Deutsches Literatur-Lexikon. Das Mittelalter. Bd. 3. Reiseberichte und Geschichtsdichtung [3] 3598249926, 9783598249921, 9783598441417

Mit einführenden Essays von Gerhard Wolf und Christoph Fasbender. Band 3 enthält die Werke zum Geschichtsbewusstsein (u

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German Pages 672 [676] Year 2012

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Deutsches Literatur-Lexikon. Das Mittelalter. Bd. 3. Reiseberichte und Geschichtsdichtung [3]
 3598249926, 9783598249921, 9783598441417

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Deutsches Literatur-Lexikon Das Mittelalter

Deutsches Literatur-Lexikon Das Mittelalter Herausgegeben von Wolfgang Achnitz Band 3 Reiseberichte und Geschichtsdichtung Mit einf¨uhrenden Essays von Gerhard Wolf und Christoph Fasbender

De Gruyter

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dieses Bandes PD Dr. Wolfgang Achnitz, M¨unster; Prof. Dr. Christoph Fasbender, Chemnitz; Mag. Sabina Foidl, Mu¨ nchen; Prof. Dr. Frank Fu¨ rbeth, Frankfurt am Main; Bruno Jahn, M¨unchen; Claudia Kanz, M.A., Chemnitz; Dr. Jacob Klingner, Heidelberg; Dr. Valeska Lembke, Oldenburg; Dr. Mike Malm, Mu¨ nchen; Dr. Carla Meyer, Heidelberg; Dr. Gesine Mierke, Chemnitz; Dr. Mario M¨uller, Chemnitz Dr. Christine Stridde, Zu¨ rich; Prof. Dr. Katharina Philipowski, Erlangen; Dr. Nikolaus Ruge, Trier; JProf. Dr. Christiane Witth¨oft, Kiel; Dr. Volker Zapf, M¨unchen

Redaktionelle Leitung Bruno Jahn

ISBN 978-3-598-24992-1 e-ISBN 978-3-598-44141-7 Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet u¨ ber http://dnb.d-nb.de abrufbar. © Copyright 2012 Walter de Gruyter GmbH & Co. KG, Berlin/Boston Satz: bsix information exchange GmbH, Braunschweig Druck: Strauss GmbH, Mo¨ rlenbach ∞ Gedruckt auf s¨aurefreiem Papier Printed in Germany www.degruyter.com

Deutschsprachige Reiseberichte des 14. und 15. Jahrhunderts Formen und Funktionen einer hybriden Gattung von Gerhard Wolf

Texte, deren inhaltliches und strukturbildendes Zentrum ein Bericht u¨ ber reale oder fiktive Reisen ist, sind schon seit der Antike bekannt. Zur Gattung, deren Funktion von Anfang an zwischen Pragmatik, Unterhaltung und Wissensvermittlung changiert, geh¨oren so unterschiedliche Werke wie griechische Schifffahrtsbu¨ cher, die antiken ‹Entdeckerberichte› des Skylax von Koryanda oder des Pytheas von Massilia, die an die Grenzen der ¨ damals bekannten Okumene vorstießen, oder die ro¨ mischen Itinerare, die mit ihren Angaben u¨ ber die Entfernungen und Wegstrecken auf den wichtigsten Straßen des Imperiums auch eine milit¨arische Funktion erf¨ullten, weil damit eine rasche zeitliche Kalkulation von Truppenbewegungen oder Befehls¨ubermittlungen mo¨ glich war. Reiseberichte erscheinen nicht nur als selbstst¨andige Werke, sondern sind integriert in die Beschreibungen der Erde (Hektaios von Milet) oder antiker Sehensw¨urdigkeiten, die Pausanias oder Diodor in ihren Geschichtswerken behandeln. Das fru¨ he und hohe Mittelalter hat die Integration von Reiseberichten in die Historiographie aus der Antike u¨ bernommen, so hat etwa Domherr Adam von Bremen einen Bericht u¨ ber eine Skandinavienreise in seine Gesta Hammaburgensis ecclesiae pontificum eingebaut, mit dem er das Wissen u¨ ber die zur Bremer Dio¨ zese geh¨orenden L¨ander archivieren und damit einen Beitrag zur effektiveren Herrschaftsverwaltung leisten wollte. Nach Adams Verst¨andnis erfordert dieses Ziel einen ausf¨uhrlichen Bericht u¨ ber die geographischen Gegebenheiten der Dio¨ zese sowie den kulturellen Entwicklungsstand und

die Rechtsauffassungen ihrer Bevo¨ lkerung. In diesem Bericht findet sich auch ein u¨ ber die Grenzen der Dio¨ zese hinausgehender Blick auf ein noch nicht missioniertes «Vinland», das inzwischen als Teil Nordamerikas identifiziert ist. Die Reisen kirchlicher oder weltlicher W¨urdentr¨ager, wie etwa des heiligen Bonifatius, Ulrichs von Augsburg oder Bernhards von Clairvaux oder der deutschen Kaiser und K¨onige, waren generell ein Gegenstand f¨ur die Archivierung in den jeweiligen Kanzleien; ihr Verlauf und ihre Ergebnisse gingen ein in ganz unterschiedliche Textsorten, in Annalen, Briefe, Chroniken, Enzyklop¨adien, Biographien und lehrhafte Traktate. Dabei stand aber in der Regel nicht die Reise selbst im Mittelpunkt des Berichts, sondern das Datenregister des Reiseverlaufs bildete allenfalls das Geru¨ st f¨ur die Behandlung politischer oder religio¨ ser Themen. ¨ Ahnlich verhielt es sich mit den Berichten u¨ ber die spektakul¨arsten ‹Reisen› des hohen Mittelalters, die bewaffneten ‹Wallfahrten› ins Heilige Land, die Gegenstand der von Teilnehmern verfassten Kreuzzugschroniken waren. Diese freilich sind viel eher Kriegs¨ als Reiseberichte, auch wenn es hier Uberschneidungen bei der Darstellung und Bewertung des unterwegs Beobachteten gibt. All diese Texte waren in Latein abgefasst, richteten sich an ein gebildetes Publikum und fanden nicht den Weg in die Volkssprache. Der Grund hierf¨ur liegt maßgeblich darin, dass nur eine kleine Elite der Kreuz- und Wallfahrer ihre Erlebnisse selbst verschriftlichte bzw. von mitreisenden Klerikern festhalten V

ließ und diese Texte vorrangig f¨ur die eigene Dynastie bestimmt oder – wie etwa die bekannte Kreuzzugschronik Wilhelms von Tyrus – an die Gelehrten seiner Zeit gerichtet waren. Der Rezeptions- und Produktionshorizont der Berichte a¨nderte sich erst nach dem endg¨ultigen Verlust Pal¨astinas mit dem Fall Akkons (1291) und der Erneuerung des Wallfahrtsgedankens in den 1320er Jahren, als f¨ur die Pal¨astinareisenden die milit¨arisch-politischen Interessen an Relevanz verloren und die spirituelle Begegnung mit der Heilsgeschichte sowie die Alterit¨atserfahrung wichtiger wurden. Zusammen mit einer gleichzeitigen Alphabetisierung und Literarisierung breiterer gesellschaftlicher Gruppen sowie mit dem allm¨ahlichen Vordringen des Deutschen in die Kanzleisprache du¨ rfte ¨ dieser Prozess den Anstoß f¨ur den Ubergang der Reiseberichte in die Volkssprache gegeben haben. Offenbar interessierten sich nun auch Rezipienten daf¨ur, die des Lateinischen nicht mehr ausreichend m¨achtig waren – eine Entwicklung, die sich parallel dazu bei der pragmatischen und wissensvermittelnden Literatur vollzog: Ab Mitte des 14. Jahrhunderts ¨ tauchen deutsche Ubersetzungen lateinischer Berichte, sp¨ater dann originale volkssprachige Reiseberichte auf. Unter diesen bildeten die Pilgerberichte, insbesondere diejenigen, die eine Pal¨astinareise zum Gegenstand hatten, den Schwerpunkt, wohingegen Berichte u¨ ber inner- oder außereurop¨aische Reisen vergleichsweise selten waren. Mit dem Abflauen der Pilgerreisen Anfang des 16. Jahrhunderts nahm auch die Zahl der entsprechenden Berichte ab; der Texttyp fand einen Abschluss mit dem Sammelband von Reyssbuch des heyligen Lands (Sigmund Feyerabend, Frankfurt 1584), mit dem jetzt gleichermaßen ein enzyklop¨adisch ausgerichteter Wissensdurst und das Unterhaltungsinteresse eines breiten Publikums bedient wurden. Parallel dazu stieg das Interesse an Berichten u¨ ber die neu ent¨ deckten L¨ander in Ubersee an und bis ins 20. Jahrhundert erfreuten sich Bu¨ cher u¨ ber VI

reale oder fiktive Reisen in exotische L¨ander großer Nachfrage. ¨ Nach Form, Struktur, Uberlieferung und Funktion ist die Gattung des deutschsprachigen Reiseberichts im Mittelalter a¨ußerst heterogen: Einige Berichte bieten kaum mehr als ein Itinerar u¨ ber die zuru¨ ckgelegte Wegstrecke oder – bei Wallfahrten – ein Verzeichnis der wichtigsten Kirchen, der heiligen St¨atten und der zu erhaltenden Abl¨asse und besitzen eine vorrangig dokumentarische Funktion. Andere Texte sind als reine Reiseinstruktion oder -f¨uhrer verfasst; nicht selten sind Mischformen, bei denen zus¨atzlich ein Itinerar angef¨ugt ist. Am anderen Ende des Spektrums findet man episch auserz¨ahlte, selbstst¨andige Berichte von mehreren Dutzend Seiten, die eindeutig auch literarischen Anspru¨ chen gen¨ugen sollten und deren Autoren die Regeln der mittelalterlichen Rhetorik vertraut waren. Insbesondere bei den Pal¨astinaberichten sind zus¨atzlich geographische, o¨ konomische, politische, ethnologische, soziale, natur- und kulturkundliche Informationen und religi¨ose Betrachtungen eingef¨ugt und zunehmend auch pers¨onliche Erlebnisse verzeichnet. Naturgem¨aß sind die Reiseberichte in Prosa verfasst, aber einige wenige Autoren (Felix Fabri, Erhard Wameshafft) bedienen sich auch der Reimform. Die meisten Reiseberichte sind nur in wenigen Handschriften u¨ berliefert, vor allem dann, wenn sie der dynastischen Erinnerung dienen, einige wenige aber werden mehrfach kopiert und erscheinen im 15. Jahrhundert auch im Druck bzw. werden direkt f¨ur das neue Medium konzipiert. Geradezu konstitutiv f¨ur die Berichte ist die Illustration der Informationen durch einfache Skizzen; bei den Drucken finden sich dann sogar aufw¨andige Holzschnitte, die den Text in den Hintergrund dr¨angen oder bei denen ein Widerspruch zwischen Bild- und Textinformation entsteht (Bernhard von Breidenbach). Neben der Sicherung der genealogischen memoria oder der Unterweisung nachfolgender Reisenden, soll etwa Fabris Geistliche Pilgerfahrt die Funktion eines vollwertigen

Ersatzes f¨ur die Reise u¨ bernehmen und denjenigen, denen die Fahrt ins Heilige Land verwehrt ist, deren Mitvollzug ermo¨ glichen. Bei einzelnen Berichten steht nicht die Reise und ihr Verlauf selbst, sondern die Befriedigung eines enzyklop¨adischen Publikumsinteresses im Vordergrund. Die Suche nach Alterit¨atserfahrung ist indessen nicht das entscheidende Kriterium f¨ur die weite Verbreitung der Reiseberichte des 14. und 15. Jahrhunderts. Denn in der Mehrzahl der Berichte u¨ ber Reisen in den Orient nimmt die Fremderfahrung nur einen kleinen Raum ein, und eher sind die Autoren bestrebt, den eigenen Text in Einklang mit den bekannten Quellen zu bringen und so dem Leser zu suggerieren, er w¨urde sich auch in der Fremde auf vertrautem Terrain bewegen. Ganz abgesehen davon, verzichten die Berichte u¨ ber innereurop¨aische Reisen weitgehend auf den Reiz der Alterit¨at. Wie schon im Fr¨uhmittelalter bei den Pilgerberichten sind die deutschen Texte sowohl als Einzelbu¨ chlein von wenigen Seiten, als Teil eines gro¨ ßeren Kompendiums, als lose Archivbl¨atter, als anspruchsloser Fru¨ hdruck oder als aufw¨andiger, illustrierter Prachtband u¨ berliefert. Neben der Einzel¨uberlieferung finden sich Reiseberichte eingearbeitet in adlige Hausbu¨ cher, Enzyklop¨adien, Chroniken, Stadt- oder L¨anderbeschreibungen, Autobiographien oder sind Teil von Sammelhandschriften und Sammelb¨anden wie Feyerabends Reysbuch. Nur in Ausnahmef¨allen sind die Reiseberichte authentische Zeugnisse eines eigenen Erlebnisses, in der Regel sind sie entstanden unter Ru¨ ckgriff auf literarische Quellen, die aber nur selten aufgedeckt werden. Am h¨aufigsten bedienen sich die Autoren in der Bibel, bei Plinius und Herodot, aus dem fru¨ hchristlichen Physiologus und der Enzyklop¨adie des Isidor von Sevilla; auch die Alexanderdichtung, vielleicht sogar die sogenannten Spielmannsepen, werden herangezogen. Daraus erkl¨art sich, warum man in den Berichten oft den zahlreichen mythischen Fabelwesen der literarischen Tradition begegnet.

Es unterf¨utterte den Authentizit¨atsanspruch des Berichts, wenn dessen Autor behauptet, das Einhorn in der W¨uste Sinai gesehen zu haben, zumal dieses Fabelwesen als mariologisches Symbol unmittelbar mit dem Heiligen Land verbunden war. Auch die Amazonen, Kopff¨ußler, Tieronten (Ohrenmenschen) und Kranichmenschen sind dem Rezipienten aus der Literatur, vom Tympanon der Kirchenportale oder den Mappae mundi bekannt; ihre Erw¨ahnung in den Reiseberichten best¨atigt die Glaubw¨urdigkeit von Autoren, die den Anspruch erheben, auch die R¨ander des Weltkreises bereist zu haben. Neben der literarischen Tradition werden vor allem die Berichte anderer Reisenden großzu¨ gig plagiiert, und auch hier erw¨ahnt ein Autor nur gelegentlich, welchen Werkes er sich bei der Abfassung des eigenen bediente. Die Benutzung mehrerer, heute nur mehr schwer zu identifizierender Quellen f¨uhrte aber auch zu textinternen Widerspru¨ chen, die jedoch nur vereinzelt kritisch hinterfragt wurden. Besonders sichtbar werden diese bei der heterogenen Darstellung des Islam und der Araber oder bei der Glaubhaftmachung unwahrscheinlicher Ereignisse, die in ein und demselben Text ganz unterschiedliche Erkl¨arungen und Bewertungen finden. Auch die Verfasserfrage selbst ist bei den Reiseberichten oft nicht zu beantworten. Sehr viele der Berichte sind anonym u¨ berliefert, manchmal verbirgt sich hinter einem Namen nur der des Auftraggebers oder gar bloß eines Abschreibers, bei vielen Berichten w¨are der Begriff des Kompilators angebrachter als der des Verfassers. Einige Autoren wie Nikolaus Muffel und Arnold von Harff machten sich ihre Sprachenkenntnisse zunutze, indem sie fremdsprachige Reiseberichte u¨ bersetzten und unter ihrem eigenen Namen vero¨ ffentlichten. Aus einigen der Reiseberichte l¨asst sich ersehen, dass sich verm¨ogende weltliche und geistliche Herrschaftstr¨ager literarisch erfahrener M¨anner bedienten, die sie in ihrer Entourage auf die Reise mitnahmen und die f¨ur sie unterwegs oder nach der Ru¨ ckkehr VII

Texte verfassten oder kompilierten, die dann unter ihrem Namen oder dem des Auftraggebers aufbewahrt oder publiziert wurden. Ob und inwieweit die Auftraggeber Einfluss auf die Gestalt der Texte nahmen, l¨asst sich nur im Einzelfall rekonstruieren. Oftmals scheinen die Berichte u¨ berhaupt erst auf Betreiben eines Interessenten verfasst worden zu ¨ ¨ sein. Ahnliches gilt f¨ur die Ubersetzungen der lateinischen Reiseberichte ins Deutsche, die mitunter ebenfalls gezielt in Auftrag gegeben wurden, um ein nicht gelehrtes Publikum zu erreichen. Angesichts der Heterogenit¨at der Texte, ih¨ rer Entstehungs-, Uberlieferungsund Rezeptionssituation muss der Gattungsbegriff notwendigerweise unscharf bleiben, vor allem auch, weil er in einem modernen Verst¨andnis die Authentizit¨at des Gesehenen suggeriert. Denkbar ungeeignet sind die Parameter Authentizit¨at und Fiktionalit¨at, weil fernab von jeder sorgf¨altigen Zitierweise in den Berichten auch umstandslos Abschnitte aus parallelen Texten eingef¨ugt sind, zwischen selbst Erfahrenem und bloß Geh¨ortem und Gelesenem in der Regel nicht unterschieden wird und selbst bei solch eindeutig fiktiven Reisen wie denen St. Brandans oder Mandevilles immer wieder auch Elemente und Passagen eingearbeitet sind, die einen realen Hintergrund haben ko¨ nnten. Aus diesem Grund ist anstelle des Gattungsbegriffs ‹Reisebericht› auch jener der ‹Reiseliteratur› vorgeschlagen worden; dieser ist jedoch weniger pr¨azis, weil die Mehrzahl der u¨ ber Reisen geschriebenen Texte der Vormoderne tats¨achlich in Berichtsform geschrieben worden sind – und dies trifft selbst dann zu, wenn die Reise nur fingiert und die Informationen aus vorhandenen Quellen abgeschrieben worden waren.

Die drei großen Wallfahrten des Mittelalters Nach christlichem Verst¨andnis ist der Mensch auf Erden ein Fremder, dessen Lebensweg eine VIII

Pilgerreise zum fernen Ziel der Erl¨osung in einem himmlischen Jerusalem ist. Dementsprechend war die Peregrinatio f¨ur jeden Christen eine Verpflichtung, die er wenigstens einmal in seinem Leben erf¨ullen sollte. Die ersten Wallfahrten entwickelten sich schon im 4. Jahrhundert, als die großen Kirchen u¨ ber den Apostelgr¨abern in Rom gebaut wurden und es analog zu den Gepflogenheiten in den heidnischen Kulten als Glaubensbeweis galt, die heiligen St¨atten der eigenen Religion aufzusuchen. Auch wenn sich die genauen Zahlen der Rompilger f¨ur das fru¨ he Mittelalter nicht rekonstruieren lassen, scheinen sie doch erheblich gewesen zu sein. Nach den Quellen war die Romwallfahrt ein Massenph¨anomen, das von der Kirche gezielt gef¨ordert wurde, als die Pilgerfrequenz im 11. und 12. Jahrhundert wegen der politischen Unruhen in Italien nachließ: Die Ausrufung eines Heiligen Jahres und eines Vollablass aller Su¨ nden bei einem Rombesuch zogen dann 1300 nach einer vorsichtigen Sch¨atzung zwei Millionen Pilger in die Ewige Stadt. Die Attraktivit¨at Roms basierte aber nicht nur auf seinem Ruf als spirituelles Zentrum der Christenheit, sondern auch auf der zunehmenden Macht des Papsttums, und so werden vor allem adlige und geistliche Pilger auch aus handfesten politischen Motiven nach Rom gereist sein. Fast zeitgleich setzte auch die Wallfahrt nach Jerusalem ein, wo Konstantin u¨ ber dem leeren Grab Jesu eine große Basilika hatte errichten lassen. Jerusalem war f¨ur Rom freilich nie eine Konkurrenz als Wallfahrtsst¨atte, da f¨ur die Gl¨aubigen Mitteleuropas die Reise dorthin zu weit, zu teuer und zu gef¨ahrlich war. Aber dennoch tat sich das Papsttum mit dieser Wallfahrt w¨ahrend des ganzen Mittelalters schwer, weil seine Macht dort immer umstritten war und die Reise im Verdacht stand, prim¨ar eine Form weltlicher Bew¨ahrung zu sein oder bloß der Neugierbefriedigung zu dienen. Insofern gab es kirchlicherseits zahlreiche Warnungen vor den Versuchungen, denen die Pilger unterwegs ausgesetzt waren, allerdings niemals ein kirchliches Verbot der

Jerusalemfahrt. Genaue Zahlen f¨ur die Zeit bis zur islamischen Eroberung des Heiligen Landes im 7. Jahrhundert liegen nicht vor, aber in dieser Zeit waren wegen intensiver Handelskontakte mit dem Nahen Osten die Transportm¨oglichkeiten gut und 1064/65 zogen – wie die nicht unbedingt zuverl¨assigen Angaben vermuten lassen – mehrere tausend Pilger ins Heilige Land. W¨ahrend der Zeit der Kreuzfahrerstaaten (1099–1291) k¨onnte diese Zahl noch h¨oher gewesen sein, zumindest sprechen Quellen von großen Menschenmengen an den Pilgerst¨atten. Allerdings fehlen Reiseberichte aus dieser Zeit, was den Schluss erlaubt, dass jetzt ein Publikum nach Pal¨astina fuhr, dessen literarische Ambitionen gering waren und das keine Reputation auf diesem Feld erwerben wollte. Im 15. Jahrhundert waren es dann nach Ausweis der Teilnehmerverzeichnisse in den Berichten h¨ochstens noch einige hundert Pilger, die pro Jahr auf dem Seeweg nach Pal¨astina reisten. Die Pilgerfahrt nach Jerusalem war nach der Kreuzfahrerzeit zum Politikum in H¨anden der Kirche geworden, die damit die Erinnerung an den ‹Skandal› der Eroberung des Heiligen Landes durch den Islam wachhielt und die christlichen Herrscher Europas zu einer Wiedereroberung des Heiligen Landes dr¨angte. In Verbindung mit der von den Mamelucken 1322 f¨ur die Dominikaner und sp¨ater f¨ur die Franziskaner erteilten Erlaubnis, Jerusalempilger vor Ort zu betreuen, wurde Pal¨astina f¨ur eine kleine Gruppe meist verm¨ogender Europ¨aer und ihrer Begleiter zu einem festen Wallfahrtsziel. Die dritte große Wallfahrt zum angeblichen Jakobusgrab in Santiago de Compostella konnte sich gegen¨uber Rom und Jerusalem erst relativ sp¨at etablieren. Sie steht im Zusammenhang mit der allm¨ahlichen Ru¨ ckgewinnung der Iberischen Halbinsel von den Mauren und bot nach dem ersten Verlust des Heiligen Landes im 7. Jahrhundert ein Ausweichziel, dessen Charme auch darin bestand, dass man hier Wallfahrt und einen virtuellen Kreuzzug gegen den Islam verbinden

konnte und dieser ‹erfolgreicher› war als die gescheiterte Politik in Pal¨astina. Im Vergleich mit dem Herrschaftszentrum Rom hatte die Wallfahrt nach Santiago eine eindeutig spirituelle Ausrichtung, auch war die praktische Bew¨altigung eines langen Fußmarsches durch wenig besiedelte Gegenden eine pers¨onliche Herausforderung f¨ur jeden Pilger. Im Vergleich mit Jerusalem war die Oberhoheit der katholischen Kirche u¨ ber den Wallfahrtsort unbestritten, musste man sich dort doch nicht gegen¨uber fremden M¨achten und Religionen oder der schismatischen griechischorthodoxen Konkurrenz behaupten. Anders als die Wallfahrten nach Jerusalem zogen die nach Rom und Santiago auch breitere Schichten der Bev¨olkerung an, die noch nicht alphabetisiert oder literaturf¨ahig waren, weswegen die Zahl der Berichte bis ins 14. Jahrhundert hinein geringer blieb. Auch fehlte offenbar den zwei großen europ¨aischen Pilgerzielen wie auch den zahlreichen regionalen Wallfahrten der Reiz der Exklusivit¨at, der Garant f¨ur eine literarische Aufzeichnung war. Dies a¨nderte sich erst, als es am Beginn der Neuzeit f¨ur den Adel Mode wurde, alle drei großen Pilgerziele besucht zu haben und dies auch f¨ur die Nachwelt literarisch zu dokumentieren. Zu Beginn des 16. Jahrhunderts hatte die mittelalterliche Wallfahrtsbewegung jedoch ihren Zenit u¨ berschritten, die Protestanten fielen als Jerusalemwallfahrer weitgehend aus, nachdem Martin Luther die Wallfahrt als Mittel der Heilsgewinnung verworfen hatte und von ihm die abf¨allige Bemerkung u¨ berliefert wurde, Gott ku¨ mmere sich um das Grab Jesu genauso viel wie um die Schweizer K¨uhe.

Pal¨astinaberichte Die Berichte u¨ ber Wallfahrten ins Heilige Land ko¨ nnen auf eine lange Tradition zuru¨ ckblicken. Bereits kurz nachdem bei einem Besuch der Mutter Kaiser Konstantins, der heiligen Helena, Kreuz und Grab Jesu Christi aufIX

gefunden worden waren, und noch w¨ahrend die erste große Grabeskirche errichtet wurde, verfasste ein anonymer Pilger einen Bericht u¨ ber die Stationen seiner Reise von Bordeaux ins Heilige Land (333–334), das sogenannte Itinerarium Burdigalense. Der Autor dokumentiert den von ihm zuru¨ ckgelegten Weg; ausf¨uhrlicher wird er nur bei Jerusalem, wo er einzelne biblisch bezeugte Orte in der Stadt lokalisiert – so findet er die Palme, von der die Palmwedel beim Einzug Christi herabgerissen worden waren. Wesentlich ausf¨uhrlicher ist die Peregrinatio Egeriae, in der eine vermutlich aus Gallien stammende Nonne vom Verlauf ihrer Reise (ca. 400) erz¨ahlt und eine F¨ulle von kultur- und religionsgeschichtlichen Informationen, etwa u¨ ber die heiligen St¨atten oder die Liturgie der Jerusalemer Gemeinden, bietet. Ziel des als Brief an andere Nonnen gehaltenen Berichts war es, einen Ersatz f¨ur eine eigene Reise zu bieten, indem ihnen der Mitvollzug der Reise erm¨oglicht wurde. In beiden Berichten lassen sich bereits zwei wichtige Motive f¨ur die mittelalterlichen Pilgerberichte identifizieren: die repr¨asentativen Zwecken dienende Dokumentation der Reise und die geistliche Unterweisung der Daheimgebliebenen anhand einer topographischen Verdinglichung der Heilsgeschichte. Die Gattung der Pilgerberichte hat sich rasch etabliert; bis ins 7. Jahrhundert wurde eine Reihe von lateinischen Pilgerberichten, u. a. vom heiligen Hieronymus und dem gallischen Bischof Arkulf, verfasst. Dem hohen Bildungsstand der Autoren entsprechend blieb die Sprache der Gattung w¨ahrend des fr¨uhen und hohen Mittelalters das Lateinische. Erst nach 1322, als mit einem neuerlichen Aufschwung der Pilgerfahrten neue bedeutende lateinische Pilgerberichte entstanden, wird eines dieser Werke, der Liber de quibusdam ultramarinis partibus et praecipue de Terra sancta (auch: Hodoeporicon ad Terram Sanctam) des nieders¨achsischen Adligen Wilhelm von Boldensele, ins Ripuarische u¨ bersetzt. Der Liber enth¨alt ein Itinerar von Wilhelms Fahrt (1334–36), die ihn zun¨achst X

u¨ ber Akkon, Gaza, Kairo, das Katharinenkloster und Bethlehem nach Jerusalem f¨uhrt; u¨ ber Nazareth, den See Genezareth, wird Beirut erreicht, wo man wieder das Schiff zur Heimreise besteigt. Bedeutung u¨ ber die Dokumentation der Reise hinaus erreicht Wilhelms Bericht durch die zahlreichen und ausf¨uhrlichen Beobachtungen zur Geographie, zu den biblischen, antiken und islamischen Bauwerken sowie zu Fauna und Flora Pal¨astinas. Das im Auftrag des Bischofs von Auxerre verfasste Werk wurde breit rezipiert, heute sind mindestens noch 27 Handschriften erhalten. Eine noch gro¨ ßere Verbreitung erlebte der lateinische Bericht (Itinerarium Terrae Sanctae) des westf¨alischen Pfarrers Ludolf von Sudheim, der 1336 zu einer f¨unfj¨ahrigen Reise in den Orient aufbrach und daru¨ ber im Auftrag des Paderborner Bischofs Balduin eine ausf¨uhrliche Beschreibung verfasst hat, die a¨hnlich wie der teilweise als Quelle verwendete Bericht Wilhelms Informationen u¨ ber Land und Leute, die F¨ahrnisse der Reise, die Geschichte der besuchten Orte sowie die Tier- und Pflanzenwelt gibt und gleichzeitig als Reisehandbuch angelegt war. Weil es ihm nicht um eine Selbstdokumentation ging, hat Ludolf wohl auch auf ein chronologisches Itinerar seiner eigenen Reise verzichtet. Neben den ca. 50 erhaltenen Handschriften ist eine niederdeutsche Version u¨ berliefert, die zeitnah zum lateinischen Original entstanden sein du¨ rfte. Man wird die Bedeutung der beiden Berichte Wilhelms und Ludolfs f¨ur die Gattung der deutschsprachigen Pal¨astinaberichte nicht untersch¨atzen d¨urfen, auch wenn unmittelbar danach nur wenige deutschsprachige Reiseberichte entstanden sind; aber bis zum Beginn des Buchdrucks gab es keinen Bericht u¨ ber eine reale Pal¨astinareise, der eine a¨hnliche Verbreitung gefunden hat wie der Ludolfs. Neben den nach wie vor verfassten Itinerarien, die mit ihren standardisierten Wegverzeichnissen, Beschreibungen der heiligen St¨atten und Ablassregistern meistens nur anonym u¨ berliefert sind und eher als Glaubenszeugnis und Teil einer privaten Erinnerungskultur fungierten,

entstehen noch im 14. Jahrhundert Texte, die ihr Themenspektrum erweitern, dadurch aber auch an Geschlossenheit verlieren. Da nun auch Laien Pilgerberichte anfertigen, entstehen Unsicherheiten bei der Verbindung von solchen Angaben zur religio¨ sen Topographie, die theologische Kompetenzen erfordern, und subjektiven Erfahrungen. Peter Sparnau etwa l¨ost dieses Problem in einem Bericht u¨ ber eine Reise von 1385 in der Form, dass er dem profanen Reiseteil, zu dem auch eine regelrechte Buchhaltung z¨ahlt, einen Pilgerf¨uhrer, den er vielleicht vor der Abfahrt erworben hatte, voranstellt. Sparnaus Mitpilger, der wohlhabende Kaufmann und mehrmalige Augsburger B¨urgermeister Lorenz Egen, bel¨asst es in seinem Parallelbericht fast g¨anzlich bei der Aufz¨ahlung der Reliquienst¨atten. Daraus l¨asst sich schließen, dass im 14. Jahrhundert f¨ur reisende Laien eine schriftliche Dokumentation zwar zur Agenda einer Pal¨astinareise geh¨ort, diese aber nur f¨ur die private memoria gedacht war und deren Ausgestaltung individuellen Pr¨aferenzen unterlag. Dies a¨nderte sich ab dem zweiten Drittel des 15. Jahrhunderts, als mit dem Anschwellen des Pilgerstroms ins Heilige Land auch die Zahl der Reiseberichte zunahm. Zwar werden noch immer Berichte anonym u¨ berliefert, aber f¨ur die meisten Autoren oder Auftraggeber ist die Namensnennung jetzt unverzichtbar. In der Regel sind die Autoren Adlige oder Patrizier, seltener erscheinen Geistliche, von denen allerdings die literarisch und inhaltlich bedeutendsten Werke stammen. F¨ur diese kleine Schicht wurde im 15. Jahrhundert eine Wallfahrt nach Jerusalem geradezu zu einer den Status absichernden Reputationspflicht; sie wurde in der Regel als Gruppenreise von mehreren Adligen gemeinsam als Schifffahrt von Venedig aus angetreten, war eine Mischung aus Glaubenszeugnis, Abenteuer- und Bildungsreise. Deswegen zielte eine deutlich u¨ ber Itinerar und Ablassverzeichnis hinausgehende Dokumentation der Reise von Anfang an auf ein gr¨oßeres Publikum. Da oft literaturkundige Gelehrte f¨ur die Abfassung

des Berichts herangezogen wurden, a¨nderte sich der Charakter der Texte, das Gelehrsamkeitsniveau nahm ebenso zu wie die Tendenz zur enzyklop¨adischen Beschreibung der durchreisten Gegenden und zur anspruchsvollen rhetorisch-¨asthetischen Aufbereitung. Im Einzelfall sah dies so aus, dass die Autoren an ihren Jerusalembesuch eine Tour zum Katharinenkloster und von dort an den Nil und nach Kairo anh¨angten, hierbei vor allem ihre naturkundlichen und ethnologischen Beobachtungen festhielten und den Rezipienten mit der Alterit¨at der arabisch-islamischen Kultur konfrontierten. Damit sahen sie sich a¨ hnlich wie die Ostasienreisenden implizit mit dem Vorwurf konfrontiert, nicht aus religio¨ sen Gru¨ nden, sondern zur Befriedigung einer profanen Neugier zu reisen. Eine solche Suche nach den Wundern der Welt verfiel dem theologischen Verdikt der curiositas, einer Spielart der superbia, die den Menschen von der Sorge um sein jenseitiges Heil ablenkt und ihn nach einer Erkenntnis streben l¨asst, die ihn in Konflikt mit der geoffenbarten Wahrheit der Kirche bringen kann. Bei den ca. 160 Pal¨astinaberichten, die bis 1500 u¨ berliefert sind, lassen sich regionale Schwerpunkte ausmachen wie in Su¨ ddeutschland Schwaben und die Reichsstadt N¨urnberg. Gemeinsame Pilgerreisen N¨urnberger Patrizier sind bereits seit 1428 belegt, als Peter Rieter, Gabriel Tetzel und (vermutlich) Kon¨ eine Wallfahrt nach rad Paumgartner d. A. Santiago de Compostela unternahmen, denen Rieter und Tetzel 1436/37 eine Reise ins Heilige Land folgen ließen. Auch auf dieser Reise wurden sie von anderen N¨urnberger Patriziern begleitet, unter denen J¨org Pfinzing war, der schon 1440 erneut ins Heilige Land aufbrach und beide Reisen in einem umfangreichen Reisebericht verarbeitete, sich dabei aber nicht auf seine eigene literarische Kompetenz verließ, sondern sich großzu¨ gig bei den Reiseberichten Hans Lochners und Hans’ von der Gruben bediente. 1479/80 findet sich erneut eine patrizische Reisegesellschaft aus N¨urnberg zusammen. Neben Angeh¨origen XI

der H¨auser Rieter und Pfinzing reist jetzt auch Hans Tucher mit, der f¨ur seinen Bericht den Rieterschen und den des Martin Ketzel verwertet hat. Der Tuchersche Text ist der bislang ausf¨uhrlichste deutschsprachige Reisebericht, der nicht nur ein pr¨azises Itinerar enth¨alt, das in Art eines Tagebuchs genau alle Erlebnisse verzeichnet, vor allem aber mit einer Vielzahl von kultur- und naturkundlichen Beobachtungen aufwartet und pers¨onliche Bewertungen mit einf¨ugt. Dem Islam und den Einwohnern des Heiligen Landes begegnet Tucher zwar kritisch, wenn er ihnen mangelhafte Verwaltung der eroberten Gebiete vorwirft, aber insgesamt h¨alt er sich mit Kritik auffallend zuru¨ ck. Tucher reagiert bereits auch auf die Vorbehalte gegen derartige Fernreisen, wenn er im Vorwort sich gegen den Vorwurf zur Wehr setzt, nicht etwa aus Glaubens¨uberzeugung, sondern aus Neugierde, Fernweh und wegen des Prestigegewinns gereist zu sein. Dementsprechend verzichtet er weitgehend auf eine Wiedergabe jener Mythen und fabelhaften Erz¨ahlungen, die sich sonst in der Pal¨astinatradition finden, hebt dagegen auf die Autopsie ab und l¨asst in seiner Suche nach ‹Wahrheit› einen wissenschaftlichen Anspruch erkennen. Gleichzeitig will er aber durch den subjektiven Stil unterhalten, und dies l¨asst darauf schließen, dass sein Werk, obwohl in der Vorrede nur bescheiden als Pilgerf¨uhrer bezeichnet, von Anfang an f¨ur den Druck bestimmt war. Zu erkl¨aren ist diese Strategie mit der Bibliophilie Tuchers und seiner T¨atigkeit als Vorstand der N¨urnberger Ratsbibliothek, die er durch wichtige Ank¨aufe erweitert hatte. Tuchers Reisebericht, der in 13 Handschriften u¨ berliefert ist, stieß auch als Druck auf großes Interesse; den ersten beiden Auflagen durch Johann Sch¨onsperger (Augsburg 1482) folgte noch im selben Jahr die des N¨urnberger Druckers Konrad Zeningers. Insgesamt z¨ahlt man bis 1488 neun Auflagen. Tuchers Bericht ist auch f¨ur die Buchgeschichte von Belang, weil man hier die einzelnen Stadien von der Entstehung der ersten Reinschrift, die Tucher XII

erst zu Hause angefertigt hat, u¨ ber die verschiedenen Korrekturschritte bis zur Druckvorlage nachvollziehen kann (Herz). Ein Beispiel f¨ur den bedenkenlosen Umgang mit der literarischen Tradition stellt ein Reisebericht dar, der aufgrund des Incipits dem N¨urnberger Patrizier Gabriel Muffel zugeschrieben wird. Muffel, dessen Aufenthalt 1465–1467 im Heiligen Land gar nicht gesichert ist, hat den Reisebericht des Franziskaners Niccol`o da Poggibonsi u¨ bersetzt oder ¨ mit u¨ bersetzen lassen und die Ubersetzung 140 Federzeichnungen erg¨anzt. Muffels Plagiat ist ein Beleg daf¨ur, dass f¨ur die N¨urnberger Patrizier ein Bericht u¨ ber die Reise ins Heilige Land zu den unabdingbaren ‹Erinnerungsst¨ucken› geh¨orte, die neben anderen Memorabilien dem Familienarchiv beigef¨ugt werden musste. Bei den Rietern wurde die Jerusalemwallfahrt und deren Dokumentation f¨ur die Haus¨uberlieferung zu einer Familientradition. Die Pilgerfahrt ins Heilige Land, der dort zu erhaltende Ritterschlag sowie der Bericht daru¨ ber fungierte offenbar als Distinktionskriterium in der innerst¨andischen Reputationskonkurrenz, dem man bei eigener Inkompetenz durch einen Ru¨ ckgriff auf fremdes Gedankengut entsprach. In die skizzierte Typologie lassen sich die meisten Pal¨astinaberichte des 15. Jahrhunderts einordnen, wobei auch individuelle Besonderheiten zu beobachten sind. So verfertigt der hessische Adlige Girnand von Schwalbach u¨ ber seine Reise von 1440 einen unikal u¨ berlieferten Bericht, der, offenbar prim¨ar als Pilgerhandbuch gedacht, unter den n¨utzlichen Hinweisen f¨ur die Reiselogistik die H¨ohe der zu zahlenden Trinkgelder vermerkt. In Schwalbachs Reisegesellschaft befand sich auch der Schweizer Ludwig von Diesbach, dessen Geschlecht gerade in den Adelsstand aufgestiegen war, und der den neuen Status offenbar durch eine Pilgerreise ans Heilige Grab repr¨asentativ best¨atigten wollte. Dazu war eine Dokumentation vonn¨oten, die er durch den K¨olner Goldschmied Hans von der Gruben anfertigen ließ. Auch Ludwigs Sohn

Wilhelm und sein Neffe Nikolaus unternahmen 1467 eine Pilgerfahrt nach Jerusalem, die ebenfalls Hans von der Gruben aufgezeichnet hat. Der Zwickauer Patrizier Hans von Mergenthal verfasste im Auftrag Herzog Albrechts von Sachsen einen Bericht u¨ ber eine gemeinsame Jerusalemreise (1476), dessen Besonderheit in der Verkn¨upfung der repr¨asentativen Funktion – so werden die dem Herzog auf der Reise erbrachten Ehrbezeugungen ausf¨uhrlich erw¨ahnt – mit einer subjektiven und lebhaften Beschreibung der unterwegs von den Reisenden zu erduldenden Molesten besteht. Ein weiterer Beleg f¨ur die Zunahme der repr¨asentativen Motive ist der Bericht Georgs von Gumppenberg, der 1483/84 anl¨asslich einer großen Wallfahrt schw¨abischer Adliger (mit 71 Teilnehmern und f¨unf Parallelberichten) entstanden ist, und in dem Bilder der Wappen der Mitreisenden aufgenommen worden sind. In allen diesen F¨allen sind die Berichte als Teil der memoria eines Geschlechtes angelegt, teilweise nur unikal und im Kontext anderer Reiseberichte der Familie u¨ berliefert, erf¨ullen sie aber nur geringe literarische Anspr¨uche. Anders verh¨alt es sich hingegen mit den zeitgen¨ossischen Reiseberichten, die eine deutliche N¨ahe zu der gerade entstehenden Gattung der Autobiographie haben. So hat der schw¨abische Adlige Georg von Ehingen eine Reise zu den wichtigsten Pilgerst¨atten in seine Reise nach der Ritterschaft integriert und der niederrheinische Ritter Arnold von Harff verfasst einen umfangreichen Bericht, in dem neben den Reisen zu den drei großen Pilgerzielen der Christenheit auch ¨ eine durch Agypten, Nubien, Vorderindien, Ceylon und Madagaskar f¨uhrende beschrieben wird. Arnolds Werk, das mit Federzeichnungen illustriert wurde, bietet einen ungew¨ohnlich großen Informationsgehalt und entspricht damit schon eher dem Typus einer L¨anderbeschreibung als dem eines Reisef¨uhrers. Arnold kompiliert sein Werk aber nicht nur aus zahllosen Quellen und maßt sich dabei ohne jeden Skrupel authentische Erfahrungen an, die er sich in Wahrheit aus

der Literatur geborgt hat, sondern scheint dies selbst zu reflektieren, wenn er sich zweimal im Text explizit als Dichter bezeichnet. Mit dem Werk wollte Arnold laut der Widmung nicht die eigene Lebensleistung dokumentieren und verherrlichen, sondern sich seinem Herrn, Herzog Wilhelm IV. von J¨ulich, erkenntlich erweisen. Die bedeutendsten Reiseberichte des 15. Jahrhunderts stammen indessen von zwei Geistlichen, dem Mainzer Domherrn Bernhard von Breidenbach und dem Ulmer Dominikaner Felix Fabri. Bernhard und zeitweilig auch Felix Fabri nahmen an einer großen Pilgerreise deutscher Adliger in den Jahren 1483/84 ins Heilige Land teil, von der außerdem noch Reiseberichte Walter Guglingens, Georgs von Gumppenberg und Konrad Becks u¨ berliefert sind. Bernhard plante wohl von Anfang an eine publizistische Verarbeitung der Reise, da er in seinem Gefolge den Utrechter Drucker und Zeichner Erhard Reuwich mitnahm. Die daraus entstandene Peregrinatio in terram sanctam erschien zeitgleich 1486 mit einer deutschen Fassung. Das Werk wurde ein europ¨aischer Erfolg: Bis zum Ende des 15. Jahrhunderts erschienen mindestens 18 Druckausgaben; es wurde bis ins 18. Jahrhundert in ca. 40 weiteren Ausgaben verlegt und in mehrere europ¨aische Sprachen u¨ bersetzt, etwa ins Niederl¨andische, Franzo¨ sische und Spanische. Der episierende Bericht regt die Phantasie des Publikums an und ist auf einem sprachlich-¨asthetisch hohem Niveau geschrieben; die 17 bzw. 18 Holzschnitte und sieben großformatige Ansichten machen das Werk zu einem visuell-¨asthetischen Ereignis, das allein von der Ausstattung her gesehen nicht mehr nur als Pilgerf¨uhrer – einen solchen hatte Bernhard separat f¨ur den Grafen Ludwig von Hanau-Lichtenberg schon 1484 verfasst – gedacht war, sondern erkennbar auf ein Publikum zielte, welches die Reise ins Heilige Land nicht selber vollziehen konnte, aber trotzdem eine pr¨azise und anschauliche Schilderung der geographischen, naturkundlichen und kulturellen Gegebenheiten im Heiligen XIII

Land besitzen wollte. Der Grund f¨ur das Interesse ko¨ nnte gewesen sein, dass am Ende des 15. Jahrhunderts die Frage nach der Ru¨ ckgewinnung des Heiligen Landes im Kontext der sp¨atmittelalterlichen Krise von Kirche und Reich zum Gegenstand des politischen Diskurses geworden war. Die Peregrinatio ist ein hybrides Werk, das sich gleichermaßen zur Vorbereitung einer solchen Reise eignete, dem spirituell-religi¨os orientierten Menschen eine visuelle und literarische Begegnung mit den St¨atten der Heilsgeschichte erm¨oglichte, und mit aktuellen Informationen u¨ ber Religion, Kultur und Regiment der Araber aufwartete. Das eigentliche Ziel des Werkes artikuliert Bernhard im Vorwort als Aufforderung zu einem neuerlichen Interesse an Jerusalem, das letztlich in einer neuen Kreuzzugsbewegung mu¨ nden und zur Wiedereroberung des Heiligen Landes f¨uhren sollte. Eine dreifache Klage u¨ ber den Orient, die vermutlich von dem Pforzheimer Theologen Martin Roth herru¨ hrt, bildet das agitatorische Mittelst¨uck der Peregrinatio. Dort wird mit der Theologie des Islam abgerechnet und der in seine Fehden verstrickte deutsche Adel zum Heiligen Krieg gegen die Mohammedaner, deren Lebensweise in keinem anderen Reisebericht so diskreditiert wird, herbeibefohlen. Eine Ru¨ ckeroberung des Heiligen Landes erscheint als Instrument, den zerstrittenen deutschen Adel zu vereinen und eine Reformation der Kirche u¨ ber den Kreuzzuggedanken zu erzwingen. Im Itinerarteil der Peregrinatio werden die Gefahren der Reise systematisch heruntergespielt und mittels der heilsgeschichtlichen Topographie der Eindruck erweckt, als ob man sich in Pal¨astina auf a¨hnlich vertrautem Boden bewegen ko¨ nne wie in der Heimat. F¨ur diese These spricht, dass das Interesse an der Peregrinatio mit dem Beginn der Reformation in Deutschland schlagartig nachließ, ¨ wohingegen es in seiner italienischen Ubersetzung im 16. Jahrhundert zahllose Ausgaben erlebte. XIV

W¨ahrend Bernhard von Breidenbach h¨ochst divergente Intentionen in einem einzigen Werk unterzubringen versuchte, hat der Ulmer Dominikaner Felix Fabri seine beiden Pal¨astinareisen in vier v¨ollig unterschiedlichen Texten verarbeitet. In dem nur handschriftlich u¨ berlieferten lateinischen Evagatorium hat er in elf Traktaten seine Erlebnisse auf den beiden Reisen ins Heilige Land (1480 u. 1483–84) zusammen mit einer profunden Kenntnis der Bibel und der sonstigen Pilger- und Reiseliteratur niedergelegt. Anders als bei Bernhard, der ja explizit zur Pilgerreise aufgerufen hat, will Fabri mit seinem Evagatorium eine solche Reise geradezu u¨ berfl¨ussig machen. Aus die¨ sem Grund arbeitet er mit einer Uberzeichnung der Gefahren; er versucht das Werk zu einem Unterhaltungsgenuss zu machen, indem er zahlreiche Anekdoten und witzige Begebenheiten einf¨ugt. Das Evagatorium richtet sich vor allem an seine gelehrten Mitbru¨ der, die – offenbar von der neuen Begeisterung f¨ur das Heilige Land ergriffen – jetzt vermehrt zu Pilgerreisen aufbrechen wollen. Dieser aus Sicht Fabris f¨ur den Orden gef¨ahrlichen Tendenz will er mit seinem ausf¨uhrlichen Werk entgegenwirken. Auch f¨ur Nonnen schreibt Fabri 1492 einen deutschen Reisebericht, der unter dem Titel Geistliche Pilgerfahrt oder Sionpilgerin die Reise nach Jerusalem so detailliert schildert, dass sie vom Rezipienten sehr genau nachvollzogen werden kann. Freilich wollte Fabri nur die Pilgerschaft der Ordensmitglieder verhindern, wohingegen er in seiner 1484 verfassten deutschen Reisebeschreibung, einer Kurzfassung des Evagatoriums, den deutschen Adel explizit zur Pilgerfahrt aufruft. Dieses Werk, das 1486 in einem Mainzer und 1490 in einem Speyerer Druck erscheint, verzichtet auf die ausf¨uhrlichen Beschreibungen von Natur und Kultur des Heiligen Landes und hat vielleicht auch deswegen nie die Resonanz der Berichte Tuchers und Bernhards erreicht. Fabri ko¨ dert sein adliges Publikum auch damit, dass er die nicht verschwiegenen Gefahren der Reise zu einer Art ritterlichen Bew¨ahrung umdefiniert.

Noch deutlicher wird dieser Aspekt in dem vierten Werk Fabris, welches er bereits nach der ersten Pilgerfahrt 1480 verfasst hat, in dem er in 1064 Versen einen Lobpreis auf die ‹deutsche Pilgerschaft› ausformuliert und ebenfalls den deutschen Adel zur Nachfolge animieren will: «Literarisch ist das Gedicht der konsequente Versuch, einen Reiseablauf in einen epischen Bew¨ahrungsweg umzuwandeln, was Fabri auch formal durch die Verwendung der Titurelstrophe signalisiert» (Wolf, S. 95).

Weitere Pilgerreiseberichte Dass eine Wallfahrt nach Santiago de Compostela im Sp¨atmittelalter zu einem Massenereignis geworden war, hat sich nicht in ¨ der Uberlieferung entsprechender Santiagoberichte niedergeschlagen. Maßgebend f¨ur die geringe Zahl selbstst¨andiger Reiseberichte du¨ rfte gewesen sein, dass Santiago eher ein Ziel f¨ur die niedrigeren, ‹nicht literaturf¨ahigen› Schichten gewesen ist, dem sowohl die Exklusivit¨at einer Pal¨astinafahrt wie auch die politische Belastung eines Rombesuchs fehlte. Die u¨ berlieferten Reiseberichte beschr¨anken sich weitgehend auf ein Itinerar und wenige kurze landeskundliche Notizen (Arnold von Harff). Der Grund daf¨ur ist aber nur in dem – verglichen mit den Pal¨astinaberichten – geringeren Repr¨asentationswert und Alterit¨atsniveau zu suchen, nicht in dem Fehlen einschl¨agig interessanter Gegenst¨ande. Denn auch hier h¨atte es gen¨ugend berichtenswerte Ereignisse gegeben. Dies belegt der anonyme Liber Sancti Jacobi aus dem 12. Jahrhundert, der ausgiebig jene Anfechtungen und Gefahren aufz¨ahlt, denen der Santiagowallfahrer ausgesetzt war, und der kaum weniger ‹Alterit¨atselemente› enth¨alt als Berichte u¨ ber Reisen ins Heilige Land. Aufgrund der mangelhaften Attraktivit¨at eines Santiagoberichts f¨ur ein literarisch bewandertes Publikum wurde die Thematik frei f¨ur literarische Experimente, die etwa der Mnemotechnik dienten: So hat Hermann K¨unig von Vach (1495), M¨onch des

Servitenordens, einen Pilgerf¨uhrer nach Santiago verfasst, in dem er in 652 paargereimten Versen Tipps f¨ur die Vorbereitung und Durchf¨uhrung der Reise gibt sowie den Verlauf der Pilgerstraße, die Heiligt¨umer und Sehensw¨urdigkeiten unterwegs beschreibt. Der trotz der ungew¨ohnlichen Form erstaunlich detaillierte und pr¨azise Reisef¨uhrer war offenbar von vornherein f¨ur den Druck bestimmt; er traf in seinem gleichermaßen genauen wie literarisch-spielerischen Umgang offenbar den Publikumsgeschmack, da er bis 1521 f¨unf Auflagen erfuhr. Auch die Wallfahrt nach Rom hat relativ wenige selbstst¨andige Reiseberichte hervorgebracht. Zwar haben einige der Jerusalemwallfahrer bei ihrer Reise ins Heilige Land auch Rom einen kurzen Besuch abgestattet, oder die Stadt war wie f¨ur Hans Porner (1424) der Ersatz f¨ur eine ausgefallene Pal¨astinareise, aber als alleiniges Ziel einer Pilgerreise konnte Rom bei Weitem nicht mit dem Faszinosum einer Pilgerfahrt ins muslimische Herrschaftsgebiet mithalten. In den erhaltenen Berichten u¨ ber eine Romwallfahrt beschr¨ankte man sich daher bei der Schilderung des Reiseverlaufs meist auf ein Wegstreckenitinerar, das man mit einigen Beobachtungen und Berichten u¨ ber ungew¨ohnliche Erlebnisse anreicherte, enthielt sich aber in der Regel geographischer und kulturkundlicher Ausf¨uhrungen. Bei der Darstellung des Romaufenthalts stand der Autor vor derselben Situation wie bei der Beschreibung Jerusalems, da auch f¨ur die Ewige Stadt bereits kanonische Texte vorlagen, die man nur in das eigene Werk u¨ bertragen musste – die Mirabiliae Romae, eine bereits seit dem 12. Jahrhundert existierende Textgruppe mit Beschreibung und Erl¨auterung der antiken Bauwerke und Gegebenheiten sowie die Indulgentiae ecclesiarum urbis Romae, Zusammenstellungen der christlichen Kirchen mit den darin zu erhaltenden Abl¨assen. So hat etwa ¨ in seinem Bericht Ludwig von Eyb d. A. ¨ die Ubersetzung einer italienischen Fassung der Mirabiliae eingef¨ugt und Nikolaus Muffel (1452) bel¨asst es gleich ganz bei einer Abschrift XV

der Indulgentiae. Aber es gibt auch Ausnahmen wie den Bericht Arnolds von Harff, der zwar auch die Indulgentiae benutzt, aber durch subjektive Erlebnisse beim zeitlich genau fixierten Besuch der Kirchen Roms anreichert. Der tagebuchartige Charakter dieser Passagen wird von ihm noch verst¨arkt durch einen ausf¨uhrlichen Bericht u¨ ber die Feierlichkeiten der Karund Osterwoche. Wie Hans von Mergenthal erg¨anzt Dietrich von Schachten seinen Rombericht durch die Wiedergabe pers¨onlicher Erlebnisse, die aber einem politischen Ziel folgen: Dietrich will damit die Bevorzugung seines Herrn, des Landgrafen Wil¨ von Hessen, durch andere welthelms d. A. liche Machttr¨ager sichtbar machen und damit dessen Ansehen in der Heimat erh¨ohen. Auch sonst verschiebt sich bei Romberichten das Interesse vom Glaubenszeugnis und der Archivierung der erhaltenen Abl¨asse auf eine politisch-pragmatische Funktion. Insgesamt gesehen interessieren die Autoren der Romberichte die Indulgentiae noch mehr als die Mirabiliae; dies a¨ndert sich erst, als mit dem Niedergang des Ablasswesens und der Entwicklung der humanistischen Bildungsreise die Wiederbegegnung mit der Antike in den Vordergrund tritt. Die Wallfahrten zu den drei großen Pilgerzielen der Christenheit bilden nur einen kleinen Ausschnitt der Pilgerfahrten des wallfahrtsfreudigen Mittelalters. Auch innerhalb Mitteleuropas hatte sich eine Vielzahl regionaler Wallfahrten herausgebildet, die allerdings kaum ihren Niederschlag in Reiseberichten gefunden haben. Eine der Ausnahmen bildet die Pilgerfahrt des Hallenser Patriziers Hans von Waltheym, die ihn von Februar 1474 bis M¨arz 1475 durch Su¨ ddeutschland, die Schweiz und Su¨ dfrankreich f¨uhrte. Wohl schwerlich wird Hans die lange Reise nur aus religio¨ sen Gru¨ nden angetreten haben; vermutet wird, er sollte im Auftrag des th¨uringischen Herzogs nach wallfahrtsstiftenden Reliquien suchen. Daf¨ur spr¨ache, dass im 15. Jahrhundert Wallfahrten l¨angst zu einem Wirtschaftsfaktor geworden waren XVI

und Th¨uringen hier wenig zu bieten hatte. Der von Hans angefertigte Bericht ist jedoch kein zu erwartender Rechenschaftsbericht f¨ur einen Auftraggeber. Er beschreibt die besuchten Orte und bietet eine Reihe von pers¨onlichen Eindru¨ cken, die er mit Informationen aus der ihm zur Verf¨ugung stehenden Literatur nach seiner Ru¨ ckkehr erg¨anzte. Wahrscheinlich war der Bericht zun¨achst als Ged¨achtnisst¨utze f¨ur den Eigengebrauch gedacht, also nicht zum Druck bestimmt. Aber die 225 Bl¨atter umfassende Handschrift ist auch Beleg daf¨ur, dass es zum Anspruchsniveau eines Patriziers geh¨orte, u¨ ber Pilgerfahrten einen Bericht zu verfassen, der die eigene Leistung und Gelehrsamkeit festhielt.

‹Entdeckerberichte› Schon die Antike wusste um die Existenz einer großen Landmasse im Osten, und diese Kenntnis bewahrte das Mittelalter nicht zuletzt durch die Faszinationskraft der Alexanderliteratur. Eine neue Aktualit¨at gewann dieses Wissen im 13. Jahrhundert durch das Vordringen der Goldenen Horde nach Westen, die Niederlage eines deutsch-polnischen Ritterheeres in der Schlacht bei Liegnitz (1241), den Verfall des ostr¨omischen Kaiserreiches und die Expansion der arabischen Reiche. Vor allem die ro¨ mische Kurie suchte im Osten nach Verbu¨ ndeten und verfiel dabei auf den reichlich ku¨ hnen Gedanken, mit den zwar feindlichen, aber nicht islamischen Mongolen ein Bu¨ ndnis abzuschließen. Dazu ben¨otigte man jedoch genauere Kenntnis von den V¨olkern und Reichen im Mittleren und Fernen Osten. Angesichts dieser ‹Leerstelle› im abendl¨andischen Wissensschatz war es nicht verwunderlich, dass sich wahrscheinlich noch im 12. Jahrhundert der Mythos von der Existenz eines m¨achtigen christlichen, von einem Presbyter Johannes regierten Reiches im Osten bildete, der allen Projektionen und Wunschphantasien des europ¨aischen Christentums entsprach. Erstmals erw¨ahnt in

der Chronica sive Historia de duabus civitatibus des Otto von Freising, fand der Mythos seine literarische Auspr¨agung anhand eines gef¨alschten Briefes, den der Priesterko¨ nig 1165 an den byzantinischen Kaiser Manuel I. Kommenos gerichtet haben soll und in dem sein Land – mit den darin zu findenden mirabiliae mundi – und die Grundlage seiner Herrschaft ausf¨uhrlich beschrieben sind. Beweis seiner Macht sind 72 tributpflichtige K¨onige. Durch die Erw¨ahnung all jener Fabelgestalten (Faune, Pygm¨aen, Hundsko¨ pfige etc.), die seit der Antike den Osten bev¨olkerten, wird die Wahrheit der Darstellung untermauert. Der Brief des Priesters Johannes wurde zu einem der wirkungsm¨achtigsten Texte der mittelalterlichen Literaturgeschichte: In seiner lateinischen Fassung (Epistola presbiteri Johannis) ist er in ca. 100 Handschriften u¨ berliefert, hinzu kom¨ men zahlreiche Ubersetzungen ins Franzo¨ sische und Deutsche; der Stoff fand Eingang in Wolframs Parzival und in Albrechts Der j¨ungere Titurel. Der Brief des Priesters Johannes verfehlte seine Wirkung auch auf die ro¨ mische Außenpolitik nicht. Als Papst Innozenz IV. Johannes de Plano Carpini 1245 zum Großkhan der Mongolen entsandte, um die Chancen eines Bu¨ ndnisses gegen die Araber auszuloten, war damit auch der Geheimauftrag verbunden, Informationen u¨ ber das Reich jenes Priesters Johannes einzuziehen. Weder damit noch mit seiner diplomatischen Aufgabe hatte der Emiss¨ar Erfolg, jedoch erzielte er mit seiner Historia Mongalorum, die in mehreren Handschriften u¨ berliefert ist, eine erhebliche Resonanz, die auch in der Aufnahme seiner Beobachtungen in das Speculum historiale des Vinzenz von Beauvais ihren Ausdruck fand. In der Folge entstanden weitere einflussreiche Ostasienberichte, so das Itinerarium des im Auftrag des franz¨osischen K¨onigs Ludwig IX. zum Großkhan der Mongolen reisenden Franziskaner Wilhelm von Rubruk, der viele Details u¨ ber Kultur und Religion der Mongolen berichtete, und der in u¨ ber 100 Handschriften u¨ berlieferte Bericht Odoricos de Pordenone, der zwischen 1322

und 1330 eine ausgedehnte Missionsreise nach Indien, Sumatra, Borneo und China unternahm. Besonders Odoricos Bericht, der durch Konrad Steckel 1359 ins Deutsche u¨ bersetzt wurde, wirkte nachhaltig auf die Vorstellung Europas vom Osten ein; er wird an Bedeutung nur u¨ bertroffen von dem 1298 verfassten Reisebericht Marco Polos. Dessen Il milione nimmt ebenfalls den Mythos vom Priesterko¨ nig Johannes und andere aus der Alexandertradition bereits bekannte Vorstellungen auf, berichtet wird von Fabelwesen der Literatur, als h¨atte Marco Polo sie selbst gesehen. Der Grund du¨ rfte auch dort das Bestreben gewesen sein, den Wahrheitsanspruch des gesamten Werks zu untermauern. Dies schien notwendig, weil darin nun tats¨achlich Fakten wie die Existenz von Papiergeld in China oder die ausschweifenden Feiern am mongolischen Hof mitgeteilt wurden, die so nicht aus der ¨ Uberlieferung bekannt waren. Die trotz aller literarischen Adaptationen von Marco Polo eingeleitete Entmystifizierung des Ostens hat seiner Glaubw¨urdigkeit bei den Zeitgenossen zwar geschadet, weil er sich zu sehr von den Asienmythen entfernte, aber nicht dem Interesse an seinem Bericht, der in u¨ ber 150 Handschriften und zahlreichen Fru¨ hdrucken u¨ berliefert ist. Diese intensive Rezeption ist allerdings auch den ausgefeilten Narrativierungsstrategien des Textes zuzuschreiben, die vermutlich dem Mitautor, Rusticello de Pisce, der sich als Fazetienautor bereits einen Namen gemacht hatte, zu verdanken sind. Die ¨ deutsche Ubersetzung von Il milione setzt erst im 15. Jahrhundert ein und ist vergleichsweise schmal. Der erste deutschsprachige Orientbericht, der zum großen Teil auf eigener Anschauung beruhen du¨ rfte, ist um 1345 von einem anonymen Autor verfasst worden, der wahrscheinlich aus dem Raum K¨oln stammt und m¨oglicherweise als Kaufmann im Nahen Osten war. Dieser mit 72 Bl¨attern recht umfangreiche Niederrheinische Orientbericht folgt nicht der Itinerarform, sondern einer systematischen Struktur: Von Jerusalem ausgehend, XVII

bietet der Autor eine nach den vier Himmelsrichtungen geordnete Beschreibung der umliegenden L¨ander, wobei er sich insbesondere mit den o¨ konomischen Strukturen, der Flora und Fauna sowie mit der Kultur der durchreisten L¨ander befasst. Auch er benutzt die vorhandene Orientliteratur, wie Pal¨astinaberichte und den Mythos vom Priester Johannes. Der darin enthaltene Bericht u¨ ber eine Reise zum Großkhan der Mongolen kann nicht auf Autopsie beruhen, sondern schreibt g¨anzlich die einschl¨agige Literatur aus. Insofern dominiert auch hier trotz der eigenen Erfahrung das bekannte Muster der Kompilation des aktuellen enzyklop¨adischen Wissens. Angesichts eines noch ganz mittelalterlichen Quellenverst¨andnisses, das die Wahr¨ haftigkeit einer Darstellung von der Ubereinstimmung mit den Angaben in der Bibel oder in einer irgendwie kanonisch gewordenen Tradition macht, verwundert es nicht, dass der am h¨aufigsten u¨ berlieferte und rezipierte Reisebericht des Sp¨atmittelalters wahrscheinlich ganz ohne eine authentische Erfahrung seines Autors verfasst worden ist und im Grund nur eine geschickte Kompilation verschiedenster Quellen darstellt. Die unter dem Pseudonym Jean de Mandeville in der zweiten H¨alfte des 14. Jahrhunderts verfassten Voyages geben sich am Anfang als Bericht u¨ ber eine Pilgerfahrt zum Heiligen Grab aus und bieten im zweiten Teil den Bericht u¨ ber eine Entdeckungsreise in den Mittleren Osten, nach Afrika und China. Der a¨ußerst belesene Autor sch¨opft aus der gesamten antiken und mittelalterlichen ‹Orientliteratur›, darunter die Reiseberichte Carpinis, Rubruks, Marco Polos und Odoricos de Pordenone sowie der unverzichtbare Brief des Priesterko¨ nigs Johannes; auch der Pal¨astinabericht Wilhelm von Boldenseles, die Alexandertradition, ja sogar Motive aus der Artusliteratur sind mit eingeflossen. Der große Erfolg (ca. 280 Hand¨ schriften, zahlreiche Ubersetzungen, darunter ca. 90 deutsche und niederl¨andische Textzeugen) des bald durch Otto von Diemeringen (Ende 14. Jh.) und Michael Velser (um XVIII

1393) auch ins Deutsche u¨ bersetzten und Anfang der 1480er Jahre gedruckten Werkes beruht auf der Einsch¨atzung, dass Wissensdurst und Neugierde (curiositas) des Publikums nur auf der Basis des bereits durch die literarische Tradition Verifizierten befriedigt werden ko¨ nnen. Diese an sich paradoxe Konstellation erkl¨art sich dadurch, dass die curiositas auch am Ende des Mittelalters immer noch in einem Spannungsverh¨altnis zur Theologie steht. Nur indem man sich auf akzeptierte und breit tradierte christliche Autoren bezieht, ger¨at man nicht in Konflikt mit einem religi¨osen Weltbild, das keinen Platz f¨ur Innovationen kennt. Offenbar wollten die Rezipienten eine Art von kontrollierter curiositas, die sie nicht in ihrem Weltbild irritierte. In diesem Weltbild durften weder Antipoden und Einf¨ußler, die sich mit ihrem u¨ berdimensionalen Fuß Schatten spenden konnten, noch Amazonen fehlen. Maßstabgebend waren die Voyages vor allem auch aufgrund ihrer a¨ sthetischen Anspru¨ chen gen¨ugenden, fl¨ussigen narrativen Gestaltung, hinter der eine Kritik der Logik oder Realit¨atspru¨ fungen – Mandeville macht erst vor den Toren des Paradieses halt – zur¨uckstehen. Symptomatisch f¨ur das Verfahren der Voyages ist auch, dass fiktive Erz¨ahlungen durch fiktive Realit¨atsbeweise gest¨utzt werden: So gibt der Autor als Beleg f¨ur die Existenz fremder V¨olker, die er besucht haben will, fiktive Alphabete ihrer Sprache in seinem Text wieder. Der Einfluss der Voyages auf das Weltbild des Sp¨atmittelalters und der Fru¨ hen Neuzeit kann schwerlich u¨ bersch¨atzt werden, es haben unz¨ahlige Autoren daraus abgeschrieben und Christoph Kolumbus sah sich wahrscheinlich durch die in den Voyages enthaltene Annahme von der Kugelgestalt der Erde in seiner Absicht best¨atigt, westw¨arts die Gew¨urzinseln erreichen zu ko¨ nnen. Mit dem Vordringen der Osmanen auf den Balkan nahmen nicht nur die kriegerischen Konflikte zu, sondern auch das Interesse an deren Staatsform und Kultur. Daraus entstand die eigene Textsorte der T¨urkeiberichte, die ero¨ ffnet wurde durch Johannes Schiltberger,

der im Alter von 16 Jahren nach der Schlacht von Nikopolis (1396) in osmanische Gefangenschaft geraten und im Dienste wechselnder Herren 30 Jahre lang im Vorderen Orient verblieben war. Auch dieser um 1427 entstandene Bericht, von dem wenigstens sieben Handschriften und ab 1473 zahlreiche Drucke bekannt sind, ist kein durchgehender ‹Reisebericht› oder gar eine Autobiographie; die insgesamt 67 Kapitel sind eine Kompilation verschiedener Orienttexte, die im Rahmen g¨angiger Rezipientenerwartungen bleibt. In den ersten drei Kapiteln erz¨ahlt Schiltberger vom Aufbruch des Heeres und der Niederlage von Nikopolis, in den elf folgenden berichtet er von den Kriegszu¨ gen des Sultans und seiner anderen Herren; das eigentliche Itinerar beginnt erst mit Kapitel 28. Danach folgt eine Beschreibung wichtiger Orte, darunter auch ¨ denen des Heiligen Landes; Uberlegungen zur Religionsgeschichte, zur Linguistik und verschiedenen Hochzeitsbr¨auchen schließen sich an. Auff¨allig ist, dass in einzelnen Kapiteln – auch in dem Gefangenschaftskomplex – die Ich-Form fehlt. Schiltberger verarbeitet literarische Elemente, wie die Erz¨ahlung von der Sperberburg, und ist sichtbar bem¨uht, seine eigenen Erlebnisse spannend und mit Emphase wiederzugeben – so etwa in der herzzerreißenden Schilderung der T¨otung der gefangenen Christen nach der Schlacht von Nikopolis. Insofern befriedigt der Text all jene Anforderungen, die an die Reiseberichte im 15. Jahrhundert gestellt werden: Er vermittelt einerseits Wissen zur Religion, Geographie, Historie und Naturkunde der fremden L¨ander, vermischt dies mit emotionalisierenden Details und beglaubigt alles durch eigene Erfahrung und Betroffenheit. Welche Bedeutung Schiltbergers Werk erreicht hat, schl¨agt sich in einem Codex nieder, den der bayerische Herzog Albrecht III. hat anlegen lassen, und in dem neben dem Bericht Schiltbergers die Voyages Jean de Mandevilles, Odoricos de Pordenones sowie die Meerfahrt des St. Brandan enthalten sind.

Das geographische Pendant zu Mandevilles fabelhafter Orientreise bietet die Navigatio S. Brendani. Der Stoff, der bis auf das 9. Jahrhundert zuru¨ ckgeht, berichtet von einer Reise des Heiligen, der mit zw¨olf Gef¨ahrten von Irland aus nach Westen segelte. Unterwegs begegnet man den Sirenen, einem Riesenfisch, der sich nachtr¨aglich als Insel entpuppt, und anderen aus der antiken und biblischen Tradition bekannten Ph¨anomenen. Schließlich gelangen die Seefahrer an die Grenze des Paradieses, das dort nicht wie sonst u¨ blich im Osten, sondern im Westen liegt. Bis ins 15. Jahrhundert in u¨ ber 120 Handschriften bezeugt, hielt die Navigatio die Vorstellung von der Existenz von Inseln im Atlantik wach, einer Vorstellung, die auch schon durch die altisl¨andischen Sagas tradiert worden war. Der Text der Navigatio wurde in verschiedene europ¨aische Sprachen u¨ bersetzt; eine erste deutsche Version, die sogenannte Reise des heiligen Brandan, du¨ rfte um die Mitte des 12. Jahrhunderts im mittelfr¨ankischen Dialekt verfasst worden sein. Aus dieser heute verlorenen Version gingen eine deutsche und eine niederl¨andische Versfassung sowie eine deutsche Prosaaufl¨osung des 15. Jahrhunderts hervor. Im Vergleich mit der Navigatio hat die Reisefassung eine gru¨ ndliche, erweiternde Umarbeitung erfahren, nur etwa die H¨alfte der berichteten Episoden geht auf die Navigatio zuru¨ ck. Neu ist vor allem die Rahmenerz¨ahlung der Reisefassung, in der Brandan in einem Buch von verschiedenen Wundern der Sch¨opfung liest, an deren Wahrheitsgehalt er jedoch zweifelt und deshalb das Buch ins Feuer wirft. Da erscheint ein Engel Gottes und befiehlt ihm, eine Reise zu unternehmen, auf der er sich durch Autopsie von der Wahrheit der Schrift u¨ berzeugen muss. Derartig bekehrt, l¨asst Brandan alle gesehenen Wunder aufschreiben und bringt nach der Ru¨ ckkehr das Buch in sein Kloster. Wie bei Mandeville lebt das Werk von der Verkn¨upfung von literarischen Zeugnissen mit der biblischen und antiken Tradition und dem Wechsel von mythischen Inhalten und realistischen Szenarien. Auch die Narrativierung des Berichts als eines XIX

pers¨onlichen Bew¨ahrungsweges du¨ rfte dem Zeitgeschmack entsprochen haben. Auff¨allig ist, dass Brandans Reise als so realistisch empfunden wurde, dass einige der von ihm ‹entdeckten› Inseln den Weg in die mittelalterliche Kartographie fanden. Der Brandanstoff sorgte auch daf¨ur, dass die allgemeine Vorstellung, wonach sich jenseits des Atlantiks Monstren bzw. das Inferno bef¨anden, nicht unwidersprochen blieb, weil die Reise gezeigt hatte, dass man auch dort mit Gottes Hilfe u¨ berleben ko¨ nnte. Als Teil des europ¨aischen kulturellen Ged¨achtnisses war Christoph Kolumbus sicher die Navigatio bzw. die Brandanlegende bekannt. Seine Entdeckung der Neuen Welt hat zwar unter den europ¨aischen Gelehrten große Aufmerksamkeit gefunden und dementsprechend schon 1493 zu einem lateinischen und spanischen Druck seines Briefes an den ko¨ niglichen Schatzmeister, Luis de Sant´agel, gef¨uhrt, aber die 1497 gedruckte ¨ deutschsprachige Ubersetzung des Kolumbusbriefes fand offenbar nur wenig Resonanz. Da der lateinische Brief in Deutschland jedoch verbreitet war, l¨asst sich daraus schließen, dass sich Berichte u¨ ber ‹wirkliche› Entdeckungsfahrten noch dem Interesse eines nur volkssprachigen Publikums entzogen. Allerdings ¨ rechnet der unbekannte deutsche Ubersetzer mit Kritik an den Behauptungen des Kolumbus, der nach der von Mandeville her bekannten Technik Elemente der antiken Literatur einstreute, um die Evidenz seiner Schilderung zu belegen. Neben den Amazonen tauchen Menschen mit Schw¨anzen auf, ohne dass aber Kolumbus seine antike Referenz erw¨ahnt. ¨ Eben dies holt jetzt der deutsche Ubersetzer in einer Anmerkung nach, in der er Ptolem¨aus als Glaubw¨urdigkeitszeugen erw¨ahnt. Auch am Schluss des Briefes verweist er nochmals auf Ptolem¨aus und Plinius, um sich gegen den Verdacht zu sch¨utzen, hier nur ein erdichte fabel zu pr¨asentieren. Im deutschen Druck wirkt demnach das kirchliche curiositas-Verbot nach und wird durch den Rekurs auf die antike kosmographische Tradition unterlaufen. Dies ist XX

insofern erstaunlich, als Kolumbus jetzt dem Publikum selbst den Autopsiebeweis durch die mitgebrachten Eingeborenen und unbekannten Gegenst¨ande erm¨oglicht hat. Auch eine andere Reminiszenz an die Ostasienberichte enth¨alt der Kolumbusbrief: Selbst wenn die Eingeborenen offenbar nicht als neue Verb¨undete gegen den Islam taugen, schwingt in der ent¨ sprechenden Uberlegung noch etwas von den Hoffnungen f¨ur die Christenheit mit, die einst der Brief des Priesters Johannes ero¨ ffnet hat.

Sonstige Reiseberichte F¨ur die Entwicklung des deutschsprachigen Reiseberichts ebenfalls von Belang, wenngleich bisher von der Forschung noch wenig beru¨ cksichtigt, sind Berichte u¨ ber innereurop¨aische Reisen, denen ein ausschließlich profaner Anlass zugrunde liegt. Diese Berichte, die zwar in der Tradition der Itinerare der deutschen ‹Reiseko¨ nige› stehen, aber dann auch deutlich u¨ ber eine reine Registratur des zuru¨ ckgelegten Wegs hinausgehen, unterliegen ganz anderen Authentizit¨atskriterien als die bisher beschriebenen Reiseberichte, da ¨ der Autor immer mit der Uberpr u¨ fung seiner Angaben durch den Rezipienten rechnen musste. Daraus allein l¨asst sich schon der Verzicht auf unrealistische Ereignisse erkl¨aren, aber nicht das weitgehende Desinteresse der Autoren an einer Narrativierung der Reiseerfahrung, an Belehrung oder Vermittlung natur- und kulturkundlicher Informationen oder an der Verwertung literarischer Quellen. An deren Stelle tritt die Selbstdokumentation der eigenen Lebensleistung. Dies kann in einer sehr n¨uchternen Darstellung geschehen, wie bei dem B¨urgermeister Eygil von Sassen, der seine wichtigsten Amtsreisen schriftlich festhielt. Erhebt der Autor einen doch daru¨ ber hinausgehenden Reflexionsanspruch, dann u¨ berpru¨ ft er die von ihm auf der Reise wahrgenommene Realit¨at mit den ihm vorher bekannten Fakten. Zahl und Verbreitung dieser Berichte u¨ ber innereurop¨aische Reisen ist

insgesamt nicht groß, da sie nur einen sehr begrenzten Rezeptionshorizont hatten und entweder f¨ur einen Auftraggeber oder als Teil der eigenen Erinnerungskultur angelegt waren. Dennoch sind sie f¨ur die Entwicklung der Gattung von Bedeutung, weil jetzt auch der (Berufs-)Alltag einer Dokumentation w¨urdig erscheint. Insofern sind diese Berichte auch Beleg f¨ur die zunehmende Dokumentation des Banalen. Freilich gibt es unter diesen Texten auch solche, in denen bedeutende Staatsereignisse der eigentliche Schreibanlass sind. So begreift Georg von Ehingen seine Teilnahme an der Kro¨ nung des Ladislaus Posthumus 1453 in Prag als einen so bedeutenden Moment seines Lebens, dass er die ganze Reise in einem Bericht festh¨alt. Auch bei den drei anonymen Berichten, die u¨ ber die Herrschaftsreisen Friedrichs III. verfasst worden sind (Kro¨ nungsreise nach Aachen, Romzug, Treffen mit Karl dem K¨uhnen in Trier), bildet die jeweilige ‹Haupt- und Staatsaktion› den panegyrisch u¨ berh¨ohten Mittelpunkt des Textes, wohingegen der Reiseverlauf selbst nur Zutat ist. Ein anderer Anlass f¨ur eine sorgf¨altigere narrative Gestaltung liegt dem Reisebericht zugrunde, den der L¨ubecker Ratssekret¨ar Johann Bracht verfasst hat. Bracht war Mitglied einer L¨ubecker Delegation, die 1464 nach Preußen fuhr, um in dem mittlerweile elf Jahre andauernden Krieg zwischen dem Deutschen Orden auf der einen und Polen und den preußischen St¨adten auf der anderen Seite einen Frieden zu vermitteln. Der Bericht war eine Art Rechenschaftslegung gegen¨uber der diese Reise finanzierenden Stadt L¨ubeck, und deswegen schildert Bracht drastisch die Leiden der Bev¨olkerung des kriegsverw¨usteten Landes und die Strapazen und Gefahren f¨ur die Delegation. Aufgrund der latenten Gefahr, der die Delegation ausgesetzt ist, n¨ahert sich der Text dem Typus einer adligen ‹Aventiurefahrt› an. Vergleicht man seinen Bericht mit der Darstellung des von den Arabern wirtschaftlich und kulturell ‹ruinierten› Heiligen Landes, dann finden sich a¨hnliche literarische Techniken der Emotionali-

sierung der Rezipienten. Je mehr die ‹profanen› Reiseberichte einen unmittelbaren politischen Zweck erf¨ullen sollten, desto intensiver ist auch der von den Autoren betriebene rhetorische und literarische Aufwand. Die N¨ahe dieser Reiseberichte zu einer Autobiographie, deren Teil sie sein ko¨ nnen, belegt der Bericht des Johannes Butzbach u¨ ber seine zw¨olfj¨ahrige Wanderschaft und Ausbildung, die ihn mit seinem Erzieher durch Oberdeutschland und Bo¨ hmen f¨uhrte und die im Jahr 1500 mit seinem Eintritt ins Dominikanerkloster Maria Laach endete. Butzbach begreift seine Wanderung als Teil einer pers¨onlichen Peregrinatio, deren eigentlicher Gegenstand nicht mehr der Besuch bedeutender Wallfahrtsorte, sondern die Aneignung der Welt im Sinne eines pers¨onlichen Entwicklungsprozesses ist. Sein Text enth¨alt eine F¨ulle von kunst- und kulturhistorischen Beobach¨ tungen sowie geschichtlichen Uberlegungen insbesondere zu den bo¨ hmischen Ketzern, die ihn zu einem hervorragenden Zeugnis u¨ ber die historische und religio¨ se Situation im deutschen Reich zu Beginn der Neuzeit machen.

