ‹W. L.› bis zum ‹Venus-G¨artlein›. In: ‹Daß gepfleget werde der feste Buchstab›. FS Heinz R¨olleke. Hg. v. Lothar Bluhm/Achim H¨olter. Trier 2001, S. 26–40. – Ursula Peters: Ordnungsfunktion – Textillustration – Autorkonstruktion. Zu den Bildern der romanischen und dt. Liederhss. In: ZfdA (2001) S. 392–430. – Die Minnelehre des Johann v. Konstanz. Nach der W. L. ¨ unter Ber¨ucksichtigung der u¨ brigen Uberl. hg. v. Dietrich Huschenbett. Wiesbaden 2002. – Karin Schneider: Einige pal¨aographische Bemerkungen zur W. L. In: Magister et amicus. FS Kurt G¨artner. Hg. v. V´aclav Bok/Frank Shaw. Wien 2003, ¨ S. 241–247. – Christiane Henkes-Zin: Uberl. und Rezeption in der Großen Heidelberger Liederhs. 611
Gosli ¨ von Ehenheim (Cod. Manesse). Diss. Aachen 2004, bes. S. 49–76, 85–116, 124–168. – K. Schneider: Gotische Schr. in dt. Sprache. Bd. 2: Die obd. Schr. v. 1300 bis 1350. Wiesbaden 2009, S. 66 ff. – Carmen K¨ammerer: Die W. L. in der W¨urttembergischen LB Stuttgart. In: Bibliotheksdienst 44 (2010) S. 553–564. – Johannes Rettelbach: Reimwort- und Tonschemakorrekturen bei Autoren aus der Fr¨uhzeit des Minnesangs. In: ZfdPh 129 (2010) S. 83–105. – Susanne Uhl: Der Erz¨ahlraum als Reflexionsraum. Eine Unters. zur ‹Minnelehre› Johanns v. Konstanz und weiteren mhd. Minnereden (Dt. Lit. v. den Anf¨angen bis 1700, 48). Bern u. a. 2010, S. 113–117. NR Gosli ¨ von Ehenheim. – Minnes¨anger, fr¨uhes 14. Jh. (?). Der adlige Dilettant, der nur von der → Großen Heidelberger Liederhandschrift C mit zwei Minneliedern ber¨ucksichtigt wird, stammte wahrscheinlich aus dem Elsass, was der Reim «mine sende not» : «ze hertzen gat» in der zweiten Strophe des ersten Liedes in C nahelegt. Vermutlich geh¨orte er einer Familie an, die s¨udlich von Straßburg das Burgmannenamt in Oberehnheim und Werd versah. Der von 1242 bis 1276 bezeugte «Gozmarus miles de Oberehenheim» kommt aber als Dichter vermutlich nicht in Frage, da der C-Schreiber der Lieder G.s ansonsten Texte von S¨angern aus dem fr¨uhen 14. Jh. nachgetragen hat. Die beiden dreistrophigen Lieder in je eigenem Ton, ein Winter- und ein Sommerlied, stehen in der Tradition → Gottfrieds von Neifen. Sie sind aus g¨angigen Versatzst¨ucken komponiert, die konventionell durchgespielt werden: Natureingang, Frauenpreis, Dienstgedanke, Liebesklage. Beide Lieder sind in Kanzonenform verfasst, wobei das erste sich mit Binnenreimen und gleichversigen Terzinenstollen enger an Neifen orientiert als das zweite. Dieses stimmt mit dem Ton → Suchensinns (RSM: 1 Suchs) u¨ berein. Es erinnert mit seinen auftaktlosen vierhebigen Versen aber auch an → Ulrich von Liechtenstein und ist formal nahezu identisch mit einem Lied → P¨ullers (C 5, 254rb-va). Da die Chronologie der jeweiligen potentiellen Beeinflussungen uneindeutig ist, liefern diese Beobachtungen keine weiteren Hinweise zur zeitlichen Einordnung G.s. ¨ Uberlieferung: Heidelberg, Cpg 848 (C) 197v–198rb (Perg., um 1300, alemannisch); die Mi612
Heidelberger Liederhandschrift C niatur zeigt G. im Reiterkampf; Bild¨uberschrift: e «her Gosli von Ehenhein». Ausgaben: HMS 1 (1838) S. 346 f. – Kraus LD 1 (21978) S. 80 f. (Nr. 14). Literatur: Volker Mertens, VL2 3 (1981) Sp. 101 f.; 11 (2004) Sp. 549. – HMS 4 (1838) S. 293 f. – Fritz Grimme: Beitr. zur Gesch. der Minnes¨anger 2. In: Germania 32 (1887) S. 411–427, hier S. 415 f. – Ders.: Neue Beitr. zur Gesch. der Minnes¨anger. In: Alemannia 22 (1894) S. 33–45, hier S. 34. – Joachim Bumke: Ministerialit¨at und Ritterdichtung. Umrisse der Forschung (Edition Beck 12). M¨unchen 1976, Reg. – Kraus LD 2 (21978) S. 83 f. – Codex Manesse. Die Miniaturen der Großen Heidelberger Liederhs. Hg. und erl. v. Ingo F. Walther unter Mitarbeit v. Gisela Siebert. Frankfurt/M. 1988 (62001) S. 134 f. (Tf. 65b). – Uwe Meves (Hg.): Regesten dt. Minnes¨anger des 12. und 13. Jh. Berlin/New York 2005, S. 347–351. VZ Heidelberger Liederhandschrift C (Große Heidelberger Liederhandschrift, Manessische Handschrift, Codex Manesse; fr¨uher auch: Pariser [Lieder-]Handschrift). – Die nach Anspruch und Wirklichkeit umfassendste und repr¨asentativste Sammlung deutschsprachigen Minnesangs, aber auch anderer lyrischer Gattungen von der zweiten H¨alfte des 12. bis ins erste Drittel des 14. Jh. Die großformatige (35 x 25 cm), 326 Pergamentbl¨atter umfassende Handschrift ist «Resultat eines komplexen, nie eigentlich abgeschlossenen Sammelvorgangs» (G. Kornrumpf). Direkte Vorlagen sind nicht nachweisbar, doch reicht das Spektrum der Quellen von gr¨oßeren Sammlungen, die eng mit der → Kleinen Heidelberger und der → Weingartner Liederhandschrift verwandt gewesen sein m¨ussen, bis hin zu kleineren und kleinsten Corpora, ohne dass m¨undliche Tradierung eine nennenswerte Rolle gespielt haben d¨urfte. Zu Beginn des 14. Jh. trugen mindestens zwei H¨ande zun¨achst den sog. ‹Grundstock› (110 S¨anger) ein, die von mehreren H¨anden durchgef¨uhrten Nachtr¨age sind wohl noch im ersten Drittel des 14. Jh. abgeschlossen, wobei ein Sechstel des Schreibraums frei bleibt. Schreibsprachliche Kriterien, namentlich die Schreibung von mhd. ei als ‹ei› sowie die Verwendung der K¨urzung ‹dc› f¨ur das Demonstrativpronomen daz verweisen nach Z¨urich; damit scheidet Konstanz als Entstehungsort 613
1. H¨alfte 14. Jh. aus (vgl. Haacke 1964). Als gesichert gilt eine Beteiligung Johannes → Hadlaubs. Dessen Autorcorpus erscheint durch seinen Umfang sowie durch die Voranstellung eines Doppelbildes und die aufwendige Gestaltung der Eingangsinitiale ausgezeichnet, sein Schreiber ist auch außerhalb von C in Zu¨ rich, ZB, Cod. 179 (Z¨urcher Richtebrief) nachgewiesen (Gamper 1993). In welchem Verh¨altnis die in Hadlaubs Preisstrophen erw¨ahnten «lieder b˚uch» (Bl. 372rb) der Manesse zum Codex und seiner Genese stehen, ist umstritten: Wahrscheinlich ist immerhin, dass das Sammlungsprojekt und die Fr¨uhphase seiner Realisierung auf den von Hadlaub namente lich erw¨ahnten «Rudge manesse» († 1304) zur¨uckgehen. Die Nachtr¨age machen gleichwohl deutlich, dass die Sammel- und Aufzeichnungst¨atigkeit nicht mit dem Tod R¨udigers endete. Versuche, die Rolle der weiteren von Hadlaub aufgelisteten Pers¨onlichkeiten (Heinrich von Klingenberg, Elisabeth von Wetzikon u. a.) genauer zu bestimmen oder gar zu eruieren, wer jene andeutungsweise erw¨ahnten «edil frowen / hohe pfaffen / ritt(er) g˚ut» gewesen sein k¨onnten, haben nicht zu befriedigenden Ergebnissen gef¨uhrt. Die G. H. L. steht außerhalb der Auff¨uhrungspraxis (wie die Heidelberger Liederhandschrift A und die Weingartner Liederhandschrift enth¨alt sie keine Melodien), ist aber ebenso wenig literaturhistorische Retrospektive, sondern sammelt und konstituiert mit Vollst¨andigkeitsanspruch a¨ ltere und zeitgen¨ossische Autoren-Corpora (Anonyma fehlen), wie explizit am Ende des Registers formuliert wird: «Die hie gesvngen hant. nv ze male sint ir. c. vn(d) xxxviii» (Bl. 5v). Das Primat des Autorprinzips kommt wesentlich auch durch die 137 den Textsammlungen jeweils vorangestellten, in der Regel Wappenschild und Helmzier beinhaltenden Autorenbilder zum Ausdruck. Die Anordnung der Corpora erfolgt wie in der Weingartner Liederhandschrift urspr¨unglich prim¨ar nach st¨andischen Kriterien: Auf Kaiser Heinrich folgen K¨onige (K¨onig → Konrad der Junge; K¨onig → Wenzel von B¨ohmen), Herz¨oge (→ Heinrich von Breslau; → Heinrich I. von Anhalt; → Johann I. von Brabant), Grafen (→ Rudolf von FenisNeuenburg, → Kraft von Toggenburg u. a.), Markgrafen (→ Otto IV. von Brandenburg, → Heinrich III. von Meißen, Markgraf von → Hohenburg) sowie zahlreiche (urkundlich bezeugte und imaginierte) «herren», titellose S¨anger und «meister». 614
1. H¨alfte 14. Jh. Teilweise u¨ berlagert wird die soziologische Anordnung durch eine Hierarchie der Gattungen Minnesang, Neithardiana und Sangspruchdichtung (dazu kritisch Holznagel 1995, 139). In 140 Autoren-Œuvres hat die Handschrift u¨ ber 6000 Lied- und Spruchstrophen gesammelt, darunter 36 Leichs (inkl. einer Dublette) und etwa 5400 Strophen, von denen 5240 z. T. fragmentarisch erhalten sind (inkl. 72 Dubletten). 28 Leichs und ca. 2780 Strophen (22 Dubletten) u¨ berliefert C unikal, darunter neben diversen Plusstrophen → Walthers, → Reinmars und → Neidharts auch zahlreiche vollst¨andige Autoren-Corpora. Insbesondere f¨ur den Minnesang nach Walther ist die Manessische Handschrift haupts¨achliche und oft einzige Quelle (etwa im Fall der unter den Namen → Schulmeister von Esslingen, → Werner von Hohenberg, → Steinmar, → Walther von Klingen, → Heinrich von Frauenberg, → Ulrich von Gutenburg, → Ulrich von Winterstetten, → Burkhard von Hohenfels, → Ulrich von Singenberg, → Konrad Schenk von Landeck, Heinrich → Teschler, → S¨ußkind von Trimberg und Meister → Sigeher u¨ berlieferten Œuvres). Die Eintragung erfolgte nach Strophen abgesetzt, gr¨oßere Texteinheiten sind durch gleichfarbige Initialen markiert. Die umfangreichsten S¨anger-Œuvres sind mit den Namen Walther von der Vogelweide (1 Leich, ca. 450 Str.), → Ulrich von Liechtenstein (ca. 310 Str.), Neidhart (ca. 290 Str.), → Reinmar (ca. 260 Str.) und Johannes Hadlaub (ca. 250 Str.) verkn¨upft. Die Mehrzahl der Corpora umfasst allerdings nur zwei bis 30 Strophen. Das Spektrum der aufgenommenen Corpora ist nicht allein sozial, sondern auch zeitlich und regional differenziert. Repr¨asentanten des fr¨uhen donaul¨andischen Minnesangs (Der → K¨urenberger, → Dietmar von Aist u.a.) stehen neben Zeitgenossen der Sammler (→ Frauenlob, → Regenbogen), Corpora aus dem unmittelbaren geographischen Umkreis der Redaktoren (Hadlaub, Heinrich Teschler) bzw. aus dem S¨udwesten bilden zwar einen Schwerpunkt der Sammlung, daneben finden aber auch ostobd., mitteldt. sowie mnd. (→ Rumsland von Sachsen) und mndl. Quellen (→ Johann I. von Brabant) Ber¨ucksichtigung. Unter den ber¨ucksichtigten Gattungen sticht eindeutig das Minnelied hervor; daneben u¨ berliefert die Handschrift aber auch geistliche und weltliche Leichs, Sangspruchdichtung, Neidhartiana, 615
Heidelberger Liederhandschrift C Tage- und Herbstlieder, Marienpreise und Lehrdichtung. Insbesondere f¨ur den Minneleich ist C ¨ der wichtigste Uberlieferungstr¨ ager. Den stilistisch der oberrheinisch-gotischen Buchmalerei zuzuordnenden, dabei aber kunsthistorisch durchaus eigenst¨andigen Miniaturen verdankt die Handschrift einen Großteil der ihr entgegengebrachten wissenschaftlichen und außerwissenschaftlichen Aufmerksamkeit. Die Illustrationen zeichnen sich durch eine außerordentliche, in der zeitgen¨ossischen profanen Buchmalerei beispiellose thematische Breite aus. Entsprechend dem Programm der Handschrift finden sich sowohl Verfasserbilder im klassischen Sinne als auch Standesbilder. Das Spektrum der Verfasserbilder reicht von der Darstellung des in der Natur meditierenden Dichters (am bekanntesten: Walther von der Vogelweide) bis hin zum Dichter beim Diktat (→ Konrad von W¨urzburg) oder beim Vortrag (→ Spervogel). Die große Mehrzahl der Miniaturen geh¨ort dem Typus Standesbild an und reicht von Darstellungen der Dichter als Herrscher (Kaiser Heinrich, K¨onig Wenzel von B¨ohmen) oder als Inhaber von Hof¨amtern im engeren (Konrad Schenk von Landeck) oder weiteren Sinne, wobei vor allem im letzteren Fall die Minnethematik dominiert, etwa in den zahlreichen Variationen des Botenbilds (Graf → Otto von Botenlauben, Burggraf von → Rietenburg u. a.). Zahlreich sind insbesondere Darstellungen von Aktivit¨aten aus dem Bereich der h¨ofischen Kultur, etwa von Turnierk¨ampfen (→ Friedrich von Leiningen), Jagdszenen (Der von → Suonegge), von Zerstreuungen wie Tanz und Musik (→ Reinmar der Fiedler) oder dem Schachspiel (Otto IV. von Brandenburg). Bei aller Vielfalt des Bildprogramms steht dieses im Dienst der Textsammlung, was allein schon durch zahlreiche Bild-Text-Bez¨uge deutlich wird. H¨aufig nehmen die Miniaturen Sujets der Liedtexte auf (am bekanntesten ist der Fall von Walthers «Reichston»), nicht selten liefern auch die Dichternamen Inspirationen (→ Jakob von Warte, → Hugo von Werbenwag), zahlreich, wenn auch nicht immer zweifelsfrei zu identifizieren sind schließlich realhistorische Bez¨uge, so die Miniatur zum Œuvre → Reinmars von Brennenberg, die wohl die Ermordung der S¨angers im Jahr 1276 zeigt. Intermediale Verbindungen k¨onnen in Einzelf¨allen u¨ ber den Codex hinaus verweisen, so etwa in der Walram-Miniatur (Bl. 311r), die den S¨anger und eine Dame bei der Lekt¨ure von → Ulrichs von 616
Heidelberger Liederhandschrift C Zatzikoven Lanzelet zeigen, dessen Initium «Sw(er) recht wort merchen ka(n) d(er) gedenche wie» ins Gespr¨achsbild inseriert ist. Die Rezeption der G. H. L., deren Fr¨uhgeschichte im Dunklen liegt, beginnt im 15. Jh. mit dem Troßschen Fragment (Krakau, Bibl. Jagiello´nska, Berol. mgq 519, fr¨uher Berlin, Staatsbibl., mgq 519). Ca. 1575/80 wird in Nordfrankreich oder den belgischen Niederlanden eine Kopie aller Wappen angefertigt. 1596 erscheint der Codex im Nachlass des ermordeten Calvinisten Johann Philipp von Hohensax; seit 1607 geh¨ort er zur Heidelberger Bibliotheca Palatina. Im Zuge der Nachlassverwaltung sind auch Pl¨ane einer Gesamtpublikation durch Melchior Goldast von Haiminsfeld dokumentiert, der seine Editio princeps schließlich auf die Lehrdichtung (→ K¨onig Tirol, → Winsbecke, Winsbeckin) beschr¨anken muss. Anders als der Großteil der kurf¨urstlich-pf¨alzischen Bibliothek wurde der Codex im Dreißigj¨ahrigen Krieg nicht nach Rom in die Biblioteca Apostolica Vaticana verbracht, sondern gelangte nach Frankreich, wo er 1657 in der Bibliothek Ludwigs XIV. nachgewiesen ist. Die erste Gesamtedition erfolgt 1748 durch Bodmer, der auch die Bezeichnung «Manessische Handschrift» pr¨agt, w¨ahrend die Sigle C auf die erste kritische Walther-Ausgabe durch Karl Lachmann (1827) zur¨uckgeht. Seit 1888 befindet sich der Codex als Resultat eines durch den Buchh¨andler Karl Ignaz Tr¨ubner initiierten Tauschgesch¨afts als Cgm 848 in der Heidelberger UB. ¨ Uberlieferung: Heidelberg, UB, Cpg 848 (Perg., Anfang 14. Jh. [Grundstock], erstes Drittel 14. Jh. [Nachtr¨age], Z¨urich). Ausgaben: Faksimilia: Bernard Carl Mathieu (Hg.): Minnes¨anger aus der Zeit der Hohenstaufen im vierzehnten Jh. gesammelt v. R¨udiger Maness v. Maneck. Facsimile der Pariser Hs. Paris 1850. Mit einer Einleitung zur Gesch. der Hs. v. Friedrich Heinrich v. der Hagen. Berlin 1852 (Faks. der Corpora I–X). – Die Miniaturen der Manesse’schen Liederhs. im Auftrag des Großherzoglich Badischen Ministeriums der Justiz, des Kultus und Unterrichts nach dem Original der Pariser Nationalbibl. in unver¨anderlichem Lichtdruck hg. v. Franz Xaver Kraus. Straßburg 1886 (recte 1887). – Die Manessische Liederhs. Faks. und Kommentarbd. Mit Beitr. v. Rudolf Sillib, Friedrich Panzer und Arthur Haseloff. 2 Bde. Leipzig 1925–29. – Die Große Heidelberger ‹Manessische› Liederhs. In 617
1. H¨alfte 14. Jh. Abb. hg. v. Ulrich Mu¨ ller. Mit einem Geleitwort v. Wilfried Werner (Litterae 1). G¨oppingen 1971. – Cod. Manesse. Die Große Heidelberger Liederhs. Vollfaks. des Cpg 848 der UB Heidelberg. 12 Teillieferungen. Mit Interimstexten v. Ingo F. Walther. Frankfurt/M. 1975–78. – Cod. Manesse. Die große Heidelberger Liederhs. Vollst¨andiges Faks. des Cpg 848 der UB Heidelberg. Hg. v. Walter Koschorreck. Frankfurt/M. 1979. – Cod. Manesse. Die Große Heidelberger Liederhs. Kommentarbd. zum Faks. des Cpg 848 der UB Heidelberg. Hg. v. Walter Koschorreck/W. Werner. Mit Beitr. v. W. Werner, Ewald M. Vetter, W. Koschorreck, Hugo Kuhn, Max Wehrli und Ewald Jammers. Frankfurt/M. 1981. – Cod. Manesse. Die große Heidelberger Liederhs. Konzept und Koordination: Heidemarie Anderlik. Berlin 2006 [DVD-ROM]. – Digitalisat der UB Heidelberg: http://digi.ub.uniheidelberg.de/diglit/cpg848. Diplomatische Abdrucke: Melchior Goldast: Paraeneticorum veterum Pars I. Lindau 1604 [K¨onig Tirol, Winsbecke, Winsbeckin]. – [Johann Jacob Bodmer/Johann Jacob Breitinger:] Proben der alten schwaebischen Poesie des Dreyzehnten Jh. Aus der Maneßischen Slg. Z¨urich 1748. – [Dies.:] Slg. v. Minnesingern aus dem Schwaebischen Zeitpuncte, CXL Dichter enthaltend; durch Ruedger Manessen, weiland des Rathes der uralten Zyrich. Aus der Hs. der Kgl.-Franz¨osischen Bibl. hg. Bd. 1. Z¨urich 1758. Bd. 2. Z¨urich 1759. – Die große Heidelberger Liederhs. in getreuem Textabdruck. Hg. v. Fridrich Pfaff. 1. Tl. Heidelberg 1909. Titelausg. der 2., verb. und erg. Aufl. Bearb. v. Hellmut Salowsky. Heidelberg 1995. Literatur: Zur Hs. allg.: Ehrismann 2.2 (1935) S. 209 f. – Gisela Kornrumpf, VL2 3 (1981) Sp. 584–597; 11 (2004) Sp. 601. – De Boor/Newald 3/1 (51997) S. 260 f. – G. Kornrumpf, Killy2 5 (2009) S. 146–149. – Melchior Goldast: Virorum Cll. Et Doctorum Ad Melchiorem Goldastum JCtum & Polyhistorem celebratissimum Epistolae. Frankfurt/M., Speyer 1688, hier S. 176 [Nachricht]. – Die Gedichte Walthers v. der Vogelweide. Hg. v. Karl Lachmann. Berlin 1827, bes. S. IV ff. – Johann Rudolf Rahn: Stud. u¨ ber die ‹Manessische Liedersammlung›. In: Anz. f¨ur Schweizer Alterthumskunde 10 (1877) S. 774–781. – Friedrich Apfelstedt: Zur Pariser Liederhs. In: Germania 26 (1881) S. 213–229. – Fritz Grimme: Die Bezeichnungen ‹her› und ‹meister› in der Pariser Hs. der Minnesinger. In: Germania 33 (1888) 618
1. H¨alfte 14. Jh. S. 437–448. – Karl Ignaz Tr¨ubner: Die Wiedergewinnung der sog. Manesseschen Liederhs. In: Zentralbl. f¨ur Bibliothekswesen 5 (1888) S. 225–227. – Karl Zangemeister: Zur Gesch. der großen Heidelberger sog. Manessischen Liederhs. In: Westdt. Zs. f¨ur Gesch. und Kunst 7 (1888) S. 325–371. – Wilhelm Wisser: Das Verh¨altnis der Minneliederhss. B und C zu ihrer gemeinschaftlichen Quelle. Beilage zum Programm des großherzoglichen Gymnasiums zu Eutin Nr. 628. Eutin 1889. – Aloys Schulte: Die Disposition der großen Heidelberger (Manessischen) Liederhs. In: Zs. f¨ur die Gesch. des Oberrheins NF 7 (1892) S. 542–559. – Adolf v. Oechelh¨auser: Zur Entstehung der Manesse-Hs. In: Neue Heidelberger Jbb. 3 (1893) S. 152–189. – Fritz Grimme: Die Anordnung der großen Heidelberger Liederhs. In: Neue Heidelberger Jbb. 4 (1894) S. 53–90. – Wilhelm Wisser: Das Verh¨altnis der Minneliederhss. A und C zu ihren gemeinschaftlichen Quellen. Beilage zum Programm des großherzoglichen Gymnasiums zu Eutin Nr. 692. Eutin 1895. – Eberhard Graf Zeppelin: Zur Frage des Ursprungs der großen Heidelberger Liederhs. f¨alschlich ‹Manesse-Kodex› genannt. In: Schrift des Vereins f¨ur Gesch. des Bodensees und seiner Umgebung 28 (1899) S. 33–52. – Friedrich Vogt: Die Heimat der großen Heidelberger Liederhs. In: PBB 39 (1908) S. 373–381. – Anton Wallner: Herren und Spielleute im Heidelberger Liedercodex. In: PBB 33 (1908) S. 483–540. – Clara Rieke: Die Vokalzeichen in der großen Heidelberger Liederhs. Diss. Greifswald 1917. – Rudolf Sillib: Zur Gesch. der großen Heidelberger (Manesseschen) Liederhs. und anderer Pf¨alzer Hss. (Sb. der Heidelberger Akad. der Wiss., Phil.-Hist. Kl. 3) Heidelberg 1921. – Ernst Kiefer: Nochmals zur Localisierung der großen Heidelberger Liederhs. In: PBB 47 (1923) S. 491–499. – Friedrich Vogt: Noch einmal ‹Konstanz oder Zu¨ rich?› In: PBB 48 (1924) S. 291–302. – Benno Hilliger: Die Manesse-Hs. Beobachtungen bei ihrer Auseinandernahme. In: Zentralbl. f¨ur Bibliothekswesen 43 (1926) S. 157–172. – Friedrich Panzer: Zur Bibliotheksgesch. der Manessischen Hs. In: Neue Heidelberger Jbb. NF 1939, S. 92–99. – Heinz Schneider: Spruchdichtung und Spruchdichter in den Hss. J und C. In: ZfdPh 77 (1941) S. 16–36. – Karl Preisendanz: Die R¨uckkehr der Manessischen Liederhs. Neue Heidelberger Jbb. NF 1950, S. 45–72. – Karl Heinz Schirmer: Die Strophik Walthers v. der Vogelweide. Ein Beitr. zu den 619
Heidelberger Liederhandschrift C Aufbauprinzipien in der lyrischen Dichtung des HochMA. Halle 1956, S. 151–162. – Hugo Steger: David rex et propheta (Erlanger Beitr. zur Sprachund Kunstwiss. 6). N¨urnberg 1961. – Diether Haacke: Nochmals: Zur Heimat der großen Heidelberger Liederhs. In: ZfdPh 83 (1964) S. 301–307. – Ewald Jammers: Das kgl. Liederbuch des dt. Minnesangs. Eine Einf. in die sog. Manessische Hs. Heidelberg 1965. – G¨unther Schweikle: Reinmar der Alte. I. Hsl. und u¨ berlieferungsgeschichtliche Grundlagen. Habilitationsschrift Tu¨ bingen 1965. – Helmut Tervooren/Regine Weidemeier: Reimkonjekturen bei Dietmar v. Aist und Friedrich v. Hausen. Zur Arbeitsweise eines ma. Interpolators und seiner modernen Kritiker. In: ZfdPh 90 (1971) Sonderh. S. 46–65. – Horst Brunner: Die alten Meister (MTU 54). Tu¨ bingen 1975, bes. S. 1–65. – Hellmut Salowsky: Ein Hinweis auf das Lanzelet-Epos Ulrichs v. Zazikoven in der Manessischen Liederhs. In: Heidelberger Jbb. 19 (1975) S. 40–52. – Joachim Bumke: Ministerialit¨at und Ritterdichtung. Mu¨ nchen 1976. – Minnes¨anger. Dreiunddreißig farbige Wiedergaben aus der Manessischen Liederhs., 4. Einleitung Ingeborg Glier, Bildbeschreibungen Ingo F. Walther. Aachen 1977, S. 9–12. – Des Minnesangs Fr¨uhling. Unter Benutzung der Ausg. v. Karl Lachmann und Moriz Haupt, Friedrich Vogt und Carl v. Kraus bearb. v. Hugo Moser und Helmut Tervooren. II. Editionsprinzipien, Melodien, Hss., Erl. 36., neugestaltete und erw. Aufl. Stuttgart 1977, S. 42–47. – Ewald M. Vetter: Probleme der großen Heidelberger (‹Manessischen›) Liederhs. In: Pantheon 36 (1978) S. 207–218. – Hans Becker: Die Neidharte. ¨ Stud. zur Uberl., Binnentypisierung und Gesch. der Neidharte der Berliner Hs. germ. fol. 779 (GAG 255). G¨oppingen 1978. – Wilfried Werner: Die Große Heidelberger (‹Manessische›) Liederhs. In: Heidelberger Jbb. 22 (1978) S. 35–48. – Ewald Jammers/Hellmut Salowsky: Die sangbaren Melodien zu Dichtungen der Manessischen Liederhs. Wiesbaden 1979. – G¨unter Hess: Bildersaal des MA. Zur Typologie illustrierter Literaturgesch. im 19. Jh. In: Dt. Lit. im MA. Kontakte und Perspektiven. Hugo Kuhn zum Gedenken. Hg. v. Christoph Cormeau. Stuttgart 1979, S. 501–546. – G. Kornrumpf/Burghart Wachinger: Alment. Formentlehnung und T¨onegebrauch in der mhd. Sangspruchdichtung. In: ebd., S. 356–411. – Hugo Kuhn: Die Voraussetzungen f¨ur die Entstehung der Manesseschen Hs. und ihre u¨ berlieferungsgeschichtliche Bedeutung. In: Ders.: Kleine Schriften. Bd. 3: 620
Sibyllenweissagungen (dt.) Liebe und Gesellschaft. Hg. v. Wolfgang Walliczek. Stuttgart 1980, S. 80–105. – G. Kornrumpf: Die Anf¨ange der Manessischen Liederhs. In: Dt. Hss. 1100–1400. Oxforder Kolloquium 1985. Hg. v. Volker Honemann/Nigel F. Palmer. T¨ubingen 1988, S. 279–296. – Cod. Manesse. Die Große Heidelberger Liederhs.: Texte, Bilder, Sachen – Ausstellung der Univ. Heidelberg. Kat. zur Ausstellung vom 12. Juni bis 4. September 1988, UB Heidelberg. Hg. v. Elmar Mittler. Mit Beitr. v. Harald Dr¨os u.a. (Heidelberger Bibliotheksschr. 30). Heidelberg 1988. – Rudolf Gamper: Der Z¨urcher Richtebrief v. 1301/1304. Eine Abschrift im Auftrag v. R¨udiger Manesse. In: ZB Z¨urich. Alte und neue Sch¨atze. Hg. v. Alfred Cattani/Michael Kotrba/Agnes Rutz. Z¨urich 1993, S. 18–21, 147–151. – RSM 1 (1994) S. 178. – Franz-Josef Holznagel: Wege in die Schriftlichkeit. Unters. und ¨ Materialien zur Uberl. der mhd. Lyrik (Bibliotheca Germanica 32). T¨ubingen/Basel 1995, bes. ¨ S. 140–207. – Christiane Henkes-Zin: Uberl. und Rezeption in der Großen Heidelberger Liederhs. (Cod. Manesse). Diss. Aachen 2004. – Der Cod. Manesse und die Entdeckung der Liebe. Hg. v. Maria Effinger, Carla Meyer und Christian Schneider unter Mitarbeit v. Andrea Briechle, Margit Krenn und Karin Zimmermann (Schr. der UB Heidelberg 11). Heidelberg 2010. Zu Hadlaub: Richard M. Meyer: Hadloub und Manesse. In: ZfdA 44 (1900) S. 197–222. – Rudolf Sillib: Auf den Spuren Johannes Hadloubs (Sb. der Heidelberger Akad. der Wiss., Phil.-hist. Kl. 1). Heidelberg 1922. – Edward Schr¨oder: Hadloub und Manesse. In: ZfdA 80 (1933) S. 136–142. – G¨unther Weydt: Johannes Hadloub. In: GRM 21 (1933) S. 14–32. – Herta Elisabeth Renk: Der Manessekreis, seine Dichter und die Manessische Hs. (Stud. zur Poetik und Gesch. der Lit. 33). Stuttgart u. a. 1974. Zur Kunstgeschichte, insbesondere zu Miniaturen sowie Text-Bild-Beziehungen: Friedrich Heinrich v. ¨ der Hagen: Uber die Gem¨alde in den Slg. der altdt. lyrischen Dichter, vorn¨amlich in der Manessischen Hs. und u¨ ber andere auf dies. bez¨ugliche gleichzeitige Bildwerk. 1. Tl. mit f¨unf Kupfertafeln. Berlin 1844. – Ders.: Bildersaal altdt. Dichter. Bildnisse, Wappen und Darstellungen aus dem Leben und Liedern der dt. Dichter des XII. bis XIV. Jh. [...] zugleich als Erg¨anzung der Minnesingersammlung. Atlas der 75 Bilder auf 41 Tf. Berlin 1856. – Franz 621
1. H¨alfte 14. Jh. Xaver Kraus (Hg.): Die Miniaturen der Manessischen Liederhs. Straßburg 1887. – Karl Zangemeister (Hg.): Die Wappen, Helmzierden und Standarten der großen Heidelberger Liederhs. (ManesseCod.). Heidelberg 1892. – Adolf v. Oechselh¨auser: Die Miniaturen der UB zu Heidelberg. 2. Tl. Heidelberg 1895, S. 90–412. – Fritz Traugott Schulz: Typisches der großen Heidelberger Liederhs. und verwandter Hss. nach Wort und Bild. Diss. G¨ottingen 1899. – Anton Wallner: Herren und Spielleute im Heidelberger Liedercodex. III. Die Bilder. In: PBB 33 (1908) S. 502–522. – Erich Stange: Die Miniaturen der Manessischen Liederhs. und ihr Kunstkreis. Diss. K¨onigsberg. Greifswald 1909. – Richard Stettiner: Das Webebild in der ManesseHs. und seine angebliche Vorlage. Berlin/Stuttgart 1911. – Friedrich Panzer: Wort und Bild in der ¨ Uberl. altdt. Dichtung. Ein Vortrag. In: Dichtung und Volkstum 36 (1935) S. 1–21. – Gisela SiebertHotz: Das Bild des Minnes¨angers. Motivgeschichtliche Unters. zur Dichterdarstellung in den Miniaturen der Großen Heidelberger Liederhs. Diss. Marburg 1964. – Ellen J. Beer: Gotische Buchmalerei. Lit. v. 1945–1961. In: Zs. f¨ur Kunstgesch. 28 (1965) S. 134–158. – Wieland Schmidt: Die Manessische Hs. etwa 1330–1340. Berlin 1965. – Ellen J. Beer: Gotische Buchmalerei. Lit. v. 1962–1965. In: Zs. f¨ur Kunstgesch. 31 (1968) S. 322–332. – Hella Fr¨uhmorgen-Voss: Bildtypen in der Manessischen Liederhs. In: Werk – Typ – Situation. Stud. zu poetologischen Bedingungen in der a¨lteren dt. Lit. Hugo Kuhn zum 60. Geburtstag. Hg. v. Ingeborg Glier u. a. Stuttgart 1969, S. 184–216. – Ingo F. Walther (Hg.): S¨amtliche Miniaturen der Manesse-Liederhs. Unter Mitarbeit v. Kurt Martin/Gisela Siebert/Ingeborg Glier/Horst Brunner. Aachen 1979. – Cod. Manesse. Die Miniaturen der Großen Heidelberger Liederhs. hg. und erl. v. Ingo F. Walther. Frankfurt/M. 1988. – Sarit ShalevEyni: Humour and Criticism. Christian-Secular and Jewish Art of the Fourteenth Century. In: Zs. f¨ur Kunstgesch. 71 (2008) S. 188–206. – Andrea Rapp: ‹Ir bˆızzen was so zˆartlich, wˆıblich, fˆın›. Zur Deutung des Hundes in Hadlaubs Autorbild im Cod. Manesse. In: Tiere und Fabelwesen im MA. Hg. v. Sabine Obermaier. Berlin/New York 2009, S. 207–234. NR Sibyllenweissagungen (dt.) → Band 2, Sp. 78–83. 622
1. H¨alfte 14. Jh. Albertus (socius intimus). – Lieddichter (?), erstes Drittel 14. Jh. A.s Name wird in einem heute verlorenen Codex in einem Vermerk zu f¨unf Liedstrophen genannt. Nach vier Marienstrophen im Langen Ton des → Marner und der Schlussstrophe eines Minnelieds → Frauenlobs heißt es: «Diu lange weis des Frawenlobes Alb(ertus) socius inttimus dixit sub m°. ccc°. XXII. die Pancratii». Trotz des Verweises auf Frauenlob d¨urfte sich die Angabe eher auf die Marienstrophen beziehen, zumal die FrauenlobStrophe von anderer Hand eingetragen ist. Zwar sind die Marienstrophen nicht in Frauenlobs sondern in Marners «Langem Ton» verfasst (RSM: 1 Frau/2 und 1Marn/7) und f¨ur die zweite Stophe des Marienliedes ist der Marner als Textautor gesichert. Die anderen drei sind aber der Form nach j¨unger und zeigen Ankl¨ange an Frauenlobs Marienleich bei mitteldt. Reimf¨arbung. Trifft die Jahresangabe 1322/26 der Handschrift zu, w¨are dies der fr¨uheste bekannte Beleg f¨ur eine Erweiterung einer Sangspruchstrophe zu einem mehrstrophigen Bar. Die Frage, ob A. als Autor der Zusatzstrophen gelten kann, ist angesichts der Mehrdeutigkeit des Vermerks nicht hinreichend zu kl¨aren. ¨ Uberlieferung: Tarantsberg (Dornsberg) bei Naturns/Vinschgau, Schlossarch., ohne Sign. (Pap., 1322 oder 26 [?], bair.; verschollen). – In erweiterter Form und ver¨anderter Reihung finden sich die Strophen auch in der → Heidelberger Liederhandschrift Cpg 350 (66rb), der → Kolmarer Liederhandschrift (M¨unchen, BSB, Cgm 4997, 439ra-vb, 458vb–460ab) und in der Wiltener Liederhandschrift (Ebd., Cgm. 5198, 17v–18v). Ausgabe: Ludwig Sch¨onach: Marienleiche des A. socius inttimus 1322. In: Zs. des Ferdinandeums f¨ur Tirol und Vorarlberg, Dritte Folge 47 (1903) S. 284–289. – Cramer 1 (1977) S. 32–34. – Abdrucke der erweiterten Fassungen: HMS 2 (1838) S. 246–249 (Cpg 350). – Ignaz V. Zingerle: Ber. u¨ ber die Wiltener Meisters¨anger-Hs. Wien 1861, S. 58 (auch in: Sb. der phil.-hist. Cl. der kaiserl. Akad. der Wiss. 37 [Wien 1861] S. 331–407, hier S. 386) (Teilabdr. Cgm 5198). – Vgl. auch Karl Bartsch: Meisterlieder der Kolmarer Hs. (Bibl. des Litterarischen Ver. in Stuttgart 68). Stuttgart 1862, S. 45 f. (Nr. 479 f., 501). Literatur: Gisela Kornrumpf, VL2 1 (1978) Sp. 142 f. – Philipp Strauch (Hg.): Der Marner (Quellen und Forschungen zur Sprach- und Culturgesch. der germ. V¨olker 14). Straßburg 1876 623
Albertus (socius intimus) (Nachdr. Berlin 1965 [mit einem Nachw., einem Reg. und einem Literaturverz. v. Helmut Brackert]) S. 75 f. – Helmuth Thomas: Unters. ¨ zur Uberl. der Spruchdichtung Frauenlobs (Palaestra 217). Leipzig 1939, S. 99. – Josef Weingartner/Oswald Trapp: Tiroler Burgen, Schl¨osser und Ansitze. Mit einer Einf¨uhr. in die Burgenkunde. Innsbruck u. a. 1971, S. 48. – Karl Stackmann/Karl Bertau (Hg.): Frauenlob (Heinrich v. Meißen). Leichs, Sangspr¨uche, Lieder. Bd. 1: Einleitung, Texte (Abh. der Akad. der Wiss. in G¨ottingen, phil.-hist. Kl. 3,119). G¨ottingen 1981, S. 152 f. – Frieder Schanze: Meisterliche Liedkunst zwischen Heinrich v. M¨ugeln und Hans Sachs. Bd. 2: Verzeichnisse (MTU 83). M¨unchen 1984, S. 237. – Jens Haustein: Marner-Studien (MTU 109). Tu¨ bingen 1995, S. 82–84, 272. – Michael Baldzuhn: Vom Sangspruch zum Meisterlied. Unters. zu einem literarischen Traditionszusammenhang auf der Grundlage der Kolmarer Liederhs. (MTU 120). T¨ubingen 2002, S. 81 Anm. 52. – Eva Willms (Hg.): Der Marner. Lieder und Sangspr¨uche aus dem 13. Jh. und ihr Weiterleben im Meistersang. Berlin/New York 2008, S. 9. VZ Hurnen ¨ Seyfrid (Das Lied vom H¨urnen Seyfrid/ Sewfrid). In 179 Strophen erz¨ahlt dieses im 16. Jh. u¨ beraus popul¨are Lied von der Kindheit Seyfrids, der Befreiung der von einem Drachen entf¨uhrten Krimhild durch Seyfrid und von seiner Ermordung durch Krimhilds Br¨uder G¨unther, Hagen und Gyrnot. Der HS greift damit erkennbar auf Elemente der ¨ Siegfriedsage zur¨uck, die der nordischen Uber¨ lieferung, n¨amlich der Thidrekssaga, der Alteren Edda und der V¨olsungasaga, entstammen. Er bezeugt folglich eine hoch- und sp¨atmittelalterliche ¨ Uberlieferung der Siegfried-Sage auch jenseits des Nibelungenliedes. Inhaltliche Br¨uche wie mehrmalige Erz¨ahlanf¨ange, die einander teils widersprechen, legen nahe, dass der Text aus verschiedenen Siegfried-Erz¨ahlungen kompiliert wurde. Der HS verarbeitet jedoch nicht nur nordische Siegfried-Sagen-Elemente, sondern steht auch in Verbindung zu heldenepischen Erz¨ahltexten wie dem Rosengarten zu Worms, dem Wolfdietrich D ¨ und einzelnen Zweigen der Nibelungenlied-Uberlieferung. Seyfrid ist der u¨ berm¨aßig starke und mutwillige Sohn K¨onig Sigmunds von Niederland, der sein 624
Hurnen ¨ Seyfrid Elternhaus verl¨asst und von einem Schmid, dem er dient, in den Wald geschickt wird. Der Drache, von dem der Schmid gehofft hatte, dass er ihn des u¨ berm¨utigen Seyfrids entledigen w¨urde, wird von diesem erschlagen. Seyfried bestreicht sich mit geschmolzenem Horn und wird u¨ berall außer zwischen den Schultern h¨urnen. Er findet den Nyblinger-Hort, der von den S¨ohnen des Zwerges Nybling geh¨utet wird und zieht weiter an K¨onig Gybichs Hof, der drei S¨ohne und eine Tochter, Krimhild, hat. Diese wird von einem Drachen auf einen entlegenen Felsen verschleppt. Vier Jahre sp¨ater dringt die Kunde von der Entf¨uhrung der K¨onigstochter auch bis zu Seyfrid vor. Auf der Jagd nimmt einer seiner Hunde die Spur des Drachen auf und f¨uhrt Seyfrid zum ‹Drachenstein›, wo er den Drachen erblickt und zutiefst erschrocken umzukehren im Begriff ist, aber vom pr¨achtig gekleideten Zwergenk¨onig Eugel aufgehalten wird. Seyfrid erinnert sich nun daran, Krimhild am Hof K¨onig Gybichs gekannt und geliebt zu haben und beschließt, sie zu befreien. Eugel f¨uhrt ihn zum Riesen Kuperan, der den Schl¨ussel zum Drachenstein verwahrt. Kuperan o¨ ffnet den Eingang zum Drachenstein, und alle erklimmen den Fels, bis sie zu Kriemhild kommen, wo Kuperan Seyfrid angreift. Dieser besiegt ihn und st¨oßt ihn vom Felsen. Nun naht der Drache und ein harter Kampf entbrennt. Auf der Heimreise sagt der der Astronomie kundige Eugel Seyfrid voraus, dass er nach acht Jahren ermordet und von Krimhild ger¨acht werden wird. Seyfrid birgt den Hort, beschließt jedoch, als er den Rhein passiert, ihn zu versenken. In Worms wird Hochzeit gefeiert, bald regt sich Neid bei Krimhilds Br¨udern G¨unther, Hagen und Gyrnot. Hagen erschl¨agt Seyfrid im Ottenwald. Der interessierte H¨orer wird auf ‹Seyfrids Hochzeit› verwiesen. ¨ Uberlieferung: Das Lied vom H¨urnen Seyfrid ist in mindestens 12 Drucken des 16. und 17. Jh. u¨ berliefert. Im Jahr 2000 haben Beyer/Flood ein handschriftliches Fragment angezeigt, das unter der Signatur Bestand Livonica I, in Akte 43 im Reichsarchiv Stockholm verwahrt wird. Es besteht aus einem Papier-Doppelblatt (Bl. 1r–2r) ‹H¨urnen Seyfried› (nur die ersten 12 Strophen) und d¨urfte um 1550 entstanden sein. Es weist hoch- und niederdt. Formen auf. Ein Abdruck findet sich in: Beyer/Flood 2000. Die Strophenform des Liedes ist der Hildebrandston, in dem auch heldenepische Dichtungen wie 625
1. H¨alfte 14. Jh. das J¨ungere Hildebrandslied, das Nibelungenlied, Alpharts Tod, Ortnit, Wolfdietrich, der Rosengarten zu Worms und Koninc Ermenrˆıkes Dˆot abgefasst sind. Der Stoff ist im dt. Sprachraum etwa von Hans Sachs aufgegriffen worden, der ihn seiner Tragedj mit 17 personen: Der hu(e)rnen Sewfrid (1557) zugrunde legte. Er wurde zu einem erstmals 1657 gedruckten «Volksbuch» mit dem Titel Eine wundersch¨one Historie von dem geh¨ornten Siegfried verarbeitet, das eine textnahe Prosaaufl¨osung darstellt, die einzelne Szenen hinzuf¨ugt. Bekannt sind u¨ berdies ¨ eine genaue tschechische Ubersetzung von Tobi´aˇs Mouˇren´ın aus dem Jahre 1616 und ein frei nacherz¨ahlendes niederl¨andisches Volksbuch, das 1641 erschien (Ausgaben verzeichnet Brunner 1983). Ausgaben: Wolfgang Golther (Hg.): Das Lied vom H. S. nach der Druckredaktion des 16. Jh. Mit einem Anhange Das Volksbuch vom geh¨ornten Siegfried nach der a¨ltesten Ausgabe (1726) (Neudrucke dt. Litteraturwerke des XVI. und XVII. Jh.). Halle 1889, 1911. – Kenneth Charles King (Hg.): Das Lied vom H. S. Manchester 1958. – Siegfried Holzbauer (Hg.): Das Lied vom H. S. Neu illustriert v. Siegfried Holzbauer. Mit Beitr. v. Ralph Breyer. Klagenfurt/Wien u. a. 2001. – Faksimile: O[tto] Clemen: Das Lied vom H¨urnen Sewfrid. N¨urnberg, Kunegunde Hergotin 1530 (Zwickauer Facsimiledrucke 6). Zwickau 1911. Literatur: Horst Brunner, VL2 4 (1983) Sp. 317–326. – Ernst Hellgardt, Killy2 5 (2009) S. 638–640. – Roswitha Wisniewski: Das Heldenleben-Schema im H¨urnen Seyfried. In: Festgabe f¨ur Otto H¨ofler. Hg. v. Helmut Birkhan (Philologica Germanica 3). Wien/Stuttgart 1976, S. 704–720. – Volker-Jeske Kreyher: Der H. S. Die Deutung der Siegfriedgestalt im Sp¨atMA. Frank¨ furt/M. u. a. 1986. – Elfriede Stutz: Uber die Einheit und Einzigartigkeit der Siegfried-Gestalt. In: Helden und Heldensage. Otto Gschwantler zum 60. Geburtstag. Hg. v. Hermann Reichert/G¨unther Zimmermann (Philologica Germanica 11). Wien 1990, S. 411–430. – Claude Lecouteux: Seyfrid, Kuperan et le Dragon. Contribution a l’etude de la legende. In: Etudes Germaniques 49 (1994) S. 257–266. – Ralph Breyer: Der h¨urnen Seyfried. Die Form des Inhalts. In: Die Rezeption des Nibelungenliedes. 3. P¨ochlarner Heldenliedgespr¨ach. Hg. v. Klaus Zatloukal. Wien 1995, S. 53–65. – Claude Lecouteux: La l´egende de Siegfried d’apr`es La chanson de Seyfried a` la Peau 626
1. H¨alfte 14. Jh. de Corne et La saga de QiRrekr de V´erone. Textes pr´esent´es et trad. par Claude Lecouteux. Paris 1995. – J¨urgen Beyer/John L. Flood: Siegfried in Livland? Ein hsl. Fragm. des Liedes vom H. S. aus dem Baltikum. In: Lied und popul¨are Kultur/Song and Popular Culture. Jb. des Dt. Volksliedarchivs 45 (2000) S. 35–71. – Ralph Breyer: Der H. S. Ein Forschungsbericht. In: Sagen- und M¨archenmotive im Nibelungenlied. Dokumentation des dritten Symposiums der Nibelungenlied-Ges. und des Stadtarchivs Worms. Hg. v. Gerold B¨onnen/Volker Gall´e. Worms 22006, S. 97–120. – Gunda S. Lange: Nibelungische Intertextualit¨at. Generationenbeziehungen und genealogische Strukturen in der Heldenepik des Sp¨atMA (Trends in Medieval Philology 17). Berlin/New York 2009, darin: Das Lied vom H. S., S. 176–204. KP Konigsberger ¨ Marienklage → Band 2, Sp. 86 f. Der Rotter. ¨ Uber die sieben Freuden der Maria ist «ain liet daz der Rotter sang» erhalten, das wohl in der Mitte des 14. Jh. in Schwaben aufgezeichnet wurde (s. ¨ Uberl.) und einem obd. Autor geh¨ort. Es beginnt mit der Empf¨angnis durch St. Anna und schildert die sechste Freude, «als er dich trost / an dem ¨ o¨ sterlichen tage der g˚ute», bevor die Uberlieferung mitten in der siebten Strophe abbricht. Es ist noch nachzuweisen, dass der Dichter dieses relig¨osen Liedes dem Peter → Rotter aus dem Dichterkatalogen von Konrad → Nachtigall und Hans → Folz entspricht. ¨ Uberlieferung: Mu¨ nchen, BSB, Cgm 717, 49v–50r (Pap., 1348 [?], ostschw¨abisch). Ausgaben: Cramer 3 (1982) S. 163 f. – Philipp Wackernagel: Das dt. Kirchenlied von der a¨ltesten Zeit bis zu Anfang des 15. Jh. Bd. 2. Leipzig 1867 (Neudr. Hildesheim u. a. 1990) S. 323 f. (Nr. 486). Literatur: B[urghart] Wachinger, VL2 8 (1992) Sp. 289 f. – Karin Schneider: Die dt. Hss. der Bayerischen Staatsbibl. Mu¨ nchen (Cgm 691–867) (Catalogus codicum manu scriptorum Bibliothecae Monacensis 5). Wiesbaden 1984, S. 100–113. FA Marienwerder Marienklage → Band 2, Sp. 87. Der geistliche Streit → Band 2, Sp. 94. Spruche ¨ der zwolf ¨ Meister → Band 2, Sp. 126 f. 627
Konigsberger ¨ Marienklage Jakob von Warte. – Schweizer Liederdichter, um 1300. Die Stammburg des Thurgauer Freiherrengeschlechts, dem J. angeh¨orte, lag bei Neftenbach, westlich von Winterthur. Von den zwischen 1242 und 1331 urkundenden drei Tr¨agern dieses Namens wird allgemein der Bruder des 1309 hingerichteten M¨orders K¨onig Albrechts I., Rudolf von Warte, f¨ur den Dichter gehalten. J. besaß das Z¨urcher B¨urgerrecht, war Lehnsherr u¨ ber andere Ministeriale und stand dem Kreis um Manesse nahe. Seine Burg Wart wurde in einer Vergeltungsaktion der Habsburger zerst¨ort. Von J. sind in der → Heidelberger Liederhandschrift C vier f¨unfstrophige (I–IV) und zwei dreistrophige Lieder (V–VI) u¨ berliefert. Die formal und inhaltlich konventionellen Minnelieder (Lied I–V) – vier davon mit Natureingang – thematisieren vor allem den vergeblichen Minnedienst. Vier Lieder enthalten Anreden an die personifizierte Minne. Lied IV ist ein Tagelied (W¨achtermonolog, Frau-W¨achterDialog, Frau-Ritter-Dialog). ¨ Uberlieferung: Heidelberg, UB, Cpg 848 (→ Heidelberger Liederhs. C), 47rv (Nr. XVIII [recte 20], am Ende der vierten und Anfang der f¨unften Lage; vor → Eberhard von Sax; Schreiber Bs). Die Miniatur (Bl. 46v; vom ersten Nachtragsmaler) zeigt eine Badezene unter einem Baum. Drei Frauen (mit Blumenkranz, Kelch, die dritte ihn massierend) bem¨uhen sich um den Badenden; eine kniende Dienerin facht mit Hilfe eines Blasebalgs das Feuer unter einem Kessel an. Das am Bildrand an einem Haken aufgeh¨angte Wappenschild ist schr¨ag geviertelt (blau/silbern). Ausgaben: Karl Bartsch (Hg.): Die Schweizer Minnes¨anger (Bibl. a¨lterer Schriftwerke der dt. Schweiz 6). Frauenfeld 1886 (Nachdr. Darmstadt 1964) S. CXXXVIII–CXLVII, 247–255, 447 f. (Nr. XXII). – Die Große Heidelberger Liederhs. (Codex Manesse). In getreuem Textabdruck hg. v. Fridrich Pfaff. 2., verb. und erg. Aufl. bearb. v. Hellmut Salowsky. Heidelberg 1984, Sp. 116–121 (Nr. xviij). – Die Schweizer Minnes¨anger. Nach der Ausg. v. Karl Bartsch neu bearb. und hg. v. Max Schiendorfer. Bd. 1: Texte. T¨ubingen 1990, S. 16–24. Literatur: Richard M. Meyer, ADB 41 (1896) S. 184 f. (unter Wart). – Ehrismann 2.2.2 (1935) S. 277. – Herta Renk, NDB 10 (1974) S. 320. – De Boor/Newald 3/1 (51997) Sp. 256, 265. – G¨unther Schweikle, VL2 4 (1983) Sp. 497 f. – Claudia H¨andl, Killy2 6 (2009) S. 95. – Friedrich 628
Bremberger Grimme: Die Schweizer Minnes¨anger. In: Germania 35 (1890) S. 302–339, hier S. 327–329. – Friedrich Techen: Die Lieder des Herrn J. v. W. Diss. G¨ott. 1886. – Kaspar Hauser: Die Freiherrn von Wart (Neujahrsbl. der Stadtbibl. in Winterthur 233/234). Winterthur 1896. – Eduard Sievers: Die Klangstruktur der mhd. Tanzdichtung. In: PBB 56 (1932) S. 181–208. – Hella Fr¨uhmorgen-Voss: Bildtypen in der Manessischen Liederhs. In: Werk – Typ – Situation. Stud. zu poetologischen Bedingungen in der a¨lteren dt. Literatur. Hg. v. Ingeborg Glier u. a. Stuttgart 1969, S. 184–216. – HertaElisabeth Renk: Der Manessekreis, seine Dichter und die Manessische Hs. Stuttgart 1974, bes. S. 158 f., 209–211. – Codex Manesse. Die Miniaturen der Großen Heidelberger Liederhs. Hg. und erl. v. Ingo F. Walther unter Mitarbeit v. Gisela Siebert. Frankfurt/M. 1988 (62001) S. 41 f. (Tf. 20). – Max Schiendorfer: J. v. W. In: Die Manessische Liederhs. in Zu¨ rich. Edele frouwen – schoene man. Ausstellung, Schweizerisches Landesmuseum, Z¨urich 12. Juni – 29. September 1991. Bearb. v. Claudia Brinker/Dione Fl¨uhler-Kreis. Z¨urich 1991, S. 89–96. BJ Bremberger (auch Brennberger oder Bremberger-Ballade). – Balladenartiger Text, entstanden zwischen 1330 und 1450. Der Text berichtet von der Ermordung des Brembergers durch einen eifers¨uchtigen Ehemann. In f¨unf Strophen wird erz¨ahlt, wie der Ehemann aufgrund einer Verleumdung den Bremberger t¨oten und seiner Frau das Herz des Brembergers zum Verzehr vorsetzen l¨asst. Im Anschluss unterrichtet er sie u¨ ber die Beschaffenheit der Speise, woraufhin die Frau im Gebet trauert und zugleich ihre und Brembergers Keuschheit beteuert. Nach einem elf Tage w¨ahrenden Verzicht auf Nahrungsund Fl¨ussigkeitsaufnahme stirbt sie, was den Ehemann in die Verzweiflung treibt, so dass er sich das Leben nimmt. Die Handlung der Ballade ist eine Ausformung des ‹Herzm¨ares›, dessen bedeutendste Fassung im deutschsprachigen Raum durch → Konrad von W¨urzburg geschaffen wurde. Die komplexe Strophenform mit zw¨olf Versen im stolligen Bau wird von den Meisters¨angern als ‹Brembergers Hofton› bezeichnet und tats¨achlich ist im Œuvre → Reinmars von Brennenberg in der → Großen Heidelberger Liederhandschrift exakt jener ¨ Ton tradiert. Uber die Namens¨ahnlichkeit des Balladenprotagonisten (Bremberger) zu Reinmar von 629
1. H¨alfte 14. Jh. Brennenberg und die Strophenform ist die Identifizierung der literarischen Figur mit dem mhd. Lyriker vorgezeichnet, vom anonymen Verfasser der Ballade wohl auch intendiert (vgl. Strophe I, 2 f.: «geheissen was er Bremberger, ein edeler ritter weise. / In seinem ton, zart fraue, ich euch wol singen kan»). Auch die Miniatur der Großen Heidelberger Liederhandschrift, die den Autor als M¨artyrer der ¨ Minne zeigt, kann die Ubertragung des Herzm¨arestoffs auf Reinmar von Brennenberg gef¨ordert haben. Als Zeugen eines Zersingeprozesses sind vier weitere Balladen desselben Stoffkomplexes (der Protagonist heißt «bruinenburch», «Brandenborch», «Bremberger», «Brunenberch») anzusehen, die in wesentlich einfacheren Strophenformen (paargereimte Vierzeiler) verfasst und sehr schmal u¨ berliefert sind (A: ndl. Manuskript, um 1540, B: ndl. Druck, um 1544; C: hochdt. Druck, zweite H¨alfte 16. Jh.; D: nd. Handschrift, um 1600; Abdruck aller Textzeugen bei R¨uther 2007, S. 305–311). Im 16. Jh. entstanden zahlreiche strophische Texte im Umkreis der literarischen Figur Bremberger, die in mehr oder weniger engem Zusammenhang mit der ‹Bremberger-Ballade› stehen (Abdruck Kopp 1908; vgl. R¨uther 2007, S. 317 f.). ¨ Uberlieferung: 1) Ein hiebst lied von des brembergers end und tod. o. O. o. D. 1500. Exemplarnachweis: Erlangen, UB; Sign.: Inc. 1446a. Faks.: J¨org D¨urnhofers Liederbuch, Nr. 26. Abdruck: R¨uther 2007, S. 297–303. – 2) Ain Brenberger. o. O. o. D. o. J. Exemplarnachweis: Berlin, SBB; Sign.: Yd 7801 (50). Abdrucke: Kopp 1908, S. 43–47; R¨uther 2007, S. 296–330. – 3) Ein h¨ubsch lied von des Brembergers end vnd tod. N¨urnberg. Georg Wachter. o. J. Exemplarnachweis: Zwickau, Ratsschulbibl.; Sign.: 30. 5. 21 (8). Abdruck: Ru¨ ther 2007, S. 296–330. – 4) Ein h¨ubschs lied von des Brembergers endt vnd todt. N¨urnberg. Christoph Gutknecht. o. J. Exemplarnachweis: London, British Library, 11515. a. 50 (4). – 5) Ein h¨ubsch lied von des Brembergers end vnd tod. N¨urnberg. Valentin Neuber. o. J. Exemplarnachweis: Berlin, SBB; Sign.: Yd 8586. – 6) Ein sch¨on new Lied von ainem man. Ein anders Lied von des Brembergers endt vnd todt. o. O. o. D. o. J. Exemplarnachweis: London, British Library, Sign.: 11522. df. 17. Ausgaben: Kopp 1908 (s. Lit.) S. 43–47. – R¨uther 2007 (s. Lit.) S. 296–303. Literatur: Paul Sappler, VL2 1 (1978) Sp. 1014–1016. – Elisabeth Wunderle: B.-Ballade. 630
1. H¨alfte 14. Jh. In: Killy2 2 (2008) S. 173. – Hugo Obermaier: Der Minnes¨anger Reinmar von Brennberg (ca. 1210–1271). In: Forschungen zur Gesch. Bayerns 6 (1898) Kleinere Mitt., S. 1–7. – BrembergerGedichte. Ein Beitr. zur Brembergersage von Arthur Kopp (Quellen und Forschungen zur dt. Volkskunde 2). Wien 1908. – Fritz Rostock: Mhd. Dichterheldensage (Hermaea 15). Halle/S. 1925, bes. S. 16–18. – Hermann Schneider: Ursprung und Alter der dt. Volksballade. In: Vom Werden des dt. Geistes. Festgabe Gustav Ehrismann zum 8. Oktober 1925 dargebracht von Freunden und Sch¨ulern. Hg. v. Paul Merker/Wolfgang Stammler. Berlin 1925, S. 112–124. – Dt. Volkslieder. Balladen. Unter Mitarbeit von Harry Schewe und Erich Seemann gemeinsam mit Wilhelm Heiske und Fred Quellmalz hg. v. John Meier. Erster Tl. (Dt. Volkslieder mit ihren Melodien 1). Berlin 1935, S. 161–170. – J. Meier: Drei alte dt. Balladen. In: Jb. f¨ur das Volkslied 4 (1934) S. 56–65. – Das K¨onigsteiner Liederbuch. Ms. germ. qu. 719 Berlin. Hg. v. P. Sappler (MTU 29). M¨unchen 1970, S. 221 f. – Horst Brunner: Die Melodie¨uberl. von Reinmars von Brennenberg Ton IV (Hofton). Zum Neufund in Engelberg Cod. 314. In: Litterae ignotae. Beitr. zur Textgesch. des dt. MA: Neufunde und Neuinterpretationen. Im Auftrag des Herausgeber-Gremiums gesammelt v. Ulrich M¨uller (Litterae 50). G¨oppingen 1977, S. 33–38. – Albert Gier: Herzm¨are. In: EM 6 (1990) Sp. 933–939. – J¨org D¨urnhofers Liederbuch (um 1515). Faks. des Lieddruck-Sammelbandes Inc. 1446a der UB Erlangen. Mit Nachw. und Komm. v. Frieder Schanze (Fortuna vitrea 11). T¨ubingen 1993, S. 22 f., Nr. 26. – Heinz Kischkel: Bemerkungen zu Reinmar von Brennenberg. In: Arch. f¨ur das Studium der neueren Sprachen und Literaturen 231 (1994) S. 359–369. – RSM 1 (1994) Druckbibliogaphie, Nr. 22, 155. – Regesten dt. Minnes¨anger des 12. und 13. Jh. Hg. v. Uwe Meves unter Mitarbeit von Cord Meyer und Janina Drostel. Berlin/New York 2005, S. 783–797. – Hanno R¨uther: Der Mythos von den Minnes¨angern. Die Entstehung der Moringer-, Tannh¨auser- und Bremberger-Ballade (Pictura et poesis 23). K¨oln/Weimar/Wien 2007, S. 267–320. HR Jenaer Liederhandschrift. – Mitteldt. Sangspruchhandschrift, im Grundstock um 1330. Die J. L. (J) ist erstmals unzweideutig greifbar im Katalog der Wittenberger Schloss- bzw. Universit¨atsbibliothek von 1543–46. An Anfang und Ende 631
Jenaer Liederhandschrift besch¨adigt, erhielt sie einen neuen Einband durch den Buchbinder Wolfgang Schreiber, der zwischen 1536 und 1541 in Wittenberg arbeitete. In die Bibliothek der Wettiner gingen a¨ ltere f¨urstliche Best¨ande, aber auch frisch sequestriertes Klostergut ein. Eine nur noch fragmentarisch erhaltene Epenhandschrift, die wohl dem gleichen Skriptorium entstammt wie J, wurde 1540/43 im Raum Arnstadt makuliert. 1549 gelangte J mit der kurf¨urstlichen Bibliothek nach Jena. Im Laufe der Jahrhunderte befassten sich u. a. Herder und Goethe mit ihr. Erst seit ihrer Katalogisierung 1986 tr¨agt J die Signatur Ms. El. f. 101. Nach restauratorisch letzten Endes unzureichenden Maßnahmen (1954) wurde die Hs. 2007 unter modernen Gesichtspunkten restauriert und volldigitalisiert. Sie umfasst heute 133 Bl¨atter; hinzu tritt ein ausgel¨ostes Blatt (heute in der Studienbibliothek Dillingen). J hat die beachtliche Gr¨oße von ca. 82 x 56 cm. Sie ist in einem Skriptorium entstanden, das sich auf großformatige, liturgische Handschriften verstand. Der Grundbestand stammt von nur einem Schreiber. Sprachliche Analysen deuteten auf den ostmitteldt., zuletzt auch auf den nd.-ostmitteldt. Interferenzraum und die Altmark als Entstehungsort. Lange hat man den in Wittenberg residierenden Askanier Rudolf I. von Sachsen (1298–1356) hinter der Handschrift vermutet. Dazu passte die Identifizierung mit einem der «libri magni» im Katalog der Wittenberger Schlosskapelle (1437). Neuerdings richtet sich die Aufmerksamkeit auf den dt. Gegenk¨onig G¨unther XXI. von Schwarzburg (1303–1349), auf dessen Territorium die Epenhs. makuliert wurde und der J in Diensten Kaiser Ludwigs des Bayern (ab 1330) erhalten haben k¨onnte. Alle Schl¨usse aus dem Aufbewahrungsort Wittenberg bleiben daher ebenso problematisch wie die schreibsprachlichen Argumente. Unstrittig bleibt ein finanzstarkes, h¨ofisches Publikum. J ist, trotz seiner Verluste, die bedeutendste Handschrift mit Sangspruchdichtung des 13. Jh. Sie umfasst heute 30 Corpora, die nach Tonautoren und To¨ nen angeordnet sind, zu denen sie 89 erhaltene Melodien bietet. Strophen, die auf den Ton eines anderen Meisters gedichtet wurden, sind dem Corpus des Tonautors zugeordnet. Im Regelfall sind Ton- und Textautor jedoch noch identisch. Einem Grundstock von 820 Strophen wurden nachtr¨aglich 63 Spr¨uche am Blattrand zugef¨ugt. Die umfangreichsten Corpora geh¨oren zwei md. Dichtern zu: dem → Meißner (noch 128 632
Jenaer Liederhandschrift Str.) und → Rumelant von Sachsen (noch 105). Vom mitteldt. → Wartburgkrieg sind ebenfalls noch 119 Str. (plus 11 in Dillingen) erhalten. Das Corpus des wohl j¨ungsten Dichters im Grundstock, → Frauenlob (gest. um 1319), hatte zun¨achst einen Bestand von mindestens 55 Str., wurde aber durch Nachtr¨age um 33 Str. vermehrt. Corpora von mittlerem Umfang finden sich f¨ur Meister → Stolle (total 40 Str.), Bruder → Wernher (total 67), → Friedrich von Sonnenburg (total 63), den Wilden → Alexander (41 und Leich) sowie die norddt. → Hermann Damen (39 und Leich) und → Wizlav von R¨ugen, dessen Corpus (47 Str.) auf einer eigenen Lage nachtr¨aglich eingef¨ugt wurde. Daneben stehen etliche Minores wie Meister → Kelin (26), der → Unverzagte (22), → Fegfeuer (14), → Spervogel (13) und der → Henneberger (11) sowie einige Minimi wie → Robin (2), Meister → Rudinger (3), der → Urenheimer (3), → Singauf (6), → Reinolt von der Lippe (6) und der → Guter (3), f¨ur deren Kenntnis J die Haupt- bzw. einzige Quelle ist. Ob J einmal von einem → WaltherŒuvre er¨offnet wurde, l¨asst sich aus der Spitzenstellung der (fragmentarischen) Leich-Kontrafaktur nicht ableiten. Grunds¨atzlich ist J als eine planvoll angelegte Hs. anzusprechen, die im Vergleich mit der Manessischen oder der → Kolmarer Liederhandschrift wenig Spielraum f¨ur Einsch¨ube und Umstellungen bot. Mit der 2007 in Jena vorgenommenen Pr¨asentation von Fragmenten aus dem ‹Umfeld› von J o¨ ffnete sich der Blick f¨ur die kleineren Corpora, die zwar nicht als unmittelbare Vorlagen, wohl aber als Repr¨asentanten mit J gemeinsamer Traditionen (u. a. der Texteinrichtung) im mitteldt.-nd. Raum angesprochen werden k¨onnen. Ausgaben: Die J. L. [Lichtdruckausg. in Originalgr¨oße]. Mit einem Vorber. v. Karl Konrad M¨uller. Jena 1896. – Die J. L. Getreuer Abdruck des Textes, besorgt v. Georg Holz. Leipzig 1901. – ¨ Die J. L. Ubertragung, Rhythmik und Melodik. Bearb. v. Eduard Bernoulli und Franz Saran. Leipzig 1901. – Die J. L. Faksimile-Ausg. ihrer Melodien. Hg. v. Friedrich Gennrich. Langen bei Frankfurt 1963. – Die J. L. In Abbildung hg. v. Helmut Tervooren und Ulrich M¨uller. G¨oppingen 1972. – [Digitales Faksimile]: http://www.urmeldl.de/SonstigeProjekte/Jenaer Liederhandschrift. html. Literatur: Ursula Aarburg, MGG1 6 (1957) Sp. 1868–1872. – Burghart Wachinger, VL2 4 633
1. H¨alfte 14. Jh. (1983) Sp. 512–516. – Lorenz Welker, MGG2 Sachteil 4 (1996) Sp. 1455–1460. – Gisela Kornrumpf, Killy2 6 (2009) S. 133–135. – Karl Bartsch: Unters. zur J. L. Leipzig 1923. – Carl Georg Brandis: Zur Entstehung und Gesch. der J. L. In: Zs. f¨ur B¨ucherfreunde 21 (1929) S. 108–111. – Erwin Schneider: Spruchdichtung und Spruchdichter in den Hss. J und C. In: ZfdPh 66 (1941) S. 16–36. – Helmut Tervooren: Einzelstrophe oder Strophenbindung? Unters. zur Lyrik der Jenaer Hs. Diss. Bonn 1967. – Ders.: Doppelfassungen bei Spervogel (Zugleich ein Beitr. zur Kenntnis der Hs. J). In: ZfdA 99 (1970) S. 163–178. – Erdmute Pickerodt-Uthleb: Die J. L. Metrische und musikalische Unters. G¨oppingen 1975. – Georg Objartel: Der Meißner der J. L. Berlin 1977. – Wolfgang Sch¨utz: ‹Ein Aldt Meister GesangBuch [!] auff Pergamen›. In: Reicht¨umer und Rarit¨aten. II. Jena 1981, S. 93–101. – Burghart Wachinger: Der Anfang der J. L. In: ZfdA 110 (1981) S. 299–306. – Cyril Edwards: Zur Rezeption Bruder Wernhers in der J. L. In: Zur dt. Lit. und Sprache des 14. Jh. Hg. v. W. Haug u. a. Heidelberg 1983, S. 305–319. – Peter Kern: Entaktualisierung in der J. L.? In: ZfdPh 104 (1985) (Sonderheft), S. 157–166. – B. Wachinger: Von der Jenaer zur Weimarer L. In: Philologie als Kulturwiss. FS Karl Stackmann. Hg. v. L. Grenzmann u. a. G¨ottingen 1987, S. 193–207. – ¨ G. Kornrumpf: Konturen der Frauenlob-Uberl. In: Wolfram-Stud. X (1988) S. 26–50. – Klaus Klein/ Helmut Lomnitzer: Ein wiedergefundenes Blatt aus dem ‹Wartburgkrieg›-Teil der J. L. In: PBB 117 (1995) S. 381–403. – Heinz Endermann: Johann Gottfried Herder als Benutzer der J. L. In: Beitr. zur Gesch. der Lit. in Th¨uringen. Hg. v. D. Ignasiak. Jena/Rudolstadt 1995, S. 25–42. – Ders.: Tirolisches in der J. L. In: Lit. und Sprachkultur. Hg. v. Johann Holzner u. a. Innsbruck 1997, S. 165–173. – Robert Lug: Drei Quadratnotationen in der J. L. In: Die Musikforschung 53 (2000) S. 4–40. – Bernhard Gr¨obler: Liqueszenzgraphien (Pliken) in der J. L. In: Jb. f¨ur Gregorianik 39 (2005) S. 59–66. – Christoph M¨arz/Lorenz Wel¨ ker: Uberlegungen zur Funktion und zu den musikalischen Formungen der J. L. In: Sangspruchdichtung. Hg. v. Dorothea Klein. T¨ubingen 2007, S. 129–152. – G. Kornrumpf: Vom Codex Manesse zur Kolmarer Ls. T¨ubingen 2008. – Joachim Ott: Zur Internetpr¨asentation ‹Die J. L.› (ThULB Jena, Ms. El. f. 101; Sigle J). In: ZfdA 138 (2009) S. 418 f. – Luise Czajkowski: Die Sprache der J. L. 634
1. H¨alfte 14. Jh. In: Die J. L. Codex – Gesch. – Umfeld. Hg. v. Jens Haustein/Franz K¨orndle. Berlin/New York 2010, S. 29–38. – G. Kornrumpf: Der Grundstock der J. L. und seine Erweiterung durch Randnachtr¨age. In: ebd., S. 39–80. – Johannes Rettelbach: Die Bauformen der T¨one in der J. und der Kolmarer L. im Vergleich. In: ebd., S. 81–98. – Franz K¨orndle: Die J. L. und das Basler Fragm. In: ebd., S. 121–136. – Lorenz Welker: Die J. L. im Kontext großformatiger liturgischer B¨ucher des 14. Jh. aus dem dt. Sprachraum. In: ebd., S. 137–148. – J¨urgen Wolf: J und der Norden. In: ebd., S. 149–162. – Ch. Fasbender: Die J. L. und ihr Umfeld im 16. Jh. Mit einem R¨uckblick auf das 15. Jh. In: ebd., S. 163–180. – Jens Haustein: J und seine Editionen. In: ebd., S. 205–236. – J. Ott: Zur Verwahrund Benutzungsgeschichte der J. L. in Jena. In: ebd., S. 237–250. – Klaus Klein: Die J. L. und ihr Umfeld. In: ebd., S. 251–258. – Weitere Lit. unter den Autorennamen. CF Rost, Kirchherr zu Sarnen (auch: Heinrich der Rost), † 21.12.1330. – Minnes¨anger. Der aus dem gleichnamigen Zu¨ rcher Adelsgeschlecht stammende R. ist zwischen 1313 und 1330 im Umkreis der Fu¨ rst¨abtissin Elisabeth von Zu¨ rich belegt. Er war Kirchherr in Sarnen, sp¨atestens seit 1321 bis zu seinem Tod Chorherr am Fraum¨unster in Z¨urich, dessen Anniversar den 21.12.1330 als R.s Todestag verzeichnet. Die → Heidelberger Liederhandschrift C u¨ berliefert unter dem Namen R.s neun dreistrophige Minnelieder, die sowohl stilistisch als auch inhaltlich konventionell sind. Zwei Lieder weisen Refrains auf; in f¨unf Liedern kommt ein Natureingang vor. Lied VIII bietet eine Pfandmetaphorik («Ich hˆan versetzet, daz mich fr¨oiden letzet, / sinne herze und dˆa bˆı muot ze pfande», V. 10 f.) ¨ Uberlieferung: Heidelberg, UB, Cpg 848 (→ Heidelberger Liederhs. C), 285r–286v (Schreiber Fs). Die Miniatur (vom ersten Nachtragsmaler) zeigt einen Kleriker, kniend vor der angebeteten Dame, die ihm mit einer Tracht Pr¨ugel droht, weil er ihr entbl¨oßtes Bein ber¨uhrt. Mit dem Webe¨ rost wird der S¨angernamen illustriert. Uberschrift: «Rost kilchherre ze Same»; 285v von anderer Hand die Marginalie «her heinrich der Rˆost schriber». Ausgaben: HMS 2 (1838) S. 131–134; 3 (1838) 678 b (Text); 4 (1838) 443–445 (Komm.). – Cramer 3 (1982) S. 151–158 (Text), 548–550 (Komm.). – Karl Bartsch (Hg.): Die Schweizer Minnes¨anger 635
Rost, Kirchherr zu Sarnen (Bibl. a¨lterer Schriftwerke der dt. Schweiz 6). Frauenfeld 1886 (Nachdr. Darmstadt 1964) S. CCXVI–CCXX, 392–402, 470 f. (Nr. XXXII, zit.). – Gedichte von den Anf¨angen bis 1300. Nach den Hss. in zeitlicher Folge hg. v. Werner H¨over/Eva Willms (Epochen der dt. Lyrik 2). M¨unchen 1972 (Nachdr. [Dt. Lyrik von den Anf¨angen bis zur Gegenwart 2] ebd. 2001) S. 52 f. – Die Große Heidelberger Liederhs. (Codex Manesse). In getreuem Textabdruck hg. v. Fridrich Pfaff [1909]. 2., verb. und erg. Aufl. bearb. v. Hellmut Salowsky. Heidelberg 1984, Sp. 947–953 (Nr. lxxxij). – Die Schweizer Minnes¨anger. Bd. 1: Texte. Nach der Ausg. v. Karl Bartsch neu bearb. v. Max Schiendorfer. T¨ubingen 1990, S. 256–265. Literatur: [Konrad] Burdach, ADB 29 (1889) S. 271 f. – Max Schiendorfer, VL2 8 (1992) Sp. 249–251. – Sandra Linden, Killy2 10 (2011) S. 27. – Andreas Meyer, HLS 10 (2011) S. 464. – Anton Wallner: Herren und Spielleute im Heidelberger Liedercodex. In: PBB 33 (1908) S. 483–540, hier S. 507. – Erich Stange: Die Miniaturen der Manessischen Liederhs. und ihr Kunstkreis. Greifswald 1909. – Ders.: Manesse-Codex und RosenRoman. In: Anz. f¨ur schweizerische Altertumskunde NF 11 (1909) S. 318–329. – Richard Stettiner: Das Webebild der Manesse-Hs. und seine angebliche Vorlage. Berlin/Stuttgart 1911. – Caspar Diethelm: H. R., der Minnes¨anger. In: St. Wiborada. Ein Jb. f¨ur B¨ucherfreunde 5 (1938) S. 69–71. – Hella Fr¨uhmorgen-Voss: Bildtypen in der Manessischen Liederhs. (1969). In: Der dt. Minnesang. Aufs¨atze zu seiner Erforschung. Hg. v. Hans Fromm. Bd. 2 (WdF 608). Darmstadt 1985, S. 77–114, hier S. 96. – Codex Manesse. Die Miniaturen der Großen Heidelberger Liederhs. Hg. und erl. v. Ingo F. Walther unter Mitarbeit v. Gisela Siebert. Frankfurt/M. 1988 (62001) S. 192 f. (Tf. 94). – M. Schiendorfer: Heinrich R., Kirchherr zu Sarnen, Zu¨ rcher Abteischreiber und Minnes¨anger. Eine kunstgeschichtliche und historisch-biographische Spurenlese. In: ‹Sˆo wold ich in fr¨oiden singen›. FS Anthonius H. Touber. Hg. v. Carla Dauven-van Knippenberg/Helmut Birkhan (AB¨aG 43/44). Amsterdam/Atlanta, GA 1995, S. 409–432. BJ Gerlach von Limburg (Gerlach II. [nach abweichender Z¨ahlung: III.]), * um 1280 Limburg, 636
Nabuchodonosor (Balthasar) † 14.4.1335 Limburg. – Dichter ohne u¨ berliefertes Werk. G. u¨ bernahm nach dem Tod seines Vaters Johann I. von Limburg die Herrschaft Limburg und gr¨undete das dortige Wilhelmitenkloster. 1322 wurde er kurtrierischer Burgmann auf Burg Montabaur. Auch war er involviert in die mittelrheinischen Landfriedensb¨undnisse von 1331/38. In der Limburger Chronik des Tileman → Elhen von Wolfhagen wird der «dugentliche edil herre» G. als der «klugeste dichter von Duschen unde von Latinischen, als einer sin mochte in allen Duschen landen» bezeichnet (MGH Dt. Chron. 4/1, S. 27). Leider sind keine Texte von G. u¨ berkommen. Im ersten Anhang der Chronik werden G.s gleichnamigen Sohn ebenfalls literarische Ambitionen attestiert, wenngleich auch nur ein Gedicht genannt wird: von korzen kleidern und von lange hosennesteln, das die komen solten (ebd., S. 101). Literatur: Wilhelm Crecelius, ADB 9 (1879) S. 5 (G. I.–IV., Herren v. L.). – Peter Johanek, VL2 (1980) Sp. 1260 f. – Die Limburger Chron. des Tileman Elhen v. Wolfhagen (MGH Dt. Chron. 4/1). Hg. v. Arthur Wyss. Hannover 1883 (Neudr. Mu¨ nchen 1993) S. 27, 41, 101. – Leo Sternberg: Limburg und das dt. Schrifttum. In: Zs. f¨ur Deutschkunde 36 (1922) S. 14–23, hier S. 15. – Jakob H¨ohler: Gesch. der Stadt Limburg an der Lahn. Limburg 1935, S. 26–28. – Wolf-Heino Struck: Das Georgenstift in Limburg und die hist. Kr¨afte des Limburger Raumes im MA. In: Nassauische Annalen (1951) S. 36–66, hier S. 60–62. – Eugen Stille: Limburg an der Lahn und seine Gesch. Ein ¨ Uberblick. Kassel 1971, S. 52–55, 71, 84. – Karl Ernst Demandt: Gesch. des Landes Hessen. Kassel/Basel 21972, S. 437 f. – Otto Renkhoff: Nassauische Biogr. Kurzbiogr. aus 13 Jh. Nassau 21992, S. 466. VZ Dies est laetitiae in ortu regali → Band 2, Sp. 219–221. Nabuchodonosor (Balthasar). – Meisterlied, zweites Viertel 14. Jh. (?). In Handschriften und Drucken sind zwei anonyme Fassungen dieses dreistrophigen Bars u¨ berliefert. Beide sind in der → Regenbogen zugeschriebenen Briefweise abgefasst (RSM 1 Reg/1/100) und haben nur die erste Strophe gemeinsam. Eine Datierung des Meisterlieds ist nur 637
1. H¨alfte 14. Jh. ann¨ahernd m¨oglich. Regenbogen lebte bis mindestens 1312; seine Briefweise erscheint dann in der bis 1330/40 fertiggestellten → Heidelberger Liederhandschrift C. Das N.-Bar selbst ist zuerst in cpg 350 ¨ (s. Uberlieferung) erhalten. Aufgrund dieser Anhaltspunkte kann eine Entstehung des N. im zweiten Viertel des 13. Jh. vermutet werden. Die a¨ ltere Fassung des Lieds findet sich in den Handschriften H1, H2, k und einem Druck. Im Mittelpunkt steht N.s Sohn Evilmerodach, der in k und im Druck als Balthasar bezeichnet wird. Er f¨urchtet nach dem Tod seines Vaters, N. k¨onne ins Leben zur¨uckkehren. Um dies zu verhindern, l¨asst Evilmerodach die Leiche N.s zerteilen und den Geiern vorwerfen. Nach dem Erz¨ahlen dieser u. a. bei Hieronymus (PL 24, 1845, Sp. 162) erw¨ahnten Sage in der ers¨ ten Strophe entwickelt die zweite Strophe Uberlegungen u¨ ber das angemessene Verhalten von Kindern gegen¨uber ihren V¨atern. Die dritte Strophe enth¨alt eine an F¨ursten gerichtete Mahnung, die eigene Verg¨anglichkeit nicht zu vergessen. Die in Handschrift S u¨ berlieferte j¨ungere Fassung des Bars kombiniert die erste Strophe der a¨ lteren Fassung mit zwei neuen Strophen. Darin wird zun¨achst die aus Dan 5 bekannte Szene erz¨ahlt, in der N. eine Schrift an der Wand erscheint. Passend zu dieser Szene warnt die j¨ungere N.-Fassung die F¨ursten abschließend vor Gottesfrevel. Das hier behandelte Bar ist nicht zu verwechseln ¨ mit der Behandlung des N.-Stoffs in der → Alteren Judith (Vorauer Sammelhandschrift). ¨ Uberlieferung: H1: Heidelberg, UB, Cpg 350, 45v (Perg., I: um 1300; II+III: zweites Viertel 14. Jh.). – H2: Ebd., Cpg 109, 94r–95r (Pap., 1516–27, ostschw¨abisch-nordbair.; darin eingeschoben Bl. 114v–116v: nd.). – k: M¨unchen, BSB, Cgm 4997 (→ Kolmarer Liederhs.), 245v, 287v–288r (Pap., um 1460). – S: Straßburg, National- und Universit¨atsbibl., Ms. 1995 (fr¨uher L germ. 78.4°), 85r–86r (Pap., 1428, rheinfr¨ankisch). Druck: Ein hubsch lied vom k¨unig Nabuchodonosor. [Augsburg: Hans Froschauer, um 1515]. Ausgaben: HMS 3 (1838) S. 344 (unter Regenbogen), 468i (nach dem Druck). – Karl Bartsch: Beitr. zur Quellenkunde der altdt. Lit. Straßburg 1886, S. 342 f. – Mhd. Spruchdichtung, fr¨uher Meistersang. Der Codex Palatinus Germanicus 350 der UB Heidelberg 3: Beschreibung der Hs. und Transkription. Hg. v. G¨unter und Gisela Kochend¨orfer. Wiesbaden 1974, S. 92. 638
1. H¨alfte 14. Jh. Literatur: Volker Mertens, VL2 6 (1987) Sp. 841. – RSM 1 (1994) S. 413 u. o¨ . (Reg.). – Hedwig Biebricher: Zur Metrik der Gedichte ‹Memento mori›, ‹Ezzos Gesang› und N. Diss. Frankfurt a. M. 1925. – Frieder Schanze: Meisterliche Liedkunst zwischen Heinrich von Mu¨ geln und Hans Sachs 1 (MTU 82). Mu¨ nchen/Z¨urich 1983, S. 82–84; Bd. 2, 1984, S. 281 (Nr. 107). – Angelika Gross: Escopart et N. Deux Prototypes de l’Homme Sauvage M´edi´eval. In: Europ¨aische Literaturen im MA. FS Wolfgang Spiewok. Hg. v. Danielle Buschinger. Greifswald 1994, S. 185–194. MM Michael de Leone → Band 3, Sp. 355–357. ¨ Herzog Otto von Osterreich, * 1301, † 17.12.1339. – F¨orderer der (Schwank-)Literatur, Lieddichter (?). O. erscheint im Namenskatalog verstorbener T¨oneerfinder und Dichter Konrad → Nachtigalls (RSM: 1NachtK/5/2), in der mit Nachtigall eng verwandten Liste bei Hans → Folz (1Folz/82; hier nur: «hertzog Ot») und im auf Nachtigall beruhenden Prosakatalog des Valentin Voigt aus der Mitte des 16. Jh. Mit Sicherheit ist hier der Habsburger O. der Fr¨ohliche gemeint sein, Sohn K¨onig Albrechts I. Als Herr des Neithart Fuchs (→ Neidhart) und des Pfarrers von Kahlenberg (Philipp → Frankfurter) ist O. in der Literaturgeschichte pr¨asent. Auch O.s Gr¨undung einer Kreuzrittergesellschaft («Societas templois», 1337) nach dem Vorbild der Gralsritter der Artusepik k¨onnte als Zeugnis seines literarischen Interesses bewertet werden. Dass allerdings O. selbst gedichtet h¨atte, ist anderweitig nicht belegt, was eigene Dichtungen O.s wiedrum nicht zwingend ausschließt: Vom gleichsam bei Nachtigall und Folz als Dich¨ ter genannten Herzog → Leopold von Osterreich sind bis auf zwei Verse auch keine Texte erhalten. Sollte O. nun aber tats¨achlich nicht gedichtet haben, k¨onnte die falsche Einsch¨atzung auf einem Missverst¨andnis beruhen. In einem Winterlied Neidharts (R 18; HW 85,6; WL 29), das noch im 15. Jh. tradiert wurde, heißt es mit Bezug auf Her¨ zog Friedrich II. von Osterreich: «wer singet uns [...] niuwiu minneliet». Sollte Neithart Fuchs dieses Lied in den Mund gelegt worden sein, w¨are eine irrt¨umlicher Bezug auf O. vorstellbar (im Neidhart Fuchs ist der Text allerdings nicht enthalten). Literatur: Horst Brunner, VL2 7 (1989) Sp. 228 f. – Georg Scheibelreiter, Lex MA 639
Michael de Leone 6 (1993) Sp. 1578 f. – De Boor/Newald 4/1 (21994) Reg. – G. Scheibelreiter, NDB 19 (1999) S. 690 f. – Elise Walter: Verluste auf dem Gebiet der mhd. Lyrik (T¨ubinger germanistische Arbeiten 17). Stuttgart 1933, S. 27 f. – Erhard J¨ost: Bauernfeindlichkeit. Die Historien des Ritters Neidhart Fuchs (GAG 192). G¨oppingen 1976, S. 38–45. – H. Brunner: Dichter ohne Werk. Zu einer u¨ berlieferungsbedingten Grenze ma. Literaturgesch. (Mit einem Textanhang: Die Dichterkat. des Konrad Nachtigall, des Valentin Voigt ¨ und des Hans Folz). In: Uberlieferungsgeschichtliche Editionen und Stud. zur dt. Lit. des MA. FS Kurt Ruh (TTG 31). Hg. v. Konrad Kunze u. a. T¨ubingen 1989, S. 1–31 (wieder in: H. Brunner: Ann¨aherungen. Stud. zur dt. Lit. des MA und der Fr¨uhen Neuzeit [Phil.Stud.u.Qu. 210]. Berlin 2008, S. 291–303). – Eva Wodarz-Eichner: Narrenweisheit im Priestergewand. Zur Interpretation des sp¨atma. Schwankromans ‹Die geschicht und histori des pfaffen von Kalenberg› (Kulturgeschichtliche Forschungen 27). M¨unchen 2007, bes. S. 85–92 u. o¨ . VZ Lupold von Bebenburg → Band 3, Sp. 357–359. Gebet an den Heiligen Geist → Band 2, Sp. 230 f. Tougenhort → Band 2, Sp. 242 f. Offenbach, Heinrich (H. O. von Isny). – Auftraggeber und/oder Besitzer einer Liederhandschrift, ¨ Ubersetzer, Bisch¨oflicher (Proto-)Notar, 14. Jh. In einem Zusatz zur Zimmerischen Chronik (1565/66) wird von einer verlorenen Konstanzer Liederhandschrift («Liederhandschrift X», um 1340) berichtet und deren Autorenverzeichnis wiedergegeben. Hier findet auch ein «herr Hainrich» Erw¨ahnung, der als «secretari» des Bischofs Nikolaus von Konstanz bezeichnet wird. Dieser H. sei «gleichfals mit den deutschen lieder und ger¨uempten gedichten umbgangen» (zitiert nach Barack [s. Lit.]). Mit großer Wahrscheinlichkeit ist dieser «secretari» mit dem Konstanzer Kanonikus H. O. von Isny zu identifizieren. Als Notar Bischofs Nikolaus von Frauenfeld (im Amt 1334–44) u¨ bersetzte O. die Konstanzer Mu¨ nzordnung von 1240 aus dem Lateinischen ins Deutsche. Sp¨ater diente er Bischof Ulrich Pfefferhard als Protonotar. Er u¨ berbrachte 640
Johann von Ringgenberg die Nachricht vom Tod Kaiser Ludwigs IV. nach Avignon und bem¨uhte sich dort um eine Domherrenpfr¨unde. Das genaue Verh¨altnis O.s zur «Liederhandschrift X» ist unklar. Die Formulierung in der Zimmerischen Chronik k¨onnte auf einen Besitzeintrag in der Handschrift rekurrieren. Nicht auszuschließen ist, dass O. deren Auftraggeber war. Unwahrscheinlich hingegen ist, dass er selbst Dichter oder bloss der Schreiber der Handschrift war. ¨ Uberlieferung: Zimmerische Chron.: Stuttgart, LB, Cod. Donaueschingen 580a/b (2 Bde.) hier: Bd. 2 (b) S. 1488. – Mu¨ nzordnung: Konstanz, Stadtarch, Der Statt m´untzb˚uch, Bl. 1. Ausgabe: (M¨unzordnung) Julius Cahn: M¨unzund Geldgesch. von Konstanz und des Bodenseegebietes im MA bis zum Reichsm¨unzgesetz von 1559. Heidelberg 1911, S. 387–389. Literatur: Frieder Schanze, VL2 7 (1989) Sp. 22 f. – HMS 4 (1838) S. 237 mit Anm. 6, 463 Anm. 8, 883. – Karl August Barack (Hg.): Zimmerische Chron. Bd. 2. Freiburg i. Br./T¨ubingen 21881, S. 193 f. – Fritz Grimme: Die Gesch. der Minnesinger. Bd. 1: Die rheinisch-schw¨abischen Minnesinger. Paderborn 1897, S. 219–221, 302 f. – Regesta episcoporum Constantiensium. Regesten zur Gesch. der Bisch¨ofe v. Konstanz, v. Bubulcus bis Thomas Berlower (517–1496). Bd. 2: 1293–1383. Bearb. v. Alexander Cartellieri. Innsbruck 1905, Reg. – Cahn (s. Ausg.) S. 172. – Elise Walter: Verluste auf dem Gebiet der mhd. Lyrik (T¨ubinger germanistische Arbeiten 17). Stuttgart 1933, S. 69–74. – Volker Mertens: Peter v. Aarberg, Minnes¨anger. In: ZfdA 101 (1972) S. 344–357, hier S. 345 f. – F. Schanze: Zur Liederhs. X. In: Dt. Hss. 1100–1400. Oxforder Kolloquium 1985. Hg. v. Volker Honemann/ Nigel F. Palmer. T¨ubingen 1988, S. 316–329. – Andreas Bihrer: Ein B¨urger als Bischof von Konstanz? Ulrich Pfefferhard (1345–1351), sein Hof und seine Stadt. In: Fu¨ rstenh¨ofe und ihre Außenwelt: Aspekte gesellschaftlicher und kultureller Identit¨at im dt. Sp¨atMA. FS Josef Fleckenstein. Hg. v. Thomas Zotz (Identit¨aten und Alterit¨aten 16). W¨urzburg 2004, S. 201–216, hier S. 210. – Ders.: Der Konstanzer Bischofshof im 14. Jh. Herrschaftliche, soziale und kommunikative Aspekte (Residenzforschung 18). Ostfildern 2005, S. 176, 478 f., 505. – Ders.: Repr¨asentationen adelig-h¨ofischen Wissens – ein Tummelplatz f¨ur Aufsteiger, 641
1. H¨alfte 14. Jh. Außenseiter und Verlierer. Bemerkungen zum geringen gesellschaftlichen Stellenwert h¨ofischer Lit. im sp¨aten MA. In: Kulturtopographie des deutschsprachigen S¨udwestens im sp¨ateren MA. Stud. und Texte. Hg. v. Barbara Fleith/Ren´e Wetzel (Kulturtopographie des alemannischen Raums 1). Tu¨ bingen 2009, S. 215–228, hier S. 219, 221 f. VZ Seckauer Cantionale → Band 2, Sp. 270 f. Johann von Ringgenberg (Rinkenberg). – Sangspruchdichter, Ende 13./erste H¨alfte 14. Jh. Unter J.s Namen u¨ berliefert die → Heidelberger Liederhandschrift C 17 Spruchstrophen eines Tons. Deren adliger Gelegenheitsdichter k¨onnte mit dem 1291–1350 bezeugten Johannes I. von Ringgenberg identisch sein. Familiensitz der Freiherren von Ringgenberg war eine Burg am n¨ordlichen Ufer des Brienzer Sees im Kanton Bern. Als Vogt von Brienz war J. ein kleiner Territorialherr im Berner Oberland, der sich den Habsburgern und der aufkommenden Hegemonialmacht Bern zu widersetzen suchte. Er schloss 1308 mit Bern einen gegen die Habsburger gerichteten Burgrechtsvertrag ab. 1315, nachdem Bern eine vorherrschende Stellung im Oberland erlangt hatte, trat J. in den Dienst des sp¨ateren Kaisers Ludwig des Bayern. Sollte Johannes I. der Urheber der Strophen in C sein, m¨usste er diese als relativ junger Mann verfasst haben. Dass Ulrich → Boner ihm seine Fabelsammlung Der Edelstein gewidmet hat, bezeugt J.s literarische Aufgeschlossenheit auch unabh¨angig von den Spr¨uchen in C. Die in C u¨ berlieferten Sangspr¨uche sind oft ¨ paarweise zugeordnet und auch durch Ahnlichkeiten bei den Formulierungen vielfach verkn¨upft. Ihr Gegenstand sind zumeist allgemeine Tugenden (wie «triuwe», «maze» oder «milte») und Maximen, vor deren Missachtung J. warnt. Seine Argumentation steht dabei zumeist auf einer geistlichen Grundlage. Die Strophe 4 ist ein Sch¨opfungspreis, der sich an den Prolog des Willehalm → Wolframs von Eschenbach anlehnt, auf den im Corpus ein Marienlob folgt. Die Strophen 10–12 sind Frauenpreise. J. ist literarisch gebildet, was sich an seinem souver¨anen Umgang mit traditionellen Stilmitteln, Motiven und Aussagemustern erweist. Dadurch geraten seine Dichtungen aber auch durchweg konventionell und lassen eine perso¨ nliche Note vermissen. Das Schema von J.s Ton a¨hnelt dem von → Regenbogens «Langem Ton» (RSM: 1Regb/4). ¨ Uberlieferung: Heidelberg, UB, Cpg 848 (C) 190v–192vb (Perg., um 1300, alemannisch). Die 642
1. H¨alfte 14. Jh. Miniatur zeigt H. beim Schwertkampf. Keine Bild¨uberschrift, Corpusu¨ berschrift: «Johans von Ringgenberg». Ausgabe: HMS 1 (1838) S. 338–341. – Karl Bartsch (Hg.): Die Schweizer Minnes¨anger (Bibl. a¨lterer Schriftwerke der dt. Schweiz 6). Frauenfeld 1886 (Nachdr. Darmstadt 1964) S. CC–CCVI, 371–380, 467 f. (Nr. XXIX). – Cramer 2 (1979) S. 94–102. – Die Schweizer Minnes¨anger. Nach der Ausg. v. K. Bartsch neu bearb. und hg. v. Max Schiendorfer. Bd. 1: Texte. T¨ubingen 1990, S. 139–147 (Nr. 13). – Zu Ausgaben einzelner Lieder vgl. RSM 4 (1988) S. 132–134. Literatur: Gustav Roethe, ADB 29 (1889) S. 759. – Robert Durrer, HBLS 5 (1929) S. 637 f. – Klaus Grubm¨uller, VL2 4 (1983) Sp. 721 f. – RSM 4 (1988) S. 132–134; 2,1 (2009) S. 98. – De Boor/Newald 3,1 (51997) Reg. – Andr´e Schnyder, HLS (online, Version 9.11.2010, www.hlsdhs-dss.ch/textes/d/D11987.php). – G. Roethe: Die Gedichte Reinmars von Zweter. Leipzig 1887 (Nachdr. Amsterdam 1967) S. 310, 343, 347. – R. Durrer: Die Freiherren v. R., V¨ogte von Brienz, und der Ringgenberger Handel. In Jb. f¨ur schweizerische Gesch. 21 (1896) S. 195–392. – Albrecht Schlageter: Unters. u¨ ber die liedhaften Zusammenh¨ange in der nachwaltherschen Spruchlyrik. Diss. Freiburg i. Br. 1953, S. 289–307. – Peter Kern: Trinit¨at, Maria, Inkarnation. Stud. zur Thematik der dt. Dichtung des sp¨ateren MA (Phil.Stud.u.Qu. 55). Berlin 1971, S. 30 f. – Kurt Franz: Stud. zur Soziologie des Spruchdichters in Deutschland im sp¨aten 13. Jh. (GAG 111). G¨oppingen 1974, S. 14, 46, 104, 115. – Joachim Bumke: Ministerialit¨at und Ritterdichtung. Umrisse der Forschung (Edition Beck 12). Mu¨ nchen 1976, S. 516 mit Anm. 316 f. – Cramer 2 (1979) S. 500. – Eduard Buri u. a.: Der Minnes¨anger v. R. Ein illustrierter Beitr. u¨ ber den Minnes¨anger Johannes v. R. Interlaken 1984. – Codex Manesse. Die Miniaturen der Großen Heidelberger Liederhs. Hg. und erl. v. Ingo F. Walther unter Mitarbeit v. Gisela Siebert. Frankfurt/M. 1988 (62001) S. 126 f. (Tf. 62). – Johannes Rettelbach: Sangspruchdichtung zwischen Frauenlob und Heinrich von M¨ugeln – eine Skizze. In: Stud. zu Frauenlob und Heinrich von Mu¨ geln. FS Karl Stackmann. Hg. v. Jens Haustein/Ralf-Henning Steinmetz (Scrinium Friburgense 15). Freiburg/Schweiz 2002, S. 145–174, hier S. 155. VZ 643
Johann von Bopfingen Johann von Bopfingen. – Lieddichter, Mitte/ zweite H¨alfte 14. Jh. Unter J.s Namen u¨ berliefert die → Sterzinger Miszellaneenhandschrift zwei Liebeslieder. Deren Verfasser stammt aus dem w¨urttembergisch-fr¨ankischen Grenzraum, vielleicht aus derjenigen adligen Patrizierfamilie, die sich nach der Reichstadt Bopfingen am Ries (zwischen Aalen und N¨ordlingen) nannte. J. studierte vermutlich um 1343 in Bologna und k¨onnte im Gefolge seine Bruders Heinrich nach Tirol gelangt sein. Dort ist er reich bezeugt: erstmals 1352 ohne Amt, 1356–62 als Pfarrer in F¨ugen (Zillertal), 1362 und 1372 als Prokurator seines Bruders, 1365–73 als Pfarrer in Villanders (Eisacktal, Su¨ dtirol); 1376 wird er als vormaliger Pfarrer von Povo (bei Trient) und aktueller von Schenna (bei Meran) bezeichnet. 1373 schließlich ist J. zusammen mit seinem Bruder als Domherr von Brixen belegt; beide urkunden auch als Domherren von Trient (Heinrich 1372 und Johann 1376). Die zwei u¨ berlieferten dreistrophigen Lieder sind formal und inhaltlich konventionell gestaltet und an die h¨ofische Dichtung angelehnt. Beide Lieder haben den selben Strophenbau: Auf vier vierhebige kreuzgereimte Verse folgt jeweils eine knappe Kornreimzeile. Auf der gleichen Seite steht noch ein fragmentarisches drittes Lied. Dessen Parallel¨uberlieferung im → Augsburger Liederbuch (M¨unchen, BSB, Cgm 379, 133rv) macht eine Verfasserschaft J.s unwahrscheinlich. Die Zuweisung weiterer Texte aus der Sterzinger Handschrift an J. ist erwogen worden, ist aber nicht hinreichend begr¨undbar. ¨ Uberlieferung: Sterzing, Stadtarch., ohne Sign. (Pap., erstes Jahrzehnt 15. Jh., s¨udbair.) 6v, oben links u¨ ber dem Schriftblock steht: m¯ ¯ g¯r Jo bobfing¯n. Die beiden ihm zugeschriebenen Lieder stehen jeweils unter einem leeren Notenliniensystem. Initien: «An sehen dich das geit mir mut», «Ich wisset nye waß liebe waß». – Farbdigitalisat der Hs. (ULB Innsbruck) online unter: www.literature.at. Ausgaben: Ignaz Vinzenz Zingerle: Ber. u¨ ber die Sterzinger Miscellaneen-Hs. In: Sb. Akad. der Wiss. in Wien, Phil.-Hist. Kl. 54, 5 (1867) S. 294–340, hier S. 294–296. – Cramer 2 (1979) S. 83–86. – Manfred Zimmermann: Die Sterzinger Miszellaneen-Hs. Kommentierte Edition der dt. Dichtungen (Innsbrucker Beitr. zur Kulturwiss. Germanistische Reihe 8). Innsbruck 1980, S. 77 f. Literatur: Franz Viktor Spechtler, VL2 4 (1983) Sp. 543 f. – Oswald von Zingerle: J. v. B., ein 644
Reinhart von Westerburg unbekannter Dichter des 14. Jh. In: Euph. 17 (1910) S. 469–473. – Leo Santifaller: Die ma. Bildungsverh¨altnisse und literarischen Bestrebungen im Brixner Domkapitel. In: Der Schlern 1 (1920) S. 135–140. – Ders.: Das Brixner Domkapitel in seiner pers¨onlichen Zusammensetzung im MA. Bd. 1 (Schlern-Schr. 7). Innsbruck 1924, S. 284 f. – Herta Noack: Der ‹M¨onch von Salzburg›. Diss. Breslau 1941, S. 87–89. – Eugen Thurnher: Wort und Wesen im S¨udtirol. Innsbruck 1947, S. 118–120. – Gustav Wulz: v. B., Heinrich (Pfarrer von Tirol). In: Der Daniel. Heimatkundlichkulturelle Zweimonatsschr. f¨ur das Ries und Umgebung 1,4 (1965) S. 20 f. – Horst Brunner: Das dt. Liebeslied um 1400. In: Gesammelte Vortr¨age der 600-Jahrfeier Oswalds von Wolkenstein (GAG 206). Hg. v. Hans-Dieter Mu¨ ck/Ulrich M¨uller. G¨oppingen 1978, S. 105–146, hier S. 124–127. – Cramer 2 (1979) S. 497–499. – Zimmermann (s. Ausg.) S. 21–41, 239–242. – M. Zimmermann: Zur Herkunft Heinrichs v. B. und seiner Br¨uder Ulrich und J. In: Der Schlern 55 (1981) S. 613–617. – F. V. Spechtler: J. v. B., die Sterzinger Miszellaneenhs. und die Lyrik des 14. Jh. In: Lit. und bildende Kunst im Tiroler MA. Die Iwein-Fresken von Rodenegg und andere Zeugnisse der Wechselwirkung von Lit. und bildender Kunst (Innsbrucker Beitr. zur Kulturwiss. Germanistische Reihe 15). Hg. v. Egon K¨uhebacher. Innsbruck 1982, S. 141–156. – Max Siller: Wo und wann ist die Sterzinger Miszellaneen-Hs entstanden? In: Entstehung und Typen ma. Lyrikhss. (Jb. f¨ur Internationale Germanistik. Reihe A, 52). Hg. v. Anton Schwob. Bern u. a. 2001, S. 255–280, hier S. 259 f. VZ Reinhart von Westerburg, † 1353. – Dichter, Minnesinger. R. ist zwischen 1315 und 1353 mehrfach urkundlich bezeugt. Bei den Auseinandersetzungen zwischen Kaiser Ludwig dem Bayern und Erzbischof Baldewin von Trier stand er auf der Seite des Kaisers. Die 1377/78 begonnene Limburger Chronik des Tilemann → Elhen von Wolfhagen berichtet in Kap. 10 (zum Jahr 1347) kurz von einem blutigen ¨ Uberfall auf ein Koblenzer Aufgebot und u¨ berliefert von R. («gar ein kluger ritter von libe, von sinne unde von gestalt») ein Absagelied an eine Frau. Das drei vierzeilige Strophen mit Kreuzreim abab umfassende Lied ist formal und sprachlich schlicht. Von Kaiser Ludwig kritisiert («he wolde 645
1. H¨alfte 14. Jh. ez der frauwen gebeßert haben»), erfindet R. ein neues Lied; von dieser Minneklage wird nur der Anfang zitiert. R., der als Minnesinger nur an der zitierten Stelle belegt ist, wird auch im Gedicht → Schule der Ehre genannt – als vorbildlicher Ritter, der es verdiene, von Frau Ehre unterwiesen zu werden. Ausgaben: Cramer 3 (1982) S. 139, 545. – Die Limburger Chron. des Tilemann Elhen von Wolfhagen. Hg. v. Arthur Wyss (MGH Dt. Chron. IV/1). Hannover 1883, S. 28 f., 48. – Gedichte von den Anf¨angen bis 1300. Nach den Hss. in zeitlicher Folge hg. v. Werner H¨over/Eva Willms (Epochen der dt. Lyrik 2). M¨unchen 1972 (Nachdr. [Dt. Lyrik von den Anf¨angen bis zur Gegenwart 2] ebd. 2001) S. 88 f. – Burghart Wachinger (Hg.): Dt. Lyrik des sp¨aten MA (BdK 191/BMA 22). Frank¨ furt/M. 2006, S. 476–479 (Text mit Ubersetzung, zit.), 942 f. (Komm.). Literatur: Peter Johanek: Elhen, Tilemann, von Wolfhagen. In: VL2 2 (1980) Sp. 474–478. – Burghart Wachinger, VL2 7 (1989) Sp. 1179. – De Boor/Newald 4/1 (21994) S. 168 f. – K. Klein: Reinhard v. W. schlichtet die Zweiung zwischen Graf Siegfried zu Wittgenstein und den Gebr¨udern Kraft, Godebrecht und Eberhard von Diedenshausen (Ende Juni 1347). In: Arch. f¨ur hessische Gesch. und Altertumskunde 3 (1842/44) S. 2–5. – Albert Henche: Der Minnes¨anger Reinhard v. W. In: Nassovia 14, 22 (1913) S. 274–276. – Leo Sternberg: Limburg und das dt. Schrifttum. In: Zs. f¨ur Deutschkunde 36 (1922) S. 14–23. – K. Drescher: Aus dem Leben des Grafen Reinhard I. v. W. (1315–1353). Nach der Limburger Chron. In: Neue Leininger Bll. 6 (1932) S. 58 f. – Hellmuth Gensicke: Reinhard Herr v. W. In: Hessisches Jb. f¨ur Landesgesch. 1 (1951) S. 128–170. – Horst Brunner: ‹Ahi, wie werdeclichen stat der hof in Peierlande!› Dt. Lit. des 13. und 14. Jh. im Umkreis der Wittelsbacher. In: Wittelsbach und Bayern. Hg. v. Hubert Glaser. Bd. 1,1. Mu¨ nchen/Z¨urich 1980, S. 496–511. – H. Brunner: R. v. W.: ‹Ob ich durch sie den hals zubreche›. In: Gedichte und Interpretationen. MA. Hg. v. Helmut Tervooren (RUB 8864). Stuttgart 1993, S. 216–229. – Ulrich Mu¨ ller: Kontext-Informationen zum ‹Sitz im Leben› in sp¨atmhd. Lyrik-Hss.: Mo¨ nch von Salzburg, Michel Beheim. Mit einem Ausblick auf Raimbaut de Vaqueiras, R. v. W. und Oswald von Wolkenstein. In: Entstehung und Typen ma. Lyrikhss. Akten des Grazer Symposiums 13.–17. Oktober 1999. 646
1. H¨alfte 14. Jh. Hg. v. Anton Schwob und Andr´as Vizkelety unter Mitwirkung v. Andrea Hofmeister-Winter (Jb. f¨ur Internationale Germanistik, Reihe A: Kongressberichte, Bd. 52). Bern u. a. 2001, 187–206 (wieder in: Ders.: Gesammelte Schr. zur Literaturwiss. Hg. v. Margarete Springeth [GAG 750]. Bd. 2. G¨oppingen 2010, S. 31–50). BJ Wiest, Ulrich → Band 3, Sp. 667 f. Geißlerlieder → Band 2, Sp. 305–307. Hornburg, Lupold → Band 5. In dulci iubilo → Band 2, Sp. 389–391. In einer alten wˆıse. – Gespr¨achslied, Mitte 14. Jh. Das Lied mit dem Incipit «In ainer alten wˆıse / der wahter luote sang» ist anonym in einer Mu¨ nchner Handschrift u¨ berliefert. Der darin erhaltene, unvollst¨andige Text weist Fehler und Entstellungen auf; m¨oglicherweise handelt es sich um die nachl¨assige Abschrift einer unbekannten Vorlage. Inhaltlich mischt das Lied Handlung und Dialog: Ein W¨achter singt f¨ur schlafende Liebespaare ein Wecklied, das auch eine von der Morgenmette zur¨uckkehrende Nonne h¨ort. Daraufhin beginnt sie einen Disput mit dem W¨achter. Nach Ansicht der Nonne seien es nie die Frauen gewesen, die den Tagesanbruch verschlafen h¨atten. Vielmehr h¨atten sie ihre Liebhaber geweckt. Der W¨achter widerspricht und verweist als Beleg auf a¨ ltere Lieder. In diesen werde geschildert, wie gerade die Frauen morgens nicht von ihren Liebhabern scheiden wollten. Die Nonne bezeichnet diese Lieder als «L¨ugenm¨aren», worauf der Text abbricht. I. e. a. W. besteht aus vier achtzeiligen Strophen mit jeweils zwei Kreuzreimen im Aufgesang und zwei Paarreimen im Abgesang. Die Aufgesangsverse sind alternierend vier- und dreihebig, w¨ahrend der Abgesang jeweils zwei f¨unfhebige und zwei zweihebige Zeilen umfasst. Die vierte Strophe des Lieds bricht nach f¨unf Zeilen ab, wohl aus Platzmangel – das Seitenende war erreicht. Umstritten ist bis heute die Einordnung des Texts als geistliches Anti-Tagelied (Elter) oder Gespr¨achs-/ Streitlied (Willms). Faktisch ist in I. e. a. W. weder die traditionelle Abschiedssituation des vom W¨achter geweckten Paares vorhanden, noch ein geistlicher Weckruf. Vielmehr steht der Wahrheitsgehalt der alten Tagelieder im Mittelpunkt, und 647
Wiest damit die Frage nach der Rolle der Frau in diesen Liedern. Unabh¨angig von der letztlichen Deutung des Lieds bleibt I. e. a. W. jedoch in Handlung und Sujet ein ungew¨ohnlicher und eigenst¨andiger Text. ¨ Uberlieferung: M¨unchen, BSB, Clm 28557, 113v (Pap., Schwaben, zweite H¨alfte 14. Jh./erste H¨alfte 15. Jh.). Ausgaben: Christoph Petzsch: Ostschw¨abische Rondeaux vor 1400. In: PBB (T¨ub.) 98 (1976) S. 384–394. – Elter (s. Lit.). – Willms (s. Lit.). Literatur: Petzsch (s. Ausg.). – Irmgard Elter: Das Tagelied als ‹l¨ugemære›. Anm. zu dem Lied ‹I. e. a. w.› des Clm 28557. In: ZfdA 120 (1991) S. 65–73. – Eva Willms: Ansichten einer Nonne. Zur ma. Tagelied-Diskussion. In: ZfdA 135 (2006) H. 1, S. 56–61. – Gisela Kornrumpf: Rondeaux des Barf¨ußers vom Main? Spuren einer dt. Liedmode des 14. Jh. in Kremsm¨unster, Engelberg und Mainz. In: ‹Ieglicher sang sein eigen ticht›. Germanistische und musikwiss. Beitr. zum dt. Lied im Sp¨atMA. Hg. v. Christoph M¨arz u. a. Wiesbaden 2011, S. 57–73. MM Otto Baldemann. – Verfasser einer dt. Umdichtung eines lat. politisch-allegorischen Gedichtes, 14. Jh. Der Urheber der dt. Fassung des Ritmaticum querulosum et lamentosum dictamen de modernis cursibus et defectibus regni ac imperii Romanorum, das der W¨urzburger Domherr und Bamberger Erzbischof (im Amt 1353–63) → Lupold von Bebenberg in leoninischen Hexametern verfasst hat, nennt sich im Text als «Von karlstat Otte Baltemann» (V. 7). Der gebr¨auchliche Werktitel der Dichtung folgt derem zweiten Vers: «Horet unde lazt uch sage / Von dem Romschen riche eyn clage». Am Schluss des Gedichts wird auch das Datum der Niederschrift angegeben: St. Michaelstag (29.9.) 1341. B.s Verfasserschaft wird durch → Lupold Hornburg best¨atigt, der in seiner Rede «von des Ryches clage» B.s Gedicht (und nicht das Ritmaticum) verarbeitet und diesen am Schluss auch namentlich anf¨uhrt in der Form «Otte Waldemann». Im Textzeugen der Rede Hornburgs (Mu¨ nchen, UB, 2° Cod. ms. 731, Hausbuch des → Michael de Leone) ist u¨ ber diese Namensnennung nachtr¨aglich notiert worden: «clericus plebanus in Ostheym prope Osschafenburg» (232vb). Archivalische Nachweise eines O. B. konnten indes weder in Karlstadt noch in Großostheim bei Aschaffenburg (oder weiteren Orten mit Namen wie Ost-/Astheim) beigebracht werden, weswegen Bezeichnungen B.s als «Ostheimer Pfarrer» 648
Wiener Leichhandschrift unsicher sind. So l¨asst sich zu B. nur vermuten, dass er ost-/rheinfr¨ankischer Abkunft ist, u¨ ber klerikale Bildung und auch uber ¨ Kenntnisse in der dt. Dich¨ tung verf¨ugte. B.s amplifizierende Ubersetzung des Ritmaticum k¨onnte sogar von Lupold von Beben¨ berg selbst veranlasst worden sein. Der Uberlieferungskontext legt außerdem nahe, B. im Kreis der «litterati» um Michael de Leone zu verorten. Die «clage» gilt als erster Versuch in Deutschland, lat. Publizistik volkssprachig umzusetzen. Im Text wird geschildert, wie die Dichterfigur beim Studium der Herrschergeschichte des r¨omischen Reiches einschl¨aft und im Traum einer sch¨onen gekr¨onten Frau auf einem Thron begegnet, die er f¨ur die Jungfrau Maria h¨alt und die sich ihm aber als «daz romisch riche» vorstellt (V. 156). Diese lobt die alten Zeiten von C¨asar bis Heinrich II., beklagt den anschließenden Niedergang des Reiches und die Unt¨atigkeit der dt. F¨ursten. Diese Klage verbindet sie mit der Warnung, welche sie dem Dichter zu verbreiten auftr¨agt, dass es den Deutschen genauso ergehen k¨onne wie den Griechen, von denen sie sich einst abgewendet habe. Im Vorspruch des Gedichts ist dessen L¨ange mit 246 «rimen» (V. 4 f.) exakt angegeben. Abz¨uglich Vor- und Nachspruch weist die Klage in der Tat 492 Verse auf und ist damit bedeutend l¨anger als das Ritmaticum (180 V.). Dessen allegorische Merkmale weitet B. in der Tradition der dt. Minneallegorie deutlich aus. Beide Dichtungen haben in der → Minneburg die gleiche stilistische Grundlage. W¨ahrend schon das Ritmaticum deutliche Parallelen aufweist, so zeigt die «clage» mit ihren typischen Merkmalen des gebl¨umten Stils eine noch n¨ahere Verwandschaft zu dieser dt. Minneallegorie. Außerdem d¨urften die Goldene Schmiede und die Klage der Kunst → Konrads von W¨urzburg nicht ohne Einfluss auf B. gewesen sein. ¨ Uberlieferung: W¨urzburg, UB, M. p. misc. f. 6 (Manuale des Michael de Leone) 40r–42v (Perg., Mitte 14. Jh., ost-/rheinfr¨ankisch, aus dem Stift Neum¨unster in W¨urzburg); auf 37v–39v geht das lat. Ritmaticum voran. Ausgaben: Johann Michael Peter: Allegorisches Gedicht auf den Verfall des heiligen r¨omischen Reiches (Programm des Kgl. Gymnasiums Mu¨ nnerstadt 1841/42). W¨urzburg 1842. – Adam Senger: Lupold von Bebenburg. Bamberg 1905, S. 161–177. – Clair Hayden Bell/Erwin Gustav Gudde: The Poems of Lupold Hornburg (University of California publications in modern philology 649
Mitte 14. Jh. 27,4) Berkeley/Los Angeles 1945, S. 275–293. – Erkki Valli: O. B. Von dem romschen riche eyn clage (Suomalaisen Tiedeakatemian Toimituksia. Annales Academiae Scientiarum Fennice B 111,1). Helsinki/Wiesbaden 1957, S. 77–93. – Ulrich M¨uller: Politische Lyrik des dt. MA. Bd. 1 (GAG 68). G¨oppingen 1972, S. 178–188, 235. Literatur: Dietrich Huschenbett, VL2 1 (1978) Sp. 582–584. – De Boor/Newald 3/2 (1987) S. 25 f., 69; 4/1 (21994) S. 203, 381 f. – Claudia H¨andl, Killy2 1 (2008) S. 317 f. – Konrad Zwierˇzina: Lupold Hornburgs Gedichte (Sonderdr. Sonderdruck aus FS des k. k. Erzherzog RainerReal-Gymnasiums in Wien 1914). Wien 1914, S. 118–120. – Valli (s. Ausg.) S. 1–75. – Kurt Ruh: Rezension Ausg. Valli. In: PBB (Tu¨ b.) 83 (1961/62) S. 398–400. – Peter Keyser: Michael de Leone († 1355) und seine literarische Slg. (Ver¨off. der Ges. f¨ur fr¨ankische Gesch. 9,21). W¨urzburg 1966. – Ursula Peters: Lit. in der Stadt. Stud. zu den sozialen Voraussetzungen und kulturellen Organisationsformen st¨adtischer Lit. im 13. und 14. Jh. (Stud. und Texte zur Sozialgesch. der Lit. 7). T¨ubingen 1983, S. 160. – J¨urgen Miethke: Eine sp¨atma. patriotische Ermunterung des dt. Adels in der Landessprache und ihr Publikum. Das ‹Ritmaticum› Lupolds von ¨ Bebenburg und seine beiden Ubersetzungen ins Deutsche durch O. B. und Lupold von Hornburg. In: Thinking Politics in the Vernacular from the Middle Ages to the Renaissance (Dokimion 36). Hg. v. Gianluca Briguglia/Thomas Ricklin. Freiburg/Schweiz 2011, S. 75–92. VZ Wiener Leichhandschrift. – Lyrische Sammelhandschrift, Mitte 14. Jh. Die W. L. setzt einen deutlichen Schwerpunkt auf die poetisch-musikalische Gattung des Leichs. Daneben enth¨alt sie auch Lieder und Sangspr¨uche. Mit f¨unf Leichs (von → Frauenlob, → Reinmar von Zweter und dem Meister → Alexander) bietet sie eine in dieser Konzentration und in Relation zum Gesamtumfang der Handschrift singul¨are Zusammenstellung. Alle Leichs sind mit einer sorgf¨altigen Melodienotation versehen. Der erste Teil der dreiteiligen W. L. enth¨alt Frauenlobs Marienleich (mit Autorangabe) und den An¨ fang einer lat. Ubertragung des Textes, die hier unikal u¨ berliefert ist. Im Zentrum des zweiten Teils steht der Trinit¨atsleich Reinmars von Zweter. Der wesentliche Bestand des l¨angeren dritten Teils sind 650
Mitte 14. Jh. der Kreuz- und der Minneleich Frauenlobs und der Minneleich des Meister → Alexander. Enthalten sind ferner: Teil 1: F¨unf anonyme (und wenig originelle) Liedunika auf der Einbandinnenseite und am Lagenschluss. Melodienotation haben die Lieder 2, 3 und die Kanzone 5. Die Themen sind die Verf¨uhrung eines N¨onnleins, das Bitterkraut Minne, der sexualallegorische «Pickil», verlorene Liebe und die heimliche Liebe zwischen Knecht und Amme. Nach pal¨aographischen Befund sind sie sp¨atere Nachtr¨age mit teils betr¨achtlichem Textverlust durch mechanische Besch¨adigung und Verblassung (Initien abgedruckt bei Menhard [s. Lit.] S. 136 f.; Nr. 5 vollst. bei Rietsch [s. Lit.] S. 62.). – Teil 2: Als Lagenf¨ullsel ein unikal u¨ berlieferter Ps.-Reinmar von Zweter-Spruch in der «Neuen Ehrenweise» (RSM: 1ReiZw/2/23) und Spr¨uche Frauenlobs bzw. in T¨onen Frauenlobs («Gr¨uner Ton» und «W¨urgendr¨ussel»; 1 Frau/4/20–22a, 1Frau/6/8–10a). – Teil 3: Am Beginn des Faszikels stehen f¨unf hier unikal u¨ berlieferte anonyme Strophen (1ZX/90/1–4, 1ZX/91/1) mit Melodienotation. Zudem hat eine Hand noch aus der Mitte des 14. Jh. des Alexanders Leich vervollst¨andigt und ein thematisch verwandtes Minnelied angeschlossen (Kraus LD 1 [21978] IV,1). Eine weitere Hand notierte am Lagenende den Beginn des → Winsbecke (1Winsb/1h + N1). Beschreibung und Geschichte der Hand¨ schrift: Wien, ONB, Cod. 2701, 50 Bll. in sechs Quaternionen und in drei verschiedenen aber wohl origin¨ar zusammengeh¨origen Teilen (Lagen 1, 2 und 3–6); Perg. in Quartformat (242 x 165 mm, Schriftraum: 190–200 x 130 mm). Wahrscheinlicher Blattverlust nach der 1. und 6. Lage. Einband des 18. Jh. u¨ ber altem Einband. Der Grundstock der Texte stammt von vier H¨anden und etwa aus den Jahren 1340–60; weitere vier Nachtragsh¨ande bis um 1400. Die Schreibsprache ist ostmitteldt. (schlesisch mit meißnischen Kennzeichen). Die Melodien sind in differenzierter Metzer Choralnotation aufgezeichnet. Zahlreiche Korrekturen belegen eine kritische Durchsicht der Texte seitens der Redaktion, vielleicht auch unter Konsultation anderer Vorlagen. Zum Zeitraum vor 1756 gibt es keine Kenntnisse zur Handschrift. In diesem Jahr ist sie an der Wiener Hofbibliothek zusammen mit u¨ bernommenen Best¨anden aus der Wiener UB katalogisiert worden (urspr¨ungliche Signatur: Cod. ser. n. 2196). Da sie 651
Wiener Leichhandschrift ¨ im Ubergabeprotokoll nicht erscheint, ist es fraglich, ob sich die W. L. tats¨achlich vormals in der UB befunden hat. Neben der Schreibsprache macht vor allem die bestechende Qualit¨at der Text- und Melodie¨uberlieferung bei den Frauenlob-Partien eine Entstehung der Handschrift noch in einem Kreis wahrscheinlich, der dem Meißner Dichter eng verhaftet war. Hinweise auf etwaige Vorlagen gibt es nicht. Ausgabe: Heinrich Rietsch: Ges¨ange von Frauenlob, Reinmar von Zweter und Alexander nebst einem anonymen Bruchst¨uck nach der Hs. 2701 der Wiener Hofbibl. (Denkm¨aler der Tonkunst in ¨ Osterreich 41). Wien 1913 (Nachdr. 1966). (Vollst. Faks. und Ausg.; von den j¨ungeren Nachtr¨agen nur das anonyme Lied 5). – Zu Ausgaben der einzelnen Dichter s. dort. Literatur: RSM 1 (1994) S. 291. – Christoph M¨arz, VL2 10 (1999) Sp. 1024–1026. – HMS 4 (1838) S. 900 f. – Gustav Roethe: Die Gedichte Reinmars von Zweter. Leipzig 1887 (Nachdr. Amsterdam 1967) S. 147 f. – Rietsch (s. Ausg.) S. 89 f. – Karl Bartsch: Unters. zur Jenaer Liederhs. (Palaestra 140). Leipzig 1923, S. 83–86. – ¨ Helmut Thomas: Unters. zur Uberl. der Spruchdichtung Frauenlobs (Palaestra 217). Leipzig 1939, S. 43–52. – Hermann Menhardt: Verz. der altdt. ¨ literarischen Hss. der ONB. Bd. 1 (Ver¨off. des Inst. f¨ur dt. Sprache und Lit. 13). Berlin 1960, S. 136–141. – Burkhard Kippenberg: Der Rhythmus im Minnesang. Eine Kritik der literar- und ¨ musikhist. Forschung mit einer Ubersicht u¨ ber die musikalischen Quellen (MTU 3). M¨unchen 1962, S. 48, 70 f. – Helmut Lomnitzer: Zur wechselseitigen Erhellung von Text- und Melodiekritik ¨ ma. dt. Lyrik. In: Probleme ma. Uberl. und Textkritik. Hg. v. Peter Felix Ganz/Werner Schr¨oder. Berlin 1968, S. 118–144, hier S. 129–133 (wieder in: Mhd. Spruchdichtung. Hg. v. Hugo Moser [WdF 154]. Darmstadt 1972, S. 325–360; Altgermanistische Editionswiss. [Dokumentation germanistischer Forschung 1]. Hg. v. Thomas Bein. Frankfurt/M. 1995, S. 138–166). – Ronald J. Taylor: The Art of the Minnesinger. Songs of the thirteenth century. Bd. 2. Cardiff 1968, S. 293. – Eva Schumann: Stilwandel und Gestaltver¨anderung im Meistersang. Vergleichende Unters. zur Musik der Meistersinger (G¨ottinger musikwissenschaftliche Arbeiten 3). Kassel 1972 [recte 1973], S. 45. – Horst Brunner: Die alten Meister. Stud. 652
Hausratsgedichte ¨ zur Uberl. und Rezeption der mhd. Sangspruchdichter (MTU 54). Mu¨ nchen 1975, Reg. – Karl Stackmann/Karl Bertau (Hg.): Frauenlob (Heinrich von Meißen). Leichs, Sangspr¨uche, Lieder. Bd. 1: Einleitung, Texte (Abh. der Akad. der Wiss. in G¨ottingen, phil.-hist. Kl. 3,119). G¨ottingen 1981, S. 120–124, 211–228. – Gisela Kornrumpf: ¨ Konturen der Frauenlob-Uberl. In: Cambridger Frauenlob-Kolloquium 1986 (Wolfram Stud. 10). Hg. v. Werner Schr¨oder. Berlin 1988, S. 26–50, hier S. 30–32, 49. – Lorenz Welker: Melodien und Instrumente. In: Codex Manesse. Kat. zur Ausstellung (Heidelberger Bibl.schr. 30). Hg. v. Elmar Mittler/Wilfried Werner. Heidelberg 1988, S. 113–126 mit S. 504–509, hier S. 120 f. – Martin J. Schubert: Die Form von Reinmars Leich. In: AB¨aG 41 (1995) S. 85–141. – Franz Josef Worstbrock: Lied VI des Wilden Alexander. In: PBB 118 (1996) S. 183–204, hier S. 187–192. – T. Bein: ‹Mit fremden Pegasusen pfl¨ugen›. Unters. zu Authentizit¨atsproblemen in mhd. Lyrik und Lyrikphilologie (Phil.Stud.u.Qu. 150). Berlin 1998, S. 208 f. – Jens Haustein/K. Stackmann (Hg.): Sangspr¨uche in T¨onen Frauenlobs. Suppl. zur G¨ottinger Frauenlob-Ausg. Bd. 1: Einleitungen, Texte (Abh. der Akad. der Wiss. in G¨ottingen, phil.-hist. Kl. 3,232). G¨ottingen 2000, S. 33. – Achim Diehr: Lit. und Musik im MA. Eine Einf. Berlin 2004, S. 66, 132. – Helmut Birkhahn: Wer byn ich – daz byst du: Eyn narre. Bemerkungen zur sogenannten W. L. In: Wiener Quellen der a¨lteren Musikgesch. zum Sprechen gebracht. Eine Ringvorlesung (Wiener Forum f¨ur a¨ ltere Musikgesch. 1). Hg. v. Birgit Lodes. Tutzing 2007, S. 161–186. VZ Christe qui lux est et dies → Band 2, Sp. 324 f. Der die nacheit minnet → Band 2, Sp. 325 f. Ich will von der minne singen → Band 2, Sp. 326. Di element uns des veriehen → Band 2, Sp. 327. Ein meister der seit uns von wesen blos → Band 2, Sp. 330 f. Gelobet sistu Jesu Christ → Band 2, Sp. 351 f. Got ist ein wesen, daz ie waz → Band 2, Sp. 355. 653
2. H¨alfte 14. Jh. Ich solt mich leren lossen → Band 2, Sp. 387 f. Ich wil vch sagen mere → Band 2, Sp. 388 f. Konrad von Haimburg → Band 2, Sp. 380–384. Peter von Arberg → Band 2, Sp. 384–386. Peter von Reichenbach → Band 2, Sp. 386 f. Resonet in laudibus → Band 2, Sp. 391–393. Die minnende Seele → Band 2, Sp. 402. Trebnitzer Psalmen → Band 2, Sp. 440. Von den vrien geisten → Band 2, Sp. 441 f. Der Weingarten → Band 2, Sp. 453. Wicboldus → Band 2, Sp. 450 f. Friedrich von Saarburg → Band 3, Sp. 374 f. Hausratsgedichte. – Sp¨atma. b¨urgerliche Lehrdichtungen in Reimpaaren, dt. ab Mitte 14. Jh. Gegenstand der unter dem Oberbegriff H. subsumierten Dichtungen ist die detaillierte Aufz¨ahlung des zur Ehef¨uhrung notwendigen Hausrats. In Frankreich traten derartige Gedichte schon im 13. Jh. auf (Dits de outils de l’hotel), im dt. Raum gibt es sie seit ungef¨ahr 1350. Mit dem Buchdruck fanden sie weitere Verbreitung, oft mit Illustration. Die Texte sind vor allem wort- und kulturgeschichtlich relevant und haben oft einen a¨ ußeren Rahmen (z. B. Neujahrsgr¨uße). Es lassen sich zwei Untergruppen der H. differenzieren. Deren erste ist vor dem Hintergrund der Entwicklung des st¨adtischen B¨urgertums und der Neugr¨undung von Haushalten entstanden als poetischer Ausdruck b¨urgerlicher Daseinsf¨ursorge. Diese H. begegnen noch im 17. Jh., zumeist sind junge Ehewillige die Adressaten. Oft schließt sie ein Ausblick auf die Kinderpflege ab. Die zweite Gruppe der H. erkl¨art sich vor dem Hintergrund der Verelendung der stadtb¨urgerlichen Unterschicht. Diese Gruppe ist inhaltlich nicht so eindeutig definiert wie die F¨ursorge-H. und bietet Raum f¨ur Varianten. In der Regel warnen solche H. vor den Kosten der Ehe und geben Klagen u¨ ber die Entbehrungen von Familien Raum. Allerdings k¨onnen a¨ ltere Texte dieser 654
2. H¨alfte 14. Jh. Gruppe auch als parodistische Gegenentw¨urfe zur Minnedichtung verstanden werden, so dass deren Klagegehalt eher topisch zu bewerten ist und nicht auf tats¨achliche Missst¨ande rekurrieren muss. Beispiele der ersten Gruppe sind: 1) Das fragmentarische Gedicht Von etlichen guten Sachen aus der ersten H¨alfte des 15. Jh., das sich in den 56 erhaltenen Versen an leichtsinnige junge Leute wendet. Eine Aufz¨ahlung in Frageform macht es mit dem → Hausgeschirr aus der zweiten Gruppe vergleichbar. – 2) Konrad → Dangkrotzheim hat 1431 ein als Neujahrswunsch gestaltetes H. verfasst. – 3) Dieses Dangkrotzheim-Gedicht diente einem 1510 in Straßburg gedruckten H. als Vorlage, das die angef¨uhrten Hausratsgegenst¨ande als Mitbringsel von der Kirchweih pr¨asentiert. – 4) Einblattdrucke des sp¨ateren 15. Jh. mit knappem Text und zahlreichen Abbildungen, die lediglich die Funktion von Merkzetteln haben (Nachweise vgl. Schreiber, s. Lit.). – 5.) Johann → Ohnsorges Spruch vom Haushalten, der dem Thema eine Wendung ins Pers¨onliche gibt. – 6) Die Behandlung des Genres bei Hans → Folz, der eine gereimte Schilderung des gut eingerichteten Hauses verfasst hat, gegliedert nach den einzelnen R¨aumen. Ein anonymes Meisterlied in Jo¨ rg → Schillers «Maienweise» (RSM: 1Schil/2/4) ist vermutlich eine strophische Bearbeitung des Folz-Gedichtes. – 7) Das H. des Hans Sachs k¨onnte sowohl auf Folz als auch auf dem Lied in der «Maienweise» beruhen. Sachs hat zus¨atzlich sein Gedicht mit einer Rahmenhandlung versehen, in welcher ein ehewilliger J¨ungling auftritt, der den Dichter um Rat bittet. – Vgl. zu dieser Gruppe auch Das → Haushalten und den popul¨ar-moralischen Traktat Die → Hausordnung. Beispiele der zweiten Gruppe sind: 1) Der → Hauskummer (um 1300). – 2) Ein Gedicht (um 1350) mit einer pessimistischen Betrachtung des eigenen Hausstandes, das dem → K¨onig vom Odenwald zugeschrieben wird. – 3) Das Hausgeschirr (um 1400). – 4) Ain Lied von dem Haußrat gut, Der geh¨ort zu der Armuth; hierbei handelt es sich um ein Flugblatt von 1525, das von Joseph G¨orres (Altdt. Volks- und Meisterlieder aus den Hss. der Heidelberger Bibl. Frankfurt/M. 1817 [Nachdr. Hildesheim 1967] S. 145–150) mitgeteilt wurde. Die Klage u¨ ber die Armut wird in diesem H. zur Forderung an die wenigen Besitzenden gesteigert. – 5) Ein Basler Druck von 1569 bietet als Hilfe bei der Armutsbew¨altigung die Selbstbescheidung an. ¨ Uberlieferung: Von etlichen guten Sachen: Freiburg i. Br., UB, Hs. 362, 10r (Pap., 1430/45, 655
Meffrid schw¨abisch). Auf 1445 datierter Nachtrag im ersten Sexternio, geschrieben in Kirchberg (an der Iller [?]). – Dangkrotzheim: Hagenau (Johann Setzer) 1531 (VD 16 C 4897); Titel: «Ein sch¨ones b¨uchlin Darinnen allerley haußrat zu haußhalten n¨otig kurtzlich begriffen wurt». – Straßburger Bearbeitung: Straßburg (Johann Gru¨ ninger) 1510 (VD16 H 816); Titel: «Hie in finstu z˚u ein¯e n¨uw¯e Jar / Einen Hußrat den hon ich dir f¨urwar / Vß der nesten Meß f¨ur ein Kron gebracht». – Ohnsorge: Gotha, Forschungsbibl., Cod. Chart. B 897, 99r–101r (Pap., 1500/05, bair.-schw¨abisch). – Folz: N¨urnberg (H. Folz) um 1483/88 (GW 10131); Titel: «Uon allem Hausrot». – Sachs: Erstdruck: N¨urnberg (Hans Guldenmund) 1545 (VD16 S 277); Titel: «Der gantz haußrat». Weitere N¨urnberger Drucke bis 1553 (VD 16 S 278–281). – K¨onig vom Odenwald: Straßburg, StB, Cod. A 94 (verbrannt) 38vb–40ra (Perg., Mitte 14. Jh., els¨assisch). – Karlsruhe, LB, Cod. K 408, 78va–80ra (Pap., 1430/35, schw¨abisch/bair./ostfr¨ankisch). – Basler Druck: Samuel Apiarius. 1569 (VD 16 ZV 28372); Titel: «Der Haußradt. Der Haußradt bin ich genannt / Manch¯e g˚utten gsellen wol erkannt». Literatur: Peter Assion, VL2 3 (1981) Sp. 556–558. – De Boor/Newald 3,2 (1987) S. 128 f. – Ludwig Uhland: Schr. zur Gesch. der Dichtung und Sage. Bd. 4. Stuttgart 1869, S. 246–248. – Wilhelm Ludwig Schreiber: Manuel de l’amateur de la gravure sur bois et sur m´etal au XVe si`ecle. Bd. 2. Berlin 1892, Nr. 1989–1991. – Theodor Hampe: Gedichte vom Hausrat aus dem XV. und XVI. Jh. In Facsimiledruck hg. Straßburg 1899. – Johannes Bolte: Rezension Hampe. In: Alemannia 29 (1901) Anzeigen und Nachrichten S. V–VII. – Eugen Diederichs: Dt. Leben in der Vergangenheit in Bildern. Ein Atlas mit 1760 Nachbildungen alter Kupfer- und Holzschnitte aus dem 15ten – 18ten Jh. Bd. 1. Jena 1908 (Nachdr. Wolfenb¨uttel 2005) S. 35. – Edward Schr¨oder: ‹Vom mangelnden Hausrat›. Ein Gedicht des K¨onigs vom Odenwalde. In: ZfdA 71 (1934) S. 107–114, 265 f. – Ursula Rautenberg: ¨ Uber die Ehe. Von der Sachehe zur Liebesheirat. Ausstellungskat. Bibl. Otto Sch¨afer, Schweinfurt. Schweinfurt 1993, Nr. V. VZ Meffrid. – Liederdichter, zweite H¨alfte 14. Jh. (?). Die → Kolmarer Liederhandschrift (k) u¨ berliefert sechs dreistrophige Lieder gleichen Tons unter der Corpus¨uberschrift: «Meinster meffryds geticht» 656
Meffrid (794ra). Nach den Konventionen von k ist dies eine explizite Zuweisung auch der Textautorschaft. Der Dichter ist sonst nirgends bezeugt und auch der Ton wird in der meisterlichen Tradition nicht verwandt (M. z¨ahlt zu den f¨unf einzigen Tonerfindern in k, die nicht in den Meisterkatalogen Konrad → Nachtigalls, des Hans → Folz und Valentin Voigts erscheinen [neben → Anker, → Peter von Arberg, → Peter von Reichenbach und → Nestler von Speyer]). Das erste der Lieder ist auch in einer Handschrift aus dem sp¨aten 14. Jh. enthalten. Die u¨ berlieferte Melodie, die orgin¨ar mehrstrophige Konzeption und zum Teil der Wortschatz der Lieder machen eine Datierung des Œuvres im fr¨uhen 14. Jh. unwahrscheinlich. Gegen eine zu sp¨ate Ansetzung sprechen die dezidierten Bez¨uge auf h¨ofische Kultur im dritten Lied (Turnier: «hovelichen stach») und die Verwendung von «merker» in Lied 6: Dieser ist hier ein kunstverst¨andiger S¨anger und noch nicht der Kunstrichter einer Singschule wie im Meistergesang. Eine Datierung um die Mitte des 14. Jh. und vielleicht etwas sp¨ater ist demzufolge am plausibelsten. Hinsichtlich M.s Herkunft lassen der unspezifische Wortschatz oder die Reime keine validen Aussagen zu. Eine obd. Herkunft ist wahrscheinlich, eine md. aber nicht ausgeschlossen. Auch ob alle Lieder auf einen gemeinsamen Verfasser zur¨uckgehen, l¨asst sich nicht mit letzter Sicherheit sagen. Es gibt aber keine signifikanten Hinweise auf mehrere Autoren. Ebenso fehlen Indizien auf den Stand des Verfassers, sein Publikum oder die Vortragssituation. Die Lieder im Einzelnen: Lied 1 ist ein Marienlob. – Lied 2 ist eine Warnung an den jungen Mann vor den Sprichw¨ortern «Hat zit genug vnd komt noch wol» verbunden mit der Aufforderung, sich rechtzeitig um Wichtiges zu k¨ummern (mit Strophenanaphern). – Lied 3 bietet ein Memento mori. – Lied 4 ist ein Gebet an Gottvater und mutter mit der Bitte um einen seligen Tod. – Lied 5 enth¨alt einen allgemeinen (Ehe-)Frauenpreis. – Lied 6 ist eine Allegorie auf die Sangeskunst mit einer Schelte kunstloser und einem Lob kenntnisreicher S¨anger («merker»): Ein kurzes Bispel von zwei Gesellen, die N¨usse pfl¨ucken und von denen nur einer die guten erkennt, wird auf die Kunst ausgedeutet. Die Strophen der Lieder sind formal anspruchslos und ihre inhaltliche Ausgestaltung verl¨asst nie den konventionellen Rahmen. Das Marienlob ist eine Neukombination des traditionellen Formelschatzes ohne eigene Beigaben. Ori657
2. H¨alfte 14. Jh. ginalit¨at kann mit Einschr¨ankung dem Sprichwortlied 2 und einigen Aspekten des Frauenpreises attestiert werden. Auch die Gebetsstrophe enth¨alt nur eine einzige ungew¨ohnliche Wendung: Maria solle sich mit ihrem «gnaden schiff» dem S¨under zuwenden – offensichtlich ein Missverst¨andnis oder eine Trivialisierung der Bezeichnug Marias als «Schiff der Gnaden». ¨ Uberlieferung: Mu¨ nchen, BSB, Cgm 4997 (k) 794a–796a (Pap., um 1460, rheinfr¨ankisch). – Engelberg, Stiftsbibl., Cod. 314, 5rv (Pap., Engelberg, zweite H¨alfte 14. bis fr¨uhes 15. Jh.; dt. Texte: letztes Viertel 14. Jh., alemannisch); nur Lied 1 (stark abweichend). – Beide Zeugen mit Melodieaufzeichnung. Ausgaben: Karl Bartsch: Meisterlieder der Kolmarer Hs. (Bibl. des Litterarischen Ver. in Stuttgart 68). Stuttgart 1862 (Nachdr. Hildesheim 1962) S. 550–558 (Nr. 163–168). – Cramer 2 (1979) S. 286–295. – Lied 1 und 4 auch in: Philipp Wackernagel: Das dt. Kirchenlied von der a¨ ltesten Zeit bis zu Anfang des XVII. Jh. Bd. 2. Leipzig 1867 (Nachdr. Hildesheim u. a. 1990) S. 482 (recte: S. 382, Nr. 528 f.). – Lied 2 auch in: Eva Kiepe: Gedichte 1300–1500 (Epochen der dt. Lyrik 2). M¨unchen 1972 (Nachdr. 2001 [hg. v. Eva Willms] u. d. T.: Dt. Lyrik v. den Anf¨angen bis zur Gegenwart 2) S. 96 f. – Lied 6 auch bei: Holtzmann (s. Lit) S. 213 f. und Durward Saline Poynter: The Poetics of the Early Meisters¨anger as reflected in the Kolmarer Hs. (Cgm 4997). Diss. Los Angeles 1965, S. 549–551. – Melodieausg.: Horst Brunner/KarlG¨unther Hartmann: Spruchsang. Die Melodien der Sangspruchdichter des 12. bis 15. Jh. (Monumenta monodica medii aevi 6). Kassel 2010, S. 234 f. Literatur: K[arl] Bartsch, ADB 21 (1885) S. 176. – Eva Kiepe-Willms, VL2 6 (1987) Sp. 300–302. – RSM 4 (1988) S. 326–328; 2,1 (2009) S. 133. – E. Willms, MarLex 6 (1994) S. 860. – Adolf Holtzmann: Meisterlieder des 15. Jh. In: Germania 5 (1860) S. 210 –219, hier S. 212–214. – K. Bartsch (s. Ausg.) S. 181, 705–707. – Ders.: Alt- und mittelhochdeutsches aus Engelberg. In: Germania 18 (1873) S. 45–72, hier S. 55. – Paul Runge: Die Sangesweisen der Colmarer Hs. und die Liederhs. Donaueschingen. Leipzig 1896 (Nachdr. Hildesheim 1965) S. 171. – Wolfgang Stammler: Die Wurzeln des Meistergesanges. In: DVjs 1 (1923) S. 529–556 (wieder in: Der dt. Meistersang [WdF 148]. Hg. v. Bert 658
2. H¨alfte 14. Jh. Nagel. Darmstadt 1967, S. 10–42). – Horst Oppenheim: Naturgef¨uhl und Naturschilderung bei den fr¨uhen Meistersingern (Form und Geist 22). Leipzig 1931. – Jacques Handschin: Die Schweiz, ¨ welche sang. Uber ma. Cantionen aus schweizerischen Hss. In: FS Karl Nef. Z¨urich/Leipzig 1933, S. 102–133. – Heinrich Husmann: Aufbau und Entstehung des cgm 4997 (Kolmarer Liederhs.). In: DVjs 34 (1960) S. 189–248. – Eva Schumann: Stilwandel und Gestaltver¨anderung im Meistersang. Vergleichende Unters. zur Musik der Meistersinger (G¨ottinger musikwissenschaftliche Arbeiten 3). Kassel 1972 [recte 1973], Reg. – H. Brunner: Die ¨ alten Meister. Stud. zu Uberl. und Rezeption der mhd. Sangspruchdichter im Sp¨atMA und in der fr¨uhen Neuzeit (MTU 54). M¨unchen 1975, Reg. – Cramer 2 (1979) S. 523 f. – Albrecht Classen: Der Liebes- und Ehediskurs vom hohen MA bis zum fr¨uhen 17. Jh. (Volksliedstud. 5). Mu¨ nster u. a. 2005, S. 264 f. (zu Lied 5). – Gisela Kornrumpf: Rondeaux des Barf¨ußers vom Main? Spuren einer dt. Liedmode des 14. Jh. in Kremsm¨unster, Engelberg und Mainz. In: ‹Ieglicher sang sein eigen ticht›. Germanistische und musikwissenschaftliche Beitr. zum dt. Lied im Sp¨atMA. Hg. v. Christoph M¨arz u. a. (Elementa Musicae 4). Wiesbaden 2011, S. 57–73, hier S. 61–68. VZ Der wachter an der zinnen. – Nicht erhaltenes weltliches Tagelied, 14. Jh. Zwei geistliche Kontrafakturen lassen neben weiteren Textzeugnissen auf die Existenz des verlorenen Liedes mit sechsversigen Strophen schließen. Dessen Initium d¨urfte mit der Formulierung «Der wachter an der zinnen» geendet haben. Diese dient in einem Einblattdruck (um 1510) einer der Kontrafakturen als Titel sowie einer textlosen Melodieaufzeichnung im → Glogauer Liederbuch (um 1480) als Textmarke. Mo¨ glicherweise ist der Anfang des Tageliedes im Antwerpener Liederbuch (1544) teilweise enthalten. Hier finden sich zu Beginn einer Strophe drei eingestreute Verse. Der erste lautet: «Hoe luyde singet die wachter opter tinnen». Das Initium des entsprechenden Liedes, «Het worp een knaep so heimelike dingen», steht wiederum bei einem hochdt. Lied, dessen metrisch-musikalische Struktur der zweiten Kontrafaktur des verlorenen Tageliedes entspricht, als Tonangabe («in dem done: Es warb ein knab nach ritterlichen dingen», s. u. [4.]). Diese Angabe k¨onnte auf ein zweites 659
Der wachter an der zinnen weltliches, gleichsam verlorenes Lied zur¨uckgehen, das die Melodie des Tageliedes benutzte. Die erste der beiden geistlichen Kontrafakturen ist eine Marienanrufung aus dem 14. Jh. (Initium: «Regina celi terre et maris»). Sie hat neun Strophen, deren Verse 1–4 jeweils lat.-dt. alternieren. Die Verse 5/6 sind durchgehend lat. Gegenstand des Liedes ist die Verk¨undigung des Engels an Maria. Es ist denkbar, dass die Dialogpartner Engel und Maria eine Entsprechung zum W¨achter und zur Frau im Tagelied darstellen. Die zweite Kontrafaktur (dt.) k¨onnte noch aus dem 14. Jh. sein und wurde von der fr¨uhen Forschung aufgrund des ¨ Uberlieferungskontextes Heinrich → Laufenberg zugeschrieben. Je nach Textzeugen umfasst das Lied, das in nd., ndl. und hochdt. Fassungen mit betr¨achtlicher Textvarianz vorliegt, 7–16 Strophen, wobei die nd.-ndl. Fassungen mit einem gemeinsamen Kernbestand von sieben Strophen der urspr¨unglichen Fassung am n¨achsten zu stehen schei¨ nen. Diese Kontrafaktur hat breite Uberlieferung erfahren, von den 20er Jahren des 15. Jh. bis zum Anfang des 16. Jh., in den Niederlanden bis ins 17. Jh. Inhaltlich werden Tageliedmotive wie Weckruf und W¨achterdialog zu einem Gespr¨ach zwischen Lehrer und Sch¨uler umgewandelt (Initium hochdt.: «Ein lerer r˚uft vil lut vs hohen sinnen» oder a¨ hnlich; ndl: «Woe lude soe sanck die lerer op der tynnen» oder a¨ hnlich). Der Lehrer warnt mit einem memento mori vor S¨unde und gemahnt an den Dekalog. In der hochdt. Fassung f¨uhrt eine zusammenh¨angende Erweiterung (Str. 9–16) die zehn Gebote einzeln aus. Eine Reimvariante, die den urspr¨unglichen Waisenvers in Vers 2 der Kontrafaktur durch einen Reim ersetzt, erweist diese Erweiterung formal als sp¨atere Bearbeitung. Weitere dt. Kontrafakturen sind als sekund¨ar zu bewerten und h¨angen von der ersten dt. Kontrafaktur ab: 1) Ein sechstrophiger Engelruf mit Antwort des S¨unders mit unregelm¨aßigem Reimschema (Initium: «Wie lude riff ein engel vsß der gottes stam» [?]). – 2) Ein neunstrophiger Dialog zwischen Vernunft und Natur uber ¨ Verg¨anglichkeit und g¨ottliche Gnade (Initium: «Der heilge geist der lert vns von in bydten» [?]). – 3) Ein CredoLied von Heinrich Laufenberg mit 16 Strophen (Initium: «Vil lut so r˚uft ein lerer hoher sinnen»). – 4) Geistliches memento mori-Lied mit 15 Strophen (Tonangabe: «Es warb ein knab nach ritterlichen Dingen». Die zehnte Strophe entspricht der zweiten Strophe der hochdt. Fassungen der ersten dt. 660
Reinold von der Lippe Kontrafaktur. Diese fehlt in den nd.-ndl. Fassungen. – Zu den ndl. Liedern vgl. Van Duyse (s. Lit.) S. 2435 f. ¨ Uberlieferung: Lat./dt. Kontrafaktur: M¨unchen, BSB, Clm 18921, 113v–114r (Pap., 14. Jh.). – Straßburg, StB, Cod. B 121, 75v–76r (?) (Pap., 1413–58, Straßburger Laufenberg-Hs., verbrannt). – Stuttgart, LB, Cod. theol. et phil. 8° 19, 167v–168r (Pap., 15. Jh.). – M¨unchen, BSB, Clm 18964, 105rv (Pap., 1460/61). – Dt. Kontrafaktur: Nd.: Kopenhagen, Cod. Thott. 32,8°, 4r–5r (Pap., 1423), Initium: «We lustich zanck de lerer up der tynnen» («lerer» als Ersetzung f¨ur gestrichenes «wachter») mit formal abweichender Zusatzstrophe. – → Werdener Liederbuch (Werden, Pfarrarch., ohne Sign. [um 1500/30, verschollen]). – Hochdt.: Straßburg, StB, Cod. B 121, 46v–48r (?) (s. o.), mit Melodie, Eintrag v. 1429. – Einblattdr.: Augsburg (Hans Froschauer) 1518, Titel: «Der Wachter an der zynnen lag»; vgl. Rolf Wilhelm Brednich: Die Liedpublizistik im Flugbl. des 15. bis 17. Jh. Bd. 2.: Kat. der Liedflugbl. des 15. und 16. Jh. (Bibliotheca bibliographica Aureliana 60). Baden-Baden 1975, Nr. 75 mit Abb. 19. – Zu den ndl. Hss. und Drucken des 15.–17. Jh. und deren Ausgaben vgl. VL2 10 (1999) Sp. 564. – Dt. Sekund¨arkontrafakturen: 1) und 2): Straßburg, National- und UB, Ms. 1995, 133v–134r, 136rv (Pap., 1428, rheinfr¨ankisch) Nachtr¨age zum Hauptbestand. – 3) Ebd. StB, Cod. B 121 (s. o.). – 4) Einblattdr. Mu¨ nchen (Hans Schobser) um 1501 (?) (Brednich [s.o.] Nr. 41). – Druckabschr. (?): M¨unchen, BSB, Cgm 809, 77v (Pap., 1490–1524, bair.) Schluss fehlt. – Nu¨ rnberg, Germ. Nationalmuseum, Hs. Merkel 2° 966, 125v (Pap., 1524–26, aus Augsburg). – Berlin, SBB, Mgq 659, 33r–34v (Pap., 16. Jh.). Ausgaben: Lat./dt. Kontrafaktur: Philipp Wackernagel: Das dt. Kirchenlied von der a¨ltesten Zeit bis zu Anfang des XVII. Jh. Bd. 2. Leipzig 1867 (Nachdr. Hildesheim u. a. 1990) S. 602 f. (Nr. 780 f.) (nach Straßburg und Stuttgart). – Dt. Kontrafaktur: Nd.: Jellinghaus (s. Lit.) S. 6 f.; Korrekturen: Conrad Borchling: Mnd. Hss. in Skandinavien, Schleswig-Holstein, Mecklenburg und Vorpommern. Zweiter Reiseber. (Nachr. v. der Kgl. Gesellsch. der Wiss. zu G¨ottingen, Philol.hist. Kl. 1900 [Beih.]). G¨ottingen 1900, S. 29 f. – Franz Jostes: Eine Werdener Liederhs. aus der Zeit um 1500. In: NdJb 14 (1888) S. 60–89, hier Nr. 17. – Hochdt.: Wackernagel 2 (s. o.) S. 541–543 661
2. H¨alfte 14. Jh. (Nr. 717 f.) (nach Straßburg und Druck). – Dt. Sekund¨arkontrafakturen: 1) und 2): Karl Bartsch: Beitr. zur Quellenkunde der altdt. Lit. Straßburg 1886, S. 348–350, 352–354. – 3) und 4): Wackernagel 2 (s. o.) S. 544 f. (Nr. 720) S. 543 f. (Nr. 719). Literatur: Frieder Schanze, VL2 10 (1999) Sp. 562–566. – Hermann Jellinghaus: Aus Kopenhagener Hss. In: NdJb 7 (1881) S. 1–17, hier S. 6–8. – Walter de Gruyter: Das dt. Tagelied. Diss. Leipzig 1887, S. 136 f. – Eduard Richard Mu¨ ller: Heinrich Loufenberg, eine litterar-hist. Unters. Diss. Straßburg 1888, S. 89 f. – Florimond van Duyse (Hg.): Het oude Nederlandsche lied. Wereldlijke en geestelijke liederen uit vroegeren tijd teksten en melodie¨en verzameld. Bd. 3. ’s-Gravenhage 1908, S. 2434–2436. – Kurt Hennig: Die geistliche Kontrafaktur im Jh. der Reformation. Ein Beitr. zur Gesch. des dt. Volks- und Kirchenliedes im XVI. Jh. Halle 1909, S. 26 f. – Luise Berthold: Beitr. zur hochdt. geistlichen Kontrafaktur vor 1500. Diss. Marburg 1918 (Teildr.) S. 8 f. – Theodor Kochs: Das dt. geistliche Tagelied. Diss. Mu¨ nster 1928, S. 88 f. – Joseph Maria Mu¨ ller-Blattau: Heinrich Laufenberg, ein oberrheinischer Dichtermusiker des sp¨aten MA. In: Elsaß-Lothringisches Jb. 17 (1938) S. 143–163, hier S. 154 f. – Gisela Kornrumpf: Eine Melodie zu Marners Ton XIV in Clm 5539. In: ZfdA 107 (1978) S. 218–230, hier S. 228 Anm. 21. – Max Schiendorfer: Der W¨achter und die M¨ullerin ‹verkˆert›, ‹geistlich›. Fußnoten zur Liedkontrafaktur bei Heinrich Laufenberg. In: Contemplata aliis tradere. Stud. zum Verh¨altnis v. Lit. und Spiritualit¨at. Hg. v. Claudia Brinker u. a. Bern u. a. 1995, S. 273–316, hier S. 297 mit Anm. – Zum Antwerpener Liederbuch: August Heinrich Hoffmann v. Fallersleben: Horae Belgicae. Pars XI: Antwerpener Liederbuch vom Jahre 1544. Hannover 1855, S. 90 (Nr. LX, 2.1–3). – Wackernagel 2 (s. Ausg.) S. 904 (Nr. 1124). – Johannes Koepp: Unters. u¨ ber das Antwerpener Liederbuch vom Jahre 1544. Antwerpen 1929, S. 198–202. – Dieuwke E. van der Poel/Louis Peter Grijp (Hg.): Het Antwerps liedboek. Tielt 2004. Bd. 1 (Text) Nr. 55 f., Bd. 2 (Komm.) S. 146–150. VZ Johann von Habsburg → Band 3, Sp. 407 f. Reinold von der Lippe (Rein[h]olt, Reiner, Reyner, Reynolt). – Verfasser zweier religi¨oser Lieder und einer Melodie. R., der von 1332 bis 1356 urkundlich bezeugt ist, d¨urfte wohl aus einem Paderborner Ministerialen662
2. H¨alfte 14. Jh. geschlecht stammen (Vorbehalte a¨ußert PickerodtUthleb). Zwei Lieder in nd. F¨arbung und eine Melodie sind unter diesem Namen in der → Jenaer Liederhandschrift u¨ berliefert. Beide Lieder haben drei Strophen und nehmen sich religi¨oser Themen an. In Lied I (Die s¨unde beweinen) werden die eigenen zahlreichen S¨unden lamentiert («Die s¨unden last / ich nie enbrast»). Gott wird um seine Weisheit und Hilfe gebeten, so wie er Moses mit dem Quellwunder beistand. Lied II (Des kuninges abentwirtschaft) spielt auf den K¨onig von Sion an, der beim ‹Abendmahl› aus seinen Knechten «da ritter» und Maria aus ihren Bediensteten «vursten machen» will. In seiner Beschreibung von Marias Uterus («daz er iunk lach / in einer maget gedryet») bedient sich R. der g¨angigen Darstellungsformen mhd. Lyrik, die eine F¨ulle von Methoden zur Umschreibung des jungfr¨aulichen Unterleibes gefunden hat. ¨ Uberlieferung: Jena, ULB, Ms. El. f. 101, 45rb–46va (Perg., um 1330, mitteldt. bzw. nd.). Ausgaben: HMS 3 (1838) S. 50 f. – Cramer 3 (1982) S. 140–143. – Philipp Wackernagel: Das dt. Kirchenlied von der a¨ ltesten Zeit bis zu Anfang des 15. Jh. Bd. 2. Leipzig 1867 (Neudr. Hildesheim u. a. 1990) S. 202 f. (Nr 341 f.). Literatur: HMS 4 (1838) S. 715. – [Franz] W[ilhelm] Wilmanns, ADB 18 (1883) S. 734. – Ehrismann 2.2.2 (1935) S. 298. – Frieder Schanze, VL2 7 (1989) Sp. 1207 f. – De Boor/Newald 3/1 (51997) S. 399. – Die Gedichte Reinmars von Zweter. Hg. v. Gustav Roethe. Leipzig 1887 (Nachdr. Amsterdam 1967) S. 120, 236. – Hermann Sch¨onhoff: R. v. d. L. In: ZfdA 50 (1908) S. 124–128. – Edward Schr¨oder: Zu R. v. d. L. In: ebd., S. 128 f. – Helmut Tervooren: Einzelstr. oder Strophenbildung? Unters. zur Lyrik der Jenaer Hs. Diss. Bonn 1967, S. 220–222. – Franz Kurt: Stud. zur Soziologie des Spruchdichters in Deutschland im sp¨aten 13. Jh. (GAG 111). G¨oppingen 1974, S. 14. – Horst Brun¨ ner: Die alten Meister. Stud. zu Uberl. und Rezeption der mhd. Sangspruchdichter im Sp¨atMA und in der fr¨uhen Neuzeit (MTU 54). M¨unchen 1975, Reg. – Erdmute Pickerodt-Uthleb: Die Jenaer Liederhs. Metrische und musikalische Unters. (GAG 99). G¨oppingen 1975, S. 243, 450. – Wer¨ ner Faulstich: Medien und Offentlichkeiten im MA 800–1400 (Die Gesch. der Medien 2). G¨ottingen 1996, S. 399. – Susanne Fritsch-Staar: Uterus vir¨ gineus thronus est eburneus. Zur Asthetisierung, D¨amonisierung und Metaphorisierung des Uterus in mhd. Lyrik. In: Manlˆıchiu wˆıp, wˆıplˆıch man. 663
Gemeine Lehre Zur Konstruktion der Kategorien ‹K¨orper› und ‹Geschlecht› in der dt. Lit. des MA (ZfdPh. Beih. 9). Hg. v. Ingried Bennewitz/Helmut Tervooren. Berlin 1999, S. 182–203, hier S. 192. FA Gemeine Lehre → Band 2, Sp. 471 f. Ave praeclara Sp. 492–494.
maris
stella
→ Band
2,
Stelzer. – Lieddichter (?), 14. Jh. (?). Von Konrad → Suchendank ist ein 29-zeiliger Reimpaarspruch u¨ berliefert, in dem er ein scheinbar beliebtes (erotisches [?]) Lied kritisiert und in dem ein «steltzer» (Kr¨uppel) genannt wird: «Wer lobt dz steltzers roten munt / der het frˇowen er verwnt / jch wolt wer also tihtens pfleg / dz im ein steltz im magen leg [...] / dz steltzers lied durch e wit´u land / ist frowen vnd rittern ein schand». Der textliche Befund ist ambivalent: Die Kritik Suchendanks k¨onnte sich gegen ein Lied richten, das den «steltzer» zum Verfasser hat oder aber u¨ ber einen «steltzer» berichtet. Sollte der Autor gemeint sein, so sind von ihm keine u¨ berlieferten Dichtungen bekannt. ¨ Uberlieferung: Suchendanks Spruch steht in Darmstadt, ULB, Hs. 2225, 71r (lat. Sammelhs., 1410) in einer kleinen Slg. dt. Lieder. Literatur: Ulrich Seelbach, VL2 9 (1995) Sp. 286 f. – Frieder Schanze: Konrad Suchendank. In: ebd., Sp. 477 f.; 11 (2004) Sp. 1462. – Wilhelm Crecelius: Lieder aus dem XIV.–XV. Jh. In: Germania 12 (1867) S. 226–232, hier S. 228 f. VZ Konrad von Queinfurt → Band 2, Sp. 481–483. Te Deum → Band 2, Sp. 488–492. Goldenes Ave Maria → Band 2, Sp. 494–497. Veni, sancte spiritus → Band 2, Sp. 497–501. Der Monch ¨ vom Main. In der von Tilemann → Elhen von Wolfhagen verfassten Limburger Chronik wird im Jahr 1374 von einem auss¨atzigen Franziskanerm¨onch berichtet («monich von den barfußen»), der wohl einige Jahre zuvor als Liederdichter und S¨anger in der Maingegend sehr bekannt und beliebt gewesen sei: «Der machte di beste lide unde reien in der wernde». Die Chronik enth¨alt aber lediglich den 664
Hug(o) von Meiningen Beginn von dreien seiner Lieder. Eine leicht abweichende Variante des Anfangs vom zweiten St¨uck («Mei, mei mei, dine wonnecliche zit») mit einem hinzugef¨ugten Vers findet sich in Kremsm¨unster (s. ¨ Uberl.). Vielleicht l¨asst sich der Liedtyp am ehesten als eine ‹germanische› Version des Rondeau verstehen: Ein Rundgesang, der im sp¨atma. Frankreich sp¨atestens seit der ersten H¨alfte des 14. Jh. vorkam (vgl. Kornrumpf). Zwar mag es keine vollst¨andige ¨ Uberlieferung der Werke des M. v. M. geben, weitere Versatzst¨ucke bzw. Verarbeitungen seiner gedichteten Zeilen in Engelberg (Stiftsbibl., Cod. 314, 168rv; bei De sancta Maria), Rom ([Vatikanstadt], Bibl. Apostolica Vaticana, Cod. Pal. lat. 976, 126v) und Mainz (StB, Hs. I. 164, 196v) d¨urften aber ihren Bekanntheitsgrad belegen. ¨ Uberlieferung: Kremsm¨unster, Stiftsbibl., Cod. 81, 35v (wurde1440/41 dem Stift vom Stadtpfarrer Johannes Seld de Laubs hinterlassen). Ausgaben: Die Limburger Chron. des Tilemann Elhen von Wolfhagen (MGH Dt. Chron. 4.1). Hg. v. Arthur Wyss. Hannover 1883, S. 70 f. Literatur: Frieder Schanze, VL2 6 (1987) Sp. 656. – Julius Goebel: Poetry in the Limburger Chronik. In: The American Journal of Philology 8 (1887) S. 158–178, 448–466. – Das a¨ltere Volkslied (Materialien zur Gesch. des dt. Volkskliedes 1). Hg. v. Georg Berlit. Leipzig 1900 (Nachdr. Hildesheim 1971) S. 57 f. – Gottfried Zedler: Zur Erkl¨arung und Textkritik der Limburger Chronik. In: M¨unchener Museum f¨ur Philologie des MA und der Renaissance 5 (1929) S. 210–250, hier S. 249 f. – Theodor Kochs: Das dt. geistliche Tagelied. M¨unster 1928. – Dietrich Schmidtke: Lieder aus Kremsm¨unster. In: Arch. f¨ur das Studium der neueren Sprachen und Literaturen 216 (1979) S. 33–38. – Gisela Kornrumpf: Rondeaux des Barf¨ußers vom Main? Spuren einer dt. Liedmode des 14. Jh. in Kremsm¨unster, Engelberg und Mainz. In: ‹Ieglicher sang sein eigen ticht›. Germanistische und musikwissenschaftliche Beitr. zum dt. Lied im MA. Hg. v. Christoph M¨arz. Wiesbaden 2011, S. 57–73. FA Hug(o) von Meiningen. – Sangspruchdichter, zweite H¨alfte 14. Jh. In den Dichterkatalogen der ber¨uhmten Meistersinger Konrad → Nachtigall und Hans → Folz sowie im Prosa¨uberblick Valentin Voigts des 15. Jh. werden die Namen «Hugo von Memingen», «Hug» oder «Huge diet ieder sein vermuge» angef¨uhrt, 665
2. H¨alfte 14. Jh. die auf einen Dichter a¨hnlichen Namens verweisen (vgl. Kataloge bei Brunner 1989). Zudem bezeichnet sich das lyrische Ich in der ersten Strophe von → Regenbogens «Langem don» als den «kunstelose[n] Hug von Meiningen» (v. 13). In den folgenden Strophen 2–5, f¨ur die H. als Verfasser wahrscheinlich, aber nicht gesichert ist, werden Trinit¨at, Sch¨opfung, Engelssturz, Engelch¨ore und die Vertreibung aus dem Paradies behandelt. In den folgenden Strophen, die sich inhaltlich stark unterscheiden und deren Verfasserschaft bislang ungekl¨art ist (Kiepe 1972), stehen vor allem medizinische (Entstehung und Wachstum des Kindes im Mutterleib), astronomische und astrologische Fragen (Planeten- und Temperamentenlehre) im Hinblick auf das Zusammenspiel von Makrokosmos und Mikrokosmos im Vordergrund. Der Autor lehnt sich dabei an die ersten B¨ucher der Bibel (Gen, Ex) an, greift aber auch auf naturkundliches Wissen und volkssprachliche wissensliterarische Texte, wie den Lucidarius (um 1190), zur¨uck. In den Strophen 7 und 8 deuten sich neben dem Lob des Sch¨opfers und der Sch¨opfung allegorische Ausdeutungen an. ¨ Uberlieferung: Mu¨ nchen, BSB, Cgm 351 (Pap., I: drittes Viertel 15. Jh.; II: zweites Viertel 15. Jh., I: mittelbair.; II: nordbair.) 234r–236r. – Basel, UB, Hs. 0 IV 28, 23r–24r (Pap., zweite H¨alfte 15. Jh.). – Mu¨ nchen, BSB, Cgm 4997 (Kolmarer Liederhs. k, Pap., um 1460), 353va–354vb. – Heidelberg, UB, Cpg 392, 85v–86v (Pap., um 1500, schw¨abisch). – Berlin, SBB, Mgq 414 (Pap., 1517/18) 317v–318v. – 2. m 193r–194r. – b 24r–25r. – 3. m 194v–195v. – 4. m 243r–244r. – M¨unchen, BSB, Cgm 5198 (Pap., um 1500, bair.-¨osterr.) 67v–68r. – 5. m 244r–245v. – 6. k 428va–429va. – h 94r–94v. – 7. k 405vb–406vb. – 8. Mu¨ nchen, BSB, Cgm 847 (Pap., erste H¨alfte 16. Jh., mittelbair.) 1r–6v. Ausgabe: Strophen 1–7: Cramer 2 (1979) S. 63–67. – Eva und Hansj¨urgen Kiepe (Hg.): Gedichte 1300–1500 (Epochen der dt. Lyrik 2). M¨unchen 1972, S. 198–205. Literatur: Reinhold Schr¨oder, VL2 4 (1983) Sp. 242 f.; 11 (2004) Sp. 698. – Bernhard Joseph Docen: Krit. Beschreibung einer Sammlung alter Meisterges¨ange in einer Hs. des XV. Jh. In: Beytr¨age zur Gesch. und Lit. vorz¨uglich aus den Sch¨atzen der pfalzbayerischen Zentralbibl. zu Mu¨ nchen. Hg. v. Johann Christian von Aretin. Bd. 9. M¨unchen 1807, S. 1128–1187. – Johannes 666
2. H¨alfte 14. Jh. Siebert: Himmels- und Erdkunde der Meisters¨anger. In: ZfdA 76 (1939) S. 222–253. – Ders.: Meisterges¨ange astronomischen Inhalts (I). In: ZfdA 83 (1951/52) S. 181–235. – Horst Brunner: Dichter ¨ ohne Werk. In: Uberlieferungsgeschichtliche Editionen und Stud. zur dt. Lit. des MA. FS Kurt Ruh. Hg. v. Konrad Kunze u. a. (TTG 31) T¨ubingen 1989, S. 1–31. GM Huge (Hugo von Memingen). In den miteinander eng verwandten Dichterkatalogen von Hans → Folz und Konrad → Nachtigall findet sich der Name in unterschiedlicher Schreibung. Ist es bei Folz in beiden Fassungen «Huge», heißt er bei Nachtigall und in Valentin Voigts Prosaaufl¨osung Hugo (von Memingen). Ob in den Katalogen eigentlich von → Hugo von Meiningen die Rede ist, l¨asst sich nicht beurteilen. Alle Fassungen m¨ussen zwar auf eine Ursprungsvariante zur¨uckgehen, da aber im Lauf der Zeit wohl jeweils andere Namen in den Katalogen entfernt bzw. hinzugef¨ugt wurden, kann es gleichwohl sein, dass es sich um zwei verschiedene Meister handelt und jede Handschrift einem anderen den Vorzug gab. Literatur: Reinhold Schr¨oder, VL2 4 (1983) Sp. 221. – Horst Brunner: Dichter ohne Werk. Zu einer u¨ berlieferungsbedingten Grenze ma. Literaturgesch. (Mit einem Textanhang: Die Dichterkat. des Konrad Nachtigall, des Valentin Voigt ¨ und des Hans Folz). In: Uberlieferungsgeschichtliche Editionen und Stud. zur dt. Lit. des MA. FS Kurt Ruh (TTG 31). Hg. v. Konrad Kunze u. a. T¨ubingen 1989, S. 1–31 (wieder in: H. Brunner: Ann¨aherungen. Stud. zur dt. Lit. des MA und der Fr¨uhen Neuzeit [Phil.Stud.u.Qu. 210]. Berlin 2008, S. 291–303). FA Konrad von Alzey → Band 2, Sp. 517 f. Moringer. – Balladenartiger Text aus dem 14. Jh. Der Text, der in mehr als 40 Kanzonenstrophen von der Fahrt des edlen Moringers nach Indien und seiner Heimkehr berichtet, kann in drei Teile gegliedert werden, die je durch Ortswechsel markiert sind: (1) In der Heimat erkl¨art der edle Moringer seine Absicht, f¨ur sieben Jahre auf eine Wallfahrt nach Indien zu ziehen. Er kann den jungen Herrn von Neifen daf¨ur gewinnen, auf Frau und Herrschaft achtzugeben. (2) In Indien erscheint dem edlen Moringer im Traum ein Engel, der ihn zur sofortigen Heimkehr auffordert, da noch am selben 667
Huge Tag der junge Herr von Neifen und seine Frau heiraten werden. Der edle Moringer klagt daraufhin dem hl. Thomas sein Leid und wird im Schlaf in die Heimat versetzt. (3) In der Heimat kommt der ¨ edle Moringer nach der Uberwindung mehrerer Hindernisse unerkannt gerade noch rechtzeitig zur Brautgesellschaft. Er enth¨ullt seine Identit¨at, woraufhin seine Gattin Verzeihung erfleht, w¨ahrend der junge Herr von Neifen um seine Enthauptung bittet. In einer operettenhaften Wendung werden die Konflikte gel¨ost, indem der edle Moringer seiner Frau verzeiht und den jungen Herrn von Neifen mit seiner bis dahin nicht erw¨ahnten Tochter verheiratet. Die Figur des edlen Moringers erkennt die Forschung einhellig als Reflex → Heinrichs von Morungen an. Neben der Namens¨ahnlichkeit von Minnes¨anger und Balladenprotagonisten ist hierf¨ur vor allem eine Eigent¨umlichkeit der Minnesang u¨ berlieferung anzuf¨uhren: In der → Weingartner Liederhandschrift ist → Walthers von der Vogelweide sog. «sumerlaten»-Lied ebenso irrt¨umlich wie zuf¨allig Heinrich von Morungen zugeschrieben worden. Dieses Lied wird im M. an entscheidender Stelle zitiert und zugleich liefert es die Strophenform der Ballade. Der Stoff der Ballade stammt aus dem Dialogus miraculorum des C¨asarius von Heisterbach und ist auf nicht mehr sicher zu rekonstruierenden Wegen mit jenem «Henricus de Morungen» in Verbindung gebracht worden, in dem man die historische Person des Dichters erblicken will. In die Figurenkonzeption des «sumerlaten»-Liedes f¨ugt sich → Gottfried von Neifen als Vorbild f¨ur den jungen Herrn von Neifen insofern gut ein, als das «sumerlaten»-Lied auch als poetologische Reflexion zu verstehen ist. ¨ Die Uberlieferung des Textes erstreckt sich u¨ ber anderthalb Jahrhunderte, wobei die Varianz im Strophenbestand bei den a¨ lteren, handschriftli¨ chen Uberlieferungstr¨ agern ausgepr¨agter ist als bei ¨ den Drucken. Gleichwohl kann man die Uberlieferung auf einen gemeinsamen Ausgangspunkt zur¨uckf¨uhren. Eine Reimanalyse l¨asst eine Entstehung des Textes vor der Mitte des 14. Jh. vermuten. Aus dem 14.–16. Jh. sind eine ganze Reihe von Anspielungen auf den Moringer u¨ berliefert, die eine hohe Bekanntheit des Textes voraussetzen. Eine Nachwirkung u¨ ber die Zeit des Dreißigj¨ahrigen Krieges hinaus war dem M. nicht beschieden, anders als → Bremberger und → Tannh¨auser-Ballade 668
Moringer fand dieser Text auch keinen Eingang in Brentanos und Arnims Des Knaben Wunderhorn. ¨ Uberlieferung (vgl. Schanze 1987, Sp. 688; R¨uther 2007, S. 24–28): 1. Handschriften: a) Berlin, SBB, Mgq 1107 (Liederbuch des Thomas Palm), 91r–96v (Pap., 1459, schw¨abisch; deutschsprachige Sammelhs., u¨ berwiegend Lieder; Abdruck: Mertens 1989, S. 208–215; R¨uther 2007, S. 54–84. – b) Verschollen. Olim: Wernigerode, Gr¨aflich-Stolbergsche Bibl., cod. Zb 4 m, 249v–255v (Pap., letztes Viertel 15. Jh./Anfang 16. Jh., rheinfr¨ankisch; dt.-lat. Sammelhs., Arzneibuch, Rezepte, Gedichte, Lieder. Eine Fotografie der Bl¨atter mit der ‹Moringer›-Ballade wird im Dt. Volksliedarchiv Freiburg aufbewahrt. Abdruck: R¨uther 2007, S. 55–85. – c) Dessau, Anhaltinische Landesb¨ucherei, Hs. Georg. 25. 8° (olim: 202.8°), 58r–65r (Pap., zweite H¨alfte 15. Jh., ostmitteldt.; deutschsprachige Liederhs. Es handelt sich um eine Buchbindersynthese; der ‹Moringer› war urspr¨unglich ein einzelnes Heftchen. Abdruck: ¨ R¨uther 2007, S. 55–85. – d) Wien, ONB, cod. 2493 (Nikolaus Thoman: Weißenhorner Historie), 25r–29v (Pap., Weißenhorn, 1542, schw¨abisch; deutschsprachige Chronik. Weitere Exemplare der ‹Weißenhorner Historie› in Augsburg, Stuttgart, Ulm, Weißenhorn. Die Wiener Hs. kann als ‹Ausgabe letzter Hand› gelten. 2. Drucke: e) Des Edlen Ritter Morgeners walfart. Bamberg. Hans Sporer. 1493. Exemplarnachweis: Paris, Biblioth`eque National de France, Sign.: R´es. Yh. 86. Abdruck: R¨uther 2007, S. 54–84. – f) Des Edlen Ritter Morgeners Walfart. Erfurt. Hans Sporer. 1497. Exemplarnachweis: Washington, Library of Congress, Sign.: Rosenwald-Collection, incun. 1497 e 3. Abdruck: Dt. Volkslieder 1935, S. 106–117. – g) Des Edlen ritter Morgeners walfart. Erfurt. Hans Sporer. 1500. Exemplarnachweis: M¨unchen, BSB, Sign.: Rar. 65. – h) Das liedt von dem edlen Moringer. N¨urnberg. Jobst Gutknecht. 1515. Exemplarnachweis: Erlangen, UB, Sign.: Inc. 1446a. Faksimile: Jo¨ rg D¨urnhofers Liederbuch, Nr. 25. Abdruck: R¨uther 2007, S 54–84. – i) Das Lied von dem edlen Moringer. N¨urnberg. Adam Dyon. o. J. Exemplarnachweis: Berlin, SBBK, Sign.: Yd 7820, 9. – j) Diß Lied sagt von dem edlen Moringer. Straßburg. J. Fr¨olich. o. J. Exemplarnachweis: Rom, Citt`a del Vaticano, Sign.: Pal. V, 181, Nr. 56. Faks.: Walther von der ¨ Vogelweide. Die gesamte Uberlieferung der Texte 669
2. H¨alfte 14. Jh. und Melodien. Abbildungen, Materialien, Melodietranskriptionen. Hg. v. Horst Brunner, Ulrich Mu¨ ller, Franz Victor Spechtler. Mit Beitr¨agen von Helmut Lomnitzer und Hans-Dieter M¨uck. Geleitwort von Hugo Kuhn (Litterae 7). G¨oppingen 1977. S. 298–301. – k) [‹Moringer›]. Straßburg. o. O. o. D. o. J. Exemplarnachweis: T¨ubingen, UB: Dk XI 1088, 80. – l) Zwey sch¨one newe Lieder. Das Erste Von dem edlen Moringer. o. O. o. D. 1605. Exemplarnachweis: Zu¨ rich, ZB, Sign.: ms. Z VI 68612. Ausgaben: Dt. Volkslieder 1935, S. 106–117. – Mertens 1989, S. 208–215. – R¨uther 2007, S. 54–85. Literatur: Frieder Schanze, VL2 6 (1987) Sp. 688–692. – Sabine Schmolinsky: MoringerBallade. In: Killy2 8 (2010) S. 328. – Friedrich Vogt: Der edele Moringer. In: PBB 12 (1887) S. 431–453. – Edward Schr¨oder: Das Lied des Mo¨ ringers. In: ZfdA 43 (1899) S. 184–192. – Fritz Rostock: Mhd. Dichterheldensage (Hermaea 15). Halle/S. 1925, bes. S. 3–8. – Hermann Schneider: Ursprung und Alter der dt. Volksballade. In: Vom Werden des dt. Geistes. Festgabe Gustav Ehrismann zum 8. Oktober 1925 dargebracht von Freunden und Sch¨ulern. Hg. v. Paul Merker/Wolfgang Stammler. Berlin 1925, S. 112–124. – Hermann Menhardt: Zur Lebensbeschreibung Heinrichs von Morungen. In: ZfdA 70 (1933) S. 209–234. – Dt. Volkslieder. Balladen. Unter Mitarbeit von Harry Schewe und Erich Seemann gemeinsam mit Wilhelm Heiske und Fred Quellmalz hg. v. John Meier. Erster Tl. (Dt. Volkslieder mit ihren Melodien 1). Berlin 1935, S. 106–121. – Hans Butzmann: Eine neue Hs. vom Edlen Moringer. In: Ders.: Kleine Schr. Festgabe zum 70. Geburtstag (Stud. zur Bibliotheksgesch. 1). Graz 1973, S. 11–21 [zuerst 1939]. – Carl B¨utzler: Heinrich von Morungen und der edele Moringer. In: ZfdA 79 (1942) S. 180–209. – Volker Mertens: Alte Damen und junge M¨anner – Spiegelungen von Walthers ‹sumerlaten-Lied›. In: Walther von der Vogelweide. Hamburger Kolloquium 1988 zum 65. Geburtstag von Karl-Heinz Borck. Hg. v. Jan-Dirk Mu¨ ller/Franz Josef Worstbrock. Stuttgart 1989, S.197–215. – J¨org D¨urnhofers Liederbuch (um 1515). Faks. des Lieddruck-Sammelbandes Inc. 1446a der UB Erlangen. Mit Nachw. und Komm. v. F. Schanze (Fortuna vitrea 11). T¨ubingen 1993, Nr. 25. – Christa Agnes Tuczay: ‹st¨urbe ich, so ist si tot›. Walthers Sumerlatenlied oder Nachruhm 670
2. H¨alfte 14. Jh. mit Vorbehalt. In: Der achthundertj¨ahrige Pelzrock. Walther von der Vogelweide – Wolfger von Erla – Zeiselmauer. Vortr¨age gehalten am Wal¨ ther Symposion der Osterr. Akad. der Wiss. vom 24.–27. September 2003 in Zeiselmauer (Nieder¨osterreich). Hg. v. Helmut Birkhan. Wien 2005, S. 531–543. – Hanno R¨uther: Der Mythos von den Minnes¨angern. Die Entstehung der Moringer-, Tannh¨auser- und Bremberger-Ballade (Pictura et poesis 23). K¨oln/Weimar/Wien 2007, S. 18–139. HR Kempensen → Band 3, Sp. 432 f. Ave vivens hostia → Band 2, Sp. 528 f. De contemptu mundi → Band 2, Sp. 531 f. Salve mater salvatoris → Band 2, Sp. 536 f. Mittit ad virginem → Band 2, Sp. 537 f. Peter von Sachsen → Band 2, Sp. 539 f. Reimverse eines Begarden → Band 2, Sp. 575 f. Rheinfr¨ankische Magnificat-Paraphrase in Versen → Band 2, Sp. 605 f. Tauler-Cantilenen → Band 2, Sp. 608–610. Mutinger, ¨ Johannes (Johann, Hans), † wohl 28.8. 1383. M. ist als «Hans M¨utinger» in der Konstanzer Chronik bezeugt, die 1390 verfasst wurde. Dort datiert der Schreiber Johannes → Stetter dessen Tod auf 28.8.1383; ebenso erw¨ahnt er dessen F¨ahigkeiten als dt. und lat. Dichter. In der verlorenen Liederhandschrift X, deren Autorenregister in der Zimmerschen Chronik u¨ berlebt hat, wird «der Mu¨ etinger» als einer der Dichter ausgewiesen, «die gedechtnus bei iren gedichten, der lieder, den nachkommen haben bekannt gemacht». Es deuten mehrere Urkunden zwischen 1351 und 1373 darauf hin, dass er als kaiserlicher und vor allem geistlicher Notar in Konstanz t¨atig war. Ob er in Italien 1331/32 studiert hat, bleibt fraglich; er nennt bei seinen Unterschriften als Notar keinen Magistertitel (vgl. Bihrer 2005, S. 176). Heinrich → Offenbach, der Auftraggeber der ‹Liederhandschrift X, war als Protonotar f¨ur Bischof Ulrich 671
Kempensen Pfefferhard t¨atig, bevor M. f¨ur die Konstanzer Kurie aktiv wurde: Ein weiterer Hinweis, der M. als Dichter belegen w¨urde, selbst wenn von ihm wahrscheinlich keine Werke erhalten sind. Literatur: HMS 4 (1838) S. 883. – Frieder Schanze, VL2 6 (1987) Sp. 829 f. – Quellenslg. der badischen Landesgesch. Bd. 1. Hg. v. Franz Joseph Mone. Karlsruhe 1838, S. 323. – Karl Bartsch: Der M¨uttinger. In: Germania 32 (1887) S. 246–253 . – Philipp Ruppert (Hg.): Die Chron. der Stadt Konstanz. Konstanz 1890. – Heinrich Denifle: Die Statuten der Juristen-Univ. Padua vom Jahre 1331. In: Arch. f¨ur Lit.- und Kirchengesch. des MA 6 (1892) S. 309–560, hier S. 380. – Albert Ritter: Altschw¨abische Liebesbriefe. Eine Stud. zur Gesch. der Liebespoesie. Graz 1898, S. 64 f. – Gustav C. Knod (Bearb.): Dt. Studenten in Bologna (1289–1562). Biographischer Index zu den Acta nationis Germanicae universitatis Bononiensis. Berlin 1899 (Nachdr. Aalen 1970) S. 268 f. (Nr. 1850, 1853). – Regesten zur Gesch. der Bisch¨ofe von Konstanz, von Bubulcus bis Thomas Berlower (517–1496). Bd. 2: 1293–1383. Bearb. v. Alexander Cartellieri. Innsbruck 1905, S. 397 (Nr. 6628). – R¨omische Quellen zur Konstanzer Bistumsgesch. zur Zeit der P¨apste in Avignon, 1305–1378. Bearb. v. Karl Joseph Rieder. Innsbruck 1908, S. 505 (Nr. 1598). – Elise Walter: Verluste auf dem Gebiet der mhd. Lyrik (T¨ubinger germanistische Arbeiten 17). Stuttgart 1933, S. 69–74. – Volker Mertenz: Peter von Aarberg, Minnes¨anger. In: ZfdA 101 (1972) S. 344–357, hier S. 345 Anm. 8. – F. Schanze: Zur Liederhs. X. In: Dt. Hss. 1100–1400. Oxforder Kolloquium 1985. Hg. v. Volker Honemann/ Nigel F. Palmer. T¨ubingen 1988, S. 316–329. – Andreas Bihrer: Der Konstanzer Bischofshof im 14. Jh. Herrschaftliche, soziale und kommunikative Aspekte (Residenzforschung 18). Ostfildern 2005. S. 176 f., 180 f. u. o¨ . – Ders.: Repr¨asentationen adelig-h¨ofischen Wissens. Ein Tummelplatz f¨ur Aufsteiger, Außenseiter und Verlierer. Bemerkungen zum geringen gesellschaftlichen Stellenwert h¨ofischer Lit. im sp¨aten MA. In: Kulturtopographie des deutschsprachigen S¨udwestens im sp¨ateren MA. Stud. und Texte. Hg. v. Barbara Fleith/Ren´e Wetzel. T¨ubingen 2009, S. 215–228. FA Der Ungelehrte (auch: Engelhart). – Tondichter, 1300 bezeugt. Unter dem Namen U. erscheint dieser Dichter in der Ton¨uberlieferung sowie in den Dichterkatalogen von Konrad → Nachtigall und Hans → Folz. 672
Harder Die Meistersinger benutzten Engelhart als Voroder Hauptnamen. Historisch ist der U. nicht eindeutig greifbar. Meist wird er mit einem «Magister Vnghelarde» gleichgesetzt, der 1300 als Hausbesitzer in Stralsund nachweisbar ist. Manchmal vermutete T¨atigkeiten des Magisters als Schulleiter und Mentor → Wizlaws sind jedoch nicht belegt. Unbekannt ist auch, ob der U. Texte verfasste, da ihm nur mehrere moderat popul¨are T¨one zugeschrieben werden. Der «Schwarze Ton» (auch «Pflugton») ist in drei Varianten u¨ berliefert, von denen nur eine als echt gilt. Sie wird in einem Lied der → Kolmarer Liederhandschrift verwendet (RSM 1Ungl/1/2). Die popul¨arste, aber wohl unechte Variante des Tons wurde u. a. von → Heinrich von M¨ugeln in seiner lat. Ungarnchronik adaptiert. Es d¨urfte sich jedoch um eine j¨ungere Tonfassung mit zus¨atzlichen Rei¨ men handeln. Dem U. wird in der Uberlieferung auch ein «Fremder Ton» zugeschrieben, der aber erst in einem Lied des fr¨uhen 16. Jh. nachweisbar ist. Unecht, weil j¨unger, ist wahrscheinlich auch der «Lange Ton». Wizlav schreibt dem U. in der → Jenaer Liederhandschrift auch eine «senende wise» zu. ¨ Uberlieferung: Zur Melodie¨uberl. vgl. RSM (s. Lit.). Ausgaben: Cramer 4 (1985) S. 336–365 (Lieder im «Schwarzen Ton»). – Elisabeth Wunderle (Hg.): Die Slg. von Meisterliedern in der Heidelberger Hs. cpg 680. Edition und Komm. (GAG 584). G¨oppingen 1993, Nr. 37 (Lied im «Fremden Ton»). Literatur: Gustav Roethe, ADB 39 (1895) S. 280 f. – RSM 5 (1991) S. 444–449; 2/1 (2009) S. 277 f. u. o¨ . (Reg.). – De Boor/Newald 3/1 (51997) S. 287, 355. – Burghart Wachinger, VL2 10 (1999) Sp. 75–77. – Robert Staiger: Benedict von Watt. Ein Beitr. zur Kenntnis des b¨urgerlichen Meistergesangs um die Wende des 16. Jh. Leipzig 1914 (Neudr. ebd. 1973) S. 84 f., 100 f. – Franz Streinz: Die Singschule in Iglau und ihre Beziehungen zum allgemeinen dt. Meistergesang. Mu¨ nchen 1958, S. 98, 155. – The Songs of the Minnesinger, Prince Wizlaw of R¨ugen, with Modern Transcriptions of His Melodies and English Translations of His Verse. Hg. v. Wesley Thomas/Barbara Seagrave. Chapel Hill 1967, passim. – Sabine Werg: Die Spr¨uche und Lieder Wizlavs von R¨ugen. Unters. und krit. Ausg. der Gedichte. Diss. Hamburg 1969, S. 120–122. – Erdmute Pickerodt-Uthleb: Die Jenaer Liederhs. Metrische und musikalische 673
2. H¨alfte 14. Jh. Unters. (GAG 99). G¨oppingen 1975, S. 220. – ¨ Horst Brunner: Die alten Meister. Stud. zu Uberl. und Rezeption der mhd. Sangspruchdichter im Sp¨atMA und in der fr¨uhen Neuzeit (MTU 54). M¨unchen 1975, S. 151 u. o¨ . – Ders.: Dichter ohne Werk. Zu einer u¨ berlieferungsbedingten Grenze ma. Literaturgesch. (mit einem Textanhang: Die Dichterkataloge des Konrad Nachtigall, des Valen¨ tin Voigt und des Hans Folz). In: Uberlieferungsgeschichtliche Editionen und Stud. zur dt. Lit. des MA. Kurt Ruh zum 75. Geburtstag. Hg. v. Konrad Kunze u. a. T¨ubingen 1989, S. 1–31 (wieder in: H. Brunner: Ann¨aherungen. Stud. zur dt. Lit. des MA und der Fr¨uhen Neuzeit. Berlin 2008, S. 291–303). – Johannes Rettelbach: Variation – Derivation – Imitation. Unters. zu den To¨ nen der Sangspruchdichter und Meistersinger (Fr¨uhe Neuzeit 14). T¨ubingen 1993, passim. – Michael Baldzuhn: Vom Sangspruch zum Meisterlied. Unters. zu einem literarischen Traditionszusammenhang auf der Grundlage der Kolmarer Liederhs. (MTU 120). T¨ubingen 2002, S. 414. MM Schlacht bei Sempach → Band 3, Sp. 468–471. Schlacht bei N¨afels → Band 3, Sp. 471–474. Aus des vaters ewigkeit sein wir her geflossen → Band 2, Sp. 657 f. Der Geist hat mich vergeistet → Band 2, Sp. 658. Friedrichs von Hennenberg geistliche Rus¨ tung → Band 2, Sp. 658 f. Harder, Konrad (Der Harder [aus Franken], Kunz Herter). – Lieder-und Redendichter, zweite H¨alfte 14. Jh. (?). ¨ Uber H. gibt es unabh¨angig von seinem ¨ Werk und dessen Uberlieferung keine gesicherten Kenntnisse. Am Schluss seiner Minnerede Der Minne Lehen steht die Autorsignatur «das sein des harders red». Die a¨lteste datierbare Handschrift ¨ der nahezu ausschließlich obd. Uberlieferung von H.-Texten ist aus dem Jahr 1402; er d¨urfte also vor 1400 gedichtet haben. In diesem Textzeugen wird er als «H. von Frankh» bezeichnet. Seit der Mitte des 15. Jh. ist auch der Vorname bezeugt, der in der Kurzform «Kuncz» auch von Konrad 674
2. H¨alfte 14. Jh. → Nachtigall und Hans → Folz in deren Dichterkatalogen (RSM: 1NachtK/5/2; 1Folz/82) best¨atigt wird. Die dialektale Einordnung der Texte ist strittig. W¨ahrend Brandis (1964, s. Lit.) auf eine ostmitteldt. Herkunft des H. schließt, favorisiert Schanze (1983, s. Lit.) eine obd./fr¨ankische Abkunft. Die fr¨ankische Abkunft korreliert mit dem u¨ berlieferten Beinamen. Ferner wird die These Brandis’, wonach H. Kleriker und der Name als sprechender Berufsname («Hirte») zu verstehen sei, von Schanze angezweifelt mit dem Hinweis, dass der Name H. im obd. Raum (auch mit dem Vornamen K.) im 14. Jh. bereits anderweitig bezeugt sei. Vielleicht ist K. H. sogar mit dem gleichnamigen Schwiegervater oder Schwager Albrecht → Leschs zu identifizieren, der in den 70er Jahren des 14. Jh. als B¨acker in Mu¨ nchen bezeugt ist und mit Lesch im gleichen Haus lebte. Die Verwendung von gleichen To¨ nen und Liedtypen suggeriert zumindest eine literarische Verwandschaft von H. und Lesch. Von der Mehrzahl seiner zeitgen¨ossischen Dichter unterscheidet sich der H. dadurch, dass er sowohl Reimpaargedichte als auch Lieder in der Sangspruchtradition verfasst hat, wobei er in beiden Genres eine u¨ berdurchschnittliche Begabung offenbart (vgl. auch → Heinrich von M¨ugeln, → Suchensinn und Folz). Es sind zwei Gedichte in Reimpaaren u¨ berliefert. Die Minnerede Der Minne Lehen l¨asst das Erz¨ahlerIch mit der Untreue seiner Geliebten hadern und deswegen Frau Minne aufsuchen, arbeitet mit konventionellen Gattungselementen (einleitender Spaziergang, Bergbesteigung und Begegnung mit dem Zwerg, der den Weg zur Burg der Frau Minne weist, Vorstellung der Personifikationen, Unterredung mit Frau Minne). Nach dem das Ich beobachtet hat, wie Frau Minne ihre Lehen verteilt und auf Einhaltung ihrer Gebote pocht, tr¨agt es dieser seinen Fall vor. Die von Frau Minne ausgesprochene schwere Verurteilung versucht das Ich abzumildern, um wieder den Zuspruch der Geliebten zu gewinnen. Die 482 Verse des Gedichtes sind metrisch elaboriert und haben einen regelm¨aßigen Kadenzwechsel (stumpf und klingend). Das Gedicht Frauenkranz widmet sich in 396 Versen dem Lob der hl. Jungfrau. In Anlehnung an → Konrad von W¨urzburg (Goldene Schmiede) und → Frauenlob (Frauenleich) bringt H. hier seine dichterische Kunstfertigkeit zur vollen Entfaltung: beispielhafter «gebl¨umter Stil», lat. Zitate und 675
Harder Wendungen, teilweise regelm¨aßige Kadenzwechsel und eine symmetrisch-zahlenkompositorische Gliederung, die in ihrer Komplexit¨at allenfalls mit → Heinrich von M¨ugeln vergleichbar ist. Die heraldisch vortreffliche Beschreibung des Wappens der Gottesmutter macht den Frauenkranz mit den Wappendichtungen Peter → Suchenwirts vergleichbar. Der Umfang des H. zuschreibbaren Liedœuvres ist – wie so oft in der sp¨atma. Lieddichtung – um¨ stritten. Die Uberlieferung schreibt ihm drei T¨one zu, so bereits schon die → Kolmarer Liederhandschrift (k): «Chorweise» (= Ton des Goldenen Schilling), «Goldener Reihen», «Sanfter Ton» (auch «Hofton» und sp¨ater als «S¨ußer Ton» noch bis ins 17. Jh. verwandt). Von den in diesen To¨ nen tradierten Liedern sind nur zwei H. sicher zuweisbar: Das erste, der Goldene Schilling, z¨ahlt zu den wenigen mehrstrophigen und dabei nichtnarrativen Liedern des 14. Jh. Es ist ein Weihnachtslied (deutlicher Bezug am Schluss) in 13 stolligen Kanzonenstrophen. De¨ ren Reihung ist in der Uberlieferung so divergent, dass eine Rekonstruktion der urspr¨unglichen Strophenfolge hypothetisch bleiben muss. Die einzelnen Strophen behandeln in szenischer Metaphorik und mit teils erotischen Motiven jeweils aufs Neue die Inkarnation. Anleihen bei Frauenlobs Frauenleich und der Motivik des Minnelieds kennzeichnen die Dichtung, die zudem Leschs Goldenem Schloss (1Lesch/3/1) nahesteht. Im gleichen Ton sind aus dem 15. Jh. außerdem noch zwei Marienlieder u¨ berliefert, die von H. stammen k¨onnten (1Hardr/1/2–3). Der breit u¨ berlieferte Goldene Reihen, offensichtlich H.s popul¨arste Dichtung, ist ein hyperbolischer Frauenpreis, der in (bewusster [?]) Doppeldeutigkeit sowohl auf Maria als auch auf eine weltliche Frau bezogen werden kann. ¨ Die Uberlieferungskontexte weisen auf beide Gebrauchsm¨oglichkeiten hin. Die drei Strophen des Liedes sind metrisch dreiteilig, w¨ahrend die Melodie vierteilig ist. Der Ton des Goldenen Reihen f¨allt durch seine L¨ange (20 Verse) und durch die sechsfache Wiederholung eines Reimklanges auf. Im «Sanften Ton» sind bei weitem die meisten anonymen Meisterlieder verfasst worden (28 vorreformatorische). «Echtheit» ist f¨ur die Lieder 1Hardr/3/3 und 8–11 erwogen worden (u¨ berwiegend Marienlieder). Das Themenspektrum der u¨ brigen nicht zuweisbaren Lieder ist breit gef¨achert und entspricht den konventionellen Themen im Meister676
Harder gesang. Der Anteil weltlicher Strophen ist dabei vergleichsweise hoch. Eine Wirkung H.s ist vor allem durch ein Lob Michel → Beheims nachgewiesen (1Beh/425), das ihn als Vorbild benennt. Rezeptionsspuren finden sich ferner bei → Muskatblut, Hans → Rosenpl¨ut und → Hermann von Sachsenheim. ¨ Uberlieferung: Der Minne Lehen: M¨unchen, BSB, Cgm 714, 173v–176r, 76v–79v, 178r–182v ¨ (Pap., drittes Viertel 15. Jh., nordbair.) Uberschrift: «Fraw Mynne lehen». – Frauenkranz: Privatbesitz Wolfgang Christoph Freiherr v. Velderndorf zum Neidenstein («Neidensteiner Hs.») verschol¨ len; Abschrift: Wien, ONB, Cod. 10100a (Pap., um 1645, o¨ sterr.). – Heidelberg, UB, Cpg 356, 77r–86v (Pap., um 1460, westliches Niederalemannisch) Signatur «Conrat Harder» in einem Anhang; die Echtheit des Anhangs ist umstritten. – Karlsruhe, LB, Cod. K 408, 177va–180va (Pap., 1430/35, schw¨abisch/bair./ostfr¨ankisch). – Dresden, LB, Mscr. M 50, 73r–79v (Pap., 1460/62, nordbair./ostfr¨ankisch). – Mu¨ nchen, BSB, Cgm 714, 238v–247r (s. o.). – N¨urnberg, Germ. Nationalmuseum, Hs. 5339a, 382r–390r (Pap., 1471/73, bair.). – Die Hss. weichen im Wortlaut und in der Verszahl stark voneinander ab. Der Cgm 714, Dresden und N¨urnberg bieten eine N¨urnberger Bearbeitung (von Hans Rosenpl¨ut [?]). – Goldener Schilling: Mu¨ nchen, BSB, Cgm 4997 (k) 33r–34r (Pap., um ¨ 1460, rheinfr¨ankisch) Uberschrift mit fehlerhafter Gattungsbezeichnung: «Jn des harders korweyse der guldin schilling jst ein leych». – Ebd., Clm 14574, 147v–148v (Pap., erste H¨alfte 15. Jh., aus Regensburg [?]). – Ebd., Cgm. 5198 (Meisterliederhs. w) 113r–115r (Pap., um 1500, s¨udbair.). – Ebd., Cgm 351, 224r (Pap., Mitte 15. Jh., mittel- und nord¨ bair.) nur 2 Str. – Zur Uberl. des Goldenen Reihen und weiterer Lieder H.s oder in T¨onen H.s vgl. RSM 4 (1988) S. 24–38; 1 (1994) S. 24 f. – Zur Meldodie¨uberl. vgl. RSM 2,1 (2009) S. 82. Ausgaben: Frauenkranz: Brandis 1964 (s. Lit.) Nr. 1. – Goldener Schilling: ebd., Nr. 2. – Karl Bartsch: Meisterlieder der Kolmarer Hs. (Bibl. des Litterarischen Ver. in Stuttgart 68). Stuttgart 1862, Nr. 2. – Helmut de Boor: MA. Texte und Zeugnisse. Bd. 2 (Die dt. Lit. Texte und Zeugnisse 1,2). Berlin 1965 (Nachdr. Mu¨ nchen 1988) S. 433–438. – Eva Kiepe: Gedichte 1300–1500 (Epochen der dt. Lyrik 2). M¨unchen 1972 (Nachdr. 2001 [hg. v. Eva Willms] u. d. T.: Dt. Lyrik v. den Anf¨angen bis 677
2. H¨alfte 14. Jh. zur Gegenwart 2) S. 142–146. – Andr´e Schnyder: Das geistliche Tagelied des sp¨aten MA und der fr¨uhen Neuzeit. Textsammlung, Komm. und Umrisse einer Gattungsgesch. T¨ubingen/Basel 2004, S. 111–126. – Goldener Reihen: Bartsch, Meisterlieder (s. o.) Nr. 3. – Johannes Bolte: Ein Augsburger Liederbuch vom Jare 1454. In: Alemannia 18 (1890) S. 97–27, 203–235, hier S. 101 f. (Nr. 3). – Seidel (s. Lit.) S. 154–161 (drei verschiedene Fassungen). – Kiepe (s. o.) S. 146–149. – Zu Abdrucken einzelner Lieder H.s oder in T¨onen H.s vgl. RSM 4 (1988) S. 24–38. – Melodieausgaben: Paul Runge: Die Sangesweisen der Colmarer Hs. und die Liederhs. Donaueschingen. Leipzig 1896 (Nachdr. Hildesheim 1965) Nr. 4 f., 130. – Horst Brunner/KarlG¨unther Hartmann: Spruchsang. Die Melodien der Sangspruchdichter des 12. bis 15. Jh. (Monumenta monodica medii aevi 6). Kassel 2010, S. 125–133. Literatur: K. Bartsch, ADB 10 (1879) S. 592. – Tilo Brandis, NDB 7 (1966) S. 664. – Frieder Schanze VL2 3 (1981) Sp. 467–472; 11 (2004) Sp. 589. – RSM 4 (1988) S. 24–38; 1 (1994) S. 24 f.; 2,1 (2009) S. 82. – De Boor/Newald 4/1 (21994) Reg. – Horst Brunner, MGG2 Personenteil 8 (2002) Sp. 691 f. – Claudia H¨andl, Killy2 5 (2009) S. 6 f. – Adolf Holtzmann: Meisterges¨ange des 15. Jh. In: Germania 3 (1858) S. 307–328, hier S. 312 f. – Bartsch, Meisterlieder (s. Ausg.) S. 182. – ¨ Gustav Jacobsthal: Uber die musikalische Bildung der Meisters¨anger. In: ZfdA 20 (1876) S. 69–91 (wieder in: Der dt. Meistersang. Hg. v. Bert Nagel [WdF 148]. Darmstadt 1967, S. 341–364). – Gustav Roethe: Die Gedichte Reinmars v. Zweter. Leipzig 1887 (Nachdr. Amsterdam 1967) S. 164. – Walther v. Wickede: Die geistlichen Gedichte des cgm 714. Diss. Rostock 1909, passim. – T. Brandis: Der H. Texte und Stud. I (Quellen und Forschungen zur Sprach- und Kulturgesch. der germ. V¨olker 13 [137]). Berlin 1964. – Norbert de Paepe: Rezension Brandis. In: Leuvense Bijdragen 55 (1966) Bijblad S. 179–185. – T. Brandis: Mhd., mnd. und mndl. Minnereden. Verz. der Hss. und Drucke (MTU 25). Mu¨ nchen 1968, Nr. 464. – Peter Kern: Trinit¨at, Maria, Inkarnation. Stud. zur Thematik der dt. Dichtung des sp¨ateren MA (Phil.Stud.u.Qu. 55). Berlin 1971, S. 119–122. – Christoph Petzsch: Fr¨uhlingsreien als Vortragsform und seine Bedeutung im Bispel. In: DVjs 45 (1971) S. 35–79, hier S. 49–51. – Eva Schumann: Stilwandel und Gestaltver¨anderung im Meistersang. Vergleichende Unters. zur Musik der Meistersinger (G¨ottinger musikwissenschaftliche Arbeiten 3). Kassel 1972 [recte 678
2. H¨alfte 14. Jh. 1973] passim. – Klaus J¨urgen Seidel: Der Cgm 379 der BSB und das ‹Augsburger Liederbuch› v. 1454. Augsburg 1972, S. 153–176. – Georg Steer: ‹Dat dageliet von der heiligen passien›. In: Beitr. zur weltlichen und geistlichen Lyrik des 13. bis 15. Jh. Wu¨ rzburger Kolloquium 1970. Hg. v. Kurt Ruh/Werner Schr¨oder. Berlin 1973, S. 112–204, hier S. 162. – Ingeborg Glier: Artes amandi. Unters. zu Gesch., ¨ Uberl. und Typologie der dt. Minnereden (MTU 34). Mu¨ nchen 1971, S. 241–243. – H. Brunner: ¨ Die alten Meister. Stud. zur Uberl. und Rezeption der mhd. Sangspruchdichter (MTU 54). M¨unchen 1975, Reg. – E. Kiepe-Wilms: Die Spruchdichtungen Muskatbluts. Vorstud. zu einer krit. Ausg. (MTU 58). M¨unchen 1976, Reg. – Walter ¨ R¨oll: Vom Hof zur Singschule. Uberl. und Rezeption eines Tones im 14.–17. Jh. (Germ. Bibl. 3. Reihe. Unters. und Einzeldarstellungen). Heidelberg 1976, S. 138. – F. Schanze: Meisterliche Liedkunst zwischen Heinrich v. Mu¨ geln und Hans Sachs. Bd. 1: Unters. (MTU 82). M¨unchen 1983, S. 261–274. – C. Petzsch: Zu Lesch Nr. VII sowie zu seiner und des H.s Identifizierung. In: ZfdPh 104 (1985) Sonderh. S. 166–183, bes. S. 179–182. – Johannes: Rettelbach: Variation – Derivation – Imitation. Unters. zu den To¨ nen der Sangspruchdichter und Meistersinger (Fr¨uhe Neuzeit 14). T¨ubingen 1993, Reg. – Michael Baldzuhn: Vom Sangspruch zum Meisterlied. Unters. zu einem literarischen Traditionszusammenhang auf der Grundlage der Kolmarer Liederhs. (MTU 120). T¨ubingen 2002, S. 217–226. VZ Pange lingua gloriosi → Band 2, Sp. 676 f. Smid, Hermann (auch: Smed). – Lieddichter, 14. Jh. Auf Bl. 10v der → Sterzinger MiszellaneenHandschrift finden sich zwei dreistrophige Liebeslieder mit Melodieaufzeichnung (unvollst¨andig f¨ur das zweite Lied). Links oben auf der Seite steht der Name «Herman smid», was als Verfasserangabe zu verstehen sein d¨urfte. Beide Lieder haben einen Refrain und sind inhaltlich konventionell gestaltet. Das erste bietet eine Sehnsuchtsklage, das zweite eine positiv gestimmte Beteuerung des Dienstwillens gegen¨uber der Geliebten. Die ersten vier Zeilen des Sehnsuchtsliedes liegen in Paralell¨uberlieferung vor und auch der Name S.s wird ein zweites Mal tradiert (in der Form 679
Pange lingua gloriosi «smed») als Federprobe in der Innsbrucker Spielhandschrift von 1391 (→ Innsbrucker [th¨uringisches] Fronleichnamsspiel). Darauf vor allem gr¨undet die These Sillers (s. Lit.), dass S. urspr¨unglich vermutlich aus Mitteldeutschland stamme und diese mitteldt. Spielhandschrift nach Neustift (S¨udtirol) vermittelt habe. ¨ Uberlieferung: Sterzing, Stadtarch., ohne Sign. (Pap., 1400–10, s¨udbair.) – Parallel¨uberl. des Anfangs von Lied 1: Darmstadt, ULB, Hs. 2225, 71v (Pap., 1410, aus dem Dominikanerkloster Wimpfen). – Spielhs.: Innsbruck, ULB, Cod. 960, 38v (Pap., 1391, th¨uringisch). Ausgaben: Ignaz Vinzenz Zingerle: Ber. u¨ ber die Sterzinger Miszellaneen-Hs. In: Sb. der phil.hist. Kl. der Kaiserl. Akad. der Wiss. Wien 54 (1866) S. 293–340, hier S. 304–306. – Manfred Zimmermann: Die Sterzinger MiszellaneenHs. Kommentierte Edition der dt. Dichtungen (Innsbrucker Beitr. zur Kulturwiss. Germanistische Reihe 8). Innsbruck 1980, S. 94–96. – Teilabdruck: Heinrich Rietsch: Die dt. Liedweise. Ein St¨uck po¨ sitiver Asthetik der Tonkunst. Mit einem Anh.: Lieder und Bruchst¨ucke aus einer Hs. des 14./15. Jh. Wien 1913, S. 223. – Hans Naumann/G¨unther Weydt: Herbst des Minnesangs (Literarhist. Bibl. 17). Berlin 1936, S. 138. Literatur: M. Zimmermann, VL2 9 (1995) Sp. 7 f. – Ders. (s. Ausg.) S. 41–50, 259–264. – Max Siller: Die Innsbrucker Spielhs. und das geistliche Volksschauspiel in Tirol. In: ZfdPh 101 (1982) S. 389–411, hier S. 399–404. – Hans-Herbert S. R¨akel: Sterzinger Lieder. In: PBB 104 (1982) S. 431–457, hier S. 443–447. VZ Tannh¨auser-Ballade. – Ein in vier Fassungen u¨ berlieferter Text aus der zweiten H¨alfte des 14. Jh., der in wechselnder Strophenzahl (21–29) von den Erlebnissen des Ritters Danh¨auser mit Frau Venus im Venusberg und mit dem Papst in Rom berichtet. Nach zwei einleitenden Strophen des Erz¨ahlers, die das Thema und den Protagonisten einf¨uhren, folgt ein umfangreicher Dialog, in dem der Ritter Danh¨auser gegen den energischen Widerstand von Frau Venus seine Abreise aus dem Venusberg durchsetzt. Er reist nach Rom, um vom Papst Urban IV. Absolution zu erlangen. Dieser rammt anstelle einer Antwort einen vertrockneten Stab in die Erde und versichert dem Danh¨auser, dass ihm seine S¨unden so wenig vergeben werden, wie der 680
Tannh¨auser-Ballade Stab wieder Laub tragen werde. Daraufhin reist der Danh¨auser zur¨uck in den Venusberg, wo Frau Venus ihn mit Freuden aufnimmt. In Rom ergr¨unt der Stab binnen dreier Tage, woraufhin der Papst Boten nach dem Danh¨auser aussendet. Ihre Suche ist vergeblich, Danh¨auser bleibt im Venusberg, Papst Urban ist auf ewig verflucht. Einhellige Forschungsmeinung ist, dass es sich beim Ritter Danh¨auser um eine Figuration des mhd. Lyrikers → Tannh¨auser handelt. Der Widerspruch zwischen der Autorminiatur der → Großen Heidelberger Liederhandschrift, die den Tannh¨ausers als frommen Ritter des Dt. Ordens zeigt, und dem Œuvre des Dichters, das gerade in den Leichs frivol bis erotisch gef¨arbt ist, k¨onnte einen Ankn¨upfungspunkt f¨ur den Balladenverfasser geboten haben. Auch die auff¨allig pr¨azise Identifizierung des Papstes ist durch das Œuvre (Datierung des Leichs VI) m¨oglich. Weitere Anregungen bezog der Balladenverfasser aus der mlat. Vagantenlyrik, wie sich auch in formaler Hinsicht zeigt: Die Strophenform der Ballade entspricht der Vagantenstrophe des → Archipoeta, dessen ‹Vagantenbeichte› auch inhaltlich (misslingende «conversio») in einem engeren Zusammenhang mit der Ballade steht. Die zahlreichen Drucke zeigen eine intensive Rezeption der Tannh¨auser-Ballade; auch gibt es etliche andere Texte im Umfeld der Ballade, die eine produktive Aneignung bezeugen. Doch erst seit dem 19. Jh. hat die Ballade eine kaum zu u¨ bersch¨atzende Wirkung auf Literatur, Musik und bildende Kunst, die einen ihrer H¨ohepunkte in Wagners Oper Tannh¨auser und der S¨angerkrieg auf der Wartburg erf¨ahrt. Urs¨achlich hierf¨ur ist neben den im Text selbst angelegten Spannungsfeldern (z. B. Sinnlichkeit vs. Askese) auch die Aufnahme des Textes in Brentanos und Arnims Des Knaben Wunderhorn sowie Ludwig Tiecks Novelle Der getreue Eckart und der Tannh¨auser. Die vier Fassungen sind unterschiedlich breit u¨ berliefert. Die a¨ ltere nd. Fassung (A) in nur einer Handschrift, die hochdt. Fassung (B) in wenigstens 23 Drucken, die ju¨ ngere nd. Fassung (C) in vier Drucken und einer Druckabschrift, die ndl. Daniel-Ballade (D) in einem Druck und einer Handschrift. ¨ Uberlieferung (vgl. Wachinger 1995, Sp. 611f.; R¨uther 2007, S. 151–160): Fassung A: Essen, Stadtarch., A 951, S. 4–9 (Pap., zweites Drittel 15. Jh., nd. [Essen, Niederrhein]). 681
2. H¨alfte 14. Jh. Deutschsprachige Lieder (M¨uhlenlied, Tannh¨auserBallade, Trostlied in Todesnot). Faks.: Danuser. Eine alte nd. Fassung des Tannh.userliedes. Nach einer Hs. des Essener Stadtarchivs. Essen 1925 (Erster Druck des Essener Bibliophilen-Abends). Abdrucke: Barto 1916, S. 184–187; Dt. Volkslieder 1935, S. 147 f.; R¨uther 2007, S. 192–204. Fassung B wird in insgesamt mindestens 23 Drucken tradiert, die stemmatisch alle auf Druck b1 r¨uckf¨uhrbar sind, der darum hier als einziger genannt wird: b1) Das lyedt von dem Danheuser. N¨urnberg. Jobst Gutknecht. 1515. Exemplarnachweis: Erlangen, UB, Sign.: Inc. 1446a. Faks.: J¨org D¨urnhofers Liederbuch, Nr. 24. Abdrucke: Dt. Volkslieder 1935, S. 145 f.; R¨uther 2007, S. 193–205. Fassung C: c1) Dat leet Maria tzart. Eyn leet van deme Danhußer. o. O. o. D. o. J. Exemplarnachweis: Hamburg, SUB; Sign.: Cod. 79 in scrin. Abdruck: Barto 1916, S. 160–163. – c2) Twe lede volgen. Dat erste Vam Danh¨ußer. Dat ander Ach Jupiter. o. O. o. D. o. J. Exemplarnachweis: Wolfenb¨uttel, HAB, Sign.: Lo 4341. Abdrucke: Barto 1916, S. 163–167; R¨uther 2007, S. 192–204. – c3) Twe lede volgen. Dat erste vam Danh¨user. Dat ander Ach Jupiter. o. O. o. D. o. J. Exemplarnachweis: T¨ubingen, UB, Sign.: Dk XI 1609, e St¨uck 4. – c4) Veer hubsche lede. Dat erste vam e Danhuser. Wolfenb¨uttel. Conrad Horn. o. J. Exemplarnachweis: Berlin, SBB, Sign.: Yd 8719. – c5) Veer h¨ubsche lede, dat Erste Vam Danh¨user. Wolfenb¨uttel, Conrad Horn 1565. Exemplarnachweis: Rostock, UB, Sign.: Mss. philol. 88 (Abschrift des Druckes durch Karl Michael Wiechmanns von 1857). Fassung D (Daniel-Ballade): d1) Br¨ussel, Biblioth`eque royale de Belgique, II 2631 [olim: Cheltenham, Bibliotheca Philippica 6781], 41rv, 8 Strophen (Pap., nach 1525, ndl., lat.; Sammelhs., u¨ berwiegend geistliche Lieder). Abdrucke: Barto 1916, S. 158 f. – d2) Van Heer Danielken. In: Een schoon liedekens Boeck. Antwerpen 1544, 88a–89a. Exemplarnachweis: Wolfenb¨uttel, HAB, Sign.: A: 236. 5 Poet. Abdrucke: Barto 1916, S. 155–158; R¨uther 2007, S. 193–206. Ausgaben: Philip Stephan Barto: Tannh¨auser and the Mountain of Venus. A Study in the Legend of the Germanic Paradise (Germanic Literature and Culture). New York 1916 [Abdrucke zahlreicher Textzeugen]. – Dt. Volkslieder. Balladen. Unter Mitarbeit von Harry Schewe und 682
2. H¨alfte 14. Jh. Erich Seemann gemeinsam mit Wilhelm Heiske und Fred Quellmalz hg. v. John Meier. Erster Tl. (Dt. Volkslieder mit ihren Melodien 1). Berlin 1935, S. 145–152. – Burghart Wachinger (Hg.): Dt. Lyrik des sp¨aten MA (BdK 191/BMA 22). ¨ Frankfurt/M. 2006, S. 210–217 [mit nhd. Ubersetzung]. – Hanno R¨uther: Der Mythos von den Minnes¨angern. Die Entstehung der Moringer-, Tannh¨auser- und Bremberger-Ballade (Pictura et poesis 23). K¨oln/Weimar/Wien 2007, S. 192–206. Literatur: Burghart Wachinger, VL2 9 (1995) Sp. 611–616. – Otto L¨ohmann: Die Entstehung der Tannh¨ausersage. In: Fabula 3 (1960) S. 224–253 [verzeichnet die a¨ ltere Lit. recht vollst¨andig]. – John Wesley Thomas: Tannh¨auser: Poet and Legend. With Texts and Translations of his Works (University of North Carolina Studies in the Germanic Languages and Literatures 77). Chapel Hill 1974. – Dietz-R¨udiger Moser: Die Tannh¨auserLegende. Eine Studie u¨ ber Intentionalit¨at und Rezeption katechetischer Volkserz¨ahlungen zum Bußsakrament (Supplement-Serie zu Fabula B 4). Berlin 1977. – John M. Clifton-Everest: The Tragedy of Knighthood. Origins of the Tannh¨auserlegend (Medium aevum Monographs NS 10). Oxford 1979. – B. Wachinger: Vom Tannh¨auser zur Tannh¨auser-Ballade. In: ZfdA 125 (1996) S. 125–141 (wieder in: Ders.: Lieder und Liederb¨ucher. Gesammelte Aufs¨atze zur mhd. Lyrik. Berlin/New York 2011, S. 161–176. Nachtrag 2011, S. 177 f.) – Heinz Kischkel: Tannh¨ausers ¨ heimliche Trauer. Uber die Bedingungen von Rationalit¨at und Subjektivit¨at im MA (Hermaea NF 80). T¨ubingen 1998, S. 110–115. – Heinrich Weigel/Wolfram Klante/Ingrid Schulze: Tannh¨auser in der Kunst (Palmbaum Texte. Kulturgesch. 6). Bucha bei Jena 1999, S. 54–66. – Dt. Lyrik des sp¨aten MA 2006 (s. Ausg.) S. 733–737. – R¨uther 2007 (s. Ausg.) S. 140–266. – Karin Tebben: Tannh¨auser. Biographie einer Legende. G¨ottingen 2010, S. 20–40. HR Meister Wildgwid. – Sangspruchdichter, 14. Jh. (?). In einer kleinen Meisterliedsammlung aus dem 15. Jh. erscheint der Name W.s als Tonan¨ gabe in der Uberschrift einer Sangspruchstrophe: «Meister wildgwides ton» (vgl. auch → Roswin, → Wolfgangus). Der verh¨altnism¨aßig komplizierte 683
Meister Wildgwid Ton umfasst 20 Verse und ist – wie W.s Name – nur in dieser Sammlung bezeugt. Da es keine Hinweise auf eine Divergenz von Ton- und Textautorschaft gibt, kann W. auch als Verfasser des Textes angenommen werden. Der Spruch ist ein koventionell gestalteter Mariengruß (Reihung von Apostrophierungen und Pr¨adikationen mit abschließender Bitte). Da es sich bei dem Spruch offensichtlich um eine Einzelstrophe handelt, d¨urfte sein obd. Verfasser noch im 14. Jh. gewirkt haben. ¨ Uberlieferung: Basel, UB, Cod. A IX 2, 182v (Pap., Mitte 15. Jh., niederalemannisch; Handbuch des Basler Dominikanerm¨onchs Stephan Irmi [1432–1488]). Textdefekt am Strophenende. Ausgabe: Cramer 4 (1985) S. 369. Literatur: RSM 5 (1991) S. 567; 2,1 (2009) S. 123. – Frieder Schanze, VL2 10 (1999) Sp. 1080. – ¨ Gustav Binz: Die dt. Hss. der Offentlichen Bibl. der Univ. Basel. Bd. 1: Die Hss. der Abt. A. Basel 1907, S. 120 f. VZ Monch ¨ von Salzburg → Band 2, Sp. 670–674. Stabat mater dolorosa → Band 2, 689–692. Heinrich von Mugeln ¨ (H. Mu¨ gling; [Magister] Heinricus Muglini). – Verfasser von Sangspr¨uchen, Minneliedern und einer Reimpaardichtung, Historiograph, drittes Viertel 14. Jh. H. ist der herausragende dt. Autor der zweiten H¨alfte des 14. Jh. Sein Hauptwerk ist das umfangreiche Spruchœuvre. In seinen Dichtungen kommt seine Vertrautheit mit der dt. Literaturtradition zum Tragen (insbesondere → Konrad von W¨urzburg, → Frauenlob) und ebenso seine lat.scholastische Gelehrtheit, die auch in den theologischen und historiographischen Arbeiten durchscheint. Dabei zeigt er Kenntnisse sowohl der lat. Scholastik in der Aristoteles-Tradition als auch der dt. Adaptionen (→ Konrad von Megenberg). Die sp¨ateren Meisters¨anger z¨ahlten H. zu den Zw¨olf Alten Meistern (seit dem 16. Jh. unter dem Namen Heinrich M¨ugling). Sein «Langer Ton» wurde zu den vier «Gekr¨onten T¨onen» gez¨ahlt. H. ist urkundlich nicht bezeugt und nennt sich nach einem von zwei Orten in der Markgrafschaft Meißen (entweder heutige Kleinstadt bei Oschatz oder Dorf bei Pirna). Umstritten ist, ob H. Kleriker war, da sein Bildungsstand f¨ur einen Laien im 14. Jh. ungew¨ohnlich (aber nicht undenkbar) ist. Er selbst bezeichnet sich in zwei Spr¨uchen 684
Heinrich von Mugeln ¨ dezidiert als «leie» (RSM: HeiMu¨ /111 und 117), so dass ohne gesicherte anderweitige Erkenntnisse diese Selbstaussage nicht in Zweifel gezogen wer¨ den sollte. In der Uberlieferung erscheint H. auch als «magister». Ob es sich hier um einen akademischen Grad oder den latinisierten dt. «Meister» handelt, ist unklar. Sp¨atere meisterliche Bezeichnungen als Doktor der Theologie sind sicher falsch. Hinweise zur zeitlichen Einordnung seines Schaffens sind aus der Ermangelung anderer Zeugnisse nur seinem Werk selber zu entnehmen oder aus diesem zu schließen: Die Reimpaardichtung Der meide Kranz d¨urfte vermutlich bald nach der Kaiserkr¨onung Karls IV. (1355) entstanden sein. Die dt. Ungarnchronik ist Herzog Ru¨ dolf IV. von Osterreich (1358–65) gewidmet und die lat. K¨onig Ludwig I. von Ungarn (1342–82). Die Valerius-Maximus-Bearbeitung widmete H. 1369 dem steierischen Landesmarschall Herneid von Pettau, wobei H. sich selbst nennt: «ich Hainrich von M¨uglein, gesessen pey der Elbe in dem Land z¨u Meissen». Da dieses Datum das einzige konkrete und gesicherte ist, l¨asst sich f¨ur das Gesamtwerk H.s keine verl¨assliche Chronologie erstellen. Anzunehmen ist lediglich, dass der Schwerpunkt seines Schaffens im dritten Viertel des 14. Jh. liegt. Ein lange als Werk H.s geltender Psalmenkommentar h¨atte ein weiteres Datum an die Hand gegeben. Dieser ist mit rund 60 bekannten Codices reich bezeugt und wird in der a¨ ltesten vollst¨andigen Handschrift (Rein [Steiermark], Stiftsbibl., Cod. 204, datiert 1372) dem «getrewen Mann Hainreie chen von Mugellein» zugeschrieben. Der Kommentar wird einige Zeit vor der Reiner Abschrift abgeschlossen gewesen sein, doch l¨asst sich die Zuweisung an H. nicht aufrechterhalten und der ¨ Kommentar wird heute dem → Osterreichischen Bibel¨ubersetzer zugesprochen. Nicht hinreichend u¨ berzeugende Versuche der Forschung (vor allem Bergeler [s. Lit.]), H. weitere theologische Schriften zuzuweisen, verlieren durch diese Erkenntnis zus¨atzlich an Gewicht. H.s sicher zuschreibbare Spruch- und Lieddichtung ist nahezu vollst¨andig in einem G¨ottin¨ ger Sammelcodex von 1463 enthalten (s. Uberl.). Die Strophensammlung der Handschrift ist in 16 Abschnitte («B¨ucher») eingeteilt, denen jeweils kurze Prosa¨uberschriften vorangehen. Diese k¨onnten teilweise auch von H. selbst stammen (was allerdings nicht bedeutet, dass die gesamte Sammlung in der u¨ berlieferten Form auf H. zur¨uckgeht). Das 685
2. H¨alfte 14. Jh. 16. Buch enth¨alt acht dreistrophige Minnelieder in verschiedenen T¨onen, die ohne Melodien u¨ berliefert sind. Sie werden nur vom G¨ottinger Codex tradiert, der keine Melodien enth¨alt. Die Minnelieder H.s werden von der j¨ungeren Forschung als experimentelle Fortsetzung der Minnesang-Tradition neu gew¨urdigt. Die anderen B¨ucher enthalten insgesamt 383 Spruchstrophen in vier T¨onen («Langer Ton»: 1HeiMu¨ /1–70 [Buch 1–4]; «Hofton» [auch: «Kurzer Ton»]: 71–313 [Buch 5–12]; «Gr¨uner Ton»: 314–338 [Buch 13]; «Traumweise»: 339–383 [Buch 14 f.]). Auch in anderen (meisterlichen) Textzeugen d¨urfte sich noch «echtes» Strophengut finden, etwa als Teil von Baren. Die jeweiligen Einzelfallentscheidungen d¨urften schwierig sein und die Anzahl von Meisterliedern in T¨onen H.s vom 15. bis zum 17. Jh. ist betr¨achtlich. Die To¨ ne selbst sind verh¨altnism¨aßig einfach gebaut und entsprechen dem zeitgen¨ossischen Standard. Auch die Anzahl unterschiedlicher Versarten ist eingeschr¨ankt: H. verwendet f¨unf, w¨ahrend es bei Frauenlob elf waren. Alle vier T¨one wurden von den Meisters¨angern bis in 17. Jh. benutzt. Die im 17 Jh. H. zus¨atzlich zugeschriebene «Reihenweise», stammt in Wirklichkeit von → Mu¨ lich von Prag (1Mu¨ lich/1). Die G¨ottinger B¨ucher 1, 5–7 und 12 enthalten je ein einziges strophenreiches Spruchgedicht respektive eine Strophensequenz, w¨ahrend in den u¨ brigen mehrere Lieder gleichen Tons und mitunter mit verwandter Thematik zusammengestellt sind. Die Themen der Strophensequenzen sind: Kosmologie (Buch 1, 17 Str.), B¨ucher des AT (Buch 5, 39 Str.), Marienpreis (Buch 6, 72 Str. [Der Tum] und Buch 8, 12 Str.), Freie K¨unste (Buch 7, 15 Str.), Astronomie (Buch 12, 18 Str.). Buch 4 enth¨alt ausschließlich Fabeln und Buch 2 bietet vor allem Spr¨uche zur irdischen Herrschaft mit einem Lobpreis Karls IV. und zahlreichen Herrscherexempeln. Verstreut u¨ ber die restlichen B¨ucher finden sich viele moraldidaktische Spr¨uche (¨uberwiegend Minne- und Herrenlehren und zahlreiche Exempel). Mit seinem Spruchwerk schließt H. formal wie thematisch an die a¨ltere Sangspruchdichtung an. Sein herausragender eigener Beitrag zur Gattungsgeschichte ist die dezidierte Betonung von philosophisch-systematischen Gesichtspunkten (vor allem seine «zeichen»-Theorie). Damit stellt er die hergebrachten Themen auf eine neue theoretisch fundierte Basis mit enzyklop¨adischem Anspruch. Seine pers¨onliche Ausformung des «gebl¨umten Stils» setzt er dabei zweckgebunden 686
2. H¨alfte 14. Jh. ein. H. wirkt daher gegen¨uber Frauenlob stilistisch moderat. Die Allegorie Der Meide Kranz ist eine enzyklop¨adische Darstellung des zeitgen¨ossischen Bildungsmodells in drei B¨uchern mit u¨ ber 2500 Reimpaarversen. Im Prolog ruft der Dichter Gott und Maria an und wendet sich auch an Karl IV. Der anschließende Vers 69 nennt explizit den Titel der Dichtung: «Das buch das heißt der meide kranz». Der n¨achste Abschnitt lobt Karl und spielt auf dessen Kaiserkr¨onung an. Im Folgenden l¨asst H. «in der sele sal» zw¨olf Frauen auftreten, die Personifikationen der K¨unste sind: «Philosophi», «Gramatica», «Loica», «Rethorica», «Arismetica», «Geometria», «Musica», «Astronomi», «Phisica», «Alchimia», «Metaphisica», «Theologia». In einem Rangstreit begr¨unden sie der Reihe nach vor dem Kaiser ihren Anspruch auf einen Platz in der Krone der Gottesmutter (= «meide kranz»). Karl befragt zuerst seinen Rat, der das Urteil der h¨oheren Einsicht des Herrschers u¨ berl¨asst, und dann den Dichter H. Dieser verh¨alt sich zur¨uckhaltend wie der Rat, sieht aber das kaiserliche Urteil voraus, welches der Theologie den Sieg zuspricht, aber auch den anderen Pl¨atze in der Krone Marias einr¨aumt. Nun verweist der Kaiser die K¨unste an die n¨achst h¨ohere Instanz, die «Nature», damit diese die Kr¨onung der Theologie vornehmen k¨onne. Begleitet von Ritter «Sitte» und dessen Schwester «Zucht» gelangen die K¨unste zur «Nature», welche die «Tugende» zu Hilfe bittet. Diese erscheint auf einem allegorischen Wagen, zu dem alle Tugenden beitragen. Nun nimmt die «Nature» die Kr¨onung vor. Im zweiten Buch von Der meide kranz tragen diesmal Natur und Tugend einen Rangstreit aus (unter Berufung auf Aristoteles). Die Entscheidung u¨ ber den Streit wird hier der Theologie u¨ bertragen, vor der die zw¨olf Tugenden («Wisheit», «Gerechtikeit», «Sterke», «Meßikeit», «Mildikeit», «Dem¨utikeit», «Warheit», «Barmherzikeit», «Friede», «Libe», «Hoffenung», «Geloube»). erscheinen. Die Theologie erteilt den Tugenden den Sieg, indem sie erkl¨art, diese k¨amen von Gott und nicht aus der Natur. Ein Nachtragsbuch bietet eine Selbstdarstellung der «Nature», die ihren Vorrang anhand der Astrologie und namentlich der Macht der zw¨olf Tierkreiszeichen begr¨unden will. Der Dichter selbst weist in einem R¨uckbezug auf das Urteil der Theologie diesen Anspruch zur¨uck. Mit den drei Zw¨olfergruppen der jeweili¨ gen B¨ucher gibt H. in Der meide kranz eine Uberschau der Wissenschafts-, Werte- und Naturord687
Heinrich von Mugeln ¨ nung des 15. Jh. F¨ur die Bewahrung der gesellschaftsbezogenen Teile dieser Ordnung wird der Kaiser an der Spitze der Hierarchie verantwortlich gemacht. Vielleicht l¨asst sich das Reimpaargedicht als Huldigung der Universit¨at Prag nach Karls Kr¨onung interpretieren. Motivliche Bez¨uge scheinen zum Gedicht Gottes Zukunft des → Heinrich von Neustadt und dem Anticlaudianus des → Alanus ab Insulis zu bestehen. Ferner erinnert die auf Kaiser Karl bezogene Rahmengestaltung an das Lobgedicht Le jugement dou roy de Behaigne des Guillaume de Machaut, das Karls Vater Johann von B¨ohmen gewidmet ist. Die dt. Ungarnchronik ist in Prosa verfasst und behandelt in 73 Kapiteln die ungarische Geschichte von der Sintflut bis 1333. Es handelt sich um eine Bearbeitung einer nicht erhaltenen lat. Vorlage vermutlich aus der Tradition der sog. BudaChroniken. Mo¨ glicherweise ist die Vorlage eng mit der Ungarischen Bilderchronik (nach dem fr¨uheren Aufbewahrungsort auch: Wiener Bilderchronik) von 1358 verwandt. Die lat. Ungarnchronik ist teils in Prosa, teils in gereimten rhythmischen Versen und teils in Strophen verfasst. Sie ist kunstvoll in vier im Aufbau korrespondierende Teile gegliedert. Diese sind jeweils in elf Abschnitte weiter untergliedert, wobei in Teil 4 sechs Abschnitte fehlen. Da zudem die Chronik dort im Jahre 1072 abbricht, muss sie ¨ als Fragment gelten. Ob hierf¨ur Uberlieferungsverlust verantwortlich zeichnet oder H. selber das Werk nicht vollendet hat, l¨asst sich nicht kl¨aren. In den Teilen 1 und 2 folgen jeweils auf eine Prosapassage zehn Abschnitte mit gereimten Versen, in den Teilen 3 und 4 ist das Schema prinzipiell gleich, aber zus¨atzlich sind hier in die rhythmischen Abschnitte auch Strophen eingef¨ugt. Diese sind in Sangsprucht¨onen verfasst. Hier bei den lat. Strophen verwendet H. auch T¨one anderer Dichter: Frauenlobs «Goldener Ton» (1Frau/9), → Regenbogens «Paratweise» («Kurzer Ton», 1Regb/3), die Titurelstrophe → Wolframs von Eschenbach, die «Hoft¨one» M¨ulichs von Prag, des → Ungelehrten und → Boppes (1Mu¨ lich/2, 1Ungl/1, 1Bop/1), den pseudo-neidhartischen «Schwarzen Dorn», des → Kanzlers «Hofton» (1Kanzl/5) und → Reinmars von Zweter «Frau-Ehren-Ton» (1ReiZw/1). Die ersten drei verwandten T¨one in der Chronik sind aber H.s eigene («Hofton», «Langer» und «Gr¨uner Ton»). Dass diese vom Vermerk «in nota mensurata auctoris» begleitet werden, gilt gemeinhin als Be688
Heinrich von Mugeln ¨ leg f¨ur die Verfasserschaft H.s, auf die es sonst keine Hinweise gibt. Auch die lat. Fassung des Gedichtes u¨ ber die sieben freien K¨unste (1HeiM¨u/411; dt: Buch 7 ¨ [1HeiM¨u/281–295]), die anhand der Uberschrift H. zugeschrieben werden kann, verwendet vermutlich einen fremden Ton. Es scheint sich um eine Adaption von Wolframs «Flammweise» (1Wolfr/1) zu handeln. Das Buch 5 der G¨ottinger Sammlung, das die B¨ucher des AT behandelt, liegt ebenfalls ¨ in lat. Ubersetzung vor (Libri tocius biblie). Hier hat H. f¨ur die lat. Version allerdings die Prosaform gew¨ahlt. Schließlich ist von H. noch eine Auslegung der Exempelerz¨ahlungen Facta et dicta memorabilia des Valerius Maximus in dt. Prosa u¨ berliefert, zu der H. auch den Kommentar des Dionysius de Burgo (OESA, um 1280–1342) heranzog. Nicht auszuschließen ist auch die Benutzung des Kommentars des → Konrad von Waldhausen. Eine Nachwirkung H.s (abgesehen von der umfangreichen meisterlichen Rezeption und nachhaltigen W¨urdigung seiner T¨one und seiner Sangspruchdichtung) ist bei → Matthias von Kemnat auszumachen, der F¨urstenlehre-Strophen H.s f¨ur seine Chronik verwendet. → Rellach von Res¨om hat das f¨unfte Sangspruch-Buch H.s f¨ur seinen Bibelauszug benutzt und Hans → Vintler die ValeriusMaximus-Auslegung als Nebenquelle f¨ur die Pluemen der tugent herangezogen. Die Verse, welche die «Alchimia» in Der meide kranz vortr¨agt, haben Eingang in die alchimistische Literatur gefunden. Generell leistete H. einen beachtlichen Beitrag zur Gattungsgeschichte der Allegorie. ¨ Uberlieferung: Spruch- und Lieddichtung: G¨ottingen, SUB, 4° Cod. Ms. philos. 21, 144r–223r (Pap., 1463, mitteldt.). – Weitere Hss. mit umfangreichen H.-Best¨anden: Heidelberg, UB, Cpg 693, 41 Bll. (Pap., um 1400, schlesisch). Die Hs. enth¨alt fast ausschließlich H.-Spr¨uche und einen Anhang von Liedern anderer Autoren, u. a. Frauenlob, der Kanzler, Konrad → Harder. – Ebd., Cpg 356, 103v–121v (Pap., um 1460, west-/niederalemannisch mit mitteldt. Einschlag). – Mu¨ nchen, BSB, Cgm 4997 (→ Kolmarer Liederhs [k]) 592r–643v (Pap., um 1460, rheinfr¨ankisch) mindestens 320 ¨ echte Str. – Wien, ONB, Cod. 2856 (→ MondseeWiener Liederhs.) 247r–248v, 253r–260v, 267r–270v, 279r–282v. – Mu¨ nchen, BSB, Cgm. 5198 (Meisterliederhs. w) 2v–7r, 29r–64v, 102r–103r (Pap., um 689
2. H¨alfte 14. Jh. 1500, s¨udbair.). – Streu¨uberl. liegt bei einigen Themengruppen vor (z. B. Astronomie). – Vgl. zur Gesamt¨uberl. Stackmann (s. Ausg.) Erste Abt. Bd. 1, S. XVII–CLV; Zweite Abt., S. XV–XXVII und RSM 4 (1988) S. 41 (32 Hss. werden angef¨uhrt) und ebd., S. 41–111 (Einzelnachweise bei den jeweiligen Liedern). Zur Melodie¨uberl. s. RSM 2,1 (2009) S. 84 f. – Der meide kranz: G¨ottingen, SUB, 4° Cod. Ms. philos. 21, 223v–274v (s. o.). – Heidelberg, UB, Cpg 14, 73 Bll. (Perg., 1407, bair.). – Leipzig, UB, Ms. 1305, 73r–84v (Pap., um 1420, ostmitteldt.). – Weimar, Herzogin Anna Amalia Bibl., Cod. Quart 566, 99r–122v (Pap., zweite H¨alfte 15. Jh. [H.-Faszikel: 1432/34], aus N¨urnberg, Teilautograph des Hans → Folz [H.-Abschrift nicht von Folz]). – Ungarnchroniken: Dt.: Graz, Landesarch., Fragm. Germ. 9 (1 Pergamentbl., um 1400, bair.). – Wolfenb¨uttel, HAB, Cod. 20 Aug. 4°, 75 Bll. (Pap., Anfang 15. Jh., bair.o¨ sterr. mit mitteldt. Einschlag). – Heidelberg, UB, Cpg 5, 18r–53v (Pap., erstes Viertel 15. Jh., bair.). – Wolfenb¨uttel, HAB, Cod. 19.26 Aug. 4°, 25r–101v (Pap., erstes Viertel 15. Jh., bair. mit mitteldt. Einschlag). – Bratislava/Preßburg, Bibl. der Akad. der Wiss., Cod. 443, 92ra–147vb (Pap., 1430–90, ostmitteldt. mit bair.-o¨ sterr. Einschlag). – Wien, ¨ ONB, Cod. 2866, 1ra–36va (Pap., Mitte 15. Jh., bair.-¨osterr.). – Wrocław/Breslau, StB, Cod. R 304 (Kriegsverlust) 62r–98v (Perg. und Pap., zweite H¨alfte 15. Jh., ostmitteldt.). – Mu¨ nchen, BSB, Cgm 331, 15r–56v (Pap., 1480, mittelbair.). – Ebd., Cgm 1112, 14r–52v (Pap., drittes Viertel 15. Jh., ¨ nordbair.). – Wien, ONB, Cod. 2919, 136ra–173v (Pap., drittes Viertel 15. Jh./Anfang 16. Jh., bair.o¨ sterr.). – Lat.: Ebd., Cod. 3352, 177r–200v (Pap., 1399, aus Prag [?]). – Artes liberales: M¨unchen, BSB, Clm 14574, 143v–147r (Pap., erste H¨alfte 15. Jh). Die Hs. enth¨alt davor (ab 137r) auch ¨ dt. Spr¨uche H.s. Uberschrift der Artes: «composuit Magister heinricus Muglini». – Libri tocius biblie: Prag, Nationalbibl., Cod. VII.E.13, 162v–166v (Pap., 1415). – Valerius-Maximus-Auslegung: 21 Hss. und 5 Fragm. (4 davon von der selben Hs.). Vgl. Hilgers 1973 (s. Lit.) S. 25–84 und www.handschriftencensus.de/werke/591. – Druck: Augsburg (Anton Sorg) 1489 (GW M49197). Ausgaben: Spruch- und Lieddichtung: Karl Stackmann: Die kleineren Dichtungen H.s v. M. Erste Abt.: Die Spruchslg. des G¨ottinger Cod. Philos. 21. Bd. 1: Einleitung, Text der B¨ucher I–IV; Bd. 2: 690
2. H¨alfte 14. Jh. Text der B¨ucher V–XVI; Bd. 3: Lesarten (DTM 50–52). Berlin 1959; Zweite Abt. Mit Beitr. v. Michael Stolz (DTM 84). Berlin 2003, S. 1–21 (Strophen außerhalb der G¨ottinger Slg. [auch unsichere]). – Daneben zahlreiche Teilausgaben und Aufnahmen in Anthologien (vgl. Einzelnachweise RSM 4 [1988] S. 41–111). Zuletzt: Burghart Wachinger (Hg.): Dt. Lyrik des sp¨aten MA (BdK 191/BMA 22). Frankfurt/M. 2006, S. 440–475 (mit ¨ Ubersetzung), 440–475 (Komm.). – Melodieausgaben: Paul Runge: Die Sangesweisen der Colmarer Hs. und die Liederhs. Donaueschingen. Leipzig 1896 (Nachdr. Hildesheim 1965) Nr. 84a, 85, 87 f. – Horst Brunner/Karl-G¨unther Hartmann: Spruchsang. Die Melodien der Sangspruchdichter des 12. bis 15. Jh. (Monumenta monodica medii aevi 6). Kassel 2010, S. 134–147. – Der meide kranz: Willy Jahr: Der Meide Kranz. Diss. Leipzig 1908. – Die kleineren Dichtungen H.s v. M. Zweite Abt. (s. o.) S. 47–204. – Ungarnchroniken: Dt.: Chronicon Henrici de M. Germanice Conscriptum. Hg. v. Eugen Travnik. In: Scriptores rerum Hungaricarum tempore ducum regumque stirpis Arpadianae gestarum. Bd. 2. Hg. v. Imre Szentp´etery. Budapest 1938, S. 87–223. – Lat.: Chronicon rhythmicum Henrici de M. Hg. v. Alexander Domanovszky. In: ebd., S. 227–727. – Artes liberales / Libri tocius biblie: Die kleineren Dichtungen H.s v. M. Zweite Abt. (s. o.) S. 21–36 / 37–46. Bibliographie: Archer Taylor/Frances Hankemeier Ellis: A bibliography of Meistergesang. Bloomington (Indiana) 1936. Literatur: Elias von Steinmeyer, ADB 22 (1885) S. 454 f. – Johannes Kibelka, NDB 8 (1969) S. 417 f. – Karl Stackmann, VL2 3 (1981) Sp. 815–827; 11 (2004) Sp. 633 – Hans Szklenar, LexMA 4 (1989) Sp. 2102 f. – RSM 4 (1988) S. 41–111; 1 (1994) S. 25; 2,1 (2009) S. 84 f. – FranzJosef Schweitzer, MarLex 3 (1991) S. 129 f. – H. Brunner, MGG Personenteil 8 (2002) Sp. 1213 f. – Christoph Huber, Killy2 5 (2009) S. 198–201. – Fabeln und Minnelieder v. H. v. M. Hg. v. Wilhelm Mu¨ ller. G¨ottingen 1848. – Karl Julius Schr¨oer: Die Dichtungen H. v. M. (Mogelˆın). Nach den Hss. besprochen. In: Sb. Akad. der Wiss. in Wien, Phil.-Hist. Kl. 55, 9 (1867) S. 451–520. – Wilhelm Wilmanns: Ein lat. Gedicht H.s v. M. In: ZfdA 14 (1869) S. 155–162. – Gustav Roethe: H.s v. M. Ungarische Reimchron. In: ZfdA 30 (1886) S. 345–350. – Karl Helm: Zu H. v. M. In: PBB 21 (1896) S. 240–247; 22 (1897) S. 135–151. – Anton 691
Heinrich von Mugeln ¨ E. Sch¨onbach: Miscellen aus Grazer Hss. In: Mitt. des Hist. Ver. f¨ur Steiermark 47 (1899) S. 9–64. – Alfred Bergeler: Das dt. Bibelwerk H.s v. M. Diss. Berlin 1938. – Helmut Ludwig: H.s v. M. Ungarnchron. Diss. Berlin 1938. – Arthur H¨ubner: Kleine Schr. zur dt. Philologie. Hg. v. Hermann Kunisch/ Ulrich Pretzel. Berlin 1940, S. 21. – Erich Gierach: Ein Vorbild f¨ur ‹Der Meide Kranz› H.s v. M. In: PBB 67 (1944) S. 243–248. – K. Stackmann: ‹Rhetoricae artis practica fontalisque medulla›: zu Theorie und Praxis des Bl¨umens bei H. v. M. In: Festgruß Hans Pyritz (Euph. Sonderh. 1955). Heidelberg 1961, S. 21–26 (wieder in: Ders.: Ma. Texte als Aufgabe. Kleine Schr. Bd. 1. Hg. v. Jens Haustein. G¨ottingen 1997, S. 318–324). – Ders.: Der Spruchdichter H. v. M. Vorstud. zur Erkenntnis seiner Individualit¨at (Probleme der Dichtung 3). Heidelberg 1958. – J. Kibelka: Der ware meister. Denkstile und Bauformen in der Dichtung H.s v. M. (Phil.Stud.u.Qu. 13). Berlin 1963. – H. Ludwig: H.s v. M. AT. lat. Tl. 1: Text und Form. Berlin 1966. – Georg Steer (Hg.): Konrad v. ¨ Megenberg ‹Von der Sel›. Eine Ubertragung aus dem Liber de proprietatibus rerum des Bartholom¨aus Anglicus (Kleine dt. Prosadenkm¨aler des MA 2). Mu¨ nchen 1966, S. 100–103. – Heribert A. Hilgers: Das Klagenfurter Fragm. der ValeriusMaximus Auslegung H.s v. M. In: Carinthia I 160 (1970) S. 536–555. – J. Kibelka/H. A. Hilgers: Unbeachtete Fragm. v. Werken H.s v. M. im Steierm¨arkischen Landesarch. In: ZfdPh 89 (1970) S. 369–394. – K. Stackmann: Die F¨urstenlehre in der Chron. des Matthias v. Kemnat. Ein Beitr. zur Wirkungsgesch. der sp¨atma. Spruchdichtung. In: Mediaevalia litteraria. FS Helmut de Boor. Hg. v. Ursula Hennig/Herbert Kolb. Mu¨ nchen 1971, S. 565–581 (wieder in: Ders.: Kleine Schr. 1 [s. o.] S. 325–340). – Gustav Hamman: Waldensischer Geist in der ma. Lit. Ungarns und der Slowakei. In: Zs. f¨ur Ostforschung 21 (1972) S. 697–702. – J¨org Hennig: Chronologie der Werke H.s v. M. (Hamburger philol. Stud. 27). Hamburg 1972. – H. A. Hilgers: Die 18 Astronomie-Str. H.s v. M. in der Leipziger ‹Renner›-Hs. In: ZfdPh 91 (1972) S. 352–373. – Ders.: ‹und der Romer ein uß banden trante›. Zum Emilius-Spruch H.s v. M. In: Euph. 66 (1972) S. 405–411. – H. A. Hilgers: ¨ Die Uberl. der Valerius-Maximus-Auslegung H.s v. M. Vorstud. zu einer krit. Ausg. (K¨olner germanistische Stud. 8). K¨oln/Wien 1973. – Herwig Buntz: H. v. M. als alchimistische Autorit¨at. 692
Heinrich von Mugeln ¨ In: ZfdA 103 (1974) S. 144–152. – H. Brunner: ¨ Die alten Meister. Stud. zur Uberl. und Rezeption der mhd. Sangspruchdichter (MTU 54). M¨unchen 1975, Reg. – K. Stackmann: ‹Redebluomen›. Zu einigen F¨urstenpreisstrophen Frauenlobs und zum Problem des gebl¨umten Stils. In: Verbum et signum. FS Friedrich Ohly. Hg. v. Hans Fromm u. a. Mu¨ nchen 1975, Teilbd. 2, S. 329–346 (wieder in: Ders.: Kleine Schr. 1 [s. o.] S. 298–317). – J. Ki¨ belka: Ubersetzungsprobleme bei H. v. M. In: Dt. Lit. des sp¨aten MA. Hg. v. Wolfgang Harms/Leslie Peter Johnson (Publ. of the Institute of Germanic Studies 22). Berlin 1975, S. 266–281. – Klaus Grubm¨uller: Meister Esopus. Unters. zur Gesch. und Funktion der Fabel im MA (MTU 56). M¨unchen 1977, S. 280–296. – H. A. Hilgers: Rezension Hennig 1972. In: ZfdPh 98 (1979) S. 122–128. – Erich Kleinschmidt/H. A. Hilgers: Eine verlorene Freiburger Hs. der Valerius-Maximus-Auslegung H.s v. M. In: ZfdA 108 (1979) S. 370–274. – H. A. Hilgers: Die drei Kometen-Str. H.s v. M. in einer H.s des Matthias v. Kemnat. In: ebd., S. 414–430. – Hubert Herkommer: Kritik und Panegyrik. Zum literarischen Bild Karls IV. In: Rheinische Vierteljahrsbll. 44 (1980) S. 68–116. – Robert Ralph Anderson: Wortindex und Reimreg. zu H.s v. M. ‹Der meide kranz› (Indices verborum zum altdt. Schrifttum 7). Amsterdam 1980. – C. Huber: Karl IV. im Instanzensystem v. H.s v. M. ‹Der meide kranz›. In: PBB (T¨ub.) 103 (1981) S. 63–92. – Christoph Gerhardt: Zu den Edelsteinstrophen in H.s v. M. Tum. In: PBB (T¨ub.) 105 (1983) S. 80–116. – Frieder Schanze: Meisterliche Liedkunst zwischen H. v. M. und Hans Sachs. Bd. 1: Unters./Bd. 2: Verz. (MTU 82/83). Mu¨ nchen 1983/84, Reg. – Gerd Dicke/K. Grubm¨uller: Die Fabeln des MA und der fr¨uhen Neuzeit. Ein Kat. der dt. Versionen und ihrer lat. Entsprechungen (MMS 60). M¨unchen 1987, Reg. – C. Huber: Die Aufnahme und Verarbeitung des Alanus ab Insulis in mhd. Dichtungen. Unters. zu Thomasin v. Zerklaere, Gottfried v. Strassburg, Frauenlob, Heinrich v. Neustadt, Heinrich v. St. Gallen, H. v. M. und Johannes v. Tepl (MTU 89). Z¨urich/M¨unchen 1988, S. 247–313 u. o¨ . – Nigel F. Palmer: Von den naturlichen troymen: Zur Integration griechisch-arabischer Medizin in die ma. Enzyklop¨adik und deren Umdeutung bei Konrad von Megenburg und H. v. M. In: FS Walter Haug/ Burghart Wachinger Bd. 2. Hg. v. Johannes Janota u. a. T¨ubingen 1992, S. 769–792. – K. Stackmann: ‹O her, du edels krut›. H.s v. M. Variation u¨ ber 693
2. H¨alfte 14. Jh. eine Strophe Frauenlobs. In: ebd., S. 759–768 (wieder in: Ders.: Kleine Schr. 3: Frauenlob, H. v. M. und ihre Nachfolger. Hg. v. J. Haustein. G¨ottingen 2002, S. 90–100). – J. Rettelbach: Variation – Derivation – Imitation. Unters. zu den To¨ nen der Sangspruchdichter und Meistersinger (Fr¨uhe Neuzeit 14). T¨ubingen 1993, Reg. – M. Stolz: Maria und die Artes liberales. Aspekte einer ma. Zuordnung. In: Maria in der Welt. Marienverehrung im Kontext der Sozialgesch. 10.–18. Jh. Hg. v. Claudia Opitz u. a. (Clio Lucernensis 2). Z¨urich 1993, S. 95–120, hier S. 102–104. – K. Stackmann: Exempel nach Valerius Maximus im Traumton H.s v. M. In: PBB 116 (1994) S. 334–359 (wieder in: Ders.: Kleine Schr. 3 [s. o.] S. 158–181). – M. Stolz: H.s v. M. F¨urstenpreis auf Karl IV. Panegyrik, Herrschaftslegitimation, Sprachbewußtsein. In: Lit. im Umkreis des Prager Hofs der Luxemburger. Hg. v. Joachim Heinzle u .a. Berlin 1994, S. 106–141. – K. Stackmann: Minne als Thema der Sangspruchund Lieddichtung H.s v. M. In: ‹bickelwort› und ‹wildiu mære›. FS Eberhard Nellmann. Hg. v. Dorothee Lindemann u. a. (GAG 618). G¨oppingen 1995, S. 324–339 (wieder in: Ders.: Kleine Schr. 3 [s. o.] S. 143–157). – M. Stolz: ‹Tum›-Studien: Zur dichterischen Gestaltung im Marienpreis H.s v. M. (Bibliotheca Germanica 36). T¨ubingen/Basel 1996. – Annette Volfing: H. v. M. ‹Der meide kranz›. A Commentary (MTU 111). T¨ubingen 1997. – Anna M¨uhlherr: Gelehrtheit und Autorit¨at des Dichters: H. v. M., Sebastian Brant und Heinrich Wittenwiler. In: MA und fr¨uhe Neu¨ zeit. Uberg¨ ange, Umbr¨uche und Neuans¨atze (Fortuna Vitrea 16). Hg. v. W. Haug. Tu¨ bingen 1999, S. 213–236. – Jens Pfeiffer: Macht der Sterne oder Miasmen der Erde: H. v. M. und Konrad von Megenberg u¨ ber die Pest v. 1348. In: Artes im MA. Hg. v. Ursula Sch¨afer. Berlin 1999, S. 110–123. – Michael Baldzuhn: Vom Sangspruch zum Meisterlied. Unters. zu einem literarischen Traditionszusammenhang auf der Grundlage der Kolmarer Liederhs. (MTU 120). T¨ubingen 2002, S. 426–440 und Reg. – Dietlind Gade: ‹ir milde richet ware kunst nach adels gunst›. Zur milte-Thematik im ersten Spruchbuch H.s v. M. In: H¨ofische Lit. und Klerikerkultur. Wissen – Bildung – Gesellschaft (Encomia-Dt. Sonderh. der Dt. Sektion der ICLS). Bearb. v. Andrea Sieber. Berlin 2002, S. 39–52. – J. Haustein/Ralf-Henning Steinmetz (Hg.): Stud. zu Frauenlob und H. v. M. FS K. Stackmann (Scrinium Friburgense 15). Freiburg/Schweiz 2002 694
2. H¨alfte 14. Jh. (darin Beitr. zu H. v. M. v. J. Rettelbach, M. Stolz, A. Volfing, Beate Kellner). – H. Brunner: Die Sprucht¨one H.s v. Mu¨ geln. Bemerkungen zur Form und zur formgeschichtlichen Stellung. In: Forschungen zur dt. Lit. des Sp¨atMA. FS J. Janota. Hg. v. dems./Werner Williams-Krapp. T¨ubingen 2003. S. 109–124. – Susanne K¨obele: Frauenlobs Lieder. Parameter einer literarhist. Standortbestimmung (Bibliotheca Germanica 43). T¨ubingen/Basel 2003, Reg. – Freimut L¨oser: H. v. M. und der Psalmenkomm. des o¨ sterr. Bibel¨ubersetzers. In: Magister et amicus. FS Kurt G¨artner. Hg. v. V´aclav Bok/Frank Shaw. Wien 2003, S. 687–706. – Renate Schipke: H. v. M.: Valerius-Maximus-Auslegung ¨ u. a. In: Aderlaß und Seelentrost. Die Uberl. dt. Texte im Spiegel Berliner Hss. und Inkunabeln. Hg. v. Peter J¨org Becker/Eef Overgaauw. Mainz 2003, S. 186 f. – K. Stackmann: Philologische Unters. zur Ausg. der kleineren Dichtungen H.s v. M. (Abh. der Akad. der Wiss. zu G¨ottingen. Phil.Hist. Kl. 3. Folge, 265). G¨ottingen 2004. – D. Gade: Wissen, Glaube, Dichtung: Kosmologie und Astronomie in der meisterlichen Lieddichtung des vierzehnten und f¨unfzehnten Jh. (MTU 130). T¨ubingen 2005, S. 183–215, Reg. – C. Huber: Wege aus der Liebesparadoxie. Zum Minnesang H.s v. M. im Blick auf Konrad v. W¨urzburg. In: Gattungen und Formen des europ¨aischen Liedes 14. bis zum 16. Jh. Hg. v. Michael Zywietz u. a. M¨unster 2005, S. 89–110. – K. Stackmann: ‹Der meide kranz›. ‹Das nuwe ticht› H.s v. M. In: ZfdA 135 (2006) S. 217–239. – C. Huber: ‹nach rate zweier hande schrift›. Mythologie als literarische Erkenntnisform. Zu Buch X der Spruchslg. H.s v. M. In: Universitas. Die ma. und fr¨uhneuzeitliche Univ. im Schnittpunkt wissenschaftlicher Disziplinen. FS Georg Wieland. Hg. v. Oliver Auge/Cora Dietl. T¨ubingen 2007, S. 43–62. – M. Stolz: ‹Vernunst›. Funktionen des Rationalen im Werk H.s v. M. In: Reflexion und Inszenierung von Rationalit¨at in der ma. Lit. (Wolfram-Stud. 20). Hg. v. Klaus Ridder. Berlin 2008, S. 205–228. – B. Kellner: Meisterschaft. Konrad v. W¨urzburg – H. v. M. In: Interartifizialit¨at. Die Diskussion der K¨unste in der ma. Lit. Hg. v. Susanne B¨urkle (ZfdPh Sonderh. 128). Berlin 2009, S. 137–162. – K. Stackmann: ¨ Maß und Zahl der Meisterkunst. Uber die Vorherrschaft der Form in der ‹Cronica Vngarorum› H.s v. M. In: Projektion – Reflexion – Ferne. R¨aumliche Vorstellungen und Denkfiguren im MA. Hg. v. Uta St¨ormer Caysa u. a. Berlin/Boston 2011, 695
Suchensinn S. 431–450. – Ders.: ‹Theologia› in den ‹Artes›Summarien H.s v. M. In: Religi¨ose Erfahrung und wissenschaftliche Theologie. FS Ulrich K¨opf. Hg. v. Albrecht Beutel. T¨ubingen 2011, S. 493–500. VZ Suchensinn (auch: Suchensin, Suchensein, Suchesinn). – Liederdichter, Ende 14. Jh. Viel ist u¨ ber das Leben von S. nicht bekannt. Er erhielt 1386 vom Nu¨ rnberger Rat als «singer» 10 Gulden. F¨ur 1389 und 1392 ist er am Straubinger Hof von Herzog Albrecht II. bezeugt, wo er ebenfalls ein Honorar empfing – dieses Mal als Fahrender. Da aus anderen Regionen keine weiteren Zeugnisse vorliegen, hat sich S. vermutlich vor allem im bayerisch-fr¨ankischen Raum als Berufsdichter und -s¨anger bet¨atigt. Seinem Lohn nach zu urteilen, scheint er relativ erfolgreich und gesch¨atzt gewesen zu sein. Seine Dichterkollegen achteten ihn ebenfalls: Eine von 1423 stammende politische Rede von Konrad → Silberdrat z¨ahlt ihn zu den Meisters¨angern. Zudem erw¨ahnen ihn die miteinander verwandten Dichterkataloge von Konrad → Nachtigall («der Suchensin sang lobelich») und Hans → Folz («Suchensein») aus dem 15. Jh. Von S.s Werken sind 23 Lieder und ein Reimgedicht erhalten. Die Mehrzahl seiner Lieder findet sich in → Fichards Liederbuch und in der → Kolmarer Liederhandschrift, wobei Letztere vor einem Blattverlust noch mehr Lieder enthalten haben d¨urfte. Neben einzeln verstreuten Liedern gibt es noch kleinere Liedergruppen, die wie die großen Sammlungen darauf hinweisen, dass wohl ein systematisches Sammelinteresse an S.s Werken bestanden hat (vgl. Baldzuhn). Als verloren gilt die Sammlung seiner Lieder, die sich im 15. Jh. im Besitz des Grafen von Katzenelnbogen befand. Der Umfang der oft mit Allegorien versehenen Lieder ist in der Regel drei- bis f¨unfstrophig; sie scheinen f¨ur ein h¨ofisches Publikum gedichtet zu sein. Alle sind im gleichen Ton uberliefert, ¨ der S. wohl selbst geh¨ort und der nur in seltenen F¨allen von anderen Dichtern verwendet wurde. F¨ur S. sind die Frauen das große Thema. Er lobt, preist und belehrt sie, stellt die Ehefrauen in ihrer W¨urde gar h¨oher als die Priester («kein priester des nie wirdig wart»). Des ‹reinen Weibes W¨urde› legitimiert er meist mit religi¨osen Argumenten: Maria sei selbst eine Frau, und sie habe als Mutter des Erl¨osers die Vers¨ohnung m¨oglich gemacht. In seiner Liedgestaltung orientiert er sich an der zeitgen¨ossischen Minnerede, nimmt sich aber grunds¨atzlich 696
Schonsbekel kaum der a¨ ußeren Sch¨onheit einer Frau an und beschr¨ankt sich lieber darauf, die Frauen zur Sittsamkeit («muosz die freud vermˆıden») zu ermahnen. Am liebsten verwendet er die Dialogform und setzt diese geschickt ein, so dass die Sprecherrollen bisweilen nicht klar zuzuordnen sind. Hier sticht regelm¨aßig seine Autorsignatur hervor, die sich mehrmals zum Ansprechpartner f¨ur seine Figuren wandelt und S. selbst an der Konversation teilnehmen l¨asst (vgl. Egidi). Das erhaltene Reimpaargedicht umfasst 124 Verse und nimmt sich der Frage an, welchem Status die gr¨oßere Ehre geb¨uhre, dem der Jungfrau oder dem der verheirateten Frau? ¨ Uberlieferung: Basel, UB, Cod. O IV 28, 53v–56r (h¨ochstwahrscheinlich ein Nachahmer S.s). – Frankfurt/M., Stadtarch., Familienarch. Fichard Nr. 165 Ms. 69, Nr. 12–24 (Pap., Mitte 15. Jh., s¨udrheinfr¨ankisch [Heidelberg ?]; 1944 verbrannt). – Kremsm¨unster, Stiftsbibl., Cod. 81, 164vr (beide Seiten quer beschrieben, Text beginnt auf der R¨uckseite). – M¨unchen, BSB, Cgm 1019, 10r–11r. (Pap., ca. Mitte 15. Jh., norbair. und ostfr¨ankisch). – Cgm 4997, 812rv–813v (Pap., um 1460). – Ebd., 815r–816v. – Ebd., Clm 8481, 101r–102r. – N¨urnberg, Germ. Nationalmuseum, Hs. 877, 210r–211r (Pap., Str. 4 nur Fragm.). – Ebd., 214v–215v. – Prag, Nationalmuseum, Cod. X A 12, 340v–342r (Pap., 1470/71, Ausgburg). – Sterzing, Stadtarch., ohne Signatur, 35r (Pap., erstes Jahrzehnt 15. Jh., su¨ dbair.). – Weimar, Herzogin Anna Amalia Bibl., Cod. Fol. 418, S. 322 f. (wohl nicht von S.). – Reimgedicht: Karlsruhe, LB, Cod. Donaueschingen 104, 127rb-128ra (Pap., erstes Drittel 15. Jh., alemannisch). Ausgaben: Philipp Wackernagel: Das dt. Kirchenlied von der a¨ltesten Zeit bis zu Anfang des XVII. Jh. Bd. 2. Leipzig 1867 (Nachdr. Hildesheim 1964) S. 186 (Nr. 318). – Ignaz Vinzenz Zingerle: Ber. u¨ ber die Sterzinger Miscellaneen-Hs. In: Akad. der Wiss. in Wien. Sb. der phil.-hist. Kl. 54 (1866) S. 294–340, hier S. 322–324. – Pflug (s. Lit) S. 65–99 (Nr. 1–19). – Ukena 1972 (s. Lit.) S. 171–173. – Zimmermann (s. Lit.) S. 127 f. – Cramer 3 (1982) S. 292–329, 333–339; 4 (1985) S. 327–334. – Reimgedicht: Joseph von Laßberg (Hg.): Liedersaal, das ist. Sammelung altteutscher Gedichte, aus ungedruckten Quellen. Bd. 2. St. Gallen 1822 (Nachdr. Hildesheim 1968) Nr. 131. – Vgl. ferner → Fichards Liederbuch und → Kolmarer Liederhandschrift. 697
2. H¨alfte 14. Jh. Literatur: [Gustav] Roethe, ADB 37 (1894) S. 103f. – RSM 5 (1991) S. 412–423. – Frieder Schanze, MarLex 6 (1994) S. 329. – De Boor/Newald 4/1 (21994) S. 179 f., 183, 194, 776. – F. Schanze, VL2 9 (1995) Sp. 478–481. – Ders., Killy2 11 (2011) S. 382 f. – Gustav Roethe (Hg.): Reinmar von Zweter. Die Gedichte. Leipzig 1887, S. 164. – Hermann Jantzen: Gesch. des dt. Streitgedichte im MA. Breslau 1896. – Karl Euling: Stud. u¨ ber Heinrich Kaufringer (Germanistische Abh. 18). Breslau 1900. – Emil Pflug: S. und seine Dichtungen (Germanistische Abh. 32). Breslau 1908. – Peter Kern: Trinit¨at, Maria, Inkarnation. Stud. zur Thematik der dt. Dichtungen des sp¨ateren MA (Phil.Stud.u.Qu. 55). Berlin 1971. – Elke Ukena: S.s ‹Streit zwischen Priester und Frau› im Cod. 81 der Stiftsbibl. Kremsm¨unster. In: Daphnis 1 (1972) S. 168–175. – Ingrid Kasten: Stud. zur Thematik und Form des mhd. Streitgedichts. Diss. Hamburg 1973. – Gisela Kornrumpf: M¨ulich von Prag, Pfalz von Straßburg, Albrecht ¨ Lesch. Neues zur Uberl. In: ZfdA 106 (1977) S. 121–137. – Manfred Zimmermann: Die Sterzinger Miszellaneen-Hs. Komm. Edition der dt. Dichtungen (Innsbrucker Beitr. zur Kulturwiss. Germanistische Reihe 8) Innsbruck 1980, S 277–282. – F. Schanze: Meisterliche Liedkunst zwischen Heinrich von M¨ugeln und Hans Sachs (MTU 82/83). 2 Bde. Mu¨ nchen 1983/84. – Johannes Rettelbach: Variation – Derivation – Imitation. Unters. zu den T¨onen der Sangspruchdichter und Meistersinger (Fr¨uhe Neuzeit 14). T¨ubingen 1993. – Michael Baldzuhn: Blattverluste im S.-Korpus der ‹Kolmarer Liederhs.›. In: ZfdPh 119 (2000) S. 427–433. – Thomas Cramer: Gesch. der dt. Lit. im sp¨aten MA. Mu¨ nchen 32000. – Margreth Egidi: Dissoziation und Status der Ich-Rolle in den Liedern S.s. In: Neue Forschungen zur mhd. Sangspruchdichtung. Hg. v. Horst Brunner/Helmut Tervooren. Berlin 2000, S. 237–251. – Karina Kellermann: Abschied ¨ vom ‹hist. Volkslied›. Stud. zu Funktion, Asthetik und Publizit¨at der Gattung hist.-politische Ereignisdichtung (Hermaea NF 90). T¨ubingen 2000. FA Schonsbekel. – Meisterlieddichter, kurz vor oder um 1400. Biographische Details zu S., der im Dichterkatalog von Konrad → Nachtigall erw¨ahnt ist, sind nicht bekannt. Es gibt drei Lieder, die er wohl gedichtet hat, die Zuweisung kann aber vor allem 698
2. H¨alfte 14. Jh. wegen einer stets a¨ hnlichen ‹Verfassersignatur› gemacht werden; es bleiben leichte Vorbehalte wie bei → H¨ulzing bestehen (vgl. Bein, S. 29; Rettelbach 1993, S. 215 f.). Die ersten zwei Lieder sind in der Wiltener Liederhandschrift zu finden ¨ (Mu¨ nchen [s. Uberl.]); da dort fast nur Meister vor dem 15. Jh. aufgef¨uhrt sind, lebte S. wohl gegen Ende des 14. Jh. Lied 1 wird schon mit seinem ¨ Namen in der Uberschrift eingeleitet; der Schluss ist mit «mein guldein pl¨ut» unterzeichnet. Zwei Seiten davor steht in derselben Handschrift am Schluss «ain guldein pluet»; dieses Mal ist die Formel wohl eine Marienattribution. Wie beim ersten Lied besitzt es einen einzigartigen Ton. Der Autor bleibt anonym, da aber in Hinblick auf Sprache und Stil nichts Abweichendes zu Lied 1 zu erkennen ist, k¨onnte es auch von S. stammen (Lied 2). Die Formulierung «mein golde pl¨ut» findet sich auch in einer Nachtweise (Lied 3) einer anderen ¨ Handschrift (Heidelberg [s. Uberl.]). Hier zeigen sich aber gerade formale Parallelen zum Ton von → Suchensinn. Der Text ist an der gleichen Stelle unterzeichnet, an der u¨ blicherweise die Signatur von Suchensinn gesetzt ist. Es bleibt also offen, ob hier S. mit dem Schema eines anderen Dichters experimentiert hat oder ob es sich um einen anderen Verfasser handelt. In Lied 1 preist S. die Frauen u¨ ber alles: «ich lob si mer denn engel in dem trone». Lied 2 huldigt dem Fr¨uhling, Gott und der heiligen Maria. Lied 3 widmet sich den Frauen und der Nacht gleichermaßen; f¨ur «vrouwen» nimmt ein Ritter «grozer lieb’» wahr, ebenso wie er die Nacht noch «v¨ur den tak» lobt. Zwar kommt motivisch das Lob der Frauen in verschiedener Gewichtung in allen drei Liedern vor, dies mag aber eine zu geringe ¨ Uberschneidung sein, um daraus f¨ur S. eine sichere Urheberschaft abzuleiten. ¨ Uberlieferung: Lied 1: M¨unchen, BSB, Cgm 5198, 146r-v (Pap., um 1500, bair.-o¨ sterr.). – Lied 2: Ebd., 143v–145r. – Lied 3: Heidelberg, UB, Cpg 392, 28v–29r (Pap., um 1500, schw¨abisch). ¨ Ausgaben: Uberlieferungsgeschichtliche Editionen und Stud. zur dt. Lit. des MA. Hg. v. Konrad Kunze (TTG 31). T¨ubingen 1989, S.14–21, V. 63 f. – Lied 1: Cramer 3 (1982) S. 262 f. – Lied 3: HMS 3 (1838) S. 482, Nr. 33. – Joseph von G¨orres: Altdt. Volks- und Meisterlieder. Frankfurt/M. 1817, S. 105–108. Literatur: RSM 5 (1991) S. 359, 559. – Johannes Rettelbach, VL2 8 (1992) Sp. 829–830. – Meisterlieder der Kolmarer Hs. Hg. v. Karl Bartsch. 699
Eberhard von Heisterbach Stuttgart 1862, S. 164. – Walter R¨oll: Vom Hof ¨ zur Singschule. Uberl. und Rezeption eines Tones im 14.–17. Jh. Heidelberg 1976, S. 138. – Frieder Schanze: Meisterliche Liedkunst zwischen Heinrich von Mu¨ geln und Hans Sachs. Bd. 1 (MTU 82). M¨unchen 1983, S. 105, 282. – J. Rettelbach: Variation – Derivation – Imitation. Unters. zu den T¨onen der Sangspruchdichter und Meistersinger. T¨ubingen 1993, S. 35, 153, 213, 215 f., 279. FA Eberhard von Heisterbach → Band 5. Elhen von Wolfhagen, Tilemann → Band 3, Sp. 484–487. Liebe von Giengen (auch: Lib, Lieber, Gengen, Gingen). – Meistersinger. Konkrete Lebensdaten oder biographische Angaben sind unbekannt. Die erste Erw¨ahnung des Meistersingers aus vermutlich schw¨abischalemannischer Region findet sich in einer Basler ¨ Handschrift (s. Uberl.) um etwa 1430; auch ein Lied von Hans → Folz nennt ihn unter vielen anderen Meistern (Berlin, SBB, Mgq 414, 475v–477r). Eine Jahres- und eine Radweise k¨onnen L. v. G. relativ sicher zugewiesen werden, ebenso ein Ton ohne Namen und Melodie. Die Texte eines Beichtliedes mit 11 Strophen, eines Liedes u¨ ber Hoffart und einer fragmentarischen Jahrweise sind sich vom Duktus her so a¨hnlich, dass sie aus einer Feder (bzw. aus der des L. v. G.) stammen k¨onnten. Die Dichtungen, die in seinen T¨onen u¨ berliefert und m¨oglicherweise von ihm verfasst sind, haben u. a. das Badeleben, die Tugendlehre von Jungfrauen («wie sy sich solle halte») und das Frauenlob («du bist ein edler stat») zum Thema. Sein Ton wurde auch nach der Reformation verwendet. L. v. G. geh¨ort zu den Tonerfindern, die im 16. Jh. gew¨ohnlich zu den Nachdichtern gez¨ahlt wurden. ¨ Uberlieferung: Basel, UB, cod. O IV 28, 12r–14r. – Berlin, SBB, Mgq 410, 303r–305v. – Ebd., Mgq 414, 367r–368r (Pap., 1517/18). – Ebd., 475v–477r. – Heidelberg, UB, Cpg 392, 30r–31v (Pap., ca. 1500, schw¨abisch). – Ebd., 126r–127r. – Ebd., Cpg 680, 43v–45r. – Karlsruhe, LB, Cod. St. Georgen 74, 17r–18v (Pap., 1448, westschw¨abisch). – M¨unchen, BSB, Cgm 4997, 790rv (Pap., um 1460). – Trier, StB, Hs. 1032/1943 8°, 171v (Pap.). Ausgaben: Joseph von G¨orres: Altdt. Volks- und Meisterlieder. Frankfurt/M. 1817, S. 222–226. – Adolf Holtzmann: Meisterges¨ange des XV. Jh. In: 700
Grevenstein Germania 5 (1860) S. 210–219. – HMS 4 (1838) S. 887 f. – Otto Weddigen: Der dt. Meistergesang. Berlin 1894, S. 73–77. – Die Sangesweisen der Colmarer Hs. und die Liederhs. Donaueschingen. Hg. v. Paul Runge. Leipzig 1896, S. 169 f. – Cramer 4 (1985) S. 134–162. – Die Meisterlieder des Hans Folz aus der M¨unchener Originalhs. und der Weimarer Hs. Q 566 mit Erg¨anzungen aus anderen Quellen (DTM 12). Hg. v. August Liebmann Mayer. Berlin 1908, Nr. 94, Z. 79, S. 351. Literatur: Karl Bartsch, ADB 18 (1883) S. 562. – Johannes Rettelbach, VL2 5 (1985) Sp. 617. – RSM 3 (1986) S. 311; 4 (1988) S. 441 f. – De Boor/ Newald 4/1 (21994) S. 223. – K. Bartsch (Hg.): Meisterlieder der Kolmarer Hs. Stuttgart 1862, S. 183 f. – Ders.: Beitr. zur Quellenkunde der altdt. Lit. Straßburg 1886, S. 278. – Horst Ellenbeck: Die Sage vom Ursprung des Dt. Meistergesangs. Diss. Bonn 1911. – Fritz Rostock: Mhd. Dichterheldensage (Hermaea 15). Halle 1925. – Archer Taylor: The Literary History of Meistergesang (The Modern Language Association of America. General ser. 4). New York 1937. – Eva Schumann: Stilwandel und Gestaltver¨anderung im Meistersang. Vergleichende Unters. zur Musik der Meistersinger (G¨ottinger musikwissenschaftliche Arbeiten 3). Kassel 1972. – Horst Brunner: Die alten Meister. ¨ Stud. zu Uberl. und Rezeption der mhd. Sangspruchdichter im Sp¨atMA und in der fr¨uhen Neuzeit (MTU 54). Mu¨ nchen 1975. – Die To¨ ne der Meistersinger. Hg. v. H. Brunner/J. Rettelbach (Litterae 47). G¨oppingen 1980, S. 50. – H. Brunner: Neidhart bei den Meistersingern. In: ZfdA 114 (1985) S. 241–254, hier S. 245 Anm. 18. FA Ritter und Bauer. – Streitgedicht. In dem Lied, dessen Repertoire sich im u¨ blichen Rahmen bewegt (vgl. Der → Bauern Lob), geht es darum, welchem der beiden St¨ande der Vorrang zukommt. Den vom Ritter angef¨uhrten Argumenten (Geburt, «hofezucht», Damendienst, Rittertat) stellt der Bauer die «herte arbeit» der Nahrungsbeschaffung f¨ur alle gegen¨uber. In Fassung a) hat der Bauer, in Fassung b), in der weitere Strophen den Streit versch¨arfen, der Ritter das letzte Wort. ¨ Uberlieferung: a) Mu¨ nchen, BSB, Cgm 266, im Vorderen Spiegel (Pap., 1408, mittelbair.; sechstrophige Fassung). – b) Ebd., Cgm 811 (Liederbuch des Jakob → Kebicz), 18r–19v (Pap., zweites Viertel 15. Jh., ostschw¨abisch; elfstrophige Fassung). Ausgaben: a) Bernhard Joseph Docen (Hg.): Miscellanea zur Gesch. der teutschen Lit. Bd. 2. 701
2. H¨alfte 14. Jh. M¨unchen 1807, S. 242–244. – Ludwig Uhland (Hg.): Alte hoch- und niederdt. Volkslieder. Bd. 1. Stuttgart/T¨ubingen 1844, S. 336–338 (Nr. 133); Bd. 2. Ebd. 1845, S. 1014. – Ders.: Schr. zur Gesch. der Dichtung und Sage. Bd. 4. Stuttgart 1869, S. 157–159. – Franz Magnus B¨ohme: Altdt. Liederbuch. Leipzig 1877 (Nachdr. Hildesheim 1966) S. 359 (Nr. 274). – G¨unther Franz: Quellen zur Gesch. des dt. Bauernstandes im MA (Ausgew¨ahlte Quellen zur dt. Gesch. des MA 31). Berlin 1967, S. 554–556 (Nr. 219). – b) Ein Meistersinger des XV. Jh. und sein Liederbuch. Hg. v. Friedrich Keinz. In: Sb. der k. b. Akad. der Wiss., phil.-hist. Kl. 1891, S. 639–700, hier S. 653–657. – Dt. Liederhort. Auswahl der vorz¨uglicheren dt. Volkslieder nach Wort und Weise aus der Vorzeit und Gegenwart. Gesammelt und erl. v. Ludwig Erk. Neubearb. und fortgesetzt v. Franz M. B¨ohme. Bd. 3. Leipzig 21925, S. 27 f. (Nr. 1079). Literatur: Konrad Kunze, VL2 8 (1992) Sp. 95 f. – Hermann Jantzen: Gesch. des dt. Streitgedichtes im MA (Germanistische Abh. 13/16). Breslau 1896 (Nachdr. Hildesheim/New York 1977) S. 63 f. – Hanns Fischer: Jakob K¨abitz und sein verkanntes Liederbuch. In: Euph. 56 (1962) S. 191–199, hier S. 193 Anm. 10. BJ Grevenstein, Hermann. – Verfasser eines lt.-dt. Liedes gegen die Hussiten und von Schulschriften. Der sich in der Handschrift «Magister hermannus greuensteyn» nennende Autor ist f¨ur 1397 als Student und 1413/14 als famulus universitatis in Erfurt nachgewiesen. Das Lied h¨angt wohl zusammen mit dem Hilfszug der G¨ottinger nach Erfurt, das 1429/30 durch die Hussiten bedroht wurde. Es hat vier Strophen mit abwechselnd dt. und lat. Zeilen. ¨ Uberlieferung: Frankfurt, StB, Ms. Praed. 59 (olim Hs. 1190), auf der Innenseite des R¨uckendeckels, zwischen die Zeilen eines lat. Predigttextes geschrieben. Ausgaben: Schr¨oder (s. Lit.) S. 74–76 (fehlerhaft). – Ittenbach (s. Lit.) S. 291 f. – Cramer 1 (1977) S. 259 f., 463. Literatur: Thomas Cramer, VL2 3 (1981) Sp. 254. – De Boor/Newald 4/1 (21994) S. 190. – Edward Schr¨oder: G¨ottingen in der Hussitenfurcht. In: Neues G¨ottinger Jb. 2 (1930) S. 73–80. – Max Ittenbach. H. G. In: ZfdPh 61 (1936) S. 291–293. – Rainer C. Schwinges/Klaus Wriedt (Hg.): Das Bakkalarenregister der Artistenfakult¨at der Univ. 702
2. H¨alfte 14. Jh. Erfurt 1392–1521 (Ver¨off. der Hist. Kommission f¨ur Th¨uringen. Große Reihe 3). Jena 1995, S. 5, 11. – Udo K¨uhne: Engelhus-Stud. Zur G¨ottinger Schullit. in der ersten H¨alfte des 15. Jh. (Scrinium Friburgense 12). Freiburg/Schweiz 1999, S. 161, 163–166. – K. Wriedt: Schule und Universit¨atsbesuch in norddt. St¨adten des Sp¨atMA. In: Ders.: Schule und Universit¨at. Bildungsverh¨altnisse in norddt. St¨adten des Sp¨atMA. Gesammelte Aufs¨atze (Education and Society in the Middle Ages and Renaissance 23). Leiden/Boston 2005, S. 27–44, hier S. 42. – Ulrich M¨uller: MA. In: Gesch. der politischen Lyrik in Deutschland. Hg. v. Walter Hinderer. W¨urzburg 2007, S. 47–74, hier S. 68. BJ Augsburger Cantionessammlung. – Sammlung von lat. Leichs, Liedern und Sangspr¨uchen in dt. Strophenformen sowie lat. Cantiones vom sp¨aten 13. bis Mitte 14. Jh. Die A. C. ist mit ihren 70 lat. Liedern das umfangreichste Zeugnis f¨ur die Benutzung dt. T¨one durch fahrende lat. S¨anger und dichtende Kleriker des sp¨aten 13. und 14. Jh. Sie ist dadurch eindrucksvoller Beleg des dt.-lat. literarischen Lebens, das sich bei der Lieddichtung ansonsten meist nur in ¨ verstreuter Uberlieferung niederschl¨agt. Urspr¨unglich k¨onnte die Sammlung im mittleren ostdt. (schlesischen [?]) Raum entstanden sein, wof¨ur u. a. die Herkunft der enthaltenen klerikalen Autoren spricht. Die Redaktion der A. C. in ihrer u¨ berlieferten Form ist fr¨uhestens in der zweiten H¨alfte des 14. Jh. anzusetzen. Es lassen sich zwei grunds¨atzlich differenzierbare Bestandteile der Sammlung ausmachen: Zum einen Kontrafakturen, die auf vorwiegend meisterlichen T¨onen basieren und um 1300 oder kurz darauf f¨ur den Vortrag an weltlichen und geistlichen H¨ofen entstanden sein d¨urften, und zum anderen lat. Cantiones vorwiegend schlesischer Kleriker aus der Mitte oder zweiten H¨alfte des 14. Jh., die u¨ ber den Schlussteil der Sammlung verstreut sind und deren Verwendungszweck nicht immer eindeutig ist. Die erste Gruppe l¨asst sich weiter differenzieren in Leichs und leichartige Tanzlieder am Beginn und Sangspr¨uche und (meisterliche) Lieder im Mittel- und Schlussteil. Prim¨ares Ordnungskriterium der Sammlung sind die Tonnamen und das auch unabh¨angig von den Tonautoren. So folgt z. B. auf den Block mit Kontrafakturen zu → Frauenlobs «Langem Ton» (1Frau/2) eine Strophengruppe im «Langen Ton» 703
Augsburger Cantionessammlung des → Marner (1Marn/7), w¨ahrend sich die weiteren T¨one Frauenlobs an anderer Stelle finden. Innerhalb der Toncorpora wird eine Ordnung nach Textautoren vorgenommen. Anonyme Lieder und die Cantiones werden an inhaltlich geeigneten Stellen eingef¨ugt. Die Rubrik der Sammlung macht Angaben zu deren Inhalt, bezieht sich aber nur auf den Sangspruch-Teil und differenziert dabei deutlich zwischen Text- und Tonautoren: «Hic notantur dictamina a diversis magistris in diversas melodias magistrorum vulgariter dictantium mensurata scilicet Vrouwnlob Regnbog Marner Popp Roumz¨ lant Meychsner Premwerger etc.». Ein Uberlieferungsverlust sind die in der Rubrik angegebenen Kontrafakturen zu T¨onen → Regenbogens und des «Meychsners» (→ Meißner der → Jenaer Liederhandschrift [?], der → Junge Meißner [?]). Die Leichs und Tanzlieder sind u¨ berwiegend anonym. Namentlich als Textautor wird zuerst ein «Dyetricus de Salder» genannt, der mit einem 1282–1302 bezeugten Hildesheimer Domherr und Braunschweiger Ministerialen zu identifizieren sein d¨urfte. Der Ton («Chorea qui dicitur Schonnwerger») ist nicht ermittelt (es ist weder ein Ton des → Schonsbekel noch des → Schwinberger). Auch zu den beiden in der A. C. enthaltenen Leichformen des → Zwingers («in chorea Twingari» mit Liedtexten von den Dichtern «Mersburch» und «Estas» gibt es keine u¨ berlieferte dt. Entsprechung. Mersburg, der vermulich fahrender Berufsdichter war, ist der am h¨aufigsten vertretene Dichter im Hauptteil der Sammlung (20 Sangspr¨uche). Sein Name k¨onnte eine Herkunftsbezeichnung sein. Textimmanente Aspekte der Lieder Mersburgs (u. a. Bezug auf den Breslauer Herzog → Heinrich IV. [† 1290]) machen eine Schaffenszeit des Dichters im sp¨aten 13./fr¨uhen 14. Jh. wahrscheinlich. Seine Lieder weisen das breiteste T¨onerepertoire in der A. C. auf: anonymer Ton «Guldein vingerl» (nicht identisch mit «Guldein vingerlein» des → M¨onchs von Salzburg [Mo¨ nch/9/1]), «Langer Ton» Frauenlobs und der gleichnamige des → Marner, «Hofton» → Reinmars von Brennenberg (1ReiBr) sowie der «Hofton» → Boppes (1Bop/1); Marners Ton XVIII ist eine irrt¨umliche Tonangabe der Handschrift, es handelt sich tats¨achlich um Meißners Ton XVII (1Mei/17). Eine a¨hnliche Datierung wie bei Mersburg ist f¨ur Estas anzusetzen. Im Mu¨ nchner Clm 11007, der St¨ucke von Estas parallel u¨ berliefert, wird dieser als «Estas vagus» bezeichnet. Neben 704
Augsburger Cantionessammlung seinem Leich im Zwinger-Ton enth¨alt die A. C. von ihm Kontrafakturen zu folgenden identifizierten T¨onen (8 Str.): Meißners Ton XVII (s. o.), Ton I → Rumelants von Sachsen (1Rums/1), Frauenlobs «Goldener Ton» (1Frau/9) und der «Reihen» → Konrads von W¨urzburg (1KonrW/11). Ferner bietet die A. C. 11 Strophen, die einem nicht n¨aher bestimmbaren «Tylo» zugeschrieben werden (im «Langen Ton» des Marner und Frauenlobs, sowie in dessen «W¨urgendr¨ussel» [1Frau/6] und «Minne und Welt» [1Frau/1]). Je eine Strophe weist die Sammlung einem «Dyetricus Mirabilis» (Reinmars von Brennenberg «Hofton») und «Hainricus Scriptor» (Boppes «Hofton») zu. Albert von M¨unsterberg («Magistri Alberti M˚unsterbergn») ist mit einem vierstrophigen Lied vertreten (K¨onig → Wenzel von B¨ohmen, Ton I). Ohne Textautornennung in der A. C. ist der Artes-Katalog Fundamentum artium (in Marners «Langem Ton») aufgenommen, der von der → Heidelberger Liederhandschrift C und der → Sterzinger Miszellaneenhandschrift dem Marner zugeschrieben wird. Die Themen, die in den SangspruchKontrafakturen in der A. C. behandelt werden, decken das gesamte thematische Spektrum des Genres ab, wobei ein Drittel der Sammlung dezidiert geistlichen Inhalts ist. Frauenlobs «Langer Ton» findet ausschließlich bei geistigen Themen Verwendung, des Marners «Langer Ton» nur ¨ bei weltlichen. Die deutschsprachige Uberlieferung der jeweiligen T¨one deckt sich mit diesen Tonprofilen nicht. Die Kleriker, die nicht auf spezifisch dt. Strophenformen zur¨uckgreifen und mit jeweils einem mehrstrophigen Lied in der A. C. vertreten sind, stehen in der Tradition der lat. b¨ohmischschlesischen Cantionesdichtung: Praepositus Glogoviensis (Glogau/Niederschlesien), Witigo plebanus de Adlungsdorf (Adelsdorf bei Liegnitz/Niederschlesien) und Wernherus plebanus de Odra (Odrau/ M¨ahren-Schlesien). Dieser schlesischen Klerikergruppe k¨onnte auch Albert von M¨unsterberg (Niederschlesien) zuzurechnen sein, der allerdings in einer Kontrafaktur dichtet (s.o.). Schließlich ist noch ein «Abbas de Dobrana» (Zisterzienserkloster Doberan [?]) aufgenommen. Themen und Form der Cantiones der A. C. enstprechen der reichen ostmitteldt. Gattungstradition. ¨ Uberlieferung: Augsburg, UB, Cod. II.1.2° 10, 232ra–241vb (Perg. und Pap., zusammengesetzt aus 10 Teilen unterschiedlicher Provinienz, 13.–15. Jh., 705
2. H¨alfte 14. Jh. seit 1467 bis zur S¨akularisation im Kloster St. Mang in F¨ussen, davor in St. Sebald, N¨urnberg) Cantionesslg. = 8. Faszikel (nordbair. [?], um 1400) unvollst., Text bricht am Ende ab. Ausgaben (einzelne Lieder): Heidrun Alex: Der ¨ Spruchdichter Boppe. Edition – Ubersetzung – Komm. (Hermaea NF 82). T¨ubingen 1998, S. 88, 193. – Holger Runow: Rumelant von Sachsen. ¨ Edition – Ubersetzung – Komm. (Hermaea NF 121). Berlin/New York 2011, S. 181–185. – Der Marner: Lieder und Sangspr¨uche aus dem 13. Jh. und ihr Weiterleben im Meistersang. Hg., eingel., erl. und u¨ bers. v. Eva Willms. Berlin/New York 2008. – In der A. C. enthaltene Lieder hg. nach anderen Hss.: s. VL2 11 (2004) Sp. 174; zus¨atzlich (Marners Artes-Kat.): Burghart Wachinger: Dt. Lyrik des sp¨aten MA (BdK 191/BMA 22). Frankfurt/M. 2006, S. 252–255. Literatur: RSM 5 (1991) S. 647–651. – G¨unter H¨agele, VL2 11 (2004) Sp. 173–180. – Gisela Kornrumpf: Eine Melodie zu Marners Ton XIV in Clm 5539. In: ZfdA 107 (1978) S. 218–230. – Dies.: Rezension Walter R¨oll: Vom Hof zur Singschule. In: AfdA 90 (1979) S. 14–22. – Dies./B. Wachinger: Alment. Formentlehnung und T¨onegebrauch in der mhd. Spruchdichtung. In: Dt. Lit. im MA. Kontakte und Perspektiven. Hugo Kuhn zum Gedenken. Stuttgart 1979, S. 356–411. – Manfred Zimmermann: Die Sterzinger MiszellaneenHs. Kommentierte Edition der dt. Dichtungen (Innsbrucker Beitr. zur Kulturwiss. Germanistische Reihe 8). Innsbruck 1980, S. 99–112. – Frieder Schanze: Meisterliche Liedkunst zwischen Heinrich v. Mu¨ geln und Hans Sachs. Bd. 1: Unters. (MTU 82). M¨unchen 1983, S. 390–392. – Johannes Rettelbach: Variation – Derivation – Imitation. Unters. zu den T¨onen der Sangspruchdichter und Meistersinger (Fr¨uhe Neuzeit 14). T¨ubingen 1993, S. 163 f. – Jens Haustein: Marner-Studien (MTU 109). T¨ubingen 1995, S. 111, 119–121, 200. – G. H¨agele: Lat. ma. Hss. in Folio der UB Augsburg. Die Signaturengruppe Cod. I.2.2° und Cod. II.1.2° 1–90 (Hss. der UB Augsburg 1,1). Wiesbaden 1996, ¨ S. 114–122, bes. S. 119–122. – Udo K¨uhne: Uberlegungen zum Marner. Zweisprachiges Œuvre, ‹Lateinkenntnis›, ‹Modernit¨at›. In: ZfdA 125 (1996) S. 275–296, bes. Anm. 281, 284. – J. Haustein: ¨ Uberl. und Autorschaft beim lat. Marner. In: ZfdA 126 (1997) S. 193–199. – Alex (s. Ausg.) S. 12, 88 f., 144 f., 193. – G. Kornrumpf: Deutschsprachige Liedkunst und die Rezeption ihrer Formen 706
2. H¨alfte 14. Jh. und Melodien in der lat. Dichtung des Sp¨atMA. In: Gattungen und Formen des europ¨aischen Liedes vom 14. bis zum 16. Jh. (Stud. und Texte zum MA und zur fr¨uhen Neuzeit 8). Hg. v. Michael Zywietz u. a. M¨unster u. a. 2005, S. 111–118, hier S. 114–116. – Runow (s. Ausg.) S. 10 f., 299–303. VZ Niederrheinische Liederhandschrift. – Liedund Sangspruchsammlung, Ende 14. Jh. Die N. L. ist der Hauptzeuge der rheinischen Lied¨uberlieferung im 14. Jh. Sie ist ein thematisch orientiertes Florilegium ohne Nennung der Verfassernamen und damit Repr¨asentant eines im 14. Jh. nicht ungel¨aufigen Sammlungstypus. Allerdings legt sie einen fast ausschließlichen und untypischen Schwerpunkt auf die Sangspruchdichtung. Die Bezeichnung N. L. trifft nur auf den zweiten Teil des u¨ berliefernden Codex zu, dessen erster eine Sammlung chronikalischer Texte in lat. und dt. Sprache ist. Dieser historiographische Teil enth¨alt die → Chronica regia Coloniensies (dt., 920–1162) sowie die → Chronica S. Pantaleonis (lat., 1162–1237) und anschließend von anderer Hand Exzerpte aus der Chronica regia Coloniensies aus der Zeit vor 920 (¨uber Alexander den Großen, Karl den Großen und Ludwig den Frommen). Die N. L. im strengen Sinne erstreckt sich nur u¨ ber die erste Lage des zweiten Teils der Handschrift (91ra–96vb). In ihrem Zentrum steht die strophische Minnerede → Neun M¨anner, neun Frauen (93rb–94va) die von zwei Lied- und Spruchstrophensammlungen eingerahmt wird. Deren Repertoire reicht von → Walther von der Vogelweide bis → Frauenlob (detaillierte Aufstellung mit Angaben zu T¨onen und RSM-Nummern bei Pensel [s. Lit.] S. 337–340). Die Quellen und Vorlagen der Sammlung sind ungekl¨art. Von den insgesamt 56 Strophen sind rund zwei Drittel anderweitig bezeugt. 19 sind Unica, von denen wiederum sieben in gut bezeugten Sangsprucht¨onen verfasst sind. Es erstaunt, dass bei den auch anderweitig bezeugten Strophen sich nur wenige in anderen Spruchsammlungen nd. Provenienz finden (z. B. der mitteldt./nd. → Jenaer Liederhandschrift). Die meisten Entsprechungen (17) hat die N. L. zur → Heidelberger Liederhandschrift C. Je 12 der Strophen der N. L. finden sich auch in der → Heidelberger Liederhandschrift Cpg 350 (im → Reinmar von Zweter-Teil) und in der 707
Niederrheinische Liederhandschrift → Kolmarer Liederhandschrift. Der Ton der jeweiligen Strophen ist kein Ordnungskriterium der beiden Sammlungen der N. L. und Einheiten gleichen Tons sind die Ausnahme. Gelegentlich werden Einzelstrophen durch auff¨allige Sichw¨orter verbunden. Die beiden Einzelsammlungen haben unterschiedliche inhaltliche Schwerpunkte. In der ersten stehen die Themen «minne» und «wip» in den verschiedensten Auspr¨agungen im Zentrum, woran sich die Minnerede mit dem gegeseitigen Preis von Rittern und Damen gut anschließt. Die Sammlung nach der Minnerede setzt einen gesellschaftlichen Schwerpunkt (Tugendlehren, Zeitkritik usw.). Berufsmeisterliche Diskussionen oder Fahrendenthematik kommt in den Sammlungen ebensowenig vor wie Bez¨uge auf historische Ereignisse oder Personen. Die zweite Lage des zweiten Handschriftenteils bietet im Anschluss an die Liedsammlung von anderer aber zeitgleicher Hand zun¨achst einen Auszug aus dem → Virginal (Str. 111–133, 135–140,5), der mit seiner Frauendienstthematik, einen inhaltlichen Anschlusspunkt bietet (m¨oglich ist allerdings auch ein Verlust der Verse 1–110 am Lagenanfang, so dass dieser thematische Anschluss Zufall sein k¨onnte). Es folgt eine vermutlich sp¨ater nachgetragene → Frauenklage in Reimpaaren, die inhaltlich ebenfalls mit der ersten Teilsammlung harmoniert. Die → Sibyllenweissagung in → Marners «Hofton» (RSM: 1Marn/6/101a–g) am Schluss des Codex verl¨asst allerdings den Rahmen der Liedsammlung und k¨onnte vielleicht erst sp¨ater als Rekurs auf den chronistischen Teil der Handschrift erg¨anzt worden sein. Beschreibung und Geschichte der Handschrift: Leipzig, UB, Rep. II. 70a (Sigle n), 102 Bll.; vier Lagen in zwei Teilen; Tl. 1 (1v–88v): Chroniken (dt. und lat.), Tl. 2: Liederslg. (91r–102v); Perg. in Quartformat (234 x 158 mm, Schriftraum: 175–180 x 115–120 mm), zweispaltig, neun H¨ande; aus K¨oln oder der Umgebung, Ende 14. Jh. Die Schreibsprache der dt. Texte ist ripuarisch. – Die Hss. wurde 1729/30 von der Leipziger Ratsbibliothek k¨auflich von Johann Burckhard Mencke erworben, in dessen Besitz sie um 1727 kam (weitere Vorbesitzer ab dem 16./17. Jh. in chronologischer Reihung: Stephan Broelmann, Gerhard von Mastricht, Johann Ludolf B¨unemann). Die Hs. befand sich beim Kauf im heutigen, zweiteiligen Zustand. Der Zeitpunkt der Zusammenbindung beider Teile ist unbekannt. 708
Diessenhofener Liederblatt Unter Umst¨anden k¨onnte Tl. 2 auch als nach und nach erweiterter Anhang zu bewerten sein. Um 1700 enthielt der poetische Teil der Hs. noch ein Fragment des Ritterpreises des → Zilies von Sayn (?) (→ Schlacht bei G¨ollheim), das durch Neubindung im 18. Jh. verloren ging (erhalten in einer Abschrift des Historikers Johann Georg von Eckhardt [Hannover, LB, Nachlass Eccard, MS. IV, 483, 240r–279v]). Weitere Verluste sind wahrscheinlich, vielleicht auch ein Lagenverlust am Schluss der Liedersammlung. Ausgabe: Faks. von Bl. 91r–102v mit Transkription bei Schmeisky (s. Lit.). – Einzelausgaben der jeweiligen Dichter s. RSM. Literatur: Gisela Kornrumpf, VL2 6 (1987) Sp. 995–998 – RSM 1 (1994) S. 193. – HMS 4 (1838) S. 905. – Emil Wilhelm Robert Naumann: Catalogus librorum manuscriptorum qui in Bibliotheca Senatoria civitatis Lipsiensis asservantur. Grimma 1838, S. 133 f. – G¨unter Rosendahl: Die Verbreitung mhd. Lyrik am Niederrhein und die Bruchstuecke aus Heiligenstadt und Muenster. Diss. Marburg 1920 (vgl. Jb. der phil. Fak. der Phillips-Univ. zu Marburg 1922/23. Unterreihe I: Hist.-philologische Abt. [1924] S. 219 f.). – Melitta Rheinheimer: Rheinische Minnereden. Unters. und Edition (GAG 144). G¨oppingen 1975, S. 28 f., 110–115, 130–143, 264 f. – Joachim Heinzle: Mhd. ¨ Dietrichepik. Unters. zur Tradierungsweise, Uberlieferungskritik und Gattungsgesch. sp¨ater Heldendichtung (MTU 62). M¨unchen 1978, S. 330 f. – G¨unther Schmeisky: Die Lyrik-Hss. m (Berlin, MS. germ. qu. 795) und n (Leipzig, Rep. II fol. 70a). Zur mittel- und niederdt. Sangverslyrik¨ Uberl. Abb., Transkription, Beschreibung (GAG 243). G¨oppingen 1978. – Karl Stackmann/Karl Bertau (Hg.): Frauenlob (Heinrich von Meißen). Leichs, Sangspr¨uche, Lieder. Bd. 1: Einleitung, Texte (Abh. der Akad. der Wiss. in G¨ottingen, phil.-hist. Kl. 3,119). G¨ottingen 1981, S. 73–79. – Franz H. B¨auml/Richard H. Rouse: Roll and Codex: A New Manuscript Fragment of Reinmar von Zweter. In: PBB (T¨ub.) 105 (1983) S. 192–231, 317–330, hier S. 198 f., 203, 205. – Hartmut Beckers: Rezension Schmeisky. In: Rheinische Vierteljahrsbl. 47 (1983) S. 364–368. – Helmut Tervooren: Ein neuer Fund zu Reimar von Zweter. Zugleich ein Beitr. zu einer mitteldt./nd. Literaturlandschaft. In: ZfdPh 102 (1983) S. 377–391, hier S. 380, 385 f. – Jens Haustein: Marner-Stud. (MTU 109). T¨ubingen 1995, S. 274. – Franzjosef 709
2. H¨alfte 14. Jh. Pensel: Verz. der dt. ma. Hss. in der UB Leipzig. Zum Druck gebracht v. Irene Stahl (DTM 70/3). Berlin 1998, S. 336–341. – Albrecht Classen: Dt. Liederb¨ucher des 15. und 16. Jh. (Volksliedstud. 1). M¨unster u. a. 2001, S. 260–268. – Margreth Egidi: Minnelied und Sangspruch im Kontext der ¨ Uberl.: Gattungen als Zuschreibungsph¨anomene. ¨ In: Text und Text in lat. und volkssprachiger Uberl. des MA (Wolfram-Stud. 19). Hg. v. Conrad Eckart Lutz. Berlin 2006, S. 253–267, hier S. 256–267. – H. Tervooren u. a.: Van der Masen tot op den Rijn. Ein Hdb. zur Gesch. der ma. volkssprachlichen Lit. im Raum von Rhein und Maas. Berlin 2006, S. 143–145. – H. Tervooren: ‹Spruchdichtung› in der nordwestlichen Germania: Sangspruch, ‹sproke›, ‹spreuke›. In: Sangspruchdichtung: Gattungskonstitution und Gattungsinterferenzen im europ¨aischen Kontext. Hg. v. Dorothea Klein. T¨ubingen 2007, S. 35–54, hier S. 41 f. VZ
Diessenhofener Liederblatt. – Mhd. Liedaufzeichnung. Das D. L. wurde um 1396 (Wasserzeichen) verfasst, ist aber erst seit seiner Entdeckung 1904 bekannt. Das im Querformat beschriebene Blatt enth¨alt zwei Liebeslieder des Virelaityps. Sie bestehen aus jeweils drei vierhebigen Strophen nach dem Muster AAB sowie einem Refrain, dessen Strophenform und Melodie jeweils B entsprechend gestaltet sind. Inhaltlich sind die Lieder fr¨uhe Beispiele eines sp¨ater stark hervortretenden Typs von Liebesliedern, in dem das lyrische Ich von Liebe, Treue und Dienst gegen¨uber der Geliebten singt. In ihrer Formelsprache zeigen die Lieder Ankl¨ange an den Mo¨ nch von Salzburg oder die → Sterzinger Miszellaneen-Handschrift. Den Liedern ist eine Melodie vorangestellt, die in Punktneumen auf einem f¨unflinigen System ohne Schl¨ussel dargestellt ist. Vielleicht wurde das D. L. als Ged¨achtnisst¨utze beim Vortrag benutzt. Die Bedeutung des Blatts ¨ liegt vor allem in seiner Uberlieferungsform: Unter den sp¨ateren Liederhandschriften vorausgehenden Einzelbl¨attern ist es das a¨ lteste bekannte Liederblatt. ¨ Uberlieferung: Privatbesitz Dr. Erhart Hans Brunner, Z¨urich, 1 Bl. (Pap., um 1396, alemannisch). Ausgaben: Wegeli 1907 (s. Lit.). – Das D. L. Ein Zeugnis sp¨ath¨ofischer Kultur. Hg. v. Eckart 710
2. H¨alfte 14. Jh. Conrad Lutz. Freiburg i. Br. 1994 (mit Faks. und einer Tonkassette mit Einspielung der Lieder). Literatur: Burghart Wachinger, VL2 11 (2004) Sp. 351 f. – Rudolf Wegeli: Die Truchsessen von Dießenhofen. In: Thurgauische Beitr. zur vaterl¨andischen Gesch. 47 (1907) S. 124–205, hier ¨ S. 183 f., 203–205. – Tilman Seebass: Uber das Rekonstruieren ma. Liedpraxis. Anm. zu einer krit. Edition des D. L. In: Hist. Zs. 262 (1996) S. 493–497. – M¨onch von Salzburg: Die weltlichen Lieder des M¨onchs von Salzburg. Texte und Melodien (MTU 114). Hg. v. Christoph M¨arz. T¨ubingen 1999, Reg. – Eckehard Simon: Die Anf¨ange des weltlichen dt. Schauspiels 1370–1530. Unters. und Dokumentation (MTU 124). T¨ubingen 2003, S. 210. MM Haager Liederhandschrift. – Sammlung von Minneliedern, Minnereden und Sangspruchstrophen, um 1400. Der H. L. kommt innerhalb der ma. dt. Lied¨uberlieferung ein besonderer Stellenwert zu, da sie Strophen und Fragmente von obd. Dichtern sehr sp¨at und zudem sehr weit entfernt vom Enstehungsort tradiert. Dabei wird einzig → Walther von der Vogelweide namentlich erw¨ahnt. Ohne Namensangabe hingegen sind St¨ucke von → Reinmar dem Alten, → Walther von Mezze, dem von → Sachsendorf und → Frauenlob enthalten. Die rund 115 Texte der Sammlung sind hinsichtlich der Thematik sehr homogen. Bis auf sehr wenige Ausnahmen handeln alle von Minne und/oder h¨ofischen Tugenden. Dabei gliederte die Redaktion der Handschrift das Material aber nicht nach Gattungen, so dass Minnereden, Lieder, Spr¨uche und ein Leich (Nr. 75–77) ohne erkennbare Gruppierungen sich in lockerer Folge abl¨osen. Diese ¨ organisatorisch zwanglose Uberlieferungsgemeinschaft von Reden, Liedern und literarischen Zwischenformen ist ein Charakteristikum der Sammlung. Hierin unterscheidet sie sich auch von anderen prinzipiell vergleichbaren «Minneb¨uchern» wie der → Berliner Liederhandschrift Mgf 922, dem Liederbuch der Clara → H¨atzerlin oder dem Cpg 313 der Heidelberger UB. Ein weiteres Merkmal ist die Sprachmischung. Die Texte sind u¨ berwigend dt., ndl. oder aber in einer eigent¨umlichen ndl./dt. Mischsprache aufgezeichnet, die sich von derjeni¨ gen im Mgf 922 unterscheidet. Uber m¨ogliche Vorlagen der Handschrift ist nichts Konkretes bekannt. 711
Haager Liederhandschrift Somit lassen sich die Ph¨anomene der Kompilation und der Sprachmischung auch nicht hinreichend kl¨aren. Ebenso ist unklar, auf welchem Wege die Vermittlung des a¨ ltesten Bestandes der Sammlung, des obd. Strophengutes, erfolgt ist. F¨orderlich war aber hierbei wohl der Umstand, dass Holland, Seeland und Hennegau von 1358 bis 1433 unter Wittelsbacher Herrschaft und damit in einer Beziehung zum obd. Raum standen, wenngleich die H. L. auch weiter o¨ stlich entstanden sein d¨urfte. Beschreibung und Geschichte: Den Haag, Kgl. Bibl., Cod. 128 E 2 (vormals 721) 67 Bll. in Kleinfolio (Perg., um 1400, Liederhs.-Sigle s). Die Hs. entstand vermutlich in den o¨ stlichen Nordniederlanden (Regionen Salland, Twente, Gelderland). Die Texte der Slg. sind auf ndl., obd., mitteldt., niederrheinisch oder in einer ndl./dt. Mischsprache von einem oder zwei Schreiber(n) notiert worden (ohne Melodienotation). Auch sind zwei franz¨osische St¨ucke enthalten (Nr. 37, 73). Gem¨aß dem Exlibris von sp¨aterer Hand auf 67v: «Dit boech huert zo Joncher Johan, greve zo Nossou zo Vyanden, und Marien von Loen, synre huysvrauwen» war die Hs. irgendwann zwischen 1440 und 1475 im Besitz des Grafen Johann von Nassau und seiner Frau Marie. 1538 ging sie an die Oranier u¨ ber und wurde nach einigen Besitzerwechseln 1798 von der Haager Kgl. Bibliothek erworben. Ausgaben: Ernst F. Kossmann: Die H. L. Faks. des Originals mit Einleitung und Transkription. 2 Bde. Haag 1940. – Brigitte Schludermann/ John Dawson/Heinz B¨uck: The Hague Miscellany. Koninklijke Bibliotheek MS 128 E 2. Facsimile and Transcription, Concordance and Finding Lists. CD-Rom-Ausg. Turnhout 2004, online in Ausw. unter: http://www.hull.ac.uk/denhaagKB/. Literatur: Ingeborg Glier, VL2 3 (1981) Sp. 358–360. – RSM 1 (1994) S. 169. – Julius Zacher: Hss. im Haag. In: ZfdA 1 (1841) S. 209–269, hier S. 227–262. – Johanna Aleida Nijland: Gedichten uit het Haagsche Liederhs. Leiden 1896. – An¨ ton Kalla: Uber die H. L. Nr. 721 (Prager Dt. Stud. 14). Prag 1909 (Nachdr. Hildesheim 1975). – Hel¨ mut Thomas: Unters. zur Uberl. der Spruchdichtung F.s (Palaestra 217). Leipzig 1939, S. 89–91. – Marie Ramondt: Problemen in en om het Haagse Liederenhs. In: Tijdschrift voor Nederlandse Taalen Letterkunde 63 (1944) S. 63–81. – Tilo Brandis: Mhd., mnd. und mndl. Minnereden. Verz. der Hss. und Drucke (MTU 25). M¨unchen 1968, S. 231 f. – I. Glier: Artes amandi. Unters. zu 712
Berliner Liederhandschrift Mgf 922 ¨ Gesch., Uberl. und Typologie der dt. Minnereden (MTU 34). Mu¨ nchen 1971, S. 273–279 u. o¨ . – Antonius H. Touber: Dt. Strophenformen des MA (Repertorien zur dt. Literaturgesch. 6.). Stuttgart 1975, S. 35–39. – Melitta Rheinheimer: Rheinische Minnereden. Unters. und Edition (GAG 144). G¨oppingen 1975, S. 21–23 u. o¨ . – Horst Brunner/ Ulrich M¨uller/Franz Viktor Spechtler: Walther v. ¨ der Vogelweide. Die gesamte Uberl. der Texte und Melodien. Abb., Materialien, Melodietranskriptionen (Litterae 7). G¨oppingen 1977, S. 40* f., 276–280. – Kraus LD 1 (21978) S. XXXI. – B. Schludermann: Eine zeichenidentische Manuskriptkonkordanz der H. L. (MS 128 E 2). Ein Werkstattber. In: Germanistik und Deutschunterricht im Zeitalter der Technologie. Bd. 4. Hg. v. Norbert Oellers. T¨ubingen 1988, S. 35–48. – Markus Gladbach: Vier Lieder in der H. L. In: ZfdPh 108 (1989) Sonderh., S. 172–178. – B. Schludermann/H. B¨uck: Eine nicht lemmatisierte Ms.¨ Konkordanz zur H. L. (MS 182 E 2): Uber Sinn und Zweck ihrer interdisziplin¨aren Orientierung und ihrer multidisziplin¨aren Funktionen. In: De studie van de Middelnederlandse letterkunde. Stand en toekomst (Middeleeuwse studies en bronnen 14). Hg. v. Frits P. van Oostrom/Frank Willaert. Hilversum 1989, S. 55–70. – Greet Jungmann: Het Haagse Liederenhs. – een Gelders poeziealbum? In: Millenium 4 (1990) S. 107–120 (dt.: Die H. L., ein geldrisch-klevisches Poesiealbum? In: Xantener Vortr¨age 3 [1994/95] S. 57–76). – B. Schludermann: Alphabetisierungsprobleme bei der Erstellung von Indices und Wortformen-Konkordanzen mischsprachiger Texte. Dargestellt am Beispiel der mhd. und mndl. Sprachmischung in der H. L. In: Maschinelle Verarbeitung altdt. Texte 4. Hg. v. Kurt G¨artner u. a. T¨ubingen 1991, S. 75–84. – F. P. van Oostrom: Het woord van eer. Literatuur aan het Hollandse hof omstrecks 1400. Amsterdam 51996, S. 86–89. – B. Schludermann: A quantitative analysis of German Dutch language mixture in the Berlin songs mgf 922, the Gruuthusesongs, and The Hague MS 128 E 2 (GAG 338). G¨oppingen 1996. – Helmut Tervooren: Die H. L., Schnittpunkt literarischer Diskurse. In: ZfdPh 116 (1997) Sonderh., S. 191–207. – Cornelia de Haan: Dichten in stijl. Duitse kleuring in Middelnederlandse teksten. Amsterdam 1999, Reg. – Brigitte Sternberg: Die Briefslg. der Mechthild v. Geldern. In: MA an Rhein und Maas. Beitr. zur Gesch. des Niederrheins (Stud. zur Gesch. und 713
2. H¨alfte 14. Jh. Kultur Nordwesteuropas 8). M¨unster/New York 2000, S. 107–125, hier S. 115 f. – Petra Busch: Die Vogelparlamente und Vogelsprachen in der dt. Lit. des sp¨aten MA und der fr¨uhen Neuzeit. Zusammenstellung und Beschreibung des Textmateri¨ als, Rekonstruktion der Uberlieferungsgesch., Un¨ ters. zur Genese, Asthetik und Gebrauchsfunktion der Gattung (Beih. zu Poetica 24). M¨unchen 2001, S. 69–71. – Albrecht Classen: Dt. Liederb¨ucher des 15. und 16. Jh. (Volksliedstud. 1). Mu¨ nster u. a. 2001, S. 145–165. – H. Tervooren: Zur mndl. Ly¨ ¨ rik. Uberlegungen zur Uberl. des h¨ofischen Liedes im 13. und 14. Jh. In: Gattungen und Formen des europ¨aischen Liedes vom 14. bis zum 16. Jh. (Stud. und Texte zum MA und zur fr¨uhen Neuzeit 8). Hg. v. Michael Zywietz u. a. Mu¨ nster u. a. 2005, S. 285–294, bes. S. 287 f. – Ders. u. a.: Van der Masen tot op den Rijn. Ein Hb. zur Gesch. der ma. volkssprachlichen Lit. im Raum von Rhein und Maas. Berlin 2006, S. 131–133, 180–183 u. o¨ . VZ Berliner Liederhandschrift Mgf 922. – Sammlung von Minneliedern des sp¨aten 13. (?) und 14. Jh. Die im dt.-ndl. Grenzraum entstandene Kompilation von 86 Liebesliedern, teilweise mit Refrain, enth¨alt nahezu ausschließlich Unikate. Lediglich drei Lieder sind auch anderweitig bezeugt, darunter hinsichtlich der Zuschreibung umstrittene Strophen → Reinmars des Alten (MF 185,27 [Hs.: Nr. 24]) und im «Ludeleich» des → Tannh¨ausers (RSM: 1Tanh/4/1b [Nr. 54]). Bei zw¨olf Liedern ist eine Notation der Melodie (ohne Text) vorangestellt. Das Liedcorpus ist insofern heterogen, als dass ein Teil der Lieder inhaltlich wie motivlich dem sp¨aten obd./md. Minnesang des 13. und 14. Jh. verpflichtet ist und der andere Teil bereits Tendenzen der b¨urgerlich-gesellschaftlichen Lieddichtung des 15. Jh. zeigt. Als einzig namentlich genannter Autor der Sammlung wurde → Hintze Jan te Borghe (wohl irrt¨umlich) angesehen gem¨aß einer nicht eindeutigen und umstrittenen Liednachschrift von Nr. 39 (vgl. Willaert [1995] [s. Lit.]). Das literarhistorisch herausragende St¨uck ist eine Hermann → Damen gewidmete Totenklage (Nr. 26). Vom Sammlungstyp und dem Sprachstand ist die Zusammenstellung im Mgf 922 am ehesten der → Haager Liederhandschrift vergleichbar, die Notenbeigaben und Refrainlieder erinnern auch an die 714
2. H¨alfte 14. Jh. Gruuthuse-Handschrift (Den Haag, Kgl. Bibl., Cod. 79 K 10). ¨ Uberlieferung: Berlin, SBB, Mgf 922, 50r–70v (Faszikel 7: Nr. 1–71) 131r–134v (Faszikel 10: Nr. 72–86) (Pap., erstes Viertel 15. Jh., mittelrheinisch-ndl. Mischsprache; 12 Lieder mit voranstehender Melodienotation). – Der Rest der planvollen und vorwiegend dem Thema Minne gewidmeten Sammelhandschrift besteht aus Minnereden und dem mndl. Roman Seghelijn von Jerusalem; vgl. Hermann Degering: Kurzes Verz. der germanischen Hss. der Preußischen SB 1. Die Hss. in Folioformat (Mitt. aus der Preußischen SB 7). Leipzig 1925 (Nachdr. Graz 1970) S. 126 f. und http://www.handschriftencensus.de/4269(online). Ausgaben: Margarete Lang: Zwischen Minnesang und Volkslied. Die Lieder der Berliner Hs. Germ. Fol. 922. Die Weisen bearbeitet v. Joseph M¨uller-Blattau (Stud. zur Volksliedforschung 1). Berlin 1941. – Teilausgaben (Auswahl): Hans Naumann/G¨unter Weydt: Herbst des Minnesangs (Literarhist. Bibl. 17). Berlin 1936, Nr. 26, 40 f., 55, 64 f., 82 f., 133. – Kraus LD 1 (21978) Nr. 38x (S. 294–299). – Melodieausgaben (Auswahl): Ewald Jammers: Dt. Lieder um 1400. In: Acta musicologica 28 (1956) S. 28–54, hier S. 37–48. – Ronald J. Taylor: The Art of the Minnesinger. Songs of the thirteenth century. 2 Bde. Cardiff 1968, Bd. 1, S. 158–165; Bd. 2, S. 245–257, 293 f. Literatur: Helmut Lomnitzer, VL2 1 (1978) Sp. 726 f. – RSM 1 (1994) S. 81. – Ernst Martin: Mittelrheinische und ndl. Gedichte in einer Berliner Hs. In: ZfdA 13 (1867) S. 348–377. – M. Lang: Ein Reimpaarfund. In: PBB 59 (1935) S. 453 f. – Gerhard Thiele (Hg.): Mhd. Minnereden. Bd. 2: Die Heidelberger Hss. 313 und 355; die Berliner Hs. Ms. germ. fol. 922. Auf Grund der Vorarbeit v. Wilhelm Brauns (DTM 41). Berlin 1938 (Nachdr. Dublin/Zu¨ rich 1967 mit einem Nachw. v. Ingeborg Glier) S. XXI–XXVII, 257. – Carl v. Kraus: Zu den Liedern der Berliner Hs. Germ. Fol. 22 (Abh. der Bayerischen Akad. der Wiss. phil.-hist. Abt. NF 21). Mu¨ nchen 1942. – Marie Ramondt: Problemen in en om het Haagse Liederenhs. In: Tijdschrift voor Nederlandse Taalen Letterkunde 63 (1944) S. 63–81, hier S. 74–80. – J. M¨uller-Blattau: Ein Nachtrag zu M. Lang, Zwischen Minnesang und Volkslied. In: Jb. Volkslied 8 (1951) S. 137–141. – Friedrich Gennrich: Ma. Lieder mit textloser Melodie. In: Anz. f¨ur Musikwiss. 9 (1952) S. 120–136, hier S. 130–136. – I. Glier: Artes 715
Kerenstein ¨ amandi. Unters. zu Gesch., Uberl. und Typologie der dt. Minnereden (MTU 34). Mu¨ nchen 1971, S. 279–283 u. o¨ . – Arne Holtorf: Neujahrsw¨unsche im Liebesliede des ausgehenden MA (GAG 20). G¨oppingen 1973, S. 5 u. o¨ . – Melitta Rheinheimer: Rheinische Minnereden. Unters. und Edition (GAG 144). G¨oppingen 1975, S. 16–21. u. o¨ . – Kraus LD 2 (21978) S. 349–352. – Doris Sittig: Vyl wonders machet minne. Das dt. Liebeslied in der 1. H¨alfte des 15. Jh. Versuch einer Typologie (GAG 465). G¨oppingen 1987, S. 27–31, 44 f. und 394 (Reg.). – Frank Willaert: Laatmiddeleeuwse danslyriek in een land zonder grens: het Berlijnse liederenhandschrift mgf 922. In: Niederlandistik und Germanistik. Tangenten und Schnittpunkte. FS Gerhard Worgt. Hg. v. Helga Hipp. Frankfurt/M. u. a 1992, S. 157–168. – Ders.: Afscheid van Hince Jan te Borghe (Berlijnse liederenhandschrift mgf 922, lied 39). In: Lingua Theodisca. Beitr. zur Sprach- und Literaturwiss. FS Jan Goossens. Hg. v. Jos´e Cajot u. a. (Niederlande-Stud. 16) M¨unster u. a. 1995, Tl. 2, S. 895–904. – Brigitte Schludermann: A quantitative analysis of German Dutch language mixture in the Berlin songs mgf 922, the Gruuthuse-songs, and The Hague MS 128 E 2 (GAG 338). G¨oppingen 1996. – Helmut Ter¨ ¨ vooren: Zur mndl. Lyrik. Uberlegungen zur Uberl. des h¨ofischen Liedes im 13. und 14. Jh. In: Gattungen und Formen des europ¨aischen Liedes vom 14. bis zum 16. Jh. (Stud. und Texte zum MA und zur fr¨uhen Neuzeit 8). Hg. v. Michael Zywietz u. a. M¨unster u. a. 2005, S. 285–294, passim. – H. Tervooren u. a.: Van der Masen tot op den Rijn. Ein Hdb. zur Gesch. der ma. volkssprachlichen Lit. im Raum v. Rhein und Maas. Berlin 2006, S. 145–147 u.¨o. – Johan B. Oosterman: In daz Niderlant gezoget. De periferie in het centrum: het Maas-Rijngebied als speelveld voor filologen. Nijmegen 2007, S. 7–16. VZ Kerenstein. – Ballade, 14./15. Jh (?). Das siebenstrophige Lied verdankt seine Bezeichnung dem am Schluss auftretenden «edlen von kerenstain», der den Verlust seiner Tochter beklagt. Dass K. eine historische Person sein k¨onnte, ist vermutet worden, identifiziert werden konnte die¨ ser «edle» indes nicht. Die Uberschrift im einzigen Textzeugen bezeichnet den K. als Tagelied, und in der Tat weist das Lied zahlreiche Tageliedmotive auf. Die zentrale Szene ist die Liebesnacht vor den 716
Meister Wolfgangus Toren der Burg unter einer Linde mit Abschiedsszene (Str. 3–5). Zuvor l¨asst ein Ritter u¨ ber einen Boten der Tochter des Burgherren Gr¨uße u¨ bermitteln (Str. 1). Als Antwort bestellt das M¨adchen den Ritter unter die Linde. Wegen Textverderbnis ist nicht ganz klar, ob der Ritter dem M¨adchen einen Fluchtplan unterbreitet hat. In Strophe 6 beklagt jedenfalls der Herr K. dessen Verschwinden und bezichtigt den W¨achter der Bestechlichkeit. Dieser verweist in der letzten Strophe auf die Liebe des Paares und wird am Schluss als S¨anger des Tageliedes ausgewiesen. Die er¨offnende Botenstrophe wirkt im Kontext der u¨ berliefernden sp¨atma. Liedsammlung archaisch und weist motivlich auf den donaul¨andischen Minnesang zur¨uck, ohne dass dadurch ein hohes Alter dieser Strophe oder der gesamten Ballade bewiesen w¨are. Denkbar ist, dass das Lied aus einem a¨lteren Tageliedkern entwickelt wurde. Zudem spricht nichts gegen die Annahme, dass ein sp¨atma. Lied traditionelle und beliebte hochma. ¨ Motive aufnehmen kann. Uberlieferungskontext und thematisch verwandte sp¨atma. volkst¨umliche Balladen sprechen nachhaltig f¨ur eine sp¨ate Entstehung. Auch die Form des K. ist unsicher. Es k¨onnte die → Nibelungen-/→ K¨urenbergerstrophe zugrunde liegen, was mit hohem Alter korrelierte. Allerdings enthalten die Strophen 2, 3 und 6 zus¨atzliche Verse in Form eines paargereimten Langzeilenpaars, dessen Bewertung sowohl chronologisch (nachtr¨agliche Zus¨atze [?]) als auch metrisch (Uhland z. B. hat vier Kurzverse) umstritten ist. Eine Melodie ist nicht u¨ berliefert, wohl aber wird vermutet, dass die Melodie eines Liedes des 16. Jh., das in den ersten zwei Zeilen mit dem K. u¨ bereinstimmt, urspr¨unglich zu K. geh¨ort h¨atte. Die anpassende «R¨uckgewinnung» der K.-Melodie erfordert indes erhebliche Eingriffe in diese u¨ berlieferte Melodie. Gesichert ist letztlich nur, dass das sp¨atere, freilich a¨hnliche Lied die Botenformel des Eingangs des K. aufnimmt. ¨ Uberlieferung: Mu¨ nchen, BSB, Cgm 379 (→ Augsburger Liederbuch) 140r–141r (Nr. 91) (Pap., ¨ um 1454, ostschw¨abisch). Uberschrift: «Ein tag we¨yß». Ausgaben: Ludwig Uhland: Alte hoch- und niederdt. Volkslieder mit Abh. und Anm. Bd. 1. Stuttgart/T¨ubingen 1844, S. 187–190 (Nr. 89). – Dt. Volkslieder mit ihren Melodien. Hg. vom Dt. Volksliederarch. Bd. 1: Balladen Tl. 1 hg. v. 717
um 1400 John Meier. Berlin 1935, S. 173–179 (Nr. 18). – Klaus J¨urgen Seidel: Der Cgm 379 der BSB und das ‹Augsburger Liederbuch› von 1454. (Diss. Mu¨ nchen) Augsburg 1972, S. 700–720. Literatur: Paul Sappler, VL2 4 (1983) Sp. 1128 f. – Elisabeth Wunderle, Killy2 6 (2009) S. 368 f. – Uhland’s Schr. zur Gesch. der Dichtung und Sage. Hg. v. Wilhelm Ludwig Holland u. a. Bd. 4. Stuttgart 1869, S. 86–88. – Walter de Gruyter: Das dt. Tagelied. Diss. Leipzig 1887, S. 72. – Maximilian Ittenbach: Der fr¨uhe dt. Minnesang. Strophenf¨ugung und Dichtersprache. Halle 1939, S. 50–59. – Max Wehrli: Dt. Lyrik des MA. Mit 36 Abb. aus der Manessischen Liederhs. (Manesse Bibl. der Weltlit.). Z¨urich 1955, S. 44–49, 522, 569. – Johannes Rettelbach: Lied und Liederbuch im sp¨atma. Augsburg. In: Literarisches Leben in Augsburg w¨ahrend des 15. Jh.. Hg. v. Johannes Janota/Werner Williams-Krapp (Studia Augustana 7). T¨ubingen 1995, S. 281–307, hier S. 283. VZ Marien Kranz → Band 2, Sp. 727 f. Marienlied aus Lilienfeld → Band 2, Sp. 729. Johannes der Weise → Band 2, Sp. 730. Jesu Unterweisungen → Band 2, Sp. 742. Die Ges¨ange der sieben Klausnerinnen → Band 2, Sp. 747. Die heiligen Farben → Band 2, Sp. 747 f. Von dem Holz des heiligen Kreuzes → Band 2, Sp. 754 f. Jammerruf des Toten → Band 2, Sp. 755 f. Kreuztragende Minne → Band 2, Sp. 774 f. Spruche ¨ der elf Jungfrauen → Band 2, Sp. 781 f. Meister Wolfgangus → Band 2, Sp. 802. 718
um 1400 Steinhem. – Tonerfinder, Lieddichter (?), um/vor 1400 (?). Der M¨unchner Meisterlied-Codex Cgm 351 (m) u¨ berliefert ein dreistrophiges Bar zusammen mit dem Namen «maister stein hem». Die → Kolmarer Liederhandschrift (k) weist das gleiche Lied (mit abweichender letzter Strophe) dem Tonerfinder «meister ancker» zu (→ Anker; 1Ank). Im Anker-Corpus von k stehen noch drei weitere Bare, deren letztes noch einmal irrt¨umlich unter → Regenbogens «Grundweise» (1Regb/3) erscheint. Ankers Ton ist in Schema und Melodie allerdings nicht mit diesem Ton nahezu identisch sondern mit der «Grundweise» Pseudo¨ → Frauenlobs (1Frau/18). Dieser Uberlieferungsbefund legt folgende Deutung nahe: Der Ton scheint von einem ansonsten unbekannten Meister S. erfunden worden zu sein. (Dieser d¨urfte nicht mit «maister hainrich von stainhaim» aus → Bollstatters Spruchsammlung zu identifizieren sein, da der dort gef¨uhrte «stainhaim» vermutlich als Zeitgenosse Bollstatters im sp¨ateren 15. Jh. gewirkt hat.) Da der Tonautor S. in Vergessenheit geriet, wurde der Ton dem popul¨aren Frauenlob untergeschoben und modifiziert. In einem zweiten un¨ abh¨angigen Uberlieferungsstrang scheint sich der Tonname «Ankerweise» erhalten zu haben und aus dem Tonnamen wurde der Phantasiename des Tonerfinders «Anker» herausgebildet. Zu beachten ist hier vor allem, dass beide namensgebenden Begriffe, «grunt» und «enker», in der ersten Strophe des Liedes auftreten, was die konkurrierenden Tonnamen in k erkl¨aren k¨onnte. In der ersten Strophe des Liedes, dessen Text nicht zwingend vom Tonerfinder S. verfasst sein muss, wird der hl. Geist unter Verwendung von nautischer Metaphorik um Beistand beim Dichten angerufen. Die Strophen 2 und 3 behandeln Trinit¨at und Inkarnation. Die abweichende dritte Strophe in k ist der in m themengleich und vermutlich als Ersetzung f¨ur diese gedichtet. Das urspr¨ungliche Lied k¨onnte vielleicht noch vor 1400 enstanden sein, die weiteren Bare des Anker-Corpus von k sind j¨unger, da sie sich zum Teil auf das erste Lied zitierend r¨uckbeziehen. Die Bare, die in k unter der «Grundweise» Frauenlobs stehen, sind s¨amtlich j¨unger und von vornherein in der gegen¨uber der origin¨aren «Ankerweise» u¨ berarbeiteten Form gedichtet. ¨ Uberlieferung: Mu¨ nchen, BSB, Cgm 351, 218v–219r (Pap., zweiets und drittes Viertel 15. Jh., 719
Steinhem mittel- und nordbair.). – Ebd., Cgm 4997, 779r (Pap., um 1460, rheinfr¨ankisch). Ausgaben: Karl Bartsch: Meisterlieder der Kolmarer Hs. (Bibl. des Litterarischen Ver. in Stuttgart 68). Stuttgart 1862, S. 548–550 (Nr. CLXII). – Paul Runge: Die Sangesweisen der Colmarer Hs. und die Liederhs. Donaueschingen. Leipzig 1896 (Nachdr. Hildesheim 1965) Nr. 114 (nur Str. 1 mit Melodie). – Cramer 3 (1982) S. 286 f. (nach beiden Hss.). – Melodieausg.: Horst Brunner/KarlG¨unther Hartmann: Spruchsang. Die Melodien der Sangspruchdichter des 12. bis 15. Jh. (Monumenta monodica medii aevi 6). Kassel 2010, S. 4 f. Literatur: RSM 5 (1991) S. 391 (Steinhem); 3 (1986) S. 8 f. (Anker), S. 481–483 (Frauenlob, Grundweise). – Johannes Rettelbach, VL2 9 (1995) Sp. 257 f. – Bartsch (s. Ausg.) S. 181. – Peter Kern: Trinit¨at, Maria, Inkarnation. Stud. zur Thematik der dt. Dichtung des sp¨ateren MA (Philg.Stud.u.Qu. 55). Berlin 1971, S. 149 f. – Cramer 3 (1982) S. 565. – Frieder Schanze: Meisterliche Liedkunst zwischen Heinrich v. Mu¨ geln und Hans Sachs. Bd. 2: Verz. (MTU 83). M¨unchen 1984, S. 294 Anm. 1. – J. Rettelbach: Variation – Derivation – Imitation. Unters. zu den T¨onen der Sangspruchdichter und Meistersinger (Fr¨uhe Neuzeit 14). T¨ubingen 1993, S. 188 f. – Michael Baldzuhn: Vom Sangspruch zum Meisterlied. Unters. zu einem literarischen Traditionszusammenhang auf der Grundlage der Kolmarer Liederhs. (MTU 120). T¨ubingen 2002, S. 313–315. VZ Anker. – Sangspruchdichter, fr¨uhes 15. Jh. Die → Kolmarer Liederhandschrift (k) enth¨alt «in meister anckers tone» vier geistliche Spruchlieder. Sie handeln von der Dreifaltigkeit (Lied I) sowie von Genesis und Su¨ ndenfall (II), preisen Gott als unendliche Quelle der Erl¨osung (III) und Maria als gn¨adige Mutter (IV). Die Lieder sind in Strophenform und Melodie identisch und umfassen bis auf das f¨unfstrophige vierte Lied jeweils drei Strophen. Der Ton der Lieder variiert die fr¨uher Frauenlob zugeschriebene sog. Grundweise, die aber eher von Steinheim stammen d¨urfte. Diesem wird ¨ in einer M¨unchner Handschrift (Cgm 351, s. Uberlieferung) auch A.s Lied I zugeordnet. Dieses ist hier mit den ersten beiden Strophen und einer gegen¨uber k abweichenden dritten Strophe u¨ berliefert. In der ersten Strophe sind sowohl der Tonname «grund» wie die Bezeichnung «anker» erw¨ahnt. In 720
Pfalz von Straßburg ¨ der Uberlieferung wurden daraus m¨oglicherweise die Namen zweier T¨one, die sich tats¨achlich aber auf den gleichen Ton beziehen. ¨ In einem anderen Teil der Uberlieferung wurde aus der Tonbezeichnung Ankerweise ein vermeintlicher Dichtername A. abgeleitet. Das A. zugeordnete Lied I in k d¨urfte also j¨unger sein als die noch dem a¨ lteren → Steinhem zugeschriebene Liedfassung in Cgm 351 und entstand vielleicht vor 1400. Die u¨ brigen Lieder d¨urften hingegen sp¨ater geschrieben worden sein, da sie I zitieren. Der wahrscheinlich fiktive A. war aber wohl nicht ihr Verfasser. ¨ Uberlieferung: Mu¨ nchen, BSB, Cgm 351, 218v–219r (Pap., zweites/drittes Viertel 15. Jh., Steinhem-Zuschreibung, mittel- und nordbair.). – Ebd., Cgm 4997, 433va–434ra, 779r–780r (Pap., um 1460, rheinfr¨ankisch). Ausgaben: Meisterlieder der Kolmarer Hs. Hg. v. Karl Bartsch. Stuttgart 1862 (Nachdr. Hildesheim 1998) S. 181, 548–550 (Teildr. v. Lied I). – Die Sangesweisen der Colmarer Hs. und die Liederhs. Donaueschingen. Hg. v. Paul Runge. Leipzig 1896 (Nachdr. Hildesheim 1965) S. 167. – Cramer 3 (1982) S. 287 (nur der Steinhem zugewiesene Text). – Melodieausg.: Horst Brunner/KarlG¨unther Hartmann: Spruchsang. Die Melodien der Sangspruchdichter des 12. bis 15. Jh. (Monumenta monodica medii aevi 6). Kassel 2010, S. 4 f. Literatur: Karl Bartsch, ADB 1 (1875) S. 465. – Eva Kiepe-Wilms, VL2 1 (1978) Sp. 363 f. – RSM 2,1 (2009) S. 11; 3 (1986) S. 8 f.; 5 (1991) S. 391. – Eva Schumann: Stilwandel und Gestaltver¨anderung im Meistersang. Vergleichende Unters. zur Musik der Meistersinger. Kassel 1972, 136–176. – Frieder Schanze: Meisterliche Liedkunst zwischen Heinrich v. M¨ugeln und Hans Sachs 1 (MTU 82). Mu¨ nchen 1983, S. 54. – Johannes Rettelbach: Variation – Derivation – Imitation. Unters. zu den T¨onen der Sangspruchdichter und Meistersinger (Fr¨uhe Neuzeit 14). T¨ubingen 1993, S. 293. – Michael Baldzuhn: Vom Sangspruch zum Meisterlied. Unters. zu einem literarischen Traditionszusammenhang auf der Grundlage der Kolmarer Liederhs. (MTU 120). T¨ubingen 2002, S. 313–315. MM Pfalz von Straßburg. – Erfinder des Rohrtons, lebte vielleicht im 14. Jh. P. ist einer der Meister, die in den eng verwandten Dichterkatalogen des Hans → Folz und 721
1. H¨alfte 15. Jh. Konrad → Nachtigall aufgez¨ahlt werden. Erhalten ist lediglich ein Rohrton in ungleichversiger Strophenform, der aber nicht ohne letzte Zweifel auf ihn zur¨uckgeht. Vermutlich wurde die Rohrweise in Nachahmung des vierten Tones von → Wizlaw (von R¨ugen) komponiert, wenn Letzterer nicht sogar selbst ein Vorbild hatte und der Ton von P. auf der urspr¨unglichen Variante aufbaut (vgl. Rettelbach). Vom 14. Jh. bis 1517/18 taucht die Rohrweise in sechs unterschiedlichen Handschriften auf ¨ (s. Uberl.), der Form nach zu urteilen, k¨onnte der Ton jedoch aus noch fr¨uherer Zeit stammen. Weshalb Unsicherheit bei der eindeutigen Identifikation des Urhebers herrscht, liegt an falschen Zuschreibungen (→ Frauenlob) sowie verschiedenen ¨ Namensvarianten in der Uberlieferung, wie z. B. bei Hans Sachs (Berlin, SBB, Mgq 414), der als Tonautor einen «volczen» bzw. «pfalczen» auswies und im Register «von Straspurg» nachtrug. Wen Sachs tats¨achlich gemeint haben k¨onnte, ist nicht abschließend zu kl¨aren. ¨ Uberlieferung: Berlin, SBB, Mgq 414, ¨ 452v–453r (Pap., 1517/18; Uberschrift: «In des volczen rorweis», Schreiber: Hans Sachs). – Engelberg, Stiftsbibl., Cod. 314, 172v–173r (Pap., von Mitte 14. Jh. bis ins fr¨uhe 15. Jh., alemannisch). – M¨unchen, BSB, Cgm 1018, 31r–32r (Pap., Anfang zweite H¨alfte 15. Jh., nordalemannisch). – Ebd., Cgm 5198, 130r–131rv (Pap., Anfang 16. Jh., bair.o¨ sterr.; beide Male als Rohrton von → Frauenlob ¨ ausgewiesen). – Wien, ONB, Cod. Ser. nova 3344, 109v (Pap.; Vorbesitzer seit sp¨atestens 1457: Pfarrer J¨org Schrat, St. Peter/Wien; Schreiber: Liebhard Eghenvelder). Ausgabe: Cramer 4 (1985) S. 265–279. Literatur: [Gustav] Roethe, ADB 25 (1887) S. 597. – RSM 4 (1988) S. 495–497. – Gisela Kornrumpf, VL2 7 (1989) Sp. 552 f. – De-Boor/Newald 4/1 (21994) S. 233 f. – Horst Brunner: Die alten ¨ Meister. Stud. zu Uberl. und Rezeption der mhd. Sangspruchdichter im Sp¨atMA und in der fr¨uhen Neuzeit. Mu¨ nchen 1975. – Wolfgang R¨oll: Vom ¨ Hof zur Singschule. Uberl. und Rezeption eines Tones im 14.–17. Jh. Heidelberg 1976, S. 132 f. – Gisela Kornrumpf: M¨ulich von Prag, P. v. S., Al¨ brecht Lesch. Neues zur Uberl. In: ZfdA 106 (1977) S. 121–137. – Frieder Schanze: Meisterliche Liedkunst zwischen Heinrich von Mu¨ geln und Hans Sachs (MTU 82/83). 2 Bde. Mu¨ nchen 1983/84. Bd. 1, Reg.; Bd. 2, S. 321. – Ders.: Zur Liederhs. X. In: Dt. Hss. 1100–1400. Oxforder Kolloquium. 722
1. H¨alfte 15. Jh. Hg. v. Volker Honemann/Nigel F. Palmer. T¨ubingen 1985, S. 316–329. – Johannes Rettelbach: Variation – Derivation – Imitation. Unters. zu den T¨onen der Sangspruchdichter und Meistersinger (Fr¨uhe Neuzeit 14). T¨ubingen 1993. FA Sighart. – Tonerfinder, Lieddichter (?), 14. oder 15. Jh. S. wird in den verwandten Meisterkatalogen von Konrad → Nachtigall und Hans → Folz genannt und ist in einer Meisterliedsammlung des Hans Sachs als Erfinder zweier Meisterliedt¨one («Sanfter Ton», «Pflugton») bezeugt, die dort mit je einem Lied vertreten sind. Ob S. auch als der Textverfasser dieser beiden und weiterer Lieder gelten kann, ist fraglich. Das Lied im «Sanften Ton», dessen Schema stark an → Frauenlobs «Spiegelweise» (1Frau/26 = → Konrad von W¨urzburg, Ton 18) erinnert, d¨urfte j¨ungeren Datums sein. Es ist ein Marienpreis, der mit Motiven des S¨angerstreits vermischt ist. Das sich in der Handschrift anschließende Lied im «Pflugton» gibt V¨atern anhand von drei Beispielen Erziehungsratschl¨age. Der «Pflugton» ist schematisch identisch und melodisch eng verwandt mit dem «Hofton II» des → Kanzlers (1Kanzl/7/1) in der → Kolmarer Liederhandschrift. Dort (Bl. 553ra-va) steht in diesem Ton ein Weihnachtslied mit Elementen des Marienpreises. Der Ton d¨urfte dem Kanzler f¨alschlich zugewiesen sein und S. wohl eher als Erfinder gelten k¨onnen. Dem gleichen Tonschema folgen ein Liebeslied (ohne Nennung des Tonnamens) in der Heidelberger Meisterliederhandschrift Cpg 392, 18v–19r (RSM 1Kanzl/7/2) und die → Bedeutung der acht Farben, ein Gespr¨ach zwischen Dichter und Frau Minne. Die Verfasserfrage ist jeweils v¨ollig offen und daher S. als Textdichter dieser beiden Dichtungen zumindest nicht auszuschließen. ¨ Uberlieferung: Berlin, SBB, Mgq 414, 362v–363v, 364r–365r (Pap., geschrieben 1517/18 ¨ v. Hans Sachs, Nachtr¨age v. anderer Hand; Uberschrift: «Jn des sigharcz senften don / pfl¨ug don»). Ausgabe: Cramer 4 (1985) S. 316–321. – Philipp Wackernagel: Das dt. Kirchenlied. Von der a¨ltesten Zeit bis zu Anfang des XVII. Jh. Bd. 2. Leipzig 1867 (Neudr. Hildesheim 1964) Nr. 1307 (Lied im «Sanften Ton»). – Melodien: Paul Runge: Die Sangesweisen der Colmarer Hs. und die Liederhs. Donaueschingen. Leipzig 1896, Nr. 82 (unter Kanzler, Hofton). – Georg M¨unzer: Das Singebuch des Adam Puschmann nebst den Originalmelodien des Michel Behaim und Hans Sachs. Leipzig 723
Sighart 1906, S. 48. – Vgl. ferner RSM 4 (1988) S. 165 f. (zum «Hofton II» des Kanzlers) und → Bedeutung der acht Farben. Literatur: Johannes Rettelbach, VL2 8 (1992) Sp. 1241 f. – RSM 5 (1991) S. 373. – Robert Staiger: Benedict v. Watt. Ein Beitr. zur Kenntnis des b¨urgerlichen Meistergesangs um die Wende des 16. Jh. (Publ. der Internationalen Musikgesellsch. Beih. 2,13). Leipzig 1914, S. 100. – Eva Schumann: Stilwandel und Gestaltver¨anderung im Meistersang. Vergleichende Unters. zur Musik der Meistersinger (G¨ottinger musikwissenschaftliche Arbeiten 3). Kassel 1972 [recte 1973], S. 313 Anm. 2, 413. – Cramer 4 (1985) S. 419 f. VZ Dominikus Sp. 816–821.
von
Preußen
→ Band
2,
Gegrußet ¨ sistu ane we → Band 2, Sp. 840. Konig ¨ Artus’ Horn I. – Erz¨ahllied, Ende 14./erste H¨alfte 15. Jh. Das Lied ist im → Wolfram von Eschenbach zugeschriebenen «Goldenen Ton» verfasst, der aber der Ton → Gasts ist (RSM: 1Wolfr/2, 1Gast). In neun Strophen wird von einer Treueprobe am Artushof berichtet (¨ahnlich wie beim Lied von → Luneten mantel; vgl. auch → Die K¨onigin von Avignon): Eine reichgesch¨uckte Jungfrau erscheint vor der Gesellschaft mehrerer K¨onige und u¨ berreicht als Geschenk der K¨onigin Tristerat von Saphoierland (so in der Hamburger Hs.) ein mit Goldbuchstaben verziertes Horn. Dessen Aufschrift besagt, dass demjenigen, der daraus trinke, die Untreue seiner Frau dadurch offenbar werde, dass sich der Horninhalt u¨ ber ihn erg¨osse. K¨onig Artus und weitere K¨onige erfahren so von der Untreue ihrer Gattinen und einzig die K¨onigin von Spanien, die sch¨onste von allen, erweist sich als treu. Ihr Mann gewinnt das Horn und eine reiche Belohnung. Der Stoff des Liedes ist in Frankreich seit dem 12. Jh. belegt (erstmals Robert Biquet: Lai du Cor) und hat aus dem franz¨osischen Raum Eingang in die dt. Lit. gefunden (vgl. Diu Crˆone → Heinrichs von dem T¨urlin). Die direkte Quelle f¨ur das Lied ist unbekannt, wom¨oglich gab es eine verlorene dt. Bearbeitung des Lai du Cor, die dem Lied und auch dem Fastnachtspiel (→ K¨onig Artus’ Horn II) zur Vorlage gedient hat. Achim von Armin hat das Lied u¨ ber die Ausgabe von Eschenburg (1802) rezipiert und dessen 724
Heinrich von Brun
1. H¨alfte 15. Jh.
Erz¨ahlstoff zusammen mit dem des Mantel (auch bei Eschenburg) f¨ur sein Gedicht Die Ausgleichung herangezogen (abgedruckt in: Clemens Brentano: S¨amtliche Werke und Briefe Bd. 6: Des Knaben Wunderhorn. Tl. 1. Hg. v. Heinz R¨olleke. Stuttgart u. a. 1975, S. 366–369. Armins Vorlagen sind wiedergegeben ebd., Bd. 9,1 [1975] S. 647–656). ¨ Uberlieferung: Hamburg, SUB, Cod. germ. 6 (Parzival-Hs. Gσ) S. 2–4 (Pap., 1451, els¨assisch mit pf¨alzischem Einschlag) vermutlich nachgetra¨ gen. Uberschrift: «Dis ist frauw Tristerat horn von Saphoien». In der Hs. folgt Luneten Mantel. – Mu¨ nchen, BSB, Cgm 4997 (→ Kolmarer Liederhandschrift [k]) 730v–731r (Pap., um 1460, rheinfr¨ankisch). – Ebd., Cgm. 5198 (Meisterliederhs. w) 103v–104v (Pap., um 1500, s¨udbair.) – Berlin, SBB, Mgq 414 (Meisterliederhs. q) 344v–346r (Pap., 1517/18, geschrieben von Hans Sachs in N¨urnberg). – Die Texte in Hamburg und k bzw. w und q zeigen jeweils n¨ahere Verwandschaft. Ausgaben: Johann Joachim Eschenburg: Zwei Erz¨ahlungen im Meistergesang. In: Bruns Beitr. zur krit. Bearb. unbenutzter alter Hss. und Drucke 2 (1802) S. 134–147, hier S. 139–145 (nach Hamburg). – Ignaz Vinzenz Zingerle: Das goldene Horn. In: Germania 5 (1860) S. 101–105 (nach w). – Ellis (s. Lit.) S. 255–258 (nach q und Eschenburg). Literatur: Frieder Schanze, VL 25 (1985) Sp. 69 f. – Otto Warnatsch: Der Mantel. Bruchst¨uck eines Lanzeletromans des Heinrich von dem T¨urlin (Germanistische Abh. 2). Breslau 1883, S. 65 f. – Karl Bode: Die Bearb. der Vorlagen in des Knaben Wunderhorn (Palaestra 76). Berlin 1909, S. 63 f., 692–694. – Edmund K. Heller: The Story of the Magic Drinking Horn. A Study in the Development of a Medieval Folk Tale. In: Speculum 9 (1934) S. 38–50, hier S. 46 f. – Frances H. Ellis: Meisterlied of the Magic Drinking Horn in Berlin 414. In: Philological Quarterly 26 (1947) S. 248–258. VZ
Regina cœli laetare (dt.) → Band 2, Sp. 832 f.
Te Deum, marianische → Band 2, Sp. 835–839. 725
Bearbeitungen
Hintze Jan te Borghe («Hince ian te borghe»). – Anrufung, die lange Zeit als Autorname missverstanden wurde. H. J. t. B. (in der → Berliner Liederhandschrift ¨ [s. Uberl.] nach Lied Nr. 39) wurde l¨angere Zeit in der Forschung als Autornamen aufgefasst, dem das dreistrophige Scheidelied in der Tradition des sp¨ath¨ofischen Minnesangs zugeordnet wurde. Inzwischen versteht man jedoch unter H. J. t. B. eine Anrufung von Sinte Jan. ¨ Uberlieferung: Berlin, SBB, mgf 922, 61r (Pap., Anfang 15. Jh., mittelrheinisch-ndl., zu Lied Nr. 39 u¨ berl. Nachschrift). Literatur: Helmut Lomnitzer, VL2 4 (1983) Sp. 45; 11 (2004), Sp. 680. – Margarete Lang: Zwischen Minnesang und Volkslied. Die Lieder der Berliner Hs., Germ. Fol. 922. (Stud. zur Volksliedforschung 1). Berlin 1941. – Carl von Kraus: Zu den Liedern den Berliner Hs. Germ. Fol. 922. (Abh. der Bayerischen Akad. der Wiss., Phil.hist. Kl., NF 21). M¨unchen 1942. – Frank Willaert: Afschied van H. J. t. B. In: Franco-Saxonica. M¨unstersche Stud. zur ndl. und nd. Philologie. Bd. 2. Hg. v. Robert Damme. Neum¨unster 1990, S. 895–904. FA Upschlacht, Niclaus → Band 3, Sp. 534 f. Das andere Land → Band 2, Sp. 879–881. Von einem geistlichen Mai → Band 2, Sp. 884 f. Heinrich von Brun. – Dichtername in Meisterkatalogen aus der zweiten H¨alfte des 15. Jh. H.s Name erscheint im Namenskatalog verstorbener T¨oneerfinder und Dichter Konrad → Nachtigalls (RSM: 1NachtK/5/2), in der mit Nachtigall eng verwandten Liste bei Hans → Folz (1Folz/82) und im auf Nachtigall beruhenden Prosakatalog des Valentin Voigt aus der Mitte des 16. Jh. (hier in der Form «prum»). In einer Parallel¨uberlieferung des Katalog-Bars Nachtigalls (Sachs-Autograph Berlin, SBB, Mgq 414) lautet der Name «H. v. Pr¨um», was ein Schreiberfehler sein d¨urfte. Weitere Kenntnisse zu H. oder u¨ berlieferte Texte und To¨ ne gibt es nicht. Literatur: Horst Brunner, VL2 3 (1981) Sp. 706. – Ders.: Dichter ohne Werk. Zu einer u¨ berlieferungsbedingten Grenze ma. Literaturgesch. (Mit einem Textanhang: Die Dichterkat. des Konrad Nachtigall, des Valentin Voigt und des Hans 726
1. H¨alfte 15. Jh. ¨ Folz). In: Uberlieferungsgeschichtliche Editionen und Stud. zur dt. Lit. des MA. FS Kurt Ruh (TTG 31). Hg. v. Konrad Kunze u. a. T¨ubingen 1989, S. 1–31 (wieder in: H. Brunner: Ann¨aherungen. Stud. zur dt. Lit. des MA und der Fr¨uhen Neuzeit [Phil.Stud.u.Qu. 210]. Berlin 2008, S. 291–303). VZ Hermann von Marburg (Arberg, Warburg). – Mo¨ glicherweise ein Sangspruchdichter, der aufgrund uneindeutiger Quellenlage nicht abschließend zu identifizieren ist. H. findet sowohl im Dichterkatalog von Konrad → Nachtigall («Hermon von Marpurck») als auch im nahestehenden Katalog von Hans → Folz Erw¨ahnung; zudem steht in → Bollstatters Spruchsammlung ein «Herman von Arberg», der schon mit → Peter von Arberg in Verbindung gebracht wurde (vgl. Volker Mertens [s. Lit]). Letzterer kommt aber in den Katalogen von Nachtigall und Folz nicht vor, weshalb die Mo¨ glichkeit offen bleibt, dass es sich auch hier um H. handeln k¨onnte. Grundlage vieler Spekulationen, die eine klare Zuweisung erschweren, sind m¨ogliche Verschreibungen, die von «Barpurgkh» bis zu «Warburg» reichen. Literatur: Horst Brunner, VL2 3 (1981) Sp. 1074 f. – Ders.: Die alten Meister. Stud. zu ¨ Uberl. und Rezeption der mhd. Sangspruchdichter im Sp¨atMA und in der fr¨uhen Neuzeit (MTU 54). M¨unchen 1975, S. 12. – Volker Mertens: Peter von Aarberg, Minnes¨anger. In: ZfdA 101 (1972) S. 344–357, hier S. 345. FA Hopfgart. – Sangspruchdichter, bezeugt im 15. Jh. H. ist zuerst in Dichterkatalogen der N¨urnberger Konrad → Nachtigall (gest. 1483/84) und Hans → Folz (gest. 1513) namentlich fassbar; Nachtigall z¨ahlt ihn unter «dy ersten vire». Die T¨oneregister des 16. und 17. Jh. nominieren ihn als einen der ‹Alten Nachdichter›. Abkunft aus dem th¨uringischen Geschlecht derer von Hopfgarten (bei Weimar, sesshaft u. a. in Schlotheim) wird seit dem fr¨uhen 19. Jh. postuliert. Bei Nachtigall steht er direkt neben dem Th¨uringer → Biterolf (13. Jh.). Unter H.s Namen gehen seit dem 15. Jh. zwei T¨one: der «Lange Ton» (20-reimig) und, singul¨ar von Lienhard → Nunnenbeck (gest. vor 1527) genutzt, der «Stille Ton» (33/34-reimig). Texte haben sich offenbar nicht erhalten. ¨ Uberlieferung der T¨one: Langer Ton (T¨oneregister): Wrocław, StB, Ms. 356 (+), 95 (unvollst.). – Berlin, SBB, Ms. germ. fol. 25, S. 49. – N¨urnberg, StB, Will III.784, 541r. – N¨urnberg, StB, Will 727
Hermann von Marburg III.792, 41r. – Stiller Ton: Berlin, SBB, Ms. germ. qu. 414, 449r–450r (Nunnenbeck). Ausgaben: Stiller Ton: Metrisches Schema bei Frances H. Ellis: Analysis of the Berlin MS Germ. Quart. 414. In: Publ. of the Modern Language Association 61 (1946) S. 947–996, hier S. 969 f. – Klesatschke (s. Lit.) Nr. 16. Literatur: Horst Oppenheim: Hopfengarten. In: VL1 2 (1936) Sp. 485 f. – Horst Brunner, VL2 4 (1983) Sp. 137 f. – August Schumann: Vollst¨andiges Staats-, Post- und Zeitungs-Lexikon von Sachsen. Bd. 16. Suppl. 3. Zwickau 1828, S. 1016. – Horst Brunner: Die alten Meister (MTU 54). M¨unchen 1975, S. 187 f. – Eva Klesatschke: Lienhard Nunnenbeck. Die Meisterlieder und der Spruch (GAG 363). G¨oppingen 1983. – Frieder Schanze: Meisterliche Liedkunst zwischen Heinrich von Mu¨ geln und Hans Sachs. Bd. 2: Verzeichnisse (MTU 83). Mu¨ nchen 1984, S. 114, 308. – Ch. Fasbender: Der ‹Wigelis› Dietrichs von Hopfgarten und die erz¨ahlende Lit. des Sp¨atMA im mitteldt. Raum. Stuttgart 2010, S. 43 f. CF
Hugler. H. ist lediglich im Dichterkatalog von Konrad → Nachtigall unter den 80 verstorbenen Meistersingern und Sangspruchdichtern genannt, zwischen → Rabensteiner und → Hugo von Meiningen. In der anderen Fassung von Nachtigalls Katalog (Berlin, SBB, Mgq 414, 426v–428r) heißt er «Der Hengeler», in Valentin Voigts Prosa¨uberblick ist er als «H¨ugler» zu finden. Der nah verwandte Katalog von Hans → Folz enth¨alt H. ebenfalls. Mo¨ gliche Lieder sind ebenso unbekannt wie Daten zu seinem Leben; H. bleibt vorerst ein Dichter ohne Werk. Literatur: Horst Brunner, VL2 4 (1983) Sp. 223. – Ders.: Horst Brunner: Dichter ohne Werk. Zu einer u¨ berlieferungsbedingten Grenze ma. Literaturgesch. (Mit einem Textanhang: Die Dichterkat. des Konrad Nachtigall, des Valentin ¨ Voigt und des Hans Folz). In: Uberlieferungsgeschichtliche Editionen und Stud. zur dt. Lit. des MA. FS Kurt Ruh (TTG 31). Hg. v. Konrad Kunze u. a. T¨ubingen 1989, S. 1–31 (wieder in: H. Brunner: Ann¨aherungen. Stud. zur dt. Lit. des MA und der Fr¨uhen Neuzeit [Phil.Stud.u.Qu. 210]. Berlin 2008, S. 291–303). FA 728
Finke Kunglein ¨ von Straßburg. – Sangspruchdichter (?). K. v. S. ist im Dichterkatalog von Konrad → Nachtigall u¨ berliefert und kommt in dessen prosaischer Aufl¨osung von Valentin Voigt vor. Der Name «K¨unglein» kann wohl als Verkleinerungsform von ‹K¨onig› verstanden werden, er ist eher Dichter- als Familienname, da kein Vorname angegeben wird. Lieder des K. v. S. sind vermutlich nicht u¨ berliefert; eventuell ist ihm ein S¨ußer ¨ Ton (s. Uberl.) zuzuschreiben, f¨ur den auch Der → Kanzler in Betracht k¨ame; dort ist von einem «kinglys» oder «kniglys» die Rede, das als Verschreibung f¨ur «kanczlers» interpretiert wurde (vgl. Gisela Kornrumpf [s. Lit] Sp. 990 f.). ¨ Uberlieferung: Dresden, LB, Mscr. M 13, 23v–24r. Literatur: Gisela Kornrumpf: Der Kanzler. In: VL2 4 (1983) Sp. 986–992, hier Sp. 990 f. – Horst Brunner, VL2 5 (1985) Sp. 436. – Fritz Frauchiger: Dresden M 13. A Fifteenth-Century Collection of Religious Meisterlieder. Diss. Chicago 1938, S. 75 f. FA Lilgenfein (Gilgenfein, Lilgenvein). – Verfasser eines Marienliedes (?). Der Name L. scheint selten gewesen zu sein; er kam wohl haupts¨achlich im unterfr¨ankischen Raum um W¨urzburg vor (vgl. Emmert). Zum Leben dieses Dichters ist bisher nichts bekannt. Einer ¨ Handschrift nach zu urteilen (s. Uberl.) k¨onnte er Anfang des 15. Jh. gelebt haben; die dortige Namensangabe k¨onnte jedoch auch das darauffolgende Lied ein kindelein ist geporen meinen. Falls nicht, hat L. wohl ein Marienlied mit nur einer Strophe verfasst. In Konrad → Nachtigalls Katalog und beim benachbarten Katalog von Hans → Folz (hier «Gilgenfein») ist L. mit einem Eintrag erw¨ahnt. Dies mag zwar nicht seine Verfasserschaft f¨ur das Marienlied bekr¨aftigen, seine T¨atigkeit als Dichter legt es indes nahe. ¨ Uberlieferung: M¨unchen, BSB, Cgm 351, 209v (Pap., um 1420/30, nordbair.). Ausgaben: Cramer 2 (1979) S. 266 f., 384–394, 521. – Karl Bartsch (Hg.): Meisterlieder der Kolmarer Hs. Stuttgart 1862, S. 608 f. – Philipp Wackernagel: Das dt. Kirchenlied von der a¨ltesten Zeit bis zu Anfang des XVII. Jh. Bd. 2. Leipzig 1867 (Nachdr. Hildesheim 1964) Nr. 900. Literatur: Horst Brunner, VL2 5 (1985) Sp. 827 f. – J¨urgen Emmert: Kirche und Fr¨ommigkeit in der W¨urzburger Amtsstadt Karlstadt am 729
1. H¨alfte 15. Jh. Main vom Sp¨atMA bis zum Ende des 30j¨ahrigen Krieges. Diss. W¨urzburg 2009. FA ¨ Ottinger, Konrad → Band 3, Sp. 556 f. Peuger, Lienhart → Band 2, Sp. 893 f. Rabensteiner (Raubensteiner, Rohmsteiner). R. steht neben → Hugler im Dichterkatalog von Konrad → Nachtigall (Berlin, SBB, Mgq 414, 426v–428r) unter den verstorbenen Meistersingern und Sangspruchdichtern. Kurios ist, dass er in der anderen u¨ berlieferten Variante von Nachtigalls Katalog (Mgq 410, 300r–303r) an der gleichen Stelle fehlt (statt «den Rabensteiner kennet» liest man «nach diser kunste rennen»), ebenso in der Prosaaufl¨osung dieses Katalogs durch Valentin Voigt. Im nah verwandten Katalog von Hans → Folz ist R. wiederum vertreten, m¨ogliche Lieder und biographische Details (fr¨ankisches Adelsgeschlecht?) sind aber bisher unbekannt. Literatur: Horst Brunner, VL2 7 (1989) Sp. 943. – Ders.: Dichter ohne Werk. Zu einer u¨ berlieferungsbedingten Grenze ma. Literaturgesch. (Mit einem Textanhang: Die Dichterkat. des Konrad Nachtigall, des Valentin Voigt und des Hans ¨ Folz). In: Uberlieferungsgeschichtliche Editionen und Stud. zur dt. Lit. des MA. FS Kurt Ruh (TTG 31). Hg. v. Konrad Kunze u. a. T¨ubingen 1989, S. 1–31 (wieder in: H. Brunner: Ann¨aherungen. Stud. zur dt. Lit. des MA und der Fr¨uhen Neuzeit [Phil.Stud.u.Qu. 210]. Berlin 2008, S. 291–303). FA Kettner, Fritz → Band 2, Sp. 885–888. Wer hab ain stetes belangen → Band 2, Sp. 906. Finke, K¨one (Fincke). – Verfasser eines nd. politischen Lieds. F. ist nur durch eine Eigennennung nachweisbar, die in seinem einzigen uberlieferten ¨ Lied enthalten ist. Im gleichen Text bezeichnet er sich auch als «smedeknecht», war also m¨oglicherweise Geselle eines Schmieds. Das Lied selbst ist nicht handschriftlich erhalten, sondern nur in den Annales Marchiae Brandenburgicae (1598) des Andreas Angelus abgedruckt. Der nd. Text umfasst 15 Lindenschmid-Strophen und besingt die Schlacht bei Angerm¨unde (1420). Dort besiegte Markgraf Friedrich I. von Brandenburg (1371–1440) eine 730
1. H¨alfte 15. Jh. Gruppe pommerscher Herz¨oge, die sich gegen seine territorialen Anspr¨uche aufgelehnt hatten. F. selbst stand auf der Seite Friedrichs. Die politischen Ereignisse werden im Text mehrmals durch direkte Rede aufgelockert, außerdem durch Ankl¨ange an Fr¨uhlingslyrik. Der Name des Hauptmanns Kaspar Gans von Putlitz regt F. auch zu Tiervergleichen an – mit dem Hauptmann als mutigen Vogel. Drucke: Andreas Angelus: Annales Marchiae Brandenburgicae, das ist Ordentliche Verzeichniß un beschreibung der f¨urnemsten und gedenckwirdigsten M¨arckischen Jahrgeschichten und Historien [...]. Frankfurt/O. 1598, S. 202 (MikroficheAusg. HAB Wolfenb¨uttel 1995; Online-Ausg. BSB M¨unchen [o. J.]). Ausgabe: Liliencron 1 (1865) S. 272–275 (Nr. 56). Literatur: Karl Bartsch, ADB 7 (1878) S. 19. – Ulrich M¨uller, VL2 2 (1980) Sp. 740. – De Boor/ Newald 4/1 (21994) S. 189 f. – U. M¨uller: Unters. zur politischen Lyrik des dt. MA (GAG 55/56). G¨oppingen 1974, S. 221. – Karina Kellermann: Abschied vom ‹hist. Volkslied›. Stud. zu Funktion, ¨ Asthetik und Publizit¨at der Gattung hist.-politische Ereignisdichtung. T¨ubingen 2000, S. 234, 323. – U. Mu¨ ller: MA. In: Gesch. der politischen Lyrik in Deutschland. Hg. v. Walter Hinderer. W¨urzburg 2 2007, 47–74, hier S. 67. MM Schonbleser, ¨ Martin. – Ratsherr, irrt¨umlich als Verfasser eines ‹Scholarenliedes› angenommen. Zum Leben von S. gibt es vereinzelte Hinweise. Er ist wohl um 1436–39 als Ratsherr in der slowakischen Stadt Bartfeld (Bardejov, ungarisch B´artfa) t¨atig gewesen. Lange Zeit wurde angenommen, dass er in ein Rechnungsbuch der Stadt (1432–38 in Gebrauch; vgl. Fej´erpataky, S. 300–408) ein ‹Klagelied› u¨ ber den Tod seiner Frau eingetragen h¨atte. Inzwischen kann aber von einer falschen Zuweisung ausgegangen werden, die vor allem auf der unrichtigen Wiedergabe des ostmitteldt. «An erer tot» (‹An ihrer Tat›) mit «An ihren tot» (‹An ihrem Tod›) beruht. Somit d¨urfte das vermeintliche ‹Klagelied› ein Liebeslied sein, das wohl ein Franciscus aus Breslau 1439 aufgeschrieben hat (vgl. Maria und Paul Tischler, S. 459–461). Literatur: Andr´as Vizkelety, VL2 8 (1992) Sp. 819 f. – Victor Miskovszky: XV. sz´azadi n´emet k¨oltem´eny egy b´artfai k´eziratb´ol. In: Egyetemes Philologiai K¨ozl¨ony 3 (1879) S. 523. – L´aszlo Fej´erpataky: Magyarorsz´agi v´arosok r´egi 731
Schonbleser ¨ sz´amad´ask¨onyvei. Budapest 1885. – B´ela Iv´anyi: B´artfa szabad kir´alyi v´aros lev´elt´ara 1319–1526. Bd. 1. Budapest 1910. – Gerhard Eis: Mhd. Schrifttum in der Slowakei. Preßburg 1945, S. 20 f. – Ders./Rainer Rudolf: Altdt. Schrifttum im Nordkarpatenraum (Ver¨off. des S¨udostdt. Kulturwerks. Reihe B, Wissenschaftliche Arbeiten 12). M¨unchen 1960, S. 34–45. – Maria und Paul Tischler: Das ma. dt. Lied aus Bartfeld/Bardejov und seine Verfasserschaft. In: PBB (T¨ub.) 199 (2009) S. 459–462. FA Gott der vater won uns bei → Band 2, Sp. 922 f. Hulzing ¨ (H¨ultzing). – Wohl hauptberuflicher Sangspruchdichter, der zu den «Nachmeistern» gerechnet wird. H. d¨urfte in der ersten H¨alfte des 15. Jh. aktiv gewesen sein. Er ist im Dichterkatalog von Konrad → Nachtigall und im benachbarten Katalog von Hans → Folz genannt. Zwei Lieder in seinem Hofton sind in einer Handschrift (Mu¨ nchen, Cgm 351 ¨ [s. Uberl.]) u¨ berliefert, die vermutlich zwischen ca. 1415 und 1430 entstand. Weitere Hinweise zu Wirkungs- bzw. Lebenszeit von H. bietet ein Lied von Michel → Beheim (s. Ausg.): Dort wird «h¨ultzing» u. a. neben «muschgatblut» (→ Muskatblut) als einer der «Nachmeister» bezeichnet; sie k¨onnen als Nachfolger der «Zw¨olf Meister» verstanden werden. Drei Meisterlieder k¨onnten aus der Feder des H. stammen: Eine Paraphrase des Vaterunsers, ein humoristischer Angriff auf unwissende Singschulmitglieder sowie ein Lied, in dem von den Meistersingern die Kenntnis der Sieben Freien K¨unste verlangt wird. Grundlage der Zuweisung ist die Unterzeichnung «mein silbres reis» (bzw. «mein silberein reis» und «mein silberreis») bei allen drei Liedern; somit m¨usse der Autor zumindest stets der gleiche sein. Da solche Signaturen in der Meistersingertradition aber gelegentlich auftauchen, sollte diesbez¨uglich Zur¨uckhaltung geboten werden (vgl. Thomas Bein [s. Lit.] S. 29), zumal ein weiteres Lied ¨ (Mu¨ nchen, Cgm 5198 [s. Uberl.]) mit komplett anderem Ton die gleiche Unterschrift verwendet (Hans Sachs hat auch noch eine Holzweise in H.s Ton aufgeschrieben, die mit «guldes reis» unterzeichnet ist, vgl. RSM 4 [s. Lit.] S. 126). Folglich k¨onnten die Liedern von verschiedenen Verfassern stammen. Ein Hofton bzw. ein weiser Ton (ein Gedicht bei Valentin Voigt weist die Aufschrift ‹hilzings weiser ton› auf, vgl. Adolf Holtzmann [s. Lit.] 732
Hugo V. (VIII.) von Montfort(-Bregenz) S. 314) und eine Hagelweise werden mit H. bis zum 17. Jh. in Verbindung gebracht. ¨ Uberlieferung: Berlin, SBB, Mgq 414, 435v–436v (Pap., 1517/18). – M¨unchen, BSB, Cgm 351, 210r–211r, 217v–218v (Pap., zwischen ca. 1415 und 1430, nordbair.). – Ebd., Cgm 5198, 156v–158v (Pap., um 1500, bair.-o¨ sterr.). – Heidelberg, UB, Cpg 392, 37v–38r. Ausgabe: Cramer 2 (1979) S. 68–72, 495. – Meisterlieder der Kolmarer Hs. Hg. v. Karl Bartsch. Stuttgart 1862, S. 609–612, 715 f. – Die Gedichte des Michel Beheim. Bd. 3/1. (DTM 65). Hg. v. Hans Gille/Ingeborg Spriewald. Berlin 1971, Nr. 425, V. 54. Literatur: Karl Bartsch, ADB 13 (1881) S. 337 f. – Horst Brunner, VL2 4 (1983) Sp. 294–297. – De Boor/Newald 4/1 (21994) S. 223. – RSM 2,1 (2009) S. 94; 4 (1988) S. 125 f. – Adolf Holtzmann: Meisterges¨ange des 15. Jh. In: Germania 3 (1858) S. 307–328. – Meisterlieder der Kolmarer Hs. Hg. v. K. Bartsch. Stuttgart 1862, S. 183. – Wolfgang Stammler: Die Wurzeln des Meistergesanges. In: DVjs 1 (1923) S 592–556 (wieder in: Ders.: Kleine Schr. zur Literaturgesch. des MA. Berlin u. a. 1953, S. 96–119). – Horst Oppenheim: Naturschilderung und Naturgef¨uhl bei den fr¨uhen Meistersingern. (Form und Geist 22). Greifswald/Leipzig 1931. – Bert Nagel: Meistersang (Slg. Metzler 12). 2., mit einem Nachw. vers. Aufl. Stuttgart 1971. – Thomas Bein: ‹Mit fremden Pegasusen pfl¨ugen›. Unters. zu Authentizit¨atsproblemen in mhd. Lyrik und Lyrikphilologie (Phil.Stud.u.Qu. 150). Berlin 1998. FA Hugo V. (VIII.) von Montfort(-Bregenz), * 1357, † 5.4.1423. – Verfasser von Liedern, Briefen und Reden. H. ist nicht nur in Urkunden und Chroniken nachweisbar, sondern auch u¨ ber Angaben in seinem Werk und Texten anderer Dichter. Er stammte aus einer Familie vorder¨osterreichischer Grafen und war ein Sohn des 1378 verstorbenen Wilhelm III. von M.-B. H.s Ausbildung ist nicht bekannt, doch besaß er wahrscheinlich zumindest rudiment¨are Lateinkenntnisse. Andere, im Werk nachweisbare Kenntnisse k¨onnte er aus Predigten und von anderen Dichtern gewonnen haben. Er kannte wahrscheinlich Werke von → Albrecht, → Hadamar von Laber, → Suchenwirt und → Oswald von Wolkenstein. H. schloss insgesamt drei Ehen (1373, um 1395, 733
1. H¨alfte 15. Jh. 1402), die jeweils mit betr¨achtlichen Gebietserweiterungen verbunden waren. Nach dem Tod seines Vaters wurde er selbst Grundherr. 1377 zog er unter Herzog Albrecht III. gegen die Preußen, nahm aber auch an Feldz¨ugen der Habsburger in Italien und der Schweiz teil. Er war seit 1388 o¨ sterreichischer Landvogt im Thurgau, Aargau und Schwarzwald, 1395–97 Hofmeister Herzog Leopolds IV. ¨ von Osterreich und 1413–15 Landeshauptmann der Steiermark. Außerdem nahm er 1414 am Konzil von Konstanz teil. H. besaß großen politischen Einfluss und umfangreiche L¨andereien. Seinem Wappen zufolge war er wie → Oswald von Wolkenstein Mitglied im Drachenorden. Er wurde in Bruck an der Mur begraben. Neben kleinerer Streu¨uberlieferung wird die ¨ H.-Uberlieferung vor allem von der prunkvollen ¨ Handschrift cpg 329 (s. Uberlieferung) bestimmt, die trotz Blattverlusten Hauptquelle f¨ur H.s Werk ist. Der Kodex ist auch als eine der fr¨uhesten erhaltenen Sammlungen, die noch zu Lebzeiten eines Dichters entstanden, von Bedeutung. Die Handschrift entstand in H.s eigenem Auftrag um 1414/15, beruht aber wohl auf einer Sammlung von 1401. Der Buchschmuck stammt von Heinrich Aurhaym, die Melodien von B¨urk Mangolt. Die Anordnung der Texte im Kodex ist m¨oglicherweise chronologisch, was in der Forschung aber umstritten ist. Insgesamt u¨ berliefert die Handschrift 40 Texte, von denen zwei u. a. aus sprachlichen und formalen Gr¨unden als unecht gelten (XXXIX, XL). Die verbleibenden 38 Texte umfassen elf Lieder (davon acht mit Melodien), sieben Briefe und 20 Reden. Zumindest die ersten 30 Texte d¨urften vor 1401 entstanden sein. Im Kodex selbst finden sich Datierungen auf 1396 (XXIII), 1401 (XXXI), 1402 (XXXIV–XXXVI), 1414 (XXXVIII); weitere Datierungen sind aufgrund von Indizien ann¨ahernd m¨oglich, so auf 1391/93 (V), 1400/01 (XXVIII) und nach 1402 (XXXVII). ¨ H.s Sprache ist alemannisch, in der Uberlieferung aber durch den Schreiber steirisch gef¨arbt. Baulich gilt seine Lyrik als konventionell, wenn nicht gar amateurhaft. H. bevorzugt m¨annliche Vier- und weibliche Dreiheber in Dreier- und Vierergruppen mit Paar- und Kreuzreimen. Seine Imitation der Titurelstrophe (XV) bildet im Gesamtkorpus H.s eine Ausnahme. Fu¨ nf seiner Lieder stehen dem Tagelied oder dessen Motivik nahe (VIII, X–XII, XXXVII). Diese mal mit provenzalischen, 734
1. H¨alfte 15. Jh. mal mit geistlichen Ankl¨agen ausgestattenen Lieder folgen meist dem traditionellen Schema. Interessant ist das an → Wolfram von Eschenbach erinnernde Alterslied XXXVII, in dem H. statt der gattungs¨ublichen Geliebten die eigene Ehefrau preist. Andere Lieder sprechen religi¨ose Belehrungen aus (XXII), enthalten einen Disput mit «Frau Welt» (XXIX) oder sind typische Liebeslieder, teilweise auch mit Refrain (VI, VII, IX). Die Deutung der ohne Melodien u¨ berlieferten St¨ucke mit Refrain als Tanzlieder ist umstritten. Die strophischen Reden H.s d¨urften zum Vorlesen bestimmt gewesen sein, da sie immer wieder das Publikum ansprechen. Sie enthalten Minnereden, die mit ihren Liebesversicherungen und ihrem Frauenpreis H.s Liedern nahestehen. Die geistlichen Reden sind meist Gebete oder Welt- und S¨undenklagen, die auch allegorisch gestaltet oder durch F¨urbitten erweitert sind. Hinzu kommen geistliche Reflexionen und Tugendlehren. Auch H.s gereimte Minnebriefe (III, XIX f., XXIII, XXXIV–XXXVI) bewegen sich in einem a¨ hnlichen Rahmen wie seine Lieder und weisen a¨hnliche Liebesbeteuerungen und Preisstrophen auf. Sie sind meist an H.s Ehefrauen gerichtet und zeigen H.s Wertsch¨atzung f¨ur Treue, Zucht und Ehre. Insgesamt u¨ berschneiden sich in H.s Werk vielfach die gleichen Themen, vor allem Liebe, Tugend und Moral, die H. gerne mit didaktischem Impetus behandelt. Seine Lyrik bewegt sich dabei inhaltlich und formal zumeist innerhalb der Konventionen ihrer Zeit. Man kann H. sicher als m¨aßig begabten Dilettanten titulieren, darf aber einige interessante Aspekte seiner Dichtung nicht u¨ bersehen. So betreibt er konsequent die autobiographische Personalisierung seiner Lieder. Der h¨ofischen Formelhaftigkeit des hohen Sangs setzt sein Werk die Subjektivit¨at des gelebten Ehedaseins entgegen. Interessant sind auch H.s geistliche Reflexionen in seinen Reden, mischen sie doch Elemente aus geistlichen und Minnereden. ¨ Uberlieferung: Berlin, SBB, Mgf 757, Bl. 21, 1 Bl. (Perg., um 1400, alemannisch; Fragm.). – Heidelberg, UB, Cpg 329, IV + 55 + VI Bll. (Perg., um 1414/15, s¨udbair.-¨osterr., Hs. v. H. selbst veranlasst, Buchschmuck von Heinrich Aurhaym; Blattverluste). – Colmar, StB, ms. 84 (Kat.-Nr. 211), 126r–128r (Pap., 1462/64). – Vorau, Stiftsbibl., cod. 389 (fr¨uher CLXXVI), 170r–171r (Pap., 1469–78, bair.). Ausgaben: Karl Bartsch (Hg.): H. v. M. T¨ubingen 1879. – Joseph E. Wackernell (Hg.): H. v. M. 735
Hugo V. (VIII.) von Montfort(-Bregenz) Innsbruck 1881 (Nachlese dazu in: ZfdA 50 [1908] S. 346–365). – Paul Runge (Hg.): Die Lieder des H. v. M. mit den Melodien des Burk Mangolt. Leipzig 1906. – Ewald Jammers (Hg.): Ausgew¨ahlte Melodien des Minnesangs. T¨ubingen 1963, Nr. 71 f., 87, 89 f. – Hugo Moser/Joseph Mu¨ ller-Blattau (Hg.): Dt. Lieder des MA. Von Walther von der Vogelweide bis zum Lochamer Liederbuch. Texte und Melodien. Stuttgart 1968, S. 222–227, 342 f. – Eugen Thurnher u. a. (Hg.): H. v. M. (Litterae 56–58). 3 Bde. in 4 Teilbd. G¨oppingen 1978–81 (vgl. dazu: Burghart Wachinger, in: AfdA 92 [1981] S. 160–164). – Franz Viktor Spechtler u. a. (Hg.): H. v. M. Gedichte und Lieder. Faks. des Codex Palatinus Germanicus 329 der UB Heidelberg. 2 Bde. Wiesbaden 1988/89. – Andr´e Schnyder: Das geistliche Taglied des sp¨aten MA und der fr¨uhen Neuzeit. Textsammlung, Komm. und Umrisse einer Gattungsgesch. T¨ubingen/Basel 2004, S. 27. – H. v. M. Das poetische Werk. Texte, Melodien, Einf. Hg. v. Wernfried Hofmeister, Melodie-Anhang v. Agnes Grond. Berlin/New York 2005 (zu dieser Ausg. kritisch: Eva Willms, in: ZfdA 135 [2006] S. 525–533). – Online-Faks. von Hs. Cpg 329 ¨ (s. Uberl.) der UB Heidelberg: http://digi.ub.uniheidelberg.de/diglit/cpg329. Literatur: J. E. Wackernell, ADB 22 (1885) S. 190–193 (unter Montfort). – Walter Salmen, NDB 10 (1974) S. 18. – B. Wachinger, VL2 4 (1983) Sp. 243–251. – Ulrich M¨uller, LexMA 5 (1991) Sp. 173. – De Boor/Newald 4/1 (21994) 176–178. – Claudia H¨andl, Killy2 5 (2009) S. 646–648. – Horst Brunner, KLL3 7 (2009) S. 754 f. – Karl Weinhold: ¨ Uber den Dichter Graf H. VIII. v. M. In: Mitt. des hist. Vereins f¨ur Steiermark (1856) H. 7, S. 127–180 (auch als Sonderdr. Graz 1857). – Albert Leitzmann: Bemerkungen zu den sp¨atmhd. Lyrikern. In: PBB 44 (1920) S. 301–311. – Hans Walther: Stilkrit. Unters. u¨ ber H. v. M. Diss. Marburg/Lahn 1936. – Annemarie Altpeter: Die Stilisierung des Autobiographischen bei Oswald von Wolkenstein und seinen Zeitgenossen H. v. M., Mukatpl¨ut und Michel Beheim. Diss. Tu¨ bingen 1949. – E. Jammers: Die Melodien H.s. v. M. In: Arch. f¨ur Musikwiss. 13 (1956) S. 217–235. – Otto Baumhauer: H., der erste Graf v. M. und sein Bregenzer Erbe. In: Montfort 8 (1956) S. 219–236. – Annemarie Kayser-Petersen: H. v. M. Beitr. zum Gattungsproblem im MA. Diss. M¨unchen 1960. – Gustav Moczygemba: H. v. M. F¨urstenfeld [1967]. – Ingeborg 736
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1. H¨alfte 15. Jh. Wolkenstein (Hs. A), Lieder und Gedichte des H. v. M. In: Imagination 8 (1993) H. 3, S. 10–19. – Anke S. Meyer: H. v. M. Autorenrolle und Repr¨asentationst¨atigkeit (GAG 610). G¨oppingen 1995. – Herfried V¨ogel: Die Pragmatik des Buches. Beob¨ achtungen und Uberlegungen zur Liebeslyrik H.s v. M. In: Wechselspiele. Kommunikationsformen und Gattungsinterferenzen mhd. Lyrik. Hg. v. Michael Schilling/Peter Strohschneider (GRM-Beih. 13). Heidelberg 1996, S. 245–273. – Karl Heinz Burmeister: Der Minnes¨anger Graf H. XII. v. M.Bregenz (1357–1423). In: Die Grafen v. M. Gesch., Recht, Kultur. Hg. v. K. H. Burmeister/Alois Niederst¨atter. Konstanz 1996, S. 221–230. – Johannes Spicker: Singen und Sammeln. Autorschaft bei Oswald von Wolkenstein und H. v. M. In: ZfdA 126 (1997) S. 174–192. – Alan Robertshaw: Der sp¨atma. Autor als Hg. seiner Werke. Oswald von Wolkenstein und H. v. M. In: Autor und Autorschaft im MA. Kolloquium Meißen 1995. Hg. v. Jens Haustein u. a. T¨ubingen 1998, S. 335–345. – W. Hofmeister: Ein Autor ‹outet› sich. H. v. M. (1357–1423) im rezeptionellen Spannungsfeld. In: Autor, Autorisation, Authentizit¨at. Beitr. der Internationalen Fachtagung der Arbeitsgemeinschaft f¨ur Germanistische Edition [...] Aachen, 20. bis 23. Februar 2002. Hg. v. Thomas Bein. Tu¨ bingen 2004, S. 165–172. – Hofmeister 2005 (s. Ausg.). – Silvia Ranawake: Compilers and Users of Medieval German Song Collections (1250–1500). In: Courtly Arts and the Art of Courtliness. Selected Papers from the Eleventh Triennial Congress of the International Courtly Literature Society. University of Wisconsin-Madison, 29 July–4 August 2004. Hg. v. Keith Busby/Christopher Kleinhenz. Cambridge 2006, S. 553–572. – Klaus Speckenbach: H.s v. M. Lied v. der Weltabsage. In: Euph. 100 (2006) S. 291–302. – Andrea Hofmeister-Winter: Die Grammatik der Schreiberh¨ande. Versuch einer Kl¨arung der Schreiberfrage anhand der mehrstufigdynamischen Neuausg. der Werke H.s v. M. In: Edition und Sprachgesch. Baseler Fachtagung 2.–4. M¨arz 2005. Hg. v. Michael Stolz. T¨ubingen 2007, S. 89–116. – ‹Aller weishait anevang Ist ze br´ufen an dem aussgang›. Akten des Symposiums zum 650. Geburtstag H.s v. M. Hg. v. Klaus Amann. Innsbruck 2010. – Almut Suerbaum: Paradoxes of Performance. Autobiography in the Songs of H. v. M. and Oswald von Wolkenstein. In: Aspects of the Performative in Medieval Culture. Hg. v. Manuele Gragnolati. Berlin/New York 2010, S. 143–164. MM 738
1. H¨alfte 15. Jh. Laufenberg, Sp. 941–945.
Heinrich
Laufenberg von
→ Band
2,
Roswin → Band 2, Sp. 975. Petrus (Wiechs) von Rosenheim → Band 2, Sp. 975–977. Mysner. – Wohl Lieder- und Spruchdichter des 15. Jh. ¨ Uber das Leben M.s ist nicht viel bekannt, außer dass ein Sprecher «Peter Mysner» f¨ur 1405 auf der Marienburg nachgewiesen ist. Insgesamt f¨unf Lieder sind von M. erhalten, wohl alle im Ton des 56-strophigen → Sempacher Schlacht-Liedes. Seine Lieder und Spr¨uche unterzeichnet er gew¨ohnlich mit Formeln wie «Singt euch hie Mysner» oder «Spricht Mysner in dem gedicht» – sie sind meist derb humoristisch und setzen sich mit Details des Alltags auseinander. Lied I z¨ahlt ironisch einige Verhaltensregeln auf: So sollen Frauen «ein firtel iar / Gein baden faren in das bat» und M¨anner, die «heymlich usz ging naschen», m¨ussen «an den dumen gehenckt / Und in den stock geschlagen» werden. Lied II preist scherzhaft das Karn¨offelspiel, das «auch ein einfeltig spiel» ist, das kein Schummeln erm¨oglicht. Ein Schwanklied erz¨ahlt von einem Bauern, dem die tr¨age Tochter eines Edelmannes zur Frau gegeben wird. Zuletzt gelingt es dem Bauern, die Frau zur Arbeit zu animieren, indem er sie eine Katze halten l¨asst und diese solange schl¨agt, bis seine Frau, v¨ollig von der Katze zerkratzt, antwortet: «Was di katz nit th˚ut, / Das wil ich fur sie thun». Auch J¨org → Zobel nahm sich der Geschichte an, um ein M¨ar daraus zu dichten. Ein Reimpaarspruch von M. (Junker Pfennig) legt humorvoll die Gier aller Menschen nach Geld offen: «Cristen, juden, heyden, / F¨ursten und auch fryen / Die hund in gern by in. / Wie einfeltig die lut sind.» Der 68 Zeilen lange und arg obsz¨one Spruch Vom Ryben besitzt keine Signatur, da der Schluss nicht in die Handschrift aufgenommen wurde («aus Anstandsr¨ucksichten» laut Wilhelm, S. 116). Er steht aber zwischen zwei Texten von M. und geh¨ort ihm vielleicht auch – angesichts des vulg¨aren Inhalts w¨are es nicht unwahrscheinlich. ¨ Uberlieferung: Frankfurt/M., Stadtarch., Familienarch. Fichard Nr. 165 Ms. 69 (Mitte 15. Jh.; verbrannt). – M¨unchen, BSB, Cgm 1020, 50r–54r 739
(Pap., kurz nach Mitte 15. Jh., ostfr¨ankisch, nah zum Nordwestalemannischen). Ausgaben: Fichard (s. Lit.) S. 290–297 (Nr. LX f.) – Bolte 1906 (s. Lit.) S. 32–39. – Bolte 1908 (s. Lit.) S. 59 f. Literatur: HMS 4 (1838) S. 512. – Hellmut Rosenfeld, VL2 6 (1987) Sp. 839 f.; 11 (2004) Sp. 1044. – Johann Carl von Fichard: Altdt. Lieder und Gedichte aus der 1. H¨alfte des 15. Jh. In: Frankfurtisches Arch. f¨ur a¨ ltere dt. Lit. und Gesch. 3 (1815) S. 196–323. – Adolf Frisch: Unters. u¨ ber die verschiedenen mhd. Dichter, welche nach ¨ der Uberl. den Namen Meissner f¨uhren. Diss. Jena 1887, S. 8. – Friedrich Wilhelm: Drei Fabeln aus Cgm 1020. In: Zs. f¨ur Geschichtskunde von Freiburg 22 (1906/07) S. 113–129. – Johannes Bolte: Zehn Gedichte auf den Pfennig. In: ZfdA 48 (1906) S. 13–56. – Ders.: Der Schwank von der faulen Frau und der Katze. In: Zs. des Ver. f¨ur Volkskunde 18 (1908) S. 53–60. – Heinz Mundschau: Sprecher als Tr¨ager der ‹tradition vivante› in der Gattung ‹M¨are› (GAG 63). G¨oppingen 1972, S. 46. – Georg Objartel: Der Meißner der Jenaer Liederhs. Unters., Ausg., Komm. (Phil.Stud.u.Qu. 85). Berlin 1977, S. 15 Anm. 5. – Rudolf von Leyden: Karn¨offel. Das Kartenspiel der Landsknechte. Seine Gesch. vom 15. Jh. bis zur Gegenwart (Hist. Kartenspiele und Spielregeln 6). M¨unchen/Wien 1978, S. 14–16, 21. – G¨unter Peperkorn (Hg.): Sangspr¨uche, Minnelieder, Meisterlieder. Der Junge Meißner (MTU 79). M¨unchen 1982, S. 171. FA Nachtigall, Michel (auch: Nachtigal), † zwischen 1427 und 1433 N¨urnberg. – Verfasser eines Mailiedes im eigenen «Kurzen Ton». N. war der Vater des Meistersingers Konrad → Nachtigall. Er ist erstmals f¨ur das Jahr 1414 belegt, in dem er zum B¨ackermeister gesprochen wurde. Er zog von außerhalb nach N¨urnberg, wo er 1415 das B¨urgerrecht erhielt und ein Haus kaufte. Weitere Belege stammen von 1423 (Salzb¨uchlein) und 1427 (Losungslisten des Stadtteils Sebald). 1433 steuern bereits seine S¨ohne; N. muss wohl zwischen den beiden letzten Daten verstorben sein. N. wird im Dichterkatalog seines Sohnes unter ¨ den verstorbenen Meistern genannt. Uberliefert ist bloß ein reimreiches Lied N.s in seinem eigenen «Kurzen Ton». Das Lied begr¨ußt den Mai, «der hat sat- drat rat / geferbt manch pl¨umen fein». Es entspricht am ehesten einem ‹Zierlied›. Vielleicht war N. kein Meistersinger wie sein Sohn, 740
Meisterliederhandschriften auch wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass entsprechende Lieder verloren gegangen sind. Weiterhin gibt es aber andere Anhaltspunkte, die eher eine Nebenbesch¨aftigung als fahrender Hofs¨anger vermuten lassen (vgl. Rettelbach, S. 300). Ob N. zurecht im Dichterkatalog vertreten ist oder nicht, sein Lied und Ton erlebten keine nachgewiesene Rezeption unter Meistersingern. ¨ Uberlieferung: Berlin, SBB, Mgq 414, 452r (Pap., 1517/18). Ausgabe: Eva Kiepe (Hg.): Gedichte 1300–1500 (Epochen der dt. Lyrik 2). M¨unchen 1972, S. 179. – Cramer 2 (1979) S. 396, 533. Literatur: Horst Brunner, VL2 6 (1987) Sp.848–849. – Klaus Kramer, MGG 16 (1979) Sp. 1353. – De Boor/Newald 4/1 (21994) S. 222. – Horst Oppenheim: Naturschilderung und Naturgef¨uhl bei den fr¨uhen Meistersingern (Form und Geist 22). Leipzig 1931. – Frances H. Ellis: Analysis of the Berlin Ms Germ. Quart. 414. In: Publ. of the Modern Language Association 61 (1946) S. 947–996. – Elie Sobel: M. N.s Meisterlied to Spring. In: Modern Language Forum 32 (1947) S. 25–27. – Gerhard Pfeiffer: N¨urnberg. Gesch. einer europ¨aischen Stadt. M¨unchen 1971, S. 205. – Irene Stahl: Die Meistersinger von N¨urnberg. Archivalische Stud. (N¨urnberger Werkst¨ucke zur Stadt- und Landesgesch. 33). N¨urnberg 1982, S. 243 f. – Frieder Schanze: Meisterliche Liedkunst zwischen Heinrich von Mu¨ geln und Hans Sachs (MTU 82/83). 2 Bde. M¨unchen 1983/84, Reg. – Zum Liedtyp: Christoph Petzsch: Fr¨uhlingsreien als Vortragsform und seine Bedeutung im Bispel. In: DVjs 45 (1971) S. 35–79. – Horst Brunner: Die ¨ alten Meister. Stud. zu Uberl. und Rezeption der mhd. Sangspruchdichter im Sp¨atMA und in der fr¨uhen Neuzeit (MTU 54). M¨unchen 1975, Reg. – ¨ Walter R¨oll: Vom Hof zur Singschule. Uberl. und Rezeption eines Tones im 14.–17. Jh. Heidelberg 1976, S. 42, 135 (dazu: Gisela Kornrumpf, in: AfdA 90 [1979] S. 14–22). – H. Brunner: Tradition und Innovation im Bereich der Liedtypen um 1400. In: Textsorten und literarische Gattungen. Hg. vom Vorstand der Vereinigung der dt. Hochschulgermanisten. Berlin 1983, S. 392– 413, hier S. 405–407. – Johannes Rettelbach: Variation – Derivation – Imitation. Unters. zu den To¨ nen der Sangspruchdichter und Meistersinger (Fr¨uhe Neuzeit 14). T¨ubingen 1993. FA Puer natus in Bethlehem → Band 2, Sp. 1000 f. 741
1. H¨alfte 15. Jh. Krautgartengedicht → Band 2, Sp. 1008 f. Meisterliederhandschriften. – Dt. Liedsammlungen, zweites Viertel 15. Jh. bis erste H¨alfte 16. Jh. Als M. werden Zusammenstellungen von T¨onen und Liedern der meisterlichen Tradition im deutschsprachigen Raum bezeichnet, die prim¨ar im Zeitraum von etwa 1420 bis 1540 entstanden. M. erg¨anzen als spezialisierte Sammlungen von Sangspruchdichtung und Meistergesang die bereits seit dem 13. Jh. entstehenden → Liederhandschriften, die ein weiteres Spektrum von Gattungen und Genres abdecken. Wie die fr¨uheren Liederhandschriften sind M. wich¨ tige Uberlieferungstr¨ ager der volkssprachigen Lieddichtung des MA. Da die erhaltenen M. gew¨ohnlich keine individuellen Titel besitzen, werden ¨ sie h¨aufig mit Siglen bezeichnet (s. Uberlieferung). Die in den M. enthaltenen Texte sind oft ohne die Namen ihrer Verfasser aufgezeichnet. Tondichter und -namen hingegen sind vielfach ¨ in den Uberschriften der Lieder vermerkt. Dabei dominieren in den M. insgesamt T¨one jener Dichter, die von den Meisters¨angern als Alte Meister verehrt wurden. H¨aufig vertreten sind in den M. etwa → Regenbogen und → Frauenlob, aber auch → Boppe, → Heinrich von M¨ugeln, der → Kanzler, → Konrad von W¨urzburg, der → Marner und → Stolle. Die M. unterscheiden dabei allerdings nicht zwischen fr¨uh belegten, authentischen Tonzuschreibungen und sp¨ateren, oft unechten Zuweisungen. So hat die Forschung den genannten Tondichtern zahlreiche T¨one wieder abgesprochen, die ihnen in den M. noch wie selbstverst¨andlich zugeschrieben wurden. Ein bevorzugter Grundstock von To¨ nen verbindet die M. ebenso miteinander wie der sich vielfach u¨ berschneidende Liedbestand sowie die gemeinsamen Themen. Die M. bilden durch ihre Spezialisierung zwar weniger Gattungen ab als andere Liederhandschriften, stehen diesen Sammlungen aber in ihrer Themenvielfalt kaum nach. Die geistlichen Lieder der M. enthalten neben Gottesund Marienpreis u. a. Verse u¨ ber Sakramente, religi¨ose Dogmen und Aspekte der Heilsgeschichte (Menschwerdung, J¨ungstes Gericht u. a¨ .). Unter den weltlichen Liedern sind moraldidaktische Warnungen vor menschlichen Lastern ebenso zu finden wie Frauenlob und -lehren sowie Liebeslieder. 742
1. H¨alfte 15. Jh. Auch die Kunst selbst wird immer wieder thematisiert, sei es in Form der sieben Artes liberales, als Lob des Gesangs oder als Wettbewerb mit anderen Dichtern. Die thematische Schwerpunktsetzung schwankt dabei stark zwischen verschiedenen M., unter denen viele prim¨ar geistlich, andere eher weltlich ausgerichtet sind. Der Vorrang geistlicher Lieder in zahlreichen M. bedingt u¨ brigens keineswegs eine Verengung auf religi¨os-spekulative Verse. Diese sind zwar vorhanden, im weltlichen bereich aber ebenso derb-realistische Strophen, die auch vor Anz¨uglichkeiten nicht zur¨uckschrecken. Untypisch f¨ur die erhaltenen M. sind allegorische, epische, Scherz- und R¨atsellieder. Melodien sind in ihnen ebenfalls selten enthalten. Die Reihe der M. beginnt mit Handschrift m, die um 1425 wahrscheinlich in N¨urnberg entstand. Sie ist wegen ihrer Wiedergabe des dortigen Meistersangs und einer Reihe unikaler Strophen von Bedeutung. Die zweiteilige Handschrift enth¨alt im ersten Teil neben religi¨oser Prosa nur 14 Lieder, im zweiten Teil hingegen 75 Lieder. In beiden Teilen werden sehr h¨aufig zwei Regenbogen zugeschriebene T¨one verwendet («Langer Ton», «Grauer Ton»). Neben Regenbogen sind in m auch Albrecht → Lesch, → Harder, → H¨ulzing, Fritz → Kettner, → Hugo von Meiningen und → Muskatblut vertreten. Die Handschrift wird von geistlichen Liedern bestimmt, zu denen sich aber auch Moral-, Kunst-, Frauen- und Erz¨ahllieder gesellen. Bald nach m entstand Handschrift b, die um 1430 im su¨ dwestdt. Sprachgebiet verfasst wurde. Sie enth¨alt 62 Lieder in 18 T¨onen sowie ein Reimpaargedicht von Konrad → Suchendank. 14 T¨one stammen von alten Meistern, besonders von Regenbogen, → Frauenlob und Heinrich von Mu¨ geln, die u¨ brigen T¨one von j¨ungeren Meistern wie Lesch, → Liebe von Giengen, Muskatblut und → Suchensinn. Fast die H¨alfte der Lieder ist Sondergut. Aus der Sammlung stechen zw¨olf authentische Lieder im Hofton von Muskatbl¨ut hervor; Suchensinns Ton ist in b als einziger erhaltener M. in autorfremder Verwendung nachgewiesen. Handschrift b ist deutlich weltlicher ausgerichtet als m. Neben Alltags- und Wirtshausszenen stehen hier auch frivole Verse u¨ ber den Geschlechtsverkehr. Die um 1440 in Schwaben entstandene Handschrift d umfasst 42 meist f¨unfstrophige Lieder in 28 T¨onen mit sieben Unica. Immerhin 25 Lieder sind Sondergut. T¨one alter Meister wie Regenbogen und Frauenlob herrschen vor, w¨ahrend die 743
Meisterliederhandschriften Texte vielfach geistlich-spekulativ sind (Sch¨opfung, S¨undenfall, Trinit¨at u. a¨ .). Auff¨allig sind die zahlreichen falschen Tonzuschreibungen. M¨oglicherweise wollten die Redaktoren j¨ungere T¨one durch Zuschreibung an a¨ltere Autoren aufwerten. Geistliche Lieder bestimmen auch Handschrift x. Sie wurde um 1455/60 in Schwaben geschrieben und u¨ berliefert 36 u¨ berwiegend dreistrophige Lieder in 18 T¨onen, darunter viele Unica. Neben Regenbogen und dem Marner ist auch der → M¨onch von Salzburg mit einem Ton vertreten. Die weltlichen Lieder besch¨aftigen sich u. a. mit Frauen, Minne und den K¨unsten. Zur gleichen Zeit wie x wurde Handschrift y wahrscheinlich in Bayern zusammengestellt. Die drei Lagen von y sind teilweise nur fragmentarisch erhalten. Die 21 Lieder in 16 T¨onen sind meist weltlicher Art und Sondergut. Zu den in y vertretenen Dichtern z¨ahlen Harder, Suchensinn, der M¨onch von Salzburg und Suchendank. Um 1460 entstand mit der rund 440 Strophen umfassenden → Kolmarer Liederhandschrift (k) eine besonders bedeutende M. Die Meisters¨anger des 16. Jh. sch¨atzten k als Gr¨undungsdokument des Meistergesangs. Obwohl sie nicht nur Meisterlieder enth¨alt, ist sie sowohl durch ihren schieren Umfang wie durch ihre klare Gliederung nach Tonautoren bemerkenswert. Auch ihre Ausstattung mit Noten ist f¨ur eine M. eher un¨ublich, aber f¨ur die musikwissenschaftliche Aufarbeitung des Meistergesangs von großem Interesse, sind viele Melodien doch außerhalb von k nicht u¨ berliefert. Der Kodex war sp¨ater Vorlage f¨ur Teile der → Donaueschinger Liederhandschrift. Zwischen etwa 1485 und 1510 wurde im moselfr¨ankischen Raum eine weitere M. geschrieben: Handschrift t ist ein zweiteiliger Kodex, dessen zweite H¨alfte den eigentlichen M.-Teil enth¨alt. Dieser umfasst wiederum drei Teilhandschriften, deren letzte fragmentarisch ist. t beinhaltet 38 u¨ berwiegend geistliche Lieder in 12 T¨onen mit einer Reihe von Unica. Drei- und f¨unfstrophige Bauformen dominieren, aber auch siebenstrophige Lieder kommen vor. Regenbogens Langer Ton ist stark vertreten, daneben To¨ ne von Frauenlob, Liebe von Giengen und dem Marner. In dessen Langem Ton u¨ berliefert t einen ganzen Liederzyklus in drei Teilen. Im zweiten Teil von t finden sich auch Konkordanzen. Die Wiltener Handschrift (w) wurde um 1500 wohl in Tirol zusammengestellt. Die 166 Lieder in 45 T¨onen sind zu einem Drittel Sondergut. Die 744
Meisterliederhandschriften Sammlung ist nach Tonautoren- und Tonnamen geordnet, allerdings werden die Namen der Tondichter oft willk¨urlich mit jenen der Textverfasser vermischt. Von den alten Meistern sind in w Frauenlob, Heinrich von Mu¨ geln und Regenbogen vertreten, von den j¨ungeren Autoren u. a. Harder, Lesch, Muskatblut und → Schonsbekel. Die Zahl der T¨one M¨ugelns ist in w gegen¨uber anderen M. ungew¨ohnlich hoch. Erw¨ahnenswert sind weiterhin die umfangreicheren Dichtungen der Sammlung: → Veronika, → Sibyllen Weissagung, Der H¨olle Krieg (→ Wartburgkrieg), der → Graf von Savoyen und → Virgils Zauberbild. Wie w um 1500 entstand Handschrift h, allerdings in Augsburg. h umfasst 150 Lieder in rund 50 T¨onen, darunter zwei Drittel Sondergut. Alte Meister wie Regenbogen, Frauenlob, Marner und Boppe pr¨agen die Sammlung, w¨ahrend j¨ungere Dichter teilweise nur mit jeweils einem Ton aufgenommen wurden: Harder, H¨ulzing, Liebe, der M¨onch, Muskatblut und Michel → Beheim. Jo¨ rg → Schiller ist mit immerhin sechs T¨onen vertreten, von denen sein Hofton in h erstmals nachgewiesen ist. Interessant sind fiktive Muskatblut-Signaturen unter mehreren Liedern. Der Gesamtcharakter der Sammlung wird von weltlichen Dichtungen bestimmt, u. a. u¨ ber Liebe, Ehe und die K¨unste. Unter den geistlichen Liedern in h sind ungew¨ohnlich viele Erz¨ahllieder, die etwa Legenden, Mirakel oder biblische Geschichten wiedergeben. Bereits zu den sp¨ateren M. z¨ahlt Handschrift q, die 1517/18 von Hans Sachs geschrieben wurde. Er stattete den Kodex auch mit einem Vorwort und einem Register aus. Die 400 Lieder in 141 T¨onen sind – nicht immer strikt – nach T¨onen geordnet. W¨ahrend manche Verfasser in den Lied¨uberschriften genannt werden, bleiben andere Autoren in q anonym. N¨urnberger Sondergut ist umfangreich vertreten, weshalb q als bedeutendste Quelle f¨ur den dortigen Meistergesang des 15. und fr¨uhen 16. Jh. gilt. Die Sammlung beginnt mit zwei wichtigen Korpora von Hans Sachs und Lienhard → Nunnenbeck. Weitere Lieder dieser Verfasser im hinteren Teil von q d¨urften erst w¨ahrend der Zusammenstellung der Handschrift entstanden sein und wurden von Sachs nachgetragen. Ebenfalls vertreten sind Frauenlob, Regenbogen, der Marner und Hans → Folz, weiterhin Albrecht Baumholz, Sixt Beckmesser, Michel Beheim, Hieronymus Drabolt, Peter Fridel, → Frumon, → Grimon, 745
1. H¨alfte 15. Jh. Hans von Landshut, Augustin → Hayweger, Martin Maier, Michel und Konrad → Nachtigall, Hans Schwarz, Caspar Singer und Fritz Zorn. Geistliche und weltliche Lieder sind in q insgesamt gemischt, doch zeigen sich durchaus Pr¨aferenzen bei einzelnen Autoren. So wird das Nunnenbeck-Korpus von geistlichen Liedern bestimmt. Die in q enthaltenen Themen sind vielf¨altig, allerdings hat die Forschung insgesamt eine Tendenz zu dogmatischtheologischer Didaxe konstatiert. Deutlich weniger umfangreich ist die M. p von 1532/33. Der Kodex entstand in Augsburg und war noch 1539 im Besitz eines dortigen Webers. Neben einer Lage mit religi¨oser Prosa enth¨alt p eine Liedersammlung in zwei unvollst¨andigen Teilen. Der a¨ ltere Hauptteil umfasst 54 Lieder in 37 T¨onen, die u. a. von Konrad Nachtigall und J¨org Schiller stammen. Im j¨ungeren Nebenteil sind nur acht Lieder von Hans Sachs und Clemens J¨ager u¨ berliefert. Zu den sp¨ateren M. z¨ahlt schließlich der bayerische Kodex r von um 1535/38. Die 17 siebenstrophigen Lieder der Sammlung sind bis auf drei Lieder Sondergut. 16 Lieder sind in Regenbogens Langem Ton gedichtet, nur ein Lied in der Zugweise Fritz Zorns. Diese Wertsch¨atzung des Meistergesangs f¨ur Regenbogens Ton zieht sich durch viele M. und wird in r durch die exklusive Verwendung des Tons f¨ur geistliche Lieder deutlich. Insgesamt neigen die Lieder in r zu gelehrten bis dogmatischen Ausf¨uhrungen. Mit r endet die Hochphase der M. Vereinzelte Handschriften sind aber auch aus der zweiten H¨alfte des 16. Jh. noch erhalten (Jena, ULB, Ms. El. f. 100, 1558; G¨ottweig, Stiftsbibl., cod. 1033 / 685, um 1578). Insgesamt gelten die M. als zentrale Quellen f¨ur die Geschichte und lokalen Traditionen des Meistergesangs. Wie die a¨ lteren Liederhandschriften sind sie schon durch die schiere ¨ F¨ulle ihrer Uberlieferung von Bedeutung. So tradieren sie nicht nur umfangreich die Werke bedeutender Dichter wie Hans Sachs, sondern ebenso T¨one und Texte anonymer oder weniger bekannter Meisters¨anger. Auch wenn die M. vielfach falsche Zuschreibungen enthalten und daher Echtheitsfragen bei ihrer wissenschaftlichen Aufarbeitung eine wichtige Rolle spielen, so a¨ ndert dies nichts ¨ an ihrer grundlegenden Bedeutung als Uberlieferungstr¨ager. Ihre Entstehung im Umkreis b¨urgerlicher, vor allem st¨adtischer Dichter und Sammler macht die M. auch f¨ur sozialgeschichtliche Deutungen interessant. 746
1. H¨alfte 15. Jh. ¨ Uberlieferung: m: Mu¨ nchen, BSB, Cgm 351, III + 278 Bll. (Bll. 1–173 und 174–276 zusammengebunden) (Pap., zweites/dritets Viertel 15. Jh., mittel- und nordbair.). – b: Basel, UB, cod. O IV 28, 64 Bll. (Pap., um 1430, su¨ dwestschw¨abisch). – d: Dresden, LB, Mscr. M 13, 26 Bll. (Pap., um 1440, schw¨abisch). – x: M¨unchen, BSB, Cgm 1018, 48 Bll. (Pap., um 1455/60, nordalemannisch). – y: Mu¨ nchen, BSB, Cgm 1019, 30 Bll. (Pap., um 1455/60, nordbair.-ostfr¨ankisch). – k: M¨unchen, BSB, Cgm 4997, 854 Bll. (Pap., um 1460, rheinfr¨ankisch). – t: Trier, StB, Hs. 1032/1943 8°, Bll. 89–171 (Pap., um 1485–1510, moselfr¨ankisch). – w: Mu¨ nchen, BSB, Cgm 5198, 177 Bll. (Pap., um 1500, bair.-¨osterr.). – h: Heidelberg, UB, Cpg 392, 141 Bll. (Pap., Augsburg, um 1500, schw¨abisch). -. q: Berlin, SBB, Mgq 414, 2 Doppelbll. + 11 Bll. + 477 Bll. + 2 Doppelbll. (Pap., 1517/18, Schreiber: Hans Sachs). – p: Heidelberg, UB, Cpg 680, 99 Bll. (Pap., Augsburg, 1532/33). – r: Mu¨ nchen, BSB, Cgm 847, 88 Bll. (Pap., um 1535/38, mittelbair.). Ausgaben: Die Sammlung von Meisterliedern in der Heidelberger Handschrift cpg 680. Edition und Komm. (GAG 584). Hg. v. Elisabeth Wunderle. G¨oppingen 1993. – Online-Faks. der jeweiligen Bibliotheken: h: http://digi.ub.uniheidelberg.de/diglit/cpg392. – p: http://digi.ub.uniheidelberg.de/diglit/cpg680. – w: http://bsb-mdz12spiegel.bsb.lrz.de/~db/bsb00069128/image 1. – Vgl. ansonsten die Ausg. der in den M. enthaltenen Meistersinger und -lieder. Literatur: Vgl. auch die Lit. zu den im Artikel genannten Verfassern. – Frieder Schanze, VL2 6 (1987) Sp. 342–356 (mit a¨lterer Lit.). – RSM 1 (1994) S. 75 f., 84–86, 134, 176 f., 213 f., 258 u. o¨ . – De Boor/Newald 3/1 (51997) S. 12–15 u. o¨ . – Theodor Hampe: Sittenbildliches aus M. In: Zs. f¨ur Kulturgesch. Ser. 4,4 (1897) S. 42–53. – Adolph Becker: Die dt. Hss. der StB zu Trier. Trier 1911, S. 79–84. – Fritz Frauchiger: Dresden M 13. A Fifteenth-Century Collection of Religious Meisterlieder. Diss. Chicago 1938. – Frances H. Ellis: Analysis of the Berlin Ms. Germ. Quart 414. In: Publ. of the Modern Language Association of America 61 (1946) S. 947–996. – Mary Juliana Schroeder: Topical Outline of Subject Matter in the Berlin Ms. Germ. Quart 414. In: ebd., S. 997–1017. – Eli Sobel: Observations on MS Berlin 414. In: The Germanic Review 23 (1948) S. 178–186. – Die kleineren Dichtungen Heinrichs 747
Meisterliederhandschriften von M¨ugeln 1/1. Hg. v. Karl Stackmann. Berlin 1959, Einleitung. – Tilo Brandis: Der Harder. Berlin 1964, S. 89–102. – Karin Schneider: Die dt. Hss. der BSB M¨unchen. Cgm 351–500 (Catalogus codicum manu scriptorum Bibliothecae Monacensis V/3). Wiesbaden 1973, S. 17–26. – G¨unter Mayer: Probleme der Sangspruch¨uberl. Beobachtungen zur Rezeption Konrads von W¨urzburg im Sp¨atMA. Diss. M¨unchen 1974, S. 30 f., 78 f. u. o¨ . – ¨ Horst Brunner: Die alten Meister. Stud. zu Uberl. und Rezeption der mhd. Sangspruchdichter im Sp¨atMA und in der fr¨uhen Neuzeit (MTU 54). Mu¨ nchen 1975, S. 136–138 u. o¨ . – Frauenlob (Abh. der Akad. der Wiss. zu G¨ottingen, Philol.-Hist. Kl. 3,119). Hg. v. Karl Stackmann/Karl Bertau. G¨ottingen 1981, Einleitung. – F. Schanze: Meisterliche Liedkunst zwischen Heinrich von Mu¨ geln und Hans Sachs. 2 Bde. (MTU 82.83). Tu¨ bingen 1983/84, Bd. 1, S. 35–131, 312–321 u. o¨ .; Bd. 2, S. 30–40, 48–58, 95–112, 116, 122–137, 148 f., 164, 170, 207 f., 210. – K. Schneider: Die dt. Hss. der BSB M¨unchen. Cgm 691–867 (Catalogus codicum manu scriptorum Bibliothecae Monacensis V,5). Wiesbaden 1984, S. 608–611. – Eva Klesatschke: Lienhard Nunnenbeck. Die Meisterlieder und der Spruch. Edition und Unters. (GAG 363). G¨oppingen 1984, S. 40–82. – Franzjosef Pensel: Verz. der altdt. und ausgew¨ahlter neuerer dt. Hss. in der UB Jena (DTM 70/2). Berlin 1986, S. 279–307. – K. Schneider: Die dt. Hss. der BSB M¨unchen. Die ma. Hss. aus Cgm 888–4000 (Catalogus codicum manu scriptorum Bibliothecae Monacensis V,6). Wiesbaden 1991, S. 54–62. – Dies.: Die dt. Hss. der BSB Mu¨ nchen. Die ma. Hss. aus Cgm 4001–5247 (Catalogus codicum manu scriptorum Bibliothecae Monacensis V,7). Wiesbaden 1996, S. 530–536. – Betty C. Bushey: Die dt. und ndl. Hss. der StB Trier bis 1600. Wiesbaden 1996, S. 158–167. – Thomas Bein: ‹Mit fremden Pegasusen pfl¨ugen›. Unters. zu Authentizit¨atsproblemen in mhd. Lyrik und Lyrikphilologie. Berlin 1998, passim. – Michael Baldzuhn: Vom Sangspruch zum Meisterlied. Unters. zu einem literarischen Traditionszusammenhang auf der Grundlage der Kolmarer Liederhs. (MTU 120). Tu¨ bingen 2002, passim. – Ders.: Teichnerreden und Meisterlieder in einer Hs. des Erfurter Kanonikers und Universit¨atsrektors Tilomann Ziegler († 1479). In: ZfdA 133 (2004) S. 151–176. – Michael Embach: Trierer Zauber- und Segensspr¨uche des MA. In: Kurtrierisches Jb. 44 (2004) S. 29–76. – Andr´e Schnyder: Das geistliche Taglied des sp¨aten MA und der 748
Der ernsthafte Konig ¨ fr¨uhen Neuzeit. Textsammlung, Komm. und Umrisse einer Gattungsgesch. T¨ubingen/Basel 2004, ¨ passim. – Nine Miedema: Text, Texttyp und Uberlieferungstyp bei den Meistersingern. Orte und Tr¨ager der Textproduktion. In: Texttyp und Textproduktion in der dt. Lit. des MA. Hg. v. Elizabeth A. Andersen. Berlin/New York 2005, S. 395–414. – Matthias Miller/Karin Zimmermann: Die Codices Palatini germanici in der UB Heidelberg (Cod. Pal. germ. 304–495) (Kat. der UB Heidelberg 8). Wiesbaden 2007, S. 293–303. – Volker Zapf: Stolle und die Alment. Einf., Edition, Komm. G¨ottingen 2010, S. 72 f. u. o¨ . MM St. Katharinentaler Liedersammlung → Band 2, Sp. 1016 f. Das Glucksrad. ¨ – Anonymes nd. Gedicht von 1430 (?). Offensichtlich war das G. urspr¨unglich die lyrische Ausdeutung einer komplexen bildlichen Darstellung des im MA u¨ beraus verbreiteten Gl¨ucksrad-Motivs. Davon zeugen noch deiktische Ausdr¨ucke innerhalb der neun Vierzeiler-Strophen und eine dem Text beigef¨ugte Skizze des Rads. In der ersten Strophe wird die Fortuna als «blinde welde eventure» eingef¨uhrt. In den Strophen 2, 4, 6 und 8 kommt jeweils ein Sprecher zu Wort, der seine pers¨onliche Situation schildert: zunehmendes Gl¨uck, Reichtum, Verlust des Reichtums und Armut. Auf jede dieser Rollenstrophen folgt eine Strophe mit einem belehrenden Kommentar. Diese Kommentarstrophen transportieren das theologische Anliegen des Verfassers: Fortuna veranschaulicht lediglich die Fl¨uchtigkeit des Besitzes. Verantwortlich f¨ur Gl¨uck und Ungl¨uck ist Gott allein, dem Dank geb¨uhrt. Irdischer Reichtum gef¨ahrdet das Seelenheil und die Armut wird als Weg zu Gott anempfohlen. ¨ Uberlieferung: Reval, Stadtarch., B. O. 10 (verschollen); R¨uckseite eines Briefentwurfs aus Reval (selbe Hand wie Brieftext) vom 13.5.1430. Ausgaben: Karl Koppmann: Luckerat. In: Zs. f¨ur dt. Kulturgesch. NF 2 (1873) S. 450 f. – Wilhelm Seelmann: Mnd. Fastnachtsspiele (Drucke des Ver. f¨ur Nd. Sprachforsch. 1). Norden 1885, S. 68 f. Literatur: J¨urgen Meier, VL2 3 (1981) Sp. 66 f.; 11 (2004) Sp. 543. – Wilhelm Scherer: Zur Gesch. des lat. Dramas im 16. und 17. Jh. In: Arch. f¨ur die Gesch. der dt. Sprache und Dichtung 1 (1874) S. 481–496, hier S. 494 f. – Seelmann (s. 749
1. H¨alfte 15. Jh. Ausg.) S. XLIV–XLVII. – Hartmut Beckers: ‹Verbleib unbekannt› – Verschollene Hss. mnd. Texte 2. Die Reval-Felliner Liederslg. und anderes aus dem Stadtarch. Reval. In: Korrespondenzbl. des Ver. f¨ur nd. Sprachforsch. 90 (1980) S. 41–45, hier S. 45. VZ Pfaffenfeind → Band 3, Sp. 604 f. Der ernsthafte Konig. ¨ – Erz¨ahllied, erste H¨alfte/ Mitte 15. Jh. Das formal anspruchslose Lied in → Regenbogens «Langem Ton» (1Regb/4/518a-d) bietet das verbreitete Exempel vom K¨onig, der nie lacht. Ist der K¨onig in fr¨uheren Bearbeitungen des Exempels zun¨achst namenlos – etwa beim → Stricker oder in Schachzabelb¨uchern (→ Konrad von Ammenhausen) – so tr¨agt er hier den Namen «Eckart (o. a¨.) von Frankreich» wie auch in einem sp¨ateren Meisterlied von Hans Sachs im → Stolle bzw. dem → Jungen Stolle zugeschriebenen «Hohen Ton» (2S/722). Die vermutlich fr¨uheste Parallele f¨ur die Namensform «K¨onig Eckhart» findet sich bei Hans → Rosenpl¨ut in dessen Lobgedicht Spruch von N¨urnberg (um 1447); eine historische Identifikationsfigur f¨ur diesen Eckhart gibt es nicht. Innerhalb der ma. Fassungen des Exempels vom e. K. ist weder eine lineare Stoffgeschichte feststellbar, noch lassen sich direkte Abh¨angigkeitsverh¨altnisse der verschiedenen ma. Bearbeitungen ermitteln. Der Stricker scheidet als direkte Quelle des Liedes in jedem Fall aus. Im 15. Jh. wird außer der Liedfassung noch eine Prosabearbeitung unikal u¨ berliefert, die gleichsam einen eigenst¨andigen Charakter hat. Im Exempel-Lied wird der erz¨ahlende Teil von einem allegorisierenden abgeschlossen. Die Figuren der Geschichte (der K¨onig, dessen Bruder und Gefolgsleute) werden zun¨achst eingef¨uhrt und charakterisiert, wobei der K¨onig als besonders «wise» dargestellt wird. Der weniger kluge Bruder fragt nach dem Grund von dessen Freudlosigkeit. Die Antwort des K¨onigs und der weitere Handlungsablauf sind gepr¨agt von gleichnishaften VanitasMotiven (Todestrompeten, Graben mit Kr¨oten und Schlangen, vier Speere, h¨angendes Schwert, Leichentuch) mit angeschlossener Motiv-Ausdeutung, so dass in Folge auch dem Bruder das Lachen vergeht. Der memento-mori-Schwerpunkt und vor allem die damit korrespondierende Motivh¨aufung 750
1. H¨alfte 15. Jh. sind stoffgeschichtlich sekund¨ar und eine besonderes Charakteristikum der Liedfassung. Das Leichentuch z. B. ist eine origin¨are Zugabe des meisterlichen Dichters. Im Lied des Hans Sachs (1536) l¨asst sich eine vergleichbare Motivdichte feststellen. Hier ist ein direkter Einfluss zumindest denkbar. ¨ Uberlieferung: Mu¨ nchen, BSB, Cgm 4997 (→ Kolmarer Liederhs. [k]) 354vb–356ra (Pap., um 1460, rheinfr¨ankisch). – Ebd., Cgm 1019 (Meisterliederhs. y) 19r–21v (Pap., um Mitte 15. Jh., nordbair. und ostfr¨ankisch). – Ebd., Cgm. 5198 (Meisterliederhs. w) 71r–72r (Pap., um 1500, s¨udbair.). – Heidelberg, UB, Cpg. 392 (Meisterliederhs. h) 46v–47r (Pap., um 1500, bair.-schw¨abisch). – w und h tradieren das Lied in seiner urspr¨unglichen dreistrophigen Gestalt, in k und y liegt ein um 2 Str. erweitertes Bar vor. In y ist die Position von Str. 3 und 4 vertauscht, was dem Erz¨ahlfluss zuwiderl¨auft und daher auf einem Irrtum beruhen d¨urfte. – Prosafassung des Exempels: Berlin, SBB, Mgf 863, 223va–224va (Pap., 1435/40, els¨assisch). Ausgabe: Wilhelm Wackernagel: Altdt. Lesebuch. Basel 51873, Sp. 1417–1419 (nach h). – Prosafassung: Franz Pfeiffer: Predigtm¨arlein, in: Germania 3 (1858) S. 407–444, hier S. 429 f. Literatur: Reinhold Schr¨oder, VL2 2 (1980) Sp. 621 f. – K. Fromann: Zur Erkl¨arung der Bildwerke am sog. sch¨onen Brunnen zu N¨urnberg. In: Anz. f¨ur Kunde der dt. Vorzeit NF 1 (1853/54) Sp. 140 f., 162–164. – Frederic C. Tubach: Index exemplorum. A Handbook of Medieval Religious Tales (Folklore Fellows Communications 204). Helsinki 1969, Nr. 4994. – Michael Baldzuhn: Vom Sangspruch zum Meisterlied. Unters. zu einem literarischen Traditionszusammenhang auf der Grundlage der Kolmarer Liederhs. (MTU 120). T¨ubingen 2002, S. 299. – Marianne Derron: Des Strickers ‹ernsthafter K¨onig›. Ein poetischer Lachtraktat des MA (Beitr. zur MA-forschung 19). Frankfurt/M. u. a. 2008, bes. S. 173–186. VZ Stocklin, ¨ Ulrich → Band 2, Sp. 1035–1037. Radeler («Radelere»). «Das parlas w¨unschte den Hussen Radelere» steht am Ende eines neunstrophigen Liedes, das wohl 1438 entstanden ist. Es ist aus einer nicht mehr zu identifizierenden Handschrift des 15. Jh. entnommen. R. kann vielleicht als Verfassername verstanden werden, unter dem hier ein historischpolitisches Ereignislied gedichtet wurde. Es handelt 751
Stocklin ¨ von der kriegerischen Auseinandersetzung zwischen K¨onig Albrecht II. († 1439) und Polen sowie hussitischen Aufst¨andischen um die Nachfolge Kaiser und K¨onig Sigmunds († 1437). Man kann das Lied in zwei Teilen betrachten. In Str. I–VI bedient sich der Autor der zeitgen¨ossischen Tiermetaphorik: Ein «edler sitich wolgestalt» entspricht Albrecht, der die Krone von einem «adeler», Sigismund, erh¨alt. Str. VII–IX entschl¨usseln die zahlreichen Tiersymbole von der Taube bis zum Raben, um die politikgeschichtliche Erz¨ahlung klar darzulegen. Solch ein stilistischer Erfindungsreichtum d¨urfte das Vergn¨ugen des Publikums deutlich gef¨ordert und somit die politischen Inhalte besser vermittelt haben. Ausgaben: Liliencron 1 (1865) S. 363–366 (Nr. 74). – Cramer 3 (1982) S. 136–138. – Gustav Adolph K¨ohler: Ein hist. Gedicht aus dem XV. Jh. In: Neues Lausitzisches Magazin 13 (1835) S. 311–315. Literatur: Cramer 3 (1982) S. 544 f. – Ulrich Mu¨ ller, VL2 7 (1989) Sp. 956–966. – Ders.: Unters. zur politischen Lyrik des dt. MA. (GAG 55/56). G¨oppingen 1974. – Karina Kellermann: Abschied ¨ vom ‹hist. Volkslied›. Stud. zu Funktion, Asthetik und Publizit¨at der Gattung hist.-politische Ereignisdichtung (Hermaea NF 90). T¨ubingen 2000. FA Der Schreiber im Garten. – Schwanklied. Diese Schwankballade (12. Str.) im Ton des → Lindenschmidt d¨urfte die a¨ lteste ihrer Gattung sein. Das vergleichsweise komplett u¨ berlieferte Lied (ein paar L¨ucken lassen sich aufgrund erz¨ahlerischer Unstimmigkeiten erahnen) stammt vermutlich aus der Region um den Bodensee. Es erz¨ahlt von einem Verh¨altnis zwischen einer Ehefrau und dem Schreiber (vgl. → Der Schreiber; Der Knecht im Garten von Hans → Rosenpl¨ut; vgl. auch Tournay [s. Lit.]). In D. S. i. G. «kam der her» unerwartet «umb mitte nacht» nach Hause und verlangt argw¨ohnisch nach dem Schreiber. Die Frau schickt ihren Mann in «frowen klaider» in den Rosengarten, wo der Schreiber angeblich auf ein Stelldichein warte. Dieser weiß nat¨urlich schon von dem Plan und versetzt seinem verkleideten Herren «ain backenschlag» f¨ur dessen Ann¨aherungsversuche, wodurch er dem Herrn seinen Anstand beweist. Meist geh¨ort zu den zentralen Aspekten dieser Texte, dass die beiden Liebhaber mit dem pl¨otzlichen Auftauchen 752
Das Totenamt des Ehemanns a¨ußerst geschickt umzugehen wissen; so auch bei D. S. i. G. Hier wird das Stelldichein nicht als geplantes Betrugsman¨over geschildert, vielmehr betont das Lied die kluge und rasche Reaktion der Frau, die eindeutig eine erotisch aktive Rolle u¨ bernimmt. Fraglos d¨urfte die Beliebtheit solcher Schwankm¨aren auch auf das Motiv des Mannes in Frauenkleidern zur¨uckzuf¨uhren sein; es findet sich in literarischer oder dramatischer Bearbeitung in mehreren Epochen. ¨ Uberlieferung: Karlsruhe, LB, Cod. St. Blasien 77, 312 r/v (Pap., 1439–42, das Lied ist das f¨unfte in einer Folge von insgesamt sechs Liedern). Ausgaben: Franz Josef Mone, in: Anz. f¨ur Kunde der dt. Vorzeit 4 (1835) Sp. 452 f.; 6 (1837) Sp. 365 und Tf. II, Nr. 5. – Franz Magnus B¨ohme: Altdt. Liederbuch. Leipzig 1877 (Nachdr. Hildesheim 1966) Nr. 71. – Ludwig Erk/Franz Magnus B¨ohme: Dt. Liederhort. Bd. 1. Leipzig 1893, Nr. 143. – Hugo Moser/Joseph Mu¨ ller-Blattau: Dt. Lieder des MA. Stuttgart 1968 S. 274 f., 348. – Roth (s. Lit.) S. 260 f. Literatur: Isolde Neugart, VL2 8 (1992) Sp. 850–852. – Rolf Wilhelm Brednich: Schwankballade. In: Hdb. des Volksliedes. Bd. 1. Hg. v. dems. u. a. M¨unchen 1973, S. 157–203. – Klaus Roth: Ehebruchschw¨anke. Eine Unters. zur dt.und englischsprachigen Schwankballade in Liedform. M¨unchen 1977, S. 30, 35 f. – Joachim Heinzle: Bocaccio und die Tradition der Novelle. In: Wolfram-Stud. 5 (1979) S. 41–62, hier S. 49 f. – Peter H¨ohler/Gerhard Stamm: Die Hss. von St. Blasien (Die Hss. der Badischen LB in Karlsruhe 12). Wiesbaden 1991, S. 55 f., 72. – Christoph Tournay: Die Krise der Allegorie in Heinrich Wittenwilers ‹Ring›. Diss. Berlin 1998, S. 72. – Sabine Wienker-Piepho: ‹Je gelehrter, desto verkehrter›? Volkskundlich-Kulturgeschichtliches zur Schriftbeherrschung. M¨unster 2000, S. 143–198. – Zur Melodie: Erk/B¨ohme (s. Ausg.) Bd.1, S. 474–476. – Hans Joachim Moser/Fred Quellmalz: Volkslieder des 15. Jh. aus St. Blasien. In: Volkskundliche Gaben. John Meier zum 70. Geburtstage dargebracht. Hg. v. Harry Schewe. Berlin 1934, S. 146–156, hier S. 152–154. FA Das Totenamt. – Zwei Balladen in unterschiedlichen Versionen und mit einer Kontrafaktur im Kreuzreim. Es finden sich zwei Balladen mit diesem Titel: Ein obd. Lied (A), ein ndl. Lied (B) sowie eine 753
1. H¨alfte 15. Jh. ¨ nd. Ubersetzung von Lied B. Eine genaue Datie¨ rung gestaltet sich schwer: Die a¨ lteste Uberlieferung stammt aus der ersten H¨alfte des 15. Jh.; diese Version k¨onnte aber noch weitere Vorg¨anger besitzen. Bei den zwei Liedern geht es im Wesentlichen um eine Frau, deren Liebhaber von einem Ritter erschlagen wird; sie erf¨ahrt u¨ berraschend von dem Ungl¨uck und muss den Toten anschließend ohne Hilfe begraben. Beide Varianten haben aufgrund ¨ der Uberlieferung auch mehrere L¨ucken gemeinsam, sodass offensichtliche logische Br¨uche innerhalb der Erz¨ahlung entstehen (es scheinen zudem Verse in der ndl. Version verschoben worden zu sein, vgl. Hirsch, S. 100). Die Unterschiede liegen sowohl bei der Strophenzahl (A: 10 Str., B: 14 Str.) als auch bei der Wortwahl: Beispielsweise wird A eine Jahresfrist eingef¨uhrt, bevor die Jungfrau ihren toten Liebhaber findet (in der a¨ lteren Forschung pl¨adierte man daf¨ur, statt ‹Jahr› ‹Tag› zu lesen, vgl. Meier/Dittmar [s. Ausg.] S. 156); außerdem liegt er tot auf einer Straße, w¨ahrend er sich in B unter einer Linde befindet (hier gibt es auch keine Zeitspanne, nach dem Dialog mit einem Ritter entdeckt sie ihren Geliebten unmittelbar). Wie das Verh¨altnis zwischen A und B zu deuten ist, bleibt weiterhin schwierig, u. a. weil mehrere Passagen zurechtgeschustert wirken. Mit einer dritten Melodie ist eine Kontrafaktur von Heinrich → Laufenberg u¨ berliefert, die wohl 1421 aufgezeichnet wurde. Auch wenn sie textlich besonders an A erinnert, weisen der Ton und die 10. Strophen auf eine bisher verlorene nd. Fassung hin, die auch die 11. Str. der ndl. Version besessen hat. Eine Urform m¨usste es gegeben haben. Wann bzw. in welcher Sprache sie verfasst wurde (ob etwa ndl. oder dt.) und welche uns vorliegende Fassung ihr am n¨achsten steht, l¨asst sich nicht mit Sicherheit feststellen. ¨ Uberlieferung: Karlsruhe, LB, Cod. St. Blasien 77, 311r/v (Pap., 1439–42, lat.-dt.). – Straßburg, StB, cod. B 121 4°, 128v (Pap., 1413–58; verbrannt). Ausgaben: Obd. Lied: Franz Joseph Mone. In: Anz. f¨ur Kunde der dt. Vorzeit 4 (1835) Sp. 455 f.; 6 (1837) Tf. 2, Nr. 6. – Franz Magnus B¨ohme: Altdt. Liederbuch. Leipzig 1877 (Nachdr. Hildesheim 1966) Nr. 18. – Ludwig Erk/Franz Magnus B¨ohme: Dt. Liederhort. Bd. 1. Leipzig 1893, Nr. 94a-c. – Dt. Volkslieder mit ihren Melodien. Bd. 3. Hg. v. John Meier/J¨urgen Dittmar u. a. Berlin 1939, S. 154–165. – Dt. Lieder des MA. Von Walther von der Vogelweide bis zum Lochamer Liederbuch. 754
1. H¨alfte 15. Jh. Texte und Melodien. Hg. v. Hugo Moser/Joseph Mu¨ ller-Blattau. Stuttgart 1968, S. 272 f., 347 f. – Ndl./nd. Text: Ludwig Uhland: Alte hoch- und niederdt. Volkslieder. Stuttgart 1844/45, Bd. 1.1, Nr. 95; Bd. 1.2, S. 1009. – August Heinrich Hoffmann von Fallersleben: Antwerpener Liederbuch vom Jahr 1544 (Horae Belgicae 11). Breslau 1855 (Nachdr. Amsterdam 1968) Nr. 73. – F. M. B¨ohme (s. o.) Nr. 16 und 17. – L. Erk/F. M. B¨ohme (s. o.) Nr. 94a f. – Dt. Volkslieder (s. o.) S. 154 f. – Alpers (s. Lit.) Nr. 11. – Kreuzgereimte Kontrafaktur: Philipp Wackernagel: Das dt. Kirchenlied von der a¨ltesten Zeit bis zu Anfang des XVII. Jh. Bd. 2. Leipzig 1867 (Nachdr. Hildesheim 1964) Nr. 709. – H. Moser/J. Mu¨ ller-Blattau (s. o.) S. 212, 341. – Zur ¨ Uberl. s. Burghart Wachinger: Notizen zu den Liedern Heinrich Laufenbergs. In: Medium Aevum dt. Beitr. zur dt. Lit. des hohen und sp¨aten MA. FS Kurt Ruh. T¨ubingen 1979, S. 349–385, hier S. 351–361, 380, 382. Literatur: Isolde Neugart, VL2 9 (1995) Sp. 984–986. – B¨ohme (s. Ausg.) S. 67–73. – Richard Eduard M¨uller: Heinrich Loufenberg, eine litterar-hist. Unters. Diss. Straßburg 1888, S. 59, 79, 85–87. – Erk/B¨ohme (s. Ausg.) Bd. 1, S. 336–341. – Johannes Koepp: Unters. u¨ ber das Antwerpener Liederbuch vom Jahre 1544. Diss. Hamburg 1927, S. 85–90. – Hans Joachim Moser/Fred Quellmalz: Volkslieder des 15. Jh. aus St. Blasien. In: Volkskundliche Gaben. John Meier zum 70. Geburtstage dargebracht. Hg. v. Harry Schewe. Berlin 1934, S. 146–156, hier S. 147–150. – John Meier: D. T. In: Jb. f¨ur Volksliedforschung 7 (1941) S. 11–31. – Dt. Volkslieder (s. Ausg.) Bd. 3, S. 154–165. – Paul Alpers: Alte ndt. Volkslieder mit ihren Weisen. Mu¨ nster 21960, S. 190 f. – Joseph M¨ullerBlattau: Das a¨ltere geistliche Volkslied. In: Hdb. des Volksliedes 2. Hg. v. Rolf Wilhelm Brednich/Lutz R¨ohrich u. a. Bd. 2. Mu¨ nchen 1975, S. 421–437, hier S. 428 f. – Selma Hirsch: Zur Urform der Ballade D. T. In: Das Volkslied im sp¨aten MA. Zwanzig sp¨atma. Balladen und Lieder. Hg. v. ders. Berlin 1978, S. 95–103. FA Frauenzucht → Band 3, Sp. 620 f. Hofer. – Verfasser eines historischen Lieds der zweiten H¨alfte des Jahres 1435. Ein sonst nicht bekannter H. verfasste ein 18strophiges Lied (→ Lindenschmidt-Ton) u¨ ber die 1435 erfolgte Belagerung Bambergs im Zuge des 755
Frauenzucht Machtkampfs zwischen Domkapitel, Bischof Anton von Rotenhan und Stadt Bamberg um den Status der umfangreichen Immunit¨aten des Domkapitels und der mit dem Domkapitel verbundenen Kollegiatstifte («Immunit¨atenstreit» im Zusammenhang mit dem Neubau der Stadtmauer nach dem Hussiteneinfall 1430). Er nennt sich «ein Hofere», einer «aus Hof», und bittet in der Schlussstrophe seines Liedes «umb ein gewand», was auf einen fahrenden Berufsdichter hinweist. ¨ Uberlieferung: Bamberg, Stadtarch., H V Rep. 2 Nr. 499/9 (Nro. 12), S. 1–3 (Abschrift in Bamberg, SB, J. H. Msc. Misc. 7/7). Ausgaben: Liliencron 1 (1865) S. 348–352 (Nr. 71). – Cramer 1 (1977) S. 320–322, 470 (Hans von Hof). – Ulrich M¨uller (Hg.): Politische Lyrik des dt. MA. Texte II (GAG 84). G¨oppingen 1974, 133–135 (Nr. LXXXIII). – Pf¨andtner (s. Lit.) ¨ S. 92–96, 96–98 (Ubersetzung), Faks.: Abb. 1–3 (nach S. 88). Literatur: Thomas Cramer, VL2 4 (1983) Sp. 81 f.; 11 (2004) Sp. 685. – M¨uller (s. Ausg.) S. 326. – Bernhard Pf¨andtner: Die Belagerung Bambergs im Jahre 1435. Ein zeitgen¨ossisches Gedicht, eingel. und komm. In: Hist. Verein f¨ur die Pflege der Gesch. des ehemaligen F¨urstbistums Bamberg. Ber. 118 (1982) S. 83–99. – Karin Dengler-Schreiber (Bearb.): Die Hss. des Hist. Vereins Bamberg in der Staatsbibl. Bamberg (Hist. Verein f¨ur die Pflege der Gesch. des Ehemaligen F¨urstbistums Bamberg. Beih. 18). Bamberg 1985, S. 118. BJ Weiglein, Peter. – Verfasser eines historischpolitischen Ereignisliedes, 15. Jh. In der Autorsignatur in der letzten Strophe seines Liedes bezeichnet sich W. als «beckenknechte» (B¨ackersknecht). Seine Dichtung schildert in 20 f¨unfzeiligen Strophen des → LindenschmidtTyps die Eroberung des Schlosses Ingolstadt bei W¨urzburg durch Truppen aus Rothenburg und verb¨undeter Reichsst¨adte am 23.10.1441 aus Perspektive der Rothenburger. Vom deren Auszug bis zur Niederbrennung des Schlosses werden die einzelnen Vorg¨ange szenisch unter Verwendung direkter Rede und mit zahlreichen Namensnennungen lebendig dargeboten. Das Lied endet mit einem ausdr¨ucklichen Lob der Rothenburger. Vermutlich ist es unmittelbar nach dem Ereignis entstanden, da die Hinrichtung Wilhelms von Elm/Ehenheim im November 1441 durch die Rothenburger keine 756
Zorn
1. H¨alfte 15. Jh.
Erw¨ahnung mehr findet. W. k¨onnte Teilnehmer des Eroberungszuges gewesen sein. ¨ Uberlieferung (innerhalb der Rothenburger Chron. Michael Eisenharts): M¨unchen, BSB, Cgm 7870, 15v (zweites Viertel 16. Jh., teilweise Autograph Eisenharts). – J¨ungere Hss.: Ebd., Cgm 4996, 75v–76v (16./17. Jh.). – Erlangen, UB, B 188, 118v (17. Jh.). – N¨urnberg, Staatsarch., Rep. 200 III (Reichsstadt Rothenburg) Akten und B¨ande, Nr. 70 fol., 95r–96v; 71 fol., 66v–67r. – Rothenburg ob der Tauber, Stadtarch., Hs. B. 20, 87v–89r; B 21 a, S. 92–94 und 21b, S. 105 f. (Abschrift v. B 20). Ausgaben: Liliencron 1 (1865) S. 374 f. (Nr. 77). – Cramer 3 (1982) S. 422–425. Literatur: Frieder Schanze, VL2 10 (1999) Sp. 788 f. – Heinrich Wilhelm Bensen: Gesch. des Bauernkrieges in Ostfranken aus den Quellen bearbeitet. Erlangen 1840, S. 571–573. – Harro Blezinger: Der Schw¨abische St¨adtebund in den Jahren ¨ 1438–1445. Mit einem Uberblick u¨ ber seine Entwicklung seit 1389 (Darstellungen aus der w¨urttembergischen Gesch. 39). Stuttgart 1954, S. 78 f., 150. – Ulrich Mu¨ ller: Unters. zur politischen Lyrik des dt. MA. (GAG 55/56). G¨oppingen 1974, S. 232. – Ludwig Schnurrer: Das Volkslied v. der Eroberung der Burg Ingelstadt (1414) durch die Rothenburger. In: Die Linde. Beilage zum Fr¨ankischen Anz. f¨ur Gesch. und Heimatkunde v. Rothenburg/Tbr. Stadt und Land 64 (1982) S. 58–61. VZ Piccolomini, Sp. 629–639.
Aeneas
Silvius
→ Band
3,
Brigitta. – Meistersingerin. B. ist nur im Dichterkatalog des Konrad → Nachtigall erw¨ahnt («Prigita sang dem Volke»). Obwohl dessen Katalog weitgehend mit Hans → Folz’ Katalog u¨ bereinstimmt und vielleicht auf eine gemeinsame Quelle zur¨uckgeht, wird B. weder bei Folz noch bei Valentin Voigt genannt. Ein ¨ Schreiber a¨nderte B.s Namen in Mgq 410 (s. Uberlieferung) f¨alschlich zu «Prediger» – m¨oglicherweise erschien die Existenz einer weiblichen Meistersingerin dem Redaktor als unwahrscheinlich. ¨ Uberlieferung: Erw¨ahnung B.s in: Berlin, SBB, Mgq 410, 301r. Ausgabe: Brunner 1989 (s. Lit.) S. 17. Literatur: Horst Brunner, VL2 1 (1978) Sp. 1036. – Ders.: Dichter ohne Werk. Zu einer u¨ berlieferungsbedingten Grenze ma. Literaturgesch. (mit einem Textanh.: Die Dichterkat. des 757
Konrad Nachtigall, des Valentin Voigt und des Hans ¨ Folz). In: Uberlieferungsgeschichtliche Editionen und Stud. zur dt. Lit. des MA. Kurt Ruh zum 75. Geburtstag. Hg. v. Konrad Kunze u. a. T¨ubingen 1989, S. 1–31 (wieder in: H. Brunner: Ann¨aherungen. Stud. zur dt. Lit. des MA und der Fr¨uhen Neuzeit. Berlin 2008, S. 291–303). MM Druckler. – Meistersinger. D. ist nur u¨ ber Erw¨ahnungen seines Namens in zwei Dichterkatalogen nachweisbar. Seine Werke sind nicht u¨ berliefert. D. ist zun¨achst im Dichterkatalog des Konrad → Nachtigall unter fr¨uhen dt. Meistersingern und Sangspruchdichtern genannt, fehlt allerdings im Katalog des Hans → Folz, der weitgehend mit Nachtigalls Namensliste u¨ bereinstimmt und vielleicht auf eine gemeinsame Quelle zur¨uckgeht. Um 1558 erscheint D. dann in einer Prosaversion von Nachtigalls Katalog des Magdeburger Meistersingers Valentin Voigt. ¨ Uberlieferung: Erw¨ahnung D.s in: Berlin, SBB, Mgq 410, 301v. – Vgl. auch RSM 1NachtK/5/26. Ausgaben: Dichterkataloge mit Erw¨ahnungen D.s: Cramer 2 (1979) S. 386. – Brunner 1989 (s. Lit.). Literatur: Horst Brunner, VL2 2 (1980) Sp. 237. – Ders.: Dichter ohne Werk. Zu einer u¨ berlieferungsbedingten Grenze ma. Literaturgesch. (mit einem Textanhang: Die Dichterkat. des Konrad Nachtigall, des Valentin Voigt und des Hans ¨ Folz). In: Uberlieferungsgeschichtliche Editionen und Stud. zur dt. Lit. des MA. Kurt Ruh zum 75. Geburtstag. Hg. v. Konrad Kunze u. a. T¨ubingen 1989, S. 1–31 (wieder in: H. Brunner: Ann¨aherungen. Stud. zur dt. Lit. des MA und der Fr¨uhen Neuzeit. Berlin 2008, S. 291–303). MM Es kommt ein schiff geladen → Band 2, Sp. 1053–1055. Zorn, Kunz. Hans → Folz lobt in einem Meisterlied einen verstorbenen K. Z. als bekannten N¨urnberger Dichter (RSM: 1Folz/9). Tats¨achlich d¨urfte allerdings der gut bezeugte Meisters¨anger Fritz → Zorn gemeint sein. Der Fehler wird dadurch plausibel, dass nach K. Z. in Folzens Lied Kunz → Schneider genannt wird, dessen Vorname irrtu¨ mlich hier (vom Schreiber [?]) vorweggenommen worden sein d¨urfte. Literatur: Frieder Schanze, VL2 10 (1999) Sp. 1589. – Abdruck des Liedes bei: August Liebmann Mayer (Hg.): Hans Folz. Die Meisterlieder. 758
1. H¨alfte 15. Jh. Aus der M¨unchener Originalhs. und der Weimarer Hs, Q. 566. Mit Erg. aus anderen Quellen (DTM 12). Berlin 1908 (Nachdr. Z¨urich 1970) Nr. 9. VZ Dangkrotzheim, Konrad, * um 1372, † 4.3. 1444. – Verfasser von Meisterliedern und Reimpaargedichten. D. stammte aus einem els¨assischen Rittergeschlecht. Sein Familienname verweist auf Dan¨ golsheim/Molsheim. Uber D.s Erziehung ist nichts bekannt, allerdings verr¨at sein Werk Lateinkenntnisse, die er bei den o¨ rtlichen Minoriten erworben haben k¨onnte. D. lebte in Hagenau/Elsass, wo sein Vater seit 1369 Schultheiß war. D. selbst wurde 1402 zum Sch¨offen gew¨ahlt und war daneben wahrscheinlich Schulherr, jedoch nicht Lehrer, wie fr¨uher f¨alschlich angenommen. Danach ist D. bis 1442 als Unterzeichner von Urkunden nachweisbar. Sein Tod ist im Hagenauer Statutenbuch 1444 erw¨ahnt. D. unterhielt m¨oglicherweise Beziehungen zu → Muskatblut und dessen zeitweiser Wirkungsst¨atte Mainz: So verwendet D. in seinen Liedern auff¨allig fr¨uh den Neuen Ton Muskatbluts; auch sind D.s Lieder in der → Kolmarer Liederhandschrift enthalten, die vielleicht in Mainz entstand. D. k¨onnte Muskatblut etwa bei einer Dienstreise zum Mainzer Erzbischof im Auftrag des Hagenauer Rats begegnet sein. Von D. sind zwei Reimpaargedichte und zwei Meisterlieder erhalten, die ihm durch Eigennennungen in den jeweiligen Texten zugeordnet werden k¨onnen. Das Reimpaargedicht Hausrat (1431) ist nur als Druck von 1531 u¨ berliefert. D. schrieb die 536 Verse f¨ur einen Verwandten, der heiraten wollte. Das Werk ist als Neujahrsgruß an die Brautleute gestaltet und besteht u¨ berwiegend aus einer Aufz¨ahlung von Haushaltsgegenst¨anden, die D. als grundlegend f¨ur einen patrizischen Haushalt empfindet, darunter B¨ucher, Brillen, Schreibzeug, Kleidung, Haushaltsger¨ate, Waffen, Musikinstrumente und Haustiere. Der Hausrat enth¨alt abschließend auch Ratschl¨age f¨ur die Kinderpflege, die aber wahrscheinlich erst nachtr¨aglich im Druck eingef¨ugt wurden. D.s zweites Reimpaargedicht, Heiliges Namenbuch (1435), umfasst 556 Verse und ist in Drucken des 16. Jh. u¨ berliefert. Eine Handschrift des Werks ist verbrannt, eine andere nur als Fragment erhalten. Das Namenbuch stellt die Heiligen der zw¨olf Monate des Jahres mit den ihnen zugeordneten 759
Dangkrotzheim Festen dar. Die von D. gew¨ahlten Heiligen sind u¨ berwiegend els¨assisch; unter ihnen sind etwa die Straßburger Heiligen Adolf, Arbogast, Aurelia und Florenz. Der Text enth¨alt zahlreiche Bauernregeln, Wetterbeobachtungen und praktische Ratschl¨age f¨ur ein gesundes Leben, aber auch Ermahnungen moralischer Art (Kinder sollen ihre Eltern ehren usw.). Interessant ist auch eine ausf¨uhrliche Aufz¨ahlung von Speisen und Getr¨anken, die am h¨auslichen Tisch verzehrt werden. Hier weist das Namenbuch deutliche Parallelen zum Hausrat auf. Nur war das Namebuch nicht f¨ur Brautleute gedacht, sondern f¨ur Kinder. Umstritten ist in der Forschung bis heute, ob das Werk zur CisiojanusGattung zu z¨ahlen ist. D.s ebenfalls durch Eigennennungen zuschreibbare Meisterlieder sind in der Kolmarer Liederhandschrift u¨ berliefert. Dang hab der anbegynne umfasst 13 Strophen zu je 24 Zeilen in Muskatbluts Fr¨ohlichem Ton (auch Neuer Ton). Der Text enth¨alt eine kleine Weltgeschichte ab der der Genesis und endet mit einem Marienlob und der Anrufung von Rhetorik, Musik und Theologie. Von D.s Gelehrtheit zeugen die zahlreichen lat. Begriffe und Wendungen im Text ebenso wie seine kenntnisreichen Verweise auf Platon, Aristoteles und Epikur. Auch in der Wiltener Meisterliederhandschrift u¨ berliefert ist D.s zweites Lied, Nym war du vangelernte frau und auch du man. Die 15 Strophen zu je 18 Zeilen sind im Langen Ton des → Heinrich von M¨ugeln (auch Hofton → Boppes) geschrieben und enthalten eine Darstellung und Erl¨auterung der Messordnung. Auch in dieses Lied hat D. lat. Begriffe eingeflochten, die allerdings in dt. Sprache erkl¨art werden. D. selbst erw¨ahnt in seinem Text, das Lied f¨ur Laien geschrieben zu haben. Heute wird D. in erster Linie als Verfasser des Namenbuchs Bedeutung zugesprochen. Der Text gilt als fr¨uhestes Beispiel eines didaktisch orientierten dt. Kinderbuchs. ¨ Uberlieferung: 1. Namenbuch: Darmstadt, ULB, Hs. 3247, 2 Bll. (Pap., 15. Jh., els¨assisch). – Straßburg, StB, cod. B 142, 1r–11v (Pap., nach 1435; verbrannt). – 2. Meisterlieder: M¨unchen, BSB, Cgm 4997, 74ra–76ra, 606ra–608va (Pap., um 1460). – Ebd., Cgm 5198, 19r–22r (Pap., um 1500, bair.-¨osterr.). Drucke: Das heilgen Nambuch. Das heilgen nambuch, dut nennen mich min diechter Dangkrotzheim sinnrich Ordenung der heiligen, vnd deßglich monat deß jors, zeug ich vnstrofflich. Den 760
Oswald von Wolkenstein jungen zu bericht ser troestlich befindet myn leser eygentlich. Basel: Pamphilius Gengenbach, [1513?] (auch Straßburg 1530). – Ein sch¨ones B¨uchlin darinnen allerly haus rat zu halten n¨otig kurtzlich begriffen wurt. [Hagenau:] Hans Setzer, 1531. Ausgaben: 1. Namenbuch: Das heilige Namenbuch. Verbunden mit einer Unters. u¨ ber die CisioJani. Hg. v. Karl Pickel. Straßburg 1878. – Alte Gesellschaft kommt heute herbei im Gefolge vom heiligen Namenbuch des K. D. Hg. v. Adolfine von Reichlin-Meldegg. Mu¨ nchen [um 1890] (nhd. Ausg.). – 2. Meisterlieder: Paul Runge: Die Sangesweisen der Colmarer Hs. und die Liederhs. Donaueschingen. Leipzig 1896 (Hildesheim 1965) S. 65 f. – Genseke 1955 (s. Lit.) S. 80–92, 99–113. – Cramer 1 (1977) S. 122–151, 441–443. – Rosenfeld 1984 (s. Lit.) S. 214–216 (Teilausg. v. «Nym war du [...]»). – Vgl. auch die Ausg. der Kolmarer Liederhandschrift und der Wiltener Meisterliederhandschrift. Literatur: Jakob Franck, ADB 4 (1876) S. 737–739. – Ehrismann 2,2,2 (1935) S. 651. – Hellmut Rosenfeld, NDB 3 (1957) S. 509. – Ders., VL2 2 (1980) Sp. 39–42. – RSM 3 (1986) S. 258 f. – De Boor/Newald 4/1 (21994) S. 354. – Horst Brunner, Killy2 2 (2008) S. 550. – Rudolf Genseke: Die Kolmarer Hs. und ihre Bedeutung f¨ur den dt. Meistergesang. Diss. Tu¨ bingen 1955, S. 78–117. – H. Rosenfeld: Kalender, Einblattkalender, Bauernkalender und Bauernpraktik. In: Bayerisches Jb. f¨ur Volkskunde 1962 (1962) S. 7–24. – Josef Benzing: Bibliographie haguenovienne. Baden-Baden 1973, Nr. 155. – Eva Kiepe-Willms: Die Spruchdichtungen Muskatbluts. Vorstud. zu einer krit. Ausg. (MTU 58). Mu¨ nchen u. a. 1976, S. 23, 56 f. – Heinz Wegehaupt: Stud. zur Gesch. der dt. Kinderund Jugendlit. 1. Vorstufen und Vorl¨aufer der dt. Kinder- und Jugendlit. bis in die Mitte des 18. Jh. Berlin 1977, S. 83 f. – H. Rosenfeld: Der Hagenauer Dichter K. D. (1372–1444) in neuer Sicht. Ein adliger Sch¨offe als Volksdichter und Meistersinger. In: Recherches Germaniques 8 (1978) S. 129–142. – Ders.: Beobachtungen zur Meistersangforschung. Vom fahrenden zum seßhaften S¨anger. In: Lyrik des ausgehenden 14. und des 15. Jh. Hg. v. Franz Spechtler. Amsterdam 1984, S. 207–229. – Erika Timm: Frau Holle, Frau Percht und verwandte Gestalten, 160 Jahre nach Jacob Grimm aus germanistischer Sicht betrachtet. Stuttgart 2003, S. 86 f. – Kurt Franz: K. D. In: Kinderund Jugendlit. 1. Ein Lex. Hg. v. dems. u. a. Meitingen 2003, S. 1–24 (Losebl.-Slg.). MM 761
1. H¨alfte 15. Jh. Oswald von Wolkenstein, * 1376/77 S¨udtirol, † 2.8.1445 Meran. – Liederdichter. O. ist einer der bedeutendsten dt. Lyriker des sp¨aten MA. Er ist in rund 1000 Urkunden historisch bezeugt; viele seiner Lieder enthalten «autobiographische» Mitteilungen. O. wurde als zweiter Sohn des Landadligen Friedrich von Wolkenstein und seiner Ehefrau Katharina von VilandersTrostburg geboren, vermutlich auf der «vest Trostperg» im Eisacktal (eventuell auf Burg Sch¨oneck/ Pustertal). Sein Vater war seit 1387 auch Pfandinhaber der landesf¨urstlichen Pfandherrschaft, des Landgerichts Kastelruth. O. soll um 1388 das Elternhaus verlassen und zahlreiche Reisen unternommen haben. Seine Ausbildung zum Knappen im Dienste eines Ritters und die Teilnahme am Italienfeldzug K¨onig Ruprechts von der Pfalz und dessen Nachfolger K¨onig Sigmund lassen sich nur aus seinen Liedern erschließen. 1399 und 1402 nahm er mutmaßlich an «Preußenfahrten» (Feldz¨ugen ins litauische Gebiet) teil. Aus dem Todesjahr des Vaters (1400) stammt die erste u¨ berlieferte urkundliche Erw¨ahnung. 1403 ist O. als «Gotteshausmann» im Dienst des Brixener Bischofs Ulrich I. bezeugt. 1404 wurde er nach dem Versuch, zusammen mit seinem j¨ungeren Bruder der Frau des a¨ ltesten Bruders Michael, der das Erbe ungeteilt verwaltete, Kleinodien zu rauben und sie u¨ berdies als Ehebrecherin zu verleumden, von Michael schwer verletzt (Kl 23 II). Erst 1407 kam es zur Verm¨ogensaufteilung; O. erhielt ein Drittel des Hauensteiner Besitzes und geriet damit in einen erst 1427 beendeten Erbschaftsstreit mit dem Ritter Martin J¨ager von Tisens. 1408 stiftete O. den «Gedenkstein» f¨ur die St. Oswald-Kapelle im Brixener Dom. In den Besitzstreit mit Martin J¨ager von Tisens war auch Anna Hausmann (1409 urkundlich erw¨ahnt), Tochter eines bisch¨oflichen Schulmeisters und zeitweiligen B¨urgermeisters in Brixen, verwickelt; sie ist wahrscheinlich in zahlreichen Liedern als «buel» erw¨ahnt. Um 1410 soll O. eine Pilgerreise nach Pal¨astina unternommen haben (Kl 17, 35 I). Der 1410 mit Bischof Ulrich I. von Brixen abgeschlossene Dienstvertrag wurde sp¨ater auf f¨unf Jahre befristet. 1411 fand die Einpfr¨undung O.s – zusammen mit zwei Knechten – in das Augustiner-Chorherrenstift Neustift bei Brixen statt. Als Vertrauter K¨onig Sigmunds, den er als Verbindungsmann zum Tiroler Adel im Kampf gegen ¨ Herzog Friedrich IV. von Osterreich unterst¨utzte, 762
1. H¨alfte 15. Jh. erscheint O. 1415 auf dem Konstanzer Konzil. Wie den Liedern zu entnehmen ist, reiste er in diplomatischem Auftrag nach England, Schottland, Portugal, Aragon und S¨ud-Frankreich, wo er in Perpignan wieder mit Sigmund zusammentraf. In Avignon soll er mit dem Aragonesischen Kannenbzw. Greifenorden, in Paris von der franz¨osischen K¨onigin ausgezeichnet worden sein. 1416 wurde O. (aus Paris) von Sigmund nach Tirol zur¨uckbeordert. Wahrscheinlich 1417 heiratete er Margarete von Schwangau, die «Gret» vieler seiner Lieder. Im Mai 1418 kam es unter der Voraussetzung einer Amnestie von Tiroler Adligen (darunter O.) zur Auss¨ohnung zwischen Sigmund und Friedrich IV. 1419 reiste O. zu K¨onig Sigmund nach Preßburg und nahm im folgenden Jahr an K¨ampfen gegen die Hussiten teil; 1421 ist er als Hauptmann auf der G¨orzer Burg Neuhaus erw¨ahnt. Im Verlauf des Erbschaftsstreits wurde O. im Herbst desselben Jahr durch Martin J¨ager gefangengesetzt. Im Dezember u¨ bernahm Friedrich IV. den Gefangenen, der ihn erst 1422 gegen u¨ berh¨ohte B¨urgschaftsleistung vor¨ubergehend freiließ. O. floh auf die G¨orzer Burg Neuhaus und suchte vergeblich Unterst¨utzung bei K¨onig Sigmund in Preßburg. Als er 1427 einer Einladung Friedrichs zum Landtag und Hofgerichtstag nach Bozen nicht nachkam, wurde O. auf Burg Vellenberg bei Innsbruck gefangengesetzt. Am 1. Mai musste er sich dem Herzog bedingungslos unterwerfen. Am selben Tag wurde auch der Streit um Hauenstein beendet. Im Winter 1427/28 wurde O. vermutlich in den Bund der westw¨alischen Freisch¨offen (der Femegerichte) aufgenommen, war aber in einem Rechtsstreit mit einem Vetter erfolglos. 1429 war O. einer der Anf¨uhrer aufseiten des Domkapitels und Hochstifts von Brixen bei der Gefangennahme des Brixener Bischofs Ulrich II. Putsch. Im Septemebr 1430 nahm er im Gefolge K¨onig Sigmunds an der «Versammlung», im Fr¨uhjahr 1431 am Reichstag in N¨urnberg teil. Wohl zu dieser Zeit erfolgte die Aufnahme in den Drachenorden. O. wurde ‹K¨oniglicher Rat› K¨onig Sigmund, dann dessen Sonderbeauftragter in Italien und am Basler Konzil (1432). Nach der Teilnahme am Ulmer Reichstag 1434 konzentrierte er sich auf die Verwaltung seiner Besitzungen und war als juristischer Fachmann t¨atig. Nach dem Tod seines Bruders Michael (1443) wurde O. Familienoberhaupt und Lehenstr¨ager. Seit demselben Jahr setzte er sich f¨ur die Entlassung des jungen Herzog Sigmunds aus der Vormundschaft K¨onig Friedrichs III. 763
Oswald von Wolkenstein ein. Trotz Verschlechterung seines Gesundheitszustandes nahm O. am Landtag zu Meran teil (seit Mitte Mai 1445), wo er Anfang August starb. Sein Leichnam wurde nach Neustift u¨ berf¨uhrt und in der dortigen Stiftskirche beigesetzt. O. ist neben → Hugo von Montfort der fr¨uheste deutschsprachige Dichter, der sich um die Aufzeichnung seines Werkes in Sammlungen bem¨uhte. Die repr¨asentativen Pergamenthandschriften (A, B) wurden in seinem Auftrag geschrieben; die genauen Entstehungsumst¨ande sind nicht bekannt. A und B verzeichnen auch die Melodien – im Unterschied zu c, die kurz nach O.s Tod in Auftrag gegeben wurde. A enth¨alt ein Vollbild O.s, B ein Portr¨at. Die Streu¨uberlieferung ist nicht sehr umfangreich. Von O sind 130 Lieder und zwei Reimpaargedichte (Kl 67 und – nicht in A enthalten – Kl 112) u¨ berliefert. O.s stattliches Œuvre, in dem Melodie, Strophenbau, Sprachgef¨uge, Motivzusammenhang und Gehalt noch eng aneinander gebunden sind, zeichnet sich durch eine Vielfalt der Formen und Themen aus. F¨ur sein Liedœuvre griff O. auf viele tradionelle lyrische Formen und Inhalte zur¨uck – es finden sich Anspielungen u. a. auf → Neidhart, → Tannh¨auser, → Frauenlob, → Peter von Arberg und den → M¨onch von Salzburg –, er bediente sich aber auch neuer Muster und Liedtypen, u. a. aus der Romania. Nach dem M¨onch von Salzburg ist O. einer der fr¨uhesten Vertreter, von dem polyphone Lieds¨atze – zwei-, drei- und (in wenigen F¨allen) vierstimmig – u¨ berliefert sind. I. Pelnar (s. Ausg.), die 39 mehrstimmige Lieder in 37 S¨atzen z¨ahlt, unterscheidet zwischen «bodenst¨andigen Tenorliedern» (Kl. 37/38, 51, 84, 91; 68, 75–77, 79), «Kanons und Tenorlieder (Kl. 64, 70–72, 121; 93, 94; 78, 101, 43), die Merkmale genuiner Mehrstimmigkeit aufweisen» und Lieder, «die unter dem Einfluß westlicher Mehrstimmigkeit stehen» (Kontrafakturen; Kl. 46–50, 52–54, 56, 65/66, 88, 96, 103, 107–109, 120). F¨ur mindestens 16 mehrstimmige Lieder sind Vorlagen (vgl. Ars Nova, vor allem Balladen, Rondeaus und Virelais) nachgewiesen (vgl. M¨uck/Ganser 1984, S. 144 f.); f¨ur wenigstens ein einstimmes Lied (Kl. 100) gelang dies ebenfalls (vgl. B¨ohm 2001/2002). Die meisten Melodien der einstimmigen Lieder (darunter 16 Refrainlieder, vor allem Liebeslieder), von denen nur 11 nicht stollig gebaut sind, stammen vermutlich von O. selbst. Einige wenige T¨one werden mehrfach verwendet. 764
Oswald von Wolkenstein Die Melodien weisen eine große Vielfalt auf; auf den Leich allerdings hat O. verzichtet. O. dichtete – die Sprache poetisch-artistisch behandelnd – im Wesentlichen in der gehobenen bairisch-¨osterreichischen Sprache, ließ jedoch auch (derb-)mundartliche Formen und W¨orter einfließen. So wie er gerne fremdsprachliche Ausdr¨ucke einbrachte (unter Vernachl¨assigung des Lateinischen), hat er zwei Lieder (Kl. 90 und 96) ganz in fl¨amischer bzw. pseudo-fl¨amischer Sprache gedichtet. Zu den h¨aufig verwendeten Formen z¨ahlen asyndetische Reihungen zur Erzeugung bestimmter Klangeindr¨ucke, darunter Namenkataloge von fremden St¨adten und L¨andern in 17 Liedern. Um Klangassoziationen ging es O. auch beim Einsatz von Lautmalereien (z. B. Kl. 50) und Wortneubildungen (z. B. Kl. 82,22 ff.). Mit Vorliebe werden Schlagreime und Reimh¨aufungen verwendet, Strophenschl¨usse mittels Kornreim verschr¨ankt. So wie O. auf fast alle Formen und Inhalte traditioneller Lyrik zur¨uckgreift, so ist er innerhalb der einzelnen Typen auf ein breites Variationsspektrum bedacht. Mit dramatischer Bewegtheit, individuellem Naturgef¨uhl, «realistischem» und erlebnishaft-subjektivem Grundton modifiziert er die u¨ berkommenen Formen und gibt in der autobiographisch gepr¨agten Dichtung seinem abenteuerliches Leben Ausdruck. Folgende Liedtypen, die O. h¨aufig auch mischte, lassen sich unterscheiden (vgl. Spicker 2007): 1. K¨orperbeschreibungslieder: Kl 45, 58, 61, 63, 87, 110, 120. 2. Trinklieder: Kl 54, 70, 72, 84. 3. Pastourellen: Kl 76, 83. 4. Sprachmischungslieder: Kl 69, 119. 5. Cisioiani: Kl 28; als gesprochener Reimpaartext: Kl 67. 6. Tagelieder: Kl 16, 17, 20, 33, 34, 40, 48, 49, 53, 62, 101, 107, 121, eventuell 118. Zu den geistlichen Tageliedern z¨ahlen Kl 34 (Marienlied), 40, 118 (geistliches Wecklied). 7. Geistliche Lieder: Mehr als 32 Lieder, darunter Kl 14, 15, 35, 39, 40, 111. Zu dieser Gruppe von Liedern z¨ahlen auch die Marienlieder (u. a. die Tagelieder Kl 34 und 40, ferner Kl 109, 114, 130 und Lieder, die mit Motive der Liebeslyrik enthalten: Kl 12, 13, 36, 38, 78) und die erbaulich-didaktischen Reflexionslieder (Kl 1–11). 8. Episodenlieder: Kl 18, 19, 26, 41, 44, 45, 98, 103, 123. 765
1. H¨alfte 15. Jh. 9. Politische Lieder: Kl 85 (‹Greifensteinlied›), 86. 10. Liebeslieder in der Tradition der ‹Hohen Minne›: Kl 46, 51, 68. 11. Fr¨uhlingsliebeslieder: Kl 21, 37, 42, 47, 75. 12. Liebesdialoge: Kl 43, 56, 61, 64, 73, 77, 79, 82, 92, 131. In ihrer Zeit hatten die Lieder O.s keine große Breitenwirkung. Nach seiner allm¨ahlichen (wissenschaftlichen) Wiederentdeckung im 19. Jh. (Ausgabe der Lieder von Weber 1847) setzte erst mit der kritischen Ausgabe durch Karl Kurt Klein 1962 eine intensive Besch¨aftigung mit O. und seinem ¨ Werk ein. Ubersetzungen, Einspielungen (LP und CD), Sendungen in Funk und Fernsehen sowie die erfolgreiche Biographie Dieter K¨uhns (Ich Wolkenstein, 1977, zahlreiche, auch u¨ berarbeitete Neuauflagen) trugen zum Bekanntheitsgrad des Dichters bei. Zur neueren k¨unstlerischen Rezeption geh¨oren die beiden Wolkenstein-Opern von Cesar Bresgen (Der Wolkensteiner, 1952; Neufassung u. d. T. Visio Amantis. Der Wolkensteiner, 1962) und Wilfried Hiller/Felix Mitterer (Wolkenstein. Eine Lebensballade, 2004). Im Bereich der bildenden Kunst beeinflusste O. u. a. die Graphiker Peter Malutzki, Klaus-Peter Sch¨affel und Markus Vallazza. Neben Romanautoren wie Hubert Mumelter (Zwei ohne Gnade, 1931, zuletzt 1976) und Anita Pichler (Wie die Monate das Jahr, 1989) ließen sich viele Lyriker von O. faszinieren, darunter Paul Wiens, G¨unter Eich, H. C. Artmann, Norbert C. Kaser und Thomas Kling (wolkenstein. mobilisierun’. Mit Linolschnitten von Ute Langanky, 1997), der sich mit dem «Sprachweltreisenden» O. (Kl 44) auch in dem Band Botenstoffe besch¨aftigt. Vgl. auch den einleitenden Essay von F.-J. Holznagel, Sp. 46–49. ¨ ¨ Uberlieferung: A: Wien, ONB, Cod. 2777, 61 Bll. in 7 Lagen (Perg.): 108 Lieder, mit Noten, sieben bis acht/neun Schreiber, Grundstock von 42 Liedern (vgl. Register Bl. 38r), in mehreren Sch¨uben erweitert, Nachtr¨age bis um oder nach 1436; auf der Innenseite des Vorderdeckels ein Vollbildnis O.s mit einem Blatt (mit Text und Noten des Eingangslieds der Hs.) in der erhobenen Hand, Greifenorden und Wappen. – B: Innsbruck, ULB, ohne Sign., 48 Bll. in 6 Lagen (Perg.): 117 Lieder und 1 Reimpaarspruch (Kl 112), mit Noten; eingebunden sind zwei Vorsetzbll. – auf dem einen ein Brustbild O.s mit Insignien des Greifen- und des Drachenordens, auf dem anderen ein Liedregister. 766
1. H¨alfte 15. Jh. Das auf Bl. 35rv fast restlos getilgte Lied hat laut Register den Titel Ain kluegen abt. Grundbestand (Kl 1–107) von einem Schreiber (= Hand h bzw. Schreiber 7 der Hs. A) datiert 1432; die Nachtr¨age beginnen mit Kl 108, ab Kl 109 b von einem (?) anderen Schreiber. – c: Innsbruck, Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum, FB 1950, 115 Bll. (Pap.); Liedtexte (116, ohne Noten) bis Bl. 100, auf Bl. 115rv der zweite Teil eines Inhaltsverzeichnisses, ein Schreiber um 1450/53; Bl. 103r–104r Eintrag von Sigmund von Wolkenstein-Trostburg (geb. 1514). Die Texte sind wie in B angeordnet, mit zwei Auslassungen (Kl. 108 und 109) und zwei Umordnungen (Kl 114 folgt auf Kl 111; Kl 112 steht ganz am Ende). – Nur wenige der in A, B. und c enthaltenen Lieder und Reimpaargedichte sind auch anderweitig u¨ berliefert, zum Teil in stark abweichenden Fassungen. Zudem werden O. nur wenige Lieder in anderen Handschriften zugeschrieben, die in A, B und c fehlen. – Vgl. Burghart Wachinger, VL2, Sp. 142–145; Hans Moser: Die ¨ Uberlieferung der Werke O.s v. W. In: Mu¨ ller/ Springeth, 2011, S. 28–40. ¨ Faksimiles: O. v. W. Abb. zur Uberl. I: Die Innsbrucker W.-Hs. B. Hg. v. Hans Moser/Ulrich M¨uller (Litterae 12). G¨oppingen 1972. – O. ¨ v. W. Abb. zur Uberl. II: Die Innsbrucker W.Hs. c. Hg. v. H. Moser/U. Mu¨ ller/Franz Viktor Spechtler. Mit einem Anhang zum ‹Wolfenb¨utteler Portr¨at› und zur Todesnachricht O.s v. HansDieter M¨uck (Litterae 16). G¨oppingen 1973. – O. v. W. Hs. A. In Abb. hg. v. U. M¨uller/F. V. Spechtler. Privatdruck. Stuttgart 1974. – Die Neustifter-Innsbrucker Spielhs. von 1391 (Cod. 960 der Universit¨atbibl. Innsbruck). In Abb. hg. v. Eugen Thurnher/Walter Neuhauser (Litterae 40). G¨oppingen 1975. – O. v. W. Hs. A. Vollst¨andige Faks.-Ausg. im Originalformat des Codex Vin¨ dobonensis 2777 der Osterr. Nationalbibl. Komm. v. Francesco Delbono (Codices selecti LIX). Graz ¨ 1977. – O. v. W. Abb. zur Uberl. IV: Die Streu¨uberl. Hg. v. H.-D. Mu¨ ck (Litterae 36). G¨oppingen 1977. – O. v. W. Liederhs. B. FarbmikroficheEdition der Hs. Innsbruck, Universit¨atsbibl., o. Sign. Einf. und kodikologische Beschreibung v. W. Neuhauser (Codices illuminati medii aevi 8). Mu¨ nchen 1987. – Digitalisat Hs. B: Internet: www.literature.at (m¨aßige Qualit¨at). Ausgaben: Geistliche und weltliche Lieder. Einund mehrstimmig. Bearb. v. Josef Schatz (Text) und Oswald Koller (Musik). Wien 1902. Nachdr. Graz 767
Oswald von Wolkenstein 1959. – Die Gedichte O.s v. W. Hg. v. J. Schatz. 2., verb. Ausg. des in den Publikationen der Ges. zur ¨ Herausgabe der Denkm¨aler der Tonkunst in Osterreich ver¨offentlichten Textes. G¨ottingen 1904. – Die Lieder O.s v. W. Unter Mitwirkung v. Walter Weiß und Notburga Wolf hg. v. Karl Kurt Klein. Musikanhang v. Walter Salmen. T¨ubingen 1962. 3., neubearb. und erw. Aufl. v. Hans Moser/ Norbert Richard Wolf/N. Wolf (ATB 55). T¨ubingen 1987. – O. v. W. Eine Auswahl aus seinen Liedern. Hg., u¨ bers. und erl. v. Burghart Wachinger. Ebenhausen 1964. – Die Lieder mhd.dt. In Text und Melodien neu u¨ bertragen und komm. v. Klaus J. Sch¨onmetzler. M¨unchen 1979. – ¨ H.-D. Mu¨ ck: Unters. zur Uberl. und Rezeption sp¨atma. Lieder und Spruchgedichte im 15. und 16. Jh.: Die ‹Streu¨uberlieferung› von Liedern und Reimpaarrede O.s v. W. Bd. 2: Synoptische Edition. G¨oppingen 1980 (dazu Bd. 1: Untersuchungen, 1980). – Ivana Pelnar (Hg.): Die mehrstimmigen Lieder O.s v. W. Edition. Tutzing 1981 (dazu Textbd., 1981). – Die Lebenszeugnisse O.s v. W. Edition und Komm. Hg. v. Anton Schwob. Wien u. a. Bd. 1: 1382–1419, Nr. 1–92. Mitarbeit: Karin Kranich-Hofbauer, Ute Monika Schwob und Brigitte Spreitzer. 1999; Bd. 2: 1420–1428, Nr. 93–177. Mitarbeit [wie Bd. 1]. 2001; Bd. 3: 1428–1437, Nr. 178–276; Mitarbeit: K. KranichHofbauer und B. Spreitzer. Komm.: U. M. Schwob. 2004; Bd. 4: 1438–1442, Nr. 177–386. Hg. v. A. Schwob/U. M. Schwob. 2011. Bd. 5: In Vorbereitung. – Elke Maria Loenertz: Text und Musik bei O. v. W. Edition und Interpretation der 40 einstimmigen, einfach textierten Lieder in Fassung der Hs. B. Frankfurt/M. u. a. 2003. – Tagelieder des dt. MA. Mhd./Nhd. Ausgew¨ahlt, u¨ bers. und komm. v. Martina Backes (RUB 8831). Stuttgart 2003, S. 208–229 (Nr. XXXVII–XLII), 288–299. – Andr´e Schnyder: Das geistliche Taglied des sp¨aten MA und der fr¨uhen Neuzeit. Textsammlung, Komm. und Umrisse einer Gattungsgesch. T¨ubingen/Basel 2004, S. 30 f., 131 f. ¨ Ubersetzungen: S¨amtliche Lieder und Gedichte. Ins Neuhochdeutsche u¨ bers. v. Wernfried Hofmeister. G¨oppingen 1989. – S¨amtliche Gedichte. Aus dem Mittelhochdeutschen ins Neuhochdeutsche u¨ bertragen v. Franz Viktor Spechtler. Klagenfurt/Celovec 2007. – Gerhard Ruiss: ‹Und wenn ich nun noch l¨anger schwieg’›. Lieder. Nachdichtungen I. Mit den Originaltexten im Anhang. Wien/Bozen 2007. – Ders.: Herz, dein 768
Oswald von Wolkenstein Verlangen. Lieder. Nachdichtungen II. Mit den Originaltexten im Anhang. Wien/Bozen 2008. – The Poems of O. v. W. An English Translation of the Complete Works (1376/77–1445). Bearb. v. Albrecht Classen. Basingstoke u. a. 2008. – G. Ruiss: ‹So sie mir pfiff zum Katzenlohn›. Lieder. Nachdichtungen III. Wien u. a. 2010. – W. Hofmeister: O. v. W. Das poetische Werk. Gesamt¨uber¨ setzung in nhd. Prosa mit Ubersetzungskommentaren und Textbibliographien. Berlin/New York ¨ 2011. – Ubersetzungen ausgew¨ahlter Gedichte: ‹um dieser welten lust›. Leib- und Lebenslieder des O. v. W. Aus dem Altdeutschen u¨ bertragen und hg. v. Hubert Witt. Leipzig 1968. – Fr¨olich geschray so well wir machen. Melodien und Texte ausgew¨ahlt, u¨ bertragen und erprobt v. Johannes Heimrath/ Michael Korth. Erl. v. Ulrich M¨uller/Lambertus Okken. M¨unchen 1975 (wieder u. d. T.: Lieder aus dem MA. Texte und Noten. Frankfurt/M. 1979). – O. v. W.-Liederbuch. Eine Auswahl v. Melodien. Hg. v. Hans Ganser/Rainer Herpichb¨ohm. G¨oppingen 1978. – H. Witt: Leib- und Lebenslieder. Aus dem Altdeutschen ausgew¨ahlt und u¨ bertragen. Neu durchgesehen. Leipzig 1982. – Burghart Wachinger (Hg.): Lyrik des sp¨aten MA (BdK 191/BMA 22). Frankfurt/M. 2006, S. 546–607, 977–1022. – Lieder. Fr¨uhnhd./Nhd. Ausgew¨ahlte Texte hg., u¨ bers. und komm. v. B. Wachinger. Melodien und Tons¨atze hg. und komm. v. Horst Brunner. Stuttgart 2007. – Patrizia Mazzadi/Michael Dallapiazza (Hg.): O. v. W.: Liriche scelte. Edizione bilingue/O. v. W.: Ausgew¨ahlte Lieder. Zweisprachige Ausg. (Interkulturelle Begegnungen ¨ 11). Mu¨ nchen 2011. – Vgl. Cora Dietl: Dt. Ubersetzungen der Lieder O.s v. W. In: M¨uller/Springeth, 2011, S. 300–312. Tontr¨ager: Lotte Wolf-Matthaus u. a.: O. v. W. – 11 Lieder [LP, 25 cm]. Arch. Produktion der Dt. Grammophon Ges. 1956. – Studio der Fr¨uhen Musik/Thomas Binkley: O. v. W. [LP]. EMI. 1972. [CD] 2000. – Kammerchor Walter von der Vogelweide/O. Costa: O. v. W. (um 1377–1445) – Lieder [LP]. Teldec, Das Alte Werk. 1974. – Wilfried Jochims/Michael Sch¨affer/Tom Kannmacher: Ich, O. v. W. – Sp¨atma. Lieder [LP]. Aulos. 1977. – B¨areng¨asslin: O. v. W. – Fr¨olich geschray so well wir machen [LP]. pl¨ane. Dortmund 1978. [CD] pl¨ane. 2001. – Hans Peter Treichler: O. v. W. – Lieder vom Wein und von der Liebe [LP]. Gold Records. 1979. [CD] Carpe Diem. 2000. – Ensemble f¨ur Fr¨uhe Musik Augsburg: O. v. W. [LP, 769
1. H¨alfte 15. Jh. als CD zuletzt:] Christophorus. 1988. – Sequentia: O. v. W. (1376–1445) – Lieder, Songs [CD] Deutsche Harmonia Mundi. 1993. – New London Consort/Philip Pickett: Knightly Passions – The Songs of O. v. W. [CD]. L’oiseau-Lyre. 1996. – Eberhard Kummer: ‹Es fuegt sich› – Lieder des O. v. W. [CD]. Preiser. 1998. – Ensemble Alta Musica/ Rainer B¨ohm: o. v. W. [CD]. Carpe diem. 2002. – Andreas Scholl: O. v. W. – Songs of Myself [CD]. Harmonia Mundi. 2010. – Ensemble Unicorn/Michael Posch: Frolich, zartlich, lieplich ... – O. v. W.: Liebeslieder [CD]. Raumklang. 2011. – Vgl. Martin Schubert: Einspielungen von Liedern O.s v. W. Mit einer Diskographie. In: M¨uller/Springeth, 2011, S. 313–329. Bibliographien: Egon K¨uhebacher u. a.: Bibliogr. zu O. v. W. In: Tagung Neustift, 1974, S. 410–438. – Hans-Dieter M¨uck, in: O. v. W., 1980, S. 485–504. – Mu¨ ller/Springeth, 2011, S. 351–390. Literatur: Joseph Schatz, ADB 44 (1898) S. 137–139 (unter Wolkenstein). – Ehrismann 2.2.2 (1935) S. 452–456. – Ruth Schmidt-Wiegand, HRG 3 (1984) Sp. 1372–1377. – De Boor/Newald 4/1 (21994) S. 172–175. – Burghart Wachinger, VL2 7 (1989) Sp. 134–170. – Michael, Schilling, KNLL 12 (1991) S. 813–816. – Ulrich M¨uller, LexMA 6 (1993) Sp. 1550–1552. – Walter R¨oll, NDB 19 (1999) S. 636 f. – U. Mu¨ ller, MGG2 Personenteil 12 (2005) Sp. 1462–1467. – Sieglinde Hartmann, KLL3 12 (2009) S. 418–420. – U. M¨uller, Killy2 9 (2010) S. 18–24. Sammelb¨ande: Egon K¨uhebacher (Hg.): O. v. W. Beitr. der philologisch-musikwissenschaftlichen Tagung in Neustift bei Brixen 1973 (Innsbrucker Beitr. zur Kulturwiss. Germanistische Reihe 1). Innsbruck 1974 (= Tagung Neustift, 1974). – Hans-Dieter Mu¨ ck/Ulrich M¨uller (Hg.): Gesammelte Vortr¨age der 600-Jahrfeier O.s v. W. Seis am Schlern. ‹Dem Edeln unserm sunderlieben getrewn Hern Oswaltten von Wolkchenstain› (GAG 206). G¨oppingen 1978 (= Tagung Seis, 1978). – U. M¨uller (Hg.): O. v. W. (WdF 526). Darmstadt 1980 (= M¨uller, 1980). – Jb. der O. v. W.-Ges. zur Erforschung des Sp¨atMA, Bd. 1–6 (1980–1990/91) hg. v. H.-D. Mu¨ ck/U. Mu¨ ller, seit Bd. 7 (1992/93) v. Sieglinde Hartmann/U. M¨uller. Frankfurt/M. (seit 2009: Wiesbaden) (= JOWG). – J¨urgen Rauter (Hg.): O. v. W. Literarische Tradition, Variation und Interpretation anhand ausgew¨ahlter Lieder (AIO 531). Rom 2009 (= Rauter, 2009). – 770
1. H¨alfte 15. Jh. U. Mu¨ ller/Margarete Springeth (Hg.): O. v. W. Leben – Werk – Rezeption (De Gruyter-Studium). Berlin/New York 2011, S. 351–390 (= Mu¨ ller/ Springeth, 2011). – Christian Berger (Hg.): O. v. W. Die Rezeption eines internationalen Liedrepertoires im dt. Sprachbereich um 1400. Hg. v. (Rombach-Wiss., Reihe Voces 14). Freiburg i. Br. 2011 (= Berger, 2011). – H.-D. M¨uck (Hg.): Ich Wolkenstein [Begleitbuch zur Ausstellung «Ich Wolkenstein»]. 2 Bde. Bozen 2011. Gesamtdarstellungen, Biographie: Max Herrmann: Die letzte Fahrt O.s v. W. In: Vierteljahrsschrift f¨ur Literaturgesch. 3 (1890) S. 602–608. – Linda Villari: O. v. W. A Memoir of the Last Minnesinger of Tirol. London 1901. – Walter Salmen: Werdegang und Lebensf¨ulle des O. v. W. In: Musica Disciplina 7 (1953) S. 147–173. – Ferruccio Bravi: La vita di Osvaldo W., poeta atesino de Quattrocento. In: Archivio per l’Alto Adige 49 (1955) S. 337–383; 50 (1956) S. 385–455. – Norbert Mayr: Die Pilgerfahrt O.s v. W. ins Hl. Land. In: Germanistische Abh. Hg. v. Karl Kurt Klein/ Eugen Thurnher (Innsbrucker Beitr. zur Kulturwiss. Germanistische Reihe 6). Innsbruck 1959, S. 129–145. – Walter Senn: Wo starb O. v. W.? In: Der Schlern 34 (1960) S. 336–343. – Karl Kurt Klein: Der ‹Minnes¨anger› O. v. W. in der Politik seiner Zeit. In: Die Brennerstraße. Dt. Schicksalsweg von Innsbruck nach Bozen (Jb. des S¨udtiroler Kulturinst. 1). Bozen 1961, S. 215–243. – Ders.: O. v. W., ein Dichter, Komponist und S¨anger des Sp¨atMA. In: Wirkendes Wort 13 (1965) S. 1–12 (wieder in: Mu¨ ller, 1980, S. 28–47). – Siegfried Beyschlag: O. v. W. – Durchbruch zur Neuzeit. In: Sprachkunst 1 (1970) S. 32–40. – George Fenwick Jones: O. v. W. (Twayne’s World Authors Series 236). New York 1973. – Anton Schwob: ‹Zwar disem fursten sol ich nymmer fluchen›. Zur Stellung O.s v. W. im Streit zwischen K¨onig Sigismund und ¨ Herzog Friedrich IV. von Osterreich. In: Tagung Neustift, 1974, S. 345–271. – Dieter K¨uhn: Ich Wolkenstein. Eine Biogr. Frankfurt/M. 1977 u. o¨ . Erw. Ausg. (insel taschenbuch 497). Frankfurt/M. ¨ 1980. 91993. Uberarb. (und leicht gek¨urzte) Ausg. (Fischer-Taschenbuch 13334). Frankfurt/M. 1996 u. o¨ . Neu bearb. Fassung 2011. – Hans-Dieter M¨uck: Die Vernehmungsprotokolle eines geplanten vierfachen Mordanschlags auf O. v. W. im Jahre 1442. ‹Dy gichtczedel des widm¨ars und des kuleysen› im Wolkenstein-Arch. des Germ. Nationalmuseums. In: Litterae Ignotae. Beitr. zur Text771
Oswald von Wolkenstein gesch. des dt. MA: Neufunde und Neuinterpretationen. Im Auftrag des Hg.-Gremiums gesammelt v. U. M¨uller (Litterae 50). G¨oppingen 1977, S. 65–84 (wieder in: M¨uller, 1980, S. 423–452). – Alan Robertshaw: O. v. W.: The Myth and the Man (GAG 178). G¨oppingen 1977. – A. Schwob: O. v. W. Eine Biogr. (Schriftenreihe des S¨udtiroler Kulturinst. 4). Bozen 1977 u. o¨ . – Ders.: ¨ O. v. W. – Selbstbenennungen, Titel, Amter und W¨urden. In: Der Schlern 51 (1977) S. 331–349. – Ders.: Lyrik im Dienst der Politik? O. v. W. Lebenszeugnisse und Selbstdarstellung. In: Literaturwissenschaftliches Jb. NF 19 (1978) S. 157–177. – Ders.: Landherr und Landesherr im sp¨atma. Tirol. O.s v. W. St¨andepolitik. In: Tagung Seis, 1978, S. 3–38. – E. Thurnher: Die politischen Anschauungen des Hugo von Montfort und O. v. W. In: ebd., S. 247–265. – Walter R¨oll: O. v. W. (Ertr¨age der Forschung 160). Darmstadt 1981. – G¨unther Schweikle: Zur literarhist. Stellung O.s v. W. In: JOWG 2 (1982/83) S. 193–217. – Hans P¨ornbacher: Margareta von Schwangau. Herrn O.s v. W. Gemahlin. Weißenhorn 1983. – Daniel Rocher: O. v. W., un Villon tyrolien? Raisons et d´eraisons d’une comparaison. In: Cahiers ´ d’Etudes Germaniques 8 (1984) S. 7–23. – Dirk Joschko: O. v. W. Eine Monographie zu Person, Werk und Forschungsgesch. (GAG 396). G¨oppingen 1985. – Karen Baasch/Helmuth N¨urnberger: O. v. W. Mit Selbstzeugnissen und Bilddokumenten (rowohlts monographien 360). Reinbek 1986. – Wilhelm Baum: ‹Ich pyn yn fromden lannden uber mer und an anderen ennden gewesen ...›. Neue Dokumente zu O. v. W. In: JOWG 3 (1986) S. 117–132. – Bernd M¨uller: ‹Ich han gewandelt manig her/gen Preussen, Reussen uber mer›. Zur Problematik der Preußenfahrten Os. v. W. In: JOWG 5 (1988/89) S. 465–477. – Albrecht Classen: O. v. W. A Fifteenth-Century Reader of Medieval Courtly Criticism. In: Mediaevistik 3 (1990) S. 27–53. – Theobald Herbert Innerhofer: O. v. W. und Neustift. In: 850 Jahre Chorherrenstift Neustift. 1. S¨udtiroler Landesausstellung. Stift Neustift, 30. Mai bis 31. Oktober 1992. Kat. Brixen 1992, S. 103–105. – Sieglinde Hartmann: O. v. W. et la M´editerran´ee. Espace de vie, espace de po´esie. In: JOWG 8 (1994/95) S. 289–320. – A. Robertshaw: O. v. W.: Pilgrim and Travelling Salesman. In: ebd. S. 321–339. – S. Hartmann: Sigismunds Ankunft in Perpignan und O.s Rolle as ‹wisskunte 772
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1. H¨alfte 15. Jh. provinciale di Bolzano 30). Innsbruck 2009. – Sigrid Schmtt: O. v. W. Zur Lebenswelt eines Niederadligen im Sp¨atMA. In: ebd., S. 53–74. – Sigrid Rachonig: ‹Wir tun kund und lassen dich wissen›. Briefe, Urkunden und Akten als sp¨atma. Grundformen schriftlicher Kommunikation, dargestellt anhand der Lebenszeugnisse O.s v. W. (Medi¨avis¨ tik zwischen Forschung, Lehre und Offentlichkeit 2). Frankfurt/M. u. a. 2009. – J¨urgen Rauter: Die Biogr. O.s v. W. In: Rauter, 2009, S. 15–54. – A. Schwob: Ungern in ‹Ungern›. Der Liederdichter O. v. W. u¨ ber seine Ungarnreisen. In: Erbauendes Spiel – Unendliche Spur. FS Zolt´an Szendi. Hg. v. Rainer Hillebrand (P´ecser Stud. zur Germanistik 4). Wien 2010, S. 45–54. – Heinz Dopsch: O. v. W. und seine Zeit. In: Mu¨ ller/Springeth, 2011, S. 1–13. – A. und U. M. Schwob: Die Lebenszeugnisse O.s v. W. In: ebd., 41–50. – Max Siller: Die Ausbildung eines jungen Ritters: Kindheit und Jugend O.s v. W. In: ebd., S. 64–76. – Michael Dallapiazza/Allessandra Molinari: Su¨ dfrankreich, die iberische Halbinsel und Nordafrika: zur großen Reise O.s v. W. 1415/1416. In: ebd., S. 240–250. – Martin P. Schennach: O. v. W. und das Rechtswesen seiner Zeit. In: ebd., S. 262–274. Werke: Werner Marold: Komm. zu den Liedern O.s v. W. Diss. G¨ottingen 1926. Teildruck. G¨ottingen 1927. Bearb. und hg. v. A. Robertshaw (Innsbrucker Beitr. zur Kulturwiss., Germanistische Reihe 52). Innsbruck 1995. – Otto Mann: O.s v. W. Natur- und Heimatdichtung. In: ZfdPh 57 (1932) S. 243–261. – Fritz Martini: Dichtung und Wirklichkeit bei O. v. W. In: Dichtung und Volkstum (Euph. NF 39) 1938, S. 390–411. – Conrad H. Lester: Zur literarischen Bedeutung O.s v. W. Wien 1949. – Friedrich Maurer: Der Topos von den ‹Minnesklaven›. Zur Gesch. einer thematischen Gemeinschaft zwischen bildender Kunst und Dichtung im MA. In: DVjs 27 (1953) S. 182–206. – A. N. Brooks: O. v. W. and ‹Minnesangs Herbst›. In: Journal of the Australasian Universities Language and Literature Association 12 (1960) S. 45–52. – Norbert Mayr: Die Reiselieder und Reisen O.s v. W. (Schlern-Schr. 215). Innsbruck 1961. – Gerhard Eis: Zu zwei unechten Liedern O.s v. W. In: Neophilologus 48 (1964) S. 28–31. – Christoph Petzsch: Text- und Melodietypenver¨anderung bei O. v. W. In: DVjs 38 (1964) S. 492–512; Zweiter Tl. u. d. T.: Die Bergwaldpastourelle O.s v. W. In: ZfdPh 87 (1968) Sonderh., S. 195–222 (wieder in: M¨uller, 1980, S. 107–142). – E. J. Morrall: O. v. 774
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Oswald von Wolkenstein Beyschlag. Hg. v. Otmar Werner/Bernd Naumann (GAG 25). G¨oppingen 1970, S. 179–195 (wieder in: M¨uller, 1980, S. 262–282). – Ders: O. v. W., der Sch¨opfer des Individualliedes. In: DVjs 46 (1972) S. 113–160. – G. F. Jones: ‹Ain tunckle farb› – Zwar kein ‹tageliet›, aber doch ein Morgen-Lied. Zu O. v. W., Klein 33. In: ZfdPh 90 (1971) Sonderh., S. 142–153. – Ders.: O. v. W. – Vogelsteller und J¨ager. Zu Klein 83 und 52. In: ‹Et multum et multa› FS Kurt Lindner. Hg. v. Sigrid Schwenk u. a. Berlin/New York 1971, S. 133–145. – Ders.: Facts and Fancy in O. v. W.’s Songs. In: Studies in Honor of Tatiana Fotitch. Washington D. C. 1972, S. 131–148 (u. d. T. «‹Dichtung und Wahrheit› in den Liedern O.s v. W.» auch in: M¨uller, 1980, S. 283–309). – C. Petzsch: O.s v. W. Nr. 105 ‹Es komen neue mer gerant›. Text-Form-Korrespondenz ¨ als Kriterium bei Fragen der Datierung und Uberl. In: ZfdPh 91 (1972) S. 337–351. – G. F. Jones u. a. (Hg.): Verskonkordanz zu den Liedern O.s v. W. (Hss. B und A). 2 Bde. (GAG 40/41). G¨oppingen 1975. – G. F. Jones: The ‹Signs of Old Age› in O. v. W.’s ‹Ich sich und h¨or› (Klein No. 5). In: MLN 89 (1974) S. 767–786. – Dirk Otten: O.s v. W. Lied ‹Herz, prich›. In: Neophilologus 55 (1971) S. 400–417. – Gudrun Lamberg: Die Rechtsdichtung O.s v. W. In: ZfdPh 93 (1974) S. 75–87. – U. Mu¨ ller: Unters. zur politischen Lyrik des dt. MA (GAG 55/56). G¨oppingen 1974. – Jutta Goheen: O. v. W. zwischen ‹MA› und ‹Renaissance›, eine Interpretation des geistlichen Liedes ‹In Frankereich›. In: Carleton Germanic Papers 3 (1975) S. 1–19. – Wolfgang Kersken: ‹Genner beschnaid›. Die Kalendergedichte und der Neumondkalender ¨ des O. v. W. Uberl. – Text – Deutung (GAG 161). G¨oppingen 1975. – Stephen L. Wailes: O. v. W. and the ‹Alterslied›. In: The Germanic Review 50 (1975) S. 5–18. – Mathias Feldges: Lyrik und Politik am Konstanzer Konzil – eine neue Interpretation von O.s v. W. Hussitenlied. In: Lit. – Publikum – hist. Kontext. Hg. v. Gert Kaiser (Beitr. ¨ zur Alteren Dt. Literaturgesch. 1). Bern u. a. 1977, S. 137–181 (Vortragsfassung in: Tagung Seis, 1978, S. 81–104). – Eberhard Ockel: Die k¨unstlerische Gestaltung des Umgangs mit Herrscherperso¨ nlichkeiten in der Lyrik O.s v. W. (GAG 232). G¨oppingen 1977. – A. Schwob: Eine neue Wertung der Liederhs. O.s v. W. In: Der Schlern 51 (1977) S. 607–614. – U. M¨uller: ‹Dichtung› und ‹Wirklichkeit› bei O. v. W. Aufgezeigt im Vergleich mit Altersliedern von Walther von der Vogelweide und 776
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1. H¨alfte 15. Jh. von Minnethematik und biographischer Realit¨at bei O. v. W.: ‹Ain anefangk› (Kl 1) und ‹Es f¨ugt sich› (Kl 18). In: ebd., S. 79–114. – D. Joschko: Die Ehelyrik Hugos von Montfort und O.s v. W. In: Stud. zur Lit. des Sp¨atMA (Dt. Lit. des MA 2; Wissenschaftliche Beitr. der Ernst-Moritz-ArndtUniv, Greifswald). Greifswald 21988, S. 26–40. – A. Classen: Die autobiographische Lyrik des europ¨aischen Sp¨atMA. Stud. zu Hugo von Montfort, O. v. W., Antonio Pucci, Charles d’Orl´eans, Thomas Hoccleve, Michel Beheim, Hans Rosenpl¨ut und Alfonso Alvarez de Villasandino (Amsterdamer Publ. zur Sprache und Lit. 91). Amsterdam/Atlanta 1991. – Eckhart Lutz: Wahrnehmen der Welt und Ordnen der Dichtung. Strukturen im Œuvre O.s v. W. In: Literaturwissenschaftliches Jb. NF 32 (1991) S. 39–79. – S. Hartmann: O. v. W.: ‹Es f¨ugt sich, do ich was von zehen jaren alt›. In: Gedichte und Interpretationen. MA. Hg. v. Helmut Tervooren (RUB 8864). Stuttgart 1993, S. 299–318. – U. Mu¨ ller: O. v. W.: ‹Ain graserin durch k´ulen tau›. In: ebd., S. 338–352. – Elmar Locher: ‹Der Text im Text schafft den K¨orper des Imagin¨aren›. Zu Liedern O.s v. W. In: L’immaginario nelle letterature germaniche del medioevo. A cura di Adele Cipolla (Scienza della letteratura e del linguaggio 12). Milano 1995, S. 227–242. – Andr´e Schnyder: Das erste Passionsspiel O.s v. W. – Eine Interpretation von Kl 111 (mit einem Seitenblick auf G 23 des M¨onchs von Salzburg). In: Speculum medii aevi 2 (1996) S. 43–59. – Christian Berger/Tomas Tomasek: Kl 68 im Kontext der Margarethe-Lieder O.s v. W. In: JOWG 9 (1996/97) S. 157–178. – Frank F¨urbeth: ‹wol vierzig jar leicht minner zwai› im Zeichen der verkehrten Welt: O.s ‹es f¨ugt sich› (Kl 18) im Kontext ma. S¨undenlehre. In: ebd., S. 197–220. – Kerstin Helmkamp: Die ‹Gefangenschaftslieder› O.s v. W. In: ebd., S. 99–109. – Wernfried Hofmeister: ‹Zwar mir sait ainst ain weise mugg›. Der sprichwortartige Zitatenschatz O.s v. W. als wissenschaftliche Herausforderung. In: ebd., S. 59–70. – Max Schiendorfer: ‹Ain schidlichs streuen›. Heilsgesch. und Jenseitsspekulation in O.s verkanntem Tagelied Kl 40. In: ebd., S. 179–196. – Franz Josef Schweitzer: Die Hussitenlieder O.s v. W. vor dem Hintergrund der B¨ohmischen Reformbewegung und Revolution. In: ebd., S. 31–43. – Jo¨ hannes Spicker: O.s ‹Ehelieder›. Uberlegungen zu einem forschungsgeschichtlichen Paradigma. In: ebd., S. 139–156. – Volker Mertens: ‹Biographisierung› in der sp¨atma. Lyrik. Dante – Hadloub – 778
1. H¨alfte 15. Jh. O. v. W. In: Kultureller Austausch und Literaturgesch. im MA. Kolloquium im Dt. Hist. Inst. Paris (16.–18.3.1995). Hg. v. Ingrid Kasten u. a. (Beih. der Francia 43). Sigmaringen 1998, S. 331–344. – A. Schnyder: Liedeinheit durch Gattungskombination und -transformation. Zu O.s Lied ‹Wach menschlich tier› (Kl 2). In: Text im Kontext. Anleitung zur Lekt¨ure dt. Texte der fr¨uhen Neuzeit. Hg. v. Alexander Schwarz/Laure Abplanalp. Bern u. a. 1998, S. 231–244. – S. Hartmann: Von Petrarca bis Pisanello. Zur Rezeption italienischer Kultur im Werk O.s v. W. (1376/77–1445). In: Aevum. Rassegna di scienze storiche linguistiche e filologiche. Milano 2001, S. 577–599. – V. Mertens: Der S¨anger geht baden ... O. in seinen ‹MargarethenLiedern› – poetologisch, performativ, kulturwissenschaftlich in ‹fr¨ohlicher Pluralit¨at›. In: Text und Kultur. Ma. Lit. 1150 bis 1450. Hg. v. Ursula Peters (Germanistische Symposien. Berichtsdbe 23). Stuttgart u. a. 2001, S. 329–344. – Paola SchulzeBelli: O.’s St Mary’s Songs: Religious or Courtly Poetry? In: JOWG 13 (2001/2002) S. 279–296. – F. P. Knapp: Das weibliche Sch¨onheitsideal in den Liedern O.s v. W. In: ZfdA 131 (2002) S. 181–194. – U. Mu¨ ller: Minnesang – eine ma. Form der Erlebnislyrik. Essay zur Interpretation ma. Liebeslyrik. In: Literarisches Leben: Rollentw¨urfe in der Lit. des Hoch- und Sp¨atMA. FS Volker Mertens. Hg. v. Matthias Meyer/Hans-Jochen Schiewer. T¨ubingen 2002, S. 597–617. – A. Robertshaw: Zur Datierung der Lieder O.s v. W. In: R¨ollwagenb¨uchlein. FS Walter R¨oll. Hg. v. J¨urgen Jaehrling u. a. T¨ubingen 2002, S. 107–135. – K. Helmkamp: Genre und Gender. Die ‹Gefangenschafts-› und ‹Ehelieder› O.s v. W. Diss. Berlin 2003. – Thomas Schallab¨ock/U. M¨uller: Gesungene Reiseberichte aus dem 15. Jh.: Die Reiselieder O.s v. W. Mit einem Anhang: Die letzte Reise O.s, oder: Das zweimalige Begr¨abnis des Wolkensteiners. In: Erkundung und Beschreibung der Welt: Zur Poetik der Reise- und L¨anderberichte. Vortr¨age eines interdisziplin¨aren Symposiums 2000 an der Justus-LiebigUniv. Gießen. Hg. v. Xenja von Erzdorff/Gerhart Giesemann unter Mitarbeit v. Rudolf Schulz (Chloe 34). Amsterdam u. a. 2003, S. 163–183. – C. Berger/T. Tomasek: Das ‹Vogelstimmenlied› O.s v. W. (Kl 50). In: Gattungen und Formen des europ¨aischen Liedes vom 14. bis zum 16. Jh. Hg. v. Volker Honemann u. a. (Stud. und Texte zum MA und zur fr¨uhen Neuzeit 8). Mu¨ nster 2005, 779
Oswald von Wolkenstein S. 9–29. – S. Hartmann: O. v. W. heute: Traditionen und Innovationen in seiner Lyrik. In: JOWG 15 (2005) S. 349–372. – Dies.: Gotische Madonnenbilder und die Marienlyrik O.s v. W. In: ‹wort und wˆıse, singen unde sagen›. FS U. M¨uller. Hg. v. I. Bennewitz (GAG 741). G¨oppingen 2007, S. 71–92. – Karl-Georg Pf¨andtner: O. v. W., geistliche und weltliche Lieder (Hs. B). In: Kunst in Tirol. Bd. 1. Von den Anf¨angen bis zur Renaissance. Hg. v. Paul von Naredi-Rainer/Lukas Madersbacher. Innsbruck u. a. 2007, S. 285 f. – Johannes Spicker: O. v. W.: Die Lieder (Klassiker-Lekt¨uren 10). Berlin 2007. – Lars B¨ultmann: Kreuzzugslyrik im hohen und sp¨aten MA. In: Rauter, 2009, S. 217–267. – J. K. Lange: Kl 68 und 97 im Kontext der Ehelieder. In: ebd., S. 133–160. – Karin Mu¨ ller: Minne- und Ehethematik in O.s Liedern. In: ebd. ¨ S. 161–194. – J. Rauter: Uberlegungen zum Liedkorpus. In: ebd., S. 67–80. – Ders.: Greifensteinlied (Kl 85) – ein Neuanefangk. In: ebd., 267–309. – C. Berger/T. Tomasek: O. v. W. als sch¨opferischer Mittler im sp¨atma. Kulturtransfer. Zu den Liedern ‹Es ist ein altgesprochner rat› (Kl. 19) und ‹Wer die ougen will versch¨uren› (Kl 103). In: Vorbild – Austausch – Konkurrenz. H¨ofe und Residenzen in der gegenseitigen Wahrnehmung. 11. Symposium der Residenzen-Kommission der Akad. der Wiss. zu G¨ottingen [...]. Hg. v. Werner Paravicini/J¨org Wettlaufer (Residenzenforschung 23). Ostfildern 2010, S. 303–315. – S. Hartmann: O. v. W. und der europ¨aische Kontext seiner Dichtung und Musik. In: M¨uller/Springeth, 2011, S. 120–131. – J. Spicker: O. v. W.: Liedtypen. In: ebd., S. 201–212. – U. Mu¨ ller: Die Lieder O.s v. W. mit erotischer Thematik und das Problem der (auto)biographischen Interpretation. In: ebd., S. 213–223. – U. M¨uller: O. v. W.: Seine Reisen und Reiselieder. In: ebd., S. 234–239. – Freimut L¨oser: O. v. W.: Geistliche Lieder. In: ebd., S. 251261. Sprache, Stil, Wortschatz: Johannes Beyrich: Unters. u¨ ber den Stil O.s v. W. Weida i. Th¨ur. 1910. – Wilhelm T¨urler: Stilistische Stud. zu O. v. W. Nebst einem Anhang: Krit. Bemerkungen zu der Textausg. v. O. [sic] Schatz (1904). Diss. Bern 1919. Teildruck Heidelberg 1920. – F. Maurer: Betr. zur Sprache O.s v. W. (Gießener Beitr. zur dt. Philologie). Gießen 1922. – Josef Schatz: Sprache und Wortschatz der Gedichte O.s v. W. (Akad. der Wiss. in Wien, Phil.-hist. Kl., Denkschr. 69,2). Wien/ Leipzig 1930. – William T. H. Jackson: Alliteration and Sound Repetition in the Lyrics of O. v. W. 780
Oswald von Wolkenstein In: Formal Aspects of Medieval German Poetry. A Symposion. Hg. v. Stanley N. Werbow. Austin, Texas/London 1969, S. 43–78. – Notburga Wolf: Beobachtungen zur Wortbildung O.s v. W. In: Germanistische Stud. Hg. v. J. Erben/E. Thurnher (Innsbrucker Beitr. zur Kulturwiss., Germanistische Reihe 15). Innsbruck 1969, S. 93–105. – Matthias Insam: Wortstud. zu O. v. W. In: Formen ma. Lit. FS S. Beyschlag. Hg. v. O. Werner/Bernd Neumann (GAG 25). G¨oppingen 1970, S. 197–205. – L. Okken/Heinrich Leinhard Cox: Unters. zum Wortschatz der Lieder O.s v. W. 54, 55, 59 und 60. In: Neophilologus 56 (1972) S. 298–310, 435–450; 57 (1973) S. 42–61, 156–172. – Dies.: Unter. zum Wortschaft der Lieder O.s v. W. 81 und 116. In: MLN 88 (1973) S. 956–979; [dies./F. V. Spechtler], ebd. 89 (1974) S. 367–391 (wieder in: Mu¨ ller, 1980, S. 310–336). – Hendrik C. van der Jagt: Zum Wortschatz von O. v. W. 104: ‹Von trauren m¨ocht ich werden taub› In: Modern Language Notes 88 (1973) S. 535–561. – Burghart Wachinger: Sprachmischung bei O. v. W. In: ZfdA 106 (1977) S. 277–296. – Jens L¨udtke: O. v. W. und die romanischen Sprachen. In: Logos semantikos. Studia linguistica in honorem Eugenio Coseriu. Bd. 1. Hg. v. Horst Geckeler u. a. Berlin/ New York 1981, S. 303–312. – J. Goheen: Ma. Liebeslyrik von Neidhardt von Reuental bis zu O. v. W. Eine Stilkritik (Phil.Stud.u.Qu. 110). Berlin 1984. – S. Hartmann: Zur Einheit des Mari¨ enliedes Kl. 34. Eine Stilstudie mit Ubersetzung und Komm. In: JOWG 3 (1984/85) S. 25–43. – B. Wachinger: ‹Herz prich rich sich›. Zur lyrischen Sprache O.s v. W. In: ebd., S. 3–23. – G. Schweikle: Pr¨amissen der Textkritik und Editionsmethode der Lachmann-Schule u¨ berpr¨uft an der Lyrik O.s v. W. In: Methoden und Probleme der Edition ma. dt. Texte. Bamberger Fachtagung 26.–29. Juni 1991. Plenumsreferate. Hg. v. Rolf Bergmann u. a. T¨ubingen 1993, S. 120–136. – Werner Marold: Komm. zu den Liedern O.s v. W. Bearb. und hg. v. A. Robertshaw (Innsbrucker Beitr. zur Kulturwiss., Germanistische Reihe 52). Innsbruck 1995. – A. Robertshaw: Wordplay and Hidden Meaning in O. v. W.’s Songs. In: Lit. und Sprachkultur in Tirol. Hg. v. Johann Holzner u. a. (Innsbrucker Beitr. zur Kulturwiss. Germanistische Reihe 55). Innsbruck 1997, S. 199–210. – Wolfram von Kossack/ Stefanie Stockhorst: Sexuelles und wie es zu Wort kommt. Die Frage nach dem Obsz¨onen in den 781
1. H¨alfte 15. Jh. Liedern O.s v. W. In: Daphnis 28 (1999) S. 1–33. – Ingo Reiffenstein: Zur Sprache der Lieder O.s v. W. In: M¨uller/Springeth, 2011, S. 132–143. – A. Robertshaw: Wortspiele und Doppeldeutigkeiten in den Liedern O.s v. W. In: ebd., S. 144–153. Musik: Herbert Loewenstein: Wort und Ton bei O. v. W. (K¨onigsberger Dt. Forschungen 11). K¨onigsberg 1932. – C. Petzsch: Eine als unvollst. geltende Melodie O.s v. W. In: Arch. f¨ur Musikwiss. 19/20 (1962/63) S. 100–113. – Josef Wendler: Stud. zur Melodiebildung bei O. v. W. Die Formtechnik in den einstimmigen Liedern. Tutzing 1963. – Theodor G¨ollner: Landinis ‹Questa fanciulla› bei O. v. W. In: Die Musikforschung 17 (1964) S. 393–398 (wieder in: M¨uller, 1980, S. 48–56). – W. Salmen: O. v. W. als Komponist? In: Literaturwissenschaftliches Jb. NF 19 (1978) S. 179–187. – Ivana Pelnar: Neu entdeckte ArsNova-S¨atze bei O. v. W. In: Die Musikforschung 32 (1979) S. 26–33. – Andrej Rijavec: O.s v. W. ‹Do fraig amors› als Kantate des slowenischen Komponisten Jakob Jeˇz aus dem Jahre 1968. In: MA Rezeption II. Gesammelte Vortr¨age des 2. Salzburger Symposions ‹Die Rezeption des MA in Lit., Bildender Kunst und Musik des 19. und 20. Jh.› Hg. v. J¨urgen K¨uhnel u. a. (GAG 358). G¨oppingen 1982, S. 247–260. – B. St¨ablein: Musik und Gesch. im MA. Gesammelte Aufs¨atze. Hg. v. Horst Brunner/Karlheinz Schlager (GAG 344). G¨oppingen 1984. – Renate Hausner: Thesen zur Funktion fr¨uhester weltlicher Polyphonie im deutschsprachigen Raum (O. v. W., M¨onch von Salzburg). In: JOWG 3 (1984/85) S. 45–78. – Lorenz Welker: Mehrstimmige S¨atze bei O. v. W.: Eine komm. ¨ Ubersicht. In: JOWG 6 (1990/91) S. 255–266. – Elke Lorentz: ‹Ich sp¨ur ain lufft› (Kl 16). Thesen und Analysebeispiel zum Verh¨altnis von Text und Musik bei O. v. W. In: JOWG 9 (1996/97) S. 221–237. – Mirjam Schadendorf: Individuallied und Kontrafaktur. Zum Verh¨altnis von Text und Melodie in den Liedern Kl 33 bis 36. In: ebd., S. 239–257. – Reinhard Strohm: Fragen zur Praxis des sp¨atma. Liedes. In: Musikalischer Alltag im 15. und 16. Jh. Hg. v. Nicole Schwindt (Trossinger Jb. f¨ur Renaissancemusik 1). Kassel 2001, S. 53–76. – Horst Brunner: O. v. W.: Die einstimmigen Lieder. Strophenbau und Wort-Ton-Beziehungen. In: M¨uller/Springeth, 2011, S. 174–167. – Marc Lewon: O. v. W.: Die mehrstimmigen Lieder. In: ebd., S. 168–191. – F. V. Spechtler: O. v. W. und die Musik. In: ebd., S. 192–200. 782
1. H¨alfte 15. Jh. ¨ Rezeption: Erika Timm: Die Uberl. der Lieder O.s v. W. (mit Tabellen und Noten) (Germ. Stud. 242). L¨ubeck/Hamburg 1972. – Kristian Sotriffer: Markus Valazza und ‹sein› Wolkensteiner. In: Das Fenster vom 12. 1973, S. 1153–1169. – U. Mu¨ ller: Beobachtungen u¨ ber den Zusammenhang ¨ von Stand, Werk, Publikum und Uberl. mhd. Lyriker: O. v. W. und Michel Beheim – ein Vergleich. In: Tagung Neustift, 1974, S. 167–180. – H.-D. M¨uck: O. v. W. zwischen Verehrung und Vermarktung. Formen der Rezeption 1835–1976. Mit einem Anhang: Dokumentation des W.-Jahres 1977. In: Tagung Seis, 1978, S. 483–540. – Helmut Lomnitzer: Lieder O.s v. W. in neueren musikalischen Auff¨uhrungsversuchen. In: M¨uller, 1980, S. 453–477. – Hella Melkert/Martin J. Schubert: Lieder O.s v. W. in neueren Einspielungen. In: JOWG 11 (1999) S. 437–450. – M. J. Schubert: Songs of O. v. W. in New Recordings [Nachtrag zu Jb. 11]. In: JOWG 13 (2001/2002) S. 261–268. – Rainer B¨ohm: Entdeckung einer franz¨osischen Melodievorlage zum Lied ‹O wunniklicher wolgezierter mai› (Kl. 100) von O. v. W. In: ebd., S. 269–278. – Andrea Schindler: MA-Rezeption im zeitgen¨ossischen Musiktheater. Kat. und Fallstud. (Imagines medii aevi 23). Wiesbaden 2009 (S. 242–291 zur W.-Oper von Wilfried Hiller/ Felix Mitterer). – H.-D. Mu¨ ck: O. in Art: Eine Dokumentation der Bildzeugnisse 1407–2010. In: Mu¨ ller/Springeth, 2011, S. 275–289. – U. M¨uller: O. v. W.: Rezeption in Lit. und Musik der Neuzeit. In: ebd., S. 290–299. BJ Hans von Anwil → Band 3, Sp. 655. Beginchen von Paris → Band 2, Sp. 1095 f. Auer, Hans → Band 3, Sp. 657. Der alte Moringer. – Verfassersignatur in einer Reimrede. Von → Heinrich dem Teichner ist eine Reimrede Von der Welt Lauf u¨ berliefert, die gew¨ohnlich mit dem Vers «also sprach der Teichnar» endet. In einer Straßburger Handschrift aus dem 15. Jh. findet sich hingegen die Schlusszeile «Also ret der alt moringer». Weitere Handschriften dieser Fassung sind heute nicht bekannt. Die Forschung hat zwei unterschiedliche Thesen u¨ ber den a. M. entwickelt: Es k¨onnte sich um das Pseudonym eines Bearbeiters handeln, das vielleicht auf Heinrich von Morungen 783
Hans von Anwil anspielt (Wachinger). Denkbar ist zudem ein Bezug auf die sog. Moringer-Ballade, deren Protagonist m¨oglicherweise auch als Liedautor aufgefasst wurde. ¨ Uberlieferung: Straßburg, National- und UB, ms. 2140 (fr¨uher L germ. 209.8°), 1r–2r (Pap., 15. Jh.). Ausgaben: Die Gedichte Heinrichs des Teichners 3. Hg. v. Heinrich Niew¨ohner (DTM 48). Berlin 1956, Nr. 640. – Liederbuch der Clara H¨atzlerin. Hg. v. Carl Haltaus. Berlin 1966, Nr. II, 12. Literatur: Burghart Wachinger, VL2 1 (1978) Sp. 270; 11 (2004) Sp. 80. – Hanno R¨uther: Der Mythos v. den Minnes¨angern. Die Entstehung der M.-, Tannh¨auser- und Bremberger-Ballade. K¨oln u. a. 2007, S. 88. MM Vogelsang, Konrad (Kunz). – N¨urnberger Meistersinger, erste H¨alfte des 15. Jh. Von Hans Sachs in einem Lied und von Konrad → Nachtigall im Dichterkatalog erw¨ahnt, gilt V. als einer der N¨urnberger Meistersinger, der laut Nachtigall «sein gesang meysterlich plumen kunde». Obwohl er von Sachs als Heftelmacher bezeichnet wird, ist es wahrscheinlicher, dass V. mit einem Spenglermeister u¨ bereinstimmt, der 1436 (Meistersprechung), 1443 und 1447 (beide Male im Salzb¨uchlein) nachgewiesen ist. Einzig ein «Goldener Ton» ist von ihm u¨ berliefert, der sich mit seiner Komplexit¨at u¨ ber eine Strophe von 30 Versen erstreckt. Es ist in ihm ein anonymes Marienlied f¨ur die Weihnachtszeit u¨ berliefert (Berlin, SBB, Mgq 414, 392v–393v), dessen Zugeh¨origkeit zu V. sich weder beweisen noch widerlegen l¨asst. Daf¨ur ist der «g¨ulden don» in zahlreichen Liedern des Meistergesangs aus dem 16. und 17 Jh. bezeugt. ¨ Uberlieferung: N¨urnberg, StB, Cod. Will III,793, 24r–25r (Nr. 59). Ausgaben: Cramer 4 (1985) S. 366. – Mary Juliana Schroeder: Mary-Verse in Meistergesang (Studies in German. The Catholic University of America 16). Washington 1942 (Nachdr. New York 1970) S. 257 f. – Faksimile:: Benedict von Watt. Ein Beitr. zur Kenntnis des b¨urgerlichen Meistergesanges um die Wende des 16. Jh (Publ. der Internationalen Musikges. 13. Beih. 2). Diss. Berlin 1908, S. 102 f. – Die T¨one der Meistersinger. Hg. v. Horst Brunner/Johannes Rettelbach (Litterae 47). G¨oppingen 1980. Literatur: Cramer 4 (1985) S. 423. – RSM 5 (1991) S. 456. – Frieder Schanze, VL 2 10 784
Unverdorben (1999) Sp. 487 f. – Irene Stahl: Die Meistersinger von N¨urnberg. Archivalische Stud. (N¨urnberger Werkstu¨ cke zur Stadt- und Landesgesch. 33). N¨urnberg 1982, S. 308 f. – F. Schanze: Meisterliche Liedkunst zwischen Heinrich von Mu¨ geln und Hans Sachs (MTU 82/83). 2 Bde. M¨unchen 1983/84. – Horst Brunner: Dichter ohne Werk. Zu einer u¨ berlieferungsbedingten Grenze ma. Literaturgesch. (Mit einem Textanhang: Die Dichterkat. des Konrad Nachtigall, des Valentin Voigt ¨ und des Hans Folz). In: Uberlieferungsgeschichtliche Editionen und Stud. zur dt. Lit. des MA. FS Kurt Ruh (TTG 31). Hg. v. Konrad Kunze u. a. T¨ubingen 1989, S. 1–31 (wieder in: H. Brunner: Ann¨aherungen. Stud. zur dt. Lit. des MA und der Fr¨uhen Neuzeit [Phil.Stud.u.Qu. 210]. Berlin 2008, S. 291–303). – Johannes Rettelbach: Variation – Derivation – Imitation. Unters. zu den T¨onen der Sangspruchdichter und Meistersinger (Fr¨uhe Neuzeit 14). T¨ubingen 1993. FA Vrischemei → Band 3, Sp. 660–662. Krus, Hans. – Lieddichter (?), erste H¨alfte/Mitte 15. Jh. (?). Der Name K.s erscheint in der letzten Strophe eines unikal u¨ berlieferten Winterliedes. Eine Identit¨at mit einem H. K., der 1494 in Ulm das B¨urgerrecht erwarb, ist zweifelhaft. Das Lied, u¨ berschrieben mit «Der sumer hat sich gescheiden», d¨urfte zwar in oder bei Ulm enstanden sein (vgl. Hans → Bruder), doch d¨urfte die Niederschrift bald nach 1448 und somit lange vor der Bezeugung erfolgt sein. Auch ist nicht ganz eindeutig, ob es sich bei der Namensnennung um eine Autorsignatur handelt oder der genannte H. K. lediglich als (fiktiver [?]) Akteur im Lied auftritt. Die sieben Strophen haben Kanzonenform, wobei der f¨unfversige Abgesang gleichreimig ist und ¨ die Reime u¨ berwiegend rein sind. Uber die ersten f¨unf Strophen erstreckt sich eine aus traditionellen Motiven gespeiste Winterklage (ohne Minne- oder pers¨onlichen Bezug), die in der sechsten Strophe in einen u¨ berraschenden Winterpreis umschl¨agt. Den Grund hierf¨ur liefert die letzte Strophe: Der Winter gibt dem jetzt genannten H. K. die Gelegenheit, im Badehaus Wein zu trinken. Diese Strophe ist sowohl motivlich als auch grammatisch komplex und sehr durchdacht konzipiert: Mehrere Begriffe korrespondieren mit unterschiedlichen Assoziationen 785
1. H¨alfte 15. Jh. zu Feuchtigkeit («kantengießer» [= Sternbild Wassermann], «bad», «brun», «win»). Das handelnde Subjekt ist zun¨achst der Winter und ab dem vierten Vers H. K. Vielleicht ist dessen Name hier nur deshalb eingesetzt ist, weil er zu den Motiven passt («kruse» = ‹Krug›). ¨ Uberlieferung: Karlsruhe, LB, Cod. St. Georgen 74, 43r–44r (Pap., 1448, westschw¨abisch [aus Ulm]). Zeitnaher Nachtrag in einer geistlichen Sammelhandschrift. Ausgaben: Franz Joseph Mone: ‹Winters Gewalt». In: Anz. f¨ur Kunde der teutschen Vorzeit 5 (1836) Sp. 333 f. – Wilhelm Wackernagel: Altdt. Lesebuch (Dt. Lesebuch, Tl. 1). Basel 51873, Sp. 1348–1350. – Franz M. B¨ohme: Altdt. Liederbuch. Volkslieder der Deutschen nach Wort und Weise aus dem 12. bis zum 17. Jh. Leipzig 1877 (Nachdr. Hildesheim 1966) S. 152–154 (Nr. 150). – Cramer 2 (1979) S. 150 f. Literatur: Isolde Neugart, VL2 5 (1985) Sp. 395. – Theodor L¨angin: Dt. Hss. (Die Hss. der Badischen LB in Karlsruhe. Beilage 2,2). Karlsruhe 1894 (Neudr. mit bibliographischen Nachtr¨agen Wiesbaden 1974) S. 29–32, 146 f. – Cramer 2 (1979) S. 510. VZ Johann von Lunen ¨ → Band 3, Sp. 663 f. Bauernfeind → Band 3, Sp. 666 f. Unverdorben, Peter («peter onverdorben»). – Ballade aus der ersten H¨alfte des 15. Jh. Die Entstehungszeit der Ballade l¨asst sich nur ungef¨ahr angeben; es d¨urfte um 1442 gewesen sein (vgl. Meier, S. 63). Die im Text beschriebenen Ereignisse k¨onnten Anfang der 30er Jahre des 15. Jh. stattgefunden haben. In der Ballade liegt P. U. gefangen in einem Turm («Sch¨utt den helm», entspricht Neunburg vorm Wald/Oberpfalz), der ihn «umb min leben» bringen will. Er ruft in seinem ersten Monolog Maria und weitere Heilige an («sant Catherin die singt uns ain tagwis»); zudem bittet die Herzogin um F¨ursprache bei seinem Herrn und dessen Kind (es gibt die These, dass das Kind wom¨oglich schon 16 Jahre alt und beim Gerichtsakt handelnd aufgetreten sei; vgl. Meier, S. 63 und H¨osl, S.57 f.). Nachdem er vor seine ‹Richter› getreten ist, spricht er: «Lieber Engel, gang mir bi» und betet f¨ur Frau und Kind. Der Verfasser der Ballade unterzeichnet sie mit dem gleichen Namen des Titels; ob die Angabe aber authentisch ist 786
1. H¨alfte 15. Jh. oder eine tats¨achliche Erinnerung an ein Lied des P. U., l¨asst sich nicht abschließend kl¨aren. Formelhafte Sprache und einzelne Motive dieser politi¨ schen Volksballade weisen gewisse Ahnlichkeiten mit meist j¨ungeren Volksliedern auf. Auch P. U. zeigt, wie die Ballade im sp¨aten MA langsam in die H¨ande b¨urgerlicher Dichter gelangte. ¨ Uberlieferung: Karlsruhe, LB, Cod. St. Blasien 77, 311v (Pap., 1439–42, lat.-dt.). Ausgaben: Cramer 3 (1982) S. 348, 574. – Ludwig Uhland: Alte hoch- und niederdt. Volkslieder. Bd. 1. Stuttgart 1844, S. 303 f. (Nr. 126). – Franz Magnus B¨ohme: Altdt. Liederbuch, 1877 (Nachdr. Hildesheim/Wiesbaden 1966) Nr. 33 (mit urspr¨unglicher Melodie). – Dt. Volkslieder mit ihren Melodien. Hg. v. John Meier/J¨urgen Dittmar u. a. Bd. 1. Berlin 1935, Nr. 26. – Hugo Moser/Joseph Mu¨ ller-Blattau (Hg.): Dt. Lieder des MA. Von Walther von der Vogelweide bis zum Lochamer Liederbuch. Texte und Melodien. Stuttgart 1968, S. 273 f., 348. – Eva und Hansj¨urgen Kiepe (Hg.): Gedichte 1300–1500. Nach Hss. und Fr¨uhdrucken in zeitlicher Folge (Epochen der dt. Lyrik 2). Mu¨ nchen 1972 (Nachdr. ebd. 2001) S. 228 f. Literatur: Cramer 3 (1982) S. 348 f., 574. – De Boor/Newald 4/1 (21994) S. 184, 189. – Burghart Wachinger, VL2 10 (1999) Sp. 106 f. – Ludwig Uhland: Schr. zur Gesch. der Dichtung und Sage. Bd. 4. Stuttgart 1869, S. 146–149. – Hans Joachim Moser/Fred Quellmalz: Volkslieder des 15. Jh. aus St. Blasien. In: Volkskundliche Gaben. John Meier zum 70. Geburtstage dargebracht. Hg. v. Harry Schewe. Berlin 1934, S. 146–156. – John Meier: P. U. In: Jb. f¨ur Volksliedforschung 5 (1936) S. 61–64. – Wolfgang Stammler: Von der Mystik zum Barock. 1400–1600 (Epochen der dt. Lit. 2,1). Stuttgart 21950. – Max H¨osl: P. U. In: Die Oberpfalz 38 (1950) S. 57–59. – Charlotte Ziegler: Die literarischen Quellen des Zupfgeigenhansl. Diss. G¨ottingen 1950. FA Bruder, Hans. – Lieddichter, erste H¨alfte/Mitte 15. Jh. (?). Der Name B.s ist durch eine Autorsignatur in der letzten Strophe eines unikal u¨ berlieferten «B¨ose Frau»-Liedes u¨ berkommen. In 15 achtversigen Strophen wird eine handgreifliche Auseinandersetzung zwischen Ehemann und Frau um die h¨ausliche Vorherrschaft in teils drastischer Komik geschildert. Die Kraftprobe gestaltet sich als Kampf um die Hose des Mannes, den die Frau 787
Bruder f¨ur sich entscheidet und die darauf den Mann aus dem Haus pr¨ugelt. Seinem Nachbarn schildert der Mann, beißender Rauch habe ihn aus dem Haus getrieben. Der Nachbar, der den Brandschaden beheben will, wird ebenfalls verpr¨ugelt. Metrik und Reime des Gedichts sind wenig kunstvoll. Der Verfasser d¨urfte aus der Region um Ulm stammen, dem Schreibort des Textzeugen (vgl. auch Hans → Krus). Das misogyne Thema des Liedes geht auf ein franz¨osisches Fabliau aus dem 13. Jh. zur¨uck und wurde in einem Meisterlied von Hans → Folz (RSM: 1Folz/83) sowie sp¨ater von Hans Sachs wieder aufgegriffen (Fastnachtspiel von 1553 [Der b¨oß Rauch] und Meisterlied von 1554). Es erscheint auch auf Einblattdrucken des 16. und 17. Jh. ¨ Uberlieferung: Karlsruhe, LB, Cod. St. Georgen 74, 39r–41r (Pap., 1448, westschw¨abisch [aus Ulm]). Zeitnaher Nachtrag in einer geistlichen Sammelhs. Bl. 40v ist zun¨achst freigelassen und von sp¨aterer Hand anderweitig beschriftet worden. Ausgaben: Franz Josef Mone: ‹Der Rauch beißt›. In: Anz. f¨ur Kunde der dt. Vorzeit 5 (1836) Sp. 79–82. – Cramer 1 (1977) S. 79–82. Literatur: J¨orn Reichel, VL2 1 (1978) Sp. 1041 f. – Theodor L¨angin: Dt. Hss. (Die Hss. der Badischen LB in Karlsruhe. Beilage 2,2). Karlsruhe 1894 (Neudr. mit bibliographischen Nachtr¨agen Wiesbaden 1974) S. 29–32, 146 f. – Franz Brietzmann: Die b¨ose Frau in der dt. Litteratur des MA (Palaestra 42). Berlin 1912 (Nachdr. New York/London 1967) S. 223–226. – Cramer 1 (1977) S. 426. – Allgemein zum Motiv: Hanns Fischer: Stud. zur dt. M¨arendichtung. 2., durchges. und erw. Aufl. besorgt v. Johannes Janota. T¨ubingen 1983, S. 96 f. – Sigrid Metken: Der Kampf um die Hose. Geschlechterstreit und die Macht im Haus. Die Geschichte eines Symbols (Edition Pandora Sonderbd.). Frankfurt/M., New York 1996. VZ Du heiles hort → Band 2, Sp. 1174. Der geistliche Blumengarten → Band 2, Sp. 1174. Befreiung der Altv¨ater → Band 2, Sp. 1178 f. Der geistliche Freudenmai → Band 2, Sp. 1193. Geistliches Muhlenlied ¨ → Band 2, Sp. 1241 bis 1243. 788
Muller ¨ Isenhofer. – Verfasser eines Schm¨ahlieds auf die Eidgenossen w¨ahrend des → Toggenburger Erbschaftskrieg. Von den polemischen Liedern, die im Toggenburger Erbschaftskrieg eine wichtige Rolle spielten, ist auf Zu¨ rcher Seite neben einem Lied von → Hans von Anwil ein Spottlied gegen die «Bauern» der alten Orte u¨ berliefert (1444; bei Liliencron: 1443), in dem sich der Verfasser «der ist von Isenhofen» (Str. 28) nennt. Laut der Chronik des Aegidius Tschudi stammt der Verfasser des Liedes aus Waldshut («Isenhofer von Waltzhut»). An einer anderen Stelle der Chronik wird ein Isenhofer als Vogt der o¨ sterreichischen Feste Freudenberg genannt. Es wird nicht klar, ob es sich um ein und dieselbe Person handelt. In der Signaturstrophe spielt I. mit der → Neidhart-Tradition. Er schm¨aht die Eidgenossen der Kantone Glarus und Schwyz und ruft Z¨urich zum Kampf gegen diese beiden Kantone auf. In einer weiteren Strophe wird auf die → Schlacht von Sempach 1386 Bezug genommen. Unter der Verfasserangabe «Isenhofer von Walzhut» wurde ein Teil des Liedes («Wohlauf ich h¨or ein neu Get¨on») in die Sammlung Des Knaben Wunderhorn (Bd. 1) aufgenommen. Die Gestalt des I. von Waldshut kommt als Nebenfigur in Heinrich Zschokkes Der Freihof von Aaarau (1847) vor. ¨ Uberlieferung: Das Lied ist in drei unterschiedlichen Fassungen von verschiedenem Umfang u¨ berliefert: A) In der → Klingenberger Chronik: Z¨urich, ZB, cod. A 113 (ehemals: Ms. B 23 a), S. 281–283 (Abschrift des Hans Huepli, 1462). – M¨unchen, BSB, Cgm 1223, 201rv (Abschrift des Ulrich von Braiten-Landenberg, 1562). – B) St. Gallen, Stiftsbibl., cod. 645, S. 492–502 (ehemals Tschudis Besitz). – Ebd., eine offenbar von Tschudi eingetragene erweiterte Fassung. – C) Zwei weitgehend identische Eintragungen, gegen¨uber der erweiterten Fassung Tschudis nochmals erweitert: Z¨urich, ZB, Cod. A 59, S. 1019–1021 (nicht von Tschudis Hand). – Ebd., Cod. A 60, S. 396–398 (von Tschudis Hand). Ausgaben: Liliencron 1 (1865) S. 378–388 (Nr. 79). – Cramer 2 (1979) S. 74–82, 496. – Schweizerische Volkslieder. Mit Einleitung und Anm. hg. v. Ludwig Tobler. 2 Bde. (Bibl. a¨ lterer Schriftwerke der dt. Schweiz 4/5). Frauenfeld 1882–84, Bd. 1, S. XXVI; Bd. 2, S. 23–29. Literatur: Ulrich M¨uller, VL2 4 (1983) Sp. 424 f. – Viktor Schlumpf: Die frumen edlen 789
Mitte 15. Jh. Puren. Unters. zum Stilzusammenhang zwischen den hist. Volksliedern der Alten Eidgenossenschaft und der dt. Heldenepik. Z¨urich 1969, S. 79, 82 f. u. o¨ . – U. M¨uller: Unters. zur politischen Lyrik des dt. MA (GAG 55/56). G¨oppingen 1974, Reg. – Karina Kellermann: Abschied vom ‹hist. Volkslied›. ¨ Stud. zu Funktion, Asthetik und Publizit¨at der Gattung historisch-politische Ereignisdichtung (Hermaea NF 90). T¨ubingen 2000, S. 280. BJ Johannes de Beka → Band 2, Sp. 1253. Lauchein, Johannes → Band 2, Sp. 1259. Mittelniederdeutsches Ostergedicht → Band 2, Sp. 1263 f. Martinslieder → Band 2, Sp. 1271–1273. Kremmeling, Hermann → Band 2, Sp. 1174 f. Muller, ¨ Peter (auch: Meiler). ¨ Uber Leben und Herkunft von M. erf¨ahrt man haupts¨achlich durch seine zwei erhaltenen Lieder, die in der Schlussformel (inklusive Signatur) f¨ur die zeitgen¨ossischen Zuh¨orer wohl tats¨achliche Aktualit¨at einbringen sollten. Einmal sitzt M. gerade «am Z¨urichse», als er «das liedli n¨uw gesang», ein ander Mal kommt er aus Rapperswil und «sitzt z˚u Luzern bi der stat». F¨ur 1482 ist ein gleichnamiger Schutztorwart in Rapperswil bezeugt; vermutlich ist er identisch mit dem Dichter. Beide u¨ berlieferten Werke sind historischpolitische Ereignislieder. Im ersten polemisiert M., «ein Schwizerknab», in elf Strophen gegen die Schwaben in «Costanz», angeheizt durch die gespannte Lage zwischen Schw¨abischem Bund und der Eidgenossenschaft. Das zweite Lied d¨urfte auch 1499 enstanden sein, nur etwas sp¨ater, da es gewissermaßen an das erste anschließt und u¨ ber den Schwabenkrieg berichtet. Aufgrund der unter¨ schiedlichen Fassungen in der Uberlieferung, die zwischen 34 bis zu 44 Strophen umfassen, und wegen der h¨aufigen Verbreitung im Druck scheint das Lied sehr bekannt gewesen zu sein. Es ist u. a. in der Sammlung von Liedern u¨ ber den Schwabenkrieg vertreten, die der Chronik von Hans → Lenz hinzugef¨ugt wurden. Auch im zweiten Lied legt M. seine Parteilichkeit f¨ur die Schweiz offen und deutet den Krieg als Freiheitskampf, den die Eidgenossenschaft zu bestehen habe: «z˚u zwingen ein gemeine eidgnosschaft / und inen ein herren geben». 790
Nurnberger ¨ O welt-Gedicht
Mitte 15. Jh. Ausgiebig schildert M. die einzelnen Stationen im Krieg und zeichnet sarkastisch ein negatives Bild der schw¨abischen Opposition: «Groß schand m˚uß man von inen sagen, / wie vil inen ist erschlagen». ¨ Uberlieferung: Lied gegen die Schwaben (in Konstanz): Luzern, Zentral- und Hochschulbibl., BB Ms. 382.4°, S. 48–51 (1532, Nachtr¨age 1536, Z¨urich; Werner Steiner: ‹Liederchronik› [Autograph]). – Z¨urich, ZB, Cod. A 158, 26v–28v (nach 1536; ebenfalls in Steiners ‹Liederchronik›, Schreiber: Johann Stumpf). – Lied u¨ ber den Schwabenkrieg: Privatbesitz Antiquariat Biberm¨uhle, Heribert Tenschert, Ramsen (Schweiz) (vormals Privatbesitz Fam. Diesbach, Uebewil), Autograph von 1501 (‹Schwabenkrieg-Chronik› von Ludwig → Sterner). – Bern, Burgerbibl., Mss. h. h. I. 48, S. 148–192 (Autograph). – Luzern, Zentral- und Hochschulbibl., BB Ms. 382.4°, S. 137–146. – St. Gallen, Stiftsbibl., Cod. 645, S. 595–601 (Pap., erste oder zweite H¨alfte des 15. Jh., bis ins 16. Jh., vgl. http://www.handschriftencensus.de/13396). – Z¨urich, ZB, Cod. A 158, 77v–83r. – Ebd., Ms. A 145, S. 41–45 (17. Jh.). – Drucke: Bern, Siegfried Apiarius 1564 (kein Ex. bekannt). – Zu¨ rich, Rudolf Wyssenbach [um 1600], (Berlin, SBB, Ye 2481). Ausgaben: Liliencron 2 (1866) S. 381–383 (Nr. 201), 420–426 (Nr. 210). – Cramer 2 (1979) S. 340–342, 344–375. – Heinrich von Dießbach (Hg.): Der Schwabenkrieg. Besungen von einem Zeitgenossen. Johann Lenz, B¨urger von Freiburg. Z¨urich 1849, S. 156–158. – Die Berner-Chron. des Valerius Anshelm. Bd. 2. Hg. vom hist. Ver. des Kt. Bern. Bern 1886, S. 256–264. Literatur: HBLS 5 (1929) S. 186, 189. – Iris und Frieder Schanze, VL2 6 (1987) Sp. 747–749; 11 (2004) Sp. 1037 f. – Gerold Meyer von Knonau: Die Schweizerischen hist. Volkslieder des f¨unfzehnten Jh. Z¨urich 1870, S. 53. – Karina Kellermann: Abschied vom ‹hist. Volkslied›. Stud. ¨ zu Funktion, Asthetik und Publizit¨at der Gattung historisch-politische Ereignisdichtung (Hermaea NF 90). T¨ubingen 2000, S. 323 f. FA Nurnberger ¨ Sp. 1126 f.
O
welt-Gedicht
→ Band
2,
Passionsgedicht Do christ mit sinen jungern az → Band 2, Sp. 1130. Poll, Peter → Band 2, Sp. 1132. 791
Ritterschaft Christi → Band 2, Sp. 1136 f. Spiegel der Sunder ¨ → Band 2, Sp. 1143. Tegernseer Hymnen → Band 2, Sp. 1151. Unser frowen fischli und fogeli ¨ → Band 2, Sp. 1152. Vorauer Hymnenerkl¨arung → Band 2, Sp. 1159. Van den wapen Kristi → Band 2, Sp. 1161. O filii ecclesiae / Homo, tristis esto → Band 2, Sp. 1276–1278. Alblin. – Lieddichter oder -kompilator, 14. oder 15. Jh. i ¨ Unter der Uberschrift «Alblin ovnn sinne» steht in einem Karlsruher Codex aus der Mitte des 15. Jh. ein in dieser Form unikal u¨ berliefertes Dreierbar. Es fordert den Priester auf, sich des ihm anvertrauten Leibes Christi w¨urdig zu zeigen. Das Lied ist im von den Meisters¨angern als «Frauenlobs Froschweise» (RSM: 1Frau/14) bezeichneten Ton verfasst, der allerdings nicht auf → Frauenlob selbst zur¨uckgeht. Die erste Strophe des Bars taucht auch als dritte Strophe eines dreifach u¨ berlieferten anonymen Meisterliedes auf (11Frau/14/1). Dessen erste beide Strophen enthalten ein kosmologisches R¨atsel und dessen Aufl¨osung. Bei der beiden Liedern gemeinsamen Strophe handelt es sich vermutlich um eine a¨ ltere Sangspruch-Einzelstrophe (fr¨uhes 14. Jh. [?]), die zur Barkomplettierung in unterschiedliche Kontexte eingebunden wurde. Die Zuordnung der Verfasserangabe A. ist unsicher: A. k¨onnte Verfasser der alten Strophe oder (was wahrscheinlicher ist) Teilverfasser bzw. Kompilator des Karlsruher Dreierbars gewesen sein. Vielleicht ist er identisch mit «Elb(el)», der von Konrad → Nachtigall, Hans → Folz und Valentin Voigt in deren jeweiligen Meisterkatalogen gef¨uhrt wird (1NachtK/5/2; 1Folz/82). ¨ Uberlieferung: Karlsruhe, LB, Cod. St. Georgen 74, 21v–22r (Pap., 1448, westschw¨abisch). – Anonymes Meisterlied: M¨unchen, BSB, Cgm 4997 (→ Kolmarer Liederhandschrift) 136r. – Ebd., Cgm 1019, 1v (Pap., Mitte 15. Jh., nordbair./ostfr¨ankisch). – Karlsruhe, LB, Cod. Donaueschingen 120 (→ Donaueschinger Liederhandschrift) S. 278. Ausgaben: Cramer 1 (1977) S. 36–38. – Anonymes Meisterlied: Karl Bartsch: Meisterlieder der 792
Frau Fischerin Kolmarer Hs. (Bibl. des Litterarischen Ver. in Stuttgart 68). Stuttgart 1862, S. 291–293 (Nr. XXX). – Paul Runge: Die Sangesweisen der Colmarer Hs. und die Liederhs. Donaueschingen. Leipzig 1896 (Nachdr. Hildesheim 1965) Nr. 24. – Durward Saline Poynter: The Poetics of the Early Meisters¨anger as reflected in the Kolmarer Hs. (Cgm 4997). Diss. Los Angeles 1965, S. 193–195. Literatur: Burghart Wachinger, VL2 1 (1978) Sp. 155 f. – RSM 3 (1986) S. 1. – Michael Baldzuhn: Vom Sangspruch zum Meisterlied. Unters. zu einem literarischen Traditionszusammenhang auf der Grundlage der Kolmarer Liederhs. (MTU 120). T¨ubingen 2002, S. 172. VZ Gunzburger ¨ (von G¨unzburg). – Minnelieddichter, Mitte 15. Jh. (?). Das → Augsburger Liederbuch (um 1454) enth¨alt ¨ ein sechstrophiges Liebeslied unter der Uberschrift «Guntzburg». Der Konvention der Handschrift gem¨aß darf angenommen werden, dass der Lieddichter den Familiennamen «G¨unzburger» oder «von G¨unzburg» f¨uhrte (vgl. «Wolckenstainer» [119v] = → Oswald von Wolkenstein; «Eßellocher» [161r] = Hans → Heselloher). Eine Identit¨at mit Matthias → G¨unzburg ist sehr unwahrscheinlich. Die Form des Liedes mit einfachem Strophenbau und dreizeiligem Refrain ist eine gekonnte Umsetzung des volksliedhaften Stils und legt damit eine zeitliche N¨ahe der Dichtung zum Redaktor der Liedsammlung nahe. Das S¨anger-Ich des fr¨ohlich gestimmten Werbeliedes offeriert einem Fr¨aulein seine Dienst mit dem Wunsch auf Liebeserf¨ullung. ¨ Uberlieferung: M¨unchen, BSB, Cgm 379, 112r (Pap., um 1454, ostschw¨abisch). Ausgaben: Johannes Bolte: Ein Augsburger Liederbuch vom Jare 1454. In: Alemannia 18 (1890) S. 97–27, 203–235, hier S. 118 f. (Nr. 32). – Cramer 1 (1977) S. 261. Literatur: Michael Curschmann, VL2 3 (1981) Sp. 326. – Albert Daur: Das alte dt. Volkslied nach seinen festen Ausdrucksformen betrachtet. Leipzig 1909, S. 175 f. – Klaus J¨urgen Seidel: Der Cgm 379 der BSB und das ‹Augsburger Liederbuch› von 1454. Augsburg 1972, S. 358–363. – Cramer 1 (1977) S. 463. VZ Imhoff, Martin. – Dichter eines dreistrophigen Liebeslieds. Von I., der sich im Akrostichon «Mertein Imhof» nennt, ist ein Lied mit drei Strophen zu je f¨unf 793
Mitte 15. Jh. Zeilen u¨ berliefert. Er ist wahrscheinlich mit einem wohlhabenden Kulmbacher B¨urger identisch, der um die Mitte des 15. Jh. mehrfach bezeugt ist. ¨ Uberlieferung: Prag, Knihovna n´arodn´ıho muzea, Ms. X A 12 (Liederbuch der Clara → H¨atzlerin), 309rv. – Berlin, SBB, Mgf 488 (Hs. des Martin Ebenreuther), 218r–219v. – Halle/Saale, ULB, 14 A 39 (sp¨ater Leipzig, UB, Ms 1708) (Bechsteinsche Hs., seit 1885 verschollen geglaubt, im Mai 2001 wiederentdeckt). Ausgaben: Liederbuch der Clara H¨atzelrin. Hg. v. Carl Haltaus. Quedlinburg/Leipzig 1840. Neudr. mit einem Nachw. v. Hanns Fischer. Berlin 1966. Eine Neuausg. mit Beru¨ cksichtigung der Bechsteinschen Sammlung entsteht derzeit in Halle (s. Homeyer/Knor/Solms [Lit.] und die Projektskizze: http://www.germanistik. uni-halle.de/forschung/ altgermanistik/minnetextsammlung/). – Cramer 2 (1979) S. 73, 496. Literatur: Burghart Wachinger, VL2 4 (1983) Sp. 365 f. – Ders.: Liebe und Lit. im sp¨atma. Schwaben und Franken. Zur Augsburger Sammelhs. der Clara H¨atzlerin. In: DVjs 56 (1982) S. 386–406. – Christoph Mackert: Wieder aufgefunden. Bechsteins Hs. der Mo¨ rin Hermanns von Sachsenheim und des sog. ‹Liederbuchs der Klara H¨atzlerin›. In: ZfdA 133 (2004) S. 486–488. – Susanne Ho¨ meyer/Inta Knor/Hans-Joachim Solms: Uberlegungen zur Neuedition des sogenannten ‹Liederbuches der Clara H¨atzlerin› nach den Hss. Prag, X A 12, der ‹Bechsteinschen Hs.› (Halle, 14 A 39) und Berlin, mgf 488. In: Dt. Liebeslyrik im 15. und 16. Jh. 18. Medi¨avistisches Kolloquium des Zentrums f¨ur Mittelalterstud. der Otto-FriedrichUniv. Bamberg am 18. und 19. November 2003. Hg. v. Gert H¨ubner (Chloe. Beihefte zum Daphnis 37). Amsterdam/New York 2005, S. 65–81. BJ Frau Fischerin. – Obsz¨ones Lied, 15. Jh. In der F. F. wird der Koitus zwischen einer Fischerin und einem vorbeiwandernden J¨ungling drastisch als Hilfestellung beim Fischen beschrieben. Das Lied wurde mit großer Wahrscheinlichkeit schon in der ersten H¨alfte des 15. Jh. m¨undlich breit tradiert. Der erste schriftliche Beleg findet sich in → Fichards Liederbuch (drittes Viertel 15. Jh.). Lied Nr. 52 dieser Sammlung kombiniert zwei Strophenanf¨ange der F. F. mit dem Lied vom Bauern im Heu. Urspr¨unglich d¨urfte die F. F. vier Strophen zu elf Versen umfasst haben, bis auf einen 794
Mitte 15. Jh. u¨ berliefern aber alle Textzeugen eine Erweiterung auf f¨unf Strophen mit jeweils leichten Abweichungen vor allem bei der Schlussstrophe. Zitate bei Niklas Manuel Deutsch, Wolfgang Schmeltzl und Johann Fischart sind Ausweis der Beliebtheit der F. F.. Eine geistliche Kontrafaktur des Liedes (11 Str.) wohl aus dem 16. Jh. identifiziert die Fischerin mit Maria und bittet diese um Beistand gegen den Zorn Gottes, vor allem gegen die Pest. ¨ Uberlieferung: Hss.: Melk, Stiftsbibl., Cod. 869 (716; N 4) 50r auf einem urspr¨unglich selbstst¨andigen Einzelbl. (um 1470/80). Bei der hier u¨ berlieferten Fassung sind die 5 Str. jeweils um 1 Vers gek¨urzt. – Berlin, SBB, Mgq 718, 38v–39r (1519/20; vermutlich Druckabschrift). – Drucke: Rostock (?) (Ludwig Dietz [?]) um 1520, nd. Einblattdruck; Titel: «Eyn leed van eyner vischerinne»; vierstrophige Fassung (Abb. bei: Dietrich Fr¨oba/Rolf Wilhelm Brednich: Das nd. Lied an der Wende vom MA zur fr¨uhen Neuzeit. Hss. als Quelle volkst¨umlicher Lied¨uberl. im 15. und 16. Jh. In: Stadt im Wandel. Kunst und Kultur des B¨urgertums in Norddeutschland 1150–1650. Ausstellungskat. Bd. 3: Aufs¨atze. Hg. v. Cord Meckseper. Stuttgart-Bad Cannstatt 1985, S. 643–651, hier S. 650). – Augsburg (Matth¨aus Elchinger) um 1525/30, Einblattdruck; Titel: «Ain h¨ubsches lied von ainer vischerin weltlich zu syngen» (Abb. bei: R. W. Brednich: Die Liedpublizistik im Flugbl. des 15. bis 17. Jh. Bd. 2 [Bibliotheca bibliographica Aureliana 60]. Baden-Baden 1975, Abb. 73 und bei Peter Amelung: Ulmer Inkunabelholzschnitte in Augsburger Drucken des 16. Jh. In: Schw¨abische Heimat 26 (1975) S. 221–229, Abb. 3). – Augsburg (Matth¨aus Franck) um 1560, Oktavdruck (s. Wendelin v. Maltzahn: Dt. B¨ucherschatz des 16., 17. und 18. bis um die Mitte des 19. Jh. Bd. 1. Jena 1875, Nr. 543). – Fragm. der Melodie sind u¨ ber zwei Quodlibets Wolfgang Schmeltzls erhalten, vgl. B¨ohme 1877 (s. Ausg.) und Schmidtke (s. Lit.) S. 176 f. – Geistliche Kontrafaktur: Augsburg (M. Elchinger) um 1525/30, Einblattdruck (Abb. bei: R. W. Brednich [s. o.] Abb. 72). Ausgaben: Schmidtke (s. Lit.) S. 167 f.; Pausch (s. Lit.) S. 86 f. (beide Hs. Melk, mit Abb.). – Philipp Wackernagel: Das dt. Kirchenlied v. Martin Luther bis auf Nicolaus Herman und Ambrosius Blaurer. Stuttgart 1841, S. 838 f. (synoptische Wiedergabe der Einblattdrucke Rostock und Augsburg). – Johannes Bolte: Zum dt. Volksliede. In: Zs. des Ver. f¨ur Volkskunde 12 (1902) S. 101–105, hier S. 103 795
Fichards Liederbuch (Druck Rostock). – Franz Magnus B¨ohme: Altdt. Liederbuch. Volkslieder der Deutschen nach Wort und Weise aus dem 12. bis zum 17. Jh. Leipzig 1877 u.¨o. (Nachdr. Hildesheim 1966) Nr. 45. – Dt. Liederhort. Ausw. der vorz¨uglicheren dt. Volkslieder, nach Wort und Weise aus der Vorzeit und Gegenwart gesammlet und erl. v. Ludwig Erk, neubearb. und fortgesetzt v. F. M. B¨ohme. Bd. 1. Leipzig 21925 (Nachdr. Hildesheim 1963/88) Nr. 151b (beide Einblattdrucke Augsburg). – Geistliche Kontrafaktur: P. Wackernagel: Das dt. Kirchenlied von der a¨ ltesten Zeit bis zu Anfang des XVII. Jh. Bd. 2. Leipzig 1867 (Nachdr. Hildesheim 1964/90) Nr. 1282. Literatur: Frieder Schanze, VL2 11 (2004) Sp. 455 f. – Dietrich Schmidtke: Eine neuentdeckte fr¨uhe Fassung des Liedes v. der Fischerin. In: Jb. Volkslied 21 (1976) S. 164–178. – Oskar Pausch: Die F. F. Ein erotischer Gassenhauer der Scholares Vindobonenses (Melk Cod. 869). In: Litterae Ignotae. Beitr. zur Textgesch. des dt. MA. Neufunde und Neuinterpretationen (Litterae 50). Hg. v. Uwe M¨uller. G¨oppingen 1977, S. 85–88. VZ Fichards Liederbuch. – Sammlung weltlicher Lieder, Mitte 15. Jh. Die Zusammenstellung von 114 Liedern unterschiedlichen Typs ist nach ihrem Herausgeber und letztem Besitzer, Johann Carl von Fichard (1773–1829), benannt. Melodien sind nicht verzeichnet und trotz erkennbarem Bem¨uhen, verwandte Textgruppen in Bl¨ocken zu pr¨asentieren, kann der Sammlung kein planhafter Aufbau attestiert werden. Vereinzelt sind bekannte Dichter aufgenommen (→ Mo¨ nch von Salzburg, → Oswald von Wolkenstein und [inhaltlich aus dem Rahmen fallend] ein geschlossener Abschnitt mit zw¨olf Liedern von → Suchensinn), es u¨ berwiegt jedoch obd. anonymes Liedgut. Gattungsfremde Texte in der Handschrift sind u. a. das lat. Geldevangelium, kurze Sentenzen oder die Minnerede → Schule der Minne. Die Lieder sch¨opfen aus der sp¨atma. weltlichen Lieddichtung, wobei Liebeslieder die h¨aufigste Textsorte sind. Ausgespart bleiben hier zwar Scheide- und Tagelieder, auch die Fernminne ist selten, aber ansonsten wird eine breite Palette m¨oglicher Liebeslied-Typen geboten: vom Minnelied traditioneller Pr¨agung bis zur unverhohlenen Obsz¨onit¨at. Daneben stehen Schwank- und Trinklieder, ferner u. a. eine → Cisioianus-Fassung 796
Frolich ¨ so will ich singen (Nr. 5), f¨unf historisch-politische Ereignislieder (auch die von → Gilgenschein), die Nachahmung eines Liedes von Hans → Heselloher (Nr. 57), eine 30-strophige Vogelhochzeit (Nr. 64) und eine Anleitung zum Bauernschinden (Nr. 53). Deren erste Strophe k¨onnte eine Kontrafaktur von Lied 13 des → Lochamer Liederbuchs sein. Bei zwei Liedern (Nr. 60 f., Scherz- bzw. Kartenspiellied) nennt sich in der Autorsignatur ein «myszener/mysner». Eine Identit¨at mit einem der bekannten Namenstr¨ager (→ Alter und → Junger Meißner, → Meißner) ist unwahrscheinlich, aber zumindest nicht auszuschließen. Drei lat. Lieder (darunter → Abendvesper) legen nahe, Entstehung und Gebrauch von F. L. innerhalb der gehobenen Bildungsschicht zu verorten. ¨ Uberlieferung: Frankfurt/M., Stadtarch., Familienarch. Fichard Nr. 165 Ms. 69 (Pap., drittes Viertel 15. Jh., s¨udrheinfr¨ankisch [Heidelberg ?]; 1. Hand [Nr. 1–64] um Mitte 15. Jh., 2. Hand [Nr. 65–67] 60er Jahre 15. Jh. oder etwas sp¨ater; 1944 verbrannt, nachdem die Hs. lange als verschollen galt; vgl. auch http://www.handschriftencensus.de/3521 [online]). Ausgaben: Johann Carl v. Fichard: Altdt. Lieder und Gedichte aus der ersten H¨alfte des XVten Jh. in: Frankfurtisches Arch. f¨ur a¨ ltere dt. Litt. und Gesch. 3 (1815) S. 196–323 (Lied Nr. 1–64; Nr. 55 f. ausgespart zur sp¨ateren [nicht erfolgten] Publ.; 4 Lieder sind [wegen obsz¨oner Inhalte] nur mit den Anfangsversen vertreten). – Ders.: Gedichte auf Kurf¨urst Friedrichs des Siegreichen v. der Pfalz, Fehde mit Baden und W¨urtenberg im Jahr 1462. In: ebd. 2 (1812) S. 54–69 (Lied Nr. 65–67). – Zahlreiche Aufnahmen einzelner Lieder in Anthologien seit 1845, die aber, da die Hs. als verschollen galt und sp¨ater verloren war, Fichard folgen. – Zuletzt in: Eva Kiepe: Gedichte 1300–1500 (Epochen der dt. Lyrik 2). Mu¨ nchen 1972 (Nachdr. 2001 [hg. v. Eva Willms] u. d. T.: Dt. Lyrik v. den Anf¨angen bis zur Gegenwart 2) Nr. 40, 53 f. – Hist.-polit. Ereignislieder auch bei Liliencron 1 (1865) Nr. 52, 80, 112–114. – Zu Editionen namentlich genannter Dichter vgl. dort. Literatur: Helmut Lomnitzer, VL2 2 (1980) Sp. 734–736. – RSM 1 (1994) S. 159. – Friedrich Arnold Mayer/Heinrich Rietsch: Die MondseeWiener Liederhs. und der M¨onch v. Salzburg. Eine Unters. zur Litt.- und Musikgesch. nebst den dazugeh¨origen Texten aus der Hs. und mit 797
Mitte 15. Jh. Anm. 2 Bde. (Acta Germanica 3,4 und 4). Berlin 1894/1896, Bd. 1 S. 136–138 u. o¨ . – Karl H¨ober: Beitr. zur Kenntnis des Sprachgebrauchs im Volksliede des XIV. und XV. Jh. (Acta Germanica 7,1). Berlin 1908. – Emil Pflug: Suchensinn und seine Dichtungen (Germanistische Abh. 32). Breslau 1908, S. 13–17. – Friedrich Ranke: Zum Begriff ‹Vokslied› im ausgehenden MA. In: Mitt. der schlesischen Ges. f¨ur Volkskunde 33 (1933) S. 100–129 (wieder in: Ders.: Kleinere Schr. Hg. v. Heinz Rupp/Eduard Studer. Bern/M¨unchen 1971, S. 341–364, hier S. 347–349). – Christoph Petzsch: Das Lochamer-Liederbuch. Stud. (MTU 19). M¨unchen 1967, S. 143–157, 213 f., 227–230, 236 f. u. o¨ . – Klaus Ju¨ rgen Seidel: Der Cgm 379 der BSB und das ‹Augsburger Liederbuch› v. 1454 (Diss. Mu¨ nchen) Augsburg 1972, S. 238–243, 328–358, 412–426, 482–497, 580–587. – Hans¨ Dieter M¨uck: Unters. zur Uberl. und Rezeption sp¨atma. Lieder und Spruchgedichte im 15. und 16. Jh. Die ‹Streu¨uberl.› v. Liedern und Reimpaarrede Oswalds v. Wolkenstein. Bd. 1 (GAG 263,1). G¨oppingen 1980, S. 178–210. – Frieder Schanze: Meisterliche Liedkunst zwischen Heinrich v. Mu¨ geln und Hans Sachs. Bd. 1: Unters. (MTU 82). M¨unchen 1983, S. 138 f. – H.-D. Mu¨ ck (Hg.): Oswald v. Wolkenstein. Streu¨uberl. (Litterae 36). G¨oppingen 1985, S. 4 f. – Doris Sittig: Vyl wonders machet minne. Das dt. Liebeslied in der 1. H¨alfte des 15. Jh. Versuch einer Typologie (GAG 465). G¨oppingen 1987, S. 12 f., 37 und 394 (Reg.). – Petra Busch: Die Vogelparlamente und Vogelsprachen in der dt. Lit. des sp¨aten MA und der fr¨uhen Neuzeit. Zusammenstellung und Beschreibung des Textmaterials, Rekonstruktion der ¨ ¨ Uberlieferungsgesch., Unters. zur Genese, Asthetik und Gebrauchsfunktion der Gattung (Beihefte zu Poetica 24). Mu¨ nchen 2001, S. 123–129 und Reg. – Gisela Kornrumpf: Virelais-Balladen unter den Liebesliedern in F. L. – und Rondeaux? In: Vom vielfachen Schriftsinn im MA. FS Dietrich Schmidtke (Schr. zur Medi¨avistik 4). Hg. v. Freimut L¨oser/Ralf G. P¨asler. Hamburg 2005, S. 247–263. VZ Frolich ¨ so will ich singen. – weltliches Tagelied, das wohl Mitte des 15. Jh. entstand, zwei geistlichen Neubearbeitungen unterzogen wurde und als Inspiration f¨ur ein historisches Ereignislied zum Tod K¨onig Ludwigs II. von Ungarn (1526) diente. Das Tagelied ist in zahlreichen Flugbl¨attern vom 16. bis zum 18. Jh. sowie in einer Handschrift 798
Mitte 15. Jh. aus der Mitte des 15. Jh. (Haguenau, Ms. 6.19 ¨ [s. Uberl.]) u¨ berliefert, wenn auch nicht immer vollst¨andig. 1. Das weltliche Tagelied erz¨ahlt von einer Liebesnacht zwischen einem Burgfr¨aulein und einem Knaben; beginnend mit dem Sehnen nach dem «frowelin» und der Komplizenschaft des W¨achters, endet es mit dem schmerzlichen Abschied der Liebenden am Morgen. Als der J¨ungling am anbrechenden Tag singend durch den Wald eilt, wird er vom unbekannten Dichter geh¨ort, der dann sein Lied f¨ur das Fr¨aulein verfasst. Sp¨atere Varianten umfassen 26 Strophen von je neun Zeilen. 2. Zwei geistliche Kontrafakturen decken sich in Hinsicht auf Strophenform und leicht ge¨andertem Anfang mit dem weltlichen Tagelied. Welche Fassung des weltlichen Liedes als direkte Vorlage diente, ist nicht mehr bestimmbar. Die erste Version schildert, wie ein reuiger S¨under Maria f¨ur sein Seelenheil bittet; hierbei nimmt das Lied in seiner Wortwahl Bezug auf die weltliche Variante und weist klare Parallelen in der Figurenkonstellation auf: Su¨ nder, Jesus, Maria entsprechen dem Knaben, dem W¨achter und dem Fr¨aulein. Im weltlichen Lied u¨ berredet das «burgfrowelin» den W¨achter, ihren Geliebten in die Burg zu lassen, in der Kontrafaktur darf der S¨under ins Paradies, weil Maria Jesus u¨ berzeugt. Die zweite Version ist ein Marienpreislied, das das Konzil von Basel anf¨uhrt (1431–1449) und f¨ur die Lehre der unbefleckten Empf¨angnis eintritt. In einer der u¨ berlieferten Handschriften wird die Stadt Straßburg ge¨ lobt (A, vielleicht auch B [s. Uberl.]), in der schon seit langem die «conceptio immaculata» zelebriert wurde – vielleicht ein Hinweis auf die Entstehung dieser Fassung im Zusammenhang mit Straßburg. Ferner gibt es eine gegenreformatorische Umarbeitung des Liedes (C, vgl. Philipp Wackernagel, Nr. 1053 [s. Ausg.]). Das Verh¨altnis zwischen weltlichem und geistlichem Lied gestaltet sich besonders spannungsreich, da von einer Tageweise mit erotischem Inhalt eine geistliche Version geschaffen wurde; hier gilt zu beachten, dass mit der Erwartungshaltung des zeitgen¨ossischen Zuh¨orers gespielt wird, dachte er doch vermutlich aufgrund der gleichen Melodie und einem a¨ hnlichen Beginn an das weit verbreitete Lied vom Fr¨aulein und dem Knaben (vgl. Marianne Derron [s. Lit.]). ¨ Uberlieferung: Weltliches Tagelied: Haguenau, Bibl. de la Ville, Ms. 6.19 (Pap., Mitte 15. Jh., alemannisch). – Geistliche Kontrafakturen: Bamberg, 799
A Redder tr¨agd a Raiendaans Bibl. des Priesterseminars, Hs. W III a. α/22 (bis zum Beginn der 3. Str.). – Heidelberg, UB, Cpg 109, (A) 170v–173r Bll. (Pap., 1516–1527, ostschw¨abisch-nordbair.) – Ebd., 114v–116v (nd.). – M¨unchen, BSB, Clm 4426, 206r–210r (1493). – Ulm, StB, Einblattdrucke, (B) Nr. 1451. – Wien, ¨ ONB, Cod. 3027, 278v–281r (Pap., 1494, bair.o¨ sterr.). - Ebd., Cod. 4348 , 148r–150r (Pap., 1496 und 1503, bair.-o¨ sterr.). Ausgaben: Weltliches Tagelied: Johannes Bolte, Zs. des Ver. f¨ur Volkskunde 21 (1911) S. 76–79. – Max von Waldberg: Neue Heidelberger Jbb. 3 (1893) S. 303–306 (Nr. 41). – Geistliche Kontrafakturen: Cramer 1 (1977) S. 104–111. – Joseph Kehrein: Kirchen- und religi¨ose Lieder. Paderborn 1853, S. 195–198. – Philipp Wackernagel: Das dt. Kirchenlied von der a¨ltesten Zeit bis zu Anfang des XVII. Jh. Bd. 2. Leipzig 1867 (Nachdr. Hildesheim 1964. 2. Nachdr. Hildesheim u. a. 1990) S. 839–840 (Nr. 1053, ‹Maria und der S¨under›, [C]) und S. 1032–1034 (Nr. 1264, ‹Von der unbefleckten empfengnis Marie›). – Franz M. B¨ohme: Altdt. Liederbuch. Leipzig 1877 (Nachdr. Hildesheim/ Wiesbaden 1966) S. 711 f. (Nr. 602). – Hist. Ereignislied: Ludwig Erk/F. M. B¨ohme: Dt. Liederhort. Bd. 2. Leipzig 1893, S. 79–82 (Nr. 276). Literatur: Wolfgang Limper, VL 2 2 (1980) Sp. 972–974. – Cramer 1 (1977) S. 438. – Erk/B¨ohme (s. Ausg.) S. 81 f. – B¨ohme (s. Ausg.) S. 712. – Luise Berthold: Beitr. zur hochdt. geistlichen Kontrafaktur vor 1500. Marburg o. J. [1918?]. – Josef Werlin: Zwei Mariengedichte aus dem 15. Jh. In: Leuvense Bijdragen 56 (1967) S. 159–168. – W. Limper: Liedfunde im Hagenauer Stadtarch. In: Jb. f¨ur Volksliedforschung 18 (1973) S. 92–108. – Marianne Derron: Von der Liebesnacht mit dem ‹burgfrowelin› zur Verehrung der Gottesmutter. Beispiel einer gr¨undlichen Kontrafaktur. In: Jb. f¨ur Volksliedforschung 44 (1999) S. 24–33. – Andr´e Schnyder: Das geistliche Tagelied des sp¨aten MA und der fr¨uhen Neuzeit. Textslg., Komm. und Umrisse einer Gattungsgesch. (Bibliotheca Germanica 45). T¨ubingen/Basel 2004, S. 680. FA A Redder tr¨agd a Raiendaans. – Nordfriesisches Tanzlied. Das Lied entstand wahrscheinlich im 15. Jh. auf Osterlandf¨ohr. Es d¨urfte in der dortigen Mundart geschrieben gewesen sein, da der erhaltene Text nicht auf d¨anische oder nd. Vorlagen zur¨uckgef¨uhrt 800
Der Herr von Falkenstein ¨ werden kann. Die schriftliche Uberlieferung des Lieds begann nach heutiger Kenntnis mit einer Niederschrift des Wrixumer Organisten Peter Jung Peters (1760–1842). Sie diente als Grundlage der weiteren schriftlichen wie m¨undlichen Tradierung. Die von Peters erstellte Niederschrift ist verloren, doch fertigte ein Lehrer namens S¨orensen eine Abschrift an, die er 1851 an den Pastor Lorenz F. Mechlenburg schickte. Der Text ist in Mechlenburgs Nachlass u¨ berliefert. Eine weitere Fassung des Lieds wurde von Otto Bremmer 1888 auf der ¨ Basis m¨undlicher Uberlieferung herausgegeben. In der heute bekannten Form besteht A R. t. a. R. aus 13 Strophen, deren erste und dritte Zeile jeweils die Handlung berichten und von einem Vors¨anger vorgetragen wurden. Zweite und vierte Zeile enthalten jeweils einen vom Chor gesungenen Refrain. Der Inhalt des Lieds variiert die urspr¨unglich aus D¨anemark stammende Ballade vom grausamen Bruder: Ein Ritter und ein Fr¨aulein begegnen sich beim Reihentanz und verlieben sich ineinander. Da die Verwandten des Fr¨auleins diese Beziehung aber ablehnen, enthauptet der j¨ungste Bruder seine Schwester. F¨ur seine Tat f¨ahrt er am Ende des Lieds zur H¨olle, w¨ahrend die Seele des Fr¨auleins zum Himmel aufsteigt. ¨ Uberlieferung: Hamburg, SUB, Nachlass Lorenz F. Mechlenburg, Mappe 11, Nr. 10 (Abschrift S¨orensens v. 1851). Ausgaben: Bai an a Redder. Hg. v. Christian P. Hansen. In: Ders.: Der Sylter Friese. Kiel 1860 (Nachdr. Walluf 1972) S. 218–220 (OnlineAusg. BSB M¨unchen [o. J.]). – Ferreng an o¨ mreng Stacken u¨ b Rimen. Hg. v. Otto Bremer. Halle/ ¨ Saale 1888, S. 11–13 (nach der m¨undlichen Uberl.; Melodie in: Dt. Liederhort 3. Hg. v. Ludwig Erk/Franz B¨ohme. Leipzig 1894 [Nachdr. Hildesheim u. a. 1963] Nr. 1797). – Altfriesische Balladen. Hg. v. Willy Krogmann. Aurich 1953, S. 51–96 (krit. Ausg.). ¨ Ubersetzungen: Bai an a redder. Hg. v. Lorenz Mechlenburg. In: Friesisches Arch. 2 (1854) S. 328–332. Literatur: Willy Krogmann, VL 5 (1955) Sp. 938–940. – Friedhelm Debus: Johan Winkler und Klaus Groth. Die altfriesische Ballade ‹Bai an a Redder› im Spiegel ihres Briefwechsels. In: Grenzen en grensproblemen. Een bundel studies uitgegeven door het Nedersaksisch Instituut van de R. U. Groningen ter gelegenheid van zijn 30-jarig bestaan. Hg. v. Petrus Boekholt u. a. Groningen 1984, S. 134–152. MM 801
Mitte 15. Jh. Der Herr von Falkenstein. – Ballade, 15. Jh. Das sp¨atma. Lied ist nach seinem Protagonisten benannt. Thema ist die Gattentreue. Erz¨ahlt wird in sprunghaftem Balladenstil und ohne Vorgeschichte von einem Ritt des H. v. F. u¨ ber die Heide. Dort begegnet er einer Frau, die ihn bittet, ihren Mann freizulassen (ein Grund f¨ur dessen Gefangennahme wird nicht genannt). Nach dem ablehnenden Bescheid des H. v. F. und einem Szenenwechsel zu dessem Burgturm fordert die Frau den Herren zum Kampf auf. Damit kommt der weiblichen Akteurin eine in Volksballaden ungew¨ohnliche Tatkraft zu. Da die ritterliche Ehre dem H. v. F. den Kampf gegen eine Frau verbietet, l¨asst er das Paar ziehen. In verschiedenen Fassungen der Ballade aus dem 16. Jh. wird der Ort des Geschehens nach «Hessen» oder «Wirtenberg» verlegt, in der Forschung (Alpers, s. Lit.) wurde die Burg Falkenstein bei Freiburg i. Br. vorgeschlagen. Auch gab es Versuche, den vermutlich sagenhaften Stoff zu einem historischen Ereignis in Beziehung zu setzen. Diese Answ¨atze verkennen indes einen Grundzug der Volksballade, die Stilisierung und Enthistorisierung. Abgesehen von ndl. Fr¨uhbelegen im 15. Jh. mit ¨ unsicherer Zuordnung (s. Uberl.) ist die Ballade u¨ berwiegend nd. und seltener obd. tradiert. Im Venus-G¨artlein: Oder Viel Sch¨one außerlesene Weltliche Lieder (Hamburg [Georg Pape] 1659 [VD17 1:670125Z]) ist sie zum Trinklied umgeformt. Die Aufnahme in Des Knaben Wunderhorn erfolgte in Sekund¨arrezeption u¨ ber eine von Johann Gottfried Herder 1777 mitgeteilte Liedflugschrift, die nicht ermittelt ist. In dieser Fassung ist das Lied von Johannes Brahms vertont worden. Ausweis der Popularit¨at der Ballade bis ins 20. Jh. sind einige Gebrauchsliederb¨ucher, die den H. v. F. enthalten. ¨ Uberlieferung: Fr¨uheste vollst. Fassung: St. Gallen, Stiftsbibl., Cod. 604, S. 228 f. (Pap., erste H¨alfte 16. Jh.); in Str. 1 kontaminiert mit der Bal¨ lade Das → Schloss in Osterreich. – Belege schon im 15. Jh. durch Tonangaben und zum Teil Kontrafakturen: Berlin, SBB, Mgo 185, S. 149 (Pap., 15. Jh., ndl.); Mgo 190, 80v (Perg., 15. Jh., ndl./lat.); Mgo 224, 102r (Pap., Ende 15. Jh., schw¨abisch) und im → Werdener Liederbuch (Werden, Pfarrarch., ohne Sign. [um 1500/30, verschollen]). – Im 16. Jh. zahlreiche Tonangaben und Kontrafakturen sowie eine Erw¨ahnung in Johann Berckmanns Stralsunder Chron. von 1543. – Auflistung der Drucke in: Dt. Volkslieder 1935 (s. Ausg.). 802
Mitte 15. Jh. Ausgaben: Ludwig Uhland: Alte hoch- und niederdt. Volkslieder. Bd. 1. Stuttgart 1844, S. 294–299 (Nr. 124). – Ludwig Erk/Franz Magnus B¨ohme: Dt. Liederhort. Auswahl der vorz¨uglicheren dt. Volkslieder, nach Wort und Weise aus der Vorzeit und Gegenwart. Bd. 1. Leipzig 1893, S. 216–222 (Nr. 62). – Florimond van Duyse: Het oude Nederlandsche Lied. Wereldlijke en geestelijke liederen uit vroegeren tijd. Bd. 1. Den Haag 1903 (Nachdr. Hilversum 1965) S. 116–118 (Nr. 19). – Dt. Volkslieder mit ihren Melodien. Balladen (hg. v. Dt. Volksliederarch.). Bd. 1. Berlin 1935, S. 223–233 (Nr. 21). – John Meier: Balladen. Bd. 1 (Dt. Lit. Reihe das dt. Volkslied 1). Leipzig 1935 (Nachdr. Darmstadt 1964) Nr. 21. – Lutz R¨ohrich/Rolf Wilhelm Brednich: Dt. Volkslieder. Texte und Melodien. Bd. 1: Erz¨ahlende Lieder. D¨usseldorf 1965, S. 195–198 (Nr. 31). – Hermann Strobach: Dt. Volkslieder. Bd. 1: Droben auf jenem Berge, Balladen, Liebeslieder, Berufs- und St¨andelieder. Rostock 1984, Nr. 7. – David Gray Engle: A preliminary catalogue and edition of German folk ballads. 2 Bde. (Diss. Univ. of California/Los Angeles 1985) Ann Arbor, MI 1985, Bd. 2, S. 1225–1229 (Nr. V 173). – Heinz R¨olleke: Das Volksliederbuch. ¨ Uber 300 Lieder, ihre Melodien und Geschichten. K¨oln 1993, S. 160. – Otto Holzapfel: Das große dt. Volksballadenbuch. Mit einem Nachw. und Erl¨auterungen sowie acht Farbtafeln und zahlreichen Abb. D¨usseldorf/Zu¨ rich 2000 (Neudr. u. d. T.: Das große Volksballadenbuch. D¨usseldorf 2008) S. 260. Literatur: J¨urgen Dittmar, VL2 3 (1981) Sp. 1136 f. – Otto Holzapfel, Killy2 5 (2009) S. 336 f. – Karl Bode: Die Bearb. der Vorlagen in ‹Des Knaben Wunderhorn› (Palaestra 76). Berlin 1909, S. 169. – Selma Hirsch: Falkenstein. In: Jb. des Ver. f¨ur nd. Sprachforsch. 55 (1929) ¨ S. 142–147. – Paul Alpers: Uber einzelne nd. Volkslieder. In: NdJb 38 (1912) S. 30–54, hier S. 30–34. – Louis Pinck: Volkslieder von Goethe im Elsaß gesammelt mit Melodien und Varianten aus Lothringen und dem Faks.-Dr. der Strassburger Goethe-Hs. (Schr. der Elsass-Lothringischen Wissenschaftlichen Ges. zu Strassburg). Heidelberg 1932, S. 72. – Dt. Volkslieder 1935 (s. Ausg.). – H. Strobach: Volkslieder gesammelt von Johann Wolfgang Goethe. Wiedergabe der Weimarer Hs. mit Transkription und Erl¨auterungen (Schr. der Goethe-Ges. 62). Weimar 1982, S. 43 f. – Strobach 1984 (s. Ausg.). – Engle (s. Ausg.). – R¨olleke 803
¨ Das Schloss in Osterreich (s. Ausg.). – O. Holzapfel: Liedverz. Die a¨ ltere deutschsprachige, popul¨are Lied¨uberl. (In Zusammenarbeit mit dem Volksmusikarch. des Bezirks Oberbayern, Bruckm¨uhl). 2 Bde. Hildesheim u. a. 2006, S. 525. VZ ¨ Das Schloss in Osterreich. – Ballade, 15. Jh. (?). Das popul¨are sp¨atma. Lied hat u¨ ber m¨undliche Tradierung im 19./20. Jh. Verbreitung bis in deutschsprachige Gebiete Osteuropas und u¨ ber nd. Fassungen auch in Skandinavien gefunden. Die Varianz der Fassungen ist demtentsprechend groß. Parallelen in franz¨osischen (Ecoliers pendus) und englischen (The Clerk’s twa Sons of Owsenford) Liedstoffen d¨urften auf unabh¨angigen Quellen beruhen. Oft begegnen Kontaminationen mit den Balladen Der → Herr von Falkenstein, Der → Herr von Braunschweig, Alter Mann und Sch¨uler und Nachtigall als Warnerin. Vor allem die Eingangsstrophe vom S. ¨ ist als vagierende Einzelstrophe fungibel in i. O. unterschiedlichen Liedkontexten. Der von der Varianz relativ unber¨uhrte Kern der Handlung ist ein international verbreiteter Novellenstoff, der das Unrecht im Feudalsystem thematisiert: Im unterirdischen Verlies eines Schlosses ¨ in Osterreich wird ein J¨ungling in Ketten gehalten. Diesem wurde eine goldene Kette – ein Hinweis auf eine verbotene Liebesbeziehung – zum Verh¨angnis. Da er die unstandesgem¨aße Beziehung nicht eingesteht, wird der Ju¨ ngling auf dem Schafott hingerichtet, weist aber Rachegedanken zur¨uck. Gleichwohl sterben binnen kurzer Frist seine Peiniger und die Seele des J¨unglings wird in den Himmel gef¨uhrt. Die o¨ sterreichische Lokalisierung d¨urfte sekund¨arer Natur sein. In Gebrauchsliederb¨uchern begegnet die Ballade oft. ¨ Uberlieferung: Erstmalig belegt als Textmarke («Is leyt eyn schlos eyn ostirreich») im → Glogauer Liederbuch (Krakau, Bibl. Jagiello´nska, Berol. Mus. ms. 40098, Nr. 50 [1478/80]); Zugeh¨origkeit der Melodie nicht zweifelsfrei gekl¨art. – Liedflugschriften (¨alteste: Straubing [Andreas Summer] 1581 [VD16 E 3939]) im sp¨aten 16. und 17. Jh.; daneben Aufnahme in Liederb¨ucher (u. a. Georg Forster), zahlreiche hsl. und gedruckte Quellen bis ins 19. Jh., Verwendung als Tonbezeichnung und geistliche Kontrafakturen; Auflistung in: Dt. Volkslieder 1935 (s. Ausg.). Ausgaben: Ludwig Uhland: Alte hoch- und niederdt. Volkslieder. Bd. 1. Stuttgart 1844, S. 300–302 (Nr. 125). – Ludwig Erk/Franz Magnus B¨ohme: 804
Graf Alexander von Mainz Dt. Liederhort. Auswahl der vorz¨uglicheren dt. Volkslieder, nach Wort und Weise aus der Vorzeit und Gegenwart. Bd. 1. Leipzig 1893, S. 209 f. (Nr. 61). – Florimond van Duyse: Het oude Nederlandsche Lied. Wereldlijke en geestelijke liederen uit vroegeren tijd. Bd. 1. Den Haag 1903 (Nachdr. Hilversum 1965) S. 113–115 (Nr. 18). – Dt. Volkslieder mit ihren Melodien. Bd. 1: Balladen. Tl. 1. Hg. v. Dt. Volksliederarch. Berlin 1935, S. 250–276 (Nr. 24). – John Meier: Balladen. Bd. 1 (Dt. Lit. Reihe das dt. Volkslied 1). Leipzig 1935 (Nachdr. Darmstadt 1964) Nr. 24. – Lutz R¨ohrich/Rolf Wilhelm Brednich: Dt. Volkslieder. Texte und Melodien. Bd. 1: Erz¨ahlende Lieder. D¨usseldorf 1965, S. 206–211 (Nr. 34). – David Gray Engle: A Preliminary Catalogue and Edition of German Folk Ballads. 2 Bde. (Diss. Univ. of California/Los Angeles 1985) Ann Arbor, MI 1985, S. 1186–1188. – Michael Curschmann: Dt. Dichtung des MA. Bd. 3: Sp¨atMA. Mu¨ nchen 1981, S. 479–482. – Otto Holzapfel: Das große dt. Volksballadenbuch. Mit einem Nachw. und Erl¨auterungen sowie acht Farbtafeln und zahlreichen Abb. D¨usseldorf/Zu¨ rich 2000 (Neudr. u. d. T.: Das große Volksballadenbuch. D¨usseldorf 2008) S. 310. (Weitere Ausg. s. Holzapfel 2006 [s. Lit.] S. 506.). Literatur: Manfred Zimmermann, VL2 8 (1992) Sp. 749 f. – Karl Bode: Die Bearb. der Vorlagen in ‹Des Knaben Wunderhorn› (Palaestra 76). ¨ Berlin 1909, S. 260. – Paul Alpers: Uber einzelne nd. Volkslieder. In: NdJb 38 (1912) S. 30–54, hier ¨ S. 44. – Archer Taylor: ‹D. S. i. O.›. In: Modern Language Notes 42 (1927) S. 222–225. – Jo¨ In: Volkskundliche hannes Bolte: Zum ‹S. i. O.›. Gaben. FS J. Meier. Hg. v. Harry Schewe. Berlin 1934, S. 34 f. – Wilhelm Heiske: Ein neuer ¨ In: Jb. f¨ur Volksliedforschung Fund zum ‹S. i. O.›. 4 (1934) S. 66–72. – Dt. Volkslieder 1935 (s. Ausg.). – Karl Horak: Balladen aus Tirol. In: Jb. ¨ des Osterr. Volksliedwerkes 2 (1953) S. 59–75. – Gert Glaser: Die K¨arntner Volksballade. Unters. zum epischen K¨arntner Volkslied (K¨arntner Museumsschr. 59). Klagenfurt 1975, S. 83–97. – En¨ In: gle (s. Ausg.). – O. Holzapfel: ‹D. S. i. O.›. Dt. Balladen. Gedichte und Interpretationen. Hg. v. Gunter E. Grimm (RUB 8457). Stuttgart 1988 (Nachdr. 2008) S. 38–56 (mit Abdruck S. 38–40). – ¨ Ders.: Mu¨ ndliche Uberl. und Literaturwiss. Der Mythos von Volkslied und Volksballade (Literaturwiss. 2). Mu¨ nster 2002, S. 22–28. – Ders.: Liedverz. Die a¨ltere deutschsprachige, popul¨are Lied¨uberl. 805
Mitte 15. Jh. (In Zusammenarbeit mit dem Volksmusikarch. des Bezirks Oberbayern, Bruckm¨uhl). 2 Bde. Hildesheim u. a. 2006, S. 505–507. – Wolfgang Suppan: ¨ GeSteirische Zeugnisse zur Ballade vom ‹S. i. O.›: sungene Geschichte(n) zwischen Epik und Historiographie, Mu¨ ndlichkeit und Schriftlichkeit. In: Nulla historia sine fontibus. FS Reinhard H¨artel. Hg. v. Anja Thaller u. a. (Schriftenreihe des Inst. f¨ur Gesch. 18). Graz 2010, S. 500–523. VZ Graf Alexander von Mainz (Metz). – Erz¨ahllied, 15. Jh. Das Lied vom Grafen A. umfasst 31 Strophen und ist in der «Zugweise» → Frauenlobs (RSM: 1Frau/33) vermutlich in der zweiten H¨alfte des 15. Jh. im westlichen Mitteldeutschland verfasst worden. Zahlreiche direkte Bez¨uge zu Mainz durchziehen den Text. Der anonyme Autor verweist in der Schlussstrophe auf eine schriftliche Quelle. Ob eine Mainzer Lokalsage als diese Quelle in Frage kommen k¨onnte, ist aber fraglich. Aufgrund der Stoffgleichheit ist die Dichtung oft mit dem → Grafen von Rom und dem → Ritter Alexander verwechselt worden. Geschildert wird, wie A. entgegen der Bitten seiner Frau eine Pilgerfahrt zum hl. Grab unternimmt. Die Frau n¨aht ihm gem¨aß der Eingabe eines Engels ein weißes Hemd, das nicht schmutzig wird, so lange sie ihm treu bleibt. Der Graf ger¨at unterwegs in heidnische Gefangenschaft und muss vor einen Pflug gespannt h¨arteste Arbeiten verrichten. Zur Verwunderung des Heidenk¨onigs Machamet ¨ bleibt A.s Hemd dabei weiß. Uber das Wunder aufgekl¨art, entsendet der K¨onig einen Ritter, um die Treue der Frau zu versuchen. Diese bleibt trotz des Angebotes, A. freizulassen, standhaft. In der Folge gelingt es ihr als M¨onch verkleidet und mit List, ihren Mann zu befreien, dem sie sich indes nicht zu erkennen gibt. Gemeinsam kehrt das Paar nach Mainz zur¨uck. Kurz vor der Stadt trennen sich A. und der falsche Mo¨ nch. Vorausgeeilt empf¨angt die Frau ihren Mann. Von ihrer Schwiegermutter der Untreue bezichtigt, kann die Frau durch ihr Mo¨ nchsgewand das Gegenteil beweisen. Noch im 15. Jh. entstand eine nd. Prosa¨ubersetzung. Bemerkenswerter Weise geht dieser eine ¨ Vorrede u¨ ber die Stadt Metz voran, die der Ubersetzer aus der → Schedelschen Weltchronik entlehnt hat. Ein ndl. Volksbuch, u¨ berliefert in der ersten 806
Mitte 15. Jh. H¨alfte des 17. Jh. aber wom¨oglich fr¨uher entstan¨ den, beruht aber nicht auf dieser Ubertragung sondern wohl direkt auf dem Lied. Neben der vereinfachenden Bearbeitung im Grafen von Rom und der ¨ relativ breiten Uberlieferung sind zwei Dramatisierungen des Stoffes von 1584 und 1595 Zeugnis der Beliebtheit des Textes im 16. Jh., ebenso eine Anspielung in der Geschichtklitterung Johann Fischarts (1575). Auch das dreimalige Auftreten des Liedti¨ tels als Tonname (s. Uberlieferung) zeugt von der Popularit¨at der Dichtung, deren Stoff sich auch in der neuzeitlichen M¨archentradition wiederfindet. ¨ Uberlieferung: Einzeldrucke, jeweils ohne Tonangabe und bis auf VD16 A 1758 alle mit Titelholzschnitt (Graf mit zwei Gef¨ahrten vor Pflug gespannt). Der Namenszusatz «Graf» erscheint nur in den Titeln, nicht im Text selbst. «Mainz» findet sich nur in den zwei Inkunabeln (und in GW 12574 nur teilweise), sonst stets: «Metz». – Bamberg (Hans Sporer) 1493. – Erfurt (H. Sporer) 1495 (GW 12574 f.). – Straßburg (Martin Flach) um 1520 (VD16 A 1757). – N¨urnberg (Jobst Gutknecht) um 1530 (in: Weimar, Herzogin Anna Amalia Bibl., 14,6:60e [Sammelbd. von Liedeinzeldrucken, Weimarer Liederbuch]). – N¨urnberg (Kunigunde Hergot) 1535 (VD16 ZV 390). – Speyer (Anastasius Nolt) 1543. – Z¨urich (Augustin Fries) 1545. – N¨urnberg (Friedrich Gutknecht) 1550 (VD16 A 1758–1760). – N¨urnberg (Valentin Neuber) 1550. – Z¨urich (Rudolf Wyssenbach) 1550 (VD16 ZV 391 f.). – Augsburg (Michael Manger) 1570. – Straßburg (Thiebold Berger) 1570 (VD 16 1762 f.). – Zwei Drucke o. O. (Basel) ohne Druckerangabe (Johann Schr¨oter) 1613 und o. J. (in: Z¨urich, ZB, Cod. Z VI 686 [Slg. teils gedruckter, teils hsl. Lieder, Z¨uricher Liederbuch]) und Exemplar London, British Library, 11517, bbb. 31). – Nd. Prosafassung: Magdeburg (Simon Koch [Mentzer]) 1500 (GW 12576). – Verwendung des Liedtitels als Tonname: Straßburg (Jakob Fr¨olich) 1542 (VD 16 G 2736) als Tonangabe zum Grafen von Rom: «Jn dem Allexander thon». – Ebd. (ebd.) 1542 (VD16 S 3527) und Straßburg (Thiebold Berger) 1551 (VD16 V 2485) als Tonangabe zu Liedern in Frauenlobs «Zugweise» («in des Alexanders melodey»). Ausgaben: Philipp Maximilian K¨orner: Hist. Volkslieder der Deutschen aus dem sechzehnten und siebenzehnten Jh. Stuttgart 1840, S. 49–67 (nach VD16 A 1759). – Karl Goedeke: Dt. Dichtung im MA nebst einem vollst. Sachreg. Dresden 21871, S. 569–574 (nach K¨orner). – Bolte, Dt. 807
Ellentreich M¨archen (s. Lit.) S. 33–42 (nach GW 12575). – Max Adolf Pfeiffer: Das Weimarer Liederbuch (Hundertdrucke 28/29). Mu¨ nchen 1918/20, S. 15–31 (nach Weimar, 14,6:60e). – Nd. Prosafassung: Johannes Bolte: Die Historie vom Grafen A. v. Metz. In: NdJb 42 (1916) S. 60–70. Literatur: Frieder Schanze, VL2 3 (1981) Sp. 207–209. – Ludwig Uhland: Schr. zur Gesch. der Dichtung und Sage Bd. 4. Stuttgart 1869, S. 299–309. – Johannes Bolte: Dt. M¨archen aus dem Nachlaß der Br¨uder Grimm 3: Die getreue Frau. In: Zs. des Ver. f¨ur Volkskunde 26 (1916) S. 19–42 (gek¨urzt in: Ders./Georg Pol´ıvka: Anm. zu den Kinder und Hausm¨archen der Br¨uder Grimm. Bd. 3. Leipzig 1918 [Neudr. Hildesheim/ New York 1982] S. 517–531). – Luc Debaene: De nederlandse volksboeken, outstaan en geschiedenis van de nederlandse prozaromans, gedrukt tussen 1475 en 1540. Antwerpen 1951, S. 27–31. – Valerie R. Hotchkiss: Gender transgression and the abandoned wife in medieval literature. In: Gender Rhetorics. Postures of Dominance and Submission in History (Medieval and Renaissance texts and studies 113). Hg. v. Richard C. Trexler. Binghamton NY 1994, S. 207–218, hier S. 209. VZ Ellentreich. Die Zimmerische Chronik (1565/66) berichtet von einer verlorenen Konstanzer Liederhandschrift (Liederhandschrift X, um 1340) und gibt in den Chronikzus¨atzen deren Autorenverzeichnis wieder, wo auch E. genannt wird. Von ihm gibt es weder weitere Kenntnisse noch u¨ berlieferte Dichtungen. Sein Name erscheint zusammen mit weiteren Dichtern ohne bekannte oder sicher zuweisbare Werke (→ Johannes M¨utinger ¨ [«Mu¨ etinger»], «Ottinger», → Wild von Veldk¨urch, → Rupherman [«Rupft-de-mann»] und Haine ¨ → Zolki; mit «Ottinger» ist vermutlich nicht ¨ → Konrad Ottinger gemeint.) Es d¨urfte sich bei allen diesen um Verfasser kleinliterarischer Texte handeln, wom¨oglich von Reimpaardichtungen. Gustav Roethe hat eine Identit¨at E.s mit → Ehrentreich erwogen. Literatur: Frieder Schanze, VL2 2 (1980) Sp. 504. – HMS 4 (1838) S. 883. – Karl August Barack (Hg.): Zimmerische Chron. Bd. 2. Freiburg i. Br./Tu¨ bingen 21881, S. 193 f. – Gustav Roethe: Die Gedichte Reinmars v. Zweter. Leipzig 1887 (Nachdr. Amsterdam 1967) S. 167 f. – Elise Walter: Verluste auf dem Gebiet der mhd. Lyrik 808
Rotter (T¨ubinger germanistische Arbeiten 17). Stuttgart 1933, S. 69–74. – Volker Mertens: Peter v. Aarberg, Minnes¨anger. In: ZfdA 101 (1972) S. 344–357, hier S. 344–346. – F. Schanze: Zur Liederhs. X. In: Dt. Hss. 1100–1400. Oxforder Kolloquium 1985. Hg. v. Volker Honemann/Nigel F. Palmer. T¨ubingen 1988, S. 316–329. – Horst Brunner: Dichter ohne Werk. Zu einer u¨ berlieferungsbedingten Grenze ma. Lit.gesch. (Mit einem Textanhang: Die Dichterkat. des Konrad Nachtigall, des Valentin Voigt ¨ und des Hans Folz). In: Uberlieferungsgeschichtliche Editionen und Stud. zur dt. Lit. des MA. FS Kurt Ruh (TTG 31). Hg. v. Konrad Kunze u. a. T¨ubingen 1989, S. 1–31 (wieder in: H. Brunner: Ann¨aherungen. Stud. zur dt. Lit. des MA und der Fr¨uhen Neuzeit [Phil.Stud.u.Qu. 210]. Berlin 2008, S. 291–303). VZ Rosner, Hans (auch: Johannes Rosner, Roßner, R¨oßner, Hans der Schw¨atzer). – Verfasser von Reimpaargedichten, um Mitte 15. Jh. R. ist urkundlich nicht identifizierbar und nur u¨ ber drei Reimpaargedichte nachgewiesen, die ab der zweiten H¨alfte des 16. Jh. in Handschriften ¨ u¨ berliefert sind. In einem Teil der Uberlieferung erscheint R.s Name als Signatur unter den Gedichten. Man hat R. verschiedentlich mit Hans → Rosenpl¨ut gleichgesetzt, weil dieser in einer Handschrift als Autor genannt wird und generell eine Namens¨ahnlichkeit zwischen R. und Rosenpl¨ut besteht. Zuletzt ist diese These jedoch angezweifelt worden, obwohl es sich bei R. durchaus um einen Zeitgenossen Rosenpl¨uts gehandelt haben d¨urfte. Auch hielt sich R. zumindest zeitweise in N¨urnberg auf. Er k¨onnte auch ein Bearbeiter Rosenpl¨utscher Texte gewesen sein. R. war wohl nicht mit einem weiteren Dichter identisch, der als «Rosner der clain man» bekannt ist. R.s l¨angstes Gedicht Der Einsiedel (464 Verse) berichtet von einem Gespr¨ach des Erz¨ahlers mit einem Eremiten. Dieser befragt den Sprecher u¨ ber den Weltzustand, worauf der Erz¨ahler mit Zeitund St¨andeklagen antwortet. Der Einsiedler tr¨agt geistliche Kommentare, Exempelfiguren und ein mehrfach wiederholtes Wappenmotiv zum Gespr¨ach bei. Unter den drei Gedichten wird dieses am h¨aufigsten Rosenpl¨ut zugeschrieben. In Der Frauenkrieg (389 Verse) belauscht der Erz¨ahler ein Gespr¨ach zwischen elf Frauen. Diese tauschen Lob und Klagen u¨ ber ihre M¨anner aus und gehen auch auf die erotischen Aspekte des Ehelebens ein. Die 809
Mitte 15. Jh. Handwerke (154 Verse) ist eine Scherz- und L¨ugenrede und gilt als schw¨achster Text R.s. Der erste Teil der Handwerke geht auf eine Rede von Meister → Irregang zur¨uck. Die Zuschreibung zweier weiterer Gedichte an R. (Vom Pfennig, Spiegel und Igel) wird von der neueren Forschung angezweifelt. ¨ Uberlieferung: Dresden, LB, Mscr. M 50, 100r–102v (Pap., 1460–62, nordbair.-ostfr¨ankisch). – M¨unchen, BSB, Cgm 713, 127r–130v, 223v–242r (Pap., um 1460–80, nordbair.). – Leipzig, UB, Ms. 1590, 54r–57v, 68r–89r (Pap., N¨urnberg [?], ¨ um 1465, n¨urnbergisch). – Wien, ONB, cod. 13377, 9v–16r (Pap., N¨urnberg, 1470–75, nordbair.ostfr¨ankisch; Fragm.). – N¨urnberg, Germ. Nationalmuseum, Hs. 5339a, 38r–48r, 390v–395r (Pap., N¨urnberg, um 1472, bair.). – Wolfenb¨uttel, HAB, cod. 29.6 Aug. 4°, 39r–44v (Pap., N¨urnberg, 1472). – Hamburg, SUB, cod. germ. 13, S. 131–138 (Pap., um 1490). – N¨urnberg, Germ. Nationalmuseum, Hs. Merkel 2° 966, 69r–70v (Pap., 1524–26, Schreiber: Valentin Holl). – Dessau, Landesb¨ucherei, Hs. Georg. 150.8°, 55v–60r (Pap., um 1530, ¨ obers¨achsisch). – Verz. der Uberl. auch bei Reichel 1985 (s. Lit.) S. 258 f., 261. Ausgaben: Die Handwerke, Der Einsiedel: Adelbert von Keller (Hg.): Fastnachtspiele aus dem f¨unfzehnten Jh. Tl. 3 (Bibl. des Litterarischen Vereins in Stuttgart 30). Stuttgart 1853 (Nachdr. Darmstadt 1965) S. 1124–1138 (Gedichte I und III). – Frauenkrieg: A. von Keller (Hg.): Erz¨ahlungen aus altdt. Hss. (Bibl. des Litterarischen Vereins in Stuttgart 35). Stuttgart 1855, S. 177–187. Literatur: Gustav Roethe, ADB 29 (1889) S. 271. – Frieder Schanze, VL2 8 (1992) Sp. 240–242. – Victor Michels: Stud. u¨ ber die a¨ltesten dt. Fastnachtspiele. Straßburg 1896, S. 131–147. – J¨orn Reichel: Der Spruchdichter Hans Rosenpl¨ut. Lit. und Leben im sp¨atma. N¨urnberg. Stuttgart 1985, S. 90–92, 97 f. MM Rotter, Peter (auch: Pitter, Roter, R¨otter, Rytter, Roller). – Unbekannter Meistersinger ohne Werk. In stets unterschiedlicher Schreibung, von «Petter R¨otter» bis «Peter Rytter» steht dieser Name in den verwandten Dichterkatalogen von Hans → Folz, Konrad → Nachtigall sowie im Prosa¨uberblick von Valentin Voigt. Seine Nennung l¨asst vermuten, dass er ein Meistersinger sp¨atestens aus der Mitte des 15. Jh. war; ob er indes mit dem 810
Mitte 15. Jh. → Rotter identisch ist, der wohl ein schlichtes Lied u¨ ber Maria verfasst hat, bleibt unklar. Literatur: W[olfgang] St[ammler], VL 3 (1943) Sp. 1115. – B[urghart] Wachinger, VL2 8 (1992) Sp. 289 f. – Horst Brunner: Dichter ohne Werk. Zu einer u¨ berlieferungsbedingten Grenze ma. Literaturgesch. (Mit einem Textanhang: Die Dichterkat. des Konrad Nachtigall, des Valentin Voigt ¨ und des Hans Folz). In: Uberlieferungsgeschichtliche Editionen und Stud. zur dt. Lit. des MA. FS Kurt Ruh (TTG 31). Hg. v. Konrad Kunze u. a. T¨ubingen 1989, S. 1–31 (wieder in: H. Brunner: Ann¨aherungen. Stud. zur dt. Lit. des MA und der Fr¨uhen Neuzeit [Phil.Stud.u.Qu. 210]. Berlin 2008, S. 291–303). FA Baltzer (auch: Boltzer, Polster). – Meistersinger. B. ist nur u¨ ber Erw¨ahnungen seines Namens in drei Dichterkatalogen nachweisbar. Werke sind von ihm nicht u¨ berliefert. Der 1513 verstorbene Hans → Folz nennt B. in seinem Dichterkatalog unter fr¨uhen dt. Meistersingern und Sangspruchdichtern. Hier erscheint B. in verschiedenen Lesarten auch als «Boltzer» und «Polster». Als «Polster» ist B. auch im Dichterkatalog des Konrad → Nachtigall verzeichnet, der weitgehend mit Folz’ Katalog u¨ bereinstimmt und vielleicht auf eine gemeinsame Quelle zur¨uckgeht. Unter dem gleichen Namen erscheint B. um 1558 in einer Handschrift des Magdeburger Meistersingers Valentin Voigt. Weitere Erw¨ahnungen B.s sind nicht bekannt. ¨ Uberlieferung: Erw¨ahnungen B.s in: Berlin, SBB, Mgq 410, 317v. – Jena, UB, El. fol. 100 [Vorrede] (1558). Ausgaben: Dichterkataloge mit Erw¨ahnungen ¨ B.s: Wilhelm Ernst Tenzel: Uber die Meistersinger. In: Monatliche Unterredungen einiger guter Freunde die neueste Litteratur betreffend 3 (1691) S. 931–936, hier S. 933. – Die Meisterlieder des Hans Folz aus der M¨unchener Originalhs. und der Weimarer Hs. Q. 566 mit Erg¨anzungen aus anderen Quellen. Hg. v. August Mayer (DTM 12). Berlin 1908, Nr. 94. – Cramer 2 (1979) S. 386 f. – Brunner 1989 (s. Lit.). Literatur: Horst Brunner, VL2 1 (1978) Sp. 592. – Ders.: Dichter ohne Werk. Zu einer u¨ berlieferungsbedingten Grenze ma. Literaturgesch. (mit einem Textanh.: Die Dichterkat. des Konrad Nachtigall, des Valentin Voigt und des Hans ¨ Folz). In: Uberlieferungsgeschichtliche Editionen 811
Baltzer und Stud. zur dt. Lit. des MA. Kurt Ruh zum 75. Geburtstag. Hg. v. Konrad Kunze u. a. T¨ubingen 1989, S. 1–31 (wieder in: H. Brunner: Ann¨aherungen. Stud. zur dt. Lit. des MA und der Fr¨uhen Neuzeit. Berlin 2008, S. 291–303). MM Betzler, Arnold. – Sangspruchdichter. B. ist nur durch eine einzige Erw¨ahnung nachgewiesen. Der 1513 verstorbene Hans → Folz nennt B. in seinem Dichterkatalog unter fr¨uhen dt. Meistersingern und Sangspruchdichtern. Laut Folz stammte B. wie ein im gleichen Zusammenhang genannter Graf von Seldneck oder Veldeneck (je nach Lesart) angeblich aus Siebenb¨urgen. Interessanterweise fehlt B.s Name im Dichterkatalog des Konrad Nachtigall, der weitgehend mit Folz’ Katalog u¨ bereinstimmt und vielleicht auf eine gemeinsame Quelle zuru¨ ckgeht. Ausgaben: Die Erw¨ahnung B.s durch Hans Folz ist abgedruckt in: Die Meisterlieder des Hans Folz aus der M¨unchener Originalhandschrift und der Weimarer Hs. Q. 566 mit Erg¨anzungen aus anderen Quellen. Hg. v. August Mayer (DTM 12). Berlin 1908, Nr. 94. – Brunner 1989 (s. Lit.) S. 25. Literatur: Horst Brunner, VL2 1 (1978) Sp. 838. – Ders.: Dichter ohne Werk. Zu einer u¨ berlieferungsbedingten Grenze ma. Literaturgesch. (mit einem Textanh.: Die Dichterkat. des Konrad Nachtigall, des Valentin Voigt und des Hans ¨ Folz). In: Uberlieferungsgeschichtliche Editionen und Stud. zur dt. Lit. des MA. Kurt Ruh zum 75. Geburtstag. Hg. v. Konrad Kunze u. a. T¨ubingen 1989, S. 1–31 (wieder in: H. Brunner: Ann¨aherungen. Stud. zur dt. Lit. des MA und der Fr¨uhen Neuzeit. Berlin 2008, S. 291–303). MM Brunner, Johannes → Band 3, Sp. 700. Pruner, Hans (auch: Johannes Brunner, Prunner). Es d¨urfte sich um die gleiche Person handeln, die auch unter dem Namen Johannes → Brunner zu finden ist. Beide Schreibweisen deuten auf ein Spottlied von ca. 1451, das in der 12. Strophe einen «Johannes Pruner» erw¨ahnt und sich h¨ahmisch auf den St. Galler Abt Kaspar von Breitenlandenberg bezieht. Ob P. als Verfasser anzunehmen ist, bleibt weiterhin unklar. Das Lied entstand im Kontext der Auseinandersetzung zwischen Abt und B¨urgerschaft. Da die letzten Strophen nachbearbeitet sein 812
Graf von Savoyen k¨onnten, um wohl u. a. den Ursprungsort des Liedes zu verschleiern, k¨onnte auch der erw¨ahnte P. fiktiv sein. Ausgaben: Liliencron 1 (1865) S. 441–443. – Cramer 1 (1977) S. 83–85. – Ludwig Tobler: Schweizerische Volkslieder (Bibl. a¨ lterer Schriftwerke der dt. Schweiz 5). Bd. 2. Frauenfeld 1884, S. 39–43. Literatur: Otto von Greyerz, VL1 1 (1933) Sp. 303. – Max Wehrli, VL2 1 (1978) Sp. 1062. – Viktor Schlumpf: Die frumen edlen puren (Arbeiten aus dem hist. Seminar der Univ. Zu¨ rich 19). Z¨urich 1969, S. 85. – Ulrich M¨uller: Unters. zur politischen Lyrik des dt. MA (GAG 55/56). 2 Bde. G¨oppingen 1974, Reg. FA Graf von Savoyen. – Erz¨ahllied, sp¨ates 14. Jh. (?). Die 15 Strophen des Liedes u¨ ber den Grafen von S. sind im → Regenbogen zugeschriebenen «Langen Ton» (RSM: 1Regb/4) verfasst. Stofflich liegt dem Text das in Europa weit verbreitete Erz¨ahlschema von Trennung und unverhofftem Wiederfinden eines Ehepaares und seiner beiden Kinder zugrunde. Zu anderen Auspr¨agungen des Stoffes z¨ahlen die Eustachiuslegende, romanische Versionen des Wilhelm von England und Sir Ysambrace im englischen Sprachraum. In der dt. Literatur sind die → Gute Frau und → Ulrichs von Etzenbach Wilhelm von Wenden zu nennen. Ein direktes Abh¨angigkeitsverh¨altnis der Liedversion von den vorgenannten besteht aber vermutlich nicht, zumal hier das Ehepaar kinderlos ist. Erz¨ahlt wird vom hochm¨utigen G. v. S., der mit der Schwester des franz¨osischen K¨onigs verheiratet ist und sich f¨ur allen anderen Menschen u¨ berlegen h¨alt. Ein Engel stellt das Paar vor die Alternative der ewigen Verdammnis (bei Beibehaltung ihrer Lebensweise) oder eines zehnj¨ahrigen irdischen Elends. Das Paar w¨ahlt Letzteres. Nach den ¨ folgenden Wirrungen (Uberf¨ alle, Armut, Flucht) gelangt die Frau auf See in die H¨ande von r¨auberischen Kaufleuten. Durch die List der Frau, welche die Kaufleute gegeneinander ausspielt und anbietet, diese m¨ogen sie dem K¨onig von Frankreich verkaufen, findet das Paar wieder zusammen und erh¨alt vom K¨onig seinen Besitz zur¨uck. Das in einem meisterlichen Ton verfasste Lied hat auch u¨ ber Meisters¨angerhandschriften hinaus Verbreitung gefunden. Von seiner Popularit¨at zeugt neben der relativ breiten Druck¨uberlieferung auch die Verwendung des Liedtitels als Tonname (vgl. 813
Mitte 15. Jh. ¨ Uberlieferung). Eine lat. Prosafassung des Liedes (um 1480, nur fragmentarisch erhalten) geht auf Samuel → Karoch von Lichtenberg zur¨uck. Ein in Basel gewirkter Wandteppich aus dem 15. Jh. (Besan¸con, Mus´ee des Beaux-Arts) stellt die Geschichte des Liedes bildlich dar und u¨ bertr¨agt sie ins Milieu der Wildmenschen. ¨ Uberlieferung: (zum Teil stark divergierend) Karlsruhe, LB, Cod. Lichtenthal 76, 146v–152r (Pap., 1465, alemannisch). – M¨unchen, BSB, Cgm 351, 251r–255v (Pap., zweite H¨alfte 15. Jh., mittelbair.). – Dessau, Landesb¨ucherei, Hs. Georg. 25.8°, 46v–54r (Pap., zweite H¨alfte 15. Jh., ostmitteldt.). – Mu¨ nchen, Cgm. 5198 (Meisterliederhs. w) 151v–156r (Pap., um 1500, s¨udbair.). – Budapest, Bibl. et Archivum P.P. Franciscanorum, Cod. Esztergom 11 (vormals Esztergom [Gran] Bibl. des Franziskanerklosters, Cod. 11) 22r–34v (Pap., um 1500). – Einzeldrucke: W¨urzburg (Georg Reyser) um 1495. – Erfurt (Hans Sporer) 1497 und 1499 (GW 12577–12579). – Ulm (Hans Zainer) 1506 (VD16 V 2479). – N¨urnberg (Jobst Gutknecht) um 1520 (VD16 V 2480, in: Weimar, Herzogin Anna Amalia Bibl., 14,6:60e [Sammelbd. von Liedeinzeldrucken, Weimarer Liederbuch]). – Ebd. (Kunigunde Hergot) 1530 (VD16 ZV 16117). – Ebd. (Valentin Neuber) 1555. – Augsburg (Hans Zimmermann) 1560 (VD16 V 2481 f.). Ausgaben: Johann Joachim Eschenburg: Fu¨ nfter Beytrag zur alten dt. Litt. In: Dt. Museum 1783 Bd. 2, S. 233–251, hier S. 237–251 (nach GW 12577) (wieder in: Ders.: Denkm¨aler altdt. Dichtkunst. Bremen 1799, S. 347–362). – Gotthold Ephraim Lessing: Ein alter Meistergesang. In: S¨amtliche Schr. Bd. 16: Entw¨urfe und unvollendete Schr. Hg. v. Karl Lachmann, 3. Aufl. besorgt v. Franz Muncker. Stuttgart 1902, S. 333–344. – Friedrich Karl v. Erlach: Aus Eschenburgs Denkm¨alern. Ritterballade. In: Die Volkslieder der Deutschen. Bd. 1. Mannheim 1834, S. 181–192 (beide nach Eschenburg). – Karl Goedeke/Julius Tittmann: Von dem grafen von Safoi. In: Liederbuch aus dem 16. Jh. Leipzig 1867, S. 330–340 (nach Eschenburg und VD16 V 2480). – Max Adolf Pfeiffer: Das Weimarer Liederbuch (Hundertdrucke 28/29). M¨unchen 1918/20, S. 266–276 (nach VD16 V 2480). – Dy history des graffen von Soffey. Gedruckt im Auftrag v. Reinhold Stahl/Erich Steinthal (Officina Serpentis). Berlin 1922 (nach GW 12577). – Johannes Erben: Ostmitteldt. Chrestomathie. Proben 814
Mitte 15. Jh. der fr¨uhen Schreib- und Druckersprache des mitteldt. Ostens (Dt. Akad. der Wiss. zu Berlin. Ver¨off. des Inst. f¨ur dt. Sprache und Lit. 24.). Berlin 1961, S. 74–91 (Paralleldruck von Hs. Dessau und GW 12579, nur Str. 1–3, 6, 9–15). – Verwendung des Liedtitels als Tonname: N¨urnberg (Christoph Gutknecht) 1545 (VD16 S 3561) «Jm thon als man singet vnser Frawen schiedung Oder den Graffen von Saffoy». Literatur: Frieder Schanze, VL2 3 (1981) Sp. 217–219. – Norbert H. Ott: Tapisserien. In: EM 13 (2010) Sp. 223–227, hier Sp. 226. – Bernhard Joseph Docen: Krit. Beschreibung einer Slg. alter Meisterges¨ange. In: Beytr. zur Gesch. und Lit. (hg. v. Johann Christian v. Aretin) 9 (1807) S. 1128–1187, hier S. 1166–1168. – HMS 4 (1838) S. 640 Anm. 1. – Wilhelm Ludwig Holland: Crestien v. Troies. Eine literaturgeschichtl. Unters. T¨ubingen 1854, S. 87–90. – Wilhelm Johann Al¨ bert v. Tettau: Uber einige bis jetzt unbekannte Erfurter Drucke aus dem 15. Jh. Erfurt 1870, S. 124–150. – Gordon Hall Gerould: Forerunners, congeners, and derivatives of the Eustace Legend. In: Publications of the Modern Language Association of America 19 (1904) S. 335–448, hier S. 367 f., 372–379, 406–423. – Wilhelm Bousset: Die Gesch. eines Wiedererkennungsm¨archens. In: G¨ottingische Gelehrte Nachrichten. Phil.-hist. Kl. 1916, S. 469–551, hier S. 513–518. – Ders.: Wiedererkennungsm¨archen und Placidas-Legende. In: ebd. 1917, S. 703–745 (ohne Erw¨ahnung des Liedes). – K¨athe Leonhardt: Quellengeschichtl. Unters. zum Wilhelm v. Wenden des Ulrich v. Eschenbach. Jena 1931, S. 18 f., 53–55, 60. – Antti Amatus Aarne/Stith Thompson: The types of the folktale. A classification and bibliography (Folklore Fellows Communications 184). Helsinki 1961, Nr. 938. – Heinz Entner: Fr¨uhhumanismus und Schultradition in Leben und Werk des Wanderpoeten Samuel Karoch v. Lichtenberg. Biogr.-literarhist. Stud. mit einem Anh. unbekannter Texte (Dt. Akad. der Wiss. Ver¨off. des Inst. f¨ur dt. Sprache und Lit. 39). Berlin 1968, S. 50–54, Textabdruck der lat. Prosafassung: S. 142–145. – Ekkehard Simon: Die Anf¨ange des weltlichen dt. Schauspiels 1370–1530. Unters. und Dokumentation (MTU 124). Mu¨ nchen 2003, S. 123. VZ Die Konigin ¨ von Avignon. – Erz¨ahllied, Mitte 15. Jh. Die neun Strophen des Liedes in → Zwingers «Rotem Ton» (RSM: 1Zwing/3) bieten eine Variation des Erz¨ahlstoffs von einer Treueprobe am 815
Die Konigin ¨ von Avignon Artushof (vgl. → K¨onig Artus’ Horn I, → Luneten Mantel). Der Stoff war bereits seit dem 12. Jh. in Frankreich verbreitet und fand in Deutschland zun¨achst Eingang in Diu Crˆone → Heinrichs von dem T¨urlin. W¨ahrend es in der Stofftradition urspr¨unglich um die Treue von Frauen geht, steht hier die Treue der M¨anner im Fokus. Bei einem Fest am Hofe des K¨onigs von Avignon erscheint ein J¨ungling mit einer Krone, welche die K¨onigin hat heimlich anfertigen lassen und die kein Ehebrecher auf dem Kopf zu behalten vermag. Nachdem der Gastgeber und elf weitere K¨onige beim Kronetragen kl¨aglich versagt haben, besteht die Probe einzig der junge K¨onig Philipp von England, der zudem mit einer alten h¨asslichen Frau verheiratet ist. Das Lied ist eindeutig als Gegenmodell zu den a¨lteren Liedern vom Horn und vom Mantel konzipiert und hat von diesen einzelne Motive u¨ bernommen: Vom Horn-Lied die Aufeinanderfolge mehrerer Treueproben und vom Mantel-Lied die Treue gegen¨uber einem a¨ lteren Partner. Freilich sind hier die Geschlechterrollen vertauscht. Die K. v. A. selbst wiederum d¨urfte einem zweiteiligen Fastnachtspiel als Quelle gedient haben (hg. v. Adelbert Keller: Fastnachtspiele aus dem f¨unfzehnten Jh. Tl. 2 [Bibl. des Litterarischen Ver. in Stuttgart 29] Stuttgart 1853 [Nachdr. Darmstadt 1965] S. 654–678 [Nr. 80/81]; → Rosenpl¨utsche Fastnachtsspiele), das im ersten Teil die Geschichte von der Krone bietet (hier am Artushof situiert) und im zweiten die Stoffe von Horn und Mantel kontaminiert. Das Fastnachtspiel ist etwa 1455/70 aufgezeichnet (M¨unchen, BSB, Cgm 714) und bietet so einen Terminus ante quem f¨ur das Lied. Druckuberlieferung: ¨ N¨urnberg (Ambrosius Huber) 1502. Titel: Ein h¨ubsches lied von einer k¨unigin von Afeion vnnd von einer kronen (VD16 H 5737). – Straßburg (Matthias Sch¨urer [Erben]) 1520. Titel: Diß lied saget v¯o einer kron Welch die k¨unigin von Afion Wol zw¨olff k¨ungen het machen lon (VD16 H 5738). – N¨urnberg (Jobst Gutknecht) 1530. Titel: Von einer K¨onigin v¯o Afion vnd von einer kronen (VD16 H 5739). – N¨urnberg (Georg Wachter) um 1545: Titel: Von einer K¨unigin von Afion vnd von eyner krone (Exemplar: Rom, Bibl. Apostolica Vaticana, Pal. VI. 181,25). Ausgaben (alle nach N¨urnberg, 1530): Friedrich Karl von Erlach: Die Volkslieder der Deutschen. Bd. 1. Mannheim 1834, S. 132–136. – Max Adolf 816
Lochamer-Liederbuch Pfeiffer: Das Weimarer Liederbuch (Hundertdrucke 28/29). Mu¨ nchen 1918/20, S. 360–364. – Faks.: Das Weimarer Liederbuch. Hg. v. Konrad Kratzsch. Leipzig 1976, S. 689–695. Literatur: Frieder Schanze, VL2 5 (1985) Sp. 98 f. – Otto Warnatsch: Der Mantel. Bruchst¨uck eines Lanzeletromans des Heinrich von dem T¨urlin (Germanistische Abh. 2). Breslau 1883, S. 80 f. – Karl Goedeke: Grundriss zur Gesch. der dt. Dichtung aus den Quellen. Bd. 1: Das MA. Dresden 21884, S. 311 (Nr. 11). – Victor Michels: Stud. u¨ ber die a¨ltesten dt. Fastnachtspiele (Quellen und Forschungen zur Sprach- und Culturgesch. der germ. V¨olker 77). Straßburg 1896, S. 214. – Johannes Siebert: Himmels- und Erdkunde der Meisters¨anger. In: ZfdA 76 (1939) S. 222–253, hier S. 248. – Werner Lenk: Das N¨urnberger Fastnachtspiel des 15. Jh. Ein Beitr. zur Theorie und zur Interpretation des Fastnachtsspiels als Dichtung (Dt. Akad. der Wiss. zu Berlin, Ver¨off. des Inst. f¨ur dt. Sprache und Lit. 33). Berlin 1966, S. 51. VZ Jakob von Ratingen → Band 3, Sp. 700 f. Luneburger ¨ Pr¨alatenkrieg → Band 3, Sp. 701 bis 703. Vetter, Jakob → Band 3, Sp. 704. Lochamer-Liederbuch (Kret[z]schmerische Handschrift, Locheimer Liederbuch, Kodex Wernigerode, a¨ lteres N¨urnberger Liederbuch). – Liederbuch vor allem dt. Tenorlieder mit nachgestellter Orgeltabulatur aus den 50er Jahren des 15. Jh. Das L.-L. ist neben den Handschriften → Oswalds von Wolkenstein und der → MondseeWiener-Liederhandschrift die zentrale Quelle f¨ur das dt. Tenorlied bis zur ersten H¨alfte des 15. Jh. ¨ Uber die innere und a¨ ußere Einheit des nach seinem dritten Besitzer benannten Liederbuchs mit der Orgeltabulatur Fundamentum organisandi Magistri Conradi Paumanns (Parallel¨uberlieferung im Buxheimer Orgelbuch), das seit 1455 mit dem Liederbuch einen Codex bildet, besteht mittlerweile in der Forschung Einigkeit: Die insgesamt 50 Lieder (Petzsch z¨ahlt 44 Lieder zum Hauptbestand bis 1455; Z¨ahlung nach ‹Das L.-L.› 1972, s. Ausg.) und die insgesamt 31 Orgelstu¨ cke, die in f¨unf F¨allen Intavolierungen der in der Handschrift vorangestellten, meist einstimmigen Lieder darstellen, sind Zeugnis f¨ur die enge Verbindung von Lied- und 817
2. H¨alfte 15. Jh. Instrumentalpraxis Mitte des 15. Jh. Die Notationstechnik vereinigt mit Modal- und Mensuralnotation Altes und Neues, ebenso wie das Liedgut, das sich bis auf vier Ausnahmen auf Liebeslieder beschr¨ankt. Außer wenigen Liedern von Oswald von Wolkenstein (Nr. 2: Wach auf mein hort der leucht dort her) und dem → M¨onch von Salzburg (Nr. 34: Almechtiger got her Jhesu crist und eventuell Nr. 40: Mein trawt geselle vnd mein liebster hort) und einigen Text- bzw. Melodiekonkordanzen zu anderen Liederb¨uchern versammelt das L.-L. vor allem Singul¨ares. Bei mehreren Liedern ist die Autorschaft eines Frater Judocus von Windsheim, den Petzsch als Hauptschreiber identifiziert, wahrscheinlich. Von ihm stammen auch zahlreiche teils affirmativ, teils skatologisch-ablehnend kommentierende Beischriften, alle Rubrizierungen, eine Widmung in hebr¨aischen Buchstaben an eine geliebte Barbara und das schwer interpretierbare Schreiberzeichen. Eine stark autobiographische Interpretation von Beischriften, Entstehungsgeschichte und Liedgut der Handschrift ist aufgrund der nach wie vor ungesicherten Faktenlage, der Topik und Knappheit der Kommentare (f¨ur die Petzsch schließlich eine Lesart als Apotropie-Zauber erw¨agt) und nicht zuletzt des offensichtlichen Gebrauchszusammenhangs problematisch: Insgesamt neun Schreiber wirken an der Handschrift mit, vier davon aus dem Sch¨ulerkreis Paumanns (neben Frater Judocus noch Georg de Putenheim, Walter de Salice und Paumgartner), so dass ein Gebrauch der Handschrift als Sing-, Musizier- und Lesevorlage im Kreise musikalisch umfassend Gebildeter sehr wahrscheinlich ist. ¨ Uberlieferung: Berlin, SBB, ms. mus. 40613 (Pap., wahrscheinlich in N¨urnberg zwischen 1452 und 1455 entstanden, Nachtr¨age bis 1460). Die ersten beiden Lagen der Hs. enthalten L.-L. (S. 1–44 nach neuerer Paginierung), die Lagen 3 und 4 (S. 45–92) das Fundamentum organisandi. Ausgaben: Das L. L. nebst der Ars Organisandi von Conrad Paumann als Dokumente des Dt. Liedes sowie des fr¨uhesten geregelten Kontrapunktes und der a¨ ltesten Instrumentalmusik. Krit. bearb. v. Friedrich Wilhelm Arnold/Heinrich Bellermann (Jbb. f¨ur Musikalische Wiss. 2). Leipzig 1867. Nachdr. 1926 und 1969. – Die mehrstimmigen S¨atze aus dem L. L. (Dt. Lieds¨atze des 15. Jh. f¨ur Singstimmen und Melodieinstrumente hg. v. Konrad Ameln, Bd. 1). Augsburg 1925. – Die einstimmigen Weisen des L. L. Nach den Quellen be818
2. H¨alfte 15. Jh. arb. und zum Singen und Spielen mit Begleitstimmen hg. v. Ernst Rohloff. Halle/Saale 1953. – Keyboard Music of the Fourteenth & Fifteenth Centuries. Hg. v. Willi Apel (Corpus of Early Keyboard Music 1). American Institute of Musicology 1963. Nachdr. Holzgerlingen 1998 (Fundamentum organisandi). – Das L.-L. Einf. und Bearb. der Melodien v. Walter Salmen, Einleitung und Bearb. der Texte v. Christoph Petzsch (Denkm¨aler der Tonkunst in Bayern, NF Sonderbd. 2). Wiesbaden 1972. – ¨ Das L.-L. Tl. 1–3 in neuer Ubertragung und mit ausf¨uhrlichem Komm. v. Marc Lewon. Reichelsheim 2007–10. – Faksimile: L.-L. und das Fundamentum organisandi des Conrad Paumann. Faks.Nachdr. hg. v. K. Ameln. Berlin 1925. Nachdr. mit neuem Nachw. Kassel u. a. 1972 (Documenta Musicologica, 2. Reihe: Hss.-Faks. Bd. 3). ¨ Ubersetzung: L. L. Neudt. Fassung v. Karl Escher. Bearb. der Melodien v. Walter Lott. Leipzig u. a. 1926. Literatur: Christoph Petzsch, VL2 5 (1985) Sp. 888–891. – Monika Fink, MGG2 Sachteil 5 (1996) Sp. 1452–1455. – Franz K¨orndle, MGG2 Personenteil 13 (2005) Sp. 206–208. – Claudia H¨andl, Killy2 7 (2010) S. 465 f. – Andreas Kretz¨ schmer: Uber einen Cod. altdt. Gedichte. In: Literarisches Coversationsbl. 85, Leipzig (Brockhaus), 12.4.1822, S. 227–239. – Hans Ferdinand Massmann: Beitr. zu einer Gesch. des dt. Liedes. 1) Berichtigung und Zusatz [...] Kretschmers Liederhs. mit Weisen betreffend. In: Mu¨ nchener Allg. Musikzeitung Nr. 6, 10.11.1827, Sp. 84–88; Fortsetzung ebd. Nr. 7, 17.11.1827, Sp. 97–101. – Ders.: Genaue Beschreibung der Kretschmerischen Hs. In: M¨unchener Allg. Musikzeitung Nr. 20, Februar 1828, Sp. 313–319. – Andreas Kretzschmer: Abh. u¨ ber a¨ltere und neuere Tonzeitmasse und deren Bezeichnungen. In: Allg. Musikalische Zeitung, Nr. 18 (30.4.1828) und 19 (7.5.1828), Leipzig, Sp. 285–288; 301–303. – Otto Kade: Berichtigungen zu dem ‹L. L.› um 1450. In: Monatshefte f¨ur Musikgesch. 4 (1872) S. 233–248. – Karl Hoeber: Beitr. zur Kenntnis des Sprachgebrauchs im Volksliede des XIV. und XV. Jh. (Acta Germanica VII, 1). Berlin 1908, bes. S. 111–129. – Otto Ursprung: Vier Stud. zur Gesch. des dt. Liedes III. Wolflin von L.’s L. Ein Denkmal N¨urnberger Musikkultur um 1450. In: Arch. f¨ur Musikwiss. 5 (1923) S. 316–326. – Konrad Ameln: Das ‹L. L.›. Die a¨ lteste Quelle dt. weltlicher Mehrstimmigkeit. In: Die Singgemeinde 1 (1925) S. 28 f. – Joseph 819
Lochamer-Liederbuch Mu¨ ller-Blattau: Wach auff, mein hort! Stud. zur dt. Liedkunst des XV. Jh. In: Stud. zur Musikgesch. FS Guido Adler. Wien 1930, S. 92–99. – Herbert Loewenstein: Philologisches zum L. L. In: Zs. f¨ur Musikwiss. 14 (1931) S. 317–319. – Her¨ bert Rosenberg: Ubertragung einiger bisher nicht aufgel¨oster Melodienotierungen des L. L.s. In: Zs. f¨ur Musikwiss. 14 (1931) S. 67–88. – Ders.: Unters. u¨ ber die dt. Liedweise im XV. Jh. Wolfenb¨uttel 1931. – Friedrich Gennrich: Grundriß einer Formenlehre des ma. Liedes als Grundlage einer musikalischen Formenlehre des Liedes. Halle 1932 (Neuausg. 1970). – Heinz Funck: Eine Chanson von Binchois im Buxheimer Orgel- und L. L. In: Acta musicologica 5 (1933) S. 3. – J. M¨uller-Blattau: Die Weisen des L. L.s. In: Arch. f¨ur Musikforschung 3 (1938) S. 277–301. – G¨unther Lehmann: Neue Beitr. zur Erforschung des L. L. In: Arch. f¨ur Musikforschung 5 (1940) S. 1–11. – Herbert Loewenstein: Haim hayah ba`al ha ‹L. L.› y’hudi? In: Kiryath Sefer 32 (1945) S. 83 f. – Heinrich Besseler: Das L. L. aus N¨urnberg. In: Die Musikforschung 1 (1948) S. 220–225. – Walter Salmen: Das L. L. Eine musikgeschichtliche Stud. (Slg. musikwissenschaftlicher Einzeldarstellungen 18). Leipzig 1951. – Karl Gustav Fellerer: Das L. L. in der Bearb. der Annette von Droste-H¨ulshoff. In: Die Musikforschung 5 (1952) S. 200–205. – F. Gennrich: Vier Lieder des 14. und 15. Jh. In: Arch. f¨ur Musikwiss. 11 (1954) S. 269–279. – Ernst Rohloff: Mit ganzem Willen w¨unsch ich dir. Neuer Vorschlag zur Textdeutung der einstimmigen Weise im L. L. In: Arch. f¨ur Musikwiss. 13 (1956) S. 236–242. – Franz Krautwurst: Neues zur Biogr. Konrad Paumanns. In: Jb. f¨ur fr¨ankische Landesforschung 22 (1962) S. 141–156. – C. Petzsch: Der Cgm 4702. Zwei fr¨uhe Kontrafakturen zum L.-L. In: ZfdA 92 (1963) S. 227–240. – Ders.: Weiterdichten und Umformen. Grunds¨atzliches zur Neuausg. des L.-L.s. In: Jb. f¨ur Volksliedforschung 10 (1965) S. 1–28. – Ders.: Zur hebr¨aischen Widmung im L.-L. In: Die Musikforschung 18 (1965) S. 25–29. – Ders.: Die N¨urnberger Familie von Lochaim. Ein Kaufmannsgeschlecht des 14.–16. Jh. In: Zs. f¨ur bayerische Landesgesch. 29 (1966) S. 212–238. – Willi Apel: Gesch. der Orgel- und Klaviermusik bis 1700. Kassel/Basel 1967, S. 45–52 [zum ‹Fundamentum organisandi›]; Neuausg. 2004. – Christoph Petzsch: Das L.-L. Stud. (MTU 19). Mu¨ nchen 1967. – Ders.: Geistliche Kontrafakta des sp¨aten MA. In: Arch. f¨ur Musikwiss. 25 (1968) 820
Augsburger Liederbuch ¨ S. 19–29. – Ders.: Unbekannte Uberlieferung von L.-L. Nr. 4. In: Die Musikforschung 23 (1970) S. 38. – Ders.: Weiteres zum L.-L. u. zu den Hofweisen. Ein Beitr. zur Frage des Volksliedes im MA. In: Jb. f¨ur Volksliedforschung 17 (1972) S. 9–34. – Franz Viktor Spechtler: Die geistlichen Lieder des Mo¨ nchs von Salzburg (Quellen und Forschungen zur Sprach- und Kulturgesch. der germ. V¨olker 51). Berlin/New York 1972, S. 58 f. – Ameln 1972 (s. Ausg.) S. 1–15. – Salmen/Petzsch 1972 (s. Ausg.) S. VII–LXXIV. – C. Petzsch: ‹Der Winter ¨ will hin weichen›. Vollst¨andigere Uberl. von L.L. Nr. 6. In: Jb. f¨ur Volksliedforschung 18 (1973) S. 87–92. – Paul Sappler: Zur Neuausg. des L.-L.s. In: ebd., S. 23–29. – C. Petzsch: Fragm. mit acht dreistimmigen Chansons, darunter L.-L. Nr. 18. In: Die Musikforschung 27 (1974) S. 319–322. – Ernst Rohloff: Anm. zum L.-L. In: Wiss. Zs. der Martin-Luther-Univ. Halle 26 (1977) 2, S. 65–78. – C. Petzsch: Ungew¨ohnlicher Nachweis von L.L Nr. 20 dreistimmig. In: Musik in Bayern 15 (1977) S. 31–44. – Ders.: Noch einmal zu den Beischriften im L.-L. In: Jb. f¨ur Volksliedforschung 25 (1980) S. 85–87. – Wolf Gehrt: Die Hss. der Staats- und Stadtbibl. Augsburg. 2° Cod 251–400e (Handschriftenkat. der Staats- und Stadtbibl. Augsburg IV). Wiesbaden 1989, S. 184 f. – C. Petzsch: Bedeutung von ‹St¨ublein› im L.-L. In: Arch. f¨ur das Studium der neueren Sprachen und Literaturen 226 (1989) S. 85–91. – Ulrich-Dieter Oppitz: Die ‹Dt. Mss. des MA› (Zb-Signatur) der ehemaligen Stolberg-Wernigerodischen Handschriftensammlung. In: Geographia Spiritualis. FS Hanno Beck. Hg. v. Detlef Haberland. Frankfurt/M. u. a. 1993, S. 187–205, hier S. 195. – Christoph M¨arz: Die weltlichen Lieder des M¨onchs von Salzburg. Texte und Melodien (MTU 114). T¨ubingen 1999, S. 99–101. – Johannes Kandler: Wie klingt die Liebe? Anm. zur Wechselwirkung von Musik und Text im L.-L. In: Dt. Liebeslyrik im 15. und 16. Jh. Hg. v. Gert H¨ubner. Amsterdam 2005, S. 47–64. – Karin Schneider: Die dt. Hss. der BSB Mu¨ nchen. Die ma. Fragm. Cgm 5249–5250 (Catalogus codicum manu scriptorum Bibliothecae Monacensis V, 8). Wiesbaden 2005, S. 126. – Silvia Ranawake: Compilers and Users of Medieval German Song Collections (1250–1500). In: Courtly Arts and the Art of Courtliness. Selected Papers from the Eleventh Triennial Congress of the International Courtly Literature Society. University of Wisconsin-Madison, 29 July – 4 August 2004. 821
2. H¨alfte 15. Jh. Hg. v. Keith Busby/Christopher Kleinhenz. Cambridge 2006, S. 553–572. – Lewon 2007–10 (s. Ausg.). SW Augsburger Liederbuch. – Weltliche Liedersammlung. Das A. L. ist Teil einer Sammelhandschrift, die in Augsburg entstand, zun¨achst 1454 beendet und sp¨ater bis 1478 erg¨anzt wurde. Der Codex wurde u¨ berwiegend von einem Schreiber abgefasst, der auch seine Initialen in der Handschrift hinterließ («m. k.»). Der keinem klaren Gliederungsprinzip folgende Inhalt der Handschrift ist breit gef¨achert und umfasst prim¨ar Kurz- und Kleindichtung, darunter lat. und dt. Gedichte und Spr¨uche, Reden (u. a. Minne- und Erziehungsreden), Gnome und Satiren, aber auch den Liebesbrief eines M¨adchens sowie chronikalische Aufzeichnungen in Prosa, u. a. u¨ ber Augsburger Ereignisse seit 1126 und u¨ ber den Frankfurter Reichstag von 1454. Der Codex enth¨alt jeweils nur die Texte der verzeichneten Lieder, jedoch keine Melodien. Die eigentliche Liedersammlung (99r–165v) beginnt mit der «Salutacio» eines Dichters an seine Geliebte und endet unmittelbar vor den erw¨ahnten Chroniken. Die rein weltlich orientierte Zusammenstellung umfasst u¨ ber hundert Lieder und Spruchgedichte aus der Zeit vom sp¨aten 14. Jh. bis in die Entstehungszeit der Handschrift. Darunter sind neben drei Dubletten immerhin 64 Unikate. Die Verfasser der Texte sind u¨ berwiegend unbekannt; zu den namentlich bekannten Autoren z¨ahlen → Oswald von Wolkenstein, → Muskatblut, Hans → Heselloher, Konrad → Harder, der → Mo¨ nch von Salzburg und → Heinrich der Teichner. Die Lieder sind in Form und Stil meist einfach und konventionell. Neben zahlreichen Rollenliedern sind auch Spott- und Tagelieder sowie allegorische St¨ucke im A. L. enthalten, h¨aufig mit Kehrreimen und K¨ornern. Hauptthema der Sammlung ist die Liebe, deren Spielarten und Zust¨ande hier vielf¨altig dargestellt werden, u. a. Liebeswerbung und -klage, Sehnsucht und Treue, Eifersucht und Lasterhaftigkeit, Trennung und Abschied. Wie der Inhalt des Liederbuchs nahelegt, d¨urfte es als unterhaltende Lekt¨ure eines b¨urgerlichen, vielleicht patrizischen Haushalts gedient haben. Es steht damit in einer Reihe mit dem Liederbuch der Clara → H¨atzler und dem → Lochamer-Liederbuch, zu dem 822
2. H¨alfte 15. Jh. es eine umfangreiche Parallel¨uberlieferung aufweist. ¨ Uberlieferung: M¨unchen, BSB, Cgm 379, 225 Bll. (Pap., um 1454, ostschw¨abisch). – Sp¨atere Abschrift: Salzburg, Stiftsbibl. St. Peter, Cod. b IV 3, 138 Bll. (Pap., Ende 15. Jh., sicher nach 1478). Ausgaben: Ein Augsburger Liederbuch v. J. 1454. Hg. v. Johannes Bolte. In: Alemannia 18 (1890) S. 97–127, 203–236 (auch als Sonderdr., Bonn 1890). – BB 1 (1978) S. 577 f. (Teildr.). – Online-Faks.-Ausg. v. Cgm 379: BSB Mu¨ nchen, [o. J.], http://bsb-mdz12-spiegel.bsb.lrz.de/~db/ bsb00061176/image 1. – Zu a¨ lteren Teilausgaben einzelner Texte des A. L. vgl. Seidel 1972 (s. Lit.). Literatur: Michael Curschmann, VL2 1 (1978) Sp. 521–523. – BB 1 (1978) S. 1064. – De Boor/ Newald 4/1 (21994) S. 194. – Elisabeth Wunderle, ¨ Killy2 1 (2008) S. 253 f. – Arend Mihm: Uberl. und Verbreitung der M¨ahrendichtung im Sp¨atMA. Heidelberg 1967, S. 31, 124, 137. – Ingeborg Glier: ¨ Artes amandi. Unters. zu Gesch., Uberl. und Typologie der dt. Minnereden (MTU 34). M¨unchen 1971, S. 382 f. – Klaus J¨urgen Seidel: Der Cgm 379 der BSB und das A. L. v. 1454. Augsburg 1972. – Zw¨olf Minnereden des Cgm 270. Hg. v. Rosmarie Leiderer. Berlin 1972, S. 10–25. – Karin Schneider: Die dt. Hss. der BSB M¨unchen. Cgm 351–500 (Catalogus codicum manu scriptorum Bibliothecae Monacensis V/3). Wiesbaden 1973, S. 96–115 (hier auch Literaturangaben zu enthaltenen Einzeltexten). – Burghart Wachinger: Liebe und Lit. im sp¨atma. Schwaben und Franken. Zur Augsburger Sammelhs. der Clara H¨atzlerin. In: DVjs 56 (1982) S. 386–406 (wieder in: Ders.: Lieder und Liederb¨ucher. Ges. Aufs¨atze zur mhd. Lyrik. Berlin u. a. 2011, S. 395–416). – Doris Sittig: Vyl wonders machet minne. Das dt. Liebeslied in der ersten H¨alfte des 15. Jh. Versuch einer Typologie (GAG 465). G¨oppingen 1987, S. 18–21, 38 u. o¨ . – Johannes Rettelbach: Lied und Liederbuch im sp¨atma. Augsburg. In: Literarisches Leben in Augsburg w¨ahrend des 15. Jh. Hg. v. Johannes Janota/Werner Williams-Krapp. T¨ubingen 1995, S. 281–307, hier S. 282–285. – Christine WandWittkowski: Briefe im MA. Der deutschsprachige Brief als weltliche und religi¨ose Lit. Herne 2000, S. 169 f. u. o¨ . – Albrecht Classen: Dt. L. des 15. und 16. Jh. Mu¨ nster/Westf. 2001, S. 62–74. MM Schedels Liederbuch → Schedel, Hartmann (Band 3, Sp. 940–951). 823
Schedels Liederbuch Dietrich. – Meistersinger. D. ist nur u¨ ber Erw¨ahnungen seines Namens in drei Dichterkatalogen nachweisbar. Seine Werke sind nicht u¨ berliefert. Der 1513 verstorbene Hans → Folz, ein N¨urnberger Mediziner und Meistersinger, nennt D. in seinem Dichterkatalog unter fr¨uhen dt. Meistersingern und Sangspruchdichtern als «Her Diedrich, Grof so here». Als «Her Dittreich» ist D. im Dichterkatalog des Konrad → Nachtigall genannt, der weitgehend mit Folz’ Katalog u¨ bereinstimmt und vielleicht auf eine gemeinsame Quelle zur¨uckgeht. Als «Graff Ditterich» erscheint D. um 1558 dann in einer Prosaversion von Nachtigalls Katalog des Magdeburger Meistersingers Valentin Voigt. ¨ Uberlieferung: Erw¨ahnungen D.s in: Berlin, SBB, Mgq 410, 301r. Ausgaben: Dichterkataloge mit Erw¨ahnungen D.s: Die Meisterlieder des Hans Folz aus der Mu¨ nchener Originalhs. und der Weimarer Hs. Q. 566 mit Erg¨anzungen aus anderen Quellen (DTM 12). Hg. v. August Mayer. Berlin 1908, Nr. 94. – Cramer 2 (1979) S. 386. – Brunner 1989 (s. Lit.). Literatur: Horst Brunner, VL2 2 (1980) Sp. 101. – Ders.: Dichter ohne Werk. Zu einer u¨ berlieferungsbedingten Grenze ma. Literaturgesch. (mit einem Textanhang: Die Dichterkat. des Konrad Nachtigall, des Valentin Voigt und des Hans ¨ Folz). In: Uberlieferungsgeschichtliche Editionen und Stud. zur dt. Lit. des MA. Kurt Ruh zum 75. Geburtstag. Hg. v. Konrad Kunze u. a. T¨ubingen 1989, S. 1–31 (wieder in: H. Brunner: Ann¨aherungen. Stud. zur dt. Lit. des MA und der Fr¨uhen Neuzeit. Berlin 2008, S. 291–303). MM Stern, Claus. – Dichtername in Meisterkatalogen aus der zweiten H¨alfte des 15. Jh. S. wird in den verwandten Namenskatalogen verstorbener T¨oneerfinder und Dichter des Konrad → Nachtigall («meister Stern/Steren») und Hans → Folz («Clauß/Clas Stern/Steren»). Kenntnisse zur Person sowie erhaltene Texte oder T¨one liegen nicht vor. Literatur: Horst Brunner, VL2 9 (1995) Sp. 304. – Ders.: Dichter ohne Werk. Zu einer u¨ berlieferungsbedingten Grenze ma. Literaturgesch. (Mit einem Textanhang: Die Dichterkat. des Konrad Nachtigall, des Valentin Voigt und des Hans ¨ Folz). In: Uberlieferungsgeschichtliche Editionen und Stud. zur dt. Lit. des MA. FS Kurt Ruh (TTG 31). Hg. v. Konrad Kunze u. a. T¨ubingen 1989, 824
Muskatblut S. 1–31 (wieder in: H. Brunner: Ann¨aherungen. Stud. zur dt. Lit. des MA und der Fr¨uhen Neuzeit [Phil.Stud.u.Qu. 210]. Berlin 2008, S. 291–303). VZ Antonius von Lambsheim → Band 2, Sp. 1307. Muskatblut, * vielleicht um 1390, † fr¨uhestens 1458 (?). – Sangspruchdichter, Verfasser von Meisterliedern. Vermutlich aus dem ostfr¨ankischen Raum stammend, war M. ein a¨ußerst produktiver Sangspruchdichter, der mit seinen fast 100 u¨ berlieferten Liedern zu den bekanntesten seiner Zeit geh¨orte; sein Name «Muskatbl¨ut» k¨onnte als Familien- oder K¨unstlername verstanden werden. Gesichert ist M. als Dichter und S¨anger vor allem durch seine Lieder, die sich auf zeitgen¨ossische Ereignisse wie das Konstanzer Konzil (Lied von 1415) oder den Hussitenkrieg (Lied von 1427) beziehen. Weitere archivalische Nachweise sind zahlreich, jedoch nicht zweifellos der Person M. zuzuordnen: Zwischen 1424 und 1458 finden sich verschiedene Zahlungen an einen (Konrad) M., die in N¨ordlingen, Regensburg, N¨urnberg und Mainz get¨atigt wurden: mal f¨ur Gesanges-, mal f¨ur Botendienste. Den Zeugnissen nach stand er im Dienste der Mainzer Erzbisch¨ofe Konrad III. und Dietrich von Erlbach. Auch wenn nicht abschließend zu entscheiden ist, ob es sich bei den Erw¨ahnungen um nur eine Person oder um verschiedene Personen handelt, scheinen die Argumente f¨ur nur einen M. gerade durch zwei Punkte plausibler: 1. Der Wirkungskreis macht gemeinsam mit Beruf, Namen und Stellung einen stimmigen Eindruck. 2. Es findet sich die gr¨oßte abgeschlossene Liedersamm¨ lung (K¨oln [s. Uberl.]) in der N¨ahe von Mainz, die auch nur explizit an M.s Werken interessiert ist. Solch seltener Fall einer Kollektion l¨asst am ehesten an einen bisch¨olfichen Hofs¨anger denken. Dennoch: Es sollte weder die große Zeitspanne außer Acht gelassen werden, noch die Tatsache, dass M. von seinem j¨ungeren Dichterkollegen Michael → Beheim in den 1440er Jahren zweimal in der Vergangenheitsform erw¨ahnt wird. Der Umfang des Œuvres von M. ist nicht minder umstritten. Von 109 Liedern mit seiner Autorensignatur k¨onnen 95 als echt angenommen werden; sie sind noch aus seinen Lebzeiten erhalten. Dar¨uber hinaus sind vier Sprechspr¨uche u¨ berliefert, 825
2. H¨alfte 15. Jh. die alle mit M.s Namen versehen sind; Zuschreibungsunsicherheit besteht u. a. aufgrund der Signaturformen, die leicht von seinen Liedern abweichen (vgl. Knape). An T¨onen hat er nachweislich einen «Hofton», einen «Fr¨ohlichen», einen «Langen» sowie einen unbenannten Ton komponiert. Zu den ersten beiden ist uns auch eine Melodie erhalten geblieben. Der beliebte «Hofton» wurde noch bis ins 16. Jh. verwendet. Thematisch bewegt sich M. im weltlichen Gefilde mit mehr als der H¨alfte seiner Lieder, von denen die meisten moraldidaktischer Natur sind; der restliche, geistliche Teil wird stark von Marienliedern dominiert. M. pr¨asentiert sich gerne als a¨ ußerst gelehrter Dichter und f¨uhlt sich in der Rolle des mahnenden und warnenden Lehrers wohl, indem er u¨ ber die Unsitten in der Welt referiert. Meist richtet er seine Tugendlehren an F¨ursten und die Allgemeinheit, eher selten setzt er sich mit den Missst¨anden von Bauern oder Amtleuten auseinander. In m¨oglicher Anlehnung an → Suchensinn schafft M. Dialogsituationen f¨ur Ratsuchende («sage mir was du die werlt hie lerst», vgl. Nr. 90), denen er Rede und Antwort steht («gnade frauwe nu sit gewert / was uwer hertz hie hat begert»). Seine Vorliebe f¨ur Allegorien ist exemplarisch bei den Marienliedern, wenn er Maria zum Schiff auf dem Meer unserer Welt werden l¨asst (Nr. 19): Der Mast ist «die kuscheit vnser frauwen», das Segel «ir demudicheit», der Anker «got barmhertzicheit» und die Last des Schiffes «werlich ist got Jesu crist». Mit fr¨ankischen Ankl¨angen in der Sprache ist M.s Stil einfach und verst¨andlich gehalten, mit klarer Metrik und u¨ blichem Vokabular – fraglos einer der Hauptgr¨unde f¨ur die Rezeption durch ein breites Publikum, die auch durch die Erw¨ahnung in Katalogen von Konrad → Nachtigall oder Cyriacus Spangenberg bewiesen sein d¨urfte. M.s Dichtung war scheinbar so bekannt, dass seine tradierten Lieder h¨aufig nur das ‹G¨utesiegel› «ein Muskatblut» erhielten und Kollegen wie Johannes → Hartlieb sich seiner Autorsigle bedienten. ¨ Uberlieferung: Lieder: Basel, UB, Cod. O IV 28, 17v–22r. – Ebd., 25v–32r. – Ebd., 32r–33r. – Ebd., 33rv. – Berlin, SBB, Mgq 414, 305r (1517/18; Schreiber: Hans Sachs). – Ebd., Mgq 659, 29v–31r (letzter Vers von Str. 6 ausgelassen, Versehen bei Initien korrigiert). – Ebd., Mgq 746, 29v (nur Str. 1–2,15). – Dessau, Landesb¨ucherei, Hs. Georg 25.8°, 37r–45v (Pap., zweite H¨alfte des 15. Jh., 826
2. H¨alfte 15. Jh. ostmitteldt.). – Dresden, LB, Mscr. M 8, 352v–354r (Text fast komplett ausgel¨oscht). – Mscr. M 186, 316r–317v. – Eichst¨att, UB, Cod. st 438, eingelegter Notizzettel zwischen Bl. 28/29 (Pap., zweite H¨alfte des 15. Jh., bair.). – Heidelberg, UB, Cpg 5, 68v (Pap., erstes Viertel 15. Jh., bair.). – Ebd., Cpg 109, 144r–145r (Pap., 1516–27, ostschw¨abisch- nordbair.). Ebd., Cpg 343, 28v–29v (erster Stollen von Str. 2 fehlt). – Ebd., Cpg 392, 2v–8v (Pap., im 1500, schw¨abisch). – Ebd., 33r–34r. – Karlsruhe, LB, Cod. St. Blasien 77, 104v–105v (Pap., 1439–42; Kompilator und Schreiber: Heinrich Otter). – Ebd., Cod. St. Georgen, 74, 14r–17r (Pap., 1448 laut Bl. 181v, westschw¨abisch). – K¨oln, Hist. Arch. der Stadt, Best. 7020 (W*) 8, 1r–124v (Pap., Schreibernennung auf Bl. 124r: Herman von Ludesdorff; 1434, mittelfr¨ankisch) (a). – Mu¨ nchen, BSB, Cgm 351, 263r–265r (Pap., um Mitte 15. Jh., bair. mit mitteldt. Ankl¨angen). – Ebd. 266rv. – Ebd., Cgm 379, 142v–145r (Pap., um 1454, ostschw¨abisch). – Ebd., Cgm 807, 8v (Pap., zweites Viertel 15. Jh., mittelbair.; enth¨alt nur V. 1–4). – Ebd., Cgm 811, 26r (Pap., zweites Viertel 15. Jh., ostschw¨abisch; Schreiber: Jakob K¨abitz [→ Kebicz]; nur Str. 5 erhalten, Rest verloren). – Ebd., 47r–47ar (ungez¨ahlt, da sp¨ater einkeklebt). – Ebd., 53r–56v. – Ebd., 58r–64r. – Ebd., 64v–65v. – Ebd., 67r–72v (folgendes Bl. mit Schluss fehlt ab Str. 13,19). – Ebd., 91v–92r. – Ebd., Cgm 844, 1r (Pap., 1571? [vgl. 2r]., bair. und nordbair; Fragm.; Schreiber: Hans Schmidt). – Ebd., 2r (Fragm.). – Ebd., Cgm 1020, 55r–56r (Pap., fr¨uhe zweite H¨alfte 15. Jh., ostfr¨ankisch). – Ebd., Cgm 4997, 70v–71v (Pap., um 1460). – Ebd., 76rv–78r. – Ebd., 84r–86v. – Ebd., 86v–87r. – Ebd., 87r–92rv. – Ebd., 92v–93rv. – Ebd., 93v (Str. 1–2) und 192r (Str. 3–5). – Ebd., 192r–193rv. – Ebd., Cgm 5198, 146v–147v (Pap., Anfang 16. Jh., bair.-¨osterr.). – Ebd., 148v–150r. – Ebd., Clm 3686, 2rv (Perg. und Pap., 15. Jh.). – N¨urnberg, Germ. Nationalmus., Merkel 966, 110v (Schreiber: Valentin Voll). – Prag, Nationalmuseum, Cod. X A 12, 345r–359v (Pap., 1470/71). – Salzburg, Stiftsbibl. St. Peter, Cod. b VIII 27, 266r–268v. – Stuttgart, LB, Cod. theol. et phil. 8° 19, 110r–111v (Pap., 15. Jh.). – Stuttgart, LB, ¨ Cod. HB X 10, 342v (Fragm.). – Wien, ONB, Cod. 2886, 120v (Pap., 1467 [laut Bl. 120vb], bair.o¨ sterr.; Fragm.) . – Ebd., Cod. 3026, 16rv (Mitte bis zweite H¨alfte 15. Jh., o¨ sterr.; Text endet mitten in Str. 3,9). – Ebd., 51r–52r. – Ebd., Cod. Ser. nova 3344, 112v–113r (Pap.; Vorbesitzer ab 827
Muskatblut sp¨atestens 1457 Pfarrer J¨org Schrat von St. Peter in Wien). – W¨urzburg, UB, M. ch. f. 743, verso (Pap., erste H¨alfte 15. Jh., mitteldt.; Fragm., Verse nicht abgesetzt). – Zeitz, Domherrenbibl., Cod. 17, Einlage (15. Jh.; Fragm.). – Vollst¨andig erhaltene T¨one: N¨urnberg, Landeskirchliches Arch., Cod. Fen. V 4° 182, 176v. – Ebd., Stadtbibl., Cod. Will III,784, 549r–551r. – Ebd., Cod. Will. III,792, 37v. – Ebd., Cod. Will. III,794, 5v–6r. – Weimar, Herzogin Anna Amalia Bibl., Cod. Quart 576, ¨ 69r. – Wien, ONB, Cod. Ser. nova 3344, 112vb. – Sprechspr¨uche: London, British Library, Ms. Add. 16581, 157v (Pap. ca. 1468/69; Schreiber: Konrad → Bollstatter [nahezu alle Bll.]). – Straßburg, Archives municipales, AST. Varia ecclesiastica IV. 169, 772v (als 59. Gedicht der Epigraphensammlung Sebastian → Brants). – Ebd., 774r (als 68. Gedicht). – Im Druck von Jacobus Hartliebs ‹De fide meretricum in suos amatores›, Basel, Jakob Wolff um 1501 (VD 16 H 645). Ausgaben: Lieder M.s. Hg. v. Eberhard von ¨ Groote. K¨oln 1852. – Faksimile: M. Abb. zur Uberl. ¨ Die K¨olner Hs. und die Melodie-Uberl. (Litterae 98). Hg. v. Eva Kiepe-Willms. Melodie-Teil bearb. von Horst Brunner. G¨oppingen 1987. Literatur: K[arl] Bartsch, ADB 23 (1886) S. 99–101. – Horst Brunner, MGG 16 (1979) Sp. 1351. – Eva Kiepe-Willms, VL2 6 (1987) Sp. 816–821. – RSM 4 (1988) S. 378-436. – Horst Brunner, LexMA 6 (1993) Sp. 969. – Frieder Schanze, NDB 18 (1997) S. 637 f. – De Boor/ Newald 4/1 (21994) S. 223 f. u. o¨ . – Elisabeth Wunderle, Killy2 8 (2010) S. 467 f. – Alfred Puls: Unters. u¨ ber die Lautlehre der Lieder M.s. Diss. Kiel 1881. – Wilhelm Uhl: M. In: ZfdA 39 (1895) S. 152 f. – Anton Veltman: Die politischen Gedichte M.s. Diss. Bonn 1902. – Max Hermann Jellinek: Zu M. In: Beitr. zur Gesch. der dt. Sprache und Lit. 44 (1920) 188 f. – Albert Leitzmann: Zu M. In: PBB (Halle) 44 (1920) S. 301–311. – Wolfgang Stammler: Die Wurzeln des Meistergesangs. In: DVjs 1 (1923) S. 529–556. – Horst Oppenheim: Naturschilderung und Naturgef¨uhl bei den fr¨uhen Meistersingern. Leipzig 1931. – Siegfried Junge: Stud. zu Leben und Mundart des Meistersingers M. Diss. Greifsw. 1932. – Erwin Gustav Gudde: M. and King Sigismund. In: The Germanic Review 7 (1932) S. 59–66. – Reintraud ¨ Schimmelpfennig: Uber das Religi¨ose und Ethische bei M. Diss. Marburg 1935. – Marie-Luise Rosenthal: Stilistische Unters. zu den Liedern M.s. 828