Die literaturgeschichtliche Bedeutung der Reiseberichte Die Gattung ‹Reiseberichte› ist zu heterogen, als dass man ihren Stellenwert f¨ur die Literatur- und Kulturgeschichte insgesamt auf einen Nenner bringen ko¨ nnte. Entstanden aus den lateinischen Itinerarien waren sie urspru¨ nglich nur f¨ur ein gelehrtes Publikum von Adligen, Beamten und geistlichen W¨urdentr¨agern von Interesse und zielten ¨ nicht auf die Offentlichkeit ab. Das a¨ nderte sich erst in der zweiten H¨alfte des 14. Jahrhunderts, als literarisch gestaltete Reiseberichte entstanden, die vielfach kopiert und zunehmend auch ins Deutsche u¨ bersetzt, dann nur noch auf Deutsch verfasst wurden. Entscheidend f¨ur diesen Prozess war die zunehmende Literarisierung der Laien, vor allem XXI

des B¨urgertums in den aufstrebenden deutschen St¨adten. Zugleich entstand ein Bedu¨ rfnis nach Wissensakkumulation, das sich auf die Naturkunde, die Medizin oder die Geographie erstreckte. Dieses Anwachsen einer deutschen Sachliteratur schl¨agt sich vor allem in den Hauschroniken und -bu¨ chern des Adels nieder, wie es das beru¨ hmteste von ihnen, das Hausbuch des Michael de Leone, dokumentiert. Literaturgeschichtlich sind die Reiseberichte nicht zuletzt bedeutende Rezeptionszeugnisse literarischer Mythen. Gerade die Berichte u¨ ber Reisen nach Pal¨astina und in den Mittleren und Fernen Osten bedienen sich Elementen der antiken Weltbilder und halten sie in Europa lebendig, weil sie immer wieder deren Evidenz best¨atigen. Gleichzeitig tragen sie erheblich dazu bei, dass der Orient als Faszinationsraum im kulturellen Ged¨achtnis Europas erhalten bleibt und auch die Alexanderliteratur und die Spielmannsepen, die im 14. Jahrhundert neu abgeschrieben wurden, ¨ im Bewusstsein der literarischen Offentlichkeit pr¨asent bleiben. Den wichtigsten Beitrag zum Orientbild Europas in der Fr¨uhen Neuzeit leisteten dabei Mandevilles Voyages, eine Kompilation aller aus der literarischen Tradition verf¨ugbaren Informationen u¨ ber Pal¨astina und Ostasien, die zum ersten europ¨aischen ‹Reisebericht-Bestseller› wurde. Die Reiseberichte u¨ ber die drei großen Wallfahrten der Christenheit trugen einen erheblichen Teil dazu bei, dass die von der Kirche bek¨ampfte Su¨ nde der curiositas literaturund hoff¨ahig wurde. Ein Reisender, der sich mit seinem Bericht innerhalb der Heilsgeschichte und der literarischen Tradition bewegte, legte davon Zeugnis ab, dass der Einzelne nicht, wie dies noch Sebastian Brant in seinem Narrenschiff behauptete, nur aus unchristlicher Neugierde durch die Gegend reiste, sondern dies Nachvollzug der Heilsgeschichte sein konnte. Gleichwohl sind diese Berichte das Einfallstor f¨ur die Dokumentation der eigenen Erfahrung, und zunehmend XXII

wird das sinnlich Wahrgenommene zum Gegenstand, das selbst dann berichtet wird, wenn es dazu keine Quellen gibt. Auf diesem Weg werden dann auch Berichte u¨ ber Reisen, die durch Mitteleuropa f¨uhren und sich auf bekanntem Terrain bewegten, zum literarischen Gegenstand. In diesen Berichten, die zun¨achst in der Tradition der K¨onigsitinerare stehen, sind nicht mehr die Topographie der Heilsgeschichte oder die literarische Tradition der Referenzrahmen, sondern zunehmend die individuelle Wahrnehmung ihres Autors. Insofern ist es nach Dietrich Huschenbett gerade das unscheinbare Itinerar, welches es dem Individuum erm¨oglichte, den Raum zu gliedern und seine subjektive Erfahrung u¨ ber diesen Raum zu legen. Die damit entstehende Raum-Zeit-Struktur aber steht jenseits aller vorgepr¨agten Muster und markiert den Beginn der Abl¨osung der Gattung von der literarischen Tradition, die mehr und mehr zu einem Gegenstand kulturgeschichtlicher Reflexionen wird. Ein weiterer Aspekt dieses Prozess besteht darin, dass sich nun die ‹Kuriosit¨aten› und Monstren der traditionellen Literatur vor dem Gericht der Autopsie verteidigen m¨ussen. Es dauerte freilich noch einige Jahrzehnte, bis die zunehmende Erforschung der Welt zur Erkenntnis der mythischen Qualit¨at der Erz¨ahlungen von fernen Reichen, m¨achtigen Priesterko¨ nigen und hybriden Mischwesen f¨uhrt. Erheblichen Einfluss auf die literarische Darstellung von R¨aumen in der zeitgen¨ossischen Literatur du¨ rfte die klare Gliederung von Zeit und Raum in den Reiseberichten gehabt haben. W¨ahrend sich die Helden des mittelalterlichen Romans in einem RaumZeit-Gef¨uge bewegten, das sich nicht immer an realistischen Parametern orientierte, wurden nun die Entfernung als solche und die Bedingungen, unter denen man diese Entfernungen u¨ berwinden konnte, zum Gegenstand des Romans. Dies wird nirgendwo sichtbarer als im Prosaroman Fortunatus, wo pl¨otzlich logische Erkl¨arungen daf¨ur notwendig werden,

wie der Held sich im Raum bewegt und welche Zeit er daf¨ur ben¨otigt. Insofern sind es die Reiseberichte, die zu einer n¨aheren Anlehnung der Literatur an die erfahrene Realit¨at gef¨uhrt haben. Gerade in den Pal¨astinaberichten entsteht eine kulturelle Topographie, in welcher der Raum mit emotionalen Gef¨uhlen aufgeladen wird, die – eingeschrieben ins kollektive Ged¨achtnis Mitteleuropas – bis ins 20. Jahrhundert weiterwirken sollten und sich in dem bis in die Neuzeit nie ganz zu Ende getr¨aumten Traum von der Christianisierung Pal¨astinas manifestierten. Literaturgeschichtlich bedeutsam sind die Reiseberichte auch deswegen, weil ihre bedeutendsten Vertreter Wissen nicht als bloße Faktensammlung vermitteln, sondern Sprache, Rhetorik und ¨ Asthetik einsetzen, um den Affekt des Rezipienten auszul¨osen. Insofern sind die meisten Reiseberichte, sieht man von den Itinerarien ab, eindeutig auf eine spezifische Gebrauchssituation hin geschrieben worden, von der aus sie zu verstehen sind. Nicht zuletzt dadurch entstand die Heterogenit¨at dieser Gattung, die, obwohl sie im Kern literarischen Konventionen und Traditionen verhaftet bleibt, eben nicht (wie von der a¨lteren Forschung behauptet) in Gleichf¨ormigkeit versinkt, sondern gerade in ihren von der literarischen Tradition nicht ‹vorbelasteten› Passagen individuelle Formen der Wahrnehmung und der Darstellung aufweist und so einen wichtigen Beitrag zur Konstituierung des modernen Subjekts in der Literatur leistet.

Die mittelalterliche Kartographie Wie bei den Reiseberichten l¨asst sich auch bei den mittelalterlichen Karten grunds¨atzlich zwischen Objekten mit einer konkreten pragmatischen und einer enzyklop¨adischwissensvermittelnden Funktion unterscheiden. Die erste Kategorie wird dominiert von den im 13. Jahrhundert entstandenen Portolankarten, die f¨ur Handelsh¨auser und Schiffskapit¨ane Informationen u¨ ber K¨ustenverlauf,

Lage der H¨afen und Segelrouten insbesondere im Mittelmeer bereitstellten, die zweite wird repr¨asentiert durch die Mappae mundi, die dem Betrachter zusammen mit dem Bild ¨ der Okumene auch das des gesamten Kosmos vermitteln wollen. Beide Typen gehen auf antike Vorl¨aufer zuru¨ ck, die Portolankarten auf die griechischen K¨ustenbeschreibungen, die zur Orientierung der Seefahrer gedacht waren, allerdings nur in Textform auf uns gekommen sind, die Mappae mundi auf die sogenannten TO- oder Radkarten, wie sie aus der Sallust- und Lucan¨uberlieferung bekannt sind. Auf diesen Karten wird die Welt als Kreis gezeichnet, dessen Durchmesser durch einen horizontalen Balken gekennzeichnet ist und dessen eine H¨alfte durch einen vertikalen Balken geteilt ist. Die nicht geteilte H¨alfte des Kreises bezeichnet normalerweise den Kontinent Asien, die zwei anderen Viertel Afrika und Europa; der Horizontalbalken sowie der Vertikalbalken des T markieren Gew¨asser (Fl¨usse oder das Mittelmeer). Auf die drei Kontinente trugen die Zeichner geographische Details wie St¨adte, Berge und Fl¨usse ein. Diese TO-Karten wurden dann im Mittelalter von christlichen Gelehrten u¨ ber¨ nommen und der biblischen Uberlieferung angepasst. Dabei wurden die Karten geostet (= der Osten ist auf dem Blatt ‹oben›), wodurch Asien in der oberen H¨alfte zu liegen kam, Europa und Afrika sich die untere H¨alfte des Kreises teilten. Diese Karten waren nicht zur topographischen Orientierung gedacht, sondern repr¨asentierten symbolhaft das christliche Weltbild mit dem Paradies im Osten, also oben, den daraus fließenden vier Paradiesfl¨ussen (Euphrat, Tigris, Nil und Ganges) und – im Schnittpunkt des T-Balkens und des T-Schafts – gem¨aß der alttestamentarischen Vorstellung mit Jerusalem als Nabel der Welt. Das den Radkarten eingeschriebene T wurde von den mittelalterlichen Kartographen auch als Zeichen f¨ur das Kreuz Christi verstanden. Eine literarische Parallele zu dieser Weltsicht findet sich im Niederrheinischen Orientbericht, der die Welt ausgehend von JerusaXXIII

¨ lem beschreibt. Uberliefert sind diese Karten meist als Illustrationen in Bu¨ chern, und sie haben dort oft nur einen Durchmesser von wenigen Zentimetern. Das Mittelalter kannte aber auch Riesenkarten, die einen Durchmesser von bis zu 31/2 Metern hatten und vermutlich in Kirchen oder Kl¨ostern o¨ ffentlich ausgestellt worden waren. Varianten der Radkarten sind die geosteten Beatuskarten, die in den Beatusapokalypsen u¨ berliefert sind, sowie die weitverbreiteten Makrobiuskarten, die in der Nachfolge von Ciceros Somnium Scipionis eine Kugelgestalt der Erde abbilden und deren bewohnbare bzw. nicht bewohnbare Zonen darstellen; daraus entwickelten sich dann die hemisph¨arischen Weltkarten (Halbkugelkarten), welche die Zonenkarte mit der Radkarte kombinierten. Eine solche Karte, in der ausnahmsweise die s¨udliche Hemisph¨are v¨ollig unbeschriftet ist, war auch im Besitz der Freisinger Bisch¨ofe. Die Besonderheit der enzyklop¨adischen, rund, oval und rechteckig gezeichneten Mappae mundi besteht in der Kombination verschiedener Referenzsysteme. Verbunden wird die bildliche Darstellung der Welt- und Heilsgeschichte, literarischer Topoi, geographischer Details, Fauna und Flora, Stadtansichten, Monstren und Weltwunder, Jahreszeiten etc. Nach Meinung der ju¨ ngeren Forschung gehen nahezu alle Mappae mundi auf ein einheitliches System geometrischer Figuren und damit verbundener numerischer Gr¨oßen zuru¨ ck, das «einen Einblick in den Bauplan alles Irdischen» und in das «von Gott vorgegebene universelle Regelwerk» ermo¨ glicht und so «die Pr¨asenz des Sch¨opfers und damit auch die Hoffnung auf Erl¨osung des Einzelnen im Bild der Welt deutlich werden l¨aßt» (Englisch, S. 511). In jedem Fall animieren die detailreichen Mappae mundi den Betrachter dazu, die Semantik der Darstellung zu erschließen und sein eigenes Wissen dazu in Beziehung zu setzen. Die heilsgeschichtliche Topographie der Mappae mundi wird in einigen Exemplaren zus¨atzlich repr¨asentiert durch ein Bild Jesu Christi, der als Figur inner- oder außerhalb XXIV

der Karte pr¨asent ist, u¨ ber ihr thront, oder sie mit seinen H¨anden umschließt. In den Ecken der Bl¨atter sind mitunter Engel zu finden, die Weihrauchf¨asser schwingen (Londoner Psalterkarte) oder die Erde vor den St¨urmen aus der Offenbarung besch¨utzen. Auf die Herstellung von Itinerarkarten, die den Wegeverlauf u¨ ber Land verzeichneten und deren Existenz durch die sp¨atro¨ mische Tabula Peutingeriana h¨atte bekannt sein ko¨ nnen, wurde offenbar verzichtet, weil die wesentlichen Handelsstro¨ me im Mittelmeerraum verliefen und hierzu die Portolankarten gen¨ugten. Da gerade auf diesem Sektor aber mit h¨aufigen Verlusten zu rechnen ist, bleibt es letztlich ungekl¨art, ob sich die Kanzleien und Fernhandelskontore eigener Karten bedienten. Die in der Antike repr¨asentative Funktion, die die Tabula Peutingeriana und andere ro¨ mischen Karten gehabt haben, scheint jedenfalls im 15. Jahrhundert nicht mehr von Belang gewesen zu sein – diese Position besetzten die Mappae mundi mit ihrer heilsgeschichtlichen Komponente. Abstrakte Kartenskizzen findet man in einigen Reiseberichten, die aber nicht einmal eine grobe Orientierung ermo¨ glichen. Beliebter waren die aufw¨andigen, ku¨ nstlerisch anspruchsvollen Illustrationen in den Fru¨ hdrucken der Reiseberichte, wie sie etwa im Reisebericht Bernhards von Breidenbach zu finden sind. Diese Illustrationen mit ihren filigranen Stadtansichten muss man jedoch eher als Buchschmuck denn als Orientierungshilfe interpretieren, weil ihre Darstellungen nicht selten in einem Gegensatz zum Textteil stehen. Im Mittelalter war neben den christlichen Mittelmeeranrainern England das bedeutendste Zentrum f¨ur die Herstellung von Karten. Hier entstanden die handwerklichku¨ nstlerisch h¨ochst anspruchsvolle, nur 9 cm durchmessende Weltkarte des Londoner Psalters (Psalterkarte), die Sawley-Weltkarte, mit u¨ ber zweihundert Legenden die ausf¨uhrlichste in einem Codex u¨ berlieferte Karte, sowie die gro¨ ßte noch erhaltene Mappa mundi, die Hereford-Karte (ca. 1300). Im deutschen

Sprachraum finden sich TO-Karten vornehmlich als Illustrationen in Kodizes. Die auf 1110 datierte und einem nicht eindeutig identifizierbaren Heinrich von Mainz zugeschriebene Salewey-Weltkarte wird von der Forschung u. a. als Beleg daf¨ur genannt, dass es im 11. Jahrhundert in Mainz ein Zentrum der Weltkartenproduktion und -rezeption gab, von dem aus wichtige Impulse f¨ur die Weiterentwicklung der stark abstrakten fru¨ hmittelalterlichen Karten ausging (Englisch). Die buchformatige Salewey-Weltkarte hat noch eine Ovalform, die bald vollst¨andig von der Rundform verdr¨angt wurde. Eigenst¨andig u¨ berlieferte Mappae mundi aus dem deutschen Sprachraum sind die Ebstorfer Weltkarte (ca. 1300) sowie die des Andreas Walsperger (1448); auch die in der Bibliothek des Vatikans aufbewahrte Borgio-Karte ko¨ nnte um 1430/40 in S¨uddeutschland entstanden sein. Einen Aufschwung erlebte die deutsche Kartographie im Zeitalter des Humanismus. Einigen buchformatigen Mappae mundi ge¨ lang der Ubergang in den Fr¨uhdruck, obwohl mit der Wiederentdeckung der Ptolem¨aus-Tradition und der zunehmenden Herstellung maßst¨ablicher Karten dieser Typus veraltet war. Die erste gedruckte TO-Karte vero¨ ffentlichte 1472 der Augsburger Drucker G¨unter Zainer in seiner Ausgabe der Etymologie des Isidor von Sevilla, und selbst an der Wende zum 16. Jahrhundert publizierte ¨ Hans Ru¨ st noch eine Radkarte der Okumene. Ru¨ sts Karte bezeichnet aber auch das Ende dieses Typs, denn die Zukunft galt der maßstabsgetreuen Karte des Ptolem¨aus. Eine nach dessen Pr¨amissen, in Mantelform gezeichnete Weltkarte integriert Hartmann Schedel in seine Weltchronik von 1493 und der N¨urnberger Martin Waldseem¨uller gibt nicht nur die Geographie des Ptolem¨aus neu heraus, sondern druckt 1507 seine beru¨ hmte Weltkarte secundum Ptholomaei traditionem, auf der erstmals der Name Amerika zu finden ist. Von Waldseemu¨ ller stammt auch eine ganze Reihe

von Regionalkarten, die in dieser modernen Form gezeichnet sind. Die im Zweiten Weltkrieg verbrannte, aber in Reproduktionen noch u¨ berlieferte Ebstorfer Weltkarte ist die gro¨ ßte aus dem Mittelalter bekannte Mappa mundi. Sie bestand aus dreißig durch Pergamentstreifen verbundenen Pergamentbl¨attern, umfasste zusammengesetzt 31/2 x 3 Meter, und stellte mit ihren zahllosen Ortsnamen, bildlichen Darstellungen und Erl¨auterungen geradezu ein enzyklop¨adisches ‹Wimmelbild› dar. Sie geh¨ort zum Typus der TO-Darstellung mit Jerusalem im Zentrum und dem Paradies am oberen Bildrand der geosteten Karte. Die Karte selbst verbindet antike, biblische und mittelalterliche Quellen; gleichzeitig versucht sie die geschichtliche Entwicklung von der Vertreibung aus dem Paradies bis zur Gegenwart r¨aumlich darzustellen. Deswegen erlaubt die Ebstorfer Weltkarte keine den tats¨achlichen geographischen Verh¨altnissen entsprechende Verortung von L¨andern und St¨adten, sondern die Gro¨ ße der Eintr¨age und deren Relation zueinander entspricht eher ihrer Bedeutung in der Geschichte. Insofern bildet sie eine Bedeutungsgeographie ab und in dieser Hinsicht ist sie das Pendant zur mittelalterlichen Enzyklop¨adie: «In dem u¨ berdimensionalen Ideogramm werden Mikrokosmos und Makrokosmos, Natur und Geschichte, Vertrautes und Fremdes, Erfahrung und Erfindung gegeneinander ausbalanciert» (Kugler, S. 3). Die Scheibenform dieser wie anderer Weltkarten hat in der Neuzeit zu dem Missverst¨andnis gef¨uhrt, hier werde ein mittelalterliches Weltbild tradiert, in dem die Kugelform der Erde unbekannt war. Neuere Forschungen haben jedoch gezeigt, dass etwa die Ebstorfer Weltkarte die zweidimensionale Darstellung einer Kugel ist und der K¨unstler, der sich in seiner Darstellung der Tiere und V¨olker der Erde an Isidors Etymologiae orientierte, von diesem auch die im ganzen Mittelalter pr¨asente Vorstellung von der Erde als Kugel u¨ bernommen hat. Wesentlich kleiner ist die Walsperger Weltkarte, die als ges¨udete Radkarte auf einem XXV

ca. 60 x 75cm großen Pergamentblatt u¨ berliefert ist und heute in der Bibliotheca Vaticana aufbewahrt wird. Bei dieser von ihrem Autor, einem Salzburger Benediktinerm¨onch, in der Legende signierten und auf das Jahr 1448 datierten Weltkarte liegt Jerusalem nicht mehr genau im Zentrum, sondern ist ein St¨uck nach oben gerutscht, daru¨ ber findet sich ein mit leuchtender Farbe gemaltes Rotes Meer, das den eigentlichen Blickfang bildet. Zahlreiche geographische Namen benennen Regionen auf den drei Kontinenten, die in die Karte eingef¨ugten Legenden verweisen u. a. auf die Wunder und Monstren der mittelalterlichen Literatur: In Norwegen finden sich Trolle, die unsichtbar die Menschen piesacken, in Asien werden die V¨olker Gog und Magog durch die kleine Figur eines Menschenfressers repr¨asentiert. Das Paradies, gezeichnet als Burg mit Kirchen, kommt im Osten zu liegen, der Name Alexanders in seiner N¨ahe erinnert an dessen Paradiesfahrt. Umgeben wird das Erdenrund durch die sieben himmlischen Sph¨aren. Trotz aller Reminiszenzen an die Tradition der Mappae mundi ist der Einfluss des Ptolem¨aus un¨ubersehbar, denn in der Legende erhebt der Autor den Anspruch, dass seine Weltkarte L¨angen und Breiten maßstabsgetreu wiedergibt und man so die Entfernung zwischen den St¨adten mit einem Zirkel abmessen kann. Um die Umrechnung auf die realen Verh¨altnisse zu erm¨oglichen, hat der Autor am Rand des Blatts eine Maßstabslatte abgezeichnet, wo jeder braune und rote Streckenabschnitt f¨ur zehn deutsche Meilen steht. Ganz deutlich ist in dieser Karte die teilweise Abkehr von einer heilsgeschichtlichen und enzyklop¨adischen Funktion zugunsten der Repr¨asentation geographischer Gegebenheiten zu erkennen. Insofern ist die Walsperger-Karte eine Hybridkarte, weil sie zwar noch einzelne Merkmale der enzyklop¨adischen Karten enth¨alt, aber mit dem reichlich illusiven Anspruch, eine Schifffahrtskarte zu bieten, auch die Funktion einer Portolankarte zu erf¨ullen vorgibt. XXVI

Mit der Walsperger-Karte weist die ZeitzKarte von ca. 1470 viele Gemeinsamkeiten auf, so dass man annimmt, der Ku¨ nstler habe entweder jene als Vorlage benutzt oder beide gingen auf einen gemeinsamen Ursprung zuru¨ ck. Enthalten ist die Rundkarte mit einem Durchmesser von 45 cm in einem Atlas mit Ptolem¨auskarten, der sich in der Stiftsbibliothek von Zeitz befindet. Auch ihre Legenden, die von denen Walspergers abweichen, lassen auf literarische Kenntnisse ihres Urhebers schließen: So wird vermerkt, auf dem afrikanischen Kontinent lebten Menschen, die nur ein Auge auf der Stirn h¨atten; andere tru¨ gen ihren Kopf auf der Brust, h¨atten nur einen Fuß oder drei Gesichter. Auch f¨ur den Typus der Regionalkarten bedeutete die Ptolem¨ausrezeption den entscheidenden Fortschritt. Bereits um 1439 zeichnete Nikolaus von Kues eine Deutschlandkarte, von der rasch mehrere Kopien angefertigt wurden und die 1491 in Kupfer gestochen wurde. Sie war wahrscheinlich die Grundlage der von Hieronymus M¨unzer f¨ur die Schedelsche Weltchronik angefertigte Deutschlandkarte (1493), auf der die Germania magna in der Mitte einer Welt liegt, die sich von Hibernia bis Tartaria, von Island bis in die Poebene erstreckt und auf der Fl¨usse, St¨adte und Berge wenngleich noch nicht maßstabsgetreu, so doch mit relativer Genauigkeit verzeich¨ net sind. Jenseits aller ideologischen Uberlegungen konnte der Leser der Weltchronik sich nun auch eine r¨aumliche Vorstellung von den Gebieten machen, die in der Chronik beschrieben sind und in denen er sich selbst aufhielt. Die Erfindung des Buchdrucks bef¨orderte dann den Gebrauch der Karten als transportable Hilfsmittel f¨ur die Orientierung in unbekannten Regionen. Als 1500 anl¨asslich des Heiligen Jahres mit einer hohen Zahl von Rompilgern gerechnet wurde, fertigte der N¨urnberger Bu¨ rger Erhard Etzlaub einen Holzschnitt mit einer Wegekarte nach Rom in einem Maßstab von 1:5,6 Mio. an. Auf dieser Karte, die in einer vergro¨ ßerten und erweiterten Form 1501 in N¨urnberg

gedruckt wurde, war der Verlauf der Straßen von Deutschland in die Ewige Stadt durch Punkte markiert und damit die Kartographie endg¨ultig in der Neuzeit angekommen. K¨unftig wurden die Karten nach ihrem praktischen Nutzen f¨ur den Reisenden oder f¨ur die Belange der entstehenden Territorialverwaltungen gestaltet und niemand erwartete mehr, dass sie den Verlauf der Heilsgeschichte oder ein literarisches Weltbild repr¨asentierten.

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Geschichtsdichtung von Christoph Fasbender

Als ‹Geschichtsdichtung› bezeichnen wir die gleich- oder nachzeitige Verschriftung geschichtlicher, als geschichtlich aufgefasster oder mit Methoden der modernen Geschichtswissenschaft nachweisbarer geschichtlicher Ereignisse unter signifikantem Einsatz spezifischer formaler und a¨ sthetischer Mittel der gleich- oder nachzeitigen Dichtung. Der hiermit gegebene Begriff von Geschichtsdichtung ist ahistorisch und pragmatisch. Ahistorisch, weil er einen im Kern neuzeitlichen Dualismus von Geschichte und Dichtung voraussetzt. Ein solcher Dualismus kann indes weder f¨ur das germanische, noch f¨ur das christliche Mittelalter ohne weiteres reklamiert werden. Die Abgrenzung von der mythischen Geschichts¨uberlieferung der Germanen, wie sie resthaft in der Heldendichtung weiterlebt, ist dabei ebenso problematisch wie gegen¨uber christlichen Formen kollektiver Erinnerung, wie sie sich etwa in der Hagiographie offenbaren. Akzeptiert man diese Unsch¨arfe und dr¨angt damit alle substantiell nicht-linearen Geschichtskonzepte der Vormoderne zuru¨ ck, erweist sich der Begriff ‹Geschichtsdichtung› als pragmatisch, weil er im Rahmen des solchermaßen abgesteckten Textfeldes eine doppelte Abgrenzung leistet: zum einen von einer Historiographie ohne formale Auszeichnung; zum andern von einer Dichtung, die sich ihrer Fiktionalit¨at bewusst ist, wie sie im ausgehenden 12. Jahrhundert im deutschen Sprachraum aufkommt. Damit ist zugleich gesagt, dass im Folgenden weder die germanische Heldendichtung, noch die christliche Hagiographie, noch die Geschichtsschreibung in Prosa ausf¨uhrlicher beru¨ cksichtigt werden. Erstere, weil sie in der Form, in der sie uns seit dem Hochmittelalter entgegen tritt, nicht mehr die Funktion aus¨ubt, die letzten Endes ihre Exis-

tenz begr¨undete. Zweitere, weil sie durch ihren genuinen Lebensraum in ihrer Funktion maßgeblich einer der Heldendichtung nicht un¨ahnliche Erinnerungskultur verpflichtet ist, die ihrerseits das lineare Geschichtsdenken des Christentums in der Gattung punktuell suspendiert. Letztere, weil sie – und dies w¨are eigentlich im Detail auszufalten – eher das Resultat einer durchaus komplexen, kontroversen Abgrenzungsbewegung gegen¨uber der Geschichtsdichtung darstellt. Bei dieser Kontroverse, die in der Substanz ein Streit um die Wahrheit der historia im Spannungsfeld von res gestae und fabulosa fictio ist, bietet sich der geschichtliche Einstieg an.

Wahrheit und Verbindlichkeit paganer Historiographie Die christliche Historiographie der Sp¨atantike wurzelte tief in der Geschichtsschreibung des zerfallenden Imperium Romanum. Das Geschichtsbild der Ro¨ mer war vorwiegend linear. Sein Ziel war die Errichtung der r¨omischen Weltherrschaft. Das Geschichtsbild der Christen entsprach dem insofern, als es den Geschichtsverlauf ebenfalls linear und endlich dachte. Sein Ziel war die Errichtung der Gottesherrschaft auf Erden. Beiden Geschichtsbildern lag also ein Fortschrittsgedanke zugrunde. Die Vorstellung, dass die Menschen aus dem Vergangenen lernen ko¨ nnten, wie sie sich dem K¨unftigen gegen¨uber verhalten sollten, hatte Cicero in seinem Werk u¨ ber den Redner (‹De oratore› 2,9,36) zu der Formel von der historia als Lehrmeisterin des Lebens (magistra vitae) komprimiert. Sie wurde maßgeblich f¨ur die Geschichtsauffassung der folgenden beiden Jahrtausende. Sie bu¨ rdete ihnen freilich die Aufgabe auf, je und je f¨ur XXIX

sich den g¨ottlichen Plan hinter dem Geschehenen zu erkennen und zu entscheiden, worin genau der Lehrgehalt der Geschichte bestehen sollte. Die notwendig selektive Wahrnehmung des Geschehenen, seine Segmentierung in Geschichten, konfrontierte die Geschichtsschreibung also mit dem Problem der Sittlichkeit, der mores. Der komplexe Geschehensverlauf selbst bot, sofern er verl¨asslich dokumentiert war oder werden konnte, in der Regel keine unmittelbaren Hinweise auf sittliches Handeln. Hinzu trat eine weitere Schwierigkeit. Dem Problem einer scheinbar mangelhaften oder intransparenten Motivierung des Geschehenen stellte sich die Beschr¨anktheit und Fehlbarkeit des erkennenden Menschen zur Seite. Grunds¨atzlich ging man zwar davon aus, dass es eine objektive historische Wahrheit (veritas historiae) gebe, dass sich die Dinge also in einer tats¨achlichen Abfolge darstellen und als sinnvoll – das heißt: von Gott geordnet – erweisen ließen. Zugleich aber zweifelte man daran, ob diese Wahrheit durch den von der Erbs¨unde geblendeten Menschen als solche zu erfassen und mit seinen unvollkommenen Mitteln darstellbar sei. Thomas von Aquin spitzte die christlichen Vorbehalte dahingehend zu, dass u¨ berhaupt nur in einem einzigen Buch, n¨amlich in der vom Heiligen Geist verfassten Heiligen Schrift, menschliche Sprache ein Vehikel der Wahrheit sein ko¨ nne. F¨ur die christliche Auseinandersetzung mit den antiken Historikern, die im Prinzip in der Sp¨atantike einsetzte, markiert dieses Diktum einen wesentlichen Vorbehalt. Es ging daher, sobald etwa der Blick hochmittelalterlicher Gelehrter auf Lukans ‹Pharsalia› oder Vergils ‹Aeneis› fiel, vor allem um den Aufweis, ob und inwieweit der Autor eher als (glaubw¨urdiger) historicus oder eher als (l¨ugenhafter) poeta zu werten sei. Dabei sah man den gesellschaftlichen Auftrag, durch Geschehenes den Menschen Beispiele rechter Lebensf¨uhrung zu geben, in den geschichtlich fundierten Beispielen (argumenta) der Geschichtsschreiber umgesetzt. Der Historie wurde also auch um den XXX

Preis, dass die Historiographen sich hie und da von der veritas historiae entfernen mussten, in dieser Hinsicht mehr zugetraut als der als solcher ausgewiesenen oder sich ausweisenden Fiktion. Man wird gut daran tun, die vielen Passagen in sp¨atantiken oder mittelalterlichen Werken, in denen ein Autor oder sein Apologet beteuert, er sei kein Dichter, sondern Historiker, vor dem Hintergrund der hier skizzierten Kontroverse um Geltungsanspruch und Leistungsf¨ahigkeit der Geschichtsschreibung zu beurteilen. Ein gewisser Dares Phrygius etwa, der wohl im 5. nachchristlichen Jahrhundert vorgibt, den Kampf um Troja (12./13. Jahrhundert v. Chr.) als Augenzeuge nachzuerz¨ahlen, verwahrt sich gegen den Vorwurf, poeta zu sein, da er nichts erfunden habe. ¨ Uber Vergil, der in der ‹Aeneis› wahrlich einige befremdliche Dinge zu berichten wusste, urteilte der Literaturtheoretiker Konrad von Hirsau (um 1130), er habe dort, «wo er von der Wahrheit abzuweichen gezwungen war, wohlgesinnter und sorgf¨altiger gelogen» als andere. Bei Horaz fand sich ein anerkennendes Urteil u¨ ber Homer, der das Wahre mit dem Unwahren so mische, dass es keinerlei Widerspru¨ che im Gesamten gebe. Daraus konnte man ableiten, dass es neben den reinen Poeten auch solche Historiographen gebe, die – in Ru¨ cksicht auf die lehrmeisterliche Aufgabe der Historie – Historisches mit Fiktion versetzten, wobei es auf die Mischverh¨altnisse ankam. Lukan stand diesbezu¨ glich im Ansehen des Hochmittelalters wesentlich h¨oher als Vergil. So wie die antiken Historiographen im christlichen Mittelalter nur mit den notwendigen Vorbehalten rezipiert werden konnten, bereiteten die Geschichts¨uberlieferungen der St¨amme Germaniens den Gelehrten gelegentlich Kopfzerbrechen. Die Gru¨ nde waren letzten Endes a¨hnlich. Zwar bezeugten etliche ¨ Uberlieferungen historisches Geschehen, das man durch die gelehrte Chronistik verifiziert sehen konnte. Das letzten Endes mythische, nicht-lineare Geschichtsverst¨andnis, das

¨ der durchweg m¨undlichen Uberlieferung zugrunde lag und das Ereignisse und ihre Protagonisten mitunter recht mutwillig synchronisierte, konfligierte indes mit dem linearen Fortschrittsdenken christlicher Historiker. Ein in der lateinischen Schriftkultur verankerter Gelehrter musste in der Vergleichzeitigung des Ostgotenherrschers Theoderich und des Hunnenko¨ nigs Attila, wie sie germanischem Geschichtsdenken m¨oglich schien, einen Verstoß gegen die veritas historiae erblicken. Sollte Karl der Große tats¨achlich, wie sein Biograph Einhard (‹Vita Karoli Magni›, 29) behauptet, die Lieder der unterworfenen St¨amme, in denen «die Taten und Kriege der alten K¨onige» verherrlicht wurden, haben aufschreiben lassen, so wird er dies gewiss nicht in eben der Form, in der diese Lieder im Aussterben begriffen waren, haben tun lassen. «Aufschreiben» meinte dort: die Substanz der carmina in das verbindliche Latein zu u¨ berf¨uhren. Dass es sich formal um gebundene, wahrscheinlich stabreimende Rede handelte, du¨ rfte die Aufschreibenden nicht verbl¨ufft, sondern an ihre eigene hexametrische Historiographie erinnert haben. Ist die empo¨ rte Zuru¨ ckweisung der germanischen Geschichts¨uberlieferung durch die mittelalterliche Historiographie auch ein Faktum, so stand doch einer Verwendung der u¨ berlieferten Stoffe, sofern sie entweder glaubw¨urdig waren oder als historische Beispielerz¨ahlungen (argumenta, exempla) taugten, nichts Grunds¨atzliches im Wege. So berief sich Bischof Fulko von Reims (893), als er den ostfr¨ankischen Ko¨ nig Arnulf von K¨arnten zur Nachsicht gegen¨uber dem unterlegenen Konkurrenten und Verwandten Karl dem Einf¨altigen ermahnte, auf den treulosen Berater Ermenrichs, Sibiche, den er «aus deutschen B¨uchern» kannte und der ein negatives Exempel daf¨ur abgab, wie jemand gegen die Angeh¨origen der eigenen Sippe oder Fa¨ verfuhr milie grausam sein ko¨ nne. Ahnlich der Poeta Saxo (um 1186–1216), der berichtet, dass ein s¨achsischer S¨anger dem d¨anischen Herzog Knut Lavand von Schleswig (1131),

um ihn vor einem Anschlag zu warnen, das treffliche Lied von der bekannten Treulosigkeit Kriemhilds gegen¨uber ihren Bru¨ dern vorgesungen habe. Der Herzog erkannte das auf seine Situation bezogene argumentum, das Attentat wurde vereitelt. Die Beispiele ließen sich leicht vermehren. Im Grunds¨atzlichen scheinen auch sie zu belegen, dass die Trennlinie zwischen gelehrter und volksl¨aufiger Historiographie in Wahrheit weder durch die Stoffe, noch durch die poetische Einkleidung, noch auch durch eine unterschiedliche Funktionalisierbarkeit als magistra vitae gerissen wurde. Trotz¨ dem bedeutete die Uberf¨ uhrung des mittelhochdeutschen Epos vom ‹Herzog Ernst› (ca. 1170/80) in 3 502 lateinische Hexameter, die der Kleriker Odo von Magdeburg wohl in den 1220er Jahren vornahm, offenbar mehr als eine Formalit¨at. Die Latinisierung verwies nicht allein auf die Noblesse eines superioren Kulturzusammenhangs. Offensichtlich suggerierte die Sprache der Gelehrten zugleich die Pr¨asenz eines ebenso komplexen wie vertrauensw¨urdigen Apparates wissenschaftlicher Reflexion und Methodologie. Dass man ihre Bedeutung als rezeptionsf¨orderlich erkannte, zeigt nicht zuletzt die oft ganz unironische Berufung volkssprachiger Dichtungen mit historischem Substrat oder Anspruch (‹Herzog Ernst› B, ‹Nibelungenklage›) auf lateinische Vorlagen.

‹Gattungen› mittelalterlicher Geschichtsuberlieferung ¨ Die Frage der ‹Gattungen›, die das weite Feld mittelalterlicher Geschichtsschreibung abstecken, kann und muss vor dem Hintergrund des zuvor Gesagten einerseits und den Zielsetzungen dieses Lexikons andererseits knapper ausfallen. Einleitend hatten wir die prosaische Geschichtsschreibung aus unserem Blickfeld verwiesen und ‹Geschichtsdichtung› dabei formal u¨ ber das Merkmal gebundener Rede bestimmt. Damit wurden XXXI

indes nur gro¨ ßere Textmengen, keineswegs aber ganze Gattungszweige beiseite geschoben. Grunds¨atzlich gilt, dass, wenn alles Gedichtete mit geschichtlichem Gegenstand Geschichtsdichtung ist, auch all jene Gattungen, die vielleicht aus historischen Gru¨ nden vorrangig der Prosa verhaftet waren, im Moment ihrer Versifizierung nicht ausgeschlossen werden ko¨ nnen. Das gilt insbesondere f¨ur alle klassischen Haupttypen der Historiographie: Chronik, Annalen, Vita und Gesta. Einer Chronik liegt, ob sie nun universal, regional oder lokal, gentil oder famili¨ar ausgerichtet sein mag, bei einem Anspruch auf ersch¨opfende Darstellung meist eine bestimmte Konzeption zugrunde, wogegen die Annalen sich meist nur an der Abfolge der Jahre orientieren. Eine Vita bettet das exemplarische Handeln einer geschichtlichen oder als geschichtlich aufgefassten Pers¨onlichkeit in gro¨ ßere Zusammenh¨ange ein, w¨ahrend die Gesta mit geringerem Anspruch gleichsam als ›Annalen› ihres Handelns auftreten. Alle hier genannten Haupttypen treten seit dem Fru¨ hmittelalter rein oder in Mischformen auf. Sie gehen mannigfaltige Verbindungen miteinander ein, kreuzen sich aber insbesondere in dem Moment, wo sie stoffbedingt ¨ in Kontakt mit der volkssprachigen Uberlieferung stehen, auch mit anderen Gattungen: dem Epos, dem Roman, der Kurzerz¨ahlung, der Sage, dem strophischen Lied oder dem paarreimenden Spruch. Hinzu treten, insbesondere im Sp¨atmittelalter, die so genannten Ego-Dokumente (Tagebu¨ cher, Hausbu¨ cher, Reiseberichte usw.). Den Zielsetzungen dieses Lexikons gem¨aß gilt unsere Aufmerksamkeit vorrangig allen Typen und Formen, die das Wissen u¨ ber Geschichtliches oder als geschichtlich Vorgestelltes in gebundener Rede darbieten. Diese Formen setzen in der Volkssprache im Fr¨uhmittelalter ein. Wir verfolgen sie, ohne dabei die lateinischen Geschichtsdichtungen aus den Augen zu verlieren.

XXXII

Vom Ludwigslied zur ‹Kaiserchronik› Insbesondere die lateinischen Lieder des 9. bis 11. Jahrhunderts sind es n¨amlich, die uns helfen, das ansonsten etwas erratisch dastehende althochdeutsche Ludwigslied besser zu verstehen. Das nur 59 Kurzpaarverse umfassende Lied, das in einer gemischtsprachigen geistlichen Handschrift aus Flandern u¨ berliefert ist, ist dort nachtr¨aglich als Rithmus teutonicus de piae memoriae Hluduico rege filio Hluduice aeque regis eingetragen worden. Sein Gegenstand ist die Schlacht von Saucourt, die der Karolinger Ludwig III., Sohn K¨onig Ludwigs des Stammlers, am 1. August 881 erfolgreich gegen die Normannen f¨uhrte. Das Lied fokussiert das von den fr¨ankischen Truppen lang ersehnte Kommen und beherzte Eingreifen Ludwigs, das allein die Niederlage abgewendet habe. Mit dieser Zentrierung stellt es sich in einen vernachl¨assigenswerten Widerspruch zur lateinischen Historiographie, die die Normannen zu diesem Zeitpunkt bereits als nahezu geschlagen beurteilt. Schriftlich festgehalten wurde es wahrscheinlich nach dem Tod Ludwigs am 5. August 882. Das Ludwigslied verweist uns auf das, wonach bei jedem Denkmal der Historiographie unbedingt und mit Nachdruck zu fragen ist: auf eine ‹causa scribendi›, einen erkennbaren Grund zur Abfassung. Offenkundig verherrlichte das Lied den K¨onig noch zu Lebzeiten als unerschrockenen christlichen Streiter gegen die Heiden in einer (historisch gesehen) weniger bedeutungsvollen Schlacht. Die N¨ahe zum Heldenlied ist von daher keine zuf¨allige. Doch f¨uhrt die h¨aufige Nennung des ‹Hildebrandsliedes› in eine andere Richtung. Volkssprache, L¨ange bzw. K¨urze und Art der Verschriftlichung sollten nicht dazu verf¨uhren, hier einen zu engen Zusammenhang zu sehen. Das Ludwigslied hat seine n¨achsten typologischen Verwandten in den lateinischen Zeitliedern auf die Avarenschlacht (796), die Schlacht von Fontenay (841) oder die Gefangennahme Ludwigs II. in Benevent

(871). Im Grunde zeigt sich an den wechselnden Zuordnungen vor allem, dass zumindest im Fru¨ hmittelalter noch mit Typenmischungen zu rechnen ist, die im u¨ brigen kalkulierter sein m¨ogen, als das oft implizit unterstellt wird. Einem a¨ hnlichen Fall von Typenmischung begegnen wir im ‹Annolied›, das wohl noch im ausgehenden 11. Jahrhundert entstanden ist, dessen vollst¨andiger Text indes nur in einer sp¨aten Edition (1639) u¨ berdauerte. Anno, zun¨achst Sch¨uler und dann Scholaster in Bamberg, wurde 1056 Erzbischof von K¨oln, verstarb 1075 und wurde 1183 heilig gesprochen. Regina D. Schiewer hat die versifizierte Bischofs-Vita bereits im Essay zum ersten Band dieses Lexikons (S. XIV–XVI), der dem geistlichen Schrifttum von den Anf¨angen bis zum Beginn des 14. Jahrhunderts gewidmet war, ¨ besprochen. Die Uberschneidung belegt, dass ihr unbekannter Verfasser gezielt Merkmale aus dem Spannungsfeld von Heroik, Hagiographie und Historiographie einsetzte. In seiner ‹Vita Annonis› formen die Erinnerungskultur heldenepischen und heiligenm¨aßigen Erz¨ahlens, der Wunderglaube der Mirakelliteratur, die monastische Kultf¨orderung rund um seine Grablege im Kloster Siegburg (causa scribendi!) und die das Ansehen K¨olns verbreitende laus urbium einen zwischen den Gattungen oszillierenden Gebrauchstypen aus. Er deutet auf eine sehr weitreichende Mischkultur aus geistlichen und weltlichen Eliten, der die zwischen gelehrter Geistlichkeit und laikaler Adelskultur literarisch ausgetragenen Kontroversen um die ›richtige› Geschichtsschreibung weniger angelegen gewesen sein du¨ rften, als das die Kombattanten suggerierten. Einem Reflex auf solche Kontroversen scheinen wir in der deutschen ›Kaiserchronik› aus dem zweiten Drittel des 12. Jahrhunderts zu begegnen. Herausfordernd wendet sich deren geistlicher Verfasser an das Publikum: Wer behaupte, dass K¨onig Etzel (Attila) und Dietrich von Bern (Theoderich) Zeitgenossen gewesen seien, solle dies durch eine schriftliche Quelle belegen. Er selbst rechnet

vor, dass dies aus chronologischen Gru¨ nden als «L¨uge» gelten m¨usse (v. 14176–14187). Die Synchronisierung der beiden Heroen im ‹heroic age› war germanischer Geschichts¨uberlieferung selbstverst¨andlich; im ‹Nibelungenlied› lebte sie zwanglos fort. Bereits im Prolog hatte der Verfasser sein Publikum auf den Nutzen seiner als Buch eingef¨uhrten crˆonicˆa (v. 17) eingeschworen und vor «L¨ugen» in scophelˆıchen worten (v. 31) gewarnt, worin die Forschung traditionell eine Absage an die ficta der umlaufenden Heldendichtung und ein Bekenntnis zu den facta der verbu¨ rgten Historiographie erkannte. Vielleicht aber denkt der Verfasser gar nicht an jugendgef¨ahrdende Literatur, wenn er erkl¨art: sˆo lˆeret man die luge diu chint: / die nˆach uns chunftich sint, / die wellent si alsˆo behaben ... (v. 35–37). Eher doch scheinen die chint ganz grunds¨atzlich die Nachkommen zu sein. Sie m¨ussen glauben, was wir ihnen u¨ berliefern. Aus solchen Passagen zu schließen, dass der Regensburger Geistliche, der mutmaßlich die a¨ lteste Fassung der ‹Kaiserchronik› verantwortete, bestrebt war, sein Geschichtswerk rigoros gegen¨uber volksl¨aufiger Historiographie abzugrenzen, ist also kaum zul¨assig. Wie von selbst flossen in die Geschichte des r¨omischen Reiches, seiner P¨apste und seiner guten wie bo¨ sen Kaiser von den Anf¨angen bis in die Gegenwart (v. 15–26) Erz¨ahlstoffe ein, die bei strengem Anlegen des einmal formulierten Maßstabes unter das Verdikt der «L¨ugenhaftigkeit» gefallen w¨aren. Auch gibt es Abschnitte, die auf eine gemeinsame Quelle mit dem ‹Annolied› verweisen. Doch trotz aller Pr¨asenz traditioneller stofflicher und topischer Versatzst¨ucke ist in der ‹Kaiserchronik› die strukturelle Orientierung an einem umfassenden Konzept zu erkennen. Sie ero¨ ffnet, wenn auch in manchem nur als Vorl¨aufer, die lange Reihe weltchronistischer Experimente, die sich etwa seit der Mitte des 13. Jahrhunderts formiert.

XXXIII

Antikenroman und Chanson de geste Etwa gleichzeitig mit der ‹Kaiserchronik› etablierten sich im deutschen Sprachraum gro¨ ßere, aus der Romania u¨ berkommene Erz¨ahltraditionen. Es handelt sich dabei zum einen um Stoffkomplexe, die von Geschehnissen der antiken und der fru¨ hmittelalterlichen Welt handelten, allen voran dem Kampf um Troja, den Eroberungszu¨ gen Alexanders des Großen, der Vorgeschichte der Gr¨undung Roms und der Geschichte des Frankenreiches seit Karl dem Großen. Man teilt sie in Antikenromane (Troja, Rom, Alexander) und Chansons de geste (Karls- und Wilhelmsepik). In Forschung und Lehre hat sich f¨ur diese Werke eine germanistische Zust¨andigkeit eingebu¨ rgert. Wenn es hierf¨ur noch einer Begru¨ ndung bedarf, kann man wohl zurecht auf ihrer aller Mischungsverh¨altnis von factae und fictio verweisen. Nach heutigem Verst¨andnis handelte es sich wohl weniger um Geschichtsdichtungen als um historische Romane, die an der Herausarbeitung eines individuellen Profils ihrer Protagonisten gro¨ ßeres Interesse zeigten als an den geschichtlichen Abl¨aufen, in denen sie agierten – was sie durchaus in die N¨ahe germanischer Heldendichtung ru¨ ckte. Ihre Rezeption insbesondere in den Weltchroniken des 13. Jahrhunderts wird indes zeigen, dass sie als Geschichtsdichtungen aufgefasst und behandelt wurden. Trotzdem bleibt zu bedenken, dass es der bereits genannte Dares Phrygius war, dessen fabul¨ose Kriegsberichterstattung ‹Historia de excidio Troiae› (5. Jh.) im Verbund mit ihrem ideellen Gegenst¨uck, der ‹Ephemeris belli Troiani› des Dictys Cretensis (4. Jh.?) den Ausgangspunkt des mittelalterlichen Wissens um die Ereignisse vor Troja darstellt; dass also, mit anderen Worten, die chint sich auf sp¨atantike Mystifikationen zweier vermeintlicher Augenzeugen st¨utzen mussten. Benoit de Sainte-Maure verarbeitete beide Werke in seiner ‹Estoire de Troie› (um 1165), die dann Grundlage der ersten deutschen Trojadichtung, des zwischen 1190 und 1217 entstandenen XXXIV

‹Liet von Troye› des wohl th¨uringischen Klerikers Herbort von Fritzlar wurde. Herbort, um Kausallogik und Stringenz bemu¨ ht, reduzierte den Anteil der Liebeshandlung auf ein Maß, das ihren Einsatz als argumentum erm¨oglichte. So wie Paris’ Frauenraub und Helenas Wankelmut unweigerlich die Katastrophe nach sich ziehen, st¨urzt Achill u¨ ber seine Leidenschaft f¨ur Polixena. Dem relativ du¨ steren Panorama des Krieges blieb der Erfolg versagt. Konrad von W¨urzburg, der sich st¨arker f¨ur h¨ofisches Kolorit und f¨ur innere Vorg¨ange interessierte, griff um 1281/87 wieder auf Benoits ‹Estoire› zuru¨ ck. Der singul¨ar u¨ berlieferte ‹G¨ottweiger Trojanerkrieg› transformierte den Stoff unter dem Einfluss der h¨ofischen Dichtung recht waghalsig in einen Liebesroman. Den Weg aus dem brennenden Troja hin¨uber in die Tiberauen, den Vergil in seiner ‹Aeneis› beschrieben hatte, zeichnete vor 1160 der anonyme Verfasser des ‹Roman d’Eneas› nach. Er tat dies nat¨urlich unter Beru¨ cksichtigung des gegen¨uber der Antike grundlegend ver¨anderten Weltbildes, konnte aber etwa den wegweisenden Gang des Eneas in die Unterwelt nicht unterschlagen und kaum taufen. Neu ist die Verritterung der Trojaner bzw. Ro¨ mer und die vergleichsweise moderne Liebestheorie, die vor allem das Handeln der weiblichen Figuren (Dido und Lavinia) leitet. Als um 1190 der Maasl¨ander Heinrich von Veldeke in Th¨uringen seine mitteldeutsche Bearbeitung des ‹Roman› vollendete, schloss er sich, bei weiterer H¨ofisierung im einzelnen, relativ eng an seine Vorlage an. Veldeke stand in den folgenden Dekaden in h¨ochstem Ansehen, sein Eneasroman wurde breit rezipiert, der Stoff erfuhr allerdings keine Neubearbeitung. Als wesentlich produktiver erwies sich der Stoffkreis um den makedonischen Feldherrn Alexander und dessen weit ausgreifende Eroberungszu¨ ge. Seine abendl¨andischen Wurzeln hatte er, außer im biblischen Buch der Makkab¨aer, in den ‹Res gestae Alexandri› des Julius Valerius (4. Jh.), die als ›Epitome› seit

dem 8. Jahrhundert verbreitet wurden. Im 10. Jahrhundert verfasste der Archipresbyter Leo in Neapel eine als ‹Historia de preliis› bekannte Bearbeitung eines im 1. Jahrhundert v. Chr. entstandenen griechischen Romans. Der im Moselfr¨ankischen beheimatete Pfaffe Lamprecht, dessen ‹Alexander› bald nach 1160 entstanden sein du¨ rfte, berief sich auf das francoprovenzalische Gedicht eines Alberic de Pisancon. Er akzentuierte den Konflikt zwischen superbia und vanitas, beließ dem Heiden aber seinen Platz in der christlichen Heilsgeschichte, in der er als auserw¨ahltes Werkzeug Gottes die V¨olker Gog und Magog hinter den Kaukasus bannte. Lamprechts im geistlichen Kontext singul¨ar u¨ berliefertes Werk fand einige Fortsetzer, die bei grunds¨atzlicher Beibehaltung des Textes bzw. stilistischen Gl¨attungen Episoden nach anderen Quellen erg¨anzten. Die Fortsetzung X, die das Abenteuer der Tauchfahrt auf den Grund des Meeres und des Greifenflugs in den Himmel erg¨anzten, l¨asst den Hochmut des Helden so deutlich hervortreten, dass der Giftmord das Schicksal eines Tyrannen besiegelt. Rudolf von Ems schuf um die Mitte des 13. Jahrhunderts einen ‹Alexander› unter Verweis auf Lamprechts formale Insuffizienzen. Mit den romanischen Chansons de geste ist die letzte Gattung mit historischem Substrat benannt, die sich die weltchronistischen Experimente des 13. Jahrhunderts einverleiben sollten. Sie treten in Deutschland um die Mitte des 12. Jahrhunderts auf den Plan, lebten freilich in den folgenden Jahrhunderten, oft in enger Verschr¨ankung mit der Romanliteratur, kr¨aftig weiter. Erster Exponent von Gewicht ist das ‹Rolandslied› des Pfaffen Konrad (wohl 1172), das auf die franz¨osische ‹Chanson de Roland› (um 1075/1110) zur¨uckgeht. Vor dem Hintergrund der Spanienfeldz¨uge Karls des Großen gegen die Mauren entfaltet Konrad den Konflikt um die ungleichen ‹pairs› Olivier und Roland. Vom Verr¨ater Genelun in eine Falle gelockt, wird die Nachhut des karlischen Heeres in den Pyren¨aen bis auf den letzten Mann aufgerrieben, weil sich der

u¨ berambitionierte Roland trotz des Dr¨angens Oliviers weigert, mit dem Heerhorn rechtzeitig um Hilfe zu rufen. Der Stricker arbeitete das ‹Rolandslied› wohl noch im ersten Drittel des 13. Jahrhunderts um. Große Teile gingen im 14. Jahrhundert nahezu w¨ortlich in die umfangreichste deutsche Karls-Dichtung, die ‹Karlmeinet›-Kompilation, ein. Ganz sicher kannte Wolfram von Eschenbach das ‹Rolandslied›. Er f¨uhrte in seinem ‹Willehalm› (um 1215/20) eine regelrechte Diskussion um das Fortleben der Sarazenenkriege, wie sie der zweite große Stoffkreis der Chanson de geste, die Epik um Graf Wilhelm von Toulouse, der 793 eine Niederlage in der Provence erlitt, aufruft. Im Mittelpunkt von Wolframs Adaptation der Chanson ‹Aliscans› (Ende 12. Jh.) steht der Markgraf Willehalm, dessen Flucht mit der Ehefrau des K¨onigs Tybalt von Arabia, der Tochter des K¨onigs Terramer, die Katastrophe eines unvorstellbar großen und bei Alischanz auch siegreichen Heidenheeres in der Provence heraufbeschw¨ort. Wolfram inszenierte das Geschehen als Konflikt des liebenden Paares zwischen unverst¨andigen Familien auf beiden Seiten und n¨aherte Christen und Heiden einander auch auf diese Weise an. Ans¨atze zu einer Haltung interkultureller Verst¨andigung ebneten Wolframs am Schlachtgeschehen interessierte Fortsetzer Ulrich von T¨urheim und Ulrich von dem T¨urlin mitleidlos ein. F¨ur die Rezeption der ‹Willehalm›-Trilogie nicht nur im Rahmen der Weltchronistik sollten deren inhaltliche und ideologische Dif¨ ferenzen irrelevant bleiben. Ein Uberlieferungszweig der ‹Weltchronik› Heinrichs von M¨unchen ordnete Exzerpte aus allen drei Epen, de-rhetorisiert und auf die Essenz komprimiert, der Reichsgeschichte nach Karl dem Großen ein. Das im 14. Jahrhundert l¨angst g¨angige Verfahren der Ausbeutung der in diesem Abschnitt versammelten Textgruppen unter dem Aspekt ihrer historiographischen Relevanz sollte jedoch nicht zu einer rezeptionsgeschichtlich fundierten Verkennung des XXXV

Eigengewichtes der Texte f¨uhren. Sie entfalteten sich als Geschichten (fictio) vor geschichtlichem Hintergrund (factae). Dass die weltchronistischen Experimente wie Staubsauger mit fictio-Filter und factae-S¨ackchen agierten, a¨ ndert daran nichts, best¨atigt es vielmehr.

Das Jahrhundert der Weltchroniken Von «Experimenten» zu sprechen, gebietet zum einen die ph¨anomenologische Vielfalt ¨ des Uberkommenen, zum andern das offenkundige Scheitern der meisten Vorhaben. Zu einer Weltchronik geh¨oren ein Konzept und ein langer, am besten gleichm¨aßiger Atemfluss. Zumeist treffen wir freilich, wenn u¨ berhaupt, nur eines von beidem an. Das Christentum kannte mehrere Modelle, die Geschichte der Welt von der Sch¨opfung an in verbindliche Einheiten von unterschiedlicher Dauer zu unterteilen. Miteinander zu harmonisieren war die Lehre von den vier Weltreichen, die das biblische Buch Daniel (Kap. 7) vision¨ar formuliert hatte, mit der christlich-augustinischen Lehre von den sechs Weltaltern. Die Weltalter-Lehre z¨ahlte 1. von Adam bis Noah, 2. von Noah bis Abraham, 3. von Abraham bis David, 4. von David bis Nebukadnezar, 5. von Nebukadnezar bis Julius C¨asar, 6. von Augustus und Christus bis in die Gegenwart. Die vorchristliche Lehre von den vier sich in ihrem Anspruch auf Weltherrschaft abl¨osenden Weltreichen sah einen ¨ Ubergang des Primats von 1. den Babyloniern auf 2. die Perser, von den Persern auf 3. die Griechen und von den Griechen auf 4. die R¨omer vor, nach deren Zusammenbruch die Welt eigentlich h¨atte untergehen m¨ussen, w¨are der Herrscherstab nicht an die legitimen Erben Roms, die Franken u¨ bergegangen (sog. Lehre von der Translatio Imperii). Beide Modelle sind selten mit aller Konsequenz als Grundmuster zur Gliederung des weltgeschichtlichen Stoffes herangezogen worden. Abschweifungen und Modifikationen waren der Regelfall. Das Modell XXXVI

der Weltreiche konnte nur mit dem Trick der Translatio Imperii-Lehre f¨ur die mittelalterliche Gegenwart fruchtbar gemacht werden, w¨ahrend im Modell der Weltalter die Gegenwart rein stofflich immer gro¨ ßeren Druck auf die großzu¨ gig angesiedelten Erzv¨ater aus¨uben musste. Auch aus theologischer Perspektive konnte die Weltgeschichte nicht mit einer beliebigen Gegenwart enden. Der Konzepteur der ‹Kaiserchronik› etwa verlegte das r¨omische Reich an die dritte Stelle, um f¨ur die Herrschaft des Antichristen und sein Reich eine die Weltgeschichte angemessen abschließende Position zu sichern. Bei im Wesentlichen fortdauernder Grundkonzeption erfuhr die ›Kaiserchronik› (A) noch im 12., dann aber vor allem im 13. ¨ Jahrhundert mehrere redaktionelle Uberarbeitungen (B, C), die nicht nur Sprachliches korrigierten, sondern auch den Grundstock fortsetzten. Als erstes umfassendes Werk seiner Gattung stand es noch in hohem Ansehen, als sich immer klarer abzeichnete, dass es vor allem f¨ur diejenigen, die sich den ficta mehr als den facta verschrieben hatten, ein stetiger Quell spannenden Erz¨ahlstoffes sein w¨urde. Der Pfaffe Konrad sch¨opfte im ‹Rolandslied› ebenso aus ihm wie der Verfasser des ‹Trierer Silvester›, Otte nutzte es f¨ur den ‹Eraclius›, und mit Wolfram von Eschenbach (‹Willehalm›) griff ein poeta ersten Ranges nach der ‹Kaiserchronik›. Damit erwies sie sich als ein Denkmal, das im weiten Textfeld zwischen Hagiographie (‹Silvester›), Antikenroman und Chanson de geste-Adaptationen Quellenstatus beanspruchen konnte. Entscheidender freilich ist die Aufnahme des Werkes in die nun einsetzende volkssprachige Weltchronistik – und stellenweise u¨ ber sie hinaus, scheint doch eine Handschrift der lateinischen Chronik Frutolfs/Ekkehards (Rezension IV) vom Ende des 12. Jahrhunderts rund 200 Verse vom Anfang der ‹Kaiserchronik› in die Sprache gelehrter Historiographie retransformiert zu haben. Ihre haupts¨achlichen Abnehmer fand sie

freilich im Bereich deutschsprachiger Chronistik. Sie mussten sich nat¨urlich mit dem Text bescheiden, dessen sie habhaft werden konnten. So verarbeitete die C-Fassung der ‹S¨achsischen Weltchronik› die alte Redaktion A; Jan(s) von Wien (Jans Enikel) griff um 1270/80 nach der Redaktion B; in die große Kompilation des Heinrich von M¨unchen schließlich floss um 1370/80 die modernere Redaktion C ein. An der historiographischen Rezeption der ‹Kaiserchronik› l¨asst sich sehr sch¨on die vielf¨altige textliche Vernetzung, ja Verstrickung der Werke und ihrer Redaktionen hinab bis hin zu ihren Handschriften aufzeigen. Sie machte es den Philologen nicht immer leicht, Anteile sauber nach ihrer Herkunft zu scheiden. Offenkundig ging von der Gattung der narrativen Weltchronik eine beachtliche Faszination aus, der ab der Mitte des 13. Jahrhunderts immer mehr Autoren erlagen. Man hat daf¨ur von einem regelrechten ‹historic turn› gesprochen. Das ist im Grunds¨atzlichen unzweifelhaft. Fraglich bleibt allerdings, ob, wie gelegentlich behauptet wurde, die Produktion immer neuer chronikalischer Experimente als implizite Kampfansage an die fiktionale Literatur der Zeit zwischen 1180 und 1230 zu werten sei. Diese doch nicht ganz folgenlose These, die im Prinzip von einer kollektiven Absage an die Wirkkraft erfundener Geschichten ausgeht, h¨atte nat¨urlich die Fortdauer der Romane in deren handschriftlicher Rezeption zu beru¨ cksichtigen. Mit Rudolf von Ems freilich, dem erkl¨arten Verehrer des großen Romanciers Gottfried von Straßburg, wandte sich auch ein ausgewiesener Dichter aus der Tradition h¨ofischen Erz¨ahlens der Weltchronistik zu. Rudolf von Ems war, obwohl er ausschließlich deutsche Werke verfasste, ein gelehrter Schriftsteller. Er hatte eine entsprechende Schulbildung, war also des Lateinischen m¨achtig. Zu den sicher nachweisbaren Quellen seiner ‹Weltchronik› geh¨ort, neben der Vulgata, die ‹Historia scholastica› des

Petrus Comestor (vor 1176). Außerdem benutzte er vorrangig enzyklop¨adische Werke wie die ‹Imago mundi› des Honorius von Autun (vor 1150), die ‹Etymologien› Isidors von Sevilla (623) und das ‹Pantheon› Gotfrids von Viterbo (1190). In ihrer Anlage folgt Rudolfs Chronik der Lehre von den sechs Weltaltern. Ihre Binnengliederung freilich ist in guter Tradition Augustins, der den Weg der auserw¨ahlten civitas Dei von dem der civitas terrena abgegrenzt hatte, zweispurig. In jedem Weltalter folgt Rudolf zun¨achst dem Gang der heilsgeschichtlich relevanten Ereignisse, um dann im Anschluss jeweils auf einem nebinganc (v. 3117) die in die jeweilige ¨ fallenden Ereignisse «heidnischer» HistoAra rie zu verbuchen. Un¨ubersehbar gilt Rudolfs Sympathie der Herrschaft K¨onig Davids, auf die sich zahlreiche Querverweise finden. Indem er das ›Buch der K¨onige› mit einem Hymnus auf K¨onig Konrad IV., seinen M¨azen, ero¨ ffnet (v. 21564–21580), macht er klar, dass er u¨ ber die typologische Beziehung auf den K¨onig der K¨onige zugleich einen Suprematieanspruch des jungen Staufers zu begru¨ nden sucht. In der Bef¨orderung staufischer Interessen mag man auch die ‹causa scribendi› f¨ur die Abfassung erblicken, im Abbruch im f¨unften Weltalter u¨ ber K¨onig Salomo und der Begru¨ ndung, der Autor sei in welschen rˆıchen verstorben (v. 33483), eine Umkehrung der tats¨achlichen Verh¨altnisse, wobei nicht Rudolfs, sondern seines G¨onners Tod auf dessen Italienfeldzug ausschlaggebend wurde. Die punktuelle staufische Engf¨uhrung hat der Rezeption von Rudolfs Weltchronik im Folgenden nicht geschadet. Mit weit u¨ ber 100 Handschriften, von denen beinahe zwanzig illustriert sind oder f¨ur die Illustrierung vorgesehen waren, erreichte das Werk eine ganz neue Dimension an Aufmerksamkeit. Umso u¨ berraschender ist es, dass die nur geringf¨ugig sp¨ater in Th¨uringen entstandene, wahrscheinlich Landgraf Heinrich dem Erlauchten (1247–1288) gewidmete ‹Christherre-Chronik›, die bei rund 24 000 Versen im ‹Buch der Richter› abbricht, durchXXXVII

¨ aus vergleichbare Uberlieferungszahlen aufweisen kann. Die Chronik wurde erst in letzter Zeit von der Forschung wiederentdeckt. Sie darf heute nicht mehr als unbeholfener Parallelentwurf, sondern als regelrechtes Konkurrenzunternehmen zu Rudolfs Chronik gelten, bei dem Rudolfs Konzeption zur Disposition stand. Maßgeblich f¨ur diese Einsch¨atzung ist zum einen die wesentlich engere Orientierung der ‹Christherre-Chronik› am Wortlaut der Heiligen Schrift. Sie f¨uhrt zu einer ausf¨uhrlicheren Behandlung der biblischen Erz¨ahlabschnitte und kann Rudolfs Summarien gelegentlich bis zum F¨unffachen an Menge u¨ bertreffen. Dem gesellen sich, zweitens, theologisierende Einsch¨ube hinzu. Drittens f¨allt eine wesentlich engere Orientierung an den lateinischen Quellen auf, die der Verfasser auch eigens betont. So wird man schließlich sogar auf die Abwesenheit von Rudolfs Idee, die Schicksale der beiden civitates wenigstens formal zu parallelisieren, aufmerksam. Und auch der Umstand, dass man dem Dichter eine weitaus geringere Kunstfertigkeit als dem stilistisch gewandten Zeitgenossen attestierte, du¨ rfte wom¨oglich eher als Orientierung an einem anderen, der geistlichen Materie angemesseneren Stilideal hin zu verstehen sein. Wie so oft freilich kontradiktorische Positionen im Verlauf der Rezeptionsgeschichte eingeebnet wurden, hat sich auch in diesem Fall die geistliche Absetzung von Rudolf nicht auf die Rezeption ausgewirkt. In der bald schon einsetzenden Flut von Kompilationen und Mischtexten wurde die ‹Christherre›-Chronik zumeist nach Rudolf von Ems erweitert; gelegentlich schaltete man aber auch Rudolfs Text den Anfang der ‹Christherre-Chronik› vor oder ersetzte ganze Abschnitte aus dem Parallelwerk. Mit der neuerdings so genannten ‹Linzer Christherre-Chronik› entstand um die Mitte des 14. Jahrhunderts auf der Basis der Chronik Jans von Wien ein Kompilat von mehr als 57 000 Versen, das wie der ‹Leipziger Schluss der Christherre-Chronik› (ca. 2 000 Verse) Werkcharakter beanspruchen kann. XXXVIII

Nur eine Chronik des 13. Jahrhunderts vermochte es, bei grunds¨atzlich a¨hnlicher Disposition wie ihre Vorg¨anger, bis ins sechste Weltalter vorzustoßen. Jan(s) von Wien beschließt seine ca. 29 000 Verse umfassende Weltchronik mit der Herrschaft Kaiser Friedrichs II. (1211–1250). Indizien deuten auf eine Abfassung nicht vor 1277/80 hin. Wieder ist mindestens Honorius’ ‹Imago mundi› als Quelle zugezogen. In den Ablauf der historischen Ereignisse, die auch Jan(s) in biblische und heidnische trennt, mischt der Verfasser in auff¨allig großzu¨ giger Weise außerbiblisches Erz¨ahlmaterial. Damit kn¨upft er an die ‹Kaiserchronik› und deren Konzept, den n¨utzlichen facta auch unterhaltsame fictio beizumischen, an. Obwohl auch von der Chronik des Jan(s) illustrierte Handschriften gefertigt wurden, erlebte sie doch keine den beiden anderen Werken auch nur im Ansatz vergleichbare Rezeption. Allerdings wurde sie oft zur Anreicherung, gelegentlich auch als Grundlage anderer Kompilate herangezogen. Seinen H¨ohepunkt erreichte das Jahrhundert der Weltchroniken mit der um 1370/1380 entstandenen, alle Vorg¨angerinnen mit ihren zwischen 60 000 und 100 000 Versen quantitativ in den Schatten stellenden Weltchronik, die von der Forschung unter dem Namen des Heinrich von M¨unchen gef¨uhrt wird. Man nimmt heute an, dass der ganze Komplex der im Textbestand stark variierenden ChronikKompilation, von denen nur ein Zweig im Prolog den Heinrich von Pair lant als Urheber nennt, weniger das Werk eines einzelnen Mannes, als vielmehr das Produkt eines Werkstattzusammenhangs gewesen sein m¨usse. Bereits die bloße Beschaffung der zugezogenen Quellen l¨asst die Annahme eines Kollektivs plausibel erscheinen. Weltchronistik, Bibelepik, Antikenroman und Heldenepik addierten sich in der Kompilation Heinrichs von M¨unchen zu einer Art universalgeschichtlichen Summe. K¨urzende Akzentuierung, wie sie den lateinischen Summen des Hochmittelalters eignete, geh¨orte indes nicht

zum Programm der Kompilation. Das Verfahren der Addition l¨asst sich bereits in der Erstfassung (1 Hs.) aufweisen, die auf der ‹Erweiterten Christherre-Chronik› fußt. Dort wurden Passagen aus Rudolf von Ems, aber auch aus dem ‹Alexander› Ulrichs von Etzenbach, Konrads von W¨urzburg ‹Trojanerkrieg›, der ‹Willehalm›-Trilogie, dem ‹Marienleben› des Kart¨ausers Philipp und dem ‹Streit der T¨ochter Gottes› eingeflochten. Auf jeder neuen Stufe der Textentfaltung l¨asst sich die Konsultation neuer Quellen beobachten. In die Fassung alpha (6 Hss.) wurde eine Paraphrase der ‹Vita Adae et Evae› ins erste Weltalter integriert. In der Fassung beta (11 Hss.) erscheinen dann auch Wolframs ‹Parzival›, die ‹Kaiserchronik› (C) und das ‹Schachgedicht› Heinrichs von Beringen. Mit dem Heinrich von M¨unchen-Komplex erreichte die mittelalterliche Weltchronistik ihren Gipfelpunkt. Sie konsultiert erstmals eine Palette von Quellen in nie zuvor gekannter Breite, die unbesehen ihrer gattungstypologischen Bindungen zur Optimierung der Darstellung beigezogen werden. Bereits die literarhistorische Kompetenz des oder der Kompilatoren ist erstaunlich. Zur besseren Orientierung wurden außer dem Beiwerk, das bereits die Tradition kannte (etwa ru¨ brizierte Prosa-Uberleitungen zwischen den Bu¨ chern), Navigationshilfen wie das Inhaltsverzeichnis, die Kapiteleinteilung der Bu¨ cher oder die Kolumne am oberen Blattrand eingezogen. Mit ihrem grunds¨atzlichen Anspruch, u¨ ber die Heils- und Profangeschichte hinaus auch kultur- und zivilisationsgeschichtliches Wissen in der Volkssprache zu vermitteln, bewegt sich die auf Handhabbarkeit und leichtes Nachschlagen bedachte Chronik bereits an der Schwelle zur Enzyklop¨adie.

Weltgeschichte in Prosa Wir hatten eingangs dezidiert erkl¨art, von einer Behandlung der prosaischen Historiographie in der Volkssprache weitgehend abse-

hen zu wollen. Als Begru¨ ndung diente das Argument, dass die Prosachronistik recht eigentlich in Konkurrenz zur Verschronistik stehe und in Absetzung von dieser entstanden sei. Im Versprolog zum ‹Lucidarius› bot der Hinweis auf deren h¨oheren Wahrheitsgehalt die Rechtfertigung der Prosaform des enzyklop¨adischen Werkes. Es w¨are vor diesem Hintergrund zu erwarten gewesen, dass auch die Reimvorreden der Prosachroniken explizit auf das Fragw¨urdige des Reimes verweisen. Zwei der prominentesten deutschen Weltchroniken, die – bei gewichtigen Unterschieden im Einzelnen – das Zeitalter der gereimten Weltchroniken gleichsam prosaisch rahmten, taten genau dies freilich nicht: die anonyme ‹S¨achsische Weltchronik› (ca. 1260/75) und die ‹Th¨uringische Weltchronik› des Eisenacher Scholasters Johannes Rothe (1421). Beide Werke werden durch eine Reimvorrede eingeleitet, in der aber jede Auseinandersetzung mit der versifizierenden Historiographie vermieden wird. Insbesondere f¨ur die ‹S¨achsische Weltchronik› ist dies verwunderlich. Sie ist typologisch eine Einzelg¨angerin in ihrer Zeit, h¨atte also eigentlich eines Flankenschutzes bedurft. Der Reimvorredner greift stattdessen in predigthaftem Ton auf das Modell der Nachfolge Christi zur¨uck. Wer die moralischen Exempel der Chronik aufnehme, werde dadurch zu einem besseren Menschen. Explizit ruft der Verfasser dazu auf, das Werk nach seinem Tode fortzuf¨uhren. Er sollte damit Erfolg haben. Die ‹S¨achsische Weltchronik› fußt auf anderem Grunde als ihre gereimten Gegenst¨ucke. Ihr Verfasser beruft sich auf Lukans ‹Pharsalia› und die Kirchengeschichte des Orosius; er kennt Flavius Josephus, die ‹Dialogi› Gregors des Großen, das ‹Decretum Gratiani› und Helmolds von Bosau lateinische Slavenchronik. Nur gelegentliche Hinweise auf die ‹Kaiserchronik› lassen erkennen, dass er u¨ berhaupt um die Verschronistik weiß. Nicht das in sechs Weltalter geteilte biblische Geschehen, sondern das durch die Vorherrschaft der vier Weltreiche strukturierte Weltgeschehen XXXIX

ist seine Sache. Nach der Sch¨opfung strebt der Verfasser zu¨ gig auf die Herrschaft Roms zu. Nach C¨asars Tod beginnt die beste Zeit der Christen: ein Leben in Verfolgung und Drangsal, das erst mit der Machtergreifung Konstantins und der Etablierung der Staatsreligion endet. In der deutschen Reichsgeschichte h¨angt das Auf und Ab wesentlich an der moralischen bzw. religi¨osen Integrit¨at seiner Herrscher. Nach dem schw¨achenden Investiturstreit markierte das Gegenko¨ nigtum Heinrichs V. (1106–1125) einen Tiefpunkt, wogegen der Verfasser unter Kaiser Lothar von Supplinburg (1125–1137) eine guldine tit verzeichnet. Die rasch sich ausfaltende Textgeschichte brachte neben verschiedenen tabellarischen Anh¨angen vor allem mehrere regional akzentuierte Fortsetzungen, die bis etwa in die Mitte des 15. Jahrhunderts reichen und der Chronik eine noch st¨arkere landesgeschichtliche Ausrichtung verliehen. Den genau umgekehrten Weg aus der Landesgeschichte in die Weltgeschichte beobachten wir im Schaffen des Eisenacher Scholasters Johannes Rothe. Die Chronologie seiner Werke l¨asst vermuten, dass er sich gleichsam aus der Lokalgeschichte (‹Eisenacher Chronik›, um 1414) u¨ ber die Landesgeschichte (‹Th¨uringische Landeschronik›, 1407–1418) in die Weltgeschichte geschrieben hat. Formal trifft das zu. Allerdings greifen wir bei Rothe, der Geschichte f¨ur den Eisenacher Hof und seine Angeh¨origen schrieb, keinerlei weltgeschichtliches Konzept mehr, sondern eine Ausweitung der Regionalgeschichte ins Universale, anders formuliert: eine Reduktion der Weltgeschichte auf landesgeschichtlich bedeutsame Aspekte. Solche Kontextualisierung des Regionalen und Partikularen sollte sich im 15. Jahrhundert fortschreiben. Das heißt zugleich: der Kontext war nicht mehr gegeben. Mit heilsgeschichtlich bedeutsamen, das Publikum orientierenden Ordnungsmustern wie der Lehre von den Weltaltern hatten die ‹Weltchroniken› nun nicht mehr viel zu tun. XL

Die ‹kleine Geschichte› und ihre Gattungen Man mag hier einwenden, dass es neben der Universalchronistik von jeher – und auch in ¨ der großen Reimchroniken – eine der Ara Partikularchronistik gegeben habe. Das ist sicher zutreffend. Und doch spielte sie, aufs ¨ Ganze der Produktion wie ihrer Uberlieferung gesehen, eine untergeordnete Rolle. Partikularchronistik bediente, ob als Landes-, Bistums-, Stadt-, Kloster-, Dynastien- oder Individualgeschichte, in erster Linie partikulare Interessen. Die ‹causa scribendi› bestimmte, mittelbar wie unmittelbar, ihre historische Reichweite. Die meisten Texte sind allenfalls in einer Handvoll Abschriften u¨ berkommen. Es f¨allt auf, dass die im 13. Jahrhundert aufkommende Partikularchronistik ihr Residuum zun¨achst vor allem in Mittel- und Norddeutschland findet; eine Tatsache, die man wohl nur bedingt mit Entwicklungen der allgemeinen Stadt- und Dynastiengeschichte in Beziehung setzen darf. Eingangs des Jahrhunderts verfasste der Diakon Eberhard von Gandersheim (bezeugt zwischen 1204 und 1216) eine niederdeutsche Stiftschronik in Reimen, deren ersten Teil er 1216 abschloss. Der Anlass seines Unternehmens ist in der erfolgreichen Befreiung des Damenstifts vom bisch¨oflichen Zugriff zu erkennen, den die ¨ Abtissin 1208 in Rom erwirkt hatte. Offenkundig bedurfte es in dieser heiklen Situation, die den Hildesheimer Bischof als Gesch¨adigten auf den Plan rief, der Unterst¨utzung der Ministerialen des Stifts, die Eberhard auffordert, dessen Besitzt¨umer aufmerksam zu sch¨utzen. Eberhard argumentiert unter Ru¨ ckgriff auf gelehrte Quellen und das ihm vertraute Klosterarchiv. Sein Text ist in nur einer Handschrift u¨ berkommen. M¨oglicherweise hat es weitere Exemplare gegeben, die eine Berufung des auch sonst recht belesenen Verfassers der niederdeutschen ‹Braunschweigischen Reimchronik› auf Eberhards Text

ausgangs des Jahrhunderts mo¨ glich erscheinen lassen. Dieser geschliffene, an der h¨ofischen Dichtersprache orientierte Text, dessen geistlicher Verfasser im Umkreis der Herz¨oge von Braunschweig-L¨uneburg zu suchen ist, beru¨ cksichtigt zwar das Profil der Stadt Braunschweig, fokussiert aber als F¨urstenchronik vor allem Person und Taten Herzog Albrechts I. (1252–1279), an dessen So¨ hne er sich ermahnend richtet. Nachtr¨age reichen noch bis 1298; der Text du¨ rfte indes zwischen 1279 und 1292 entstanden sein. Von den beiden erhaltenen Handschriften ko¨ nnte eine das Widmungsexemplar f¨ur die So¨ hne Albrechts gewesen sein. Als politische Ereignisdichtung, die die seit 1251 f¨ur zwanzig Jahre andauernden Kontroversen zwischen den Erzbisch¨ofen, Patriziern und Z¨unften der Stadt K¨oln ins Visier nimmt, weist die noch recht umfangreiche Reimchronik (¨uber 6 000 Verse) des K¨olners Gottfried Hagen (1270) bereits voraus auf die pointiertere Spruch- und Lieddichtung des Sp¨atmittelalters. Auch von diesem Werk sind gerade einmal zwei mittelalterliche Abschriften erhalten. In ein anderes soziales und kulturelles Milieu verweist die ‹Kreuzfahrt des Landgrafen Ludwig von Th¨uringen›. Sie kn¨upft explizit an die großen Taten Ludwigs des Frommen von Th¨uringen (gest. 1190) im Heiligen Land an. Ob die Verwechselung mit seinem Neffen Ludwig III., dem Gemahl der heiligen Elisabeth, beabsichtigt ist oder auf einem Versehen beruht, ist schwer zu entscheiden. Bei einer Entstehung um 1300 am schlesischen Hof Bolkos I. von Schweidnitz ist beides nicht auszuschließen. Der nur in einer Handschrift u¨ berkommene Text changiert eigent¨umlich zwischen den Gattungen. Offenkundig ist der starke Einfluss des h¨ofischen Epos, der die Heiden zu edlen Kriegern stilisiert, w¨ahrend insbesondere die nicht-deutschen Truppen im Heiligen Land eine unvorteilhafte Figur abgeben. Aus expliziten Nennungen im Text kann man auf eine Erinnerungskultur unter den Nachfahren der Kreuzfahrer schließen.

Einen Sonderfall der Partikularchronistik stellt die Verquickung aus Landes- und Ordensgeschichte vor, die im Umfeld des Deutschen Ordens entstanden ist. Bereits im ausgehenden 13. Jahrhundert wurde die gewaltsame Bekehrung Livlands in der ostmitteldeutschen Reimchronik eines anonymen Ritterbruders dargestellt. Bald nach der Entstehung der offiziellen Ordensgeschichte Peters von Dusburg (1326) brachte der Priesterbruder Nikolaus von Jeroschin das Werk im Auftrag der Hochmeister Luder von Braunschweig (1331–1335) und Dietrich von Altenburg (1335–1341) in deutsche Verse. In beiden (und weiteren) F¨allen bestand ein wesentlicher Beweggrund f¨ur die Abfassung wohl darin, in der heterogenen Gruppe der Ordensritter im Baltikum u¨ ber die erfolgreich geschilderten Schlachtereignisse den Gedanken einer korporativen Identit¨at zu verankern und zu st¨arken. Das bis hier Vorgebrachte ko¨ nnte in der Tat den Eindruck einer auf Nord- und Mitteldeutschland beschr¨ankten Partikularchronistik erwecken. Deren weite Verbreitung w¨ahrend des 13. Jahrhunderts ist offenkundig. Zwar sollten bald schon jede mittlere Stadt und jede Landschaft ihre eigene Chronik erhalten. Doch ist seit dem 14. Jahrhundert ein Vordringen der Prosa in der Partikularchronistik offenkundig. Haupts¨achlich u¨ ber das Amt der Stadtschreiber, in dessen Aufgabenspektrum sie zu dr¨angen scheint, verbreitet sich die Partikularchronistik insbesondere der St¨adte. Der Schreibkundige freilich ist, auch vom Bildungsgang, kein poeta mehr. Die Chroniken der deutschen St¨adte werden auch nicht o¨ ffentlich verlesen, sondern liegen in repr¨asentativen Handschriften auf dem Rathaus und in den Stuben der Patrizier. In Augsburg und N¨urnberg, aber auch weiterhin im Norden, in Braunschweig und L¨uneburg, floriert die st¨adtische Geschichtsschreibung nun auch in den H¨anden von Privatiers, von Kaufleuten und st¨adtischen Beamten. Sie mischen dem großen Ganzen oft das Eigene bei, wofern sie die lokalhistorischen XLI

Zusammenh¨ange nicht ohnehin nur aufrufen, um die Verschriftung des eigenen Lebensganges in ihren Kontext zu stellen. Dort sind nun Ans¨atze zu greifen, die eigene Existenz als durch die Zusammenh¨ange von Raum und Zeit, in denen sie sich verortet, mitbestimmt zu denken. Die Stadt spielt darin eine nicht unerhebliche Rolle. Selbstbild und Selbstdarstellung einer international agierenden Handelsstadt wie N¨urnberg etwa wurden maßgeblich durch die Lokalchronistik reflektiert, entwickelt und gepflegt. Gerade im Falle N¨urnbergs ist denn auch sehr sch¨on das Fragile einer Partikularchronistik, die jenseits aller Lehren von Weltaltern oder Weltreichen Bedeutung f¨ur ihren Gegenstand reklamierte, zu greifen. Die Ratsverl¨asse geben ein sehr anschauliches Bild von der wechselvollen Symbiose der Historiographie mit den sensibelsten Medien der Zeitgeschichte: dem Spruch und dem Lied.

Historisches in Spruch und Lied Es ist nicht so, dass es im 12. oder 13. Jahrhundert keine irgendwo aufgezeichneten Lieder zu gleichzeitigen oder unmittelbar zuru¨ ckliegenden Ereignissen gegeben h¨atte. Lateinisches gab es, wie wir eingangs sahen, bereits im 9. Jahrhundert. Vielleicht kann man sagen, dass deutsche Lieder erst um die Wende zum 13. Jahrhundert mit den vielf¨altigen Erfahrungen von Reisenden und Kriegern im Heiligen Land aufkamen. Auch Ko¨ nigswahlen wurden nun besungen, wenn auch der Wahlgang selbst hinter dem F¨urstenpreis zuru¨ ckstand. Als wichtigstes Thema, dessen propagandistische Dimension fru¨ h erkannt wurde, erwiesen sich versifizierte Berichte u¨ ber den Verlauf von Schlachten. Am Anfang dieses Genres stehen die reichsgeschichtlich bedeutsame ‹B¨ohmenschlacht›, die den Triumph K¨onig Rudolfs von Habsburg u¨ ber den aufru¨ hrerischen K¨onig Ottokar von Bo¨ hmen auf dem Marchfeld (1278) zum Gegenstand hat, und XLII

die ‹Schlacht bei G¨ollheim›, die von der Niederlage K¨onig Adolfs von Nassau gegen den ¨ Gegenko¨ nig Albrecht von Osterreich (1298) berichtet. Das Genre bildete bald schon eine formelhafte Diktion von verbl¨uffender Kontinuit¨at aus, die eine zeitliche Ansetzung von Schlachtenliedern mitunter allein u¨ ber ihren Gegenstand ermo¨ glicht. Diese Diktion wurde fru¨ her als Traditionsgut des singenden Volkes missverstanden. Sie ist aber vor allem Kunsthandwerk der hauptberuflichen Tr¨ager der Gattung, der Herolde oder Sprecher, die ihre amtlichen Mitteilungen im Sinne einer leichteren Aufnahme o¨ konomisierten. Unter den H¨anden humanistischer Dichter fand das Schlachtgedicht um 1500 zumindest formal seine Ru¨ ckbindung an antike Vorl¨aufer. Innerst¨adtische Auseinandersetzungen oder Konflikte, die eine Stadt mit ihrem Landesherrn oder dem zust¨andigen Bischof austrug, brachten ebenso ihre Lieder hervor wie die Eroberungen von Burgen oder Zusammenst¨oße kleiner Heerhaufen zu unbedeutenden Scharm¨utzeln zwischen zwei St¨adten. In gu¨ nstigen F¨allen existieren auch hier verschieden perspektivierte Texte, wobei die Wahrheit nicht in der Mitte zu finden sein du¨ rfte, sondern meistens gar nicht mehr. Im Sp¨atmittelalter attrahierte insbesondere der gewaltsame Tod einer umstrittenen Pers¨onlichkeit wie des Augsburger Bu¨ rgermeisters Ulrich Schwarz (1478) oder des N¨urnberger Patriziers Nikolaus Muffel (1469) seine Publizisten. Gerade im stets fragilen Zusammenhang der Stadtgemeinschaft war das historisch-politische Ereignisgedicht ein Gebilde, dessen oft vehemente beh¨ordliche Unterdru¨ ckung seine soziale Sprengkraft erahnen l¨asst. Publizistische Spekulation u¨ ber den r¨atselhaften Tod des letzten Habsburgers auf dem bo¨ hmischen Thron, Ladislaus Postumus (1457), l¨oste Kontroversen in halb Europa aus. Das erste partikularhistorische Ereignis, das noch u¨ ber Jahrhunderte ein ganzes Textgeflecht nach sich ziehen sollte, war vermutlich der „Ritualmord“ an dem Knaben Werner von Bacharach bei Oberwesel (1287). Es ero¨ ffnete

wohl die lange, h¨ochst unerquickliche Tradition von Sensationsdichtungen u¨ ber so genannte Ritualmorde, in der sich hagiographische Elaborate von Kirchenm¨annern und Hexameterepen gelehrter Humanisten allerdings in nichts nachstanden. Die Texte entstanden, wie der Fall des Knaben Simon von Trient zeigt (1475), nicht selten vor dem Hintergrund energischer lokaler Kultf¨orderung. Sie legitimierten nicht nur Pogrome an den j¨udischen Gemeinden, die mit der Auffindung der Leiche eines Christenkindes in verh¨angnisvolle Verbindung gebracht wurden, sondern bildeten eine stete Referenzgro¨ ße f¨ur ku¨ nftige Ereignisse. Viele zeitgeschichtliche Lieder und Spru¨ che haben nur u¨ berdauert, weil sie Unterschlupf in der regionalen oder st¨adtischen Chronistik fanden. Nicht, dass es in Prosa nicht pr¨aziser zu sagen gewesen w¨are, du¨ rfte ihre Aufnahme motiviert haben. Die Stadtschreiber summten oft noch die Melodie zum Dokument, das als gemeinsames der st¨adtischen Erinnerung unterlegt war. Als solches war und blieb es der Diskussion u¨ ber facta und fictio enthoben und lebte, eingebettet in prosaische Bem¨uhungen um die facta, fort in struktureller Analogie zu den Heldenliedern der germanischen St¨amme, deren Funktion ja auch zuv¨orderst in der Pflege des Mythos bestanden haben du¨ rfte.

Literaturhinweise Fritz Peter Knapp, Historie und Fiktion in der mittelalterlichen Gattungspoetik. Sieben Studien und ein Nachwort, Heidelberg 1997. Horst Brunner (Hg.), Studien zur ‹Weltchronik› Heinrichs von M¨unchen. Bd. 1, Wiesbaden 1998 (Wissensliteratur im Mittelalter 29). Karina Kellermann, Abschied vom ‹historischen Volkslied›. Studien zu Funk¨ tion, Asthetik und Publizit¨at der Gattung historisch-politische Ereignisdichtung, T¨ubingen 2000 (Hermaea 90). Stephan M¨uller, Vom ‹Annolied› zur ‹Kaiserchronik›. Zu Text- und Forschungsgeschichte einer verlorenen deutschen Reimchronik, Heidelberg 2000. Mathias Herweg, Ludwigslied, ‹De Henrico›, Annolied. Die deutschen Zeitdichtungen des Mittelalters im Spiegel ihrer wissenschaftlichen Rezeption und Erforschung, Wiesbaden 2002 (Imagines medii aevi 13). ¨ Ralf Plate, Die Uberlieferung der ‹Christherre-Chronik›, Wiesbaden 2005 (Wissensliteratur im Mittelalter 28). Edith Feistner, Michael Neecke, Gisela Vollmann-Profe, Krieg im Visier. Bibelepik und Chronistik im Deutschen Orden als Modell korporativer Identit¨atsbildung, T¨ubingen 2007 (Hermaea 114).

XLIII

¨ ABKURZUNGSUND SIGLENVERZEICHNIS ¨ ABKURZUNGSVERZEICHNIS a.a.O. Abb. Abh. Abt. ahd. Akad. allg. Anm. Anz. Arch. as. AT Aufl. Ausg.

am angef¨uhrten Ort Abbildung(en) Abhandlung(en) Abteilung althochdeutsch Akademie allgemein Anmerkung(en) Anzeiger Archiv alts¨achsisch Altes Testament Auflage Ausgabe

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gedr. germ. Ges. Gesch., -gesch.

gedruckt germanisch Gesellschaft Geschichte, -geschichte

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hist. Hs., Hss. hsl.

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Hb. hg., Hg.

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Institut

Jb., Jbb. Jg. Jh.

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¨ d. A. d. J. ders. dies. Diss. dt. durchges.

¨ der Altere der J¨ungere derselbe dieselbe(n) Dissertation deutsch durchgesehen

Kap. Kat. kgl. Kl. Komm., komm. krit. Kt.

Kapitel Katalog k¨oniglich Klasse Kommentar, kommentiert kritisch Kanton

ebd. ed.

ebenda edited

lat. LB

lateinisch Landesbibliothek

XLIV

Lex. Lfg. Lit. LMB

Lexikon Lieferung Literatur Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel

MA, ma. masch. mhd. Mitt. mlat. mnd. mndl. Ms(s).

Mittelalter, mittelalterlich maschinenschriftlich mittelhochdeutsch Mitteilungen mittellateinisch mittelniederdeutsch mittelniederl¨andisch Manuskript(e)

Nachdr. Nachw. nd. ndl. Neudr. NF nhd. Nr. NS

Nachdruck Nachwort niederdeutsch niederl¨andisch Neudruck Neue Folge neuhochdeutsch Nummer Neue Serie, Nova Series, Nuova Serie. Neues Testament

NT o. J. o. O. o. O. u. J. o. S. obd. ¨ ONB o¨ sterr. Pap. Perg. phil. philol. Publ. Red. Reg. rev. RUB

ohne Jahr ohne Ort ohne Ort und Jahr ohne Signatur oberdeutsch ¨ Osterreichische Nationalbibliothek, Wien o¨ sterreichisch Papier Pergament philosophisch philologisch Publikation(en), publication(s) Redaktion, Redakteur(in) Register revidiert, revised Reclams UniversalBibliothek

S. Sb. SBB Schr. Ser. Slg. sog. Sp. StB StLB Str. StUB

Suppl.

Seite(n) Sitzungsbericht(e) Staatsbibliothek zu Berlin Schrift(en) Serie, series Sammlung(en) sogenannt Spalte(n) Stadtbibliothek Stadt- und Landesbibliothek Strophe(n) Stadt- und Universit¨atsbibliothek Studien Staats- und Universit¨atsbibliothek Supplement

Tf. Tl., Tle.

Tafel(n) Teil, Teile

u. a. u. d. T. UB u¨ berarb. ¨ Uberl., u¨ berl. u¨ bers. ULB Univ. Unters.

und andere, unter anderem unter dem Titel Universit¨atsbibliothek u¨ berarbeitet ¨ Uberlieferung, u¨ berliefert u¨ bersetzt Universit¨ats- und Landesbibliothek Universit¨at Untersuchung(en)

V. v. Ver. verb. verm. Ver¨off. Verz. vollst. Vorw.

Vers(e) von Verein verbessert vermehrt Ver¨offentlichung(en) Verzeichnis vollst¨andig Vorwort

Wb. Wiss.

W¨orterbuch Wissenschaft(en)

Z. ZB zit. Zs.

Zeile(n) Zentralbibliothek zitiert Zeitschrift

Stud. SUB

XLV

SIGLENVERZEICHNIS AB¨aG

ADB

AfdA

AfK AH

ATB

Amsterdamer Beitr¨age zur a¨lteren Germanistik. Amsterdam 1972 ff. Allgemeine deutsche Biographie. Hg. durch die Historische Commission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. 56 Bde., Leipzig 1875–1912 Anzeiger f¨ur deutsches Altertum und deutsche Literatur (beigeheftet der ZfdA). Leipzig u. a. 1876–1989 Archiv f¨ur Kulturgeschichte Analecta Hymnica Medii Aevi. Hg. v. C. Blume, G. M. Dreves (und H. M. Bannister). 55 Bde., 1886–1922. Nachdr. 1961. Register hg. v. M. L¨utolf. 2 Bde., 1978 Altdeutsche Textbibliothek, 1882 ff, 1959 ff.

Brunh¨olzl

CCCM CCSL Chron.dt.St.

Cramer

CSEL BB

BBKL

BdK BHL

Bibl.dt.Nat.-Lit.

BMA

De Boor/Newald

XLVI

Bayerische Bibl. Texte aus zw¨olf. Jh. Hg. v. Hans P¨ornbacher und Benno Hubensteiner. 5 Bde., Mu¨ nchen 1978–90 Biographisch-bibliographisches Kirchenlexikon. Begr. und hg. v. Friedrich Wilhelm Bautz. Fortgef¨uhrt v. Traugott Bautz. Hamm (sp¨ater Herzberg, Nordhausen) 1970 ff. Bibliothek deutscher Klassiker. Frankfurt/M. Bibliotheca hagiographica latina. 2 Bde., Br¨ussel 1898–1901. Suppl.-Bd. 21911 Bibliothek der gesamten deutschen National-Literatur von der a¨ ltesten bis auf die neueste Zeit Bibliothek des Mittelalters. ¨ Texte und Ubersetzungen. Deutscher Klassiker-Verlag, 1987 ff. Geschichte der deutschen Literatur von den Anf¨angen bis zur Gegenwart. Begr. v.

DA DACL

DHGE

Dict. Spir.

DTM DU

DVjs

Helmut de Boor und Richard Newald. 1949 ff. Franz Brunh¨olzl: Geschichte der lat. Lit. des MA. Bd. 1–2, Mu¨ nchen 1975 und 1992 Corpus Christianorum, Continuatio Mediaevalis. Turnhout 1966 ff. Corpus Christianorum, Series Latina. Turnhout 1954 ff. Die Chroniken der deutschen St¨adte. Hg. v. der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. 1862–1931 Thomas Cramer (Hg.): Die kleineren Liederdichter des 14. und 15. Jahrhunderts. 4 Bde., M¨unchen 1977–85 Corpus scriptorum ecclesiasticorum latinorum. Wien u. a. 1866 ff. Deutsches Archiv f¨ur Erforschung des Mittelalters Dictionnaire d’arch´eologie chr´etienne et de liturgie. Hg. v. Fernand Cabrol u. a. Paris 1907 ff. Dictionnaire d’histoire et de g´eographie eccl´esiastiques. Hg. v. Alfred Baudrillart u. a. Paris 1912 ff. Dictionnaire de spiritualit´e asc´etique et mystique. Doctrine et histoire. Fond´e par M. Viller ... 17 Bde., Paris 1937–95 Deutsche Texte des Mittelalters, 1904 ff. Der Deutschunterricht. Beitr¨age zu seiner Praxis und wissenschaftlichen Grundlegung. Seelze 1948/49 ff. Deutsche Vierteljahrsschrift f¨ur Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte. Stuttgart/ Weimar 1923 ff.

Ehrismann

EM

Enz Phil Wiss

Euph.

GAG GRM GW

HBLS

HLS

HMS

Gustav Ehrismann: Geschichte der deutschen Literatur bis zum Ausgang des Mittelalters. 4 Bde. M¨unchen 1932–35 Enzyklop¨adie des M¨archens. Handw¨orterbuch zur historischen und vergleichenden Erz¨ahlforschung. Begr. v. Kurt Ranke. Hg. v. Rolf Wilhelm Brednich und Hermann Bausinger. Berlin/New York 1977 ff. Enzyklop¨adie Philosophie und Wissenschaftstheorie. In Verbindung mit Gereon Wolters hg. v. J¨urgen Mittelstraß. 4 Bde., Stuttgart/Weimar 1995/96. 2., neu bearb. und wesentlich erg. Aufl. In Verbindung mit Martin Carrier hg. v. J¨urgen Mittelstraß. Stuttgart/ Weimar 2005 ff. Euphorion. Zeitschrift f¨ur Literaturgeschichte. Heidelberg 1894 ff. G¨oppinger Arbeiten zur Germanistik, 1960 ff. Germanisch-Romanische Monatsschrift. Heidelberg 1909 ff. Gesamtkatalog der Wiegendrucke. Bd.1–8,1 hg. v. der Kommission f¨ur den Gesamtkatalog der Wiegendrucke. Leipzig 1925–40. Bd.8,2 ff. hg. v. der Deutschen Staatsbibliothek zu Berlin. Stuttgart u. a.1978 ff. Historisches Biographisches Lexikon der Schweiz. 7 Bde., Neuenburg 1921–34 Historisches Lexikon der Schweiz. Hg. v. der Stiftung Historisches Lexikon der Schweiz. Basel 2002 ff. Minnesinger. Ges. und hg. v. Friedrich Heinrich von der Hagen. 7 Tle. in 3 Bdn. 1838–56. Neudr. Leipzig 1963

HRG

Handw¨orterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte. Hg. v. Adalbert Erler und Ekkehard Kaufmann, Bd. 5 zus¨atzlich v. Dieter Werkm¨uller. 5 Bde., Berlin 1971–98. 2., v¨ollig u¨ berarb. und erw. Aufl. Hg. v. Albrecht Cordes, Heiner L¨uck und Dieter Werkm¨uller. Berlin 2004 ff.

JOWG

Jahrbuch der Oswald von Wolkenstein-Gesellschaft. Marbach/N. u. a. 1981 ff.

Killy

Literatur-Lexikon. Autoren und Werke deutscher Sprache. Hg. v. Walther Killy. Bd. 1–12. G¨utersloh/ M¨unchen 1988–92. 2., vollst¨andig u¨ berarb. Aufl. u.d.T. Killy Literaturlexikon. Autoren und Werke des deutschsprachigen Kulturraumes. Hg. v. Wilhelm K¨uhlmann. Berlin/New York 2008 ff. Kindlers Neues LiteraturLexikon. Hg. v. Walter Jens. 22 Bde., Mu¨ nchen 1988–98 Carl von Kraus: Dt. Liederdichter des 13. Jh. Bd. 1: Text. 1952. Bd. 2: Komm. besorgt v. H. Kuhn. 1958. 2., v. Gisela Kornrumpf durchges. Aufl. 2 Bde., T¨ubingen 1978

KNLL Kraus LD

LACL

LCI LexMA LexthW

Lexikon der antiken christlichen Literatur. Hg. v. Siegmar D¨opp u. a. 3., vollst¨andig neu bearb. und erw. Aufl. Freiburg u. a. 2002 Lexikon der christlichen Ikonographie. 8 Bde., Rom u. a. 1968–76 Lexikon des Mittelalters. 10 Bde., Mu¨ nchen/Z¨urich 1980–99 Lexikon der theologischen Werke. Hg. v. Michael Eckert, Eilert Herms, Bernd Jochen Hilberath und Eberhard J¨ungel. Stuttgart 2003. XLVII

LGB2

Liliencron

Litterae

LThK

Manitius

MarLex

MF

MGG

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Lexikon des gesamten Buchwesens. 2., v¨ollig neu bearb. Augl. Hg. v. Severin Corsten u. a. Stuttgart 1987 ff. Rochus von Liliencron: Die historischen Volkslieder der Deutschen. 4 Bde., und Nachtrag. Leipzig 1865–69. Neudr. Hildesheim 1966 Litterae. G¨oppinger Beitr¨age zur Textgeschichte. G¨oppingen 1971 ff. Lexikon f¨ur Theologie und Kirche. Begr. v. Michael Buchberger. 2., v¨ollig neu bearb. Aufl. Hg. v. Josef H¨ofer und Karl Rahner. 10 Bde., Freiburg i. Br. 1957–65. 3., v¨ollig neu bearb. Aufl. Hg. v. Walter Kasper mit Konrad Baumgartner, Horst B¨urkle, Klaus Ganzer, Karl Kertelge, Wilhelm Korff und Peter Walter. 11 Bde., Freiburg i. Br. u. a. 1993–2001. Max Manitius: Geschichte der lateinischen Literatur des Mittelalters. 3 Tle., M¨unchen 1911–13 Marienlexikon. Hg. v. Remigius B¨aumer und Leo Scheffczyk. 6 Bde., St. Ottilien 1988–94. Des Minnesangs Fr¨uhling. Unter Benutzung der Ausgaben von Karl Lachmann und Moriz Haupt, Friedrich Vogt und Carl von Kraus bearb. v. Hugo Moser und Helmut Tervooren. 3 Bde., Stuttgart 1977 (Bd. 1: Texte. 38 1988). Die Musik in Geschichte und Gegenwart. Allgemeine Enzyklop¨adie der Musik. Hg. v. Friedrich Blume. 17 Bde., Kassel/ Basel 1949–86. 2., neu bearb. Ausg. Hg. v. Ludwig Finscher. 26 Bde., 2 Registerb¨ande, Supplement. Kassel u. a. 1999–2008.

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M¨unstersche MittelalterSchriften. Mu¨ nchen 1970 ff.

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Mu¨ nchner Texte und Untersuchungen zur deutschen Literatur des Mittelalters. Hg. v. der Kommission f¨ur deutsche Literatur des Mittelalters der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, 1960 ff.

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NdJb

PBB (Halle)

PBB (T¨ub.)

PG Phil.Stud.u.Qu. PL

RAC

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RGG

RheinVjbl. RL

RLW

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Die Religion in Geschichte und Gegenwart. Handw¨orterbuch f¨ur Theologie und Religionswissenschaft. 3., v¨ollig neu bearb. Aufl. Hg. v. Kurt Galling in Gemeinschaft mit Hans Frhr. von Campenhausen, Erich Dinkler, Gerhard Gloege und Knud E. Løgstrup. 6 Bde., Registerband. T¨ubingen 1957–65. Religion in Geschichte und Gegenwart. 4., v¨ollig neu bearb. Aufl. Hg. v. Hans Dieter Betz, Don S. Browning, Bernd Janowski und Eberhard J¨ungel. 8 Bde., Registerband. Tu¨ bingen 1998–2007. Rheinische Vierteljahrsbl¨atter Reallexikon der deutschen Literaturgeschichte. Hg. v. Paul Merker und Wolfgang Stammler. 4 Bde. Berlin 1925–31. Reallexikon der deutschen Literaturgeschichte. Bde. 1–3, hg. v. Werner Kohlschmidt und Wolfgang Mohr. Berlin 1958–77. Bd. 4 hg. v. Klaus Kanzog und Achim Masser. Berlin 1984. Reallexikon der deutschen Literaturwissenschaft. Neubearbeitung des Reallexikons der deutschen Literaturgeschichte. Hg. v. Klaus Weimar (Bd. I), Harald Fricke (Bd. II), Jan-Dirk Mu¨ ller (Bd. III). Berlin/ New York 1997–2003. Repertorium der Sangspr¨uche und Meisterlieder des 12. bis 18. Jahrhunderts. Hg. v. Horst Brunner und Burghart Wachinger. 13 Bde, 3 Registerb¨ande, T¨ubingen 1986–2002.

Schulthess/Imbach Peter Schulthess/Ruedi Imbach: Die Philosophie im lateinischen Mittelalter. Ein XLIX

Handbuch mit einem biobibliographischen Repertorium. Z¨urich u. a. 1996. Tervooren

TRE

TspMA TTG Tusculum-Lex.

Ueberweg

L

Helmut Tervooren: Bibliographie zum Minnesang und zu den Dichtern aus «Minnesangs Fr¨uhling». Berlin 1969. Theologische Realenzyklop¨adie. Hg. v. Gerhard Krause (bis Bd. 12) und Gerhard M¨uller in Gemeinschaft mit Horst Balz u. a. 36 Bde., Berlin/New York 1977–2005. Texte des sp¨aten Mittelalters. Berlin 1956 ff. Texte und Textgeschichte. W¨urzburger Forschungen. T¨ubingen 1980 ff. Wolfgang Buchwald/Armin Hohlweg/Otto Prinz: Tusculum-Lex. griechischer und lat. Autoren des Altertums und des MA. 3., neu bearb. und erw. Aufl. Darmstadt 1982. Grundriß der Geschichte der Philosophie. Begr. v. Friedrich Ueberweg. Neubearb. Ausg. Basel 1983 ff.

VL

Volpi

WdF Wimmer/Melzer

ZfdA

ZfdPh

Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon. Begr. v. Wolfgang Stammler. Fortgef¨uhrt v. Karl Langosch. 2., v¨ollig neu bearb. Aufl. hg. v. Kurt Ruh zusammen mit Gundolf Keil, Werner Schr¨oder, Burghart Wachinger und Franz Josef Worstbrock. Ab Bd. 9 hg. v. Burghart Wachinger. 14 Bde., Berlin/New York 1978–2008. Franco Volpi (Hg.): Großes Wortlexikon der Philosophie. 2 Bde., Stuttgart 1999. Wege der Forschung. Darmstadt 1956 ff. Otto Wimmer/Hartmann Melzer: Lexikon der Namen und Heiligen. Bearb. und erg. v. Josef Gelmi. 6., verb. und erg. Aufl. Innsbruck/ Wien 1988. Zeitschrift f¨ur deutsches Altertum (und deutsche Literatur). Stuttgart 1841 ff. Zeitschrift f¨ur deutsche Philologie. Berlin 1954 ff.

¨ BUCHER DES AT UND NT Abk¨urzungen der biblischen B¨ucher nach der Neuen Jerusalemer Bibel

ORDENSBEZEICHNUNGEN OCarm OCart OCist OEDSA OESA OFM

Ordo Carmelitarum Ordo Cartusiensis Ordo Cisterciensis Ordo Fratrum Eremitarum Discalceatorum S. Augustini Ordo Fratrum Eremitarum S. Augustini Ordo Fratrum Minorum

OFMCap OMin OP OPraem OSA OSB

Ordo Fratrum Minorum Capuccinorum Ordo Minorum Ordo Fratrum Praedicatorum Ordo Praemonstratensis Ordo Sancti Augustini Ordo Sancti Benedicti

VERFASSER-SIGLEN BJ CF CK CM CS CW FF GM JK

Bruno Jahn Christoph Fasbender Claudia Kanz Carla Meyer Christine Stridde Christiane Witth¨oft Frank F¨urbeth Gesine Mierke Jacob Klingner

KP MM MMu¨ NR SF VL VZ WA

Katharina Philipowski Mike Malm Mario Mu¨ ller Nicolaus Ruge Sabina Foidl Valeska Lembke Volker Zapf Wolfgang Achnitz

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Beda Venerabilis Beda Venerabilis OSB, * um 673/74 Northumbrien, † 26.5.735 Jarrow. – Universalgelehrter und Historiograph. Im Alter von sieben Jahren wurde B. von Verwandten der Obhut des Abts Benedict Biscop anvertraut, der ihn zun¨achst im Kloster Wearmouth erzog und um 686 dem neu gegr¨undeten Kloster Jarrow u¨ bergab. Mit 19 wurde B. Diakon und mit 30 zum Priester geweiht. Bis auf zwei kleinere Reisen (nach Lindisfarne und Canterbury) verbrachte B. in Jarrow den Rest seines Lebens. Die umfangreiche Bibliothek des Klosters, eine Vererbung Benedicts, stellte die Grundlage von B.s schriftstellerischem Schaffen in allen wichtigen wissenschaftlichen Disziplinen dar. Sein erstes bekanntes schriftstellerisches Werk, die komputistische Abhandlung De temporibus entstand 703; m¨oglich ist, dass Lehrschriften f¨ur den internen kl¨osterlichen Gebrauch bereits fr¨uher verfasst wurden. B. ist der herausragende Vertreter der «northumbrischen Renaissance» und z¨ahlt zu den bedeutendsten Gelehrten des fr¨uhen MA. Sein schrifstellerisches Werk umfasst u. a. die Bereiche Historiographie, Theologie, Homiletik, Metrik, Rhetorik, Naturwissenschaft, Medizin, Musiktheorie oder Chronologie. B.s Œuvre ist a¨ ußerst umfangreich, seine Kenntnis klassischer und patristischer Literatur bemerkenswert. Sein Einfluss auf das ma. Geistesleben war in vielen Disziplinen betr¨achtlich, doch wird B. heute vor allem als Geschichtsschreiber rezipiert mit der Historia ecclesiastica gentis Anglorum (731) als bedeutendster Schrift, die eine a¨ ußerst wertvolle Quelle f¨ur die englische Fr¨uhgeschichte darstellt. B.s Einfluss auf die dt. Geistesgeschichte und Literatur ist schon in ahd. Zeit anhand von dt. Glossierungen in zahlreichen Handschriften ¨ nachweisbar. Die fr¨uheste Ubersetzung eines ge¨ schlossenen Werkes ist die alts¨achsische Ubertragung des Eingangs einer Allerheiligenpredigt B.s (→ Alts¨aschsische Homilie Bedas). Die Autorzuweisung an B. f¨ur die lat. Vorlage ist allerdings zweifelhaft (vgl. Hofstra [s. Lit.]). Ferner enthalten einige St¨ucke der → Althochdeutschen Predigtsammlungen A–C u¨ bersetzte oder paraphrasierte Exzerpte aus B.-Homilien. Die Homilie XV In purificatione beatae Mariae (PL 94, Sp. 79–83) liegt in ei¨ ner ostf¨alischen Ubersetzung des 15. Jh. vor, und → Nikolaus von N¨urnberg u¨ bersetzte in der zweiten H¨alfte des 15. Jh. eine Kirchweihpredigt B.s (vgl. Morvay/Grube [s. Ausg.] S. 188 [T 187]). 1

vor 800 Ins Deutsche u¨ bertragene wissenschaftliche Schriften B.s sind: Commendatio zu einem Apokalypsekommentar (PL 92, Sp. 633–636); ferner ein Exempel aus der Historia ecclesiastica gentis Anglorum (PL 95, Sp. 247–252) sowie Exzerpte aus verschiedenen komputistischen Werken und einer medizinischen Schrift in einem alemannischen Codex aus dem 14. Jh. Mit großer Sicherheit B. f¨alschlich zugeschriebene und ins Deutsche u¨ bersetzte Schriften sind das Gebet De septem verbis domini in cruce (PL 94, Sp. 561 f.) und der Traktat De meditatione passionis Christi (PL 94, Sp. 561–568). Letzterer entstand wahrscheinlich im 12. Jh. und wurde mitunter auch → Bernhard von Clairvaux zugewiesen. Wohl im ¨ 14. Jh. entstand die erste dt. Ubersetzung. Wichtige B.-Rezipienten im dt. Raum sind → Otfried von Weißenburg und → Heinrich von Melk. Einfl¨usse B.s sind u. a. auch im → Heliand und im → Linzer Entecrist deutlich sp¨urbar. ¨ Uberlieferung dt.: Allerheiligenpredigt: D¨usseldorf, ULB, Ms. B 80, 152v–153r (Perg, 9./10. Jh., aus dem Essener Damenstift, as.). – Homilien: Ex¨ zerpte in den ‹Ahd. Predigtslg. A–C›: Wien, ONB, Cod 2681, 234va–235va (Perg., Ende 11. Jh./um 1100, bair.); enh¨alt ein l¨angeres Zitat aus der Homilie ‹In dominica sexagesimae› (PL 94, Sp. 347B). – M¨unchen, BSB, Cgm 5248/3, 2rb4–3va7 (wie ¨ ONB, Cod. 2681 [Cod. discissus]); Ausz¨uge aus ‹In dominica secunda Quadragesimae› (PL 94, Sp. 102–105). – Ebd., 3vb8–4vb16; Tle. einer Predigt u¨ ber Lk 11,14 (PL 94, Sp. 513B–514D). – ‹In purificatione beatae Mariae›: Wolfenb¨uttel, HAB, Cod. 138 Helmst., 225va–228rb (Pap., 1478, westliches Ostf¨alisch). – Commendatio: Bamberg, SB, Msc. Hist. 153 (vormals E.III.24), 139r–141r (Perg., 15. Jh.). – Exempel aus der ‹Historia ecclesiastica›: K¨oln, Hist. Arch. der Stadt, Best. 7008 (GB 8°) 103, 29v–30r (Pap., 1463 bis um 1521, ripuarisch). – Komputistische und medizinische Exzerpte: Manchester, John Rylands University Library, Lat. Ms. 95 (vormals Wigan, Bibl. Lindesiana, Ms. Lat. 105), 1r–2v (Perg., 13./14. Jh., alemannisch). – De septem verbis domini in cruce: Aarau, Kantonsbibl., MsBN 49, 91v–93r (Perg., erste H¨alfte 15. Jh., b¨ohmisch). – Berlin, SBB, Mgo 562, 185r–188v (Pap. und Perg., 15. Jh., ripuarisch). – Ebd., Mgo 562, 34r–35v (Perg, 15. Jh., ostmitteldt.). – Gotha, Forschungsbibl., Cod. Chart. B 938, 49r–56r (Pap., um 1440/50, mittelbair.). – Mu¨ nchen, BSB, 2

vor 800 Cgm 79, 24r–29r (Perg., 15. Jh., mittelrheinisch). – Ebd., UB, 8° Cod. ms. 277, 182v–184v (Pap., erste H¨alfte 15. Jh., nordbair.). – Solothurn, ZB, Cod. S 693, 93r–96v (Pap., 1432, alemannisch). – Zur ¨ mndl. Uberl. vgl. Maria Meertens: De godsvrucht in de Nederlanden. Naar hss. van gebedenboeken der XVe eeuw. Bd. 2: Lijdensdevoties. o. O. [Br¨ussel] 1931, S. 111–114 und Bd. 6: Beschrijvende catalogus der hss. 1934, S. 11 (Nr. 8). – De meditatione passionis Christi: Berlin, SBB, Mgo 282, 36r–59v (Perg., 1421, ostfr¨ankisch). – Dresden, LB, Mscr. M 244 (vormals Mscr. M 135), 127r–136v (Pap., erstes Viertel 15. Jh., ostfr¨ankisch). – G¨ottingen, SUB, 8° Cod. Ms. theol. 123, 105r–126v (Pap. und Perg, 15. Jh., mittelfr¨ankisch). – Heidelberg, UB, Cpg 411, 53r–67r (Perg., zweite H¨alfte 14. Jh., mittelbair.). – Karlsruhe, LB, Cod. Donaueschingen 365, 84r–102v (Pap., 1473). – Ebd., Cod. Ettenheimm¨unster 5, 112v (Perg., Ende 13. Jh., su¨ dwestdt.); 14-zeiliger Nachtrag des 14. Jh in einem lat. Psalter, Zugeh¨origkeit zu ‹De meditatione› ist umstritten. – Prag, Nationalmus., Cod. XIV F ¨ 54, 7v–33r (Pap., 1473, bair.). – Zur mndl. Uberl. vgl. VL2 1 (1978) Sp. 662 und Ludovicus Maria Franciscus Dani¨els: Van den Seven Ghetijden der Passien Onses Heren. In: Ons Gestelijk Erf 16 (1942) S. 186–235, hier S. 191–195. Ausgaben (Auswahl): PL 90–95. – CCSL 118a ff. – G¨unther Spitzbart: B. der Ehrw¨urdige. Kirchengesch. des Englischen Volkes (Texte zur Forschung 34). Darmstadt 1982 (lat./dt.). – Glossen: Elias Steinmeyer/Eduard Sievers: Ahd. Glossen. Bd. 2: Glossen zu nichtbiblischen Schr. Berlin 1882 (Neudr. 1969) S. 44–49. – Allerheiligenpredigt: Karl M¨ullenhoff/Wilhelm Scherer: Denkm¨aler dt. Poesie und Prosa aus dem VIII.–XII. Jh. Bd. 1: Texte. Berlin 31892 (Nachdr. Berlin/Zu¨ rich 1964) S. 233 (Nr. 70). – Ahd. Lit. Eine komm. Antho¨ logie. Ubers., hg. und komm. v. Stephan M¨uller (RUB 18491). Stuttgart 2007, S. 216. – Zu weiteren Ausg. vgl. Karin Morvay/Dagmar Grube: Bibliogr. der dt. Predigt des MA. Ver¨offentlichte Predigten (MTU 47). Mu¨ nchen 1974, S. 4 f. (T 3). – Exzerpte in den ‹Ahd. Predigtslg. A–C›: Mu¨ llenhoff/Scherer (s. o.) S. 279 (Nr. 86B), 282–283 (Nr. 86C). – Zu weiteren Ausg. vgl. Morvay/Grube (s. o.) S. 7 f. (T. 5/6). – Komputistische und medizinische Exzerpte: Robert Priebsch: Dt. Hss. in England. Bd. 1. Erlangen 1896, S. 338–343 (Nr. 185). – De septem verbis ¨ domini in cruce: Meertens 1931 (s. Uberl.) S. 111 f. 3

Beda Venerabilis (mndl.). – De meditatione passionis Christi: Dani¨els ¨ (s. Uberl.) S. 206–235 (mndl. mit lat. Paralleltext). Bibliographie: F. W. Bolton: A Bede Bibliography 1935–60. In: Traditio 18 (1962) S. 436–445. – Blair (s. Lit.; Neudr. 1990 mit aktualisierter Bibliogr.) S. 310–330. – DeGregorio (s. Lit.) S. 246–264. Literatur: Manitius 1 (1911) S. 70–87. – F´elix Vernet: B`ede Le V´en´erable. In: Dict. Spir. 1 (1937) Sp. 1322–1329. – Volker Honemann, VL2 1 (1978) Sp. 660–663. – Heinrich Bacht/Wolfgang Becker/Menso Folkerts/Hans Schmid, LexMA 1 (1980) Sp. 1774–1779. – Henry Royston Loyn/ Knut Sch¨aferdiek, TRE 5 (1980) S. 397–402. – Stephan Hilpisch/Otto Stegm¨uller/Helmut Riedlinger, MarienLex 1 (1988) S. 399. – Hanna Vollrath, LThK3 2 (1994) Sp. 116 f. – J¨org O. Fichte, RGG4 1 (1998) Sp. 1202 f. – Michael Bernhard, MGG2 Personentl. 2 (1999) Sp. 640–642. – Horst Schneider, LACL (32002) S. 120–124. – Gereon Wolters, Enz Phil Wiss2 1 (2005) S. 376 f. – Thomas O’Loughlin, Encyclopedia of the Medieval Chronicle 1 (2010) S. 156–159. – Allgemeine Darstellungen: Karl Werner: B. der Ehrw¨urdige und seine Zeit. Wien 21881. – Alexander Hamilton Thompson (Hg.): Bede, his life, times, and writings. Essays in commemoration of the twelfth centenary of his death. Oxford 1935. Nachdr. New York 1966. – Heinrich Schreiber: B. in buchgeschichtlicher Betrachtung. In: Zentralbl. f¨ur Bibliothekswesen 53 (1936) S. 625–652. – Ders.: B. V. und die ma. Bildung. In: Stud. und Mitt. zur Gesch. des Benediktinerordens und seiner Zweige 55 (1937) S. 1–15. – Friedrich Ohly: Hohelied-Stud. Grundz¨uge einer Gesch. der Hoheliedauslegung des Abendlandes bis um 1200 (Schr. der Wissenschaftl. Ges. an der Johann Wolfgang Goethe-Univ. Frankfurt/M. Geisteswissenschaftl. Reihe 1). Frankfurt/M. 1958, S. 64–70. – Repertorium fontium historiae medii aevi. Bd. 2 (1967) S. 469–473. – Peter Hunter Blair: The World of Bede. London 1970, Neudr. Cambridge 1990. – Theodorus J. M. van Els: The Kassel manuscript of Bede’s ‹Historia ecclesiastica gentis anglorum› and its old English material. Assen 1972. – Ute Schwab: Ær æfter: Das Memento Mori B.s als christliche Kontrafaktur. Eine philol. Interpretation. In: Studi di letteratura religiosa tedesca in memoria di Sergio Lupi. Hg. v. Claudio Magris. Florenz 1972, S. 5–134. – Franz Brunh¨olzl: Gesch. der lat. Lit. des MA. Bd. 1. M¨unchen 1975, S. 207–227, 539–543 (Lit.). – Gerald Bonner (Hg.): 4

Paulus Diaconus Famulus Christi. Essays in commemoration of the 13th centenary of the birth of the Venerable Bede. London 1976. – George Hardin Brown: Bede the Venerable (Twayne’s English authors series 443). Boston 1987. – Arno Borst: Computus. Zeit und Zahl in der Gesch. Europas (Kleine kulturwissenschaftliche Bibl. 28). Berlin 1990, S. 44–47. – Luuk A. J. R. Houwen (Hg.): B. V. Historian, Monk & Northumbrian (Mediaevalia Groningana 19). Groningen 1996. – Wolfgang Becker: B. Venerabilis (672/73–735). Historia Ecclesiastica Gentis Anglorum. In: Hauptwerke der Geschichtsschreibung. Hg. v. Volker Reinhardt. Stuttgart 1997, S. 46–49. – Heinz Meyer: Die Problematik und Leistung der Allegoriedefinitionen B.s V. In: Fr¨uhma. Stud. 35 (2001) S. 183–200. – Hubert Herkommer: ‹Als aber die F¨ulle der Zeit gekommen›. Vom Werden und Wandel der christlichen Zeitrechnung. In: Endzeiten – Wendezeiten (Collegium generale Universit¨at Bern, Kulturhist. Vorlesungen 1999/2000). Hg. v. Rupert Moser/Sara Margarita Zwahlen. Bern u. a. 2004, S. 199–236, hier S. 218 mit Anm. 68. – St´ephane Lebecq u. a. (Hg.): B`ede le V´en´erable entre tradition et post´erit´e (Centre de Recherche sur l’Histoire de l’Europe du Nord-Ouest 3,34). Villenuve-d’Ascq. 2005. – Scott DeGregorio (Hg.): The Cambridge companion to Bede. Cambridge 2010. – Dt. Rezeption: Wolfgang Stammler: Ma. Prosa in dt. Sprache. In: Dt. Philologie im Aufriß. Bd. 2. Hg. v. dems. Berlin 21960, Sp. 749–1102, hier Sp. 767, 777 f., 914; Reg.bd. 1969, Sp. 14. – Dieter ¨ Richter: Die dt. Uberl. der Predigten Bertholds v. Regensburg. Unters. zur geistlichen Lit. des Sp¨atMA (MTU 21). Mu¨ nchen 1969, S. 52. – Gerhard Cordes: Altnd. Elementarbuch. Wort- und Lautlehre. Mit einem Kap. ‹Syntaktisches› v. Ferdinand Holthausen. Heidelberg 1973, S. 16, 19, 257. –Lars-Erik Ahlson: Die as. Bedahomilie. In: Nd. Mitt. 29 (1973) S. 30–41. – Tette Hofstra: ‹Vui lesed›: Zur volkssprachlichen Allerheiligenhomilie. In: AB¨aG 52 (1999) (Speculum Saxonum. Stud. zu den kleineren as. Sprachdenkm¨alern. Hg. v. Arend Quak) S. 105–115. – Dieter Merzbacher: Ostf¨ali¨ sche Ubertragung einer Homilie des B. V. In: ZfdA 140 (2011) S. 170–189. VZ Paulus Diaconus (nach seinem Vater auch P. Warnfried, Warnefridus gen.), * um 720/25, † kurz vor 800. – Langobardischer Geschichtsschreiber, Gelehrter und Dichter. P. war der Sohn des Warnefrit und der Theudelinda aus adliger Friauler Familie. Am K¨onigshof 5

vor 800 in Pavia erzogen und ausgebildet, war er Sch¨uler des Grammatikers Flavianus. P. war Lehrer und Erzieher der K¨onigstochter Adelperga in Pavia und sp¨ater am beneventanischen Herzogshof, Diakon in Aquileja, nach der Unterwerfung des Langobardenreiches durch Karl d. Gr. (774) Mo¨ nch in Monte Cassino, geh¨orte 784–787/88 dem gelehrten Kreises am Hof Karls d. Gr. an und kehrte dann nach Monte Cassino zur¨uck. P. verfasste zahlreiche Schriften; die meisten lassen sich nur ungef¨ahr bestimmten Schaffensperioden zuordnen. Nach der R¨uckkehr auf den Monte Cassino verfasste er die Historia Langobardorum in sechs B¨uchern, eine breit angelegte Volksgeschichte der Langobarden von sagenhaftem Ursprung in Skandinavien bis zum Tod Liutprands (744); es werden auch zahlreiche alte Stammessagen u¨ berliefert. Quellen f¨ur der Historia, in der P. einen fr¨ankisch-imperatorischen Standpunkt vertritt, sind u. a. die Langobardengeschichten des Secundus von Trient, Gregor von Tours und die Kirchengeschichte → Bedas. In der Folgezeit wurde das offenbar nicht abgeschlossene Werk mehrfach fortgesetzt, bearbeitet und gek¨urzt; es diente als Quelle f¨ur zahlreiche ma. Geschichtswerke. Die f¨ur Bischof Angilram verfassten Gesta Episcoporum Mettensium nach dem Modell des → Liber pontificalis bieten eine Geschichte der Metzer Bisch¨ofe, die zum Vorbild f¨ur die Gattung der Bistumsgeschichte wurde. Weitere historische Schriften des P. sind eine Biographie Gregors d. Gr. (Vita beati Gregorii Papae) auf der Grundlage umf¨anglicher Lekt¨ure Gregors und einer angels¨achsischen Vita aus dem 7. Jh. sowie die stark didaktisch angelegte Historia Romana, ein haupts¨achlich aus Eutrops Breviarium ab urbe condita (um 365) ausgezogener und bis Justinian fortgesetzter Abriss der r¨omischen Geschichte, den Landulfus Sagax bis etwa um 820 weiterf¨uhrte. Nicht mehr P., sondern dem Corbeienser Mo¨ nch Hildemar († um 850) wird in neuerer Zeit der a¨ lteste Kommentar zur Benediktinerregel zugeschrieben. Im Auftrag Karls d. Gr. stellte P. aus den Kirchenv¨atern ein Homiliar in zwei B¨anden zusammen, das bis in die Gegenwart den Grundstock der Brevierlesungen bildet. Er verfasste ferner f¨ur den Schulgebrauch eine lat. Grammatik, die streng genommen ein Kommentar zur Ars des Donat ist, und erarbeitete einen Auszug aus dem W¨orterbuch des Festus (De verborum significatu). P.s poetische Werke sind gr¨oßtenteils in antiken Metren 6

vor 800 abgefasst. Erhalten sind zahlreiche (Gelegenheits-) Gedichte, poetische Episteln, Epitaphien auf Mitglieder des karolingischen Hauses, R¨atselgedichte, Inschriften, Klage- und Bittgedichte, Lobgedichte (u. a. auf den Comersee) und Hymnen. ¨ Uberlieferung: s. Franz Josef Worstbrock, VL2 11 (2004) Sp. 1175–1183. Ausgaben: Gesamtausgabe: PL 95. – Einzelausgaben: Historia Langobardorum: Ludwig Bethmann/ Georg Waitz, in: MGH SS rer. Germ. 48, 1878 (Nachdr. 1964) S. 12–187. – Gesta Episcoporum Mettensium: Georg Heinrich Pertz, in: MGH SS 2, 1829 (Nachdr. 1966) S. 260–268. – Biogr. Gregors: Hartmann Grisar, in: Zs. f¨ur katholische Theologie 11 (1887) S. 162–173. – Historia Romana: Hans Droysen, in: MG auct. ant. 2, 1879, 1–224 (mit Eutrop und der Fortsetzung v. Landolfus, Nachdr. o. J.). – Dass.: Amedeo Crivellucci, in: Fonti per la storia d’Italia 51. Rom 1914. Nachdr. Turin 1966. – Bearbeitung des Festus: Hg. v. Wallace Martin Lindsay, 1913. – Kommentar der Ars Donati: Hg. v. Ambrogio Maria Amelli. Monte Cassino 1899. – Gedichte: AH 50. – Ernst Du¨ mmler, in: MGH Poet. 1, 1881 (Nachdr. 1978) S. 35–86. – Die Gedichte des P. D. Krit. und erkl¨arende Ausg. Hg. und komm. v. Karl Neff. M¨unchen 1908. – Briefe: E. D¨ummler, in: MGH Epist. 4, 1885 (Nachdr. 1978). ¨ Ubersetzungen: Gesch. der Langobarden. ¨ Ubers. v. Karl v. Spruner. Hamburg 1838. – Dass. ¨ Ubers. v. Otto Abel. Leipzig 31939. – Gesch. der ¨ Bisch¨ofe v. Metz. Ubers. v. O. Abel. Leipzig 1850, 3 1940 (Ausz¨uge). – Lat. Lyrik des MA. Ausgew¨ahlt, u¨ bers. und komm. v. Paul Klopsch. Stuttgart 1985 (Ausz¨uge). Literatur: Stefano Gaspari, LexMA 6 (1993) Sp. 1825 f. – Leo Scheffczyk, MarLex 5 (1993) S. 132. – J¨org Jarnut, LThK3 7 (1998) Sp. 1516. – Andreas Merkt, EM 10 (2001) Sp. 674–677. – Martina Hartmann, RGG4 6 (2003) Sp. 1066. – Franz Josef Worstbrock, VL2 11 (2004) Sp. 1172–1186. – Lodewijk Jozef Engels: Observations sur le vocabulaire de Paul Diacre. Nijmegen 1961. – Josef Sz¨ov´erffy: Weltliche Dichtungen des lat. MA. Bd. 1. Berlin 1970, S. 415–418, 423–440 u. o¨ . – R´eginald Gr´egoire: Les hom´eliaires du moyen aˆ ge. Rom 1966. – Ernesto Sestan: La storiografia dell’ Italia longobarda: Paolo Diacono. In: Settimane di studio del Centro italiano di studi sull’alto medioevo XVII) Spoleto 1970, S. 357–386. – Roland 7

Reichsannalen Pauler: P. D. (ca. 720/30–ca. 799). Historia Langobardorum. In: Hauptwerke der Geschichtsschreibung. Hg. v. Volker Reinhardt. Stuttgart 1997, S. 479–481. – Paolo Chiesa (Hg.): Paolo Diacono. Uno scrittore fra tradizione longobarda e rinnovamento carolingio. Convegno Internazionale di Studi, Cividale del Friuli-Udine, 6–9 maggio. Udine 2000). – Ders.: (Hg.): Paolo Daicono e il Friuli altomedievale (secc. VI–X). 2 Bde. (Atti dei Congressi 14). Spoleto 2001. – Ulrich M¨uller: Das ungeschriebene ‹Liet von Rosamunda›. Eine Gesch. vom Typ ‹Nibelungenlied› in der ‹Historia Langobardorum› des P. Diakonus. In: ‹Von Mythen und M¨aren›. Ma. Kulturgesch. im Spiegel einer Wissenschaftler-Biogr. FS Otfrid Ehrismann. Hg. v. Gudrun Marci-Boehncke/J¨org Riecke. Hildesheim 2006, S. 256–272. – Benedikt Konrad Vollmann: P. D. und das Heldenlied. In: Impulse und Resonanzen. Hg. v. Gisela Vollmann-Profe u. a. T¨ubingen 2007, S. 45–56. – Nikolaus Henkel: Neues zum Mo¨ nch von Salzburg. Der JohannesHymnus des P. D. ‹Ut queant laxis› dt. (G 47) im Clm 3686. In: ZfdA 137 (2008) S. 377–386. – HansWerner Goetz: Antike Tradition, r¨omische Kontinuit¨at und Wandel in den fr¨uhma. Reichen in der Wahrnehmung der fr¨uhma. Geschichtsschreibung: Gregor v. Tours und P. D. im Vergleich. In: V¨olker, Reiche und Namen im fr¨uhen MA. Hg. v. Matthias Becher/Stefanie Dick (MA Stud. 22). Mu¨ nchen u. a. 2010, S. 255–278. BJ Reichsannalen (Fr¨ankische R., Annales Regni Francorum, Annales Laurissenses Maiores). – Annalen der fr¨ankischen Reichsgeschichte. Die lat. R. werden in der a¨lteren Literatur meist als Annales Regni Francorum bezeichnet, sind wegen einer in Lorsch verwahrten fr¨uhen Handschrift aber auch als Annales Laurissenses maiores oder Gr¨oßere Lorscher Annalen bekannt. Lange wurden sie aufgrund einer falschen Zuschreibung auch Einhardsannalen genannt. In ihnen ist die Geschichte des fr¨ankischen Reichs vom Tod Karl Martells (741) bis zum Jahr 829 aufgezeichnet. Das Werk ist anonym uberliefert ¨ und wurde in mehreren Phasen von verschiedenen Autoren zusammengestellt. Die Verfasser d¨urften der Hofkappelle Karls des Großen angeh¨ort haben. Der Berichtszeitraum von 741 bis 788 der R. entstand zwischen 788 und 795. Als Grundlage dienten in erster Linie a¨ltere Annalen und die Fortsetzer Fredegars. Von 795 bis 807 wurden die R. in 8

Reichsannalen einem ver¨anderten Stil und mit erweitertem Wortschatz von einem anderen Redakteur fortgesetzt. Nun flossen prim¨ar zeitgen¨ossische Ereignisse in das Werk ein. F¨ur 808 bis 829 erfolgte eine weitere Fortsetzung, an der wahrscheinlich mehrere Personen beteiligt waren. Auch entwickelten sich ¨ differierende Uberlieferungsstr¨ ange der R., in denen der Text jeweils redigiert und erweitert wurde. Erw¨ahnenswert ist besonders die sog. E-Fassung, die bis zum Berichtsjahr 801 sprachlich gegl¨attet ist und mehr Ereignisse des sp¨aten 8. Jhs. enth¨alt. Die verbesserte Sprachqualit¨at dieser Fassung bezeugt den Einfluss der karolingischen Renaissance. Die R. erfuhren weiterhin westfr¨ankische (Annales Bertiniani), ostfr¨ankische (Annales Fuldenses) und mittelfr¨ankische (Annales Xantenses) Fortsetzungen, die aber als eigenst¨andige Werke existierten. Die Entstehung der R. am Hof verlieh ihnen einen offizi¨osen Charakter, der auch ihre oft einseitige Geschichtsschreibung erkl¨art. Die R. verschweigen etwa Karls Niederlagen 778 und 782 sowie die Adelsverschw¨orungen von 786 und 792. Die Entmachtung von Karls Vetter und Gegner Tassilo III., ehemals Herzog von Bayern, wird in den R. als gerechtfertigt dargestellt. Insgesamt sind die R. damit ein Beispiel tendenzi¨oser Hofhistoriographie, was nur in der E-Fassung weniger offensichtlich ist. Die R. etablierten sich fr¨uh als Vorlage f¨ur die weitere Geschichtsschreibung. Oft er¨ortert ist die Benutzung der R. durch → Einhard, dessen Vita Karoli bis in einzelne Formulierungen mit der E-Fassung der R. verkn¨upft ist. H¨aufig sind die R. auch mit den Karlsviten Einhards und → Notkers I. von St. Gallen u¨ berliefert. Rezipiert wurden die R. außerdem durch → Widukind von Corvey, → Hermann von Reichenau, → Regino von Pr¨um und den Poeta Saxo, in der Ludwigsvita des Astronomus und in der Angels¨achsischen Chronik. In der neueren Forschung werden die R. u. a. im Kontext fr¨ankischer Identit¨at und karolingischer Herrschaftsideologie diskutiert. Als Werk der Geschichtsschreibung wird heute besonders die E-Fassung der R. gew¨urdigt. ¨ ¨ Uberlieferung: Zur reichen lat. Uberl. vgl. Kurze 1895 (s. Ausg.) S. VIII–XVII; Rosamond McKitterick: History and Memory in the Carolingian World. Cambridge u. a. 2004, S. 13–22. Ausgaben: Annales Laurissenses et Einhardi. Hg. v. Georg Pertz. In: MGH SS 1. Hannover 1826 9

vor 800 (Nachdr. Stuttgart 1976) S. 124–218. – Annales regni Francorum inde ab a. 741 usque ad a. 829, qui dicuntur Annales Laurissenses maiores et Einhardi (MGH SS rer. Germ. 6). Hg. v. Friedrich Kurze. Hannover 1895. Nachdr. ebd. 1950. – Erg¨anzungen und Korrekturen zur Kurze-Ausg. ¨ in: F. Kurze: Uber die karolingischen Reichsan¨ nalen von 741–829 und ihre Uberarbeitung. In: Neues Arch. der Ges. f¨ur a¨ltere dt. Geschichtskunde 19 (1894) S. 295–339; 20 (1895) S. 9–49; 21 (1896) S. 9–82; 28 (1903) S. 619–669; 29 (1904) S. 464–467. – Quellen zur karolingischen Reichsgesch. (Fontes ad historiam regni Francorum aevi Karolini illustrandam) 1: Die Reichsannalen. Einhard: Leben Karls des Grossen. Zwei Leben Ludwigs. Nithard: Geschichten. Hg. v. Reinhold Rau. Darmstadt 1955 (Nachdr. ebd. 1993) S. 10–155 (lat.-dt., nach Kurzes Ausg.). – Zu a¨lteren Teilausg. vgl. Kurze 1895 (s. o.). ¨ Ubersetzungen: Einhards Jahrb¨ucher. Hg. v. Otto Abel. Berlin 1850. Nachdr. Essen 1986 (nach der Pertz-Ausg.). – Rau 1955 (s. Ausg.). – Charle´ magne. Textes de Charlemagne, Eginhard, Alcuin, Hincmar, Notker, Th´egan, Th´eodulphe et Les annales royales, Les capitulaires de Charlemagne. Hg. v. Georges Tessier. Paris 1967, S. 125–191. – Carolingian Chronicles. Hg. v. Bernhard Walter Scholz. Ann Arbor, MI 1970, S. 37–125. Literatur: Manitius 1 (1911) S. 646. – Ulrich Nonn, LexMA 7 (1995) Sp. 616 f. – L´eon Levillain: Sur un passage des ‹Annales regni Franˆ 40 (1930) S. 194–198. – corum›. In: Le Moyen Age Wilhelm Wattenbach/Wilhelm Levison: Deutschlands Geschichtsquellen im MA 2: Die Karolinger vom Anfang des 8. Jh. bis zum Tode Karls des Großen. Weimar 1953, S. 246–254. – Irene Haselbach: Aufstieg und Herrschaft der Karolinger in der Darstellung der sog. ‹Annales Mettenses priores›. Ein Beitr. zur Gesch. der politischen Ideen im Reiche Karls des Großen. L¨ubeck u. a. 1970, S. 17–21. – Walter Mohr: Die Rolle Bayerns in der Komposition der ‹Annales regni Francorum›. In: Mitt. des o¨ sterr. Staatsarch. 25 (1972) S. 126–134. – James N. Adams: The Vocabulary of the ‹Annales Regni Francorum›. In: Glotta 55 (1977) S. 257–282. – Hans-Werner Goetz: Historiographisches Zeitbewußtsein im fr¨uhen MA. Zum Umgang mit der Zeit in der karolingischen Geschichtsschreibung. In: Historiographie im fr¨uhen MA. Hg. v. Anton Scharer/Georg Scheibelreiter. Wien u. a. 1994, S. 158–178 (wieder in: 10

um 800 H.-W. Goetz: Vorstellungsgesch. Hg. v. Anna Aurast. Bochum 2007, S. 477–496). – R. McKitterick: Constructing the Past in the Early Middle Ages. The Case of the ‹Royal Frankish Annals›. In: Transactions of the Royal Historical Society Ser. 6,7 (1997) S. 101–129. – Timothy Reuter: Annales regni Francorum. In: Hauptwerke der Geschichtsschreibung. Hg. v. Volker Reinhardt. Stuttgart 1997, S. 17–20. – R. McKitterick: L’id´eologie politique dans l’historiographie Carolingienne. In: La royaut´e et les e´ lites dans l’Europe Carolingienne (debut IXe si`ecle aux environs de 920). Hg. v. R´egine Le Jan. Villeneuve d’Ascq 1998, S. 59–70. – Roger Collins: The ‹Reviser› Revisited. Another Look at the Alternative Version of the ‹Annales regni Francorum›. In: After Rome’s Fall. Narrators and Sources of Early Medieval History. FS Walter Goffart. Hg. v. Alexander Callander Murray. Toronto u. a. 1998, S. 191–213. – R. McKitterick: The Illusion of Royal Power in the Carolingian Annals. In: English Historical Review 115 (2000) S. 1–20. – Wolfgang Eggert: Zu Inhalt, Form und politischer Terminologie der ‹Fr¨ankischen Reichsannalen›. In: Karl der Große und das Erbe der Kulturen. Akten des 8. Symposiums des Medi¨avistenverbandes, Leipzig 15.–18. M¨arz 1999. Hg. v. Franz-Reiner Erkens. Berlin 2001, S. 122–134. – R. McKitterick: Die Anf¨ange des karolingischen K¨onigtums und die ‹Annales Regni Francorum›. In: Integration und Herrschaft. Ethnische Identit¨aten und soziale Organisation im Fr¨uhMA. Hg. v. Walter Pohl und Maximilian Diesenberger. Wien 2002, S. 151–168. – M. Becher: Eine verschleierte Krise. Die Nachfolge Karl Martells 741 und die Anf¨ange der karolingischen Geschichtsschreibung. In: Von Fakten und Fiktionen. Ma. Geschichtsdarst. und ihre krit. Aufarbeitung. Hg. v. Johannes Laudage. K¨oln u. a. 2003, S. 95–133. – Olaf Schneider: Die K¨onigserhebung Pippins 751 in der Erinnerung der karolingischen Quellen. Die Glaubw¨urdigkeit der Reichsannalen und die Verformung der Vergangenheit. In: Der Dynastiewechsel von 751. Vorgesch., Legitimationsstrategien und Erinnerung. Hg. v. Matthias Becher/J¨org Jarnut. M¨unster/Westf. 2004, S. 243–276. – Helmut Reimitz: Der Weg zum K¨onigtum in den historiographischen Kompendien der Karolingerzeit. In: ebd., S. 277–320. – R. McKitterick: Histoire et memoire de la crise d’une elite carolingienne, l’annee 785 et les ‹Annales regni francorum›. In: 11

De Karolo rege et Leone papa ˆ Les e´ lites au haut Moyen Age. Crises et renouvellements. Hg. v. Laurent Feller u. a. Turnhout 2006, S. 267–282. – Rudolf Schieffer: Geschichtsschreibung am Hof Karls des Großen. In: Die Hofgeschichtsschreibung im ma. Europa. Projekte und Forschungsprobleme. Hg. v. R. Schieffer/Jarosław Wenta. Tor´un 2006, S. 7–18. – R. McKitterick: Karl der Große. Darmstadt 2008, S. 38–64 u. o¨ . – H. Reimitz: Nomen Francorum obscuratum. Zur Krise der fr¨ankischen Identit¨at zwischen der kurzen und langen Gesch. der ‹Annales regni Francorum›. In: V¨olker, Reiche und Namen im fr¨uhen MA. Hg. v. M. Becher/Stefanie Dick. Mu¨ nchen u. a. 2010, S. 279–296. MM De Karolo rege et Leone papa (Aachener Karlsepos). – Panegyrische Hexameterdichtung auf Karl den Großen, um 800. Der – ohne Incipit und Explicit – nur in einer St. Galler Handschrift u¨ berlieferte Text (536 Hexameter) wurde fr¨uher u. a. Angilbert zugeschrieben; zuletzt wurden als m¨ogliche Verfasser wieder → Einhard (Schaller) genannt oder ein irischer Autor angenommen (Brunh¨olzl). Die genaue zeitliche und o¨ rtliche Situierung ist umstritten. Das Karl den Großen verherrlichende Gedicht schildert seine rege Baut¨atigkeit in Aachen, Jagden und Karls Traumgesicht, in dem er sieht, wie Papst Leo III. in Rom misshandelt wird, worauf er ihn nach Paderborn einl¨adt. Karl und Leo halten in Paderborn Einzug; mit der R¨uckkehr des Papstes schließen die vorliegenden Verse. Als Quellen werden die Vita des als Apostel Galliens verehrten Bischofs Martin von Tours (in der Versbearbeitung des Venantius Fortunatus) ebenso verwendet wie Vergils Aeneis und die Laudes Iustini des Corippus. Das Werk wurde u. a. von Modoin und Ermoldus Nigellus (In honorem Hludovici), sp¨ater von Ugolino Verino (Carlias, entstanden 1465–1506) und John Denham (Cooper’s Hill, entstanden um 1641) rezipiert. ¨ Uberlieferung: Z¨urich, ZB, cod. C 78, 104r–114v. Ausgaben: Franz Brunh¨olzl: De K. r. et L. p. Hg. und u¨ bers. Paderborn 1999 (Beih. zum Bd. 36 der Stud. und Quellen zur westf¨alischen Gesch.). – Wilhelm Hentze (Hg.): De K. r. et L. p. Der Ber. u¨ ber die Zusammenkunft Karls des Großen mit Papst Leo III. in Paderborn 799 in einem Epos f¨ur Karl den Kaiser. Mit vollst. Farbreproduktion nach der Hs. der Zentralbibl. Z¨urich, Ms. C 78, und 12

Liber pontificalis Beitr. v. Lutz E. Padberg, Johannes Schwind und Hans-Walter Stork. Paderborn 1999. Literatur: Dieter Schaller, VL2 4 (1983) Sp. 1041–1045. – Edith Feistner, Killy2 6 (2009) S. 305–307. – Helmut Beumann: Das Paderborner Epos und die Kaiseridee Karls des Großen. In: Karolus Magnus et Leo papa. Ein Paderborner Epos v. J. 799. Paderborn 1966, S. 1–54. – Brunh¨olzl (s. Ausg.). – Karl Hauck: Die Ausbreitung des Glaubens in Sachsen. In: Fr¨uhma. Stud. 4 (1970) S. 162–167. – Otto Zwierlein: Karolus Magnus – alter Aeneas. In: FS Karl Langosch. Darmstadt 1973, S. 44–52. – D. Schaller: Das Aachener Epos f¨ur Karl den Kaiser. In: Fr¨uhma. Stud. 10 (1976) S. 134–168. – Ders.: Interpretationsprobleme im Aachener Karlsepos. In: RheinVjbl. 41 (1977) S. 160–179. – Alfred Ebenbauer: Carmen Historicum I. Wien 1978, S. 34–90. – Roger P. H. Green: Modoin’s Eclogues and the ‹Paderborn Epos›. In: Mlat. Jb. 16 (1981) S. 43–53. – Robert Cummings: Denham’s ‹Cooper’s Hill› and ‹Carolus Rex et Leo Papa›. In: Philological Quarterly 64 (1985) S. 337–346. – Christine Ratkowitsch: Karolus Magnus – alter Aeneas, alter Martinus, alter Iustinus. Zu Intention und Datierung des Aachener Karlsepos. Wien 1997. – Dies.: Karoli vestigia magna secutus. Die Rezeption des ‹Aachener Karlsepos› in der Carlias des Ugolino Verino (Wiener Stud. Beih. 25/Arbeiten zur mittel- und neulat. Philologie 5). Wien 1999. – Dies.: Das Karlsbild in der lat. Großdichtung des MA. In: Karl d. Gr. in den europ¨aischen Literaturen des MA. Hg. v. Bernd Bastert. T¨ub. 2004, S. 1–16. – F. Brunh¨olzl: ¨ Uber die Verse D. K. r. e. L. p. In: Hist. Jb. 120 (2000) S. 274–283. BJ Liber pontificalis. – Lat. Geschichte der P¨apste. Anonym und ohne Titel u¨ berliefert, war diese wichtigste Papstgeschichte des MA lange als Gesta pontificum Romanorum bekannt. Die Bezeichnung L. p. bildete sich erst im 18. Jh. heraus. Ebenso unbekannt wie seine urspr¨unglichen Verfasser sind die Entstehungsumst¨ande des L. p.. Als seine fr¨uhesten Vorlagen d¨urften neben dem Werk des Eusebius, dem Begr¨under der Kirchengeschichtsschreibung, in erster Linie fr¨uhe Papstlisten gedient haben, vor allem der Catalogus Liberianus (um 354), sicher auch Texte von Rufinus und → Hieronymus. Auf dieser Grundlage versammelte die a¨lteste Fassung des L. p. zun¨achst Angaben zu den P¨apsten 13

um 800 bis zum Tod von Felix IV. im Jahr 530. Den eigentlichen Viten wurde ein apokrypher Briefwechsel zwischen Damasus I. und Hieronymus vorangestellt, der dem Werk eine h¨ohere Legitimation verleihen sollte. Eine sp¨atestens um 540/546 entstandene, erweiterte Fassung des L. p. mit redigierten Viten setzt die Papstgeschichte bis Silverius ¨ (536/37) fort. Der Ubergang zwischen diesen beiden a¨ ltesten Fassungen des L. p. verweist bereits auf die weitere Entwicklung des Werks mit seiner typischen, schrittweisen Erweiterung der Viten. Die urspr¨unglich sp¨arlichen Angaben zu einzelnen P¨apsten wurden in den folgenden Jahrhunderten immer umfangreicher. Sie umfassten schließlich neben dem jeweiligen Papstnamen (sp¨ater auch Taufnamen) die pers¨onliche Herkunft mit Angaben zum Vater, die Dauer der Amtszeit, Details zu Rechtsakten und Ordinationen, Todesdatum und Grabst¨atte sowie die Dauer der auf den verstorbenen Papst folgenden Vakanzzeit. Je nach Bedeutung des dargestellten Papstes wurden die Viten durch wichtige Ereignisse des Pontifikats erg¨anzt, manchmal auch durch Listen von Schenkungen und p¨apstlichen Baut¨atigkeiten. Nach den beiden Fr¨uhfassungen des L. p. verlief die Geschichte des Werks in verschiedenen Fort¨ setzungen, Redaktionen und Uberlieferungszweigen. Dazu z¨ahlen u. a. der Catalogus Felicianus (nach 530) und der Catalogus Cononianus (687). Ab dem 8. Jh. erfolgten die Fortsetzungen des L. p. bald nach dem Tod einzelner P¨apste durch Beamte der Kurie. Wie das schlichte Latein und der oftmalige Mangel kurialer Interna im L. p. nahelegen, handelte es sich dabei wahrscheinlich nicht um gelehrte und bestens informierte Spitzenkr¨afte, sondern um mittlere Beamte. So wurde der L. p. bis zum Tod Stephans V. 891 anonym fortgef¨uhrt. Pandulf, ein Kardinaldiakon unter Anaklet II., besorgte dann im 12. Jh. eine raffende Redaktion und Fortsetzung des L. p. bis Honorius II. (1124–30). Der Bibliothekar Petrus Guillermus nahm in einer weiteren Fassung des L. p. um 1142 zahlreiche Streichungen Pandulfs zur¨uck und erg¨anzte den Text. Um 1387 wurde diese Fassung vom Abt und sp¨ateren Bischof Petrus Boherius glossiert. Ohne Kenntnis von Pandulfs und Guillermus’ Fassungen setzte der Kardinal Boso das L. p. als Gesta pontificum Romanorum bis 1178 fort. Bosos Fassung wurde in der Mitte des 14. Jh. von Kardinal Niccolo Roselli revidiert und mit Viten 14

um 800 bis Johannes XXII. (1316–34) erg¨anzt. Sp¨ater erfolgte unter Eugen IV. eine Fortsetzung des L. p. bis Martin V. (1417–31). Als sp¨ateste direkte L. p.Bearbeitung des Mittelalters gilt das Liber de vita Christi ac omnium pontificum (1479) von Bartolomeo Platina, einem Bibliothekar der Vatikanischen Bibliothek. Der L. p. etablierte sich fr¨uh und zugleich nachhaltig als Vorlage und Vorbild ma. Geschichtsschreiber. Der Benediktiner → Paulus Diaconus ist in diesem Zusammenhang einmal wegen seiner u. a. aus dem L. p. kompilierten Historia Romana (um 770) zu erw¨ahnen, besonders aber wegen seiner Bistumsgeschichte Gesta episcoporum Mettensium (um 784), die sich auf das L. p. berief und in dessen Folge eine ganze Gattung der Geschichtsschreibung mitbegr¨undete. → Hrabanus Maurus griff in seinem Martyrologium (bald nach 843) zwar haupts¨achlich auf → Beda zur¨uck, der das L. p. wohl kannte, benutzte als zus¨atzliche Quelle aber auch der L. p. selbst. Agnellus von Ravenna, ein Priester und Abt in der Di¨ozese Ravenna, verfasste um die Mitte des 9. Jh. das Liber pontificalis ecclesiae Ravennatis. Die darin enthaltenen Viten der Bisch¨ofe von Ravenna sind nach dem Vorbild des L. p. gestaltet, das Agnellus h¨aufig als Quelle zitiert. Abbo von Fleury, der 1004 ermordete Benediktinerabt, verfasste oder veranlasste eine Kurzfassung des L. p. → Hermann von Reichenau benutzte das L. p. f¨ur seine Weltchronik (1054). Der Eichst¨atter Bischof Gundekar II. veranlasste 1071/72 die Zusammenstellung des Bischofskatalogs Liber pontificalis Eichstetensis nach dem Vorbild des L. p. Um 1107–19 schrieb der Benediktiner Gregorius Catinensis seine Klostergeschichte Chronicon Farfense, die ihren Papstkatalog aus dem L. p. u¨ bernahm. Wilhelm von Malmesbury schuf bald nach 1119 eine Bearbeitung des L. p., die vor allem die Beziehungen zwischen den P¨apsten und England herausarbeitete. → Gottfrieds von Viterbo gereimte Weltchronik Speculum regum (1183) enth¨alt neben den Viten prominenter Herrscher einen auf dem L. p. beruhenden Papstkatalog in Prosa, der von Petrus bis Nikolaus I. (858–867) reicht. Albert von Stade f¨ugte in seine Weltchronik (Chronica, auch Annales Stadenses, um 1240–56) einen Papstkatalog ein, der auf dem L. p. beruht. Außerdem floss der L. p. in die Papst- und Kaiserchronik Chronicon pontificum et imperatorum (1268–77) des → Martin von Troppau ein, die im sp¨aten MA gr¨oßte Verbreitung erlangte. Und noch im 15

Liber pontificalis sp¨aten 15. Jh. st¨utzte sich das in Wien entstandene → Kreuzensteiner Legendar (1452–85), eine lat. Kompilation von Heiligenviten, neben der Legenda aurea vor allem auf das L. p. Insgesamt war das L. p. also eine popul¨are und wichtige Quelle der ma. Geschichtsschreibung. Obwohl es zahlreiche nicht u¨ berpr¨ufbare oder nachweislich falsche Angaben enth¨alt, wurde das Werk ab dem 9. Jh. zu einem bedeutenden Vorbild der institutionellen Historiographie der katholischen Kirche, besonders der Bischofs- und Bistumsgeschichte. Seine Wirkung reichte bis in die ma. Literatur, wie sich an den Versen u¨ ber Anastasius II. in Dantes Divina commedia nachweisen l¨asst. ¨ ¨ Uberlieferung: Alteste erhaltene Hss. ab dem ¨ sp¨aten 8. Jh. Zur umfangreichen Uberl. mit u¨ ber 60 Hss. vgl. besonders die noch immer grundlegende Ausg. von Duchesne. Ausgaben: Le liber pontificalis. Hg. v. Louis Duchesne. 2 Bde. Paris 1886 und 1892. Neuausg. ebd. 1981. Erg.bd. ebd. 1957. 21981. – Liber pontificalis (MGH SS Gesta pontificum Romanorum 1). Hg. v. Theodor Mommsen. Berlin 1898. Nachdr. ebd. 1982. – Liber pontificalis, prout exstat in codice manuscripto Dertusensi textum genuinum complectens hactenus ex parte ineditum Pandulphi scriptoris pontificii. Hg. v. Joseph M. March. Barcinone 1925. – Liber pontificalis nella recensione di Pietro Guglielmo e del card. Pandolfo. Hg. v. Olderico Pˇrrerovsk´y. 3 Bde. Rom 1978. – Il Pontificalis liber, 1485. Hg. v. Manlio Sodi. Vatikanstadt 2006. ¨ Ubersetzungen: The Book of the Popes to the Pontificate of Gregory I. Hg. v. Louise Ropes Loomis. New York 1916. Nachdr. ebd. 1965. – The Book of Pontiffs (Liber pontificalis). The Ancient Biographies of the First Ninety Roman Bishops to AD 715. Hg. v. Raymond Davis. Liverpool 1989. 3 2010. – Le Livre des Papes. Hg. v. Michel Aubrun. Turnhout 2007. Literatur: Manitius 1 (1911) S. 688 u. o¨ . – Tusculum-Lex. 31982, S. 477. – Harald Zimmermann, LexMA 5 (1991) Sp. 1946 f. – Gert Melville, LThK3 6 (1997) Sp. 883 f. – Elie Griffe: Le L. P. au temps du pape Saint Gr´egoire. In: Bulletin de litt´erature eccl´esiastique Ser. 6, 57 (1956) S. 65–70. – Karl Brackmann: Der L. p. In: Ges. Aufs¨atze. K¨oln 21967, S. 382–396. – Ottorino Bertolini: Il L. p. In: La Storiografia altomedievale 1. Hg. v. Gustavo Vinay u. a. Spoleto 1970, S. 387–455. – G. Melville: ‹De gestis sive statutis 16

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1. H¨alfte 9. Jh. Innocenz’ III. und aus dem L. p. In: Mitt. des ¨ Inst. f¨ur Osterr. Geschichtsforschung 115 (2007) ¨ S. 10–24. – Clemens Gantner: Stud. zur hs. Uberl. des L. P. am Beispiel der so genannten Langobardischen Rezension. Wien 2009. – Liber, gesta, his´ toire. Ecrire l’histoire des e´ vˆeques et des papes, de l’antiquit´e au XXIe si`ecle. Hg. v. Fran¸cois Bougard. Turnhout 2009 (Sammelbd. zum L. p.). – Lidia Capo: Il L. P., i Longobardi e la nascita del dominio territoriale della Chiesa romana. Spoleto 2009. – K. Herbers: Das Ende des alten L. p. (886). Beobach¨ 119 (2011) tungen zur Vita Stephans V. In: MIOG S. 141–145. – Ders.: Zu fr¨uhma. Personenbeschreibungen im L. p. und in r¨omischen hagiographischen Texten. In: Ders.: Pilger, P¨apste, Heilige. Ausgew¨ahlte Aufs¨atze zur europ¨aischen Gesch. des MA. Hg. v. Gordon Blennemann. T¨ubingen 2011, S. 149–170. MM Carmen de Timone Comite. – Lat. Elegie. Der Verfasser der rund 75 elegischen Distichen in lat. Sprache ist unbekannt. M¨oglicherweise handelte es sich um einen lokalen Kleriker. Verschiedentlich hat die Forschung auch Erchanbert von Freising als Autor vermutet. Die Entstehung des Gedichts ist kurz vor der 834 erfolgten Translation Alexanders von Rom nach Weihenstephan anzusetzen. Wie aus einer Schreibernotiz in der a¨ ltesten ¨ u¨ berlieferten Handschrift (11. Jh., s. Uberlieferung) hervorgeht, stammt der erhaltene Text aus einer noch a¨ lteren Schriftrolle. Dass diese nach Angaben des Schreibers besch¨adigt war, erkl¨art den fragmentarischen Zustand der ersten Textzeilen. Das an Ludwig den Deutschen gerichtete Gedicht beginnt im Prolog mit einer Anrufung der Muse Thalia. Im Mittelpunkt des Hauptteils steht der Pfalzgraf Timo (um 830) als Richter und Repr¨asentant der k¨oniglichen Macht Ludwigs. W¨ahrend Timo in Weihenstephan zu Gericht sitzt, trinkt sein Hund aus der dortigen Quelle und stirbt – eine Bestrafung f¨ur die Entweihung des heiligen Brunnens durch das als unw¨urdig betrachtete Tier. Neben der Heiligkeit des Brunnens propagiert das Gedicht auch ein strenges Herrscherideal, das den K¨onig etwa als Friedenswahrer betrachtet. Kritisch steht das C. d. T. C. der zeitgen¨ossischen Praxis lebensgef¨ahrlicher Gottesurteile gegen¨uber. Sprachlich ist das in seiner Prosodie sehr sorgf¨altig gearbeitete Gedicht an den lat. Klassikern orientiert. Charakteristisch sind zugleich biblische Ankl¨ange (u. a. Hiob, Moses) und zahlreiche 18

1. H¨alfte 9. Jh. Wortspiele. Eine gr¨oßere Rezeption erlebte das C. d. T. C. im MA nicht. Als Zitat findet es in einer Veit → Arnpeck zugeschriebenen Handschrift des 15. Jh. zur Klostergr¨undung in Weihenstephan Erw¨ahnung. ¨ Uberlieferung: Mu¨ nchen, BSB, Clm 21571, 233v–235v (11. Jh.). – Mu¨ nchen, Erzbisch¨ofliches Ordinariatsarch., cod. B 5, S. 59–64 (15. Jh.). Ausgaben: Carl Meichelbeck: Historia Frisingensis. Bd. 1. Augsburg 1724, S. 38–41. – Beytr¨age zur Gesch., Topographie und Statistik des Erzbisthums M¨unchens und Freisings. Bd. 3. Hg. v. Martin v. Deutinger. M¨unchen 1851, S. 557–561. – C. d. T. C. Hg. v. Ernst D¨ummler. In: MGH Poetae II. Berlin 1884, S. 120–124. Literatur: Manitius 1 (1911) S. 598 f. – Brunh¨olzl 1 (1975) S. 367 f., 560. – Elisabeth Heyse, LexMA 2 (1983) Sp. 1513. – John Tagliabue, VL2 1 (1978) Sp. 1177 f. – Jakob Brummer: Das ‹c. d. T. c.›. In: Hist. Vierteljahrschr. 18 (1916/18) S. 102–106. – Hans Hubert Anton: F¨urstenspiegel und Herrscherethos in der Karolingerzeit. Bonn 1968, S. 245–247. – Josef Sz¨ov´erffy: Weltliche Dichtungen des lat. MA. Ein Hb. Berlin 1970, S. 556. – Warren Brown: Unjust Seizure. Conflict, Interest, and Authority in an Early Medieval Society. Ithaca/N. Y. u. a. 2001, S. 1–5 u. o¨ . – Paul Kershaw: Peaceful Kings. Peace, Power and the Early Medieval Political Imagination. Oxford u. a. 2011, S. 196 f. u. o¨ . MM Einhard (auch Eginhard[us]), * um 770 im Maingau, † 840 (wohl 14.3.) Seligenstadt/Main. – Gelehrter, Berater Karls des Großen und Ludwigs des Frommen, Leiter der Bau- und Kunstwerkst¨atten. E. entstammte einer ostfr¨ankischen adligen Familie. Von seinen Eltern Einhart und Engilfrit wurde er dem Kloster Fulda u¨ bergeben, wo er seine erste Ausbildung erhielt. 788 und 791 ist er dort auch als Urkundenschreiber belegt. Vor dem Fr¨uhjahr 796 wurde E. an den Hof Karls des Großen geschickt, wo er wegen seiner Bildung hochgesch¨atzt wurde. Nach → Alkuins Weggang vom Aachener Hof 796 u¨ bernahm E. dessen Funktionen als Lehrer und Leiter der Hofschule. Wegen seiner kunsthandwerklichen F¨ahigkeiten und seiner Kenntnisse in der Bautechnik wurde ihm von Karl die Oberaufsicht der kgl. Bauten in Aachen u¨ bertragen. E. war als engster Ratgeber Karls und seines Nachfolgers Ludwig des Frommen (Kaiser seit 19