Bernauerin
2. H¨alfte 15. Jh.
Diss. Berlin 1950. – Dies.: Zeugnisse zur Begriffsbestimmung des a¨lteren Meistergesangs. In: PBB (Halle) 79 (1957) S. 391–414. – Maria Elisabeth G¨ossmann: Die Verk¨undigung an Maria. Im dogmatischen Verst¨andnis des MA. Mu¨ nchen 1957, S. 268 f. – Walter Salmen: Zu Biogr. M.s und Michael Beheims. In: ZfdA 88 (1957/58) S. 160. – Robert White Linker: Music of the Minnesinger and Early Meistersinger. A Bibliography. Chapel Hill, NC 1962. – Bert Nagel: Meistersang. Stuttgart 1962. – Ulrich Mu¨ ller: Unters. zur politischen Lyrik des dt. MA. Stuttgart 1974. – H. Brunner: ¨ Die alten Meister. Stud. zu Uberl. und Rezeption der mhd. Sangspruchdichter im Sp¨atMA und in der fr¨uhen Neuzeit. M¨unchen 1975. – E. KiepeWillms: Die Spruchdichtung M.s. Vorstud. zu einer krit. Ausg. Mu¨ nchen 1976. – Chrisoph Petzsch: Zu M. In: Arch. f¨ur Musikwiss. 33 (1976) S. 309–313. – Ders.: M. – Vater und Sohn? Zur Lebenserwartung im MA. In: ZfdPh 96 (1977) S. 433–436. – Ders.: M. Nr. 62 und Michel Beheim Nr. 250. Zum uneigentlichen Sprechen im Sp¨atMA. In: Euph. 76 (1982) S. 275–294. – Frieder Schanze: Meisterliche Liedkunst zwischen Heinrich von Mu¨ geln und Hans Sachs. 2 Bde. M¨unchen 1983/84, Bd. 1, S. 145–182; Bd. 2, S. 14–20. – Joachim Knape: M.Spr¨uche bei Sebastian Brant. In: Artibvs. FS Dieter Wuttke. Hg. v. Stephan F¨ussel. Wiesbaden 1994, S. 95–101. – Edda Gentry: M. (ca. 1390–1458). In: Medieval Germany. An Encyclopedia. New York 2001, S. 546. – Karina Kellermann: ‹ach Musgapluot / wie seer hastu gelogen!› L¨ugendichtung als Zeitkritik. In: Mitt. des Dt. Germanistenverbandes 52 (2005) H. 3, S. 334–346. FA
jedoch nichts bekannt. Lediglich zwei T¨one d¨urften f¨ur ihn gesichert sein: Der «Lange Ton» und der «Leidton». F¨ur Letzteren k¨onnte der «Leidton» von → Regenbogen als Vorbild gedient haben (vgl. Rettelbach, S. 255). Es gibt in beiden T¨one vorsowie nachreformatorische Lieder, u. a. von Lienhard → Nunnenbeck ein Lied im «Langen Ton». Zudem ist ein anonymes Lied im «Leidton» (ebd., 343v–344r) erhalten, ein Marienpreis, in dem Maria u¨ ber alle Jungfrauen sowie u¨ ber das Paradies gelobt wird; die Verfasserschaft muss bis jedoch auf Weiteres offenbleiben. Literatur: Horst Brunner, VL2 7 (1989) Sp. 49. – Cramer 4 (1985) S. 256–258, 413. – RSM 4 (1988) S. 476. – Robert Staiger: Benedict von Watt. Ein Beitr. zur Kenntnis des b¨urgerlichen Meistergesanges um die Wende des 16. Jh. Leipzig 1914, S. 19 f. – H. Brunner/Johannes Rettelbach (Hg.): Die T¨one der Meistersinger. Die Hss. der Stadtbibl. N¨urnberg Will III. 792, 793, 794, 795, 796. In Abb. und mit Materialien. Mit einem Anh. von Klaus Kramer (Litterae 47). G¨oppingen 1980, Reg. – Irene Stahl: Die Meistersinger von N¨urnberg (N¨urnberger Werkst¨ucke zur Stadt- und Landesgesch. 33). N¨urnberg 1982, S. 251. – Frieder Schanze: Meisterliche Liedkunst zwischen Heinrich von Mu¨ geln und Hans Sachs. 2 Bde (MTU 82/83). M¨unchen/Z¨urich 1983/84, Reg. – J. Rettelbach: Variation – Derivation – Imitation. Unters. zu den T¨onen der Sangspruchdichter und Meistersinger (Fr¨uhe Neuzeit 14). T¨ubingen 1993. FA
Wispeck, Hans → Band 3, Sp. 731 f.
Tabernes, Tirich → Band 2, Sp. 1335 f.
¨ Ortel, Hermann (auch: Ortel), † vor 1482. – N¨urnberger Meistersinger. An letzter Stelle in Konrad → Nachtigalls Dichterkatalog stehen die Meistersinger «der Ortel vnd auch der Neidhart» (Berlin, SBB, Mgq 414, 426v–428r), bevor sich Nachtigall selbst zu den Na¨ ist f¨ur 1459 als Hefmen der Meister z¨ahlt. O. telmachermeister in N¨urnberg bezeugt und muss vor 1482 gestorben sein, da Nachtigalls Katalog um diese Zeit entstand und lediglich verstorbene ¨ gar zu den Dichter nennt. Hans Sachs z¨ahlt O. Zw¨olf N¨urnberger Meistern in seiner Schulkunst von 1527, u¨ ber den Umfang seines Werks ist uns
Bernauerin. – Volksballade uber ¨ Agnes Bernauer. B. handelt von der historisch belegten Herzogsgattin Agnes Bernauer, deren Schicksal in Dichtung und Geschichtsschreibung reichen Widerhall fand. Die u¨ ber Urkunden und Chroniken nachweisbare Frau war wahrscheinlich die Tochter eines Augsburger Baders. 1432 heiratete sie heimlich den bayerischen Herzog Albrecht III., den sie wohl bei einem Turnier kennengelernt hatte. Aus Sorge um die Erbfolge wandte sich Albrechts Vater Ernst gegen die unstandesgem¨aße Ehe. Auf seinen Befehl wurde Agnes 1435 bei Straubing in der Donau ertr¨ankt. Albrecht schien Ernst aus Rache zun¨achst
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O laid und klag → Band 2, Sp. 1326 f. Rothaw, ¨ Johannes → Band 2, Sp. 1327 f.
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2. H¨alfte 15. Jh. angreifen zu wollen, vers¨ohnte sich aber bald mit seinem Vater und heiratete 1436 erneut. Die Ballade u¨ ber Agnes entstand im 15. Jh. und wurde nach heutiger Kenntnis zun¨achst nur m¨undlich tradiert. Sie wird allerdings von zwei Chronisten erw¨ahnt: Ladislaus Sundheim spricht 1488/1501 von einem «sch¨onen Lied» u¨ ber Agnes; Kaspar Brusch zitiert 1551/52 zwei Zeilen aus der Ballade, die er als «altes Lied» bezeichnet. Gedruckt ist die B. erst nach 1752 in Flugschriften u¨ berliefert. Die prim¨ar im dt. S¨udosten verbreitete Volksballade umfasst in der heute g¨angigen Form 23 Strophen zu jeweils drei Zeilen mit einer einzelnen zweizeiligen Strophe. Die dreizeiligen Strophen enthalten jeweils einen Paarreim in den ersten beiden Zeilen, gefolgt von einer Waise in der dritten Zeile. Inhaltlich setzte die Ballade die Vorgeschichte von Agnes und Albrecht als bekannt voraus und beginnt unmittelbar mit der Gefangennahme der jungen Frau, gefolgt von ihrer Ermordung. Der Text schildert weiterhin Albrechts Trauer um Agnes und seinen Zorn gegen¨uber Ernst. Albrecht droht seinem Vater zun¨achst mit Krieg, erf¨ahrt aber nach drei Tagen vom Tod Ernsts, um den er nun ebenfalls trauert (tats¨achlich lebte Ernst noch bis 1438). F¨ur Agnes stiftet Albrecht zuletzt eine ewige Messe. Gegen¨uber den historischen Quellen ist die Ballade literarisch ausgestaltet. Im Text wird etwa die Figur eines Henkers eingef¨uhrt, der Agnes anbietet, sie zu heiraten und sie auf diese Weise vor dem Tod zu bewahren. Auch ist die Ballade stark religi¨os aufgeladen. So fleht die ertrinkende Agnes Maria an, die ihr zun¨achst tats¨achlich hilft, Agnes aber nicht endg¨ultig retten kann. Durchg¨angig wird in der Ballade Agnes’ Treue gegen¨uber Albrecht betont – eher w¨ahlt sie den Tod, als sich von ihm loszusagen und den Henker zu heiraten. Die Ballade ist in Stil und Form konventionell und erlangte nur begrenzte Verbreitung. Der B.Stoff hingegen wirkte bis in die neuere Zeit nach und erfuhr zahlreiche literarische Bearbeitungen, u. a. durch Hans Sachs (Die ertr¨ankte Jungfrau, 1546), Friedrich Hebbel (Agnes Bernauer, 1855) und Carl Orff (Die Bernauerin, 1946). Hinzu kamen h¨aufige Auff¨uhrungen der B.-Geschichte bei Laien- und Festspielen (u. a. in Straubing). Ausgaben: Zahlreiche Ausgaben der Ballade vor allem im 19. Jh. Neuere Abdrucke in: Dt. Volkslieder mit ihren Melodien. Balladen 3. Hg. v. Dt. Volksliedarch. Freiburg i. Br. Berlin u. a. 1954, S. 194–210 (mit Bibliogr.). – Walter Hinck: Tod 831
Judocus von Vinszhofen der sch¨onen Mitb¨urgerin. In: Stationen der dt. Lyrik v. Luther bis in die Gegenwart. 100 Gedichte mit Interpretationen. Hg. v. W. Hinck. G¨ottingen 2000, S. 28–32. Literatur: Heinz Friedrich Deininger, NDB 2 (1955) S. 103 f. – Heinke Binder, VL2 1 (1978) Sp. 745 f. – Gerhard Schwertl, LexMA 1 (1980) Sp. 1980 f. – Hans Schlappinger: Agnes Bernauer im Volkslied. In: Jahresber. des Hist. Ver. f¨ur Straubing und Umgebung 37 (1934) S. 75–80. – H. F. Deininger: Agnes Bernauer (um 1411–1435). In: Lebensbilder aus dem Bayerischen Schwaben. Bd. 1. Hg. v. G¨otz von P¨olnitz/Adolf Layer. Mu¨ nchen 1952, S. 131–160. – Alfons Huber: Ein bislang unbekanntes Meisterlied, die a¨ lteste faßbare literarische Bearb. des Bernauerstoffes. Zum 550. Jahresged¨achtnis. In: Jahresber. des Hist. Ver. f¨ur Straubing und Umgebung 86 (1984) S. 453–466. – Eberhard D¨unninger: Agnes Bernauer in der Lit. In: Zwischen den Wiss. Beitr. zur dt. Literaturgesch. FS Bernhard Gajek. Hg. v. Gerhard Hahn. Regensburg 1994, S. 376–388. – Werner Sch¨afer: Agnes Bernauer. Gesch., Dichtung, Bild. Straubing 1995. – A. Huber: Agnes Bernauer im Spiegel der Quellen, Chronisten, Historiker und Literaten vom 15. bis zum 20. Jh. Ein Quellen- und Lesebuch. Straubing 1999 (mit ausf¨uhrlicher Bibliogr.). – Hans Schlosser: Agnes B. (1410–1435). Der Mythos von Liebe, Mord und Staatsr¨ason. In: Zs. der Savigny-Stiftung f¨ur Rechtsgesch., Germanistische Abt. 122 (2005) S. 263–284. – Marita Panzer: Agnes Bernauer, die ermordete Herzogin. Regensburg 2007. MM Judocus von Vinszhofen (Jodocus von Windsheim). Ein «frater Judocus» von Windsheim machte 1460 einen Nachtrag in das → Lochamer-Liederbuch: Nr. 39 («all mein gedencken, dy ich hab») und Nr. 42 («ich spring an disem ringe»). Vielleicht zeichnete er auch das letzte der dt. Lieder auf (Es fur ein paur gen holz). Ob er ein Lied davon gedichtet hat, bleibt zweifelhaft (vgl. Cramer). J. war wohl Hauptschreiber und Rubrikator des Buches und geh¨orte dem Sch¨ulerkreis um den N¨urnberger Komponisten Conrad Paumann an. Ausgaben: Cramer 2 (1979) S. 110 f. – Das Lochheimer Liederbuch nebst der Ars Organisandi von Conrad Paumann als Dokumente des Dt. Liedes sowie des fr¨uhesten geregelten Kontrapunktes und der a¨ ltesten Instrumentalmusik. Krit. be832
Kolmarer Liederhandschrift arb. v. Friedrich Wilhelm Arnold/Heinrich Bellermann (Jbb. f¨ur Musikalische Wiss. 2). Leipzig 1867. Nachdr. 1926 und 1969. – Faksimile: Lochamer-Liederbuch und Fundamentum organisandi des Conrad Paumann. Hg. v. Konrad Ameln. Berlin 1925. Literatur: Cramer 2 (1982) S. 501. – Walter Salmen: Das Lochamer Liederbuch (Slg. musikwissenschaftlicher Einzeldarstellungen 18). Leipzig 1951. – Christoph Petzsch: Das Lochamer Liederbuch. Mu¨ nchen 1967. – Ders.: Weiteres zum Lochamer Liederbuch und zu den Hofweisen. In: Jb. f¨ur Volksliedforschung 17 (1972) S. 9–34. FA Kipfenberger → Band 3, Sp. 746 f. Segen des Starken Boppe. – Lied u¨ ber den Sangspruchdichter Boppe. Das a¨ lteste u¨ berlieferte Exemplar dieses Liedes stammt aus der Zeit um 1460 (M¨unchen, Cgm ¨ 4997 [s. Uberl.]) und ist in → Regenbogens Briefweise verfasst. Am h¨aufigsten ist es in f¨unf Strophen erhalten; die l¨angste Variante umfasst sechs Strophen, die k¨urzeste drei. Teilweise sind Abges¨ange in ihrer Reihenfolge vertauscht oder gar abge¨andert. Die dreistrophige Fassung sollte wohl am besten den urspr¨unglichen Zustand darstellen; eine Erweiterung des Liedes auf mehr Strophen ist durch gleichf¨ormige Metrik beg¨unstigt worden. Neben allgemeinen Segensbitten («Geseng mich heut der got», «Ich pit dich maria du vil tugenthafte meidt») findet sich in der letzten Zeile auch eine F¨urbitte f¨ur des «maister Poppen sel, des starcken». Gemeint ist der obd. Sangspruchdichter Meister → Boppe, der den Beinamen ‹Starker Boppe› wohl aufgrund seines hohen Ansehens unter den Meisters¨angern erhielt. S. d. S. B. ist exemplarisch f¨ur das Aufleben des Druckereigesch¨aftes u. a. im N¨urnberg des 16. Jh. (vgl. Flood, S. 83; insgesamt f¨unf Drucke sind nachgewiesen, vgl. RSM 5, S. 55). Das Lied wurde noch Anfang des 17. Jh. im Druck verbeitet. ¨ Uberlieferung: Berlin, SBB, Mgq 414, 434r–435r (Pap., 1517/18). – Heidelberg, UB, Cpg 680, 70v–71v (1532/33). – Mareit, Schloss Wolfsthurn, ohne Sign., 86v–87r (Pap., zweite H¨alfte des 15. Jh.; verschollen). – Mu¨ nchen, BSB, Cgm 845, 131r–143r (Pap., um 1469/70, mittelbair.). – Ebd., Cgm 4997, 259v–260r (Pap., um 1460). – Ebd., 833
2. H¨alfte 15. Jh. Cgm 5198, 69v–71r (Pap., um 1500, bair.-o¨ sterr.). – ¨ Wien, ONB, Cod. 5295, 1r (Pap., nur die 1. Str.). Ausgaben: Philipp Wackernagel: Das dt. Kirchenlied von der a¨ ltesten Zeit bis zu Anfang des XVII. Jahrhunderts. Bd. 2. Leipzig 1867 (Nachdr. Hildesheim 1964) S. 197–199 (Nr. 331 f.). – Oswald von Zingerle: Segen und Heilmittel aus einer Wolfthurner Hs. des XV. Jh. In: Zs. des Ver. f¨ur Volkskunde 1 (1891) S. 172–177, 315–324, hier S. 320 f. – Frieder Schanze: J¨org D¨urnhofers Liederbuch (um 1515). Faks. des LieddruckSammelbandes Inc. 1446a der UB Erlangen. T¨ubingen 1993, Nr. 3. – Elisabeth Wunderle: Die Slg. von Meisterliedern in der Heidelberger Hs. cpg 680. Edition und Komm. (GAG 584). G¨oppingen 1993, Nr. 52 A–D. Literatur: RSM 5 (1991) S. 53–55. – Frieder Schanze, VL2 8 (1992) Sp.1044. – Wunderle (s. Ausg.) S. 457–461. – John L. Flood: Der Lieddruck in N¨urnberg im 16. Jh. In: Kultur- und kommunikationshist. Wandel des Liedes im 16. Jh. Hg. v. Albrecht Classen u. a. (Popul¨are Kultur und Musik 3). Mu¨ nchen u. a. 2012, S. 73–88. FA Kolmarer Liederhandschrift. – Meisterliche Liedsammlung, Mitte 15. Jh. Die K. L. (k) ist die bedeutendste und umfangreichste Sammlung meisterlicher Liedkunst des 15. Jh. Ihre Bezeichnung verdankt sie ihrem Aufbewahrungsort vom 16. bis 18. Jh. Sie enth¨alt etwa 935 Bare mit zusammen fast 4400 Strophen in 107 T¨onen und zus¨atzlich 5 Leichs. Programm der Redaktion war offenbar, die ber¨uhmten alten Meister in einem Buch zu versammeln. Das Textcorpus umspannt Dichtungen aus rund zweieinhalb Jahrhunderten. Chronologie ist f¨ur die Sammlung aber kein Ordnungskriterium und sie differenziert grunds¨atzlich nicht zwischen Orignalstrophen der Tonerfinder und Strophenmaterial der «Nachs¨anger». Nach der → Jenaer Liederhandschrift, mit der sie auch konzeptuell verwandt ist, stellt k die wichtigste Quelle zur Melodieu¨ berlieferung der Lieddichtung des 13. und 14. Jh. dar, hier freilich in den Fassungen des 15. Jh. Aber nur in einigen wenigen F¨allen bietet der Codex das einzige Melodienotationszeugnis. Demgegen¨uber sind zahlreiche Texte Unica. Deshalb ist k f¨ur die Geschichte der Sangspruchdichtung und des fr¨uhen Meistergesangs schon allein als ¨ Sammelbecken ansonsten verlorener Uberlieferung 834
2. H¨alfte 15. Jh. von h¨ochster Bedeutung. k ist zwar eine an meisterlichen Konventionen orientierten Kompilation, enth¨alt aber dennoch zahlreiches und nicht immer zweifelsfrei zu identifizierendes altes Strophenmaterial. Rund ein Achtel des Text- und Melodiebestandes l¨asst sich anhand von Parallel¨uberlieferung sicher auf die Zeit vor 1350 datieren (zwei Leichs, 46 T¨one, 540 Strophen). Der tats¨achliche Altstrophenbestand d¨urfte deutlich h¨oher sein: Oftmals sind alte origin¨are Einzelstrophen in den Barkomplexen noch erkennbar anhand inhaltlicher oder stilistischer Inkoh¨arenzen oder Redundanzen in¨ nerhalb der Bare. Außerst selten begegnen alte Sangspr¨uche in k noch als Einzelstrophen. Gem¨aß der meisterlichen Konvention sind diese im Prozess sekund¨arer Barbildung etwa zu Dreier-, F¨unferoder Siebenerbaren kombiniert oder durch Neudichtungen erg¨anzt worden. Vermutlich war dieser Prozess in der Regel schon in den Vorlagen von k abgeschlossen, denn die k-Schreiber reagieren mit deutlichen Vermerken, wenn sie aus den Vorlagen eine Einzelstrophe u¨ bernommen haben: «Diß liet (= Strophe) stet alleyn oder mangelt noch eins» (713r), oder: «Dyß liet stet allein sing es war du wil oder ander darz˚u» (724r). T¨one mit Stollenstrophen und anspruchsvoller Reimordnung dominieren in k, wie es f¨ur Meisterliedhandschriften typisch ist. Allerdings verl¨asst k durch die Aufnahme von Leichs und einiger unstolliger To¨ ne diesen engen Rahmen. Hinsichtlich der metrisch-musikalischen Form des enthaltenen Liedguts stellt k eine Zwischenstufe zwischen den fr¨uheren Spruch- und Liedsammlungen und den Meisters¨angern dar. Es zeigt sich zwar schon eine deutliche Tendenz zur Vereinheitlichung (z. B. ausschließlich alternierende Verse mit regelm¨aßigen Auftakten, Aufteilung von Langzeilen, Einf¨uhrung von Binnenreimen), die aber nocht nicht mit der meisters¨angerischen Konsequenz durchgef¨uhrt ist. Auch sind Lieder ohne metrische Anpassung aufgenommen, die der sonst in k zu beobachtenden metrischen Norm noch nicht entsprachen. Organisiert ist der Inhalt der Handschrift nach dem Tonautorenprinzip (mit einigen Inkonsequenzen). Da die T¨one in k u¨ berwiegend (und nicht immer zurecht) als Sch¨opfungen der alten Sangspruchmeister des 13. und 14. Jh. galten, spiegelt die Sammlung die am Rhein offensichtlich verbreitete Tendenz wieder, neue Lieder nur in T¨onenh alter Meister zu singen (wogegen Hans → Folz in N¨urnberg sich 835
Kolmarer Liederhandschrift mit den sog. «Reformliedern» [RSM: 1Folz/77–82] gewandt hat). Thematisch ist das gesamte Spektrum meisterlicher Liedkunst geboten, wobei geistliche Lieder dominieren. Marienpreise und Dichtungen u¨ ber die Trinit¨at sowie die Inkarnation sind in k besonders oft vertreten. Unter den weltlichen Liedern behandeln viele die meisterliche Kunstauffassung, daneben finden sich Moraldidaxen und allgemeine (oft religi¨os begr¨undete) Frauenpreise. Gelegentlich begegnen humoristische Lieder, Armutsklagen, St¨andelehren oder ¨ -kritiken. Außerst selten sind subjektive Liebeslieder oder Obsz¨ones und l¨angere Erz¨ahllieder (→ Veronika, 273v–285v; → Lorengel, 701v–705v). Auch an politisch-aktuellem Liedgut hatte die Redaktion ganz offensichtlich kein Interesse. Zu Beginn eines jeden Corpus werden in der Re¨ gel der Tonname und der Erfinder als Uberschrift genannt und die Melodie mit unterlegtem Text der ersten Strophe dargeboten. Textverfasserangaben sind selten, nicht immer richtig und zum Teil von erstaunlicher Ausf¨uhrlichkeit (z. B. die unklare Angabe «Dyß ist des jungen stollen getichte vnd hat nit geticht dann dyse dru par darnach starp er wie er sturbe das ste zu gotte» [719r]; vgl. → Junger Stolle). Die einzigen «Nachs¨anger», die namentlich genannt werden sind → Dangkrotzheim (3r, Reg.) und → Gernspeck (106r). Auch die Zuverl¨assigkeit der Angaben zu den Tonerfindern schwankt, da die meisterliche Tradition dazu tendiert viele T¨one ber¨uhmten alten Meistern, vor allem → Frauenlob, unterzuschieben. Am Anfang der Sammlung stehen die t¨onereichsten Autoren und diejenigen, deren T¨one am h¨aufigsten bei den «Nachs¨angern» Verwendung fanden: Frauenlob und → Regenbogen. Zusammengenommen machen die Texte in To¨ nen dieser beiden Meister u¨ ber 45 % des gesamten Bestands der Handschrift aus. Mit 96 Liedern ist Regenbogens «Langer Ton» (1Regb/4) dabei der mit Abstand h¨aufigste (es folgt der «Lange Ton» → Heinrichs von M¨ugeln [1HeiM¨u/1, 70 Lieder], der «Lange Ton» Frauenlobs [1Frau/2, 55 Lieder], die «Briefweise», Regenbogen und Frauenlob zugeschrieben [1Regb/1, 54 Lieder], → Marners «Langer Ton» [1Marn/7, 49 Lieder] und → Boppes «Hofton» [1Bop/1, 43 Lieder]). Nach diesen beiden meisterlichen Hauptautorit¨aten folgen solche Dichter, deren T¨one ebenfalls besonders hohes Ansehen genossen: Marner, → Konrad 836
Kolmarer Liederhandschrift von W¨urzburg, → Kanzler, Boppe und Heinrich von Mu¨ geln. Deren T¨one stellen zusammengenommen ein knappes Viertel der Sammlung. Nach dem Einschub eines inkoh¨arenten und durch Nachtr¨age angereichertem → Mo¨ ch von SalzburgCorpus, das auch zwei sammlungsuntypische Minnelieder enth¨alt, folgen zun¨achst Tonerfinder, die mit nur einem Ton oder zumindest wenigen T¨onen verbunden werden, und zum Ende hin einige Kleinmeister mit j¨ungerer oder unsicherer Datierung (→ Reinmar von Zweter, → Reinmar von Brennenberg, → Klingsor, → Stolle, Junger Stolle, → Ehrenbote, → Wolfram von Eschenbach, → Walther von der Vogelweide, → Winsbecke in der «Grußweise» des → Tugendhaften Schreibers, der → Ungelehrte, → Heinrich von Ofterdingen, → Rumelant (von Sachsen), → Anker, → M¨ulich von Prag, → Tannh¨auser, → Liebe von Giengen, → Meffrid und der → Junge Meißner). Die sich an diesen Abschnitt anschließende Autorengruppe mit Meistern des sp¨ateren 14. und des 15. Jh (→ Suchensinn, → Peter von Arberg, Albrecht → Lesch, Konrad → Harder) sollte nach der urspr¨unglichen Konzeption offensichtlich die Sammlung beschließen. Zwar steht die Textgruppe auch im Codex in seiner jetzigen Gestalt am Ende, doch es lassen sich redaktionelle Zwischenschritte rekonstruieren: Dass in den Lesch- und HarderCorpora sich jeweils Tonangaben mit «Reihen» finden, k¨onnte Motivation f¨ur die k-Redaktion gewesen sein, weitere «Reihen» zusammenzustellen. Es entstand – urspr¨unglich am Schluss der Handschrift – eine Liedgruppe in Prunkformen von verschiedenen Meistern. Diese T¨one, die als besonders anspruchsvoll galten, und zwei Leichs. Zus¨atzlich zu Meistern, die auch in der Hauptsammlung erscheinen, sind hier noch → Peter von Sachsen, → Peter von Reichenbach, Pseudo-→ Neidhart («Gefr¨aß»), → Muskatblut und → Zwinger aufgeboten. Die Abgrenzungskriterien der hier enthaltenen Lieder zu den restlichen sind allerdings nicht durchweg eindeutig. Noch bevor diese Sonderkompilation mit den letzten Nachtr¨agen abgeschlossen war, wurde sie vom Ende an den Beginn des Codex ger¨uckt, vor die Lieder in T¨onen Frauenlobs aber nach seinen «Frauenleich». Dieser war schon in der origin¨aren Konzeption das repr¨asentative Er¨offnungst¨uck. Hinsichtlich der Gebrauchsfunktion von k l¨asst sich zun¨achst die Verwendung zum Vorsingen in einer Gesellschaft ausschließen: Der Codex ist 837
2. H¨alfte 15. Jh. hierf¨ur schlicht zu umfangreich. Dass T¨onerepertoire u¨ bersteigt zudem den engen Gesichtskreis eine Singschulbetriebs. Zwar d¨urften sich in einigen oberrheinischen St¨adten zum Zeitpunkt der Abfassung schon S¨angergemeinschaften gebildet haben und der Initiator von k k¨onnte einer dieser S¨angergesellschaften angeh¨ort haben. Dass er den Kodex aber f¨ur eine solche hat anfertigen lassen, ist unwahrscheinlich. Es k¨onnte sich auch um eine private Sammlung handeln. Beschreibung und Geschichte der Handschrift: Mu¨ nchen, BSB, Cgm 4997 (Sigle heute zumeist k, fr¨uher auch K oder t), 856 Bll. (durch den schieren Umfang hat der Codex nahezu quaderf¨ormige Gestalt); Pap. in Quartformat (293 mm x 200 mm, Schriftraum: u¨ berwiegend 210 mm x 140 mm), Einband von 1589; mit Ausnahme des Reg. zweispaltig; um 1460 geschrieben (Wasserzeichenanalyse), in Speyer (?); (s¨ud)rheinfr¨ankisch (mit Einschl¨agen aus den Mundarten der Vorlagentexte); Melodien in gotischer Choralnotation («Hufnagelnotation»). Die Papieruntersuchungen erbrachten Belege f¨ur die schrittweise Entstehung der Handschrift, deren Grundstock weniger als die H¨alfte des endg¨ultigen Umfang aufweist. Es sind zwei einander best¨andig abwechselnde Haupth¨ande A und B sowie mehrere Nachtragsh¨ande des 16. Jh. auszumachen. Als Redaktor konzeptuell federf¨uhrend scheint Hand A gewesen zu sein, die mit → Nestler von Speyer identifiziert werden k¨onnte. Diesem wird in der N¨urnberger meisterlichen Tradition der «Unerkannte Ton» zugeschrieben. Zu einem Bar in diesem Ton in k (1Nestl/1a) heißt es auf Bl. 492ra (mitten im Marner-Teil): «in dem unherkanten tone magistri s[cilicet] scriptoris huius libri». Der Tonerfinder wird also als Schreiber des Codex bezeichnet. Auch im Register von k. findet sich derselbe Hinweis. Bezeichnenderweise hat die → Donaueschinger Liederhandschrift, die zum Teil eine k-Abschrift ist (s. u.), den modifizierten Vermerk: «magister huius libri». Hand B war vermutlich Berufsschreiber. Die Herkunft der Handschrift ist nicht zweifelsfrei gekl¨art. Auf Bl. 3r u¨ ber dem Register steht in roter Tinte auf blauem rotgerahmten Grund: «Dis buch vn daffel ist der XII meister gediecht vn ist ob VI[I] hundert joren z˚u mecz im d˚um legen vn in der liebery» (Eintrag vielleicht noch sp¨ates 15., fr¨uhes 16. Jh oder kurz nach 1546). Auch ist auf Bl. 698ra das polemische Gedicht u¨ ber Die Dohle von Mainz enthalten («Volget in 838
2. H¨alfte 15. Jh. dysem tone die tal von meincz oder die pfaffenschande» (1Wartb/2/3e). Da die Meisters¨anger des 16. Jh. zudem auf k mit dem Begriff «groß buch von Mencz» (u. a¨ .) rekurrierten und auch wegen der prominenten Rolle von Frauenlob († 1318 in Mainz), war eine Mainzer Provinienz der Handschrift lange unumstritten. Dass heute zumeist Speyer als Schreibort genannt wird, liegt weniger am vermuteten Schreiber Nestler. Es gibt seit Schanze (1983 [s. Lit.] S. 48–54) Argumente f¨ur Speyer, und seit eine weitere Handschrift der Schreiber A und B identifiziert werden konnte, die dem Speyrer Domherrn Johann Kranich von Kirchheim geh¨orte und die auch weitere Hinweise auf Speyer enth¨alt (Naturwissenschaftlichmedizinische Sammelhandschrift, Salzburg, UB, Cod. M III 3), haben diese Argumente zus¨atzliches Gewicht gewonnen. In Mainz wurde k dann vielleicht sp¨ater tats¨achlich aufbewahrt (vgl. Lit.: Petzsch [1978 und 1988] vermutet noch eine Mainzer Provenienz von k. Schanze [s. o.] pl¨adiert f¨ur Speyer und Brunner/Rettelbach [1985] S. 235–237 wollen Mainz nicht ausschließen. Eine sorgf¨altige Erw¨agung aller Aspekte findet sich bei Kornrumpf [1990]. Kornrumpf tendiert letztlich beweiskr¨aftig zu Speyer [S. 161]). Hand B war beim Salzburger Codex im Gegensatz zu k federf¨uhrend. Zudem macht es diese Hs. wahrscheinlich, dass beide Schreiber als Wund¨arzte ausgebildet waren. Dies wirft f¨ur die Entstehung von k neue Fragen auf und k¨onnte bedeuten, dass Nestler als redaktionelle Hand A die k-Sammlung wom¨oglich aus eigenem Impetus aber zumindest nicht als reines Auftragswerk erstellt hat. Um 1484/90 hat k der Donaueschinger Liederhandschrift als Vorlage gedient (daneben wurden vermutlich auch Vorlagen von k herangezogen). k d¨urfte sich also in diesem Zeitraum im Zisterzienserinnenkloster Wonnental (Breisgau) befunden haben. Ab 1546 ist die Geschichte der Handchrift weitgehend gekl¨art. Offensichtlich ist sie nach der Abschrift in Wonnental im Oberrheingebiet verblieben, denn am 21.12.1546 wurde k in Schlettstadt (S´elestat, Elsass) von J¨org Wickram erworben (Kaufeintrag Bl. 16r), der in Colmar eine Meistersingergesellschaft gr¨undete. Zweimal mindestens wurde k an andere Gesellschaften ausgeliehen (um 1550/53 nach Augsburg, um 1590/91 nach Straßburg). Die Meisters¨anger des 16. Jh. verehrten k als Dokument der Begr¨undung ihrer Kunst durch die zw¨olf alten Meister. Adam Puschmann hat k 839
Kolmarer Liederhandschrift 1571 in Augenschein genommen (s. Bl. 18r) und aus ihr einen Ton bezogen. Ende des 18. Jh. lag der Codex in der Zunftstube der Schuster in Colmar und war darauf kurzzeitig verschollen. Im Nachlass des Colmarer Buchh¨andlers Benjamin Neukirch tauchte k wieder auf und wechselte in der Mitte des 19. Jh. in den Besitz des Baslers Antiquars Heinrich Georg. Von diesem erwarb die Kgl. Hof- und Staatsbibliothek Mu¨ nchen die Handschrift im Jahre 1857 zusammen mit zwei kleineren Colmarer Meisterliederhandschriften (Cgm 4998, 5000). Eine in k eingeklebte kurze Liederhandschrift (Cgm 4999) wurde ausgel¨ost. Ausgaben: Karl Bartsch: Meisterlieder der Kolmarer Hs. (Bibl. des Litterarischen Ver. in Stuttgart 68). Stuttgart 1862 (Ausw. mit 187 Baren). – Paul Runge: Die Sangesweisen der Colmarer Hs. und die Liederhs. Donaueschingen. Leipzig 1896 (Nachdr. Hildesheim 1965). – Durward Saline Poynter: The Poetics of the Early Meisters¨anger as reflected in the Kolmarer Hs. (Cgm 4997). Diss. Los Angeles 1965. – Nachweise zu den einzelnen Liedern im RSM. Vgl. auch die jeweiligen Autoren. – Faks.: Friedrich Gennrich: Die Colmarer Liederhs. Faks.-Ausg. ihrer Melodien (Summa Musicae Medii Aevi 18). Langen 1967. – Ulrich Mu¨ ller/Franz Viktor Spechtler/Horst Brunner (Hg.): Die K. L. der BSB Mu¨ nchen (cgm 4997) in Abb. 2 Bde. (Litterae 35). G¨oppingen 1976. Literatur: Burghart Wachinger, VL2 5 (1987) Sp. 27–39. – RSM 1 (1994) S. 205–209. – Lorenz Welker, MGG2 Sachteil 5 (1996) Sp. 450–455. – Gisela Kornrumpf, Killy2 6 (2009) S. 608–610. – Friedrich Heinrich von der Hagen: Die Kolmarische Slg. von Minne und Meisterliedern. In: Mus. f¨ur altdt. Lit. und Kunst 2 (1811) S. 146–225. – Bartsch (s. Ausg.). – Runge (s. Ausg.) – Friedrich Eberth: Die Liedweisen der Kolmarer Hs. und ihre Einordnung und Stellung in der Entwicklungsgesch. der dt. Liedweise im 14.–16. Jh. Diss. G¨ottingen 1933 (u. d. T.: Die Minne- und Meistergesangweisen der K. L. Detmold 1935). – Rudolf Zitzmann: Die Melodien der K. L. in ihrer Bedeutung f¨ur die Musik- und Stilgesch. der Gotik (Literarhist.-musikwissenschaftliche Abh. 9). W¨urzburg 1944. – Rudolf Genseke: Die Kolmarer Hs. und ihre Bedeutung f¨ur den dt. Meistergesang. Diss. Tu¨ bingen 1955. – Karl Stackmann: Die kleineren Dichtungen Heinrichs von M¨ugeln. Erste Abt.: Die Spruchslg. des G¨ottinger Cod. Philos. 21. Bd. 1: Einleitung, Text der B¨ucher I–IV 840
Mondsee-Wiener Liederhandschrift (DTM 50). Berlin 1959, S. LXV–XCV. – Heinrich Husmann: Aufbau und Entstehung des cgm 4997. In: DVjs 34 (1960) S. 189–243. – Ursula Aarburg: Verz. der im Kolmarer Liedercodex erhaltenen T¨one und Leiche. In: FS Heinrich Besseler. Hg. vom Inst. f¨ur Musikwiss. der Karl-Marx-Univ. Leipzig 1961, S. 127–136. – Gesine Freistadt: Zur Abh¨angigkeit der Liederhss. Kolmar und Donaueschingen. Diss. G¨ottingen 1966. – F. V. Spechtler: Die geistlichen Lieder des M¨onchs von Salzburg (Quellen und Forschungen zur Sprach- und Kulturgesch. der germ. V¨olker 51 [175]). Berlin/New York 1972, S. 56–58 u. o¨ . – Eva Schumann: Stilwandel und Gestaltver¨anderung im Meistersang. Vergleichende Unters. zur Musik der Meistersinger (G¨ottinger musikwissenschaftliche Arbeiten 3). Kassel 1972 [recte 1973], S. 67–176. – Christoph Petzsch: Der magister scilicet scriptor der K. L., sein ‹unerkannter Ton› und nochmals zur Frage der Meistergesangsreform. In: Die Musikforschung 26 (1973) S. 445–473. – G¨unther Mayer: Probleme der Sangspruch¨uberl. Beobachtungen zur Rezeption Konrads von W¨urzburg im Sp¨atMA. Diss. M¨unchen 1974, S. 74–88. – C. Petzsch: Die Rubriken der K. L. In: ZfdPh 93 (1974) S. 88–116. – H. ¨ Brunner: Die alten Meister. Stud. zur Uberl. und Rezeption der mhd. Sangspruchdichter (MTU 54). Mu¨ nchen 1975, passim. – Brian Taylor: Die verschollene Straßburger Meistersinger-Tabulatur von 1494 und eine bisher u¨ bersehene Kolmarer Tabulatur von 1546 im Cgm 4997. In: ZfdA 105 (1976) S. 304–310. – C. Petzsch: Die K. L. Entstehung und Gesch. Mu¨ nchen 1978. – Walter R¨oll: Redaktionelle Notizen in der K. L. und in der ande¨ ren Uberl. der Lieder des Mo¨ nchs von Salzburg. In: PBB (T¨ub.) 102 (1980) S. 215–231. – Ders.: Rezension Petzsch 1978. In: ebd., S. 284–291. – Frauenlob (Heinrich von Meißen). Leichs, Sangspr¨uche, Lieder. Auf Grund der Vorarbeiten von Helmut Thomas hg. v. Karl Stackmann/Karl Bertau. Bd. 1: Einleitungen, Texte (Abh. der Akad. der Wiss. in G¨ottingen, phil.-hist. Kl. 3, 119). G¨ottingen 1981, S. 102–112. – Frieder Schanze: Meisterliche Liedkunst zwischen Heinrich von Mu¨ geln und Hans Sachs. Bd. 1: Unters.; Bd. 2: Verz. (MTU 82/83). Mu¨ nchen 1983/84, Bd. 1, S. 35–86; Bd. 2, S. 58–83. – H. Brunner/Johannes Rettelbach: ‹Der vrsprung des maystergesangs›. Eine Schulkunst aus dem fr¨uhen 16. Jh. und die K. L. In: ZfdA 114 (1985) S. 221–240. – W. R¨oll: Rezension Schanze. In: ZfdPh 106 (1987) S. 131–135. – C. Petzsch: 841
2. H¨alfte 15. Jh. Wasserzeichen und Provenienz der ‹K. L.› (Cgm 4997). In: ZfdA 117 (1988) S. 201–210. – G. Kornrumpf: Die K. L. Bemerkungen zur Provenienz. In: ‹Ja muz ich sunder riuwe sin›. FS Karl Stackmann. Hg. v. Wolfgang Dinkelacker u. a. G¨ottingen 1990, S. 155–169 (bearb. u. d. T. ‹Die K. L. Bemerkungen zu Plan, Provenienz und Funktion› wieder in: Dies.: Vom Codex Manesse zur K. L.: Aspekte ¨ der Uberl., Formtraditionen, Text. Bd. 1: Unters. [MTU 133]. T¨ubingen 2008, S. 257–274). – Bernhard Schnell: Medizin und Lieddichtung. Zur medizinischen Sammelhs. Salzburg M III 3 und zur K. L. In: Arch. f¨ur das Studium der neueren Sprachen und Literaturen 230 (1993) S. 261–278. – Karin Schneider: Die dt. Hss. der BSB M¨unchen. Die ma. Hss. aus Cgm 4001–5247 (Catalogus codicum manu scriptorum Bibliothecae Monacensis 5,7). Wiesbaden 1996, S. 423–444. – Christoph M¨arz: Die weltlichen Lieder des M¨onchs von Salzburg. Texte und Melodien (MTU 114). T¨ubingen 1999, S. 96–98 u. o¨ . – Michael Baldzuhn: Blattverluste im Suchensinn-Korpus der ‹K. L.›. In: ZfdPh 119 (2000) S. 427–433. – Ders.: Vom Sangspruch zum Meisterlied. Unters. zu einem literarischen Traditionszusammenhang auf der Grundlage der Kolmarer Liederhs. (MTU 120). T¨ubingen 2002. – Holger Runow: Wartburgkrieg? Klingsors Schwarzer Ton in der K. L. In: GRM 57 (2007) S. 151–168. – J. Rettelbach: Die Bauformen der T¨one in der ‹Jenaer› und in der ‹K. L.› im Vergleich. In: Die Jenaer Liederhs. Codex – Gesch. – Umfeld. Hg. v. Jens Haustein/Franz K¨orndle. Berlin/New York 2010, S. 81–98. – Volker Zapf: Stolle und die Alment. Einf. – Edition – Komm. (Medievalia Nova 7). G¨ottingen 2010, S. 38–40, 48–60 und Reg. VZ Mondsee-Wiener Liederhandschrift. – Liedersammlung des 15. Jh. mit Schwerpunkt auf dem Œuvre des → M¨onchs von Salzburg. Die Sammlung enth¨alt in einem ersten Teil 87 Lieder (inkl. Melodien) des M¨onchs von Salzburg und seines Kreises, namentlich → Peters von Arberg. Sie tr¨agt in der M¨onch-Philologie die Sigle D. Es handelt sich um die einzige Corpushandschrift, die neben geistlichen in nennenswertem Umfang auch weltliche Lieder des M¨onchs ber¨ucksichtigt. Die Mehrzahl der weltlichen Lieder sind Unika. Der zweite Teil der M.-W. L. besitzt das Profil einer Meisterliederhandschrift und u¨ berliefert zw¨olf Texte, im einzelnen Sangspr¨uche 842
2. H¨alfte 15. Jh. → Heinrichs von Mu¨ geln (davon zwei mit Melodie) und → Regenbogens, Klingsors Astronomie aus dem → Wartburgkrieg, zwei anonyme Meisterlieder, zwei Meisterlieder des Albrecht → Lesch sowie abschließend den Cisiojanus des M¨onchs. Die M.-W. L. stammt aus der gleichen Schreibwerkstatt wie die Mu¨ nchener Handschriften cgm ¨ 715 und cgm 1115 und Wien, ONB, Cod. 4696. Ausweislich eines Besitzvermerks war der Codex Eigentum eines 1465–71 urkundlich nachgewiesenen Salzburger B¨urgers: «Item das puech ist Peter Spoerl 1472» (Bl. 252v); vergleichbare Eintr¨age finden sich auch in den Wiener Handschriften Cod. 2870, Cod. 2953 und Cod. 3617. Alle vier Sp¨orlschen Handschriften gelangten noch im 15. Jh. ins Kloster Mondsee, wo die Liedersammlung mit zwei weiteren urspr¨unglich selbstst¨andigen Codices zusammengebunden wurde, von denen einer neben deutschsprachiger Rechtsliteratur die Historia trium regum des → Johannes von Hildesheim (Bl. 1ra–165va) und der andere eine unvollst¨andige Fassung → Konrads von Megenberg Buch der Natur u¨ berliefert (Bl. 285ra–403vb). Nach der Aufhebung des Klosters Mondsee im Jahr 1791 gelangte der Codex nach Wien. ¨ ¨ Uberlieferung: Wien, ONB, Cod. 2856, 166r–284v (Pap., 1454–69, bair.-o¨ sterr.). Ausgaben: M.-W. L. aus Cod. Vindobonensis 2856. Wissenschaftlicher Komm. Hedwig Heger (Codd. Selecti phototypice impressi 19). Graz 1968. Literatur: Burghart Wachinger, VL2 6 (1987) Sp. 672–674. – Friedrich Arnold Mayer/Heinrich Rietsch: Die M.-W. L. und der Mo¨ nch v. Salzburg. Eine Unters. zur Litteratur- und Musikgesch. Nebst den zugeh¨origen Texten aus der Hs. und mit Anm., 2 Tle. (Acta Germanica III–IV). Berlin 1894–96 (mit Abdruck v. Bl. 185v–220r, 246v–252v, 259r–260v, 278v–282v). – Karl Stackmann (Hg.): Die kleineren Dichtungen Heinrichs v. Mu¨ geln. Erste Abteilung: Die Spruchsammlung des G¨ottinger Cod. Philos. 21. Teilbd. 1: Einleitung, Text der B¨ucher I–IV (DTM 50). Berlin 1959, S. CXXXVII–CXXXIX. – Hermann Menhardt: Verz. der altdt. literarischen Hss. der ¨ ONB, Bd. 1 (Ver¨off. des Inst. f¨ur dt. Sprache und Lit. 13). Berlin 1960, S. 461–478. – Franz Viktor Spechtler (Hg.): Die geistlichen Lieder des Mo¨ nchs v. Salzburg (Quellen und Forschungen zur Sprach- und Kulturgesch. der germ. V¨olker 51 [175]). Berlin/New York 1972, S. 46–49. – Karl Bertau: [Rezension zu:] M.-W. L. (s. Ausg.). In: 843
Wienh¨auser Liederbuch AfdA 86 (1975) S. 12–20. – Frieder Schanze: Meisterliche Liedkunst zwischen Heinrich v. Mu¨ geln und Hans Sachs. Bd. 2: Verzeichnisse (MTU 83). M¨unchen 1984, S. 242–244. – Burghart Wachin¨ ger: Der Mo¨ nch v. Salzburg. Zur Uberl. geistlicher Lieder im sp¨aten MA (Hermaea NF 57). T¨ubingen 1989, S. 108–117, 200, 203. – RSM 1 (1994) S. 291. – Christoph M¨arz (Hg.): Die weltlichen Lieder des Mo¨ nchs v. Salzburg. Texte und Melodien (MTU 114). T¨ubingen 1999, S. 64–72. – Silvia Ranawake: Compilers and Users of Medieval German Song Collections (1250–1500). In: Courtly Arts and the Art of Courtliness. Selected Papers from the Eleventh Triennial Congress of the International Courtly Literature Society. University of Wisconsin-Madison, 29 July–4 August 2004. Ed. by Keith Busby/Christopher Kleinhenz. Woodbridge/Rochester 2006, S. 553–572. NR Wienh¨auser Liederbuch → Band 2, Sp. 1331 bis 1335. Hayweger, Augustinus → Band 2, Sp. 1320. Schilknecht, J¨org. – Dichter eines unikal u¨ berlieferten gesellschaftskritischen Liedes (?), Mitte/ zweite H¨alfte 15. Jh. Die letzte Strophe einer insgesamt 17 Strophen umfassenden St¨andeschelte und Zeitklage u¨ berliefert den Namen S.s als Autorsignatur. Das Lied ist im «Hofton» J¨org → Schillers (RSM: 1Schil/1) ver¨ fasst. Ferner bestehen Uberschneidungen hinsichtlich Inhalt, Stil und Wortwahl (Ableitung der drei St¨ande von Noahs So¨ hnen usw.) zu einem Schiller sicher zuzuschreibendem Lied (1Schil/6/1). Es ist daher denkbar, dass «Schilchknecht» lediglich eine Entstellung von «Schilcher» ist und das Lied Schiller zuzuschreiben ist. ¨ Uberlieferung: Mu¨ nchen, BSB, Cgm 5919, 262v–267v (Pap., Anfang 16. Jh., Sammelhs. angelegt vom Regensburger B¨urger Ulrich Mostl). Ausgabe: Cramer 3 (1982) S. 182–188. Literatur: RSM 5 (1991) S. 331. – Frieder Schanze, VL2 8 (1992) Sp. 666. – Cramer 3 (1982) S. 554. – F. Schanze: Meisterliche Liedkunst zwischen Heinrich v. Mu¨ geln und Hans Sachs. Bd. 1: Unters. (MTU 82). Mu¨ nchen 1983, S. 252. VZ 844
Schiller Schiller, J¨org (Schil[c]her; Heinz Sch¨uler, Schuller [?]). – Augsburger (?) Meisterlieddichter, 15. Jh. Der Dichter S. k¨onnte mit dem 1453–62 in Augsburg bezeugten B¨urger J. S. zu identifizieren ¨ sein. Schreibsprache, Uberlieferung und der sp¨atere Gebrauch seiner To¨ ne durch Nachs¨anger st¨utzen die Annahme einer ostschw¨abischen Herkunft. In den Meisterkatalogen von Konrad → Nachtigall und Hans → Folz wird ein Heinz → Sch¨uler angef¨uhrt (RSM: 1NachtK/5/2; 1Folz/82). Es ist zumindest nicht auszuschließen, dass hier S. gemeint sein k¨onnte. Dieser war zwar wahrscheinlich Berufsdichter und -s¨anger, doch weist nichts in seinen Texten auf einen adligen G¨onner hin (wie etwa bei → Muskatblut oder → Michel Beheim), so dass S. vermutlich u¨ berwiegend vor einem stadtb¨urgerlichen Publikum aufgetreten ist. Er hat, wie die ¨ Uberlieferung nahelegt, nur in eigenen T¨onen gedichtet («Hofton», «Maienweise», «Parat», «Reihen», «Sanfter Ton», «Thronweise»; zum «Su¨ ßen Ton», der gleichsam auf S. zur¨uckgehen d¨urfte, ist kein authentischer Text u¨ berliefert). Elf Lieder sind S. aufgrund von Autorsignaturen sicher zuzuweisen, bei weiteren zwei ist seine Verfasserschaft denkbar oder wahrscheinlich (Lieder im «Reihen» und «Sanften Ton»). Hinzu kommt eventuell noch ein Lied, das per Autorsignatur einem J. → Schilknecht zugewiesen wird, was eine Namensentstellung sein k¨onnte. Verfasst sind S.s Lieder u¨ berwiegend im «Hofton». Einen Schwerpunkt in der Dichtung bilden Zeitklage und Zeitkritik (Kleiderluxus, Wucher, Gebotsmissachtung usw.); mitunter ist eine politische Implikation erkennbar. Die defizit¨aren gesellschaftlichen Zust¨ande benennt S. mehrmals als seine Motivation zum Dichten. Auff¨allig ist das geringe Aufkommen von religi¨osem Liedgut. Nur ein Marienlied im «Parat» und das f¨ur S. nicht gesicherte Weihnachtslied im «Sanften Ton» sind hier u¨ berliefert. S. wurde von sp¨ateren Meisters¨angern weniger als Text-, sondern vielmehr als Tonautor gesch¨atzt und rezipiert. Seine selbstverfassten Lieder fanden bis in die erste H¨alfte des 16. Jh. im Druck ¨ nur relativ geringe Verbreitung (vgl. Uberlieferung), w¨ahrend die Zahl der Dichter im 15. und fr¨uhen 16. Jh., die seine To¨ ne verwandten, betr¨achtlich ist (Veit → Weber, Mathis → Zollner, Hans Folz, Matheis → Hirtz, Christoph Bihler, Hermann → Franck, Michel → Miller, Pamphilus Gengenbach, Jo¨ rg Kienast, J¨org Graff, Niklaus 845
2. H¨alfte 15. Jh. Manuel, Jakob → K¨obel [?]). Wie S. selbst benutzten sie vorwiegend den «Hofton», nur Veit Weber dichtete zus¨atzlich in der «Maienweise». Gleiches gilt f¨ur die anonymen Lieder: Von den insgesamt 36 vorreformatorischen meisterlichen Lieder in T¨onen S.s verwenden 30 den «Hofton». Das fr¨uheste dieser Lieder, das auch das fr¨uheste Zeugnis der Entlehnung eines Tones von S. u¨ berhaupt ist, behandelt den Reichstag von 1473. Die Meisters¨anger des 16./17. Jh. dichteten neben der «Maienweise» auch im «S¨ußen Ton» und schrieben S. ¨ noch weitere T¨one zu. In bemerkenswerter Ubereinstimmung mit S.s eigenen Themenschwerpunkten zogen sie seine T¨one vor allem f¨ur weltliche Stoffe heran, was insbesondere bei Hans Sachs zu beobachten ist. ¨ Uberlieferung: Lieder im «Hofton»: Heidelberg, UB, Cpg 392, 21r–22v, 31v–32v, 75r–76v (Pap., um 1500, aus Augsburg). – Ebd., Cpg 109, 90v–94r (Pap., geschrieben 1516 v. Simprecht Kr¨oll in Augsburg). – N¨urnberg, Germ. Nationalmuseum, Hs. Merkel 2° 966, 121v–122r (Pap., 1524–26, aus Augsburg, Druckabschr. [?] v. Valentin Holl). – Drucke: N¨urnberg (Ambrosius Huber) um 1500 (GW M 40831). – N¨urnberg (Ambrosius Huber) 1501 (VD16 H 5740). – Straßburg (Matthias Hupfuff) 1505 (VD16 H 5698). – N¨urnberg (Jobst Gutknecht) 1520 (VD16 H 5699). – N¨urnberg (Hans Hergot) 1525 (VD16 S 2861). – N¨urnberg (Georg Wachter) um 1530 (VD16 ZV 27501). – Lied in der «Maienweise»: Prag, Nationalmuseum, Cod. X A 12 (Liederbuch der Clara → H¨atzlerin) 281v–284r (Pap., 1470/71, aus Augsburg). – Drucke (im Anhang von Neidhart Fuchs (→ Neidhart und Neidhartianer): Augsburg (Johann Schaur) um 1491/92 (GW 12673). – N¨urnberg (Jobst Gutknecht) 1537 (VD16 ZV 22486). – Frankfurt/M. (Martin Lechler in Verlegung v. Sigmund Feyerabend/Simon H¨uter) 1566 (VD16 W 4589). – Fragmentarisch: Einblattdr. o. O. 1493 (GW M4083110) zusammen mit Versen → Muskatbluts. – «Reihen»/«Parat»/«Sanfter Ton»/«Thronweise»: Heidelberg, UB, Cpg 392, ¨ 9r–10v/23rv/31v–32v/112v–114r (s. o.). – Zur Uberl. und auch zu Ausgaben der anonymen Lieder in T¨onen S.s. vgl. RSM 5 (1991) S. 337–353. Ausgaben: Cramer 3 (1982) S. 189–253; 4 (1985) S. 309–315 (vollst.). – Lieder im «Hofton»: Joseph v. G¨orres: Altdt. Volks und Meisterlieder aus den Hss. der Heidelberger Bibl. Frankfurt/M. 1817, S. 259–263. – Oskar Ludwig Bernhard Wolff: Slg. hist. Volkslieder und Gedichte der Deutschen. 846
2. H¨alfte 15. Jh. Stuttgart/T¨ubingen 1830, S. 194–197. – Philipp Wackernagel: Das dt. Kirchenlied. Von der a¨ltesten Zeit bis zu Anfang des XVII. Jh. Bd. 2. Leipzig 1867 (Neudr. Hildesheim 1964) Nr. 1054–1056. – Alfred G¨otze: Des Maien Zeit. Ein Meisterlied im Hofton. Straßburg, Matthias H¨upfuff 1505 (Zwickauer Facsimiledr. 25). Zwickau 1905. – Aloys Dreyer: Hans Sachs in Mu¨ nchen und die gleichzeitigen M¨unchener Meisters¨anger. Beitr. zur Gesch. des Meistersangs. In: Analecta Germanica. FS Hermann Paul. Hg. v. Anton Glock u. a. Amberg 1906, S. 323–398, hier S. 355–358. – Paul Sparmberg: Zur Gesch. der Fabel in mhd. Spruchdichtung. Marburg 1918, S. 109–112. – Bert Nagel: Meistersang. Meisterlieder und Singschulzeugnisse. Auswahl und Einf. (RUB 8977/78). Stuttgart 1965, S. 67–75. – Klaus D¨uwel: Gedichte 1500–1600 (Epochen der dt. Lyrik 3). Mu¨ nchen 1978 (Nachdr. 2001 u. d. T.: Dt. Lyrik v. den Anf¨angen bis zur Gegenwart 3) S. 16–19. – Lied in der «Maienweise:» Carl Haltaus: Liederbuch der Clara H¨atzlerin (Bibl.dt.Nat.-Lit. 8). Quedlinburg/Leipzig 1840 (Neudr. mit einem Nachw. v. Hanns Fischer. Berlin 1966) S. 36–39. – Lied im «Parat»: Nagel (wie «Hofton») S. 65–67 (Auszug). Literatur: Gustav Roethe, ADB 31 (1890) S. 210. – RSM 5 (1991) S. 332–356. – Frieder Schanze, VL2 8 (1992) Sp. 666–670. – De Boor/ Newald 4,1 (21994) S. 194, 199, 223, 233. – Theodor Hampe: Die Entwicklung des Theaterwesens in N¨urnberg v. der zweiten H¨alfte des 15. Jh. bis 1806. N¨urnberg 1900, S. 32. – Dreyer (s. Ausg.) S. 337–343. – Hans-Martin Junghans: Stud. zum Meistersinger J. S. Diss. Greifswald 1931. – Horst Oppenheim: Naturschilderung und Naturgef¨uhl bei den fr¨uhen Meistersingern (Form und Geist 22). Leipzig 1931, S. 63–67. – Horst Brunner: ¨ Die alten Meister. Stud. zur Uberl. und Rezeption der mhd. Sangspruchdichter (MTU 54). M¨unchen 1975, S. 331 (Reg.). – Walter R¨oll: Vom Hof ¨ zur Singschule. Uberl. und Rezeption eines Tones im 14.–17. Jh. (Germ. Bibl. 3. Reihe. Unters. und Einzeldarstellungen). Heidelberg 1976, S. 139 f. – F. Schanze: Meisterliche Liedkunst zwischen Heinrich v. Mu¨ geln und Hans Sachs. Bd. 1: Unters./Bd. 2: Verz. (MTU 82/83). Mu¨ nchen 1983/84, S. 246–260 / S. 23–26. – Michael Baldzuhn: Vom Sangspruch zum Meisterlied. Unters. zu einem literarischen Traditionszusammenhang auf der Grundlage der Kolmarer Liederhs. (MTU 120). Tu¨ bingen 2002, S. 4, 186, 847
Schuler ¨ 464 f. – Manfred Kern: Hybride Texte – wilde Theorie. Perspektiven und Grenzen einer Texttheorie zur sp¨atma. Liebeslyrik. In: Dt. Liebeslyrik im 15. und 16. Jh. 18. Medi¨avistisches Kolloquium des Zentrums f¨ur Mittelalterstud. der OttoFriedrich-Univ. Bamberg (Chloe 37). Hg. v. Gert H¨ubner. Asmsterdam/New York 2005, S. 11–46, hier S. 24. – Ders.: Im Dickicht mit Frau Ehre. Zur Verwilderung in der sp¨atma. Lyrik am Beispiel von J. S.s ‹Maienweise›. In: ‹Ieglicher sang sein eigen ticht›. Germanistische und musikwissenschaftliche Beitr. zum dt. Lied im MA. Hg. v. Christoph M¨arz u. a. (Elementa Musicae 4). Wiesbaden 2011, S. 13–30. VZ Schuler, ¨ Heinz (Schuller, Schiller [?]). – Dichtername in Meisterkatalogen aus der zweiten H¨alfte des 15. Jh. In den verwandten Namenskatalogen verstorbener T¨oneerfinder und Dichter von Konrad → Nachtigall und Hans → Folz wird ein Heinz Sch¨uler/Schuller genannt (RSM: 1NachtK/5/2; 1 Folz/82). Weder sind von ihm Texte oder T¨one u¨ berliefert, noch gibt es weitere Kenntnisse zur Person. Es ist nicht auszuschließen, dass ein Fehler beim Vornamen vorliegt und J¨org → Schiller gemeint ist. Literatur: Horst Brunner, VL2 8 (1992) Sp. 866. – Ders.: Dichter ohne Werk. Zu einer u¨ berlieferungsbedingten Grenze ma. Literaturgesch. (Mit einem Textanhang: Die Dichterkat. des Konrad Nachtigall, des Valentin Voigt und des Hans ¨ Folz). In: Uberlieferungsgeschichtliche Editionen und Stud. zur dt. Lit. des MA. FS Kurt Ruh (TTG 31). Hg. v. Konrad Kunze u. a. T¨ubingen 1989, S. 1–31 (wieder in: H. Brunner: Ann¨aherungen. Stud. zur dt. Lit. des MA und der Fr¨uhen Neuzeit [Phil.Stud.u.Qu. 210]. Berlin 2008, S. 291–303). VZ Hans von Westernach. – Verfasser von drei politischen Gedichten, zweite H¨alfte 15. Jh. Die Annahme, dass H. der schw¨abischen Adelsfamilie von Westernach entstammte und im Stift Augsburg das Erbmarschallamt innehatte, ist nicht zwingend. Es k¨onnte sich auch um einen Nichtadligen handeln, der sich nach seinem Geburtsort benannt hat (vgl. Rudhart). Wie → Gilgenschein verfasste H. ein Lied (53 Strophen) auf die Schlacht bei Seckenheim (1462), 848
Heinrich von Wurttemberg ¨ einer Entscheidungsschlacht im Badisch-Pf¨alzischen Krieg. Konkretes Ereignis und lehrhafte Dichtung (Funktion der Herolde) verbindend, bezweckte H. mit dem Lied, das neben dem Mainzer Bischof auch den siegreichen Kurf¨ursten Friedrich I. von der Pfalz preist, die Freilassung aus der pf¨alzischen Gefangenschaft. ¨ Das zwischen 1462 und 1474 (B¨undnis Osterreichs mit der Schweiz, Str. 29) entstandene, etwas unbeholfen wirkende Lied Von posheit und untr´u (32 Strophen) berichtet von Reichen und St¨adten (u. a. Gent, Konstantinopel, Wien, L¨uttich), die Leid und Zerst¨orung erfahren haben. Der Adel wird zu richtigem Verhalten ermahnt («Der adel am meisten schuldig ist, / dann er solt sein der best z¨u aller frist», Str 15); die ‹r¨omischen› Juristen werden getadelt. Im sangbaren («Man mocht disen spruch auch wol singen», nach Str. 53) «Lobspruch» (53 Strophen), der zwischen 1479 und 1499 entstand, werden nach einer Einleitung rheinische Pfalzgrafen und bayerische F¨ursten gepriesen. ¨ Uberlieferung: a) Lied von der Schlacht bei Seckenheim: Karlsruhe, Generallandesarch., Hs. 65/367, 42v–47v, 48v (Pap., 1590 [vgl. Bl. 48r]; fr¨uhes 17. Jh. [M¨uller Sp. 463]; Fragm.). – Kassel, UB/LMB, 2° Ms. hist. 5b, 8 Bruchst¨ucke von urspr¨unglich 3 Bll. (Pap., um 1500, rheinfr¨ankisch). – b) Von posheit und untr´u: Mu¨ nchen, BSB, Cgm 756, 42r–44v (Pap., letztes Drittel 15. Jh., schw¨abisch). – c) Lobspruch: Ebd., Cgm 5885, 57r–64v. – H. nennt sich jeweils gegen Ende mit Namen. Ausgaben: Taschenbuch f¨ur die vaterl¨andische Gesch. Hg. v. Joseph von Hormayr., fortgesetzt v. Georg Thomas Rudhart. M¨unchen 1850/51, S. 1–16 (a). – Liliencron 1 (1865) 526 f., 533–540 (Nr. 115 = a), 558–561 (Nr. 123a = b). – Cramer 1 (1977) S. 328–341 (a), 341–345 (b, zit.), 345–358 (c), 472–474. Literatur: Ulrich M¨uller, VL2 3 (1982) Sp. 463 f. – De Boor/Newald 4/1 (21994) S. 188. – Franz Joseph Mone (Hg.): Quellensammlung der badischen Landesgesch. Bd. 3. Karlsruhe 1863, S. 142–147 (mit Edition von a). – Albrecht Classen: H. v. W.: ‹Der pfalzgraf hieß da ziehen baß». Politische und milit¨arische Dichtung des dt. Sp¨atMA. In: AB¨aG 26 (1987) S. 133–151. – Birgit Studt: F¨urstenhof und Geschichte. Legitimation durch ¨ Uberl. (Norm und Struktur 2). K¨oln u. a. 1992, S. 100–102. – Karina Kellermann: Abschied vom ¨ ‹hist. Volkslied›. Stud. zu Funktion, Asthetik und 849
2. H¨alfte 15. Jh. Publizit¨at der Gattung historisch-politische Ereignisdichtung (Hermaea NF 90). T¨ubingen 2000, S. 274 f., 298, 313, 322. – Jean-Marie Moeglin: Das Reich und die bayerischen F¨ursten in einer ersten (?) Fassung der Bayerischen Chron. von Ulrich F¨uetrer. In: Reich, Regionen und Europa in MA und Neuzeit. FS Peter Moraw. Hg. v. PaulJoachim Heinig u. a. (Hist. Forschungen 67). Berlin 2000, S. 675–697, hier S. 677. BJ Matthias von Kemnat → Band 3, Sp. 772–778. Beheim, Michel → Band 3, Sp. 778–783. Gilgenschein → Band 3, Sp. 783 f. Peter von Straßburg (II) → Band 3, Sp. 784 f. Hoyer, Bartholom¨aus → Band 3, Sp. 785 f. Heinrich von Wurttemberg, ¨ * 7.9.1448, † 15.4.1519 Hohen-Urach (bei Reutlingen). – Lieddichter oder -sammler. Das sog. → K¨onigsteiner Liederbuch enth¨alt drei Liebeslieder, in deren Nachschriften H. genannt wird. Es kann sich hierbei zeitlich nur um den zweiten Sohn Graf Ulrichs V. von W¨urttemberg handeln, der ab 1473 Graf von M¨ompelgard war. Da H., der zun¨achst f¨ur eine klerikale Karriere vorgesehen war und diese sp¨ater aufgab, 1465–67 Coadjutor des Erzbischofs von Mainz war, bestanden Beziehungen zum rheinfr¨ankischen Entstehungsraum des Liederbuches. Auch gab es verwandschaftliche Bande seines Hauses zu den Grafen von K¨onigstein. H. war in Erbstreitigkeiten und territoriale Auseinandersetzungen verwickelt und verbrachte knapp die letzten 30 Jahre seines Lebens inhaftiert auf der Burg Hohen-Urach. Die Namensnennung im Liederbuch ist nicht zwingend eine Autorzuweisung sondern k¨onnte auch lediglich auf den Gebrauch der Dichtung innerhalb der Familie hinweisen. H. k¨onnte die Texte auch nur gesammelt oder als Gruß verwandt haben. Die traditionell gestalteten Liebeslieder weisen eher auf die h¨ofische Dichtkunst zur¨uck und zeigen daher wenig Einfl¨usse der zeitgen¨ossischen Lyrik H.s. Eines der Lieder unterscheidet sich metrisch signifikant von den beiden anderen, doch das muss nicht unbedingt gegen einen gemeinsamen Verfasser aller Texte sprechen. Dennoch bleibt H.s Autorschaft unsicher und der Versuch einer 850
2. H¨alfte 15. Jh. Zuschreibung weiterer zweier Lieder des K¨onigsteiner Liederbuchs an H. l¨asst sich nicht u¨ berzeugend begr¨unden (vgl. Hayer/Mu¨ ller [s. Lit.] S. 184–186). ¨ Uberlieferung: Berlin, SBB, Mgq 719, 109r, v r 128 , 179 (Pap., 1470–73, rheinfr¨ankisch). Nachschrift: «Heynrich Graffe zu Wirtenbergk». Vermutlich aus Einzelblattvorlagen in die Slg. u¨ bertragen. Ausgaben: Wilhelm Ludwig Holland/Adelbert v. Keller: Lieder H.s Grafen v. Wirtenberg. Tu¨ bingen 1849 (mit drei irrt¨umlich aufgenommenen Str. in Lied 2). – Paul Sappler: Das K¨onigsteiner Liederbuch. Ms.germ.qu. 719 Berlin (MTU 29). Mu¨ nchen 1970, Nr. 9, 55, 164. – Cramer 1 (1977) S. 371. Literatur: Paul Friedrich St¨alin, ADB 11 (1880) S. 627 f. – P. Sappler, VL2 3 (1981) Sp. 923 f. – Ders. (s. Ausg.) – Cramer 1 (1977) S. 477. – Christoph Petzsch: Zur Vorgesch. der Stammb¨ucher. Nachschriften und Namen im K¨onigsteiner Liederbuch. In: Arch. f¨ur das Studium der neueren Sprachen und Literaturen 222 (1985) S. 273–292. – Gerold Hayer/Ulrich M¨uller: Flebilis heu maestos cogor inire modos: ‹Gef¨angnis-Lit.› des MA und der Fall des w¨urttembergischen Grafen H. (1448–1519). In: Licht der Natur. Medizin in Fachlit. und Dichtung. FS Gundolf Keil (GAG 585). Hg. v. Josef Domes u. a. G¨oppingen 1994, S. 171–193. – Klaus Graf: H. In: Das Haus Wu¨ rttemberg. Ein biogr. Lex. Hg. v. S¨onke Lorenz u. a. Stuttgart 1997, S. 123 f. – Ders.: H. v. W. (gest. 1519). Aspekte eines ungew¨ohnlichen F¨urstenlebens. In: W¨urttemberg und Mo¨ mpelgard. 600 Jahre Begegnung (Schr. zur su¨ dwestdt. Landeskunde 26). Hg. v. S. Lorenz/Peter R¨uckert. Leinfelden-Echterdingen 1999, S. 107–120. – Felix Heinzer: H. v. W. und Eberhard im Bart. Zwei F¨ursten im Spiegel ihrer B¨ucher. In: Der w¨urttembergische Hof im 15. Jh. (Ver¨off. der Kommission f¨ur geschichtliche Landeskunde in Baden-W¨urttemberg B 167). Hg. v. P. R¨uckert. Stuttgart 2006, S. 149–163. VZ Der Herr von Braunschweig. – Ballade, 15. Jh. (?). Der erste Hinweis auf das sp¨atma. Lied aus nd./ndl. Tradition ist die Tonangabe zu einer ndl. geistlichen Kontrafaktur der Ballade aus dem 15. Jh. Der Liedtext selbst wird im 16. Jh. erstmals u¨ berliefert. Eine Entstehung noch im 14. Jh. ist aber vorstellbar. Als m¨ogliche Ursprungsregion ist Ostflandern erwogen worden, wo das Lied gut bezeugt ist. 851
Der Herr von Braunschweig Die Ballade erz¨ahlt von einem Kind, das im Park des Herrn v. B. Hasen und Kaninchen mit dem Bogen schießt, von diesem gefangengenommen und am Galgen trotz Bitten der Mutter um Freikauf hingerichtet wird. Der Kindsm¨order wird am n¨achsten Morgen tot mit durchschossenem Hals aufgefunden und von drei Raben in die H¨olle geleitet, derweil drei Tauben das Kind in den Himmel f¨uhren. Ein gesicherter historischer Hintergrund f¨ur die Erz¨ahlung ist nicht bekannt. In einigen Varianten ist das Lied kontaminiert mit der Ballade ¨ → Das Schloss in Osterreich. ¨ Uberlieferung: Br¨ussel, Kgl. Bibl., Ms. II 2631 (fr¨uher Cheltenham, Bibl. Phillippica, Cod. 6781), 22v (Pap., 16. Jh. [nach 1525], mndl.). – Kontrafaktur: Berlin, SBB, Mgo 190, 101r (Perg., 15. Jh., mndl./lat.); Tonangabe: «die edele heer van brunenswijc, die heeft een kint geuangen». – Bis zum Ende des 19. Jh. wird die Ballade im ndl. Raum tradiert. Im dt. Sprachraum ist sie erst im 19. Jh. nachgewiesen (14 Belege, zuerst Eifel und Westfalen; Auflistung: in Dt. Volkslieder 1935 [s. Ausg.]). Ausgaben: Ludwig Erk/Franz Magnus B¨ohme: Dt. Liederhort. Auswahl der vorz¨uglicheren dt. Volkslieder, nach Wort und Weise aus der Vorzeit und Gegenwart. Bd. 1. Leipzig 1893, S. 224–227 (Nr. 64). – Florimond van Duyse: Het oude Nederlandsche Lied. Wereldlijke en geestelijke liederen uit vroegeren tijd. Bd. 1. Den Haag 1903 (Nachdr. Hilversum 1965) S. 99–112 (Nr. 17). – Dt. Volkslieder mit ihren Melodien. Bd. 1: Balladen. Tl. 1. Hg. v. Dt. Volksliederarch. Berlin 1935, S. 241–249 (Nr. 23). – Lutz R¨ohrich/Rolf Wilhelm Brednich: Dt. Volkslieder. Texte und Melodien. Bd. 1: Erz¨ahlende Lieder. D¨usseldorf 1965, S. 212–217 (Nr. 35). – David Gray Engle: A preliminary catalogue and edition of German folk ballads. 2 Bde. (Diss. Univ. of California/Los Angeles 1985) Ann Arbor, MI 1985, Bd. 2, S. 1177–1180 (Nr. V 165). – Otto Holzapfel: Das große dt. Volksballadenbuch. Mit einem Nachw. und Erl¨auterungen sowie acht Farbtafeln und zahlreichen Abb. D¨usseldorf/Zu¨ rich 2000 (Neudr. u. d. T.: Das große Volksballadenbuch. D¨usseldorf 2008) S. 173. Tontr¨ager: Johannes K¨unzig: Ehe sie verklingen ... Alte dt. Volksweisen vom B¨ohmerwald bis zur Wolga. Freiburg i. Br. 1958, 31977 (banatschw¨abische Fassung). Literatur: Rolf Wilhelm Brednich, VL2 3 (1981) Sp. 1135 f. – Gerrit Kalff: Het lied in 852
Kebicz de middeleeuwen. Leiden 1884 (Nachdr. Arnhem 1967) S. 143–146. – Albert Blyau/Marcellus Tasseel: Oude vlaamse volksliederen. In: Volkskunde. Driemaandelijks tijdschrift voor de studie van de volkscultuur 10 (1897/98) S. 49–59, 89–98, 129–133, 220–225, hier S. 222. – Dt. Volkslieder 1935 (s. Ausg.). – Eberhard von K¨unßberg: Rechtliche Volkskunde (Volk 3). Halle 1936, S. 127 f. – Engle (s. Ausg.). – O. Holzapfel: Liedverz. Die a¨ltere deutschsprachige, popul¨are Lied¨uberl. (In Zusammenarbeit mit dem Volksmusikarch. des Bezirks Oberbayern, Bruckm¨uhl). 2 Bde. Hildesheim u. a. 2006, S. 525. VZ Kebicz, Jakob (auch: Kebitz, K¨abitz), * vielleicht 20.4.1410. Zwei Hs. sind u¨ berliefert, die K. als sammelnden Literaturliebhaber ausweisen: Das fr¨uhere Werk ist ¨ eine Art Liederbuch (s. Uberl.), das er wohl zwischen ca. 1430 und 1450 niedergeschrieben hat. Neben einer unvollst¨andigen Fassung der Heldendichtung → Laurin, einigen Spruchdichtungen in Meistert¨onen und b¨urgerlichen Gesellschaftsliedern geh¨oren zur Handschrift zahlreiche Rezepte, sowohl auf Latein als auch auf Deutsch. Dieser eher pragmatische Charakter des Buches legt nahe, dass es von K. wahrscheinlich f¨ur den eigenen h¨auslichen Bedarf gef¨uhrt wurde. Er muss zudem u¨ ber gewisse musikalische Kenntnisse verf¨ugt haben, da ein kleines Regelwerk f¨ur die instrumentale Wiedergabe einiger Lieder beigelegt ist; diese praktischen Anweisungen erinnern entfernt an das → Lochamer-Liederbuch. Auf K.’ Herkunft ¨ weist eine Handschrift von 1457 (s. Uberl.), in der er im Kontext der Kleinstadt Wemdingen (Landkreis Donauw¨orth) genannt wird; hier hat er eine Vaterunser-Auslegung aufgezeichnet («per me Jacobum K¨abicz de Wemdingen»). K. war in Wemdingen vielleicht als Kastner fr¨uhestens nach 1449 t¨atig – so wie sein Vater gleichen Namens – und stammte somit aus einer angesehenen Beamtenfamilie. Grund der fr¨uheren Annahme, K. sei selbst fahrender S¨anger gewesen, beruhte vor allem auf den vielen im Liederbuch enthaltenen → Muskatblut-Liedern, einigen Rezepten f¨ur Reisende und zwei Liebesbriefen, die auf Nachfrage bereit gehalten werden sollten. Vier der aufgezeichneten Gesellschaftsliebeslieder sind mit verk¨urzten Melodien versehen, die noch zu beurteilen und einzuordnen w¨aren. ¨ Uberlieferung: Berlin, SBB, Mgo 287, II (Pap., zweites Viertel 15. Jh., ostschw¨abisch; Fragm. des 853
2. H¨alfte 15. Jh. Liederbuches von K.). – M¨unchen, BSB, Cgm 811 (Pap., zweites Viertel 15. Jh., ostschw¨abisch; ‹Liederbuch des J. K.›). – Mu¨ nchen, BSB, Cgm 4483 (Pap., drittes Viertel 15. Jh. [1457?], mittelbair., bair., etwas ostschw¨abisch; K. als Schreiber des Schlussteils genannt). Ausgaben: Keinz (s. Lit.) S. 376–395 (nicht alleAbdrucke sind zuverl¨assig). – Fischer (s. Lit.) S. 192, 199. – Johannes Bolte: ‹Frauenzucht›. In: Zs. des Vereins f¨ur Volkskunde 18 (1908) S. 77. – Dietrich ¨ Boueke: Materialien zur Neidhart-Uberl. (MTU 16). Mu¨ nchen 1967, S. 109–116. – Petzsch (s. Lit.) S. 118–120, 123. – Paul Sappler (Hg.): Das K¨onigsteiner Liederbuch (MTU 29). M¨unchen 1970, S. 304–307. – Philipp Wackernagel: Das dt. Kirchenlied von der a¨ ltesten Zeit bis zum Anfang des XVII. Jh. Bd. 2. Hildhesheim/Olms 1990, Nr. 569 (Zuweisung zum → M¨onch von Salzburg scheint inkorrekt). (2004) Sp. 834 f. – De Boor/Newald 4/1 (21994) S. 193 f. – Friedrich Keinz: Ein Meistersinger des 15. Jh. und sein Liederbuch (Sb. der Bayerischen Akad. der Wiss., Phil.-Philol. und Hist. Kl. 1891,4) Mu¨ nchen 1892, S. 639–700. – Wolfgang Stammler: Die Wurzeln des Meistergesanges. In: DVjs 1 (1923) S. 529–556. – Siegfried Junge: Stud. zu Leben und Mundart des Meistersingers Muskatpl¨ut. Diss. Greifswald 1932. – Hanns Fischer: J. K. und sein verkanntes Liederbuch. In: Euph. 56 (1962) S. 191–199; Nachtrag ebd. 59 (1965) S. 384 f. – Theodor G¨ollner: Eine Spielanweisung f¨ur Tasteninstrumente aus dem 15. Jh. In: Essays in musicology. A birthday offering for Willi Apel. Hg. v. Hans Tischler. Bloomington, Indiana 1968, S. 69–81. – Christoph Petzsch: Freidank¨uberlieferung im Cgm 811. In: ZfdA 98 (1969) S. 116–125. – KlausJ¨urgen Seidel: Der Cgm 379 der BSB und das ‹Augsburger Liederbuch› von 1454. Diss. Mu¨ nchen 1972. – Eva Kiepe-Willms: Die Spruchdichtungen M.s. Vorstud. zu einer krit. Ausg. (MTU 58). M¨unchen/Z¨urich 1976, S. 16, 53. – Gisela Kornrumpf: M¨ulich von Prag, Pfalz von Straßburg, Al¨ brecht Lesch. Neues zur Uberl. In: ZfdA 106 (1977) S. 121–137, hier S. 134 f. – Manfred Zimmermann: Die Sterzinger Miszellaneen-Hs. Komm. Edition der dt. Dichtungen (Innsbrucker Beitr. zur Kulturwiss. Germanistische Reihe 8) Innsbruck 1980, S. 399–401. – Dietrich Schmidtke: Zwei Lieder aus einer Br¨unner Hs. Mit Hinweisen zur fr¨uhen dt. Fastnachtsliedtradition. In: Jb. f¨ur Volksliedforschung 26 (1981) S. 106–128, hier S. 119 f. – Karin 854
2. H¨alfte 15. Jh. Schneider: Die dt. Hs. der BSB. Cgm 691–867. Wiesbaden 1984, S. 420–429. – Doris Sittig: Vyl wonders machet minne. Das dt. Liebeslied in der 1. H¨alfte des 15. Jh. Versuch einer Typologie (GAG 465). G¨oppingen 1987. – K. Schneider: Die datierten Hs. der BSB. Tl. 1: Die dt. Hs. bis 1450. Stuttgart 1994. FA Nestler von Speyer. – Lieddichter, Tonerfinder, Redaktor der → Kolmarer Liederhandschrift, zweite H¨alfte 15. Jh. N. wird im 16./17. Jh. in der meisterlichen Tradition der «Unerkannte Ton» (auch: «Unbekannter Ton») zugeschrieben, der im sp¨aten 15. Jh. von den N¨urnberger Meisters¨angern Hans → Folz, Konrad → Nachtigall und Lienhart → Nunnenbeck mehrfach f¨ur Meisterlieddichtungen herangezogen wurde. Der Name des Tonerfinders ist erstmals 1528 bei Hans Sachs bezeugt. Zuvor hatte Sachs in seiner Meisterliedsammlung von 1517/18 (s. ¨ Uberl.) den Ton noch → Frauenlob zugeschrieben, was sp¨ater im Codex, wom¨oglich von Sachs selbst, korrigiert wurde. N. k¨onnte Wundarzt gewesen sein (s. u.), weswegen der Name «Nestler» in diesem Fall wohl nicht mehr als Berufsbezeichnung sondern als Familienname zu gelten hat (und als solcher in Speyer 1499 bezeugt ist). Die Vornamen, die N. in der j¨ungeren meisterlichen Tradition zugewiesen werden (Wolf, Leonhart), sind wenig glaubhaft, was auch f¨ur die Verbindung des Dichternamens → Meienschein und der Berufsangabe «Nestler von Speyer» aus dem sp¨aten 16. Jh. gilt. Der «Unerkannte Ton» ist erstmals in der Kolmarer Liederhandschrift (k) und in der zum Teil direkt auf k beruhenden → Donaueschinger Liederhandschrift (D) belegt. Mitten im → Marner-Teil von k stehen zwei F¨unferbare im «Unerkannten Ton», ¨ das erste, ein Marienlied, unter der Uberschrift: «in dem unherkanten tone magistri s[cilicet] scriptoris huius libri vnd sint die lxxij namen vnser frauwen der da keins me dar jnn hat gemacht von der wirdikeit wegen dyser namen Aber die meynster zu nurnberg haben j par oder iij dar ynn gemacht [...]» (Bl. 492r). Auch im Register von k findet sich ein Hinweis auf N. als «scriptor». D hat einen modifizierten «magister huius libri», also ohne «scriptor» (S. 212, Vermerk am unteren Rand), und enth¨alt nur das Marienlied. F¨ur die Person N.s legt der Befund nahe, dass er zum einen den «Unerkannten Ton» erfunden, das Marienlied gedichtet hat und 855
Nestler von Speyer in die Enstehung von k als Schreiber direkt involviert war (und ausdr¨ucklich nicht in die Entstehung von D). Im Grundstock von k sind zwei einander best¨andig abwechselnde Haupth¨ande A und B auszumachen. Als Redaktor konzeptuell federf¨uhrend d¨urfte Hand A gewesen sein: der «magister scilicet scriptor». Dieser ist u¨ ber die Tonzuweisung mit N. gleichzusetzen. Die beiden H¨ande von k sind auch als Schreiber einer naturwissenschaftlichmedizinischen Sammelhandschrift nachgewiesen, die dem Speyrer Domherrn Johann Kranich von Kirchheim geh¨orte (Salzburg, UB, Cod. M III 3) und unter der Federf¨uhrung von Hand B entstand. Diese Handschrift liefert weitere biographische Erkenntnisse zu N., denn sie macht es wahrscheinlich, dass beide Schreiber als Wund¨arzte ausgebildet waren. Es ist daher anzunehmen, dass N. kein reiner Auftragsschreiber war sondern wahrscheinlich auch eigene Interessen mit den beiden Handschriften verfolgte. Der Name von N.s Ton d¨urfte auf dessen anspruchsvolle (und schwer durchschaubare [?]) Form mit 30 Reimen rekurrieren oder schlicht auf den noch nie geh¨orten neuen und ungew¨ohnlichen Ton. Deutungsversuche des Namens im Kontext des Verbotes neuer T¨one im rheinischen Meistersang und der sog. «Reformlieder» Folzens, haben sich als wenig fruchtbar erwiesen. Das N. zuschreibbare Marienlied ist eine meisterliche Bearbeitung des Katalogs der → Zweiundsiebzig Namen Marias, die auf dem seltenen Imperatrix-Katalog fußt. Der Rubrik zufolge hat der Dichter die Namen auf einer Tafel im Regensburger Dom gefunden. Im Vergleich zu anderen Bearbeitungen sind ungew¨ohnlich: die wom¨oglich sekund¨are Einbeziehung des → Theophilus in die Offenbarung der Namen und die Aufforderung, zu jedem Namen eine Ave Maria zu beten. In Bezug zu N.s Katalog-Lied k¨onnten ein Marienpreis von Fritz → Kettner (RSM: 1 Ketn/3/1), → Muskatbluts Weihnachtsmarienlied (1Musk/3/4) und die S¨undenklage 1Tanh/6/1 stehen. Das zweite Lied im «Unerkannten Ton» in k (Tri¨ nit¨atslied) m¨usste, wenn die Uberschrift des Marienliedes zutreffen sollte, von einem N¨urnberger Meister stammen. ¨ Uberlieferung: Mu¨ nchen, BSB, Cgm 4997 (k) 492r–493r (Marienlied) 493rv (Trinit¨atslied) (Pap., um 1460, rheinfr¨ankisch). – Karlsruhe, LB, Cod. Donaueschingen 120 (D) S. 212–215 (Marienlied) 856
Rostocker Liederbuch (Pap., Liedteil um 1484–90, alemannisch). – Vorreformatorische anonyme Lieder im «Unerkannten Ton»: Berlin, SBB, Mgq 414 [q] 271r–272v, 412v–414r (Pap., 1517/18, geschrieben von H. Sachs in N¨urnberg) 1 Siebener- und 1 F¨unferbar. – Heidelberg, UB, Cgp 680, 56r–58v (Pap., 1539, s¨udwestdt.) Siebenerbar. – Zur Melodie¨uberl. vgl. RSM 2,1 (2009) S. 199. Ausgaben: Marienlied: Karl Bartsch: Meisterlieder der Kolmarer Hs. (Bibl. des Litterarischen Ver. in Stuttgart 68). Stuttgart 1862, S. 49 f. (nur Str. 1). – Paul Runge: Die Sangesweisen der Colmarer Hs. und die Liederhs. Donaueschingen. Leipzig 1896 (Nachdr. Hildesheim 1965) S. 123–125 (mit Melodie). – Nestler (s. Lit.) S. 312–315. – Cramer 2 (1978) S. 399–403. – Geistliche Ges¨ange des dt. ¨ MA. Melodien und Texte hsl. Uberl. bis um 1530. Bd. 1 (Das dt. Kirchenlied 2,1). Hg. v. Max L¨utolf u. a. Kassel u. a. 2003, Nr. 171. – Melodieausgaben: Petzsch (1973, s. Lit.) S. 459 f. – Horst Brunner/ Karl-G¨unther Hartmann: Spruchsang. Die Melodien der Sangspruchdichter des 12. bis 15. Jh. (Monumenta monodica medii aevi 6). Kassel 2010, S. 90. – Vorreformatorische anonyme Lieder im «Unerkannten Ton»: Cramer 4 (1985) S. 232–255. – Elisabeth Wunderle: Die Slg. von Meisterliedern in der Heidelberger Hs. cpg 680. Edition und Komm. (GAG 584). G¨oppingen 1993, Nr. 41. Literatur: Burghart Wachinger, VL2 6 (1987) Sp. 905–907. – RSM 4 (1988) S. 451–453; 2,1 (2009) S. 199. – Karl Goedeke: Zur Gesch. des Meistergesanges. In: Germania 15 (1870) S. 197–201. – Hermann Nestler: Der Meistersinger N. aus Speyer und seine Beziehungen zu Regensburg. In: Verhandlungen des Hist. Ver. von Oberpfalz und Regensburg 90 (1940) S. 305–316, 321. – Bruno St¨ablein: Zur Melodie des ‹Unerkannten Tones› N.s. In: ebd. S. 317–320. – Johannes Siebert: N. v. Speier In: PBB 72 (Tu¨ b.) 1950, S. 141–150. – Karl Stackmann: Die kleineren Dichtungen Heinrichs von M¨ugeln. Erste Abt.: Die Spruchslg. des G¨ottinger Cod. Philos. 21. Bd. 1: Einleitung, Text der B¨ucher I–IV (DTM 50). Berlin 1959, S. LXX–LXXII. – Heinrich Husmann: Aufbau und Entstehung des cgm 4997. In: DVjs 34 (1960) S. 189–243, hier S. 218–221. – Gesine Freistadt: Zum unerkannten Ton N.s v. S. In: Speculum musicae artis. FS H. Husmann. Hg. v. Heinz Becker/Reinhard Gerlach. M¨unchen 1970, S. 153–158. – Christoph Petzsch: Der ‹magister scilicet scriptor› der Kolmarer Liederhs, sein ‹uner857
2. H¨alfte 15. Jh. kannter Ton› und nochmals zur Frage der Meistergesangsreform. In: Die Musikforschung 26 (1973) S. 445–473. – Ders.: Die Rubriken der Kolmarer Liederhs. In: ZfdPh 93 (1974) S. 88–116 (wieder in: Ders.: Die Kolmarer Liederhs. Entstehung und Gesch. Mu¨ nchen 1978, S. 246–277). – H. Brunner: ¨ Die alten Meister. Stud. zur Uberl. und Rezeption der mhd. Sangspruchdichter (MTU 54). M¨unchen 1975, Reg. – Cramer 2 (1978) S. 534; 4 (1985) S. 413. – Walter R¨oll: Redaktionelle Notizen in der ¨ Kolmarer Liederhs. und in der anderen Uberl. der Lieder des Mo¨ nchs von Salzburg. In: PBB (T¨ub.) 102 (1980) S. 215–231. – Frieder Schanze: Meisterliche Liedkunst zwischen Heinrich von Mu¨ geln und Hans Sachs. 2 Bde. 1: Unters., Bd. 2: Verz. (MTU 82/83). M¨unchen 1983/84, Bd. 1 Reg., Bd. 2 S. 318. – Gisela Kornrumpf: Die Kolmarer Liederhs. Bemerkungen zur Provenienz. In: ‹Ja muz ich sunder riuwe sin›. FS Karl Stackmann. Hg. v. Wolfgang Dinkelacker u. a. G¨ottingen 1990, S. 155–169, hier S. 167–169 (bearb. u. d. T. ‹Die Kolmarer Liederhs.. Bemerkungen zu Plan, Provenienz und Funktion› wieder in: Dies.: Vom Codex Manesse zur Kolmarer Liederhs. Aspekte ¨ der Uberl., Formtraditionen, Text. Bd. 1: Unters. [MTU 133]. T¨ubingen 2008, S. 257–274). – Johannes Rettelbach: Variation – Derivation – Imitation. Unters. zu den T¨onen der Sangspruchdichter und Meistersinger (Fr¨uhe Neuzeit 14). T¨ubingen 1993, S. 196. – Bernhard Schnell: Medizin und Lieddichtung. Zur medizinischen Sammelhs. Salzburg M III 3 und zur K. L. In: Arch. f¨ur das Studium der neuerer Sprachen und Literaturen 230 (1993) S. 261–278. – Michael Baldzuhn: Vom Sangspruch zum Meisterlied. Unters. zu einem literarischen Traditionszusammenhang auf der Grundlage der Kolmarer Liederhs. (MTU 120). T¨ubingen 2002, S. 28 f. und Reg. VZ Rostocker Liederbuch. – Sammlung dt. und lat. Texte, zweite H¨alfte 15. Jh. (wohl 1465–87). Der Ursprung der Textsammlung wird im Umfeld der Rostocker Universit¨at vermutet, u. a. weil die lat. Texte im R. L. auf einen gelehrten Kontext verweisen und in einem Lied studentische Bursen erw¨ahnt werden. Auch der bunt gemischte und teils derbe Charakter der Sammlung legt ein studentisches Milieu nahe. M¨oglicherweise geht das R. L. auf einen Freundeskreis zur¨uck, da mehrere, leider nicht sicher identifizierbare M¨anner als Beitr¨ager 858
2. H¨alfte 15. Jh. erw¨ahnt werden. Die Wasserzeichen der Handschrift sowie historische Anspielungen in den Texten lassen eine Entstehung des R. L.s in der zweiten H¨alfte des 15. Jh. vermuten, wahrscheinlich zwischen 1465 und 1487. Drei Schreiber stellten die Sammlung in mehreren Entstehungsphasen zusammen. 1568 teilte ein Buchbinder die Handschrift auf und f¨ugte ihre Bl¨atter in andere B¨ucher ein. Erst 1914 trug der Bibliothekar Bruno Claussen 44 teils stark besch¨adigte Bl¨atter des R. L.s wieder zusammen und konnte die Sammlung partiell rekonstruieren. Mindestens zw¨olf Bl¨atter fehlen allerdings bis heute. Das R. L. enth¨alt insgesamt 60 Texte, darunter 51 Lieder, und mehr als 30 Melodien, die u¨ berwiegend in Mensuralnotation, aber auch in gotischer Choralnotation aufgezeichnet sind. Verfassernamen fehlen gew¨ohnlich, konnten von der Forschung aber in einzelnen F¨allen erschlossen werden (→ Oswald von Wolkenstein, → M¨onch von Salzburg, Philippe de Vitry). Die meisten Texte im R. L. sind im nd. Sprachraum entstanden, in nd. Mundart aufgezeichnet und ohne hochdt. Parallel¨uberlieferung. Hinzu kommen urspr¨unglich hochdt. Texte, die ins nd. Idiom umgewandelt wurden. Diese Texten weisen meist hochdt. Sprachspuren auf und sind manchmal auch in hochdt. Parallel¨uberlieferung erhalten. Nur wenige Texte im R. L. sind lat.-dt. oder rein lat. verfasst. Den gr¨oßten Anteil der Sammlung nehmen Liebeslieder ein, darunter Werbe- und Tagelieder, Abschieds- und Sehnsuchtsklagen, aber auch Minnelehren und Tanzlieder. Manche Lieder sind stark erotisch gef¨arbt. Aber auch Moraldidaxe findet sich im R. L., ebenso geistliche Lieder (z. B. lat. Mariencantiones und eine Hymnen-Kontrafaktur) sowie Texte mit historisch-politischen Inhalten, u. a. ein Preislied auf Herzog Otto IV. von Braunschweig-L¨uneburg. Die humoristische bis derbe Seite der Sammlung zeigt sich etwa in Minneparodien, Schwank-, Trink- und Witzliedern. Nicht alle Texte im R. L. besitzen liedhaften Charakter. Die Sammlung enth¨alt auch einen Reimpaarschwank u¨ ber einen M¨onch und eine Begine, mehrere vier- bis achtzeilige Reimpaarspr¨uche sowie einen nur partiell erhaltenen, sexuell aufgeladenen Frauenpreis in derb-anschaulichen Reimpaarversen. Hinzu kommt eine Gruppe mit Spr¨uchen verschiedener Autorit¨aten, die als nd. Fassung der Quinquaginta bona proverbialia documenta philosophorum et sapientium identifiziert worden ist. 859
Rostocker Liederbuch Zu den Prosast¨ucken des R. L.s z¨ahlen f¨unf lat. Tropen und eine nd. Aufz¨ahlung r¨omischer Kirchen und ihrer Abl¨asse auf der Grundlage der Indulgentiae ecclesiarum urbis Romae (Mirabiliae Romae). Das R. L. besitzt sicher Parallelen im → Augsburger Liederbuch, in → Fichards Liederbuch, dem → Lochamer-Liederbuch und im Liederbuch der Clara → H¨atzlerin. Als fr¨uheste Zusammenstellung nd. Dichtung und aufgrund seiner erstmaligen oder ¨ einzigartigen Uberlieferung vieler Texte kommt dem R. L. jedoch eine eigenst¨andige Bedeutung zu. ¨ Uberlieferung: Rostock, UB, Mss. philol. 100/2, 44 Bll. und 1 Blattfragm. (Pap., Rostock [?], zweite H¨alfte 15. Jh., u¨ berwiegend mnd.). – Zur Parallel¨uberl. vgl. die Online-Ausg. von Holznagel (s. Ausg.). Ausgaben: Bruno Claussen (Hg.): R. nd. L. vom Jahre 1478. Melodien bearb. v. Albert Thierfelder. Rostock 1919. – Friedrich Ranke/Joseph M. Mu¨ ller-Blattau (Hg.): Das R. L. nach den Fragmenten der Hs. Halle/Saale 1927. Nachdr. Kassel u. a. 1987 (mit Faks.). – Helmut Glagla (Hg.): Das plattdt. Liederbuch. 123 nd. Volkslieder von der Fr¨uhrenaissance bis ins 20. Jh. Mu¨ nchen 21982, Nr. 6–21. – Karl-Heinz J¨ugelt (Hg.): R. L. Faks. der Hs. Mss. phil. 100/2 der Universit¨atsbibl. Rostock. Rostock 1989. – OnlineAusgabe: http://freimore.uni-freiburg.de/receive/DocPortal document 00010730 (Faks.). – http://www. rostocker-liederbuch.de (Online-Neuausg. unter Leitung v. Franz-Josef Holznagel). Literatur: Arne Holtorf, VL2 8 (1992) Sp. 253–257. – Walter Salmen, MGG2 Sachteil 8 (1998) Sp. 564 f. – Franz-Josef Holznagel, Killy2 10 ¨ (2011) S. 35 f. – Bruno Claussen: Uber den Fund eines nd. L.s aus dem Ende des 15. Jh. in Rostock. In: Korrespondenzbl. des Ver. f¨ur nd. Sprachforschung 35 (1915) S. 18–24. – J. M. M¨uller-Blattau: Das dt. Volkslied. Berlin 1932, S. 28 f., 36–43. – Friedrich Ranke: Lieder Oswalds von Wolkenstein auf der Wanderung. In: Volkskundliche Gaben. FS John Meier. Hg. v. Erich Seemann/Harry Schewe. Berlin/Leipzig 1934, S. 157–166 (wieder in: F. Ranke: Kleinere Schr. Hg. v. Heinz Rupp/ Eduard Studer. Bern/M¨unchen 1971, S. 46–57). – Hans J¨urgen Daebeler: Musiker und Musikpflege in Rostock von der Stadtgr¨undung bis 1700. Diss. Rostock 1966, S. 181–190. – Alfred Hingst: Musiklehre und Musikleben an der Univ. Rostock von ihrer Gr¨undung 1419 bis zum Ende des 18. Jh. Diss. 860
Schilhing Rostock 1970, S. 154–159. – Hartmut Beckers: Mnd. Lit. 3. In: Nd. Wort 19 (1979) S. 1–28. – Rainer Schobess: Das R. L. In: Bericht 36. BevensenTagung. Hg. v. Gesine Kellermann. Bad Bevensen 1984, S. 14–25. – Christoph Petzsch: Zur Vorgesch. der Stammb¨ucher. Nachschriften und Namen im K¨onigsteiner Liederbuch. In: Arch. f¨ur das Studium der neueren Sprachen und Literaturen 222 (1985) S. 273–292. – Walter Salmen: Studenten als Spieler und Bewahrer von Volksmusik in Deutschland. In: Hist. Volksmusikforschung. Tagungsbericht Limassol 1982. Referate der 7. Tagung der Studiengruppe zur Erforschung und Edition hist. Volksmusikquellen. Hg. v. Alois Mauerhofer. Graz 1985, S. 99–110. – Wolfgang Spiewok: Das R. L. In: Almanach f¨ur Kunst und Kultur im Ostseebezirk 9 (1986) S. 65–70. – Doris Sittig: ‹Vyl wonders machet minne›. Das dt. Liebeslied in der ersten H¨alfte des 15. Jh. Versuche einer Typologie (GAG 465). G¨oppingen 1987, S. 179, 190 u. o¨ . – W. Spiewok: Das R. L. In: MA-Stud. 2. Hg. v. dems./Danielle Buschinger (GAG 499). G¨oppingen 1989, S. 310–321. – Dieter H. Meyer: Literarische Hausb¨ucher des 16. Jh. Die Sammlungen des Ulrich Mostl, des Valentin Holl und des Simprecht Kr¨oll. W¨urzburg 1989, Bd. 1, S. 406–428; Bd. 2, 1989, S. 613–620. – Nine R. Miedema: Die ¨ ‹Mirabilia Romae›. Unters. zu ihrer Uberl. mit Edition der dt. und ndl. Texte (MTU 108). T¨ubingen 1996, S. 135 f. – Gaby Herchert: ‹Acker mir mein bestes Feld›. Unters. zu erotischen Liederbuchliedern des sp¨aten MA. Mu¨ nster/New York 1996, passim. – W. Spiewok: Das R. L. In: Ders.: Ma. Lit. up plattd¨utsch. Greifswald 1998, S. 65–75. – Ders.: Das R. L. Beispiel f¨ur eine sp¨atma. Liedersammlung. In: Ders.: Gesch. der dt. Lit. des Sp¨atMA 2: Die lyrische Lit. des Sp¨atMA. Greifswald 1998, S. 56–64. – Diana Wolter: Zur Gruppe der erotischen Schwanklieder im R. L. In: JOWG 10 (1998) S. 419–431. – W. Salmen: Das R. L. Eine Standortbestimmung. In: Musik in Mecklenburg. Beitr. eines Kolloquiums zur mecklenburgischen Musikgesch. [...]. Hg. v. Karl Heller u. a. Hildesheim u. a. 2000, S. 109–128. – Gisela Kornrumpf: Ave pulcherrima regina. Zur Verbreitung und Herkunft der Melodie einer Marien-Cantio im R. L. In: ebd., S. 157–172. – Albrecht Classen: Dt. Liederb¨ucher des 15. und 16. Jh. Mu¨ nster u. a. 2001, S. 269–275. – Hartmut M¨oller: Das R. L. Aktuelle Perspektiven der Forschung. In: Stud. zur lokalen und territorialen Musikgesch. Mecklenburgs 861
2. H¨alfte 15. Jh. und Pommerns. Hg. v. Ekkehard Ochs. Greifswald 2002, S. 107–111. – F.-J. Holznagel u. a.: Das R. L. und seine neue krit. Edition. In: NdJb 133 (2010) S. 45–86. – Ders.: Alte Lieder und neue Medien. Das digitale Arch. zum R. L. In: Traditio et Innovatio 17 (2012) H. 1, S. 38–40. MM Steinhuser, T¨oni → Band 3, Sp. 807 f. Schilhing, Wolf(f) (Schilling). – Verfasser (?) eines unikal u¨ berlieferten Minneliedes, 15. Jh. S. geh¨orte vielleicht dem schw¨abischen Erbschenkengeschlecht Schilling von Canstatt an, das in enger Verbindung zu den Grafen von W¨urttemberg stand. Sein Name erscheint als Liednachschrift im sog. → K¨onigsteiner Liederbuch («Jch klag myden wolff schilhing»), wo auch → Heinrich von W¨urttemberg in Nachschriften erscheint. Sollte die Canstatt-These (Petzsch, s. Lit.) zutreffen, ist am ehesten an Wolf VI. zu denken, der in den 1460er Jahren urkundlich erw¨ahnt wird. Die Namensnennung stellt allerdings keine belastbare Autorzuweisung dar, sondern k¨onnte auch lediglich auf den Gebrauch der Dichtung innerhalb der Familie hinweisen. Das dreistrophige Lied mit breit ausgef¨uhrtem Natureingang ist ein stilistisch anspruchsvoller Lobpreis der Geliebten, in dessem Zentrum deren Kleiderfarben Schwarz, Braun und Gr¨un als Liebeszeichen ausgedeutet werden. ¨ Uberlieferung: Berlin, SBB, Mgq 719, 115v (Pap., 1470–73, rheinfr¨ankisch). Ausgaben: Paul Sappler: Das K¨onigsteiner Liederbuch. Ms.germ.qu. 719 Berlin (MTU 29). M¨unchen 1970, S. 74 (Nr. 24). – Cramer 3 (1982) S. 181. Literatur: Paul Sappler, VL2 8 (1992) Sp. 665. – Ernst Freiherr Schilling v. Canstatt: Geschlechtsbeschreibung der Familie Schilling v. Canstatt als Neubearb. und Forts. der Geschlechtsbeschreibung derer Familien v. Schilling v. Karl Friedrich Freiherr Schilling v. Canstatt. Heidelberg 1905, S. 31–37, 42, Tafeln. – Sappler (s. Ausg.) S. 7, 261, 365. – Cramer 3 (1982) S. 554. – Christoph Petzsch: Zur Vorgesch. der Stammb¨ucher. Nachschriften und Namen im K¨onigsteiner Liederbuch. In: Arch. f¨ur das Studium der neueren Sprachen und Literaturen 222 (1985) S. 273–292, hier S. 288 f. VZ 862
2. H¨alfte 15. Jh. Sasse, Johann. – Verfasser (?) eines unikal u¨ berlieferten Minneliedes, 15. Jh. S. k¨onnte aus einer adligen Dillenburger Familie stammen (Petzsch [s. Lit.]). Im sog. → K¨onigsteiner Liederbuch erscheint sein Name innerhalb eines vierstrophigen Liedes in der letzten Strophe als Autorsignatur («Der unß dis nuwe lytgyne sancke / Johan¯n sasse ist er genant») und als Liednachschrift. Das Lied verbindet einen Preis der Geliebten mit Wintermotiven. Trotz betr¨achtlicher ¨ Uberlieferungsverderbnis lassen sich formale Abweichungen der vierten Strophe vom restlichen Lied ausmachen, was die Validit¨at der Autorzuweisung an S. f¨ur das Lied in seiner Gesamtheit einschr¨ankt. ¨ Uberlieferung: Berlin, SBB, Mgq 719, 148r (Pap., 1470–73, rheinfr¨ankisch). Ausgaben: Paul Sappler: Das K¨onigsteiner Liederbuch. Ms.germ.qu. 719 Berlin (MTU 29). Mu¨ nchen 1970, S. 144 f. (Nr. 95). – Cramer 3 (1982) S. 165. Literatur: Paul Sappler, VL2 8 (1992) Sp. 585. – Cramer 3 (1982) S. 552. – Christoph Petzsch: Zur Vorgesch. der Stammb¨ucher. Nachschriften und Namen im K¨onigsteiner Liederbuch. In: Arch. f¨ur das Studium der neueren Sprachen und Literaturen 222 (1985) S. 273–292, hier S. 289. VZ ¨ ¨ Ubertwerch, Heinz (auch: Uberzwerch, Uberzwerch u. a¨ .). Mit diesem Namen unterzeichnet der Verfasser ein historisch-politisches Ereignislied, der sich kritisch zur Hinrichtung des N¨urnberger Rats Nikolaus → Muffel am 28.2.1469 a¨ ußert. In der Schlussstrophe steht die vermeintliche Autorsignatur, und es ist beispielhaft, wie von Vers zu Vers die Namensnennung angek¨undigt wird: «so hort ir seinen namen, / den ich euch hie gar wol bericht, / er wil sich des nit schemen: / Heintz Vbertwerch, der in erkennt, / wo er im land thut reiten, / also er sich mit namen nennt». Geht man davon aus, dass es sich um ideal platzierte Selbstironie handelt, macht es den polemischen Inhalt des Liedes noch beißender, scheut sich doch der Autor nicht, an der Verurteilung beteiligte Ratsmitglieder beim Namen zu nennen, ihnen ein kriminilles Verfahren inklusive Folter vorzuwerfen und Drohungen gegen N¨urnberg auszusprechen: «Nuremberg, du wirst vast geschent / noch gar in kurzen zeiten». ¨ In drei Handschriften (s. Uberl.) ist das Lied erhalten. In B und C heißt es «uberzwerch», in A 863
Sasse «ubertwerch»; letzter Name mag auch als Familienname bezeugt sein. Ebenso wie der Vorname aber, der an einen Bauern- oder Narrennamen erinnert, kann der Nachname ebenso als fiktiv und am ehesten als ‹schr¨ager Vogel› verstanden bzw. interpretiert werden, gerade wenn man die Bedeutung des Adverbs «¨uberzwerch» (¨ubersetzt ‹quer›, ‹schr¨ag› oder ‹verkehrt›) einbezieht (vgl. Kellermann, 236 f.; Lexer, Bd. 2, Sp. 1599 f.). So kann das Ereignislied am ehesten von jemand gedichtet ¨ worden sein, der sich als Sprachrohr der Offentlichkeit verstanden hat und zu einem kontroversen Thema wohl die Anonymit¨at vorzieht, um eine eigene Verurteilung zu vermeiden. Eventuell handelte sich gar um jemanden im Dienste des Markgrafen (vgl. Brunner 2008, S. 280). Die Rezeption des Liedes und die Reaktionen darauf bleiben bisher spekulativ. ¨ Uberlieferung: A) Bamberg, SB, J.H. Msc. Hist. 112 (fr¨uher I.17), 163r–164r (Pap., zweite H¨alfte 15. Jh.; Jean de → Mandeville: ‹Reisebeschreibung› u¨ bers. v. Otto von Diemeringen). – B) N¨urnberg, Staatsarch., Muffelarch., Akten, Produkt 6, 1r–2v (Str. 22 unvollst.). – C) Ebd., Rep. 52a (Reichsstadt N¨urnberg), Hs. Nr. 70 (fr¨uher Nr. 113), 220v–223r (Str. 9 fehlt). Ausgaben: Liliencron 1 (1865) S. 561–566 (Nr. 123 b) (nach der Hs. Bamberg). – Cramer 3 (1982) 341–347 (nach der Hs. Bamberg, mit Lesarten). – Konstantin H¨ofler: H. U.s Lied von Niclas Muffel. In: Anz. f¨ur Kunde der dt. Vorzeit, NF 5 (1858) Sp. 1–5. Literatur: Cramer 3 (1982) S. 573. – Isolde Neugart, VL2 9 (1995) Sp. 1203–1205. – De Boor/ Newald 4/1 (21994) S. 189. – Matthias von Lexer: Mhd. Handwb. Bd. 2. Leipzig 1876 (Nachdr. 1992) Sp. 1599 f. – Gerhard Hirschmann: Die Familie Muffel im MA. Ein Beitr. zur Gesch. des N¨urnberger Patriziats, seiner Entstehung und seines Besitzes. In: Mitt. des Ver. f¨ur Gesch. der Stadt N¨urnberg 41 (1950) S. 257–392. – Erich Strassner: Politische Relevanz ‹hist. Volkslieder›. Die Auseinandersetzungen zwischen der Reichsstadt N¨urnberg und den Markgrafen von BrandenburgAnsbach und Brandenburg-Kulmbach im Spiegel von Liedern und Spr¨uchen. In: Formen ma. Lit. Siegfried Beyschlag zu seinem 65. Geburtstag von Kollegen, Freunden, und Sch¨ulern. Hg. v. Otmar Werner/Bernd Naumann. G¨oppingen 1970, S. 229–246. – Horst Brunner: Verk¨urztes Denken. 864
Beckmesser Religi¨ose und literarische Modelle in der politischen Dichtung des dt. MA. In: Uf der mˆaze pfat. FS Werner Hoffmann. Hg. v. Waltraud FritschR¨oßler/Liselotte Homering (GAG 555). G¨oppingen 1991, S. 309–333, hier S. 319–321. – Karina Kellermann: Abschied vom ‹hist. Volkslied›. ¨ Stud. zu Funktion, Asthetik und Publizit¨at der Gattung historisch-politische Ereignisdichtung (Hermaea NF 90). T¨ubingen 2000, S. 236, 238, 273, 279, 352, 355. – H. Brunner: Ann¨aherungen: Stud. zur dt. Lit. des MA und der Fr¨uhen Neuzeit (Phil.Stud.u.Qu. 210). Berlin 2008, S. 279–281. FA Beckmesser, Sixt (Peckmesser, Bek mes[s]erer; Sixtus, Six). – Meisters¨anger, zweite H¨alfte 15. Jh. (?). In seiner Schulkunst von 1527 (RSM: 2S/187) rechnet Hans Sachs B. zu den zw¨olf alten N¨urnberger Meistern und nennt ihn an siebter Stelle. Auch Hans → Folz und Lienhard → Nunnenbeck nehmen B. in ihre Meisterkataloge auf (an 11. bzw. 12. Stelle). Somit d¨urfte B. vermutlich zeitlich vor Folz mit dem Dichten begonnen haben und geh¨ort unzweifelhaft dem 15. Jh. an. Der Familienname «B.» ist weder in N¨urnberg noch anderswo belegt und einzelne Bezeugungen B.s ab dem sp¨ateren 16. Jh. (z. B. in der Meisterliedhs. ¨ ONB, Cod. Ser. n. 12635) schreiben den Namen getrennt, also «Beck messer(er)» oder a¨ hnlich. Dennoch ist die These, sein tats¨achlicher Familienname k¨onnte «Beck» (B¨acker) und «messerer» die Berufsangabe (Messerschmied) gewesen sein (Rosenfeld, VL2 1 [1978] Sp. 658), unwahrscheinlich. Denn zum Einen ist auch ein «Sixt Beck» in N¨urnberger Archivalien unbezeugt, zum Anderen die volle Namensform «Beckmesser» durch Sachs und weitere gesichert. Beim Beckmesser d¨urfte es sich um ¨ das Amt zur Uberwachung der Brotgr¨oße gehandelt haben. In den N¨urnberger Archivalien bleiben Gesellen, Ausu¨ bende einer freien Kunst in einer Vorstadt und der geistliche Stand unerw¨ahnt. Da der griechisch-lat. Vorname bei Handwerkern im fraglichen Zeitraum un¨ublich war und die meisterliche (reformatorische [!]) Tradition konsequent Hinweise auf B.s Beruf verweigert, ist es denkbar, dass B. gar kein Handwerker sondern Klosterinsasse war (Rettelbach, MGG2 Personenteil 2 [1999] Sp. 636). ¨ Die Uberlieferung weist B. drei lange reimreiche und melodisch komplizierte T¨one mit 865
2. H¨alfte 15. Jh. einer experimentellen Variationsbreite von An¨ und Schlagreimen zu («Chorweise», «Uberzarter [Goldener] Ton», «Neuer Ton»), die bei sp¨ateren S¨angern beliebte Muster waren. In To¨ nen B.s dichteten u. a. Sachs, Nunnenbeck, Georg Hager und noch im fr¨uhen 17. Jh. verwand Jakob Ayrer den «Goldenen Ton» f¨ur ein Fastnachtspiel. Das ausdr¨uckliche Lob in der Sachsschen Schulkunst richtet sich denn auch dezidiert an B. als Tonerfinder. Als Textautor kommt er nur f¨ur ein Bar mit drei Strophen zu dreißig Versen in Frage, das eine vorreformatorische Meisterliedsammlung des Hans Sachs als origin¨are Dichtung B.s ausweist: «Jn six peckmessers g¨ulden don vnd sein ticht». Es handelt sich um ein Maria gewidmetes Weihnachtslied (Incipit: «Freut euch ir werden cristenleut») mit abschließendem Neujahrsgruß, das den Erl¨osungsgedanken besonders betont. Ein von der realen Gestalt g¨anzlich unabh¨angiges Nachleben hat B. durch Wagners Meistersinger von N¨urnberg erfahren. Dort tritt er als schlechter S¨anger und kleinlicher Merker (Kunstrichter) auf, wodurch im 20. Jh. B.s Name und die abgeleiteten Neologismen «Beckmesserei» und «beckmessern» zum Eponym f¨ur pedantische Krittelei wurden. In einem fr¨uheren Librettoentwurf trug die Opernfigur in Anlehnung an den (angeblich j¨udischen) Wiener Musikkritiker Eduard Hanslick noch den Namen «Hans Lick». Diesen ersetzte Wagner in der letzten Fassung durch B.s Namen, den er dem Buch von der Meister-Singer Holdseligen Kunst Johann Christoph Wagenseils entnommen hatte. In der Frage ob Wagner mit der Figur des B. «j¨udische Charakteristika» persiflieren wollte, liegt die Hauptursache f¨ur die Diskussion, inwieweit die Meistersinger von N¨urnberg antisemitische Zu¨ ge aufweisen. ¨ Uberlieferung: Berlin, SBB, Mgq 414 (Meisterliederhs. q) 268r–269r, (Pap., 1517/18, geschrieben v. Hans Sachs in N¨urnberg); anonyme Bare in T¨onen B.s finden sich in dieser Slg. auf: 136v–138r, 269rv, 359v–360r, 405r–407r, 424v–425v. – Zur Melodie¨uberl. vgl. Rettelbach, MGG2 Personenteil 2 (1999) Sp. 636; RSM 2,1 (2009) S. 14. Ausgaben: Hellmut Rosenfeld: Der hist. Meistersinger S. B. und der Meistergesang. In: Euph. 47 (1953) S. 271–280, hier S. 275–278. – Bert Nagel: Meistersang. Meisterlieder und Singschulzeugnisse (RUB 8977). Stuttgart 1965 u. o¨ ., S. 77–80. – Cramer 1 (1977) S. 76–78. – Adalbert Elschenbroich: Dt. Lit. des 16. Jh. Bd. 1. M¨unchen 1981, 866
2. H¨alfte 15. Jh. S. 218–221. – Ausg. der anonymen Lieder von q: Cramer 1 (1977) S. 233–237; 4 (1985) S. 19–31. – Ton-/Melodieausg.: Rudolf Gen´ee: Hans Sachs und seine Zeit. Ein Lebens- und Kulturbild aus der Zeit der Reformation. Leipzig 1894, S. 403 f.. – Curt Mey: Der Meistersang in Gesch. und Kunst [...]. Leipzig 21901, S. 197. – Horst Brunner/Johannes Rettelbach: Die To¨ ne der Meistersinger. Die Hss. der StB N¨urnberg Will III. 792, 793, 794, 795, 796. In Abb. und mit Materialien. Mit einem Anhang v. Klaus Kramer (Litterae 47). G¨oppingen 1980. Literatur: H. Rosenfeld, NDB 1 (1953) S. 729 f. – Ders., VL2 1 (1978) Sp. 658–660. – Ders., LexMA 1 (1980) Sp. 1774. – RSM 3 (1986) S. 14; 2,1 (2009) S. 14. – Johannes Rettelbach, MGG2 Personenteil 2 (1999) Sp. 635–637. – Johann Christoph Wagenseil: Buch v. der Meister-Singer holdseligen Kunst (aus: De civitate Noribergensi commentatio, Altdorf 1697). Hg. v. H. Brunner (Litterae 38). G¨oppingen 1975, S. 515. – Karl Ju¨ lius Schr¨oer: Meistersinger in Osterreich. In: Germanistische Stud. 2 (1875) S. 197–239. – Robert Staiger: Benedict v. Watt. Ein Beitr. zur Kenntnis des b¨urgerlichen Meistergesangs um die Wende des 16. Jh. (Publ. der Internationalen Musikges. Beih. 2,13). Leipzig 1914, S. 82 f. – Clair Hayden Bell: Georg Hager. A Meistersinger of N¨urnberg 1552–1634. 4 Bde. (University of California Publications in Modern Philology 29–32). Berkeley/ Los Angeles 1947. – Rosenfeld (s. Ausg.). – H. Rosenfeld: Vorreformatorischer und nachreformatorischer Meistersang. In: Stud. zur dt. Lit. und Sprache des MA. FS Hugo Moser. Hg. v. Werner Besch. Berlin 1974, S. 253–271. – Bernd Leistner: S. B. In: Sinn und Form 4 (1987) S. 770–796 (¨uberarbeitet wieder in: Ders.: S. B. Essays zur dt. Lit. Berlin/Weimar 1989, S. 121–156). – J. Rettelbach: Variation – Derivation – Imitation. Unters. zu den T¨onen der Sangspruchdichter und Meistersinger (Fr¨uhe Neuzeit 14). T¨ubingen 1993, Reg. – Ulrich Mu¨ ller: ‹... sein t¨on lieblich erhalle›. N¨urnberg, der Meistergesang, Hans Sachs und S. B. In: Bayreuther Festspiele 1996 (Festspielbuch). Hg. v. Wolfgang Wagner. Bayreuth 1996, S. 71–76 (wieder in: Ring und Gral. Texte, Kommentare und Interpretationen zu Richard Wagners ‹Der Ring des Nibelungen›, ‹Tristan und Isolde›, ‹Die Meistersinger von N¨urnberg› und ‹Parsifal›. Hg. v. dems./Oswald Panagl. W¨urzburg 2002, S. 280–289). – J. Rettelbach: S. B. In: Stadtlex. N¨urnberg. Hg. v. Michael Diefenbacher/Rudolf 867
Frauenpreis Endres. N¨urnberg 22000, S. 130. – J. Rettelbach: Der Einzug der Meistersinger in die Oper. In: Vom MA zur Neuzeit. FS Horst Brunner. Hg. v. Dorothea Klein u. a. Wiesbaden 2000, S. 615–632. VZ Frauenpreis. – Dichtername im Meisterkatalog Konrad Nachtigalls, zweite H¨alfte 15. Jh. Im Namenskatalog verstorbener To¨ neerfinder und Dichter Konrad → Nachtigalls (RSM: 1 NachtK/5/2) wird F. r¨uhmend erw¨ahnt. Auch im auf Nachtigall beruhenden Prosakatalog des Valentin Voigt aus der Mitte des 16. Jh. erscheint er. In der mit Nachtigall eng verwandten Liste bei Hans → Folz taucht F. nicht auf. Weitere Kenntnisse zu ihm oder u¨ berlieferte Texte und T¨one liegen nicht vor. Literatur: Horst Brunner, VL2 2 (1980) Sp. 879 – Ders.: Dichter ohne Werk. Zu einer u¨ berlieferungsbedingten Grenze ma. Literaturgesch. (Mit einem Textanhang: Die Dichterkat. des Konrad Nachtigall, des Valentin Voigt und des Hans ¨ Folz). In: Uberlieferungsgeschichtliche Editionen und Stud. zur dt. Lit. des MA. FS Kurt Ruh (TTG 31). Hg. v. Konrad Kunze u. a. T¨ubingen 1989, S. 1–31 (wieder in: H. Brunner: Ann¨aherungen. Stud. zur dt. Lit. des MA und der Fr¨uhen Neuzeit [Phil.Stud.u.Qu. 210]. Berlin 2008, S. 291–303). VZ Kunz von Wille (Contz v. W.). «Got wil kum, Contz von Wille / Wo mugen dein gesellen sein? / Weistu ir nit zu finden?» steht in einem Meisterlied von Hans → Folz, das im Kontext eines eventuellen singschulinternen Konflikts diskutiert wurde (vgl. Petzsch). Im Lied richtet sich Folz polemisch gegen eine Gruppe, die nur nach den To¨ nen der Alten singen. Ob K. ein Meis¨ tersinger war, ist aber ebenso unklar wie eine Ubereinstimmung mit dem B¨urger Conrad von Wille aus Straßburg. Es gibt bisher keine weiteren Hinweise auf Leben und Werk. Ausgaben: August Liebmann Mayer (Hg.): Hans Folz. Die Meisterlieder. Aus der M¨unchener Originalhs. und der Weimarer Hs, Q. 566. Mit Erg. aus anderen Quellen (DTM 12). Berlin 1908 (Nachdr. Z¨urich 1970) Nr 93, V. 136–138. Literatur: Horst Brunner, VL2 5 (1984) Sp. 444 f. – Christoph Petzsch: Zur sogenannten, Hans Folz zugeschriebenen Meistergesangsreform. In: PBB (T¨ub.) 88 (1967) S. 110–142. FA 868
Das Meerwunder Bruder Konrad. – Erz¨ahllied, 15. Jh. B. K., der Protagonist eines elfstrophigen schwankhaften Liedes mit Refrain, wird in dessen letzter Strophe auch als der Verfasser der Dichtung bezeichnet, als derjenige «der vns das liedt von newem sange» und der schon zweimal aus dem Kloster Tegernsee geflohen sei. Der Erz¨ahverlauf des Liedes macht es indes h¨ochst unwahrscheinlich, diese Stelle als Autorsignatur zu bewerten und nicht als Autorfiktion: Der kranke Klosterbruder K. bittet w¨ahrend der Beichte, in ein Frauenkloster gebracht zu werden. Die Mitbr¨uder kommen dieser Bitte nicht nach und als B. K. eine sch¨one Frau erblickt, entledigt er sich der Kutte, bedeckt seine Platte mit Rosen und baut sich und der Sch¨onen ein eigenes kleines Kloster auf Eis (Verg¨anglichkeitstopos [?]). Zum Lied ist eine a¨ußerst ungew¨ohnliche Kontrafaktur u¨ berliefert: ein nd. religi¨oses Lied mit 22 Strophen, das von Christi Geburt und Kindheit erz¨ahlt mit Einbeschluss der apokryphen Hebammen Zebel und Salome. Die letzten beiden Strophen berichten unerwartet von einem «Broder Conrat», der heimlich wieder in die Kutte geschl¨upft sei, die Rosen in die Hecke geworfen und die Platte mit Christi Blut bedeckt habe. Auch die Autorfiktion wird u¨ bernommen: «he hefft dat ghe¨ sungen dor Marien willen». Uber Flugschriften ist eine weitere geistliche Kontrafaktur des Liedes bekannt. Ob der B. K. aus der → Abendvesper mit dem Erz¨ahlied in Verbindung gebracht werden kann, ist unsicher. ¨ Uberlieferung: Krakau, Bibl. Jagiello´nska, Berol. Mus. ms. 40098, (→ Glogauer Liederbuch [1478/80]) Tenorbuch Bl. c 2, Str. 1 mit Melodie. – Flugschrift: Augsburg (Hans Zimmermann) um 1560 (VD16 ZV 27888), Titel: Ein Sch¨on Lied Von dem Br˚uder Conrat Wie er nimmer in dem e bleiben. – Kontrafaktur 1 (nd.): Closter hat wollen Wienhausen, Klosterbibl., Ms. 9 (→ Wienh¨auser ¨ Liederbuch [1460/70]) 27r–28r (evtl. Ubertragung einer obd. Vorlage). – Kontrafaktur 2: Augsburg (Matthaeus Franck) 1560 (VD16 N 1250), Titel: Ein newes Lied, von dem Br˚uder Conradt, Gaystlich. – N¨urnberg (Friedrich Gutknecht) 1560 e new Lied von (VD16 ZV 14052), Titel: Ein schon dem Bruder Conradt Geistlich. Ausgaben: Heribert Ringmann u. a.: Das Glogauer Liederbuch. Bd. 1. Dt. Lieder und Spielst¨ucke (Das Erbe dt. Musik 1,4, Abt. MA 1). 869
2. H¨alfte 15. Jh. Kassel 1954, S. 124. – Kontrafaktur 1 (nd.): Paul Alpers: Das Wienh¨auser Liederbuch. In: NdJb 69/70 (1943/47) S. 1–40, hier S. 22 f. Literatur: Burghart Wachinger, VL2 1 (1978) Sp. 1042 f. – Alpers (s. Ausg.) – Ringmann (s. Ausg.) S. 8, 104. – Hans-J¨urgen Feurich: Die dt. weltlichen Lieder der Glogauer Hs. (ca. 1470). Stud. zur Entwicklung des dt. mehrstimmigen Liedes im 15. Jh. (Neue musikgeschichtliche Forschungen 4). Wiesbaden 1970, S. 18 f. (zur Melodie). VZ Das Meerwunder. – Heldenepisches Lied in verschiedenen Bearbeitungen. In 31 dreizehnzeiligen Strophen erz¨ahlt das Lied von einer K¨onigin, die «pei dem mer so wilde» spazieren ging und von einem Ungeheuer («ein graussamliches pilde») aus dem Meer vergewaltigt wird, bis ein F¨urst, «der gunt do iagen pei dem mer», es vertreibt. Dieser r¨at ihr, den Vorfall zu verschweigen. Sie gebiert aber zwei S¨ohne, von denen der a¨ ltere ihrem Peiniger gleicht («Sein augen rot vnd schwartze gran»). Dieser beginnt mit zw¨olf Jahren, Jungfrauen zu sch¨anden sowie Vater und Bruder zu bedrohen. In einem Kampf mit seiner Familie wird der Spross des Meerungeheuers Dank seiner Mutter, «die vil pfeil in in schos», niedergestreckt. Die K¨onigin berichtet nun von der Vergewaltigung, und gemeinsam planen sie eine Falle, um «das scheuslich kunder» zu bezwingen. Es gelingt ihnen, indem die K¨onigin das Ungeheuer mit dem Schwert ihres Mannes enthauptet. ¨ Uberliefert ist das M. im Dresdener Heldenbuch von 1472; zwei Bearbeitungen des gleichen Stoffes gibt es durch Hans Sachs von 1552 (Meisterlied: Die k¨unigin mit dem merwunder) und 1562 (Spruchgedicht: K¨onigin Deudalina mit dem meerwunder). Die Verbindung zwischen den Versionen von Hans Sachs und der Fassung von 1472 ist umstritten; es gab bisher sowohl Gr¨unde f¨ur eine direkte Verwandtschaft als auch dagegen (vgl. Fuchs, S. 226 f.). Der Unterschied liegt im Detail: So hat z. B. die K¨onigin bei Sachs den Namen Teudelina und ist Gattin des Langobardenk¨onigs Agilulpus, w¨ahrend bei der Fassung von 1472 keine Namen vorkommen. Weiterhin wurden Parallelen zwischem dem M. und der merowingischen Abstammungssage gezogen (hier wird die Frau des fr¨ankischen K¨onigs Chlodio am Meeresufer von einem Ungeheuer u¨ berfallen und gebiert den Sohn Meroveus). Das Motiv eines Helden g¨ottlicher oder d¨amonischer 870
2. H¨alfte 15. Jh. Abstammung mag aber zu verbreitet sein, um hier eine enge Verwandschaft erkennen zu lassen (vgl. ¨ Haug, Sp. 295). Eventuell r¨uhrt die Ahnlichkeit aus dem Motiv des Sohnes als fremdartiges Wesen, das zur Verarbeitung biologischer Anomalien genutzt worden sein mag (vgl. Fichtner, S. 229). Diskussionsgegenstand bleibt ebenfalls die Frage, ob das M. als Heldenlied, als M¨archen oder als eine Symbiose aus beidem betrachtet werden kann (vgl. Voorwinden und Heinzle). Eine klare Kategori¨ sierung scheint ohnehin aufgrund von Uberlieferungsl¨ucken schwierig. ¨ Uberlieferung: Dresden, LB, Mscr. M 201, 193r–199v (Pap., 1472, ostfr¨ankisch). Ausgaben: Dt. Gedichte des MA. Bd. 2.1: Der Helden Buch in der Ursprache. Hg. v. Friedrich Heinrich von der Hagen/Alois Primisser u. a. Berlin 1825, S. 222–226. – Fuchs (s. Lit.) S. 230–240. – Berarbeitung durch Hans Sachs: Dt. Dichter des sechzehnten Jh. Bd. 4.1: Geistliche und weltliche Lieder. Hg. v. Karl Goedeke/Julius Tittmann. Leipzig 1870, S. 299–301 (Nr. 148). – Hans Sachs. Bd. 16. Hg. v. Adelbert von Keller/Edmund Goetze. Tu¨ bingen 1886, S. 228–232. Literatur: Walter Haug, VL2 (1987) Sp. 293–297. – Carl Drescher: Stud. zu Hans Sachs. Bd. 1: Hans Sachs und die Heldensage. Berlin 1891, S. 60–97. – Arthur Ludwig Stiefel: Rez. von C. Drescher. In: Literaturbl. f¨ur Germ. und Romanische Philologie 13 (1892) Sp. 188–190. – ¨ Ders.: Uber die Quellen der Fabeln, M¨archen und Schw¨anke des Hans Sachs. In: FS zur 400. Geburtstagsfeier des Hans Sachs. Hg. v. dems. N¨urnberg 1894, S. 33–192. – Edward A. H. Fuchs: M. In: Modern Philololgy 37 (1940) S. 225–240. – Werner Hoffmann: Mhd. Heldendichtung (Grundlagen der Germanistik 14). Berlin 1974. – Joachim Heinzle: Einf. in die mhd. Dietrichepik. Berlin 1999. – Norbert Voorwinden: Das M. Heldendichtung oder M¨archen? In: AB¨aG 60 (2005) S. 161–182. – Edward G. Fichtner: Das M. The Progeny of the Monster from the Sea. In: Studia Neophilologica 81 (2009) S. 217–232. FA Sigler. – Dichtername in Meisterkatalogen aus der zweiten H¨alfte des 15. Jh. In den verwandten Namenskatalogen verstorbener T¨oneerfinder und Dichter von Konrad → Nachtigall und Hans → Folz wird S. genannt (RSM: 1NachtK/5/2; 1Folz/82). Er ist ansonsten 871
Sigler unbekannt und ohne namentlich u¨ berlieferte Texte oder T¨one. Literatur: Horst Brunner, VL2 8 (1992) Sp. 1243. – Ders.: Dichter ohne Werk. Zu einer u¨ berlieferungsbedingten Grenze ma. Literaturgesch. (Mit einem Textanhang: Die Dichterkat. des Konrad Nachtigall, des Valentin Voigt und des Hans ¨ Folz). In: Uberlieferungsgeschichtliche Editionen und Stud. zur dt. Lit. des MA. FS Kurt Ruh (TTG 31). Hg. v. Konrad Kunze u. a. T¨ubingen 1989, S. 1–31 (wieder in: H. Brunner: Ann¨aherungen. Stud. zur dt. Lit. des MA und der Fr¨uhen Neuzeit [Phil.Stud.u.Qu. 210]. Berlin 2008, S. 291–303). VZ Sigmar. – Dichtername in Meisterkatalogen aus der zweiten H¨alfte des 15. Jh. In den verwandten Namenskatalogen verstorbener T¨oneerfinder und Dichter von Konrad → Nachtigall und Hans → Folz erscheint ein «S. der Weisse» (RSM: 1NachtK/5/2; 1Folz/82). Es gibt weder weitere Kenntnisse zur Person noch erhaltene Texte oder T¨one. Literatur: Horst Brunner, VL2 8 (1992) Sp. 1244. – Ders.: Dichter ohne Werk. Zu einer u¨ berlieferungsbedingten Grenze ma. Lit.gesch. (Mit einem Textanhang: Die Dichterkat. des Konrad Nachtigall, des Valentin Voigt und des Hans ¨ Folz). In: Uberlieferungsgeschichtliche Editionen und Stud. zur dt. Lit. des MA. FS Kurt Ruh (TTG 31). Hg. v. Konrad Kunze u. a. T¨ubingen 1989, S. 1–31 (wieder in: H. Brunner: Ann¨aherungen. Stud. zur dt. Lit. des MA und der Fr¨uhen Neuzeit [Phil.Stud.u.Qu. 210]. Berlin 2008, S. 291–303). VZ Metzger, Marx (auch: Mezzker). In seinem Singebuch von 1571 erw¨ahnt Adam Puschman einen «Marckus Mezzker» und sieht in ihm einen «Augsburger Tichter», obwohl M. scheinbar aus Ulm stammte. Seine T¨one sollen mehrfach neu gebraucht worden sein. Es handelte sich wohl um eine Jahrweise, einen langen und einen verborgenen Ton mit h¨aufiger Repitition. Weiteres zu Leben und Werk ist nicht bekannt. Literatur: Horst Oppenheim, VL 3 (1943) Sp. 378 f. – Karl Julius Schr¨oer: Meistersin¨ ger in Osterreich (Germ. Stud. 2). Wien 1875, S. 197 ff. – Das Singebuch des Adam Puschman. Nebst den Originalmelodien des M. Behaim und Hans Sachs. Leipzig 1906 (Nachdr. New York/Hildesheim 1970) S. 22. FA 872
Konigsteiner ¨ Liederbuch Montigel, Rudolf → Band 3, Sp. 853–855. Neumarkter Cantionale → Band 2, Sp. 1401. Konigsteiner ¨ Liederbuch. – Rheinfr¨ankische Liedersammlung, um 1470–73. Das vom ersten Herausgeber Paul Sappler (1970) so genannte K. L. ist Teilst¨uck (103r–181r) der Berliner Sammelhandschrift Ms. germ. quart. 719 (203 Bll.), in der es von Minnereden → Hermanns von Sachsenheim (1r–60v; 196r–200v), Erhard → Wameshafts (61r–65r) und des Armen Schoffthor (68r–101r) gerahmt erscheint. Die sechs Faszikel stammen von verschiedenen H¨anden; sie wurden nachtr¨aglich, wenn auch nicht wesentlich nach ihrer Entstehung, zusammengesetzt. Es ist m¨oglich, dass auch das Neidhart-Corpus der heutigen Berliner Hs. Ms. germ. quart. 764 urspr¨unglich einmal zu diesem Verbund geh¨orte. Zwei St¨ucke im K. L. sind auf 1464 (Nr. 6) und 1469 (Nr. 141) datiert. Die Angaben geh¨oren vermutlich den Vorlagen zu, harmonieren aber mit weiteren Beobachtungen. In den Liednachschriften wird dreimal Graf Heinrich von W¨urttemberg (1448–1519) genannt, dessen Schwester Margarete (gest. 21.5.1470) 1469 den Grafen Philipp von Eppstein-K¨onigstein (1459–1481) heiratete. Philipps Schwester Anna wiederum wurde Erhard Wameshafts Minnerede Liebe und Gl¨uck (Nr. 2 der Hs.) gewidmet. Die Handschrift scheint der (sonst kaum greifbaren) K¨onigsteiner Hofkultur entsprungen, der w¨urttembergischen indes noch verpflichtet zu sein. Die Wasserzeichen lassen eine Datierung auf 1474–76 zu. Die neuere Besitzgeschichte der Handschrift ist noch immer spektakul¨arer als ihre Forschungsgeschichte. 1804 befand sie sich im Besitz Clemens Brentanos, der zwei Tagelieder (Nr. 6, 40) f¨ur Des Knaben Wunderhorn bearbeitete und dessen Schwester Sophie (1805) die Minnerede des Armen Schoffthor (Nr. 3 der Hs.) drucken ließ. Brentano ließ den Band vor 1810 bei den Br¨udern Grimm, die ihn 1815 auf Nachfrage nicht zur¨uckgeben wollten und ihn 1827 dem Juristen Meusebach schenkten, mit dessen umfangreicher Sammlung er (1850) in die K¨onigliche Bibliothek zu Berlin einging. Von der ersten Gesamtausgabe (1970) gingen kaum Impulse aus. Das K. L. enth¨alt 148 Lieder in 160 Aufzeichnungen. F¨ur vier Lieder wurde mittels Buchstaben 873
2. H¨alfte 15. Jh. und Zahlen eine Melodie festgehalten (Lautentabulatur). Mit nur einer Ausnahme, den sog. Bremberger-Strophen, wurden die Lieder anonym notiert, was f¨ur Liederb¨ucher der Zeit nicht untypisch ist. Der Abschreiber scheint seine Vorlagen en bloc u¨ bernommen und selbst eine wiederholte Abschrift nicht registriert zu haben. Nachschriften, Devisen und Namen unter einigen Nummern sind nicht dem Kopisten anzulasten. Sie deuten vielmehr darauf, dass die Lieder in einer fr¨uheren Etappe auf Einzelbl¨attern als Liebesgr¨uße dediziert wurden. Neben Aufzeichnungen, die den Fortbestand a¨ lterer Liedtypen bezeugen, finden sich im K. L. zahlreiche Exponenten des Systemwandels vom klassischen Minnesang zur barocken Leselyrik. Insbesondere das Einvernehmen der Liebenden, denen indes die Umst¨ande widrig sind, wird zur motivlichen Dominante dieses ‹mittleren Systems› (H¨ubner). Meiden, Scheiden und Leiden sind der Cantus firmus der Sammlung; Abschieds- und Trennungsklage geben ihnen eine neue Form. Daneben treten im K. L. Neujahrs- und Gutenachtgr¨uße, aber auch Tagelieder, Spott-, R¨atselund Schlemmerlieder, historische und Erz¨ahllieder. Ein inhaltlich orientiertes Aufbauprinzip der Handschrift ist nicht erkennbar. Man hat diese Lieder seit Hoffmann von Fallersleben als «Gesellschaftslieder» angesprochen, den Begriff aber sp¨ater verworfen bzw. eingeschr¨ankt. ¨ Richtig ist, dass die Uberlieferung sich in der Regel auf eine einzige Hs. beschr¨ankt, die sich jedenfalls im Gebrauch auf einen exklusiven, vertrauten Personenkreis zuordnen l¨asst. Die Einzelbl¨atter und Corpora, die in der Handschrift vereinigt wurden, ¨ deuten auf eine Hofkultur, bei der das Ubersenden und Sammeln von Einzeltexten (nach Art eines Stammbuchs) ebenso eine Rolle gespielt haben d¨urfte wie deren Kodifizierung zum Zwecke gemeinschaftlichen Singens. Ausgaben: Das K. L. Ms. germ. qu. 719 Berlin (MTU 29). M¨unchen 1970. – Einzelne Lieder: Eva und Hansj¨urgen Kiepe (Hg.): Epochen dt. Lyrik 1300–1500. M¨unchen 21982, S. 332–338 (K. L. Nr. 73, 74, 82, 87). Literatur: Paul Sappler, VL2 5 (1985) Sp. 108–110. – Ders./Red., Killy2 6 (2009) S. 562. – RSM 1, S. 89. – Frieder Schanze: Meisterliche Liedkunst zwischen Heinrich von Mu¨ geln und Hans Sachs. Bd. 2 (MTU 84). M¨unchen 1984, S. 150–152 (und Reg.). – Christoph Petzsch: 874
2. H¨alfte 15. Jh.
Pfullinger Liederhandschrift
Zur Vorgesch. der Stammb¨ucher. Nachschriften und Namen im K. L. In: Arch. f¨ur das Studium der neueren Sprachen und Literaturen 222 (1985) S. 273–292. – Doris Sittig: ‹Vyl wonders machet minne›. Das dt. Liebeslied in der ersten H¨alfte des 15. Jh. (GAG 465). G¨oppingen 1987 (Reg.). – Burghart Wachinger: Liebeslieder vom sp¨aten 12. bis zum fr¨uhen 16. Jh. In: MA und Fr¨uhe Neuzeit. Hg. v. Walter Haug. T¨ubingen 1999, S. 1–29, bes. S. 12 f. – Albrecht Classen: Dt. Liederb¨ucher des 15. und 16. Jh. (Volksliedstudien 1). Mu¨ nster u. a. 2001. – Renate Schipke: ‹K. L.› u. a. In: Aderlaß ¨ und Seelentrost. Die Uberl. dt. Texte im Spiegel Berliner Hss. und Inkunabeln. Hg. v. Peter J¨org Becker/Eef Overgaauw. Mainz 2003, S. 116 f. – Albrecht Classen: Die dt. Liederb¨ucher des 15. und 16. Jh. In: Textsortentypologien und Textallianzen von der Mitte des 15. bis zur Mitte des 16. Jh. Hg. v. Franz Simmler. Berlin 2004, S. 43–78, hier S. 56–58. – Gert H¨ubner: Die Rhetorik der Liebesklage im 15. Jh. In: Dt. Liebeslyrik im 15. und 16. Jh. Hg. v. dems. (Chloe 37). Amsterdam 2005, S. 83–117. – Nicola Zotz: Auf dem Weg zum Quodlibet. Das Falkenlied des K. L. neben anderen ma. Falkenliedern. In: ‹Ieglicher sang sein eigen ticht›. Germanistische und musikwissenschaftliche Beitr. zum dt. Lied im Sp¨atMA. Hg. v. Christoph M¨arz (†)/Lorenz Welker/N. Z. Wiesbaden 2011, S. 149–161. CF Pfullinger Sp. 1399 f.
Liederhandschrift
→ Band
2,
Weimarer Liederhandschrift. – Lyriksammlung, 3. Viertel 15. Jh. Die W. L. wird seit Karl Lachmanns WaltherAusgabe von 1827 auch als W. L. F bezeichnet. Sie entstand wahrscheinlich in der Region N¨urnberg und gelangte von dort im 18 Jh. in die damalige großherzogliche Bibliothek in Weimar, wo sie noch heute aufbewahrt wird. Die Handschrift, an der zwei H¨ande (A, B) beteiligt waren, besteht aus zwei Hauptteilen (I, II), von denen I wohl sp¨ater entstand als II. Teil I wurde vollst¨andig von Hand A geschrieben und beruhte wahrscheinlich auf einer mitteldt.-nd. Vorstufe. Er umfasst die Bl¨atter 1–106 und 109–119, deren textliche Qualit¨at allerdings durch Textverluste, Entstellungen und Fehldeutungen des Schreibers beeintr¨achtigt ist. So werden etwa nicht immer korrekte Bar¨uberschriften verwendet. Inhalt875
lich besteht I aus strophischer Lyrik (ohne Melodien) der Zeit von etwa 1200 bis 1350. Hauptbestandteil von I sind Strophen von → Frauenlob oder seinen Nachahmern. Darunter sind ein- und mehrstrophige Dichtungen in acht Sprucht¨onen, aber auch T¨one von → Regenbogen (Langer Ton) und → Reinmar von Zweter (Frau-Ehren-Ton). Hinzu kommen zwei Reihen von Minneliedern, ein Minneleich sowie weitere ein- und mehrstrophige Dichtungen im Kurzen Ton, schließlich auch ein Marien- und ein Kreuzleich. Unter den Minneliedern sind u. a. Werke → Heinrichs von Breslau und → Wenzels von B¨ohmen. Ein Anhang zu I versammelt Werke → Walthers von der Vogelweide aus einem mitteldt.-nd. Korpus, außerdem Titurelstrophen und Bare im Langen Ton Regenbogens sowie einen Hofton-Spruch → Konrads von W¨urzburg. Teil II der W. L. wurde von Hand B begonnen und von Hand A erweitert. Er umfasst die Bl¨atter 107 f. und 120–141 mit Textverlusten vor und vielleicht hinter Blatt 141. In diesem Teil sind acht k¨urzere Reimpaargedichte aus dem 14./15. Jh. enthalten, die seit etwa 1455 Teil des N¨urnberger Repertoires waren und sonst vor allem in → Rosenpl¨ut-Handschriften nachgewiesen sind. Zu Teil II geh¨oren Der Welt Lauf von → Heinrich dem Teichner, → Der Bauern Lob I, ein sonst nicht nachgewiesenes Gedicht u¨ ber den Besuch der Messe, zwei → Rosenpl¨utsche Fastnachtsspiele (K 19, K 40), → Der Ritter in der Kapelle, drei Paare der wohl Rosenpl¨utschen Weingr¨uße und -segen sowie die Minnerede → Stiefmutter und Tochter. Insgesamt stand die W. L. meist im Schatten anderer Sammlungen wie der → Heidelberger Liederhandschrift C. Der korrupte Zustand ihrer Strophen ermutigte auch kaum zu editorischer Aufbereitung. Der Wert der W. L. liegt in ihrer Zusammenstellung sonst meist getrennt u¨ berlieferter Lyrikarten, was auf Hans → Folz und Hans Sachs vorausweist. ¨ Uberlieferung: Weimar, Herzogin Anna Amalia Bibl., Cod. Quart 564, noch 142 Bll. (Pap., N¨urnberg [?], drittes Viertel 15. Jh., n¨urnbergisch). Ausgaben: Elisabeth Morgenstern-Werner (Hg.): Die Weimarer Liederhs. Q 564 (Lyrik-Hs. F) (GAG 534). G¨oppingen 1990. – Online-Ausg. der Klassik Stiftung Weimar: http://ora-web.swkk.de/digimo online/. – Vgl. auch die Ausgaben der im Artikel genannten Autoren. Literatur: HMS 4 (1838) S. 906. – RSM 1 (1994) S. 273. – Gisela Kornrumpf, VL2 10 (1999) 876
H¨atzlerin Sp. 803–807. – Franz Hacker: Unters. zur W. L. F. In: PBB 50 (1926/27) S. 351–393. – Helmuth ¨ Thomas: Unters. zur Uberl. der Spruchdichtung Frauenlobs. Leipzig 1939, S. 91–123. – Gerd Simon: Die erste dt. Fastnachtsspieltradition. Zur ¨ Uberl., Textkritik und Chronologie der N¨urnberger Fastnachtsspiele des 15. Jh. L¨ubeck u. a. 1970, passim. – Walther von der Vogelweide. Die ge¨ samte Uberl. der Texte und Melodien. Hg. v. Horst Brunner u. a. G¨oppingen 1977, S. 33* f., 135–141 u. o¨ . – Frauenlob: Leichs, Sangspr¨uche, Lieder 1. Hg. v. Karl Stackmann/Karl Bertau. G¨ottingen 1981, S. 37–48, 171 f.; Bd. 2, 1981, S. 1109. – Frieder Schanze: Meisterliche Liedkunst zwischen Heinrich von M¨ugeln und Hans Sachs 1 (MTU 82). Diss. T¨ubingen 1983, S. 40–44. – Thomas Klein: Zur Verbreitung mhd. Lyrik in Norddtl. (Walther, Neidhart, Frauenlob). In: ZfdPh 106 (1987) S. 72–112. – Burghart Wachinger: Von der Jenaer zur W. L. Zur Corpusu¨ berl. von Frauenlobs Spruchdichtung. In: Philologie als Kulturwiss. Stud. zur Lit. und Gesch. des MA. FS Karl Stackmann. Hg. v. Ludger Grenzmann. G¨ottingen 1987, S. 193–207. – B. Wachinger: Hohe Minne um 1300. Zu den Liedern Frauenlobs und K¨onig Wenzels von B¨ohmen. In: Wolfram-Stud. 10. Cambridger Frauenlob-Kolloquium 1986. Hg. v. Werner Schr¨oder. Berlin 1988, S. 135–150. – G. Korn¨ rumpf: Konturen der Frauenlob-Uberl. In: ebd., S. 26–50. – Dies.: Walthers Elegie. Strophenbau ¨ und Uberlieferungskontext. In: Walther von der Vogelweide. Hamburger Kolloquium 1988 zum 65. Geburtstag von Karl-Heinz Borck. Hg. v. JanDirk Mu¨ ller/Franz J. Worstbrock. Stuttgart 1989, S. 147–158. – Johannes Rettelbach: Variation – Derivation – Imitation. Unters. zu den To¨ nen der Sangspruchdichter und Meistersinger (Fr¨uhe Neuzeit 14). T¨ubingen 1993, passim. – Walther von der Vogelweide: Leich, Lieder, Sangspr¨uche. Hg. v. Christoph Cormeau. Berlin u. a. 141996, S. XXX f. – Johannes Janota: Walther am Ende. Zur j¨ungsten Aufzeichnung von Minneliedern Walthers von der Vogelweide in der W. L. (F). In: MA und fr¨uhe ¨ Neuzeit. Uberg¨ ange, Umbr¨uche und Neuans¨atze. Hg. v. Walter Haug. T¨ubingen 1999, S. 78–99. MM
Hohenfurter Liederbuch → Band 2, Sp. 1437 f. 877
2. H¨alfte 15. Jh. H¨atzlerin, Clara (Klara), * um 1430 Augsburg, † nach 1476 Augsburg. – Lohnschreiberin. Wie H.s Vater Bartholom¨aus H. war auch ihr Bruder Bartholom¨aus H. als Notar und Rechtsberater in Augsburg t¨atig. In den dortigen Steuerb¨uchern ist sie 1452–76 nachweisbar. H. ist die einzige namentlich bekannte Frau jener Zeit, die gegen Bezahlung Handschriften kopierte. Am bekanntesten von den zehn erhaltenen Handschriften ¨ (s. Uberlieferung) aus ihrer Feder ist das Liederbuch der Clara H¨atzlerin, das sie f¨ur den Augsburger B¨urger J¨org Roggenburg anlegte. Die von Haltaus 1840 f¨ur seine Ausgabe gew¨ahlte Bezeichnung «Liedersammlung» umreißt den Inhalt der Sammlung unzureichend. Die aus zwei Teilen (bei Haltaus ist die Reihenfolge der Teile umgekehrt) bestehende Sammlung umfasst im ersten Teil neben 77 Reimpaargedichten (Minnereden etc.) sieben Lieder und ein Prosast¨uck und im zweiten Teil 128 Lieder (Tage-, Weck-, Trink- und Klagelieder, nur wenige geistliche Lieder), zwei Reimpaargedichte und vier Priameln. Ein Register und verschiedene Priameln er¨offnen die Sammlung, die neben den mehrheitlich anonym u¨ berlieferten Gedichten auch Texte enth¨alt, deren Verfasser entweder genannt werden (u. a. → Freidank, → J¨origer, → Mo¨ nch von Salzburg, → Muskatblut, → Suchensinn) oder ermittelbar sind (u. a. → Heinrich der Teichner, → Oswald von Wolkenstein, Jo¨ rg → Schiller). Das Spektrum der Texte reicht bis ins 13. Jh. zur¨uck (→ Konrads von W¨urzburg Herzm¨are, Freidank-Spr¨uche). Der Anzahl nach dominieren die Minnereden und -lieder; der Plan eines ‹Minnebuches› ist erkennbar. Eine weitgehend deckungsgleiche Sammlung bei a¨ hnlichem Programm bieten zwei Handschriften aus ¨ dem 16. Jh. (s. Uberlieferung). ¨ Uberlieferung: Liederbuch: Prag, Nationalmuseum (Knihovna N´arodn´ıho Muzea), Cod. X A 12, 360 Bll. (Augsburg, geschrieben von C. H., 1470/71). Vgl. Halle/Saale, ULB, 14 A 39 (sp¨ater Leipzig, UB, Ms 1708) (Bechsteinsche Hs.; um 1512 im ostfr¨ankischen Sprachraum entstanden; seit 1885 verschollen geglaubt, im Mai 2001 wiederentdeckt) und Berlin, SBB, Mgf 488 (W¨urzburg, geschrieben von Martin Ebenreuther, um 1530). – → Auszug aus Teutschen Landen u. a.: Heidelberg, UB, Cpg 677, 1r–45r (Pap., 1464–67). – Johann → Hartlieb, Buch aller verbotenen Kunst: Heidelberg, UB, Cpg 478, 1r–78v (um 1465). – → J¨ungere deutsche Habichtslehre («Beizb¨uchlein»): Karlsruhe, LB, Cod. 878
2. H¨alfte 15. Jh. Donaueschingen 830, 1r–39r (Pap., 1468). – Heinrich → M¨unsinger, B˚uch von den falcken, hebichten, sperbern, pferden und huenden: Stuttgart, LB, Cod. HB XI 51, S. 1–155 (Pap., 1473). – → Konrad von Megenberg, Buch der Natur: Dresden, LB, Mscr. M 59, 1r–33v (Teilabschrift der Prologfassung) (Perg./Pap. ca. 1460/70). – Wolfenb¨uttel, HAB, Cod. 50.5 Aug. 2° (aus zwei Teilen [1–336; 337–371] zusammengebunden), 1r–334va (Prologfassung) (Pap., Teil I: um 1460; Teil II: 1515). – ¨ Irmhart → Oser, Epistel des Rabbi Samuel an Rabbi Isaac: Dresden, LB, Mscr. M 59, 106v–128v (s. o.). – Der → Heiligen Leben: Salzburg, Stiftsbibl. St. Peter, Cod. b XII 19a/b (Pap.). – → Schwabenspiegel: ¨ Wien, ONB, Cod. Ser. n. 3614. – Augsburger Stadtrecht: Augsburg, SuStb. 2° Cod. Aug. 160. Ausgabe: Liederbuch der C. H. Hg. v. Carl Haltaus. Quedlinburg/Leipzig 1840. Neudr. mit einem Nachw. v. Hanns Fischer. Berlin 1966. Eine Neuausg. mit Beru¨ cksichtigung der Bechsteinschen Sammlung entsteht derzeit in Halle (s. Homeyer/Knor/Solms [Lit.] und die Projektskizze: http://www.germanistik.uni-halle.de/forschung/altgermanistik/minnetextsammlung/). Literatur: K[arl] Bartsch, ADB 11 (1880) S. 36. – Eduard Gebele, NDB 7 (1966) S. 455 f. – Ingeborg Glier, VL2 3 (1981) Sp. 547–549; 11 (2004) Sp. 593. – De Boor/Newald 4/1 (21994) S. 194. – RSM 1 (1994) S. 247 f. – J¨urgen Wolf, Killy2 4 (2009) S. 585 f. – Karl August Barack: Die Hss. der F¨urstlich-F¨urstenbergischen Hofbibl. zu Donaueschingen. T¨ubingen 1865 (Nachdr. Hildesheim/New York) S. 563 f. – Karl Geuther: Stud. zum Liederbuch der K. H. Haale/Saale 1899. – Eduard Gebele: C. H. (um 1430–um 1476). In: Lebensbilder aus dem Bayerischen Schwaben. Bd. 6. Hg. v. G¨otz Frhr. von P¨olnitz. M¨unchen 1958, S. 26–37. – Horst Dieter Schlosser: Unters. zum sog. lyrischen Teil des Liederbuches der K. H. Diss. Hamburg 1965. – Tilo Brandis: Mhd., mnd. und mndl. Minnereden. M¨unchen 1968, S. 211–213, 257 f. – I. Glier: Artes amandi. Unters. zu Gesch., ¨ Uberl. und Typologie der dt. Minnereden (MTU 34). Mu¨ nchen 1971, S. 369–377. – Peter Assion: Altdt. Fachlit. (Grundlagen der Germanistik 13). Berlin 1973. – Burghart Wachinger: Liebe und Lit. im sp¨atma. Schwaben und Franken. Zur Augsburger Sammelhs. der C. H. In: DVjs 56 (1982) S. 386–406. – George Fenwick Jones: Die Zeichen des Alters in einem anonymen Lied des Liederbuchs der K. H. und in Oswalds von Wol879
H¨atzlerin kenstein ‹Ich sich und h¨or›. In: Lyrik des ausgehenden 14. und des 15. Jh. Hg. v. Franz Viktor Spechtler (Chloe. Beihefte zum Daphnis 1). Amsterdam 1984, S. 67–71. – Elvira Glaser: Schreibsysteme zweier Augsburger Hss. des 15. Jh. In: Stud. zum Fr¨uhneuhochdeutschen. FS Emil Sk´ala. Hg. v. Peter Wiesinger (GAG 476). G¨oppingen 1988, S. 113–129. – Dies.: Zum Graphiesystem der C. H. Portrait einer Lohnschreiberin in fr¨uhnhd. Zeit. In: Arbeiten zum Fr¨uhneuhochdeutschen. Gerhard Kettmann zum 65. Geburtstag. Hg. v. Rudolf Bentzinger/Norbert Richard Wolf (W¨urzburger Beitr. zur dt. Philologie 11). W¨urzburg 1993, S. 53–73. – Karin Schneider: Berufs- und Amateurschreiber. Zum Laien-Schreibbetrieb im sp¨atma. Augsburg. In: Literarisches Leben in Augsburg w¨ahrend des 15. Jh. T¨ubingen 1995, S. 8–26. – E. Glaser: Das Beizb¨uchlein in der Abschrift der C. H. Ein Zeugnis Augsburger Schreibsprache im 15. Jh. (Tonvokalismus). In: Sprachgeschichtliche Unters. zum a¨ lteren und neueren Deutsch. FS Hans Wellmann. Hg. v. Werner K¨onig/Lorelies Ortner (Germ. Bibl. NF 3/23). Heidelberg 1996, S. 29–46. – Dies.: Das Graphemsystem der C. H. im Kontext der Hs. Heidelberg, cpg. 677. In: Dt. Sprache in Raum und Zeit. FS Peter Wiesinger. Hg. v. Peter Ernst/Franz Patocka. Wien 1998, S. 479–494. – Sheila Edmunds: The life and work of C. H. In: Journal of the Early Book Society for the study of manuscripts and printing history 2 (1999) S. 1–25. – Christoph M¨arz (Hg.): Die weltlichen Lieder des Mo¨ nchs von Salzburg (MTU 114). T¨ubingen 1999, S. 63 f., 77, 86 f. – Christoph Mackert: Wieder aufgefunden. Bechsteins Hs. der ‹Mo¨ rin› Hermanns von Sachsenheim und das sog. Liederbuch der K. H. In: ZfdA 133 (2004) S. 486–488. – Andr´e Schnyder: Zu einigen wenig beachteten Tageliedern im Liederbuch der C. H. In: Dt.-b¨ohmische Literaturbeziehungen – Germano-Bohemica. FS V´aclav Bok. Hg. v. Hans-Joachim Behr u. a. (Schriftenreihe Stud. zur Germanistik 7). Hamburg 2004, S. 231–256. – Susanne Homeyer/Inta Knor/Hans-Joachim Solms: ¨ Uberlegungen zur Neuedition des sogenannten ‹Liederbuches der C. H.› nach den Hss. Prag, X A 12, der ‹Bechsteinschen Hs.› (Halle, 14 A 39) und Berlin, Mgf 488. In: Dt. Liebeslyrik im 15. und 16. Jh. 18. Medi¨avistisches Kolloquium des Zentrums f¨ur Mittelalterstud. der Otto-FriedrichUniv. Bamberg am 28. und 29. November 2003. Hg. v. Gert H¨ubner (Chloe. Beih. zum Daphnis 880
Ron(e) 37). Amsterdam/New York 2005, S. 65–81 (mit Abb.). – E. Glaser: Von der Transkription bis zur lauthist. Interpretation. In: Edition und Sprachgesch. Hg. v. Michael Stolz u. a. (Beihefte zu Editio 26). T¨ubingen 2007, S. 25–41. – S. Homeyer/I. Knor/H.-J. Solms: Vorlagenreflexe und Edition. Zur Vorlage-Kopie-Beziehung der Handschriftengruppe um das sog. Liederbuch der K. H. In: ebd., S. 141–153. – R¨udiger Brandt: Sprachspiel, Scheltrede, Lehrbuchsyntagma? Zu einem Text aus dem Liederbuch der C. H. In: Exemplar. FS Kurt Otto Seidel. Hg. v. dems./Dieter Lau (Lateres. Texte und Stud. zu Antike, MA und fr¨uher Neuzeit 5). Frankfurt/M. u. a. 2008, S. 347–358. – Brigitte Pfeil: Kat. der dt. und ndl. Hss. in der ULB Halle. 2008, S. 224–230. – I. Knor: Das Liederbuch der C. H. als Dokument urbaner Kultur im ausgehenden 15. Jh. Philol. Unters. zum Textbestand in den Hss. Prag Nationalmuseum, X A 12, der Bechsteinschen Hs. (Halle/S. 14 A 39) und Streu¨uberlieferung (Schr. zum Bibliotheks- und B¨uchereiwesen in SachsenAnhalt 90). Halle/S. 2008. – Stefan Matter: Was liest man, wenn man in Minneredenhss. liest? Exemplarische Lekt¨uren des ‹Ironischen Frauenpreises› (Brandis 22) in der Prager Hs. des sog. ‹Liederbuches der K. H.›. In: Lesevorg¨ange. Prozesse des Erkennens in ma. Texten, Bildern und Hss. (Medienwandel – Medienwechsel – Medienwissen 11). Hg. v. Eckart Conrad Lutz u. a. Zu¨ rich 2009, S. 283–314. – Michal Dragoun: Ma. deutschsprachige Hss. in der Bibl. des Nationalmuseums in Prag. In: Manuscripta germanica. Deutschsprachige Hss. des MA in Bibliotheken und Archiven Osteuropas. Hg. v. Astrid Breith u. a. (ZfdA. Beiheft 15). Stuttgart 2012, S. 215–224, hier S. 219. – Brigitte Pfeil: Kat. der dt. und ndl. Hss. bis zum Anfang des 16. Jh. in der Universit¨ats- und Landesbibl. Sachsen-Anhalt in Halle (Saale) (in Vorb.). BJ Heltauer Marienlied → Band 2, Sp. 1435–1437. Marien-ABC → Band 2, Sp. 1443. Ron(e), Wolf (auch Wolfgang Ro[h]n, Rone, Ra[h]n, Wolf Ram, Wolfran, Wolfron, Wolfrant). – Namensformen und Tonzuschreibungen f¨ur → Wolfram von Eschenbach, 15.–17. Jh. Die Meistersinger z¨ahlten Wolfram von Eschenbach zu den Zw¨olf alten Meistern, also den Begr¨undern ihrer Kunst. Sie konnten sich daf¨ur 881
2. H¨alfte 15. Jh. auf den → Wartburgkrieg berufen, in dem Wolfram auftrat, aber auch auf die Dichterkataloge von Hermann → Damen und Lupold → Hornburg. Ab dem 15. Jh. erscheint Wolfram auch in Meisterkatalogen. Allerdings verlor sich seine Herkunfts¨ angabe «von Eschenbach» im Laufe der Uberlieferung, weshalb sich ab der zweiten H¨alfte des 16. Jh. alternative Namensformen herausbildeten. In diesen wurden die beiden Silben seines Namens in fiktive Vor- und Familiennamen aufgeteilt. Nachweisbar ist diese Entwicklung etwa bei dem G¨orlitzer Meistersinger Adam Puschmann, der Wolfram 1571 als «Wolff Rohn» bezeichnete. Diese falschen Benennungen setzten sich bis ins 17. Jh. fort. Ebenfalls ab dem 15. Jh. wurden Wolfram neben den entstellten Namensformen auch verschiedene T¨one f¨alschlich zugeschrieben, die von anderen Dichtern stammten: M¨uhlweise (in der → Kolmarer Liederhandschrift, eigentlich von → K¨onig Tirol), Goldener Ton (von → Gast), Geschwinder Ton (von → Frauenlob, vereinzelt auch → Rumelant von Sachsen zugeschrieben), Vergoldeter Ton (in der Kolmarer Liederhandschrift auch → Walther von der Vogelweide zugeschrieben), Flammweise (eigentlich Bernerton, vgl. → Albrecht von Kemenaten, metrisch verwandt mit dem Herzog-ErnstTon), H¨onweise (eigentlich die aus dem Hildebrandston entwickelte Heunenweise), ab dem 16. Jh. dann Langer Ton, Kurzer Ton, (Langer) Kreuzton und der F¨urstenton (in der Kolmarer Liederhandschrift → Heinrich von Ofterdingen, sp¨ater → Ehrenbote zugeschrieben). Umgekehrt wurde der wohl auf Wolfram selbst zur¨uckgehende Titurelton ab der Kolmarer Liederhandschrift unter der Bezeichnung Jahrweise f¨alschlich dem → Mo¨ nch von Salzburg zugeschrieben und von den Meistersingern N¨urnbergs im fr¨uhen 17. Jh. wiederbelebt. Literatur: Horst Brunner, VL2 8 (1992) Sp. 162–164. – De Boor/Newald 3/1 (51997) S. 358. – RSM 2/1 (2009) S. 22, 119, 197, 229, 247, 296 u. o¨ . – Robert Staiger: Benedict von Watt. Ein Beitr. zur Kenntnis des b¨urgerlichen Meistergesangs um die Wende des 16. Jh. Leipzig 1914 (Neudr. ebd. 1973) S. 104 f. – H. Brunner: Epenmelodien. In: Formen ma. Lit. FS Siegfried Beyschlag (GAG 25). Hg. v. Otmar Werner/Bernd Naumann. G¨oppingen 1970, S. 149–178. – Eva Schumann: Stilwandel und Gestaltver¨anderung im Meistersang. Vergleichende Unters. zur Musik der 882
2. H¨alfte 15. Jh. Meistersinger. Kassel 1972, S. 153, 175, 219 u. o¨ . – ¨ H. Brunner: Die alten Meister. Stud. zu Uberl. und Rezeption der mhd. Sangspruchdichter im Sp¨atMA und in der fr¨uhen Neuzeit (MTU 54). M¨unchen 1975, S. 121 u. o¨ . – Ders.: Strukturprobleme der Epenmelodien. In: Dt. Heldenepik in Tirol. K¨onig Laurin und Dietrich v. Bern in der Dichtung des MA. Hg. v. Egon K¨uhebacher. Bozen 1979, S. 300–328 (wieder in: H. Brunner: Ann¨aherungen. Stud. zur dt. Lit. des MA und der Fr¨uhen Neuzeit. Berlin 2008, S. 201–223). – Die T¨one der Meistersinger. Die Hss. der StB N¨urnberg Will III. 792, 793, 794, 795, 796. Hg. v. H. Brunner. G¨oppingen 1980, S. 45. – Frieder Schanze: Meisterliche Liedkunst zwischen Heinrich v. Mu¨ geln und Hans Sachs 1 (MTU 82). Diss. T¨ubingen 1983, S. 331 f. u. o¨ . – H. Brunner/J. Rettelbach: ‹Der vrsprung des maystergesangs›. Eine Schulkunst aus dem fr¨uhen 16. Jh. und die Kolmarer Liederhs. In: ZfdA 114 (1985) S. 221–240. – Nikolaus Henkel: Die zw¨olf alten Meister. Beobachtungen zur Entstehung des Kat. In: PBB (Tu¨ b.) 109 (1987) S. 375–389. – H. Brunner: Dichter ohne Werk. Zu einer u¨ berlieferungsbedingten Grenze ma. Literaturgesch. (mit einem Textanh.: Die Dichterkat. des Konrad Nachtigall, des Valentin Voigt und ¨ des Hans Folz). In: Uberlieferungsgeschichtliche Editionen und Stud. zur dt. Lit. des MA. Kurt Ruh zum 75. Geburtstag. Hg. v. Konrad Kunze u. a. T¨ubingen 1989, S. 1–31 (wieder in: H. Brunner: Ann¨aherungen. Stud. zur dt. Lit. des MA und der Fr¨uhen Neuzeit. Berlin 2008, S. 291–303). – Ines Heiser: Autorit¨at Freidank. Stud. zur Rezeption eines Spruchdichters im sp¨aten MA und in der fr¨uhen Neuzeit (Hermaea NF 110). T¨ubingen 2006, S. 269. MM Zollner, Mathis → Band 3, Sp. 872–874. Niklashauser Fahrt. – Gedicht von 498 (496) Reimpaarversen eines unbekannten Verfassers, zweite H¨alfte des 15. Jh. Das Gedicht thematisiert die gewaltsam niedergeschlagene Wallfahrt nach Niklashausen im Taubertal 1476. Ausgel¨ost wurde die Wallfahrt durch den Hirten und Spielmann Hans B¨ohm (auch Beham, Behem, Beheim, B¨oheim, geb. um 1450 in Helmstadt bei W¨urzburg), der nach einer angeblichen Marienerscheinung in Niklaushausen kirchen- und sozialkritisch zu predigen begann. Die Wallfahrtsbewegung, die bald ganz S¨ud- und 883
Zollner Mitteldeutschland erfasste, wurde zun¨achst geduldet. Am 12. (oder 13.) Juli 1476 ließ jedoch der W¨urzburger Bischof Rudolf II. von Scherenberg (reg. 1466–95) B¨ohm unter dem Vorwurf der H¨aresie gefangen nehmen. Eine Befreiungsaktion von rund 15.000 Wallfahrern scheiterte; ihr Zug wurde blutig niedergeschlagen. B¨ohm starb am 19.7.1476 auf dem Scheiterhaufen. Die Ereignisse von Niklashausen, die in der → Schedelschen Weltchronik (mit Abbildung) erw¨ahnt sind, regten neben wissenschaftlicher Besch¨aftigung zur Verarbeitung in Sach- und Jugendb¨uchern, Romanen, TV-Dokumentationen und Spielfilmen an (u. a. Die Niklashauser Fahrt unter der Regie von Rainer Werner Fassbinder, TVProduktion von 1970, auf DVD 2005). ¨ Uberlieferung: W¨urzburg, UB, M. ch. f. 51, 75v–82r (Pap., drittes Drittel 15. Jh.). – Stuttgart, Hauptstaatsarch., Bestand J 1 Nr. 206, 128r–136v (V¨om B¨ocker zu Nyclashausen; Bebenhausen, um 1480 [Arnold, S. 252], 1472–1500 [Klein, S. 236]). – Straßburg, Bibl. Nationale et Universitaire, ms. 205 (fr¨uher L lat. 201) [fr¨uher Privatbesitz Carl F¨orster’sche Kunstauction, Mu¨ nchen, Nr. 2493], 233v–241v (Ein deutscher Spruch von dem baucker zcu nyckelshausen; Perg. und Pap., aus der Kartause Buxheim, drittes Drittel 15. Jh.). – Mu¨ nchen, BSB, Cgm 713, 3r (Pap., ca. 1460–80, nordbair.). – Druck ohne Nennung von Drucker, Ort und Jahr (wohl N¨urnberg um 1490), HC 4404; einziges Exemplar Berlin Inc. 1932, mit Titelholzschnitt «Die nicklas hausser fart» (mit Darstellung der Behem zuteilgewordenen Marienerscheinung!). Ausgaben: [Friedrich Anton] Reuß: Die Wallfahrt nach Niklashausen im Jahre 1476. In: Arch. des Hist. Vereines von Unterfranken und Aschaffenburg 10 (1850) S. 305–318. – Liliencron 2 (1866) S. 117–125. – Arnold 1980 (s. Lit.) S. 239–252 ¨ (ohne Kenntnis der Straßburger Uberlieferung). – Palmer (s. Lit.). Literatur: Otto Graf zu Stolberg-Wernigerode: B¨ohm, Hans. In: NDB 2 (1955) S. 382. – Klaus Arnold: B¨ohm, Hans. In: LexMA 2 (1983) S. 335. – Ders., VL2 6 (1987) Sp. 1035–1037. – Peter Blickle: B¨ohm, Hans. In: LThK3 2 (1994) Sp. 550. – K. Arnold: B¨ohm, Hans. In: RGG4 1 (1998) Sp. 1667 f. – Reuß (s. Ausg.) S. 300–318. – Karl August Barack: Hans B¨ohm und die Wallfahrt nach Niklashausen im Jahre 1476. Ein Vorspiel des großen Bauernkrieges. In: Arch. des Hist. Vereins f¨ur Unterfranken und Aschaffenburg 14 (1858) 3, S. 1–108. – Hermann Strobach: Die Niklash¨auser Fahrt. Zum 884
Elslein-Strophe Quellenwert hist. Lieder und Spr¨uche. In: Zs. f¨ur Geschichtswiss. 23 (1975) S. 191–198. – Siegfried Hoyer: Neues zum Pfeifer von Niklashausen. In: Jb. f¨ur Gesch. des Feudalismus 3 (1979) S. 205–218. – K. Arnold: Niklashausen 1476. Quellen und Unters. zur sozialreligi¨osen Bewegung des Hans Behem und zur Agrarstruktur eines sp¨atma. Dorfes (Saecula spiritalia 3). Baden-Baden 1980 (vgl. dazu: Nigel F. Palmer, in: Medium aevum 57 [1988] S. 331–333, mit Abdruck einer diplomatischen Transkription des Fragments in der M¨unchner Hs.; Ernst Schubert, in: Mainfr¨ankisches Jb. f¨ur Gesch. und Kunst 36 [1984] S. 326–332). – Michael Klein: Die Hss. der Slg. J 1 im Hauptstaatsarch. Stuttgart (Die Hss. der Staatsarchive in Baden-W¨urttemberg 1). Wiesbaden 1980, S. 236–239. – K. Arnold: Neues zu Niklashausen 1476. In: Reformation und Revolution. Beitr. zum politischen Wandel und den sozialen Kr¨aften am Beginn der Neuzeit. FS Rainer Wohlfeil. Hg. v. Rainer Postel/Franklin Kopitzsch. Stuttgart 1989, S. 69–89. – Richard M. Wunderli: Peasant fires. The drummer of Niklashausen. Bloomington, Ind. 1992. – Alexander Patschovsky: H¨aresien. In: Hdb. der bayerischen Kirchengesch. Bd. 1: Von den Anf¨angen bis zur Schwelle der Neuzeit. 2. Teilbd.: Das kirchliche Leben. Hg. v. Walter Brandm¨uller. St. Ottilien 1999, S. 755–771. – Belinda Rule: Reformers and the ‹crazy rabble› in fifteenth- and sixteenth-century Germany rethinking the contemporary historians of the Niklashausen pilgrimage. In: Melbourne Historical Journal 30 (2002) S. 66–79. – John H. Arnold: Religion and Popular Rebellion, from the Capuciati to Niklashausen. In: Cultural and Social History 6 (2009) S. 149–169. BJ Langen, Rudolf von → Band 3, Sp. 881–884. Lurlebat → Band 3, Sp. 884 f. Von der Geburt Christi → Band 2, Sp. 1449 f. Elslein-Strophe. – In Europa weit verbreitete Volksliedstrophe mit der Funktion eines Erkennungstextes f¨ur Rollen- oder epische Lieder, ¨ deutschsprachige Uberlieferung ab dem letzten Drittel des 15. Jh. Die E.-S. war vermutlich urspr¨unglich Teil eines selbstst¨andigen Liebesliedes. Ihr Gegenstand ist die Klage eines Liebhabers oder einer Liebhaberin, dass er/sie nicht zur/zum Geliebten (angesprochen mit 885
2. H¨alfte 15. Jh. «elslein») gelangen k¨onne, weil «zwey tieffe Wasser» sie trennen. Motivgeschichtlich l¨asst sich diese Thematik bis in die Antike zu Ovid zur¨uckverfolgen (vgl. auch die ma. Rezeptionsstufe beim M¨are → Hero und Leander). Unvollst¨andig als Textmarke oder im vollen Wortlaut als Erkennungstext verwandt – und nicht zwingend als Liedeingang – gibt die E.-S. Hinweise auf den inhaltlichen Charakter ihres jeweiligen Liedkontextes, ist also Indiz daf¨ur, dass in der Dichtung Trennungsschmerz ¨ ¨ oder Ahnliches thematisiert wird. Uberlieferungsund Melodiezusammenh¨ange belegen eine N¨ahe zu der Volksballade Die K¨onigskinder. In der j¨unge¨ ren dt.sprachigen Uberlieferung wird die E.-S. allerdings nicht mehr zusammen mit der Ballade tradiert, w¨ahrend sie in Skandinavien seit dem 16. Jh. fester Bestandteil dieser popul¨aren Dichtung ist, die wie die E.-S. selbst weit u¨ ber Europa Verbreitung fand. Ab dem 16. Jh. erscheint die E.-S. im deutschsprachigen Raum auch wieder als fester und sich homogen einf¨ugender Bestandteil mehrstrophiger Lieder. Die hier tradierten Zusatzstrophen sind aber als sekund¨ar zu bewerten und erlauben keine R¨uckschl¨usse auf das urspr¨ungliche Lied. ¨ Uberlieferung: Fr¨uhester hsl. Beleg: Tschechien, um Mitte 15. Jh. – Erstmalig dt. u¨ berl. als Textmarke («Elzeleyn lipstis elzeleyn») im → Glogauer Liederbuch (Krakau, Bibl. Jagiello´nska, Berol. Mus. ms. 40098, 12v [1478/80]); m¨ogliches fr¨uhzeitigeres Zitat der E.-S. im → K¨onigsteiner Liederbuch (Berlin, SBB, Mgq 719, Bl. 103–185, hier: Nr. 82 [1470–1473]). Ab dem 16. Jh. breite dt. ¨ Uberl. (als Tonangabe, Textmarke oder vollst¨andige Str.); s. Dt. Volkslieder 1 (s. Ausg.) S. 204–206. – Sekund¨are Erg¨anzungen der E.-S. zu mehrstrophigen Liedkomplexen u. a. bei: Hans Ott: Hundert vnd ainundzweintzig newe Lieder [...]. N¨urnberg (Hieronymus Andreae) 1534, Nr. 37 (VD 16 ZV 26800). – Georg Forster: Ein außzug guter alter vnd newer Teutscher liedlein [...]. Der ander theil Kurtzweiliger guter frischer Teutscher Liedlein zu singen vast lustig (Frische teutsche Liedlein Tl. 2). N¨urnberg (Johann Petreius) 1540, Nr. 49 (VD16 ZV 18759). – Nicolaus Rosthius: XXX Newer Lieblicher Galliardt mit sch¨onen lustigen Texten ¨ 1593, Nr. 16 [...]. Erfurt (Georg Baumann d. A.) (VD16 ZV 19329). Ausgaben: Ludwig Uhland: Alte hoch- und nd. Volkslieder. Bd. 1. Stuttgart/T¨ubingen 1844, Nr. 45 und 46. – Franz Magnus B¨ohme: Altdt. Liederbuch. Volkslieder der Deutschen nach Wort 886
2. H¨alfte 15. Jh. und Weise aus dem 12. bis zum 17. Jh. Leipzig 1877 u. o¨ . (Nachdr. 1966) Nr. 24. – Dt. Volkslieder mit ihren Melodien. Hg. vom Dt. Volksliederarch. Balladen Tl. 1. Berlin 1935, S. 213 f., 217–219 (Nr. 20,I). – Otto Holzapfel: Das große dt. Volksballadenbuch. Mit einem Nachw. und Erl¨auterungen sowie acht Farbtafeln und zahlreichen Abb. D¨usseldorf/Zu¨ rich 2000 (Neudr. u. d. T.: Das große Volksballadenbuch. D¨usseldorf 2008) S. 206. – Ulrich M¨uller: Dt. Gedichte des MA. Mhd./nhd. Ausgew¨ahlt, u¨ bers. und erl. v. Ulrich Mu¨ ller in Zusammenarbeit mit Gerlinde Weiss (RUB 8849). Stuttgart 22009, S. 454 (Glogauer Liederbuch). Literatur: Otto Holzapfel VL2 2 (1980) Sp. 514 f.; 11 (2004) Sp. 405. – Ernst Rosenm¨uller: Das Volkslied: Es waren zwei K¨onigskinder. Ein Beitr. zur Gesch. des Volksliedes u¨ berhaupt. Dresden 1917. – Hilde Kommerell: Das Volkslied ‹Es waren zwei K¨onigskinder› (Tu¨ binger germanistische Arbeiten 15). Stuttgart 1931. – Wilhelm Heiske: K¨onigskinder und E.-S. In: Jb. f¨ur Volksliedforschung 3 (1932) S. 35–53. – Dt. Volkslieder 1 (s. Ausg.) S. 197–222. – Alfred Quellmalz: Die Weise vom Elslein. Ein Beitr. zur Gesch. des a¨lteren dt. weltlichen Liedes. Diss. Freiburg i. Br. 1944. – Paul Sappler: Das K¨onigsteiner Liederbuch. Ms.germ.qu. 719 Berlin (MTU 29). Mu¨ nchen 1970, S. 324. – Lutz R¨ohrich: Antike Motive in sp¨atma. Erz¨ahlungen und Volksballaden. In: Kontinuit¨at und Transformation der Antike im MA (Ver¨off. der Kongreßakten zum Freiburger Symposion des Medi¨avistenverbandes 2). Hg. v. Willi Erzgr¨aber. Sigmaringen 1989, S. 327–344, hier S. 337 f. (wieder in: L. R¨ohrich: Gesammelte Schr. zur Volkslied- und Volksballadenforsch. [Volkliedstud. 2]. M¨unster u. a. 2002, S. 201–224, hier S. 213 f.). – O. Holzapfel: Liedverz. Die a¨ltere deutschsprachige, popul¨are Lied¨uberl. Bd. 1. Hildesheim u. a. 2006, S. 439. VZ
Fellhainer, Fritz → Band 3, Sp. 889 f. Die Einbecker Fehde → Band 3, Sp. 892 f. Lied von Dole → Band 3, Sp. 894 f. 887
Fellhainer Lesch, Albrecht (der Vorname stammt aus sp¨aterer Zeit), * um 1340–45, † 1393/94. – Verfasser von Meisterliedern. Der Name A. L. ist im 14. und 15. Jh. in Mu¨ nchen nachweisbar, jedoch wird eine von der fr¨uheren Forschung vorgeschlagene Datierung L.s ¨ auf das 15. Jh. heute aufgrund der Uberlieferungssituation allgemein abgelehnt. Vielmehr d¨urfte es sich bei L. um den Schwiegersohn des B¨ackers und m¨oglichen Meistersingers Konrad → Harder gehandelt haben, der von 1372 bis 1375 in Harders Haus in M¨unchen lebte. L. war seit 1381 Mitglied des Großen Rats und erwarb 1385 ein eigenes Haus. Er war wahrscheinlich Handwerker von Beruf, einer der fr¨uhesten unter den Meisterlieddichtern. L.s T¨one und Texte sind in zahlreichen Handschriften u¨ berliefert, mehrfach auch mit seiner Autorsignatur in den Schlussstrophen. Ob L. auch in T¨onen anderer Meister dichtete, ist nicht bekannt. Das L.-Korpus umfasst je nach Zuschreibung neun oder zehn T¨one. Als unsicher gilt der Kurze Reihen, der in der → Kolmarer Liederhandschrift auch → Konrad von W¨urzburg zugeschrieben wird. Echt sind Goldenes Schloss, Tagweise, Goldener Reihen, Gekr¨onter Reihen, Feuerweise (auch Mu¨ hlweise), Gesangweise, Hofton (auch Hofweise), S¨ußer Ton und Zirkelweise. Das Goldene Schloss umfasst 13 Strophen und ist ein Weihnachtslied u¨ ber die hier erotisch aufgefasste Menschwerdung Gottes. Der Ton ist u¨ berwiegend als Rede Marias gestaltet, am Schluss als Gebet. Er weist Bez¨uge zum Goldenen Schilling Harders und zum Goldenen Schl¨ussel Fritz → Kettners auf. Die Tagweise ist ein f¨unfstrophiges Lai zu Weihnachten und Neujahr, das von Tageliedmotiven eingeleitet wird und im Hauptteil die Weihnachts- und Sch¨acherlegende erz¨ahlt. Ebenfalls weihnachtlich inspiriert ist der Goldene Reihen, ein dreistrophiger Marienpreis mit gr¨ußender Ave-Anapher zu Strophenbeginn. Erw¨ahnenswert ist auch der Sechsfachreim im repetierten Steg des Tones. Der Gekr¨onte Reihen ist ein f¨unfstrophiges Weihnachtslied mit Erl¨osungsmotiven und verwickelt strukturierten Reimen. In der Hofweise ist von L. ein Lied u¨ ber die Legende von St. Wolfgang erhalten. Es dr¨uckt L.s fromme Dankbarkeit aus, von einer schweren Krankheit geheilt worden zu sein. Das Lied gilt als eines der fr¨uhesten Meisterlieder mit dezidiert autobiographischem Inhalt. 888
Lesch Daneben sind im Hofton auch zwei weltliche Lieder und ein geistliches Lied von unbekannten Verfassern u¨ berliefert. Im S¨ußen Ton L.s liegt ein Marienpreis in zwei Versionen vor, deren a¨ ltere dreiund die j¨ungere, wohl unechte Version f¨unfstrophig ist. Von den in der Feuerweise erhaltenen Liedern d¨urfte nur eine Rede des Heiligen Geistes u¨ ber die Eucharistie und das Erlangen des ewigen Lebens von L. stammen. Daneben sind in der Feuerweise sechs geistliche und drei weltliche Lieder u¨ berliefert. Ein in der Gesangweise geschriebenes, anonymes Weihnachtslied mit Marienmonolog in f¨unf Strophen ist eng mit dem Goldenen Schloss verwandt und wird daher als echt eingestuft. Im gleichen Ton existieren auch acht geistliche Lieder aus vorreformatorischer Zeit. In der Zirkelweise ist kein gesichert authentisches Lied L.s bekannt, jedoch sind aus vorreformatorischer Zeit immerhin sieben geistliche und vier weltliche Lieder in diesem Ton erhalten. L.s Werk zeigt eine deutliche Vorliebe f¨ur geistliche Themen wie Menschwerdung, Maria, Weihnachten und Neujahr. Gerne gestaltet er seine Lieder als Reden des Heiligen Geistes oder Marias. Die geistliche Reflexion tritt dabei hinter Lobpreis und Erz¨ahlung zur¨uck. Mit einer Zahl von mindestens neun To¨ nen war L. insgesamt ein produktiver Tondichter. Von seinen T¨onen lebten Zirkelweise, Feuerweise und Gesangweise im Repertoire der Meisters¨anger fort und wurden bis ins 17. Jh. benutzt. Michel Beheim nennt L. neben → Muskatblut, Harder und → H¨ulzing als «nachmeister». Hans → Folz und Konrad → Nachtigall z¨ahlten L. in ihren Dichterkatalogen zu den bedeutenden K¨onnern des Meistersangs. ¨ Uberlieferung: Ansbach, Staatl. Bibl., Ms. lat. 161, 29v–30r (Pap., sp¨ates 14. Jh.). – M¨unchen, BSB, Cgm 778, 141v–145v (Pap., um 1400, mittelbair.). – Breslau, UB, cod. I Q 278, 458v–459r (Pap., erste H¨alfte 15. Jh., schlesisch). – Budapest, Nationalbibl., Cod. Lat. 243, 30r (Pap., um erste H¨alfte 15. Jh.). – Mu¨ nchen, BSB, Cgm 351, 204r–206v (Pap., zweites Viertel 15. Jh., nordbair.). – Basel, UB, cod. O IV 28, 59r–59v (Pap., um 1430, sch¨abisch-alemannisch). – Ebd., cod. A ¨ IX 2, 183v (Pap., Mitte 15. Jh.). – Wien, ONB, cod. 2856, 275v–278v (Pap., 1454–69, bair.-o¨ sterr.). – M¨unchen, BSB, Cgm 4997, 37ra–37vb, 831ra–844va (Pap., um 1460, rheinfr¨ankisch). – Karlsruhe, LB, cod. Donaueschingen 120, S. 219–222 (Pap., um 1485). – M¨unchen, BSB, Cgm 5198, 22v–28r (Pap., 889
2. H¨alfte 15. Jh. um 1500, bair.-o¨ sterr.). – Berlin, SBB, Mgq 414, 357v–358r (Pap., 1517/18, Schreiber: Hans Sachs). – Weimar, Herzogin Anna Amalia Bibl., fol. 421/32, 14r–15r (1615). – Eine Straßburger Hs. mit dem ¨ Goldenen Schloss ist heute verloren. – Zur Uberl. der nicht authentischen Lieder vgl. Schanze 1985 (s. Lit.). Ausgaben: Karl Bartsch (Hg.): Meisterlieder der Kolmarer Hs. Stuttgart 1862 (Nachdr. Hildesheim 1962) Nr. 183 (Online-Ausg. BSB M¨unchen [o. J.]). – Philipp Wackernagel (Hg.): Das dt. Kirchenlied von der a¨ ltesten Zeit bis zu Anfang des XVII. Jh. Bd. 2. Leipzig 1867 (Nachdr. Hildesheim 1964) Nr. 545 f., 587, 845. – Paul Runge (Hg.): Die Sangesweisen der Colmarer Hs. und die Liederhs. Donaueschingen. Leipzig 1896 (Nachdr. Hildesheim 1965) Nr. 6, 124–129. – Leonard Koester (Hg.): A. L. Ein Mu¨ nchner Meistersinger des 15. Jh. Birkeneck [1937]. – Werner H¨over/Eva Kiepe (Hg.): Epochen der dt. Lyrik 1: Gedichte von den Anf¨angen bis 1300. Mu¨ nchen 1978 (Nachdr. ebd. 2001) S. 180–183. – Cramer 2 (1979) S. 178–265. – Andr´e Schnyder: Das geistliche Taglied des sp¨aten MA und der fr¨uhen Neuzeit. Textsammlung, Komm. und Umrisse einer Gattungsgesch. T¨ubingen/Basel 2004, S. 86–105. – Vgl. auch die Ausg. der Kolmarer Liederhandschrift, der Donaueschinger Liederhandschrift und der Mondsee-Wiener Liederhandschrift. Literatur: Karl Bartsch, ADB 18 (1883) S. 436. – Christoph Petzsch, NDB 14 (1985) S. 324 f. – Frieder Schanze, VL2 5 (1985) Sp. 726–733; 11 (2004) Sp. 921. – RSM 4 (1988) S. 229–247; 2/1 (2009) S. 118–120 u. o¨ . (Reg.). – De Boor/Newald 4/1 (21994) S. 227, 788. – Laurenz L¨utteken, MGG2 Personenteil 11 (2004) Sp. 2 f. – Elisabeth Wunderle, Killy2 7 (2010) S. 359 f. – Aloys Dreyer: Hans Sachs in M¨unchen und die gleichzeitigen Mu¨ nchener Meisters¨anger. In: Analecta Germanica. FS Hermann Paul. Hg. v. Anton Glock u. a. Amberg 1906, S. 323–390. – Theodor Kochs: Das dt. geistliche Tagelied. M¨unster/Westf. 1928. – Koester [1937] (s. Ausg.) S. 3–74. – C. Petzsch: Zu A. L., J¨org Schechner und zur Frage der M¨unchener Meistersingerschule. In: ZfdA 94 (1965) S. 121–138. – Ders.: Fr¨uhlingsreien als Vortragsform und seine Bedeutung im Bˆıspel. In: DVjs 45 (1971) S. 35–79. – Ders.: Folgen nachtr¨aglich eingef¨uhrter Text-Form-Korrespondenz f¨ur Text und Lai-Technik. In: Die Musikforschung 28 (1975) S. 284–287. – Ders.: Zu Muskatbl¨ut. In: 890
2. H¨alfte 15. Jh. Arch. f¨ur Musikwiss. 33 (1976) S. 309–313. – Eva Willms: Die Spruchdichtungen Muskatbluts. Vorstud. zu einer krit. Ausg. M¨unchen u. a. 1976, S. 133 f. – C. Petzsch: Gestaltver¨anderung im Meistersang. In: Die Musikforschung 30 (1977) S. 181–184. – Gisela Kornrumpf: Handschriftenfunde zur Lit. des MA 44. M¨ulich von Prag, Pfalz ¨ von Straßburg, A. L. Neues zur Uberl. In: ZfdA 106 (1977) S. 121–137 (wieder in: Dies.: Vom Codex Manesse zur Kolmarer Liederhs. Aspekte ¨ der Uberl., Formtraditionen, Texte 1 [MTU 133]. T¨ubingen 2008, S. 215–244). – C. Petzsch: TextForm-Korrespondenz beim Vortrag ma. Verse, auch bei der Tageweise A. L.s. In: Dt. Lit. im MA. Kontakte und Perspektiven. FS Hugo Kuhn. Hg. v. Christoph Cormeau. Stuttgart 1979, S. 412–446. – C. Petzsch: A. L. Frage der Generation und der Datierung eines Wasserzeichens. In: Arch. f¨ur das Studium der neueren Sprachen und Literaturen 216 (1979) S. 9–22. – Burghart Wachinger: Notizen zu den Liedern Heinrich Laufenbergs. In: Medium Aevum Dt. Beitr. zur dt. Lit. des hohen und sp¨aten MA. FS Kurt Ruh. Hg. v. Dietrich Huschenbett u. a. T¨ubingen 1979, S. 349–385. – Frieder Schanze: Meisterliche Liedkunst zwischen Heinrich von M¨ugeln und Hans Sachs 1 (MTU 82). Diss. Tu¨ bingen 1983, S. 274–286. – C. Petzsch: A. L., Mu¨ nchner Liedautor und Salzsender im Sp¨atMA. In: Oberbayerisches Arch. 109 (1984) H. 2, S. 291–310. – Michael Baldzuhn: Vom Sangspruch zum Meisterlied. Unters. zu einem literarischen Traditionszusammenhang auf der Grundlage der Kolmarer Liederhs. (MTU 120). Tu¨ bingen 2002, S. 226–229 u. o¨ . MM Gernspeck, Hans. – Meisterlieddichter, 15. Jh. Die → Kolmarer Liederhandschrift (k) schreibt G. ein unikal u¨ berliefertes F¨unferbar in → Frauenlobs «Langem Ton» (RSM: 1Frau/7) zu. Reimgebundene Wendungen und sein Name machen eine Herkunft G.s aus dem Oberrheingebiet wahrscheinlich. Als m¨ogliche Wirkungszeit ist die erste H¨alfte oder das zweite Drittel des 15. Jh. anzusetzen. In k ist G. der einzige im Hauptteil der Handschrift namentlich genannte Textautor. Die Handschrift benennt ansonsten ausschließlich Tonerfinder und nur im Register (3r, 11r) werden zwei Lieder in T¨onen → Muskatbluts und → Heinrichs von M¨ugeln einem weiteren Textautor zugewiesen, Konrad → Dangkrotzheim (1Dangk/1–2). Es ist vorstellbar, dass beide namentlich genannten 891
Gernspeck in einer pers¨onlichen Beziehung zur k-Redaktion standen (vgl. auch → Nestler von Speyer). Das Bar G.s hat die in der zeitgen¨ossischen Lieddichtung oft behandelte Johannesvision zum Gegenstand, die G. konventionell als Meisterlied umsetzt. ¨ Uberlieferung: Mu¨ nchen, BSB, Cgm 4997 (k) ¨ 106r–107r (Pap., um 1460, rheinfr¨ankisch) Uberschrift: «Ein anders in dysem von hanß Gernspeck ein ewig wort». Ausgabe: Genseke (s. Lit.) S. 62–66. – Cramer 1 (1977) S. 243–246. Literatur: Karl Bartsch, ADB 9 (1879) S. 38. – Frieder Schanze, VL2 2 (1980) Sp. 1264. – RSM 4 (1988) S. 5. – K. Bartsch: Meisterlieder der Kolmarer Hs. (Bibl. des Litterarischen Ver. in Stuttgart 68). Stuttgart 1862, S. 185 f. – Rudolf Genseke: Die Kolmarer Hs. und ihre Bedeutung f¨ur den dt. Meistergesang. T¨ubingen 1955, S. 60–70. – Cramer 1 (1977) S. 459. VZ Meienschein (Maienschein). – Meistersinger, dessen langer Ton bis ins 19. Jh. verwendet wurde. ¨ Uber das Leben von M. ist nichts bekannt; Texte von ihm sind nicht erhalten. Er wird lediglich in den Dichterkatalogen von Konrad → Nachtigall, Hans → Folz und Valentin Voigt erw¨ahnt. Zudem ist er Dank des Gebrauchs seines Langen Tons u¨ berliefert. M. d¨urfte vermutlich nicht vor dem 15. Jh. gelebt haben, da die 36-reimige Strophenform nicht fr¨uher entstanden sein kann. Die erste Verwendung des Meistertons ist durch zwei Lieder von Lienhard → Nunnenbeck bezeugt (Berlin, ¨ [s. Uberl.]), sp¨ater durch Hans Sachs und w¨ahrend der Zeit des nachreformatorischen Meistergesangs. Der Ton fand seinen Weg auch in zwei Welser Meistersingerhandschriften aus dem 16./17. Jh. (vgl. Gilbert Trathnigg [s. Lit.] S. 137, 151) sowie in dem Liederbuch von Wolf Bauttner in M¨ahren (ca. 1597–1603; vgl. Franz Streinz [s. Lit.] S. 263); er wurde sogar noch in der ersten H¨alfte des 19. Jh. (vgl. Felix Oberborbeck [s. Lit.] S. 611) f¨ur ein Lied verwendet. ¨ Uberlieferung: Berlin, SBB, Mgq 414, 67v–69v (Pap., 1517/18). Ausgaben: Adam Puschmann: Das Singebuch des Adam Puschman. Nebst den Originalmelodien des M. Behaim und Hans Sachs. Hg. v. Georg Mu¨ nzer. Lepizig 1906 (Nachdr. Hildesheim 1970) S. 47 f. Literatur: Johannes Rettelbach, VL2 6 (1987) Sp. 308 f. – Franz Streinz: Der Meistergesang in 892
Graf von Seldneck M¨ahren. In: PBB (Halle) 19 (1894) S. 131–273. – Felix Oberborbeck: Die Musikpflege in Memmingen. In: Zs. f¨ur Musikwiss. 5 (1922/23) S. 598–612. – Gilbert Trathnigg: Die Welser Meistersinger-Hs. Unters. zum Welser Meistergesang. In: Jb. des Musealvereins Wels (1954) S. 127–180. FA Moser, Ludwig → Band 2, Sp. 1477–1479. Rein, Eckhard (auch: Erhart, Eckhardus, Erhardus). – Dichter ohne u¨ berliefertes Werk. ¨ Uber Leben und Werk von R. ist nichts bekannt. W¨ahrend der Dichterkatalog von Konrad → Nachtigall ihn unter den verstorbenen Meistersingern und Sangspruchdichtern nicht erw¨ahnt, ist er beim verwandten Katalog von Hans → Folz in zwei Schreibweisen («Eckhardus» und «Erhardus», vgl. Horst Brunner [s. Lit] S. 26) zu finden. Literatur: Horst Brunner, VL2 7 (1989) Sp. 1155 f. – Ders.: Dichter ohne Werk. Zu einer u¨ berlieferungsbedingten Grenze ma. Literaturgesch. (Mit einem Textanhang: Die Dichterkat. des Konrad Nachtigall, des Valentin Voigt und des Hans ¨ Folz). In: Uberlieferungsgeschichtliche Editionen und Stud. zur dt. Lit. des MA. FS Kurt Ruh (TTG 31). Hg. v. Konrad Kunze u. a. T¨ubingen 1989, S. 1–31 (wieder in: H. Brunner: Ann¨aherungen. Stud. zur dt. Lit. des MA und der Fr¨uhen Neuzeit [Phil.Stud.u.Qu. 210]. Berlin 2008, S. 291–303). FA Rember von Bibersee (auch: Ramler, Romler, Remß). – Dichter ohne u¨ berliefertes Werk (?). Der Name ist in unterschiedlicher Schreibung in dem Dichterkatalog Konrad → Nachtigall und dem auf vermutlich gleichen Quellen beruhenden Katalog von Hans → Folz erw¨ahnt; gleichfalls steht er in der Prosaaufl¨osung von Nachtigalls Katalog durch Valentin Voigt. In der ‹Dresdner Liederhandschrift› (→ Meisterliederhandschriften) ist das Lied Die sieben Freuden Mariae mit dem Ton eines «Remers uber see» u¨ berliefert, der m¨oglicherweise R. v. B. (vgl. Brunner, Sp. 1222), aber vielleicht auch einem R¨omer (von Zwetel?) geh¨oren k¨onnte (vgl. Schanze, S. 38). Die Anhaltspunkte sind zu gering, um eine eindeutige Autorschaft zu bestimmen. Literatur: Horst Brunner, VL2 7 (1989) Sp. 1221 f. – Gustav Roethe (Hg.): Reinmar von Zweter. Die Gedichte. Leipzig 1887 (Nachdr. Amsterdam 1967) S. 7, Anm. 13. – Frieder Schanze: 893
2. H¨alfte 15. Jh. Meisterliche Liedkunst zwischen Heinrich von M¨ugeln und Hans Sachs (MTU 82/83). 2 Bde. Mu¨ nchen 1983/84, Bd. 2, S. 38, 324. – H. Brunner: Dichter ohne Werk. Zu einer u¨ berlieferungsbedingten Grenze ma. Literaturgesch. (Mit einem Textanhang: Die Dichterkat. des Konrad Nachtigall, des Valentin Voigt und des Hans Folz). In: ¨ Uberlieferungsgeschichtliche Editionen und Stud. zur dt. Lit. des MA. FS Kurt Ruh (TTG 31). Hg. v. Konrad Kunze u. a. T¨ubingen 1989, S. 1–31 (wieder in: H. Brunner: Ann¨aherungen. Stud. zur dt. Lit. des MA und der Fr¨uhen Neuzeit [Phil.Stud.u.Qu. 210]. Berlin 2008, S. 291–303). FA Schrade, Michel (f¨alschlich auch Martin). – Lieddichter, 2. H¨alfte 15. Jh. Der wom¨oglich aus Augsburg stammende S. ist Urheber einer Liedumsetzung der Legende der hl. → Dorothea nach der Fassung von der Der → Heiligen Leben. Das 25-strophige Lied ist in → Regenbogens «Briefweise» (RSM 1Regb/1) verfasst und folgt seiner Vorlage mit Ausnahme von formal bedingten Abweichungen recht getreu. Der Abgesang der letzten Strophe (Anrufung der hl. Dorothea mit Bitte um Beistand im Sterben und F¨urbitte bei Gott) ist ein origin¨arer Zusatz und enth¨alt eine Autorsignatur. ¨ Uberlieferung: Heidelberg, UB, Cpg 392, 67r–72r (Pap., um 1500, ostschw¨abisch [aus Augsburg]). Ausgaben: Cramer 3 (1982) S. 264–275. – Busse (s. Lit.) S. 50–58. Literatur: RSM 5 (1991) S. 360 f. – Frieder Schanze, VL2 8 (1992) Sp. 841. – Lotte Busse: Die Legende der hl. Dorothea im dt. MA. Diss. Greifswald 1930, S. 8 f., 48–50. – Cramer 3 (1982) S. 562. – Werner Williams-Krapp: Die dt. und ndl. ¨ Legendare des MA. Stud. zu ihrer Uberl.-, Textund Wirkungsgesch. (TTG 20). T¨ubingen 1986, S. 344. VZ Graf von Seldneck (auch: Feldeneckh, Seldeneckh, Veldeneckh). – Dichter ohne u¨ berliefertes Werk. In den zwei Fassungen des Katalogs von Konrad → Nachtigall, in dem er verstorbene Meistersinger aufz¨ahlt wird an f¨unfter Stelle ein «graff von Veldeneckh» (Berlin, SBB, Mgq 414, 426v–428r) und ein «graff von Feldeneckh» (ebd., Mgq 410, 894
2. H¨alfte 15. Jh. 300r–303r) genannt; die Prosaufl¨osung von Valentin Voigt erw¨ahnt ihn ebenfalls. Der mit Nachtigalls Lied eng verwandte Katalog des Hans → Folz nennt den siebten Meistersinger «Seldneck» (ebd., Mgq 414, 475v–477r) und «Seldeneckh» (ebd., Mgq 410, 316r–319v). Ob es sich um den Dichter → Heinrich von Veldeke handelt, ist bisher nicht belegbar; ebenso fehlen weitere Hinweise zu Leben und Werk. Literatur: Horst Brunner, VL2 8 (1992) Sp. 1062. – Ders.: Dichter ohne Werk. Zu einer u¨ berlieferungsbedingten Grenze ma. Literaturgesch. (Mit einem Textanhang: Die Dichterkat. des Konrad Nachtigall, des Valentin Voigt und des Hans ¨ Folz). In: Uberlieferungsgeschichtliche Editionen und Stud. zur dt. Lit. des MA. FS Kurt Ruh (TTG 31). Hg. v. Konrad Kunze u. a. T¨ubingen 1989, S. 1–31 (wieder in: H. Brunner: Ann¨aherungen. Stud. zur dt. Lit. des MA und der Fr¨uhen Neuzeit [Phil.Stud.u.Qu. 210]. Berlin 2008, S. 291–303). FA Soflinger ¨ Briefe und Lieder → Band 2, Sp. 1486 f. Wilhelm von Lorze. – Dichtername in Meisterkatalogen aus der zweiten H¨alfte des 15. Jh. W. wird in den verwandten Namenskatalogen verstorbener T¨oneerfinder und Dichter des Konrad → Nachtigall und Hans → Folz genannt (bei Nachtigall auch als «graff Wilhelem von Lorcze»; RSM: 1NachtK/5/2 und 1Folz/82). Im auf Nachtigall beruhenden Katalog des Valentin Voigt aus der Mitte des 16. Jh. erscheint er durch Verlesung als «W. von Loetze». Es gibt weder Kenntnisse zur Person noch erhaltene Texte oder To¨ ne. Literatur: Horst Brunner, VL2 8 (1992) Sp. 1244. – Ders.: Dichter ohne Werk. Zu einer u¨ berlieferungsbedingten Grenze ma. Literaturgesch. (Mit einem Textanhang: Die Dichterkat. des Konrad Nachtigall, des Valentin Voigt und des Hans ¨ Folz). In: Uberlieferungsgeschichtliche Editionen und Stud. zur dt. Lit. des MA. FS Kurt Ruh (TTG 31). Hg. v. Konrad Kunze u. a. T¨ubingen 1989, S. 1–31 (wieder in: H. Brunner: Ann¨aherungen. Stud. zur dt. Lit. des MA und der Fr¨uhen Neuzeit [Phil.Stud.u.Qu. 210]. Berlin 2008, S. 291–303). VZ 895
Soflinger ¨ Briefe und Lieder Wolf, Peter. – Dichtername in Meisterkatalogen aus der zweiten H¨alfte des 15. Jh. W. wird in den verwandten Namenskatalogen verstorbener T¨oneerfinder und Dichter des Konrad → Nachtigall und Hans → Folz angef¨uhrt (bei Nachtigall: «her Petter Wolff pflag Sinne»; RSM: 1 NachtK/5/2 und 1Folz/82) und im auf Nachtigall beruhenden Katalog des Valentin Voigt aus der Mitte des 16. Jh. Weder gibt es Kenntnisse zur Person noch erhaltene Texte oder T¨one. Roethe (s. Lit.) erwog eine Ableitung des Namens aus → Biterolf. Literatur: Horst Brunner, VL2 10 (1999) Sp. 1305. – Gustav Roethe (Hg.): Die Gedichte Reinmars v. Zweter. Leipzig 1887 (Nachdr. Amsterdam 1967) S. 4 Anm. 8. – H. Brunner: Dichter ohne Werk. Zu einer u¨ berlieferungsbedingten Grenze ma. Literaturgesch. (Mit einem Textanhang: Die Dichterkat. des Konrad Nachtigall, des ¨ Valentin Voigt und des Hans Folz). In: Uberlieferungsgeschichtliche Editionen und Stud. zur dt. Lit. des MA. FS Kurt Ruh (TTG 31). Hg. v. Konrad Kunze u. a. T¨ubingen 1989, S. 1–31 (wieder in: H. Brunner: Ann¨aherungen. Stud. zur dt. Lit. des MA und der Fr¨uhen Neuzeit [Phil.Stud.u.Qu. 210]. Berlin 2008, S. 291–303). VZ Ympni vulgarisati → Band 2, Sp. 1494. Zirker. – Dichtername in Meisterkatalogen aus der zweiten H¨alfte des 15. Jh. Z. wird in den verwandten Namenskatalogen verstorbener T¨oneerfinder und Dichter des Konrad → Nachtigall und Hans → Folz genannt (in einer Fassung bei Nachtigall auch als «Zirckhel»; RSM: 1 NachtK/5/2 und 1Folz/82) und im auf Nachtigall beruhenden Katalog des Valentin Voigt aus der Mitte des 16. Jh. («Zcirgker»). Kenntnisse zur Person sowie erhaltene Texte oder T¨one liegen nicht vor. Literatur: Horst Brunner, VL2 19 (1999) Sp. 1561. – Ders.: Dichter ohne Werk. Zu einer u¨ berlieferungsbedingten Grenze ma. Literaturgesch. (Mit einem Textanhang: Die Dichterkat. des Konrad Nachtigall, des Valentin Voigt und des Hans ¨ Folz). In: Uberlieferungsgeschichtliche Editionen und Stud. zur dt. Lit. des MA. FS Kurt Ruh (TTG 31). Hg. v. Konrad Kunze u. a. T¨ubingen 1989, S. 1–31 (wieder in: H. Brunner: Ann¨aherungen. Stud. zur dt. Lit. des MA und der Fr¨uhen Neuzeit [Phil.Stud.u.Qu. 210]. Berlin 2008, S. 291–303). VZ 896
Karl der Kuhne ¨ und die Burgunderkriege Zol, Reinhart. – Dichtername im Meisterkatalog des Hans Folz aus der zweiten H¨alfte des 15. Jh. Z. wird im Namenskatalog verstorbener T¨oneerfinder und Dichter des Hans → Folz (RSM: 1 Folz/82) genannt. Kenntnisse zur Person sowie erhaltene Texte oder T¨one liegen nicht vor. Er ist neben Arnold → Betzler und Eckhard → Rein der einzige Dichter, der in der nah verwandten Liste des Konrad → Nachtigall nicht parallel erscheint. Brunner (1989, s. Lit.) hat eine Identifikation mit Haine → Zolki erwogen. Literatur: Horst Brunner, VL2 10 (1999) Sp. 1579. – Ders.: Dichter ohne Werk. Zu einer u¨ berlieferungsbedingten Grenze ma. Literaturgesch. (Mit einem Textanhang: Die Dichterkat. des Konrad Nachtigall, des Valentin Voigt und des Hans ¨ Folz). In: Uberlieferungsgeschichtliche Editionen und Stud. zur dt. Lit. des MA. FS Kurt Ruh (TTG 31). Hg. v. Konrad Kunze u. a. T¨ubingen 1989, S. 1–31 (wieder in: H. Brunner: Ann¨aherungen. Stud. zur dt. Lit. des MA und der Fr¨uhen Neuzeit [Phil.Stud.u.Qu. 210]. Berlin 2008, S. 291–303). VZ Ehrenfroh. – Dichtername in Meisterkatalogen aus der zweiten H¨alfte des 15. Jh. E. wird in den verwandten Namenskatalogen verstorbener T¨oneerfinder und Dichter Konrad → Nachtigalls und des Hans → Folz (RSM: 1 NachtK/5/2; 1Folz/82) sowie im auf Nachtigall beruhenden Katalog Valentin Voigts aus der Mitte des 16. Jh. angef¨uhrt. Weitere Kenntnisse zu E. oder u¨ berlieferte Texte bzw. T¨one liegen nicht vor. ¨ Uberlieferung: In einer hsl. Fassung des ¨ Nachtigall-Kat. fehlt E., was auf Uberlieferungsverderbnis zur¨uchzuf¨uhren sein d¨urfte. Berlin, SBB, Mgq 410, 301r hat: «Der suchensinn sang gar l¨oblich / der Eeren fro vnd auch der lieb von gengen»; dagegen ebd. Mgq 414: «der Suchensinn sang lobeleich / von frawen rein vnd auch der Lib von Gingen» (beide Hss. erste H¨alfte 16. Jh., Mgq 414 ist ein Hans Sachs-Autograph; → Suchensinn, → Liebe von Giengen). Literatur: Horst Brunner, VL2 2 (1980) Sp. 391. – Gustav Roethe: Die Gedichte Reinmars v. Zweter. Leipzig 1887 (Nachdr. Amsterdam 1967) S. 167 f. (zu Dichternamen mit «Ehre»). – H. Brunner: Dichter ohne Werk. Zu einer u¨ berlieferungsbedingten Grenze ma. Literaturgesch. (Mit einem Textanhang: Die Dichterkat. des Konrad Nachtigall, des Valentin Voigt und des Hans Folz). In: 897
2. H¨alfte 15. Jh. ¨ Uberlieferungsgeschichtliche Editionen und Stud. zur dt. Lit. des MA. FS Kurt Ruh (TTG 31). Hg. v. Konrad Kunze u. a. T¨ubingen 1989, S. 1–31 (wieder in: H. Brunner: Ann¨aherungen. Stud. zur dt. Lit. des MA und der Fr¨uhen Neuzeit [Phil.Stud.u.Qu. 210]. Berlin 2008, S. 291–303). VZ
Ehrentreich. – Dichtername im Meisterkatalog Konrad Nachtigalls, zweite H¨alfte 15. Jh. Im Namenskatalog verstorbener To¨ neerfinder und Dichter Konrad → Nachtigalls (RSM: 1 NachtK/5/2) wird E. angef¨uhrt. In der eng verwandten Liste bei Hans → Folz fehlt er. Vielleicht ist er aufgrund der gegen¨uber Nachtigall ver¨anderten Reihung nach der Nennung → Ehrenfrohs nicht mehr aufgef¨uhrt worden. Weitere gesicherte Kenntnisse zu E. oder u¨ berlieferte Texte und T¨one gibt es nicht, allerdings hat Gustav Roethe zwei Identifikationsm¨oglichkeiten f¨ur E. vorgeschlagen, die beide fragw¨urdig oder zumindest nicht verifizierbar sind: mit Erentrijk, dem in der → Haager Liederhandschrift drei Minnereden zugeschrieben werden (und der seine Texte allerdings origin¨ar ndl. verfasst haben d¨urfte) und mit → Ellentreich. Literatur: Frieder Schanze, VL2 2 (1980) Sp. 391. – Gustav Roethe: Die Gedichte Reinmars v. Zweter. Leipzig 1887 (Nachdr. Amsterdam 1967) S. 167 f. – Horst Brunner: Dichter ohne Werk. Zu einer u¨ berlieferungsbedingten Grenze ma. Literaturgesch. (Mit einem Textanhang: Die Dichterkat. des Konrad Nachtigall, des Valentin Voigt ¨ und des Hans Folz). In: Uberlieferungsgeschichtliche Editionen und Stud. zur dt. Lit. des MA. FS Kurt Ruh (TTG 31). Hg. v. Konrad Kunze u. a. T¨ubingen 1989, S. 1–31 (wieder in: H. Brunner: Ann¨aherungen. Stud. zur dt. Lit. des MA und der Fr¨uhen Neuzeit [Phil.Stud.u.Qu. 210]. Berlin 2008, S. 291–303). – Zu Erentrijk: Tilo Brandis: Mhd., mnd. und mndl. Minnereden. Verz. der Hss. und Drucke (MTU 25). M¨unchen 1968, Nr. 278, 286, 511. – Ingeborg Glier: Artes amandi. Unters. ¨ zu Gesch., Uberl. und Typologie der dt. Minnereden (MTU 34). M¨unchen 1971, S. 277. VZ
Karl der Kuhne ¨ und die Burgunderkriege → Band 3, Sp. 899–902. 898
2. H¨alfte 15. Jh. Bruml ¨ von Ulm (auch Br¨umelein). – Meistersinger. B. ist nur durch Erw¨ahnungen in mehreren Tonregistern der Fr¨uhen Neuzeit nachgewiesen. Sein Name findet sich in einer Handschrift des Steyrers Peter Heiberger von 1586/90 sowie in den Iglauer Verzeichnissen von 1562 und 1613. Er wird dort als einer der sog. Alten Nachdichter genannt. Eine Datierung von B.s Lebenszeit ist schwierig und vielleicht f¨ur das 15. oder fr¨uhe 16. Jh. anzusetzen. In Ulm ist B. trotz der Ortsangabe in seinem Namen nicht nachweisbar; allerdings ist auch eine nachtr¨agliche Entstellung des S¨angernamens ¨ m¨oglich. In der Uberlieferung wird B. ein Fr¨ohlicher Ton zugeordnet, der angeblich 46 Reime umfasste. Melodien oder Strophen in diesem Ton sind aber nicht bekannt. ¨ ¨ Uberlieferung: Wien, ONB, cod. 12 635, 233r (1586/90, Hs. des Peter Heiberger aus Steyr). Ausgaben: Karl Julius Schr¨oer: Meistersinger in ¨ Osterreich. In: Germanistische Stud. 2. Hg. v. Karl Bartsch. Wien 1872 (Nachdr. Hildesheim 1977) S. 197–239, hier S. 223 (Reg. aus cod. 12 635). – Franz Streinz: Die Singschule in Iglau und ihre Beziehungen zum allgemeinen dt. Meistergesang. M¨unchen 1958, S. 101, 156 (Iglauer Reg. v. 1562 und 1613). Literatur: Horst Brunner, VL2 1 (1978) Sp. 1052 f. MM Feuchtwanger. – Dichtername im Meisterkatalog Konrad Nachtigalls, zweite H¨alfte 15. Jh. Im Namenskatalog verstorbener To¨ neerfinder und Dichter Konrad → Nachtigalls wird F. als «von Nordlingen Fe¨uchtwanger» angef¨uhrt. In einer Parallel¨uberlieferung des Katalog-Bars und im auf Nachtigall beruhenden Prosakatalog des Valentin Voigt aus der Mitte des 16. Jh. erscheint der Name als «Veyt Wagner von n¨orling». In der mit Nachtigall eng verwandten Liste bei Hans → Folz fehlt F. Weitere Kenntnisse zu ihm oder u¨ berlieferte Texte und T¨one liegen nicht vor. ¨ Uberlieferung: Berlin, SBB, Mgq 414, 428r («v. Nordlingen F.»). – Ebd., Mgq 410, 301v («V. Wagner v. n¨orling»; beide Hss. 1. H¨alfte 16. Jh., Mgq 414 ist ein Hans Sachs-Autograph). Literatur: Horst Brunner, VL2 2 (1980) Sp. 727 f. – RSM 4 (1988) S. 441 f. – H. Brunner: Dichter ohne Werk. Zu einer u¨ berlieferungsbedingten Grenze ma. Literaturgesch. (Mit einem 899
Bruml ¨ von Ulm Textanhang: Die Dichterkat. des Konrad Nachtigall, des Valentin Voigt und des Hans Folz). In: ¨ Uberlieferungsgeschichtliche Editionen und Stud. zur dt. Lit. des MA. FS Kurt Ruh (TTG 31). Hg. v. Konrad Kunze u. a. T¨ubingen 1989, S. 1–31 (wieder in: H. Brunner: Ann¨aherungen. Stud. zur dt. Lit. des MA und der Fr¨uhen Neuzeit [Phil.Stud.u.Qu. 210]. Berlin 2008, S. 291–303). VZ Wenczly, Wenczlo (auch: Wentzly, Wentzlißlo; Wenczel, Wenczelo; Wenczel von Pehem). – Namen zweier Dichter. ¨ Uberlieferte T¨one, Sangspr¨uche oder Meisterlieder zu diesen Namen in den Meisters¨angerkatalogen verstorbener Tonerfinder und Dichter des Konrad → Nachtigall (Fass. Na) und des Hans → Folz (RSM: 1NachtK/5/2; 1Folz/82) angef¨uhrt werden, sind nicht bekannt. Im Nachtigall-Katalog in der Fassund Nb und in der Liste des Valentin Voigt findet sich nur der einzelne Name Wenczel von Pehem, womit vermutlich der Minnes¨anger K¨onig → Wenzel von B¨ohmen bezeichnet wird. Literatur: Horst Brunner, VL2 10 (1999) 847 f. – RSM 3 (1986) 311; 4 (1988) 441 f. – Dichter ohne Werk. Zu einer u¨ berlieferungsbedingten Grenze ma. Literaturgesch. (Mit einem Textanhang: Die Dichterkat. des Konrad Nachtigall, des Valentin ¨ Voigt und des Hans Folz). In: Uberlieferungsgeschichtliche Editionen und Stud. zur dt. Lit. des MA. FS Kurt Ruh (TTG 31). Hg. v. Konrad Kunze u. a. T¨ubingen 1989, S. 1–31 (wieder in: H. Brunner: Ann¨aherungen. Stud. zur dt. Lit. des MA und der Fr¨uhen Neuzeit [Phil.Stud.u.Qu. 210]. Berlin 2008, S. 291–303). VZ Wendel von Gorze (auch: G¨orcz, Gorcze, G¨orcze, Gortze, Gurtz). Der sonst unbekannte Dichter wird in den Meisters¨angerkatalogen verstorbener Tonerfinder und Dichter des Konrad → Nachtigall und des Hans → Folz gef¨uhrt (1NachtK/5/2 und 1Folz/82), ebenso in der Liste Valentin Voigts; Folz weist ihm den Beruf eines «wirckers» (Weber) zu. Von W. sind keine Dichtungen oder T¨one u¨ berliefert. Literatur: Horst Brunner, VL2 10 (1999) Sp. 848. – RSM 3 (1986) 311; 4 (1988) 441 f. – H. Brunner: Dichter ohne Werk. Zu einer u¨ berlieferungsbedingten Grenze ma. Literaturgesch. (Mit einem Textanhang: Die Dichterkat. des Konrad Nachtigall, des Valentin Voigt und des Hans Folz). 900
Zorn ¨ In: Uberlieferungsgeschichtliche Editionen und Stud. zur dt. Lit. des MA. FS Kurt Ruh (TTG 31). Hg. v. Konrad Kunze u. a. T¨ubingen 1989, S. 1–31 (wieder in: H. Brunner: Ann¨aherungen. Stud. zur dt. Lit. des MA und der Fr¨uhen Neuzeit [Phil.Stud.u.Qu. 210]. Berlin 2008, S. 291–303). VZ Zorn, Fritz, † 3.7.1482 N¨urnberg. – Meisters¨anger, 15. Jh. Z. ist 1427 erstmalig in N¨urnberg bezeugt. Er war Nagelschmied und erwarb 1442 die Meisterw¨urde. Im Hausbuch der Mendelschen Zw¨olfBr¨uder-Stiftung findet sich sein Portr¨at (N¨urnberg, StB, Cod. Amb. 317.2°, 101r). Er geh¨orte der zweiten Generation der N¨urnberger Meisters¨anger an (wie Konrad → Nachtigall, Hans → Bogner und Kunz → Vogelsang) und wird von Hans Sachs in einer Schulkunst von 1527 unter den zw¨olf in N¨urnberger verehrten Meistern an zweiter Stelle gef¨uhrt (RSM: 2S/187). Sein j¨ungerer Zeitgenosse Hans → Folz hat Z. wegen dessen geistlicher Lieder als anmaßenden Laien scharf attackiert. Offensichtlich hat Z. in seinen Dichtungen fragw¨urdige theologische Ansichten zur Inkarnation vertreten. Postum wurde Z. indes von Folz unter Vorbehalt als bekannter N¨urnberger Dichter gelobt: So habe Z. auf einem Niveau «¨uber gemein leyische art» seine theologischen Ansichten in seinen Liedern artikuliert, dies jedoch mitunter mit einem «gezwungen sin» (1Folz/9 und 53). Allerdings wird bei Folz im ersten betreffenden Bar in dessen u¨ berlieferter Form statt Fritz ein Kunz → Zorn genannt, was auf einen Irrtum zur¨uckgehen d¨urfte. Das Werk Z.s war vermutlich sowohl umfangreich als auch von charakteristischer Eigenart, muss aber weitestgehend als verloren gelten. Von den vorreformatorisch u¨ berlieferten Liedern, f¨ur die er als Verfasser in Frage kommen k¨onnte (und die nahezu ausschließlich in einer Meisterliedsammlung des Hans Sachs von 1517 [q] erscheinen), wird ¨ ihm mittels der Uberschrift nur ein einziges zugewiesen («M¨uglins k¨urczen don 3 lieder der zorns dicht»; 1Zorn/5/1). Diese dreistrophige Ermahnung zur Tugendhaftigkeit mit einem Katalog von zw¨olf lat. oder dt. zitierten Einzeltugenden ist allerdings nicht in einem eigenen Ton von Z. verfasst, sondern im «Hofton» («Kurzen Ton») → Heinrichs von M¨ugeln. Eigene T¨one Z.s in q sind der «Unbenannte» (1 Bar), der «Verborgene» (17 Bare) und der «Verhohlene Ton» (12 Bare) sowie die «Zugweise» 901
2. H¨alfte 15. Jh. ¨ (25 Bare). In der nachreformatorischen Uberlieferung tritt noch die «Greferei» hinzu. Welches der anonym u¨ berlieferten q-Meisterlieder Z. auch zum Textautor hat, ist ungekl¨art. Wahrscheinlich ist seine Verfasserschaft f¨ur das einzige Lied im «Unbenannten Ton» (1Zorn/1/1). Es handelt sich hierbei um eine theologische Er¨orterung der Frage, ob Gott geworden sei, also einen Anfang habe. Auch die anderen Bare haben durchweg eine geistliche Pr¨agung und zeigen einen signifikanten Hang zu dogmatischen Er¨orterungen in Qu¨astionen-Form, speziell zum Wesen Gottes und zur Trinit¨at. Wenn auch die Frage der jeweiligen Verfasserschaften nicht zu l¨osen sein wird, zeigt sich aber schon anhand des Liedbestandes von q – wie auch anhand des Werkes von Folz, der gerne in T¨onen Z.s dichtete – dessen betr¨achtliche Wirkung zumindest als Tonerfinder. ¨ Uberlieferung: (vorreformatorische Bare in T¨onen Z.s) Berlin, SBB, Mgq 414, 90rv, 112v–118v, 123v–125r, 181rv, 183r–184r, 185r–205r, 207v–210r, 215r–217r, 279v–281r («Zugweise»); 104r–111r, 138r–139r, 142r–145r, 174v–179r («Verhohlener Ton»); 146v–165v, 168v–171r, 172r–174v («Verborgener Ton»); 360r–361v («Unbenannter Ton»); 379v–380r (authentisches Lied in Mu¨ gelns Ton), (Pap., geschrieben 1517/18 von Hans Sachs, Nachtr¨age von anderer Hand). – Parallel¨uberl. und ¨ Uberl. des 16. Jh: N¨urnberg, StB, Will III 784, 584r (Pap., geschrieben um 1616 von Benedict von Watt in N¨urnberg) nur eine Str. im «Verborgenen Ton» (auch in q). – Berlin, SBB, Mgf 25, S. 130–132 (Pap., erstes Viertel 17. Jh., geschrieben von B. von Watt in N¨urnberg) dreistrophiges Bar im «Verborgenen Ton» (auch in q). – Breslau, StB, Cod. M 1009, 372r (Pap., geschrieben 1588 von Adam Puschmann in Breslau; Kriegsverlust) (Initium einer Str. im «Verhohlenen Ton» [auch in q]). – Ebd., UB Ms. 400588, 7r–8v, 219v–220v (dreistrophiges Bar [doppelt] im «Verhohlenen Ton» [auch in q]), 358–359v (dreistrophiges Bar in der «Zugweise» [auch in q]), (Pap., geschrieben 1570–78 von Georg Lange). – Mu¨ nchen, BSB, Cgm 847, 6v–12r (siebenstrophiges Bar in der «Zugweise» als Umformung aus → Regenbogens «Langem Ton» [nicht in q]), (Pap., erste H¨alfte 16. Jh., mittelbair.); wei¨ tere Uberl. dieses Bars unter Regenbogen s. RSM 1 Regb/4/569ab. Ausgaben: Cramer 3 (1982) S. 512 (authentisches Lied in Mu¨ gelns Ton); die Bare in To¨ nen Z.s sind zum gr¨oßten Tl. unediert (vgl. RSM [s. Lit.]). 902
2. H¨alfte 15. Jh. Literatur: RSM 5 (1991) S. 587–617. – Frieder Schanze, VL2 10 (1999) Sp. 1587 f. – Horst Brunner/Erich Straßner: Volkskultur vor der Reformation. In: N¨urnberg – Gesch. einer europ¨aischen Stadt. Hg. v. Gerhard Pfeiffer. Mu¨ nchen 1971, 199–207, hier S. 205. – Eva Schumann: Stilwandel und Gestaltver¨anderung im Meistersang. Vergleichende Unters. zur Musik der Meistersinger (G¨ottinger musikwissenschaftliche Arbeiten 3). Kassel 1972 [recte 1973], S. 351, 361, 392, 398, 408, 411. – H. Brunner/Johannes Rettelbach: Die T¨one der Meistersinger. Die Hss. der StB N¨urnberg Will. III. 792, 793, 794, 795, 796. In Abb. und Materialien. Mit einem Anhang v. Klaus Kramer (Litterae 47). G¨oppingen 1980, S. 46. – Irene Stahl: Die Meistersinger v. N¨urnberg. Archivalische Stud. (Nu¨ rnberger Werkst¨ucke zur Stadt- und Landesgesch. 33). N¨urnberg 1982, S. 339. – F. Schanze: Meisterliche Liedkunst zwischen Heinrich v. Mu¨ geln und Hans Sachs. Bd. 1: Unters./ Bd. 2: Verz. (MTU 82/83). Mu¨ nchen 1983/84, Reg. / S. 333 u. o¨ . – J. Rettelbach: Zu dem N¨urnberger Meistersinger F. Z. In: ZfdA 114 (1985) S. 255–260. – Ders.: Variation – Derivation – Imitation. Unters. zu den T¨onen der Sangspruchdichter und Meistersinger (Fr¨uhe Neuzeit 14). T¨ubingen 1993, Reg. VZ Scherl, Johannes → Band 3, Sp. 962 f. Heselloher, Hans. – Liederdichter, urkundlich 1451 bis 1483. H. gilt als Verfasser von vier bis f¨unf Liedern, die im d¨orperlichen Milieu angesiedelt sind. Von ¨ diesen Liedern wird nur das Lied 3 in der Uberlieferung namentlich einem Autor zugewiesen. Es wird allerdings nur der Nachname (in der Form «Eßellocher») genannt. Dieser erscheint (als «Heselloher») auch innerhalb der Lieder. Die Identifikation des Dichters mit Hans H. geht auf den Genealogen Wigul¨aus Hundt († 1588) zur¨uck (Bayeri¨ sches Stammbuch, Tl. 3, s. Uberl.). Nach dessen Auskunft soll das Liedœuvre H.s von gr¨oßerem Umfang gewesen sein: «vil Sch¨oner Teutscher l¨acherlicher vnnd artlicher Lieder». Bei Ulrich → Fuetrer (Buch der Abenteuer, Str. 2416) wird hingegen der Bruder Andreas H. als zeitgen¨ossischer (aber epischer) Dichter erw¨ahnt. Hans H. war gemeinsam mit seinem Bruder – und wie zuvor bereits der Vater Nikolaus – Pfleger von P¨ahl bei Weilheim (seit 1453). Seit 1465 903
Scherl amtierte er zudem als Stadt- und Landrichter in Weilheim. Zwischen Februar 1485 (an H. adressierter Brief Herzogs Christoph von Bayern) und Pfingsten 1486 (Messopfer in Weilheim zu seinem Andenken) ist H. verstorben. Zusammen mit seiner zweiten Frau Anna (geb. Pauß) ist H. im Kloster Andechs beigesetzt. Vermutlich hat H. die Lieder verfasst, bevor er als Beamter in herzogliche Diens¨ te trat. Hierf¨ur spricht vor allem die fr¨uhe Uberlieferung. Da aber innerhalb seiner Lieder oder ¨ in Uberschriften der Textzeugen die Orte P¨ahl und Straubing am Ammersee erscheinen, ist seine Dichtung mit dem dienstlichen Wirkungsbereich verbunden. Vier der Lieder sind anhand inhaltlich-formaler und u¨ berlieferungsbedingter Kriterien einem gemeinsamen Autor sicher zuweisbar, nach Hundt also Hans H. Ein f¨unftes kommt wegen stilistischer ¨ Ahnlichkeit und Formgleichheit mit Lied 1 in Betracht. Von einem sechsten ist nur der von Hundt zitierte Eingang bekannt (Lied 1–6, Z¨ahlung nach Maschek [s. Ausg.]). Es handelt sich um Tanzlieder, was aber nur bei Lied 4 auch durch Melodie¨uberlieferung gest¨utzt wird. Reim- und Strophenformen sind zum Teil sehr komplex. Beim schlecht u¨ berlieferten Lied 3 ist die Form kaum zu analysieren. Thematisch stehen die St¨ucke als Bauernsatiren und Geckenspott im Kontext der «Neidhart-Renaissance» des 15. Jh. Dadurch dass der S¨anger selbstironisch in die Lieder miteinbezogen wird, lehnen sie sich eher an → Neidhart selbst denn an die Neidhartianer an. Allerdings bewahrt H.s S¨angerfigur – anders als der direkt eingreifende Riuwentaler Neidharts – eine distanziert beobachtende Position. Aus dem schmalen u¨ berlieferten Corpus H.s ragt Lied 4 (Von u¨ ppiglichen Dingen, um 1440/50) heraus. Es umfasst 13 kunstvolle 13-versige Strophen und handelt von einem b¨auerlichen Tanz, der durch die Provokationen eines Gecken in eine allgemeine Pr¨ugelei ausartet (vgl. den Ring Heinrich → Wittenwilers). Die Handgreiflichkeiten k¨onnen nur durch amtliches Eingreifen beendet werden und haben ein gerichtliches Nachspiel. Mit seiner gleichermaßen eing¨angigen wie variablen Melodie war dieses Lied eines der beliebtesten im 15. und 16. Jh. Dies be¨ legen neber der Uberlieferung vor allem die zahlreichen thematischen und musikalischen Nachbildungen und Variationen. Unter den Kontrafakturen zu H.s Lied 4 finden sich divergente Genres: eine anonyme Passionsdarstellung, ein Bußlied 904
Heselloher Johannes B¨oschensteins, ein satirisches Lied Matthias → W¨urgenbocks, eine anonyme Karikatur auf Thomas Murner und ein historisch-politisches Ereignislied von Fritz Beck u¨ ber die Belagerung von W¨urzburg (1525). In einer formal reduzierten Gestalt harmoniert die Melodie mit einem verbreiteten Strophentyp, u¨ ber den sie volkst¨umlich auch losgel¨ost von H. unter anderen Namen verbreitet war («Dollerweise», → Lied von Dole; Ton von der Narrenkappe). Im 16. Jh. ist die Melodie mehrstimmig ausgestaltet worden (u. a. von Matthias Greiter und Jacob Meiland). Ob H. mit seinen Liedern einen neuen Tanz gepr¨agt hat, wie eine Strophe von Lied 2: «da man den Hesseloher sprang», nahelegt, ist unklar. Vielleicht ist der Vers in Analogie zur NeidhartTradition («ein Nithart») auch als Anspielung auf die Konstitution einer eigenen Gattung zu verstehen. Bei aller Abh¨angigkeit von Neidhart ist es zu kurz gegriffen, H. als bloßen Nachahmer zu bezeichnen. Dank seines formalen und sprachlichen Geschicks beim Ungang mit traditionellen Mustern und dank seiner u¨ berlegten Szenenregie ist H. zumindest als bedeutender Vetreter der «NeidhartRenaissance» des 15. Jh. zu benennen. ¨ Uberlieferung: Nr. 1–3: M¨unchen, BSB, Cgm 379 (→ Augsburger Liederbuch), 157v–160r und 161rv ¨ (Pap., um 1454, ostschw¨abisch). Uberschrift zu Lied 3 (161r): «Eßellocher von dem pawrenknecht z˚u Strawing». – In abweichender Fassung ist Lied 3 in das Schwankbuch Neidhart Fuchs (→ Neidhart) integriert (V. 2318–2409). – Nr. 4: ¨ Wien, ONB, Cod. 3027, 174v–177r (Pap., 1494, bair.-¨osterr.) mit Melodie; die hier notierte TriplaWeise d¨urfte von den u¨ berlieferten Melodiefassungen dem urspr¨unglichen melodischen Konzept H.s am n¨achsten stehen. – Mu¨ nchen, BSB, Cgm 2298 (Hundts Bayerisches Stammbuch, Tl. 3) ¨ 200rv (Pap., 1588). – Uberl. auch in Einzeldrucken und Liederb¨uchern des 16. Jh., mehrfach mit Melodie. Melodieaufzeichnung auch in Verbindung mit kontrafazierenden Bearbeitungen. Auflistung der Quellen bei Curschmann 1970 [s. Lit.] S. 108–111). – Nr. 5: Frankfurt/M., Stadtarch., Familienarch. Fichard Nr. 165 Ms. 69 (→ Fichards Liederbuch) Nr. 57 (Pap., drittes Viertel 15. Jh., s¨udrheinfr¨ankisch; 1944 verbrannt). – Von Hundt wird als Anfang eines weiteren Liedes der Satz zitiert: «H¨annsl Heseloher wie lanng wilt leppisch sein». Dieser erscheint zweimal auch in 905
2. H¨alfte 15. Jh. 1544 ver¨offentlichten Quodlibets von Wolfgang Schmeltzel (hg. v. Robert Eitner: Das dt. Lied des 15. und 16. Jh. in Wort, Melodie und mehrstimmigem Tonsatz. Bd. 1 [Beilage zu den Monatsheften f¨ur Musikgesch. 8]. Berlin 1876, Nr. 218, 263). Ausgaben: August Hartmann: H. H.s Lieder. In: Romanische Forschungen 5 (FS Konrad Hofmann). Erlangen 1890, S. 449–528 (auch als Sonderdruck). – Hermann Maschek (Hg.): Lyrik des sp¨aten MA (Dt. Lit. Reihe Realistik des Sp¨atMA 6). Leipzig 1939 (Nachdr. Darmstadt 1964) S. 95–108 (Lied 1–6). – Cramer 2 (1979) S. 9–42 (Lied 1–4). – Johannes Bolte: Der Bauer im dt. Liede. 32 Lieder des 15.–19. Jh. nebst einem Anh. (Acta Germanica 1,3). Berlin 1890, S. 218–225 (Lied 1–3). – Lied 4 erscheint in Liedslg. des 19. Jh. und ist krit. hg. in: Curschmann 1970 (s. Lit.) S. 28–38 und in: Ders.: Dt. Dichtung des MA. Bd. 3: Sp¨atMA. Mu¨ nchen 1981, S. 29–36. – Zu weiteren Einzelausg. und Druckfaks. s. VL2 3 (1981) Sp. 1194. Bibliographie: Reinhard Schmid: H. H.Bibliogr. In: Weilheimer Heimatbll. 8 (1986) S. 43–50. Literatur: K[arl] Bartsch, ADB 12 (1880) S. 271. – A. Hartmann, ADB 50 (1905) S. 276 f. – Ehrismann 2.2.2 (1935) S. 486. – Michael Curschmann, NDB 8 (1969) S. 745 f. – De Boor/Newald 4/1 (21994) S. 178. – Claudia H¨andl/Red., Killy2 5 (2009) S. 361 f. – Hartmann (s. Ausg.). – Konrad Zwierzina: Rezension Hartmann. In: AfdA 17 (1891) S. 213–220. – Richard Brill: Die Schule Neidharts. Eine Stilunters. (Palaestra 37). Berlin 1908 (Nachdr. New York/London 1970) S. 192–197. – M. Curschmann: Typen inhaltsbezogener formaler Nachbildung eines sp¨atma. Liedes. In: FS Hugo Kuhn. Stuttgart 1969, S. 305–325. – Ders.: Texte und Melodien zur Wirkungsgesch. eines sp¨atma. Liedes (H. H.: ‹Von u¨ ppiglichen ¨ dingen›) (Altdt. Ubungstexte 20). Bern 1970. – Rolf Caspari: Liedtradition im Stilwandel um 1600. Das Nachleben des dt. Tenorliedes in der gedruckten Liedersammlungen von Le Maistre (1566) bis Schein (1626) (Schr. zur Musik 13). Mu¨ nchen 1971, S. 79, 117–120. – Walther Lipphardt: Die Melodien in Adam Reißners Gesangbuch von 1554. In: Jb. f¨ur Liturgik und Hymnologie 16 (1971) S. 61–84. – Klaus J¨urgen Seidel: Der Cgm 379 der Bayerischen Staatsbibl. und das ‹Augsburger Liederbuch› von 1454. Diss. M¨unchen 1972. – R. Caspari: Rei publicae concentus. Zur Rezeption des H.-Liedes ‹Von u¨ ppiglichen dingen› am 906
2. H¨alfte 15. Jh. Hof in Celle gegen Ende des 16. Jh. In: Beitr. zur Musikgesch. Nordeuropas. FS Kurt Gudewill. Hg. v. Uwe Haensel. Wolfenb¨uttel/Zu¨ rich 1978, S. 283–296. – Cramer 2 (1979) S. 489–491. – Heinz Haushofer: H. H. – der ‹liebe und getreue Pfleger›. In: Weilheimer Heimatbll. 8 (1986) S. 7–27. – Hans P¨ornbacher: ‹Hannsl Heseloher wie lanng wilt leppisch sein?›. In: ebd., S. 29–41. – Anton Vogel: H. H. Auf den Spuren eines sp¨atma. Dichters (Ickinger Hefte 16). Icking 1996. – Peter Seibert: Reformation und Bauernkriege. In: Gesch. der politischen Lyrik in Deutschland. Hg. v. Walter Hinderer. W¨urzburg 2007, S. 75–96, hier S. 79 f. (zu H. und Fritz Beck). VZ Paternoster, Hieronymus (auch: Jeronimus, Jeronymus), † 1483. – Theologe, m¨oglicher Verfasser eines Liebeslieds. P. stammte aus Schw¨abisch-Hall und studierte seit 1472 in Ingolstadt. Dort erwarb er Abschl¨usse als Magister Artium sowie Bakkalaureus der Theologie und las sp¨ater die Sentenzen. Nach P.s Tod ging seine B¨uchersammlung an die Ingolst¨adter Artistenfakult¨at u¨ ber. Unter diesen Handschriften und Drucken befindet sich auch eine lat. Sammelhandschrift mit handschriftlichen Eintr¨agen P.s. Der Kodex u¨ berliefert in seiner Hand ein deutschsprachiges Liebeslied mit dem Incipit «Ein frewlin zart von hoher art / ist in mein hercz gefallen». P. hat den Text mit seinen Initialen signiert, was aber nicht zwingend f¨ur seine Autorschaft sprechen muss. Das in Form und Inhalt konventionelle Lied umfasst mindestens drei achtzeilige Strophen; eine vierte Strophe k¨onnte einem zweiten Lied angeh¨oren. Die ungeraden Zeilen weisen Binnenreime auf, die geraden Zeilen hingegen Kreuzreime. Die Geliebte wird mal direkt angesprochen, mal in der dritten Person besungen. Weitere Notizen P.s finden sich in einer Inkunabel. Darin trug P. dt. und lat. geistliche Texte ein. Die ¨ dt.sprachigen Notizen enthalten Uberlegungen zur Passion Christi, zur g¨ottlichen Kontemplation und zum Empfang der Sakramente. ¨ Uberlieferung: Liebeslied: Mu¨ nchen, UB, 4° cod. ms. 811, 113v–114r (Pap., Bayern, zweite H¨alfte 15. Jh.). – Weitere hsl. Eintragungen P.s in: Mu¨ nchen, UB, 2° Inc. lat. 315, Ir–IIIv, 238vb–239ra, r¨uckw¨artiger Spiegel (Pap., 1478, Eintr¨age P.s v. 1482, bair.). Ausgaben: 1. Liebeslied: Hans Fromm/Hanns Fischer: Ma. dt. Hss. der UB M¨unchen 2. In: PBB 907
Paternoster (T¨ub.) 84 (1962) S. 433–473, hier S. 449 f. – Cramer 2 (1979) S. 416 f., 538. – Die datierten Hss. der UB M¨unchen. Bearb. v. Wolfgang Mu¨ ller. Stuttgart 2011, Tafelbd. Abb. 291 (Faks.). – 2. Eintr¨age in Inc. lat. 315: Ma. Paul Lehmann/Otto Glauning (Hg.): Handschriftenbruchst¨ucke der UB und des Georgianum zu Mu¨ nchen. Leipzig 1940, S. 157–159. Literatur: Gisela Kornrumpf, VL2 7 (1989) Sp. 356. – Fromm/Fischer (s. Ausg.) S. 447–450. – Ma. Bibliothekskataloge Deutschlands und der Schweiz 3/2. Hg. v. der Bayerischen Akad. der Wiss. Bearb. v. Paul Ruf. Mu¨ nchen 1933, S. 233 f., 240. – G. Kornrumpf/Paul-Gerhard V¨olker: Die dt. ma. Hss. der UB Mu¨ nchen (Die Hss. der UB Mu¨ nchen 1). Wiesbaden 1968, S. 201 f., 343 f. – Ladislaus Buz´as: Gesch. der UB M¨unchen. Wiesbaden 1972, S. 26, 84. MM Weber, Veit. – Fahrender Liederdichter und -s¨anger, zweite H¨alfte 15. Jh., * Freiburg i. Br., † 1483 Bern. W. hielt sich offenbar vorwiegend im Gebiet der heutigen Westschweiz auf und besaß Wappenschilde der St¨adte Freiburg/Schweiz, Basel, Biel, ¨ Solothurn und Zu¨ rich. Inhalt und Uberlieferung seiner Lieder decken sich mit diesem geographischen Raum. Im Zuge der Burgunderkriege nahm er laut eigener Angabe 1474 an der Schlacht bei H´ericourt teil (wom¨oglich im Aufgebot seiner Heimatstadt Freiburg) und 1476 an der Schlacht bei Murten. Noch 1482/83 ist er als Sprecher in Basel bezeugt. W. s u¨ berliefertes Œuvre von sieben Liedern besteht mit Ausnahme eines geistlichen Erz¨ahlliedes aus historisch-politischen Ereignisliedern zu den Burgunderkriegen (vgl. auch → Karl der K¨uhne und die Burgunderkriege). Bis auf Lied 5 haben alle Lieder eine Autorsignatur. Im Vordergrund der Dichtungen steht zumeist der Ereignisbericht, doch gibt W. auch der politischen Agitation und dem Lob der eigenen Seite Raum. Oft z¨ahlt er Kampfgenossen auf oder bietet Kataloge von Ortsnamen. Aufgrund seiner mitunter detailreichen Schilderungen war seine Dichtung – die genrespezifischen Standards entspricht und dabei nur wenige individuelle Z¨uge erkennen l¨asst – bei Zeitgenossen vor allem wegen ihres hohen Nachrichtenwertes beliebt (u. a. Diebold → Schilling). Deshalb werden seine Lieder in der Regel innerhalb von Chroniken u¨ berliefert. Die T¨one, in denen er dichtete, hat W. nicht selbst erschaffen. Er griff in der Regel auf 908
Weber bew¨ahrte Muster zur¨uck. Zweimal hat W. einen j¨ungeren Ton verwandt. Bei Lied 1 benutzte er den zeitgen¨ossischen meisterlichen «Hofton» J¨org → Schillers (RSM: 1Schil/1), den er aber sp¨ater zugunsten a¨ lterer Formen nicht mehr heranzog (im Gegensatz zu → Lurlebat und Mathis → Zollner, die ihre Lieder zur Murten-Schlacht im «Hofton» verfassten). Ebenfalls in einem Ton Schillers, der «Maienweise» (1Schil/2), ist das geistliche Lied gedichtet, das in W.s lyrischen Werk allerdings per se eine Ausnahme darstellt. Lied 2 und 4 haben ¨ formale Ubereinstimmungen zum Sempacher Lied (→ Schlacht bei Sempach) und die Reimformen der Lieder 5 und 6 finden sich auch bei T¨oni → Steinhuser und Rudolf → Montigel. (Teils widerspr¨uchliche) Angaben zu Tonnamen stehen erst in den Drucken. Lied 1 behandelt in 13 Strophen den Friedens¨ schluss zwischen Osterreich und der Eidgenossenschaft (sog. Ewige Richtung, 1474). Die Eidgenossen werden in Strophe 7 zum Zug gegen Burgund aufgerufen, weshalb das Lied mit der eidgen¨ossischen Kriegserkl¨arung (25.10.1474) in Verbindung stehen k¨onnte. – Lied 2 (29 siebenzeilige Strophen) hat die Schlacht bei H´ericourt zum Gegenstand. – Lied 3 (43 f¨unfzeilige Strophen des → Lindenschmidt-Typs, gattungsuntypisch mit Natureingang) berichtet vom Zug nach Pontarlier (1475). – Lied 4 ist ein Lob Freiburgs/Schweiz und der Eidgenossen nach Eroberung der Waadt in 26 siebenzeiligen Strophen. Vielleicht entstand es anl¨asslich des Empfangs der Eidgenossen in Freiburg am 1.11.1475. Offenbar f¨ur dieses Lied erhielt W. ein Geschenk des Rats von Freiburg. – Lied 5 handelt von der Schlacht bei Grandson (1476) und Lied 6 von der bei Murten (21 bzw. 32 sechszeilige Strophen mit Schweifreim). Das GrandsonLied kann W. trotz der fehlenden Signatur mit großer Sicherheit zugeschrieben werden, da seine Verfasserschaft f¨ur ein solches Lied archivalisch bezeugt ist. – Das geistliche Erz¨ahllied (elf Strophen) schließlich verbindet zwei Exempel, die den Wert der Messe herausstellen. ¨ Uberlieferung: Politisch-hist. Lieder: (Ausw.: nur die jeweilige Chron.-Haupths.) Bern, Burgerbibl., Mss. h.h. I.3 (um 1474/84) Amtliche Chron. Diebold Schillings (Lied 1–6). – Zu¨ rich, ZB, Cod. A 5 (1480–84) Große Burgunder Chron. Schillings (Lied 1–6). – N¨urnberg, StB, Solg. Ms. 63.2° (Ende 15. Jh.) Kleine Burgunder Chron. Schillings (Lied 3 und 6). – Aarau, Kantonsbibl., MsZF 18 (1514–32) 909
2. H¨alfte 15. Jh. Wernher Schodolers Eidgen¨ossische Chron., Bd. 3 (Lied 1–6). – Luzern, Zentral- und Hochschulbibl., BB Ms. 382.4° (1532) Werner Steiners Liederchron. (Lied 1–6). – Selbstst¨andige Drucke: Lied 3: Z¨urich (Augustin Fries) 1546 (VD16 W 1341). – Bern (Siegfried Apiarius) um 1558 (VD16 ZV 15437). – Z¨urich (Hans Rudolf Wyssenbach) 1601 (VD17 1:687507G). – Lied 4: Basel (Lux Schauber) um 1536 (Exemplar Bern UB ZB H XXII 53 : 4). – Lied 5: Bern (Samuel Apiarius) 1536 (recte 1556 [?]). – Lied 6: Z¨urich (A. Fries) 1546 (VD16 W 1342 f.). – Bern (Siegfried Apiarius) 1557 und 63 (VD16 W 1344 f.). – Geistliches Lied: Druck: Straßburg (Matthias Hupfuff) 1504 (VD16 W 1340). Ausgaben: Politisch-hist. Lieder (Ausw.): Kriegsund Siegeslieder aus dem 15ten Jh. v. Veit Weber. Hg. und mit den n¨othigen Erl¨auterungen versehen v. Heinrich Schreiber. Freiburg i. Br. 1819. – Liliencron 2 (1866) S. 27–30, 37–42, 59–64, 68–72, 79–81, 89–95 (Nr. 130, 133, 135, 137, 139, 142). – Gustav Tobler: Die Berner Chron. des Diebold Schilling 1468–1484. Bd. 1. Bern 1897, S. 153–158, 188–194, 236–242, 320–325, 397–400; Bd. 2. Ebd. 1901, S. 61–68. – Cramer 3 (1982) S. 382–414 (ohne Lied 5). – Zu weiteren Ausg. der einzelnen Chron. und Faks. der Hss. vgl. VL2 10 (1999) Sp. 778 und RSM 5 (1991) S. 539. – Geistliches Lied: Tarlach (s. Lit.) S. 110–115. – Cramer 3 (1982) S. 415–421. Literatur: Gerold Meyer v. Knonau, ADB 41 (1896) S. 357. – RSM 5 (1991) S. 539–541. – Frieder Schanze, VL2 10 (1999) Sp. 775–780; 11 (2004) Sp. 1645. – Franz Josef Mone: Die vaterl¨andischen teutschen Dichter. In: Badisches Arch. zur Vaterlandskunde 1 (1826) S. 48–104, hier S. 70–72. – Gustav Tobler: Neues u¨ ber den Liederdichter V. W. In: Anzeiger f¨ur schweizerische Gesch. NF 7 (1894/97) S. 406 f. – Hans Morgenthaler: Kulturgeschichtliche Notizen aus den solothurnischen Seckelmeisterrechnungen des 15. Jh. In: Anzeiger f¨ur schweizerische Altertumskunde NF 21 (1919) ´ S. 57–60, hier S. 57. – Emile Picot/Henri Stein: Recueil de pi`eces historiques imprim´ees sous le r`egne de Louis XI. Bd. 1. Paris 1923, S. 66–70. – Hans: Tarlach: V. W. und seine Dichtung. Ein Beitr. zur Erforschung des 15. Jh. Diss. Greifswald 1933. – Heinz Mundschau: Sprecher als Tr¨ager der ‹tradition vivante› in der Gattung ‹M¨are› (GAG 63). G¨oppingen 1972, S. 58. – Hellmut Thomke: ‹Der se der ward von bl˚ute rot›. Die Burgunderkriege im Spiegel der Dichtung. In: Berner Zs. f¨ur Gesch. 910
2. H¨alfte 15. Jh. und Heimatkunde 38 (1975) S. 1–40, hier S. 4 f. – ¨ Cramer 3 (1982) S. 578–583. – F. Schanze: Uberlieferungsformen politischer Dichtung im 15. und 16. Jh. In: Schriftlichkeit und Lebenspraxis im MA. Erfassen, Bewahren, Ver¨andern (MMS 76). Hg. v. Hagen Keller u. a. Mu¨ nchen 1999, S. 299–332, bes. S. 316–318. – Karina Kellermann: Abschied ¨ vom ‹hist. Volkslied›. Stud. zu Funktion, Asthetik und Publizit¨at der Gattung hist.-politische Ereignisdichtung (Hermaea NF 90). T¨ubingen 2000, S. 308 f., Reg. – Regula Schmid: Gesch. im Dienst der Stadt. Amtliche Historie und Politik im Sp¨atMA. Z¨urich 2009, Reg. VZ Viol, Hans (auch: Vigil, Vigel, Vyel, Vygil). Bekannt d¨urfte V. gerade wegen seiner Schlachtenlieder sein. Vermutlich war er ein fahrender Lieder- und Redendichter aus Luzern («zu Lucern in der stat es am allerersten erklang»), wie das Lied zur Giorcono-Schlacht (28.12.1478) vermuten l¨asst (Gabenbitte: «er spricht, er wer menger gern rich / und lepte andern l¨uten glich»). Ein weiterer Hinweis auf seine fahrende S¨angert¨atigkeit findet sich in den Solothurner S¨ackelmeisterrechnungen: Es wurde 1489 ein «Hans Vigel» f¨ur ein Lied (nicht erhalten) u¨ ber den Solothurner Stadtpatron (Heiliger Ursus) entlohnt. Anscheinend war er blind (unter Rubrik «Blinde») und trug das dort mit Frau, Tochter und Schwiegersohn vor. Sowohl die Schlacht bei Murten (22.6.1476) als auch bei Giornico (28.12.1478) waren f¨ur V. Anlass ¨ zur Dichtung. Uber die Schlacht bei Murten berichteten u. a. auch Lieder von Veit → Weber und Mathis → Zollner. V. bedient sich beide Male der Tiersymbolik, wenn die «schlang von Mailand» gegen die Urner auszieht, oder die Burgunder «dem baeren in sin land» entgegenschreiten: Ein u¨ bliches Stilmittel bei sp¨atma. Schlachtenliedern, das sich hier direkt auf die Feldzeichen von Truppen der Gegner bzw. der Eigdenossenschaft bezieht (vgl. Meyer, S. 216 f.). In einer u¨ berlieferten Rede schildert V., wie er als Fahrender auf Frau Ehre trifft und ihr L¨ander aufz¨ahlt, in der noch Treue, Wahrheit, Gerechtigkeit und weitere Tugenden einen hohen Stellenwert besitzen; bei ihm sind das alles L¨ander der Eidgenossenschaft, von denen er anschließend Wappen und Orte in der u¨ blichen Rangfolge (von a¨lteren zu j¨ungeren Mitgliedern) beschreibt, um mit einem Lob der Eidgenossenschaft zu schließen. ¨ Uberlieferung: Lied u¨ ber die Schlacht bei Murten: Luzern, Zentral- und Hochschulbibl., BB Ms. 911
Viol 382.4°, S. 98–103 (Pap., 1532, Nachtr¨age bis 1536, Z¨urich; Werner Steiners ‹Liederchron.›). – Z¨urich, ZB, Cod. A 158, 55r–59v (nach 1536; Schreiber: Johann Stumpf). – Abschriften finden sich in: Bern, Burgerbibl., Mss. h.h. V.57 und V.79. – Lied u¨ ber die Schlacht bei Giornico: Luzern, Zentral- und Hochschulbibl., BB Ms. 382.4°, S. 123–128. – Z¨urich, ZB, Cod. A 158, 70v–74r. – Ebd., Ms. A 15, Zusatzbl. zu S. 268 (Heinrich Bullingers eidgen¨ossische Chron.; mehrere Str. fehlen). – Rede u¨ ber die ¨ Wappen der Eidgenossenschaft: Wien, ONB, Cod. r r 2981, 1 –7 (Pap., um 1534, schw¨abisch; Druckabschrift durch Simprecht Kr¨oll). – Z¨urich, ZB, Graphische Slg., PAS II 25/5 (Einblattdruck mit Wappenbildern). Ausgaben: Liliencron 2 (1866) S. 96–99 (Nr. 143), 146–149 (Nr. 154). – Cramer 3 (1982) S. 360–365. – Ludwig Tobler (Hg.): Schweizerische Volkslieder (Bibl. a¨ lterer Schriftwerke der dt. Schweiz 4 und 5). 2 Bde. Frauenfeld 1882–84, Bd. 2, S. 61–66, 70–74 (Teilabdruck). Literatur: [Gerold] Meyer von Knonau, ADB 40 (1896) S. 8f. – Liliencron 2 (1866) S. 89–91, 146 f. – HBLS 7 (1934) S.271. – Cramer 3 (1982) S. 576. – Frieder Schanze, VL2 10 ¨ (1999) Sp. 369–372. – Alois L¨utolf: Uber Lucerns Schlachtlieder-Dichter im 15. Jh. In: Der Geschichtsfreund 18 (1862) S. 183–204, 271–276. – Gerold Meyer von Knonau: Die schweizerischen hist. Volkslieder des 15. Jh. Zu¨ rich 1870. – Hans Morgenthaler: Kulturgeschichtliche Notizen aus den solothurnischen Seckelmeisterrechnungen des 15. Jh. In: Anz. f¨ur schweizerische Altertumskunde, NF 21 (1919) S. 57–60, 250–255. – Paul Leemannvan Elck: Ein unbekannter Z¨urcher Einblattdruck. In: Der Schweizer Sammler und Familienforscher 8 (1934) S. 129–130. – Edward G. Gudde: The Swiss Struggle for Independence in Popular Poetry. In: The Journal of English and Germanic Philology 34 (1935) S. 530–552. – Heinz Mundschau: Sprecher als Tr¨ager der ‹tradition vivante› in der Gattung ‹M¨are› (GAG 63). G¨oppingen 1972, S. 56. – Basler Buchillustration 1500–1545 (Oberrheinische Buchillustration 2). Bearb. v. Frank Hieronymus. Basel 1984. – Werner Meyer: Der stier von Ure treib ein grob gesang. Fahnen und andere Feldzeichen in der sp¨atma. Eidgenossenschaft. In: Information, Kommunikation und Selbstdarstellung in ma. Gemeinden (Schr. des Hist. Kollegs 40). Hg. v. Elisabeth M¨uller-L¨uckner/Alfred Haverkamp. Mu¨ nchen 1998. S. 201–230. FA 912
Nachtigall Bogner, Hans (auch Pogner, Pogener; manchmal auch mit dem Vornamen Veit). – N¨urnberger Meistersinger. B. wird als Meistersinger zuerst im Dichterkatalog des Konrad → Nachtigall erw¨ahnt, um 1558 dann in einer Handschrift des Magdeburger Meistersingers Valentin Voigt. Hans Sachs nennt B. hingegen nicht, obwohl B. ebenfalls N¨urnberger gewesen sein d¨urfte. Ein H. B. erhielt 1441 das B¨urgerrecht der Stadt N¨urnberg und war vielleicht mit dem Meistersinger identisch. Er d¨urfte wohl vor 1484/85 gestorben sein. Dichterische Werke B.s sind nicht bekannt, allerdings gilt er im 16. und 17. Jh. als Autor eines Tons. Diese sog. Steigweise umfasst 19 Reime mit einem dritten Stollen und einer Wiederholung des Stegs. Die Tonbezeichnung d¨urfte sich aus dem gleichm¨aßigen Ansteigen der Melodie in den ersten beiden Verszeilen ableiten, auf das wiederum ein stetiges Abfallen folgt. B.s Ton wirkte wahrscheinlich u. a. auf → Der Bauer als Pfr¨undner. Die sp¨atere Rezeption wertete B. in seiner Bedeutung auf. Seit dem 17. Jh. wurde er mit dem Vornamen Veit zu den Zw¨olf N¨urnberger Meistern gez¨ahlt, so im Wagenseil-Katalog von 1697. Aus diesem Katalog entwickelte Richard Wagner dann die Figur des Goldschmieds Veit Pogner in der Oper Die Meistersinger von N¨urnberg (1868). Wagners B. hat jedoch nichts mehr mit dem historischen B. gemein. ¨ Uberlieferung: Ma. Erw¨ahnungen B.s: Berlin, SBB, Mgq 410, 301v. – Jena, UB, El. fol. 100, [Vorrede] (1558). – Sp¨atere Erw¨ahnungen B.s im 17. Jh. bei Brunner 1978 (s. Lit.). – Zur Melodieu¨ berl. vgl. Staiger 1914 (s. Lit.). Ausgaben: Neuere Ausg. der Erw¨ahnung B.s bei Nachtigall: Cramer 2 (1979) S. 388. – Brunner 1989 (s. Lit.) S. 18. Literatur: Horst Brunner, VL2 1 (1978) Sp. 928 f. – Robert Staiger: Benedict v. Watt. Ein Beitr. zur Kenntnis des b¨urgerlichen Meistergesangs um die Wende des 16. Jh. Leipzig 1914 (Neudr. ebd. 1973) S. 82 f. – Clair H. Bell: Georg Hager. A Meistersinger of Nuernberg, 1552–1634. Berkeley u. a. 1947, Bd. 3, S. 596; Bd. 4, S. 1458. – Irene Stahl: Die Meistersinger zu N¨urnberg. Archivalische Stud. N¨urnberg 1982. – Frieder Schanze: Meisterliche Liedkunst zwischen Heinrich v. M¨ugeln und Hans Sachs 1 (MTU 82). Mu¨ nchen u. a. 1983, S. 275, 379, 382. – H. Brunner: Dichter ohne Werk. Zu einer u¨ berlieferungsbedingten Grenze ma. Literaturgesch. (mit einem 913
2. H¨alfte 15. Jh. Textanh.: Die Dichterkat. des Konrad Nachtigall, ¨ des Valentin Voigt und des Hans Folz). In: Uberlieferungsgeschichtliche Editionen und Stud. zur dt. Lit. des MA. Kurt Ruh zum 75. Geburtstag. Hg. v. Konrad Kunze u. a. T¨ubingen 1989, S. 1–31 (wieder in: H. Brunner: Ann¨aherungen. Stud. zur dt. Lit. des MA und der Fr¨uhen Neuzeit. Berlin 2008, S. 291–303). MM Hauser, Johann → Band 2, Sp. 1516–1519. Nachtigall, Konrad (Kunz) (auch: Nachtigal), * um 1410/15, † zwischen 15.12.1484 und 23.2.1485 N¨urnberg. – N¨urnberger Meistersinger. N. war wie sein Vater Michel → Nachtigall B¨ackermeister (seit 1436) in N¨urnberg. Zudem ist er 1438 und 1440 in Losungslisten, 1443 und 1447 im Salzb¨uchlein und 1449 in den N¨urnberger Ratsverl¨assen bezeugt. N. lebte im Haus in der Judengasse, das sein Vater 1415 erworben und ihm vererbte hatte. Wegen seines Erfolgs gerade als Tonerfinder z¨ahlte ihn Hans Sachs 1527 zu den zw¨olf alten N¨urnberger Meistern. Inzwischen gilt N. nach Hans → Folz als der bedeutendste N¨urnberger Meistersinger im 15. Jh. 13 T¨one sind mit seinem Namen verbunden, wovon vier aber erst ¨ aus nachreformatorischer Uberlieferung bekannt sind. Außer dem «Goldenen Ton» zeichnen sie sich durch klar gegliederten, wenig originellen Bau aus. Sie erfreuten sich alle a¨ ußerst großer Beliebtheit; allein Hans Sachs dichtete u¨ ber 200 Lieder in ihnen. So h¨aufig die T¨one von N. u¨ berliefert sein m¨ogen, so wenig weiß man u¨ ber des Dichters Texte, die er fraglos dazu verfasst haben d¨urfte. Da es u¨ blich war, als Meistersinger die eigenen T¨one f¨ur mehrere Lieder zu verwenden und zus¨atzlich T¨one fremder Meister mit eigenen Texten zu versehen, kann das umfangreiche Werk dieses produktiven Dichters nur erahnt werden. Sein bekanntestes Werk ist der nach 1459 und vor 1482 entstandene Dichterkatalog (in seinem «Leidton», vgl. Berlin, SBB, 426v–428r), in dem er 80 Namen verstorbener Sangspruch- und Meisterlieddichter des 12. und 15. Jh. aufz¨ahlt (an 81. Stelle nennt er sich selbst). Dieser Katalog erleichterte bisweilen die Zuweisung von Dichtern zu ihren Werken; manche Namen sind bisher nur dank seiner erhalten (von Folz liegt ein a¨ hnlicher Katalog vor). Es gibt zwei leicht unterschiedliche Fassungen des Katalogs von N., von der die a¨ ltere (Berlin, SBB, Mgq 914
2. H¨alfte 15. Jh. 414, 426v–428r) besser erhalten ist. Die j¨ungere Fassung (Berlin, SBB, Mgq 410, 300r–303r) wurde als Vorlage f¨ur eine Prosaaufl¨osung in der Vorrede des Magdeburger Meistersingers Valentin Voigt (Jena, UB, Ms. El. f. 100, 1r–2v) verwendet. Zwei weitere Lieder k¨onnen N. relativ sicher zugeschrieben werden. Eines ist ein Weihnachtslied, in dem Maria u¨ ber alle reine Frauen gestellt wird; ihre Tugend u¨ bertreffe jede Kreatur. Das andere Lied huldigt Maria ausschweifend u¨ ber mehrere Zeitalter hinweg, von David bis Salomo. Unter den anonymen Werken – mehr als 20 sind u¨ berliefert – d¨urften bestimmt noch mehr dem N¨urnberger Meistersinger geh¨oren, gerade weil die Mehrzahl dem Lob der Maria verpflichtet sind – ein Thema, das scheinbar zentralen Stellenwert in seinem Schaffen besaß. Es mag also kaum verwundern, wenn ein anonymes Lied f¨ur die Seele von N. bei Maria betet: «hab unss in hut und cunrat nachtigal, von dem dein lob ist im gesang erclungen». ¨ Uberlieferung: Lieder: Berlin, SBB, Mgq 410/3, 300r–303r. – Ebd., Mgq 414, 414r–416r (Pap., 1517/18). – Ebd., 426v–428r. – Ebd., 433v–434r. – Anonyme Lieder im Abendton: Berlin, SBB, Mgq 414, 340v–341r. – Ebd., 420v–421r (k¨onnte von N. sein, ist aber → Liebe von Giengen zugeschrieben). – Anonyme Lieder im Geschiedenen Ton: Berlin, SBB, Mgq 414, 343rv. – Ebd., 429rv. – Anonyme Lieder im Goldenen Ton: Berlin, SBB, Mgq 414, 397r–398r. – Ebd., 421r–422r. – Ebd., 422r–423r. – Ebd., 423r–424v. – Anonymes Lied im Kurzen Ton: Berlin, SBB, Mgq 414, 341rv. – Anonyme Lieder im Leidton: Berlin, SBB, Mgq 414, 339v–340r. – Ebd., 430r–431r. – Ebd., 431r–432r. – Anonyme Lieder im Sanften Ton: Mu¨ nchen, BSB, Cgm 4997, 792r–793v (Pap., um 1460, vielleicht doch von N.?). – Berlin, SBB, Mgq 414, 341r–342v (eventuell von N.). – Heidelberg, UB, Cqg 680, 60v–61v (von 1532/33). – N¨urnberg, Druck Nr. 139, Adam Dyon 1509. – N¨urnberg, StB, Cod. Will III, 782, S. 300–303 (zwar mit Autorensignatur, aber offensichtlich fiktiv). – Ebd., S. 988–992. – Anonyme Lieder im Starken Ton: Berlin, SBB, Mqg 414, 391r–392v. – Ebd., 428r–429r. – Anonymes Lied im Unbenannten Ton: Berlin, SBB, Mqg 414, 447r. – Melodien: Dresden, LB, Mscr. M 6, 462v. – M¨unchen, BSB, Cgm 4997, 792r. – Zur Melodie¨uberl. vgl. Robert Staiger: Benedict von Watt. Ein Beitr. zur Kenntnis des b¨urgerlichen Meister915
Nachtigall gesangs um die Wende des 16. Jh. Leipzig 1914, S. 94 f. Ausgaben: Philipp Wackernagel: Das dt. Kirchenlied von der a¨ ltesten Zeit bis zu Anfang des XVII. Jh. Bd. 2. Leipzig 1867 (Nachdr. Hilfesheim u. a. 1990), S. 1079 (Nr. 1311). – Das Singebuch des Adam Puschmann. Nebst den Originalmelodien des M. Behaim und Hans Sachs. Hg. v. Georg M¨unzer. Leipzig 1906. – Cramer 2 (1979) S. 376–395; 4 (1985) S. 182–231. – Brunner/Rettelbach (s. Lit.) S. 32 f. Literatur: Karl Bartsch, ADB 23 (1886) S. 200. – Klaus Kramer, MGG 16 (1979) Sp. 1353 f. – Horst Brunner VL2 6 (1987) Sp. 845–848. – RSM 4 (1988) S. 437–448; 5 (1991) S. 655. – Frieder Schanze, MarLex 4 (1992) S. 576 f. – De Boor/Newald 4/1 (21994) S. 231. – F. Schanze, NDB 18 (1997) S.684. – Ders., Killy2 8 (2010) S. 485. – Wolfgang Stammler: Die Wurzeln des Meistergesangs. In: DVjs 1 (1923) S. 529–556. – Horst Oppenheim: Naturschilderung und Naturgef¨uhl bei den fr¨uhen Meistersingern (Form und Geist 22). Leipzig 1931. – Frances H. Ellis: Analysis of the Berlin MS Germ. Quart. 414. In: Publ. of the Modern Language Association 61 (1946) S. 947–996. – Bert Nagel: Meistersang. Stuttgart 1962. – Gerhard Pfeiffer: N¨urnberg. Gesch. einer europ¨aischen Stadt. M¨unchen 1971, S. 205. – Eva Schumann: Stilwandel und Gestaltver¨anderung im Meistersang. Vergleichende Unters. zur Musik der Meistersinger (G¨ottinger musikwissenschaftliche Arbeiten 3). Kassel 1972, Reg. – K. Kramer: K. N. Ein N¨urnberger Meistersinger des 15. Jh. Erlangen/N¨urnberg 1974. – H. Brunner: Die al¨ ten Meister. Stud. zu Uberl. und Rezeption der mhd. Sangspruchdichter im Sp¨atMA und in der fr¨uhen Neuzeit (MTU 54). M¨unchen 1975. – Die T¨one der Meistersinger. Hg. v. H. Brunner/Johannes Rettelbach (Litterae 47). G¨oppingen 1980, S. 50. – Irene Stahl: Die Meistersinger von N¨urnberg. Archivalische Stud. (N¨urnberger Werkst¨ucke zur Stadt- und Landesgesch. 33). N¨urnberg 1982, S. 242 f. – Ders./Martin Schieber (Hg.): Die N¨urnberger Ratsverl¨asse. 1449–1450. Bd. 1. Neustadt 1983, S. 210 f. – F. Schanze: Meisterliche Liedkunst zwischen Heinrich von Mu¨ geln und Hans Sachs (MTU 82/83). 2 Bde. Mu¨ nchen 1983/84. – Eva Klesatschke: Lienhard Nunnenbeck. Die Meisterlieder und der Spruch. Edition und Unters. (GAG 363). G¨oppingen 1984, Reg. – J. Rettelbach: Zu dem N¨urnberger Meistersinger Fritz Zorn. In: 916
Donaueschinger Liederhandschrift ZfdA 114 (1985) S. 255–260. – H. Brunner: Dichter ohne Werk. Zu einer u¨ berlieferungsbedingten Grenze ma. Literaturgesch. (Mit einem Textanhang: Die Dichterkat. des Konrad Nachtigall, des ¨ Valentin Voigt und des Hans Folz). In: Uberlieferungsgeschichtliche Editionen und Stud. zur dt. Lit. des MA. FS Kurt Ruh (TTG 31). Hg. v. Konrad Kunze u. a. T¨ubingen 1989, S. 1–31 (wieder in: H. Brunner: Ann¨aherungen. Stud. zur dt. Lit. des MA und der Fr¨uhen Neuzeit [Phil.Stud.u.Qu. 210]. Berlin 2008, S. 291–303). – J. Rettelbach: Variation – Derivation – Imitation. Unters. zu den T¨onen der Sangspruchdichter und Meistersinger (Fr¨uhe Neuzeit 14). T¨ubingen 1993. FA Schneider, Kunz. Ein Meisterlied des N¨urnbergers Hans → Folz erw¨ahnt S. lobend in einer Reihe von zeitgen¨ossischen Meistersingern (M¨unchen, BSB, Cgm 6353, 37v–40v). In Gelehrsamkeit («pas gelart») aber u¨ bertreffe ihn ein → Hans von Landshut, der ein Badestubenbetreiber gewesen sein k¨onnte. Sie st¨unden alle in einer Tradition von Dichtern wie → Frauenlob, dem → Mo¨ nch von Salzburg und «etlich mer». Zeitlich m¨usste das Lied deutlich nach 1482 entstanden sein, vielleicht ein Grund, weshalb S. nicht bei Konrad → Nachtigall vorkommt. Doch es ist weder u¨ ber das Werk von S. noch u¨ ber sein Leben irgendetwas bekannt. So bleibt auch die These zu seiner Identit¨at, dass er einem Schneider (→ Der von Gostenhof) entspreche, der u. a. in der Schulkunst von Hans Sachs 1527 genannt wird, weiterhin diskutierbar (vgl. Schanze und Brunner 2011). Literatur: RSM 3 (1986) S. 284. – Horst Brunner, VL2 8 (1992) Sp. 797. – Frieder Schanze: Meisterliche Liedkunst zwischen Heinrich von Mu¨ geln und Hans Sachs (MTU 82/83). 2 Bde. M¨unchen 1983/84, Bd. 1, S. 378. – Johannes Rettelbach: Zu dem N¨urnberger Meistersinger Fritz Zorn. In: ZfdA 114 (1985) S. 254–260, hier S. 257 f. – H. Brunner: Die Reichsstadt als Raum der Lit. Skizze einer Literaturgesch. N¨urnbergs im MA. In: Projektion – Reflexion – Ferne. R¨aumliche Vorstellungen und Denkfiguren im MA. Hg. v. Uta Str¨omer-Caysa/Sonja Glauch u. a. Berlin 2011, S. 225–238, hier S. 234. FA Glogauer Liederbuch → Band 2, Sp. 1471 f. 917
2. H¨alfte 15. Jh. Donaueschinger Liederhandschrift. – Meisterliedsammlung, sp¨ates 15. Jh. Die Liedcorpus der D. L. vereint 21 T¨one mit Melodieaufzeichnung in gotischer Choralnotenschrift, denen insgesamt 39 Bare zugeordnet sind. Die Sammlung ist dreigeteilt. Der erste Teil enth¨alt anonyme Lieder in f¨unf T¨onen von f¨unf unterschiedlichen, mit Ausnahme des → Kanzlers j¨ungeren Meistern («Goldener Ton» des Kanzlers [RSM: 1Kanzl/2], «Unerkannter Ton» → Nestlers von Speyer [1Nestl], «Barantton» → Peters von Sachsen zusammen mit der lat. Kontrafaktur O Maria pia des → Mo¨ nchs von Salzburg [1PeterS, 1M¨onch/10], «Goldener Reihen» Albert → Leschs [1Lesch/2], «Langer Ton» [«Chorweise»] des Mo¨ nchs von Salzburg [1Mo¨ nch/5]). Der zweite Teil bietet zwei kleine parallel gestaltete Autorenœuvres von → Reinmar von Zweter und → Frauenlob zu je drei Baren. Als Dichtungen Reinmars werden Bare in dessen «FrauEhren-Ton» [ReiZw/1] und in der «Gesangsweise» des → R¨omers [1R¨omer/1] ausgewiesen, wobei die Dichternamen «R¨omer»/«Remer» und «Reinmar» etwas durcheinander geraten zu sein scheinen: Das erste Bar ist mit «Der R¨emer von zwetel Fr¨owen ton», das zweite mit «In R¨emers sang wis von zwetel» u¨ berschrieben. Das erste Lied auf S. 225 f. (im «Frau-Ehrenton») ist zudem offensichtlich ein Nachtrag und ohne Melodienotation; die Melodie ist erst auf S. 233 verzeichnet und die S. 227 als urspr¨ungliche Corpuser¨offnungsseite noch erkennbar. Demnach hat dieser Abschnitt urspr¨unglich mit der Salve-Regina-Paraphrase in R¨omers «Gesangsweise» auf S. 227 begonnen. Diese ist das einzige Lied in der D. L., das nicht auch in der → Kolmarer Liederhandschrift (k, um 1460) steht. Die drei weiteren Bare des zweiten Teils sind ¨ in den Frauenlob-T¨onen «Uberzarter Ton» und «Gekr¨onter Reihen» (1Frau/31 und 16) abgefasst. Der dritte und umfangreichste Teil der Sammlung ist Frauenlob allein gewidmet und umfasst mehrere Lagen der Handschrift. Es handelt sich um einen als Mustersammlung angelegten Auszug aus k von 27 Liedern in T¨onen, die s¨amtlich Frauenlob zugeschrieben werden. In Analogie zur Zw¨olfzahl der Alten Sangspruchmeister werden zw¨olf T¨one dargeboten, wobei sich die einzelnen Bare sehr unregelm¨aßig auf die einzelne T¨one verteilen: So sind zw¨olf Bare im «Zarten Ton» (1Frau/5) aufgenommen, aber nur je eins in folgenden T¨onen: «Goldener Ton» (1Frau/9), «Tannton» 918
2. H¨alfte 15. Jh. (1Frau/29), «Froschweise» (1Frau/14), «Gekr¨onter Ton» (1Frau/12), «Hundweise» (= → Kelin Ton III, 1Kel/3), «Gr¨uner Ton» (1Frau/4), «Ritterweise» (1Frau/23) und «Leidton» (1Frau/21); mit zwei bzw. drei Baren sind der «Lange» (1Frau/2), der «Verhohlene» (= Fritz → Kettner «Osterweise», 1Ketn/1) und der «Neue Ton» (1Frau/8) vertreten. Die Teile 1 und 2 der Sammlung haben eine nahezu ausschließliche inhaltliche Schwerpunktsetzung auf das Marienlied (was mit der These einer Herkunft des Codex aus einem Nonnenkloster ¨ korrespondiert, s. Uberlieferung). Der zweite Teil stellt sich dabei als Marienlied-Sammlung zweier ausgew¨ahlter Meister dar, wenn auch die Zuschreibungen der Liedtexte an Reinmar und Frauenlob falsch sein d¨urften. Auch der dritte, Frauenlob vorbehaltene Teil bietet kein authentisches Textautorencorpus. Inhaltlich u¨ berwiegt zwar auch hier die geistliche Thematik, aber ohne den mariologischen Schwerpunkt. Außerdem sind zus¨atzlich Lieder enthalten, die dezidiert meisterliche Themen behandeln (Sangeskunst, Singschulen). Da nur dieser dritte Teil als k-Exzerpt die Komarer Liederhandschrift unmittelbar zur Vorlage hatte, ist die Einsch¨atzung der gesamten D. L. als Schwesterhandschrift oder bloßen Teilabschrift von k, die bis zur zweiten H¨alfte des 20. Jh. in der Forschung vorherrschte, f¨ur die Gesamtheit der Sammlung unberechtigt, wenngleich nat¨urlich k und die anderen Teile der D. L. auf miteinander verwandten Vorlagen fußen d¨urften. ¨ Uberlieferung: Karlsruhe, LB, Cod. Donaueschingen 120, S. 205–321; Tl. 1: 205–224 (1 Lage), Tl. 2: 225–248 (1 Lage), Tl. 3: 249–321 (4 Lagen) (Pap., Liedteil um 1484–90, Prosatexte nach 1478, alemannisch, vielleicht geschrieben im Zisterzienserinnenkloster Wonnental [Breisgau]). Vor der Liedslg. steht auf S. 5–116 eine Teil¨ubersetzung des Compendium theologicae veritatis des → Hugo Ripelin von Straßburg (su¨ drheinfr¨ankische Fassung) und auf S. 117–204 der Traktat → Bew¨ahrung, dass die Juden irren (oft tradiert als Buch 1 von → Der Seelen Wurzgarten). Die Meisterliedsammlung ist genreuntypisch mit Initial- und Figurenschmuck der oberrheinischen Tradition reich ausgestattet. Die Hs. wurde von zwei H¨anden geschrieben, wobei die zweite Hand nur am Liedteil mitwirkte (14 Strophen und das Gros der Notenaufzeichnung). Vgl. auch http://www.handschriftencensus.de (online). 919