Einhard 814) mit der Abfassung der Briefe und Erlasse beauftragt («cancellarius»). Als Sondergesandter Karls u¨ berbrachte er 806 Papst Leo III. die Urkunde u¨ ber die Reichsteilung zur Unterschrift nach Rom. E. besaß zahlreiche Lehen und war Laienabt mehrerer Klerikergemeinschaften (St-Pierre et St-Paul du Mont Blandin bei Gent, St-Bavon in Gent, St. Servatius in Maastricht, St-Cloud bei Paris, StWandrille bei Rouen, San Giovanni in Pavia). 815 erhielt er zusammen mit seiner Frau Imma Grundbesitz in Michelstadt (Odenwald) und M¨uhlheim/ Main. In die in Michelstadt erbaute Kirche wurden 827 Reliquien der Katakombenheiligen Marcellinus und Petrus transferiert, die E. in Rom hatte erwerben lassen. Im Januar 828 wurden sie nach Seligenstedt gebracht, zun¨achst in eine von E. errichtete Kirche, sp¨ater in die von E. etwa 830–836 erbaute Einhardsbasilika. Im Fr¨uhjahr 830 zog sich E. mit seiner Frau Imma († 836) in das von ihm begr¨undete Kloster in Seligenstadt zur¨uck, wo von aus er Kontakt pflegte zu zahlreichen Pers¨onlichkeiten (u. a. Ludwig d. Fr., Lothar I., → Hrabanus Maurus, Lupus von Ferri`eres). Neben vier Urkunden in Angelegenheiten seiner Kl¨oster hinterließ E. verschiedene lat. Werke. 59 Briefe aus der Zeit zwischen 823 und 840 sind nur in einer Briefmustersammlung u¨ berliefert. Sein Bericht in vier B¨uchern u¨ ber die Translatio et miracula SS. Marcellini et Petri wurde nach August 830 o¨ ffentlich. Nicht zweifelsfrei gesichert ist die Authentizit¨at der rhythmischen Dichtung Passio martyrum Marcellini et Petri, die auf einer wohl im 5./6. Jh. entstandenen Legende beruht. Der theologische Traktat Quaestio de adoranda cruce (836) ist E.s Antwort auf die ihm von Lupus von Ferri`eres gestellte Frage, ob die Kreuzerverehrung erlaubt sei oder nicht. Diese Schriften sind wie auch seine Psalmenauswahl zu Gebetszwecken in jeweils ein bis drei Handschriften des 9 oder 10. Jh. u¨ berliefert. Bekannt geworden E. durch seine Vita Karoli Magni (vor 829/30 oder um 817 bzw. in den fr¨uhen 820 Jahren entstanden), eine formal in Anlehnung an Suetons Vitae Caesarum, jedoch mit dem sprachlichen Material der Hagiographie verfasste Biographie Karls des Großen, die zu den meist¨uberlieferten Geschichtswerken des MA z¨ahlt (bisher in 134 Handschriften seit dem 9. Jh. nachgewiesen). Ausgaben (Auswahl): Œuvres compl`etes d’Eginhard. Hg. v. Alexandre Teulet. 2 Bde., Paris 1840–43. – Vita Karoli Magni: Hg. v. Oswald 20

Einhard Holder-Egger (MGH SS rer. Germ. 25). Hannover/Leipzig 61911. Nachdr. 1965. – Faksimileausg. [...] aus Codex Vindobonensis 529 (Folio 1–13) ¨ der Osterr. Nationalbibl. [Komm., Transkription, ¨ Ubersetzung] v. Wolfgang Milde und Thomas Wurzel. Graz 1991. – Translatio: Hg. v. Georg Waitz (MGH SS 15. Pars 1, S. 238–264). Hannover 1887. Nachdr. ebd. 1992. – Passio: Hg. v. Ernst D¨ummler (MGH Poetae. Tom. 2, S. 125–135). Berlin 1884. Nachdr. 1999. – Epistolae/Quaestio: Hg. v. Karl Hampe (MGH Epistolae 5, S. 105–145, 146–149). Berlin 1899. Nachdr. 1995. – Libellus de psalmis: Hg. v. Marco Vattasso. In: Bessarione 31 (1915) S. 92–104 (Auswahl). ¨ Ubersetzungen (Auswahl): Vita Karoli Magni: Reinhold Rau. In: Quellen zur karolingischen Reichsgesch. 1. Tl., Darmstadt 1955 (Nachdr. ebd. ¨ 1993) S. 157–211. – Ubersetzung (nach der Ausg. v. O. Holder-Egger), Anm. und Nachw. v. Evelyn Scherabon Firchow (RUB 1996). Lat./Dt. Stuttgart 1968. Zuletzt 2010. – Faksimileausg. (s. Ausg.). – Translatio: Karl Esselborn. Darmstadt 1925. Nachdr. ebd. 1977. – Passio: Prosa¨ubersetzung v. K. Esselborn. In: Arch. f¨ur hessische Gesch. und Altertumskunde, N. F. 15,1 (1926) S. 77–83. – Epistolae: Michael Tangl. In: Otto Abel: Kaiser Karls Leben. 4. Aufl., bearb. u. erw. v. M. Tangl. Leipzig 1920, S. 60–87 (Auswahl). – Quaestio: in: Das Einhardkreuz. Hg. v. Karl Hauck. G¨ottingen 1974, S. 211–216. Literatur: Wilhelm Wattenbach, ADB 5 (1877) S. 759 f. – Heinz L¨owe, NDB 4 (1959) S. 396 f. – Paul Viard: Eginhard: In: Dict. Spir. 4 (1960) Sp. 342–344. – Immo Eberl, VL2 2 (1980) Sp. 420–425. – Josef Fleckenstein, LexMA 3 (1986) Sp. 1737–1739. – Friedrich Wilhelm Bautz, BBKL 1 (1990) Sp. 1479–1480. – Raymund Kottje, LThK3 3 (1995) Sp. 543 f. – Wilfried Hartmann, RGG4 2 (1999) Sp. 1160. – Ursula Plenndorf: ‹Vita Karoli Magni›. In: Hauptwerke der politischen Theorie. Hg. v. Theo Stammen u. a. 2., aktualisierte und erw. Ausg. Stuttgart 2007, S. 157–159. – Sabine Schmolinsky, Killy2 3 (2008) S. 234 f. – Anton ¨ v. Spaun: Uber ein Bruchst¨uck der dem E. zugeschriebenen fr¨ankischen Reichsannalen. In: Serapeum 20 (1859) S. 264–266. – Gustav Janke: Der Einfluß Suetons auf die hist. Richtigkeit E.s in der Vita Caroli. Berlin 1872. – Friedrich Schneider: ¨ Uber die Gr¨undung Einhart’s zu Seligenstadt. In: Annalen des Vereins f¨ur Nassauische Alterthumskunde 12 (1873) S. 290–308. – Georg Waitz: E. 21

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Einhard Karolingerzeit aus der Sicht des Historikers. In: DA 39 (1983) S. 104–130. – Heinz L¨owe: Die Entstehungszeit der Vita Karoli Einhardi. In: ebd., S. 85–103. – Hubert Mordek: Livius und E. – Gedanken u¨ ber das Verh¨altnis der Karolinger zur antiken Literatur. In: Livius – Werk und Rezeption. FS Erich Burck. Hg. v. Eckard Lef`evre/Eckart Olshausen. Mu¨ nchen 1983, S. 337–346. – Adolf Gauert: Noch einmal E. und die letzten Merowinger. In: Institutionen, Kultur und Ges. im MA. FS J. Fleckenstein. Hg. v. Lutz Fenske u. a. Sigmaringen 1984, S. 59–72. – Hans-Joachim Reischmann: Die Trivialisierung des Karlsbildes der E.Vita in Notkers ‹Gesta Karoli Magni›. Rezeptionstheoretische Stud. zum Abbau der krit. Distanz in der sp¨atkarolingischen Epoche. Konstanz 1984. – Christian Beutler: E. in Michelstadt. In: Michelstadt. Vom MA zur Neuzeit. Michelstadt 1986, S. 35–48. – H. Mordek: Unbekannte Texte zur karolingischen Gesetzgebung. Ludwig der Fromme, E. und die Capitula adhuc conferenda. In: DA 42 (1986) S. 446–470. – Heinz Wolter: Intention und Herrscherbild in E.s Vita Karoli Magni. In: AfK 68 (1986) 2, S. 295–317. – Fritz Loˇsek: Ethnische und politische Terminologie bei Iordanes und E. In: Typen der Ethnogenese unter besonderer Ber¨ucksichtigung der Bayern. Berichte des Symposions der Kommission f¨ur Fr¨uhmittelalterforsch., 27. bis 30. Oktober 1986, Stift Zwettl, Nieder¨osterreich. Hg. v. Herwig Wolfram/Walter Pohl. 2 Bde. Wien 1990, Bd. 1, S. 147–152. – Helmut Hupertz: E. und Notker Balbulus. In: Weltbild und Realit¨at. Einf. in die ma. Geschichtschreibung. Hg. v. Ulrich Knefelkamp. Pfaffenweiler 1992, S. 73–84. – Susan E. Farrier: The Medieval Charlemagne Legend. An Annotated Bibliography. New York 1993 (mit weiteren bibliogr. Informationen zu E.). – Hermann Schefers: E. Ein Lebensbild aus karolingischer Zeit. Michelstadt-Steinbach 1993. – G¨unther Binding: Multis arte fuit utilis. E. als Organisator am Aachener Hof und als Bauherr in Steinbach und Seligenstadt. In: Mlat. Jb. 30 (1995) 2, S. 29–46. – Matthew S. Kempshall: Some Ciceronian models for E.’s life of Charlemagne. In: Viator 26 (1995) S. 11–37. – Robert Levine: E. In: German writers and works of the early Middle Ages. 800–1170. Hg. v. James Hardin/Will Hasty (Dictionary of literary biography 148). New York u. a. 1995, S. 27–31. – J. Fleckenstein: E. (um 770–840). Vita Karoli Magni. In: Hauptwerke der Geschichtsschreibung. Hg. v. Volker Reinhardt. 24

Thegan Stuttgart 1997, S. 157–160. – Hermann Schefers (Hg.): E. Stud. zu Leben und Werk (Arbeiten der Hessischen Hist. Kommission. NF 12). Darmstadt 1997. – Paul Edward Dutton: Charlemagne’s Courtier. The Complete E. (Readings in Medieval Civilisations and Cultures 2). Peterborough/Ontario 1998. – Karl H. Kr¨uger: Neue Beobachtungen zur Datierung v. E.s Karlsvita. In: Fr¨uhma. Stud. 32 (1998) S. 124–145. – Christoph Stegemann/Matthias Wemhoff (Hg.): 799 – Kunst und Kultur der Karolingerzeit. Karl der Große und Papst Leo III. in Paderborn. 3 Bde. Mainz 1999 (Ausstellungskat.). – Dieter H¨agermann: Karl der Große. Herrscher des Abendlandes. Biogr. Berlin/M¨unchen 3 2001. – Max Kerner: Karl der Große. Entschleierung eines Mythos. K¨oln u. a. 2001. – Eric Gerald Stanley: The Administration of Law in AngloSaxon England. Ideals Formulated by the Bible, E. and Hincmar of Rheims – but No Formal Mirror of Princes. In: Germanic Texts and Latin Models. Medieval Reconstructions. Hg. v. Karin Edith Olsen u. a. Leuven u. a. 2001, S. 53–71. – Matthias M. Tischler: E.s ‹Vita Karoli›. Stud. zur ¨ Entstehung, Uberl. und Rezeption (MGH Schr. 48). 2 Tle. Hannover 2001. – Julia Mary Howard Smith: E.: the Sinner and the Saints. In: Transactions of the Royal Historical Society 6 (2003) 13, S. 55–77. – Matthias Tischler: Tatmensch oder Heidenapostel. Die Bilder Karls des Großen bei Einhart und im Pseudo-Turpin. In: Jakobus und Karl der Große. Von E.s Karlsvita zum Pseudo-Turpin. Hg. v. Klaus Herbers (Jakobus-Stud. 13). T¨ubingen 2003, S. 1–37. – Anne Latowsky: Imaginative Possession. Charlemagne and the East from E. to the ‹Voyage of Charlemagne›. Washington 2004. – Rosamond McKitterick: History and Memory in the Carolingian World. Cambridge 2004. – Paul S. Barnwell: E., Louis the Pious and Childeric III. In: Historical Research 78 (2005) S. 129–139. – David Ganz: E.’s Charlemagne: The characterisation of greatness. In: Charlemagne. Empire and Society. Hg. v. Joanna Story. Manchester/New York 2005, S. 38–51. – Klaus Scherberich: Zur Suetonimitatio in E.s ‹vita Karoli Magni›. In: Eloquentia copiosus. FS Max Kerner. Hg. v. Lotte K´ery. Aachen 2006, S. 17–28. – D. Ganz: Einhardus peccator. In: Lay Intellectuals in the Carolingian World. Hg. v. Patrick Wormald/Janet L. Nelson. Cambridge 2007, S. 37–50. – Viktor Heinrich Elbern: E. und die karolingische Goldschmiedekunst. In: Ders.: Fructus operis Fructus operis 3. Ausgew¨ahlte kunsthist. 25

1. H¨alfte 9. Jh. Schr. aus den Jahren 1961–2007. Hg. v. Michael Brandt. Regensburg, S. 313–337. – R. McKitterick: Karl der Große. Darmstadt 2008. – Dieter Geuernich: Benedikt v. Aniane, Helisachar und E. im St. Galler Verbr¨uderungsbuch. In: Schatzkammer Stiftsarchiv St. Gallen. Miscellanea Lorenz Hollenstein. Hg. v. Peter Erhart/Klaus Amann. Dietikon 2009, S. 27–29. – Thomas Noble: Charlemagne and Louis the Pious. Lives by E., Notker, Ermoldus, Thegan, and the Astronomer. University Park, Pa. 2009. – D. Ganz: E.: identities and silences. In: Ego trouble. Authors and their identities in the early Middle Ages. Hg. v. Richard Corradini u. a. Wien 2010, S. 153–160. BJ Thegan (Theganus Treverensis, Theganbertus, Theigenbert, Degan), * wohl vor 800, † an einem 20.3. wohl zwischen 849 und 853. – Kleriker, Chronist. Einen fr¨ankischen, wohl am Mittelrhein angesiedelten Adelsgeschlecht entstammend, amtierte T. seit ca. 814 als Chorbischof von Trier. In diese Zeit ¨ f¨allt die Ubersendung zweier um 825 entstandener Gedichte → Walahfrid Strabos, der ihn sp¨ater auch im Vorwort zu seiner Ausgabe der Gesta Hludowici portr¨atierte. 844 setzte T. als Landbischof die durch Markward von Pr¨um nach Mu¨ nstereifel u¨ bertragenen Reliquien der Heiligen Chrysanthus und Daria bei; 842 und 848 ist er daneben als Probst von St. Cassisus und St. Florentinus in Bonn bezeugt. Von T.s schriftstellerischer T¨atigkeit zeugen das an einen «dux ac consul Hatto» adressierte, um ein kurzes Widmungsgedicht erg¨anzte Begleitschreiben zu einer Kopie von → Alkuins De Trinitate (hg. v. Ernst D¨ummler, MGH Ep. 5 [1899] S. 337) sowie vor allem die Gesta Hludowici imperatoris, ein um 836/37 abgefasstes, breit u¨ berliefertes Geschichtswerk u¨ ber die Regierungszeit Ludwigs des Frommen, das im Zusammenhang mit seiner zweiten vor¨ubergehenden Absetzung Partei f¨ur den Kaiser ergreift und als Hauptschuldigen Ebo von Reims ausmacht. In der Auseinandersetzung um die Vorherrschaft im Reich stellte sich T. auf die Seite Ludwigs des Deutschen und gegen Lothar I. und seine Partei. Zwar waren T. → Einhards Vita Karoli Magni sowie karolingische Genealogien bekannt, seine chronikalische Darstellung st¨utzt sich aber wesent¨ lich auf Gew¨ahrsleute wie die Abte von Lorsch, Weißenburg und Pr¨um, was den Gesta bei aller Einseitigkeit außergew¨ohnliche Glaubw¨urdigkeit ver¨ leiht und ihre breite Uberlieferung erkl¨aren d¨urfte. 26

1. H¨alfte 9. Jh. ¨ In der Wiener Handschrift (s. Uberlieferung) findet sich eine 837 in Koblenz anonym abgefasste Fortsetzung zu den Jahren 836 und 837. ¨ Uberlieferung: Gesta Hludowici imperatoris: ¨ Wien, ONB, Cod. 408, 1ra–16rb (11. Jh.). – Paris, Bibl. Nationale, Ms. lat. 15425, 105vb–106va, 138rb–143rb (12. Jh.). – Trier, StB, Hs. 1286/43, 52rv, 85v–90v (11. Jh.). – Verdun, Bibl. Municipale, Ms. 3, 3va–5ra (12. Jh.). – London, British Library, Add. 21109, 42r–43v, 134v–137v (12. Jh.). – Schaffhausen, StB, Cod. Min. 75, 91r–97v (nach 1150). – Bonn, UB, Cod. S 402, S. 28–47 (Ende 12. Jh.). – Br¨ussel, Bibl. des Bollandistes, Ms. 72, 273v–281v (Ende 12. Jh.). – London, British Library, Egerton 810, 83r–91v (Anfang 13. Jh.). – Br¨ussel, Bibl. Royale, ms. 7503–18, 47va–56rb (12. Jh.). – Berlin, SBB, Phillipps 1853, 116rv (12. Jh.). – Freiburg i. Br., UB, Hs. 483, 13, 1rv (kompilatorischer Auszug des 13. Jh.). – Hannover, LB, Ms. XIII 859, 36v–39v (Autograph des Chronisten Dietrich Engelhus, 15. Jh.). – Kopenhagen, UB, AM 830 4°, 97r–108v (1496 laut Schreibernotiz Bl. 22v). – Breslau/Wrocław, UB, Steinw. II Fol. 3, 1r–6r (16. Jh.). – Br¨ussel, Bibl. Royale, ms. 98–100, 215vb (Ausschnitt aus der anonymen Fortsetzung, erste H¨alfte 13. Jh.). – Wolfenb¨uttel, HAB, Cod. Extravagantes 152 A, 18r (Ausschnitt im Rahmen einer Genealogie Karls des Großen, Anfang 15. Jh.). – Tournai, Bibl. de la Ville, Ms. 135 (verbrannt), ¨ 32ra–33vb (13. Jh.). – Ausf¨uhrliche Ubersicht bei Tremp (s. Lit.) S. 150–171. Ausgaben: Gesta Hludowici imperatoris: Georg Heinrich Pertz, MGH SS 2 (1829) S. 589–603. – Ernst Tremp, MGH SS rer. Germ. 64 (1995) S. 167–277. ¨ Ubersetzungen: Gesta Hludowici imperatoris: Ernst Meyer: Die Lebensbeschreibungen Karls des Großen und Ludwigs des Frommen v. Einhard und Thegan. Leipzig 1885, S. 45–76. – Quellen zur karolingischen Reichsgesch., I. Die Reichsannalen, Einhards Leben Karls des Großen, zwei ‹Leben› Ludwigs, Nithard Geschichten. Unter Ben¨utzung ¨ der Ubers. v. O. Abel und J. v. Jasmund hg. v. Reinhold Rau (Ausgew¨ahlte Quellen zur dt. Gesch. des MA 5). Darmstadt 1955, S. 217–251. – Ernst Tremp, MGH SS rer. Germ. 64 (1995) S. 167–277. Literatur: Wilhelm Wattenbach, ADB 37 (1894) S. 669. – Manitius 1 (1911) S. 653–655. – Brunh¨olzl 1 (1975) S. 394 f. – Ernst Tremp, VL2 9 (1995) Sp. 735–737. – Wolfgang Eggert, LexMA 8 (1997) Sp. 613 f. – Thomas Meyer, BBKL 23 27

Rudolf von Fulda (2004) Sp. 1470–1473. – E. Tremp: Stud. zu den Gesta Hludowici imperatoris des Trierer Chorbischofs Thegan (Schr. der MGH 21). Hannover 1988. – Ders.: T. und Astronomus. In: Charlemagne’s Heir. New Perspectives on the Reign of Louis the Pious (814–840). Hg. v. Peter Godman. Oxford 1990, S. 691–700. – Walter Berschin: Biogr. und Epochenstil im lat. MA (Quellen und Unters. zur lat. Philologie des MA). Bd. 3. Stuttgart 1991, S. 223–227. – E. Tremp: Zwischen ‹stabilitas› und ‹mutatio regni›. Herrschafts- und Staatsauffassungen im Umkreis Ludwigs des Frommen. In: La royaut´e et les e´ lites dans l’Europe Carolingienne (d´ebut IXe si`ecle aux environs de 920). Hg. v. R´egine Le Jan. Villeneuve d’Ascq 1998, S. 111–127. – Matthew J. Innes: ‹He never even allowed his white teeth to be bared in laughter›. The politics of humour in the Carolingian renaissance. In: Humour, History and Politics in Late Antiquity and the Early Middle Ages. Hg. v. Guy Halsall. Cambridge u. a. 2002, S. 131–156. – Lars Hageneier: Jenseits der Topik. Die karolingische Herrscherbiogr. (Hist. Stud. 483). Husum 2004, S. 129–186. – Alexander Weihs: Pietas und Herrschaft. Das Bild Ludwigs des Frommen in den Vitae Hludowici (Theologie 65). Mu¨ nster 2004. – Michael Embach: Trierer Literaturgesch. Das MA. Trier 2007, S. 374–379. NR Rudolf von Fulda OSB, * vor 800, † 8.3.865 Fulda. – Geschichtsschreiber, Biograph. R. trat noch vor 812 in das Benediktinerkloster Fulda ein, wo er Sch¨uler von → Hrabanus Maurus war. Er wurde 814 Scholastikus und Schreiber in der Kanzlei des Klosters, wo er insbesondere f¨ur Urkunden zust¨andig war. 822 wurde R. Subdiakon und Rektor der Klosterschule. Um 830 erfolgte ¨ wohl unter seiner Agide eine Sammlung der Klosterurkunden. 834 empfing er die Priesterweihe. Er weilte vielleicht 849–853 mit Hrabanus in Mainz, lebte zuletzt aber sicher wieder in Fulda. Zeitlebens stand R. nicht nur zu Hrabanus in enger Verbindung, sondern auch zu seinen Sch¨ulern Ermenrich von Ellwangen, Meginhart und Ercanbert. R. sind drei lat. Werke sicher zuzuschreiben; weitere Schriften sind aufgrund einer l¨uckenhaften ¨ Uberlieferung unsicher oder verloren. Um 836 entstand auf Anordnung von Hrabanus das Libellus de vita et virtutibus Leobae (auch Vita Leobae). Die Per¨ son der → Bonifatius-Verwandten, ersten Abtissin von Tauberbischofsheim und Heiligen Lioba 28

Rudolf von Fulda wird darin in verschiedenen Aspekten beleuchtet: Neben ihrer Herkunft und Ausbildung geht R. auch auf Liobas Beziehungen zum Hof Karls des Großen und zum Kloster Fulda, ihre Wundertaten und ihren Tod ein. Er beschreibt außerdem zwei ihm selbst bezeugte Heilungen am Grab. Das einer unbekannten frommen Jungfrau gewidmete Werk enth¨alt daneben Angaben u¨ ber Missionen des Bonifatius. Als Quellen benutzte R. neben m¨undli¨ cher Uberlieferung vor allem Notizen des Mago, eines 831 verstorbenen Fuldaer M¨onchs. Auch zog R. Briefe des Bonifatius, Viten des Willibald und des Eigil von Fulda sowie Constantius von Lyon heran. Wahrscheinlich zwischen 842 und sp¨atestens 856 verfasste R. die Miracula sanctorum in Fuldenses ecclesias translatorum (auch Vita Rabani). In erster Linie als Bericht u¨ ber Hrabanus’ Erwerbungen von Reliquien in den Jahren 835, 836 und 838 gestaltet, erweitert R. den eigentlichen Bericht um Translations- und Wunderberichte, eine Darstellung der Abtt¨atigkeit Hrabanus’ und eine Liste seiner Werke bis 842. Als Vorbild von R.s Miracula gilt die Translatio et Miracula SS. Marcellini et Petri des → Einhard. Angeregt von dem Widukind-Enkel Graf Waltbert, schrieb R. um 863 bis 865 die Translatio sancti Alexandri, filii Felicitatis. Das Werk sollte eigentlich die Translation der Reliquien Alexanders von Rom nach Wildeshausen 850/51 schildern. R. konnte vor seinem Tod jedoch nur die Einleitung fertigstellen, in der er die s¨achsische Geschichte bis zu Widukinds Taufe 785 abhandelt. Sp¨ater wurde die Translatio von Meginhard fortgesetzt, der R. als Leiter der Klosterschule folgte. Bemerkenswert ist R.s Einleitung in zweierlei Hinsicht: Erstens findet sich in ihr die a¨ lteste schriftliche Aufzeichnung der s¨achsischen Stammessage, zweitens griff R. als einziger Autor seiner Zeit auch auf die Germania des Tacitus zur¨uck, die ihn neben der Karlsvita des Einhard als Quelle diente. R. legte m¨oglicherweise auch eine Briefsammlung an und notierte Glossen zu Joh, die um 846 von Ercanbert aufgearbeitet wurden. Umstritten ist R.s Mitwirkung an den Annales Fuldenses f¨ur den Berichtszeitraum von 838 bis 863. Auch wenn ¨ wegen mancher Unw¨agbarkeiten der Uberlieferung eine Gesamtbewertung R.s nicht vollst¨andig m¨oglich ist, bleibt doch festzuhalten: R. galt zu seiner Zeit als bedeutender Autor und wirkte auf andere Autoren. Die Vita Leobae beeinflusste die 29

1. H¨alfte 9. Jh. Vita Lulli des Lampert von Hersfeld, R.s Translatio wurde durch → Adam von Bremen und → Frutolf von Michelsberg rezipiert. Heute ist R. etwa wegen seiner literarischen Darstellung des Hrabanus und aufgrund der erw¨ahnten Qualit¨aten seiner Translatio noch erw¨ahnenswert. ¨ ¨ Uberlieferung: 1. Vita Leobae: Uber 15 Hss. bis ins 15. Jh., meist in Legendarien; vgl. Waitz ¨ 1887 (s. Ausg.). Alteste Hs.: M¨unchen, BSB, Clm 18897 (Fulda, um 890). – 2. Miracula sanctorum in Fuldenses ecclesias translatorum: Eine noch 1600 in Fulda nachgewiesene Hs. ist verloren. – 3. Translatio sancti Alexandri: Hannover, LB, Ms. I 186 (Fulda, um 865). Ausgaben: Vita Leobae, abbatissae Biscofesheimensis. Hg. v. Georg Waitz. In: MGH SS 15. Hannover 1887 (Nachdr. Stuttgart 1963) S. 118–131. – Miracula sanctorum ecclesias Fuldensium translatorum. Hg. v. dems. Ebd., S. 328–341 (auch in: ¨ PL 107, 1864, Sp. 39–68). – Die Ubertragung des hl. Alexander nach Wildeshausen durch den Enkel Widukinds 851. Hg. v. Bruno Krusch. In: Nachr. v. der Ges. der Wiss. zu G¨ottingen, philol.-hist. Kl. 2 (1933) S. 405–436. – Translatio S. Alexandri. Hg. v. Georg Heinrich Pertz. In: MGH SS 2. Hannover 1829 (Nachdr. Stuttgart 1963) S. 673–681. – Translatio s. Alexandri. Hg. v. B. Krusch. In: Nachr. v. der Ges. der Wiss. zu G¨ottingen, philol.-hist. Kl. 2 (1933) S. 405–436. – Translatio S. Alexandri auctoribus Ruodolfo et Meginharto Fuldensibus. Hg. v. Helmar H¨artel. Hildesheim 1979 (Faks.). ¨ Ubersetzungen: Leben des h. Bonifazius von Wilibald, der h. Lioba v. R. v. F., des Abtes Sturmi von Eigil, des h. Lebuin v. Hucbald. Hg. v. Wilhelm Arndt. Leipzig 21888 (nach der MGH-Ausg.). – ¨ Die Ubertragung des hl. Alexander. Bearb v. Wilhelm Wattenbach. Leipzig 31940. Literatur: [Wilhelm] Wattenbach, ADB 29 (1889) S. 569 f. – Manitius 1 (1911) S. 668–671. – Brunh¨olzl 1 (1975) S. 343–345. – TusculumLex. (31982) S. 707. – Klaus Naß, VL2 8 (1992) Sp. 351–356. – Raymund Kottje, LThK3 8 (1999) Sp. 1343 f. – Bernd Goebel, BBKL 22 (2003) Sp. 1171–1173. – Roman Deutinger, NDB 22 (2005) S. 196. – Siegmund Hellmann: Einhard, R., Meginhard. Ein Beitr. zur Frage der ‹Annales Fuldenses›. In: Hist. Jb. 34 (1913) S. 40–64. – Edmund Stengel: Die Urkundenf¨alschungen des R. v. F. In: Arch. f¨ur Urkundenforschung 5 (1914) S. 41–152 (wieder in: Ders.: Abh. und Unters. zur Hessischen Gesch. Marburg 1960, S. 27–146). – Wil30

2. H¨alfte 9. Jh. helm Finsterwalder: Beitr. zu R. v. F. mit besonderer Ber¨ucksichtigung der ‹Vita S. Leobae›. Diss. K¨onigsberg 1922. – Konrad L¨ubeck: Die Reliquienerwerbungen des Abtes Rabanus Maurus. In: Ders.: Fuldaer Stud. 2. Fulda 1950, S. 113–132. – Helmut Beumann: Tacitus in Fulda? In: Hessisches Jb. f¨ur Landesgesch. 3 (1953) S. 291–296. – Karl Hauck: Haus- und sippengebundene Lit. ma. Adelsgeschlechter. Von Adelssatiren des 11. ¨ 62 (1954) und 12. Jh. aus erl¨autert. In: MIOG ¨ ¨ S. 121–145. – Hermann T¨uchle: Altere Uberl. in der ‹Translatio Alexandri›. In: Stud. und Mitt. zur Gesch. des Benediktinerordens und seiner Zweige 79 (1968) S. 23–25. – Wilhelm Wattenbach/FranzJosef Schmale: Deutschlands Geschichtsquellen im MA 1: Vom Tod Kaiser Heinrichs V. bis zum Ende des Interregnums. Darmstadt 1976, S. 227 f., 238 f.; Bd. 6, 1990, S. 678–682, 694 f., 709–713. – Franz Staab: R. v. F. und der Name seiner Abtei. In: Beitr. zur Namenforschung NS 19 (1984) S. 21–26. – Walter Berschin: Biogr. und Epochenstil im lat. MA 3. Stuttgart 1991, S. 258–264. – Fabio Stok: La ‹Germania› di R. di F. In: Rivista di cultura classica e medioevale 35 (1993) S. 137–155. – Pauline Head: Integritas in Rudolph of F.’s ‹Vita Leobae Abbatissae›. In: Parergon NS 13 (1995) H. 1, S. 33–51. – David F. Appleby: R., Abbot Hrabanus, and the Ark of the Covenant Reliquary. In: The American Benedictine Review 46 (1995) S. 419–443. – W. Berschin: Biogr. im karolingischen Fulda. In: Kloster Fulda in der Welt der Karolinger und Ottonen. Hg. v. Gangolf Schrimpf. Frankfurt/M. 1996, S. 315–324. – Hubert Herkommer: Einf. In: Das Buch der Welt. Die S¨achsische Weltchron. Ms. Memb. I 90 der Forschungsund Landesbibl. Gotha. Komm. und Edition. Hg. v. dems. Luzern 2000, S. III*–LXIX*, hier S. L*f. – Janneke E. Raaijmakers: Een sacraal landschap. R. van F. over Hrabanus’ reliekentranslatie. In: Millennium 14 (2000) S. 5–21. – Michael M. Gorman: From the Classroom at Fulda under Hrabanus. The Commentary on the Gospel of John prepared by Ercanbertus for his ‹Praeceptor› Ruodulfus. In: Augustinianum 44 (2004) S. 471–502. – Petrus W. Tax: Der Komm. des ‹Erkanbert› zum JohannesEvangelium. Ein Beitr. zur Verfasserschaft, Quellenfrage und Textkritik. In: Sacris Erudiri 48 (2009) S. 169–190. – Barbara Yorke: R. of F.’s ‹Vita S. Leobae›. Hagiography and Historical Reality. In: Anglo-Saxon England and the Continent. Hg. v. Hans Sauer u. a. Tempe 2011, S. 199–216. MM 31

Ratpert von St. Gallen Ratpert von St. Gallen OSB, * zwischen 840 und 850, † 25.10. ca. 900 (vor 912). – Geschichtsschreiber und Dichter. R. war Benediktinerm¨onch in St. Gallen, Sch¨uler des → Iso und des Marcellus, Mitsch¨uler → Notkers (I.) Balbulus, sp¨ater selbst Lehrer und Leiter der Klosterschule. R. verfasste Gedichte (Haupt¨uberl. Cod. St. Gallen 381, 11. Jh.), schuf f¨ur die sonnt¨agliche Prozession den Hymnus Ardua spes mundi, einen Prozessionshymnus f¨ur das Fest des hl. Gallus in lat. Sprache, einen Lobgesang auf das Leben des Klostergr¨unders in ahd. Versen (u¨ berliefert nur in drei betr¨achtlich voneinander abweichenden lat. ¨ Ubertragungen → Ekkeharts IV.), ein Kommunionslied, ein fragmentarisch erhaltenes Gedicht auf die Einweihung der Fraum¨unsterkirche in Z¨urich, ein Begr¨ußungslied auf den Besuch Karls III. (des Dicken) und seiner Gemahlin. Alle erhaltenen Dichtungen R. s sind in Distichen mit einsilbigen leoninischen Reimen abgefasst. Als Geschichtsschreiber begann R. mit der Abfassung des Casus s. Galli, welcher die Geschichte des Klosters von seiner Gr¨undung bis Anfang 884 schildert. Quellen waren die Lebensbeschreibung Columbans von Jonas von Orl´eans, des hl. Gallus und des hl. Otmar (¨alteste Zeit) sowie Urkunden (f¨ur die letzten Jahre). Im Zentrum stehen die wirtschaftlichen Verh¨altnisse und die rechtliche Stellung des Klosters (insbesondere gegen¨uber den Konstanzer Bisch¨ofen), weniger die innere Entwicklung. Die Chronik wurde bis ins 14. Jh. u. a. von Ekkehart IV. und Christian → Kuchimaister fortgesetzt. Ausgaben: Gedichte und Hymnen: hg. v. Paul v. Winterfeld, in: MGH Poetae IV/1, 1899. – AH 50. – Lobgesang auf den hl. Gallus: Karl M¨ullenhoff/Wilhelm Scherer: Denkm¨aler dt. Poesie und Prosa. aus dem VIII-XII Jh. 3. Ausg. v. Elias Steinmeyer. Berlin 1892 (Nachdr. Berlin/Zu¨ rich) Bd. 1, S. 27–31 (Nr. XII); Bd. 2, S. 78–85. – Karl Strecker, in: MGH Poetae V/2, 1939. – Peter Osterwalder (s. Lit.) 1982. – Casus s. Galli: hg. Ildephonsus v. Arx, in: MGH SS 2, 1829. – Gerold Meyer v. Knonau, in: Mitt. zur vaterl¨andischen Gesch. 13 (1872). – Ratpert, St. Galler Klostergeschichten (Casus sancti Galli). Hg. und u¨ bers. von Hannes Steiner (MGH, SS rer. Germ. LXXV.). Hannover 2002. Literatur: Meyer von Knonau, ADB 27 (1888) S. 365 f. – Manitius 1 (1911) S. 606–608. – Ludwig H¨odl, LexMA 7 (1995) Sp. 462. – Fidel R¨adle, 32

Ludwigslied VL2 (1989) Sp. 1032–1035. – Andreas Haug, LThK3 (1999) Sp. 849. – Hannes Steiner, RGG4 7 (2004) Sp. 60. – Georg R. Zimmermann: R. der erste Z¨urchergelehrte. Ein Lebensbild aus dem 9. Jh. Basel 1878. – Wolf v. Unwerth: Vers und Strophe von R.s Lobgesang an den hl. Gallus. In: PBB (Halle) 42 (1917) S. 111–120. – Kurt Plenio: Bausteine zur altdt. Strophik. In: ebd. 43 (1918) S. 56–99. – Samuel Singer: Die Dichterschule von St. Gallen. Leipzig 1922. – James M. Clark: The Abbey of St. Gall as a Centre of Literature and Art. Cambridge ¨ 1926. – Ernst Schulz: Uber die Dichtungen Ekkeharts IV. v. St. Gallen. In: Corona Quernea. FS Karl Strecker. Leipzig 1941, S. 199–235. – Wolfram v. den Steinen: Notker der Dichter und seine geistige Welt. Darstellungsbd. Bern 1948, S. 40–42. – Theodor Mayer: Konstanz und St. Gallen in der Fr¨uhzeit. In: Schweizerische Zs. f¨ur Gesch. 2 (1952) S. 473–524. – Frederic J. E. Raby: A History of Christian-Latin Poetry. Oxford 21953. – Friedrich Maurer: Zur Geistlichendichtung des MA. In: Fragen und Forschungen im Bereich und Umkreis der Germ. Philologie. FS Theodor Frings. Hg. v. Elisabeth Karg-Gasterst¨adt/Johannes Erben. Berlin 1957, S. 338–348. – Josef Sz¨ov´erffy: Die Annalen der lat. Hymnendichtung. Bd. 1. Berlin 1964, S. 262–267, 273 f., 357–359. – Hans F. Haefele: Zum Aufbau der ‹Casus Sancti Galli› Ekkehards IV. In: Typologia Litterarum. FS M. Wehrli. Hg. v. Stefan Sonderegger u. a. Z¨urich/Freiburg i. Br. 1969, S. 155–166. – Eberhard Url: Das ma. Geschichtswerk Casus sancti Galli. Eine Bestandesaufnahme. St. Gallen 1969. – Henry Kratz: Fr¨uhes MA. Vorund Fr¨uhgesch. des dt. Schrifttums. Bern 1970. – S. Sonderegger: Ahd. St. Gallen (Bibliotheca Sangallensis 6). St. Gallen 1970, S. 69–71. – Peter Stotz: Ardua spes mundi. Studien zu lat. Gedichten aus Sankt Gallen (Geist und Werk der Zeiten 32). Bern, Frankfurt/M. 1972 (Bibliogr. S. 249–255). – H. F. Haefele (Hg.): Ekkehardi IV. Casus Sancti Galli (Ausgew¨ahlte Quellen zur dt. Gesch. des MA, Freiherr v. Stein-Ged¨achtnisausg. 10). Darmstadt 1980. – Max Wehrli: Geschichte der dt. Lit. vom fr¨uhen MA bis z. Ende d. 16. Jh. (Gesch. d. dt. Lit von d. Anf¨angen bis z. Gegenwart 1). Stuttgart 1980, S. 96–98 – Peter Osterwalder: Das ahd. Gal¨ luslied R.s und seine lat. Ubersetzungen durch Ekkehart IV. Einordnung und krit. Edition (Das Althochdeutsche v. St. Gallen 6). Berlin/New York 1982. – Walter Berschin: Eremus und Insula. St. Gallen und die Reichenau im MA – Modell einer 33

2. H¨alfte 9. Jh. lat. Literaturlandschaft. 2., erw. Aufl. Wiesbaden 2005. BJ Ludwigslied (Rithmus teutonicus de piae memoriae Hluduico rege filio Hluduici aeque regis). – In rheinfr¨ankischer Mundart (mit mittel- und niederfr¨ankischen Spuren) u¨ berliefertes Preislied auf den Sieg K¨onig Ludwigs III. u¨ ber die Normannen bei Saucourt-en-Vimeu am 1./3.4.881. Da der K¨onig am Liedeingang als Lebender genannt wird, muss das L. vor dessen Tod am 5.8.882 entstanden sein. Der Eintrag in die Handschrift er¨ folgte sp¨ater, gedenkt die lat. Uberschrift doch eines Toten. Der 59 Langzeilen umfassende Text setzt mit einer Kurzvita ein und stellt den Angriff der Normannen als g¨ottliche Pr¨ufung dar, wodurch die historischen Ereignisse und insbesondere Ludwigs Rolle heilsgeschichtlich gedeutet werden. Literaturhistorisch u¨ berschneiden sich im L. Traditionen von Zeitdichtung, Preislied und christlichem Heldenlied. Das L. ist gemeinsam mit dem a¨ ltesten altfranz¨osischen poetischen Text, der Eulaliasequenz, u¨ berliefert, was eine Entstehung von Hs. und Text im westfr¨ankischen Gebiet wahrscheinlich macht. ¨ Uberlieferung: Valenciennes, Bibl. Municipale, Ms. 150, 141v–143r (Perg., 9. Jh., rheinfr¨ankisch mit mittel- und niederfr¨ankischen Elementen). Ausgaben: Johannes Schilter: Epinikion Rhythmo Teutonico Ludovici Regi acclamatum, Cum Nortmannos an. DCCCLXXXIII. vicissiet. [...] Straßburg 1696. – Johannes Mabillon: Annales Ordinis Sancti Benedicti Tom. III. Paris 1706, S. 684–686. – Eberhard Friedrich Freiherr v. Gemmingen: Brief v. einem alten Siegesliede, an den fr¨ankischen K¨onig Ludwig. In: Ders.: Briefe nebst andern Poetischen und Prosaischen St¨ucken. Frankfurt/Leipzig 1753, S. 60–69. – Johann Gottfried Herder: K¨onig Ludwig. In: Ders.: Stimmen der V¨olker in Liedern. Zweiter Theil, drittes Buch. Leipzig 1779. – Johann Jakob Bodmer: Siegeslied der Franken, an der Schelde vom Jahre 881. In: Ders.: Altenglische und altschw¨abische Balladen. Z¨urich 1780, S. 189–191. – Karl Lachmann: Laudes Ludovici regis. In: Specimina linguae Francicae in usum audtitorium. Berlin 1825, S. 15–17. – Heinrich Hoffmann: Fundgruben f¨ur Gesch. dt. Sprache und Lit. Bd. 1. Breslau 1830, S. 4–9. – Wilhelm Wackernagel: Altdt. Lesebuch. Basel 21847, Sp. 106–110. – Julius Zacher: Der hsl. Text des L.s nach neuer Abschrift der Herrn Dr. W. Arndt. In: ZfdPh 3 (1871) S. 311–313. – Paul Piper: Die 34

2. H¨alfte 9. Jh. a¨lteste dt. Litteratur bis um das Jahr 1050. Berlin u. a. 1884, S. 257–261. – Karl Mu¨ llenhoff/Wilhelm Scherer: Denkm¨aler dt. Poesie und Prosa aus dem VIII.–XII. Jh. 3. Ausg. v. Elias Steinmeyer. Berlin 1892 (Nachdr. Berlin/Zu¨ rich 1964) Bd. 1, S. 24–27 (Nr. XI). – Elias v. Steinmeyer: Die kleineren ahd. Sprachdenkm¨aler. Berlin 1916, S. 85 f. (Nr. XVI). – Elisabeth Berg: Das L. und ¨ die Schlacht bei Saucourt. Text mit nhd. Ubertragung v. Rudolf Sch¨utzeichel. In: RheinVjbl. 29 (1964) S. 197–199. – Michael Curschmann/ Ingeborg Glier: Dt. Dichtung des MA. Bd. 1. M¨unchen/Wien 1980, S. 72–77. – Walter Haug/ Benedikt Konrad Vollmann (Hg.): Fr¨uhe dt. Lit. und lat. Lit. in Deutschland 800–1150 (BMA 1/BdK 62). Frankfurt/M. 1991, S. 146–149 (mit ¨ Ubers.). – Ahd. poetische Texte. Ahd./Nhd. Ausgew¨ahlt und komm. v. Karl A. Wipf (RUB 8709). ¨ Stuttgart 1992, S. 157–161 (mit Ubers.). – Ahd. Lesebuch. Zusammengestellt und mit Wb. versehen v. Wilhelm Braune. Fortgef¨uhrt v. Karl Helm. 17. Aufl. bearb. v. Ernst A. Ebbinghaus. Tu¨ bingen 1994, S. 136–139 (Nr. 36). – Ahd. Lit. Mit ¨ altnd. Textbeispielen. Auswahl mit Ubertragungen und Komm. Hg. v. Horst Dieter Schlosser. Ber¨ – Ahd. Lit. lin 22004, S. 124–127 (mit Ubers.). Eine komm. Anthologie. Ahd./Nhd. Altnd./Nhd. ¨ Ubers., hg. und komm. v. Stephan M¨uller (RUB ¨ 18491). Stuttgart 2007, S. 72–77 (mit Ubers.). – Facsimilia: Magda Enneccerus (Hg.): Die a¨ ltesten dt. Sprach-Denkm¨aler in Lichtdrucken. Frankfurt/M. 1897, Tf. 40–43. – Hanns Fischer: Schrifttf. zum ahd. Lesebuch, T¨ubingen 1966, S. 25* und Tf. 22. – Wolfgang Haubrichs: Volkssprache und volkssprachige Literaturen im lotharingischen Zwischenreich (9.–11. Jh.). In: Lotharingia. Eine europ¨aische Kernlandschaft um das Jahr 1000 (Ver¨off. der Kommission f¨ur Saarl¨andische Landesgesch. und Volksforschung 26). Saarbr¨ucken 1995, Tf. 41–47. ¨ Ubersetzungen: Berg (s. Ausg.). – Haug/Vollmann (s. Ausg.). – Schneider (s. Lit.). – Lefranq (s. Lit.). – Balibar (s. Lit.). Literatur: Ehrismann2 1 (1932) S. 228–236. – De Boor/Newald 1 (91979) S. 86–88. – Wiebke Freytag, VL2 5 (1985) Sp. 1036–1039. – Wolfgang Haubrichs, LexMA 5 (1991) Sp. 2204. – Claudia H¨andl, Killy2 7 (2010) S. 556–559. – M¨ullenhoff/Scherer (s. Ausg.) Bd. 2, S. 71–78. – Steinmeyer (s. Ausg.) S. 87 f. – Heinrich Sperl: Naturalismus und Idealismus in der ahd. Lit. (Bausteine zur Gesch. der dt. Lit. 23). Halle/S. 1928, 35

Ludwigslied S. 133–153. – Eduard Sievers: Elnonensia. In: Philol.-phil. Stud. FS Eduard Wechßler. Hg. v. Ernst Gamillscheg (Berliner Beitr. zur romanischen Philologie). Jena/Leipzig 1929, S. 247–277. – Heinrich Naumann: Das L. und die verwandten lat. Gedichte. Halle (S.) 1932. – Max Ittenbach: Die Dichtungen der salischen Kaiserzeit und verwandte Denkm¨aler (Bonner Beitr. zur dt. Philologie 2). W¨urzburg-Aum¨uhle 1937, S. 19–27. – Ruth Harvey: The provenance of the Old High German L. In: Medium Aevum 14 (1945) S. 1–20. – Paul Lefrancq: ‹Rhythmus Teutonicus› ou ‹L.›? Paris 1945. – Werner Schwarz: The ‹L.›, a ninthcentury poem. In: MLR 42 (1947) S. 467–473. – Theophil Melicher: Die Rechtsaltert¨umer im L. In: Anz. der o¨ sterr. Akad. der Wiss., phil.-hist. Kl. 91 (1954) S. 254–275. – Fritz Willems: Der parataktische Satzstil im L. In: ZfdA 85 (1954/55) S. 18–35. – Friedrich Maurer: Hildebrandslied und L. Die altdt. Zeugen der hohen Gattungen der Wanderzeit. In: DU 9/2 (1957) S. 5–15. – Theo Schumacher: ‹Uuurdun sum erkorane, Sume sˆar verlorane›. Zum L., Vers 11 bis 18. PBB (Tu¨ b.) 85 (1963) S. 57–64. – Elisabeth Berg: Das L. und die Schlacht bei Saucourt. In: RheinVjbl 29 (1964) S. 175–199. – Max Wehrli: Gattungsgeschichtliche Betrachtungen zum ‹L.›. In: Philologia Dt. FS Walter Henzen. Hg. v. Werner Kohlschmidt/Paul Zinsli. Bern 1965, S. 9–20. – Rudolf Sch¨utzeichel: Das L. und die Erforschung des Westfr¨ankischen. In: RheinVjbl 31 (1966/67) S. 291–306. – Rosemary Combridge: Zur Hs. des L.s. In: ZfdA 97 (1968) S. 33–37. – Friedrich M¨uffelmann: Ahd. Bonn 1970. – Mettke (s. Ausg.) S. 64 f. – Maurice Delbouille: A propos de deux s´equences d’Eulalie et du L. In: Interlinguistica. FS Mario Wandruszka. Hg. v. Karl-Richard Bausch/Hans-Martin Gauger. T¨ubingen 1972, S. 26–38. – Holger Homann: Das L. – Dichtung im Dienste der Politik? In: Traditions and Transitions. FS Harold Jantz. Hg. v. Lieselotte E. Kurth u. a. (Hg.). Mu¨ nchen 1972, S. 17–28. – Rudolf Sch¨utzeichel: L. Das Heil des K¨onigs. In: PBB (T¨ub.) 94 (1972) S. 369–391. – Erika Urmoneit: Der Wortschatz des ‹L.s› im Umkreis der ahd. Lit. (MMS 11). Mu¨ nchen 1973. – Heinrich Beck: Zur literaturgeschichtlichen Stellung des ahd. L.s und einiger verwandter Zeitgedichte. In: ZfdA 103 (1974) S. 37–51. – Brian O. Murdoch: Saucourt and the L. Some observations on medieval historical poetry. In: Revue belge de philologie et d’histoire 55 (1977) S. 841–867. – John Fought: 36

Regino von Prum ¨ The ‹Medieval Sibilants› of the Eulalia-Ludwigslied Manuscript and their Developement in Early Old French. In: Language 55 (1979) S. 842–858. – Robert M¨uller: Das ‹L.› – eine Dichtung im Dienste monarchischer Propaganda f¨ur den Kampf gegen die Normannen? In: Sprache, Text, Gesch. Hg. v. Peter Stein u. a. (GAG 304). G¨oppingen 1980, S. 441–477. – Trude Ehlert: Lit. und Wirklichkeit – Exegese und Politik. Zur Deutung des L.s. In: Saeculum 32 (1981) S. 31–42. – Jean Carles: Le ‹L.› et la victoire de Louis III sur les Normands a` Saucourten-Vimeu (881). In: La Chanson de geste et le mythe Carolingien. Bd. 1. Saint-P`ere-sous-V´ezelay 1982, S. 101–109. – Raimund Kemper: Das ‹L.› – eine politische Lektion. In: Leuvense Bijdragen 72 (1983) S. 59–77. – Klaus J. Mattheier: Hist. und Figuratives im ahd. L. In: Philol. Unters. FS Elfriede Stutz. Hg. v. Alfred Ebenbauer (Philologia Germanica 7). Wien 1984, S. 270–288. – Paul J. Fouracre: The context of the OHG ‹L.›. In. Medium Aevum 54 (1985) S. 87–103. – Kurt Ostberg: The ‹L.› in the Context of Communication between the Continent and Anglo-Saxon England. In: GLL 38 (1985) S. 395–416. – Peter Michael Blau: Das ahd. L. Diss. K¨oln 1986. – Albert Louis Rossi: Vernacular authority in the late 9th century. Bilingual juxtaposition in MS 150, Valenciennes. Princeton 1986. – Bernhard Sowinski: Ein Meininger ‹L.›? In: ZfdA 115 (1986) S. 304–306. – Robert M¨uller: Der hist. Hintergrund des ahd. L.s. In: DVjS 62 (1988) S. 221–226. – Raimund Kemper: Das L. und die liturgischen Rechtstitel des westfr¨ankischen K¨onigtums. In: ‹mit regulu bithuuungan›. Hg. v. John L. Flood/David N. Yeandle (GAG 500). G¨oppingen 1989, S. 1–17. – D. Yeandle: The L.: King, Church, and Context. In: ebd., S. 18–79. – C. H¨andl: L. Canto di Ludovico (Bibliotheca germanica. Studi et testi 1). Alessandria 1990. – Haug/Vollmann (s. Ausg.) S. 1135–1140. – Wipf (s. Ausg.) S. 320 f. – Braune/Ebbinghaus (s. Ausg.) S. 177. – Wolfgang Haubrichs: Die Anf¨ange: Versuche volkssprachiger Schriftlichkeit im fr¨uhen MA (ca. 700–1050/60) (Gesch. der dt. Lit. v. den Anf¨angen bis zum Beginn der Neuzeit 1,1). T¨ubingen 1995, S. 137–146. – Nicoletta Francovich Onesti: Sintassi et stile nel ‹L.›. In. Studi germanici 33 (1995) S. 7–29. – Ernst Erich Metzner: Neue Ann¨aherungen an das L. v. 881. In: Der fremdgewordene Text. FS Helmut Brackert. Hg. v. Silvia Bovenschen u. a. Berlin/ New York 1997, S. 174–201. – Dennis Howard Green: The ‹L.› and the battle of Saucourt. In: The 37

2. H¨alfte 9. Jh. Scandinavians from the Vendel period to the tenth century. An ethnographic perspective. Hg. v. Judith Jesch (Studies in historical archaeoethnology 5). Woodbridge 2002, S. 281–297. – Mathias Herweg: L., De Heinrico, Annolied (Imagines medii aevi 13). Wiesbaden 2002. – Jens Schneider: Les ‹Northmanni› en Francie occidentale au IXe si`ecle: Le chant de Louis. In: Annales de Normandie 53 (2003) S. 291–315. – Ren´ee Balibar: Eulalie et Ludwig. Le manuscrit 150 de la bibl. de Valenciennes. Valenciennes 2004. – Schlosser (s. Ausg.) S. 202 f. – Ricarda Bauschke: Die gemeinsame ¨ Uberl. v. ‹L.› und ‹Eulalia-Sequenz›. In: WolframStud. 19 (2006) S. 209–232. – Mu¨ ller (s. Ausg.) S. 305 f. – Jens Schneider: Dt. Lieder? Die romantische Gegenwart des MA. In: Vergangenheit und Vergegenw¨artigung. Fr¨uhes MA und europ¨aische Erinnerungskultur. Hg. v. Helmut Reimitz/Bernhard Zeller (Forschungen zur Gesch. des MA 14). Wien 2009, S. 143–156. – Ders.: Auf der Suche nach dem verlorenen Reich. Lotharingen im 9. und 10. Jh. (Publ. du CLUDEM 30). K¨oln u. a. 2010. NR Regino von Prum ¨ (Regino Prumiensis) OSB, * um 840/50 wahrscheinlich Altrip bei Ludwigshafen, † 915 Trier. – Abt, Musiktheoretiker, Chronist. Einem rheinischen Adelsgeschlecht entstammend, wurde R. 892 Abt des Klosters Pr¨um, ehe 899 unter bis nicht ins letzte Detail gekl¨arten Umst¨anden seine Vertreibung aus dem Amt erfolgte. Nachfolgend wurde er unter Erzbischof Ratbod von Trier Abt von St. Maximin und entwickelte ausgreifende schriftstellerische Aktivit¨aten. In diesem Zusammenhang entstanden musiktheoretische Schriften (De harmonica institutione sowie ein Tonar), eine Kanonessammlung (Libri duo de synodalibus causis et disciplinis ecclesiasticis) und vor allem die 908 abgeschlossene, Bischof Adalbero von Augsburg gewidmete, den Zeitraum von Christi Geburt bis 906 umfassende Chronica, die bei aller chronologischen Unzuverl¨assigkeit als eines der bedeutendsten und wirkungsm¨achtigsten Geschichtswerke des lat. MA gilt. Sie ist in vielen F¨allen die einzige Quelle f¨ur die Sp¨atzeit des Karolingerreichs und bildet einen vorl¨aufigen Schlusspunkt der Tradition christlicher Weltchronistik, deren Wiederaufnahme erst 150 Jahr sp¨ater erfolgt. Buch 1 der Chronica reicht von Christi Geburt bis zum Tod Karl Martells und konzentriert sich stark 38

2. H¨alfte 9. Jh. auf die Kirchengeschichte. Buch 2, das drei Viertel des Textes ausmacht, orientiert sich an der fr¨ankischen Reichsgeschichte mit einem geographischen Schwerpunkt in Lotharingen. ¨ Uberlieferung: ‹De harmonica institutione› und Tonar: Leipzig, UB, Rep. I 93 (fr¨uher 169), 4r–33v (Perg., 148 Bll., kurz nach 900). – Br¨ussel, Bibl. Royale, ms. 2751, 44v und 63r (Perg., zweite H¨alfte ´ 10. Jh.). – Montpellier, Bibl. de l’Ecole de la M´edecine, H 159, 7v (Perg., 11. Jh.). – Metz, Bibl. Municipale, 494, 99v–101v (Perg., zweite H¨alfte 11. Jh.). – Venedig, Biblioteca Nazionale Marciana, Ms. Lat. 497, 154va (Perg., 11. Jh.). – Monte Cassino, Biblioteca Abbaziale, 318, S. 115 und S. 237 (Perg., 11. Jh.). – Paris, Bibl. Nationale, Ms. lat. 10509, 70r–72r (Perg., 12. Jh.). – Oxford, Bodleian Library, Lyell 57, 5v (Perg., 11. Jh.). – Mu¨ nchen, BSB, Clm 23577, 79r (Perg., 11. Jh.). – Oxford, Bodleian Library, Bodley 613, 44r–45v (Perg., ¨ 12. Jh.). – Ausf¨uhrlicher Uberblick bei Michael Bernhard: Stud. zur Epistola de armonica institutione des R. v. P. (Bayerische Akad. der Wiss. Ver¨off. der Musikhist. Kommission 5). Mu¨ nchen 1978, S. 3–12. – Libri duo de synodalibus causis et disciplinis ecclesiasticis: Trier, StB, 927/1882 (Perg., 10 Jh.). – Gotha, Forschungsbibl., Cod. Memb. II 131 (Perg., 10. Jh.). – Wolfenb¨uttel, HAB, Cod. 32 Helmst., 15r–118v (Perg., 10./11. Jh.). – Ebd., Cod. 83.21 Aug. 2°, 19r–160v (Perg., 10. Jh.). – Wien, ¨ ONB, Cod. 694 (Perg., 11. Jh.). – Paris, Bibl. Nationale, Ms. lat. 17527 (Perg., 11. Jh.). – Arras, Bibl. Municipale 723 (Perg., 11. Jh.). – D¨usseldorf, ULB, Ms. E 3 (Perg., 10. Jh.). – Luxemburg, Bibl. Nationale, Ms. 29, 25v–27v (Perg., 12. Jh.). – Stuttgart, LB, Cod. HB VI 108 (Perg., zweite H¨alfte 11. Jh.). – Ebd., Cod. HB VI 114 (Perg., ¨ 10. Jh.). – Ausf¨uhrlicher Uberblick bei Hubert Mordek: Kirchrecht und Reform im Frankenreich. Berlin/New York 1975, S. 5 Anm. 12. – Chronica: nach Schleidgen (s. Lit.) S. 20–83, sind 29 Hss. in vier Rezensionen erhalten, davon 26 vollst¨andig: 1) Die Lothringische Gruppe und ihre Verwandten: London, British Library, Arundel 390 (Perg., aus Soissons [?], zweite H¨alfte 10. Jh.). – Gießen, UB, Hs. 650, 88r–97v (Exzerpt; Pap., aus Speyer/ Worms [?], ca. 1486–1519). – London, British Library, Cotton Tiberius C XI, 46r–121v (Perg., Utrecht, 10.–13.Jh.). – Trier, StB, Hs. 1286/42 8°, 1r–50v (Perg., Pr¨um, 1084). – K¨oln, Hist. Arch. der Stadt K¨oln, Chron. und Darstellungen 262, fr¨uher GB Fragm., Kasten A, N° 29 (Perg., S. Martin in 39

Regino von Prum ¨ K¨oln, Mitte 11. Jh.). – Paris, Bibl. Nationale, Ms. lat. 5922, 104v–282r (Perg., Otterberg [Rheinpfalz], 12. Jh.). – Durham, Cathedral Library, C IV 15, 29ra–70vb (Perg., Durham, um 1100). – Cambridge, Corpus Christi College, Cod. 139, 18ra–35vb (Perg., Sawley [?], Ende 12. Jh.). – Rom (Vatikanstadt), Bibliotheca Apostolica, Vat. lat. 1992, 171v–172r (Exzerpt; Perg., Angers [?], 11. Jh.). – Hannover, LB, Ms XI, 692, 1r–3v (exzerpierte Lesarten; Pap., Helmstedt, 1713). – 2) Die Schweizer Gruppe und ihre Verwandten: Schaffhausen, StB, Cod. Min. 109, 2r–119v (Perg., Trier, Mitte 10. Jh.). – Einsiedeln, Stiftsbibl., Cod. 359, fr¨uher Msc 1066, S. 3–227 (Perg., Einsiedeln [?], wenig vor 970). – Karlsruhe, LB, Cod. Aug. CCXXXII (Perg., Reichenau [?], zweite H¨alfte 11. Jh.); davon die Abschrift St. Paul, Stiftsarch., Ms 81/2 (Pap., St. Blasien, 18. Jh.). – London, British Library, Harley 3676, 1r–99v (Pap., Augsburg [Konrad Peutinger], Anfang 16. Jh.). – Augsburg, Staats- und Stadtbibl. 2° 223, 98r–177v (Pap., Augsburg, Anfang 16. Jh.). – Paris, Bibl. Nationale, Ms. lat. 5016, 1r–153v (Perg., Muri [?], 11. Jh.). – Sarnen, Bibl. des Benediktinerkollegiums, Cod. membr. 10, 22r–85v (in den Text des Chronicon Murense eingearbeitete Textpassage; Perg., Engelberg, um 1175). – St. Gallen, Stiftsbibl., Cod. 634, S. 3–266 (Pap., Glarus [Aegidius Tschudi], 16. Jh.). – St. Paul, Stiftsarch., Ms 80/2, 79r–151v (Pap., St. Blasien, 18. Jh.). – 3) Die Metzer Hs. und ihre Verwandte: Paris, Bibl. Nationale, Ms. latin 5017 (Perg., Metz, 11. Jh.). – London, British Library, Egerton 810, 1r–82v (Perg., 107 Bll., 13. Jh.). – 4) Die bayerisch-¨osterr. Gruppe und ihre Verwandten: Mu¨ nchen, BSB, Clm 6388, ehem. Freising 188, 86r–183v (Perg., Freising, kurz ¨ nach 967). – Wien, ONB, Cod. 408, fr¨uher inter hist. prof. 332, 16vb–121vb (Perg., St. Blasien/ Admont, Ende 11. Jh.). – Modena, Bibl. Estense, Ms. lat. 390 (= α. H. 4. 6), fr¨uher VI F 5, 1r–13v, (Perg., Pomposa, 1093 und 14. Jh.). – Paris, Bibl. Nationale, Ms. latin 5018, 1v–76v (Perg., Weihenstephan [?], 11. Jh., Lorsch [?], 9. Jh.). – Klosterneuburg, Stiftsbibl., Cod. 741, 108r–191r (Perg., Klos¨ terneuburg, 12. Jh.). – Wien, ONB, Cod. 3522, fr¨uher inter hist. prof. 1080, 168r–265v (Pap., Wien, erste H¨alfte 15. Jh.). – Ebd., Cod. 538, fr¨uher inter hist. prof. 669, 1r–110v (Perg., G¨ottweig, Ende 12. Jh.). – Ebd., Cod. 639, fr¨uher inter hist. prof. 1068, 32r–162v (Perg., Viktring, Ende 12. Jh.). Ausgaben: De harmonica institutione: Martin Gerbert: Scriptores ecclesiastici de musica sacra, 1. St. 40

Regino von Prum ¨ Blasien 1784, S. 230–247 (= PL 132, Sp. 483–502); Corrigenda bei Bernhard (s. Lit.) S. 31–33. – Tonar: Charles Edmond Henri de Coussemaker: Scriptores de musica medii aevi. N.S. 2. Paris 1867 (Nachdr. Graz 1908) S. 1–73 (Faks. und Transkription). – Libri duo de synodalibus causis et disciplinis ecclesiasticis: Friedrich Wilhelm Wasserschleben: Reginonis abbatis Prumiensis libri duo de synodalibus causis et disciplinis ecclesiasticis. Leipzig 1840 (Nachdr. Graz 1964). – Chronica: Friedrich Kurze, MGH SS rer. Germ. 50 (1890). – Reinhold Rau (Hg.): Quellen zur karolingischen Reichsgeschichte. 3. Tl.: Jbb. v. Fulda. R., Chronik. Notker, ¨ Taten Karls. Unter Benutzung der Ubersetzungen v. C. Rehdantz, E. D¨ummler und W. Wattenbach neu bearb. Mit einem Nachtrag v. S¨oren Kaschke (Ausgew¨ahlte Quellen zur dt. Gesch. des MA 7). Darmstadt 42002, S. 6–10, 179–319. ¨ Ubersetzungen: Libri duo de synodalibus causis et disciplinis ecclesiasticis: Das Sendhandbuch des R. v. P. Unter Benutzung der Edition v. F. W. H. Wasserschleben hg. und u¨ bers. v. Wilfried Hartmann (Ausgew¨ahlte Quellen zur dt. Gesch. des MA 42). Darmstadt 2004. – Chronica: Die Chronik des Abtes R. v. P. Nach der Ausg. der Monumenta Germaniæ u¨ bers. v. Ernst D¨ummler (Die Geschichtschreiber der dt. Vorzeit. 2. Gesamtausg. 14). Leipzig 51939. – Rau (s. Ausg.). Literatur: Manitius 1 (1911) S. 695–701. – Gerhard Schmitz, VL2 7 (1989) Sp. 1115–1122. – Brunh¨olzl 2 (1992) S. 82–92. – Hans Hubert Anton, BBKL 7 (1994) Sp. 1483–1487. – Johannes Laudage, LexMA 7 (1995) Sp. 579 f. – Maximilian Hommens, LThK3 8 (1999) Sp. 971 f. – Wilfried Hartmann, NDB 21 (2003) S. 269 f. – Ders., RGG4 7 (2004) Sp. 197. – Achim Diehr, Killy2 9 (2010) S. 476–478. – Hans Hubert Anton: R. v. P. (um 840–915). Geschichtsschreiber, Kirchenrechtler, Musiktheoretiker. In: Der Rhein-Maas-Raum in hist. Lebensbildern. Hg. v. Franz Irsigler/Gisela MinnTrier 2005, S. 9–15. – Michael Embach: Trierer Literaturgesch. Das MA. Trier 2007, S. 378–383. Zu ‹De harmonica institutione›: Peter Wagner: Einf. in die gregorianischen Melodien. 2. Tl. Leipzig 21912, S. 201–205. – Elisa Oberti: L’estetica musicale di Reginone di P. In: Rivista di filosofia neoscolastica 52 (1960) S. 336–354. – Michel Huglo: Les tonaires. Inventaire, analyse, comparaison. Paris 1971, S. 71–89. – Michael Bernhard: Stud. zur Epistola de armonica institutione des R. 41

2. H¨alfte 9. Jh. v. P. (Bayerische Akad. der Wiss. Ver¨off. der Musikhist. Kommission 5). Mu¨ nchen 1978. – Warren Sanderson: Archbishop Radbod, R. of P. an Late Carolingian Art and Music in Trier. In: Jb. der Berliner Museen 24 (1982) S. 41–61. – Susan Boynton: The Sources and Significance of the Orpheus Myth in ‹Musica Enchiriadis› and R. of P.’s ‹Epistola de harmonica institutione›. In: Early Music History 18 (1999) S. 47–74. – A. Diehr: Lit. und Musik im MA. Eine Einf. Berlin 2004. Zu den ‹Libri duo de synodalibus causis et disciplinis ecclesiasticis›: Paul Fournier: L’œuvre canonique de R´egino de P. In: Bibl. de l’´ecole des chartes 81 (1920) S. 5–44. – Ders./Gabriel de Bras: Hist. des collections canoniques en Occident depuis les Fausses D´ecr´etales jusqu’au D´ecret de Gratien. Bd. 1. Paris 1931, S. 244–268. – Gottfried Flade: Germ. Heidentum und christliche Erziehungsbem¨uhungen in karolingischer Zeit nach R. v. P. In: Theologische Stud. und Kritiken 16 (1934/35) S. 213–240. – Walter Hellinger: Die Pfarrvisitation nach R. v. P. In: Zs. der SavignyStiftung f¨ur Rechtsgesch.: Kanonistische Abt. 48 (1962) S. 1–116; 49 (1963) S. 76–138. – Nikolaus Kyll: Tod, Grab, Begr¨abnisplatz, Totenfeier. Zur Gesch. ihres Brauchtums im Trierer Lande und in Luxemburg unter besonderer Ber¨ucksichtigung des Visitationshb. des R. v. P. († 915) (Rheinisches Arch. 81). Bonn 1972. – Jean Gaudemet: Le pseudo-concile de Nantes. In: Revue de droit canonique 25 (1975) S. 40–60. – G. Schmitz: Ansegis und R. Die Rezeption der Kapitularien in den Libri duo de synodalibus causis. In: Zs. der SavignyStiftung f¨ur Rechtsgesch.: Kanonistische Abt. 74 (1988) S. 95–132. – W. Hartmann: ‹Sozialdisziplinierung› und ‹S¨undenzucht› im fr¨uhen MA? Das bisch¨ofliche Sendgericht in der Zeit um 900. In: Jb. des Hist. Kollegs 2005, S. 95–119. – Harald Siems: ‹In ordine posuimus›. Begrifflichkeit und Rechtsanwendung in R.s Sendhb. In: Recht und Gericht in Kirche und Welt um 900. Hg. v. W. Hartmann (Schr. des Hist. Kollegs: Kolloquien 69). M¨unchen 2007, S. 67–90. Zur ‹Chronica›: Hubert Ermisch: Die Chron. des R. bis 813. G¨ottingen 1872. – Julius Harttung: ¨ Uber R. v. P. In: Forschungen zur dt. Gesch. 18 ¨ (1878) S. 362–368. – Friedrich Kurze: Hsl. Uberl. und Quellen der Chron. R.s und seines Fortsetzers. In: Neues Arch. der Ges. f¨ur a¨ ltere dt. Geschichtskunde 15 (1890) S. 293–330. – Max Manitius: R. 42

2. H¨alfte 10. Jh. und Justin. In: ebd. 25 (1900) S. 192–201. – Winfried H¨umpfner: Eine unbeachtete Interpolation in R.s v. P. Chron. In: Hist. Jb. 44 (1924) S. 65–72. – Martin Lintzel: Zur Chron. R.s v. P. In: DA 1 (1937) S. 499–502. – Heinz L¨owe: R. v. P. und das hist. Weltbild der Karolingerzeit. In: RheinVjbl. 17 (1952) S. 151–179. – Anna-Dorothee v. den Brincken: Stud. zur lat. Weltchronistik bis in das Zeitalter Ottos v. Freising. Mu¨ nster 1956, S. 128–133. – Karl Ferdinand Werner: Zur Arbeitsweise des R. v. P. In: Welt als Gesch. 19 (1959) S. 96–116. – ¨ Otto Prinz: Die Uberarbeitung der Chron. R.s aus sprachlicher Sicht. In: Lit. und Sprache im europ¨aischen MA. FS Karl Langosch. Hg. v. Alf ¨ Onnerfors u. a. Darmstadt 1973, S. 122–141. – Wolf ¨ R¨udiger Schleidgen: Die Uberlieferungsgesch. der Chron. des R. v. P. (Quellen und Abh. zur mittelrheinischen Kirchengesch. 31). Mainz 1977. NR Widukind von Corvey OSB, * um 925, † an einem 3.2. nach 973. – M¨onch, Hagiograph, Geschichtsschreiber. Der wohl aus dem s¨achsischen Hochadel stammende W. trat noch unter Abt Folkmar († 942) in das Adelskloster Corvey ein. Nach Heiligenviten (der Apostelsch¨ulerin Thekla von Ikonium und des Paulus von Theben), die verloren sind, verfasste er vermutlich um 967/968 die der Kaisertoch¨ ter Mathilde (966–999 Abtissin von Quedlinburg) gewidmeten Rerum gestarum Saxonicarum libri tres, die er nach dem Tod Ottos des Großen (973) bis zu diesem Datum fortsetzte. W.s «historia», deren Zentrum die Geschichte des liudolfingischen Hauses bildet, besteht – ohne Bezug zur vorausgehenden karolingischen Geschichtsschreibung – aus drei B¨uchern mit jeweils einer in panegyrischer Absicht geschriebenen Vorrede. Buch I er¨ortert die Fr¨uhgeschichte der Sachsen bis zum Tod Heinrichs I. (936), Buch II und III behandeln die Geschichte Ottos I., wobei Buch II die Entwicklung von dessen Erhebung zum K¨onig bis zum Tod der K¨onigin Edgith (946) darstellt und Buch III urspr¨unglich bis zum Tod des von Otto adoptierten Grafen Wichmann d. J. (September 967), in der erweiterten Fassung dann bis zum Tod Ottos I. (9.5.973) reicht. Der personalisierte, teilweise tendenzi¨ose Berichtshorizont ist auf den Lebensraum der «Francia Saxioniaque» eingeengt. Als Quellen lassen sich u. a. die Historia Langobardorum des → Paulus Diaconus, die Gotengeschichte 43

Widukind von Corvey des Jordanes, → Einhards Vita Caroli Magni, die Translatio S. Vitti und eine Passio des hl. Vitus (Translation nach Corvey 836) nachweisen. H¨aufig ¨ beruft sich W. auf m¨undliche Uberlieferung, deren Quellenwert f¨ur die fr¨uhottonische Zeit umstritten ist. Vorbild f¨ur Struktur, Stil und Sprache waren vor allem die Makkab¨aerb¨ucher und die r¨omische Historiographie, besonders Sallust. H¨ohepunkte in der Darstellung W.s sind Hathagats Sieg u¨ ber die Th¨uringer (531) sowie die Siege Heinrichs I. (933) und Ottos I. (955) u¨ ber die Ungarn. Mit dem Beweis des Gottesgnadentums der Ottonen erf¨ullt W. herrschaftslegitimierende Funktionen. Die «Sachsengeschichte» wurde bereits im 10. Jh. (in der Vita Mathildis reginae antiquior [A-Fassung] und in der a¨ ltesten erschließbaren Halberst¨adter Bischofschronik) und auch sp¨ater von zahlreichen Geschichtsschreibern rezipiert, u. a. von → Thietmar von Merseburg, → Sigebert von Gembloux, dem Verfasser der Vita Altmanni episcopi Pataviensis, der Annalista Saxo (Arnold von Berge und Nienburg), dem Verfasser der Annales Magdeburgenses, von Alexander Minorita, dem Verfasser der → Magdeburger Sch¨oppenchronik und von Gobelinus → Person. ¨ Uberlieferung: F¨unf Hss. des 11. bis 16. Jh. und mindestens f¨unf verlorene Hss.; vgl. Hirsch/Lohmann (s. Ausg.) XXX–XLII. Es lassen sich mehrere Bearbeitungsschichten erkennen: a) Widmungsfassung, bis 968/69 reichend, Hs. von 1220; b) fortgesetzt bis 973, zwei Hss. der Mitte des 12. Jh.; c) Fassung mit Kapiteleinteilung, a¨lteste Hs. vor 1050. Ausgaben: Die Sachsengesch. des W. v. Korvei. In Verbindung mit H.-E. Lohmann neu bearb. v. Paul Hirsch (= MGH Ss. rer. germ. 60). Hannover 5 1935. Nachdr. 1977. – Die Sachsengesch. des W. v. Korvei. In: Quellen zur Gesch. der s¨achsischen Kai¨ serzeit. Unter Ben¨utzung der Ubersetzung v. Paul Hirsch [...] neu bearb. v. Albert Bauer und Reinhold Rau. 5., gegen¨uber der 4. um einen Nachtrag erw. Aufl. Mit einem Nachtrag v. Bele Freudenberg (Ausgew¨ahlte Quellen zur dt. Gesch. des MA 8). Darmstadt 2002, S. 16–183 (lat.-dt.). – W. v. C., Res ¨ gestae Saxonicae. Die Sachsengesch. Ubers. und hg. v. Ekkehart Rotter und Bernd Schneidm¨uller (RUB 7699). Stuttgart 21992 (lat.-dt.). Literatur: [Wilhelm] Wattenbach, ADB 42 (1897) 369 f. – Manitius 1 (1911) 714–718. – RGG3 6 (1962) Sp. 1692. – VL1 4 (1953) Sp. 946–958. – Brunh¨olzl 2 (1992) 417–424. – Gerhard Althoff, 44

Widukind von Corvey LexMA 9 (1998) Sp. 76–78. – Klaus Naß, VL2 10 (1999) Sp. 1000–1006. – Hagen Keller, LThK3 10 (2001) Sp. 1143 f. – Matthias Springer, RGA 33 (2006) S. 586–592. – Norbert H. Ott/Ju¨ rgen Wolf, Killy2 12 (2011) S. 380–382. – Max Herrmann: Die Latinit¨at W.s v. Korvei. Diss. Greifswald 1907. – Helmut Beumann: W. v. Korvei. Unters. zur Geschichtsschreibung und Ideengesch. des 10. Jh. (Abh. zur Corveyer Geschichtsschreibung 3). Weimar 1950. – James A. Brundage: W. of C. and the ‹Non-Roman› Imperial Idea. In: Mediaeval Studies 22 (1960) S. 15–26. – Karl Schmid: Die Nachfahren W.s. In: DA 20 (1964) S. 22 f. – W. Wattenbach/Robert Holtzmann: Deutschlands Geschichtsquellen im MA. Die Zeit der Sachsen und Salier. Neuausg. besorgt v. Franz-Josef Schmale. Bd. 1. Weimar 1967, S. 25–33; Bd. 3. 1971, 11*–14*. – Lothar Bornscheuer: Miseriae regum. Unters. zum Krisen- und Todesgedanken in den herrschaftstheologischen Vorstellungen der ottonisch-salischen Zeit (Arbeiten zur Fr¨uhmittelalterforschung 4). Berlin, 1968, S. 16–41. – H. Beumann: Historiographische Konzeption und politische Ziele W.s v. C. In: La storiografia altomedievale. Spoleto 1970, S. 857–894. – Kurt-Ulrich J¨aschke: Die a¨lteste Halberst¨adter Bischofschron. (Unters. zu mitteldt. Geschichtsquellen des hohen MA 1; Mitteldt. Forschungen 62,1). K¨oln 1970, S. 54–56, 192, 210. – Karl Heinrich Kr¨uger: Dionysius und Vitus als fr¨uhottonische K¨onigsheilige. Zu W. 1, 33. In: Fr¨uhma. Stud. 8 (1974) S. 131–154. – Norbert Wagner: Irmin in der Sachsen-Origo. Zur Arbeitsweise des W. v. C. In: GRM NF 28 (1978) S. 385–397. – Helmut Vester: W. v. Korvei – ein Beispiel zur Wirkungsgesch. Sallusts. In: Der altsprachliche Unterricht 21 (1978) 1, S. 5–22. – Die alten Mo¨ nchslisten und die Traditionen v. Corvey. Tl. 1. Neu hg. v. Klemens Honselmann (Abh. zur Corveyer Geschichtsschreibung 6). Paderborn 1982, S. 36. – Die Corveyer Annalen. Textbearb. und Komm. v. Joseph Prinz (Abh. zur Corveyer Geschichtsschreibung 7). Mu¨ nster/Westfalen 1982, S. 61–63. – H. Beumann: Imperator Romanorum, rex gentium. Zu W. III 76. In: Tradition als hist. Kraft. Interdisziplin¨are Forschungen zur Gesch. des fr¨uheren MA. FS K. Hauck. Hg. v. Norbert Kamp/Joachim Wollasch. Berlin/New York 1982, S. 214–230. – Die Totenb¨ucher v. Merseburg, Magdeburg u. L¨uneburg. Hg. v. Gerd Althoff/Joachim Wollasch (MGH Libri mem. NS 2). Hannover 1983, S. 24. – G. Althoff: Adels- und K¨onigsfamilien im Spiegel ihrer Memorial¨uberl. Stud. zum 45

2. H¨alfte 10. Jh. Totengedenken der Billunger und Ottonen (MMS 47). M¨unchen 1984, 75 f. – Ernst Karpf: Herrscherlegitimation und Reichsbegriff in der ottonischen Geschichtsschreibung des 10. Jh. (Hist. Forschungen 10). Stuttgart 1985, S. 144–175. – Ders.: Von W.s Sachsengesch. bis zu Thietmars Chronicon. In: Angli e Sassoni al di qua e al di l`a del mare. Bd. 2. Spoleto 1986, S. 547–584. – Winfrid Glocker: Die Verwandten der Ottonen und ihre Bedeutung in der Politik. Stud. zur Familienpolitik und zur Genealogie des s¨achsischen Kaiserhauses (Dissertationen zur ma. Gesch. 5). K¨oln/Wien 1989, S. 201–211. – Kazimierz Liman: Metatextuelles in der Chron. des W. In: Mlat. Jb. 24/25 (1989/90) S. 267–276. – H. Beumann: Entsch¨adigungen v. Halberstadt und Mainz bei der Gr¨undung des Erzbistums Magdeburg. In: Ex ipsis rerum documentis. Beitr. zur Medi¨avistik. FS Harald Zimmermann. Hg. v. Klaus Herbers u. a. Sigmaringen 1991, S. 383–398. – Allan A. Lund: Zur Herstellung v. W., Res Gestae Saxonicae III 65. In: Classica et Mediaevalia. Revue danoise d’histoire et de philologie 42 (1991) S. 277 f. – G. Althoff: W. v. C. Kronzeuge und Herausforderung. In: Fr¨uhma. Stud. 27 (1993) S. 253–272 (wieder in: Ders.: Inszenierte Herrschaft. Geschichtsschreibung und politisches Handeln im MA. Darmstadt 2003, S. 78–104). – Hagen Keller: Machabaeorum pugnae. Zum Stellenwert eines biblischen Vorbilds in W.s Deutung der ottonischen K¨onigsherrschaft. In: Iconologia sacra. Mythos, Bildkunst und Dichtung in der Religions- und Sozialgesch. Alteuropas. FS Karl Hauck. Hg. v. H. Keller. Berlin/New York 1994, S. 417–437. – Bernd Sch¨utte: Unters. zu den Lebensbeschreibungen der K¨onigin Mathilde (MGH Stud. und Texte 9). Hannover 1994, S. 13 f. – Johannes Fried: Die K¨onigserhebung Heinrichs I. Erinnerung, Mu¨ ndlichkeit und Traditionsbildung im 10. Jh. In: Mittelalterforschung nach der Wende 1989. Hg. v. Michael Borgolte (Hist. Zs. Beiheft, NF 20). M¨unchen 1995, S. 267–318. – Hartmut Hoffmann: Ottonische Fragen. In: DA 51 (1995) S. 53–82. – H. Keller: W.s Ber. u¨ ber die Aachener Wahl und Kr¨onung Ottos I. In: Fr¨uhma. Stud. 29 (1995) S. 390–453. – K. Naß: Die Reichschron. des Annalista Saxo und die s¨achsische Geschichtsschreibung im 12. Jh. (Schr. der MGH 41). Hannover 1996, S. 243–253. – Franz-Josef Schmale: W. v. C. (um 925 – mindestens 973). Rerum gestarum saxonum libri tres. In: Hauptwerke der Geschichtsschreibung. Hg. v. Volker Reinhardt. Stuttgart 1997, S. 721–724. – Bernd Schneidm¨uller: W. 46