Donaueschinger Liederhandschrift Ausgaben: Ein von der Badischen LB Karlsruhe angefertigtes Digitalisat der Hs. ist online verf¨ugbar (http://digital.blb-karlsruhe.de/id/ 103604). – (Teil-)Ausg. (in der Regel nach k mit Ber¨ucksichtigung der D. L.): Paul Runge: Die Sangesweisen der Colmarer Hs. und die Liederhs. Donaueschingen. Leipzig 1896 (Nachdr. Hildesheim 1965) Nr. 2 f., 10, 20 f., 23–29, 32–34, 39, 40–52, 68, 78–79, 132 (mit Melodien). – Roethe (s. Lit.) S. 290–296. – Leonard Koester: Albrecht Lesch. Ein Mu¨ nchner Meistersinger des 15. Jh. Diss. M¨unchen (Birkeneck) 1933, XII, S. 135–137. – Eva Kiepe: Gedichte 1300–1500 (Epochen der dt. Lyrik 2). M¨unchen 1972 (Nachdr. 2001 [hg. v. Eva Willms] u. d. T.: Dt. Lyrik v. den Anf¨angen bis zur Gegenwart 2) S. 180–187. – Spechtler (s. Lit.) S. 167–168, 268–275. – Walter ¨ R¨oll: Vom Hof zur Singschule. Uberl. und Rezeption eines Tones im 14.–17. Jh. (Germ. Bibl. Reihe 3). Heidelberg 1976, 30 f., 55 f. (mit Melodie). – Jens Haustein/Karl Stackmann: Sangspr¨uche in T¨onen Frauenlobs. Supplement zur G¨ottinger Frauenlob-Ausg. Bd. 1: Einleitungen, Texte; Bd. 2: Apparate, Erl¨auterungen, Anh¨ange, Reg. (Abh. der Akad. der Wiss. in G¨ottingen, phil.-hist. Klasse 3,232). G¨ottingen 2000, Nr. V, 221, 233; VIII, 201, 206, 208, 210–214, 217–220; XI, 209b, 210 f.; XII, 206 (vgl. Bd. 1, S. 20 f.). – Melodieausgaben: Ewald Jammers: Ausgew¨ahlte Melodien ¨ des Minnesangs. Einf., Erl¨auterungen und Ubertragung (ATB Erg¨anzungsreihe 1). T¨ubingen 1963, Nr. 45. – Eva Schumann: Stilwandel und Gestaltver¨anderung im Meistersang. Vergleichende Unters. zur Musik der Meistersinger (G¨ottinger musikwissenschaftliche Arbeiten 3). Kassel 1972 [recte 1973], Notenteil 3–8, 10, 15, 18. – Brunner (s. Lit.) Melodietafel 2. Literatur: Georg Steer, VL2 2 (1980) Sp. 196–199. – RSM 1 (1994) S. 112. – Lorenz Welker, MGG2 Sachteil 2 (1995) Sp. 1345–1348. – Karl August Barack: Die Hss. der F¨urstlich-F¨urstenbergischen Hofbibl. zu Donaueschingen. Tu¨ bingen 1865 (Nachdr. Hildesheim/New York 1974) S. 123 f. – Gustav Roethe: Die Gedichte Reinmars v. Zweter. Leipzig 1887 (Nachdr. Amsterdam 1967) S. 154–156, 159–163. – Johannes Maier: Stud. zur Gesch. der Marienantiphon ‹Salve regina›. Regensburg 1939, S. 53 f. – Helmuth Tho¨ mas: Unters. zur Uberl. der Spruchdichtung Frauenlobs (Palaestra 217). Leipzig 1939, S. 139 u. o¨ . – Rudolf Genseke: Die Kolmarer Hs. und ihre Be920
Grim deutung f¨ur den dt. Meistergesang. Diss. Tu¨ bingen 1955. – Burkhard Kippenberg: Der Rhythmus im Minnesang. Eine Kritik der literar- und musik¨ hist. Forsch. mit einer Ubersicht u¨ ber die musikalischen Quellen (MTU 3). M¨unchen 1962. – Gesine Freistadt: Zur Abh¨angigkeit der Liederhss. Kolmar und Donaueschingen. Diss. G¨ottingen 1967. – Franz Viktor Spechtler: Die geistlichen Lieder des Mo¨ nchs von Salzburg (Quellen und Forschungen zur Sprach- und Kulturgesch. der germ. V¨olker 51, NF 175). Berlin/New York 1972, S. 65–67. – G. Steer: Zur Entstehung und Herkunft der Donaueschinger Hs. 120 (‹D. L.›). In: Wu¨ rzburger Prosastud. 2. Unters. zur Lit. und Sprache des MA. FS Kurt Ruh (Medium Aevum 31). Hg. v. Peter Kesting. Mu¨ nchen 1975, S. 193–210. – Horst ¨ Brunner: Die alten Meister. Stud. zur Uberl. und Rezeption der mhd. Sangspruchdichter (MTU 54). M¨unchen 1975, S. 70, 177–187. – Bruno St¨ablein: Schriftbild der einstimmigen Musik (Musikgesch. in Bildern 3 / Musik des MA und der Renaissance 4). Leipzig 1975, S. 196, 200 f., Abb. 70a–c. – G. Steer: Hugo Ripelin v. Straßburg. Zur Rezeption und Wirkungsgesch. des ‹Compendium theologicae veritatis› im dt. Sp¨atMA (TTG 2). T¨ubingen 1981, S. 284–286. – Frieder Schanze: Meisterliche Liedkunst zwischen Heinrich v. Mu¨ geln und Hans Sachs. Bd. 2: Verzeichnisse (MTU 83). M¨unchen 1984, S. 119–122, 162 f. – Armin Schlechter: D. L. In: ‹Unberechenbare Zinsen›. Bewahrtes Kulturerbe. Kat. zur Ausstellung der vom Land BadenW¨urttemberg erworbenen Hss. der F¨urstl. F¨urstenbergischen Hofbibl. Hg. v. Felix Heinzer. Stuttgart 1993, S. 106 f. (Nr. 27). – Michael Baldzuhn: Vom Sangspruch zum Meisterlied. Unters. zu einem literarischen Traditionszusammenhang auf der Grundlage der Kolmarer Liederhs. (MTU 120). T¨ubingen 2002, Reg. (unter Karlsruhe, Badische LB). – Linda Maria Koldau: Frauen – Musik – Kultur. Ein Hb. zum dt. Sprachgebiet der Fr¨uhen Neuzeit. K¨oln u. a. 2005, S. 732–736. – Kat. der deutschsprachigen illustrierten Hss. des MA. Begonnen v. Hella Fr¨uhmorgen-Voss, fortgef¨uhrt v. Norbert H. Ott zusammen mit Ulrike Bodemann. Bd. 4,1. Mu¨ nchen 2008, S. 7–10 (Nr. 27.0.3) und Abb. 3–4. VZ Moser, Augustin, † vor 1527. – N¨urnberger Meistersinger. M. lebte nachweislich seit 1486 in N¨urnberg, wo er 1487 als Schlossermeister bezeugt ist. Er wird in 921
2. H¨alfte 15. Jh. mehreren Dichterkatalogen zu den Zw¨olf Meistern gez¨ahlt und d¨urfte auch hinter dem Namen Augustinus → Hayweger stehen, der als Autor eines Meisterliedes u¨ ber Christi Geburt (SBB Berlin, ¨ s. Uberl.) in einer Handschrift von Hans Sachs genannt ist: «Ein klein unte par kindelein, in d¨uchelen gew¨unden, gelegt in ein kripe klein». Hayweger kann als Amtsbezeichnung (Heuw¨ager) verstanden werden, diese T¨atigkeit ist seit 1490 im N¨urnber¨ ger Amterb¨ uchlein genannt. Vermutlich geh¨ort er zu den Autoren, die nur in bereits vorhandenen T¨onen dichteten. ¨ Uberlieferung: Berlin, SBB, Mgq 414, 445r–446r (Pap., 1517/18). Breslau, UB, 400588, 310v–312r. – Weimar, Herzogin Anna Amalia Bibl., ¨ Cod. 12635, Q 571, 274r–275v. – Wien, ONB, 233r. Ausgabe: Cramer 1 (1977) S. 362–364, 475. Literatur: RSM 4 (1988) S. 40; 9 (1986) S. 58. – Dieter Merzbacher, VL2 6 (1987) Sp. 704 f. – Erich Strasser: Volkskultur vor der Reformation. In: N¨urnberg. Gesch. einer europ¨aischen Stadt. Hg. v. Gerhard Pfeiffer. Mu¨ nchen 1971, S. 199–207. – Irene Stahl: Die Meistersinger von N¨urnberg. Archivalische Stud. (N¨urnberger Werkst¨ucke zur Stadt- und Landesgesch. 33). N¨urnberg 1982, S. 237. – Frieder Schanze: Meisterliche Liedkunst zwischen Heinrich von Mu¨ geln und Hans Sachs (MTU 82/83). 2 Bde. M¨unchen 1983/84, Bd. 1, S. 377–380; Bd. 2, S. 299. FA Grim, Merten. – N¨urnberger Meisters¨anger, um 1500. Der Name G.s erscheint ausschließlich in Hans Sachsens Schulkunst von 1527 (RSM: 2S/187), in der die zw¨olf bekanntesten Vertretern des fr¨uhen N¨urnberger Meistergesangs angef¨uhrt werden. G. findet sich an sechster Stelle: «Merten Grim, der sechst, schrib vil bar» (zitiert nach Nagel [s. Lit.]). Vermutlich ist der S¨anger identisch mit einem 1489/90 bezeugten gleichnamigen Hausbesitzer. Vielleicht weil G. keine eigenen T¨one erfand, die seinen Namen weiter tradiert h¨atten, geriet er bald in Vergessenheit und erscheint in sp¨ateren Zw¨olferListen nicht mehr. Von den bei Sachs erw¨ahnten vielen Baren sind keine u¨ berliefert, wobei allerdings eine Identit¨at mit → Grimon, von dem die Meisterliedersammlung des Hans Sachs von 1517/18 (Berlin, SBB, Mgq 414) ein Lied tradiert, nicht auszuschließen ist. Literatur: Horst Brunner, VL2 3 (1981) Sp. 259. – Bert Nagel: Meistersang. Meisterlieder 922
2. H¨alfte 15. Jh. und Singschulzeugnisse. Auswahl und Einf. (RUB 8977/78). Stuttgart 1965, S. 106. – Irene Stahl: Die Meistersinger von N¨urnberg. Archivalische Stud. (N¨urnberger Werkst¨ucke zur Stadt- und Landesgesch. 33). N¨urnberg 1982. VZ Scherer von Ilau → Band 3, Sp. 1005–1007. Der Bauer als Pfrundner ¨ (auch: Lied von dem reichen Bauern). – Schwankhaftes Lied. Das fr¨uhnhd. Lied handelt von einem wohlhabenden Landwirt, der eine Klosterpfr¨unde erwirbt. Als er allerdings ohne Bezahlung f¨ur die M¨onche des Klosters arbeiten soll, verweigert er dies und lenkt so den Unmut der Br¨uder auf sich. Sie fordern ihn mit einer Reihe scheinbar unl¨osbarer Aufgaben heraus, die der Bauer jedoch auf recht derbe Weise erf¨ullt. Die nun eingesch¨uchterten M¨onche zahlen ihn daraufhin aus. Das in zwei s¨uddt. Handschriften und einer Reihe von Drucken u¨ berlieferte Lied ist in einem Meisterton verfasst, der einer Steigweise des Hans → Bogner a¨ hnelt. Die neun Strophen des Texts sind in einer erhaltenen Handschrift (Mgq ¨ 495, s. Uberlieferung) um eine Unsinnsstrophe erweitert. Darin nennt sich ein ansonsten unbekannter «Hensle Narr» als Liedautor. Die drei inhaltlichen Episoden des Texts sind ebenso schwankhaft wie antiklerikal. ¨ D. B. a. P. weist Ubereinstimmungen mit zwei anderen Werken der komischen Literatur auf. Die letzten beiden Episoden des Lieds sind im Ulenspiegel-Druck von 1515 enthalten. Außerdem sind die ndl. und engl. Prosafassungen des → Bruder Rausch um diese Episoden erweitert worden. Unsicher ist allerdings, ob D. B. a. P. selbst aus dem Ulenspiegel hervorgegangen ist oder aber als Quelle f¨ur die genannten Werke diente, wie die neuere Forschung vermutet. Sicher diente D. B. a. P. als Vorlage f¨ur ein dreistrophiges Meisterlied, das Hans Sachs 1548 in der Mo¨ nchsweise des Paul Krelein verfasste. ¨ Uberlieferung: Berlin, SBB, Mgq 495, 23r–26v (Pap., um 1500, nordbair.). – Ebd., Mgo 517, 53r–59r (Pap., Wende 15./16. Jh., bair.alemannisch-schw¨abisch). Drucke: Zwischen 1520 und 1580 zahlreiche Drucke mit teils mehreren Auflagen; Verz. bei Schanze 1978 (s. Lit.). Ausgaben: Die Volkslieder der Deutschen 2. Eine vollst¨andige Sammlung der vorz¨uglichen dt. Volkslieder von der Mitte des 15. bis in die erste 923
Scherer von Ilau H¨alfte des 19. Jh. Hg. v. Friedrich Karl v. Erlach. Mannheim 1834, S. 65–70. – Johann M. Lappenberg: Dr. Thomas Murners Ulenspiegel. Leipzig 1854 (Nachdr. ebd. 1975) S. 282–287. – Oskar Schade: Bruder Rausch. Weimar 1856, S. 372–377. – Das Weimarer Liederbuch. Hg. v. Max Adolf Pfeiffer. M¨unchen 1920, S. 338–343. – Werbow 1962 (s. Lit.) S. 324–329 (maßgebliche Ausg.). – Schmidtke 1981 (s. Lit.). Literatur: Frieder Schanze, VL2 1 (1978) Sp. 637 f. – RSM 1 (1994) S. 86. – Robert Priebsch: Die Grundfabel und Entwicklungsgesch. der Dichtung vom Bruder Rausch. In: Zur ahd. Deklination und Wortbildung. FS Johann Kelle. Hg. v. Wilhelm Willmanns. Prag 1908, S. 423–434. – Artur L. Stiefel: Neue Beitr. zur Quellenkunde Hans Sachsischer Fabeln und Schwanke. In: Stud. zur vgl. Literaturgesch. 8 (1908) S. 273–310, hier S. 293–295. – Eduard Kadlec: Unters. zum Volksbuch v. Ulenspiegel. Prag 1916 (Nachdr. Hildesheim 1973) S. 99 f. – Bruder Rausch. FacsimileAusg. des a¨ ltesten nd. Druckes nebst den Holzschnitten des ndl. Druckes vom Jahre 1596. Hg. v. R. Priebsch. Zwickau 1919, S. 31, 37 f. – Stanley N. Werbow: The Wealthy Peasant and his Benefice. A Contribution to the Study of the German Jest Books. In: FS Ludwig Wolff. Hg. v. Werner Schr¨oder. Neum¨unster 1962, S. 321–329. – Dietrich Schmidtke: Die Lieder der Berliner Hs. germ. quart. 495. In: Arch. f¨ur das Studium der neueren Sprachen und Literaturen 218 (1981) S. 16–36, 271–285. – Wolfgang Virmond: Eulenspiegel und seine Interpreten. Berlin 1981, S. 20 f. – J¨urgen Schulz-Grobert: Das Straßburger Eulenspiegelbuch. Stud. zu entstehungsgeschichtlichen Voraussetzungen der a¨ ltesten Druck¨uberl. Tu¨ bingen 1999, S. 189, 331, 351 u. o¨ . MM Dompnig (Lied von Heinz Dompnig). – Volkslied. Der um 1435 geborene D. war ein Breslauer Patrizier. Er war seit 1480 Ratssch¨offe, unterst¨utzte den K¨onig Matthias Corvinus und wurde auf dessen Befehl 1487 Rats¨altester und Hauptmann von Breslau. Als Matthias im April 1490 starb, verlor D. seinen Einfluss. Er wurde des Verrats und der Korruption bezichtigt, verurteilt und im Juli 1490 hingerichtet. Sein Schicksal ist Gegenstand eines wahrscheinlich bald nach der Hinrichtung entstandenen Volkslieds, das auf einem Einzelblatt aus dem 924
Friedrich von Zollern fr¨uhen 16. Jh. erhalten ist. Der ohne Melodie u¨ berlieferte Text umfasst 14 Strophen zu jeweils vier paarreimigen Versen; eine Strophe hat f¨unf Verse. Das Lied a¨ hnelt stilistisch anderen zeitgen¨ossischen Erz¨ahlliedern und ist besonders dem einige Jahrzehnte a¨ lteren Lied des → Kipfenbergers u¨ ber den Tod des Leonhard Assenheimer vergleichbar, mit dem es auch durch das Thema des Verrats verwandt ist. ¨ Uberlieferung: Berlin, SBB, Mgf 621, 1 Bl. (Pap., fr¨uhes 16. Jh.). Ausgaben: Ein Breslauer hist. Volkslied vom J. 1490. Hg. v. Johannes Bolte. In: ZfdA 37 (1893) S. 231–235. – Politische Correspondenz Breslaus im Zeitalter des K¨onigs Matthias Corvinus (Scriptores rerum Silesiacarum 14). Hg. v. Berthold Kronthal/ Heinrich Wendt. Breslau 1894, S. 221 f. – Adalbert Hoffmann: Schlesiens Gesch. und geschichtliche Sage im Liede. Oppeln 1897, S. 69 f. – Joseph Klapper: Schlesische Volkskunde auf kulturgeschichtlicher Grundlage. Breslau 1925, S. 171 f. – Roth 1996 (s. Lit.). Literatur: Ulrich M¨uller, VL2 2 (1980) Sp. 192 f. – De Boor/Newald 4/1 (21994) S. 189. – Hans Becker: Ein Breslauer Hochverratsprozeß im Jahre 1490. In: Schlesische Geschichtsbll. 21 (1921) S. 37–42. – Ulrich M¨uller: Unters. zur politischen Lyrik des dt. MA (GAG 55/56). G¨oppingen 1974, S. 26–28, 474–486 u. o¨ . – Gunhild Roth: Leonhard Assenheimer und H. D. Zwei ‹Hist. Volkslieder› aus Breslau im Vergleich. In: Lied im dt. MA. ¨ Uberl., Typen, Gebrauch. Chiemsee-Colloquium 1991. Hg. v. Cyril W. Edwards u. a. T¨ubingen 1996, S. 257–280. – Karl Borchardt: H. D. (um 1435–1490). In: Schlesische Lebensbilder 9. Hg. v. Joachim Bahlcke. Insingen 2007, S. 57–66. MM Franck, Hermann. – Lieddichter, um 1500. Der Dichter H. F. nennt sich in der Autorsignatur in der Schlusszeile eines Liedes u¨ ber das Fluchen: e «dicht Hermanns Franck der bunder inß Schillers melodei». Verfasst sind die 13 Strophen des Liedes im «Hofton» J¨org → Schillers (RSM: 1Schil/1), weswegen sie nicht vor dem letzten Viertel des 15. Jh. entstanden sein d¨urften. ¨ Die Uberschrift des Erstdrucks lautet: «Das ist ein schonn lied von der welt lauff und von dem schweren und von denen die gott lesteren». Das Fluchen war ein zeitgen¨ossisch oft behandeltes Thema. F. schildert verschiedene Formen des Fluchens und 925
2. H¨alfte 15. Jh. fordert Maßnahmen der weltlichen Obrigkeit dagegen, da die Mahnungen der «priester» allein nicht ausreichten. Er betont die Schwere des Vergehens und f¨uhrt anhand von Exempeln an, wie in fr¨uheren Zeiten das Fluchen und L¨astern verabscheut und bestraft wurde. ¨ Uberlieferung: Flugblattdruck: N¨urnberg (Johann Weißenburger) 1510 (VD 16 F 2016). – Wien (Hieronymus Vietor) 1530 (VD16 F 2017). – ¨ 1540 (VD16 Zwickau (Wolfgang Meyerpeck d. A.) ZV 16083). – Bern (Samuel Apiarius) o. J. – o. O. [Augsburg] (Matth¨aus Franck) um 1560. – Straßburg (Thiebolt Berger) o. J. – o. O. u. J. [Augsburg, um 1560?]. – o. O. [Basel] (Samuel Apiarius) o. J. [um 1570]. – Z¨urich (Hans Rudolf Wyssenbach) 1598 (VD16 ZV 6012). – Vgl. RSM 3 (1986) S. 318 f. und 1 (1994) Druckbibliogr. – Luzern, Zentral- und Hochschulbibl., BB Ms. 499.4°, S. 242–250 (um 1560) ist vermutlich eine Druckabschrift. – Die Drucke weisen leichte ¨ Abweichungen auf; die Anderungen in sp¨ateren Drucken sind offensichtlich Resultat reformatori¨ scher Uberarbeitung (Ersetzung von «Maria» durch «Gott», von «priester» durch «prediger»). Ausgaben:: Philipp Wackernagel: Das dt. Kirchenlied v. der a¨ltesten Zeit bis zu Anfang des XVII. Jh. Bd. 2. Leipzig 1867 (Nachdr. Hildesheim 1964/1990) S. 1075–1077 (Nr. 1308). – Cramer 1 (1977) S. 205–211. Literatur: Susanne Siegert, VL2 2 (1980) Sp. 799 f. – RSM 3 (1986) S. 318 f.; 1 (1994) S. 22. – P. Wackernagel: Bibliogr. zur Gesch. des dt. Kirchenliedes im 16. Jh. Frankfurt/M. 1855 (Nachdr. Hildesheim u. a. 1987) S. 23 (Nr. 54). – Emil Weller: Annalen der poetischen Nationallit. der Deutschen im XVI. und XVII. Jh. Bd. 2. Freiburg i. Br. 1864 (Nachdr. Hildesheim 1964) S. 342. – Friedrich Keinz: Hans Sachens Zeitgenossen und Nachfolger im Meistergesang. In: Hans Sachs-Forschung. FS zur vierhundertsten Geburtsfeier des Dichters. Hg. v. Arthur Ludwig Stiefel. N¨urnberg 1894, S. 320–351, hier S. 328. – Emil Karl Bl¨umml: Ludwig Uhlands Sammelbd. fliegender Bll. aus der 2. H¨alfte des 16. Jh. Straßburg 1911, S. 44, 61. – Cramer 1 (1977) S. 453. VZ
Friedrich von Zollern, Graf → Band 2, Sp. 1562 f. 926
2. H¨alfte 15. Jh. Schwinberger (Schromberger). – Verfasser (?) eines unikal u¨ berlieferten Minneliedes, 15. Jh. Im sog. → K¨onigsteiner Liederbuch findet sich als Nachschrift zu einer Sehnsuchtsklage die Namensangabe «h. v. schwinberger» (weitere m¨ogliche Lesungen: «schwn/mberger», «schromberger»). Vielleicht ist Henne Schenck zu Schweinsberg gemeint, der von 1433 bis um 1495 nachgewiesen ist (Petzsch, s. Lit.). Die Namensangabe ist allerdings keine belastbare Autorzuweisung, sondern verweist wom¨oglich nur auf den Gebrauch des Liedes innerhalb der Familie. Die Klage der formal anspruchsvollen Dichtung m¨undet in ein Treueversprechen an die Geliebte. ¨ Uberlieferung: Berlin, SBB, Mgq 719, 163r (Pap., 1470–73, rheinfr¨ankisch). Ausgaben: Paul Sappler: Das K¨onigsteiner Liederbuch. Ms.germ.qu. 719 Berlin (MTU 29). Mu¨ nchen 1970, S. 372 (Nr. 129). – Eva Kiepe: Gedichte 1300–1500 (Epochen der dt. Lyrik 2). M¨unchen 1972 (Nachdr. 2001 [hg. v. Eva Willms] u. d. T.: Dt. Lyrik v. den Anf¨angen bis zur Gegenwart 2) S. 338. – Cramer 3 (1982) S. 278. Literatur: Paul Sappler, VL2 8 (1992) Sp. 953. – Ders. (s. Ausg.) S. 7, 182. – Cramer 3 (1982) S. 563. – Christoph Petzsch: Zur Vorgesch. der Stammb¨ucher. Nachschriften und Namen im K¨onigsteiner Liederbuch. In: Arch. f¨ur das Studium der neueren Sprachen und Literaturen 222 (1985) S. 273–292, hier S. 289. VZ Wenck, Balthasar (auch Wencklein, Balthes, Baltes, Baltas, Walthes). – Verfasser zweier Meisterlieder mit Autorsignatur, zweite H¨alfte 15. Jh. Von W. sind u¨ berliefert ein Schwanklied (11 Str., Bez¨ahmung einer «b¨osen Frau») und das sog. Pfenniglied (13 Str.), eine bei den Meisters¨angern beliebte Schelt- und Lobrede an den Pfennig. Die Lieder sind in einem von W. selbst erfundenen und einfach strukturierten Ton gedichtet, der als «Kleeweise» (seltener auch «Klageweise») in den Handschriften und Drucken bezeichnet wird und von Hans Sachs neben anderen N¨urnberger Meisters¨angern f¨ur eigene Lieddichtungen verwendet wurde. ¨ Uberlieferung: 1. Pfenniglied: Chronik Ludwig → Sterners, 155v–157r (1524, Abschrift einer Hs. von 1501) Privatbesitz (von Diesbach, Balterswil). – Druck: J. Sch¨affler, Konstanz, um 1506. – Wien, ¨ ONB, cod. 3301 (1510/19) 383rv. – Druck: C. Gutknecht, N¨urnberg, 1545 («Ein sch¨on Lied wie der 927
Schwinberger Pfenning gescholten vnd gelobt wirdt»). – Druck: V. Fuhrmann, N¨urnberg, 1580 («Zehen sch¨one Meisterlieder»). – 2. Schwanklied («Von den bosen weyben wie man die ziehen sol»): Druck: J. Gutknecht, N¨urnberg, 1521. – Druck: C. Gutknecht, ebd. 1545. Ausgaben: Cramer 3 (1982) S. 426–455. – Nur Pfenniglied: H[einrich] von Diessbach: Der Schwabenkrieg, besungen von einem Zeitgenossen, Johann Lenz, B¨urger zu Freiburg. Zu¨ rich 1849, S. 166–168. – J[ohannes] Bolte: Zehn Gedichte auf den Pfennig. In: ZfdA 48 (1904) S. 13–56, hier S. 39–41. Literatur: Frieder Schanze, VL2 10 (1999) Sp. 840 f. – RSM 5 (1991) S. 543–545. – K[arl] ¨ J[ulius] Schr¨oer: Meistersinger in Osterreich. In: Germanistische Stud., Suppl. zur Germania 2 (1873) S. 197–239, hier S. 228 und 233. – Friedrich Ranke: Zum Formwillen und Lebensgef¨uhl in der dt. Lit. des sp¨aten MA. In: DVjs 18 (1940) S. 307–327, hier S. 317 f. VZ Ortenstein, Hans → Band 3, Sp. 1025. Bauern Lob → Band 5. Jakobslied → Band 3, Sp. 1044 f. Ehenheim. – Verfasser einer balladesken Variation des Graserin-Themas, 14./15. Jh. Nur die sp¨ate Liederhandschrift des Martin Ebenreuter (1530) versieht ein dreifach u¨ berliefertes Graserin-Lied mit dem Autorhinweis E., so dass von einer eingeschr¨ankten Verl¨asslichkeit der Angabe auszugehen ist. Eine Identit¨at des vermeintlichen Verfassers mit → G¨osli von Ehenheim ist auszuschließen, seine Zugeh¨origkeit zum unterfr¨ankischen Adelsgeschlecht von E. denkbar aber hypothetisch. Das Lied erz¨ahlt in 15 Strophen mit je acht Versen von der Begegnung des S¨anger-Ichs und der Graserin. Dabei erf¨ahrt das in der lyrischen Thematisierung der «niederen» Minne beliebte Motiv eine sowohl formal als auch inhaltlich kunstfertige Umsetzung. ¨ Uberlieferung: Prag, Nationalmus., Cod. X A 12 (Liederbuch der Clara → H¨atzlerin), 261r–262v (Pap., 1470/71, Augsburg) Incipit: «JCh raitt ains tags allaine». – Leipzig, UB, Ms. Apel 8 (vormals Ms. 1709; davor Halle, ULB, Cod. 14 A 39; davor Privatbesitz Ludwig Bechstein), 350r–352r 928
Ich stund an einem morgen (Pap., um 1512, nordfr¨ankisch) Incipit: «Ich reit eins tags alleine». – Berlin, SBB, Mgf 488, 218r–219v (Pap., geschrieben 1530 v. Martin Ebenreuter ¨ in W¨urzburg) Uberschrift: «Ehennhe˚ym», Incipit: «Jch r¨yedt eins tags alleine». Ausgaben: Carl Haltaus: Liederbuch der Clara H¨atzlerin (Bibl.dt.Nat.-Lit. 8). Quedlinburg/Leipzig 1840 (Neudr. mit einem Nachw. v. Hanns Fischer. Berlin 1966) S. 14–16 (Nr. 1,13). – Hans Naumann/G¨unter Weydt: Herbst des Minnesangs (Literarhist. Bibl. 17). Berlin 1936, S. 15–19 (Nr. 15). – Cramer 1 (1977) S. 195–198. Literatur: Thomas Cramer VL2 2 (1980) Sp. 384 f. – Cramer 1 (1977) S. 452. VZ Ich stund an einem morgen. – Liebesabschiedslied mit vielen Kontrafakturen, vermutlich Ende des 15. Jh. entstanden. Das Lied (7 Str.) erlebte zahlreiche Kontrafakturen, sowohl weltliche (A) als auch geistliche (B). Eine zeitlich akkurate Einordnung gestaltet sich schwer. Vermutlich ist das (weltliche) Lied in den 90er Jahren des 15. Jh. entstanden, dessen Strophenform ist seit der Mitte des 15. Jh. nachgewiesen. Es geh¨orte bis ins 17. Jh. zu den popul¨arsten Abschiedsliedern in verschiedenen Bev¨olkerungsschichten und wurde h¨aufig bearbeitet. Auch die besonders eing¨angige Melodie fand immer wieder neuen Gebrauch (z. B. soll sie der Schweizer Felix Manz w¨ahrend einem seiner Gef¨angnisaufenthalte 1527 f¨ur ein Abschiedsgedicht verwendet haben, vgl. Locher [s. Lit.]). Variante A erz¨ahlt von einem Liebespaar kurz vor der Trennung. Der Mann ist resolut und abweisend, w¨ahrend die Frau voller Wehmut an ihrer Liebe festh¨alt, dem Mann sogar u¨ berallhin folgen w¨urde: «kein weg wer mir zu serr». Variante B handelt u. a. von einem Gespr¨ach zwischen Gott und einem frommen Christen oder einem Gespr¨ach zwischen einem jungen Mann und dem Tod. Letzteres scheint ganz im Sinne der Totentanztradition die Epidemie-Erfahrungen des MA wie Pest oder Syphilis zu verarbeiten. Unterschiedliche Fassungen der geistlichen Version sind von 13 bis zu 21 Strophen lang. Beide Varianten erlebten ihren Bekanntheitsgrad u¨ ber die deutschsprachigen Gren¨ zen hinaus; Ubertragungen gab es u. a. ins Lateinische, Niederl¨andische und Jiddische. ¨ Uberlieferung (Auswahl): Ausf¨uhrliche, aber ¨ ungenaue Ubersicht bei Heilfurth (s. Lit.) ¨ S. 250–252; die musikalische Uberl. thematisiert 929
2. H¨alfte 15. Jh. Baumann (s. Lit.) S. 76–80. – Berlin, SBB, Mgq 718, 22v (Pap., vor 1520). – Ebd., Yd 7801, 38. – Heidelberg, UB, Cpg 109, 133v (Pap., um 1516/17). – Ebd., Cpg 343, 113v–114v. – M¨unchen, BSB, Cgm 809, 75r (Pap., zwischen 1508 und 1525, bair. mit ostschw¨abischer F¨arbung). Ausgaben: Weltliches Lied: Philipp Wackernagel: Das dt. Kirchenlied von Martin Luther bis auf Nicolaus Herman und Ambrosius Blaurer. Stuttgart 1841, S. 850 f. (3. Anh. Nr. 19). – Alte hoch- und niederdt. Volkslieder. Bd. 1. Hg. v. Ludwig Uhland. Stuttgart 1844, S. 133–135 (Nr. 70). – Uhlands Schr. zur Gesch. der Dichtung und Sage. Bd. 4. Stuttgart 1869, S. 56 f. – Franz Magnus B¨ohme: Altdt. Liederbuch. Leipzig 1877 (Nachdr. 1966) Nr. 269. – Volks- und Gesellschaftslieder des 15. und 16. Jh. Bd. 1. Hg. v. Arthur Kopp. Berlin 1905, S. 166 f. – Gassenhawerlin und Reutterliedlin zu Franckenfurt am Meyn bei Christian Egenolf 1535. Faksimileausg. des a¨ltesten Frankfurter dt. Liederbuch-Druckes. Hg. v. Hans Joachim Moser. K¨oln 1927. – Alfred Herr: Zwei dt. Lieder (s. Lit). – Lesebuch des dt. Volksliedes. Bd. 2. Hg. v. John Meier/Erich Seemann. Berlin 1937, S. 59 f. – Bergreihen. Hg. v. Gerhard Heilfurth (s. Lit.) Nr. 40. – Geistliches Lied: Wackernagel (s. o.) S. 572–574 (Nr. 675 f.). – Ders: Das dt. Kirchenlied. Von der a¨ltesten Zeit bis zum Anfang des XVII. Jh. Bd. 2. Leipzig 1867 (Nachdr. Hildesheim 1990) Nr. 1295–1298. – A. Herr: Zwei dt. Lieder (s. Lit.). – Theodor Odinga: Ein Lied von dem Tod und einem jungen Mann. In: Vierteljahrschrift f¨ur Litteraturgesch. 4 (1891) S. 152–155. – Bergreihen. Hg. v. Gerhard Heilfurth (s. Lit) Nr. 42. – Andr´e Schnyder: Das geistliche Taglied des sp¨aten MA und der fr¨uhen Neuzeit. Textsammlung, Komm. und Umrisse einer Gattungsgesch. T¨ubingen/Basel 2004, S. 76–78. ¨ ¨ Ubersetzungen: Felix Rosenberg: Uber eine Slg. der Volks- und Gesellschaftslieder in hebr¨aischen Lettern (Geiger’s Zs. f¨ur die Gesch. der Juden in Deutschland 2). Berlin 1888, S. 25. – 1500- och 1600-talens Visb¨ocker. 3 Bde. in 13 Tln. Hg. v. Adolf Noreen. Stockholm 1884–1925. – Elizabeth Mincoff-Marriage: Souterliedekens. Een nederlandsch psalmboek van 1540. Met de oorspronkeligke volksliederen die bij de melodie¨en behooren. ’s-Gravenhage 1922, S. 98. – Johannes Bolte: Dt. Lieder in D¨anemark. In: Sb. der Preußischen Akad. der Wiss., Phil.-hist. Kl. 20 (1927) S. 180–205. – Jan Kouba: Nˇemeck´e vlivy 930
2. H¨alfte 15. Jh. v cˇ esk´e p´ısni 16. stolet´ı. In: Miscellanea musicologica 27/28 (1975) S. 117–179, hier S. 136–141. Literatur: Dietrich Schmidtke, VL2 4 (1983) Sp. 353–357; 11 (2004) Sp. 707. – August Friedrich Christian Vilmar: Handb¨uchlein f¨ur Freunde des dt. Volksliedes. Marburg 1867. – Albert F. Fischer: Kirchenlieder-Lex. Bd. 1. Gotha 1878 (Nachdr. Olms 1967) S. 357–360. – Kurt Hennig: Die geistliche Kontrafaktur im Jh. der Reformation. Halle 1909. – Alfred Herr: Zwei dt. Lieder des 15. und 16. Jh. In: Mitt. des Ver. f¨ur Gesch. der Deutschen in B¨ohmen 57 (1919) S. 177–207. – Ludwig Erk/Franz Magnus B¨ohme (Hg.): Dt. Liederhort. Bd. 2. Leipzip 1893, S. 544 f. – Johannes W. Bruiniers: Das dt. Volkslied (Aus Natur und Geisteswelt 7). Leipzig 71927, S. 107 f. – Herbert Rosenberg: Unters. u¨ ber die dt. Liedweise im 15. Jh. Berlin/Wolfenb¨uttel 1931, S. 89–92 (mit Notenanhang). – Otto A. Baumann: Das dt. Lied und seine Bearbeitungen in den fr¨uhen Orgeltabulaturen. Kassel 1934. – Bergreihen. Eine Liederslg. des 16. Jh. mit drei Folgen (Mitteldt. Forschungen 16). Hg. v. Gerhardt Heilfurth u. a. Tu¨ bingen 1959. – G¨unter Hess: ‹Vulgaris cantio›. Gattungsprobleme zwischen Volkssprache und Latinit¨at um 1500. In: Werk-Typ-Situation. Stud. zu poetologischen Bedingungen in der a¨ lteren dt. Lit. Hg. v. Ingeborg Glier u. a. Stuttgart 1969, S. 346–370. – Rolf W. Brednich: Die Liedpublizistik im Flugblatt des 15. bis 17. Jh. 2 Bde. Baden-Baden 1975. – Kurt Gudewill: Dt. Volkslieder in mehrstimmigen Kompositionen aus der Zeit von ca. 1450 bis ca. 1630. In: Hdb. des Volksliedes. Bd. 2. Hg. v. R. W. Brednich u. a. M¨unchen 1975, S. 439–490. – Mathias Greiter: Das Schicksal eines dt. Musikers zur Reformationszeit. Hg. v. Manfred H. Schmid. Aichach 1976, S. 28–35. – Das Tenorlied. Mehrstimmige Lieder in dt. Quellen 1450–1580. Bd. 1. Hg. v. Norbert B¨oker-Heil/Harald Heckmann u. a. Kassel 1979. – Gottfried W. Locher: Felix Manz’ Abschiedsworte an seine Mitbr¨uder vor der Hinrichtung 1527. Spiritualit¨at und Theologie. Die Echtheit des Liedes ‹Bey Christo will ich bleiben›. In: Zwingliana 17 (1986) S. 11–26. FA Schleich, Martin. – Lieddichter, sp¨ates (?) 15. Jh. Von S. ist nur ein Lied u¨ berliefert, ein 15strophiges Erz¨ahllied in dem → Frauenlob zugeschriebenen «Sp¨aten Ton» mit einer Autorsignatur ¨ in der letzten Strophe. Uber S. gibt es keine weiteren Kenntnisse. Das Lied handelt von einer K¨onigin 931
Schleich (in den Drucken: von Frankreich), die neun J¨unglinge nacheinander zum heimlichen Liebesvollzug zwingt und anschließend hinterlistig umbringt, bis der zehnte, der gelehrte Student → Albertus Magnus, ihr entkommt. Durch Zettel, die dieser an Schn¨abeln von V¨ogeln befestigt hat, macht er ihre Schuld o¨ ffentlich bekannt und f¨uhrt in der folgenden Verhandlung selbst die Anklage. Nach 18j¨ahriger Buße im Kloster f¨uhren Engel die K¨onigin in den Himmel. S. beruft sich in der sechsten Strophe auf eine «geschrift» als Quelle f¨ur sein Lied, und in der Tat lassen sich Motive des Erz¨ahlstoffes in der zweiten H¨alfte des 15. Jh. mehrfach finden (zuerst in der zweiten Strophe der Ballade de Dames du temps jadis des Fran¸cois Villon), wobei der Protagonist zun¨achst der Scholastiker Johannes Buridan ist. Dessen Ersetzung in S.s Lied durch Albertus d¨urfte in Kenntnis des Liedes Albertus Magnus und die Tochter des K¨onigs von Frankreich vorgenommen worden sein. Eine knappe Bearbeitung des Stoffes durch Thomas Murner ist wohl unabh¨angig von S. entstanden. Im fr¨uhen 19. Jh. schließlich fand das Lied – von Clemens Brentano stark u¨ berarbeitet – unter dem Titel Albertus Magnus. Von den Geheimnissen der Weiber Aufnahme in Des Knaben Wunderhorn. ¨ Uberlieferung: Berlin, SBB, Mgo 376, 1r–8v (Pap., um 1500, ostschw¨abisch; Druckabschrift [?]). – Zur Druck¨uberl. (13 selbstst¨andige Drucke v. 1530 bis 1605 und innerhalb v. sechs Liederbuchdrucken v. 1580 bis um 1618) vgl. RSM 5 (1991) S. 358 und 1 (1994) Nr. 294a–m der Druckbibliogr.; a¨ lteste erhaltene Drucke: N¨urnberg (Jobst Gutknecht) 1530 (VD16 S 2996); ebd. (Kunigunde Hergot) 1530 (VD16 ZV 13918). Ausgaben: Cramer 3 (1982) S. 254–261 (nach ¨ VD16 S 2996 mit Lesarten der restlichen Uberlieferungstr¨ager). – Zu den a¨ lteren Ausgaben nach einzelnen Textzeugen vgl. RSM 5 (1991) S. 357. Literatur: Gustav Roethe, ADB 31 (1890) S. 397. – RSM 5 (1991) S. 357 f. – Frieder Schanze, VL2 8 (1992) Sp. 711–713. – Hermann Leyser: Buridan und die K¨onigin v. Frankreich. In: ZfdA 2 (1842) S. 362–370. – Wilhelm Wackernagel: Kleinere Schr. Bd. 3: Abh. zur Sprachkunde. Leipzig 1874, S. 249 f. – Eduard Fuchs: Ein Beitr. zur Erkl¨arung der «Geuchmatt» Murners. In: Zs. f¨ur die o¨ sterr. Mittelschulen 1 (1923/24) S. 171–175. – Ders. (Hg.): Thomas Murner. Dt. 932
Baumholz Schr. Bd. 5. Berlin/Leipzig 1931, S. LXVII, 442. – Leander Petzoldt: Albertus Magnus. In: EM 1 (1975) Sp. 255–261. – Cramer 3 (1982) S. 560 f. – Alain de Libera: M´etaphysique et no´etique. Albert le Grande (Probl`emes et controverses). Paris 2005, S. 28 Anm. 47. VZ Gosseler, ¨ Johann → Band 2, Sp. 1595 f. Pantzer, Hans (auch: Bantzer). «Johannj Bantzer Kurschner vnnd Burgern In Dantzig zu Ehren gedichtet» steht in der ¨ Uberschrift eines freundschaftlichen Liedes, das wohl von Paul Freudenlechner f¨ur P. gedichtet und am 31.7.1601 aufgezeichnet wurde (G¨ottweig, Stiftsbibl., 1034, 325v–326r). Es bezieht sich haupts¨achlich auf die biblische Bedeutung des Namens «Johannes» und spricht f¨ur P. den Wunsch aus, dass der Heilige Geist «Bantzer» beim Singen und Dichten unterst¨utzen m¨oge. Die angegebene Datierung wirft Fragen auf, da die bisherige Forschung P. mit seinen (biblischen) Liedern und seiner 20-zeiligen J¨unglingsweise o¨ fters ins sp¨ate 15. Jh. datierte (1483 und 1496, vgl. Roethe und Stammler). Zur Debatte stand jedoch schon immer, ob P., der anscheinend K¨urschner von Beruf war, in Augsburg oder Danzig ans¨assig war. Im Kontext der Frage, ob in Danzig u¨ berhaupt Meistergesang existierte, mag das kaum verwundern. Da es Hinweise gibt, die P. mit beiden St¨adten in Verbindung bringen, wie das Verzeichnis der Augsburger Meistersinger des 16. Jh. oder das Danziger B¨urgerbuch, l¨asst sich nicht ausschließen, dass er wom¨oglich von Augsburg nach Danzig u¨ bersiedelte (vgl. Hayden Bell). Literatur: [Gustav] Roethe, ADB 25 (1887) S. 131. – W[olfgang] St[ammler], VL 3 (1943) Sp. 711. – RSM 7 (1990) S. 234. – De Boor/Newald 4/1 (21994) S. 233. – Johannes Bolte: Das Danziger Theater im 16. und 17. Jh. (Theatergeschichtliche Forschungen 12). Hamburg 1895. – Archer Taylor: Literary History of Meistergesang (Modern Language Association of America. General Series 4). New York 1937, S. 18. – Clayre Hayden Bell: Was there a Meistersingerschule at Danzig? In: Modern Language Notes 55 (1940) S. 280–285. FA Lutsch, Matheus → Band 3, Sp. 1082 f. Walcher, Wolfgang → Band 2, Sp. 1598–1600. 933
2. H¨alfte 15. Jh. Marianischer Baumgarten → Band 2, Sp. 1603. Baumholz, Albrecht (auch Baumholtz, Paumholcz). – Lieddichter. Der nur durch seine Eigennennung in einem Lied nachgewiesene B. lebte wahrscheinlich von der zweiten H¨alfte des 15. Jh. bis ins fr¨uhe 16. Jh. Mo¨ glicherweise stammte er aus N¨urnberg, da sein Lied in einer Handschrift mit u¨ berwiegend N¨urnberger Autoren erhalten ist. Der Codex wurde 1517/18 von Hans Sachs geschrieben und u¨ berliefert B.s Lied unter dem Titel Die keisserin von Rom. Die 255 Liedverse sind in 17 Strophen eingeteilt und im Vergessenen Ton des → Frauenlob geschrieben. Inhaltlich folgt das Lied weitgehend der Crescentia-Legende der → Kaiserchronik: Die gleichnamige r¨omische Kaiserin wird von ihrem Schwager sexuell bel¨astigt, w¨ahrend der Kaiser auf Feldzug ist. Als Crescentia den Schwager zur¨uckweist, wird sie von ihm beim Kaiser verleumdet. Crescentia entzieht sich den nun folgenden Mordversuchen ihres Mannes durch Flucht. Im Haus eines hilfsbereiten Grafen muss sie die Nachstellungen von dessen Bruder abwehren, der daraufhin ein ihr anvertrautes Kind t¨otet und die Tat Crescentia unterstellt. Sie wird auf eine einsame Insel deportiert, w¨ahrend ihre Peiniger an Lepra erkranken. Durch eine Marienerscheinung angeleitet, kann Crescentia jedoch den Aussatz heilen, wird rehabilitiert und tritt zuletzt in ein Kloster ein. Vorlage von B.s Lied war eine Reimpaarerz¨ahlung von → Rosenpl¨ut. B. k¨urzte dessen rund 460 Verse umfassenden Text und teilte ihn in Strophen ein. In B.s Bearbeitung sind prim¨ar Rosenpl¨uts Kataloge und Aufz¨ahlungen reduziert worden, w¨ahrend die Handlung weitgehend intakt geblieben ist. B. u¨ bernahm auch Verse und Reime direkt aus seiner Vorlage. Sein Lied erreichte allerdings nie die Bedeutung von Rosenpl¨uts Werk. ¨ Uberlieferung: Berlin, SBB, Mgq 414, 439r–442v (Pap., 1517/18, Schreiber Hans Sachs). Ausgaben: Axel Wallensk¨old: Le Conte de la Femme Chaste Convoit´ee par Son Beau-Fr`ere. ´ Etude de Litt´erature Compar´ee. Helsinki 1907, S. 161–169. – Cramer 3 (1982) S. 67–75, 425 u. o¨ . Literatur: Frieder Schanze, VL2 1 (1978) Sp. 647 f. – RSM 1 (1994) S. 84–86; 3 (1986) S. 13. – De Boor/Newald 4/1 (21994) S. 235. – Wallensk¨old 1907 (s. Ausg.) S. 58 f. – Karen Baasch: Die Crescentialegende in der dt. Dichtung des MA. 934
2. H¨alfte 15. Jh. Stuttgart 1968. – F. Schanze: Meisterliche Liedkunst zwischen Heinrich v. Mu¨ geln und Hans Sachs 2 (MTU 83). Mu¨ nchen u. a. 1984, S. 114, 294. – Dieter Merzbacher: ‹Die gschwind kranckheit der pestilenz›. Pest, Blattern, Aussatz, miselsuht. Erz¨ahlmotive in Meisterliedern und weiteren deutschsprachigen Texten des MA und der Fr¨uhen Neuzeit. In: ‹Gotts verhengnis und seine straffe›. Zur Gesch. der Seuchen in der Fr¨uhen Neuzeit. Hg. v. Petra Feuerstein-Herz. Wolfenb¨uttel 2005, S. 113–126. MM Folz, Hans (Fo[l]l[c]z, Foltz, Vo[l]l[c]z, Voltz), * 1435/40 Worms (?), † Januar 1513 N¨urnberg. – Meisters¨anger, Verfasser von Fastnachtspielen und Reimpaarspr¨uchen, Drucker. Der Handwerkerdichter F. z¨ahlt zu den herausragenden literarischen Pers¨onlichkeiten N¨urnbergs der zweiten H¨alfte des 15. Jh. Nicht nur war er in unterschiedlichen Gattungen a¨ ußerst produktiv, sondern er bet¨atigte sich in seiner Offizin auch als Drucker und Verleger der eigenen Werke. Seine Schriftstellerei war allerdings stets nur – wenn vermutlich auch lukrativer – Nebenerwerb. Hauptberuflich war F. Barbierer (nichtakademischer Wundarzt) und z¨ahlte zur N¨urnberger Mittelschicht. Nach seiner Gesellenwanderzeit (Nordspanien, Augsburg) erwarb er 1459 das N¨urnberger B¨urgerrecht als «Hanns Barbirer von wurmms». Seit 1486 ist er als Meister bezeugt (teilweise zusammen mit seinem Berufskollegen Ulrich → Eislinger) und 1489 als Geschworener Meister der Wundarznei und des Barbierhandwerks, was einem Zunftmeister entspricht (N¨urnberg selbst war zunftlos). Als Hausbesitzer 1479 beurkundet, erwarb er gemeinsam mit seiner Frau Agnes 1493 das Erbrecht an einem Haus «unter den Schustern». 1509, zehn Jahre nach Agnes’ Tod (F. verm¨ahlte sich 1509/12 ein zweites Mal), gew¨ahrte ihm der Stadtrat einen Altersheimplatz im N¨urnberger Klosterhof der Heilsbronner Zisterzienser, wo F. auch verstarb. Er ist einer der wenigen Dichter des 15. Jh., von dem ein Portrait u¨ berkommen ist: Eine Kohlezeichnung des Augsburger Medailleurs Hans Schwarz von 1520 zeigt vermutlich F. (heute im Kupferstichkabinett der Staatlichen Museen zu Berlin). In seiner Schulkunst von 1527 rechnet Hans Sachs F. zu den zw¨olf alten N¨urnberger Meistern und w¨urdigt ihn als «durchleuchtig 935
Folz deutsch poet». Von seinem zeitgen¨ossischen Ansehen innerhalb der gehobenen N¨urnberger Gesellschaft zeugen F.’ freundschaftliche Beziehungen zu herausragenden Vertretern der Stadt: F¨ur den Genannten des Gr¨oßeren Rats Jacob Bernhaubt Schwenter verfasste F. 1496 ein Meisterlied (RSM: 1Folz/76a und b) und f¨ur den Ehrbaren Anton Haller 1482 das Pestregimen in Prosa (GW ¨ 10111). Uber Haller k¨onnte F. zudem in Kontakt zu Hartmann → Schedel gekommen sein, der seit 1487 Hallers Schwiegersohn war. Sowohl Schedel als auch Haller besaßen zahlreiche F.-Drucke. Mit den guten Beziehungen zu Entscheidungstr¨agern der Stadt korrespondiert F.’ konservative und stets ratskonforme Haltung, die sich in seinen Werken niederschl¨agt, mitunter auch in seiner dezidiert antij¨udischen Polemik (die oberen Schichten N¨urnbergs und der Rat waren seit 1473 um eine Vertreibung der Juden aus der Stadt bem¨uht und daher an antij¨udischer Apologetik h¨ochst interessiert). F.’ gesellschaftsbezogene literarische Produktion und Publikation aber vornehmlich unter dem Aspekt des Opportunismus zu bewerten, verkennt die engen Grenzen, die der N¨urnberger Rat f¨ur die o¨ ffentliche literarische T¨atigkeit gesetzt hatte. Bemerkenswert – generell und in besonderem Maße f¨ur einen Handwerker seiner Zeit – war F.’ Bildungsstand. Die Lateinkenntnisse lassen den Besuch einer Wormser Stadtschule vermuten, ansonsten d¨urfte sich F. seine Kenntnisse autodidaktisch angeeignet haben. Zum einen auf dem Gebiet der akademischen Medizin und Alchemie, ferner im geistlich-theologischen Bereich und nat¨urlich in der Literatur, was vor allem durch Anspielungen in seinen Werken und anhand des Weimarer Sammel-Autographen Cod. Quart 566 deutlich ¨ wird (s. Uberl.). F.’ eigenes gesichertes Werk umfasst rund 100 Meisterlieder, mindestens 12 Fastnachtspiele, 48 Reimpaarspr¨uche zu den unterschiedlichsten Themen und zwei Prosaschriften. Einzigartig f¨ur seine Zeit ist dabei die Publikationsweise. Mit Ausnahme fast aller Meisterlieder gab er ein Großteil seiner literarischen Produktion selbst im Druck heraus, was eine zuverl¨assige Werkchronologie gestattet. Seine Offizin, die vermutlich nahezu ausschließlich der Distribution des eigenen literarischen Schaffens diente, betrieb F. von 1479–88. Es lassen sich anhand der verwandten Typen zwei Druckperioden differenzieren: 1479–82 und 1483–88. Nach Aufgabe 936
Folz der Presse ließ F. seine Werke bei Peter Wagner in N¨urnberg drucken. Warum er seine Offizin aufgab ist ungekl¨art, finanzielle Gr¨unde sind denkbar. Schriftstellerisch war F. jedenfalls noch dar¨uber hinaus bis in die Mitte der 1490er Jahre t¨atig und als praktizierender Wundarzt ist er noch sp¨ater bezeugt. Er versah seine Brosch¨uren mit Kurztiteln und hochwertigen Holzschnitten, um gezielt das K¨auferinteresse zu wecken. Als erster brachte er auch Reimpaardichtungen in den Druck. Dass F.’ verlegerische Bem¨uhungen nicht ohne Ertrag geblieben zu sein scheinen und seine literarische Nebent¨atigkeit offensichtlich gewinnbringend war, bezeugt nicht zuletzt sein Hauskauf. Dabei l¨asst auch die inhaltliche Ausrichtung seiner Werke deren Vermarktungspotential nicht außer Acht und orientiert sich – ohne in Konflikt mit einem hohen literarischen Anspruch zu stehen – an den Bed¨urfnissen eines zeitgen¨ossischen st¨adtischen Publikums: F. bietet in seinem Verlagsprogramm Lebenspraktisches, Erbauung und Unterhaltung. Mit seiner Themenwahl f¨ugt sich der stadtb¨urgerliche Autor in das soziale Gef¨uge des sp¨atma. N¨urnberg ein, sein Publikationsform der autorkontrollierten Distribution des eigenen Werkes weist indes bereits in die Neuzeit. Sein Versuch, die dichterischen Einkunftsm¨oglichkeiten durch die Einf¨uhrung von Eintrittsentgelten f¨ur den Besuch von Fastnachtsspielen zu erweitern, blieb zwar erfolglos, als geschickter Gesch¨aftsmann erwies F. sich aber z. B. dadurch, dass er die Publikation eines Beichtspiegel-Gedichts (GW 10116, vom 18.3.1479) verkaufsf¨ordernd in die vor¨osterliche Zeit legte. Dieser geistliche Gebrauchstext ist F.’ erste nachgewiesene Druckpublikation, die → Geiler von Kaysersberg 1497 seinen Fastenpredigten zugrunde legte und und zusammen mit diesen neu auflegen ließ (GW 10580, Nachdr. VD 16 ZV 5942). Am Anfang des literarischen Schaffen F.’ noch vor der Gr¨undung seiner Offizin stehen aber die im st¨adtischen Literaturbetrieb etablierten Gattungen Meisterlied und Fastnachtspiel. In die fr¨uhen 1470er Jahren d¨urfte der Beginn seiner Lied- und Spieldichtung zu setzen sein. Das a¨lteste datierte Bar ist mit 1475 u¨ berschrieben (1Folz/66), vermulich aber schon vorher entstanden. 90 Lieder sind f¨ur F. zweifelsfrei gesichert. Mit seiner Tonauswahl wendet er sich dezidiert gegen die in den rheinischen oder schw¨abischen Meisters¨anger-Gesellschaften vorherrschende Praxis, nur 937
2. H¨alfte 15. Jh. in T¨onen der alten Sangspruchmeister zu dichten oder zu singen. Gerade in seinem fr¨uhen Liedschaffen verwandte F. zahlreiche eigene T¨one und T¨one zeitgen¨ossischer S¨anger. Die sog. Reformlieder (1Folz/77–82) sind die direkte k¨unstlerische Auseinandersetzung mit der konservativen Haltung, nur in «der zwelffer don» zu singen. F¨ur F. verlief der Konflikt insofern erfolgreich, als dass in N¨urnberg die Ton-Beschr¨ankung auf die alten Meister nicht u¨ bernommen wurde. Eine Meistersang-Reform hat F. entgegen der Annahmen der fr¨uheren Forschung nicht initiiert, da die Verwendung eigener oder zeitgen¨ossischer T¨one in N¨urnberg schon immer u¨ blich war. F. selbst hat in insgesamt zw¨olf eigenen benannten T¨one und drei namenlosen gedichtet, die sp¨atere meisterliche Tradition hat ihm noch zwei weitere zugeschrieben. F.’ To¨ ne bewahren die Kanzonenform, Extreme hinsichtlich L¨ange oder Komplexit¨at der Schemata vermeidet er. Unter den 13 verwandten T¨onen von anderen Meistern finden sich recht gleichm¨aßig verteilt solche a¨ lterer Dichter (u. a. → Marner, → Wolfram von Eschenbach) neben zeitgen¨ossischen T¨onen (von Fritz → Zorn, → Nestler von Speyer und Jo¨ rg → Schiller). Neben den «Reformliedern» ist ein weiterer Liedzyklus in → Heinrichs von Mu¨ geln «Kurzem Ton» (1Folz/39–49) literarhistorisch interessant, in dem sich F. polemisch mit S¨angerkonkurrenten auseinandersetzt. 1Folz/68 ist ein Lob des Buchdrucks und 1Folz/82 ein Bar, das einen Namenskatalog verdienter Meister enth¨alt. Dieser ist mit dem des Konrad → Nachtigall eng verwandt, war Vorlage f¨ur die Prosafassung des Valentin Voigt und enth¨alt Dichternamen, von denen es sonst keine Kenntnis g¨abe. Neben diesen programmatischen Liedern und Zyklen, wenigen moralisch-exemplarischen Baren, je zwei Schwank- und Liebesliedern u¨ berwiegt im Meisterliedschaffen F.’ aber bei Weitem die geistliche Thematik. Er dichtete vorwiegend Marien-, Trinit¨ats und Inkarnations-Lieder, daneben auch Dogmatisches und Erbauliches. F.’ theologisches Wissen wird vor allem anhand der Inkarnationslieder (vgl. 1Folz/16 f.) deutlich. Mit Fritz Zorn stritt F. sich u¨ ber das Wesen der Trinit¨at. Seine Betonung von Bibel und Glauben in Abwehr der theologischen Spekulation weist hier auf die Reformation voraus. Dennoch muss man F. einen betonten Konservatismus hinsichtlich der Themenwahl f¨ur seine Meisterlieder attestieren, der mit 938
2. H¨alfte 15. Jh. dem innovativen Ansatz bei der Tonwahl kontrastiert. Bei der Auff¨uhrung seiner Fastnachtsspiele hat F. vermutlich gelegentlich selbst mitgewirkt. Sieben Spiele sind signiert, weitere f¨unf k¨onnen F. sicher zugeschrieben werden. Wie viele zus¨atzliche Spiele auf F. selbst zur¨uckgehen k¨onnten oder nur von ihm beeinflusst sind, l¨asst sich aufgrund der tendenziell offenen Textgestalt der Gattung nicht sicher festlegen. Generell stand F. dem Fastnachts¨ spiel – auch hier in Ubereinstimmung mit dem Rat – eher kritisch gegen¨uber (im Lied 1Folz/79 empfiehlt er die Spieldichtung den S¨angerkollegen ¨ nur als anf¨angliche Ubung, im Beichtspiegel von 1479 lehnt er die Gattung sogar ab). Es verwundert daher nicht, dass F.’ fr¨uhe Spiele nicht der in N¨urnberg u¨ blichen thematischen Konvention folgen, sondern von geistlicher und antij¨udischer Thematik gepr¨agt sind. Wom¨oglich hat F. das Fastnachtsspiel durch das geistliche Spiel nicht nur erweitern, sondern auch ersetzen wollen. In der christlichj¨udischen Glaubensdiputation Kaiser Constantinus (aufgef¨uhrt 1475) heißt es im Epilog: «und haben euch dr¨um ein geistlichs gemacht / Des p¨ubischen wirt s¨unst vil verpracht». Die antij¨udische Agitation erreicht im Herzog von Burgund (auch: Der Juden Messias), einem sp¨ateren St¨uck (um 1486/93), mit dem Motiv der «Judensau» ihren H¨ohepunkt. In all seinen antij¨udischen St¨ucken beweist F. eine auff¨allige Detailkenntnis vom ju¨ dischen Kult. Neben der Wendung ins Geistliche versuchte F. zudem das Spiel zu literarisieren, indem er in Von K¨onig Salomon und Markolf eine literarische Vorlage (→ Salomon und Markolf-Stoff) heranzog, was Hans Sachs zu seinem literarischen Fastnachtsspiel angeregt haben k¨onnte. Satirisch gepr¨agt ist Der T¨urken Fastnachtspiel. Die anderen Spiele aus den 1480er Jahren sind wesentlich k¨urzer und entsprechen eher dem traditionellen N¨urnberger Typ des revuehaften Reihenspiels mit Bauernthematik, Narrenrevue oder Gerichtsszenen (Bauerngericht, Frau Venus Urteil, Neun Weibernarren u. a.), wobei F. das Handlungsspiel gegen¨uber dem Revuespiel bevorzugte. Diese Abkehr vom geistlichen Spiel d¨urfte dem Publikumsgeschmack geschuldet sein. Seinen pers¨onlichen Stil hat F. aber auch bei der Behandlung der traditionellen Themen beibehalten. F.’ Reimpaardichtungen stehen in unmittelbarer Verbindung zu seiner Offizin, von deren Produktion sie das Gros ausmachen. Da die 48 gesicherten Texte zum großen Teil bei F. selbst im Druck 939
Folz erschienen sind, ist hier die Authentizit¨atsfrage weitestgehend gekl¨art und nur bei einigen handschriftlich u¨ berlieferten Anonyma (Wolfenb¨uttel, HAB, Cod. 2.4 Aug. 2°) umstritten. Zun¨achst verfasste und publizierte F. vor allem geistliche Erz¨ahlungen, bei denen Gelehrsamkeit und narratives Geschick sich kunstvoll verbinden: u. a. → Adam und Eva-Legende, die st¨andekritische ¨ H¨ollenfahrt Der Pfarrer im Atna und die antihussitische Schrift Judas der Ketzerapostel, welche die Hussiten in die Judas-Nachfolge stellt und deren Autorsignatur Dr. → G¨unther von Mosebach als Pseudonym oder Quellenangabe interpretiert werden kann. Außerdem hatte F. zahlreiche geistliche Reimpaarreden im fr¨uhen Verlagsprogramm (darunter den schon angef¨uhrten Beichtspiegel). Reimpaardichtungen der unterschiedlichsten Gattungen folgten auf diese geistlich gepr¨agte Er¨offnung. Vom kaufm¨annischen Aspekt her war die Erweiterung um antij¨udische Thematik sicherlich geschickt. Die Streitschrift Christ und Jude publizierte F. noch 1479, ein Jahr nach dem Beginn der N¨urnberger Judenmission durch Peter → Nigri (1493 brachte F. die a¨ ußerst geh¨assige Polemik J¨udischer Wucher heraus). Unter den weiteren Reimpaarspr¨uchen F.s finden sich: Minnereden, weltlich-didaktische Reden (u. a. die Lastertrias Der Buhler, Der Spieler, Der Trinker), komisch-volkst¨umliche Reden (u. a. 41Spottrezepte eines griechischen Arztes als Warnung vor Scharlatanen und eine Bearbeitung der spezifisch n¨urnbergischen Kleingattung → Klopfan), historisch-politische Reden (neben dem J¨udischen Wucher eine Darstellung des r¨omischen Reiches und ein Ereignisbericht u¨ ber den Besuch K¨onig → Maximilians in N¨urnberg 1491) und fachliterarische Texte (z. B. alchimistische, o¨ konomischmedizinische oder di¨atetische Lehrgedichte (Konfektb¨uchlein, Branntweinb¨uchlein), Pestregimen in Versen, Hausratb¨uchlein (¨uber die Haushaltsf¨uhrung bemittelter Schichten; → ‹Hausratsgedichte›) oder das B¨aderb¨uchlein (m¨ogliche Auftragsarbeit: Anleitung ¨ zu Badekuren mit Uberblick u¨ ber bedeutende Thermalb¨ader). Eine weitere wichtige Gruppe seiner Reimpaardichtung stellen F.s 18 (Schwank-) M¨aren dar, die ihn zum produktivsten namentlich bekannten M¨arenautor machen und im Zentrum der zweiten Druckperiode seiner Offizin stehen. 16 dieser M¨aren hat F. selbst gedruckt. Er greift bekannte Themen auf, erz¨ahlt sie stilistisch reizvoll mit neuen Pointierungen nach und l¨asst in 940
Folz der Regel breite moralisierende Auslegungen folgen. Die h¨aufigsten Themen sind Gaunereien und außereheliche Sexualbeziehungen (u. a. Neubearbeitungen von → Pfaffe und Ehebrecherin und → Die halbe Birne). Die beiden einzigen Prosatexte, die F. geschrieben und aufgelegt hat, stammen aus der ersten Druckperiode der Offizin. Der Parodistische Almanach zielt kritisch auf die zeitgen¨ossische astrologische Literatur ab. Die zweite Schrift ist das Pestregimen in Prosa f¨ur Anton Haller (s. o.). Die im Gegensatz zum Vers-Regimen hier verwandte Prosa erl¨autert F. damit, dass Haller «das ungereimt pas gewon ist». ¨ Uberlieferung: Hss.: Weimar, Herzogin Anna Amalia Bibl., Cod. Quart 566, 256 Bll. aus 17 urspr¨unglich selbstst¨andigen Faszikeln zusammengebunden (Pap., zweite H¨alfte 15. Jh., Teilautograph). Die Hss. enth¨alt 22 Meisterlieder, Gedichtentw¨urfe, zwei Fastnachtspiele und Entw¨urfe zu Fastnachtspielen, Kommentare, Rezepte und Studien unterschiedlicher Art. Auch hat F. hier Quellentexte und Dichtungen anderer Verfasser eingetragen oder eintragen lassen (darunter an literarischen Texten der Der Meide Kranz → Heinrichs von M¨ugeln, Das g¨uldene Jahr Hans → Zukunfts, Das nackte Bild → Elbelins von Eselberg; das mit Hans Kugler signierte L¨ugengedicht Der Windbeutel k¨onnte auch von F. stammen). Zur genauen Inhaltsangabe s. die Onlineausg. der Hs. durch die Anna-Amalia-Bibl. in der Reihe «Monographien digital» (http://ora-web.klassikstiftung.de/digimo online/digimo.entry). – M¨unchen, BSB, Cgm 6353, 168 Bll. (Pap., 1485/90 und etwas sp¨ater, Nachtr¨age v. anderer Hand 16. Jh.; Teilautograph.) 50 Meisterlieder. – Berlin, SBB, Mgq 414 (Meisterliederhs. q) 268r–269r, (Pap., 1517/18, geschrieben v. Hans Sachs in N¨urnberg) 43 Meisterlieder unter F.s Namen (zu Einzelnachweisen in q vgl. RSM 3 [1986] ¨ S. 280–317). – Zur weiteren hsl. Lied-Uberl. vgl. ebd. und zur Melodie¨uberl. RSM 2,1 (2009) S. 46–51. – Ferner Streu¨uberl. v. Fastnachtspielen und Reimpaarspr¨uchen (oft Druckabschriften); vgl. Fischer (s. Ausg.) S. XVI–XXXV, LXIV–LXVIII, VL2 (1980) Sp. 778–790 und http://www.handschriftencensus.de/ (online). – Drucke: Gesamtverz. der autorisierten Drucke: GW 10103–1163. Die Drucke ab 1491 (GW 10105, 10145, 10156, 10158, 10163, 10165) stammen aus der Werkstatt Peter Wagners, die restlichen aus F.s 941
2. H¨alfte 15. Jh. Offizin. – Straßburger Meisterlieddruck (Matthias Hupfuff) 1505 (VD16 D 173). – Bei zwei lat. Almanachen in der ersten F.-Type (GW 01368/01380) ist Herkunft und Verfasserschaft umstritten. – Ab 1515 N¨urnberger Neudr. unterschiedlicher F.Dichtungen zun¨achst durch Johann Stuchs; sp¨ater auch andere N¨urnberger sowie u. a. Straßburger Drucker (VD 16 F 1765–1788; E 657; ZV 5943, 22279); der letzte bekannte F.-Nachdr. (Die Historie vom Pfarrer im Loch) stammt v. 1593 (VD 16 F 1772). Ausgaben (Auswahl): Meisterlieder: August Liebmann Mayer: H. F. Die Meisterlieder. Aus der Mu¨ nchener Originalhs. und der Weimarer Hs, Q. 566. Mit Erg. aus anderen Quellen (DTM 12). Berlin 1908 (Nachdr. Z¨urich 1970). – Erg¨anzungen und weitere Ausg. s. RSM 3 (1986) S. 281–318 (dort auch Lit. zu den einzelnen Baren). – Melodieausgaben: Horst Brunner/Johannes Rettelbach: Die T¨one der Meistersinger. Die Hss. der StB N¨urnberg Will III. 792, 793, 794, 795, 796. In Abb. und mit Materialien. Mit einem Anhang v. Klaus Kramer (Litterae 47). G¨oppingen 1980. – Fastnachtsspiele: Adelbert v. Keller: Fastnachtspiele aus dem 15. Jh. 3 Bde. (Bibl. des Litterarischen Ver. in Stuttgart 28–30). Stuttgart 1853 (Nachdr. Hildesheim 2001) Nr. 1, 7, 20, 38, 43 f., 51, 60, 105 f., 112, 120 (veraltet; Neuausg. in Vorb., vgl. Ridder/ Przybilski/Schuler 2005 [s. Lit.]). – Einzelausgaben: Dietrich Huschenbett: Von dem K¨onig Salomon und Markolf und einem Narren. In: ZfdPh 84 (1965) S. 369–408. – Dieter Wuttke: Die Druckfassung des Fastnachtspieles Von K¨onig Salomon und Markolf. In: ZfdA 94 (1965) S. 141–170. – Ders.: Fastnachtsspiele des 15. und 16. Jh. Unter Mitarbeit v. Walter Wuttke (RUB 9415). Stuttgart 1973, 72006. – Max Siller: Textkrit. Paralleledition des N¨urnberg Fastnachtspiels (Hans Folz), Ein Faßnachtspil von einem Artzt vnd einem Krancken und des Sterzinger Fastnachtspiels der scheissennd. In: Fastnachtspiel – Commedia dell’Arte. Gemeinsamkeiten – Gegens¨atze (Schlern-Schr. 290). Hg. v. dems. Innsbruck 1992, S. 161–198. – Martin Przybilski: Der Juden Messias. In: Fr¨uhe N¨urnberger Fastnachtspiele (Sch¨oninghs medi¨avistische Editionen 4). Hg. v. Klaus Ridder/Hans-Hugo Steinhoff zusammen mit Oliver Huck. Paderborn u. a. 1998, S. 85–108 (Nr. 7) Komm. S. 156–167. – Reimpaarspr¨uche und Prosa: Hanns Fischer: H. F. Die Reimpaarspr¨uche (MTU 1). M¨unchen 1961. – Ders.: ‹Der Stein der Weisen›. Ein unver¨offentlichter Gedichtentwurf v. H. F. In: ZfdPh 86 (1967) 942
2. H¨alfte 15. Jh. Sonderheft, S. 99–119. – R¨udiger Kr¨uger: H. F. Das B¨aderb¨uchlein. Faks., Edition, Komm. Stuttgart 1995. – Auswahlausgabe: Ingeborg Glier: H. F. Ausw. (Studienausg. zur neueren dt. Lit. 4). Berlin 1960. ¨ Ubersetzung: Schwankerz¨ahlungen des dt. MA. Ausgew¨ahlt und u¨ bers. v. H. Fischer. M¨unchen 1967 u. o¨ ., Nr. 4, 15, 32, 42, 46, 49. Bibliographien: Archer Taylor/Frances Hankemeier Ellis: A bibliography of Meistergesang. Bloomington (Indiana) 1936. – Ingeborg Spriewald: H. F.: Dichter und Drucker. Beitr. zur Folzforsch. In: PBB (Halle) 83 (1961) S. 247–277 (mit vollst. Verz. der Ausg. von Einzeldr.). – Johannes Janota: Neue Forsch. zu den Dichtungen des Sp¨atMA. In: DVjs 45 (1971) Sonderh. S. *168 f., *207 f., *224 f. – Wuttke 1973 (s. Ausg.) S. 365–440. – DLL3 5 (1977) Sp. 296–305. – VL2 (1980) Sp. 791–793. Literatur: Karl Bartsch, ADB 7 (1878) S. 151–153. – Christoph Petzsch, NDB 5 (1961) S. 288 f. – Johannes Janota, VL2 (1980) Sp. 769–793; 11 (2004) Sp. 449 f. – RSM 3 (1986) S. 280–317; 1 (1994) S. 22; 2,1 (2009) S. 46–51. – Horst Brunner, LexMA 4 (1989) Sp. 617. – Hans-Otto Keunecke, LGB2 2 (1989) S. 628. – Frieder Schanze, MarLex 2 (1989) S. 484 f. – De Boor/Newald 4/1 (21994) S. 230–233, 897 (Reg.). – Johannes Rettelbach, MGG2 Personenteil 6 (2001) Sp. 1412–1415. – J. Janota, Killy2 3 (2008) S. 492–494. – Zur Lit. vor 1980 vgl. auch Bibliographie. Allgemein, gattungs¨ubergreifend: Rudolf Henß: Stud. zu H. F. (Germ. Stud. 156). Berlin 1934 (Nachdr. Nendeln/Liechtenstein 1967). – H. Fischer: H. F. Altes und Neues zur Gesch. seines Lebens und seiner Schr. In: ZfdA 95 (1966) S. 212–236. – J. Janota: H. F. in N¨urnberg. Ein Autor etabliert sich in einer stadtb¨urgerlichen Gesellschaft. In: Philologie und Geschichtswiss. Demonstrationen literarischer Texte des MA (Medium Lit. 5). Hg. v. Heinz Rupp. Heidelberg 1977, S. 74–91. – Fritz Langensiepen: Tradition und Vermittlung. Literaturgeschichtliche und didaktische Unters. zu H. F. (Phil.Stud.u.Qu. 102). Berlin 1980. – Irene Stahl: Die Meistersinger von N¨urnberg. Archivalische Stud. (N¨urnberger Werkst¨ucke zur Stadt- und Landesgesch. 33). N¨urnberg 1982, passim. – Edith Wenzel: Zur Judenproblematik bei H. F. In: ZfdPh 101 (1982) S. 79–104. – I. Spriewald: Lit. zwischen H¨oren und Lesen. Wandel von Funktion und Rezeption im sp¨aten MA. Fallstud. zu Beheim, Folz und Sachs. Berlin/Weimar 943
Folz 1990, S. 56–116. – Elisabeth Keller: Die Darstellung der Frau in Fastnachtspiel und Spruchdichtung v. Hans Rosenpl¨ut und H. F. (Europ¨aische Hochschulschr. 1, 1325). Frankfurt/M. 1992. – Aaron Eugene Wright: ‹Die gotlich sterk gab daz der teutschen zungen›. F., Schedel, and the printing press in fifteenth-century Nuremberg. In: Fifteenth Century Studies 19 (1992) S. 319–349. – R¨udiger Krohn: H. F. In: Dt. Dichter der fr¨uhen Neuzeit (1450–1600). Ihr Leben und Werk. Hg. v. Stephan F¨ussel. Berlin 1993, S. 111–124. – M. Przybilski: Zu den Hebr¨aischkenntnissen des N¨urnberger Fastnachtspieldichters H. F. In: Arch. f¨ur das Studium der neueren Sprachen und Literaturen 148 (1996) S. 323–326. – Ursula Rautenberg: Das Werk als Ware. Der N¨urnberger Kleindrucker H. F. In: Internationales Arch. f¨ur Sozialgesch. der dt. Lit. 24 (1999) S. 1–40. – Christine Magin. H. F. und die Juden. In: Einblattdrucke des 15. und fr¨uhen 16. Jh. Probleme, Perspektiven, Fallstud. Hg. v. Volker Honemann u. a. T¨ubingen 2000, S. 371–395. – Winfried Frey: Wir und die Anderen. Strategien der Ausgrenzung bei H. F., Martin ´ Bucer und Martin Luther. In: Etudes m´edi´evales 4 (2002) S. 43–54. – Matthias Sch¨onleber: Antij¨udische Motive in Schw¨anken und Fastnachtsspielen v. H. F. In: Juden in der dt. Lit. des MA. Religi¨ose Konzepte, Feindbilder, Rechtfertigungen. Hg. v. Ursula Schulze. Tu¨ bingen 2002, S. 163–182. – John L. Flood: H. F. zwischen Handschriftenkultur und Buchdruckerkunst. In: Texttyp und Textproduktion in der dt. Lit. des MA (Trends in Medieval Philology 7). Hg. v. Elizabeth Andersen u. a. Berlin/New York 2005, S. 1–27. – Caroline Huey: H. F. and print culture in late medieval Germany. The creation of popular discourse. Farnham u. a. 2012. Lieddichtung: Werner Hofmann: Stilgeschichtliche Unters. zu den Meisterliedern des H. F. (Germ. Stud. 132). Berlin 1933 (Nachdr. Nendeln/Liechtenstein 1967). – C. Petzsch: Stud. zum Meistergesang des H. F. In: DVjs 36 (1962) S. 190–247. – Ders.: Zur sog., H. F. zugeschriebenen Meistergesangsreform. In: PBB (T¨ub.) 88 (1967) S. 110–142. – Ders.: Ein sp¨ates Zeugnis der Lai-Technik. In: ZfdA 99 (1970) S. 310–323 (mit Melodieabdruck ‹Kettenton›). – Eva Schumann: Stilwandel und Gestaltver¨anderung im Meistersang. Vergleichende Unters. zur Musik der Meistersinger (G¨ottinger musikwissenschaftliche Arbeiten 3). Kassel 1972 [recte 1973] passim. – H. Brun¨ ner: Die alten Meister. Stud. zur Uberl. und Rezeption der mhd. Sangspruchdichter (MTU 54). 944
Folz Mu¨ nchen 1975, Reg. – Antonius H. Touber: Dt. Strophenformen des MA (Repertorien zur dt. Literaturgesch. 6.). Stuttgart 1975, Reg. – F. Schanze: Meisterliche Liedkunst zwischen Heinrich v. Mu¨ geln und Hans Sachs. Bd. 1: Unters. (MTU 82). M¨unchen 1983, S. 295–350. – J. Rettelbach: Variation – Derivation – Imitation. Unters. zu den T¨onen der Sangspruchdichter und Meistersinger (Fr¨uhe Neuzeit 14). T¨ubingen 1993, Reg. – Michael Baldzuhn: Ein meisterliches Streitgedicht. Zum poetologischen Horizont der Lieder ¨ Nr. 89–94 des H. F. In: Lied im dt. MA. Uberl., Typen, Gebrauch. Hg. v. Cyril W. Edwards u. a. T¨ubingen 1996, S. 227–243. – J. Rettelbach: Der Einzug der Meistersinger in die Oper. In: Vom MA zur Neuzeit. FS H. Brunner. Hg. v. Dorothea Klein u. a. Wiesbaden 2000, S. 615–632. – J. Janota: Fides et ratio: die Trinit¨atsspekulationen in den Meisterliedern des H. F. In: Reflexion und Inszenierung v. Rationalit¨at in der ma. Lit. (Wolfram-Stud. 20). Hg. v. K. Ridder. Berlin 2008, S. 351–386. – F. Schanze: Ein unver¨offentlichtes Lied des H. F.: Die Verk¨undung des Englischen Grußes. In: ‹Texte zum Sprechen bringen›. Philologie und Interpretation. FS Paul Sappler. Hg. v. Christiane Ackermann/ Ulrich Barton. T¨ubingen 2009, S. 329–336. Fastnachtspiele: Eckehard Catholy: Das Fastnachtspiel des Sp¨atMA (Hermaea NF 8). T¨ubingen 1961. – Ders.: Fastnachtspiel (Slg. Metzler 56). Stuttgart 1966. – E. Wenzel: ‹Do worden die Judden alle geschant›. Rolle und Funktion der Juden in sp¨atma Spielen (Forschungen zur Gesch. der a¨lteren dt. Lit. 14). Mu¨ nchen 1992, S. 189–265. – Hans-J¨urgen Bachorski: Auftritt und Abgang des Schalks. Der Streit zwischen Salomon und Markolf in Spielen v. H. F., Hans Sachs und Zacharias Bletz. In: Schelme und Narren in den Literaturen des MA (Greifswalder Beitr. zum MA 16 / Wodan. Recherches en litt´erature m´edi´evale 31). Hg. v. Danielle Buschinger/Wolfgang Spiewok. Greifswald 1994, S. 1–24. – Regine Schiel: ‹Die giftigen w¨urm das seit ir›. Antijudaismus in Fastnachtspielen des N¨urnberger Meisters¨angers H. F. (Ende 15. Jh.). In: Judentum und Antijudaismus in der dt. Lit. im MA und an der Wende zur Neuzeit. Ein Studienbuch. Hg. v. Arne Domr¨os u. a. Berlin 2002, S. 147–177. – Maria E. Mu¨ ller: Infame Rituale – zu den antij¨udischen Fastnachtspielen v. H. F. und R. W. Fassbinders ‹Der Mu¨ ll, die Stadt und der Tod›. In: Die Kunst der Infamie. Vom S¨angerkrieg zum Medienkrieg. Hg. v. Hubertus Fischer. 945
2. H¨alfte 15. Jh. Frankfurt/M. 2003, S. 81–141. – K. Ridder/M. Przybilski/Martina Schuler: Neuedition und Kommentierung der vorreformatorischen N¨urnberger Fastnachtspiele. In: Dt. Texte des MA zwischen Handschriftenn¨ahe und Rekonstruktion (Beihefte zu editio 23). Hg. v. Martin J. Schubert. T¨ubingen 2005, S. 237–256. – K. Ridder (Hg.): Fastnachtspiele. Weltliches Schauspiel in literarischen und kulturellen Kontexten. Tu¨ bingen 2009 (zahlreiche Beitr., Autorenreg. S. 463 f.). – M. Przybilski (Hg.): Stud. zu ausgew¨ahlten Fastnachtspielen des H. F. Struktur – Autorschaft – Quellen. Mit Beitr. v. Theresia Biehl, Christoph Gerhardt und Stefan Hannes Greil. Wiesbaden 2011. Reimpaarspr¨uche: David Blamires: H. Folzens ‹Die Wahrsagebeeren› als Quelle f¨ur ‹Ulenspiegel›, Historie 35. In: ZfdA 111 (1982) S. 53–60. – H. Fischer: Stud. zur dt. M¨arendichtung. 2., durchges. und erw. Aufl., besorgt v. J. Janota. T¨ubingen 1983, Reg. – Jo¨ rn Reichel: H. F. als Bearbeiter eigener M¨arendrucke. In: Philologische Unters. FS Elfriede Stutz (Philologica Germanica 7). Hg. v. Alfred Ebenbauer. Wien 1984, S. 357–373. – I. Spriewald: Zum Verh¨altnis von Fachprosa und Reimpaardichtung am Beispiel des H. F. In: Dt. Lit. des Sp¨atMA. Ergebnisse, Probleme und Perspektiven der Forsch. (Dt. Lit. des MA 3). Hg. v. W. Spiewok. Greifswald 1986, S. 300–314. – J. Janota: Liebe und Ehe bei H. F. Von der Minnerede zum Lob der Ehe. In: Liebe in der dt. Lit. des MA (Publ. of the Institute of Germanic Studies 40). Hg. v. Jeffrey R. Ashcroft u. a. T¨ubingen 1987, S. 174–191. – Joachim Telle: Zur Spruchdichtung Der Stein der Weisen v. H. F. In: ‹Der Buchstab t¨odt – der geist macht lebendig.› FS Hans-Gert Roloff. Hg. v. James Hardin/J¨org Jungmayr. Bern 1992, S. 459–484. – R¨udiger Brandt/J¨urgen Fr¨ohlich: Bisam, ‹Dreck› und ‹Unflat›. Pharmakologisch-poetologische Implikationen eines Motivs in den ‹Wahrsagebeeren› v. H. F. und Historie 35 des ‹Eulenspiegel›. In: ZfdA 124 (1995) S. 76–91. – Gert H¨ubner: H. F. als M¨aren¨ erz¨ahler. Uberlegungen zum narrativen Konzept. In: GRM NF 54 (2004) S. 265–281. – Sandra Pott: ‹Medicus poeta›: Poetisierung medizinischen Wissens u¨ ber Pest und Bl¨asse. H. F. und einige unbekannte Mediziner-Dichter. In: Gesundheit – Krankheit. Kulturtransfer medizinischen Wissens v. der Sp¨atantike bis in die Fr¨uhe Neuzeit (AfK, Beih. 55). Hg. v. Florian Steger/Kay Peter Jankrift. K¨oln u. a. 2004, S. 237–261. – Ralph Tanner: Sex, 946
2. H¨alfte 15. Jh. S¨unde, Seelenheil. Die Figur des Pfaffen in der M¨arenlit. und ihr hist. Hintergrund (1200–1600). W¨urzburg 2005, S. 642 (Reg.). – Sebastian Coxon: Gel¨achter und Gesundheit. Humanistische Thematik im ‹Quacksalber› des H. F. In: Humanismus in der dt. Lit. des MA und der fr¨uhen Neuzeit. Hg. v. Nicola McLelland. T¨ubingen 2008, S. 383–398. – Jacob Klingner: Minnereden im Druck. Stud. zur Gattungsgesch. im Zeitalter des Medienwechsels (Phil.Stud.u.Qu. 226). Berlin 2010, S. 47–111. VZ Lenz, Hans → Band 3, Sp. 1125 f. Es flog ein clains walt vogelein auß hymels drone → Band 2, Sp. 1603 f. Buchsbaum, Sixt → Band 2, Sp. 1611–1613. Der himmlische Rosenkranz → Band 2, Sp. 1618 f. Joppel, ¨ Kaspar (Caspar). «Caspar J¨oppel ist er genannt, / er hats (garwol) gesungen uß freiem m˚ut / als noch mancher fromer aidgenoß t˚ut» dichtet J. selbstbewusst am Ende seines 12-strophigen Liedes, das die Aufnahme Basels in den eigen¨ossischen Bund 1501 zelebriert. J. legt es, wie in den letzten Zeilen proklamiert, auf eine weite Verbreitung an: In den Strophen finden sich mehrere lobende Nennungen von Orten der Eidgenossenschaft (u. a. Z¨urich, Bern, Solothurn). Vermutlich handelt es sich um die einzige literarische Sch¨opfung des bezeugten Schreibers und Schulhalters aus Basel, der Mitglied der St. Wolfgangs-Bruderschaft war und vor dem 3.10.1515 gestorben sein d¨urfte, da an diesem Tag seine Frau als Witwe genannt wird. ¨ Uberlieferung: Stuttgart, LB, Cod. hist. 8° Nr. 16a, S. 54–57 (Miscellanea historica des Oswald Gabelkover, Bd. 1). Ausgabe: Liliencron 2 (1866) S. 458–460 (Nr. 222). Literatur: Iris Rilling-Schanze, VL2 4 (1983) Sp. 838 f. – De Boor/Newald 4/1 (21994) S. 187. – Karina Kellermann: Abschied vom ‹hist. Volkslied›. ¨ Stud. zu Funktion, Asthetik und Publizit¨at der Gattung hist.-politische Ereignisdichtung (Hermaea NF 90). T¨ubingen 2000, S. 225. FA 947
Lenz Joriger ¨ / Joringer. – Liederdichter, um 1500 (?). Im hinteren Teil des Liederbuchs der Clara → H¨atzlerin werden J. drei didaktische Lieder zugeschrieben. Die Lieder stehen nach thematisch verwandten St¨ucken → Suchensinns und vor einem kleinen → Muskatblut-Corpus. Sie sind im Codex u¨ berschrieben mit: «Ein J¨origer junkfraw lere», «Ein J¨orger frawen ler» und «Ein J¨orgen weltlich von lieb». Die ersten beiden je siebenstrophigen Lieder sind Tugendlehren f¨ur Jungfrauen bzw. Ehefrauen. Sie warnen vor allem vor Verf¨uhrern. Das dritte Lied in f¨unf Strophen ist eine Minnelehre f¨ur M¨anner mit besonderer Betonung der Tugend der Verschwiegenheit. Der Ton, in dem die Texte verfasst sind, zeigt Verwandschaft zum «Kurzen Ton» des → Kanzlers. Die metrische Gleichwertigkeit der m¨annlichen und weiblichen Reime in den Strophen spricht daf¨ur, dass sich J. der strengeren meisterlichen Konvention nicht verpflichtet sah. Mo¨ glicherweise ist J. identisch mit einem «Joringer»/«Zorniger», der in den verwandten Namenskatalogen verstorbener Meister des Konrad → Nachtigall (RSM: 1NachtK/5/2) und Hans → Folz (1Folz/82) und im auf Nachtigall beruhenden Katalog des Valentin Voigt aus der Mitte des 16. Jh. genannt wird. Die Zuordnung ist unsicher, aber offensichtlich wurde eine Variante von J.s Tons f¨ur weitere, ganz u¨ berwiegend geistliche Lieddichtungen herangezogen. Darunter befindet sich ein lat. Loblied auf die hl. Katharina, das zeitnah entstanden sein d¨urfte und von neun Handschriften tradiert wird (erstmals in einem von Nikolaus von Kosel geschriebenen Codex). ¨ Uberlieferung: Prag, Nationalmus., Cod. X A 12, 342r–345r (Pap., 1470/71, aus Augsburg). – Hs. Kosels: Breslau, UB, Cod. I Q 466, 30v (Pap., 1416/21, lat./oberschlesisch). – Zur weite¨ ren Uberl. von Liedern im Ton J.s s. RSM 4 (1988) S. 129–131. – Zur Melodie¨uberl. s. RSM 2,1 (2009) S. 98. Ausgaben: Carl Haltaus: Liederbuch der Clara H¨atzlerin (Bibl.dt.Nat.-Lit. 8). Quedlinburg/Leipzig 1840 (Neudr. mit einem Nachw. v. Hanns Fischer, Berlin 1966) S. 93–96 (Nr. 1,122); eine Neuausg. des Liederbuches v. Susanne Homeyer/ Inta Knor/Hans-Joachim Solms ist in Vorbereitung. – Cramer 2 (1979) S. 103–109. – Melodieausgabe: Horst Brunner/Karl-G¨unther Hartmann: Spruchsang. Die Melodien der Sangspruchdichter 948
Balthasar von Heilbronn des 12. bis 15. Jh. (Monumenta monodica medii aevi 6). Kassel 2010, S. 161. Literatur: Burghart Wachinger, VL2 4 (1983) Sp. 870 f. – RSM 4 (1988) S. 128–131; 2,1 (2009) S. 98. – Martin Junghans: Stud. zum Meistersinger J¨org Schiller. Diss. Greifswald 1931, S. 93 f. – Horst Dieter Schlosser: Unters. zum sog. lyrischen Teil des Liederbuches der Klara H¨atzlerin. Diss. Hamburg 1965, S. 17 f., 181, 184. – Cramer 2 (1979) S. 500 f. – Horst Brunner: Dichter ohne Werk. Zu einer u¨ berlieferungsbedingten Grenze ma. Lit.gesch. (Mit einem Textanhang: Die Dichterkat. des Konrad Nachtigall, des Valentin Voigt ¨ und des Hans Folz). In: Uberlieferungsgeschichtliche Editionen und Stud. zur dt. Lit. des MA. FS Kurt Ruh (TTG 31). Hg. v. Konrad Kunze u. a. T¨ubingen 1989, S. 1–31, hier S. 9 (wieder in: H. Brunner: Ann¨aherungen. Stud. zur dt. Lit. des MA und der Fr¨uhen Neuzeit [Phil.Stud.u.Qu. 210]. Berlin 2008, S. 291–303, hier S. 299). VZ Klinger, Hans → Band 2, Sp. 1610. Magnus von Anhalt → Band 2, Sp. 1624 f. Sunneberg, Wilhelm. Dass S. ein bed¨urftiger Berufsdichter gewesen sein muss, geht schon aus seinem u¨ berlieferten Reimpaargedicht hervor, in dem er formelhaft um Lohn bittet und auf sein heruntergekomme¨ nes Außeres hinweist: «habs dem frumen f¨ursten geschenkt, / daß er mein wol darbei gedenkt, / daß ich so p¨ose kleider trag». Angesprochen ist der bayerische Herzog Albrecht IV., in dessen Dienst er wohl gestanden hat. Das einzige erhaltene Gedicht d¨urfte um 1503/1504 entstanden sein; u¨ berliefert ist es nur in zwei Drucken (beide bieten nicht die vollst¨andige Fassung). Im Kontext des Landshuter Erbfolgekriegs verfasst, wird die Geschichte der bayerischen Erbfolge bis zu ebendiesem Ereignis geschildert und durch die Darstellung der genealogischen Verh¨altnisse seit Kaiser Ludwig die rechtliche Lage aufgezeigt. S. sieht sich selbst als Ungebildeten («denn daß ich nit hab weis und list»), der nur im Auftrag der Wahrheit («wenn ich die wahreit reden sol») u¨ ber eine politische Situation berichtet und seinen Perspektive (zugunsten Albrechts) dadurch legitimiert – es ist eine von vielen Methoden, um in politischen 949
um 1500 Reimreden das Publikum auf die eigene Seite zu ziehen (vgl. Kellermann). Drucke: [Leipzig, M. Landsberg], Ex.: Berlin, SB, Yg 6151. – o. O. u. J., vgl. Hormayr (s. Ausg.). Ausgaben: Liliencron 2 (1866) S. 498–500 (Nr. 233). – Taschenbuch f¨ur die vaterl¨andische Gesch. NF 3. Hg. v. den Freyherrn von Hormayr und von Mednyansky. M¨unchen 1832, S. 99–102. – Einhundert dt. hist. Volkslieder. Leipzig 21845, S. 186–190 (Nr. 32). Literatur: De Boor/Newald 4/1 (21994) S. 189. – Frieder Schanze, VL2 9 (1995) Sp. 536 f. – Karina Kellermann: Abschied vom ‹hist. Volkslied›. ¨ Stud. zu Funktion, Asthetik und Publizit¨at der Gattung hist.-politische Ereignisdichtung (Hermaea NF 90). T¨ubingen 2000, S. 239, 296, 324. FA Balthasar von Heilbronn (auch: Balthas von Haylprunn). – Lieddichter. Dem ansonsten unbekannten B. wird das um 1500 entstandene Lied Fuchswild bin ich zugeschrieben. Der Text ist in drei Fassungen erhalten: In einer handschriftlichen Sammlung von Valentin Holl aus den Jahren 1524–26 ist das Lied noch anonym u¨ berliefert. In der Liedersammlung Bergreihen (um 1531) ist B. namentlich genannt. Eine dritte Fassung ist nur als Fragment eines schweizerischen Drucks von etwa 1540–50 erhalten. Der f¨unf Strophen umfassende Text schildert die Wut eines reitenden Knechts u¨ ber seine schlechte Lebenssituation. Als widrige Umst¨ande erscheinen der Hass und Neid feindseliger Bauern sowie die eigene Armut, die dem Knecht in einer von Geld bestimmten Welt das Leben schwer macht. Daher a¨ ußert er eine große Sehnsucht nach der Fremde, die ein besseres Leben verspricht. B.s eing¨angiger Text wurde im 19. Jh. wiederentdeckt und in die großen Volksliedsammlungen von Karl Goedeke, Rochus von Liliencron und Ludwig Uhland aufgenommen. ¨ Uberlieferung: N¨urnberg, Germ. Nationalmuseum, Hs. Merkel 2° 966, 111r (Pap., Augsburg, 1524–26). – F¨ur den Melodieton vgl. St. Gallen, Stiftsbibl., cod. Sang. 530, 100r (Pap., 1517, mit Nachtrag v. 1531). Ausgaben: Liederbuch aus dem 16. Jh. Hg. v. Karl Goedeke/Julius Tittmann. Leipzig 1867, Nr. 109 (Bergreihen-Fassung). – Dt. Leben im Volkslied um 1530. Hg. v. Rochus v. Liliencron. Berlin u. a. [1884] (Nachdr. Hildesheim 1966) Nr. 129 950
um 1500 (Bergreihen-Fassung). – Alte hoch- und nd. Volkslieder 1. Hg. v. Ludwig Uhland. Stuttgart [31893] (Nachdr. Hildesheim 1968) Nr. 57 (N¨urnberger und Bergreihen-Fassung). – Bergreihen. Eine Liedersammlung des 16. Jh. mit drei Folgen. Hg. v. Gerhard Heilfurth u. a. T¨ubingen 1959, Nr. 157 (Bergreihen-Fassung). – Cramer 1 (1977) S. 58 f. (N¨urnberger und Bergreihen-Fassung). Druck: Zum schweizerischen Druckfragment vgl. Eis 1966 (s. Lit.). Literatur: J¨urgen Dittmar, VL2 1 (1978) Sp. 589 f. – De Boor/Newald 4/1 (21994) S. 188. – ¨ Gerhard Eis: Zur Uberl. des sog. Balthas v. H. In: Leuvense Bijdragen 55 (1966) S. 173–175 (wieder in: Ders.: Kl. Schr. zur altdt. weltlichen Dichtung. Amsterdam 1979, S. 355–358). MM Barz, Heinrich (Partz, Parz, Partsch, Part, Bart, Bartes). – Meistersinger. B. ist nur indirekt u¨ ber Erw¨ahnungen bei anderen Verfassern nachweisbar. Falls deren Angaben korrekt sind, stammte B. m¨oglicherweise aus Frankfurt/Main und lebte vielleicht um 1500. Erstmals erscheint er in einer Handschrift des Hans Sachs von 1517/18, der B. einen Langen Ton zuschreibt. Diesen verwendet Sachs selbst an f¨unf Stellen seines Werks. Auch in sp¨ateren T¨oneregistern von 1562, 1588, 1590 und 1613 wird B. mit diesem Langen Ton verkn¨upft. Charakteristisch f¨ur den Ton sind seine 37 Reime mit vielen Pausenreimen (vier pro Stollen, zwei im Abgesang). Als Vorbild diente wohl der Goldene Ton → Frauenlobs. Verwandtschaften bestehen zum Goldenen Ton des Konrad → Nachtigall, dem Kettenton des Hans → Folz, der Goldenen Tagweise Drabolts, dem Freien Ton Singers sowie der Chor- und Strassweise des Lienhard → Nunnenbeck. ¨ Uberlieferung: Erw¨ahnung B.s und seines Tons bei Hans Sachs: Berlin, SBB, Mgq 414, 346v–348r (Pap., 1517/18, Schreiber Hans Sachs). Ausgaben: Erw¨ahnungen B.s in T¨oneregistern: ¨ Karl Julius Schr¨oer: Meistersinger in Osterreich. In: Germanistische Stud. 2. Hg. v. Karl Bartsch. Wien (Nachdr. Hildesheim 1977) S. 197–239, hier S. 222 (Reg. v. 1590). – Das Singebuch des Adam Puschmann nebst den Originalmelodien des Michel Behaim und Hans Sachs. Hg. v. Georg M¨unzer. Leipzig 1906 (Nachdr. Hildesheim u. a. 1970) S. 22 (Reg. v. 1588). – Franz Streinz: Die Singschule in Iglau und ihre Beziehungen zum allgemeinen dt. 951
Barz Meistergesang. Mu¨ nchen 1958, S. 100, 156 (Iglauer Reg. v. 1562 u. 1613). Literatur: Horst Brunner, VL2 1 (1978) Sp. 625 f. – RSM 9 (1986) S. 69, 204; RSM 2/2 (2009) S. 262, 517 u. o¨ . – Robert Staiger: Benedict v. Watt. Ein Beitr. zur Kenntnis des b¨urgerlichen Meistergesangs um die Wende des 16. Jh. Leipzig 1914 (Neudr. ebd. 1973) S. 82 f. – Eugen Geiger: Der Meistergesang des Hans Sachs. Literarhist. Unters. Bern 1956, S. 34, 88, 93. – Frieder Schanze: Meisterliche Liedkunst zwischen Heinrich v. M¨ugeln und Hans Sachs 2 (MTU 83). Mu¨ nchen u. a. 1984, S. 108, 294. MM Brus, Andreas → Band 3, Sp. 1133 f. Frumon (Fr¨umon). – Mhd. Dichter, Ende 15./Anfang des 16. Jh. Unter dem Namen «Frumon» ist in der Handschrift Berlin, SBB, Mgq. 414, als deren Schreiber Hans Sachs identifiziert wurde, ein dreistrophiges Meisterlied u¨ berliefert. Da das Lied im Goldenen Ton → Beckmessers abgefasst ist, liegt eine Datierung und Lokalisierung des Dichters nach N¨urnberg Ende des 15./Anfang des 16. Jh. nahe. Der Familienname Frumon/Fruman ist dort zwischen dem 14. und 16. Jh. zwar h¨aufig belegt, eine Zuordnung zu dem Meistersinger ist jedoch nicht m¨oglich. Dem F. zugeschrieben ist ein Gedicht auf Bl. 404r–405r u¨ ber die Verk¨undigung an Maria. Geschildert wird die Aussendung des Engels Gabriel und sein Zusammentreffen mit der Jungfrau. Die Ankunft des Engels veranlasst Maria, die, wie → Augustinus berichtet, gerade ihrem regelm¨aßigen n¨achtlichen Buchstudium nachgeht, zum Gebet, um nicht wie vor ihr Eva durch eine T¨auschung der Versuchung zu erliegen. Nach einer Ermahnung an den Leser folgt die Annunziation Gabriels und Marias Erwiderung nach Lukas mit lateinischen Einsch¨uben. Von Cramer ist F. ebenfalls als Verfasser der folgenden f¨unf anonymen Strophen u¨ ber die Heimsuchung Marias sowie des sich daran anschließenden f¨unfstrophigen Marienlobs des Dichters Grimon bezeichnet worden. Die Anordnung in der Handschrift, der Ton sowie die Fortf¨uhrung der Thematik st¨utzen zwar diese Annahme, letztlich beschr¨ankt sich jedoch die Zuschreibung auf das eine Gedicht. Der Vermutung, bei «grimon» handle es sich um eine irrt¨umliche Schreibung von Frumon, 952
Hans von Landshut II ist sowohl von Brunner als auch von Klesatschke widersprochen worden. ¨ Uberlieferung: Berlin, SBB, Mgq 414 («Naglerscher Meisterliedercodex», Meisterliederhs. q), 404r–405r (Pap., N¨urnberg, 1517/18). Ausgabe: Cramer 1, S. 230–232. Literatur: Horst Brunner, VL2 2 (1980) Sp. 991 f. – RSM 1, S. 84–86; 3, S. 528. – Hermann Degering: Kurzes Verz. der germ. Hss. der Preußischen Staatsbibl. Bd. 2: Die Hss. in Quartformat (Mitt. aus der Preußischen Staatsbibl. 8). Leipzig 1926 (Nachdr. Graz 1970) S. 76. – Eva Klesatschke: Lienhard Nunnenbeck: Die Meisterlieder und der Spruch. Edition und Unters. (GAG 363). G¨oppingen 1984. MK Grimon → Band 2, Sp. 1609 f. Der von Gostenhof. – N¨urnberger Meisters¨anger um 1500. Hans Sachs benennt in der Schulkunst von 1527 (RSM: 2S/187) die zw¨olf bekanntesten Vertreter des fr¨uhen n¨urnbergischen Meistergesangs. An achter Position f¨uhrt er einen Meister «vom Gostenhof» an, den er als «schneider» bezeichnet, der «vil sch¨oner bar» gemacht habe und «der kunst ein richter» gewesen sei (zitiert nach Nagel [s. Lit.]). Den Namen des S¨angers aus der N¨urnberger Vorstadt Gostenhof nennt er nicht. Im Meisterkatalog des Konrad → Nachtigall (1NachtK/5/2), der vor 1482 entstanden ist, wird d. v. G. nicht erw¨ahnt, was ein Indiz sein k¨onnte, sein dichterisches Schaffen zeitlich sp¨ater anzusetzen. In den sp¨ateren Zw¨olferKatalogen wird d. v. G. zumeist ersetzt. Georg Hagers (1552–1634) Katalog ist die einzige Ausnahme (abgedruckt bei Bell [s. Lit.]). H¨ochst spekulativ ist die Identifikation des v. G. mit einem «wolff schneider ein Dichter der kunst», der in einem T¨oneregister des 16. Jh. angef¨uhrt wird (abgedr. bei Dreyer [s. Lit.]) und archivalisch nicht sicher nachweisbar ist. Literatur: Horst Brunner, VL2 3 (1981) Sp. 109. – Aloys Dreyer: Hans Sachs in M¨unchen und die gleichzeitigen M¨unchner Meisters¨anger. Beitr. zur Gesch. des Meistersangs. In: Analecta Germanica. FS Hermann Paul. Hg. v. Anton Glock u. a. Amberg 1906, S. 323–389, hier S. 380–389, bes. S. 386. – Claire Hayden Bell: Georg Hager. A Meistersinger of N¨urnberg 1552–1634. Bd. 2. Berkeley/Los Angeles 1947, S. 17. – Bert Nagel: Meistersang. Meisterlieder und Singschulzeugnisse. 953
um 1500 Auswahl und Einf. (RUB 8977/78). Stuttgart 1965, S. 107. – Irene Stahl: Die Meistersinger v. N¨urnberg. Archivalische Stud. (N¨urnberger Werkst¨ucke zur Stadt- und Landesgesch. 33). N¨urnberg 1982. VZ
Hans von Landshut II. – Meisterlieddichter, 15. Jh. Eine vorreformatorische Meisterliedsammlung des Hans Sachs von 1517/18 u¨ berliefert unter H.s Namen ein Siebenerbar in → Marners «Langem Ton» (RSM: 1Marn/7). Dieser H. k¨onnte mit dem «pader zu Lanßhut», also einem Badestubenbetreiber, zu identifizieren sein, den Hans → Folz lobend als einen der wenigen guten Meisters¨anger unter seinen Zeitgenossen erw¨ahnt (1Folz/9). Außerdem nennt Folz hier Fritz → Zorn und Kunz → Schneider. Die Bildung H.s stellt Folz explizit heraus, denn jener sei «pas gelart» gewesen als die beiden anderen genannten S¨anger. Zudem habe H. seine Bibeln¨ahe ausgezeichnet («Der auch der schrifft nit spart»). Eine Identit¨at H.s mit dem gleichnamigen Wundarzt (→ Hans von Landshut I) ist nicht auszuschließen, w¨ahrend der Ingolst¨adter Student Johannes von Landshut, der 1524 ein polemisches Gedicht verfasst hat, deutlich zu jung bezeugt ist (vgl. Irmgard Bezzel: Argula von Grumbach und Johannes aus Landshut. Zu einer Kontroverse des Jahres 1524. In: Gutenberg Jb. 59 [1984] S. 201–207). Thema des Liedes von H. ist die Trinit¨at, die zwar ohne theologische Spezialkenntnisse aber mit bemerkenswerter Pr¨azision behandelt wird. Der Form nach ist das Lied ein Abecedar, d. h. die Anfangsbuchstaben der Strophenteile bilden ein ABC. Dieses reicht von «A» bis «U» und wird – passend zum Thema des Liedes – mit «O» abgeschlossen. Besonderes Augenmerk legt H. auf die innertrinitarischen processiones (Str. 3 und 4). Auff¨allig sind neben der Form des Abecedars die dezidierte Ausklammerung des Inkarnationsthemas und die Ablehnung der in der Gattungstradition sonst g¨angigen Bildanalogien. Hierin kann man eine pro¨ grammatische Ubereinstimmung mit Folz erkennen (vgl. Janota [s. Lit.]). ¨ Uberlieferung: Berlin, SBB, Mgq 414 (Meisterliederhs. q) 250v–252r (Pap., geschrieben 1517/18 von Hans Sachs, Nachtr¨age von anderer Hand) ¨ Uberschrift: «Jn des marners langen don 7 lieder 954
um 1500 meister hannsen von lanczh¨ut gedicht das j¨uldin Alfabet». Ausgabe: Cramer 1 (1977) S. 323–327. Literatur: Burghart Wachinger, VL2 3 (1981) Sp. 456 f. – RSM 4 (1988) S. 19. – Cramer 1 (1977) S. 471. – Johannes Janota: Fides et ratio: die Trinit¨atsspekulationen in den Meisterliedern des H. F. In: Reflexion und Inszenierung von Rationalit¨at in der ma. Lit. (Wolfram-Stud. 20). Hg. v. Klaus Ridder. Berlin 2008, S. 351–386, hier S. 374. VZ Romer ¨ von Zwickau. – Meisteringer, um 1500. R. von Zwickau, dessen Name zum ersten Mal in den umfangreichen Dichterkatalogen des 15. Jh. bezeugt ist, wurde in der Forschung lange mit → Reinmar von Zweter/Zwetel in Verbindung gebracht. Im Dichterkatalog des N¨urnberger Meistersingers Konrad → Nachtigall (Na) findet sich der Name «Romar von Zwetel here», bei Hans → Folz «R¨omer von Zwettel here» (Fa, Fb). In der von Hans Folz ver¨anderten Fassung Nachtigalls (Nb) von 1517/18 erscheint jedoch, in ver¨anderter bzw. verbesserter Form, «Remer von Zwicka». In der Auflistung der Meistersinger des Magdeburgers Valentin Voigt von 1558, der sich an der Fassung Nb des Katalogs von Nachtigall orientierte, ist die Form «Romer zw zcwigka» bereits fest etabliert (vgl. Brunner 1989). Ob die Namens¨anderung mit dem Aufstieg der bekannten Zwickauer Familie «von R¨omer» zusammenh¨angt (Roethe 1887) oder ob es sich um eine fiktive Dichterfigur handelt, ist letztg¨ultig nicht zu beantworten. Die Familie «von R¨omer», deren a¨lteres Mitglied Paul Romer als Chemnitzer Ratsherr 1401 urkundlich bezeugt ist, wurde durch den u¨ ber die Region hinaus ber¨uhmten Martin R¨omer (1432–1483) bekannt. M. R¨omer hat durch den Silberbergbau der Familie zu erheblichem Wohlstand, Ansehen und Ruhm verholfen, was Roethe die Erweiterung zu einem Dichternamen vermuten ließ (Roethe 1887). Durch M. R¨omer, der 1470 geadelt und 1476 zum Ritter geschlagen wurde, bestanden Verbindungen nach N¨urnberg, wo vermutlich Kontakt mit den Meistersingern entstanden sein k¨onnte. Von R. sind einzig zwei T¨one u¨ berliefert, die in keiner Verbindung zum Œevre Reinmars stehen (vgl. Brunner 1992). Des «remers gsanck weis», die zwanzigreimige Gesangweise, geh¨orte zu den beliebtesten Formen des 16. Jh. Die «schranckweis Romers» (verschrenkter oder verflochtener Ton), 955
Romer ¨ von Zwickau die aus 17 Versen besteht, fand vor allem im sp¨ateren Meistersang Verwendung. Hans Sachs hat elf Lieder in ihr verfasst, auf die Gesangweise hat er ca. 75 mal zur¨uckgegriffen. ¨ Uberlieferung: Dichterkataloge: Nachtigall, Na: Berlin, SBB, Mgq 414, 426v–428r; Nb: Ebd., Mgq 410, 300r–303r. – Folz, Fa: Ebd., Mgq 414, 475v–477r; Fb: Ebd., Mgq 410, 316r–319v; Voigt: Jena, UB, Ms.El.f.100 (Abdruck bei Brunner ¨ 1989). – Uberlieferung der T¨one vgl. Art. R¨omer. In: RSM, Bd. 5, S. 298–304. Literatur: Horst Brunner, VL2 8 (1990) Sp. 158–160. – Gustav Roethe: Die Gedichte Reinmars von Zweter. Leipzig 1887 (Nachdr. Amsterdam 1967) S. 159–164. – H. Brunner: Die alten Meister (MTU 54). M¨unchen 1975. – Frieder Schanze: Meisterliche Liedkunst zwischen Heinrich von Mu¨ geln und Hans Sachs. Bd. 2 (MTU 83). Mu¨ nchen 1984. – H. Brunner/Johannes Rettelbach: Der ursprung des maystergesangs. Eine Schulkunst aus dem fr¨uhen 16. Jh. und die Kolmarer Liederhs. In: ZfdA 114 (1985) S. 221–240. – Nikolaus Henkel: Die zw¨olf alten Meister. Beobachtungen zur Entstehung des Katalogs. In: PBB 109 (1987) S. 375–389. – H. Brunner: Dichter ¨ ohne Werk. In: Uberlieferungsgeschichtl. Editionen u. Stud. zur dt. Lit. d. MA. FS Kurt Ruh. Hg. v. Konrad Kunze u. a. (TTG 31). T¨ubingen 1989, S. 1–31. – RSM 5 (1991) S. 298–304. GM Kurtz, Johannes → Band 3, Sp. 1137–1143. Liederbuch der Anna von Koln ¨ → Band 2, Sp. 1604 f. Ebstorfer Liederbuch → Band 2, Sp. 1605 f. Werdener Liederbuch → Band 2, Sp. 1628 f. Wernher, Adam (auch: Werner), * um 1462 Themar/Werra, † 7.9.1537 Heidelberg. – Jurist, Lyri¨ ker, Ubersetzer, Humanist. Der Sohn eines Themarer Ratsgeschworenen studierte seit 1482 in Leipzig und ab 1484 in Heidelberg zun¨achst die K¨unste. 1485 erwarb er an der Heidelberger Artistenfakult¨at den Grad des Bakkalaureus. 1485–88 war er Lehrer an der Lateinschule in Neustadt/Weinstraße und 1489–94 am Zisterzienser-Studienkolleg St. Jakob in Heidelberg. Daneben wirkte W. 1488–97 als Prinzenerzieher am Hof des Pfalzgrafen und Kurf¨ursten Philipp der Aufrichtige in Heidelberg. Nach seinem 956
Wernher Abschluss als Magister Artium 1489 studierte er außerdem Jura und wurde 1492 Bakkalaureus beider Rechte. Ab dem gleichen Jahr war W. juristischer Dozent an der Heidelberger Universit¨at und Inhaber verschiedener Kanonikate und Pr¨abenden, u. a. in Heidelberg, Worms und Speyer. 1494/95 hielt er sich in Freiburg i. Br. auf. Danach hatte ¨ er neben einer Lektur verschiedene Amter an der Universit¨at Heidelberg inne, u. a. als Dekan und Rektor. Er war seit 1498 auch Mitglied des Hofgerichts und wurde 1503 zum Dr. iur. utr. promoviert. Erst 1536 zog sich W. aus Altersgr¨unden vom Lehrbetrieb zur¨uck. W. besaß zeitlebens nicht nur beste Beziehungen zum kurf¨urstlichen Hof, sondern unterhielt auch Kontakte zu bekannten Humanisten wie Johannes Trithemius, Jakob Wimpfeling, Konrad Celtis, Johann Reuchlin und den Freiburger Humanisten Ulrich Zasius. ¨ In teilweise autographer Uberlieferung sind von W. u¨ ber 200 lat. Lieder erhalten. Von W. selbst vorgenommene Datierungen mancher Carmina lassen auf einen Entstehungszeitraum von etwa 1488 bis ¨ 1508 schließen. Nach der Ubernahme seiner Lektur 1495 trat W.s dichterische T¨atigkeit allerdings deutlich in den Hintergrund. W.s Texte sind h¨aufig Gelegenheits-, manchmal auch Auftragsgedichte von meist epigrammatischer K¨urze. Sie enthalten u. a. Freundschaftsgedichte an Zasius und Dietrich Gresemund, Lieder an Sch¨uler, Epitaphien, aber auch geistliche Lieder. Diese sind oft als gebetsartige Hymnen in sapphischen Strophen gestaltet und an Jesus, Maria und verschiedene Heilige gerichtet. 1502/03 schuf W. außerdem eine Reihe ¨ von dt. Ubersetzungen lat. Werke. Die Graf Phi¨ lipp gewidmeten Ubertragungen dienten vielleicht zum Unterricht f¨ur dessen So¨ hne oder zur Lekt¨ure des F¨ursten selbst. Diese Gruppe von Werken umfasst eine Satire des Horaz, Eklogen des Vergil, das Drama Abraham der → Hrotsvit von Gandersheim, die oft Battista Guarino zugeschriebene Elegie Alda und Xenophons Hieron, den W. in der lat. ¨ Ubersetzung Leonardo Brunis rezipierte. Hrotsvits Abraham war 1501 von Celtis herausgegeben worden und hatte sich in dt. Humanistenkreisen zu einem vielbeachteten Werk entwickelt. Weiterhin u¨ bersetzte W. Kapitel aus dem zweiten Buch von Petrarcas De remediis. Sie sind nur als Druck u¨ berliefert; Ausmaß und Form der Beteiligung W.s an dieser Publikation sind ungekl¨art. Insgesamt gelten ¨ W.s Ubersetzungen als originalgetreu, fl¨ussig und verst¨andlich. 957
um 1500 W. hinterließ zudem Glossen zu → Boethius, Cicero, Persius, Sallust, Ovid, Vergil, → Freidanks Proverbia und einer Reihe von Hymnen. Von W. selbst d¨urfte auch ein lat. Algorismus stammen, der vielleicht aus seiner Unterrichtspraxis am gr¨aflichen Hof hervorging. Einblick in die Kontakte unter den dt. Humanisten erlauben meist lat. abgefasste Briefe W.s aus den Jahren seit 1490. Zu ihren Adressaten z¨ahlten u. a. Celtis, Trithemius, Wimpfeling und Gresemund. Insgesamt steht W. als Humanist meist im Schatten seiner bekannteren Zeitgenossen. Seine Lieder sind das Werk eines gelehrten Enthusiasten, nicht eines großen Lyrikers. In¨ teressanter sind W.s Ubersetzungen – seine Horaz¨ und Xenophon-Ubertragungen waren Pionierarbeiten und sein dt. Abraham ist f¨ur die humanistische Hrotsvit-Rezeption von Bedeutung. ¨ Uberlieferung: Karlsruhe, Generallandesarch., Hs. 65/723 (fr¨uher Papierhs. 340), 209 Bll. (Pap., Heidelberg, 15./16. Jh., Autograph W.s und Haupths. der Gedichte). – Berlin, SBB, Ms. lat. oct. 358 (Pap., Heidelberg [?], um 1490–97). – M¨unchen, BSB, Cgm 821, 76r–79v (Pap., 1500–12, mittelbair.). – Heidelberg, UB, Cpg 298 (Pal. 831), 76r–132r (Pap., Augsburg 1502/03, ostfr¨ankisch, ¨ Ubersetzungen W.s). – Mu¨ nchen, Bayerisches Hauptstaatsarch., Landshuter Abgabe 1982, Kloster Vornbach B 1 d, S. 181–192. – Rom, Biblioteca Vaticana, cod. Pal. lat. Vat. 1709 (Glossen v. W.). – Jena, UB, Prov. f. 20 fasc. 5 (Brief W.s). Drucke: Contra furibundam Sebastiani brannt [...]. Speyer: Konrad Hist, 1502. – Eyn Ne¨uwe Gete¨utscht B¨ucchlein Inhaltende Grosse Erbermliche Clagen der Synlichkeit vnd des Schmertzen [...]. Oppenheim: Jakob K¨obel, 1516. Ausgaben: Hartfelder 1880 (s. Lit.). – Karl Hart¨ felder: Dt. Ubersetzungen klassischer Schriftsteller aus dem Heidelberger Humanistenkreis. Heidelberg 1884, S. 28–32. – Dersch 1916 (s. Lit.) S. 38, 51–57 (Briefe). – Wilhelm Dersch: Kleine Mitt. aus dem Gemeinschaftlichen Hennebergischen Arch. in Meiningen. Meiningen 1919, S. 63 f. (Briefe). – Wilhelm Port: Zwei neue Gedichte W.s v. T. In: Zs. f¨ur die Gesch. des Oberrheins 80/NF 41 (1928) S. 428–430. – Ders.: Neue Gedichte W.s v. T. In: ebd. (1932) S. 304–307. – Gerhard Kattermann: Neue Gedichte und Briefe A. W.s v. T. In: Neue Heidelberger Jbb. NF 1936 (1936) S. 45–58. – Reinhard D¨uchting: Hrotsvitha von Gandersheim, Adam Wernher von Themar und Guarino Veronese. In: Ruperto Carola 33 (1963) S. 83–86. – R¨oll 1073 (s. Lit.) S. 320 f. – Kleinschmidt 1978 958
um 1500 (s. Lit.) S. 429 f. – Zaenker 1982 (s. Lit.). – Joa¨ chim Knape (Hg.): Die a¨ ltesten dt. Ubersetzungen von Petrarcas ‹Gl¨ucksbuch›. Texte und Unters. Bamberg 1986, S. 294–308. – Jakob Wimpfeling: Opera Selecta 3/1: Briefwechsel. Hg. v. Otto Herding/Dieter Mertens. M¨unchen 1990, Nr. 38, 46 (Briefe). Literatur: VD 16. – K. Hartfelder, ADB 42 (1897) S. 39–41. – De Boor/Newald 4/2 (1970) S. 508, 579. – Franz Josef Worstbrock, VL2 10 (1999) Sp. 915–920. – Martina Backes, Killy2 12 (2011) S. 324 f. – K. Hartfelder: W. v. T., ein Heidelberger Humanist. In: Zs. f¨ur die Gesch. des Oberrheins 33 (1880) S. 1–100 (auch als Sonderdr. Karlsruhe 1880). – W. Dersch: Der Heidelberger Humanist A. W. v. T. und seine Beziehungen zur hennebergischen Heimat. Meiningen 1916. – Konrad Celtis: Der Briefwechsel des Konrad Celtis. Hg. v. Hans Rupprich. Mu¨ nchen 1934, S. 172, 372–374, 376–378. – Adalrich Arnold: Der Humanist A. W. in seinen Beziehungen zum Heidelberger Cistercienserkolleg. In: Cistercienser-Chron. 48 (1936) S. 130–137. – D¨uchting 1963 (s. Ausg.). – Hans-Heinrich Fleischer: Dietrich Gresemund der J¨ungere. Ein Beitr. zur Gesch. des Humanismus in Mainz. Wiesbaden 1967, S. 39–42 u. o¨ . – Walter R¨oll: Ein weiteres Gedicht A. W.s v. T. In: Zs. f¨ur die Gesch. des Oberrheins 121/NF 82 (1973) S. 319–326. – F. J. Worstbrock: Dt. Antikerezep¨ tion 1450–1550 1. Verz. der dt. Ubersetzungen antiker Autoren. Boppard 1976, Nr. 204, 425, 431. – Erich Kleinschmidt: Ein unbekanntes Preisgedicht A. W.s v. T. auf die Stadt Strassburg von 1494. In: ZfdPh 97 (1978) S. 427–439. – F. J. Worstbrock: Aus Gedichtsammlungen des Wolfgang Marius. In: Zs. f¨ur bayerische Landesgesch. 44 (1981) S. 491–504. – Karl A. Zaenker: ‹Eyn h¨ubsche Comedia Abraham genant›. Hrotsvits von Ganders¨ heim Abraham in der Ubersetzung des A. W. v. T. In: Mlat. Jb. 17 (1982) S. 217–229. – Klaus Arnold: Johannes Trithemius (1462–1516). Wu¨ rzburg 2 1991, passim. – Violetta de Angelis: Note inedite di Adamo Werner di Themar alle Georgiche di Virgilio. In: Acme 54 (2001) H. 2, S. 75–99. – Roland Stieglecker: Die Renaissance eines Heiligen. Sebastian Brant und Onuphrius eremita. Wiesbaden 2001, S. 64–68. – Dagmar Dr¨ull: A. v. T. In: Dies.: Heidelberger Gelehrtenlex. 1386–1651. Berlin/Heidelberg 2002, S. 2–4. – Petrarca in Deutschland. Ausstellung zum 700.Geburtstag (20. Juli 2004) im Goethe-Museum D¨usseldorf, 18. Juli bis 959
Vom Ursprung der Eidgenossenschaft 12. September 2004. Hg. v. Achim Aurnhammer. Heidelberg 2004, S. 58 f. – Armin Schlechter: Eine weitere Inkunabel aus dem Umfeld von A. W. v. T.s Heidelberger Vergil-Vorlesung aus den Jahren 1495/96. In: Wolfenb¨utteler Notizen zur Buchgesch. 33 (2008) S. 63–75. MM Vom Ursprung der Eidgenossenschaft → Band 3, Sp. 1150–1152. Schlacht bei Sp. 1166–1169.
Hemmingstedt
→ Band
3,
Lindenschmidt. – Erz¨ahllied, sp¨ates 15. Jh. Das Lied ist benannt nach seinem Protagonisten. Es erz¨ahlt, wie der Raubritter L. von Kriegsknechten und einem Junker Kaspar in einem Wirtshaus im Auftrag des Markgrafen von Baden u¨ berw¨altigt ¨ wird. Uberf¨ uhrt nach Baden, wird L. zusammen mit seinem Sohn und einem Reitknecht enthauptet. Dieser Vorfall ist in der geschilderten Form historisch nicht nachweisbar. Mit dem L. des Liedes k¨onnte aber ein Hans Lindenschmidt gemeint sein, der 1490 im Zuge einer Adelsfehde das Schloss des Eitelschelm von Bergen in Neibsheim (Kraichgau) u¨ berfallen hat, was zu Konflikten zwischen dem schw¨abischen Bund und Speyer f¨uhrte. Ferner wurde ein Raubritter Lindenschmidt in Frankenthal am Rhein gefangen genommen und in der Pfalz hingerichtet. Das Lied d¨urfte bald nach den Ereignissen, die L. bekannt machten, entstanden ¨ sein (wenngleich die Uberlieferung erst sehr viel sp¨ater einsetzt). Man sollte aber die Historizit¨at des «L.» nicht uberbewerten, ¨ auch wenn das Lied von der fr¨uhen Forschung prim¨ar als historisches Ereignislied (oder: historisches Volkslied) bewertet wurde. Mittlerweile r¨uckt man es eher in die N¨ahe der Volksballade mit deren weitgehend fiktivem Personal, wenn auch die typischen Stilmerkmale der Volksballade beim «L.» nur schwach ausgepr¨agt sind. Die metrische Grundform des «L.» taucht erstmals in einem fr¨uhen anonymen Minnelied auf (MF 3,7: «Waere diu werlt alle mˆın») und war im 15./16. Jh. eine der beliebtesten Formen, besonders bei historisch-politischen Liedern. Nur durch die Kadenzen sind die Strophen des L. von der epischen Morolfstrophe (→ Salman und Morolf) unterschieden. Ab dem letzten Drittel des 16. Jh. wurde die Strophenform, die von der Forschung 960
Eislinger als «Lindenschmidt-Strophe» bezeichnet wird, namentlich f¨ur andere Lieder herangezogen (vgl. auch K¨onig Lasla). Als Ton war sie weit verbreitet (Tonangaben in den Drucken: «Jm Thon: Wie man den Lindenschmit singet» [VD16 ZV 14041] u. a¨ .). Es d¨urften zum Ton verschiedene Melodien existiert haben. Mo¨ glicherweise ist eine der Melodien (allerdings mit wiederholtem Vers 4) in dem Lied Kommt her zu mir, spricht Gottes Sohn erhalten (gedruckt in Hans Otts Liederbuch von 1534 [VD16 ZV 26849] und im Lieddruck: Ein Sch¨on New Lied, Kompt her zu mir spricht Gottes Son: Jn dem Thon, e Was woll wir aber heben an, das best das wir gelernet han [Amberg um 1560]; die Tonangabe ist das Incipit des «L.» in der Fassung B). Mit dem Ott-Druck k¨onnte eine Terminus ante quem f¨ur die Fassung B gegeben sein. Im 17. Jh. fanden die Liedfassugen vor allem u¨ ber Liedflugschriften Verbreitung. 1771 hat Goethe es sich im Elsass notiert (Fassung B). Auch außerhalb der schriftlichen Fixierung hat der Raubritter L. ein Nachleben gehabt. So wird auf die pf¨alzische Burgruine L¨owenstein in der regionalen Tradition mit «Schloss Lindenschmitt» rekurriert, da dieses Raubritternest Zuflucht des L. gewesen sein soll. ¨ Uberlieferung: Es werden zwei Fassungen u¨ berliefert, die nur in wenigen Formulierungen u¨ bereinstimmen. Fassung A: Basel (Johann Schr¨oter) um 1610 (VD17 1:691951T). – O. O. und Drucker 1646 (VD17 1:674185F). – VenusG¨artlein: Oder Viel Sch¨one außerlesene Weltliche Lieder. Hamburg (Georg Pape) 1659 (VD17 1:670125Z). – Im 19. Jh. fand diese Fassung u¨ ber «Des Knaben Wunderhorn» Verbreitung (s. Ausg.). – Fassung B: (fr¨uher u¨ berliefert aber vermutlich j¨unger) O. O. und Drucker 1570 (VD16 ZV 15297). – Basel (J. Schr¨oter) 1600 (VD16 W 2595.) und vor allem in der Gruppe der «Frankfurter Liederb¨ucher», zuerst 1582 («Ambraser Liederbuch») u. o¨ . Ausgaben: Ludwig Uhland: Alte hoch- und niederdt. Volkslieder. Bd. 1. Stuttgart 1844, S. 358–363 (Nr. 139; beide Fassungen). – Joseph Bergmann: Das Ambraser Liederbuch vom Jahre 1582 (Bibl. des Litterarischen Vereins in Stuttgart 12). Stuttgart 1845 (Nachdr. Hildesheim 1962) S. 129–131 (Nr. CXVI; Fassung B). – Liliencron 2 (1866) S. 289–292 (Nr. 178; beide Fassungen). – Franz Magnus B¨ohme: Altdt. Liederbuch. Volkslieder der Deutschen nach Wort und Weise aus dem 12. bis zum 17. Jh. Leipzig 1877 (Nachdr. Wiesbaden 961
um 1500 1966) Nr. 375–377 (mit drei unterschiedlichen Melodien). – Ludwig Erk/F. M. B¨ohme: Dt. Liederhort. Auswahl der vorz¨uglicheren dt. Volkslieder, nach Wort und Weise aus der Vorzeit und Gegenwart. Bd. 1. Leipzig 1893, 21925, Nr. 246 f. (beide Fassungen). – Louis Pinck: Verklingende Weisen. Lothringer Volkslieder. Metz 1926, S. 96–98, 295 (3. Fassung, aufgezeichnet 1914 in Lothringen). – Clemens Brentano: S¨amtliche Werke und Briefe. Bd. 6: Des Knaben Wunderhorn. Tl. 1. Hg. v. Heinz R¨olleke. Stuttgart u. a. 1975, S. 125 (Fassung A). – Dt. Volkslieder mit ihren Melodien: Balladen. Bd. 10. Hg. vom Dt. Volksliederarch. Bern 1996, S. 201. – Otto Holzapfel: Das große dt. Volksballadenbuch. Mit einem Nachw. und Erl¨auterungen sowie acht Farbtafeln und zahlreichen Abb. D¨usseldorf/Z¨urich 2000 (Neudr. u. d. T.: Das große Volksballadenbuch. D¨usseldorf 2008) S. 218 f. – In Gebrauchsliederb¨ucher ist der «L.» nur selten aufgenommen; eine Ausnahme ist z. B.: Volksliederbuch f¨ur gemischten Chor («Kaiserliederbuch»). Hg. durch die Kommission f¨ur das Dt. Volksliederbuch. Leipzig 1915, Nr. 483. Literatur: Burghart Wachinger, VL2 5 (1985) Sp. 840 f. – O. Holzapfel, Killy2 7 (2010) S. 439 f. – Siehe auch die Ausg. und zus¨atzlich Liliencron 4 (1869) S. 90 f.; B¨ohme: Altdt. Liederbuch Nr. 636. – Wolfgang Suppan: Dt. Liedleben zwischen Renaissance und Barock. Die Schichtung des dt. Liedgutes in der zweiten H¨alfte des 16. Jh. (Mainzer Stud. zur Musikwiss. 4). Tutzing 1973, S. 14–24, 212–215. – Wolfgang Zink: Die L.Lieder. In: Jb. f¨ur Volksliedforschung 21 (1976) S. 41–86. – Horst Joachim Frank: Hb. der dt. Strophenformen. M¨unchen 1980, S. 384–388. – Hermann Strobach: Volkslieder gesammelt von Johann Wolfgang Goethe. Wiedergabe der Weimarer Hs. mit Transkription und Erl¨auterungen (Schr. der Goethe-Ges. 62). Weimar 1982, S. 56 f. – Bertrand Michael Buchmann: Daz jemant singet oder sait ... Das volkst¨umliche Lied als Quelle zur Mentalit¨atengesch. des MA. Frankfurt/M. u. a. 1995, S. 323–329 (mit Melodieabdruck). – O. Holzapfel: Liedverz. Die a¨ ltere deutschsprachige, popul¨are Lied¨uberl. Bd. 1. Hildesheim u. a. 2006, S. 493 f. VZ Eislinger, Ulrich. – N¨urnberger Meisters¨anger, zweite H¨alfte 15. Jh. Im Meisterkatalog seiner Schulkunst von 27 z¨ahlt Hans Sachs E. zu den Begr¨undern des N¨urnberger 962
um 1500 Meistergesangs und nennt auch dessen Beruf: «der zehent was ein holzmesser» (RSM: 2S/187; Kat. hg. v. Bert Nagel: Meistersang. Meisterlieder und Singschulzeugnisse. Auswahl und Einf¨uhrung (RUB 8977/78). Stuttgart 1965, S. 107). Die sp¨ateren Kataloge folgen Sachs, haben aber gelegentlich die Berufsangabe Schwertfeger. In einer vorreformatorischen Meisterliedsammlung (Berlin, SBB, Mgq 414 [q]) nennt Sachs bei Liedern in E.s «Langem Ton» mit einer Ausnahme statt des Namens nur die Berufsbezeichnung Holzmesser. N¨urnberger Archivmaterial gibt weitere Aufschl¨usse zu E. So erhielt er als Zugewanderter 1469 das B¨urgerrecht und d¨urfte mit dem 1489–1501 zahlreich bezeugten Barbier und Wundarzt U. Eßlinger zu identifizieren sein (1489 und 93 auch zusammen mit dem Berufskollegen Hans → Folz genannt). Demnach h¨atte E. das st¨adtische Amt des Holzmessers erst sp¨ater u¨ bernommen (nach 1501 [?]). Texte von E. sind nicht u¨ berliefert, wenngleich seine Textverfasserschaft f¨ur die vier anonymen Lieder im «Langen Ton» in q nicht g¨anzlich auszuschließen ist. Die Handschrift enth¨alt ferner ein Bar in diesem Ton, das Lienhard → Nunnenbeck zugeschrieben wird (1Nun/15). Die beiden ande¨ ren T¨one E.s («Maienweise», «Uberlanger Ton») sind ausschließlich sp¨at u¨ berliefert. Die jeweils u¨ ber 50 u¨ berlieferten Bare im «Langen Ton» und in der «Maienweise» legen Zeugnis von der Beliebtheit dieser klar strukturierten T¨one E.s unter den ¨ Meisters¨angern ab. Im «Uberlangen Ton» sind nur Dichtungen von Sachs u¨ berkommen. Mit seinen 70 Reimen handelt es sich hierbei um den l¨angsten Ton des vorreformatorischen N¨urnberger Meistergesangs. ¨ Uberlieferung: (Bare in T¨onen E.s) Berlin, SBB, Mgq 414, 66r–67v (Nunnenbeck) 118v (Fragm.) 327r–331v, 388r–391r (Pap., geschrieben 1517/18 v. Hans Sachs in N¨urnberg). – Zur sp¨ate¨ ren Uberl. vgl. RSM 2,1 (2009) S. 32 f. und Robert Staiger: Benedict v. Watt. Ein Beitr. zur Kenntnis des b¨urgerlichen Meistergesangs um die Wende des 16. Jh. (Publ. der Internationalen Musikges. Beih. 2,13). Leipzig 1914, S. 82 f. Ausgaben: Anonyme vorreformatorische Bare im «Langen Ton»: Cramer 4 (1985) S. 33–50. – Melodien: Curt Mey: Der Meistersang in Gesch. und Kunst [...]. Leipzig 21901, S. 200 (Maienweise nach Dresden, LB, Mscr. M 6). – Horst Brunner/Johannes Rettelbach: Die To¨ ne der Meistersinger. Die Hss. der StB N¨urnberg Will. III. 792, 793, 963
Probst 794, 795, 796. In Abb. und Materialien. Mit einem Anhang v. Klaus Kramer (Litterae 47). G¨oppingen 1980, S. 20. Literatur: Horst Brunner, VL2 2 (1980) Sp. 434 f. – RSM 3 (1986) S. 274 f.; 2,1 (2009) S. 32 f. – Theodor Hampe: Die Entwicklung des N¨urnberger Theaterwesens von der zweiten H¨alfte des 15. Jh. bis 1806. In: Mitt. des Ver. f¨ur Gesch. der Stadt N¨urnberg 12 (1898) S. 85–307, hier S. 105. – Eva Schumann: Stilwandel und Gestaltver¨anderung im Meistersang. Vergleichende Unters. zur Musik der Meistersinger (G¨ottinger musikwissenschaftliche Arbeiten 3). Kassel 1972 [recte 1973], passim. – Irene Stahl: Die Meistersinger v. N¨urnberg. Archivalische Stud. (Nu¨ rnberger Werkst¨ucke zur Stadtund Landesgesch. 33). N¨urnberg 1982, S. 125 f. – J. Rettelbach: Variation – Derivation – Imitation. Unters. zu den T¨onen der Sangspruchdichter und Meistersinger (Fr¨uhe Neuzeit 14). T¨ubingen 1993, Reg. VZ Probst, Hans → Band 3, Sp. 1174 f. Schwarz, Hans. – N¨urnberger Meistersinger, um 1500. S. wird von Hans Sachs in der Schulkunst von 1527 als neunter von zw¨olf verstorbenen N¨urnberger Dichtern angef¨uhrt und zwar als «ein briefmaler, der macht vil t¨on, die seint ein teil verloren» (RSM: 2S/187; zitiert nach Nagel [s. Lit.]). Im Meisterkatalog des Konrad → Nachtigall, der vor 1482 entstanden ist, wird S. noch nicht erw¨ahnt, so dass dessen dichterisches Schaffen sp¨ater anzusetzen sein d¨urfte. Aufgrund seines gel¨aufigen Namens k¨onnen S. keine urkundlichen Bezeugungen sicher zugewiesen werden, aber laut Dichterverzeichnis des Schulregisters in der Handschrift M¨unchen, UB, 4° Cod. ms. 825, 70v (16. Jh.) lebte er in der Vorstadt W¨ohrd. ¨ Uberliefert sind von S. nur zwei T¨one, der «Vermahnte Ton» mit 25 Reimen, der ab der Mitte des 16. Jh. belegt ist, und der «Hofton» mit 18 Reimen, dessen Melodie verloren ist. Letzterer ist nur mit einem Lied in einer vorreformatorischen Liedsammlung von Sachs erhalten, der dieses Lied ausdr¨ucklich als von S. verfasst ausweist («Jn dem hoff don hans schwarczen vnd sein gedicht»). Das dreistrophige Bar bietet ein originelles Thema, indem es den in einem gr¨unen Glas sonnenbeschienenen Wein allegorisch als Ged¨achtnis, Wille und Vernunft ausdeutet. Diese F¨ahigkeiten solle der 964
Singer
um 1500
Mensch im Hinblick auf das Seelenheil gottgef¨allig einsetzen. ¨ Uberlieferung: Berlin, SBB, Mgq 414, 371rv (Pap., geschrieben 1517/18 v. Hans Sachs, Nachtr¨age v. anderer Hand). Ausgabe: Cramer 3 (1982) S. 276 f. Literatur: RSM 5 (1991) S. 367; 2,1 (2009) T¨onereg. – Horst Brunner, VL2 (1992) Sp. 916 f. – Robert Staiger: Benedict v. Watt. Ein Beitr. zur Kenntnis des b¨urgerlichen Meistergesangs um die Wende des 16. Jh. (Publ. der Internationalen Musikges. Beih. 2,13). Leipzig 1914, S. 100 f. (zum «Vermahnten Ton»). – Clarence William Friedmann: Prefigurations in Meistergesang. Types from the Bible and Nature (The Catholic Univ. of America. Studies in German 18). Washington 1943, S. 108 f. – Bert Nagel: Meistersang. Meisterlieder und Singschulzeugnisse. Auswahl und Einf. (RUB 8977/78). Stuttgart 1965, S. 107. – H. Brunner/ Johannes Rettelbach: Die To¨ ne der Meistersinger. Die Hss. der StB N¨urnberg Will III. 792, 793, 794, 795, 796. In Abb. und mit Materialien. Mit einem Anhang v. Klaus Kramer (Litterae 47). G¨oppingen 1980, Reg. – Cramer 3 (1982) S. 563. – Irene Stahl: Die Meistersinger v. N¨urnberg. Archivalische Stud. (N¨urnberger Werkst¨ucke zur Stadt- und Landesgesch. 33). N¨urnberg 1982, S. 282. – Frieder Schanze: Meisterliche Liedkunst zwischen Heinrich v. Mu¨ geln und Hans Sachs. Bd. 1: Unters./Bd. 2: Verz. (MTU 82/83). Mu¨ nchen 1983/84, Reg. VZ Kirchweih zu Sp. 1175–1177.
Affalterbach
→ Band
3,
Singer, Caspar (von Eger). – Meisters¨anger, um 1500. Nach Ausweis von Lied¨uber- und beischriften in einer vorreformatorischen Meisterliedsammlung des Hans Sachs stammt S. aus Eger. Ob S. außer in Eger zeitweilig auch in N¨urnberg lebte, ist wahrscheinlich, aber nicht belegbar. Der u¨ berliefernde Codex enth¨alt drei Dreierbare in zwei T¨onen (eins im «Freien» und zwei im «Hellen Ton»), als deren Tonerfinder «caspar singer von eger» genannt wird. F¨ur das zweite Lied im «Hellen Ton» wird S. auch als Textautor ausgewiesen («vnd sein gedicht», RSM: 1Sing/2/2); die anderen sind anonym u¨ berliefert. Außerdem stehen ein f¨unf- und ein dreistrophiges Bar in zwei weiteren T¨onen S.s in der 965
Sammlung («Schlechter» und «Lieber Ton», 2S/40b [ohne Tonangabe] und 2S/69b [Tonangabe: «von eger»]). Diese beiden Lieder stammen von Sachs und sind 1516 bzw. 1518 gedichtet worden. Ausschließlich im j¨ungeren Meistergesang erscheint ein weiterer S. zugeschriebener Ton, der «Lange Ton». Mit ihrer Komplexit¨at und ihrem teils experimentellen Charakter erinnern die T¨one S.s an diejenigen Lienhard → Nunnenbecks. Trotz dieser Kompliziertheit und der Einbeziehung von An- und Schlagreimen waren sie bei sp¨ateren S¨angern beliebt. Die beiden anonymen Lieder sind eine Schulkunst mit S¨angergruß und eine «Loica» (Aufz¨ahlung von Glaubensgrunds¨atzen in derartig syntaktischer Form, dass sie sowohl zustimmend als auch ablehnend verstanden werden k¨onnen). Das vermutlich authentische Bar ist ein Glossenlied u¨ ber das → Salve Regina mit vollst¨andiger Zitation des lat. Textes. Auch 2S/40b ist ein solches Glossenlied, was ein Indiz f¨ur zeitliche N¨ahe der beiden Dichtungen sein k¨onnte. ¨ Uberlieferung: Berlin, SBB, Mgq 414, 23r–24r 2 v r ( S/40b) 371 –373 , 375v–376v, 468r–469r (2S/69b) (Pap., geschrieben 1517/18 von Hans Sachs, Nachtr¨age von anderer Hand). – Zur Melodie¨uberl. vgl. Robert Staiger: Benedict von Watt. Ein Beitr. zur Kenntnis des b¨urgerlichen Meistergesangs um die Wende des 16. Jh. (Publ. der Internationalen Musikgesellsch. Beih. 2,13). Leipzig 1914, S. 100 und RSM 2,1 (2009) S. 262 f. Ausgaben: Authentisches Lied: Cramer 3 (1982) S. 280–282. – Vorreformatorische anonyme Lieder: Cramer 4 (1985) S. 322–326. – Vorreformatorische Sachs-Lieder: Frances Marie Hankemeier Ellis: The Early Meisterlieder of Hans Sachs (Indiana University Studies). Bloomington 1974, Nr. 15 und 19. – Melodieausg.: Horst Brunner/Johannes Rettelbach: Die To¨ ne der Meistersinger. Die Hss. der StB N¨urnberg Will III. 792, 793, 794, 795, 796. In Abb. und mit Materialien. Mit einem Anhang v. Klaus Kramer (Litterae 47). G¨oppingen 1980, x, Nr. 100 f. Literatur: RSM 9 (1986) S. 11, 23; 5 (1991) S. 374 f.; 2,1 (2009) S. 262 f. – Johannes Rettelbach, VL2 8 (1992) Sp. 1280 f. – Mary Juliana Schr¨oder: Mary-Verse in Meistergesang (The Catholic University of America. Studies in German 16). Washington 1942, S. 204 f. – Eva Schumann: Stilwandel und Gestaltver¨anderung im Meistersang. Vergleichende Unters. zur Musik der Meistersin966
um 1500 ger (G¨ottinger musikwissenschaftliche Arbeiten 3). Kassel 1972 [recte 1973], S. 380, 405, 407. – Cramer 3 (1982) S. 563; 4 (1985) S. 420. VZ Glaser, Hans → Band 3, Sp. 1184. Widmann, J¨org → Band 3, Sp. 1184 f. Drabolt, Hieronymus (auch Drabalt, Traibolt, Drabel, Jeronimus Dr¨opoltz, Dr¨opeltz). – Meistersinger. D. lebte wahrscheinlich um 1500 und wird zuerst 1517/18 in einer Handschrift von Hans Sachs ¨ erw¨ahnt (Mgq 414, s. Uberlieferung). In T¨oneregistern der Fr¨uhen Neuzeit ist D. als einer der sog. alten Nachdichter aufgef¨uhrt. Die Angaben u¨ ber seine Herkunft variieren. Stammt er bei Sachs noch aus Mu¨ nchen, wird er in einem Register von 1613 auch als Augsburger bezeichnet. D. gilt als Verfasser mindestens dreier Lieder mit u¨ berwiegend religi¨osen Themen: Ein Lied mit dem Incipit «Macht weisheit g¨uet o here ich r¨ueff dich an» bezieht sich auf die biblische Geschichte von Je¨ sus auf dem Olberg und behandelt den Gegensatz von Vernunft und Sinnlichkeit. Ein zweites Lied mit dem Incipit «Mich freit ein junckfraw feine» preist Maria als Mutter Jesu und besingt die Geburt Christi. D.s drittes Lied mit dem Incipit «Mit z¨uchten wil ich singen» unterscheidet sich von den genannten Liedern, da es statt religi¨oser Inhalte die Kunst des Meistersangs lehrt. So nennt D. darin vermeidbare S¨angerfehler, aber auch n¨utzliche Tabulaturbezeichnungen. Das Lied enth¨alt auch eine Eigennennung D.s als Verfasser. Unsicher ist die Zuschreibung eines weiteren Lieds an D. («Got gr¨us euch z¨uchtigklichen»). Weiterhin ist D.s Name mit drei T¨onen verbunden. Der Linde Ton umfasst 23 Reime, die Goldene Tagweise (auch Tagreis) 47 Reime mit 18 Pausenreimen. Diese Reimstruktur verweist auf eine Verwandtschaft der Goldenen Tagweise mit dem Goldenen Ton → Frauenlobs, dem Goldenen Ton des Konrad → Nachtigall und dem Kettenton des Hans → Folz. Ohne Melodie ist ein weiterer Ton D.s erhalten: Der Schlechte Ton ist weitgehend mit jenem Vergoldeten Ton (auch Goldene Weise) identisch, der fr¨uher → Walther von der Vogelweide und → Wolfram von Eschenbach zugeschrieben wurde. W¨ahrend der Schlechte Ton nur in Mgq 414 verzeichnet ist, waren der Linde 967
Glaser Ton und die Goldene Tagweise bis ins 17. Jh. sehr popul¨ar. ¨ Uberlieferung: Berlin, SBB, Mgq 414, 259v–260v, 381r–382r, 429v–430r (Pap., 1517/18, Schreiber: Hans Sachs). – Dresden, LB, cod. M 188 (fr¨uher M 193), 255r–256v (Perg., 16. Jh., Schreiber: Hans Sachs). – Ebd., cod. M 6, 443v–444v (um 1600, Schreiber: Adam Puschman). – Breslau, StB, Hs. M 1009 (fr¨uher R 356), 222r–223r (Singebuch des Adam Puschman; verloren). – N¨urnberg, StB, cod. Will III 782, 313–315 (17. Jh.). Ausgaben: Aloys Dreyer: Hans Sachs in Mu¨ nchen und die gleichzeitigen M¨unchener Meisters¨anger. Beitr¨age zur Gesch. des Meistergesangs. In: Analecta Germanica. FS Hermann Paul. Hg. v. Expeditus Schmidt u. a. Amberg 1906, S. 324–389, hier S. 363–366, Notenbeilage S. 1–6 (Teilausg. mit T¨onen). – Taylor 1976 (s. Lit.) S. 270–272 (Teilausg.). – Cramer 1 (1977) S. 152–163, 443 f. (alle drei Lieder D.s). Literatur: Horst Brunner, VL2 2 (1980) Sp. 218–220. – De Boor/Newald 4/1 (21994) S. 235, 790. – RSM 2,1 (2009) S. 28; 3 (1986) S. 261–263. – Dreyer 1906 (s. Ausg.). – Robert Staiger: Benedict von Watt. Ein Beitr. zur Kenntnis des b¨urgerlichen Meistergesangs um die Wende des 16. Jh. Leipzig 1914 (Neudr. ebd. 1973) S. 100 f. – Frances H. Ellis: Analysis of the Berlin MS. Germ. Quart. 414. In: Publ. of the Modern Language Association of America 61 (1946) S. 947–996. – Franz Streinz: Die Singschule in Iglau und ihre Beziehungen zum allg. dt. Meistergesang. M¨unchen 1958, S. 100, 156. – Christoph Petzsch: Zu Albrecht Lesch, Jo¨ rg Schechner und zur Frage der M¨unchener Meistersingerschule. In: ZfdA 94 (1965) S. 121–138, hier S. 134. – Brian Taylor: Der Beitr. des Hans Sachs und seiner N¨urnberger Vorg¨anger zu der Entwicklung der MeistersingerTabulatur. In: Hans Sachs und N¨urnberg. Bedingungen und Probleme reichsst¨adtischer Lit. Hans Sachs zum 400. Todestag am 19. Januar 1976. Hg. v. Horst Brunner u. a. N¨urnberg 1976, S. 245–274. – Frieder Schanze: Meisterliche Liedkunst zwischen Heinrich von M¨ugeln und Hans Sachs 2 (MTU 83). Mu¨ nchen u. a. 1984, S. 110, 133, 297 u. o¨ . MM Wick, Hans. – Lied- und Spruchdichter um 1500. W. bezeichnet sich in einem seiner Lieder als aus Luzern geb¨urtig. Er ließ sich 1499 zusammen mit 968
Wurgenbock ¨ anderen Reisl¨aufern in das Landrecht von Uri aufnehmen und machte im selben Jahr den Schwabenkrieg mit. 1505 lebte er als Hintersasse in Luzern. Zu seinen Werken geh¨oren a) ein Lied u¨ ber den Sieg der Eidgenossen in der Schlacht am Schwaderloch am 11.4.1499 (19 Achtzeilerstrophen; das zwei Strophen umfassende Lob von Freiburg i. Ue. ist vielleicht zum Teil eine Hinzuf¨ugung des Schreibers Ludwig → Sterner oder des Chronisten Hans → Lenz), b) ein Reimpaarspruch u¨ ber den Sieg der Eidgenossen bei Dornach am 22.7.1499 (241 Verse; W. kannte die Ereignisse nur vom H¨orensagen) und c) ein Lied u¨ ber die Aufnahme M¨uhlhausens in die Eidgenossenschaft im Januar 1515 (20 Siebenzeilerstrophen; die Schlussstr. ist vermutlich sp¨ater hinzugef¨ugt worden; Melodie des ‹Novaraliedes›, die mit der des ‹B¨undnerliedes› von 1499 u¨ bereinstimmt). ¨ Uberlieferung: a) Im Text der SchwabenkriegChronik des Hans Lenz (1499/1500), die als zweiter Teil der Chronik Ludwig Sterners (1501, im Besitz von H. Tenschert, Antiquariat Biberm¨uhle, Ramsen, Schweiz) erhalten ist (vgl. den Abdruck: Johann Lenz: Der Schwabenkrieg, besungen von einem Zeitgenossen. Hg. v. H[einrich] von Diessbach. Zu¨ rich 1849, hier 70–72). – b) Einblattdruck: [Basel, L. Ysenhut 1499], Ex. Mu¨ nchen, BSB, Einbl. I, 10 n. – c) Einzeldruck: Basel, D. Erny 1553, Ex. Winterthur, StB, c. 620 (21); Zweiliederdruck: Basel, J. Schr¨oter 1616, Ex. Berlin, Dt. SB, Ye 2661 (zweites Lied). Ausgaben: a) Liliencron 2 (1866) Nr. 203. – Steiff/Mehring (s. Lit.) Nr. 20. – Cramer 3 (1982) S. 461–465. – b) Ebd., S. 465–472. – c) Liliencron 3 (1867) Nr. 290. – Cramer 3 (1982) S. 472–476. Literatur: De Boor/Newald 4/1 (21994) S. 187. – Frieder Schanze, VL2 10 (1999) Sp. 986–989; 11 (2004) Sp. 1657. – Ludwig Tobler (Hg.): Schweizerische Volkslieder. Bd. 1 (Bibl. a¨lterer Schriftwerke der dt. Schweiz 4). Frauenfeld 1882, S. XXXVII. – Theodor von Liebenau: Beitr. zur Historiographie im Lande Uri. In: Festgabe auf die Er¨offnung des Hist. Museums von Uri. Altdorf 1906, S. 9–94, hier S. 30. – Geschichtliche Lieder und Spr¨uche W¨urttembergs. Gesammelt und hg. v. Karl Steiff und Gebhard Mehring. Stuttgart 1912, S. 70 f. – Guy P. Marchal: Die frommen Schweden in Schwyz. Das ‹Herkommen der Schwyzer und Oberhasler› als Quelle zum schwyzerischen Selbstverst¨andnis im 15. und 16. Jh. (Basler Beitr. zur 969
um 1500 Geschichtswiss. 138). Basel/Stuttgart 1976, S. 38. – Karina Kellermann: Abschied vom ‹hist. Volkslied›. ¨ Stud. zu Funktion, Asthetik und Publizit¨at der Gattung historisch-politische Ereignisdichtung (Hermaea NF 90). T¨ubingen 2000, S. 262. BJ ¨ Wurgenbock, ¨ Matthias. – Lieddichter, Ubersetzer aus dem Lateinischen (?), um 1500. Das erste Hausbuch des Simprecht Kr¨oll (1516) u¨ berliefert ein zw¨olfstrophiges Schwanklied mit dem Titel Ain newes lied von den faulen hawss mayden mit der Verfasserangabe «Mathias Wurgenbock von gretz (Graz [?])». Ob der Lieddichter mit demjenigen «Matheus wyrgenbock» identisch ist, den ein undatierter medizinischer Flugblattdruck nennt, ist unklar. Es handelt sich bei dem Druck um eine dt. Teil¨ubersetzung eines gyn¨akologischen Abschnitts des Fasciculus medicinae (f¨alschlich Johannes → Kirchheimer [de Ketham Alemannus] zuge¨ schrieben). Die Ubersetzung erscheint in der wei¨ teren Uberlieferung ohne diese Namensangabe, die m¨oglicherweise ihren Urheber bezeichnet. Das Schwanklied ist eine Kontrafaktur des beliebten Bauerntanzliedes Von u¨ ppiglichen dingen des ¨ Hans → Heselloher mit Ubernahme der gesamten 13-zeiligen Strophenform inklusive der Melodie (anders die Kontrafakturen → Lied von Dole oder → Narrenkappe). Auch inhaltlich lehnt sich W. ¨ mit der Ubernahme der neutral-belustigten Beobachterperspektive und der szenischen Struktur an Heselloher an. Das Thema der Dichtung, der Streit zwischen Hausfrau und Magd in Dialogform, begegnet auch im Schwankm¨are (→ Frau und Magd, Das → schlaue Gretlein; vgl. auch → Probra mulierum) und im Lied bereits bei → Oswald von Wolkenstein. W.s Behandlung des Themas, bei dem die schlampige Magd ins Zentrum r¨uckt, erfreute sich im 16. Jh. einiger Beliebtheit. Dies legt der Umstand nahe, dass auch die Kontrafaktur W.s selbst als Bezugspunkt f¨ur Tonangaben bei artverwandten Liedern fungierte. Hans Sachs diente das Lied als Grundlage f¨ur einen Reimpaarschwank (Edmund Goetze/Hans Lothar Markschies [Hg.]: S¨amtliche Fabeln und Schw¨anke von Hans Sachs. Bd. 1. Halle 2 1953, Nr. 40). ¨ Uberlieferung: Heidelberg, UB, Cpg 109, 129r–130r (Pap., 1516 [Nachtr¨age bis 1527], geschrieben von S. Kr¨oll in Augsburg). – Alle weiteren Textzeugen ohne Namensnennung: Berlin, SBB, Mgq 718, 31r–32r (Pap., um 1518) Liederbuch des Augsburger Kaufmanns Claus Spaun. – ¨ Wien, ONB, Cod. Ser. nova 3430, 18r–100v (Pap., 970
1. H¨alfte 16. Jh. 16./17. Jh., o¨ sterr.), Nr. 44 des «Jaufner Liederbuches». – Drucke: N¨urnberg (Kunigunde Hergot) 1530 (VD16 ZV 14027/16070). – Straßburg (Jakob Fr¨olich) um 1550 (VD16 ZV 27901). – N¨urnberg (Valentin Neuber) 1560 und 1580 (VD16 ZV 14024 und S 3573). – Magdeburg (Pankraz Kempf) 1560 (VD16 ZV 14025). – N¨urnberg (Friedrich Gutknecht) 1580 (VD16 ZV 14026 und S 3572). – «Fasciculus medicinae» Teil¨ubers.: Titel: «Ain gut artznei die hie nach stet das frawen vnd mann an geet» oder a¨ hnlich; Augsburg (Erhard Oeglin) 1510. – Straßburg (Matthias Hupfuff) 1510. – Mainz (Johann Sch¨offer) 1515 (VD 16 J 619–21). – Zu einer ¨ erheblich abweichenden hsl. Fassung der Ubers. vgl. Kruse (s. Lit.) S. 26–28, 339–448. Ausgaben: Michael Curschmann: Texte und Melodien zur Wirkungsgesch. eines sp¨atma. Liedes. Hans Heselloher ‹Von u¨ ppiglichen dingen› ¨ (Altdt. Ubungstexte 20). Bern 1970, Nr. III. – Cramer 3 (1982) S. 488–493. – «Fasciculus medicinae» Teil¨ubers.: Sigerist (s. Lit.) S. 169–176 (nach J 621). – Kruse (s. Lit.) S. 418–428 (nach J. 619). Literatur: M. Curschmann/Christine St¨ollinger-L¨oser, VL2 10 (1999) Sp. 1439–1441. – Henry ¨ E. Sigerist: Eine dt. Ubers. der Kethamschen Gyn¨akologie. In: Arch. f¨ur Gesch. der Medizin 14 (1923) S. 169–178. – M. Curschmann: Typen inhaltsbezogener formaler Nachbildung eines sp¨atma. Liedes im 15. und 16. Jh. Hans Heselloher: ‹Von u¨ ppiglichen dingen›. In: Werk – Typ – Situation. Stud. zu poetologischen Bedingungen in der a¨ lteren dt. Lit. FS Hugo Kuhn. Hg. v. Ingeborg Glier u. a. Stuttgart 1969, S. 305–325, hier S. 313–315. – Curschmann (s. Ausg.) S. 113–115. – Cramer 3 (1982) S. 590. – Dieter H. Meyer: Literarische Hausb¨ucher des 16. Jh. Die Slg. des Ulrich Mostl, des Valentin Holl und des Simprecht Kr¨oll. Bd. 1 (W¨urzburger Beitr. zur dt. Philol. 2,1). W¨urzburg 1989, S. 306. – Britta-Juliane Kruse: Verborgene Heilk¨unste. Gesch. der Frauenmedizin im Sp¨atMA (Quellen und Forsch. zur Lit.und Kulturgesch. 5 [293]). Berlin/New York 1996, S. 23–34, 298 f. (ohne direkten Rekurs auf W.). VZ Zing, Paulus. – Verfasser eines skatologischen Liedes, Anfang 16. Jh. (?). In der Signaturstrophe seines Liedes bezeichnet sich Z. als Einwohner von Isny. Die Dichtung umfasst 18 f¨unfzeilige Strophen, ist im Textzeugen mit 971
Zing «tanzlied» u¨ berschrieben und l¨asst sich in zwei Abschnitte einteilen. Der erste ist narrativ und berichtet von einem «knaben», der einer Weberin singend «nachtz houieren» will. Da er zur Stimmverbesserung zuviel Sauerkraut gegessen hat, scheißt er stattdessen versehentlich durch das Fenster. Anschließend flieht er vor den herannahenden Nachbarn, die ob des Gestankes einen Brand vermuten und zum L¨oschen eilen. Der zweite Teil bietet verschiedene Ausf¨uhrungen zum Furzen («guggen»). ¨ Uberlieferung: N¨urnberg, Germ. Nationalmuseum, Hs. Merkel 2° 966, 98v–99r (Pap., 1524/26, geschrieben v. Valentin Holl, Weber in Augsburg; Druckabschrift [?]). Ausgabe: Cramer 3 (1982) S. 494–496. Literatur: Frieder Schanze, VL2 10 (1999) Sp. 1555 f. VZ Hirtz, Matheis. – Lieddichter, fr¨uhes 16. Jh. Ein unikal u¨ berliefertes Lied mit 21 Strophen berichtet «vom schiessenn zu Augspurg auff der Rossenaw im Jar 1509». Laut der Autorsignatur in der letzten Strophe heißt dessen Verfasser M. H. Im Augsburger Steuerbuch von 1509 ist ein «Matheis Hirths» (oder «Hirchs» [?]) mit der allgemeinen Kopfsteuer von 30 Pfennig bezeugt. Es k¨onnte sich hier um den Gelegenheitsdichter handeln. Abgefasst ist das Lied in Jo¨ rg → Schillers «Hofton». Zun¨achst werden die Ratsherren f¨ur ausreichend Brunnen und Wein sowie f¨ur den Bau des Sch¨utzenhauses gelobt. Die weiteren Schilderungen widmen sich den Regularien des B¨uchsenschießens und begleitenden Attraktionen (Lotterie, Pferderennen, Kegeln, Springen). Daneben betont H. die standesunabh¨angige Gleichberechtigung aller Sch¨utzen, erw¨ahnt das strenge Fluchverbot oder dass es (bei einem gewissen Stephan Zeller) Preise f¨ur die beste L¨uge g¨abe. Denkbar ist, dass das Lied zu Werbezwecken von den Veranstaltern des Sch¨utzenfestes in Auftrag gegeben wurde. M¨oglich ist ferner ein Vortrag des Textes zur Er¨offnung der Feierlichkeiten. ¨ Uberlieferung: N¨urnberg, Germ. Nationalmuseum, Hs Merkel 2° 966, 120v–121r (Pap., 1524/26, geschrieben v. Valentin Holl, Weber in Augsburg). Ausgabe: Max Radlkofer: Die Sch¨utzengesellschaften und Sch¨utzenfeste Augsburgs im 15. und 16. Jh. In: Zs. des Hist. Vereins f¨ur Schwaben und Neuburg 21 (1894) S. 87–138, hier S. 134–138. 972
Maier Literatur: Burghart Wachinger, VL2 4 (1983) Sp. 51. – RSM 4 (1988) S. 121. – De Boor/Newald 4/1 (21994) S. 188. – Radlkofer (s. Ausg.) S. 104. VZ Maier, Martin (auch: Martin von Reutlingen). – Sangspruch- und Meisterlieddichter aus dem schw¨abischen Raum, wohl Anfang des 16. Jh., seine Ballade u¨ ber den Ritter Trimunitas war weit verbreitet. Obwohl M. vermutlich aus Reutlingen kam, gibt es einen Hinweis unter einem seiner Lieder (Vom Krieg in Italien), der annehmen l¨asst, dass er auch als B¨urger in Esslingen lebte: «Schenkt euch Martin von Reitlingen, / den ich ain armer burger nenn, / zu Eßlingen im Neckartal». Da einzelne von M.s Gedichten in N¨urnberg gedruckt wurden, kann man ihn sich als Fahrenden vorstellen (zu den Drucken vgl. RSM 4 [1988] S. 259–261). Auch wenn er nicht urkundlich belegt ist, kann er anhand von mindestens zwei Werken datiert werden (1507 und 1511), in denen seine Autorformel gegen Ende vorkommt. Bei einem anonymen Reimpaarspruch von 1520, der sich a¨ußerst kritisch gegen Herzog Ulrich von W¨urttemberg richtet, sind leichte Vorbehalte zu a¨ußern. Insgesamt neun Werke k¨onnten relativ sicher von M. stammen, f¨unf davon sind Reimpaardichtungen, die sich mit zeithistorischen bzw. politischen Ereignissen auseinandersetzen. Zudem sind ein inhaltlich konventionelles Meisterlied in → Marners «Langem Ton» u¨ ber die heilige Dreifaltigkeit sowie ein moraldidaktisches Lied in → Muskatsbluts «Hofton» erhalten, das belehrend vor Lastern aller Art warnt. Sein Marienlied entstand aus der weltlichen Fassung eines Tageliedes und enth¨alt die u¨ blichen F¨urbitten. Im 16. Jh. am bekanntesten war wohl sein Erz¨ahllied u¨ ber Trimunitas, «einem ritter aus Steirmark» gewesen sein, das im Ton des → Herzog Ernst gedichtet wurde. Dieser Adlige ist «sch¨on, stolz, jung unde stark» und erh¨alt von seinem Vater «an seim letzten end» vier Grunds¨atze f¨urs Leben: Fr¨ommigkeit, Großmut, Liebe f¨ur die Frauen und Respekt vor dem Klerus. Er lernt «Floredebel», die sch¨one Tochter des d¨anischen K¨onigs kennen, die sich in sofort ihn verliebt und ihm gar einen Brief «heimlich schrieb». Nach der Verm¨ahlung erf¨ahrt Trimunitas, dass die K¨onigin von Frankreich «die Sch¨oneit in der welt» sei, und reist umgehend an ihren Hof. Sie ist von seinem Antlitz bet¨ort und 973
1. H¨alfte 16. Jh. l¨asst sich w¨ahrend der Abwesenheit des K¨onigs verf¨uhren. «Ein alt kammerweib» verr¨at die Liebenden, woraufhin der K¨onig den Ritter einkerkert. Als Floredebel davon erf¨ahrt, reitet sie nach Frankreich, besticht seine W¨achter («zweihundert gulden sie in gab») und tauscht mit ihrem Gatten die Kleider, um seine Flucht zu erm¨oglichen. Vor Gericht gibt sie sich erst zu erkennen und wird mit «groß lob und dank» entlassen, als sie an die Ehrhaftigkeit des K¨onigs appelliert. In Holstein treffen Floredebel und Trimunitas wieder vers¨ohnlich zusammen; anschließend wird er in D¨anemark zum neuen K¨onig gekr¨ont. In der vorletzten Strophe spricht M. als Lehre am Exempel der Prinzessin aus, dass man – gleich was geschieht – stets «zum besten keren» soll. Das erz¨ahlerische Grundgeru¨ st findet sich in der schwankhaften M¨arendichtung vom Ritter Alexander, das wohl als Grundlage f¨ur M.s Lied diente. Außer diesem beachtenswerten Erz¨ahllied kann der Stil des Dichters als durchaus volkst¨umlich mit formelhaftem Charakter beschrieben werden. Stets h¨alt er streng die Metrik ein und arbeitet mit gleichm¨aßigem Rhythmus. ¨ Uberlieferung: Augsburg, SB/StB, LD Reime, Nr. 9. – Ebd., Nr. 13. – Berlin, SBB, Mgq 371, S. 1–14. – Ebd., S. 51–66. – Ebd., Mgq 414, 248rv (Pap., 1517/18; Schreiber: Hans Sachs). – Ebd., Mqg 659, 7rv. – Ebd., Yd 7802, Nr. 3. – Ebd., Yd 7820, Nr. 4. – Karlsruhe, LB, Cod. Donaueschingen 131, S. 1–18 (Teilabschrift des 19. Jh. von einem Druck aus dem 15. Jh.). – N¨urnberg, Germ. Nationalmuseum, Hs. Merkel 2° 966, 94rv (‹Valentin Holls Hs.›). – Ebd., 96rv. – Ebd., 155rv. – Oxford, Bodleian Library, Ms. Opp. Add. 4° 136, S. 40–47 (Pap., wohl zwischen 1595 und 1605; jid¨ dische Ubersetzung). – Stuttgart, LB, Hss. Bd. 36, ¨ Nr. 34b. – Wien, ONB, Cod. Ser. nova 3430, 82v–87r (Pap., 16./17. Jh.; nur Str. 1–26, die restlichen Bl. sind herausgerissen worden). – Zum ¨ Uberblick aller erhaltenen Drucke vgl. RSM 4 (1988) S. 259–261; VD 16 (PND 118876090). Ausgaben: Liliencron 1 (1865) Nr 55; 3 (1867) Nr. 262. – Philipp Maximilian K¨orner: Hist. Volkslieder aus dem sechzehnten und siebenzehnten Jh. nach den in der K. Hof- und Staatsbibl. zu Mu¨ nchen vorhandenenen fliegenden Bll. gesammelt und hg. Stuttgart 1840, S. 68–83. – Joseph Bergmann: Das Ambraser Liederbuch vom Jahre 1582 (Bibl. des Litterarischen Ver. in Stuttgart 12). Stuttgart 1845, S. 309–322 (Nr. 225). – Karl Goedeke/ Julius Tittmann: Liederbuch aus dem sechzehnten 974
1. H¨alfte 16. Jh. Jh. (Dt. Dichter des sechzehnten Jh. 1). Leipzig 2 1871, S. 565–568. – Emil Weller: Dichtungen des sechzehnten Jh. (Bibl. des Litterarischen Ver. in Stuttgart 119). Stuttgart 1874, S. 33–36. – Max von Waldberg: Das Jaufner Liederbuch (Neue Heidelberger Jbb. 3). Heidelberg 1893, S. 260–327. – Steiff/Mehring (s. Lit.) Nr. 24 f., 47 – Wolfgang Suppan: Gereimte Liedpublizistik. In: Die Steiermark im 16. Jh. (Forschungen zur geschichtlichen Landeskunde der Steiermark 27). Graz 1979, S. 95–135, hier S. 120–125. ¨ Ubersetzungen: Hakon Gr¨uner Nielsen: Danske Viser fra Adelsvisebøger og Flyveblade 1530–1630. 7 Bde. Kopenhagen 1912–31. Bd. 2., S. 98–112 (Nr. 61); Bd. 4, S. 190–212. Literatur: K[arl] Bartsch, ADB 21 (1885) S. 125. – Frieder Schanze, VL2 5 (1985) Sp. 1167–1172; 11 (2004) Sp. 957. – De Boor/ Newald 4/1 (21994) S. 233. – Karl Steiff/Gerhard Mehring: Geschichtliche Lieder und Spr¨uche W¨urttembergs. Stuttgart 1912, S. 92, 207 f. – Erich Hofmann: Der Meistersinger M. M. Diss. Greifswald 1930. – Wolfgang Suppan: Der Ritter aus der ¨ Steiermark. Uberl. und Wirkweise eines sp¨atma. Sagenliedes. In: Dona ethnologica: Beitr zur vergleichenden Volkskunde. Leopold Kretzenbacher zum 60. Geburtstag. Hg. v. Helge Gerndt u. a. (S¨udosteurop¨aische Arbeiten 71). M¨unchen 1973, S. 261–269. FA Miller, Michel (auch: M¨uller). – Meisterlieddichter, Anfang des 16. Jh. Zwei Meisterlieder sind mit M.s Signatur u¨ berliefert. Vermutlich stammte der Dichter aus Ulm, wo ein Tonerfinder gleichen Namens die «Angerweise», die «Schneeweise» und die «Eingelweise» verfasst hat. 1. Wohl vor 1510 entstanden und laut Autor aus «einer kronik», behandelt das Lied in → Frauenlobs «Sp¨atem Ton» ein Marienmirakel: Ein verarmter Kaufmann, «zu Konstantinopel er saß», versetzt ein vergoldetes Marienbild einem Juden f¨ur «achtzig mark». Nachdem der Kaufmann in «fremde lande» Handel treibt, «biß er gewann groß guts ein sum», wird er wegen eines Unwetters davon abgehalten, das geliehene Geld rechtzeitig zur¨uckzuzahlen. In einer Kirche erh¨alt er nach einem Gebet von Maria den Rat, das Geld in einem Kasten ins Meer zu werfen; sie werde daf¨ur sorgen, dass es beim Juden ankommt («so wil ich es selber bewar»). Dieser findet das Geld im Meer, leugnet sp¨ater aber, es 975
Miller je erhalten zu haben. Bei Gericht spricht jedoch Maria durch das Marienbild: «du schn¨oder hunt, das gelt ist wet, / im schrin so hast du es allesant funde». Der Jude erschrickt so sehr, dass er sich «in kurzer friste» taufen ließ. 2. In → Schillers «Hofton» preist M. den jungfr¨aulichen Stand allgemein («Auf Erd und in dem Himmelreich, / Der ist noch Keines nit geleich») und besonders die eigene Geliebte in ausf¨uhrlicher Manier. Vier Stropen widmen sich der Beschreibung ihrer Sch¨onheit, vier weitere ihren edlen Eigenschaften, die passend mit Edelsteinen wie dem «Rubin» oder dem «Saphir» assoziiert werden. Das Lied schließt mit Maria, die den Menschen «Aus ewiglicher Schwer» hilft. In den drei u¨ berlieferten T¨onen sind keine authentischen Lieder erhalten. ¨ Uberlieferung: 1. Zwei Drucke: a) [Mainz, F. Heumann um 1510], Ex.: Mu¨ nchen, UB, P. germ. 8° 1050, Nr. 44. – b) N¨urnberg, J. Gutknecht [um 1520], Ex.: Weimar, Herzogin Anna Amalia Bibl., 14,6:60 d, Nr. 8. – 2. Heidelberg, UB, Cpg 109, 107r–109v (von dem Augsburger Weber Simprecht Kr¨oll um 1516 geschrieben). Ausgaben: 1. Karl Goedeke/Julius Tittmann (Hg.): Liederbuch aus dem sechzehnten Jh. (Dt. Dichter des 16. Jh. Leipzig 1867, S. 325–329 (nach b). – Cramer 2 (1979) S. 302–305. – 2. Joseph G¨orres (Hg.): Altdt. Volks- und Meisterlieder aus den Hss. der Heidelberger Bibl. Frankfurt/M. 1817 (Hildesheim 1967) S. 19–27. – Cramer 2 (1979) S. 296–301. Literatur: K[arl] Bartsch, ADB 22 (1885) S. 653. – Frieder Schanze, VL2 6 (1987) Sp. 529–531. – RSM 4 (1988) S. 351 f. – Karl Julius ¨ Schr¨oer: Meistersinger in Osterreich. In: Germanistische Stud. 2 (1875) S. 197–239, hier S. 228. – Hans-Martin Junghans: Stud. zum Meistersinger J¨org Schiller. Diss. Greifswald 1931, S. 92 f. – Archer Taylor/Frances Hankemeier Ellis: A Bibliography of Meistergesang (Indiana Univ. Studies 23/113). Bloomington, Ind. 1936, S. 41, 79. – Fritz Schnell: Zur Gesch. der Augsburger Meistersingerschule (Abh. zur Gesch. der Stadt Augsburg 11). Augsburg 1958 (Nachdr. o. J. [2001]) S. 10. – Franz Streinz: Die Singschule in Iglau und ihre Beziehungen zum allgemeinen dt. Meistergesang (Ver¨off. des Collegium Carolinum, Hist.-phil. Reihe 2). Mu¨ nchen 1958, S. 100, 156. FA 976
Der Schenkenbach Der Schenkenbach (Schenckenpach). – Lieddichter, Anfang 16. Jh. Der S. ist als historische Gestalt nicht fassbar. Man hat ihn manchmal f¨ur einen fr¨ankischen Ritter gehalten, da ein ihm zugeschriebenes Lied aus entsprechender Perspektive geschrieben ist. Sein vielleicht als Pseudonym gebrauchter Name findet sich als Signatur unter zwei Liedern (I, II), die ab dem ersten Viertel des 15. Jh. u¨ berliefert sind. Beide Lieder entstanden vor dem Hintergrund politischer Ereignisse und Konflikte dieser Zeit (G¨otz von Berlichingen, Sebastian von Seckendorf, BundschuhVerschw¨orungen). W¨ahrend Lied I f¨ur die Ritter eintritt, wendet sich das auf I Bezug nehmende Lied II gegen diese. Heute wird nur Lied I als authentisch betrachtet, w¨ahrend die Namensnennung unter II als fingierte Signatur mit satirischer Absicht gilt. Die Datierung von Lied I ist ann¨ahernd m¨oglich. Der Text enth¨alt eine m¨ogliche Anspielung auf die Hinrichtung des Sebastian von Seckendorf im Januar 1512. Sein Initium «Von erst so woll wir loben / Maria die raine maidt» erscheint als Tonangabe eines Lieds von Veit Schreiber, das 1514 entstand. Lied I d¨urfte also um 1512–14 entstanden sein. Der Text umfasst neun Strophen zu jeweils neun Zeilen mit dreihebigen Versen. Die Reimstruktur besteht jeweils aus einem Kreuzreim, einem weiblichen Dreireim und einem m¨annlichen Paarreim. Das Lied richtet sich inhaltlich gegen wohlhabende B¨urger, die hier abf¨allig als Bauern bezeichnet werden. Nach einem Marienlob und einer Anrufung Georgs als Schutzpatron der Ritter steigert sich der Text in eine b¨urgerfeindliche Polemik, bevor er mit der Bitte um g¨ottlichen Beistand endet. Die B¨urger werden im Lied als hochm¨utige Adelsfeinde dargestellt, denen mit Gewalt begegnet werden m¨usse, w¨ahrend die Ritter zum Orden erh¨oht werden. Lied I wirkte als Formvorbild f¨ur andere, meist ebenfalls politische Lieder. Als Tonbezeichnung diente gew¨ohnlich das Initium. Es finden sich aber auch Namen wie «Merkt auff ir reitersknaben», «ritters weis» oder «Re¨utter thon». Lied II («Jch wais ain newen orden / nent man die reutterey») umfasst 14 achtzeilige Strophen, die den Strophenbau von I variieren, und ist mit Melodie u¨ berliefert. Im Gegensatz zu I werden Ritter hier als Kriminelle, Verr¨ater und Verb¨undete des Teufels dargestellt, die fromme B¨urger bel¨astigen. Der S¨anger warnt die Ritter vor der Rache der Landbev¨olkerung, was als Anspielung auf 977
1. H¨alfte 16. Jh. die Bundschuh-Verschw¨orung von 1513 verstanden werden kann. Obwohl die Ritter in Lied II harsch verurteilt werden, lobt der Sprecher zugleich rechtschaffene Adelige. Im Ton von Lied I sind auch zwei weitere Gegenlieder zum S.-Text verfasst: In dem zw¨olfstrophigen Lied «Zuo clagen ist vor ougen / vil iamers hyn vnd har» (fr¨uhestens 1512) klagt ein Kaufmann u¨ ber den Adel und preist zugleich den Kaiser. «Wer hat ye gesehen / s¨olch gewaltt vnd str¨afflich thatt» ist ein siebenstrophiges Lied mit Zeitklage und Polemik gegen die als Verbrecher dargestellten Ritter. Weiterhin existieren geistliche Kontrafakturen zu Lied I, darunter ein ¨ zw¨olfstrophiger Marienpreis mit w¨ortlichen Ubernahmen aus der ersten Strophe von I, außerdem ein lutherisches Schm¨ahlied von 1523 in 30 Strophen, das Lied I zitiert und den Papst als Antichrist darstellt. Insgesamt erlangten die Lieder des S. und seiner antipodischen Nachahmer eine gewisse Popularit¨at, die sich u. a. in Drucken a¨ ußerte. Das lutherische Lied von 1523 blieb bis ins fr¨uhe 20. Jh. lebendig. ¨ Uberlieferung: Berlin, SBB, Mgq 718, 44r–45r (Pap., Augsburg, vor 1520, mit S.-Gegenlied auf Bl. 43r–44r). – Basel, UB, Ms. F X 1–4, Nr. 59 (Pap., 1522/24, nur Textanfang). – N¨urnberg, Germ. Nationalmuseum, Hs. Merkel 2° 966, 124rv (Pap., Augsburg 1524/26, Schreiber: Valentin Holl, mit S.-Gegenlied auf Bl. 129r). Ausgaben: Rochus von Liliencron (Hg.): Dt. Leben im Volkslied um 1530. Berlin u. a. [1884] (Nachdr. Hildesheim 1966) Nr. 127 (mit Tonsatz), Nr. 128 (Gegenlied). – Ludwig Uhland (hg.): Alte hoch- und nd. Volkslieder 1. Stuttgart 3[1893] (Nachdr. Hildesheim 1968) Nr. 141, 142 f. (letztere Gegenlieder). – Philipp Wackernagel (Hg.): Das dt. Kirchenlied von der a¨ ltesten Zeit bis zu Anfang des XVII. Jh. Bd. 3. Leipzig 1870 (Nachdr. Hildesheim u. a. 1990) Nr. 477. – Franz Magnus B¨ohme (Hg.): Altdt. Liederbuch. Volkslieder der Deutschen nach Wort und Weise aus dem 12. bis zum 17. Jh. Leipzig 1877 (Nachdr. Hildesheim u. a. 1966) Nr. 380, 426 (Gegenlieder). – Melodieausg. bei Schanze 2004 (s. Lit.). Drucke: Hundert vnd f[ue]nfftzehen guter newer Liedlein. Hg. v. Hans Ott. N¨urnberg: Hieronymus Andreae 1533 [recte 1534], Nr. 38. – Gegenlied: Ein new lied wider die fr¨anckischen r¨uter. [Straßburg: Matthias Sch¨urer, 1513]. Literatur: RSM 1 (1994) S. 89. – Frieder Schanze, VL2 11 (2004) Sp. 1376–1381. – Mario 978
1. H¨alfte 16. Jh. Mu¨ ller, Killy2 10 (2011) S. 304 f. – Liliencron 3 (1867) S. 67 f. (hier auch von dem Lied des S. beeinflusste Lieder, u. a. Nr. 288, 294 f., 297, 302, 316, 340). – Peter Seibert: Aufstandsbewegungen in Deutschland 1476–1517 in der zeitgen¨ossischen Reimlit. Heidelberg 1978, S. 131–148. – Sonja Kerth: ‹Der landsfrid ist zerbrochen›. Das Bild des Krieges in den politischen Ereignisdichtungen des 13. bis 16. Jh. Wiesbaden 1997, S. 6, 15, 17, 24, 233. – Reinhard Seyboth: ‹Raubritter› und Landesherren. Zum Problem territorialer Friedenswahrung im sp¨aten MA am Beispiel der Markgrafen von Ansbach-Kulmbach. In: ‹Raubritter› oder ‹Rechtschaffene vom Adel›? Aspekte von Politik, Friede und Recht im sp¨aten MA. Hg. v. Kurt Andermann. Sigmaringen 1997, S. 115–131. – Horst Brunner: ‹Dulce bellum inexpertis›. Bilder des Krieges in der dt. Lit. des 15. und 16. Jh. Wiesbaden 2002, S. 42. – Peter Seibert: Reformation und Bauernkriege. In: Gesch. der politischen Lyrik in Deutschland. Hg. v. Walter Hinderer. W¨urzburg 2 2007, S. 75–96, hier S. 79. MM Tietz, Jakob → Band 2, Sp. 1646. Frey, Peter. – Lieddichter, erstes Viertel 16. Jh. Von F. sind vier Lieder u¨ berliefert, die f¨ur ihn durch Autorsignaturen gesichert sind. Drei seiner Dichtungen sind politische Publizistik zur Unterst¨utzung → Maximilians I. Die Lieder sind in popul¨aren meisterlichen T¨onen verfasst und fanden im Druck teils mehrfach Verbreitung. Das erste Lied behandelt den u¨ berraschenden Tod Philipps des Sch¨onen, Herzog von Burgund und kastilischer K¨onig. Der Sohn Maximilians und Gatte Johannas von Kastilien (der Wahnsinnigen) starb am 25.9.1506 in Burgos vermutlich an einer Fieberinfektion. Die 13 Strophen des Liedes sind in → Frauenlobs «Sp¨atem Ton» (RSM: 1Frau/25) verfasst. Nach zwei allgemein gehaltenen Einleitungsstrophen werden Philipps Reise nach Kastilien und die Umst¨ande seines Todes sowie der Beisetzung geschildert. Strophe 11 beklagt den Verstorbenen. Die letzten beiden Strophen dienen dem Lob K¨onig Maximilians, der teilweise schon als Kaiser angesprochen wird. Das macht eine zeitliche N¨ahe der Entstehung des Liedes zum Reichstag in Konstanz von 1507 wahrscheinlich, in dessen Zentrum die Verhandlungen u¨ ber den Kr¨onungszug standen und w¨ahrend dessen Ablauf am 14. 979
Tietz Juni ein Totengottesdienst f¨ur Philipp abgehalten wurde. Das zweite Lied ist eine Aufforderung an Maximilian zum Kampf gegen die T¨urken und umfasst ebenfalls 13 Strophen im «Sp¨aten Ton». Eingangs zitiert F. einen prahlerischen Brief («coppey») des Sultans. In der vierten Strophe bezieht F. die → Sibyllenweissagung auf Maximilian. Anderen → T¨urkenkriegs-Anschl¨agen vergleichbar, werden auch hier Vorschl¨age zur Heeresaufstellung und Finanzierung des Kriegszugs gegeben. Da in Strophe 4 angef¨uhrt wird, der K¨onig werde «jetzundt» die Kaiserkrone erlangen, d¨urfte das Lied kurz vor der Kaiserproklamation (4.2.1408) entstanden sein. Das letzte der Lieder im Kontext der Maximilians-Publizistik ist ein 19-strophiges Lob der irdischen Ordnungsm¨achte im → Herzog-ErnstTon. Im Zentrum steht eine Aufz¨ahlung der Reichsst¨ande, die dem Kaiser beistehen sollen, nach dem Quaternionenschema. Vorangestellt ist in den ersten beiden Strophen ein Lob der g¨ottlichen Ordnung und der Verteilung der Macht auf die zwei Schwerter, Papst und Kaiser. Die letzten drei Strophen greifen den Appell zum T¨urkenzug wieder auf (erneut mit Bezug zur Sibyllenweissagung) und fordern Maximilian auf, f¨ur Gerechtigkeit zu sorgen. ¨ Den nach Ausweis der Uberlieferungsbreite nachhaltigsten Erfolg konnte F. mit einem f¨unfstrophigen Lob des Bauernstandes erzielen (wiederum in Frauenlobs «Sp¨atem Ton»). Die u¨ berschwengliche Preisung des N¨ahrstandes erreicht im Lied mit der Festellung ihren H¨ohepunkt, ohne die Bauern g¨abe es keine Eucharistie aus Ermangelung von Hostien. Zudem seien die Bauern nach Maria und Gott die edelsten Wesen. Bis ins 17. Jh. hinein wurde das Lied tradiert, oft in einer reformatorisch redigierten Version (Christus statt Maria, Schrift lesender Pfarrherr statt Messe lesender Priester). ¨ Uberlieferung: Lied 1: 2 Augsburger Oktav¨ drucke v. 1506 (Erhard Oglin und Hans Froschauer [VD16 F 2706]). – Lied 2: Heidelberg, UB, Cpg 343, 59v–64r (Pap., nach 1547, s¨udrheinfr¨ankisch; vermutlich Druckabschrift). – Lied 3: Augsburg ¨ (E. Oglin) 1514/15 (VD16 ZV 23165 in «J¨org D¨urnhofers Liederbuch»; Faks.: Frieder Schanze: J¨org D¨urnhofers Liederbuch [um 1515]. Faks. des Lieddruck-Sammelbandes Inc. 1446a der UB Erlangen. Mit Nachw. und Komm. [Fortuna Vitrea 11]. T¨ubingen 1993, Nr. 22). – Lied 4: (Erstdruck verloren) Augsburg (Matth¨aus Elchinger) 980
Nunnenbeck um 1525, Einblattdruck, der eine Bearbeitung mit ge¨andertem Autornamen (Konrad Mayer) bietet. – Zwickau (Wolfgang Meyerpeck) 1535. – Bern (Samuel Apiarius) 1558 (VD16 F 2705). – N¨urnberg (Friedrich Gutknecht) um 1560 (VD16 ZV 6174 und 26084). – N¨urnberg (Valentin Neuber) 1565 (VD16 ZV 6173). – Zu sp¨ateren Drucken und ¨ zur Uberl. in gedruckten Liederb¨uchern s. RSM 3 (1986) S. 522 und 1 (1994) Druckbibliogr. – Luzern, Zentral- und Hochschulbibl., BB Ms. 499.4°, S. 286–289 (um 1560) ist vermutlich eine Druckabschrift. Ausgaben: Lied 1: Liliencron 3 (1867) Nr. 251. – Lied 2: Arthur Kopp: Volks- und Gesellschaftslieder des XV. und XVI. Jh. Bd. 1: Die Lieder der Heidelberger Hs. Pal. 343 (DTM 5). Berlin 1905 (Nachdr. Dublin/Z¨urich 1970) Nr. 66. – Lied 3: Philipp Wackernagel: Das dt. Kirchenlied von der a¨ltesten Zeit bis zu Anfang des XVII. Jh. Bd. 2. Leipzig 1867 (Nachdr. Hildesheim 1964/90) Nr. 1304. – Lied 4: Joseph Bergmann: Das Ambraser Liederbuch vom Jahre 1582 (Bibl. des Litterarischen Ver. in Stuttgart 12). Stuttgart 1845 (Nachdr. Hildesheim 1970) Nr. 133; danach: Franz Ludwig Mittler: Dt. Volkslieder. Frankfurt/M 21865, Nr. 1482. Literatur: RSM 3 (1986) S. 519–522; 1 (1994) S. 23 f. und Druckbibliogr. – Frieder Schanze, VL2 11 (2004) Sp. 463–465. – Albrecht Classen: Dt. Liederb¨ucher des 15. und 16. Jh. (Volksliedstud. 1). Mu¨ nster u. a. 2001, S. 45, 121, 226. VZ Wolfgang von Man → Band 2, Sp. 1647 f. Kienast, J¨org → Band 3, Sp. 1202 f. Rosenstock, Hans, * um 1460 (?). – Dachdecker, Spruch- und Lieddichter. «Sein schalkheit ist groß unmassen / Und ist ein morder auf der strassen / Junkfrauen und frauen tut er beschemen / Und mit gewalt ir ere zu nemen». So beginnt der einzig u¨ berlieferte Spruch von R., der vom «Zerrer» handelt, einem Sexualm¨order, der in den N¨urnberger W¨aldern und dem Bamberger Hauptmoorwald gehaust haben soll. Der Dichter ist 1488 bezeugt und war wohl Dachdecker, u. a. 1483–1520 in Bamberg. Er verfasste wohl Schm¨ahverse, die sich gegen den Bamberger Klerus gerichtet haben. Durch einem Erlass des Bamberger Domkapitels vom 17.2.1488 wurde das 981
1. H¨alfte 16. Jh. Lied verboten. Weitere Zuschreibungen, die in der a¨ lteren Forschung gemacht wurden, sind unsicher. ¨ Uberlieferung: Wolfenb¨uttel, HAB, Cod. 18.12 Aug. 4°, 254v–255v (Pap., 1494, Sammelhs. von Claus Spaun, vgl. Paolo Marelli [s. Lit.]). Ausgabe: Adelbert von Keller (Hg.): Fastnachtspiele aus dem f¨unfzehnten Jt. Tl. 3 (Bibl. des Litterarischen Vereins in Stuttgart 30). Stuttgart 1853 (Nachdr. Darmstadt 1965) S. 1348 f. Literatur: [Gustav] Roethe, ADB 29 (1889) S. 232 f. – Frieder Schanze, VL 2 8 (1992) Sp. 232 f. – Christian H¨autle: Ein wiederaufgefundener Dichter des dt. MA. In: Anz. f¨ur Kunde der dt. Vorzeit 24 (1877) Sp. 357–361. – Otto Hartig: H. R.s Lobspruch auf die Stadt Bamberg mit einem Bamberger Stadtwappen, gedruckt von Hans Sporer in Bamberg 1491. In: Ber. des Hist. Ver. f¨ur die Pflege der Gesch. des ehemaligen F¨urstbistums Bamberg 86 (1938) S. 5–24. – Hanns Fischer: ¨ Der Uberfall beim N¨ordlinger Scharlachrennen. Bemerkungen zu einem vergessenen Zeitspruch aus dem Jahre 1442. In: FS Klaus Ziegler. Hg. v. Eckehard Catholy/Winfried Hellmann. T¨ubingen 1968, S. 61–76, hier S. 63. – Rosenstockbl¨atter. In: Familienkundliche Nachrichten 7 (1986) S. 14–16; 8 (1987) S. 11 f. – Gli ‹Schwanklieder› nella tradizione neidhartiana, Trascrizione da manoscritti f, c, pr, traduzione, commento. Con edizione critica del ‹Bremenschwank› (GAG 658). Hg. v. Paolo Marelli. G¨oppingen 1999, S. 43 f. FA Nunnenbeck, Lienhard (auch: Nunnenpeck), * zweite H¨alfte des 15. Jh., † nach 1518, vor 1527 N¨urnberg. – N¨urnberger Meistersinger. Die bedeutende Rolle, die N. im vorreformatorischem Meistergesang zukommt, liegt an seinem Œuvre, das neben dem von Hans Sachs zu den umfangreichsten geh¨ort, die erhalten sind; zudem war er zweifellos einer der wichtigsten Tonproduzenten seiner Zeit. Archivalisch ist der N¨urnberger Meistersinger kaum greifbar. Im November 1514 erhielt er seine B¨urgerrechte in N¨urnberg; im Mai 1515 wurde er dort zum Leinenwebermeister gesprochen. Wahrscheinlich kam N. schon vor 1511 nach N¨urnberg, unterrichtete er doch Hans Sachs im Meistergesang, bevor dieser im selben Jahr auf Gesellenwanderung ging. Zwei weitere Jahreszahlen lassen M.s Lebenszeit noch etwas genauer einordnen: Auf 1518 ist sein Spruchgedicht datiert, und 1527 z¨ahlt ihn Hans Sachs in der Schulkunst schon zu den verstorbenen Meistern («der zwelft 982
1. H¨alfte 16. Jh. was auch mit dichten frey / Ein weber, mit nam linhart Nunenpeck»). Insgesamt 47 Meisterlieder und ein Reimpaarspruch sind bekannt und erhalten, auch wenn man davon ausgehen kann, dass trotz dieses Umfangs mindestens zwei Lieder verloren sind. Als wichtigste Quelle dient eine Handschrift von Hans Sachs von 1517/18 (Berlin, SBB, Mgq 414), in der 46 Lieder von M. in unterschiedlich großen Bl¨ocken enthalten sind. Zwei von ihnen kommen in sp¨ateren Handschriften vor, ein anderes findet sich in vier Einzeldrucken, w¨ahrend sein Reimpaarspruch ¨ in einer Chronikhandschrift steht (s. Uberl.). Der Dichter legte inhaltlich den Fokus deutlich auf geistliche Themen; bloß drei seiner Lieder behandeln Weltliches (Trojalied, Lob des Gesangs, R¨atsellied). Insgesamt waren seine erz¨ahlerischen F¨ahigkeiten nicht außergew¨ohnlich; auch sprachlich bewegte er sich auf gewohntem Terrain. Bei dem reilig¨osen Teil fallen die Themen in drei Gruppen: Marienlieder (Nr. 1–20), Lieder zur Trinit¨at (Nr. 27–40) und zur unbefleckten Empf¨angnis (Nr. 1–9), was eher ungew¨ohnlich ist, war doch die Lehre der «conceptio immaculata» ein umstrittenes Thema seinerzeit. Umso motivierter scheint sich N. mit dieser Idee auseinandergesetzt zu haben, schließlich bietet er zahlreiche Bibelzitate, Argumente und Beispiele zu ihrer Verteidigung auf. Mit seinen (¨außerst scholastischen) Spekulationen zur Trinit¨at signalisiert er gemeinsam mit Hans → Folz eine Wende in der literarischen Bearbeitung des Themas, die nach einer Betonung des Verstandes in Glaubensfragen (insbesondere im 14. Jh.) der «fides» wieder mehr Gewicht verlieh (vgl. Janota). So beruft sich N. etwa auf → Augustinus, der nicht einmal selbst die Unergr¨undlichkeit Gottes rational fassen konnte: «seit des Augustinus nit kund / genczlich den grund / erreichen, / so ist alles vmbsunst». An T¨onen sind zehn f¨ur N. gesichert, von denen mit Melodie der «Abgeschiedene Ton», die «Goldene Schlagweise», die «H¨ammerweise», der «Kurze Ton», der «Lange Ton» und die «Zeherweise» u¨ berliefert sind. Ohne Melodie existieren die «Neue Chorweise», die «Straßweise» und der «Unbenannte Ton». Alle sind eher lang und von einem recht komplizierten Bau gepr¨agt; wollte N. ‹konventionelle› To¨ ne verwenden, bediente er sich wohl gleich bei seinen Vorg¨angern (→ Frauenlob oder → Regenbogen) und Zeitgenossen (Folz oder Fritz → Zorn). Seine Tonerfindungen schienen zu 983
Nunnenbeck experimentell und unausgewogen gewesen zu sein, als dass sie großen Anklang bei Kollegen finden konnten. ¨ Uberlieferung: Berlin, SBB, Mgq 414, 41r–84v (Pap., 1517/18; 30 Meisterlieder, Schreiber: Hans Sachs). – Ebd., 85v–88r (3 Meisterlieder). – Ebd., 91r–92r (1 Meisterlied). – Ebd., 94v–99r (5 Meisterlieder). – Ebd., 179v–180v (1 Meisterlied). – Ebd., 447r–452r (4 Meisterlieder). – Ebd., 456v–459v (2 Meisterlieder). – Dresden, LB, Mscr. M 189, 13r–14v. – N¨urnberg, Staatsarch., Rep. 52a (Reichsstadt N¨urnberg), Hs. Nr. 70 (fr¨uher Nr. 113), 177v–180r (Pap., erste H¨alfte 16. Jh.; Reimpaarspruch zur Fastnacht). – Ebd., StB, Cod. Will III,782, S. 871 (bearb. v. Hans Sachs [?]). – Drucke: Erlangen, UB, Inc 1446a [Cim V,3] Nr. 21 (N¨urnberg, Johann Weißenburger, Druck Nr. 173a, 1510/13). – London, British Library, 11521.a.52 (N¨urnberg, Jobst Gutknecht, Druck Nr. 173b, 1521). – Weimar, Herzogin Anna Amalia Bibl., 14,6:60c. – Zwickau, Ratsschulbibl., 30.5.20,6. Ausgabe: Eva Klesatschke: L. N.: Die Meisterlieder und der Spruch. Edition und Unters. (GAG 363). G¨oppingen 1984 (nur Texte). – Eine komplette Ausg. zu den Melodien fehlt bisher. Literatur: K[arl] Bartsch, ADB 24 (1887) S. 55. – Eva Klesatschke, VL2 6 (1987) Sp. 1247–1251; 11 (2004) Sp. 1059. – RSM 4 (1988) S. 455–475 (Texte); 2,1 (2009) S. 200–203 (T¨one). – De Boor/Newald 4/1(21994) S. 231–233. – Horst Brunner, Killy2 8 (2010) S. 664. – Karl Julius Schro¨er: Meistersinger in Oesterreich (Germanistische Stud. 2). Wien 1875. – Carl P. Klitzke. L. N.’s ‹Was sol ein Haus›. In: Modern Philology 35 (1937) 2, S. 135–138. – Mary Juliana Schroeder: Mary Verse in Meistergesang. Washington 1942 (Nachdr. New York 1970). – Frances H. Ellis: Analysis of the Berlin MS Germ. Quart. 414. In: Publications of the Modern Language Association of America 61 (1946) S. 947–996. – Bert Nagel: Meistersang. Meisterlieder und Singschulzeugnisse (RUB 8977/8978). Stuttgart 1965. – Ders. (Hg.): Der dt. Meistersang (WdF 148). Darmstadt 1967. – Ders.: Meistersang (Slg. Metzler 12). 2., mit einem Nachw. versehene Aufl. Stuttgart 1971. – Eva Schumann: Stilwandel und Gestaltver¨anderung im Meistersang. Vergleichende Unters. zur Musik der Meistersinger (G¨ottinger musikwissenschaftliche Arbeiten 3). Kassel 1972. – H. Brun¨ ner: Die alten Meister. Stud. zu Uberl. und Rezeption der mhd. Sangspruchdichter im Sp¨atMA 984
Has und in der fr¨uhen Neuzeit (MTU 54). M¨unchen 1975. – Alwine Edelmann-Ginkel: Das Loblied auf Maria im Meistersang. Versuch einer Typendifferenzierung auf der Basis sp¨atma. Bedingtheiten und Wandlungsprozesse (GAG 248). G¨oppingen 1978. – Irene Stahl: Die Meistersinger von N¨urnberg. Archivalische Stud. N¨urnberg 1982, S. 250. – F. Schanze: Meisterliche Liedkunst zwischen Heinrich von M¨ungeln und Hans Sachs. 2 Bde. M¨unchen 1983/84. – Klesatschke (s. Ausg.) 1984. – H. Brunner (Hg.): Die dt. Trojalit. des MA und der Fr¨uhen Neuzeit (Wissenslit. im MA 3). Wiesbaden 1990, S. 182 f. – Johannes Rettelbach: Variation – Derivation – Imitation. Unters. zu den T¨onen der Sangspruchdichter und Meistersinger. T¨ubingen 1993. – Johannes Janota: Fides et ratio. Die Trinit¨atsspekulationen in den Meisterliedern des Hans Folz. In: Wolfram-Stud. 20 (2008) S. 351–386. FA Wilhalm von Orlens. – Strophische Bearbeitung des Willehalm von Orlens von → Rudolf von Ems, fr¨uhes 16. Jh. Der anonyme Urheber dieser unikal u¨ berlieferten Liedversion fasst den Minneroman des Rudolf von Ems in 311 Strophen zusammen und geht damit stark k¨urzend vor (auch die Reimpaarerz¨ahlung → Wilhalm von Orlens k¨urzt Rudolfs Text radikal). Es sind vor allem narrativ-stilistische Eigenheiten Rudolfs, die durch das abbrevierende Verfahren getilgt werden, wie etwa Prolog, die sog. Zwischenprologe, Erz¨ahlerbemerkungen, rhetorische Ausschm¨uckungen, Dialoge oder Briefinserate. Rudolfs Epilog wird durch einen neuen Schluss ersetzt, der sich (zum Teil w¨ortlich) an den Wil¨ helm von Osterreich des → Johann von W¨urzburg anlehnt. Weitere literarische Sekund¨areinfl¨usse neben Johann lassen sich nicht sicher ausmachen und auch von der strophischen Heldenepik zeigt sich der Anonymus unber¨uhrt. Der eigentliche Erz¨ahlinhalt des Romans ist von den Eingriffen in keinem Fall betroffen und entspricht im Wesentlichen Rudolf und seinen Quellen. Angesichts der weit ¨ verzweigten Uberlieferung des Willehalm von Orlens ist die genaue Vorlage des W. v. O. oder deren stemmatische Einordnung nicht ermittelt. Der Dichter hat f¨ur seine Fassung den «HerzogErnst-Ton» (RSM: 1/HerzE) herangezogen, einen im 16. Jh. noch durchaus oft verwandten Ton. Das Reimschema des Tons wird allerdings in keiner der 985
1. H¨alfte 16. Jh. tendenziell vierhebig alternierenden Strophen tonkonform umgesetzt, w¨ahrend die Kadenzen zumeist dem Modell entsprechen. Dichterische Unerfahrenheit vermag dieses Ph¨anomen wohl noch am Besten zu erkl¨aren. Sprachlich stellt der W. v. O. eine recht eigent¨umliche Mischung aus der Sprache des fr¨uhen 16. Jh. und der h¨ofischen Dichtersprache des 13. Jh. dar. Rudolfs Roman erweist sich hier als stark pr¨agend bis in einzelne Formulierungen hinein. Eine relevante Rezeption der Liedfassung ist unwahrscheinlich und nicht nachgewiesen. ¨ Uberlieferung: Berlin, SBB, Mgo 199, 30 Bll. (Pap., 1522, schw¨abisch; Autograph [?] mit zahlreichen Korrekturen). Vielleicht sollte das Ms. als Druckvorlage dienen und der Druck wurde dann nicht umgesetzt. Ausgabe: Christoph Gerhardt: Ain schon lied von einem fursten vß franken reich genant herr wilhalm von orlens in deß h¨ortzog ernsts thon. Trier 1986. Literatur: RSM 4 (1988) S. 118. – C. Gerhardt, VL2 10 (1999) Sp. 1086–1089. – Victor L¨udicke: Zur Quellenfrage v. Rudolfs Willehalm v. Orlens (Hermaea 8). Halle 1910. – C. Gerhardt: ‹W. v. O.›. Stud. zum Eingang und zum Schluß der strophischen Bearb. aus dem Jahre 1522. In: Wirkendes Wort 35 (1985) S. 196–230. – Ders.: Einige Fragen der Textkritik am Beispiel des Liedes ‹Willehalm v. O.› (1522). In: editio 5 (1991) S. 96–120. – Ders.: Das Lied ‹Willehalm v. O.›. Bemerkungen zum ‹Stilwillen›. Paderborn 1995. – Erika WeigeleIsmael: Rudolf v. Ems. Wilhelm v. O. Stud. zur Ausstattung und zur Ikonographie einer illustrierten dt. Epenhs. des 13. Jh. am Beispiel des Cgm 63 der BSB Mu¨ nchen (Europ¨aische Hochschulschr. 28, 285). Frankfurt/M. u. a. 1997. – Franziska Wenzel: Situationen h¨ofischer Kommunikation. Stud. zu Rudolfs v. Ems ‹Willehalm v. Orlens› (Mikrokosmos 57). Frankfurt/M. u.a. 2000. VZ Hymnarius von Sigmundslust → Band 2, Sp. 1651 f. Has, Kunz (Contz Haß, Kuntz Haß, Conz Has, Conrat Hase), * um 1460 N¨urnberg, † vor 1527 N¨urnberg. – Verfasser von Reimpaardichtungen und Liedern. F¨ur die Biographie des Dichters sind wir auf vage Kongruenzen urkundlicher Belege und literarischer Selbstaussagen angewiesen (wobei nicht ausgeschlossen ist, dass sie sich auf mehrere Personen 986
1. H¨alfte 16. Jh. desselben Namens beziehen): Barack hat im N¨urnberg des 15. Jh. nach Gerichts- und Ratsb¨uchern eine Handwerkerfamilie Haß nachgewiesen und vermutet, dass ein Knappe Kuntz Haß mit dem Dichter identisch gewesen sein k¨onne; die einmalig belegte Bezeichnung als Knappe deutet er als Indiz, dass H. Tuchmacher gewesen sei, da sie f¨ur die Gesellen dieses Handwerks gebr¨auchlich gewesen sei. Dies korrespondiert mit der hervorgehobenen Schilderung des Tuchmacherhandwerks in H.’ Lobgedicht auf N¨urnberg (s. u. 1). Lochner stellt eine Reihe von Urkunden von 1496 bis 1520 zu einem N¨urnberger B¨urger und Amtmann Conz Has zusammen: Dieser wird zuerst als geschworener Gegenschreiber im Br¨auhaus (22.8.1496), dann zus¨atzlich als Honigund Nußmesser (4.10.1508) genannt, bevor ihm am 11.5.1519 ein j¨ahrliches Gnadengehalt von 26 Gulden nach Niederlegung des Amtes zum Lohn f¨ur fast dreißigj¨ahrige, der Stadt geleistete Dienste gew¨ahrt wurde. Nach den Urkunden war H. drei Mal verheiratet und hatte mit seiner zweiten Frau zwei Kinder (30.1.1503). In einer Urkunde vom 13.11.1527 wird seine dritte Frau als Witwe genannt; H. muss also zwischen 1520 und 1527 gestorben sein. Dies passt zu seinen Selbstaussagen im nach 1520 entstandenen Gedicht uber ¨ die Vertreibung der Juden aus Rothenburg ob der Tauber, in dessen Schlusszeilen er sich als «ein alter man» bezeichnet (s. u. 9). Sowohl aus den in den Urkunden dokumentierten Geldangelegenheiten als auch aus seiner Anstellung in untergeordneter T¨atigkeit l¨asst sich auf eher beschr¨ankte Verm¨ogensverh¨altnisse schließen. Dies l¨asst sich in Zusammenhang mit dem wiederkehrenden Thema der Armut bzw. Verarmung in den von H. erhaltenen Texten sehen. Aus den Schlussversen in der Berliner Ausgabe seines Lobgedichts auf N¨urnberg geht hervor, dass er sich als Kaufmann versucht habe, jedoch nach ersten Erfolgen daran gescheitert sei. H. hat nach heutigem Stand des Wissens neun Reimpaargedichte und zwei Lieder verfasst, zwei von ihnen als Bearbeitungen a¨ lterer Vorlagen. Zum Teil ist in ihnen Auftragsdichtung vermutet worden, die H. zur Aufbesserung seines Verdienstes angenommen habe. Sechs der Texte liegen in Teilen mehrfach gedruckt vor. Das Incipit in seinem Lobspruch auf N¨urnberg («Von iugent auf so het ich gunst / zu sch¨oner meisterlicher kunst») und V. 6 («equivoca») boten Anlass, H. als Meisters¨anger 987
Has zu bezeichnen; Meisterlieder unter seinem Namen sind jedoch nicht nachgewiesen. Nach Weinacht und Matthias werden H. seit ¨ Placidius Sprenger: Alteste Buchdruckergeschichte von Bamberg. N¨urnberg 1800, S. 61, f¨alschlich einige Texte zugeschrieben, die wie Von der Welt Lauf in Bamberg bei Hans Sporer gedruckt wurden. 1. Lobspruch auf N¨urnberg (1490) ¨ Uberlieferung: a) N¨urnberg, Friedrich Creussner, um 1490 (GW 12131) – N¨urnberg, Germ. Nationalmuseum, Inc. 12515. – b) N¨urnberg, Peter Wagner, 1492 (GW 12132) – Berlin, SBB, Inc. 1883 (ein von H. um 47 Verse erweiterter, sonst nur leicht ver¨anderter Text). – c) Eine gek¨urzte Abschrift von a aus dem Jahr 1499 in N¨urnberg, Staatsarch., Rep. 52a (Reichsstadt N¨urnberg), Hs. Nr. 422 (Pap., 16. Jh.). Ausgabe: Ein Lobgedicht auf N¨urnberg aus dem Jahre 1490 von dem Meister-S¨anger Kuntz Haß. Erw. Abdruck aus der Zs. f¨ur dt. Kulturgesch. Hg. v. Karl August Barack. N¨urnberg 1858 (nach a). Zu den Zus¨atzen der 2. Druckaufl. (Lesarten von b) vgl. Emil Matthias: Der N¨urnberger Meistersinger K. H. In: Mitt. des Ver. f¨ur Gesch. der Stadt N¨urnberg 7 (1888) S. 169–236, Edition S. 180–182. Zu Beginn des Gedichts nimmt H. explizit Bezug auf sein Vorbild, den Lobspruch des Hans → Rosenpl¨ut, verfasst 1447, im selben Jahr wie sein new gedicht der loblichen Stat N¨urmberg jedoch auch in der Offizin von Hans Hoffmann erneut im Druck publiziert. Rosenpl¨ut habe das Regiment, die Stadt und deren Sch¨atze so vorbildlich gepriesen, als ob er selbst im Rat gesessen sei. Die Notwendigkeit, selbst zur Feder zu greifen, begr¨undet H. damit, dass er in Rosenpl¨uts Spruch einen zentralen Aspekt des st¨adtischen Erfolgs vernachl¨assigt sehe. Dabei handele es sich um das bl¨uhende Wirtschaftsleben, das der Autor durch detaillierte Auflistung der zahllosen in N¨urnberg gefertigten und feil gebotenen Waren vor Augen f¨uhrt. Parallel legt er dar, dass dieser o¨ konomische Erfolg erst durch die umsichtige gewerbs- und handelspolizeiliche Gesetzgebung des N¨urnberger Rates erm¨oglicht werde. F¨ur jeden Berufszweig nennt er eigens bestimmte Institutionen, Lokalit¨aten und Kontrolleure, die dem Rat f¨ur ihre T¨atigkeit durch Eid verpflichtet seien; zugleich beschreibt er f¨ur viele der Waren eigene st¨adtische Qualit¨atssiegel und schildert an Beispielen, welche Bußen und Strafen bei Betrug vorgesehen seien. Der Wohlstand und das Wachstum der Stadt sind nach H. demnach ganz dem «trefflich regiment» der 988
Has patrizischen Ratselite zu verdanken; explizit stellt der Sprecher dazu fest: «Wie wol sy da kein zunfft nit han,/ Seind alle ding da wol bestelt» (V. 686 f.). Ein Katalog ratsf¨ahiger Geschlechter (V. 697–711), aktueller Handwerkervertreter und die F¨urbitte f¨ur den Rat bei der Jungfrau Maria (V. 738 ff.) beschließen den Text. 2. Von der Welt Lauf (1492) ¨ Uberlieferung: a) Bamberg, Hans Sporer, 1492 (GW 12133) – Berlin, SBB, Inc. 340. – b) Bamberg, Marx Ayrer u. Hans Bernecker, 1493 (GW 12134) – ¨ Wien, ONB, Ink. 10. H. 76; Paris, Bibl. Nationale; San Marino CA (USA), The Huntington Library. – c) Augsburg, Lukas Zaissenmaier, 1499 – verschollen (vgl. GW Bd. 10, Sp. 583a). – d) Nu¨ rnberg, Ambrosius Huber, um 1500 (GW 12135) – ¨ Wien, ONB, Ink. 25.H.66; Mu¨ nchen, BSB, Res/4 P.o.germ.234/16 (Digitalisat: http://opacplus.bsbmuenchen.de/search?oclcno=243457387). – e) M¨unchen, Hans Schober, um 1519 (VD 16 D 180; gek¨urzte Version) – M¨unchen, BSB, Rar. 423 (Digitalisat: urn:nbn:de:bvb:12-bsb00008019–3); Berlin, SBB, Yg 5418 R. – f) Augsburg, Johann Sch¨onsperger d. J., um 1519 (VD 16 D 179; ¨ gek¨urzte Version) – Wien, ONB, 58.V.30. – g) Augsburg, Johann Sch¨onsperger d. J., 1520 (VD 16 D 181; gek¨urzte Version) – M¨unchen, BSB, 4 P.o.germ. 227–2. – h) Augsburg, Johann Sch¨onsperger d. J., 1520 (VD 16 D 182; gek¨urzte Version) – M¨unchen, BSB, 4 P.o.germ. 227–3; Zwickau, Ratsschulbibl., 17.9.2.(13). – i) Nu¨ rnberg, Kunigunde Hergot, 1531 (VD 16 ZV 7449) – Gotha, Forschungsbibl., Th 208(11)R. – k) N¨urnberg, Nikolaus Meldemann, um 1535 – Einblattdruck, Gotha, Schlossmuseum G 74,3 [syl. II. 242/3]. – l) Eisleben, Urban Gaubitsch, 1560 (VD 16 H 694) – Berlin, SBB, Yg 5468 R; Wolfenb¨uttel, HAB, 256.3 Quod.(11); Leipzig, UB, 4 B.S.T. 64/1. – m) Eisleben, Urban Gaubitsch, 1561 (VD 16 H 695) – Mu¨ nchen, BSB, Polem. 2785#Beibd.1 (vermisst 4/2012); Gotha, Forschungsbibl., Jur.95/2(3); Wolfenb¨uttel, HAB N 129c.4 Helmst.(2). – n) o. O., 1561 (VD 16 ZV 16683) – Halle, ULB Sachsen-Anhalt, AB 44 9/i,13(2) (Digitalisat: urn:nbn:de:gbv:3:1–135147); Krakau, Biblioteka Jagiello´nska, Yg 5470 (ehem. Berlin, SBB); Weimar, Herzogin Anna Amalia Bibl., 4° XII: 185 [a], D 16v–F 24r (vermutlich Verlust bei Bibliotheksbrand 2004). – o) Eisleben, Urban Gaubitsch, 1562 (VD 16 H 696). – Mu¨ nchen, BSB, Res/4 P.o.germ. 227,55; Berlin, SBB, Yg 989
1. H¨alfte 16. Jh. 5475 R; Ulm, StB, Sch. 547/Sch. 1051. – p) Eisleben, Urban Gaubitsch, 1562 (VD 16 ZV 27828; geringf¨ugige Titelvariante zu VD 16 H 696) – Martin, Slovensk´a n´arodn´a kniznica, Zay 278, priv. 7. – q) N¨urnberg, 1584 (ohne VD16-Nr.) – London, British Library, 11515. a. 50 (11). – r) N¨urnberg, Nikolaus Knorr o. J. (um 1580) (VD 16 ZV 7446) – Stuttgart, LB, D.D.oct K 1114, C 1a–C 8; Berlin, SBB, Yg 5482; Krakau, Biblioteka Jagiello´nska, Yg 5480 (ehem. Berlin, SBB). – s) o. O., 1587 (VD 16 ZV 6598) – Berlin, SBB, Yg 5482 R. – t) o. O., Anf. 18. Jh. – hsl. Abschr. des Drucks: N¨urnberg, Germ. Nationalmuseum, Hs. Merkel 2° 966, 105v–107r (Pap., Augsburg, 1524–26, Schreiber: Valentin Holl). Ausgaben: Nach d: Emil Matthias: Der N¨urnberger Meisters¨anger K. H. In: Mitt. des Ver. der Gesch. der Stadt N¨urnberg 7 (1888) S. 169–236, hier S. 193–207. – Nach r/s (?): Gedichte v. Ulrich v. Hutten und einigen seiner Zeitgenossen. Hg. v. Aloys Schreiber. Heidelberg 1810, S. 107–120. – Nach t: Wendelin v. Maltzahn: Dt. B¨ucherschatz des sechzehnten, siebzehnten und achtzehnten bis um die Mitte des neunzehnten Jh. Jena 1875, S. 163, Nr. 1003. – Abb. von k: Max Geisberg: The German Single-Leaf Woodcut 1500–1550. Bd. 3. Hg. v. Walter L. Strauss. New York 1974, S. 1115, Nr. G1168. Das Gedicht (466 Verse) beginnt mit einem (in den Drucken von Ambrosius Huber und Nikolaus Meldemann auch im Bild dargestellten) Vorspann, wie das Sprecher-Ich beim Krebsfang durch ein «wasser weib» (V. 40) in die Tiefe eines Sees gezogen und in ihren pr¨achtigen Palast gebracht wird. Dort bitten drei alte, weise M¨anner um Auskunft u¨ ber den Zustand der oberen Welt (Hauptteil). Auf ihre Fragen hin berichtet das Sprecher-Ich klagend u¨ ber den darniederliegenden Handel und die wachsende Armut, u¨ ber die M¨unzverschlechterung, u¨ ber den Verfall der Sitten und u¨ ber die um sich greifende Korruption und Bestechlichkeit von Richtern und Anw¨alten. Ab V. 226 antworten die drei «wasser mender», indem sie ihn u¨ ber die Gr¨unde der Krise belehren. Die schlechte Wirtschaftslage f¨uhren sie darauf zur¨uck, dass keiner in seinem Stand bleiben wolle: Die Bauern wollten nicht l¨anger auf dem Feld arbeiten, sondern dr¨angten in Handwerksberufe und sogar in die Kaufmannschaft; als «schotten» – so die Bezeichnung urspr¨unglich f¨ur Schottenm¨onche, dann 990
1. H¨alfte 16. Jh. f¨ur herumziehende Kr¨amer, Hausierer, Betr¨uger – w¨urden sie die Preise verderben und die Lebenswelten von Dorf und Stadt w¨urden eingeebnet (V. 265). Mit dieser Zeitdiagnose wird das Ich wieder in die Oberwelt entlassen, um seine neu erworbene «weißheit» (V. 437) allgemein publik zu machen. In Drucken nach 1559 ist das Gedicht verbunden mit einem Gespr¨ach des Herrn mit St. Peter (ed. Oskar Schade: Satiren und Pasquille aus der Reformationszeit. Tl. 1. Hannover 21863, Nr. 15). Da sein anonymer Verfasser (wohl Valentin Voigt) Werke von Sebastian Brant, Hans Sachs, die Lutherbibel und den Grobianus kennt, kann das Gespr¨ach fr¨uhestens 1557 verfasst worden sein; dass der Titel trotzdem H. als Urheber nahelegt (s. Uhland), interpretiert Weinacht als ein Verlegerplagiat (vgl. zur Verfasserschaft Otto Clemen: Spr¨uche von dem Meisters¨anger Valentin Voith aus Chemnitz. In: Kleine Schr. zur Reformationsgesch. Bd. 5. Hg. v. Ernst Koch. Leipzig 1984, S. 178–184). Der Hauptteil des Gedichts mit dem Gespr¨ach ist zusammen mit einem gebetartigen Schluss von 26 Versen auch gesondert u¨ berliefert unter dem Titel Das ist yetzt der gemain vnnd / New geprauch / in welchem das volckh der / wellt zuo disen gezeytten ganntz seer be- / laden ist als hernach volget (s. e ff.). Ein weiterer Bearbeiter (in VD 16 als Henricus aus Settimello gef¨uhrt), der durch das Auslassen von Reimpaaren und Umstellungen im Text H.’ Gedicht bis zur Unverst¨andlichkeit entstellt, gibt das Dichterpseudonym «Pauper Henricus» an: Eyn spruch bin ich von der welt laueff, Speyer, Jakob Schmidt, um 1525 (VD 16 H 2163, dort ohne Standort); ed. v. Ludwig Bechstein, in: Dt. Museum f¨ur Gesch., Lit., Kunst und Alterthumsforschung 2 (1843) S. 203–224; s. auch Leipzig, Wolfgang St¨ockel, um 1518 (VD 16 H 2162, dort ohne Standort); Dresden, Wolfgang St¨ockel, 1537 (VD 16 ZV 23273) – Zwickau, Ratsschulbibliothek, 30.5.18.(8). 3. Die Sondersiechen (1493) ¨ Uberlieferung: o. O. [N¨urnberg], 1493 – Gotha, Schlossmuseum 1,50 [xyl. II, 275]; Paris, Bibl. Nationale. Ausgabe: Hans Boesch: Ein neues Gedicht v. K. H. In: Mitt. der Gesch. der Stadt N¨urnberg 16 (1904) S. 243f. – Faks.: Henri Bouchot: Les deux cents incunables xylographiques du D´epartement des Estampes. Bd. 2: Atlas. Paris o. J. [1903], Tf. 100. – Willhelm Ludwig Schreiber: Holzschnitte, 991
Has Metallschnitte, Teigdrucke aus dem Herzogl. Museum zu Gotha und Kunst- und Altertumssammlungen Veste Coburg (Einblattdrucke des 15. Jh. 64). Straßburg 1928, Tf. 10. Seit 1394 existierte in N¨urnberg das durch den Rat gestiftete «Sondersiechenalmosen», bei dem in der Karwoche «sundersieche», Leprakranke, gespeist wurden, die normalerweise außerhalb der Stadtmauern bleiben mussten. Der illustrierte Einblattdruck (36 Verse) aus dem Jahr 1493 mag auf die jahrmarkts¨ahnliche Attraktivit¨at des sp¨ater auch als «Sondersiechenschau» bezeichneten Ereignisses reagieren: K. H. reimte den xylographisch geschnittenen Text, der partienweise zwischen f¨unf Bildszenen gesetzt ist. Unten rechts neben dem N¨urnberger Wappen ist ein einf¨uhrender Textblock mit einer direkten Anrede an die Leser platziert, der die Einrichtung des Almosens durch die N¨urnberger preist und ihren Ablauf schildert. Die einzelnen Schritte sind zugleich illustriert und durch H. in der Art von ‹Sprechblasen› kommentiert: Oben rechts findet sich die Begutachtung der ¨ in der Stadt eintreffenden Kranken durch Arzte; im Text schickt ein Arzt den gerade gepr¨uften Patienten als zwar «verwarlast», aber nicht mit Lepra infiziert weg. Im folgenden Bild h¨oren die an ihren Holzklappern erkenntlichen Auss¨atzigen die Predigt, die H.’ Text auf die Forderung nach Leidensbereitschaft und Christusnachfolge reduziert. Im mittleren Register sind Beichte und Eucharistie dargestellt, w¨ahrend am unteren Bildrand die Speisung der Kranken dargestellt ist. H.’ begleitender Text erinnert die Auss¨atzigen daran, ihrer frommen G¨onner zu gedenken. Dort nennt sich H. auch explizit, w¨ahrend der Drucker und der Bildschneider anonym bleiben. Eine ausf¨uhrliche Schilderung des «Sondersiechenalmosens» gibt auch die Norimberga des Conrad Celtis, die im selben Jahr entstand, w¨ahrend der Lobspruch auf N¨urnberg von Hans Rosenpl¨ut es nur kurz unter anderen wohlt¨atigen Stiftungen auflistet. Eine Beschreibung der N¨urnberger F¨ursorgeinstitutionen bietet die Urbs Noriberga illustrata des Helius Eobanus Hessus. 4. Lobspruch auf die Erbauung des Kornhauses (1494) ¨ Uberlieferung: N¨urnberg, Staatsarch., Arch. der Freiherren Stromer v. Reichenbach auf Burg Gr¨unsberg, B 15, 21r (Stromerbuch I) und auf der R¨uckseite einer auf fol. 21r eingeklebten kolo992
Has rierten Federzeichnung mit einer Darstellung der N¨urnberger Burg. Ausgabe: Emil Matthias: Noch ein Gedicht v. K. H. In: Mitt. der Gesch. der Stadt N¨urnberg 8 (1889) S. 239–243. H. lobt in dem Gedicht (52 Verse) die Errichtung eines neuen Kornhauses auf der N¨urnberger Burg (heute Kaiserstallung) im Jahr 1494. Als seinen Baumeister r¨uhmt er Seitz Pfintzing, dessen Familie schon im Lobgedicht auf N¨urnberg unter den ratsf¨ahigen Geschlechtern genannt wird: Er habe den Bau innerhalb nur eines Jahres aufgef¨uhrt und in nur zwanzig weiteren Wochen mit Korn bef¨ullen ¨ der lassen. Nicht erw¨ahnt wird Hans Behaim d. A., eigentlich die Bauaufsicht f¨uhrte, w¨ahrend Pfinzing als ‹Herr in der Peunt› lediglich die Oberaufsicht u¨ ber das st¨adtische Bauwesen innehatte. Der Schl¨ussel f¨ur das Kornhaus, so f¨ahrt H. fort, liege nun bei dem Ratsherrn Ulrich Grundherr, einer der ‹sieben a¨ lteren Herren›, den er auch in seinem Gedicht u¨ ber die N¨urnberger Gesandtschaft zum Landshuter Schießen 1494 lobend hervorhebt (s. 5.). Als oberster Verwalter des Kornhauses habe Grundherr, unterst¨utzt durch vier Knechte, f¨ur Anschaffung, Lagerung und Verkauf der Getreidevorr¨ate zu sorgen. Das Gedicht schließt mit dem Zweck f¨ur die Errichtung des Speichers, bei Inflation und Hungersn¨oten die Versorgung der Stadtbewohner sicherzustellen. 5. Vom Schießen zu Landshut (nach 1494) ¨ Uberlieferung: 2 Hss. N¨urnberg, StB, Nor. 284 (1.2) mit Anh¨angen v. 1500 und 1609. Ausgabe: Emil Matthias: Der N¨urnberger Meisters¨anger K. H. In: Mitt. des Ver. der Gesch. der Stadt N¨urnberg 7 (1888) S. 169–236, hier S. 224 f. (nach Abschrift eines Bl., das auf einer Holztafel in St. Sebald aufgeh¨angt war). H. preist Ulrich Grundherr, der als einer der ‹sieben a¨lteren Herren› zum h¨ochsten N¨urnberger Ratsgremium z¨ahlte: Als Kopf einer N¨urnberger Delegation habe er vom Landshuter Sch¨utzenfest eine Uhr mit Viertelstundenschlag nach N¨urnberg mitgebracht, nach deren Vorbild ein Viertelschlagwerk f¨ur die Stadt hergestellt worden sei. Diese Uhr erinnere – auch wenn Grundherr schon verstorben sei – noch immer an sein Verdienst darum. Der Editor vermutet in diesem Text ein bezahltes Auftragsgedicht der Patrizierfamilie Grundherr (36 Verse). 993
1. H¨alfte 16. Jh. 6. Der falschen Bettler T¨auscherei (1515/25) ¨ Uberlieferung: N¨urnberg, Germ. Nationalmuseum, Hs. Merkel 2° 966, 100v–101v (Pap., Augsburg, 1524–26, Schreiber: Valentin Holl). Ausgabe: Friedrich Kluge: Rotwelsch. Quellen und Wortschatz der Gaunersprache und der verwandten Geheimsprachen. Bd. 1: Rotwelsches Quellenbuch. Straßburg 1901, S. 118 f. (Teilabdruck). In der Satire (338 Verse) beschreiben bei einem Gastmahl verschiedene Typen von Vagabundierenden, wie sie auf die Straße geraten sind. Der zweite Teil (ab V. 225) schildert und verurteilt die Tricks – das Vort¨auschen von Krankheiten und Behinderungen ebenso wie L¨ugengeschichten –, mit denen die «maister auff dem bettel» um Mitleid heischen. Das Gedicht schließt mit einem Lob der ehrbaren Armen, die sich ihre Armut sch¨amten und derer man sich daher erbarmen solle. Nach Weinacht handelt es sich um eine Bearbeitung des Liber Vagatorum von Matthias H¨utlin. 7. Spruch von einem B¨ackerknecht (1516) ¨ Uberlieferung: a) Straßburg, Matthias Hupfuff, 1515 (VD 16 H 753, dort ohne Standort). – b) N¨urnberg, Jobst Gutknecht 1516 (VD 16 H 754) – Berlin, SBB, Yd 7820, Nr. 10 R. – c) Augsburg, Matth¨aus Franck, um 1560 (nicht in VD 16 nachgewiesen) – Zu¨ rich, ZB, Ms F 13, 5r–10v. – d) N¨urnberg, Friedrich Gutknecht (nicht in VD 16 nachgewiesen) – Rom, Biblioteca Apostolica Vaticana, Stamp.Pal.V.432(int.53). – e) N¨urnberg, Valentin Neuber (nicht in VD 16 nachgewiesen) – Rom, Biblioteca Apostolica Vaticana, Vat. Stamp.Pal.VI.181(int.61). Ausgabe: Emil Matthias: Der N¨urnberger Meisters¨anger K. H. In: Mitt. des Ver. der Gesch. der Stadt N¨urnberg 7 (1888) S. 169–236, hier S. 226–233 (nach c). Das Gedicht (232 Verse) schildert f¨unf Morde, die ein B¨ackerknecht 1504 in Wien an seinem Meister, dessen Familie und Gesinde aus Habgier begangen habe. Nachdem er zuerst unerkannt entkommen und zu seinem Vater nach Regensburg fl¨uchten kann, wird die Tat entdeckt. Ausf¨uhrlich wird dargestellt, wie er in Ketten nach Wien u¨ berf¨uhrt, dort gefoltert und hingerichtet wird, im Angesicht des Todes jedoch seine Schuld bereut und somit seine Seele rettet. In den Schlussversen gibt H. an, er habe das Gedicht «corrigiert» (V. 230); seine Vorlage ist unbekannt. Das Gedicht z¨ahlt zu den fr¨uhen Zeugnissen f¨ur einen u¨ berre994
1. H¨alfte 16. Jh. gionalen Markt an ‹Neuigkeiten›, der neben politischen Informationen auch an Kuriosa und Skandalen interessiert war. 8. Bauernkalender (1515/20?) ¨ Uberlieferung: a) N¨urnberg, Jobst Gutknecht, um 1520 (VD 16 ZV 7447) – Berlin, SBB, Yd 9813; (nach Weinacht) London, British Library, 11522.df.100. – b) Augsburg, Matth¨aus Franck (nicht in VD 16 nachgewiesen) – Rom, Biblioteca Apostolica Vaticana, Stamp.Pal.V.432(int.49). – c) N¨urnberg, Valentin Neuber, um 1560 (VD 16 ZV 7448) – Berlin, SBB, Yd 9816. Eine Abschrift in Berlin, SBB, Mgf 931, 5v–6r. Vertonungen: [Heinrich Finck]: Sch¨one außerlesene Lieder, des hochber¨umpten Heinrici Finckens [...]. N¨urnberg, Hieronimus Formschneider, 1536, Nr. 30. – [Georg Forster]: Der ander theil kurtzweiliger guter frischer Teutscher Liedlein. N¨urnberg 1540, Nr. 51, ed. Georg Forsters Frische Teutsche Liedlein in f¨unf Teilen. Hg. v. M. Elizabeth Marriage. Halle an der Saale 1903 (Neudrucke dt. Literaturwerke des 16. und 17. Jh. 203–06), S. 98. – Ivo de Vento: Teutsche Lieder. Mu¨ nchen: Adam Berg, 1573, Nr. 10, ed. Ivo de Vento (ca. 1543/45–1575). S¨amtliche Werke. Bd. 4. Hg. v. Nicole Schwindt (Denkm¨aler der Tonkunst in Bayern. NF 15). Wiesbaden 2003, Nr. 11 (10), S. 137–139. Ausgaben: Franz M. B¨ohme: Altdt. Liederbuch. Volkslieder der Deutschen nach Wort und Weise aus dem 12. bis zum 17. Jh. Leipzig 1877, Nr. 452, S. 562–566 (‹gereinigte› Version von a, mit Partitur). – Rochus v. Liliencron: Dt. Leben im Volkslied um 1530 (Dt. National-Lit. 13). Berlin/Stuttgart 1885, Nr. 40, S. 135–143 (mit Partitur). – Dt. Liederhort. Auswahl der vorz¨uglicheren Dt. Volkslieder nach Wort und Weise aus der Vorzeit. Bd. 3. Gesammelt und erl. v. Ludwig Erk, neubearb. und fortges. v. Franz M. B¨ohme. Leipzig 1894 (Nachdr. Wiesbaden 1963) Nr. 1537, S. 379–382 (mit Partitur nach Forster). Das Lied schildert in Str. 1–19 geordnet nach den jeweiligen Tagesheiligen bzw. kirchlichen Hochfesten den b¨auerlichen Jahreslauf, wobei vor allem von jahreszeittypischen Gen¨ussen, Festen und erotischen Vergn¨ugen berichtet wird. Als Vorlage f¨ur diesen Teil nutzte H. Hans Rosenpl¨uts Ein vasznachtlyet, der collender zu N¨urnberg genant (ed. Hans Rosenpl¨ut, Reimpaarspr¨uche und Lieder. Hg. v. J¨orn Reichel. T¨ubingen 1990, Nr. 24, S. 256–261). Die Strophen 20–27 schließen an ein anderes von 995
Has Rosenpl¨uts Liedern an (ebd., Nr. 25, S. 262 f.), das implizit u¨ ber das Motiv der Musik die b¨auerliche Lebenswelt mit der anderer, ‹feinerer› St¨ande kontrastiert: Statt des – auf Minnedichtung und damit die Sph¨are des Adels anspielenden – Lerchen- und Nachtigallengesangs werden darin das Gackern der eierlegenden Hennen (Str. 20), statt des Saitenspiels das Geschrei der Schafe bei der Geburt der L¨ammer (Str. 22), statt des Chorgesangs der Kleriker das «Hottahin» des pfl¨ugenden Bauern (Str. 21) gelobt. Folgerichtig erkl¨art H. am Schluss, er habe das Gedicht lediglich «corrigiert», wobei dies formal durch die Verwandlung von Rosenpl¨uts Achtzeiler in die neunzeilige Narrenkappenweise durchaus als Neubearbeitung zu verstehen ist. Zugleich milderte er die derben Passagen der Vorlage und als selbstst¨andigen Zusatz in der letzten Strophe res¨umiert er, besser als jedes Geigenspiel sei ein guter «prei, wenn mir der hunger tut». 9. Lied von der Stadt Rothenburg (nach 1520) ¨ Uberlieferung: N¨urnberg, Friedrich Peypus, um 1520 (nicht in VD 16 nachgewiesen) – Berlin, SBB, Yd 7803, Nr. 44. Ausgaben: Liliencron 3 (1867) Nr. 346, S. 355 f. – Faks.: Acht Lieder aus der Reformationszeit. Festgabe der Ges. f¨ur dt. Lit. f¨ur D. Dr. Rochus Frh. v. Liliencron. Hg. v. Johannes Bolte. Berlin 1910, Nr. 2. – Eduard Fuchs: Die Juden in der Karikatur. Ein Beitr. zur Kulturgesch. M¨unchen 1921, S. 11. Das «h¨upsch lied von der vertreybung der Juden zu Rottenburg an der Thawber» (10 Str. im ‹Sch¨uttensam›-Ton) bezieht sich auf die Vertreibung der j¨udischen Gemeinde aus der Reichsstadt Rothenburg, die bereits 1519 durch den Stadtrat ¨ beschlossen und durch einen Uberfall der Bev¨olkerung auf die Synagoge 1520 forciert worden war. H. rechtfertigt dieses Vorgehen gleich in Str. 1 vage mit der «große[n] schand», die die Juden durch Wucher und Betrug auf sich geladen und damit «manche[n] frumme[n] zuo grund verdorben» h¨atten. Als Anf¨uhrer der judenfeindlichen Partei in der Stadt hebt er «doctor Theuschel», einen Prediger in der Stadt, hervor. F¨ur seine Absichten k¨onne er sich auf den Willen und die Patronage der Gottesmutter Maria st¨utzen, die angesichts der Not ihrer christlichen «kint» der «veint» der Juden w¨are. Zum Beleg dieser Behauptung f¨uhrt H. in den Str. 7–9 mehrere Wunderheilungen in der Marienkapelle an, die man auf der Stelle der Synagoge errichtet habe (Str. 6). 996
Fridel Zu dem Rothenburger Vorfall, der sich in eine gr¨oßere Verfolgungswelle um 1500 auch in anderen dt. St¨adten einf¨ugt, hat sich noch ein zweites Ereignislied erhalten (vgl. Liliencron, ebd., Nr. 347). ¨ H.’ Text weist zudem auffallende Ahnlichkeit mit Berichten u¨ ber die Vertreibung der Regensburger Juden 1519 auf, die in nicht weniger als f¨unf gleichzeitigen Liedern thematisiert wurde. 10. Von allerlei R¨auberei (vor 1525) ¨ Uberlieferung: N¨urnberg, Germ. Nationalmuseum, Hs. Merkel 2° 966, 94v–95r (Pap., Augsburg, 1524–26, Schreiber: Valentin Holl; unediert). H. klagt in diesem Gedicht (214 V.) u¨ ber die Unsitte der Großen der Welt, sich in Lobgedichten preisen und andere herabsetzen zu lassen. Er verlangt ein strengeres Regiment, damit wieder Zucht und Ordnung einkehren (Zusammenfassung nach Weinacht). 11. Vom Ehestand (um 1525?) ¨ Uberlieferung: a) Augsburg, Philipp Ulhart ¨ um 1530 (VD 16 H 751) – M¨unchen, BSB, d. A., Res/Exeg. 131 (Digitalisat: urn:nbn:de:bvb:12bsb00027823–7). – b) Nu¨ rnberg, Kunigunde Hergot, um 1530 (VD 16 H 752, ohne Standort). – c) Freiberg, W. Meyerpeck (fr¨uher in Wernigerode, nach Weinacht verschollen, 350 V.). – d) N¨urnberg, Valentin Neuber, um 1560 (VD 16 ZV 7445) – Berlin, SBB, Yg 5456. Ausgabe: Emil Matthias: Der N¨urnberger Meisters¨anger K. H. In: Mitt. des Ver. der Gesch. der Stadt N¨urnberg 7 (1888) S. 169–236, hier S. 209–223 (nach c mit Lesarten von a). Das Gedicht (358 Verse) setzt mit einem Preis der g¨ottlichen Sch¨opfung ein (wobei der Dichter dankt, dass Gott ihn nicht als «T¨urck, J¨ud oder Heyd», sondern als Christ habe auf die Welt kommen lassen), um aus Adams und Evas S¨undenfall nach Genesis den Grund f¨ur das irdische Jammertal abzuleiten. Es folgt eine Klage u¨ ber schlechte Ehen und streitsu¨ chtige Eheleute, die in eine Mahnung und in ein Lob des ehelichen Lebens m¨unden. Als Gr¨unde f¨ur die Missst¨ande seiner Gegenwart nennt H. einerseits das geringe Alter der Heiratswilligen und ihre vorschnelle Entscheidung f¨ur die Ehe wie auch ihre Armut und laxe Moral, die selbst Ehebruch dulde. Scharf tadelt er auch die – im scharfen Kontrast zur Vergangenheit gezeichneten – z¨ugellosen Heiratsbr¨auche mit «w¨usten» T¨anzen und «ander vnzucht viel». Das Gedicht endet mit einem Aufruf zur Achtung der vor Gott geschlossenen Ehe und zur sittsamen Erziehung der Kinder. 997
1. H¨alfte 16. Jh. Literatur: Karl Bartsch, ADB 10 (1879) S. 753 f. – Helmut Weinacht, VL2 3 (1981) Sp. 538–544. – Horst Brunner, Stadtlex. N¨urnberg (22000) S. 412. – Karina Kellermann, Killy2 5 (2009) S. 54 f. – Ein Lobgedicht auf N¨urnberg aus dem Jahre 1490 von dem Meister-S¨anger Kuntz Haß. Erw. Abdruck aus der Zs. f¨ur dt. Kulturgesch. Hg. v. Karl August Barack. N¨urnberg 1858. – Ludwig Uhland: Schr. zur Gesch. der Dichtung und Sage. Bd. 2. Stuttgart 1866, S. 530–533. – Georg W. Lochner: Conz Haß. In: Anz. f¨ur Kunde der dt. Vorzeit NF 18 (1871) S.140–144, 170–175. – Emil Matthias: Der N¨urnberger Meisters¨anger K. H. In: Mitt. des Ver. der Gesch. der Stadt N¨urnberg 7 (1888) S. 169–236. – Emil Matthias: Noch ein Gedicht v. K. H. In: ebd. 8 (1889) S. 239–243. – Hans Boesch: Ein neues Gedicht v. K. H. In: ebd. 16 (1904) S. 240–244. – Conrad Celtis und sein Buch u¨ ber N¨urnberg. Hg. v. Albert Werminghoff. Freiburg i. Br. 1921, S. 189–199. – Wilhelm Hammer: Latin und German Encomia of Cities. Chicago 1937, S. 16–18. – Heide Weisshaar-Kiem: Lobschr. und Beschreibungen ehem. Reichs- und Residenzst¨adte in Bayern bis 1800. Mittenwald 1982, S. 272, Nr. 321. – Joe G. Delap: Early modern German dialogs on poverty and Paul Rebhun’s Klag des armen Manns. In: Daphnis (1993) S. 603–620. – Carla Meyer: Die Stadt als Thema. N¨urnbergs Entdeckung in Texten um 1500 (MA-Forschungen 26). Ostfildern 2009, S. 266 f., 394–397. – Matthias Kirchhoff: Ged¨achtnis in N¨urnberger Texten des 15. Jh. Gedenkb¨ucher, Br¨uderb¨ucher, St¨adtelob, Chron. (N¨urnberger Werkst¨ucke zur Stadtund Landesgesch. 68). Neustadt an der Aisch 2009, S. 225 f., 240 f. CM Fridel, Peter, * um 1491 (?), † 1543 (?) N¨urnberg. – N¨urnberger Meisters¨anger. Eine vorreformatorische Meisterliedsammlung des Hans Sachs enth¨alt von F. ein auf 1516 datiertes Meisterlied mit sieben Strophen in → Marners «Langem Ton» (RSM: 1Marn/7). Mit großer Wahrscheinlichkeit ist der Verfasser identisch mit dem in N¨urnberger Archivalien bezeugten Schuhmacher P. F., der 1520 das N¨urnberger B¨urgerrecht erwarb und Meister wurde. Nach beurkundeter eigener Aussage ist er 1519 in die Reichsstadt gelangt, auch die Angaben zu seiner Geburt stammen von ihm selbst. Das Lied F.s behandelt die Heilsgeschichte vom Wesen Gottes vor der Sch¨opfung bis zu Christi 998
1. H¨alfte 16. Jh. Erl¨osertod. In der ersten Strophe erbittet der Dichter Gottes Beistand f¨ur sein Gedicht und erhofft, einen Preis zu gewinnen. Die vierte Strophe ist ein Marienlob, das den Namen der Gottesmutter deutend durchbuchstabiert. ¨ Uberlieferung: Berlin, SBB, Mgq 414 (Meisterliederhs. q) 442v–445r (Pap., 1517/18, geschrie¨ ben v. Hans Sachs in N¨urnberg) Uberschrift: «Jn des marners langen don peter fridels gedicht», am Schluss ist «1516 iar» vermerkt. Es handelt sich neben Sachsens eigenen Liedern um das einzige datierte Lied der Sammlung. Literatur: Johannes Rettelbach, VL2 2 (1980) Sp. 917 f. – RSM 3 (1986) S. 523. – Mary Juliana Schr¨oder: Mary-Verse in Meistergesang (The Catholic University of America. Studies in German 16). Washington 1942 (Neudr. 1970) S. 66 f., 80. – Dies.: Topical Outline of Subject Matter in the Berlin Ms. Germ. Quart. 414. In: Publ. of the Modern Language Association of America 61 (1946) S. 997–1017. VZ Preining, J¨org (Breynning, Preuning, Breuning, Preynling u. a¨ .), * um 1450 Augsburg, † um 1526 Menchingen (Schwabm¨unchen). – Laienprediger, Verfasser von religi¨osen Reimpaarspr¨uchen, Liedern und Sendbriefen. Der Sohn des Webers Josef P. u¨ bte das gleiche Handwerk wie sein Vater aus. Bis 1504 lebte P. mit Ausnahme der (Wander-[?])Jahre 1470–72 in Augsburg, seit 1468 in einem eigenem Haushalt. Er wechselte in Augsburg oft den Wohnsitz und war nach den Angaben in Augsburger Steuerb¨uchern bis 1485 mittellos. Zur Osterzeit 1484 hielt sich P. am Wallfahrtsziel St. Radegunde bei Augsburg auf. Davon berichtet die Peutingersche Chronik (Augsburg, SB/StB, 2°, Cod. Aug. 72, 84r). Offensichtlich hatte P. sich kurzfristig einem einsiedlerisch-kontemplativen Leben als Laienprediger verschrieben. Ferner teilt die Chronik mit, P. sei bei der Radegundis-Kapelle «gewest bis in die sechsten wochen vnnd wolt ein bruder worden sein». Die Selbstbezeichnung als Bruder (die er in den Spr¨uchen jeweils am Ende wiederholt) weist wohl nicht auf Laienbruderschaft oder Waldensertum hin, sondern auf P.s Vorstellung vom Laienpriestertum. In P.s Christuslied (Nr. 2 der geistlichen Lieder) wird der Laie als «br˚uder des herren» bezeichnet. Dass P. ab 1485/86 dank eines ansehnlichen Verm¨ogens zum gehobenen Augsburger Mittelstand gez¨ahlt werden kann, d¨urfte nicht 999
Preining unabh¨angig vom Radegunde-Ereignis sein. Vorstellbar ist, dass P. sein Verm¨ogen durch den Verkauf seiner Reimpaarspr¨uche im Anschluss an die Predigten erworben hat. Seit 1486 ist P.s Sohn Franz nachgewiesen. Dieser wurde 1528 wegen Verbindungen zu den Wiedert¨aufern der Stadt verwiesen (vgl. Chron.dt.St. 23 [1894] S. 194). Damit korreliert, dass P.s Schriften im Laufe der Zeit in Wiedert¨auferkreisen sich zunehmender Beliebtheit erfreuten. P. hat 1488 → Geiler von Kaysersberg in Augsburg predigen geh¨ort und vermutlich Abschriften von Geilers Predigten erstellt. Die Kleruskritik im geistlichen Lied 4 d¨urfte von Geiler vermittelt worden sein. Noch 1500 erwarb P. ein Haus am Augsburger Heilig-Kreuz-Tor, doch hat er 1504 die Stadt aus unbekannten Gr¨unden verlassen und sein B¨urgerrecht aufgegeben. Vermutlich ließ P. sich anschließend in Menchingen nieder. In Augsburg und Umgebung wurde P. noch bis zum Ende des 16. Jh. als regionaler Laienprediger, Lieddichter und Kirchenkritiker rezipiert. P.s Œuvre l¨asst sich relativ gut datieren. Bei den 32 Reimpaarspr¨uchen d¨urfte es sich um schriftliche Fixierungen seiner Radegunder Predigten handeln, die somit 1485 oder kurz danach entstanden sein d¨urften. Von den drei Liedern in meisterlichen T¨onen ist ein Lied, das den Alexius-Legendenstoff bietet, auf den 21.9.1488 datiert. Die f¨unf geistlichen Lieder sind aus dem Jahr 1503 und zwei Sendbriefe wurden 1526 gedruckt. Die Spr¨uche umfassen jeweils 72 Reimpaarverse. Das bevorzugte Thema ist die richtige Weise, Gott zu dienen, gest¨utzt zumeist auf Auslegungen des NT nach nicht ermittelten Quellen. Lateinkenntnisse wird man bei P. allerdings h¨ochstens marginal voraussetzen d¨urfen. Sollte er selbst¨andig Exegese betrieben haben, so ist die vermutliche Grundlage seiner Arbeit eine von Anton Sorg 1480 in Augsburg gedruckte dt. Bibel (GW 04302). Wahrscheinlicher ist indes, dass es sich um Versifikationen von exegetischen dt. Prosavorlagen handelt. Von den drei Liedern in meisterlichen T¨onen (alle mit Autorsignatur) verwenden zwei → Regenbogens «Langen Ton» (RSM: 1Regb/4). Beides sind Legendenlieder. Das erste ist eine Bearbeitung der Alexiuslegende in 19 Strophen auf Grundlage von Der → Heiligen Leben. Die konkrete Vorlage k¨onnte ein Sorg-Druck von 1488 gewesen sein (GW M11400; Fassung Alexius A [→ Alexius]). Die Quelle f¨ur das zweite Lied, eine Liedumsetzung der Legende vom hl. Ulrich, dem wundert¨atigen Augsburger Bischof in sieben Strophen, 1000
Preining ist nicht bekannt. Das dritte bereitet den verbreiteten antij¨udischen Schwank von «jud und pader» auf. Die drei Strophen des Liedes sind in einer Variante von → Frauenlobs «Zartem Ton» (1Frau/5) verfasst. Jude und Bader verabreden sich zu einem Zweikampf und vereinbaren, ihren ‹Sch¨opfer› um Hilfe bitten zu d¨urfen. Der Bader bringt darauf seinen Sch¨opfgehilfen zum Kampf mit und gemeinsam verpr¨ugeln sie den Juden. Das Lied ist ein Hinweis darauf, dass P. auch mit weltlicher Dichtung sein Auskommen gesucht haben k¨onnte. Die geistlichen Lieder P.s sind im Ton des beliebten Marienliedes → Maria zart gehalten. Die vielstrophigen Lieder (vier mit 13, eins mit 21 Strophen) haben s¨amtlich Strophenanaphern (Incipits: 1: «Maria zart», 2: «Ihesus ein wort», 3: «Gott ewig ist», 4: «Christus der herr», 5: «Maria zart»). F¨ur die beiden Marienlieder 1 und 5 konnten Quellen ermittelt werden: das Defensorium inviolatae virginatis beatae Mariae des → Franz von Retz (Lied 1) und die Dreik¨onigslegende der Legenda aurea des → Jacobus a Voragine (Lied 5). Lied 2 verbindet einen Preis Jesu mit einer Johannesvision und Lied 3 widmet sich der Unendlichkeit, Unerkennbarkeit und G¨ute Gottes. Das vierte ist ein Pl¨adoyer f¨ur den «frum leien» und u¨ bt in diesem Kontext Kritik an Priestern, Papst und weltlicher Obrigkeit. Die beiden Sendbriefe P.s in Prosa richten sich 1526 an seine Augsburger Anh¨anger, nachdem er die Stadt schon l¨angst verlassen hatte. Sie rekurrieren zwar nicht auf Tagesereignisse, stehen aber offensichtlich unter dem Eindruck der gewandelten konfessionellen Fronten. Im Stil der Apostel des NT kritisiert P. scheinheilige Seelsorger und ermahnt die alten Anh¨anger zur Treue im Glauben. ¨ Uberlieferung: Reimpaarspr¨uche: S¨amtlich durch den Augsburger Drucker Johann Blaubirer als Einblattdrucke publiziert (GW M35282–35313). Die meisten Exemplare waren in B¨ande der Klosterbibliothek Wessobrunn eingebunden und sind ausgel¨ost worden. Die Art der Nummerierung der Drucke legt nahe, dass eine große Zahl der Spr¨uche P.s nicht u¨ berliefert ist. Vermutlich sind die Drucke u¨ ber den Augsburger Drucker Lukas Zeissenmair in das Kloster gelangt. Zeissenmair wechselte 1503 nach Wessobrunn und druckte dort zuerst die geistlichen Lieder P.s (s. u.). – Lieder in Meistert¨onen: Heidelberg, UB, Cpg 109, 81v–90v (Pap., 1516, geschrieben von Simprecht Kr¨oll in Augsburg); Legendenlieder. – Dresden, LB, Mscr. M 190, 1001
1. H¨alfte 16. Jh. 392r–393v (Pap., zweite H¨alfte 16. Jh., geschrieben von J¨org Bauttenbacher in N¨urnberg); Schwanklied. – Druck des Ulrich-Liedes: Augsburg (Hans Froschauer) 1516 (VD16 ZV 18196) Titel: Ein h¨ubsch lied v¯o sandt Vlrich dem lieben bischoff z˚u singen Jn des Regenbogen langen thon. – Geistliche Lieder: Wessobrunn (Lukas Zeissenmair) 1503 (VD16 B 7400) Titel: Hie nach volgent f¨unff gar n¨utzliche fruchtpare lieder Jn dem thon Maria zart etc. gar maisterlichen gemacht vnnd z˚u samen gee preining [...]; Druckabschrift: setzt durch Jorgen N¨urnberg, Germ. Nationalmuseum, Hs Merkel 2° 966, 155r–158v (Pap., 1524/26, geschrieben von Valentin Holl in Augsburg). – Auswahl ohne Marien¨ 1526 (VD16 lieder: Augsburg (Philipp Ulhart d. A.) B 7399) Titel: Dre¨u gar N¨utzliche vnd fruchtbare lieder Jm thon Maria zart gar maisterlichen durch e Preining [...] gemacht vnd zusamen gesetzt Jorgen (Bearb. und hg. v. dem nach Widerruf in Augsburg geduldeten Wiedert¨aufer Sigmund Salminger). – Nur Lied 3: Freiburg/Breisgau (Johann W¨orlin) 1525 (VD16 B 7401) Titel: Ain h¨upschs Lied von G¨ottlicher Maiestat. Vnd singt mans wie Maria zart (Bearb. v. Johannes B¨oschenstein). – Sendbriefe: Augsburg (Heinrich Steiner) 1526 (VD16 B 7402) Titel: Zwen Sendbrieff v¯o der Liebe gottes durch Georgen Preining vor jaren weber zu Augspurg geschriben. Ausgaben: Reimpaarspr¨uche: Cramer 3 (1982) S. 76–135; erg¨anzt durch (zwei Spr¨uche): Liefl¨ander-Koistinen 1986 (s. Lit.) S. 165–170. – Lieder in Meistert¨onen: Joseph G¨orres: Altdt. Volksund Meisterlieder aus den Hss. der Heidelberger Bibl. Frankfurt/M. 1817, S. 294–317. – Hans Ferdinand Maßmann: Sanct Alexius Leben in acht gereimten mhd. Behandlungen (Bibl.dt.Nat.-Lit. 9). Quedlinburg/Leipzig 1843, S. 154–156 (nur Alexius-Legende). – Cramer 3 (1982) S. 57–75. – Geistliche Lieder: Cramer 3 (1982) S. 20–57. – Sendbriefe: Liefl¨ander-Koistinen 1986 (s. Lit:) S. 151–163. Literatur: K[arl] Bartsch, ADB 3 (1876) S. 286 (unter Breining). – De Boor/Newald 4/2 (1973) S. 19 f. – Luise Liefl¨ander-Koistinen, VL2 7 (1989) Sp. 814–818. – Johannes Rettelbach, NDB 20 (2001) S. 686. – Luise Liefl¨ander-Leskinen, Killy2 9 (2010) S. 324–326. – Ludwig Keller: Die Kultgesellschaften der dt. Meisters¨anger und die verwandten Soziet¨aten. In: Monatsh. der ComeniusGes. 11 (1902) S. 274–292. – Friedrich Roth: 1002
1. H¨alfte 16. Jh. Der Meistersinger Georg Breuning und die religi¨ose Bewegung der Waldenser und T¨aufer im 15. und 16. Jh. In: ebd. 13 (1904) S. 74–93. – Mela Escherich: Einzel-Formschnitte und Einblattdrucke des Kestner-Museums zu Hannover (Einblattdrucke des 15. Jh. 46). Straßburg 1916, S. 9, 12 f. – Karl Schottenloher: Philipp Ulhart, ein Augsburger Winkeldrucker und Helfershelfer der ‹Schw¨armer› und ‹Wiedert¨aufer› (1523–29). Mu¨ nchen 1921. – Wolfgang Stammler: Von der Mystik zum Barock 1400–1600. (Epochen der dt. Lit. Geschichtliche Darstellungen 2,1). 2., durchges. und erw. Aufl. Stuttgart 1950. – Rolf Kiessling: B¨urgerliche Gesellschaft und Kirche in Augsburg im Sp¨atMA (Abh. zur Gesch. der Stadt Augsburg 19). Augsburg 1971. – Gisela Ecker: Einblattdrucke von den Anf¨angen bis 1555: Unters. zu einer Publikationsform literarischer Texte (GAG 314). G¨oppigen 1981, S. 37. – Cramer 3 (1982) S. 538–542. – L. Liefl¨ander-Koistinen: Stud. zu J. P. Ein Weber, Dichter und Laienprediger im sp¨atma. Augsburg (Stuttgarter Arbeiten zur Germanistik 171). Stuttgart 1986. – Martin Arnold: Handwerker als theologische Schriftsteller. Stud. zu Flugschr. der fr¨uhen Reformation 1523–1525 (G¨ottinger theologische Arbeiten 42). G¨ottingen 1990, S. 24 Anm. 122. – Werner Williams-Krapp: Johann Geiler von Kaysersberg in Augsburg. Zum Predigtzyklus ‹Berg des Schauens›. In: Literarisches Leben in Augsburg w¨ahrend des 15. Jh. Hg. v. Johannes Janota/W. Williams-Krapp. T¨ubingen 1996, S. 265–280. – Margreth Egidi: Verborgene Heiligkeit. Legendarisches Erz¨ahlen in der Alexiuslegende. In: Literarische und religi¨ose Kommunikation in MA und Fr¨uher Neuzeit. Hg. v. Peter Strohschneider. Berlin u. a. 2009, S. 607–657, hier S. 617–622, 639. – W. Williams-Krapp: ‹Praxis pietatis›. Heilsverk¨undigung und Fr¨ommigkeit ¨ der ‹illiterati› im 15. Jh. In: Die Lit. im Ubergang vom MA zur Neuzeit. (Hansers Sozialgesch. der dt. Lit. vom 16. Jh. bis zur Gegenwart 1). Hg. v. Werner R¨ocke/Marina Mu¨ nkler. Mu¨ nchen/Wien 2004, S. 139–165, hier S. 151 (wieder in: Ders.: Geistliche Lit. des sp¨aten MA. Kleine Schr. Hg. v. Kristina Freienhagen-Baumgardt/Katrin Stegherr [Sp¨atMA, Humanismus, Reformation 64]. T¨ubingen 2012, S. 3–29, hier S. 15). VZ Maria zart → Band 2, Sp. 1655–1659. 1003
Maria zart Axspitz, Konrad. – Fiktiver Autorname der meisterlichen Tradition des 16./17. Jh. Der Name K. A. ist eine auf einem Missverst¨andnis beruhende Ableitung aus dem Namen eines Sangspruchtons → Konrads von W¨urzburg. Ausgangspunkt ist der in der meisterlichen Dichtung oft verwandte «Aspiston» (RSM: 1KonrW/5). Das Incipit des Liedes, das K. von W¨urzburg in diesem Ton verfasst hat, lautet: «Aspis ein wurm geheizen ist». In den Meisterliedhandschriften des 15. und fr¨uhen 16. Jh. erscheint der Ton als «agspiss», «auspis», «augspitz», «axspitz» oder «abgespitzter don», oft erweitert um die Autorenagabe «cunrades von wirtzburg». Ausdruck der Beliebtheit de «Aspistons» ist der seltene Umstand, dass er von einem geistlichen Meisterlied (um 1400, 1KonrW/5/508) eine ganze Strophe hindurch gepriesen wird (Incipit: «Agspiss du maisterlicher dan»). Im sp¨aten Meistergesang wurde der Tonname gelegentlich als Familienname des Tonerfinders missinterpretiert. In einem Meisterbar des sp¨aten 16./fr¨uhen 17. Jh. tritt A. («Cunrat Axspitze bin ich genante») sogar als S¨anger und Dichter auf. Das Lied ist in einem Ton verfasst, dessen Benennung in den beiden tradie¨ renden Textzeugen variiert (s. Uberlieferung) und f¨ur den kein weiterer Beleg bekannt ist. Das S¨angerIch K. A. berichtet im Bar von einem erfolglosen Auftritt als Geiger vor dem Herzog von W¨urzburg, nachdem zuvor → Regenbogen vor diesem erfolgreich vorgetragen hat. Darauf zerst¨ort das Ich seine Geige, um bei Regenbogen den Meistergesang zu erlernen. Der Text wird vor zwei Hintergr¨unden verst¨andlich: der verbreiteten Polemik der Meisters¨anger gegen Instrumentalmusik zum einen und der fest etablierten meisterlichen Tradition zum anderen, wonach K. von W¨urzburg Geiger gewesen sei. ¨ Uberlieferung: Aspis-Preisung: Basel, UB, Cod. O IV 28, 40r–41v (1430). – Aspis als Personenname: Weimar, Herzogin Anna Amalia Bibl., Cod. Fol. 421/32, 9r (um 1600 geschrieben v. Benedict v. Watt in N¨urnberg): «In der gulden reij weiß Cunrat Axspitz von W¨urzburg»). – Erlangen, UB, MS. B 83, 529r, 561r (1617 geschrieben v. Hans M¨uller in N¨urnberg) Nennung als Tonautor in 2 Reg.; a¨ hnlich in: N¨urnberg, StB, Cod. Will III,792, 34rv (um 1700). – Geiger-Lied: Weimar, Herzogin Anna Amalia Bibl., Cod. Fol. 418, S. 466 (geschrieben in ¨ N¨urnberg v. Wolf Bauttner [† 1634]) Uberschrift: «im langen ton Conrats Axspitz b¨urgers in W¨urzburg». – Ebd., Cod. Fol. 421/34, 3v (um 1600 geschrieben v. B. v. Watt in N¨urnberg) nur eine Str., 1004
Axspitz ¨ Uberschrift: «Der lang thon Conrad von W¨urtzburg». Ausgaben: Aspis-Lied K.s v. W¨urzburg: Edward Schr¨oder: Kleinere Dichtungen K.s v. W¨urzburg. Bd. 3: Die Klage der Kunst. Leiche, Lieder und Spr¨uche. Berlin u. a. 41970, Nr. 25. – Aspis-Preisung: Karl Bartsch: Beitr. zur Quellenkunde der altdt. Lit. Straßburg 1886, S. 290. – Geiger-Lied: Karl Goedeke (Hg.): Meisterlieder. In: Germania 28 (1883) S. 38–46, hier S. 41 f. Literatur: Burghart Wachinger, VL2 1 (1978) Sp. 574. – RSM 4 (1988) S. 186–191; 2,1 (2009) S. 109. – G¨unter Mayer: Probleme der Sangspruch¨uberl. Beobachtungen zur Rezeption Kon-
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1. H¨alfte 16. Jh. rads v. W¨urzburg im Sp¨atMA. Diss. M¨unchen 1974, S. 18–20, 22 f., 31–36, 100–102. – Horst ¨ Brunner: Die alten Meister. Stud. zur Uberl. und Rezeption der mhd. Sangspruchdichter (MTU 54). Mu¨ nchen 1975, S. 87, 119 Anm. 178. – Johannes Rettelbach: Aspis du meisterlicher Ton! Konrads v. W¨urzburg Sangsprucht¨one in der Tradition. In: JOWG 5 (1988/89) S. 133–146. – Michael Baldzuhn: Vom Sangspruch zum Meisterlied. Unters. zu einem literarischen Traditionszusammenhang auf der Grundlage der Kolmarer Liederhs. (MTU 120). T¨ubingen 2002, S. 233–235 (zum Ton). VZ
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Das deutschsprachige Drama des Mittelalters von Klaus Vogelgsang
Das germanistische Interesse am geistlichen wie am weltlichen Spiel ist in den beiden letzten Jahrzehnten wieder st¨arker und breiter erwacht, obschon die Gattung nach wie vor im Schatten epischer und lyrischer Formen wie auch des geistlichen Schrifttums steht und weiterhin stehen wird – und dies aus unterschiedlichen Gr¨unden: Vieles ist dem Umstand geschuldet, dass uns beim Drama – a¨ hnlich wie im Bereich der Lyrik – die ¨ Uberlieferung oft nur noch die Texte bietet und uns damit das mehrsinnige und komplexe Gebilde Spiel in nur einem seiner Aspekte direkt zug¨anglich ist – wobei in vielen F¨allen (anders als etwa beim Minnesang) die Texte f¨ur sich genommen in der historischen Distanz nicht mehr recht deutlich werden lassen, welche Faszination von ihnen aus¨ gegangen ist. Diese spezifische Asthetik des Spiels wiederum ist nicht zuletzt Ausfluss des Umstandes, dass sowohl das geistliche als auch das weltliche Spiel des Mittelalters seinen Wurzeln und auch seiner Funktion nach nicht prim¨ar in der Tradition elitenbezogener Textformen steht (anders als die vom modernen Theaterrepertoire her vertrauten Theatertexte), sondern allenfalls sekund¨ar und indirekt von einer literatur¨asthetischen Entwicklung beeinflusst wird. Mit anderen Worten: Modernen wie postmodernen Rezipienten-Erwartungen in Bezug auf Literarizit¨at oder Intellektualit¨at mag das Spiel oft nur in begrenztem Umfang zu entsprechen. Wo eine literarhistorische Betrachtung, auch z. B. kulturwissenschaftlicher Art, diese Spezifik des Gegenstands tendenziell nivelliert, wo sie das Spiel aus seiner Position am Rand, oft sogar eher außerhalb (oder, wenn man so will, unterhalb) des vertrauten Diskurses in dessen Kernbereich verschieben will und entsprechend wie literarische Dokumente behandelt, l¨auft sie Gefahr den dramatischen Zeugnissen des Mittelalters gerade in f¨ur sie wesentlichen Aspekten nur teilweise gerecht zu werden. Greifbar ist dieses Manko etwa in der Versuchung, der Gattung oder einzelnen 1009
St¨ucken die Einhaltung dezidiert literarischer oder auch klassisch-dramatischer Qualit¨atsstandards zuzuschreiben – nicht zuletzt wohl in dem Bem¨uhen, ihrer nach Ausweis zeitgen¨ossischer Quellen unleugbar großen Wirkung und Beliebtheit Entsprechendes von literaturwissenschaftlicher Seite beizulegen. Andererseits bleibt eine theaterwissenschaftliche und bliebe eine (bisher nur sp¨arlich erfolgte) Ann¨aherung aus religionshistorisch-theologischer bzw. sozialhistorisch-ethnologischer Perspektive zentral auf die philologische (und in nicht wenigen F¨allen auch musikhistorische) Kompetenz verwiesen. Das Spiel macht mehr als jede andere Textform ein interdisziplin¨ares Arbeiten notwendig, wof¨ur sich jedoch bisher noch kein breiter rezipiertes Modell etablieren konnte. Wenn das Spiel hier im Rahmen eines mehrb¨andigen Literaturlexikons, wie andernorts im Rahmen einer Literaturgeschichte, paradigmatisch neben – nicht nur nach dem erweiterten Literaturbegriff der Altgermanistik – eindeutiger literarische Formen gestellt wird, was mangels erprobter Alternativen nach wie vor geboten ist, scheint es in mehrfacher Hinsicht sinnvoll, die Alterit¨at des Gegenstands zu betonen, indem f¨ur diesen Essay an die Stelle einer geschlossenen Darstellung, die an den Prozessen einer schriftliterarischen Entwicklung und dem Anspruch der Exhaustivit¨at orientiert bleibt, die skizzenhaften Portr¨ats einiger Spiele treten, die exemplarisch unterschiedliche Aspekte beleuchten und auch im Sinn einer einf¨uhrenden Darstellung etwas Anschauung bieten wollen. Erg¨anzend sollen abschließend einige wichtige Themen der literaturwissenschaftlichen Arbeit am Spiel andeutungsweise aufgef¨uhrt werden. Legitim scheint dieses Verfahren freilich allein im Zusammenspiel mit den im nachfolgenden Band versammelten, in ihrer Anordnung dem historischen Aufriss folgenden, lexikographischen Artikeln, zu deren Lekt¨ure und Verst¨andnis dieser Essay hinf¨uhren will. 1010
Das deutschsprachige Drama des Mittelalters Ein liturgisches Vorspiel: depositio crucis – elevatio crucis – visitatio sepulchri
Zwar ist man seit l¨angerer Zeit vorsichtig mit der Annahme, das geistliche Spiel des Mittelalters sei in seiner G¨anze als eine dramatische Form aufzufassen, die urspr¨unglich Teil der Liturgie gewesen sei, dann aber mehr und mehr den kirchlichen Rahmen gesprengt habe und sich in immer st¨arkerer L¨osung in Richtung des profanen Theaters entwickelt habe – generell wird betont, dass eine solche darwinistische Betrachtungsweise als u¨ berholt zu gelten hat. Unverkennbar ist trotzdem der bleibend gottesdienstliche Grundcharakter des Spiels und fraglos und breit gesichert ist umgekehrt die teilweise bis weit in die Neuzeit fortgef¨uhrte Praxis, an bestimmten Stellen deutlich dramatische Riten in den Ablauf der Liturgie einzuf¨ugen. Ein Beispiel f¨ur solche Liturgieteile soll hier vorgestellt werden. F¨ur die Trierer Dom-Liturgie sieht ein Liber Ordinarius des fr¨uhen 14. Jahrhunderts (London, British Museum, Harley 2958) beim o¨ sterlichen Triduum (vom Abend des Gr¨undonnerstag bis zum Ostersonntag) drei solche Riten vor, bei denen die Domkrypta das Grab Jesu symbolisiert: In Entsprechung zum Begr¨abnis Jesu wird am Karfreitag im Ritus der depositio crucis ein silbernes Kruzifix wie ein Toter zur Bestattung in die Krypta hinuntergetragen, wo es niedergelegt und in ein weißes Leichentuch geh¨ullt wird. In der Nacht zum Ostersonntag er¨offnet korrespondierend die elevatio crucis die festliche Liturgie des Hochfests: Vor Beginn der Matutin wird in Analogie zur Auferstehung Jesu das Kreuz wieder erhoben und aus der Krypta hinaufgetragen. Im Zentrum beider Riten steht ein deutendes Praktizieren mit dem Kruzifix als einem dinglichen Symbol: Das Kreuz steht nicht mehr f¨ur den Tod Jesu, sondern f¨ur den toten Jesus. Die Matutin selbst enth¨alt den dritten und, weil st¨arker textbezogen, interessantesten dieser Symbolriten: die sogenannte visitatio sepulchri. Im Responsorium der letzen Matutin-Lesung (Dum transisset) wird mit den Worten von Mk 16,1–2 rekapituliert, wie die drei Marien Salb¨ol f¨ur die abschließende Versorgung des Leichnams Jesu kaufen und damit am Ostermorgen nach Sonnenaufgang zum Grab gehen. Im Anschluss an dieses und vor das den Gottesdienst abschließende Te Deum eingeschoben, besteht der Ritus aus einer Kombination von zwei liturgischen St¨ucken, die urspr¨unglich nicht zum Stundengebet, sondern zum Bestand 1011
der Messe des Tages geh¨oren: dem Quem-quaeritisTropus zum Introitus (Gesang zum Einzug) und der Victimae-paschalis-Sequenz zum Evangelium. Beiden gemeinsam ist eine dezidiert dialogische Struktur, realisiert als Wechselgesang in Art einer Antiphon. Der Introitus-Tropus (belegt zuerst in St. Gallen, 10. Jahrhundert) thematisiert das Gespr¨ach der Marien mit den Engeln am leeren Grab, und zwar dreischrittig und in Anlehnung an Lk 24,5 und Mt 28,6–7: [I.] Quem quaeritis in sepulchro, o christicolae? (‹Wen sucht ihr im Grab, o Christusverehrerinnen›) [II.] Ihesum Nazarenum crucifixum, o caelicolae. (‹Den gekreuzigten Jesus von Nazaret, o Himmelsbewohner›) [III.] Non est hic, surrexit sicut praedixerat. Ite nuntiate, quia surrexit, venite et videte locum, ubi positus erat dominus, alleluia, alleluia. (‹Er ist nicht hier, er ist auferstanden, wie er vohergesagt hatte. Geht, verk¨undet, dass er auferstanden ist, kommt und seht den Platz, wo der Herr hingelegt worden war, Halleluja, Halleluja›) Die Ostersequenz (zugeschrieben Wipo von Burgund, † nach 1046) bringt in ihrem Mittelst¨uck (Strophen IV bis VI) eine Ausgestaltung der in Joh 20,18 berichteten Auferstehungsbotschaft der Maria Magdalena an die Apostel, w¨ahrend der Eingangteil (Strophen I bis III) in kunstvoller antithetischer Bildhaftigkeit das Festgeheimnis ausdeutet und die Schlussstrophe (VII) doxologischen Charakter hat: [I.] Victimae paschali laudes / Immolent Christiani. (‹Dem o¨ sterlichen Opfertier m¨ogen Lobges¨ange opfern die Christen›) [II.] Agnus redemit oves; / Christus innocens Patri / Reconciliavit / Peccatores. (‹Das Lamm hat die Schafe freigekauft; / Christus hat unschuldig die S¨under mit dem Vater vers¨ohnt›) [III.] Mors et vita duello / Conflixere mirando; / Dux vitae mortuus / Regnat vivus. (‹Tod und Leben k¨ampften in einem wundersamen Kampf; der tote F¨urst des Lebens herrscht als Lebender›) [IV.] Dic nobis, Maria. / Quid vidisti in via? / Sepulchrum Christi viventis / Et gloriam vidi resurgentis (‹Sage uns, Maria, was hast du unterwegs gesehen? Das Grab Christi, des lebenden, und die die Herrlichkeit des Auferstehenden habe ich gesehen›) [V.] Angelicos testes, / Sudarium et vestes. / Surrexit Christus spes mea. / Praecedet suos in Galilaeam. 1012
Das deutschsprachige Drama des Mittelalters (‹De Engel-Zeugen, das Schweißtuch und die Kleider. Auferstanden ist Christus, meine Hoffnung. Er wird den Seinen nach Galil¨aa vorausgehen›) [VI.] Credendum est magis soli / Mariae veraci / Quam Judaeorum / Turbae fallaci. (‹Zu glauben ist mehr der einzelnen Maria, die wahrhaftig ist, als der tr¨ugerischen Menge der Juden›) [VII.] Scimus Christum surrexisse / A mortuis vere. / Tu nobis victor / Rex miserere. (‹Wir wissen, dass Christus wahrhaft von den Toten auferstanden ist. Du, Sieger, K¨onig, erbarme dich unser›). Im Ritus der visitatio nun wird die vorgegebene liturgische Struktur dieser beiden St¨ucke durch Zuweisung der Partien an Agierende, die durch Kost¨um und Requisit sowie vor allem durch r¨aumliches Arrangement rollenbezogen differenziert sind, in Richtung einer dramatischen Performanz entwickelt. Aus der Koppelung der beiden Ges¨ange ergibt sich eine zweiteilige Disposition, die auch die r¨aumlichen M¨oglichkeiten des Doms ausnutzt. W¨ahrend das letzte Responsorium der Matutin, welches ja mit dem Gang der Marien zum Grab beginnt, als Einleitung des visitatioEinschubs wiederholt wird, entfernen sich aus der zum Chorgebet versammelten Gemeinschaft drei Kleriker, die nun die drei Marien darstellen, und steigen zum symbolischen sepulchrum in die Krypta hinunter, wo als angeli zwei Priester indutos dalmaticis (‹bekleidet mit Dalmatiken›, dem Gewand des Diakons, das in verbreiteter Ikonographie auch den Engeln zugwiesen wird) auf sie warten, einer zu H¨aupten, der andere zu F¨ußen des nun leeren Grabes sitzend. In dieser Aufstellung singen die Agierenden den Quem-quaeritis-Tropus, die Engelund die Mariengruppe im Wechsel. Dann treten die Mariae n¨aher an das sepulchrum heran und nehmen das wohl noch von der elevatio crucis her im sepulchrum verbliebene Tuch als sudarium an sich. Die beiden angeli erg¨anzen den Tropus durch den Zusatz Cito euntes dicite discipulis eius, quia surrexit dominus, alleluia (‹Geht schnell, sagt seinen J¨ungern, dass der Herr auferstanden ist, Halleluja›) und die Marien kehren zu den aus der Krypta hinauff¨uhrenden Treppen zur¨uck. An dieser Stelle des Ritus wird der erste (undialogische) Teil der Ostersequenz gesungen. Der Dialog der folgenden Strophen wird dann in der Art aufgef¨uhrt, dass der im Chorraum des Doms verbliebene chorus die Rolle der Apostel u¨ bernimmt und die Partien der Maria Magdalena solistisch auf die drei Marien aufgeteilt werden (so sind auch die 1013
aus den unterschiedlichen biblischen Grundlagen von Tropus und Sequenz sich ergebenden Divergenzen – drei Marien vs. Maria Magdalena – eliminiert). An zus¨atzlichen dramatischen Elementen kommen Bewegungsregie (die einzelnenen Partien werden im Dom exakt verortet, so ist das Sepulchrum Christi viventis ... am Grabdenkmal f¨ur Erzbischof Theoderich von Wied auszuf¨uhren) und Requisiteneinsatz hinzu: Das mitgef¨uhrte sudarium wird bei seiner Erw¨ahnung (in Strophe V) vorgezeigt. Wenn der Chor mit den Strophen VI und VII die Sequenz zu Ende gef¨uhrt hat, intoniert der Kantor eine handlungsm¨aßig passende Antiphon (nach Lk 24, 8–9), w¨ahrend welcher sich die drei Marien wieder in die Gemeinschaft einf¨ugen. Damit m¨undet der eingeschobene visitatio-Ritus wieder zur¨uck in die Liturgie der Matutin, die mit dem festlichen Te Deum abgeschlossen wird. Das Beispiel zeigt eine recht knappe Form des Ritus, andernorts erscheint erg¨anzend der sogenannte Apostellauf, in dem Johannes und Petrus zum Grab eilen, und andere erweiternde Elemente – der Salbenkauf o¨ ffnet den Ritus vollends in Richtung eines nicht mehr als rein liturgisch begreifbaren Geschehens. Die Forschung, welche oft mit einer systematischen Typisierung dieser Formen arbeitet, spricht, wenn sie solche Riten st¨arker abgehoben vom liturgischen Kontext betrachtet, von Osterfeiern. Als Osterspiel werden dann Formen bezeichnet, die nicht in die regul¨are Liturgie integriert sind.
Geistliche Spiele einer Brixener Handschrift Auf den Sommer des Jahres 1391, genau auf den 26. August, den 1. und den 5. September, sind die zusammenh¨angenden Abschriften dreier geistlichen Spiele in mitteldeutscher, wohl th¨uringischer Sprache datiert: Es handelt sich um einen ludus de assumptione beate marie virginis (‹Spiel u¨ ber die Aufnahme der seligen Jungfrau Maria›), einen ludus de resurrectione domini (‹Spiel u¨ ber die Auferstehung des Herrn›) und einen ludus de corpore Christi (‹Spiel u¨ ber den Leib des Herrn›, also Fronleichnam). Diese Handschrift (ein von anderer Hand nach den Spielen eingetragener lateinischer Liebeszauber geh¨ort wohl nicht in das urspr¨ungliche Konzept) befand sich, wenn nicht schon bei, so doch wohl 1014
Das deutschsprachige Drama des Mittelalters schon kurz nach ihrer Fertigstellung, im S¨udtiroler Kloster Neustift, dem bedeutenden AugustinerChorherrenstift bei Brixen (heute Innsbruck, Universit¨ats- und Landesbibliothek, Cod. 960). Das Format der Handschrift ist das f¨ur Spiele typische schmale Heberegisterformat – so benannt wegen seiner Herkunft aus der Praxis der zeilenweisen Aufzeichnung von zu erhebenden Steuern und Abgaben. In Neustift wurde die Handschrift recht intensiv mit unterschiedlichen Randnotizen versehen: Eine solche am Ende des Buches vermerkt, dass Oswald von Wolkenstein, der prebendarius des Klosters war, gestorben ist (1445), und hat deshalb Ber¨uhmtheit erlangt; viele der Eintr¨age aber sind auf den Text der Spiele bezogen, wollen die Textsammlung allem Anschein nach in Richtung einer Auff¨uhrung einrichten und gelten Fragen eines Auff¨uhrungstermins, des f¨ur die Mitwirkung vorgesehenen Personenkreises, der Setzung von Z¨asuren im Spielgeschehen – ob diese Pl¨ane weiter konkretisiert und verwirklicht wurden, kann, da keine einschl¨agigen archivalischen Belege vorliegen, nicht gekl¨art werden. Die drei Spiele werden von der Forschung gef¨uhrt als ‹Innsbrucker (th¨uringisches) Spiel von Mariae Himmelfahrt› mit der Sigle IHM, ‹Innsbrucker (th¨uringisches) Osterspiel› (Sigle IO) und ‹Innsbrucker (th¨uringisches) Fronleichnamsspiel› (Sigle IF). Das Himmelfahrtsspiel stellt das Geschehen um Tod und Himmelsaufnahme Marias in den Kontext der Missionst¨atigkeit der Apostel bei Heiden und Juden und behandelt in besonderer Breite die Zerst¨orung Jerusalems. Das Fronleichnamsspiel – es handelt sich um das a¨lteste bekannte – bietet statt einer durchgef¨uhrten Handlung gewissermaßen eine Glaubensunterweisung in szenischer Form: Im ersten Teil werden die zw¨olf Artikel des apostolischen Glaubensbekenntnisses je in der Rede eines weissagenden Propheten und eines auslegenden Apostels behandelt, gerahmt durch den Auftritt von Adam und Eva sowie der Heiligen drei K¨onige und Johannes des T¨aufers. Der zweite Teil bietet, st¨arker auf das Thema des Festes bezogen, die eucharistische Predigt eines Papstes. Das ‹Innsbrucker Osterspiel› zeigt – man halte den oben beschriebenen Trierer Ritus der visitatio sepulchri daneben – eine reiche dramatische Entfaltung der biblischen und parabiblisch-apokryphen Osterberichte. Es umfasst (auch die lateinischen Partien mitgez¨ahlt) 1317 Verse und ist nicht mehr innerhalb der Liturgie vorstellbar, auch nicht mehr 1015
im Raum einer Kirche. Das Spiel setzt mit einem ersten Szenenblock ein, der die gegen¨uber der Macht der Auferstehung vergebliche Grabwache zum Gegenstand hat. Dann folgt, auf der Basis des Nikodemusevangeliums, als zweite Einheit der descensus, das Hinabsteigen des Auferstandenen ad infernum und der Auszug der Erl¨osten aus der H¨olle, der nur die Verdammten bleiben. Den dritten Block bildet, mit vorausgehendem Salbenkauf, die visitatio in ausgef¨uhrter Form: Die drei Marien kommen zum leeren Grab, erhalten von (hier) drei Engeln die Auferstehungsbotschaft; der Auferstandene erscheint in specie hortulani (als G¨artner: die Szene des noli me tangere) der Maria Magdalena, dann dem ungl¨aubigen Thomas; Maria Magdalena u¨ berbringt Petrus und Johannes die Auferstehungsbotschaft (in Form der Ostersequenz) und der Apostellauf schließt die Handlung ab. Als Epilog dient eine direkt ans Publikum gerichtete Rede des Apostels Johannes. Er erw¨ahnt als Ausf¨uhrende des Spiels dy pristere vnd dy schuler (V. 1312). Letztere, von denen wohl insbesondere die Frauenrollen u¨ bernommen wurden, m¨oge das Publikum mit braten, / schuldern und ouch vladen (V. 1305 f. ‹Braten, Schulterschinken und Fladen›) versorgen: wer yn gebit ire vladen, / den wil got in daz hymmelriche laden (V. 1309 f. ‹Wer ihnen die ihnen zustehenden Fladen gibt, den wird Gott in das Himmelreich rufen›). Die eigentliche visitatio verarbeitet, wie andere Teile auch (etwa die Auferstehung oder der Beginn des descensus), reichlich liturgisches Material. Ein kurzer Durchgang: Das Einsetzen der Handlungssequenz und den Wechsel des Schauplatzes markieren die angeli mit dem gesungenen Ruf Silete (V. 1075 ‹Schweigt!›). Dann folgt der vom Quemquaeritis-Tropus bekannte Dialog der drei Marien mit den drei Engeln, wobei die einzelnen Passagen jeweils zumindest doppelt repr¨asentiert sind, wie der folgende Ausschnitt (V. 1082–1094) exemplarisch zeigt: Lat A Angeli cantant (‹Die Engel singen›): Quem quaeritis, o tremulae mulieres, / in hoc tumulo plorantes? (‹Wen sucht ihr, o zitternde Frauen, weinend in diesem Grab›) Dt A.1 Primus angelus dicit (‹Der erste Engel sagt›): Wen sucht ir dry frawen desen morgen, / bevangen mit großen sorgen? Lat B Personae cantant (‹Die [Marien]darsteller singen›): Ihesum Nazarenum crucifxum quaerimus. (‹Den gekreuzigten Jesus von Nazaret suchen wir.›) 1016
Das deutschsprachige Drama des Mittelalters Dt
B.1
Secunda persona dicit (‹Der zweite [Marien]darsteller sagt›): Daz thon [wir] vnsern herren Ihesum Christ, / der von den Juden gemartirt ist. Dt A.2 Secundus angelus dicit (‹Der zweite Engel sagt›): Wen sucht ir dry frawen / so fru in desem tawe, [‹so fr¨uh in diesem Tau›] / so na by desem grabe? / kunt ir vns daz gesage? Dt B.2 Tertia persona dicit (‹Der dritte [Marien]darsteller sagt›): Daz thon wir den der gemartert ist, / von Nazareth vnd heyßet Christ. Die Passage basiert auf zwei lateinischen Partien (LatA und LatB): der Frage der angeli und der Antwort der Mariendarsteller. In einem ersten Durchgang (LatA bis einschließlich DtB.1) folgt auf jede dieser Partien eine ihr entsprechende volkssprachige (DtA.1 und DtB.1), im Gegensatz zur lateinischen nicht als Gesang (cantant), sondern in sprechartigem Vortrag (dicit, wohl aber doch in einer Form von rezitativem Sprechgesang vorzustellen) und nicht durch die Gruppe, sondern durch einen Einzeldarsteller ausgef¨uhrt. Im zweiten Durchgang (DtA.2 und DtB.2) wird der Dialog rein volkssprachig von anderen Darstellern textlich variierend wiederholt. Insgesamt kommen so die Frage (A) und die Antwort (B) jeweils dreifach vor. Diese durch das Nebeneinander der Sprachen und Ebenen entstandene Multiplizierung der Aussagen ist typisch f¨ur viele Bereiche des geistlichen Spiels. Zwei gr¨oßere Abschnitte des ‹Innsbrucker (th¨uringischen) Osterspiels› aber geh¨oren rein der volkssprachigen Sph¨are an und haben fast keine textliche R¨uckbindung an die Liturgie: Es sind dies einerseits der visitatio vorausgehende, und den eigentlichen Salbenkauf der Marien umgebende, weit ausgreifende Kr¨amerszenen mit mehrfachen Handgreiflichkeiten und diversen verbalen Grobheiten (V. 540–1075) und andererseits im Anschluss an den descensus Seelenfangszenen (V. 346–506): Einleitend beklagt Luzifer, dem der Auferstandene die Seelen der Erl¨osten entzogen hat, seine fr¨uhere hoffart (V. 346) und seinen Sturz; er ruft Satan zu sich und sendet ihn aus, neue Seelen f¨ur die H¨olle zu gewinnen: lauf hen keyn Avian [‹gen Avignon›], / brenge mir [alczu mal] / den babest vnd den kardenal [...] (V. 389–391). Das ganze Spektrum der Gesellschaft wird aufgerufen, bis hin zur spinnerin (V. 440) und zum buerstenbinder (V. 443). Tats¨achlich kann Satan dann sieben Seelen in die H¨olle schleppen, die sich einzeln mit ihren spezifischen Verfehlungen vorstellen: eyn armer becker (V. 461), der 1017
guten Teig fallweise zum Schweinefutter geworfen, eyn armer schuster (V. 468), der schlechte Sohlen verwendet hat, eyn armer kappelan (V. 473), dem sein Geschlechtstrieb so zugesetzt hat, dass er zu seiner Absicherung gleich zu zwei Frauen parallel eine Beziehung unterhalten hat m¨ussen: wen mir dy eyne entran, / so greif ich dy andirn an (V. 479 f.), ein Bierwirt (byrschencker, V. 482), der beim Einschenken betrogen hat, ein Metzger (fleyschewer ‹Fleischhauer›, V. 486), der das Fleisch schwer parasitenbefallener Schweine verkauft hat, ein Schneider (schroter, V. 494), der Stoffreste unterschlagen hat, und schließlich ein helser (‹Umhalser›, V. 500): ich helste dy mayt um eyn lot, / dy frawen vm eyn brot (V. 501 f.).
Das ‹Alsfelder Passionsspiel› im Spiegel ¨ einer mehrteiligen Uberlieferung Gleich drei Tage, insgesamt 8095 Verse, die zahlreichen lateinischen Partien nicht mitgez¨ahlt, umfasst das ‹Alsfelder Passionsspiel› (Sigle AP), das f¨ur eine Auff¨uhrung in der Osteroktav 1501 offenbar aus dem nahegelegenen Friedberg in die hessische Stadt gebracht wurde. Die Handschrift (heute Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel und Landesbibliothek, 2° Ms. poet. 18, Heberegisterformat) kodifiziert in ihrem Grundbestand ein Spiel, das am ersten Tag nach dem Prolog mit einer Verschw¨orung der Teufel gegen Jesus und einer Szenengruppe um das Auftreten und den Tod Johannes des T¨aufers (Versuchung und Taufe Jesu sind in diese integriert) das Wirken Jesu von der Ju¨ ngerberufung bis zur Salbung durch Maria Magdalena stationenreich darstellt. Der zweite Tag reicht vom Abendmahl bis zum Urteilsspruch des Pilatus und schließt (als fakultative Erweiterung) eine disputacio Ecclesie cum Sinagoga (vor V. 4480) an, also ein theologisches Streitgespr¨ach zwischen den Personifikationen von christlicher Kirche und Judentum. Der dritte Tag setzt ein mit der Dornenkr¨onung und f¨uhrt u¨ ber Kreuztragung, Tod, Begr¨abnis, Auferstehung und descensus Jesu bis zum Beschluss des Pilatus und der Juden, die Grabw¨achter zu bestechen und so die Auferstehung geheimzuhalten; eine erneute ausf¨uhrliche Predigt beschließt das Spiel. Auff¨uhrungsnotizen auf fol. Ir berichten auch von einer zweiten Vorstellung. 1511 habe man den ludus nun multum dilatatum [‹stark erweitert›] gegeben: Erst jetzt hinzugekommen sind u. a. die 1018
Das deutschsprachige Drama des Mittelalters Osterszenen um die visitatio sepulchri und eine Szenengruppe um das Pfingstereignis herum. F¨ur die vielen neuen Szenen wurde die Handschrift mit ¨ Zusatzlagen und -bl¨attern versehen. Uber eine dritte Auff¨uhrung 1517 berichten die Notizen, man habe das Spiel am dritten Tag vorzeitig abbrechen m¨ussen, quia pluuia et ingens frigus nos abire compulit (‹weil Regen und gewaltige K¨alte uns zwang abzugehen›). Das ‹Alsfelder Passionsspiel› steht im Zusammenhang mit der sogenannten Hessischen Passionsspielgruppe und stellt die umfangm¨aßig extremste Entfaltung eines aus der ersten H¨alfte des 14. Jahrhunderts stammenden Frankfurter Spieles dar, welches in der ‹Frankfurter Dirigierrolle› (Sigle FD) u¨ berliefert ist. W¨ahrend dessen Tradition in einem Strang u¨ ber Friedberg (‹Friedberger Dirigierrolle› FdD) nach Alsfeld f¨uhrt, wurde das Spiel in einem zweiten Strang in Frankfurt zum großen ‹Frankfurter Passionsspiel› (FP, Handschrift von 1493) ausgebaut und in einem dritten zum ‹Heidelberger Passionsspiel› (HP, vermutlich aus Mainz, Handschrift von 1514), welches im Sinn der Typologie die einzelnen neutestamentlichen Ereignisse durch alttestamentliche Szenen kommentiert. Das ‹Alsfelder Passionsspiel› stellt also einen Endpunkt einer mehr als anderthalb Jahrhunderte umfassenden Tradition eines Spieltextes dar. Das ‹Alsfelder Passionsspiels› erm¨oglicht durch die Art seiner Aufzeichnung und durch gl¨uckliche ¨ Umst¨ande seiner Uberlieferung, die Auff¨uhrungen in einer ganzen Reihe von Punkten verh¨altnism¨aßig konkret zu rekonstruieren, jedenfalls konkreter, als es bei den meisten u¨ brigen Spielen der Fall ist. Bei der Spielhandschrift selbst sind neben der Schichtung in Grundstock und Zus¨atze, welche die Textgenese nachvollziehbar macht, die Melodienotationen zu nennen, die mehreren lateinischen wie volkssprachigen Ges¨angen (keinesfalls allen) beigegeben sind, und der explizite und differenzierende Gebrauch musikalischer Termini, die Einblick in die Musik des Spiels geben. Eine Besonderheit stellt es dar, dass neben der eigentlichen Spielaufzeichnung im Archiv der Stadt Alsfeld weitere Textzeugen zumindest fragmentarisch erhalten sind, die unterschiedliche Aspekte der Auff¨uhrung beleuchten: Es sind dies zun¨achst Ausz¨uge die jeweils die Partien einer Figur (des Luzifer, Johannes des T¨aufers, des Barrabas, des Salbenkr¨amers und des Judensprechers Synagoga) enthalten und f¨ur deren Darsteller bestimmt waren. Umgekehrt erg¨anzt 1019
werden diese Einzelrollen durch die so genannte ‹Alsfelder Dirigierrolle› (tats¨achlich keine Schriftrolle, sondern ein gew¨ohnlicher Kodex), die f¨ur die Hand des koordinierenden Spielleiters das gesamte Spiel enth¨alt, aber von den Reden der Figuren nur jeweils den ersten Vers anf¨uhrt und so u¨ bersichtlich und handlich genug f¨ur den Einsatz w¨ahrend des Spieles ist. Die gewaltige Zahl der Mitwirkenden wurde genutzt zu einer eindrucksvollen Prozession, die als quasi eigenst¨andiges Element in der Zuordnung der Figuren zu Gruppen und in der beziehungsreichen Anordnung der Gruppen im Zug das gesamte Spiel und dar¨uber hinaus die ganze Heilsgeschichte komprimiert vor Augen f¨uhrte. Die Ordnung dieser Prozession ist im Anhang des Spiels in die Haupthandschrift eingetragen und ein zweites Mal separat aufgeschrieben u¨ berliefert – diese separate Aufzeichnung setzt zu den Figuren jeweils den Namen des Darstellers hinzu, wodurch sie zum ‹Alsfelder Spielerverzeichnis› wird. Bei einigen Personen ist die gesellschaftliche Position direkt aus dem Verzeichnis ablesbar (etwa dem o¨ rtlichen Schultheißen oder den Klerikern), bei vielen Personen ist u¨ ber weitere Archivalien die Identit¨at zu ermitteln oder wahrscheinlich zu machen: W¨ahrend weibliche Stadtbewohner, wie u¨ blich, von der Mitwirkung ausgeschlossen waren und die Frauenrollen von Knaben u¨ bernommen wurden, gab es schichtbezogen offenbar keine Einschr¨ankungen. Eine so breite und intensive Kooperation u¨ ber das gesamte soziale Spektrum der Stadtbewohner hinweg legt es nahe, hinter dem Spiel eine institutionell geordnete Bruderschaft zu vermuten, wie es f¨ur den Fall anderer St¨adte belegt ist. Belegt ist auch, dass solche Vereinigungen, die in enger Abstimmung mit der Stadtregierung und in inhaltlichen Fragen wohl auch allgemein unter der Leitung der verantwortlichen Ortsgeistlichen zu denken sind, f¨ur die Mitwirkenden und auch die Zuschauer des Spiels u¨ ber den jeweiligen Bischof einen besonderen Ablass erhalten haben – generell sind sowohl der Ereignischarakter wie auch die spirituelle Bedeutung des geistlichen Spiels als einer immens aufw¨andigen massenmedialen Großveranstaltung f¨ur weite Kreise der sp¨atmittelalterlichen Gesellschaft (auch unabh¨angig vom a¨ sthetischen Anspruch) als sehr hoch zu veranschlagen. Ein weiteres aufschlussreiches Dokument enth¨alt die Haupthandschrift: Hinter der Prozessionsordnung ist der B¨uhnenplan skizziert: Auf der einen 1020
Das deutschsprachige Drama des Mittelalters L¨angsseite eines rechteckigen Platzes reihen sich aneinander vier B¨uhnenst¨ande f¨ur Herodes, den Abendmahlssaal, Pilatus und Martha mit Maria und Lazarus; diesen gegen¨uber befinden sich die f¨unf B¨uhnenst¨ande f¨ur Annas, die Stadt Jerusalem, die Synagoge, Kaiphas und Nikodemus mit Joseph von Arimath¨aa. Auf den Schmalseiten stehen sich gegen¨uber der Garten Getsemane und Gottvaters Thron, vor diesem die drei Kreuze. Es gibt keine feste B¨uhne, die etwa durch wechselnde Dekoration in einem Nacheinander die verschiedenen Schaupl¨atze darstellt, sondern das Spiel wandert u¨ ber die real im Nebeneinander aufgebauten loca. F¨ur den Aufbau einer solchen Simultanb¨uhne, wie sie als Regelfall f¨ur das sp¨atmittelalterliche und fr¨uhneuzeitliche geistliche Spiel gelten kann, kommt nur ein freier Platz mit entsprechenden Dimensionen in Frage. Die Anordnung der B¨uhnenst¨ande musste sicherlich in erster Linie den r¨aumlichen Gegebenheiten dieses Platzes Rechnung tragen, doch ist unverkennbar, dass auch symbolische Bez¨uge der B¨uhnenst¨ande zueinander eine Rolle spielten – und in einigen F¨allen auch Bez¨uge der B¨uhnenst¨ande zur umgebenden st¨adtischen Topographie. Wie die Simultanb¨uhne f¨ur einen raumgreifenden und sinnf¨alligen Spielverlauf genutzt werden konnte, l¨asst sich am Beispiel der Szenengruppe um das Abendmahl zeigen: Dem Abendmahlssaal gegen¨uber liegen die B¨uhnenst¨ande der Iudei. Wenn es beim Abendmahl nach der Vorhersage des Verrats durch Judas heißt: Iudas recedit et vadit ad Iudeos (vor V. 3150), heißt das, er wechselt real ‹die Fronten›. Das Spiel intensiviert die Spannung in dieser Kontrastierung noch zus¨atzlich, indem es eine Parallelsetzung vornimmt: Da das Abendmahl zu Pascha stattfindet, ist es nur logisch, dass gleichzeitig die Juden ihr Paschamahl halten. Gleichzeitig sieht man so auf der einen Seite Jesus mit seinen J¨ungern beim Abendmahl und auf der anderen die Iudei samt Judas bei ihrem Mahlritus – freilich weniger in typologischer Ausdeutung als in antijudaistischer Verzerrung. Diese ist im ‹Alsfelder Passionsspiel›, nicht anders als in der großen Masse der Spiele, unverkennbar. In der angesprochenen Szenengruppe wird nicht nur das Stereotyp des geizigen Juden bem¨uht, wenn Kaiphas versucht, Judas mit minderwertigen und fehlerhaften M¨unzen abzufertigen und dieser jede einzelne einer skeptischen Pr¨ufung unterzieht (V. 3198 bis V. 3227). 1021
Dies zeigt die eigentliche Darstellung des Paschamahls (V. 3238 bis V. 3237, Szene 45: Ostermahl der Juden): Vorab referiert Annas den kultischen Vorschriften gem¨aß, wie man nach Moises gebot (V. 3244) das Paschalamm (Osterlamm V. 3240) essen solle – eine streng an den biblischen Anweisungen von Ex 12,1–12 orientierte und sachliche Dartellung. W¨ahrend des dann folgenden Mahls, es l¨auft ohne Text ab (nach V. 3273), singt der Chor das erste Matutin-Responsorium von Fronleichnam, welches die Paschafeier typologisch auf Christus und die Eucharistie bezieht: Immolabit haedum multitudo Israel ad vesperam Paschae (‹Es wird opfern den Bock das Volk Israel am Abend von Pascha›) [...] Pascha nostrum immolatum est Christus (‹Als unser Pascha[lamm] ist Christus geopfert worden›) [...] – der Gesang deutet auf liturgischer Ebene das r¨aumliche Gegen¨uber von Abendmahl und Paschafeier, welches im Text nicht direkt abgebildet ist. Doch was szenisch geboten wird, hat nichts mit der alttestamentlichen Mahlfeier und nichts mit deren christlichen Deutung zu tun (wie zu erwarten auch nichts mit der realen Praxis des zeitgen¨ossischen aschkenasischen Judentums). Die B¨uhnenanweisung lautet: [...] Iudei bibunt ex culo vituli et comedunt agnum. (‹Die Juden trinken aus dem After des Kalbs und essen das Lamm›, nach V. 3273). Gleichsam als Verdopplung des Osterlammes steht ein Kalb, offenbar intendiert als Hinweis auf das Goldene Kalb von Ex 32,1–6 und mithin f¨ur den widerg¨ottlichen Charakter der Feier. Und die bewusste Verzeichnung des Mahls wird gesteigert durch die Tatsache, dass die Iudei in ekelerregender Weise aus dem Tierk¨orper trinken, entsprechende bildliche Darstellungen (sogenannte Judensau) sind belegt, allerdings bezogen auf das Schwein als unreines Tier und meist mit einem Saugen an den Euterzitzen, seltener wie im Spiel im Bereich der Ausscheidungsorgane. Das Spiel u¨ berf¨uhrt somit die neutrale Darstellung des j¨udischen Pascha im Text einerseits durch den Gesang in seine theologische Auslegung und unterschiebt ihm andererseits auf der Szene in offen polemischer Intention frevelhaften und obsz¨on-perhorreszierenden Charakter. Ebensowenig, wie die Spiele auf solche oft aggressiv antijudaistischen Tendenzen reduziert werden k¨onnen, darf dieser Aspekt der massenmedialen Veranstaltungen bei einer angemessenen Besch¨aftigung bagatellisiert oder ausgeblendet werden.
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Das deutschsprachige Drama des Mittelalters Zwei Nurnberger ¨ Fastnachtsspiele als Prototypen des weltlichen Spiels Wie das geistliche Spiel weithin nur vor dem Hintergrund von liturgischer Tradition und spiritueller Praxis verst¨andlich ist, muss das weltliche Spiel in seinen Anf¨angen in engstem Zusammenhang mit dem Brauchtum der Fastnacht und als deren Teil gesehen werden. Dieses hat anders als die kirchlichen Rituale keine prim¨are Bindung an den Bereich der Schriftlichkeit und l¨auft in seiner Vielgestaltigkeit und seinem Improvisationscharakter einer regulierenden und ordnenden Festlegung geradezu zuwider. Darin kollidiert es mit den Interessen der politischen F¨uhrung, die in den St¨adten fr¨uhzeitig entsprechende Verbote und reglementierende Ordnungen erl¨asst (andererseits aber auch veranstaltend auftritt). So sind amtliche Dokumente, die ab der Mitte des 15. Jahrhunderts geh¨auft zu finden sind, die a¨ ltesten Zeugnisse f¨ur Unternehmungen, die dem Bereich des weltlichen Spiels zugeordnet werden k¨onnen. Mangels schriftlicher Aufzeichnungen oder sonstiger Zeugnisse ist die Tradition, in der diese dramatischen Formen stehen, in ausreichendem Maß kaum zuverl¨assig greifbar, R¨uckschl¨usse aus den j¨ungeren Zeugnisse haben immer die M¨oglichkeit einer Beeinflussung durch andere Faktoren und auch gattungsimmanenten Innovationen zu ber¨ucksichtigen, die eine behauptete Kontinuit¨at in Frage stellen k¨onnen. Im st¨adtischen Karneval spielt vielerorts die Schicht der Handwerker die aktivste Rolle. Das traditionell prototypische Beispiel N¨urnberg (obgleich die Stadt gleichfalls als Sonderfall gelten k¨onnte) zeigt dann in Hans Rosenpl¨ut auch einen Angeh¨origen dieses Standes als Autor der ersten Sammlung von Fastnachtsspielen (heute M¨unchen, Bayerische Staatsbibliothek, Cgm 714, entstanden zwischen 1455 und 1458). Die schriftliche Fixierung geht einher mit einer anfanghaften Literarisierung des Spiels, demonstriert aber gleichzeitig (wieder in deutlichem Kontrast zum Regelfall des geistlichen Spiels) durch den weitgehenden Verzicht auf B¨uhnenanweisungen, dass allein der Text, nicht aber das Spiel als solches, einer sichernden Dokumentation bedurfte. Im Text selbst jedoch, besonders im obligatorischen Prolog und Epilog, die als Br¨uckenelemente zwischen Kontext und Spiel fungieren, zeichnet sich eine spezfische und typische Theaterform ab, die man als Einkehrspiel bezeichnet. Das Spiel ist in Umfang, Auf1023
wand und Komplexit¨at im Grundsatz so dimensioniert, dass es sich problemlos mehrfach hintereinander an verschiedenen Orten realisieren l¨asst – die kleine Spielergruppe zieht, jeweils um Geld oder Speise und Trank bittend, von Gasthaus zu Gasthaus und pr¨asentiert dort jeweils vor den zur Feier der Fastnacht versammelten G¨asten ihr Spiel, das so gegen¨uber anderen Darbietungen keinen Sonderstatus beansprucht. Diese karnevalistische Konkurrenz ist zu bedenken, wenn aus sp¨aterer Sicht bestimmte Zu¨ ge des Spiels befremden – wie die Drastik des Ausdrucks, die Orientierung an einem in Bezug auf Sozialisation und Zivilisation eher wenig entwickelten Niveau und dazu passend die Fokussierung auf Skatologisches, Sexuelles, k¨orperliche Gewalt. Nicht eigens erw¨ahnt werden muss wohl, dass das Fastnachtspiel in der Regel auch kein Interesse hat am kritischen Hinterfragen von gesellschaftlichen Stereotypen, namentlich solchen antijudaistischer und misogyner Art. Nebeneinander stehen Spiele, die einen deutlich abgestuften Grad an Integriertheit ihrer Elemente zeigen. Das sogenannte Handlungsspiel, bei dem die nacheinander dargebotenen Teile in ihrem Gef¨uge eine einheitliche und durchlaufende Handlung ergeben und so in einem erkennbaren Spannungsbogen organisiert sind, stellt noch nicht die Norm, sondern lediglich eine unter mehreren Optionen dar. Als Kontrastpol kann das revueartige Reihenspiel auf eine solche gemeinhin als Charakteristikum von Literarizit¨at gewertete Konzeption verzichten und erscheint als thematisch mehr oder minder fest gef¨ugte Reihung und Verbindung von kurzen Einzelvortr¨agen – die komische Figur behauptet dort erfolgreich ihren dramatischen Primat; das Interagieren der Figuren untereinander dient, wenn es u¨ berhaupt stattfindet, nur wieder der Konturierung der Figuren, den Zusammenhalt gew¨ahrleistet die Reihung allenfalls u¨ ber ein Thema oder eine Situation wie die eines Gerichtsprozesses. Als Beispiel f¨ur ein solches Reihenspiel sei das Hans Folz zugeschriebene St¨uck ‹Liebesnarren› (Ein spil von narren) angef¨uhrt: Eine Gruppe von M¨annern in der Symbolzahl der Dreizehn wird vor frau Fenus (V. 15) gebracht, die in ihrer Zust¨andigkeit f¨ur den Bereich des Erotischen beurteilen soll, ob die Vorgef¨uhrten als Narren zu gelten haben. Nachdem ihre Namen aufgez¨ahlt worden sind (darunter Nasenstanck und Seydcenstranck, Muckenrussel, Spynnenfist und Schnabeldrussel sowie Nasentropff und 1024
Das deutschsprachige Drama des Mittelalters Saugdieklauen, V. 25–33) werden fugenlos die dreizehn Reden aneinandergereiht, in denen die Figuren von konkreten missgl¨uckten erotischen Abenteuern sowie habituellen physischen und psychischen Sexualproblemen berichten. So erz¨ahlt der funft (V. 67–74) von seinem das ganze Denken beherrschenden Wunsch, der Angebetenen sein henßlein zu geben, und zwar aufgrund von dessen optimaler Passung in die K¨uche, da man das fleisch bey dem ars anricht (V. 71). In dieser K¨uche angekommen aber sei er von der Dame im spul wasser (V. 74) gebadet worden. Der acht (V. 91–98) bekennt seine Schwierigkeit, die Situation richtig einsch¨atzen zu k¨onnen, wenn ein anderer Mann seiner pulschaft (V. 92) zum pusen nascht oder an den arß tascht (V. 94, V. 95). Der neundt (V. 99–106) als unverdrossen Werbender trotzt den Hinweisen auf die Vergeblichkeit seines Bem¨uhens und tr¨ostet sich: Wie vast (‹fest›) das fleisch mir ward verslossen, / so han ich doch albeg (‹stets›) der prue (‹Br¨uhe›) genossen. (V. 105f.). Keine Frage, dass Venus in ihrem Richterspruch mit Verweis auf biblische und antike Gr¨oßen, die ihrer Macht nicht haben widerstehen k¨onnen, auch die jetzt vor ihr stehenden thummen (V. 148) zu Narren erkl¨aren muss. Die Komik des Spiel beruht einerseits auf den erz¨ahlten Begebenheiten und Gewohnheiten, in welchen sich die dreizehn M¨anner der L¨acherlichkeit preisgeben – was man sicherlich auch als Kritik an und Warnung vor der demonstrierten Fixiertheit auf den sexuellen Bereich deuten kann. Mindestens ebensoviel komischen Gewinn schl¨agt der Text aber aus der Art, in welcher das Sexuelle versprachlicht wird. Die scheinbar euphemistisch verh¨ullenden Redeformen bewirken in ihrer Metaphorik fast schon systematisch eine gesteigerte Obsz¨onit¨at der Aussage – nicht zuletzt aufgrund der Spezifik ihrer Bildbereiche. Die Faktur eines Handlungsspiels demonstriert das Hans Rosenpl¨ut zugeschriebene Spiel ‹Der Bauer und der Bock› (Ein vastnacht spil von dem pauern und dem bock). Zwischen Prolog (V. 1–16) und Epilog (V. 157–176), gesprochen vom herolt, entfaltet sich in vier kurzen Szenen folgende Handlung: (Szene I: V. 16–50) Ein adliger Herr, einmal namentlich angesprochen als Jungkherr Dietrich von Turnau (V. 51), ist von der Redlichkeit eines seiner Bauern, der pflichtschuldig seine Abgabe in Form von K¨ase abliefert, so angetan, dass er diesem sein Lieblingstier, es handelt sich ausgerechnet um einen Ziegenbock (und der weitere Verlauf der 1025
Handlung best¨atigt die an dieser Stelle noch nur zu vermutende Symbolik eines solchen Tieres), f¨ur acht Wochen zur Pflege anvertraut: Nie wird sich dieser meyer (V. 17), der den Bock mit sich nach Hause f¨uhrt, in seiner von Vater und Mutter ererbten Ehrlichkeit eine L¨uge zu Schulden kommen lassen. (Szene II: V. 51–72) Eine Frau tritt vor den Herrn und wettet mit ihm um vier K¨uhe, sie werde den Bauern durch List dazu bringen, den Herren anzul¨ugen. Dieser wettet drei Mastrinder und vier Milchk¨uhe dagegen auf die Ehrlichkeit des Bauern. (Szene III: V. 73–110) W¨ahrend die Frau loszieht und ihren listigen Plan ins Werk setzt, befragt der Herr vier Ratgeber u¨ ber seine Erfolgsaussichten – sie zeigen sich u¨ bereinstimmend mehr als skeptisch: Wie M¨anner durch sexuelle H¨origkeit ihrer vornehmsten Charakterz¨uge verlustig gehen, demonstriere das Beispiel eines Aristoteles, eines Salomon und eines Samson nicht weniger eindrucksvoll als die n¨uchterne physiologische Analyse des Sexualtriebs: Wir man hab alle ein swachs gemut, / Wenn unns die wasserstang recht glut (V. 87f.). (Szene IV: V. 111–156) Die Frau kommt zur¨uck und k¨undigt siegesgewiss den Bauern an. Doch nach dem Verbleib des anvertrauten Ziegenbockes gefragt, gesteht dieser in schonungsloser Ehrlichkeit: Ich hab getan ein große torheit! (V. 125) – Er erz¨ahlt, die Frau sei gekommen und zudringlich geworden: Mein esel wurd sich unten regen, / Den konde ich mit zuchten nicht nyder legen, / Wann sie so freuntlich zu mir tet, / Das ich meiner synne nicht halber hett (V. 131–134). W¨ahrend ir der visch in die reusen kam (V. 138), habe er das anvertraute Tier verloren: Ich hab den bock an ir verbraut (V. 140). Geraten habe sie ihm, sich durch die L¨uge, ein Wolf habe den Bock geraubt, vor dem Zorn des Herrn zu sch¨utzen. Der aber kann den Verlust des Lieblingstiers nun offenbar gut verschmerzen: Er hat die Wette gewonnen hat und ist aufgrund des hohen Wetteinsatzes auch in materieller Hinsicht der Sieger: Er lobt den Bauern und erl¨asst ihm auf drei Jahre die Steuer. Verst¨andlich anders f¨allt die Reaktion der Verliererin aus: du beschißenner bauer! (V. 151) Die List der Frau gelingt nur im ersten Teil: Der Bauer kann erwartungs- und vorhersagegem¨aß als Mann der offensiven Attraktivit¨at der Frau nicht widerstehen und versagt in der Wahrnehmung seiner Pflichten. Doch hat die Frau nicht damit gerechnet, dass er, dem stereotypen Bild eines Bauern gem¨aß, in keiner Weise bem¨uht ist, seine sexuelle Beeinflussbarkeit schamhaft zu bem¨anteln – und 1026
Das deutschsprachige Drama des Mittelalters daher auch nicht in die Verlegenheit ger¨at, sich einer L¨uge bedienen zu m¨ussen. An der unbedingten und unbedarften Ehrlichkeit des Bauern scheitert selbst der Plan der raffiniertesten Frau. Abgesehen von der reihenhaften Ratgeberszene, die das dramaturgisch notwendige zeitliche Spatium zwischen dem Aufbruch und der R¨uckkehr der Frau er¨offnet, l¨auft das Spiel vollst¨andig entsprechend der Handlungslogik ab – dies darf auch f¨ur das nur in der Erz¨ahlung des Bauern nachgelieferte Geschehen gelten, dessen szenische Darbietung nicht nur dramatisch unm¨oglich, sondern vor allem spannungstechnisch unsinnig w¨are. Das kleine Spiel weist einen bemerkenswert hohen Grad an dramatischer Geschlossenheit auf, der auch von den sp¨ateren, bereits nicht mehr dem Mittelalter zuzurechnenden Spielen nicht u¨ bertroffen wird.
Felder der Forschung zum Spiel Abschließend seien in einer groben Skizze diejenigen Felder benannt, welche die Forschung zum Spiel, besonders in den letzten Jahrzehnten, in unterschiedlicher Methodik und Zielsetzung bearbeitet – weder kann dabei ein Anspruch der Vollst¨andigkeit noch der Repr¨asentativit¨at erhoben werden. Wo hier Namen und einzelne Arbeiten explizit genannt werden, sind diese Nennungen nicht als Hervorhebung, schon gar nicht die Nichtanf¨uhrung anderer als Abstufung in ihrer Relevanz und ihrem Wert anzusehen. Es handelt sich nur um exemplarische Konkretisierungen, die sich etwas an der oben getroffenen Auswahl von Spielen orientiert. Die angenommene stufenweise wachsende Emanzipierung des geistlichen Spiels von der Liturgie einerseits und die unleugbare Abstinenz des Fastnachtsspiels im Bezug auf das Kirchliche andererseits haben zu der Annahme gef¨uhrt, in den Dramen sei eine Persistenz vorchristlicher Kultbr¨auche und Vorstellungen greifbar. In abgeschw¨achter Form versucht man nachzuweisen, dass von der Lehre der Kirche abgelehnte oder unterdr¨uckte Positionen, etwa im Sinn eines Dualismus, vom Spiel in einzelnen Punkten pr¨asent gemacht oder gehalten werden. Das oft insgesamt als eher spannungsreich angesehene Verh¨altnis der Spiele zur herrschenden Religion ist (nicht nur in den beiden genannten Aspekten) das zentrale Thema einer nach 1027
wie vor lebhaft und auch kontrovers gef¨uhrten Diskussion interpretatorischer Art, an der sich in neuerer Zeit unter anderem Rainer Warning, Walter Haug, Jan-Dirk Mu¨ ller und Klaus Ridder beteiligt haben – ein von Hans-Joachim Ziegeler herausgegebener Tagungsband mit dem Titel ‹Ritual und Inszenierung› (2004) versammelt eine Reihe diesbez¨uglicher, teilweise die Forschung res¨umierender Aufs¨atze. Beim weltlichen Spiel hat besonders die auff¨allig derbe Komik das Interesse der Forschung auf sich gezogen und dort unterschiedliche Deutungen gefunden, die ihren Ausgangspunkt z. B. von Ideen Michail Bachtins nehmen. Ein breiteres Spektrum aktueller Ans¨atze bietet der von Klaus Ridder herausgegebene Band ‹Fastnachtspiele. Weltliches Schauspiel in literarischen und kulturellen Kontexten› von 2009. Die spezifische Art, in welcher das mittelalterliche Spiel der Gattung Drama und dem Bereich Theater zugeh¨ort, ist als dritter Bereich eher interpretatorischer Forschung zu nennen: Einerseits geht es um die Abgrenzung gegen¨uber oder die Vermittlung in Richtung von zu nichtszenischem Vortrag und Lekt¨ure bestimmten Literaturformen (ausgehend von den ¨ ¨ Uberlegungen Werner Williams-Krapps (‹Uberlieferung und Gattung›), andererseits um Versuche, das dramatische Proprium des Spiels genauer zu fassen – dabei hat ein allgemein gefasster kulturwissenschaftlicher Begriff des Performativen (cultural performance) breite Zustimmung gefunden, da er die mittelalterliche Dramatik aus dem engen Perspektivrahmen der neuzeitlich-europ¨aischen Vorstellung vom Theater zu befreien vermag. Diese Neuverortung des Gegenstands ist nicht zuletzt einer Zusammenarbeit mit der Theaterwissenschaft zu verdanken, wie in mehreren Beitr¨agen eines interdiszplin¨aren Kolloquiums (von Ingrid Kasten und Erika Fischer-Lichte publiziert unter dem Titel ‹Transformationen des Religi¨osen. Performativit¨at und Textualit¨at im geistlichen Spiel›) deutlich wird. Parallel zur Theoriebildung und Interpretation l¨auft die philologische Arbeit am Spiel in großer Intensit¨at und Vielfalt des Ansatzes. Lange noch nicht alle der bekannten Spieltexte sind ediert, viele liegen nur in heute unbefriedigenden und methodisch u¨ berholten Ausgaben vor. Deshalb geh¨ort die nach modernen Prinzipien erfolgende Herstellung zuverl¨assiger kritischer Texte zu den wichtigsten Leistungen auf dem Gebiet der germanistischen Spielforschung gerade auch der letzten Jahrzehnte: 1028
Das deutschsprachige Drama des Mittelalters F¨ur viele Fastnachtsspiele beispielsweise muss bisher noch auf eine Edition aus der Mitte des 19. Jahrhunderts (Adelbert von Keller) zur¨uckgegriffen werden, die nun von einer in T¨ubingen (Klaus Ridder) und Trier (Martin Przybilski) veranstalteten umfassenden neuen Ausgabe ersetzt werden wird. Als u¨ berblickshafte Gesamtdarstellung des mittelalterlichen Dramas aus philologischer Sicht vermag die zweib¨andige Einf¨uhrung von David BrettEvans von 1975 zwar in vielen Punkten nicht mehr zu u¨ berzeugen, doch hat sich – abgesehen von den entsprechenden Teilen der großen sp¨atmittelalterlichen Literaturgeschichten von Ingeborg Glier bzw. Hans Rupprich (Neubearbeitung von Band 3/2 und 4/1 der Literaturgeschichte von Helmut de Boor und Richard Newald) und Johannes Janota (Band III/1 der von Joachim Heinzle herausgegebenen Literaturgeschichte; deren Band III/2 zum 15. Jahrhundert wird von Werner WilliamsKrapp vorbereitet) – noch kein Ersatz einstellen wollen. Auch erlaubt die schier erdr¨uckende Masse der u¨ berlieferten Spiele speziell im geistlichen Be¨ reich keinen einfachen Uberblick mehr, sondern hat die Erstellung eines Kataloges notwendig gemacht, der von Rolf Bergmann, Eva P. Diedrichs und Christoph Treutwein erarbeitet wurde und nur in der konsequenten Beschr¨ankung auf konzentrierte Angaben u¨ berhaupt benutzbar gehalten werden konnte. Die auff¨allige textliche Konvergenz vieler geistlicher Spiele – bedingt durch Identit¨at des Sujets und der biblisch-liturgischen Quellen sowie vielfach durch gegenseitige textgenetische Abh¨angigkeitsverh¨altnisse, hat zu synoptischen Editionen gef¨uhrt, die den Blick auf den Vergleich der Spiele untereinander lenken. Zu nennen sind die jeweils mehrb¨andigen und großformatigen Ausgaben der Weltgerichtsspiele durch Hansj¨urgen Linke und der Hessischen Passionsspielgruppe durch Johannes Janota. Letztere steht in Ihren Erg¨anzungsb¨anden gleichzeitig f¨ur das Prinzip einer detaillierten Kommentierung der Texte (zu den Frankfurter Spielen von Klaus Wolf, zum Alsfelder Spielkomplex von Klaus Vogelgsang), durch welche die Spiele auf Grundlage der Textu¨ berlieferung systematisch besonders auf lokale, biblische, liturgische und szenische Bez¨uge hin konkretisiert werden. Ebenfalls f¨ur die Hessische Passionsspielgruppe liegt in einer 1029
Studie Dorothea Freises eine auf intensiver heuristischer und auswertender Archivarbeit fußende sozialhistorische Analyse der Spieltexte und ih¨ rer st¨adtischen Kontexte vor. Ahnliches leistet f¨ur das Fastnachtsspiel Eckehard Simon. Eine Zusammenstellung s¨amtlicher bekannter Zeugnisse geistlicher Dramen, von der vollst¨andigen Spielhandschrift bis zur kurzen archivalischen Notiz bietet ein zweib¨andiger Katalog Bernd Neumanns. Solchen Unternehmungen im Schnittfeld von Geschichtswissenschaft und Philologie sind philologische Projekte unter Einbeziehung spezifisch theologischer oder musikgeschichtlicher Methoden an die Seite zu stellen, wof¨ur exemplarisch ein Augsburger Projekt zu den Melodien der lateinischen Osterfeiern (Johannes Janota und Ute Evers) angef¨uhrt werden soll. Einen ebenso spezifischen wie reizvollen Beitrag zur Rekonstruktion der Spiele leisten schließlich noch Versuche einer praktischen sze¨ nischen Umsetzung der Uberlieferung. Betrieben und gef¨ordert u. a. von der Soci´et´e Internationale ´ pour l’Etude du Th´eaˆ tre M´edi´eval (deutsche Sektion geleitet von Cora Dietl) verm¨ogen diese je nach Konzeption insbesondere ein Gef¨uhl f¨ur den zeitlichen Ablauf und das charakteristische Gef¨uge von Redetexten, Ges¨angen und szenischen Aktionen vermitteln.
Literaturhinweise Zitierte Ausgaben Trierer Visitatio-Sepulchri-Ritus: Froning, Richard (Hg.): Das Drama des Mittelalters. Drei Teile. Erster Teil: Die lateinischen Osterfeiern und ihre Entwicklung in Deutschland. Osterspiele. Passionsspiele. Stuttgart 1891 (Deutsche National-Litteratur. Historisch kritische Ausgabe. 14.1–3. Nachdr. in einem Band: Darmstadt 1964), S. 15 f. Adalbert Kurzeja: Der a¨lteste Liber Ordinarius der Trierer Domkirche. London, Brit. Mus., Harley 2958, Anfang 14. Jh. Ein Beitrag zur Liturgiegeschichte der deutschen Ortskirchen. M¨unster 1970 (Liturgiewissenschaftliche Quellen und Forschungen 52). 1030
Das deutschsprachige Drama des Mittelalters Das Innsbrucker Osterspiel, Das Osterspiel von Muri. Mittelhochdeutsch und Neuhochdeutsch. Hg., u¨ bers., mit Anm. und einem Nachw. versehen v. Rudolf Meier. Stuttgart 1962 (RUB 8660/61), Text S. 3–111, Anmerkungen S. 157–160. Alsfelder Passionsspiel: Johannes Janota (Hg.): Die Hessische Passionsspielgruppe, Bd. 2: Frankfurter Dirigierrolle mit den Paralleltexten. Weitere Spielzeugnisse. Alsfelder Passionsspiel mit den Paralleltexten. Tu¨ bingen 2002. Fastnachtsspiele des 15. und 16. Jahrhunderts. Unter Mitarbeit von Walter Wuttke ausgew¨ahlt und hg. V. Dieter Wuttke. 6. Aufl. Stuttgart 1998 (RUB 9415), darin: Hans Rosenpl¨ut: Der Bauer und der Bock, Text S. 13–20, Komm. S. 329 (Spiel Nr. 3) und Hans Folz: Die Liebesnarren, Text S. 82–90, Komm. S. 340 f. (Spiel Nr. 10). Sammelb¨ande zur Interpretation des mittelalterlichen Dramas Ingrid Kasten/Erika Fischer-Lichte (Hg.): Transformationen des Religi¨osen. Performativit¨at und Textualit¨at im geistlichen Spiel. Redaktionelle Mitarbeit: Elke Koch. Berlin/New York 2007 (Trends in Medieval Philology 11). Klaus Ridder (Hg.): Fastnachtspiele. Weltliches Schauspiel in literarischen und kulturellen Kontexten. T¨ubingen 2009. Hans-Joachim Ziegeler (Hg.): Ritual und Inszenierung. Geistliches und weltliches Drama des Mittelalters und der Fr¨uhen Neuzeit. T¨ubingen 2004. Katalogartige Materialsammlungen Rolf Bergmann unter Mitarbeit von Eva P. Diedrichs und Christoph Treutwein: Katalog des deutschsprachigen geistlichen Spiele und Marienklagen des Mittelalters. M¨unchen 1986 (Ver¨offentlichungen der Kommission f¨ur Deutsche Literatur des Mittelalters der Bayerischen Akademie der Wissenschaften). Bernd Neumann: Geistliches Schauspiel im Zeugnis der Zeit. Zur Auff¨uhrung mittelalterlicher religi¨oser Dramen im deutschen Sprachgebiet. 2 Bde. M¨unchen und Z¨urich 1987 (MTU 84.85). 1031
Synoptisch angelegte Editionen Hansj¨urgen Linke (Hg.): Die deutschen Weltgerichtspiele des sp¨aten Mittelalters. Synoptische Gesamtausgabe. Bd. I: Einleitung, Bd. II/1.2: Texte, T¨ubingen/Basel 2002, Bd. I, S. 26. Johannes Janota (Hg.): Die Hessische Passionsspielgruppe. Edition im Paralleldruck. Band 1: Frankfurter Dirigierrolle. Frankfurter Passionsspiel [...]. T¨ubingen 1996. Band 2: Frankfurter Dirigierrolle mit den Paralleltexten. Weitere Spielzeugnisse. Alsfelder Passionsspiel mit den Paralleltexten. Tu¨ bingen 2002. Band 3: Heidelberger Passionsspiel. T¨ubingen 2004. Erg¨anzungsband 1: Wolf, Klaus: Kommentar zur ‹Frankfurter Dirigierrolle› und zum ‹Frankfurter Passionsspiel›. T¨ubingen 2002. Erg¨anzungsband 2: Vogelgsang, Klaus: Kommentar zum ‹Alsfelder Passionsspiel› und zu den zugeh¨origen kleineren Spielzeugnissen. T¨ubingen 2008. Literaturgeschichten Ingeborg Glier: Die deutsche Literatur im sp¨aten Mittelalter. Zweiter Teil: Reimpaargedichte, Drama, Prosa (1250–1370). M¨unchen 1994 (Helmut de Boor/Richard Newald: Geschichte der deutschen Literatur von den Anf¨angen bis zur Gegenwart 3/2). Johannes Janota: Orientierung durch volkssprachige Schriftlichkeit (1280/90–1380/90). T¨ubingen 2003 (Joachim Heinzle: Geschichte der deutschen Literatur von den Anf¨angen bis zum Beginn der Neuzeit 3/1). Hans Rupprich: Das ausgehende Mittelalter, Humanismus und Renaissance 1370–1520. Neubearbeitet von Hedwig Heger. 2. Auflage, Mu¨ nchen 1994 (Helmut de Boor/Richard Newald: Geschichte der deutschen Literatur von den Anf¨angen bis zur Gegenwart 4/1). Sonstige erw¨ahnte Titel David Brett-Evans: Von Hrotsvit bis Folz und Gegenbach. Eine Geschichte des mittelalterlichen deutschen Dramas. Erster Teil: Von der liturgischen Feier zum volkssprachlichen Spiel. Zweiter Teil: Religi¨ose und weltliche Spiele des Sp¨atmittelalters. Berlin 1975 (Grundlagen der Germanistik 15 und 18). 1032
Das deutschsprachige Drama des Mittelalters Dorothea Freise: Geistliche Spiele in der Stadt des ausgehenden Mittelalters. Frankfurt – Friedberg – Alsfeld. G¨ottingen 2002 (Ver¨offentlichungen des Max-Planck-Instituts f¨ur Geschichte 178). Ursula Schulze: Geistliche Spiele im Mittelalter und in der Fr¨uhen Neuzeit. Von der liturgischen Feier zum Schauspiel. Eine Einf¨uhrung. Berlin 2012.
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Eckehard Simon: Die Anf¨ange des weltlichen deutschen Schauspiels 1370–1530. Untersuchungen und Dokumentation. Tu¨ bingen 2003 (MTU 124). ¨ Werner Williams-Krapp: Uberlieferung und Gattung. Zur Gattung ‹Spiel› im Mittelalter. T¨ubingen 1980 (Untersuchungen zur deutschen Literaturgeschichte 28).
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Hrotsvit von Gandersheim Hrotsvit von Gandersheim (Hrotsvit[h]a, Roswitha; Gandeshemensis, Monialis), * um 935, † nach 973. – Mlat. Legenden und Dramendichterin, Historiographin. H. spielt als «dichtende Nonne» des sp¨aten Fr¨uhMA in der europ¨aischen Literaturgeschichte eine herausragende Rolle. Nicht nur ist sie die erste bekannte dt. Dichterin, sondern auch die erste lat. Autorin seit der Antike u¨ berhaupt und die erste ¨ Dramatikerin des christlichen Zeitalters. Uber ihr Leben ist wenig bekannt, und da außerliterarische Quellen weitgehend fehlen, ist man vor allem auf textimmanente Angaben angewiesen. Das Frauenstift Gandersheim (gegr¨undet 852), in dem H. die meiste Zeit ihres Lebens verbracht hat, war eng mit den ottonisch-s¨achsischen Herz¨ogen ver¨ bunden. Die ersten drei Abtissinen waren T¨ochter von Herzog Liudolf. Nach der Konvention des exklusiven Stifts d¨urfte H. einem adelsfreien s¨achsischen Geschlecht entstammt sein. Ihr ungef¨ahres Geburtsdatum wird aus H.s eigenen Hinweisen er¨ schlossen, wonach sie a¨ lter als die Abtissin Gerberg (* 940) gewesen, aber auch lange nach Herzog Ottos Tod (912) geboren sei. In Gandersheim f¨uhrte H., die dem Stift vermutlich schon in jungen Jahren beigetreten war, als Kanonisse ein Leben nach kl¨osterlichen Idealen, wenn auch ohne verbindliches Gel¨ubde oder Verpflichtung gegen¨uber einer Ordensregel. Der Unterricht im Stift in lat. Sprache, Metrik und Dichtung stellte die Grundlage f¨ur H.s eigenes literarisches Schaffen dar. Als ihre wichtigsten Lehrerinnen benennt sie in der Vorrede zum Legendenbuch Rikkardis und Gerberg. Letztere – Tochter des bayerischen Herzogs Heinrich und Nichte Ottos des Großen – d¨urfte ihre eigenen Kenntnisse im Benediktinerkloster St. Emmeram in Regensburg erworben haben. H., die sich bei ihren Studien auf lokal verf¨ugbare Literatur beschr¨anken musste, hat es damit zu einer respektablen Gelehrsamkeit gebracht. Die Zahl der Autoren, die sie tats¨achlich gekannt hat, d¨urfte allerdings u¨ berschaubar gewesen sein: Vergil, → Terenz, → Prudentius, → Sedulius, → Boethius, Venantius Fortunatus, Aldhelm von Sherborne, → Alkuin und patristische Schriften. Vor allem st¨utzt sich H. aber auf kirchliche Texte im engeren Sinn: Bibel (mit Apokryphen), Legenden und Liturgisches. Ihr poetisches Talent hat H. vermutlich selbst entdeckt und eigeninitiatorisch weiterentwickelt und umgesetzt. Die Prosavorreden ihrer Werke betonen ihren eigenen Antrieb (neben dem g¨ottli1037
2. H¨alfte 10. Jh. chen) und das u¨ berwiegende Fehlen von Auftraggebern. Auch reflektiert H. ihre Rolle als schreibende Frau in bemerkenswerter Deutlichkeit. Zwar artikuliert sie dabei demonstrativ ihre geistige Inferiorit¨at gegen¨uber m¨annlichen Autoren, gleichzeitig sind Anzeichen einer stolzen Selbstbehauptung sehr wohl erkennbar. H. selbst hat ihr Werk – offenbar chronologisch – in drei Libri eingeteilt: Legendenbuch, Dramenbuch und historische Dichtungen. Zwei metrische Papstviten der Stiftspatrone Anastasius I. und Innozenz I. sind nicht erhalten. Nur u¨ ber das Zeugnis Heinrich Bodos (1525) haben wir Kenntnis von ¨ diesen Texten (s. Uberl.). Die ersten f¨unf Legenden sind der noch als Lehrerin t¨atigen Gerberg gewidmet. Sie sind also vermutlich vor 959 ver¨ fasst worden, dem Jahr, in dem Gerberg Abtissin wurde. Das Legendenbuch in seiner Gesamtheit d¨urfte erst nach Ottos Kaiserkr¨onung (962) vollendet worden sein, da in der Praefatio Gerberg nun als «imperialis neptis» bezeichnet wird. Die Gesta Ottonis des dritten Buches sind noch zu Lebzeiten des Mainzer Erzbischofs Wilhelm († 968) beendet worden und die Gandersheimer Gr¨undungssgeschichte ‹Primordia coenobii Gandeshemensis› scheint vor dem Tod Ottos (973) abgeschlossen gewesen zu sein. Zentrales Motiv der Dichtungen H.s ist die Jungfr¨aulichkeit, damit verbundene Themen sind oft Ehe und Keuschheit. Ein best¨andiger R¨uckbezug auf Gott, dem H. alles verdanke und dem zum Ruhm sie dichte, durchzieht die Texte. Dabei sind diese aber nicht nur von der meditativfrommen Grundhaltung ihrer Verfasserin sondern auch von einer durchweg lebensbejahenden, mitunter humorvoll-fr¨ohlichen Stimmung gepr¨agt. Das Legendenbuch enth¨alt insgesamt acht Legenden («carmina»). Diese sind in leoninischen Hexametern verfasst und nur im Falle des ‹Gongolf› in leoninischen Distichen. Gegen¨uber ihren Vorlagen, auf die sich H. in der Schlussbemerkung beruft, weicht sie inhaltlich kaum ab. Ihre sch¨opferische Individualit¨at beweist H. auf dem poetischstilistischen Feld. Die ersten beiden Legenden, ein Marienleben in 903 Versen und eine Himmelfahrtsgeschichte in 150 Versen sind apokryphen Ursprungs (‹Maria› [Historia nativitatis laudabilisque conversationis intactae Dei genitricis quam scriptam repperi sub nomine Sancti Jacobi]; ‹Ascensio› [De ascensione Domini. Hanc narrationem Johannes episcopus a graeco in latinum transtulit]). H. erfuhr vom apokryphen Status erst nach Abschluss der Dichtungen, verwarf diese aber nicht. Die M¨artyrerlegende 1038
2. H¨alfte 10. Jh. ‹Gongolf› (Passio sancti Gongolfi martiris) in 582 Versen wird von einem Gebet H.s um das Gelingen eingeleitet und ist im ersten Teil sehr humoristisch gestaltet. Gongolf wird als M¨artyrer der Ehe dargestellt, der von seiner Frau und derem geistlichen Liebhaber umgebracht wird. Im ‹Pelagius› (Passio sancti Pelagii pretiosissimi martiris qui nostris temporibus in Corduba martirio est coronatus, 413 Verse) ist die Zur¨uckweisung des Liebeswerbens des Kalifen ’Abd ar-Rahm¯an III. von Cordoba Ursache f¨ur das Martyrium des J¨unglings. Diese zeitgen¨ossische Begebenheit k¨onnte auf einem Augenzeugenbericht beruhen. Der ‹Theophilus› (Lapsus et conversio Theophili vicedomini, 455 Verse) ist die erste dichterische Bearbeitung der sp¨ater weit verbrei¨ teten → ‹Theophilus›-Legende nach der Ubersetzung aus dem Griechischen durch Paulus von Neapel. Theophilus verschreibt seine Seele dem Teufel und wird reum¨utig durch Maria gerettet. Auf den Theophilus folgt im ‹liber primus› ein Gebet mit der Bitte um Speisensegnung, welches belegt, das die Legenden urspr¨unglich zur Tischlekt¨ure bestimmt waren. Das Motiv des Teufelspaktes greift auch die ‹Basilius›-Legende (264 Verse) wieder auf. Als Erretter des Gefallenen erscheint hier statt Maria der hl. Basilius aus der vorhergehenden Legende. Der ‹Dionysius› (Passio sancti Dionisii egregii martiris) widmet sich in 266 Versen dessen Martyrium und den Wundern an dessen Grab. Die letzte Legende ist mit dem Preis der hl. Jungfrau ‹Agnes› (Passio sanctae Agnetis virginis et martiris, 459 Verse) einerseits ein Gegenst¨uck zum standhaften ‹Pelagius› und f¨uhrt andererseits zum Marienleben der ersten Legende zur¨uck. Dadurch erh¨alt das erste Buch eine in sich geschlossene Form. Der ‹liber secundus› bietet sechs dem Terenz verpflichtete Dramen, von H. als ‹dramatica series› bezeichnet. In der Vorrede stellt H. ihre St¨ucke als Alternative zum sprachlich herausragenden aber moralisch bedenklichen Terenz dar. Dessen Frivolit¨at soll durch den Preis der siegreichen Jungfr¨aulichkeit, Keuschheit und Fr¨ommigkeit ersetzt werden. Zudem enthalten die letzten beiden Dramen Ausz¨uge aus Schriften des Boethius zum Quadrivium. Jedes der St¨ucke beginnt in der Terenztradition mit Periochen in Reimprosa. Allerdings haben im Weiteren H.s Texte mit dem antiken Modell wenig mehr als einzelne Formeln vor allem bei den Auftritten und Dialogen gemein. Streng genommen handelt es sich eher um Legenden in Dialogform als um Dramen. 1039
Hrotsvit von Gandersheim Die aneinander gereihten Bilder und Szenen finden ihre jeweiligen H¨ohepunkte in der Gestaltung von Rede und Gegenrede. Das entsprich der Vorstellung fr¨uhma. Theoretiker, wonach das Dramatische sich prim¨ar im Dialog und der szenischen Abfolge entfalte (→ Hrabanus Maurus). An eine Auff¨uhrung ihrer St¨ucke hat H. vermutlich nie gedacht. Damit ist H. auch v¨ollig unabh¨angig von der sp¨ateren Entwicklung des geistlichen Spiels. Er¨offnet wird die Sammlung mit dem ‹Gallicanus› (Conversio Gallicani principis militiae), der im ersten Teil die Bekehrung des heidnischen Feldherren Konstantins des Großen und seinen Verzicht auf die Ehe mit der Kaisertochter Constantia dramatisiert. Der zweite Teil bietet die sp¨ateren Martyrien des Gallicanus und der beiden christlichen Lehrer der Constantia, Johannes und Paulus. Im ‹Dulcitius› (Passio sanctarum virginum Agapis, Chioniae et Irenae) stehen die drei christlichen Jungfrauen Agapes, Chionia und Hirena, die sich den von Diokletian befohlenen Eheschließungen mit Heiden verwehren und zur Strafe dem Dulcitius ausgeliefert werden, im Mittelpunkt. In einer burlesken Szenenfolge verwechselt der liebestolle Dulcitius Hauseing¨ange und umherzt statt der Jungfrauen einen rußigen Kessel. Wenn er nun mit geschw¨arztem Gesicht teufelsgleich lauter Verwirrung stiftet, so steht hinter dieser kom¨odiantischen Ausgestaltung H.s auch das Bem¨uhen, die vermeintlich m¨achtigen Ungl¨aubigen gegen¨uber den vordergr¨undig unterlegenen Christen der L¨acherlichkeit preiszugeben. So verspotten die drei Frauen w¨ahrend ihres triumphalen M¨artyrertodes denn auch ihren eigenen Henker. Wie abnorme Leidenschaft bis zur Leichensch¨andung f¨uhren kann, stell der ‹Calimachus› (Resuscitatio Drusianae et Calimachi) vor. Dieser gesteht der verheirateten Christin Drusiana seine Liebe, worauf sie angesichts ihrer Ausweglosigkeit von Gott den Tod erbittet und stirbt. Beim sp¨ateren Versuch, die Leiche zu umarmen, stirbt auch Calimachus. Durch ein Gebet wieder ins Leben geholt konvertiert dieser zum Christentum und auch Drusiana wird wieder erweckt. Das Drama ‹Abraham› (Lapsus et conversio Mariae neptis Abrahae eremitolae) wird von der Forschung u¨ berwiegend als die herausragende Dichtung H.s aufgefasst. Sie schildert das Schicksal von Maria, der verwaisten Nichte des Eremiten Abrahams, die nach Jahren der Fr¨ommigkeit in dessen Obhut in ein Bordell flieht. Abraham tarnt sich als Freier und sucht Maria auf. Die folgende Bekehrung ist psychologisch 1040
Hrotsvit von Gandersheim u¨ berzeugend motiviert und wird von H. dramatisch eindrucksvoll vorgef¨uhrt. Das gleiche Motiv greift der ‹Pafnutius› (Conversio Thaidis meretricis) auf, dessen Held die Prostituierte Thais von ihrem Lebenswandel erfolgreich abbringt. Der ‹Pafnutius› ist allerdings weniger eindrucksvoll ausgestaltet als der ‹Abraham›. Eine lange und dramatisch unmotivierte Einleitungsszene bietet Ausf¨uhrungen des Pafnutius gegen¨uber seinen Sch¨ulern zur Philosophie und Musiktheorie (nach Boehtius). Das letzte St¨uck der Sequenz, ‹Sapientia› (Passio sanctarum virginum Fidei, Spei et Caritatis), setzt die Marterung der drei T¨ochter der Sapientia, Fides, Spes und Ca¨ ritas, in Szene. Ihre Uberlegenheit gegen¨uber dem heidnischen Kaiser belegt die Sapientia mit einer zahlentheoretischen Lektion (wieder nach Boethius). Beschlossen wird der ‹liber secundus› von 35 leoninischen Hexametern, die offensichtlich urspr¨unglich als Tituli zu Illustrationen zur JohannesApokalypse verfasst wurden. Der ‹liber tertius› umfasst die historiographischen Dichtungen ‹Gesta Ottonis› und ‹Primordia coenobii Gandeshemensis›, eine Gru¨ ndungsgeschichte von H.s Stift. Beide sind in leoninischen Hexametern gehalten und nur fragmentarisch u¨ berkommen. Die Prosa-Praefatio der ‹Gesta› nennt Gerberg als Auftraggeberin und schildert die Schwierigkeiten der Abfassung des Textes ohne Quellen und ‹auctoritas›. Otto wird wie die legendarischen Helden als christliche Idealgestalt pr¨asentiert und die allgemeine Historie als ottonische Familiengeschichte dargestellt. Der chronologisch erfasste Zeitraum reicht von K¨onig Heinrich I. bis zu Ottos Kaiserkr¨onung. Von urspr¨unglich 1517 Versen sind allerdings nur 837 erhalten. Die ‹Primordia› weisen im ersten Drittel der 594 erhaltenen Verse eine im Ausmaß nicht sicher bestimmbare L¨ucke auf und auch am Schluss ist Texverlust festzustellen. Dargeboten wird die Geschichte des Stiftes von der Gr¨undung durch Liudolf und seiner Gattin Oda bis zum Jahre 919. Die Chronik kann als H.s pers¨onlichste Dichtung gelten und als selbstbewusstes Zeugnis des freien Reichsstiftes gegen¨uber den Anspr¨uchen des Bistums Hildesheim. H.s Werke wurden im MA wenig rezipiert und waren offensichtlich auch nicht weit verbreitet. Die Wiederentdeckung H.s durch die Humanisten und deren Begeisterung ist daher um so bemerkenswerter. Konrad Celtis hat im Jahr 1493 in St. Emmeram den Haupttextzeugen entdeckt und 1041
2. H¨alfte 10. Jh. 1501 in den Druck gebracht. Zahlreiche humanistische Lobgedichte hoben die erste dt. Dichterin und Gelehrte hervor. Auch die N¨urnberger ¨ Abtissin Caritas Pirckheimer z¨ahlte zu den Verehrern H.s, deren Dramen mit humanistischen Bestrebungen zur R¨uckgewinnung des antiken Erbes korrespondieren. Der ‹Abraham› wurde 1503 von Adam → Werner von Themar ins Deutsche u¨ bersetzt. Nach einer Phase der Historisierung H.s im 16. und 17. Jh. erschienen neue Ausgaben erst im 18. Jh. Gottsched u¨ bersetzte den ‹Gallicanus› 1757, ¨ weitere Ubersetzungen von St¨ucken H.s – auch in ¨ s Franz¨osische – folgten im 19. Jh. Uber den seit 1973 vergebenen Gandersheimer ‹Roswitha-Preis› lebt die literarische H.-Rezeption bis in die Gegenwart fort. ¨ Uberlieferung: M¨unchen, BSB, Clm 14485, 150 Bll. (Perg., Ende 10./Anfang 11. Jh.). Der Codex wurde in Gandersheim geschrieben und von dort nach St. Emmeram geschickt. Es sind alle Texte bis auf die ‹Primordia› enthalten. Die Hs. ist die Grundlage f¨ur die editio princeps von Celtis mit dessen Emendationen und Eingriffen, die den Text zum Teil unleserlich machen. – K¨oln, Hist. Arch. der Stadt, Best. 7020 (W*) 101, 1r–16v (Perg., 12. Jh.); enth¨alt die vier ersten Dramen in Fassungen, die vom Clm 14485 unabh¨angig sind. – Pommersfelden, Gr¨afl. Sch¨onbornsche Schlossbibl., Cod. 308 (vormals 2883); Abschrift des Clm 14485 aus dem 15. Jh., veranlasst durch Johannes → Trithemius (noch ohne Celtis’ Eingriffe). – M¨unchen, BSB, Clm 2552, 182 Bll. (Perg., 12. Jh.); Abschrift des Clm 14485, enth¨alt den ‹Gallicanus› in szenisch aufbereiteter Form. – Der ‹Gallicanus› wird außerdem als Teil des ‹Magnum Legendarium Austriacum› u¨ berliefert. – Klagenfurt, UB, Perg.-Hs. 44 (Fragm.) 4 Bll., 3 Falzstreifen (11. Jh.); Teile aus ‹Maria› und ‹Sapientia›. – Die ‹Primordia coenobii Gandeshemensis› werden unabh¨angig vom Hauptzeugen der drei B¨ucher tradiert. Ma. Textzeugen sind nicht erhalten (vgl. Goetting, Primordia 1973 [s. Lit.] S. 94–100). – Der Benediktinerm¨onch Heinrich Bodo hat 1525 in Gandersheim noch eine Hs. vorgefunden, die sowohl die ‹Primordia› als auch die Papstviten ent¨ hielt. – Adam Werners Abraham-Ubers. findet sich in: Heidelberg, UB, Cpg 298, 100ar–122r. Ausgaben (Auswahl): Opera Hrosvite illustris virginis et monialis germane gente saxonica orte nvper a Conrado Celte inventa. N¨urnberg (Sodalitas Celtica) 1501 (VD 16 ZV 22183 / H 5278; Erst1042
2. H¨alfte 10. Jh. ausg. v. Celtis. Neudr. Z¨urich/Hildesheim 2000). – Karl August Barack: Die Werke der Hrotsvitha. N¨urnberg 1858 (Mikrofiche-Ausg. M¨unchen u. a. 1994; erste vollst. Ausg.). – Paul von Winterfeld: Hrotsvithae opera (MGH SS rer. Germ. 34). Berlin 1902 (Nachdr. Hannover 2001). – Karl Strecker: Hrotsvithae opera. Denuo edidit codicis Coloniensis lectionem. Leipzig 1906 (21930). – Helene Homeyer: Hrotsvithae opera. Mit Einleitung und Komm. Mu¨ nchen/Paderborn 1970. – Walter Berschin: H. Opera Omnia (Bibliotheca scriptorum Graecorum et Romanorum Teubneriana). Mu¨ nchen/Leipzig 2001. ¨ Ubersetzungen (Auswahl): Johann Christoph Gottsched: N¨othiger Vorrath zur Gesch. der dt. Dramatischen Dichtkunst. Bd. 2. Leipzig 1765 (Neudr. Hildesheim/New York 1970) S. 20–39. – H. v. G. S¨amtliche Dichtungen. Aus dem Mlat. u¨ bertragen v. Otto Baumhauer, Jacob Bendixen und Theodor Gottfried Pfund. Mit einer Einleitung v. Bert Nagel (Die Fundgrube 19). Mu¨ nchen 1966. – H. Homeyer: Hroswitha v. G. Werke in dt. ¨ Ubertragung. Mit einem Beitr. zur fr¨uhma. Dichtung. Mu¨ nchen 1973. – H. of G.: A Florilegium of her Works. Translated with Introduction, Interpretative Essay and Notes by Katharina M. Wilson. Cambridge 1998. Bibliographie: Edwin Hermann Zeydel: A Chronological Hrotsvitha-Bibliograophy through 1700 with Annotations. In: Journal of English and Germanic Philology 46 (1947) S. 290–294. – Haight 1965 (s. Lit.). – Nagel 1965 (s. Lit.). – Wilhelm Wattenbach/Robert Holtzmann/Franz-Josef Schmale: Deutschlands Geschichtsquellen im MA. Bd. 1: Das Zeitalter des Ottonischen Staates (950–1050). K¨oln u. a. 1948 (Nachdr. Darmstadt 1967) S. 34–38; Bd. 3: Italien (1050–1125), England (900–1135), Nachtr¨age zum ersten und zweiten Tl. Darmstadt 1971, S. 15*–17*. Literatur: Otto Schmid, ADB 29 (1889) S. 283–294 (unter Roswitha). – Manitius 2 (1923) S. 619–632. – Bert Nagel, NDB 9 (1972) S. 676–678. – Fidel R¨adle, VL2 4 (1983) Sp. 196–210; 11 (2004) Sp. 694. – Reinhard D¨uchting, LexMA 5 (1991) Sp. 148 f. – Dieter Weltz, MarLex 3 (1991) S. 252 f. – Wolfgang Haubrichs, LThK3 5 (1996) Sp. 293 f. – Schulthess/ Imbach (1996) S. 468 f. – W. Berschin, RGG4 3 (2000) Sp. 1917 f. – Anette Syndikus, Killy2 5 (2009) S. 606–609. Allgemeines, Sammelb¨ande: K. Strecker: H. v. G. In: Neue Jbb. f¨ur das klassische Altertum 11 (1903) 1043
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Freisinger Officium Stellae (Herodes sive magorum adoratio) Mertens: ‹Sodalitas Celtica impetrata?› Zum Kolophon des N¨urnberger H.-Druckes von 1501. In: Euph. 71 (1977) S. 277–280. – Fritz Wagner: Johann Christoph Gottsched und H. v. G. In: Mlat. Jb. 13 (1978) S. 253–266. – Bert Nagel: H. v. G. und das moderne Theater. In: Ders.: Kleine Schr. zur dt. Lit. (GAG 310). G¨oppingen 1981, S. 21–53. – Karl August Zaenker: ‹Eyn h¨ubsche Comedia Abraham ¨ genant› – H.s v. G. ‹Abraham› in der Ubersetzung des Adam Werner von Themar. In: Mlat. Jb. 17 (1982) S. 217–229. VZ Freisinger Officium Stellae (Herodes sive magorum adoratio) (auch: Freisinger Hirten-, Dreik¨onigs-, Magier-, Herodes- oder Weihnachtsspiel, M¨unchener Dreik¨onigsspiel). – Mlat. geistliches Spiel. Das vielleicht um 1070 entstandene Freisinger Spiel ist nur in einem M¨unchner Codex aus dem 11. Jh. erhalten. Allerdings ist die Handschrift teilweise unleserlich. Die 139 mlat. Verse sind in klassischen sowie leoninischen Hexametern geschrieben und durch Regieanweisungen und Neumen erg¨anzt. Die Auff¨uhrung des Spiels ben¨otigte etwa 18 bis 21 Darsteller und erfolgte wohl zu Weihnachten, Epiphanias oder am Tag der unschuldigen Kinder. Inhaltlich stehen prim¨ar Herodes und die Heiligen Drei K¨onige im Mittelpunkt des Spiels. Nach einem Eingangsgesang des Chors verk¨undet ein Engel den K¨onigen die Geburt Jesu. Die K¨onige brechen nach Bethlehem auf. Bald erf¨ahrt Herodes von ihrer Ankunft. Nachdem er die K¨onige u¨ ber ihre Absichten befragt hat, ber¨at er sich mit seinen Schriftgelehrten, die ihm die Prophezeiungen u¨ ber Christi Geburt erkl¨aren. Herodes erweist sich jedoch als cholerischer und arroganter Herrscher, der die prophetischen Worte w¨utend ablehnt. Die K¨onige begegnen unterdessen den Hirten, beten das Jesuskind an und entkommen heimlich Herodes’ Zugriff. Als er von der Flucht erf¨ahrt, veranlasst er die Ermordung aller m¨annlichen Kinder. Das Spiel endet mit einem liturgischen Schlussteil, der von einer zweiten Hand in den M¨unchner Codex eingef¨ugt wurde. Darin wird der Abgang des Herodes von Knabenges¨angen begleitet, die Christi Geburt preisen. Als S¨anger dieses Teils gelten heute junge Klostersch¨uler, die sich selbst spielten. Die «pueri» des Spiels waren also nicht die 1049
2. H¨alfte 11. Jh.
Kinder von Bethlehem, wie fr¨uher f¨alschlich angenommen. Die Schlussverse des Spiels entsprechen der Weihnachtssequenz Letabundus. Der Text des Freisinger Spiels folgt weitgehend der traditionellen Handlung um Herodes und die K¨onige. Als eigenst¨andige Errungenschaften des unbekannten Verfassers gelten u. a. eine Ansprache der K¨onige an die B¨urger Jerusalems, die Wutausbr¨uche des Herodes und der Schluss mit seiner Weihnachtssequenz, die das u¨ bliche → Te Deum ersetzt. Das Spiel enth¨alt naturgem¨aß zahlreiche Bez¨uge auf die Erz¨ahlungen der Evangelien, aber auch auf die lat. Literatur. Im Text finden sich Ankl¨ange an Vergils Aeneis, ein Zitat aus Sallusts De Catilinae coniuratione und eine Strophe aus der Hymne Salvete, flores martyrum des → Prudentius. Diese antiken Bez¨uge erinnern an das → Bilsener Weihnachtsspiel. Die eigentliche Bedeutung des Freisinger Spiel liegt in seiner fr¨uhen Entstehung als eines der ersten Dreik¨onigsspiele im dt. Raum. ¨ Uberlieferung: Mu¨ nchen, BSB, Clm 6264a, 1r (Perg., 11. Jh., Online-Ausg. BSB Mu¨ nchen [o. J.]). Ausgaben: Ed´elestand Dum´eril: Origines Latines du Th´eatre Moderne. Paris 1849, S. 156–162. – Weihnachts-Spiele und Lieder aus Su¨ ddeutschland und Schlesien. Hg. v. Karl Weinhold. Graz 1853 (Neudr. Vaduz 1987) S. 56–61 (Online-Ausg. BSB Mu¨ nchen [o. J.]). – Ernst Heinrich Wilken: Gesch. der geistlichen Spiele in Deutschland. G¨ottingen 1872, S. 6–9. – Heinrich Anz: Die lat. Magierspiele. Unters. und Texte zur Vorgesch. des dt. Weihnachtsspiels. Leipzig 1905, S. 153–158. – Karl Young: The Drama of the Medieval Church. Bd. 2. Oxford 1933 (Nachdr. ebd. 1967) S. 92–97. – Nine Medieval Latin Plays. Hg. v. Peter Dronke. Cambridge 1994, S. 34–49 (textkrit. Ausg.). ¨ ¨ Ubersetzung: Moderne engl. Ubers. in Dronke 1994 (s. Ausg.). Literatur: Ehrismann 2,2,2 (1935) S. 573. – Hansj¨urgen Linke: Freisinger Weihnachtsspiel. In: VL2 2 (1980) Sp. 907–909. – De Boor/Newald 4/1 (21994) S. 257 f. – Franz K¨orndle: Liturgische Dramen, Geistliche Spiele. In: MGG2 Sachteil 5 (1996) Sp. 1388–1412. – Anz (s. Ausg.) S. 93–103. – Isaak Sondheimer: Die Herodes-Partien im lat. liturgischen Drama und in den franz¨osischen Mysterien. Halle/Saale 1912, S. 16–18, 47–49, 70 f., 87 f., 94 f., 159 f. – Martin B¨ohme: Das lat. Weihnachtsspiel. Grundz¨uge seiner Entwicklung. Leipzig 1917, S. 100–103 u. o¨ . – Karl G. Fellerer: Beitr. 1050
um 1100 zur Musikgesch. Freisings v. den a¨ ltesten christlichen Zeiten bis zur Aufl¨osung des Hofes 1803. Freising 1926, S. 46–48. – Young (s. Ausg.) Bd. 2, S. 97–99. – Rudolf Goerge: Das Freisinger Magierspiel und die Klage der Rachel. Zur Auff¨uhrung zweier geistlicher Dramen des MA aus Freising. In: Amperland 8 (1972) S. 224–228. – Hans J¨urgen Diller: Redeformen des engl. Misterienspiels. M¨unchen 1973, S. 58, 63–69. – Ursula Schulze: Geistliche Spiele im MA und in der Fr¨uhen Neuzeit. Von der liturgischen Feier zum Schauspiel. Eine Einf. Berlin 2012, S. 71 f. MM Bilsener Weihnachtsspiel. – Mlat. Weihnachtsspiel, 11./12. Jh. Das B. W. ist nur in einer Br¨usseler Handschrift erhalten, die neben dem B¨uhnentext auch begleitende Neumen enth¨alt. Die textkritische Aufarbeitung des Spiels wird dabei durch den schlechten Zustand des Codex erschwert, der zahlreiche L¨ucken und unleserliche oder u¨ berschriebene Stellen aufweist. Der Inhalt des Spiels ist konventionell und verbindet Magier- mit Hirtenmotiven. Auf die Eingangsszene mit Herodes’ musikalisch ironisierter Inthronisation folgt das Hirtenspiel, das von der Verk¨undigung bis zur Reise der Heiligen Drei K¨onige reicht. Darauf leitet ein Botenspiel zum Zentrum der Handlung uber, ¨ der Konfrontation der K¨onige mit Herodes. Die K¨onige werden zun¨achst von ihm bedroht, verh¨ort und inhaftiert, ihre Geschenke beschlagnahmt. Zuletzt aus dem Kerker entlassen, k¨onnen die K¨onige dem Jesuskind schließlich ihre Geschenke darbringen und am Ende in ihre Heimat zur¨uckkehren. Nachdem Herodes von ihrer Abreise erfahren hat, bricht das Spiel in der u¨ berlieferten Fassung ab. Wie sich aus der Rekonstruktion des Textes ergibt, d¨urften im B. W. etwa 18 Jungen mitgespielt haben. Auf der B¨uhne wurden vier oder f¨unf Schaupl¨atze dargestellt. Der mlat. Text greift stark auf klassische Traditionen zuru¨ ck; so sind Rollen- wie Regiepassagen weitgehend als Hexameter gestaltet und enthalten Anleihen bei Vergil und → Sedulius. Gleichzeitig bestehen Querverbindungen zu anderen Weihnachtsspielen. Der Gesang «Eia dicamus» etwa findet sich auch im → Freisinger Officium Stellae, nur begleitet er dort den Auszug, im B. W. hingegen den Einzug der Darsteller. Auff¨uhrungen des B. W.s sind nicht direkt nachweisbar, werden aber durch Eintr¨age im 1051
Bilsener Weihnachtsspiel Handschriftentext und durch die visuell orientierten Regieanweisungen nahegelegt. Obwohl mehrmals ediert, erfuhr das B. W. insgesamt keine nennenswerte Rezeption. ¨ Uberlieferung: Br¨ussel, Bibl. des Bollandistes, MS 299, 179v–180v (Perg., 11./12. Jh.). Ausgaben: M´elanges d’Arch´eologie, d’Histoire et de Litt´erature 1. Hg. v. Charles Cahier/Arthur Martin. Paris 1847–49, S. 258–260. – F. Cl´ement: Histoire G´en´erale de la Musique Religieuse. Paris 1861, S. 115–118. – The ‹Officium stellae› from Bilsen. Hg. v. Gustave Cohen/Karl Young. In: Romania 44 (1915–17) S. 357–372, hier S. 359–368. – Jean Gessler: Le Drame Liturgique de Munsterbilsen. New York 1928, S. 19–30. – K. Young: The Drama of the Medieval Church. Bd. 2. Oxford 1933 (Nachdr. ebd. 1967) S. 75–80. Literatur: Manitius 3 (1913) S. 1044. – Hansj¨urgen Linke, VL2 1 (1978) Sp. 864–866. – De Boor/Newald 3/2 (1987) S. 206 u. o¨ . – Edmund K. Chambers: The Mediaeval Stage 2. Oxford u. a. 1903 (Nachdr. ebd. 1954) S. 56. – Heinrich Anz: Die lat. Magierspiele. Unters. und Texte zur Vorgesch. des dt. Weihnachtsspiels. Leipzig 1905, S. 103–106. – Isaak Sondheimer: Die Herodes-Partien im lat. liturgischen Drama und in den franz¨osischen Mysterien. Halle/Saale 1912, S. 16–18, 43–46, 70 f., 87 f., 158 f. – Martin Boehme: Das lat. Weihnachtsspiel. Leipzig 1916, S. 100–103. – Gessler (s. Ausg.) S. 5–18. – Young (s. Ausg.) S. 80–84. – Theo Stemmler: Liturgische Feiern und geistliche Spiele. Stud. zu Erscheinungsformen des Dramatischen im MA (Buchreihe der Anglia. Zs. f¨ur englische Philologie 15). T¨ubingen 1970, S. 84–86, 145, 257 f. – William L. Smoldon: The Music of the Medieval Church Dramas. Hg. v. Cynthia Bourgeault. London u. a. 1980, S. 202 f. u. o¨ . – Eva Castro Caridad: Dramas Escolares Latinos. Siglos XII y XIII. Madrid 2001, S. 142–144, 173–181. MM Tegernseer Ludus de Antichristo. – Lat. Versdrama, um 1160. Der anonym u¨ berlieferte T. L. d. A. ist nur in einer einzigen Handschrift vollst¨andig erhalten, die wahrscheinlich im Benediktinerkloster Tegernsee entstand. Der Anfang des Spiels liegt auch als Fiech¨ ter Fragment vor. Beide Uberlieferungstr¨ ager weisen identische Fehler und L¨ucken im Text auf, sind also vielleicht Abschriften einer gemeinsamen Vorstufe. Diese d¨urfte ebenfalls fehlerhaft und nicht 1052
Tegernseer Ludus de Antichristo das Original gewesen sein. Das Spiel wird meist auf etwa 1160 datiert, k¨onnte aber noch bis zur Fertigstellung der Haupthandschrift 1180 geschrieben worden sein. Anspielungen im Text verweisen auf die fr¨uhe Barbarossa-Zeit. Der Entstehungsort des Spiels wird u. a. aufgrund der dort vorhandenen Rezeption im bair.-¨osterr. Raum vermutet; auch Tegernsee selbst ist nicht auszuschlie¨ ßen. Uber einen Verfasser im Umfeld des kaiserlichen Hofs kann nur spekuliert werden, ebenso u¨ ber eine m¨ogliche Auff¨uhrung des Spiels beim Regensburger Reichstag von 1155. Konkrete Auff¨uhrungen des T. L. d. A. sind nicht nachweisbar und h¨ochstens indirekt zu vermuten. So kritisiert Gerhoh von Reichenberg 1160/61 in De investigatione Antichristi in Kirchen stattfindende Auff¨uhrungen mit Auftritten des Antichrist, was sich auf den T. L. d. A. beziehen k¨onnte. Die Anlage des T. L. d. A. legt zumindest eine Auff¨uhrungsabsicht nahe. So enth¨alt der Text neben 414 lat. Versen auch ausf¨uhrliche Prosa-Regieanweisungen f¨ur Choreographie, B¨uhnengestaltung und Kost¨ume. Die B¨uhne war als Erdkreis intendiert, in dessen Osten der Tempel von Jerusalem stehen sollte, im Westen der Thron des Kaisers und dazwischen die Throne weiterer Monarchen. F¨ur die Auff¨uhrung wurden rund 60 Darsteller ben¨otigt. Der Inhalt des Spiels beruht prim¨ar nat¨urlich auf den biblischen Prophezeiungen u¨ ber das Auftreten des Antichrists. Wichtigste weitere Quelle f¨ur den T. L. d. A. war De ortu et tempore Antichristi (949/54) des Adso von Montier-en-Der. Der Text d¨urfte dem Verfasser des Spiels als Bearbeitung mit sybillinischen Zus¨atzen vorgelegen haben. Weitere m¨ogliche Einfl¨usse sind Pseudo-Methodius, Ekkehard von Aura, die Gesta Friderici → Ottos von Freising, die Altercatio Ecclesiae und der Ordo Prophetarum. Die Spielhandlung umfasst zwei Teile von gleichem Aufbau. Beide beginnen mit Aufzugsliedern der allegorischen Frauengestalten Gentilitas, Synagoga, und Ecclesia, die hier Heiden-, Judenund Christentum darstellen. Darauf folgt jeweils die Handlung, in deren Mittelpunkt im ersten Teil der r¨omische Kaiser, im zweiten Teil der Antichrist steht. Der Kaiser eint die K¨onigt¨umer des Reichs, verteidigt den christlichen Glauben gegen die Heiden, gibt seine Krone aber zuletzt an Gott zur¨uck, indem er sie auf dem Altar des Tempels ablegt. Er zeigt also im Augenblick der gr¨oßten Machtausdehnung vorbildliche Demut vor Gott und erweist sich so als Idealfigur des christlichen Herr1053
2. H¨alfte 12. Jh. schers. Der im zweiten Teil dominierende Antichrist verk¨orpert das Gegenteil. Er gelangt durch T¨auschung, Gewalt und die Hilfe von H¨aretikern an die Macht. So erobert er Jerusalem und zieht die u¨ brigen Monarchen mit Drohungen und falschen Wundern auf seine Seite. Dann erscheinen die Propheten Enoch und Elias, die Synagoga bekehren und mit ihr als M¨artyrer sterben. Der Antichrist wird schließlich durch g¨ottliches Strafgericht gest¨urzt. Die Texte des T. L. d. A. wurden bei der Auff¨uhrung u¨ berwiegend gesungen, doch u¨ berliefert die Handschrift nur wenige Noten. Die Verse sind je nach Figur unterschiedlich gestaltet. Die meisten Figuren sprechen in dreizehnsilbigen Versen mit Paarreimen und wechselnden Z¨asuren, die Propheten in Elfsilbern und die bekehrte Synagoga in Vierzehnsilbern. Die Aufzugslieder sind strophisch angelegt und mit Kreuz- und Dreireimen versehen. Die Sprache des Spiels ist zugleich einfach und gewichtig, was durch den Gebrauch biblischer, liturgischer und zeremonieller Wendungen erreicht wird. Die Rezeption des Spiels blieb regional begrenzt. 24 Verse des T. L. d. A. gingen in das → Benediktbeurer Weihnachtsspiel ein, drei Zitate in die Fundatio Tegernseensis. Auch zwischen der Expeditio Ierosolimitana des Metellus von Tegernsee und dem T. L. d. A. lassen sich Parallelen feststellen. Die sp¨ateren, volkssprachigen AntichristSpiele wurden von dem Tegernseer Drama jedoch nicht beeinflusst. Das T. L. d. A. ist einerseits fest im Kontext seiner Zeit verankert. Der im Spiel durchscheinende Reichsgedanke und Formulierungen wie «renovatio imperii» verweisen auf entsprechende zeitgen¨ossische Vorstellungen. Bemerkenswert ist aber zugleich die politisch wie religi¨os gem¨aßigte Haltung des Autors, die ihrer Zeit durchaus voraus war. So wendet er sich gegen das Konzept einer nationalen Reichskirche, deren Anh¨anger im Spiel den Antichrist unterst¨utzen. Auch religi¨ose Exzesse wie Kreuzz¨uge und Pogrome sind dem Autor zuwider. Dem Papst wird eine rein geistliche Autorit¨at zugesprochen, w¨ahrend die politische Herrschaft eindeutig beim Kaiser liegt. Literarisch innovativ ist die Verwendung allegorischer Gestalten im T. L. d. A., die hier erstmals in einem ma. Drama nachgewiesen sind. ¨ Uberlieferung: M¨unchen, BSB, Clm 19411, 2v–7r (Perg., Tegernsee, 1160/86, T. L. d. A. ge1054
2. H¨alfte 12. Jh. schrieben um 1180). – Fiecht, Stiftsbibl., cod. 169 (um 1200, nur 66 Verse des Spielbeginns). Ausgaben: Carl A. von Zezschwitz (Hg.): Vom r¨omischen Kaisertum dt. Nation. Ein ma. Drama nebst Unters. u¨ ber die byzantinischen Quellen der dt. Kaisersage. Leipzig 1877. – Wilhelm Meyer: Der L. d. A. und u¨ ber die lat. Rhythmen. In: Ders.: Abh. zur mlat. Rhythmik. Bd. 1. Berlin 1905, S. 150–170. – Friedrich Wilhelm (Hg.): Der L. d. A. Mu¨ nchen [1912]. 3[1932]. – Ludwig Benninghoff (Hg.): L. d. A. oder das Spiel vom Kaiserreich und vom Antichrist. Der lat. Urtext und die ¨ dt. Ubertragung. Hamburg 1922. – Karl SchultzeJahde (Hg.): Das Tegernseer Antichristspiel. Ludus de adventu et interitu Antichristi. Leipzig/ Berlin 1932. – Karl Young: The Drama of the Medieval Church. Bd. 2. Oxford 1933 (Nachdr. ebd. 1967) S. 371–389. – Karl Langosch: Politische Dichtung um Kaiser Friedrich Barbarossa. Berlin 1943, S. 160–259. – Rolf Engelsing (Hg.): L. d. A. Das Spiel vom Antichrist. Lat./dt. Stuttgart 1968. 62000. – Gerhard G¨unther: Der Antichrist. ¨ Der staufische Ludus de Antichristo. Dt. Ubertr. v. Gottfried Hasenkamp. Hamburg [1970]. – Richard Froning: Das Drama des MA. Bd. 1. Stuttgart [1891] (Nachdr. Darmstadt 1964. T¨ubingen/ Berlin 1974) S. 206–224. – Gisela Vollmann-Profe (Hg.): L. d. A. (Litterae 82). Lauterburg 1981 (vgl. ¨ 91 [1982] dazu: Hans-Dietrich Kahl, in: MIOG S. 282 f.; Karl Langosch, in: Mlat. Jb. 19 [1984] S. 295–297). – Online-Faks. der Mu¨ nchner Hs. durch die BSB Mu¨ nchen: http://daten.digitalesammlungen.de/~db/bsb00008249/images/. ¨ Ubersetzungen: Ferdinand Vetter (Hg.): Das Tegernseer Spiel vom dt. Kaisertum und vom Antichrist. Mu¨ nchen 1914. – Benninghoff (s. Ausg.). – Gottfried Hasenkamp (Hg.): Das Spiel vom Antichrist. M¨unster/Westf. 1932. 51961. – Wolf-Herbert Deus (Hg.): Vom Kaiserreich und Antichrist: L. d. A. Musik v. Walther Hensel. Kassel 1932. – Langosch (s. Ausg.). – Horst Kusch: Einf. in das lat. MA. Bd. 1. Berlin 1957, S. 471–505. – Karl Langosch (Hg.): Geistliche Spiele. Lat. Dramen des MA mit dt. Versen. Darmstadt 1957 (Nachdr. ebd. 1961) S. 179–239. – Helmut de Boor (Hg.): Die dt. Lit. Texte und Zeugnisse. Bd. 1. Mu¨ nchen 1965 (Nachdr. ebd. 2001) S. 134–165. – John Wright (Hg.): The Play of Antichrist. Toronto 1967. – Engelsing (s. Ausg.). – G¨unther (s. Ausg.). – Vollmann-Profe (s. Ausg.). 1055
Tegernseer Ludus de Antichristo Literatur: Manitius 3 (1931) S. 1052–1056. – De Boor/Newald 3/2 (1987) S. 223–225. – HansDietrich Kahl: L. d. A. In: LexMA 5 (1991) Sp. 2169 f. – Gisela Vollmann-Profe, VL2 9 (1995) Sp. 673–679. – Meyer (s. Ausg.). – Hans Preuß: Der Antichrist. Berlin 1909. – Eduard A. D. F. Michaelis: Zum ‹L. d. A.›. In: ZfdA 54 (1913) S. 61–87. – Maximilian J. Rudwin: Der Teufel in den dt. geistlichen Spielen des MA und der Reformationszeit. G¨ottingen 1915. – Paul Edward Kretzmann: The Liturgical Element in the Earliest Forms of the Medieval Drama. With Special Reference to the English and German Plays. Minneapolis, 1916. – Alfred Jeremias: Der Antichrist in Gesch. und Gegenwart. Leipzig 1930. – K. Schultze-Jahde: Zur Lit. u¨ ber das Tegernseer Antichristspiel. In: ZfdA 57 (1932) S. 180–183. – Wilhelm Kamlah: Der L. d. A. In: Hist. Vierteljahrschr. 28 (1934) S. 53–87 (wieder in: Mlat. Dichtung. Hg. v. K. Langosch. Darmstadt 1969, S. 343–381). – Romuald Bauerreiß: Zur Verfasserschaft des ‹Spiels vom Antichrist›. In: Stud. und Mitt. zur Gesch. des Benediktiner-Ordens und seiner Zweige 62 (1950) S. 222–236. – Karl Hauck: Zur Genealogie und Gestalt des staufischen L. d. A. In: GRM 33 (NF 2) (1951/52) S. 11–26. – K. Langosch: Geistliche Spiele. Lat. Dramen des MA mit dt. Versen. Darmstadt 1957. – Helmut Plechl: Die Tegernseer Hs. clm 19411. Beschreibung und Inhalt. In: DA 18 (1962) S. 418–491. – R. Bauerreiß: Ekkehard von Aura als Verfasser des ‹Spiels vom Antichrist›. In: Stud. und Mitt. zur Gesch. des Benediktiner-Ordens und seiner Zweige 73 (1962) S. 41–53. – Bruno St¨ablein: Zur Musik des ‹L. d. A.› In: Saarbr¨ucker Stud. zur Musikwiss. 1 (1966) S. 312–327 (wieder in: Ders.: Musik und Gesch. im MA [GAG 344]. G¨oppingen 1984, S. 337–352). – Theo Stemmler: Liturgische Feiern und geistliche Spiele. Stud. zu Erscheinungsformen des Dramatischen im MA. T¨ubingen 1970, S. 116–121. – Helmut Weidhase: Regie im L. d. A. In: FS Kurt Herbert Halbach. Hg. v. Rose Beate Sch¨aferMaulbetsch u. a. T¨ubingen 1972, S. 85–143. – Josef Riedmann: Ein neuaufgefundenes Bruchst¨uck des ‹L. d. A.›. In: Zs. f¨ur bayerische Landesgesch. 36 (1973) S. 16–38. – Hellmut Rosenfeld: Die B¨uhne des Tegernseer Antichristspiels als Orbis terrarum. In: Lit. und Sprache im europ¨aischen MA. FS K. ¨ Langosch. Hg. v. Alf Onnerfors u. a. Darmstadt 1973, S. 63–74. – Klaus Aichele: Das Antichristdrama des MA, der Reformation und Gegenreformation. Den Haag 1974, S. 24–33. – David 1056
Lateinische Spiele des 11./12. Jh. Brett-Evans: Von Hrotsvit bis Folz und Gengenbach. Eine Gesch. des ma. dt. Dramas. Bd. 1: Von der liturgischen Feier zum volkssprachlichen Spiel (Grundlagen der Germanistik 15). Berlin 1975, S. 76–83. – K. Aichele: The Glorification of Antichrist in the Concluding. Scenes of the Medieval ‹L. d. A.›. In: Modern Language Notes 91 (1976) S. 424–436. – Wolfgang Greisenegger: Die Realit¨at im religi¨osen Theater des MA. Ein Beitr. zur Rezeptionsforschung. Wien 1978, S. 85–151. – William T. H. Jackson: Time and Space in the L. d. A. In: The Germanic Review 54 (1979) S. 1–8 (wieder in: Ders.: The Challenge of the Medieval Text. Studies in Genre and Interpretation. Hg. v. Joan M. Ferrante/Robert William Hanning. New York 1985, S. 125–143). – Horst Dieter Rauh: Das Bild des Antichrist im MA: Von Tyconius zum Dt. Symbolismus. Mu¨ nster 21979, S. 365–415. – Odilo Engels: Federico Barbarossa nel giudizio dei suoi contemporanei. In: Annali dell’Istituto storico italo-germanico [Trento] 10 (1982) S. 45–81 (dt. wieder in: Ders.: Stauferstud. Sigmaringen 1988, S. 225–245). – A. Keith Bate: The Staging of the Ludus de Antechristo. In: Atti del IV Colloquio della Societ´e internationale pour l’´etude du th´eaˆ tre m´edi´eval, Viterbo, 10–15 luglio 1983. Hg. v. Maria Chiab`o u. a. Viterbo 1984, S. 447–452. – H. D. Rauh: Eschatologie und Gesch. im 12. Jh. Antichrist-Typologie als Medium der Gegenwartskritik. In: Medaevalia Lovaniensia Ser. 1, Studia XV (1988) S. 333–358. – Wolfgang Hempel: Ludus typologicus. Die allegoretische Struktur des L. d. A. In: Momentum dramaticum. FS Eckehard Catholy. Waterloo 1990, S. 55–74. – Markus Litz: Theatrum Sacrum und symbolische Weltsicht. Der staufische ‹L. d. A.› Frankfurt/M. 1990. – H.-D. Kahl: Der sog. ‹L. d. A.› (De Finibus Saeculorum) als Zeugnis fr¨uhstauferzeitlicher Gegenwartskritik. In: Mediaevistik 4 (1991) S. 53–148. – Marc Moser: L. d. A. – Le Jeu de l’Antichrist: la source premi`ere: la l´egende de l’Antichrist remonte a` und proph´etie ´ antique fond´ee sur la bible. In: Etudes m´edi´evales. Revue 5 (2003) S. 124–129. – Klaus Ridder/Ulrich Barton: Die Antichrist-Figur im ma. Schauspiel. In: Antichrist. Konstruktionen von Feindbildern. Hg. v. Wolfram Brandes. Berlin 2010, S. 179–196. MM Lateinische Spiele des 11./12. Jh. – Geistliche Dramen. Die L. S. des 11./12. Jh. stellten heilsgeschichtliche, sp¨ater auch allgemein biblische und legendari1057
um 1200 sche Stoffe szenisch und mimisch dar. Von der lat. Kirchensprache und liturgischen Formen gepr¨agt, entwickelten sie sich zun¨achst noch im Kontext lat. Ges¨ange und kirchlicher Kulthandlungen sowie im engen Bezug zum Kirchenjahr und seinen Festkreisen (Ostern, Weihnachten, Heiligenfeste). Gerade in den fr¨uheren Spielen sind liturgische Zeremonien und dramatische Spielelemente nur schwer voneinander zu trennen. Die chorischen Wechselges¨ange der Liturgie wurden dann allm¨ahlich auf verschiedene Sprecher aufgeteilt und dramatisch gestaltet, was schließlich zur Verselbst¨andigung der L. S. gegen¨uber der Liturgie f¨uhrte. Geburtsst¨atten der L. S. waren – besonders benediktinische – Kl¨oster in ganz Europa. Ein fr¨uhes Zentrum L. S. war die Abtei St. Martial (Limoges), aus der die a¨ lteste erhaltene Fassung des Quem quaeritis (10. Jh.) stammt. Auch sind von dort weitere L. S. des 11. Jh. erhalten, so ein Ordo prophetarum, ein Ordo Rachelis und ein Sponsus mit volkssprachigen Anteilen. Auch die Benediktinerabtei in Winchester muss f¨ur die Fr¨uhentwicklung der L. S. genannt werden. Dort entstand bereits im 10. Jh. ein Visitatio sepulchri-Spiel. Weitere wichtige Orte waren St. Gallen, Reims, Sens, Passau sowie Kl¨oster in Italien und Spanien. Auff¨uhrungsorte waren Kirchen, zentrale Station das Heilige Grab, das meist durch den Altar verk¨orpert wurde, aber auch im Mittelschiff oder der Krypta angesiedelt sein konnte. Dokumentiert wurden die Spiele in Tropenb¨uchern u. a. liturgischen Zeugnissen, meist ohne Musiknotation. Zahlreiche Handschriften sind erhalten, doch sind viele Entstehungsumst¨ande der Spiele bis heute ungekl¨art. Die L. S. waren in lat. Prosa und Versen geschrieben, deren Gestalt nicht streng festgelegt war. Einfache Reimpaarverse sind ebenso bekannt wie anspruchsvollere Hexameter-Formen. Die lat. Regieanweisungen der L. S. sind auch in volkssprachigen Spielen nachgewiesen. Ab dem 12. Jh. wurden die L. S. auch durch volkssprachige Hymnen erweitert, die m¨oglicherweise ein Laienpublikum ansprechen sollten. Weitere Hinzuf¨ugungen vergr¨oßerten den behandelten Stoffkreis. Wurde dieser zun¨achst vom Leben Jesu und dem NT bestimmt, finden sich in Spielen ab dem 12. Jh. auch alttestamentliche und eschatologische Themen. Unter den L. S. waren Oster- und Weihnachtsspiele von besonderer Bedeutung. Seit dem 10. Jh. sind in Europa lat. Feiern mit Osterszenen bekannt. 1058
um 1200 Als wichtiger Typus ist die Visitatio sepulchri in vielen Handschriften belegt. Im Mittelpunkt steht jeweils der Besuch der drei Marien am Heiligen Grab. Das Geschehen wurde urspr¨unglich von zwei Halbch¨oren gesungen, sp¨ater aber von Marien und Engeln. Die Schaffung dieser Rollen erh¨ohte den dramatischen Charakter der Visitatio sepulchri und markierte die Geburt der Osterfeier. Ab dem 11. Jh. wurde das lat. Osterspiel durch weitere Szenen erg¨anzt: den Salbenkauf der Marien, den Wettlauf von Petrus und Johannes zum Grab Christi und die Hortulanus-Szene. Im anglonormannischen Raum existierten auch Szenen zwischen dem auferstandenen Christus und Maria Magdalena. Beispiele f¨ur lat. Osterspiele sind Rheinauer Osterspiel, Einsiedler Osterspiel, a¨lteres Engelberger Osterspiel und Marienberger Osterspiel. Ab dem 11. Jh. sind auch lat. Weihnachtsspiele bekannt, die von den a¨ lteren Osterfeiern oder -tropen inspiriert worden sein d¨urften. Kern dieser Spiele waren zun¨achst Hirtenspiele mit schlichten Sch¨afer-Dialogen. Hinzu traten umfangreichere Spiele u¨ ber die Heiligen Drei K¨onige, also Propheten- und Herodesspiele. Aus dem weihnachtlichen Themenkreis stammen: → Bilsener Weihnachtsspiel, Freisinger Ordo Rachelis, M¨unchner Weihnachtsspiel, Regensburger Weihnachtsfragmente, Einsiedler Weihnachtsspiel, Straßburger Weihnachtsspiel. Neben den beiden Haupttypen des L. S. stehen weitere Spiele u¨ ber Heilige und biblische Gestalten bis in das AT zur¨uck. Beispiele daf¨ur finden sich noch im 13. Jh. Genannt seien hier die Hildesheimer Nikolausspiele I und II, das Einsiedler Nikolausspiel, das Regensburger Bruchst¨uck eines Gideon-Spiels, die Regensburger Fragmente eines Spiels von Salomo und Ecclesia, Regensburger Nikolausspiel, Einsiedler Prophetenspiel sowie das Vorauer Spiel von Isaak, Rebekka und ihren S¨ohnen. Schon im 12./13. Jh. begann auch der Aufstieg der volkssprachigen Spiele, die im 14. und 15. Jh. ihren H¨ohepunkt erreichten. Die pr¨achtigen Inszenierungen etwa der dt. Oster- und Passionsspiele dr¨angten die strengen, liturgischen Wurzeln dieser Auff¨uhrungen zunehmend in den Hintergrund. ¨ Trotzdem bleiben die L. S. als Spielform des Ubergangs von Bedeutung: In ihnen keimte jene Verbindung von Text, Musik und Fr¨ommigkeit, die f¨ur sp¨atere geistliche Spiele charakteristisch werden sollte. Ausgaben (Auswahl): Franz Joseph Mone (Hg.): Schauspiele des MA. 2 Bde. Karlsruhe 1846. 1059
Lateinische Spiele des 11./12. Jh. Nachdr. in 1 Bd. Aalen 1970. – Richard Froning: Das Drama des MA. 3 Bde. Stuttgart [1891]. Nachdr. Darmstadt 1964. Tu¨ bingen/Berlin 1974. – Karl Young: The Drama of the Medieval Church. 2 Bde. Oxford 1933. Nachdr. ebd. 1967. – Eduard Hartl (Hg.): Das Drama des MA. 3 Bde. Leipzig 1937–42. Nachdr. Darmstadt 1966–69. – Karl Langosch (Hg.): Geistliche Spiele. Lat. Dramen des MA mit dt. Versen. Darmstadt 1957. Nachdr. ebd. 1961. – Walther Lipphardt u. a. (Hg.): Lat. Osterfeiern und Osterspiele. 9 Bde. Berlin/New York 1975–90. Literatur: G¨unter Bernt u. a.: Drama. In: LexMA 3 (1986) Sp. 1353–1367. – G. Bernt/Lynette R. Muir: Geistliches Spiel. In: LexMA 4 (1989) Sp. 1192–1196. – De Boor/Newald 3/2 (1987) S. 155–227. – Franz K¨orndle: Liturgische Dramen, Geistliche Spiele. In: MGG2 Sachteil 5 (1996) Sp. 1388–1412. – Ursula Schulze: Geistliches Spiel. In: RLW 1 (1997) S. 683–688. – Jan-Dirk M¨uller: Osterspiel. In: RLW 2 (2000) S. 775–777. – John Stevens/Richard Rastall: Medieval Drama. In: The New Grove Dictionary of Music and Musicians 16. Hg. v. Stanley Sadie. London u. a. 22001, S. 227–267. – R¨udiger Brandt: Osterspiele. In: KLL3 12 (2009) S. 401–405. – Martin B¨ohme: Das lat. Weihnachtsspiel. Grundz¨uge seiner Entwicklung. Diss. Leipzig 1916. – Maximilian Josef Rudwin: A Historical and Bibliographical Survey of the German Religious Drama. Pittsburgh 1924. – Helmut de Boor: Der Salbenkauf in den lat. Osterspielen des MA. In: FS Louis L. Hammerich. Kopenhagen 1962, S. 29–44. – Wolfgang F. Michael: Fr¨uhformen der dt. B¨uhne. Berlin 1963. – Wilfried Werner: Stud. zu den Passions¨ und Osterspielen des dt. MA in ihrem Ubergang vom Latein zur Volkssprache. Berlin 1963. – Alexander Gr¨unberg: Das religi¨ose Drama des MA. ¨ Osterreich, Deutschland, Schweiz. 3 Bde. Wien 1965. – Osborne Hardison: Christian Rite and Christian Drama in the Middle Ages. Essays in the Origin and Early History of Modern Drama. Baltimore 1965. Nachdr. Westport/Conn. 1983. – Maximilian Scherner: Die sprachlichen Rollen im lat. Weihnachtslied des MA. Unters. zur religi¨osen Rede und zum Epochenwandel im MA (Beih. zum Mlat. Jb. 3). Wuppertal 1970. – Theo Stemmler: Liturgische Feiern und geistliche Spiele. Stud. zu Erscheinungsformen des Dramatischen im MA. T¨ubingen 1970. – Carl J. Stratman: Bibliography of Medieval Drama. New York 21972 (¨altere 1060
Passionsspiele Lit.). – Anke Roeder: Die Geb¨arde im Drama des MA. Osterfeiern, Osterspiele (MTU 49). Mu¨ nchen 1974. – C. Clifford Flanigan: The Liturgical Context of the Quem Queritis Trope. In: Studies in Medieval Drama in Honor of William L. Smoldon on His 82nd Birthday. Hg. v. Clifford Davidson. Kalamazoo 1974, S. 45–62. – David Brett-Evans: Von Hrotsvit bis Folz und Gengenbach. Eine Gesch. des ma. dt. Dramas. Bd. 1: Von der liturgischen Feier zum volkssprachlichen Spiel. Berlin 1975. – Lipphardt 1975–90 (s. Ausg.). – J¨org Fichte: The ‹Visitatio Sepulchri› as Actualization of Dramatic Impulses in the Ninth and Tenth Centuries. In: Neuphilol. Mitt. 77 (1976) S. 211–226. – Peter C. Jacobsen: Zur Entwicklung des lat. geistlichen Spiels im 11. Jh. In: Mlat. Jb. 12 (1977) S. 44–68. – Norbert King: Ma. Dreik¨onigsspiele. Eine Grundlagenarbeit zu den lat., dt. und franz¨osischen Dreik¨onigsspielen und -spielszenen bis zum Ende des 16. Jh. Fribourg 1979. – David A. Bjork: On the Dissemination of ‹Quem quaeritis› and the ‹Visitatio sepulchri› and the Chronology of Their Early Sources. In: Comparative Drama 14 (1980) S. 46–69. – James M. Gibson: ‹Quem queritis in presepe›. Christmas Drama or Christmas Liturgy? In: Comparative Drama 15 (1981/82) S. 343–365. – Bernd Neumann: Geistliches Schauspiel im Zeugnis der Zeit (MTU 84/85). 2 Bde. Mu¨ nchen 1987. – Gunilla Iversen: Aspects of the Transmission of the ‹Quem quaeritis›. In: Text 3 (1987) S. 155–182. – Glynne Wickham: The Medieval Theatre. Cambridge 31995. – Anselme Davril: L’Origine du Quem Quaeritis. In: Requirentes modos musicos. FS Dom Jean Claire. Hg. v. Daniel Saulnier. Solesmes 1995, S. 119–136. – Clyde W. Brockett: Ambiguities in the Designation of Antiphons for the Tenth-Century ‹Quem quaeritis›. In: Musica Disciplina 51 (1997) S. 103–126. – Nils H. Petersen: Les Textes Polyvalents du ‹Quem quaeritis› a` Winchester au Xe Si`ecle. In: Revue de Musicologie 86 (2000) S. 105–118. – Regula M. Evitt: Eschatology, Millenarian Apocalypticism, and the Liturgical Anti-Judaism of the Medieval Prophet Plays. In: The Apocalyptic Year 1000. Religious Expectation and Social Change, 950–1050. Hg. v. Richard A. Landes u. a. Oxford u. a. 2003, S. 205–229. – Peter Macardle: The St Gall Passion Play. Music and Performance. Amsterdam 2007, passim. – J¨urgen B¨arsch: Quem queritis in sepulchro? Liturgie- und fr¨ommigkeitsgeschichtliche 1061
um 1200 Aspekte der Feier von Ostern im MA. In: Beitr. zur Gesch. des Bistums Regensburg 44 (2010) S. 25–45. MM Passionsspiele. – Form des ma. geistlichen Dramas, ab dem fr¨uhen 13. Jh. Das P. ist ein zentraler Spieltypus des religi¨osen Dramas im MA. Im Mittelpunkt des P. steht die szenische und mimische Darstellung der Passion Christi, die als «passio» oft auch im Titel erscheint. Jedoch beschr¨anken sich viele P. nicht auf diesen spezifischen Moment der Heilsgeschichte, sondern stellen auch weitere Szenen aus dem Leben Jesu (Ostern, Weihnachten) dar oder greifen auf zus¨atzliche Stoffe zur¨uck. Damit ist das P. neben den ma. Marienklagen, Osterspielen, Weihnachtsspielen, Legendenspielen und a¨ hnlichen Spieltypen angesiedelt. Vor allem mit dem Osterspiel steht das P. in enger Beziehung, weshalb manches P. auch als «ludus paschalis» u¨ berliefert ist. Die pantominische Darstellung von liturgischen Szenen w¨ahrend des Gottesdienstes ist seit dem 10. Jh. belegbar. Seit dem 12. Jh. sind volkssprachige P. in franz¨osischer und griechischer Sprache nachgewiesen. Im dt. Raum ist zuerst das im → Carmina Burana-Kodex enthaltene Benediktbeurer P. (auch Ludus breviter de passione, CB 13*, → Benediktbeurer Spiele) aus dem fr¨uhen 13. Jh. u¨ berliefert. Im Jahr 1227 wurde auch ein P. auf der Eisenacher Wartburg aufgef¨uhrt. Die Verfasser und Spielleiter der P. waren zun¨achst Geistliche und Mo¨ nche, die in vielen St¨adten P. zur religi¨osen Belehrung des Volks inszenierten. Aufgrund ihres o¨ ffentlichen Charakters standen die P. auch unter der Aufsicht st¨adtischer Obrigkeiten, die f¨ur Sicherheit und Ordnung zust¨andig waren. Organisation und Inszenierung der P. wurden im 15. und 16. Jh. dann zunehmend zu b¨urgerlichen Dom¨anen: Gilden, Zu¨ nfte und Spielgesellschaften wirkten verst¨arkt an den P. mit und stellten schließlich neben den Spielleitern auch die Mehrzahl der Darsteller. Die Teilnahme an einem P. in einer m¨oglichst wichtigen Rolle wurde unter den Stadtb¨urgern zu einem regelrechten Statussymbol, f¨ur das man auch zu bezahlen bereit war. Die Darstellerzahlen schwollen immer mehr an; so wirkten etwa am Frankfurter P. von 1498 nach zeitgen¨ossischen Angaben 280 Darsteller mit. Auch die Spieldauer konnte vor allem in sp¨ateren Spielen beachtlichen Umfang annehmen. So sind neben zwei- und dreit¨agigen Auff¨uhrungen auch 1062
um 1200 siebent¨agige Inszenierungen bekannt (→ Bozner P., 1514). Ein P. im franz¨osischen Valenciennes soll 1547 immerhin 25 Tage gedauert haben. Typische Auff¨uhrungstage waren etwa Pfingsten, Gr¨undonnerstag, Karfreitag und Ostersonntag. Als Spielorte dienten neben Kirchen zunehmend Marktpl¨atze oder Kirchenvorpl¨atze, weil nur diese gen¨ugend Raum f¨ur aufwendige Inszenierungen boten. Meist wurden P. auf Simultanb¨uhnen aufgef¨uhrt, die eine fl¨ussige Abfolge wechselnder Szenen ohne zeitraubende Umbauten erlaubten. Sogar gleichzeitige Darstellungen auf mehreren B¨uhnen waren so m¨oglich. Die B¨uhnenbauten umfassten h¨aufig eine Hauptb¨uhne, um die bis zu 16 sog. H¨auser oder St¨ande f¨ur die Darsteller von Einzelszenen gruppiert waren. Manchmal befand sich an einem Platzende die erh¨ohte Himmelsb¨uhne, auf der anderen Seite eine B¨uhne f¨ur H¨ollenszenen. Heutige Kenntnisse der P. und ihrer Auff¨uhrungsumst¨ande st¨utzen sich auf eine u¨ berwiegend ¨ handschriftliche Uberlieferung. P.-Drucke sind in Deutschland erst ab 1566 bekannt. Die erhaltenen Manuskripte umfassen vollst¨andige Spieltexte, aber auch Fragmente oder knappe Notizen, in denen nur die Anfangszeilen von Liedern und Dialogen festgehalten sind. Neben Dirigierrollen, Regieb¨uchern und -materialien sind auch Rechnungen, B¨uhnenpl¨ane u. a¨ . u¨ berliefert. Die Auff¨uhrungsumst¨ande mancher P. sind besser belegt als die eigentlichen Texte. Diese wurden oftmals von Auff¨uhrung zu Auff¨uhrung redigiert und den Umst¨anden der jeweiligen Inszenierung angepasst. Die Spielleiter mussten die Spiele z. B. der Zahl der verf¨ugbaren Darsteller und den vorhandenen Finanzmitteln anpassen. Die Notwendigkeiten der Auff¨uhrungen waren also wichtiger als die ¨ Konsistenz der Texte. Die erhaltene Uberlieferung l¨asst insgesamt nicht auf ein zugrundeliegendes UrP. schließen, da die fr¨uhen P. wenige textliche Abh¨angigkeiten aufweisen. Erst ab dem 15. Jh. entstanden im Kontext regionaler Spielzentren textliche Verkn¨upfungen, da lokale Spielleiter die P. anderer Orte rezipierten und f¨ur eigene Spiele ad¨ aptierten. Die P.-Uberlieferung ist h¨aufig anonym, l¨asst sich aber im 15. und 16. Jh. mit zahlreichen Namen von Regisseuren, Spielleitern, Redaktoren, Sammlern und Verfassern verbinden, darunter Benedikt Debs, Hans Salat und Vigil → Raber. Hinzu kommen Darstellerverzeichnisse, die R¨uckschl¨usse auf Inhalt, Umfang und gesellschaftlichen Kontext der P. erlauben. 1063
Passionsspiele Inhaltlich steht die Passionshandlung im Mittelpunkt der P., die aber oft um Stoffe aus Bibel, Apokryphen (etwa Nikodemus) und Legenden erweitert wurde. Dazu z¨ahlen der Engelssturz und die Vertreibung aus dem Paradies. Aus dem Leben Jesu wurden etwa seine Taufe, die Berufung der Apostel, Auferstehung und Himmelfahrt hinzugef¨ugt, als Figuren u. a. Propheten, Maria Magdalena und der Salbenkr¨amer. Letzterer wurde im P. des 15. Jh. ebenso popul¨ar wie burleske Szenen, die z. B. in der H¨olle spielten. Sie transportierten oftmals satrirische Sozial- und St¨andekritik, die etwa auf Geldverleiher, Kaufleute oder M¨onche zielte. Auch antisemitische Untert¨one waren dem ma. P. nicht fremd, denunzierte es Juden doch manchmal als M¨order Christi. Insgesamt erleichterte die Variabilit¨at des szenischen Repertoires die Verbindung der P. mit anderen Spielen zu gemeinsamen Zyklen gr¨oßeren Umfangs. War das P. inhaltlich also sehr flexibel, so herrschte formal seit dem 14. Jh. ein Typus mit dt. Reimpaarversen und lat., manchmal dt. Regieanweisungen vor. Vereinzelt wurden in lat. Sprache auch Hymnen und Zitate aus Bibel oder Liturgie hinzugef¨ugt. Die Grundentwicklung verlief vom lat. Text des Benediktbeurer P. zum volkssprachigen P. f¨ur die lateinunkundige Bev¨olkerung. Die Entwicklung des P. ist eng mit dem Herausbilden lokaler Spielzentren verkn¨upft. Man unterscheidet mittelrheinische, (Benediktbeuern, Wien), rheinhessische (Frankfurt/Main, Alsfeld, Fritzlar, Heidelberg), Tiroler (Bozen, Brixen, Hall, Sterzing) und Schweizer (Luzern) Zentren. Besonders Tirol entwickelte sich im dt. Sprachraum w¨ahrend des 15. und 16. Jh. zu einer der bedeutendsten Spiellandschaften. Dort sind seit 1430 P. nachgewiesen, in denen meist die Ereignisse von Gr¨undonnerstag, Karfreitag und Ostersonntag im Mittelpunkt stehen. Zu nennen sind das Admonter P., Bozner P., Brixener P, Haller P. und Sterzinger P. F¨ur den mittelrheinischen Raum ist etwa das Große Benediktbeurer P. (CB 16* der Carmina Burana, Benediktbeurer Spiele) zu nennen. Es zeigt Paralellen zum → Wiener P., von dem wiederum Beziehungen zum → Maastrichter und zum → Kreuzensteiner P. bestehen. Dieses zeigt auch Parallelen zum Maastrichter P. und zum Kreuzensteiner P. Zu den rheinhessischen Spielen z¨ahlen in der Tradition der sog. → Frankfurter Dirigierrolle vor allem die Alsfelder P., → Frankfurter P., → Heidelberger P., → Fritzlarer P. und die → Friedberger Dirigierrolle. Im Schweizer. 1064
Passionsspiele Raum besaß Luzern eine bis ins 17. Jh. durch zahlreiche Texte und Regiematerialien nachweisbare P.-Tradition (→ Luzerner P.). Als weitere P. seien genannt: → Augsburger P., → Berliner (niederrheinisches) Passionsspiel-Fragment, → Donaueschinger P., → Egerer P., → Haller P., → Himmelgartner (s¨udostf¨alische) Passionsspielfragmente, → Osnabr¨ucker Passionsspielfragmente, Sonthofener P., St. → Galler (mittelrheinisches) P., Villinger P., → Welser Passionsspielfragment und das Zurzacher P. des Matthias → Gundelfinger. Die P.-Traditionen dieser Orte endeten vielfach im Zuge der Reformation. In den kath. Gebieten blieben P. bis in die Fr¨uhe Neuzeit beliebt und verloren erst im Barock an Bedeutung. Vereinzelt lebt das P. noch heute fort, in Deutschland besonders im Oberammergauer P. Unter den geistlichen Spieltypen des MA nehmen die P. eine herausgehobene Stellung ein. In ihnen erfolgte die dramatische Gestaltung zentraler Momente der Heilsgeschichte, die zu den H¨ohepunkten des Kichenjahres geh¨orten, was den P. großes religi¨oses Gewicht verlieh. Die zunehmende Einbeziehung st¨adtischer B¨urger in die Organisation und Durchf¨uhrung der P. veranschaulicht jedoch auch den allm¨ahlichen Bedeutungszuwachs des B¨urgertums gegen¨uber Adel und Klerus. Dies macht die P.-Tradition zu einem Indikator sozio-politischer Ver¨anderungen. Die vielfachen Transformationen und Verwandtschaften der P. im Kontext lokaler Traditionen sind bis heute ein lohnender Forschungsgegenstand. ¨ ¨ Uberlieferung: Vgl. die Uberl. der Einzelspiele. Ausgaben: Vgl. auch die Ausg. der im Text genannten Einzelspiele. Hier nur gr¨oßere Sammelausgaben: Franz Joseph Mone (Hg.): Schauspiele des MA. 2 Bde. Karlsruhe 1846. Nachdr. in 1 Bd. Aalen 1970. – Richard Froning: Das Drama des MA. 3 Bde. Stuttgart [1891]. Nachdr. Darmstadt 1964. T¨ubingen/Berlin 1974. – Josef E. Wackernell (Hg.): Altdt. Passionsspiele aus Tirol, mit Abh. u¨ ber ihre Entwicklung, Composition, Quellen, Auff¨uhrungen und litterarhist. Stellung. Graz 1897. Neudr. Walluf 1972. – Karl Young: The Drama of the Medieval Church. 2 Bde. Oxford 1933. Nachdr. ebd. 1967. – Eduard Hartl (Hg.): Das Drama des MA 4. Leipzig 1942. Nachdr. Darmstadt 1966. – Karl Langosch (Hg.): Geistliche Spiele. Lat. Dramen des MA mit dt. Versen. Darmstadt 1957. Nachdr. ebd. 1961. – Karl Konrad Polheim/Stefan Schr¨oder (Hg.): Volksschauspiele. Bd. 1 und 2. Paderborn 2000, 2002. 1065
um 1200 Literatur: Vgl. auch die Lit. zu den im Text genannten Einzelspielen. – G¨unter Bernt u. a.: Drama. In: LexMA 3 (1986) Sp. 1353–1367. – G. Bernt/Lynette R. Muir: Geistliches Spiel. In: LexMA 4 (1989) Sp. 1192–1196. – Franz K¨orndle: Liturgische Dramen, Geistliche Spiele. In: MGG2 Sachteil 5 (1996) Sp. 1388–1412. – Jan-Dirk Mu¨ ller: Osterspiel. In: RLW 2 (2000) S. 775–777. – John Stevens/Richard Rastall: Medieval Drama. In: The New Grove Dictionary of Music and Musicians 16. Hg. v. Stanley Sadie. London u. a. 22001, S. 227–267. – R¨udiger Brandt: Osterspiele. In: KLL3 12 (2009) S. 401–405. – Ders.: Passionsspiele. In: KLL3 12 (2009) S. 577–581. – Ludwig Wirth: Die Oster- und P. bis zum 16. Jh. Beitr. zur Gesch. des dt. Dramas. Halle/Saale 1889. – Maximilian Josef Rudwin: A Historical and Bibliographical Survey of the German Religious Drama. Pittsburgh 1924. – Renata von Stoephasius: Die Gestalt des Pilatus in den ma. P. W¨urzburg 1938. – Hardin Craig: The Origin of the Passion Play. Matters of Theory as well as Fact. In: Studies in Honor of A. H. R. Fairchild. Hg. v. Charles Tyler Prouty. Columbia 1946, S. 81–90. – Ernst August Schuler: Die Musik der Osterfeiern, Osterspiele und Passionen des MA. Kassel u. a. 1951. – Maria E. M¨uller: Tragische Elemente im dt. P. des MA. Diss. G¨ottingen 1952. – Ludwig Kaff: Ma. Osterund P. aus Ober¨osterreich im Spiegel musikwissenschaftlicher Betrachtung. Wien 1956. – Sigrid Mayer: Die P.-Tradition im Allg¨au. Diss. M¨unchen 1957. – Wolfgang F. Michael: Fr¨uhformen der dt. B¨uhne. Berlin 1963. – Wilfried Werner: Stud. zu den Passions- und Osterspielen des dt. ¨ MA in ihrem Ubergang vom Latein zur Volkssprache. Berlin 1963. – Alexander Gr¨unberg: Das ¨ religi¨ose Drama des MA. Osterreich, Deutschland, Schweiz 3: P. Wien 1965. – Rolf Steinbach: Die dt. Oster- und P. des MA (K¨olner germanistsiche Stud. 4). K¨oln/Wien 1970 (Lit.). – Theo Stemmler: Liturgische Feiern und geistliche Spiele. Stud. zu Erscheinungsformen des Dramatischen im MA. T¨ubingen 1970. – Snadro Sticca: The Latin Passion Play. Its Origins and Development. Albany 1970. – W. F. Michael: Das dt. Drama des MA. Berlin u. a. 1971. – Rolf Bergmann: Stud. zu Entstehung und Gesch. der dt. P. des 13. und 14. Jh. (MMS 14). M¨unchen 1972. – Carl J. Stratman: Bibliography of Medieval Drama. New York 21972 (¨altere Lit.). – David Brett-Evans: Von Hrotsvit bis Folz und Gengenbach. Eine Gesch. des ma. 1066
um 1200 dt. Dramas. Bd. 1: Von der liturgischen Feier zum volkssprachlichen Spiel. Berlin 1975. – K. K. Polheim: Weitere Forschungen zu den Osterund P. des dt. MA. Ein Ber. In: ZfdPh Beih. 94 (1975) S. 194–212. – Walther Lipphardt: Musik in den sp¨atma. P. und Osterspielen von Bozen, Sterzing, und Brixen. In: Tiroler Volksschauspiel. Beitr. zur Theatergesch. des Alpenraumes. Hg. v. Egon K¨uhebacher. Bozen 1976, S. 127–166. – Barbara Thoran: Stud. zu den o¨ sterlichen Spielen des dt. MA. (Ein Beitr. zur Kl¨arung ihrer Abh¨angigkeit voneinander). 2., durchges. und erg. Aufl. (GAG 199). G¨oppingen 1976. – Bernd Neumann: Zeugnisse ma. Auff¨uhrungen im dt. Sprachraum. Eine Dokumentation zum volkssprachigen geistlichen Schauspiel. Tl. 1. Diss. K¨oln 1977. – Cornelia van den Wildenberg-de Kroon: Die Szene von der Auferweckung des Lazarus in den dt. und franz¨osischen ma. P. In: AB¨aG 25 (1986) S. 89–106. – R. Bergmann: Kat. der deutschsprachigen geistlichen Spiele und Marienklagen des MA (Ver¨off. der Kommission f¨ur dt. Lit. des MA der Bayerischen Akad. der Wiss.). Mu¨ nchen 1986 (mit Ausg. und Lit.). – Hansj¨urgen Linke: Passions- und Fronleichnamsspiele. In: Reimpaargedichte, Drama, Prosa 1250–1370 (Gesch. der dt. Lit. von den Anf¨angen bis zur Gegenwart 3/2). Hg. v. Ingeborg Glier. Mu¨ nchen 1986, S. 185–197. – Natascha Bremer: Das Bild der Juden in den P. und in der bildenden Kunst des dt. MA. Frankfurt/M. 1986. – Bernd Neumann: Geistliches Schauspiel im Zeugnis der Zeit (MTU 84/85). 2 Bde. M¨unchen 1987. – Nicky Zwijnenburg-T¨onnies: Die Veronicagestalt in den dt. P. des 15. und 16. Jh. Amsterdam 1988. – C. van den Wildenberg-de Kroon: Zuschauer und Szenenwechsel im dt. und franz¨osischen P. In: AB¨aG 27 (1988) S. 151–160. – Dies.: Zur Struktur der dt. und franz¨osischen sp¨atma. P. In: AB¨aG 28 (1989) S. 111–118. – H¨ort, sehet, weint und liebt. P. im alpenl¨andischen Raum. Hg. v. Michael Henker u. a. M¨unchen 1990. – Carla Dauven-van Knippenberg: Das Vienner Konzil und die Durchbohrung der Seite Christi im dt. P. des MA. In: ZfdA 120 (1991) S. 439–451. – Joerg O. Fichte: Die Darst. von Jesus Christus im Passionsgeschehen der englischen Fronleichnamszyklen und der sp¨atma. dt. P. In: Die Passion Christi in der Lit. und Kunst des Sp¨atMA. Hg. v. Walter Haug/Burghart Wachinger. T¨ubingen 1993, S. 277–296. – Osterspiele. Texte und Musik. Akten des 2. Symposiums der Sterzinger Osterspiele, 12.–16.4.1992. Hg. v. Max 1067
Passionsspiele Siller. Innsbruck 1994 (auch zu P.). – Glynne Wickham: The Medieval Theatre. Cambridge 31995. – Jan-Dirk M¨uller: Das Ged¨achtnis des gemarterten K¨orpers im sp¨atma. P. In: K¨orper, Ged¨achtnis, Schrift. Der K¨orper als Medium kultureller Erin¨ nerung. Hg. v. Claudia Ohlschl¨ ager/Birgit Wiens. Berlin 1997, S. 75–92. – Monika Fink: Geistliche Spiele im 15. und 16. Jh. In: Musikgesch. Tirols. Bd. 1. Hg. v. Kurt Drexel/M. Fink. Innsbruck 2001, S. 323–334. – Dorothea Freise: Geistliche Spiele in der Stadt des ausgehenden MA. Frankfurt – Friedberg – Alsfeld (Ver¨off. des Max-PlanckInst. f¨ur Gesch. 178). G¨ottingen 2002. – K. K. Polheim: Stud. zum Volksschauspiel und ma. Drama. Paderborn 2002, passim. – Anthonius H. Touber: P. und Ikonographie. In: Ritual und Inszenierung. Geistliches und weltliches Drama des MA und der Fr¨uhen Neuzeit. Hg. v. Hans-Joachim Ziegler. T¨ubingen 2004, S. 261–272. – Jutta Eming: Sprache und Gewalt im sp¨atma. P. In: Blutige Worte. Internationales und interdisziplin¨ares Kolloquium zum Verh¨altnis von Sprache und Gewalt in MA und Fr¨uher Neuzeit. Hg. v. ders./Claudia Jarzebowski. G¨ottingen 2007, S. 31–52. – Peter Macardle: The St Gall Passion Play. Music and Performance. Amsterdam 2007. – Elke Koch: Inszenierungen des Heiligen. Spielspezifische Strategien am Beispiel hessischer P. In: Transformationen des Religi¨osen. Performativit¨at und Textualit¨at im geistlichen Spiel. Hg. v. I. Kasten/Erika Fischer-Lichte. Berlin u. a. 2007, S. 201–217. – Johannes Janota: Zu Absicht und Wirkung der sp¨atma. Passionsspielauff¨uhrungen. In: ZfdA 137 (2008) S. 439–470. – J. Eming: Marienklagen im P. als Grenzfall religi¨oser Kommunikation. In: Literarische und religi¨ose Kommunikation in MA und Fr¨uher Neuzeit. Hg. v. Peter Strohschneider. Berlin u. a. 2009, S. 794–816. – Franziska Hammer: Grausamkeit als Modus der Unterhaltung. Zur Funktionalisierung von Grausamkeit in den Folterszenen sp¨atma. P. und Heiligenlegenden. In: Grausamkeit und Metaphysik. ¨ Figuren der Uberschreitung in der abendl¨andischen Kultur. Hg. v. Mirjam Schaub. Bielefeld 2009, S. 117–140. – Edith Wenzel: ‹Wucherer und Gottesm¨order›. Inszenierte Judenfeindschaft im P. des Sp¨atMA. In: Fremdbilder – Selbstbilder. Imaginationen des Judentums von der Antike bis in die Neuzeit. Hg. v. Ren´e Bloch u. a. Basel 2010, S. 135–153. – Ursula Schulze: Geistliche Spiele im MA und in der Fr¨uhen Neuzeit. Von der liturgischen Feier zum Schauspiel. Eine Einf. Berlin 2012, S. 78–83. MM 1068
Osterspiele und Osterfeiern Osterspiele und Osterfeiern. – Formen des geistlichen Dramas, ab dem 10. Jh. Im Mittelpunkt der Osterfeiern (OF) und Osterspiele (OS) steht die szenisch-dramatische Darstellung des heilsgeschichtlichen Ostergeschehens um den Grabbesuch der drei Marien («visitatio sepulchri»). Von der lat. Kirchensprache und liturgischen Formen gepr¨agt, entwickelten sich beide Formen zun¨achst noch im Kontext lat. Ges¨ange und kirchlicher Kulthandlungen sowie im engen Bezug zum Kirchenjahr. Gerade in der a¨lteren OF sind liturgische Zeremonien und dramatische Spielelemente nur schwer voneinander zu trennen. Die chorischen Wechselges¨ange der Liturgie wurden dann allm¨ahlich auf verschiedene Sprecher aufgeteilt und dramatisch ausgestaltet, was zur Verselbst¨andigung des OS gegen¨uber der Liturgie f¨uhrte. OF und OS existierten allerdings lange Zeit nebeneinander, sind also keine sich ausschließenden Entwicklungsstufen. Die OF unterscheidet sich von dem OS durch ihre gesungenen Texte in lat. Sprache sowie ihre feste Einbindung in die kirchliche Liturgie. Das OS z¨ahlt zu den a¨ltesten Hauptarten des mittelalterlichen Dramas und ist als umfangreiches Korpus von u¨ ber 40 Spielen und ¨ Fragmenten tradiert (Liste s. Uberlieferung). Es wurde im MA u. a. als «ludus paschalis» bezeichnet. Gegen¨uber der OF enth¨alt es meist eine erweiterte Darstellung der o¨ sterlichen Geschehnisse, in die neben den traditionellen Bibelstellen auch Szenen apokryphen oder legendarischen Ursprungs einbezogen sind. Auch die Darstellung der in der Bibel nicht beschriebenen Auferstehung unterscheidet das OS von der OF. Die Offenheit des OS f¨ur zus¨atzliche Szenen f¨uhrte zu stofflichen und the¨ matischen Uberschneidungen mit anderen Spieltypen wie dem → Passionsspiel, Weihnachtsspiel und Fronleichnamsspiel sowie Unterformen wie Emmausspiel und Peregrinusspiel. Wie diese wurde das OS in vielen St¨adten als o¨ ffentliches Spektakel zur religi¨osen Belehrung des Volks inszeniert, ein weiterer Unterschied zur OF, deren lat. Texte von Laien nicht ohne Erl¨auterungen verstanden werden konnten. Als liturgische Wurzel von OF und OS gilt meist, wenn auch nicht unumstritten, der lat. Tropus Quem quaeritis. Darin ist im dialogischen Wechselgesang das Gespr¨ach zwischen den Marien und dem Engel am Grab Jesu gestaltet. Der Tropus wurde als Teil der Liturgie am Morgen des Ostersonntags gesungen. Er wird in f¨unf regionale Typen eingeteilt, darunter ein St. Galler und ein 1069
um 1200 lothringisch-rheinischer Typus. Die a¨ lteste erhaltene Fassung (10. Jh.) des Quem quaeritis stammt aus der Abtei St. Martial (Limoges). Die «visitatio»Szene wurde urspr¨unglich von zwei Halbch¨oren gesungen, sp¨ater aber von Marien und Engeln. Die Schaffung dieser Rollen erh¨ohte den dramatischen Charakter der «visitatio sepulchri» und markierte die Geburt der OF. Diese ist mit rund 700 Texten u¨ berliefert, die insgesamt vom 10. bis 18. Jh. reichen und sich im 13. bis 15. Jh. h¨aufen. Besonders ¨ umfangreich ist die Uberlieferung im dt. Raum. Die OF werden auf Grundlage ihres szenischen Bestands in drei Typen eingeteilt: Typ I enth¨alt nur die «visitatio sepulchri», Typ II diese und den Wettlauf der Ju¨ nger zum Grab Jesu, Typ III schließlich die «visitatio sepulchri», die sog. Hortulanusszene und manchmal den Wettlauf. Je nach den in ihnen vorkommenden Figuren lassen sich noch weitere Untertypen definieren. Die drei Typen waren regional unterschiedlich verteilt. W¨ahrend Typ I die gr¨oßte allgemeine Verbreitung erlangte, war Typ II vor allem in Deutschland gebr¨auchlich und Typ III im dt. und anglonormannischen Bereich. Alle Typen bestanden nebeneinander, zeigen aber gleichwohl szenische Erweiterungsschichten der OF auf. W¨ahrend die fr¨uhen OF des 10. und 11. Jh. sich noch auf die Kernhandlung der «visitatio sepulchri» beschr¨anken, ist ab dem 12. Jh. auch der Wettlauf der Apostel Petrus und Johannes zum Grab als Handlungsbestandteil nachweisbar. Ebenfalls im 12. Jh. wird, u. a. in Einsiedeln, die Hortulanusszene integriert. Darin begegnet Maria Magdalena dem auferstandenen Jesus, der ihr in Gestalt eines G¨artners erscheint. Diese Einf¨uhrung von Jesus als dramatischer Figur stellte eine bedeutende Weiterentwicklung dar. Die Auferstehung selbst wurde dann ab dem 13. Jh. aufgef¨uhrt. Die dramatische Darstellung der OF-Szenen erfolgte wahrscheinlich pantomimisch neben den Ges¨angen. Auff¨uhrungsorte waren Kirchen, zentrale Station das Heilige Grab, das meist durch den Altar verk¨orpert wurde, aber auch im Mittelschiff oder der Krypta angesiedelt sein konnte. Die Darsteller waren durchweg m¨annliche Kleriker; erst ab dem 14. Jh. wurden die Marienrollen mit Frauen besetzt. Die szenische Erweiterung der OF sprengte schließlich deren liturgischen Rahmen und f¨uhrte zur n¨achsten Entwicklungsstufe, dem OS. Es erwuchs aus OF-Typ III und f¨ugte dessen Bestand 1070
um 1200 mehrere Elemente hinzu, die das OS jahrhundertelang pr¨agten. Dazu z¨ahlten die Grabw¨achter, der Salbenkauf der drei Marien bei einem Kr¨amer, der Gang der J¨unger nach Emmaus (Peregrinusspiel) und ein Besuch Jesu in der H¨olle, wo er unschuldige Seelen befreit und die Teufel so zwingt, die H¨olle mit frischen Seelen auff¨ullen zu m¨ussen. Diese Erweiterungen machen deutlich, wie sehr sich das OS von dem liturgischen Kern des Osterfests entfernte. Sie zeigen außerdem auf, warum das OS sich gegen¨uber der OF zu einem popul¨aren o¨ ffentlichen Spektakel entwickeln konnte: Elemente wie der Seelenfang, der Salbenkauf und die Grabw¨achter besaßen ein burleskes Potential, das eine komische bis derbe Ausgestaltung erlaubte. Ebenso vergr¨oßerten diese Erweiterungen die Zahl der Figuren auch um nicht biblisch nachweisbare, doch h¨ochst anschauliche Gestalten wie den Salbenkr¨amer und seine Frau. Das OS verband dramatische mit sprachlicher Vielfalt: Neben lat. OS entstanden volkssprachige Spiele und Mischformen. Die Bl¨utezeit des lat. OS reichte von etwa 1200 bis 1500. Beispiele sind das im → Carmina Burana-Kodex u¨ berlieferte Benediktbeurer OS (→ Benediktbeurer Spiele), das → Klosterneuburger OS, Einsiedler OS, Marienberger OS, Rheinauer OS und a¨ltere Engelberger OS. Das lat. OS war meist nicht mehr als rund 200 Verse lang und damit k¨urzer als das volkssprachige OS, das mehr als 1000 Verse umfassen konnte. Es war in lat. Prosa und Versen geschrieben, deren Gestalt nicht streng festgelegt war. Einfache Reimpaarverse sind ebenso bekannt wie anspruchsvollere Formen. Die lat. Regieanweisungen der OS sind auch in volkssprachigen Spielen nachgewiesen. Ab dem 12. Jh. wurden die lat. Spiele außerdem durch volkssprachige Hymnen erweitert, die m¨oglicherweise ein Laienpublikum ansprechen sollten. Volkssprachige und gemischte OS existieren sp¨atestens seit dem 13. Jh. in mehreren europ¨aischen Sprachgebieten, vor allem in Deutschland, England und Frankreich. Besonders popul¨ar waren sie im 15. Jh. Mischsprachige OS sind h¨aufig, doch schwankt der lat. Anteil. So sind dt. Spiele erhalten, in denen nur die Regieanweisungen lat. verfasst sind, manchmal auch eingef¨ugte Hymnen. Beispiele f¨ur dt. OS sind das → Berliner (th¨uringische) OS-Fragment, das → Brandenburger OS und das → OS von Muri; lat.-dt. verfasst sind u. a. das → Breslauer OS, das → Frankfurter OS-Fragment, → Innsbrucker OS, → Trierer OS und → Wienh¨auser 1071
Osterspiele und Osterfeiern OS. Das aus der Mitte des 13. Jh. stammende OS von Muri gilt als das a¨ lteste deutschsprachige OS, unterscheidet sich aber durch h¨ofische Einfl¨usse von anderen Spielen. Die ganz oder teilweise volkssprachigen OS differieren auch in ihren inhaltlichen Akzentuierungen einzelner Szenen. W¨ahrend manche Spiele sich auf die bereits in den OF verwendeten Kernszenen beschr¨anken, ergehen sich andere OS in breiten Ausgestaltungen komischer bis derber Elemente. Durch diese burlesken Z¨uge emanzipierte sich das OS endg¨ultig von seinen liturgischen Wurzeln und gewann stark an Volkst¨umlichkeit. ¨ Die OF- und OS-Uberlieferung umfasst mehrere Hundert Handschriften und Drucke seit dem 10. Jh. Die fr¨uhen OF wurden in Tropenb¨uchern u. a. liturgischen Zeugnissen meist ohne Musiknotation dokumentiert. Die OS weisen eine vielge¨ staltige Uberlieferung auf, deren Schwerpunkt im 15. und fr¨uhen 16. Jh. liegt, w¨ahrend aus dem 14. Jh. vor allem Fragmente u¨ berliefert sind. Die erhaltenen Manuskripte umfassen vollst¨andige Spieltexte, aber auch Bruchst¨ucke oder knappe Notizen, in denen nur die Anfangszeilen von Liedern und Dialogen festgehalten sind. Neben Dirigierrollen, Regieb¨uchern und -materialien mit und ohne Melodien sind auch Rechnungen, B¨uhnenpl¨ane u. a¨ . Dokumente u¨ berliefert. Die Auff¨uhrungsumst¨ande mancher OS sind besser belegt als die eigentlichen Texte. Diese wurden oftmals von Auff¨uhrung zu Auff¨uhrung redigiert und den Umst¨anden der jeweiligen Inszenierung angepasst. Die Spielleiter mussten die Spiele z. B. der Zahl der verf¨ugbaren Darsteller und den vorhandenen Finanzmitteln anpassen. Die Notwendigkeiten der Auff¨uhrungen waren also wichtiger als die Konsistenz der Texte. ¨ Die OS-Uberlieferung ist h¨aufig anonym, l¨asst sich aber im 15. und 16. Jh. mit Namen von Regisseuren, Spielleitern, Redaktoren, Sammlern und Verfassern verbinden, darunter Benedikt Debs, Hans Salat und Vigil → Raber. Hinzu kommen Darstellerverzeichnisse, die R¨uckschl¨usse auf Inhalt, Umfang und gesellschaftlichen Kontext der OS erlauben. Verfasser und Spielleiter der OF und OS waren urspr¨unglich Geistliche und M¨onche. F¨ur die Geschichte der OF galt dies allgemein auch weiterhin, w¨ahrend die Entwicklung der OS einen anderen Weg nahm. Aufgrund ihres o¨ ffentlichen Charakters standen die OS schon grunds¨atzlich unter der Aufsicht st¨adtischer Obrigkeiten, die f¨ur Sicherheit 1072
Osterspiele und Osterfeiern und Ordnung zust¨andig waren. In Luzern ernannte etwa der Stadtrat Gerichts- oder Stadtschreiber zu Spielleitern. Organisation und Inszenierung der Spiele wurden im 15. und 16. Jh. dann zunehmend zu b¨urgerlichen Dom¨anen: Gilden, Zu¨ nfte und Spielgesellschaften wirkten verst¨arkt an den Auff¨uhrungen mit und stellten schließlich neben den Spielleitern auch die Mehrzahl der Darsteller. Die Spielteilnahme in einer m¨oglichst wichtigen Rolle wurde unter den Stadtb¨urgern zu einem regelrechten Statussymbol, f¨ur das man auch zu bezahlen bereit war. Z. B. u¨ bernahmen Zunftmitglieder Nebenrollen, geistliche und weltliche Amtstr¨ager sowie Patrizier die Hauptrollen. Auch wenn die OS meist nicht den Umfang der gr¨oßeren Passionsspiele erreichten, wurden sie wie diese oft aufwendig und mit vielen Darstellern inszeniert. Als Spielorte dienten neben Kirchen zunehmend Marktpl¨atze oder Kirchenvorpl¨atze, weil nur diese gen¨ugend Raum f¨ur umfangreiche Inszenierungen boten. Meist wurden OS und andere geistliche Spiele auf Simultanb¨uhnen aufgef¨uhrt, die eine fl¨ussige Abfolge wechselnder Szenen ohne zeitraubende Umbauten erlaubten. Sogar gleichzeitige Darstellungen auf mehreren B¨uhnen waren so m¨oglich. Die B¨uhnenbauten umfassten h¨aufig eine Hauptb¨uhne, um die bis zu 16 sog. H¨auser oder St¨ande f¨ur die Darsteller von Einzelszenen gruppiert waren. Manchmal befand sich an einem Platzende die erh¨ohte Himmelsb¨uhne, auf der anderen Seite eine B¨uhne f¨ur H¨ollenszenen. Auch wenn die OF bis ins 18. Jh. fortbestand, so erreichte sie doch nie die Vielfalt und Popularit¨at des OS. Dies war sicher in der lat. Sprache der OF begr¨undet, der gegen¨uber das volkssprachige OS nat¨urlich f¨ur die allgemeine Bev¨olkerung zug¨anglicher war. Auch u¨ berlagerten die pr¨achtigen Inszenierungen von OS bzw. OS-Szenen enthaltenden Passionsspielen die liturgischen Wurzeln der o¨ sterlichen Auff¨uhrungen. In seiner Verbindung von Text, Musik und Fr¨ommigkeit konstituiert das ma. OS ein Gesamtkunstwerk, dessen sinnliche Wirkung in einer reizarmen Zeit nicht untersch¨atzt werden darf. Erst die Reformation schw¨achte das OS durch die Verdr¨angung in kath. Regionen. Die Wiederentdeckung des antiken Dramas im Humanismus f¨uhrte zu einer weiteren Abwertung des OS, das nun als allzu volkst¨umlich und zu wenig kunstvoll wahrgenommen wurde. Das OS entwickelte sich zu einem vereinzelten, lokalen Ph¨anomen. Mit 1073
um 1200 Carl Orffs Comoedia de Christi resurrectione (1957) erhielt es noch im 20. Jh. eine k¨unstlerische W¨urdigung. ¨ Uberlieferung: Hunderte von Hss. ab dem ¨ 10. Jh. Vgl. die Uberl. der Einzelspiele und das Handschriftenverz. in LOO Bd. 6, 1981 (s. Ausg.). – Einzelne OS: → Augsburger OS, Benediktbeurer OS (→ Benediktbeurer Spiele), → Berliner (rheinisches) OS, → Berliner (th¨uringisches) OS-Fragment, Bozner OS (→ Bozner Spiele), → Brandenburger OS, Braunschweiger OS, → Breslauer OS, Chiemseer OS, Egmonder OS, Einsiedler OS, Engelberger OS, → Feldkircher OS, → Frankfurter OSFragment, → F¨ussener OS, G¨ottweiger Dirigierrolle eines OS, → Havelberger OS, → Hersfelder OS, → Innsbrucker (th¨uringisches) OS, → Klosterneuburger OS, → Kremsm¨unsterer OS, → Lichtenthaler (bairisches) OS-Fragment, → L¨ubener OS, → Luzerner OS, → Maastrichter OS, Marienberger OS, → Melker (rheinfr¨ankisch-hessisches) OS, → M¨unchner OS, → OS von Muri, Nottulner OS I und II, → Osnabr¨ucker OS, Prager OS, → Redentiner OS, → Regensburger (alemannisches) OS, Rheinauer OS, → Trierer OS, → Wiener (schlesisches) OS, → Wienh¨auser OS, → Wolfenb¨utteler OS, → Zwickauer OS. ¨ Ausgaben: Vgl. auch die Ausg. der unter Uberl. genannten Einzelspiele, etwa bei Bergmann 1986 (s. Lit.). Hier nur gr¨oßere Sammelausgaben: Franz Joseph Mone (Hg.): Schauspiele des MA. 2 Bde. Karlsruhe 1846. Nachdr. in 1 Bd. Aalen 1970. – Edmond de Coussemaker: Drames Liturgiques du ˆ Moyen Age. Texte et Musique. Rennes 1860. Nachdr. Genf 1975 (Melodien). – Gustav Milchsack (Hg.): Die Oster- und Passionsspiele. Bd. 1: Die lat. Osterfeiern. Wolfenb¨uttel 1880. – Richard Froning: Das Drama des MA. 3 Bde. Stuttgart [1891]. Nachdr. Darmstadt 1964. T¨ubingen/Berlin 1974. – Karl Young: The Drama of the Medieval Church. 2 Bde. Oxford 1933. Nachdr. ebd. 1967. – Eduard Hartl (Hg.): Das Drama des MA. 3 Bde. Leipzig 1937–42. Nachdr. Darmstadt 1966–69. – Schuler 1951 (s. Lit.; Melodien). – Karl Langosch (Hg.): Geistliche Spiele. Lat. Dramen des MA mit dt. Versen. Darmstadt 1957. Nachdr. ebd. 1961. – Marie Dolores Moore: The Visitatio Sepulchri of the Medieval Church. A Historical, Geographical, and Liturgical Survey. Tl. 2. Diss. Rochester 1971, S. 4–307 (Melodien). – Walther Lipphardt u. a. (Hg.): Lat. Osterfeiern und Osterspiele. 9 Bde. Berlin/New York 1975–90 (Standardausg., meist 1074
um 1200 als LOO mit Nr. zit. Vgl. dazu: Helmut de Boor, in: PBB [T¨ub.] 98 [1976] S. 460–469; Hansj¨urgen Linke, in: AfdA 94 [1983] S. 33–38). – Karl Konrad Polheim/Stefan Schr¨oder (Hg.): Volksschauspiele. Bde. 1 und 2. Paderborn 2000, 2002. Drucke: Verz. in LOO. Bd. 6, 1981 (s. Ausg.). ¨ Literatur: Altere Lit. bei Rudwin 1924, Steinbach 1970, Stratman 1972, Linke/Mehler 1989 (s. u.). Vgl. auch LOO (s. Ausg.) und die Lit. zu den im Text genannten Einzelspielen. – G¨unter Bernt u. a.: Drama. In: LexMA 3 (1986) Sp. 1353–1367. – De Boor/Newald 3/2 (1987) S. 156–203. – H. Linke/Ulrich Mehler: Osterfeiern. In: VL2 7 (1989) Sp. 92–108. – G. Bernt/ Lynette R. Muir: Geistliches Spiel. In: LexMA 4 (1989) Sp. 1192–1196. – Jan-Dirk M¨uller: Osterspiel. In: RLW 2 (2000) S. 775–777. – John Stevens/Richard Rastall: Medieval Drama. In: The New Grove Dictionary of Music and Musicians 16. Hg. v. Stanley Sadie. London u. a. 22001, S. 227–267. – R¨udiger Brandt: Osterspiele. In: KLL3 12 (2009) S. 401–405. – Ders.: Passionsspiele. In: KLL3 12 (2009) S. 577–581. – Ludwig Wirth: Die Oster- und Passionsspiele bis zum 16. Jh. Beitr. zur Gesch. des dt. Dramas. Halle/ Saale 1889. – Maximilian Josef Rudwin: A Historical and Bibliographical Survey of the German Religious Drama. Pittsburgh 1924. – Joseph Klapper: Der Ursprung der lat. Osterfeiern. In: ZfdPh 50 (1926) S. 46–58. – Philipp Huppert: Ma. Osterfeiern und Osterspiele in Deutschland. D¨usseldorf 1929. – Helmut Niedner: Die dt. und franz¨osischen Osterspiele bis zum 15. Jh. Ein Beitr. zur Theatergesch. des MA. Berlin 1932. Nachdr. Nendeln 1967. – E. Hartl: Anm. zu mhd. Osterspielen. In: ZfdPh 62 (1937) S. 233–243. – W. Lipphardt: Die Weisen der lat. Osterspiele des 12. und 13. Jh. Kassel [1948]. – H. de Boor: Die lat. Grundlage der dt. Osterspiele. In: Hessische Bll. f¨ur Volkskunde 41 (1950) S. 45–66. – Ernst August Schuler: Die Musik der Osterfeiern, Osterspiele und Passionen des MA. Kassel u. a. 1951. – Brigitta Schreyer: Das lat.-dt. Osterspiel. Gestalt, Entwicklung, Urgestalt. Habil.-Schr. Halle/Saale 1952. – Werner Danne: Die Beziehungen des Osterspiels von Muri zu den lat. Osterfeiern und -spielen und zu den u¨ brigen deutschsprachigen Osterspielen. Diss. Berlin 1955. – Ludwig Kaff: Ma. Oster- und Passionspiele aus Ober¨osterreich im Spiegel musikwissenschaftlicher Betrachtung. Wien 1956. – Helmut de Boor: Der Salbenkauf in den lat. Osterspielen des MA. 1075
Osterspiele und Osterfeiern In: FS Louis L. Hammerich. Kopenhagen 1962, S. 29–44. – Wolfgang F. Michael: Fr¨uhformen der dt. B¨uhne. Berlin 1963. – Wilfried Werner: Stud. zu den Passions- und Osterspielen des dt. MA in ih¨ rem Ubergang vom Latein zur Volkssprache. Berlin 1963. – Alexander Gr¨unberg: Das religi¨ose Drama ¨ des MA. Osterreich, Deutschland, Schweiz. Bd. 1: Das liturgische Drama. Osterfeier. Weihnachtsfeier. Wien 1965. – Osborne Hardison: Christian Rite and Christian Drama in the Middle Ages. Essays in the Origin and Early History of Modern Drama. Baltimore 1965. Nachdr. Westport/Conn. 1983. – Rolf M. Kulli: Die St¨andesatire in den dt. geistlichen Schauspielen des ausgehenden MA. Bern 1966. – H. de Boor: Die Textgesch. der lat. Osterfeiern (Hermaea NF 22). T¨ubingen 1967. – Theo Stemmler: Liturgische Feiern und geistliche Spiele. Stud. zu Erscheinungsformen des Dramatischen im MA. T¨ubingen 1970. – Rolf Steinbach: Die dt. Oster- und Passionsspiele des MA. Versuch einer Darstellung und Wesensbestimmung nebst einer Bibliogr. zum dt. geistlichen Spiel des MA. K¨oln u. a. 1970. – Willi Fleming: Die Gestaltung der liturgischen Osterfeier in Deutschland. In: Abh. der Akad. der Wiss. Mainz, geistes- und sozialwissenschaftliche Kl. 11 (1971) S. 547–587. – Carl J. Stratman: Bibliography of Medieval Drama. New York 21972 (¨altere Lit.). – Ruprecht Wimmer: Dt. und Lat. Osterspiel. Unters. zu den volkssprachlichen Entsprechungstexten der lat. Strophenlieder (MTU 48). Mu¨ nchen 1974. – Anke Roeder: Die Geb¨arde im Drama des MA. Osterfeiern, Osterspiele (MTU 49). Mu¨ nchen 1974. – Winfried Baumann: Die lat. Osterfeier in B¨ohmen. In: Die Welt der Slaven 19/20 (1974/75) S. 156–163. – David Brett-Evans: Von Hrotsvit bis Folz und Gengenbach. Eine Gesch. des ma. dt. Dramas. Bd. 1: Von der liturgischen Feier zum volkssprachlichen Spiel. Berlin 1975. – K. K. Polheim: Tradition und Reduktion. Eine einzigartige Osterfeier des Typus III. In: ZfdPh Beih. 94 (1975) S. 71–107. – Ders.: Weitere Forschungen zu den Oster- und Passionsspielen des dt. MA. Ein Ber. In: ebd., S. 194–212. – Ursula Hennig: Die Klage der Maria Magdalena in den dt. Osterspielen. Ein Beitr. zur Textgesch. der Spiele. In: ebd., S. 108–138. – Dies.: Der Teufel und die armen Seelen im dt. Osterspiel. In: Literaturwiss. und Geschichtsphilosophie. FS Wilhelm Emrich. Hg. v. Helmut Arntzen u. a. Berlin 1975, S. 232–238. – Lipphardt 1975–90 (s. Ausg.). – Barbara Thoran: Stud. zu den osterlichen ¨ Spielen des dt. MA. (Ein Beitr. zur Kl¨arung ihrer 1076
Osterspiele und Osterfeiern Abh¨angigkeit voneinander). 2., durchges. und erg. Aufl. (GAG 199). G¨oppingen 1976. – W. Lipphardt: Musik in den sp¨atma. Passionsspielen und Osterspielen von Bozen, Sterzing, und Brixen. In: Tiroler Volksschauspiel. Beitr. zur Theatergesch. des Alpenraumes. Hg. v. Egon K¨uhebacher. Bozen 1976, S. 127–166. – Barbara Thoran: Stud. zu den o¨ sterlichen Spielen des dt. MA. Ein Beitr. zur Kl¨arung ihrer Abh¨angigkeit voneinander (GAG 199). G¨oppingen 21976. – Peter C. Jacobsen: Zur Entwicklung des lat. geistlichen Spiels im 11. Jh. In: Mlat. Jb. 12 (1977) S. 44–68. – Bernd Neumann: Zeugnisse ma. Auff¨uhrungen im dt. Sprachraum. Eine Dokumentation zum volkssprachigen geistlichen Schauspiel 1. Diss. K¨oln 1977. – David A. Bjork: On the Dissemination of ‹Quem quaeritis› and the ‹Visitatio sepulchri› and the Chronology of Their Early Sources. In: Comparative Drama 14 (1980) S. 46–69. – Ulrich Mehler: Dicere und cantare. Zur musikalischen Terminologie und Auff¨uhrungspraxis des ma. geistlichen Dramas in Deutschland. Regensburg 1981. – Johann Drumbl: Quem quaeritis. Teatro Sacro dell’Alto Medioevo. Rom 1981. – Hans-Peter Boer: Wegen Abschaffung der Marien. Die sp¨atma. Osterfeier im Stifte Nottuln und ihr Untergang im Zeitalter der Aufkl¨arung. In: Geschichtsbll. des Kreises Coesfeld 7 (1982) S. 24–53. – Thomas Kirchner: Raumerfahrung im geistlichen Spiel des MA. Frankfurt a. M. u. a. 1985. – Johan Now´e: Kult oder Drama? Zur Struktur einiger Osterspiele des dt. MA. In: The Theatre in the Middle Ages. Hg. v. Gilbert Tournoy u. a. Leuven 1985, S. 269–313. – Rolf Bergmann: Kat. der deutschsprachigen geistlichen Spiele und Marienklagen des MA (Ver¨off. der Kommission f¨ur dt. Lit. des MA der Bayerischen Akad. der Wiss.). M¨unchen 1986 (mit Ausg. und Lit.). – B. Neumann: Geistliches Schauspiel im Zeugnis der Zeit (MTU 84/85). 2 Bde. Mu¨ nchen 1987. – Dietrich Schmidtke: Bemerkungen zur Entwicklung des dt. Osterspiels im 14. Jh. In: Momentum dramaticum. FS Eckehard Catholy. Hg. v. Linda Dietrick/David G. John. Waterloo/Kanada 1990, S. 75–91. – Gerald Beyreuther: Die Osterfeier als Akt k¨oniglicher Repr¨asentanz und Herrschaftsausu¨ bung unter Heinrich II. (1002–1024). In: Feste und Feiern im MA. Paderborner Symposion des Medi¨avistenverbandes. Hg. v. Detlef Altenburg u. a. Sigmaringen 1991, S. 245–255. – U. Hennig: Die Beteiligung von Frauen an lat. Osterfeiern. In: Geist und Zeit. Wirkungen des 1077
um 1200 MA in Lit. und Sprache. FS Roswitha Wisniewski. Hg. v. Carola Gottzmann/Herbert Kolb. Frankfurt/M. 1991, S. 211–227. – Osterspiele. Texte und Musik. Akten des 2. Symposiums der Sterzinger Osterspiele, 12.–16.4.1992. Hg. v. Max Siller. Innsbruck 1994. – Werner Mezger: ‹Quem quaeritis – wen suchen ihr hie?› Zur Dynamik der Volkskultur im MA am Beispiel des liturgischen Dramas. In: Modernes MA. Neue Bilder einer popul¨aren Epoche. Hg. v. Joachim Heinzle. Frankfurt/M. u. a. 1994, S. 209–243. – R. Bergmann/ Stefanie Stricker: Zur Terminologie und Wortgesch. des Geistlichen Spiels. In: Ma. Schauspiel. FS Hansj¨urgen Linke (AB¨aG 38/39). Hg. v. Ulrich Mehler/Anthonius H. Touber. Amsterdam u. a. 1994, S. 49–77. – Glynne Wickham: The Medieval Theatre. Cambridge 31995. – Gerhard Wolf: Zur H¨olle mit dem Teufel! Die H¨ollenfahrt Christi in den Passions- und Osterspielen des MA. In: Die Vermittlung geistlicher Inhalte im dt. MA. Internationales Symposium, Roscrea 1994. Hg. v. Timothy R. Jackson u. a. T¨ubingen 1996, S. 271–288. – J.-D. M¨uller: Mimesis und Ritual. Zum geistlichen Spiel des MA. In: Mimesis und Simulation. Hg. v. Andreas Kablitz/Gerhard Neumann. Freiburg i. Br. 1998, S. 541–571 (wieder in: J.-D. M¨uller: Medi¨avistische Kulturwiss. Ausgew¨ahlte Stud. Berlin u. a. 2010, S. 135–160). – U. Mehler: Ma. Osterfeiern um das Ostergrab. Liturgie oder Spiel? In: K¨olnische Liturgie und ihre Gesch. Stud. zur interdisziplin¨aren Erforschung des Gottesdienstes im Erzbistum K¨oln. Hg. v. Albert Gerhards/Andreas Odenthal. M¨unster/ Westf. 2000, S. 213–221. – Monika Fink: Geistliche Spiele im 15. und 16. Jh. In: Musikgesch. Tirols. Bd. 1. Hg. v. Kurt Drexel/M. Fink. Innsbruck 2001, S. 323–334. – Luc de Grauwe: Pilatus, die Grabw¨achter und die Juden in den dt. Osterspielen des MA, bes. im Redentiner. In: Leuvense Bijdragen 90 (2001) S. 161–180. – Dorothea Freise: Geistliche Spiele in der Stadt des ausgehenden MA. Frankfurt – Friedberg – Alsfeld (Ver¨off. des Max-Planck-Inst. f¨ur Gesch. 178). G¨ottingen 2002. – K. K. Polheim: Stud. zum Volksschauspiel und ma. Drama. Paderborn 2002, passim. – Martin W. Walsh: Rubin and Mercator. Grotesque Comedy in the German Easter Plays. In: Comparative Drama 36 (2002) S. 187–202. – Christoph Petersen: Ritual und Theater. Meßallegorese, Osterfeier und Osterspiel im MA (MTU 125). Tu¨ bingen 1078
1. H¨alfte 13. Jh. ¨ 2004. – B. Neumann/Dieter Trauden: Uberlegungen zu einer Neubewertung des sp¨atma. religi¨osen Schauspiels. In: Ritual und Inszenierung. Geistliches und weltliches Drama des MA und der Fr¨uhen Neuzeit. Hg. v. Hans-Joachim Ziegler. T¨ubingen 2004, S. 31–48. – Piotr Bering: Parallelen zwischen dt. und polnischen Osterspielen im Sp¨atMA. In: Deutschsprachige Lit. des MA im o¨ stlichen Europa. Forschungsstand und Forschungsperspektiven. Hg. v. Ralf G. P¨asler Dietrich Schmidtke. Heidelberg 2006, S. 275–284. – Peter Macardle: The St Gall Passion Play. Music and Performance. Amsterdam 2007, passim. – Andreas Odenthal: ‹Surrexit dominus vere›. Osterfeiern um das Heilige Grab als Ausdruck eines ver¨anderten religi¨osen Empfindens im MA. In: Theologische Quartalschr. 189 (2009) ¨ S. 46–65. – Dagmar Neuendorff: Uberlegungen zu der sog. ‹St¨andekritik› in sp¨atma. Passions- und Osterspielen. In: Deutsch im Norden. Akten der nordisch-germanistischen Tagung zu Abo/Turku, Finnland, 18.–19. Mai 2007. Hg. v. Lars Wollin. Frankfurt/M. u. a. 2009, S. 155–180. – J¨urgen B¨arsch: Quem queritis in sepulchro? Liturgie- und fr¨ommigkeitsgeschichtliche Aspekte der Feier von Ostern im MA. In: Beitr. zur Gesch. des Bistums Regensburg 44 (2010) S. 25–45. – Bernd Sch¨utte: Osterfeier und Ju¨ ngerlauf. Zum Tod Arnolds II. von K¨oln. In: Rheinische Vierteljahrsbll. 74 (2010) S. 220–234. – Ursula Schulze: Geistliche Spiele im MA und in der Fr¨uhen Neuzeit. Von der liturgischen Feier zum Schauspiel. Eine Einf. Berlin 2012, S. 45–51. MM Klosterneuburger Osterspiel. – Lat. geistliches Spiel, Anfang des 13. Jh. Das f¨ur die Auff¨uhrung in einem Kirchenraum konzpierte Spiel (rund 220 Verse) an sieben Orten (mit dem Grab im Zentrum) besteht aus neun Szenen: Der Einsetzung einer Wache am Grab folgt eine Auferstehungsszene und der Salbenkauf, bevor die drei Marien das Grab besuchen, wo die Auferstehung durch einen Engelsgesang vorgef¨uhrt wird. Nach der zweiten W¨achterszene (Bestechung f¨ur ein falsches Zeugnis) findet der Lauf des Petrus und des Johannes zum Grab statt; Johannes betritt vor Petrus das Grab. Die auf die Hortulanusszene anschließende H¨ollenfahrt Christi ist dem apokryphen → Evangelium Nicodemi entlehnt. In der letzten Szene zeigen die J¨unger und die drei Marien der Gemeinde die Grabt¨ucher als Zeichen der Auferstehung. Am Schluss stimmt ein «cantor» den 1079
Klosterneuburger Osterspiel Hymnus Christ ist erstanden an – ein fr¨uher Versuch, das Publikum/die Gemeinde in die Auff¨uhrung miteinzubeziehen. Neben den Hauptrollen (Christus, drei Marien, Maria Magdalena, Petrus, Johannes, Engel am Grab, Teufel, Pilatus, «specionarius») d¨urften mehr als 20 weitere Darsteller (Apostel, Soldaten des Pilatus, Juden, Seelen in der H¨olle) an dem Spiel mitgewirkt haben. Das K. O. stellt als das a¨ lteste St¨uck der Gattung den entscheidenden Schritt von der liturgisch eingebetteten Osterfeier zum selbstst¨andigen Schauspiel dar. Zu den Neuerungen geh¨ort auch, dass Pilatus – a¨ hnlich wie Herodes im Weihnachtszyklus als tyrannischer Herrscher dargestellt – in eigener Person auftritt. ¨ Uberlieferung: Klosterneuburg, CCl 574 (Miscellanea), 142vb–144v (fr¨uhes 13. Jh.; zwei Schreiber, der zweite wiederholt 55 Verse und Antiphonen [V. 148–201] aus dem Text des ersten; fast durchgehend neumiert). Ausgaben: Hermann Pfeiffer: Klosterneuburger Osterfeier und Osterspiel. In: Jb. des Stiftes Klosterneuburg 1 (1908) S. 3–56 (Text u. vollst. Faks.). – Karl Young: The Drama of the Medieval Church. Bd. 1. Oxford 1933 (41967) S. 421–429. – Eduard Hartl: Das Drama des MA. Osterspiele. Leipzig 1937 (Nachdr. Darmst. 1964) S. 21–44 ¨ (mit Anderung der Szenenreihenfolge). – Karl Langosch: Geistliche Spiele. Darmstadt 1957 (21961) ¨ S. 106–125 (mit dt. Ubersetzung). – Walther Lipphardt: Lat. Osterfeiern und Osterspiele. Bd. 5. Berlin/New York 1976, S. 1703–1711 (Nr. 829). Literatur: Hansj¨urgen Linke, VL2 4 /1983) Sp. 1259–1263. – Ursula Schulze, Killy2 6 (2009) S. 503 f. – Franz Maschek: Salzburg – die wahre Heimat des K. O.s. In: Unsere Heimat. Monatsbl. des Vereins f¨ur Landeskunde, Nieder¨osterreich und Wien 27 (1956) S. 53–57. – Helmut de Boor: Die Textgesch. der lat. Osterfeiern (Hermaea NF 22). T¨ubingen 1967, S. 241, 268, 286 f., 290, 311, 316–318, 323–326, 330–334, 340 f., 350, 355 f. u. o¨ . – Bernhard Bischoff: Anm. zum K. O. In: Carmina Burana. Bd. 1,3. Heidelberg 1970, S. 146–148. – Walther Lipphardt: Stud. zur Musikpflege in den ma. Augustiner-Chorherrenstiften des dt. Sprachgebietes. In: Jb. des Stiftes Klosterneuburg NF 7 (1971) S. 23 f. – Elisabeth Kunstein: Die H¨ollenfahrtsszene im geistlichen Spiel des dt. MA. Ein Beitr. zur ma. und fr¨uhneuzeitlichen Fr¨ommigkeitsgesch. Diss. K¨oln 1972, S. 1, 7–26, 40, 52 f., 64, 94 f. – David Brett-Evans: Von 1080
Benediktbeurer Spiele Hrotsvit bis Folz und Gengenbach. Eine Gesch. des ma. dt. Dramas. Bd. 1: Von der liturg. Feier zum volkssprachlichen Spiel (Grundlagen der Germanistik 15). Berlin 1975, S. 65–69. – Barbara Thoran: Stud. zu den o¨ sterlichen Spielen des dt. MA. (Ein Beitr. zur Kl¨arung ihrer Abh¨angigkeit voneinander). 2., durchges. und erg. Aufl. (GAG 199). G¨oppingen 1976, S. 45, 134, 156, 186, 357. – William L. Smoldon: The Music of the Medieval Church Dramas. London 1980, S. 325–330. – Christoph Petersen: Ritual und Theater. Meßallegorese, Osterfeier und Osterspiel im MA. Tu¨ bingen 2004, S. 184–187. – Ursula Schulze: Geistliche Spiele im MA und in der Fr¨uhen Neuzeit. Von der liturgischen Feier zum Schauspiel. Eine Einf. Berlin 2012, S. 52–56. BJ Benediktbeurer Spiele. – Gruppe geistlicher Spiele im Codex Buranus. ¨ Die handschriftliche Uberlieferung der → Carmina Burana im Codex Buranus enth¨alt nicht nur weltliche Lieder, sondern auch sechs geistliche Spiele. Neben dem separat behandelten → Benediktbeurer Weihnachtsspiel enth¨alt diese Gruppe ein Osterspiel, ein Emmausspiel, zwei Passionsspiele und ein Spiel zu Mariae Himmelfahrt. Die im Codex Buranus zum Teil nur fragmentarisch niedergeschriebenen B. S. sind u¨ berwiegend in lat. Sprache verfasst (mit zus¨atzlichen dt. Abschnitten in einem Spiel) und bis auf eine Ausnahme linienlos neumiert. In der urspr¨unglichen Reihenfolge der Handschriften-Bl¨atter und nummeriert nach Hilka-Schumann (s. Ausg.) umfassen die B. S. folgende Texte: 1. Benediktbeurer Passionsspiel (auch Ludus breviter de passione, CB 13*): Das wohl aus dem fr¨uhen 13. Jh. stammende Spiel gilt als a¨ ltestes u¨ berliefertes Passionsspiel im dt. Raum. Es beginnt kurz vor dem letzten Abendmahl und endet mit dem Begr¨abnis Jesu durch Josef von Arimath¨aa. Bedingt durch die K¨urze des St¨ucks fehlen mehrere biblische Szenen, u. a. Gethsemane, die Geißelung Christi und die Verleugnung des Petrus. Die Auff¨uhrung umfasste wohl f¨unf Handlungsorte und acht Sprechrollen bei insgesamt rund 25 Darstellern. Der weitgehend der Bibel entlehnte Text besteht aus lat. Prosa mit teils ausf¨uhrlichen Regieanweisungen. Aus diesen ergibt sich die rein pantomimische Darstellung mehrerer Szenen, die vielleicht erst sp¨ater textlich ausgestaltet werden sollten oder von Anfang an als 1081
1. H¨alfte 13. Jh. Pantomimen intendiert waren – darunter die Gefangennahme Jesu, sein Tragen des Kreuzes, die Kreuzigung und der Stich in Christi Seite. Auch die Klage Marias um Jesus ist nicht austextiert. Allerdings ist in der Handschrift die Sequenz «Planctus ante nescia» (CB 14*) eingef¨ugt, die m¨oglicherweise an dieser Stelle vorgetragen wurde. Die musikalische Ausgestaltung des Benediktbeurer Passionsspiels ist unbekannt, da der Text ohne Melodien u¨ berliefert ist. Vielleicht wurde er nach liturgischem Vorbild rezitiert. 2. Benediktbeurer. Osterspiel (CB 15*): Das nur fragmentarisch erhaltene Spiel wird im Codex Buranus als «ludus immo exemplum dominice resurrectionis» bezeichnet. Es beginnt mit einer Debatte zwischen Pilatus, seiner Gattin und anderen Beteiligten u¨ ber die Aufstellung einer Wache an Jesu Grab. Mit der Bestechung der Grabw¨achter bricht das St¨uck ab, d¨urfte aber in seiner weiteren Handlung dem verwandten → Klosterneuburger Osterspiel a¨ hnlich gewesen sein. Das Osterspiel stellt als eines der ersten geistlichen Spiele Marias Salbenkauf vor dem Besuch des Grabes dar. Die Szene mit dem Salbenh¨andler («apothecarius») und seiner Frau ist hier so detailreich ausgestaltet wie in keinem anderen lat. Spiel; gleichzeitig sind die Figuren aber weniger holzschnittartig gezeichnet als in sp¨ateren Spielen. Der komplett neumierte Text umfasst ein breites Spektrum von vier- bis f¨unfzehnsilbigen Versen und Goliardenversen. Der gr¨oßte Teil der Dialoge ist in zehnsilbigen Vierhebern mit Paarreimen verfasst. Die Zahl der Darsteller d¨urfte mindestens 36 betragen haben. 3. Großes Benediktbeurer Passionsspiel (CB 16*): Dieses Spiel ist mit 281 Zeilen zwar weitaus umfangreicher als das Benediktbeurer Osterspiel, jedoch ebenso fragmentarisch. Es beginnt mit der Berufung der J¨unger und bricht mit der Verspottung des gekreuzigten Jesus ab. Die Passion Christi wird gegen¨uber seinen fr¨uheren Lebensepisoden ausf¨uhrlich behandelt. Charakteristisch f¨ur das Spiel ist besonders das in ihm enthaltene, ausf¨uhrliche Magdalenenspiel, das mit dem → Wiener Passionsspiel verwandt ist und wohl die gleiche lat. Textvorlage benutzte. Dem Spiel geh¨orten m¨oglicherweise auch zwei zus¨atzliche dt. Strophen an (CB 23*), in denen Josef von Arimath¨aa den Pilatus um Christi Leichnam bittet und Pilatus die Kreuzabnahme genehmigt. Maria Magdalena erscheint als eitle S¨underin, die sich geschminkt der Liebe hingibt, dann aber zur frommen Askese bekehrt wird. 1082
1. H¨alfte 13. Jh. Der Text des Passionsspiels ist uberwiegend ¨ lat. und nur zu rund einem F¨unftel in dt. Sprache verfasst. Lateinisch sind die biblischen Prosateile, die als Antiphone und Responsorien gestalteten liturgischen Abschnitte, zwei Sequenzen («Flete fideles anime», «Planctus ante nescia») sowie eine Reihe von Vagantenstrophen u. a. Verse, darunter zehnsilbige Vierheber mit Paareimen. Die dt. Abschnitte werden meist von Maria, Maria Magdalena, Longinus und dem «mercator» gesprochen und bestehen aus vier- und f¨unfhebigen Paar- und Kreuzreimen. Das Spiel ist zum gr¨oßten Teil neumiert; die nicht neumierten Abschnitte waren gebr¨auchliche Antiphone oder im Passionston vorgetragene Verse aus den Evangelien. Die Auff¨uhrung d¨urfte noch liturgisch-stilisiert und nicht realistisch gewesen sein. Die Besetzung war mit rund 33 Gesangsrollen, Chor, Statisten und mehr als 50 Darstellern sehr aufwendig. 4. Benediktbeurer Emmausspiel (CB 26*): Dieses «exemplum apparitionis Domini discipulis suis iuxta castellum Emaus» z¨ahlt zu den k¨urzeren Benediktbeurer Spielen in den Carmina Burana. Dargestellt werden die Begegnung der Emmausj¨unger mit dem auferstandenen Christus, dessen weitere Erscheinungen und die Handlung um den zweifelnden Thomas. Abgeschlossen wird das Spiel von dem Hymnus Iesu nostra redemptio, der in anderen Emmausspielen meist den Eingang bildet. Die neumierte lat. Prosa des Texts besteht aus Antiphonen nach Lk. Eine Ankn¨upfung an liturgische Formen entsteht durch chorische Ges¨ange des «clerus», der epische Erl¨auterungen zur Handlung vortr¨agt. Die wichtige Szene des Brotbrechens in Emmaus ist nur pantomimisch dargestellt. 5. Benediktbeurer Spiel von Mariae Himmelfahrt (CB 26a*): Von allen Benediktbeurer Spielen ist dieses am unvollst¨andigsten u¨ berliefert. Der neumierte Text enth¨alt in seiner bekannten Form nur einen Wechselgesang zwischen Maria und dem hier als «dominus» auftretenden Christus. Die Gottesmutter erscheint im Spiel mit Maria Iacobi, Maria Salome und zwei Engeln. Am Ende wird die kommende Kr¨onung Marias angedeutet. Der inhaltliche Kontext des Fragments weist Parallelen zum → Amorbacher Spiel von Mariae Himmelfahrt auf. Die Benediktbeurer Spiele sind trotz ihrer oft ¨ fragmentarischen Uberlieferung wichtige Zeugen der Fr¨uhgeschichte des geistlichen Spiels im MA. Ihnen gemeinsam ist eine merkliche N¨ahe zu ihren biblischen und liturgischen Wurzeln – eine N¨ahe, 1083
Benediktbeurer Spiele die hier noch nicht durch realistische Darstellung oder volkst¨umliche Elemente aufgeweicht wird. Die darin liegende Strenge bildet freilich einen interessanten Kontrast zu den weltlichen Liedern der Carmina Burana. ¨ Uberlieferung: Mu¨ nchen, BSB, Clm 4660, 107r–110r, 111r (CB 16*) (Perg., um 1230 bis zweite H¨alfte 13. Jh., bair.-¨osterr., illustriert, teilweise neumiert). – Ebd., Clm 4660a, IIIv, IVr Z. 18–27, IVv (CB 13*), Vr–VIv (CB 15*), VIIr–VIIv (CB 26*), VIIv Z. 14–23 (CB 26a*) (Perg., um 1230 bis zweite H¨alfte 13. Jh., bair.-¨osterr., sog. Fragmenta Burana, war urspr¨unglich Teil von Clm 4660 und wahrscheinlich vor und hinter deren Schlusslage eingebunden). Ausgaben: Fragmenta Burana. Hg. v. Wilhelm Meyer. Berlin 1901, S. 123 f., 126–130, 136 f., Tf. 5–13 (Faks.). – Das Benediktbeurer Passionsspiel. Hg. v. Eduard Hartl. Halle/Saale 1952. Nachdr. ebd. 1967. – Carmina Burana 1/3: Die Trink- und Spielerlieder. Die geistlichen Dramen. Nachtr¨age. Hg. v. Alfons Hilka/Otto Schumann. Heidelberg 1970, S. 127–129 (CB 13*), 134–149 (CB 15*), 149–175 (CB 16*), 184–186 (CB 26*), 186–188 (CB 26a*) (krit. Ausg.; erg¨anzend: Dieter Schaller: Bemerkungen zum Schlußbd. der krit. Edition der C. B. In: Mlat. Jb. 10 [1975] S. 106–115. Vgl. auch: Walther Bulst. In: Gnomon 44 [1972] S. 460–467). – Carmina Burana. Die Gedichte des Codex Buranus lat. und dt. Hg. v. G¨unter Bernt mit Carl Fischer und Hugo Kuhn. Z¨urich u. a. 1974 (bearb. Neuausg. Stuttgart 2003) S. 730–735, 742–763, 764–807, 826–833. – Carmina Burana. ¨ Texte und Ubersetzungen. Mit den Miniaturen aus der Hs. und einem Aufsatz. Hg. v. Benedikt K. Vollmann. Frankfurt/M. 1987, S. 790–799, 802–859, 882–893. – Vgl. auch die weiteren Ausg. der Carmina Burana (s. dort). – Zu Ausg. und Parallel¨uberl. der in den Spielen benutzten Melodien vgl. Linke 2004 (s. Lit.) sowie den Apparat bei Hilka/Schumann (s. o.). ¨ Ubersetzungen: Lat.-dt. Texte bei Vollmann 1987 (s. Ausg.). Literatur: Vgl. auch die Lit. zu den → Carmina Burana. – Manitius 3 (1931) S. 1049 f. – De Boor/Newald 3/2 (1987) S. 161–165, 184–188, 191–195 u. o¨ . – Franz K¨orndle: Liturgische Dramen, Geistliche Spiele. In: MGG2 Sachteil 5 (1996) Sp. 1388–1412. – Hansj¨urgen Linke, VL2 11 (2004) Sp. 229–236. – Bernd Neumann/Red.: B. (Großes) 1084
Benediktbeurer Weihnachtsspiel Passionsspiel. In: Killy2 1 (2008) S. 430 f. – R¨udiger Brandt: Osterspiele. In: KLL3 12 (2009) S. 401–405. – Ders.: Passionsspiele. In: KLL3 12 (2009) S. 577–581. – Emil Michael: Gesch. des dt. Volkes seit dem 13. Jh. bis zum Ausgang des MA 4: Dt. Dichtung und dt. Musik w¨ahrend des 13. Jh. Freiburg i. Br. 1906, S. 407, 411–414. – Rudolf Heym: Bruchst¨uck eines geistlichen Schauspieles v. Marien Himmelfahrt. In: ZfdA 52 (1910) S. 1–56. – Paul E. Kretzmann: The Liturgical Element in the Earliest Forms of the Medieval Drama. Minneapolis 1916, S. 91 f., 97 f. – Karl Young: The Drama of the Medieval Church. Bd. 1. Oxford 1933 (Nachdr. ebd. 1967) S. 437 f., 465 f., 516–518, 694. – Eduard Hartl: Die Entwicklung des Benediktbeurer Passionsspiels. In: Euph. 46 (1952) S. 113–137. – Karl Langosch u. a.: Gesch. der Text¨uberl. der antiken ¨ und ma. Lit. 2: Uberlieferungsgesch. der ma. Lit. Z¨urich 1964, S. 102 f. – Rolf Steinbach: Die dt. Oster- und Passionsspiele des MA (K¨olner germanistische Stud. 4). K¨oln/Wien 1970, S. 108–115. – Theo Stemmler: Liturgische Feiern und geistliche Spiele. Stud. zu Erscheinungsformen des Dramatischen im MA (Buchreihe der Anglia. Zs. f¨ur englische Philologie 15). Tu¨ bingen 1970, S. 333 u. o¨ . – Wolfgang F. Michael: Das dt. Drama des MA (Grundriß der germ. Philologie 20). Berlin/New York 1971, S. 33, 35–39 u. o¨ . – Rolf Bergmann: Stud. zu Entstehung und Gesch. der dt. Passionsspiele des 13. und 14. Jh. (MMS 14). M¨unchen 1972, passim. – Bernt 1974 (s. Ausg.) S. 970–975, 977. – Anke Roeder: Die Geb¨arde im Drama des MA. Osterfeiern, Osterspiele (MTU 49). Mu¨ nchen 1974, S. 121, 198 u. o¨ . – Ruprecht Wimmer: Dt. und Lat. Osterspiel. Unters. zu den volkssprachlichen Entsprechungstexten der lat. Strophenlieder (MTU 48). M¨unchen 1974, S. 20, 138 u. o¨ . – David Brett-Evans: Von Hrotsvit bis Folz und Gengenbach. Eine Gesch. des ma. dt. Dramas. Tl. 1: Von der liturgischen Feier zum volkssprachlichen Spiel (Grundlagen der Germanistik 15). Berlin 1975, S. 69–72, 144–147. – Werner Fechter: Zum Benediktbeurer Passionsspiel. In: Mlat. Jb. 11 (1976) S. 196–200. – Barbara Thoran: Stud. zu den o¨ sterlichen Spielen des dt. MA. (Ein Beitr. zur Kl¨arung ihrer Abh¨angigkeit voneinander). 2., durchges. und erg. Aufl. (GAG 199). G¨oppingen 1976, S. 21 u. o¨ . – William L. Smoldon: The Music of the Medieval Church Dramas. Hg. v. Cynthia Bourgeault. London u. a. 1980, S. 330–340. – Ulrich Mehler: Dicere und cantare. Zur musikalischen Terminologie und Auff¨uhrungspraxis des 1085
1. H¨alfte 13. Jh. ma. geistlichen Dramas in Deutschland. Regensburg 1981, S. 136 f., 143–183. – R. Bergmann: Kat. der deutschsprachigen geistlichen Spiele und Marienklagen des MA (Ver¨off. der Kommission f¨ur dt. Lit. des MA der Bayerischen Akad. der Wiss.). M¨unchen 1986, Nr. 119. – Vollmann (s. Ausg.) S. 1277–1282, 1287. – Lat. Osterfeiern und Osterspiele 8: Komm. (LOO 631–832). Hg. v. Walther Lipphardt/Hans-Gert Roloff. Berlin u. a. 1990, S. 767–782, 802 f., 836–839. – Guy Borgnet: Neutestamentliche Tradition und Passionsspiel. Die Behandlung der biblischen Tradition in dem Benediktbeurer ‹Ludus Breviter de Passione›. In: Zum Traditionsverst¨andnis in der ma. Lit. Funktion und Wertung. Actes du Colloque Greifswald, 30 et 31 mai 1989. Hg. v. Danielle Buschinger/Wolfgang Spiewok. Amiens 1991, S. 63–70. – H. Linke: Beobachtungen zu den geistlichen Spielen im Codex Buranus. In: ZfdA 128 (1999) S. 185–193. – Peter Macardle: The St Gall Passion Play. Music and Performance. Amsterdam 2007, S. 223–225, 230–237, 293–295, 398 f. u. o¨ . – Ursula Schulze: Geistliche Spiele im MA und in der Fr¨uhen Neuzeit. Von der liturgischen Feier zum Schauspiel. Eine Einf. Berlin 2012, S. 83–85, 148 f. Siehe auch Artikel Carmina Burana, Sp. 214–224. MM Benediktbeurer Weihnachtsspiel. – Geistliches Spiel im Codex Buranus. ¨ Die handschriftliche Uberlieferung der → Carmina Burana enth¨alt nicht nur weltliche Lieder, sondern auch sechs geistliche Spiele. Neben den separat behandelten, sog. → Benediktbeurer Spielen umfasst diese Gruppe auch das mlat. B. W. (CB 227 f. in der Nummerierung nach HilkaSchumann; s. Ausg.). Das Spiel entstand wahrscheinlich zu Anfang des 13. Jh. und wurde vielleicht am Tag der Unschuldigen Kinder aufgef¨uhrt, da im St¨uck ein «episcopus puerorum» (Knabenbischof) auftritt. Dieser war einer von nahezu 50 Darstellern des Spiels, zu denen auch ein Chor hinzugez¨ahlt werden muss. Zur Auff¨uhrung des St¨ucks waren bis zu zehn B¨uhnenst¨ande n¨otig. Unsicherheit herrscht bis heute u¨ ber die genaue Textgestalt des B. W. Dies betrifft zun¨achst das Verh¨altnis von CB 227 zu dem von der Forschung auch als Ludus de Rege Aegypti bezeichneten CB 228, das verschiedentlich als eigenst¨andiges Spiel definiert wird. Von der gleichen Hand wie CB 227 1086
1. H¨alfte 13. Jh. geschrieben, beginnt CB 228 mit einer dreizeiligen Initiale, wie sie meist den Beginn eines neuen Textes signalisiert. Auch befindet sich zwischen CB 227 und CB 228 eine L¨ucke, in die ein → MarnerLied eingef¨ugt wurde (CB 6*). Andererseits sind beide Texte inhaltlich und konzeptuell eng miteinander verkn¨upft. Die zwischen ihnen fehlenden Rubriken und Textabschnitte gelten als wenig umfangreich und leicht rekonstruierbar. Auch in anderer Hinsicht ist die Textgestalt des B. W. problematisch: Manche Textstellen sind nur verk¨urzt mit Incipits niedergeschrieben oder nicht eindeutig bestimmten Rollen zugewiesen. Wiederholungen von Gesangsabschnitten werden in manchen F¨allen nur angedeutet, aber nicht ausgef¨uhrt. Auch sind Textteile in falscher Reihenfolge wiedergegeben, weil der Schreiber wohl in den Zeilen seiner Vorlage verrutschte. Geht man von einer Integrit¨at des in CB 227 und CB 228 u¨ berlieferten Textes aus, so besteht das B. W. aus einem ausf¨uhrlichen Prophetenspiel, gefolgt von Mari¨a Verk¨undigung, Marias Besuch bei Elisabeth, der Geburt Christi, einem Dreik¨onigs-, Herodes- und Hirtenspiel, der Anbetung der K¨onige, dem von Herodes angeordne¨ ten Kindermord und dem Agyptenspiel mit dem abschließenden Tod des Herodes. Das einleitende Prophetenspiel bildet die Rahmenhandlung des B. W.: Daniel und andere Propheten sagen die Geburt Christi voraus, werden daf¨ur aber von einem Archisynagogus und seinem j¨udischen Gefolge verspottet. Im darauffolgenden Tumult bittet der Knabenbischof den anwesenden Augustinus um die Beilegung des Streits. Nach einem ergebnislosen Disput beginnt das eigentliche Weihnachtsspiel, das die Wahrheit der Prophezeiungen zeigen soll. Das Prophetenspiel beruht auf der im MA → Augustinus zugeschriebenen, judenfeindlichen Predigt Contra Iudaeos, Paganos et Arianos sermo de symbolo und dem ebenfalls pseudo-augustinischen Dialog De altercatione Ecclesiae et Synagogae dialogus. ¨ Im abschließenden Agyptenspiel treten die ¨ K¨onige Agyptens und Babylons auf und zelebrieren zun¨achst ihre heidnische Weltanschauung. Mit dem Eintreffen der auf der Flucht befindlichen Fa¨ milie Jesu in Agypten brechen jedoch die dortigen G¨otzenbilder zusammen und lassen sich nicht mehr aufrichten. Daraufhin konvertiert der a¨ gyptische K¨onig zum Christentum, w¨ahrend der K¨onig von Babylon seinen heidnischen Glauben beibeh¨alt. 1087
Benediktbeurer Weihnachtsspiel Der Antichrist erscheint und fordert die Unterwerfung des Babyloniers, der zun¨achst widersteht, den Antichrist aber zuletzt anerkennt. Am Ende wird der a¨gyptische K¨onig als positives Beispiel dem Herodes gegen¨ubergestellt, dem ein grausamer Tod vorhergesagt wird. Dieser bildet dann die Schlusspantomime des Spiels. In das B. W. flossen neben der Bibel zahlreiche antike und ma. Quellen ein. Neben dem genannten Pseudo-Augustinus waren dies besonders Josephus Flavius, → Petrus Comestor, → Beda und die → Carmina Cantabrigiensia. Hinzu kommen Anleihen bei Vergil, Ovid, Prudentius und der ¨ Aristoteles-Ubersetzung des → Boethius. Bez¨uge bestehen auch zum → Tegernseer Ludus de Antichristo, w¨ahrend die Rahmenhandlung des Propheten¨ spiels Ahnlichkeiten zur → Frankfurter Dirigierrolle und zum → Frankfurter Passionsspiel aufweist. Die 19 Melodien des teilweise neumierten Spiels sind nicht liturgischen Ursprungs. Die Bedeutung des B. W. liegt einmal in seinem dichterischen Reichtum. Die Strophenformen, Reime und Versmaße des Spiels besitzen eine Vielfalt, die unter den lat. Weihnachtsspielen in Deutschland einzigartig ist. Die meisten Abschnitte des Spiels sind in gereimten Vierzeilern mit Mittelz¨asur verfasst. Das Spiel enth¨alt aber zudem zweibis achtzeilige Strophen mit sechs- bis f¨unfzehnsilbigen Versen. Auch Goliardenverse und liturgische Abschnitte finden sich im Text, ebenso Paar-, Kreuz-, Binnen- und umschlingende Reime. Manche Partien sind auch mit Refrains versehen. Bedeutsam ist ferner der das Spiel durchdringende, konzeptuelle Gestaltungswille. Obwohl das B. W. traditionelle Handlungen und Formen aus Bibel und Liturgie aufgreift und gekonnt ausf¨uhrt, beweist es in der Gestaltung Eigenst¨andigkeit. Dies zeigt sich besonders in der Einbindung des Prophetenspiels als Rahmenhandlung und Teil des Herodesspiels. Darin wird der traditionell von Herodes und den Schriftgelehrten bestrittene Dialog durch den Archisynagogus und sein Gefolge gef¨uhrt. Den unbekannten Verfassern des Spiels gelang damit eine ebenso originelle wie schl¨ussige Erweiterung ihres k¨unstlerischen Spielraums. Zu Recht gilt das B. W. daher bis heute als herausragendes lat. Weihnachtsspiel seiner Zeit. ¨ Uberlieferung: Mu¨ nchen, BSB, Clm 4660, 99r–104v Z. 20 (CB 227), 105r Z. 13–106v (CB 228) (Perg., um 1230 bis zweite H¨alfte 13. Jh., bair.o¨ sterr., illustriert, teilweise neumiert). 1088
Himmelgartner (sudostf¨ ¨ alische) Passionsspielfragmente Ausgaben: Karl Young: The Drama of the Medieval Church 2. Oxford 1933 (Nachdr. ebd. 1967) S. 172–190, 463–468. – Horst Kusch: Einf. in das lat. MA 1: Dichtung. Berlin 1957, S. 416–469. – Geistliche Spiele. Lat. Dramen des MA mit dt. Versen. Hg. v. Karl Langosch. Darmstadt 1957 (Nachdr. ebd. 1961) S. 131–177. – Carmina Burana 1/3: Die Trink- und Spielerlieder. Die geistlichen Dramen. Nachtr¨age. Hg. v. Alfons Hilka/ Otto Schumann. Heidelberg 1970, S. 86–104 (CB 227), 104–111 (CB 228) (krit. Ausg.; erg¨anzend: Dieter Schaller: Bemerkungen zum Schlußbd. der krit. Edition der C. B. In: Mlat. Jb. 10, 1975, S. 106–115. Vgl. auch: Walther Bulst. In: Gnomon 44, 1972, S. 460–467). – Carmina Burana. Die Gedichte des Codex Buranus lat. und dt. Hg. v. G¨unter Bernt mit Carl Fischer und Hugo Kuhn. Z¨urich u. a. 1974 (bearb. Neuausg. Stuttgart 2003) S. 654–699. – Vgl. auch die weiteren Ausg. der Carmina Burana (s. dort). ¨ ¨ Ubersetzungen: Dt. Ubers. u. a. in den zweisprachigen Ausgaben von Langosch 1957, Kusch 1957 und Bernt 1974. Literatur: Hansj¨urgen Linke, VL2 1 (1978) Sp. 693–702. – De Boor/Newald 3/2 (1987) S. 210–215 u. o¨ .; 4/1 (21994) S. 257 f. u. o¨ . – Franz K¨orndle: Liturgische Dramen, Geistliche Spiele. In: MGG2 Sachteil 5 (1996) Sp. 1388–1412. – Hardin Craig: The Origin of the Old Testament Plays. In: Modern Philology 10 (1912/13) H. 4, S. 1–15. – Maria Elisabeth G¨ossmann: Die Verk¨undigung an Maria. Im dogmatischen Verst¨andnis des MA. M¨unchen 1957, S. 175 f. – Theo Stemmler: Liturgische Feiern und geistliche Spiele. Stud. zu Erscheinungsformen des Dramatischen im MA (Buchreihe der Anglia. Zs. f¨ur englische Philologie 15). Tu¨ bingen 1970, S. 92–96, 257 f. u. o¨ . – Hilka/Schumann (s. Ausg.). – Wolfgang F. Michael: Das dt. Drama des MA (Grundriß der germ. Philologie 20). Berlin/New York 1971, S. 48–50. – Kurzer Grundriß der germ. Philologie bis 1500. Hg. v. Ludwig E. Schmitt. Berlin 1971, S. 587 f. – Bernt (s. Ausg.) S. 963–967. – H. Linke: Der Schluß des mlat. Weihnachtsspiels aus Benediktbeuern. In: ZfdPh 94 (1975) Sonderh., S. 1–22. – David Brett-Evans: Von Hrotsvit bis Folz und Gengenbach. Eine Gesch. des ma. dt. Dramas. Tl. 1: Von der liturgischen Feier zum volkssprachlichen Spiel (Grundlagen der Germanistik 15). Berlin 1975, S. 72–76. – Emilia B¨atschmann: Das St. Galler Weihnachtsspiel. Bern 1977, 1089
Mitte 13. Jh.
S. 30 f. – Edith Wenzel: ‹Do worden die Judden alle geschant›. Rolle und Funktion der Juden in sp¨atma. Spielen. Mu¨ nchen 1992, S. 37 f. – Stephen K. Wright: The Play of the King of Egypt. An Early Thirteenth-Century Music-Drama from the Carmina Burana. Ms. In: Allegorica 16 (1995) S. 47–71. – Fritz Peter Knapp: Herodes als Antichrist im Lambacher Freskenzyklus, bei Gerhoch von Reichersbach und im ‹B. W.›. Dt. Lit. und Sprache von 1050–1200. FS Ursula Hennig. Hg. v. Annegret Fiebig/Hans-Jochen Schiewer. Berlin 1995, S. 137–162. – Michael Straeter: Knabenbischoftum und geistliches Spiel des MA. In: ‹Et respondeat›. Stud. zum dt. Theater des MA. FS Johan Now´e. Hg. v. Katja Scheel. Leuven 2002, S. 177–194. – Ursula Schulze: Geistliche Spiele im MA und in der Fr¨uhen Neuzeit. Von der liturgischen Feier zum Schauspiel. Eine Einf. Berlin 2012, S. 72 f. MM Himmelgartner (sudostf¨ ¨ alische) Passionsspielfragmente (auch: Bruchst¨ucke eines mnd. Spiels vom Leben Jesu). – Mitte 13. Jh. Die zu den a¨ ltesten u¨ berlieferten geistlichen Spieltexten in dt. Sprache z¨ahlenden H. P. sind am Anfang, am Ende und im Innern unvollst¨andig. Erhalten sind Szenenfragmente aus dem Weihnachtsgeschehen (Palmbaumwunder auf ¨ der Flucht nach Agypten [nach dem apokryphen Pseudo-Matth¨aus-Evangelium], Bekanntwerden der Heimkehr der Drei K¨onige am Hof des Herodes) und aus dem o¨ ffentlichen Leben Jesu (Versuchung, J¨ungerberufung, [Berg-]Predigt, Hochzeit zu Kana). Ein Vergleich mit anderen Spielen l¨asst darauf schließen, dass das Spiel das gesamte Leben Jesu behandelte. Neben den dt. Texten (Reimpaarverse und Prosa) stehen Ges¨ange des Chores und der Engel (in der Versuchungsszene) in lat. Sprache, in der auch die Spielanweisungen abgefasst sind. ¨ Uberlieferung: Zwei zusammenh¨angende St¨ucke eines Pergamentdoppelblatts in ostf¨alischer Sprache aus Einb¨anden von B¨uchern der Bibliothek des Klosters Himmelgarten bei Nordhausen; fr¨uher im St¨adtischen Museum Nordhausen; heutiger Aufbewahrungort unbekannt. Ausgabe: E[duard] Sievers: Himmelgartner Bruchst¨ucke. In: ZfdPh 21 (1889) S. 385–404 (Text S. 393–395). Literatur: Rolf Bergmann, VL2 4 (1983) Sp. 27 f. – Bernd Neumann/Red., Killy2 5 (2009) 1090
Mitte 13. Jh. S. 443. – Gustav Korl´en: Die mnd. Texte des 13. Jh. Beitr. zur Quellenkunde und Grammatik des Fr¨uhmittelniederdeutschen (Lunder germanistische Forschungen 19). Lund/Kopenhagen 1945, S. 70 f. – Rolf Steinbach: Die dt. Oster- und Passionsspiele des MA (K¨olner germanistische Stud. 4). K¨oln/Wien 1970, S. 104–107. – Wolfgang F. Michael: Das dt. Drama des MA (Grundriß der germ. Philologie 20). Berlin/New York 1971, S. 141. – R. Bergmann: Stud. zu Entstehung und Gesch. der dt. Passionsspiele des 13. und 14. Jh. M¨unchen 1972, 55–57, 71 f. et passim. – David Brett-Evans: Von Hrotsvit bis Folz und Gengenbach. Eine Gesch. des ma. dt. Dramas. Tl. 1: Von der liturgischen Feier zum volkssprachlichen Spiel (Grundlagen der Germanistik 15). Berlin 1975, S. 157. – R. Bergmann: Kat. der deutschsprachigen geistlichen Spiele und Marienklagen des MA (Ver¨off. der Kommision f¨ur dt. Lit. des MA der Bayerischen Akad. der Wiss.). Mu¨ nchen 1986, S. 270 f. (Nr. 121). – Hansju¨ rgen Linke: Drama und Theater. In: Die dt. Lit. im sp¨aten MA. Hg. v. Ingeborg Glier. Tl. 2. M¨unchen 1987, S. 153–233, hier S. 186, 195 f. – B. Neumann: Geistliches Schauspiel im Zeugnis der Zeit (MTU 84.85). M¨unchen 1987, Bd. 2, S. 841 (Nr. 3631). – Joachim Heinzle: Wandlungen und Neuans¨atze im 13. Jh. (1220/30–1280/90) (Gesch. der dt. Lit. von den Anf¨angen bis zum Beginn der Neuzeit II/2). 2., durchges. Aufl. T¨ubingen 1994, S. 160. BJ Osterspiel von Muri. – Geistliches Spiel, Mitte 13. Jh. 1840 entdeckte Theodor Oehler in der Klosterbibliothek von Muri in den Einbanddeckeln eines Exemplars der zweib¨andigen Vulgata-Ausgabe (1466) des Straßburger Druckers Heinrich Eggestein vier senkrecht zur Schrift geschnittene Pergamentstreifen mit Bruchst¨ucken des O. v. M. 1942 fand Friedrich Ranke in den sich nunmehr in der Aargauischen Kantonsbibliothek in Aarau befindlichen B¨anden vier parallel zur Schrift geschnittene Streifen in den Einbandr¨ucken derselben B¨ande. Erhalten ist mit 612 Versen etwa die H¨alfte des gesamten Textes. Anfang und Schluss sowie einige Zwischenteile des Spiels, das vermutlich in Z¨urich verfasst wurde, fehlen. Im Gegensatz zur → Frankfurter Dirigierrolle bietet das O. v. M., obwohl es sich urspr¨unglich ebenfalls um eine bei 1091
Osterspiel von Muri Proben und Auff¨uhrungen verwendete Rolle gehandelt hat, keine Spielvorschriften, sondern beschr¨ankt sich neben zwei lat. Antiphonnotizen auf die Angabe der Personen und deren Rollentexte. Der erhaltene Text setzt mit einer W¨achterszene ein, in der Pilatus mit den Juden und «custodes» u¨ ber die Bewachung des Grabes verhandelt. Donner und Blitz, welche die wortlos geschehende Auferstehung begleiten, lassen die W¨achter erschrocken fliehen. Erneute Verhandlungen mit Pilatus bringen ihnen hohes Schweigegeld ein. Der Kr¨amer erh¨alt von Pilatus eine Verkaufserlaubnis und preist dann in langer Rede seine Waren an. Die Kr¨amerszene wird nach H¨ollenfahrt Christi (Befreiung der Altv¨ater) mit dem Salbenkauf der drei Frauen fortgesetzt. Der «visitatio sepulchri» (mit Engel) folgt die Hortulanus-Szene mit einer – in ihrer Art ohne Parallele – langen gebethaften Rede der Maria Magdalena, die sie an den Auferstandenen richtet. Der Form nach ist das O. v. M. von der h¨ofischen Dichtung gepr¨agt: Die Reime sind rein, der Versbau – vierhebiger (gelegentlich dreihebiger) Reimpaarvers – entspricht den Regeln der mhd. Bl¨utezeit. So wie sich das O. v. M. auf keine bestimmte Vorlage zur¨uckf¨uhren l¨asst, scheint es ohne unmittelbare Nachfolge geblieben zu sein. ¨ Uberlieferung: Aarau, Kantonsbibl., MsMurF 31a (Perg., drittes Viertel 13. Jh., hochalemannisch [Z¨urcher Raum?]). Ausgaben: K. Oehler: Bruchstu¨ cke eines altdt. Dramas, von einigen alten Pergamentstreifen des Klosters Muri entnommen und mitgeteilt. In: Beitr. zur Gesch. und Litteratur, vorz¨uglich aus den Archiven und Bibliotheken des Kantons Aargau 1 (1846) S. 223–239. – Karl Bartsch: Das a¨ lteste dt. Passionsspiel. In: Germania 8 (1863) S. 273–279. – Jakob B¨achtold: Schweizerische Schauspiele des sechszehnten Jh. Bd. 1. Z¨urich 1890, S. 273–290. – Richard Froning (Hg.): Das Drama des MA. Bd. 1 (Dt. National-Litteratur 14,1). Stuttgart 1891 (Nachdr. Darmstadt 1964) S. 228–244. – Eduard Hartl: Das Drama des MA. Bd. 2: Osterspiele (Dt. Lit., Reihe Drama des MA 2). Leipzig 1937 (Nachdr. Darmstadt 1964) S. 273–290. – Werner Burkhard (Hg.): Schriftwerke dt. Sprache. Ein literaturgeschichtliches Lesebuch. Bd. 1: Von den Anf¨angen bis ins Barockzeitalter. Aarau o. J. [1942], S. 207–217. – Friedrich Ranke (Hg.): Das O. v. M., nach den alten und neuen Fragmenten. Aarau 1944. – Rudolf 1092
Amorbacher (alemannisches) Spiel von Mariae Himmelfahrt Meier (Hg.): Das Innsbrucker Osterspiel. Das O. v. M. Mhd. und Nhd (RUB 8660/61). Stuttgart 1962, S. 114–155. – Das O. v. M. Faksimiledruck der Fragmente und Rekonstruktion der Pergamentrolle. Hg. unter dem Patronat des Regierungsrates des Kantons Aargau. Basel 1967. Literatur: Max Wehrli, VL2 7 (1989) Sp. 119–124. – Ursula Schulze, LexMA 6 (1993) Sp. 1525 f. – De Boor/Newald 4/1 (21994) S. 244, 257 f. – Eduard Hartl: Anm. zu mhd. Osterspielen. II: Zum O. v. M. In: ZfdPh 62 (1937) S. 233–243. – Friedrich Ranke: Zum O. v. M. In: ZfdA 80 (1944) S. 71–82. – Alban St¨ockli/F. Ranke: Zum O. v. M. In: Unsere Heimat. Jahresschr. der Hist. Ges. Freiamt in Wohlen, Jg. 1946, S. 11–20. – Werner Danne: Die Beziehungen des O.s v. M. zu den lat. Osterfeiern und -spielen und den u¨ brigen deutschsprachigen Osterspielen. Diss. Berlin 1955. – David Brett-Evans: H¨ofisch-ritterliche Elemente im dt. geistliche Spiel des MA. Lahr 1952. – Werner Danne: Die Beziehungen des O.s v. M. zu den lat. Osterfeiern und -spielen und zu den u¨ brigen deutschsprachigen Osterspielen. Diss. FU Berlin 1955. – Rolf Steinbach: Die dt. Oster- und Passionsspiele des MA (K¨olner germanistische Stud. 4). K¨oln/Wien 1970. – Wolfgang F. Michael: Das dt. Drama des MA (Grundriß der germ. Philologie 20). Berlin/New York 1971. – Rolf Bergmann: Stud. zu Entstehung und Gesch. der dt. Passionsspiele des 13. und 14. Jh. M¨unchen 1972, S. 62, 102–104. – D. Brett-Evans: Von Hrotsvit bis Folz und Gegenbach. Eine Geschichte des ma. dt. Dramas. Tl. 1: Von der liturgischen Feier zum volkssprachlichen Spiel (Grundlagen der Germanistik 15). Berlin 1975, S. 92–99. – Ursula Hennig: Die Klage der Maria Magdalena in den dt. Osterspielen. In: ZfdPh 94 (1975) Sonderh., S. 108–138. – Arne Holtorf: H¨ofische Theologie im O. v. M. In: PBB (T¨ub.) 97 (1975) S. 339–364. – R. Bergmann: ¨ Uberl., Interpretation und literaturgeschichtliche Stellung des O.s v. M. In: Internationales Arch. f¨ur Sozialgesch. der dt. Lit. 9 (1984) S. 1–21, hier S. 7–9 (mit Rekonstruktion). – Inge Dahm: Aargauer Inkunabelkat. (Aus der Aargauischen Kantonsbibl. 2). Aarau u. a. 1985, S. 51–53. – J. Now´e: Kult oder Drama? Zur Struktur einiger Osterspiele des dt. MA. In: The Theatre in the Middle Ages. Hg. v. H. Braet u. a. Leuven 1985. – R. Bergmann: Kat. der deutschsprachigen geistlichen Spiele und Marienklagen des MA (Ver¨off. der Kommission f¨ur dt. Lit. des MA der Bayerischen Akad. der 1093
2. H¨alfte 13. Jh.
Wiss.). Mu¨ nchen 1986, S. 37–39 (Nr. 2). – Bernd Neumann: Geistliches Schauspiel im Zeugnis der Zeit. Zur Auff¨uhrung ma. religi¨oser Dramen im dt. Sprachgebiet (MTU 84.85). Mu¨ nchen 1987, Bd. 2, S. 850 (Nr. 3646). – Joachim Heinzle: Vom hohen zum sp¨aten MA. Tl. 2: Wandlungen und Neuans¨atze im 13. Jh. (1220/30–1280/90) (Gesch. der dt. Lit. v. den Anf¨angen bis zum Beginn der Neuzeit II/2). 2., durchgesehene Aufl. Tu¨ bingen 1994, S. 161–163 und Abb. 8. (vor S. 89). – Charlotte Bretscher-Gisiger/Rudolf Gamper: Kat. der ma. Hss. der Kl¨oster Muri und Hermetschwil. Dietikon/Z¨urich 2005, S. 109 f., 55. – Johannes Janota: Das O. v. M. In: Eine neue Gesch. der dt. Lit. Hg. v. Favid E. Wellbery u. a. Berlin 2007, S. 183–192. – Ursula Schulze: Geistliche Spiele im MA und in der Fr¨uhen Neuzeit. Von der liturgischen Feier zum Schauspiel. Eine Einf. Berlin 2012, S. 56–60, 149 f. BJ Amorbacher (alemannisches) Spiel von Mariae Himmelfahrt. – Fragment eines geistlichen Spiels. Das A. S. ist als Doppelblatt in zwei Fragmenten u¨ berliefert, an denen zwei Schreiber mitwirkten. Es handelt sich wahrscheinlich um die Abschrift eines Originals. Der Verfasser des Spiels ist unbekannt; seine theologischen Kenntnisse und die allegorischen Hoheliedbez¨uge legen aber einen gebildeten Geistlichen als Autor nahe. Der lat.-dt. Text besteht aus alternierenden Passagen in beiden Sprachen mit neumierten lat. Gesangspartien. Der dt. Text beruht wohl auf einer alemannischen Vorlage und bietet eine erweiterte, oft freie Paraphrase der lat. Passagen. Der u¨ berlieferte Gesamttext des Spiels k¨onnte auf ein heute verlorenes, liturgisches Drama in lat. Sprache zur¨uckgehen, das vielleicht dem Offizium zu Mari¨a Himmelfahrt entstammte. Das urspr¨ungliche Drama enthielt wahrscheinlich drei Szenen: Tod und Seelenaufstieg Marias, ihre Grablegung und die eigentliche Himmelfahrt. Inhaltlich entspricht die vor Marias Tod beginnende Handlung der traditionellen Himmelfahrtslegende. Charakteristisch f¨ur das Spiel ist jedoch ein Disput zwischen Dominus (Christus), Ecclesia (Christentum) und Synagoga (Judentum), der in Fortsetzungen zwischen den Szenen eingef¨ugt ist. Es handelt sich um eine in vielen Formulierungen dem Hohelied verpflichtete, brautmystische Allegorie. Darin werben Ecclesia und Synagoga 1094
2. H¨alfte 13. Jh. um den Br¨autigam Dominus. Obwohl der Ausgang des Werbens aufgrund der fragmentarischen ¨ Uberlieferung fehlt, ist eine Grundtendenz erkennbar: Dominus neigt Ecclesia zu, verst¨oßt aber auch Synagoga nicht v¨ollig. Der allegorische Disput ist nur in dieser Bearbeitung des A. S. nachgewiesen. Auch die Sch¨andung von Marias Leiche durch Juden d¨urfte nicht aus der urspr¨unglichen Vorlage u¨ bernommen, sondern sp¨ater eingef¨ugt worden sein. Diese Episode steht auch im Kontrast zu der gem¨aßigten Darstellung des Judentums im allegorischen Disput. Insgesamt ist das Spiel vor allem wegen seiner Hohelieddramatisierung von Interesse, wie sie sonst nur in einem Regensburger Fragment aus der Zeit um 1200 nachweisbar ist. ¨ Uberlieferung: Amorbach, F¨urstl. Leiningensches Arch., ohne Sign., 1 Doppelbl. (Perg., sp¨ates 13. Jh., alemannisch-mitteldt.). Ausgabe: Rudolf Heym: Bruchst¨uck eines geistlichen Schauspiels von Marien Himmelfahrt. In: ZfdA 52 (1910) S. 1–56. Literatur: Bernd Neumann, VL2 1 (1978) Sp. 332 f. – De Boor/Newald 3/2 (1987) S. 201–203, 479, 519. – Franz Ebbecke: Unters. zur Innsbrucker Himmelfahrt Mariae. Marburg 1929, ¨ S. 82 f. – Paul-Gerhard V¨olker: Uberlegungen zur Gesch. des geistlichen Spiels im MA. In: WerkTyp-Situation. FS Hugo Kuhn. Hg. v. Ingeborg Glier u. a. Stuttgart 1969, S. 252–280. – David Brett-Evans: Von Hrotsvit bis Folz und Gengenbach. Eine Gesch. des ma. dt. Dramas. Tl. 2: Religi¨ose und weltliche Spiele des Sp¨atMA (Grundlagen der Germanistik 18). Berlin 1975, 26 f. – Rolf Bergmann: Kat. der deutschsprachigen geistlichen Spiele und Marienklagen des MA (Ver¨off. der Kommission f¨ur dt. Lit. des MA der Bayerischen Akad. der Wiss.). Mu¨ nchen 1986, S. 47 f. (Nr. 9). – Ernst Hellgardt: Neumen in Hss. mit dt. Texten. Ein Kat. In: ‹Ieglicher sang sein eigen ticht›. Germanistische und musikwissenschaftliche Beitr. zum dt. Lied im MA. Hg. v. Christoph M¨arz u. a. (Elementa Musicae 4). Wiesbaden 2011, S. 163–207, hier S. 165 (Nr. 1). MM St. Galler Weihnachtsspiel (auch: St. Galler Spiel von der Kindheit Jesu). – Geistliches Spiel, letztes Drittel des 13. Jh. Das zwischen 1437 und 1450 im schw¨abischen oder ostalemannischen Raum aufgezeichnete St. G. W. (1081 Verse) beruht auf einer (verlorenen) Vorlage, die vermutlich im letzten Drittel des 1095
St. Galler Weihnachtsspiel 13. Jh. entstanden ist (vgl. → Osterspiel von Muri). Neben den Rollentexten sind auch die Regieanweisungen in dt. Sprache verfasst. Das Spiel beginnt mit Prophetenauftritten (V. 1–264) und endet mit der Szene, in der ein Engel den Tod des Herodes ank¨undigt und Joseph zur R¨uckkehr nach Bethlehem auffordert. Zu den Szenen, die in der u¨ berlieferten Spieltradition nicht geboten werden, z¨ahlt der Besuch der T¨ochter von Sion – noch vor den Hl. Drei K¨onigen – bei Maria an der Krippe (V. 470–505). Nicht mit Text vorhanden, sondern nur angedeutet sind Handlungselemente wie die Geburt Jesu und der Tod des Herodes. ¨ Uberlieferung: St. Gallen, Stiftsbibl., Cod. 966, S. 129–169 (Pap.; 15. Jh.). Ausgaben: Schauspiele des MA. Hg. v. Franz J. Mone. Karlsruhe 1846 (Neudr. Aalen 1970) Bd. 1, S. 143–181. – Joseph Klapper: Das St. Galler Spiel von der Kindheit Jesu. Unters. und Text (Germanistische Abh. 21). Breslau 1904, S. 75–119. – Emilia B¨atschmann (Hg.): Das St. G. W. Unters. und ¨ Text (Altdt. Ubungstexte 21). Bern 1977, 40–76. ¨ Ubersetzungen und Neubearbeitungen: Hans Reinhart: St. Galler Spiel von der Kindheit Christi (13. Jh.). In gek¨urzter Fassung frei aus dem Urtext in neu-schweizerische Mundart u¨ bertragen und zur Auff¨uhrung eingerichtet. Basel 1928. – Albrecht Goes: Das Sankt Galler Spiel von der Kind¨ heit Jesu. Frankfurt/M. 1959 (nhd. Ubertragung). Literatur: Hansj¨urgen Linke, VL2 2 (1980) Sp. 1056–1058. – De Boor/Newald 3/2 (1987) S. 215 f.; 4/1 (21994) S. 258. – Bernd Neumann/Red., Killy2 4 (2009) S. 107. – Mone (s. Ausg.) S. 132–143. – Wilhelm Koeppen: Beitr. zur Gesch. der dt. Weihnachtsspiele. Paderborn 1893, S. 35–48. – Klapper (s. Ausg.) S. 1–74, 120–129. – Georg Bencker: Das dt. Weihnachtsspiel. Diss. Greifswald 1933. – Maria Elisabeth G¨ossmann: Die Verk¨undigung an Maria. Im dogmatischen Verst¨andnis des MA. M¨unchen 1957, S. 176 f. – Wolfgang F. Michael: Das dt. Drama des MA (Grundriß der germ. Philologie 20). Berlin/New York 1971, S. 82–84. – David Brett-Evans: Von Hrotsvit bis Folz und Gengenbach. Eine Gesch. des ma. dt. Dramas. Tl. 1: Von der liturgischen Feier zum volkssprachlichen Spiel (Grundlagen der Germanistik 15). Berlin 1975, S. 176–180. – B¨atschmann (s. Ausg.) S. 11–36, 77–96. – Rolf Bergmann: Kat. der deutschsprachigen geistlichen Spiele und Marienklagen des MA (Ver¨off. der Kommission 1096
Legendenspiele f¨ur dt. Lit. des MA der Bayerischen Akad. der Wiss.). Mu¨ nchen 1986, S. 136–138 (Nr. 55). – B. Neumann: Geistliches Schauspiel im Zeugnis der Zeit. Zur Auff¨uhrung ma. religi¨oser Dramen im dt. Sprachgebiet (MTU 84.85). M¨unchen 1987, Bd. 2, S. 853 (Nr. 3653). – Dorette Krieger: Die ma. deutschsprachigen Spiele und Spielszenen des Weihnachtsstoffkreises (Bochumer Schr. zur dt. Lit. 15). Frankfurt/M. u. a. 1990. – Michael Straeter: Die ‹volkst¨umliche› Gestaltung dt. volkssprachlicher Weihnachtsspiele des MA. In: Leuvense Bijdragen 90 (2001) S. 263–295. – Ursula Schulze: Geistliche Spiele im MA und in der Fr¨uhen Neuzeit. Von der liturgischen Feier zum Schauspiel. Eine Einf. Berlin 2012, S. 74. BJ Marburger Prophetenspiel (auch: Stadesches Weihnachtsspiel). – Bruchst¨uck der Prophetenauftritte aus einem Weihnachtsspiel. Das 58 Reimpaarverse umfassende Fragment stammt nach J. C. Dieterich aus einem «ludus scenicus de Nativitate Christi, rythmo vernaculo conscriptus». Auf die Aufforderung des Augustinus, Vergil solle sagen, «was dir von Christo si bekant» (V. 10), folgt dessen Weissagungsrede (V. 10a–58). Zahlreiche Verse des Textes entsprechen (vgl. Linke, Sp. 1228) dem zu Beginn des 14. Jh. entstandenen heilsgeschichtlichen Epos → Erl¨osung (vgl. Vergils 4. Ekloge in den Bucolica, in der auf eine Jungfrauengeburt angespielt und der Anbruch eines goldenen Zeitalters angek¨undigt wird). Diese ¨ w¨ortlichen Ubereinstimmungen d¨urften auf einer Umarbeitung der Erl¨osung f¨ur eine dramatische Auff¨uhrung beruhen (vgl. → Frankfurter Dirigierrolle, in der Augustinus verschiedene alttestamentliche Propheten – darunter Vergil – vorstellt, die das Erscheinen des Messias vorhersagen). ¨ Uberlieferung: Ehemals im Privatbesitz von Conrad Bachmann (1626–46 Professor in Marburg), heute verschollen (vielleicht noch erste H¨alfte 14. Jh., rheinfr¨ankisch). Ausgaben: Johann Conrad Dieterich: Specimen Antiqvitatum Biblicarum, quo libris tribvs varia institvta mores et ritvs [...] e Sacris literis [!] exhibentur. Marburg 1642, [I:] S. 122–124 (dazu E[dward] S[chr¨oder]: Zum Erl¨osungsspiel. In: AfdA 35 [1912] S. 302 f.). – Dietrich von Stade: Specimen lectionum antiquarum Francicarum [!] [...]. Stade 1708, S. 34 (nach Dieterich). – [Friedrich Heinrich] v[on] d[er] Hagen: Schauspiel 1097
um 1300 von der Geburt Christi, nach Virgils und Sibyllen Weißagung. In: Germania 7 (1846) S. 348–351 (nach Dieterich, korrigiert; zit.). Literatur: Hansj¨urgen Linke, VL2 5 (1985) Sp. 1227 f. – Carl Schmidt: Stud. zur Textkritik der Erl¨osung. Diss. Marburg 1911, S. 14 f., 23–28, ¨ 34, 43. – Friedrich Maurer: Uberl. und Textkritik der Erl¨osung. In: ZfdA 68 (1931) S. 196–214. – Rolf Bergmann: Stud. zur Entstehung und Gesch. der dt. Passionsspiele des 13. und 14. Jh. (MMS 14). M¨unchen 1972, S. 168–170. – David BrettEvans: Von Hrotsvit bis Folz und Gengenbach. Eine Gesch. des ma. dt. Dramas. Tl. 1: Von der liturgischen Feier zum volkssprachlichen Spiel (Grundlagen der Germanistik 15). Berlin 1975, S. 175 f. – Walter Haug: Die Sibylle und Vergil in der Erl¨osung. In: Lit. in der Ges. des Sp¨atMA. Hg. v. Hans U. Gumbrecht (Grundriß der romanischen Literaturen des MA. Begleitreihe 1). Heidelberg 1980, S. 71–94. – R. Bergmann: Kat. der deutschsprachigen geistlichen Spiele und Marienklagen des MA (Ver¨off. der Kommission f¨ur dt. Lit. des MA der Bayerischen Akad. der Wiss.). M¨unchen 1986, S. 152 (Nr. 63). – Bernd Neumann: Geistliches Schauspiel im Zeugnis der Zeit. Zur Auff¨uhrung ma. religi¨oser Dramen im dt. Sprachgebiet (MTU 84.85). Mu¨ nchen 1987, Bd. 2, S. 847 (Nr. 3639/1). BJ Alexiusspiel → Band 1, Sp. 922 f. Legendenspiele. – Gruppe volksprachiger Spiele, ab etwa 13. Jh. Unter den geistlichen Dramen des MA nahmen volkssprachige Spiele einen besonderen Platz ein. Zahlreiche Oster-, Passions- u. a. Spiele waren fester Bestandteil lokaler Traditionen, die sich etwa in den Bozener, Brixener und Luzerner Spielen manifestierten. Diese Spiele enthielten manchmal Legendenhandlungen, in deren Mittelpunkt z. B. Maria Magdalena oder Lazarus standen. Gleichzeitig entstanden ab etwa dem 13. Jh. eigenst¨andige L. Diese k¨onnen in mehrere Hauptgruppen unterteilt werden: Marienhimmelfahrtsspiele thematisierten die biblischen Ereignisse um Tod, Auferstehung und Himmelfahrt Marias. Beispiele sind das → Amorbacher Spiel von Mariae Himmelfahrt und das Innsbrucker (th¨uringisches) Spiel von Mariae Himmelfahrt (Nr. 67; Nummerierung nach Bergmann 1986, s. Lit.). Der bereits in der Legenda aurea des → Jacobus a Voragine greifbare Stoff wird hier 1098
um 1300 u. a. mit Hld-Elementen angereichert und allegorisch aufgeladen. In den Marienlegendenspielen erscheint Maria als Helferin reuiger S¨under, f¨ur die sie bei Jesus F¨urbitte einlegt. Maria tritt besonders in den Spielen um → Theophilus in dieser Rolle auf, so im Stockholmer Theophilusspiel (Nr. 154), im Trierer Theophilusspiel (Nr. 157) und im Wolfenb¨utteler Theophilusspiel (Nr. 173). In Dietrich → Schernbergs P¨apstinnendrama Spiel von Frau Jutten (Nr. 61) tritt Maria ebenfalls als Helferin auf, doch werden die religi¨osen Elemente hier durch starke Akzente aus der Fastnachtspieltradition erg¨anzt. Neben Maria standen auch Heilige im Mittelpunkt zahlreicher L. Diese Heiligenlegendenspiele enthalten oft erweiterte Fassungen biblischer oder antiker Legenden mit mehr Figuren und Szenen (z. B. Teufelsszenen). Dazu geh¨oren das → Augsburger Georgsspiel (Nr. 10), das Berliner → Alexiusspiel(-fragment) (Nr. 20), Felix → B¨uchsers Einsiedler Meinradspiel (Nr. 39), das → Kremsm¨unsterer (mittelschlesische) Dorotheenspiel (Nr. 74), das → M¨uhlh¨auser (th¨uringische) Katharinenspiel (Nr. 114) ¨ und das → Moselfr¨ankische Katharinenspiel. Ein Alteres Ursenspiel wurde schon 1539 in Solothurn aufgef¨uhrt und im sp¨aten 16. Jh. von Johann Wagner bearbeitet. Neben diesem Solothurner St. Ursenspiel (Nr. 131, 133) ist von Wagner auch ein Solothurner St. Mauritzenspiel (Nr. 132) u¨ berliefert. Eine weitere Form ma. L. waren die Heiligkreuzspiele. Sie stellten die Geschichte des Kreuzes Jesu dar. Entsprechende Stoffe waren u. a. in der Legenda aurea enthalten. Dargestellt wurden u. a. die Auffindung des Kreuzes durch Helena sowie die Kreuzerh¨ohung durch Eraclius. Ein solches Spiel ist das → Augsburger Heiligkreuzspiel (Nr. 10). Im 16. Jh. lebte die Tradition in dem von Renward Cysat bearbeiteten Luzerner Heiligkreuzspiel (Nr. 95, 99, 103) und in Wilhelm Stapfers Zuger Heiligkreuzspiel (Nr. 1) fort. Theatergeschichtlich erlangten die L. nie die Bedeutung der Oster- und Passionsspiele, zu denen sie aber eine interessante Erg¨anzung darstellen – immerhin vollzogen sie eine, wenn auch begrenzte Erweiterung des biblischen Stoffkreises um legendarische Stoffe aus j¨ungeren Quellen. Die L.Tradition war nie so reich wie jene der gr¨oßeren Spiele, reicht aber bis in die neuere Zeit, in der L. noch als Kinder- oder Laienspiele aufgef¨uhrt werden. 1099
Legendenspiele ¨ ¨ Uberlieferung: Zur umfangreichen Uberl. vgl. Bergmann 1986 (s. Lit.) und die jeweiligen VLArtikel (s. Lit.). Ausgaben: Bergmann 1986 (s. Lit.) und in den jeweiligen VL-Artikeln (s. Lit.). Literatur: Paul Merker: Legende. In: RL 2 (1926) S. 176–200. – Bernd Neumann: Amorbacher (alemannisches) Spiel von Mariae Himmelfahrt. In: VL2 1 (1978) Sp. 332 f. – Heinrich Biermann: Augsburger (s¨udbair.) Heiligkreuzspiel. In: ebd., Sp. 528 f. – Ders.: Augsburger Georgspiel. In: ebd., Sp. 519–521. – Ders.: Kremsm¨unsterer (schlesisches) Dorotheenspiel. In: VL2 5 (1985) Sp. 357. – Ders.: M¨uhlh¨auser (th¨uringisches) Katharinenspiel. In: VL2 6 (1987) Sp. 721–723. – Sibylle Jefferis: Moselfr¨ankisches Katharinenspiel. In: ebd., Sp. 703. – De Boor/Newald 2 (1987) S. 219–223, 483. – Hansj¨urgen Linke: Schernberg, Dietrich. In: VL2 8 (1992) Sp. 647–651. – Karin Schneider: Wagner, Johannes. In: VL2 10 (1999) Sp. 569 f. – B. Neumann: Augsburger Georgsspiel. In: Killy2 1 (2008) S. 252 f. – Ders.: Augsburger Heiligkreuzspiel. In: ebd., S. 253. – Werner Williams-Krapp/Sandra Linden: Katharina von Alexandrien. In: Killy2 6 (2009) S. 319 f. – Michael Schilling: Schernberg, Dietrich. In: Killy2 10 (2011) S. 313 f. – B. Neumann/Hannes Obermair: Tiroler Spiele. In: Killy2 11 (2011) S. 546–548. – Elke Ukena-Bast: Wagner, Johannes. In: Killy2 12 (2011) S. 78. – Sabina Foidl: Theophilus. In: DLL MA 1 (2011) Sp. 435–440. – Christian Sarauw: Textgeschichtliches zu den Spielen von Theophilus und von Frau Jutten. In: PBB 48 (1924) S. 495 f. – Hans Hansel: Das Nachleben der Heiligen in der Dichtung und die stoffgeschichtliche Darst. In: Volk und Volkstum 3 (1938) S. 231–250. – Norbert H¨olzl: L. im o¨ stlichen Tirol. In: Tiroler Heimatbll. 41 (1966) S. 11–18. – Rolf Steinbach: Die dt. Oster- und Passionsspiele des MA (K¨olner germanistsiche Stud. 4). K¨oln/Wien 1970. – Wolfgang F. Michael: Das dt. Drama des MA (Grundriß der germ. Philologie 20). Berlin/ New York 1971. – E. Ukena: Die dt. Mirakelspiele des Sp¨atMA. Stud. und Texte (Europ¨aische Hochschulschr. I,115; Arbeiten zur Mittleren Dt. Lit. und Sprache 1). 2 Bde. Bern, Frankfurt/M. 1975. – David Brett-Evans: Von Hrotsvit bis Folz und Gengenbach. Eine Gesch. des ma. dt. Dramas. Bd. 2: Religi¨ose und weltliche Spiele des Sp¨atMA (Grundlagen der Germanistik 18). Berlin 1975. – H. Biermann: Die deutschsprachigen L. des sp¨aten MA und der fr¨uhen Neuzeit. Diss. 1100
Vorauer Petrus-Rolle K¨oln 1977. – Elisabeth Kully: Das a¨ ltere St. Ursenspiel. In: Jb. f¨ur solothurnische Gesch. 55 (1982) S. 5–108. – Rolf Bergmann: Kat. der deutschsprachigen geistlichen Spiele und Marienklagen des MA (Ver¨off. der Kommission f¨ur dt. Lit. des MA der Bayerischen Akad. der Wiss.). M¨unchen 1986, Nr. 1, 10, 20, 39, 61, 67, 74, 95, 99, 103, 114, 131–133, 154, 157, 173 (mit Lit. und Ausg.). – B. Neumann: Geistliches Schauspiel im Zeugnis der Zeit (MTU 84.85). 2 Bde. M¨unchen 1987. – Eckehard Simon: Die Anf¨ange des weltlichen dt. Schauspiels 1370–1530. Unters. und Dokumentation. T¨ubingen 2003. – Stefan Tilg: Die Hl. Katharina von Alexandria auf der Jesuitenb¨uhne. Drei Innsbrucker Dramen aus den Jahren 1576, 1577 und 1606. T¨ubingen 2005. – S. Jefferis: Ein sp¨atma. Katharinenspiel aus dem Cod. Ger. 4 der University of Pennsylvania. Text und Stud. zu seiner legendengeschichtlichen Einordnung (GAG 430). G¨oppingen 2007. – Andr´e Schnyder: Das mnd. Theophilus¨ Spiel. Text, Ubers., Stellenkomm. Berlin/New York 2009. MM Munchner ¨ Hortulanus-Szene (fr¨uher auch: M¨unchner Bruchst¨uck des lat.-dt. Marienspiels in Zehnsilblern). – Fragment einer Hortulanus-Szene aus einem lat.-dt. Osterspiel, 14. Jh. Der erhaltene Text beginnt mit der lat. Strophe «Dolor crescit, tremunt precordia de magistri pii absentia ...» Maria Magdalenas, der drei dt. Strophen («We der maere, we der iaemerlichen chlag! ...», «Durch got, ir frowen, helfet chlagen miniv lait! ...», «We mir daz ich ie wort geboren! ...») ¨ folgen: eine sehr freie Ubersetzung der «Dolor»Strophe und der hier nicht vorhandenen Strophen «Cum venissem ungere mortuum ...» und «En lapis est vere depositus ...». Im anschließenden lat. Dialog fragt der Auferstandene (eine B¨uhnenanweisung f¨ur seine Verkleidung als G¨artner fehlt) Maria Magdalena, warum sie weine. Nach einem kurzen Verschwinden, w¨ahrenddessen Maria Magdalena den dt. Klagegesang wiederholt («cantat tethunice melodiam»), kehrt er zur¨uck und gibt sich – wieder lat. – zu erkennen. ¨ Uberlieferung: M¨unchen, BSB, Cgm 5249/57, r v 1 –1 (Perg., fr¨uhes 14. Jh., bair.; durchgehend u¨ bergeschriebene Neumen). Ausgabe: Wilhelm Meyer (Hg.): Fragmenta Burana [Sonderabdruck aus: FS zur Feier des hundertf¨unfzigj¨ahrigen Bestehens der K¨onigl. Ges. der 1101
1. H¨alfte 14. Jh. Wiss. zu G¨ottingen 1901]. Berlin 1901, S. 144 (zit.), Tf. 14 und 15 (Faks.). Literatur: Hansj¨urgen Linke, VL2 6 (1987) Sp. 761 f. – Meyer (s. Ausg.) S. 111, 114 f., 120, 139–144. – Rolf Steinbach: Die dt. Oster- und Passionsspiele des MA (K¨olner germanistische Stud. 4). K¨oln/Wien 1970, S. 13 f. – Ruprecht Wimmer: Deutsch und Latein im Osterspiel. Unters. zu den volkssprachlichen Entsprechungstexten der lat. Strophenlieder (MTU 48). Mu¨ nchen 1974, S. 55–68 u. o. ¨ – Dietrich Schmidtke/Ursula Hennig/Walther Lipphardt: F. O. und F¨ussener Marienklage. In: PBB T¨ub. 98 (1976) S. 231–288, 395–423 (passim). – U. Hennig: Textanalyse des Osterspiels. In: Das F¨ussener Osterspiel und die F¨ussener Marienklage. Universit¨atsbibl. Augsburg (ehemals: Harburg), Cod. II, 1, 4°, 62. In Abb. hg. v. Dietrich Schmidtke. Mit einer literaturwissenschaftlichen Einf. v. U. Hennig (Litterae 69). G¨oppingen 1983, S. 21–26, hier S. 23–26. – Rolf Bergmann: Kat. der deutschsprachigen geistlichen Spiele und Marienklagen des MA (Ver¨off. der Kommission f¨ur dt. Lit. des MA der Bayerischen Akad. der Wiss.). Mu¨ nchen 1986, S. 264–266 (Nr. 118). – Bernd Neumann: Geistliches Schauspiel im Zeugnis der Zeit. Zur Auff¨uhrung ma. religi¨oser Dramen im dt. Sprachgebiet (MTU 84.85). Mu¨ nchen 1987, Bd. 2, S. 849 (Nr. 3643). – Ernst Hellgardt: Neumen in Hss. mit dt. Texten. Ein Kat. In: ‹Ieglicher sang sein eigen ticht›. Germanistische und musikwissenschaftliche Beitr. zum dt. Lied im MA. Hg. v. Christoph M¨arz u. a. (Elementa Musicae 4). Wiesbaden 2011, S. 163–207, hier S. 184 (Nr. 22). BJ Vorauer Petrus-Rolle. – Fragment einer PetrusRolle aus dem J¨ungerlauf, 14. Jh. Der Vorauer Codex Ms. 90 enth¨alt auf Bl. 180v–181r eine neumierte lat. Osterfeier des Typus II mit «visitatio sepulchri» und J¨ungerlauf. Am oberen Rand beider Seiten stehen Eintr¨age einer j¨ungeren Hand des 14. Jh., die fr¨uher als «Vorauer Osterspiel» bezeichnet wurden (Lipphardt, Bergmann, Neumann). Die Nachtr¨age geh¨oren jedoch zu zwei verschiedenen Spielen: auf Bl. 180v zu einem dt. Osterspiel (Fragment einer Petrus-Rolle aus dem J¨ungerlauf), auf Bl. 181r zu einer mischsprachigen Osterfeier des Typus I («visitatio sepulchri»). Der Text der Petrus-Rolle beginnt mit der Frage des Petrus an Maria Magdalena, was ihr 1102
1. H¨alfte 14. Jh. ¨ am Grab widerfahren sei (Vers 1–4, eine Ubersetzung des Frageversikels «Dic nobis Maria», aus → Wipos Ostersequenz). Der an Johannes gerichteten Aufforderung, gemeinsam zum Grab zu laufen (V. 5–10), folgt der J¨ungerlauf (V. 11–20). Mit dem laut ge¨außerten Unmut des nachhinkenden, wenn nicht gest¨urzten Petrus u¨ ber den vorauseilenden Johannes bricht der Text ab. ¨ Uberlieferung: Vorau, Stiftsbibl., Cod. 90 (fr¨uher XXXIV) (Breviarium Pataviense), 180v (14. Jh.). Ausgaben: Walther Lipphardt: Hymnologische Quellen der Steiermark und ihre Erforschung (Grazer Universit¨atsreden 13). Graz 1974, S. 65 f. – Ders. (Hg.): Lat. Osterfeiern und Osterspiele. Tl. 4 (Ausgaben dt. Lit. des XV. bis XVIII. Jh., Reihe Drama 5,4). Berlin/New York 1976, S. 1094 (Nr. 632) (beide Editionen sind ungenau). – Linke 1991 (s. Lit.) S. 422 f. Literatur: Hansj¨urgen Linke, VL2 10 (1999) Sp. 525 f. – Pius Fank: Catalogus Voraviensis seu Codices manuscripti Bibliothecae Canoniae in Vorau. Graz 1936, S. 459. – Lipphardt 1974 (s. Ausg.) S. 23. – Lipphardt 1976 (s. Ausg.) VI, S. 23. – Georg Steer: ‹Carmina Burana› in S¨udtirol. In: ZfdA 112 (1983) S. 1–37, hier S. 28 f. – Rolf Bergmann: Kat. der deutschsprachigen geistlichen Spiele und Marienklagen des MA (Ver¨off. der Kommission f¨ur dt. Lit. des MA der Bayerischen Akad. der Wiss.). M¨unchen 1986, S. 348 f. (Nr. 159). – Bernd Neumann: Geistliches Schauspiel im Zeugnis der Zeit. Zur Auff¨uhrung ma. religi¨oser Dramen im dt. Sprachgebiet (MTU 84.85). Mu¨ nchen 1987, Bd. 2, S. 864 (Nr. 3680/1, u. d. T. ‹Vorauer Osterspiel›). – Hansj¨urgen Linke: Das angebliche Vorauer Osterspiel. In: PBB 113 (1991) S. 415–425. – Fritz Peter Knapp: Die Lit. des ¨ Sp¨atMA in den L¨andern Osterreich, Steiermark, K¨arnten, Salzburg und Tirol von 1273 bis 1439. 1. Halbbd.: Die Lit. in der Zeit der fr¨uhen Habsburger bis zum Tod Albrechts II. 1358 (Gesch. der ¨ Lit. in Osterreich 2,1). Graz 1999, S. 346. BJ Lichtenthaler Marienklage. – Dialogische Marienklage von 146 Versen. Die L. M. ist einer Fr¨uhform der dramatischen Marienklagen zuzurechnen; es gibt keine B¨uhnenanweisungen, der dramatische Charakter ist durch die dialogische Ausgestaltung gew¨ahrleistet: In dreimaligem Wechsel sind Klagen der Maria, die ihren Schmerz nach dem Tod Jesu a¨ ußert, und 1103
Lichtenthaler Marienklage Trostworte bzw. die Aufforderung zum Beenden der Klage durch Johannes strophisch gegen¨ubergestellt. Zweimal sind aus der «Visitatio» bekannte lat. Zeilen eingef¨ugt. ¨ Uberlieferung: Karlsruhe, LB, Cod. Lichtenthal 30, 83 Bll. (Perg., aus Kloster Lichtenthal/Baden, 14. Jh., bair.). Ausgaben: Schauspiele des MA. Aus Hss. hg. und erkl¨art v. F[ranz] J[oseph] Mone. Bd. 1. Karlsruhe 1846, S. 31–37. – Richard Froning (Hg.): Das Drama des MA. Bd. 1 (Dt. National-Litteratur 14,1). Stuttgart 1891 (Nachdr. Darmstadt 1964) S. 251–256. – Eberhard Haufe: Dt. Mariendichtung aus neun Jh. Berlin 1961, S. 144–149. Literatur: Hans Eggers, VL2 5 (1985) Sp. 776 f. – Rolf Bergmann, MarLex 4 (1992) S. 117. – Ernst Wilken: Gesch. der geistlichen Spiele in Deutschland. G¨ottingen 1872, S. 76 f. – Anton Sch¨onbach: ¨ Uber die Marienklagen. Graz [1874], S. 11–18. – Gerd Seewald: Die Marienklage im mlat. Schrifttum und in den germ. Lit. des MA. Diss. Hamburg 1953, S. 40 f. – Wolfgang F. Michael: Das dt. Drama des MA. Berlin/New York 1971. – R. Bergmann: Kat. der deutschsprachigen geistlichen Spiele und Marienklagen des MA (Ver¨off. der Kommission f¨ur dt. Lit. des MA der Bayerischen Akad. der Wiss.). M¨unchen 1986, S. 429 f. (M 68). – Ulrich Mehler: Marienklagen im sp¨atma. und fr¨uhneuzeitlichen Deutschland. Textversikel und Melodietypen. Darstellungsteil (Amsterdamer Publ. zur Sprache und Lit. 128). Amsterdam u. a. 1997. – Joachim Bumke: Gesch. der dt. Lit. im hohen MA. Mu¨ nchen 52004, S. 379 f. – Ursula Schulze: Geistliche Spiele im MA und in der Fr¨uhen Neuzeit. Von der liturgischen Feier zum Schauspiel. Eine Einf. Berlin 2012, S. 138 f. SF Lichtenthaler (bairisches) Osterspiel-Fragment. – Bruchst¨uck eines geistlichen Spiels. Der in der Handschrift unmittelbar und ohne ¨ Uberschrift an die → Lichtenthaler Marienklage anschließende Anfang eines lat.-dt. Osterspiels bricht nach 21, zum Teil fehlerhaften Versen ab. Die drei Folgezeilen und die b-Spalte der Seite sind leer. Im vorhandenen Text geht es um die drei Marien auf dem Weg zum Grab Jesu. ¨ Uberlieferung: Karlsruhe, LB, Cod. Lichtenthal 30, 82rb–82va (Perg., erste H¨alfte 14. Jh., bair.). Ausgabe: Schauspiele des MA. Aus Hss. hg. und erkl¨art v. F[ranz] J[oseph] Mone. Bd. 1. Karlsruhe 1846, S. 36 f. (V. 146a–172). 1104
Wiener Passionsspiel I Literatur: Hansj¨urgen Linke, VL2 11 (2004) Sp. 922. – Ernst Wilken: Gesch. der geistlichen Spiele in Deutschland. G¨ottingen 1872, S. 76. – ¨ Anton Sch¨onbach: Uber die Marienklagen. Ein Beitr. zur Gesch. der geistlichen Dichtung in Deutschland. Graz [1874], S. 18. – Ruprecht Wimmer: Deutsch und Latein im Osterspiel. Unters. zu den volkssprachlichen Entsprechungstexten der lat. Strophenlieder (MTU 48). Mu¨ nchen 1974, S. 47, 117 Anm. 3. – Rolf Bergmann: Kat. der deutschsprachigen geistlichen Spiele und Marienklagen des MA (Ver¨off. der Kommission f¨ur dt. Lit. des MA der Bayerischen Akad. der Wiss.). M¨unchen 1986, S. 429 f. (M 68). – Bernd Neumann: Geistliches Schauspiel im Zeugnis der Zeit. Zur Auff¨uhrung ma. religi¨oser Dramen im dt. Sprachgebiet (MTU 84.85). Mu¨ nchen 1987, Bd. 2, S. 845 f. (Nr. 3637/1). BJ Wiener Passionsspiel I (Wiener Passionsspielfragment, Wiener [bairisches] Passionsspiel, Wiener [rheinisches] Passionsspiel). – Fragmentarisch erhaltenes lat.-dt. Spiel. Auf den acht erhaltenen Bl¨attern einer kleinformatigen Pergamenthandschrift ist der lat. und dt. Text zusammen mit in roter Tinte ausgef¨uhrten lat. B¨uhnenanweisungen in fortlaufender Niederschrift eingetragen. Durch Beschnitt sind teilweise Marginaleintr¨age verloren, die auf die Benutzung der Handschrift zu Auff¨uhrungszwecken deuten. Die Sprache des Textes ist bairisch-¨osterreichisch, anzunehmen ist jedoch eine rheinfr¨ankische Vorstufe. Das Spiel (noch 531 Verse) bietet in lat. (ca. 25% des Textbestandes) und dt. Versen eine konzentrierte Darstellung einzelner heilsgeschichtlicher Szenen. Intermittierende «Silete»-Ges¨ange trennen dabei nach einem knappen Prolog vier Teile ab: ¨ 1. Uberhebung und Engelssturz; 2. Verschw¨orung der Teufel gegen den Menschen, S¨undenfall, Vertreibung und H¨ollenfahrt Adams und Evas (mit anschließenden Seelenfangszenen/einer S¨underrevue, bei der sich Wucherer, R¨auber, unkeuscher Predigerm¨onch und Zauberin vor dem Teufel verantworten m¨ussen); 3. Weltleben und Bekehrung der Maria Magdalena (hier in den lat. Passagen R¨uckgriff auf ein heute verlorenes lat. Magdalenenspiel, das auch dem Großen Benediktbeurer Passionsspiel (→ Benediktbeurer Spiele) zur Vorlage diente); 4. Abendmahl und Verrat durch Judas. Der 1105
1. H¨alfte 14. Jh. hier abbrechende Text reichte aber mit Sicherheit urspr¨unglich bis zu Passion und Auferstehung. Der lat. Text wurde gesungen; zu ihm sind zum Teil Neumen in vierzeiligen Notensystemen angegeben – nicht aber zum dt. Text, bei dem man die Melodien vielleicht als bekannt voraussetzte. ¨ ¨ Uberlieferung: Wien, ONB, Cod. 12887, 1r–8v (Perg., Anfang 14. Jh.). Ausgaben: Josef Haupt: Bruchst¨uck eines Osterspiels. In: Arch. f¨ur die Gesch. dt. Sprache und Dichtung 1 (1874) S. 359–381. – Die dt. Lit. Bd. I,1: MA. Texte und Zeugnisse. Hg. v. Helmut de Boor. Mu¨ nchen 1965, S. 261–268 (Magdalenenspiel). – Richard Froning (Hg.): Das Drama des MA. Tl. 1: Die lat. Osterfeiern und ihre Entwickelung in Deutschland: Osterspiele, Passionsspiele (Dt. National-Litteratur 14,1). Stuttgart 1891 (Nachdr. Darmstadt 1964) S. 302–324. – Das Wiener Passionsspiel. Cod. 12887 (Suppl. 561) der ¨ Osterr. Nationalbibl. zu Wien. Mit Einleitung und Textabdruck in Abb. hg. v. Ursula Hennig (Litterae 92). G¨oppingen 1986, S. 24–44. – Die Melodien sind abgedruckt bei: Alfred Orel: Die Weisen im Wiener Passionsspiel. In: Mitt. des Vereins f¨ur Gesch. der Stadt Wien 6 (1926) Anhang S. 1–3. – Helmuth Osthoff: Dt. Liedweisen und Wechselges¨ange im ma. Drama. In: Arch. f¨ur Musikforschung 7 (1942) S. 65–81, hier S. 67. – Ernst August Schuler: Die Musik der Osterfeiern, Osterspiele und Passionen des MA. Kassel 1951. Literatur: De Boor/Newald 3/2 (1987) S. 185–196. – Hansj¨urgen Linke, VL2 10 (1999) Sp. 1031–1034. – Bernd Neumann, KLL2 12 (2010) S. 403 f. – Orel (s. Ausg.) S. 72–95. – Wilfried Werner: Stud. zu den Passions- und Oster¨ spielen des dt. MA in ihrem Ubergang vom Latein zur Volkssprache (Phil.Stud.u.Qu. 18). Berlin 1963, S. 48–55. – Carmina Burana. Bd. 1: Text. 3. Die Trink- und Spielerlieder – Die geistlichen Dramen. Hg. v. Bernhard Bischoff. Heidelberg 1970, S. 170–175. – Rolf Steinbach: Die dt. Osterund Passionsspiele (K¨olner germanistische Stud. 4). K¨oln 1970, S. 115–120. – Wolfgang F. Michael: Das dt. Drama des MA (Grundriß der germ. Philologie 20). Berlin 1971, S. 139 f. – Rolf Bergmann: Stud. zu Entstehung und Gesch. der dt. Passionsspiele des 13. und 14. Jh. (MMS 14). Mu¨ nchen 1972, S. 40–47, Abb. 4–5. – Anke Roeder: Die Geb¨arde im Drama des MA. Osterfeiern. Osterspiele (MTU 49). Mu¨ nchen 1974. – Luis Schuldes: Die Teufelsszenen im dt. geistlichen Drama des MA. Versuch 1106
1. H¨alfte 14. Jh. einer literarhist. Betrachtung unter besonderer Betonung der geistesgeschichtlichen Gesichtspunkte (GAG 116). G¨oppingen 1974. – Ursula Hennig: Der Teufel und die armen Seelen im dt. Osterspiel. In: Literaturwiss. und Geschichtsphilosophie. FS Wilhelm Emrich. Hg. v. Helmut Arntzen u. a. Berlin 1975, S. 232–238. – Barbara Thoran: Stud. zu den o¨ sterlichen Spielen des dt. MA. (Ein Beitr. zur Kl¨arung ihrer Abh¨angigkeit voneinander). 2., durchges. und erg. Aufl. (GAG 199). G¨oppingen 1976. – R. Bergmann: Kat. der deutschsprachigen geistlichen Spiele und Marienklagen des MA (Ver¨off. der Kommission f¨ur dt. Lit. des MA der Bayerischen Akad. der Wiss.). M¨unchen 1986, S. 361–363 (Nr. 167). – Hennig (s. Ausg.) S. 5–23. – Edith Wenzel: ‹Do worden die Judden alle geschant›. Rolle und Funktion der Juden in sp¨atma. Spielen (Forschungen zur Gesch. der a¨ lteren dt. Lit. 1). M¨unchen 1992, S. 56, 101, 119, 128 f. – Fritz Peter Knapp: Die Lit. des Sp¨atMA in den ¨ L¨andern Osterreich, Steiermark, K¨arnten, Salzburg und Tirol von 1273–1439. 1. Halbbd.: Die Lit. in der Zeit der fr¨uhen Habsburger bis zum Tod ¨ Albrechts II. 1358 (Gesch. der Lit. in Osterreich von den Anf¨angen bis zur Gegenwart 2,1). Graz 1999, S. 298–305. – Brian Murdoch: Adam’s Grace. Fall and Redemption in Medieval Literature. Cambridge 2000, S. 130, 138 f. – Guy Borgnet: Wiener Passionsspiel (Passion de Vienne). In: ‹Pur remembrance›. M´elanges en m´emoire de Wolfgang A. Spiewok. Hg. v. Anne Berthelot (Wodan 79). Greifswald 2001, S. 23–50. – Peter Macardle: The St. Gall Passion Play. Music and Performance (Ludus 10). Amsterdam/New York 2007. JK Thuringische ¨ Zehnjungfrauenspiele. – Dt.-lat. geistliche Spiele, 14.–16. Jh. Die in zwei Redaktionen u¨ berlieferten T. Z. beruhen auf dem biblisches Gleichnis von den f¨unf klugen und f¨unf t¨orichten Jungfrauen (Mt 25,1–13). Dieser Stoff wurde im MA in mehrere geistliche Spiele integriert, so in das → K¨unzelsauer Fronleichnamsspiel, das → Marburger Weltgerichtsspiel und die → Erfurter Moralit¨at. Daneben fanden Auff¨uhrungen eigenst¨andiger Zehnjungfrauenspiele statt, u. a. in Frankfurt/M. (1492), Preßburg (1545), Eger (1551) und K¨oslin (15./16. Jh.). Auch in Eisenach wurde am 4.5.1321 (nicht 1322, wie h¨aufig angegeben) ein Zehnjungfrauenspiel aufgef¨uhrt, das lange mit den T. Z. identifiziert wurde. Wie eine Erfurter Chronik des 14. Jh. berichtet, 1107
Thuringische ¨ Zehnjungfrauenspiele wurde das Eisenacher Spiel von Predigerm¨onchen im Zusammenhang mit einem Ablass inszeniert. Es soll den als Zuschauer anwesenden Friedrich den Freidigen (1257–1323) zutiefst ersch¨uttert und bei ihm einen l¨ahmenden Schlaganfall ausgel¨ost haben. Heute gilt eine Verbindung zwischen den Eisenacher Spielen und den T. Z. als m¨oglich, aber unbewiesen. Redaktion A der T. Z. wird nach dem Standort der erst 1848 entdeckten Handschrift auch als M¨uhlh¨auser Z. bezeichnet. A ist in dt. Reimpaaren mit lat. Ges¨angen und Regieanweisungen geschrieben und beruhte vielleicht auf einem Spielbuch. Die Dialoge lehnen sich eng an ihre biblische Vorlage an, deren erz¨ahlende Stellen im Spiel dialogisch aufgel¨ost werden. Die lat. Ges¨ange sind im Manuskript auf Incipits reduziert. Wie aber eine Rekonstruktion der lat. Texte und ihrer Melodien ergeben hat, stellen sie letztlich ein vollst¨andiges liturgisches Spiel in lat. Sprache dar. Liturgisch ist auch die Eingangsprozession von A. Auf die weltliche mhd. Dichtungstradition verweisen hingegen die zw¨olf Nibelungenstrophen, aus denen die das Spiel abschließende Klage der t¨orichten Jungfrauen zusammengesetzt ist. A enth¨alt auch ein interpoliertes Teufelsspiel und Bez¨uge auf weitere biblische, liturgische und lat. Osterspieltexte. Es exis¨ tieren Ahnlichkeiten zum → Alsfelder Passionsspiel, dem → Hessischen Weihnachtsspiel und dem Erlauer Magdalenenspiel (→ Erlauer Spiele). Redaktion B ist in einer Darmst¨adter Handschrift erhalten und wird entsprechend auch Darmst¨adter Z. genannt. Das Manuskript ist auf 1428 datiert, kann aber nicht mit einer konkreten Auff¨uhrung in Verbindung gebracht werden. Wahrscheinlich handelt es sich bei der Handschrift um ein Lesemanuskript. Text und Regieanweisungen sind dt.; lat. Ges¨ange fehlen. Die noch in A vorhandenen Pantomimen sind in B meist dialogisiert oder ganz gestrichen worden. Weiterhin pantomimisch dargestellt wird das Teufelsspiel. Aus der Reduktion lat. und liturgischer Elemente hat die Forschung verschiedentlich auf eine weltliche Spielleitung geschlossen, w¨ahrend A noch unter einem geistlichen Spielleiter entstanden sein k¨onnte. B ben¨otigte zur Auff¨uhrung ebenso wie A vier Spielorte, kam aber im Gegensatz zu A (19 Darsteller) mit 16 Darstellern aus. Das genaue Verh¨altnis von A zu B ist bis heute ¨ ungekl¨art. Auch wenn beide Redaktionen Ahnlichkeiten aufweisen, sind sie textlich und inhaltlich 1108
Thuringische ¨ Zehnjungfrauenspiele doch alles andere als identisch. Dies betrifft neben den Pantomimen und den lat.-liturgischen Partien auch die theologischen Grundaussagen des St¨ucks. Diese werden in B ausf¨uhrlicher erl¨autert; ebenso sind die S¨unden der t¨orichten Jungfrauen darin sch¨arfer umrissen. Mo¨ glicherweise gehen beide Redaktionen aber auf eine gemeinsame Vorstufe zur¨uck. Gemeinsam ist A und B die Erweiterung ihrer biblischen Vorlage. Dies betrifft die Figuren (Maria, Engel, Teufel) ebenso wie die Handlung (Auslieferung der t¨orichten Jungfrauen an die Teufel). Die Rezeption der T. Z. erfolgte sp¨ater h¨aufig als «Eisenacher» Spiele und mit einer falschen Datierung auf 1322. Bis ins 20. Jh. waren die T. Z. Gegenstand von Bearbeitungen und Nachdichtungen. ¨ Uberlieferung: Red. A: M¨uhlhausen/Th¨ur., Stadtarch., Ms. 87/20 (fr¨uher Ms. 60/20), 94b–100a (Pap., drittes Viertel 14. Jh., th¨uringisch). – Red. B: Darmstadt, ULB, Hs. 3290, 212r–228r (Pap., 1428, rheinfr¨ankisch-oberhessisch). Ausgaben: Neue Stofflieferungen f¨ur die dt. Gesch. Hg. v. Friedrich Stephan. Bd. 2. M¨uhlhausen 1847, S. 173–184. – Das große th¨uringische Mysterium oder Das geistliche Spiel von den zehn Jungfrauen. Hg. v. Ludwig Bechstein. Halle/ Saale 1855, S. 15–32 (vgl. dazu Reinhold Bechstein: Zum Spiel von den Zehn Jungfrauen insbesondere ein grammatischer und krit. Nachtrag zu Ludwig Bechstein’s Wartburg Bibl. I. Diss. Jena 1866). – Das Spiel von den Zehen Jungfrauen. Hg. v. Max Rieger. In: Germania 10 (1865) S. 311–337. – Beckers 1905 (s. Lit.) S. 96–124. – Karin Schneider: Das Eisenacher Zehn-Jungfrauen-Spiel. In: Lebendiges MA. FS Wolfgang Stammler. Hg. v. der Philosophischen Fakult¨at der Univ. Fribourg. Fribourg 1958, S. 162–202. – Ostmitteldt. Chrestomathie. Proben der fr¨uhen Schreib- und Druckersprache des mitteldt. Ostens. Hg. v. Johannes Erben. Berlin 1961, S. 147–151. – K. Schneider: Das Eisenacher Zehnjungfrauenspiel. Berlin 1964, S. 14–50. – Helmut de Boor (Hg.): MA. Texte und Zeugnisse (Die dt. Lit. 1). Mu¨ nchen 1965, S. 182–202. – Michael Curschmann/Ingeborg Glier (Hg.): Dt. Dichtung des MA. Bd. 3. M¨unchen u. a. 1981, S. 274–306. – Amtstutz 2002 (s. Lit.). ¨ Ubersetzungen: Zahlreiche moderne Bearb., u. a.: Das Spiel von den zehn Jungfrauen, aufgef¨uhrt zu Eisenach am 24. April 1322. Hg. v. Ludwig Bechstein. Eisenach [um 1902]. – Das Spiel von den zehn Jungfrauen (Eisenach 1322). Hg. v. Max 1109
1. H¨alfte 14. Jh. G¨umbel-Seiling. Leipzig 1919. – Das Eisenacher Spiel von den zehn Jungfrauen 1321. Hg. v. Konrad Hoefer. Eisenach 1922. – Das Spiel von den zehn Jungfrauen. F¨ur den evangelischen Verband f¨ur die weibliche Jugend Deutschlands bearbeitet [...]. Hg. v. Erich Pr¨ufer. Musik v. Paul Niepel. Berlin 1924. – Das Spiel von den zehn Jungfrauen (Ludus de decem virginibus). Hg. v. Hans Fluck. Paderborn 1931. Literatur: Ehrismann 2.2.2 (1935) S. 576. – De Boor/Newald 3/2 (1986) S. 225–227. – Hansj¨urgen Linke, VL2 9 (1995) Sp. 915–918. – Ursula Schulze: Z. In: LexMA 9 (1998) Sp. 498. – Karl Wenck: Friedrich des Freidigen Erkrankung und Tod (1321 und 1323). In: FS zum 75j¨ahrigen Jubil¨aum des k¨oniglich s¨achsischen Altertumsver. Hg. v. Hubert Ermisch. Dresden 1900, S. 69–82. – Fritz Lienhard: Ein Festspiel im alten Eisenach. Das Spiel v. den zehn Jungfrauen (1322). In: Der T¨urmer 7 (1904/05) H. 1, S. 695–705. – Otto Beckers: Das Spiel v. den zehn Jungfrauen und das Katharinenspiel. Breslau 1905. Nachdr. Hildesheim u. a. 1977. – Karl Reuschel: Die dt. Weltgerichtsspiele des MA und der Reformationszeit. Eine literarhist. Unters. nebst dem Abdruck des Luzerner ‹Antichrist› v. 1549. Leipzig 1906, S. 7–19. – Albert Freybe: Das Spiel v. den zehn Jungfrauen. In: Allg. evang.-luth. Kirchenztg. 40 (1907) Sp. 1087–1091, 1109–1113. – Konrad Koch: Das Eisenacher Spiel v. den zehn Jungfrauen und seine Wirkung. In: Th¨uringer Monatsbll. 16 (1908) S. 125–128. – Ottokar Fischer: Die ma. Z. In: Arch. f¨ur das Studium der neueren Sprachen und Litteraturen 125 (1910) S. 9–26. – Hertha Wagenf¨uhrer: Friedrich der Freidige 1257–1323. Berlin 1936. – Hanns Ott: Personengestaltung im geistlichen Drama des MA. Bonn 1939, S. 81 f. – Theo Meier: Die Gestalt Marias im geistlichen Schauspiel des dt. MA. Berlin 1959, S. 97–106. – Wolfgang F. Michael: Das dt. Drama des MA. Berlin/New York 1971, S. 102–104. – David Brett-Evans: Von Hrotsvit bis Folz und Gengenbach. Tl. 2: Religi¨ose und weltliche Spiele des Sp¨atMA. Berlin 1975, S. 43–46. – Linda P. Senne: The Dramatic Figure in ‹Das Spiel von den zehn Jungfrauen›. In: The Germanic Review 51 (1976) S. 161–171. – Rolf Bergmann: Kat. der deutschsprachigen geistlichen Spiele und Marienklagen des MA (Ver¨off. der Kommission f¨ur Dt. Lit. des MA der Bayerischen Akad. der Wiss.). M¨unchen 1986, Nr. 33, 114. – Bernd Neumann: Geistliches Schauspiel im Zeugnis der Zeit. Bd. 1 (MTU 84). 1110
1. H¨alfte 14. Jh. Mu¨ nchen/Z¨urich 1987, Nr. 1481–1483. – Henk Gras: The ‹Ludus de Decem Virginibus› and the Reception of Represented Evil. In: Medieval English Theatre 11 (1989) S. 175–186. – Renate Amstutz: The Latin Substratum of the Thuringian ‹Ludus de decem virginibus›. Its Liturgical Roots and Its Dramatic Relevance for the Mixed-Language Music Drama. Diss. Toronto 1991. – Dies.: Zum musikalischen Vortrag der Schlußstrophen des T. Z. In: Ma. Schauspiel. FS Hansj¨urgen Linke. Hg. v. Ulrich Mehler/Anthonius H. Touber (AB¨aG 38/39). Amsterdam/Atlanta, GA 1994, S. 1–47. – R. Amtstutz: Ludus de decem virginibus. Recovery of the Sung Liturgical Core of the Thuringian Zehnjungfrauenspiel. Toronto 2002. – Ursula Schulze: Geistliche Spiele im MA und in der Fr¨uhen Neuzeit. Von der liturgischen Feier zum Schauspiel. Eine Einf. Berlin 2012, S. 176–178. MM Breslauer Marienklage (I). – Drei Fragmente (insgesamt 82 Verse) aus dem Schluss einer Marienklage in schlesisch gef¨arbtem Mittelhochdeutsch. Der Text enth¨alt neben einem Dialog zwischen Johannes und Maria auch einige auf der lat. Sequenz Planctus ante nescia beruhende Strophen, in denen Maria den Tod Jesu beklagt. Die B. M. I weist Zusammenh¨ange mit der → B¨ohmischen Marienklage und dem → Egerer Passionsspiel auf. ¨ Uberlieferung: Breslau, St¨adtisches Arch., Pap. (erste H¨alfte 14. Jh.; Tle. eines Doppelbl., schon 1928 als verschollen vermerkt). Ausgabe: Alwin Schultz: Bruchst¨ucke eines Passionsspiels. In: Germania 16 (1871) S. 57–60. Literatur: Hans Eggers, VL2 1 (1978) Sp. 1026. – Rolf Bergmann, MarLex 1 (1988) S. 582. – Anton ¨ Sch¨onbach: Uber die Marienklagen. Graz 1874, S. 34 f. – Joseph Klapper: Das ma. Volksschauspiel in Schlesien. In: Mitt. der Schlesischen Ges. f¨ur Volkskunde 29 (1928) S. 179 f., 205–208. – Rolf Bergmann: Kat. der deutschsprachigen geistlichen Spiele und Marienklagen des MA (Ver¨off. der Kommission f¨ur dt. Lit. des MA der Bayerischen Akad. der Wiss.). M¨unchen 1986, S. 413 (M 31). – Ulrich Mehler: Marienklagen im sp¨atma. und fr¨uhneuzeitlichen Deutschland. Textversikel und Melodietypen. Darstellungsteil (Amsterdamer Publ. zur Sprache und Lit. 128). Amsterdam u. a. 1997. – Johannes Janota: Orientierung durch volkssprachige Schriftlichkeit (1280/90–1380/90) 1111
Breslauer Marienklage (I) (Gesch. der dt. Lit. v. den Anf¨angen bis zum Beginn der Neuzeit 3,1). T¨ubingen 2004, S. 287. SF Bohmische ¨ Marienklage. – Dramatische Marienklage, 14. Jh. Die B. M. (307 Verse), die in der Handschrift Bruder → Philipps Marienleben folgt, ist eine Erweiterung von Redaktion I von → Unser vrouwen klage (Verzeichnis der 112 u¨ bernommenen Verse bei B¨uttner, Anm. 4). Im Zentrum steht ein langer Monolog der Maria (V. 59–218). Bereits Sch¨onbach stellte «ganz enge[] Beziehungen» zum → Egerer Passionsspiel fest. ¨ Uberlieferung: Prag, Arch. Praˇzsk´eho hradu/ Knihovna Metropolitn´ı kapituly (Arch. der Prager Burg/Bibl. des Metropolitankapitels), Cod. G 49, 65rb–66ra (Perg., zweites Viertel 14. Jh., bair.ostmitteldt.). ¨ Ausgabe: Anton Sch¨onbach: Uber die Marienklagen. Ein Beitr. zur Gesch. der geistlichen Dichtung in Deutschland [FS der k. k. Unv. in Graz zur Jahresfeier am 15. November 1874]. Graz [1874], S. 55–62 et passim. Literatur: Hans Eggers, VL2 1 (1978) Sp. 930 f.; 11 (2004) Sp. 267. – Sch¨onbach (s. Ausg.) passim. – Gerd Seewald: Die Marienklage im mlat. Schrifttum und in den germ. Literaturen des MA. Diss. Hamburg 1952, S. 51 f. – Rolf Bergmann: Kat. der deutschsprachigen geistlichen Spiele und Marienklagen des MA (Ver¨off. der Kommission f¨ur dt. Lit. des MA der Bayerischen Akad. der Wiss.). M¨unchen 1986, S. 452 (M 112). – Edgar B¨utt¨ ner: Die Uberl. von ‹Unser vrouwen klage› und des ‹Spiegel› (Erlanger Stud. 74). Erlangen 1987, S. 10 f. – B. Neumann: Geistliches Schauspiel im Zeugnis der Zeit. Zur Auff¨uhrung ma. religi¨oser Dramen im dt. Sprachgebiet (MTU 84/85). 2 Bde. Mu¨ nchen 1987, Bd. 2, S. 831 (Nr. 3616/1). – Kurt G¨artner: Die Prager Hs. von Bruder Philipps ‹Marienleben› (Prag, Metropolitan-Kapitel, Cod. G 49). In: Dt. Lit. des MA in B¨ohmen und u¨ ber B¨ohmen. Vortr¨age der internationalen Tagung [...]. ˇ e Budˇejovice, 8. bis 11. September 1999. Hg. Cesk´ v. Dominique Fliegler/V´aclav Bok. Wien 2001, S. 141–167, hier S. 151, 165 (mit Textproben). BJ Frankfurter Dirigierrolle. – Regiebuch eines geistlichen Spiels, Anfang 14. Jh. Die zur Hessischen Passionsspielgruppe geh¨orende F. D. beeinflusste u. a. das → Alsfelder Passionsspiel und die → Friedberger Dirigierrolle. Es ist 1112
Frankfurter Dirigierrolle das a¨ lteste bekannte mehrt¨agige Passionsspiel im deutschsprachigen Gebiet und das a¨ lteste bekannte Regiebuch. Bei der F. D. handelt es sich um eine 4,36 m lange und 18–20 cm breite Rolle, die aus acht Pergamentstreifen zusammengeklebt und an beiden Ende mit Holzst¨aben zum Auf- und Abrollen versehen ist (vgl. → Osterspiel von Muri). Neben rot geschriebenen Spielanweisungen enth¨alt sie in schwarzer Schrift den jeweils ersten, manchmal auch zweiten Vers der dt. Texte bzw. lat. Ges¨ange (480 Zeilen). Rasuren und Textver¨anderungen weisen auf mehrere Inszenierungen hin. Das auf zwei Spieltage verteilte Spiel bietet nach einem Prophetenspiel Szenen aus dem o¨ ffentlichen Leben Jesu von der Taufe bis zur Himmelfahrt. Der erste Tag endet mit der Grablegung, w¨ahrend der zweite mit H¨ollenfahrt und Auferstehung beginnt. Dieser schließt mit einem Disput zwischen Ecclesia und Synagoga – hier noch ohne judenfeindliche Intention –, worauf sich die auf der B¨uhne anwesenden Juden taufen lassen. Die Rolle des → Augustinus, der das Spiel er¨offnet und beendet, ist die eines «regens ludi». In der von der F. D. er¨offeneten Tradition steht das → Frankfurter Passionsspiel von 1493. ¨ Uberlieferung: Frankfurt/M., UB, Ms. Barth. 178 (Perg., acht aneinandergeklebte Streifen, mit Notation, erste H¨alfte 14. Jh., rheinfr¨ankisch, vermutlich in Frankfurt entstanden). Ausgaben: Johann Carl von Fichard: Ordnung des Passionsspiels der St. Bartholom¨aistiftsschule zu Frankfurt am Main. In: Frankfurtisches Arch. f¨ur a¨ ltere dt. Litteratur und Gesch. 3 (1815) S. 131–158. – Fridrich Pfaff: Die Rolle des Bartholom¨ausstifts. In: Germania 25 (1880) S. 417 f. (mit Korrekturen zu Fichards Abdruck). – Richard Froning (Hg.): Das Drama des MA. Tl. 2: Passionsspiele (Dt. National-Litteratur 14,2). Stuttgart 1891 (Nachdr. Darmstadt 1964) S. 340–374. – Johannes Janota (Hg.): Die Hessische Passionsspielgruppe. Edition im Paralleldruck. Bd. 1: F. D. Frankfurter Passionsspiel. Mit den Paralleltexten der ‹Frankfurter Dirigierrolle›, des ‹Alsfelder Passionsspiels›, des ‹Heidelberger Passionsspiels› und des ‹Fritzlarer Passionsspielfragments›. T¨ubingen 1996, S. 1–52 (diplomatischer Abdruck). – Ders. (Hg.): Die Hessische Passionsspielgruppe. Edition im Paralleldruck. Bd. 2: Alsfelder Passionsspiel. F. D. mit den Paralleltexten. Weitere Spielzeugnisse. Alsfelder Passionsspiel mit den Paralleltexten. Edition 1113
1. H¨alfte 14. Jh. der Musik von Horst Brunner. T¨ubingen 2002, S. 1–119. Literatur: De Boor/Newald 3/2 (1987) S. 189–191 u. o¨ . – Bernd Neumann/Red., Killy2 3 (2008) S. 541 f. – Wolfgang F. Michael: Fr¨uhformen der dt. B¨uhne (Schr. der Ges. f¨ur Theatergesch. 62). Berlin 1963, S. 29 f. (Abb. 6–7). – Wilfried Werner: Stud. zu den Passions- und Oster¨ spielen des dt. MA in ihrem Ubergang vom Latein zur Volkssprache (Phil.Stud.u.Qu. 18). Berlin 1963, S. 62–64. – Rolf Bergmann: Stud. zu Entstehung und Gesch. der dt. Passionsspiele des 13. und 14. Jh. (MMS 14). M¨unchen 1972, Abb. 1–2. – Gerhardt Powitz/Herbert Buck: Die Hss. des Bartholomaeusstifts und des Karmeliterklosters in Frankfurt am Main (Kataloge der Stadtund Universit¨atsbibl. Frankfurt a. M. 3,II). Frankfurt/M. 1974, S. 394–396. – Rolf Bergmann: Die Prophetenszene der F. D. In: ZfdPh 94 (1975) Sonderh., S. 22–29. – David Brett-Evans: Von Hrotsvit bis Folz und Gengenbach. Eine Gesch. des ma. dt. Dramas. Tl. 1: Von der liturgischen Feier zum volkssprachlichen Spiel (Grundlagen der Germanistik 15). Berlin 1975, S. 167–170. – Klaus-Dieter Lehmann (Hg.): Bibliotheca Publica Francofurtensis. F¨unfhundert Jahre Stadt- und Universit¨atsbibl. Frankfurt am Main. Tafelband. Frankfurt/M. 1984, Tf. 11. – R. Bergmann: Kat. der deutschsprachigen geistlichen Spiele und Marienklagen des MA (Ver¨off. der Kommission f¨ur dt. Lit. des MA der Bayerischen Akad. der Wiss.). M¨unchen 1986, S. 113–116 (Nr. 43). – Bernd Neumann: Geistliches Schauspiel im Zeugnis der Zeit. Zur Auff¨uhrung ma. religi¨oser Dramen im dt. Sprachgebiet (MTU 84.85). Mu¨ nchen 1987, Bd. 1, S. 310 (Nr. 1492). – Helmut Lomnitzer: Ein Textfund zur F. D. In: Dt. Hss. 1100–1400. Hg. v. Volker Honemann/Nigel F. Palmer. T¨ubingen 1988, S. 590–608. – Klaus Wolf: Komm. zur ‹F. D.› und zum ‹Frankfurter Passionsspiel› (Die Hessische Passionsspielgruppe. Edition im Paralleldruck. Erg.-bd. 1). T¨ubingen 2002, S. 9–281. – Bernhard T¨onnies: Frankfurter Handschriftensch¨atze. Die sch¨onsten illustrierten Hss. aus dem Bestand der Stadt- und Universit¨atsbibl. Frankfurt am Main (Frankfurter Bibliotheksschr. 10). Frankfurt/M. 2003, S. 50 f. – Johannes Janota: Vom sp¨aten MA zum Beginn der Neuzeit. Tl. 1: Orientierung durch volkssprachige Schriftlichkeit (1280/90–1380/90) (Gesch. der dt. Lit. von den Anf¨angen bis zum Beginn der Neuzeit 3,1). T¨ubingen 2004, S. 365–367, zwischen S. 464/465 1114
1. H¨alfte 14. Jh. (Abb. 15). – Ernst Hellgardt: Neumen in Hss. mit dt. Texten. Ein Kat. In: ‹Ieglicher sang sein eigen ticht›. Germanistische und musikwissenschaftliche Beitr. zum dt. Lied im MA. Hg. v. Christoph M¨arz u. a. (Elementa Musicae 4). Wiesbaden 2011, S. 163–207, hier S. 171 f. (Nr. 9). – Ursula Schulze: Geistliche Spiele im MA und in der Fr¨uhen Neuzeit. Von der liturgischen Feier zum Schauspiel. Eine Einf. Berlin 2012, S. 88 f. BJ Frankfurter Osterspielfragment. – Bruchst¨ucke von dt.-lat. Osterspielszenen, erste H¨alfte des 14. Jh. Der erhaltene Text mit lat. Regieanweisungen und Gesangsinitien betrifft den Salbenkauf der drei ¨ Marien, die Szene der Engel am Grab mit Ubergang zur Hortulanus-Szene. Die dt. Verse entsprechen zum Teil w¨ortlich dem Osterspielteil der → Frankfurter Dirigierrolle bzw. dem → Alsfelder Passionsspiel sowie der → Erl¨osung. ¨ Uberlieferung: Frankfurt/M., UB, Fragm. germ. III 6 (Perg., sechs Querstreifen eines Doppelblatts, Hufnagelnotation, erste H¨alfte 14. Jh., rheinfr¨ankisch). Ausgaben: Lomnitzer (s. Lit.) S. 601–604, Abb. S. 605–608. – Johannes Janota (Hg.): Die Hessische Passionsspielgruppe. Edition im Paralleldruck. Bd. 1: Frankfurter Dirigierrolle. Frankfurter Passionsspiel. Mit den Paralleltexten der ‹Frankfurter Dirigierrolle›, des ‹Alsfelder Passionsspiels›, des ‹Heidelberger Passionsspiels›, des ‹F. O.s› und des ‹Fritzlarer Passionsspielfragments›. T¨ubingen 1996, S. 422–428. Literatur: Christine St¨ollinger-L¨oser, VL2 11 (2004) Sp. 452. – Rolf Bergmann: Kat. der deutschsprachigen geistlichen Spiele und Marienklagen des MA (Ver¨off. der Kommission f¨ur dt. Lit. des MA der Bayerischen Akad. der Wiss.). M¨unchen 1986, S. 116 (Nr. 43a). – Bernd Neumann: Geistliches Schauspiel im Zeugnis der Zeit. Zur Auff¨uhrung ma. religi¨oser Dramen im dt. Sprachgebiet (MTU84.85). M¨unchen/Z¨urich 1987, Bd. 1, S. 310 (Nr. 1492/1). – Helmut Lomnitzer: Ein Textfund zur Frankfurter Dirigierrolle. In: Dt. Hss. 1100–1400. Oxforder Kolloquium 1985. Hg. v. Volker Honemann/Nigel F. Palmer. T¨ubingen 1988, S. 590–608. – Gerhardt Powitz: Ma. Handschriftenfragmente der Stadt- und Universit¨atsbibl. Frankfurt am Main (Kataloge der Stadtund Universit¨atsbibl. Frankfurt am Main 10,6). Frankfurt/M. 1994, S. 155. – Klaus Wolf: Komm. 1115
Frankfurter Osterspielfragment zur ‹Frankfurter Dirigierrolle› und zum ‹Frankfurter Passionsspiel› (Die Hessische Passionsspielgruppe Erg.-Bd. 1). T¨ubingen 2002. BJ St. Galler (mittelrheinisches) Passionsspiel (auch: St. Galler Spiel vom Leben Jesu). – Lt.-dt. geistliches Spiel, erste H¨alfte 14. Jh. Der Text des anonym (vollst¨andig) u¨ berlieferten St. G. P.s, eines der a¨ltesten mischsprachigen Passionsspiele, besteht aus 1347 dt. Versen und lat. Ges¨angen liturgischen Ursprungs, die durch stark abgek¨urzte Incipits angegeben werden. Es enth¨alt zun¨achst Episoden aus dem o¨ ffentlichen Leben und Wirken Jesu (u. a. Hochzeit zu Kana, Taufe, Versuchung, J¨ungerberufung, Bekehrung der Maria Magdalena, Auferweckung des Lazarus), dann das Passionsgeschehen, das etwa die H¨alfte des Textes umfasst. Nach einer Marienklage (B¨uhnenanweisung, V. 1183a), den Szenen um die Kreuzabnahme und die Grablegung folgt ein kurzes Osterspiel einschließlich der Verk¨undigung der Auferstehung durch die drei Marien an die J¨unger. Als Quellen dienten neben den Evangelien (vor allem Joh) liturgische Ges¨ange wie Antiphonen, Responsorien und Hymnen. Die Figur des → Augustinus erl¨autert anstelle des u¨ blichen Prologsprechers und Praecursor die einzelnen Handlungsabschnitte. ¨ Uberlieferung: St. Gallen, Stiftsbibl., Cod. 919, S. 197–217 (Pap., Gebiet um Mainz und Speyer, zweites Viertel 14. Jh. [?], rheinfr¨ankisch). Ausgaben: Schauspiele des MA. Hg. v. Franz Joseph Mone. Bd. 1. Karlsruhe 1846 (Neudr. Aalen 1970) S. 72–128. – Emil Wolter: Das St. Galler Spiel vom Leben Jesu. Unters. und Text (Germanistische Abh. 41). Breslau 1912. – Eduard Hartl (Hg.): Das Benediktbeurer Passionsspiel. Das St. G. P. (ATB 41). Halle/Saale 1952 (Nachdr. ebd. 1967) S. 56–131 (fehlerhaft; vgl. dazu: Bergmann 1972 [s. Lit.] S. 26–28). – Das Mittelrheinische Passionsspiel der St. Galler Hs. 919. Neu hg. v. Rudolf Sch¨utzeichel. Mit Beitr. v. Rolf Bergmann, Irmgard Frank, Hugo Stopp und einem vollst¨andigen Faksimile. Tu¨ bingen 1978 (ohne Rekonstruktion der Ges¨ange). ¨ Ubersetzung: The Saint Gall Passion Play. Translated, with an Introduction and Notes. By Larry E. West (Medieval Classics: Texts and Studies 6). Brookline, MA/Leyden 1976. Literatur: Rolf Bergmann, VL2 2 (1980) Sp. 1042–1044; 11 (2004) Sp. 485. – De Boor/ 1116
Muhlh¨ ¨ auser (thuringisches) ¨ Katharinenspiel Newald 3/2 (1987) S. 263; 4/1 (21994) S. 248. – Bernd Neumann/Red., Killy2 4 (2009) S. 106 f. – Eduard Hartl: Unters. zum St. G. P. In: FS Wolfgang Stammler. [Hg. v. Gerhard Eis u. a.]. Berlin/ Bielefeld 1953, S. 109–129. – Hugo Stopp: Unters. zum St. G. P. Diss. Saarbr¨ucken 1959. – Wilfried Werner: Stud. zu den Passions- und Oster¨ spielen des dt. MA in ihrem Ubergang vom Latein zur Volkssprache (Phil.Stud.u.Qu. 18). Berlin 1963, S. 55–62. – Rolf Steinbach: Die dt. Osterund Passionsspiele des MA (K¨olner germanistische Stud. 4). K¨oln/Wien 1970, S. 133–141. – Rudolf Sch¨utzeichel: Zum Mittelrheinischen Passionsspiel der St. Galler Hs. 919. In: Mediævalia litteraria. FS Helmut de Boor. Hg. v. Ursula Hennig/Herbert Kolb. M¨unchen 1971, S. 531–539. – R. Bergmann: Stud. zur Entstehung und Gesch. der dt. Passionsspiele im 13. und 14. Jh. (MMS 14). M¨unchen 1972. – Karl Konrad Polheim: Neue Forschungen zu den Oster- und Passionsspielen des dt. MA. In: Zs. f¨ur Volkskunde 68 (1972) S. 242–256. – David Brett-Evans: Von Hrotsvit bis Folz und Gengenbach. Eine Gesch. des ma. dt. Dramas. Tl. 1: Von der liturgischen Feier zum volkssprachlichen Spiel (Grundlagen der Germanistik 15). Berlin 1975, S. 160–166. – K. K. Polheim: Weitere Forschungen zu den Oster- und Passionsspielen des dt. MA. In: ZfdPh 94 (1975) Sonderh., S. 194–212. – Hermann Manfred Pflanz: Die lat. Textgrundlagen des St. G. P. in der ma. Liturgie (Europ¨aische Hochschulschr. 1,205). Frankfurt/M. u. a. 1977. – R. Sch¨utzeichel: Das Mittelrheinische P. Pal¨aographie und Edition. In: Ders.: Textgebundenheit. Kleine Schr. zur ma. dt. Lit. Tu¨ bingen 1981, S. 164–172. – R. Bergmann: Kat. der deutschsprachigen geistlichen Spiele und Marienklagen des MA (Ver¨off. der Kommission f¨ur dt. Lit. des MA der Bayerischen Akad. der Wiss.). M¨unchen 1986, S. 133–135 (Nr. 54). – B. Neumann: Geistliches Schauspiel im Zeugnis der Zeit. Zur Auff¨uhrung ma. religi¨oser Dramen im dt. Sprachgebiet (MTU 84.85). M¨unchen 1987, Bd. 2, S. 853 (Nr. 3652). – Lucie Vrinzen: Das Auftreten des Johannes Evangelista als Bestatter Christi. In: Daphnis 16 (1987) S. 699–709. – Peter Macardle: Die Ges¨ange des ‹St. G. Mittelrheinischen P.s›. Ein Beitr. zur Rekonstruktion und Lokalisierung. In: Die Vermittlung geistlicher Inhalte im dt. MA. Hg. v. Timothy R. Jackson u. a. T¨ubingen 1996, S. 255–270. – Ursula Schulze: Geistliche Spiele im MA und in der Fr¨uhen Neuzeit. Von der liturgischen Feier zum Schauspiel. Eine Einf. Berlin 2012, S. 85–87, 150 f. BJ 1117
1. H¨alfte 14. Jh. Muhlh¨ ¨ auser (thuringisches) ¨ Katharinenspiel. – Legendenspiel, im dritten Viertel des 14. Jh. aufgezeichnet. Das vermutlich in Erfurt entstandene M. K. (702 Verse) behandelt das Ideal christlicher Beharrlichkeit und Standhaftigkeit nach der Legende der hl. → Katharina von Alexandrien. Als Quellen des Spiels kommen das → Passional und das → Buch der M¨artyrer in Betracht. Die Handlung beginnt ohne Hinweis auf Katharinas Vorgeschichte und ohne Prolog mit der Aufforderung des Kaisers Maxentius, den heidnischen G¨ottern zu opfern. Katharina klagt Maxentius’ G¨otzenkult an, weigert sich, ihre Rede zu widerrufen, und wird nach der Disputation mit den Meistern und deren Martyrium eingekerkert. Nach der Bekehrung der Kaiserin, des Porphyrius und der heidnischen Ritter w¨ahrend eines Besuchs bei Katharina kommt es zu einer Gotteserscheinung im Kerker. Katharina soll auf ein Rad geflochten werden, ein Blitzschlag zerst¨ort jedoch das Folterinstrument; die Folterknechte werden in die H¨olle u¨ berf¨uhrt. Dem Martyrium des Porphyrius und der bekehrten Ritter folgen im Zuge der Vollendung des Katharinenmartyriums eine Gotteserscheinung auf dem Richtplatz, die Enthauptung Katharinas, ihr Begr¨abnis durch Engel und ihre Aufnahme in den Himmel. Die Schlussszene zeigt, wie Maxentius und sein Gefolge von den Teufeln in die H¨olle geschleppt werden. Der (am Schluss unvollst¨andige) Text sieht 24 Darsteller mit Sprecherrollen und 4–5 Statistengruppen vor. Das f¨ur eine Simultanb¨uhne mit etwa zehn B¨uhnenst¨anden konzipierte Spiel, das die F¨urbittefunktion der Heiligen betont, zeichnet sich durch zahlreiche musikalische Einlagen aus (SileteFormel der Engel; 20 lat. Ges¨ange, die fast alle aus dem Brevier stammen). Stilistisch und inhaltlich ist das M. K. mit dem → Kremsm¨unsterer Dorotheenspiel verwandt. ¨ Uberlieferung: M¨uhlhausen (Th¨uringen), Stadtarch., Ms. 87/20 (fr¨uher Ms. 60/20), S. 89–94 (Pap., drittes Viertel 14. Jh., th¨uringisch). Die Sammelhs. mit vorwiegend lat. Texten enth¨alt auch das → Th¨uringische Zehnjungfrauenspiel (Fassung A). Ausgaben: Friedrich Stephan: Zwei vollst¨andige kirchliche Schauspiele des MA in dt. Sprache. In: Neue Stofflieferungen f¨ur die dt. Gesch. Bd. 2. M¨uhlhausen 1847, S. 149–195, hier S. 160–173. – Das Spiel von den zehn Jungfrauen und das Katharinenspiel. Untersucht und hg. v. Otto Beckers 1118