2. H¨alfte 10. Jh. v. C., Richer v. Reims und der Wandel politischen Bewußtseins im 10. Jh. In: Beitr. zur ma. Nationsbildung in Deutschland und Frankreich. Hg. v. Carlrichard Br¨uhl/B. Schneidm¨uller (Hist. Zs. Beiheft, NF 20). M¨unchen 1997, S. 83–102. – Joachim Ehlers: ‹Burgen› bei W. v. C. und Thietmar v. Merseburg. In: Architektur – Struktur – Symbol. Streifz¨uge durch die Architekturgesch. v. der Antike bis zur Gegenwart. FS Cord Meckseper. Hg. v. Maike Kozok. Petersberg 1999, S. 27–32. – H. Keller: Die Einsetzung Ottos I. zum K¨onig (Aachen, 7. August 936) nach dem Ber. W.s v. C. In: Kr¨onungen: K¨onige in Aachen. Gesch. und Mythos. Kat. [...]. Bd. 1. Hg. v. Mario Kramp. Mainz 2000, S. 265–273. – Norbert Kersken: Die Anf¨ange nationaler Geschichtsschreibung im HochMA: W. v. C., Gallus Anonymus, Cosmas v. Prag, Gesta Hungarorum. In: Europas Mitte um 1000. Beitr. zur Gesch., Kunst und Arch¨aologie. Hg. v. Alfried Wieczorek/Hans-Martin Hinz. Bd. 2. Stuttgart 2000, S. 863–867. – Johannes Laudage: Otto der Große. Eine Biogr. Regensburg 2001. – Ludger K¨orntgen: K¨onigsherrschaft und Gottes Gnade. Zu Kontext und Funktion sakraler Vorstellungen in Historiographie und Bildzeugnissen der ottonischfr¨uhsalischen Zeit (Orbis mediaevalis 2). Berlin 2001, bes. S. 74–100. – Markus Br¨omel: W. v. C. – Kronzeuge und Herausforderung. In: Auf den Spuren der Ottonen 3. Protokoll des Kolloquiums am 22. Juni 2001 in Walbeck/Hettstedt. Halle 2002, S. 17–25. – Sverre Bagge: Kings, Politics, and the Right Order of the World in German Historiography. c. 950–1150 (Studies in the history of Christian thought 103). Leiden u. a. 2002, S. 23–94. – Martina Hartmann: W. v. C., Sachsengesch. In: Otto der Große, Magdeburg und Europa. Auf den Spuren Ottos des Großen. Bd. 2: Kat. Hg. v. Matthias Puhle (Tourismus-Stud. Sachsen-Anhalt 9). Magdeburg 2002, S. 3–5. – J. Laudage: W. v. C. und die dt. Geschichtswiss. In: Von Fakten u. Fiktionen. Ma. Geschichtsdarstellung und ihre krit. Aufarbeitung. Hg. v. dems. K¨oln u. a. 2003, S. 193–224. – Sabine Kuhlmann: Der Streit um Karl den Großen, W. und den ‹Tag von Verden› in der NS-Zeit. Eine Kontroverse im Spannungsfeld zwischen wissenschaftlicher Forschung und ideologischer Instrumentalisierung. Stade 2010. – David A. Warner: W. of C. In: Encyclopedia of the Medieval Chronicle. Hg. v. G. Dunphy. Leiden 2010. BJ 47

De Heinrico De Heinrico. – In lat.-ahd. Mischsprache verfasstes Gedicht aus dem 10. Jh. aus den Carmina Cantabrigensia (19. St¨uck). Behandelt wird das Treffen eines Kaisers Otto mit einem Bayernherzog Heinrich sowie einem weiteren Heinrich. Umstritten ist die Identifikation der Protagonisten mit historischen Perso¨ nlichkeiten. In Frage kommen Kaiser Otto I. und sein Bruder Herzog Heinrich I. oder, wahrscheinlicher, Kaiser Otto III. und Herzog Heinrich II. Beim zweiten Heinrich handelt es sich um Herzog Heinrich III., IV. oder V. von Bayern; von der Entscheidung f¨ur eine Personenkonstellation h¨angt schließlich die letztg¨ultig nicht zu leistende Datierung des Treffens ab (941, 985, 995 oder 997), sofern der Text nicht ohnehin eine protypische Situation und kein realhistorisches Ereignis darstellt. Formal kn¨upfen die in freiem Binnenreim verfassten zweisprachigen Langzeilen an eine Tradition Ottonischer Hofdichtung an, wie sie etwa auch aus dem 149. Lied der Carmina Burana gel¨aufig ist. ¨ Uberlieferung: Cambridge, University Library, MS. Gg. 35.5, 437rb-va (Perg., 11. Jh.). Ausgaben: Johann Georg Eccard (Hg.): Fragmentum poematis in laudem Heinrici comitis palatini ad Rhenum, anno MXXIX decantati ab anonymo Lotharino. In: Veterum monumentorum quaternio. Leipzig 1720, S. 49–52. – Heinrich Hofmann: Fundgruben f¨ur Gesch. dt. Sprache und Lit. 1. Breslau 1830, S. 340 f. – Oskar Schade: Veterum monumentorum theotiscorum decas. Weimar 1860, S. 5–8. – Wilhelm Wackernagel: Altdt. Lesebuch. Basel 51873, Sp. 287–290. – Karl M¨ullenhoff/Wilhelm Scherer (Hg.): Denkm¨aler dt. Poesie und Prosa aus dem 8.–12. Jh. Berlin 31893. Bd. 1, S. 39 f. (Nr. XVIII). – Karl Breul (Hg.): The Cambridge Songs. A Goliard’s song book of the XIth century, edited from the unique manuscript in the University Library, Cambridge 1915, S. 13 f. – Elias v. Steinmeyer: Die kleineren ahd. Sprachdenkm¨aler. Berlin 1916, S. 110 f. (Nr. XXIII). – Karl Strecker (Hg.): Die Cambridger Lieder. Berlin 1926, S. 57–59. – Walter Haug/Benedikt Konrad Vollmann (Hg.): Fr¨uhe dt. Lit. und lat. Lit. in Deutschland 800–1150 (BMA 1/BdK ¨ 62). Frankfurt/M. 1991, S. 294–297 (mit Ubers.). – Ahd. poetische Texte. Ahd./Nhd. Ausgew¨ahlt und komm. v. Karl A. Wipf (RUB 8709). Stuttgart ¨ 1992, S. 162–165 (mit Ubers.). – Ahd. Lesebuch. Zusammengestellt und mit Wb. versehen v. Wilhelm Braune. Fortgef¨uhrt v. Karl Helm. 17. Aufl. 48

Thangmar von Hildesheim bearb. v. Ernst A. Ebbinghaus. T¨ubingen 1994, S. 139 (Nr. 39). – Ahd. Lit. Mit altnd. Textbeispie¨ len. Auswahl mit Ubertragungen und Komm. Hg. v. Horst Dieter Schlosser. Berlin 22004, S. 162 f. ¨ (mit Ubers.). – Ahd. Lit. Eine komm. Anthologie. ¨ Ahd./Nhd. Altnd./Nhd. Ubers., hg. und komm. v. Stephan M¨uller (RUB 18491). Stuttgart 2007, ¨ S. 76–79 (mit Ubers.). – Facsimilia: Breul (s. Ausg.) vor S. 13 u. nach S. 14. – Strecker (s. Ausg.) nach S. 138. – Hanns Fischer: Schrifttf. zum ahd. Lesebuch, T¨ubingen 1966, S. 26* und Tf. 24. Literatur: Ehrismann2 1 (1932) S. 236–241. – De Boor/Newald 1 (91979) S. 100 f. – David R. McLintock, VL2 3 (1981) Sp. 928–931. – Jens Schneider, Killy2 2 (2008) S. 567 f. – Mu¨ llenhoff/ Scherer (s. Ausg.) S. 99–106. – Wilhelm Seelmann: D. H. In: NdJb 23 (1897) S. 94–102. – H. Meyer: D. H. In: ebd., S. 70–93. – Gustav Ehrismann: Zur ahd. Lit. 2. D. H. In: PBB (Halle) 29 (1904) S. 118–126. – Steinmeyer (s. Ausg.) S. 111–114. – Wolf v. Unwerth: Der Dialekt des Liedes D. H. In: PBB (Halle) 41 (1916) S. 312–331. – Theodor v. Grienberger: Ahd. Texterkl¨arungen I. 4. D. H. In: ebd. 45 (1921) S. 226–230. – Ernst Ochs: ‹Ambo vos aequivoci›. Zur Abfassungszeit des ahd.-lat. Heinrichslieds. In: ZfdPh 66 (1941) S. 10–12. – John Meier: Eine Stileigenart im Altdt. und ihr Auftreten im Heinrichsliede. In: Arch. f¨ur Lit. und Volksdichtung 1 (1949) S. 104–113. – Mathilde Uhlirz: Der Modus ‹D. H.› und sein geschichtlicher Inhalt. In: DVjs 26 (1952) S. 153–161. – Marie-Luise Dittrich: D. H. In: ZfdA 84 (1952/53) S. 274–308. – Wolfgang Jungandreas: D. H. In: Leuvense Bijdragen 57 (1968) S. 75–91. – Willy Sanders: Imperator ore iucundo saxonizans. Die as. Begr¨ußungsworte des Kaisers Otto in ‹D. H.›. In: ZfdA 98 (1969) S. 13–28. – Helgard Christensen: Das ahd. Gedicht D. H. In: Kopenhagener Beitr. zur germanistischen Linguistik 10 (1978) S. 18–32. – Ernst A. Ebbinghaus: Zwei ahd. Miszellen. In: Studia neophilologica 59 (1987) S. 241 f. – Pavel Trost: Zwei lat.-ahd. Mischgedichte. In: Ahd. Hg. v. Rolf Bergmann/Heinrich Tiefenbach/Lothar Voetz (Germ. Bibl. NF Reihe 3, Unters.). Bd. 1. Heidelberg 1987, S. 807 f. – Thomas Klein: ‹D. H.› und die as. Sentenz Leos v. Vercelli. As. in der sp¨aten Ottonenzeit. In: Architectura Poetica. FS Johannes Rathofer. Hg. v. Ulrich Ernst/Bernhard Sowinski (K¨olner germanistische Stud. 30). K¨oln/Wien 1990, S. 45–66. – Haug/Vollmann (s. Ausg.) S. 1244–1249. – Wipf 49

um 1000 (s. Ausg.) S. 322–324. – Braune/Ebbinghaus (s. Ausg.) S. 178. – Wolfgang Haubrichs: Die Anf¨ange: Versuche volkssprachiger Schriftlichkeit im fr¨uhen MA (ca. 700–1050/60) (Gesch. der dt. Lit. v. den Anf¨angen bis zum Beginn der Neuzeit 1,1). T¨ubingen 21995, S. 147–151. – Verio Santoro: Il ‹D. H.› e gli inizi del plurilinguismo nella poesia tedesca medievale. In: Medioevo e Rinascimento 9 [N.F. 6] (1995) S. 17–50. – Johannes Fried: M¨undlichkeit, Erinnerung und Herrschaft. Zugleich zum Modus ‹D. H.›. In: Political thought and the realities of power in the Middle Ages. Hg. v. Otto Gerhard Oexle/Joseph Canning (Ver¨off. des Max-PlanckInst. f¨ur Gesch. 147). G¨ottingen 1998, 9–32. – M´onica Rodr´ıguez Gij´on: Los personajes Ot´on y Enrique en el poema mixto latino-alem´an ‹D. H.›. In: Philologia Hispalensis 15 (2001) S. 167–187. – Mathias Herweg: Ludwigslied, D. H., Annolied. Die dt. Zeitdichtungen des fr¨uhen MA im Spiegel ihrer wissenschaftlichen Rezeption und Erforschung (Imagines medii aevi 13). Wiesbaden 2002. – Jens Schneider: Heinrich und Otto. Eine Begegnung an der Jahrtausendwende. In: AfK 84 (2002) S. 1–40. – Hans-Jochen Schiewer: Ludwig, Otto, Heinrich und das ‹Schneekind›. Hoflit. und Klerikerkultur im literarischen Fr¨uhMA. In: Lit. – Gesch. – Literaturgesch. FS Volker Honemann. Hg. v. Nine Miedema/Rudolf Suntrup. Frankfurt/M. 2003, S. 73–88. – Jens Schneider: Lat. und Ahd. in der Cambridger Liederslg. D. H., Clericus et Nomma. In: Volkssprachig-lat. Mischtexte und Textensembles in der ahd., as. und altenglischen ¨ Uberl. Hg. v. R. Bergmann (Germanistische Bibl. 17). Heidelberg 2003, S. 297–314. – Schlosser (s. Ausg.) S. 210. – Mo´ nica Rodr´ıguez Gij´on: La figura del emperador alem´an en tres textos alemanes: ‹D. H.›, ‹Modus Ottinc› y ‹Cantilena in Chuonradum II. factum Imperatorem›. In: Estudios filol´ogicos alemanes 12 (2006) S. 223–232. – M¨uller (s. Ausg.) S. 307 f. – Karina Kellermann: L¨uckenb¨ußer? ‹D. H.› im Geflecht sp¨atottonischer Repr¨asentationszeugnisse. In: Figuren der Ordnung. FS Ulrich Ernst. Hg. v. Susanne Gramatzki/R¨udiger Zymner. Wien u. a. 2009, S. 19–35. NR Thangmar von Hildesheim (Tangmar[us]), * um 940/50 Di¨ozese Hildesheim (?), † wohl nach 1019. – Theologe, Notar, Biograph → Bernwards von Hildesheim. Der wohl aus Sachsen stammende T. war Priester und Lehrer an der Domschule in Hildesheim, 50

um 1000 die er sp¨ater auch leitete. Er wirkte als Bibliothekar und Notar unter dem Hildesheimer Bischof Osdag. Als sein ehemaliger Sch¨uler Bernward 993 Bischof von Hildesheim wurde, r¨uckte T. in dessen engeren Kreis auf. Als Vertrauter und Gesandter des Bischofs begleitete er diesen u. a. um 1000 nach Rom. 1001 nahm er auch an der Synode in Frankfurt/M. teil, traf in Italien auf Kaiser Otto III. und reiste dann zur Synode von Todi, bevor er 1002 nach Hildesheim zur¨uckkehrte. Von 1001 bis sp¨atestens 1013 war T. Domdechant und anschließend Archipresbyter in Hildesheim. Zuletzt ist er 1019 in der Stiftungsurkunde des Klosters St. Michael in Hildesheim nachgewiesen, dem er seine B¨ucher vermachte. Eine sp¨atere Erw¨ahnung in einer gef¨alschten Urkunde ist zweifelhaft. T. gilt meist als Autor der lat. Vita Bernwardi, die detailiert Leben und Laufbahn des T.-Sch¨ulers und Bischofs nachzeichnet. Der Text stellt Bernward als geschickten Politiker, Organisator und M¨azen dar und blendet zugleich Ereignisse aus, die ein schlechtes Bild auf ihn werfen k¨onnten. Dazu z¨ahlt etwa die anf¨angliche Gegnerschaft des Bischofs gegen Heinrich II., wohingegen seine Unterst¨utzung Heinrichs auf einem Feldzug im Text enthalten ist. Die Vita k¨onnte um 1023/24 entstanden sein, allerdings stammt die fr¨uheste Handschrift erst aus der Zeit um 1186–92. Die fr¨uheste Fassung der Vita besteht aus biographischen Abschnitten und einer eingef¨ugten Denkschrift, auf die noch einzugehen sein wird. Eine sp¨atere, Bischof Siegfried II. von Hildesheim gewidmete Fassung entstand im 13. Jh. und ist zusammen mit der Geschichte von Bernwards Kanonisation und Translatio u¨ berliefert. Die Vita Bernwardi ist kaum quellenabh¨angig, zeigt aber den Einfluss von Vergil und → Einhard. Gek¨urzte Teile der Schrift gingen in die Legenda aurea des → Jacobus a Voragine ein. Auch in der Vita Godehardi posterior des → Wolfhere und in der Fundatio ecclesiae Hildeshemensis wurde die Vita rezipiert. Von der Forschung fr¨uher als wichtige Quelle zu Bernwards Leben gelobt, ist die Verfasserschaft T.s neuerdings umstritten. So wird verschiedentlich die These vertreten, die Vita sei eine Fabrikation Hildesheimer Mo¨ nche. Diese sei im sp¨aten 12. Jh. im Kontext der Kanonisationsbestrebungen um Bernward entstanden. T. verfasste wahrscheinlich auch die sog. Hildesheimer Denkschrift zum Gandersheimer Streit. Diese bezieht aus Hildesheimer Perspektive Stellung zur Auseinandersetzung zwischen den Bisch¨ofen von 51

Thangmar von Hildesheim Hildesheim und Mainz um die Ausu¨ bung bisch¨oflicher Rechte u¨ ber das Kanonissenstift Gandersheim. Der bis 1007 reichende Text floss gek¨urzt in T.s Bernward-Vita ein, weshalb er meist T. zugeschrieben wird. Allerdings spricht die Denkschrift nur in der dritten Person von T. Ob er den Text selbst schrieb, diktierte oder nur adaptierte, bleibt also ungekl¨art. Wahrscheinlich war T. als Mitverfasser und Redakteur auch an den Annales Hildesheimenses beteiligt, speziell an Berichten zum letzten Jahrzehnt des 10. Jh. ¨ Da die Uberlieferungsund damit die Zuschreibungssituation als weiterhin kl¨arungsbed¨urftig gelten, ist es f¨ur eine abschließende Beurteilung T.s noch zu fr¨uh. Sicher ist die Vita Bernwardi ein wichtiges Zeugnis der hagiographischen Literatur – ob sie allerdings das authentische, wohlinformierte Werk eines echten Bernward-Vertrauten oder eine Fabrikation sp¨aterer Hagiographen ist, bleibt zu er¨ortern. ¨ Uberlieferung: Zahlreiche lat. Hss.; vgl. Stumpf 2004 (s. Lit.). – T.s Mitwirkung an den Annales Hildesheimenses ist nachweisbar in: Paris. Bibl. Nationale, Ms. lat. 6114. Ausgaben: Sidera illustrium et sanctorum virorum qui Germaniam praesertim Magnam olim gestis rebus ornarunt. Hg. v. Christoph Brouwer. [Mainz] 1616 (Online-Ausg. ULB D¨usseldorf 2011). – Scriptores Rerum Brunsvicensium illustrationi inservientes 1. Hg. v. Gottfried Wilhelm Leibniz. Hannover 1707, S. 441–482. – Vita Bernwardi. Hg. v. Georg Heinrich Pertz. In: MGH SS 4. Hannover 1841 (Nachdr. Stuttgart 1982) S. 754–782. – Die Lebensbeschreibung der Bisch¨ofe Bernward und Godehard von Hildesheim. Vita sancti Bernwardi episcopi Hildesheimensis. Vita sancti Godehardi. Hg. v. Hermann J. H¨uffer. Berlin 1852. Leipzig 21892 (dt.-lat.; nach der MGH-Ausg.). – PL 140 (1853) Sp. 393–434 (nach der MGH-Ausg.). – Lebensbeschreibungen einiger Bisch¨ofe des 10.–12. Jh. Hg. v. Hatto Kallfelz. Darmstadt 1973. Ebd. 21986, S. 265–361 (dt.lat.). ¨ Ubersetzungen: H¨uffer 1852 (s. Ausg.). – T.s Lebensbeschreibung des hl. Bischofs Bernward. Hg. v. Bernhard Gerlach. In: Unsere Di¨ozese in Vergangenheit und Gegenwart (Hildesheim) 15 (1941) S. 1–66. – Kallfelz 1973 (s. Ausg.). – Vita Bernwardi. Das Leben des Bischofs Bernward v. Hildesheim. Hg. v. Ulrich Bongertmann. Hildesheim 1993. 52

Bernward von Hildesheim Literatur: ADB 37 (1894) S. 651 f. – Manitius 2 (1923)S. 268–275. – Tusculum-Lex. (31982) S. 768. – Knut G¨orich, LexMA 8 (1997) Sp. 610. – Ders., LThK3 9 (2000) Sp. 1380 f. – Ders., BBKL 18 (2001) Sp. 1359–1365. – Marcus Stumpf, VL2 11 (2004) Sp. 1512–1522. – Julius R. Dieterich: ¨ Uber T. ‹Vita Bernwardi episcopi›. In: Neues Arch. der Ges. f¨ur a¨ ltere dt. Geschichtskunde 25 (1900) S. 425–451. – Konrad Algermissen: Pers¨onlichkeit und Charakter des Bischofs Bernward v. Hildesheim. In: Unsere Di¨ozese in Vergangenheit und Gegenwart (Hildesheim) 27 (1958) S. 1–65. – Karl-August Wirth: Nachr. u¨ ber Begr¨abnis und Grab Bischof Bernwards v, Hildesheim in T.s Vita Bernwardi. In: Zs. f¨ur Kunstgesch. 22 (1959) S. 305–323. – Richard Dr¨ogereit: Die Vita Bernwardi und T. In: Unsere Di¨ozese in Vergangenheit und Gegenwart (Hildesheim) 28 (1959) S. 2–46. – K. Algermissen: Die hist. Quellen u¨ ber die Pers¨onlichkeit, das Leben und Wirken Bernwards. In: Bernward und Godehard v. Hildesheim. Ihr Leben und Wirken. Hg. v. K. Algermissen. Hildesheim 1960, S. 1–16. – R. Dr¨ogereit: Bischof Bernward v. Hildesheim. In: Jb. der Ges. f¨ur Nds. Kirchengesch. 58 (1960) S. 5–22. – Karl-Josef Benz: Unters. zur politischen Bedeutung der Kirchweihe unter Teilnahme der dt. Herrscher im hohen MA. Ein Beitr. zum Studium des Verh¨altnisses zwischen weltlicher Macht und kirchlicher Wirklichkeit unter Otto III. und Heinrich II. Kallm¨unz 1975, S. 268–291. – Wilhelm Wattenbach/Franz-Josef Schmale: Deutschlands Geschichtsquellen im MA 1: Vom Tod Kaiser Heinrichs V. bis zum Ende des Interregnums. Darmstadt 1976, S. 60–62. – Hans Goetting: Die Hildesheimer Bisch¨ofe v. 815 bis 1221 (Germania sacra NF 20: Die Bist¨umer der Kirchenprovinz Mainz: Das Bistum Hildesheim 3). Berlin 1984, S. 159–163, 166–230. – K. G¨orich/Hans-Henning Kort¨um: Otto III., T. und die Vita Bernwardi. In: ¨ 98 (1990) S. 1–57. – Bongertmann 1993 MIOG ¨ (s. Ubers.) S. 325–345. – Bernward v. Hildesheim und das Zeitalter der Ottonen. Kat. der Ausstellung Hildesheim 1993. Hg. v. Michael Brandt. 2 Bde. Hildesheim 1993, hier Bd. 1, S. 407–417; Bd. 2, S. 10–13, 474–476, 483–491, 538–540. – K. G¨orich: Otto III., Romanus Saxonicus et Italicus. Kaiserliche Rompolitik und s¨achsische Historiographie. Sigmaringen 1993, S. 92–113. – Josef Nolte: Tercii Ottonis Imperatoris Didascalus. Die 53

um 1000 Vita Bernwardi v. Thankmar (11. Jh.). In: Vormoderne Lebensl¨aufe – erziehungshistorisch betrachtet. Hg. v. Rudolf W. Keck/Erhard Wiersing. K¨oln u. a. 1994, S. 131–149. – Hermann Jakobs: Anm. zur Urkunde Benedikts VIII. f¨ur Bernward v. Hildesheim (JL. 4036) und zu den Anf¨angen von St. Michael. In: Nieders¨achsisches Jb. f¨ur Landesgesch. 66 (1994) S. 199–214. – Fidel R¨adle: Der heilige Benno v. Meißen und Hildesheim. Texte aus der Hs. Dombibl. Hs. 123b. In: Die Dombibl. Hildesheim. B¨ucherschicksale. Hg. v. Jochen Bepler/Thomas Scharf-Wrede. Hildesheim 1996, S. 271–304. – Marcus Stumpf: Zum Quellenwert v. T.s Vita Bernwardi. In: DA 53 (1997) S. 461–496. – Ernst-Dieter Hehl: Der widerspenstige Bischof. Bisch¨ofliche Zustimmung und bisch¨oflicher Protest in der ottonischen Reichskirche. In: Herrschaftsrepr¨asentation im ottonischen Sachsen. Hg. v. Gerd Althoff/Ernst Schubert. Sigmaringen 1998, S. 295–344. – Walter Berschin: Biogr. und Epochenstil im lat. MA 4/1. Stuttgart 1999, S. 187–192. – Stephanie Haarl¨ander: Vitae episcoporum. Eine Quellengattung zwischen Hagiographie und Historiographie. Stuttgart 2000, passim. – Bernhard Gallistl: Bernward of Hildesheim. A Case of Self-planned Sainthood. In: The Invention of Saintliness. Hg. v. Anneke MulderBakker. London u. a. 2002, S. 145–162. – Martina Giese: Die Textfassungen der Lebensbeschreibung Bischof Bernwards v. Hildesheim. Hannover 2006. – Friedrich Lotter/Sabine G¨abe: Die hagiographische Lit. im dt. Sprachraum unter den Ottonen und Saliern (ca. 960–1130). In: Hagiographies 4. Histoire internationale de la litt´erature hagiographique latine et vernaculaire en Occident des origines a` 1550. Hg. v. Guy Philippart. Turnhout 2006, S. 273–521. – M. Giese: Das v. Gottfried Wilhelm Leibniz ver¨offentlichte ‹Compendium vitae sancti Bernwardi›. In: Nieders¨achsisches Jb. 79 (2007) S. 187–205. – Christine Wulf: Bernward v. Hildesheim, ein Bischof auf dem Weg zur Heiligkeit. In: Concilium medii aevi 11 (2008) S. 1–19. – Sita Steckel: Kulturen des Lehrens im Fr¨uh- und HochMA. Autorit¨at, Wissenskonzepte und Netzwerke von Gelehrten. K¨oln u. a. 2011, S. 731–736 u. o¨ . MM Bernward von Hildesheim, * um 960, † 20.11. 1022 Hildesheim. – Bischof von Hildesheim und Kunstf¨orderer. B. enstammte dem s¨achsischen Hochadel; sein Großvater m¨utterlicherseits war Pfalzgraf Adalbero. 54

1. H¨alfte 11. Jh. Vor 976 trat B. in die Hildesheimer Domschule ein. Dort wurde der Lieblingssch¨uler des Schulleiters → Thangmar von Hildesheim nicht nur in den Artes, sondern auch in Technik, Architektur und Handwerk unterrichtet. Vielleicht nahm schon Kaiser Otto II. B. in den Hofdienst, gesichert ist B.s Mitgliedschaft in der Hofkapelle seit 987. Von Kaiserin Theophanu wurde ihm 989 die Erziehung des jungen K¨onigs Otto des III. u¨ bertragen. Wom¨oglich zu dieser Zeit machte B. die Bekanntschaft von → Theodericus von Fleury. 993 wurde B. zum Hildesheimer Bischof geweiht. Otto III. und Heinrich II. begleitete er auf Italien- und Feldz¨ugen; auch pilgerte er nach St. Denis und Tours. Unter den Vertretern des ottonischen Reichsepiskopats nimmt B. durch sein ausgepr¨agtes architektonisches und k¨unstlerisches Interesse eine Sonderstellung ein. Er war bedeutender Auftraggeber und Mitgestalter von Kunstwerken (Holzschnitzerei, Erzguss, Goldschmiedekunst) und Bauwerken. Um den Klosterbezirk ließ er einen Mauerring errichten, baute den Bischofssitz aus und f¨orderte das Hildesheimer Skriptorium (reichhaltig illustrierte Codices, die auf B. zur¨uckgehen, sind eine Vollbibel, zwei Evangeliare und ein Sakramentar). Herausragendes Zeugnis seiner Architekturund Kunstf¨orderung ist die Abteikirche des von B. 1001 gegr¨undeten Klosters St. Michael (B.-T¨uren, Christuss¨aule, Kreuzs¨ale). 1191 wurde er kanonisiert. Spuren in der dt. ma. Literaturlandschaft hat B. vor allem durch die Vita Bernwardi seines Lehrers Thangmar hinterlassen. In lokal gepr¨agten Redaktionen von Der → Heiligen Leben wurde die Vita B.s aufgenommen (Druck L¨ubeck, Steffen Arndes, 1492 [GW M11503]). Außerdem sind einige Gebete aus dem → Hildesheimer Nonnengebetbuch (14. Jh.) an B. gerichtet. Literatur: (s. auch Thangmar) – Wilhelm Wattenbach, ADB 2 (1875) S. 505 f. – Ulrich Thieme/ Felix Becker: Allg. Lex. der Bildenden K¨unstler v. der Antike bis zur Gegenwart 3 (1909) Sp. 472–480. – Wilhelm Berges, NDB 2 (1955) S. 143 f. – Friedrich Lotter/Victor H. Elbern, LexMA 1 (1980) Sp. 2012–2014. – Konrad Algermissen, Marienlex. 1 (1988) S. 455 f. – Anja Jachmann, Allg. K¨unstlerlex. Die Bildenden K¨unstler aller Zeiten und V¨olker. Bd. 9. M¨unchen/Leipzig 1994, S. 630 f. – Peter Johanek, LThK3 2 (1994) Sp. 286 f. – S¨onke Lorenz, RGG4 1 (1998) 55

Eberwin von Trier Sp. 1333. – Ralf Wesenberg: Bernwardinische Plastik. Zur Ottonischen Kunst unter Bischof B. v. H. (Denkm¨aler dt. Kunst. 34). Berlin 1955. – Richard Dr¨ogereit: Bischof B. v. H. In: Jb. der Ges. f¨ur nieders¨achsische Kirchengesch. 58 (1960) S. 5–22. – K. Algermissen (Hg.): B. und Godehard v. H. Ihr Leben und Wirken. Hildesheim 1960. – Hans G¨otting: Die Hildesheimer Bisch¨ofe von 815 bis 1221 (1227) (Das Bistum Hildesheim 3/Germania Sacra NF 20). Berlin/New York 1984, S. 159–163, 166–230. – Martin Gosebruch (Hg.): Bernwardinische Kunst. Ber. u¨ ber ein wissenschaftl. Symposium in Hildesheim vom 10.10. bis 13.10.1984 (Schriftenreihe der Kommission f¨ur Nieders¨achsische Bau- und Kunstgesch. 3). G¨ottingen 1988. – Michael Brandt/Arne Eggebrecht (Hg.): B. v. H. und das Zeitalter der Ottonen. Kat. der Ausstellung Hildesheim 1993. 2 Bde. Hildesheim u. a. 1993 (mit Bibliogr.). – Ernst-Dieter Hehl: Der widerspenstige Bischof. Bisch¨ofliche Zustimmung und bisch¨oflicher Protest in der ottonischen Reichskirche. In: Herrschaftsrepr¨asentation im ottonischen Sachsen (Vortr¨age und Forschungen 46). Hg. v. Gerd Althoff/Ernst Schubert. Sigmaringen 1998, S. 295–334. – Manfred Overesch/Alfhart G¨unther: Himmlisches Jerusalem in Hildesheim. St. Michael und das Geheimnis der sakralen Mathematik vor 1000 Jahren. G¨ottingen 2009, S. 75–88. – Robert Fuchs: Farbmaterialien und Maltechnik der Hildesheimer Bernwardhss. In: Sch¨atze im Himmel, B¨ucher auf Erden. Ma. Hss. aus Hildesheim (Ausstellungskat. der HAB 93). Hg. v. Monika E. Mu¨ ller. Wolfenb¨uttel 2010, S. 185–192. – Wolfgang Christian Schneider: B. v. H. Bischof – Politiker – K¨unstler – Theologe (Ver¨off. des Landschaftsverbandes Hildesheim 18). Hildesheim u. a. 2010. – Christoph Schulz-Mons: Das Michaeliskloster in Hildesheim. Unters. zur Gr¨undung durch Bischof B. (993–1022) (Quellen und Dokumentationen zur Stadtgesch. Hildesheims 20). Hildesheim 2010. VZ Eberwin von Trier (Eberwinus Treverensis) OSB. – Wende 10./11. Jh., Kleriker. E. wurde um das Jahr 1000 zum Abt des Kloster St. Martin in Trier gew¨ahlt und ist Verfasser einer Vita des Klostergr¨unders Magnerich von Trier (zweite H¨alfte 6. Jh.). F¨ur 1001 ist ein E. als Abt des nahe Trier gelegenen Klosters Tholey bezeugt, der wohl mit dem Autor der Vita S. Magnerici identisch war und nach 1035 eine Vita des syrischen 56

Thietmar von Merseburg Diakons Simeon (ca. 980–1035) verfasste, der sein Leben als Einsiedler in der Porta Nigra beschlossen hatte. Die Zuweisung des Traktats De calamitate abbatiae s. Martini Treverensis an E. ist zweifelhaft. Die Vita S. Magnerici verzichtet auf Dedikation und Prolog und setzt mit der Biographie des Protagonisten ein, auf die ein k¨urzerer Abschnitt zur Geschichte von St. Martin folgt. E. st¨utzt sich auf eine breite Quellenbasis (Gregor von Tours, Venantius Fortunatus, Vita Gaugerici, → Regino von Pr¨um), sodass seine Darstellung trotz des großen zeitlichen Abstands zu ihren Gegenst¨anden als zuverl¨assig gilt. Anlass der Abfassung d¨urfte das Bestreben gewesen sein, die Reputation des Kloster St. Martin durch eine bis ins Fr¨uhMA reichende Gr¨undungsgeschichte zu steigern. Die Vita S. Simeonis setzt mit einem Erzbischof Hugo von Trier (1016–1047) dedizierten Prolog ein, an den die Biographie des Heiligen anschließt, deren Aufbau zwar dem gattungstypischen Schema Leben – Tod – Wunder folgt, die aber u¨ ber ihre hagiographische Funktion hinaus ein wertvolles kulturhistorisches Zeugnis u¨ ber Orienterfahrungen westlicher Pilger vor dem 1. Kreuzzug bietet. Anlass zur Aufzeichnung der Vita war der schon Anfang 1036 mit der Heiligsprechung abgeschlossene Kanonisationsprozess ihres Protagonisten, der laut Heikkil¨a (2002) einen der der ersten Vertreter eines neuen, nicht mehr auf apostolischer Sukzession beruhenden Heiligentyps repr¨asentiert. ¨ Uberlieferung: Vita S. Magnerici: u. a. Trier, StB, Hs. 1379/143 8° (11. Jh., Fragm.). – Ebd., Hs. 1151/455, 214v–220r (13. Jh.). – Trier, Bibl. des Bisch¨ofl. Priesterseminars, Hs. 33, 182v–184r (14. Jh.). – M¨unster, UB, Hs. 353 (fr¨uher N. 1177 bzw. N° 219; verbrannt), S. 97–109 (15. Jh.). – Trier, StB, Hs. 1390/150 4°, 91r–98r (16. Jh.). – Vita S. Simeonis: u. a. Bern, Burgerbibl., Cod. 24, 238r–242v. – Br¨ussel, Bibl. Bollandiana, Cod. lat. hag. 208, 2r–15v. – Chˆalons-en-Champagne, Bibl. Municipale, Ms. 56. – M¨unchen, BSB, Clm 18625, 18r–28r (12. Jh.). – Paris, Bibl. Nationale, Ms. lat. 2628, 144v. – Trier, StB, Hs. 118/106 4°, 300v–310v (11. Jh.). – Ebd., Hs. 1384/54 8°, 2r–8r (Anfang 13. Jh.). – Ebd., Hs. 1353/32 8°, 108r–116r (15. Jh.). Ausgaben: Vita S. Magnerici: Acta Sanctorum Julii. Bd. 6. Antwerpen 1729, S. 183–192. – Georg Waitz, MGH SS 8 (1848) S. 208 f. (Ausz¨uge). – Heinrich Volbert Sauerland (Hg.): Trierer Geschichtsquellen des 11. Jh. Trier 1889, S. 40–45. – Vita S. Simeonis: Acta Sanctorum Junii. Bd. 1. Ant57

1. H¨alfte 11. Jh. werpen 1695, S. 89–95. – G. Waitz, MGH SS 8 (1848) S. 209–211 (Ausz¨uge). ¨ Ubersetzungen: Vita S. Simeonis: Peter Thomsen: Der heilige Symeon v. Trier. In: Zs. des dt. Pal¨astina-Ver. 62 (1939) S. 144–161. Literatur: Manitius 3 (1931) S. 612. – Heinz Thomas, VL2 2 (1979) Sp. 293 f. – Walter Berschin: Biogr. und Epochenstil im lat. MA (Quellen und Unters. zur lat. Philologie des MA 12/1). Bd. 4/1. Stuttgart 1999, S. 217. Zur Vita S. Magnerici: Ernst Winheller: Die Lebensbeschreibungen der vorkarolingischen Bisch¨ofe v. Trier (Rheinisches Arch. 27). Bonn 1935, S. 107–121. – Klaus Kr¨onert: La construction du pass´e de la cit´e de Tr`eves, VIIIe a` XIe ´ si`ecles. Etude d’un corpus hagiographique. Paris 2003, S. 438–468. – Michael Embach: Trierer Literaturgesch. Das MA. Trier 2007, S. 274–279. Zur Vita S. Simeonis: Maurice Coens: Un document in´edit sur le culte de S. Sym´eon moine d’Orient et reclus a` Tr`eves. In: Analecta Bollandiana 68 (1950) S. 181–196. – Albert Heintz: Der heilige Simeon v. Trier. Seine Kanonisation und seine Reliquien. In: FS Alois Thomas. Trier 1967, S. 163–173. – Wolfgang Haubrichs: Die Tholeyer Abtslisten des MA. Philol., onomastische und chronologische Unters. (Ver¨off. der Kommission f¨ur Saarl¨andische Landesgesch. und Volksforschung 15). Saarbr¨ucken 1986, S. 164–173. – Michele Camillo Ferrari: From Pilgrim’s Guide to Living Relic: Symeon of Trier and his Biographer E. In: Latin Culture in the Eleventh Century. Hg. v. Michael W. Herren/Christopher James McDonough/Ross G. Arthur (Publ. of The Journal of Medieval Latin 5/1). Turnhout 2002, S. 324–344. – Tuomas Heikkil¨a: Vita S. Symeonis Treverensis. Ein hochma. Heiligenkult im Kontext (Suomalaisen Tiedeakatemian toimituksia. Sarja humaniora 326). Helsinki 2002. – Klaus Kr¨onert: La construction du pass´e de ´ la cit´e de Tr`eves, VIIIe a` XIe si`ecles. Etude d’un corpus hagiographique. Paris 2003, S. 468–495. – M. Embach: Trierer Literaturgesch. Das MA. Trier 2007, S. 279–283. NR Thietmar von Merseburg (Dietmar, Dithmar), * 25.7.975 vermutlich Walbeck bei Helmstedt, † 1.12.1018 Merseburg. – Bischof, Geschichtsschreiber. T. stammte aus dem s¨achsischen Geschlechts der Grafen von Waldeck und war verwandt mit Kaiser 58

1. H¨alfte 11. Jh. Heinrich II. Zun¨achst im ottonischen Familienstift Quedlinburg ausgebildet, wurde er 990 in das Magdeburger Domstift aufgenommen. Nach etwa neun Jahren wurde er Mitglied des Domkapitels und Pfr¨undeninhaber, 1002 Propst des Familienstifts Waldeck. 1004 empfing er die Priesterweihe und war seit 1009 Bischof von Merseburg. T. verfasste zwischen 1012 und 1018 eine Cronica. Sie behandelt zum einen die Geschichte des Bistums Merseburg (Einrichtung, Aufhebung 981 durch Otto II., Wiedererrichtung 1004 durch Heinrich II.), zum anderen in acht B¨uchern, die jeweils durch metrisch geformte Prologe eingeleitet werden, die Reichsgeschichte seit den 80er Jahren des 10. Jh. unter Heinrich I., Otto dem Großen, Otto II. und III. sowie Heinrich II. Entlehnungen stammen u. a. aus Vergil, Horaz, Ovid, Persius und Lucan. Als Quellen benutzt wurden die Sachsengeschichte → Widukinds von Corvey, die → Quedlinburger Annalen (in einer bis 998 reichenden Fassung), Aufzeichnungen u. a. aus Magdeburg, eine Bischofschronik aus Halberstadt und das Merseburger Totenbuch. T. kannte u. a. Gerhard von Augsburg (Vita sancti Oudalrici) und Ruotger von K¨oln (Vita Brunonis); er zog auch eigene Erlebnisse und m¨undliche Informationen – vor allem aus der Zeit Heinrichs II. – heran. Gegliedert ist das Werk nach den Herrschern, wobei T. nicht mit der s¨achsischen Stammessage begann, sondern mit Julius Caesar; stark gewichtet werden die Missionspolitik und allgemeine Ostpolitik, insbesondere die Auseinandersetzung mit dem Polenherrscher Bolesław Chrobry. T., der das politische Geschehen vor dem Hintergrund der g¨ottlichen Heilsordnung begreift, stellt die Geschichte detailliert und oft parteiisch dar. Seine Chronik ist eine der wichtigsten Quellen f¨ur die Reichsgeschichte, insbesondere unter Otto III. und Heinrich II., f¨ur deren Ostpolitik und f¨ur die dt.slawischen Beziehungen der Zeit. Ferner stammt eine im Merseburger Sakramentar (Dombibl., Hs. 129) eingetragene Bitte T.s, seiner zu gedenken, vermutlich von seiner Hand; im «Necrologium» dieses Codex ließ T. auch mehrere hundert Namen einschreiben. Ein Martyrologium mit Eintragungen T.s ist verloren. ¨ Uberlieferung: Chronik: Dresden, LB, Mscr. R 147 (durch Kriegseinwirkung unbenutzbar geworden). – Br¨ussel, Bibl. Royale, cod. 7503–7518 (fr¨uher 5815), f. 211–289 (Ende 14. Jh.; Text nach 59

Thietmar von Merseburg einer verlorenen Hs. v. 1120, u¨ berarb. v. einem Redaktor in Corvey). Ausgaben: Reinerus Reineccius (und Petrus Albinus), Frankfurt/M. 1580. Neuausg. 1600 (nach Ha. 1). – Joachim Johann Mader, Helmstedt 1667 (nach Reineccius). – Gottfried WIlhelm Leibniz, in: MGH SS rerum Brunsvicensium. Bd. 1. Hannover 1707 (erstmals Gesamttext nach Reineccius und Hs. 2). – Johann Augustin Wagner, N¨urnberg 1807 (nach Hs. 1 und Leibniz). – Johann M. Lappenberg, in: MGH SS 3, 1839. Nachdr. 1986 (nach Hs. 1 und 2). – J.-P. Migne, in: PL 39 (1853) (nach Lappenberg). – Friedrich Kurze, in: MGH SS rer. Germ. Hannover 1889 (nach Ha. 1 und Lappenberg). – Historisch-kritische Ausgabe: Die Chronik ¨ des Bischofs T. v. M. und ihre Korveier Uberarbeitung. Hg. Robert Holtzmann. Berlin 1935. 2 1955 (MGH, Ss. rer. germ., s. n. 9) (Paralleldruck von Cod. 1 und 2). – Faksimile: Die Dresdner Hs. der Chronik des Bischofs T. v. M. Hg. Ludwig Schmidt. Dresden 1905. – Poln. Ausg.: Kronika Thietmara. Hg. v. Marian Zygmunt Jedlicki. Posen 1953 (nach Holtzmann). – Lat.-dt. Ausg.: T. v. M.: Chronik (Text nach Holtzmann, neu u¨ bertragen und erl¨autert von Werner Trillmich). Darmstadt 1957 (71992; Ausgew¨ahlte Quellen zur dt. Gesch. des MA 9). – Dt. Ausg.: T. v. M., Chronik. Hg., bearb. und aus dem Lat. u¨ bers. v. Franz Huf. 2 Bde. Kettwig 1990. – Lat.-engl. Ausg.: Thietmarus Merseburgensis: Ottonian Germany. The Chronicon of T. of M. Hg. David A. Warner. Manchester 2001. Literatur: [Wilhelm] Wattenbach, ADB 38 (1894) S. 26–28. – Manitius 2 (1923) S. 265–268. – Helmut Beumann, VL2 9 (1995) Sp. 795–801 – J. Ju¨ rgen Seidel, BBKL 11 (1996) Sp. 1212 f. – Gerhard Althoff, LexMA 8 (1998) Sp. 694–696. – Goswin Spreckelmeyer, LThK3 9 (2000) Sp. 1502. – Lutz E. v. Padberg, RGG4, 8 (2005) Sp. 365. – Gert Melville/Red., Killy2 11 (2011) 479 f. – Ulrike Siewert: Thietmar (Dietmar, Dithmar) von Walbeck. In: S¨achsische Biografie. Hg. vom Inst. f¨ur S¨achsische Gesch. und Volkskunde e.V. Online-Ausg.: http://www.isgv.de/saebi/ (13.11.2011). – Friedrich Kurze: Abfassungszeit und Entstehungsweise der Chron. T.s. In: Neues Arch. der Ges. f¨ur a¨ ltere dt. Geschichtskunde 14 (1889) S. 59–86. – Ders.: Bischof T. v. M. und seine Chron. (Neujahrsbll. 14). Halle/S. 1890. – Ders.: Nachlese zur Quellenkunde T.s. In: Neues Arch. der Ges. f¨ur a¨ ltere dt. Geschichtskunde 16 (1891) S. 459–472. – Ludwig Schmidt: Zur Gesch. der Dresdener Thietmarhs. 60

Thietmar von Merseburg In: Neues Arch. f¨ur S¨achsische Gesch. und Altertumskunde Bd. 16 (1895) S. 129–131. – Henn Schneider: Das kausale Denken in dt. Quellen zur Gesch. und Lit. des 10., 11. und 12. Jh. Gotha 1905. – Franz M¨unnich: Die Individualit¨at der ma. Geschichtsschreiber bis zum Ende des 11. Jh. Diss. Halle/S. 1907. – Rudolf Teufel: Individuelle Pers¨onlichkeitsschilderung in den dt. Geschichtswerken des 10. und 11. Jh. Leipzig 1914. – Ernst Bernheim: Ma. Zeitanschauungen in ihrem Einfluß auf Politik und Geschichtsschreibung 1. T¨ubingen 1918. – Robert Holtzmann: Die Aufhebung und Wiederherstellung des Bistums Merseburg. Ein Beitr. zur Kritik T.s v. M. In: Sachsen und Anhalt 2 (1926) S. 35–75. – Otto B¨ogl: Die Auffassung von K¨onigtum und Staat im Zeitalter der s¨achsischen K¨onige und Kaiser. Erlangen 1932. – Ernst Kessel: T. v. M. und die Magdeburger Geschichtsschreibung. In: Sachsen und Anhalt ¨ 9 (1933) 52–85. – R. Holtzmann: Uber die Chron. T.s v. M. In: Neues Arch. der Ges. f¨ur a¨ ltere dt. Geschichtskunde 50 (1935) S. 159–209. – W. F¨ullner: Der Stand der dt.-slawischen Auseinandersetzung zur Zeit T.s v. M. (Beitr. zur ma. und neueren Gesch. 8). Jena 1937. – Elis Bach: Politische Begriffe und Gedanken s¨achsischer Geschichtsschreiber der Ottonenzeit. Diss. M¨unster 1948. – Marie Luise Bulst-Thiele: Zu T. und den Hildesheimer Annalen. In: DA 12 (1956) S. 517. – Norbert Fickermann: T. v. M. in der lat. Sprachtradition. In: Jb. f¨ur die Gesch. Mittel- und Ostdeutschlands 6 (1957) S. 21–76. – Annerose Schneider: T. v. M. u¨ ber kirchliche, politische und st¨andische Fragen seiner Zeit. In: AfK 44 (1962) 34–71. – Marvin L. Colker: The Earliest Manuscript Representing the Korvei Revision of T.’s Chronicle. In: Scriptorium 25 (1971) S. 62–67. – Hansj¨org Wellmer: Pers¨onliches Memento im dt. MA. Diss. Freiburg i. Br. 1973 – Helmut Lippelt: T. v. M., Reichsbischof und Chronist (Mitteldt. Forschungen 72). K¨oln/Wien 1973. – Franz-Josef Schr¨oder: V¨olker und Herrscher des o¨ stlichen Europa im Weltbild Widukinds von Korvei u. T.s v. M. Diss. Mu¨ nster 1975. – G. Althoff: Das Bett des K¨onigs in Magdeburg. Zu T. II,28. In: FS Berent Schwinek¨oper. Hg. v. Helmut Maurer/Hans Patze. Sigmaringen 1982, S. 141–153. – Werner Goez: T. v. M. In: Ders.: Gestalten des HochMA. Darmstadt 1983, S. 70–83. – G. Althoff: Adels- und K¨onigsfamilien im Spiegel ihrer Memorial¨uberl. Stud. zum Totengedenken der Billunger und Ottonen (MMS 61

1. H¨alfte 11. Jh. 47). Mu¨ nchen 1984, S. 228–236. – Wolfgang Eggert/Barbara P¨atzold: Wir-Gef¨uhl und Regnum Saxonum bei fr¨uhma. Geschichtsschreibern (Forschungen zur ma. Gesch. 31). Weimar 1984. – Patrick Corbet: Les saints ottoniens. Saintet´e dynastique, saintet´e royale et saintet´e f´eminine autour de l’an Mil (Beihefte der Francia). Sigmaringen 1986. – Ernst Karpf: Von Widukinds Sachsengesch. bis zu T.s Chronicon. Zu den literarischen Folgen des politischen Aufschwungs im ottonischen Sachsen. In: Angli e Sassoni al di qua e al di l`a del mare. Tl. 2 (Settimane di studio del Centro italiano di studi sull’alto medioevo 32). Spoleto 1986, S. 547–580. – H. Beumann: Sachsen und Franken im werdenden Regnum Teutonicum. In: ebd., S. 887–912. – Lorenz Weinrich: Der Slawenaufstand von 983 in der Darstellung des Bischofs T. v. M. In: Historiographia Mediaevalis. Stud. zur Geschichtsschreibung und Quellenkunde des MA. FS Franz-Josef Schmale. Hg. v. Dieter Berg/ Hans-Werner Goetz. Darmstadt 1988, S. 77–87. – Klaus Guth: Kulturkontakte zwischen Deutschen und Slawen nach T. v. M. In: ebd., S. 88–102. – P. Corbet: The mariage en Germanie ottonienne d’apres T. de Mersebourg. In: La femme au moyenaˆ ge. Hg. v. Georges Duby u. a. Maubeuge 1990, S. 187–212. – Ernst Eichler: Zur Bedeutung der ¨ Chron. T.s f¨ur die fr¨uhma. Uberl. slawischer Namen. In: Ortsname und Urkunde. Fr¨uhma. Ortsnamen¨uberl. Mu¨ nchener Symposion [...] 1988. Hg. v. Rudolf Sch¨utzeichel (Beitr. zur Namenforsch. NF, Beiheft 29). Heidelberg 1990, S. 230–235. – H. Beumann: Entsch¨adigungen von Halberstadt und Mainz bei der Gr¨undung des Erzbistums Magdeburg. In: Ex Ipsis Rerum Documentis. Beitr. zur Medi¨avistik. FS Harald Zimmermann. Hg. v. Klaus Herbers u. a. Sigmaringen 1991, S. 383–398. – Joachim Ehlers: L’image de la monarchie fran¸caise dans l’historiographie de l’Empire (Xe et XIe si`ecles). In: L’historiographie m´edi´evale en Europe [...]. Hg. v. Jean Philippe Genet. Paris 1991, S. 119–127. – Knut G¨orich: Otto III. Romanus Saxonicus et Italicus. Kaiserliche Rompolitik und s¨achsische Historiographie (Hist. Forschungen 18). Sigmaringen 1993. – Hartmut Hoffmann: M¨onchsk¨onig und ‹rex idiota›. Stud. zur Kirchenpolitik Heinrichs II. und Konrads II. (MGH Stud. und Texte 8). Hannover 1993. – Ernst Schubert: Die Chron. T.s v. M. In: Bernward v. Hildesheim und das Zeitalter der Ottonen. Kat. der Ausstellung Hildesheim 62

1. H¨alfte 11. Jh. 1993. Hg. Michael Brandt/Arne Eggebrecht. Hildesheim/Mainz 1993, Bd. 2, S. 239–242. – Kazimierz Liman: Sender und Empf¨anger in den mlat. Chron. Zur Problematik des Kommunikationsmodells. In: Personenbeziehungen in der ma. Lit. Hg. v. Helmut Brall u. a. (Studia humaniora 25). D¨usseldorf 1994, S. 429–455. – L. E. v. Padberg: Geschichtsschreibung und kulturelles Ged¨achtnis. Formen der Vergangenheitsbew¨altigung in der hochma. Historiographie am Beispiel von T. v. M., Adam v. Bremen und Helmold v. Bosau. In: Zs. f¨ur Kirchengesch. 105 (1994) S. 156–177. – Petronella Bange: The Image of Women of the Nobility in the German Chronicles of the Tenth and Eleventh Centuries. In: The Empress Theophano. Byzantium and the West at the Turn of the Forst Millenium. Hg. v. Adelbert Davids. Cambridge 1995, S. 150–168. – H. Hoffmann: Ottonische Fragen. In: DA 51 (1995) S. 53–82. – David A. Warner: T. of M. on Rituals of Kingship. In: Viator 26 (1995) S. 53–76. – Klaus Naß: Die Reichschronistik des Annalista Saxo und die s¨achsische Geschichtsschreibung im 12. Jh. (Schr. der MGH 41). Hannover 1996. – Peter Johanek: T. v. M. (975–1018). Cronica. In: Hauptwerke der Geschichtsschreibung. Hg. v. Volker Reinhardt. Stuttgart 1997, S. 632–636. – Wolfgang Beutin: Fr¨uhe s¨achsische Historiographie und Bischofsviten des MA als mentalit¨atsgeschichtlichen Quellen. In: JOWG 10 (1998) S. 39–54. – Milada Krausov´a: Die Ersterw¨ahnung v. Cham u. Pilsen in der Chron. des T. v. M. In: ebd., S. 235–240. – Stephan Waldhoff: Der Kaiser in der Krise? Zum Verst¨andnis v. Thietmar IV, 48 [Otto III.]. In: Dt. Archiv f¨ur Erforschung des MA 54 (1998) S. 23–54. – Helmut Brall-Tuchel: Reflections of Homosexuality in Medieval Poetry and Chronicles. In: Queering the Canon. Defying Sights in German Literature and Culture. Hg. v. Christopher Lorey/John L. Plews. Columbia 1998, S. 89–105. – Herrschaftsrepr¨asentation im ottonischen Sachsen. Hg. G. Althoff/E. Schubert. Sigmaringen 1998. – Johannes Fried: Ritual und Vernunft – Traum und Pendel des T. v. M. In: Das Jahrtausend im Spiegel der Jahrtausendwenden. Hg. v. Lothar Gall. Berlin 1999, S. 15–63. – Markus Br¨omel: T. v. M. Ein Geschichtschreiber der Ottonenzeit. In: Auf den Spuren der Ottonen 2. Hg. v. Gerlinde Schlenker. Halle/S. 2000, S. 131–139. – Ralf Thomas: T. v. M. und die Muldenburgwarde zwischen Wurzen und pouch. Sein Ringen um Di¨ozesanrechte und dessen Folgen. In: 63

Thietmar von Merseburg Vestigia pietatis. Stud. zur Gesch. der Fr¨ommigkeit in Th¨uringen und Sachsen. Hg. v. Gerhard Graf. Leipzig 2000, S. 19–29. – H. Hoffmann: T. v. M. Chron. (Ausstellungskat. Otto d. Große, Magdeburg u. Europa 2) 2001. – Pius Engelbert: Das Papsttum in der Chron. T.s v. M. In: R¨omische Quartalschr. f¨ur christliche Altertumskunde und Kirchengesch. 97 (2002) S. 89–122. – Stanislaw Rosik: Der Christianisierungsprozeß von Schlesien am Anfang des 11. Jh. nach der Chron. des T. v. M. in: Gesch. des christlichen Lebens im schlesischen Raum. Hg. v. Rainer Bendel/Joachim K¨ohler (Religions- und Kulturgesch. in Ostmittel- und S¨udosteuropa 1). Mu¨ nster u. a. 2002, S. 191–198. – D. A. Warner: T. of M. The Image of the Ottonian Bishop. In: The Year 1000. Religious and Social Response to the Turning of the First Millenium. Hg. v. Michael Frassetto. New York 2002, S. 85–110. – Bernd Schneidm¨uller: ‹Eifer f¨ur Gott›? Heinrich II. und Merseburg. In: Zwischen Kathedrale und Welt. 1000 Jahre Domkapitel Merseburg. Aufs¨atze. Hg. v. Holger Kunde. Petersberg 2005, S. 19–34. – Arnold Angenendt: Die Welt des T. v. M. In: ebd., S. 35–62. – David Fraesdorff: Der barbarische Norden. Vorstellungen und Fremdheitskategorien bei Rimbert, T. v. M., Adam v. Bremen u. Helmold v. Bosau (Orbis mediaevalis 5). Bln. 2005. – Jacek Banaszkiewicz: Ein Ritter flieht, oder wie Kaiser Otto II. sich vom Schlachtfeld bei Cotrone rettete. In: Fr¨uhma. Stud. 40 (2006) S. 145–165. – Norbert Kersken: Bisch¨ofe als Historiker. Geistliche H¨ofe als Zentren der Geschichtsschreibung im MA. In: Hofgeschichtsschreibung im ma. Europa. Projekte und Forschungsprobleme. Hg. v. Rudolf Schieffer/Jarosław Wenta (Subsidia historiographica 3) Theorn 2006, S. 171–189. – S´ebastien Rossignol: Die Spukegschichten T.s v. ¨ M. Uberlegungen zur Vorstellungswelt und zur Arbeitsweise eines Chronisten aus dem 11. Jh. In: Cincilium medii aevi 9 (2006) S. 47–76. – David S. Bachrach: Memory, Epistemology, and the Writing of Early Medieval Military History. The Example of Bishop T. of M. (1009–1018). In: Viator 38 (2007) S. 63–90. – Peter Landau: T. v. M. ¨ im Zusammenhang der Uberl. von Lex Saxonum und Lex Thuringorum. Eine Studie zum Erbrecht der Ottonenzeit. In: Zs. f¨ur Rechtsgesch., Germanistische Abt. 124 (2007) S. 296–300. – Rob Meens: Kirchliche Buße und Konfliktbew¨altigung. T. v. M. n¨aher betrachtet. In: Fr¨uhma. Stud. 41 (2007) S. 317–330. – D. S. Bachrach: The Military 64

Ekkehart IV. von St. Gallen Organization of Ottonian Germany, c. 900–1018. The Views of Bishop T. of M. In: Journal of Military History 72 (2008) S. 1061–1088. – Rob Meens: Kirchl. Buße und Konfliktbew¨altigung. T. v. M. n¨aher betrachtet. In: Fr¨uhmittelalterl. Stud. 41 (2008) S. 317–330. – Markus Cottin: Ein zeitgen¨ossisches Lebensbild. Brun in der Chron. T.s v. M. in: Der heilige Brun v. Querfurt. Eine Reise ins MA. Begleitband zur Sonderausstellung ‹Der heilige Brun v. Querfurt – Friedensstifter und Missionar in Eruopa, 1009–2009› im Museum Burg Querfurt [...]. Hg. v. Joachim S¨ackl. Querfurt 2009, S. 58–63. – E. Eichler: Nochmals zu T.s Umgang mit slavischen Namen in seiner Chron. In: Namen des Fr¨uhMA als sprachliche Zeugnisse und als Geschichtsquellen. Hg. v. Albrecht Greule. Berlin 2009, S. 189–192. – Kerstin SchulmeyerAhl: Der Anfang vom Ende der Ottonen. Konstitutionsbedingungen historiographischer Nachrichten in der Chron. T.s v. M. (MillenniumStud. 26). Berlin/New York 2009. – Hans-Werner Goetz: Die Chron. T.s v. M. als Ego-Dokument. Ein Bischof mit gespaltenem Selbstverst¨andnis. In: Ego Trouble. Authors and their Identities in the Early Middle Ages. Hg. v. Richard Corradini u. a. ¨ (Osterr. Akad. der Wiss., Phil.-hist. Kl., Denkschr. 385/Forschungen zur Gesch. des MA 15). Wien 2010, S. 259–270. – Werner Goez: Lebensbilder aus dem MA. Die Zeit der Ottonen, Salier und Staufer. 3., um ein Vorw. erw. Aufl. Darmstadt 2010, S. 106–117. – Ernst Erich Metzner: Fr¨uhma. kollektives Erinnerungswesen und fr¨uhneuzeitliche individualistische Wissenschaftseinrede. T. v. M. und Johannes Trithemius zu den sagenhaftexorbitanten Anf¨angen des alten fr¨ankischen und dt. Zentralorts ‹Frank(en)furt› – ‹Helenopolis›. In: Frankfurt im Schnittpunkt der Diskurse. Hg. v. Robert Seidel u. a. Frankfurt/M. 2010, S. 281–310. BJ Ekkehart IV. von St. Gallen, * 980/990 (wohl in der Umgebung von St. Gallen), † 21.10. nach 1056 St. Gallen. – Dichter, Chronist, Gelehrter. E. war Sch¨uler → Notkers III. in St. Gallen, wo er bis ca. 1025 im Rahmen seiner Lehrt¨atigkeit Schultexte, daneben aber auch poetische Werke (u. a. Versus ad picturas claustri S. Galli, Carmen in laude s. Galli) verfasste. Das folgende Jahrzehnt verbrachte N. als Leiter der Domschule in Mainz bei Erzbischof Aribo (921–931); in die Periode dieses Aufenthalts fallen u. a. die Versus ad picturas domus 65

1. H¨alfte 11. Jh. Domini Moguntinae, die Benedictiones ad mensas sowie die Benedictiones super lectores per circulum anni. Nach seiner R¨uckkehr nach St. Gallen (um 1035) vollendete E. die Casus s. Galli und war mit der ¨ Uberarbeitung seiner poetischen Texte befasst. Einen thematischen Schwerpunkt in E.s poetischem Œuvre bildet das Kloster St. Gallen. In diesen Zusammenhang geh¨oren die Hexameter-Tituli zu Szenen aus dem Leben des hl. Gallus (Versus ad picturas claustri s. Galli), drei Fassungen einer lat. ¨ Ubersetzung des verlorenen ahd. Galluslieds Ratperts (Carmen in laude s. Galli), das an Notker III. gerichtete Vakanzlied sowie eine Reihe Ged¨achtnisverse und Epithaphien auf St. Galler M¨oche und Heilige, aber auch auf weitere Pers¨onlichkeiten. In den Benedictiones super lectores per circulum anni finden sich gleichermaßen Bez¨uge auf E.s Heimatkloster und besonders auf seinen Lehrer Notker, und auch ansonsten ist die Dichtung weit mehr als eine nach dem Kirchenjahr geordnete Sammlung von Lektionssegnungen. Zwei seiner Dichtungen hat E. seinem Bruder Ymmo gewidmet, eine in Hexametern verfasste Ars dictandi (Dictamen de lege ornandi) sowie eine Sammlung von Segensspr¨uchen kulinarischer Thematik (Benedictiones ad mensas). An die Versus ad picturas claustri s. Galli schließlich erinnern die im Zusammenhang mit dem geplanten Neubau der Mainzer Kathedrale entstandenen Versus ad picturas domus Domini Moguntinae. Gegen Ende seines Lebens hat E. seine poetischen Werke zu einer Art «Ausgabe letzter Hand» (Hans F. Haefele), dem sog. Liber Benedictionum (St. Gallen, Stiftsbibl., Cod. 393) zusammengefasst. Sieht man von der lat. und volkssprachigen Glossierungst¨atigkeit ab, bilden die Casus sancti Galli die zweite und wirkungsm¨achtigste S¨aule von E.s Werk. Die bei aller ereignisgeschichtlichen Unzuverl¨assigkeit kultur- und literaturhistorisch bedeutende Klosterchronik umfasst das Jahrhundert zwischen 870 und der Amtszeit des Abts Notker (971–975) und konzentriert sich entgegen den Usancen der Gattung nicht auf die Lebensbeschrei¨ bung der Abte, sondern behandelt das Klosterleben in seiner ganzen Vielfalt. Der Erz¨ahler der Casus erweist sich als Konservativer, der die traditionellen benediktinischen Ideale durch die Reformbewegungen seiner Zeit gef¨ahrdet sieht. Eine nennenswerte zeitgen¨ossische Rezeption haben die Casus nicht erfahren; ihre heutige Bekanntheit geht wesentlich auf Joseph Viktor von Scheffel und seinen 66

1. H¨alfte 11. Jh. Ekkehard (1855) zur¨uck, dessen zentrale Quelle sie bildeten. ¨ Uberlieferung: Poetische Texte: Mehrheitlich im Autograph St. Gallen, Stiftsbibl., Cod. 393 (Perg., St. Gallen, 11. Jh.) gesammelt: S. 1–184: ‹Bendedictiones super lectores per circulum anni›, S. 185–197: ‹Benedictiones ad mensas›, S. 197–238: ‹Versus ad picturas domus Domini Moguntinae›, S. 239–246: ‹Versus ad picturas claustri s. Galli›; S. 247–251: ‹Carmen in laude s. Galli›, S. 252–263: verschiedene Carmina. Die ‹Versus ad picturas claustri s. Galli› und das ‹Carmen in laude s. Galli› finden sich dar¨uber hinaus im Autograph St. Gallen, Stiftsbibl., Cod. 168, S. 405 f. bzw. S. 2–4 (Perg., 9. Jh.), Letzteres weiterhin in St. Gallen, Stiftsbibl., Cod. 174, S. 1 f. (Perg., Mainz und St. Gallen [?], 9. Jh.). St. Gallen, Stiftsbibl., Cod. 621, S. 352 (Perg., St. Gallen, vor 883 und 9. Jh.) enth¨alt das ‹Dictamen de lege ornandi›, schließlich hat E. verschiedene Carmina in unterschiedliche St. Galler Hss. eingetragen: Cod. 626, S. 312 f. (Perg., St. Gallen, erstes Drittel 9. Jh.). – Cod. 146, S. 1 (Perg., St. Gallen, Anfang 9. Jh.). – Cod. 830, S. 488 (Perg., Mainz, erste H¨alfte 11. Jh.). – Cod. 176, innerer R¨uckendeckel (Perg., St. Gallen, 9. Jh.). – Casus sancti Galli: St. Gallen, Stiftsbibl., Cod. 615, S. 51–307 (Perg., St. Gallen, 12./13. Jh.) (B). – Ebd., Cod. 612, S. 40–257 (Pap., 15. Jh., Abschrift v. B) (C). – Ebd., Cod. 611, S. 38–253 (Pap., 16. Jh., Abschrift v. C) (C1). – Ebd., Cod. 610, S. 357–431 (Pap., 1452–1459, Abschrift v. D) (D1). – St. Gallen, Kantonsbibl., VadSlg Ms. 70, 181r–208v (Pap., 14. Jh.) (D). – Ebd., VadSlg Ms. 69, 15r–88v (Pap., Ende 15. Jh., Abschrift v. D1) (D2). – Glossen: 20 Hss. mit 81 dt. Glossen v. der Hand E.s vor allem zu → Augustinus, zum eigenen ‹Liber Benedictionum› sowie zu Werken seines Lehrers Notker III., quantitativ am bedeutendsten sind die Glossierungen in St. Gallen, Stiftsbibl., Cod. 159 (Perg., Mitte 9. Jh.). – Ebd., Cod. 245 (Perg., 10./11. Jh.). – Ebd., Cod. 279 (Perg., 9. Jh.). – Ebd., Cod. 393 (Perg., erste H¨alfte 11. Jh.). – Ebd., Cod. 621 ¨ (Perg., vor 883 und 9. Jh.), vollst¨andige Ubersicht bei Bergmann/Tax (s. Lit.) S. 1622 ff. Die vermutlich umfangreichere lat. Glossierungst¨atigkeit E.s bedarf laut Osterwalder (s. Lit.) noch n¨aherer Erfoschung (vgl. jetzt aber Eisenhut 2009). Ausgaben: Poetische Texte: Ernst D¨ummler: E. IV. v. St. Gallen. In: ZfdA 14 (1869) S. 33–73 (z.T. Ausz¨uge). – Friedrich Schneider: Der hl. Bardo, Erzbischof v. Mainz 1031–1051. Mainz 67

Ekkehart IV. von St. Gallen 1871, S. 1*–28*. – Josef Kieffer (Hg.): E. IV Sangallensis versus ad picturas domus Domini Moguntinae. Mainz 1881. – Johannes Egli (Hg.): Der Liber Benedictionum E.s IV. nebst den kleineren Dichtungen aus dem Cod. Sangallensis 393 (Mitt. zur vaterl¨andischen Gesch. 31). St. Gallen 1909. – Edmond Faral: Les arts po´etiques du XIIe et du XIIIe si`ecle. Paris 1924, S. 104 f. – Karl Strecker (Hg.), in: MGH Poetae 5 (1937) S. 531–553. – Peter Osterwalder (Hg.): Das ahd. Galluslied Rat¨ perts und seine lat. Ubersetzung durch E. Berlin/New York 1982. – Casus sancti Galli: Melchior Goldast: Alamannicarum rerum SS I. Frankfurt 1606, S. 35–109. – Ildefons v. Arx: E. IV v. St. Gallen, Casus s. Galli. In: MGH SS 2 (1829) S. 75–147. – Gerold Meyer v. Knonau (Hg.): Eccardus, Casus Sancti Galli (Mitt. zur vaterl¨andischen Gesch. 15/16). St. Gallen 1877. ¨ ¨ Ubersetzungen: Galluslied-Ubersetzung: Peter Osterwalder (s. Ausg.) S. 190–207. – Casus sancti Galli: Hans F. Haefele (Hg.): E. IV. Casus Sancti Galli – St. Galler Klostergeschichten (Ausgew¨ahlte Quellen zur dt. Gesch. des MA. Freiherr vom Stein-Ged¨achtnisausg. 10). Darmstadt 1980. Literatur: Manitius 2 (1923) S. 561–569, passim. – Ehrismann2 1 (1932) S. 217–220, 372–396, 417–419, 444–446. – Franz Brunh¨olzl, NDB 4 (1959, Nachdr. 1971) S. 433 f. – De Boor/Newald 1 (91979) S. 113, 127. – Hans F. Haefele, VL2 2 (1980) Sp. 455–465. – Ders., LexMA 3 (1986) Sp. 1767 f. – Friedrich Wilhelm Bautz, BBKL 1 (1990) Sp. 1485. – Brunh¨olzl 2 (1992) S. 348–446. – Walter Berschin, LThK3 3 (1995) Sp. 567. – Anette Syndikus, Killy2 3 (2008) S. 249 f. – Ernst D¨ummler: E. IV. v. St. Gallen. In: ZfdA 14 (1869) S. 1–73. – Wolfgang Haubrichs: Die Anf¨ange: Versuche volkssprachiger Schriftlichkeit im fr¨uhen MA (ca. 700–1050/60) (Gesch. der dt. Lit. v. den Anf¨angen bis zum Beginn der Neuzeit 1,1). T¨ubingen 21995, S. 221–223, passim. Zu den poetischen Texten: De Boor/Newald 1 (91979) S. 82, 96. – Friedrich Schneider: Der heilige Bardo, Erzbischof v. Mainz 1031–1051. Mainz 1871, S. 1*–28*. – Joseph Seem¨uller: Stud. zu den Urspr¨ungen der altdt. Historiographie. In: Abh. zur germ. Philologie. Festgabe f¨ur Richard Heinzel. Halle/S. 1898, S. 306 f. – Johannes Egli: Neue Dichtungen aus dem Liber Benedictionum E.s IV. Aus dem Cod. Sangallensis 393 mit E.s Glossen. Beigabe zum Programm der St. Gallischen Kantonsschule 1898, S. 12–47. – Ders.: Der ‹Liber 68

Ekkehart IV. von St. Gallen Benedictionum› E.s IV. (Mitt. zur Vaterl¨andischen Gesch. hg. vom Hist. Ver. in St. Gallen 31). St. Gallen 1909. – Carl Weyman: Zum Liber benedictionum E.s IV. In: Hist. Jb. 32 (1911) S. 561–578. – Samuel Singer: Die Dichterschule v. St. Gallen (Die Schweiz im dt. Geistesleben 8). Leipzig 1922, ¨ S. 78–91. – Ernst Schulz: Uber die Dichtungen E.s IV. v. St. Gallen. In: Corona quernea. Festgabe Karl Strecker. Leipzig 1941, S. 199–235. – Der Bodensee in Sanktgaller Hss. Hg. v. Johannes Duft (Bibliotheca Sangallensis 3). Z¨urich 1959, S. 17–19. – Alfred Wolf: E. IV. und Notker Labeo. In: Studia neophilologica 33 (1961) S. 145–158. – Peter Christian Jacobsen: Zur Entwicklung des lat. geistlichen Spiels im 11. Jh. In: Mlat. Jb. 12 (1977) S. 49–68. – Peter Stotz: Dichten als Schulfach. Aspekte ma. Schuldichtung. In: Mlat. Jb. 16 (1981) S. 1–16. Zu den ‹Casus sancti Galli›: Julius Heidemann: Salomon III. v. Constanz vor Antritt des Bisthums im Jahre 890. Ein Beitr. zur Kritik v. E.s IV ‹Casus›. In: Forschungen zur dt. Gesch. 7 (1867) S. 427–462. – Ders.: Stud. zu E.s IV. ‹Casus›. In: ebd. 8 (1868) S. 95–114. – Gerold Meyer v. Knonau (s. Ausg.). – Albert Hauck: Zur Erkl¨arung v. E.s ‹Casus›, c. 87. In: FS zum Dt. Historikertage Leipzig Ostern 1894. Leipzig 1894, S. 107–113. – James Midgley Clark: The Abbey of St Gall as a Centre of Literature & Art. Cambridge 1926, S. 161–174, 242–272, passim. – Helen Edna Loth: A Study of the Lexikography of the ‹Casus› of ´ E. IV. Chicago 1936. – Emile Lesne: Histoire de la propri´et´e eccl´esiastique en France. Bd. 5: Les ´ Ecoles de la fin du VIIIe si`ecle a` la fin du XIIe. Lille 1940, S. 394–413, passim. – Wolfram v. den Steinen: Notker der Dichter und seine geistige Welt. Darstellungsbd. Bern 1948, S. 519–528. – Kassius Hallinger: Gorze – Kluny. Stud. zu den monastischen Lebensformen und Gegens¨atzen im HochMA. 1. Tl. (Studia Anselmiana 22/23). Rom 1950, S. 187–199. – Heinrich Husmann: Die St. Galler Sequenztradition bei Notker und E. In: Acta musicologica 26 (1954) S. 13–18. – Hans F. Haefele: Unters. zu E.s IV. ‹Casus›, 1. Tl. In: DA 17 (1961) S. 145–190. 2. Tl. In: ebd. 18 (1962) S. 120–170. – Ders.: Zum Aufbau der ‹Casus› E.s IV. In: Typologia litterarum. FS Max Wehrli. Hg. v. Stefan Sonderegger. Z¨urich 1969, S. 155–166. – Ders.: ‹Vita Waltharii manufortis›. In: FS Bernhard Bischoff. Hg. v. Johanne Autenrieth. Stuttgart 1971, S. 260–276. – Eberhard Url: Das ma. Geschichtswerk ‹Casus sancti Galli›. Eine Bestandsaufnahme 69

1. H¨alfte 11. Jh. (Neujahrsbl. hg. vom Hist. Ver. des Kantons St. Gallen 109). St. Gallen 1969, S. 18–33. – Iso Mu¨ ller: E. IV. und die R¨atoromanen. In: Stud. und Mitt. OSB 82 (1971) S. 271–288. – Peter Stotz: ‹Ardua spes mundi›. Stud. zu lat. Gedichten aus St. Gallen (Geist und Werk der Zeiten 32). Bern u. a. 1972, S. 15–22, passim. – Elmar Lechner: Vita Notkeri Balbuli. Geistesgeschichtlicher Standort und hist. Kritik (Mitt. zur vaterl¨andischen Gesch. 47). St. Gallen 1972. – Johannes Duft: Notker der Arzt. St. Gallen 1972, S. 39–60, passim. – Ders.: Die Gallus-Kapelle zu St. Gallen und ihr Bilderzyklus. St. Gallen 1977, S. 19–21. – H. F. Haefele: ‹Wolo cecidit›. Zur Deutung einer Ekkehard-Erz¨ahlung. In: DA 35 (1979) S. 17–32. – Ders.: ‹Tu dixisti›. Zitate und Reminiszenzen in E.s Casus sancti Galli. In: Florilegium Sangallense. FS Johannes Duft. Hg. v. Otto Paul Clavadetscher/S. Sonderegger. St. Gallen/Sigmaringen 1980, S. 181–198. – J. Duft: Ekkehardus – Ekkehart. Wie E. IV. seinen Namen geschrieben hat. In: Variorum munera florum. FS H. F. Haefele. Hg. v. Adolf Reinle u. a. Sigmaringen 1985, S. 83–90. – Karl Schmid: Von den ‹fratres conscripti› in E.s St. Galler Klostergeschichten. In: Fr¨uhma. Stud. 25 (1991) S. 109–122. – Reiner Hildebrandt: ‹Uuillechomˆo›! E.s IV. beliebte Grußformel. In: ‹Verborum amor›. FS S. Sonderegger. Hg. v. Harald Burger. Berlin/New York 1992, S. 238–248. – Werner Wunderlich: ‹... iocundum quiddam de eo dicemus›. Scherz und Posse in den St. Galler Klostergeschichten E.s IV. In: Sprachspiel und Lachkultur. FS Rolf Br¨auer. Hg. v. Andrea Bader (Stuttgarter Arbeiten zur Germanistik 300). Stuttgart 1994, S. 3–27. – Ernst Hellgardt: Die ‹Casus Sancti Galli› E.s IV. und die ‹Benediktsregel›. In: Literarische Kommunikation und soziale Interaktion. Stud. zur Institutionalit¨at ma. Lit. Hg. v. Beate Kellner u. a. (Mikrokosmos 64). Frankfurt/M. 2001, S. 27–50. Zu den Glossen: Gabriel Meier: Gesch. der Schule v. St. Gallen im MA. In: Jb. f¨ur Schweizerische Gesch. 10 (1885) S. 94 f. – Ernst D¨ummler: Mitt. aus Hss. In: Neues Arch. 11 (1886) S. 405 f. – Johann Kelle: Gesch. der dt. Lit. Bd. 1. Berlin 1892, S. 268–274. – J. N. C. Clark: The Annotations of E. IV in the Orosius Ms. St Gall 621. In: Archivum Latinitatis medii aevi 7 (1932) S. 5–32. – S. Sonderegger: Ahd. in St. Gallen (Bibl. Sangallensis 6). St. Gallen 1970, S. 119–123. – Peter Osterwalder: Ekkelhardus Glossator. Zu den Glossierungen E.s IV. im Liber Benedictionum. In: Variorum munera 70

1. H¨alfte 11. Jh. florum. FS H. F. Haefele. Hg. v. Adolf Reinle u. a. Sigmaringen 1985, S. 73–82. – Rolf Bergmann/ Stefanie Stricker: Kat. der ahd. und as. Glossenhss. Bd. 1–2. Berlin/New York, S. 486–495, 513–515, 520 ff., 541–547, 552–555. – R. Bergmann/Petrus W. Tax: E. IV. v. St. Gallen als Glossator. In: R. Bergmann/S. Stricker: Die ahd. und as. Glossographie. Ein Hb. Bd. 2. Berlin/New York 2009, S. 1620–1634. – Heidi Eisenhut: Die Glossen E.s IV. v. St. Gallen im Cod. Sangallensis 621 (Monasterium Sancti Galli 4). St. Gallen 2009. NR Quedlinburger Annalen. – Anfang 11. Jh. Die Q. A. wurden verfasst von einem Geistlichen des Damenstifts St. Servatii und sind u¨ berliefert in einer einzigen Handschrift aus der Mitte des 16. Jh., die mit dem Jahr 1025 abbricht. Der Beginn der Verschriftlichung f¨allt ins Jahr 1007 oder 1008; die Urschrift d¨urfte bis etwa ins Jahr 1030 gereicht haben. Hauptquelle f¨ur den ersten Teil waren die bis 1003 reichenden (verlorenen) Annales Hildesheimensis maiores, der Verfasser erweiterte jedoch den ersten, weltgeschichtlichen Teil durch Einschaltung dt. Sagen zur r¨omischen und germanischen ¨ Geschichte. Durch die Abtissinnen des Stifts, die Kaisert¨ochter Mathilde und ihre Nichte Adelheid, konnte der Verfasser seit 913 eigene Nachrichten beitragen. Mitteilungen erhielt er ferner aus Halberstadt, Magdeburg und Gandersheim. Mit dem Jahr 985 setzen eigene Erinnerungen ein; 993 bezeichnet er sich als Augenzeugen. Die sp¨arlichen Berichte f¨ur die Zeit von 1016 bis 1019 sind wohl erst 1020 nachgeholt worden. Weitere Quellen waren u. a. Poeta Saxo, → Einhards Vita Karoli Magni und die sog. Einhard-Annalen, die Annalen von Corvey und Reichenau. Die Q. A., in denen weniger die Reichsgeschichte als vielmehr Leben und Taten der ottonischen Familie im Zentrum stehen, wurden ihrerseits benutzt f¨ur die Abfassung der (verlorenen) Nienburger Annalen und die Magdeburger Annalen. ¨ Uberlieferung: Dresden, SLUB, Q 133 (16.Jh.). – Vgl. Ausg. S. 244–299. Ausgaben: Annales Quedlinburgenses. In: Annales, chronica et historiae aevi Saxonici. Hg. v. Georg Heinrich Pertz (MGH SS 3). Hannover 1839 (Nachdr. ebd. 1925) S. 18–90. – Die Jbb. von Quedlinburg. Nach der Ausg. der Monumenta Germaniae u¨ bers. v. Eduard Winkelmann (Geschichtsschreiber der dt. Vorzeit in dt. Bearb., 71