1. H¨alfte 14. Jh.
Berliner (thuringisches) ¨ Osterspiel-Fragment
(Germanistische Abh. 24). Breslau 1905. Nachdr. Hildesheim/New York 1977. Literatur: Heinrich Biermann, VL2 6 (1987) Sp. 721–723. – De Boor/Newald 3/2 (1987) S. 221 f. – Stephan (s. Ausg.) S. 149–157. – B[erthold] Venzmer: Die Ch¨ore im geistlichen Drama des dt. MA. Diss. Ludwigslust 1897, S. 48–58. – Beckers (s. Ausg.) S. 48–58. – Kathi Meyer: Das Offizium und seine Beziehung zum Oratorium. In: Arch. f¨ur Musikforschung 3 (1921) S. 371–404. – Christian Krollmann: Das ma. Spiel von der Heiligen Katharina in K¨onigsberg. In: Altpreußische Forschungen 5 (1929) S. 45–50. – David Brett-Evans: Von Hrotsvit bis Folz und Gengenbach. Eine Gesch. des ma. dt. Dramas. Tl. 2: Religi¨ose und weltliche Spiele des Sp¨atMa (Grundlagen der Germanistik 18). Berlin 1975, S. 11–13. – Elke Ukena: Die dt. Mirakelspiele des Sp¨atMA. Stud. und Texte (Europ¨aische Hochschulschr. I,115; Arbeiten zur Mittleren Dt. Lit. und Sprache 1). Bern, Frankfurt/M. 1975, S. 14 f., 42–96. – H. Biermann: Die deutschsprachigen Legendenspiele des sp¨aten MA und der fr¨uhen Neuzeit. Diss. K¨oln 1977, S. 14–44. – Rolf Bergmann: Kat. der deutschsprachigen geistlichen Spiele und Marienklagen des MA (Ver¨off. der Kommission f¨ur dt. Lit. des MA der Bayerischen Akad. der Wiss.). Mu¨ nchen 1986, S. 255–257 (Nr. 114). – Bernd Neumann: Geistliches Schauspiel im Zeugnis der Zeit. Zur Auff¨uhrung ma. religi¨oser Dramen im dt. Sprachgebiet (MTU 84.85). M¨unchen 1987, Bd. 2, S. 848 (Nr. 3642). – Sibylle Anna Bierhals Jefferis: Ein sp¨atma. Katharinenspiel aus dem Cod. Ger. 4 der University of Pennsylvania: Text und Stud. zu seiner legendengeschichtlichen Einordnung (GAG 430). G¨oppingen 2007 (Diss. 1982), bes. S. 237–272. – Ursula Schulze: Geistliche Spiele im MA und in der Fr¨uhen Neuzeit. Von der liturgischen Feier zum Schauspiel. Eine Einf. Berlin 2012, S. 188 f. BJ
Mu¨ ckenfett und M¨onchsf¨urze an und erz¨ahlt von außerordentlichen F¨ahigkeiten seines Herrn, wenn er berichtet, jener k¨onne Mu¨ hlsteine vor dem Ertrinken retten und B¨ocke auf B¨aume tanzen machen. Die zur «visitatio sepulchri» aufgebrochenen drei Marien lassen sich vom Salbenkr¨amer sein Wa¨ renangebot zeigen, dann bricht die Uberlieferung ab. ¨ Uberlieferung: Berlin, SBB, Mgf 757/4,5 (Perg., 14. Jh., th¨uringisch; Neumen u¨ ber den lat. Gesangstexten). Ausgabe Wilhelm Seelmann: Das Berliner Bruchst¨uck einer Rubinscene. In: ZfdA 63 (1926) S. 257–267. Literatur: De Boor/Newald 3/2 (1987) S. 166 f., 172. – Hansj¨urgen Linke, VL2 1 (1978) Sp. 733 f.; 11 (2004) Sp. 239. – Rudolf H¨opfner: Unters. zu dem Innsbrucker, Berliner und Wiener Osterspiel (Germanistische Abh. 45). Breslau 1913, S. 46–57, 129–141, 157 f. – Alfred B¨aschlin: Die altdt. Salbenkr¨amerspiele. Diss. Basel 1929, S. 51 f. et passim. – Rolf Steinbach: Die dt. Oster- und Passionsspiele des MA (K¨olner germanistische Stud. 4). K¨oln/Wien 1970, S. 27 f. – Ruprecht Wimmer: Deutsch und Latein im Osterspiel. Unters. zu den volkssprachlichen Entsprechungstexten der lat. Strophenlieder (MTU 48). M¨unchen 1974, Reg. – Rolf Bergmann: Kat. der deutschsprachigen geistlichen Spiele und Marienklagen des MA (Ver¨off. der Kommission f¨ur dt. Lit. des MA der Bayerischen Akad. der Wiss.). M¨unchen 1986, S. 63 f. (Nr. 19). – B. Neumann: Geistliches Schauspiel im Zeugnis der Zeit. Zur Auff¨uhrung ma. religi¨oser Dramen im dt. Sprachgebiet (MTU 84/85). 2 Bde. Mu¨ nchen 1987, Bd. 2, S. 830 (Nr. 3613). – Ernst Hellgardt: Neumen in Hss. mit dt. Texten. Ein Kat. In: ‹Ieglicher sang sein eigen ticht›. Germanistische und musikwissenschaftliche Beitr. zum dt. Lied im MA. Hg. v. Christoph M¨arz u. a. (Elementa Musicae 4). Wiesbaden 2011, S. 163–207, hier S. 165 f. (Nr. 2). BJ
Berliner (thuringisches) ¨ Osterspiel-Fragment. – Bruchst¨uck eines geistlichen Spiels, 14. Jh. Das St¨uck (160 Verse) geht vielleicht mit dem → Innsbrucker (th¨uringischen) Osterspiel auf eine gemeinsame Vorlage zur¨uck. Der erhaltene Text beginnt mit der Suche des «mercator» nach seinem Knecht Rubin, gefolgt vom Schalkstreit und der Ausrufung des Quacksalbers durch Rubin. Wie im Innsbrucker St¨uck und im → Brandenburger Osterspiel-Fragment preist Rubin auch Arzneien wie 1119
Innsbrucker Spiele (auch: Th¨uringische oder Neustifter Spiele). – Gruppe geistlicher Spiele, erste H¨alfte 14. Jh. Die Gruppe der I. S. umfasst das Innsbrucker Osterspiel (IOS), das Innsbrucker (th¨uringische) Spiel von Mariae Himmelfahrt (IMH) und das Innsbrucker (th¨uringische) Fronleichnamsspiel (IF). Alle drei Spiele sind in dt. Paarreimversen mit lat. Ges¨angen und Regieanweisungen geschrieben. Sie wurden 1391 1120
Innsbrucker Spiele in eine Handschrift eingetragen, die seit sp¨atestens 1445 im S¨udtiroler Kloster Neustift lagerte und sp¨ater nach Innsbruck kam. Die u¨ bliche Bezeichnung der Spiele als I. S. geht also nicht auf ihren eigentlichen Entstehungsort zur¨uck. Die Texte selbst werden gew¨ohnlich auf um 1340 datiert und d¨urften unterschiedlicher Herkunft sein: IF stammt m¨oglicherweise aus Ostth¨uringen, vielleicht aus Rudolstadt oder Blankenburg, IOS und IMH hingegen aus dem hennebergischen Gebiet, vielleicht aus Schmalkalden. Auff¨uhrungen der Spiele sind nicht bekannt, doch enth¨alt die Handschrift wohl in Neustift vorgenommene Zus¨atze, die Vorarbeiten f¨ur eine Inszenierung darstellen k¨onnten. Das IMH oder ludus de assumpcione beate marie virginis ben¨otigte mindestens 60 Darsteller und umfasst 3168 Verse mit Prolog. Die Vollst¨andigkeit des erhaltenen Textes ist bis heute umstritten. In der u¨ berlieferten Fassung ist das Spiel f¨unfteilig gestaltet, mit eigenen Vorrednern f¨ur jeden Teil. Das IMH beginnt mit Apostelszenen: Die J¨unger nehmen Abschied von Maria, um danach Heiden und Juden zu missionieren. Die mittleren Szenen des Spiels enthalten Tod, Begr¨abnis und Himmelfahrt Marias. Im Schlussteil k¨ampfen ein zum Christentum bekehrter K¨onig und seine Ritter gegen Juden, die sich der Taufe widersetzen. Die Einordnung des Schlussteils ist umstritten, da er manchmal als integraler Bestandteil des IMH, manchmal als Auftakt eines eigenen Spiels u¨ ber die Zerst¨orung Jerusalems eingeordnet wird. Die Auff¨uhrung des IMH erfolgte wohl als musikalisch begleitete Prozession, die sich nach dem Einzug auf mindestens f¨unf B¨uhnen aufteilte. Die musikalische Gestaltung des Spiels zeigt sich besonders in seinen mittleren drei Teilen, die sich mit Maria besch¨aftigen. Diese Szenen werden von antiphonischen und responsorischen lat. Ges¨angen liturgischer Provenienz bestimmt, die dem Assumptionsoffizium entstammen d¨urften. Quellen des Spiels waren auch Transitus Mariae, Pseudo-Melito B und die → Vita beate virginis Marie et Salvatoris rhythmica. W¨ahrend die das Spiel durchziehende Marienfr¨ommigkeit nicht u¨ berrascht, sind die enthaltenen Elemente h¨ofischer Kultur f¨ur ein geistliches Spiel durchaus ungew¨ohnlich. Dazu z¨ahlen das Lob des christlichen Rittertums und die Forderung nach einer ethischen Reformation des Adels. Das IOS (ludus de resurrexione domini) ist eines der a¨ltesten Osterspiele in dt. Sprache neben dem → Osterspiel von Muri. Das Spiel ben¨otigte rund 40 1121
1. H¨alfte 14. Jh. Darsteller und ist mit 1188 Versen – einschließlich Prolog und Epilog – deutlich weniger umfangreich als das IMH. Die Handlung reicht von der Bestellung der Grabwache bis zum Wettlauf von Petrus und Johannes zum Grab Jesu. Dazwischen enth¨alt das IOS neben der traditionellen «visitatio sepulchri» der drei Marien auch die aus anderen Osterspielen bekannten Szenen mit Jesu H¨ollenfahrt, Salbenkauf, Hortulus, Seelenfang und St¨andesatire. Die Szenen um das Wiederauff¨ullen der H¨olle durch frische Seelen sind durch die Vielzahl der darin angesprochenen St¨ande und Berufe interessant. Ob Papst oder Kardin¨ale, K¨onig oder Adlige, Geistliche, M¨onche, Handwerker oder Spielleute – niemand scheint im IOS vor der Macht des Teufels sicher zu sein. Ein wichtiger Bestandteil des Spiels sind die umfangreich gestalteten Szenen um den Salbenkr¨amer, seine Frau und ihre Gehilfen. Das Kr¨amerspiel wird von komischen, parodistischen und obsz¨onen Elementen sowie einer derben Sprache bestimmt, die es zu einem humorvollen und aktionsreichen H¨ohepunkt des Spiels machen. Freilich zeigt sich auch im Kr¨amerspiel der didaktische Impetus des Verfassers, zeichnet dieser hier doch die menschliche Unvollkommenheit gleichsam mit dicken Strichen nach. Ein neuartiges dramatisches Element des IOS ist die Zur¨uckweisung einer in der H¨olle leidenden Seele durch Christus. Das IOS zeigt Parallelen zum → Erlauer Osterspiel, → Wiener Osterspiel und → Melker Osterspiel, außerdem zur → Wiener Rubinrolle sowie den → Berliner und → L¨ubener Osterspielfragmenten. Das IF oder ludus de corpore Christi ist eines der a¨ ltesten Spiele seiner Art im dt. Raum. Es ben¨otigte zur Auff¨uhrung wohl u¨ ber 30 Darsteller und ist mit 756 Versen das k¨urzeste Spiel der Innsbrucker Handschrift. Statt einer konventionellen Handlung enth¨alt das am Ablauf der Katechumenmesse ausgerichtete Spiel vielmehr Erkl¨arungen der Messe und besonders der Transsubstantiation. Entsprechend d¨urfte es in einer Kirche und ohne B¨uhne aufgef¨uhrt worden sein, indem die Darsteller als Prozession an der vom Priester gehaltenen Hostie vorbeizogen und dabei Reden deklamierten. Das Spiel enth¨alt Auftritte Adams und Evas, der zw¨olf Propheten, der zw¨olf Apostel, Johannes des T¨aufers, der heiligen drei K¨onige und des Papstes. Diese Figuren belehren und ermahnen die Zuschauer, die im Anschluss wahrscheinlich die Kommunion erhielten. Zu den erl¨auterten Gegenst¨anden z¨ahlen 1122
1. H¨alfte 14. Jh. das Glaubensbekenntnis und das Abendmahl. Gewarnt wird vor Unglauben und H¨aresie. Alle drei Spiele sind stark von theologischer, aber auch moralischer Didaxe gepr¨agt. Die Grundperspektive dieser Belehrungen ist von der Forschung als stadtb¨urgerlich identifiziert worden. Sie tritt etwa in der St¨andesatire des IOS hervor. Gemeinsam ist den I. S. auch ihre Bedeutung als fr¨uhe Beispiele deutschsprachiger geistlicher Spiele. ¨ Uberlieferung: Innsbruck, ULB, cod. 960, 1r–34v, 35v–50r, 51r–59r (Pap., 1391, th¨uringisch). Ausgaben: Franz Joseph Mone (Hg.): Altteutsche Schauspiele. Quedlinburg/Leipzig 1841, S. 21–106, 109–164. – Wilhelm Wackernagel (Hg.): Altdt. Lesebuch. Basel 51873, Sp. 1167–1178 (Teilausg. des I. Osterspiels). – Richard Froning: Das Drama des MA 1. Stuttgart [1891] (Nachdr. Darmstadt 1964. T¨ubingen/Berlin 1974) S. 94–97 (Teilausg. des I. Osterspiels). – Eduard Hartl (Hg.): Das Drama des MA. Bd. 2: Osterspiele (Dt. Lit, Reihe Drama des MA 2). Leipzig 1937 (Nachdr. Darmstadt 1964) S. 136–189 (I. Osterspiel; vgl. dazu Hartl 1937, s. Lit.). – Rudolf Meier: Das I. O. Das Osterspiel von Muri. Mhd. und Nhd. (RUB 8660/61). Stuttgart 1962, S. 4–111. – Die Neustifter-Innsbrucker Spielhs. von 1391. (Cod. 960 der Universit¨atsbibl. Innsbruck). In Abb. hg. v. Eugen Thurnher und Walter Neuhauser. Mit einer Bibliogr. v. W. Neuhauser und Sieglinde Sepp (Litterae 40). G¨oppingen 1975 (Faks.). – Max Siller: Die Innsbrucker Spielhs. und das geistliche Volksschauspiel in Tirol. In: ZfdPh 101 (1982) S. 389–411 (Teilausg.). ¨ Literatur: Altere Lit. bei Thurnher/Neuhauser 1975 (s. Ausg.). – Ehrismann 2.2.2 (1935) S. 567, 574. – Bernd Neumann, VL2 4 (1983) Sp. 398–403. – De Boor/Newald 3/2 (1987) S. 166–178 u. o¨ .; 4/1 (21994) S. 244 f., 792 f. u. o¨ . – B. Neumann/Red., Killy2 6 (2009) S. 52–55. – R¨udiger Brandt: Osterspiele. In: KLL3 12 (2009) S. 401–405. – Mone (s. Ausg.) S. 165–181. – Rudolf H¨opfner: Unters. zu dem Innsbrucker, Berliner und Wiener Osterspiel. Breslau 1913. – Georges Duriez: Les Apocryphes dans le Drame ˆ Lille 1914, Religieux en Allemagne au Moyen Age. S. 69–111. – Dora Franke: Das I. Fronleichnamsspiel. Diss. Marburg 1922. – Franz Ebbecke: Unters. zur I. Himmelfahrt Mariae. Diss. Marburg 1924. – Alfred B¨aschlin: Die altdt. Salbenkr¨amerspiele. Diss. Basel 1929, S. 48–51 u. o¨ . – Helmut Niedner: Die dt. und franz¨osischen Osterspiele bis 1123
Innsbrucker Spiele zum 15. Jh. Ein Beitr. zur Theatergesch. des MA. Berlin 1932. – Oskar Sengspiel: Die Bedeutung der Prozessionen f¨ur das geistliche Spiel des MA in Deutschland. Breslau 1932, S. 58 f., 104–117. – Karl Young: The Drama of the Medieval Church. 2 Bde. Oxford 1933. Nachdr. ebd. 1967. – Eduard Hartl: Textkritisches zum I. O. In: ZfdA 74 (1937) S. 213–226. – Anton D¨orrer: Forschungswende des ma. Schauspiels. In: ZfdPh 68 (1943/44) S. 24–86. – Wolfgang F. Michael: Die geistlichen Prozessionsspiele in Deutschland. Baltimore 1947, S. 30–33. – Eva Mason-Vest: Prolog, Epilog und Zwischenrede im dt. Schauspiel des MA. Affoltern 1949, passim. – Ernst August Schuler: Die Musik der Osterfeiern, Osterspiele und Passionen des MA. Kassel/ Basel 1951, S. 74 f. – David Brett-Evans: H¨ofischritterliche Elemente im dt. geistlichen Spiel des MA. Lahr/Baden 1952. – Theo Meier: Die Gestalt Marias im geistlichen Schauspiel des dt. MA. Berlin 1959, S. 109–116. – Wilfried Werner: Stud. zu den Passions- und Osterspielen des dt. MA in ih¨ rem Ubergang vom Latein zur Volkssprache. Berlin 1963, S. 67–69. – Rolf Max Kully: Die St¨andesatire in den dt. geistlichen Schauspielen des ausgehenden MA. Basel 1966. – E. Thurnher: Tiroler Drama und Tiroler Theater. Innsbruck u. a. 1968. – Rolf Steinbach: Die dt. Oster- und Passionsspiele des MA (K¨olner germanistische Stud. 4). K¨oln/Wien 1970, S. 60–68. – W. F. Michael: Das dt. Drama des MA (Grundriß der germ. Philologie 20). Berlin/New York 1971, S. 69–73, 110 f., 122–124. – Rainer Warning: Funktion und Struktur. Die Ambivalenzen des geistlichen Spiels. M¨unchen 1974, S. 59 f., 66, 71, 80–83 u. o¨ . – Elizabeth Wainwright: Stud. zum dt. Prozessionsspiel (Mu¨ nchener Beitr. zur Medi¨avistik und Renaissance-Forschung 16). M¨unchen 1974, S. 31–37. – Dies.: Das Rothenburger Rollenbuch. In: ZfdPh 94 (1975) Sonderh., S. 138–147. – Wilhelm Breuer: Zur Auff¨uhrungspraxis vorreformatorischer Fronleichnamsspiele in Deutschland. In: ebd., S. 50–71. – Ursula Hennig: Die Klage der Maria Magdalena in den dt. Osterspielen. Ein Beitr. zur Textgesch. der Spiele. In: ebd., S. 108–138. – Rainer H. Schmid: Raum, Zeit und Publikum des geistlichen Spiels. Aussage und Absicht eines ma. Massenmediums. M¨unchen 1975, passim. – David Brett-Evans: Von Hrotsvit bis Folz und Gengenbach. Eine Gesch. des ma. dt. Dramas (Grundlagen der Germanistik 15/18). Berlin 1975, Bd. 1, S. 113–116, 148–151; Bd. 2, 1124
Kremsmunsterer ¨ (schlesisches) Dorotheenspiel 1975, S. 24–26. – W. F. Michael: Das NeustifterI. Osterspiel und die Tiroler Passion. In: Tiroler Volksschauspiel. Beitr. zur Theatergesch. des Alpenraumes. Hg. v. Egon K¨uhebacher. Bozen 1976, S. 167–177. – Hans Moser: Die I. Spielhs. in der geistlichen Spieltradition Tirols. In: ebd., S. 178–189. – Barbara Thoran: Das Osterspiel der I. Hs. Cod. 960 – ein Neustifter Osterspiel? In: ebd., S. 360–379. – Jacoba H. Kun´e: Die Auferstehung Christi im dt. religi¨osen Drama des MA. Amsterdam 1979, S. 50–55. – Heinz Kindermann: Das Theaterpublikum des MA. Salzburg 1980, S. 28, 32, 38, 52, 55, 59 f. – Rolf Bergmann: Kat. der deutschsprachigen geistlichen Spiele und Marienklagen des MA (Ver¨off. der Kommission f¨ur dt. Lit. des MA der Bayerischen Akad. der Wiss.). M¨unchen 1986, S. 160–163 (Nr. 67). – Bernd Neumann: Geistliches Schauspiel im Zeugnis der Zeit. Zur Auff¨uhrung ma. religi¨oser Dramen im dt. Sprachgebiet. Bd. 2 (MTU 85). Mu¨ nchen 1987, 841 f. (Nr. 3632). – B. Thoran: Fragen zur Herkunft und Nachwirkung des I. Th¨uringischen Osterspiels. In: Osterspiele. Texte und Musik. Akten des 2. Symposiums der Sterzinger Osterspiele, 12.–16.4.1992. Hg. v. Max Siller. Innsbruck 1994, S. 187–202. – Karl K. Polheim: Die doppelte Eintragung. Zur NeustifterInnsbrucker Spielhs. In: Ders.: Stud. zum Volksschauspiel und ma. Drama. Paderborn u. a. 2002, S. 93–96. – B. Neumann: Das I. Spiel von Mariae Himmelfahrt. Gedanken zu einer Neuedition. In: Neue Beitr. zur Germanistik 1 (2002) S. 191–206. – Jens Haustein/Winfried Neumann: Zur Lokalisierung der I. (th¨uringischen) Spielhs. In: Magister et amicus. FS Kurt G¨artner. Hg. v. V´aclav Bok/Frank Shaw. Wien 2003, S. 385–394. – Christian Kie¨ ning: Pr¨asenz-Memoria-Performativit¨at. Uberlegungen im Blick auf das I. Fronleichnamsspiel. In: Transformationen des Religi¨osen. Performativit¨at und Textualit¨at im geistlichen Spiel. Hg. v. Ingrid Kasten/Erika Fischer-Lichte. Berlin/New York 2007, S. 139–168. – B. Neumann/Dieter Trauden: ‹Rubin, du machst wol eyn schalk syn!› Zur Funktion sprachlicher Gestaltungsmittel im Melker und I. Salbenkr¨amerspiel. In: Neue Beitr. zur Germanistik 6 (2007) S. 131–156. – Anne Au¨ ditor: Die I. Spielhs. Uberlegungen zu einer Neuedition. In: Texte zum Sprechen bringen. FS Paul Sappler. Hg. v. Christiane Ackermann/Ulrich Barton. T¨ubingen 2009, S. 297–306. MM 1125
Mitte 14. Jh. Kremsmunsterer ¨ Passionsspielfragment (auch: Kremsm¨unsterer Osterspielfragment). – Bruchst¨uck eines mittelbair. Passionsspiels aus der ersten H¨alfte des 14. Jh. ¨ Der u¨ berlieferte Text (37 Verse) mit der Uberschrift «Assint principio sancta maria meo / Hie hebet sich an daz oster leich spil als / vnser liber herre» beginnt mit dem Einzug Jesu in Jerusalem. Entgegen der Vermutung von O. Pausch, «daß das vorliegende St¨uck Auff¨uhrungszwecken h¨atte dienen sollen», erscheint f¨ur R. Bergmann u. a. wegen des Fehlens eindeutiger Regieanweisungen «nicht einmal der Spielcharakter [...] gesichert». ¨ Uberlieferung: Kremsm¨unster, Stiftsbibl., Fragmentenschachtel IX, ohne Sign. (fr¨uher Cod. 71, Spiegel im vorderen Deckel), 1 Bl. (Pap., erste H¨alfte 14. Jh., wegen des Beschreibstoffs kaum vor dem zweiten Viertel, bair.-¨osterr. [Pausch 1979] bzw. bair. [Bergmann]). Ausgabe: Oskar Pausch: Das K. O. Ein Fragm. aus dem 14. Jh. In: ZfdA 108 (1979) S. 51–57. Literatur: Oskar Pausch, VL2 5 (1985) ¨ Sp. 356 f. – Ders.: Osterr. Lit. am Ausgang des HochMA. Neue quellenkundliche Perspektiven. ¨ In: Osterr. Lit. zur Zeit der Babenberger. Vortr¨age der Lilienfelder Tagung 1976. Hg. v. Alfred Ebenbauer u. a. (Wiener Arbeiten zur Germ. Altertumskunde und Philologie 10). Wien 1977, S. 152–162, hier S. 156 f. – Rolf Bergmann: Kat. der deutschsprachigen geistlichen Spiele und Marienklagen des MA (Ver¨off. der Kommission f¨ur dt. Lit. des MA der Bayerischen Akad. der Wiss.). M¨unchen 1986, S. 180 f. (Nr. 75). – Bernd Neumann: Geistliches Schauspiel im Zeugnis der Zeit. Zur Auff¨uhrung ma. religi¨oser Dramen im dt. Sprachgebiet (MTU 84.85). Mu¨ nchen 1987, Bd. 2, S. 845 (Nr. 3636/1). BJ Kremsmunsterer ¨ (schlesisches) Dorotheenspiel («Ludus de sancta Dorothea»). – Fragment eines Legendenspiels, bald nach 1340. Das wahrscheinlich in Mitteldeutschland (Obersachsen?) entstandene Spiel beruht auf der Legende der hl. Dorothea in der Legenda aurea des → Jacobus ¨ a Voragine. Uberliefert ist nur etwa die H¨alfte des urspr¨ungliches Spieltextes (Ukena, S. 52). Nach dem Prolog (V. 1–71), in dem die F¨urbittefunktion der Heiligen betont wird, und dem G¨otzenopfer (V. 71a–109) wirbt der r¨omische Statthalter Fabricius um Dorothea (V. 109a–171), die den Liebesantrag jedoch abeweist und sich zum Christentum 1126
Mitte 14. Jh. bekennt. Ihre Bew¨ahrung im Martyrium wird in ¨ drei Stufen geschildert: 1. Olmarter mit anschließender Bekehrung und Enthauptung der Heiden (V. 171a–223); 2. neunt¨agige Einkerkerung Dorotheas (V. 223a–249); 3. Zerst¨orung des G¨otzenbildes, auf die erneut eine Szene mit Bekehrung (und Enthauptung) der Heiden folgt (V. 249a–271). Bezeugt sind Auff¨uhrungen des Spiels in Bautzen (1413), Kulm (1436), Bad Mergenhteim (1498), Eger (1500, vielleicht 1517 und 1544), Butzbach (1517) und Dresden (1523). ¨ Uberlieferung: Kremsm¨unster, Stiftsbibl., Cod. Cremifanensis 81, 86v–88v (Mitte 14. Jh., o¨ sterr.). Ausgaben: Das Dorotheaspiel. Hg. v. Heinrich Hoffmann von Fallersleben. In: Fundgruben f¨ur Gesch. dt. Sprache und Litteratur. Bd. 2. Hg. v. dems. Breslau 1837, S. 284–295. – Schachner (s. Lit.) S. 186–193. – Elke Ukena: Die dt. Mirakelspiele des Sp¨atMA. Stud. und Texte (Europ¨aische Hochschulschr. I,115; Arbeiten zur Mittleren Dt. Lit. und Sprache 1). Tl. 2: Texte. Bern, Frankfurt/M. 1975, S. 313–357. Literatur: Heinrich Biermann, VL2 5 (1985) Sp. 357. – De Boor/Newald 4/1 (21994) S. 268. – Heinrich Schachner: Das Dorotheaspiel. In: ZfdPh 35 (1903) S. 157–196. – Lotte Busse: Die Legende der hl. Dorothea im dt. MA. Diss. Greifswald 1928. Langensalza 1930. – Altmann Kellner: Musikgesch. des Stiftes Kremsm¨unster. Kassel/Basel 1956, S. 106, 108 f. – Wolfgang F. Michael: Das dt. Drama des MA (Grundriß der germ. Philologie 20). Berlin/New York 1971. – David Brett-Evans: Von Hrotsvit bis Folz und Gengenbach. Eine Gesch. des ma. dt. Dramas. Tl. 2: Religi¨ose und weltliche Spiele des Sp¨atMA (Grundlagen der Germanisitik 18). Berlin 1975, S. 13 f. – Ukena (s. Ausg.) S. 42–96. – H. Biermann: Die deutschsprachigen Legendenspiele des sp¨aten MA und der fr¨uhen Neuzeit. Diss. K¨oln 1977, S. 45–56. – Rolf Bergmann: Kat. der deutschsprachigen geistlichen Spiele und Marienklagen des MA (Ver¨off. der Kommission f¨ur dt. Lit. des MA der Bayerischen Akad. der Wiss.). M¨unchen 1986, S. 179 f. (Nr. 74). – Bernd Neumann: Geistliches Schauspiel im Zeugnis der Zeit. Zur Auff¨uhrung ma. religi¨oser Dramen im dt. Sprachgebiet (MTU 84.85). Mu¨ nchen 1987, Bd. 2, S. 844 (Nr. 3636). – Hauke Fill: Kat. der Hss. des Benediktinerstiftes Kremsm¨unster. Tl. 2: Zimeliencodices und sp¨atma. Hss. nach 1325 bis ein¨ schließlich CC 100). Katalogbd. (Osterr. Akad. der 1127
Kreuzensteiner (ripuarisches) Passionsspiel Wiss., phil.-hist. Kl., Denkschriften 270; Ver¨off. der Kommission f¨ur Schrift- und Buchwesen des MA II,3,2). Wien 2000, S. 402–412. – Sibylle Jefferis: Das ‹D.› und ‹Ein Passienb¨uchlein von den vier Hauptjungfrauen›. In: Intertextuality, Reception, and Performance. Interpretations and Texts of Mediaeval German Literature (Kalamazoo Papers 2007–2009). Hg. v. ders. (GAG 758). G¨oppingen 2010, S. 171–241, hier bes. S. 183 f. – Gisela Kornrumpf: Rondeaux des Barf¨ußers vom Main? Spuren einer dt. Liedmode des 14. Jh. in Kremsm¨unster, Engelberg und Mainz. In: ‹Ieglicher sang sein eigen ticht›. Germanistische und musikwissenschaftliche Beitr. zum dt. Lied im MA. Hg. v. Christoph M¨arz u. a. (Elementa Musicae 4). Wiesbaden 2011, S. 57–73, hier S. 59–61. – Ursula Schulze: Geistliche Spiele im MA und in der Fr¨uhen Neuzeit. Von der liturgischen Feier zum Schauspiel. Eine Einf. Berlin 2012, S. 190. BJ Kreuzensteiner (ripuarisches) Passionsspiel. – Fragmente eines geistlichen Spiels. Nach Sprachstand und mndl. Einfl¨ussen im Wortschatz wird als Entstehungsort des Spiels der Raum um Aachen angenommen. Die am Anfang und Ende sowie in ihrem Inneren unvollst¨andigen Fragmente bieten Szenen aus der Kindheit (Darstellung im Tempel, Tod des Hero¨ des, R¨uckkehr aus Agypten mit Palmbaumwunder und Raub¨uberfall) und dem o¨ ffentlichen Leben Jesu (Versuchung, J¨ungerberufung [Petrus, Andreas, Johannes, Jacobus], Hochzeit zu Kana); Szenenreste beziehen sich auf das Gastmahl des Herodes, Johannes den T¨aufer, Maria Magdalena und Martha. Sprachliche und zeitliche Verwandtschaft besteht mit dem → Maastrichter (ripuarischen) Passionsspiel; mit den → Himmelgartner (s¨udostf¨alischen) Passionsspiel-Fragmenten ist die Palmbaumszene gemeinsam (vgl. das apokryphe Pseudo-Matth¨ausEvangelium). Der Text enth¨alt nur wenige lat. Partien; liturgische Ges¨ange fehlen. ¨ Uberlieferung: Kreuzenstein bei Korneuburg (Nieder¨osterrecich), Bibl. der Grafen Wilczek, Falze aus Nr. 5868 und Nr. 5874 [verbrannt], 6 Doppelbll., aus Streifen zusammengesetzt (Perg., Aachen [?], Mitte 14. Jh., ripuarisch). Ausgaben: J[osef] Strobl: Aus der Kreuzensteiner Bibl. Stud. zur dt. Literaturgesch. Wien 1907. Neudr. u. d. T.: Ein rheinisches Passionsspiel des XIV. Jh. Eine Hs. lat. Predigten Bertholds von Regensburg. Beitr. zur dt. Literaturgesch. aus der Kreuzensteiner Bibl. Halle/Saale 1128
Maastrichter Passionsspiel 1909, S. 3–23. – Kaspar D¨orr: Die Kreuzensteiner Dramenbruchst¨ucke. Unters. u¨ ber Sprache, Heimat und Text (Germanistische Abh. 50). Breslau 1919, S. 108–136 (dazu: Theodor Frings, in: AfdA 42 [1923] S. 8–17). Literatur: Rolf Bergmann, VL2 5 (1985) Sp. 370 f. – D¨orr (s. Ausg.). – Rolf Steinbach: Die dt. Oster- und Passionsspiele des MA (K¨olner germanistische Stud. 4). K¨oln/Wien 1970, S. 120–123. – R. Bergmann: Stud. zu Entstehung und Gesch. der dt. Passionsspiele des 13. und 14. Jh. (MMS 14). Mu¨ nchen 1972, S. 20, 24, 28, 51 f., 62, 68–71. – David Brett-Evans: Von Hrotsvit bis Folz und Gengenbach. Eine Gesch. des ma. dt. Dramas. Tl. 1: Von der liturgischen Feier zum volkssprachlichen Spiel (Grundlagen der Germanistik 15). Berlin 1975, S. 159 f. – R. Bergmann: Kat. der deutschsprachigen geistlichen Spiele und Marienklagen des MA (Ver¨off. der Kommission f¨ur dt. Lit. des MA der Bayerischen Akad. der Wiss.). M¨unchen 1986, S. 181–183 (Nr. 76). – Bernd Neumann: Geistliches Schauspiel im Zeugnis der Zeit. Zur Auff¨uhrung ma. religi¨oser Dramen im dt. Sprachgebiet (MTU 84.85). Mu¨ nchen 1987, Bd. 2, S. 845 (Nr. 3637). BJ Maastrichter Passionsspiel (Maastrichter [ripuarisches/ribuarisches] Passionsspiel, Mndl. Passionsoder Osterspiel). – Bruchst¨uckhaft u¨ berliefertes und zum Lesetext umgearbeitetes Passionsspiel. Der Text ist in einer um 1300 entstandenen Handschrift mit Predigten und Erbauungsliteratur u¨ berliefert. Die zweispaltige Texteinrichtung l¨asst nicht an eine Spielvorlage denken, zudem fehlen Auff¨uhrungshinweise und sonstige Benutzerspuren. Die westmittelfr¨ankische (nicht mndl.!) Sprache weist auf die Gegend um Aachen als Entstehungsort – Maastricht war lediglich ein sp¨aterer Aufbewahrungsort der Handschrift. Das Spiel (ca. 1500 Verse) ist offenbar nicht mehr vollst¨andig erhalten. Es beginnt mit dem H¨ollensturz Luzifers; es folgen Sch¨opfung des Menschen (hier gr¨oßerer Textausfall durch Verlust mindestens eines Blatts) und Vertreibung aus dem Paradies sowie ein Streitgespr¨ach der T¨ochter Gottes (fr¨uheste Verwendung des aus der theologischen Literatur bekannten Themas im Drama). Nach Prophetenauftritten (Balaam, Isaias, Vergil im Dialog mit Ecclesia) leitet die Verk¨undigung Mariae eine umfangreiche Weihnachtsgruppe ein (Hir¨ tenszenen, Hl. drei K¨onige, Flucht nach Agypten, Kindermord zu Bethlehem); die eigentliche 1129
Mitte 14. Jh. Geschichte von Jesu Wirken setzt mit Jesus im Tempel ein und enth¨alt Versuchung, Berufung der J¨unger, Hochzeit zu Kana, ein breit angelegtes Maria-Magdalenenspiel, erstes und zweites Gastmahl bei Simon Leprosus, die Auferweckung des Lazarus, den Einzug in Jerusalem, die Tempelreinigung, Bethanien, Beratung der Juden, Ver¨ rat des Judas, eine umfangreiche Olbergszene. Mit der Gefangennahme Christi bricht der Text ab. Es ist anzunehmen, dass das Spiel urspr¨unglich noch Kreuzigung und Auferstehung enthielt. Literarische Beziehungen zu anderen Texten (→ Erl¨osung, → Frankfurter Dirigierrolle, → Kreuzensteiner Passionsspiel) sind festzustellen, aber kaum sicher zu bewerten. Der Text besteht vor allem aus Reimpaarversen, daneben ist ein Lied Maria Magdalenas – Alle creaturen vrouwent sich der liuver zijt – inseriert (gestaltet nach Vorbild eines franz¨osischen Virelai; die Charakterisierung vom Weltleben der Maria Magdalena k¨onnte daher auch aktuelle Hofkritik transportieren). Vor den einzelnen Redebeitr¨agen stehen vielfach abgek¨urzte Hinweise auf lat. liturgische Texte und Ges¨ange. Der Pr¨asentation als dialogisierter Text zur erbaulichen Lekt¨ure entsprechen die knappen Angaben zu den sprechenden Personen und ihren Handlungen, in denen die Reste von Spielanweisungen sichtbar sind. Durch die neue handschriftliche Kontextualisierung bekommt der Spieltext damit den Charakter einer aus Dialog und (imaginierten) Szenenbildern komponierten Meditation. ¨ Uberlieferung: Den Haag/’s-Gravenhage, Kgl. Bibl., Cod. 70 E 5, 233v–247v (Perg., 14. Jh.). Ausgaben: Julius Zacher: Mndl. Osterspiel. In: ZfdA 2 (1842) S. 303–350. – Henri E. Moltzer: De Mittelnederlandsche Dramatische Poezie. Groningen 21875, S. 496–538. – Eine Neuausgabe bereiten Carla Dauven-van Knippenberg und Arend Quak vor. Literatur: Rolf Bergmann, VL2 5 (1985) Sp. 1107 f. – Philipp Hamacher: Unters. zum ‹M. P.›. (Diss.) Marburg) 1922. – Rolf Steinbach: Die dt. Oster- und Passionsspiele. Versuch einer Darstellung und Wesensbestimmung nebst einer Bibliogr. zum dt. geistlichen Spiel des MA (K¨olner germanistische Stud. 4). K¨oln/Wien 1970, S. 123–130. – Wolfgang F. Michael: Das dt. Drama des MA (Grundriß der germ. Philologie 20). Berlin 1971, S. 144. – R. Bergmann: Stud. zu Entstehung und Gesch. der dt. Passionsspiele des 13. 1130
Mitte 14. Jh. und 14. Jh. (MMS 14). M¨unchen 1972. – David Brett-Evans: Von Hrotsvit bis Folz und Gengenbach. Eine Gesch. des ma. dt. Dramas. Tl. 1: Von der liturgischen Feier zum volkssprachlichen Spiel (Grundlagen der Germanistik 18). Berlin 1975. – R. Bergmann: Kat. der deutschsprachigen geistlichen Spiele und Marienklagen des MA (Ver¨off. der Kommission f¨ur Dt. Lit. des MA der Bayerischen Akad. der Wiss.). M¨unchen 1986, S. 144–146 (Nr. 60). – Hansj¨urgen Linke: Drama und Theater. In: Die dt. Lit. im sp¨aten MA. 1250–1370. II: Reimpaargedichte, Drama, Prosa. Hg. v. Ingeborg Glier. M¨unchen 1987, S. 153–233, hier S. 195–197. – Edith Wenzel: ‹Do worden die Judden alle geschant›. Rolle und Funktion der Juden in sp¨atma. Spielen (Forschungen zur Gesch. der a¨lteren dt. Lit. 1). Mu¨ nchen 1992, S. 72, 141. – Arend Quak: Zwischen zwei Sprachen. Zum M. P. In: ‹Sˆo wold ich in fr¨oiden singen›. Festgabe f¨ur Anthonius H. Touber zum 65. Geburtstag. Hg. v. Carla Dauven-van Knippenberg/Helmut Birkhan (AB¨aG 43/44). Amsterdam/Atlanta, GA 1995, S. 399–408. – Frank Willaert: Maria Magdalenas Lied im ‹M. P.›. In: ebd., S. 543–551. – C. Dauven-van Knippenberg: Duitstalig toneel van de Middeleeuwen. In: Spel en spektakel. Middeleeuws toneel in de Lage Landen. Hg. v. Hans van Dijk/Bart Ramakers. Amsterdam 2001, S. 57–76, hier S. 69–75. – Dies.: Texte auf der Grenze. Zum ‹M. (ripuarischen) P.›. In: Schnittpunkte. Dt.-ndl. Literaturbeziehungen im sp¨aten MA. Hg. v. Angelika Lehmann-Benz u. a. (Stud. zur Gesch. und Kultur Nordwesteuropas 5). M¨unster u. a. 2003, S. 95–107. – Peter Macardle: The St. Gall Passion Play. Music and Performance (Ludus 10). Amsterdam/New York 2007. – C. Dauven-van Knippenberg: Das M. (ripuarische) P. (um 1300). In: Literarische Performativit¨at. Lekt¨uren vormoderner Texte. Hg. v. Cornelia Herberichs/Christian Kiening (Medienwandel – Medienwechsel – Medienwissen 3). Z¨urich 2008, S. 222–239. JK Vanden Winter ende vanden Somer. – Mndl. allegorisches Drama. V. W. e. v. S. z¨ahlt zu den anonymen «abele spelen», vier im gleichen Codex (Hulthemse handschrift, um 1410) u¨ berlieferten weltlichen Dramen des 14. Jh. Der Gruppe geh¨oren neben V. W. e. v. S. auch → Lanseloet van Denemarken, Esmoreit und Gloriant an. V. W. e. v. S. entstand um 1350 und wurde 1131
Vanden Winter ende vanden Somer wahrscheinlich von Gesellen als Fastnachtsspiel aufgef¨uhrt. Das Spiel selbst wurde dabei wie die u¨ brigen «abele spelen» durch eine schwankhafte «sotternie» erg¨anzt, deren Auff¨uhrung im Anschluss an das Hauptspiel erfolgte. Der f¨ur V. W. e. v. S. n¨otige Aufwand d¨urfte gering gewesen sein. Erstens wurden nur neun Darsteller inklusive Prolog ben¨otigt, zweitens handelt es sich bei dem ohne Regieanweisungen u¨ berlieferten Spiel eher um einen dramatischen Dialog als um ein ausgearbeitetes Drama. Mit 625 Versen in meist vier- oder f¨unfhebigen Reimpaaren ist V. W. e. v. S. das k¨urzeste «abele spel». Mo¨ glicherweise entstand das Spiel als Dramatisierung eines Maifestlieds. Der Inhalt des Spiels ist stark allegorisch. Sommer und Winter f¨uhren einen Disput um die Frage, wer von ihnen die f¨ur die Liebe geeignetere Jahreszeit sei. U. a. stellt sich der Sommer als Jahreszeit der W¨arme und der Bl¨ute dar, w¨ahrend der Winter auf seine langen N¨achte verweist, die viel Raum f¨ur Liebe ließen. Sommer und Winter werden jeweils von zwei weiteren Figuren unterst¨utzt, die Charaktertypen darstellen. So ist der Winterfreund Loyaert ein Faulenzer und sein Kumpan Clappaert ein Vielredner. Der Streit eskaliert zunehmend, bis Sommer und Winter beschließen, ihren Disput durch ein Duell zu entscheiden. Die unterdessen herbeigerufene G¨ottin Venus h¨alt sie allerdings von einem Kampf ab. Vielmehr unterstreicht Venus die Notwendigkeit beider Jahreszeiten, die sich w¨ahrend des Jahres friedlich in ihrer Regierung abwechseln sollen. In der auf dieses Spiel folgenden Farce Rubben wird das Thema Liebe dann parodistisch behandelt: Ein junger Ehemann wird bereits drei Monate nach der Heirat Vater, was er in seiner Naivit¨at ganz nat¨urlich findet. V. W. e. v. S. ist wie die u¨ brigen «abele spelen» besonders als sehr fr¨uhe weltliche Allegorie von Bedeutung. Erw¨ahnenswert ist auch die Darstellung der Figuren, die im Spiel nicht St¨ande, sondern Charaktertypen vertreten. ¨ Uberlieferung: Br¨ussel, Kgl. Bibl., cod. 15.589–623, 235va–239vb (um 1410). Ausgaben: Een abel spei van den winter ende van den somer, ende ene sotternie na volghende. Hg. v. August Heinrich Hoffmann von Fallersleben. In: Horae Belgicae 6: Altndl. Schaub¨uhne. Hg. v. dems. Breslau 1838, S. 125–146. – Middelnederlandsche dramatische Po¨ezie. Hg. v. Pieter Leendertz. Groningen [1907], S. 135–152. – Het abel spel vanden winter ende vanden somer. 1132
Halberst¨adter Adamsspiel Hg. v. Robert Antonissen. Antwerpen 1946. – Het abel spel Vanden winter ende vanden somer, gevolgd door de sotternie Rubben, voorafgegaan door de fragmenten Drie daghe here en Truwanten. Hg. v. Govert Stellinga. Zutphen [1966]. – De abele spelen naar het Hulthemse handschrift. Hg. v. Louise van Kammen. Amsterdam 1968, S. 211–239. – Klein kapitaal uit het handschriftVanHulthem. Zeventien teksten uit Hs. Brussel, K. B., 15.589–623 uitgegeven en ingeleid door neerlandici, verbonden aan tien universiteiten in Nederland en Belgi¨e. Hg. v. Hans van Dijk. Hilversum 1992. – Handschrift-Van Hulthem (KBR, 15.589–623). Hg. v. Ria Jansen-Sieben. Br¨ussel 1999 (Faks.-Ausg.). – Het Handschrift-Van Hulthem. Hs. Brussel, Koninklijke Bibliotheek van Belgi¨e, 15.589–623. Hg. v. Herman Brinkman und Janny Schenkel. 2 Bde., Hilversum 1999 (diplomat. Ausg.). ¨ Ubersetzungen: Netherlandic Secular Plays from the Middle Ages. The ‹Abele spelen› and the Farces of the Hulthem Manuscript. Hg. v. Theresia de Vroom. Ottawa 1997. – Medieval Dutch drama. Four Secular Plays and Four Farces from the Van Hulthem Manuscript. Hg. v. Johanna C. Prins. Asheville 1999. Literatur: De Boor/Newald 3/2 (1987) S. 228 f., 485. – Wilfried Sch¨afer: Abele spelen. In: KLL3 1 (2009) S. 30 f. – Hope Traver: Religious Implications in the ‹Abele-Spelen› of the Hulthem Ms. In: The Germanic Review 26 (1951) S. 34–49. – H. van Dijk: ‹Als ons die astrominen lesen›. Over het Abel Spel V. W. e. v. S. In: Tussentijds. Bundel studies aangeboden aan W. P. Gerritsen ter gelegenheid van zijn vijftigste verjaardag. Hg. v. Alfons van Buuren. Hilversum 1985, S. 56–70, 333–335. – Kees van der Waerden: De figuur van de cockijn in het abel spel V. W. e. v. S. In: Spektator 15 (1985/86) S. 268–277. – Klaas Iwema: De wereld van een abel spel. V. W. e. v. S. herbeschouwd. In: De nieuwe taalgids 80 (1987) S. 21–27. – Dieuwke van der Poel: De rol van Venus in V. W. e. v. S. In: In de zevende hemel. Hg. v. H. v. Dijk. Groningen 1993, S. 185–189. – K. v. d. Waerden: Harmonisatie van het wereldbeeld. Het abel spel Vanden Winter ende vanden Somer in cultuur-filosofisch perspectief. In: Forum der Letteren 35 (1994) S. 95–109. – H. v. Dijk: The Drama Texts in the Van Hulthem Ms. In: Medieval Dutch Literature in Its European Context. Hg. v. 1133
2. H¨alfte 14. Jh. Erik Kooper. Cambridge u. a. 1994, S. 283–296. – Andrzej Dabr´owka: De Neidhartspiele en het Abel Spel V. de W. e. v. de S. op een solre te Arnhem rond 1400 ogevoerd? In: Stud. zur dt. und ndl. Sprache und Kultur. FS Jan Czochralski. Hg. v. J´ozef Wiktorowicz. Warschau 1996, S. 223–226. – Vroom 1997 (s. Ausg.). – Jan H. Meter: Harmony and Disharmony in a Court Drama of the Netherlands: V. W. e. v. S. In: European Medieval Drama 1 (1997) S. 133–146. – Prins 1999 (s. Ausg.). – Bart Ramakers: Allegorisch toneel. Overlevering en benadering. In: Spel en spektakel. Middeleeuws toneel in de Lage Landen. Hg. v. dems./H. v. Dijk. Amsterdam 2001, 228–245. – Eckehard Simon: Die Anf¨ange des weltlichen dt. Schauspiels 1370–1530. Unters. und Dokumentation. T¨ubingen 2003, S. 24 f. u. o¨ . MM ¨ Halberst¨adter Adamsspiel. – Offentliches Bußritual. Das H. A. war ein o¨ ffentliches Bußritual mit spiel¨ahnlichen Z¨ugen. Im Mittelpunkt stand ein aus dem Volk ausgew¨ahlter B¨ußer, der als «Adam» bezeichnet wurde. Dieser Name d¨urfte sich auf den biblischen Adam bezogen haben – so wie dieser aus dem Paradies vertrieben wurde, wurde der H. B¨ußer am Aschermittwoch vor¨ubergehend aus der Gemeinschaft verstoßen, indem man ihn unter Ges¨angen aus dem Dom trieb. Vierzig Tage lang musste er barfuß gehen, ein Bußgewand tragen, im Freien schlafen und sich von Almosen ern¨ahren. Gleichzeitig durfte er nicht mit anderen B¨urgern sprechen und keine Kirche betreten. Am Gr¨undonnerstag wurde er durch den Bischof oder einen Stellvertreter symbolisch wieder in die Gemeinschaft aufgenommen. Das H. A. ist in der Stadt erstmals in einer Urkunde von 1383 nachweisbar, d¨urfte aber bereits fr¨uher entstanden sein. Papst Bonifatius IX. erteilte dem H. Domkapitel 1401 ein Privileg zur Durchf¨uhrung des A. Darin wird der B¨ußer erstmals als «Adam» bezeichnet. Weitere Erw¨ahnungen des A. finden sich u. a. bei Aeneas Sylvius → Piccolomini (Papst Pius II.) in De Europa (1458) sowie in Hartmann → Schedels Weltchronik (1493). Es ist allerdings unklar, ob Aeneas Sylvius das H. A. selbst sah oder nur aus zweiter Hand kannte. Schedel wiederum st¨utzte seine Beschreibung wahrscheinlich auf den Bericht in De Europa. 1515 best¨atigte Papst Leo X. die Bulle des Bonifatius. 1134
2. H¨alfte 14. Jh.
Kasseler (mittelniederdeutsche) Paradiesspiel-Fragmente
1537 erlebte der kaiserliche Notar Cornelius Ettenius das H. A. als Augenzeuge. Mittlerweile hatte sich das Ritual ver¨andert: Der «Adam» durfte nun z. B. auch w¨ahrend seiner Bußzeit den Dom betreten. Wie aus weiteren Schilderungen von Beatus Rhenanus und Martin Chemnitz hervorgeht, entwickelte sich das H. A. auch zunehmend von einem strengen Bußritual zu einem Spiel, dessen Hauptdarsteller angeheuert wurde. Der Reformation erschien diese Entwicklung suspekt, und so verbot Herzog Heinrich Julius von BraunschweigWolfenb¨uttel (1564–1613) das H. A. 1591. Es gab auch an anderen Orten j¨ahrliche Austreibungen von B¨ußern, etwa im franz¨osischen Autun. In seiner speziellen, ritualisierten Form steht das H. A. jedoch einzigartig dar. Ausgaben: Erw¨ahnung des A. bei Papst Pius II.: Enee Silvii Piccolominei postea Pii PP II de Evropa. Hg. v. Adrianus van Heck. Vatikanstadt 2001, S. 129. – Bei Schedel: Hartmann Schedel: Weltchron. Mu¨ nchen 1965, S. 279 (Nachdr. der Ausg. N¨urnberg 1493). – Weitere Nachweise des A. bei Kotte 1994 (s. Lit.). Literatur: Wendelin Schmeja: Der ‹Sensus Moralis› im A. In: Zs. f¨ur romanische Philologie 90 (1974) S. 41–72. – Andreas Kotte: Das H. A., ein Grenzfall ma. Theaterkultur. Diss. Berlin (HU) 1985. – J¨urgen Westphal: H. Domgeschichte(n). Das A. In: Zwischen Harz und Bruch NF 8 (1989) S. 19–22. – A. Kotte: Theatralit¨at im MA. Das H. A. T¨ubingen u. a. 1994. – Andreas Odenthal: Liturgie vom fr¨uhen MA zum Zeitalter der Konfessionalisierung. Stud. zur Gesch. des Gottesdienstes. T¨ubingen 2011, S. 88–94. MM Kasseler (mittelniederdeutsche) Paradiesspiel-Fragmente. – Fragmentarisch erhaltenes Paradiesspiel. Die 1985 aufgefundenen Fragmente einer kleinformatigen Pergamenthandschrift bringen in fortlaufender Aufzeichnung die Verse eines Paradiesspiels (mit lat. Regieanweisungen in roter Tinte). Erhalten bzw. teilweise erhalten sind noch 202 Verse in nordnieders¨achsischem/ostelbischem Dialekt. Das Spiel pr¨asentiert mehrere Szenen zu Gen 2–3. Er beginnt mit der Erschaffung Evas durch den «Plasmator» und der Einsetzung von Adam und Eva im Paradies (mit Verbot, vom Baum zu essen). Nach einem «Silete»-Gesang folgt ein Gespr¨ach zwischen «Sathanas» und «Lucifer», bei dem 1135
die Verf¨uhrung Evas beschlossen wird. Nach der Verf¨uhrung Evas durch «Sathanas» (Dialogpassage) und der Weitergabe des Apfels an Adam wird dieser zur Rede gestellt. Es folgen die Vertreibung Adams und Evas, die Verfluchung der Schlange und die Anweisung Gottes an die wachenden Cherubim. Mit dem Beginn einer weiteren Teufelsversammlung bricht der Text ab. Begleitet und unterbrochen werden die Verse durch lat., aus der Liturgie der Woche nach Septuagesima (Lesungen von Montag bis Mittwoch; jeweils Angabe des lat. Initiums) stammende Ges¨ange, die zumeist von einem «Chorus» ausgef¨uhrt werden. Zwei dieser Gesangspartien sind in linienlosen Neumen notiert. Ob die Bruchst¨ucke zu einem selbstst¨andigen Paradiesspiel geh¨oren oder Teil eines umfassenderen Passions- oder Fronleichnamsspiels sind (vergleichbar den eingelegten Paradiesszenen bei Arnold → Immessen, dem → Wiener Passionsspiel, → Maastrichter Passionsspiel, → Egerer Passionsspiel, → Luzerner Passionsspiel, → K¨unzelsauer Fronleichnamsspiel, → Freiburger Fronleichnamsspiel, → Zerbster Fronleichnamsspiel), ist nicht zu entscheiden. ¨ Uberlieferung: Kassel, UB/LMB, 4° Ms. chem. 5, Fragm. 1 (22 St¨ucke von drei Bll., Perg., zweite H¨alfte 14. Jh., ostelbisch [?]). Ausgabe: Hartmut Broszinski/Hansj¨urgen Linke: Kasseler (mnd.) Paradiesspiel-Fragmente. In: ZfdA 116 (1987) S. 36–52, hier S. 42–49. Literatur: Hansj¨urgen Linke, VL2 11 (2004) Sp. 830 f. – Rolf Bergmann: Kat. der deutschsprachigen geistlichen Spiele und Marienklagen des MA (Ver¨off. der Kommission f¨ur Dt. Lit. des MA der Bayerischen Akad. der Wiss.). M¨unchen 1986, S. 606 (Nr. 71a). – Broszinski/Linke (s. Ausg.). – H. Linke: Drama und Theater. In: Die dt. Lit. im sp¨aten MA. 1250–1370. II: Reimpaargedichte, Drama, Prosa. Hg. v. Ingeborg Glier. M¨unchen 1987, S. 153–233, hier S. 219. – Hartmut Broszinski: Manuscripta chemica in Quarto (Die Hss. der Universit¨atsbibl. Kassel, Landesbibl. und Murhardsche Bibl. der Stadt Kassel 3,2,2). Wiesbaden 2011, S. 18. JK Osnabrucker ¨ Passionsspiel-Fragmente. – Bruchst¨ucke eines mnd. geistlichen Spiels aus den letzten Jahrzehnten des 14. Jh. Ob das Spiel in Osnabr¨uck abgefasst wurde und ob es vielleicht mit einem «spel» identisch ist, das kurz vor 1383 in Osnabr¨uck aufgef¨uhrt wurde, 1136
Neidhartspiele ist nicht gekl¨art. Die am Anfang und Ende unvollst¨andigen Bruchst¨ucke (ingesamt 228 Verse) bieten auf Blatt 1 folgende Szenen: Auseinandersetzung zwischen Jesus und den Juden (Frage nach der Vollmacht Jesu), Jesus und die Ehebrecherin, Beratung der Juden, Leidensank¨undigung und Vorbereitung des Abendmahls. Nach einer L¨ucke, die wohl die Passion enthalten hat, werden auf Blatt 2 das Begr¨abnis Jesu, die Bestellung der Grabwache, die Auferstehung und die H¨ollenfahrt dargestellt. Regieanweisungen und Auff¨uhrungshinweise fehlen. Mit dem → Osnabr¨ucker Osterspiel haben die O. P. nichts zu tun. ¨ Uberlieferung: Osnabr¨uck, Staatsarch., Erw. A 16 Nr. 130 (fr¨uher Mscr. 24 I) (Perg., rechte H¨alften von zwei Doppelbll.; Ende 14. Jh., westf¨alisch). Ausgaben: Konrad D¨urre: Das Osnabr¨ucker Osterspiel. Zum 1. Mal ver¨offentlicht. In: Niedersachsen 24 (1918/19) S. 301–306. – Ludwig Wolff: Das O. P. In: NdJb 82 (1959) S. 87–98 (Text S. 90–98). – Faks. der Bruckst¨ucke bei Bergmann, Stud. (s. Lit.) Abb. 7–10. Literatur: Rolf Bergmann, VL2 7 (1989) ¨ Sp. 90 f. – Conrad Borchling: Uber mnd. Hss. des nordwestlichen Deutschlands. In: NdJb 23 (1897) S. 103–124, hier S. 120 (mit Textprobe). – Wolff (s. Ausg.). – Rolf Steinbach: Die dt. Osterund Passionsspiele des MA (K¨olner germanistische Stud. 4). K¨oln/Wien 1970, S. 130–133. – R. Bergmann: Stud. zu Entstehung und Gesch. der dt. Passionsspiele des 13. und 14. Jh. (MMS 14). Mu¨ nchen 1972, passim. – David Brett-Evans: Von Hrotsvit bis Folz und Gengenbach. Eine Gesch. des ma. dt. Dramas. Tl. 1: Von der liturgischen Feier zum volkssprachlichen Spiel (Grundlagen der Germanistik 15). Berlin 1975, S. 160. – R. Bergmann: Kat. der deutschsprachigen geistlichen Spiele und Marienklagen des MA (Ver¨off. der Kommission f¨ur dt. Lit. des MA der Bayerischen Akad. der Wiss.). Mu¨ nchen 1986, S. 278 f. (Nr. 125). – Bernd Neumann: Geistliches Schauspiel im Zeugnis der Zeit. Zur Auff¨uhrung ma. religi¨oser Dramen im dt. Sprachgebiet (MTU 84.85). Mu¨ nchen 1987, Bd. 2, S. 850 (Nr. 3645). BJ Sieben Frauen und ein Mann (Septem mulieres). – Fastnachtspiel, ca. 1375–1400. Im ersten nd. weltlichen Schauspiel (66 Verse), einem Reihenspiel, wird das Prophetenwort Jes 4,1 in eine Streit- und Gespr¨achsszene umgesetzt. Sieben Frauen haben den gleichen Mann 1137
2. H¨alfte 14. Jh. erw¨ahlt, keine von ihnen aber will mit einer anderen teilen. Nacheinander begr¨unden sie ihren Anspruch auf alleinigen Besitz des Mannes und geraten schließlich in ein (angedeutetes) Handgemenge. Der Mann selbst will zwar auf keine der Damen verzichten, erkl¨art jedoch die siebte, die den Typus des geilen Weibes verk¨orpert, zur Lieblingsfrau. Im Schlusswort (V. 63–66) wird die Szene als Erf¨ullung der alttestamentlichen Prophezeihung ausgegeben. Hinweise auf die traditionelle allegorische Deutung der sieben Frauen als Hl. Geist mit seinen sieben Gaben fehlen. ¨ Uberlieferung: Berlin, SBB, Mgq 671, 2r (Pergamentdoppelbl., 14. Jh.) Ausgaben: Hans Ferdinand Maßmann: Erl¨auterungen zum Wessobrunner Gebet des achten Jh. Nebst zweien ungedruckten Gedichten des 14. Jh. Berlin 1824 (Nachdr. Niederwalluf bei Wiesbaden 1971) S. 98–102 (u. d. T. ‹Minnem¨ahr›). – Adelbert von Keller (Hg.): Fastnachtspiele aus dem f¨unfzehnten Jh. Nachlese (Bibl. des Litterarischen Vereins in Stuttgart 46). Stuttgart 1858 (Nachdr. Darmstadt 1966) S. 14–16 (Nr. 122, u. d. T. ‹Septem mulieres›, nach der Ausg. Maßmanns, ohne die lat. Regieanweisungen). – Simon (s. Lit.) S. 222 f. (zit.). Literatur: Dorothea Klein, VL2 8 (1992) Sp. 1156 f. – Maßmann (s. Ausg.) S. 39, 97. – Keller (s. Ausg.) S. 332 f. – Reinhold K¨ohler: Das Spiel von den sieben Weibern, die um einen Mann streiten. In: Germania 22, NR 10 (1877) S. 19 f. – Eckehard Catholy: Das Fastnachtspiel des Sp¨atMA (Hermaea NF 8). T¨ubingen 1961, S. 103 Anm. 1. 301 f., 306. – David Brett-Evans: Von Hrotsvit bis Folz und Gengenbach. Eine Gesch. des ma. dt. Dramas. Tl. 2: Religi¨ose und weltliche Spiele des Sp¨atMA (Grundlagen der Germanistik 18). Berlin 1975, S. 145. – Eckehard Simon: ‹S. F. u. e. M.› (Keller 122): Das a¨ lteste Fastnachtspiel (ca. 1375–1400). In: Ritual und Inszenierung. Geistliches und weltliches Drama des MA und der Fr¨uhen Neuzeit. Hg. v. Hans-Joachim Ziegler. Tu¨ bingen 2004 S. 219–231. BJ Neidhartspiele. – Fastnachtspiele, 14.–16. Jh. Die N., u¨ ber deren Entstehen nur Vermutungen angestellt werden k¨onnen, basieren auf Schw¨anken, die von den Nachahmers → Neidharts in Liedfas¨ sungen gedichtet wurden, wobei sich die «Uberlieferungsstr¨ange der Pseudo-Neidhartlieder einschließlich der Schw¨anke und die der Spiele nicht 1138
2. H¨alfte 14. Jh. ber¨uhren» (Margetts 1982, S. 262 f.). Das bereits Mitte des 14. schriftlich belegte N. geh¨ort zur a¨ltesten nachweisbaren Art des weltlichen Dramas im dt. Sprachraum. Wie die Schw¨anke (vgl. das Schwankbuch Neidhart Fuchs, Ende 15. Jh.) dokumentieren die N., die entstehungsgeschichtlich in den o¨ sterreichischen/su¨ ddt. Raum geh¨oren, die damals bei Adligen und Stadtb¨urgern feststellbare Bauernfeindlichkeit. Die f¨unf u¨ berlieferten N., die sich in Einzelheiten voneinander unterscheiden, enthalten alle als Ausgangssituation die Suche nach dem Veilchen. Von einer Herzogin darum gebeten, findet Neidhart das erste Fr¨uhlingsveilchen, st¨ulpt seinen Hut dar¨uber und macht sich auf den Weg, um die Herzogin herbeizuholen. W¨ahrenddessen pfl¨uckt ein Bauer das Veilchen und entleert seinen Darm an dieser Stelle oder er bedeckt das Veilchen mit Kot. Als die Herzogin in Anwesenheit ihres Hofstaats unter den Hut greift, ist Neidhart blamiert. Vom Hof verstoßen, will er Rache an den Bauern nehmen. Nach m¨oglichen weiteren Szenen und Schw¨anken endet das Spiel damit, dass N. wieder die Gunst der Herzogin gewinnt. 1. Das St. Pauler Neidhartspiel (StPN) ist nach dem Aufbewahrungsort der einzigen Handschrift, Kloster St. Paul im Lavanttal (K¨arnten), benannt. Das nur 66 Zeilen lange Spiel mit lat. – in der Regel einfach gehaltenen – B¨uhnenanweisungen ist das a¨lteste erhaltene dt. Spiel des MA. Neben Statisten («rustici», Hofdamen) umfasst es drei Sprechrollen («proclamator», «ducissa», «nithardus»). N. tritt als vornehmer Ritter und Dichter auf. Seine Suche nach dem Veilchen ist motiviert durch die in Aussicht gestellte Minne der Herzogin. Die Suche des Veilchens, die nur in einer B¨uhnenanweisung erw¨ahnt wird, geschieht vermutlich pantomimisch. Der Veilchenraub und die Handgreiflichkeiten werden in den B¨uhnenanweisungen nicht erw¨ahnt, k¨onnen aber aus dem Text erschlossen werden. Was sich unter dem Hut befindet, wird nicht ausgesprochen. Die Herzogin bedroht Neidhart mit der Todesstrafe. Dieser bittet um Verzeihung und droht den Bauern in einer das Spiel beendenden Schimpfrede Rache an. 2. Das Große (Tiroler) Neidhartspiel (GrN) ist mit 2624 Zeilen (einschließlich der B¨uhnenanweisungen), verteilt auf 70 Sprechrollen (daneben 34 Statistenrollen), das umfangsreichste weltliche dt. Spiel des Sp¨atMA. Das unter freiem Himmel auf einer simultanen Raumb¨uhne mit (mindestens) 1139
Neidhartspiele vier Spielst¨anden aufgef¨uhrte Spiel, f¨ur das zahlreiche Requisiten ben¨otigt wurden, enth¨alt ausf¨uhrliche B¨uhnenanweisungen. Tanz und Musik nehmen breiten Raum ein – auch als Gliederungselement. In der Einleitungsrede des Ausschreiers werden alle St¨ande außer Adel und B¨urgertum von der Suche nach dem Veilchen ausgeschlossen. Mit der Erw¨ahnung des Herzogs gleich zu Beginn wird dessen wichtige Rolle evident. In den anschließenden Szenen treten mehrere Bauern auf. Namen wie «Schnabelrausz» oder «Gretl pruntz im stall» stellen nicht nur in einer Reihe von Liebeserkl¨arungen unter b¨auerlichen Paaren den d¨orperlichen Charakter der Angeh¨origen dieses Standes heraus. Wie die Suche Neidharts nach dem Veilchen («veiolroesen») wird auch dessen Raub durch Englmair pantomimisch dargestellt. Die Hezogin dr¨uckt ihr Entsetzen in maßvollen Worten aus und kehrt schweigend an den Hof zur¨uck. Die mit Neidhart zur¨uckgelassenen Ritter versprechen ihm ihre Unterst¨utzung. Die meisten der w¨ahrend eines Tanzes gefangenengeommenen Bauern werden durch den Verlust des linken Beines bestraft. Nach der Auss¨ohnung mit der Herzogin und der Best¨atigung als Ritter durch den Herzog spielt Neidhart den Bauern mehrere b¨ose Streiche, wobei einige Szenen und Schw¨anke kombiniert werden (Schwertfegerschwank, Beicht- und Kuttenschwank, eine den Osterspielen entlehnte Teufelsszene mit einer langen Predigt Lucifers, Fassschwank, S¨aulenschwank). Am Ende des Spiels belohnt die Herzogin Neidhart mit einem Pferd und einem sch¨onen Tuch. 3. Das Kleine (N¨urnberger) Neidhartspiel (KlN) wurde vor 1494 in N¨urnberg aufgezeichnet, stammt aber vielleicht ebenfalls aus Tirol und umfasst 236 Verse einschließlich der B¨uhnenanweisungen, verteilt auf 27 Sprechrollen (einschließlich der beiden Sprecher des Prologs und des Epilogs). Wieder stehen die Veilchengeschichte und die Rache Neidharts im Vordergrund. Die Herzo¨ gin wird einmal als Herzogin von Osterreich angeredet; sie dr¨uckt sich nach der Hutszene gem¨aßigt aus. Der verbannte Neidhart fordert den ganzen Adel auf, ihn bei der Rache an den Bauern zu unterst¨utzen. Breiten Raum nehmen die Schimpfund Schm¨ahreden beider Parteien ein. Formal zeigt das St¨uck Verwandtschaft mit den N¨urnberger Fastnachtsspielen. 4. Das Mittlere (Sterzinger, Tiroler) Neidhartspiel (MN) besteht aus 1064 Zeilen. Das St¨uck, f¨ur 1140
Neidhartspiele das 40 Mitwirkende vorgesehen sind, ist f¨ur die Auff¨uhrung auf einer Raumb¨uhne mit Spielerst¨anden angelegt. Es enth¨alt den Veilchenschwank (mit Arztszene), eine kurze Szene mit Neidharts Sohn und den Bauern sowie den Fassschwank. Im Epilog wird die Sinnlosigkeit des Hasses betont. 5. Das Tiroler Neidhart-Szenar (TSz), f¨ur welches das MN verwendet wurde, ist das einzige zu einem weltlichen Spiel u¨ berlieferte Dirigierbuch. Es geh¨ort zur Spielsammlung des Vigil → Raber, stammt jedoch nicht von seiner Hand, sondern vom Schreiber des MN. Neben ausf¨uhrlichen B¨uhnenanweisungen und den vollst¨andigen Reden des ersten Vorsprechers im Prolog und im Epilog enth¨alt das TSz (113 Reimpaare mit 107 Einzelzeilen) im Wesentlichen die Reimpaare von Redenanf¨angen. ¨ Uberlieferung: StPN: Benediktinerstift St. Paul/K¨arnten, Hs. 26.4.26 = 261/4, 166r-va (Pap., aus Spital am Pyhrn/Ober¨osterreich, schw¨abisch, um 1360/70). – GrN: Wolfenb¨uttel, HAB, cod. 18.12. Aug. 4° [= G] (Sammelhs. des Claus Spaun), 274r–321v (Pap., Schreiber: Ge, Tirol, um 1492/93). – KlN: G, 124v–129v (Schreiber: Gb, n¨urnbergisch, vor 1494). – MN: Sterzing/Vipiteno, Stadtarch., Hs. XXIV (Pap., Spielheft, geschrieben um 1511 in Tirol als Regiebuch, 1511). – TSz: Sterzing/Vipiteno, Hs. XXV (vom gleichen Schreiber angefertigtes Dirigierbuch zu MN, Sterzing, um 1511). Ausgaben: StPN: Anton E. Sch¨onbach: Ein altes Neidhartspiel. In: ZfdA 40 (1896) S. 368–374 (Nachdr. bei R¨ohrich und Rupprich [s. Lit.]). – John Margetts (Hg.): Neidhartspiele (Wiener Neudrucke 7). Graz 1982, S. 11–13, 14–16. – GrN: Adelbert von Keller: Fastnachtsspiele aus dem f¨unfzehnten Jh. Bd. 1 (Bibl. des Litterarischen Vereins in Stuttgart 28). Stuttgart 1853 (Nachdr. Darmstadt 1965) S. 393–467 (Nr. 53); Bd. 3 (Bibl. [...] 30). Stuttgart 1853 (Nachdr. Darmstadt 1965) S. 1509–1511; Nachlese (Bibl. [...] 46). Stuttgart 1858 (Nachdr. Darmstadt 1966) S. 341–343. – Margetts (s. o.) S. 17–100, 101–110. – KlN: Keller (s. o.) Bd. 1, S. 191–198 (Nr. 21); Bd. 3, S. 1490; Nachlese, S. 358 (Nachdr. in: Sp¨atMA, Humanismus, Reformation. Texte und Zeugnisse. 1. Teilbd. Hg. v. Hedwig Heger [Die Dt. Lit. Texte und Zeugnisse II/1]. M¨unchen 1975 [Nachdr. ebd. 1988] S. 340–346). – Margetts (s. o.) S. 111–118, 1141
2. H¨alfte 14. Jh. 119–121. – MN: Anton D¨orrer: Sterzinger Neidhartspiel aus dem f¨unfzehnten Jh. In: Der Schlern 25 (1951) S. 103–126. – Margetts (s. o.) S. 169–198 (nach D¨orrer), 199–201. – TSz: Oswald Zingerle: Sterzingerspiele nach Aufzeichnungen des Vigil Raber. Bd. 2: Eilf Fastnachtspiele aus den Jahren 1512–1535 (Wiener Neudrucke 11). Wien 1886, S. 236–263 (Nr. XXVI). – Margetts (s. o.) S. 123–158, 159–168. – Faksimilia der Hss.: Die ma. Neidhart-Spiele. In Abb. der Hs. hg. v. J. Margetts (Litterae 73). G¨oppingen 1986. Literatur: Eckehard Simon, VL2 6 (1987) Sp. 893–898. – De Boor/Newald 4/1 (21994) S. 278–281, 800. – Horst Brunner, Killy2 8 (2010) S. 515 f. – Conrad Fischnaler: Die Volksschauspiele zu Sterzing im XV. und XVI. Jh. In: Zs. des Ferdinandeums f¨ur Tirol und Vorarlberg, 3. Folge, 38. H. (1894) S. 353–382. – Konrad Gusinde: Neidhart mit dem Veilchen (Germanistische Abh. 17). Breslau 1899 (Nachdr. Hildesheim 1977). – Florian Hintner: Beitr. zur Kritik der dt. NeidhartSpiele des 14. und 15. Jh. 4 Tle. (Progr. Wels 3–6). Wels 1903–1907. – Johannes Bolte: Neidhart, eine volkst¨umliche Personifikation des Neides. In: Zs. des Vereins f¨ur Volkskunde 15 (1905) S. 14–27. – Richard Brill: Die Schule Neidharts. Eine Stilunters. (Palaestra 37). Berlin 1908 (Nachdr. New York u. a. 1970). – Wilhelm Creizenach: Gesch. des Neueren Dramas. Bd. 1: MA und Fr¨uhrenaissance. Halle/Saale 21911, bes. S. 407–409. – Samuel Singer: Neidhart-Stud. T¨ubingen 1920. – Karl Holl: Gesch. des dt. Lustspiels. Leipzig 1925 (Nachdr. Darmstadt 1964) S. 42–45 und Tf. 16 f. – Hilde von Anacker: Zur Gesch. einiger Neidhartschw¨anke. In: Publ. of the Modern Language Association of America 48 (1933) S. 1–16. – Harwick Arch: Die Sterzinger Fastnachtspiele Vigil Rabers. 2 Bde. Diss. Innsbruck 1948. – Anton Do¨ rrer: Neidhartspiel-Probleme. In: Der Schlern 24 (1950) S. 374–381 (wieder in: Carinthia I, 141 [1951] S. 160–171). – Ders.: Bildliche Darstellung von Neidhart-Schw¨anken. In: Der Schlern 25 (1951) S. 377 f. – Hans Rupprich: Das Wiener Schrifttum ¨ des ausgehenden MA. In: Sb. der Osterr. Akad. der Wiss. Phil.-Hist. Kl. 228,5 (1954) S. 3–190, hier S. 132–145. – Hans G¨unther Sachs: Die dt. Fastnachtspiele von den Anf¨angen bis zu Jacob Ayrer. Diss. T¨ubingen 1957. – Eckehard Catholy: Das Fastnachtspiel des Sp¨atMA (Hermaea NF 8). T¨ubingen 1961, bes. S. 316–318, 324 f. – Ders.: 1142
2. H¨alfte 14. Jh. Fastnachtsspiel (Slg. Metzler 56). Stuttgart 1966. – ¨ Dietrich Boueke: Materialien zur Neidhart-Uberl. (MTU 16). Mu¨ nchen 1967, bes. S. 171–176, 204 f. – Lutz R¨ohrich: Das Veilchen. In: Erz¨ahlungen des sp¨aten MA und ihr Weiterleben in Lit. und Volksdichtung bis zur Gegenwart. Bd. 2. Bern/Mu¨ nchen 1967, S. 353–391, 497–503. – Eugen Thurnher: Tiroler Drama und Tiroler Theater (Tirolensien-Taschenb¨ucher). Innsbruck u. a. 1968. – E. Simon: The Origin of Neidhart Plays. A Reappraisal. In: Journal of English and Germanic Philology 47 (1968) S. 458–474. – Ders.: The Staging of Neidhart Plays with Notes on Six Documented Performances. In: The Germanic Review 44 (1969) S. 57–72. – Wolfgang F. Michael: Das dt. Drama des MA (Grundriß der germ. Philologie 20). Berlin/New York 1971. – David Brett-Evans: Von Hrotsvit bis Folz und Gengenbach. Eine Gesch. des ma. dt. Dramas. Tl. 2: Religi¨ose und weltliche Spiele des Sp¨atMA (Grundlagen der Germanistik 18). Berlin 1975, S. 131–137. – John Margetts: Das Bauerntum in der Lit. und in der Wirklichkeit bei Neidhart und in den Neidhart-Spielen. In: Dt. Lit. des sp¨aten MA. Hamburger Kolloquium 1973. Berlin 1975, S. 153–163. – Erhard J¨ost: Bauernfeindlichkeit. Die Historien des Ritters Neithart Fuchs (GAG 192). G¨oppingen 1976. – E. Simon: Neidhart Plays as Shrovetide Plays. Twelve Additional Documented Performances. In: The Germanic Review 52 (1977) S. 87–98. – Margetts (s. Ausg.). – Neidhart-Fresken um 1400. Die a¨ ltesten profanen Wandmalereien Wiens. [Zusammenstellung und Text: Eva-Maria H¨ohle u. a.]. Wien [1982]. – Petra Herrmann: Karnevaleske Strukturen in der Neidhart-Tradition (GAG 406). G¨oppingen 1984, S. 171–270. – Hansj¨urgen Linke: Das Tiroler (Mittlere) Neidhartspiel und seine Dirigierrolle. In: Herrigs Arch. 222/137 (1985) S. 1–21. – Max Siller: Anm. zu den N. In: ZfdPh 104 (1985) S. 380–403. – E. Simon: Die Anf¨ange des weltlichen dt. Schauspiels 1370–1530. Unters. und Dokumentation (MTU 124). Tu¨ bingen 2003. – Cora Dietl: Tanz und Teufel in der Neidharttradition: ‹Neidhart Fuchs› und ‹Großes Neidhartspiel›. In: ZfdPh 125 (2006) S. 390–414. BJ Feldkircher Osterspiel. – Geistliches Spiel. Die fr¨uheste Erw¨ahnung des F. O.s befindet sich in der Chronik von Ulrich → Tr¨ankle. Nach seinen Angaben fand das Osterspiel um St. Georg (23. April) 1380 in Feldkirch statt und dauerte 1143
Feldkircher Osterspiel drei Tage. Es wurde auf einem Gel¨ande unterhalb der Schattenburg aufgef¨uhrt und 1389 wiederholt. Sp¨ater ist das F. O. auch in den Chroniken von Ulrich Imgraben (um 1533–37) und Johann Georg Prugger (1685) erw¨ahnt. Imgraben setzt die Wiederholung des O.s allerdings auf das Jahr 1390 an. Als Initiator des Spiels wird u¨ bereinstimmend der im selben Jahr verstorbene Graf Rudolf V. von Montfort-Feldkirch genannt. Laut Tr¨ankle kostete die Auff¨uhrung von 1380 500 Florinen, was auf die Verwendung aufwendiger Kost¨ume und Requisiten schließen l¨asst. Der Inhalt des F. O.s ist unbekannt, da sich kein Text erhalten hat. Die dreit¨agige Auff¨uhrungsdauer legt freilich eine umfangreiche Darstellung der Heilsgeschichte nahe, die m¨oglicherweise u¨ ber den Rahmen eines reinen Osterspiels hinausging. Das Datum der Auff¨uhrung zum Georgstag verweist auf den Schutzheiligen der Ritter. Daher hat die Forschung verschiedentlich auch vorgeschlagen, das Osterspiel sei vielleicht durch ein St. Georg gewidmetes Drachenstechen erg¨anzt worden, was aber nicht beweisbar ist. Bemerkenswert ist das F. O. in erster Linie als fr¨uhes o¨ sterr. Osterspiel, das den bekannteren Osterspielen Tirols vorausgeht. Ausgabe: Die Chron. des Ulrich Tr¨ankle von Feldkirch. Hg. v. Gerhard Winkler. In: Geschichtsschreibung in Vorarlberg. Vorarlberger Landesmuseum, Bregenz 1. Oktober bis 2. Dezember 1973. Hg. v. Vorarlberger Landesmuseum Bregenz. Red. Karl Heinz Burmeister. Bregenz 1973, S. 11–48. Literatur: Eugen Thurnher, VL2 2 (1980) Sp. 720 f. – Karl-Heinz Heinzle: Zur Entwicklung des Theaters in Vorarlberg. Diss. Innsbruck 1960. – E. Thurnher: Das F. O. v. 1380. In: Montfort 13 (1961) S. 193–197. – Ders.: F. O. und alemannische Passion. Eine Rekonstruktion. In: Das Bodenseebuch 39 (1964) S. 20–24. – Rolf Bergmann: Stud. zu Entstehung und Gesch. der dt. Passionsspiele des 13. und 14. Jh. (MMS 14). M¨unchen 1972. – Fritz Fuhrich: Theatergesch. Vorarlbergs v. den Anf¨angen bis zum Beginn des 18. Jh. (Thea¨ ¨ tergesch. Osterreichs 7/1). Hg. v. Osterr. Akad. der Wiss. Wien 1986, S. 13 f. – Bernhard L¨ocher: Das o¨ sterr. Feldkirch und seine Jesuitenkollegien St. Nikolaus und Stella Matutina. H¨oheres Bildungswesen und Baugesch. im hist. Kontext 1649 bis 1979. Frankfurt/M. u. a. 2008, S. 102 f. MM 1144
Lanseloet van Denemarken Lanseloet van Denemarken. – Mndl. Drama. L. v. D. z¨ahlt zu den «abele spelen», vier anonym im gleichen Codex (Hulthemse handschrift) u¨ berlieferten weltlichen Dramen des 14. Jh. Der Gruppe geh¨oren neben L. v. D. auch Esmoreit, Gloriant und → Vanden Winter ende vanden Somer an. L. v. D. umfasst 952 meist vierhebige Verse in Paarreimen. Hauptfiguren sind der d¨anische Kronprinz Lanseloet und die Hofdame Sanderijn. Lanseloet verliebt sich in Sanderijn, die ihn aber wegen seiner hohen Geburt zur¨uckweist. Lanseloets Mutter u¨ berlistet die Hofdame und liefert sie in b¨oswilliger Absicht dem Prinzen aus. Dieser h¨alt Sanderijn eine Nacht lang gefangen und verf¨uhrt sie. Das entehrte M¨adchen fl¨uchtet sich in einen Wald und begegnet dort einem Ritter, der es tr¨ostet und schließlich um seine Hand anh¨alt. Auch Lanseloet bietet Sanderijn zuletzt die Heirat an, wird aber erneut von ihr zur¨uckgewiesen und stirbt an Liebeskummer. Das St¨uck war im ndl. und im dt. Sprachraum bekannt, und zwar sowohl in Auff¨uhrung wie in Publikation. So wurde es 1412 in Aachen von einer Gesellschaft aus Diest aufgef¨uhrt. Drucke entstanden ab dem sp¨aten 15. Jh. in Gouda, Antwerpen und K¨oln. Die Sprache der K¨olner Drucke wurde mit jeder neuen Auflage zunehmend ripuarischer und hochdeutscher. Sp¨ater lebte das St¨uck bis ins 18. Jh. als Volksbuch fort. ¨ Uberlieferung: Br¨ussel, Kgl. Bibl., cod. 15.589–623 (um 1410). Drucke: Mehrere Drucke, die heute teilweise verschollen oder nur fragmentarisch erhalten sind. Sie stammen aus Gouda (um 1490, um 1495), K¨oln (um 1500, um 1510, um 1520) und Antwerpen (1508, um 1518). ¨ Ausgaben: Altere Ausg. bei Goossens 1985 (s. Lit.). – Middelnederlandsche dramatische poezie. Hg. v. Pieter Leendertz. Leiden 1907, S. 78–114. – Een abel spel van Lanseloet van Denemerken. Hg. v. Robet J. Roemans. Antwerpen 1958, 81982. – De abele spelen naar het Hulthemse handschrift. Hg. v. Louise van Kammen. Amsterdam 1968, S. 161–203. – Sandrijn en Lanslot. Diplomatische uitgave van twee toneelrollen uit het voormalig archief van de Rederijkerskamer De Fiolieren te ’s-Gravenpolder. Hg. v. Wim N. M. H¨usken/Frans A. M. Schaars. Nijmegen u. a. 1985. – Klein kapitaal uit het handschrift-Van Hulthem. Zeventien teksten uit Hs. Brussel, K. B., 15.589–623 uitgegeven en ingeleid door neerlandici, verbonden aan tien universiteiten in Nederland en Belgi¨e. 1145
2. H¨alfte 14. Jh. Hg. v. Hans van Dijk. Hilversum 1992. – Lanseloet van Denemerken. Een abel spel. Hg. v. H. van Dijk. Amsterdam 1995. – HandschriftVan Hulthem (KBR, 15.589–623). Hg. v. Ria Jansen-Sieben. Br¨ussel 1999 (Faks.-Ausg.). – Het Handschrift-Van Hulthem. Hs. Brussel, Koninklijke Bibliotheek van Belgi¨e, 15.589–623. Hg. v. Herman Brinkman/Janny Schenkel. 2 Bde. Hilversum 1999 (diplomat. Ausg.). ¨ Ubersetzung: Lanzelot und Sanerein. Hg. v. Markus Huebner. Leipzig [1917]. Literatur: Jan Goossens, VL2 5 (1985) Sp. 607 f. – Wilfried Sch¨afer: Abele spelen. In: KLL3 1 (2009) S. 30 f. – J. Goossens: Die nd. Fassungen des L. v. D. In: FS Gerhard Cordes. Hg. v. Friedhelm Debus. Bd. 1. Neum¨unster 1973, S. 61–73. – Geert Kazemier: L. v. D. In: FS Gustaaf A. van Es. Red. G. Kazemier. Groningen 1975, S. 229–236. – J. Goossens: Die Holzschnitte in den Drucken des L. v. D. In: Nd. Beitr. FS Felix Wortmann. Hg. v. J. Goossens. K¨oln 1976, S. 216–234. – Antonius M. Duinhoven: De bron van L. In: Tijdschrift voor Nederlandse Taal- en Letterkunde 95 (1979) S. 262–287. – Wim H¨usken und Frans Schaars: L. v. D. op het Zeeuws toneel. In: Literatuur. Tijdschrift over Nederlandse Letterkunde 2 (1985) S. 132–138. – Therese Decker: L. v. D. and Its Biblical Source. In: Canadian Journal of Netherlandic Studies 8/9 (1987/88) S. 12–27. – H. van Dijk: L. v. D., One of the ‹Abele spelen› in the Hulthem Ms. In: Popular Drama in Northern Europe in the Later Middle Ages. A Symposium. Hg. v. Flemming G. Andersen. Odense 1988, S. 101–112. – Bart Besamusca: Lancelot in the Middle Dutch Play L. v. D. An Example of Generic Intertextuality. In: Medieval Dutch Literature in Its European Context. Hg. v. Erik S. Kooper. Cambridge 1994, S. 165–174. – Elaine Y. Ballard: The Cologne Versions of L. v. D. A Linguistic Analysis. Diss. Ithaca/New York 1995 (Mikrofiche-Ausg. Ann Arbor 1995). – Bart Besamusca: Lancelot in the Middle Dutch Play L. v. D. In: Text and Intertext in Medieval Arthurian Literature. Hg. v. Norris J. Lacy. New York 1996, S. 165–174. – Bart Ramakers: Woorden en Daden. Thematiek en Dramatiek van L. v. D. In: Queeste 7 (2000) S. 51–73. – Ben Salemans: Building Stemmas with the Computer in a Cladistic, neoLachmannian Way. The Case of Fourteen Text Versions of L. v. D. Nijmegen 2000 (mit CD-ROM). – B. Besamusca: Die K¨olner Drucke des L. v. D. In: 1146
2. H¨alfte 14. Jh.
Vom Streit zwischen Herbst und Mai
Schnittpunkte. Dt.-ndl. Literaturbeziehungen im sp¨aten MA. Hg. v. Angelika Lehmann-Benz u. a. M¨unster u. a. 2003, S. 289–300. – Herman Pleij: The Late Middle Ages and the Age of the Rhetoricians, 1400–1560. In: A Literary History of the Low Countries. Hg. v. Theo Hermans. Rochester/ New York 2009, S. 63–152, hier S. 81 f. MM
39 (1965) S. 542–587, hier S. 549–555. – Eckehard Simon: The Alemannic ‹Herbst und Mai› Play and its Literary Background. In: Monatshefte f¨ur dt. Unterricht, dt. Sprache und Lit. 62 (1970) S. 217–230. – Ders.: Zu den Anf¨angen des weltlichen Schauspiels. In: JOWG 4 (1986/87) S. 139–150, hier S. 145, 147. BJ
Vom Streit zwischen Herbst und Mai (Alemannisches Spiel von Herbst und Mai). Das symmetrisch gebaute Reihenspiel (179 Reimpaarverse) z¨ahlt nicht zu den Jahreszeitenspielen vom Kampf zwischen Sommer und Winter (vgl. Vigil → Rabers May und Herbst). Es ist thematisch verwandt mit den Streitgedichten → Herbst und Mai und → Minner und Trinker. F¨ur die (¨ubliche) Datierung des St¨ucks, das die Kenntnis → Steinmars zu verraten scheint, ins 14. Jh., gibt ¨ es keine zwingenden Argumente. Die Uberlieferung ist zum Teil verderbt; der Umfang einzelner Strophen, die Strophenfolge, der Wortlaut und die Auff¨uhrungsweise sind unklar. e Die Tochter des Mai, Guttelin, wird – zu ihrem Vergn¨ugen – vom reichen und gefr¨aßigen Herbst entf¨uhrt; zw¨olf Ritter des Herbstes (u. a. «V¨ulleˆın», «H¨uenerslunt», «Trinkˆuz») verteidigen sie gegen zw¨olf Getreue ihres Vaters (u. a. «Gr¨uenekle», «Rosenblˆat», «Sunnenglanz»). Der mit Speis und Trank u¨ ppig ausgestattete Herbst u¨ berwindet den Mai (Fr¨uhling) und beh¨alt dessen Tochter. Abschließend beklagt ein «Herold» den Ausgang des Streits («Sie hˆant die bluomen nider geslagen [...], und dar zuo den gr¨uenen klˆe [...]). ¨ Uberlieferung: Chur, Staatsarch., Cod. B 1 (fr¨uher Kantonsbibl., Ms. 53a) 111r–114r (Pap., Ende 15. Jh., hochalemannisch). Ausgaben: S[amuel] Singer: Ein Streit zwischen Herbst und Mai. In: Schweizerisches Arch. f¨ur Volkskunde 23 (1920/21) S. 112–116. – Mhd. Lesebuch. Texte des 14. Jh. Hg. v. S. Singer unter Mitarb. von Marga Bauer und Gertrud Sattler. Bern 1945, S. 62–67 (diplomatisch). – Friederike Christ-Kutter (Hg.): Fr¨uhe Schweizerspiele (Altdt. ¨ Ubungstexte 19). Bern 1963, S. 9–19. Literatur: De Boor/Newald 3/2 (1987) S. 229, 232; 4/1 (21994) S. 281, 800. – Friederike ChristKutter, VL2 9 (1995) Sp. 389 f. – Eckehard Catholy: Das Fastnachtspiel des Sp¨atMA (Hermaea NF 8). T¨ubingen 1961, S. 319–321. – Christ-Kutter (s. Ausg.) S. 5–8. – Ingeborg Glier: Personifikationen im dt. Fastnachtspiel des Sp¨atMA. In: DVjs
Docens Marienklage. – Szenische Marienklage von 157 Versen. Die Klage, u¨ berliefert in einer im nordostbairisch-b¨ohmischen Gebiet Ende des 14. Jh. aufgezeichneten und ein Jahrhundert sp¨ater ins Kloster Tegernsee gebrachten Handschrift, wurde zun¨achst unvollst¨andig von B. J. Docen herausgegeben (V. 1–74); den bis dahin unbekannten zweiten Teil edierte K. Schneider. Als Figuren treten Maria, Jesus und Johannes auf. Der Dialog zwischen Maria und Johannes ist mit Leiden und Sterben Jesu am Kreuz verkn¨upft. Maria wirft sich nach der Kreuzigung zu Boden, w¨ahrend Johannes sich klagend an das Publikum wendet. D. M. war nach den eingestreuten lat. Regieanweisungen und nach dem Titel Planctus in magna sexta feria zu schließen Bestandteil des Karfreitagsgottesdienstes und wurde im Kirchenraum aufgef¨uhrt. Zu allen zum Gesang gedachten Partien sind die Melodien u¨ berliefert. Der dt. Text weist Einfl¨usse der lat. Sequenzen Planctus ante nescia und Flete fideles animae auf. Es zeigen sich Zusammenh¨ange mit der → Erlauer und der → Trierer Marienklage. ¨ Uberlieferung: M¨unchen, BSB, Clm 19614, 444r–447v (letztes Viertel 14. Jh.). Ausgaben: Bernhard Josef Docen: Beitr. zur Gesch. der teutschen dramatischen Dichtkunst. In: Neuer Literarischer Anz. 6 (1806) S. 82–84. – Philipp Wackernagel: Das dt. Kirchenlied v. der a¨ ltesten Zeit bis zum Anfang des 17. Jh. Bd. 2. Leipzig 1867, S. 369 f. (Nr. 521). – Karin Schneider: ‹D. M.›. In: ZfdA 106 (1977) S. 138–145. Literatur: K. Schneider, VL2 2 (1979) Sp. 180 f. – Rolf Bergmann, MarLex 2 (1989) ¨ S. 203. – Anton E. Sch¨onbach: Uber die Marienklagen. Graz 1874, S. 29 f. – Gerd Seewald: Die Marienklage im mlat. Schrifttum und in den germ. Literaturen des MA. Diss. Hamburg 1952, S. 49. – R. Bergmann: Kat. der deutschsprachigen geistlichen Spiele und Marienklagen des MA (Ver¨off.
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1148
Fussener ¨ Marienklage I
2. H¨alfte 14. Jh.
der Kommission f¨ur Dt. Lit. des MA der Bayerischen Akad. der Wiss.). M¨unchen 1986, S. 446 (M 100). – Ulrich Mehler: Marienklagen im sp¨atma. und fr¨uhneuzeitlichen Deutschland. Textversikel und Melodietypen (Amsterdamer Publ. zur Sprache und Lit. 128/129). 2 Bde. Amsterdam/Atlanta, GA 1997. – Johannes Janota: Orientierung durch volkssprachige Schriftlichkeit (1280/90–1380/90) (Gesch. der dt. Lit. v. den Anf¨angen bis zum Beginn der Neuzeit 3,1). T¨ubingen 2004, S. 287. SF
S. 69. – de Bartholomaeis (s. Ausg.) S. 157 f. – Young (s. Ausg.) S. 512 f. – Gerd Seewald: Die Marienklagen im mlat. Schrifttum und in den germ. Lit. des MA. Diss. Hamburg 1952, S. 34, 127. – Anke Roeder: Die Geb¨arde im Drama des MA (MTU 49). Mu¨ nchen 1974. – Ulrich Mehler: Marienklagen im sp¨atma. und fr¨uhneuzeitlichen Deutschland. Textversikel und Melodietypen. (Amsterdamer Publ. zur Sprache und Lit. 128). Amsterdam/Atlanta, GA 1997. SF
St. Galler Marienklage → Band 2, Sp. 729 f.
Fussener ¨ Marienklage I (auch: Harburger Marienklage II). – Geistliches Spiel, Ende 14. Jh. Die noch eng mit der Liturgie verbundene F. M. I geh¨ort in die Tradition der aus der Sequenz «Planctus ante nescia» entwickelten Marienklagen; Verwandtschaft besteht zur → Erlauer und zur Donaueschinger Marienklage II. Eine direkte Beziehung zur → F. M. II, die sich ebenfalls der Tradition der s¨udostdt. Marienklagen einordnet, besteht nicht. Von den 174 Versen werden 135 gesungen (7–9 vierlinige Notensysteme) – von Maria und Johannes; Jesus ist kein Text zugewiesen. ¨ Uberlieferung: Augsburg, UB (fr¨uher: Harburg, F¨urstl. Oettingen-Wallersteinsche Bibl.), Cod. II.1.4° 62, 143r–148r (aus drei urspr¨unglich selbstst¨andigen Faszikeln zusammengebunden, Pap.; Faszikel III [Bl. 126–149]: um 1390 [Bl. 137r–141r: Nachtrag fr¨uhes 15. Jh.], ostschw¨abisch mit ostfr¨ankischem Einschlag, Raum AnsbachDinkelsb¨uhl-Gunzhausen, Schreibernennung auf Bl. 148r: «Hainricus»). Ausgabe: Schmidtke/Hennig/Lipphardt (s. Lit.) S. 258–273, 395–423. – Das F¨ussener Osterspiel und Die F. M. Universit¨atsbibl. Augsburg (ehemals: Harburg), Cod. II, 1,4°, 62. In Abb. hg. v. Dietrich Schmidtke. Mit einer literaturwissenschaftlichen Einf. v. Ursula Hennig (Litterae 69). G¨oppingen 1983, S. 16–20, Faks. nach S. 35. Literatur: Walther Lipphardt, VL2 2 (1979) Sp. 1030–1032. – Bernd Neumann/Red.: F. Osterspiel und M. In: Killy2 4 (2009) S. 79 f. – An¨ ton Sch¨onbach: Uber die Marienklagen. Ein Beitr. zur Gesch. der geistlichen Dichtung in Deutschland. Graz [1874]. – Dietrich Schmidtke/Ursula Hennig/Walther Lipphardt: F¨ussener Osterspiel und F. M. In: PBB T¨ub. 98 (1976) S. 231–288, 395–423. – Schmidtke 1983 (s. Ausg.) S. 1–9 (zur Hs.). – U. Hennig: Textanalyse der ‹F. M.›. In: ebd., S. 26–34. – Rolf Bergmann: Kat. der
Marienklage aus Cividale. – Lat. Fragment einer selbstst¨andigen dramatischen Marienklage von 121 Versen. Die Klage mit fragmentarisch erhaltenem Schluss entstand im Gebiet der ma. dt. Kirche im Patriarchat Aquileja. Als Personen treten die Gottesmutter Maria («Maria maior»), Johannes, Maria Magdalena und Maria Jacobi auf, deren Klagen und Trost unter den Kreuzen Jesu und der beiden Sch¨acher stattfinden. Trotz des geringen Umfangs ist die am Karfreitag aufgef¨uhrte Klage aufgrund der zahlreichen und sehr genauen, u¨ ber den Neumen eingetragenen Spielanweisungen mit besonderer Betonung der Gestik (Trauer- und Klagegeb¨arden, Umarmungen, Grußgeb¨arden, Gesten der Demut, der Anbetung oder des Trostes) und der l¨uckenlos erhaltenen Melodie bedeutsam. Es zeigen sich u. a. Einfl¨usse der Sequenz Flete, fideles anime. ¨ Uberlieferung: Cividale, Museo Archeologico, Ms. CI, 74r–76v (wahrscheinlich aus dem Benediktinerinnenkloster Sta. Maria in Valle, um 1400; Prozessionale, durchgehend notiert). Ausgaben: Edmond de Coussemaker: Drames liturgiques du Moyen Age. Rennes 1860, S. 285–297. – Vincenzo de Bartholomaeis: Le origini della poesia drammatica italiana (R. Deputazione Abbruzzese di Storia Patria). Bologna 1924, S. 532–535. – Karl Young: The Drama of the Medieval Church. Bd. 1. Oxford 1933 (Nachdr. ebd. 1967) S. 507–512. Literatur: Hansj¨urgen Linke, VL2 6 (1987) Sp. 7–10. – Coussemaker (s. Ausg.) S. 346. – Alessandro d’Ancona: Origini del teatro italiano. Bd. 1. Torino 21891, S. 37 f. – Eduard Wechssler: Die romanischen Marienklagen. Halle 1893, S. 17. – Wilhelm Meyer: Fragmenta Burana. Berlin 1901, 1149
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2. H¨alfte 14. Jh.
Fussener ¨ Osterspiel
deutschsprachigen geistlichen Spiele und Marienklagen des MA (Ver¨off. der Kommission f¨ur dt. Lit. des MA der Bayerischen Akad. der Wiss.). Mu¨ nchen 1986, S. 52 f. (Nr. 11). – B. Neumann: Geistliches Schauspiel im Zeugnis der Zeit. Zur Auff¨uhrung ma. religi¨oser Dramen im dt. Sprachgebiet (MTU 84.85). Mu¨ nchen 1987, Bd. 2, S. 837 (Nr. 3624/1). – Ulrich Mehler: Marienklagen im sp¨atma. und fr¨uhneuzeitlichen Deutschland. Textversikel und Melodietypen (Amsterdamer Publ. zur Sprache und Lit. 128/129). 2 Bde. Amsterdam/Atlanta, GA 1997. BJ
U. Hennig: Textanalyse des ‹F. O.s›. In: ebd., 21–26. – Rolf Bergmann: Kat. der deutschsprachigen geistlichen Spiele und Marienklagen des MA (Ver¨off. der Kommission f¨ur dt. Lit. des MA der Bayerischen Akad. der Wiss.). M¨unchen 1986, S. 52 f. (Nr. 11). – B. Neumann: Geistliches Schauspiel im Zeugnis der Zeit. Zur Auff¨uhrung ma. religi¨oser Dramen im dt. Sprachgebiet (MTU 84.85). Mu¨ nchen 1987, Bd. 2, S. 838 (Nr. 3625). – Christoph Petersen: Ritual und Theater. Meßallegorese, Osterfeier und Osterspiel im MA. Tu¨ bingen 2004, Reg. BJ
Fussener ¨ Osterspiel (auch: Harburger Osterspiel). – Geistliches Spiel, fr¨uhes 15. Jh. Das wohl nach einer Osterfeier des Typs III gestaltete dt.-lat. F. O. (177 Verse, davon 64 dt.) beschr¨ankt sich auf wenige Szenen: Prolog (V. 1–10), «visitatio sepulchri» (V. 11–113, beginnend mit drei Strophen des Hymnus Jesu nostra redemptio), Erscheinung Jesu vor Maria Magdalena (Hortulanusszene, V. 114–138), Verk¨undigung der Auferstehung durch die Marien, Lauf des Petrus und des Johannes zum Grab. In seinen dt. Gesangspartien (6–8 vierlinige Notensysteme) zeigt sich das F. O. als sehr eigenst¨andig. ¨ Uberlieferung: Augsburg, UB (fr¨uher: Harburg, F¨urstl. Oettingen-Wallersteinsche Bibl.), Cod. II.1.4° 62, 137r–141r (aus drei urspr¨unglich selbstst¨andigen Faszikeln zusammengebunden, Pap.; Faszikel III [Bl. 126–149, Kalender- und Osterspiellage]: um 1390 [Bl. 137r–141r: Nachtrag fr¨uhes 15. Jh.], ostschw¨abisch mit ostfr¨ankischem Einschlag, Raum Ansbach-Dinkelsb¨uhlGunzhausen, Schreibernennung auf Bl. 148r: «Hainricus»). Ausgaben: Schmidtke/Hennig/Lipphardt (s. Lit.) S. 236–258, 396–412. – Das F. O. und Die F¨ussener Marienklage. Universit¨atsbibl. Augsburg (ehemals: Harburg), Cod. II, 1,4°, 62. In Abb. hg. v. Dietrich Schmidtke. Mit einer literaturwissenschaftlichen Einf. v. Ursula Hennig (Litterae 69). G¨oppingen 1983, S. 10–15, Faks. nach S. 35. Literatur: Walther Lipphardt, VL2 2 (1979) Sp. 1032–1034. – Bernd Neumann/Red.: F. O. und Marienklage. In: Killy2 4 (2009) S. 79 f. – Dietrich Schmidtke/Ursula Hennig/Walther Lipphardt: F. O. und F¨ussener Marienklage. In: PBB T¨ub. 98 (1976) S. 231–258, 273–282, 396–423. – Schmidtke 1983 (s. Ausg.) S. 1–9 (zur Hs.). –
Wienh¨auser Osterspiel-Fragment. – Bruchst¨uck eines lat.-mnd. geistlichen Spiels, 14./15. Jh. Zu den 1953 unter den Bohlen im Nonnenchor des fr¨uheren Zisterzienserinnenklosters Wienhausen entdeckten St¨ucken geh¨ort auch ein Text, der seit der Identifizierung durch Heinrich Sievers als W. O. bezeichnet wird. Der durchlaufend geschriebene, nicht nach Reimpaaren gegliederte Text bietet die Erscheinung Jesu vor der klagenden Maria Magdalena in Gestalt eines G¨artners (Z. 1–10) und die Verk¨undigung der Auferstehung an die J¨unger (Z. 81–134, mit der Auferstehungssequenz Victimae paschali laudes). Man kann durchaus vermuten, dass das Spiel mit der Ostersequenz abgeschlossen ist. Ein auf dem Rand – an der Stelle, an der die Hortulanus-Szene (14. Jh.) in die Verk¨undigung der Auferstehung u¨ bergeht – durch eine sp¨atere Hand (15. Jh.) hinzugef¨ugter Nachtrag deutet eine Thomas-Szene an. Die B¨uhnenanweisungen beschr¨anken sich auf Bezeichnungen der Sprecher. Die lat. Ges¨ange sind neumiert (14. Jh). Der Text wurde in der Forschung sehr unterschiedlich interpretiert. Sievers bezeichnete das Fragment als «Ausschnitt aus einem sehr umfangreich dramatisierten lateinisch-niederdeutschen Osterspiel» (1954, S. 22); Horst Appuhn, der das Fragment in einen Zusammenhang mit den Br¨auchen um das Heilige Grab in Wienhausen bringt und einen spezifischen Osterkultus f¨ur Wienhausen ausmacht, vermutete es als Teil eines halbliturgischen Spiels «gr¨oßten Ausmaßes, das denen von Braunschweig und Redentin nicht nachstand» (1955, S. 48); f¨ur Hansj¨urgen Linke stellte es eine «R¨uckbildung volkssprachiger Markt- zu semiliturgischen Kirchenspielen» (1987, S. 183) dar. Gegen die auch von Rolf Bergmann vertretene These, beim W. O. handle es sich um einen Auff¨uhrungstext, obwohl man wegen des
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Rothenburger Kasparrolle Fragmentcharakters kaum sichere Angaben machen k¨onne (1986, S. 366 f.), entwickelte Carla Dauven-van Knippenberg unter «Hinzuziehen der bildk¨unstlerischen Umgebung, in der der Text offenbar rezipiert wurde» (1998, S. 780; Ausmalung des Nonnenchors, Grabmal mit dem Grabchristus, Auferstehungsgruppe), die These, dass es sich beim W. O. «von der Benutzerfunktion her betrachtet [...] um ein Andachtsbuch» handle, «um eine Anleitung oder auch um eine Erweiterung zur frommen Betrachtung eines der wichtigsten Kultgegenst¨ande des Klosters, sozusagen um ein Osterspiel f¨ur das innere Auge» (S. 787). Rianne Mus bietet eine von Lipphardts Ausgabe abweichende Lesung der Thomasszene: Nicht Thomas spreche, sondern Maria Magdalena; die «Zeugenschaft der Auferstehung Christi» komme im W. O. «ausschließlich Maria Magdalena zu». – Angesichts der Quellenlage bleiben diese Deutungen jedoch nur im Bereich des historisch Mo¨ glichen; eine ganze Reihe von Fragen l¨asst sich nicht endg¨ultig beantworten. ¨ Uberlieferung: Wienhausen, Klosterbibl., Ms. 7 (fr¨uher Hs. D), 3 Doppelbll. (Perg., 14./15. Jh., mittelnieders¨achsisch [ostf¨alisch?] [Lipphardt], nd. [Bergmann]; neumiert). Ausgabe: Walther Lipphardt: Die Visitatio sepulchri in Zisterzienserinnenkl¨ostern der L¨uneburger Heide. In: Daphnis 1 (1972) S. 119–128, hier S. 121–125. Literatur: De Boor/Newald III/2 (1987) S. 182 f. – Hansj¨urgen Linke, VL2 10 (1999) Sp. 1052 f. – Hans Grubenbecher/Horst Appuhn: Kloster Wienhausen. Hamburg 1955. – Lipphardt (s. Ausg.) S. 125–127. – H. Appuhn: Der Fund im Nonnenchor. Hg. vom Kloster Wienhausen. Hamburg 1973. – Ders.: Das private Andachtsbild im MA an Hand der Funde des Klosters Wienhausen. In: Das Leben in der Stadt des Sp¨atMA. Internatio¨ naler Kongreß Krems an der Donau 1976 (Osterr. Akad. der Wiss., Phil.-hist. Kl. Sb. 325). Wien 1977, S. 159–169. – Ders.: Das Kloster Wienhausen. Aufnahmen v. Hans Grubenbecher u. a. Wienhausen 1986. – Rolf Bergmann: Kat. der deutschsprachigen geistlichen Spiele und Marienklagen des MA (Ver¨off. der Kommission f¨ur dt. Lit. des MA der Bayerischen Akad. der Wiss.). M¨unchen 1986, S. 366 f. (Nr. 170). – Bernd Neumann: Geistliches Schauspiel im Zeugnis der Zeit. Zur Auff¨uhrung ma. religi¨oser Dramen im dt. Sprachgebiet (MTU 84.85). Mu¨ nchen 1987, Bd. 2, S. 825 (Nr. 3603). – Kerstin Hengevoss-D¨urkop: Skulptur und Frauenkloster. Stud. zu Bildwerken der Zeit um 1300 aus 1153
2. H¨alfte 14. Jh. Frauenkl¨ostern des ehemaligen F¨urstentums L¨uneburg (Artefact 7). Berlin 1994. – Carla Dauven-van Knippenberg: Ein Schauspiel f¨ur das innere Auge? Notiz zur Benutzerfunktion des W. Osterspielfragments. In: ‹Ir sult sprechen willekomen›. Grenzenlose Medi¨avistik. FS Helmut Birkhan. Hg. v. Christa Tuczay u. a. Bern u. a. 1998, S. 778–787. – Rianne Mus: ‹Ik han Mynen Heren sen, Des mach ik wol der Warheyt gen›. Die ‹Thomasszene› im W. O. In: AB¨aG 65 (2009) S. 237–250. – Susanne Wittekind: Passion und Ostern im Bildprogramm des Wienh¨auser Nonnenchores. In: Passion und Ostern in den L¨uneburger Kl¨ostern. Ber. des VIII. Ebstorfer Kolloquiums, Kloster Ebstorf, 25. bis 29. M¨arz 2009. Hg. v. Linda Maria Koldau. Ebstorf 2010, S. 157–186. – J¨orn Bockmann: Bemerkungen zum ‹W. Osterspielfragment› und zur Erforschung der Geistlichen Spiele des MA. In: ebd., S. 81–104. – L. M. Koldau: Liturgie und Andacht: Passion und Ostern in den musikalischen Quellen der L¨uneburger Kl¨oster. In: ebd., S. 265–308. BJ Rothenburger Kasparrolle. – Fragment eines Fronleichnamsspiels (?). Der auf einem Einzelblatt u¨ berlieferte Rollentext (47 Verse) eines «primus rex Caspar» stimmt gr¨oßtenteils mit der Rede des Caspar im im → Innsbrucker Fronleichnamsspiel von 1391 u¨ berein. Die Auff¨uhrung eines Fronleichnamsspiels in Rothenburg ob der Tauber ist seit Anfang des 15. Jh. bezeugt. ¨ Uberlieferung: N¨urnberg, Staatsarch., Rep. 200 III (Reichsstadt Rothenburg) Akten und B¨ande, Nr. 2081 I, 66 (Pap., Anfang 15. Jh.). Ausgaben: A. Sch[nizlein]: Kirchliche Spiele in Rothenburg zu Beginn des 15. Jh. In: Die Linde. Beilage zum ‹Fr¨ankischen Anz.› 3 (1911) S. 9 f. – Wainwright 1974 (s. Lit.) S. 258–260. – Wainwright 1975 (s. Lit.) S. 138 f. Literatur: Bernd Neumann, VL2 8 (1992) Sp. 285 f. – Elizabeth Wainwright: Stud. zum dt. Prozessionsspiel. Die Tradition der Fronleichnamsspiel in K¨unzelsau und Freiburg und ihre textliche Entwicklung (M¨unchener Beitr. zur Medi¨avistik und Renaissance-Forschung 16). Mu¨ nchen 1974, S. 52–54. – Dies.: Das Rothenburger Rollenbuch. In: ZfdPh 94 (1975) Sonderh., S. 140–147. – Rolf Bergmann: Kat. der deutschsprachigen geistlichen Spiele und Marienklagen des MA (Ver¨off. 1154
2. H¨alfte 14. Jh.
Prager (ostmitteldeutsches) Abendmahlspiel
der Kommission f¨ur dt. Lit. des MA der Bayerischen Akad. der Wiss.). M¨unchen 1986, S. 274–276 (Nr. 123). – B. Neumann: Geistliches Schauspiel im Zeugnis der Zeit. Zur Auff¨uhrung ma. religi¨oser Dramen im dt. Sprachgebiet (MTU 84.85). M¨unchen 1987, Bd. 1, S. 615–620 (Nr. 2372–2427). BJ
Behr u. a. Hamburg 2004, S. 1–13. – E. UkenaBest: Das P. (schlesische) A. und die Tradition des geistliches Dramas. In: Deutschsprachige Lit. des MA im o¨ stlichen Europa. Hg. v. Ralf G. P¨asler/ Dietrich Schmidtke. Heidelberg 2006, S. 339–370. BJ
Prager (ostmitteldeutsches) Abendmahlspiel («ludus de cena domini»). – Geistliches Spiel, aufgezeichnet Ende des 14. Jh. Die in einer wohl zu Lesezwecken zusammengestellten Sammelhandschrift u¨ berlieferte Abschrift eines der fr¨uhesten belegten Spiele mit Passionsthematik im ostmitteldt.-schlesischen Raum umfasst 244 vierhebige Reimpaarverse in schlesischer Mundart. Die Regieanweisungen und die 18 durch Incipits angezeigten – zumeist liturgischen – Ges¨ange sind in lat. Sprache abgefasst. Die Handlung des f¨ur eine Simultanb¨uhne auf einem o¨ ffentlichen Platz konzipierten Spiels (ohne Prolog und Epilog) f¨ur mindestens 20 Darsteller besteht aus dem Gastmahl bei Simon Leprosus/Pharisaeus und dem Letzten Abendmahl. Im Unterschied zum Johannes-Evangelium hat der Verfasser des P. A. die Fußwaschung auf das Ende des Mahls verschoben. ¨ Uberlieferung: Prag, Nationalbibl., Cod. XXIII.F.128 (fr¨uher F¨urstl. Lobkowitzsche Bibl., Cod. 490), 53r–55v (Pap., dieser Teil der lat. Sammelhandschrift entstand im letzten Viertel des14. Jh., sp¨atestens um 1400, ostmitteldt.). Ausgabe: Das P. A. Hg. v. Cobi´e Kun´e. In: ZfdA 128 (1999) S. 414–424. Literatur: Bernd Neumann, VL2 7 (1989) Sp. 803 f.; 11 (2004) Sp. 1261. – Elke UkenaBest, Killy2 9 (2010) 315 f. – Rolf Bergmann: Kat. der deutschsprachigen geistlichen Spiele und Marienklagen des MA (Ver¨off. der Kommission f¨ur dt. Lit. des MA der Bayerischen Akad. der Wiss.). Mu¨ nchen 1986, S. 279 f. (Nr. 126). – B. Neumann: Geistliches Schauspiel im Zeugnis der Zeit. Zur Auff¨uhrung ma. religi¨oser Dramen im dt. Sprachgebiet (MTU 84.85). Mu¨ nchen 1987, Bd. 2, S. 850 f. (Nr. 3647). – Jacoba Hendrica Kun´e: In the Beginning was the Word. ‹Das P. A.›: The Words Rendered into Action an Images. In: Neophilologus 87 (2003) S. 79–96. – Martin Baˇzil: ‹Myne fuze weschs du mir nicht eweclicht ...›. Bemerkungen zum ‹P. A.› (‹Ludus de cena Domini›). In: Dt.-b¨ohmische Literaturbeziehungen. GermanoBohemica. FS V´aclav Bok. Hg. v. Hans-Joachim 1155
Brandenburger Osterspiel-Fragment. – Bruchst¨ucke eines Osterspiels, um 1400. Beim u¨ berlieferten Text (627 Verse) handelt es sich um eine ostnd. Abschrift einer ostmitteldt. Vorlage. Das urspr¨ungliche Spiel d¨urfte einen Umfang von rund 1200 Versen oder mehr gehabt haben. Erhalten sind Teile folgender Szenen: Schluss des W¨achterspiels nach der Auferstehung, Seelenfangszenen (einschließlich St¨andesatire, in der mindestens 27 ma. Berufe genannt werden; neben Luzifer und Satan tritt der sonst als Teufel nicht bekannte Pluto auf), Salbenkr¨amerspiel (ca. 300 Verse; enth¨alt komische Elemente mit zum Teil obsz¨oner Ausdrucksweise), Salbenkauf, «visitatio sepulchri», Erscheinung Jesu vor Maria Magdalena (Hortulanus-Szene) und vor Thomas. Der Apostellauf und Hinweise auf eine Auff¨uhrung fehlen. Das Spiel, f¨ur dessen Auff¨uhrung vermutlich rund 30–40 Personen erforderlich waren, steht dem → Innsbrucker (th¨uringischen) Osterspiel nahe. ¨ Uberlieferung: Brandenburg/Havel, Domstiftsbibl., 4 Pergamentbll. (davon 1 Doppelbl.) und 1 Pergamentstreifen (vielleicht aus dem Bistum Brandenburg oder Havelberg, Ende des 14. Jh., ostnd.). Ausgabe: Renate Schipke/Franzjosef Pensel: Das Brandenburger Osterspiel. Fragmente eines neuentdeckten ma. geistlichen Osterspiels aus dem Domarch. in Brandenburg/Havel (Beitr. aus der Dt. Staatsbibl. 4). Berlin 1986, S. 8–61 und Abb. (nach S. 98). Literatur: De Boor/Newald 3/2 (1987) 166 u. o¨ . – Franzjosef Pensel, VL2 11 (2004) Sp. 276–278. – Renate Schipke: Die Katalogisierung ma. Hss. in der Dt. Demokratischen Republik. In: Scriptorium 37 (1983) S. 275–285. – Schipke/Pensel (s. Ausg.) S. 62–94. – Rolf Bergmann: Kat. der deutschsprachigen geistlichen Spiele und Marienklagen des MA (Ver¨off. der Kommission f¨ur dt. Lit. des MA der Bayerischen Akad. der Wiss.). M¨unchen 1986, S. 74 f. (Nr. 24). – Bernd Neumann: Geistliches Schauspiel im Zeugnis der Zeit. Zur Auff¨uhrung ma. re1156
Kreuzabnahmespiele ligi¨oser Dramen im dt. Sprachgebiet (MTU 84.85). 2 Bde. Mu¨ nchen 1987, Bd. 2, S. 832 (Nr. 3616/2). BJ Gottinger ¨ Spielfragment von Jakob und Esau. – Bruchst¨uck eines mnd. oder mischsprachigen (mnd.-lat.) Spiels, vermutlich gegen Ende des 14. Jh. aufgezeichnet. In den erhaltenen Versen geht es um den Betrug Jakobs an Esau (vgl. Gen 27,30–36). Das u¨ berlieferte Einzelblatt bietet auf der Vorderseite einen lat. Gesang (mit Noten auf f¨unf Linien mit CSchl¨ussel), der die Situation darstellt, und auf der R¨uckseite das mnd.-lat. Gespr¨ach zwischen Isaak und Esau. Ob der Text Teil eines selbstst¨andigen alttestamentarischen Spiels oder Teil eines umfangreichen Passionsspiels ist, l¨asst sich nicht entscheiden. ¨ Uberlieferung: G¨ottingen, Georg-AugustUniv., Diplomatischer Apparat, 10 E XVI Nr. 30, 1 an den Außenr¨andern beschnittenes Bl. (Perg., vermutlich Ende 14. Jh., nd.). Ausgabe: Karl Meyer: Nd. Schauspiel von Jacob und Esau. In: ZfdA 39 (1895) S. 423–426. Literatur: Bernd Neumann, VL 3 (21981) Sp. 184 f. – Wolfgang F. Michael: Das dt. Drama des MA (Grundriß der germ. Philologie 20). Berlin/New York 1971. – Rolf Bergmann: Kat. der deutschsprachigen geistlichen Spiele und Marienklagen des MA (Ver¨off. der Kommission f¨ur dt. Lit. des MA der Bayerischen Akad. der Wiss.). M¨unchen 1986, S. 140 f. (Nr. 57). – B. Neumann: Geistliches Schauspiel im Zeugnis der Zeit. Zur Auff¨uhrung ma. religi¨oser Dramen im dt. Sprachgebiet (MTU 84.85). Mu¨ nchen 1987, Bd. 2, S. 838 (Nr. 3626). BJ Kreuzabnahmespiele (auch Grablegungsspiele). – Gruppe volkssprachiger geistlicher Spiele, 15./16. Jh. Zu der reichen Tradition der geistlichen Spiele des MA z¨ahlen u. a. die volkssprachigen K., die in der Forschung auch als Grablegunsspiele bezeichnet werden. In teils fragmentarischer und nachma. ¨ Uberlieferung sind vier K. erhalten: Der Kodex des Bozner Spielleiters und -sammlers Benedikt Debs (→ Bozner Spiele) enth¨alt das Bozner Grablegungsspiel I, das entsprechend der Gesamtnummerierung der Debs-Spiele auch K. Debs 2 genannt wird, sowie das Bozner Grablegungsspiel II (K. Debs 14). Im Stadtarchiv von Wels lagert das Welser K. (fr¨uher 1157
um 1400 auch → Welser Passionsspiel-Fragment), in der Wie¨ ner ONB das nur unvollst¨andig erhaltene Wiener K. (fr¨uher auch Passionsspiel bei St. Stephan in Wien). Die K. wurden am Karfreitag als Teil des Gottesdienstes vor der «depositio crucis» aufgef¨uhrt, erf¨ullten also eine liturgische Funktion. Im Zentrum der Auff¨uhrungen stand die Abnahme eines h¨olzernen Kruzifixus mit beweglichen Armen vom Kreuz. Der Kruzifixus wurde zun¨achst dem Mariendarsteller in den Schoß und dann auf eine Bahre gelegt, die in einer Prozession zum Grab transportiert wurde. Dort fand zuletzt die eigentliche «depositio» statt. Diese wurde m¨oglicherweise von lat. Ges¨angen begleitet, w¨ahrend der Hauptteil des jeweiligen K.s dt. Sprech- und Gesangstexte aufwies. Inhaltlich wurden die K. meist von einem Prolog mit einer Zusammenfassung der Heilsoder Leidensgeschichte er¨offnet. Nach der PilatusEinf¨uhrung, die nur im Wiener K. fehlt, spielten die Klagen der drei Marien eine zentrale Rolle. Sie d¨urften von dem gleichen Urtext wie die → Erlauer Marienklage abstammen. Das Bozner Grablegungsspiel I tr¨agt bei Debs den lat. Titel Commemoracio sepulture in die parasceves und umfasst 439 Verse. Nach dem Prolog suchen Maria und Joseph von Arimath¨aa Pilatus auf, der ihnen das Begr¨abnis Jesu erlaubt. Nach der Kreuzabnahme trauert Maria um ihren Sohn; danach erfolgt die vom Gesang einer Marienklage begleitete Prozession zum Grab. Das Bozner Grablegungsspiel II steht ¨ im Debs-Kodex unter der Uberschrift In die parasceves incipit planctus circa horam undecimam. Seine 490 Verse enthalten neben den Marienklagen auch die Heilung des Longinus und das Zeugnis des Centurios. Im Vergleich zu anderen Passionsspielen ist der Auftritt des Longinus vor dem Centurio durchaus ungew¨ohnlich. Wie das Bozner Grablegungsspiel I ist auch II von der → Erlauer Marienklage abh¨angig, ¨ weist aber ansonsten wenig Ubereinstimmungen ¨ mit I auf. Die Forschung hat vielmehr Ahnlichkeiten mit dem → Alsfelder Passionsspiel und dem → Egerer Passionsspiel vermerkt. Das Welser K. ist nur in zwei Fragmenten (X, Z) u¨ berliefert, die aus einer Auff¨uhrungshandschrift stammen d¨urften. Das Spiel enth¨alt umfangreiche Marienklagen, die Beinbrechung Jesu und das Zeugnis des Centurio. Die Monologe von Joseph und Nikodemus zeigen inhaltlich und sprachlich eine große N¨ahe zum Bozner Grablegungsspiel II. Daher hat man den Gesamtaufbau des Welser K.s 1158
1. H¨alfte 15. Jh. auf der Grundlage von II zu rekonstruieren versucht: Auf einen Prolog, die Pilatus-Einf¨uhrung und gesungene Marienklagen folgte wahrscheinlich Fragment X. An dieses schloss sich wohl die Fortsetzung eines in X begonnenen Dialogs zwischen Pilatus und dem Centurio an, dann ein Auftritt Simeons, weitere Marienklagen und zuletzt Fragment Z. Das Wiener K. umfasst 569 Verse und wurde nachweislich bereits vor 1512 aufgef¨uhrt. Die ¨ schriftliche Uberlieferung stammt allerdings erst von 1685 und kann keiner bekannten Auff¨uhrung zugeordnet werden. Der erhaltene Text beruht auf einem mittelalterlichen Spiel, das im Barock erweitert wurde, aber textlich noch rekonstruiert werden kann. Das von Prolog und Epilog eingerahmte Spiel reicht von den Klagen der Marien am Kreuz bis zur Reue des Judas und einer Schutzengelszene. W¨ahrend das Ende des Spiels mit dem Bozner Grablegungsspiel II und dem Welser K. u¨ bereinstimmt, also genuin mittelalterlich ist, handelt es sich u. a. bei dem Schutzengel und einem auftretenden Sohn des Pilatus um sp¨atere Hinzuf¨ugungen. Das Wiener K. ist auch mit dem Zurzacher Passionsspiel verwandt. Die K. sind in Aufwand und Umfang nicht mit den oft mehrt¨atigen Passions- und Osterspielen vergleichbar, da sie nur einen Ausschnitt des biblischen Geschehens darstellten. Sie stehen insgesamt st¨arker im Kontext der Liturgie als die großen Spiele, zeigen zugleich aber die Tendenz der Spielautoren zu Erweiterungen der Handlung. ¨ Uberlieferung: 1. Bozner K.: Sterzing, Stadtarch., Hs. IV, 118 Bll. aus sieben Teilhss., hier 12r–17v, 102r–107r (Pap., mehrere H¨ande, Mitte bis Ende 15. Jh., su¨ dbair., teilweise neumiert). – 2. Welser K.: Wels, St¨adtisches Arch., Akten, Sch. Nr. 1227, 1r–4r (Pap., zweite H¨alfte 15. Jh., mittelbair. mit wohl su¨ dbair. Vorlage). – 3. Wiener K.: ¨ Wien, ONB, cod. 8227, S. 380–448 (Pap., Wien, 1685, mittelbair.). Ausgaben: 1. Bozner K.: Gesine Taubert: Zwei K. aus dem Debs-Kodex. In: ZfdA 106 (1977) S. 32–72. – Die geistlichen Spiele des Sterzinger Spielarchivs 1. Hg. v. Walther Lipphardt/HansGert Roloff. Bern u. a. 1981. Verb. Neuaufl. 21986, ¨ S. 51–71, 347–371. – Altere Teilausg. des Kodex bei Bergmann 1986 (s. Lit.). – 2. Welser K.: Ludwig Kaff: Das Welser Passionsspiel. In: FS 50 Jahre Bundesrealgymnasium Wels, 1901–1951. Hg. Bundesgymnasium Wels. Wels 1951, S. 29–50, hier 1159
Schw¨abisches Weihnachtsspiel S. 35–38. – L. Kaff: Ma. Oster- und Passionsspiele aus Ober¨osterreich im Spiegel musikwissenschaftlicher Betrachtung. Linz 1956, S. 60–66. – Ders./Rudolf Zinnhobler: Das geistliche Schauspiel in Wels 1: Die Welser Spielfragmente aus der Zeit um 1500. In: 61. Jahresber. des Bisch¨oflichen Gymnasiums und Di¨ozesanknabenseminars am Kollegium Petrinum in Urfahr-Linz a. d. Donau, Schuljahr 1964/65. Linz 1965, S. 4–18. – 3. Wiener K.: Albert von Camesina: Das Passionsspiel bei St. Stephan in Wien. In: Ber. und Mitt. des Altertums-Vereines zu Wien 10 (1869) S. 327–348. Literatur: Vgl. auch → Bozner Spiele. – G. Taubert, VL2 5 (1985) Sp. 364–368; 11 (2004) Sp. 893 f. – Maria Capra: Das Spiel der Ausf¨uhrung Christi bei St. Stephan in Wien. In: Jb. der Ges. f¨ur Wiener Theaterforschung 1945/46 (1945/46) S. 116–157. – Kaff 1951 (s. Ausg.). – L. Kaff: Die Welser Spielfragm. aus der Zeit um 1500 in der Lit. In: Jb. des Musealver. Wels 11 (1964/65) S. 45–50. – Kaff/Zinnhobler 1965 (s. Ausg.) S. 36–53. – G. Taubert/Johannes Taubert: Ma. Kruzifixe mit schwenkbaren Armen. Ein Beitr. zur Verwendung v. Bildwerken in der Liturgie. In: Zs. des dt. Ver. f¨ur Kunstwiss. 23 (1969) S. 79–121 (wieder in: J. Taubert: Farbige Skulpturen. Bedeutung, Fassung, Restaurierung. M¨unchen 1978, S. 38–50). – G. Taubert: Sp¨atma. K. in Wels, Wien und Tirol. In: Jb. des Ober¨osterr. Musealvereines 119 (1974) H. 1, S. 53–89. – Dies.: Die Marienklagen in der Liturgie des Karfreitags. Art und Zeitpunkt der Darbietung. In: DVjs 49 (1975) S. 607–627. – Rolf Bergmann: Kat. der deutschsprachigen geistlichen Spiele und Marienklagen des MA (Ver¨off. der Kommission f¨ur dt. Lit. des MA der Bayerischen Akad. der Wiss.). M¨unchen 1986, Nr. 137, 161, 166. – Ulrich Mehler: Marienklagen im sp¨atma. und fr¨uhneuzeitlichen Dtl. Textversikel und Melodietypen. Bd. 1. Amsterdam u. a. 1997, S. 4 f. – Musikgesch. Tirols 1: Von den Anf¨angen bis zur fr¨uhen Neuzeit. Hg. v. Kurt Drexel u. a. Innsbruck 2001, S. 336 f. u. o¨ . MM Schw¨abisches Weihnachtsspiel (Konstanzer W.). – Kindelwiegenspiel, vermutlich Weihnachten 1417 in Konstanz aufgef¨uhrt. Der 268 Verse umfassende, auf 13 Sprechrollen verteilte Text ist als Abschrift in einer Sammelhandschrift u¨ berliefert, die auch → Rosenpl¨utDichtungen enth¨alt. Wie kein anderes dt. Spiel 1160
Kopenhagener Weltgerichtsspiel wurde das S. W. am Festtag der Unschuldigen Kinder (28. Dezember) unter Aufsicht des Knabenbischofs («Biceps» d¨urfte wohl aus einer verlesenen Abk¨urzung f¨ur «Episcopus» entstanden sein) gespielt. Das S. W. war «von vornherein alternativ zur Auff¨uhrung in der Kirche als auch in der Stube konzipiert» (Linke 1995, S. 153; vgl. Regieanweisung V. 193a/b). F¨ur die Auff¨uhrung in einer Kirche («in altari») war wohl das in der Handschrift nachgetragene Hirtenspiel (V. 83a–123) vorgesehen. Als Einkehrspiel («in domibus») verwendet dieses Weihnachtsspiel eine Auff¨uhrungsform, die sp¨ater f¨ur Fastnachtsspiele typisch wird. So wie der Kaplan von p¨apstlichem Ablass spricht und sich dann mit Namen an den/die im Publikum anwesende/n Hausherrn/Hausfrau wendet, wird die ¨ Flucht nach Agypten zur Einkehr ins n¨achste Haus umstilisiert. Mit dem Ablass spendenden Papst ist Martin V. gemeint, der am 21.11.1417 in Konstanz zu Papst geweiht wurde. Dem zentralen Kindelwiegen (vgl. Erlauer Weihnachtsspiel [→ Erlauer Spiele], → Hessisches Weihnachtsspiel) gehen die Prologe des «Precursor», des «Biceps», des «Propheta» (Jesaja) und des «Primus angelus» voraus. Joseph tanzt mit dem Neugeborenen auf dem Arm, ein Chor (Engel) und Joseph singen im Wechsel lat./dt. die Weihnachtshymnen → Resonet in laudibus (V. 124 ff.) und Magnum (hier: «Ecce») nomen domini (V. 159 ff.). Eine Szene mit den Hl. Drei K¨onigen fehlt, obwohl der «Precursor» vom Kommen der «iij k¨ung z˚u dem crippelin» (V. 25) spricht. Eine Passage (V. 194–220) aus ¨ der Szene «Flucht nach Agypten» war Vorlage f¨ur «Maria in Egypten des → Freiburger Fronleichnamsspiels. Die das Spiel abschließende Regieanweisung «Pfeiff uffa» weist darauf hin, dass zur Auff¨uhrung eine Gruppe von Spielleuten geh¨orte. ¨ Uberlieferung: Cambridge (Mass.), Harvard College Library/Houghton Library, MS Ger 74, 22r–26v (Pap., wohl Augsburg oder westlich Augsburg, um 1470–75, schw¨abisch; mit vier Federzeichnungen illustriert). Ausgabe: Eckehard Simon: Das schw¨abische Weihnachtsspiel. Ein neu entdecktes Weihnachtsspiel aus der Zeit 1417–1431. In: ZfdPh 94 (1975) Sonderh., S. 30–50 (Text S. 32–40; nach S. 32: Faks. von Bl. 22r/22v). – Ders.: Korrekturen und Nachtrag zum S. W. In: ebd. 96 (1977) S. 103–105. Literatur: De Boor/Newald 3/2 (1987) S. 215. – Eckehard Simon, VL2 8 (1992) 1161
1. H¨alfte 15. Jh. Sp. 911–913; 11 (2004) Sp. 1395. – Luise Berthold: Die Kindelwiegenspiele. In: PBB 56 (1932) S. 208–224. – E. Simon: Eine neuaufgefundene Sammelhs. mit Rosenpl¨ut-Dichtung aus dem 15. Jh. In: ZfdA 103 (1973) S. 115–133. – Ders.: The Home Town of the ‹S. W.› (ca. 1420) and Its Original Setting. In: Euph. 73 (1979) S. 304–320. – Rolf Bergmann: Kat. der deutschsprachigen geistlichen Spiele und Marienklagen des MA (Ver¨off. der Kommission f¨ur dt. Lit. des MA der Bayerischen Akad. der Wiss.). M¨unchen 1986, S. 84 f. (Nr. 30). – Bernd Neumann: Geistliches Schauspiel im Zeugnis der Zeit. Zur Auff¨uhrung ma. religi¨oser Dramen im dt. Sprachgebiet (MTU 84.85). Mu¨ nchen 1987, Bd. 2, S. 854 (Nr. 3655). – Hansj¨urgen Linke: Vom Sakrament bis zum Exkre¨ ment. Ein Uberblick u¨ ber Drama und Theater des dt. MA. In: Theaterwesen und dramatische Lit. Hg. v. G¨unter Holtus (Mainzer Forschungen zu Drama und Theater 1). T¨ubingen 1987, S. 127–164, hier S. 143 Anm. 77. – Ders.: Versuch u¨ ber dt. Hss. ma. Spiele. In: Dt. Hss. 1100–1400. Oxforder Kolloquium 1985. Hg. v. Volker Honemann/Nigel F. Palmer. T¨ubingen 1988, S. 527–589, hier S. 549 BJ und Abb. 36 (Ausschnitt von Bl. 24v). Theophilus-Spiele Sp. 435–440).
→ Theophilus
(Band
1,
Kopenhagener Weltgerichtsspiel. – Geistliches Spiel, aufgezeichnet im zweiten Viertel des 15. Jh. Der Titel des anonym u¨ berlieferten, auf mindestens 27 Sprecher verteilten Textes, der aus 997 Reimpaarversen mit kurzen Sprecheranweisungen in Prosa besteht, bezieht sich auf den derzeitigen Aufenthaltsort der Handschrift. Das K. W. geh¨ort wie das → Berliner W. (Bln), → Berner W., → Churer W., → Donaueschinger W. (D), → Luzerner W., → M¨unchner W., → Schaffhauser W. und → W. der Sammlung Jantz zu den an Mt 25,31–46 ankn¨upfenden Spielen. Die Handschrift ist mit ingesamt 40 aquarellierten Federzeichungen illustriert. Die Bilder stimmen vielfach mit denen der einzigen anderen illustrierten Handschrift der Weltgerichtsspiele, n¨amlich Bln, u¨ berein. Jede der beiden Fassungen bietet jedoch auch einen Sonderbestand, das K. W. ‹Dialogbilder›, die jeweils zwei miteinander sprechende Figuren zeigen. Es wird vermutet, dass das K. W., Bln und die Kurzfassung D (mit Freiraum 1162
1. H¨alfte 15. Jh. f¨ur Illustrationen, die nicht ausgef¨uhrt wurden) auf einer gemeinsamen bebilderten Vorlage beruhen. Das auf der Grundlage eines Auff¨uhrungstextes zu Lesezwecken hergestellte K. W. setzt mit vier Voraussagen des Weltendes ein, zun¨achst durch die altestamentlichen Propheten Johel und Sophonias, dann durch die Kirchenlehrer Gregorius (mit Zitaten von Job und Salomon) und Jeronimus (Erkl¨arung der → 15 Zeichen vor dem J¨ungsten Gericht). Nach den Weckrufen von vier Engeln und dem Erscheinen Christi als Richter folgen die Scheidung der Guten udn B¨osen und das Gnadenurteil u¨ ber die Guten, das u. a. mit der Verrichtung von Werken der Barmherzigkeit, Befolgung des Dekalogs und Ertragen von Leid begr¨undet wird. Der Verk¨undung des Urteils u¨ ber die B¨osen geht die Berufung von Maria und der Apostel zu Beisitzern vorauf. Die f¨unfmalige Bitte um Strafminderung wird abgelehnt, das Urteil u¨ ber die B¨osen u. a. mit der Unterlassung von Werken der Barmherzigkeit und dem Begehen von Tods¨unden begr¨undet. Der Auslieferung der Verdammten an Luzifer schließt sich die Klagerede eines Verdammten an. F¨urbitten Marias und des Johannes werden von Christus entschieden zur¨uckgewiesen. Der ¨ endg¨ultigen Ubergabe der Verdammten an die Teufel folgt die Beschreibung der H¨ollenstrafen durch Luzifer. Nach zwei Klage- und Fluchreden eines Verdammten werden die B¨osen durch die Teufel abgef¨uhrt, worauf Christus die H¨olle f¨ur die Ewigkeit verschließt. Mit Lobpreisungen der Apostel und einer Schlussrede Christi endet das Spiel. ¨ Uberlieferung: Kopenhagen, Kgl. Bibl., Cod. Thott. 112,4° (Pap., mit 44 aquarellierten Federzeichnungen illustriert, Schreibernennung: «Explicit ultimum judicium per me Johannem Schudin e [V. 997 a–b; Gr¨uningen im Kande Gruningen» ton Z¨urich ?]), 15. Jh., niederalemannisch, nach hochalemannischer Vorlage). Ausgaben: Hans Blosen/Ole Lauridsen (Hg.): Das K. W. (Germ. Bibl. Reihe 4, Texte). Heidelberg 1988. – Hansj¨urgen Linke (Hg.): Die dt. Weltgerichtspiele des sp¨aten MA. Synoptische Gesamtausg. Bd. I: Einleitung, Bd. II/1.2: Texte. T¨ubingen/Basel 2002. – Farbiges Vollfaks. (verkleinert): Hans Blosen: Illustrationerne i et københavnsk manuskript af det senmiddelalderlige tyske dom˚ medagsspil. In: Convivium. Arsskrift for humaniora kunst og forskning 1 (Kopenhagen 1976) S. 108–133. Literatur: Hellmut Rosenfeld, VL2 5 (1985) Sp. 310 f. [irrt¨umlich mit der Signatur ‹cod. 1163
Breslauer Osterspiel coll. thott. 338›]. – De Boor/Newald 4/1 (21994) S. 263. – Elke Ukena-Best, Killy2 6 (2009) S. 638 f. – Hermann Jellinghaus: Das Spiel vom j¨ungsten Gerichte. In: ZfdPh 23 (1891) S. 426–436 (mit Textproben und Teilkollation) [mit der Signatur ‹Thott manuscripte 338 (112)›]. – Rudolf Klee: Das mhd. Spiel vom j¨ungsten Tage. Diss. Marburg 1906 [mit der Signatur ‹Thottsche manuscripte in 4° 338 (112)›]. – Karl Theodor Reuschel: Die dt. Weltgerichtsspiele des MA und der Reformationszeit. Eine literarhist. Unters. (Teutonia 4). Leipzig 1906 [mit der Signatur ‹Thottsches Manuskript in 4 Nr. 338 (112)›]. – Rolf Bergmann: Kat. der deutschsprachigen geistlichen Spiele und Marienklagen des MA (Ver¨off. der Kommission f¨ur dt. Lit. des MA der Bayerischen Akad. der Wiss.). M¨unchen 1986, S. 177 f. (Nr. 73). – Bernd Neumann: Geistliches Schauspiel im Zeugnis der Zeit. Zur Auff¨uhrung ma. religi¨oser Dramen im dt. Sprachgebiet (MTU 84.85). Mu¨ nchen 1987, Bd. 2, S. 843 (Nr. 3635). – Hans Blosen/Ole Lauridsen: Komm. zum K. W. (Germ. Bibl. Reihe 4, Texte). Heidelberg 1988. – H. Blosen: Zu einigen Fehlertypen im ‹K. W›. In: ZfdPh 107 (1988) H. 1, S. 67–82. – Ders.: Die F¨unfzehn Vorzeichen des J¨ungsten Gerichts im Kopenhagener und im Berliner Weltgerichtsspiel. In: ‹Ja muz ich sunder riuwe sin›. FS Karl Stackmann. Hg. v. Wolfgang Dinkelacker u. a. G¨ottingen 1990, S. 206–231. – Ders.: Deesis oder Nicht-Deesis im ‹K. W.›? – Und was damit zusammenh¨angt. In: Ma. Schauspiel. FS Hansj¨urgen Linke. Hg. v. Ulrich Mehler/Anton H. Touber (AB¨aG 38/39). Amsterdam/Atlanta 1994, 93–104. – Dieter Trauden: Gnade vor Recht? Unters. zu den deutschsprachigen Weltgerichtsspielen des MA (Amsterdamer Publ. zur Sprache und Lit. 142). Amsterdam/Atlanta 2000, S. 38–44. – Linke (s. Ausg.) Bd. I, S. 22 f. et passim. BJ Breslauer Osterspiel. – Fragment eines geistlichen Spiels. Das am Anfang und am Ende unvollst¨andige Osterspiel schließt an die → Breslauer Marienklage (II) an und bietet fol. 2v die lat.-dt. Klage der Maria Magdalena (V. 1–67), die Marien am Grab (V. 68–77) und fol. 3r die Erscheinung Jesu vor Maria Magdalena (V. 78–169). Nach dem Gesang der Marien auf dem Weg zum Salbenkr¨amer fehlt ein Doppelblatt, das wahrscheinlich die Salbenkaufszene und die «visitatio sepulchri» enthalten hat. Die Hortulanus-Szene bricht schon 1164
Hersfelder Osterspiel vor den Erkennungsworten «Maria» – «Rabbi» ab. Auff¨uhrungshinweise fehlen. ¨ Uberlieferung: Breslau/Wrocław, UB, Cod. I Q 226a, 2 Doppelbll. (Pap., erste H¨alfte 15. Jh., schlesisch). Ausgaben: Jos[eph] Klapper: Mitteldt. texte aus Breslauer hss. In: ZfdPh 47 (1918) S. 83–98 (Nr. 4) (Teilabdruck). – Ders.: Das ma. Volksschauspiel in Schlesien. In: Mitt. der Schlesischen Ges. f¨ur Volkskunde 29 (1928) S. 168–216, hier S. 208–214 (Nr. 16, mit Faksimilia). Literatur: Ursula Hennig, VL2 1 (1978) Sp. 1027 f. – Rolf Steinbach: Die dt. Osterund Passionsspiele des MA (K¨olner germanistische Stud. 4). K¨oln/Wien 1970, S. 16 f.; 257. – Rolf Bergmann: Kat. der deutschsprachigen geistlichen Spiele und Marienklagen des MA (Ver¨off. der Kommission f¨ur dt. Lit. des MA der Bayerischen Akad. der Wiss.). M¨unchen 1986, S. 79–81 (Nr. 27). – Bernd Neumann: Geistliches Schauspiel im Zeugnis der Zeit. Zur Auff¨uhrung ma. religi¨oser Dramen im dt. Sprachgebiet (MTU 84.85). Mu¨ nchen 1987, Bd. 2, S. 833 (Nr. 3617/1). BJ Wolfenbutteler ¨ Osterspiel. – Mnd. geistliches Spiel, vermutlich 1425 in Verbindung mit einer dramatischen Marienklage aufgezeichnet. Das nach seinem heutigen Aufbewahrungsort benannte Spiel wurde unmittelbar nach der → Wolfenb¨utteler Marienklage von derselben Hand in die vermutlich in Braunschweig entstandene Sammelhandschrift eingetragen (viele dt. und lat. Ges¨ange mit Noten) – wohl nicht zum Zweck einer Auff¨uhrung. Anders als im → Trierer Osterspiel, das einen «¨ahnlich streng kirchlichen Charakter» (De Boor/Newald 4/1, S. 244) zeigt, treten im W. O. auch zwei Salbenkr¨amer auf. Dem Salbenkauf ohne die vielfach zu findende grobe Komik (V. 1–69) folgen die Szene mit den Marien am Grab (V. 70–106) sowie die Erscheinung Jesu vor Maria Magdalena (V. 107–240) und vor Thomas (V. 241–267), bevor das Spiel mit der K¨undung der Auferstehung durch Maria Magdalena an die beiden anderen Marien (V. 268–283) endet. ¨ Uberlieferung: Wolfenb¨uttel, HAB, cod. Guelf. 965 Helmst., 181r–192r (vermutlich Braunschweig 1425, nd.). Ausgaben: Otto Sch¨onemann: Der S¨undenfall und Marienklage. Zwei nd. Schauspiele aus Hss. der Wolfenb¨utteler Bibl. Hannover 1855, S. 149–168. – Richard Froning (Hg.): Das Drama 1165
1. H¨alfte 15. Jh. des MA. Bd. 1 (Dt. National-Litteratur 14,1). Stuttgart 1891 (Nachdr. Darmstadt 1964) S. 60–62 (nur Salbenkaufszene). Literatur: De Boor/Newald 4/1 (21994) S. 244. – Ursula Hennig, VL2 10 (1999) Sp. 1338 f. – Bernd Neumann/Red., Killy2 12 (2011) S. 536. – Alfred B¨aschlin: Die altdt. Salbenkr¨amerspiele. Diss. Basel 1929, S. 47 f. et passim. – Wilfried Werner: Stud. zu den Passions- und Osterspie¨ len des dt. MA in ihrem Ubergang vom Latein zur Volkssprache (Phil.Stud.u.Qu. 18). Berlin 1963, S. 69 f. – Rolf Steinbach: Die dt. Oster- und Passionsspiele des MA (K¨olner germanistische Stud. 4). K¨oln/Wien 1970, S. 17–20. – Wolfgang F. Michael: Das dt. Drama des MA (Grundriß der germ. Philologie 20). Berlin/New York 1971, S. 79. – David Brett-Evans: Von Hrotsvit bis Folz und Gengenbach. Eine Gesch. des ma. dt. Dramas. Tl. 1: Von der liturgischen Feier zum volkssprachlichen Spiel (Grundlagen der Germanistik 15). Berlin 1975, S. 103–105. – U. Hennig: Die Klage der Maria Magdalena in den dt. Osterspielen. In: ZfdPh 94 (1975), Sonderh., S. 118–127. – Rolf Bergmann: Kat. der deutschsprachigen geistlichen Spiele und Marienklagen des MA (Ver¨off. der Kommission f¨ur dt. Lit. des MA der Bayerischen Akad. der Wiss.). Mu¨ nchen 1986, S. 370–372 (Nr. 172). – B. Neumann: Geistliches Schauspiel im Zeugnis der Zeit. Zur Auff¨uhrung ma. religi¨oser Dramen im dt. Sprachgebiet (MTU 84.85). M¨unchen 1987, Bd. 2, S. 867 (Nr. 3689). BJ Hersfelder Osterspiel. – Lat. geistliches Spiel, erste H¨alfte 15. Jh. Das Spiel, das sich im liturgischen Rahmen zwischen dem dritten Responsorium und dem → Te Deum vollzog, umfasst die «visitatio sepulchri», den Apostellauf und die Hortulanus-Szene. Von den Osterfeiern des Typus III unterscheidet es sich u. a. dadurch, dass die Ostersequenz dem J¨ungerlauf nachgestellt wird. Vermutlich aus einem lat. Peregrinusspiel stammen dessen Einleitungshymnus Ihesu nostra redemcio (V. 28) und die Bezeichnung «peregrini» (statt des sonst u¨ blichen «apostoli»). In der Hortulanus-Szene wird Christus nicht wie in den Osterfeiern symbolisch dargestellt, sondern in der Rolle des Auferstandenen («rubea casula indutus, [...] habens vexillum in manu», V. 45 f.) schauspielerisch verk¨orpert. Wenn in der abschließenden 1166
1. H¨alfte 15. Jh.
Melker (rheinfr¨ankisch-hessisches) Osterspiel
Antiphon Dicant nunc [Iudaei] (V. 89) der Auferstandene (Rollentausch Christus/Priester) gemeinsam mit den drei Marien vom Altar aus der Gemeinde die Auferstehung verk¨undet (vgl. Braunschweiger Osterspiel), wird das Geschehen in den liturgischen Bereich zur¨uckgef¨uhrt. ¨ Uberlieferung: St. Gallen, Stiftsbibl., ms. (2°) 448, S. 106 (Ordinarium Sangallense, 1432, Kopie eines Rituale aus der Benediktinerabtei Hersfeld/ Hessen). Ausgaben: Neil C. Brooks: Neue lat. Osterfeiern. In: ZfdA 50 (1908) S. 297–312, hier S. 310–312. – Karl Young: Some Texts of Liturgical Plays. In: Publ. of the Modern Language Association of America 24 (1909) S. 294–331, hier S. 323 f. (wieder in: Ders.: The Drama of the Medieval Church. Bd. 1. Oxford 1951, S. 667 f.) – Wolfgang Lipphardt (Hg.): Lat. Osterfeiern und Osterspiele. Bd. 5 (Ausg. dt. Lit. des 15. bis 18. Jh., Reihe Drama 5). Berlin/New York 1976, S. 1536–1540 (Nr. 788). Literatur: Hansj¨urgen Linke, VL2 3 (1981) Sp. 1148–1150. – Helmut de Boor: Die Textgesch. der lat. Osterfeiern (Hermaea NF 22). T¨ubingen 1967, S. 244, 271, 276–280, 285–291, 307, 314 Anm., 321. – Willi Flemming: Die Gestaltung der liturgischen Osterfeier in Deutschland (Abh. der Akad. der Wiss. und der Lit., Mainz, Geistes- und sozialwissenschaftliche Kl. 1971, 11). Mainz 1971, S. 12, 22, 31. BJ
handlungsreichen, von Wortspielen, Derbheit und Obsz¨onit¨aten durchsetzten Teil des Spiels ist der Salbenkauf der drei Marien beim «Mercator» eingebettet. Keines der vergleichbaren Kr¨amerspiele enth¨alt wie das M. O. die Szene, in der eine «antiqua vetula» beim «Mercator» Heilung f¨ur ihre im Heu verlorene Jungfernschaft sucht. ¨ Uberlieferung: New York, The Morgan Library, MS M.886, 6 Bll. (Pap., s¨udl. Nassau oder Oberhessen [Frankfurt/M. ?], erste H¨alfte 15. Jh., rheinfr¨ankisch-hessisch). Ausgabe: Curt F. B¨uhler/Carl Selmer: The Melk ‹Salbenkr¨amerspiel›: An Unpublished Middle High German ‹Mercator Play›. In: Publ. of the Modern Language Association of America 63 (1948) S. 21–63, hier S. 38–62. Literatur: Hansj¨urgen Linke, VL2 6 (1987) Sp. 377 f. – Frantiˇsek Svejkovsk´y: Vetula-Episode im Melker Salbenkr¨amerspiel. In: ZfdPh 87 (1968) S. 1–16. – David Brett-Evans: Von Hrotsvit bis Folz und Gengenbach. Eine Gesch. des ma. dt. Dramas. Tl. 1: Von der liturgischen Feier zum volkssprachlichen Spiel (Grundlagen der Germanistik 15). Berlin 1975, S. 117 f. – Rolf Steinbach: Die dt. Oster- und Passionsspiele des MA (K¨olner germanistische Stud. 4). K¨oln/Wien 1970, S. 25–36. – Rolf Bergmann: Kat. der deutschsprachigen geistlichen Spiele und Marienklagen des MA (Ver¨off. der Kommission f¨ur dt. Lit. des MA der Bayerischen Akad. der Wiss.). M¨unchen 1986, S. 268 f. (Nr. 120). – Bernd Neumann: Geistliches Schauspiel im Zeugnis der Zeit. Zur Auff¨uhrung ma. religi¨oser Dramen im dt. Sprachgebiet (MTU 84.85). Mu¨ nchen 1987, Bd. 2, S. 847 f. (Nr. 3640). – Christoph Petersen: Ritual und Theater. Meßallegorese, Osterfeier und Osterspiel im MA (MTU 125). T¨ubingen 2004, S. 161 Anm. 64. – Ute von Bloh: ‹Spielerische Fiktionen›: Parasit¨are Verselbst¨andigungen einzelner Szenen aus Geistlichen Spielen (‹Erlauer Magdalenenspiel›, ‹Melker Salbenkr¨amerspiel›, Vigil Rabers ‹Ipocras›). In: Fiktion und Fiktionalit¨at in den Literaturen des MA. FS JanDirk Mu¨ ller. Hg. v. Ursula Peters/Rainer Warning. Mu¨ nchen 2009, S. 407–432. BJ
Melker (rheinfr¨ankisch-hessisches) Osterspiel (auch: Melker Salbenkr¨amerspiel). – Fragment eines geistlichen Spiels, in der ersten H¨alfte des 15. Jh. aufgezeichnet. Das nach einem m¨oglichen fr¨uheren Aufbewah¨ rungsort benannte Osterspiel mit der Uberschrift «Incipit ludus in nocte pasce» bricht nach Z. 593 f. («prima persona cantat: / He¯u vber internas mentes») ab. Das «vielfach kompilierte[] Kr¨amerspiel» (Linke; vgl. Erlauer Osterspiel [→ Erlauer Spiele], → Innsbrucker [th¨uringisches] Osterspiel, → Wiener Rubin-Rolle) stellt in volkst¨umlicher Sprache, jedoch unter Beibehaltung der lat. Kaufstrophen, das Gehabe des Quacksalbers («Mercator»), des angeworbenen Knechts Rubin und des Unterknechts Pusterbalk dar. Der Salbenbereitung folgt der Schalkstreit; dann pr¨ugeln sich «Mercator» und «Mercatrix» in Gegenwart der drei Marien. Zum Schluss u¨ berredet Rubin «Mercatrix» zur gemeinsamen Flucht ins Schlaraffenland. In den 1167
Trierer Osterspiel. – Geistliches Spiel, in der ersten H¨alfte des 15. Jh. aufgeschrieben. ¨ Das mit der → Trierer Marienklage eine Uberlieferungseinheit bildende T. O. wurde zu Beginn der Feierlichkeiten am Ostersonntag aufgef¨uhrt – wie 1168
Trierer Marienklage jene vermutlich im Innenraum einer Kirche. Es beruht vermutlich auf einer lat.-dt. Vorlage, die von einem unbekannten Bearbeiter in der Absicht einer R¨uckkehr zu streng kirchlich-liturgischen Formen stark gek¨urzt wurde (vgl. → Wolfenb¨utteler Osterspiel); komische und drastische Elemente (u. a. in der Salbenkr¨amerszene) wurden gestrichen. Das T. O. bietet nur zwei Szenen: a) die «visitatio sepulchri» (zwei Engel, drei Marien) mit dem Wegegesang der Marien (1. Strophe) und b) die Begegnung Maria Magdalenas mit dem Auferstandenen in Gestalt eines G¨artners (mit den lat. Klagestrophen Marias und den lat. K¨undigungsstrophen Jesu). Der an alle Christen gerichteten Aufforderung Maria Magdalenas, den Sieg des Auferstandenen mitzufeiern («hude van des dodes banden / ist vnßer here vff erstanden! / myd deme sollen wyr alle froelych syn / vnd laessen alles truren lyn»), folgt als Abschluss des Spiels die vom «cantor» angestimmte Ostersequenz Victimae paschali. ¨ Uberlieferung: Trier, StB, Hs. 1973/63 4°, S. 19–30 (erste H¨alfte 15. Jh., mittelfr¨ankisch). Ausgaben: August Heinrich Hoffmann [von Fallersleben]: Fundgruben f¨ur Gesch. dt. Sprache und Litteratur. 2 Bde. Breslau (Nachdr. in einem Bd. Hildesheim 1969) Bd. 2, 1837, S. 272–279. – Richard Froning (Hg.): Das Drama des MA. Bd. 1 (Dt. National-Litteratur 14,1). Stuttgart [1891] (Nachdr. Damstadt 1964) S. 49–56. – Hermann Jantzen: Literaturdenkm¨aler des 14. und 15. Jh. (Slg. G¨oschen 181). Leipzig 1903, S. 92–102. – Eduard Hartl (Hg.): Das Drama des MA. Bd. 2: Osterfeiern (Dt. Lit., Reihe Drama des MA 2). Leipzig 1937 (Nachdr. Darmstadt 1964) S. 48–58. – Ursula Hennig [Text]/Andreas Traub [Melodien] (Hg.): T. M. und Osterspiel. Codex 1973/63 der Stadtbibl. Trier (Litterae 91). G¨oppingen 1990 (mit Vollfaks.); dazu vgl. Dagmar Braunschweig-Pauli (s. Trierer Marienklage). Literatur: De Boor/Newald 3/2 (1987) 1979, 182 f.; 4/1 (21994) S. 244. – Ursula Hennig, VL2 9 (1995) Sp. 1053 f. – Bernd Neumann/Red.: T. O. u. Marienklage. In: Killy2 11 (2011) 596 f. – Hans Rueff: Das rheinische Osterspiel der Berliner Hs. Ms. germ. fol. 1219. Mit Unters. zur Textgesch. des dt. Osterspiels (Ges. der Wiss., G¨ottingen, Philol.Hist. Kl., Abh. NF 18,1). Berlin 1925. – Wilfried Werner: Stud. zu den Passions- und Osterspie¨ len des dt. MA in ihrem Ubergang vom Latein zur Volkssprache (Phil.Stud.u.Qu. 18). Berlin 1963, 1169
1. H¨alfte 15. Jh. 64–67. – Rolf Steinbach: Die dt. Oster- und Passionsspiele des MA. Versuch einer Darstellung u. Wesensbestimmung (K¨olner germanistische Stud. 4). K¨oln/Wien 1970, S. 14–16. – Wolfgang F. Michael: Das dt. Drama des MA (Grundriß der germ. Philologie 20). Berlin/New York 1971, S. 79. – Ruprecht Wimmer: Dt. und Lat. im Osterspiel. Unters. zu den volkssprachlichen Entsprechungstexten der lat. Strophenlieder (MTU 48). M¨unchen 1974, S. 167–174. – David Brett-Evans: Von Hrotsvit bis Folz und Gengenbach. Eine Gesch. des ma. dt. Dramas. Tl. 1: Von der liturgischen Feier zum volkssprachlichen Spiel (Grundlagen der Germanistik 15). Berlin 1975, S. 100–103. – Barbara Thoran: Stud. zu den o¨ sterlichen Spielen des dt. MA. (Ein Beitr. zur Kl¨arung ihrer Abh¨angigkeit voneinander). 2., durchges. und erg. Aufl. (GAG 199). G¨oppingen 1976. – Rolf Bergmann: Kat. der deutschsprachigen geistlichen Spiele und Marienklagen des MA (Ver¨off. der Kommission f¨ur dt. Lit. des MA der Bayerischen Akad. der Wiss.). Mu¨ nchen 1986, S. 345–347 (Nr. 158). – U. Hennig: T. M. und Osterspiel. In: PBB (Tu¨ b.) 110 (1988) S. 63–77. – Andreas Traub: Zur Musik der T. M. und des Trierer Osterspiels. In: ebd., S. 78–100. – Gunther Franz: Die aus Dresden nach Trier zur¨uckgekehrten Hss. Eine Nachkriegsgesch. In: Kurtrierisches Jb. 31 (1991) S. 31–44. BJ Trierer Marienklage. – Geistliches Spiel, in der ersten H¨alfte des 15. Jh. aufgeschrieben. Zun¨achst von Hoffmann von Fallersleben gemeinsam ediert, wurden die T. M. und das → Trierer Osterspiel, das in der Handschrift der Marienklage unmittelbar folgt, lange Zeit als zwei voneinander unabh¨angige geistliche Dramen behandelt. Beide Spiele d¨urften im Kircheninneren aufgef¨uhrt worden sein. In der T. M., die den Abschluss der Feier des Karfreitags bildet, treten Maria, Johannes, Petrus und Christus («Salvator») auf. Die Regieanweisungen beziehen sich nur auf Geb¨arden und Bewegungen Marias. Der Text enth¨alt 46 Ges¨ange, die meisten davon unter Noten. Nach einer langen Klage Marias – beginnend ¨ mit der dt. Ubersetzung des Kirchenliedes O filii ecclesiae (O lieben kynt der crystenheit; → O filii ecclesiae / Homo tristis esto) –, in die Johannes und Petrus mit je einem lat. Gesang und einer dt. «dicit»Partie einstimmen, machen sich Maria und Johannes auf den Weg zum Kreuz (V. 43–90). Es folgen weitere Klageges¨ange Marias unter dem Kreuz 1170
1. H¨alfte 15. Jh. (V. 91–134), die durch die Erinnerungen an die Prophezeiung Simeons bei der Darstellung Jesu im Tempel abgeschlossen werden (V. 135–138). Nach der ersten ‹commendatio Christi› (V. 139–181) gehen Maria und Johannes von Kreuz weg, kehren jedoch bereits nach dem ersten der drei «Hely»-Rufe Jesu unter Klagen der Maria (V. 210–220) dorthin zur¨uck («Et sic appropomquant cruci»). Nach der Klage des Johannes u¨ ber de Abwesenheit der anderen J¨unger (V. 317–328) vertraut Jesus die Mutter dem Johannes ein zweites Mal an (V. 329–358). In V. 359–362 wird von der Longinus-Szene (vor dem Tod des Gekreuzigten!) berichtet. Danach folgen letzte Worte Jesu am Kreuz und Tr¨ostungsversuche des Johannes. Den Abschluss der T. M. bildet die Strophe «Nu hebyd sych groeß weynnen vnde schryen vmmerme». Bis einschließlich der R¨uckkehr zum Kreuz mit den Gesangsstrophen Marias, die Jesu «Hely»Rufen korrespondieren, entspricht die T. M. bis auf wenige Abweichungen der Marienklage im → Alsfelder Passionsspiel, was eine gemeinsame Vorlage vermuten l¨asst. Anders aber als im Alsfelder Passionsspiel, dessen Geschehen u¨ ber den Tod Jesu hinausreicht, hat der Bearbeiter der T. M. versucht, «eine Marienklage aus dem Rahmen eines Passionsspiels wieder in ein eigenst¨andiges ‹Drama› zu verwandeln» (Hennig, S. 71), das mit dem Tod Jesu endet. ¨ Uberlieferung: Trier, StB, Hs. 1973/63 4°, S. 1–19 [= 1r–10r] (erste H¨alfte 15. Jh., mittelfr¨ankisch; die meisten Ges¨ange sind mit Noten in gotischer Hufnagelnotation versehen). Ausgaben: August Heinrich Hoffmann [von Fallersleben]: Fundgruben f¨ur Gesch. dt. Sprache und Litteratur. 2 Tle. Breslau (Nachdr. in einem Bd. Hildesheim 1969) Tl. 2, 1837, S. 259–272. – Philipp Wackernagel: Das dt. Kirchenlied von der a¨ ltesten Zeit bis zum Anfang des XVII. Jh. Bd. 2. Leipzig 1867 (Nachdr. Hildesheim 1964 und 1990) S. 347–352 (Nr. 510). – Peter Bohn: Marienklage. Hs. der trierischen Stadtbibl. aus dem 15. Jh. In: Monatshefte f¨ur Musikgesch. 9 (1877) S. 1 f., 17–24. – Ursula Hennig [Text]/Andreas Traub [Melodien] (Hg.): T. M. und Osterspiel. Codex 1973/63 der Stadtbibl. Trier (Litterae 91). G¨oppingen 1990 (mit Vollfaks.); vgl. dazu: Dagmar Braunschweig-Pauli: Zur Musik der T. M. und des Trierer Osterspiels. Anm. zur Ausg. von Andreas Traub. Anhang zur Edition des Textes durch 1171
Fussener ¨ Marienklage II U. Hennig: Die vermeintliche Sonderlesart ‹Rickmum›. In: Kurtrierisches Jb. 31 (1991) S. 75–82. Literatur: De Boor/Newald 4/1 (21994) S. 255 f. – Ulrich Mehler, VL2 9 (1995) 1050; 11 (2004) Sp. 1559. – Bernd Neumann/Red.: T. Osterspiel und M. In: Killy2 11 (2011) 596 f. – An¨ ton Sch¨onbach: Uber die Marienklagen. Ein Beitr. zur Gesch. der geistlichen Dichtung in Deutschland. Graz [1874]. – Arnold Geering: Die Nibelungenmelodie in der T. M. In: Ber. u¨ ber den Internationalen Musikwissenschaftlichen Kongreß Basel 1949. Basel 1949, S. 118–121. – Rolf Bergmann: Kat. der deutschsprachigen geistlichen Spiele und Marienklagen des MA (Ver¨off. der Kommission f¨ur dt. Lit. des MA der Bayerischen Akad. der Wiss.). Mu¨ nchen 1986, S. 345–347 (Nr. 158). – Hansj¨urgen Linke: Drama und Theater. In: Die dt. Lit. im sp¨aten MA. Hg. v. Ingeborg Glier. Tl. 2. M¨unchen 1987, S. 182 f. – B. Neumann: Geistliches Schauspiel im Zeugnis der Zeit. Zur Auff¨uhrung ma. religi¨oser Dramen im dt. Sprachgebiet (MTU 84.85). Mu¨ nchen 1987, Bd. 2, S. 863 (Nr. 3680). – Ursula Hennig: T. M. und Osterspiel. In: PBB (T¨ub.) 110 (1988) S. 63–77. – Andreas Traub: Zur Musik der T. M. und des Trierer Osterspiels. In: ebd., S. 78–100. – Gunther Franz: Die aus Dresden nach Trier zur¨uckgekehrten Hss. Eine Nachkriegsgesch. In: Kurtrierisches Jb. 31 (1991) S. 31–44. – Georg Satzinger/Hans-Joachim Ziegeler: Marienklagen und Piet`a. In: Die Passion Christi in Lit. und Kunst des Sp¨atMA. Hg. v. Walter Haug/ Burghart Wachinger (Fortuna vitrea 12). T¨ubingen 1993, S. 241–276. – Ulrich Mehler: Marienklagen im sp¨atma. und fr¨uhneuzeitlichen Deutschland. Textversikel und Melodietypen (Amsterdamer Publ. zur Sprache und Lit. 128/129). 2 Bde. Amsterdam/Atlanta, GA 1997. BJ Fussener ¨ Marienklage II (auch: Harburger Marienklage I, Maihinger Marienklage). – Fragment eines geistlichen Spiels, wohl zweites Viertel des 15. Jh. ¨ Uberliefert ist in 29 Versen (acht Strophen) die Klage Marias und des Johannes um den leidenden Jesus. Die F. M. II geh¨ort wie die → F. M. I zur Tradition der s¨udostdt. Marienklagen; eine direkte Beziehung zwischen beiden besteht nicht. ¨ Uberlieferung: Augsburg, UB (fr¨uher: Harburg, F¨urstl. Oettingen-Wallersteinsche Bibl.), 1172
Erlauer Spiele Cod. II.1.2° 22, 193r (Pap., aus dem Benediktinerkloster St. Mang in F¨ussen, erste H¨alfte 15. Jh., obd.). Ausgabe: F[riedrich] Schmidt: Dt. Hss. in Maihingen. Ein Nachtrag zu Germania VIII, 48 ff. In: Alemannia 24 (1896) S. 51–86, hier S. 69–71 (unzul¨anglich). Literatur: Dietrich Schmidtke, VL2 2 (1980) Sp. 1032. – Gottfried Weiss: Die dt. Marienklagen. Quellen und Entwicklung. Diss. Prag 1932, 34 f. – Gerd Seewald: Die Marienklage im mlat. Schrifttum und in den germ. Literaturen des MA. Diss. Hamburg 1952 (‹Maihinger Marienklage›). – D. Schmidtke/Ursula Hennig/Walther Lipphardt: F¨ussener Osterspiel und F. M. In: PBB (T¨ub.) 98 (1976) S. 231–288, 395–423, bes. S. 258, 287 f. – Rolf Bergmann: Kat. der deutschsprachigen geistlichen Spiele und Marienklagen des MA (Ver¨off. der Kommission f¨ur dt. Lit. des MA der Bayerischen Akad. der Wiss.). M¨unchen 1986, S. 398 (M 2). – Bernd Neumann: Geistliches Schauspiel im Zeugnis der Zeit. Zur Auff¨uhrung ma. religi¨oser Dramen im dt. Sprachgebiet (MTU 84.85). M¨unchen 1987, Bd. 2, S. 838 (Nr. 3624/2). – Ulrich Mehler: Marienklagen im sp¨atma. und fr¨uhneuzeitlichen Deutschland. Textversikel und Melodietypen (Amsterdamer Publ. zur Sprache und Lit. 128/129). 2 Bde. Amsterdam/Atlanta, GA 1997. BJ Erlauer Spiele. – Gruppe von geistlichen Spielen, erste H¨alfte des 15. Jh. Die aus mehreren Vorlagen kompilierten Spieltexte dienten in der u¨ berlieferten Form nicht der Realisierung einer Auff¨uhrung, sondern als Sammlung f¨ur die Erarbeitung auff¨uhrungsf¨ahiger Texten. Es finden sich zahlreiche Nachtr¨age, Korrekturen und Bemerkungen zu Regieanweisungen. Auffallend ist das Fehlen der zentralen Passionsszenen. Das erste Spiel der Handschrift, das fragmentarische Erlauer Weihnachtsspiel («ludus in cunabilis Christi», Erlau I), umfasst 58 Verse. Es enth¨alt detaillierte lat. Regieanweisungen f¨ur die Eingangsprozession, die von Instrumentalmusik begleitet wird. W¨ahrend die Gemeinde der Juden und ihr «magister» zun¨achst die Unm¨oglichkeit der jungfr¨aulichen Geburt kundtun, a¨ ußern sie sich bei ihrem n¨achsten Auftritt zum Verl¨obnis Josephs mit Maria. Im Mittelpunkt des Spiels, das vermutlich als ‹Stubenspiel› gedacht war, steht – verbunden 1173
1. H¨alfte 15. Jh. mit einem Umtrunk – das Kindelwiegen, dem ein Aufruf zur Weihnachtsfreude folgt. Beim Erlauer Dreik¨onigsspiel («ludus trium magorum», Erlau II), dessen Auff¨uhrung im Freien stattfand, handelt es sich um das a¨ lteste erhaltene vollst¨andige Dreik¨onigsspiel in dt. Sprache (356 Verse). Auf Hirtenszenen (Verk¨undigung an die Hirten [eine Anbetung des Kindes fehlt], die dann Herodes von der Geburt Christi berichten) folgen die Befragung der Schriftgelehrten durch Herodes und dessen Unterredung mit den Magiern. Neu ist die Einf¨uhrung eines Narren mit dem bezeichnenden Namen «Lappa», der sich sp¨ater beim Kindermord besonders hervortun wird. Die Magier kommen hoch zu Ross auf die B¨uhne und beten das Kind an. Nach der Flucht der Hl. Fa¨ milie nach Agypten auf einem Schlitten ruft Herodes die Gelehrten und Lehensleute zusammen. Die Darstellung des bethlehemitischen Kindermords (vgl. → Benediktbeurer Weihnachtsspiel) steht in scharfem Kontrast zur davor dominierenden liturgischen Haltung. Der abschließenden Klage Rachels ist ein Requisitenverzeichnis angef¨ugt. Das Erlauer Osterspiel («visitacio sepulchri in nocte resurreccionis», Erlau III), das Motiv- und Textdopplungen enth¨alt, umfasst neben den liturgisch gepr¨agten Partien («visitatio sepulchri», Hortulanus-Szene, Verk¨undigung der Auferstehung, Thomas-Szene, Ju¨ ngerlauf) ein burleskes Kr¨amerspiel, das etwa zwei Drittel des Umfangs (918 von 1331 Versen) in Anspruch nimmt (vgl. Innsbrucker [th¨uringisches] Osterspiel [→ Innsbrucker Spiele], → Melker [rheinhessisches] und → Wiener [schlesisches] Osterspiel, → Wiener Rubin-Rolle, → Berliner [rheinisches] und → L¨ubener Osterspielfragment). Das Kr¨amerspiel, das nach der u¨ blichen Pr¨ugelszene zwischen dem Arzt und seiner Frau mit deren Entf¨uhrung durch Rubin ins Schlaraffenland und einem Epilog Pusterpalkchs endet, zeichnet sich durch sprachliche Derbheit unter Verwendung von F¨akalsprache und Sexualmetaphorik aus. Das Erlauer Magdalenenspiel («ludus Marie Magdalene in gaudio», Erlau IV) setzt mit einem Seelenfangszenario ein, in der sechs Teufel neun Seelen vor Luzifers Gericht bringen (V. 1–309). Der zweite Teil des Spiels (V. 310–713) ist zun¨achst dem s¨undigen Weltleben Magdalenas, dann ihrer Reue und Bekehrung gewidmet. Das Erlauer W¨achterspiel («ludus Judeorum circa sepulchrum Domini», Erlau V, 477 Verse), das neben Textdopplungen auch Unstimmigkeiten im 1174
1. H¨alfte 15. Jh. Handlungsablauf aufweist, zeigt Gemeinsamkeiten u. a. mit dem Innsbrucker, Wiener, → Redentiner und → Egerer Osterspiel sowie mit dem → Alsfelder Passionsspiel. Dargestellt werden nach dem Einzug des Pilatus und der Beratung der Juden (deren Selbstverspottung zeigt antij¨udische Intention) die Bestellung der Grabw¨achter. Sie werden nach Auferstehung und H¨ollenfahrt Christi von Cayphas verklagt, worauf Pilatus sie in den Kerker werden l¨asst. Siehe auch → Erlauer Marienklage. ¨ Uberlieferung: Eger/Erlau (Ungarn), Erzdi¨ozesanbibl., Cod. B. V. 6, 105r–128r (Pap., erste H¨alfte 15. Jh., o¨ sterr.), 105r–105v (Erlau I), 105v–107r (Erlau II), 107r–116r (Erlau III), 116r–121r (Erlau IV), 121r–124r (Erlau V), 124v–128r (Erlau VI = Marienklage). Ausgaben: Karl Ferd[inand] Kummer (Hg.): E. S. Sechs altdt. Mysterien nach einer Hs. des XV. Jh. Wien 1882 (Nachdr. Hildesheim, New York 1977); zum Teil wiederabgedruckt bei Richard Froning (Hg.): Das Drama des MA (Dt. NationalLitteratur 14,1.3) Stuttgart 1891/92 (Nachdr. in 1 Bd. Darmstadt 1964) S. 62–94 (Kr¨amerspiel aus Erlau III), S. 940–952 (Erlau II); bei Eduard Hartl (Hg.): Das Drama des MA. Osterspiele (Dt. Lit. Reihe Drama des MA 2). Leipzig 1937 (Nachdr. Darmstadt 1964) S. 205–260 (Erlau III, mit Abweichungen von Kummer); bei Helmut de Boor (Hg.): MA. Texte und Zeugnisse. 1. Teilbd. (Die Dt. Lit. Texte und Zeugnisse. I/1). M¨unchen 1965 (Nachdr. ebd. 2001) S. 75–87 (Erlau II). – Texte und Melodien der ‹Erlauer Spiele›. Hg. v. Wolfgang Suppan. Auf Grund einer Text¨ubertragung von Johannes Janota (Musikethnologische Sammelbde. 11). Tutzing 1990. Literatur: De Boor/Newald 3/2 (1987) 203, 215–217 (Erlau I), 203, 215 f. (Erlau II), 172 (Erlau III), 170, 192–194 (Erlau IV). – Bernd Neumann, VL2 2 (1980) Sp. 592–599. – Ders./Red., Killy2 3 (2008) S. 310 f. – Kummer (s. Ausg.) (vgl. dazu: Anton Sch¨onbach, in: G¨ottingische Gelehrte Anzeigen 1882, S. 877–894. – Alfred B¨aschlin: Die altdt. Salbenkr¨amerspiele. Diss. Basel 1929, S. 62–68 et passim. – Maria Norberta Hoffmann: Die Magdalenenszenen im geistlichen Spiel des dt. MA. W¨urzburg 1933. – Friedrich-Otto Knoll: Die Rolle der Maria Magdalena im geistlichen Spiel des MA. Ein Beitr. zur Kultur- und Theatergesch. Deutschlands (Germ. und Dt. 8). Berlin/Leipzig 1934. – Rosemarein Rossbach: Volkseigenes Kulturgut in dt. geistlichen Hirten- und Dreik¨onigsspielen. Diss. K¨oln 1954. – Leopold Schmidt: Das 1175
Erlauer Spiele dt. Volksschauspiel. Ein Hdb. Berlin 1962. – Wilfried Werner: Stud. zu den Passions- und Oster¨ spielen des dt. MA in ihrem Ubergang vom Latein zur Volkssprache (Phil.Stud.u.Qu. 18). Berlin 1963, S. 70 f. (zu Erlau III). – Rolf Max Kully: Die St¨andesatire in den dt. geistlichen Schauspielen des ausgehenden MA (Basler Stud. zur dt. Sprache und Lit. 31). Bern 1966 (zu Erlau IV). – Alois Koschar: Die lautlichen Kennzeichen der sog. E. S. Diss. Wien 1967. – Hugo Moser/Joseph M¨ullerBlattau (Hg.): Dt. Lieder des MA. Stuttgart 1968, S. 203–206. – Alois Koschar: Die E. S. Literaturund sprachgeschichtliche Beitr. zu den einzigen aus dem MA erhaltenen geistlichen Spielen K¨arntens. In: Carinthia I, Bd. 160 (1970) S. 796–824. – Rolf Steinbach: Die dt. Oster- und Passionsspiele des MA (K¨olner germanistische Stud. 4). K¨oln/Wien 1970, S. 36–39, 43–47. – Hansj¨urgen Linke: Zwischen Jammertal und Schlaraffenland. Verteufelung und Verunwirklichung des saeculum im geistlichen Drama des MA. In: ZfdA 100 (1971) S. 350–370. – David Brett-Evans: Von Hrotsvit bis Folz und Gengenbach. Eine Gesch. des ma. dt. Dramas. Tl. 1: Von der liturgischen Feier zum volkssprachlichen Spiel (Grundlagen der Germanistik 15). Berlin 1975, S. 116 f. (zu Erlau III), 128–131 (zu Erlau IV), 180 f. (zu Erlau I), 181–183 (zu Erlau II). – Johannes Janota: Zu Typus und Funktion der E. S.-Aufzeichnungen. In: Die o¨ sterr. Lit. Eine Dokumentation ihrer literarhist. Entwicklung. Hg. v. Herbert Zeman. Bd. 1. Graz 1979, S. 511–520. – Rolf Bergmann: Kat. der deutschsprachigen geistlichen Spiele und Marienklagen des MA (Ver¨off. der Kommission f¨ur dt. Lit. des MA der Bayerischen Akad. der Wiss.). M¨unchen 1986, S. 105–108 (Nr. 40). – Bernd Neumann: Geistliches Schauspiel im Zeugnis der Zeit. Zur Auff¨uhrung ma. religi¨oser Dramen im dt. Sprachgebiet (MTU 84.85). M¨unchen 1987, Bd. 2, S. 836 f. (Nr. 3624). – Fritz Peter Knapp: Die Lit. des Sp¨atMA in den L¨andern ¨ Osterreich, Steiermark, K¨arnten, Salzburg und Tirol von 1273 bis 1439. 2. Halbbd.: Die Lit. zur Zeit der habsburgischen Herz¨oge v. Rudolf IV. bis Albrecht V. (1358–1439) (Gesch. der Lit. in ¨ Osterreich von den Anf¨angen bis zur Gegenwart 2,2). Graz 2004, S. 415–442. – Werner R¨ocke: Maria Magdalena und Judas Ischarioth. Das Alsfelder Passionsspiel und die E. S. als Experimentierfelder des B¨osen und soziokultureller Standards im Sp¨atMA. In: Transformationen des Religi¨osen. Performativit¨at und Textualit¨at im geistlichen Spiel. 1176
Haller Passionsspiel Hg. v. Ingrid Kasten/Erika Fischer-Lichte. Berlin/ New York 2007, S. 80–96. – Ute von Bloh: ‹Spielerische Fiktionen›. Parasit¨are Verselbst¨andigungen einzelner Szenen aus Geistlichen Spielen (‹Erlauer Magdalenenspiel›, ‹Melker Salbenkr¨amerspiel›, Vigil Rabers ‹Ipocras›). In: Fiktion und Fiktionalit¨at in den Literaturen des MA. FS Jan-Dirk Mu¨ ller. Hg. v. Ursula Peters/Rainer Warning. M¨unchen 2009, S. 407–432. – Gerhard Wolf: Komische Inszenierung und Diskursvielfalt im geistlichen und weltlichen Spiel. Das ‹Erlauer Osterspiel› und die N¨urnberger Arztspiele K 82 und K 6. In: Fastnachtspiele: Hg. v. Klaus Ridder. T¨ubingen 2009, S. 301–326. – Ursula Schulze: Geistliche Spiele im MA und in der Fr¨uhen Neuzeit. Von der liturgischen Feier zum Schauspiel. Eine Einf. Berlin 2012, S. 74 f., 146–148. BJ Haller Passionsspiel. – Geistliches Spiel. Das ma. Passionsspiel wurde in Hall zun¨achst in der dortigen Kirche, sp¨ater im Stadtgarten aufgef¨uhrt. Es ist von 1430 bis 1533 und zuletzt 1570 nachweisbar. Die Handlung folgte der Liturgie der drei Spieltage Gr¨undonnerstag, Karfreitag und Ostersonntag. Nur 1511 fand nach zeitgen¨ossischen Berichten eine viert¨agige Auff¨uhrung statt. Inhaltlich war das H. P. mit den anderen Passionsspielen Tirols verwandt, vor allem mit den → Sterzinger Passionsspielen, besonders Pfarrkirchers Passion. Der Inhalt des H. P.s ist nur durch eine Abschrift des Vigil → Raber u¨ berliefert, die wahrscheinlich f¨ur eine Bozner Auff¨uhrung von 1514 angelegt wurde, an der Raber teilnahm. Die Beteiligung eines zweiten Schreibers an der Handschrift ist umstritten. Rabers Vorlage ist unbekannt. Der Text der Handschrift enth¨alt nur jene Teile des Spiels, welche die genannten Tiroler Spiele erweitern oder variieren. Wahrscheinlich waren die anderen Spiele in Bozen bekannt, weshalb Raber nur die ihm neuen Teile des H. P.s aus seiner Vorlage u¨ bernahm. Die liturgisch festgelegten Szenen sind in Rabers Manuskript um mehr als 2000 Verse erg¨anzt, u. a. durch H¨ollenszenen mit Teufeln, eine Szene in Bethanien und zus¨atzlich eingeschobene Dialoge. Die Sprache des Textes erinnert stellenweise an volkst¨umliche Wendungen und Spr¨uche, weist aber auch moralisierende Elemente auf. Neben dem Spieltext enth¨alt das u¨ berlieferte Manuskript wohl von Raber stammende Federzeichnungen. 1177
1. H¨alfte 15. Jh. Eine sp¨atere Handschrift des H. P.s entstand 1574, verbrannte aber 1945. Sie enthielt bearbeitete und vor allem in den dt. Regieanweisungen erweiterte St¨ucke aus dem Gr¨undonnerstag und Karfreitag der H. P. Das Manuskript war Vorlage f¨ur ein Sonthofner Passionsspiel von 1661. Insgesamt stand das H. P. in Tradition wie Rezeption fest im Kontext der geistlichen Spiele Tirols. ¨ Uberlieferung: Sterzing, Stadtarch., Hs. XI, Nr. 24 (Pap., 1514, Autograph Vigil Rabers). Ausgaben: J[oseph] E. Wackernell (Hg.): Altdt. Passionsspiele aus Tirol. Graz 1897 (Neudr. Walluf 1972) S. 277–349. – Walther Lipphardt/Hans-Gert Roloff (Hg.): Die geistlichen Spiele des Sterzinger Spielarchivs 3. Bern u. a. 1996, S. 163–248. Literatur: Norbert R. Wolf, VL2 3 (1981) Sp. 419–421; 11 (2004) Sp. 585. – De Boor/Newald 4/1 (21994) S. 249. – Franz K¨orndle: Liturgische Dramen, Geistliche Spiele. In: MGG2 Sachteil 5 (1996) Sp. 1388–1412. – Bernd Neumann/Hannes Obermair: Tiroler Spiele. In: Killy2 11 (2011) S. 546–548. – Wackernell (s. Ausg.). – Max Straganz: Hall in Tirol. Ein Beitr. zur Gesch. des tirolischen St¨adtewesens. Innsbruck 1903, S. 391–401. – J. E. Wackernell: Eine neue Hs. der altdt. Passionsspiele in Tirol. In: Arch. f¨ur das Studium der neueren Sprachen 112 (1904) S. 130–132. – Alfred B¨aschlin: Die altdt. Salbenkr¨amerspiele. Mulhouse 1929, S. 75–77. – Walter Senn: Aus dem Kulturleben einer s¨uddt. Kleinstadt. Musik, Schule und Theater der Stadt Hall in Tirol in der Zeit vom 15. bis zum 19. Jh. Innsbruck u. a. 1938, S. 118–127. – Kurt Ruh: Stud. u¨ ber Heinrich von St. Gallen und den ‹Extendit Manum›Passionstraktat. In: Zs. f¨ur schweizerische Kirchengesch. 47 (1953) S. 210–230, 241–278. – Sigrid Mayer: Die Passionsspiel-Tradition im Allg¨au. Diss. Mu¨ nchen 1957, S. 34–36. – Rolf Steinbach: Die dt. Oster- und Passionsspiele des MA (K¨olner germanistische Stud. 4). K¨oln/Wien 1970, S. 198–203. – Bernd Neumann: Zeugnisse ma. Auff¨uhrungen im dt. Sprachraum. Eine Dokumentation zum volkssprachigen geistlichen Schauspiel 1. Diss. K¨oln 1977, S. 74–76, 89–94. – Rolf Bergmann: Kat. der deutschsprachigen geistlichen Spiele und Marienklagen des MA (Ver¨off. der Kommission f¨ur dt. Lit. des MA der Bayerischen Akad. der Wiss.). M¨unchen 1986, Nr. 145. – Monika Fink: Geistliche Spiele im 15. und 16. Jh. In: Musikgesch. Tirols 1. Hg. v. Kurt Drexel/M. Fink. Innsbruck 2001, S. 323–334, hier S. 327 f. MM 1178
1. H¨alfte 15. Jh. Moselfr¨ankisches Katharinenspiel. – Legendenspiel, um 1439/40 aufgeschrieben. Quellen des M. K.s (957 Verse), das wahrscheinlich als Lesedrama zu Bildungszwecken verwendet wurde, waren das → M¨uhlh¨auser (th¨uringische) Katharinenspiel und die ausf¨uhrliche mitteldt. Reimlegende Passio Katerine (→ Katharina von Alexandrien, 10 und 11). Das Spiel sieht 16 Sprecherrollen vor, ferner mehrere Gruppen (Knechte, Volk, Meister, Ritter, Folterer und Boten) und Statisten (Heiden, H¨uter, Waffenschar, Engel). Auf lat. Ges¨ange, Auftritte der Teufel und Himmelfahrtsszenen, die sich im Mu¨ hlh¨auser Spiel, nicht jedoch in der Legende finden, verzichtete das M. K. Im Gegenzug wurde der Text des auf Bekehrung zum christlichen Glauben ausgerichteten Spiels (vgl. die Gespr¨ache Katharinas, zuletzt mit dem Henker) durch die Benutzung der Legende vermehrt, wobei es zu Umstellungen im zeitlichen Ablauf kam. ¨ Uberlieferung: Philadelphia (Pennsylvania), University Library, Ms. Cod. 824 (fr¨uher Ms. Ger. 4), 1r–22r (Pap., erste H¨alfte [erstes Viertel?] 15. Jh., moselfr¨ankisch). Ausgabe: Bierhals Jefferis (s. Lit.) S. 289–321. Literatur: Sibylle Jefferis, VL2 6 (1987) Sp. 703. – Sibylle Anna Bierhals Jefferis: Ein sp¨atma. Katharinenspiel aus dem Cod. Ger. 4 der University of Pennsylvania: Text und Stud. zu seiner legendengeschichtlichen Einordnung (GAG 430). G¨oppingen 2007. – Cornelia Herberichs: Das M. K. (1430/1440). In: Literarische Performativit¨at. Lekt¨uren vormoderner Texte. Hg. v. ders./Christian Kiening (Medienwandel – Medienwechsel – Medienwissen 3). Z¨urich 2008, S. 316–336. BJ Lubecker ¨ Fastnachtspiele. – Lokale Tradition weltlicher Spiele, ab 1430 nachgewiesen. Im ma. L¨ubeck fand jedes Jahr ein reges Fastnachtstreiben statt. So sind etwa seit 1346 adlige Stech- und Rennturniere auf dem Marktplatz nachgewiesen, zudem Schweinejagden, Fackelz¨uge und Maskent¨anze. Eine besondere Rolle kam den Spielgesellschaften zu, die eigene Fastnachtspiele veranstalteten oder ausw¨artige Spielgruppen einluden. Letzteres wurde vor allem von der Greveradenkompanie praktiziert, die um 1450 gegr¨undet wurde und seit 1462 belegt ist. Sie veranstaltete ihre zwischen 1495 und 1539 nachweisbaren Einkehrspiele zuerst in Privath¨ausern, sp¨ater im eigenen Clubhaus. Von den Auff¨uhrungen der Greveradenkompanie sind zw¨olf Spieltitel bekannt, die 1179
Moselfr¨ankisches Katharinenspiel auf Fastnachtspiele der derb-heiteren Art schließen lassen. Die gesellschaftlich wie theaterhistorisch wichtigste L¨ubecker Fastnachtsgruppe ihrer Zeit war die Zirkelgesellschaft (auch Junkergesellschaft), auf die die meisten L. F. zur¨uckgehen. Sie setzte sich aus dem Patriziat der Ratsherren und B¨urgermeister zusammen und hatte meist um 40 bis 55 Mitglieder. Den Junkern stand die Kaufleutekompanie nahe, die sich an den Auff¨uhrungen der Zirkelbr¨uder beteiligte. Bei den Junkern wurden j¨ahrlich bereits in der Weihnachtszeit vier M¨anner als Verantwortliche f¨ur die L. F. bestimmt. Sie k¨ummerten sich um Spieltexte, Requisiten, Kost¨ume, Wagen und sonstige Notwendigkeiten. Die Auff¨uhrungen fanden dann am Faschingssonntag, -montag und -dienstag auf fahrbaren B¨uhnen statt. Diese Spielw¨agen wurden zun¨achst zur Mittagszeit in einer Schaufahrt durch die Stadt kutschiert. Nachmittags wurden, wohl auf dem Marktplatz, die eigentlichen Fastnachtspiele dargeboten. Daran schlossen sich abends Schaut¨anze mit Fackeln an. ¨ Die schriftliche Uberlieferung der nd. L. F. ist insofern unbefriedigend, als die Umst¨ande der Auff¨uhrungen besser belegt sind als die eigentlichen Auff¨uhrungstexte. Seit 1436 sind Satzungen f¨ur die Fastnachtspiele der Zirkelbr¨uder nachweisbar; um 1480 legten sie das sog. Schafferbuch B an. Die Quellen u¨ berliefern Titel von 73 Fastnachtspielen von 1430 bis 1515. Nur f¨ur die Jahre 1437, 1474 und 1485 sind keine Titel bekannt. Als Spieltext erhalten ist nur eine u¨ berarbeitete Fassung des Spiels von der Rechtfertigung (van der rechtverdicheyt, 1484), die als → Henslin bekannt ist. Daher kann nur von den Titeln auf den Inhalt der u¨ brigen Spiele geschlossen werden. Es scheint sich h¨aufig um erbauliche Moralit¨aten gehandelt zu haben, da die Titel etwa Treue, Wahrheit, Liebe und Eintracht erw¨ahnen. Hinzu kamen Stoffe aus Bibel, Antike und Heldensagen, aber auch aus Schw¨anken. Die u¨ berlieferten Titel nennen z. B. Salomon, Alexander, Vergil, Arthus und einen K¨onig Karl, außerdem Troja und Jerusalem. Die Zirkelbr¨uder scheinen selten zeitgen¨ossische oder politische Themen aufgegriffen zu haben. So f¨uhrten sie 1500 ein Spiel auf, das vom Sieg Dithmarscher Bauern u¨ ber einen d¨anischen K¨onig handelte. Das Ende des traditionellen L¨ubecker Fastnachtstreibens kam mit der Reformation. 1523 wurde das letzte L. F. aufgef¨uhrt. Insgesamt d¨urften sich die Produktionen der Zirkelbr¨uder durch ihre moralisierend-ernste Ten1180
Rosenplutsche ¨ Fastnachtspiele denz von den derberen Auff¨uhrungen der Greveradenkompanie abgehoben haben. Als a¨ußere Einfl¨usse der Zirkelbr¨uderspiele werden Fastnachtspiele aus N¨urnberg und Flandern vermutet. Eine sp¨atere Rezeption erfuhr aufgrund der geschilder¨ ten Uberlieferungssituation nur Henslin. ¨ Uberlieferung: Nachweis der Fastnachtspieltradition durch zahlreiche Archivalien im Arch. der Hansestadt L¨ubeck (leider durch Auslagerungsverluste ausged¨unnt). Vgl. D¨unnbeil 1996, Simon 1997 und 2003 (alle s. Lit.). Ausgaben: Abdrucke der Titelverz. bei Wehrmann 1880 (s. Lit.) und Fischer 1932 (s. Lit.) S. 135–138. – Vgl. auch D¨unnbeil 1996 (s. Lit.) und → Henslin. Literatur: Ulf Bichel: Henslin. In: VL2 3 (1981) Sp. 1012–1014. – Carl F. Wehrmann: Die Fastnachtspiele der Patrizier in L¨ubeck. In: Jb. des Ver. f¨ur nd. Sprachforschung 6 (1880/81) S. 1–5 (grund¨ legend). – Christoph Walther: Uber die L. F. In: ebd., S. 6–31. – Robert Sprenger: Zu den L. F. In: Korrespondenzbl. des Ver. f¨ur nd. Sprachforschung 22 (1901) S. 75–77. – Martin Dey: Zur Gesch. der L. F. In: L¨ubische Bll. 70 (1928) S. 630 f. – Ernst Fischer: L¨ubecker Theater und Theaterleben in fr¨uhester Zeit bis zur Mitte des 18. Jh. L¨ubeck 1932, S. 135–138 u. o¨ . – Hansj¨urgen Linke: Ma. Fastnachtspiele L¨ubecker Patrizier. In: L¨ubische Bll. 88 (1952) S. 30–32. – Olaf Schwencke: Ein Kreis sp¨atma. Erbauungsschriftsteller in L¨ubeck. In: Jb. des Ver. f¨ur nd. Sprachforschung 88 (1965) S. 20–58. – Eckehard Catholy: Fastnachtspiel (Slg. Metzler 56). Stuttgart 1966, S. 69 f. – Antjekathrin Graßmann: Die Greveradenkompanie. Zu den f¨uhrenden Kaufleutegesellschaften in L¨ubeck um die Wende zum 16. Jh. In: Der hansische Sonderweg? Beitr. zur Sozial- und Wirtschaftsgesch. der Hanse. Hg. v. Stuart Jenks/Michael North. K¨oln u. a. 1993, S. 109–134. – Eckehard Simon: Organizing and Staging Carnival Plays in Late Medieval L¨ubeck. A New Look at the Archival Record. In: Journal of English and Germanic Philology 92 (1993) S. 57–72. – Ders.: Die L. F. (1430–1523). In: Jeux de Carnaval et Fastnachtspiele. Actes du Colloque du ´ Centre d’Etudes M´edi´evales de l’Universit´e de Picardie Jules Verne, 14 et 15 Janvier 1994. Hg. v. Danielle Buschinger/Wolfgang Spiewok (Wodan 40). Greifswald 1994, S. 153–163. – Sonja D¨unnebeil: Die L¨ubecker Zirkel-Gesellschaft. Formen der Selbstdarstellung einer st¨adtischen Oberschicht. 1181
1. H¨alfte 15. Jh. L¨ubeck 1996, S. 98 u. o¨ . – E. Simon: Das Schauspiel der L¨ubecker Fastnacht. In: ZfdPh 116 Sonderh. (1997) S. 208–223. – Ders.: Die Anf¨ange des weltlichen dt. Schauspiels 1370–1530. Unters. und Dokumentation. T¨ubingen 2003, S. 225–290. – Glenn Ehrstine: Auff¨uhrungsort als Kommunikationsraum. Ein Vergleich der fastn¨achtlichen Spieltradition N¨urnbergs, L¨ubecks und der Schweiz. In: Fastnachtspiele. Weltliches Schauspiel in literarischen und kulturellen Kontexten. Hg. v. Klaus Ridder. T¨ubingen 2009, S. 83–98. MM Rosenplutsche ¨ Fastnachtspiele. – Gruppe weltlicher Spiele, vor 1460. Als R. F. gelten prim¨ar 55 Spiele, die wahrscheinlich ab dem fr¨uhen 15. Jh. bis vor 1460 in N¨urnberg entstanden (Z¨ahlung nach Keller, s. Ausg.). Die Zugeh¨origkeit 20 weiterer Spiele zu den R. F. ist unsicher. Die auf Hans → Rosenpl¨ut bezogene Bezeichnung als R. F. geht u. a. auf die Nennung des N¨urnberger Dichters in einer Fastnachtspiel-Handschrift zur¨uck. Dort ist sein b¨urgerlicher Name Schnepper u¨ ber einem Titelregister vermerkt. Da jedoch keinem R. F. sicher ein bestimmter Autor zugeordnet werden kann, ist der Umfang von Rosenpl¨uts m¨oglicher Verfasserschaft ungekl¨art. So hat man hat den Dichter mal als Autor zahlreicher F. vorgeschlagen, mal als deren Sammler und Bearbeiter. Auch die Datierung der R. F. ist in vielen F¨allen nur ungenau oder u¨ berhaupt nicht m¨oglich. R¨uckschl¨usse erlauben historische Anspielungen in manchen Spielen, die etwa auf 1349 (K 68), 1455/56 (K 39) oder in die Zeit nach 1445 (K 47, K 73) verweisen. Die fr¨uheste Handschrift entstand ab 1455, was zumindest eine Teildatierung der darin enthaltenen Spiele erlaubt. Insgesamt sind zw¨olf meist aus N¨urnberg stam¨ mende Handschriften erhalten (Siglen s. Uberlieferung). Besonders umfangreiche Sammlungen von ¨ R. F. finden sich in M, D, K, F und G. Die Uberlieferung erfolgte h¨aufiger zusammen mit kleineren Gedichten, besonders von Rosenpl¨ut. Die meisten R. F. sind nur in jeweils einem Textzeugen nachweisbar. Ausnahmen sind etwa K 39 mit sieben oder K 100 mit f¨unf Handschriften. Die L¨ange der Spiele schwankt zwischen 30 und 800 Versen, bleibt aber meistens unter 200 Versen. Die R. F. erwuchsen aus einer volkssprachigen Spieltradition, die im MA auch in anderen St¨adten lebendig war (→ L¨ubecker Fastnachtspiele, → Henslin, → Rumpolt- und Marethspiele, Vi1182
1. H¨alfte 15. Jh. gil → Raber). Die N¨urnberger F. k¨onnten parallel zu Priameln und Fastnachtsreden entstanden sein und d¨urften sp¨atestens im fr¨uhen 15. Jh. begonnen haben. Einfl¨usse ndl. und L¨ubecker Spiele sind dabei nicht auszuschließen. Aufgef¨uhrt wurden die R. F. zumeist vor der o¨ sterlichen Fastenzeit, manchmal aber auch bis zum ersten Fastenwochenende. Wie sich aus Hinweisen in den Prologen und Epilogen der Spiele schließen l¨asst, erfolgten die Auff¨uhrungen gew¨ohnlich innen und abends. Die Darsteller waren nicht wie in L¨ubeck Patrizier, sondern wahrscheinlich m¨annliche Handwerker und Gesellen. Sie traten kost¨umiert – nicht maskiert – auf, benutzten nur wenige Requisiten und verzichteten auf B¨uhnenaufbauten. Literarisch wurde die Fastnachtspiel-Tradition in N¨urnberg durch Dichter wie Rosenpl¨ut, Hans → Folz, Hans Sachs und Jakob Ayrer bis ins 17. Jh. lebendig erhalten. Den einfachen Umst¨anden ihrer Auff¨uhrung entsprechend, weisen die R. F. keine komplexen Formen auf. Meist bewegen sie sich in einem Spektrum zwischen Reihen- und Handlungsspielen und werden von Prologen und Epilogen eingerahmt. Bei den Reihenspielen wenden sich mehrere Spieler einzeln und nacheinander an das Publikum (z. B. K 12, K 33, K 49, K 90). Es kann sich dabei etwa um Freier handeln, die sich vorstellen, oder um abwechselnd sprechende Eheleute, zwischen denen sich auf diese Weise freilich kein echtes Zwiegespr¨ach entspannt. W¨ahrend viele R. F. nach dem Reihenprinzip verfasst sind, ist kaum ein F¨unftel der Spiele episodisch angelegt. Dabei kann die Handlung eine (K 39) oder mehrere Episoden umfassen (u. a. K 80 f.). Auch aus Reihen- und Handlungsprinzip gemischte Spiele sind u¨ berliefert (u. a. K 48, K 85, K 101). Die Stoffe wurden u. a. aus Schw¨anken u¨ bernommen (K 17, K 19, K 49). Die Figurenriege der R. F. ist vielf¨altig, wird aber deutlich von Bauernfiguren dominiert. Diese treten in rund einem Drittel der Spiele auf. Weniger h¨aufig sind hingegen Narren. Gerichtsspiele machen rund ein Viertel der R. F. aus, deshalb z¨ahlen zu ihren Figuren auch Kl¨ager, Beklagte, Richter und Sch¨offen, die zur Freude des Publikums oft extreme Urteilsforderungen stellen. Entsprechend dem sehr obsz¨onen Charakter der R. F. werden in den Verfahren h¨aufig erotische Verwicklungen behandelt, etwa eheliche Untreue (u. a. K 27, K 40, K 88, K 108). Daneben dr¨ucken die R. F. auch ein Interesse an medizinischen Dingen aus, denn allein ¨ in f¨unf Spielen treten Arzte auf (K 48, K 82, K 85, 1183
Rosenplutsche ¨ Fastnachtspiele K 98, K 101). W¨ahrend der Klerus in den R. F. bis auf den Papst keine prominente Rolle spielt, ist der Adel durch Kaiser, K¨onige, Kurf¨ursten, Grafen und Ritter gut vertreten (K 39, K 78). Die Derbheit der R. F. zeigt sich besonders in ihrer Vorliebe f¨ur obsz¨onen Humor. Dieser unterscheidet nicht zwischen St¨anden, denn in ihrer L¨usternheit gleichen sich in den R. F. K¨onige und Bauern. Dabei handelt es sich durchaus um ein bewusstes Spiel mit Konventionen, die w¨ahrend der Fastnachtszeit außer Kraft gesetzt sind. Darauf weisen die Verfasser in den Epilogen der R. F. auch selbst hin. Trotz ihres derben Witzes besitzen die R. F. aber durchaus sozialkritische Zu¨ ge, die sich mal ernst, mal satirisch a¨ ußern. Das verbreitete und oft Rosenpl¨ut selbst zugeschriebene Spiel vom T¨urkenkaiser (K 39) etwa zielt auf Adel und Klerus, ebenso K 78. Die h¨oheren St¨ande erscheinen hier als egoistisch, eitel und zerstritten. Auch die Gerichtsspiele enthalten sozialkritische Ans¨atze. Außerdem werden in den R. F. vereinzelt h¨ofische Traditionen parodiert, darunter Konventionen und Motive des Minnesangs. Besonders beeinflusst wurden die R. F. durch das Priamel, dessen Bl¨ute ja Rosenpl¨ut selbst verk¨orpert. Viele Reden und Epiloge in den Spielen stehen dem Priamel in Bau und Pointierung nahe (u. a. K 39, 74, 89, 92, 103). Allerdings weisen die Reden der R. F. gegen¨uber den kurzen Priamelst¨ucken unterschiedliche L¨angen auf, die von zwei bis 54 Versen reichen, meist aber sechs oder vierzehn Zeilen umfassen. Jede Rede besteht aus in sich geschlossenen Reimpaaren, anders als in sp¨ateren Spielen, die Reimpaare durchaus zwischen verschiedenen Sprechern aufteilen. Interessant sind ¨ textliche Ubereinstimmungen in verschiedenen R. F., die auf eine mehrfache Verwendung von Versatzst¨ucken hinweisen. So enthalten K 16 und K 41 identische Epiloge, w¨ahrend K 59 und K 95 in unterschiedlicher Anordnung die gleichen Textst¨ucke verwenden. Die R. F. markieren einen H¨ohepunkt des ma. Fastnachtspiels. Durch ihre Vielfalt, ihre langj¨ahrige Einbindung in die Stadttradition N¨urnbergs und ihre Wechselbeziehungen zu anderen Orten (vor allem bei Vigil Raber) nehmen sie auch ohne sichere Zuschreibung an ihren Namensgeber Rosenpl¨ut eine besondere Stellung ein. ¨ Uberlieferung: Die umfangreichsten Gruppen v. R. F. finden sich in: M: M¨unchen, BSB, Cgm 714, 289r–490r (Pap., N¨urnberg [?], 1184
Rosenplutsche ¨ Fastnachtspiele 1455–58, nordbair., 50 Fastnachtspiele und zwei Fragm.). – K: Wolfenb¨uttel, HAB, cod. 76.3 Aug. 2°, 108r–149v, 191r–199v (Pap., N¨urnberg, um 1458–80, schw¨abisch-n¨urnbergisch, 14 Fastnachtspiele). – D: Dresden, LB, Mscr. M 50, 221 Bll. (Pap., N¨urnberg, 1460–62, norbair.-ostfr¨ankisch, 11 Fastnachtspiele). – F: N¨urnberg, Germ. Nationalmuseum, cod. 5339a, 399 Bll. (Pap., N¨urnberg, um 1472, bair.; 10 Fastnachtspiele). – G: Wolfenb¨uttel, HAB, cod. 18.12 Aug. 4° (Pap., vor 1494, 13 sichere und 20 unsichere R. F.). – Streu¨uberl. in sieben weiteren Hss. sowie in allg. R.-Hss. – Verz. zuletzt bei N¨okker/Schuler 2009. Ausgaben: Bis heute umfangreichste Ausg., nach der meist auch die Nummerierung der R. F. erfolgt (Sigle K): Fastnachtspiele aus dem 15. Jh. Hg. v. Adelbert v. Keller. 3 Bde. Stuttgart 1853. Nachtragsbd. ebd. 1858. Nachdr. Darmstadt 1965/66. – Teilausgabe: Des n¨othigen Vorraths zur Gesch. der dt. dramatischen Dichtkunst zweyter Teil oder Nachlese aller dt. Trauer-, Lustund Singspiele [...]. Hg. v. Johann Christoph Gottsched. Leipzig 1765, S. 43–80 (K 39, 41 f., 46, 49, 96). – Ludwig Tieck: Dt. Theater 1. Berlin 1817 (Mikrofiche-Ausg. Wildberg 1989/90) S. 3–16 (K 39, 46). – Karl Goedeke: Dt. Dichtung im MA. Dresden 1871 (Online-Ausg. M¨unchen 2011), S. 977–980 (K 73, 89, 92, aber nach anderer Hs.-Vorlage als Keller 1853). – Richard Froning (Hg.): Das Drama des MA. Stuttgart [1892] (Nachdr. Darmstadt 1964) S. 962–981 (K 39, 72, 78). – Fastnachtspiele des 15. und 16. Jh. Hg. v. Dieter Wuttke. Stuttgart 21978, S. 3–40 (K 24, 30, 46, 73, 85, 96, neu aus den Hss. hg.). – Dt. Spiele und Dramen des 15. und 16. Jh. Hg. v. Hellmut Thomke. Frankfurt/M. 1996, S. 9–30, 909–930 (K 96, 100). – Fr¨uhe N¨urnberger Fastnachtspiele. Hg. v. Klaus Ridder/Hans-Hugo Steinhoff mit Oliver Huck. Paderborn u. a. 1998, S. 21–74 (K 40, 45, 86, 88, 94). – Eine neue Gesamtausg. der R. F. ist in Vorbereitung. ¨ Literatur: Altere Lit. bei Catholy 1961, Catholy 1966, Simon 1970 und Glier 1992 (s. u.). Vgl. auch die Lit. zu Hans Rosenpl¨ut sowie die Ausgaben. – Ingeborg Glier, VL2 8 (1992) Sp. 211–232. – Dies.: Rosenpl¨ut. In: ebd., Sp. 195–211; 11 (2004) Sp. 1333. – Johannes Rettelbach: Rosenplu¨ t, Hans, genannt Schnepperer. In: NDB 22 (2005) S. 73. – R¨udiger Brandt u. a.: Hans Rosenpl¨ut. In: KLL 14 (2009) S. 17–19. – Mario M¨uller: Rosenpl¨ut, Hans. In: Killy2 10 (2011) S. 19–21. – Eckehard 1185
1. H¨alfte 15. Jh. Catholy: Das F. des Sp¨atMA. Gestalt und Funktion (Hermaea NF 8). T¨ubingen 1961. – I. Glier: Personifikationen im dt. Fastnachtspiel des Sp¨atMA. In: DVjs 39 (1965) S. 542–587. – Werner Lenk: Das N¨urnberger Fastnachtspiel des 15. Jh. Ein Beitr. zur Theorie und zur Interpretation des Fastnachtspiels als Dichtung (Dt. Akad. der Wiss. zu Berlin. Ver¨off. des Inst. f¨ur dt. Sprache und Lit. 33). Berlin 1966. – E. Catholy: Fastnachtspiel. Stuttgart 1966. – Gerd Simon: Die erste dt. Fastnachts¨ spieltradition. Zur Uberl., Textkritik und Chronologie der N¨urnberger Fastnachtsspiele des 15. Jh. [...] (Germ. Stud. 240). L¨ubeck/Hamburg 1970 (Lit.). – Johannes Merkel: Form und Funktion der Komik im N¨urnberger F. Freiburg i. Br. 1971. – R¨udiger Krohn: Der unanst¨andige B¨urger. Unters. zum Obsz¨onen in den N¨urnberger Fastnachtsspielen des 15. Jh. (Scriptor Hochschulschr. Literaturwiss. 4). Kronberg/Ts. 1974. – Dietz-R¨udiger Moser: Fastnacht und Fastnachtspiel. Zur S¨akularisierung geistlicher Volksschauspiele bei Hans Sachs und ihre Vorgesch. In: Hans Sachs und N¨urnberg. Bedingungen und Probleme reichsst¨adtischer Lit. Hans Sachs zum 400. Todestag am 19. Januar 1976. Hg. v. Horst Brunner. N¨urnberg 1976, S. 182–218. – Hansj¨urgen Linke: Das volkssprachige Drama und Theater im dt. und ndl. Sprachbereich. In: Neues Hb. der Literaturwiss. 8. Hg. v. Willi Erzgr¨aber. Wiesbaden 1978, S. 733–763, hier S. 755–760. – Hans Blosen/Harald Pors: Rollenregister zu Adelbert v. Kellers Slg. Fastnachtspiele aus dem 15. Jh. (GAG 326). G¨oppingen 1981. – Hagen Bastian: Mummenschanz. Sinneslust und Gef¨uhlsbeherrschung im Fastnachtspiel des 15. Jh. Frankfurt/M. 1983. – Bernhard Sowinski: Zur Stofftradition und Handlungsstruktur des F.s ‹Von f¨ursten und herren› (Keller 17). In: Virtus et Fortuna. Zur dt. Lit. zwischen 1400 und 1720. FS Hans-Gert Roloff. Hg. v. Joseph P. Strelka/J¨org Jungmayr. Bern 1983, S. 106–117. – Hedda Ragotzky: Der Bauer in der Narrenrolle. Zur Funktion ‹verkehrter Welt› im fr¨uhen N¨urnberger F. In: Typus und Individualit¨at im MA. Hg. v. Horst Wenzel. Mu¨ nchen 1983, S. 77–101. – Eckehard Simon: Zu den Anf¨angen des weltlichen Schaupiels. In: JOWG 4 (1986/87) S. 139–150. – Bernd Neumann: Geistliches Schauspiel im Zeugnis der Zeit. Bd. 1. Zur Auff¨uhrung ma. religi¨oser Dramen im dt. Sprachgebiet (MTU 84). Mu¨ nchen 1987, S. 603 f. – I. Glier: Hans Rosenpl¨ut als M¨arendichter. In: Kleinere Erz¨ahlformen im MA. Paderborner Collo1186
1. H¨alfte 15. Jh. quium 1987. Hg. v. Klaus Grubm¨uller u. a. M¨unchen 1988, S. 137–149. – Johannes M¨uller: Schwert und Scheide. Der sexuelle und skatologische Wortschatz im N¨urnberger Fastnachtspiel des 15. Jh. (Dt. Lit. von den Anf¨angen bis 1700, Bd. 2). Bern u. a. 1988. – E. Simon: Weltliche Schauspiele vor dem N¨urnberger Fastnachtspiel. In: PBB 111 (1989) S. 299–313. – Elisabeth Keller: Die Darstellung der Frau in F. und Spruchdichtung von Hans Rosenpl¨ut und Hans Folz. Frankfurt/M. 1992. – Fran¸coise Salvan-Renucci: Sechs Fastnachtspiele von Hans Rosenpl¨ut. Konstanten und Varianten. In: Jeux de Carnaval et Fastnachtspiele. ´ Actes du Colloque du Centre d’Etudes M´edi´evales de l’Universit´e de Picardie Jules Verne, 14 et 15 janvier 1994. Hg. v. Danielle Buschinger/Wolfgang Spiewok. Greifswald 1994, S. 131–151. – James R. Erb: Performing at the Bar. Reconstructing the Nuremberg ‹Fastnachtspiel› of the Fifteenth Century. Berkeley 1996. – Brigitte Stuplich: ‹Das ist dem adel ain große schant›. Zu R.s politischen F. In: R¨ollwagenb¨uchlein. FS Walter R¨oll. Hg. v. J¨urgen Jaehrling u. a. T¨ubingen 2002, S. 165–185. – H. Ragotzky: Fastnacht und Endzeit. Zur Funktion der Antichrist-Figur im N¨urnberger Fastnachtspiel des 15. Jh. In: ZfdPh 121 (2002) S. 54–71. – Denise Menting: Macht Sprache Leute? Unters. zur gesprochenen Sprache und zum Sprachgebrauch im sp¨atma. N¨urnberg am Beispiel von ausgew¨ahlten Fastnachtspielen und Vergleichstexten. Mu¨ nchen 2003. – E. Simon: Die Anf¨ange des weltlichen dt. Schauspiels 1370–1530. Unters. und Dokumentation. T¨ubingen 2003, S. 320 f. – K. Ridder u. a.: Neuedition und Kommentierung der vorreformatorischen N¨urnberger F. In: Dt. Texte des MA zwischen Handschriftenn¨ahe und Rekonstruktion. Berliner Fachtagung 1.–3. April 2004 (Editio Beih. 23). Hg. v. Martin J. Schubert. T¨ubingen 2005, S. 237–256. – Rebekka N¨ocker/Martina Schu¨ ler: Uberl., Edition, Interpretation. Zur Neuausg. N¨urnberger F. des 15. und beginnenden 16. Jh. In: Fastnachtspiele. Weltliches Schauspiel in literarischen und kulturellen Kontexten. Hg. v. K. Ridder. T¨ubingen 2009, S. 363–380. – Christiane Ackermann: Dimensionen der Medialit¨at. Die Osmanen im Rosenpl¨utschen ‹Turken Vasnachtspil› sowie in den Dramen des Hans Sachs und Jakob Ayrer. In: ebd., S. 189–220. – K. Ridder u. a.: Spiel und Schrift. N¨urnberger Fastnachtspiele zwi¨ schen Auff¨uhrung und Uberl. In: Lit. als Spiel. 1187
Rosenplut ¨ Evolutionsbiologische, a¨sthetische und p¨adagogische Konzepte. Hg. v. Thomas Anz/Heinrich Kaulen. Berlin/New York 2009, S. 195–208. – K. Ridder: Das N¨urnberger F. ‹Die karge Bauernhochzeit› (K 104). In: Das K¨onigreich der Narren. Fasching im MA. Hg. v. Johannes Grabmayer. Klagenfurt ¨ 2009, S. 123–144. – R. N¨ocker: Uberlegungen zur Rechtswirklichkeit im fr¨uhen N¨urnberger F. In: Zs. f¨ur Literaturwiss. und Linguistik 41 (2011) S. 66–87. MM Rosenplut, ¨ Hans → Band 5. Vom Tanaw¨aschel (Tanaweschel, Tanawetzel). – Fastnachtspiel, um 1430/40. Das 252 Paarreimverse umfassende, unikal u¨ berlieferte Spiel ist wahrscheinlich im bair.-¨osterr. Sprachgebiet entstanden. Eine T. genannte epidemische Grippe mit oft t¨odlichem Ausgang ist u. a. f¨ur das Jahr 1414 bezeugt. Das noch dem Reihenspiel verbundene Handlungsspiel wurde wie die anderen St¨ucke in der Handschrift vermutlich um 1430/40 aufgezeichnet. Inhalt des Spiels ist die Gerichtsverhandung gegen die personifizierte Krankheit T. Vor dem «marschalk» erheben nacheinander verschiedene Vertreter der Gesellschaft Anklage gegen T.: der fahrende Sch¨uler «Fr¨odenreich», ein Ritter, eine Jungfrau, ein Kaufmann von «Mereberg», eine Klosterfrau und ein Bauer. In seiner Verteidigungsrede stellt T. seine Opfer u. a. als Trunkenbolde und W¨ustlinge hin, die ohnehin bald gestorben w¨aren («der tod nit lenger peiten wil»). Seine Bitte um einen «f¨ursprecher» lehnen der Richter und dessen vier Ratgeber ab. Ein M¨onch nimmt dem f¨ur schuldig befundenen T. die Beichte ab, der dann dem Henker u¨ bergeben wird. Das St¨uck endet mit dessen Ank¨undigung der Urteilsvollstreckung («Ich slach dir ab dein kragen»). ¨ Uberlieferung: Wolfenb¨uttel, HAB, Cod. 18.12 Aug. 4°, 323r–328v (Pap., 1494). Ausgaben: Adelbert von Keller (Hg.): Fastnachtspiele aus dem f¨unfzehnten Jh. Tl. 1 (Bibl. des Litterarischen Vereins in Stuttgart 28). Stuttgart 1853 (Nachdr. Darmstadt 1965) S. 468–476; Tl. 3 (Bibl. [...] 30). Stuttgart 1853 (Nachdr. Darmstadt 1965) S. 1511; Nachlese (Bibl. [...] 46). Stuttgart 1858 (Nachdr. Darmstadt 1966) S. 343. – Hedwig Heger (Hg.): Sp¨atMA, Humanismus, Reformation. Texte und Zeugnisse. 1. Teilbd. (Die Dt. Lit. Texte 1188
Friedberger Dirigierrolle und Zeugnisse II/1). M¨unchen 1975 (Nachdr. ebd. 1988) S. 357–365. Literatur: De Boor/Newald 4/1 (21994) S. 237, 283. – Dorothea Klein, VL2 9 (1995) Sp. 598–600. – Frank F¨urbeth/Red., Killy2 11 (2011) S. 426. – Karl Weinhold: Der Tannewetzel und B¨urtzel. In: ZfdPh 1 (1869) S. 22–24. – Victor Michels: Stud. u¨ ber die a¨ltesten dt. Fastnachtspiele (Quellen und Forschungen zur Sprach- und Culturgesch. der germ. V¨olker 77). Straßburg 1896, S. 29 f. – Ingeborg Glier: Personifikationen im dt. Fastnachtspiel des Sp¨atMA. In: DVjs 39 (1965) S. 542–587, hier S. 563–566. – Eckehard Catholy: Fastnachtspiel (Slg. Metzler 56). Stuttgart 1966, S. 65. – Gerd Simon: Die erste dt. Fastnachtsspieltradition. Zur ¨ Uberl., Textkritik und Chronologie der N¨urnberger Fastnachtsspiele des 15. Jh. [...] (Germ. Stud. 240). L¨ubeck/Hamburg 1970, S. 20, 87, 107–118 (zur Hs.). – David Brett-Evans: Von Hrotsvit bis Folz und Gengenbach. Eine Gesch. des ma. dt. Dramas. Tl. 2: Religi¨ose und weltliche Spiele des Sp¨atMA (Grundlagen der Germanistik 18). Berlin 1975, S. 147 f. BJ Basler Teufelsspielfragment (auch: Basler Fastnachtspiel). – Fragment eines geistlichen Spiels. Das anonym u¨ berlieferte B. T. ist nur in einer Basler Handschrift aus dem ersten Drittel des 15. Jh. (vielleicht 1434) erhalten. Das in Versen verfasste Fragment enth¨alt 154 Zeilen, die aus einem ansonsten unbekannten Moralit¨ats-, Passionsoder Osterspiel stammen d¨urften. Darin beschließt Luzifer, die H¨olle durch frische Seelen irdischer S¨under aufzuf¨ullen, und sendet zu diesem Zweck die ihm unterstellten Teufel in die Welt. Der im B. T. im Mittelpunkt stehende Su¨ nder ist ein Wucherer, an dessen Figur sich ein Charakteristikum des Fragements zeigt: So erfolgt die Aufz¨ahlung seiner S¨unden nicht wie in a¨ hnlichen Spielen durch den Wucherer selbst. Vielmehr entfalten sich seine S¨unden im direkten Gespr¨ach mit seinen Leibeigenen. Die Forschung hat hinter dieser dialogischen Anlage franz¨osische oder italienische Einfl¨usse vermutet. ¨ Uberlieferung: Basel, UB, cod. N.I.2, Nr. 91, 2 Bll. (Pap., erstes Drittel 15. Jh., baslerisch/oberels¨assisch). Ausgaben: Gustav Binz: Ein Basler Fastnachtspiel aus dem 15. Jh. In: ZfdPh 32 (1900) S. 58–63. – Basler Fastnachtspielszenen (1434). In: 1189
1. H¨alfte 15. Jh. Fr¨uhe Schweizerspiele. Hg. v. Friederike ChristKutter. Bern 1963, S. 24–29. Literatur: Friederike Christ-Kutter, VL2 1 (1978) Sp. 632 f. – De Boor/Newald 4/1 (21994) S. 283 f. (allg. zu Fastnachtspielen). – Wilhelm Creizenach: Gesch. des neueren Dramas. Halle/ Saale 21911, S. 247. – Rolf Max Kulli: Die St¨andesatire in den dt. geistlichen Schausp. des ausgehenden MA. Bern 1966, passim. – Rolf Bergmann: Auff¨uhrungstext und Lesetext. Zur Funktion der ¨ Uberl. des ma. geistlichen dt. Dramas. In: The Theatre in the Middle Ages. Hg. v. Herman Braet u. a. Leuven 1985, S. 314–351. – Ders.: Kat. der deutschsprachigen geistlichen Spiele und Marienklagen des MA (Ver¨off. der Kommission f¨ur Dt. Lit. des MA der Bayerischen Akad. der Wiss.). M¨unchen 1986, S. 56–58 (Nr. 14). MM Friedberger Dirigierrolle (auch: Friedberger Passions-, Fronleichnams-, Prozessionsspiel). – Regiebuch eines Passionspiels, 15. Jh. Die Sammelhandschrift aus Friedberg/Hessen enthielt neben dem Text zu einem eint¨agigen Passionsspiel auch eine Dirigierrolle zu einem Teufelsspiel mit St¨andesatire, eine Dirigier- oder Einzelrolle einer Szene mit Ecclesia und Synagoga sowie mehrere Rollen- und Darstellerverzeichnisse. Die zwischen der Frankfurter Tradition und dem → Alsfelder Passionsspiel anzusiedelnde F. D. geh¨ort zur hessisch-rheinfr¨ankischen Passionsspielgruppe. F¨ur Friedberg sind seit 1436 (eventuell bereits seit 1419) Auff¨uhrungen geistlicher Spiele im Zusammenhang mit der j¨ahrlichen Sakramentsprozession zu Fronleichnam bezeugt. Die Spiele wurden seit 1465 von der Michaelsbruderschaft, seit ihrer Gr¨undung 1479 auch von der Sebastiansbruderschaft veranstaltet. Die F. D. beginnt mit dem Weltleben der Maria Magdalena, gefolgt von der Auferweckung des Lazarus und dem Gastmahl des Simon Leprosus. Das Ostergeschehen endet mit der Grabw¨achterszene nach der Auferstehung. Durch neuen Text auf Zusatzbl¨attern und Eintragungen auf frei gebliebenen Seiten der Handschrift wurde der Szenenbestand dreimal erweitert: a) Einberufung einer Teufelsversammlung durch «Lucifer» und Aussendung der Teufel zum Seelenfang, b) Auseinandersetzung zwischen «Ecclesia» und «Synagoga», c) Szene mit «Lucifer» und «Sathanas» beim Kreuz; Tanz der «Iudei» um das Kreuz. Im Unterschied zu 1190
1. H¨alfte 15. Jh. dieser Rekonstruktion Janotas sieht Linke in a) und b) alternative Spielabschl¨usse. ¨ Uberlieferung: Verschollen (Pap., 30 Bll., Schmalfolio, 15. Jh., rheinfr¨ankisch; vermutlich in Friedberg entstanden). Ausgaben: Ernst Wilhelm Zimmermann: Das Alsfelder Passionsspiel und die Wetterauer Spielgruppe. In: Arch. f¨ur hessische Gesch. und Altertumskunde NF 6 (1909) S. 172–203 (zugleich Diss. G¨ottingen 1909; Rekonstruktion). – Johannes Janota (Hg.): Die Hessische Passionsspielgruppe. Edition im Paralleldruck. Bd. 2: Alsfelder Passionsspiel. F. D. mit den Paralleltexten. Weitere Spielzeugnisse. Alsfelder Passionsspiel mit den Paralleltexten. Edition der Musik von Horst Brunner. T¨ubingen 2002, S. 131–147. Literatur: Hansj¨urgen Linke, VL2 2 (1980) Sp. 924–926. – De Boor/Newald 4/1 (21994) S. 248 f. – Bernd Neumann/Red., Killy2 4 (2009) S. 6 f. – Karl Weigand: F. Passionsspiel. In: ZfdA 7 (1849) S. 545–556. – B. Neumann: Geistliches Schauspiel im sp¨atma. Friedberg. In: Wetterauer Geschichtsbll. 24 (1975) S. 113–131. – Zimmermann (s. Ausg.). – Ferdinand Dreher: Das Friedberger Fronleichnamsspiel und das Schicksal der Spielgew¨ander. In: Friedberger Geschichtsbll. 2 (1910). – Wolfgang F. Michael: Das dt. Drama des MA (Grundriß der germ. Philologie 20). Berlin/ New York 1971. – David Brett-Evans: Von Hrotsvit bis Folz und Gengenbach. Eine Gesch. des ma. dt. Dramas. Tl. 2: Religi¨ose und weltliche Spiele des Sp¨atMA (Grundlagen der Germanistik 18). Berlin 1975, S. 83 f. – Rolf Bergmann: Kat. der deutschsprachigen geistlichen Spiele und Marienklagen des MA (Ver¨off. der Kommission f¨ur dt. Lit. des MA der Bayerischen Akad. der Wiss.). M¨unchen 1986, S. 129–131 f. (Nr. 52). – B. Neumann: Geistliches Schauspiel im Zeugnis der Zeit. Zur Auff¨uhrung ma. religi¨oser Dramen im dt. Sprachgebiet (MTU 84.85). Mu¨ nchen 1987, Bd. 1, S. 369 (Nr. 1732). – Dorothea Freise: Geistliche Spiele in der Stadt des ausgehenden MA. Frankfurt – Friedberg – Alsfeld (Ver¨off. des Max-Planck-Inst. f¨ur Gesch. 178). G¨ottingen 2002. – Janota (s. Ausg.). – Klaus Vogelgsang: Komm. zum ‹Alsfelder Passionsspiel› und zu den zugeh¨origen kleineren Spielzeugnissen (Die Hessische Passionsspielgruppe. Edition im Paralleldruck. Erg.-Bd. 2). T¨ubingen 2008, S. 15–17. BJ 1191
Gottweiger ¨ Dirigierrolle eines Osterspiels Gottweiger ¨ Dirigierrolle eines Osterspiels (fr¨uher: G¨ottweiger Osterspiel-Fragment). – Einzig bislang bekanntes Regiebuch zu einem Osterspiel, im 15. Jh. aufgezeichnet. Bei der G. D. handelt es nicht um ein Fragment (so Hoffmann), sondern um einen vollst¨andigen Regieauszug eines dt. Osterspiels (132 Verse) ¨ mit der Uberschrift «Incipit ludus paschalis». Die Dirigierrolle enth¨alt B¨uhnenanweisungen und den jeweils ersten Vers des dt. Textes, mitunter auch mehrere Textverse (Prolog des «precursor», Bestellung der Grabwache, Auferstehung, H¨ollenfahrt, weitere Grabw¨achterszene und Verweis auf eine «visitatio sepulchri», deren Text aber fehlt). ¨ Uberlieferung: G¨ottweig, Stiftsbibl., Fragm. 354 (fr¨uher Cod. 354 (rot) / 395 (schwarz) (fr¨uher K 27), Vorderdeckelspiegel), 1 Doppelbl. (Pap., 15. Jh., s¨udbair.). Ausgaben: [August] Heinrich Hoffmann [von Fallersleben] (Hg.): Fundgruben f¨ur Gesch. dt. Sprache und Litteratur. Tl. 2. Breslau 1837 (Nachdr. Hildesheim 1969) S. 244. – Rolf Bergmann: Die G. D. e. O. In: FS Siegfried Grosse. Hg. v. Werner Besch u. a. (GAG 423). G¨oppingen 1984, S. 325–335. Literatur: Hansj¨urgen Linke: VL 3 (21981) Sp. 199; 11 (2004) Sp. 552. – Bernd Neumann, Killy2 4 (2009) S. 299. – Rolf Bergmann: G. D. e. O. In: 900 Jahre Stift G¨ottweig. 1083–1983. Ein Donaustift als Repr¨asentant benediktinischer Kultur [Ausstellungskat.]. G¨ottweig 1983, S. 573–577 (Nr. 1088) (mit stark verkleinertem Vollfaks.). – Ders.: Kat. der deutschsprachigen geistlichen Spiele und Marienklagen des MA (Ver¨off. der Kommission f¨ur dt. Lit. des MA der Bayerischen Akad. der Wiss.). M¨unchen 1986, S. 141 f. (Nr. 58). – B. Neumann: Geistliches Schauspiel im Zeugnis der Zeit. Zur Auff¨uhrung ma. religi¨oser Dramen im dt. Sprachgebiet (MTU 84.85). M¨unchen 1987, Bd. 2, S. 839 (Nr. 3627). – Fritz Peter Knapp: Die ¨ Lit. des Sp¨atMA in den L¨andern Osterreich, Steiermark, K¨arnten, Salzburg und Tirol von 1273 bis 1439. 2. Halbbd.: Die Lit. zur Zeit der habsburgischen Herz¨oge von Rudolf IV. bis Albrecht V. ¨ (1358–1439) (Gesch. der Lit. in Osterreich 2,2). Graz 2004, S. 441. BJ Bartfelder Rollenverzeichnis eines Osterspiels. Das Verzeichnis bietet 54 Rollen eines umfangreichen, nicht erhaltenen Osterspiels mit Teufels1192
Erfurter Moralit¨at und Kr¨amerspiel bei 37 Rollen sind auch die Namen der Darsteller aus Bartfeld eingetragen. Aus den Rollenangaben l¨asst sich der Szenenablauf des Spiels rekonstruieren (vgl. Abel, Ausg.). Im Vergleich u. a. mit → Innsbrucker (th¨uringischen) und dem → Wiener (schlesischen) Osterspiel ist die Erweiterung des Spielpersonals auffallend; so treten neben Frau und Sohn des Caiphas auch Frau und Tochter des Medicus auf. ¨ Uberlieferung: Bartfeld/Bardejov (Slowakei; ungar. B´artfa), ehem. Stadtarch., ohne Sign., Einzelbl. (Pap., Mitte 15. Jh.; verschollen). Ausgabe: Eugen Abel: Das Schauspielwesen zu Bartfeld im XV. und XVI. Jh. In: Ungarische Revue 4 (1884) S. 649–675, hier S. 658–668. Literatur: Bernd Neumann, VL2 1 (1978) Sp. 608 f. – De Boor/Newald 3/2 (1987) S. 171. – Abel (s. Ausg.) 1884. – Josef Ernyey/Geiza Karsai: Dt. Volksschauspiele aus den Oberungarischen Bergst¨adten. Bd. 2, 1. H¨alfte. Budapest 1938. – Rolf Bergmann: Kat. der deutschsprachigen geistlichen Spiele und Marienklagen des MA (Ver¨off. der Kommission f¨ur dt. Lit. des MA der Bayerischen Akad. der Wiss.). M¨unchen 1986, S. 55 f. (Nr. 13). – B. Neumann: Geistliches Schauspiel im Zeugnis der Zeit. Zur Auff¨uhrung ma. religi¨oser Dramen im dt. Sprachgebiet (MTU 84/85). 2 Bde. Mu¨ nchen 1987, Bd. 1, S. 122 f. (Nr. 36, Abdruck nach Abel). BJ Gothaer (thuringische) ¨ Botenrolle. – Rollentext (Fragment) des Boten zu einem mindestens zweit¨agigen geistlichen Schauspiel. Der an einzelnen Stellen nur aus Schlagversen bestehende Text ist der eines Boten «Otteber», der sich mehrmals auch an das Publikum wendet. Das Schauspiel behandelt die Zerst¨orung Jerusalems und die Bestrafung Neros durch Titus und Vespasian wegen der Verfolgung der Apostel. Ferner treten auf Pilatus, die Apostel Petrus und Paulus, Frau Hoffart, Ecclesia und Synagoga. Nach Linke begann das Schauspiel «dem Anscheine nach mit der Veronica-Legende». ¨ Uberlieferung: Gotha, Forschungsbibl., Cod. Chart. B 1582, 2 fragm. Bll. (Pap., erste H¨alfte 15. Jh., ostth¨uringisch). Ausgaben: Karl Bartsch: Bruchst¨uck eines Dramas. In: Ders.: Beitr. zur Quellenkunde der altdt. Lit. Straßburg 1886, S. 355–358 (Teile von Bl. 1r, Bl. 2 vollst.]. – E[dward] S[chr¨oder]: Die Gothaer Botenrolle. In: ZfdA 38 (1894) S. 223 f. (Bl. 1 und 1193
1. H¨alfte 15. Jh. Kollation zum Abdruck von Bl. 2 durch Bartsch). – Rolf Bergmann: Die G. B. In: Stud. zur dt. Lit. des MA. In Verbindung mit Ulrich Fellmann hg. v. Rudolf Sch¨utzeichel. Bonn 1979, S. 589–606, Faks. S. 607–609. Literatur: Hansj¨urgen Linke, VL2 3 (1981) Sp. 116 f. – Bartsch (s. Ausg.) S. 355, 358. – Schr¨oder (s. Ausg.) S. 222, 224. – Rolf Steinbach: Die dt. Oster- und Passionsspiele des MA (K¨olner germanistische Stud. 4). K¨oln/Wien 1970, S. 268. – Wolfgang F. Michael: Das dt. Drama des MA (Grundriß der germ. Philologie 20). Berlin/New York 1971. – Bergmann (s. Ausg.) S. 589–598. – Rolf Bergmann: Kat. der deutschsprachigen geistlichen Spiele und Marienklagen des MA (Ver¨off. der Kommission f¨ur dt. Lit. des MA der Bayerischen Akad. der Wiss.). M¨unchen 1986, S. 143 f. (Nr. 59). – B. Neumann: Geistliches Schauspiel im Zeugnis der Zeit. Zur Auff¨uhrung ma. religi¨oser Dramen im dt. Sprachgebiet (MTU 84.85). M¨unchen 1987, Bd. 2, S. 838 (Nr. 3628). BJ Erfurter Moralit¨at (auch: Spiel von den Frauen Ehre und Schande, Spiel von Tugend und Schande). – Allegorisches Spiel, 1. H¨alfte 15. Jh. Die E. M. ist mit rund 18.000 Versen (154 Rollen) das umfangreichste und «kompositorisch das kunstvollste aller mittelalterlichen Dramen in Deutschland» (Linke 1979, S. 215). Der u¨ berlieferte Text ist eine zu Lesezwecken hergestellte Abschrift eines B¨uhnenmanuskripts. Regieanweisungen lassen vermuten, dass der Text zur Auff¨uhrung gedacht war, die mehrere Tage in Anspruch genommen haben muss. Die E. M. besteht aus einem Vorspiel und einer zweiteiligen Haupthandlung, «die sich aus einem Tugendspiel in Form einer parabolischen und aus einem Weltgerichtsspiel in Form einer eschatologischen Moralit¨at zusammensetzt» (Linke 1980, Sp. 577). Die Dramatisierung der neutestamentlichen Gleichnisse von den klugen und t¨orichten Jungfrauen (Mt 25,1–12), vom verlorenen Sohn (Lk 15,11–32) und vom reichen Mann und armen Lazarus (Lk 16,19–31) wird mit einer heilsp¨adagogischen Unterweisung verbunden. Neun, zum Teil berittene Herolde («nuncii») er¨offnen das Spiel mit Erkl¨arungen zur Spielprozession und Inhaltsangaben der Spielhandlung. Der von Gott ausgesandten Frau Ehre folgen acht Haupttugenden und jeweils sieben zugeordnete Teiltugenden, mehrere alttestamentliche Gestalten, 1194
1. H¨alfte 15. Jh. drei der apokalyptischen Reiter, «Ecclesia» und die vier Evangelisten sowie Ritter und Knappen. In einer Gegenprozession tritt Frau Schande mit ihrem Gefolge auf: sieben Hauptlaster, der Tod, eine Schar von Teufeln. Nach diesem Vorspiel kr¨ont Frau Ehre die Tugenden zu K¨oniginnen und «Ecclesia» besteigt den Thron der Apokalypse. Auch die sieben Hauptlaster werden vorgestellt. Zu den zehn Jungfrauen – in ihrer Mitte befindet sich Frau Welt («Mundus», mit einer sch¨onen Vorderseite und einem von Ratten, Kr¨oten und Schlangen zerfressenen R¨ucken) – geh¨oren zwei Begleiter: «Prudens» und «Fatuus». W¨ahrend «Prudens» von Frau Ehre geleitet wird, gibt sich «Fatuus» den Verf¨uhrungen von Frau Welt hin. Mit «Adolescens» und «Senior» treten zwei beispielhaft f¨ur Menschen stehende Figuren auf, die sich in dieser Welt zu bew¨ahren haben. Ihre Wirkungen, Verdienste und Reize schildernd, werben Tugenden und Laster um die Gunst der beiden. Es folgen Darlegungen der zehn Gebote, der sieben Sakramente und der zehn a¨ gyptischen Plagen. Insgesamt zeigt sich das St¨uck als systematische religi¨ose Tugendlehre und Unterweisung in Glaubenswahrheiten. «Ruwe» («Penitencia») lehrt, dass es drei Arten der Reue gibt: eine gesunde (rechtzeitig zu Lebzeiten), eine kranke (sp¨at, aber noch zu Lebzeiten) und eine tote Reue (die vergebliche Reue der in der H¨olle begrabenen Seelen). W¨ahrend «Senior» ein Leben der Tugend w¨ahlt, verf¨allt «Adolescens» der «Unkuschheit» («Luxuria»), fordert von seinem Bruder das v¨aterliche Erbe und begibt sich zum Sitz der Frau Welt. «Unkuschheit» bringt ihn zu ihrem Schwager «Fatuus», in dessen Wirtshaus er nach Strich und Faden ausgenommen wird. Er wird davongejagt, verdingt sich als Schweinehirt bei einem Herrn (d.i. jener reiche Mann, der dem armen Lazarus jedwede Hilfe verweigert hat), wird auch noch um seinen Lohn betrogen und kehrt schließlich reuig zum Vater (Gott) zur¨uck, von dem er – nach dem Streit der g¨ottlichen Qualit¨aten Barmherzigkeit und Gerechtigkeit miteinander – wieder angenommen wird. Im anschließenden Weltgericht (vgl. Hochzeit des Zehnjungfrauengleichnisses) hat nach einer erneuten Litigatio der T¨ochter Gottes die Gerechtigkeit den Vorrang. Der reiche Mann, «Fatuus» und die f¨unf T¨orichten verfallen der ewigen Verdammnis. Neben dem «lacus miserie» in der H¨olle als ihrem Bestimmungsort werden etwa zw¨olf andere «loca» der B¨uhne erw¨ahnt. 1195
Erfurter Moralit¨at ¨ Uberlieferung: Coburg, LB, Ms. Cas. 43, 205ra–273ra (Pap., 1448, th¨uringisch). Die 1935 entdeckte Sammelhandschrift enth¨alt nach Die vierundzwanzig Alten des Erbauungsschriftstellers → Otto von Passau das 21. Kapitel («Vom unbereiten Sterben») aus Heinrich → Seuses B¨uchlein der ewigen Weisheit, das Gedicht Vom j¨ungsten Tage, Spr¨uche aus der Bibel und den Kirchenv¨atern, Seuses genanntes Werk noch einmal ganz und eine dt. HldAuslegung. Der sich dann nennende Schreiber Heinrich Czun datiert die Niederschrift (bis dahin zweispaltig) auf 1448. Die sich unmittelbar anschließende, dreispaltig geschriebene E. M. stammt vom selben Schreiber. Literatur: Hansj¨urgen Linke, VL 2 (1980) Sp. 576–582. – De Boor/Newald 3/2 (1987) S. 197. – Wieland Schmidt: Die vierundzwanzig Alten Ottos von Passau (Palaestra 212). Leipzig 1938 (Nachdr. New York 1967) S. 203–205 (zur Hs.). – Franz Georg Kaltwasser: Die Hss. der Bibl. des Gymnasium Casimirianum und der SchererZieritz-Bibl. (Kataloge der Landesbibl. Coburg III). Coburg 1960, S. 105–110. – H. Linke: Die Komposition der E. M. In: Medium Aevum deutsch. Beitr. zur dt. Lit. des hohen und sp¨aten MA. FS Kurt Ruh. Hg. v. Dietrich Huschenbett u. a. T¨ubingen 1979, S. 215–236. – Rolf Bergmann: Kat. der deutschsprachigen geistlichen Spiele und Marienklagen des MA (Ver¨off. der Kommission f¨ur dt. Lit. des MA der Bayerischen Akad. der Wiss.). Mu¨ nchen 1986, S. 87–89 (Nr. 32). – Hans-Gert Roloff: Die Struktur der E. M. In: ‹Von wyßheit w¨urt der mensch geert ...›. FS Manfred Lemmer. Hg. v. Ingrid K¨uhn/Gotthard Lerchner. Frankfurt/M. u. a. 1993, S. 391–409. – H. Linke: Figurengestaltung in der ‹E. M.›. Geistliche Dramatik als Lebensorientierung. In: ZfdA 124 (1995) S. 129–142. – Claudia Spanily: Affekte als Handlanger des Teufels und Mittler des Heils in der ‹E. M.›. In: Tugenden und Affekte in der Philosophie, Lit. und Kunst der Renaissance. Hg. v. Joachim Poeschke u. a. (Symbolische Kommunikation und gesellschaftliche Wertesysteme 1). Mu¨ nster 2002, S. 109–124. – Dies.: Der Mensch im Spannungsfeld guter und b¨oser Kr¨afte in der ‹E. M.›. In: Das Theater des MA und der Fr¨uhen Neuzeit als Ort und Medium sozialer und symbolischer Kommunikation. Hg. v. Christel Meier u. a. (Symbolische Kommunikation und gesellschaftliche Wertesysteme 4). M¨unster 2004, S. 95–135. – Christoph Fasbender: ‹E. M.›. In: bescheidenheit. Dt. Lit. des 1196
Donaueschinger (sudbairisches) ¨ Magdalenenspiel MA in Eisenach und Erfurt. Kat. zur Ausstellung der Universit¨ats- und Forschungsbibl. Erfurt/Gotha in der Universit¨atsbibl. Erfurt vom 22. August bis 13. Oktober 2006. Hg. v. dems. Gotha 2006, S. 22 f. (A.1.7). – Ursula Schulze: Geistliche Spiele im MA und in der Fr¨uhen Neuzeit. Von der liturgischen Feier zum Schauspiel. Eine Einf. Berlin 2012, S. 197 f. BJ Donaueschinger Weltgerichtsspiel. – Fragment eines geistlichen Spiels in hochalemannischem Dialekt, aufgezeichnet im 15. Jh. Das auf mindestens neun Sprecher verteilte, wohl zu Lesezwecken aufgezeichnete D. W. (334 Verse) geh¨ort zur Gruppe der Spiele, die von Mt 25,31–46 ausgehen. Auf drei Seiten ist Raum f¨ur Illustrationen (oder f¨ur musikalische Einlagen ?) ausgespart. Da zwischen dem D. W., dem → Kopenhagener W. und dem → Berliner W. (beide sind durchg¨angig ¨ illustriert) ein enger textlicher Uberlieferungszusammenhang besteht, kann eine gemeinsame illuminierte Vorlage vermutet werden. Schreiber und Herkunft der Handschrift sind nicht bekannt. Im Unterschied zu anderen bekannten Weltgerichtsspielen beschr¨ankt sich das D. W. auf die Hauptszene: das J¨ungste Gericht selbst. Das mit dem Erscheinen Christi als Richter beginnende Spiel bietet nach der Scheidung der Guten und B¨osen die Verk¨undung des Urteils u¨ ber die Gerechten, das u. a. mit der Vermeidung von Tods¨unden, der Erduldung von Leid und der Verrichtung von Werken der Barmherzigkeit begr¨undet wird. Dem Urteil u¨ ber die B¨osen und deren vergeblichen Bitten um Strafminderung folgen die Begr¨undung des Urteils mit Hinweis auf begangene Tods¨unden, Unterlassung von Werken ¨ der Barmherzigkeit etc. und die Ubergabe der Verdammten an Luzifer. Mit der Wehklage der Verdammten endet das Spiel. ¨ Uberlieferung: Karlsruhe, LB, Cod. Donaueschingen 136 (Pap., erste H¨alfte 15. Jh.). Ausgaben: Das Weltgerichtsspiel der Slg. Jantz mit der Donaueschinger Variante Hs. Nr. 136. Hg. v. Winder McConnell/Ingeborg Henderson. In: Jb. des Wiener Goethe-Vereins 92/93 (1988/89) S. 223–231. – Hansj¨urgen Linke (Hg.): Die dt. Weltgerichtspiele des sp¨aten MA. Synoptische Gesamtausgabe. Bd. I: Einleitung. Bd. II/1.2: Texte. T¨ubingen/Basel 2002. Literatur: Hellmut Rosenfeld, VL2 2 (1979) Sp. 204 f. – De Boor/Newald 4/1 (21994) S. 263. – Bernd Neumann/Ursula Schulze, Killy2 3 (2008) 1197
Mitte 15. Jh.