Quedlinburger Annalen X. Jh., Bd. 9). Leipzig 21891. – Die Annales Quedlinburgenses. Hg. v. Martina Giese (MGH, SS rer. Germ. 72). Hannover 2004. – Ahd. Lit. Eine ¨ kommentierte Anthologie. Ubers., hg. und komm. v. Stephan M¨uller (RUB 18491). Stuttgart 2007, S. 32–35 (Auszug). Literatur: Heinrich Detmer: Otto II. bis zum Tode seines Vaters. Leipzig 1878. – Max Manitius: Zu Fortunatus, den Annales Quedlinburgenses und Sigeberts Vita Deoderici. In: Neues Arch. der ¨ Ges. f¨ur Altere Dt. Geschichtskunde zur Bef¨orderung einer Gesamtausg. der Quellenschr. dt. Geschichten des MA 12 (1887) S. 591–596. – Robert Holtzmann: Die Quedlinburger Annalen. In: Sachsen und Anhalt 1 (1925) S. 64–125. – Dieter Wojtecki: Slavica beim Annalisten von Quedlinburg. In: Zs. f¨ur Ostforschung 30) 1981, S. 161–194. – Otto Gschwantler: Die Heldensagen-Passagen in den Q. A. und in der W¨urzburger Chron. In: Linguistica et philologica. Gedenkschrift f¨ur Bj¨orn Collinder. Hg. v. dems. u. a. (Philologica Germanica 6). Wien 1984, S. 135–181. – Hans K. Schulze: Annales Quedlinburgensis. Was die Q. A. vor 1000 Jahren berichteten. In: Quedlinburger Annalen. Heimatkundliches Jb. f¨ur Stadt und Region Quedlinburg 1 (1998) S. 6–14. – Stephan M¨uller: Helden in gelehrten Welten. Zu Konzeption und Rezeption der Heldensagenpassagen in den ‹Q. A.›. In: Theodisca. Beitr. zur ahd. und altnd. Sprache und Lit. in der Kultur des fr¨uhen MA. Hg. v. Wolfgang Haubrichs u. a. Berlin/New York 2000, S. 364–386. – Claudia H¨andl: Gesch. und germ. Heldensage. Ermanarich, Odoaker und Theodorich in den ‹Qu. A.›. In: Runica, Germanica, Mediaevalia. FS Klaus D¨uwel. Hg. v. Wilhelm Heizmann/Astrid van Nahl. Berlin/New York 2003, S. 199–220. – Mu¨ ller (s. Ausg.) S. 289 f. BJ Wolfhere von Hildesheim OSB. – Biograph des hl. Godehard. Der Sachse W. begann seine kirchliche Laufbahn wohl zur Zeit Bischof → Bernwards am Dom von Hildesheim. Godehard, seit 1022 Bischof, sandte W. zum Studium in die Kl¨oster Hersfeld und Niederaltaich, wo damals Abt Ratmund amtierte. W. war anschließend Domherr in Hildesheim und lebte zuletzt als Benediktiner im dortigen Michaelskloster. Wurden W. in der a¨ lteren Forschung noch verschiedene Schriften zugeschrieben, so gelten heute nur zwei Godehard-Viten als seine Werke. Der 72

Wolfhere von Hildesheim 1038 verstorbene Godehard war zun¨achst Abt in Niederaltaich gewesen, zu W.s Zeit dann Bischof von Hildesheim, und wurde 1131 kanonisert. Beide Viten W.s sind dem Hersfelder Abt Albuinus gewidmet, unter dem W. studiert hatte. Davon abgesehen, k¨onnen sie aber als getrennte Werke betrachtet werden. Die sog. Vita Godehardi prior wurde von Abt Ratmund angeregt und wohl nach Godehards Tod geschrieben; sie bricht 1035 ab. Sie ist in einer von W. selbst und anderen H¨anden (wohl Hildesheimer Domkleriker) geschriebenen Handschrift erhalten. Die Vita wird hier von einem Prolog und einer Rechtfertigung W.s in 30 leoninischen Hexametern eingeleitet. Godehards Leben ist ausf¨uhrlich dargestellt, jedoch mit einem besonderen Schwerpunkt auf der Auseinandersetzung zwischen den Bisch¨ofen von Hildesheim und Mainz um die Aus¨ubung bisch¨oflicher Rechte u¨ ber das Kanonissenstift Gandersheim. W. st¨utzte sich bei seiner Schilderung des Konflikts in beiden Viten auf die Werke des → Thangmar von Hildesheim. Stilistisch zeigt die Vita Godehardi prior noch die Schw¨achen eines Erstlingswerks, etwa die u¨ bertriebene Demonstration der eigenen Gelehrtheit durch den Verfasser. W.s Vita Godehardi posterior erweitert den behandelten Zeitraum gegen¨uber der fr¨uheren Vita bis etwa 1068. Sie erfasst also auch noch die Zeit des Hezilo von Hildesheim, der 1054 dritter Bischof nach Godehard wurde. Die zweite Vita wurde nach W.s Angaben von Adalbert angeregt, damals Abt des Michaelsklosters. Das Werk ist in zwei Fassungen u¨ berliefert, die an Albinus (A) bzw. Arnold von Menghard (B) adressiert waren. A enth¨alt im Gegensatz zu B ein kritisches Kapitel u¨ ber den Hildesheimer Bischof Azelin, B hingegen einen erweiterten Anfangsteil. Insgesamt zeigt sich W. in der Vita Godehardi posterior als Meister seines Materials, das er nun deutlich ausgewogener handhabt, wodurch etwa der Gandersheimer Streit im Umfang reduziert wird. Neu hinzugekommen sind ein Bericht u¨ ber den Einsiedler Gunther und Erz¨ahlungen u¨ ber im Zusammenhang mit Godehard geschehene Wunder. Rezipiert wurde W. w¨ahrend des MA nur u¨ ber die Vita Godehardi posterior, da die fr¨uhere Vita damals unbekannt war. Ihr Einfluss zeigt sich bei → Heinrich von Herford und in der Vita Guntheri eremitae. Ihre wichtigste Rezension erlebte die Vita vielleicht als Basis von Godehards Kanonisa73

1. H¨alfte 11. Jh. tion. Aber auch als historische Quelle wird sie bis heute gesch¨atzt. ¨ Uberlieferung: 1. Vita Godehardi prior: Wien, ¨ ONB, cod. 612, 75v–138r (Niederaltaich, 11. Jh.). – 2. Vita Godehardi posterior: Verz. der zahlreichen lat. Hss. bei Jacobsen 1999 (s. Lit.), vgl. aber auch Pertz 1854 (s. Ausg.). Drucke: Vita beatissimi patris Gode|hardi Hildeneshemensis ecclesie Antistitis Confessoris sanctimonia virtutum honestate ac miraculis omnigenis clarissimi. Leipzig: Wolfgang St¨ockel, 1518 (VD16 W 4317). Ausgaben: Vita Godehardi. Hg. v. Georg Heinrich Pertz. In: MGH SS 11. Hannover 1854 (Nachdr. Stuttgart 1994) S. 167–218. – PL 141 (1880) Sp. 1161–1202. ¨ Ubersetzungen: Lebensbeschreibungen der Bisch¨ofe Bernward und Godehard von Hildesheim. Hg. v. Hermann H¨uffer u. a. In: Geschichtsschreiber der dt. Vorzeit 40. Leipzig 21892, S. 77–182. – Wolfhers j¨ungere Lebensbeschreibung des heiligen Bischofs Godehard. Nach dem Text der Monumenta Germaniae historica ins Deutsche u¨ bertragen. Hg. v. Bernhard Gerlach. In: Unsere Di¨ozese in Vergangenheit und Gegenwart 13 (1939) S. 1–48. Literatur: Manitius 2 (1923) S. 313–318. – Brunh¨olzl 2 (1992) S. 434–435. – Peter C. Jacobsen, VL2 10 (1999) Sp. 1370–1374. – B. Gerlach: W., der Biograph des hl. Godehard. In: Unsere Di¨ozese in Vergangenheit und Gegenwart 12 (1938) S. 73–88. – Josef Fellenberg: Die Verehrung des Heiligen Gotthard v. Hildesheim in Kirche und Volk. Bonn 1970, S. 16–41 u. o¨ . – Das Bistum Hildesheim. Bearb. v. Hans Goetting u. a. Bd. 1, Berlin u. a. 1973, S. 85–95, 295–298; Bd. 3, ebd. , S. 230–256 u. o¨ . – Wilhelm Wattenbach/FranzJosef Schmale: Deutschlands Geschichtsquellen im MA 1: Vom Tod Kaiser Heinrichs V. bis zum Ende des Interregnums. Darmstadt 1976, S. 43, 63–65, 207. – Wolfgang Eggert: Wir-Gef¨uhl bei fr¨ankischen und dt. Geschichtsschreibern bis zum Investiturstreit. In: Wir-Gef¨uhl und Regnum Saxonum bei fr¨uhma. Geschichtsschreibern. Hg. v. W. Eggert/Barbara P¨atzold. Weimar u. a. 1984, S. 13–179. – Stephanie Cou´e: Acht Bischofsviten aus der Salierzeit. Neu interpretiert. In: Die Salier und das Reich 3. Hg. v. Stefan Weinfurter. Sigmaringen 1991, S. 347–413. – Phyllis Jestice: The Gorzian Reform and the Light Under the Bushel. In: Viator 24 (1993) S. 51–78. – Klaus Nass: Die 74

1. H¨alfte 11. Jh. Reichschron. des Annalista Saxo und die s¨achsische Geschichtsschreibung im 12. Jh. (MGH Schr. 41). Hannover 1996, S. 231–234 u. o¨ . – S. Cou´e: Hagiographie im Kontext. Schreibanlaß und Funktion v. Bischofsviten aus dem 11. und vom Anfang des 12. Jh. Berlin 1997, S. 41–82 (vgl. dazu Bernd Sch¨utte, in: AfK 86 [2004] S. 223–227). MM ¨ Wormser Briefsammlung (Altere W. B.). – 1045–1055 in Worms entstanden. Die vielleicht auf Wolzo, einen Lehrer an der Domschule, zur¨uckgehende W. B. umfasst 59 Briefe sowie ein unbriefliches Dictamen (Nr. 2–61), die gr¨oßtenteils in die 30er Jahre des 11. Jh. geschrieben wurden. Die Sammlung besteht zu je einem Drittel aus «Schulkorrespondenz» und aus Korrespondenz des Bischofs Azecho (1025–1044). Die Nrn. 23 und 24 (Dietrich I. von Metz an Karl von Niederlothringen und dessen Antwort, 984) passen chronologisch nicht in den Rahmen der W. B. ¨ Uberlieferung: Rom/Vatikan, Bibl. Apostolica Vaticana, Cod. Pal. lat. 930, 1v–45v (1056 befand sich die Hs. im Kloster Lorsch; dort weitere Eintr¨age auf den freien Seiten von verschiedenen H¨anden). Ausgaben: Walther Bulst (Hg.): Die a¨ltere Wormser Briefslg. (MGH, Briefe der dt. Kaiserzeit 3). Weimar 1949. Nachdr. Mu¨ nchen 1977. – Zu den a¨ lteren Teilausgaben ebd., S. 9 f. Literatur: Franz Josef Worstbrock, VL2 10 (1999) Sp. 1422–1424. – Wilhelm Wattenbach/Robert Holtzmann: Deutschlands Geschichtsquellen im MA. Die Zeit der Sachsen und Salier. Neuausg. besorgt v. Franz-Josef Schmale. Bd. 2. Weimar 1967, S. 425 f. – Elisabeth H¨afner: Die W. B. d. 11. Jh. (Erlanger Abh. zur mittleren und neueren Gesch. 22). Erlangen 1935. – Marie-Luise Bulst-Thiele: Ein Brief aus Lorsch. In: DA 1 (1937) S. 196–203. – Bulst (s. Ausg.) Einleitung. BJ Carmina Cantabrigiensia (Cambridger Liedersammlung). – Um die Mitte des 11. Jh. wohl im Rheinland entstandene Liedersammlung aus 47 lat. sowie 2 lat.-ahd. Texten (→ De Heinrico, Kleriker und Nonne). Als «¨alteste Liedersammlung Deutschlands» (K. Langosch) und nahezu einziges Zeugnis der Lyrik der Ottonenzeit stellen die C. C. ein kulturhistorisches Monument gr¨oßter Bedeutung dar. Vermutlich gehen sie auf ein a¨ lteres Korpus, die sogenannte 75

Wormser Briefsammlung Vorlage U aus Nr. 2–14, 30, 30a, zur¨uck. Die Sammlung enth¨alt St¨ucke antiker Autoren (Horaz, Vergil, Statius, Venantius Fortunatus), vor allem aber zeitgen¨ossische Texte aus Deutschland, Frankreich und Italien, deren Autoren sich in Einzelf¨allen erschließen lassen (Fulbert von Chartres, Heribert von Eichst¨att, Wipo). Das Themenspektrum der C. C. ist bei aller Offenheit f¨ur weltliche Sujets geistlich dominiert und umfasst Liturgisches, Klagen, Totenklagen, Preislieder (u.a. auf Konrad II., Heinrich II., Heinrich III.), Gelegenheitsgedichte, Erz¨ahllieder (Modus Ottinc), Schwankhaftes (Modus Liebinc, die erste literarische Verarbeitung des Schneekind-Stoffs) sowie Natur- und Liebeslyrik, wobei Letztere in der Handschrift zum Teil nachtr¨aglich getilgt erscheint (z. B. Kleriker und Nonne). Auch das Formenspektrum ist breit: Neben metrischen und rhythmischen St¨ucken sowie zwei kurzen Prosatexten wird das formale Profil der C. C. vor allem durch die geistlichen und weltlichen Sequenzen der Vorlage U gepr¨agt. Drei Lieder dieser Vorlage, n¨amlich Modus Liebinc (Nr. 14), De Pythagora (Nr. 12) und De luscina (Nr. 10) erw¨ahnt Sextus Amarcius in den Sermones I, 417–420 als Bestandteile des Repertoires eines iocator, woraus man geschlossen hat, die C. C. h¨atten das Liederbuch eines solchen Vortragsk¨unstlers gebildet. ¨ Uberlieferung: Cambridge, UB, MS. Gg. 5.35, 432r–441v (Perg., vermutlich in Canterbury nach dt. Vorlage geschrieben, 11. Jh., lat. mit zwei ahd. Eintr¨agen). Ausgaben: Karl Breul (Hg.): The Cambridge Songs. A Goliard’s song book of the XIth century, edited from the unique manuscript in the University Library, Cambridge 1915. – Karl Strecker (Hg.): Die Cambridger Lieder (MGH SS rer. Germ. 40). Berlin 1926. – Walter Bulst (Hg.): C. C. (Editiones Heidelbergenses 17). Heidelberg 1950. ¨ Ubersetzungen: Karl Langosch: Hymnen und Vagantenlieder. Lat. Lyrik des MA. Basel 1954, S. 91–154. – The Cambridge Songs. Hg. und u¨ bers. v. Jan M. Ziolkowski (Medieval & Renaissance Studies 192). Tempe 1998 (Lat./Engl.). Literatur: Ehrismann2 1 (1932) S. 236–242, 365–369. – Manitius 3 (1931) S. 970–972. – De Boor/Newald 1 (91979) S. 100. – Karl Langosch, VL2 1 (1978) Sp. 1186–1192; 11 (2004) Sp. 314. – G¨unter Bernt, LexMA 2 (1983) Sp. 1517 f. – Brunh¨olzl 2 (1992) S. 498–504. – Hans-Jochen Schiewer, Killy2 2 (2008) S. 366–368. – Karl 76

Gesta Treverorum Strecker: Zu den Cambridger Liedern. In: ZfdA 62 (1925) S. 209–220. – Walter Bulst: Zur Vorgesch. der Cambridger und anderer Slg. In: Hist. Vierteljahresschr. 27 (1932) S. 827–831. – Hans Spanke: Ein lat. Liederbuch des 11. Jh. In: Studi Medievali NF 15 (1942) S. 111–142. – Ders.: Dt. und frz. Dichtung des MA. Stuttgart 1943, S. 45–51. – Mathilde Uhlirz: Der Modus ‹De Heinrico› und sein geschichtlicher Gehalt. In: DVjS 26 (1952) S. 153–161. – Marie-Luise Dittrich: De Heinrico. In: ZfdA 84 (1952/53) S. 274–308. – Guy de Valous: La po´esie amoureuse en langue latine au moyen aˆ ge. In: Classica et Medievalia 14 (1953) S. 156–204. – Walther Kranz: Pythagoras in den ‹C. C.›. In: Rheinisches Museum f¨ur Philologie NF 102 (1959) S. 292–302. – W. Bulst: Zu Wipos ‹Versus pro obitu Chuonradi imperatoris›. In: FS Percy Ernst Schramm. Bd. 1. Wiesbaden 1964, S. 433–445. – K. Langosch: Die dt. Lit. des lat. MA. Berlin 1964, S. 86–88, 93–95. – Sten Ebbesen: Zum Carmen Cantabrigiense VI. In: Mlat. Jb. 3 (1966) S. 254–256. – Peter Dronke: Medieval Latin and the Rise of European Love-Lyric. Oxford 21968, S. 271–281, 353–356, 552, 571. – Volker Schupp: Der Dichter des ‹Modus Liebinc›. In: Mlat. Jb. 5 (1968) S. 29–41. – Ju¨ rgen Beyer: Schwank und Moral. Unters. zum altfranz¨osischen Fabliau und verwandten Formen. Heidelberg 1969, S. 64–93. – Peter Dronke: The Rise of the Medieval Fabliau. In: Romanische Forschungen 85 (1973) S. 275–297. – Arthur George Rigg/Gernot Rudolf Wieland: A Canterbury Classbook of the middle 11th-Century, the ‹Cambridge Songs› Manuscript. In: AngloSaxon England 4 (1975) S. 113–130. – The Letters and Poems of Fulbert of Chartres. Ed. and transl. by Frederick Behrends. Oxford 1976, S. 266–269. – Werner Ross: Die Liebesgedichte im Cambridger Liederbuch (C. C.). Das Problem des ‹Frauenliedes› im MA. In: Der altsprachliche Unterricht 20 (1977) S. 40–62. – Enrico Paganuzzi: ‹O admirabile Veneris idolum›: puer – non puer. In: Atti e memorie dell’Accademia di Agricoltura, Scienze e Lettere di Verona 155 (1978/79) S. 259–265. – Lukas Richter: Die beiden a¨ltesten Liederb¨ucher des lat. MA. In: Philologus 123 (1979) S. 63–67. – Benedikt K. Vollmann: ‹O admirabile Veneris idolum› (C. C. 48) – ein M¨adchenlied? In: FS Paul Klopsch. Hg. v. Udo Kindermann (GAG 492). G¨oppingen 1982, S. 532–543. – Margret T. Gibson: Neumed Boethian Metra from Canterbury. A Newly Recovered Leaf of Cambridge University Library, Gg.5.35 (the 77

2. H¨alfte 11. Jh. ‹Cambridge Songs› Manuscript). In: Anglo-Saxon England 12 (1983) S. 141–152. – Michael Bernhard: Parallel¨uberl. zu vier Cambridger Liedern. In: Tradition und Wertung. FS Franz Brunh¨olzl. Hg. v. G¨unter Bernt/Fidel R¨adle/Gabriel Silagi. Sigmaringen 1989, S. 141–145. – Dennis R. Bradley: Variations on Some Cambridge Songs. In: Medium Aevum 59 (1990) S. 260–275. – J¨urgen K¨uhnel: ‹Modus Liebinc›. Die Sequenz vom ‹Schneekind›. In: Diagonal 1991, S. 137–157. – Hans F. Haefele: Die Pythagoras-Sequenz. In: DA 49 (1993) S. 479–499. – Mechthild P¨ornbacher: ‹Vite dator, omnifactor›. Eine neue Edition v. Carmen 12 der Cambridger Liederslg. In: Mlat. Jb. 28 (1993) S. 1–15. – Gunilla Bj¨orkvall/Andreas Haug: Form und Vortrag des Carmen C. 27. In: Filologia mediolatina 3 (1996) S. 169–206. – Dennis R. Bradley: The Structure of Carmen C. 6 (‹De Lantfrido et Cobbone›). In: Mlat. Jb. 36 (2001) S. 235–248. – Patrizia Lendinara: Un ritmo dei ‹C. C.›. In: Poetry of the Early Medieval Europe. Manuscripts, Language and Music of the Rhythmical Latin Texts. Hg. v. Edoardo D’Angelo/Francesco Stella (Millennio Medievale 39). Tavarnuzze 2003, S. 63–73. – HansJochen Schiewer: Ludwig, Otto, Heinrich und das ‹Schneekind›. Hoflit. und Klerikerkultur im literarischen Fr¨uhMA. In: Lit. – Gesch. – Literaturgesch. FS Volker Honemann. Hg. v. Nine Miedema/ Rudolf Suntrup. Frankfurt/M. 2003, S. 73–88. – Jens Schneider: Lat. und Ahd. in der Cambridger Liederslg. De Heinrico, Clericus et Nomma. In: Volkssprachig-lat. Mischtexte und Textensembles ¨ in der ahd., as. und altenglischen Uberl. Hg. v. Rolf Bergmann (Germanistische Bibl. 17). Heidelberg 2003, S. 297–314. – Martha Bayless: Simulation and Dissimulation in the Snow Child Sequence (‹Modus Liebinc›). In: Mlat. Jb. 40 (2005) S. 75–83. NR Hermann von Reichenau → Band 6. Sigebert von Gembloux → Band 6. Gesta Treverorum (G. Trevirorum). – Erste umfassende Chronik zur Geschichte von Stadt und Bistum Trier. Zu unterscheiden sind neben einer ersten, um 1072/79 durch einen Anonymus aus dem Trier Kloster St. Eucharius/St. Matthias verfassten Version drei u¨ berlieferte Fassungen. A reicht von den legendarischen Anf¨angen der Stadt 1250 Jahre vor 78

2. H¨alfte 11. Jh. der Gr¨undung Roms bis 1101, B umfasst zus¨atzlich die Jahre bis 1132, C weist urkundliche Erg¨anzungen auf. Quellen sind a¨ ltere Sagen, das → Annnolied sowie die wenig a¨ltere, wohl auch dem Verfasser des Annolieds bekannte, nur fragmentarisch erhaltene Historia Treverorum. Im Gegensatz zu Letzterer liegt der Akzent der G. T. auf der Profangeschichte und f¨uhrt insbesondere die Trierer «militia», die sich 1066 bei der Ermordung des Erzbischofs Konrad als eigenst¨andige politische Macht erwiesen hatte, auf die antiken «Treberi» zur¨uck. Diese zeichnen die G. T. als eine eigenst¨andige, zu den Galliern geh¨origes «gens» und stellen sie als Abk¨ommlinge Gomers, eines Enkels von Noah, dar. Die G. T. haben bis in die Neuzeit Redaktionen und Fortsetzungen erfahren, welche an der eigent¨umlichen Repr¨asentation, welche die G. T. von der Trierer Fr¨uhgeschichte liefern, weitgehend festhalten. ¨ ¨ Uberlieferung: Drei Rezensionen, Uberblicksdarstellungen bei G. Waitz (s. Ausg.) S. 123–130. – H. Thomas (s. Lit.) S. 23–69. – Rez. A: u. a. Frankfurt/M., SUB, Ms. lat. oct. 139, 1r–69r (12. Jh.). – London, British Library, Harley 3773 (12. Jh.). – Ebd., Arundel 270, 1v–23r (13. Jh.). – Paris, Bibl. Nationale, Ms. lat. 5873 (13. Jh.). – Br¨ussel, Bibl. Royale, ms. 4560 (9178–87), 1r–16v ¨ (Perg., 13. Jh.). – Rez. B: u. a. Wien, ONB, Cod. 640, 1r–96v (12. Jh.). – Ebd., Cod. 557, 1r–45v (12. Jh.). – Rez. C: u. a. Trier, StB, Hs. 1341/86, 218r–245r (13. Jh.). – Frankfurt/M., SUB, Ms. lat. qu. 9, 2r–102v (13. Jh.). – Trier, StB, Hs. 1343/94, 1r–53v (14. Jh.). – Ebd., Hs. 1344/44 (14. Jh.). – Ebd., Hs. 1342a/85, 94r–174r (12./13. Jh.) und 175r–194v (14. Jh.). – Ebd., Hs. 1206/504, 179r–209r, 209r–244r (15. Jh.). Ausgaben: Johannes Hugo Wyttenbach/Michael Franz Joseph Mu¨ ller (Hg.): G. T. integra lectionis varietate et animadversionibus illustra ac indice duplici instructa. Bd. 1–3. Trier 1836–39. – Georg Waitz, MGH SS 8 (1848) S. 130–200. – Fortsetzungen: Ders., MGH SS 24 (1879) S. 380–488. ¨ Ubersetzungen: Emil Zenz: Die Taten der Trierer. Bd. 1–8. Trier 1955–65. Literatur: Manitius 3 (1931) S. 516–518. – Heinz Thomas, VL2 3 (1981) Sp. 34–37. – Paul Scheffer-Boichorst: Kaiser Friedrichs I. letzter ¨ Streit mit der Kurie. Beilagen: Uber Kap. 93 bis 100 der G. T. Berlin 1869. Neudr. Aalen 1969, S. 184–188. – Friedrich Bertheau: Die G. T. vom Jahre 1152 bis zum Jahre 1259. Eine Quellenunters. G¨ottingen 1874. – Konrad C¨uppers: Zur Kritik der G. T. 1152–1159 (M¨unstersche Beitr. zur 79

Lampert von Hersfeld Geschichtsforschung 1). Paderborn 1882. – August Schoop: Zur Kritik der G. T. v. 1152–1190. In: Neues Arch. der Ges. f¨ur a¨ltere dt. Geschichtskunde 9 (1884) S. 605–611. – Siegmund Hellmann: Zu den G. T. In: ebd. 38 (1913) S. 451–468. – Ders.: Nachtrag zu den G. T. In: ebd. 44 (1922) S. 137 f. – Heinz Thomas: Stud. zur Trierer Geschichtsschreibung des 11. Jh., insbesondere zu den ‹G. T.› (Rheinisches Arch. 68). Bonn 1968. – Ilse Haari-Oberg: Die Wirkungsgesch. der Trierer Gr¨undungssage vom 10. bis 15. Jh. (Europ¨aische Hochschulschr. 3,607). Bern u. a. 1994, S. 22–29. – Rudi K¨unzel: Bisschoppen, geestelijken en aristocraten in Trier (ca. 1050–ca. 1150). In: Middeleeuwse cultuur. Verscheidenheit, spanning en verandering. Hg. v. Marco Mostert/R. K. (Amsterdamse hist. reeks. Grote ser. 18). Hilversum 1994, S. 59–76. – Thomas Bauer: Trierer Bischofsliste und apostolische Bistumslegende. Zur Herkunft und Bedeutung der 22 (23) v. den G. T. zwischen Maternus und Agricius inserierten Namen. In: Liber Amicorum necnon et amicarum f¨ur Alfred Heit. Hg. v. Friedhelm Burgard/Christoph Cluse/Alfred Haverkamp. Trier 1996, S. 3–16. – Lukas Clemens: Tempore Romanorum constructa. ¨ Zur Nutzung und Wahrnehmung antiker Uberreste n¨ordlich der Alpen w¨ahrend des MA (Monographien zur Gesch. des MA 30). Stuttgart 2003, S. 322–334. – Klaus Kr¨onert: La construction du pass´e de la cit´e de Tr`eves, VIIIe a` XIe si`ecles. ´ Etude d’un corpus hagiographique. Paris 2003, S. 641–659. – Michael Embach: Trierer Literaturgesch. Das MA. Trier 2007, S. 393–399. NR Lampert von Hersfeld (auch Lambert, Lampertus Hersfeldensis) OSB, * vor 1028, † ein 2.10. um 1081/85. – Geschichtsschreiber. L. entstammte wahrscheinlich einer adligen Familie aus Franken, Th¨uringen oder Hessen. Er besuchte die Bamberger Domschule, wo er vom sp¨ateren Erzbischof Anno von K¨oln unterrichtet wurde und Mitsch¨uler des Meinhard von Bamberg war. 1058 in Aschaffenburg zum Priester geweiht, trat L. im selben Jahr in das Benediktinerkloster Hersfeld ein. 1058/59 pilgerte er nach Jerusalem und leitete danach wohl zeitweise die Hersfelder Klosterschule. 1071 informierte er sich in den Kl¨ostern Saalfeld und Siegburg u¨ ber die dortigen Reformen. Wahrscheinlich 1077 wechselte L. in das Stift Hasungen und wurde dort 1081 Abt. Zu L.s Zeit erfolgte die Umwandlung des Stifts in ein 80

Lampert von Hersfeld Kloster. Unsicher ist, ob L. bald nach 1081 starb oder noch mehrere Jahre lang im Kloster Helmarshausen lebte. L.s Schriften entstanden um 1073–79 und wurden alle in lat. Sprache geschrieben. Die um 1073 fertigstellte Vita Lulli behandelt das Leben des → Bonifatius-Sch¨utzlings Lul, der um 770 Hersfeld gr¨undete, sp¨ater Mainzer Erzbischof wurde und 786 starb. L.s wohl durch die 1062/66 entstandene Bonifatius-Vita des → Otloh von St. Emmeram angeregte Schrift sollte auch Rechtsanspr¨uche des Klosters gegen¨uber Erzbischof Siegfried von Mainz untermauern. L.s schriftstellerische und historiographische F¨ahigkeiten treten in der Vita Lulli noch v¨ollig hinter deren Vorlagen zur¨uck, darunter neben Otloh auch Willibald, → Rudolf von Fulda, Eigil und Lupus von Ferri`eres, in einer Zweitfassung außerdem → Einhard und → Reginos. L.s Hersfelder Klostergeschichte Libellus de institutione Herveldensis ecclesiae ist nur in Exzerpten des 16. Jh. erhalten. Auf deren Abschreiber gehen auch der Titel des Werks und die heute akzeptierte Zuschreibung an L. zur¨uck. Die Schrift besteht aus zwei B¨uchern, die bis 1056 bzw. 1076 reichen. W¨ahrend das erste Buch auf L.s Vita Lulli basiert, gilt der st¨arker reichsgeschichtlich orientierte zweite Teil als Vorstudie f¨ur L. Hauptwerk, die Annales. Diese lat. Annalen beginnen mit Adam, reichen bis M¨arz 1077 und wurden von L. wahrscheinlich um 1078/79 fertiggestellt. W¨ahrend die Jahre vor 1040 weniger ausf¨uhrlich behandelt werden, widmet sich das Werk ausf¨uhrlich den Regierungszeiten der Kaiser Heinrich III. (von L. gesch¨atzt) und Heinrich IV. (von L. abgelehnt). Die Annalen st¨utzen sich auf bekannte Quellen wie die Hersfelder Annalen, die Hildesheimer Annalen, Isidor und → Beda. Zugleich ist der Text sehr subjektiv gef¨arbt und bei aller schriftstellerischen Qualit¨at historisch unzuverl¨assig. Heute wird L. prim¨ar als großer Stilist unter den mittelalterlichen Historikern gesch¨atzt, der seinen Anspruch und Stil an den r¨omischen Historikern und Schriftstellern schulte, vor allem an Sallust und Livius, aber auch sp¨ateren Chronisten wie Einhard und Regino. L.s Annalen wirkten u. a. auf das → Annolied, Ekkebert, Arnold von Berge und → Heinrich von Herford. ¨ Uberlieferung: Zur teilweise indirekten oder ¨ unvollst¨andigen lat. Uberl. mit ihren Hss. vgl. 81

2. H¨alfte 11. Jh. Schieffer 1985 (s. Lit.) und Werner 1973 (s. Lit.) sowie die Ausgaben. Ausgaben: Lamperti monachi Hersfeldensis Opera (MGH SS rer. Germ. 38). Hg. v. Oswald Holder-Egger. Hannover 1894. Nachdr. ebd. 1984. – Albert Pannenborg: Erg¨anzungen zu Lamperts Hersfelder Klostergeschichte. In: Dt. Zs. f¨ur Geschichtswiss. NS 1 (1896/97) S. 154–159 (wichtige Erg. zur MGH-Ausg.). – Annalen. Hg. v. Adolf Schmidt und Wolfgang Dietrich Fritz. Darmstadt 1957. 42011 (dt.-lat. nach Holder-Egger 1894). – Tilman Struve: Lampert von Hersfeld. Pers¨onlichkeit und Weltbild eines Geschichtsschreibers am Beginn des Investiturstreites. In: Hessisches Jb. f¨ur Landesgesch. 19 (1969) S. 1–123; 20 (1970) S. 32–142 (in Bd. 19 weitere Erg. zur MGHAusg.). – Das Leben des heiligen Lullus. Hg. v. Michael Fleck. Bad Hersfeld 1986. Neuausg. Marburg 2007 (dt.-lat. nach Holder-Egger 1894). ¨ Ubersetzungen: Schmidt/Fritz 1957 (s. Ausg.). – Fleck 1986 (s. Ausg.). Literatur: ADB 17 (1883) S. 548. – Manitius 3 (1931) S. 322–329. – T. Struve, NDB 13 (1982) S. 461 f. – Tusculum-Lex. 31982, S. 460. – Rudolf Schieffer, VL2 5 (1985) Sp. 513–520; 11 (2004) Sp. 905. – T. Struve, LexMA 5 (1991) Sp. 1632 f. – Ulrich Schmidt, BBKL 4 (1992) Sp. 1058 f. – T. Struve, LThK3 6 (1997) Sp. 624 f. – Guibert Michiels, DHGE 30 (2008) Sp. 184 f. – Johannes Hal¨ ler: Die Uberl. der Annalen L.s v. H. In: Wirtschaft und Kultur. FS Alfons Dopsch. Baden/Wien, Leipzig 1938, S. 410–423. – Guido Billanovich: Lamperto di Hersfeld e Tito Livio. Padua 1945. – Hellmuth Gensicke: Das Wormser Fragm. der Annalen L.s v. H. In: Jb. der Akad. der Wiss. und der Lit. Mainz 1952 (1952) S. 251–262. – Josef Semmler: L. v. H. und Giselbert v. Hasungen. Stud. zu den monastischen Anf¨angen des Klosters Hasungen. In: Stud. und Mitt. zur Gesch. des Benediktinerordens und seiner Zweige 67 (1956) S. 261–276. – W. D. Fritz: Zur Datierung der Annalen L.s v. H. In: Wiss. Zs. der Univ. Halle-Wittenberg 7 (1958) S. 673 f. – Wilhelm Wattenbach/Franz-Josef Schmale: Deutschlands Geschichtsquellen im MA 2: Das Zeitalter des Investiturstreites (1050–1125). Weimar 1967, S. 456–471. – T. Struve: Zur Gesch. der Hersfelder Klosterschule im MA. In: DA 27 (1971) S. 530–543. – Wolfgang K¨uhnemann: Die Schlacht an der Unstrut und die Schlacht am Larkant. Einige Beobachtungen zur ma. Schlachtdarst. in Geschichtsquelle und Dichtung (L. v. 82

2. H¨alfte 11. Jh. H., Annalen: Carmen de bello Saxonico: Wolfram von Eschenbach, Willehalm). In: ‹Getempert und gemischet›. FS Wolfgang Mohr (GAG 65). Hg. v. Franz Hundsnurscher und Ulrich M¨uller. G¨oppingen 1972, S. 147–165. – Matthias Werner: Die Gr¨undungstradition des Erfurter Petersklosters. Sigmaringen 1973, S. 13–31. – Dieter L¨uck: Die Vita Annonis und die Annalen des L. v. H. In: Rheinische Vierteljahrsbll. 37 (1973) S.117–140. – Elisabeth Ziegler: Zwei Hersfelder Chronisten. L. v. H.-Johannes Nuhn v. Hersfeld. In: Bad Hersfelder Jahresh. 1974 (1974/75) S. 6–10. – Wolf¨ gang Eggert: Lampertus scriptor callidissimus. Uber Tendenz und literarische Technik der ‹Annalen› des Hersfelder Mo¨ nches. In: Jb. f¨ur Gesch. des Feudalismus 1 (1977) S. 89–120. – T. Struve: Reginhard v. Siegburg und L. v. H. Hersfelder und Siegbur¨ ger Uberl. um Erzbischof Anno v. Koeln im Lichte der Soester Fragm. In: Rheinische Vierteljahrsbll. 42 (1978) S.128–160. – Eugenie Lecheler: L. v. H. In: Weltbild und Realit¨at. Einf¨uhrung in die ma. Geschichtschreibung. Hg. v. Ulrich Knefelkamp. Pfaffenweiler 1992, S. 121–128. – T. Struve: L. v. H. (um 1028 – nach 1081). Annales. In: Hauptwerke der Geschichtsschreibung. Hg. v. Volker Reinhardt. Stuttgart 1997, S. 349–352. – T. Struve: L. v. H., der K¨onigsraub v. Kaiserswerth im Jahre 1062 und die Erinnerungskultur des 19. Jh. In: AfK 88 (2006) S. 251–278. – Hans-Werner Goetz: Der Investiturstreit in der dt. Geschichtsschreibung v. L. v. H. bis Otto v. Freising. In: Canossa 1077. Ersch¨utterung der Welt 1. Gesch., Kunst und Kultur am Aufgang der Romanik. Hg. v. Christoph Stiegemann. Mu¨ nchen 2006, S. 47–60. – Stefan Alles: L. v. H. und Eberhard v. Fulda. Zwei gelehrte Mo¨ nche als kritische Repr¨asentanten ihrer benachbarten Reichsabteien in den Umbr¨uchen des 11. und 12. Jh. Diss. Marburg 2010. MM Adam von Bremen (Magister Adam), † 12.10. vor 1085. – Geschichtsschreiber f¨ur das Bistum Hamburg-Bremen und die nordische Mission. A. war vermutlich Magister und k¨onnte aus dem o¨ stlichen Franken oder westlichen Th¨uringen stammen. Er besuchte die Bamberger Domschule (ungef¨ahr zur gleichen Zeit wie → Lampert von Hersfeld) und wirkte seit 1066/67 in Bremen. Unter Erzbischof Adalbert von Bremen wurde A. Domkanoniker und 1069 Domscholaster. 1067/68 83

Adam von Bremen hielt er sich am d¨anischen K¨onigshof auf und erwarb dort Kenntnisse u¨ ber die Verh¨altnisse in den n¨ordlichen L¨andern. Nach Adalberts Tod (1072) verfasste A. eine hamburgisch-bremische Kirchengeschichte, die Gesta Hammaburgensis ecclesiae pontificum. Um 1075/76 schloss A. das Werk zun¨achst ab und widmete es in einer Abschrift Erzbischof Liemar von Bremen. In dieser Fassung endet das Werk mit einem Widmungsgedicht in Hexametern («M. Adam epilogus ad Liemarum episcopum»). A. hat aber wohl noch bis 1080/81 ein Handexemplar u¨ berarbeitet. Die Gesta entstanden nach A.s eigenen Angaben als Dank f¨ur die Aufnahme in Bremen und als Beitrag zum Aufbau des Erzbistums. Inhaltliches Hauptziel ist die Verherrlichung der Kirche durch das Wirken der Bremer Bisch¨ofe und die Darstellung der n¨ordlichen Mission. Erfasst wird die Zeit 755–1072, gegliedert in drei B¨ucher: Buch 1 behandelt die Ereignisse bis zum Tod des Erzbischofs Unni (936), Buch 2 die Zeit bis zum Amtsantritt Adalberts (1043) und Buch 3 dessen Pontifikat. Hinzu kommt ein viertes Buch (Descriptio insularum aquilonis), das weniger historiographisch ist als vielmehr eine historische Landeskunde derjenigen Gebiete, auf welche die Mission der bremisch-hamburgischen Kirche ausgerichtet war und auf die sich deren Metropolitananspr¨uche richteten (Skandinavien, Gr¨onland, Island; auch erw¨ahnt wird «Vinland», was mit großer Wahrscheinlichkeit mit Neufundland zu identifizieren ist). Die Descriptio ist der erste detaillierte ma. Bericht u¨ ber diese Regionen. Die nordische Mission steht nicht nur in diesem vierten Buch der Gesta im Zentrum, auch in den drei Hauptb¨uchern werden die jeweiligen Bisch¨ofe an ihren missionarischen Anspr¨uchen gemessen. Der Einarbeitung von Urkunden und anderer relevanter Dokumente verdankt A.s Bistumsgeschichte ein hohes historiographisches Niveau. Weitere Quellen sind (teils verlorene) Viten, Annalen und Chroniken. Vor allem im dritten Buch kommen direkte Berichte von Zeitgenossen zur Geltung. F¨ur geographische und ethnographische Angaben werden zudem klassische Autoren und die Kirchenv¨ater herangezogen, aber auch die sagenhafte Tradition findet Eingang. In das vierte Buch l¨asst A. seine in D¨anemark gewonnenen Kenntnisse einfließen; vieles d¨urfte auf Mitteilungen K¨onig Svens von D¨anemark u¨ ber die Wikingerfahrten beruhen. Neben der Berichte u¨ ber die Nordl¨ander 84

Adam von Bremen ragt vor allem die Darstellung Adalberts aus den Gesta heraus: Getragen von Sympathie f¨ur den Bischof ist sie dennoch nicht frei von Kritik und offenbart eine im Vergleich zu zeitgen¨ossischen vergleichbaren Werken bemerkenswerte Urteilskraft A.s und literarische Finesse. Die Rezeption der Gesta allerdings blieb vergleichsweise gering und beschr¨ankt sich neben Arnold von Berge und Nienburg (Annalista Saxo) auf Geschichtsschreiber, deren Interesse gleichsam der nordischen Mission galt (→ Helmold von Bosau, Albert von Stade). ¨ Uberlieferung: Mindestens 22 Hss. sind bekannt. Die Erstfassung ist nur in einer Hs. (Wien, ¨ ONB, Cod. 521, 1r–84r [Perg., 13. Jh.]) und deren Abschrift (Kopenhagen, Kgl. Bibl., Gl. Kgl. Saml. 2296 4° [Codex Havniensis]) u¨ berliefert. Die ¨ Uberl. ist in drei Klassen eingeteilt. Klasse A beruht auf dem Wiener Exemplar. In anderen Textzeugen dieser Klasse enthaltene Zus¨atze (Marginalscholien mit Erl¨auterungen, Berichtigungen, Bele¨ gen, Exkursen etc.) k¨onnen bei mehrfacher Uberl. Hinweis auf eine zweite Redaktion der Gesta sein, die auf A. selbst zur¨uckgehen d¨urfte. Die Klassen ¨ B und C beruhen auf einer Uberarbeitung dieser zweiten Redaktion durch einen Bremer Domherrn zwischen 1085 und 90. – Vgl. Schmeidler (s. Ausg.) S. VII–XXXIV. – Otto; Danstrup; Bolin 1949 (s. Lit.). – VL2 1 (1978) Sp. 50 f. – Erstdruck: Andreas Severinus Velleus (Vedel): Historia ecclesiastica, continens religionis propagatae gesta [...]. Hafnia (Kopenhagen) 1579. Ausgaben (Ausw.): Johann Martin Lappenberg: Adami G. H. e. p. (MG SS rer. Germ. [2]). Hannover 1846 (krit. Erstausg.). – Bernhard Schmeidler: Magistri A. Bremensis G. H. e. p./Hamburgische Kirchengesch. Hannover/Leipzig 31917. Nachdr. Hannover 1977. 1993. Mu¨ nchen 2011 (MGH SS rer. Germ. [2]). – Georg Waitz: A. v. B. Bischofsgesch. der Hamburger Kirche. In: Quellen des 9. und 11. Jh. zur Gesch. der Hamburgischen Kirche und des Reiches. Hg. v. Werner Trillmich/Rudolf Buchner (Ausgew¨ahlte Quellen zur dt. Gesch. des MA 11). Darmstadt 72000, S. 137–499 (lat./dt.). – Faks. Cod. Havniensis: C. A. Christensen: Adami Bremensis G. H. e. p. Cod. Havniensis. Kopenhagen 1948. ¨ Ubersetzungen (Ausw.): Adamus Bremensis. Hamburgische Kirchengesch. Unter Mitarbeit v. B. Schmeidler neubearb. v. Sigfrid Steinberg (Die Geschichtsschreiber der dt. Vorzeit 2, 44). Leipzig 85

2. H¨alfte 11. Jh. 3

1926. – Francis J. Tschan: History of the archbishops of Hamburg-Bremen. A. of B. (Records of western civilization. Sources and Studies 53). New York 1959. Neuaufl. New York u. a. 2002 (mit Einl. und Bibliogr. v. Timothy Reuter). – Die Gesta wurden ferner ins D¨anische, Schwedische und Tschechische u¨ bersetzt. Literatur: Wilhelm Wattenbach, ADB 1 (1875) S. 43. – Joachim Leuschner, NDB 1 (1953) S. 49. – Franz-Josef Schmale, VL2 1 (1978) Sp. 50–54. – Ders., LexMA 1 (1980) Sp. 107. – Tilo Brandis: A. v. B.: Gesta Hammaburgensis Ecclesiae Pontificum. In: KNLL 1 (1988) S. 87 f. – Peter Johanek, LThK3 1 (1993) Sp. 139. – Wilfried Hartmann, RGG4 1 (1998) Sp. 110. – Philipp Wilhelm Kohlmann: A. v. B. Ein Beitr. zur ma. Textkritik und Kosmographie (Leipziger hist. Abh. 10). Leipzig 1908. – B. Schmeidler: Neuere Lit. u¨ ber A. v. B. In: Zs. f¨ur L¨ubeckische Gesch. u. Altertumskunde 16 (1914) S. 111–120. – Edward Schr¨oder: Zur Heimat des A. v. B. In: Hansische Geschichtsbll. 23 (1917) S. 351–366. – B. Schmeidler: Hamburg-Bremen und Nordost-Europa vom 9. bis 11. Jh. Krit. Unters. zur Hamburgischen Kirchengesch. des A. v. B., zu Hamburger Urkunden und zur nordischen und wendischen Gesch. Leipzig 1918. – Lauritz Weibull: Geoethnographische Interpolationen und Gedankeng¨ange bei A. v. B. In: Scandia 4 (1931) S. 210–223 (wieder in: Hansische Geschichtsbll. 58, 1933, S. 3–16). – Alfred Otto: Beitr. zur Textgesch. des A. v. B. In: Neues Arch. der Ges. f¨ur a¨ ltere dt. Geschichtskunde 49 (1932) S. 10–55. – Erik Arup: Kong Svends 2.s Biografi. In: Scandia 4 (1931) S. 55–101. – Store Bolin: Kring m¨aster Adams text. In: Scandia 5 (1932) S. 205–250. – B. Schmeidler: Zur Entstehung und zum Plane der hamburgischen Kirchengesch. A.s v. B. In: Neues Arch. der Ges. f¨ur a¨ltere und dt. Geschichtskunde 50 (1933/34) S. 221–228. – Oskar K¨ohler: Das Bild des geistlichen F¨ursten in den Viten des 10., 11. und 12. Jh. (Abh. zur mittleren und neueren Gesch. 77). Meßkirch 1935. – Carl Erdmann: Stud. zur Brieflit. Deutschlands im elften Jh. (MGH Schr. 1). Leipzig 1938, S. 115. – John Danstrup: Esgruserhaandskriftet, en A. af B.-Afskrift af Otto Sperling den Yngre (Kongelige Danske Videnskabernes Selskab. Historisk-filologiske skrifter 1,4). Kopenhagen 1943. – S. Bolin: Zum Cod. Havniensis A. kgl. S. 2296. In: Classica et Mediaevalia 10 (1949) S. 131–158. – Georg Misch: Stud. zur Gesch. 86

2. H¨alfte 11. Jh. der Autobiographie. Bd. 3: Das Bild des Erzbischofs Adalbert in der Hamburgischen Kirchengeschichte des Domscholasters A. v. B. In: Nachrichten der Akad. der Wiss. in G¨ottingen. Philol.-hist. Kl. 1956,7. G¨ottingen 1956, S. 203–280. – Aage Trommer: Komposition und Tendenz in der Hamburgischen Kirchengesch. A.s v. B. In: Classica et Mediaevalia 18 (1957) S. 207–257. – R. Buchner: Die politische Vorstellungswelt A.s v. B. In: AfK 45 (1963) S. 15–59. – Ders.: A.s v. B. geistige Anleihen bei der Antike. In: Mlat. Jb. 2 (1965) S. 96–101. – Repertorium fontium historiae medii aevi Bd. 2 (1967) S. 116 f. – W. Wattenbach/ Robert Holtzmann: Deutschlands Geschichtsquellen im MA. Neuausg. besorgt v. F.-J. Schmale. 3 Bde. Darmstadt 1967–71 (Neuausg. Essen-Kettwig 1991) Bd. 2, S. 566–571; Bd. 3, S. 165* f. – Johannes Nowak: Unters. zum Gebrauch der Begriffe populus, gens und natio bei A. v. B. und Helmold v. Bosau. Diss. Mu¨ nster 1971. – Anne Katrine Gade ¨ Kristensen: Stud. zur A.-v.-B.-Uberl. Die Wiener Hs.: Erstred. oder sp¨ater verk¨urzte Fassung? Eine Huitfeldt-Abschr. der Sor¨oer Hs. (Skrifter udgivet af det Historiske Institut ved Kobenhavns Univ. 5). Kopenhagen 1975. – Bengt L¨ofstedt: Einige Notizen zur Sprache A.s v. B. In: L’antiquit´e classique 48 (1979) S. 162–164 (wieder in: Ders.: Ausgew¨ahlte Aufs¨atze zur lat. Sprachgesch. und Philologie. Hg. v. Walter Berschin [Quellen und Unters. zur lat. Philologie des MA 13]. Stuttgart 2000, S. 261–263). – Gerhard Theuerkauf: Accipe Germanam pingentia carmina terram. Stadt- und Landesbeschreibungen des MA und der Renaissance als Quellen der Sozialgesch. In: AfK 65 (1983) S. 89–116. – Carl Fredrik Hallencreutz: A. Bremensis and Sueonia. A fresh look at G. H. e. p. (Acta Universitatis Upsaliensis C,47). Stockholm 1984. – Dieter H¨agermann: Buten und Binnen im 11. Jh. Welt und Umwelt bei Bremens erstem Geschichtsschreiber Magister A. In: Bremisches Jb. 63 (1985) S. 15–31. – Tore S. Nyberg: Die Kirche in Skandinavien. Mitteleurop¨aischer und englischer Einfluß im 11. und 12. Jh. Anf¨ange der Domkapitel Borglum und Odense in D¨anemark (Beitr. zur Gesch. und Quellenkunde des MA 10). Sigmaringen 1986, S. 24–35. – Gert Althoff: Causa scribendi und Darstellungsabsicht. Die Lebensbeschreibungen der Koenigin Mathilde und andere Beispiele. In: Litterae Medii Aevi. FS Johanne Autenrieth. Hg. v. Michael Borgolte/Herrad Spilling. Sigmaringen 1988, S. 117–134. – G. Theuerkauf: 87

Annolied ¨ Die Hamburgische Kirchengesch. A.s v. B. Uber Gesellschaftsformen und Weltbilder im 11. Jh. In: Historiographia Mediaevalis. Stud. zur Geschichtsschreibung und Quellenkunde des MA. FS F.-J. Schmale. Hg. v. Dieter Berg/Hans-Werner Goetz. Darmstadt 1988, S. 118–137. – Norbert Wagner: Frickenhausen und A.s v. B. Fricco. In: Beitr. zur Namenforschung, NS 24 (1989) S. 295–309. – Giorgio Brugnoli: Modelli classici in A. di B. In: Tra testo e contesto. Studi di scandinavistica medievale (I convegni di classiconorroena 2). Hg. v. Carlo Santini. Rom 1994, S. 5–12. – F.-J. Schmale: A. v. B. († 1080/85). Gesta Hamburgensis ecclesiae Pontificum. In: Hauptwerke der Geschichtsschreibung. Hg. v. Volker Reinhardt. Stuttgart 1997, S. 4–6. – Henrik Janson: Templum nobilissimum. A. av Bremen, Uppsalatemplet och konfliktlinjerna i Europa kring a˚r 1075 (Avhandlingar fr˚an Historiska Institutionen i G¨oteborg 21). G¨oteborg 1998. – Volker Scior: Das Eigene und das Fremde. Identit¨at und Fremdheit in den Chron. A.s v. B., Helmolds v. Bosau und Arnolds v. L¨ubeck (Orbis mediaevalis 4). Berlin 2002. – David Fraesdorff: Der barbarische Norden. Vorstellungen und Fremdheitskategorien bei Rimbert, Thietmar v. Merseburg, Adam v. Bremen und Helmold v. Bosau (Orbis mediaevalis 5). Berlin 2005. – H.-W. Goetz: Constructing the Past. Religious Dimensions and Historical Consciousness in A. of B.’s G. H. e. p. In: The making of Christian myths in the periphery of Latin Christendom (c. 1000–1300). Hg. v. Lars Boje Mortensen. Kopenhagen 2006, S. 17–52. – Ernst Schubert: Die erste Entdeckung Amerikas und ihr Chronist: A. v. B. In: Atlantic understandings. Essays on European and American history in honor of Hermann Wellenreuther. Hg. v. Claudia Schnurmann/Hartmut Lehmann (Atlantic cultural studies 1). Hamburg 2006, S. 15–42. – Luca Cardinali/Maria Paola Segoloni: Adamus Bremensis. G. H. E. P. Concordantiae et Indices. (Alpha-Omega, Reihe B, 21,1/2). 2 Bde. Hildesheim u. a. 2009. – Thomas Foerster: Vergleich und Identit¨at. Selbst- und Fremddeutung im Norden des hochma. Europa (Europa im MA 14). Berlin 2009, S. 32–43. – Riccardo Scarcia/Fabio Stok (Hg.): Devotionis munus – la cultura e l’opera di Adamo di Brema (Testi e studi di cultura classica 47). Pisa 2010. VZ Annolied. – Fr¨uhmhd. Loblied auf Anno II. von K¨oln, um 1080, im rhein-maasl¨andischen Raum. Der panegyrische Text auf den zu Lebzeiten umstrittenen Erzbischof, Anno II. von K¨oln (um 88

Annolied 1010–1075), ist einzig in zwei Drucken des 16. und 17. Jh. u¨ berliefert. Beide gehen vermutlich auf zwei Handschriften, *O und *V, zur¨uck, von denen keine erhalten ist. Die Frage der Datierung ist zugunsten des fr¨uhen Termins, zwischen M¨arz 1077, der Kr¨onung des Gegenk¨onigs Rudolf von Rheinfelden in Mainz, und Dezember 1081, der Kr¨onung des Gegenk¨onigs Hermann von Salm in Goslar, und gegen die Sp¨atdatierung (Haverkamp 1979) auf die Zeit nach der Mainzer Kr¨onung Heinrichs V. im Januar 1106, entschieden worden (Thomas 1968; Liebertz-Gr¨un 1980; Herweg 2002). Die Lokalisierung des A. nach Siegburg als beliebtem Aufenthalts- und Bestattungsort des Erzbischofs (Nellmann 51999) oder K¨oln als Sitz des Adels, der Zielpunkt der Annopropaganda sein sollte (Knab 1962), ist nach wie vor umstritten. Sprachlich wurde der Autor als Mittelfranke, auch als Bayer identifiziert, viele Indizien weisen jedoch auf eine rheinfr¨ankische Herkunft (Gigglberger 1954; Klein 1995). Die Prologstrophe c.1 f¨uhrt der rhetorischen Tradition gem¨aß das Kommende in nuce zusammen (Gerhaher 1965) und proklamiert Anno als «ceichen», das auf die Welt und das Heil hin gelesen werden muss. Mit der anschließenden Ermahnung wird zur Imitatio aufgefordert. Der hermetische Text, der aus 49 Abschnitten besteht, enth¨alt Elemente der Chronistik (Weltalter, Weltreiche), der Heiligenlegende und des St¨adtelobs. Die Frage nach der Zuordnung zu einer Gattung wurde lange diskutiert, bis D. Knab (1992) schließlich die Verwurzelung des Textes in historiographischen Traditionen des Rhein-Maas-Gebietes herausstellte. Der seinen Bestandteilen nach heterogene Text geh¨ort in den Bereich der Geschichtsdichtung, gilt aber auch als rhetorisches Schulexperiment eines Autors, der eine umstrittene Causa zum H¨ochsten stilisiert und die Apotheose Annos gestaltet. Das A. ist im Ganzen durchkomponiert und auf die christliche Stilisierung des Heiligen Anno und seiner Stadt K¨oln auf der Basis eines theologisch-kosmologischen Programms ausgerichtet. Die in der a¨lteren Forschung zun¨achst umstrittene Dreiteilung unterstreicht die Gesamtaussage (Ittenbach 1937). Entsprechend m¨undet der erste heilsgeschichtliche Teil (2–7) nach Sch¨opfung und S¨undenfall in der Ernennung Annos zum 7. Erzbischof von K¨oln, dessen herausragende Bedeutung sich hier bereits ank¨undigt. Der zweite 89

2. H¨alfte 11. Jh. weltgeschichtliche Abriss (8–33) setzt beim St¨adtelob an, wird u¨ ber die vier Weltreiche und genealogisch von Caesar, u¨ ber die Trojaner bis zu Augustus und der Geburt Jesu, u¨ ber die Apostel zu den Franken gef¨uhrt und m¨undet programmatisch zahlensymbolisch bedeutsam mit der 33. Strophe bei der Herrschaft Annos in K¨oln, der schließlich zum neuen Adam und K¨oln zum Himmlischen Jerusalem stilisiert wird. Der legendarische dritte Teil (34–49) besch¨aftigt sich mit Pr¨ufungen, Visionen und Wundern des Heiligen. Als programmatisch gilt der zweite Abschnitt des Textes, der den hermeneutischen Schl¨ussel liefert (Haas 1966; Erfen 1997). Mit dem philosophischtheologischen Konzept des Menschen als «dritte werilt» (c. 2, 14), der «corpus unte geist» (c. 2, 10) in sich vereint, werden griechische Autorit¨aten aufgerufen, die der Annodichter in der Vermittlung des Periphyseon des Johannes Scotus Eriugenas rezipierte (Ehrismann 1922; Haas 1966; Erfen 1997; Herweg 2002). Dar¨uber hinaus wird an verschiedenen Stellen des Textes auf die Wandlung des Bischofs Anno und seine Engelsgleichheit verwiesen (c. 2: 10,11; c. 34: 18), womit die dionysische Auffassung von der Vermittlung zwischen irdischen und himmlischen Hierarchien zitiert wird. ¨ Uberlieferung: Der Text ist in zwei Drucken, dem Erstdruck von M. Opitz (1693) und einem Teildruck (v. 19–78, AL 2, 1–5, 4) von 1597 in Bonaventura Vulcanius’ De literis et lingua Getarum sive Gothorum u¨ berliefert. Ausgaben: Bonaventura Vulcanius De literis et lingua Getarum sive Gothorum. Lugduni Batavorum. [Leiden] 1597. S. 61–64. – Martin Opitz: Incerti Poetae Teutonici Rhythmus de Sancto Annone, Colon. Archiepiscopo ante D aut ciciter annos conscriptus. Martinus Opitius primus ex membrana veteri edidit et Animadversionobus illustravit. Dantisci 1639. – Johann Jakob Bodmer/Johann Jakob Breitinger: Lobgesang auf den heiligen Anno, Ertzbischof v. C¨olln. Mit M. Opitzens und neuen Erkl¨arungen. In: Martin Opitzens Von Boberfeld Lehrgedichte. Z¨urich 1755. S. 153–350. – Dietrich Hermann Hegweisch: Das Lied vom hl. Anno, mit ¨ einer Ubers. und Anm. In: Dt. Magazin. Hg. v. C. v. Eggers. Hamburg 1791, Bd. 1, S. 555–572; Bd.2, S. 10–75, 336–375. – Georg August Friedrich Goldmann: Der Lobgesang auf den hl. Anno. In der altdt. Grundsprache des elften Jh. und mit ¨ einer Einl., Ubers. u. Anm. Hg. v. G. A. F. Goldmann. Leipzig/Altenburg 1816. – Heinrich Hoffmann: Fundgruben f¨ur Gesch. dt. Sprache und Lit. 90

2. H¨alfte 11. Jh. 1. Theil. Breslau 1830. S. 249. – Wilhelm Wacker¨ nagel: Uberreste einer Weltchronik. In: Altdt. Lesebuch. Basel 1835, Sp. 177–186. Neuaufl. nach 1847. 51873, Sp. 359–366. U. d. T.: Aus dem Leben des Hl. Anno. v. 19–56, 261–516. – Karl Roth: Leben des hl. Anno, Erzbischofes v. K¨oln. Dt. Gedichte des 12. Jh., nach der opitzischen Hs. ge¨ nau hg., u¨ bers. und erl. 1. H., Text, Ubers., Lesarten und Sprachbemerkungen enthaltend. M¨unchen 1847. – Heinrich Ernst Bezzenberger: Maere v. Sente Annen, Erzbebiscove ci Kolone bˆı Rˆıni. Quedlinburg/Leipzig 1848. – Joseph Kehrein: Das A. Genauer Abdruck des Opitzischen Textes mit Anm. und Wb. Frankfurt/M. 1865. – Adolf Stern: Das A. Aus dem Ripuarischen u¨ bers., mit Einl. u. Anm. Leipzig 1881. – Paul Piper: Die Spielmannsdichtung. 2. Tl.: Spielmannsdichtungen geistl. u. ritterl. Ursprunges. Berlin/Stuttgart o. J. [1887]. – Max Roediger: Das A. In: MGH Dt. Chron. und andere Geschichtsb¨ucher des MA 1,2. Hannover 1895, S. 63–132. Nachdr. Dublin 1968, S. 63–145. – Walther Bulst: Das Anno-Lied. Hg. v. Martin Opitz 1639. Diplomatischer Abdruck. Heidelberg 1946. – Karl Meisen: Das A. Bonn 1946. – Fritz Tschirch: Fr¨uhma. Deutsch. Ein Lesebuch ausgew. Texte v. den Anf¨angen des dt. Schrifttums bis zum Ausgang des 11. Jh. Halle/Saale 1955, S. 99–112. – Friedrich Maurer: Die religi¨osen Dichtungen des 11. u. 12. Jh. Nach ihren Formen besprochen und hg. Bd. 2. T¨ubingen 1965, S. 3–45. – Hans Joachim Gernentz: Kleinere dt. Gedichte des 11. und 12. Jh. Nach der Ausg. v. Albert Waag. Leipzig 1970, S. 81–104. – Johannes Rathofer: Das A., Text¨ubertragung, Interpretation und krit. Ber. zum Forschungsstand. In: Sankt Anno und seine viel liebe statt. Beitr. zum 900j¨ahrigen Jubil¨aum. Hg. v. Gabriel Busch. Siegburg 1975, S. 230–330. – Michael Curschmann/Ingeborg Glier: Dt. Dichtung des MA. Bd. 1. Von den Anf¨angen bis zum Hohen MA. M¨unchen/Wien 1980, S. 92–147. – Walter Haug/Benedikt Konrad Vollmann (Hg.): Fr¨uhe dt. Lit. und lat. Literaturen in Deutschland 800–1150 (BMA 1/BdK 62). Frankfurt/M. 1991, S. 596–647. – Das A. Mhd./Nhd. Hg., u¨ bers. und komm. v. Eberhard Nellmann. Stuttgart 51999. – Graeme Dunphy (Hrsg.): Opitz’ Anno. Glasgow 2004 [Das komplette Werk nach Opitz einsch¨ ließlich lat. Rahmentexte mit engl. Ubersetzung]. Literatur: Eberhard Nellmann, VL2 1 (1978) Sp. 366–371; 11 (2004) Sp. 108. – Adolf Holtzmann: 91

Annolied Der Dichter des A. In: Germania 2 (1857) S. 1–48. – Emil Kettner: Unters. u¨ ber das A. In: ZfdPh (1878) S. 257–337. – G¨unter Eberhardt: Die Metrik des A. Halle/Saale 1908. – Edward Schro¨ der: Zur Kritik des A. In: ZfdA (1921) S. 92–95. – Theodor v. Grienberger: Ahd. Texterkl¨arungen IV. 19. Lex Salica. 20. Der Rheinfr¨ankische Psalter. 21. Zum A. In: Beitr. zur Gesch. der dt. Sprache und Lit. 48 (1924) S. 25–45. – Max Ittenbach: Dt. Dichtungen der salischen Kaiserzeit und verwandte Denkm¨aler. W¨urzburg-Aum¨uhle 1937. – Gertrud Gigglberger: Unters. u¨ ber das A. W¨urzburg 1954. – Hans Eggers: Das A. – eine Exempeldichtung? In: FS Ludwig Wolff. Hg. v. Werner Schr¨oder. Neum¨unster 1962, S. 161–172. – Doris Knab: Das A. Probleme seiner literarischen Einordnung. Tu¨ bingen 1962. – Eberhard Nellmann: Die Reichsidee in dt. Dichtung der Salier- und fru¨ hen Stauferzeit: A., Kaiserchronik, Rolandslied, Eraclius. Berlin 1963. – Werner Betz: Zur Zahlensymbolik im Aufbau des A. In: Medieval German Studies. London 1965, S. 39–45. – Alois Haas: Der Mensch als dritte werilt im AL. In: ZfdA 95 (1966) S. 271–281. – Susanne Gerhaher: Der Prolog des A. als Typus in der fr¨uhmhd. Lit. Mu¨ nchen 1968. – Anton Legner (Hg.): Monumenta Annonis. K¨oln und Siegburg. Weltbild und Kunst im hohen MA. K¨oln 1975. – Heinz Thomas: Bemerkungen zu Datierung, Gestalt und Gehalt des A. In: ZfdPh 96 (1977) S. 24–61. – Anselm Haverkamp: Typik und Politik um A. Zum ‹Konflikt der Interpretationen› im MA. Stuttgart 1979. – Ursula Liebertz-Gru¨ n: Zum A. Atypische Struktur und singul¨are politische Konzeption. In: Euph. 74 (1980) S. 223–256. – Peter A. Thurlow: Augustine’s City of God, pagan history and the unity of the A. In: Reading medieval studies 6 (1980) S. 44–67. – Hans Eggers: Das A. – eine Exempeldichtung? In: Ders.: Kl. Schriften. T¨ubingen 1982, S. 124–135. – Ernst Hellgardt: Die Rezeption des A. bei Martin Opitz. In: MA-Rezeption. Ein Symposium. Hg. v. Peter Wapnewski. Stuttgart 1986, S. 60–79. – Benjamin Arnold: From warfare on earth to eternal paradise: Archbishop Anno II of Cologne, the history of the Western Empire in the A., and the salvation of mankind. In: Viator 23 (1992) S. 95–113. – Thomas A.-P. Klein: Zur Sprache und Herkunft des A. In: Bickelwort und wildiu maere. FS E. Nellmann. Hg. v. Dorothee Lindemann. G¨oppingen 1995, S. 1–36. – Irene Erfen: Spirituelle Peregrinatio und kostbare 92

Winrich von Trier Graecitas. Zur Vermittlung theologischer und religi¨oser Traditionen im A. In: Fremdheit und Reisen im MA. Hg. dies./Karl-Heinz Spieß. Stuttgart 1997, S. 243–265. – Stephan Mu¨ ller: Vom A. zur Kaiserchron. Zu Text- und Forschungsgesch. einer verlorenen dt. Reimchron. Heidelberg 1999. – Raymond Graeme Dunphy: Martin Opitz und die ma. Alexandergeschichten. Wiss. und Polemik in der editio princeps des A. In: Daphnis 31 (2002) S. 299–316. – Mathias Herweg: Ludwigslied, De Heinrico, A. Die dt. Zeitdichtungen des fr¨uhen MA im Spiegel ihrer wissenschaftlichen Rezeption und Erforschung. Wiesbaden 2002. – Susanne B¨urkle: Erz¨ahlen vom Ursprung: Mythos und kollektives Ged¨achtnis im A. In: Pr¨asenz des Mythos. Konfiguration einer Denkform in MA u. Fr¨uher Neuzeit. Hg. v. Udo Friedrich/Bruno Quast. Berlin/New York, S. 99–130. – Mathias Herweg: Civitas permixta und dritte werilt: Die ‹Programmstrophen› des A. In: ZfdPh 123 (2004) S. 1–18. – Hartmut Bleumer: Das A. als a¨ sthetisches Objekt. ¨ In: Das fremde Sch¨one. Dimensionen des Asthetischen in der Lit. des MA. Hg. v. Manuel Braun. Berlin/New York, S. 255–280. – Uta Goerlitz: Literarische Konstruktion (vor-)nationaler Identit¨at seit dem A. Analysen und Interpretationen zur dt. Lit. des MA (11.–16. Jh.). Berlin 2007. – Gesine Mierke: Mimesis als Strategie. Religion und Politik im A. In: Abenteuer des Geistes – Dimensionen des Politischen. FS W. Rothholz. Hg. v. Petra Huse/ Ingmar Dette. Baden-Baden 2008, S. 149–165. – Anselm Haverkamp: K¨olnische Welt. Das Heil der Stadt im fr¨uhmhd. A. In: Ders.: Diesseits der Oder. Frankfurter Vorlesungen. Berlin 2008, S. 99–114. – Marina Cometta: II sogno di Daniele in A e Kaiserchron. In: Letture di testi tedeschi medioevali. VIII Seminario Avanzato in Filologia Germanica. Hg. v. Vittoria Dolcetti Corazza. Alessandria 2008, S. 131–178. GM Winrich von Trier (Wenrich von T.; Winricus, Wenricus, Vvinricus, Vinricus, Wirricus, Vuenricus, Guenricus, Withricus), * vor 1075, † 30.9. (1096 oder sp¨ater). – Scholaster, Bibliothekar und Bischof von Piacenza. W., zu dessen Biographie die wesentlichen Eckdaten fehlen, wirkte als Domkleriker in Verdun, bevor er zweimal (1075 und 1089) unter Erzbischof Udo als Scholaster und Bibliothekar in Trier bezeugt ist. In diese Zeit f¨allt auch W.s schriftstellerische T¨atigkeit, von der ein 335 Distichen umfassendes allegorisches Streitgedicht (Conflictus ovis 93

2. H¨alfte 11. Jh. et lini) sowie die Streitschrift Epistola sub Theoderici episcopi Virdunensis nomine composita erhalten sind. In Letzterer, entstanden wohl im Oktober 1080, wendet sich W. rhetorisch geschickt im Namen Bischof Theoderichs von Verdun und der papstkritischen Fraktion innerhalb des dt. Episkopats gegen die (zweite) Bannung Heinrichs IV. durch Gregor VII. und die damit verbundene L¨osung der Untertanen vom Treueeid. Zeitgen¨ossische Rezeptionszeugnisse sprechen f¨ur eine große Verbreitung der Epistola. Im April 1092 ist W. als Bischof der kaiserlichen Partei in Piacenza urkundlich belegt, von wo er bereits 1093 nach dem gegen Heinrich gerichteten Zusammenschluss von Piacenza, Mailand, Cremona und Lodi im Lombardischen St¨adtebund vertrieben worden sein d¨urfte. Seine letzte Erw¨ahnung erfolgte im Oktober 1095 in einer Urkunde Heinrichs IV. als Intervenient f¨ur die Abtei Pomposa. Die Zuweisung des sog. Carmen Winrici (Br¨ussel, Bibl. Royale, ms. 10615–729, 173r–174v) an W. ist nach allgemeinem Konsens nicht haltbar. ¨ Uberlieferung: Conflictus ovis et lini: Basel, UB, Cod. D IV 4, 58v–62v. – Berlin, SBB, Ms. lat. qu. 915 (Kriegsverlust). – Br¨ussel, Bibl. Royale, ms. 978 (=10038–10053), 55r–64r (Perg., 13. Jh.). – M¨unchen, BSB, Clm 384, 37r–46r (Perg., 12. Jh.). – ¨ Wien, ONB, Cod. 901, 105r (Perg., 13. Jh.). – Epistola sub Theoderici episcopi Virdunensis nomine composita: Br¨ussel, Bibl. Royale, ms. 5576–5604, ¨ 187r–196r (Perg., 12. Jh.). – Wien, ONB, Cod. 2213, 37v–45r (Perg., 12./13. Jh.). – Admont, Stiftsbibl., Cod. 257, 96r–97v (Ausz¨uge) (Perg., um ¨ 1100/1200). – Wien, ONB, Cod. 2153, 47r–49v (Ausz¨uge) (Perg., 12. Jh.). Ausgaben: Conflictus ovis et lini: Ed´elestand du M´eril: Po´esies populaires latines ant´erieures au douzi`eme si`ecle. Paris 1843, S. 379–399 (unvollst.). – Moriz Haupt: Hermanni Contracti Conflicitus ovis et lini. In: ZfdA 11 (1859) S. 215–237. – Epistola sub Theoderici episcopi Virdunensis nomine composita: Kuno Francke, MGH Ldl 1 (1891) S. 280–299. – Quellen zum Investiturstreit, Tl. 2. Schr. u¨ ber den Streit zwischen Regnum und Sacerdotium, u¨ bers. v. Irene Schmale-Ott (Ausgew¨ahlte Quellen zur dt. Gesch. des MA 12b). Darmstadt 1984, S. 10–16, 68–119. Literatur: Manitius 2 (1923) S. 610–614. – Thomas Bauer, BBKL 13 (1998) Sp. 763–767. – Detlev Jasper, VL2 10 (1999) Sp. 1219–1224; 11 (2004) 94

2. H¨alfte 11. Jh. Sp. 1672. – Friedrich Thaner: Zu Wenrici scholastici Treverensis epistola. In: Neues Arch. der ¨ Ges. f¨ur Altere dt. Geschichtskunde 16 (1891) S. 540–543. – Carl Mirbt: Die Publizistik im Zeitalter Gregors VII. Leipzig 1894, S. 23–25, 95 f. – Gerold Meyer v. Knonau: Jbb. des Dt. Reiches unter Heinrich IV. und Heinrich V. 3. Leipzig 1900, S. 405–415. – Jakob Werner: Verse auf Papst Innocenz IV. und Kaiser Friedrich II. In: Neues Arch. ¨ der Ges. f¨ur Altere dt. Geschichtskunde 32 (1907) S. 602–604. – Gerhard Schwartz: Die Besetzung der Bist¨umer Reichsitaliens 951–1122. Straßburg 1913, S. 193 f. – Hans Walther: Das Streitgedicht in der lat. Lit. des MA. M¨unchen 1920, S. 55–58. – Josef Montebaur: Vinricus, episcopus Placentinus, scholasticus Treverensis. In: Ma. Hss. FS Hermann Degering. Hg. v. Aloys B¨ohmer. Leipzig 1926, S. 186–191. – Andr´e van den Vyver/ Charles Verlinden: L’auteur et la port´ee du Conflictus ovis et lini. In: Revue Belge de philologie et d’histoire 12 (1933) S. 59–81. – Alois Fauser: Die Publizisten des Investiturstreites. Pers¨onlichkeiten und Ideen. Mu¨ nchen 1935, S. 97–103. – Augustin Fliche: La r´eforme gr´egorienne. Bd. 3 (Spicilegium sacrum Lovaniense 16). Louvain/Paris 1937, S. 144–174, 278–281. – Gunther Wolf: Zur Person W.s v. T. und zur Datierung seiner Schrift. In: Zs. f¨ur die Gesch. des Oberrheins 103/NF 64 (1955) S. 638–640. – Ludwig Gompf: ‹Querela magistri Treverensis› (das sog. ‹Carmen Winrici›). In: Mlat. Jb. 4 (1967) S. 91–121. – Heinz Thomas: Zur Datierung und Interpretation v. zwei mlat. Dichtungen aus Trier – Querela magistri Paulini und Ecbasis cuiusdam captivi. In: Jb. f¨ur westdt. Landesgesch. 2 (1976) S. 111–125. – Ian Stuart Robinson: The ‹Colores rhetorici› in the Investiture Contest. In: Traditio 32 (1976) S. 209–238. – Ders.: Authority and Resistance in the Investiture Contest: The Polemical Literature of the Late Eleventh Century. Manchester 1978. – Franz-Reiner Erkens: Die Trierer Kirchenprovinz im Investiturstreit (Passauer Hist. Forschungen 4). K¨oln u. a. 1987, S. 127–148. – Irene Scaravelli: ‹Utilitas› nella libellistica dell’XI secolo: un primo sondaggio. In: Studi medievali Ser. 3, 32 (1991) S. 193–199. – FranzReiner Erkens: ‹Vuenricus cancellarius scripsit et subscripsit›. Eine unedierte Urkunde des Erzbischofs Egilbert v. Trier. In: RheinVjbl. 56 (1992) S. 79–96. – Luigi A. Canetti: Gloriosa civitas. Culto dei santi e societ`a cittadina a Piacenza nel Medioevo (Cristianesimo antico e medievale 4). Bo95

Wido von Osnabruck ¨ logna 1993, S. 141–150. – Wilhelm K¨olmel: Juditio rationis. Manegolds Theorie der K¨onigsmacht. In: FS Eduard Hawlitschka. Hg. v. Karl Schnith/ Roland Pauler (M¨unchener Hist. Stud. Abt. Ma. Gesch. 5). Kallm¨unz 1993, S. 267–271. – Peter Stotz: Conflictus: Il contrasto poetico nelle letteratura latina medievale. In: Il genre ‹tenzone› nelle letterature romanze delle Origini. Hg. v. Matteo Pedroni/Antonio St¨auble (Memoria del tempo 15). Ravenna 1999, S. 165–187. – Peter Stotz: Der ‹Conflictus ovis et lini›: eine Bestandsaufnahme. In: Latin culture in the eleventh century. Hg. v. Michael W. Herren/Christopher J. MacDonough/ Ross G. Arthur. Bd. 2 (Publ. of the Journal of medieval Latin 5). Turnout 2002, S. 436–448. – Franz Fuchs: Wolle oder Leinen. Zum Streit um den rechten Habit in der Regularkanonikerbewegung des 12. Jh. In: Regula Sancti Augustini. Hg. v. Gert Melville/Anne Mu¨ ller (Publ. der Akad. der Augustiner-Chorherren v. Windesheim 3). Paring 2002, S. 219–238. – Michael Embach: Trierer Literaturgesch. Das MA. Trier 2007, S. 173–183. NR Wido von Osnabruck. ¨ – Propst, Bischof von Osnabr¨uck, Verfasser einer Streitschrift. W. war Propst und 1093–1101 Bischof von Osnabr¨uck. Auf Geheiß des Bischofs Benno von Osnabr¨uck und des Erzbischofs Liemar von Bremen verfasste er 1084/85 eine Streitschrift, in der er versucht, den Nachweis der Rechtm¨aßigkeit der Wahl (1080) Wiberts von Ravenna zum Papst (Clemens III., Papstweihe 1084) sowie der Absetzung Gregors VII. zu erbingen. Er ergreift damit in der Auseinandersetzung Heinrichs IV. mit Gregor VII., der sein geistliches Amt missbraucht habe, entschieden die Partei des Kaisers. Die nur in einer Exzerptfassung – angefertigt von einem Osnabr¨ucker Magister T. aus einem vollst¨andigen, allerdings anonymen Exemplar des Klosters Iburg – bekannten Schrift ist lediglich durch den Codex Udalrici (→ Ulrich von Bamberg) erhalten geblieben. ¨ ¨ Uberlieferung: Wien, ONB, cod. 398, 77r–81v (12. Jh.). – Zwettl, Stiftsbibl., cod. 283, S. 140–145, 164–169 (12. Jh.). Ausgaben: Monumenta Bambergensia. Hg. v. Philipp Jaff´e (Bibliotheca rerum Germanicarum 5). Berlin 1869, S. 328–345. – L. v. Heinemann: MGH Lib. de lite I, 1891, S. 461–470. – Quellen zum Investiturstreit. Tl. 2. Schr. u¨ ber den Streit zwi¨ schen Regnum und Sacerdotium. Ubers. v. Irene 96

Frutolf von Michelsberg Schmale-Ott (Ausgew¨ahlte Quellen zur dt. Gesch. des MA. Freiherr-vom-Stein-Gedenkausg. 12b). Darmstadt 1984, S. 240–271. Literatur: Franz Josef Worstbrock, VL2 10 (1999) Sp. 999 f. – Carl Mirbt: Die Publizistik im Zeitalter Gregors VII. Leipzig 1894 (Nachdr. ebd. 1965) S. 167 f. u. o¨ . – Klemens L¨offler: Die westf¨alischen Bisch¨ofe im Investiturstreit. Paderborn 1903, S. 46–48. – Wilhelm Levison: Die Papstgesch. des Ps.-Liudprand und der Cod. Farnesianus des Liber Pontificalis. In: Neues Arch. der Ges. f¨ur a¨ltere dt. Geschichtskunde zur Bef¨orderung einer Gesamtausg. der Quellenschr. dt. Gesch. des MA 36 (1911) S. 415–438, hier S. 429–432. – Wilhelm Wattenbach/Robert Holtzmann: Deutschlands Geschichtsquellen im MA. Die Zeit der Sachsen und Salier. Neuausg. besorgt v. Franz-Josef Schmale. Bd. 2. Weimar 1967, S. 400 f., 582 f. – Leonardus F. J. Meulenberg: Der Primat der r¨omischen Kirche im Denken und Handeln Gregors VII. Den Haag 1965. – Rudolf Schieffer: Von Mailand nach Canossa. Ein Beitr. zur christlichen Herrscherbuße v. Theodosius d. Gr. bis zu Heinrich IV. In: DA 28 (1972) S. 333–370, hier S. 365, 367. – Schmale-Ott (s. Ausg.) S. 24–28. BJ Frutolf von Michelsberg OSB, † 17.1.1103. – Chronist. Wie sprachliche Eigenheiten seines Werks nahelegen, stammte F. m¨oglicherweise aus Bayern. Er war Mo¨ nch und wohl auch Prior im Kloster Michelsberg bei Bamberg. Dort lehrte er vielleicht als Magister das Quadrivium, zu dem er als Schreiber auch mehrere Handschriften abfasste. Als Autor sind ihm nur zwei lat. Werke sicher zuzuschreiben, eine Weltchronik und ein musiktheoretischer Traktat. F.s Prosa-Weltchronik ist zu zwei Dritteln als unvollst¨andiger Autograph erhalten; weitere Teile sind als Abschrift u¨ berliefert. Das Original enth¨alt neben dem eigentlichen Text auch zwei Zeichnungen von Stammb¨aumen (Karolinger und Liudolfinger). Zeitlich reicht die Chronik von der Genesis bis 1098. Ab dem Berichtsjahr 1105 wurde F.s Werk durch → Ekkehard von Aura bearbeitet und bis 1125 fortgesetzt. Ekkehard war es auch, der F.s Berichte f¨ur 1098–1106 teils ersetzte, teils erg¨anzte. Die Verfasserschaft F.s und die urspr¨ungliche Gestalt der Chronik blieben dadurch lange im Dunkeln. Die zun¨achst konventionell anmutende, annalistische Anlage der Chronik zeichnet sich durch eine 97