S. 83. – Karl August Barack: Die Hss. der F¨urstlichF¨urstenbergischen Hofbibl. zu Donaueschingen, T¨ubingen 1865 (Nachdr. Hildesheim/New York 1974) S. 135 f. – Karl Reuschel: Die dt. Weltgerichtsspiele des MA und der Reformationszeit (Teutonia 4). Leipzig 1906, S. 85 f., 90 f. – Wolfgang F. Michael: Das dt. Drama des MA (Grundriß der germ. Philologie 20). Berlin/New York 1971. – Rolf Bergmann: Kat. der deutschsprachigen geistlichen Spiele und Marienklagen des MA (Ver¨off. der Kommission f¨ur dt. Lit. des MA der Bayerischen Akad. der Wiss.). M¨unchen 1986, S. 92 f. (Nr. 34). – B. Neumann: Geistliches Schauspiel im Zeugnis der Zeit. Zur Auff¨uhrung ma. religi¨oser Dramen im dt. Sprachgebiet (MTU 84.85). Mu¨ nchen 1987, Bd. 2, S. 835 f. (Nr. 3622). – Dieter Trauden: Gnade vor Recht? Unters. zu den deutschsprachigen Weltgerichtsspielen des MA (Amsterdamer Publ. zur Sprache und Lit. 142). Amsterdam/Atlanta 2000, S. 23–30. – Linke (s. Ausg.) Bd. I, S. 15 f. u. o¨ . BJ Donaueschinger (sudbairisches) ¨ Magdalenenspiel. – Passionsspielfragment. Das D. M. ist nur fragmentarisch in einer Handschrift aus der Mitte des 15. Jh. u¨ berliefert. Die erhaltenen 88 Verse stammen von der gleichen Hand wie die → Erlauer Marienklage und sind teilweise durch Noten des «cantus fractus» erg¨anzt. Wie die Bruchst¨ucke nahelegen, ging ihnen m¨oglicherweise ein Teufelsspiel voraus, in dem Seelen von S¨undern auftraten. Im eigentlichen M. sendet Luzifer dann den Teufel Schickchentancz aus, damit dieser Maria Magdalena in die H¨olle f¨uhrt. Mit einem Auftritt Magdalenas, die ein Preislied auf ihren Leib singt, endet das erste Textst¨uck. Das zweite Bruchst¨uck enth¨alt einen Wechselgesang zwischen Magdalena und ihrem Geliebten Procus. Im dritten Bruchst¨uck entwickelt sich ein ausf¨uhrlicher Dialog zwischen Magdalena und ihrer Magd Endelein. Diese will ihre Herrin bekehren, w¨ahrend Magdalena Endelein mit Procus verkuppeln will, was die Magd ablehnt. Mit einem weiteren Auftritt des Procus bricht der dritte Teil ab. Das D. M. steht in Verwandtschaft zu der Erlauer Marienklage und dem Erlauer Magdalenenspiel (→ Erlauer Spiele). So war nicht nur in beiden F¨allen der gleiche Schreiber beteiligt, sondern es ¨ existieren auch textliche Ubereinstimmungen im Wortlaut des Wechselgesangs von Magdalena und Procus. Auch d¨urfte dem D. M. wie dem Erlauer 1198
Mitte 15. Jh. Magdalenenspiel jeweils ein Teufelsspiel vorausgegangen sein. Unterschiedlich sind im D. M. und in den Erlauer St¨ucken jeweils die Melodien von Magdalenas Lied. Die neuere Forschung geht weiterhin von einem direkten Zusammenhang der Erlauer Marienklage und des D. M. aus. Beide k¨onnten Teile eines Passionsspiels gewesen sein, weshalb sie heute auch unter der Bezeichnung Donaueschinger Passionsspielfragmente zusammengefasst werden. ¨ Uberlieferung: Karlsruhe, LB, cod. Donaueschingen A III 22, 7r–9v (Pap., Mitte 15. Jh., bair.). Ausgabe: Hans Eggers/Wolfgang Irtenkauf: Die ‹Donaueschinger Marienklage›. Eine neue wohl ¨ aus Osterreich stammende Quelle f¨ur die Marienklagen und Magdalenenszenen des 15. Jh. In: Carinthia 148 (1958) S. 359–382. Literatur: Bernd Neumann, VL2 2 (1980) Sp. 203 f. – Eggers/Irtenkauf 1958 (s. Ausg.). – Rolf Bergmann: Kat. der deutschsprachigen geistlichen Spiele und Marienklagen des MA. M¨unchen 1986, S. 100 f. (Nr. 37). – Ulrich Mehler: Marienklagen im sp¨atma. und fr¨uhneuzeitlichen Deutschland. Textversikel und Melodietypen 1. Amsterdam u. a. 1997, S. 106, 205 u. o¨ . – Fritz Peter Knapp: ¨ Die Lit. des Sp¨atMA in den L¨andern Osterreich, Steiermark, K¨arnten, Salzburg und Tirol von 1273 bis 1439. 2. Halbbd.: Die Lit. zur Zeit der habsburgischen Herz¨oge von Rudolf IV. bis Albrecht ¨ V. (1358–1439) (Gesch. der Lit. in Osterreich 2,2). Graz 2004, S. 437–440. MM Erlauer Marienklage. – Dialogische Marienklage von 438 dt. Versen. Zu Beginn treten die gemeinsam klagenden drei Marien (Maria, Maria Cleophae und Maria Magdalena) auf (V. 1–43). Es folgen ein Dialog zwischen Maria und Johannes, Gang zum Kreuz, Anrede an den Gekreuzigten und Totenklage. Die Gemeinde wird mehrfach zum Mittrauern aufgefordert (V. 96–100, 130–135, 429–431). Die Klage enth¨alt zus¨atzlich zu den dt. Versen sechs lat. Strophen der Sequenz Flete fideles animae. Neben der Handschrift aus Eger ist ein Fragment (Donaueschingen, Fragm. A III 22; vgl. → Donaueschinger [s¨udbairisches] Magdalenenspiel) aus der Mitte des 15. Jh. bekannt, das etwa die Egerer Verse 62–241 umfasst. ¨ Uberlieferung: Erlau (= Eger, Ungarn), Di¨ozesan-Bibl., Cod. B. V. 6, 2°, 124v–128r, Pap. (15. Jh.; 147 Bll., Sammelhs. mit Noten). Ausgaben: Karl Ferdinand Kummer (Hg.): Erlauer Spiele. Sechs altdt. Mysterien. Wien 1882, 1199
Erlauer Marienklage S. 151–167. – Wolfgang Irtenkauf/Hans Eggers: Die ‹Donaueschinger Marienklage›. Eine neue ¨ wohl aus Osterreich stammende Quelle f¨ur die Marienklagen und Magdalenenszenen des 15. Jh. In: Carinthia I, 148 (1958) S. 359–382. – Texte und Melodien der ‹Erlauer Spiele›. Hg. v. Wolfgang Suppan. Auf Grund einer Text¨ubertragung von Johannes Janota (Musikethnologische Sammelbde. 11). Tutzing 1990, S. 179–211, 223 f., 226. Literatur: Hans Eggers, VL2 2 (1979) Sp. 591 f.; 11 (2004) Sp. 416. – Rolf Bergmann, MarLex 2 (1989) S. 383. – Gottfried Weiss: Die dt. Marienklagen. Quellen und Entwicklung. Diss. Prag 1932. – Gerd Seewald: Die Marienklage im mlat. Schrifttum und in den germ. Literaturen des MA. Diss. Hamburg 1953, S. 41–47. – Irtenkauf/Eggers (s. Ausg.). – Wolfgang Suppan: Zur Musik der ‹Erlauer Spiele›. In: Studia Musicologica Academiae Scientiarum Hungaricae 11 (1969) S. 409–421. – Alois Koschar: Die Erlauer Spiele [...]. In: Carinthia I, 160 (1970) S. 796–824. – Dietrich Schmidtke u. a.: F¨ussener Osterspiel und F¨ussener Marienklage. In PBB (T¨ub.) 98 (1976) S. 231–288, 395–423, pas¨ sim. – W. Suppan: Ethnomusikologische Uberlegungen zur Herkunft der ‹Erlauer Spiele› aus dem Millstatt-St. Lambrechter Raum. In: Jb. des ¨ Osterr. Volksliedwerkes 32/33 (1984) S. 23–33. – R. Bergmann: Kat. der deutschsprachigen geistlichen Spiele und Marienklagen des MA (Ver¨off. der Kommission f¨ur Dt. Lit. des MA der Bayerischen Akad. der Wiss.). Mu¨ nchen 1986, Nr. 40. – Ulrich Mehler: Marienklagen im sp¨atma. und fr¨uhneuzeitlichen Deutschland. Textversikel und Melodietypen. Darstellungsteil (Amsterdamer Publ. zur Sprache und Lit. 128). Amsterdam/Atlanta, GA 1997, S. 105–129. SF Wolfenbutteler ¨ Marienklage. – Marienklage von 464 Versen. Inhaltlich umfasst die W. M. einen Prolog des Johannes, die Kreuzesszene und Jesu Begr¨abnis. Als Personen treten Jesus, Maria, Johannes, Petrus, Nikodemus, Maria Magdalena und eine weitere Maria auf. Die Auff¨uhrung des großteils gesungenen Textes, der besonders die «compassio» der Gemeinde f¨ordern sollte, fand wohl am Karfreitag im Kirchenraum statt. Er weist Beziehungen zur → Bordesholmer Marienklage auf. ¨ Uberlieferung: Wolfenb¨uttel, HAB, Cod. Guelf. 965 Helmst., 169r–180v (Braunschweig [?], 1200
Lubener ¨ Osterspiel erste H¨alfte/Mitte 15. Jh., mnd.). Darauf folgt (181r–192r) das → Wolfenb¨utteler Osterspiel. Ausgaben: Otto Sch¨onemann: Der S¨undenfall und Marienklage. Zwei nd. Schauspiele. Hannover 1855, S. 129–148. – Hermann Oesterley: Nd. Dichtung im MA. Dresden 1871, S. 75 f. Literatur: Rolf Bergmann, MarLex 6 (1994) S. 751. – Ulrich Mehler, VL2 10 (1999) Sp. 1336 f. – Sch¨onemann (s. Ausg.) S. XII–XIV. – Anton ¨ Sch¨onbach: Uber die Marienklagen. Graz 1874. – Otto v. Heinemann: Die Helmstedter Hss. Bd. 2. Wolfenb¨uttel 1886. – Gustav K¨uhl: Die Bordesholmer Marienklage. In: NdJb 24 (1898) S. 1–39. – Gottfried Weiss: Die dt. Marienklagen. Diss. Prag 1932. – Anna Amalie Abert: Das Nachleben des Minnesangs im liturgischen Spiel. In: Die Musikforschung 1 (1948) S. 95–105. – Ernst August Schuler: Die Musik der Osterfeiern, Osterspiele und Passionen des MA. Bd. 1. Kassel 1951. – Gerd Seewald: Die Marienklage im mlat. Schrifttum und in den germ. Literaturen des MA. Diss. Hamburg 1952. – Wolfgang F. Michael: Das dt. Drama des MA (Grundriß der germ. Philologie 20). Berlin u. a. 1971, S. 98. – R. Bergmann: Kat. der deutschsprachigen geistlichen Spiele und Marienklagen des MA (Ver¨off. der Kommission f¨ur Dt. Lit. des MA der Bayerischen Akad. der Wiss.). M¨unchen 1986, Nr. 172. – U. Mehler: Marienklagen im sp¨atma. und fr¨uhneuzeitlichen Deutschland. Textversikel und Melodietypen (Amsterdamer Publ. zur Sprache und Lit. 128/129). 2 Bde. Amsterdam/Atlanta, GA 1997. SF Himmelgartner Marienklage (auch: Nordh¨auser Marienklage). – Fragmente von Rollentexten Marias aus einer dramatischen Marienklage, 15. Jh. Die Fragmente u¨ berliefern rund 200 Verse in th¨uringischer Sprache und einige l¨angere lat. Regieanweisungen. Erkennbare Szenen sind die Gefangennahme Jesu, die Kreuzigung und m¨oglicherweise die Grablegung. ¨ Uberlieferung: Nordhausen, St¨adtisches Museum, ohne Sign. (2) (Pap., 15. Jh., th¨uringisch; aus dem Servitenkloster Himmelgarten; Fragm., zum Teil mit Noten; verschollen). Ausgabe: E[duard] Sievers: Himmelgartner Bruchst¨ucke. In: ZfdPh 21 (1889) S. 385–404, hier S. 395–404 (Nr. 4). Literatur: Rolf Bergmann, VL2 11 (2004) Sp. 675. – Walther Lipphardt: Stud. zu den Marienklagen. In: PBB 58 (1934) S. 390–444, hier S. 393. – 1201
Mitte 15. Jh. R. Bergmann: Kat. der deutschsprachigen geistlichen Spiele und Marienklagen des MA (Ver¨off. der Kommission f¨ur dt. Lit. des MA der Bayerischen Akad. der Wiss.). Mu¨ nchen 1986, S. 447 (M 102). – Bernd Neumann: Geistliches Schauspiel im Zeugnis der Zeit. Zur Auff¨uhrung ma. religi¨oser Dramen im dt. Sprachgebiet (MTU 84.85). Mu¨ nchen 1987, Bd. 2, S. 840 (Nr. 3630/1). – Ulrich Mehler: Marienklagen im sp¨atma. und fr¨uhneuzeitlichen Deutschland. Textversikel und Melodietypen (Amsterdamer Publ. zur Sprache und Lit. 128). 2 Bde., Amsterdam/Atlanta 1997, Bd. 1, S. 28. BJ Havelberger Osterspiel. – Lat. geistliches Spiel. Das Spiel besteht aus der «visitatio sepulchri», der Hortulanus-Szene und dem J¨ungerlauf, nach dem Petrus und Johannes vom «ambo» aus das Kreuz erheben. Christus wird nicht wie in den Osterfeiern symbolisch dargestellt, sondern in der Rolle des Auferstandenen («cum vexillo») schauspielerisch verk¨orpert. Den Abschluss bildet die seltene nd. Fassung des Gemeindegesangs Crist is upgestanden (→ Christ ist erstanden). ¨ Uberlieferung: Wolfenb¨uttel, HAB, Cod. 84 Aug. 2° (Ordinarium Havelbergense), 23r/v (15. Jh.). Ausgaben: Neil C. Brooks: Osterfeiern aus Bamberger und Wolfenb¨utteler Hss. In: ZfdA 55 (1917) S. 59 f. – Karl Young: The Drama of the Medieval Church. Bd. 1. Oxford 1933, S. 668 f. – Walther Lipphardt (Hg.): Lat. Osterfeiern und Osterspiele. Bd. 5. Berlin/New York 1976, S. 1530–1533 (Nr. 787). Literatur: Hansj¨urgen Linke, VL2 3 (1981) Sp. 558 f. – Helmut de Boor: Die Textgesch. der lat. Osterfeiern (Hermaea NF 22). T¨ubingen 1967, S. 178, 243, 271, 276–280, 283 Anm. 34, 285–287, 297, 307 f. Anm. 49, 308, 321, 338. – Willi Flemming: Die Gestaltung der liturgischen Osterfeier in Deutschland (Abh. der Akad. der Wiss. und der Lit. Mainz, Geistes- und sozialwiss. Kl. 1971, Nr. 11). Mainz/Wiesbaden 1971, S. 15, 26, 36 f. BJ Lubener ¨ Osterspiel. – Fragment eines geistlichen Spiels. Das am Anfang und am Ende unvollst¨andige ¨ Br¨uchst¨uck (188 Verse, ohne Uberschrift) eines wohl umfangreichen Spiels setzt kurz nach dem Beginn des Kr¨amerspiels ein und bricht mit dem 1202
Mitte 15. Jh. Aufschlagen des Kramerstandes ab. Es treten Rubin, der «medicus» (in V. 66 «Ypocras» genannt), der Unterknecht Pastirballus (vgl. → Bartenfelder Rollenverzeichnis eines Osterspiels) und die «uxor me¨ dici» auf. Im Schalkstreit zeigen sich große Ahnlichkeiten mit dem → Innsbrucker (th¨uringischen), dem → Berliner (th¨uringischen) und dem → Melker (rheinfr¨ankisch-hessischen) Osterspiel. Das Motiv der Flucht ins Schlaraffenland ist auch aus dem Erlauer Osterspiel (→ Erlauer Spiele) bekannt. ¨ Uberlieferung: Krakau, Bibl. Jagiello´nska, Berol. mgq 1895 Nr. 9 (fr¨uher Berlin, SBB, Mgq 1895 Nr. 9), Doppelbl. (Pap., zweite H¨alfte 15. Jh., schlesisch). Ausgaben: Wilh[elm] Seelmann: Das Berliner Bruchst¨uck einer Rubinscene. In: ZfdA 63 (1926) S. 257–267, hier S. 259 (Auszug aus dem Schalkstreit). – Inhaltsangabe und Textausz¨uge bei B¨aschlin (s. Lit.). Literatur: Bernd Neumann, VL2 5 (1985) Sp. 939. – Alfred B¨aschlin: Die altdt. Salbenkr¨amerspiele. Diss. Basel 1929, S. 58–62 et passim. – Rolf Steinbach: Die dt. Oster- und Passionsspiele des MA (K¨olner germanistische Stud. 4). K¨oln/Wien 1970, S. 263. – Rolf Bergmann: Kat. der deutschsprachigen geistlichen Spiele und Marienklagen des MA (Ver¨off. der Kommission f¨ur dt. Lit. des MA der Bayerischen Akad. der Wiss.). M¨unchen 1986, S. 60 f. (Nr. 17). – B. Neumann: Geistliches Schauspiel im Zeugnis der Zeit. Zur Auff¨uhrung ma. religi¨oser Dramen im dt. Sprachgebiet (MTU 84.85). Mu¨ nchen 1987, Bd. 2, S. 846 (Nr. 3638). BJ Nurnberger ¨ Fastnachtsspiele. – Gruppe lokaler weltlicher Spiele, 15. Jh. Unter den Fastnachtspielen des MA bilden die volkst¨umlich-derben N. F. eine umfangreiche Gruppe. Sie entwickelten sich m¨oglicherweise parallel zu Priameln und Fastnachtsreden und d¨urften sp¨atestens ab den ersten beiden Jahrzehnten des 15. Jh. entstanden sein. Einfl¨usse ndl. und L¨ubecker Fastnachtspiele sind nicht auszuschließen. Die N. F. erlebten ihre Hochphase in der zweiten H¨alfte des 15. Jh. Allein aus dieser Zeit sind u¨ ber 100 Spiele bekannt. Obwohl die meisten N. F. anonym u¨ berliefert sind, werden manche von ihnen auch namhaften Dichtern wie Hans → Folz und Hans → Rosenpl¨ut zugeschrieben. Die sog. → Rosenpl¨utschen Fastnachtspiele bilden den Hauptanteil der N. F. Sie umfassen je nach Zuschreibung rund 55 bis 75 Spiele, die ab dem 1203
Nurnberger ¨ Fastnachtsspiele fr¨uhen 15. Jh. bis vor 1460 in N¨urnberg entstanden. Der Name Rosenpl¨uts wird in einer Fastnachtspielhandschrift genannt, doch ist der Grad seiner Verfasserschaft umstritten. Er k¨onnte Autor, aber auch nur Sammler und Bearbeiter von Fastnachtspielen gewesen sein. Wenig umfangreich war die Fastnachtspielproduktion von Hans Folz, dem etwa acht Spiele zugeschrieben werden k¨onnen. Sie weisen insgesamt eine kunstvollere dramatische Gestaltung als die Rosenpl¨utschen Fastnachtspielen auf. Aufgef¨uhrt wurden die N. F. zumeist vor der o¨ sterlichen Fastenzeit, manchmal aber auch bis zum ersten Fastenwochenende. Wie sich aus Hinweisen in den Prologen und Epilogen der Spiele schließen l¨asst, erfolgten die Auff¨uhrungen gew¨ohnlich innen und abends. Die Darsteller waren nicht wie in L¨ubeck Patrizier, sondern wahrscheinlich m¨annliche Handwerker und Gesellen. Sie traten kost¨umiert – nicht maskiert – auf, benutzten nur wenige Requisiten und verzichteten auf B¨uhnenaufbauten. Diese lebendige Tradition erfuhr im fr¨uhen 16. Jh. allerdings eine Z¨asur. Umfang und Exzesse des Fastnachtstreibens wurden von den Obrigkeiten einged¨ammt und auch die Reformation stand dieser Tradition misstrauisch gegenu¨ ber. Erst mit Hans Sachs erlebten die N. F. eine Renaissance. Allein von Sachs sind rund 80 F. bekannt, die zu u¨ ber f¨unfzig Prozent im Zeitraum zwischen 1550 und 1554 entstanden. Peter Probst und Jakob Ayrer f¨uhrten die N. F. dann bis ins 17. Jh. fort. Die in der zweiten H¨alfte des 15. Jh. konzen¨ trierte Uberlieferung aus der Bl¨utezeit des N. F. umfasst 14 Handschriften. Der fr¨uheste Kodex entstand ab 1455, was zumindest eine Teildatierung der darin enthaltenen Spiele erlaubt. Neben der hand¨ schriftlichen Uberlieferung stehen elf Fr¨uhdrucke von Folzschen Fastnachtspielen, die vor allem zwischen etwa 1483 und 1521 produziert wurden und teilweise wiederum als Vorlagen f¨ur Handschriften dienten. Manche der Drucke wurden auch von Folz selbst verlegt. Der textliche Umfang der N. F. des 15. Jh. war gering und umfasste oft weniger als 200 Verse. Auch Sachs bevorzugte kompakte Einakter. U. a. aufgrund der schlichten Auff¨uhrungsumst¨ande herrschten insgesamt einfache Bauformen mit Prolog und Epilog vor. Ein Einflussfaktor war sicher das Priamel, dem die Reden und Epiloge der Fastnachtspiele in Bau und Pointie¨ rung oftmals nahestehen. Textliche Ubereinstimmungen zwischen verschiedenen N. F. legen die 1204
Nurnberger ¨ Fastnachtsspiele mehrfache Verwendung von Versatzst¨ucken nahe. Die dramatische Anlage der N. F. bewegte sich insgesamt in einem Spektrum zwischen Reihenund Handlungsspiel. Besonders bei Folz und Sachs lassen sich klare Tendenzen zum Handlungsspiel erkennen. Die szenisch-dramatische Ausgestaltung des Fastnachtspiels ist dabei in erster Linie Sachs’ Verdienst. Die in Knittelversen geschriebenen N. F. u¨ bernahmen ihre Stoffe gerne aus Schw¨anken. Folz verarbeitete außerdem die popul¨are Geschichte von Salomon und Markolf, die sp¨ater im Luzerner Fastnachtspiel von 1546 wieder aufgegriffen wurde. Bei Sachs kommen zu den schwankhaften Anteilen (Eulenspiegel) auch Elemente aus mittelalterlichen Versnovellen (Boccaccio) hinzu. Insgesamt sind die N. F. f¨ur ihren obsz¨onen Humor bekannt, der die gesamte Figurenriege der Spiele erfasst und auch vor Standesgrenzen nicht zur¨uckschreckt. Zu den typischen Figuren des N. F. z¨ahlen neben den allgegenw¨artigen Bauern auch B¨urger und Adelige, weniger h¨aufig sind Kleriker und Narren. Da zahlreiche N. F. Gerichtsspiele sind, treten oft auch Juristen auf. Obwohl sie vom derben Witz der Fastnachtszeit gepr¨agt sind, besitzen die N. F. sozialkritische Z¨uge, die sich satirisch oder ernst a¨ußern k¨onnen. Vereinzelt werden h¨ofische Traditionen parodiert, etwa Konventionen und Motive des Minnesangs. Vor allem in den Fastnachtspielen von Folz finden sich auch antisemitische Ressentiments. Die N. F. stehen in einer volkssprachigen Spieltradition, die in vielen Regionen lebendig war (→ L¨ubecker Fastnachtspiele, → Henslin, → Rumpolt- und Marethspiele, Luzerner F., Vigil → Raber). Durch ihre Zahl, ihre stoffliche Vielfalt und ihre lange andauernde Verbindung mit der lokalen Spieltradition N¨urnbergs besitzen sie jedoch eine herausgehobene Stellung unter den ma. Fastnachtspielen. ¨ ¨ Uberlieferung: Umfangreiche Uberl., die vor allem in der zweiten H¨alfte des 15. Jh. konzentriert ist. Wichtige Hss.: M¨unchen, BSB, Cgm 714, 489 Bll. (Pap., N¨urnberg [?], 1455–58, nordbair., 52 Fastnachtspiele und Fragm.). – Wolfenb¨uttel, HAB, cod. 18.12 Aug. 4°, 417 Bll. (Pap., vor 1494, enth¨alt insgesamt 66 Fastnachtspiele). – Verz. und ¨ Abrisse der Uberl. bei Habel 1994, Simon 2000 und N¨okker/Schuler 2009 (alle s. Lit.). – Vgl. auch ¨ die Uberl. der Rosenpl¨utschen Fastnachtspiele und der im Text genannten Autoren, vor allem Folz. 1205
Mitte 15. Jh. Drucke: Zahlreiche Drucke, u¨ berwiegend Fastnachtspiele von Hans Folz. – Verz. bei N¨okker/ Schuler 2009 (s. Lit.). Ausgaben: Vgl. auch die Ausgaben der im Text genannten Autoren. – Adelbert von Keller (Hg.): Fastnachtspiele aus dem f¨unfzehnten Jh. 3 Bde. Stuttgart 1853. Nachlese. Ebd. 1858. Nachdr. Darmstadt 1965/66. – Franz Schnorr von Carolsfeld: Vier ungedruckte Fastnachtspiele des 15. Jh. In: Arch. f¨ur Litteratur-Gesch. 3 (1874) S. 1–25. – Richard Froning: Das Drama des MA 3. Stuttgart [1891]. Nachdr. Darmstadt 1964. T¨ubingen/Berlin 1974. – Dieter Wuttke (Hg.): Fastnachtspiele des 15. und 16. Jh. Stuttgart 72006. – Hellmut Thomke (Hg.): Dt. Spiele und Dramen des 15. und 16. Jh. Frankfurt/M. 1996. – Klaus Ridder/Hans-Hugo Steinhoff mit Oliver Huck (Hg.): Fr¨uhe N¨urnberger Fastnachtspiele. Paderborn u. a. 1998. Literatur: G¨unter Bernt u. a.: Drama. In: LexMA 3 (1986) Sp. 1353–1367. – Hedda Ragotzky: Fastnachtspiel. In: RLW 1 (1997) S. 568–572. – Eckehard Catholy: Das Fastnachtspiel des Sp¨atMA. Gestalt und Funktion (Hermaea NF 8). T¨ubingen 1961. – Bibliogr. zur Theatergesch. N¨urnbergs. Bearb. v. Peter Kertz und Ingeborg Str¨ossenreuther. Hg. StB Nu¨ rnberg. N¨urnberg 1964. – I. Glier: Personifikationen im dt. Fastnachtspiel des Sp¨atMA. In: DVjs 39 (1965) S. 542–587. – Werner Lenk: Das N. F. des 15. Jh. Ein Beitr. zur Theorie und zur Interpretation des Fastnachtspiel als Dichtung. Berlin 1966. – E. Catholy: Fastnachtspiel. Stuttgart 1966. – Gerd Simon: Die erste dt. Fastnachtsspieltradition. Zur ¨ Uberl., Textkritik und Chronologie der N. F. des 15. Jh. L¨ubeck/Hamburg 1970 (Lit.). – Johannes Merkel: Form und Funktion der Komik im N. F. Freiburg i. Br. 1971. – G¨unter Marwedel: Unters. zur Phonematik des Vokalsystems N. F. Ein Beitr. zur Frage ihres sprachgeschichtlichen Quellenwerts. Diss. Hamburg 1973. – R¨udiger Krohn: Der unanst¨andige B¨urger. Unters. zum Obsz¨onen in den N. F. des 15. Jh. Kronberg/Ts. 1974. – Dietz-R¨udiger Moser: Fastnacht und Fastnachtspiel. Zur S¨akularisierung geistlicher Volksschauspiele bei Hans Sachs und ihre Vorgesch. In: Hans Sachs und N¨urnberg. Bedingungen und Probleme reichsst¨adtischer Lit. Hans Sachs zum 400. Todestag am 19. Januar 1976. Hg. v. Horst Brunner. N¨urnberg 1976, S. 182–218. – Hansj¨urgen Linke: Das volkssprachige Drama und Theater im 1206
Mitte 15. Jh. dt. und ndl. Sprachbereich. In: Neues Hb. der Literaturwiss. Bd. 8. Hg. v. Willi Erzgr¨aber. Wiesbaden 1978, S. 733–763. – Arne Holtorf: Markttag, Gerichtstag, Zinstermin. Formen von Realit¨at im fr¨uhen N. F. In: Befund und Deutung. FS Hans Fromm. Hg. v. Ernst Hellgardt u. a. Tu¨ bingen 1979, S. 428–450. – Elmar Haag-Schwilk: Die Gesellschaftskritik im N. F. des 15. Jh. o. O. 1980. – Hans Blosen/Harald Pors: Rollenregister zu Adelbert von Kellers Slg. Fastnachtspiele aus dem 15. Jh. (GAG 326). G¨oppingen 1981. – Hagen Bastian: Mummenschanz. Sinneslust und Gef¨uhlsbeherrschung im Fastnachtspiel des 15. Jh. Frankfurt/M. 1983. – H. Ragotzky: Der Bauer in der Narrenrolle. Zur Funktion ‹verkehrter Welt› im fr¨uhen N. F. In: Typus und Individualit¨at im MA. Hg. v. Horst Wenzel. Mu¨ nchen 1983, S. 77–101. – Samuel C. Kinser: Presentation and Representation. Carnival at Nuremberg, 1450–1550. In: Representations 15 (1986) S. 1–41. – Eckehard Simon: Zu den Anf¨angen des weltlichen Schaupiels. In: JOWG 4 (1986/87) S. 139–150. – Walter Blank: Ehelehren in mhd. Dichtung. N. F. des 15. Jh. In: Liebe in der dt. Lit. des MA. St. Andrews-Colloquium 1985. Hg. v. Jeffrey Ashcroft u. a. Tu¨ bingen 1987, S. 192–203. – Johannes M¨uller: Schwert und Scheide. Der sexuelle und skatologische Wortschatz im N. F. des 15. Jh. Bern u. a. 1988. – Johannes Gottwald: Formelhaftigkeit in st¨adtischem Schrifttum. N. F. des 15. und 16. Jh. Eine Projektdarstellung. In: Stadtsprachenforschung unter besonderer Ber¨ucksichtigung der Verh¨altnisse der Stadt Straßburg im Sp¨atMA und Fr¨uher Neuzeit (GAG 488). Hg. v. Gerhard Bauer. G¨oppingen 1988, S. 11–44. – E. Simon: Weltliche Schauspiele vor dem N. F. In: PBB 111 (1989) S. 299–313. – H. Ragotzky: ‹Pulschaft und Nachthunger›. Zur Funktion von Liebe und Ehe im fr¨uhen N. F. In: Ordnung und Lust. Bilder von Liebe, Ehe und Sexualit¨at in Sp¨atMA und Fr¨uher Neuzeit. Hg. v. Hans-J¨urgen Bachorski. Trier 1991, S. 427–446. – Ingmar Ten Venne: Die N¨urnberger Fastnachtskultur des 15. Jh. als kultureller Ausdruck einer autorit¨aren Ratsherrschaft. ˆ In: Economie, Politique et Culture au Moyen Age. Actes du Colloque Paris, 19 et 20 Mai 1990. Hg. v. Danielle Buschinger/Wolfgang Spiewok. Amiens 1991, S. 175–190. – I. Ten Venne: Erfahrungen ma. Rechtspraxis im N. F. In: Le Droit et Sa Perception dans la Litt´erature et les Mentalit´es M´edi´evales. Actes du Colloque du Centre d’Etudes M´edi´evales de l’Universit´e de Picardie, Amiens, 17–19 Mars 1207
Nurnberger ¨ Fastnachtsspiele 1989 (GAG 551). Hg. v. D. Buschinger. G¨oppingen ¨ 1993, S. 195–209. – Thomas Habel: Uberl., Edi¨ tion, Interpretation. Vom Zeugniswert der Uberlieferungstr¨ager. Bemerkungen zum fr¨uhen N. F. In: Artibvs. Kulturwiss. und dt. Philologie des MA und der fr¨uhen Neuzeit. FS Dieter Wuttke. Hg. v. Stephan F¨ussel. Wiesbaden 1994, S. 103–134. – James R. Erb: Performing at the Bar. Reconstructing the Nuremberg ‹Fastnachtspiel› of the Fifteenth Century. Berkeley 1996. – Bruno Quast: ¨ Zwischenwelten. Poetologische Uberlegungen zu den N. F. des 15. Jh. In: Fremdes wahrnehmen, fremdes Wahrnehmen. Stud. zur Gesch. der Wahrnehmung und zur Begegnung von Kulturen in MA und fr¨uher Neuzeit. Hg. v. Wolfgang Harms u. a. Stuttgart 1997, S. 205–219. – W. Spiewok: Das dt. Fastnachtspiel. Ursprung, Funktionen, Auff¨uhrungspraxis. Greifswald 21997. – Konrad Schoell: Individual and Social Affiliation in the Nuremberg Shrovetide Plays. In: Drama and Community. People and Plays in Medieval Europe. Hg. v. Alan Hindley. Turnhout 1999, S. 161–178. – T. Habel: Prototyp und Variation. Aufstieg und Fall des Antichrist in N¨urnberger Bildertexten und Fastnachtspiels des 15. Jh. In: Der Sturz des M¨achtigen. Zu Struktur, Funktion und Gesch. eines literarischen Motivs. Bericht u¨ ber Kolloquien der Kommission f¨ur Literaturwiss. Motiv- und Themenforschung 1995–1998. Hg. v. Theodor Wolpers. G¨ottingen 2000, S. 149–201. – E. Simon: Manuscript Production in Medieval Theatre. The German Carnival Plays. In: New Directions in Later Medieval Manuscript Studies. Essays from the 1998 Harvard Conference. Hg. v. Derek A. Pearsall. York 2000, S. 143–165. – H. Ragotzky: Fastnacht und Endzeit. Zur Funktion der AntichristFigur im N. F. des 15. Jh. In: ZfdPh 121 (2002) S. 54–71. – T. Habel: Zum Motiv- und StoffBestand des fr¨uhen N. F. Forschungsgeschichtliche, methodische und gattungsspezifische Aspekte. In: Ergebnisse und Perspektiven der literaturwissenschaftlichen Motiv- und Themenforschung. Hg. v. T. Wolpers. G¨ottingen 2002, S. 121–161. – H. Ragotzky: Fastnacht und Endzeit. Zur Funktion der Antichrist-Figur im N. F. des 15. Jh. In: ZfdPh 121 (2002) S. 54–71. – Denise Menting: Macht Sprache Leute? Unters. zur gesprochenen Sprache und zum Sprachgebrauch im sp¨atma. N¨urnberg am Beispiel von ausgew¨ahlten Fastnachtspielen und Vergleichstexten. M¨unchen 2003. – E. Simon: Die Anf¨ange des weltlichen dt. Schauspiels 1208
Sundenfall ¨ und Erlosung ¨ 1370–1530. Unters. und Dokumentation. Tu¨ bingen 2003. – Christa Ortmann/H. Ragotzky: ‹Itlicher zeit tut man ir recht›. Zu Recht und Funktion der Fastnacht aus der Sicht N¨urnberger Spiele des 15. Jh. In: Ritual und Inszenierung. Geistliches und weltliches Drama des MA und der Fr¨uhen Neuzeit. Hg. v. Hans-Joachim Ziegler. T¨ubingen 2004, S. 207–218. – K. Ridder u. a.: Neuedition und Kommentierung der vorreformatorischen N¨urnberger F. In: Dt. Texte des MA zwischen Handschriftenn¨ahe und Rekonstruktion. Berliner Fachtagung 1.–3. April 2004 (Editio Beih. 23). Hg. v. Martin J. Schubert. T¨ubingen 2005, S. 237–256. – K. Ridder u. a.: Spiel und Schrift. N. F. zwischen ¨ Auff¨uhrung und Uberl. In: Lit. als Spiel. Evolutionsbiologische, a¨sthetische und p¨adagogische Konzepte. Hg. v. Thomas Anz/Heinrich Kaulen. Berlin/New York 2009, S. 195–208. – Ulrich Barton: ‹Was wir do machen, das ist schimpf›. Zum Selbstverst¨andnis des N. F. In: Fastnachtspiel. Weltliches Schauspiel in literarischen und kulturellen Kontexten. Hg. v. K. Ridder. T¨ubingen 2009, S. 167–188. – Sebastian Coxon: Weltliches Spiel ¨ und Lachen. Uberlegungen zur Literarizit¨at, Theatralit¨at und Performativit¨at des N. F. im 15. Jh. In: ebd., S. 221–238. – Rebekka No¨ cker: ‹vil krummer urtail›. Zur Darstellung von Juristen im fr¨uhen N. F. In: ebd., S. 239–284. – Dies./Martina Schu¨ ler: Uberl., Edition, Interpretation. Zur Neuausg. N. F. des 15. und beginnenden 16. Jh. In: ebd., S. 363–380. – Johannes Janota: Performanz und Rezeption. Pl¨adoyer f¨ur ihre Ber¨ucksichtigung im Komm. zur Edition sp¨atma. Spiele. Die N. F. als ¨ Beispiel. In: ebd., S. 381–402. – R. No¨ cker: Uberlegungen zur Rechtswirklichkeit im fr¨uhen N. F. In: Zs. f¨ur Literaturwiss. und Linguistik 41 (2011) S. 66–87. MM Samsonspiel. – Spiel nach Ri 14 (Fragment). ¨ Die 61 erhaltenen Verszeilen (ohne Uberschrift) bieten in gereimter Form zun¨achst ein Gespr¨ach zwischen Vater und Samson, dann Samsons Rede zu seiner Braut, gefolgt von Trauungsworten und Samons R¨atsel an seine Gef¨ahrten, die sich schließlich in direkter Rede an Samsons Frau wenden. Außer lat. Sprecherangaben gibt es keine B¨uhnenanweisungen; auch Auff¨uhrungsnachrichten fehlen. Das S. d¨urfte wegen zahlreicher Korrekturen im Text und auf den R¨andern als ‹erster 1209
Mitte 15. Jh. Entwurf› (Walther) zu einem Spiel u¨ ber den Samsonstoff und vielleicht als ‹Notizblatt eines Spielbearbeiters› (Bergmann) anzusehen sein. ¨ Uberlieferung: Braunschweig, StB, Fragm. 19, 1v–2r (Pap., 15. Jh., ostf¨alisch). Ausgaben: Ludwig H¨anselmann: Braunschweigische F¨undlinge (VI–VII). In: NdJb 6 (1880) S. 135–139. – Faks. bei Bergmann 1985 (s. Lit.) S. 348. Literatur: Christoph Treutwein, VL2 8 (1992) Sp. 575. – C. Walther: [ohne Titel]. In: NdJb 6 (1880) S. 139–144. – Wolfgang F. Michael: Das dt. Drama des MA (Grundriß der germ. Philologie 20). Berlin/New York 1971, S. 100. – Rolf Bergmann: Auff¨uhrungstext und Lesetext. Zur Funk¨ tion der Uberl. des ma. geistlichen dt. Dramas. In: The Theatre in the Middle Ages. Hg. v. Herman Braet u. a. (Mediaevalia Lovaniensia I/XIII). Leuven 1985, S. 314–351, hier S. 325 f. – Ders.: Kat. der deutschsprachigen geistlichen Spiele und Marienklagen des MA (Ver¨off. der Kommission f¨ur dt. Lit. des MA der Bayerischen Akad. der Wiss.). Mu¨ nchen 1986, S. 75 f. (Nr. 25, u. d. T. ‹Braunschweiger Samsonspielfragment›). – Bernd Neumann: Geistliches Schauspiel im Zeugnis der Zeit. Zur Auff¨uhrung ma. religi¨oser Dramen im dt. Sprachgebiet (MTU 84.85). Mu¨ nchen 1987, Bd. 2, S. 854 f. (Nr. 3656, u. d. T. ‹Simsonspiel-Fragm.›). – Martin Bocian, unter Mitarbeit v. Ursula Kraut und Iris Lenz: Lex. der biblischen Personen. 2., erw. Aufl. Stuttgart 2004, S. 478–485. BJ Sundenfall ¨ und Erlosung. ¨ – In der Tradition der Passionsspiele stehender ‹Lesetext› mit erz¨ahlenden Zwischenst¨ucken, 15. Jh. Der im alemannisch-schw¨abischen Raum entstandene, l¨uckenhaft (im Textinnern durch fehlende Bl¨atter, Textabbruch am Ende) u¨ berlieferte ¨ Text (597 Verse) wird in der Uberschrift als «b˚uch» bezeichnet. Es ist «wohl eine Kompilation aus deutschen Quellen»; die meisten Texte d¨urften «aus der Spielliteratur des S¨udwestens stammen» (WilliamsKrapp). Die zahlreichen eingeschobenen, in Prosa verfassten Texte verbinden die aneinandergereihten biblischen und apokryphen Episoden aus der Heilsgeschichte, bieten mitunter aber auch f¨ur das Verst¨andnis des Werks erforderliche Zusammenfassungen von Partien der Vorlage, die ausgelassen wurden. ¨ Uberliefert sind folgende Szenen/Dialoge («sch¨on red»): Sch¨opfungsgeschichte (wegen Blattverlusts fehlt Adams Verf¨uhrung), Kain und Abel, 1210
2. H¨alfte 15. Jh. eine in Prosa erz¨ahlte → Kreuzesholzlegende, J¨ungerberufung, Reise Johannes des T¨aufers zu den Altv¨atern in der H¨olle, (nach einer großen L¨ucke nach V. 238:) Kreuzesworte, Zeugnis des Centurio, Auftritt des Todes, Beinbrechung, Heilung des Longinus, Streit zwischen «Cristenhait und J´utscheit» (Ecclesia und Synagoga) unter dem Kreuz, «visitatio sepulchri», Verk¨undung der Auferstehung durch die drei Marien, Lauf des Petrus und des Johannes zum Grab, Hortulanus-Szene, Grabw¨achter nach der Auferstehung, Textabbruch mitten in der H¨ollenfahrt Christi. ¨ Uberlieferung: Berlin, SBB, Mgq 496, 285r–301v (Pap., Mitte 15. Jh.). Ausgabe: Williams-Krapp (s. Lit.) S. 33–66 (vgl. dazu: Gerhardt [s. Lit.]). – Faks.: Bl. 297v–298r bei Bergmann 1985 (s. Lit.) S. 339. Literatur: Werner Williams-Krapp, VL2 9 (1995) Sp. 530–532. – Johannes Bolte: Das Spiegelbuch. Ein illustriertes Erbauungsbuch des 15. Jh. in dramatischer Form (Sb. der Preußischen Akad. der Wiss., Phil.-hist. Kl. 8). Berlin 1932, S. 130–171. – ¨ W. Williams-Krapp: Uberl. und Gattung. Zur Gattung ‹Spiel› im MA. Mit einer Edition v. ‹S. u. E.› aus der Berliner Hs. mgq 496 (Unters. zur dt. Literaturgesch. 28). T¨ubingen 1980 (Lit.). – Rolf Bergmann: Auff¨uhrungstext und Lesetext. Zur Funk¨ tion der Uberl. des ma. geistlichen dt. Dramas. In: The Theatre in the Middle Ages. Hg. v. Herman Braet u. a. (Mediaevalia Lovaniensia 1,13). Leuven 1985, S. 314–351. – Ders.: Kat. der deutschsprachigen geistlichen Spiele und Marienklagen des MA (Ver¨off. der Kommission f¨ur dt. Lit. des MA der Bayerischen Akad. der Wiss.). M¨unchen 1986, S. 67–69 (Nr. 21). – Carla Dauven-van Knippenberg: ... einer von den Soldaten o¨ ffnete seine Seite ... Eine Unters. der Longinuslegende im deutschsprachigen geistlichen Spiel des MA (Amsterdamer Publ. zur Sprache und Lit. 87). Amsterdam/Atlanta 1990. – Christoph Gerhardt: Zur Spieltradition von ‹S. u. E.›. Mit textkrit. und kommentierenden Bemerkungen zum Text. In: Sancta Treveris. Beitr. zu Kirchenbau und bildender Kunst im alten Erzbistum Trier. FS Franz J. Ronig. Hg. v. Michael Embach u. a. Trier 1999, S. 173–208. BJ Terenz (Publius Terentius Afer), * 195/194 oder 185/184 v. Chr. Karthago (?), † 159/158 v. Chr. – R¨omischer Dramatiker. Unsere Kenntnisse u¨ ber T.’ Leben beruhen weitgehend auf einer im Kommentar des Donat (4. Jh.) 1211
Terenz enthaltenen Vita, die Sueton zugeschrieben wird. Danach stammte T. aus Karthago, kam in jungem Alter nach Rom und wuchs dort als Sklave eines Senators namens Terentius Lucanus auf. Dieser gew¨ahrte T. eine gute Erziehung und ließ ihn sp¨ater frei, worauf T. den Namen seines ehemaligen Herren annahm. Der Beiname «Afer» bezieht sich hingegen auf T.’ nordafrikanische Herkunft. Nach seiner Freilassung verkehrte T. in der r¨omischen Oberschicht und unterhielt Kontakte zu Scipio Afridanus minor, Furius Philus und Laelius, die m¨oglicherweise auch an T.’ Werk mitwirkten. Er starb angeblich auf einer Griechenland-Reise. T. schrieb um 168 bis 160 v. Chr. sechs Verskom¨odien, die vollst¨andig uberliefert ¨ sind. Ihre Auff¨uhrungen zu Lebzeiten T.s sind durch Didaskalien datierbar. Andria (166 v. Chr.) ist eine Heiratskom¨odie, Hecyra (165 v. Chr.) ein sentimentales Familienst¨uck um Vaterschaftswirrungen. Heautontimoroumenos (163 v. Chr.) handelt von Familienintrigen um Liebe und Geld. Eunuchus (161 v. Chr.) ist eine Liebeskom¨odie, Phormio (161 v. Chr.) erz¨ahlt von einem Intriganten und Adelphoe (160 v. Chr.) von zwei sehr verschiedenen Br¨udern. Alle sechs St¨ucke sind Bearbeitungen griechischer Kom¨odien: Andria, Heautontimoroumenos, Eunuchus und Adelphoe gehen auf Menander zur¨uck, Hecyra und Phormio auf Apollodor von Karystos. Andria und Eunuchus u¨ bernehmen auch ganze Textpartien von Menander, Adelphoe von Diphilos. Dies tr¨ubt die Qualit¨at von T.’ Dramen keineswegs, die auch von Horaz und Cicero anerkannt wurde. Die Komplexit¨at der Handlungsabl¨aufe mit ihren Verwicklungen und Intrigen ist anspruchsvoll, die Dialoge sind von juristischer Rhetorik inspiriert, geschliffen formuliert und bestechen durch sentenzenartige Wendungen. T.’ Prologe beschr¨anken sich im Gegensatz zu konventionellen Prologen nicht auf einleitende Worte zur Handlung, sondern ent¨ wickeln literatur¨asthetische Uberlegungen auf hohem Niveau. So setzt sich T. etwa mit dem Verh¨altnis von Wirklichkeit und Darstellung auseinander. T.’ Werk wurde in der Sp¨atantike in wahrscheinlich drei eigenst¨andigen Ausgaben u¨ berliefert, an denen u. a. ein Rezensor namens Calliopius (3. Jh.?) beteiligt war. Im fr¨uhen MA f¨acherte ¨ sich die Uberlieferung in u¨ ber 700 Handschriften auf, die u. a. in der Hofbibliothek Karls des Großen vertreten waren. Allerdings wurden die ur¨ spr¨unglichen Verskom¨odien in der Uberlieferung zu Prosadramen umgeformt. Insgesamt erfolgte die 1212
Terenz Rezeption von T.’ Kom¨odien im MA nicht u¨ ber Auff¨uhrungen, sondern prim¨ar u¨ ber die Lekt¨ure als Lesedramen mit meist lat., selten dt. Glossen. Besonders an Schulen und Universit¨aten wurde T. gelesen. Ein p¨adagogischer Gebrauch der Kom¨odien findet sich bei Walther von Speyer, → Winrich von Trier, → Konrad von Hirsau, → Otloh von St. Emmeram, Meinwerk von Paderborn und Nikolaus von Bibra. T. wirkte auch auf → Hrotsvit, → Notker III., Adalbertus Samaritanus, Petrus von Blois und → Konrad von Mure, außerdem auf → Hugo von Trimberg, Hans → Vintler, Sebastian Brant, Niklas von Wyle und Bollstatters Spruchsammlung. Eine poetologische Rezeption erfolgte durch Isidor von Sevilla, Johannes de Janua, → Vinzenz von Beauvais und → Honorius Augustodunensis. Die Beliebtheit von T.s Werk l¨asst sich auch an dem verbreiteten Gebrauch aus seinen Dramen entnommener Wendungen ablesen, die bis in die dt. Sprache hinein zu gefl¨ugelten Worten wurden. Weiterhin wurden Figuren aus T.s Kom¨odien von ma. Autoren adaptiert. So erscheint der Liebhaber Pamphilus aus Andria in der Kom¨odie Pamphilus, Gliscerium et Birria (um 1170–79) und in den → Carmina Burana. T. wirkte seit dem 12. Jh. auch auf die Ausbildung der Elegienkom¨odie. Sp¨ater begeisterten sich die Humanisten f¨ur T.s Werk. Nachdem → Nikolaus von Kues 1429 bisher unbekannte Plautus-Kom¨odien entdeckt hatte, erlebte auch T. eine Renaissance. → Albrecht von Eyb kannte sein Werk und Johann Mendel, Peter Luder sowie Paul von Bamberg dozierten in der zweiten H¨alfte des 15. Jh. u¨ ber ihn. In Mainz fand Giovanni Aurispa 1433 den T.-Kommentar von Donat wieder. In den lat. Kom¨odien der Humanisten wurde der Einfluss T.s bis in entliehene Verse hinein greifbar, so in Jakob Wimpfelings Stylpho (1480) und in Johann Reuchlins Dramen Sergius (um 1496) und Henno (1497). In Breslau und Wien setzte im fr¨uhen 16. Jh. auch die Auff¨uhrungsgeschichte der Kom¨odien T.’ wieder ein. ¨ Neben der reichen handschriftlichen Uberlieferung steht eine ebenfalls umfangreiche Drucktradition. Die lat. Drucke setzten um 1470 bei Johann Mentelin in Straßburg ein, der erste metrische Druck erschien 1479 in Venedig, illustrierte Drucke ab 1496. Neben T.s Kom¨odien wurde oft auch der Kommentar des Donatus abgedruckt. 1499 gab Johann Kurtz in Straßburg eine lat. T.-Ausgabe heraus. Dort erschien 1503 mit einem Vorwort von Sebastian Brant auch der 1213
2. H¨alfte 15. Jh. erste metrische Druck Deutschlands. 1516 folgte die T¨ubinger Ausgabe Philipp Melanchthons, der u. a. die Calliopius-Partien bereinigte. Ein weiterer Druck mit D¨urer-Illustrationen war in Vorbereitung, wurde aber nie fertiggestellt. ¨ Parallel wurden dt. Ubersetzungen der Kom¨odien ver¨offentlicht, die zu den fr¨uhesten deutschsprachigen Drucken r¨omischer Klassiker z¨ahlen. 1486 gab der Ulmer Patrizier Hans Neidhart einen dt. Eunuchus heraus. M¨oglicherweise war Neidhart ¨ auch der Ubersetzer des originalgetreu, aber nicht pedantisch u¨ bertragenen Textes. Die Ulmer Ausgabe war reich illustriert (28 Bilder) und nach dem Vorbild lat. Werke angelegt, d. h. mit klein gedruckten Glossen um den zentral und in großer Schrift gesetzten Dramentext. Neidhart stattete seine Ausgabe mit einem durchaus eigenst¨andigen Kommentar aus, der u¨ ber den zugrundeliegenden Kommentar Donats hinausging. Neidharts Grundverst¨andnis der Kom¨odien war moralisch gepr¨agt. So sollten sie nach seiner Auffassung das menschliche Wesen widerspiegeln und vor b¨osen Menschen warnen. 1499 erschien bei Johann Gr¨uninger der sog. Straßburger T., eine dt. Gesamtausgabe der ¨ Kom¨odien. Ihre Ubersetzer sind unbekannt; u¨ ber eine Beteiligung des Herausgebers der lat. Ausgabe aus demselben Jahr, Johann Kurtz, kann nur speku¨ liert werden. Die Ubersetzer beziehen sich explizit auf Neidhart, dem sich neben dem Eunuchus-Text auch die Gesamtanlage des Drucks mit seinen Illustrationen und Kommentaren verdankt. Die Illustrationen verweisen in ihrer Gestaltung auch auf die lat. T.-Drucke Gr¨uningers von 1496 und 1499. Das alphabetisch geordnete Register des Drucks ist durch seine zahlreichen moralistischen Lemmata interessant. Im Verst¨andnis der Herausgeber sollten die Kom¨odien T.s dem Menschen seine Fehler verdeutlichen und ihn zur Besserung anregen. Der ¨ Straßburger T. wirkte sp¨ater auf die T.-Ubersetzung von Valentin Boltz, die 1539 fertiggestellt wurde und 1540 in T¨ubingen erschien. Obwohl T.’ Kom¨odien lange nicht aufgef¨uhrt wurden, war ihre Rezeption u¨ ber Schulen und Universit¨aten stark genug, um die Texte im gelehrten Bewusstsein der Epoche zu verankern. Davon zeugt nicht nur die große Zahl der Handschriften. Die ma. Wertsch¨atzung T.’ spricht auch aus ¨ den fr¨uhen dt. Ubertragungen, die seine Werke mit dem Gepr¨ange lat. Klassiker umgaben. Dass sich T.’ komplexe Kom¨odien so gut in die moralisierende 1214
2. H¨alfte 15. Jh. Weltsicht ihrer dt. Herausgeber einf¨ugten, beweist die Zeitlosigkeit der Kom¨odien. ¨ ¨ Uberlieferung: Umfangreiche Uberl. mit rund 720 ma. Hss.; vgl. Claudia Villa: La Lectura Terentii 1: Da Ildemaro a Francesco Petrarca. Padua 1984, S. 295–454. – Birger Munk Olsen: L’´etude des Auteurs Classiques Latins aux XIe et XIIe Si`ecles. Bd. 2: Catalogue des Manuscrits Classiques Latins Copi´es du IXe au XIIe Si`ecle. Paris 1985, S. 583–653. Drucke: Umfangreiches Korpus mit 150 Drucken allein im GW. Wichtige Drucke aus dem dt. Raum: Comoediae. [Straßburg: Johann Mentelin, um 1470] (GW-Nr. M45489). – Comoediae. [Straßburg: Johann Pr¨uß, um 1485] (mit Donatus-Komm.; GW-Nr. M45490). – Eunuchus. ¨ Ulm: Konrad Dinckmut, 1486 (dt. Ubers. des Hans Neidhart; GW-Nr. M45593; Online-Ausg. ULB Darmstadt). – Comoediae. Straßburg: Johann Gr¨uninger, 1496 (GW-Nr. M45481; Online-Ausg. ULB Darmstadt). – Comoediae. Straßburg: Johann Gr¨uninger, 1499 (mit Donatus-Komm.; Hg. Johann Kurtz; GW-Nr. M45485; Online-Ausg. ULB Darmstadt). – Terentius der Hochgelert vnd aller br¨uchlichest Poet. von latin zu t¨utsch Transferiert. nach dem text vnd nach der gloß. Straßburg: Johann Gr¨uninger, 1499 (sog. Straßburger T.; GWNr. M45583; Online-Ausg. BSB M¨unchen). – Terentius Comico Carmine. Straßburg: Johann Gr¨uninger, 1503 (Vorw. v. Sebastian Brant). – Comoediae P. Terentii metro nvmerisqve restitvtae. T¨ubingen: Thomas Anshelm, 1516 (Hg. Philipp Melanchthon; Mikrofilm-Ausg. UB Tu¨ bingen). – Sechs verteutschte Comedien. T¨ubingen: Ulrich Morhart, 1540 (Hg. Valentin Boltz; MikroficheAusg. M¨unchen u. a. 1991). Zu weiteren Fr¨uhdrucken vgl.: GW. – Miroslav Flodr: Incunabula classicorum. Wiegendrucke der griechischen und r¨omischen Lit. Amsterdam 1973, S. 238 f., 298–301. – Texts and Transmission. A Survey of the Latin Classics. Hg. v. Leighton D. Reynolds. Oxford 1983 (Nachdr. ebd. 2005) S. 414–418. Ausgaben: Zahlreiche Ausg.; hier nur eine Auswahl aus den Gesamtausg.: Comoediae. Hg. v. Alfred Fleckeisen. Leipzig 1857 (zahlr. Neuaufl.). – ¨ Der Eunuchus des Terenz. Ubers. von Hans Neidhart 1486. Hg. v. Hermann Fischer. T¨ubingen 1915 (nach GW-Nr. M45593; s. Drucke). – Comoediae. Hg. v. Robert Kauer/Wallace M. Lindsay. Oxford 1926. Verb. Neuaufl. 111992. – T´erence. Hg. v. Jules 1215
Terenz Marouzeau. 3 Bde. Paris 1942–49 (mehrere Neuaufl.). – Comoediae. Hg. v. Sesto Prete. Heidelberg 1954. – Terence. Hg. v. John Barsby. 2 Bde. Cambridge/Mass. 2001 (lat.-engl.). – A Facsimile Edition of Terence’s Comedies. Oxford, Bodleian Library, MS. Auct. F. 2.13. Hg. v. Bernard J. Muir/ Andrew J. Turner. Oxford 2011 (1 DVD-ROM). – ¨ Rau 2012 (lat.-dt.; s. Ubers.). – Weitere Ausg. bei Lef`evre 2002 (s. Lit.). ¨ ¨ Ubersetzungen: Zahlreiche Ubers. bis ins 21. Jh., zuletzt: Barsby 2001 (s. Ausg.). – The Comedies of Terence. Hg. v. Frederick W. Clayton. Exeter 2006. – The Comedies. Hg. v. Peter Brown. Oxford u. a. 22008 (Online-Ausg. Palo Alto 2009). – Kom¨odien. Hg. v. Peter Rau. 2 Bde. Darmstadt 2012 (lat.-dt.). Literatur: Weitere Lit. u. a. bei Cupaiuolo 1984, Henkel 1995 und Lef`evre 2002 (alle s. u.). – Manitius 1–3 (1911–13) Reg. – Nikolaus Henkel, VL2 9 (1995) Sp. 698–709; 11 (2004) Sp. 1512. – Claudia Villa, LexMA 8 (1997) Sp. 549 f. – Johann B. Hartmann: Die T.-Uebers. des Valentin Boltz und ihre Beziehungen zu den a¨ lteren T.-Uebers. Kempten 1911. – Max Herrmann: Forschungen zur dt. Theatergesch. des MA und der Renaissance. Berlin 1914, S. 292–300, 317–346, 360–364. – Erich Roemer: D¨urers ledige Wanderjahre. In: Jb. der Preußischen Kunstsammlungen 47 (1926) S. 118–136; 48 (1927) S. 77–119, 156–182. – Ernst Beutler: Forschungen und Texte zur fr¨uhhumanistischen Kom¨odie. Hamburg 1927, S. 12–15, 24–26 u. o¨ . – Ernst Bidlingmaier: Die Terenz¨ubersetzung des Neidhart. T¨ubingen 1930. – Ders.: Die sprachgeschichtliche Stellung der schw¨abischen Fr¨uhhumanisten. In: Mitt. des Ver. f¨ur Kunst und Altertum in Ulm und Oberschwaben 28 (1932) S. 22–31, hier S. 29–31. – Berthold L. Ullman: Classical Authors in Certain Mediaeval Florilegia. In: Classical Philology 27 (1932) S. 1–42, hier S. 27–29. – Joergen Raasted: Zwei Fragm. eines T.-Kodex (10.–11. Jh.). In: Classica et Mediaevalia 18 (1957) S. 120–129. – Margaret Dietrich: Pomponius Laetus’ Wiedererweckung des antiken Theaters. In: Maske und Kothurn 3 (1957) S. 246–267. – Harald Hagendahl: The Latin Fathers and the Classics. A Study on the Apologists, Jerome and Other Christian Writers. G¨oteborg 1958, S. 270–274. – Wolfgang F. Michael: Fr¨uhformen der dt. B¨uhne. Berlin 1963, S. 68–83. – Patrick MacGlynn: Lexicon Terentianum. 2 Bde. London u. a. 1963, 1967. – H. 1216
Terenz Hagendahl: Augustine and the Latin Classics. G¨oteborg 1967, S. 254–264. – Peter Amelung: Konrad Dinckmut, der Drucker des Ulmer T. Komm. zum Faksimiledruck. Dietikon-Zu¨ rich 1970. – G¨unter Glauche: Schullekt¨ure im MA. Entstehung und Wandlungen des Lekt¨urekanons bis 1200 nach den Quellen dargestellt. Mu¨ nchen 1970, passim. – W. F. Michael: Das dt. Drama des MA. Berlin/New York 1971, S. 1–3, 251 f. – Vera Sack: Die erste Lyoner T.-Ausg. (1491) des Jodocus Badius Ascensius. In: Gutenberg-Jb. 47 (1972) S. 90–97. – Heiko J¨urgens: Pompa diaboli. Die lat. Kirchenv¨ater und das antike Theater. Stuttgart 1972, S. 108–145. – Paul Theiner: The Medieval Terence. In: The Learned and the Lewed. Studies in Chaucer and Medieval Literature. Hg. v. Larry Dean Benson. Cambridge/ Mass. 1974, S. 231–247. – Franz J. Worstbrock: Dt. Antikerezeption 1450–1550. Bd. 1. Boppard 1976, S. 149–152. – John N. Grant: The Commentum Monacense and the MS Tradition of Terence. In: Manuscripta 22 (1978) S. 83–90. – Michael D. Reeve: The Textual Tradition of Donatus’ Commentary on Terence. In: Classical Philology 74 (1979) S. 310–326. – Hans Haefele: Tu dixisti. Zitate und Reminiszenzen in Ekkehards ‹Casus sancti Galli›. In: Florilegium Sangallense. FS Johannes Duft. Hg. v. Otto Clavadetscher/Stefan Sonderegger. St. Gallen/Sigmaringen 1980, S. 181–198. – Ulrich Schindel: Die ‹auctores› im Unterricht dt. Stadtschulen im Sp¨atMA und in der fr¨uhen Neuzeit. In: Stud. zum st¨adtischen Bildungswesen des sp¨aten MA und der fr¨uhen Neuzeit. Ber. u¨ ber Kolloquien der Kommission zur Erforschung der Kultur des Sp¨atMA 1978 bis 1981. Hg. v. Bernd Moeller u. a. G¨ottingen 1983, S. 430–452. – Bibliografia Terenziana (1470–1983). Hg. v. Giovanni Cupaiuolo. Neapel 1984. – Sander M. Goldberg: Understanding Terence. Princeton, NJ 1986. – John N. Grant: Studies in the Textual Tradition of Terence. Toronto u. a. 1986. – Carole E. Newlands: Hrotswitha’s Debt to Terence. In: Transactions of the American Philological Association 116 (1986) ¨ S. 369–391. – N. Henkel: Dt. Ubers. lat. Schultexte. Ihre Verbreitung und Funktion im MA und in der fr¨uhen Neuzeit mit einem Verz. der Texte (MTU 90). M¨unchen u. a. 1988, passim. – Richard E. Schade: Studies in Early German Comedy 1500–1650. Columbia 1988, S. 47–72. – Judith E. Tarr: Holy Virgins and Wanton Women. Hrotsvitha’s Terence and Anti-Terence. Diss. Yale 1988. – Dennis E. Rhodes: La Publication des Com´edies de 1217
2. H¨alfte 15. Jh. T´erence au XVe Si`ecle. In: Le Livre dans L’Europe de la Renaissance. Actes du Colloque Interna´ tional d’Etudes Humanistes (1988 Tours, France). Hg. v. Pierre Aquilon/Henri-Jean Martin. Paris 1988, S. 285–296. – Erich Kleinschmidt: Die An¨ eignung des Fremden. Hans Neitharts T.-Ubertragung v. 1486. In: Kontinuit¨at und Transformation der Antike im MA. Ver¨off. der Kongreßakten zum Freiburger Symposion des Medi¨avistenverbandes. Hg. v. Willi Erzgr¨aber. Sigmaringen 1989, S. 345–353. – The Classics in the Middle Ages. Papers of the Twentieth Annual Conference of the Center for Medieval and Early Renaissance Studies. Hg. v. Aldo S. Bernardo/Saul Levin. Binghamton 1990. – Joachim Knape: Dichtung, Recht und Freiheit. Stud. zu Leben und Werk Sebastian Brants 1457–1521. Baden-Baden 1992, S. 272 f. – John L. Murphy: Terence, Hroswitha, Bishop Godehard and St. Nicholas’ Plays. In: The Influence of the Classical World on Medieval Literature, Architecture, Music, and Culture. A Collection of Interdisciplinary Studies. Hg. v. Fidel Fajardo-Acosta. Lewiston, NY 1992, S. 91–104. – David H. Wright: The Forgotten Early Romanesque Illustrations of Terence in Vat.lat. 3305. In: Zs. f¨ur Kunstgesch. 56 (1993) S. 183–206. – Marvin L. Colker: The Goslar Manuscript Fragments of Terence. In: Revue d’Histoire des Textes 25 (1995) S. 259–264. – Annette Dortmund: T.-Rezeption bei Hans Sachs. Zur Rolle des Buchdrucks in der Antikerezeption des Humanismus. In: Pirckheimer-Jb. 10 (1995) S. 152–155. – Benjamin A. Victor: A Problem of Method in the History of Texts and Its Implications for the Manuscript Tradition of Terence. In: Revue d’Histoire des Textes 26 (1996) S. 269–287. – Szenen aus T. in Holzschnitten des 15. Jh. Hg. v. Gerlinde Huber-Rebenich. Jena 1996. – YvesFran¸cois Riou: Les Commentaires M´edi´evaux de T´erence. In: Medieval and Renaissance Scholarship. Proceedings of the Second European Science Foundation Workshop on the Classical Tradition in the Middle Ages and the Renaissance (London, The Warburg Institute, 27–28 November 1992). Hg. v. Nicholas Mann/Birger M. Olsen. Leiden u. a. 1997, S. 33–49. – B. A. Victor/Bruno Quesnel: The Colometric Evidence for the History of the Terence-Text in the Early Middle Ages. In: Revue d’Histoire des Textes 29 (1999) S. 141–168. – Eckard Lef`evre: T.’ und Apollodors Hecyra. M¨unchen 1999. – Ders.: P. Terentius Afer. In: Hdb. der Altertumswiss. Bd. 8/1: Die archaische Lit. v. 1218
2. H¨alfte 15. Jh. den Anf¨angen bis Sullas Tod, die vorliterarische Periode und die Zeit von 240 bis 78 v. Chr. Hg. v. Werner Suerbaum. Neubearb. Mu¨ nchen 2002, § 129 (S. 232–254). – Ju¨ rgen Geiß: T.: Eunuchus (dt. v. Hans Neithart). In: Aderlaß und Seelentrost. ¨ Die Uberl. dt. Texte im Spiegel Berliner Hss. und Inkunabeln. Hg. v. Peter Jo¨ rg Becker/Eef Overgaauw. Mainz 2003, S. 161–163. – A. Keith Bate: Hrotsvitha, T´erence et les Conventions Sc´eniques Romaines. In: Hommages a` Carl Deroux 5: Chrisˆ tianisme et Moyen Age. N´eolatin et Survivance de la Latinit´e. Hg. v. Pol Defosse. Br¨ussel 2003, S. 292–300. – Peter Kruschwitz: Terenz. Hildesheim u. a. 2004. – Thomas Haye: Die Rezeption des T. im dt. Klosterhumanismus. Eine ‹comedia de lepore› aus dem Ende des 15. Jh. In: Philologus 149 (2005) S. 328–346. – Huub van der Linden: Alberti, Quid tum? and the Redemption of Terence in early Renaissance Humanism. In: Albertiana 11/12 (2008/09) S. 83–104. – John T. Cull: A Possible Influence on the Burgos 1499 ‹Celestina› Ilustrations. The German 1486 Translation of Terence’s ‹Eunuchus›. In: La Cor´onica 38 (2010) H. 2, S. 137–162. – N. Henkel: Dialoggestaltung in dt. und franz¨osischen Romanen des 12. Jh. Das Modell der Dramen des T. und Seneca. In: Redeszenen in der der ma. Großepik. Komparatistische Perspektiven. Hg. v. Monika Unzeitig. Berlin 2011, S. 139–164. – Ulrike Heinrichs: Kennzeichen des Komischen in D¨urers Zeichnungen zur Basler T.-Edition. Zur Transponierung von sp¨atantik-ma. Mustern der Kom¨odienillustration in einem humanistischen Buchprojekt. In: Menschenbilder. Beitr. zur altdt. Kunst. Hg. v. Andreas Tacke u. a. Petersberg 2011, S. 111–134. MM Winthager, Wolfgang, † 6.8.1467 Klosterneuburg. – → Terenz-Kommentator, Mitte 15. Jh. Der Augustinerchorherr studierte seit 1443 in Wien die Artes (1446 Bakkalaureus, 1449 Magister) und anschließend die Rechte (1454 Bakkalaureus, 1456 Dr. iuris canonici). Seit 1457 verwaltete er die Pfarrei Heiligenstadt (bei Wien), und seit 1461 war er Oberkellerer im Augustiner-Chorherrenstift Klosterneuburg. W¨ahrend seiner Studienzeit kam W. in Kontakt zu humanistischen Kreisen. Er k¨onnte Aeneas Silvius → Piccolomini ebenso begegnet sein wie Paul Swicker, die beide zeitgleich Verbindungen zur Wiener Universit¨at hatten. Nachweislich befreundet war er mit dem Fran1219
Winthager ziskanerhumanisten Guilelmus Savonensis, den W. f¨ur einen Rhetoriklehrstuhl vorschlug. Zeugnis dieses humanistischen Interesses ist ein von W. angelegter Codex, der die sechs Kom¨odien des Terenz mit Marginal- und Interlinearglossen sowie einigen Textvarianzen enth¨alt. Vorweg steht ein metrischer Accessus des Rhetorikers Petrus de Muglio. Enthalten ist zudem neben vermischten Bemerkungen zu Terenz auch die Vita Terentii des → Petrarca. Von W. selbst k¨onnten zwei Texte stammen, die das Kom¨odien-Corpus abschließen: ein Kommentar zu den St¨ucken sowie eine Verteidigung des Terenz und der antiken Kom¨odie u¨ berhaupt. Der Kommentar charakterisiert das terentinische Personal, umreißt die Handlungsabl¨aufe und behandelt die Autorintention. Die humanistisch und an Piccolomini orientierte Verteidigungsschrift richtet sich an Gelehrte und Mitbr¨uder. Sie lobt die (partielle) Weisheit der Kom¨odien, verweist auf Entsprechungen zu christlichen Ansichten und unterstreicht im Rekurs auf patristische und scholastische Schriftsteller die N¨utzlichkeit der rhetorischen Schulung am antiken Vorbild. Die Handschrift wird abgeschlossen von zwei Schriften des Guilelmus Savonensis, einem Trostbrief an W. und einem gleichsam tr¨ostenden Gespr¨achstraktat (Anlass war der Tod des Freundes von W., Johannes Schwarz). Im Traktat treten in f¨unf Gespr¨achen Wolfgangus, Guilhelmus und Georgius (→ Peuerbach) auf, in Nebenrollen Johannes (Symler von Brethaym) und ein nicht identifizierter Oswaldus. Die Dialoge vermitteln dem stets antizipierten Leser W. verschiedene Modelle des Selbsttrostes, u. a. mit Bezug auf die memoria des Verstorbenen. Gleichzeitig zelebrieren sie eine humanistische Freundschaftskultur (vgl. auch den Dialogus de remedio amoris [1454] des Johannes → Tr¨oster). Diese nordalpine Rezeption des italienisch-humanistischen Konsolationsdiskurses blieb selbst allerdings ohne Wirkung. ¨ Uberlieferung: Klosterneuburg, Stiftsbibl., Cod. 743 A (Pap., 1452/53). Auf. Bl. 1r: «Liber monasterii Newnburgensis scriptus per fratrem Wolfgangum Winthager [...]». 1r–290r: Terentius-Tl. («Comoediae cum commentariis Wolfgangi Winthager»; Kommentar: 266r–285r, Verteidigungsschrift: 285v–290r); 292r–293v: Guilelmus Savonensis: «Epistola consolatoria ad Wolfgangum Winthager»; 298r–311r: ders.: «Tractatus an mortui 1220
Luzerner Osterspiel (Passionsspiel) sint lugendi an non». – Vergleichbare TerenzZusammenstellungen in: Augsburg, S und StB, 2° Cod. 128 (Pap., 1451, aus Bologna; benutzt von → Albrecht von Eyb) und Wien, Schottenstift, Arch., Hs. 212 (H¨ubl 218) (Pap., 1452, geschrieben von Guilelmus Savonensis). – Vier ¨ Kom¨odienkommentare W.s auch in: ebd., ONB, r r Cod. 3226, 162 –175 (Pap., 1452/53 [?]) und f¨unf unvollst¨andige sowie der Anfang der Verteidigungsschrift in: ebd., Cod. 3210, 158r–173r (Pap., 1471, Kaiser → Maximilian gewidmet und u¨ bereicht von Thomas von Cilia). ˇ Ausgaben: Cernik (s. Lit.) S. 77–86 (Verteidigungsschrift). – Ebd., S. 87–91 (Trostbrief). – Kiening 1998 (s. Lit.) S. 576–604 (Dialoge). Literatur: De Boor/Newald 4/1 (21994) S. 476, 504, 626. – Christian Kiening, VL2 10 (1999) ˇ Sp. 1234–1237. – Berthold Cernik: Die Anf¨ange des Humanismus im Chorherrenstift Klosterneuburg. In: Jb. des Siftes Klosterneuburg 1 (1908) S. 57–94. – Karl Großmann: Die Fr¨uhzeit des Humanismus in Wien bis zu Celtis’ Berufung. In: Jb. f¨ur Landeskunde von Nieder¨osterreich NF 22 (1929) S. 150–325, hier S. 230–235. – Jos´e Ruysschaert: Lorenzo Guglielmo Traversagni de Savone (1425–1503). Un humaniste franciscain oubli´e. In: Archivum Franciscanum Historicum 46 (1953) S. 195–210. – Alphons Lhotsky: Studia Neuburgensia. Beitr. zur Grundlegung einer Gesch. der Wissenschaftspflege im sp¨atma. Nieder¨osterreich. In: Jb. des Stiftes Klosterneuburg NF 1 (1961) S. 69–103 (wieder in: Ders.: Historiographie, Quellenkunde, Wissenschaftsgesch. [Aufs¨atze und Vortr¨age. Bd. 3]. Wien 1972, S. 179–227, hier bes. S. 205–207. – Alfred A. Strnad: Die Rezeption der italienischen Renaissance in den o¨ sterr. Erbl¨andern der Habsburger. In: Die Renaissance im Blick der Nationen Europas (Wolfenb¨utteler Abh. zur Renaissanceforsch. 9). Hg. v. Georg Kauffmann. Wiesbaden 1991, S. 135–226, hier S. 145 f. – C. Kiening: Schwierige Modernit¨at. Der ‹Ackermann› des Johannes von Tepl und die Ambiguit¨at hist. Wandels (MTU 113). T¨ubingen 1998, S. 446–454. – Teodoro Lorini: Petrarca a Vienna. Riscontri da un censimento in corso. In: Margarita amicorum. Studi di cultura europea per Agostino Sottili. Bd. 2 (Bibliotheca erudita 26,2). Hg. v. Fabio Forner u. a. Mailand 2005, S. 603–636, hier S. 619–622. VZ 1221
2. H¨alfte 15. Jh. Luzerner Osterspiel (Passionsspiel). – Volkssprachiges geistliches Spiel. Luzerns reiche Tradition geistlicher und weltlicher Spiele umfasste auch das L. O., ein volkssprachiges Spiel mit heilsgeschichtlichen Szenen aus AT und NT. Auff¨uhrungen sind von 1453 bis 1616 belegt und wurden zun¨achst von Geistlichen veranstaltet. Sp¨ater erfolgten sie unter der Oberaufsicht des Stadtrats, der den jeweiligen Luzerner Gerichts- oder Stadtschreiber mit der Spielleitung betraute und Auff¨uhrungsprivilegien an Spielgesellschaften verlieh. W¨ahrend die weltlichen Spiele von der Herrenstube «Zum Affenwagen» (sp¨ater «Zum Sch¨utzen») produziert wurden, war f¨ur die geistlichen Spiele vor allem die Spielgemeinschaft «Dornenkrone» verantwortlich. Ihre Mitglieder geh¨orten dem Klerus und der st¨adtischen Oberschicht an. Herrschte zwischen den geistlichen und den weltlichen Organisatoren zun¨achst noch ein ausgewogenes Verh¨altnis, so bestimmte das Patriziat ab dem 16. Jh. zunehmend die Spielproduktion. Die durchweg m¨annlichen Darsteller kauften sich die Rollen. W¨ahrend die Nebenrollen traditionell von Angeh¨origen der Z¨unfte gespielt wurden, waren die Hauptrollen den geistlichen und weltlichen Amtstr¨agern sowie Patriziern vorbehalten. Die Auff¨uhrungen des L. O. fanden zun¨achst wohl bei der Kapelle St. Peter statt, sp¨ater dann als Simultanb¨uhne auf dem st¨adtischen Fischmarkt (heute Weinmarkt). Dieser spielte im Leben der Stadt als Handels- und Gerichtsst¨atte eine zentrale Rolle. Im Osten des Platzes wurde erh¨oht der Himmel dargestellt, im Westen die H¨olle. Hinzu kamen weitere Spielh¨ofe und -st¨ande. Der Auff¨uhrungsrhythmus war von 1490 bis 1504 f¨unfj¨ahrig, danach mit Abweichungen etwa zehnj¨ahrig. Belegt sind Auff¨uhrungen f¨ur die Jahre 1453, 1490, 1550, 1560, 1571, 1583, 1597 und 1616. In dieser Zeit durchlief das L. O. eine inhaltliche Entwicklung, die mit einem kurzen Osterspiel begonnen haben d¨urfte. Dieses enthielt wahrscheinlich nur die eigentlichen Osterereignisse, also die Grabszenen sowie Auferstehung und Erscheinung Christi. Sp¨ater wurden die Passion, Himmelfahrt und Pfingsten hinzugef¨ugt, außerdem biblische ATSzenen ab der Genesis, Pr¨afigurationen und Historien. Die Auff¨uhrung von 1453 beruhte noch auf der Kurzform des Osterspiel. Das Spiel wurde dann auf einen ganzen Tag erweitert und 1470 schließlich zweit¨agig, aber noch ohne AT-Szenen 1222
2. H¨alfte 15. Jh. aufgef¨uhrt. Danach gelangte das L. O. nach Villingen, wo es die Grundlage des → Donaueschinger Passionsspiels bildete. Gleichzeitig wurde es in Luzern mit zus¨atzlichen AT-Szenen aufgef¨uhrt. Eine perfekte Rekonstruktion der Textgeschichte ist we¨ gen der l¨uckenhaften Uberlieferung freilich nicht m¨oglich. Die erhaltenen Handschriften von 1545, 1571, 1583, 1597 und 1616 enthalten nur Teile der jeweiligen Spiele, weshalb auch der Gesamttext des L. O. nur als nachtr¨agliche Rekonstruktion existiert. Die Umst¨ande der Auff¨uhrungen sind insgesamt besser belegt als die Spieltexte, da zahlreiche Regiematerialien erhalten sind. Diese dokumentieren ausf¨uhrlich B¨uhnenpl¨ane, Abrechnungen, Requisiten und Kost¨ume. Die Geschichte der L. O. ist eng mit den jeweiligen Spielleitern verkn¨upft. Der Gerichtsschreiber Hans Salat (1498–um 1561) war f¨ur das L. O. von 1538 verantwortlich, das aber nicht erhalten ist. Eine zentrale Gestalt des L. O. war dann Zacharias Bletz (1511–1570). Er wurde 1542 Schulmeister, 1543 Rats- und Gerichtsschreiber, 1549 Notar und 1566 Stadtschreiber, war daneben aber auch Kaufmann und Ratsherr. Er gilt als Autor des → Luzerner Antichrist- und Weltgerichtsspiels und dreier Luzerner Fastnachtsspiele. Er wurde außerdem zum Spielleiter f¨ur Luzern ernannt und war 1545 und 1560 f¨ur das L. O. verantwortlich. W¨ahrend der Text von 1560 verloren ist, besitzen wir bis heute Teile des Spiels von 1545 (zweiter Tag ab Auferweckung des Lazarus). Hans Kraft (auch Krafft) war als Nachfolger von Bletz seit 1570 Luzerner Stadtschreiber und starb 1575. Aus der von ihm betreuten Auff¨uhrung von 1571 ist nur der erste Spieltag u¨ berliefert. Die vielleicht bedeutendste Person in der Geschichte der Luzerner Spiele war Renward Cysat (1545–1614). Urspr¨unglich Apotheker, wurde er 1571 apostolischer Notar, 1573 Großrat, 1575 Stadtschreiber, 1576 Pfalzgraf und 1593 Ritter. Er spielte eine wichtige Rolle in der Luzerner Politik, geh¨orte der «Affenwagen»Gesellschaft an und hinterließ eine umfangreiche Sammlung von Spielen, B¨uhnen- und Regiematerialien. Cysat leitete die L. O. von 1583 und 1597. Die auf dem Spiel von 1571 beruhende Auff¨uhrung von 1583 ist allerdings ebenso unvollst¨andig erhalten (Teile des ersten Spieltags, vor allem AT) wie jene von 1597 (Teile des zweiten Spieltags). Unter ¨ der Agide des Stadtpfarrers Martin Matzinger erfolgte dann 1616 die letzte Auff¨uhrung des L. O., 1223
Luzerner Osterspiel (Passionsspiel) deren Text vom Beginn der NT-Szenen bis Pfingsten u¨ berliefert ist. Nur vereinzelt erhalten ist u¨ brigens die musikalische Untermalung des L. O., die aus dt. und lat., teils liturgischen Ges¨angen bestand. Die erhaltenen Texte der L. O. sind in hochalemannischen Knittelversen geschrieben. Ihre Sprache ist einerseits von volkst¨umlichen oder mundartlichen Elementen gepr¨agt, die sich u. a. in Grußformeln und Beschimpfungen a¨ ußern. Zugleich sind die Texte eng an die Bibel und ihre Sprache angelehnt. Als Grundlage diente neben der Vulgata auch die Bibel¨ubersetzung von Johann Dietenberger. Die fr¨uheren Fassungen des Spiels waren stark moraldidaktisch gepr¨agt. Propheten und Kirchenv¨ater traten darin mit beleh¨ renden Uberleitungen auf. Seit 1597 wurden die Reden des Proclamators und der Kirchenlehrer jedoch von Cysat gek¨urzt, der stattdessen biblische Historien einf¨ugte. Gleichzeitig wuchsen Umfang und Aufwand des Spiels auf u¨ ber 10.000 Verse in 56 Akten mit drei Ch¨oren und u¨ ber 300 Sprechrollen an. Das L. O. war zu einem barocken Spektakel geworden, dessen Prunk die Heilsbotschaft u¨ berlagerte. Dabei diente das Spiel aber nicht nur der Selbstdarstellung des st¨adtischen B¨urgertums, das als Spieler oder Zuschauer an ihm partizipierte. Die Bedeutung des L. O. ist auch in einem religionspolitischen Kontext zu sehen, war es doch Ausdruck katholischen Selbstbewusstseins gegen¨uber der Reformation. Nicht zur genuinen L. P.-Tradition geh¨orte u¨ brigens das irref¨uhrend benannte L. P. des Mathias → Gundelfinger. Dieses wurde zwar von Cysat gesammelt, aber nicht in Luzern aufgef¨uhrt. ¨ Uberlieferung: 1. L. P. von 1545: Luzern, Zentral- und Hochschulbibl., Ms. 167 II fol., 1r–75r (Pap., um 1545, hochalemannisch, Haupthand Z. Bletz mit Nachtrag anderer H¨ande). – 2. L. P. von 1571: Ebd., Ms. 171 fol., S. 1–110 (Pap., Luzern, 1571, hochalemannisch, Schreiber: R. Cysat). – 3. L. P. von 1583: Ebd., Ms. 172 VIII fol., 1r–4v (Pap., Luzern, um 1583, hochalemannisch, Schreiber: R. Cysat; Fragm.). – Ebd., Ms. 172 IV fol., S. 1–48 (Pap., Luzern, 1583, hochalemannisch, Haupthand R. Cysat). – 4. L. P. von 1597: Ebd., Ms. 179 V fol., S. 1–136 (Pap., Luzern, um 1597, hochalemannisch; unvollst.). – 5. L. P. von 1616: Ebd., Ms. 185 I fol., 1–91r (Pap., Luzern, 1616, hochalemannisch). – Ebd., Ms. 185 II fol., 1r–80v (Pap., Luzern, 1616, hochalemannisch). – Ebd., Ms. 185 III fol., S. 1–45 (Pap., Luzern, 1616, 1224
Luzerner Osterspiel (Passionsspiel) hochalemannisch). – Daneben zahlreiche Hss. mit Regiematerialien und Musiktafeln, vgl. Bergmann 1986 (s. Lit.) Nr. 78, 84, 86–92, 96–102, 105, 109. Ausgaben: Luzerner Passions- und Osterspiele nach Renward Cysat in Uebereinstimmung mit den biblischen Quellen [...]. Hg. v. Hermann Dimmler. 2 Bde. Luzern [1924]. – Evans 1927 (s. Lit.; Teilausg.). – Evans 1932 (s. Lit.; Regiematerialien). – Das L. O. Hg. v. Heinz Wyss. 3 Bde. ¨ Bern 1967. – Altere Teilausg. bei Bergmann 1986 (s. Lit.). ¨ Literatur: Altere Lit. bei Wyss 1985 (s. u.). – Heinz Wyss, VL2 5 (1985) Sp. 1093–1099. – De Boor/Newald 4/1 (21994) S. 251, 373 f. – Franz K¨orndle: Liturgische Dramen, Geistliche Spiele. In: MGG2 Sachteil 5 (1996) Sp. 1388–1412. – R¨udiger Brandt: Osterspiele. In: KLL3 12 (2009) S. 401–405. – Elke Ukena-Best: L. Spiele. In: Killy2 7 (2010) S. 589–592. – Renward Brandstetter: Die Mundart in der alten Luzerner Dramatik. In: Zs. f¨ur hochdt. Mundarten 3 (1902) S. 1–26. – Ders.: Die altschweizerische Dramatik als Quelle f¨ur volkskundliche Forschungen. Z¨urich 1904, S. 24–36. – Erika Mundt: Das Luzerner Spiel v. Christi Tod und Grablegung. Diss. Marburg 1924 (Mikrofiche-Ausg. SB Berlin 2008). – Peter Xaver Weber: Ueber die Oster- und Passionsspiele im alten Luzern. o. O. 1924. – Marshall B. Evans: The Passion Play of Lucerne. In: The Germanic Review 2 (1927) S. 93–118. – Oskar Eberle: Grundriss einer Luzerner Theater-Gesch., 1450–1926. o. O. 1927. – Ders.: Theatergesch. der inneren Schweiz. Das Theater in Luzern, Uri, Schwyz, Unterwalden und Zug im MA und zur Zeit des Barock 1200–1800. K¨onigsberg 1929, S. 3 f., 9, 15, 25 f. – Hans Dommann: Die Luzerner Bekr¨onungsbruderschaft als religi¨ose Spielgemeinde. In: Jb. der Ges. f¨ur schweizerische Theaterkultur 3 (1930/31) S. 4–68. – M. B. Evans: Beteiligung der Luzerner B¨urger am Passionsspiel. In: Geschichtsfreund 87 (1932) S. 304–335. – Ders.: Zur Gesch. des L. P. In: Innerschweizerisches Jb. f¨ur Heimatkunde 2 (1937) S. 15–23. – Ders.: A Medieval Pentecost. A Note on Foreign Languages in the Lucerne Passion Play. In: Monatsh. f¨ur dt. Unterricht 30 (1938) S. 153–156. – Ders.: The Passion Play of Lucerne. An Historical and Critical Introduction. New York u. a. 1943 (dt. u. d. T.: Das Osterspiel v. Luzern, Bern 1961). – Franz Heinemann: Die Rolle des Teufels bei den Auferstehungsspielen der 1225
2. H¨alfte 15. Jh. Luzerner Landschaft 1400–1798. In: Innerschweizerisches Jb. f¨ur Heimatkunde 11/12 (1947/48) S. 117–136. – Georg Th¨urer: Die großen L. O. o. O. 1958. – Rolf Steinbach: Die dt. Oster- und Passionsspiele des MA. K¨oln/Wien 1970, passim. – H. Wyss: Dienendes Theater einst und jetzt. In: FS Paul Zinsli. Hg. v. Maria Bindschedler. Bern 1971, S. 201–210. – David Brett-Evans: Von Hrotsvit bis Folz und Gengenbach. Eine Gesch. des ma. dt. Dramas. Tl. 2: Religi¨ose und weltliche Spiele des Sp¨atMA (Grundlagen der Germanistik 18). Berlin 1975, S. 111–123. – John E. Tailby: Die L. Passionsspielauff¨uhrung des Jahres 1583. Zur Deutung der B¨uhnenpl¨ane Renward Cysats. In: The Theatre in the Middle Ages. Hg. v. Herman Braet u. a. Leuven 1985, S. 352–361. – Rolf Bergmann: Kat. der deutschsprachigen geistlichen Spiele und Marienklagen des MA (Ver¨off. der Kommission f¨ur Dt. Lit. des MA der Bayerischen Akad. der Wiss.). Mu¨ nchen 1986, S. 184–189 (Nr. 78 f.). – Anthonius H. Touber: Die B¨uhnenanweisungen im Donaueschinger Passionsspiel und im L. O. In: ‹Wortes anst, verbi gratia›. FS Gilbert de Smet. Hg. v. Heinrich Cox. Leuven u. a. 1986, S. 489–493. – Elly Vijfvinkel: Das Donaueschinger Passionsspiel im L. O. Ein Vergleich zweier Passionsspiele. Amsterdam 1986 (dazu: J. E. Tailby, in: ZfdPh 108, 1989, S. 125–127). – J. E. Tailby: The Role of the Director in the Lucerne Passion Play. In: Medieval English Theatre 9 (1987) S. 80–92. – Ders.: Die Zuschauertrib¨unen auf dem Luzerner Weinmarkt. Zum O. 1583. In: ZfdPh 107 (1988) S. 106–116. – E. Vijfvinkel: Die Szenenfolge im Donaueschinger Passionsspiel und im L. O. In: ‹... daz ir dest w´erd`er sint ...›. FS Anthonius H. Touber. Hg. v. Carla Dauven-van Knippenberg. Amsterdam 1990, S. 111–117. – E. Vijfvinkel: Vorausdeutungen und R¨uckwendungen im L. O. In: Etudes Germaniques 47 (1992) S. 285–297. – J. E. Tailby: Zuschauer und Darsteller im L. P. In: Ma. Schauspiel. FS Hansj¨urgen Linke (AB¨aG 38/39). Hg. v. Ulrich Mehler/A. H. Touber. Amsterdam u. a. 1994, S. 321–328. – E. Vijfvinkel: Das letzte Abendmahl in dem Donaueschinger Passionsspiel, dem L. O. und in der Bibel. In: ebd., S. 377–385. – Dies.: Die Tradition des L. O. In: AB¨aG 41 (1995) S. 229–235. – Dies.: Bibel und bildende Kunst im Donaueschinger Passionsspiel und im L. O. In: Etudes Germaniques 52 (1997) S. 293–301. – J. E. Tailby: Ber¨uhrungspunkte zwischen P. und Heiligenspiel in Luzern am Ende des 16. Jh. In: Leuvense 1226
2. H¨alfte 15. Jh. Bijdragen 90 (2001) S. 249–262. – E. Vijfvinkel: Die Christusgestalt in der L. Osterspieltradition. In: ‹Pur remembrance›. FS Wolfgang A. Spiewok. Hg. v. Anne Berthelot. Greifswald 2001, S. 331–342. – E. Vijfvinkel: Die Integration des alten O. in den ma. geistlichen Spielen von Donaueschingen und Luzern. In: AB¨aG 60 (2004) S. 199–208. – Glenn Ehrstine: Pr¨asenzverwaltung. Die Regulierung des Spielrahmens durch den Proklamator und andere ‹expositores ludi›. In: Transformationen des Religi¨osen. Performativit¨at und Textualit¨at im geistlichen Spiel. Hg. v. Ingrid Kasten/Erika FischerLichte (Trends in medieval philology 11). Berlin/ New York 2007, S. 63–79. – Andreas Kotte: Vom Verstummen der Texte angesichts des Wunders. Wirkungsstrategien im geistlichen Spiel. In: ebd., S. 189–200. – E. Vijfvinkel: Lehrer und Propheten im L. O. In: ebd. 66 (2010) S. 249–261. – Ursula Schulze: Geistliche Spiele im MA und in der Fr¨uhen Neuzeit. Von der liturgischen Feier zum Schauspiel. Eine Einf. Berlin 2012, S. 120–122. MM Luzerner Weltgerichtsspiel. – Geistliches Spiel. Das L. W. ist in einer Luzerner Handschrift erhalten, die aus drei Teilen zusammengebunden ist. Der das L. W. enthaltende Manuskriptteil wurde wahrscheinlich in der ersten H¨alfte des 16. Jh., sp¨atestens aber 1549 geschrieben und dann mit anderen Bl¨attern zur Handschrift vereinigt. Als Vorlage d¨urfte ein Spieltext gedient haben, dessen Entstehung im 15. Jh. vermutet wird. Die manchmal vertretene Annahme, das L. W. sei urspr¨unglich 1468 von dem Schulmeister Jakob am Grund verfasst worden, ist unbewiesen und eine Auff¨uhrung in jenem Jahr nicht nachweisbar. Glaubt man einem zeitgen¨ossischen Bericht, so gab es in Luzern vor 1549 angeblich 40 Jahre lang keine Auff¨uhrung eines W., was die Entstehungszeit vor 1509 verorten w¨urde. Die Genauigkeit des Berichts ist allerdings verschiedentlich angezweifelt worden. Das Manuskript weist zahlreiche Zus¨atze und Bearbeitungen auf, die wohl f¨ur eine geplante Auff¨uhrung vorgenommen wurden. Die Handschrift umfasst außerdem ein Spielerverzeichnis des Zacharias Bletz zur Weltspielauff¨uhrung von 1549. Damals wurde jedoch nicht das L. W. selbst aufgef¨uhrt, sondern Bletz’ vielleicht auf ihm beruhendes → Luzerner Antichrist- und Weltgerichtsspiel. Die rund 2756 Verse des L. W. sind in meist vierhebigen Paarreimen geschrieben. Hinzu kommen 1227
Luzerner Weltgerichtsspiel ausf¨uhrliche Regieanweisungen f¨ur die mindestens 56 Sprechrollen des Spiels. Inhaltlich bietet das L. W. eine breit angelegte Darstellung des J¨ungsten Gerichts. Nach dem Prolog des Proclamators treten Propheten und Kirchenlehrer auf und nach der Berufung der Beisitzer zum Gericht erfolgt die Auferstehung der Toten. Dann werden die guten von den b¨osen Seelen getrennt, u¨ ber die im Anschluss geurteilt wird. Dazwischen stehen Zeugnisse und F¨urbitten Christi, Marias, der Apostel, Propheten und Patriarchen. Nach der H¨ollen- bzw. Himmelfahrt der Seelen h¨alt Christus eine Schlussrede. Am Ende des Spiels fasst ein Conclusor die Ereignisse zusammen, bevor in Form einer Prozession der Auszug erfolgt. Das L. W. kn¨upft an Mt 25,31–46 an und a¨ hnelt darin den Weltgerichtsspielen aus Berlin, Bern, Chur, Donaueschingen, Kopenhagen, Mu¨ nchen und Schaffhausen sowie dem Weltgerichtspiel der Sammlung Jantz. Das Spiel greift außerdem auf die → 15 Zeichen vor dem J¨ungsten Gericht zur¨uck und enth¨alt eine Periphrase des → Salve Regina von Valentin Bannholtzer. Charakteristisch f¨ur das L. W. sind einmal die zahlreichen Reden, durch die das Spiel eine gr¨oßere Feierlichkeit erh¨alt. Daneben gewinnt das L. W. durch Umstellungen traditioneller Szenenfolgen an Individualit¨at. So werden z. B. Maria und die anderen Gerichtsbeisitzer noch vor der Auferstehung der Toten berufen. Auch wenn die erz¨ahlerische Logik mancher Umstellungen umstritten ist, so sind sie doch Ausdruck eines eigenst¨andigen Gestaltungswillens. ¨ Uberlieferung: Luzern, Zentral- und Hochschulbibl., BB Ms. 169 I, 1r–45r (Pap., 16. Jh., hochalemannisch). Ausgaben: Renward Brandstetter: Die Technik der Luzerner Heiligenspiele. In: Arch. f¨ur das Studium der neueren Sprachen und Litteraturen 75 (1886) S. 383–418 (Teilausg.). – Jakob Baechtold: Gesch. der dt. Lit. in der Schweiz. Frauenfeld 1892, Anm. S. 104 f. (Teilausg.). – Schulze 1996a (s. Lit.; Teilausg.). – Die dt. Weltgerichtspiele des sp¨aten MA. Synoptische Gesamtausg. Bd. 2/1. Hg. v. Hansj¨urgen Linke. T¨ubingen/Basel 2002, Sigel L1. Literatur: Hellmut Rosenfeld, VL2 5 (1985) Sp. 1099–1102. – Franz K¨orndle: Liturgische Dramen, Geistliche Spiele. In: MGG2 Sachteil 5 (1996) Sp. 1388–1412. – Elke Ukena-Best: Luzerner Spiele. In: Killy2 7 (2010) S. 589–592. – Karl Reuschel: Die dt. W. des MA und der Reformationszeit. Eine literarhist. Unters. nebst dem Abdruck des Luzerner ‹Antichrist› v. 1549. Leipzig 1228
Berner Weltgerichtsspiel 1906, S. 57 f., 61 f., 88, 94–96, 137–141. – Oskar Eberle: Theatergesch. der inneren Schweiz. Das Theater in Luzern, Uri, Schwyz, Unterwalden und Zug im MA und zur Zeit des Barock 1200–1800. K¨onigsberg 1929, S. 1 f. – Theodor v. Liebenau: Das alte Luzern. Luzern 21937, S. 223. – Josef Sidler: Die Bildungsverh¨altnisse im Kanton Luzern mit besonderer Ber¨ucksichtigung des Klerus v. ca. 1250 bis um 1530. Stans 1970, S. 45. – Rolf Bergmann: Kat. der deutschsprachigen geistlichen Spiele und Marienklagen des MA (Ver¨off. der Kommission f¨ur dt. Lit. des MA der Bayerischen Akad. der Wiss.). Mu¨ nchen 1986, S. 190–192 (Nr. 80). – Bernd Neumann: Geistliches Schauspiel im Zeugnis der Zeit. Bd. 1 (MTU 84). Mu¨ nchen/Z¨urich 1987, Nr. 2096 (Hs. C). – Ursula Schulze: Erl¨osungshoffnung der Verdammten. Zum ‹Salve regina› im L. W. und Marias Rolle im J¨ungsten Gericht. In: ZfdPh ¨ 113 (1994) S. 345–369. – Hans Blosen: Uberlegungen zur Aufzeichnungsform des ‹Salve Regina› im L. W. In: ‹Sˆo wold ich in fr¨oiden singen›. FS Anthonius H. Touber. Hg. v. Carla Dauvenvan Knippenberg/Helmut Birkhan (AB¨aG 43/44). Amsterdam/Atlanta, GA 1995, S. 79–98. – U. Schulze: Erweiterungs- und Ver¨anderungsprozesse in der Tradition der W. In: PBB 118 (1996) S. 205–233. – Dies.: Epische Einlagen im epischen Theater. Zu Eigenarten des L. W. I. In: Erz¨ahlungen in Erz¨ahlungen. Ph¨anomene der Narration in MA und Fr¨uher Neuzeit. Hg. v. Harald Haferland/Michael Mecklenburg. M¨unchen 1996, S. 351–369. – H. Linke: Aus zwei mach eins? Das L. W. Jakobs am Grund und das sog. Berner W. In: PBB 119 (1997) S. 268–275. – Dieter Trauden: Gnade vor Recht? Unters. zu den deutschsprachigen Weltgerichtsspielen des MA. Amsterdam/Atlanta, GA 2000, S. 44–51, 356–375 u. o¨ . – Linke (s. Ausg.) Bd. I, S. 23–26 u. o¨ . – Heidy GrecoKaufmann: ‹Zuo der Eere Gottes, vfferbuwung dess mentschen vnd der Statt Lucern lob.› Theater und szenische Vorg¨ange in der Stadt Luzern im Sp¨atMA und in der fr¨uhen Neuzeit. Hist. Abriss und Quellenedition. 2 Bde. Z¨urich 2009, passim (mit CD-ROM). – Ursula Schulze: Geistliche Spiele im MA und in der Fr¨uhen Neuzeit. Von der liturgischen Feier zum Schauspiel. Eine Einf. Berlin 2012, S. 169–172. MM Berner Weltgerichtsspiel (eigentl. Luzerner W.). – Geistliches Spiel, um 1462 aufgezeichnet. Das zu Lesezwecken aufgezeichnete Spiel (1007 Verse; durch nachtr¨agliches Beschneiden gingen 1229
2. H¨alfte 15. Jh. V. 579 f. und V. 614 teilweise verloren; mindestens 29 Sprecherrollen) geh¨ort wie das ebenfalls auf Abschreckung vor su¨ ndhaftem Verhalten und auf heilsdidaktische Unterweisung ausgerichtete → Berliner, → Donaueschinger, → Kopenhagener und → Schaffhauser Weltgerichtsspiel – als einer der wichtigsten Texte dieser Gruppe – zu den an Mt 25, 31–46 ankn¨upfenden Spielen. Auf einen epischen Teil (V. 1–231), in dem alttestamentliche Propheten (Johel, Sophonias) und Kirchenlehrer (Gregorius [mit Zitaten von Job und Salomon], Jeronimus [Erkl¨arung der → 15 Zeichen vor dem J¨ungsten Gericht, vgl. Legenda aurea des → Jacobus a Voragine]) die Zuschauer auf das Weltende vorbereiten, folgt der dramatische Teil (V. 232 ff.), der mit der Auferweckung der Toten durch die Posaunen der Engel beginnt. Nach Christi Gericht u¨ ber Gerechte und Ungerechte k¨onnen weder die Klagen der Verdammten noch die Fu¨ rbitte Marias – unterst¨utzt durch Johannes den T¨aufer – den Richterspruch umstoßen. Christus selbst schließt hinter den Verdammten, die von Teufeln an einem Seil in die H¨olle gezerrt werden, die Pforten der H¨olle. Das Spiel endet mit der Lobpreisung Christi durch die Apostel (darunter Paulus und Thateus) und dem Einzug der Gerechten in den Himmel mit Abschlussgesang. Der Wortlaut stimmt fast immer mit dem Donaueschinger (hat nur die Hauptszene V. 347–717) und dem Kopenhagener Weltgerichtsspiel u¨ berein. Beide haben jedoch zwei im B. W. zwischen V. 495 und V. 496 ausgefallene Verse (im Schaffhauser Weltgerichtsspiel: V. 467 f.). Dem Schaffhauser Weltgerichtsspiel fehlen im Vergleich zum B. W. Johels Rede und die Lobpreisungen Christi durch die zw¨olf Apostel. Gr¨oßere Einsch¨ube finden sich beim Berliner Weltgerichtsspiel. Bez¨uglich Vollst¨andigkeit, Wortlaut und Mundart scheint das B. W. dem Prototypus aus der zweiten H¨alfte des 14. Jh. nahezukommen. ¨ Uberlieferung: Bern, Burgerbibl., Ms. h. h. X 50, S. 305a–330a (Pap., Luzern, um 1462). Ausgaben: Wolfgang Stammler (Hg.): B. W. Aus der Hs. des 15. Jh. (TspMA 15). Berlin 1962. – Hansj¨urgen Linke (Hg.): Die dt. Weltgerichtspiele des sp¨aten MA. Synoptische Gesamtausg. Bd. I: Einleitung, Bd. II/1.2: Texte. Tu¨ bingen/Basel 2002. Literatur: Hellmut Rosenfeld, VL2 1 (1978) Sp. 748 f.; 11 (2004) Sp. 240. – De Boor/Newald 4/1 (21994) S. 263. – Bernd Neumann/ 1230
2. H¨alfte 15. Jh. Red., Killy2 1 (2008) S. 479 f. – Rudolf Klee: Das mhd. Spiel vom j¨ungsten Tage. Diss. Marburg 1906. – Rolf Bergmann: Kat. der deutschsprachigen geistlichen Spiele und Marienklagen des MA (Ver¨off. der Kommission f¨ur dt. Lit. des MA der Bayerischen Akad. der Wiss.). M¨unchen 1986, S. 69–71 (Nr. 22), S. 410 (M 23). – B. Neumann: Geistliches Schauspiel im Zeugnis der Zeit. Zur Auff¨uhrung ma. religi¨oser Dramen im dt. Sprachgebiet (MTU 84/85). 2 Bde. M¨unchen 1987, Bd. 2, S. 831 (Nr. 3616). – Hansj¨urgen Linke: Das Luzerner Weltgerichtsspiel Jacobs am Grund und das sogenannte ‹Berner› Weltgerichtsspiel. In: PBB 119 (1997) H. 2, S. 268–275. – Dieter Trauden: Gnade vor Recht? Unters. zu den deutschsprachigen Weltgerichtsspielen des MA (Amsterdamer Publ. zur Sprache und Lit. 142). Amsterdam/Atlanta 2000, S. 16–18. – Linke (s. Ausg.) Bd. I, S. 11–13 u. o¨ . – Hildegard Elisabeth Keller: ‹losendt obenthvr›. Weltgerichtsspiele als Aktualisierungsmedien der Zeit. Am Beispiel des ‹B. W.› und des ‹Churer Weltgerichtsspiels›. In: Ritual und Inszenierung. Geistliches und weltliches Drama des MA und der Fr¨uhen Neuzeit. Hg. v. Hans-Joachim Ziegeler. T¨ubingen 2004, S. 49–70. – Schachzabel, Edelstein und der Gral. Sp¨atma. Handschriftensch¨atze der Burgerbibl. Bern (Passepartout. Schriftenreihe der Burgerbibliothek Bern), Bern 2009, S. 46–51 [Isabelle Marcon/Sonja Schneider]. – Ursula Schulze: Geistliche Spiele im MA und in der Fr¨uhen Neuzeit. Von der liturgischen Feier zum Schauspiel. Eine Einf. Berlin 2012, S. 166–168. BJ Troster, ¨ Johannes (Troster, Trester), Amberg/ Oberpfalz, † 24.4.1487 Regensburg. – Theologe, Humanist, Dramatiker. T. stammte aus Amberg und studierte seit 1442 mit seinem Verwandten Johann Mendel an der Wiener Universit¨at. Sp¨atestens 1470 wurde er zum Dr. decr. promoviert. Er unterhielt Verbindungen zum Wiener Hof des K¨onigs und sp¨ateren Kaisers Friedrich III. und war seit sp¨atestens 1450 mit Aeneas Sylvius → Piccolomini befreundet, dem sp¨ateren Papst Pius II. Auf dessen Vermittlung wurde T. neben Nikolaus von Wartenberg zun¨achst Erzieher von Piccolominis Neffen Francesco, dem sp¨ateren Papst Pius III., und 1451 auch Erzieher von Ladislaus Posthumus. 1452 zog T. mit diesem und Friedrich III. zur Kaiserkr¨onung nach Rom. T. wurde jedoch verd¨achtigt, an Ladislaus’ Fluchtversuchen 1231
Troster ¨ beteiligt gewesen zu sein, fiel daraufhin in Ungnade und verlor seine Position. Nach seiner Priesterweihe war T. 1453/54 Pfarrer von Hornburg und kehrte dann mit Unterst¨utzung von Aeneas Sylvius in offizielle Dienste zur¨uck. So arbeitete er um 1455 f¨ur den Bischof und ungarischen Kanzler Johannes Vit´ez und seit 1457 f¨ur den Bischof von Salzburg. Sp¨atestens 1462 wurde T. Propst im Kollegiatstift Mattsee und sp¨atestens 1467 Domherr in Regensburg. Um 1452 begann T. auch mit dem Aufbau einer großen B¨uchersammlung, deren gr¨oßten Teil er jedoch 1481 u. a. an Johannes Pirckheimer und die Universit¨at Ingolstadt verschenkte. T.s einziges literarisches Werk ist das lat. Prosadrama Dialogus de remedio amoris. Es spielt am Kaiserhof und beginnt mit einer als Prolog gestalteten Widmungsvorrede, in der T. seinen Freundeskreis vorstellt. Danach tritt der liebeskranke Philostratus auf, hinter dem sich der Kanzleibeamte Wolfgang Forchtenauer verbirgt, ein Briefpartner T.s. Er klagt Amor an und m¨ochte seine Freunde um Hilfe bitten, wagt dies aber nicht und spricht nur den Arzt und Freund Eudion (T. selbst) an, der am Hof in Ungnade gefallen ist. Eudion empfiehlt Philostratus Gebete und Vors¨atze als Mittel gegen seine Liebeskrankheit und erl¨autert ihm die widerspr¨uchliche Natur Amors sowie die Ursachen der Liebe. Der Text wurde wahrscheinlich von Johannes Roth und Johannes Baptista de Dyonisiis angeregt und entstand 1454. Aufgrund der im St¨uck enthaltenen Regieanweisungen wird meist vermutet, der Dialogus sei zur Auff¨uhrung bestimmt gewesen. Die u¨ berlieferten Handschriften enthalten zwei Redaktionen (A, B) des Texts. Diese sind nicht mit einer fr¨uheren Fassung des St¨ucks identisch, die T. nachweislich zur Korrektur an Aeneas Sylvius schickte. A entstand wahrscheinlich sp¨ater als B, gilt aber als dem Original am n¨achsten. Inspiriert wurde der Dialog von der Remedia Amoris des Ovid, dem Liber de plancut Naturae des Alanus ab Insulis sowie der pathogenetischen Lehre des Arnaldus de Villanova. Auch ein Brief des Aeneas Sylvius an Nikolaus von Wartenberg vom 31.12.1445 u¨ ber die Heilung von der Liebe diente T. als Quelle. Die Schlussformel «Valete et plaudite» verweist auf die r¨omische Kom¨odie. Von Bedeutung ist der Dialogus als eines der fr¨uhesten Zeugnisse des dt. Humanismus. T. gilt als erster echter Sch¨uler des Aeneas Sylvius. 1232
Berliner (rheinisches) Osterspiel Neben dem Dialog sind Briefe T.s an Aeneas Sylvius (1452–57) sowie an Francesco (1470–81) erhalten. ¨ Uberlieferung: 1. Dialogus: Red. A: St. P¨olten, Di¨ozesanarch., cod. 63 (XIX 5 a), 155r–164v (1454). – Rom, Bibl. Vaticana, cod. Pal. lat. 1794, 46r–54r (1468). – Stuttgart, LB, cod. poet. et phil. 2° 25, 1r–6r (1468). – Red. B: Kremsm¨unster, Stiftsbibl., cod. 10, 253r–260r (um 1455). – N¨urnberg, StB, cod. Cent. V, App. 15, 2r–5r (um 1467, Schreiber: Hartmann → Schedel). – M¨unchen, BSB, Clm 519, 65r–74r (1468, Schreiber: Hartmann Schedel). – Uppsala, UB, cod. C 918, 158r–163v (1472). – 2. Briefe: Br¨unn, UB, cod. Mk. 96, 134r–155r (15. Jh.). Ausgaben: 1. Dialogus: Miscellanea, quae ex codicibus manuscriptis collegit [...] 1. Hg. v. Raimund Duellius. Augsburg/Graz 1723, S. 228–245 (nach der St. P¨oltener Hs., mit L¨ucken). – Die Fr¨uhzeit des Humanismus und der Renaissance in Deutschland. Hg. v. Hans Rupprich. Leipzig 1938 (Nachdr. Darmstadt 1964) S. 182–197 (nach Duellius, aber mit Korr. nach der Hs. Kremsm¨unster). – 2. Briefe: Karl A. H¨ofler: Slg. v. Urkunden zu einer k¨unftigen Gesch. der Unterhandlungen Bayerns mit dem r¨omischen Stuhle. In: Oberbayerisches Arch. 4 (1843) S. 330–359. – Die Briefe des Aeneas Sylvius vor seiner Erhebung auf den p¨apstlichen Stuhl [...]. Hg. v. Georg Voigt. In: Arch. f¨ur o¨ sterr. Gesch. 16 (1856) S. 321–424, Nr. 267, 372, 439, 471, 524. – Eneas Silvius Piccolomini: Der Briefwechsel des Eneas Silvius Piccolomini 3/1. Hg. v. Rudolf Wolkan. Wien 1918, Nr. 46, 57, 131, 196. Literatur: De Boor/Newald 4/1 (21994) S. 474 u. o¨ . – Franz Josef Worstbrock, VL2 9 (1995) Sp. 1078–1083. – Frank F¨urbeth/Red., Killy2 11 (2011) S. 608. – Gebhard Scheibner: Beitr. zur salzburgischen Historiographie am Ausgange des MA. Salzburg 1911, S. 17. – Josef Schlecht: Pius III. und die dt. Nation. Kempten/Mu¨ nchen 1914, S. 4 f., 17, 35 f., 52 f., 56. – Ernst Beutler: Forschungen und Texte zur fr¨uhhumanistischen Kom¨odie. Hamburg 1927, S. 48. – Karl Großmann: Die Fr¨uhzeit des Humanismus in Wien bis zu Celtis Berufung 1497. In: Jb. f¨ur Landeskunde von Nieder¨osterreich NF 22 (1929) S. 150–325, hier 205–214. – Paul Lehmann: Dr. J. T., ein humanistisch gesinnter Wohlt¨ater bayerischer B¨uchersammlungen. In: Hist. Jb. 60 (1940) S. 646–663 (wieder in: Ders.: Erforschung des MA. Bd. 4. Ausgew. Abh. und 1233
2. H¨alfte 15. Jh. Aufs¨atze. Stuttgart 1961, S. 336–352). – Alfred A. Strnad: Francesco Todeschini-Piccolomini. Politik und M¨azenatentum im Quattrocento. In: R¨omische Hist. Mitt. 8/9 (1964/66) S. 101–425, hier S. 120–126, 141, 291 f., 313, 339. – Georg Braungart: De Remedio Amoris. Ein Motiv und seine Traditionen v. der Antike bis Enea Silvio Piccolomini und J. T. In: AfK 62/63 (1980/81) S. 11–28. – Christian Kiening: Aeneas Silvius, Egidus Gruber und der ‹Ackermann›. Rhetorik und Zeitgesch. in der M¨unchener Sammelhs. Clm 27063. In: ZfdA 123 (1994) S. 130–172. – David L. Sheffler: Schools and Schooling in Late Medieval Germany. Regensburg, 1250–1500. Leiden u. a. 2008, S. 340 f. u. o¨ . – Michaela Schuller-Juckes: J. T. als fru¨ her Auftraggeber des Salzburger Buchk¨unstlers Ulrich Schreier. In: Der Humanismus an der Univ. Leipzig. Akten des in Zusammenarbeit mit dem Lehrstuhl f¨ur S¨achsische Landesgesch. an der Univ. Leipzig, der UB Leipzig und dem Leipziger Geschichtsver. am 9./10. November 2007 in Leipzig veranstalteten Symposiums. Hg. v. Enno B¨unz/Franz Fuchs. Wiesbaden 2009, S. 233–245. – Mariarosa Cortesi: Zur B¨ucherslg. des J. T. († 1485). In: ebd., S. 217–231. MM Berliner (rheinisches) Osterspiel. – Geistliches Spiel, 1460 aufgezeichnet. Das im n¨ordlichen Rheinhessen/Rheingau (vermutlich Mainz) aufgezeichnete B. O. ist mit 2285 Versen und rund 60 Rollen das umfangsreichste aller bekannten dt. Osterspiele. Am Schluss des Textes findet sich ein Schreibervermerk: «E[st] s[ic] f[inis] huius per me Helffricum Anno m°cccclx° in octava pasche». Von derselben Hand stammt der sich an den Osterspieltext – auf einer gesonderten Lage – anschließende Anfang eines Alexius-Spiels (268 Verse, → Alexius). Dem Spieltext sind ein Darstellerverzeichnis und ein «ordo processionis» vorangesetzt. Die Sprechverse sind in deutscher, die ausf¨uhrlichen Szenenanweisungen zu B¨uhnenaufbau, Bewegungen und Ger¨auschen in lat. Sprache abgefasst, die lat. Ges¨ange vielfach nur mit ihrem Incipit angegeben. Das auf den lat. Osterfeiern Typ III beruhende Spiel beginnt mit Christi Auferstehung und schildert die Geschehnisse bis zu dessen Erscheinen vor dem ungl¨aubigen Thomas (V. 1062–1989, 2048–2077). W¨ahrend die u¨ blichen Handlungselemente eines Osterspiels wie Einzug des Pilatus, Beratung der Juden, Dingung der Grabw¨achter 1234
2. H¨alfte 15. Jh. etc. weggelassen werden, f¨ugt das sich durch Szenenaufbau und dramatische Gestaltung vor anderen Spielen auszeichnende B. O. Szenen wie die Judenschule (V. 65–93), die Einsetzung des Petrus als Apostelf¨urst (V. 1276–1349) und die Aussendung der Ju¨ nger (V. 1884–1899) hinzu. Der immer wieder unterbrochene Handlungsablauf wird um weitere Handlungen erg¨anzt. Zu der Episode des Seelenfangs und dem Salbenkr¨amerspiel (der aus dem Publikum heraus angeworbene Knecht heißt nicht Rubin [vgl. → Wiener RubinRolle, → Erlauer Spiele], sondern Smackfol, sein Herr nicht Ypocras, sondern Gumprecht) kommt als eine nirgendwo sonst in den dt. Osterspielen vorkommende Genreszene die Weinverkostung vor dem Wirtshaus in Emmaus hinzu, die in der ‹Sauf-Arie› des Wirtsknechtes Baldoff gipfelt. W¨ahrend Osterspiele gew¨ohnlich mit der Freude u¨ ber die Auferstehung enden, schließt das B. O. mit einer umfangreichen gereimten Mahnpredigt (V. 2078–2285) durch den «Conclusor». Unter Berufung auf Aristoteles, der neben der Bibel abwechselnd zitiert wird, betont er Vernunft als Bedingung f¨ur die Erl¨osung von den S¨unden und fordert die Zuschauer zu Buße und gottgef¨alligem Leben auf. ¨ Uberlieferung: Berlin, SBB, Mgf 1219, 1r–28r (Pap., Schmalfolio-Format, Mainz [?], Schreiber: Helfrich, 1460; f¨unfliniges Notenschema ist vorgezeichnet, Hufnagelnoten sind jedoch nur zweimal ausgef¨uhrt). Ausgabe: Hans Rueff: Das Rheinische Osterspiel der Berliner Hs. Ms. Germ. fol. 1219. Mit Unters. zur Textgesch. des dt. Osterspiels (Abh. der Ges. der Wiss. zu G¨ottingen, phil.-hist. Kl., NF 18,1). Berlin 1925, S. 136–206 (nach S. 224 Faks. von Bl. 13r). Literatur: Hansj¨urgen Linke, VL2 1 (1978) Sp. 728–731. – Bernd Neumann/Red., Killy2 1 (2008) S. 473 f. – Rueff (s. Ausg.) S. 1–61 (dazu: Edward Schr¨oder, in: GRM 13 [1925] S. 391 f.; F[´elix] P[iquet], in: Revue Germanique 17 [1926] S. 217 f.; Th[eodor] Frings, in: Arch. f¨ur das Studium der neueren Sprachen und Literaturen 122 [1927] S. 280; Friedrich Maurer, in: Literaturbl. f¨ur germ. und romanische Philologie 52 [1931] S. 24–26). – Alfred B¨aschlin: Die altdt. Salbenkr¨amerspiele. Diss. Basel 1929, S. 52–55 et passim. – H. Linke: Bauformen geistlicher Dramen des sp¨aten MA. In: Zeiten und Formen in Sprache und Dichtung. FS Fritz Tschirch. Hg. v. KarlHeinz Schirmer/Bernhard Sowinski. K¨oln/Wien 1235
Breslauer Heroldsrolle 1972, S. 204–225, hier S. 204–209, 223–225. – Rolf Max Kully: Die St¨andesatire in den dt. geistl. Schauspielen des ausgehenden MA. Diss. Basel 1966. – Rolf Steinbach: Die dt. Oster- und Passionsspiele des MA (K¨olner germanistische Stud. 4). K¨oln/Wien 1970, S. 90–99, 261. – Ruprecht Wimmer: Deutsch und Latein im Osterspiel. Unters. zu den volkssprachlichen Entsprechungstexten der lat. Strophenlieder (MTU 48). M¨unchen 1974, S. 188–204 u. o¨ . – Rolf Bergmann: Kat. der deutschsprachigen geistlichen Spiele und Marienklagen des MA (Ver¨off. der Kommission f¨ur dt. Lit. des MA der Bayerischen Akad. der Wiss.). M¨unchen 1986, S. 64–67 (Nr. 29). – B. Neumann: Geistliches Schauspiel im Zeugnis der Zeit. Zur Auff¨uhrung ma. religi¨oser Dramen im dt. Sprachgebiet (MTU 84.85). Mu¨ nchen 1987, Bd. 2, S. 830 (Nr. 3612). – Renate Schipke: ‹B. (Rheinisches) ¨ O.›. In: Aderlaß und Seelentrost. Die Uberl. dt. Texte im Spiegel Berliner Hss. und Inkunabeln. Hg. v. Peter J¨org Becker/Eef Overgaauw. Mainz 2003, S. 123. BJ Breslauer Heroldsrolle (auch: Breslauer Fastnachtspielbruchst¨uck). – Fragment eines Fastnachtsspiels. In einem Breslauer Fragment von etwa 1460/70 sind Prolog und Epilog eines ansonsten nicht erhaltenen Fastnachtsspiels u¨ berliefert. Die intensiven Gebrauchsspuren des Fragments lassen auf die Benutzung des Blatts bei Proben oder Auff¨uhrungen schließen. Die 129 Verse des Bruchst¨ucks umfassen den dt. Text und lat. Spielanweisungen. Aus den erhaltenen Teilen des Spiels ergibt sich folgende Handlung: Eine Mutter will ihre Tochter verheiraten, woraufhin ein Mo¨ nch, ein Bauer, ein Ritter und ein Schreiber um die Hand des M¨adchens anhalten. Aus den vier Freiern w¨ahlt es schließlich den Schreiber, weil dieser eloquent ist und weiche H¨ande hat. Die komischen Elemente des Spiels werden im Prolog angedeutet, die erotischen im Epilog. Originell ist das Bruchst¨uck der B. H. nicht, sondern weist vielmehr inhaltliche und textliche Parallelen zu einem N¨urnberger Fastnachtsspiel von → Rosenpl¨ut auf. Die ersten acht Verse sind auch im → Wiener (schlesischen) Osterspiel zu finden. ¨ Uberlieferung: Breslau, UB, cod. IV F 311, 1 Bl. (Pap., zweite H¨alfte 15. Jh., schlesisch). Ausgabe: Otto G¨unther: Ein Bruchst¨uck aus einem unbekannten Fastnachtsspiel des 15. Jh. In: 1236
Egerer Passionsspiel Mitt. der Schlesischen Ges. f¨ur Volkskunde 26 (1925) S. 189–196, hier S. 189–192. Literatur: Norbert Heinze, VL2 1 (1978) Sp. 1024 f. – Wolfgang Jungandreas: Die Mundart des B. Fastnachtsspielbruchst¨ucks, in: Mitt. der Schlesischen Ges. f¨ur Volkskunde 26 (1925) S. 196–199. – Ders.: Die Grundlagen des B. Fastnachtspielbruchst¨ucks. In: ebd. 27 (1926) S. 151–179. – Wolfgang F. Michael: Das dt. Drama des MA. Berlin/New York 1971, S. 217 f. – Eckehard Simon: Manuscript Production in Medieval Theatre. The German Carnival Plays. In: New Directions in Later Medieval Manuscript Studies. Essays from the 1998 Harvard Conference. Hg. v. Derek Albert Pearsall. York 2000, S. 143–165. – E. Simon: Die Anf¨ange des weltlichen dt. Schauspiels 1370–1530. Unters. und Dokumentation (MTU 124). T¨ubingen 2003, S. 209–211. MM Egerer Passionsspiel (Egerer Fronleichnamsspiel, «Ludus de creatione mundi»). – Umfangreiches Passionsspiel. Das Spiel ist in einer um 1500 von einem Egerer Schreiber angefertigten Handschrift mit umfangreichen Regieanweisungen und etlichen (teilweise auf Zetteln eingeklebten) Korrekturen und Nachtr¨agen u¨ berliefert. Die Handschrift enth¨alt durchgehend Noten (Hufnagelnotation). Als Auff¨uhrungsort d¨urfte eine zentral auf dem Egerer Marktplatz errichtete Spielfl¨ache gedient haben. F¨ur Eger sind Auff¨uhrungen von geistlichen Spielen an Fronleichnam ab 1443 und zur Osterzeit ab 1500 belegt. Die L¨ange des Spiels, aber auch die inhaltliche Gewichtung legen nahe, dass das Spiel eher als ‹Passionsspiel› anzusprechen und die in der a¨ lteren Forschung gebrauchte Bezeichnung als ‹Fronleichnamsspiel› hinf¨allig ist. Anders als der handschriftliche Titel Ludus de creacione mundi (1v) nahelegt, umfasst das Spiel (ca. 8300 Verse) eine Darstellung der gesamten Heilsgeschichte. Diese wird in drei Teilen, die durch rahmende Pro- und Epiloge des Precursors jeweils als einen Spieltag umfassende Einheiten gekennzeichnet sind, geboten: 1. Engelssturz (mit ausf¨uhrlicher Klage Luzifers), Sch¨opfung, AT und Weihnachtsund Dreik¨onigsspiel (hervorzuheben sind die Klagen der M¨utter nach dem Kindermord in Bethlehem); 2. Christi Heilswirken von der J¨ungerberufung bis zur Verurteilung (in der Gestaltung des Abschieds u¨ bernimmt der Text umfangreiche Abschnitte des Extendit manum-Traktats → Heinrichs 1237
2. H¨alfte 15. Jh. von St. Gallen); 3. Passionsgeschehen (mit parallel gef¨uhrter Marienklage, einer Klage der Teufel und einer Vorank¨undigung der Erl¨osung durch zwei Auferstandene) und Auferstehungsspiel. Das Spiel konzentriert sich auf aktions- und handlungsreiche Szenen auf einer Simultanb¨uhne (kein B¨uhnenplan erhalten). Am zweiten und dritten Tag r¨uckt die Rolle Marias in den Vordergrund, was sich vor allem in der ausf¨uhrlichen und die anderen Szenen durchdringenden Marienklage (N¨ahe zur → Erlauer Marienklage; teilweise w¨ortliche Aufnahme findet die Klage des E. P. im → Prager Spiel u¨ ber Maria in der Passion) zeigt. In zahlreichen Abschnitten sind liturgische Ges¨ange eingeschaltet; daneben wird das Publikum mehrfach zur Partizipation in gemeinsamen Gebeten und Ges¨angen aufgefordert. ¨ Uberlieferung: N¨urnberg, Germ. Nationalmuseum, Hs. 7060, 1r–140v (Pap., um 1500). ¨ Ausgaben: Karl Bartsch: Uber ein geistliches Schauspiel des XV. Jh. In: Germania 3 (1858) S. 267–297 (Ausz¨uge). – Ein unbekanntes dt. Schauspiel des 15. Jh. Hg. v. K. Bartsch/Freiherr von Tucher. In: Anz. f¨ur Kunde der dt. Vorzeit 6 (1859) Sp. 88–90, 120–133 (Ausz¨uge). – Egerer Fronleichnamsspiel (Ludus de creacione mundi). Hg. v. Gustav Milchsack (Bibl. des Litterarischen Vereins in Stuttgart 156). Stuttgart 1881. – Hansj¨urgen Linke: Zum Text des E. P.s. In: Euph. 78 (1984) S. 275–279 (Text der eingeklebten Zettel). Literatur: Bernd Neumann, VL2 2 (1980) Sp. 369–371. – Bartsch (s. Ausg.). – Josef Tr¨otscher: ¨ Uber das Egerer Fronleichnamsspiel und die Auff¨uhrung ma. Spiele in Eger. In: Egerer Jb. 16 (1886) S. 172–187. – Heinrich Gradl: Dt. Volksauff¨uhrungen. Beitr. aus dem Egerlande zur Gesch. des Spiels und Theaters. In: Mitt. des Vereins f¨ur Gesch. der Deutschen in B¨ohmen 33 (1895) S. 121–152, 217–241, 315–336. – Toni Weber: Die Pr¨afigurationen im geistlichen Drama des MA. Frankfurt 1919, S. 29 f. – Anton Klitzner: Vokalismus der Reime im Egerer Fronleichnamsspiel. (Diss.) Wien 1920. – Karl Siegl: Das Egerer Fronleichnamsspiel. In: Unser Egerland 35 (1931) S. 33–39. – Karl Dreim¨uller: Die Musik des Alsfelder Passionsspiels. Ein Beitr. zur Gesch. der Musik in den geistlichen Spielen des dt. MA. Bd. 2: Das musikalische Szenarium des Alsfelder Passionsspiels. Mit Erg¨anzung und Bestimmung der liturgischen Texte und einem Anhang von 45 Melo1238
2. H¨alfte 15. Jh. dien zu lat. Textparallelen im Egerer Fronleichnamsspiel, aus der Hs. Ludus de creacione mundi no. 7060 des Germ. Nationalmuseums in N¨urnberg. (Diss.) Wien 1935. – Wolfgang F. Michael: Die geistlichen Prozessionsspiele in Deutschland. (Hesperia 22). Baltimore 1947, S. 46–48. – Ders.: Das dt. Drama des MA (Grundriß der germ. Philologie 20). Berlin 1971, S. 137–139. – Luis Schuldes: Die Teufelsszenen im dt. geistlichen Drama des MA. Versuch einer literarhist. Betrachtung unter besonderer Betonung der geistesgeschichtlichen Gesichtspunkte (GAG 116). G¨oppingen 1974. – Ruprecht Wimmer: Deutsch und Latein im Osterspiel. Unters. zu den volkssprachlichen Entsprechungstexten der lat. Strophenlieder (MTU 48). Mu¨ nchen 1974, S. 174–184. – Barbara Thoran: Stud. zu den o¨ sterlichen Spielen des dt. MA. (Ein Beitr. zur Kl¨arung ihrer Abh¨angigkeit voneinander). 2., durchges. und erg. Aufl. (GAG 199). G¨oppingen 1976. – Jacoba Hendrica Kun´e: Die Auferstehung Christi im dt. religi¨osen Drama des MA (Amsterdamer Publ. zur Sprache und Lit. 36). Amsterdam 1979, S. 161–167. – Linke (s. Ausg.). – Rolf Bergmann: Kat. der deutschsprachigen geistlichen Spiele und Marienklagen des MA (Ver¨off. der Kommission f¨ur Dt. Lit. des MA der Bayerischen Akad. der Wiss.). M¨unchen 1986, S. 271–274 (Nr. 122). – B. Neumann: Geistliches Schauspiel im Zeugnis der Zeit. Zur Auff¨uhrung ma. religi¨oser Dramen im dt. Sprachgebiet. 2 Bde. (MTU 84/85). Mu¨ nchen/Z¨urich 1987, Bd. 1, Nr. 1412–1478. – Brigitte Lehnen: Das E. P. (Europ¨aische Hochschulschriften 1,1034). Frankfurt/M. u. a. 1988 (dazu Ursula Hennig, in: PBB 112 [1990] S. 335–338). – Edith Wenzel: ‹Do worden die Judden alle geschant›. Rolle und Funktion der Juden in sp¨atma. Spielen (Forschungen zur Gesch. der a¨ lteren dt. Lit. 1). Mu¨ nchen 1992, S. 128, 141, 260. – Eckehard Simon: Das Egerer Fronleichnamspiel in den Stadtrechnungen. In: Ma. Schauspiel. FS Hansj¨urgen Linke. Hg. v. Ulrich Mehler/Anthonius H. Touber (AB¨aG 38/39). Amsterdam 1994, S. 299–311. – Erika Fischer-Lichte: Theater und Fest. Anmerkungen zum Verh¨altnis von Theatralit¨at und Ritualit¨at in den geistlichen Spielen des MA. In: Transformationen des Religi¨osen. Performativit¨at und Textualit¨at im geistlichen Spiel. Hg. v. Ingrid Kasten/Erika Fischer-Lichte (Trends in medieval philology 11). Berlin 2007, S. 3–17, hier S. 7. – Peter Macardle: The St Gall Passion Play. Music and Performance 1239
Fritzlarer Passionsspiel (Ludus 10). Amsterdam/New York 2007. – Ul¨ rich Barton/Klaus Ridder: Asthetik des B¨osen. Die Herodesfigur im geistlichen Schauspiel. In: Philologie und Interpretation. FS Paul Sappler. Hg. v. Christiane Ackermann/Ulrich Barton. Tu¨ bingen 2009, S. 231–248, hier S. 242–245. – U. Barton: Vera Icon und Schau-Spiel. Zur Medialit¨at der Veronica-Szene im ma. Passionsspiel. In: PBB 133 (2011) S. 451–469. – Ursula Schulze: Geistliche Spiele im MA und in der Fr¨uhen Neuzeit. Von der liturgischen Feier zum Schauspiel. Eine Einf. Berlin 2012, S. 105–111. JK Fritzlarer Passionsspiel. – Zwei Bruchst¨ucke eines geistlichen Spiels, um 1470. Das nach dem Fund- und heutigen Aufbewahrungsort benannte Fragment eines Passionsspiels geh¨ort zur hessisch-rheinfr¨ankischen Passionsspielgruppe. Als Beispiele f¨ur die Verwandtschaft der einzelnen Vertreter dieser Gruppe miteinander seien genannt die Figur des Augustinus (V. 43–64), die auf der Frankfurter Tradition beruht, und die Auseinandersetzung zwischen Jesus und den Juden (V. 118–170), die der Traditionslinie von → Frankfurter Dirigierrolle, → Frankfurter und Heidelberger Passionsspiel folgt. In einigen Szenen l¨asst sich eine besondere N¨ahe zum → Alsfelder Passionsspiel feststellen. Das eine der beiden Bruchst¨ucke (V. 1–117) setzt mit dem Ostermahl der Juden ein, die dann von Augustinus aufgefordert werden, sich zu bekehren. Der Taufe Jesu folgt die Ermahnung des Herodes durch Johannes den T¨aufer. Das zweite Bruchst¨uck (V. 118–206) umfasst die Auseinandersetzung zwischen Jesus und den Juden und das Weltleben der Maria Magdalena. ¨ Uberlieferung: Fritzlar, Dombibl., Ms. 125,30, zwei Doppelbll. aus einer Lage (Pap., einspaltig, 30 x 10,5 cm, um 1470, rheinfr¨ankisch). Ausgaben: Karl Brethauer: Bruchst¨ucke eines hessischen Passionsspiels aus Fritzlar. In: ZfdA 68 (1931) S. 17–31. – Johannes Janota (Hg.): Die Hessische Passionsspielgruppe. Edition im Paralleldruck. Bd. 2: Alsfelder Passionsspiel. F. D. mit den Paralleltexten. Weitere Spielzeugnisse. Alsfelder Passionsspiel mit den Paralleltexten. Edition der Musik von Horst Brunner. T¨ubingen 2002, S. 121–129. Literatur: Eduard Studer, VL2 2 (1980) Sp. 972. – De Boor/Newald 4/1 (21994) S. 249. – Rolf Steinbach: Die deutschen Oster- und Pas1240
Das salomonische Urteil sionsspiele des MA (K¨olner germanistische Studien 4). K¨oln/Wien 1970, S. 161–164. – David Brett-Evans: Von Hrotsvit bis Folz und Gengenbach. Eine Gesch. des ma. dt. Dramas. Tl. 2: Religi¨ose und weltliche Spiele des Sp¨atMA (Grundlagen der Germanistik 18). Berlin 1975, S. 86. – Rolf Bergmann: Kat. der deutschsprachigen geistlichen Spiele und Marienklagen des MA (Ver¨off. der Kommission f¨ur dt. Lit. des MA der Bayerischen Akad. der Wiss.). M¨unchen 1986, S. 131 f. (Nr. 53). – Bernd Neumann: Geistliches Schauspiel im Zeugnis der Zeit. Zur Auff¨uhrung ma. religi¨oser Dramen im dt. Sprachgebiet (MTU 84.85). Mu¨ nchen 1987, Bd. 1, S. 378 (Nr. 1825). – Janota (s. Ausg.) Bd. 2, S. 123 f. – Klaus Vogelgsang: Komm. zum ‹Alsfelder Passionsspiel› und zu den zugeh¨origen kleineren Spielzeugnissen (Die Hessische Passionsspielgruppe. Edition im Paralleldruck. Erg.-Bd. 2). T¨ubingen 2008, S. 37. BJ Lustspiel deutscher Studenten in Padua. – Lat. Kom¨odie. In der zweiten H¨alfte des 15. Jh. studierten an der Juristischen Fakult¨at in Padua mehrere N¨urnberger. Bekannte Vertreter dieser Gruppe waren Hartmann → Schedel und Johannes Pirckheimer, der Vater von Willibald und Charitas Pirckheimer. Hinzu kamen Konrad Sch¨utz, Georg Tetzel, Johann L¨offelholz und Georg Pfinzing. Aus diesem Kreis ging um 1463 eine kurze Studentenkom¨odie in lat. Prosa hervor, als deren Verfasser Johannes Pirckheimer vermutet wird. Schedel, der 1463–66 in Padua studierte, schuf zwei Abschriften des St¨ucks, die sich bis heute erhalten haben. Die Handlung der Kom¨odie ist aus dem studentischen Leben an der Universit¨at Padua gesch¨opft: Da Pirckheimer seine Position als besoldeter Lektor aufgibt, muss dieses Amt neu besetzt werden. Ein Student namens Jacobus soll Pirckheimer nachfolgen, doch bewirbt sich auch ein Konrad (wohl Konrad Sch¨utz) um den Posten. Jacobus versucht, den eher unbeliebten Konrad von dessen Kandidatur abzubringen. Der aufgeregte Disput der beiden Konkurrenten bleibt jedoch fruchtlos. Konrad tr¨ostet sich mit einem M¨adchen, w¨ahrend Jacobus von Pirckheimer in seiner Kandidatur best¨arkt wird. Die Kom¨odie erfuhr keine literarische Rezeption, wurde aber verschiedentlich als Quelle zum Leben Pirckheimers herangezogen. 1241
2. H¨alfte 15. Jh. ¨ Uberlieferung: Mu¨ nchen, BSB, Clm 369, 104a–106a (um 1463–68, Autograph H. Schedels). – Ebd., Clm 650, 262a–265b (um 1463–68, Autograph H. Schedels). Ausgabe: Johannes Bolte: Zwei Humanistenkom¨odien aus Italien. In: Zs. f¨ur vergleichende Litteraturgesch. und Renaissance-Litteratur NF 1 (1887/88) S. 77–84. Literatur: De Boor/Newald 4/1 (21994) S. 483 f., 633. – Bolte (s. Ausg.). MM Missgluckte ¨ Werbung. – N¨urnberger Fastnachtspiel, 1461. Die M. W. ist zusammen mit dem → Salomonischen Urteil und den → Parisurteilen I und II in E u¨ berliefert. Diese Gruppe von Spielen unterscheidet sich von der durch Hans → Rosenpl¨ut und Hans → Folz gepr¨agten Tradition u. a. durch die Verwendung freier Knittelverse mit beliebiger Silbenzahl. Zudem sind diese vier Spiele durch den Schreiber mit Jahresangaben datiert. Der 109 Verse umfassendeText vom Jahr 1461 mit drei sprechenden Personen widmet sich dem Thema des groben Bauern, der – auf sozialen Aufstieg hoffend – eine hochgestellte Dame umwirbt. Die «pulschaft» (V. 94) ist vergeblich, da ein Nachbar (V. 57–64) den Bauern auf die st¨andischen Schranken hinweist («du [...] scholt mit deins geleichen koßen», V. 63 f.) und ein anderer (V. 74–83) die Versprechen des Bauern als Angeberei ansieht. ¨ Uberlieferung: Dresden, LB, Mscr. M 183 (fr¨uher Mscr. M 90c), 19v–21v (Pap., um 1470, n¨urnbergisch; E). Ausgabe: [Franz Schnorr von Carolsfeld:] Vier ungedruckte Fastnachtspiele des 15. Jh. In: Arch. f¨ur Litteraturgesch. 3 (1874) S. 2–5 (Nr. 1, u. d. T. ‹Item aber ein vasnacht spil von dreyen pawren lxi. jar›). Literatur: Margot Westlinning, VL2 6 (1987) Sp. 613. – Victor Michels: Stud. u¨ ber die a¨ ltesten dt. Fastnachtspiele (Quellen und Forschungen zur Sprach- und Culturgesch. der germ. V¨olker 77). Straßburg 1896, S. XI, 242 f. – Gerd Simon: ¨ Die erste dt. Fastnachtsspieltradition. Zur Uberl., Textkritik und Chronologie der N¨urnberger Fastnachtsspiele des 15. Jh. [...] (Germ. Stud. 240). L¨ubeck/Hamburg 1970, 19, 87 (zur Hs.). BJ Das salomonische Urteil. – N¨urnberger Fastnachtspiel, 1466. Das auf Drastik und Obsz¨onit¨at verzichtende Spiel (115 Verse, acht sprechende Personen) behandelt den in 1 K¨on 3,16–28 erz¨ahlten Streit zweier 1242
2. H¨alfte 15. Jh. Dirnen (im Fastnachtspiel als «frawen» bezeichnet) um ein Kind, das beide als das ihre beanspruchen. Als der von ihnen als Richter angerufene K¨onig Salomon den Befehl gibt, das Kind mit dem Schwert zu halbieren, erweist sich durch den Verzicht auf das Kind, wer die richtige Mutter ist. Das Fastnachtspiel folgt im Gang der Handlung dem biblischen Bericht. Die in der Einleitung des Spiels angef¨uhrten Angaben zu Salomons Thronbesteigung sprechen f¨ur eine Vorlage aus dem Bereich der → Historienbibeln. Im abschließenden «gesegen reim» (V. 106–115) wird nach der Verabschiedung vom «wirt» und dem Hinweis auf die Vorlagentreue in wenigen Zeilen (V. 109–114) aufgez¨ahlt, was nicht thematisiert werden konnte (u. a. der Bau des Tempels). Das sich seiner Zielsetzung nach «als Exempel f¨ur die salomonische Weisheit» (Klein) verstehende Spiel l¨asst die Fastnachtgesellschaft zum auserw¨ahlten Volk werden. ¨ Uberlieferung: Dresden, LB, Mscr. M 183 (fr¨uher Mscr. M 90c), 9r–11v (Pap., um 1470, n¨urnbergisch; E). Ausgabe: [Franz Schnorr von Carolsfeld:] Vier ungedruckte Fastnachtspiele des 15. Jh. In: Arch. f¨ur Litteraturgesch. 3 (1874) S. 13–16 (Nr. 3, u. d. T. ‹Das spil von kunig Salomon mit den zweyen frawen anno caet. im lxvi jare›; zit.). Literatur: Dorothea Klein, VL2 8 (1992) Sp. 544–546. – Victor Michels: Stud. u¨ ber die a¨ ltesten dt. Fastnachtspiele (Quellen und Forschungen zur Sprach- und Culturgesch. der germ. V¨olker 77). Straßburg 1896, S. XI, 242 f. – Eckehard Catholy: Das Fastnachtspiel des Sp¨atMA (Hermaea NF 8). T¨ubingen 1961, S. 43 Anm. 2, 44 f. Anm. 5, 86–89. – Gerd Simon: Die erste dt. Fastnachts¨ spieltradition. Zur Uberl., Textkritik und Chronologie der N¨urnberger Fastnachtsspiele des 15. Jh. [...] (Germ. Stud. 240). L¨ubeck/Hamburg 1970, S. 19, 87. BJ Das Parisurteil I. – N¨urnberger Fastnachtspiel, 1463. Das 249 Verse umfassende, sich wie die anderen St¨ucke in E von der o¨ bsz¨on-gobianischen N¨urnberger Tradition absetzende Handlungsspiel f¨ur 10–12 sprechende Personen entstand 1463. Es bietet eine Darstellung des Parisurteils in der von → Konrads von W¨urzburg Troyanerkrieg begr¨undeten Stofftradition. W¨ahrend eines Hoftags Jupiters, an dem auch der K¨onig Priamos teilnimmt, wird ein Apfel ge1243
Das Parisurteil I bracht, auf dem eingraviert ist, er solle der «wirdigsten» geh¨oren. Zur Schlichtung des daraufhin ausbrechenden Streits zwischen den G¨ottinen Juno (Reichtum), Pallas [Athene] (Weisheit) und Venus (Liebe) l¨asst Jupiter den Hirten Paris holen. Dieser entscheidet sich nach Anh¨orung der Versprechungen der drei G¨ottinnen f¨ur Venus («in wirdickeyt vber treft ir die andern zwu», V. 184). W¨ahrend sie Paris k¨onigliche Gew¨ander anlegt, bringt ein Bote einen Brief der nicht geladenen G¨ottin Discordia, aus dem hervorgeht, wer mit dem Apfel den Zank der drei G¨ottinnen herbeigef¨uhrt hat. Der Aufruf zum Schlusstanz («nu pfeuff auf, wir wollen dantzen vnd frolich sein») leitet zur Fastnachtgeselligkeit u¨ ber. «der gesegen reim» (V. 239–249) schließt das Spiel ab. ¨ Uberlieferung: Dresden, LB, Mscr. M 183 (fr¨uher Mscr. M 90c), 2r–8v (Pap., um 1470, n¨urnbergisch; E). Ausgabe: [Franz Schnorr von Carolsfeld:] Vier ungedruckte Fastnachtspiele des 15. Jh. In: Arch. f¨ur Litteraturgesch. 3 (1874) S. 5–13 (Nr. 2, u. d. T. ‹im lxiii. jar das fasnacht spill Troya›; zit.). Literatur: Margot Westlinning, VL2 7 (1989) Sp. 312 f. – Victor Michels: Stud. u¨ ber die a¨ ltesten dt. Fastnachtspiele (Quellen und Forschungen zur Sprach- und Culturgesch. der germ. V¨olker 77). Straßburg 1896, S. XI, 242 f. – Eckehard Catholy: Das Fastnachtspiel des Sp¨atMA (Hermaea NF 8). T¨ubingen 1961, S. 164–169. – Werner Lenk: Das N¨urnberger Fastnachtspiel des 15. Jh. Ein Beitr. zur Theorie und zur Interpretation des Fastnachtspiels als Dichtung (Dt. Akad. der Wiss. zu Berlin. Ver¨off. des Inst. f¨ur dt. Sprache und Lit. 33). Berlin 1966, S. 58 f. – Gerd Simon: Die erste dt. Fastnachtsspiel¨ tradition. Zur Uberl., Textkritik und Chronologie der N¨urnberger Fastnachtsspiele des 15. Jh. [...] (Germ. Stud. 240). L¨ubeck/Hamburg 1970, S. 19, 87. BJ Das Parisurteil II. – N¨urnberger Fastnachtspiel, 1468. Das 294 Verse umfassende Handlungsspiel (datiert 1468) f¨ur 14–17 sprechende Personen beruht in der Darstellung des Parisstoffes auf der von Guido de Columnis und seinem dt. Bearbeiter, Hans → Mair von N¨ordlingen, begr¨undeten Erz¨ahltradition. St¨arker als im – ebenfalls in E u¨ berlieferten – → Parisurteil I mit seiner «allegorisierend verallgemeinernden Darstellung der ‹Allmacht der 1244
Redentiner Osterspiel Liebe›» (Westlinning) wird hier historischer Kontext (Aufbau Trojas nach der ersten Zerst¨orung, Beratung des K¨onig Priamos mit den B¨urgern, Aussendung des Antenor, nach dessen R¨uckkehr Beratung des Priamos mit seinen So¨ hnen) und Didaxe betont. Nach dem Weggang Antenors folgt die titelgebende Szene, wobei Teile des Geschenes von einem Sprecher («ein ander») und im Dialog erg¨anzt werden. In der Tradition des Dares Phrygius erscheint Merkur mit den drei G¨ottinnnen dem Paris, der sich zum Schlaf niedergelegt hat, im Traum. Den Apfel solle die Sch¨onste erhalten, diejenige, «welche dir vnter inn am aller pasten geuelt / vnd die hubst ist von leyb, hawt vnd hare» (V. 88 f.). Da f¨ur Paris jedoch «die schwen in den kleydern nicht zu schatzen sey» (V. 110), m¨ussen sich die drei G¨ottinnen ihrer «schawben» entledigen. Paris reicht Venus den Apfel, erhebt sich vom Schlaf und bef¨urwortet in der sich anschließenden Beratung des Priamos mit seinen f¨unf S¨ohnen den Kriegszug («das ir mich gen Kriechen mit schiffen vertigen solt», V. 214). Dem Aufruf zum Schlusstanz (V. 286), der wieder in die allgemeine Fastnachtgeselligkeit u¨ berleitet, folgt «der gesegen reim» (V. 287–294). ¨ Uberlieferung: Dresden, LB, Mscr. M 183 (fr¨uher Mscr. M 90c), 12r–19r (Pap., um 1470, n¨urnbergisch; E). Ausgabe: [Franz Schnorr von Carolsfeld:] Vier ungedruckte Fastnachtspiele des 15. Jh. In: Arch. f¨ur Litteraturgesch. 3 (1874) S. 17–25 (Nr. 4, u. d. T. ‹das ist das vasnacht spill mit den dreyen nacketten gottin von Troya anne caet. im 1468 jar›; zit.). Literatur: Margot Westlinning, VL2 7 (1989) Sp. 313–315. – Victor Michels: Stud. u¨ ber die a¨ ltesten dt. Fastnachtspiele (Quellen und Forschungen zur Sprach- und Culturgesch. der germ. V¨olker 77). Straßburg 1896, S. XI, 242 f. – Eckehard Catholy: Das Fastnachtspiel des Sp¨atMA (Hermaea NF 8). T¨ubingen 1961, S. 164–169. – Gerd Simon: ¨ Die erste dt. Fastnachtsspieltradition. Zur Uberl., Textkritik und Chronologie der N¨urnberger Fastnachtsspiele des 15. Jh. (mit kurzen Einf¨uhrungen in Verfahren der quantitativen Linguistik) (Germ. Stud. 240). L¨ubeck/Hamburg 1970, S. 19, 87. – Werner Lenk: Das N¨urnberger Fastnachtspiel des 15. Jh. Ein Beitr. zur Theorie und zur Interpretation des Fastnachtspiels als Dichtung (Dt. Akad. der Wiss. zu Berlin. Ver¨off. des Inst. f¨ur dt. Sprache und Lit. 33). Berlin 1966, S. 58 f. – Gerd Simon: Die erste dt. Fastnachtsspieltradition. Zur 1245
2. H¨alfte 15. Jh. ¨ Uberl., Textkritik und Chronologie der N¨urnberger Fastnachtsspiele des 15. Jh. [...] (Germ. Stud. 240). L¨ubeck/Hamburg 1970, S. 19, 87. – Andreas Beschorner: Unters. zu ‹Dares Phrygius› (Classica Monacensia 4). T¨ubingen 1992. BJ Redentiner Osterspiel. – Mittelnd. (ostelbisches) «Ludus paschalis», Abschrift 1464 Redentin (Doberan). Das R. O. tr¨agt seinen Namen nach dem in der einzigen u¨ berlieferten Abschrift (Karlsruhe, LB, cod. K 369, 1v–12v) genannten Ort. Laut Schreibervermerk, «Finitus est iste rycmus anno domini M0cccc0 lxiiij sequenti die Elizabethae in Redentyn», wurde die Niederschrift 1464 in Redentin, einem f¨unf Kilometer von Wismar gelegenen Grangien-Hof, der seit 1192 zum Zisterzienserkloster Doberan geh¨orte, fertiggestellt. Der Autor ist unbekannt. Die auf Carl Schr¨oder (1893) zur¨uckgehende Vermutung, der 1465 in Redentin als «magister curiae» bezeugte Peter Kalff sei Verfasser des Textes, wurde zur¨uckgewiesen (Krogmann 1928). Die textimmanente Situierung der Auferstehungshandlung in die N¨ahe einer Stadt an der Ostseek¨uste enth¨alt geographische Hinweise, die L¨ubeck oder Wismar als Entstehungsort wahrscheinlich machen. Der W¨achter w¨ahnt zu Beginn des Textes ein aus dem Osten kommendes Schiff zwischen «Hiddensee unde Mone» (v. 206), das an der Insel Poel vorbeif¨ahrt und Kurs auf den Ort des Geschehens nimmt, an dem die vier Ritter das Grab Christi bewachen. An anderer Stelle des Textes werden Teufel nach L¨ubeck geschickt, um Seelen zu fangen, da dort das große Sterben beginne (v. 1296–1299). Darin wurde eine Anspielung auf die großen Pestepidemien von 1450/51 und 1463/64 gesehen (Rosenhagen 1925; Schottmann 1975), die textintern als Warnung f¨ur die L¨ubecker B¨urger und damit als Indiz f¨ur eine Entstehung des Textes in L¨ubeck gelesen werden kann (Rosenfeld 1952; Linke 1967; Masser 1970; Claussnitzer; Freytag; Warda 2003). Plausibel erscheint aber auch, dies als Mahnung f¨ur die Wismarer B¨urger zu sehen, die somit zu Reue und rechtzeitiger Buße bewegt werden sollten (Schottmann 1975; Wolff 1970). Entscheidend ist, dass, nimmt man generell einen geistlichen Autor im Umkreis L¨ubecks an, der Text auch ohne konkrete Ortsbindung f¨ur jeden Ort der K¨ustenregion, als mahnende Erinnerung an das J¨ungste Gericht, seine Wirkung entfaltet. Die Verbindung zum → L¨ubecker Totentanz 1246
2. H¨alfte 15. Jh. (Claussnitzer; Freytag; Warda 2003) verdeutlicht die Aktualit¨at des «Memento mori» und die Funktionalit¨at des Textes im Dienste der Par¨anese. Totentanz und Spiel inszenieren und belehren als Predigt in Bild und Wort auf a¨hnliche Weise, durch das Zusammenspiel performativer Akte, wie der szenischen Wechselrede und dem Abrufen bzw. Darstellen standardisierter Bilder. Das R. O., das zu den wichtigsten seiner Gattung geh¨ort, zeichnet sich in Aufbau und Szenengestaltung durch eine Reihe von Besonderheiten aus. In zwei groß angelegten Teilen, dem Auferstehungsspiel und dem Teufelsspiel, werden christliches Ostergeschehen und der Seelenfang durch die Teufel erz¨ahlt. Der tradierte Kern der christlichen Osterspiele, die «Visitatio sepulchri», spielt dabei eine nur untergeordnete Rolle und wird ‹nebenbei› erz¨ahlt (v. 852–863). Die dramatisierenden Tendenzen geschuldete Kr¨amerszene fehlt. Dem ersten Teil, der durch die W¨achterszenen gerahmt wird, sind die Pilatus-Juden-Grabw¨achterHandlung und die H¨ollenfahrt Christi angef¨ugt. Letztere bietet die Grundlage f¨ur das TeufelSeelen-Spiel des zweiten Teils, das strukturell den Platz des Kr¨amerspiels einnimmt. Es enth¨alt den St¨andekatalog und die Klage Lucifers (Schottmann 1975). Das S¨undenregister wird u¨ ber die von den Teufeln herbeigeschleppten Seelen dargestellt und ¨ gibt einen Uberblick der einzelnen St¨ande, die vor allem als Kaufleute und Handwerker, dem Publikum gem¨aß, auftreten. Typologisch u¨ berwindet der von Satan gefangene Priester wie Christus, der Lucifer besiegte, den Teufel, so dass f¨ur den Laien die Kirche siegt (Quast 2005). Die in der Handschrift mit¨uberlieferten Texte, die vorangestellte, stark abbrevierte Predigt (1r), der nachgestellte Hymnus zur Kreuzesverehrung (12v) und das in Geheimschrift verfasste Rezept f¨ur einen «Lˆutertrank» (vgl. Obhof 2001), rahmen den Text und sind f¨ur den zeitgen¨ossischen Verstehenshorizont bedeutsam. Sie liefern eine Anleitung zum Verst¨andnis des Spiels und fordern zur «Imitatio» bzw. zu Buße und Umkehr auf. Entsprechend stehen Miterleben und Nachvollzug der mit dem Schiff aus dem Osten kommenden o¨ sterlichen Botschaft im Mittelpunkt des Textes und des Prologs (v. 205–209), in dem die Heilswirksamkeit des Spiels («bilde», v. 3) und endg¨ultige S¨undenfreiheit, «gy moghen werden van sunden quyt» (v. 12) versprochen werden. Die Wirkm¨achtigkeit des Textes wird nicht nur durch ein schemagerechtes und 1247
Redentiner Osterspiel typisiertes Personal, wie die hierarchisch organisierten Teufel gew¨ahrleistet, sondern auch durch die bildhafte, zum Teil derbe Sprache bef¨ordert. Dar¨uber hinaus verarbeitete der Autor tradierte literarische Muster, wie die Tageliedszenerie f¨ur die W¨achterszene oder die Schwertbeschreibung aus Heldenepos und Minnesang. Karlsruhe, LB, cod. K 369, 1v–12v (Pap., 1464, mitteldt. [ostelbisch]). – Faksimile: Albert Freybe: Die Hs. des R. O. im Lichtdruck mit einigen Beitr. zu seiner Gesch. und Litteratur. Schwerin 1892. Ausgaben: Franz Josef Mone: De resurrectione. In: Ders.: Schauspiele des MA II. Karlsruhe 1846 (Nachdr. Aalen 1970) LV III,1, S. 33–106. – Richard Froning (Hg.): Das Drama des MA I (K¨urschners Dt. National-Litteratur 14,1). Stuttgart 1891 (Nachdr. Darmstadt 1964) S. 123–198. – Carl Schr¨oder: R. O. (Nd. Denkm¨aler 5). Norden/ Leipzig 1893. – Willy Krogmann: Das R. O. (Altdt. Quellen 3). Leipzig 1937, 21964. – Hartmut Wittkowsky: Das R. O. Stuttgart 1975. – Brigitta Schottmann: Das R. O. (RUB 9744–9747). Stuttgart 1975. ¨ Ubersetzungen und Bearbeitungen (nhd., nnd., engl.): Ludwig Ettm¨uller: Dat Spil van der Upstandinge. (Bibl.dt.Nat.-Lit. 31). Quedlinburg/ Leipzig 1851. – Albert Freybe: Das Meklenb¨orger [!] Osterspiel [...] u¨ bertragen und bearb. Bremen 1874. Norden 21885. Nachdr. Walluf 1974. – Anonymus, in: Allgemeine konservative Monatsschrift 51,1 (1894) S. 337–351; 52,1 (1895) S. 449–464. – A. Freybe: Das R. O. in gemeindt. Sprache. G¨utersloh 1901. – Max G¨umbel-Seiling: Das nd. Osterspiel ¨ aus Redentin [...] in [hd.] Ubertragung (Dt. Volksspiele des MA). Leipzig 1918. – Gustav Struck: Dat o¨ llste M¨akelb¨orger Osterspill [...] ut dei olle Sassensprak in uns’ h¨utiges M¨akelb¨orger Platt o¨ werdragen. Rostock 1920. – Friedrich Lindemann: Dat Ostersp¨al vun Redentin. Uut dat Middelnedderd¨utsch o¨ wersett un f¨or de Sp¨aldeel torechtmaokt. Bremen 1922. – Willy Krogmann: Dat Redentiner Osterspill. Ut Middelplattd¨utsch o¨ wersett un f¨or dei Sp¨ald¨al trechtmakt. Wismar [1927]. – Ernst Boldt: Dat Redentiner Osterspill [...], ut de mittelnedderd¨utsche Sprak in M¨akelb¨orger Platt oewerdragen un f¨or de Upf¨uhrung trechtmakt. Wismar i. Meckl. 1928. – Karl Heinz Becker: Das Spiel von Christi H¨ollenfahrt. Nach dem R. O. bearb. (M¨unchner Laienspiele 61). M¨unchen 1931. – Adolf Eduard Zucker: The Redentin Easterplay 1248
Des Entkrist Vasnacht (Records of Civilisation. Sources and Studies 32). New York 1941. Nachdr. New York 1961. Literatur: Hansj¨urgen Linke, VL2 7 (1989) Sp. 1065–1069. – Friedrich Christoph Drosihn: ¨ Uber das R. O. Neustettin 1866. – Ders.: Bemerkungen zum R. O. In: ZfdPh 4 (1873) S. 400–406. – Alexander Sch¨one: Dt. Altert¨umer im Mecklenburger (Redentiner) O. Ludwigslust 1886. – Robert Sprenger: Zum R. O. In: ZfdPh 27 (1895) S. 301–307, 561 f. – Willy Krogmann: Die zweite weibliche Rolle im R. O. In: ZfdPh 53 (1928) S. 135–143. – Ulrich Steinmann: Der Weckruf Michaels im R. O. In: ZfdPh 57 (1932) S. 373–379. – Gabriele Schieb: Zum R. O. In: PBB 70 (1948) S. 295–303. – Duncan Smith: The Role of the Priest in the R. O. In: Journal of English and Germanic Philology 68 (1969) S. 116–123. – Achim Masser: Das R. O. und der Totentanz von L¨ubeck. In: ZfdPh 89 (1970) S. 68–74. – H. Linke: Zu Text und Textkritik der Auferstehungsszene im R. O. In: ZfdA 106 (1977) S. 24–31 – Wolfgang Spiewok: Das R. O. In: Ders.: MA-Stud. II. G¨oppingen 1989, S. 291–298. – Brigitte Schulte: Zur Funktion der Priesterszene im R. O. In: Nd. Wort 32 (1992) S. 103–107. – Andr´e Schnyder: Das R. O. Dramatische Struktur und theologischer Sinn. In: NdJb 118 (1995) S. 27–55. – W. Spiewok: Das R. O. In: Ders.: Ma. Lit. up Plattd¨utsch. Greifswald 1998, S. 76–87. – Gerhard Wolf: Zur H¨olle mit dem Teufel! Die H¨ollenfahrt Christi in den Passions- und Osterspielen des MA. In: Die Vermittlung geistlicher Inhalte im dt. MA. Internationales Symposion, Roscrea 1994. Hg. v. Timothy R. Jackson u. a. T¨ubingen 1996, S. 271–288. – Siegfried Bernd: Das R. O. In: Wismarer Beitr. 13 (1998) S. 57–61. – Cobie Kun´e: ‹Geistliches Spiel- Ritter- Burg›. Die W¨achter am Grabe Christi im R. O. Nen mynsche kan vullenkamen wesen. (V. 1993). In: Le chˆateau a` la crois´ee des voies. Hg. v. Jean Marc Pastr´e. Rouen 2001, S. 249–261. – Ders.: Johannes der T¨aufer im Limbus. Zum Auftreten Johannes’ des T¨aufers in der Vorh¨olle: im R. O. und in den anderen dt. religi¨osen Dramen des sp¨aten MA. In: Leuvense bijdragen 90 (2001) S. 233–248. – Katja Scheel: Dat ¨ ghelt maket den helt springhen. Uberlegungen zur Ritterfigur im R. O. In: ebd., S. 215–232. – Elke Ukena-Best: Homud heft us duvele senket in afgrunde. Superbia, Teufel und H¨olle im R. O. In: ebd., S. 181–214. – Hartmut Freytag: Das R. O. als Textzeuge des L¨ubecker Totentanzes. In: Nd. Wort 43 (2003) S. 287–290. – Susanne Warda/Maike 1249
2. H¨alfte 15. Jh. Claußnitzer/Hartmut Freytag: Das Redentiner – ¨ ein L¨ubecker Osterspiel. Uber das R. O. von 1464 und den Totentanz der Marienkirche in L¨ubeck von 1463. In: ZfdA 132 (2003) S. 189–238. – Christine Kratzke: Hss. aus Grangien? Das R. O. und die Zisterzienser im Kontext sp¨atma. Bildkunst. In: Citeaux 55 (2004) S. 298–328. – Bruno Quast: ¨ Vom Kult zur Kunst. Offnung des rituellen Textes in MA und Fr¨uher Neuzeit. T¨ubingen/Basel 2005, S. 126–133. – Maike Classnitzer: De dar huten myt gade upstan: de scholen vrig van sunden gan. Vorstellung des Dissertationsprojektes ‹Heilsgesch. und zeitgen¨ossische Lebenswirklichkeit im R. O.›. In: Korrespondenzbl. des Vereins f¨ur nd. Sprachforschung 112 (2005) S. 55–63. – Dies.: Sub specie aeternitatis. Stud. zum Verh¨altnis von hist. Situation und Heilsgesch. im R. O. Frankfurt/M. u. a. 2007. – Ursula Schulze: Geistliche Spiele im MA und in der Fr¨uhen Neuzeit. Von der liturgischen Feier zum Schauspiel. Eine Einf. Berlin 2012, S. 65–69. GM Des Entkrist Vasnacht. – Fastnachtspiel des 15. Jh. D. E. V. (518 Verse) ist in der u¨ berlieferten Form eine ostfr¨ankische (N¨urnberg?) Umarbeitung eines alemannischen St¨uckes, dessen Verfasser unbekannt ist. Politische Anspielungen lassen auf die Regierungszeit Karls IV. (1346–78) als Entstehungszeit der in der Schweiz, wahrscheinlich in Zu¨ rich entstandenen Vorlage schließen, die auf der AntichristLegende beruht (vgl. u. a. → Vom Antichrist). Der Antichrist wird erscheinen und alle Welt verf¨uhren. Nur die beiden Propheten Enoch und Elyas leisten in einer Art Vorspiel Widerstand. Beide werden von Schergen des Antichrist, der sich von den Juden als Messias verehren l¨asst, auf der B¨uhne erschlagen. Der Antichrist gewinnt den Kaiser zu seinem Anh¨anger, nachdem er ihm ein Gespr¨ach mit seinem Vater, dem toten K¨onig von B¨ohmen, erm¨oglicht und große Mengen an Gold und Silber herbeigeschafft hat. Die Szene wird begleitet von einer Beratung des Kaisers mit seinen R¨aten. Bischof Gugelweyt (wohl Dietrich von Kugelweit, Bischof von Sarepta und Finanzminister Karls IV.) verf¨allt dem Antichrist – dieser gew¨ahrt ihm die Aufl¨osung des Ehelosigkeitsgel¨ubdes f¨ur Geistliche – ebenso wie Abt G¨odlein Waltschlawch, dem reichliches Essen und Trinken versprochen wird. Lahme und Blinde zieht der 1250
2. H¨alfte 15. Jh. Antichrist auf seine Seite, indem er sie von ihren Leiden heilt. Einzig ein Pilger stellt sich am Schluss dem Antichrist entgegen, wird aber wie die beiden Propheten zu Beginn des Spiels erschlagen. Vom Antichrist wieder auferweckt, wird auch der Pilger ein Anh¨anger des falschen Christus, der nunmehr alleiniger Herrscher dieser Welt ist. Das Auftreten der aus den Fastnachtspielen bekannten Figuren «Froß» (Vielfraß) – auch ihn gewinnt der Antichrist mit Privilegien – und Ausschreier, der sich beim Wirt f¨ur den «schimpf» (V. 511) entschuldigt, beendet das Spiel unvermittelt. ¨ Uberlieferung: Mu¨ nchen, BSB, Cgm 714m, 310v–322v (Pap., drittes Viertel 15. Jh., nordbair.). Ausgaben: Adelbert von Keller (Hg.): Fastnachtspiele aus dem f¨unfzehnten Jh. Tl. 2. (Bibl. des Litterarischen Vereins in Stuttgart 29). Stuttgart 1853 (Nachdr. Darmstadt 1965) S. 593–608 (Nr. 68); Bd. 3 (Bibl. [...] 30) Stuttgart 1853 (Nachdr. Darmstadt 1965) S. 1515; Nachlese (Bibl. [...] 46) Stuttgart 1853 (Nachdr. Darmstadt 1966) S. 345. – Friederike Christ-Kutter (Hg.): Fr¨uhe Schweizerspiele ¨ (Altdt. Ubungstexte 19). Bern 1963, S. 41–61. Literatur: Friederike Christ-Kutter, VL2 2 (1980) Sp. 570 f.; 11 (2004) Sp. 412 f. – De Boor/Newald 3/2 (1987) S. 228. – Elisabeth Wunderle, Killy2 3 (2008) S. 286 f. – Victor Michels: Stud. u¨ ber die a¨ ltesten dt. Fastnachtsspiele (Quellen und Forschungen zur Sprach- und Culturgesch. der germ. V¨olker 77). Straßburg 1896. – Karl Reuschel: Die dt. Weltgerichtsspiele des MA und der Reformationszeit. Leipzig 1906, S. 41–50. – Christ-Kutter (s. Ausg.) S. 30–40. – Klaus Aichele: Das Antichristdrama des MA, der Reformation und Gegenreformation. Den Haag 1974, S. 40–42. – David Brett-Evans: Von Hrotsvit bis Folz und Gengenbach. Eine Gesch. des ma. dt. Dramas. Tl. 2: Religi¨ose und weltliche Spiele des Sp¨atMA (Grundlagen der Germanistik 18). Berlin 1975, S. 40–42. – Gerd Simon: Die erste dt. ¨ Fastnachtsspieltradition. Zur Uberl., Textkritik und Chronologie der N¨urnberger Fastnachtsspiele des 15. Jh. [...] (Germ. Stud. 240). L¨ubeck/Hamburg 1970, S. 12–14, 87. – Hubert Herkommer: Kritik und Panegyrik. Zum literarischen Bild Karls IV. (1346–1378). In: Rheinische Vierteljahrsbll. 43 (1979) S. 68–116. – Thomas Habel: Prototyp und Variation: Aufstieg und Fall des Antichrist in N¨urnberger Bildertexten und Fastnachtspielen des 15. Jh. In: Der Sturz des M¨achtigen. Zu Struktur und Gesch. eines literarischen Motivs. Hg. v. 1251
Schaffhauser Weltgerichtsspiel Theodor Wolpers (Abh. der Akad. der Wiss. in G¨ottingen, Philol.-hist. Kl. Dritte Folge, Nr. 234). G¨ottingen 2000, S. 150–201. – Johannes Janota: Orientierung durch volkssprachige Schriftlichkeit (1280/90–1380/90) (Gesch. der dt. Lit. von den Anf¨angen bis zum Beginn der Neuzeit 3,1). T¨ubingen 2004, S. 375–377. – Eckehard Simon: Geistliche Fastnachtspiele. Zum Grenzbereich zwischen geistlichem und weltlichem Spiel. In: Transformationen des Religi¨osen. Performativit¨at und Textualit¨at im geistlichen Spiel. Hg. v. Ingrid Kasten/Erika Fischer-Lichte. Berlin/New York 2007, S. 18–45. – Ursula Schulze: Geistliche Spiele im MA und in der Fr¨uhen Neuzeit. Von der liturgischen Feier zum Schauspiel. Eine Einf. Berlin 2012, S. 174 f. BJ Schaffhauser Weltgerichtsspiel (fr¨uher: Rheinauer W.). – Geistliches Spiel, aufgezeichnet 1467. Das auf mindestens 14 Sprecher verteilte S. W. (924 ganz oder teilweise erhaltende Verse) geh¨ort wie das → Berliner W., → Berner W., → Churer W., → Donaueschinger W., → Kopenhagener, → Luzerner W., → M¨unchner W. und das → W. der Sammlung Jantz zu den an Mt 25,31–46 ankn¨upfenden Spielen. Das Spiel setzt mit der Rede des Propheten Sophonias ein; die in den anderen Weltgerichtsspielfassungen vorausgehende Rede des Johel fehlt. Den Auftritten der Kirchenv¨ater Gregorius und Jeronimus (nicht namentlich genannt) folgen die Engelweckrufe, der Auftritt Christi als Richter und die Scheidung der Guten und B¨osen (Rede des vierten Auferweckungsengels). Die Guten werden gepriesen und auf das Weiterleben in ewiger Gl¨uckseligkeit vorbereitet. Nach der Berufung Marias und der Apostel zu Beisitzern befasst sich Christus mit den B¨osen, die trotz F¨ursprache von Maria und Johannes zu ewiger Verdammnis verurteilt werden. ¨ Nach der endg¨ultigen Ubergabe der Verdammten an die Teufel, Wehgeschrei und Abf¨uhrung durch die Teufel verschließt Christus die H¨olle f¨ur die Ewigkeit. Mit einer Rede Christi an die Guten und seiner Schlussrede – ohne die davor sonst u¨ blichen Lobpreisungen der Apostel – endet das Spiel. ¨ Uberlieferung: Z¨urich, ZB, Cod. C 216 (Pap., Schreibernennung auf Bl. 28v: Hans Trechsel, 1467, hochalemannisch; viele Verschreibungen, Umstellungen, fehlerhafte Personen¨uberschriften etc.). Ausgaben: F[ranz] J[oseph] Mone (Hg.): Schauspiele des MA. Bd. 1. Karlsruhe 1846, S. 273–304 1252
Berliner Weltgerichtsspiel (925 Verse, ohne V. 906, 912–917, 930–932). – Krit. Text des Urspiels: Rudolf Klee. Das mhd. Spiel vom j¨ungsten Tage. Diss. Marburg 1906, S. 69–124. – Hansj¨urgen Linke (Hg.): Die dt. Weltgerichtspiele des sp¨aten MA. Synoptische Gesamtausg. Bd. I: Einleitung, Bd. II/1.2: Texte. T¨ubingen/Basel 2002. Literatur: Hellmut Rosenfeld, VL2 8 (1992) Sp. 594–596. – De Boor/Newald 4/1 (21994) S. 263. – Mone (s. Ausg.) S. 265–272. – Klee (s. Ausg.). – Karl Reuschel: Die dt. Weltgerichtsspiele des MA und der Reformationszeit. Eine literarhist. Unters. (Teutonia 4). Leipzig 1906. – Rolf Bergmann: Kat. der deutschsprachigen geistlichen Spiele und Marienklagen des MA (Ver¨off. der Kommission f¨ur dt. Lit. des MA der Bayerischen Akad. der Wiss.). M¨unchen 1986, S. 389–391 (Nr. 192). – Bernd Neumann: Geistliches Schauspiel im Zeugnis der Zeit. Zur Auff¨uhrung ma. religi¨oser Dramen im dt. Sprachgebiet (MTU 84.85). Mu¨ nchen 1987, Bd. 2, S. 854 (Nr. 3654). – Dieter Trauden: Gnade vor Recht? Unters. zu den deutschsprachigen Weltgerichtsspielen des MA (Amsterdamer Publ. zur Sprache und Lit. 142). Amsterdam/Atlanta 2000, S. 56–59. – Linke (s. Ausg.) Bd. I, S. 28 u. o¨ . BJ Marburger Weltgerichtsspiel. – Umfangreiche Bruchst¨ucke eines in mittelhessischer Mundart verfassten Spieltextes, drittes Viertel 15. Jh. ¨ Bei schwierigen Uberlieferungsbedingungen haben sich 1049 Sprechverse und die Incipits von 13 lat. und zwei dt. Ges¨angen erhalten. Die Bruchst¨ucke des (mindestens) zweit¨agigen Spiel bieten das Ende eines Dialogs zwischen einem «Carpentarius», der zu einer Tanzveranstaltung gehen m¨ochte, und seiner deswegen erz¨urnten Ehefrau («Mulier»). Der Mann wirft sich anschließend der auftretenden Frau Welt («Mundus») in die Arme. Verse des Proclamators und der gemeinsame Gesang → In [gotes n]amen varen wir beenden den ersten Spieltag. Die Er¨offnungsrede des Proclamators f¨ur den n¨achsten Spieltag f¨uhrt in die Zehnjungfrauen-Handlung ein (Bl. 2r–11v, nach Mt. 25,1–13; viele Textverluste). Am Fragmentende (Bl. 12r-v) mahnen Zeit und Tod («Mors») die Zuschauer, der letzten Dinge eingedenk zu sein. Der Text bricht mitten in der Rede von «Mors» ab. ¨ Bei allen vorhandenen Ahnlichkeiten mit dem M¨uhlh¨auser und dem Darmst¨adter Zehnjungfrau1253
2. H¨alfte 15. Jh. enspiel (→ Th¨uringische Zehnjungfrauenspiele, Redaktion A und B) weist das M. W. an eigenst¨andigen Z¨ugen neben Neuerungen im Szenischen u. a. den Auftritt eines «Verus» und eines «Falsus propheta» auf. Als Ersatz f¨ur die nicht zu haltende Bezeichnung «Weltgerichtsspiel» f¨ur dieses Spielfragment, bei dem es sich wohl um einen Text aus dem Umfeld der Moralit¨aten (vgl. z. B. → Erfurter Moralit¨at) handelt, schlug Lomnitzer f¨ur die von ihm geplante Ausgabe den Titel «Marburger Spiel von den letzten Dingen» vor. ¨ Uberlieferung: Marburg, UB, Mscr. 532 (Pap., drittes Viertel 15. Jh., mittelhessisch). Literatur: Helmut Lomnitzer, VL2 5 (1985) Sp. 1229 f. – Rolf Bergmann: Kat. der deutschsprachigen geistlichen Spiele und Marienklagen des MA (Ver¨off. der Kommission f¨ur dt. Lit. des MA der Bayerischen Akad. der Wiss.). M¨unchen 1986, S. 248 f. (Nr. 110). – Bernd Neumann: Geistliches Schauspiel im Zeugnis der Zeit. Zur Auff¨uhrung ma. religi¨oser Dramen im dt. Sprachgebiet (MTU 84.85). Mu¨ nchen 1987, Bd. 2, S. 847 (Nr. 3639/2). – Ingeborg Henderson: German Last Judgment Plays: The state of research. In: Fifteenth Century Studies 14 (1988) S. 95–103. – Dieter Trauden: Gnade vor Recht? Unters. zu den deutschsprachigen Weltgerichtsspielen des MA (Amsterdamer Publ. zur Sprache und Lit. 142). Amsterdam/Atlanta 2000, S. 118–120. – Sirka Heyne: Die ma. Hss. der UB Marburg. Wiesbaden 2002, S. 276 f. BJ Berliner Weltgerichtsspiel. – Geistliches Spiel, 1482 aufgezeichnet. Das 1510 Verse umfassende, auf mindestens 33 Sprecher (ohne den Erz¨ahler) verteilte Spiel, das in einer zur Betrachtung und Lekt¨ure angelegten Handschrift ohne Auff¨uhrungsbezug u¨ berliefert ist, geh¨ort wie das ebenfalls auf Abschreckung vor s¨undhaftem Verhalten und auf heilsdidaktische Unterweisung ausgerichtete → Berner, → Donaueschinger (D), → Kopenhagener (K), → Luzerner, → Schaffhauser Weltgerichtsspiel und → W. der Sammlung Jantz zu den an Mt 25, 31–46 ankn¨upfenden Spielen. Die Handschrift ist mit ingesamt 53 getuschten Federzeichungen durchgehend illuminiert. Die Bilder stimmen vielfach denen der einzigen anderen illustrierten Handschrift der Weltgerichtsspiele, n¨amlich K, u¨ berein. Jede der beiden Fassungen bietet jedoch auch einen Sonderbestand, das B. W. Illustrationen zu den 1254
2. H¨alfte 15. Jh. → 15 Zeichen vor dem J¨ungsten Gericht. Es wird vermutet, dass das B. W., K und die Kurzfassung D (mit Freiraum f¨ur Illustrationen, die nicht ausgef¨uhrt wurden) auf einer gemeinsamen bebilderten Vorlage beruhen. Das Spiel setzt mit den Reden der alttestamentlichen Propheten und der Kirchenlehrer ein. Im Unterschied zu den zur Vulgatfassung geh¨orenden Texten der Weltgerichtsspiele wird beim f¨unfzehnten der 15 Zeichen, die wie in der Legenda aurea des → Jacobus a Voragine Jeronimus in den Mund gelegt werden, eine an die Sibyllenweissagung erinnernde Textpassage eingeschoben (V. 317–328). Auf die Weckrufe von vier Engeln und dem Erscheinen Christi als Richter folgt anders als sonst u¨ blich die Scheidung von Guten und B¨osen. Dieser gehen die Verurteilung der Welt, die vergebliche F¨urbitte Marias und die Berufung der Apostel zu Beisitzern voraus. Nach der Verk¨undung des Urteils u¨ ber die Guten, dessen Begr¨undung und einer Rede des Engels an die Guten werden neben Maria die Apostel – diese zum zweiten Mal – zu Beisitzern berufen. An die Verk¨undung des Urteils u¨ ber die B¨osen und dessen Begr¨undung nach der vergeblichen Bitte der Verdammten um Strafmin¨ derung schließt sich die Ubergabe der Verdammten an Luzifer an. Neben dem Verbot Luzifers, Gott und Maria um Gnade anzurufen, erf¨ahrt das B. W. gegen¨uber den vergleichbaren Spielen eine zus¨atzliche Erweiterung, indem der Klagerede eines Verdammten nach der Anklage seines Leibes (V. 906–1020) ein Streitgespr¨ach zwischen Leib und Seele (V. 1020a–1150) hinzugef¨ugt wird. Der zweiten vergeblichen F¨urbitte Marias und des Johan¨ nes folgen die endg¨ultige Ubergabe der Verdammten an die Teufel, Wehgeschrei, Abf¨uhrung durch die Teufel und Verschließung der H¨olle. Nach der Rede Christi an die Guten, den Lobpreisungen der Apostel und der Schlussrede Christi endet das Spiel mit dem Empfang der Guten durch Gottvater im Himmel und dem Epilog des Erz¨ahlers. ¨ Uberlieferung: Berlin, SBB, Mgf 722, 2r–41v (Pap., 53 gerahmte Illustrationen, Schreiber: Konrad Bollstatter, 1482, ostschw¨abisch; die untere Diagonalh¨alfte von Bl. 33 fehlt; Titel: «Das Jungst ¨ Gericht p˚uch»). Der aus Ottingen stammende Bollstatter kann wohl auch als Redaktor des Textes gelten (vgl. Blosen 1990, S. 223). Ausgaben: Berliner Weltgerichtsspiel. Augsburger Buch vom J¨ungsten Gericht. Ms. germ. fol. 1255
Frankfurter Passionsspiel 722 der Staatsbibl. Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Abb. der Hs. mit einer Einleitung und Texttranskription hg. v. Ursula Schulze (Litterae 114). G¨oppingen 1991. – Hansj¨urgen Linke (Hg.): Die dt. Weltgerichtspiele des sp¨aten MA. Synoptische Gesamtausgabe. Bd. I: Einleitung, Bd. II/1.2: Texte. T¨ubingen/Basel 2002. Literatur: Hellmut Rosenfeld, VL2 1 (1978) Sp. 735–737. – De Boor/Newald 4/1 (21994) S. 263. – Karl Reuschel: Die dt. Weltgerichtsspiele des MA und der Reformationszeit (Teutonia 4). Leipzig 1906. – Ein Losbuch Konrad Bollstatters aus Cgm 312 der Bayerischen Staatsbibl. Mu¨ nchen. Komm. v. Karin Schneider. Wiesbaden 1973, S. 17–19 (Bollstatters Hss.), hier S. 18 (Nr. 8). – Rolf Bergmann: Kat. der deutschsprachigen geistlichen Spiele und Marienklagen des MA (Ver¨off. der Kommission f¨ur dt. Lit. des MA der Bayerischen Akad. der Wiss.). M¨unchen 1986, S. 61–63 (Nr. 18). – B. Neumann: Geistliches Schauspiel im Zeugnis der Zeit. Zur Auff¨uhrung ma. religi¨oser Dramen im dt. Sprachgebiet (MTU 84/85). 2 Bde. M¨unchen 1987, Bd. 2, S. 831 (Nr. 3615). – Hans Blosen: Die F¨unfzehn Vorzeichen des J¨ungsten Gerichts im Kopenhagener und im Berliner Weltgerichtsspiel. In: ‹Ja muz ich sunder riuwe sin›. FS Karl Stackmann. Hg. v. Wolfgang Dinkelacker u. a. G¨ottingen 1990, S. 206–231. – J¨urgen Wolf: Konrad Bollstatter und die Augsburger Geschichtsschreibung. Die letzte Schaffensperiode. In: ZfdA 125 (1996) S. 51–86, hier S. 60 (Nr. 8). – Maria Walch: Zur Sprache des ‹B. W.s›. Die Flexion des Verbs. In: Sprachgeschichtliche Unters. zum a¨lteren und neueren Deutsch. FS Hans Wellmann. Hg. v. Werner K¨onig/Lorelies Ortner (Germ. Bibl. Reihe 3, Unters. N.F., Bd. 23). Heidelberg 1996, S. 371–406. – Dieter Trauden: Gnade vor Recht? Unters. zu den deutschsprachigen Weltgerichtsspielen des MA (Amsterdamer Publ. zur Sprache und Lit. 142). Amsterdam/Atlanta 2000, S. 9–15. – Linke (s. Ausg.) Bd. I, S. 13 f. u. o¨ . – Renate Schipke: ‹B. W.›. In: Aderlaß und ¨ Seelentrost. Die Uberl. dt. Texte im Spiegel Berliner Hss. und Inkunabeln. Hg. v. Peter J¨org Becker/ Eef Overgaauw. Mainz 2003, S. 123–126. BJ Frankfurter Passionsspiel. – Geistliches Spiel, 1493 aufgezeichnet. Nachrichten u¨ ber Auff¨uhrungen von Passionsspielen in Frankfurt gibt es f¨ur die Jahre 1467, 1468, 1480, 1492, 1498 und 1506. Dass der von Johannes 1256
Frankfurter Passionsspiel Kremer, einem der beiden Spielleiter der Frankfurter Passionsauff¨uhrung 1492, aufgezeichnete Text bereits vorher existierte und f¨ur Auff¨uhrungen benutzt wurde, ist durchaus m¨oglich, aber nicht belegbar. Das F. P. (4408 Verse) steht in der Tradition der → Frankfurter Dirigierrolle, wobei ein Bearbeiter zahlreiche Texterweiterungen bzw. -verk¨urzungen ¨ und Anderungen in der Handlungsf¨uhrung vorgenommen hat. Neu ist z. B. der vor dem Prophetenspiel von den «angeli» gesungene Hymnus → Veni, sancte spiritus; demgegen¨uber fehlen im F. P. die in der Frankfurter Dirigierrolle dieser Szene folgenden lat. Ges¨ange. Auch die dort vorhandenen Szenen aus dem Leben Johannes’ des T¨aufern fehlen im F. P. Neu hingegen sind Szenen, die den Gegensatz zwischen Christus und den Juden betonen. An dem f¨ur zwei Tage angelegten Spiel (vor V. 2424 steht: «Hic incepit dies secundus») waren (1498) 250–280 Personen beteiligt. Gespielt wurde im Freien auf fester Simultanb¨uhne. Am ersten Tag folgen auf das Prophetenspiel Szenen aus dem o¨ ffentlichen Leben Jesu (Ju¨ ngerberufung, Wunder) bis zur Gefangennahme und der Hinf¨uhrung zu Annas. Der zweite Spieltag setzt mit dem Verh¨or vor Annas fort. Nach eindringlicher Schilderung der Passion bei besonderer Betonung von Schmerz und Trauer endet das St¨uck mit der Grablegung. Die abschließende Rubrik «Conclusor concludit» l¨asst vermuten, dass das Ende unvollst¨andig ist. Im ersten Teil tritt Augustinus in 20 Szenen als «regens ludi», Programmansager und heilsp¨adagogischer Interpret auf, im Passionsteil nur noch nach dem Selbstmord des Judas. Direkt oder von einer der Zwischenstufen zwischen der Frankfurter Dirigierrolle und dem F. P. abh¨angig sind die Passionsspiele von Friedberg (→ Friedberger Dirigierrolle), Fritzlar (→ Fritzlarer Passionsspiel), Alsfeld (→ Alsfelder Passionsspiel) und Heidelberg (→ Heidelberger Passionsspiel). ¨ Uberlieferung: Frankfurt/M., Stadtarch., Barth. B¨ucher VI 63, 1r–81r (einspaltig, Frankfurt, 1493 wohl vom Frankfurter Gerichtsschreiber Johannes Kremer angefertigt [Spielschluss fehlt], von einer sp¨ateren Hand stammen Besserungen und Erg¨anzungen an den R¨anden, rheinfr¨ankisch). Ausgaben: Richard Froning (Hg.): Das Drama des MA (Dt. National-Litteratur 14,2). Stuttgart 1891 (Nachdr. Darmstadt 1964) S. 375–534. – Johannes Janota (Hg.): Die Hessische Passionsspielgruppe. Edition im Paralleldruck. Bd. 1: Frankfurter Dirigierrolle. F. P. Mit den Paralleltexten 1257
2. H¨alfte 15. Jh. der ‹Frankfurter Dirigierrolle›, des ‹Alsfelder Passionsspiels›, des ‹Heidelberger Passionsspiels› und des ‹Fritzlarer Passionsspielfragments›. T¨ubingen 1996, S. 53–428; Abb.: S. 429 (Bl. 33v und 34r), S. 430 (Bl. 39v und 40r). Literatur: Hansj¨urgen Linke, VL2 2 (1980) Sp. 812–817. – De Boor/Newald 4/1 (21994) S. 248. – Bernd Neumann/Red., Killy2 3 (2008) S. 542 f. – Neil C. Brooks: On the Frankfurt Group of Passion Plays. Diss. Harvard Univ. 1898. – Ders.: The Lamentations of Mary in the Frankfurt Group of Passion Plays. In: Journal of English and Germanic Philology 3 (1901) S. 415–430. – Ernst Wilhelm Zimmermann: Das Alsfelder Passionsspiel und die Wetterauer Spielgruppe. Diss. G¨ottingen 1909 (zugleich in: Arch. f¨ur hessische Gesch. und Altertumskunde NF 6 [1909] S. 1–200). – Carl Schmidt: Stud. zur Textkritik der Erl¨osung. Marburg 1911 (mit Vergleichstabelle verwandter Spiele). – Roe-Merrill Secrist Heffner: The Language of the Frankfurt Passion Play and Its Relation to the Frankfurt Dialect and to Standard German. Diss. Harvard Univ. 1925. – Ders.: Borrowings from the ‹Erl¨osung› in a ‹Missing› Frankfurt Play. In: Journal of English and German Philology 25 (1926) S. 474–497. – Hans Heinrich Borcherdt: Das europ¨aische Theater im MA und in der Renaissance. Leipzig 1935. Neudr. Reinbek 1969. – Rolf Steinbach: Die dt. Oster- und Passionsspiele des MA (K¨olner germanistische Stud. 4). K¨oln/Wien 1970, S. 141–161. – Wolfgang F. Michael: Das dt. Drama des MA (Grundriß der germ. Philologie 20). Berlin/New York 1971, S. 145–153. – David Brett-Evans: Von Hrotsvit bis Folz und Gengenbach. Eine Gesch. des ma. dt. Dramas. Tl. 2: Religi¨ose und weltliche Spiele des Sp¨atMA (Grundlagen der Germanistik 18). Berlin 1975, S. 82. – Rolf Bergmann: Kat. der deutschsprachigen geistlichen Spiele und Marienklagen des MA (Ver¨off. der Kommission f¨ur dt. Lit. des MA der Bayerischen Akad. der Wiss.). M¨unchen 1986, S. 110–113 (Nr. 42). – Bernd Neumann: Geistliches Schauspiel im Zeugnis der Zeit. Zur Auff¨uhrung ma. religi¨oser Dramen im dt. Sprachgebiet (MTU 84.85). Mu¨ nchen 1987, Bd. 1, S. 316 (Nr. 1514). – Carla Dauven-van Knippenberg: Maria Magdalena als Katalysator des Antijudaismus im ‹F. P.› (1493). In: ‹Sˆo wold ich in fr¨oiden singen›. FS Anthonius H. Touber. Hg. v. ders./Helmut Birkhan (AB¨aG 43/44). Amsterdam/Atlanta, GA 1995, S. 161–168. – Janota (s. Ausg.). – Dorothea 1258
2. H¨alfte 15. Jh. Freise: Geistliche Spiele in der Stadt des ausgehenden MA. Frankfurt – Friedberg – Alsfeld (Ver¨off. des Max-Planck-Inst. f¨ur Gesch. 178). G¨ottingen 2002. – Klaus Wolf: Komm. zur ‹Frankfurter Dirigierrolle› und zum ‹F. P.› (Die Hessische Passionsspielgruppe. Edition im Paralleldruck. Erg.-Bd. 1). T¨ubingen 2002. – Ernst Hellgardt: Neumen in Hss. mit dt. Texten. Ein Kat. In: ‹Ieglicher sang sein eigen ticht›. Germanistische und musikwissenschaftliche Beitr. zum dt. Lied im MA. Hg. v. Christoph M¨arz u. a. (Elementa Musicae 4). Wiesbaden 2011, S. 163–207, hier S. 171 f. (Nr. 9). – Ursula Schulze: Geistliche Spiele im MA und in der Fr¨uhen Neuzeit. Von der liturgischen Feier zum Schauspiel. Eine Einf. Berlin 2012, S. 90–92. BJ Berliner Moralit¨at. – Fragment eines allegorischen Spiels, zwischen 1470 und 1480. Die 1984 entdeckte, nach ihrem Fundort benannte B. M. (112 Verse) enth¨alt dt. Redepartien und lat. Regieanweisungen. Mit den Zehnjungfrauenspielen (vgl. → Th¨uringische Zehnjungfrauenspiele) und den Weltgerichtsspielen (vgl. z. B. → Kopenhagener Weltgerichtsspiel) verwandt, bietet sie neben der 1448 entstandenen → Erfurter Moralit¨at (rund 18.000 Verse), die der Verfasser der B. M. m¨oglicherweise ausgeschrieben hat, ein weiteres Zeugnis f¨ur «das Weiterleben eines bisher als singul¨ar geltenden Spiel-Typs [...] – zumindest im ostmd. Sprachraum» (Schipke 2004, Sp. 239). Nach einer Unterredung zwischen «Mors» und dem Teufel «Crenczeleyn» befasst sich «Mors» in einem Monolog mit den Haupts¨unden, die ihm – dargestellt durch die Seelen der s¨undigen Menschen – durch die Teufel zugef¨uhrt werden sollen. Wenn dies geschehen ist, werden ihre H¨ollenstrafen festgelegt. ¨ Uberlieferung: Berlin, SBB, Fragm. 244, 1 Doppelbl. (Pap., zwischen 1470 und 1480, ostmitteldt. mit bair. Einfl¨ussen). Ausgabe: Renate Schipke: Die ‹B. M›. Ein unbekanntes Fragm. aus dem Bestand der Dt. Staatsbibl. In: Stud. zum Buch- und Bibliothekswesen 4 (1986) S. 36–45 mit Abb. 5–6. Literatur: Hansj¨urgen Linke: Erfurter Moralit¨at. In: VL2 2 (1980) Sp. 576–582. – Renate Schipke, VL2 11 (2004) Sp. 238 f. – Rolf Bergmann: Kat. der deutschsprachigen geistlichen Spiele und Marienklagen des MA (Ver¨off. der Kommission f¨ur dt. Lit. des MA der Bayerischen Akad. der 1259
Berliner Moralit¨at Wiss.). M¨unchen 1986, S. 58 (Nr. 14a; nur Hinweis, keine Beschreibung). – Bernd Neumann: Geistliches Schauspiel im Zeugnis der Zeit. Zur Auff¨uhrung ma. religi¨oser Dramen im dt. Sprachgebiet (MTU 84/85). 2 Bde. Mu¨ nchen 1987, Bd. 2, S. 829 (Nr. 3611/1). – R. Schipke: ‹B. M.›. In: ¨ Aderlaß und Seelentrost. Die Uberl. dt. Texte im Spiegel Berliner Hss. und Inkunabeln. Hg. v. Peter J¨org Becker/Eef Overgaauw. Mainz 2003, S. 127 (mit Abb von Bl. 1r). BJ Burenbedregerie. – Mnd. Fastnachtspiel. Die B. entstand m¨oglicherweise im 15. Jh. im ostf¨alischen Raum. Allerdings d¨urfte zumindest die Vorrede um 1520 oder sp¨ater bearbeitet worden sein. Handschriften des Fastnachtsspiels sind nicht bekannt. Nur ein wohl aus L¨ubeck stammender Druck von etwa 1547 ist erhalten. Darin umfasst die B. 189 Verse mit einer Vorrede, dem zentralen Dialog zweier Bauern und einem Schlusswort. Die Vorrede der B. behandelt die Su¨ ndhaftigkeit des Menschen, w¨ahrend der Hauptteil des Spiels eine Episode aus dem b¨auerlichen Leben darstellt: Zwei Landwirte treffen sich am Markttag im Wirtshaus und schwatzen beim Bier miteinander. Sie l¨astern u¨ ber die in ihren Augen u¨ berheblichen Stadtbewohner und prahlen mit ihrer eigenen Schlauheit. Sie berichten u. a., wie sie ihre Grundherren betrogen oder unter falschen Angaben verdorbene Lebensmittel verkauft haben. Sie beraten auch, wie sie ihre Frauen vom Ehebruch abhalten k¨onnen, ob der Sommer bald anbricht und wie die n¨achste Ernte ausfallen k¨onnte. Das Spiel schließt mit einer Gnadenbitte an Gott. Die B. ist in der Form dem alten Reihenspiel verwandt, zugleich aber durch die damals modernen Stichreime gekennzeichnet. Originell ist die Darstellung der Bauern, die in anderen Texten der Zeit meist stereotyp als dumme To¨ lpel erscheinen. In der B. sind sie gewitzter als die einf¨altigen Stadtb¨urger, die hier negativ dargestellt werden. Stark beeinflusst wurde die B. von dem Gedicht Frouwen Untruwen denst, das in der Reinke de VosGlosse von 1539 zitiert wird und mit dem die B. teils w¨ortlich u¨ bereinstimmt. Die Vorrede des Spiel zitiert außerdem die Bibel. In der Fr¨uhen Neuzeit lebte die B. dann in Adaptionen weiter. So wurde ¨ 1600 in Antwerpen eine gek¨urzte ndl. Ubertragung gedruckt. 1604 erfuhr die B. eine Bearbeitung im braunschweigischen Dialekt, die als Zwischenspiel 1260
Donaueschinger Passionsspiel im erweiterten Miles Christianus des Friedrich Dedekind verwendet wurde. Die neuere Forschung hat die B. wegen ihrer realit¨atsnahen Darstellung des Bauernmilieus gew¨urdigt. Drucke: Ein gantz sch¨one Vastelavendes gedicht, rimes wise uthgelecht, worinne etliker Buren bedregerie yegen de B¨orgers klarlick vorstendiget ¨ um 1547] wert. [L¨ubeck: Johann Balhorn d. A., (Mikrofilm-Ausg. UB T¨ubingen [o. J.]). Ausgaben: Fastnachtspiele aus dem f¨unfzehnten Jh. 2. Hg. v. Adelbert v. Keller. Stuttgart 1853 (Nachdr. Darmstadt 1966) S. 961–968. – Mnd. Lesebuch. Hg. v . Wolfgang Stammler. Hamburg 1921, S. 127–132. – Mnd. Fastnachtspiele. Hg. v. Wilhelm Seelmann. Neum¨unster 21931, S. 71–79. Literatur: Ulf Bichel, VL2 1 (1978) Sp. 1127–1129. – Aloysia Rettler: Nd. Lit. im Zeitalter des Barock. Mu¨ nster/Westf. 1949, S. 60 f. u. o¨ . – Eckehard Catholy: Das Fastnachtspiel des Sp¨atMA. Gestalt und Funktion. Tu¨ bingen 1961, S. 303–305. – Ders.: Fastnachtspiel. Stuttgart 1966, S. 70. – Hansj¨urgen Linke: Aspekte der Wirklichkeits-Wahrnehmung im weltlichen dt. Schausp. des MA. In: Fastnachtspiele. Weltliches Schausp. in literarischen und kulturellen Kontexten. Hg. v. Klaus Ridder. T¨ubingen 2009, S. 11–64. MM Breslauer Marienklage (II). – Fragment (67 Verse) aus dem Schlussteil einer monologischen Marienklage. Zwei gesungene, mit Neumen versehene Partien des Bruchst¨ucks umschließen den Sprechtext (V. 11–26). Großteils deckt sich der Text der B. M. II mit der → B¨ohmischen Marienklage. Die Gesangverse 54–67 stimmen fast w¨ortlich mit der → Erlauer Marienklage (V. 393–406) u¨ berein. Es gibt keine Verwandtschaft zur → B. M. I. ¨ Uberlieferung: Wrocław (Breslau), UB, Hs. I Q 226a, 1r–2v (zweite H¨alfte 14. Jh., ostmitteldt./schlesisch). Ausgaben: Joseph Klapper: Bruchst¨ucke eines Osterspiels. In: ZfdPh 47 (1946) S. 89–91. – Ders.: Das ma. Volksschauspiel in Schlesien. In: Mitt. der Schlesischen Ges. f¨ur Volkskunde 29 (1928) S. 180, 208–211. Literatur: Hans Eggers, VL2 1 (1978) Sp. 1026 f. – Rolf Bergmann: Kat. der deutschsprachigen geistlichen Spiele und Marienklagen des MA (Ver¨off. der Kommission f¨ur dt. Lit. des MA der Bayerischen Akad. der Wiss.). M¨unchen 1986, 1261
2. H¨alfte 15. Jh. S. 79–81 (Nr. 27), 412 (M 28). – Ulrich Mehler: Marienklagen im sp¨atma. und fr¨uhneuzeitlichen Deutschland. Textversikel und Melodietypen. Darstellungsteil (Amsterdamer Publ. zur Sprache und Lit. 128). Amsterdam/Atlanta, GA 1997. SF Donaueschinger Passionsspiel. – Geistliches Spiel, zwischen 1470 und 1500 aufgezeichnet. Das f¨ur zwei Auff¨uhrungstage konzipierte, wahrscheinlich in oder in der N¨ahe von Villingen entstandene D. P. (4177 Verse) ist am Anfang vollst¨andig und bietet vor dem eigentlichen Spiele text ein Verzeichnis der B¨uhnenorte («die husser e und hoff, so man dar z˚u haben m˚uß», Bl. 1r). Mit dem Schluss des Spiels fehlt auch die in der ersten B¨uhnenanweisung erw¨ahnte Liste mit Angaben uber ¨ die Kost¨umierung der Darsteller. Enge Verwandtschaft mit den Luzerner Passionsspielen (1545, 1571) machten eine Rekonstruktion der fehlenden Schlussszenen m¨oglich (Dinges [s. Ausg.]). Laut Regieanweisungen zogen die Darsteller in einer Prozession zum und vom Spielort (vgl. → Friedberger Dirigierrolle, → Freiburger Passionsspiele). Ein der Handschrift beigef¨ugter B¨uhnenplan geh¨ort nicht zum D. P., sondern zum Villinger Passionsspiel (sp¨ates 16. Jh.). Der erste Spieltag (1728 Verse) beginnt – ungew¨ohnlich bei Passionsspielen (so nur noch in der Friedberger Dirigierrolle) – mit einem Magdalenenspiel (Weltleben und Bekehrung der Maria Magdalena), bietet dann Ereignisse aus dem o¨ ffentlichen Leben Jesu (Versuchung, Wunder, Zusammentreffen mit der Samariterin, Vertreibung der H¨andler aus dem Tempel, Einzug in Jerusalem) und endet mit dem Verrat des Judas und der Auszahlung der 30 Silberlinge. Die bereits am ersten Spieltag sich abzeichnende judenfeindliche Haltung (Zeichenforderung, Streit u¨ ber das H¨andewaschen, Vorwurf der Besessenheit und Androhung der Steinigung) wird am zweiten Tag (2449 Verse) spielbestimmendes Moment. Kein anderes Passionsspiel schildert Folter und Hinrichtung so drastisch und ausf¨uhrlich wie das D. P. Die Disputation zwischen Ecclesia und Synagoga gipfelt in der Auforderung, die Zuschauer sollten den Tod Jesu an den Juden r¨achen. Das sich anschließende Osterspiel (Bestellung der Grabwache, Auferstehung, H¨ollenfahrt etc.) bricht mit der Verk¨undigung der Auferstehung der drei Marien ab. ¨ Uberlieferung: Karlsruhe, LB, Cod. Donaueschingen 137, 88 Bll. (Pap., Anfang 16. Jh.). 1262
2. H¨alfte 15. Jh.
Prager (ostmitteldeutsches) Spiel uber ¨ Maria in der Passion
Ausgaben: F[ranz] J[oseph] Mone (Hg.): Schauspiele des MA. Bd. 2 Karlsruhe 1846 (Neudr. Aalen 1970) S. 150–350. – Eduard Hartl (Hg.): Das Drama des MA. Passionsspiele. Bd. 2. Leipzig 1942 (Neudr. Darmstadt 1966) S. 90–258. – Helmut de Boor (Hg.): MA. Texte und Zeugnisse. 1. Teilbd. (Die Dt. Lit. Texte und Zeugnisse. I/1). M¨unchen 1965 (Nachdr. ebd. 2001) S. 99–103 (H¨ollenfahrt Christi). – Das Donaueschinger Passionsspiel. Mit Einl. und Komm. neu hg. v. Anthonius H. Touber (RUB 8046). Stuttgart 1985. Literatur: Bernd Neumann, VL2 2 (1980) Sp. 200–203. – De Boor/Newald 4/1 (21994) S. 250 f. – B. Neumann/Red., Killy2 3 (2008) S. 82 f. – Georg Dinges: Unters. zum D. P. (Germanistische Abh. 5). Breslau 1910. Nachdr. Hildesheim/New York 1977. – Alfred B¨aschlin: Die altdt. Salbenkr¨amerspiele. Diss. Basel 1929, S. 73 f. et passim. – Eduard Hartl: Textkrit. Bemerkungen zum D. P. In: ZfdA 80 (1944) S. 185–199. – A[lois] M[aria] Nagler: Der Villinger B¨uhnenplan. In: Journal of English and Germanic Philology 54 (1955) S. 318–331. – Tom T. Tashiro: The Donaueschingen Passion Play. A Study of the Theme and Structure of Spiritual Blindness. In: Germanic Review 37 (1962) S. 5–23. – Wolfgang F. Michael: Fr¨uhformen der dt. B¨uhne (Schr. der Ges. f¨ur Theatergesch. 62). Berlin 1963, S. 49–51 u. o¨ . – Rolf Steinbach: Die dt. Oster- und Passionsspiele des MA (K¨olner germanistische Stud. 4). K¨oln/Wien 1970, S. 215–222. – David BrettEvans: Von Hrotsvit bis Folz und Gengenbach. Eine Gesch. des ma. dt. Dramas. Tl. 2: Religi¨ose und weltliche Spiele des Sp¨atMA (Grundlagen der Germanistik 18). Berlin 1975, S. 109 f. – Barbara K¨onneker: Das D. P. In: Euph. 79 (1985) S. 13–42. – Rolf Bergmann: Kat. der deutschsprachigen geistlichen Spiele und Marienklagen des MA (Ver¨off. der Kommission f¨ur dt. Lit. des MA der Bayerischen Akad. der Wiss.). M¨unchen 1986, S. 93–96 (Nr. 35). – Elly Vijfvinkel: Das D. P. im Luzerner Osterspiel. Ein Vergleich zweier Passionsspiele (Amsterdamer Publ. zur Sprache und Lit. 66). Amsterdam 1986. – Bernd Neumann: Geistliches Schauspiel im Zeugnis der Zeit. Zur Auff¨uhrung ma. religi¨oser Dramen im dt. Sprachgebiet (MTU 84.85). Mu¨ nchen 1987, Bd. 2, S. 835 (Nr. 3621). – Anthonius H. Touber: Schreibfehler in ma. Spielhss. am Beispiel des D. P.s. In: Editio 6 (1992) S. 123–130. – Felix Heinzer: D. P. In: ‹Unberechenbare Zinsen›. Bewahrtes Kulturerbe. 1263
Kat. zur Ausstellung der vom Land Baden-W¨urttemberg erworbenen Hss. der F¨urstlich Fu¨ rstenbergischen Hofbibl. Hg. v. Felix Heinzer. Stuttgart 1993, S. 122 f. (Nr. 34). – A. H. Touber: Das Osterspiel im D. P. Text und Musik. In: Osterspiele. Hg. v. Max Siller. Innsbruck 1994, S. 203–209. – Carla Dauven-van Knippenberg: Die ‹Passion de Sainte-Genevi`eve› und das ‹D. P.›. Ein Vergleich. In: Kultureller Austausch und Literaturgesch. im MA. Kolloquium im Dt. Hist. Inst. Paris 16.–18.3.1995. Hg. v. Ingrid Kasten (Beihefte der Francia 43). Sigmaringen 1998, S. 271–282. – Die Karlsruher Passion. Ein Hauptwerk Straßburger Malerei der Sp¨atgotik (Kat. zur Ausstellung ‹Die Karlsruher Passion›. Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, 4.4.–30.6.1996). Ostfildern-Ruit bei Stuttgart 1996, S. 231 (Nr. 51) [Dietmar L¨udke]. – E. Vijfvinkel: Bibel und bildende Kunst im D. P. und im Luzerner Osterspiel. In: Etudes germaniques 52 (1997) S. 293–301. – Ursula Schulze: Schmerz und Heiligkeit. Zur Performanz von Passio und Compassio in ausgew¨ahlten Passionsspieltexten (Mittelrheinisches, Frankfurter, Donaueschinger Spiel). In: Forschungen zur dt. Lit. des Sp¨atMA. FS Johannes Janota. Hg. v. Horst Brunner/Werner Williams-Krapp. T¨ubingen 2003, S. 211–232. – Jutta Eming: Gewalt im Geistlichen Spiel. Das D. und das Frankfurter P. In: The German Quarterley 78 (2005) S. 1–22. – Hildegard Elisabeth Keller: Lachen und Lachresistenz. Noahs So¨ hne in der Genesisepik, der ‹Biblia Pauperum› und dem ‹D. P.›. In: Lachgemeinschaften. Kulturelle Inszenierungen und soziale Wirkungen von Gel¨achter im MA und in der Fr¨uhen Neuzeit. Hg. v. Werner R¨ocke/Hans Rudolf Velten (Trends in Medieval Philology 4). Berlin 2005, S. 33–59. – Regina T¨opfer: Implizite Performativit¨at. Zum medialen Status des D. P. In: PBB 131 (2009) S. 106–132. – Dies.: Das Leiden Christi in Farbe. Die Funktion der B¨uhnenanweisungen im ‹D. P.›. In: Farbe im MA. Tl. 1. Hg. v. Ingrid Bennewitz. Berlin 2011, S. 767–780. – U. Schulze: Geistliche Spiele im MA und in der Fr¨uhen Neuzeit. Von der liturgischen Feier zum Schauspiel. Eine Einf. Berlin 2012, S. 100–105, 153 f. BJ Prager (ostmitteldeutsches) Spiel uber ¨ Maria in der Passion (fr¨uher: Prager Marienklage). – Geistliches Spiel, zweite H¨alfte 15. Jh. Bei dem in der Forschung lange als Prager Marienklage (Sch¨onbach, Bergmann), dann als Egerer Marienklage (Jessel) und Prager (ostmitteldeutsches) 1264
Wiener (schlesisches) Osterspiel Passionsspiel-Fragment (Neumann) gef¨uhrten Text ¨ mit der Uberschrift «incipiunt aliqua pulcra de passione Christi» handelt es sich wohl um «Teile eines oder mehrerer Passionsspiele» (Mehler). Die 256 Verse des Spiels finden ihre Entsprechung im ¨ → Egerer Passionsspiel, zum Teil in w¨ortlicher Ubernahme, jedoch in ver¨anderter Reihenfolge. Nach der Unterredung Marias mit Judas und dem Abschied Jesu von seiner Mutter (vor und nach seiner Gefangennahme) folgen die Marienklage und der Bericht des Johannes. Die letzten Teile des Spiels bieten die Leidensank¨undigung sowie Bitten Maria Magdalenas und Marias in Bethanien. ¨ Uberlieferung: Prag, Nationalbibl., Cod. XVI.G.33, Bd. 2, 179r–187r (Pap.). ¨ Ausgaben: Anton Sch¨onbach: Uber die Marienklagen. Ein Beitr. zur Gesch. der geistlichen Dichtung in Deutschland. Graz [1874], S. 63–70. – Lisa Jessel: Die Egerer Marienklage der Prager Hs. XVI G 33. Bd. 2. Edition und Unters. (Stuttgarter Arbeiten zur Germanistik 187). Stuttgart 1987, S. 15–24. Literatur: Ulrich Mehler, VL2 7 (1989) Sp. 805 f. – Sch¨onbach (s. Ausg.) S. 43 f. – Gustav Milchsack (Hg.): Egerer Fronleichnamsspiel (Bibl. des Litterarischen Vereins in Stuttgart 156). T¨ubingen 1881, S. 354–356. – Gesine Taubert: Die Marienklagen in der Liturgie des Karfreitags. In: DVjs 49 (1975) S. 607–627, hier S. 607 f. Anm. 5. – Rolf Bergmann: Kat. der deutschsprachigen geistlichen Spiele und Marienklagen des MA (Ver¨off. der Kommission f¨ur dt. Lit. des MA der Bayerischen Akad. der Wiss.). M¨unchen 1986, S. 452 f. (M 113). – Bernd Neumann: Geistliches Schauspiel im Zeugnis der Zeit. Zur Auff¨uhrung ma. religi¨oser Dramen im dt. Sprachgebiet (MTU 84.85). Mu¨ nchen 1987, Bd. 2, S. 851 (Nr. 3647/1). – Jessel (s. Ausg.). – Brigitte Lehnen: Das Egerer Passionsspiel (Europ¨aische Hochschulschr. 1,1034). Frankfurt/M. u. a. 1988, S. 152–154, 247–256. BJ Wiener (schlesisches) Osterspiel. – Geistliches Spiel, vor 1472. Das W. O. ist als «spil von der besuchunge des grabis» in einer Wiener Sammelhandschrift u¨ berliefert. Diese d¨urfte allerdings kein Auff¨uhrungsmanuskript, sondern ein Lekt¨uretext gewesen sein. Bei der Textvorlage der Wiener Handschrift handelte es sich allerdings mit großer Sicherheit um ein Spielmanuskript mit wenigstens zwei Redaktionsschichten, die aus Auff¨uhrungen resultierten. 1265
2. H¨alfte 15. Jh. Der Text k¨onnte im mittleren Schlesien entstanden sein, da er lokale Bez¨uge zu Breslau und Ottmachau aufweist. Leider ist der erhaltene Spieltext durch falsch eingetragene Rubriken, Redezuweisungen und Versabschnitte entstellt. Obwohl die Umst¨ande potentieller Darbietungen des W. O. unbekannt sind, l¨asst sich aus dem Text ein Auff¨uhrungsaufwand von 33 Sprech- und Gesangsrollen sowie f¨unf B¨uhnenst¨anden rekonstruieren. Inhaltlich reicht das W. O. vom Prolog und der Ernennung der Grabwache bis zum Wettlauf von Petrus und Johannes zum Grab Jesu. Die einzelnen Szenen im St¨uck umfassen u. a. ein W¨achterspiel, eine H¨ollenszene, eine Salbenkr¨amerszene und die Erscheinungen Jesu vor Maria Magdalena und Thomas. Die Salbenkr¨amerszene ist sehr umfangreich gestaltet und enth¨alt die Anwerbung des Knechts Rubinus, das Aufschlagen und Anpreisen der Waren, den Kauf der Salben durch die drei Marien sowie den possenhaft zugespitzten Streit zwischen dem H¨andler und seiner Frau. Die Handschrift des W. O. enth¨alt das Salbenkr¨amerspiel in zwei Fassungen. Auch bei anderen Szenen stehen mehrere Fassungen nebeneinander. Abgeschlossen wird das W. O. von einem gemeinsam vorgetragenen Silete-Gesang. Die 1145 Verse des W. O. sind u¨ berwiegend in dt. Sprache verfasst. Einige Gesangsverse enthalten auch lat. Verse, sind aber vielfach nur als Incipits angegeben. Im Gegensatz zu anderen Spielen weist das Spiel auch dt. Regieanweisungen auf, in die nur vereinzelt lat. Wendungen eingef¨ugt sind. Der Text wird von meist vierhebigen Paarreimen bestimmt. Im W. O. findet sich auch → Wipos Ostersequenz ¨ Dic nobis, Maria in einer dt. Ubersetzung, die eng an das Versmaß des lat. Originals anschließt. Viel¨ leicht wurde die dt. Ubertragung also urspr¨unglich mit der gleichen Melodie gesungen wie das Original. Im Spiel selbst sind die enthaltenen Melodien jeweils auf f¨unf Linien notiert, mal als Neumen (Schlussgesang), mal als Hufnagelnoten (W¨achterlied). Handlung und Text des W. O. zeigen Parallelen zu den → Erlauer, → Innsbrucker, → Melker, → L¨ubener und → Berliner Osterspielen sowie zur → Wiener Rubin-Rolle. Allerdings ist die teils possenhafte Derbheit dieser Spiele im W. O. nur in gem¨aßigter Form vorhanden und zeigt sich prim¨ar in den Szenen mit den Grabw¨achtern und dem Salbenh¨andler. Dem W. O. kann also eine gewisse Eigenst¨andigkeit nicht abgesprochen werden. 1266
2. H¨alfte 15. Jh. ¨ ¨ Uberlieferung: Wien, ONB, cod. 3007, 163v–188r (Pap., 1472, schlesisch). Ausgaben: Fundgruben f¨ur Gesch. dt. Sprache und Litteratur 2. Hg. v. August Heinrich Hoffmann von Fallersleben. Breslau 1837 (Nachdr. Hildesheim u. a. 1969) S. 296–336. – Das dt. Kirchenlied von der a¨ltesten Zeit bis zu Anfang des XVII. Jh. II. Mit Ber¨ucksichtigung der dt. kirchlichen Liederdichtung im weiteren Sinne und der lat. von Hilarius bis Georg Fabricius und Wolfgang Ammonius. Hg. v. Philipp Wackernagel. Leipzig 1867 (Nachdr. Hildesheim 1964) Nr. 520 (Teilausg.). – Richard Froning (Hg.): Das Drama des MA. Bd. 1. Die lat. Osterfeiern und ihre Entwickelung in Deutschland (Dt. National-Litteratur 14,1). Stuttgart 1891 (Nachdr. Darmstadt 1964) S. 97–102 (Thomas- und Aspostelszene). – Osterspiele. Hg. v. Eduard Hartl (Dt. Lit. 5/2). Leipzig 1937 (Nachdr. Darmstadt 1969) S. 74–119. – Das Wiener Osterspiel. Abdruck der Hs. und Leseausgabe. Hg. v. Hans Blosen. Berlin 1979 (mit Melodien). – Weitere Ausg. der Melodien bei Linke 1999 (s. Lit.). ¨ Ubersetzung: Ein altschlesisches Osterspiel. Hg. v. Hermann Jantzen mit Wilhelm TreblinSchmolz. Berlin u. a. 1925. Literatur: Franz K¨orndle: Liturgische Dramen, Geistliche Spiele. In: MGG2 Sachteil 5 (1996) Sp. 1388–1412. – Hansj¨urgen Linke, VL2 10 (1999) Sp. 1036–1039. – De Boor/Newald 4/1 (21994) S. 244 f. – Bernd Neumann/Red., Killy2 12 (2011) S. 403. – Rudolf H¨opfner: Unters. zu dem Innsbrucker, Berliner und W. O. Breslau 1913 (Nachdr. Hildesheim 1977) S. 58–158. – Karl W. Schmidt: Die Darstellung v. Christi H¨ollenfahrt in den dt. und den ihnen verwandten Spielen des MA. Marburg 1915, S. 16–54. – Alfred B¨aschlin: Die altdt. Salbenkr¨amerspiele. Diss. Basel 1929, S. 55–58 et passim. – Otto Schuettpelz: Der Wettlauf der Apostel und die Erscheinungen des Peregrinispiels im geistlichen Spiel des MA. Breslau 1930, S. 31–44. – Erich Kr¨uger: Die komischen Szenen in den dt. geistlichen Spielen des MA. Wertheim/M. 1931, S. 9–11, 21–23, 30–36. – Helmut Niedner: Die dt. und franz¨osische Osterspiel bis zum 15. Jh. Ein Beitr. zur Theatergesch. des MA. Berlin 1932 (Nachdr. Nendeln 1967) S. 147–152. – E. Hartl: Anm. zum W. O. In: Lebendiges Erbe. FS aus dem Kreise der Mitarbeiter an der Monumentalslg. ‹Dt. Lit.› zum 60. Geburtstage ihres Verlegers Ernst Reclam. Leipzig 1936, S. 20–61. – Wolfgang Jungandreas: Zur Gesch. der schlesischen 1267
Wiener (schlesisches) Osterspiel Mundart im MA. Unters. zur Sprache und Siedlung in Ostmitteldtl. Breslau 1937 (Nachdr. Stuttgart 1987) S. 481 f. – Wilfried Werner: Stud. zu den Passions- und Osterspielen des dt. MA in ih¨ rem Ubergang vom Lat. zur Volkssprache. Berlin 1963, S. 66 f. – Rolf Steinbach: Die dt. Osterund Passionsspiele des MA (K¨olner germanistische Stud. 4). K¨oln/Wien 1970, S. 68–77. – Wolfgang F. Michael: Das dt. Drama des MA. Berlin/New York 1971, S. 74 f. – H. Blosen: Zum Lied der W¨achter im W. O. Zugleich Bemerkungen zum Refrain in mhd. Lyrik. In: Orbis Litterarum 29 (1974) S. 183–215. – Anke Roeder: Die Geb¨arde im Drama des MA. Osterfeiern, Osterspiele (MTU 49). Mu¨ nchen 1974, passim. – Ruprecht Wimmer: Dt. und Lat. im Osterspiel. Unters. zu den volkssprachlichen Entsprechungstexten der lat. Strophenlieder (MTU 48). M¨unchen 1974, S. 31–41, 118–133. – David Brett-Evans: Von Hrotsvit bis Folz und Gengenbach. Eine Gesch. des ma. dt. Dramas. Tl. 1: Von der liturgischen Feier zum volkssprachlichen Spiel (Grundlagen der Germanistik 15). Berlin 1975, S. 118 f. – Barbara Thoran: Stud. zu den o¨ sterlichen Spielen des dt. MA. (Ein Beitr. zur Kl¨arung ihrer Abh¨angigkeit voneinander). 2., durchges. und erg. Aufl. (GAG 199). G¨oppingen 1976, passim. – Ulrich Mehler: Dicere und cantare. Zur musikalischen Terminologie und Auff¨uhrungspraxis des ma. geistlichen Dramas in Dtl. Regensburg 1981, S. 221 f. – Rolf Bergmann: Kat. der deutschsprachigen geistlichen Spiele und Marienklagen des MA (Ver¨off. der Kommission f¨ur Dt. Lit. des MA der Bayerischen Akad. der Wiss.). Mu¨ nchen 1986, Nr. 162. – Carla Dauven¨ van Knippenberg: Uber den Zusammenhang zwischen Osterpredigt und dramatischer Darst. des Ostergeschehens. In: Osterspiele. Texte und Musik. Akten des 2. Symposiums der Sterzinger Osterspiele, 12.–16.4.1992. Hg. v. Max Siller. Innsbruck 1994, S. 33–50. – B. Thoran: Das Lied der W¨achter auf dem Weg zum Grab Jesu in o¨ sterlichen Spielen des 14. und 15. Jh. In: ‹bickelwort› und ‹wildiu maere›. FS Eberhard Nellmann (GAG 618). Hg. v. Dorothee Lindemann u. a. G¨oppingen 1995, S. 398–407. – Dies.: ‹W¨achterlied› und ‹Canticum hebraicum› in den Sterzinger und a¨ lteren o¨ sterlichen Spielen. In: Lit. und Sprache in Tirol. Von den Anf¨angen bis zum 16. Jh. Akten des 3. Symposiums der Sterzinger Osterspiele (10.–12. April 1995). Hg. v. Michael Gebhardt/M. Siller. Innsbruck 1996, S. 245–261. – Peter Macardle: The St 1268
Bozner Spiele Gall Passion Play. Music and Performance. Amsterdam 2007, S. 322–324 u. o¨ . – Gerhard Wolf: Komische Inszenierung und Diskursvielfalt im geistlichen und im weltlichen Spiel. Das ‹Erlauer Osterspiel› und die N¨urnberger Arztspiele K 82 und K 6. In: Fastnachtspiele. Weltliches Schauspiel in literarischen und kulturellen Kontexten. Hg. v. Klaus Ridder. T¨ubingen 2009, S. 301–326. MM Bozner Spiele. – Gruppe geistlicher Spiele. Im Tirol des 15. und 16. Jh. existierte eine lebendige Tradition geistlicher Spiele. Deren Auff¨uhrungen waren meist mit dem Kirchenjahr verkn¨upft und erfolgten daher zu den wichtigen kirchlichen Festen und Feiertagen. Auch in Bozen sind seit 1472 entsprechende Spiele nachweisbar; die Tradition ihrer Auff¨uhrung d¨urfte freilich weit fr¨uher entstanden sein. Eine zentrale Gestalt der Bozner Spielkultur war Benedikt Debs. Urspr¨unglich aus Ingolstadt stammend, wurde Debs in Bozen 1511 Lateinschulmeister und damit wohl auch Chorleiter. Er wirkte in der Rolle des Salvators an den → Bozner Passionsspielen von 1514 mit und starb im Januar 1515. Ob er selbst Spiele verfasste, ist ¨ nicht bekannt. F¨ur die Uberlieferung der in Bozen aufgef¨uhrten Spiele ist Debs prim¨ar als Sammler von Spieltexten von Bedeutung. Nach Debs’ Tod gingen seine Manuskripte an Vigil → Raber u¨ ber, der wiederum seine eigene Sammlung 1553 der Stadt Sterzing vermachte. Nach Debs’ Tod gingen seine Manuskripte an Vigil Raber u¨ ber, dessen Witwe sie 1553 der Stadt Sterzing verkaufte. Nach Rabers Angaben umfasste Debs’ Spielsammlung mehrere Manuskripte (u. a. eine Passion), von denen heute aber nur noch eine Sammelhandschrift u¨ berliefert ist. Der sog. Debs¨ Codex (Hs. IV, s. Uberlieferung) wurde im 15. Jh. von mehreren H¨anden geschrieben und wahrscheinlich von Debs im fr¨uhen 16. Jh. zusammengef¨ugt. Die darin enthaltenen geistlichen Spiele werden meist als B. S. bezeichnet, obwohl ihre urspr¨ungliche Herkunft nicht in Bozen gelegen haben muss. Der Debs-Codex umfasst neben einem weltlichen Rumpoltspiel insgesamt 13 geistliche Spiele: ein Himmelfahrtsspiel, zwei Grablegungsspiele, drei Osterspiele, zwei Emmausspiele, ein Lichtmessspiel, zwei Marienklagen, ein Verk¨undigungsspiel und ein Abendmahls- oder Gr¨undonnerstagsspiel. Die Texte sind alle dt. mit lat. Rubriken und teilweise neumiert. Der Debs-Codex d¨urfte zumindest teilweise bei Auff¨uhrungen der 1269
2. H¨alfte 15. Jh. B. S. benutzt worden sein. So wird das Abendmahlsspiel durch eine Spielerliste mit den Namen der Darsteller erg¨anzt. Zu den wichtigsten B. S. z¨ahlen: 1. Himmelfahrtsspiel (1r–11r im Debs-Codex): Das 914 Verse umfassende Spiel beginnt mit Judentaufe und Blindenheilung, enth¨alt dann verschiedene Abschiedsszenen zwischen Jesus und Maria bzw. Jesus und seinen J¨ungern, und endet mit Christi Himmelfahrt und dem Fall Luzifers. 2. Grablegungsspiele (12r–17v, 102r–107r): Das erste Grablegungsspiel in 439 Versen stellt nach einem Prolog das Begr¨abnis Christi dar und besteht ansonsten aus Marienklagen. Das zweite Spiel mit seinen 490 Versen enth¨alt keinen Prolog, daf¨ur aber neben den Marienklagen und dem Begr¨abnis auch die Longinus-Heilung und das Zeugnis des Zenturios (s. auch → Kreuzabnahmespiele). 3. Osterspiele (18r–26v, 34v–42r, 56r–62v, 79r–87r): Das erste Osterspiel ist im Debs-Codex zweiteilig, im zweiten Teil aber unvollst¨andig u¨ berliefert. Der erste Teil (759 Verse) konzentriert sich auf Grabwache, Auferstehung und H¨ollenfahrt. Teil zwei (657 Verse) zeigt den Grabbesuch der Marien, Christi Erscheinung vor Thomas und Maria Magdalena, die Verk¨undigung der Auferstehung durch die Marien, schließlich den Wettlauf von Petrus und Johannes zum Grab. Das zweite Osterspiel ist mit 485 Versen weniger umfangreich und entspricht inhaltlich dem zweiten Teil des ersten Osterspiels. Der Inhalt des dritten Spiels (727 Verse) wiederum ist mit der Gesamtheit beider Teile des ersten Osterspiels identisch, enth¨alt aber nicht die H¨ollenfahrt. Insgesamt stimmen die drei Osterspiele nicht nur in ihren Szenen u¨ berein, sondern auch in Versen und Reimen. 4. Emmausspiele (27r–33v, 87v–90v): Diese Spiele behandeln in 576 bzw. 297 Versen Christi Erscheinung vor den Emmausj¨ungern. Die beiden Spiele unterscheiden sich durch profane bis komische Aspekte von anderen B. S. So treten im ersten Emmausspiel etwa zwei sich befeindende Wirte mit ihren Frauen auf. 5. Lichtmessspiel (50v–55r): In 357 Versen mit Prolog und Epilog werden die Darstellung des Je¨ suskinds im Tempel sowie die Flucht nach Agypten behandelt. Maria spielt eine tragende Rolle. Im Gegensatz zu den Emmausspielen ist dieses Spiel von sehr ernstem Charakter. 6. Fronleichnamsspiel von 1543: Dieses Spiel ist nicht bei Debs u¨ berliefert, steht aber in einer Reihe 1270
2. H¨alfte 15. Jh. mit den vorhergehenden B. S. Es bezeugt eine lokale Spieltradition, die sich von 1475 bis 1753 nachweisen l¨asst, also schon zu Debs’ Zeit existierte. In Bozen wurden zu Fronleichnam, jeweils nach der kirchlichen Prozession, aufwendige Auff¨uhrungen auf dem Musterplatz veranstaltet, die zun¨achst j¨ahrlich und sp¨ater alle drei Jahre stattfanden. Klerus, Gutsp¨achter und Z¨unfte stellten im Umgang Szenen aus der Heilsgeschichte dar, die von Adam und Eva bis zum J¨ungsten Gericht reichten. Als Textzeuge ist eine wohl f¨ur die Auff¨uhrung benutzte, redigierte Handschrift von 1543 u¨ berliefert, die als Vorlage f¨ur eine wiederum bearbeitete, erweiterte Druckfassung von 1590 diente. Im Manuskript sind allerdings nur einzelne Teile des Fronleichnamsspiels erhalten, n¨amlich die Darstellung der Heiligen Drei K¨onige und das Georgsspiel mit dem Drachenstich. Der Text des F.s war nach heutiger Kenntnis weitaus umfangreicher und enthielt einleitende Spr¨uche der Propheten und einen Hauptteil u¨ ber die Passion Christi vom Abendmahl bis zur Auferstehung. Wie sich aus der Handschrift schließen l¨asst, war der Text dabei jedoch knapp formuliert – der eigentliche Fokus lag auf der aufw¨andigen Darstellung des Spiels. Als m¨ogliche Vorlage der seit 1543 entstandenen Fassungen des Bozner Fronleichnamsspiels gilt in der neueren Forschung Jacob Ruoffs Passionsspiel von 1544, aus dem ein Bearbeiter wohl einzelne Teile in das bereits existierende Fronleichnamsspiel u¨ bernahm. Das Bozner Fronleichnamsspiel selbst wirkte auf das Freiburger Fronleichnamsspiel. ¨ Uberlieferung: 1. Debs-Codex: Sterzing, Stadtarch., Hs. IV, 118 Bll. aus sieben Teilhss. (Pap., mehrere H¨ande, Mitte bis Ende 15. Jh., s¨udbair., teilweise neumiert). – 2. Bozner Fronleichnamsspiel v. 1543: Meran, Zenoburg, Privatbesitz Dr. Carl von Braitenberg, [ohne Signatur], 20 Bll. (1543, s¨udbair.). Ausgaben: 1. Debs-Codex: Die geistlichen Spiele des Sterzinger Spielarchivs 1. Hg. v. Walther Lipphardt/Hans-Gert Roloff. Bern u. a. 1981. ¨ Verb. Neuaufl. 1986. – Altere Teilausg. des Codex bei Bergmann 1986 (s. Lit.). – 2. B. Fronleichnamsspiel v. 1543: Tiroler Umgangsspiele. Ordnungen und Sprechtexte der Bozner Fronleichnamsspiele und verwandter Figuralprozessionen vom Ausgang des MA bis zum Abstieg des aufgekl¨arten Absolutismus. Hg. v. Anton D¨orrer. Innsbruck 1957, S. 193–206 (mit Umgangsordnung). – Braitenberg 1978 (s. Lit.). 1271
Bozner Spiele Literatur: A. D¨orrer: Debs, Benedikt. In: NDB 3 (1957) S. 539 f. – Hansj¨urgen Linke: Bozner Fronleichnamsspiel (v. J. 1543) . In: VL2 1 (1978) Sp. 978 f. – Norbert R. Wolf: Benedikt Debs. In: VL2 2 (1980) Sp. 59–61; 11 (2004) Sp. 343. – De Boor/Newald 3/2 (1987) S. 184, 198; 4/1 (21994) S. 242. – Franz K¨orndle: Liturgische Dramen, Geistliche Spiele. In: MGG2 Sachtl. 5 (1996) Sp. 1388–1412. – R¨udiger Brandt: Osterspiele. In: KLL3 12 (2009) S. 401–405. – Bernd Neumann/Hannes Obermair: Tiroler Spiele. In: Killy2 11 (2011) S. 546–548. – A. D¨orrer: Die B¨uhne des Bozner Fronleichnamsspiels von 1714. In: Der Schlern 9 (1928) S. 184–186. – Ders.: Bozner B¨urgerspiele 1: Einf. in das Gesamtwerk. Leipzig 1941, passim. – Wolfgang F. Michael: Die geistlichen Prozessionsspiele in Deutschland. Baltimore/G¨ottingen 1947, S. 48–52. – Eugen Thurnher: Wort und Wesen in S¨udtirol. Die dt. Dichtung S¨udtirols im MA. Innsbruck 1947, S. 184 f. – D¨orrer 1957 (s. Ausg.) S. 186–192, 207–212. – Rolf Steinbach: Die dt. Oster- und Passionsspiele des MA. K¨oln/Wien 1970, 77–85. – W. F. Michael: Das dt. Drama des MA. Berlin/New York 1971, S. 107 f., 112–114, 128–131. – Ruprecht Wimmer: Dt. und Lat. im Osterspiel. Unters. zu den volkssprachlichen Entsprechungstexten der lat. Strophenlieder (MTU 48). Mu¨ nchen 1974, S. 185–188. – Gesine Taubert: Sp¨atma. Kreuzabnahmespiele in Wels, Wien und Tirol. In: Jb. des Ober¨osterr. Musealvereines 119 (1974) H. 1, S. 53–89. – David Brett-Evans: Von Hrotsvit bis Folz und Gengenbach. Tl. 1: Von der liturgischen Feier zum volkssprachlichen Spiel. Berlin 1975, S. 127 f., 174. – Walther Lipphardt: Musik in den sp¨atma. P. und Osterspielen v. Bozen, Sterzing, und Brixen. In: Tiroler Volksschauspiel. Beitr. zur Theatergesch. des Alpenraumes. Hg. v. Egon K¨uhebacher. Bozen 1976, S. 127–166. – G. Taubert: Zwei Kreuzabnahmespiele aus dem Debs-Kodex. In: ZfdA 106 (1977) S. 32–72. – Carl von Braitenberg: Der Bozner Umgang und das Georgispiel vom Jahre 1543. In: Der Schlern 52 (1978) S. 508–515. – Elizabeth Wainwrightde Kadt: Das Bozner Fronleichnamsspiel und Jacob Ruoffs ‹Passion›. Zur Frage der Urheberschaft. In: ZfdPh 99 (1980) S. 385–403. – H. Linke: Das mißverstandene Heu. Der verlorene und gest¨orte Anfang des III. Bozner Osterspiels. In: ZfdA 113 (1984) S. 294–310. – Ders.: Die Osterspiele des 1272
Bordesholmer Marienklage Debs-Codex. In: ZfdPh 104 (1985) S. 104–129. – Rolf Bergmann: Kat. der deutschsprachigen geistlichen Spiele und Marienklagen des MA (Ver¨off. der Kommission f¨ur dt. Lit. des MA der Bayerischen Akad. der Wiss.). M¨unchen 1986, Nr. 113, 137. – Dorette Krieger: Die ma. deutschsprachigen Spiele und Spielszenen des Weihnachtsstoffkreises. Frankfurt/M. u. a. 1990, S. 284 f. u. o¨ . – Monika Schulz: Die Oster- und Emmausspiele und das Himmelfahrtsspiel im Debs-Codex. Zur Ambivalenz christlicher und paganer Traditionen (GAG 578). G¨oppingen 1993. – Rainer Gstrein: Anm. zu den Ges¨angen der Osterspiele des Sterzinger DebsCodex. In: Osterspiele. Texte und Musik. Akten des 2. Symposiums der Sterzinger Osterspiele, 12.–16.4.1992. Hg. v. Max Siller. Innsbruck 1994, S. 91–98. – Ralph J. Blasting: Die Dramaturgie des Spielleiters in den dt. Fronleichnamsspielen. In: Ma. Schauspiel. FS H. Linke. Hg. v. Ulrich Mehler/Anthonius H. Touber. Amsterdam u. a. 1994, S. 79–93. – Andreas Traub: Der Debs-Codex als musikalische Quelle. In: ebd., S. 339–347. – Peter Wiesinger: Zur Sprache der a¨ ltesten Tiroler Spiele im Debs-Codex. In: Lit. und Sprache in Tirol. Von den Anf¨angen bis zum 16. Jh. Akten des 3. Symposiums der Sterzinger Osterspiele (10.–12. April 1995). Hg. v. Michael Gebhardt/M. Siller. Innsbruck 1996, S. 67–93. – Ursula Hennig: Die Marienklagen im Debs-Codex und in den Tiroler Passionsspielen. In: ebd., S. 239–243. – M. Siller: Die Lokalisierung der ma. Spiele mit Hilfe der (hist.) Dialektologie. In: Ritual und Inszenierung. Geistliches und weltliches Drama des MA und der Fr¨uhen Neuzeit. Hg. v. Hans-Joachim Ziegeler. T¨ubingen 2004, S. 247–254. – Peter Macardle: The St Gall Passion Play. Music and Performance. Amsterdam 2007, passim. – Ursula Schulze: Geistliche Spiele im MA und in der Fr¨uhen Neuzeit. Von der liturgischen Feier zum Schauspiel. Eine Einf. Berlin 2012, S. 160 f. MM Bordesholmer Marienklage. – Mnd. geistliches Spiel von 855 Versen. Die B. M. gilt unter den selbstst¨andig u¨ berlieferten dramatischen dt. Marienklagen des MA als umfangreichste; zentral ist darin das Leiden der irdisch dargestellten Gottesmutter an Passion und Tod Christi. Ein lat. Responsorium der Palmsonntagsliturgie er¨offnet das Spiel. Es folgen ein an die Gemeinde gerichteter Prolog des Johannes, ein 1273
2. H¨alfte 15. Jh. Bericht u¨ ber die Passionsgeschichte, Klagen Marias und Maria Magdalenas, der Mutter des Johannes und des Johannes selbst. Am Schluss der Auff¨uhrung stehen ein wiederum an das Publikum gerichteter Epilog sowie ein Responsorium der Karfreitagsliturgie. Aufgrund ihrer pr¨azisen und geschlossenen Durchgestaltung gilt die Dichtung als eine der k¨unstlerisch wertvollsten Marienklagen; sie weist zahlreiche, sehr genaue «Regieanweisungen» auf. Es zeigen sich darin Einfl¨usse aus → Unser vrouwen Klage und der Sequenz Planctus ante nescia. Die Auff¨uhrung hatte ihren Platz im Karfreitagsgottesdienst. ¨ Uberlieferung: Enthalten in einer Sammelhs. mit religi¨osen Texten: Kiel, UB, Cod. Bord. mscr. 53, 4to, 1r–23v (Pap., ostf¨alisch). Mit ausf¨uhrlichen Notenangaben. Niedergeschrieben 1475 oder 1476 von Johannes Reborch (1488 als Propst des Augustinerklosters Bordesholm in Holstein urkundlich bezeugt). Ausgaben: Karl M¨ullenhoff: B. M. In: ZfdA 13 (1867) S. 288–319. – Gustav K¨uhl: Die B. M. In: NdJb 24 (1898) S. 1–75. – Eberhard Haufe: Dt. Mariendichtung aus neun Jahrhunderten. Hanau/ Main 1961, S. 150–167. – B. M. Sequentia, Ensemble f¨ur Musik des MA. Leitung: Barbara Thornton/ Benjamin Bagby, WDR/dt. harmonia mundi (CD 05472 77280 2) 1993, Begleitheft mit Textwiedergabe v. Ulrich Mehler. Literatur: Hans Fromm: Mariendichtung. In: RL2 (1965) S. 271–291. – Hans Eggers, VL2 1 (1978) Sp. 958–960; 11 (2004) Sp. 273. – Rolf Bergmann, MarLex 1 (1988) S. 538 f. – Bernd Neumann/Red., Killy2 2 (2008) S. 92 f. – Henning Ratjen: Zur Gesch. der Kieler Universit¨atsbibl. (Schr. der Univ. Kiel 9). Kiel 1862. – Anton Sch¨onbach: ¨ Uber die Marienklagen. Graz [1874]. – Gottfried Weiss: Die dt. Marienklagen. Quellen und Entwicklung. Diss. Prag 1932. – Walther Lipphardt: Stud. zu den Marienklagen. In: PBB (Halle) 58 (1934) S. 393 f. – Ders.: Stud. zu den Marienklagen. Marienklagen und Liturgie. In: Jb. f¨ur Liturgiewiss. 14 (1934) S. 198–205. – Hermann Maschek: Eine dt. Marienklage aus dem 15. Jh. In: PBB (Halle) 60 (1936) S. 325–339. – Anna Amalie Abert: Das Nachleben des Minnesangs im liturgischen Spiel. In: Die Musikforschung 1 (1948) S. 95–105. – Hans Teske: Zur ‹B. M.› In: Korrespondenz-Bl. des Ver. f¨ur nd. Sprachforschung 57 (1950) S. 18 f. – Gerd Seewald: Die Marienklage im mlat. Schrifttum und 1274
2. H¨alfte 15. Jh. in den germ. Literaturen des MA. Diss. Hamburg 1952, S. 52 f. – Theo Meier: Die Gestalt Marias im geistlichen Schauspiel des MA (Phil.Stud.u.Qu. 4). Berlin 1959. – Erich Wimmer: Maria im Leid. Die Mater dolorosa inbesondere in der dt. Lit. und Fr¨ommigkeit des MA. Diss. W¨urzburg 1968. – Georg Steer: Dat dagelyt v. der heiligen passien. Die sog. ‹Große Tageweise› Graf Peters von Arberg. In: Beitr. zur weltlichen und geistlichen Lyrik des 13. bis 15. Jh. Hg. v. Kurt Ruh/Werner Schr¨oder. Berlin 1973, S. 189–199. – R. Bergmann: Kat. der deutschsprachigen geistlichen Spiele und Marienklagen des MA (Ver¨off. der Kommission f¨ur dt. Lit. des MA der Bayerischen Akad. der Wiss.). M¨unchen 1986, S. 430 f. (M 69). – Edgar B¨uttner: Die ¨ Uberl. von ‹Unser vrouwen klage› und des ‹Spiegel› (Erlanger Stud. 74). Erlangen 1987, S. 11 f. – Ulrich Mehler: Marienklagen im sp¨atma. und fr¨uhneuzeitlichen Deutschland. Textversikel und Melodietypen (Amsterdamer Publ. zur Sprache und Lit. 128/129). 2 Bde. Amsterdam/Atlanta, GA 1997. – Ursula Schulze: Emotionalit¨at im geistlichen Lied. Die Vermittlung von Schmerz und Trauer in der B. M. und verwandten Szenen. In: Ritual und Inszenierung. Hg. v. Hans Joachim Ziegeler. Tu¨ bingen 2004, S. 177–193. – Roswitha Wisniewski: Zwei Sammelhss. aus Pommern. [...]. In: Vom vielfachen Schriftsinn im MA. FS Dietrich Schmidtke. Hg. v. Freimut L¨oser/Ralf G. P¨asler (Schr. zur Medi¨avistik 4). Hamburg 2005, S. 623–635, hier S. 623–629. – Ursula Schulze: Geistliche Spiele im MA und in der Fr¨uhen Neuzeit. Von der liturgischen Feier zum Schauspiel. Eine Einf. Berlin 2012, S. 139–144. SF Folz, Hans → Band 4, Lyrik, Sp. 935–947. Wiener Rubin-Rolle. – Rollenauszug eines Osterspiels. Der schmucklose dt. Rollentext wurde wohl zu Auff¨uhrungszwecken notiert und d¨urfte Teil eines Osterspiels gewesen sein. Dessen Herkunft oder Auff¨uhrungen sind jedoch unbekannt. Die Erw¨ahnung von Wien und Prag im Text erlaubt jedenfalls nicht unbedingt R¨uckschl¨usse auf die Auff¨uhrungsorte. Die erhaltenen 212 Verse der W. ¨ R.-R. sind ohne Uberschrift u¨ berliefert, was eine Identifikation des urspr¨unglichen Spiels ebenfalls erschwert. Der Text enth¨alt einen Rollenauszug f¨ur den Darsteller des Rubin, Knecht des Salbenh¨andlers Ypochras. Der Anfang des Auszugs ist nur fragmentarisch erhalten, denn mindestens ein Vers und 1275
Folz eine B¨uhnenanweisung fehlen. Der Hauptteil der W. R.-R. erlaubt immerhin eine Rekonstruktion des Szenenablaufs: dem durch das Publikum auftretenden Salbenh¨andler wird der Weg freigemacht, Rubin wird als Knecht angeworben, der Verkaufsstand des Salbenkr¨amers wird aufgebaut, Ypochras preist seine Salben an, nach einem Streit wird ein Unterknecht angeworben, dann bricht die Rolle vor dem Salbenkauf der Marien ab. Der Schluss ist unvollst¨andig, da auch hier mindestens ein Vers fehlt. Der Inhalt der Rolle weist insgesamt Parallelen zu den Salbenkr¨amerszenen in den → Erlauer, → Innsbrucker, → Melker, → L¨ubener und → Wiener Osterspielen auf. M¨oglicherweise handelt es sich um ein bearbeitetes Versatzst¨uck, das in mehreren Spielen benutzt wurde. ¨ ¨ Uberlieferung: Wien, ONB, cod. ser. nova 3980 (fr¨uher Suppl. 3980), 1r–2v (Pap., zweite H¨alfte 15. Jh., bair.-¨osterr.). Ausgabe: Eine Wiener Rubinus-Rolle. Hg. v. Ferdinand Mencik/Edward Schr¨oder. In: ZfdA 51 (1909) S. 263–273. Literatur: Hansj¨urgen Linke, VL2 10 (1999) Sp. 1035 f. – Mencik/Schr¨oder 1909 (s. Ausg.). – Alfred B¨aschlin: Die altdt. Salbenkr¨amerspiele. Diss. Basel 1929, S. 68–70 et passim. – Erich Kr¨uger: Die komischen Szenen in den dt. geistlichen Spielen des MA. Wertheim/M. 1931, S. 11 u. o¨ . – Hans Rupprich: Das ma. Schauspiel in Wien. In: Jb. der Grillparzer-Ges. NF 3 (1943) S. 27–73, hier S. 37 f. – Rolf Steinbach: Die dt. Oster- und Passionsspiele des MA. Versuch einer Darst. und Wesensbestimmung nebst einer Bibliogr. zum dt. geistlichen Spiel des MA. K¨oln u. a. 1970, S. 32–35. – Rolf Bergmann: Kat. der deutschsprachigen geistlichen Spiele und Marienklagen des MA (Ver¨off. der Kommission f¨ur Dt. Lit. des MA der Bayerischen Akad. der Wiss.). M¨unchen 1986, Nr. 169. – Monika Schulz: Die Osterund Emmausspiele und das Himmelfahrtsspiel im Debs-Codex. Zur Ambivalenz christlicher und paganer Traditionen (GAG 578). G¨oppingen 1993, S. 86–88 u. o¨ . MM Berliner (niederrheinisches) PassionsspielFragment. – Bruchst¨uck einer geistlichen Dichtung, sp¨atestens 15. Jh. Dem Heroldsbuch des J¨ulischen St. Hubertusordens des → Hermann von Bruychoyfen hat ein ripuarischer Schreiber Verse hinzugef¨ugt, die eine Szene aus der Passion Christi wiedergeben. Geschildert 1276
Kunzelsauer ¨ Fronleichnamsspiel wird darin die Begegnung Jesu mit Pilatus und Barrabas sowie die Bitte der Menge um die Freilassung des Barrabas. Das Bruchst¨uck stammt wahrscheinlich aus einem Passionsspiel, das ansonsten nicht u¨ berliefert ist. ¨ Uberlieferung: Krakau, Bibl. Jagiello´nska, Berol. mgq 1479 (fr¨uher Berlin, SBB, Mgq 1479), 59v–60r (Pap., 15. Jh., ripuarisch). Ausgabe: Hermann Degering: Neue Erwerbungen der Handschriftenabteilung 2. Die Schenkung Sir Max W¨achters 1912. Berlin 1917, 78 f. (Teildruck). Literatur: Bernd Neumann, VL2 1 (1978) Sp. 727 f.; 11 (2004) Sp. 239. – Ders.: Ma. Schauspiele am Niederrhein. In: ZfdPh 94 (1975) Sonderh. ‹Ma. dt. Drama›, S. 147–194, hier S. 150 f. – Rolf Bergmann: Kat. der deutschsprachigen geistlichen Spiele und Marienklagen des MA (Ver¨off. der Kommission f¨ur dt. Lit. des MA der Bayerischen Akad. der Wiss.). M¨unchen 1986, S. 59 f. (Nr. 16). – B. Neumann: Geistliches Schauspiel im Zeugnis der Zeit. Zur Auff¨uhrung ma. religi¨oser Dramen im dt. Sprachgebiet (MTU 84.85). Mu¨ nchen/Z¨urich 1987, Bd. 2, S. 830 (Nr. 3614). – Cobie Kun´e: B. (n.) P.-F. In: ZfdA 134 (2005) S. 205–210. MM Kunzelsauer ¨ Fronleichnamsspiel. – Umfangreiches eschatologisches Spiel. Das Spiel ist in einem gut erhaltenen Exemplar eines sp¨atma. Regiebuchs (Text, B¨uhnenanweisungen, keine Noten) u¨ berliefert. Der Grundstock des Textes aus dem Jahr 1479 wurde durch zahlreiche marginal eingetragene und auf Zetteln beigeheftete Zus¨atze, alternative Fassungen einzelner Sze¨ nen, Anderungsnotizen und Auff¨uhrungshinweise erg¨anzt. Aus den sichtbaren Redaktionsschritten kann man auf mindestens drei Auff¨uhrungen schließen. F¨ur K¨unzelsau sind mehrere Auff¨uhrungen von geistlichen Spielen zwischen 1474 und 1522 bezeugt; als urspr¨unglicher Ort von Spielentstehung und Auff¨uhrungen k¨ame aber auch das nahe Schw¨abisch Hall (Spielbelege zwischen 1478 und 1512) in Frage. Das Spiel (ca. 5870 Verse) unternimmt den Versuch, die ganze Heilsgeschichte darzustellen (vgl. auch das → Egerer Passionsspiel). Diese wird in drei Teilen pr¨asentiert: 1. Sch¨opfung und AT (Erschaffung der Engel, Engelssturz, Erschaffung des Menschen, S¨undenfall, Vertreibung, Kain und Abel, 1277
2. H¨alfte 15. Jh. Sintflut, Opferung Isaaks, Abraham und Melchisedek, Moses, Josua, Samson, David und Goliath, Salomonisches Urteil); 2. Verk¨undigung, Heilswirken und Erl¨osung (Prophetenauftritte, Verk¨undigung an Zacharias, Verk¨undigung Mari¨a, Maria und Elisabeth, Gebot des Augustus, Hirten, Drei ¨ K¨onige, Flucht nach Agypten, Kindermord in Bethlehem, Johannes der T¨aufer, Herodes, Wirken Christi, Passionsgeschehen, H¨ollenfahrt und Auferstehung, Erkl¨arung des Glaubensbekenntnisses, Auftritt der Heiligen Georg, Christophorus, Nikolaus, Katharina, Margaretha, Barbara, Dorothea, Juliana, Otilia, Appolonia); 3. Eschatologie (Zehnjungfrauenspiel, Antichristspiel, Weltgerichtsspiel). Markiert sind die Grenzen dieser drei Teile jeweils durch Disputationen: Zwischen 1. und 2. steht ein ‹Streit der T¨ochter Gottes› (Misericordia und Pax gegen Veritas und Iustitia), zwischen 2. und 3. steht eine Disputation zwischen Ecclesia und Synagoga. Diese Makrostruktur deckt sich jedoch nicht mir der in der Handschrift angegebenen Aufteilung in drei Stationen bzw. Partien (Sch¨opfung-Abraham; Moses-Kindermord; Johannes der T¨aufer-Weltende). Das K. F. nimmt fast den gesamten Textbestand des → Innsbrucker Fronleichnamsspiels sowie Teile des → Innsbrucker Osterspiels auf; weniges ist gek¨urzt oder weggefallen. Auch wenn viele prozessionale Z¨uge bewahrt bleiben (revueartige Reigen, lebende Bilder; an mehreren Stellen schreitet die Handlung durch ein schnelles Nacheinander von lose zusammenh¨angenden Szenen und einem Mindestmaß an Dialog z¨ugig voran, an anderen fehlt jeder Dialog), lassen Umfang und Struktur des Spiels vermuten, dass sich das K. F. von der prozessionalen Auff¨uhrungsform in Ans¨atzen weiterentwickelte zu einem geschlossenen station¨aren Schauspiel (vgl. auch die → Freiburger Fronleichnamsspiele). Der kultische Charakter wird durch Referenzen der Sprecher und der Spielanweisungen auf die Pr¨asenz der Eucharistie (gegebenenfalls mit festem Ort auf der B¨uhne) und eine starke Einbeziehung liturgischer Elemente (Magnificat, Karfreitagsliturgie, Lektionsgesang als Vortragsmodus) betont. Wichtige Figur ist der in der letzten Disputation auch als Vertreter der Ecclesia agierende Spielleiter, der «rector processionis» (auch: «rector ludi»), dessen Sprechrolle im Laufe der redaktionellen Ausarbeitung zur umfangreichsten des ganzen Spiels wurde. Er verbindet die Szenen mit seinem Kommentar, 1278
2. H¨alfte 15. Jh. in denen er die Vorg¨ange aus dem AT pr¨afigurativ auslegt die ‹Bilder› aus dem Leben Jesu und aus Heiligen- und M¨artyrergeschichten erkl¨art und sich oft auch in katechetischer und par¨anetischer Absicht an die Gemeinde wendet. Diese ist u¨ ber zahlreiche mitzuvollziehende Gebete und Ges¨ange in den Gang des Spiels eingebunden. ¨ Uberlieferung: Schw¨abisch Hall, Stadtarch. F 89, 10r–118v (Pap., 1479). Ausgaben: Albert Schumann: Das K. F. vom Jahr ¨ 1479. Ohringen 1925, S. 3–207. – Dona R. Reeves: The K¨unzelsau Corpus Christi Play. A Diplomatic Edition and Critical Interpretation (Diss. Univ. of Texas) Austin 1963, S. 1–411. – Peter Klaus Liebenow: Das K. F. Berlin 1969, S. 1–218. ¨ Ubersetzung: J¨urgen Rauser: Das K¨unzelsauer kleine Welttheater. Versuch einer spielbaren Neufassung des ‹K. F.› vom Jahre 1479 (Hohenloher Hist. Hefte 12). Stetten 1967. Literatur: Hansj¨urgen Linke, VL2 5 (1985) Sp. 768. – Teiel Mansholt: Das K. F. (Diss.) Marburg 1892. – Otto Beckers: Das Spiel von den zehn Jungfrauen und das Katharinenspiel (Germanistische Abh. 24). Breslau 1905, S. 50–66. – Toni Weber: Die Pr¨afigurationen im geistlichen Drama des MA. Frankfurt 1919, 23–29. – Schumann (s. Ausg.). – Wolfgang F. Michael: Die geistlichen Prozessionsspiele in Deutschland (Hesperia 22). Baltimore 1947, S. 33–42, 63 f. – Peter Klaus Liebenow: Zu zwei Rechnungsbelegen aus K¨unzelsau. In: Kleine Schr. der Ges. f¨ur Theatergesch. 21 (1966) S. 11–13. – Reeves (s. Ausg.). – Peter Klaus Liebenow: Das K. F. In: Herrigs Arch. 205 (1969) S. 44–47. – Liebenow (s. Ausg.). – ¨ Paul-Gerhard V¨olker: Uberlegungen zur Gesch. des geistlichen Spiels im MA. In: Werk – Typ – Situation. Stud. zu poetologischen Bedingungen in der a¨ lteren dt. Lit. Hg. v. Ingeborg Glier u. a. Stuttgart 1969. S. 262–280. – Wolfgang F. Michael: Das dt. Drama des MA (Grundriß der germ. Philologie 20). Berlin 1971, S. 124–132. – Luis Schuldes: Die Teufelsszenen im dt. geistlichen Drama des MA. Versuch einer literarhist. Betrachtung unter besonderer Betonung der geistesgeschichtlichen Gesichtspunkte (GAG 116). G¨oppingen 1974. – Elizabeth Wainwright: Stud. zum dt. Prozessionsspiel. Die Tradition der Fronleichnamsspiele in K¨unzelsau und Freiburg und ihre textliche Entwicklung (M¨unchener Beitr. zur Medi¨avistik und Renaissance-Forschung 16). Mu¨ nchen 1974, S. 38–143. – David Brett-Evans: Von Hrotsvit bis 1279
Kunzelsauer ¨ Fronleichnamsspiel Folz und Gengenbach. Eine Gesch. des ma. dt. Dramas. Tl. 2: Religi¨ose und weltliche Spiele des Sp¨atMA (Grundlagen der Germanistik 18). Berlin 1975, S. 74–78. – Barbara Thoran: Stud. zu den o¨ sterlichen Spielen des dt. MA. (Ein Beitr. zur Kl¨arung ihrer Abh¨angigkeit voneinander). 2., durchges. und erg. Aufl. (GAG 199). G¨oppingen 1976. – Jacoba Hendrica Kun´e: Die Auferstehung Christi im dt. religi¨osen Drama des MA (Amsterdamer Publ. zur Sprache und Lit. 36). Amsterdam 1979, S. 186 f. – Rolf Bergmann: Kat. der deutschsprachigen geistlichen Spiele und Marienklagen des MA (Ver¨off. der Kommission f¨ur Dt. Lit. des MA der Bayerischen Akad. der Wiss.). M¨unchen 1986, S. 283–286 (Nr. 128). – Bernd Neumann: Geistliches Schauspiel im Zeugnis der Zeit. Zur Auff¨uhrung ma. religi¨oser Dramen im dt. Sprachgebiet. 2 Bde. (MTU 84/85). Mu¨ nchen/Z¨urich 1987, Bd. 1, Nr. 1998–2016 und Nr. 2470–2475. – Ralph J. Blasting: Metatheatrical elements in the ‹K. F.›. In: Momentum dramaticum. FS Eckehard Catholy. Ed. by Linda Dietrick/David G. John. Waterloo (Ontario) 1990, S. 93–103. – Edith Wenzel: ‹Do worden die Judden alle geschant›. Rolle und Funktion der Juden in sp¨atma. Spielen (Forschungen zur Gesch. der a¨lteren dt. Lit. 1). Mu¨ nchen 1992. – Ralph J. Blasting: Die Dramaturgie des Spielleiters in den dt. Fronleichnamsspielen. In: Ma. Schauspiel. FS Hansj¨urgen Linke. Hg. v. Ulrich Mehler/Anthonius H. Touber (AB¨aG 38/39). Amsterdam 1994, S. 79–93. – Elke Ukena Best: ‹Aber der krig ist gar verlorn›. Der Streit zwischen ‹Anima› und ‹Corpus› im Weltgerichtsteil des K. F. In: ‹Et respondeat›. Stud. zum dt. Theater des MA. FS Johan Now´e. Hg. v. Katja Scheel (Mediaevalia Lovaniensia Series 1, Studia 32). Leuven 2002, S. 145–176. – Christian Kiening: Pr¨asenz – Memo¨ ria – Performativit¨at. Uberlegungen im Blick auf das Innsbrucker Fronleichnamsspiel. In: Transformationen des Religi¨osen. Performativit¨at und Textualit¨at im geistlichen Spiel. Hg. v. Ingrid Kasten/ Erika Fischer-Lichte (Trends in Medieval Philology 11). Berlin 2007, S. 139–168, hier S. 160. – Peter Macardle: The St Gall Passion Play. Music and Performance (Ludus 10). Amsterdam/New York 2007. – Ursula Schulze: Geistliche Spiele im MA und in der Fr¨uhen Neuzeit. Von der liturgischen Feier zum Schauspiel. Eine Einf. Berlin 2012, S. 157 f. JK 1280
Das bose ¨ Weib Der torichte ¨ Tausch (auch: Der H¨andler und der Bauer). – N¨urnberger Fastnachtspiel, zwischen 1476 und 1494 entstanden. Das Spiel (176 Verse) d¨urfte im Umkreis von Hans → Folz entstanden sein. Ein Bauer entlarvt einen Hausierer, der als Prologsprecher («precursor») nach der Begr¨ußung seine Waren angepriesen hat, als Betr¨uger (u. a. «Gibst weißen huntsdreck hin fur zucker») und Bettler. Dessen Angebot, ihn sein eintr¨agliches Gesch¨aft zu lehren, nimmt der einf¨altige Bauer an («Lere mich dein kunst hie wol und eben!»), muss im Tausch daf¨ur den Hof hergeben und soll nach Niklashausen ziehen und dort mit seiner Frau zu Reichtum kommen. Von Knecht Rubling u¨ ber das Tauschgesch¨aft ihres Mannes informiert, st¨urzt Alheit w¨utend herbei: Ihr Mann vergeude sein Geld nicht nur im Wirtshaus, beim Spiel und mit Frauen, nun gebiete er auch noch u¨ ber ihr Erbteil. Im Gegenzug beschuldigt der Bauer seine Frau des Ehebruchs mit einem M¨onch und verpr¨ugelt sie. Zwei vermittelnd auftretende Bauern schlagen vor, in einer Gerichtsverhandlung solle u¨ ber die Rechtsg¨ultigkeit des Tausches entschieden werden. In der Schlussrede verspricht der Ausschreier Wiederkehr im n¨achsten Jahr. Die Anspielung auf Niklashausen ist im Zusammenhang mit der Massenwallfahrt nach Niklashausen im Jahr 1476 zu sehen, bei der zahlreiche Pilger von Gaunern und Bettlern u¨ bervorteilt wurden (vgl. → «Niklashauser Fahrt»). ¨ Uberlieferung: Wolfenb¨uttel, HAB, Cod. 18.12 Aug. 4°, 338v–343r (Pap., 1494). Ausgabe: Adelbert von Keller (Hg.): Fastnachtspiele aus dem f¨unfzehnten Jh. Tl. 1 (Bibl. des Litterarischen Vereins in Stuttgart 28). Stuttgart 1853 (Nachdr. Darmstadt 1965) S. 477–482 (Nr. 55, u. d. T. ‹Ein hubsch vasnachtspil›; zit.). Literatur: Dorothea Klein, VL2 9 (1995) Sp. 980–982. – Victor Michels: Stud. u¨ ber die a¨ ltesten dt. Fastnachtspiele (Quellen und Forschungen zur Sprach- und Culturgesch. der germ. V¨olker 77). Straßburg 1896, S. 232 f. – Eckehard Catholy: Das Fastnachtspiel des Sp¨atMA (Hermaea NF 8). T¨ubingen 1961, Reg. – Gerd Simon: Die erste ¨ dt. Fastnachtsspieltradition. Zur Uberl., Textkritik und Chronologie der N¨urnberger Fastnachtsspiele des 15. Jh. [...] (Germ. Stud. 240). L¨ubeck/ Hamburg 1970, S. 20, 87, 107–118 (zur Hs.). – Hagen Bastian: Mummenschanz. Sinneslust und Gef¨uhlsbeherrschung im Fastnachtspiel des 15. Jh. Frankfurt/M. 1983, S. 102 f., 169. – Elisabeth 1281
2. H¨alfte 15. Jh. Keller: Die Darstellung der Frau in Fastnachtspiel und Spruchdichtung v. Hans Rosenpl¨ut und Hans Folz. Frankfurt/M. (Europ¨aische Hochschulschr. 1,1325). Frankfurt/M. u. a. 1992, S. 135 f. BJ Domherr und Kupplerin. – N¨urnberger Fastnachtspiel, 15. Jh. Das wiederholt (u. a. von Michels und Catholy) Hans → Folz zugeschriebene Spiel von kanpp 140 Sprechversen wurde kaum von diesem verfasst. Quelle war des → Armen Konrad Frau Metze. Das ohne Obsz¨onit¨aten auskommende Spiel, das diese Vorlage auf die Grundz¨uge der Handlung reduziert, bietet je ein Gespr¨ach zwischen der Kupplerin mit dem Domherrn und der Frau. Die fortgefallene Szene Kupplerin/Ehemann wird durch eine Bemerkung der Magd ersetzt. ¨ Uberlieferung: Wolfenb¨uttel, HAB, Cod. 18.12 Aug. 4°, 180r–183v (Pap., vor 1494). Ausgabe: Adelbert von Keller (Hg.): Fastnachtspiele aus dem f¨unfzehnten Jh. Tl. 1 (Bibl. des Litterarischen Vereins in Stuttgart 28). Stuttgart 1853 (Nachdr. Darmstadt 1965) S. 277–282 (Nr. 37). Literatur: G¨unter Marwedel, VL2 2 (1980) 185 f. – Victor Michels: Stud. u¨ ber die a¨ ltesten dt. Fastnachtspiele (Quellen und Forschungen zur Sprach- und Culturgesch. der germ. V¨olker 77). Straßburg 1896. – Eckehard Catholy: Das Fastnachtspiel des Sp¨atMA (Hermaea NF 8). T¨ubingen 1961, Reg. (S. 371). – Ders.: Fastnachtspiel (Slg. Metzler 56). Stuttgart 1966. – Werner Lenk: Das N¨urnberger Fastnachtspiel des 15. Jh. Ein Beitr. zur Theorie und zur Interpretation des Fastnachtspiels als Dichtung (Dt. Akad. der Wiss. zu Berlin. Ver¨off. des Inst. f¨ur dt. Sprache und Lit. 33). Berlin 1966, S. 48 f. – Gerd Simon: Die erste dt. Fastnachts¨ spieltradition. Zur Uberl., Textkritik und Chronologie der N¨urnberger Fastnachtsspiele des 15. Jh. [...] (Germ. Stud. 240). L¨ubeck/Hamburg 1970, S. 20, 107–118 (zur Hs.). – David Brett-Evans: Von Hrotsvit bis Folz und Gengenbach. Eine Gesch. des ma. dt. Dramas. Tl. 2: Religi¨ose und weltliche Spiele des Sp¨atMA (Grundlagen der Germanistik 18). Berlin 1975, S. 154 f. BJ Das bose ¨ Weib. – N¨urnberger Fastnachtspiel aus dem Umkreis des Hans → Folz, 15. Jh. (?). D. b. W. ist auch als «spil von ainem alten p¨osen weyb» oder «pauren spil mit einem poßem altem weyb» bekannt. Im Zentrum des 152 Verse umfassenden Fastnachtspiels f¨ur drei Personen steht die 1282
2. H¨alfte 15. Jh. traditionelle Figur der b¨osen Frau. Sie erscheint in vielen Schw¨anken und mindestens sieben weiteren Fastnachtsspielen der Zeit, u. a. auch bei Hans Sachs. In D. b. W. wird ein Bauer von seiner b¨osartigen Ehefrau beleidigt und geschlagen. Zudem bedr¨angt sie einen Nachbarn, der sich auf die Seite des Bauern schl¨agt. Von den Handgreiflichkeiten seiner Frau zerm¨urbt, gelobt der Bauer ihr zuletzt Gehorsam und u¨ berzeugt seinen Nachbarn von ihrer Harmlosigkeit. Nach einem Tanz der Ehefrau mit dem Nachbar endet das St¨uck mit einem Epilog des Bauern. Claus Spaun versah D. b. W. in seiner Handschrift mit einer eigenh¨andig nachgetragenen Rubrik. Die urspr¨ungliche Autorschaft des St¨ucks ist ungekl¨art. Es wurde verschiedentlich Hans Folz zugeschrieben, weil es in seiner Sprache und in der Handhabung der Stichreime dessen Werk gleicht. Die neuere Forschung gesteht dem St¨uck aber nur eine Herkunft aus Folz’ Umkreis zu. ¨ Uberlieferung: Wolfenb¨uttel, HAB, cod. 18.12 Aug. 4°, 32v–36r (Pap., 1494, Sammelhs. des Claus Spaun; Schreiber: Gb). Ausgabe: Adelbert von Keller (Hg.): Fastnachtspiele aus dem f¨unfzehnten Jh. Tl. 1 (Bibl. des Litterarischen Vereins in Stuttgart). Stuttgart 1853 (Nachdr. Darmstadt 1965) S. 47–52; Tl. 3 (Bibl. [...] 30). Stuttgart 1853 (Nachdr. Darmstadt 1965) S. 1481. Literatur: Eckehard Simon, VL2 11 (2004) Sp. 273–275. – Eckehard Catholy: Das Fastnachtspiel des Sp¨atMA. Gestalt und Funktion. Tu¨ bingen 1961, S. 217–219. – Gerd Simon: Die erste dt. ¨ Fastnachtsspieltradition. Zur Uberl., Textkritik und Chronologie der N¨urnberger Fastnachtsspiele des 15. Jh. [...] (Germ. Stud. 240). L¨ubeck/Hamburg 1970, S. 89. – Thomas Habel: Vom Zeugniswert der ¨ Uberlieferungstr¨ ager. Bemerkungen zum fr¨uhen N¨urnberger Fastnachtspiel. In: Artibvs. Kulturwiss. und dt. Philol. des MA und der fr¨uhen Neuzeit. FS Dieter Wuttke. Hg. v. Stephan F¨ussel. Wiesbaden 1994, S. 103–134. MM Die drei bosen ¨ Weiber. – (Fastnacht-)Spiel des 15. Jh. Wirt Pinkenpank und Hirt (Knecht) Gumprecht trinken, w¨urfeln und pr¨ugeln sich im Wirtshaus vor der H¨olle. Drei dazustoßende alte Frauen tanzen und trinken und stellen die Herrschaft u¨ ber ihre M¨anner und u¨ ber die Teufel unter Beweis. Die Klagen der Teufel sind zum großen Teil dem 1283
Die drei bosen ¨ Weiber Gedicht Das b¨ose weib und die Teufel (→ Von dem u¨ blen Weibe) entnommen. ¨ Uberlieferung: Wolfenb¨uttel, HAB, Cod. 18.12 Aug. 4°, 345r–352v (Pap., vor 1494; enth¨alt auch das tirolische Große Neidhartspiel [→ Neidhartspiele] und das Spiel → Gescheiterte Teufelskuppelei). Ausgabe: Adelbert von Keller (Hg.): Fastnachtspiele aus dem f¨unfzehnten Jh. Tl. 1 (Bibl. des Litterarischen Vereins in Stuttgart 28). Stuttgart 1853 (Nachdr. Darmstadt 1965) S. 482–494 (Nr. 56). Literatur: Norbert Heinze, VL2 2 (1980) Sp. 223 f. – Victor Michels: Stud. u¨ ber die a¨ ltesten dt. Fastnachtspiele (Quellen und Forschungen zur Sprach- und Culturgesch. der germ. V¨olker 77). Straßburg 1896, S. 31–33. – Franz Brietzmann: Die b¨ose Frau in der dt. Litteratur des MA (Palaestra 42). Berlin 1912 (Nachdr. New York/London 1967) S. 176–233, bes. S. 199, 231–233. – Heinrich Niew¨ohner: Das b¨ose Weib und die Teufel. In: ZfdA 83 (1951/52) S. 143–156. – Eckehard Catholy: Das Fastnachtspiel des Sp¨atMA (Hermaea NF 8). T¨ubingen 1961, S. 294. – Gerd Simon: ¨ Die erste dt. Fastnachtsspieltradition. Zur Uberl., Textkritik und Chronologie der N¨urnberger Fastnachtsspiele des 15. Jh. [...] (Germ. Stud. 240). L¨ubeck/Hamburg 1970, S. 20, 107–118 (zur Hs.). BJ Gescheiterte Teufelskuppelei. – Fastnachtspiel des 15. Jh. Der u¨ berlieferte Text (423 Verse, mit 14 oder 26 sprechenden Personen) – eine Mischung von Brautwerbungs-, Hochzeits-, Teufels- und Arztszenen – ist vermutlich eine Bearbeitung. Eine wesentliche Rolle spielen drei b¨ose Alte, die der Kupplerin zu Hilfe kommen und die Teufel in die Flucht schlagen (→ Die drei b¨osen Weiber). Zum ¨ Teil w¨ortliche Ubereinstimmungen lassen sich im → Innsbrucker (th¨uringischen) Osterspiel, im → Wiener (schlesischen) Osterspiel, im → Alsfelder Passionsspiel und in dem von Vigil → Raber aufgezeichneten Fastnachtspiel Ipocras finden. ¨ Uberlieferung: Wolfenb¨uttel, HAB, Cod. 18.12 Aug. 4°, 354r–364r (Pap., 1494). Ausgabe: Adelbert von Keller (Hg.): Fastnachtspiele aus dem f¨unfzehnten Jh. Tl. 2 (Bibl. des Litterarischen Vereins in Stuttgart 29). Stuttgart 1853 (Nachdr. Darmstadt 1965) S. 497–511 (Nr. 57). Literatur: Norbert Heinze, VL2 3 (1981) 15 f. – Victor Michels: Stud. u¨ ber die a¨ ltesten dt. Fastnachtspiele (Quellen und Forschungen zur Sprach1284
Der Freihart und Culturgesch. der germ. V¨olker 77). Straßburg 1896, S. 33–36, 48–50. – Heinrich Niew¨ohner: Das b¨ose Weib und die Teufel. In: ZfdA 83 (1951/52) S. 143–156, bes. S. 149–153. – Eckehard Catholy: Das Fastnachtspiel des Sp¨atMA (Hermaea NF 8). T¨ubingen 1961, S. 294. – Gerd Simon: Die erste dt. ¨ Fastnachtsspieltradition. Zur Uberl., Textkritik und Chronologie der N¨urnberger Fastnachtsspiele des 15. Jh. [...] (Germ. Stud. 240). L¨ubeck/Hamburg 1970, S. 20, 107–118 (zur Hs.). – Wolfgang F. Michael: Das dt. Drama des MA (Grundriß der germ. Philologie 20). Berlin/New York 1971, S. 218 f. BJ Ehestreit. – N¨urnberger Fastnachtspiel aus dem Umkreis des Hans → Folz, vor 1494. In dem Spiel (154 Verse) schenkt «der man» seinem «schwager» einen Hasen und seiner Schw¨agerin einen K¨ase, mit dem sie «vasnacht krapfen» backen soll, und wird daraufhin von seiner erz¨urnt eintretenden Ehefrau Grete des Diebstahls (42,28) ihrer Vorr¨ate, der Vernachl¨assigung seiner Kinder, der «hurerei, [des] fressen[s] und saufen[s]» (55,20) bezichtigt. Nach kurzer Stellungnahme des Ehemanns und der Verteidigung durch den Schwager («gevatter») beenden Mann und Frau den Ehezank durch einen gemeinsamen Tanz, dem keine rahmende Ausschreierrede mehr folgt. Im Unterschied zu anderen Fastnachtspielen mit der Stereotype der «b¨osen Frau» ist die Ehefrau hier «mit Berechtigung das ‹b¨ose› Weib» (Lenk 106). ¨ Uberlieferung: Wolfenb¨uttel, HAB, Cod. 18.12 Aug. 4°, 32v–36r (Pap., 1494; Schreiber: Gb). Ausgabe: Adelbert von Keller (Hg.): Fastnachtspiele aus dem f¨unfzehnten Jh. Tl. 1 (Bibl. des Litterarischen Vereins in Stuttgart 28). Stuttgart 1853 (Nachdr. Darmstadt 1965) S. 53–57 (Nr. 5, zit.); Tl. 3 (Bibl. [...] 30). Stuttgart 1853 (Nachdr. Darmstadt 1965) S. 1481; Nachlese (Bibl. [...] 46). Stuttgart 1858 (Nachdr. Darmstadt 1966) S. 337. Literatur: Eckehard Simon, VL2 11 (2004) Sp. 393 f. – Victor Michels: Stud. u¨ ber die a¨ ltesten dt. Fastnachtspiele (Quellen und Forschungen zur Sprach- und Culturgesch. der germ. V¨olker 77). Straßburg 1896, S. 214. – Eckehard Catholy: Das Fastnachtspiel des Sp¨atMA (Hermaea NF 8). T¨ubingen 1961, S. 183 f. – Werner Lenk: Das N¨urnberger Fastnachtspiel des 15. Jh. Ein Beitr. zur Theorie und zur Interpretation des Fastnachtspiels als Dichtung (Dt. Akad. der Wiss. zu Berlin. Ver¨off. des Inst. f¨ur dt. Sprache und Lit. 33). Berlin 1966, 1285
2. H¨alfte 15. Jh. S. 105 f. – Gerd Simon: Die erste dt. Fastnachts¨ spieltradition. Zur Uberl., Textkritik und Chronologie der N¨urnberger Fastnachtsspiele des 15. Jh. [...] (Germ. Stud. 240). L¨ubeck/Hamburg 1970, S. 20, 107–118 (zur Hs.). – Hagen Bastian: Mummenschanz. Sinneslust und Gef¨uhlsbeherrschung im Fastnachtspiel des 15. Jh. Frankfurt/M. 1983, S. 102 f., 169. – Thomas Habel: Vom Zeugnis¨ wert der Uberlieferungstr¨ ager. Bemerkungen zum fr¨uhen N¨urnberger Fastnachspiel. In: Artibvs. Kulturwiss. und dt. Philologie des MA und der fr¨uhen Neuzeit. FS Dieter Wuttke. Hg. v. Stephan F¨ussel u. a. Wiesbaden 1994, S. 103–134, hier S. 119–126, 132 f. BJ Der Freihart. – N¨urnberger Fastnachtspiel aus dem Umkreis von Hans → Folz, vor 1494. Die handelnden Personen dieses dem → Traugemundslied verwandten Spiels sind ein «frager» (agiert in a auch als «herolt» und «außschreier») und ein Landstreicher bzw. fahrender Gaukler (a: «freiheit», b: «jaufkint»). W¨ahrend sich die Fragen am Anfang und am Schluss des Spiels vor allem auf die Person des «freiheit»/«jaufkint» beziehen, enth¨alt der Mittelteil auch Einzelr¨atsel und scherzhafte Fragen, die neben dem Traugemundslied zum Teil aus dem Straßburger R¨atselbuch stammen. Trotz mancher Anzeichen ließ sich bislang nicht eindeutig nachweisen, dass das dialogische Frage- und Antwortspiel, das der «freiheit»/das «jaufkint» mit einer Geldforderung abbricht, von Hans Folz verfasst wurde. ¨ Uberlieferung: Wolfenb¨uttel, HAB, Cod. 18.12 Aug. 4°, 396v–401r (a, 188 Verse), 405r–409v (b, 180 Verse) (Pap., vor 1494). Ausgabe: Adelbert von Keller (Hg.): Fastnachtspiele aus dem f¨unfzehnten Jh. Tl. 2 (Bibl. des Litterarischen Vereins in Stuttgart 29). Stuttgart 1853, S. 553–561 (Nr. 63, nach a mit Varianten von b). Literatur: Johannes Janota, VL2 11 (2004) Sp. 461–463. – Keller (s. Ausg.) Bd. 3 (Bibl. des Litterarischen Vereins in Stuttgart 30). Stuttgart 1853 (Nachdr. Darmstadt 1965) S. 1513 f.; Nachlese (Bibl. [...] 46). Stuttgart 1858 (Nachdr. Darmstadt 1966) S. 344 (Lit.). – Leonhard Lier: Stud. zur Gesch. des N¨urnberger Fastnachtsspiels. N¨urnberg 1889, S. 32–34, 68 (auch in: Mitt. des Vereins f¨ur Gesch. der Stadt N¨urnberg 8 [1889] S. 87–160). – Eckehard Catholy: Das Fastnachtspiel des Sp¨atMA (Hermaea NF 8). T¨ubingen 1961, S. 188. – Werner Lenk: Das N¨urnberger Fastnachtspiel des 15. Jh. Ein Beitr. zur Theorie und zur Interpretation des Fastnachtspiels als Dichtung (Dt. 1286
2. H¨alfte 15. Jh. Akad. der Wiss. zu Berlin. Ver¨off. des Inst. f¨ur dt. Sprache und Lit. 33). Berlin 1966, S. 46 f. – Mathilde Hain: R¨atsel (Slg. Metzler 53). Stuttgart 1966, S. 13. – Gerd Simon: Die erste dt. Fastnachts¨ spieltradition. Zur Uberl., Textkritik und Chronologie der N¨urnberger Fastnachtsspiele des 15. Jh. [...] (Germ. Stud. 240). L¨ubeck/Hamburg 1970, S. 20, 107–118 (zur Hs.). – Tomas Tomasek: Das dt. R¨atsel im MA (Hermaea NF 69). T¨ubingen 1994, S. 333 f. – Burghart Wachinger: Kleinstformen der Lit. Sprachgestalt – Gebrauch – Literaturgesch. In: Kleinstformen der Lit. Hg. v. Walter Haug/B. Wachinger (Fortuna vitrea 14). T¨ubingen 1994, S. 1–37, hier S. 12. BJ Kaiser und Abt. – N¨urnberger Fastnachtspiel aus dem Umkreis von Hans → Folz, vor 1494. Eine unmittelbare Quelle des fr¨uher Hans Folz zugeschriebenen, aber wohl nur in der FolzTradition des N¨urnberger Fastnachtspiels stehenden Spiels (269 Verse) ist nicht bekannt. Der weit verbreitete, in zahlreichen Varianten vorkommende Erz¨ahltypus, in dem eine Person drei (oder mehr) schwierige Fragen schlagfertig zu beantworten weiß, ist in der dt. Literatur erstmals im Pfaffen Amis des → Stricker zu finden. In K. u. A. steht ein M¨uller als R¨atsell¨oser im Mittelpunkt der Handlung. Um Rat gebeten, wie im Reich «raub und mort [...] abgestelt» (199,5) werden k¨onnten, verweisen der Markgraf von Baden, die Herren von Meißen und von Sachsen sowie der Pfalzgraf am Rhein den Kaiser auf den Abt, der jedoch bislang «nie treulich geraten» (201,1) hat. Der Kaiser stellt dem Abt drei Fragen («Das erst, wie vil wassers im mer sei, / Und wem das geluck auf nechst wonet bei, / Das dritt, was ein keiser wert wer»). Ratlos bittet dieser um Bedenkzeit und sucht Unterst¨utzung bei seinem Prior («herr Loi»), der einen f¨ur seine listige Klugheit bekannten Mu¨ ller ins Spiel bringt. Als Abt verkleidet tritt der M¨uller vor den Kaiser und beantwortet die Fragen: Zum einen k¨onnten bei ausreichender Gr¨oße drei Kufen alles Wasser im Meer aufnehmen, zum andern sch¨atze er den Wert des Kaisers auf h¨ochstens 28 Pfennige, da Christus um 30 Pfennige verraten wurde. Mit der Antwort auf die zweite Frage gibt sich der M¨uller zu erkennen: «Ich bin der, herr! [...] / Vor was ich ein mulner, iez ein apt». Der Kaiser setzt darauf den alten Abt ab und best¨atigt den M¨uller in seinem neuen Amt. Mit dem Auftreten dreier Bauernfiguren und des Ausschreiers wird 1287
Kaiser und Abt das vielleicht auf zeitgen¨ossische politische Verh¨altnisse hinweisende Handlungsspiel (Stichreime, eingestreute lat. Worte) in die Fastnachtgeselligkeit mit Schlusstanz u¨ bergeleitet. Die Spielhandlung mit ingesamt 13 Sprecherrollen (beginnend mit dem gattungstypischen Praecursor) zeichnet sich durch mehrfachen Ortswechsel mit Ans¨atzen zum Simultanspiel aus; der Gebrauch verschiedener Requisiten ist vorgesehen. ¨ Uberlieferung: Wolfenb¨uttel, HAB, Cod. 18.12 Aug. 4°, 129v–137v (Pap., 1494; Schreiber: Gb). Ausgaben: Adelbert von Keller (Hg.): Fastnachtspiele aus dem f¨unfzehnten Jh. Tl. 1 (Bibl. des Litterarischen Vereins in Stuttgart 28). Stuttgart 1853 (Nachdr. Darmstadt 1965) S. 199–210 (Nr. 22, zit.); Tl. 3 (Bibl. [...] 30). Stuttgart 1853 (Nachdr. Darmstadt 1965) S. 1490 f.; Nachlese (Bibl. [...] 46). Stuttgart 1858 (Nachdr. Darmstadt 1966) S. 338 f. – Richard Froning (Hg.): Das Drama des MA. Bd. 3 (Dt. National-Litteratur 14,3). Stuttgart 1892 (Nachdr. Darmstadt 1964) S. 982–992. Literatur: Johannes Janota, VL2 4 (1983) Sp. 941–943. – Ulla Williams/Martin Przybilski, Killy2 6 (2009) S. 253 f. – Victor Michels: Stud. u¨ ber die a¨ ltesten dt. Fastnachtspiele (Quellen und Forschungen zur Sprach- und Culturgesch. der germ. V¨olker 77). Straßburg 1896. – Walter Anderson: Kaiser und Abt. Die Gesch. eines Schwanks (F F Communications 42. Helsingfors 1923. – Eckehard Catholy: Das Fastnachtspiel des Sp¨atMA (Hermaea NF 8). T¨ubingen 1961, S. 151–156. – Lutz R¨ohrich (Hg.): Erz¨ahlungen des sp¨aten MA und ihr Weiterleben in Lit. und Volksdichtung bis zur Gegenwart. Bd. 1. Bern/M¨unchen 1962, S. 146–172 (Parallelen), 281–288 (Komm. und Lit.). – Johannes Merkel: Form und Funktion der Komik im N¨urnberger Fastnachtsspiel (Stud. zur dt. Sprache und Lit. 1). Freiburg i. Br. 1971. – Wolfgang F. Michael: Das dt. Drama des MA (Grundriß der germ. Philologie 20). Berlin/New York 1971, S. 235 f., 238. – David Brett-Evans: Von Hrotsvit bis Folz und Gengenbach. Eine Gesch. des ma. dt. Dramas. Tl. 2: Religi¨ose und weltliche Spiele des Sp¨atMA (Grundlagen der Germanistik 18). Berlin 1975, S. 171 f. – Alev Tekinay: Materialien zum vergleichenden Studium von Erz¨ahlmotiven in der dt. Dichtung des MA und den Literaturen des Orients (Europ¨aische Hochschulschr. 1,344). Frankfurt/M. u. a. 1980, S. 204–207. – Tomas Tomasek: Das dt. R¨atsel im MA (Hermaea NF 69). T¨ubingen 1994, S. 93. BJ 1288
Liebesnarren vor Venus Die drei Bruder ¨ und das Erbe. – N¨urnberger Fastnachtsspiel aus dem Umkreis des Hans → Folz. Die Verfasserschaft von D. d. B. u. d. E. ist ungekl¨art. Der Text wurde verschiedentlich Hans Folz zugeschrieben, weil er in seiner Sprache und in der Handhabung seiner Stichreime dessen Werk gleicht. Die neuere Forschung gesteht dem Spiel aber nur eine Herkunft aus Folz’ Umkreis ¨ zu. Uberliefert ist der Text mit weiteren, meist von → Rosenpl¨ut stammenden Fastnachtsspielen in einer Sammelhandschrift des Augsburger Kaufmanns Claus Spaun. Am Codex war maßgeblich der N¨urnberger Schreiber «Gb» beteiligt, der u¨ ber f¨unfzig Fastnachtsspiele aufzeichnete. Die 445 Verse des Spiels sind nur l¨uckenhaft u¨ berliefert und stellen m¨oglicherweise einen unvollendeten Entwurf dar. Auch umfasst der Text eigentlich zwei Teile unterschiedlichen Inhalts. Der erste, k¨urzere Teil ist in der Forschung als Kartenk¨onig bekannt. In diesem R¨atselspiel befragt ein K¨onig vor Gericht vier R¨ate, warum man seine K¨onigsw¨urde immer wieder missachtet, indem man ihn tritt und wirft. Daraufhin wird er als K¨onig aus einem Kartenspiel identifiziert. Der Hauptteil des Texts erscheint in der Handschrift unter der Rubrik Ein spil von dreyen bruedern die rechtent vor eim konig vmb ain m¨ul pock vnd vmb ain paum (in der Forschung auch Der Erbstreit dreier Br¨uder). Darin streiten drei Br¨uder um den Besitz ihres verstorbenen Vaters, der sein Erbe mit Bedingungen verkn¨upft hat. Seine Mu¨ hle soll z. B. nur erben, wer am besten u¨ ber die eigene Faulheit l¨ugen kann. Die zwei j¨ungeren Br¨uder klagen schließlich vor Gericht gegen den a¨ ltesten Bruder, der sich als Alleinerbe sieht, doch wird ihre Klage abgelehnt. Das Spiel endet mit einem typischen Faschingsklamauk aus gegenseitigen Beschimpfungen und Pr¨ugeln der Br¨uder. Der zweite Teil des Spiels beruht auf einer Fabel von Heinrich → Steinh¨owel (Nr. 13 der «Extravagantes» im Esopus) in der Fassung eines Ulmer Drucks von 1476/77. Steinh¨owel wiederum benutzte f¨ur seinen Text drei Geschichten u¨ ber Erbstreitigkeiten aus den → Gesta Romanorum. Im Spiel der d. B. ist Steinh¨owels Fabel teils w¨ortlich u¨ bernommen, aber in Verse u¨ bertragen. Waren die Br¨uder in den Gesta Romanorum noch K¨onigsso¨ hne und bei Steinh¨owel nicht genauer bestimmt, so sind sie hier S¨ohne eines Pegnitzdorfer Bauern. Der von den Br¨udern handelnde Spielteil ist auch mit dem 1289
2. H¨alfte 15. Jh. Kartenk¨onig verkn¨upft, dessen K¨onig und R¨ate hier als Richter auftreten. Ungekl¨art ist, ob der Kartenk¨onig ebenfalls auf einer a¨ lteren Vorlage beruht. ¨ Uberlieferung: Wolfenb¨uttel, HAB, cod. 18.12 Aug. 4°, 47v–57v (Pap., 1494, Sammelhs. des Claus Spaun). Ausgabe: Adelbert von Keller (Hg.): Fastnachtspiele aus dem f¨unfzehnten Jh. Tl. 1 (Bibl. des Litterarischen Vereins in Stuttgart 28). Stuttgart 1853 (Nachdr. Darmstadt 1965) S. 75–90 (Nr. 8); Tl. 3, S. 1485 f. Literatur: Eckehard Simon, VL2 11 (2004) Sp. 380–383. – Eckehard Catholy: Das Fastnachtspiel des Sp¨atMA. Gestalt und Funktion. Tu¨ bingen 1961, S. 182, 263 f. – Werner Lenk: Das N¨urnberger Fastnachtspiel des 15. Jh. Ein Beitr. zur Theorie und zur Interpretation des Fastnachtspiels als Dichtung (Dt. Akad. der Wiss. zu Berlin. Ver¨off. des Inst. f¨ur dt. Sprache und Lit. 33). Berlin 1966, S. 52. – Gerd Simon: Die erste dt. Fastnachtsspiel¨ tradition. Zur Uberl., Textkritik und Chronologie der N¨urnberger Fastnachtsspiele des 15. Jh. [...] (Germ. Stud. 240). L¨ubeck/Hamburg 1970, S. 20, 107–118 (zur Hs.). – Thomas Habel: Vom ¨ Zeugniswert der Uberlieferungstr¨ ager. Bemerkungen zum fr¨uhen N¨urnberger Fastnachspiel. In: Artibvs. Kulturwiss. und dt. Philologie des MA und der fr¨uhen Neuzeit. FS Dieter Wuttke. Hg. v. Stephan F¨ussel u. a. Wiesbaden 1994, S. 103–134. – Rebekka N¨ocker: ‹vil krummer urtail›. Zur Darst. von Juristen im fr¨uhen N¨urnberger Fastnachtspiel. In: Fastnachtspiele. Weltliches Schauspiel in literarischen und kulturellen Kontexten. Hg. v. Klaus Ridder. T¨ubingen 2009, S. 239–283, hier S. 251 f. u. o¨ . MM Liebesnarren vor Venus. – N¨urnberger Fastnachtspiel des 15. Jh. ¨ Das anonym u¨ berlieferte Spiel (Uberschrift: «Ein spil von narren», 166 Verse), das von Michels und Catholy Hans → Folz zugeschrieben wurde, geh¨ort formal zu den Reihenspielen, thematisch zur Gruppe der (Liebes-)Narrenrevuen. Nach Einf¨uhrungen durch den «precursor», den «fursprech» und «der Fenus junckfrau» sowie der Aufforderung, sich zu verantworten, treten nacheinander zw¨olf M¨anner vor «frau Fenus», um zu erkl¨aren, warum sie ‹Liebennarren› wurden. Sie werden von ihr im abschließenden Urteil in dem «orden» (V. 150) der Narren best¨atigt, weil sogar 1290
2. H¨alfte 15. Jh. Aristoteles, Sokrates u. a. «durch weiber sein toren worden» (V. 149). ¨ Uberlieferung: Wolfenb¨uttel, HAB, Cod. 18.12 Aug. 4°, 168r–172r (Pap., 1494). Ausgaben: Adelbert von Keller (Hg.): Fastnachtspiele aus dem f¨unfzehnten Jh. Tl. 1 (Bibl. des Litterarischen Vereins in Stuttgart 28). Stuttgart 1853 (Nachdr. Darmstadt 1965) S. 258–263 (Nr. 32). – Dieter Wuttke (Hg.): Fastnachtspiele des 15. und 16. Jh. (RUB 9415). Stuttgart 72006, S. 82–90 (Nr. 10, u. d. T. ‹Die Liebesnarren›, zit.). Literatur: Dietrich Huschenbett, VL2 5 (1985) Sp. 803 f. – Victor Michels: Stud. u¨ ber die a¨ltesten dt. Fastnachtspiele (Quellen und Forschungen zur Sprach- und Culturgesch. der germ. V¨olker 77). Straßburg 1896. – Eckehard Catholy: Das Fastnachtspiel des Sp¨atMA (Hermaea NF 8). T¨ubingen 1961, Reg. (S. 371). – Ingeborg Glier: Personifikationen im dt. Fastnachtspiel des Sp¨atMA. In: DVjs 39 (1965) S. 542–587. – E. Catholy: Fastnachtspiel (Slg. Metzler 56). Stuttgart 1966. – Werner Lenk: Das N¨urnberger Fastnachtspiel des 15. Jh. Ein Beitr. zur Theorie und zur Interpretation des Fastnachtspiels als Dichtung (Dt. Akad. der Wiss. zu Berlin. Ver¨off. des Inst. f¨ur dt. Sprache und Lit. 33). Berlin 1966. – D. Huschenbett: Die Frau mit dem Apfel und Frau Venus in Moriskentanz und Fastnachtspiel. In: Volkskultur und Gesch. Festgabe f¨ur Josef D¨unninger zum 65. Geburtstag. Hg. v. Dieter Harmening, u. a. Berlin 1970, S. 585–603. – John E. Tailby: Zwischen Fastnachtspiel und Spruch: Schloßmuseum Gotha, Einblattdruck 40,38. In: ‹Soˆ wold ich in fr¨oiden singen›. FS Anthonius H. Touber. Hg. v. Carla Dauvenvan Knippenberg/Helmut Birkhan (AB¨aG 43/44). Amsterdam/Atlanta, GA 1995, S. 477–483. BJ Das Ungetum ¨ («Ein vasnachtspil vom dreck»; Das Riesending in der Tuchscherergasse). – N¨urnberger Fastnachtspiel. Das 236 Verse umfassende Spiel, dessen Autor unbekannt ist, handelt von einem großen Kothaufen in der N¨urnberger Tuchscherergasse, d. h. in vornehmster Wohngegend und in unmittelbarer N¨ahe zum Rathaus. Mehrere Bauern werden aufgefordert, sich u¨ ber Herkunft und m¨ogliche Verwendung des «kunters» zu a¨ußern. Anschließend ¨ besprechen drei Arzte die Entstehung des Haufens und er¨ortern den Gesundheitszustand seines Urhebers. «Der Paur, der den dreck geschissen hat» 1291
Das Ungetum ¨ (Z. 180), erkl¨art, warum er seine Notdurft mitten in der Straße verrichtet hat. Seine Rede gipfelt in einem «priamel¨ahnlichen Vortrag» (Lechtermann) u¨ ber den Zusammenhang von gesunder Verdauung und Lebensfreude («Mocht er die nuß nit pald abdrucken, / Sein hochste freud die ging auff krucken»). ¨ Uberlieferung: Wolfenb¨uttel, HAB, Cod. 18.12 Aug. 4°, 137v–143r (Pap., Schreiber: Gb, 1494). Ausgaben: Adelbert von Keller (Hg.): Fastnachtspiele aus dem f¨unfzehnten Jh. Tl. 1 (Bibl. des Litterarischen Vereins in Stuttgart 28). Stuttgart 1853 (Nachdr. Darmstadt 1965) S. 211–218 (Nr. 23, u. d. T ‹Ein Vasnachtspil vom dreck›). – Das Unget¨um. Bearb. v. Christina Lechtermann. In: Fr¨uhe N¨urnberger Fastnachtspiele. Zusammen mit Oliver Huck [...] hg. v. Klaus Ridder/Hans-Hugo Steinhoff (Sch¨oninghs medi¨avistische Editionen 4). Paderborn u. a. 1998, S. 75–83 (Nr. 6, zit.). Literatur: Dorothea Klein, VL2 10 (1999) Sp. 78–80. – Eckehard Catholy: Das Fastnachtspiel des Sp¨atMA (Hermaea NF 8). T¨ubingen 1961, S. 147, 207. – Gerd Simon: Die erste dt. Fastnachts¨ spieltradition. Zur Uberl., Textkritik und Chronologie der N¨urnberger Fastnachtsspiele des 15. Jh. [...] (Germ. Stud. 240). L¨ubeck/Hamburg 1970, S. 20, 87, 107–118 (zur Hs.). – Johannes Merkel: Form und Funktion der Komik im N¨urnberger Fastnachtsspiel (Stud. zur dt. Sprache und Lit. 1). Freiburg i. Br. 1971, S. 104, 196. – Hagen Bastian: Mummenschanz. Sinneslust und Gef¨uhlsbeherrschung im Fastnachtspiel des 15. Jh. Frankfurt/M. 1983, S. 15. – Hedda Ragotzky: Der Bauer in der Narrenrolle. Zur Funktion ‹verkehrter Welt› im fr¨uhen N¨urnberger Fastnachtspiel. In: Typus und Individualit¨at im MA. Hg. v. Horst Wenzel (Forschungen zur Gesch. der a¨ lteren dt. Lit. 4). M¨unchen 1983, S. 77–101. – Johannes Mu¨ ller: Schwert und Scheide. Der sexuelle und skatologische Wortschatz im N¨urnberger Fastnachtspiel des 15. Jh. (Dt. Lit. von den Anf¨angen bis 1700, Bd. 2). Bern u. a. 1988. – Peter Czerwinski: Exempel einer Gesch. der Wahrnehmung. 2. Gegenw¨artigkeit. Simultane R¨aume und zyklische Zeiten, Formen von Regeneration und Genealogie im MA. Mu¨ nchen 1993, S. 502–508. – Wolfgang Spiewok: Das dt. Fastnachtspiel. Ursprung, Funktionen, Auff¨uhrungspraxis. 2., u¨ berarb. und erw. Aufl. Greifswald 1997. – Fr¨uhe N¨urnberger Fastnachtspiele (s. Ausg.) S. 149–156. BJ 1292
Zeugenaussagen Vier Reden («Ein spil»; Vier windige Gesellen). – N¨urnberger Fastnachtspiel, vor 1494. Das Spiel V. R. reiht vier Einzelreden im Umfang von 12–22 Versen aneinander. Der erste Sprecher prahlt mit einem Liebesabenteuer im Kuhstall – zwischen versch¨utteter Milch und «kudreck» –, der zweite mit seinem Ausehen, angefangen mit dem «har», das «eim rosschwanz» gleicht, bis zu den «fußlein», die denen «eins esels» gleichen. Der dritte fordert zu Essen und Trinken auf, wobei er selbst reichlich Alkohol genießt, w¨ahrend der vierte, auf die «vasnacht» anspielend, sich als Unterhaltungsk¨unstler anpreist, der »fechten, tanzen und springen / Und maisterlich darzu singen», vor allem aber «der meid petten und kern» helfen k¨onne. Seine «pest kunst» allerdings sei das Trinken. ¨ Uberlieferung: Wolfenb¨uttel, HAB, Cod. 18.12 Aug. 4°, 178r–179v (Pap., 1494). Ausgabe: Adelbert von Keller (Hg.): Fastnachtspiele aus dem f¨unfzehnten Jh. Tl. 1 (Bibl. des Litterarischen Vereins in Stuttgart 28). Stuttgart 1853 (Nachdr. Darmstadt 1965) S. 274–276 (Nr. 36, u. d. T. ‹Ein spil›, zit.). Literatur: Dorothea Klein, VL2 10 (1999) Sp. 333 f. – Gerd Simon: Die erste dt. Fastnachts¨ spieltradition. Zur Uberl., Textkritik und Chronologie der N¨urnberger Fastnachtsspiele des 15. Jh. [...] (Germ. Stud. 240). L¨ubeck/Hamburg 1970, S. 20, 87, 107–118 (zur Hs.). BJ Der Wallbruder. – N¨urnberger Fastnachtspiel. Das in der Tradition des Hans → Folz stehende Spiel (124 Verse, nur zwei Rollen), das starkes N¨urnberger Lokalkolorit spiegelt, war vermutlich f¨ur eine Auff¨uhrung in einem Patrizierhaus vorgesehen. Nach der Schilderung der Umst¨ande, unter denen er auf der Wallfahrt nach Aachen zun¨achst ausgeraubt und nach dem Sturz in einen Graben um seine letzte Habe gebracht worden sei, bittet der Pilger die Zuschauer um eine neue Ausr¨ustung zu Fastnacht. Ein Bauer – kein Narr, sondern ein Moralist – entlarvt den Wallbruder als L¨ugner und ber¨uchtigten Ehebrecher. Das Geld sei ihm im «Frauenhaus» von drei Stadtknechten abgenommen worden. Von diesen in den stinkenden Fischbach geworfen, habe er sich bei ihnen mit Hut und Mantel auspf¨anden m¨ussen. Den sich anschließenden heftigen Streit, in dem der Pilger seine Unschuld beteuert, bricht der Bauer mit dem Hinweis auf die Freuden der Fastnacht ab. Der Abschnitt «Der 1293
2. H¨alfte 15. Jh. außschreyer spricht» (Bl. 28r) ist von Claus Spaun nachgetragen. ¨ Uberlieferung: Wolfenb¨uttel, HAB, Cod. 18.12 Aug. 4°, 25r–28r (Pap., Schreiber: Gb, 1494). Ausgabe: Adelbert von Keller (Hg.): Fastnachtspiele aus dem f¨unfzehnten Jh. Tl. 1 (Bibl. des Litterarischen Vereins in Stuttgart 28). Stuttgart 1853 (Nachdr. Darmstadt 1965) S. 34–39 (Nr. 2, zit.); Tl. 3 (Bibl. [...] 30). Stuttgart 1853 (Nachdr. Darmstadt 1965) S. 1480 f.; Nachlese (Bibl. [...] 46). Stuttgart 1858 (Nachdr. Darmstadt 1966) S. 336 f. Literatur: Eckehard Simon, VL2 10 (1999) Sp. 621–623. – Victor Michels: Stud. u¨ ber die a¨ ltesten dt. Fastnachtspiele (Quellen und Forschungen zur Sprach- und Culturgesch. der germ. V¨olker 77). Straßburg 1896, S. 110, 214, 229. – Eckehard Catholy: Das Fastnachtspiel des Sp¨atMA (Hermaea NF 8). T¨ubingen 1961, S. 185, 216 f., 299 f. – Gerd Simon: Die erste dt. Fastnachtsspieltradition. Zur ¨ Uberl., Textkritik und Chronologie der N¨urnberger Fastnachtsspiele des 15. Jh. [...] (Germ. Stud. 240). L¨ubeck/Hamburg 1970, S. 20, 87, 107–118 (zur Hs.). – Hagen Bastian: Mummenschanz. Sinneslust und Gef¨uhlsbeherrschung im Fastnachtspiel des 15. Jh. Frankfurt/M. 1983. – Thomas Habel: ¨ Vom Zeugniswert der Uberlieferungstr¨ ager. Bemerkungen zum fr¨uhen N¨urnberger Fastnachspiel. In: Artibus. Kulturwiss. und dt. Philologie des MA und der fr¨uhen Neuzeit. FS Dieter Wuttke. Hg. v. Stephan F¨ussel u. a. Wiesbaden 1994, S. 103–134. BJ Zeugenaussagen. – N¨urnberger Fastnachtspiel, wahrscheinlich aus dem Umkreis des Hans → Folz, vor 1494. Eine Frau klagt ihren Mann wegen ausschweifenden Geschlechtslebens an. Dieser jedoch bestreitet die Vorw¨urfe und wirft seiner Frau im Gegenzug vor, dass sie sich ihm immer wieder entziehe. Nach den Aussagen der auf Empfehlung der Sch¨offen geladenen elf Frauen (Augenzeugen) und sechs m¨annlichen Entlastungszeugen fordert der Richter im Anschluss an Ermahnungen die Kl¨agerin und ihren Mann zur außergerichtlichen Einigung auf. Im Unterschied zu thematisch verwandten Spielen wie Hofgericht vom Ehebruch und Ein Ehebrecher vor Gericht aus dem Corpus Hans → Rosenpl¨uts verzichten die Z. (136 Verse) auf drastische Metaphern und derb-obsz¨one Sprache. ¨ Uberlieferung: Wolfenb¨uttel, HAB, Cod. 18.12 Aug. 4°, 389r–392v (Pap., 1494). 1294