2. H¨alfte 11. Jh. pr¨azise, synoptisch-tabellarisch aufbereitete Darstellung aus. F.s kritischer Umgang mit zeitlichen und sachlichen Inkonsistenzen bzw. Fehlern in den Quellen ist bemerkenswert. Durch ihre exakte Chronologie der Ereignisse und ihr Hinterfragen tradierter Datierungen setzte die Chronik Maßst¨abe f¨ur die fr¨uhmittelalterliche Geschichtsschreibung. In der Gesamtanlage der Chronik folgt F. meist → Hieronymus und dem Konzept der «translatio imperii». Entsprechend ist der Text an der Abfolge der großen Reiche ausgerichtet. Trotz der annalistischen Grundpr¨agung des Werks sind manche Textabschnitte erz¨ahlend angelegt, u. a. die Viten Alexanders und Karls des Großen. In der Tendenz gilt F.s Chronik als n¨uchternes und neutrales Werk, das erst durch Ekkehard religi¨ospropagandistisch aufgeladen wurde. F. benutzte eine Vielzahl von Quellen, darunter Hieronymus, Prosper Tito, Frechulf von Lisieux, → Einhard, → Widukind und das Chronicon Wirziburgense. In Auswahl und Bearbeitung seiner Vorlagen zeigt F. die gleiche Meisterschaft wie in der chronologischen Anordnung. Damit steht er weit u¨ ber den kompilatorischen Bem¨uhungen anderer Chronisten seiner Zeit. Allerdings wurde F.s Leistung erst sp¨at gew¨urdigt, da seine Chronik lange f¨alschlich → Burchard von Ursberg oder Konrad von Lichtenau zugeschrieben wurde. Auch erlangte das Werk im MA zwar enorme Verbreitung, doch nur in Ekkehards tendenzi¨oser Bearbeitung. Die Chronik wirkte u. a. auf → Otto von Freising, Arnold von Berge und Nienburg, Hermann von Niederaltaich, → Helmold von Bosau, Burchard von Ursberg, die Chronica regia Coloniensis sowie die P¨ohlder und Pegauer Annalen. So entwickelte sich das Buch zu einem Standardwerk seiner Epoche. F.s zweite Schrift ist ein Lehrtraktat f¨ur den Musikunterricht, das Breviarium de musica. Die kompilatorische Abhandlung enth¨alt neben dem musiktheoretischen Hauptteil auch ein umfangreiches Tonar mit Choralmelodien. Vorlagen F.s waren der sog. Anonymus de musica sowie → Boethius, → Bern, Wilhelm von Hirsau, → Hermann von Reichenau und Guido von Arezzo. H¨ochst unsicher ist F.s Verfasserschaft des Spielregelbuchs Fortolfi Rythmimachia und des Liber de divinis officiis, bei dem er m¨oglicherweise nur als Schreiber agierte. ¨ Uberlieferung: Chronik: Jena, UB, Bose q. 19 (unvollst. Autograph F.s). – Karlsruhe, LB, cod. 98

2. H¨alfte 11. Jh. K 504, 187r–197v (nur die Jahre 1057–1101). – Breviarium: Mu¨ nchen, BSB, Clm 14965 b, 3v–29r ¨ (12. Jh.). – Zur Uberl. mehrerer F. nur unsicher zuzuschreibenden Werke vgl. Schmale 1980 (s. Lit.). Ausgaben: Chronik: Chronica. Hg. v. Georg Waitz. In: MGH SS 6. Hannover 1844, S. 33–211. – F.s und Ekkehards Chroniken und die anonyme Kaiserchronik (Ausgew¨ahlte Quellen zur dt. Gesch. des MA 15). Hg. v. Franz-Josef Schmale/Irene Schmale-Ott. Darmstadt 1972, S. 48–121. – Vgl. auch die Ausg. zu Ekkehard von Aura. – Eine Neuausg. als MGH SS 33 ist angek¨undigt. – Breviarium: Frutolfi Breviarium de musica et Tonarius (Sb. der Akad. der Wiss. in Wien, phil.-hist. Kl. 188,2). Hg. v. C¨olestin Vivell. Wien 1919. – M¨unchen, Bayerische Staatsbibl., Clm 14965b. The Tonary of Frutolf of Michelsberg. Hg. v. Rebecca Maloy. Ottawa 2006 (Faks.-Ausg.). ¨ Ubersetzungen: Die Chronik des Ekkehard ¨ von Aura. Hg. v. Wilhelm Wattenbach. Ubers. v. Wilhelm Pfl¨uger. Leipzig 1879. 21941 (basiert auf Waitz’ MGH-Edition v. 1844; s. Ausg.). – Schmale/Schmale-Ott 1972 (s. Ausg.) S. 49–121. Literatur: Manitius 3 (1931) S. 350–361. – Irene Schmale-Ott, NDB 5 (1961) S. 671 f. – Franz-Josef Schmale, VL2 2 (1980) Sp. 993–998; 11 (2004) Sp. 470. – Guibert Michiels, DHGE 19 (1981) Sp. 246. – Ders./Hans Schmid, LexMA 4 (1989) Sp. 1002 f. – Friedrich W. Bautz, BBKL 2 (1990) Sp. 147. – I. Schmale-Ott, LThK3 4 (1995) Sp. 213. – C. Vivell: Vom unedierten Tonarius des Mo¨ nches F. In: Sammelb¨ande der internationalen Musik- Ges. 14 (1912/13) S. 463–484. – Ders.: Das ‹Breviarium de musica› des Mo¨ nches F. v. M. In: Stud. und Mitt. zur Gesch. des Benediktinerordens und seiner Zweige 34, NF 2 (1913) S. 413–423. – Bruno St¨ablein: F. v. M. als Musiker. In: Fr¨ankische Bll. 5 (1953) S. 57–60 (wieder in: Ders.: Musik und Gesch. im MA. Gesammelte Aufs¨atze [GAG 344]. Hg. v. Horst Brunner. G¨oppingen 1984, S. 45–54). – Anna-Dorothee v. den Brincken: Stud. zur lat. Weltchronistik bis in das Zeitalter Ottos v. Freising. D¨usseldorf 1957, S. 187–192. – Emil E. Ploss: Bamberg und die dt. Lit. des 11. und 12. Jh. In: Jb. f¨ur fr¨ankische Landesforschung 19 (1959) S. 275–302. – F.-J. Schmale: Zur Abfassungszeit von F.s Weltchron. In: Ber. des Hist. Ver. f¨ur die Pflege der Gesch. des ehemaligen F¨urstbistums Bamberg ¨ 102 (1966) S. 81–87. – Ders.: Uberlieferungskritik und Editionsprinzipien der Chron. E.s v. A. In: DA 99

Frutolf von Michelsberg 27 (1971) S. 110–134. – Deutschlands Geschichtsquellen im MA 3. Neuausg. hg. v. F.-J. Schmale. Wien u. a. 1971, S. 89*, 144*, 149* f. – Anneke Beitske Mulder-Bakker: Vorstenschool. Vier geschiedenisschrijvers over Alexander en hun visie op het keizerschap. Groningen 1983, S. 57–110. – Otto Gschwantler: F. v. M. und die Heldensage. In: Philol. Unters. FS Elfriede Stutz. Hg. v. Alfred Ebenbauer. Wien 1984, S. 196–211. – Alain J. Stoclet: Zur politisch-religi¨osen Tendenz der Chron. F.s v. M. In: DA 40 (1984) S. 200–209. – Karl Schmid: F.s Ber. zum Jahr 1077 oder der R¨uckzug Rudolfs v. Schwaben. In: Historiographia Mediaevalis. Stud. zur Geschichtsschreibung und Quellenkunde des MA. FS Franz-Josef Schmale. Hg. v. Dieter Berg/Hans-Werner Goetz. Darmstadt ¨ 1988, S. 181–198. – Michael Bernhard: Zur Uberl. des 11. Kapitels in F.s ‹Breviarium›. In: Quellen und Stud. zur Musiktheorie des MA 1. Hg. v. dems. Mu¨ nchen 1990, S. 37–68. – Wanda Gawlowska: Alexandre le Grand dans l’oeuvre ‹Chronicon Universale› de F. de M. In: Balkan Studies 31 (1990) S. 51–56. – Dies.: ‹Excerptum de vita Alexandri Magni› F.s v. M. in den Manuskriptslg. der Nationalbibl. in Warszawa. In: ebd. 33 (1992) S. 197–201. – K. Schmid: Die Salier als Kaiserdynastie. Zugleich ein Beitr. zur Bildausstattung der Chron. F.s und Ekkehards. In: Iconologia sacra. FS Karl Hauck. Hg. v. Hagen Keller. Berlin u. a. 1994, S. 461–495. – Hans-Werner Goetz: Der erste Kreuzzug im Spiegel der dt. Geschichtsschreibung. In: Auslandsbeziehungen unter den salischen Kaisern. Geistige Auseinandersetzung und Politik. Referate und Aussprachen der Arbeitstagung vom 22.–24. November 1990 in Speyer. Hg. v. Franz Staab. Speyer 1994, S. 139–162. – Christian Lohmer: 150 Jahre Edition der Chron. des F. v. M. In: Zur Gesch. und Arbeit der MGH. Ausstellung anl¨aßlich des 41. Dt. Historikertages M¨unchen, 17.–20. September 1996. Bearb. v. Alfred Gawlik. Mu¨ nchen 1996, S. 44–58. – F.-J. Schmale: F. v. M. († 1103). Weltchronik. In: Hauptwerke der Geschichtsschreibung. Hg. v. Volker Reinhardt. Stuttgart 1997, S. 203–206. – R. Maloy: The Role of Notation in F. of M.’s Tonary. In: Journal of Musicology 19 (2002) S. 641–693. – Katharina Heyden: Der Jenaer Autograph der Chron. des F. v. Bamberg mit der Fortsetzung des Ekkehard v. Aura. In: WeltZeit. Christliche Weltchronistik aus zwei Jahrtausenden in Best¨anden der Th¨uringer ULB Jena. 100

Ekkehard von Aura Hg. v. Martin Wallraff. Berlin 2005, S. 81–89. – Claudia A. Meier: Chronicon pictum. Von den Anf¨angen der Chron.illustration zu den narrativen Bilderzyklen in den Weltchron. des hohen MA. Mainz 2005, S. 21–46. – Fabian Schwarzbauer: Ge¨ schichtszeit. Uber Zeitvorstellungen in den Universalchron. F.s v. M., Honorius’ Augustodunensis und Ottos v. Freising. Berlin 2005. – H.-W. Goetz: Geschichtsbewusstsein und Fr¨uhscholastik in der sp¨atsalischen und fru¨ hstaufischen Weltchronistik. In: Vom Umbruch zur Erneuerung? Das 11. und beginnende 12. Jh. Positionen der Forschung [...]. Hg. v. J¨org Jarnut u. a. M¨unchen 2006, S. 197–218. – Ders.: Der Umgang mit der Gesch. in der lat. Weltchronistik des hohen MA. In: Julius Africanus und die christliche Weltchron. Hg. v. Martin Wallraff- Berlin u. a. 2006, S. 179–205. MM Reginhard von Siegburg OSB, † 4.11.1105 Kloster Siegburg/Niederrhein. – Abt, Verfasser einer lat. Vita Annos II. R. war von 1076 bis zu seinem Tod zweiter Abt des Klosters Siegburg, das vom K¨olner Erzbischof Anno II. († 1075) gegr¨undet worden war. Um 1075–85 verfasste er eine Anno-Vita. Laut Auskunft des anonymen Verfassers einer weiteren, kurz vor R.s Tod geschriebenen Vita Annonis stellte R. diesem seine Schrift als «forma scribendorum» zur Verf¨ugung. R.s Werk ist zwar nur fragmentarisch u¨ berliefert, doch legt ein Brief des Magisters Meinhard von Bamberg nahe, dass es sich urspr¨unglich um eine vollst¨andige Lebensbeschreibung gehandelt hat. Erhalten sind einige Abschnitte zur Heilung eines wassersu¨ chtigen Knaben und ein nahezu vollst¨andiges Kapitel u¨ ber Annos letzte Krankheit und seinen Tod. Das Kapitel unterscheidet sich nicht wesentlich von der Darstellung desselben Stoffes in der Anno-Vita aus den Annalen → Lamperts von Hersfeld. Dem Dichter des → Annoliedes dienten beide Texte zur Vorlage. R.s Vita Annonis hat dieser aber offensichtlich nur f¨ur die Strophen 40 und 41 herangezogen, w¨ahrend er ansonsten Lampert folgte. ¨ Uberlieferung: Wissenschaftl. StB Soest, Fragm. 124, 1 Pergamentdoppelbl. (erste H¨alfte 13. Jh.). Ausgabe: Norbert Eickermann: Zwei Soester Fragmente aus R.s verlorener Vita Annonis. In: Soester Zs. 88 (1976) S. 5–27. 101

1. H¨alfte 12. Jh. Literatur: Heinz Thomas, VL2 7 (1989) Sp. 1114 f. – Carl Erdmann: Die Briefe Meinhards v. Bamberg. In: Neues Arch. der Ges. f¨ur a¨ ltere dt. Geschichtskunde 49 (1932) S. 332–432, hier S. 349. – Dieter L¨uck: Die Vita Annonis und die Annalen des Lampert v. Hersfeld. In: Rheinische Vierteljahrsbll. 37 (1973) S. 117–140. – Rudolf Schieffer: Ein Quellenfund zu Anno v. K¨oln. In: Dt. Arch. f¨ur Erforsch. des MA 34 (1978) S. 202–213. – Tilman Struve: R. v. S. und Lampert v. Hersfeld. In: Rheinische Vierteljahrsbll. 42 (1978) S. 128–160. – H. Thomas: Ein Quellenfund zum Annolied. Die Fragm. v. R.s Vita Annonis. In: ZfdPh 97 (1978) S. 403–414. – Stephanie Cou´e: Hagiographie im Kontext. Schreibanlaß und Funktion von Bischofsviten aus dem 11. und vom Anfang des 12. Jh. (Arbeiten zur Fr¨uhMAforsch. 24). Berlin/New York 1997, S. 146–148, 166–170. – Uta Kleine: Gesta, Fama, Scripta. Rheinische Mirakel des HochMA zwischen Geschichtsdeutung, Erz¨ahlung und sozialer Praxis (Beitr. zur Hagiographie 7). Stuttgart 2007, S. 159–188. VZ Ekkehard von Aura (Eccardus de Uraugia) OSB, † ein 23.1. nach 1125. – Chronist. E. stammte wahrscheinlich aus einer Familie obd. Edelfreier, die mit den bayerischen Aribonen identisch oder zumindest verwandt gewesen sein k¨onnte. M¨oglicherweise war E. zun¨achst Domherr und Magister in Worms. 1101/02 z¨ahlte er zu den Teilnehmern des Kreuzzugs von Herzog Welf I. von Bayern. Auf der R¨uckreise 1102 weilte er auf der Lateransynode in Rom. Sp¨atestens im selben Jahr wurde E. Benediktinerm¨onch. Als sein Heimatkloster wird heute meist Tegernsee angenommen, allerdings ist E. 1105 auch im Kloster Michelsberg/Bamberg nachgewiesen. E. bewegte sich im Umfeld des sp¨ateren Kaisers Heinrich V. und nahm 1105 an der Synode von Nordhausen/Th¨uringen teil. 1106 reiste er mit Bischof Otto I. von Bamberg nach Rom und war Gesandter Heinrichs V. auf der Synode von Guastalla. Nach Ottos Gr¨undung des Klosters Aura an der Saale 1108 wurde E. dort Abt. Vor der Weihe des Klosters (1113) lebte er aber wohl meist im W¨urzburger Burchardskloster. Wie sich aus seinem Werk erschließen l¨asst, war er ein Anh¨anger der Hirsauer Reform und Gegner von Heinrich IV., w¨ahrend er Heinrich V. lange unterst¨utzte. Von Bedeutung ist E. prim¨ar als Bearbeiter der lat. Chronik des → Frutolf von Michelsberg, die 102

1. H¨alfte 12. Jh. er bis 1125 fortsetzte. E. begann um 1105 mit der Arbeit an diesem Werk, indem er in Frutolfs Autograph dessen Berichte f¨ur 1098–1106 teils ersetzte, teils erg¨anzte. Wahrscheinlich wollte E. vor allem die Kreuzzugs-Schilderungen aus eigener Anschauung verbessern. Diese erste Rezension der Chronik ist als Autograph E.s erhalten. Eine zweite, 1107 an Heinrich V. u¨ bergebene Rezension ist nachtr¨aglich erschließbar, doch verloren. Heute nicht mehr generell E. zugeschrieben wird die sog. Kaiserchronik, die auf Grundlage der zweiten Rezension 1113 m¨oglicherweise von einem anderen Autor verfasst wurde. Die Forschung ist hier allerdings nicht einheitlicher Meinung. Sicher diente die Kaiserchronik neben der Weltchronik des → Sigebert von Gembloux als Quelle f¨ur die um 1114–17 entstandene, dritte Rezension. Diese wurde f¨ur Erkembert von Corvey verfasst, reichte bis 1116 und teilte die Chronik in f¨unf B¨ucher ein. Die Kreuzzugs-Darstellung ist darin unter dem Titel Hierosolymita in einen eigenen Anhang verschoben. Nach 1116 arbeitete E. dann weiterhin an der Chronik und erweiterte sie zu einer bis 1125 reichenden, vierten Rezension. Die dritte und vierte Rezension des Werks sind in zahlreichen Handschriften u¨ berliefert. Lange f¨alschlich Burchard von Ursberg und Konrad von Lichtenau zugeschrieben, erlangte die Chronik im MA enorme Verbreitung. Sie wirkte u. a. auf → Otto von Freising, Arnold von Berge und Nienburg, Hermann von Niederaltaich, → Helmold von Bosau, → Burchard von Ursberg, die Chronica regia Coloniensis sowie die P¨ohlder und Pegauer Annalen. Obwohl sie sprachlich keineswegs herausragend ist, entwickelte sich die Chronik so zu einem Standardwerk ihrer Epoche. E. gilt heute auch als Verfasser einer Vita Burchardi, die fr¨uher einem Engelhard zugeschrieben wurde. Das Werk entstand wohl um 1108–13, sicher aber vor 1130. In lat. Sprache behandelt es das Leben des W¨urzburger Abts Pilgrim von St. Burchard auf der Basis heute verlorener Quellen. Weitere m¨ogliche Werke E.s sind nicht sicher nachweisbar (Laterna Monachorum, Predigten). ¨ ¨ Uberlieferung: Chronica: Uberl. in zahlr. Hss. des 12. bis 16. Jh., darunter ein Autograph Frutolfs. Verz. bei Schmale 1972 (s. Ausg.) S. 32–38. – Vita ¨ Burchardi: Verz. der lat. Uberl. bei Schmale 1980 (s. Lit.) Sp. 446. Ausgaben: Chronica: Chronica. Hg. v. Georg Waitz. In: MGH SS 6. Hannover 1844, S. 1–267. – Ekkehardi uraugiensis abbatis Hierosolymita. Nach 103

Ekkehard von Aura der Waitz’schen Recension mit Erl¨auterungen und einem Anhange. Hg. v. Heinrich Hagenmeyer. T¨ubingen 1877. – Hugonis Abbatis Flaviniacensis, Ekkehardi Uraugiensis Chronica (PL 154). Hg. v. Jacques-Paul Migne. Paris 1881. Nachdr. Turnhout 1997. – E. abbatis Uraugiensis Hierosolymita. Hg. v. Paul Riant. In: Recueil des Historiens des Croisades – Historiens occidentales 5 (1895) S. 1–40. – Frutolfs und Ekkehards Chroniken und die anonyme Kaiserchronik (Ausgew¨ahlte Quellen zur dt. Gesch. des MA 15). Hg. v. Franz-Josef Schmale. Darmstadt 1972. – Chronicon universale. Hg. v. MGH. M¨unchen [o. J.] (Online-Faks. einer Leipziger Hs.; http://www.mgh-bibliothek.de/cgibin/chronuniv.pl?seite=1). – Vita Burchardi: Lat. Ausg. bei Schmale 1980 (s. Lit.) Sp. 446. ¨ Ubersetzungen: Die Chron. des Ekkehard von ¨ Aura. Hg. v. Wilhelm Wattenbach. Ubers. v. Wilhelm Pfl¨uger. Leipzig 1879. 21941 (basiert auf Waitz’ MGH-Edition v. 1844; s. Ausg.). Literatur: Manitius 3 (1931) S. 350. – Joachim Leuschner, NDB 4 (1959) S. 431 f. – Wilhelm Fink, DGHE 14 (1960) Sp. 1380 f. – Franz-Josef Schmale, VL2 2 (1980) Sp. 443–447; 11 (2004) Sp. 400. – Ders., LexMA 3 (1986) Sp. 1765 f. – Friedrich Wilhelm Bautz, BBKL 1 (1990) Sp. 1484. – Irene Schmale-Ott, LThK3 3 (1995) Sp. 566 f. – Karl Gold: Einheitliche Anschauung und Abfassung der Chron. E.s v. A. nachgewiesen auf Grund der Zeitanschauungen. Anklam 1916. – I. Schmale-Ott: Die Rezension C der Weltchron. E.s. In: DA 12 (1956) S. 363–387. – F.-J. Schmale: Die Glaubw¨urdigkeit der j¨ungeren Vita Burchardi. Anm. zur Fr¨uhgesch. v. Stadt und Bistum W¨urzburg. In: Jb. f¨ur fr¨ankische Landesforschung 19 (1959) S. 45–84. – Romuald Bauerreiss: E. v. A. als Verf. des ‹Spiel vom Antichrist›. In: Stud. und Mitt. zur Gesch. des Benediktinerordens und seiner Zweige 73 (1962) S. 41–53. – F.-J. Schmale: Zur Abfassungszeit von Frutolfs Weltchron. In: Ber. des Hist. Ver. f¨ur die Pflege der Gesch. des ehemaligen F¨urstbistums Bamberg 102 (1966) S. 81–87. – ¨ Ders.: Uberlieferungskritik und Editionsprinzipien der Chron. E.s v. A. In: DA 27 (1971) S. 110–134. – Deutschlands Geschichtsquellen im MA. Bd. 3. Neuausg. hg. v. F.-J. Schmale. Wien u. a. 1971, S. 152*–155*. – I. Schmale-Ott: Unters. zu E. v. A. und zur Kaiserchron. In: Zs. f¨ur Bayerische Landesgesch. 34 (1971) S. 403–461. – Repertorium fontium historiae medii aevi. Bd. 4. Hg. Istituto Storico Italiano per il Medio Evo. Rom 1976, S. 305. – 104

Robertus Monachus Thomas Frenz: E. v. A. († 1126). In: Fr¨ankische Lebensbilder. Bd. 11. Neustadt/Aisch 1984, S. 1–10. – Ilse Haari-Oberg: Die Wirkungsgesch. der Trierer Gr¨undungssage vom 10. bis 15. Jh. (Europ¨aische Hochschulschr. 3,607). Bern u. a. 1994, S. 45 f. – Karl Schmid: Die Salier als Kaiserdynastie. Zugleich ein Beitr. zur Bildausstattung der Chron. Frutolfs und E.s. In: Iconologia sacra. FS Karl Hauck. Hg. v. Hagen Keller. Berlin u. a. 1994, S. 461–495. – Alfredo Cocci: La liberazione di Gerusalemme nel Libello ‹Hierosolymita› (1116/17) di E. di A. In: Verso Gerusalemme. II Convegno Internazionale nel IX centenario della I Crociata (1099–1999) (Bari, 11–13 gennaio 1999). Hg. v. Franco Cardini u. a. Galatina 1999, S. 99–109. – Uta Goerlitz: Humanismus und Geschichtsschreibung am Mittelrhein. Das ‹Chronicon urbis et ecclesiae Maguntinensis› des Hermannus Piscator OSB. T¨ubingen 1999, S. 216–223. – E. v. A. Hg. v. Werner Eberth. Bad Kissingen 2005. – Katharina Heyden: Der Jenaer Autograph der Chron. des Frutolf v. Bamberg mit der Fortsetzung des E. v. A. In: WeltZeit. Christliche Weltchronistik aus zwei Jahrtausenden in Best¨anden der Th¨uringer ULB Jena. Hg. v. Martin Wallraff. Berlin 2005, S. 81–89. – Claudia A. Meier: Chronicon pictum. Von den Anf¨angen der Chronikillustration zu den narrativen Bilderzyklen in den Weltchron. des hohen MA. Mainz 2005, S. 21–46. – J¨urgen Petersohn: Die Kiliansund Burkardsviten des fr¨uhen und hohen MA. Neue Erkenntnisse und Sichtweisen. In: W¨urzburger Di¨ozesangeschichtsbll. 70 (2008) S. 13–44. MM Robertus Monachus (R. Remensis, de Sancto Remigio; Robert von St. Remi/Reims) OSB. – M¨onch, Verfasser einer lat. Kreuzzugschronik, ¨ fr¨uhes 12. Jh.; dt. Ubersetzungen 15./16. Jh. R. war M¨onch im Kloster St. Remigius in Reims und nahm 1095 an der Synode von Clermont teil. Um 1107/08 verfasste er eine Chronik des ersten Kreuzzugs, die Historia Hierosolymitana (auch Hierosolymitana Expeditio). Identifikationsversuche R.s mit dem gleichnamigen, 1096/97 exkommunizierten Abt des Klosters sind nicht verifiziert. Die Prosachronik (mit gelegentlichen ¨ Hexameter-Einsprengseln) ist eine Uberarbeitung der Gesta Francorum mit Zus¨atzen, die von anderen Kreuzzugschroniken herr¨uhren d¨urften. Anhand seiner Quellen entwickelt R. in seiner literarisch kunstfertigen Chronik eine koh¨arente Kreuz105

1. H¨alfte 12. Jh. zugstheologie, indem er anhand zahlreicher Bibelzitate die Ereignisse weltlicher «historia» als wahr im heilsgeschichtlichen Sinne ausweist. Gegen¨uber den tagebuchartigen Gesta zeigt R.s Bearbeitung dabei fast romanartige Zu¨ ge. Andererseits offenbaren die Orts- und Lagebeschreibungen sowie die exakte Nachzeichnung der Wegstrecke des Kreuzzugs das ausgepr¨agte geographische Interesse R.s. Mit rund 100 handschriftlichen lat. Textzeugen vom 12. bis zum 16. Jh. (Erstdruck 1470) ist die Historia die popul¨arste ma. Kreuzzugschronik. Zahlreichen Bearbeitungen diente R.s Werk als Vorlage, darunter die Versifikation des Metellus von ¨ Tegernsee. Ubersetzt wurde das Werk nicht nur ins Deutsche, sondern auch ins Niederl¨andische und Italienische. Die im Sp¨atMA reich bezeugten ¨ Ubersetzungen sind gewiss auch aus dem Kontext der T¨urkenkriege heraus zu bewerten, werden aber gleichsam getragen vom gestiegenen Interesse an weltlicher und religi¨os-erbaulicher Reiseliteratur. Daher verwundert es nicht, dass die beiden Hand¨ schriften mit der a¨ltesten dt. Ubersetzung von der ¨ Reise Jean de → Mandevilles in der Ubertragung Ottos von Diemeringen er¨offnet werden. ¨ Insgesamt gibt es f¨unf dt. Ubersetzungen. Die a¨ ltesten beiden aus dem fr¨uhen 15. Jh. bzw. der ersten H¨alfte des 15. Jh. sind anonym. 1466 wurde ¨ eine dritte Ubersetzung von Peter → Eschenloher abgeschlossen, die vierte (um 1470) wird Heinrich ¨ → Steinh¨owel zugeschrieben. Die j¨ungste Ubersetzung erschien im Reyßbuch Sigmund Feyerabends. Das Konzept R.s – in Abgrenzung von den Gesta –, den 1. Kreuzzung als gemeinsamen Plan und gemeinsames Vorgehen aller beteiligten ¨ F¨ursten zu pr¨asentieren, wird von den Ubersetzungen in der Regel modifiziert, indem sie einzelne F¨ursten (zum Teil schon im Titel) exponieren. ¨ ¨ ¨ Uberlieferung (dt.): Alteste Ubersetzung: W¨urzburg, UB, M. ch. f. 38, 157r–297r (erste H¨alfte 15. Jh., rheinfr¨ankisch); Titel: «Uzr¨ustunge dez herczaugen Gotfrides von Bullion». – Wiesbaden, Hauptstaatsarch., Abt. 3004 Nr. B 25, 80r–145r (Pap., erste H¨alfte 15. Jh., rheinfr¨ankisch). – ¨ Zweite Ubersetzung: St. Gallen, Stiftsbibl., Cod. 658, S. 1–163 (Pap., 1465, alemannisch). – M¨unchen, BSB, Cgm 224, 82r–145r (Pap., zweite H¨alfte 15. Jh., mittelbair. nach vermutlich schw¨abischer ¨ Vorlage). – Ubersetzung Eschenlohers: Breslau, UB, Cod. IV F 105, 85r–154r (Pap., 1530/45); auf Bl. 154r: 154r: «Czu ere vnd auss befele der ersamen herren der stat Breslaw sein dise vorgeschriebenn zwo Historia [...] auss Latein yhn Deutsch 106

1. H¨alfte 12. Jh. brocht worden, durch mich Petrum Eschenloer von N¨urnnbergk, der 7 freien kunst Magister vnd statschreiber der stat Breslaw Anno 1466». – Prag, Graf Nostitzsche Majoratsbibl., Ms. d 6 (olim 228 i), 68r–121r (Pap., letztes Drittel 15. Jh., ostmitteldt.). – Beide Hss. enthalten auch Eschenlo¨ hers Ubersetzung der «Historia Bohemica» des Aeneas Silvius → Piccolomini. – Steinh¨owel zugeschrie¨ bene Ubersetzung: Frankfurt/M., UB, Ms. germ. qu. 111, 75ra–174rb (Pap., 1464, schw¨abisch). – London, British Library, Ms. Add. 22622, 1r–80r (Pap., 1470, bair.). – Mu¨ nchen, BSB, Cgm 252, 191r–201v (Pap., 1455–77, geschrieben v. Konrad Bollstatter in Augsburg, ostschw¨abisch; Exzerpt). – Drucke: Augsburg (Johann B¨amler) 1482 (GW M38384). – Augsburg (Lukas Zeissenmair) 1502 (VD16 R 2682). Titel: «Hertzog Gotfrid wie er wider die T¨urgen vnd hayden gestritten vnd dz ¨ heylig Grab gew¯unen hat». – J¨ungste Ubersetzung: gedruckt in: Sigmund Feyerabend: Reyßbuch deß heyligen Lands [...]. Frankfurt/M., 1584 (und weitere Auflagen) (VD16 F 902). Ausgaben: Lat.: Roberti Monachi historia Iherosolimitana. In: Recueil des historiens des croisades 1.3: Historiens Occidentaux 3 (1866) ¨ ¨ S. 717–882. – Alteste Ubersetzung: Barbara Haupt: ¨ Historia Hierosolymitana v. R. M. in dt. Ubers. (Beitr. zur Lit. des XV. bis XVIII. Jh. 3). Wiesbaden 1972, S. 1–214 (Abdruck Wu¨ rzburg, UB, ¨ M. ch. f. 38). – Zweite Ubersetzung: Fuchs (s. Lit.) S. 56–153 (Ausz¨uge). ¨ Ubersetzungen (des lat. Textes): Fran¸cois Guizot: Robert le Moine. Histoire de la premi`ere croisade. Paris 1825. Nachdr. 2004. – Carol Sweetenham: Robert the Monk’s history of the First crusade (Crusade texts in translation 11). Aldershot u. a. 2005, S. 75–223. Literatur: Manitius 1 (1911) S. 424. – Barbara Haupt, VL2 8 (1992) Sp. 115–117. – Alfons Becker, LThK3 8 (1993) Sp.1224 (Robert v. Reims). – Pascale Bourgain, LexMA 7 (1995) Sp. 918 f. – C. Sweetenham, Encyclopedia of the Medieval Chronicle 2 (2010) S. 1287 (Robert the Monk). – Friedrich Traugott Friedemann: Ungedruckte mhd. Gedichte. In: Zs. f¨ur die Arch. Deutschlands 1 (1874) S. 73 f. – Georg Marquardt: Die Historia Hierosolymitana des R. M. Ein quellenkrit. Beitr. zur Gesch. des ersten Kreuzzugs. Diss. K¨onigsberg 1892. – Friedrich Kraft: Heinrich Steinh¨owels Verdeutschung der Historia Hierosolymitana des R. M. Eine literaturhist. Unters. (Quellen und Forsch. 107

Merigarto zur Sprach- und Culturgesch. der germ. V¨olker 96). Straßburg 1905. – Hans Thurn: Die Hss. des W¨urzburger Dominikanerkonvents in der UB W¨urzburg. In: W¨urzburger Di¨ozesangeschichtsbll. 29 (1967) S. 5–87, hier S. 44 f. – Haupt (s. Ausg.) ¨ S. 217–348. – Stephan Fuchs: Die St. Galler Ubersetzung der ‹Historia Hierosolymitana› des R. M. Magisterarbeit Frankfurt/M. 1990. – Marcus Bull: The Capetian Monarchy and the Early Crusade Movement: Hugh of Vermandois and Louis VII. In: Nottingham Medieval Studies 40 (1996) S. 25–46. – Thomas Martin Buck: Von der Kreuzzugsgesch. zum Reisebuch. Zur Historia Hierosolymitana des R. M. In: DVjs 76 (2002) S. 321–355. – Repertorium fontium historiae medii aevi 10 (2004) ¨ S. 161–163. – C. Sweetenham (s. Ubers.) S. 1–75. VZ Merigarto. – Geographische Dichtung. Der anonym in 211 Versen fragmentarisch u¨ berlieferte ahd. Text handelt im ersten Teil von der Trennung zwischen Land sowie Meer und den verschiedenen Eigenschaften der Weltmeere und -gew¨asser (Rotes Meer, das «Lebermeer» = Nordatlantik). Es folgen n¨ahere Ausf¨uhrungen u¨ ber Island, wo es so kalt w¨are, dass die Menschen sich mit einem zum Gl¨uhen gebrachten Eiskristall Nahrung und Wohnst¨atten erw¨armen w¨urden. Danach fehlen wahrscheinlich mehrere Bl¨atter einer oder mehrerer Lagen. Der Text setzt wieder ein mit einem Bericht u¨ ber verschiedene Wunder wirkende Gew¨asser und Quellen (Brunnen) in der Toscana, bei Rom, Nordafrika («morlant», V. 50), Kampanien, Sizilien, Edom (su¨ dlich des Toten Meeres) und Sardinien. Die Funktion des Textes sah Maurer in einer «Merkdichtung», Voorwinden (S. 104) in der «Verherrlichung der Sch¨opfung Gottes». Die Dichtung tr¨agt in unregelm¨aßigen Abst¨anden rote Initialen, die Sinnabschnitte gliedern und als Strophenanf¨ange verstanden werden k¨onnen (vgl. die Ausgaben). Zwischen V. 20 und 21, 33 ¨ und 34 sowie 49 und 50 sind lat. Uberschriften eingef¨ugt. Die Reime sind primitiv, die Verse abgesetzt. Hoffmann und Wipf drucken Kurzzeilen, Braune/Ebbinghaus, Maurer und Voorwinden Langzeilen, wobei letzterer gegen Maurer 34 statt 35 Strophen z¨ahlt. Der Titel Merigarto geht auf Hoffmann zur¨uck, der das Fragment in Prag aufsp¨urte, und bedeutet das «vom Meer umgebene Land». Der Verfasser berichtet, er habe die Informationen u¨ ber Island 108

Albert von Aachen von einem weisen Mann «Reginpreht» (V. 59) in Utrecht erhalten, wo er sich als Fl¨uchtling aufhielt, da in der Heimat ein Krieg zwischen zwei Bisch¨ofen getobt h¨atte. Dieses historische Detail hat Anlass zu Spekulationen u¨ ber die Entstehungszeit des Textes gegeben. In Utrecht l¨asst sich kein in Frage kommender Bischof Reginbert (vgl. die ¨ Uberschrift nach V. 49: «De Reginperto episcopo») in Utrecht nachweisen, weshalb Eis den Passauer Reginbert von Hagenau und Heide vorschl¨agt, die Nennung Utrechts daf¨ur ignoriert. Da dieser aber erst 1138 Bischof wurde, muss die Rubrik sp¨ater erg¨anzt worden sein. 1063 wird in den Utrechter Bischofsakten ein Abt Reginbert von Echternach erw¨ahnt, den Voorwinden f¨ur den Informanten h¨alt. Die Entstehungszeit w¨are demnach um 1070 zu bestimmen. ¨ Uberlieferung: Donaueschingen, F¨urstl. F¨urstenberg. Hofbibl., Sign. A III 57, 2 Bll. (Perg., erstes Viertel 12. Jh. [Bischoff, vgl. R¨adle, Sp. 404], bair.). Ausgaben: Merigarto. Bruchst¨uck eines bisher unbekannten dt. Gedichtes aus dem XI. Jh. mit einem Facsimile hg. von Hoffmann von Fallersleben. Prag 1834. – Karl M¨ullenhoff/Wilhelm Scherer (Hg.): Denkm¨aler dt. Prosa. 2 Bde. Berlin 1892, Nr. XXXII. – Wilhelm Braune: Ahd. Lesebuch. Fortgef. v. Karl Helm. Bearb. v. Ernst A. Ebbinghaus. T¨ubingen 1962, Nr. XLI (zit.). – Friedrich Maurer (Hg.): Die religi¨osen Dichtungen des 11. und 12. Jh. Bd. 1. T¨ubingen 1964, S. 65–75. – Norbert Voorwinden: M. Eine philologisch-hist. Monographie. Leiden 1973 (Germ.-Anglistische Reihe der Univ. Leiden 11) (mit Abdruck), S. 23–28, 29–32, 127–137. – Ahd. poetische Texte. Ausgew., u¨ bers. und komm. v. Karl A. Wipf. Stuttgart 1992, S. 30–45, 256–258. Literatur: Fidel R¨adle, VL2 6 (1987) Sp. 403–406. – Voorwinden: M. (s. Ausg.). – Gerhard Eis: Zum M. In: PBB (T¨ub.) 82 (1960) S. 70–76 (wieder in: Ders.: Kleine Schr. zur altdt. weltl. Dichtung 1979, S. 71–78). – Johannes A. Huisman: Utrecht im M. In: PBB (T¨ub.) 87 (1965) S. 379–389. – Johann Kelle: Altdt. Hss. aus Prager Bibliotheken. II. F¨urstenbergische Bibl. In: Serapeum 29 (1868) S. 113–122, 129–140, hier S. 136–138. – Peter Assion: Altdt. Fachlit. (Grundlagen der Germanistik 13). Berlin 1973. – Voorwinden: Das Regensburger ‹M.›. In: AB¨aG 8 (1975) S. 21–31. – Brian Murdoch: Rez. zu Voorwinden (Ausg.). In: GLL 31 (1977/78) S. 208–210. – Heinz 109

1. H¨alfte 12. Jh. Endermann: M. – die erste geographische Darstellung in dt. Sprache. In: Wiss. Zs. der WilhelmPieck-Univ. Rostock 27 (1978) S. 99–104. – G. Cannata: Della suddivisione strofica di un poema del primo medio alto tedesco: M. In: Annali Istituto Universitario Orientale. Sez. germanica. Quaderni di Studi tedeschi 23 (1980) S. 147–157. – Ernst Hellgardt: Die deutschsprachigen Hss. im 11. und 12. Jh. Bestand und Charakteristik im chronologischen Aufriß. In: Dt. Hss. 1100–1400. Oxforder Kolloquium 1985. Hg. v. Volker Honemann/ Nigel F. Palmer. T¨ubingen 1988, S. 35–81, hier S. 61 (Nr. 101). – Gerhard Stamm: M. In: Unberechenbare Zinsen. Bewahrtes Kulturerbe. Kat. zur Ausstellung der vom Land Baden-Wu¨ rttemberg erworbenen Hss. der F¨urstl. F¨urstenbergischen Hofbibl. Hg. v. Felix Heinzer. Stuttgart 1993, S. 84 f. (Nr. 16). – N. F. Palmer: Manuscripts for reading: The material evidence for the use of manuscripts containing Middle High German narrative verse. In: Orality and Literacy in the Middle Ages. Essays on a Conjunction and its Consequences in Honour of D. H. Green. Hg. v. Mark Chinca/ Christopher Young. Turnhout 2005, S. 67–102, hier S. 96 (Nr. 45). – Ute Obhof: M. In: Canossa 1077 – Ersch¨utterung der Welt. Gesch., Kunst und Kultur am Anfang der Romanik. Bd. 2: Kat. Hg. v. Christoph Stiegemann/Matthias Wemhoff. M¨unchen 2006, S. 464 (Nr. 550). CS Albert von Aachen (A[da]lbertus od. Albericus Aquensis). – Kanoniker in Aachen, Verfasser einer lat. Kreuzzugschronik, erste H¨alfte 12. Jh. Die ausf¨uhrlichste zeitgen¨ossische Darstellung des ersten Kreuzzugs, die Historia Hierosolimitana, u¨ berliefern die a¨ltesten Textzeugen anonym. Seit dem fr¨uhen 13. Jh. wird sie auch, wenngleich nicht ausschließlich, mit dem Autornamen «Adalbertus canonicus et custos Aquinensis ecclesie» tradiert. ¨ Uber diesen A. ist nichts Weiteres bekannt, aber mit großer Wahrscheinlichkeit ist mit «Aquinensis» hier Aachen gemeint, wof¨ur regionale Kennt¨ nisse im Text und das Uberlieferungsgebiet deutlich sprechen. Die Historia d¨urfte zwischen 1100 und 1140 entstanden sein. Sie umfasst 12 B¨ucher, in deren ersten H¨alfte (I–VI,35) der Verlauf des 1. Kreuzuges sowie des vorausgegangenen Armenkreuzzuges geschildert wird. Der zweite Teil bietet die Geschichte des K¨onigreichs Jerusalem von 1099 bis 1111 (VI,36–XI). Das 12. Buch nimmt mit seiner 110

1. H¨alfte 12. Jh. eher summarischen und im Vergleich zum Rest sehr knappen Schilderung der Jahre 1111–19 eine Sonderstellung ein. Es bricht ohne einen erkennbar gestalteten Schluss ab. Der Prolog der Historia bezieht sich ausschließlich auf den ersten Teil, d¨urfte also vor der Niederschrift/Anf¨ugung der Jerusalemsgeschichte entstanden sein. In diesem bekennt A., leider nicht am Kreuzzug teilgenommen zu haben. Motivation zur Abfassung der Historia sei aber der Wunsch nach wenigstens geistiger Teilnahme gewesen. Das betr¨achtliche Material habe er, gem¨aß Prolog und weiterer Textstellen, vornehmlich durch Befragung von Augenzeugen gesammelt. Eine geschlossene schriftliche Vorlage zumindest f¨ur den ersten Teil ist in der Forschung diskutiert worden, konnte jedoch nicht nachgewiesen werden (z. B. die Gesta francorum oder eine verlorene lothringische Chronik, die auch Wilhelm von Tyrus zur Quelle gehabt haben k¨onnte; Wilhelm hat die Historia selbst nachweislich benutzt.). A.s Historia ist eine dezidiert dt. Interpretation des Kreuzzugs. Unter den f¨urstlichen Teilnehmern im Heer Gottfrieds von Bouillon werden die dt. Kreuzz¨ugler bei Weitem o¨ fter genannt als Vertreter anderer Nationen. Gottfried selbst wird als die von Gott bestimmte F¨uhrungsgestalt und als Ideal des ritterlichen Kreuzfahrers dargestellt. Eine besondere Stellung kommt der Historia innerhalb der Kreuzzugschronistik aufgrund ihrer literarischen Eigenart zu. In ihr dominiert die Darstellung einzelner Szenen und besonderer Vorf¨alle (K¨ampfe, Visionen, Wunder, Strapazen usw.). Mitunter wirkt sich diese darstellerische Tendenz negativ auf die Stringenz der Stoffgliederung aus, doch aufgrund der dadurch erlangten Vielfalt ist die Historia mehr als reine Historiographie, sondern gewinnt zudem den Charakter eines erz¨ahlerischen Werks. ¨ Uberlieferung: 13 Hss. (nicht alle vollst.), davon 6 aus dem 12. Jh. (¨alteste: Darmstadt, ULB, Hs. 102, vor der Mitte 12. Jh.; Biblioteca Apostolica Vaticana, Cod. Regin. lat. 509 vom Jahr 1158) und ein Fragment. – Vgl. Knoch (s. Lit.) S. 14–28. Ausgaben: Reinerus Reineccius: Chronicon Hierosolymitanum. Helmstedt 1584 (VD16 R 858). – Jaques Bongars: Gesta Dei Per Francos, Sive Orientalivm Expeditionvm, Et Regni Francorvm Hierosolimitani Historia [...] (VD17 3:656132C). Bd. 1. Hannover 1611, S. 184–381 (auch: PL 166 [1844] S. 387–716). – M. Paul Meyer: Recueil des historiens des croisades. Historiens occidentaux. 111

Albert von Aachen Bd. 4. Paris 1879, S. 265–713 (krit. Ausg. nach 4 Hss.). ¨ Ubersetzungen (Ausw.): Hermann Hefele: A. v. A. Gesch. des ersten Kreuzzuges. 2 Bde (Das Alte Reich 1 und 2). Jena 1923. – Susan B. Edgington: A. of. A. Historia Ierosolimitana. History of the journey to Jerusalem (Oxford Medieval Texts). Oxford u. a. 2007 (lat./engl.). Bibliographie: Hans Eberhard Mayer: Bibliogr. zur Gesch. der Kreuzz¨uge. Hannover 21965, Nr. 913. Literatur: Manitius 3 (1931) S. 426–428. – Franz-Josef Schmale, NDB 1 (1953) S. 133 f. – Franz Josef Worstbrock, VL2 1 (1978) Sp. 111–114. – Peter C. Jacobsen, LexMA 1 (1980) Sp. 286 f. – Rudolf Hiestand, LThK3 1 (1993) Sp. 329. – Wilfried Hartmann, RGG4 1 (1998) Sp. 267. – Heinrich v. Sybel: Gesch. des ersten Kreuzzuges. D¨usseldorf 1841, 21881, S. 62–107. – Friedrich Krebs: Zur Kritik A.s v. A. Alb. Auq. lib. I. U. II. M¨unster 1881. – Bernhard v. Kugler. A. v. A. Stuttgart 1885. – Fritz K¨uhn: Zur Kritik A. v. A.s. In: Neues Arch. der Ges. f¨ur a¨ ltere dt. Geschichtskunde 13 (1886) S. 543–558. – Peter Knoch: Stud. zu A. v. A. Der erste Kreuzzug in der dt. Chronistik (Stuttgarter Beitr. zur Gesch. und Politik 1). Stuttgart 1966. – Wilhelm Wattenbach/Robert Holtzmann: Deutschlands Geschichtsquellen im MA. Neuausg. besorgt v. FranzJosef Schmale. Bd. 2. Darmstadt 1967 (Neuausg. Essen-Kettwig 1991) S. 640 f. – Cola Minis: Stilelemente in der Kreuzzugschron. des A. v. A. und in der volkssprachl. Epik, besonders in der ‹Chanson de Roland›. In: Lit. und Sprache im europ¨aischen ¨ MA. FS Karl Langosch. Hg. v. Alf Onnerfors u. a. Darmstadt 1973, S. 356–363. – R. Hiestand: Il cronista medievale e il suo pubblico. Alcune osservazioni in margine alla storiografia delle crociate. In: Annali della facolta di lettere e filosofia dell’universita di Napoli 27 (1984/85) S. 207–227. – H. E. Mayer: Die Kreuzfahrerherrschaft Montr´eal ˇ obak). Jordanien im 12. Jh. (Abh. des Dt. Ver. (S¯ zur Erforschung Pal¨astinas 14). Wiesbaden 1990, S. 17–39 passim, 487 (Reg.). – Michael A. K¨ohler: Allianzen und Vertr¨age zwischen fr¨ankischen und islamischen Herrschern im Vorderen Orient. Eine Stud. u¨ ber das zwischenstaatliche Zusammenleben vom 12. bis ins 13. Jh. (Stud. zur Sprache, Gesch. und Kultur des islamischen Orients NF 12). Berlin u. a. 1991, S. 464 (Reg.) – P. C. Jacobsen: A. v. A. (1. H¨alfte 12. Jh.). Historia Hierosolimitana. 112

Cosmas von Prag In: Hauptwerke der Geschichtsschreibung. Hg. v. Volker Reinhardt. Stuttgart 1997, S. 6–10. VZ Cosmas von Prag, * um 1045 Prag, † 21.10.1125 Prag. – Theologe, Chronist. Die Lebensdaten C.’ sind weitgehend nur aus seinem Werk zu erschließen. Er stammte wohl aus einer Familie Prager Kleriker, besuchte Schulen in Prag und L¨uttich (um 1075–82/86), wo er von Magister Franko ausgebildet wurde. Anschließend Domherr in Prag, bewegt er sich im Umfeld der dortigen Bisch¨ofe. Er weilte vielleicht mit Bischof Gebhard-Jarom´ır auf der Reichssynode in Mainz und reiste 1091/92 mit Bischof Cosmas zur kaiserlichen Investitur nach Mantua sowie 1094 zur Weihe nach Mainz. 1099 war er mit Bischof Hermann in Gran, wo er zum Priester geweiht wurde. 1110 vertrat er das Prager Domkapitel bei Verhandlungen mit dem F¨ursten von M¨ahren. Zuletzt war C. Dekan in Prag. C. verfasste 1119–25 die lat. Chronica Boemorum in drei B¨uchern, von denen die B¨ucher I und II bis 1122 entstanden. Die drei B¨ucher sind jeweils mit Vorreden versehen und einem Magister Gervasius (I), dem Abt Clemens von Brewnow (II) sowie m¨oglicherweise einem Propst Severus (III) gewidmet. Der Berichtszeitraum reicht in Buch I bis zum Regierungsbeginn des Herzogs Bretislaw I. (1034), in Buch II bis zum Anfang der Amtszeit von Bretislaw II. (1092) und in Buch III bis zum Tod von Kaiser Heinrich V. (1125). C. stellt die b¨ohmische Geschichte als nach Regierungszeiten eingeteilte Herrschergeschichte dar, in der neben den F¨ursten nur Kaiser, P¨apste und Bisch¨ofe eine Rolle spielen. Gleichzeitig reicht C.’ Dynastiegeschichte vor allem in Buch I bis in den Bereich der Sage hinein – so behandelt er u. a. Bohemus, Libussa und Lucanen. Sp¨ater verarbeitet er eigene Erlebnisse ¨ und m¨undliche Uberlieferungen. Weitere Quellen C.s waren prim¨ar die Chronik des → Regino von Pr¨um und die Prager Annalen, außerdem Johannes Canaparius, Brun von Querfurt, Wenzelsviten und die Vita Lamberti des Stephan. Die historischen Angaben in der Chronica Boemorum sind manchmal unzuverl¨assig oder (absichtlich?) l¨uckenhaft. Jedoch besitzt C.’ Werk einen literarischen Anspruch, der in der Forschung bis heute als vorbildlich gilt. Die Reimprosa der Chronik ist lebhaft, ihre Anlage dramatisch. Neben Reden und Anekdoten sind auch Verse von antiken Autoren und von C. selbst in den Text eingestreut. 113

1. H¨alfte 12. Jh. Damit funktioniert die Chronik ebenso als Geschichtserz¨ahlung wie als annalistisches Werk. Ihre Bedeutung a¨ ußerte sich in mehreren Fortsetzungen und einer breiten Rezeption durch die b¨ohmische Chronistik des MA. ¨ ¨ Uberlieferung: Verz. der lat. Uberl. mit 15 Hss. bei Bretholz 1923 (s. Ausg.) S. XLV–LXXXV. – Vgl. auch Maria Wojciechowska: Ze studi´ow nad rekopisami Kosmasa. In: Sborn´ık historick´y 5 (1957) S. 5–20. Ausgaben: Cosmae Chronicon Boemorum cum continuatoribus. Hg. v. Josef Emler. Prag 1874. Nachdr. Hildesheim u. a. 2004. – Die Chron. der B¨ohmen des C. v. P. (MGH SS rer. Germ. NS 2). Hg. v. Berthold Bretholz. Berlin 1923. Nachdr. Mu¨ nchen 1980. – Cosmae libri III. usque ad a. 1125. Hg. v. Rudolf K¨opke. In: MGH SS 9. Hannover 1851 (Nachdr. Stuttgart 1983) S. 31–132. ¨ Ubersetzungen: Des Dekans C.s Chron. v, B¨ohmen. Hg. v. Georg Grandaur. Leipzig 1885. – Kosmasa Kronika Czech´ow. Hg. v. M. Wojciechowska. Warschau 1968. 22006. – Die Chron. B¨ohmens. Hg. v. Alexander Heine. 2 Bde. Essen u. a. 1987. – The Chronicle of the Czechs. Hg. v. Lisa Ann Wolverton. Washington 2009. Literatur: Peter Hilsch, VL2 2 (1980) Sp. 14–17. – Frantiˇsek Graus, LexMA 3 (1986) Sp. 300 f. – Peter Hilsch, BBKL 4 (1992) Sp. 543–545. – Ivan Hlav´acˇ ek, LThK3 6 (1997) Sp. 394. – Roger Aubert, DHGE 29 (2007) Sp. 705. – B. Bretholz: Stud. zu C. v. P. In: Neues Arch. der Ges. f¨ur a¨ ltere dt. Geschichtskunde 34 (1909) S. 653–679; 35 (1910) S. 677–704. – Ders.: Der Gang der Cosmasforschung. In: ebd. 45 (1924) S. 32–47. – Die Fortsetzungen des C. v. P. Hg. v. Georg Grandauer. Leipzig 1940. – Ferdinand Liewehr: Zur Betonung der tschechischen Eigennamen in der ‹Chronika Boemorum› des C. v. P. In: Wissenschaftliche Zs. der Univ. Greifswald 11 (1962) S. 352–354. – Wilhelm Wattenbach/FranzJosef Schmale: Deutschlands Geschichtsquellen im MA 1: Vom Tod Kaiser Heinrichs V. bis zum Ende des Interregnums. Darmstadt 1976, S. 803–809. – Josef Bujnoch: Gallus Anonymous und C. v. P. Zwei Geschichtsschreiber und Zeitgenossen. In: Osteuropa in Gesch. und Gegenwart. FS G¨unther St¨okl. Hg. v. Hans Lemberg u. a. K¨oln u. a. 1977, S. 301–315. – P. Hilsch: Herzog, Bischof und Kaiser bei C. v. P. In: Geschichtsschreibung und geistiges Leben im MA. FS Heinz L¨owe. Hg. v. Karl Hauck/ 114

1. H¨alfte 12. Jh.

Wolfger von Prufening ¨ / Anonymus Melleicensis

Hubert Mordek. K¨oln 1978, S. 356–372. – Roderich Schmidt: ‹Esores asini›. Der Spottname der Schlesier, seine Bedeutung bei Konrad Celtis und die Erz¨ahlung vom Eselessen der B¨ohmen bei C. v. P. In: Zs. f¨ur Ostforschung 27 (1978) S. 319–336. – Winfried Baumann: Die Lit. des MA in B¨ohmen. Dt., lat., tschechische Lit. vom X. bis zum XV. Jh. M¨unchen 1978, S. 32–37. – Leopold Auer: C. v. P. und die Schlacht bei Mailberg. In: Unsere Heimat NF 50 (1979) S. 90–92. – Rostislav Novy: Dvoj´ı redakce Kosmovy Kroniky Cechu [Die doppelte Red. der Chron. der B¨ohmen v. K.]. In: Probl´emy dejin historiografie 1 (1983) S. 93–123. – Stanislaw Urbanczyk: Aus den Stud. u¨ ber die Alte Religion der Slawen (Komm. zur Chron. der B¨ohmen des C., Buch III, Kap. 1). In: Slavica Hierosolymitana 7 (1985) S. 241–244. – Jacek Banaszkiewicz: Entre la description historiographique et le sch´ema structurel. L’image et la communaut´e tribale. L’exemple des Lucane dans la Chronica Bohemorum de K. vers 1125. In: L’historiographie m´edi´evale en Europe. Actes du colloque organis´e par la Fondation Europ´eenne de la Science au Centre de Recherches Historiques et Juridiques de l’Universit´e Paris I du 29 mars au 1er avril 1989. Hg. v. Jean-Philippe Genet. Paris 1991, S. 165–175. – Marie Bl´ahov´a: Die Beziehung B¨ohmens zum Reich in der Zeit der Salier und Fr¨uhen Staufer im Spiegel der zeitgen¨ossischen b¨ohmischen Geschichtsschreibung. In: AfK 74 (1992) S. 23–48. – M. Bl´ahov´a: Die Freiheitsvorstellungen der b¨ohmischen Intelligenz des fr¨uhen 12. Jh. Der Begriff ‹libertas› bei C. v. P. In: Florentissima proles Ecclesiae, in Miscellanea hagiographica, historica et liturgica Reginaldo Gr´egoire O.S.B. XII lustra complenti oblata. Hg. v. Domenico Gobbi. Trento 1996, S. 31–39. – I. Hlav´acˇ ek: C. v. P. (ca. 1045–1125). Cronica Bohemorum. In: Hauptwerke der Geschichtsschreibung. Hg. v. Volker Reinhardt. Stuttgart 1997, S. 113–115. – Norbert Kersken: Die Anf¨ange nationaler Geschichtsschreibung im HochMA. Widukind v. Corvey, Gallus Anonymus, C. v. P., Gesta Hungarorum. In: Europas Mitte um 1000 II. Hg. v. Alfried Wieczorek/Hans Hinz. Stuttgart 2000, S. 863–867. – M. Bl´ahov´a: Die Anf¨ange des b¨ohmischen Staates in der ma. Geschichtsschreibung. In: Von Sacerdotium und Regnum. Geistliche und weltliche Gewalt im fr¨uhen und hohen MA. FS Egon Boshof. Hg. v. Franz-Reiner Erkens/Hartmut Wolff. K¨oln u. a. 2002, S. 67–76. – Andrea Somogyi: Die Darst. der heidnischen Vergangenheit und der Urheimat 115

in der Chron. des C. v. P. In: Specimina nova. Pars prima, Sectio mediaevalis 4 (2004) S. 7–13. – M. Bl´ahov´a: Verschriftlichte M¨undlichkeit in der B¨ohmischen Chron. des Domherrn C. v. P. In: The Development of Literate Mentalities in East Central Europe. Hg. v. Anna Adamska/Marco Mostert. Turnhout 2004, S. 323–342. – Anna Aurast: Wir und die Anderen. Identit¨at im Widerspruch bei C. v. P. In: Produktive Kulturkonflikte. Hg. v. Felicitas Schmieder. Berlin 2005, S. 28–38. – Alheydis Plassmann: Origo gentis. Identit¨ats- und Legitimit¨atsstiftung in fr¨uh- und hochma. Herkunftserz¨ahlungen. Berlin 2006, S. 321–358. – A. Aurast: ‹Nachbarn› als Fremde? ‹Nationale› Abgrenzung in der Vorstellungswelt v. Gallus Anonymos und C. v. P. In: Bilder, Wahrnehmungen, Vorstellungen. Neue Forschungen zur Historiographie des hohen und sp¨aten MA. Hg. v. J¨urgen Sarnowsky. G¨ottingen 2007, S. 55–75. – Veronika Stav´ıkov´a: An Cham vorbei in den Grenzwald, nach dem Ber. des Chronisten C. v. P. zum Jahre 1040. In: Beitr. zur Gesch. im Landkreis Cham 24 (2007) S. 37–50. MM Wolfger von Prufening ¨ OSB und Anonymus Melleicensis, * um 1100. – Autor eines Verfasserkatalogs. Nach dem Schulbesuch in Bamberg schloss sich W. in Michelsberg den Benediktinern an. Um 1125 wechselte er in das Kloster Pr¨ufening, wo er in der Verwaltung t¨atig war, und wirkte um 1151/52 in der bisch¨oflichen Kanzlei in Bamberg. Zuletzt lebte er wieder in Pr¨ufening und u¨ bernahm Aufgaben als Bibliothekar, Archivar und Schatzmeister. 1187 ist er zuletzt durch einen schriftlichen Eintrag nachgewiesen. W. war ein F¨orderer der Pr¨ufeninger Buchkunst. So entstand zu seiner Zeit die Prachthandschrift Mu¨ nchen, BSB, Clm 13002. Unter Heranziehung von Schrift- und Stilvergleichen hat die Forschung W. mehrere Pr¨ufeninger Werke zugeschrieben, nur um diese Zuschreibungen oft wieder aufzul¨osen. Von einem gesicherten W.-Kanon kann also bis heute keine Rede sein. Allgemein als Werk W.s gilt De scriptoribus ecclesiasticis, das vielleicht bald nach 1130 entstand. Der lat. Katalog umfasst 118 Kirchenschriftsteller und reicht vom 4. Jh. bis zu → Rupert von Deutz. Die Eintr¨age sind chronologisch geordnet; allerdings ist die zeitliche Reihung oft fehlerhaft. Jedem Autor sind kurze Angaben zu Leben und Werk beigef¨ugt. W.s Text wurde von den Viris illustribus des Gennadius inspiriert und beruht auf jenen Daten, die 116

Ortlieb von Zwiefalten W. in Klosterhandschriften, Chroniken und Viten zur Verf¨ugung standen, w¨ahrend er eine Reihe anderer Verfasserkataloge aber nicht gekannt zu haben scheint. De scriptoribus ecclesiasticis besitzt trotzdem hohen literaturhistorischen Quellenwert, weil eine Reihe von Angaben nur in W.s Schrift zu finden sind – etwa Angaben u¨ ber Manegold, Aribo, → Ekkehard IV. und Ulrich von Zell. Wahrscheinlich wurde auch das Pr¨ufeninger Traditionsbuch zu etwa zwei Dritteln von W. geschrieben. Das Werk wurde 1139 angelegt und laufend fortgesetzt. Es enth¨alt die Gr¨undungsgeschichte Pr¨ufenings, verzeichnet dessen Privilegien sowie die urspr¨unglich vorhandenen und sp¨ater erworbenen G¨uter und Schenkungen von M¨onchen oder Laien. Auch das Fragment eines weiteren, um 1160 angelegten Traditionsbuchs k¨onnte von W. verfasst worden sein. Außerdem hat man W. als Fortsetzer der Regensburger Annalen f¨ur den Zeitraum von 1130 bis 1146 identifiziert. Als Bibliothekar d¨urfte W. auch ein um 1165 entstandenes B¨ucherverzeichnis geschrieben haben, das auf einem fr¨uheren Verzeichnis im Pr¨ufeninger Traditionsbuch beruht. Das sp¨atere Verzeichnis besticht durch eine systematische Gliederung, die vielleicht den erfahrenen Bibliothekar verr¨at. Nicht mehr W. zugeschrieben werden heute zwei Viten u¨ ber Otto I., Bischof von Bamberg, sowie Theoger, Bischof von Metz. ¨ Uberlieferung: 1. De scriptoribus ecclesiasticis: Admont, Stiftsbibl., cod. 443, 128v–144v (Ende 12. Jh.). – G¨ottweig, Stiftsbibl., cod. 38 (fr¨uher cod. 25), 67r–78r (Ende 12. Jh.). – Graz, UB, cod. 975, 71r–78v (13. Jh.). – Erfurt, Stadt- und Regionalbibl., cod. Amplon. 2° 173, 156v–165v (14. Jh.). – Melk, Stiftsbibl., cod. 638 (fr¨uher 949/R ¨ 28), 71v–97v (15. Jh.). – Wien, ONB, cod. 4236, 235r–246v (15. Jh.). – Passau, SB, Ink. 30 (Ende ¨ 15. Jh.). – Zur Uberl. vgl. auch Swietek 1978 (s. Ausg.) S. 75–94 und Fuchs 1986 (s. Lit.). – 2. Traditionsbuch: Mu¨ nchen, Bayerisches Hauptstaatsarch., KL Pr¨ufening Lit. 2, 81 Bll. (12. Jh.). – 3. Re¨ gensburger Annalen: Wien, ONB, cod. 12600 (Pr¨ufening, 12. Jh., mit W.s Eintr¨agen). – M¨unchen, BSB, Clm 14733, 25r–34r (12./13. Jh., Abschrift). – 4. Von W. stammte wahrscheinlich auch ein vorgeheftetes B¨ucherverz. in der Hs. M¨unchen, BSB, Clm 13002 (1158–65). Ausgaben: 1. De scriptoribus ecclesiasticis: Bernhard Pez: Bibliotheca Benedictino-Mauriana. Augsburg 1716, S. 416–436. – PL 213 (1855) Sp. 959–984 (nach Pez–Ausg.). – Der sogenannte Anonymus 117

1. H¨alfte 12. Jh. Mellicensis, ‹De scriptoribus ecclesiasticis›. Hg. v. Emil Ettlinger. Karlsruhe 1896. – Francis R. Swietek: W. of P.’s ‹De scriptoribus ecclesiasticis›. A Critical Edition and Historical Evaluation. Diss. Urbana-Champaign 1978. – 2. Traditionsbuch: Monumenta Priflingensia. In: Monumenta Boica 13. Hg. v. der Bayerischen Akad. der Wiss. Mu¨ nchen 1777, S. 1–140 (Teildruck, mit B¨ucherverz.). – Schwarz 1991 (s. Lit.). – 3. Regensburger Annalen: Annales Ratisbonenses. Hg. v. Wilhelm Wattenbach. In: MGH SS 17. Hannover 1861 (Nachdr. Stuttgart 1990) S. 577–590, hier S. 585 f. Literatur: Manitius 3 (1931) S. 312–315. – G¨unter Glauche: A. M. In: LexMA 1 (1980) Sp. 673. – Ders., LexMA 9 (1998) Sp. 308 f. – Franz J. Worstbrock, VL2 10 (1999) Sp. 1352–1360. – Marie Schulz: Zur Arbeitsweise Sigeberts v. Gembloux im ‹Liber de scriptoribus ecclesiasticis›. In: Neues Arch. der Ges. f¨ur a¨ltere dt. Geschichtskunde 35 (1910) S. 563–571. – Paul Lehmann: Neue Textzeugen des Pr¨ufeninger ‹Liber de viris illustribus› (A. M.). In: ebd. 38 (1913) S. 550–558. – Ders.: Staindelfunde. In: Hist. Zs. 111 (1913) ¨ S. 15–40. – Heinrich Fichtenau: W. v. P. In: MIOG 51 (1937) S. 313–357. – Hermann Menhardt; Der Nachlaß des Honorius Augustodunensis. In: ZfdA 89 (1958/59) S. 23–69, hier S. 51–60. – HansGeorg Schmitz: Kloster Pr¨ufening im 12. Jh. Mu¨ nchen 1975, S. 68–106, 234–240, 408–411. – Wilhelm Wattenbach/Franz-Josef Schmale: Deutschlands Geschichtsquellen im MA 1: Vom Tod Kaiser Heinrichs V. bis zum Ende des Interregnums. Darmstadt 1976, S. 235–241. – Swietek 1978 (s. Ausg.). – Franz Fuchs: Zum A. M. In: DA 42 (1986) S. 213–226. – Marie-Odile Garrigues: W. de P. et le ‹De luminaribus ecclesiae›. In: Studia Monastica 28 (1986) S. 297–310. – Andrea Schwarz: Die Traditionen des Klosters Pr¨ufening (Quellen und Er¨orterungen zur bayerischen Gesch. NF 39,1). M¨unchen 1991, S. 28*–57*. MM Ortlieb von Zwiefalten OSB, † 1163. – Chronist. O. lebte urspr¨unglich im Benediktinerkloster Zwiefalten und wurde 1140 Abt von Neresheim. Von 1135 bis sp¨atestens 1137 verfasste er eine lat. Chronik seines Klosters, De fundatione monasterii Zwivildensis. Der O. durch eine Eigennennung zuschreibbare Text ist als wahrscheinlicher Autograph in einem Stuttgarter Codex erhalten. Allerdings ist 118

1. H¨alfte 12. Jh. nur das erste Buch der Chronik vollst¨andig u¨ berliefert. Darin behandelt O. den Zeitraum von der Errichtung des Klosters 1089 bis zur Weihe der Klosterkirche 1109. Zu den erw¨ahnten Ereignissen z¨ahlen Urbans II. Verleihung der «Libertas Romana» an das Kloster und ihre Best¨atigung durch Kalixt II. Die Chronik geht auch ausf¨uhrlich auf die Stifterfamilie der Grafen von Achalm und auf Wilhelm von Hirsau ein. Das zweite Buch des Werks ist nur fragmentarisch erhalten, d¨urfte aber vollst¨andig geschrieben gewesen sein. Wie aus dem in Hexametern geschriebenen Inhaltsverzeichnis zu erschließen ist, war das zweite Buch der Darstellung des Klosterbesitzes gewidmet (Schenkungen, G¨uter, B¨ucher, Kirchen, Kapellen, Alt¨are, Reliquien). Da in diesem Buch auch der Erwerb einer Reliquie im Jahr 1141 vermerkt ist, muss ein zweiter Autor den Text nach O.s Abtwahl erg¨anzt haben. Als Quellen der Chronik dienten O. nach eigenen Angaben u¨ ber¨ wiegend m¨undliche Ausk¨unfte, die ihm a¨ ltere Abte und M¨onche erteilten. O.s Mitbruder Berthold von Zwiefalten begann bereits 1137, als O. seine Chronik gerade fertigstellt hatte, mit der Arbeit an einem Liber de constructione monasterii Zwivildensis. Diese Chronik benutzte O.s Werk als Vorlage und setzte es fort. Obwohl Bertholds Text umfangreicher ist, gilt O.s fr¨uhere Chronik als quellenn¨aher. ¨ Uberlieferung: Stuttgart, LB, cod. hist. Q. Nr. 156 (Perg., 12. Jh.). – Sp¨atere Abschr. bei K¨onig/M¨uller 1941 (s. Ausg.) S. 20*–22*. Ausgaben: Monumentorum Guelficorum Pars Historica Seu Scriptores Rerum Guelficarum. Hg. v. Gerhard Hess. Kempten 1784, S. 166–203 (Online-Ausg. BSB M¨unchen). – De fundatione monasterii Zwivildensis libri II. Hg. v. Heinrich Friedrich Otto Abel. In: MGH SS 10. Hannover 1852 (Nachdr. Stuttgart 1963) S. 67–92. – Die Zwiefalter Annalen und Ortliebs Chronik. Hg. v. Eugen Schneider. Stuttgart 1889. – Die Zwiefalter Chroniken Ortliebs und Bertholds. Hg. v. Erich K¨onig und Karl Otto M¨uller. Stuttgart 1941. Sigmaringen 21978, S. 2–122 (lat.-dt.). ¨ Ubersetzungen: K¨onig/M¨uller 1941 (s. Ausg.). Literatur: Tusculum-Lex. 31982, S. 588. – Franz-Josef Schmale, VL2 7 (1989) Sp. 56–58. – Immo Eberl, LexMA 6 (1993) Sp. 1484. – Luitpold Wallach: Stud. zur Chron. Bertholds v. Z. In: Stud. und Mitt. zur Gesch. des Benediktinerordens und seiner Zweige 51 (1933) S. 83–101. – Ders.: Zur 119

Historia Welforum Chron. O.s v. Z. In: Revue b´en´edictine 49 (1937) S. 200–203. – Hermann Jakobs: Die Hirsauer. Ihre Ausbreitung und Rechtsstellung im Zeitalter des Investiturstreites. K¨oln 1961, S. 177 f. – Johann Adam Kraus: Anm. zu den Zwiefaltener Chron. In: Zs. f¨ur W¨urttemb. Landesgesch. 24 (1965) S. 176–180. – Wilhelm Wattenbach/Franz-Josef Schmale: Deutschlands Geschichtsquellen im MA 1: Vom Tod Kaiser Heinrichs V. bis zum Ende des Interregnums. Darmstadt 1976, S. 312–314. – Stefan Schipperges: Rudolf v. Reutlingen und der Bempflinger Vertrag von 1089/90. Zur Erstnennung Reutlingens in der Zwiefalter Chron. O.s. In: Reutlinger Geschichtsbll. NF 29 (1990) S. 159–177. – Stephan Molitor: Zu den Urkundeninsertionen in O.s ‹Zwiefalter Chron.›. In: Aus su¨ dwestdt. Gesch. FS Hans-Martin Maurer. Hg. v. Wolfgang Schmierer u. a. Stuttgart 1994, S. 44–57. – David Vitali: Mit dem Latein am Ende? Volkssprachlicher Einfluss in lat. Chartularen aus der Westschweiz. Bern u. a. 2007, S. 291. MM Historia Welforum. – Geschichte der WelfenDynastie. Der Autor dieser lat. Geschichte des Welfenhauses ist unbekannt. Vermutete die a¨ ltere Forschung noch einen M¨onch des Klosters Weingarten als Verfasser, so wird heute von einem Weltgeistlichen ausgegangen, der vielleicht in Ravensburg am Hof von Herzog Welf VI. lebte. Die H. W. wurde m¨oglicherweise im Auftrag Welfs f¨ur Herzog Heinrich den L¨owen geschrieben, um diesen als Welfs designierten Erben zur Wahrung der welfischen Tradition zu ermahnen. Die Entstehung der H. W. wird heute um 1170 angesetzt. Vorlage der H. W. war prim¨ar die Genealogia Welforum (kurz nach 1126), die konzise die welfische Familiengeschichte vom fr¨uhen neunten Jh. bis 1126 darstellt. Die H. W. erweitert diesen Berichtszeitraum bis 1167; eine im Stift Steingaden entstandene Fortsetzung reicht schließlich bis 1191. Die H. W. beginnt also mit dem ersten Welf sowie seinen Nachkommen Eticho und Judith und endet mit der Beisetzung von Welf VII. 1167. Die Steingadener Fortsetzung reicht bis zum Tod Welfs VI. Typisch f¨ur die H. W. ist ihre enge Begrenzung auf die eigentliche Welfengeschichte. Im Gegensatz zu anderen Chroniken verzichtet das Werk auf eine Einbindung der Dynastie in die gr¨oßere Reichsgeschichte. Der geographische Schwerpunkt der H. 120

Historia Welforum W. liegt auf Bayern und Schwaben. Textlich stimmt die H. W. teils wortgetreu mit der Genealogia Welforum u¨ berein, w¨ahrend andere Vorlagen nicht sicher nachweisbar sind. Dabei stellt die H. W. keine reine Genealogie dar, ist aber auch nicht von literarischem Anspruch. Vielmehr liegt ihre Bedeutung in ihren Entstehungsumst¨anden als erste dt. Dynastiegeschichte im h¨ofischen Auftrag begr¨undet. Eine nachhaltige Rezeption erfuhr die H. W. vor allem in den welfischen Kl¨ostern, wo die Geschichte der Dynastie als Teil der eigenen Geschichte aufgefasst wurde. So wird die H. W. in ¨ ihrer Fuldaer Handschrift (s. Uberlieferung) mit der Geschichte des Klosters Weingarten verkn¨upft. In dt. Sprache erscheint die H. W. in der Weltchronik von Johannes → Platterberger und Diet¨ rich → Truchseß. Diese Ubersetzung wurde im sp¨aten 15. Jh. von Hartmann → Schedel u¨ bernommen (Von dem ursprung und der gepurt der swebischen fursten und sunderlich der Guelfen). Eine weitere dt. ¨ Ubertragung ist in einer Stuttgarter Handschrift von etwa 1571/74 u¨ berliefert. Daneben existierten dt. Teil¨ubersetzungen. ¨ Uberlieferung: Zentrale lat. Hss.: Berlin, SBB, Ms. lat. quart. 795, 70r–83r (Altom¨unster, verschollen). – Fulda, LB, Ms. D 11, 14r–29r (Weingarten, um 1180). – Dt. Fassung: Mu¨ nchen, BSB, clm 472, 239r–256v (Pap., 1488–1505, Hs. v. Hartmann Schedel). – Stuttgart, LB, cod. HB XV 96, 4r–34v (Pap., Weingarten, um 1571/74, nach W). – Verz. ¨ der weiteren Uberl. bei Weiland 1869 (s. Ausg.), K¨onig 1938 (s. Ausg.) und Johanek 1983 (s. Lit.). Ausgaben: Scriptores Rerum Brunsvicensium illustrationi inservientes 1. Hg. v. Gottfried Wilhelm Leibniz. Hannover 1707, S. 781–794; Nachtr. in Bd. 3, 1711, S. 657–660. – De Guelfis Principibus. In: Monumentorum Guelficorum pars historica [...]. Hg. v. Gerhard Heß. Kempten 1784, S. 1–47. – Historia Welforum Weingartensis. Hg. v. Ludwig Weiland. In: MGH SS 21. Hannover 1869 (Nachdr. ebd. 1978) S. 454–471 (auch in: MGH SS rer. Germ. 43, 1869, S. 12–44). – Historia Welforum. Hg. v. Erich K¨onig. Stuttgart/Berlin 1938. Sigmaringen 21978. – Quellen zur Geschichte der Welfen und die Chronik Burchards von Ursberg. Hg. v. Matthias Becher. Darmstadt 2007, S. 34–86. ¨ Ubersetzungen: Eine alte Genealogie der Welfen und des M¨onchs von Weingarten Geschichte der Welfen; mit den Fortsetzungen und einem Anhang aus Berthold von Zwiefalten (Die Geschichtschreiber der dt. Vorzeit 68,20). Hg. v. Georg Gran121

1. H¨alfte 12. Jh. daur. Leipzig 1881. Nachdr. New York 1970. – K¨onig 1938 (s. Ausg.). – Geschichte der Welfen. Hg. v. Alexander Heine. Essen u. a. 1986. 21996 ¨ (Bearb. der Grandaur-Ubers. v. 1881). – Becher 2007 (s. Ausg.; dt. Paralleltext). Literatur: Peter Johanek, VL2 4 (1983) Sp. 44 f.; VL2 11 (2004) Sp. 681 f. – Ders., LexMA 5 (1991) Sp. 44 f. – Helene Wieruszowski: Neues zu den sog. Weingartener Quellen der Welfengeschichte. In: Neues Arch. der Gesellsch. f¨ur a¨ltere dt. Geschichtskunde 49 (1930) S. 56–85. – E. K¨onig: Neues zu den a¨ ltesten Bearb. der Gesch. des Welfenhauses. In: Forschungen und Fortschritte 14 (1938) S. 210 f. – Hansmartin Decker-Hauff: Zur a¨ltesten Weingartner Geschichtsschreibung. In: Weingarten. FS zur 900–Jahr-Feier des Klosters 1056–1956. Ein Beitr. zur Geistes- und G¨utergesch. der Abtei. Hg. v. Gebhard Spahr. Weingarten 1956, S. 362–369. – Karl Schmid: Pro¨ bleme um den Grafen Kuno v. Ohningen. Ein Beitr. zur Entstehung der welfischen Haus¨uberl. und zu den Anf¨angen der staufischen Territorialpolitik im Bodenseegebiet. In: Dorf und Stift ¨ Ohningen. Hg. v. Herbert Berner. Singen 1966, S. 43–88 (Wieder in: K. Schmid: Gebetsgedenken und adliges Selbstverst¨andnis im MA. Sigmaringen 1983, S. 127–179). – Ders.: Welfisches Selbstverst¨andnis. In Adel und Kirche. FS Gerd Tellenbach. Hg. v. K. Schmid und Josef Fleckenstein. Freiburg i. Br. u. a. 1968, S. 389–416 (wieder in: K. Schmid: Gebetsgedenken und adliges Selbstverst¨andnis im MA. Sigmaringen 1983, S. 424–453). – Otto G. Oexle: Die ‹s¨achsische Welfenquelle› als Zeugnis der welfischen Haus¨uberl. In: DA 24 (1968) S. 435–497. – Ders.: Bischof Konrad v. Konstanz in der Erinnerung der Welfen und der welfischen Haus¨uberl. des 12. Jhs. In: Freiburger Di¨ozesanarch. 95 (1975) S. 7–40. – Wilhelm Wattenbach/Franz-Josef Schmale: Deutschlands Geschichtsquellen im MA 1: Vom Tod Kaiser Heinrichs V. bis zum Ende des Interregnums. Darmstadt 1976, S. 296–302. – O. G. Oexle: Welfische und staufische Hausu¨ berl. in der Hs. Fulda D 11 aus Weingarten. In: Von der Klosterbibl. zur LB. Beitr. zum 200j¨ahrigen Bestehen der Hessischen LB Fulda. Hg. v. Arthur Brall. Stuttgart 1978, S. 203–231. – Lotte Kurras: Excerpta chronicarum. Der zweite Bd. der PlatterbergerTruchseßschen Weltchron. In: ZfdA 109 (1980) S. 86–89. – O. G. Oexle: Adliges Selbstverst¨andnis und seine Verkn¨upfung mit dem liturgischen 122

1. H¨alfte 12. Jh. Gedenken – das Beispiel der Welfen. In: Zs. f¨ur die Gesch. des Oberrheins 134, NF 95 (1986) S. 47–75. – Gerd Althoff: Anl¨asse zur schriftlichen Fixierung adligen Selbstverst¨andnisses. In: Ebd. 134, NF 95 (1986) S. 34–46. – O. G. Oexle: Welfische Memoria. Zugleich ein Beitr. u¨ ber adlige Haus¨uberl. und die Kriterien ihrer Erforschung. In: Die Welfen und ihr Braunschweiger Hof im hohen MA (Wolfenb¨utteler MA-Stud. 7). Hg. v. Bernd Schneidm¨uller. Wiesbaden 1995, S. 61–94. – Birgit Studt: Anonymer Verfasser: H. W. In: Hauptwerke der Geschichtsschreibung. Hg. v. Volker Reinhardt. Stuttgart 1997, S. 284–287. – Werner Hechberger: Graphische Darst. des Welfenstammbaums. Zum ‹welfischen Selbstverst¨andnis› im 12. Jh. In: AfK 79 (1997) S. 269–297. – Matthias Becher: Welf VI., Heinrich der L¨owe und der Verf. der H. W. In: Die Welfen. Landesgeschichtliche Aspekte ihrer Herrschaft. Hg. v. Karl-Ludwig Ay u. a. Konstanz 1998, S. 151–172. – Katrin Baaken: ‹Elisina curtis nobilissima›. Welfischer Besitz in der Markgrafschaft Verona und die Datierung der H. W. In: DA 55 (1999) S. 63–94. – Eduard Hlawitschka: Der Versuch v. Alois Sch¨utz (2002), die Anfangskapitel der H. W. als glaubw¨urdig zu erweisen. In: Ders.: Konradiner-Genealogie, unstatthafte Verwandtenehen und sp¨atottonisch-fru¨ hsalische Thronbesetzungspraxis (MGH Stud. und Texte 32). Hannover 2003, S. 191–203. – M. Becher: Der Verf. der H. W. zwischen Heinrich dem L¨owen und den s¨uddt. Ministerialen des welfischen Hauses. In: Heinrich der L¨owe. Herrschaft und Repr¨asentation. Hg. v. Johannes Fried und O. G. Oexle. Stuttgart 2003, S. 347–380. – Alheydis Plassmann: Die WelfenOrigo, ein Einzelfall? In: Welf IV. Schl¨usselfigur einer Wendezeit. Regionale und europ¨aische Perspektiven. Hg. v. M. Becher und Dieter R. Bauer. Mu¨ nchen 2004, S. 56–83. – M. Becher: Der Name ¨ ‹Welf› zwischen Akzeptanz und Apologie. Uberlegungen zur fr¨uhen welfischen Haus¨uberl. In: ebd., S. 156–198. – Wolfgang Hasberg: Von der Genealogie zur Historiografie. Aspekte der hist. Identit¨atsbildung am Beispiel der H. W. In: Verstehen und Vermitteln. FS Armin Reese. Hg. v. Uwe Uffelmann. Idstein 2004, S. 183–195. – Beate Kellner: Ursprung und Kontinuit¨at. Stud. zum genealogischen Wissen im MA. M¨unchen 2004, S. 297–309, 322–339. – Hans-Werner Goetz: Geschichtsschreibung und Geschichtsbewußtsein im hohen MA. Berlin 2008, S. 361–371. – M. Becher: Von ‹Eticho› zu ‹Welf›. Gedanken zur fr¨uhen welfischen 123