2. H¨alfte 15. Jh.
Wiener Dialogverse uber ¨ Tod, Gericht und Jenseits
Ausgabe: Adelbert von Keller (Hg.): Fastnachtspiele aus dem f¨unfzehnten Jh. Tl. 2 (Bibl. des Litterarischen Vereins in Stuttgart 29). Stuttgart 1853 (Nachdr. Darmstadt 1965) S. 541–546 (Nr. 61, u. d. T. ‹Ein Fasnachtspiel›). Literatur: Dorothea Klein, VL2 10 (1999) Sp. 1550–1552. – Eckehard Catholy: Das Fastnachtspiel des Sp¨atMA (Hermaea NF 8). T¨ubingen 1961, Reg. (S. 372). – Gerd Simon: Die erste ¨ dt. Fastnachtsspieltradition. Zur Uberl., Textkritik und Chronologie der N¨urnberger Fastnachtsspiele des 15. Jh. [...] (Germ. Stud. 240). L¨ubeck/Hamburg 1970, S. 20, 87, 107–118 (zur Hs.). BJ Wiener Dialogverse uber ¨ Tod, Gericht und Jenseits → Band 2, Sp. 1493. Wiener Susannaspiel. – 15. Jh. Das eng an Dan 13,14–63 anschließende Spiel (401 Reimpaarverse), das die Geschichte von Susanna und den beiden alten Richtern thematisiert, ist wohl zu Lesezwecken in die Sammelhandschrift eingetragen worden. W¨ahrend niederheinische Susannaspiele seit 1439 bezeugt sind, ist das W. S. das einzige aus dem 15. Jh. u¨ berlieferte Spiel zu diesem Thema. Es war «vermutlich zu unterhaltender Belehrung in der Vorfastenzeit» (Klein, Sp. 1043) verfasst worden. Ob der Schluss mit der Aufforderung zu Gesang und Tanz, welcher der Schreiber ein «Amen» anf¨ugte, zum urspr¨unglichen Bestand des St¨ucks geh¨ort hat, ist umstritten. ¨ ¨ Uberlieferung: Wien, ONB, Cod. 3027, 161v–173v (Mondsee, Schreiber: Johann Hauser, Ende 15. Jh.). Ausgaben: Adelbert von Keller (Hg.): Fastnachtspiele aus dem f¨unfzehnten Jh. Nachlese (Bibl. des Litterarischen Vereins in Stuttgart 46). Stuttgart 1858 (Nachdr. Darmstadt 1966) S. 231–245 (Nr. 129). – K[arl] Schr¨oder: Susanna. In: Germania 22 (1877) S. 342–349. Literatur: Dorothea Klein, VL2 10 (1999) Sp. 1042–1044. – Paul F. Casey: The Susanna Theme in German Literature. Variations of the Biblical Drama (Abh. zur Kunst-, Musik- und Literaturwiss. 214). Bonn 1976, S. 33–44. – Rolf Bergmann: Kat. der deutschsprachigen geistlichen Spiele und Marienklagen des MA (Ver¨off. der Kommission f¨ur dt. Lit. des MA der Bayerischen Akad. der Wiss.). M¨unchen 1986, S. 356 f. (Nr. 164). – Bernd Neumann: Geistliches Schauspiel im Zeugnis der Zeit. Zur Auff¨uhrung ma. religi¨oser Dramen im dt. Sprachgebiet (MTU 84.85). 1295
Mu¨ nchen 1987, Bd. 2, S. 866 (Nr. 3687). – Dieter Trauden: ‹Auch ander ler exempel gut› – Der Mondseer Benediktiner Johann Hauser als Sammler volkssprachiger Dramen? In: ‹Sˆo wold ich in fr¨oiden singen›. Festgabe f¨ur Anthonius H. Touber zum 65. Geburtstag. Hg. v. Carla Dauvenvan Knippenberg/Helmut Birkhan (AB¨aG 43/44). Amsterdam/Atlanta, GA 1995, S. 485–519, hier S. 488 f. – Ursula Schulze: Geistliche Spiele im MA und in der Fr¨uhen Neuzeit. Von der liturgischen Feier zum Schauspiel. Eine Einf. Berlin 2012, S. 180. BJ Schernberg, Dietrich (auch: Schermberg, Ditter; Schermbergk, Theodoricus), * zweite H¨alfte 15. Jh., † Anfang 16. Jh. – Verfasser eines Legendenspiels. Der aus einem kleinadligen Geschlecht (seit 1310 in M¨uhlhausen nachweisbar) stammende S. ist 1483–1502 als kaiserlicher Notar und Vikar an der Johanneskirche in M¨uhlhausen (Th¨uringen) urkundlich bezeugt. Das von ihm in der ersten H¨alfte der 80er Jahre des 15. Jh. verfasste e Schon spiel von fraw Jutten ist nur in einem Eislebener Druck von 1565 u¨ berliefert, den der erste protestantische Superintendent Mu¨ hlhausens, Hieronymus Tilesius (1529–1566), als bearbeitete Fassung auf der Grundlage der heute verschollenen Handschrift veranstalten ließ (vgl. Vorwort), um die Missst¨ande des Papsttums aufzudecken. Das Spiel stellt die fr¨uheste dichterische Bearbeitung des Stoffes dar, f¨ur die S. den in der Chronikliteratur Th¨uringens seit dem 13. Jh. (Erfurter Chronica minor, 1261/62; Johannes → Rothe, D¨uringische Chronik, 1421) verbreiteten Sagen- und Legendenstoff von der Existenz einer schwangeren P¨apstin Johanna aufgriff (vgl. auch die lat. Weltchronik → Martins von Troppau). Daneben machte er Anleihen u. a. beim → Theophilus, beim → M¨uhlh¨auser Katharinenspiel, beim → Alsfelder Passionsspiel und beim → K¨unzelsauer Fronleichnamsspiel). Das Spiel war f¨ur die Auff¨uhrung auf einer Simultanb¨uhne mir vier «loca» konzipiert. Das Spiel setzt mit der Versammlung der Teufel in der H¨olle ein, bei der Juttas Verf¨uhrung beschlossen wird. Als Mann verkleidet, zieht Jutta unter dem Namen Johannes von England zusammen mit ihrem Geliebten Clericus nach Paris, wo es – mit Hilfe der Teufel Satanas und Spiegelglanz – beiden gelingt, den Doktorgrad zu erwerben. In Rom erlangen sie die Kardinalsw¨urde. 1296
Schernberg Nach dem Tod Papst Basilius wird Jutta/Johannes zum Papst gew¨ahlt. W¨ahrend einer nur z¨ogerlich vorgenommenen Teufelsaustreibung bei dem Sohn eines Senators wird Jutta vom ausfahrenden e Teufel «Vnuersun» entlarvt («Der Bapst der tregt e furwar ein Kind / Er ist ein Weib vnd nicht ein Man», V. 758 f.). Sie stirbt, ihr su¨ ndiges Leben bereuend, bei der o¨ ffentlichen Geburt ihres Kindes, kommt zun¨achst in die H¨olle, wird zuletzt aber auf F¨urbitten Marias (vgl. Theophilusspiel) und des hl. Nikolaus begnadigt. Das zentrale Thema des Frau Jutten-Spiels ist die Erlangung des Seelenheils auch bei schweren S¨unden, vorausgesetzt, der Su¨ nder bereut rechtzeitig. ¨ Uberlieferung: Apotheosis Iohannis VIII. Pone tificis Romani. Ein schon spiel/Von fraw Jutten [...]. Eisleben: Andreas Petri 1565 (Exemplare: Berlin, ehem. Preuß. SB, z. Zt. Krak´ow, Bibl. Jagiello´nska, 8° Yp 7161 R[arum]; Hannover, LB, V, 227; ehemals Dresden, StB, Hist. pontif. 705 [olim 496; seit dem Zweiten Weltkrieg verschollen]). Ausgaben: Johann Christoph Gottsched: Des e nothigen Vorraths zur Gesch. der dt. Dramatischen Dichtkunst, Zweyter Theil [...]. Leipzig 1765, S. 81–138. – Reinhold Bechstein: Zum Spiel von Frau Jutten. In: Dt. Museum f¨ur Gesch., Lit., Kunst und Alterthumsforschung NF 1 (1862) S. 29–51 (nur die Vorrede von Tilesius, der ‹Beschlus› von Iren¨aus sowie die Zeugnisse von Johannes Pannonius, Nauclerus, Volaterranus und Ryd). – Adelbert von Keller (Hg.): Fastnachtspiele aus dem f¨unfzehnten Jh. Tl. 2 (Bibl. des Litterarischen Vereins in Stuttgart 29). Stuttgart 1853 (Nachdr. Darmstadt 1965) S. 900–955 (Nr. 111); Tl. 3 (Bibl. [...] 30) Stuttgart 1853 (Nachdr. Darmstadt 1965) S. 1528; Nachlese (Bibl. [...] 46) Stuttgart 1858 (Nachdr. Darmstadt 1966) S. 349. – Edward Schr¨oder (Hg.): D. S.s Spiel von Frau Jutten (1480). Nach der ein¨ zigen Uberl. im Druck des Hieronimus Tilesius (Eisleben 1565) (Kleine Texte f¨ur theologische und ¨ philol. Vorlesungen und Ubungen 67). Bonn 1911 e (mit Noteneinlage von Bl. E 4a). – D. S. Ein schon Spiel von Frau Jutten. Nach dem Eislebener Druck von 1565 hg. v. Manfred Lemmer (TspMA 24). Berlin 1971 (zit.; dazu: Hansju¨ rgen Linke, AfdA 83 [1972] 251–261). Literatur: Edward Schr¨oder, ADB 31 (1890) 120 f. – Norbert H. Ott, LexMA 7 (1995) Sp. 1451. – De Boor/Newald 4/1 (21994) S. 269. – N. H. Ott, NDB 22 (2005) S. 701. – Michael Schilling, Killy2 10 (2011) S. 313 f. – Bechstein 1297
2. H¨alfte 15. Jh. (s. Ausg.) S. 25–28, 51–58. – Anton Reichl: Die Beziehungen zwischen Schernberks ‹spil von fraw Jutten› und dem Theophilus. In: Neunter Jahresber. u¨ ber das k. k. Staats-Obergymnasium in Arnau, ver¨offentlicht am Ende des Schuljahres 1889–90. Arnau [1890], S. 9–23. – E. Schr¨oder: Goethes ‹Faust› und das ‹Spiel von Frau Jutten›. In: Vierteljahrschr. 4 (1891) S. 336–339. – Richard Haage: D. S. und sein ‹Spiel von Frau Jutten›. Diss. Marburg 1891. – Joh[ann] Jos[eph] Ign[az] v[on] D¨ollinger: Die Papst-Fabeln des MA. Ein Beitr. zur Kirchengesch. 2. Aufl. mit Anm. verm. hg. v. I. Friedrich. Stuttgart 1890 (Nachdr. Darmstadt 1970). – Carlo Fasola: Das ‹Spiel von Frau Jutten›. In: Rivista di Letteratura Tedesca 5 (1911) S. 189–212. – Maximilian Josef Rudwin: Der Teufel in den dt. geistlichen Spielen des MA und der Reformationszeit (Hesperia 6). G¨ottingen 1915. – Christian Sarauw: Textgeschichtliches zu den Spielen von Theophilus und Frau Jutten. In: PBB 48 (1924) S. 495 f. – Werner Kraft: Die P¨apstin Johanna. Eine motivgeschichtliche Unters. Diss. Frankfurt/M. 1925, bes. S. 11–14. – James E. Engel: The Stage Directions in S.’s ‹Spiel von Frau Jutten›. In: Middle Ages – Reformation, ‹Volkskunde›. FS John G. Kunstmann (University of North Carolina Studies in the Germanic Languages and Literatures 26). Chapel Hill 1959 (Nachdr. New York 1966) S. 101–107. – Barbara K¨onnecker: Wesen und Wandlung der Narrenidee im Zeitalter des Humanismus. Wiesbaden 1966, S. 228–240. – Hansj¨urgen Linke: Bauformen geistlicher Dramen des sp¨aten MA. In: Zeiten und Formen in Sprache und Dichtung. FS Fritz Tschirch. Hg. v. Karl-Heinz Schirmer/Bernhard Sowinski. K¨oln/Wien 1972, S. 203–225. – BrettEvans: Von Hrotsvit bis Folz und Gengenbach. Eine Gesch. des ma. dt. Dramas. Tl. 2. Religi¨ose und weltliche Spiele des SP¨atMA (Grundlagen der Germanistik 18). Berlin 1975, S. 34–36. – Elke Ukena: Die dt. Mirakelspiele des Sp¨atMA. Stud. und Texte (Europ¨aische Hochschulschr. I,115; Arbeiten zur Mittleren Dt. Lit. und Sprache 1). Bern, Frankfurt/M. 1975, S. 150–222. – Heinrich Biermann: Die deutschsprachigen Legendenspiele des sp¨aten MA und der fr¨uhen Neuzeit. Diss. K¨oln 1977, S. 139–176. – Ebba van der Helder: D. S.’s Ein sch¨on Spiel von fraw Jutten: How was it staged? In: Parergon. Bulletin of the Australian and New Zealand Association for Medieval and Renaissance Studies NS 1 (1983) S. 113–131. – Rolf Bergmann: Kat. der deutschsprachigen geistlichen Spiele und 1298
2. H¨alfte 15. Jh. Marienklagen des MA (Ver¨off. der Kommission f¨ur dt. Lit. des MA der Bayerischen Akad. der Wiss.). M¨unchen 1986, S. 147 f. (Nr. 61). – B. Neumann: Geistliches Schauspiel im Zeugnis der Zeit. 2 Bde. (MTU 84.85). M¨unchen 1987, Nr. 2304, 3760. – Valerie R. Hotchkiss: D. S.’s Ein sch¨on Spiel von Frau Jutten: the salvation of the female pope. In: Canon and Canon Transgression in Medieval German Literature. Hg. v. Albrecht Classen (GAG 573). G¨oppingen 1993, S. 195–206. – Edelgard E. DuBruck: Pope Joan: Another Look upon Martin Le Franc’s ‹Papesse Jeanne› (c. 1440) and D. S.’s Play ‹Frau Jutta› (1480). In: Fifteenth Century Studies 26 (2001) S. 75–85. – Henrike L¨ahnemann: D. S.s ‹Spiel von Frau Jutten› als S¨underheiligendrama. In: Lit. in Bayern (2004) H. 77, S. 34–39. – Michael Obenaus: Hure und Heilige: Verhandlungen u¨ ber die P¨apstin zwischen sp¨atem MA und fr¨uher Neuzeit (Schr. zur Medi¨avistik 13). Hamburg 2008. – Ursula Schulze: Geistliche Spiele im MA und in der Fr¨uhen Neuzeit. Von der liturgischen Feier zum Schauspiel. Eine Einf. Berlin 2012, S. 186–188. BJ Marieken van Nijmegen (Mariken, Nimwegen, Nieumeghen). – Mndl. Marienmirakelspiel. Das rund 1550 Verse umfassende Spiel von M. v. N. ist anonym in zahlreichen Drucken u¨ berliefert, die ab etwa 1515 entstanden. Handschriftliche Vorlagen sind nicht bekannt. Ungekl¨art ist auch, ob das Spiel f¨ur Auff¨uhrungen oder als Lesedrama konzipiert wurde. Die Entstehung des gedruckten Texts wird meist auf fr¨uhestens 1480 datiert, w¨ahrend seine Vorlage bereits ab 1465 entstanden sein d¨urfte. Die Spielhandlung setzt n¨amlich mit der Verhaftung Arnolds von Geldern im gleichen Jahr ein und umspannt mehr als 30 Jahre. Die Zuschreibung des Spiels an Anna Bijns hat sich nicht durchgesetzt. Mo¨ glicherweise wirkten zwei Verfasser an M. v. N. mit, die sich die Prosa- und Verspartien aufteilten. In dieser Mischung aus Paarreimversen und vielleicht sp¨ater eingef¨ugten Prosa¨uberleitungen liegt ein wichtiges Charakteristikum des Spiels. Der Inhalt von M. v. N. umfasst einen Prolog und je nach Druck 12 bis 15 Szenen. Hauptfigur ist ein M¨adchen namens Marieken, das als Haush¨alterin bei seinem Onkel lebt, dem Priester Gisbrecht. Nach einem Streit mit seiner Muhme zun¨achst obdachlos, erscheint dem verzweifelten M¨adchen der Teufel und verf¨uhrt es durch allerlei Versprechen. Marieken begleitet den Teufel nun mehrere Jahre 1299
Marieken van Nijmegen lang und erlebt seine b¨osartigen Taten mit. In Nijmegen wird das M¨adchen Zeuge einer Auff¨uhrung des Masscheroen-Spiels. Darin erf¨ahrt ein S¨under nach F¨urbitten Marias Gnade durch Christus. M. wendet sich noch w¨ahrend der Auff¨uhrung vom Teufel ab, der sie daraufhin zu t¨oten versucht. Das M¨adchen u¨ berlebt schwer verletzt und will nun Buße leisten. Allerdings wagt kein Priester, Marieken von ihren S¨unden freizusprechen, nicht einmal der Papst. Dieser l¨asst M. in schwere Eisenringe einschmieden, die von ihr abfallen sollen, wenn Gott ihr vergibt. Nachdem sie 24 Jahre in einem Maastrichter Kloster gelebt hat, nimmt ein Engel Marieken die Ringe ab. Erw¨ahnenswert sind in M. v. N. besonders die reichen Bez¨uge zu zeitgen¨ossischen Ereignissen sowie eine Neigung zu elaborater Rhetorik. In die¨ ser Hinsicht ist die engl. Ubersetzung von 1518 disziplinierter als der mndl. Druck. Insgesamt hat man M. v. N. vor allem wegen der Lebendigkeit seiner Figuren gelobt, die sich stark von den holzschnittartigen Gestalten vergleichbarer Spiele abheben. Als eines der bekanntesten mndl. Dramen erlebte M. v. N. eine breite Rezeption. Bereits 1518 ¨ wurde in Antwerpen die engl. Ubersetzung gedruckt, die m¨oglicherweise auf die gleiche Vorlage wie die mndl. Fassung zuru¨ ckging. Im 17. und 18. Jh. folgten weitere ndl. Drucke, sp¨ater auch ¨ lat. u. a. Ubertragungen sowie Bearbeitungen und Nachdichtungen bis ins 20. Jh. hinein, u. a. 1951 von Wolfgang Cordan. Erstdruck: Die waerachtige ende een seer wonderlijcke historie van Mariken van Nieumeghe. Antwerpen: Willem Vorsterman, [um 1515–18] (Mu¨ nchen, BSB, Rar. 518). Ausgaben: M. v. N. Eene Nederlandsche Volkslegende uit de 16. Eeuw. Hg. v. Johannes van Vloten. ’s-Gravenhage 1854. – M. v. N. Hg. v. Lode Baekelmans. Amsterdam 21924. – Mariken van Nieumeghen. Reproductie van de Post-Incunabel van W. Vorsterman [...]. Hg. v. Armand L. Verhofstede u. a. Antwerpen 21951 (mit Bibliogr.). – Marieken van Nieumegen. Hg. v. Luc Debaene, sp¨atere Aufl. mit Dirk Coigneau. Zwolle 51980. – Mariken van Nieumeghen. Hg. v. Gerard Petrus Maria Knuvelder. Den Bosch 161980. – De wandelende Jood & Lanseloet van Denemarken & Marieke van Nijmegen. Hg. v. Albert Van Hageland. Aartselaar 1983. – Mariken van Nieumeghen. Hg. v. Chris Geijsberts. Nijmegen 1991 (Teilausg.). – Mariken van Nieumeghen. Hg. v. Corne1300
Immessen lis Kruyskamp. Kapellen/Amsterdam 101992. – Mariken van Nieumeghen. A Bilingual Edition. Hg. v. Therese Decker/Martin W. Walsh. Columbia 1994 (zweisprachig: mndl.-engl.). – Mariken van Nieumeghen. Hg. v. Hessel Adema. Leeuwarden 7 2003. – Mariken van Nieumeghen. Hg. v. SergeAljosja Stommels u. a. Nijmegen 2009. – Marike fan Nijmegen en Elkenien. Hg. v. Klaas Bruinsma. Ljouwert 2009. ¨ Ubersetzungen: Mariechen von Nymwegen. Hg. v. Friedrich Markus Huebner. Leipzig 1918. – Decker/Walsh 1994 (s. Ausg.). Literatur: Guillaume van Gemert: Mariken van Nieumeghen. In: MarLex 4 (1992) S. 318–320. – Dirk Coigneau, LexMA 6 (1993) Sp. 293 f. – De Boor/Newald 4/1 (21994) S. 270. – G. W. Wolthius: De Legende van M. v. N. in Duitschland en Itali’. In: Neophilologus 18 (1933) S. 28–36, 192–200. – Ders.: De Dichter van M. v. N. en de Stof van het Spel. In: ebd. 20 (1935) S. 31–40. – Die Waerachtige Ende een Seer Wonderlijcke Historie van M. v. N., die Meer dan Seven Iaren Metten Duvel Woende Ende Verkeerde. Hg. v. G. W. Wolthuis. Amsterdam [1937]. – Analytische Bibliographie van M. v. N. Hg. v. Robert Jan Roemans und G. W. Wolthuis. Antwerpen 1951. – G. W. Wolthius: Duivelskunsten en Sprookjesgestalten. Studi¨en over Literatuur en Folklore: M. v. N. Amsterdam 1952. – Merle Fifield: M. v. Nijmegan and Its Chapbook Version. A Study in Contrastive Narrative Techniques. In: Proceedings of the Patristic, Mediaeval and Renaissance Conference 4. Hg. Patristic, Mediaeval and Renaissance Conference. Villanova 1979, S. 127–135. – L´eopold Peeters: M. v. N. Bourgondische Politiek en Dominicaanse Vroomheid. In: ‹Ic ga daer ic hebbe te doene›. Opstellen Aangeboden aan F. Lulofs ter Gelegenheid van Zijn Afscheid als Hoogleraar in de Nederlandse Taal- en Letterkunde aan de Rijksuniversiteit te Groningen. Hg. v. Jacques Tersteeg/Petrus Verkuyl. Groningen 1984, S. 199–204. – Carole B. Knuth: M. v. N. Revisited. In: Acta. Proceedings of the SUNY Regional Conferences in Medieval Studies 12 (1985) S. 51–59. – Jacobus Pop: M. v. N. Leiden 1987. – Johanna C. Prins: A Female Faust: M. v. N. In: The Low Countries. Multidisciplinary Studies. Hg. v. Margriet Bruijn Lacy. Lanham 1990, S. 131–137. – In Wisselend Perspectief. Bijdragen tot een Cultuurhistorische Benadering van M. v. N. Hg. v. Pieter F. J. M. Eligh. Den Bosch 1991. – Mary of Nemmegen. Hg. v. Margaret M. Raftery. 1301
2. H¨alfte 15. Jh. Leiden u. a. 1991. – Elsa Strietman: The Face of Janus. Debatable Issues in M. v. N. In: Medieval Drama on the Continent of Europe. Hg. v. Clifford Davidson/John H. Stroupe. Kalamazoo 1993, S. 64–82. – M. M. Raftery: Die Masscheroenspel in M. v. N. ’n Veelsydige Spie¨el. In: Millennium 7 (1993) S. 147–161. – Piet Eligh: Duivelsfiguren in M. v. N. In: Duivelsbeelden. Een Cultuurhistorische Speurtocht door de Lage Landen. Hg. v. Gerard Rooijakkers u. a. Baarn 1994, S. 123–136. – M. v. N. Hg. v. D. Coigneau. Hilversum 1996. – M. M. Raftery: Aspects of Dramatic Development in the Roles of Devil Characters in the Religious Drama of the Netherlands, with Particular Reference to M. v. N. In: Southern African Journal of Medieval and Renaissance Studies 6 (1996) S. 72–102. – Antonius M. Duinhoven: Van ‹Beatrijs› tot ‹M. v. N.› In: Queeste 8 (2001) S. 50–80. – M. M. Raftery: Sin and Salvation. Time and Eternity. The ‹Play of Masscheroen› in M. v. N. In: Quests for Humanity. The Middle Ages and the Millennium. Hg. v. Estelle A. Mar´e. Pretoria 2002, S. 240–277. – Herman Teule: The Middle-Dutch (c. 1500) Miracle Play M. v. N. and a Nineteenth Century Arabic Collection of Miracles of Mary. In: Seeing the Seeker Explorations in the Discipline of Spirituality. FS Kees Waaijman. Hg. v. Hein Blommestijn. Leuven u. a. 2008, S. 355–363. – Theo Hermans: A Literary History of the Low Countries. Rochester/ New York 2009, S. 142–146. MM Immessen, Arnold (Arnoldus; Imessen). – Priester, Autor eines heilsgeschichtlichen Spiels u¨ ber Sch¨opfung, S¨undenfall und Erl¨osung, urkundlich erw¨ahnt 1483 und 1486. Der Dichter nennt sich selbst in einem Akrostichon des Prologs zu einem zwischen 1480 und 1490 angesetzten geistlichen «Spiel von S¨undenfall und Erl¨osung». Er stammte aus dem s¨udlichen Niedersachsen (Immensen bei Einbeck oder Imsen bei Alfeld [?]). Gegebenenfalls ist er identisch mit dem 1486 urkundlich in Alfeld belegten Geistlichen «Arnde van Ymesßen»; der Familienname taucht aber auch in einer Urkunde von 1483 im Zusammenhang mit dem Alexanderstift in Einbeck auf. Der Text ist unikal u¨ berliefert in einer um 1500 entstandenen Handschrift, deren Schreiber «Johannes Bokenem» von der Forschung mit einem Goslarer Kleriker identifiziert wird. Das ohne Titel u¨ berlieferte Spiel (3962 Reimpaarverse) pr¨asentiert eine typologische Szenen1302
2. H¨alfte 15. Jh. reihe, die vom S¨undenfall u¨ ber verschiedene weitere pr¨afigurierende Szenen des AT zur Vorbereitung der Erl¨osung durch die Geburt Mariens reicht. Nach einer Autorvorrede und der Vorrede des «Prelocutor» beginnt es mit dem Bericht des «Creator» u¨ ber seine Sch¨opfung und dem Lob der Engelsch¨ore. Es folgen Szenen von Luzifers ¨ Uberhebung und Sturz, der daraufhin erfolgenden Sch¨opfung des Menschen, von Verf¨uhrung Evas (ins Werk gesetzt nach einem ausf¨uhrlichen Rat der Teufel) und S¨undenfall, der Vertreibung aus dem Paradies, Kain und Abel, Seths Reise ins Paradies (Einarbeitung der Kreuzholzlegende nach zwei mnd. Versionen des mndl. Boek van den houte) und Adams Tod, Sintflut, Abrahams Opfer, Moses Gespr¨ach mit Gott, Melchisedeks Opfer. Auf die Klage Adams und Evas in der H¨olle antwortet eine Beratschlagung Davids mit vier Propheten (Jeremias, Isaias, Ezechiel, Daniel) und mit Salomon, der alle zum Gastmahl l¨adt. In das Gastmahl eingelegt sind drei Zwischenspiele: Das salomonische Urteil, der Auftritt der K¨onigin von Saba mit Gefolge sowie eine Trinkszene (Verkostung von Einbecker Bier als Reaktion auf die Eifersucht von Salomons Ehefrau). Auf die fortgesetzte Beratung und Weissagungen der Propheten und der Sybillen folgen mehrere Bitten f¨ur Adam bei Gott, die aber abgelehnt werden. Zwischen einer zweiten und dritten Klage Adams wird die Geschichte von Joachim und Anna eingeschoben. Schließlich haben die F¨urbitten der Propheten sowie ein ‹Streit der T¨ochter Gottes› (Justitia und Misericordia) das Ergebnis, dass der Sch¨opfer Gabriel aussendet, um Marias Geburt und ihre Darbringung im Tempel zu bewirken. Der Autor vereinigt theologische Bildung (u. a. verwendete er die Opuscula des Philippus de Barberiis) mit der F¨ahigkeit zu lebendiger und dramaturgisch geschickter Darstellung und auch sprachlich differenzierter Figurencharakterisierung. Der Spieltext ist durchzogen von lat. Hymnen und Bibelzitaten sowie an das Publikum gerichteten Belehrungen und Ermahnungen. Die relativ ausf¨uhrlichen Spielanweisungen sind in Latein gehalten. Hinweise auf Auff¨uhrungen fehlen. ¨ Uberlieferung: Wolfenb¨uttel, HAB, Cod. Helmst. 759, 56 Bll. (Pap., um 1500, ggf. Goslar). Ausgaben: Der S¨undenfall und Marienklage. Zwei nd. Schauspiele aus Hss. der Wolfenb¨uttler Bibl. Hg. v. Otto Sch¨onemann. Hannover 1855, S. 1–126. – A. I.: Der S¨undenfall. Mit Einleitung, 1303
Mercatoris Anm. und W¨orterverz. neu hg. v. Freidrich Krage (Germ. Bibl. II 8). Heidelberg 1913, S. 88–220 (dazu: Wilhelm Hohnbaum, in: Korrespondenzbl. des Vereins f¨ur nd. Sprachforschung 34 [1913/14] S. 91–94). Literatur: Adalbert Elschenbroich, NDB 10 (1974) S. 163f. – Brian Murdoch, VL2 4 (1983) Sp. 366–368. – Bernd Neumann/Red., Killy2 6 (2009) S. 45 f. – Wilhelm Hohnbaum: Unters. zum ‹Wolfenb¨utteler S¨undenfall›. Coburg 1912 (dazu: Friedrich Krage, in: Korrespondenzbl. des Vereins f¨ur nd. Sprachforschung 33 [1912] S. 78–80). – Krage (s. Ausg.). – Toni Weber: Die Pr¨afigurationen im geistlichen Drama des MA. Frankfurt 1919, S. 22 f. – Eduard Damk¨ohler: Zum S¨undenfall. In: NdJb 41 (1915) S. 127–132; 47 (1921) S. 65–68. – Gustav Rosenhagen: Die Wolfenb¨utteler Spiele und das Spiel des A. v. I. In: Nd. Stud. FS Conrad Borchling. Neum¨unster 1932, S. 78–90. – Torsten Dahlberg: G¨ottingisch-Grubenhagensche Stud. Lund 1937, S. 45–63. – Wolfgang F. Michael: Die geistlichen Prozessionsspiele in Deutschland. (Hesperia 22). Baltimore 1947, S. 25 f. – Ludwig Wolff: Das nd. geistliche Spiel des Sp¨atMA. In: Wirkendes Wort 6 (1955/56) S. 199–206. – Dat boek van den houte. Eine mndl. Dichtung von der Herkunft des Kreuzes Christi. Mit einer Einleitung neu hg. v. Lars Hermodsson. Uppsala/ Wiesbaden 1959, S. 64 f., 83–92. – Ludwig Wolff: A. I. Bedeutung und Stellung seines Werks in der Gesch. der geistlichen Spiele (Stud. zur Einbecker Gesch. 2). Einbeck 1964. – Willy Krogmann: A. I. In: Einbecker Jb. 27 (1966) S. 108–116. – Wolfgang F. Michael: Das dt. Drama des MA (Grundriß der germ. Philologie 20). Berlin 1971, S. 108 f. – Rolf Bergmann: Kat. der deutschsprachigen geistlichen Spiele und Marienklagen des MA (Ver¨off. der Kommission f¨ur Dt. Lit. des MA der Bayerischen Akad. der Wiss.). M¨unchen 1986, S. 368–370 (Nr. 171). – Brian Murdoch: Adam’s Grace. Fall and Redemption in Medieval Literature. Cambridge 2000, S. 29, 46, 131, 141–143, 158. – Ralf B¨ockmann: Theater an der Weser. Ein Werkverz. zum Schauspiel im Weserraum von 1500 bis 1650. Nordhausen 2011, S. 188–190. – Ursula Schulze: Geistliche Spiele im MA und in der Fr¨uhen Neuzeit. Von der liturgischen Feier zum Schauspiel. Eine Einf. Berlin 2012, S. 179 f. JK Mercatoris, Nicolaus (eigentl. Kopman [?]). – Verfasser eines vorreformatorischen Fastnachtspiels bzw. einer Moralit¨at. 1304
Henselin M. ist einzig als Verfasser auf dem Titelblatt des Werkes Ein Vastelavendes Spil van dem Dode unde van dem Levende genannt, das vielleicht nach 1515 in L¨ubeck aufgef¨uhrt wurde. Dieses Spiel vom Tod und Leben hat als Vorlage das nd. Gedicht → Leben und Tod, das in der ersten H¨alfte des Spiels durch Zus¨atze erweitert wird. Auffallendes Merkmal ist der Stichreim beim Sprecherwechsel. In der zweiten H¨alfte geht es um die Unausweichlichkeit des Sterbens, die nicht bloß allegorisch-didaktisch abgehandelt, sondern auch dargestellt wird. Laut B¨uhnenanweisung nach V. 200 wirft das Leben das Schwert von sich, bittet Gott um Gnade f¨ur seine Seele und hebt seine gefalteten H¨ande zum Himmel (B¨uhnenanweisung nach V. 265). Im Unterschied zum Tod als «schlechthin eindeutige[r], ‹absolute[r]› Personifikation» ist nach Glier das Leben in diesem Spiel «grunds¨atzlich zu ersetzen durch den Menschen, ‹Jedermann› oder beliebige Standestypen» (S. 557). W¨ahrend Catholy und Heger (De Boor/Newald) das St¨uck als «fr¨uhneuzeitliches» Fastnachtspiel einstufen, das «Allegorie, christliche Lehre und allgemeine Didaktik» (S. 309 bzw. S. 286) verbinde, schl¨agt Bichel die Bezeichnung «Moralit¨at» vor (vgl. → Erfurter Moralit¨at). ¨ Uberlieferung: Druck: L¨ubeck, Joh. Ballhorn, 1576 (mnd. Schriftsprache l¨ubischer Pr¨agung), Exemplar: Wolfenb¨uttel, HAB, 177.2 Poet. Ausgaben: Adelbert von Keller: Fastnachtsspiele aus dem f¨unfzehnten Jh. Tl. 2 (Bibl. des Litterarischen Vereins in Stuttgart 29). Stuttgart 1853 (Nachdr. Darmstadt 1965) S. 1065–1074 (Nr. 121). – Mnd. Fastnachtspiele. Mit Einl. und Anm. hg. v. Wilhelm Seelmann (Drucke des Vereins f¨ur nd. Sprachforschung 1). Norden/Leipzig 1885, S. 31–48. 2. umgearb. Aufl. Neum¨unster 1931, S. 81–94. Literatur: Ulf Bichel, VL2 6 (1987) Sp. 402 f. – De Boor/Newald 4/1 (21994) S. 275, 286; 4/2 (1973) S. 331. – Wilhelm Mantels: Zwiegespr¨ach zwischen dem Leben und dem Tode. In: NdJb 1 (1875) S. 54–56. – Ders.: Noch einmal das Zwiegespr¨ach zwischen dem Leben und dem Tode. In: NdJb 2 (1876) 131–133. – Ders.: Nachtr¨age. I. Zu Jg. 1, S. 54 f., 2, S. 131 f. In: NdJb 3 (1877) S. 161–163. – Christoph Walther: Ueber die L¨ubeker Fastnachtspiele. In: NdJb 6 (1880) S. 6–31. – Seelmann (s. Ausg.). – Eckehard Catholy: Das Fastnachtspiel des Sp¨atMA. Gestalt und Funktion (Hermaea NF 8). T¨ubingen 1961, S. 309, 313, 316. – Ingeborg Glier: Personifikationen im dt. Fastnacht1305
2. H¨alfte 15. Jh. spiel des Sp¨atMA. In: DVjs 39 (1965) S. 542–587, bes. S. 556 f. BJ Henselin («Henselyns boek»). – Nd. Fastnachtspiel, Ende 15. Jh. Bei dem u¨ berlieferten Text handelt es sich um eine u¨ berarbeitete Fassung des 1484 in L¨ubeck aufgef¨uhrten Spiels van der rechtverdicheyt. Nach einer unterweisenden Einf¨uhrung tr¨agt ein Vater als sein Verm¨achtnis («testament») den drei S¨ohnen auf, die «rechtferdicheyt» zu suchen. Begleitet von dem weisen Narren Henselin, sprechen sie mit dem Papst und dem Kaiser, mit F¨ursten, Edelleuten, Landsknechten und Bauern. Nach einer Beratung mit Henselin und dessen St¨adteschelte setzen sie die Suche fort (Weltklerus, Trinker, Frauen) und erfahren nach einer Frauenschelte Henselins von Mo¨ nchen: «De rechtferdicheit [...] kranket in der werlt wert draden dregen tograue» (V. 223 und 226). Daraufhin kehren sie zur¨uck, teilen dem Vater die erfolglose Suche mit und kommen schließlich zur Erkenntnis, die gesuchte «rechtferdicheyt» sei nur in ihnen selbst zu finden. Ihrem Gel¨obnis («Vader wy wyllen vns tor rechtferdicheyt keren», V. 295) folgt die abschließenden Scheltrede Henslins, in der er seine Sicht der «rechtferdicheyt» darlegt. ¨ Uberlieferung: Henselynsboek, o. O. u. J. [L¨ubecker: Mohnkopfoffizin, zwischen 1497 und 1500]; Exemplar: Hamburg, SUB, cod. in scrin. 175 g (mnd. mit ostf¨alischen Merkmalen). Ausgaben: C[hristoph] Walther: Das Fastnachtsspiel Henselin Oder von der Rechtfertigkeit. In: NdJb 3 (1877) S. 9–23 (zit.). – Corad Borchling/ Hermann Quistorf: Tausend Jahre Plattdeutsch. Proben nd. Sprache und Dichtung. Gl¨uckstadt 1927, S. 129–141. Literatur: Ulf Bichel, VL2 3 (1981) Sp. 1012–1014. – Claudia H¨andl, Killy2 5 (2009) S. 280 f. – Carl Wiechmann: Henselins bˆok. In: Serapeum 23 (1862) S. 178–185. – Walther 1877 (s. Ausg.) S. 24–36. – Ders.: Zum Fastnachtspiel H. In: NdJb 5 (1879) S. 173–179. – Carl F. Wehrmann: Die Fastnachtspiele der Patrizier in L¨ubeck. In: ebd. 6 (1880/81) S. 1–5. – Christoph Wal¨ ther: Uber die L¨ubecker Fastnachtspiele. In: ebd., S. 6–31. – Friedrich Prien: Van den Detmerschen is dyt Ghedicht. In: ebd. 10 (1884) S. 89–102. – Herman Brandes: Die litterarische T¨atigkeit des Verfassers des Reinke. In: ZfdA 32 (1888) S. 24–41. – Ders. (Hg.): Die j¨ungere Glosse zum ‹Reinke de Vos›. Halle/S. 1891, S. XXII–XXIV. – Ders. 1306
2. H¨alfte 15. Jh. (Hg.): Dat Narrenschyp von Hans van Ghetelen. Halle/S. 1914, S. IX–XXXVII. – Eckehard Catholy: Das Fastnachtspiel des Sp¨atMA (Hermaea NF 8). T¨ubingen 1961, bes. S. 303–306. – Ingeborg Glier: Personifikationen im dt. Fastnachtspiel des Sp¨atMA. In: DVjs 39 (1965) S. 542–587, bes. S. 546, 582 f. – Olaf Schwencke: Ein Kreis sp¨atma. Erbauungsschriftsteller in L¨ubeck. In: NdJb 88 (1965) S. 20–58. – Eckehard Catholy: Fastnachtspiel (Slg. Metzler 56). Stuttgart 1966, bes. S. 69 f. – David Brett-Evans: Von Hrotsvit bis Folz und Gengenbach. Eine Gesch. des ma. dt. Dramas. Tl. 2: Religi¨ose und weltliche Spiele des Sp¨atMA (Grundlagen der Germanistik 18). Berlin 1975, S. 53 f. – Brigitte Schulte: Das ‹Henselynsboek› als Erbauungsschrift. Versuch einer Interpretation. In: Franco-Saxonica. Mu¨ nstersche Stud. zur ndl. und nd. Philologie. FS Jan Gossens. Neum¨unster 1990, S. 319–342. – Eckehard Simon: Organizing and Staging Carnival Plays in Late Medieval Lubeck: A New Look at the Archival Record. In: The Journal of English and Germanic Philology 92 (1993) S. 57–72. – Ders.: Die L¨ubecker Fastnachtspiele (1430–1523). In: Jeux de Carnaval et Fast´ nachtspiele. Actes du Colloque du Centre d’Etudes M´edi´evales de l’Universit´e de Picardie Jules Verne, 14 et 15 Janvier 1994. Hg. v. Danielle Buschinger/ Wolfgang Spiewok (Wodan 40). Greifswald 1994, S. 153–163. BJ Mittelniederdeutsche Praelocutor-Rolle. – Fragment eines Osterspiels. Bei der M. P.-R. handelte es sich strenggenommen nicht um eine vollst¨andige Rolle, sondern nur um ein Einzelblatt im Registerformat. Das heute verschollene Blatt enthielt 59 Verse in mnd. Paarreimen und eine lat. Regieanweisung, die aus einem Praelocutor-Rollentext stammten. Das Bruchst¨uck war nicht vollst¨andig u¨ berliefert, da mindestens ein Reim fehlte. Unbekannt ist bis heute der Spieltext, in den das anonyme Fragment urspr¨unglich eingebettet war. Fr¨uher wurde die Rolle f¨alschlich einer Marienklage zugeordnet. Die Marienklage kennt jedoch keinen Praelocutor; zudem finden sich im u¨ berlieferten Text Verweise auf den Ostermorgen und Marias Besuch am Grab Jesu. Somit d¨urfte der Text aus einem Osterspiel stammen. Wie sich aus dem Fragment schließen l¨asst, traten in dem Spiel mindestens drei Marienfiguren auf. Der Praelocutortext k¨undigt diese jeweils einzeln an, identifiziert sie aber nicht durch 1307
Mittelniederdeutsche Praelocutor-Rolle Beinamen. Es k¨onnten also auch Maria Magdalena oder Maria Kleopha darunter gewesen sein. Der Praelocutor preist die Marien f¨ur ihre Gnadentaten, tr¨ostet sie wegen des Todes Jesu und verweist auf die g¨ottliche Vergebung aller ihrer S¨unden. Mit diesem Vergebungsgedanken bricht die Rolle ab. ¨ Uberlieferung: Ehem. Privatbesitz von Hans Mu¨ ller-Brauel, Haus Sachsenheim bei Zeven, Nr. 39, 1 Bl. (Pap., Ende 15. Jh., mnd., zwei H¨ande; verschollen). Ausgabe: Fritz Goebel: Praelocutio eines mnd. Osterspiels. In: NdJb 22 (1896) S. 144–146. Literatur: Hansj¨urgen Linke, VL2 6 (1987) Sp. 623. – Goebel (s. Lit.). – Rolf Steinbach: Die dt. Oster- und Passionsspiele des MA (K¨olner germanistische Stud. 4). K¨oln/Wien 1970, S. 228 mit Anm. 4, S. 272. – Rolf Bergmann: Kat. der deutschsprachigen geistlichen Spiele und Marienklagen des MA (Ver¨off. der Kommission f¨ur dt. Lit. des MA der Bayerischen Akad. der Wiss.). M¨unchen 1986, S. 388 f. (Nr. 191). MM Pfarrkircher Passions- und Emmausspiel → Sterzinger Passionsspiele. Sterzinger Passionsspiele. – Gruppe geistlicher Spiele. In Sterzing sind seit 1455 Auff¨uhrungen von P. nachweisbar, in denen Mitglieder des gehobenen Sterzinger B¨urgertums als Darsteller mitwirkten. Eine bedeutende Rolle spielte in diesem Zusammenhang der 1552 verstorbene Wappenmaler Vigil → Raber. Er engagierte sich als Spielleiter und Schauspieler, trat aber auch als Sammler und Bearbeiter geistlicher und weltlicher Spiele hervor. Seine umfangreiche Sammlung von Spielmanuskripten und Requisiten ging nach Rabers Tod an die Stadt Sterzing u¨ ber. Im dortigen Stadtarchiv lagert heute die wichtigste Sammlung von historischen Tiroler Spielen, darunter auch die drei Handschriften der S. P. Diese drei Spiele werden allgemein als Pfarrkirchers Passion (auch S. P. von 1486, Pf), S. P. von 1496 und 1503 (St) sowie S. P. der Mischhandschrift (M) bezeichnet. Weitere Passionsspiele aus den Jahren 1489 und 1534 sind nur indirekt durch Verzeichnisse Rabers nachweisbar. Die u¨ berlieferten S. P. sind in s¨udbair. Paarreimen mit lat. Gesangszeilen und Regieanweisungen verfasst. Pf und St enthalten auch Gesangsmelodien. 1308
Sterzinger Passionsspiele Allen drei S. P. ist die enge Anlehnung an die Liturgie ihrer jeweiligen Auff¨uhrungs-Feiertage gemeinsam. Pf stammt aus dem Jahr 1486 und ist nach dem Sterzinger Kirchpropst Lienhard Pfarrkircher benannt, einem Vorbesitzer der u¨ berlieferten Handschrift. Er engagierte sich 1496 und 1503 in der Rolle des Pr¨acursors in den jeweiligen Auff¨uhrungen der S. P. F¨ur das Entstehungsjahr der Handschrift ist allerdings keine Auff¨uhrung nachgewiesen. Das erhaltene Manuskript d¨urfte als Reinschrift zur Sicherung des Texts gedient haben und muss nicht von Pfarrkircher selbst verfasst worden sein. Inhaltlich besteht das vierteilige Pf aus einem Gr¨undonnerstags-, Karfreitags-, Emmausund Osterspiel. Insgesamt reicht Pf von der Beratung der Juden vor dem Abendmahl bis zu den Versuchen der Teufel, die nach Christi Besuch leerer gewordene H¨olle durch frische Seelen aufzuf¨ullen. Im Gegensatz zu anderen P. ist in Pf auch die St¨andesatire integriert. Das Emmausspiel ist gegen¨uber anderen Tiroler P. auffallend kurz, auch werden komische Elemente nur selten verwendet. Das Manuskript von St wurde zun¨achst als Regiebuch f¨ur die Auff¨uhrung von 1496 benutzt. Sp¨ater wurden im Spielerverzeichnis die Darstellernamen mit Papierstreifen u¨ berklebt, auf denen die Namen anderer Darsteller angegeben waren. Daraus ergibt sich eine Verwendung der Handschrift auch f¨ur die Passionsspielauff¨uhrung von 1503. Die Handschrift enth¨alt ein Gr¨undonnerstags- und Karfreitagsspiel, das von der Beratung der Juden bis zur Verhaftung des Joseph von Arimath¨aa reicht. Das tats¨achlich aufgef¨uhrte Spiel d¨urfte jedoch umfangreicher gewesen sein und auch den Ostersonntag einbezogen haben. Entsprechende Hinweise finden sich in den Ansprachen des Pr¨acursors und im Spielerverzeichnis. St sowie Pf sind mit dem → Bozner Passionsspiel von 1495 verwandt. Unter den S. P. ist u¨ ber den Kontext von M am wenigsten bekannt. Die u¨ berlieferte Mischhandschrift wurde um 1530 bis 1550 geschrieben und laut schriftlichem Vermerk von einem Johannes Gotzhilff fertiggestellt. Eine nachweisliche Auff¨uhrung kann mit M nicht in Verbindung gebracht werden, daher k¨onnte es sich ebenso um ein Regie- wie um ein Lesemanuskript gehandelt haben. Enthalten sind darin ein Palmsonntagsund ein Gr¨undonnerstagsspiel. Das Palmsonntagsspiel reicht von der Versuchung Jesu bis zu dessen Befragung durch den Hohen Rat der Juden. 1309
2. H¨alfte 15. Jh. Das Gr¨undonnerstagsspiel beginnt mit der Teufelsverschw¨orung gegen Jesus und endet mit der Verleugnung des Petrus. Besonders im Gr¨undonnerstagsspiel zeigen sich Erweiterungen gegen¨uber anderen P. Inhaltlich und textlich verwandt ist M mit zwei anderen Spielen: im Palmsonntagsspiel mit dem Bozner Passionsspiel von 1514 (Große Bozner Passion) und im Gr¨undonnerstagsspiel mit dem Haller Passionsspiel. Sterzing war eines der wichtigsten Zentren ma. Spielkultur. Diese spiegelt sich auch in den dort bis in die Neuzeit aufgef¨uhrten P. wider. In ihren Szenenfolgen und ihrer N¨ahe zu den Spielen Halls und Bozens zeigt sich deutlich die tiefe Verwurzelung der S. P. in der von Raber verk¨orperten Tiroler Spieltradition. ¨ Uberlieferung: 1. Pfarrkirchers Passion: Sterzing, Stadtarch., Hs. XVI, 1r–88r (Pap., Sterzing, 1486, s¨udbair.). – 2. S. P. von 1496 und 1503: Ebd., Hs. II, 1r–48v (Pap., um Sterzing, 1496, su¨ dbair.). – 3. Mischhs.: Ebd., Hs. XIII, 1r–43r, 50v–85v (Pap., Sterzing, um 1530–50, su¨ dbair.). – Hinzu kommen Spielerverz. Rabers in: ebd., Hs. XI (Pap., Sterzing, 1496). Ausgaben: Altdt. Passionsspiele aus Tirol, mit Abh. u¨ ber ihre Entwicklung, Composition, Quellen, Auff¨uhrungen und litterarhist. Stellung. Hg. v. Josef E. Wackernell. Graz 1897 (Neudr. Walluf 1972) S. 1–315, 433–480. – Die geistlichen Spiele des Sterzinger Spielarch. Hg. v. Walther Lipphardt/ Hans-Gert Roloff. Bd. 2. Bern u. a. 1988, S. 7–331; Bd. 4, ebd. 1990, S. 97–255 (Teilausg.). Literatur: De Boor/Newald 4/1 (21994) S. 249. – Norbert R. Wolf, VL2 9 (1995) Sp. 316–320; 11 (2004) Sp. 1459 f. – Franz K¨orndle: Liturgische Dramen, Geistliche Spiele. In: MGG2 Sachteil 5 (1996) Sp. 1388–1412. – R¨udiger Brandt: Passionsspiele. In: KLL3 12 (2009) S. 577–581. – Bernd Neumann/Hannes Obermair: Tiroler Spiele. In: Killy2 11 (2011) S. 546–548. – Wackernell (s. Ausg.) S. XIII, L–XCIV, CCXLVI–CCLVII. – Ernst August Schuler: Die Musik der Osterfeiern, Osterspiele und Passionen des MA. Kassel u. a. 1951, S. 100 f. – Anton D¨orrer: Sterzinger B¨urger- und Spielkultur. In: Sterzinger Heimatbuch. Hg. v. Anselm Sparber. Innsbruck 1965, S. 237–284. – Rolf Steinbach: Die dt. Oster- und Passionsspiele des MA. Versuch einer Darst. und Wesensbestimmung nebst einer Bibliogr. zum dt. geistlichen Spiel des MA. 1310
2. H¨alfte 15. Jh. K¨oln u. a. 1970, S. 77–79, 181–203. – Barbara Thoran: Stud. zu den o¨ sterlichen Spielen des dt. MA. (Ein Beitr. zur Kl¨arung ihrer Abh¨angigkeit voneinander). 2., durchges. und erg. Aufl. (GAG 199). G¨oppingen 1976, passim. – Walther Lipphardt: Musik in den sp¨atma. P. und Osterspielen v. Bozen, Sterzing, und Brixen. In: Tiroler Volksschauspiel. Beitr. zur Theatergesch. des Alpenraumes. Hg. v. Egon K¨uhebacher. Bozen 1976, S. 127–166. – Rolf Bergmann: Kat. der deutschsprachigen geistlichen Spiele und Marienklagen des MA (Ver¨off. der Kommission f¨ur Dt. Lit. des MA der Bayerischen Akad. der Wiss.). M¨unchen 1986, Nr. 135, 144, 147 f. – Bernd Neumann: Das sp¨atma. geistliche Spiel in Tirol. In: Die o¨ sterr. Lit. Ihr Profil v. den Anf¨angen im MA bis ins 18. Jh. (1050–1750). Bd. 1. Hg. v. Herbert Zeman. Graz 1986, S. 521–545. – B. Neumann: Geistliches Schauspiel im Zeugnis der Zeit. Bd. 1 (MTU 84). Mu¨ nchen/Z¨urich 1987, S. 646–672. – Osterspiele. Texte und Musik. Akten des 2. Symposiums der Sterzinger Osterspiele, 12.–16.4.1992. Hg. v. Max Siller. Innsbruck 1994. – ¨ Andreas Traub: Uberlegungen zur Edition v. Melodien in geistlichen Spielen, an Beispielen aus dem Sterzinger Spielarch. In: Editionsber. zur ma. dt. Lit. Beitr. der Bamberger Tagung ‹Methoden und Probleme der Edition ma. dt. Texte›, 26.–29. Juli 1991 (Litterae 117). Hg. v. Anton Schwob u. a. G¨oppingen 1994, S. 255–259. – Lit. und Sprache in Tirol. Von den Anf¨angen bis zum 16. Jh. Akten des 3. Symposiums der Sterzinger Osterspiele (10.–12. April 1995). Hg. v. Michael Gebhardt/M. Siller. Innsbruck 1996. – Vigil Raber. Zur 450. Wiederkehr seines Todesjahres. Akten des 4. Symposiums der Sterzinger Osterspiele (25.–27.3.2002). Hg. v. M. Gebhardt/Max Siller. Innsbruck 2004. – Peter Macardle: The St Gall Passion Play. Music and Performance. Amsterdam 2007, passim. MM Augsburger Passionsspiel. – Ostschw¨abisches Passions- und Osterspiel, letztes Viertel des 15. Jh. Der Anfang des eint¨agigen, vermutlich in Augsburg aufgezeichneten Spiels fehlt. Der erhaltene Grundtext umfasst 2174 Verse. Er beginnt mit einer Beratung der Juden und der Vorhersage des bevorstehenden Leidens und der Auferstehung Jesu. Dem Abendmahl gehen folgende Szenen vorauf: Gastmahl des Simon Leprosus, Salbung Jesu durch Maria Magdalena, Gespr¨ach zwischen Maria und Jesus, Verrat des Judas, Bitte Marias an Judas (!), Jesus zu besch¨utzen (vgl. Passionstraktat 1311
Augsburger Passionsspiel des → Heinrich von St. Gallen). Die eigentliche Passion wird ausf¨uhrlich geschildert. Dem sich an die Grablegung anschließenden, unverh¨altnism¨aßig kurzen Osterspiel (Bestellung der Grabwache, Auferstehung, Erwachen und Flucht der Grabw¨achter) ließ der unbekannte Verfasser einen wesentlich ausf¨uhrlicheren Alternativschluss von 430 Versen folgen: H¨ollenfahrt, Auferstehung, Jesu Erscheinung vor Maria, «visitatio sepulchri», Erwachen der Grabw¨achter. Die f¨ur Oster- und Passionsspiele sehr seltende dogmatische Korrektheit der Reihenfolge von «descensus» und Auferstehung ist auch in der → Frankfurter Dirigierrolle, im → Osnabr¨ucker Osterspiel und im → K¨unzelsauer Fronleichnamsspiel zu finden. Im Unterschied zur ersten Fassung des Osterspiels, in dem das musikalische Element fast zur G¨anze in den Hintergrund getreten ist, weist die zweite Fassung viele lat.-liturgische Ges¨ange auf. Auffallend ist – vor allem in der eigentlichen Passion – die Aufnahme von Elementen der Alltagsrealit¨at (z. B. Rechtsgebr¨auche wie Stabbrechen und o¨ ffentliche Ausrufung des Urteils durch einen B¨uttel). F¨ur das A. P., das textlich mit den Tiroler Passionsspielen verwandt ist, waren 11 bzw. 13 (bei der zweiten Fassung des Schlusses) und 69 bzw. 88 Mitwirkende erforderlich. Es war zusammen mit dem Passionsspiel von 1566 des Augsburger Meisters¨angers Sebastian Wild (gest. 1583) Grundlage des 1634 erstmals aufgef¨uhrten Oberammergauer Passionsspiels. ¨ Uberlieferung: Mu¨ nchen, BSB, Cgm 4370, noch 66 Bll. (Pap., letztes Viertel 15. Jh., ostschw¨abisch). Ausgabe: August Hartmann (Hg.): Das Oberammergauer Passionsspiel in seiner a¨ ltesten Gestalt. Leipzig 1880, S. 3–95. Literatur: Hansj¨urgen Linke, VL2 1 (1978) Sp. 525–527. – Bernd Neumann/Red., Killy2 1 (2008) S. 254 f. – Rolf Steinbach: Die dt. Osterund Passionsspiele des MA (K¨olner germanistische Stud. 4). K¨oln/Wien 1970, S. 205–215. – Barbara Thoran: Stud. zu den o¨ sterlichen Spielen des dt. MA. (Ein Beitr. zur Kl¨arung ihrer Abh¨angigkeit voneinander). 2., durchges. und erg. Aufl. (GAG 199). G¨oppingen 1976. – Hans P¨ornbacher: Lit. in Bayerisch Schwaben. Von der ahd. Zeit bis zur Gegenwart (Beitr. zur Landeskunde von Schwaben 6). Weißenhorn 1979, S. 31 (Nr. 59). – Rolf Bergmann: Kat. der deutschsprachigen geistlichen Spiele und Marienklagen des MA (Ver¨off. 1312
Hessisches Weihnachtsspiel der Kommission f¨ur dt. Lit. des MA der Bayerischen Akad. der Wiss.). M¨unchen 1986, S. 260–262 (Nr. 116). – B. Neumann: Geistliches Schauspiel im Zeugnis der Zeit. Zur Auff¨uhrung ma. religi¨oser Dramen im dt. Sprachgebiet (MTU 84.85). Mu¨ nchen/Z¨urich 1987, Bd. 2, S. 828 (Nr. 3608). – Antje Knorr: Die Passionspiele im alemannischen Raum. In: H¨ort, sehet, weint und liebt. Passionsspiele im alpenl¨andischen Raum. Katalogbuch zur Ausstellung im Ammergauer Haus, Oberammergau, 28. Mai bis 30. September 1990. Hg. v. Michael Henker u. a. (Ver¨off. zur bayerischen Gesch. und Kultur 20). Mu¨ nchen 1990, S. 49–60. BJ Augsburger Georgspiel. – Legendenspiel, kurz vor 1486 aufgezeichnet. Das unter dem Titel Ain h¨upsch spil von sant J¨origen vnd des kungs von Libia tochter vndwie sy erl¨ost ward (1508 Verse) u¨ berlieferte Spiel in dt. Sprache mit 32 Sprechrollen (hinzu kamen Statisten [‹Volk›] und die Personen im Drachen) handelt von der Rettung der heidnischen K¨onigstochter Elia von Libia vor einem Drachen und der Bekehrung ihres Volkes durch den hl. Georg, dessen Martyrium nicht thematisiert wird. Ein Akrostichon der Verse 1479–1486 nennt «Dawid Lwb» (Biermann 1977, S. 119 f.; Ukena, S. 361) als vermutlichen Verfasser des Spiels um den Nothelfer Georg, das in der Handschrift unmittelbar auf das → Augsburger (s¨udbairische) Heiligkreuzspiel folgt. Quelle war vor allem die Legenda aurea des → Jacobus a Voragine. Das zweiteilig angelegte, zahlreiche unterweisende Abschnitte enthaltende Spiel schildert nach dem Prolog (V. 1–28) im ersten Handlungsteil die Beratung u¨ ber die Situation in der vom Drachen bedrohten Stadt (V. 28a–192) und die Auslosung der Menschenopfer (V. 192a–716), durch welche die Gefahr abgewendet werden soll. Im zweiten Teil folgt der Konversion der K¨onigstochter (V. 716a–1126, mit dem Dialog Georg/Elia) die Bekehrung der Bev¨olkerung (V. 1126a–1474, mit dem Drachenkampf [V. 1150a–1184]). Der Epilog umfasst die Verse 1474a–1508. Zahlreiche Regieanweisungen im A. G., das kurz vor 1486 zu Lesezwecken festgehalten wurde, lassen vermuten, dass dem Abschreiber ein Auff¨uhrungsmanuskript vorgelegen hat. Auff¨uhrungen des Georgsspiels, dessen Handlung eine Simultanb¨uhne mit ca. neun B¨uhnenst¨anden vorsah, in Augsburg sind nicht belegt, wohl aber f¨ur Colmar (1443), Dortmund (1497), Wil/Schweiz 1313
2. H¨alfte 15. Jh. (15. Jh.), Straßburg (1507) und Zabern (1537, 1543). ¨ Uberlieferung: Augsburg, Staats- und Stadtbibl., Cim. 31 (fr¨uher 4° Cod. Halder 27), 90r–135r (ca. 1486–1520). Die Handschrift stammt aus dem Besitz und teilweise von der Hand des Augsburger Kaufmanns Claus Spaun. Ausgaben: Benedikt Greiff: Ein Spiel von S. Georg 1473. In: Germania 1 (1856) S. 165–191. – Adelbert von Keller (Hg.): Fastnachtspiele aus dem f¨unfzehnten Jh. Nachlese (Bibl. des Litterarischen Vereins in Stuttgart 46). Stuttgart 1858 (Nachdr. Darmstadt 1966) S. 130–182 (Nr. 126). – Elke Ukena: Die dt. Mirakelspiele des Sp¨atMA. Stud. und Texte (Europ¨aische Hochschulschr. I,115; Arbeiten zur Mittleren Dt. Lit. und Sprache 1). Bern, Frankfurt/M. 1975, Tl. 2, S. 359–451. Literatur: Heinrich Biermann, VL2 1 (1978) Sp. 519–521. – De Boor/Newald 4/1 (21994) S. 268. – Bernd Neumann/Red., Killy2 1 (2008) S. 252 f. – Rainer Kindinger: Der Drachenkampf im dt. Volksspiel. Diss. Wien 1939. – Monika Schwarz: Der heilige Georg – Miles Christi und Drachent¨oter. Wandlungen seines literarischen Bildes in Deutschland von den Anf¨angen bis in die Neuzeit. Diss. K¨oln 1972. – Ukena (s. Ausg.) S. 359–382, 441–451. – H. Biermann: Die deutschsprachigen Legendenspiele des sp¨aten MA und der fr¨uhen Neuzeit. Diss. K¨oln 1977, S. 119–138. – Rolf Bergmann: Kat. der deutschsprachigen geistlichen Spiele und Marienklagen des MA (Ver¨off. der Kommission f¨ur dt. Lit. des MA der Bayerischen Akad. der Wiss.). M¨unchen 1986, S. 49–51 (Nr. 10). – B. Neumann: Geistliches Schauspiel im Zeugnis der Zeit. Bd. 1 (MTU 84). Mu¨ nchen 1987, S. 121. Bd. 2 (MTU 85). Ebd. 1987, S. 827 (Nr. 3606). – Ursula Schulze: Geistliche Spiele im MA und in der Fr¨uhen Neuzeit. Von der liturgischen Feier zum Schauspiel. Eine Einf. Berlin 2012, S. 190 f. BJ Hessisches Weihnachtsspiel (auch: Kasseler Weihnachtsspiel). – Geistliches Spiel, zweite H¨alfte 15. Jh. Bei dem u¨ berlieferten Text (870 Verse, Z¨ahlung ohne Ber¨ucksichtigung der Einsch¨ube, Nachtr¨age und Gesangswiederholungen) handelt es sich um die Bearbeitung einer a¨lteren Vorlage. Das mit einem Prolog beginnende Spiel umfasst das Weihnachtsgeschehen von der Verk¨undigung ¨ Mari¨a bis zum Entschluss zur Flucht nach Agypten. 1314
2. H¨alfte 15. Jh. Dreik¨onigs- oder Herodesszenen kommen nicht vor. Auf die Geburt Jesu (nur B¨uhnenanweisung, vielleicht pantomimisch dargestellt) folgt als Mittelpunkt des Spiels das Kindelwiegen (vgl. De investigatione Antichristi [1161/62] Gerhohs von Reichersberg als erstes, wenn auch ablehnendes Zeugnis einer Kindelwiegenfeier): Joseph, sein Knecht Stellenfro, f¨unf «cantores», f¨unf «puellae» bzw. «virgines» und die Hirten tanzen um die Wiege des Neugeborenen. Neben dieser r¨uhrenden Szene mit mehreren lat. und volkssprachigen Ges¨angen (ohne Noten, nur Incipit der Texte angebenen; gesungen von Engeln, aber auch vom Neugeborenen) enth¨alt das H. W. – wie die meisten Osterspiele – auch derb-komische Passagen mit den Wirten, Knechten und M¨agden. Der auf Josephs Klagen u¨ ber die Armut der Hl. Familie folgende Streit mit den M¨agden (mit Alternativfassung) folgt die Beratung der Teufel («Luciper», «Sathanas», «Beelzebuck») u¨ ber die Folgen der Geburt Jesu. Die das Teufelsspiel abschließende Warnung des «Luciper» vor schlechtem Hausgesinde beendet in einer anderen Fassung das gesamte Spiel. Mit seinen Hinweisen auf die Passion Christi, seine H¨ollenfahrt und die Erl¨osung der Menschen stellt das H. W. das Weihnachtsgeschehen als Teil des g¨ottlichen Heilsplans dar. ¨ Uberlieferung: Kassel, UB/LMB, 2° Ms. poet. et roman. 19 (Pap., Hessen [Friedberg ?], um 1486, mittelhessisch; f¨unf Schreiber). Ausgaben: Karl Wilhelm Piderit: Ein Weihnachtsspiel aus einer Hs. des 15. Jh. [...]. Parchim 1869. – Richard Froning (Hg.): Das Drama des MA. Tl. 3 (Dt. National-Litteratur 14,3). Stuttgart 1892 (Nachdr. Darmstadt 1964) S. 904–937. – Staatliche Kunstgewerbeschule in Kassel (Hg.): Ein hessisches Weihnachtsspiel aus dem 15. Jh. Kassel 1922. – Walther Lipphardt: Das ‹H. W.›. In: Die Weihnachtsgesch. (Convivium Symbolicum 2). Hg. v. Eberhard Lutze/Klaus Blum. Bremen 1959, S. 29–48 (mit Musikbeilage). ¨ Nhd. Ubersetzungen: Arthur Bonus: Dt. Weihnacht. Spiel und Lied aus alter Zeit. Mit einer Einf. (Die Fruchtschale. Eine Slg. 18). Mu¨ nchen/ Leipzig o. J., S. 114–141. – Ansgar P¨ollmann, in: Gottesminne 2 (1904) 556 f., 609–616, 671 f.; 3 (1905) 49–53, 167 f., 221–223, 277–279, 386–389, 446 f., 500–503, 565–567, 627–630, 694 f. – Konrad Ameln: H. W. (M¨unchener Laienspiele 26). M¨unchen 1926 (mit Musikbeilage). Literatur: Walther Lipphardt, VL2 3 (1981) Sp. 1197–1200. – De Boor/Newald 4/1 (21994) 1315
Rumpolt- und Marethspiele S. 259. – Bernd Neumann/Red., Killy2 5 (2009) S. 373 f. – R[udolf] Jordan: Das Sterzinger Weihnachtsspiel vom Jahre 1511 und das hessische Weihnachtsspiel. In: Jahresber. des k. k. StaatsObergymnasiums in Krumau 29 (1901/02) S. 1–30; ¨ 30 (1902/03) S. 1–32. – Erich Reinhold: Uber Sprache und Heimat des ‹H. W.s›. Diss. Marburg 1909. – Hans Heckel: Das dt. Weihnachtsspiel (Dichter und B¨uhne 1). Augsburg 1921. – Hans Malberg: Wechselbeziehungen zwischen Weihnachtsspiel und Weihnachtsbild im dt. MA. Diss. Jena 1922. – Luise Berhold: Die Kindelwiegenspiele. In: PBB 56 (1932) S. 208–224. – Georg Bencker: Das dt. Weihnachtsspiel. Diss. Greifswald 1933. – Hanns Ott: Personengestaltung im geistlichen Drama des MA. Diss. Bonn 1939. – David Brett-Evans: Von Hrotsvit bis Folz und Gengenbach. Eine Gesch. des ma. dt. Dramas. Tl. 1: Von der liturgischen Feier zum volkssprachlichen Spiel (Grundlagen der Germanistik 15). Berlin 1975, S. 183–188. – Rolf Bergmann: Kat. der deutschsprachigen geistlichen Spiele und Marienklagen des MA (Ver¨off. der Kommission f¨ur dt. Lit. des MA der Bayerischen Akad. der Wiss.). M¨unchen 1986, S. 174–176 (Nr. 71). – B. Neumann: Geistliches Schauspiel im Zeugnis der Zeit. Zur Auff¨uhrung ma. religi¨oser Dramen im dt. Sprachgebiet (MTU 84.85). Mu¨ nchen 1987, Bd. 2, S. 840 (Nr. 3630). – Albrecht Classen: Das H. W. Ein Dokument der sp¨atma./fr¨uhneuzeitlichen Mentalit¨atsgesch. In: Daphnis 21 (1992) S. 567–600. – Ursula Schulze: Geistliche Spiele im MA und in der Fr¨uhen Neuzeit. Von der liturgischen Feier zum Schauspiel. Eine Einf. Berlin 2012, S. 75–77. BJ Rumpolt- und Marethspiele. – Volkssprachige Fastnachtspiele. Die R.- u. M. geh¨oren zu den volkssprachigen Fastnachtsspielen des MA. Vier Spiele sind u¨ berliefert: Ein recht von Rumpolt und Marecht dy yn dy ee ansprach (I) in einer Wiener Handschrift (s. ¨ Uberlieferung), Daz consistorj mit dem rumpold (II) in einem Codex des Spielesammlers Benedikt Debs, schließlich zwei von Vigil → Raber gesammelte Consistory Rumpoldi (III, IV) in Sterzinger Handschriften. Die Grundhandlung des Spiels ist immer gleich: Das Bauernm¨adchen Mareth klagt vor einem geistlichen Gericht gegen den Knecht Rumpolt. Dieser habe ihr die Ehe versprochen und sie dann 1316
Rumpolt- und Marethspiele verf¨uhrt, was Rumpolt abstreitet. Mareths Mutter und die Magd Ruley treten als Zeugen gegen den Knecht auf. Die Einw¨ande von Rumpolts Vater bleiben ohne Wirkung, da der Knecht sich zu¨ letzt als Ubelt¨ ater verr¨at. Nach seiner Verurteilung wollen die Anw¨alte seiner Familie in Berufung gehen, doch Rumpolts Vater entscheidet sich f¨ur eine Heirat Rumpolts mit dem M¨adchen. Man vers¨ohnt sich und beendet das St¨uck mit einem Tanz. Die vier Texte sind in meist vierhebigen Paarreimen und u¨ berwiegend in dt. Sprache abgefasst. Lat. sind nur die Regieanweisungen und einzelne Dialogabschnitte der auftretenden Juristen. Ob¨ wohl inhaltliche und textliche Ubereinstimmungen zwischen den Spielen bestehen, unterscheiden sie sich in mehrfacher Hinsicht. In den individuellen Handlungen variiert etwa der Zeitpunkt von Rumpolts Vereidigung. In III ist auch eine Schlussrede hinzugef¨ugt, in IV ein Prolog und eine obsz¨one Morgengabe-Parodie, was IV zur umfangreichsten Bearbeitung des Stoffes macht. Auch die auftretenden Figuren unterscheiden sich. Die Vorreden etwa werden mal von einem Pedell gehalten, mal von zwei Narren. Rumpolt und Mareth sind u¨ brigens auch in einem anderen, von Raber gesammelten Gerichtsspiel nachweisbar, waren also m¨oglicherweise etablierte Figuren. Die Forschung hat veschiedentlich diskutiert, ob die vier R.- u. M. Redaktionen eines a¨ lteren, obd. ¨ Spiels darstellen. Angesichts der textlichen Ubereinstimmungen liegt es zumindest nahe, von einer Kenntnis der fr¨uher entstandenen Spiele durch die jeweiligen Verfasser auszugehen. In III findet sich auch eine Parallelstelle zu Actum Vasnacht, einem → Rosenpl¨utschen Fastnachtspiel, weshalb man u¨ ber m¨ogliche N¨urnberger Vorlagen spekuliert hat. Die neuere Forschung hat u. a. die in allen vier Spielen vorhandene Juristenkritik thematisiert. So erscheinen die Rechtsanw¨alte als geldgierige Winkeladvokaten, denen st¨arker an einem Sieg vor Gericht gelegen ist als an Gerechtigkeit. Die genaue Darstellung juristischer Vorg¨ange unterscheidet die R.- u. M. von anderen Fastnachtspielen. ¨ ¨ Uberlieferung: Spiel I: Wien, ONB, cod. 3027, 281v–295r (Pap., 1494, bair.-o¨ sterr.). – II: Sterzing, Stadtarch., Hs. IV, 44r–50r (Pap., mehrere H¨ande, Mitte bis Ende 15. Jh., s¨udbair., teilweise neumiert, sog. Debs-Kodex). – III: Ebd., Ms. 1, 1r–12r (Pap., 1510). – IV: Ebd., Ms. 7, 1r–20r (Pap., Vigil Raber, 1511). Ausgaben: Adelbert von Keller (Hg.): Fastnachtspiele aus dem 15. Jh. Bd. 2. Stuttgart 1853 1317
2. H¨alfte 15. Jh. (Nachdr. Darmstadt 1965) S. 987–1007; Bd. 4, 1858 (Nachdr. 1966), S. 246–264 (Spiele I, II). – Sterzinger Spiele nach den Aufzeichnungen des Vigil Raber. Bd. 1. Hg. v. Oswald Zingerle. Wien 1886, S. 1–23, 114–145 (Spiele III, IV; diese Ausg. war Grundlage sp¨aterer Ausg.). – Fastnachtspiele des 15. und 16. Jh. Hg. v. Dieter Wuttke. Stuttgart 1973, S. 91–130 (Spiel IV; zahlr. Neuaufl.). – Sterzinger Spiele. Die weltlichen Spiele des Sterzinger Spielarch. nach den Originalhss. (1510–1535) von Vigil Raber und nach der Ausg. Oswald Zingerles (1886). Hg. v. Werner M. Bauer. Wien 1982, S. 295–316, 328–357 (Spiele III, IV). Literatur: Norbert R. Wolf, VL2 8 (1992) Sp. 389–392. – Dieter Trauden/Red.: Spiele von Rumpold und Mareth. In: Killy2 11 (2011) S. 121 f. – Friedrich W. Strothmann: Die Gerichtsverhandlung als literarisches Motiv in der dt. Lit. des ausgehenden MA. Jena 1930 (Nachdr. Darmstadt 1969) S. 9–14. – Anton D¨orrer: Bozner B¨urgerspiele. Bd. 1: Einf. in das Gesamtwerk. Leipzig 1941, S. 49, 103. – Harwick Arch: Die Sterzinger Fastnachtsspiele Vigil Rabers. Diss. Innsbruck 1948, S. 40–50. – David Brett-Evans: Von Hrotsvit bis Folz und Gengenbach. Eine Gesch. des ma. dt. Dramas. Tl. 2: Religi¨ose und weltliche Spiele des Sp¨atMA (Grundlagen der Germanistik 18). Berlin 1975, S. 172–174. – Hans Schuhladen: Vigil Raber und die Tiroler Fastnachtspieltradition. In: DVjs 51 (1977) S. 396–421. – Bauer 1982 (s. Ausg.) S. 514–518, 537 f. – Anton Schwob: Die zeremonielle Entweihung formaler und sprachlicher Rituale in einer sp¨atma. Urkundenparodie. Zu Vigil Rabers ‹Consistory Rumpoldi II›. In: Parodie und Satire in der Lit. des MA. Bearb. v. Edine Breier. Greifswald 1989, S. 113–128. – Ingmar Ten Venne: Erfahrungen ma. Rechtspraxis im N¨urnberger Fastnachtspiel. In: Le droit et sa perception dans la litt´erature et les mentalit´es m´edi´evales. Actes du Colloque du Centre d’Etudes M´edi´evales de l’Universit´e de Picardie, Amiens, 17–19 mars 1989. Hg. v. Danielle Buschinger (GAG 551). G¨oppin¨ gen 1993, S. 195–209. – Francesco Delbono: Uber einen m¨oglichen ‹Hauch› von Renaissance in den Fastnachtspielen und das Tiroler ‹Rumpolt-Spiel›. In: ‹... einen Stein f¨ur den großen Bau behauen.› Stud. zur dt. Lit. FS Gerhard Kosellek. Hg. v. Eugeniusz Klin u. a. Wrocław 1993, S. 35–43. – D. Trauden: ‹... daz man dier die recht mit prech ...› Die Bearbeitungen des Fastnachtspiels v. R. und M. In: 1318
2. H¨alfte 15. Jh. Ma. Schauspiel. FS Hansj¨urgen Linke. Hg. v. Ulrich Mehler/Anthonius H. Touber (AB¨aG. 38/39). Amsterdam/Atlanta, GA 1994, S. 349–375. – Eckehard Simon: Die Anf¨ange des weltlichen dt. Schauspiels 1370–1530. Unters. und Dokumentation. T¨ubingen 2003, S. 151 f. – Max Schiendorfer: Vigil Rabers ‹Consistory Rumpoldi› und das in Bern 1530 aufgef¨uhrte ‹Elsli Tragdenknaben›. In: Vigil Raber. Zur 450. Wiederkehr seines Todesjahres. Akten des 4. Symposiums der Sterzinger Osterspiele (25.–27.3.2002). Hg. v. Michael Gebhardt/ Max Siller. Innsbruck 2004, S. 193–212. – Ulrike S¨ollner-F¨urst: Mareth contra Rumpod. Eine Wiederaufnahme. In: ebd., S. 235–252. – Rebekka N¨ocker: ‹vil krummer urtail›. Zur Darst. v. Juristen im fr¨uhen N¨urnberger Fastnachtspiel. In: Fastnachtspiele. Weltliches Schauspiel in literarischen und kulturellen Kontexten. Hg. v. Klaus Ridder. T¨ubingen 2009, S. 239–284. MM Der Hasenkauf. – N¨urnberger Fastnachtspiel aus dem Umkreis von Hans → Folz, vor 1494. Fr¨uher (u. a. Michels, Catholy) wurde dieses fehlerhaft u¨ berlieferte Spiel mit nur zwei Rederollen (43 Verse, mit Stichreimen) f¨alschlich Hans Folz zugeschrieben. Von seinem «weip» beauftragt, f¨ur die «vasnacht»-G¨aste «wiltpret» zu besorgen, fragt «der erst paur» einen «wirt» danach. Den ihm von einem «ander paur» f¨ur 22 Pfennige angebotenen Hasen bezahlt er mit schlechten M¨unzen (V. 20: «Er hat ein fel, als sei er tzin», V. 24: «Mich dunckt, wi sie kupfrein seyen», V. 35: «der hat mitten ein loch»). Die Szene endet mit einer Ohrfeige des zweiten Bauern. Bereits Keller machte darauf aufmerksam, dass das «feilschen und m¨akeln am gelde» an das Auszahlen des Judaslohns in einigen Passionsspielen erinnere (vgl. z. B. → Alsfelder Passionsspiel, V. 3198–3227). ¨ Uberlieferung: Wolfenb¨uttel, HAB, Cod. 18.12 Aug. 4°, 176v–178r (Pap., 1494; Schreiber: Gb). Ausgaben: Adelbert von Keller (Hg.): Fastnachtspiele aus dem f¨unfzehnten Jh. Tl. 1 (Bibl. des Litterarischen Vereins in Stuttgart 28). Stuttgart 1853 (Nachdr. Darmstadt 1965) S. 271–273 (Nr. 35, u. d. T. ‹Ein spil von hasen›); Tl. 3 (Bibl. [...] 30). Stuttgart 1853 (Nachdr. Darmstadt 1965) S. 1492; Nachlese (Bibl. [...] 46). Stuttgart 1858 (Nachdr. Darmstadt 1968) S. 340. – Bernhard Ihringer (Hg.): Alte dt. Fastnachtspiele. Stuttgart [ca. 1909], S. 143 ff. – Dieter Wuttke (Hg.): Fastnachtspiele des 15. und 1319
Der Hasenkauf 16. Jh. (RUB 9415). Stuttgart 72006, S. 52–55 (Nr. 8, u. d. T. ‹Der Bauernhandel›), 337. – Schriftwerke dt. Sprache. Bd. 1: Von den Anf¨angen bis zum Humanismus. Hg. v. Heinz Rupp. Unter Mitarb. v. Beat Koelliker, Peter Ochsenbein und Erika Schumacher. Z¨urich 1981, S. 349–351 (nach Wuttke). Literatur: Johannes Janota, VL2 11 (2004) Sp. 590 f. – Leonhard Lier: Stud. zur Gesch. des N¨urnberger Fastnachtsspiels. N¨urnberg 1889 (auch in: Mitt. des Ver. f¨ur Gesch. der Stadt N¨urnberg 8 [1889] S. 87–160). – Victor Michels: Stud. u¨ ber die a¨ ltesten dt. Fastnachtspiele (Quellen und Forschungen zur Sprach- und Culturgesch. der germ. V¨olker 77). Straßburg 1896. – Hans G¨unter Sachs: Die dt. Fastnachtspiele von den Anf¨angen bis zu Jakob Ayrer. Diss. T¨ubingen 1957. – Eckehard Catholy: Das Fastnachtspiel des Sp¨atMA. Gestalt und Funktion (Hermaea NF 8). T¨ubingen 1961, S. 188 und passim (Reg.). – Gerd Simon: Die erste dt. ¨ Fastnachtsspieltradition. Zur Uberl., Textkritik und Chronologie der N¨urnberger Fastnachtsspiele des 15. Jh. [...] (Germ. Stud. 240). L¨ubeck/Hamburg 1970, S. 20, 87, 107–118 (zur Hs.). BJ Der Ehevertrag. – Fastnachtspiel, 15. Jh. Zum Zweck der Aushandlung eines Ehevertrags treffen sich ein b¨auerliches Brautpaar und seine Abgesandten. Zentrale Merkmale des nicht ganz vollst¨andig u¨ berlieferten Reihenspiels mit lat. Regieanweisungen sind Karikatur, Sexualmetaphern und sprechende Namen. Neben allen komischen Elementen wird die Auffassung vertreten, dass nur (z. B. im sozialen Status, im Alter) Gleiche in der Ehe zusammenpassen. ¨ Uberlieferung: Wolfenb¨uttel, HAB, Cod. 18.12 Aug. 4°, 365r–370r (Pap., 1494). Ausgabe: Adelbert von Keller (Hg.): Fastnachtspiele aus dem f¨unfzehnten Jh. Tl. 2 (Bibl. des Litterarischen Vereins in Stuttgart 29). Stuttgart 1853 (Nachdr. Darmstadt 1965) S. 512–518 (Nr. 58). Literatur: Norbert Heinze, VL2 2 (1980) Sp. 385. – Victor Michels: Stud. u¨ ber die a¨ ltesten dt. Fastnachtspiele (Quellen und Forschungen zur Sprach- und Culturgesch. der germ. V¨olker 77). Straßburg 1896, S. 111 f., 119. – Gerd Simon: ¨ Die erste dt. Fastnachtsspieltradition. Zur Uberl., Textkritik und Chronologie der N¨urnberger Fastnachtsspiele des 15. Jh. [...] (Germ. Stud. 240). L¨ubeck/Hamburg 1970, S. 20, 107–118 (zur Hs.). – R¨udiger Krohn: Der unanst¨andige B¨urger. Unters. 1320
Heilung eines Bauern zum Obsz¨onen in den N¨urnberger Fastnachtsspielen des 15. Jh. (Scriptor Hochschulschr. Literaturwiss. 4). Kronberg/Ts. 1974, S. 109–116. – Klaus Ridder/Martin Przybilski/Martina Schuler: Neuedition und Kommentierung der vorreformatorischen N¨urnberger Fastnachtspiele. In: Dt. Texte des MA zwischen Handschriftenn¨ahe und Rekonstruktion. Berliner Fachtagung 1.–3. April 2004. Hg. v. Martin J. Schubert (Beihefte zu editio 23). T¨ubingen 2005, S. 237–256, hier S. 243. BJ Meister Aristoteles (Mayster Aristotiles). – Fastnachtspiel des 15. Jh. Das f¨ur 16 Personen konzipierte Spiel (358 Verse) greift das popul¨are Motiv des Weltweisen und Minnesklaven «Aristotiles» auf, der trotz Gelehrsamkeit und Alter durch die Verf¨uhrung der Sinne seines Verstandes beraubt und zum verlachten Toren wird. Von der K¨onigin «Seltenrayn» zum Ritt verleitet, flieht der um seinen erhofften Lohn betrogene A. anschließend in ferne L¨ander. «Schuld» ist weibliche Hinterlist, vor der A. am Schluss die M¨anner warnt. In einem zweiten Teil geht es im Streit zwischen «miles» und «clericus» um die Frage, wer der erfolgreichere Liebhaber sei. Der Sieg geh¨ort dem M¨onch als dem Vertreter geistlicher Finanzmacht; der Repr¨asentant adlig-ritterlicher Kultur geht leer aus. ¨ Uberlieferung: Augsburg, SB und StB 4° cor. H 27, 160r–167v (kurz vor 1494, s¨udtirolisch; mit einer Federzeichnung illustriert). Ausgabe: Adelbert von Keller (Hg.): Fastnachtspiele aus dem f¨unfzehnten Jh. Nachlese (Bibl. des Litterarischen Vereins in Stuttgart 46). Stuttgart 1858 (Nachdr. Darmstadt 1966) S. 216–230 (Nr. 128). Literatur: Margot Westlinning, VL2 6 (1987) Sp. 329–331. – Victor Michels: Stud. u¨ ber die a¨ltesten dt. Fastnachtspiele (Quellen und Forschungen zur Sprach- und Culturgesch. der germ. V¨olker 77). Straßburg 1896, S. 39–47. – Harwick Arch: Die Sterzinger Fastnachtspiele Vigil Rabers. Diss. Innsbruck 1948, S. 103–105. – Wolfgang Stammler: Der Philosoph als Liebhaber. In: Ders.: Wort und Bild. Stud. zu den Wechselbeziehungen zwischen Schrifttum und Bildkunst im MA. Berlin 1962, S. 12–44, hier S. 26 und Abb. 3. – Otto Springer: A Philosopher in Distress. A Propos of a Newly Discovered Medieval German Version of 1321
2. H¨alfte 15. Jh. Aristotle and Phyllis. In: Germanic Studies in Honor of Edward Henry Sehrt [...]. Hg. v. Frithjof Andersen Raven u. a. Coral Gables 1968, S. 203–218. – Eckehard Catholy: Aristoteles und die Folgen. In: Die dt. Kom¨odie im 20. Jh. Hg. Wolfgang Paulsen (Poesie und Wiss. 37). Heidelberg 1976, S. 11–26, bes. S. 14–17. – O. Springer: Ein unver¨offentlichtes Spiel von ‹Aristotiles und der K¨onigin›. In: ZfdA 111 (1982) S. 22–52, bes. S. 26. BJ Heilung eines Bauern. – N¨urnberger Fastnachtspiel aus dem Umkreis von Hans → Folz, vor 1494. Das fr¨uher (u. a. von Michels und Catholy) f¨alschlich Hans Folz zugeschriebene Spiel (203 Verse, ohne Stichreim) geh¨ort zum Fastnachtspieltypus Arztspiele, der auf die Salbenkr¨amerszene der Osterspiele zur¨uckgeht. Nach dem Knecht Quenzepelzsch preist Hulletusch, der von «medicus» Viviam zu den im Wirtshaus «vasnacht» (59,31) feiernden Bauern geschickt worden ist, die Heilkunst seines aus «Schlauraffen» (58,27) kommenden «maisters». Aufgefordert, einen an Verstopfung leidenden Bauern («das ich in dreien tagen nit hab gefarzt noch geschißen», 61,19) zu heilen, l¨asst Viviam nach der Diagnose aufgrund einer Urinprobe (in einem Glas) Hulletusch «ein segen» (64,15–24; Fluch eines ungl¨ucklichen «weip»; nach Lenk aus dem Renner → Hugos von Trimberg u¨ bernommen) u¨ ber den kranken «Infirmus» sprechen. Der durch die Einnahme einer «wurz» sofort kurierte Bauer l¨asst sich «krapfen und wein» (65,11) bringen und f¨uhrt dann den Schlusstanz an («wil forn an den reien springen», 65,14). ¨ Uberlieferung: Wolfenb¨uttel, HAB, Cod. 18.12 Aug. 4°, 39v–44v (Pap., 1494; Schreiber: Gb). Ausgabe: Adelbert von Keller (Hg.): Fastnachtspiele aus dem f¨unfzehnten Jh. Tl. 1. (Bibl. des Litterarischen Vereins in Stuttgart 28). Stuttgart 1853 (Nachdr. Darmstadt 1965) S. 58–65 (Nr. 6, u. d. T. ‹Ein spil von einem arzt und einem kranken paur›, zit.); Tl. 3 (Bibl. [...] 30). Stuttgart 1853 (Nachdr. Darmstadt 1965) S. 1482 f.; Nachlese (Bibl. [...] 46). Stuttgart 1858 (Nachdr. Darmstadt 1966) S. 337. Literatur: Eckehard Simon, VL2 11 (2004) Sp. 609–612. – Victor Michels: Stud. u¨ ber die a¨ ltesten dt. Fastnachtspiele (Quellen und Forschungen zur Sprach- und Culturgesch. der germ. V¨olker 77). Straßburg 1896, S. 9, 52–65, 214. – Alfred B¨aschlin: Die altdt. Salbenkr¨amerspiele. Diss. Basel 1929. – Eckehard Catholy: Das Fastnachtspiel des Sp¨atMA. Gestalt und Funktion (Hermaea NF 8). 1322
2. H¨alfte 15. Jh. T¨ubingen 1961, S. 59, 182, 185, 259, 290, 306. – Werner Lenk: Das N¨urnberger Fastnachtspiel des 15. Jh. Ein Beitr. zur Theorie und zur Interpretation des Fastnachtspiels als Dichtung (Dt. Akad. der Wiss. zu Berlin. Ver¨off. des Inst. f¨ur dt. Sprache und Lit. 33). Berlin 1966, S. 51 f., 118 f. – Gerd Simon: Die erste dt. Fastnachtsspieltradition. Zur ¨ Uberl., Textkritik und Chronologie der N¨urnberger Fastnachtsspiele des 15. Jh. [...] (Germ. Stud. 240). L¨ubeck/Hamburg 1970, S. 20, 87, 107–118 (zur Hs., ‹Der Quacksalber mit den zwei Knechten›). – Carl I. Hammer Jr.: The Doctor in the Late Medieval ‹Arztspiel›. In: German Life and Letters 24 (1970/71) S. 244–256. – Sterzinger Spiele. Die weltlichen Spiele des Sterzinger Spielarch. nach den Original-Hss. (1510–1535) von Vigil Raber und nach der Ausg. Oswald Zingerles (1886). Hg. v. Werner M. Bauer (Wiener Neudrucke 6). Wien 1982, S. 89–190, 496–505. – Johannes Mu¨ ller: Schwert und Scheide. Der sexuelle und skatologische Wortschatz im N¨urnberger Fastnachtspiel des 15. Jh. (Dt. Lit. von den Anf¨angen bis 1700, Bd. 2). Bern u. a. 1988. – Thomas Habel: Vom ¨ Zeugniswert der Uberlieferungstr¨ ager. Bemerkungen zum fr¨uhen N¨urnberger Fastnachtspiel. In: Artibvs. Kulturwiss. und dt. Philologie des MA und der fr¨uhen Neuzeit. FS Dieter Wuttke. Hg. v. Stephan F¨ussel u. a. Wiesbaden 1994, S. 103–134, hier S. 119–126, 132 f. (zur Hs.). BJ Konig ¨ Artus’ Horn II. – Fastnachtspiel, 15. Jh. Das umfangreiche Handlungsspiel mit 944 Versen und u¨ ber 20 Sprecherrollen k¨onnte seinen Stoff, der sich um eine Treueprobe am Artushof dreht und in Frankreich seit dem 12. Jh. verbreitet war, wom¨oglich aus einer verlorenen dt. Bearbeitung von Robert Biquets Lai du Cor bezogen haben (vgl. auch ein thematisch eng verwandtes Fastnachtspiel, hg. v. Adelbert Keller: Fastnachtspiele aus dem f¨unfzehnten Jh. Bd. 2 [Bibl. des Litterarischen Ver. in Stuttgart 29] Stuttgart 1853 [Nachdr. Darmstadt 1965] S. 654–678 [Nr. 80/81; → Rosenpl¨utsche Fastnachtsspiele] sowie die Erz¨ahllieder → K¨onig Artus’ Horn I, → Luneten Mantel und → Die K¨onigin von Avignon). Das Spiel vereinigt zwei relativ selbstst¨andige Teile der Stoffgeschichte: Die K¨onigin von Zypern und Schwester des K¨onig Artus ist von ihrem Bruder nicht zu einer Hofgesellschaft von sieben K¨onigen nebst Gattinnen eingeladen worden. Aus Rache sendet sie ein Horn, welches demjenigen, 1323
Konig ¨ Artus’ Horn II der daraus trinkt, die Untreue seiner Frau dadurch offenbart, dass sich dessen Inhalt u¨ ber ihn ergießt. Allein die K¨onigin von Spanien, deren Mann als einziger um Gottes Beistand gebeten hat, erweist sich durch die Probe als treu. Im zweiten Teil des Dramas bezichtigt der Ritter Ayax den Ritter Weigion des Ehebruchs mit Artus’ Frau. Durch einen Zweikampf kann Weigion beider Unschuld beweisen und das St¨uck endet vers¨ohnlich mit einem Rollentanz und Abschiedstrunk, bevor die Schlussrede des Praecursors einsetzt. Der origin¨ar h¨ofische Stoff erf¨ahrt durch die b¨urgerliche Spielgattung eine Verengung auf die Tugend der ehelichen Treue und die Schande durch die sexuelle Verfehlung. Dadurch erlangt der Stoff ein moraldidaktischen Zug, der fr¨uheren Bearbeitungen fremd ist. Formal steht das Lied hinsichtlich Umfang und Handlungsf¨uhrung dem geistlichen Spiel nahe. Eine urspr¨ungliche Auff¨uhrung im Freien ist wahrscheinlich. Da der Praecursor in seiner Schlussrede mit der Anrede der Wirtsleute und der Bitte um einen Trunk einerseits dezidierte Charakteristika des Fastnachtspiels aufbietet – wobei im restlichen Spiel jeglicher Bezug auf die Fastnachtszeit fehlt – und er andererseits das schon erfolgte Handlungsende (Abschiedstrunk) lediglich wiederholt, ist es gut vorstellbar, dass der Praecursor-Teil eine sp¨atere Erg¨anzug ist. So k¨onnte bei K. A. H. II eine sekund¨are Angleichung an den n¨urnbergischen Fastnachtspieltypus vorliegen. ¨ Uberlieferung: Augsburg, Staats- und Stadtbibl., Cim. 31 (vormals 4° Cod. Halder 27) 136r–158v (Pap., um 1486–1520, schw¨abisch). K. A.’ H. k¨onnte kurz vor 1494 eingetragen worden sein, in jedem Fall von der Hand des Augsburger Kaufmanns Claus → Spaun. Die Sammelhs. enth¨alt vor allem moraldidaktische Versdichtungen und vier weitere Dramen: → Augsburger (s¨udbair.) Heiligkreuzspiel, → Augsburger Georgspiel, Des T¨urken Fastnachtspiel (nur den Anfang; → Rosenpl¨utsche Fastnachtspiele), → Meister Aristoteles). Ausgabe: Adelbert von Keller: Fastnachtspiele aus dem f¨unfzehnten Jh. Nachlese. (Bibl. des Litterarischen Ver. in Stuttgart 46). Stuttgart 1858 (Nachdr. Darmstadt 1966) S. 183–215 (Nr. 127). Literatur: Margot Westlinning, VL2 5 (1985) Sp. 70–72. – Otto Warnatsch: Der Mantel. Bruchst¨uck eines Lanzeletromans des Heinrich von dem T¨urlin (Germanistische Abh. 2). Breslau 1883, 1324
Smedtstetter Marienklage S. 66–68. – Victor Michels: Stud. u¨ ber die a¨ ltesten dt. Fastnachtspiele (Quellen und Forschungen zur Sprach- und Culturgesch. der germ. V¨olker 77). Straßburg 1896, S. 11, 77–79. – Eckehard Catholy: Fastnachtspiel (Slg. Metzler 4,31). Stuttgart 1966, S. 74. – Werner Lenk: Das N¨urnberger Fastnachtspiel des 15. Jh. Ein Beitr. zur Theorie und zur Interpretation des Fastnachtsspiels als Dichtung (Dt. Akad. der Wiss. zu Berlin, Ver¨off. des Inst. f¨ur dt. Sprache und Lit. 33). Berlin 1966, S. 50 f., 75, 88. – Gerd Simon: Die erste dt. Fastnachtspiel¨ tradition. Zur Uberl., Textkritik, Chronologie der N¨urnberger Fastnachtspiele des 15. Jh. [...] (Germ. Stud. 240). L¨ubeck/Hamburg 1970, S. 20 f. – Elke Ukena: Die dt. Mirakelspiele des Sp¨atMA. Stud. und Texte. 2 Bde. (Europ¨aische Hochschulschr. 1,115). Bern/Frankfurt/M. 1975, S. 363–376. – Eckehard Simon: Die Anf¨ange des weltlichen dt. Schauspiels. 1370–1530. Unters. und Dokumentation (MTU 124). T¨ubingen 2003, Reg. VZ Die zwolf ¨ (sieben) Pfaffenknechte → Band 5. Wiener Passionsspiel II (Wiener K¨arntner Passionsspiel, J¨ungeres Wiener Passionsspiel). – Fragmentarisch aufgezeichnetes dt. Passionsspiel. ¨ Die unikale Uberlieferung von 438 Versen scheint eine exzerpthafte Abschrift aus einem gr¨oßeren, im Umfang nicht mehr zu bestimmenden Textzusammenhang zu sein. W¨ahrend die Handschrift am Ende des 15. Jh. entstand, k¨onnte die Entstehung des Spiels in der ersten H¨alfte des 15. Jh. anzusetzen sein. Die sprachliche Einordnung ist umstritten, es u¨ berwiegen wohl nicht (wie die fr¨uhere Forschung annahm) su¨ dbairische bzw. k¨arntnerische, sondern vielmehr mittelbairische Merkmale. ¨ Der Text setzt ohne Uberschrift mit der umfangreichen Rede des Praecursors (Ank¨undigung des Leidens Jesu und der Auferstehung) ein. Es folgen die Vorhersage der Verleugnung durch Petrus, ¨ das dreifache Gebet auf dem Olberg, die Gefangennahme, das Verh¨or vor Annas und Kaiphas (unterbrochen von der Verleugnung durch Petrus), das Verh¨or vor Pilatus sowie das Verh¨or vor Herodes. Auf 10r bricht der Text mitten in der Anklage Jesu ab; der Rest des Blatts und 10v sind leer. Außer den knappen, ausschließlich dt. Spielanweisungen gibt es keine weiteren Auff¨uhrungshinweise. Einige Korrekturen und ein Marginaleintrag 1325
2. H¨alfte 15. Jh. deuten eher darauf, dass die Handschrift einen Lesetext bietet – der gegebenenfalls zur Grundlage der Kompilation eines neuen Passionsspieles die¨ nen sollte. Ubereinstimmungen mit anderen Passionsspielen (→ St. Galler Passionsspiel, → Frankfurter Passionsspiel, → Alsfelder Passionsspiel, → Sterzinger Passionsspiel) in einigen Details w¨aren noch genauer zu untersuchen. ¨ ¨ Uberlieferung: Wien, ONB, Cod. 13032 (olim Suppl. 79), 1r–10r (Pap., Ende 15. Jh.). Ausgaben: Leopold Zatoˇcil: Bruchst¨uck eines s¨udbair. Osterspiels. In: Sborn´ık Prac´ı Filosofick´e ˇ Fakulty Brnˇensk´e University 13 (1964). Rada liter´arnˇevˇedn´a D 11, S. 129–134. – Oskar Pausch: Das Fragm. eines K¨arntner Passionsspieles aus dem endenden 15. Jh. In: Neues aus Alt-Villach. Jb. des Stadtmuseums Villach 6 (1969) S. 226–245. Literatur: Hansj¨urgen Linke, VL2 10 (1999) Sp. 1034 f. – Hermann Menhardt: Verz. der altdt. literarischen Hss. der o¨ sterr Nationalbibl. Bd. 3 (Dt. Akad. der Wiss. zu Berlin – Ver¨off. des Inst. f¨ur dt. Sprache und Lit. 13). Berlin 1961, S. 1292 f. – Zatoˇcil (s. Ausg.) S. 129. – Pausch (s. Ausg.) S. 191–226. – Maria Hornung: Rezension zu O. Pausch: Das Fragm. eines K¨arntner Passionsspieles. In: Carinthia I 164 (1974) S. 361–364. – Rolf Bergmann: Kat. der deutschsprachigen geistlichen Spiele und Marienklagen des MA (Ver¨off. der Kommission f¨ur dt. Lit. des MA der Bayerischen Akad. der Wiss.). M¨unchen 1986, S. 363–365 (Nr. 168). – Fritz Peter Knapp: Die Lit. des Sp¨atMA ¨ in den L¨andern Osterreich, Steiermark, K¨arnten, Salzburg und Tirol von 1273–1439. 2. Halbbd.: Die Lit. in der Zeit der habsburgischen Herz¨oge von Rudolf IV. bis Albrecht V. (1358–1439) (Gesch. der ¨ Lit. in Osterreich von den Anf¨angen bis zur Gegenwart 2,2). Graz 2004, S. 270–274. JK Smedtstetter Marienklage. – Dramatische Marienklage mit Maria und Johannes, 15. Jh. Beim Ort Smedstett handelt es sich vielleicht um Schmedenstedt bei Peine. Der bis auf die lat. Eingangsantiphon dt. Text (mit durchgehender Quadrat- und Hufnagelnotation) bietet den Dialog zwischen Maria und Johannes vor und beim Tod Christi. Hinweise auf eine Auff¨uhrung der Marienklage fehlen. ¨ Uberlieferung: Berlin, SBB, Mgq 636, 1r–9r (Pap., Schreibervermerk am Schluss: «Anno d[o]m[ini] 1491 p[er] me Men[s]chin»). Ausgabe: Robert Eitner: Die Oper von ihren ersten Anf¨angen bis zur Mitte des 18. Jh. Erster 1326
2. H¨alfte 15. Jh. Theil (Publ. Aelterer Praktischer und Theoretischer Musikwerke 10). Leipzig 1881, Sp. 19–30. Literatur: Ulrich Mehler, VL2 9 (1995) Sp. 7. – Rolf Bergmann, MarLex 6 (1994) S. 193. – Eitner (s. Ausg.) Sp. 3–5, 11 f. – Hermann Degering: Kurzes Verz. der germ. Hss. der Preußischen Staatsbibl. II. Die Hss. in Quartformat (Mitt. aus der Preußischen Staatsbibl. 8). Leipzig 1926 (Nachdr. Graz 1970) S. 114. – Dietrich Schmidtke/Ursula Hennig/Walther Lipphardt: F¨ussener Osterspiel und F¨ussener Marienklage (Fortsetzung). In: PBB (T¨ub.) 98 (1976) S. 395–423, hier 412 Anm. 101, S. 413 Anm. 104. – R. Bergmann: Kat. der deutschsprachigen geistlichen Spiele und Marienklagen des MA (Ver¨off. der Kommission f¨ur dt. Lit. des MA der Bayerischen Akad. der Wiss.). Mu¨ nchen 1986, S. 404 f. (M 14). – Bernd Neumann: Geistliches Schauspiel im Zeugnis der Zeit. Zur Auff¨uhrung ma. religi¨oser Dramen im dt. Sprachgebiet (MTU 84.85). M¨unchen 1987, Bd. 2, S. 855 (Nr. 3656/1). – U. Mehler/Heinz Erich Stiene: Pest oder Hunger? Zur Lokalisierung der sogenannten ‹S. M.›. In: Ma. Schauspiel. FS Hansj¨urgen Linke. Hg. U. Mehler/Anton H. Touber (AB¨aG 38/39). Amsterdam/Atlanta, GA 1994, S. 257–263. – U. Mehler: Marienklagen im sp¨atma. und fr¨uhneuzeitlichen Deutschland. Textversikel und Melodietypen (Amsterdamer Publ. zur Sprache und Lit. 128/129). 2 Bde. Amsterdam/Atlanta, GA 1997. BJ Augsburger (sudbairisches) ¨ Heiligkreuzspiel. – Reliquienspiel, kurz vor 1494 aufgezeichnet. Das am Anfang und kurz vor dem Schluss unvollst¨andige Heylig Krewtz Spil (1927 Verse) wurde wie das in derselben Handschrift festgehaltene → Ausgburger Georgsspiel zu Lesezwecken aufgeschrieben; die Vorlage (su¨ dbair. Sprache) stammte vermutlich aus S¨udtirol. Das f¨ur zwei Tage ausgelegte, symmetrisch gebaute Spiel um Kreuzauffindung und -erh¨ohung, f¨ur das der anonyme Verfasser die wesentlichen Motive der Legenda aurea des → Jacobus a Voragine entnahm, ben¨otigte eine ger¨aumige B¨uhne (Reiter, Palastbau). Zu den jeweils 40 Sprecherrollen geh¨oren der die Weltgeschichte lenkende «Got vater, Dominica persona», christliche Kaiser (I: Konstantin und seine Mutter Helena, II: Eraclius) und heidnische Herrscher (I: Maxentius, II: seine 1327
Augsburger (sudbairisches) ¨ Heiligkreuzspiel S¨ohne). Das Spiel enth¨alt zahlreiche Beratungsund Botenszenen, ferner Auftritte von Teufeln. ¨ Uberlieferung: Augsburg, Staats- und Stadtbibl., Cim. 31 (fr¨uher 4° Cod. Halder 27), 47r–89v (ca. 1486–1520, s¨udbair.). Ausgaben: Adelbert von Keller (Hg.): Fastnachtspiele aus dem f¨unfzehnten Jh. Nachlese (Bibl. des Litterarischen Vereins in Stuttgart 46). Stuttgart 1858 (Nachdr. Darmstadt 1966) S. 54–122 (Nr. 125). – Elke Ukena: Die dt. Mirakelspiele des Sp¨atMA. Stud. und Texte. Tl. 2 (Europ¨aische Hochschulschr. I,115; Arbeiten zur Mittleren Dt. Lit. und Sprache 1). Bern, Frankfurt/M. 1975, Tl. 2, S. 453–559. Literatur: Heinrich Biermann, VL2 1 (1978) Sp. 528–530. – De Boor/Newald 4/1 (21994) S. 268. – Bernd Neumann/Red., Killy2 1 (2008) S. 253. – H. Biermann: Die deutschsprachigen Legendenspiele des sp¨aten MA und der fr¨uhen Neuzeit. Diss. K¨oln 1977, S. 187–218. – Rolf Bergmann: Kat. der deutschsprachigen geistlichen Spiele und Marienklagen des MA (Ver¨off. der Kommission f¨ur dt. Lit. des MA der Bayerischen Akad. der Wiss.). M¨unchen 1986, S. 49–51 (Nr. 10). – B. Neumann: Geistliches Schauspiel im Zeugnis der Zeit. Bd. 1 (MTU 84). Mu¨ nchen 1987, S. 121. Bd. 2 (MTU 85). Ebd. 1987, S. 828 (Nr. 3607). – Winfried Frey: ‹das j¨udisch gsatz Ihn welchem Gott gschicht großer tratz›. Zur Darstellung von Juden in sp¨atma. Heiligkreuzspielen. In: Ma. Schauspiel. FS Hansj¨urgen Linke. Hg. v. Ulrich Mehler/Anton H. Touber (AB¨aG 38/39), Amsterdam/Atlanta 1994, S. 183–197. – Ursula Schulze: Geistliche Spiele im MA und in der Fr¨uhen Neuzeit. Von der liturgischen Feier zum Schauspiel. Eine Einf. Berlin 2012, S. 192 f. BJ Saganer Grablegungspiel. – Fragment eines geistlichen Spiels. Der am Anfang unvollst¨andige Text bietet 50 dt. Verse sowie lat. Ges¨ange und B¨uhnenanweisungen. Er enth¨alt den Schluss einer Marienklage, die Prozession zum Grab Jesu und die Schlussrede des «precursor». Das mit Marienklagen durchsetzte Fragment geh¨ort nach Linke zu einem Grablegungsspiel (→ Kreuzabnahmespiele) und nicht zu einem Passionsspiel (Klapper, Bergmann). ¨ Uberlieferung: Breslau/Wrocław, UB, Akc 1955/156 (fr¨uher Hs.-Fragm. 9), 1 Bl. (Pap., Ende 15. Jh., schlesisch). 1328
Gundelfinger Ausgabe: Joseph Klapper: Das ma. Volksschauspiel in Schlesien. In: Mitt. der Schlesischen Ges. f¨ur Volkskunde 29 (1928) S. 168–216, hier S. 214–216. Literatur: Hansj¨urgen Linke, VL2 8 (1992) Sp. 501 f. – Klapper (s. Ausg.) S. 183 f. – Wolfgang Jungandreas: Zur Gesch. der schlesischen Mundart im MA. Breslau 1937, S. XLVII et passim. – Rolf Steinbach: Die dt. Oster- und Passionsspiele des MA (K¨olner germanistische Stud. 4). K¨oln/Wien 1970, S. 227 f. Anm. 3. – Rolf Bergmann: Kat. der deutschsprachigen geistlichen Spiele und Marienklagen des MA (Ver¨off. der Kommission f¨ur dt. Lit. des MA der Bayerischen Akad. der Wiss.). M¨unchen 1986, S. 81 f. (Nr. 28). – Bernd Neumann: Geistliches Schauspiel im Zeugnis der Zeit. Zur Auff¨uhrung ma. religi¨oser Dramen im dt. Sprachgebiet (MTU 84.85). Mu¨ nchen 1987, Bd. 2, S. 852 (Nr. 3650). BJ Gundelfinger, Mathias (auch: Gundelfingen), † 1518. – Chorherr, Verfasser eines Passionsspiels. G. stammte aus einer geistlichen Bastardlinie der Freiherren von Gundelfinger. Er war vielleicht der Sohn eines Propstes im Stift Berom¨unster, Nikolaus Gundelfinger, und damit Bruder des Humanisten Heinrich Gundelfinger. Als Chorherr am Stift St. Verena in Zurzach/Aargau ist G. seit 1500 in zahlreichen Dokumenten nachweisbar. 1510 wurde er Stiftskeller. G. verfasste neben amtlichen Texten auch chronikalische Aufzeichnungen u¨ ber das Verenafest von 1503 sowie ein umfangreiches Stiftsurbar (1511). Sein Hauptwerk ist ein geistliches Spiel, das in der Forschung unter verschiedenen Namen bekannt ist: als Zurzacher Passionsspiel, Zurzacher Osterspiel, Ludus de resurrectione Christi, Luzerner Grablegung und Luzerner Passionsspiel. Die letzten beiden Bezeichnungen sind allerdings irref¨uhrend und heute obsolet. Sie beruhen noch auf der falschen Annahme, das Spiel sei in Luzern aufgef¨uhrt worden. G.s Text ist als Zurzacher Autograph von 1494 erhalten, der in die Sammlung des Dichters und Historikers Renward Cysat gelangte und heute in Luzern aufbewahrt wird. Das zweit¨agig angelegte Zurzacher Passionsspiel fand an Karfreitag und Ostern statt. Entsprechend bestand der Text aus zwei Teilen, von denen jedoch nur der erste Teil erhalten ist. Er umfasst 554 Verse und behandelt die Klage der Frauen unter dem 1329
2. H¨alfte 15. Jh. Kreuz, die Kreuzabnahme, Grablegung und Wache am Grab. Der Inhalt des zweiten Teils ist nur u¨ ber die Liste der Darsteller grob zu erschließen. Er reichte wahrscheinlich von der Auferstehung Christi bis zur Ankunft von Petrus und Johannes am Grab. Das Spiel wurde von einer Anfangs- und einer Schlussprozession der Darsteller umrahmt. Die Sprechtexte sind als meist vierhebige Paarreime in dt. Sprache mit schw¨abischer F¨arbung geschrieben. Neben den lat. Regieanweisungen enth¨alt das Spiel auch Anleihen an lat. Hymnen. Die Spielerliste des Zurzacher Passionsspiels gilt als a¨ lteste u¨ berlieferte Darstellerliste des dt. Schauspiels. Sie verzeichnet neben den jeweiligen Rollen die Namen der Darsteller, manchmal auch Stellung oder Beruf. Das Spektrum der Rollen reicht von Gott dem Vater bis zu einfachen M¨agden und enth¨alt eine Vielzahl biblischer Gestalten. Insgesamt d¨urfte G.s Spiel f¨ur etwa 55 Darsteller plus Proklamator, Kantor und Chor konzipiert gewesen sein. Bis heute ist unklar, ob G. das Spiel vollst¨andig selbst verfasste oder auf eine Vorlage zur¨uckgriff. Verschiedene Verse aus G.s Spiel finden sich im Lyden unseres Herren Jesu Christi (1545) von Jakob Rueff, der G.s Text oder eine andere Vorlage benutzt haben k¨onnte. Inhaltlich verwandt ist das Zurzacher Passionsspiel mit dem Wiener Kreuzabnahmespiel von St. Stefan (Mitte 16. Jh.). ¨ Uberlieferung (Zurzacher Passionsspiel): Luzern, ZB, Ms. fol. 177, 1r–10v (Pap., Zurzach, 1494, schw¨abisch, Autograph G.s, sp¨ater von Renward Cysat mit Luzerner Bll. des Spiels vereinigt). Ausgaben: Schauspiele des MA. Hg. v. Franz Joseph Mone. Karlsruhe 1846, Bd. 1, S. 202 f.; Bd. 2, S. 131–150. – Mundt (s. Lit.) Anh., S. 1–23. – Adolf Reinle: M. G.s Zurzacher Osterspiel von 1494, ‹Luzerner Grablegung›. Ein Beitr. zur Abkl¨arung der Fr¨uhgesch. der Luzerner Osterspiele. In: Innerschweizerisches Jb. f¨ur Heimatkunde 13/14 (1949/50) S. 65–96. Literatur: Karl Bartsch, ADB 10 (1879) S. 124. – Adolf Reinle, VL2 3 (1981) Sp. 310–312. – Franz K¨orndle: Liturgische Dramen, Geistliche Spiele. In: MGG2 Sachteil 5 (1996) Sp. 1388–1412. – Mone (s. Ausg.) Bd. 2, S. 119–130. – Erika Mundt: Das Luzerner Spiel von Christi Tod und Grablegung. Diss. Marburg 1924 (Mikrofiche-Ausg. SB Berlin 2008). – Marshall B. Evans: G.s ‹Grablegung› and the Lucerne Passion Play. In: The Germanic Review 4 (1929) S. 225–236. – Ders.: The 1330
2. H¨alfte 15. Jh. Passion Play of Lucerne. An Historical and Critical Introduction. New York u. a. 1943 (dt. u. d. T.: Das Osterspiel v. Luzern, Bern 1961). – Rolf Steinbach: Die dt. Oster- und Passionsspiele des MA (K¨olner germanistische Stud. 4). K¨oln/Wien 1970, S. 256 f. u. o¨ . – Viktor Sidler: Wechselwirkungen zwischen Theater und Gesch., untersucht anhand des schweizerischen Theaters vor Beginn der Reformation. Aarau 1973, S. 197–202. – Rolf Bergmann: Kat. der deutschsprachigen geistlichen Spiele und Marienklagen des MA (Ver¨off. der Kommission f¨ur dt. Lit. des MA der Bayerischen Akad. der Wiss.). M¨unchen 1986, S. 220–223 (Nr. 97). MM Bozner Passionsspiele. – Geistliche Spiele von 1495 und 1514. In Bozen sind von 1476 bis 1522 Passionsspielauff¨uhrungen nachgewiesen, die im Mariendom und auf dem Musterplatz stattfanden. Die Passionsspiele wurden wohl nicht regelm¨aßig aufgef¨uhrt; so scheinen zwischen 1495 und 1511 sowie zwischen 1514 und 1522 mehrj¨ahrige Pausen gelegen zu haben. Auch wechselte der Umfang der Auff¨uhrungen, die 1486–88 nur das Gr¨undonnerstagsspiel, aber 1476, 1495 und wohl auch 1498 ¨ die vollst¨andige Passion umfassten. Uberliefert sind Passionsspieltexte von 1495 und 1514. Die Passion von 1495 wird nach dem Standort einer ihrer beiden Handschriften auch Amerikaner Passion genannt. Die mit Spielerlisten versehenen Handschriften dienten als Regieb¨ucher und beruhten m¨oglicherweise auf einer Sterzinger Vorlage. Das Passionsspiel von 1495 ist n¨amlich mit den → Sterzinger Passionsspielen verwandt, vor allem mit der Sterzinger Passion und Pfarrkirchers Passion. Das dreiteilige Passionsspiel wurde 1495 an Gr¨undonnerstag, Karfreitag und Ostersonntag aufgef¨uhrt. Die von einem «precursor» er¨offnete und erl¨auterte Handlung ist eng an den biblischen Erz¨ahlungen und an der Liturgie orientiert. Sp¨ater popul¨are Zus¨atze wie St¨andesatire und Salbenh¨andlerszene fehlen. Der Sprechtext ist dt. mit lat. Regieanweisungen. In manche Regieabschnitte sind auch kurze lat. Ges¨ange eingef¨ugt, die teilweise neumiert sind und zur Gliederung des Spiels beitragen. Die Sprechtexte bestehen meist aus vierhebigen Versen mit Paarreimen, obwohl sich im Text auch Drei- und F¨unfheber finden. Das Passionsspiel von 1514 ist als Große Bozner Passion bekannt. Diese Bezeichnung verdankt sich 1331
Bozner Passionsspiele dem gewaltigen Umfang des Spiels, das an insgesamt sieben Tagen aufgef¨uhrt wurde. Es erfolgte jeweils ein Spiel zu Palmsonntag, Gr¨undonnerstag, Karfreitag, Karsamstag, Ostersonntag, Ostermontag und Himmelfahrt. Die Spiele zu Gr¨undonnerstag, Karfreitag und Ostersonntag waren gegen¨uber 1495 stark erweitert worden. So enthielten sie nun St¨andesatire und Salbenh¨andlerszene, außerdem Jesu Wunderheilungen, seine Salbung durch Maria Magdalena, den Einzug in Jerusalem und die Vertreibung der Geldwechsler aus dem Tempel. Die dt. Sprechtexte und lat. Regieanweisungen folgten in ihrer Anlage dem Spiel von 1495. ¨ Die Uberlieferung der Großen Bozner Passion besteht prim¨ar aus einer zweiteiligen Handschrift ¨ (BH, s. Uberlieferung) von wahrscheinlich zwei Schreibern mit Erg¨anzungen von Vigil → Raber. BH I enth¨alt Gr¨undonnerstag und Palmsonntag, BH II den Karfreitag und Ostersonntag. Die Spiele zu Palmsonntag, Karfreitag und Ostern liegen auch als separate Abschriften Rabers vor. Raber wirkte bei der Auff¨uhrung von 1514 als Spielleiter und Darsteller mit. Er notierte auch die Namen der Darsteller und zeichnete einen genauen B¨uhnenplan. Die drei u¨ brigen Tage fehlen in BH und wurden m¨oglicherweise anderen Handschriften entnommen. Hier k¨ame besonders eine Vorlage von Benedikt Debs in Frage, der in der Auff¨uhrung von 1514 den «Salvator» spielte. Allerdings finden sich bei Debs u. a. zwei Emmausspiele und zwei Marienklagen. Welche davon m¨oglicherweise in die Große Bozner Passion eingebunden waren, ist bis heute ungekl¨art. ¨ Uberlieferung: 1. Passionsspiel von 1495: Bozen, Franziskanerkloster, Cod. I 51, 60 Bll. (Pap., Bozen, um 1495, s¨udbair.). – Ithaca/New York, Cornell University Library, Ms. F. 6, 68 Bll. (Pap., Bozen, Ende 15. Jh., s¨udbair., Fassung auch als sog. Amerikaner-Passion bekannt). – 2. Große Bozener Passion von 1514: Meran, Zenoburg, Privatarch. Carl von Braitenberg, [Hs. BH mit BH I und BH II], 62 Bll. (BH I) bzw. 76 Bll. (BH II) (Pap., 1514, s¨udbair.). – Sterzing, Stadtarch., Hs. III, 74 Bll. (1514, s¨udbair., Autograph Vigil Rabers, Fassung auch als sog. Raber-Passion bekannt, wohl Abschrift des Auff¨uhrungstexts von 1514). – Ebd., Hs. V, 73 Bll. (Pap., 1514, Autograph V. Rabers, enth¨alt nur das Palmsonntagsspiel). – Ebd., Hs. IV, 118 Bll. (Pap., Hs. des Benedikt Debs, Zugeh¨origkeit zu den B. P. unsicher). 1332
Halberst¨adter Marienklage Ausgaben: Hans M. Schmidt-Wartenberg (Hg.): Ein Tiroler Passionsspiel des MA (Publ. of the Modern Language Association 5,3). Baltimore 1890. Nachdr. [New York] 1960. – Joseph E. Wackernell (Hg.): Altdt. Passionsspiele aus Tirol, mit Abh. u¨ ber ihre Entwicklung, Composition, Quellen, Auff¨uhrungen und litterarhist. Stellung. Graz 1897 (Neudr. Walluf 1972) S. 3–253. – Bruno Klammer (Hg.): Bozner Passion 1495. Die Spielhss. A und B. Bern u. a. 1986 (vgl. dazu: Hans P¨ornbacher, in: Fabula 28 [1987] S. 355 f.). – Zudem sind Online-Faks. der Sterzinger Hss. verf¨ugbar (ULB Innsbruck 2009, Ver¨off. auf austrian literature online). Literatur: Norbert R. Wolf, VL2 1 (1978) Sp. 979–982. – Ders.: Raber, Vigil. In: VL2 7 (1989) Sp. 943–958; 11 (2004), Sp. 1289. – Franz K¨orndle: Liturgische Dramen, Geistliche Spiele. In: MGG2 Sachteil 5 (1996) Sp. 1388–1412. – R¨udiger Brandt: Passionsspiele. In: KLL3 12 (2009) S. 577–581. – Bernd Neumann/Hannes Obermair: Tiroler Spiele. In: Killy2 11 (2011) S. 546–548. – Manfred Mumelter: Das Osterspiel zu Bozen im Jahre 1514. In: Der Schlern 2 (1921) S. 108–111. – Reinhold Nordsieck: The Stage of the Passion Play at Bozen in 1514. Diss. Columbus (Ohio State Univ.) 1935. – Ders.: Der B¨uhnenplan des Vigil Raber. Ein Beitr. zur B¨uhnengesch. des MA. In: Monatshefte f¨ur dt. Unterricht 37 (1945) S. 114–129. – Wolfgang F. Michael: The Staging of the Bozen Passion Play. In: The Germanic Review 25 (1950) S. 178–195. – Ernst August Schuler: Die Musik der Osterfeiern, Osterspiele und Passionen des MA. Kassel u. a. 1951, S. 61 f. u. o¨ . (Melodien nur in der ungedruckten Version des Werks, Diss. Basel 1940). – W. F. Michael: Fr¨uhformen der dt. B¨uhne. Berlin 1963, S. 37–44. – Norbert H¨olzl: Das gr¨oßte Schauspiel des dt. MA. Die siebent¨agige Auff¨uhrung der Passion Christi in der Pfarrkirche von Bozen. In: Der Schlern 40 (1966) S. 163–173. – Rolf Steinbach: Die dt. Osterund Passionsspiele des MA (K¨olner germanistische Stud. 4). K¨oln/Wien 1970, S. 183 f. – David BrettEvans: Von Hrotsvit bis Folz und Gengenbach. Eine Gesch. des ma. dt. Dramas. Tl. 2: Religi¨ose und weltliche Spiele des Sp¨atMA (Grundlagen der Germanistik 18). Berlin 1975, S. 103 f. – Walther Lipphardt: Musik in den sp¨atma. Passions- und Osterspielen von Bozen, Sterzing und Brixen. In: Tiroler Volksschauspiel. Beitr. zur Theatergesch. des Alpenraumes. Hg. v. Egon K¨uhebacher. Bozen 1976, S. 127–166. – N. R. Wolf: Die Bozner 1333
2. H¨alfte 15. Jh. Passion von 1514. Die wiedergefundene Hs. BH I. In: ebd., S. 380–400. – B. Klammer: Dramatisches Sprechen im B. P. 1495. Die Rolle Jesu. Die Rolle der abh¨angigen judei, millites, testes und der dyaboli. In: Virtus et Fortuna. Zur dt. Lit. zwischen 1400 und 1720. FS Hans-Gert Roloff. Hg. v. Joseph P. Strelka/J¨org Jungmayr. Bern 1983, S. 64–90. – Rolf Bergmann: Kat. der deutschsprachigen geistlichen Spiele und Marienklagen des MA (Ver¨off. der Kommission f¨ur dt. Lit. des MA der Bayerischen Akad. der Wiss.). M¨unchen 1986, S. 71–74 (Nr. 23), S. 164–166 (Nr. 68), S. 249–253 (Nr. 111 f.), S. 299–319 (Nr. 136 f.). – Carla Dauven-van Knippenberg: ‹... einer von den Soldaten o¨ ffnete seine Seite›. Eine Unters. der Longinuslegende im deutschsprachigen geistlichen Spiel des MA. Amsterdam 1990, S. 98–100 u. o¨ . – N. R. Wolf: Lat. und Dt. in Tiroler Passionsspielen. Eine Fallstudie. In: Osterspiele. Texte und Musik. Akten des 2. Symposiums der Sterzinger Osterspiele (12.–16. April 1992). Hg. v. Max Siller. Innsbruck 1994, S. 233–240. – B. Klammer: Elemente der Psychopathologie im B. P. von 1495. In: Aus der Norm. Red. Hans Wielander. Schlanders 1998, S. 149–160. – H. Obermair: The Social Stages of the City. Vigil Raber and Performance Direction in Bozen/Bolzano (Northern Italy). A SocioHistorical Outline. In: Concilium Medii Aevi 7 (2004) S. 193–208. – M[argaret] A. Katritzky: What did Vigil Raber’s stage really look like? Questions of authenticity and integrity in medieval theatre iconography. In: Vigil Raber. Zur 450. Wiederkehr seines Todesjahres. Akten des 4. Symposiums der Sterzinger Osterspiele (25.–27.3.2002). Hg. v. Michael Gebhardt/M. Siller (Schlern-Schr. 326). Innsbruck 2004, S. 85–116. – Peter Macardle: The St Gall Passion Play. Music and Performance. Amsterdam 2007, passim. MM Halberst¨adter Marienklage. – Bruchst¨ucke (ca. 80 Verse) einer Marienklage mit Noten. Es finden sich lat. Vortragsanweisungen und Einfl¨usse der lat. Sequenzen Planctus ante nescia und Flete fideles animae. Aufgrund des geringen Umfangs des Fragments ist eine genauere Zuordnung zur Tradition der Marienklagen nicht m¨oglich. ¨ Uberlieferung: Moskau, Bibl. der Lomonossow-Univ., Dokumentenslg. Gustav Schmidt, Fonds 40/1, Nr. 46 (fr¨uher Halberstadt, Bibl. des 1334
2. H¨alfte 15. Jh. Domgymnasiums, Fragm. 15), 2 Bll., (Pap., Ende 15. Jh., th¨uringisch). Ausgabe: Gustav Schmidt: Die Hss. der Gymnasial-Bibl. Bd. 2. In: Kgl. Dom-Gymnasium in Halberstadt. Oster-Programm 1881. Halberstadt 1881, S. 1–32, hier S. 31 f. Literatur: Hans Eggers, VL2 3 (1981) Sp. 413; 11 (2004) Sp. 581. – Rolf Bergmann: Kat. der deutschsprachigen geistlichen Spiele und Marienklagen des MA (Ver¨off. der Kommission f¨ur dt. Lit. des MA der Bayerischen Akad. der Wiss.). Mu¨ nchen 1986, S. 421 (M 51). – Ulrich Mehler: Marienklagen im sp¨atma. und fr¨uhneuzeitlichen Deutschland. Textversikel und Melodietypen. Darstellungsteil (Amsterdamer Publ. zur Sprache und Lit. 128). Amsterdam/Atlanta 1997. – Ekaterina Skvairs/Natalija Ganina: Dt. ma. Hss.- und Druckfragm. in der ‹Dokumentenslg. Gustav Schmidt› der Lomonossov-Univ. Moskau 2008, S. 79 f. SF
Ingolst¨adter Fronleichnamsspiel. – Abschrift einer Prozessionsordnung. Das I. F. ist in Ingolstadt seit 1498 archivalisch nachweisbar. Sein Inhalt l¨asst sich nur u¨ ber die 1507 entstandene Abschrift seiner Umgangsordnung erschließen. Die Abschrift entstand auf Veranlassung der Zunft der Weinschenken, der wahrscheinlich die Leitung der Prozession anvertraut war. Die beiden erhaltenen Doppelbl¨atter beschreiben die Reihenfolge der typologisch angeordneten 74 Prozessionsfiguren. Diese waren biblischen, sagenhaften oder kirchenhistorischen Ursprungs und in ihrer Besetzung auf die Zu¨ nfte und den Schulmeister aufgeteilt. Die Figuren des AT pr¨afigurierten dabei die Episoden aus dem NT, die 32 Abteilungen umfassten. Die Ereignisse des NT sind im Text durch lat. Kommentare zweier Propheten erg¨anzt, ¨ zu denen in der Uberlieferung aber meist nur Incipits angegeben sind. Die Prophetenkommentare und Figuren des Spiels sind an eine → Biblia Pauperum angelehnt, die 1462/64 von Albrecht Pfister in Bamberg gedruckt wurde. ¨ Uberlieferung: Ingolstadt, Stadtarch., A V/2, 2 Doppelbll. (Perg., 1507). Ausgaben: Neil C. Brooks: An Ingolstadt Corpus Christi Procession and the ‹Biblia Pauperum›. In: Journal of English and Germanic Philology 35 (1936) S. 1–16. – Siegfried Hofmann/Wilhelm 1335
Ingolst¨adter Fronleichnamsspiel Reissm¨uller: Ingolstadt an der Donau. Ingolstadt 1986, S. 318–321. Literatur: Bernd Neumann, VL2 4 (1983) Sp. 387. – Franz K¨orndle: Liturgische Dramen, Geistliche Spiele. In: MGG2 Sachteil 5 (1996) Sp. 1388–1412. – Brooks (s. Ausg.). – Hans Moser: Der Drachenkampf in Umz¨ugen und Spielen. In: Bayerischer Heimatschutz 30 (1934) S. 45–59. – Wolfgang F. Michael: Die geistlichen Prozessionsspiele in Deutschland. Baltimore 1947, S. 42–46. – Alois Mitterwieser: Gesch. der Fronleichnamsprozession in Bayern. Mu¨ nchen 21949, S. 35 f. – Wilhelm Breuer: Zur Auff¨uhrungspraxis vorreformatorischer Fronleichnamsspiele in Deutschland. In: ZfdPh 94 (1975) Sonderh., S. 50–71. – Rolf Bergmann: Kat. der deutschsprachigen geistlichen Spiele und Marienklagen des MA (Ver¨off. der Kommission f¨ur dt. Lit. des MA der Bayerischen Akad. der Wiss.). M¨unchen 1986, S. 153–155 (Nr. 64). – B. Neumann: Geistliches Schauspiel im Zeugnis der Zeit. Zur Auff¨uhrung ma. religi¨oser Dramen im dt. Sprachgebiet (MTU 84.85). M¨unchen 1987, Bd. 1, S. 409 (Nr. 1954). MM Freiberger Passionsspiele. – Geistliches Spiel. Die F. P. wurden jeweils zu Pfingsten auf dem Obermarkt im s¨achsischen Freiberg aufgef¨uhrt. Weil sie personell, finanziell und logistisch sehr aufwendig waren, fanden sie nur alle sieben Jahre statt. Dauerte die Auff¨uhrung 1509 noch vier Tage, wurde sie 1516 und 1523 innerhalb von drei Tagen durchgef¨uhrt. Hierzu wurden der vormals zweite und dritte Tag zusammengefasst. Die Auff¨uhrung von 1516 erfolgte in Anwesenheit von Herzog Georg von Sachsen (1471–1539). Da sich der Text der F. P. nicht erhalten hat, kann ihr Inhalt nur u¨ ber sp¨atere Aufzeichnungen von Joachim Greff (1542), Johann Bocer (1553) und Andreas Mo¨ ller (1653) erschlossen werden. Zumindest Mo¨ ller d¨urfte das Manuskript oder die Dirigierrolle der Auff¨uhrung von 1516 gekannt haben, da er die Abfolge der Szenen und Auftritte detailliert festhielt. In allen Auff¨uhrungen begannen die F. P. mit dem Sturz der Engel und der Genesis, gefolgt vom S¨undenfall und der Vertreibung aus dem Paradies. Eine Episode u¨ ber die Kinder Evas war zun¨achst im Spiel enthalten, wurde aber f¨ur die Auff¨uhrung von 1523 gestrichen. Weiterhin umfasste das Spiel Szenen mit den biblischen Propheten, die Geschichte von Johannes dem T¨aufer, 1336
Brixener Passionsspiel Leben und Himmelfahrt Jesu, einen Disput zwischen einem j¨udischem Rabbi und einem christlichen Gelehrten sowie abschließend ein Spiel vom J¨ungsten Gericht. Noch 1509 behandelte dieses Weltgerichtsspiel das weltliche Leben von Nonnen und Mo¨ nchen, zeigte dann Christus als Richter u¨ ber die menschlichen Seelen und schloss mit der Himmelfahrt der Erl¨osten bzw. der H¨ollenfahrt der Verdammten. In den Auff¨uhrungen von 1516 und 1523 wurde das Weltgerichtsspiel durch eine Moralit¨at und wahrscheinlich einen Totentanz erweitert. Das Spektrum der auftretenden Figuren war groß und umfasste neben biblischen Gestalten auch allegorische Figuren (Gerechtigkeit, Barmherzigkeit), Kleriker und Teufel. Allein das Weltgerichtsspiel enthielt mehr als 50 Sprechrollen. Drucke: Erw¨ahnungen der F. P. in Drittwerken: Joachim Greff: Ein Geistliches sch¨ones newes spil auff das heilige Osterfest gestellet, darinnen werden gehandelt die geschicht von der Aufferstehung Christi zu sampt der historien Thome [...]. [Magdeburg: Lotter, 1542], Bll. A iij, A vij. – Johann Bocer: Fribergum in Misnia. Leipzig: Valentin Bapst, 1553, Bll. G-G3v (Mikrofiche-Ausg. HAB Wolfenb¨uttel 1996). – Andreas Mo¨ ller: Theatrum Freibergense Chronicum. Beschreibung der alten l¨oblichen BergHauptstadt Freyberg in Meissen [...]. ¨ 1653, S. 162–169 Freiberg: Georg Beuther d. A., (Online-Ausg. HAB Wolfenb¨uttel 2009). Literatur: Bernd Neumann, VL2 2 (1980) Sp. 889–891. – De Boor/Newald 4/1 (21994) S. 266 f. – Franz K¨orndle: Liturgische Dramen, Geistliche Spiele. In: MGG2 Sachtl. 5 (1996) Sp. 1388–1412. – Reinhard Buchwald: Die Freiberger Pfingstspiele. In: Mitt. des Freiberger Altertumsver. 41 (1905/06) S. 44–54. – Walther Herrmann: Gesch. der Schauspielkunst in Freiberg. In: Schr. zur Theaterwiss. 2. Hg. v. Rolf Rohmer. Berlin 1960, S. 489–744, hier S. 495–512. – David Brett-Evans: Von Hrotsvit bis Folz und Gengenbach. Eine Gesch. des ma. dt. Dramas. Tl. 2: Religi¨ose und weltliche Spiele des Sp¨atMA (Grundlagen der Germanistik 18). Berlin 1975, S. 79–81. – Dorothea Freise: Geistliche Spiele in der Stadt des ausgehenden MA. Frankfurt, Friedberg, Alsfeld. G¨ottingen 2002, S. 74. MM Brixener Passionsspiel. – Volkssprachiges geistliches Spiel, seit dem 16. Jh. Im ma. Brixen sind seit etwa 1522 Auff¨uhrungen geistlicher Spiele nachweisbar, die wahrscheinlich 1337
um 1500 auf einer Simultanb¨uhne vor der dortigen Pfarrkirche stattfanden. Sie umfassten neben Osterspielen auch das B. P., das in einer Handschrift von 1551 erhalten ist. Es handelt sich dabei m¨oglicherweise um die Abschrift eines Auff¨uhrungstextes, der f¨ur mehrere Inszenierungen benutzt wurde. Aus dem Manuskript l¨asst sich auf eine dreit¨agige Auff¨uhrung mit u¨ ber 120 Rollen und zwei Spielleitern schließen. M¨oglicherweise war das Spiel urspr¨unglich noch umfangreicher, da in der Handschrift eine Blattlage fehlt. Der unbekannte Verfasser des B. P.s d¨urfte eine Tiroler Vorlage benutzt haben, die auf die Sterzinger Passionsspiele und die Sammlung des Benedikt Debs (→ Bozner Spiele) zur¨uckging. Gegen¨uber diesen Quellen ist das B. P. jedoch stark bearbeitet und erweitert. Es umfasst mit Prolog und Epilog insgesamt 4615 meist drei- bis sechshebige Verse in Paarreimen. Sprechtext und Regieanweisungen sind u¨ berwiegend in dt. Sprache abgefasst. Am Ende des Spiels steht ein kurzer lat. Schlussvers und einzelne Regieanweisungen enthalten lat. Formulierungen. Nur bei der Osterhandlung sind die Regieanweisungen komplett lat.; dieser Teil ist auch als einziger im B. P. mit Noten u¨ berliefert. Insgesamt sind die Regieanweisungen darauf angelegt, das Spiel durch genaue choreographische Vorgaben lebendig zu gestalten. Allerdings korrespondieren die Anweisungen f¨ur die Bewegungen der Darsteller nicht immer mit den inhaltlichen Anforderungen der jeweiligen Szenen. Der erste, am Gr¨undonnerstag aufgef¨uhrte Teil des B. P.s (V. 1–1378) beginnt mit dem Gastmahl des Simon Leprosus und reicht bis zu dem Verh¨or Jesu durch die Hohepriester. Das Karfreitagsspiel (V. 1379–3248) setzt nach einem Zwischenspiel das Verh¨or fort und endet mit der Grabwache. Der dritte Teil (V. 3249–4615) f¨ur den Ostersonntag umfasst ein weiteres Zwischenspiel, kehrt dann mit Grabwache und Auferstehung in die eigentliche Handlung zur¨uck und endet mit Seelenfangszenen und einem Epilog. Alle drei Teile besitzen individuelle Besonderheiten, die wohl auf unterschiedliche Schreiber oder Redaktoren zur¨uckgehen. Der Gr¨undonnerstag ist von Erweiterungen gepr¨agt, die den Text ebenso betreffen wie die Zahl der Sprechrollen. Wo die Vorlage Regieanweisungen aufwies, wurden diese h¨aufig aus stummer Handlung in Sprechhandlung umgewandelt. Die Dialoge dieses Teils sind ausf¨uhrlich und stark theologisch aufgeladen. Dramatische Dynamik tritt hier zugunsten 1338
um 1500 religi¨oser Belehrungen zur¨uck. Der Karfreitagsteil sticht besonders durch die Einf¨uhrung neuer Figuren hervor, die den Tiroler Quellen noch fremd waren: Die Propheten David, Jeremia, Jesaia und Zacharias kommentieren die Ereignisse des Spiels und ein Nuntius k¨undigt den Juden warnend die Auferstehung Christi an. Das Spiel vom Ostersonntag ist textlich der konservativste Teil des B. P.s. Auff¨allig ist die negative Charakterisierung der Bauernfigur, die m¨oglicherweise von zeitgen¨ossischen Bauernaufst¨anden beeinflusst wurde. Insgesamt kann als individueller Zug des B. P.s vor allem seine theologisch-didaktische Tendenz hervorgehoben werden, die bei allen inneren Differenzen die drei Teile durchzieht. ¨ Uberlieferung: Innsbruck, Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum, FB 575, 137 Bll. (Pap., 1551, s¨udbair., 5 H¨ande sowie Korrekturen und Nachtrag, eine wohl urspr¨unglich enthaltene weitere Lage ist verloren). Ausgaben: Adolf Pichler: Das Drama des MA in ¨ Tirol. In: Osterr. Revue 4 (1866) S. 27–48 (Teilausg.). – Ders.: Zur tirolischen Lit. Mu¨ nchen/Leipzig 1908, S. 4–11 (Teilausg.). – Josef E. Wackernell (Hg.): Altdt. Passionsspiele aus Tirol, mit Abh. u¨ ber ihre Entwicklung, Composition, Quellen, Auff¨uhrungen und litterarhist. Stellung. Graz 1897 (Neudr. Walluf 1972) S. 351–431, auch S. 3–74, 77–177, 181–253 jeweils im Apparat. Literatur: Bernd Neumann, VL2 1 (1978) Sp. 1039–1041. – R¨udiger Brandt: Passionsspiele. In: KLL3 12 (2009) S. 577–581. – Wackernell (s. Ausg.) S. CCLVII–CCLXXXVII. – Ernst August Schuler: Die Musik der Osterfeiern, Osterspiele und Passionen des MA. Kassel 1951, S. 62 f. – Kurt Ruh: Stud. u¨ ber Heinrich v. St. Gallen und den ‹Extendit Manum›-Passionstraktat. In: Zs. f¨ur schweizer. Kirchengesch. 47 (1953) S. 210–230, 241–278, hier S. 256–261. – Kolumban Gschwend: Die Depositio und Elevatio crucis im Raum der alten Di¨ozese Brixen. Ein Beitr. zur Gesch. der Grablegung am Karfreitag und der Auferstehungsfeier am Ostermorgen. Trier 1963, S. 105–108. – Rolf Steinbach: Die dt. Oster- und Passionsspiele des MA (K¨olner germanistische Stud. 4). K¨oln/Wien 1970, S. 204. – B. Neumann: Neue Funde zur Brixner Theatergesch. des 16. Jh. In: Das Tiroler Volksschauspiel. Beitr. zur Theatergesch. des Alpenraums. Hg. v. Egon K¨uhebacher. Bozen 1976, S. 194–200. – Barbara Thoran: Stud. zu den o¨ sterlichen Spielen des dt. MA. 1339
Freiburger Fronleichnamsspiele (Ein Beitr. zur Kl¨arung ihrer Abh¨angigkeit voneinander). 2., durchges. und erg. Aufl. (GAG 199). G¨oppingen 1976, S. 42 u. o¨ . – Rolf Bergmann: Kat. der deutschsprachigen geistlichen Spiele und Marienklagen des MA (Ver¨off. der Kommission f¨ur dt. Lit. des MA der Bayerischen Akad. der Wiss.). Mu¨ nchen 1986, S. 156–159 (Nr. 66). – B. Neumann: Geistliches Schauspiel im Zeugnis der Zeit. Zur Auff¨uhrung ma. religi¨oser Dramen im dt. Sprachgebiet (MTU 84.85). 2 Bde. M¨unchen 1987, passim (bes. Nr. 545). – Ders.: Die Texte der Passionsspiele im Alpenraum. In: H¨ort, sehet, weint und liebt. P. im alpenl¨andischen Raum. Hg. v. Michael Henker u. a. M¨unchen 1990, S. 23–27. – Norbert R. Wolf: Lat. und Dt. in Tiroler P. Eine Fallstudie. In: Osterspiele. Texte und Musik. Akten des 2. Symposiums der Sterzinger Osterspiele, 12.–16.4.1992. Hg. v. Max Siller. Innsbruck 1994, S. 233–240. MM Freiburger Fronleichnamsspiele. – Geistliche Spiele, seit 1516 bezeugt. Die F. F. mit Darstellungen verschiedener Ereignisse aus dem AT und NT – vom S¨undenfall bis zur H¨ollenfahrt nach dem Ju¨ ngsten Gericht – sind in zwei Texten u¨ berliefert; A liegt in drei Redaktionen (a–c) vor, B beruht auf A in der Redaktion c. W¨ahrend Anfangs- und Schlussteil beider Texte weitgehend u¨ bereinstimmen, weichen sie in der Gestaltung der Passion erheblich voneinander ab. Wie aus den erhaltenen zwei Prozessionsordnungen hervorgeht, trugen zun¨achst zw¨olf Handwerkerz¨unfte der Stadt die Verantwortung f¨ur die Ausrichtung und Finanzierung der Spiele unter Leitung und Beteiligung der Stadtgeistlichkeit. Die Prozessionsordnungen u¨ berliefern die Reihenfolge der Z¨unfte in der Prozession, Personenverzeichnisse und Handlungsangaben. Die Handwerker wirkten bei der Darstellung lebender Bilder mit, die in der Anfangszeit – die fr¨uheste Auff¨uhrung ist in einer Zunftordnung f¨ur 1516 verzeichnet – kurz kommentiert wurden; sp¨ater traten Dialoge ¨ hinzu, die den Ubergang zum B¨uhnenspiel darstellen. Zus¨atzliche Informationen bieten die Rollenb¨ucher. Die Darbietung des Paradiesgartens fiel der Malerzunft zu, w¨ahrend die Winzerzunft das abschließende Bild mit den verdammten Seelen in der H¨olle zu verantworten hatte. Zu den lebenden Bildern der Anfangszeit kamen sp¨ater u. a. Heiligendarstellungen (z. B. Georg und Ursula) hinzu. 1340
Zerbster Fronleichnamsspiel Im Laufe des 16. Jh. wurden – trotz konfessioneller Unterschiede – Teile aus dem Z¨uricher Passionsspiel von Jakob Ruf u¨ bernommen, der neben seiner a¨rztlichen T¨atigkeit auch Theaterauff¨uhrungen im Z¨urcher M¨unsterhof leitete. Die F. F. zeichnen sich durch ihre Zweiteilung in Umgangs- und B¨uhnenspiel aus. Die Entwicklung von A zu B brachte nicht nur ein Anwachsen des Textumfangs, sondern auch der Zahl der Mitwirkenden mit sich. ¨ Uberlieferung: Freiburg i. Br., Stadtarch., Hs. B 1 Nr. 12 (Pap., 1599, alemannisch) (A). – Ebd., Hs. B 1 Nr. 13 (Pap., 1606, alemannisch) (B). – Drei Prozessionsordnungen: a) undatiert (vermutlich 15. Jh.): Freiburg i. Br., Erzbisch¨ofliches Arch., Depositum M¨unsterarch., Mu¨ nsteranniversar I, 126v–127v; b) 1516: ebd., 101r–102r; c) in den Ratsbesatzungen. – Rollenblatt und gesondertes Personenverzeichnis aus dem Weihnachtsspiel: Freiburg i. Br., Universit¨atsarch., Cod. U A III c 9. – Rollenblatt der Malerzunft: Freiburg i. Br., Stadtarch., Cod. P XXIII 73, 94rv. – Spielerverzeichnis der B¨ackerzunft: Freiburg i. Br., Stadtarch., cod. P XXIII 32, S. 1. Ausgaben: Ernst Martin: Freiburger Passionsspiele des XVI. Jh. In: Zs. der Ges. f¨ur Bef¨orderung der Geschichts-, Alterthums- und Volkskunde von Freiburg 3 (1873/74) S. 1–206 (dazu Wolfgang Michael: Die Anf¨ange des Theaters zu Freiburg i. Br. In: Zs. des Freiburger Geschichtsvereins 45 [1934] S. 1–90, hier S. 73–75). – Prozessionsordnungen: I und II: Joseph Marmon: Unserer lieben Frauen Mu¨ nster zu Freiburg im Breisgau. Freiburg i. Br. 1878, S. 200–205. – I (Diss ist die ordnung deß umbgangs an unsers Herren Fronleichnamstag vnd ist geteild yn die zw¨olff zunfft): Oskar Sengpiel: Die Bedeutung der Prozessionen f¨ur das geistliche Spiel des MA in Deutschland (Germanistische Abh. 66). Breslau 1932, S. 22. – II (Die ordnung des umbgangs vff unsers herren fronlichnamstag jm XV und XVI jar): Neil C. Brooks: Processional Drama and Dramatic Procession in Germany in the Late Middle Ages. In: Journal of English and Germanic Philology 32 (1933) S. 141–171, hier S. 149 f. – M¨uller (s. o.) S. 71: Rollenverz. zum Weihnachtsteil; S. 72: Rollenbl. der Malerzunft). – Bernd Neumann: Geistliches Schauspiel im Zeugnis der Zeit. Zur Auff¨uhrung ma. religi¨oser Dramen im dt. Sprachgebiet. Bd. 1 (MTU 84). Mu¨ nchen/Z¨urich 1987 (Nr. 1564: Freiburger Prozessionsordnung des 15. Jh.; Nr. 1568: Prozessionsordnung von 1516; Nr. 1631: Spielerverz. der B¨ackerzunft). 1341
um 1500 Literatur: Hansj¨urgen Linke, VL2 2 (1980) Sp. 893–896. – Heinrich Schreiber: Das Theater zu Freiburg. In: Freiburger Adreß-Kalender f¨ur das Jahr 1837, S. 53–65. – Eduard Eckhardt: Alte Schauspiele aus dem Breisgau. In: Volkskunde im Breisgau. Hg. vom badischen Verein f¨ur Volkskunde durch [...] Friedrich Pfaff. Freiburg i. Br. 1906, S. 158–182. – Hermann Mayer: Zur Gesch. der Freiburger Fronleichnamsprozession. In: Freiburger Di¨ocesan-Arch. NF 12 (1911) S. 333–362. – Michael 1934 (s. Ausg.) S. 1–90. – Eduard Hartl: Das Regensburger Osterspiel und seine Beziehungen zum ‹F. F.›. In: ZfdA 78 (1941) S. 121–132. – W. F. Michael: Die geistlichen Prozessionsspiele in Deutschland (Hesperia 22). Baltimore/G¨ottingen 1947, S. 52–59. – Ders.: Das dt. Drama des MA (Grundriß der germ. Philologie 20). Berlin/New York 1971, S. 131–133. – Elizabeth Wainwright: Stud. zum dt. Prozessionsspiel. Die Tradition der Fronleichnamsspiele in K¨unzelsau und Freiburg und ihre textliche Entwicklung (M¨unchener Beitr. zur Medi¨avistik und Renaissance-Forschung 16). Mu¨ nchen 1974, S. 144–241. – David Brett-Evans: Von Hrotsvit bis Folz und Gengenbach. Eine Gesch. des ma. dt. Dramas. Tl. 2: Religi¨ose und weltliche Spiele des Sp¨atMa (Grundlagen der Germanistik 18). Berlin 1975, S. 79–82. – Rolf Bergmann: Kat. der deutschsprachigen geistlichen Spiele und Marienklagen des MA (Ver¨off. der Kommission f¨ur dt. Lit. des MA der Bayerischen Akad. der Wiss.). M¨unchen 1986, S. 116–122 (Nr. 44 und 45). – Neumann 1987, Bd. 1, S. 337–360 (Nr. 1563–1688). – Ralph J. Blasting: Die Dramaturgie des Spielleiters in den dt. Fronleichnamsspielen. In: Ma. Schauspiel. FS H. Linke. Hg. Ulrich Mehler/Anton H. Touber. Amsterdam/Atlanta 1994, S. 79–91. – Cora Dietl: Die Dramen Jacob Lochers und die fr¨uhe Humanistenb¨uhne im s¨uddt. Raum (Quellen und Forschungen zur Lit.- und Kulturgesch. 37 [271]). Berlin/New York 2005, S. 55–58 u. o¨ . – Ursula Schulze: Geistliche Spiele im MA und in der Fr¨uhen Neuzeit. Von der liturgischen Feier zum Schauspiel. Eine Einf. Berlin 2012, S. 158 f. BJ Zerbster Fronleichnamsspiel. – Dt. Prozessionsspiel. Seit 1504 sind in Zerbst regelm¨aßige Fronleichnamsprozessionen nachweisbar, die erst 1522 im Zuge der Reformation abgeschafft wurden. Das Z. 1342
um 1500 F. wurde wahrscheinlich jeweils nach der Prozession im Rahmen eines Gottesdienstes aufgef¨uhrt. Darauf deuten liturgische Ges¨ange hin, die im ansonsten ostmitteldt. verfassten Z. F. enthalten waren. Das Spiel bestand aus einer Abfolge von Figuren («figurae»), also szenischen Bildern, die auf Podesten oder Wagen dargestellt wurden. Dies geschah pantomimisch; verschiedentlich wurden aber auch Tafeln mit lat. Bibelzitaten gezeigt. Die Spieler wurden aus den Z¨unften der Stadt rekrutiert. Das Spiel scheint in seinem Umfang geschwankt zu haben, wenn man den 15 bekannten Handschriften glauben kann, die zwischen 1507 und 1522 entstanden. Die l¨angste Fassung (Hs. O, s. ¨ Uberlieferung) enth¨alt in 399 Versen 78 Figuren mit Szenen aus der Heilsgeschichte. Die Figuren ¨ werden in der Uberlieferung durch jeweils bis zu 16 Reimpaar-Verse begleitet, die auch typologisch oder moralisierend sein k¨onnen. Der Inhalt des Z. F. reichte in seiner umfangreichsten Fassung von der Genesis bis zum Ju¨ ngsten Gericht und endete mit dem Gleichnis von den f¨unf klugen und f¨unf t¨orichten Jungfrauen sowie einem Epilog. Die Passion Christi ist ausf¨uhrlich in zahlreichen, aber k¨urzeren Figuren dargestellt. Auch treten gegen Ende des Z. F. mehrere Heilige in verbundener Abfolge auf. In den k¨urzeren Fassungen des Z. F. fehlen aber h¨aufig Szenen, darunter meist der Streit der T¨ochter Gottes, manchmal aber auch das Gastmahl des Herodes, Christi Verleugnung durch Petrus, Jesu Begr¨abnis und die H¨ollenszene. Inhaltlich weist das Z. F. Parallelen zum → K¨unzelsauer Fronleichnamsspiel auf. ¨ Zur Uberlieferung des Spiels z¨ahlen auch drei Fassungen des Regiebuchs. Die ausf¨uhrlichste Fassung, das sog. Große Zerbster Regiebuch, verzeichnet neben Kost¨umen und Requisiten auch die Dramaturgie der Figuren sowie die sie jeweils darstellenden Z¨unfte. In den k¨urzeren Fassungen des Regiebuchs sind nur die Figuren festgehalten. Der Verlauf der Prozession wird im lat. Brief eines Klerikers beschrieben. F¨ur die Zeit von 1511 bis 1522 existieren zudem Verzeichnisse der Einnahmen und Ausgaben im Zusammenhang mit der Prozession. ¨ Uberlieferung: Zerbst, Stadtarch., Hs. O, 6r–13r (Pap., 1507, ostmitteldt. mit nd. Einsprengseln). – Ebd., Abt. III, Nr. 4, Hss. I–XIV (um 1508–22, ostmitteldt. mit nd. Einsprengseln). – Von theaterwissenschaftlichem Interesse sind die Regieb¨ucher: Zerbst, Stadtarch., Hs. III,3, 1r–4r. – Ebd., Hs. III,5, 1343
Gernroder Visitatio Sepulchri 1r–3r, 6r–7v. – Die Hss. waren lange verschollen, wurden aber 2012 wieder aufgefunden. Ausgaben: Beschreibung einer im Jahre 1507 zu Zerbst aufgef¨uhrten Prozession. Hg. v. Friedrich Sintenis. In: ZfdA 2 (1842) S. 276–297. – Das Zerbster Prozessionsspiel 1507. Hg. v. Willm Reupke. Berlin/Leipzig 1930. Literatur: Franz K¨orndle: Liturgische Dramen, Geistliche Spiele. In: MGG2 Sachteil 5 (1996) Sp. 1388–1412. – Raymond Graeme Dunphy, VL2 10 (1999) Sp. 1541–1544. – Toni Weber: Die Praefigurationen im geistlichen Drama Deutschlands. Frankfurt/M. 1919, S. 53–57. – Reupke 1930 (s. Ausg.). – Wolfgang F. Michael: Die geistlichen Prozessionsspiele in Deutschland. Baltimore/G¨ottingen 1947, S. 62–65. – Wilhelm Breuer: Zur Auff¨uhrungspraxis vorreformatorischer Fronleichnamsspiele in Deutschland. In: ZfdPh 94 (1975) Sonderh., S. 50–71. – Rolf Bergmann: Kat. der deutschsprachigen geistlichen Spiele und Marienklagen des MA (Ver¨off. der Kommission f¨ur dt. Lit. des MA der Bayerischen Akad. der Wiss.). M¨unchen 1986, Nr. 174–190. – Bernd Neumann: Geistliches Schauspiel im Zeugnis der Zeit. Bd. 1 (MTU 84). Mu¨ nchen/Z¨urich 1987, S. 781–809 (Nr. 3397–3566). – Dorette Krieger: Die ma. deutschsprachigen Spiele und Spielszenen des Weihnachtsstoffkreises. Frankfurt/M. u. a. 1990, S. 101–121. – Hannes Lemke: Die Ankuhner als Apostel, der Stadtrat als Herodes. Die Zerbster Ratschronik und das Prozessionsspiel als Baustein zu einer Zerbster Literaturgesch. des Sp¨atMA und der Fr¨uhen Neuzeit. In: Zerbster Heimatkalender – Zerbster Schr. 53 (2012) S. 122–130. MM Gernroder Visitatio Sepulchri. – Lat. Osterfeiern. Zwei um 1500 von Konventualinnen des St. Cyriakusstiftes Gernrode im Harz in nd. Sprache niedergeschriebene Ordinarien enthalten je eine «visitatio sepulchri» f¨ur die Feier am Hl. Grab in Gernrode. Im Unterschied zu den meisten anderen Osterfeiern ging in Gernrode (vgl. u. a. Pr¨ufening) der «visitatio sepulchri» die «elevatio crucis» in Form einer Prozession voraus, welche die H¨ollenfahrt («descensus») Christi versinnbildlichen sollte. Nicht nur das Tuch, in dem das Kreuz eingewickelt war, wird gezeigt, sondern das Kreuz selbst wird in die Kirche getragen. Auf ihrem Weg zum Grab singen die Frauen drei Klagestrophen («Heu 1344
Johannesspiel zu Dresden nobis internas mentes, ...»). Einer kurzen «visitatio» folgt die Erscheinungsszene, in welcher der «homessen here», d. h. der Zelebrant der Messe, die drei Frauen empf¨angt und das «Maria, quid ploras?» singt. Im Anschluss an die Antwort, die nicht von Maria Magdalena allein, sondern von allen drei Marien gemeinsam gesungen wird («Tulerum dominum meum, ...»), und den Apostellauf (von Diakon und Subdiakon dargestellt) wird das liturgische Offizium fortgesetzt. Die den lat. Ges¨angen (zum Teil neumiert) beigegebenen nd. Rubriken des Ordinariums d¨urften aus dem 15. Jh. stammen, die Tradition der Feier selbst l¨asst sich dagegen in Gernrode bis in das beginnende 12. Jh. zur¨uckf¨uhren. Das dortige Hl. Grab wurde kurz nach der Eroberung Jerusalems (1099) errichtet. ¨ Uberlieferung: Berlin, SBB, Mus. ms. 40081, 16v–18v, 93v–95v, 239v–240r, 241v–243v (Prozessionar und Ordinarium). – Ebd., Mus. ms. 40080, 109v–112r, 223v, 225v–228r (Prozessionale und Ordinarium). Ausgaben: Lipphardt 1972 (s. Lit.) S. 1–7. – Walther Lipphardt (Hg.): Lat. Osterfeiern und Osterspiele. Bd. 5. Berlin/New York 1976, S. 1524–1528 (Nr. 786), 1528–1530 (Nr. 786 a). Literatur: Walther Lipphardt, VL2 2 (1979) Sp. 1262–1264. – Ders.: Die Visitatio sepulchri (III. Stufe) von Gernrode. In: Daphnis 1 (1972) S. 1–14. BJ Gussinger ¨ Weltgerichtsspiel. – Geistliches Spiel, um 1500 (?). Das G. W. ist nach einem fr¨uheren Lagerort der Sammelhandschrift benannt, die u. a. mehrere endzeitliche Themen behandelnde Dichtungen enth¨alt, darunter einen dialogisierten Totentanz. Das auf mindestens 26 Sprecher verteilte, zu Lesezwecken nach einer Spielvorlage aufgezeichnete Spiel (877 Verse) in bairischer Mundart (vgl. Linke 1995, S. 86–90) beginnt mit der Rede des Propheten Johel und endet mit dem Abgang der Guten in den Himmel mit Abschlussgesang («herr wir loben dich [...]»). Neben Textdefiziten, die vermutlich auf einer zum Teil korrupten Vorlage beruhen, lassen sich im u¨ berlieferten Text mehrere gr¨oßere Abweichungen zu vergleichbaren Weltgerichtsspielen festellen. Es fehlen u. a. das Lob der Werke der Barmherzigkeit in der Begr¨undung des Urteils u¨ ber die Guten und die Verk¨undung des Urteils u¨ ber die B¨osen. Bei den 1345
um 1500 Lobpreisungen der Apostel treten – bei gest¨orter Reihenfolge – nur elf Apostel auf. Zum Verh¨altnis des G. W.s zu den u¨ brigen Texten der Vulgatfassung vgl. Linke 1995, S. 92–94. ¨ Uberlieferung: Budapest, Bibl. et Archivum P. P. Franciscanorum, Cod. Esztergom 11 (fr¨uher Esztergom/Gran, Bibl. des Franziskanerklosters, Cod. 11), 102r–123r (Pap., um 1500). Ausgaben: Hansj¨urgen Linke (Hg.): Das G. W. (Germ. Bibl. NF. 4 Reihe: Texte 9). Heidelberg 1995. – Ders. (Hg.): Die dt. Weltgerichtspiele des sp¨aten MA. Synoptische Gesamtausg. Bd. I: Einleitung, Bd. II/1.2: Texte, Tu¨ bingen/Basel 2002. Literatur: Hansj¨urgen Linke, VL2 11 (2004) Sp. 572. – Rolf Bergmann: Kat. der deutschsprachigen geistlichen Spiele und Marienklagen des MA (Ver¨off. der Kommission f¨ur dt. Lit. des MA der Bayerischen Akad. der Wiss.). M¨unchen 1986, S. 606 (Nr. 29a). – Andr´as Vizkelety: Aspekte zur Entstehung und Funktion sp¨atma. Sammelhss. In: Dt. Lit. des Sp¨atMA. Ergebnisse, Probleme und Perspektiven der Forschung (Dt. Lit. des MA 3). Greifswald 1986, S. 385–392. – Bernd Neumann: Geistliches Schauspiel im Zeugnis der Zeit. Zur Auff¨uhrung ma. religi¨oser Dramen im dt. Sprachgebiet (MTU 84.85). Mu¨ nchen 1987, Bd. 2, S. 839 (Nr. 3628/1). – Linke (s. Ausg.) S. 1–5. – Frieder Schanze: Wieder einmal das ‹Fragm. vom Weltgericht› – Bemerkungen und Materialien zur ‹Sibyllenweissagung›. In: Gutenberg-Jb. 75 (2000) S. 42–63. – Dieter Trauden: Gnade vor Recht? Unters. zu den deutschsprachigen Weltgerichtsspielen des MA (Amsterdamer Publ. zur Sprache und Lit. 142). Amsterdam/Atlanta 2000, S. 30–34. – Linke (s. Ausg.) Bd. I, S. 16–18 u. o¨ . BJ Der Jesusknabe in der Schule → Band 2, Sp. 1619 f. Johannesspiel zu Dresden (auch Johannisprozession). – Lokales B¨uhnen- und Umgangsspiel, 1480–1539 nachgewiesen. Im ma. Dresden erfolgte am Johannistag traditionell die Verehrung von Reliquien in der o¨ rtlichen Kreuzkirche. Seit dem 13. Jh. gew¨ahrten die Markgrafen den Besuchern zu diesem Anlass freies Geleit. Seit 1319 ist am Johannistag auch ein Ablass f¨ur b¨ußende oder stiftende Kirchenbesucher nachgewiesen. Ein weiterer zentraler Bestandteil des Dresdener Johannesfests war die Prozession der Kleriker und Z¨unfte, die mit Trachten, Fahnen 1346
um 1500 und den Heiligt¨umern der o¨ rtlichen Kirchen durch die Stadt zog. Aus dieser Prozession entwickelte sich das von 1480 bis 1539 nachweisbare J. Seine Auff¨uhrungen sind heute nur noch durch Ratsrechnungen zu belegen, denn Auff¨uhrungstexte sind nicht u¨ berliefert. Das J. d¨urfte dem verwandten Umgangsspiel in Zerbst geglichen haben, d. h. an bestimmten Stellen des Zugs wurden wahrscheinlich erkl¨arende Texte verlesen, w¨ahrend die Darsteller stumm die dazugeh¨origen Szenen auff¨uhrten. Die Texte selbst bestanden in Zerbst aus dt. Reimpaarversen. Das Dresdener J. kombinierte ein mobiles Umgangsspiel mit Szenen auf stehenden B¨uhnen. Es wurde jeweils zur Mittagszeit des Johannistags aufgef¨uhrt. Start- und Endpunkt war stets die B¨uhne vor der Kreuzkirche. Die Darsteller des Spiels rekrutierten sich prim¨ar aus den kirchlichen Orden, Weltgeistlichen, Zu¨ nften und Stadtdienern. Auch Musiker nahmen wahrscheinlich am J. teil. Kost¨ume und Requisiten wurden von Kirchenmeistern und Z¨unften gestellt. Zur Ausstattung der Prozession z¨ahlten neben den u¨ blichen kirchlichen Heiligt¨umern auch Figuren. So wurde etwa ab 1507 eine Kalbsfigur mitgef¨uhrt. Die dargestellten Stoffe d¨urften sich weitgehend mit zeitgen¨ossischen Fronleichnamsspielen u¨ berschnitten haben. Die Prozession begann mit Szenen aus dem AT (z. B. Adam und Eva, Goldenes Kalb). Sp¨ater wurden Leben und Passion Christi ausf¨uhrlich dargestellt, danach Heiligenlegenden (Mauritius und seine Schar, Georg und der Drache). Darauf folgten Engel, Teufel und der Antichrist. H¨ohepunkt und Abschluss des Spiels war die Enthauptung von Johannes dem T¨aufer w¨ahrend des Gastmahls des Herodes. Diese Szene wurde auf der Bretterb¨uhne vor der Kreuzkirche aufgef¨uhrt. Parallel zum J. ist seit 1489 auch ein Wettlauf nachweisbar, der am Johannistag aufgef¨uhrt wurde. Mit der Einf¨uhrung der Reformation starb die Tradition des J.s, das sich zum Johannesmarkt entwickelte. ¨ Uberlieferung: Zu den Archivalien vgl. Richter 1883 (s. Lit.). Literatur: Anton D¨orrer: Fronleichnamsspiele, Freiburger. In: VL1 1 (1933) Sp. 732–768, hier Sp. 734 f. – De Boor/Newald 4/1 (21994) S. 262. – Otto Richter: Das Johannisspiel zu Dresden im 15. und 16. Jahrhunderte. In: Neues Arch. f¨ur s¨achsische Gesch. 4 (1883) S. 101–114. – Wolfgang F. Michael: Das dt. Drama des MA. Berlin/New York 1971. – Bernd Neumann: Geistliches Schauspiel 1347
Osnabrucker ¨ Osterspiel im Zeugnis der Zeit. Zur Auff¨uhrung ma. religi¨oser Dramen im dt. Sprachgebiet (MTU 84.85). M¨unchen 1987, Bd. 1, S. 279–294. – Anni-Britta Jahn: Theater. In: H¨ofe und Residenzen im sp¨atma. Reich 2/1: Bilder und Begriffe. Hg. v. Werner Paravicini. Bearb. v. Jan Hirschbiegel/J¨org Wettlaufer. Ostfildern 2005, S. 517–520. – Arnd Reitemeier: Pfarrkirchen in der Stadt des sp¨aten MA. Politik, Wirtschaft und Verwaltung. Stuttgart 2005, S. 356 f. MM Osnabrucker ¨ Osterspiel. – Lat.-mnd. geistliches Spiel. Sprachstand und Osnabr¨ucker Heimat des St¨ucks ¨ (ohne Uberschrift, Hinweise auf eine Auff¨uhrung fehlen) stimmen u¨ berein. Anders als der fortlaufende lat. Text sind die 584 dt. Verse abgesetzt geschrieben; einige Seiten sind ohne Noten. Die lat. B¨uhnenanweisungen und Sprecherbezeichnungen befinden sich auf dem Rand sowie zwischen Notensystemen und Textst¨ucken. Das O. O. beginnt nach dem Prolog mit der H¨ollenfahrt Jesu (vgl. → Evangelium Nicodemi). Es folgen die Bestellung der Grabwache, die «visitatio selpulchri», die Verk¨undung der Auferstehung an die J¨unger, der Lauf des Petrus und des Johannes zum Grab, die Erscheinungen Jesu vor Maria Magdalena, vor den Marien, vor den J¨ungern von Emmaus und in Galil¨aa. Nach der zweiten Grabw¨achterszene erscheint Jesus vor Thomas. Es fehlen Kr¨amerszene, Salbenkauf, die Weglieder und die Auferstehung. Gliedernden und kommentierenden Charakter haben die Zwischenreden des Regens sowie zahlreiche lat. Chorges¨ange. ¨ Uberlieferung: Osnabr¨uck, Bisch¨ofliches Arch., Hs. Gertrudenberg 1, 130v–156v (Perg., geschrieben von der Nonne Gertrud Brickwege [Brickwede, Brickwedde], um 1500). Ausgabe: Hans-Hermann Breuer: Das mnd. O. O. Der Ursprung des O. und der Prozession. Unters., Einleitung und Ausg. (Beitr. zur Gesch. und Kulturgesch. des Bistums Osnabr¨uck 1). Osnabr¨uck 1939, S. 63–86. Literatur: Rolf Bergmann, VL2 7 (1989) Sp. 89 f.; 11 (2004) Sp. 1097. – De Boor/Newald 4/1 (21994) S. 246. – Peter Wagner: Ein vierstimmiger Agnustropus. In: Kirchenmusikalisches Jb. 26 (1931) S. 7–12. – Hans Hermann Breuer: Das neu aufgefundene Osterspiel aus Kloster Gertrudenberg. In: Korrespondenzbl. des Ver. f¨ur nd. Sprachforschung 45 (1932) S. 68 f. – Breuer 1348
Steinacher Salvator-Rolle (s. Ausg.). – W. Foerste: Zur Heimat des O. O. In: Korrespondenzbl. des Ver. f¨ur nd. Sprachforschung 60 (1953) S. 10 f. – Helmut de Boor: Die Textgesch. der lat. Osterfeiern (Hermaea NF 22). T¨ubingen 1967, S. 295–299. – Rolf Steinbach: Die dt. Oster- und Passionsspiele des MA (K¨olner germanistische Stud. 4). K¨oln/Wien 1970, S. 85–90. – Wolfgang F. Michael: Das dt. Drama des MA (Grundriß der germ. Philologie 20). Berlin/ New York 1971. – David Brett-Evans: Von Hrotsvit bis Folz und Gengenbach. Eine Gesch. des ma. dt. Dramas. Tl. 1: Von der liturgischen Feier zum volkssprachlichen Spiel (Grundlagen der Germanistik 15). Berlin 1975, S. 105 f. – R. Bergmann: Kat. der deutschsprachigen geistlichen Spiele und Marienklagen des MA (Ver¨off. der Kommission f¨ur dt. Lit. des MA der Bayerischen Akad. der Wiss.). Mu¨ nchen 1986, S. 276–278 (Nr. 124). – Bernd Neumann: Geistliches Schauspiel im Zeugnis der Zeit. Zur Auff¨uhrung ma. religi¨oser Dramen im dt. Sprachgebiet (MTU 84.85). Mu¨ nchen 1987, Bd. 2, S. 821 (Nr. 3592). BJ Regensburger (alemannisches) Osterspiel. – Vermutlich sp¨atestes der ma. mischsprachigen Osterspiele. Dem eigentlichen Osterspiel, das auf Bl. 24v (V. 91a) beginnt, geht auf Bl. 22r–24v eine Karfreitags-Stationsfeier mit notierten lat. Lobund Bittges¨angen (eingestreut sind einige dt. Lieder, ohne Noten) voraus. Nach der «visitatio sepulchri» (V. 102–175) verk¨unden die Marien den J¨ungern die Auferstehung (V. 176–193). Das Spiel endet mit Lauf des Petrus und des Johannes zum Grab (V. 194–211). ¨ Uberlieferung: Regensburg, Bisch¨ofliche ZB, Ch 1*, 22r–29v (Prozessionale der Alten Kapelle, Quer-12°, erste H¨alfte 17. Jh.; Hufnagelnoten in f¨unflinigem System). Ausgaben: Dom[inikus] Mettenleiter: Aus der musikalischen Vergangenheit bayerischer St¨adte. Musikgesch. der Stadt Regensburg. Regensburg 1866, S. 246–248. – Eduard Hartl: Das R. O. und seine Beziehungen zum Freiburger Fronleichnamsspiel. In: ZfdA 78 (1941) S. 121–132. – Joseph Poll: Ein Osterspiel enthalten in einem Prozessionale der Alten Kapelle in Regensburg. In: Kirchenmusikalisches Jb. 34 (1950) S. 35–40, 108. Literatur: Hansj¨urgen Linke, VL2 7 (1989) Sp. 1093 f. – Hartl (s. Ausg.) S. 121–125. – Poll (s. Ausg.) S. 35 f. – Rolf Steinbach: Die dt. 1349
um 1500 Oster- und Passionsspiele des MA (K¨olner germanistische Stud. 4). K¨oln/Wien 1970, S. 22–24. – Rolf Bergmann: Kat. der deutschsprachigen geistlichen Spiele und Marienklagen des MA (Ver¨off. der Kommission f¨ur dt. Lit. des MA der Bayerischen Akad. der Wiss.). M¨unchen 1986, S. 281 f. (Nr. 127). – Bernd Neumann: Geistliches Schauspiel im Zeugnis der Zeit. Zur Auff¨uhrung ma. religi¨oser Dramen im dt. Sprachgebiet (MTU 84.85). Mu¨ nchen 1987, Bd. 2, S. 852 (Nr. 3649). BJ Steinacher Salvator-Rolle. – Lat.-dt. Rollenauszug, um 1520 aufgezeichnet. Bei dem Text handelt es sich nicht, wie fr¨uher angenommen, um das Bruchst¨uck eines ma. Passionsspiels, sondern um einen der ca. zwei Dutzend im deutschsprachigen Gebiet nachgewiesenen Rollenausz¨uge. Die sechs lat. Ges¨ange des Salvators sind neumiert. Urspr¨unglich enthielt die Rolle wohl nur die Erscheinung des Auferstandenen vor Maria Magdalena (nicht als Hortulanus) und vor Thomas. Erst nachtr¨aglich wurden die Rollenpartien von vier chronologisch voraufgehenden Handlungsteilen angef¨ugt: Auferstehung Jesu, Befreiung der Altv¨aterseelen aus der Vorh¨olle («limbus»), Wegf¨uhrung der Erl¨osten ins Paradies durch Michael, Befreiung Josephs aus dem Kerker. Der im Handlungsrahmen der Ostergeschehnisse und Osterspiele stehende Text, der neben knappen Regieanweisungen am Ende auch den Namen des Schreibers und/oder Rollentr¨agers bietet, ist eng verwandt mit der Bozner Passion von 1495 und der Großen Bozner Passion von 1514 (→ Bozner Passionsspiele). ¨ Uberlieferung: Innsbruck, Tiroler Landesarch., cod. 95 (Pap., um 1520 von Johannes Posch geschrieben; mit gotischen Hufnagelnoten in vierlinigem System). Ausgaben: Hanns Bachmann: Ein Bruchst¨uck eines Passionsspieles aus Steinach. In: Tiroler Heimatbll. Monatshefte f¨ur Gesch., Natur und Volkskunde 16 (1938) S. 152–157 (unbrauchbar). – Hansj¨urgen Linke/Ulrich Mehler (Hg.): Die S. S.R. In: Der Schlern 67 (1993) H. 7, S. 489–506. Literatur: Hansj¨urgen Linke, VL2 9 (1995) Sp. 247–249. – Linke/Mehler (s. Ausg.). – Rolf Steinbach: Die dt. Oster- und Passionsspiele des MA (K¨olner germanistische Stud. 4). K¨oln/Wien 1970, S. 184 f. – Rolf Bergmann: Kat. der deutschsprachigen geistlichen Spiele und Marienklagen des MA (Ver¨off. der Kommission f¨ur dt. Lit. des MA 1350
um 1500 der Bayerischen Akad. der Wiss.). M¨unchen 1986, S. 155 f. (Nr. 65). – Bernd Neumann: Geistliches Schauspiel im Zeugnis der Zeit. Zur Auff¨uhrung ma. religi¨oser Dramen im dt. Sprachgebiet (MTU 84.85). Mu¨ nchen 1987, Bd. 1, S. 645 f. (Nr. 2517). BJ Welser Passionsspiel. – Zwei Fragmente, um 1500. Die enthaltenen Korrekturen und Erg¨anzungen lassen auf ein Arbeitsmanuskript schließen. ¨ Uberlieferung: Stadtarch. Wels/Ober¨osterreich, Akten, Schachtel 1227 (ein Einzelbl. und zwei Doppelbl¨atter). Ausgaben: Ludwig Kaff: Das W. P. In: FS des Bundesrealgymnasiums Wels 1901–1951. Wels o. J. [1951], S. 29–50, hier S. 35–48 (nur Doppelbl.). – Ders.: Ma. Oster- und Passionsspiele aus Ober¨osterreich im Spiegel musikwissenschaftlicher Betrachtung (Schriftenreihe des Inst. f¨ur Landeskunde von Ober¨osterreich 9). Linz 1956, S. 60–66 (nur Doppelbl.). – Ders./Rudolf Zinnhobler: Welser Passionsspielfragm. In: 61. Jahresber. des Bisch¨oflichen Gymnasiums und Di¨ozesanknabenseminars am Kollegium Petrinum in UrfahrLinz (1964/65), S. 4–17 (auch im Sonderdr. aus dem Jahresber. ‹Das geistliche Schauspiel in Wels›, 1965, S. 1–14). Literatur: Hansj¨urgen Linke, VL2 10 (1999) Sp. 828–830. – Kaff 1956 (s. Ausg.) S. 40–44. – Rudolf Zinnhobler: Einiges uber ¨ das W. P. In: Jahresber. des Bundesrealgymnasiums Wels f¨ur die Jahre 1960–62, S. 12–14. – Albert Sturm: Theatergesch. Ober¨osterreichs im 16. und 17. Jh. (Theatergesch. ¨ Osterreichs 1,1). Graz u. a. 1964, S. 24–28. – R. Zinnhobler: Die Welser Spielfragm. aus der Zeit um 1500 in der Lit. In: Jb. des Musealver. Wels 11 (1964/65) S. 19–58. – Ders.: Gesch. des geistlichen Schauspiels in Wels. In: 61. Jahresber. des Bisch¨oflichen Gymnasiums und Di¨ozesanknabenseminars am Kollegium Petrinum in Urfahr-Linz (1964/65), S. 19–58 (auch im Sonderdruck ‹Das geistliche Schauspiel in Wels›, 1965, S. 15–55). – Gilbert Trathnigg: Zur Gesch. des Welser Theaters. In: Ober¨osterr. Heimatbll. 24 (1970) S. 29–38. – Gesine Taubert: Sp¨atma. Kreuzabnahmespiele in Wels, Wien und Tirol. In: Jb. des Ober¨osterr. Musealver. 119 (1974) S. 53–89. – Rolf Bergmann: Kat. der deutschsprachigen geistlichen Spiele und Marienklagen des MA (Ver¨off. der Kommission f¨ur dt. Lit. des MA der Bayerischen Akad. der Wiss.). 1351
Welser Passionsspiel Mu¨ nchen 1986, S. 350–352 (Nr. 161). – Bernd Neumann: Geistliches Schauspiel im Zeugnis der Zeit. Zur Auff¨uhrung ma. religi¨oser Dramen im dt. Sprachgebiet (MTU 84.85). M¨unchen/Z¨urich 1987, Bd. 1, S. 694–697 (Nr. 2743–2771). VZ Alsfelder Passionsspiel. – Geistliches Spiel, 1501, 1511 und 1517 aufgef¨uhrt. Das A. P. geh¨ort wegen seines Umfangs und Inhalts zu den bedeutendsten geistlichen Dramen im dt. Sprachgebiet des MA, dessen erste Auff¨uhrung f¨ur das Jahr 1501 belegt ist. Mit 8095 Versen u¨ bertrifft es alle anderen Vertreter der hessischen Spielgruppe. Der Text des Spiels, f¨ur dessen Auff¨uhrung man drei Tage ben¨otigte, ist auf rund 190 Rollen verteilt. Die mit dem Spiel u¨ berlieferte Prozessionsordnung sieht eine noch gr¨oßere Zahl der Mitwirkenden vor. Neben der Haupthandschrift mit Randnotizen und eingelegten Erg¨anzungsbl¨attern ist als Regiebuch f¨ur den Spielleiter die → Alsfelder Dirigierrolle u¨ berliefert. Erhalten sind zudem die bereits erw¨ahnte Prozessionsordnung, ein B¨uhnenplan f¨ur einen Spieltag, ein nur mehr fragmentarisches Darstellerverzeichnis und Textausz¨uge f¨ur Einzelrollen: eine Johannes-Rolle (Hand C, Anfang 16. Jh.), eine Mercator- und Synagoga-Rolle (Hand B = Henrich → H¨ultscher, Anfang 16. Jh.), eine Luzifer-Rolle (um 1500) und eine Barrabas-Rolle (Hand C, Anfang 16. Jh.). Die Handschrift enth¨alt neben der urspr¨unglichen Textaufzeichnung durch eine Hand A (Grundstock, Alsfeld oder Friedberg, vor 1501) Erweiterungen von Hand B und D (Alsfeld, 1506 [?] bis 1511) und von Hand C (Alsfeld, zwischen 1511 und 1517). Beim Grundstock handelt es sich um eine Abschrift mit Korrekturen und Nachtr¨agen zu den Vorlagen. Da zwischen dem A. P. und der → Friedberger Dirigierrolle ein eindeutiger Zusammenhang besteht, wurde neben Alsfeld auch Friedberg als Schreibort bzw. als Herkunftsort einer oder mehrerer Vorlagen in Erw¨agung gezogen. Mittlerweile hat die «Friedberg-Hypothese [...] f¨ur den Grundstock [...] insgesamt an Terrain verloren» (Vogelgsang, S. 20). Die auf die Redaktoren B–D (bzw. E) zur¨uckgehenden Zus¨atze betreffen Erweiterungen der Handlung durch Aufnahme neuer Themen und Szenen sowie das Einf¨ugen neuer Rollen. Der Einschub liturgischer Passagen brachte einen Stilwandel mit sich. Das auf einer Simultanb¨uhne im Freien aufgef¨uhrte A. P. mit heilsdidaktischer Intention ist 1352
Alsfelder Passionsspiel bereits in der Fassung des Grundstocks auf drei Tage ausgelegt. Das Spiel wird durch den «proclamator» und den «regens» er¨offnet; zur Vertagung des Spiels und seine Wiederankn¨upfung am n¨achsten Tag h¨alt der «proclamator» erneut jeweils eine Rede. Der erste Tag (Szene 1–37) behandelt nach einer Teufelsberatung gegen Jesus Szenen aus der Geschichte Johannes des T¨aufers und dem o¨ ffentlichen Leben Jesu bis zur Salbung durch Maria Magdalena. Der zweite Tag (Szene 38–74) reicht von der Vorbereitung des Abendmahls bis zur Verurteilung Jesu und Handwaschung des Pilatus, der ein ausf¨uhrliches Streitgespr¨ach zwischen Ecclesia und Synagoga folgt. Der dritte Tag (Szene 75–108, 109–128, 142) umfasst eine (erneute) Dornenkr¨onung, Kreuzigung, Beisetzung Jesu, Auferstehung und H¨ollenfahrt Christi. In der vom Schreiber D stammenden Szene 141, die innerhalb der Hessischen Passionsspielgruppe keine Parallelen hat, erfolgt die Aussendung der Apostel. Auf die Darstellung der Passion (71 Szenen von der Gefangennahme Jesu bis zur Grablegung) entf¨allt mit rund 3500 Versen die H¨alfte des Gesamtbestandes. Zum biblischen und legendarischen Personal kommen neben den verschiedenen Teufeln sowie dem «proclamator» und «regens» allegorische Figuren wie «Mors», «Luna» und «Stelle» hinzu. Judenfeindliche Szenen gibt es nicht nur bei der in 16 Wechselreden untergliederten Auseinandersetzung zwischen Ecclesia und Synagoga, an deren Schluss die Juden singend um das Goldene Kalb tanzen. Teufel und Juden werden einander teilweise so weit angen¨ahert, dass sie austauschbar werden («Judei vel dyaboli», V. 897a). Das A. P., in dem die Musik eine herausragende Rolle spielt (67 Melodien zu dt. und lat. Ges¨angen), zeichnet sich durch ein «ganz außergew¨ohnliches Spektrum an Ausdrucksformen quer durch verschiedenste Stilebenen und Textmuster» (Vogelgsang, S. 707) aus. Durch charakteristische Sprachmuster wird der Alltag ebenso rezipiert wie die h¨ofische Kultur. ¨ Uberlieferung: Kassel, UB/LMB, 2° Ms. poet. et roman. 18, Bl. 1r–81v, 84 Bll. (Pap., 44 x 16 cm, einspaltig, Noten, 15. Jh. mit Zus¨atzen verschiedener H¨ande bis 1517, rheinfr¨ankisch, in Alsfeld oder Friedberg entstanden, Anfang des 16. Jh. in Alsfeld erweitert). Ausgaben: August Friedrich Christian Vilmar: Das A. P. In: ZfdA 3 (1843) S. 480–518 (Ausz¨uge). – Christian W. M. Grein (Hg.): Das A. P. mit Wb. 1353
um 1500 Kassel 1874. – Richard Froning (Hg.): Das Drama des MA. 3 Bde. (Dt. National-Litteratur 14,1–3). Stuttgart 1891/92 (Nachdr. in 1 Bd. Darmstadt 1964) Bd 2, S. 567–859. – Christoph Treutwein: ¨ Das A. P. Unters. zu Uberl. und Sprache. Edition der Alsfelder Dirigierrolle (Germ. Bibl. NF 4). Heidelberg 1987. – Johannes Janota (Hg.): Die Hessische Passionsspielgruppe. Edition im Paralleldruck. Bd. 2: A. P. Frankfurter Dirigierrolle. F. D. mit den Paralleltexten. Weitere Spielzeugnisse. Alsfelder Passionsspiel mit den Paralleltexten. Edition der Musik von Horst Brunner. T¨ubingen 2002, S. 207–905 (mit Abdruck der Prozessionsordnung und des B¨uhnenplans), Abb.: S. 907–921; Die Alsfelder Einzelrollen. Die ‹Alsfelder Luziferrolle› (ALr). Die ‹Alsfelder Johannesrolle› (AJr). Die ‹Alsfelder Barabbasrolle› (ABr). Die ‹Alsfelder Kaufmannsrolle› (AKr). Die ‹Alsfelder Synagogarolle› (ASr): S. 191–198, Abb.: S. 908 (ALr, Bl. 1r), S. 909 (ALr, Bl. 1v), S. 910 (ASr, Bl. 1v); Das ‹Alsfelder Spielerverzeichnis› (ASp): S. 199–205, Abb.: S. 911 (Bl. 1v), S. 912 (Bl. 2r). Literatur: Hansj¨urgen Linke, VL2 1 (1978) Sp. 263–267; 11 (2004) Sp. 75. – De Boor/Newald 4/1 (21994) S. 251 f. u. o¨ . – Bernd Neumann/Red., Killy2 1 (2008) S. 99 f. – Froning (s. Ausg.) Bd. 2, S. 547–566; Bd. 3, S. 861–864. – Franz Joseph Mone: Altdt. Schauspiele (Bibl.dt.Nat.-Lit. 21). Quedlinburg/Leipzig 1841. – Karl Hase: Das geistliche Schauspiel. Geschichtliche Uebersicht. Leipzig 1858. – Gustav Milchsack: Die Osterund Passionsspiele. Bd. 1: Die lat. Osterfeiern. Wolfenb¨uttel 1880. Niederwalluf bei Wiesbaden 1971. – Richard Heinzel: Beschreibung des geist¨ lichen Schauspiels im dt. MA (Beitr. zur Asthetik 4). Hamburg/Leipzig 1898. – Alfred B¨aschlin: Die altdt. Salbenkr¨amerspiele. Diss. Basel 1929, S. 77–80 et passim. – Karl Young: The Drama of the Medieval Church. 2 Bde. Oxford 1933. Nachdr. ebd. 1951. – Eduard Hartl: Das Drama des MA. Bd. 1 (Dt. Lit. Reihe: Drama des MA 1). Leipzig 1937. Nachdr. Darmstadt 1964. – Leopold Schmidt: Zur Innengesch. der dt. Passionsspiele. In: Volk und Volkstum 3 (1938) 211–231. – Karl Dreim¨uller: Die Musik im geistlichen Spiel des sp¨aten dt. MA. Dargestellt am A. P. In: Kirchenmusikalisches Jb. 34 (1950) S. 27–34. – Henning Brinkmann: Das religi¨ose Drama im MA. In: Wirkendes Wort 9 (1959) S. 257–274. – Wolfgang F. Michael: Fr¨uhformen der dt. B¨uhne (Schr. der Ges. f¨ur Theatergesch. 62). Berlin 1963, S. 35 f. – David 1354
um 1500 Brett-Evans: Von Hrotsvit bis Folz und Gengenbach. Eine Gesch. des ma. dt. Dramas. Tl. 2: Religi¨ose und weltliche Spiele des Sp¨atMA (Grundlagen der Germanistik 18). Berlin 1975, S. 84–86. – Hans Friebertsh¨auser: Linguistische und theologische Stud. zum A. P. In: Sprache und Brauchtum. FS Bernhard Martin. Hg. v. Reiner Hildebrandt. Marburg 1980, S. 267–283. – Rolf Bergmann: Kat. der deutschsprachigen geistlichen Spiele und Marienklagen des MA (Ver¨off. der Kommission f¨ur dt. Lit. des MA der Bayerischen Akad. der Wiss.). M¨unchen 1986, S. 169–173 (Nr. 70). – B. Neumann: Geistliches Schauspiel im Zeugnis der Zeit. 2 Bde. (MTU 84/85). Mu¨ nchen 1987, Bd. 1, S. 104–114 (Nr. 3–13/1); Bd. 2, S. 880 (Nr. 3710), 917 Anm. 48 (Nr. 3760). – Guy Borgnet: Die Satire der Juden im ‹A. P.›. In: Parodie und Satire in der Lit. des MA. Hg. v. Edine Breier (Wissenschaftliche Beitr. der E.-M.-Arndt-Univ. Greifswald, Sektion Germanistik, Kunst- und Musikwiss. Dt. Lit. des MA 55). Greifswald 1989, S. 143–152. – Johan Now´e: Die Regie als gestaltende und symbolstiftende Instanz des A. P. In: GRM NF 45 (1995) S. 3–23 (wieder in: European Theatre 1470–1600. Traditions and Transformations. Hg. v. Martin Gosman/Rita Walthaus [Mediaevalia Groningana 18]. Groningen 1996, S. 1–17). – Dorothea Freise: Geistliche Spiele in der Stadt des ausgehenden MA (Ver¨off. des Max-Planck-Inst. f¨ur Gesch. 178). G¨ottingen 2002. – Werner R¨ocke: Maria Magdalena und Judas Ischarioth. Das A. P. und die Erlauer Spiele als Experimentierfelder des B¨osen und soziokultureller Standards im Sp¨atMA. In: Transformationen des Religi¨osen. Performativit¨at und Textualit¨at im geistlichen Spiel. Hg. v. Ingrid Kasten/Erika Fischer-Lichte. Berlin/New York 2007, S. 80–96. – Klaus Vogelgsang: Komm. zum ‹A. P.› und zu den zugeh¨origen kleineren Spielzeugnissen (Die Hessische Passionsspielgruppe. Edition im Paralleldruck. Erg.-Bd 2). Tu¨ bingen 2008. – D. Freise: Sakralisierung profaner R¨aume im MA. Die liturgischen Elemente des A. P.s. In: Heilige – Liturgie – Raum (Beitr. zur Hagiographie 8). Hg. v. Dieter R. Bauer. Stuttgart 2010, S. 237–264. – Carla Dauven van Knippenberg: Das Ostergeschehen im A. P. Ein transgenerischer Analyseversuch. In: AB¨aG 67 (2011) S. 329–342. – Ursula Schulze: Geistliche Spiele im MA und in der Fr¨uhen Neuzeit. Von der liturgischen Feier zum Schauspiel. Eine Einf. Berlin 2012, S. 92–98. BJ 1355
Hultscher ¨ Hultscher, ¨ Henrich, Alsfeld/Hessen, † 1547 Alsfeld. – Theologe. Der aus einer alteingessenen Alsfelder B¨urgerfamilie stammende H., der sich selbst meist «Hultzschwer» schrieb, studierte seit 1496 Theologie in Erfurt und war dann als kirchlicher Notar und Kaplan des Katharinenaltars der Walpurgiskirche in Alsfeld t¨atig (bezeugt seit 1506). 1539 wurde er zum Kirchen¨altesten gew¨ahlt. H. war Redaktor B des → Alsfelder Passionsspiels, dem er neben einer Erweiterung der Teufelsberatung gegen Jesus (V. 352–459, kurze Selbstvorstellung von elf Teufeln, Zusammenfassung Sathanas’, Dank Luzifers) die Szene mit den zw¨olf Standartentr¨agern (V. 3718–3983) und die Szenenreihe von der «visitatio sepulchri» bis zur Ausgießung des Hl. Geistes nach der Himmelfahrt Christi (V. 7614–7997) hinzuf¨ugte. Zudem stammt ein Großteil der Randbemerkungen von ihm. H. war Leiter des Spiels seit dessen Erweiterung. Die → Alsfelder Dirigierrolle weist ebenfalls Korrekturen und Erg¨anzungen von seiner Hand auf. Literatur: Hansj¨urgen Linke, VL2 4 (1983) Sp. 293 f.; 11 (2004) Sp. 699. – Hans Legband: Die Alsfelder Dirigierrolle. In: Arch. f¨ur hessische Gesch. und Altertumskunde NF 3 (1904) 393–456, hier S. 401 f., 405–407. – E. Zimmermann: Das Alsfelder Passionsspiel und die Wetterauer Spielgruppe. In: ebd. 6 (1909) S. 1–206, hier S. 135–152. – Eduard Becker: Nachlese zum Alsfelder Passionsspiel. In: ebd. 7 (1910) S. 484–492. – Dorothea Freise: Geistliche Spiele in der Stadt des ausgehenden MA: Frankfurt – Friedberg – Alsfeld (Ver¨off. des Max-Planck-Inst. f¨ur Gesch. 178). G¨ottingen 2002, S. 279–282, 572–574 (dazu: Johannes Janota, in: ZfdA 134 [2005] S. 244–261). – Klaus Vogelgsang: Komm. zum ‹Alsfelder Passionsspiel› und zu den zugeh¨origen Spielen (Die Hessische Passionsspielgruppe. Edition im Paralleldruck, Erg.-Bd. 2). T¨ubingen 2008, S. 13, 26–32, 67–96, 416–428, 660–665. BJ Alsfelder Dirigierrolle. – Regiebuch, 1506 (?). Die A. D. ist ein «Regiekurzmanuskript» (Treutwein) zu einer nicht n¨aher bestimmbaren Auff¨uhrung des → Alsfelder Passionsspiels. Sie wurde von Hand C geschrieben und enth¨alt am Ende (Bl. 42r) einen Nachtrag von Hand B (Henrich → H¨ultscher). Neben Regieanweisungen verzeichnet sie die lat. Partien im Incipit und gibt von den dt. 1356
Heidelberger Passionsspiel Rollentexten jeweils den Anfang als Schlagvers an (insgesamt 1045 Versanf¨ange). Mit der A. D. liegt eine weitere Fassung des Alsfelder Spiels vor, das sich durch Erweiterungen in den rahmenden Elementen auszeichnet. Zu diesen geh¨oren der Gemeindegesang am Anfang und am Ende des Spiels, die allegorischen Figuren «tempus» und «mors» sowie die Festlegung der Abschlussreden). W¨ahrend in der A. D. der Grundstock von Hand A (1501) und die Zus¨atze von Hand B (1506) vorkommen, wurden von den Erweiterungen durch Hand D nur zwei Passagen u¨ bernommen (Einsch¨ube zur Himmel- bzw. H¨ollenfahrt der Sch¨acher). Die Zus¨atze durch Redaktor C fehlen zur G¨anze. ¨ Uberlieferung: Alsfeld, Museum der Stadt, Verschiedenes IV, 1r–42r (Pap., 33 x 11 cm, einspaltig; Alsfeld, rheinfr¨ankisch, Anfang 16. Jh.). Ausgaben: Christoph Treutwein: Das Alsfel¨ der Passionsspiel. Unters. zu Uberl. und Sprache. Edition der A. D. (Germ. Bibl. NF 4). Heidelberg 1987. – Johannes Janota (Hg.): Die Hessische Passionsspielgruppe. Edition im Paralleldruck. Bd. 2: Alsfelder Passionsspiel. Frankfurter Dirigierrolle mit den Paralleltexten. Weitere Spielzeugnisse. Alsfelder Passionsspiel mit den Paralleltexten. Edition der Musik von Horst Brunner. T¨ubingen 2002, S. 149–190, Abb.: S. 907 (Bl. 41v und 42r). Literatur: Hansj¨urgen Linke, VL2 1 (1978) Sp. 262. – Eduard Otto: Die Dirigierrolle des Alsfelder Passionsspiels. In: Quartalsbll. des hist. Ver. f¨ur das Großherzogtum Hessen NF 1 (1892) Nr. 6, S. 151–153. – Edward Schr¨oder: A. D. In: AfdA 18 (1892) S. 299 f. – Hans Legband: Die A. D. In: Arch. f¨ur hessische Gesch. und Altertumskunde NF 3 (1904) S. 393–456. – Rolf Bergmann: Kat. der deutschsprachigen geistlichen Spiele und Marienklagen des MA (Ver¨off. der Kommission f¨ur dt. Lit. des MA der Bayerischen Akad. der Wiss.). Mu¨ nchen 1986, S. 45 f. (Nr. 7). – Bernd Neumann: Geistliches Schauspiel im Zeugnis der Zeit. Bd. 1 (MTU 84). M¨unchen 1987, S. 105 (Nr. 8). – Klaus Vogelgsang: Komm. zum ‹Alsfelder Passionsspiel› und zu den zugeh¨origen kleineren Spielzeugnissen (Die Hessische Passionsspielgruppe. Edition im Paralleldruck. Erg.-Bd. 2). T¨ubingen 2008, S. 32–34. BJ Heidelberger Passionsspiel. – Geistliches Spiel, 1514 aufgezeichnet. Der Entstehungsort des nach seinem Aufbewahrungsort benannte H. P., das mit der Hes1357
um 1500 sischen Passionsspielgruppe (→ Alsfelder Passionsspiel, → Frankfurter Dirigierrolle, → Frankfurter Passionsspiel) in Verbindung steht, ist nicht bekannt. ¨ Die 1514 zu Lesezwecken (vgl. lat. Uberschriften und Bibelzitate) angefertigte Abschrift ist die Bearbeitung eines vermutlich umfangreicheren Auff¨uhrungstextes. Nach dem Titel und der Aufforderung, dass «die personn des Spiels/ herlichenn vnnd erlichenn in einer proces[sion]/ vff das gerichte gef¨urtt» werden sollen, stehen noch vor dem Prolog zwei lat. Ges¨ange, in denen der Hl. Geist um Beistand angerufen wird (vgl. Frankfurter Passionsspiel). Obgleich im Prolog, der vom «regeirer des spils» gesprochen wird, die Verbindung von Episoden aus dem o¨ ffentlichen Leben Jesu mit pr¨afigurativen Parallelszenen aus dem AT angek¨undigt wird – eine Besonderheit des H. P. –, beginnt die eigentliche Spielhandlung mit dem Auftreten Johannes des T¨aufers und der Taufe Jesu, gefolgt u. a. von der Versuchung Jesu, der J¨ungerberufung, mehreren Wundern und der Bekehrung Maria Magdalenas. Zwei Szenen werden durch einleitende «Silete»-Ges¨ange hervorgehoben: die Enthauptung Johannes des T¨aufers und die Einsetzung des Pilatus als Landpfleger. Die erste von insgesamt 13 Pr¨afigurationen ist die Werbung um Rebekka (V. 1343–1482), der die Begegnung Jesu mit der Samariterin (V. 1483–1614) gegen¨ubergestellt ist. Zwischen die durch «Silete»Ges¨ange eingeleiteten Szenenpaare, bestehend aus alt- und neutestamentlichen Stoffen (zuletzt: Jonas im Wal [V. 4730–5811] und Grablegung Jesu [V. 5812–5925]), ist in lehrhaft-dogmatischer Absicht eine exegetische Auslegung eingeschoben, die von einem der vier Propheten (Jesaja, Jeremia, Ezechiel, Malachias) gesprochen wird. Nach der Bestellung der Grabwache (V. 5926–6039) endet das Spiel unerwartet mit der Gefangennahme Josephs von Arimathea (V. 6040–6125). Ob dem u¨ berlieferten Text, nach dessen letzter Szene der Schreiber ein «Finis» setzte, noch ein Osterspiel folgte, ist in der Forschung umstritten. ¨ Uberlieferung: Heidelberg, UB, Cpg 402 (Pap., 1514, rheinfr¨ankisch mit mittelfr¨ankischen Formen; geschrieben von Wolffgang St¨ueckh f¨ur Konrad von Waldeck-Yben [vgl. Bl. 166v], der einem Mainzer Dienstmannengeschlecht entstammte). Ausgaben: Gustav Milchsack (Hg.): H. P. (Bibl. des Litterarischen Vereins in Stuttgart 150). T¨ubingen 1880. – Johannes Janota (Hg.): Die Hessische Passionsspielgruppe. Edition im Paralleldruck. 1358
um 1500 Bd. 3: Heidelberger Passionsspiel. Mit den Paralleltexten der ‹Frankfurter Dirigierrolle›, des ‹Frankfurter Passionsspiels›, des ‹Alsfelder Passionsspiels› und des ‹Fritzlarer Passionsspielfragments›. T¨ubingen 2004. Literatur: Hansj¨urgen Linke, VL2 3 (1981) 606–610. – De Boor/Newald 4/1 (21994) S. 249. – Bernd Neumann/Red., Killy2 5 (2009) S. 151 f. – Toni Weber: Die Praefigurationen im geistlichen Drama des MA. Frankfurt/M. 1919, S. 33–47. – J[ulius] Petersen: Auff¨uhrung und B¨uhnenplan des a¨lteren Frankfurter Passionsspieles. In: ZfdA 69 (1922) S. 83–126. – Ernst Beutler: Forschungen und Texte zur fr¨uhhumanistischen Kom¨odie (Mitt. aus der Hamburger Staats- und Universit¨ats-Bibl. NF 2). Hamburg 1927, S. 122–125. – Hanns Ott: Personengestaltung im geistlichen Drama des MA. Diss. Bonn 1939. – Theo Meier: Die Gestalt Marias im geistlichen Schauspiel des dt. MA (Phil.Stud.u.Qu. 4). Berlin 1959. – Wolfgang F. Michael: Fr¨uhformen der dt. B¨uhne (Schr. der Ges. f¨ur Theatergesch. 62). Berlin 1963. – Wilfried Werner: Stud. zu den Passions- und Oster¨ spielen des dt. MA in ihrem Ubergang vom Latein zur Volkssprache (Phil.Stud.u.Qu. 18). Berlin 1963. – Rolf Max Kully: Die St¨andesatire in den dt. geistlichen Schauspielen des ausgehenden MA (Basler Stud. zur dt. Sprache und Lit. 31). Bern 1966. – Rolf Steinbach: Die dt. Oster- und Passionsspiele des MA (K¨olner germanistische Stud. 4). K¨oln/Wien 1970, S. 174–181. – W. F. Michael: Das dt. Drama des MA (Grundriß der germ. Philologie 20). Berlin/New York 1971, bes. S. 155–157. – Rolf Bergmann: Stud. zur Entstehung und Gesch. der dt. Passionspiele des 13. und 14. Jh. (MMS 14). Mu¨ nchen 1972, Reg. – David Brett-Evans: Von Hrotsvit bis Folz und Gengenbach. Eine Gesch. des ma. dt. Dramas. Tl. 2: Religi¨ose und weltliche Spiele des Sp¨atMA (Grundlagen der Germanistik 18). Berlin 1975, S. 86–88. – R. Bergmann: Kat. der deutschsprachigen geistlichen Spiele und Marienklagen des MA (Ver¨off. der Kommission f¨ur dt. Lit. des MA der Bayerischen Akad. der Wiss.). Mu¨ nchen 1986, S. 148–151 (Nr. 62). – B. Neumann: Geistliches Schauspiel im Zeugnis der Zeit. Zur Auff¨uhrung ma. religi¨oser Dramen im dt. Sprachgebiet (MTU 84.85). M¨unchen 1987, Bd. 2, S. 840 (Nr. 3629). – Elisabeth Meyer: Zur ¨ Uberlieferungsfunktion des H. P. In: Leuvense Bijdragen 90 (2001) S. 145–159. – Klaus Vogelgsang: Komm. zum ‹Alsfelder Passionsspiel› und zu den 1359
Zwickauer Osterspiele zugeh¨origen kleineren Spielzeugnissen (Die Hessische Passionsspielgruppe. Edition im Paralleldruck. Erg.-Bd. 2). T¨ubingen 2008, S. 2, 750 f. – Ursula Schulze: Geistliche Spiele im MA und in der Fr¨uhen Neuzeit. Von der liturgischen Feier zum Schauspiel. Eine Einf. Berlin 2012, S. 98 f. BJ Zwickauer Osterspiele. – Gruppe geistlicher Spiele. Die Z. O. sind in zwei beschnittenen Sammelhandschriften u¨ berliefert, die meist auf um 1500, manchmal auch auf 1520–23 datiert werden. Sie entstammen der Sammlung des Joachimsthaler Schulleiters Stephan Roth, der aber nicht ihr Schreiber war. In Joachimsthal bestand keine o¨ sterliche Spieltradition, wohl aber bis zur Reformation in Zwickau. Die Vorlagen der erhaltenen Z. O. sind unbekannt, allerdings hat man u¨ ber ein lat. Spiel aus Mitteldeutschland oder B¨ohmen als Quelle spekuliert. Die drei Z. O. sind ihrem stark liturgischen Charakter gem¨aß neumiert und prim¨ar lat., teilweise auch in dt. Sprache verfasst. Die verwendeten Handlungselemente sind weitgehend identisch: Marienbesuch am Grab Christi, Christi Erscheinung vor Maria Magdalena, Marienverk¨undung der Auferstehung vor den J¨ungern, Wettlauf von Petrus und Johannes zum Grab. Gemeinsam ist den Z. O. auch das Auftreten von Mariendarstellern in weltlicher Kleidung. Das auch als Zerbster Osterfeier bezeichnete Z. ¨ O. I (B1, s. Uberlieferung) war wohl die Abschrift eines Regiemanuskripts f¨ur Auff¨uhrungen in der Zwickauer Marienkirche, deren Leutpriester im Spiel als Christus auftrat. Das lat. und vollst¨andig gesungene Spiel ist mit einem Rollenauszug f¨ur den Christusdarsteller u¨ berliefert. Liturgisch ist es zwischen dem dritten Responsorium und dem → Te Deum angesiedelt. Obwohl es dem Typus III der Osterfeier entspricht, gilt es eher als Spiel, denn als eigentliche Feier. Z. O. II (A1, B2) ist dt.-lat. geschrieben. Von den lat. Abschnitten sind jedoch nur jene Stellen vollst¨andig eingetragen, die in Z. O. III entweder fehlen oder anders neumiert sind. Die u¨ brigen lat. Verse sind hier nur mit Incipits und Verweisen auf Z. O. III enthalten. Daf¨ur sind die dt. Abschnitte in Z. O. II umfangreicher als in Z. O. III. Z. O. II ist zwar mit einer Spielerliste u¨ berliefert, d¨urfte aber keine Auff¨uhrungshandschrift gewesen sein. Das als sehr eigenst¨andig geltende Spiel wurde nicht in seiner G¨anze gesungen, an1360
Zwickauer Maria-Salome-Rolle ders als das vollst¨andig gesungene Z. O. III (A2, B3). Im ebenfalls zweisprachigen Z. O. III sind die ¨ lat. Abschnitte durch Ubertragungen in dt. Verse erg¨anzt. Zumindest eine Lage des Texts diente wohl als Auff¨uhrungsmanuskript. In der Handschrift B folgt auf Z. O. III die sog. → Zwickauer Maria-Salome-Rolle. ¨ Uberlieferung: Hs. A: Zwickau, Ratsschulbibl., Ms. I, XV, 3, 56r–62v (A1), 66r–77v (A2) (Pap., um 1500, ostmitteldt.). – Hs. B: Ebd., Ms. XXXVI, I, 24, 15r–19r (B1), 21r–24v (B2), 24v–30v (B3) (Pap., um 1500, nach A entstanden). – In der Forschung finden sich auch alternative Lagenz¨ahlungen. Ausgaben: Paul St¨otzner (Hg.): Osterfeiern. Nach einer Zwickauer Hs. aus dem Anfange des 16. Jh. Beilage zum Jahresber. des Gymnasiums zu Zwickau u¨ ber das Schuljahr 1900–1901. Zwickau 1901, S. 5–19. – Walther Lipphardt/HansGert Roloff (Hg.): Lat. Osterfeiern und Osterspiele. Bd. 5. Berlin/New York 1976, S. 1540–1546 (Nr. 789). – Hansj¨urgen Linke/Ulrich Mehler (Hg.): Die o¨ sterlichen Spiele aus der Ratsschulbibl. Zwickau. Krit. Text und Faksimilia der Hss. (ATB 103). T¨ubingen 1990, S. 29–102, Faks. S. 140–155. ¨ Ubersetzung: Die Zwickauer Osterspiele. Hg. v. Josef G¨ulden. In: Jahr des Herrn 26 (1977) S. 57–63. Literatur: Franz K¨orndle: Liturgische Dramen, Geistliche Spiele. In: MGG2 Sachteil 5 (1996) Sp. 1388–1412. – Hansj¨urgen Linke, VL2 10 (1999) ¨ Sp. 1626–1629. – Otto Langer: Uber drei Kunstwerke der Marienkirche zu Zwickau: den Altar, die Beweinung Christi und das heilige Grab. In: Mitt. des Altertumsver. f¨ur Zwickau und Umgegend 12 (1919) S. 75–101. – Karl Hahn: Schauspielauff¨uhrungen in Zwickau bis 1625. In: Neues Arch. f¨ur S¨achsische Gesch. und Altertumskunde 46 (1925) S. 95–123. – Helmut de Boor: Die Textgesch. der lat. Osterfeiern. Tu¨ bingen 1967, passim. – Rolf Steinbach: Die dt. Oster- und Passionsspiele des MA (K¨olner germanistische Stud. 4). K¨oln/Wien 1970, S. 20–22. – Ruprecht Wimmer: Dt. und Lat. Osterspiel. Unters. zu den volkssprachlichen Entsprechungstexten der lat. Strophenlieder (MTU 48). M¨unchen 1974, S. 72–76 ¨ u. o¨ . – G¨ulden (s. Ubersetzung.). – Ursula Hennig: Die lat.-liturgische Grundlage der tschechischen Marienspiele. In: ZfdPh 96 (1977) S. 89–102. – Bernd Neumann: Zeugnisse ma. Auff¨uhrungen im dt. Sprachraum. Eine Dokumentation zum volkssprachigen geistlichen Schauspiel. Bd. 1. Diss. K¨oln 1361
um 1500 1977, S. 115 f. – Wolfgang F. Michael: Beobachtungen zum O. aus Zwickau. In: Daphnis 8 (1979) S. 321–329. – Rolf Bergmann: Kat. der deutschsprachigen geistlichen Spiele und Marienklagen des MA (Ver¨off. der Kommission f¨ur dt. Lit. des MA der Bayerischen Akad. der Wiss.). M¨unchen 1986, S. 391–394 (Nr. 193). – Lipphardt/Roloff Bd. 8, 1990 (s. Ausg.) S. 738–741. – H. Linke: Osterfeier und Osterspiel. Vorschl¨age zur sachlichterminologischen Kl¨arung einiger Abgrenzungsprobleme. In: Osterspiele. Texte und Musik. Akten des 2. Symposiums der Sterzinger Osterspiele, 12.–16.4.1992. Hg. v. Max Siller. Innsbruck 1994, S. 121–133. – Eberhard Mo¨ ller: Liturgische Osterspiele im vorreformatorischen Zwickau. In: Kirchenmusikalisches Jb. 79 (1995) S. 7–19. MM Zwickauer Maria-Salome-Rolle. – Ostmitteldt. Klagemonolog der Maria Salome, um 1500. ¨ Der wegen seiner Uberlieferung zusammen mit den → Zwickauer Osterspielen auch als «Zwickau IV» bezeichnete, am Anfang und Ende vollst¨andige Rollenauszug geh¨orte wohl zu einem Passionsspiel. Er bietet eine Marienklage in zwei Teilen: der eine am Karfreitag (Incipit: «Lugete mecum, omnes fideles anime [...] Ach helfft mir clagen all ir andechtige herczen»), der andere im Rahmen eines Auferstehungsspiels (Aufbruch zur «visitatio sepulchri» nach H¨ollenfahrt und Auferstehung Jesu). Der Text ist bis auf zwei kurze lat. Gesangsstrophen in dt. Sprache verfasst. ¨ Uberlieferung: Zwickau, Ratsschulbibl., Ms. XXXVI, I, 24, 30v–31r (Pap., um 1500). Ausgaben: Paul St¨otzner (Hg.): Osterfeiern. Nach einer Zwickauer Hs. aus dem Anfange des 16. Jh. Beilage zum Jahresber. des Gymnasiums zu Zwickau u¨ ber das Schuljahr 1900–1901. Zwickau 1901, S. 17–19. – Hansj¨urgen Linke/Ulrich Mehler (Hg.): Die o¨ sterlichen Spiele aus der Ratsschulbibl. Zwickau. Krit. Text und Faksimilia der Hss. (ATB 103). T¨ubingen 1990, S. 103–108, Faks. S. 156. Literatur: Hansj¨urgen Linke, VL2 10 (1999) Sp. 1625 f. – St¨otzner (s. Ausg.) S. 3 f., 16–29. – Rolf Bergmann: Kat. der deutschsprachigen geistlichen Spiele und Marienklagen des MA (Ver¨off. der Kommission f¨ur dt. Lit. des MA der Bayerischen Akad. der Wiss.). M¨unchen 1986, S. 391–394 (Nr. 193). – Bernd Neumann: Geistliches Schauspiel im Zeugnis der Zeit. Zur Auff¨uhrung ma. re1362
1. H¨alfte 16. Jh. ligi¨oser Dramen im dt. Sprachgebiet (MTU 84.85). Mu¨ nchen 1987, Bd. 1, S. 413 (Nr. 1965). – Linke/ Mehler (s. Ausg.) S. 391–393, bes. S. 393 (Nr. 193). BJ Robeler ¨ Spiel. – Fragment eines Fastnachtspiels. In dem Bruchst¨uck, das lat. Regieanweisungen aufweist, geht es um gutes Bier, das die St¨adter trinken, und um schlechtes, unter dem die Bauern leiden. Nach einer Pr¨ugelei der beiden Gruppen treten die Bauern nacheinander auf, nennen ihre ¨ Namen und schildern ihre Ubelkeit. ¨ Uberlieferung: Zwei Bll. einer Hs. (einem 1520 begonnenen Gildebuch des Wollweberamtes der Stadt R¨obel/Mecklenburg vorgebunden; verschollen). Ausgaben: G[eorg] C[hristian] F[riedrich] Lisch: Plattdt. Volksgedicht aus dem ersten Viertel des sechszehnten Jh. In: Jbb. des Ver. f¨ur mecklenburgische Gesch. 27 (1862) S. 279–286. – Mnd. Fastnachtspiele. Mit Einl. und Anm. hg. v. Wilhelm Seelmann (Drucke des Vereins f¨ur nd. Sprachforschung 1). Norden/Leipzig 1885, S. 63–67. 2., umgearb. Aufl. Neum¨unster 1931, S. 113–117. Literatur: Ulf Bichel, VL2 8 (1992) Sp. 113 f. – Lisch (s. Ausg.). – Seelmann (s. Ausg.). – Eckehard Catholy: Das Fastnachtspiel des Sp¨atMA (Hermaea NF 8). T¨ubingen 1961, 302 f., 309. – Ders.: Fastnachtspiel (Slg. Metzler 56). Stuttgart 1966, S. 71. BJ Luzerner Spiel vom klugen Knecht (auch: Luzerner Neujahrsspiel, Der kluge Knecht). Das anonym u¨ berlieferte Spiel entstand um 1505, sp¨atestens 1520, und ist in einer Luzerner Handschrift erhalten. Die rund 918 vierhebigen Verse mit Paarreimen sind in dt. Sprache geschrieben. Nur am Ende des Spiels finden sich einige scherzhafte lat. Verse. Einzelne Stellen innerhalb des St¨ucks sowie am Spielende weisen L¨ucken auf, die bis heute nicht rekonstruiert sind. Unsicher ist auch, ob das L. S. zu Neujahr oder an einem anderen Zeitpunkt zur Fastnacht aufgef¨uhrt wurde. Inhaltlich erz¨ahlt das L. S. die Geschichte eines betrogenen Betr¨ugers: Der Bauer R¨uedi m¨ochte Amtmann werden und sich zu diesem Zweck neu einkleiden. Seine geizige Frau gibt ihm allerdings kein Geld, von dem er sich Tuch kaufen k¨onnte. Sein Knecht verr¨at ihm das Versteck des Geldes, das R¨uedi daraufhin stiehlt. Er schickt seinen Knecht mit dem Geld zum Tuchkauf in die Stadt. 1363
Robeler ¨ Spiel Der Knecht besorgt das Tuch auf Kredit, erz¨ahlt dem Bauern allerdings das Gegenteil: er habe das Tuch bezahlt, ohne es aber mitzunehmen, da er die gew¨unschte Farbe nicht gewusst habe. Als der Bauer nun selbst in die Stadt geht, entdeckt er den Betrug. R¨uedi und der Tuchh¨andler verklagen den Knecht, der sich einen Anwalt nimmt. Durch sein geschicktes Verhalten vor Gericht erlangt der Knecht einen Freispruch und prellt sogar noch seinen Anwalt um dessen Lohn. Das Spiel enth¨alt traditionelle Figuren wie den schlauen Knecht, den faulen Bauern, die geizige Frau und den geldgierigen Advokaten. Hinzu kommen neben den Richtern auch ein «exclamator», der den Prolog wiedergibt, sowie ein Narr, der gegen Ende des St¨ucks einen Monolog spricht. Die Handlung weist Parallelen zu zwei Spielen des 15. Jh. auf, n¨amlich zu der Farce de maistre Pierre Pathelin (um 1465) und dem 1497 uraufgef¨uhrten Henno des Johannes Reuchlin. Zu Reuchlins lat. Schulkom¨odie lag seit etwa 1500 auch eine dt. Bearbeitung vor. Man hat dem L. S. Z¨uge des Humanistendramas zugesprochen, die etwa in seiner Individualisierung der Figuren hervortreten. ¨ Uberlieferung: Luzern, ZB, BB Ms. 182 fol., 49a–61a (Pap., 16. Jh.). Ausgaben: Schauspiele des MA. Hg. v. Franz Joseph Mone. Bd. 2. Karlsruhe 1846 (Neudr. Aalen 1970) S. 378–410 (¨uberholt). – Fastnachtspiele aus dem f¨unfzehnten Jh. Hg. v. Adelbert von Keller. Bd. 2. Stuttgart 1853 (Nachdr. Darmstadt 1965) S. 820–850 (Nr. 107). – Das Luzerner Spiel vom Klugen Knecht. Anonyme Hs. aus dem fr¨uhen 16. Jh. in mhd. Sprache. Hg. v. Flavio Steimann. Willisau 1982. – Das Luzerner Spiel vom klugen Knecht. Hg. v. Hans Wuhrmann. In: F¨unf Kom¨odien des 16. Jh. Mit Erl¨auterungen, biobibliographischen Komm. und je einem sprachund literaturgeschichtlichen Essay. Hg. v. Walter Haas mit Robert Schl¨apfer. Bern u. a. 1989, S. 15–52. Literatur: Eckehard Catholy: Fastnachtspiel. Stuttgart 1966, S. 74. – Wolfgang F. Michael: Das dt. Drama des MA. Berlin u. a. 1971, S. 270. – Hans Wuhrmann: Das L. S. v. k. K. Ein Beitr. zur Erforschung des schweizer. Dramas im fr¨uhen 16. Jh. Z¨urich 1975. – David Brett-Evans: Von Hrotsvit bis Folz und Gengenbach. Bd. 2: Religi¨ose und weltliche Spiele des Sp¨atMA. Berlin 1975, S. 177–180. – Winder McConnell: Observations on the ‹S. v. K. K.› In: Ma. Schauspiel. FS Hansj¨urgen 1364
Munchner ¨ Eigengerichtsspiel Linke (AB¨aG 38/39). Hg. v. Ulrich Mehler/Anthonius H. Touber. Amsterdam/Atlanta, GA 1994, S. 123–141. – Eckehard Simon: Die Anf¨ange des weltlichen dt. Schauspiels 1370–1530. Unters. und Dokumentation. T¨ubingen 2003, S. 356 f. u. o¨ . – Wilhelm Solms: Zigeunerbilder. Ein dunkles Kapitel der dt. Literaturgesch. von der fr¨uhen Neuzeit bis zur Romantik. W¨urzburg 2008, S. 51 f. MM Munchner ¨ Eigengerichtsspiel (auch: Spiel vom sterbenden Menschen). – Geistliches Spiel, 1510. Das 1848 Verse umfassende M. E. wurde vermutlich zusammen mit dem → M¨unchner Weltgerichtsspiel 1510 auf dem M¨unchner Marktplatz aufgef¨uhrt. Das den zeitgen¨ossischen mndl. und mittelenglischen Jedermann-Moralit¨aten verwandte Spiel belehrt u¨ ber Leben, Tod und Gericht. Nach der 1336 durch Papst Benedikt XII. in einer Bulle anerkannten und 1439 durch Papst Eugen IV. best¨atigten eschatologischen Lehre wird das «iudicium singulare», das dem J¨ungsten Gericht («iudicium generale») vorausgeht, unmittelbar nach dem Tod u¨ ber jede Seele von Gott verh¨angt. Das M. E. gilt als erster Versuch, dieses Thema dramatisch darzustellen. Der Druck von 1510 ist mit Holzschnitten illustriert, die zum Teil mehrfach wiederholt werden. Neben den Evangelien und den paulinischen Briefen werden von den biblischen B¨uchern u. a. Gen und Hiob zitiert, von den Autorit¨aten vor allem → Augustinus und → Bernhard von Clairvaux. Der Text des M. E.s wird durch f¨unf PrecursorReden (V. 1–66, 245–266, 565–610, 1575–1594, 1823–1848) in vier ungleich lange Teile gegliedert. Im ersten Teil, einem Vorspiel im Himmel, wird die Menschheit von Satanas wegen ihrer S¨undhaftigkeit bei Gott angeklagt (vgl. Hiob 1,6–12) und von diesem mit Plagen («Pestilencz, hunger, plattern unnd krieg», V. 119) bedroht. Von den Menschen um Hilfe angerufen, bittet Maria (vgl. Weltgerichtsspiele) – unter Darbietung ihrer entbl¨oßten Br¨uste – ihren Sohn und dieser – seine Wunden zeigend – Gottvater um Gnade, die jenen gew¨ahrt wird, die rechtzeitig bereuen. Die folgenden drei Szenen haben Exempelcharakter und werden jeweils von einem um sein Seelenheil besorgten Kaufmann und einem «doctor theologiae» er¨ortert und kommentiert. Die erste Szene bringt in Anlehnung an die Jedermann-Thematik (vgl. → Dialogus mortis cum 1365
1. H¨alfte 16. Jh. homine und → Johannes’ von Tepl Ackermann aus B¨ohmen) ein Gespr¨ach zwischen Mensch und Tod. Ein «jung gsell» wird vom Tod wiederholt, jedoch vergeblich vor der «mors immatura» gewarnt, dann in einer von «wollust unnd freud» bestimmten Situation vom Pfeil des Todes getroffen und von Gott dem Teufel u¨ bergeben. In einer langen Schlussrede (an das «volck», V. 510) warnt der Tod alle Menschen vor den Hauptsu¨ nden. Auf das Exempel des weltversessenen und belehrungsunwilligen jungen Mannes folgen drei kontrastierende Sterbe- und Gerichtsszenen. Ein Beichtvater und der Teufel reden auf den Sterbenden ein (vgl. Engel und Teufel am Sterbebett in der → Bilder-Ars-moriendi). Je nach Verhalten auf Erden und Bereitschaft zur Reue wird die Seele des Verstorbenen in den Himmel aufgenommen, in die H¨olle verdammt oder zu (befristetem) Fegefeuer verurteilt. Im letzten Akt wird das Schicksal der im Fegefeuer leidenden Seelen dargestellt. In den Reden der von den Engeln getr¨osteten Seelen geht es u. a. um den Dank f¨ur die F¨urbitte der Lebenden. Ratschl¨age des Theologen, wie man das ewige Leben gewinnen k¨onne, beenden das Spiel. ¨ Uberlieferung: Got z˚u lob dem menschen zu besserung sind dise figur vnd Exempel vom aygen gericht vnd Sterbenden me[n]sche[n] zu munichen gehalte[n] worden. Mu¨ nchen: Hans Schobser 1510 (VD16 G 2679), 46 Bll. mit 32 Holzschnitten. Exemplar in M¨unchen, BSB, Rar. 275; London, British Library (COP. 11576). Ausgaben: Johannes Bolte (Hg.): Drei Schauspiele vom sterbenden Menschen (Bibl. des Literarischen Vereins in Stuttgart 269/270). Leipzig 1927, S. 1–62. – Digitalisat des Schobserschen Druckes: urn:nbn:de:bvb:12-bsb00007944–5 Literatur: Hellmut Rosenfeld, VL2 6 (1987) Sp. 754–758. – Mark Chinca, Killy2 8 (2010) S. 422 f. – H. Rosenfeld: Das M. E. von 1510 und seine Illustrationen von Jan Pollack. In: GutenbergJb. 57 (1982) S. 225–233. – Barbara K¨onnecker: Die Moralit¨at ‹The somonynge of Everyman› und das M¨unchner Spiel vom Sterbenden Menschen. In: Virtus et fortuna. Zur dt. Lit. zwischen 1400 und 1720. FS Hans-Gert Roloff. Hg. v. Joseph P. Strelka/Jo¨ rg Jungmayr. Bern u. a. 1983, S. 91–105. – H. Rosenfeld: Zur Darstellung des Eigengerichts (Pers¨onliches, Besonderes oder EinzelGericht, Judicium particulare) in der ma. Kunst und Lit. In: Aus dem Antiquariat 1985, S. A361–A368. – Christian Kiening: Schwierige Modernit¨at. Der 1366
1. H¨alfte 16. Jh. ‹Ackermann› des Johannes von Tepl und die Ambiguit¨at hist. Wandels (MTU 113). T¨ubingen 1998, S. 250–259. – Dieter Trauden: Gnade vor Recht? Unters. zu den deutschsprachigen Weltgerichtsspielen des MA (Amsterdamer Publ. zur Sprache und Lit. 142). Amsterdam/Atlanta 2000, S. 53 f. – C. Kiening: Das andere Selbst. Figuren des Todes an der Schwelle zur Neuzeit. M¨unchen 2003, S. 42–45. – Susanne Wegmann: Auf dem Weg zum Himmel. Das Fegefeuer in der dt. Kunst des MA. K¨oln u. a. 2003, S. 190 f. – Ursula Schulze: Geistliche Spiele im MA und in der Fr¨uhen Neuzeit. Von der liturgischen Feier zum Schauspiel. Eine Einf. Berlin 2012, S. 198 f. – M. Chinca: Norm und Durchschnitt. Zum M. E. von 1510. In: Text und Normativit¨at im dt. MA. XX. Anglo-German Colloquium. Hg. v. E. Br¨uggen u. a. Berlin/Boston (in Vorb.). BJ Munchner ¨ Osterspiel. – Geistliches Spiel. Das nur in einer Lesehandschrift u¨ berlieferte Spiel (1230 Verse) ist am Anfang wegen Blattverlusts unvollst¨andig. Als Zuschauer des St¨ucks, f¨ur dessen Inszenierung etwa sieben B¨uhnenst¨ande und etwas mehr als 43 Darsteller erforderlich waren, lassen sich der Vorrede nach auch f¨urstliche Personen vermuten. Der mit der Tradition der Osterspiele vertraute Autor gestaltete das M. O. mit relativ großer Selbstst¨andigkeit und war um theologische Korrektheit bem¨uht. Die – nach dem Prolog (V. 1–34) – fast ein Drittel des Spiels einnehmende H¨ollenfahrt Jesu («descensus», V. 35–373) wird der Auferstehung vorangestellt. Nach Gespr¨achen zwischen Carinus, einem Sohn Simeons, Enoch und Elias (V. 374–419) sowie zwischen Leucius, einem weiteren Sohn Simeons, und dem rechten Sch¨acher (V. 420–467) erfolgt die Beschw¨orung der beiden verstorbenen S¨ohne Simeons (vgl. lat. Rezension A des apokryphen → Evangelium Nicodemi) durch die Juden (V. 468–557). Abweichend von der Spieltradition erscheint – nach der Tr¨ostung Mariens durch den Erzengel Gabriel (vgl. → Augsburger Passionsspiel) – Jesus vor seiner Mutter (V. 558–637). Dem Schema einer Osterfeier vom Typ III entsprechend, folgen die «visitatio sepulchri» (V. 638–722), die Erscheinung Jesu vor Maria Magdalena (V. 723–783, Hortulanus-Szene), dann auch vor den beiden anderen Marien (V. 784–799; vgl. → Osnabr¨ucker Osterspiel), Verk¨undung der Auferstehung an die J¨unger (V. 800–859), Lauf des Petrus und des 1367
Munchner ¨ Osterspiel Johannes zum Grab (V. 860–880) und Erscheinung Jesu vor Petrus und Johannes (V. 881–932). Der Schlussteil enth¨alt den Streit der Grabw¨achter nach der Auferstehung (V. 933–1046, «nit allso erganngen, allein erdicht»), die Begegnung Jesu vor den J¨ungern von Emmaus (V. 1047–1136), die Erscheinung des Auferstandenen vor Thomas (V. 1137–1220) und den Epilog (V. 1221–1230). W¨ahrend der Bearbeiter des Spiels bei der «visitatio» den Wechsel von lat.-liturgischem Gesang (mit Melodieaufzeichnung) und der folgenden dt. ¨ ¨ Ubersetzung bewahrt – neu ist die Ubertragung in ¨ die Volksprache ohne Ubernahme a¨ lterer Texte –, blieben nur beim «descensus» und beim Ju¨ ngerlauf zwei der traditionellen lat. Ges¨ange erhalten. ¨ Uberlieferung: Mu¨ nchen, BSB, Cgm 147, 1r–27r (Perg., 16. Jh.). Ausgaben: A[nton] Birlinger: ‹Ein Spil von der Urstend Christi›. XVI. Jarhundert. In: Arch. f¨ur das Studium der neueren Sprachen und Literaturen 39 (1866) S. 367–400 (fehlerhaft). – Faks.-Ausg.: Das M. O. (Cgm 147 der Bayerischen Staatsbibl. Mu¨ nchen). Mit einer Einf. in Abb. hg. v. Barbara Thoran (Litterae 43). G¨oppingen 1977 (zit.). Literatur: Hansj¨urgen Linke, VL2 6 (1987) Sp. 764–766. – Johannes Janota, Killy2 6 (2010) S. 423 f. – Elisabeth Kunstein: Die H¨ollenfahrtsszene im geistlichen Spiel des dt. MA. Ein Beitr. zur ma. und fr¨uhneuzeitlichen Fr¨ommigkeitsgesch. Diss. K¨oln 1972, S. 59, 64, 102–108, 149. – Rolf Bergmann: Kat. der deutschsprachigen geistlichen Spiele und Marienklagen des MA (Ver¨off. der Kommission f¨ur dt. Lit. des MA der Bayerischen Akad. der Wiss.). M¨unchen 1986, S. 258 f. (Nr. 115). – Bernd Neumann: Geistliches Schauspiel im Zeugnis der Zeit. Zur Auff¨uhrung ma. religi¨oser Dramen im dt. Sprachgebiet (MTU 84.85). M¨unchen 1987, Bd. 2, S. 849 (Nr. 3644). – Bruno Quast: Endzeit des geistlichen Spiels. Das M. O. cgm 147. In: Ritual und Inszenierung. Geistliches und weltliches Drama des MA und der fr¨uhen Neuzeit. Hg. v. Hans-Joachim Ziegler. Tu¨ bingen 2004, S. 313–324. – Christoph Petersen: Ritual und Theater. Meßallegorese, Osterfeier und Osterspiel im MA (MTU 125). T¨ubingen 2004, S. 154–156. BJ Munchner ¨ Weltgerichtsspiel (auch: Mu¨ nchner J¨ungstes Gericht, M¨unchner Spiel von 1510). – Geistliches Spiel, Anfang des 16. Jh. ¨ Das laut Uberschrift 1510 auf dem M¨unchner Marktplatz aufgef¨uhrte und dann aufgezeich1368
Munchner ¨ Weltgerichtsspiel nete M. W. in bairischer Mundart mit alemannischem Beiklang geh¨ort wie das → Berliner W., → Berner W., → Churer W., → Donaueschinger W., → Kopenhagener W., → Luzerner W. und das → W. der Sammlung Jantz zu den an Mt 25,31–46 ankn¨upfenden Spielen. Es ist mit 1992 Versen (verteilt auf mindestens 52–60 Sprecher) das umfangsreichste Spiel dieser Tradition. Anders als die genannten Spiele wird das M. W. durch acht Auftritte eines Precursors bzw. Proclamators, dem eine kommentierende Funktion zukommt, in sieben Akte eingeteilt, die aus mehreren Szenen bestehen. Nach Mahnreden von Johel, Sophanias, Gregorius, Hiob, Salomon und Hieronymus (mit den → 15 Zeichen vor dem J¨ungsten Gericht) folgen im 2. Abschnitt den Weckrufen der vier Engel Klage und Lobpreis von sieben aus dem Grab steigenden Seelen, ehe Christus als Richter erscheint, die Guten und B¨osen geschieden werden (Engelrede) und Christi Gnadenurteil u¨ ber die Guten (sechs Werke der Barmherzigkeit) verk¨undet und begr¨undet wird. Maria, die Apostel und alle, die Gottes Willen gem¨aß gehandelt haben, werden zu Beisitzern berufen. Der 3. Akt bringt die Anklage Luzifers sowie die Anklagen der Engel der vier Elemente, der Sonne nebst des Mondes. Im mittleren Akt bekennen, von Christus angeklagt, verschiedene Gruppen von S¨undern (u. a. Juden, Heiden, Geistliche, weltliche F¨ursten und «gemaine selen») ihre Schuld und bitten um Gnade. Nach dem sonst nicht u¨ blichen Streitgespr¨ach zwischen Barmherzigkeit und Gerechtigkeit zu Beginn des 5. Abschnittes wird das Urteil u¨ ber die B¨osen verk¨undet, die Bitte eines Verdammten um Strafminderung abgewiesen und das Urteil begr¨undet. Anschließend u¨ bergibt Christus die Verdammten an Sathanas. Der mit dem Gesang → Salve regina und dem Gnadengesuch der Verdammten an Maria beginnende 6. Abschnitt erweist Marias F¨urbitte als vergeblich; die Verdammten werden endg¨ultig an die Teufel u¨ bergeben. Wie im Churer W. versucht ein Knabe, der seinen Eltern die Schuld f¨ur seine Bosheit gibt, erfolglos zu entrinnen. Der letzte Abschnitt bietet Lobpreisungen des Petrus, des Stephanus, der Katharina, des Georgius, des Mauricius, Kaiser Konstantins, des Nicolaus, der Elisabeth, die jeweils als Repr¨asentanten verschiedener Gruppen auftreten. Ein bislang sich versteckt gehaltener betr¨ugerischer Reicher («Podenlos») wird nachtr¨aglich abgeurteilt. Mit der Schlussrede Christi, der mit Maria den Geretteten 1369
1. H¨alfte 16. Jh. in das «hymlisch vaterland» vorangeht, und dem Epilog des Precursors endet das auf Heilsdidaxe ausgerichtete Spiel. Eine aus Prosapartien und Versen bestehende Bearbeitung des M. W. hat Ulrich → Tengler in die Neuausgabe seines Rechtshandbuchs Der neu Layenspiegel eingef¨ugt. ¨ Uberlieferung: Mu¨ nchen, BSB, Cgm 4433 (Pap., erstes Viertel 16. Jh. [nicht vor 1510], mittelbair.). Ausgabe: Hansj¨urgen Linke (Hg.): Die dt. Weltgerichtspiele des sp¨aten MA. Synoptische Gesamtausg. Bd. I: Einleitung, Bd. II/1.2: Texte. Tu¨ bingen/Basel 2002. Literatur: Hellmut Rosenfeld, VL2 8 (1987) Sp. 775–778. – De Boor/Newald 4/1 (21994) S. 263. – Ursula Schulze, Killy2 8 (2010) S. 424 f. – Rudolf Klee: Das mhd. Spiel vom j¨ungsten Tage. Diss. Marburg 1906. – Karl Reuschel: Die dt. Weltgerichtsspiele des MA und der Reformationszeit. Eine literarhist. Unters. (Teutonia 4). Leipzig 1906, S. 120–134. – William W. Heist: The Fifteen Signs before Doomsday. East Lansing, Mich. 1952. – Georg Jenschke: Unters. zur Stoffgesch., Form und Funktion ma. Antichristspiele. Diss. Mu¨ nster 1971. – Rolf Bergmann: Kat. der deutschsprachigen geistlichen Spiele und Marienklagen des MA (Ver¨off. der Kommission f¨ur dt. Lit. des MA der Bayerischen Akad. der Wiss.). M¨unchen 1986, S. 262–264 (Nr. 117). – Bernd Neumann: Geistliches Schauspiel im Zeugnis der Zeit. Zur Auff¨uhrung ma. religi¨oser Dramen im dt. Sprachgebiet (MTU 84.85). Mu¨ nchen 1987, Bd. 1, S. 598 (Nr. 2313). – U. Schulze: Erl¨osungshoffnung der Verdammten. Zum ‹Salve regina› im ‹Luzerner Weltgerichtsspiel› und Marias Rolle im J¨ungsten Gericht. In: ZfdPh 113 (1994) S. 345–369. – Dies.: ‹Das des jungsten gerichts einbildungen nutzlich sein›. Zur Adaptation eines Weltgerichtsspiels in Ulrich Tenglers Laienspiegel. In: Daphnis 23 (1994) S. 237–286. – Karin Schneider: Die dt. Hss. der Bayerischen Staatsbibl. Mu¨ nchen. Die ma. Hss. aus Cgm 4001–5247 (Catalogus codicum manu scriptorum Bibliothecae Monacensis V,7). Wiesbaden 1996, S. 121 f. – Hansj¨urgen Linke: Lesereintr¨age in der Hs. des ‹M. W.s›. In: Arch. f¨ur das Studium der neueren Sprachen und Literaturen 150 (1998) Bd. 1, S. 110–115. – Dieter Trauden: Gnade vor Recht? Unters. zu den deutschsprachigen Weltgerichtsspielen des MA (Amsterdamer Publ. zur Sprache und Lit. 142). Amsterdam/Atlanta 2000, 1370
1. H¨alfte 16. Jh. S. 52–56, 321–334. – Linke (s. Ausg.) Bd. I, S. 26 f. u. o¨ . – U. Schulze: Zur Typologie der Weltgerichtsspiele im 16. Jh. Textsorten und Textallianzen im 16. bis 18. Jh. Unter Mitarbeit v. Claudia Wich-Reif hg. v. Peter Wiesinger. Berlin 2007, S. 237–258. – H. Linke: Das Theater der Weltgerichtsspiele. Tatsachen und Mutmaßungen. In: ZfdPh 126 (2007) S. 354–389. – U. Schulze: Geistliche Spiele im MA und in der Fr¨uhen Neuzeit. Von der liturgischen Feier zum Schauspiel. Eine Einf. Berlin 2012, S. 168 f. BJ Weltgerichtsspiel der Sammlung Jantz. Das 880 Verse umfassende W. aus dem s¨udwestdt. Sprachgebiet (fr¨uhes 16. Jh.) beruht wie viele andere Weltgerichtsspiele (so u. a. das → Berliner, → Berner, → Kopenhagener, → Marburger, → M¨unchener oder → Schaffhauser W.) auf der bibl. Weltgerichtspassage aus Mt 25, 31–46. Das Spiel ist gem¨aß der konventionellen Gestaltung der meisten Weltgerichtsspiele aufgeteilt in drei Hauptabschnitte: Ein Vor- und ein Nachspiel umschließen die eigentlichen Gerichtsszenen. ¨ Uberlieferung: Karlsruhe, LB, Cod. K 3166 (fr¨uher Privatbesitz Antiquariat Dr. J¨orn G¨unther, Hamburg, Nr. 1997/XII; davor Privatbesitz W. McConnell, Davis, NC; davor Privatbesitz Harold Jantz, Durham, NC) (Pap., fr¨uhes 16. Jh., alemannisch). Ausgaben: Winder McConnell/Ingeborg Henderson: Das W. d. S. J. mit der Donaueschinger Variante Hs. Nr. 136. In: Jb. des Wiener GoetheVer. 92/93 (1988/89) S. 223–321. – Hansj¨urgen Linke (Hg.): Die dt. Weltgerichtspiele des sp¨aten MA. Synoptische Gesamtausg. Bd. I: Einleitung, Bd. II/1.2: Texte. Tu¨ bingen/Basel 2002. Literatur: Winder McConnell/Ingeborg Henderson, VL2 10 (1999) Sp. 833–835; 11 (2004) Sp. 1647. – Rolf Bergmann: Kat. der deutschsprachigen geistlichen Spiele und Marienklagen des MA (Ver¨off. der Kommission f¨ur dt. Lit. des MA der Bayerischen Akad. der Wiss.). M¨unchen 1986, S. 101 f. (Nr. 38). – Hans Blosen/Ole Lauridsen (Hg.): Das Kopenhagener Weltgerichtsspiel (Germ. Bibl. NF, 4. Reihe: Texte). Heidelberg 1988, S. 9, 11, 57–59, 64, 66. – Ursula Schulze (Hg.): Churer Weltgerichtsspiel. Nach der Hs. des Staatsarch. Graub¨unden Chur Ms. B 1521. Berlin 1993, S. 15 f. – Dieter Trauden: Gnade vor Recht? Unters. zu den deutschsprachigen Weltgerichtsspielen des MA (Amsterdamer Publ. zur Sprache und 1371
Weltgerichtsspiel der Sammlung Jantz Lit. 142). Amsterdam/Atlanta 2000, S. 34–38. – Hansj¨urgen Linke (Hg.): Das G. W. (Germ. Bibl. NF, 4. Reihe: Texte 9). Heidelberg 1995, 8 f. – Ders.: Die dt. Weltgerichtsspiele des sp¨aten MA. Synoptische Gesamtausg. Bd. 1. Tu¨ bingen/Basel 2002, S. 18–22. VZ Z¨ahmung einer bosen ¨ Frau. – Nd. Spiel, Anfang des 16. Jh. Das Spiel (487 Verse), dessen vollst¨andiger Tie e e tel Ein Schoene Spil, wo men boese Frouwens fraem maken kan lautet, handelt von einer jungen Frau, die sich auf Betreiben ihrer Mutter gegen ihren Mann auflehnt. Heilung von ihrer Widerspenstigkeit («Schrull») erf¨ahrt sie auf Rat eines «Doktors der Phantasie», indem sie in eine frisch abgezogene Pferdehaut gesteckt wird (vgl. Shakespeares Kom¨odie The Taming of a Shrew). ¨ Uberlieferung: a) Druck [L¨ubeck, J. Balhorn d. ¨ um 1547] (VD 16, S 3676), Exemplare: T¨ubinA., gen, UB, Dk XI 1609 (Sammelbd. Nd. Volksschr. aus dem 16. Jh. [Borchling/Claussen: Nd. Bibliogr., Nr. 1505 ], S. 70–77; Weimar, Herzogin Anna Amalia Bibl.). – b) Druck [o. O. 1641], Exemplar: Rostock, UB, Ad-32872. Ausgaben: Adelbert von Keller (Hg.): Fastnachtspiele aus dem f¨unfzehnten Jh. Tl. 3 (Bibl. des Litterarischen Vereins in Stuttgart 30). Stuttgart 1853 (Nachdr. Darmstadt 1965) S. 969–986 (Nr. 114), 1529; Nachlese (Bibl. [...] 46). Stuttgart 1858 (Nachdr. Darmstadt 1966) S. 349. – Wilhelm Seelmann (Hg.): Mnd. Fastnachtspiele (Verein f¨ur nd. Sprachforschung. Drucke 1). Norden/Leipzig 1885, S. 1–20; 2., umgearb. Aufl. Neum¨unster 1931, S. 51–70 (A mit Lesarten). Literatur: Ulf Bichel, VL210 (1999) Sp. 1473–1475. – Seelmann (s. Ausg.). – G[errit] Kalff: Moorkens-Vel. In: NdJb 11 (1885) 145 f. – Johannes Bolte/Wilhelm Seelmann: Nd. Schauspiele a¨ lterer Zeit (Verein f¨ur nd. Sprachforschung. Drucke 4). Norden/Leipzig 1895, S. *5–*21. – Eckehard Catholy: Das Fastnachtspiel des Sp¨atMA (Hermaea NF 8). T¨ubingen 1961, S. 310 f. BJ Raber, Vigil, * wohl letztes Viertel des 15. Jh. Sterzing/Su¨ dtirol, † vor dem 14.12.1552 in Sterzing begraben. – Bearbeiter und Sammler geistlicher und weltlicher Spiele, Wappenmaler. R. war der Sohn eines B¨ackers aus Sterzing. Seine Ausbildung an der dortigen Lateinschule 1372
Raber ist manchmal vermutet, aber nie bewiesen worden. R.s lat. Notizen zeigen jedenfalls nur einfache Lateinkenntnisse. Sicherer ist eine Ausbildung zum Maler, da R. nachweislich in diesem Beruf arbeitete. So war er zwischen 1510 und 1522 als Restaurator und Maler von Altartafeln in Bozen t¨atig. Sein Aufenthaltsort zwischen 1527 und 1533 ist unbekannt, ansonsten ist er bis 1552 meist in seinem Heimatort nachgewiesen. R. werden mehrere Arbeiten als Wappenmaler zugeschrieben. So schuf er wahrscheinlich Wappen auf drei Steuerb¨uchern seiner Heimatstadt (1538), auf dem Stadtturm (1549) und in der Sterzinger Ratsstube (1552). Daneben kopierte er Wappen aus alten Manuskripten und sammelte sie im Neustifter Wappenbuch, das ab etwa 1531 entstand und u¨ ber 7000 Wappen enth¨alt. R. war mit Sylvester Mu¨ ller aus Bozen bekannt, der wie R. als Maler arbeitete und an Spielauff¨uhrungen mitwirkte. R.s Todesdatum ist nur ann¨ahernd zu bestimmen: Laut einer kirchlichen Notiz wurde der Sterzinger Totengr¨aber am 14.12.1552 f¨ur das Ausheben von R.s Grab bezahlt. Neben seiner malerischen T¨atigkeit trat R. auch als Redaktor, Sammler, Darsteller sowie Leiter geistlicher und weltlicher Spiele hervor. So inszenierte er 1514 die Große Bozner Passion (→ Bozner Passionsspiele) und spielte darin Judas und den Christus der Hortulanusszene. 1515 war er wahrscheinlich Spielleiter eines Trienter Passionsspiels und 1517 eines Himmelfahrtsspiels in Cavalese, wo er auch die Rolle des Praecursors u¨ bernahm. In Sterzing war R. mindestens von 1533 bis 1548 an Spielauff¨uhrungen beteiligt. Er hinterließ eine umfassende Sammlung von Spieltexten, Regiematerialien, Darstellerlisten und B¨uhnenpl¨anen. Auch wenn Teile der Sammlung verloren sind, verdeutlichen die erhaltenen Dokumente sehr gut R.s breites dramatisches Engagement. Grundstock der Sammlung waren zahlreiche Manuskripte von Benedikt Debs (→ Bozner Spiele), der in Bozen als Schulmeister und Spielleiter wirkte. Nach Debs’ Tod f¨uhrte R. die Sammlung fort. Als Dramaturg arbeitete er h¨aufig mit existierenden Manuskripten, die er kopierte, u¨ berarbeitete oder erweiterte. So f¨ugte er einzelne Verse oder ganze Szenen ein, erh¨ohte die Zahl der Figuren und wertete manche Rollen durch zus¨atzliche Dialoge auf. Außerdem kopierte R. Handschriften, die er bei seinen Aufenthalten in anderen St¨adten vorfand. Ob R. auch eigene Spiele verfasste, ist angesichts 1373
1. H¨alfte 16. Jh. ¨ schwer zu beurder unvollst¨andigen Uberlieferung teilen. Seine umfangreiche Sammlung blieb nach dem Tod R.s in Sterzing. Seine ebenfalls im Malerberuf t¨atige Witwe verkaufte den gesamten Bestand 1553 an die Stadt. R.s Nachlass enth¨alt ein umfangreiches Korpus geistlicher und weltlicher Spiele. F¨ur diese sind meist keine Auff¨uhrungen nachweisbar, weshalb die Datierung in solchen F¨allen nur u¨ ber die Handschriften selbst erfolgen kann. Dies trifft unter den geistlichen Spielen etwa f¨ur das dreiteilige Tiroler Weihnachtsspiel (Ludus de matifitate domini, Handschrift von 1511) zu. Von der siebent¨agigen Auff¨uhrung der Großen Bozner Passion sind Palmsonntag, Karfreitag und Ostersonntag als Autographen R.s erhalten, die er wohl nach dem Text der Auff¨uhrung von 1514 abschrieb. Er notierte auch die Namen der Darsteller und zeichnete einen genauen B¨uhnenplan. Eine weitere Handschrift R.s u¨ berliefert allein das Palmsonntagsspiel der Auff¨uhrung von 1514. Auch das → Haller Passionspiel ist nur durch eine Abschrift R.s u¨ berliefert, die wahrscheinlich f¨ur eine Bozner Auff¨uhrung von 1514 angelegt wurde, an der er teilnahm. Die Abschrift zeichnet sich durch umfangreiche Erweiterungen R.s aus (u. a. H¨ollenszenen, Dialoge) und enth¨alt Federzeichnungen, die ebenfalls von ihm stammen d¨urften. Weitere geistliche Spiele in R.s Sammlung sind das kurze Tiroler David- und Goliath-Spiel (Von Kinig dauid vnnd goliam, 1515) und das Tiroler Himmelfahrtsspiel von Cafless (Ludus De Ascensione domini, 1517), das mit Spielerverzeichnis u¨ berliefert ist. Hinzu kommen das Tiroler Osterspiel (Ludus pascalis de Resurreccione Domini, 1520), das Tiroler Pfingstspiel (Penthecostes, 1522) und das Brixener Emmausspiel (Der handl von dem Walfart gang Gen Eemaus der br¨uder, 1523). Die undatierte Tiroler Dramatisierung des Johannesevangeliums I zeigt textliche ¨ Ubereinstimmungen mit der Tiroler Dramatisierung des Johannesevangeliums II (Evangeli Johanne, 1526). Beide Spiele enthalten Szenen aus Joh 2–12, waren aber wahrscheinlich nur Vorentw¨urfe f¨ur eine unbekannte Auff¨uhrung. Tiroler Recht das Christus stirbt (Ain recht das cristus stirbt, 1529) weist eine charakteristische Handlung auf, in der Maria Inkarnation und Kreuzestod Jesu durch einen Prozess abwenden will. R. bearbeitete in diesem Manuskript eine a¨ltere Textschicht. Das Tiroler Spiel vom reichen Mann und vom armen Lazarus (Der Reich mann vnd Lazarus, 1539) handelt von einem reichen, zur 1374
1. H¨alfte 16. Jh. H¨olle verdammten Mann und dem armen, doch zum Himmel aufsteigenden Lazarus. Das Manuskript ist zwar mit Regieanweisungen versehen, kann aber ebensowenig einer Auff¨uhrung zugeordnet werden wie die Tiroler Marienklage (planctus beatae Marie virginis cum prophetis). R.s Sammlung enth¨alt außerdem Handschriften der → Sterzinger Passionsspiele, die aber nicht von ihm geschrieben wurden. Als verloren gilt u. a. ein Tiroler Verk¨undigungsspiel (Annuntiatio beatae virginis) von 1514. Die weltlichen St¨ucke in R.s Nachlass sind Fastnachtspiele. Sie sind in 21 Heften mit eigenh¨andigen Eintragungen R.s u¨ berliefert, die besonders aus den Jahren 1510 und 1511 stammen, insgesamt aber bis 1535 reichen. Mehr noch als bei den genannten geistlichen Spielen sind keine Auff¨uhrungen bekannt, sondern nur die Daten der Handschriften. Auch das Ausmaß von R.s Verfasserschaft ist ungekl¨art. Die Spiele gelten aber als eigenst¨andige Werke mit zeitkritischen Z¨ugen und einem guten Verst¨andnis von Dramaturgie und Charakterisierung. Die Consistorj Rumpoldi I und II (→ Rumpoltund Marethspiele III und IV, Bearbeitungen von 1510 und 1511) sind Gerichtsspiele mit traditionellen Figuren. In Das Chorgericht I und II (Ludus de erhardo de playttntall) verklagen Ehefrauen ihre M¨anner auf die Einhaltung ihrer ehelichen Pflichten. In Rex mortis (1510), dessen Vorlage Sylvester Mu¨ ller besorgt hatte, bem¨uhen sich drei S¨ohne um das Erbe ihres Vaters. Ipocras (1510) ist ein Quacksalberspiel, in Wann man heiraten soll II (Juristis, 1511) l¨asst sich ein junger Mann von Juristen u¨ ber den besten Zeitpunkt f¨ur seine Heirat beraten und Doktor Knoflach (1511) mischt Salbenkr¨amer- und Gerichtsspiel. Aristoteles der Heide (Aristotiles der hayd, 1511) adaptiert Aristoteles und Phyllis, Das Reckenspiel (1511) ist eine Rosengarten-Fabel. Esopus (1511) zeigt einen listigen Sklaven und Rex Viole cum filia sua (1511) eine K¨onigstochter und ihre Freier. Vaschang (1511) ist ein wohl unvollendetes Gerichtsspiel. Die b¨ose Ehe II (Von der p¨osen ee, 1511) inszeniert einen Streit zwischen einem w¨urfelspielenden Bauer und seiner Frau, w¨ahrend die zwei Teilspiele Sieben Farben und Venus (1511) von «Frau Venu» und der Liebe handeln. Dispute stehen im Mittelpunkt von May und herbst (1512) und Der verstoßene Rumpold (1512). In Pater cum quatuor filias (1514) verheiratet ein Vater unter allerlei Verwicklungen seine vier T¨ochter. Der Durchfallkranke II (Der scheissend, 1516) ist ein fragmentarisches St¨uck u¨ ber einen kranken Bauer und seinen italienischen Arzt. Drei Bauernprozesse II 1375
Raber (Ain unzucht recht, 1516) ist ein weiteres Gerichts¨ spiel. Bauern und Arzte kennzeichnen Die Rosskur II (Artzt h¨annimann, 1520) und Das Zahnbrechen (Ain zendprecherey, 1529). Ein Ehescheidungsprozess (Schaydung ains eevolks, 1529) geh¨ort der beliebten Gattung der Gerichtsspiele an und Doktors Apotheke (Doctors appotegg, 1531) ist ein Arztspiel. Die zwen Stenndt (1535) schildert die Versuche eines jungen Mannes, Beruf und Ehe zu erlangen. Außerdem sammelte R. Sterzinger Neidhartspiele. R.s Sammlung ist f¨ur die Geschichte der Tiroler Spiele von unsch¨atzbarem Wert. Sie erlaubt wertvolle Einblicke in den reichen Bestand an Stoffen und Szenen, der die geistlichen Spiele und Fastnachtsspiele der Zeit auszeichnete. Daneben dokumentieren die Handschriften die Umst¨ande ma. Auff¨uhrungen in all ihren Facetten und sind somit auch theaterhistorisch wichtig. ¨ Uberlieferung: R.s Sammlung mit zahlreichen Hss. und Fragm. wird im Stadtarchiv von Sterzing aufbewahrt, das Brixener Emmausspiel im ¨ Di¨ozesanarchiv Brixen. – Vgl. auch die Uberl. der im Text genannten Spiele. – Verz. u. a. bei Lipphardt/Roloff 1980–96 (s. Ausg.) und Bauer 1982 (s. Ausg.); Beschreibungen und Inhaltsangaben der Hss. bei Bergmann 1986 (s. Lit.) Nr. 29, 111 f., 135–142, 144–146, 148–153, M 125. – Digitalisate: http://www.literature.at/webinterface/library/COLLECTION V01?objid=14047. – Wappenbuch: Weimar, Herzogin Anna Amalia Bibl., cod. Fol. 220. Ausgaben: Vgl. auch die Ausg. der im Text genannten Einzelspiele (etwa bei Bergmann 1986, s. Lit.). Hier nur Sammelausgaben: Oswald Zingerle (Hg.): Sterzinger Spiele. Nach Aufzeichnungen des V. R. 2 Bde. Wien 1886. – Josef E. Wackernell (Hg.): Altdt. Passionsspiele aus Tirol, mit Abh. u¨ ber ihre Entwicklung, Composition, Quellen, Auff¨uhrungen und litterarhist. Stellung. Graz 1897. Neudr. Walluf 1972. – Anton D¨orrer (Hg.): Tiroler Umgangsspiele. Ordnungen und Sprechtexte der Bozner Fronleichnamsspiele und verwandter Figuralprozessionen vom Ausgang des MA bis zum Abstieg des aufgekl¨arten Absolutismus. Innsbruck 1957. – Walther Lipphardt/Hans-Gert Roloff (Hg.): Die geistlichen Spiele des Sterzinger Spielarchivs (Mittlere dt. Lit. in Neu- und Nachdrucken 14–19,2). 6 Bde. Bern u. a. 1981–96. – Werner M. Bauer (Hg.): Sterzinger Spiele. Die weltlichen Spiele des Sterzinger Spielarchivs nach den Originalhss. (1510–1535) von V. R. und nach 1376
Raber der Ausg. Oswald Zingerles (1886) (Wiener Neudrucke 6). Wien 1982. – Online-Faks. der Hss. s. ¨ Uberl. – Zu R. als Maler: Harwick W. Arch (Hg.): V. R.s Neustifter Wappenbuch. Aus der Bibl. des Augustiner Chorherren-Stiftes Neustift. Fotos v. Andreas v. Mo¨ rl. Brixen 2001. ¨ Literatur: Altere Lit. bei Wolf 1989 (s. u.). – Josef Eduard Wackernell, ADB (1907) S. 182–184. – Norbert Richard Wolf, VL2 7 (1989) Sp. 943–958; 11 (2004) Sp. 1289. – De Boor/Newald 4/1 (21994) S. 242 u. o¨ . – Susanne Siebert, BBKL 7 (1994) Sp. 1173–1175. – Nobert H. Ott, LexMA 7 (1995) Sp. 383. – Ders., LThK3 8 (1999) Sp. 383. – Ders., NDB 21 (2003) S. 70 f. – Bernd Neumann/Hannes Obermair: Tiroler Spiele. In: Killy2 11 (2011) S. 546–548. – Conrad Fischnaler: V. R. der Maler und Dichter († 1552). Innsbruck 1894. Erw. Nachdr. ebd. 2002 (bis heute grundlegende Biogr.). – Ders.: Das Volksschauspiel zu Sterzing im XV. und XVI. Jh. In: Zs. des Ferdinandeums 3. F. 38 (21894) S. 353–382. – Wackernell (s. Ausg.) S. VI–XVIII. – Rudolf Jordan: Das Sterzinger Weihnachtsspiel vom Jahre 1511 und das hessische Weihnachtsspiel. In: Jb. des k. k. Staats-Obergymnasiums in Krumau 30 (1902/03) S. 1–32. – Adalbert Sikora: Zur Gesch. der Volksschauspiele in Tirol. In: Arch. f¨ur Theatergesch. 2 (1905) S. 3–55. – Karl Moser: Die Meraner Malerfamilie R. Innsbruck 1927. – Alfred B¨aschlin: Die altdt. Salbenkr¨amerspiele. Diss. Basel 1929, S. 70–73 et passim. – Anton D¨orrer: R., V. In: Ulrich Thieme/Felix Becker: Allg. Lex. der bildenden K¨unstler 27. Leipzig 1933, S. 539 (Lit.). – Konrad Fischnaler: V. R.s Wappenbuch der Arlberger-Bruderschaft in Weimar. In: Ders.: Ges. Schr. 2. Innsbruck [1939], S. 63–93. – Reinhold Nordsieck: Der B¨uhnenplan des V. R. Ein Beitr. zur B¨uhnengesch. des MA. In: Monatsh. f¨ur Dt. Unterricht 37 (1945) S. 114–129. – Harwick Arch: Die Sterzinger Fastnachtspiele V. R.s. 2 Bde. Diss. Innsbruck 1948. – Wolfgang F. Michael: The Staging of the Bozen Passion Play. In: The Germanic Review 25 (1950) S. 178–195. – A. D¨orrer: V. R.s Handschriftenslg. in Sterzing. In: ZfdA 83 (1951/52) S. 236–238. – Ders.: Das Reformationsspiel der beiden St¨ande von 1532. In: Zs. f¨ur Volkskunde 50 (1953) S. 98–106. – Leopold Schmidt: Maler-Regisseure des MA. Bildende K¨unstler des MA und der Renaissance als Mitgestalter des Schauspielwesens ihrer Zeit in Westund Mitteleuropa. In: Maske und Kothurn 4 (1958) S. 55–78. – W. F. Michael: Fr¨uhformen der dt. 1377
1. H¨alfte 16. Jh. B¨uhne (Schr. der Ges. f¨ur Theatergesch. e.V. 62). Berlin 1963. – A. D¨orrer: Sterzinger B¨urger- und Spielkultur. In: Sterzinger Heimatbuch. Hg. v. Anselm Sparber. Innsbruck 1965, S. 237–284. – Ders.: Schicksale des Sterzinger Spielarchivs. In: ZfdA 94 (1965) S. 138–141 (fehlerhaft). – Ingeborg Glier: Personifikationen im dt. Fastnachtspiel des Sp¨atMA. In: DVjs 39 (1965) 542–587. – Eckehard Catholy: Fastnachtspiel (Slg. Metzler 56). Stuttgart 1966, S. 65–68. – Nobert H¨olzl: Der Arzt als komische Figur auf der Tiroler B¨uhne. in: Der Schlern 40 (1966) S. 139–152. – Eugen Thurnher: Tiroler Drama und Tiroler Theater. Innsbruck u. a. 1968. – Erich Egg: Die sp¨atgotische Malerei in Brixen. In: Ver¨off. des Tiroler Landesmuseums Ferdinandeum 48 (1968) S. 5–69, bes. S. 52–54. – Dietrich Huschenbett: Die Frau mit dem Apfel und Frau Venus im Moriskentanz und Fastnachtspiel. In: Volkskultur und Gesch. Festgabe f¨ur Josef D¨unninger zum 65. Geburtstag. Hg. v. Dieter Harmening u. a. Berlin 1970, S. 585–603. – Eckehard Simon: The Alemannic ‹Herbst und Mai› Play and its Literary Background. In: Monatshefte f¨ur dt. Unterricht, dt. Sprache und Lit. 62 (1970) S. 217–230. – Rolf Steinbach: Die dt. Oster- und Passionsspiele des MA (K¨olner germanistische Stud. 4). K¨oln/Wien 1970. – Werner M. Bauer: Engagement und Literarisierung. Zeitideen und dichterische Form im S¨udtiroler Fastnachtsspiel des 16. Jh. In: Tiroler Volksschauspiel. Beitr. zur Theatergesch. des Alpenraumes. Hg. v. Egon K¨uhebacher (Schriftenreihe des S¨udtiroler Kulturinst. 3). Bozen 1976, S. 35–59. – E. Catholy: Das Tiroler Fastnachtspiel. In: ebd., S. 60–73. – Barbara Thoran: Stud. zu den o¨ sterlichen Spielen des dt. MA. (Ein Beitr. zur Kl¨arung ihrer Abh¨angigkeit voneinander). 2., durchges. und erg. Aufl. (GAG 199). G¨oppingen 1976, passim. – Hans Schuhladen: V. R. und die Tiroler Fastnachtsspieltradition. In: DVjs 51 (1977) S. 396–421. – Eugen Thurnher: V. R. In: Der Schlern 52 (1978) S. 664–667. – W. M. Bauer: Das tirolische Reckenspiel. Heldenepische Stoffe im Fastnachtspiel des 16. Jh. In: Dt. Heldenepik in Tirol. K¨onig Laurin und Dietrich von Bern in der Dichtung des MA. In Zusammenarbeit mit Karl H. Vigl hg. v. E. K¨uhebacher (Schriftenreihe des S¨udtiroler Kulturinst. 7). Bozen 1979, S. 355–381. – Manfred Zimmermann: Die Sterzinger Miszellaneen-Hs. (Innsbrucker Beitr. zur Kulturwiss., Germanistische Reihe 8). Innsbruck 1980. – Bauer (s. Ausg.). – Aldo Stella: Cultura 1378
1. H¨alfte 16. Jh. umanistica e riforma religiosa nei Passionsspiele e Fastnachtspiele di Vigilio R. In: Atti e Memorie dell’Academia Patavina di Scienze, Lettere ed Arti 96 (1983/84) S. 101–113. – Hansj¨urgen Linke: Die beiden Fassungen des Tiroler Fastnachtspiels ‹Die zwen Stenndt›. In: Daphnis 14 (1985) S. 179–218. – Rolf Bergmann: Kat. der deutschsprachigen geistlichen Spiele und Marienklagen des MA (Ver¨off. der Kommission f¨ur dt. Lit. des MA der Bayerischen Akad. der Wiss.). M¨unchen 1986, Nr. 29, 111 f., 135–142, 144–146, 148–153, M 125. – B. Neumann: Das sp¨atma. geistliche Spiel in Tirol. In: Die o¨ sterr. Lit. Ihr Profil von den Anf¨angen im MA bis ins 18. Jh. (1050–1750). Bd. 1. Hg. v. Herbert Zeman. Graz 1986, S. 521–545. – B. Neumann: Geistliches Schauspiel im Zeugnis der Zeit. Zur Auff¨uhrung ma. religi¨oser Dramen im dt. Sprachgebiet. Bd.1 (MTU 84). Mu¨ nchen/Z¨urich 1987. – Anton Schwob: Die zeremonielle Entweihung formaler und sprachlicher Rituale in einer sp¨atma. Urkundenparodie. Zu V. R.s ‹Consistory Rumpoldi II›. In: Parodie und Satire in der Lit. des MA. Bearb. v. Edine Breier. Greifswald 1989, S. 113–128. – Harald Zielske: Die Bozener Passionsspielauff¨uhrung von 1514 und der B¨uhnenplan des V. R. In: Daphnis 23 (1994) S. 287–307. – Osterspiele. Texte und Musik. Akten des 2. Symposiums der Sterzinger Osterspiele, 12.–16.4.1992. Hg. v. Max Siller. Innsbruck 1994. – Lit. und Sprache in Tirol. Von den Anf¨angen bis zum 16. Jh. Akten des 3. Symposiums der Sterzinger Osterspiele (10.–12. April 1995). Hg. v. Michael Gebhardt/M. Siller. Innsbruck 1996. – Fiammetta Bada: Le commedie di V. R. Dal tardogotico alla rivoluzione contadina del 1525. Bozen 1996. – Dies.: L’Himmelfahrtspiel di Cavalese del 1517 e il commediografo V. R. In: Studi trentini di scienze storiche 1 Bd. 77 (1998) S. 3–20. – Harwick W. Arch: V. R.s Sterzinger Wappenb¨uchl. Forschungen der Abteilung f¨ur Ma. und Neuzeitliche Arch¨aologie am Inst. f¨ur Ur- und Fr¨uhgesch. der Univ. Innsbruck (Nearchos Beiheft 5). Innsbruck 1999. – Vor 450 Jahren starb Meister V. R. Red. Beate Gatterer. Bozen 2002. – F. Bada: ‹Fastnachtspiele› tirolesi di V. R. e la ‹Commedia pavana› di Ruzante. Esperienze teatrali a confronto. In: Europa e America nella storia della civilt`a. Studi in onore di Aldo Stella. Hg. v. Paolo Pecorari. Treviso 2003, S. 109–129. – E. Simon: Die Anf¨ange des weltlichen dt. Schauspiels. 1370–1530. T¨ubingen 2003. – H. Obermair: The Social Stages of the City. V. R. and Performance Direc1379
Trierer Marien-Rolle tion in Bozen/Bolzano (Northern Italy). A SocioHistorical Outline. In: Concilium Medii Aevi 7 (2004) S. 193–208. – M. Gebhardt/M. Siller (Hg.): V. R. Zur 450. Wiederkehr seines Todesjahres. Akten des 4. Symposiums der Sterzinger Osterspiele (25.–27.3.2002) (Schlern-Schr. 326). Innsbruck 2004. – Robert B¨uchner: St. Christoph am Arlberg. Die Gesch. von Hospiz und Taverne, Kapelle und Bruderschaft, von Br¨ucken, Wegen und Straßen, S¨aumern, Wirten und anderen Menschen an einem Alpenpass. Wien u. a. 2005, S. 119–121 u. o¨ . – Herbert Schempf: Recht und Gericht bei V. R. In: Forschungen zur Rechtsarch¨aologie und Rechtlichen Volkskunde 24 (2007) S. 267–284. – Ute von Bloh: ‹Spielerische Fiktionen›. Parasit¨are Verselbst¨andigungen einzelner Szenen aus Geistlichen Spielen (Erlauer Magdalenenspiel, Melker Salbenkr¨amerspiel, V. R.s Ipocras). In: Fiktion und Fiktionalit¨at in den Literaturen des MA. FS JanDirk Mu¨ ller. Hg. v. Ursula Peters/Rainer Warning, Rainer. Paderborn 2009, S. 407–432. MM Trierer Marien-Rolle. – Fragmente aus einem Passionsspiel. Die zu der Szene ‹Jesu Abschied in Bethanien›, einer Rede Marias und dem Anfang der Kreuzigungsszene geh¨orenden Bruchst¨ucke bieten neben dem einen Rollentext (Vorw¨urfe Marias, nach Linke vermutlich gegen¨uber Judas) Regieanweisungen f¨ur Judas, Maria Magdalena, den Salvator, Johannes, die Gruppe der Apostel und die «alie mulieres». ¨ Uberlieferung: Trier, Stadtarch., Depositum der Vereinigten Hospitien, Depositum 1, Fragm. 1, 2 Bll. (Pap., zweite H¨alfte 16. Jh., westmitteldt.). Ausgabe: Linke (s. Lit.) S. 212–214. Literatur: Hansj¨urgen Linke, VL2 9 (1995) Sp. 1052 f. – Ders.: Die T. M.-R. In: ZfdA 121 (1992) S. 209–215. – Betty C. Bushey: Die dt. und ndl. Hss. der Stadtbibl. Trier bis 1600 (Beschreibendes Verz. der Hss. der Stadtbibl. zu Trier. NS 1). Wiesbaden 1996, S. 307. BJ Augsburger Osterspiel (auch: Feldkircher Osterspiel). – Obd. geistliches Spiel, fr¨uhes 16. Jh. Das A. O., dem u. a. die Abschrift eines Prozessionale des 15. Jh. f¨ur eine der beiden großen Augsburger Kirchen voraufgeht, bietet nach dem Prolog (Silete-Gesang und Praefatio des Engels) folgende Szenen: «visitatio sepulchri», Erscheinung Jesu vor Maria Magdalena (Hortulanus-Szene), 1380
Churer Weltgerichtsspiel Verk¨undung der Auferstehung durch die Marien an die J¨unger, J¨ungerlauf (mit komischen Elementen), Erscheinung Jesu vor Petrus und Johannes sowie vor Thomas. Am Ende seiner Conclusio fordert der Engel zum Ostergesang → Christ ist erstanden auf. Die lat. und dt. Zwischenges¨ange sind mit Noten (Choralnotation in sp¨atgotischer Hufnagelschrift) versehen. ¨ Uberlieferung: Feldkirch, Kapuzinerkloster, ms. Liturg. 1 rtr.m, 74r–92r (Pap., 16. Jh.). Ausgaben: Walther Lipphardt: Ein lat.-dt. Osterspiel aus Augsburg (16. Jhdt.) in der Bibl. des Kapuzinerklosters Feldkirch. In: Jb. des Vorarlberger Landesmuseumsvereins 1972 (1975) S. 12–29, hier S. 17–29 (mit zwei Abb.). – Das Lat.-Dt. A. O. und Das Dt. Passionslied des Mo¨ nchs von Salzburg. In Abb. aus dem Ms. Liturg. 1 rtr. des Kapuzinerklosters Feldkirch hg. v. W. Lipphardt (Litterae 55). G¨oppingen 1978. Literatur: Walther Lipphardt, VL2 1 (1978) 524 f. – Rolf Bergmann: Kat. der deutschsprachigen geistlichen Spiele und Marienklagen des MA (Ver¨off. der Kommission f¨ur dt. Lit. des MA der Bayerischen Akad. der Wiss.). M¨unchen 1986, S. 109 f. (Nr. 41, u. d. T. ‹Feldkircher Osterspiel›). – Bernd Neumann: Geistliches Schauspiel im Zeugnis der Zeit. Zur Auff¨uhrung ma. religi¨oser Dramen im dt. Sprachgebiet (MTU 84.85). Mu¨ nchen/Z¨urich 1987, Bd. 1, S. 121 (Nr. 35/4). BJ St. Galler Himmelfahrtspiel. – Geistliches Spiel, Anfang 16. Jh. Das nicht ganz vollst¨andig u¨ berlieferte, zu Lesezwecken aufgezeichnete St. G. H. (250 Verse) ¨ mit der Uberschrift «ludus ascensionis» folgt in der Sammelhandschrift auf die → St. Galler Marienklage. Es geh¨ort zu den wenigen erhaltenen ma. Spielen von Christi Himmelfahrt. Das «in erster Linie auf Vermittlung christl. Lehrinhalte bedachte Spiel» (Neumann) behandelt nach einem Prolog (V. 1–8) folgende nach¨osterlichen Geschehnisse bis zur Himmelfahrt Jesu (V. 226–259): Erscheinung Jesu in Galil¨aa (V. 9–22), Erscheinung Jesu vor Thomas (V. 23–60; Maria als ‹Erl¨oserin aller Welt› [V. 60] ist auch anwesend), Abschied Jesu von den J¨ungern und Missionsauftrag (V. 61–152, ¨ 177–185), Ubertragung der Schl¨usselgewalt an Petrus (V. 153–176; diesem Abschnitt kommt besonderes Gewicht zu), Abschied Jesu von Maria (V. 186–225). 1381
1. H¨alfte 16. Jh. ¨ Uberlieferung: St. Gallen, Stiftsbibl., Cod. 1006, S. 33–44 (Pap., St. Gallen [?], Anfang 16. Jh.). Ausgabe: Franz Joseph Mone (Hg.): Schauspiele des MA. Bd. 1. Karlsruhe 1846 (Neudr. Aalen 1970) S. 254–264. Literatur: Bernd Neumann, VL2 2 (1980) Sp. 1041 f. – Ders., Killy2 4 (2009) S. 106. – Mone (s. Ausg.) S. 251–254. – Wolfgang F. Michael: Das dt. Drama des MA (Grundriß der germ. Philologie 20). Berlin/New York 1971, 111 f. – Rolf Bergmann: Kat. der deutschsprachigen geistlichen Spiele und Marienklagen des MA (Ver¨off. der Kommission f¨ur dt. Lit. des MA der Bayerischen Akad. der Wiss.). M¨unchen 1986, S. 138–140 (Nr. 56). – B. Neumann: Geistliches Schauspiel im Zeugnis der Zeit. Zur Auff¨uhrung ma. religi¨oser Dramen im dt. Sprachgebiet (MTU 84.85). M¨unchen 1987, Bd. 2, S. 852 (Nr. 3651). BJ Churer Weltgerichtsspiel. – Geistliches Spiel, Anfang des 16. Jh. Der 1545 vierhebige, paargereimte Verse umfassende Text ist anonym u¨ berliefert. In der Gruppe von in Aufbau und Textkonstitution verwandten Weltgerichtsspielen auf der Grundlage von Mt 25,31–46 (vgl. u. a. → Kopenhagener W., → Berner W., → Berliner W., → M¨unchner W.) stellt das auf mehr als 80 Personen verteilte C. W., das sehr wahrscheinlich an Ostern (vgl. Prolog) 1517 in Chur aufgef¨uhrt wurde, einen erweiterten Typ dar. Durch Auftritte eines Prelocutor (auch Precursor genannt) und durch liturgische Ges¨ange wird das C. W. in f¨unf Akte (erstmalige Verwendung des Terminus «actus» in einem dt. Drama) eingeteilt. Der 1. Akt bietet die Reden von vier Personen aus dem AT (Johel, Sophonias, Job, Salomon) und von zwei Kirchenlehrern (Gregorius, Jheronimus [mit → 15 Zeichen vor dem J¨ungsten Gericht]. Im 2. Akt folgt den Engelweckrufen und dem Erscheinen Christi als Richter die Scheidung der Guten und B¨osen (Engelrede). Christus verk¨undet und begr¨undet das Urteil u¨ ber die Guten und beruft Maria (neu ist ihre Antwort), die Apostel, Propheten, Patriarchen, M¨artyrer, Bekenner und Jungfrauen zu Beisitzern. Im 3. Akt schließen sich an die Anklagen der Engel der vier Elemente und des Engels von Sonne und Mond (vgl. M¨unchner W.) die Selbstbezichtigungen von Judas, Herodes, Pilatus und eines Reichen Mannes sowie von Personen, die Tods¨unden begangen haben, an. Zum S¨undenkatalog, den der Teufel vortr¨agt, 1382
1. H¨alfte 16. Jh. z¨ahlen Verst¨oße gegen die Zehn Gebote und die Superbia. Der 4. Akt besteht aus dem Urteil u¨ ber die B¨osen. Der vergeblichen f¨unffachen Bitte um Strafmilderung folgen die Begr¨undung des Urteils ¨ und die Ubergabe der Verdammten an Luzifer. Die F¨urbitte Marias (gemeinsam mit den anderen Beisitzern) und des Johannes wird abgewiesen. Nach der Abf¨uhrung der Verdammten verschließt der Erzengel Michael die H¨olle. Im 5. Akt schließt sich an Lobpreisungen mehrerer Geretteter (David, «pueri», Petrus, Paulus, Stephanus, Florinus, Konstantinus, Katharina, Magdalena, Ursula, Elisabeth, «anima salvata») – ohne Parallele in einem der verwandten Spiele – ein kurzes (von der Chronologe der Letzten Dinge abweichendes) Antichristspiel an. Mit mahnenden Schlusspredigten des Elias und Enoch endet das Spiel. ¨ Uberlieferung: Chur, Staatsarch., Cod. B 1521 (Pap., 1517, hochalemannisch; Bl. 1r: «Anno millesimo quingentesimo decimo septimo hat man gehept das jungst gricht»). Ausgaben: Ursula Schulze (Hg.): Churer Weltgerichtsspiel. Nach der Hs. des Staatsarch. Graub¨unden Chur Ms. B 1521 (Texte des sp¨aten MA und der fr¨uhen Neuzeit 35). Berlin 1993. – Hansj¨urgen Linke (Hg.): Die dt. Weltgerichtspiele des sp¨aten MA. Synoptische Gesamtausgabe. Bd. I: Einleitung, Bd. II/1.2: Texte. T¨ubingen/Basel 2002. Literatur: Hellmut Rosenfeld, VL2 1 (1978) Sp. 1271–1274. – De Boor/Newald 4/1 (21994) S. 263, 798. – Ursula Schulze, Killy2 2 (2008) S. 427–429. – Rudolf Klee: Das mhd. Spiel vom j¨ungsten Tage. Diss. Marburg 1906. – Karl Reuschel: Die dt. Weltgerichtsspiele des MA und der Reformationszeit. Eine literarhist. Unters. (Teutonia 4). Leipzig 1906. – Georg Jenschke: Unters. zu Stoffgesch., Form und Funktion ma. Antichristsspiele. Diss. M¨unster 1971 (mit Abdruck des 5. Aktes). – Rudolf Jenny: Hss. aus Privatbesitz im Staatsarch. Graub¨unden (Quellen zur Kulturund Landesgesch. Graub¨undens 2). Chur 1974. – Rolf Bergmann: Kat. der deutschsprachigen geistlichen Spiele und Marienklagen des MA (Ver¨off. der Kommission f¨ur dt. Lit. des MA der Bayerischen Akad. der Wiss.). M¨unchen 1986, S. 86 f. (Nr. 31). – Peter Ochsenbein: Marias F¨urbitte im C. W. von 1517. In: Gesch. und Kultur Churr¨atiens. FS Iso M¨uller. Hg. v. Ursus Brunold/Lothar Deplazes. Disentis 1986, S. 583–615 (mit Abdr. des 1383
Berliner Fragmente eines Rosengartenspiels 4. Aktes). – Bernd Neumann: Geistliches Schauspiel im Zeugnis der Zeit. Zur Auff¨uhrung ma. religi¨oser Dramen im dt. Sprachgebiet (MTU 84.85). Mu¨ nchen 1987, Bd. 2, S. 834 (Nr. 3619). – Schulze (s. Ausg.) S. 9–36. – H. Blosen: Zur Ausg. des C. W. In: Augias 47 (1995) S. 25–43. – Hansj¨urgen Linke: B¨undner Teufeleien. In: ZfdA 124 (1995) S. 265–271. – Albrecht Classen: Konfrontation des Alltags mit dem G¨ottlichen. Mentalit¨atsgeschichtliche Unters. zum ‹C. W.› (1517). In: Daphnis 25 (1996) H. 4, S. 627–644. – Dieter Trauden: Gnade vor Recht? Unters. zu den deutschsprachigen Weltgerichtsspielen des MA (Amsterdamer Publ. zur Sprache und Lit. 142). Amsterdam/Atlanta 2000, S. 18–23, 334–356. – Linke (s. Ausg.) Bd. I, S. 14 f. u. o¨ . – Hildegard Elisabeth Keller: ‹losendt obenthvr›. Weltgerichtsspiele als Aktualisierungsmedien der Zeit. Am Beispiel des ‹Berner Weltgerichtsspiels› und des ‹C. W.›. In: Ritual und Inszenierung. Geistliches und weltliches Drama des MA und der Fr¨uhen Neuzeit. Hg. v. Hans-Joachim Ziegeler. T¨ubingen 2004, S. 49–70. – U. Schulze: Zur Typologie der Weltgerichtsspiele im 16. Jh. In: Textsorten und Textallianzen im 16. bis 18. Jh. Unter Mitarb. v. Claudia Wich-Reif hg. v. Peter Wiesinger. Berlin 2007, 237–258. – Dies.: Geistliche Spiele im MA und in der Fr¨uhen Neuzeit. Von der liturgischen Feier zum Schauspiel. Eine Einf. Berlin 2012, S. 168 f. BJ Berliner Fragmente eines Rosengartenspiels. – Dramatische Bearbeitung der in der Mitte oder in der zweiten H¨alfte des 13. Jh. entstandenen Heldendichtung → Rosengarten zu Worms aus dem Stoffkreis um Dietrich von Bern. Der in mindestens f¨unf Versionen – in 20 Handschriften und sechs Drucken – u¨ berlieferte Text der Heldendichtung wurde in zwei Fassungen dramatisch bearbeitet: im Tiroler ‹Reckenspiel› (Ain vasnacht spill von den risn oder reckhn, 1511) aus der Sterzinger Spielesammlung des Vigil → Raber und in den B. F. e. R. Quelle beider St¨ucke ist das gedruckte «Heldenbuch» (Erstdruck 1479). Auff¨uhrungsnachrichten von Rosengartenspielen (Wesel: 1380 und 1395, Windsheim: 1429) beziehen sich nicht auf diese beiden Spiele oder eine andere Dramatisierung, sondern auf turnier¨ahnliche Wettk¨ampfe. Die zu Lesezwecken angefertigte Handschrift enth¨alt neun gerahmte, zum Teil ganzseitige braune Federzeichungen mit Inschriften der handelnden Personen. 1384
Luzerner Antichrist- und Weltgerichtsspiel Zu Beginn der B. F. e. R. fordert der schon bekr¨anzte Mo¨ nch Islan von Krimhild 52 Gegner, um seine ebensovielen Mitbr¨uder mit Rosenkr¨anzen versorgen zu k¨onnen. Nach ersten Aufforderungen zum Kampf trennt Krimhild die K¨ampfer und u¨ berreicht zwei Rosenkr¨anze. Weitere Kampfaufforderungen folgen. Mit dem Einleitungsgespr¨ach zum Kampf zwischen Hagen und dem getreuen Eckart bricht das Spiel ab. ¨ Uberlieferung: Berlin, SBB, Mgf 800 (Pap., Datierung auf der achten Zeichung: «1533», mitteldt.). Ausgabe: Wilhelm Grimm: Bruchst¨ucke einer Bearbeitung des Rosengartens. In: ZfdA 11 (1859) S. 243–252 (wieder in: Ders.: Kleinere Schriften. Bd. 4. Berlin 1887, S. 468–476). Der von Grimm in falscher Reihenfolge gebotene Text ist zu ordnen: Bl. 4, 5, 1–3, 6 (Philipp, S. XX). Literatur: Hansj¨urgen Linke, VL2 1 (1978) Sp. 725 f. – Joachim Heinzle: Rosengarten zu Worms. In: VL2 8 (1992) Sp. 187–192 (Lit.). – Grimm (s. Ausg.) S. 252 f. (bzw. Kleinere Schriften, Bd. 4, S. 476–478). – Bruno Philipp: Zum Rosengarten. Halle/Saale 1879, S. XX, LIV f. (dazu: [E.] Steinmeyer, in: AfdA 6 [1880] S. 229–235). – Bernd Neumann: Ma. Schauspiel am Niederrhein. In: ZfdPh 94 (1975) Sonderheft Drama, S. 147–194, hier S. 182 f. – Werner M. Bauer (Hg.): Sterzinger Spiele. Die weltlichen Spiele des Sterzinger Spielarchivs nach den Originalhss. (1510–1535) von Vigil Raber und nach der Ausg. Oswald Zingerles (1886) (Wiener Neudrucke 6). Wien 1982, S. 9–26 (‹Das recken spil›), 481–485 (Komm.), hier S. 482 f. – Norbert H. Ott: Die Heldenbuch-Holzschnitte und die Ikonographie des heldenepischen Stoffkreises. In: Heldenbuch. Nach dem a¨ltesten Druck in Abb. 2: Kommentarbd. (Litterae 75,2). G¨oppingen 1987, S. 245–296, hier S. 250 und 280 (Abb.). – Eckehard Simon: Rosengartenspiele: Zu Schauspiel und Turnier im Sp¨atMA. In: Entzauberung der Welt. Dt. Lit. 1200–1500. Hg. v. James F. Poag/ Thomas C. Fox. T¨ubingen 1989, S. 197–209. – Joachim Heinzle: Einf. in die mhd. Dietrichepik (de Gruyter Studienbuch). Berlin/New York 1999. – Walter Kofler (Hg.): Die Heldenbuch-Inkunabel von 1479. Alle Exemplare und Fragmente in 350 Abb. (Litterae 121). [G¨oppingen] 2003 (1 CDROM). – Renate Schipke: B. F. e. R. In: Aderlaß ¨ und Seelentrost. Die Uberl. dt. Texte im Spiegel Berliner Hss. und Inkunabeln. Hg. v. Peter J¨org Becker/Eef Overgaauw. Mainz 2003, S. 127–130 1385
1. H¨alfte 16. Jh. (auf S. 128 Abb. von Bl. 2v in Farbe). – E. Simon: Die Anf¨ange des weltlichen dt. Schauspiels 1370–1530. Unters. und Dokumentation (MTU 124). T¨ubingen 2003, S. 206–208, 232 (Lit.). – Christiane Krusenbaum/Christian Seebald: Maximilian im Rosengarten. Materialit¨at und Funktionalit¨at der ‹B. F. e. R.› (Ms. germ. fol. 800). In: PBB 128 (2006) S. 93–131. – Kat. der deutschsprachigen illustrierten Hss. des MA. Begonnen v. Hella Fr¨uhmorgen-Voss, fortgef¨uhrt v. Norbert H. Ott zusammen mit Ulrike Bodemann. Bd. 4/1 (Lfg. 1/2, von Jeffrey F. Hamburger, N. H. Ott, Martin Roland, Marcus Schr¨oter, Christine St¨ollingerL¨oser), M¨unchen 2008, S. 62–64 und Abb. 38–39 [Norbert H. Ott]. – Victor Millet: Germ. Heldendichtung im MA. Eine Einf. (de Gruyter Studienbuch). Berlin/New York 2008, S. 479–481 (auf BJ S. 480 Abb. von Bl. 2v). Luzerner Antichrist- und Weltgerichtsspiel (Luzerner Antichristspiel I und II, Luzerner Weltgerichtsspiel II). – Geistliches Drama. Als Verfasser des L. A.- u. W. gilt allgemein Zacharias Bletz (1511–1570). Er wurde 1542 Schulmeister, 1549 Notar und 1566 Stadtschreiber in Luzern, war daneben aber auch als Kaufmann und Ratsherr t¨atig. Er folgte Hans Salat im Amt des Spielleiters von Luzern und verantwortete u. a. 1545 und 1560 die Luzerner Osterspiele. In seiner Zust¨andigkeit lag außerdem das 1549 nach den Osterfeiertagen aufgef¨uhrte L. A.- u. W. Das Spiel war f¨ur zwei Tage konzipiert, erstreckte sich in jenem Jahr jedoch faktisch uber ¨ drei Tage: Nach einem zeitgen¨ossischen Bericht musste die Auff¨uhrung am ersten Abend wegen Regens unterbrochen werden und wurde an den n¨achsten beiden Tagen fortgesetzt. 1575 wurde das Spiel dann noch einmal von Renward Cysat inszeniert. ¨ Die Uberlieferung des Antichristspiels ist umfangreicher als jene des Weltgerichtsspiels. Das Antichristspiel ist in einer fr¨uhen Fassung von 1541 mit 6736 Versen erhalten, in einer zweiten Fassung von 1549 mit 4736 Versen und schließlich als Reinschrift aus demselben Jahr mit 5290 Versen. Bereits die Fassung von 1541 war b¨uhnentauglich gestaltet, jedoch ist aus jenem Jahr keine entsprechende Auff¨uhrung bekannt. Das rund 146 Sprechrollen umfassende Spiel ist in hochalemannischen, meist vierhebigen Paarreimen geschrieben. Auch die Regieanweisungen sind deutsch. Die Handlung des Spiels beginnt in der Reinschrift mit einleitenden Worten des Proclamators, 1386
1. H¨alfte 16. Jh. seines Gehilfen Fendrich und biblischer Gestalten, darunter vor allem Propheten. Nach der Heilung des Lazarus durch Jesus folgt die Geburt des Antichrists, der von Teufeln in die H¨olle gelockt wird und im Bund mit den h¨ollischen M¨achten die Menschen zu verderben sucht. Daraufhin ruft Christus die Propheten ins Leben zur¨uck, damit sie gegen den Antichrist predigen. Dieser wird zuletzt von Rafael gest¨urzt. Mit der Offenbarung des Johannes und einem Hinweis des Proclamators auf das folgende Weltgerichtsspiel endet das St¨uck. Die geschilderte Handlung ist in den drei Fassungen des St¨ucks unterschiedlich ausgestaltet. So schildert die erste Fassung noch anschaulich Geburt und Jugendzeit des Antichrists. In den sp¨ateren Fassungen fehlen diese Szenen jedoch. Das Weltgerichtsspiel (Die History der Tragedi Von dem J¨ungsten Gericht) liegt nur in einer Fassung von 1549 vor, die rund 8350 Verse umfasst. Mo¨ glicherweise handelt es sich bei dem Manuskript um das Regiebuch oder dessen Abschrift. In einer zus¨atzlichen Handschrift sind auch Regiematerialien und die Spielerliste des St¨ucks erhalten. Die Handlung Weltgerichtsspiels beginnt mit dem Exempel vom großen Abendmahl. Nach den Vorzeichen des J¨ungsten Gerichts beruft Christus die Apostel zu Gerichtsbeisitzern. Es folgt die Auferstehung und Anklage der Toten, unter denen zahlreiche St¨ande, Laster und Su¨ nden vertreten sind. Nach den u¨ blichen F¨urbitten Marias, der Apostel und anderer Himmelsvertreter wird u¨ ber die Seelen geurteilt. Nach deren H¨ollen- bzw. Himmelfahrt folgen Schlussreden von Papst, Proclamator ¨ und Fendrich. Ubrigens treten in dem Spiel zwei P¨apste auf, ebenso stets zwei Vertreter aller anderen St¨ande. Von diesen endet jeweils einer als Verdammter und einer als Seliger – so auch die beiden P¨apste. Die Wurzeln des Antichristspiels sind unsicher. M¨oglicherweise kannte Bletz das Weltgerichtsspiel aus Besan¸con von 1397, in dem die Geburt des Antichrists a¨hnlich dargestellt ist. Dem Weltgerichtsspiel wiederum hat die Forschung verschiedentlich das → Luzerner Weltgerichtsspiel I als Vorlage zugeordnet. Diesem gegen¨uber m¨usste Bletz’ Spiel jedoch als v¨ollige Neudichtung betrachtet werden, da ¨ es keine textlichen Ubereinstimmungen gibt und manche Handlungselemente durch Predigten und Zitate aus der Bibel ersetzt wurden. Im L. A.- u. W. tritt die Offenbarung des Johannes gegen¨uber der Gerichtshandlung aus Mt 25,31–46 st¨arker in den 1387
Luzerner Antichrist- und Weltgerichtsspiel Vordergrund. So u¨ bernimmt Bletz aus der Apokalypse etwa den blutigen Regen und die sieben ausgegossenen Schalen. Gemeinsam ist beiden Spielen u. a. die Verwendung der → 15 Zeichen vor dem J¨ungsten Gericht. Das L. A.- u. W. ist als katholisches Spiel im Kontext der schweizer. Reformation von Interesse. Wenn Bletz sp¨ottisch anmerkt, der Antichrist k¨onne aus Bettlern Junker machen, so d¨urfte diese Spitze auf «Junker J¨org» zielen, den ber¨uhmten ¨ Alias des Bettelm¨onchs Luther. Ahnlich kritisch sind wohl auch Bletz’ Beschreibungen der Pl¨underungen von Kirchen und Kl¨ostern durch den Antichrist und seine Anh¨anger zu verstehen. Auch l¨asst Bletz seinen Antichrist in der von Lucas Cranach dargestellten Gelehrtentracht Luthers auftreten. Gleichzeitig bem¨uhte sich Bletz, seinen Text gegen protestantische Anfeindungen abzusichern. Die Verwendung von w¨ortlich wiedergegebenen Bibelstellen mit Quellenangaben ist in diesem Zusammenhang zu sehen. ¨ Uberlieferung: Luzern, Zentral- und Hochschulbibl., BB Ms. 169 III A fol. (fr¨uher 169 III), 1r–86v (Pap., Luzern, 1541–49, hochalemannisch; Antichristspiel-Fassungen v. 1541 und 1549). – Ebd., BB Ms. 169 III fol. (fr¨uher 169 II), 1v–93v (Pap., Luzern, 1549, hochalemannisch; W. in Fassung v. 1549). – Ebd., BB Ms. 169 II fol. (fr¨uher 169 I), 1r–82v (Pap., Luzern, 1549, hochalemannisch; Reinschrift des Antichristspiels v. 1549). – Ebd., BB Ms. 169 I fol., S. 1–22 (Pap., 16. Jh., hochalemannisch; Spielerverz. zum W.). Ausgaben: Renward Brandstetter: Die Technik der Luzerner Heiligenspiele. In: Arch. f¨ur das Studium der neueren Sprachen und Litteraturen 75 (1886) S. 383–418 (Teilausg.). – Reuschel 1906 (s. Lit.) S. 207–328 (nur Antichristspiel und Regiematerialien). – Neumann 1987 (s. Lit.). Literatur: Hellmut Rosenfeld, VL2 5 (1985) Sp. 1089–1092. – Franz K¨orndle: Liturgische Dramen, Geistliche Spiele. In: MGG2 Sachteil 5 (1996) Sp. 1388–1412. – Elke Ukena-Best: Luzerner Spiele. In: Killy2 7 (2010) S. 589–592. – Jakob Baechtold: Gesch. der dt. Lit. in der Schweiz. Frauenfeld 1892, 381–383, Anm. S. 104 f. – Karl Reuschel: Die dt. W. des MA und der Reformationszeit. Eine literarhist. Unters. nebst dem Abdruck des Luzerner ‹Antichrist› v. 1549. Leipzig 1906, S. 57–82, 166–170, 331–334. – Oskar Eberle: Theatergesch. der inneren Schweiz. Das Theater in Luzern, Uri, Schwyz, Unterwalden und Zug im MA 1388
Luzerner Antichrist- und Weltgerichtsspiel und zur Zeit des Barock 1200–1800. K¨onigsberg 1929, S. 3, 21–25. – Marshall B. Evans: Die Beteiligung der Luzerner B¨urger am Passionsspiel. In: Der Geschichtsfreund 87 (1932) S. 304–335. – Wolfgang F. Michael: Fr¨uhformen der dt. B¨uhne. Berlin 1963, S. 97–99. – Georg Jenschke: Unters. zur Stoffgesch., Form und Funktion ma. Antichristspiele. Diss. Mu¨ nster/Westf. 1971, S. 203–234. – Klaus Aichele: Das Antichristdrama des MA, der Reformation und Gegenreformation. Den Haag 1974, S. 78–82, 206 f. – Rolf Bergmann: Kat. der deutschsprachigen geistlichen Spiele und Marienklagen des MA (Ver¨off. der Kommission f¨ur dt. Lit. des MA der Bayerischen Akad. der Wiss.). Mu¨ nchen 1986, Nr. 80–83. – Bernd Neumann: Geistliches Schauspiel im Zeugnis der Zeit. Zur Auff¨uhrung ma. religi¨oser Dramen im dt. Sprachgebiet. Bd. 1 (MTU 84). Mu¨ nchen/Z¨urich 1987, Nr. 2102 f. – Veronika Duncker: Antijudaismus, antireformatorische Polemik und Zeitkritik im L. Antichristspiel des Zacharias Bletz. Diss. Frankfurt/M. 1993. – Winfried Frey: Zacharias Bletz und die neue Zeit. Zum L. Antichristspiel. In:
1389
1. H¨alfte 16. Jh. Zs. f¨ur Religions- und Geistesgesch. 47 (1995) H. 2, S. 126–144. – Ursula Schulze: Erweiterungsund Ver¨anderungsprozesse in der Tradition der W. In: PBB 118 (1996) S. 205–233. – Dieter Trauden: Gnade vor Recht? Unters. zu den deutschsprachigen W. des MA. Amsterdam u. a. 2000, S. 91–102 u. o¨ . – Johanna Thali: Text und Bild – ¨ Spiel und Politik. Uberlegungen zum Verh¨altnis v. Theater und Malerei am Beispiel Luzerns. In: Das Theater des MA und der Fr¨uhen Neuzeit als Ort und Medium sozialer und symbolischer Kommunikation. Hg. v. Christel Meier u. a. Mu¨ nster/Westf. 2004, S. 171–203. – Heidy GrecoKaufmann: ‹Zuo der Eere Gottes, vfferbuwung dess mentschen vnd der Statt Lucern lob.› Theater und szenische Vorg¨ange in der Stadt Luzern im Sp¨atMA und in der fr¨uhen Neuzeit. Hist. Abriss und Quellenedition. 2 Bde. Z¨urich 2009, passim (mit CDROM). – U. Schulze: Geistliche Spiele im MA und in der Fr¨uhen Neuzeit. Von der liturgischen Feier zum Schauspiel. Eine Einf. Berlin 2012, S. 173 f. MM
1390
Register der Personen und anonym u¨ berlieferten Werke Namen und Werktitel, denen ein eigener Artikel gewidmet ist, erscheinen im Fettdruck; die Stelle des Artikels ist ebenfalls fett gedruckt. Kursiver Fettdruck wird dann verwendet, wenn es sich um einen Verweis auf einen Artikel in einem anderen Band des Lexikons handelt. 15 Zeichen vor dem J¨ungsten Gericht 1163, 1228, 1230, 1255, 1369, 1382, 1388 A solis ortus cardine 111 ˙ an, Kalif von Cordoba 1039 ’Abd ar-Rahm¯ Abendvesper 797, 869 Das actum vasnacht → Rosenpl¨utsche Fastnachtspiele Adam und Eva 940 Adso von Montier-en-Der 1053 Arnim, Achim von 669, 681, 724 Admonter Liebesgruß 64 Adolf von Segeberg 543 Die a¨ ltere Judith / Die drei J¨unglinge im Feuerofen 64, 638 Agnes von Loon, Gemahlin Graf Ludwigs I. von Loon 97 Alanus ab Insulis 597, 688, 1232 Albertus Magnus 932 Albert Marque de Malaspina 158 Albert von Mu¨ nsterberg 705 Adalbertus Samaritanus 1213 Albertus (socius intimus) 598, 623 f. Alblin 792 f. ¨ Albrecht I., dt. Ko¨ nig, Herzog von Osterreich 578, 628 ¨ Albrecht II., dt. K¨onig, Herzog von Osterreich, Ko¨ nig von B¨ohmen und Ungarn 752 Albrecht 202, 469, 733 Albrecht II., Herzog von Bayern (NiederbayernStraubing) 696 Albrecht III, Herzog von Bayern-M¨unchen 830 Albrecht IV., Herzog von Bayern 949 Albrecht III., Markgraf von Brandenburg 477 Albecht I., Herzog von Braunschweig 426 Albrecht von Eyb 1213, 1221 Albrecht von Haigerloch 369, 448, 475, 532–534 Albrecht von Johansdorf 91, 118, 158–163, 167, 187, 201, 309, 338, 365 Albrecht von Kemenaten 882 Albrecht, Marschall von Raprechtswil 522–524 Albrecht I., Herzog zu Sachsen 331
1393
Albrecht II, Herzog von Sachsen-Wittenberg 449 Albrecht von Scharfenberg 437 Albrecht der Entartete, Landgraf von Th¨uringen 465 Albrecht, Graf von Tirol 364 Aldhelm von Sherborne 1037 Alemannisches Spiel von Herbst und Mai → Vom Streit zwischen Herbst und Mai Meister Alexander 374–377, 445, 518, 633, 650 Alexius 1000 Alexiusspiel 1098, 1099, 1234 Alkuin 61, 1037 Alsfelder Barrabas-Rolle 1352 Alsfelder Dirigierrolle 1352, 1356, 1356 f. Alsfelder Johannes-Rolle 1352 Alsfelder Luzifer-Rolle 1352 Alsfelder Mercator-Rolle 1352 Alsfelder Passionsspiel 1108, 1112, 1115, 1158, 1171, 1175, 1190, 1240, 1257, 1284, 1296, 1319, 1326, 1352–1356, 1356 Alsfelder Synagoga-Rolle 1352 Der alte Meißner 406, 534 f., 574, 797 Der alte Moringer 783 f. Ambraser Heldenbuch 353 Amorbacher (alemannisches) Spiel von Mariae Himmelfahrt 1083, 1094 f., 1098 Anastasius I., Papst 1038 Das andere Land 726 Anker 657, 719, 720 f., 837 Annales Marchiae Brandenburgicae 730 Annolied 64 Anshelm, Thomas 1215 Vom Antichrist 1250 Antonius von Lambsheim 825 Antwerpener Liederbuch 504, 659 Archipoeta 64–69, 83, 101, 216, 681 Aretin, Johann Christoph von 215, 218 Aristoteles 760, 1088, 1235 Der arme Konrad 1282 Priester Arnolt 79 Arnulf von L¨owen 283
1394
Register Artmann, H. C. 766 Assenheimer, Leonhard 925 Auer, Hans 783 Augsburger Cantionessammlung 406, 471, 517, 598, 703–707 Augsburger Georgspiel 1099, 1313 f., 1324, 1327 Augsburger (sudbairisches) ¨ Heiligkreuzspiel 1099, 1313, 1324, 1327 f. Augsburger Liederbuch 411, 644, 717, 793, 822 f., 860 Augsburger Marienklage 514 Augsburger Osterspiel 1380 f. Augsburger Passionsspiel 1065, 1311–1313, 1367 Augustinus 952, 983, 1087 f., 1113, 1116, 1365 Aurispa, Giovanni 1213 Aus des vaters ewigkeit sein wir her geflossen 674 Ausonius (Decimus Magnus A.) 216 Ave maris stella 121 Ave praeclara maris stella 664 Ave vivens hostia 671 Axspitz, Konrad 1004–1006 Ayrer, Jakob 866, 1183 ¨ Balhorn, Johann, d. A., 1261, 1372 Balthasar von Heilbronn 950 f. Baltzer 811 f. Bannholtzer, Valentin 1228 Bapst, Valentin 1337 Barnim I., Herzog von Stettin und Pommern 426 Bartfelder Rollenverzeichnis eines Osterspiels 1192 f. Barz, Heinrich 951 f. Basler Annalen 495 Basler Teufelsspielfragment 1189 f. Der Bauer als Pfrundner ¨ 913, 923 f. Der Bauern Lob 701, 928 Bauernfeind 786 Baumgartenberger Johannes Baptista 64 Baumholz, Albrecht 745, 934 f. Beatrix, Gemahlin Ottos von Botenlauben 167 Beatrix von Burgund, Kaiserin 90 Beck, Fritz 905 Beckmesser, Sixt 745, 865–868, 952 Beda Venerabilis 1088 Bedeutung der acht Farben 723 Befreiung der Altv¨ater 788 Beginchen von Paris 783 ¨ 993 Behaim, Hans, d. A. Beheim, Michel 411, 677, 732, 745, 845, 850, 889
1395
Benckh¨auser Liederhandschrift 411 Benedikt XII., Papst 1365 Benediktbeurer Spiele 217, 1062, 1071, 1081–1086, 1105 Benediktbeurer Weihnachtsspiel 217, 1054, 1081, 1086–1090, 1174 Berliner Bruchst¨uck einer Rubin-Szene → Berliner (th¨uringisches) Osterspiel-Fragment Berliner Fragmente eines Rosengartenspiels 1384–1386 Berliner Liederhandschrift Mgf 922 411, 714–716, 711 Berliner Moralit¨at 1259 f. Berliner (niederrheinisches) PassionsspielFragment 1065, 1276 f. Berliner (rheinisches) Osterspiel 1074, 1122, 1174, 1234–1236, 1266 Berliner (thuringisches) ¨ Osterspiel-Fragment 1071, 1119 f. Berliner Weltgerichtsspiel 1162, 1197, 1230, 1252, 1254–1256, 1369, 1371, 1382 Bernart de Ventadorn 175 Bernauer, Agnes 830 Bernauerin 830–832 Berner Weltgerichtsspiel 1162, 1252, 1254, 1229–1231, 1369, 1371, 1382 Bernger von Horheim 87, 89, 130–132, 133, 149, 366, 379 Bernhard I., Graf von Anhalt, Herzog von Sachsen 331 Bernhard von Clairvaux 1365 Bernhard II., Herzog von K¨arnten 195 Berthold von Falkenstein, Abt von St. Gallen 442 Berthold IV. von Hohenburg 226 Berthold von Regensburg 495 Berthold von Tiersberg, Domherr in Straßburg 453 Berthold IV., Herzog von Z¨ahringen 111 f., 121 f. Bertold von Holle 581 Bertran de Born 131 Betzler, Arnold 812, 897 ¨ 1337 Beuther, Georg, d. A. Biblia Pauperum 1335 Bihler, Christoph 845 Bijns, Anna 1299 Bilder-Ars-moriendi 1366 Bilsener Weihnachtsspiel 1050, 1051 f., 1059 Biquet, Robert 724, 1323 Biterolf 313, 315 f., 727 Bletz, Zacharias 1223, 1386
1396
Register Bligger von Steinach 87, 89, 131, 133, 149, 285, 535–538 Boccaccio, Giovanni 1205 Bocer, Johann 1336 f. Bodmer, Johann Jacob 401, 403, 553 f., 588, 617 f. Bodo, Heinrich, von Clus 1042 B¨ohm, Hans 883 Bohmische ¨ Marienklage 1111, 1112, 1261 B¨omer, Aloys 101 B¨oschenstein, Johannes 905 Das bose ¨ Weib 1282 f. Boethius (Anicius Manlius Severinus B.) 63, 226, 958, 1037, 1039, 1041, 1088 Bogner, Hans 901, 913 f., 923 Bollstatter, Konrad 1255 Bollstatters Spruchsammlung 719, 727, 1213 Boltz, Valentin 1214 f. Boner, Ulrich 642 Bonifatius I., Markgraf von Montferrat 149 Boppe 285, 323, 401, 406, 453, 495–498, 561 f., 590, 688, 704, 742, 745, 760, 833, 836 f. Bordesholmer Marienklage 1200, 1273–1275 Bozner Passionsspiele 1063, 1269, 1309, 1331–1334, 1350, 1373 Bozner Spiele 1157, 1269–1273 Brahms, Johannes 802 Brandenburger Osterspiel-Fragment 1071, 1119, 1156 f. Brant, Sebastian 991, 1213 Der von Brauneck 293 f. Braunschweiger Osterspiel 1167 Bremberger 445 f., 629–631, 668 Brentano, Clemens 669, 681, 873, 932 Bresgen, Cesar 766 Breslauer Heroldsrolle 1236 f. Breslauer Marienklage (I) 1111 f. Breslauer Marienklage (II) 1164, 1261 f. Breslauer Osterspiel 1071, 1164 f. Brickwege, Gertrud 1348 Brigitta 757 f. Brixener Passionsspiel 1337–1340 Bruder, Hans 787 f. Bruder Konrad 869 f. Bruder Rausch 923 Bruml ¨ von Ulm 899 Bruni, Leonardo 957 Brunner, Johannes 812 Bruno von Brennenberg 445, 491 Bruno von Hornberg 287 f. Brunwart von Augheim, Johannes 366, 463, 524 f. Brus, Andreas 952
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Brusch, Kaspar 831 Buch der M¨artyrer 1118 Der von Buchein 371 f., 378, 467, 491 Buchsbaum, Sixt 947 Budapester Fragment einer Liederhandschrift 69–71, 108, 340, 410, 538–541 B¨uchser, Felix 1099 Burchard von Worms 118 Burenbedregerie 1260 f. Burkhard von Hohenfels 163–166, 257, 273, 309, 364, 417, 487, 491, 615 Der von Buwenberg → Ulrich von Baumburg Caesarius von Arles 62 C¨asarius von Heisterbach 668 Calliopius 1212, 1214 Cantilena de conversione Sancti Pauli 64 Carmen ad Deum 61 Carmina Burana 66, 75, 83, 101, 142, 169, 173, 204, 214–224, 225, 409, 1062, 1064, 1071, 1081, 1083 f., 1086, 1213 Carmina Cantabrigiensia 64, 1088 Celtis, Konrad 957 Chemnitz, Martin 1135 Chr´etien de Troyes 111, 131 Christ ist erstanden 79, 1202, 1381 Christan von Lupin 185, 499, 502, 541–543 Christe qui lux est et dies 653 Christian von Hamle 185 f., 474 Christian I., Erzbischof von Mainz 90, 149 Christus und Pilatus 171 Chronica S. Pantaleonis 707 Chronica regia Coloniensis 707 Churer Weltgerichtsspiel 1162, 1252, 1369, 1382–1384 Cicero (Marcus Tullius C.) 958, 1212 Cisioianus 796 Coelestin III., Papst 133 Conon de B´ethune 90, 159 De contemptu mundi 671 Cordan, Wolfgang 1300 Cronica Reinhardsbrunnensis 316 Cysat, Renward 1099, 1223 f., 1329 f., 1386 Czun, Heinrich 1196 Damen, Hermann 249, 277, 400, 404–406, 439, 453 f., 543–546, 593, 595, 633, 714, 882 Dangkrotzheim, Konrad 655, 759–761, 836, 891 Dares Phrygius 1245 Debs, Benedikt 1063, 1072, 1157 f., 1269, 1316, 1332, 1338, 1373 Dedekind, Friedrich 1261 Degenhardt, Franz Josef 203 Der die nacheit minnet 653
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Register Detmar von L¨ubeck 477 Deutsch, Niklas Manuel 795 Di element uns des veriehen 653 Dialogus mortis cum homine 1365 f. Diepold V., Markgraf von Vohburg, Cham, Nabburg und Hohenburg 226 Dies est laetitiae in ortu regali 637 Diessenhofener Liederblatt 710 f. Diether II., Graf von Katzenelnbogen 195 Diethelm, Graf von Toggenburg 251 Dietmar von Aist 75–79, 85, 91, 117 f., 134, 154, 173, 216, 233, 385, 608, 615 Dietmar von Liechtenstein 352 Dietmar der Setzer 294 f. Dietrich 824 Dietrich, Markgraf von Meißen 172, 195 Dietrich an dem Orte (de Fine), Domherr in Basel 453 Dinckmut, Konrad 1215 Diphilos 1212 Docens Marienklage 1148 f. Domherr und Kupplerin 1282 Dominikus von Preußen 724 Dompnig (Lied von Heinz Dompnig) 924 f. Donaueschinger Liederhandschrift 411, 424, 744, 792, 838 f., 855, 918–921 Donaueschinger Passionsspiel 1065, 1223, 1262–1264 Donaueschinger (sudbairisches) ¨ Magdalenenspiel 1198 f., 1199 Donaueschinger Weltgerichtsspiel 1162, 1197 f., 1230, 1252, 1254 f., 1369 Donisius (Johannes Baptista de Dyonisiis) 1232 Dorothea 894 Drabolt, Hieronymus 745, 967 f. Die drei bosen ¨ Weiber 1283 f., 1284 Die drei Bruder ¨ und das Erbe 1289 f. Donatus (Tiberius Claudius D.) 1213 Druckler 758 Du heiles hort 788 D¨urer, Albrecht 1214 Der During ¨ 499–502 Durner ¨ 468, 480 f., 484 Ebendorfer, Thomas 352 Ebenreuter, Martin 928 Eberhard von Heisterbach 700 Eberhard I., Graf von Katzenelnbogen 287 Eberhard II., Bischof von Konstanz 442 Eberhard II., Bischof von Salzburg 254 Eberhard von Sax 252, 343, 467, 588–590 Eberhard von Waldburg 163 Ebstorfer Liederbuch 956
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Egerer Passionsspiel 1065, 1111 f., 1136, 1158, 1175, 1237–1240, 1265, 1277 Eggestein, Heinrich 1091 Eghenvelder, Liebhard 446 Ehenheim 928 f. Ehestreit 1285 f. Der Ehevertrag 1320 f. Ehrenbote 546–549, 594, 837, 882 Ehrenfroh 897 f., 898 Ehrentreich 808, 898 Eich, G¨unter 766 Ein meister der seit uns von wesen blos 653 Die Einbecker Fehde 887 Einsiedler Nikolausspiel 1059 Einsiedler Osterspiel 1071 Einsiedler Prophetenspiel 1059 Einsiedler Weihnachtsspiel 1059 Eislinger, Ulrich 935, 962–964 Ekkehard von Aura 1053 Ekkehart IV. von St. Gallen 63 Elbelin von Eselberg 941 Elhen von Wolfhagen, Tilemann 637, 645, 664, 700 ¨ Elisabeth von Spiegelberg OSB, Abtissin von Fraumu¨ nster in Z¨urich 635 Ellentreich 321, 808 f., 898 Elsholz, Paul 582 Elslein-Strophe 885–887 Engelberger Osterspiel 1071 Engelbert I., Erzbischof von K¨oln 195 Engelhart von Adelnburg 224 f. Des Entkrist Vasnacht 1250–1252 Epikur 760 Erfurter Moralit¨at 1107, 1194–1197, 1254, 1259, 1305 Erich IV., Ko¨ nig von D¨anemark 275 Erich V., Ko¨ nig von D¨anemark 426 Erinher 85 Erlauer Marienklage 1148, 1150, 1158, 1175, 1198 f., 1199 f., 1238, 1261 Erlauer Spiele 1108, 1122, 1158, 1161, 1173–1177, 1198 f., 1235, 1266, 1276 Erl¨osung 1097, 1115, 1130 Der ernsthafte Konig ¨ 750 f. Es flog ein clains walt vogelein auß hymels drone 947 Es kommt ein schiff geladen 758 Esmoreit 1131, 1145 Eugen IV., Papst 1365 Evangelium Nicodemi 1079, 1348, 1367 Ezzo 64 Fegfeuer 397, 399 f., 400, 406, 439, 633 Feldkircher Osterspiel 1143 f.
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Register Feldkircher Osterspiel → Augsburger Osterspiel Fellhainer, Fritz 887 Feuchtwanger 899 f. Fichard, Johann Carl von 796 Fichards Liederbuch 696, 794, 796–798, 860, 905 Finke, Kone ¨ 730 f. Fischart, Johann 795 Folquet de Marseille 90 Folz, Hans 183, 244, 258, 283, 303, 322 f., 411, 428, 495, 508, 511, 546, 570, 579, 590, 627, 639, 655, 657, 665, 667, 672, 675, 696, 700, 721, 723, 726–730, 732, 745, 757, 788, 810–812, 824, 845, 848, 855, 865, 868, 871 f., 889, 892 f., 895–900, 914, 917, 948, 951, 953–955, 963, 967, 935–947, 1183, 1203, 1242, 1275, 1282 f., 1285–1287, 1289 f., 1293 f., 1319, 1322 Forchtenauer, Wolfgang 1232 Franck, Hermann 845, 925 f. Frankfurter Dirigierrolle 1064, 1088, 1091, 1097, 1112–1115, 1115, 1130, 1240, 1257, 1312, 1358 Frankfurter Osterspielfragment 1071, 1115 f. Frankfurter Passionsspiel 1064, 1088, 1113, 1256–1259, 1326, 1358 Franz von Retz 1001 Franziskus von Assisi 163 Frau Fischerin 794–796 Frau und Magd 970 Frau zur Weißenburg 503–505 Frauenklage 708 Frauenlob 203, 323, 401, 405, 423, 427 f., 477, 480, 495, 498, 506, 511, 517, 525, 543, 547, 559, 562, 568–570, 574 f., 581, 592–605, 615, 633, 650, 675, 684, 686, 704 f., 707, 711, 719, 722 f., 742, 745, 764, 792, 806, 836 f., 839, 855, 876, 882, 891, 917–919, 931, 934, 951, 967, 975, 979, 1001 Frauenpreis 868 Frauenzucht 755 Freiberger Passionsspiele 1262, 1336 f. Freiburger Fronleichnamsspiele 1136, 1161, 1278, 1340–1342 Freidank 104, 216, 448, 878, 958 Der Freihart 1286 f. Freisinger Officium Stellae (Herodes sive magorum adoratio) 1049–1051, 1051 Freisinger Ordo Rachelis 1058 f. Freisinger Weihnachtsspiel → Freisinger Officium Stellae Frey, Peter 979–981 Freytag, Gustav 158 Fridel, Peter 745, 998 f.
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Friedberger Dirigierrolle 1064, 1112, 1190 f., 1257, 1262, 1352 Friedrich I. Barbarossa, Kaiser, r¨om.-dt. Ko¨ nig 64, 66, 85, 89 f., 98, 117, 133, 149, 158, 535 Friedrich II., Kaiser, r¨om.-dt. Ko¨ nig, Ko¨ nig von Sizilien 86, 163, 167, 181, 195, 200 f., 224, 226, 254, 272, 275, 293, 323, 331, 336, 343, 397, 473, 475, 508 Friedrich III., Kaiser, r¨om.-dt. Ko¨ nig, Herzog von ¨ Osterreich (F. V.) 1231 Friedrich, Graf von Beichlingen 511 Friedrich I., Markgraf von Brandenburg 730 Friedrich I., Graf von Castell Friedrich III. von Goseck 504 Friedrich von Hausen 85, 87, 88–97, 99, 116 f., 119, 127, 130, 133 f., 149 f., 158 f., 167, 201, 226 f., 268, 273, 288, 366, 535, 539, 608 Friedrich der Knecht 281–283, 385 Friedrich I., Graf von Leiningen 187 Friedrich von Leiningen 186–188, 616 ¨ Friedrich I., Herzog von Osterreich 194 f. ¨ Friedrich II., der Streitbare, Herzog von Osterreich 242, 254, 289, 297, 352, 354, 639 ¨ Friedrich IV., Herzog von Osterreich, Graf von Tirol 762 f. Friedrich I., Burggraf von Regensburg, Graf von Riedenburg 108 Friedrich von Saarburg 654 Friedrich von Sonnenburg 293, 328, 510–512, 560, 562, 633 Friedrich II., Graf von Toggenburg 251 Friedrich von Wolkenstein 762 Friedrich von Zollern, Graf 926 Friedrichs von Hennenberg geistliche R¨ustung 674 Fritzlarer Passionsspiel 1064, 1240 f., 1257 Frolich ¨ so will ich singen 798–800 Frumon 745, 952 f. Fu¨ rstenlob → Wartburgkrieg Fussener ¨ Marienklage I 1150 f., 1172 Fussener ¨ Marienklage II 1150, 1172 f. Fussener ¨ Osterspiel 1151 f. Fuetrer, Ulrich 903 Furius Philus 1212 Gace Brul´e 131 St. Galler Himmelfahrtspiel 1381 f. St. Galler Marienklage 1149, 1381 St. Galler (mittelrheinisches) Passionsspiel 1065, 1116 f., 1326 St. Galler Spiel vom Leben Jesu → St. Galler (mittelrheinisches) Passionsspiel St. Galler Spiel von der Kindheit Jesu → St. Galler Weihnachtsspiel
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Register St. Galler Spottverse 62 St. Galler Weihnachtsspiel 1095–1097 Gast 322–325, 495, 882 Gaucelm Faidit 87 Gebet an den Heiligen Geist 640 Gebhard III. von Suoneck 326 Von der Geburt Christi 885 Gedrut → Geltar Gegr¨ußet sistu ane we 724 Geiler, Johannes, von Kaysersberg 937, 1000 Der Geist hat mich vergeistet 674 Geißlerlieder 647 Der geistliche Blumengarten 788 Der geistliche Freudenmai 788 Der geistliche Streit 627 Von einem geistlichen Mai 726 Geistliches M¨uhlenlied 788 Gelobet sistu Jesu Christ 653 Geltar 154, 281, 305 f., 338, 379 Gemeine Lehre 664 Gengenbach, Pamphilus 845 St. Georgspiel 61 ¨ Gerberg, Abtissin von Gandersheim 1037 Gerhoh von Reichersberg 1053, 1315 Gerlach von Limburg 636 f. Gernroder Visitatio Sepulchri 1344 f. Gernspeck, Hans 836, 891 f. Gertrud (Anna) von Hohenberg-Haigerloch, Gemahlin Ko¨ nig Rudolfs I. von Habsburg 532 Gervelin 399, 439 f. Die Ges¨ange der sieben Klausnerinnen 718 Gescheiterte Teufelskuppelei 1284, 1284 f. Gilgenschein 797, 848, 850 Gislebert von Mons 89 Glaser, Hans 967 Der von Gliers 90, 116, 149, 340, 343, 468, 549–551 Glogauer Liederbuch 657, 804, 869, 917 Gloriant 1131, 1145 Das Glucksrad ¨ 749 f. Goeli 431–434 Gosli ¨ von Ehenheim 268, 463, 612 f., 928 G¨osseler, Johann 933 Goethe, Johann Wolfgang von 632 Gottinger ¨ Spielfragment von Jakob und Esau 1157 Gottweiger ¨ Dirigierrolle eines Osterspiels 1192 G¨otz von Berlichingen 977 Goldener 440–442, 581 Goldenes Ave Maria 664 Der von Gostenhof 917, 953 f. Got ist ein wesen, daz ie waz 653
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Gothaer (thuringische) ¨ Botenrolle 1193 f. Gott der vater won uns bei 732 Gottfried I. von Hohenlohe 293 Gottfried von Neifen 123, 164, 167 f., 227, 230, 248, 251, 267–272, 272, 288, 295, 309, 326, 355, 366, 372, 381, 385, 391, 395, 434, 463, 473, 476, 486, 492, 500, 505, 522, 524, 530, 542, 564, 567, 580, 612, 668 Gottfried von Straßburg 98, 112, 137, 153, 164, 202, 353, 453, 518, 536 f. Gottfried von Totzenbach 188 f. Gottfried, Graf von Vaihingen 130 Gottfried von St. Viktor CanAug 216 Gottfried von Winchester 216 Grablegungsspiele → Kreuzabnahmespiele Graf Alexander von Mainz 806–808 Der Graf von Rom 806 Graf von Savoyen 745, 813–815 Graff, J¨org 845 Granum sinapis 590 Greff, Joachim 1336 f. Gregor IX., Papst 200, 275 Grevenstein, Hermann 702 f. Grim, Merten 922 f. Grimon 745, 922, 952 Gr¨uninger, Johann 1214 f. Grundherr, Ulrich 993 Gu¨ nther, Graf von Schwarzburg, dt. Gegenk¨onig 632 Gunther ¨ von dem Forste 236, 451 f. G¨unther von Mosbach 940 G¨unzburg, Matthias 793 Gunzburger ¨ 793 Gussinger ¨ Weltgerichtsspiel 1345 f. Guido de Columnis 1244 Guilelmus Savonensis → Traversagni, Lorenzo Guglielmo Guilhelm de Cabastanh 175 Guiot de Provins 90 Gundelfinger, Mathias 1065, 1224, 1329, 1329–1331 Gunzelin III., Graf von Schwerin 426 Die gute Frau 813 Der Guter 525–527, 633 Gutknecht, Jobst 258 Haager Liederhandschrift 290, 390, 411, 518, 711–714, 714, 898 Hadamar von Laber 733 Hadewijch 99, 266 Hadlaub, Johannes 202, 251, 257, 290, 344, 395, 416, 551–558, 565, 615 Der H¨andler und der Bauer → Der t¨orichte Tausch
1404
Register ¨ 878 H¨atzler, Bartholom¨aus d. A. H¨atzler, Bartholom¨aus d. J. 878 H¨atzlerin, Clara 155, 232, 411, 711, 793, 822, 860, 878–881, 948 Hagen, Friedrich Heinrich von der 582 Hager, Georg 866, 953 Halberst¨adter Adamsspiel 1134 f. Halberst¨adter Marienklage 1334 f. Haller Passionsspiel 1065, 1177 f., 1374 Hamburger J¨ungstes Gericht 64 Hans von Anwil 783, 789 Hans von Landshut I 954 Hans von Landshut II 746, 917, 954 f. Hans von Westernach 848–850 Hanslick, Eduard 866 Der Hardegger 285, 327–330, 460 Harder, Konrad 597, 674–679, 743, 745, 822, 837, 888 f. Hartlieb, Johannes 826 Hartmann von Aue 85, 111–116, 142, 153 f., 159, 203, 225, 235, 365, 608 Hartmann IV., Graf von Dillingen 79 Hartmann IV., Graf von Kiburg (Kyburg) 292 Hartmann von Starkenberg 377–379, 566 Hartnid IV. von Ort 242 Hartnid V. von Ort 242 Hartwig von dem Hage Hartwig von Raute 87 f. Has, Kunz 986–998 Der Hasenkauf 1319 f. Hauser, Johann 914 Hausgeschirr 655 Das Haushalten 655 Der Hauskummer 655 Die Hausordnung 655 Hausratsgedichte 654–656, 940 Havelberger Osterspiel 1202 Hawart 332–334, 349 Hayweger, Augustinus 746, 844, 922 Hebbel, Friedrich 831 Hechtlein, Johann Heidelberger Liederhandschrift A 75, 102, 108, 136, 138 f., 142, 159, 169, 173, 203, 225, 229 f., 244, 249 f., 281 f., 302 f., 305–307, 330 f., 332, 337 f., 340 f., 345 f., 349 f., 353, 354–356, 362, 366 f., 379 f., 385 f., 389–391, 410 f., 451, 481 f., 613 f.
1405
Heidelberger Liederhandschrift C 69, 71, 75, 80, 87, 92, 98, 102, 108, 112, 116, 118, 122–127, 131, 132, 134 f., 136, 138 f., 141 f., 149 f., 159, 163–165, 168, 172, 181 f., 186, 203, 216, 225, 229 f., 244, 249–252, 254, 267, 270, 272–274, 281 f., 283–285, 287–290, 292, 294–296, 298, 300–303, 305, 307 f., 309, 313, 322, 325 f., 328 f., 330–333, 335–338, 340 f., 343 f., 346 f., 349 f., 353, 362 f., 366, 369–372, 377–382, 384–386, 389–391, 393, 400–402, 406 f., 409, 412, 414, 416–418, 423, 426–428, 431 f., 434–437, 442 f., 445, 449, 451, 456 f., 462–464, 466–469, 472, 474 f., 477 f., 480–487, 489–491, 493, 495, 499, 502, 505, 507, 511, 514, 517–519, 521–524, 527–530, 532–534, 539–542, 549–551, 564–566, 568, 573, 575, 577, 584, 588, 606, 612, 613–622, 628–630, 635, 638, 642, 681, 705, 707, 876 Heidelberger Liederhandschrift Cod. Pal. germ. 350 410, 511, 558–564, 707 Heidelberger Passionsspiel 1064, 1240, 1257, 1358–1360 Die heiligen Farben 718 Der Heiligen Leben 894, 1000 Heilung eines Bauern 1322 f. Heinrich I., Ko¨ nig des ostfr¨ankischen-dt. Reiches 1041 Kaiser Heinrich (Heinrich VI., Kaiser, r¨om.dt. K¨onig, Ko¨ nig von Sizilien) 87, 89, 130, 132–136, 149, 167, 442, 535, 616 Heinrich (VII.), dt. K¨onig, Ko¨ nig von Sizilien 163, 167, 189, 200, 226, 267, 272, 323, 382, 489, 606 Heinrich II., Graf von Anhalt 331 Graf Heinrich von Anhalt 330–332, 472 f., 477, 517, 614 Heinrich XIII., Herzog von Niederbayern 511 ¨ von Braunschweig, Pfalzgraf Heinrich (V.) d. A. bei Rhein 85 Heinrich Julius, Herzog von BraunschweigWolfenb¨uttel 1135 Heinrich von Breslau 330, 474, 477, 517–519, 578, 593, 614, 704, 876 Heinrich von Brun 726 f. Heinrich von Frauenberg 417, 527, 564 f., 615 Heinrich von St. Gallen 1237 f. Heinrich von Gera 465 Heinrich III., Graf von Henneberg 242 Heinrich I., Graf von Holstein 543 Heinrich von Klingenberg, Bischof von Konstanz (H. II.) 551, 607 Heinrich I., Bischof von Konstanz
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Register Markgraf Heinrich (III.) von Meißen 172, 272, 275, 277, 330, 453, 472–475, 477 f., 501, 534, 614 Heinrich von Mo¨ dling 195 Heinrich von Morungen 134, 142, 154, 171–181, 183, 185, 196, 203, 216, 225, 233, 235, 257, 268, 326, 345, 366, 414, 473, 477, 502, 542, 608 Heinrich von Mugeln ¨ 453, 496, 570, 590, 597, 673, 675, 684–696, 742, 745, 760, 836 f., 843, 891, 901, 941 Heinrich von der Mure 251 f., 372, 466–468, 588, 1213 Heinrich I. von Neifen 163 Heinrich von Neustadt 252, 688 Heinrich von Ofterdingen 313, 315, 559, 837, 882 Heinrich Raspe III. von Thu¨ ringen 85, 97 Heinrich Raspe IV., Landgraf von Th¨uringen, dt. Gegenk¨onig 475 Heinrich IV., Burggraf von Regensburg, Graf von Riedenburg 108 Heinrich von Rispach 153 Heinrich von Rugge 80, 85, 99, 116–121, 142, 149, 201, 308, 385, 539, 550, 608 Heinrich von Sachsen, Sohn Heinrichs des L¨owen ¨ von Braunschweig, Pfalz→ Heinrich (V.) d. A. graf bei Rhein Heinrich III., Graf von Sayn 275 Heinrich III., Graf von Schala 75 Heinrich von Sax 310, 340, 343–345, 416, 527, 588 Heinrich I., Bischof von Seckau 214 Heinrich von Stretelingen 121–125 Heinrich II., Freiherr von Stretelingen 122 Heinrich III., Freiherr von Stretelingen 122 Heinrich von Suneck 326 Heinrich der Teichner 783, 822, 876, 878 Heinrich von Tettingen 417, 485 f., 492 Heinrich von dem T¨urlin 75, 85, 90, 99, 111, 116, 149, 550, 724, 816 Heinrich von Veldeke 76, 86, 90 f., 97–100, 117, 127, 134, 150, 153 f., 187, 307, 347, 353, 417, 608, 895 Heinrich von Wurttemberg ¨ 850 f., 862 De Heinrico 61 Helbling, Seifrid 175, 266 Helf uns das heilige grab 514 Heltauer Marienlied 881 Hendrik III., Herzog von Brabant 520 Der Henneberger 244, 294, 372–374, 633 Henselin 1180, 1182, 1205, 1306 f. Herbst und Mai 1147
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Der Herbst und der Mai 395 Herder, Johann Gottfried 632 Herdringer Vagantenliedersammlung 83, 101 f. Hermann VII., Markgraf von Baden 495 Hermann von Bruychoyfen 1276 Hermann, Bischof von Kammin 405 Hermann von Lobdeburg, Bischof von W¨urzburg (H. I.) 167 Hermann von Marburg 727 Hermann, Abt von Reinhardsbrunn OSB 85 Hermann von Sachsenheim 257, 677, 873 Hermann von Salza OT, Hochmeister 85 Hermann von Suneck 326 Hermann I., Landgraf von Th¨uringen 97, 153 f., 195, 200, 473 Hermann I., Bischof von Wu¨ rzburg → Hermann von Lobdeburg Hero und Leander 886 Der Herr von Braunschweig 804, 851–853 Der Herr von Falkenstein 802–804, 804 Herrand von Wildonie 347, 352 Hersfelder Osterspiel 1166 f. Herzog Ernst 973, 980 Heselloher, Hans 257, 793, 797, 822, 903–907, 970 Hessisches Weihnachtsspiel 1108, 1161, 1314–1316 Hesso von Rinach 434 f. Hetzbold, Heinrich, von Weißensee 185, 499, 502 f. Hezilo, Diakon in Maastricht 97 Hilarius von Orl´eans 216 Hildebrandslied 61 Hildegard von Bingen 69 Hildesheimer Nikolausspiel I und II 1059 Hiller, Wilfried 766 Hilscher, Eberhard 203 Hiltbolt von Schwangau 176, 226 f., 301, 363–369, 417, 524 Himmelgartner Marienklage 1201 f. Himmelgartner (sudostf¨ ¨ alische) Passionsspielfragmente 1065, 1090 f., 1128 Der himmlische Rosenkranz 947 Hintze Jan te Borghe 714, 726 Hirsch und Hinde 62 Hirtz, Matheis 845, 972 f. Historia fundationis Tegernseensis 1054 Historienbibeln 1243 Die Hochzeit 85 Hollenfeuer ¨ 397–399, 427 Hofer 755 f. Hoffmann, E. T. A. 316
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Register Hoffmann, Paul 582 Hoffmann von Fallersleben, August Heinrich 203 Hofmannsthal, Hugo von 164 Markgraf von Hohenburg 168, 225–229, 337, 341, 365, 379, 614 Hohenfurter Liederbuch 877 Holl, Valentin 950 Von dem Holz des heiligen Kreuzes 718 Honorius III., Papst 200 Honorius Augustodunensis 1213 Hopfgart 727 f. Horaz (Q. Horatius Flaccus) 216, 1212 Hornburg, Lupold 244, 401, 495, 511, 546, 570, 647, 648, 882 Hoyer, Bartholom¨aus 850 Hrabanus Maurus 61, 1040 Hrotsvit von Gandersheim 957, 1037–1049, 1213 Hultscher, ¨ Henrich 1352, 1356 Hulzing ¨ 699, 732 f., 743, 745, 889 Hurnen ¨ Seyfrid 624–627 Hug von Salza 85 f. Huge 667 Hugler 728, 730 Hug(o) von Meiningen 665–667, 728, 743 Hugo V. (VIII.) von Montfort(-Bregenz) 411, 474, 733–738, 764 Hugo von Muhldorf ¨ 306 f., 346 Hugo von Orl´eans 65, 82–84, 101, 216 Hugo von Trimberg 168, 175, 202, 272, 277, 293, 401, 1213, 1322 Hugo von Werbenwag 475 f., 483, 616 Hymnarius von Sigmundslust 986 Ich solt mich leren lossen 654 Ich stund an einem morgen 929–931 Ich wil vch sagen mere 654 Ich will von der minne singen 653 Imgraben, Ulrich 1144 Imhoff, Martin 793 f. Immessen, Arnold 1136, 1302–1304 In dulci iubilo 647 In einer alten wˆıse 647 f. In gotes namen varen wir 171, 1253 Ingolst¨adter Fronleichnamsspiel 1335 f. Innozenz I., Papst 1038 Innozenz III., Papst 200 Innozenz IV., Papst 473 Innsbrucker Spiele 680, 1071, 1119, 1120–1126, 1153, 1156, 1167, 1174, 1193, 1266, 1276, 1278, 1284 Irmi, Stephan OP 684 Irregang, Meister 810
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Isenhofer 789 f. Isidor von Sevilla 1213 Jacobus a Voragine 1001, 1098, 1126, 1230, 1255, 1313, 1327 J¨ager, Clemens 746 Jahn, Lothar 582 Jakob am Grund 1227 Jakob von M¨uhldorf 592 Jakob von Ratingen 817 Jakob von Warte 529, 553, 616, 628 f. Jakobslied 928 Jammerruf des Toten 718 Jenaer Liederhandschrift 102, 182, 244, 248, 284, 313, 328 f., 372, 388, 397, 399, 405, 410, 412, 422, 426–428, 439, 440 f., 448 f., 456 f., 460, 495, 511 f., 525, 534, 543, 574, 578, 582, 587, 598, 631–635, 663, 673, 704, 707, 834 Jesu Unterweisungen 718 Der Jesusknabe in der Schule 1346 Joppel, ¨ Kaspar 947 Joriger ¨ / Joringer 507, 948 f. Johannes Baptista de Dyonisiis → Donisius Johannes de Beka 790 Johann von Bopfingen 644 f. Johann von Brabant 519–522, 614, 615 Johann I., Markgraf von Brandenburg 477 Johann II. von Gristow 543 Johann von Habsburg 662 Johannes von Hildesheim 843 Johannes von Janua 1213 Johann Philipp von Hohensax 343 Johann von Konstanz 376, 575, 609 Johann von L¨unen 786 Johann von Neumarkt 593 Johann von Ringgenberg 516, 642 f. Johannes von Tepl 598 Johannes der Weise 718 Johann von Wu¨ rzburg 376, 532, 985 Johannesspiel zu Dresden 1346–1348 Joseclin III. von Courtenay 167 Josephus Flavius 1088 Judocus von Vinszhofen 832 f. Jutta von Th¨uringen 473 Juvenal (Decimus Junius Juvenalis) 216 Der junge Meißner 406, 442 f., 534, 560, 562, 573–577, 797, 837 Kaiser und Abt 1287 f. Kaiserchronik 153, 934 Kalff, Peter 1246 Der Kanzler 505–510, 523, 548, 688, 723, 729, 742, 837, 918, 948 Karl IV., Kaiser, r¨om.-dt. K¨onig, Ko¨ nig von B¨ohmen 685, 687
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Register Karl von Anjou 442 Karl, Bischof von Seckau 214 Karl der K¨uhne und die Burgunderkriege 898, 908 Karoch von Lichtenberg 814 De Karolo rege et Leone papa 61 Kaser, Norbert C. 766 Kasseler (mittelniederdeutsche) ParadiesspielFragmente 1135 f. Kasseler Weihnachtsspiel → Hessisches Weihnachtsspiel Katharina von Alexandrien 1118 Katharina von Vilanders-Trostburg 762 St. Katharinentaler Liedersammlung 424, 749 Kebicz, Jakob 446, 701, 853–855 Kelin 422–426, 594, 633 Keller, Gottfried 252 Kempensen 671 Kerenstein 716–718 Kettner, Fritz 471, 730, 743, 856, 888 Kiburger, Elogius 122 Kienast, J¨org 845, 981 Kipfenberger 833, 925 Kirchweih zu Affalterbach 965 Kling, Thomas 766 Klingenberger Chronik 789 Klinger, Hans 949 Klingsor 315, 495, 498, 837 Klopfan 940 Klosterneuburger Osterspiel 1071, 1079–1081, 1082 Der kluge Knecht → Luzerner Spiel vom klugen Knecht Ko¨ bel, Niklaus Manuel Jakob 845 f. Ko¨ ditz, Friedrich 316 Konig ¨ Artus’ Horn I 323, 724 f., 816, 1323 Konig ¨ Artus’ Horn II 724, 1323–1325 K¨onig Tirol 307, 495, 617, 882 Die Konigin ¨ von Avignon 724, 815–817, 1323 K¨onigsberger Marienklage 627 Die Ko¨ nigskinder 886 Konigsteiner ¨ Liederbuch 446, 850, 860, 863, 873–875, 927 Kol von Niunzen 229–231, 337 f. Kolmarer Liederhandschrift 183, 204, 284, 302 f., 313, 323, 328, 411 f., 423, 428, 446, 456 f., 471 f., 496, 507, 515, 546, 569, 573, 590, 596, 623, 633, 638, 656, 673, 676, 689, 696, 707, 719 f., 723, 725, 744, 751, 759, 792, 834–842, 855, 882, 888, 891, 918 f. Der von Kolmas 464–466 Pfaffe Konrad 153
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Konrad IV., r¨om.-dt. Kaiser, Ko¨ nig von Jerusalem und Sizilien 226, 272, 308, 382, 397, 442, 475 Konrad von Altstetten 416–418, 527 Konrad von Ammenhausen 750 Konrad von Alzey 667 Konrad von Haimburg 654 Konrad von Hirsau 1213 Konig ¨ Konrad der Junge 442–444, 614 Konrad von Kirchberg 252, 463, 486–488, 489 Konrad II., Bischof von Konstanz 163 Schenk Konrad von Landeck 252, 268, 310, 320, 416, 463, 476, 527–529, 615 Konrad von Lichtenberg, Bischof von Straßburg (K. III.) 456, 568 f. Konrad, Burggraf von Lienz 336 Konrad von Megenberg 684, 843 Konrad I., Graf von Peilstein 75 Konrad von Queinfurt 664 Konrad von Schmalegg-Winterstetten, Schenk 308 Konrad II. von Suoneck 326 Konrad von Waldhausen 689 Konrad von Winterstetten 163 Konrad von Wurzburg ¨ 164, 201, 268 f., 290, 308, 310, 376, 397, 404, 406, 416, 439, 452–460, 473, 476, 492, 495, 498, 500, 505, 508, 512, 522, 525, 531, 534, 543, 547, 560, 562, 575, 588, 595, 616, 629, 649, 675, 684, 705, 723, 742, 836 f., 876, 878, 888, 1004, 1243 Konradin, K¨onig von Jerusalem, Herzog von Schwaben 442 Konstanzer Weihnachtsspiel → Schw¨abisches Weihnachtsspiel Kopenhagener Weltgerichtsspiel 1162–1164, 1197, 1230, 1252, 1254 f., 1259, 1369, 1371, 1382 Kraft I., Graf von Toggenburg 251 Kraft II., Graf von Toggenburg 251 Kraft III., Graf von Toggenburg, Domherr in Konstanz und Z¨urich, Propst 251 Graf Kraft von Toggenburg 251–253, 463, 527, 553, 614 Kraft, Hans 1223 Krautgartengedicht 742 Krelein, Paul 923 Kremer, Johannes 1256 f. Kremmeling, Hermann 790 Kremsmunsterer ¨ Passionsspielfragment 1126 Kremsmunsterer ¨ (schlesisches) Dorotheenspiel 1099, 1118, 1126–1128 Kreuzabnahmespiele 1157–1160, 1270, 1328
1412
Register Kreuzensteiner (ripuarisches) Passionsspiel 1064, 1128 f., 1130 Kreuztragende Minne 718 Krus, Hans 785 f., 788 Kruse, Heinrich 582 Kuchimeister, Christian 251 Ku¨ hn, Dieter 766 Kunglein ¨ von Straßburg 507, 729 Kunzelsauer ¨ Fronleichnamsspiel 1107, 1136, 1277–1280, 1296, 1312, 1343 Der von Kurenberg ¨ 69–75, 76, 202, 615, 717 Kuno, Freiherr von Teufen 181 Kunz von Wille 868 Kurtz, Johannes 956, 1213–1215 Ladislaus V. Posthumus, K¨onig von Ungarn und ¨ B¨ohmen, Herzog von Osterreich 1231 Laelius 1212 Langanky, Ute 766 Langen, Rudolf von 885 Lanseloet van Denemarken 1131, 1145–1147 Lateinische Spiele des 11./12. Jh. 1057–1062 Lauchein, Johannes 790 Lauda Sion salvatorem 372 Laufenberg, Heinrich von 411, 660, 739 Laurin 853 Leben der hl. Elisabeth 182, 316 Leben und Tod 1305 Lechler, Martin 258 Legendenspiele 1098–1101 Lenz, Hans 790, 947, 969 Leo X., Papst 1134 ¨ Leopold III., Markgraf von Osterreich 639 ¨ Leopold IV., Markgraf von Osterreich 734 ¨ Leopold V., Herzog von Osterreich 137, 194 ¨ Leopold VI., der Glorreiche, Herzog von Osterreich 195, 241, 289 Leopold II. von Suoneck 326 Leopold von Wien 352 Lesch, Albrecht 675, 743, 837, 888–891, 918 Leuthold von Seven 102, 119, 203, 282, 337, 349, 385–388, 414 Liber fundatorum Zwetlensis 266 Lichtenthaler Marienklage 1103 f., 1104 Lichtenthaler (bairisches) OsterspielFragment 1104 f. Liebe von Giengen 700 f., 743, 745, 837 Liebesnarren vor Venus 1290 f. Lied von Dole 887, 905, 970 Liederbuch der Anna von K¨oln 956 Liederhandschrift X 320 f., 498, 641 Liederhandschriften 409–414, 742 Burggraf von Lienz 236, 336 f. Lilgenfein 729 f.
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Schenk von Limburg 272–274 Lindenschmidt 752, 755 f., 909, 960–962 Der Linzer Entecrist 85 Schenk von Lißberg 531 f. Der Litschauer 449–451 Liudolf, Graf in Sachsen 1037, 1039 Liutold I., Graf von Plain 75 Liutold II. von Stadeck 348 Lob der ritterlichen Minne 520, 606 Das Lob Salomons 64 Lobgesang auf Maria 486 Lochamer-Liederbuch 797, 817–822, 822, 832, 853, 860 L¨offelholz, Johann 1241 Lorengel 836 Lotter, Melchior 1337 Lucidarius 666 Luder, Peter 1213 Ludwig IV., der Bayer, Kaiser, r¨om.-dt. Ko¨ nig 642 Ludwig I., Herzog von Bayern 195, 254 Ludwig II., der Strenge, Herzog von (Ober-) Bayern, Pfalzgraf bei Rhein 426, 442 Ludwig XIV., K¨onig von Frankreich 617 Ludwig I., Graf von Hohenberg 605 Ludwig von Stadeck 348 Ludwig III., der Fromme, Landgraf von Thu¨ ringen 85 f., 97 Ludwig I., der Große, K¨onig von Ungarn und Polen 685 Ludwigslied 61 Lubecker ¨ Fastnachtsspiele 1179–1182, 1182, 1205 L¨ubecker Totentanz 1246 Lubener ¨ Osterspiel 1122, 1174, 1202 f., 1266, 1276 L¨uneburger Pr¨alatenkrieg 817 Luneten Mantel 724, 816, 1323 Lupold von Bebenburg 640, 648 Lurlebat 885, 909 Lustspiel deutscher Studenten in Padua 1241 f. Lutsch, Matheus 933 Luzerner Antichrist- und Weltgerichtsspiel 1223, 1227, 1386–1390 Luzerner Heiligkreuzspiel 1099 Luzerner Neujahrsspiel → Luzerner Spiel vom klugen Knecht Luzerner Osterspiel (Passionsspiel) 1065, 1136, 1222–1227 Luzerner Passionsspiele 1262 Luzerner Spiel vom klugen Knecht 1363–1365
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Register Luzerner Weltgerichtsspiel 1162, 1227–1229, 1252, 1254, 1369, 1387 Maastrichter Passionsspiel 1064, 1128, 1129–1131, 1136 Magdeburger Sch¨oppenchronik 477 Magnus von Anhalt 949 Maier, Martin 746, 973–975 Maihinger Marienklage I → Fu¨ ssener Marienklage II Mair, Hans, von N¨ordlingen 1244 Malutzki, Peter 766 Manesse, Johannes 551 Manesse, R¨udiger 551 Manfred, Ko¨ nig von Sizilien und Apulien 226 Marbod, Bischof von Rennes 216 Marburger Prophetenspiel 1097 f. Marburger Weltgerichtsspiel 1107, 1253 f., 1371 Maria zart 1001, 1003 Marianischer Baumgarten 934 Marieken van Nijmegen 1299–1302 Marien Kranz 718 Marien-ABC 881 Marienberger Osterspiel 1071 Mariengr¨uße 322 Marienklage aus Cividale 1149 f. Marienleich Du rose ob allen bluomen clar 567 Marienlied aus Lilienfeld 718 Mariensequenz aus Muri 111 Mariensequenz aus Seckau 79 Marienwerder Marienklage 627 Der Marner 99, 104, 116, 125, 194, 216, 243, 248, 277, 283, 302, 328, 334, 345, 370, 399, 400–404, 405, 423, 427, 443, 495, 515, 532, 560, 562, 623, 703–705, 708, 742, 745, 836, 855, 938, 954, 973, 998, 1087 Martin von Troppau 1296 Martinslieder 790 Matthias von Kemnat 689, 850 Matthias von Neuenburg 594, 606 Matzinger, Martin 1223 Maximilian I., Kaiser, r¨om.-dt. Ko¨ nig 940, 979, 1221 Das Meerwunder 870 f. Meffrid 656–659, 837 Meienschein 855, 892 f. Meinhard II., Graf von G¨orz und Tirol 442 Meinloh von Sevelingen 79–82, 90, 142 Meinwerk von Paderborn 1213 Der Meißner 276, 399 f., 404–409, 427, 442, 449, 495, 512, 534, 543, 574, 609, 632, 704, 797 Meister Aristoteles 1321 f., 1324 Der Meister Lob → Wartburgkrieg
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Meisterliederhandschriften 409, 742–749 Melanchthon, Philipp 1214 f. Melker Marienlied 64 Melker (rheinfr¨ankisch-hessisches) Osterspiel 1122, 1167 f., 1174, 1266, 1276 Melker Salbenkr¨amerspiel → Melker (rheinfr¨ankisch-hessisches) Osterspiel Menander 1212 Mendel, Johann 1213, 1231 Mentelin, Johann 1213, 1215 Metellus von Tegernsee 1054 Methodius, Peudo- 1053 Mercatoris, Nicolaus 1304–1306 Metzger, Marx 872 Meyer, Wilhelm 218 Michael de Leone 119, 195, 203, 275, 488, 596, 639, 648 Michael von Wolkenstein 762 Miller, Michel 845, 975 f. Minneburg 649 Die minnende Seele 654 Minner und Trinker 394, 1147 Des Minners Klage 183 Missgluckte ¨ Werbung 1242 Mittelniederdeutsche Praelocutor-Rolle 1307 f. Mittelniederdeutsches Ostergedicht 790 Mitterer, Felix 766 Mittit ad virginem 671 Mo¨ ller, Andreas 1336 f. Der Monch ¨ vom Main 664 f. M¨onch von Salzburg 232, 684, 704, 744 f., 764, 796, 818, 822, 837, 842, 859, 878, 882, 917 Mondsee-Wiener Liederhandschrift 232, 411, 689, 817, 842–844 Montigel, Rudolf 873, 909 Moringer 202, 667–671 Moriz von Crauˆ n 537 Moselfr¨ankisches Katharinenspiel 1099, 1179 Moser, Augustin 921 f. Moser, Ludwig 893 Muhlh¨ ¨ auser (thuringisches) ¨ Katharinenspiel 1099, 1118 f., 1179, 1296 Mulich ¨ von Prag 590–592, 686, 688, 837 Muller, ¨ Peter 790 f. Mu¨ nchner Dreik¨onigsspiel → Freisinger Officium Stellae Munchner ¨ Eigengerichtsspiel 1365–1367 Munchner ¨ Hortulanus-Szene 1101 f. Mu¨ nchner J¨ungstes Gericht → Mu¨ nchner Weltgerichtsspiel Munchner ¨ Osterspiel 1367 f.
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Register Mu¨ nchner Spiel vom sterbenden Menschen → Mu¨ nchner Eigengerichtsspiel Mu¨ nchner Weihnachtsspiel 1059 Munchner ¨ Weltgerichtsspiel 1162, 1252, 1365, 1368–1371, 1371, 1382 Mutinger, ¨ Johannes 321, 671 f., 808 Muffel, Nikolaus 863 Mumelter, Hubert 766 Murbacher Hymnen 61 Murner, Thomas 932 Muskatblut 411, 677, 732, 743, 745, 759, 822, 825–829, 837, 845, 853, 856, 878, 889, 891, 948, 973 Mysner 739 f. Nabuchodonosor (Balthasar) 637–639 Nachtigall, Michel 740 f., 746, 914 Nachtigall, Konrad 183, 244, 283, 303, 323, 428, 495, 508, 511, 546, 570, 579, 590, 627, 639, 657, 665, 667, 672, 675, 696, 698, 722 f., 726–730, 732, 740, 746, 757, 784, 792, 810–812, 824, 826, 829, 845, 848, 855, 868, 871 f., 889, 892 f., 895–901, 913, 914–917, 917, 938, 948, 951, 953, 955, 964, 967 Narrenkappe 970 Neidhart 102, 134, 153, 176, 197, 201, 214, 216, 244, 248, 253–266, 268, 281, 284, 305, 338, 341, 379, 388, 410, 431 f., 437, 484 f., 487, 489, 528, 552, 608, 615, 639, 764, 789, 829, 837, 873, 904 f., 1138 Neidhart, Hans 1214 f. Neidhartspiele 258, 1138–1143, 1284 Nestler von Speyer 657, 838, 855–858, 892, 918, 938 Neumarkter Cantionale 873 Neun M¨anner, neun Frauen 707 Nibelungenlied 202, 537, 717 Niederrheinische Liederhandschrift 324, 410, 449, 457, 495, 507, 546, 575, 707–710 Nigri, Peter 940 Niklashauser Fahrt 883–885, 1282 Nikolaus von Bibra 1213 Nikolaus von Jeroschin 606 Nikolaus von Kosel 948 Nikolaus von Kues 1213 Nikolaus von Wartenberg 1232 Niune 126, 142, 159, 169, 203, 227, 230, 337–339, 340 f., 346, 353, 379, 385, 414 Nordh¨auser Marienklage → Himmelgartner Marienklage Notker I. von St. Gallen 61 Novalis 316 N¨urnberger O welt-Gedicht 791 Nurnberger ¨ Fastnachtsspiele 1203–1209
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Nunnenbeck, Lienhard 727, 745, 830, 855, 865, 892, 951, 963, 966, 982–985 O filii ecclesiae / Homo, tristis esto 792, 1170 O laid und klag 830 Oberammergauer Passionsspiel 1312 Der von Obernburg 384 Oda, Gemahlin Graf Liudolfs von Sachsen 1041 ¨ Ortel, Hermann 829 f. ¨ Osterreichischer Bibel¨ubersetzer 685 ¨ Ottinger, Konrad 321, 730, 808 Offenbach, Heinrich 640–642, 671 Ohnsorge, Johann 655 Ordo prophetarum 1053, 1058 Orff, Carl 218, 220, 831, 1074 Ortenstein, Hans 928 Osnabrucker ¨ Osterspiel 1137, 1312, 1348 f., 1367 Osnabrucker ¨ Passionsspiel-Fragmente 1065, 1136 f. Osterspiel von Muri 1071, 1091–1094, 1113, 1121 Osterspiele und Osterfeiern 1069–1079 Oswald von Wolkenstein 411, 570, 733 f., 762–783, 793, 796, 817, 822, 859, 878, 970 Ottheinrich, Pfalzgraf bei Rhein, Kurf¨urst 558 Otloh von St. Emmeram 216, 1213 Otto I., der Große, Kaiser, dt. K¨onig 1037, 1041 Otto IV., Kaiser, dt. Ko¨ nig 154, 193, 195, 199 f., 535 f., 568 Otto Baldemann 648–650 Otto II., Herzog von Bayern 511 Otto III., Herzog von Bayern (Niederbayern) 532 Otto von Botenlauben 80, 89, 133, 166–171, 186, 216, 227, 268, 308, 336 f., 366, 390, 473, 616 Otto III., Markgraf von Brandenburg 477 Otto IV., Markgraf von Brandenburg (mit dem Pfeil) 330, 405, 473, 477–480, 517, 542, 577, 614, 616 Otto V., Markgraf von Brandenburg 441, 477 Otto IV., Herzog von Braunschweig-L¨uneburg 859 Otto von Freising 1053 ¨ Otto der Fr¨ohliche → Otto, Herzog von Osterreich, Steiermark und K¨arnten Otto, Pfalzgraf von Hochburgund 527 ¨ Otto, Herzog von Osterreich, Steiermark und K¨arnten (Otto der Fr¨ohliche) 258, 639 f. Otto von Passau OFM 1196 Otto zum Turm 268, 343, 468–470, 484, 550 Ottokar II., Ko¨ nig von B¨ohmen 405, 449, 463, 477, 508, 577
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Register Ottokar von Steiermark 352, 443, 532 Ovid (Publius Ovidius Naso) 216, 232, 958, 1088, 1232 Pange lingua gloriosi 679 Pantzer, Hans 933 Das Parisurteil I 1242, 1243 f., 1244 Das Parisurteil II 1242, 1244–1246 Passional 1118 Passionsgedicht Do christ mit sinen jungern az 791 Passionsspiele 1062–1068, 1069 Paternoster, Hieronymus 907 f. Paulus Diaconus 61 Paul von Bamberg 1213 Paumann, Conrad 832 Peire Vidal 197 Peirol 175 Persius 958 Peter von Arberg 654, 657, 764, 837 Peter von Reichenbach 597, 654, 657, 837 Peter von Sachsen 671, 837, 918 Peter II., Graf von Savoyen 122 Peter von Straßburg (II) 850 Petrarca, Francesco 957, 1220 Petrus von Blois 216, 1213 Petrus Comestor 1088 Petrus de Muglio 1220 Petrus (Wiechs) von Rosenheim 739 Petruslied 61 Peuerbach, Georg 1220 Peuger, Lienhart 730 Pfaffenfeind 750 Pfalz von Straßburg 499, 721–723 Pfarrkircher Passions- und Emmausspiel → Sterzinger Passionsspiele Pfeffel 288–290 Pfefferhand, Ulrich 640 Pfinzing, Georg 1241 Pfister, Albrecht 1335 Pfullinger Liederhandschrift 411, 875 Philipp von Schwaben, r¨om.-dt. Ko¨ nig 195, 199 f. Bruder Philipp 1112 Philippus de Barberiis 1303 Philipp der Kanzler 216 Philippe de Vitry 859 Piccolomini, Aeneas Silvius 757, 1134, 1219 f., 1231–1233 Pichler, Anita 766 Pirckheimer, Caritas 1042, 1241 Pirckheimer, Johannes 1232, 1241 Pirckheimer, Willibald 1241 Pius II., Papst, → Piccolomini, Aeneas Silvius Pius III., Papst 1231, 1233
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Platen, Carl Gustav von 582 Platon 760 Plautus (Titus Maccius P.) 1213 Poll, Peter 791 Poppo VI., Graf von Henneberg 166 Poppo VII., Graf von Henneberg 242 Poppo I., Graf von Wertheim 153 Poppo II., Graf von Wertheim 153 Posch, Johannes 1350 Prager (ostmitteldeutsches) Abendmahlspiel 1155 f. Prager Marienklage → Prager (ostmitteldeutsches) Spiel u¨ ber Maria in der Passion Prager (ostmitteldeutsches) Spiel uber ¨ Maria in der Passion 1238, 1264 f. Preining, Jorg ¨ 999–1003 Probra mulerium 970 Probst, Hans 964 Prudentius (Aurelius P. Clemens) 61, 1050, 1088 Pr¨uß, Johann 1215 Prugger, Johann Georg 1144 Pruner, Hans 812 f. Der Puller ¨ 268, 462–464, 612 Puer natus in Bethlehem 741 Puschmann, Adam 839, 872, 882 Pyl, Karl Theodor 582 Quando noctis medium 516 Rabensteiner 728, 730 Raber, Vigil 1063, 1072, 1141, 1177, 1182 f., 1269, 1284, 1308, 1310, 1316, 1332, 1372–1380, 1384 Radeler 751 f. R¨atselspiel → Wartburgkrieg Rainald von Dassel, Erzbischof von K¨oln 64 f., 66 Rapot (III.) von Falkenberg 266 f. Ratpert von St. Gallen 61 Reborch, Johannes 1274 A Redder tr¨agd a Raiendaans 800 f. Redentiner Osterspiel 1175, 1246–1250 Regenboge(n) 203, 323, 477, 560, 567–573, 593, 615, 637, 642, 688, 704, 719, 742, 745, 830, 833, 836, 842, 876, 894, 1000, 1004 Burggraf von Regensburg / Burggraf von Riedenburg 80, 107–110, 338, 385, 608, 616 Regensburger (alemannisches) Osterspiel 1349 f. Regensburger Bruchst¨uck eine Gideon-Spiels 1059 Regensburger Fragmente eines Spiels von Salomo und Ecclesia 1059 Regensburger Nikolausspiel 1059 Regensburger Weihnachtsspiel 1059
1420
Register Regina cœli laetare 725 Reimverse eines Begarden 671 Rein, Eckhard 893, 897 Reinhart von Westerburg 645–647 Reinmar der Alte 76, 80, 85, 90, 103, 112, 116, 119, 136–149, 190, 194, 196 f., 216, 224, 244, 248, 257, 268, 273, 277, 284, 315, 338, 345, 349, 355, 366, 375, 385, 388, 414, 442, 445, 451, 464, 467, 473, 486 f., 539, 559, 564, 567, 608, 615, 711, 714 Reinmar von Brennenberg 89, 116, 125, 149, 158, 202, 224, 248, 292, 334, 345, 389, 444–448, 515, 560, 562, 616, 704 f., 837 Reinmar der Fiedler 142, 231, 250, 281, 341, 349–352, 385, 616 Reinmar der Junge 190 f., 349, 415 Reinmar von Zweter 190, 202 f., 244, 274–281, 283, 313, 323, 328, 388, 405, 410, 454, 473, 476, 511, 534, 547, 559, 562, 580, 650, 688, 707, 837, 876, 918 f., 955 Reinold von der Lippe 633, 662–664 Rellach von Res¨om 689 Rember von Bibersee 322, 893 f. Resonet in laudibus 654, 1161 Reuchlin, Johann 957, 1213, 1364 Rex Christe factor omnium 188 Rheinauer Osterspiel 1071 Rheinauer Weltgerichtsspiel → Schaffhauser Weltgerichtsspiel Rheinfr¨ankische Magnificat-Paraphrase in Versen 671 Rhenanus, Beatus 1135 Richard von Cornwall, dt. K¨onig 442 Richard I. L¨owenherz, Ko¨ nig von England 133 Rikkardis, Lehrerin Hrotsvits von Gandersheim 1037 Ritter Alexander 806 Ritter und Bauer 701 f. Der Ritter in der Kapelle 876 Ritterschaft Christi 791 Robin → Rubin und R¨udeger Robeler ¨ Spiel 1363 Romer ¨ von Zwickau 285, 496, 547, 918, 955 f. R¨othaw, Johannes 830 Ron(e), Wolf 155, 881–883 Rosengarten zu Worms 1384 Rosenpl¨ut, Hans 750, 752, 809, 876, 934, 988, 995, 1160, 1182–1184, 1188, 1203, 1236, 1242, 1289, 1294 Rosenplutsche ¨ Fastnachtspiele 816, 876, 1182–1188, 1203, 1317, 1323 f. Rosenstock, Hans 981 f. 1421
Rosner, Hans 809 f. Rost, Kirchherr zu Sarnen 529, 635 f. Rostocker Liederbuch 411, 858–862 Roswin 683, 739 Roth, Johannes 1232 Roth, Stephan 1360 Rothe, Johannes 316, 1296 Rothenburger Kasparrolle 1154 f. Rotter, Peter 627, 810 f. Der Rotter 627, 811 Rubin 142, 169, 202 f., 226, 247–250, 277, 334, 338, 345, 389, 415, 445, 527 Rubin und Rudeger ¨ 154, 159, 229, 244, 248, 284, 388 f., 633 → Rubin und R¨udeger Rudinger Rudolf I., dt. Ko¨ nig (von Habsburg) 293, 374, 426, 456, 477, 491, 495, 512 f., 515, 532, 593 Rudolf I., Markgraf von Baden 495 Rudolf von Ems 202, 537 Rudolf von Fenis 90, 125–130, 203, 252, 331, 338, 417, 445, 614 Rudolf V., Graf von Montfort 1144 ¨ Rudolf IV., Herzog von Osterreich 685 Rudolf von Radegg 605 Rudolf von Rotenburg 142, 203, 227, 308, 337 f., 340–342, 539 Rudolf I., Herzog von Sachsen-Wittenberg, Kurfu¨ rst 632 Rudolf von Scherenberg, Bischof von W¨urzburg (R. II.) 884 Rudolf der Schreiber 295 f. Rudolf von Singenberg 189 Rudolf II. von Stadeck 347 f. Rudolf, Freiherr von Stretelingen 122 Rudolf von Warte 628 → Ruf, Jakob Rueff, Jakob R¨uhmkorff, Peter 203 Ruf, Jakob 1271, 1330, 1341 Rumelant (von Sachsen) 104, 203, 242, 397, 400, 404, 406, 426–431, 439, 448, 453, 460 f., 512, 593, 615, 633, 837 Rumelant von Schwaben 242, 422, 448 f., 508, 532 Rumpolt- und Marethspiele 1182, 1316–1319, 1375 Ruoff, Jakob → Ruf, Jakob Rupert, Graf von Castell 242 Rupherman 321, 488 f., 808 Ruprecht, dt. Ko¨ nig, Pfalzgraf bei Rhein 762 Sachs, Hans 258, 507, 723, 745 f., 750 f., 784, 788, 829, 831, 866, 870, 876, 892, 914, 922 f., 927, 934, 951, 956, 962–964, 967, 991, 1183, 1204, 1283
1422
Register Der von Sachsendorf 290 f., 711 Saganer Grablegungspiel 1328 f. Saladin 111 Salat, Hans 1063, 1072, 1386 Salman und Morolf 958 Sallust (Gaius Sallustius Crispus) 958, 1050 Das salomonisches Urteil 1242, 1242 f. Salve festa dies 61 Salve mater salvatoris 671 Salve regina 966, 1228, 1369 Samsonspiel 1209 f. Sasse, Johann 863 Sch¨affel, Klaus-Peter 766 Schaffhauser Weltgerichtsspiel 1162, 1230, 1252 f., 1254, 1371 Schaler, Peter 453 Der von Scharfenberg 437 f. Schaur, Johann 258 Schedel, Hartmann 806, 884, 936, 1134, 1233, 1241 f. Schedels Liederbuch 823 Der Schenkenbach 977–979 Scherer, Wilhelm 109 Scherer von Ilau 923 Scherl, Johannes 903 Schernberg, Dietrich 1099, 1296–1299 Schilhing, Wolf(f) 862 Schilknecht, Jorg ¨ 845 Schiller, Jorg ¨ 655, 745 f., 844, 845–848, 848, 878, 909, 925, 938, 972, 976 Schilling, Diebold 908 Schlacht bei G¨ollheim 709 Schlacht bei Hemmingstedt 960 Schlacht bei N¨afels 674 Schlacht bei Sempach 674, 739, 789, 909 Das schlaue Gretlein 970 Schleich, Martin 931–933 ¨ Das Schloss in Osterreich 804–806, 852 Schmeller, Johann Andreas 214, 218 Schmeltzl, Wolfgang 795 Schneider, Kunz 758, 917, 954 Schobser, Hans 1366 Schonbleser, ¨ Martin 731 f. Schonsbekel 698–700, 704, 745 Schrade, Michel 894 Schreiber, Veit 977 Schreiber, Wolfgang 632 Der Schreiber 752 Der Schreiber im Garten 752 f. Schr¨oder, Carl 1246 Schuler, ¨ Heinz 845, 848 Sch¨utz, Konrad 1241 Schule der Ehre 646
1423
Schule der Minne 796 Der Schulmeister von Esslingen 401, 443, 446, 514–517, 615 Schulthaiß, Markus 609 Schw¨abisches Weihnachtsspiel 1160–1162 Schwarz, Hans 746, 935, 964 f. Schwarz, Johannes 1220 Schwenter, Jacob Bernhaubt 936 Schwinberger 704, 927 Scipio Africanus minor 1212 Sebastian von Seckendorf 977 Die sechs Farben 606 Seckauer Cantionale 642 Sedulius 79, 1037, 1051 Der Seele Kranz 494 Der Seele Minnegarten 494 Segen des Starken Boppe 833 f. Graf von Seldneck 894 f. Seuse, Heinrich 1196 Sibyllenweissagungen (dt.) 622, 708, 745, 980 Sieben Frauen und ein Mann 1137 f. Von der Siebenzahl 79 Siegfried von Eppstein, Erzbischof von Mainz (S. III.) 275 Siegmund (Sigismund), Kaiser, r¨om.-dt. Ko¨ nig, Ko¨ nig von Ungarn und B¨ohmen 752, 762 f. Sigeher 435–437, 615 Sighart 723 f. Sigler 871 f. Sigmar 872 Meister Singauf 427, 460–462, 512, 633 Singer, Caspar 746, 965–967 Sit willekomen herre kirst 605 Smedtstetter Marienklage 1326 f. Smid, Hermann 679 f. S¨oflinger Briefe und Lieder 895 Sonthofener Passionsspiel 1065 Spangenberg, Cyriacus 168, 316, 826 Spaun, Claus 446, 1141, 1289, 1314, 1324 Spervogel/Herger/Der Junge Spervogel 76, 89, 102–107, 142, 198, 302, 379, 385, 616, 633 Spiegel der S¨under 792 Spr¨uche der elf Jungfrauen 718 Spr¨uche der zw¨olf Meister 627 Stabat mater dolorosa 684 Der von Stadegge 347–349, 476, 566 Der von Stammheim 489–491 Stapfer, Wilhelm 1099 Steinacher Salvator-Rolle 1350 f. Steinhem 719 f., 721 Steinh¨owel, Heinrich 129 Steinhuser, T¨oni 862, 909
1424
Register Steinmar 236, 258, 268, 310, 393–397, 492, 552, 580, 615, 1147 Stelzer 664 Stern, Claus 824 f. Sterner, Ludwig 969 Sterzinger Miszellaneen-Handschrift 644, 679, 705, 710 Sterzinger Passionsspiele 1177, 1308–1311, 1326, 1331, 1375 Stetter, Johannes 671 Stiefmutter und Tochter 876 St¨ocklin, Ulrich 751 Stolle (Der Alte Stolle) 183, 244, 283–287, 292, 328, 388, 423, 442, 460, 495, 633, 742, 750, 837 Stolle (Der Junge Stolle) 102, 283, 302–304, 750, 836 f. Straßburger Weihnachtsspiel 1059 Vom Streit zwischen Herbst und Mai 1147 f. Der Stricker 454, 750, 1287 St¨ueckh, Wolfgang 1358 Suchendank, Konrad 664 Suchensinn 612, 675, 696–698, 699, 743, 796, 822, 837, 878, 948 Suchenwirt, Peter 376, 676, 733 Sundenfall ¨ und Erlosung ¨ 1210 f. Sußkind ¨ von Trimberg 324, 418–422, 498, 615 Summa recreatorum 83 Sunneberg, Wilhelm 949 f. Der von Suonegge 305, 320, 325–327, 616 Swicker, Paul 1219 Symler, Johannes, von Brethaym 1220 Tabernes, Tirich 830 Tagelied 231–241 Tagzeitengedichte 241 Der Taler 251, 268, 308, 310, 381–384 Vom Tanaw¨aschel 1188 f. Der Tannh¨auser 104, 117, 257, 296–300, 331, 343, 366, 395, 473, 477, 487, 517, 520, 681, 714, 764, 837 Tannh¨auser-Ballade 298, 668, 680–683 Das Tanzlied von K¨olbigk / Die Legende vom K¨olbigker Tanz 64 Tauler-Cantilenen 671 Te Deum 664, 1150, 1166, 1360 Te Deum, marianische Bearbeitungen 725 Tegernseer Ludus de Antichristo 1052–1057, 1088 Tegernseer Hymnen 792 Tengler, Ulrich 1370 Terenz (Publius Terentius Afer) 1037, 1211–1219, 1219, 1221
1425
Teschler, Heinrich 416, 529–531, 615 Tetzel, Georg 1241 Theophilus 1039, 1296 Theophilus-Spiele 1099, 1162 Thibaut IV., Graf von Champagne, Ko¨ nig von Navarra 334 Thomas von Cilia 1221 Thomasin von Zerklære 200 Thuringische ¨ Zehnjungfrauenspiele 1107–1111, 1118, 1254, 1259 Tieck, Ludwig 681 Tietz, Jakob 979 Telesius, Hieronymus 1296 Tilo von Kulm 598 Der torichte ¨ Tausch 1281 f. Toggenburger Erbschaftskrieg 789 Das Totenamt 752–755 Totenklage auf Graf Wernher von Hohenberg 606 Totenklage auf Herzog Johann I. von Brabant 520 Torberg, Friedrich 419 Totenfeier → Wartburgkrieg Tougenhort 640 Tr¨ankle, Ulrich 1143 Traugemundslied 590, 1286 Traversagni, Lorenzo Guglielmo (Guilelmus Savonensis) 1220 Trebnitzer Psalmen 654 Trechsel, Hans 1252 Trierer Marienklage 1148, 1168, 1170–1172 Trierer Marien-Rolle 1380 Trierer Osterspiel 1071, 1165, 1168–1170, 1170 Trithemius, Johannes 957 Troster, ¨ Johannes 1220, 1231–1234 Der von Trostberg 553, 565–567 Truchsess von St. Gallen → Ulrich von Singenberg Das St. Trudperter Hohelied 233 Tr¨ubner, Karl Ignaz 617 Tschudi, Aegidius 789 Des T¨urken Fastnachtspiel 1324 T¨urkenkriegs-Anschl¨age 980 Der Tugendhafte Schreiber 182–185, 285, 313, 315, 837 Tyro von Schotten 578 ¨ Ubertwerch, Heinz 863–865 Uffing von Werden 61 Uhland, Ludwig 138 Ulrich von Baumburg 320, 553, 584–587 Ulrich I., Bischof von Brixen 762 Ulrich von Etzenbach 578, 813
1426
Register Ulrich, Graf von Fenis-Neuenburg 126 Ulrich von Gutenburg 85, 89, 117, 133, 149–152, 366, 491, 550, 615 Ulrich von Liechtenstein 104, 168, 183, 188, 202, 226 f., 236, 257, 266, 290, 309, 326, 336 f., 347, 352–361, 378, 395, 410, 454, 467, 483, 522, 553, 561, 612, 615 Ulrich I., Graf von Lindow-Ruppin 581 Ulrich von Munegiur 88, 300 f., 366 Ulrich von Reifenberg 448, 508 Ulrich von Sax OSB, Abt von St. Gallen 343 Ulrich von Singenberg 189–193, 202 f., 295, 307, 327, 337, 343, 364, 390, 414, 492, 527, 615 Ulrich IV. von Singenberg 189 Ulrich II. von Sitterdorf 189 Ulrich von Winterstetten 164, 168, 227, 268, 273, 305, 308–312, 343, 366, 382, 395, 476, 481, 491, 527, 531, 615 Ulrich von Zatzikhoven 379, 616 f. Der Ungelehrte 582, 672–674, 688, 837 Das Ungetum ¨ 1291 f. Unser frowen fischli und f¨ogeli 792 Unser vrouwen klage 1112, 1274 Unverdorben, Peter 786 f. Der Unverzagte 323, 397, 427, 512–514, 633 Upschlacht, Niclaus 726 Urban IV., Papst 680 Der Urenheimer 587 f., 633 Vom Ursprung der Eidgenossenschaft 960 Vallazza, Markus 766 Vanden Winter ende vanden Somer 1131–1134, 1145 Ein vasnachtspil vom dreck → Das Unget¨um Venantius Fortunatus 1037 Veni, creator spiritus 61 Veni, redemptor gentium 163 Veni, sancte spiritus 664, 1277 Vergil 958, 1037, 1050 f., 1088 Veronika 745, 836, 1193 Vetter, Jakob 817 Vier Reden 1293 Vier windige Gesellen → Vier Reden Vil werde sele, halt dich wert 171 Villinger Passionsspiel 1065, 1262 Villon, Fran¸cois 932 Vintler, Hans 689, 1213 Vinzenz von Beauvais 1213 Viol, Hans 911 f. Virgils Zauberbild 745 Virginal 708 Vita beatae virginis Mariae et Salvatoris rhythmica 322, 1121 Vita Ludovici 182
1427
Vit´ez, Johannes 1232 Vogelsang, Konrad 784 f. Voigt, Valentin 283, 303, 657, 667, 728, 730, 757, 792, 810 f., 824, 866, 892 f., 895–897, 900 f., 915, 938, 948, 991 Volkmar von Kemenaten 422, 448 Meister Volzan 498 f. Vorauer Hymnenerkl¨arung 792 Vorauer Marienlob 64 Vorauer Petrus-Rolle 1102 f. Vorauer Spiel von Isaak, Rebekka und ihren So¨ hnen 1059 Vorauer S¨undenklage 85 Von den vrien geisten 654 Vosterman, Willem 1300 Vrischemei 785 Wachsmut von Kunzingen ¨ 305, 307, 334, 337, 345–347, 362, 389 Wachsmut von Muhlhausen ¨ 334 f. Der wachter an der zinnen 659–662 Wagenseil, Johann Christoph 316 Wagner, Johann Wagner, Richard 316, 681, 866, 913 Die Wahrheit 64 Walahfrid Strabo 61 Walcher, Wolfgang 933 Waldeck-Yben, Konrad von 1358 Waldemar II., K¨onig von D¨anemark 477 Waldemar IV., Herzog von Schleswig 543, 568 Der Wallbruder 1293 f. Walther III. von Altenklingen → Walther von Klingen Walther von Breisach 369–371 Walter von Chˆatillon 66, 83, 101, 216 Walther von Gachnang 320 f. Walther von Hausen 89, 103 Walther von Klingen 287, 308, 345, 394, 485, 491–494, 549, 615 Walther II., Schenk von Limburg 272 Walter Mappes 66, 83 Walther von Mezze 142, 168, 190, 203, 389–392, 711 Walther von Speyer 1213 Walther von der Vogelweide 76, 103, 112, 116, 118, 123, 126, 137–141 f., 153, 172, 176, 182, 189, 191, 193–214, 216, 227, 235, 242 f., 248, 252, 257, 268, 274, 284, 289, 295, 307, 309, 313, 315, 326, 328, 332, 336, 338, 341, 345, 349. 355, 365, 375, 385, 388, 390, 405, 414 f., 423, 427 f., 435, 445, 451, 454, 464, 473, 477, 487, 492, 505, 511, 515, 530, 552, 559, 562, 564, 567, 575, 595, 608, 615, 633, 668, 707, 711, 837, 876, 882, 967
1428
Register Waltram von Gresten 102, 227, 338, 349, 379–381 Wameshaft, Erhard 873 Van den wapen Kristi 792 Wartburgkrieg 183, 203, 277, 312–320, 473, 547, 562, 745, 843, 882 Weber, Veit 845, 908–911, 911 Weckherlin, Ferdinand 609 Weiglein, Peter 756 f. Weimarer Liederhandschrift 93, 411, 518, 598, 807, 875–877 Der Weingarten 654 Weingartner Liederhandschrift 75, 80, 87, 92, 98, 108, 112, 119, 126, 131, 132, 134, 136, 138 f., 142, 149 f., 159, 168, 173, 203, 225, 249, 300 f., 346, 362, 366, 385 f., 389–391, 410–412, 414, 432, 487, 538 f., 573, 607–612, 613 f., 668 Welser Passionsspiel 1065, 1158, 1351 f. Weltgerichtsspiel der Sammlung Jantz 1162, 1252, 1254, 1369, 1371 f. Wenck, Balthasar 927 f. Wenczly, Wenczlo 900 Wendel von Gorze 900 f. Der von Wengen 292 f., 327, 444, 446, 492 Wenzel I., K¨onig von B¨ohmen 275, 435 Wenzel II., Ko¨ nig von Bohmen ¨ und Polen 473, 532, 577–579, 579, 593, 614, 616, 705, 876, 900 Wenzel III., Ko¨ nig von B¨ohmen, Polen und Ungarn 577 Werdener Liederbuch 661, 802, 956 Wer hab ain stetes belangen 730 Werdener Liederbuch 956 Bruder Wernher 202, 241–247, 284, 294, 328, 388 Wernher, Adam 956–960, 1042 Wernher der G¨artner 253, 257, 331 Wernher von Hohenberg 419, 470 f., 605–607, 615 Wernher von Teufen 181 f., 244 Wessobrunner Gebet 61 Wicboldus 654 Wick, Hans 968–970 Widmann, J¨org 967 Wiener Dialogverse u¨ ber Tod, Gericht und Jenseits 1295 Wiener Kreuzabnahmespiel Wiener Leichhandschrift 410, 650–653 Wiener Osterspiel 1122 Wiener Passionsspiel I 1064, 1081, 1105–1107, 1136 Wiener Passionsspiel II 1325 f.
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Wiener Rubin-Rolle 1122, 1167, 1174, 1235, 1266, 1275 f. Wiener (schlesisches) Osterspiel 1122, 1174, 1193, 1236, 1265–1269, 1276, 1284 Wiener Susannaspiel 1295 f. Wienh¨auser Liederbuch 844, 869 Wienh¨auser Osterspiel-Fragment 1071 f., 1152–1154 Wiens, Paul 766 Wiest, Ulrich 647 Wild von Veldkurch ¨ 321, 808 Der Wilde Mann 100 Meister Wildgwid 693 f. Der von Wildonie 466 Wilhalm von Orlens, Reimpaarerz. 985 Wilhalm von Orlens, stroph. Bearb. 985 f. Wilhelm von Conches 103 Wilhelm von Heinzenburg 345, 361–363 Wilhelm, Graf von Heunberg 242 Wilhelm von Lorze 895 Wilhelm, Erzbischof von Mainz 1038 Wilhelm II., Ko¨ nig von Sizilien 130 Wilhelm von Varlar 592 Wilhelm II., Ko¨ nig von Sizilien Will, Peter 582 Wiltener Liederhandschrift 623, 744 Wimpfeling, Jakob 957, 1213 Winli 468, 483–485 Winrich von Trier 1213 Winsbecke, Winsbeckin und Winsbecken-Parodie 183, 289, 392, 525, 608, 617, 650, 837 Winthager, Wolfgang 1219–1221 Wipo 1103, 1266 Wispeck, Hans 829 von Wissenlo 385, 481–483 Wittenwiler, Heinrich 257, 904 Wizlav der Junge 441, 579–584, 593, 633, 673, 722 Wolf, Peter 896 Wolfenbutteler ¨ Marienklage 1165, 1200 f. Wolfenbutteler ¨ Osterspiel 1165 f., 1169 Wolfgang von Man 981 Meister Wolfgangus 683, 718 Wolfger von Erla, Bischof von Passau, Patriarch von Aquileia 158, 195 Wolfram von Eschenbach 98, 152–158, 164, 168, 185, 187, 194 f., 202, 224 f., 227, 233–235, 253, 277, 313, 315, 323, 336, 375, 469, 473, 501, 595, 642, 688 f., 724, 735, 837, 881, 938, 967 Wurgenbock, ¨ Matthias 905, 970 f. Wu¨ rzburger Liederhandschrift 119, 126, 136, 138 f., 142, 173, 203, 390, 410, 596
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Register Xenophon 957 Ympni vulgarisati 896 Zach¨aus von Himmelberg 393 Z¨ahmung einer bosen ¨ Frau 1372 Zasius, Ulrich 957 Zerbster Fronleichnamsspiel 1136, 1342–1344 Zeugenaussagen 1294 f. Zilies von Sayn 709 Zimmernsche Chronik 175, 320–322, 498, 640 f., 671, 808 Zing, Paulus 971 f. Zirker 896 Zol, Reinhart 322, 897
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Zolki, Haine 321, 322, 808, 897 Zollner, Mathis 845, 883, 909, 911 Zorn, Fritz 570, 746, 758, 901–903, 938, 954 Zorn, Kunz 758 f., 901 Zorzi, Bartolomeo 443 Z¨urcher Richtebrief 554 Z¨urcher Wappenrolle 227, 252, 344, 469, 528, 554, 564 Zukunft, Hans 941 Zwickauer Maria-Salome-Rolle 1361, 1362 f. Zwickauer Osterspiele 1360–1362, 1362 Der Zwinger 470–472, 815, 837 Die zw¨olf (sieben) Pfaffenknechte 1325
1432