Hermann der Jude Haus¨uberl. In: Adel und K¨onigtum im ma. Schwaben. FS Thomas Zotz. Hg. v. Andreas Bihrer u. a. Stuttgart 2009, S. 235–247. MM Hermann der Jude (Hermann von Scheda, Hermannus quondam Iudaeus) OPraem, * um 1107/1108, † nach 23.12.1181 (?). – J¨udischer Konvertit, Verfasser einer Autobiographie (?) Der Sohn eines Kaufmanns wuchs in K¨oln auf. Gegen 1130 half er Bischof Ekbert von M¨unster (1127–32) in Mainz mit einem Darlehen aus. Zwischen 1127 und 1134 konvertierte er vom Judentum zum christlichen Glauben und trat als Chorherr ins Pr¨amonstratenserkloster Cappenberg ein. Dort soll H. zwischen 1145 und 1150 die in der Forschung umstrittene Autobiographie De conversione sua opusculum verfasst haben, in der er seine Bekehrung schildert, die sich in anderer Form auch in der Lebensgeschichte des Grafen Gottfried von Cappenberg (Vita Godefridi) findet. Die Annahme, dass H. vor 1147, wahrscheinlich 1143, erster Propst des neu gegr¨undeten Pr¨amonstratenserklosters Scheda wurde, gilt inzwischen als u¨ berholt. ¨ Uberlieferung: Rom, Bibl. Vaticana, cod. Vat. lat. 507 (12. Jh.). – Leipzig, UB, cod. 220 (Anfang 13. Jh.). – Zu diesen und weiteren Hss. (17. Jh., aus Scheda) vgl. Niemeyer (s. Ausg.) S. 49–61. Ausgaben: PL 170, Sp. 803–836. – G. Niemeyer, in: MGH, Quellen zur Geistesgesch. des MA 4, 1963 (fehlerhaft). ¨ Ubersetzungen: Augustin Huesing: Der heilige Gottfried v. Cappenberg, Pr¨amonstratenserMoench, und das Kloster Cappenberg. Mu¨ nster 1882, Anhang. – Brischer, in: Der Katholik 2 (1888) 261–277, 354–378. Literatur: Gerlinde Niemeyer, NDB 8 (1969) 646. – Norbert Backmund, VL2 3 (1981) Sp. 1066–1068. – LexMA 4 (1989) Sp. 2166 (H. v. K¨oln). – Johannes Bauermann: Die Anf¨ange der Pr¨amonstratenserkl¨oster Scheda und St. Wiperti in Quedlinburg. In: Jb. der Hist. Kommission f¨ur Sachsen und Anhalt 11 (1931) S. 187, 198. – Georg Misch: Gesch. der Autobiographie. Bd. 3,2,1. Frankfurt/M. 1959, S. 510–522. – Zvi Asaria: Die Juden in K¨oln v. den a¨ltesten Zeiten bis zur Gegenwart. K¨oln 1959, S. 35–76. – JeanBaptiste Valvekens: Hermannus quondam Judaeus praepositus in Scheda. In: Analecta Praemonstratensia 41 (1965) S. 158–165. – Norbert Backmund: Die ma. Geschichtsschreiber des Pr¨amonstratenserordens. Averbode 1972, S. 55–64. – Jean-Claude 124

Mirabilia Romae Schmitt: Die Bekehrung H.s des Juden. Autobiographie, Gesch. und Fiktion. Stuttgart 2006. BJ Admonter Liebesgruß. – Lat.-dt. Reimpaarvers in Hexametern, 12. Jh. Um 1120 wurde eine Adlige aus Salzburg erste Leiterin des am Benediktinerkloster Admont (Steiermark) neu gegr¨undeten Nonnenkonvents. Die Nonne Gertrud von Admont hat um 1140 eine fragmentarisch erhaltene lat. Vita dieser «Magistra sororum» verfasst, in der diese auch als lat. Schriftstellerin vorgestellt wird. Den Hexameterprolog der Vita wiederum hat ein sp¨aterer Bearbeiter wohl noch im 12. Jh. um einen halb latinisierten dt. Vierheber erweitert, in dem er die Autorin gr¨ußt: «D´octa qu´ıdem G´erdr˚vt, tu d´ebes sc´ıre m´ınen m˚vt». Eine formale Parallele zu diesem Gruß (leoninischer Hexameter mit dt. Reim) findet sich im Liebesgruß am Anfang des → Ruodlieb (V. 11–14). ¨ Uberlieferung: Admont, Stiftsbibl., Cod. 25 (13. Jh.); zeitnaher Nachtrag in der Admonter Hs. des De Magno Legendario Austriaco. Vgl. zur Hs.: Albert Poncelet: De Magno Legendario Austriaco. In: Analecta Bollandiana 17 (1898) S. 24–96, hier S. 31 f., 51. Ausgabe (Vita mit Prolog): Vita ut videtur, cuiusdam magistrae monialium Admuntensium in Styria saeculo XII. In: Analecta Bollandiana 12 (1893) S. 360–366, Liebesgruß: S. 360. Literatur: Friedrich Ohly, VL2 1 (1978) Sp. 64. – Vita ut videtur (s. Ausg.) S. 356–359. – F. Ohly: Ein A. L. In: ZfdA 87 (1956/57) 13–23. VZ Mirabilia Romae (Mirabilia urbis Romae). – Lat. Beschreibung der antiken «Wunder» Roms, Mitte ¨ 12. Jh., dt. Ubersetzungen sp¨ates 14. und 15. Jh. Die M. R. sind vermutlich zwischen 1140 und 1143 entstanden. Oft im Verbund mit einem Ablassverzeichniss (→ Indulgentiae [ecclesiarum] urbis Romae), einer Liste der Stationskirchen (→ Stationes ecclesiarum urbis Romae) sowie dem Pilgerf¨uhrer Historia et descriptio urbis Romae sind die M. R. vom 12. bis zum 16. Jh. handschriftlich und im Druck breit u¨ berliefert. Oft wird mit dem Begriff M. R. auch auf das gesamte Textkonglomerat des Verbundes rekurriert. Mit M. R. vel potius Historia et descriptio urbis Romae wird der im 15. und 16. Jh. gedruckten Pilgerf¨uhrer bezeichnet, der nach einer 125

1. H¨alfte 12. Jh. kurzen r¨omischen Kaisergeschichte Kirchen, Reliquien und Abl¨asse aufz¨ahlt und zum Abschluss eine Liste der Stationskirchen bietet. Dieser Text beruht insbesondere auf den Indulgentiae und den Stationes. Urheber der ‹eigentlichen› M. R., deren Quellen bis in die Antike zur¨uckgreifen, k¨onnte der Kanoniker Benedikt von St. Peter gewesen sein. Dabei werden die kurzen Darstellungen von Mauern, Br¨ucken, Triumphb¨ogen, Thermen, Standbildern usw. oft mit korrespondierenden Sagenerz¨ahlungen verbunden. Christliche Monumente finden nur als Orientierungshilfen Erw¨ahnung oder wenn sie mit antiken identisch sind. Die offene Struktur des Textes und seine additive Bauweise scheinen von vornherein auf eine optionale Erweiterung oder Modifikation angelegt gewesen zu sein, weswegen die M. R. auch tats¨achlich in zahlreichen Redaktionen vorliegen. In enger genetischer Verbindung zu den M. R. stehen die Graphia aureae urbis Romae (Mitte 12. Jh.). ¨ In deren Uberlieferung stellen die M. R. den zweiten Teil dar. In dieser Form hat → Martin von Troppau die M. R. in seine Chronik aufgenommen und deren Bekanntheitsgrad noch gesteigert. ¨ Es gibt dt. Ubersetzungen der M. R., die ihre lat. Vorlagen allerdings k¨urzen und/oder revidie¨ ren. Auch in der dt. Uberlieferung erscheinen die M. R. jeweils zusammen mit mindestens einem der ¨ anderen Rom-Texte des Uberlieferungsverbundes. ¨ Die Uberlieferung der lat. Indulgentiae und der Historia, die gleichsam in zahlreichen Fassungen vorliegen, setzten in relevanter Breite im 14. Jh. ein. Die Historia ist in ihrer a¨ ltesten Version eine Kombination von M. R. und den Indulgentiae. In den Drucken des 15. und 16. Jh. wurde die M. R. allerdings durch eine Rom-Chronik von der Gr¨undung bis zu Kaiser Konstantin ersetzt, die vor allem auf Martin von Troppau beruhen d¨urfte. ¨ Als Uberleitung zwischen dieser Fassung des Pilgerf¨uhrers und den Indulgentiae findet sich oft das Veronika-Gedicht Salve sancta facies (Hans Walther: Initia carminum ac versuum medii aevi posterioris latinorum. G¨ottingen 1959, Nr. 17153). Die lat. Fassung des Pilgerf¨uhrers hat zahlreiche Quel¨ lenangaben, w¨ahrend die dt. Ubersetzungen auf diese verzichten und sich eher an Laien richten. ¨ Der Uberlieferungskomplex in seiner Gesamtheit oder einzelne seiner Bestandteile wurden bis ins 17. Jh. rezipiert, wobei seit dem 16. Jh. verschiedene «Guide di Roma» die Textgruppe nach und nach abl¨osten, dabei aber in der Regel selbst aus 126

1. H¨alfte 12. Jh. dieser sch¨opften. Ferner sind die M. R. und ihre mit¨uberlieferten Texte Grundlage vieler sp¨aterer Rombeschreibungen wie etwa bei → Leopold von Wien, Nikolaus → Muffel, → Ludwig von Eyb d. ¨ Felix → Fabri oder → Arnold von Harff. Auch A., Luther hat vermutlich bei seiner Romfahrt ein Exemplar mit sich gef¨uhrt. Im 16. und 17. Jh. wurden die M. R. haupts¨achlich in polemischer Absicht verwandt. ¨ Uberlieferung (dt./ndl.): M. R.: Den Haag, Kgl. Bibl., Cod. 76 E 5, 57vb–58rb (Perg., 1374, mndl.). – Berlin, SBB, Mgq 866, 31r (Pap., 14./15. Jh., aus dem Katharinenkloster N¨urnberg). – Coburg, LB, Ms. Sche. 16, 276va–279va (Perg. und Pap., 1427, mittelbair.). – Mu¨ nchen, BSB, Cgm 267, 253v–256r (Pap., 1448, nordbair.). – Ebd., Cgm 299, 140ra–142vb (Pap., erste H¨alfte 15. Jh., mittelbair.). – Br¨ussel, Kgl. Bibl., Ms. II 469 (Kat.-Nr. 2382), 170r–171r (Pap., 1453, mndl.). – Mu¨ nchen, BSB, Cgm 845, 2r–9v (Pap., um 1470, mittelbair.). – Karlsruhe, LB, Cod. K 439, 80r–81v (Pap., 1474, mittelbair.). – Mu¨ nchen, BSB, Cgm 414, 1r–4v (Pap., 1466/78, mittelbair.). – Ebd., Cgm 6342, 130r–132r (Pap., um 1500, mittelbair.). – ¨ Wien, ONB, Cod. 2962, 107v–110v (Pap., um 1500, bair.-o¨ sterr.). – Fr¨uher laut zeitgen¨ossischem Inhaltsverz. auch in: M¨unchen, BSB, Cgm 1113 (1396/1402, bair.-o¨ sterr., Lagenverlust). – Bis auf den Cgm 414 immer im Verbund mit den «Indulgentiae» dt.; Br¨ussel, Ms. II 469 und Karlsruhe, Cod. K 439 u¨ berliefern zus¨atzlich dt. Fassungen der «Stationes». – M. R. vel potius Historia et descriptio urbis Romae: Bamberg, SB, J.H. Msc. Hist. 163 (fr¨uher III.79), 1r–28r (Pap., 1488, mittelbair.) – Berlin, SBB, Mgo 374, 51 Bll. (letztes Drittel 15. Jh., schw¨ab., Druckabschrift). – Neustadt (Aisch), Kirchenbibl., Ms. 28, S. 92–212 (Pap., ¨ letztes Viertel 15. Jh., bair.). – Zur lat. Uberl. vgl. Valentini/Zucchetti (s. Ausg.) S. 11–16. – Weissthanner (s. Lit.) S. 44–58. – Fu¨ r die Beliebtheit der lat. «M. R.» sprechen 77 r¨omische Drucke allein bis 1500. Ausgaben: Nine Robijntje Miedema: Die ‹M. ¨ R.›. Unters. zu ihrer Uberl. mit Edition der dt. und ndl. Texte (MTU 108). T¨ubingen 1996. – Rudolf Ehwald: M. R. Facs.-Reproduction des dt. Blockbuches nach dem Exemplar der Herzogl. Bibl. zu Gotha. Berlin 1904. – Christian H¨ulsen: M. R. Rom, Stephan Planck, 20. November 1489. Ein r¨omisches Pilgerbuch des 15. Jh. in dt. Sprache. 127

Mirabilia Romae Berlin 1925 (Faks.-Ausg.). – Lat. (Ausw.): Verschiedene Fassungen bei Roberto Valentini/Giuseppe Zucchetti in: Codice topografico della citt`a di Roma 3 (Fonti per la storia d’Italia 90 [1943]) S. 3–65, 111–136, 175–196. ¨ Ubersetzung des lat. Textes: Francis Morgan Nichols: The marvels of Rome. London 1889, New York 21986 with new introduction, gazetteer and bibliogr. by Eileen Gardiner. Literatur: Volker Honemann, VL2 6 (1987) Sp. 602–606; 11 (2004) Sp. 1006. – Giulia Barone, LexMA 6 (1993) Sp. 655 f. – Percy Ernst Schramm: Kaiser, Rom und Renovatio. Stud. zur Gesch. des r¨omischen Erneuerungsgedankens vom Ende des karolingischen Reiches bis zum Investiturstreit. 2 Bde. 1929, 21957, Bd. 1, S. 68–111. – Friedrich Ohly: Sage und Legende in der Kaiserchron. Unters. u¨ ber Quellen und Aufbau der Dichtung (Forsch. zur dt. Sprache und Dichtung 10). Mu¨ nster 1940, S. 39–42. – Alois Weissthan¨ ner: Ma. Rompilgerf¨uhrer. Zur Uberl. der Mirabilia und der Indulgentiae urbis Romae. In: Archivalische Zs. 49 (1954) Sp. S. 39–64. – Ernst Trenk¨ ler: Le ‹Guide de Roma› in der ONB (BiblosSchr. 88). Wien 1976. – Huguette Taviani: Les voyageurs et la Rome l´egendaire. In: Voyage, quˆete, p`elerinage dans la litt´erature et la civilisation m´edi´evales. Hg. v. Philippe M´enard. Aix-enProvence/Paris 1976, S. 7–21. – Scrittura, biblioteche, e stampa a Roma nel Quattrocento (Littera Antiqua 1/2). 2 Bde. Vatikanstadt 1980, hier Bd. 2 und Bd. 1, S. 239 f. – Herbert Bloch: Der Autor der Graphia aureae urbis Romae. In: DA 40 (1984) S. 55–173. – N. R. Miedema: Die ‹Mirabilia urbis Romae› in den Niederlanden. In: Quae¨ rendo 18 (1988) S. 278–285. – Dies.: Uberlegungen zu den ‹M. R.›. In: Blockb¨ucher des MA. Bilderfolgen als Lekt¨ure. Hg. v. Gutenberg-Ges. und Gutenberg-Museum. Mainz 1991, S. 329–340. – Dies.: Medieval Images of the Eternal City. Rome seen through the M. R. In: Power of Imagery. Essays on Rome, Italy and Imagination. Hg. v. Peter v. Kessel (Saggi 3). Rom 1993, S. 203–211. – Maria Accame Lanzillotta: Contributi sui Mirabilia Urbis Romae (Pubblicazioni del Dipartimento di Archeologia, Filologia Classica e Loro Tradizioni. Nuova serie 163). Genua 1996. – Miedema 1996 (s. Ausg.). – Cristina Nardella: Il fascino di Roma nel Medioevo. Le ‹Meraviglie di Roma› di maestro Gregorio (La corte dei papi 1). Rom 1997, 2 2007, S. 9–24. – N. R. Miedema: Die r¨omischen 128

Indulgentiae ecclesiarum urbis Romae Kirchen im Sp¨atMA nach den ‹Indulgentiae ecclesiarum urbis Romae› (Bibl. des Dt. Hist. Inst. in Rom 97). T¨ubingen 2001. – Dies.: Rompilgerf¨uhrer in Sp¨atMA und Fr¨uher Neuzeit. Die ‹Indulgentiae ecclesiarum urbis Romae› (dt./ndl.). Edition und Komm. (Fr¨uhe Neuzeit 72). T¨ubingen 2003. – Maria Accame/Emy Dell’Oro: I ‹Mirabilia urbis Romae› (Ricerche di filologia, letteratura e storia 4). Rom 2004. – M. R. Miedema: Mirabilia Urbis Romae. In: Medieval Italy. An Encyclopedia (Routledge Encyclopedias of the Middle Ages 9). New York 2004, S. 722 f. – Salvatore Sansone: I Mirabilia Urbis Romae figurati. Risultati di una ricerca. In: Roma nel Rinascimento 2004 (2005) S. 293–315. – Dale Kinney: Fact and Fiction in the Mirabilia urbis Romae. In: Roma Felix – Formation and Reflections of Medieval Rome. Hg. ´ ´ v. Eamonn O’Carrag´ ain/Carol Leslie Neuman de Vegvar. Aldershot 2008, S. 235–252. – C. David Benson: The Dead and the Living. Some Medieval Descriptions of the Ruins and Relics of Rome known to English. In: Urban Space in the Middle Ages and the Early Modern Age. Hg. v. Albrecht Classen (Fundamentals of Medieval and Early Modern Culture 4). Berlin 2009, S. 147–182, hier S. 147–169. VZ Indulgentiae ecclesiarum urbis Romae. – Verzeichnis r¨omischer Kirchen und Abl¨asse. Die I. e. u. R. waren eine ma. Spielart religi¨oser Reisef¨uhrer. Sie beschrieben f¨ur Rompilger die dort gelegenen Kirchen mit den darin angebotenen Abl¨assen. Die I. e. u. R. sind seit dem 12. Jh. zun¨achst in lat. Sprache, seit dem 14. Jh. auch volkssprachig in umfangreicher handschriftlicher und ¨ gedruckter Uberlieferung nachweisbar. In den fr¨uhen Fassungen umfassten die I. noch f¨unf Hauptkirchen, wurden aber im Laufe der Zeit erweitert: neben zwei weiteren Hauptkirchen kamen zus¨atzliche Kirchen hinzu, außerdem Informationen u¨ ber deren Geschichte und jeweils vorhandene Reliquien. Die volkssprachigen Fassungen der I. e. u. R. wurden oft mit Wundergeschichten und Details zu den Abl¨assen angereichert. Die Reihenfolge der in den einzelnen I. e. u. R. genannten Kirchen variiert und ist meist nach Schutzheiligen oder topographisch angeordnet. ¨ Die Uberlieferung der I. e. u. R. erfolgte h¨aufig in Verbindung mit den → Mirabilia Romae und den → Stationes ecclesiarum urbis Romae. F¨ur die dt. 129

1. H¨alfte 12. Jh. ¨ Uberlieferung von Bedeutung war das 1475 gedruckte Blockbuch der Mirabilia Romae. Die I. e. u. R. sind darin mit den Stationes und einer r¨omischen K¨onigs- und Kaiserchronik nach Jakob → Twinger von K¨onigshofen abgedruckt. Diese Zusammenstellung wurde zum Vorbild f¨ur die weiteren dt. Druckfassungen. Eine starke Rezeption erfuhren die I. e. u. R. naturgem¨aß besonders durch Rompilger; zu nennen sind auch Jakob von Soest und Johannes → Bassenhaimer. ¨ Uberlieferung: 67 dt. und 15. ndl. Hss. – Online-Verz. auf www.handschriftencensus.de/ werke/2339 und www.handschriftencensus.de/ ¨ werke/2540. – Weitere Verz. (auch lat. Uberl.) bei Miedema 1996 (s. Lit.) und Miedema 2003 ¨ (s. Ubers.). Ausgaben: Verz. dt. und ndl. Ausg. bei Ehwald 1904 (s. Lit.); H¨ulsen 1925 (s. Lit.); Mie¨ dema 2003 (s. Ubers.). – Verz. der lat. Ausg. bei H¨ulsen 1927 (s. Lit.) S. 137–156; Valentini/Zucchetti 1953 (s. Lit.) S. 75–88; Weissthanner 1954 (s. Lit.) S. 59–63; Schimmelpfennig 1988 (s. Lit.) S. 649–658. ¨ Ubersetzungen: Rompilgerf¨uhrer in Sp¨atMA und Fr¨uher Neuzeit. Die ‹I. e. u. R.› (dt./ndl.). Edition und Komm. Hg. v. Nine R. Miedema. T¨ubingen 2003 (nach dt. Hss.). Literatur: Nine Miedema, VL2 11 (2004) Sp. 708–711. – Mirabilia Romae. Hg. v. Rudolf Ehwald. Weimar 1904. – James R. Hulbert: Some Medieval Advertisements of Rome. In: Modern Philology 20 (1923) H. 4, S. 403–424. – Mirabilia Romae. Rom, Stephan Planck 20. November 1489. Ein r¨omisches Pilgerbuch des 15. Jh. in dt. Sprache. Hg. v. Christian Huelsen. Berlin 1925. – C. Huelsen: Le chiese di Roma nel medio evo. Cataloghi ed appunti. Florenz 1927. Nachdr. Rom 2000. – Esmond De Beer: The Development of the Guide-Book Until the Early Nineteenth Century. In: Journal of the British Archaeological Association, Ser. 3, 15 (1952) S. 35–46. – Roberto Valentini/Giuseppe Zucchetti: Memoriale de mirabilibus et indulgentiis quae in urbe existunt. In: Codice Topografico della Citt`a di Roma 4. Hg. v. dens. Rom 1953, S. 75–88. – Alois Weissthanner: Ma. Rompilgerf¨uhrer. In: Archivalische Zs. 49 (1954) S. 39–64. – Renate Stegmaier-Breinlinger: ‹Die hailigen Stett Rom und Jerusalem›. Reste einer Ablassslg. im Bickenkloster in Villingen. In: Freiburger Di¨ozesan-Arch. 91 (1971) S. 176–201. – Bernhard Schimmelpfennig: R¨omische Ablaßf¨alschungen aus der Mitte des 14. Jh. In: F¨alschungen im 130

1. H¨alfte 12. Jh. MA 5. Internationaler Kongreß der MGH Mu¨ nchen, 16.–19. September 1986 (Schr. der MGH 33,5). Hannover 1988, S. 637–658. – Susanne Edith Behne: Unters. zu einer deutschsprachigen Fassung der ‹I. E. U. R.› in der Hs. MS. Germ. Fol. 1168 der SB Preussischer Kulturbesitz. Magisterarbeit FU Berlin 1993. – N. R. Miedema: Die ‹Mi¨ rabilia Romae›. Unters. zu ihrer Uberl. mit Edition der dt. und ndl. Texte (MTU 108). T¨ubingen 1996. – Dies.: Die ‹I. e. u. R.›. Zur Edition und Kommentierung eines heterogen u¨ berlieferten Gebrauchstextes. In: ZfdA 127 (1998) S. 381–409. – Dies.: Die r¨omischen Kirchen im Sp¨atMA nach den ‹I. e. u. R.›. Tu¨ bingen 2001. MM Stationes ecclesiarum urbis Romae (dt.). – Kalendarisch geordnetes Verzeichnis der r¨omischen Stationskirchen. F¨ur jeden wichtigen Feiertag wird diejenige r¨omische Kirche angef¨uhrt, die an dem betreffenden Tag Stationskirche war (Kirchen, in denen der Papst selbst oder – sp¨ater – ein Vertreter des Papstes die Messe las). Die lat. Liste, die f¨ur die S. diente, wurde vermutlich seit dem 12. Jh. verbreitet; a¨ltere Stationskirchen-Verzeichnisse sind seit dem 5. Jh. bekannt. Der Text erschien im Lauf der Jahrhunderte in verschiedenen Versionen. Am verbreitetsten war diejenige Fassung, wie sie als Teil der → Mirabilia Romae bekannt ist: Auff¨uhrung der Tage nach dem Kirchenjahr. Zu Bearbeitungen der S. kamen es h¨aufig in Zusammenhang mit der «Pilgerfahrt im Geist» (seit dem 14. Jh. war es durch p¨apstliches Privileg m¨oglich, die Abl¨asse der r¨omischen Kirchen im eigenen Kloster, oder auch in St¨adten, zu erwerben). ¨ Uberlieferung: Zusammenstellung der Hss. und Drucke bei Miedema, ‹Mirabilia›, S. 13–16, 19 f. und 52–238: ca. 50 lat. Hss. und 70 lat. Drucke vom 12. (?) bis zum 16. Jh., ca. 30 dt. und ndl. Hss. und ca. 45 dt. und ndl. Drucke vom 14. bis zum 18. Jh.; etliche italienische, franz¨osische, englische ¨ und spanische Ubersetzungen. Ausgaben: Miedema 1996 (s. Lit.) (krit. Ausg.). – Vgl. alle Lit.: Le Long 1729 (zwei dt. Fassungen). – R¨ohrich 1855 (zwei dt. Fassungen). – Ehwald 1904 (Faks. einer Mirabilia-Fassund). – H¨ulsen 1925 (Faks. einer dt. Inkunabel). – v. Heel 1938 (dt. Textausschnitte). – Rusch 1970 (Abdruck einer fr¨uhen lat. Hs.). 131

Stationes ecclesiarum urbis Romae (dt.) Literatur: Nine Miedema, VL2 9 (1995) Sp. 234–238. – Isaac Le Long: Historische Beschrijvinge van de Reformatie der Stadt Amsterdam. Amsterdam 1729. – Timotheus Wilhelm R¨ohrich: Mittheilungen aus der Gesch. der evangelischen Kirche des Elsasses. Bd. 1. Paris 1855. – Frederick James Furnivall (Hg.): Political, Religious and Love Poems (Early English Text Society, Original Series 15). London 1866, S. xxi–xlv, 143–173. – Ders. (Hg.): The Stacions of Rome and the Pilgrims Sea-Voyage (Early English Text Society, Original Series 25). London 1867, S. xi–xv, 1–34. – Rudolf Ehwald (Hg.): Mirabilia urbis Romae (Ges. der Bibliophilen 561). Weimar 1904. – Nikolaus Paulus: Gesch. des Ablasses im MA. vom Ursprunge bis zur Mitte des 14. Jh. 3 Bde., Paderborn 1922/23. 2., um eine Einleitung und eine Bibliogr. erw. Aufl. Mit einer Einleitung und einer Bibliogr. v. Thomas Lentes. Bd. 3. u. d. T. Geschichte des Ablasses am Ausgang des MA. Darmstadt 2000. – Mirabilia Romae. Rom, Stephan Planck 20. November 1489. Ein r¨omisches Pilgerbuch des 15. Jh. in dt. Sprache. Hg. v. Christian Huelsen. Berlin 1925. – William G. Rusch: A Possible Explanation of the Calendar in the W¨urzburg Lectionary. In: Journal of Theological Studies, NS 21 (1970) S. 105–111. – Renate Stegmaier Breinlinger: Die heiligen Statt Rom und Jerusalem. Reste einer Ablaßsammlung im Bickenkloster in Villingen. In: Freiburger Di¨ozesan-Arch. 91 [3, 23] (1971) S. 176–201. – Gisela Goldberg: ‹Peregrinatio, quam vocant Romana›. Miscellanea zu Stellvertreterst¨atten r¨omischer Hauptkirchen. In: Wallfahrt kennt keine Grenzen. Themen zu einer Ausstellung des Bayerischen Nationalmuseums und des Adalbert Stifter Vereins, Mu¨ nchen. Hg. v. Lenz Kriss-Rettenbeck/Gerda M¨ohler. M¨unchen/Z¨urich 1984, S. 346–351. – N. Miedema: ‹Geestelike rijckdom›. Over pelgrimsreizen en aflaten in de Middeleeuwen. In: Een school spierinkjes. Hg. v. W[illem] P[iet] Gerritsen u. a. Hilversum 1991, S. 123–126. – Dies.: Mediaeval Images of the Eternal City. Rome Seen through the ‹Mirabilia Romae›. In: The Power of Imagery. Essays on Rome, Italy and Imagination. Hg. v. Peter van Kessel. Sant’Oreste 1993, S. 203–221. – Dies.: Rom in Texten und Bildern des MA. In: Die Funktion außer- und innerliterarischer Faktoren f¨ur die Entstehung dt. Lit. des MA und der fr¨uhen Neuzeit. Tagung Greifswald, 18.9. bis 20.9.1992. Hg. v. Christa Baufeld (GAG 603). 132

Otto von Freising G¨oppingen 1994, S. 175–191. – Dies.: Die ‹Mi¨ rabilia Romae›. Unters. zu ihrer Uberl. mit Edition der dt. und ndl. Texte (MTU 108). T¨ubingen 1996. – Dies.: Die r¨omischen Kirchen im Sp¨atMA nach den ‹Indulgentiae ecclesiarum urbis Romae› (Bibl. des Dt. Hist. Inst. in Rom 97). Tu¨ bingen 2001, S. 49 f. – Peter Cornelius Claussen/Daniela Mondini/Darko Senekovic: Die Kirchen der Stadt Rom im MA 1050–1300. Bd. 1 ff. Stuttgart 2002 ff. (bisher 3 Bde.). BJ Hermann von Tournai (Heriman) OSB, † nach 1147. – Chronist. H. stammte aus einer Ritterfamilie und wurde um 1095 Oblate im Kloster Saint-Martin in Tournai. Als Diakon war er 1119 bei dem Konzil von Reims anwesend. Seit 1127 Abt von Saint-Martin, dankte H. 1137 ab, unternahm danach aber noch mehrere Reisen. So hielt er sich zeitweise in Spanien auf und reiste 1140 sowie 1142 nach Rom, um im Vatikan die Aufteilung seiner Di¨ozese Tournai zu verhandeln. 1147 nahm H. wahrscheinlich am Ersten Kreuzzug teil, in dessen Verlauf er starb. H. werden drei lat. Werke zugeschrieben: Der Liber de restauratione monasterii sancti Martini Tornacensis (1142/46) ist eine Chronik von H.s Kloster im Zeitraum von 1022 bis 1127. Der Liber de miraculis S. Mariae Laudunensis (erste Fassung 1140/42, zweite Fassung um 1146/47) ist eine hagiographische Abhandlung. Der Text ist wegen der erstmaligen Verwendung einer Allegorie bemerkenswert, in der Maria als Mittlerin des Heils mit einem Hals verglichen wird, der die Glieder eines K¨orpers mit dem Haupt (Christus) verbindet. Die Predigt De incarnatione Christi wurde von G. wohl auf einer seiner Romreisen gehalten. Der Text besch¨aftigt sich mit der Erschaffung des Menschen und der Menschwerdung Christi. ¨ Uberlieferung: Verz. der Hss. in den MGHEditionen (s. Ausg.) und den neueren Ausgaben. Ausgaben: 1. Liber de restauratione monasterii sancti Martini Tornacensis: Migne PL 180 (1855) Sp. 39–130. – Ex Herimanni historia restaurationis abbatiae Tornacensis. Hg. v. Roger Wilmans. In: MGH SS 12. Hannover 1856. Nachdr. Stuttgart 1963, S. 660–662 (Teildr.). – Herimanni liber de restauratione monasterii sancti Martini Tornacensis. Hg. v. Georg Waitz. In: MGH SS 14. Hannover 1883. Nachdr. Stuttgart 1963, S. 274–317. – Liber de restavratione ecclesie Sancti Martini Tornacensis (CCCM 236). Hg. v. Robert Huygens. Turnhout 133

1. H¨alfte 12. Jh. 2010. – 2. Liber de miraculis S. Mariae Laudunensis: PL 156 (1853) Sp. 961–1018. – Ex Herimanni de miraculis S. Mariae Laudunensis. Hg. v. R. Wilmans. In: MGH SS 12. Hannover 1856. Nachdr. Stuttgart 1963, S. 654–660 (nur Buch III). – Les miracles de Sainte Marie de Laon. Hg. v. Alain Saint-Denis. ¨ Paris 2008 (mit franz¨os. Ubers.). – 3. De incarnatione Christi: PL 180 (1855) Sp. 9–38. – Vermischte Teildr. v. 1. und 2. in: Recueil des historiens des Gaules et de la France. Nouvelle e´ dition. Hg. v. Leopold Victor Delisle. Bd. 11, Paris 1876, S. 254; Bd. 13, ebd. 1879, S. 392–410; Bd. 14, ebd. 1877, S. 80–82, S. 342–348 (Nachdr. aller Bde. Farnborough 1968). ¨ Ubersetzungen: The Restoration of the Monastery of Saint Martin of Tournai. Hg. v. Lynn Hankinson Nelson. Washington D. C. 1996. Literatur: Manitius 3 (1931) S. 531–535. – Albert D’Haenens: Heriman de T. In: Dict. Spir. 7 (1969) Sp. 286–288. – Georges A. Declercq, LexMA 4 (1989) Sp. 2169. – Jacques Pycke: H´eriman. In: DHGE 23 (1990) Sp. 1453–1458. – Franz Courth, Marienlex. 3 (1991) S. 153. – Lukas Schenker, LThK3 4 (1995) Sp. 1446. – G. Waitz: H. v. T. und die Geschichtsschreibung der Stadt. In: Forschungen zur dt. Gesch. 21 (1881) S. 429–448. – Richard E. Arnold: A Study of the Latinity of ‹Narratio restaurationis abbatiae Sancti Martini Tornacensis› by H. of T. Diss. St. Louis 1936. Mikrofilm-Ausg. Ann Arbor 1982. – Gerlinde Niemeyer: Die ‹Miracula S. Mariae Laudunensis› des Abtes H. v. T. Verf. und Entstehungszeit. In: DA 27 (1971) S. 135–174. – Reinhold Kaiser: Verbrechen und Strafe in Nordfrankreich im 12. Jh. ¨ Zwei Wundererz¨ahlungen der Abte Guibert v. Nogent († um 1125) und H. v. T. († 1147/48). In: Ecclesia et Regnum. FS Franz-Josef Schmale. Hg. v. Dieter Berg und Hans-Werner Goetz. Bochum 1989, S. 89–110. – David C. van Meter: An Echo of Adso of Montier-en–Der in Herman of T.’s ‹Liber de restauratione S. Martini Tornacensis›. In: Revue b´en´edictine 106 (1996) S. 192–202. – Irven M. Resnick: Anselm’s ‹school› and Herman of T.’s ‹Treatise on the incarnation›. In: Ebd. 115 (2005) S. 411–429. MM Otto von Freising (Otto Frisingensis) OCist, * um 1112/13 wohl Neuburg bei Wien (heute Klosterneuburg), † 22.9.1158 Morimond. – Bischof von Freising, Geschichtsschreiber. Der aus dem Geschlecht der Babenberger stammende O. war der Sohn des Markgrafen Otto III. 134

1. H¨alfte 12. Jh. ¨ von Osterreich und dessen Gemahlin Agnes, Tochter Kaiser Heinrichs IV. Er wurde noch als Kind Propst des weltlichen Chorherrenstifts Klosterneuburg. O. studierte ca. 1126–32 Philosophie und Theologie in Paris, wo er mit der fr¨uhscholastischen Literatur sowie mit den Gedanken Abaelards, Hugos von St. Viktor und Gilberts von Poitiers bekannt wurde. 1132/33 trat er in das Zisterzienserkloster Morimond ein. 1138 dort zum Abt gew¨ahlt, wurde er im Zusammenhang mit der Neuordnung Bayerns durch K¨onig Konrad III. im selben Jahr Bischof von Freising. In Auseinandersetzung mit den wittelsbachischen V¨ogten sicherte O. den weltlichen Besitz seines Bistums, gr¨undete oder reformierte mehrere Stifte f¨ur Regularkanoniker und reformierte 1158 das Domkapitel. Er nahm an verschiedenen Reichstagen teil und reiste 1141 und 1145/46 in kaiserlichem Auftrag zum Papst nach Viterbo und Rom. 1147–49 nahm O. am 2. Kreuzzug teil. In den Jahren 1143–46 verfasste O. die mlat. Chronica sive historia de duabus civitatibus (in den Handschriften: Historia) in acht B¨uchern; sie handelt von der Entwicklung, die mit der Sch¨opfung beginnt und bis zum Weltgericht und dem damit verbundenen Anbruch des ewigen Gottesreichs dauert. Seine Darstellung folgt zun¨achst den Kirchenv¨atern, dann weltlichen Quellen wie den Chroniken → Frutolfs von Michelsberg, des Orosius, → Ekkehards von Aura oder Hildesheimer Annalen. O. greift die Lehre des → Augustinus von den beiden civitates auf, formt die Konzeption jedoch so um, daß die Aueinandersetzung zwischen der civitas Dei und der civitas terrena sich als zeitliche Abfolge einzelner «status» vollzieht. O.s Weltgeschichte kennt (wie das Buch Daniel) vier Großreiche, deren letztes, das mit Karl d. Gr. einsetzende, durch eine Reihe von Herrschafts¨ubertragungen bis zum Ende der Welt fortdauert. Die erste Fassung der Chronik ist nicht erhalten; die zahlreichen Handschriften und Fragmente gehen auf eine zweite Fassung zur¨uck, die O. 1157 f¨ur Kaiser Friedrich I. anfertigte. An O.s Chronik schließt zeitlich und stilistisch diejenige von → Otto von St. Blasien an. Die 1157/58 im Auftrag Friedrich Barbarossas verfassten Gesta Friderici I. Imperatoris behandeln die Zeit seit Heinrich IV. W¨ahrend das in der Chronik entworfene Geschichtsbild pessimistisch (u. a. wegen der mit dem Investiturstreit einhergehenden Krise) und vom Gedanken der Unbest¨andigkeit des Gl¨ucks erf¨ullt ist, kennzeichnen die Gesta 135

Otto von Freising vor dem Hintergrund des durch Friedrich erreichten Friedens zwischen Kaiser und Papst hoffnungsvolle Z¨uge. Die im ersten Buch dargestellte Vorgeschichte der Regierung Barbarossas von 1080 bis 1152 deckt sich weitgehend mit dem im 6. und 7. Buch der Chronik Behandelten, neu ist die Darstellung der Staufer Friedrich I. und Friedrich II. von Schwaben, an die im 2. Buch die Geschichte Kaiser Friedrichs I. anschließt. Auch hier ist die theologische und philosophische Durchdringung des Stoffs charakterisch, die O.s Geschichtsschreibung in Abhebung von der karolingischen oder ottonischen Historiographie auszeichnet. Hervorgehoben werden Friedrichs Kr¨onung (1152) und die Reichspolitik, besonders aber die Italienpolitik (von den 50 Kapiteln sind 31 dem ersten Italienzug gewidmet). Das zweite Buch endet mit dem Herbst 1156. Nach O.s Tod setzte sein Schreiber und Kaplan → Rahewin die Gesta in zwei weiteren B¨uchern bis zum Februar 1160 fort. ¨ Uberlieferung: 1.Chronica de duabus civitatibus: 46 Hss. des 12.–16. Jh. vorwiegend in S¨udostdeutschland; vgl. Hofmeister (s. Ausg.) S. XXXII–LXXXVIII. – 2. Gesta Friderici I. imperatoris: 13 Hss. des 12.–16. Jh.; vgl. Franz-Josef Schmale: Die Gesta Frederici I. imperatoris O.s v. ¨ F. und Rahewins. Urspr¨ungliche Form und Uberl. In: DA 19 (1963) S. 168–214. Ausgaben: 1.Chronica de duabus civitatibus: Adolf Hofmeister (Hg.): Ottonis episcopi Frisingensis chronica sive historia de duabus civitatibus, MGH SS rer. Germ., 1912. – Walther Lammers (Hg.): ¨ Chron. oder Die Gesch. der zwei Staaten. Ubers. v. Adolf Schmidt (Freiherr-vom-Stein-Ged¨achtnisausg. 16). Darmstadt 1961. – 2. Gesta Friderici I. imperatoris: Georg Waitz/Bernhard v. Simson (Hg.): Ottonis et Rahewini Gesta Friderici I., imperatoris, MGH SS rer. Germ., 31912. – Franz-Josef Schmale: ¨ Gesta Frederici seu rectius Cronica. Ubers. v. Adolf Schmidt (Freiherr-vom-Stein-Ged¨achtnisausg. 17). Darmstadt 1965. ¨ Ubersetzungen: 1.Chronica de duabus civitatibus: Schmidt (s. Ausg.). – The two cities. A chronicle of universal history to the year 1146 A.D. Translated with an introduction and notes by Charles Christopher Mierow. Ed. by Austin P. Evans and Charles Knapp. New York 1966 (with a foreword and updated bibliography by Karl F. Morrison. New York 2002). – 2. Gesta Friderici I. imperatoris: Schmidt (s. ¨ Ausg.). – Taten Friedrichs. Ubers. v. Horst Kohl (Die Geschichtsschreiber der dt. Vorzeit 2 [59]). 136

Otto von Freising 2., unver¨and. Aufl. Leipzig 1939. – The Deeds of Frederick Barbarossa. Translated and annotated with an introduction by Charles Christopher Mierow. New York 1953. Literatur: Franz-Josef Schmale, VL2 6 (1989) Sp. 215–223; 11 (2004) Sp. 1152. – Ulrich Schmidt, BBKL 6 (1993) Sp. 1373–1375. – Karl Schnith, LexMA 6 (1993) Sp. 1581–1583. – Hans-Werner Goetz, TRE 25 (1995) S. 555–559. – Schulthess/Imbach (1996) S. 534. – Werner Hechberger, LThK3 7 (1998) Sp. 1220 f. – H.-W. Goetz, NDB 19 (1999) S. 684–686. – Frank-Lothar Kroll, Volpi 2 (1999) S. 1118 f. – Karl-Hermann Kandler, RGG4 6 (2003) Sp. 752 f. – W. Hechberger, DBE2 7 (2008) 635 f. – H.-W. Goetz, Killy2 9 (2010) S. 39–44. – Roger Wilmans: Zur Gesch. der Hss. von O.s v. Freisingen Chron. O.s v. Freisingen Verh¨altnis zu den Wittelsbachern. In: Arch. der Ges. f¨ur a¨ ltere dt. Geschichtskunde 11 (1853) S. 18–76. – Max B¨udinger: Die Entstehung des achten Buches O.’s v. F. Eine universalhist. Studie. In: Sb. Akad. der Wiss. in Wien, Phil.-hist. Kl. 98 (1881) S. 325–365. – Ernst Bernheim: Der ¨ Charakter O.s v. F. und seiner Werke. In: MIOG 6 (1885) S. 1–51. – Justus Hashagen: O. v. F. als Geschichtsphilosoph und Kirchenpolitiker. Leipzig 1900. – Joseph Schmidlin: Die Eschatologie O.s v. F. In: Zs. f¨ur katholische Theologie 29 (1905) S. 445–481. – Ders.: Die Philosophie O.s v. F. In: Philosophisches Jb. der G¨orres-Ges. 18 (1905) S. 156–175, 312–323, 407–423. – Ders.: Bischof O. v. F. als Theologe. In: Katholik 85 (1905) S. 81–112, 161–182. – Ders.: Die geschichtsphilosophische und kirchenpolitische Weltanschauung O.s v. F. Freiburg i. Br. 1906. – Adolf Hofmeister: Stud. u¨ ber O. v. F. I. Der Bildungsgang O.s v. F. In: Neues Arch. der Ges. f¨ur a¨ ltere dt. Geschichtskunde 37 (1912) S. 99–161, 633–768. – Johannes Voelker: Konrad III. in der Darstellung O.s v. F. Diss. Greifswald. 1920. – Walther Scheidig: Der Miniaturenzyklus zur Weltchron. O.s v. F. Straßburg u. a. 1928. – Theodor Frings: Die Vorauer Hs. und O. v. F. In: PBB 55 (1931) S. 223–230. – Kassian Haid: O. v. F. In: Cistercienser-Chron. 44 (1932) S. 59–71, 91–102, 131–144, 189–203, 222–234, 253–267, 287–299, 324–335; 45 (1933) S. 33–44, 66–77, 101–105, 132–138, 163–175, 205–216, 233–240, 261–277. – Johannes Sp¨orl: Grundformen hochma. Geschichtsanschauung. Stud. zum Weltbild der Geschichtsschreiber des 12. Jh. Mu¨ nchen 1935. – Felix Fellner: The ‹Two Cities› of O. of F. and its 137

1. H¨alfte 12. Jh. Influence on the Catholic Philosophy of History. In: The Catholic Historical Review 20 (1934/35) S. 154–174. – Eberhard Otto: O. v. F. und Friedrich Barbarossa. In: Hist. Vierteljahresschr. 31 (1937) S. 27–56. – Hans Pozor: Die politische Haltung O.s v. F. Diss. Halle/S. 1937. – Franz Gruber: Die Geschichtsphilosophie O.s v. F. und Thomas’ v. Aquin. Diss. Wien 1939. – Paolo Brezzi: Ottone di Frisinga. In: Bulletino dell’Istituto Storico Italiano per il Medio Evo 54 (1939) S. 129–328. – Ernst Korsch: Die verschiedenen Fassungen in O.s v. F. Taten Kaiser Friedrichs I. Diss. Berlin 1941. – Anny Hartings: Civitas Dei – Civitas Mundi in den Werken O.s v. F. Diss. masch. Bonn 1943. – Heinz M¨uller: Die Hand Gottes in der Gesch. Diss. Hamburg 1949. – Hugo Staudinger: Weltordnung und Reichsverfassung bei O. v. F. Diss. M¨unster 1950. – Leonid Arbusow: Liturgie und Geschichtsschreibung im MA. In ihren Beziehungen erl. an den Schr. O.s v. F. († 1158), Heinrichs Livlandchron. (1227) und den anderen Missionsgeschichten des Bremischen Erzsprengels: Rimberts, Adams v. Bremen, Helmolds. Bonn 1951. – Josef Koch: Die Grundlagen der Geschichtsphilosophie O.s v. F. In: Mu¨ nchener Theologische Zs. 4 (1953) S. 79–94. – Werner Kaegi: Chronica Mundi. Grundformen der Geschichtsschreibung seit dem MA. Einsiedeln 1954. – J. Sp¨orl: Die ‹Civitas Dei› im Geschichtsdenken O.s v. F. In: La Ciudad de Dios 167 (1956) S. 577–596. – Hans Martin Klinkenberg: Der Sinn der Chron. O.s v. F. In: Aus MA und Neuzeit. FS Gerhard Kallen. Hg. v. Josef Engel/H. M. Klinkenberg. Bonn 1957, S. 63–76. – Anna-Dorothee v. den Brincken: Stud. zur lat. Weltchron. bis in das Zeitalter O.s v. F. D¨usseldorf 1957. – Joseph A. Fischer (Hg.): O. v. F. Gedenkgabe zu seinem 800. Todesjahr. Freising 1958. – Alois Weissthanner: Regesten des Freisinger Bischofs O. v. F. In: Analecta sacri ordinis Cisterciensis 14 (1958) S. 151–222. – Hermann Watzl: Fragen um einen Kult O.s v. F. In: ebd., S. 223–280. – Leopold Grill: Bildung und Wiss. im Leben O.s v. F. In: ebd., S. 281–333. – A. E. Cohen: O. van F. als geschiedsschrijver van zijn tijd. Amsterdam 1960. – P. Brezzi: Le fonti dei ‹Gesta Friderici Imperatoris› di Ottone e Rahevino. In: Bullettino dell’Istituto storico italiano per il medio evo 75 (1963) S. 105–121. – Walter Mohr: Zum Geschichtsbild O.s v. F. In: Perennitas. Beitr. zur christlichen Arch¨aologie und Kunst, zur Gesch. der Lit., der Liturgie und des M¨onchtums sowie zur Philosophie des Rechts und zur 138

1. H¨alfte 12. Jh. politischen Philosophie. P. Thomas Michels OSB zum 70. Geburtstag (Beitr. zur Gesch. des alten M¨onchtums und des Benediktinerordens. Suppl. 2). Mu¨ nster 1963, S. 274–293. – Walther Lammers: Ein universales Geschichtsbild der Stauferzeit in Miniaturen. Der Bilderkreis zur Chron. O.s v. F. im Jenenser Cod. Bose q. 6. In: Alteuropa und moderne Ges. FS Otto Brunner. G¨ottingen 1963, S. 170–214 (wieder in: Ders.: Vestigia mediaevalia. Ausgew¨ahlte Aufs¨atze zur ma. Historiographie, Landes- und Kirchenegsch. [Frankfurter hist. Abh. 1]. Wiesbaden 1979, S. 45–87). – Walter Mohr: Zum Geschichtsbild O.s v. F. In: FS Thomas Michels. M¨unster 1963, S. 274–293. – Franz-Josef Schmale: Die ‹Gesta Friderici I. imperatoris› O.s v. ¨ F. und Rahewins. Urspr¨ungliche Form und Uberl. In: DA 19 (1963) S. 168–214. – Amos Funkenstein: Heilsplan und nat¨urliche Entwicklung. Formen der Gegenwartsbestimmung im Geschichtsdenken des hohen MA. M¨unchen 1965. – Manfred Mu¨ ller: Beitr. zur Theologie O.s v. F. (St. Gabrieler Stud. 19). Mo¨ dling bei Wien 1965. – Alphons Lhotsky: Aufs¨atze und Vortr¨age. Hg. v. Hans Wagner/Heinrich Koller. Bd. 1. Mu¨ nchen 1970, S. 29–81. – Hans Werner Seiffert: O. v. F. und Gottfried v. Viterbo. In: Philologus 115 (1971) S. 292–301. – Gian Carlo Garfagnini: Giovanni di Dalisbury, Ottone di Frisinga e Giacomo da Venezia. In: Rivista critica di storia della filosofia 27 (1972) S. 19–34. – Norbert Grabe: Die Zweistaatenlehre bei O. v. F. und Augustin. Ein Vergleich. In: Cistercienser-Chron. 80 (1973) S. 34–70. – Horst Dieter Rauh: Das Bild des Antichrist im MA. Von Tyconius zum Dt. Symbolismus (Beitr. zur Gesch. der Philosophie und Theologie des MA, NF 9). Mu¨ nster 1973. – Leopold Grill: Bischof O. v. F. und das Bistum Augsburg. In: Jb. des Vereins f¨ur Augsburger Bistumsgesch. 8 (1974) S. 179–189. – Joachim R¨ossl: Zwettler Fragmente der Chron. O.s v. F. In: Codices Manuscripti 1 (1975) S. 33–40. – L. Grill: O. ¨ v. F. In: 1000 Jahre Babenberger in Osterreich. Hg. v. Erich Z¨ollner. Wien 1976, S. 753–762. – Ders.: Das Itinerar O.s v. F. In: FS Friedrich Hausmann. Hg. v. Herwig Ebner. Graz 1977, S. 153–177. – W. Lammers: Weltgesch. und Zeitgesch. bei O. v. F. (Sb. der Wissenschaftlichen Ges. an der JohannWolfgang-Goethe-Univ. Frankfurt am Main 14,3). Wiesbaden 1977. – Peter v. Moos: Lucans ‹tragedia› im Hoch-MA. Pessimismus, ‹contemptus mundi› und Gegenwartserfahrung. In: Mlat. Jb 14 (1979) 139

Otto von Freising S. 127–186. – H.-W. Goetz: ‹Empirisch› – ‹metaphysisch›? Zum Verst¨andnis der Zweistaatenlehre O.s v. F. im Hinblick auf Augustin. In: Augustiniana 30 (1980) S. 29–42. – L. Grill: Der Cistercienserbischof O. v. F. und das benediktinische Mo¨ nchtum. In: Citeaux. Commentarii Cistercienses 31 (1980) S. 105–118. – Heribert A. Hilgers (Hg.): Von den f¨unf Zeiten vor Christi Geburt. Ein sp¨atma. Grundriß der alten Gesch. nach Johannes de Marignolis und O. v. F. M¨unchen 1980. – Karl Frederick Morrison: O. of F.’s Quest for the Hermeneutic Circle. In: Speculum 55 (1980) S. 207–236. – H.-W. Goetz: ‹Gespaltene Ges.› und Einheitsideal. Bemerkungen zum Gegenwartsbild O.s v. F. In: Zs. f¨ur bayerische Kirchengesch. 50 (1981) S. 14–21. – Ders.: ‹Ratio› und ‹Fides›. Scholastische Philosophie und Theologie im Denken O.s v. F. In: Theologie und Philosophie 56 (1981) S. 232–243. – G. J. Lavere: ‹The Two Cities› of Otto, Bishop of Freising: Study in neu-Augustinian Political Theory. In: Augustinian Studies 13 (1982) S. 55–65. – H.-W. Goetz: Das Geschichtsbild O.s. v. F. Ein Beitr. zur hist. Vorstellungswelt und zur Gesch. des 12. Jh. K¨oln u. a. 1984. – Leopold Grill: Im Blickfeld O.s v. F.: Reichsburgund und Kart¨auser. In: Kart¨ausermystik und -mystiker. Dritter internationaler Kongreß u¨ ber die Kart¨ausergesch. und -spiritualit¨at. Bd. 1. Hg. v. James Hogg (Analecta Cartusiana 55,1). Salzburg 1981, S. 103–141. – Frank Gentry: ‹Ex oriente lux›. ‹Translatio› Theory in Early Middle High German Literature. In: Spectrum medii aevi. Essays in early German literature in honor of George Fenwick Jones. Hg. v. William C. McDonald (GAG 362). G¨oppingen 1983. – Martin Gosman: Otton de Freising et le Prˆetre Jean. In: Revue belge de philologie et d’histoire 61 (1983) S. 270–285. – H.-W. Goetz: Das Geschichtsbild O.s v. F. Ein Beitr. zur hist. Vorstellungswelt und zur Gesch. des 12. Jh. (Beihefte zum AfK 19). K¨oln/Wien 1984. – Thomas Renna: The Ideas of the City in O. of F. and Henry albana. In: Cˆıteaux 35 (1984) S. 55–72. – Camille Elise Bennett: Historiography as Historical Event: O. of F.’s Use of the Past for Religious Restoration. Diss. Cornell University 1985. – Gerd Althoff: Die Z¨ahringerherrschaft im Urteil O.s v. F. In: Die Z¨ahringer. Hg. Karl Schmid. Sigmaringen 1986, S. 43–58. – Brigitte Sch¨urmann: Die Rezeption der Werke O.s v. F. im 15. und fr¨uhen 16. Jh. (Fr¨uhe Forschungen 12). Stuttgart 1986. – L. Grill: Neues zum Itinerar O.s v. F. In: FS Friedrich Hausmann. Graz 1987, S. 37–46. – Nikolaus Staubach: 140

Otto von Freising Gesch. als Lebenstrost. Bemerkungen zur historiographischen Konzeption O.s v. F. In: Mlat. Jb. 23 (1988) S. 46–75. – Marshall Eugene Crossnoe: The Cistercian Connection: An analysis of the monastic elements in O. of F.’s ‹Chronicle of the Two Cities› and ‹Deeds of Frederick Barbarossa›. Diss. University of Texas, Arlington 1989. – Heinz-Dietmar Richter: O. v. F. und Pompeius Trogus. In: Festgabe f¨ur Gerd Zimmermann zum 65. Geburtstag. Hg. v. Horst Bielmeier/Klaus Rupprecht (Hist. Verein Bamberg 23). Bamberg 1989, S. 9–23. – Fiorella Vergani: ‹Sententiam vocum seu nominum non caute theologiae admiscuit›. Ottone di Frisinga di fronte ad Abelardo. In: Aevum 63 (1989) S. 194–224. – Hubert Glaser: ‹De monte abscisus est lapis sine manibus› (Dan. 2,45). Die geschichtliche Rolle des Reformpapsttums im Spiegel der Weltchron. O.s v. F. In: Papsttum und Kirchenreform. Hist. Beitr. FS Georg Schwaiger. Hg. v. Manfred Weitauff/Karl Hausberger. St. Ottilien 1990, S. 151–191. – Cornelia Kirchner-Feyerabend: O. v. F. als Di¨ozesan- und Reichsbischof (Europ¨aische Hochschulschr. III. Gesch. und ihre Hilfswiss. 413). Frankfurt/M. u. a. 1990. – Elisabeth M´egier: Tamquam lux post tenebras, oder: O.s v. F. Weg v. der ‹Chronik› zu den ‹Gesta Frederici›. In: Mediaevistik 3 (1990) S. 131–267. – Volkhard Huth: Vom W¨uten des Beelzebub im gespaltenen Reich. Ein u¨ bersehenes Detail im Bilderzyklus der ‹Chron.› ¨ 102 (1994) S. 271–295. – Sverre O.s v. F. In: MIOG Bagge: Ideas and Narrative in O. of F.’s ‹Gesta Frederici›. In: Journal of Medieval History 22 (1996) S. 345–377. – K. Schnith: O. v. F. (ca. 1112–58). Chronica sive Historia de duabus civitatibus. In: Hauptwerke der Geschichtsschreibung. Hg. v. Volker Reinhardt. Stuttgart 1997, S. 465–468. – Tuomas M. S. Lehtonen: History, Tragedy and Fortune in Twelfth-Century Historiography, with Special Reference to O. of F.’s Chronica. In: Historia. The Concept and Genres in the Middle Ages. Hg. v. dems./P¨aivi Methonen. Helsinki 2000, S. 29–49. – Francesca Roversi Monaco: ‹gesta hominum e gesta Dei›. Ottone di frisinga e Gerhoh di Reichersberg. In: Sentimento del tempo e periodizzazione della storia nel medioevo. Atti del concegno internazionale. Todi, 10–12 ottobre 1999 (Atti dei convegni del Centro italiano di studi sull’basso medioevo-Accademia Tudertina e del Centro di studi sulla spiritualit`a medievale, NS 13). Spoleto 2000, S. 257–281. – Elisabeth M´egier: La Chiesa 141

1. H¨alfte 12. Jh. cristiana, erede della Roma antica o dell’Antica Alleanza? I punti di vista di Ugo di Fleury e di Ottone di Frisinga. In: Roma antica nel Medioevo. Mito, rappresentazioni, sopravvivenze nella ’Respublica Christiana’ dei secoli IX–XIII, atti della quattordicesima Settimana internazionale di studio, Mendola, 24–28 agosto 1998. Milano 2001, S. 505–536. – S. Bagge: Kings, Politics, and the Right Order of the World in German Historiography c. 950–1150. Leiden/Boston/K¨oln 2002. – Roman Deutinger: Engel oder Wolf? O. v. F. in den geistigen Auseinandersetzungen seiner Zeit. In: Ars und Scientia im MA und in der Fr¨uhen Neuzeit. Ergebnisse interdisziplin¨arer Forsch. Hg. v. Cora Dietl/D¨orte Helschinger. T¨ubingen 2002, S. 31–46. – Klaus Kr¨onert: Rezeption klassischer Dichtung in der Weltchron. O.s v. F. In: Mlat. Jb. 37 (2002) S. 33–73. – Elisabeth M´egier: Fabulae ou historiae? Mythologie grecque et ex´eg`ese typologique dans la chronique d’Otton de F. In: Mediaevistik 15 (2002) S. 15–30. – Hansmartin Schwarzmaier: ‹Nobilis patris futurus heres nobilior. Das Doppelportr¨at von Friedrich Vater und Sohn bei O. v. F. In: Scripturus vitam. Lat. Biogr. von der Antike bis in die Gegenwart. Festgabe f¨ur Walter Berschin zum 65. Geburtstag. Heidelberg 2002, S. 509–518. – J¨urgen Strothmann: Christus, Augustus und der ma. r¨omische Kaiser in der staufischen Herrschaftstheologie. Von der Parallele ChristusAugustus bei O. v. F. zu dem Kaiser als ‹augustus› und ‹alter christus› bei Petrus von Eboli. In: AfK 84 (2002) S. 41–65. – C. Stephen Jaeger: Pessimism in the Twelfth-Century ‹Renaissance›. In: Speculum 78 (2003) S. 1150–1183. – E. M´egier: O. of F.’s revendication of Isaiah: as the prophet of Constantine’s ‹exaltation of the Church› in the context of Christian Latin exegesis. In: Sacris erudiri 42 (2003) S. 287–326. – Stefanie Dick: Die K¨onigserhebung Friedrich Barbarossas im Spiegel der Quellen. Krit. Anm. zu den ‹Gesta Friderici› O.s v. F. In: Zs. der Savigny-Stiftung f¨ur Rechtsgesch. Germanistische Abt. 121 (2004) S. 200–237. – Joachim Ehlers: ‹Ab errorum tenebris ad veram lucem›. O. v. F. entdeckt den Ursprung seiner Zeit in der christlichen Sp¨atantike. In: Die Suche nach den Urspr¨ungen. Von der Bedeutung des fr¨uhen MA. Hg. v. Wal¨ ter Pohl (Osterr. Akad. der Wiss. Forschungen zur Gesch. des MA 8). Wien 2004, S. 307–315. – Marino Zabbia: Tra modelli letterari e autopsia. La citt`a comunale nell’opera di Ottone di Frisinga e 142

1. H¨alfte 12. Jh. nella cultura storiografica del XII secolo. In: Bullettino dell’Istituto storico italiano per il medio evo 106 (2004) S. 106–138. – Vinicius Cesar Dreger de Ara´ujo: Existiu um projeto Imperial de Hist´oria? O. de F. e a Chancelaria de Frederico I Barbarossa. In: Brathair 5 (2005) S. 73–83. – Lars Hageneier: Die fr¨uhen Staufer bei O. v. F.: Oder wie sind die ‹Gesta Friderici› entstanden? In: Grafen, Herz¨oge, K¨onige. Der Aufstieg der fr¨uhen Staufer und das Reich (1079–1152). Hg. v. Hubertus Seibert/J¨urgen Dendorfer (MA-Forschungen 18). Ostfildern 2005, S. 363–396. – Constant J. Mews: Accusations of Heresy and Error in the Twelfth-Century Schools. The Witness of Gerhoh of Reichersberg and O. of F. In: Heresy in transition. Transforming ideas of heresy in medieval and early modern Europe. Hg. Ian Hunter u. a. Aldershot u. a. 2005, S. 43–58. – Franz Nagel: O. v. F.s ‹Chronica sive historia de duabus civitatibus›. Das Jenaer Ms. (Ms. Bos. q. 6) und seine Illustrationen. In: Welt-Zeit. Christliche Weltchronistik aus zwei Jahrtausenden in Best¨anden der Th¨uringer Universit¨ats- und Landesbibl. Jena. Hg. v. Martin Wallraff. Berlin/New York 2005, S. 32–58. – Fa¨ bian Schwarzbauer: Geschichtszeit. Uber Zeitvorstellungen in den Universalchron. Frutolfs v. Michelsberg, Honorius’ Augustodunensis und O.s v. F. (Orbis Mediaevalis. Vorstellungswelten des MA 6). Berlin 2005. – M. Zabbia: Tra modelli letterari e autopsia. La citt`a comunale nell’opera di Ottone di Frisinga e nella cultura storiografica del XII secolo. In: Bullettino dell’Istituto storico italiano per il medio evo 107 (2005) S. 106–138. – Albrecht Classen: ‹Mauritius on Crauˆ n› and O. v. F. ‹The Two Cities›: 12th-century and 13th-century skepticism about historical progress and the metaphor of the ship. In: The German Quarterly 79 (2006) S. 28–49. – H.-W. Goetz: Geschichtsbewußtsein und Fr¨uhscholastik in der sp¨atsalischen und fr¨uhstaufischen Weltchronistik. In: Vom Umbruch zur Erneuerung? Das 11. und beginnende 12. Jh. – Positionen der Forsch. Hg. v. Matthias Wemhoff/J¨org Jarnut. M¨unchen 2006, S. 197–218. – Ders.: Der Investiturstreit in der dt. Geschichtsschreibung von Lampert v. Hersfeld bis O. v. F. In: Canossa 1077 – Ersch¨utterung der Welt. Gesch., Kunst und Kultur am Aufgang der Romanik. Eine Ausstellung im Museum in der Kaiserpfalz, im Erzbisch¨oflichen Di¨ozesanmuseum und in der St¨adtischen Galerie am Abdinghof zu Paderborn vom 21. Juli – 5. November 2006. Hg. 143

Otto von Freising v. Christoph Stiegemann. 2 Bde., Mu¨ nchen 2006. Bd. 1, S. 47–60. – Maximilian Weltin: Die ‹tres comitatus› O.s v. F. und die Grafschaften der Mark ¨ Osterreich. In: Ders.: Das Land und sein Recht. ¨ Ausgew¨ahlte Beitr. zur Verfassungsgesch. Osterreichs im MA. Hg. v. Folker Reichert/Winfried ¨ Stelzer (MIOG, Erg.-Bd. 49). Wien/Mu¨ nchen 2006, S. 60–81. – Stephen F. Brown: O. of F. In: Historical dictionary of medieval philosophy and theology. Hg. v. dems./Juan Carlos Flores (Historical dictionaries of religions, philosophies, and movements 76). Lanham, Md. u. a. (2007) S. 207. – Jan Paul Niederkorn: Zu glatt und daher verd¨achtig? Zur Glaubw¨urdigkeit der Schilderung der Wahl Friedrich Barbarossas (1152) durch O. v. F. In: ¨ 115 (2007) S. 1–9. – Rudolf Schieffer: O. MIOG v. F. Der Geschichtsschreiber als Augenzeuge. In: ¨ Die Geburt Osterreichs. 850 Jahre ‹Privilegium minus›. Hg. v. Peter Schmid/Heinrich Wanderwitz (Regensburger Kulturleben 4). Regensburg 2007, S. 167–177. – Roman Deutinger: Das Privilegium minus, O. v. F. und der Verfassungswandel des 12. Jh. In: ebd., S. 179–199. – Sigmund Benker: Die a¨ lteren Drucke O.s v. F. Ein Beitr. zur Besch¨aftigung mit seinen Werken. In: Ders.: Scientia, Ars et Fides. Beitr. und Aufs¨atze zur Kunst-, Kirchenund Bibliotheksgesch. Bayerns. Regensburg 2008, S. 435–448. – Maria Elisabeth Dorninger: Notizen zur Darstellung des Judentums bei O. v. F. In: Chilufim 5 (2008) S. 3–37. – O. v. F. Bischof, Geschichtsschreiber, Seliger. Ausstellung in der Dombibl. Freising zum 850. Todestag. Hg. v. Peter Pfister (Ausstellungskat., Di¨ozesanbibl. des Erzbistums Mu¨ nchen und Freising, NF 2). M¨unchen u. a. 2008. – Hansmartin Schwarzmaier: Wege nach Italien. K¨onigliche Pr¨asenz und Bischofsherrschaft in der Sicht des Geschichtsschreibers und Bischofs O. ¨ v. F. In: Eppan und das Uberetsch. Wohnen und Wirtschaften an der Weinstraße und in angrenzenden Gebieten. Vortr¨age der landeskundlichen Tagung im Lanserhaus, Eppan-St. Michel, 4. bis 6. Oktober 2007. Hg. v. Rainer Loose. Launa 2008, S. 145–166. – Peter Segl: Diligens inquisitor rerum inveniet ... Vor 850 Jahren starb Bischof O. I. v. F. In: Der Scheyerer Turm 65 (2008) S. 72–88. – Gertrud Thoma: O. v. F. – Reichsbischof und Chronist. In: Beitr. zur altbayerischen Kirchengesch. 51 (2008) S. 5–27. – Othmar Hageneder: Die ‹Drei Grafschaf¨ ten› v. 1156 bei O. v. F. Ein Nachwort. In: MIOG 117 (2009) S. 132–136. – Rudolf Schieffer: Heinrich der L¨owe, O. v. F. und Friedrich Barbarossa am 144

Kaiserchronik Beginn der Gesch. M¨unchens. In: Staufer und Welfen. Zwei rivalisierende Dynastien im HochMA. Hg. v. Werner Hechberger/Florian Schuller. Regensburg 2009, S. 66–77. – Werner Goez: Lebensbilder aus dem MA. Die Zeit der Ottonen, Salier und Staufer. 3., um ein Vorw. erw. Aufl. Darmstadt 2010, S. 282–297. – E. M´egier: Christliche Weltgesch. im 12. Jh.: Themen, Variationen und Kontraste. Unters. zu Hugo v. Fleury, Ordericus Vitalis und O. v. F. (Beihefte zur Medi¨avistik 13). Frankfurt/M. u. a. 2010. – Roman Deutinger: Bischof O. I. v. F. (1138–1158). Ein Lebensbild. In: O. v. F., Rahewin, Conradus Sacrista. Geschichtsschreiber des 12. Jh. in Freising. Beitr. zum 850. Todesjahr Bischofs O. v. F. 2008. Hg. v. Ulrike G¨otz (Sammelbl. des Hist. Vereins Freising 41). Freising 2010, S. 15–26. – Romedio Schmitz-Esser: O. v. F. als Mediator – ein idealer Verwandter? In: ebd., S. 29–40. BJ Kaiserchronik. – Fr¨uhmhd. Reimchronik, Mitte 12. Jh. Die nach Docen benannte K. erz¨ahlt die Geschichte des r¨omischen Reiches von Julius Caesar bis zu Konrad III. entlang der Portr¨ats von 36 r¨omischen und 19 dt. Kaisern bis in die Gegenwart des Chronisten. Die dichotome Gestaltung des Textes wird vor allem an Umstellungen, Auslassungen und Hinzuf¨ugungen im antiken Teil gegen¨uber einem knapperen und st¨arker an Fakten orientierten dt. Teil deutlich (Petersen). Eine einheitliche Quelle f¨ur K. und → Annolied als «¨altere deutsche Reimchronik» wurde verschiedentlich diskutiert (zuletzt M¨uller 1999). Ohly hingegen hat auf die Vielzahl unterschiedlicher Quellen, vor allem der Heiligenviten und -predigten, verwiesen, da jedem Kaiser die Vita eines Heiligen beigef¨ugt wurde. Entsprechend sah er eine m¨ogliche Konzeption des Werkes in der typologischen Beziehung zwischen r¨omischem Kaisertum und ¨ dessen Uberh¨ ohung im christlichen Imperium, die zudem in jeder Erz¨ahlung im Kampf des Guten mit dem B¨osen Niederschlag findet. Obwohl bislang keine einheitliche Konzeption herausgearbeitet wurde, steht doch die Geschichte des r¨omischen Reiches und die Translatio imperii ad Francos im Vordergrund der historischen Abfolge (Nellmann 1963). An verschiedenen Stellen lassen sich Bez¨uge zur F¨urstenspiegelliteratur herstellen (Tugendkatalog Karls des Großen, 145

Mitte 12. Jh. V. 15.073 ff.); didaktische Implikationen sind vor allem den Einzelviten inh¨arent. Der Text ist weniger ‹hybrid› als angenommen, wird doch das historiographische Ger¨ust chronologisch mit Erz¨ahlungen um die einzelnen Herrscher aufgef¨ullt. Die K. gilt als das Werk eines ‹Regensburger Geistlichen› (Welzhofer 1874, Schr¨oder 1892, Wattenbach/Schmale 1976). Die genaue Anzahl der Verfasser (ein oder mehrere) bleibt dennoch umstritten. Eine Verbindung zum Annolied l¨asst sich nicht nur inhaltlich herstellen (Danieltraum, Trierer Weinleitung), sondern auch durch den Siegburger Abt Kuno, der 1126 Bischof von Regensburg wurde und vermutlich das Annolied mit nach Bayern mitbrachte. Dieser Zeitpunkt gilt als fr¨uhestm¨oglicher Arbeitsbeginn an der K. Ob der Chronist 1147 mit auf den Kreuzzug ging und der Text nach Konrad III., Weihnachten 1146, deshalb abbricht (Neumann), bleibt unklar. Bischof Kuno I. (1126–32) und Herzog Heinrich der Stolze (1126–29) kommen ebenso als m¨ogliche Auftraggeber in Frage wie Otto V. von Wittelsbach (1106–55), da insbesondere in den letzten Abschnitten die Geschichte Bayerns in den Vordergrund r¨uckt (Nellmann). ¨ Uberlieferung: Mit derzeit 49 Textzeugen ¨ aller anderen u¨ berragt die K. die Uberlieferung Texte des 12. Jh. Es werden drei Redaktionen (A: Mitte 12. Jh.; B: Anfang 13. Jh., erste Bearbeitung; C: nach 1250, zweite Bearbeitung) unterschieden. Daneben existieren Prosafassungen (D: ‹Prosakai¨ serchronik›) und weitere Exzerpte (E: Uberlieferung von Einzelepisoden). Redaktion A: Vorau, Stiftsbibl., Hs. 276/I. – Mu¨ nchen, BSB, Cgm 37. – Wolfenb¨uttel, HAB, Cod. Guelf. 15.2 Aug 2°. – Heidelberg, UB, Cpg. 361. – Straßburg, Hs. (1870 verbrannt). – Pommersfelden, Gr¨afl. Sch¨onbornsche Schlossbibl., Cod. 107 (2723). – Kopenhagen, GKS, Cod. 457,2°. – Fragmente: Codex discissus: Freiburg i. Br., UB Hs. 447. – Mainz, StB, Hs. I 127. – Privatbesitz Gotthelf Fischer (verschollen). – Codex discissus: Graz, UB Ms. 1703 Nr. 133. – Innsbruck, Landesmus. Ferdinandeum, Cod. FB 1519/V. – Codex discissus: Schwaz, Konventbibl. des Franziskanerklosters, o. S. – St. Florian, Stiftsbibl., Fragm. 29. – Weitere: N¨urnberg, Germ. Nationalmus., Hs. 22067. – Heidelberg, UB, Cpg 154. – Straßburg, National- und Universit¨atsbibl., ms. 2215 (fr¨uher L germ. 256,2°). – D¨usseldorf, ULB, Ms. Fragm. 146

Mitte 12. Jh. K 3: F 53. – M¨unchen, BSB, Cgm 5249/70b. – Ebd., Cgm 5153b. – Bad Windsheim, SB, Fragm. 6. – Berlin, SBB, Nachlass Grimm 127,2. – Kremsier/Kromer´ızˇ, F¨ursterzbisch¨ofl. Bibl., Bruchst. 1. – Hamburg, SUB, Cod. Theol. 1546. – Erfurt, UB, Cod. Erf. 8° 24, Beilage. – Gnesen/Gniezno, Priesterseminar, Ink. F 181, Vor- und Nachsatzbl. (ver¨ schollen). – Wien, ONB, Cod. 13006. – Klagenfurt, Landesarch., Cod. GV 6/26. ¨ Redaktion B: Wien, ONB, Cod. 2693. – Ebd., Cod. 2779. – Prag, Nationalbibl. Cod. XXIII.G.43. – Fragmente: Codex discissus: Berlin, SB, Mgf 923 Nr. 12. – Ebd., Mgf 923 Nr. 34. – M¨unchen, BSB, Cgm 5249/51a. – Codex discissus: Breslau/Wrocław, Bibl. der Polnischen Akad. der Wiss., 6243 III, S. 49–70. – Posen/Pozna´n, Ges. der Freunde der Wiss., o. S. – Uppsala, UB, Fragm. germ. 6. – Codex discissus: Mu¨ nchen, BSB, Cgm 5249/70a. – Ebd., Cgm 197. – Dortmund, SLB, Hds. 173. – Weitere: G¨ottingen, SUB, Cod. Ms. W. Mu¨ ller I,1. – Ebd., 4° Cod. Ms. Philol. 183x:3. – ¨ Wien, ONB, Cod. Ser. Nova 289. – Ebd., Cod. Ser. Nova 215. – Ebd., Cod. 413. – M¨unchen, BSB, Clm 9503. – Salzburg, Stiftsbibl. Nonnenberg, Cod. 23 D 21 (fr¨uher 23 C 15). – Basel, UB, Cod. N I 3 Nr. 89. ¨ Redaktion C: Wien, ONB, Cod. 2685. – Ebd., Cod. 12487. – Karlsruhe, LB, Cod. Aug. 52. – Leutkirch, F¨urstl. Waldburg zu Zeil und Trauchburgsches Gesamtarch. (auf Schloss Zeil), ZAMs 30 (fr¨uher ZM 81). – Mu¨ nchen, BSB, Cgm 965. – ¨ Fragmente: Wien, ONB, Cod. 12866. – Innsbruck, ULB, Fragm. 64. – K¨oln, Hist. Arch. der Stadt, Best. 7010 (W) 353. – Gotha, Staatsarch., Rittergut Br¨uheim Nr. 481. – Privatbesitz Daniel Eberhard Baring, Hannover. – Stuttgart, Landeskirchliches Arch., Pfarrarch. Trochtelfingen, Nr. 263 Einkommensverz. des Heiligen ca. 1621–1632, Einband. – Marburg, Staatsarch., Best. 147 Hr 1 Nr. 4. – PKchr: Coburg, LB, Ms. Sche. 16. – Freiburg i. Br., UB, Hs. 14. – Ebd., Hs. 560. – Heidelberg, UB, Cpg 145. – Leipzig, UB, Rep. II. f. 74a. – Mu¨ nchen, BSB, Cgm 267. – Ebd., Cgm 287. – Mu¨ nchen, UB, 2° Cod. Ms. 688. – Ebd., Fragm. 139 [1944 verbrannt]. – St. Gallen, Stiftsbibl., Cod. Sang. 725. – Stuttgart, LB, Cod. Jur. fol. N. 222. – Ebd., Cod. Theol. Et phil. Fol. 17. – Ebd., Cod. Theol. Et phol. fol. 22. – Wolfenb¨uttel, HAB, Cod. Guelf. 15.2 Aug. fol. – Z¨urich, ZB, Ms C 31 (720). – London, British Library, Arundel Ms 131. – Hss.-Nachweise: Eberhard Nellmann, VL2 147

Kaiserchronik 4 (1983) Sp. 949–964; 11 (2004) Sp. 825. – Zur PKchr vgl.: Stefan Mu¨ ller: ‹Schwabenspiegel› und ‹Prosakaiserchronik›. In: Wolfram-Stud. 19. Berlin 2006, S. 233–252. – Christoph Fasbender: Der Erfurter Discissus der ‹K.› (A). In: ZfdA 135 (2006) S. 435–449. Ausgaben: Hans Ferdinand Massmann: Der keiser und der kunige buoch oder die sog. K. Bd. 1–2 (Bibl.dt.Nat.-Lit. 4). Quedlinburg/Leipzig (1848)/1849 (nach Hs. H). – Joseph Diemer: Die K. nach der a¨ltesten Hs. des Stiftes Vorau. Wien 1849 (dipl. Abdruck von V). – Edward Schr¨oder: Die K. eines Regensburger Geistlichen (MGH Dt. Chron. I, 1). Hannover 1892. Neudr. 1964 (krit. Ausg. nach V [zit.]). – Walter Bulst: Die K. Ausgew¨ahlte Erz¨ahlungen. I Faustinianus. II Crescentia (Editiones Heidelbergenses 5 und 6). Heidelberg 1946 (nach V). – Faks.: Die K. des regul. Chorherrnstifts Vorau (Hs. 276/1). Graz 1953. Literatur: Eberhard Nellmann, VL2 4 (1983) Sp. 949–964; 11 (2004) Sp. 825. – Hartmut Beckers: K¨olner Prosa-K. In: VL2 5 (1985) Sp. 60 f. – De Boor/Newald 1 (91979) 211–220 u. o¨ . – Ernst Hellgardt, Killy2 6 (2009) S. 255–257. – Friedrich Mel¨ chior Gredy: Uber die K., ein Gedicht des 12. Jh. Mainz 1854. – Matthias Lexer: Bruchst¨ucke der K. In: ZfdA 14 (1869) S. 503–525. – Wilhelm Scherer: Rolandslied, K., Rother. In: ZfdA 18 (1875) S. 298–306. – Wilhelm Schum: Beitr. zur Kritik der dt. K. In: Forschungen zur dt. Gesch. 15 (1875) S. 610–617. – Hermann Cardauns: Eine dt. K¨olner K. In: Hist. Jb. 2 (1881) S. 416–445. – Edward Schr¨oder: Alte Bruchst¨ucke der K. In: ZfdA 26 (1882) S. 224–240. – Ludwig Huberti: Der Gottesfriede in der K. In: Zs. der Savigny-Stiftung f¨ur Rechtsgesch. Germ. Abt. 13 (1892) S. 133–163. – Alexander Kirpitschnikow: Eine volkstu¨ mliche K. In: Byzantinische Zs. 1 (1892) S. 303–315. – Reinhold Nebert: Die Abfassungszeit der K. Halle/ Saale 1894. – Ludwig Weiland: Fragm. einer niederrheinischen Papst- und Kaiserchron. aus dem Anfange des 14. Jh. G¨ottingen 1895. – Franz Hobich: Bruchst¨uck der K. aus Kremsier. In: ZfdA 42 (1898) S. 271–276. – Carl R¨ohrscheidt: Stud. zur K. G¨ottingen 1907. – Carl Wesle: K. und Rolandslied. In: Beitr. zur Gesch. der dt. Sprache und Lit. 48 (1924) S. 223–258. – Walther Bulst (Hg.): Die K. Jena 1926. – Marta M. Helff: Stud. zur K. Leipzig 1930. – Georg Karl Bauer: K. und Rolandslied. In: ZfdPh 56 (1931) S. 1–14. – Otto 148

Kaiserchronik Gr¨uters: D¨usseldorfer Bruchst¨ucke einer illustrierten Hs. der K. In: ZfdA 72 (1935) S. 181–192. – Ralph George Crossley: Die K. Ein literarhist. Problem der altdt. Literaturgesch. Freiburg i. Br. 1939. – Ernst Friedrich Ohly: Sage und Legende in der K. Mu¨ nster 1940. – Dieter Haack: Die Geschichtsauffassung in dt. Epen des 12. Jh. Heidelberg 1953. – Helmut Naumann: Das Reich in der K. Mu¨ nster 1953. – Hiltrud Voswinckel: Repr¨asentation in der K. Tu¨ bingen 1955. – Irmgard Mo¨ ller: Die dt. Gesch. in der K. Mu¨ nchen 1958. – Edmund Ernst Stengel: Die Entstehung der K. und der Aufgang der staufischen Zeit. In: Dt. Arch. f¨ur Erforschung des MA 14 (1958) S. 395–417. – Ferdinand Urbanek: Zur Datierung der K. In: Euph. 53 (1959) S. 113–152. – E. E. Stengel: Nochmals die Datierung der K. In: Dt. Arch. f¨ur Erforschung des MA 16 (1960) S. 226–228. – Rosemarie Scherr: Unters. zur strophischen Form der K. Freiburg i. Br. 1961. – Friedrich Neumann: Wann entstanden K. und Rolandslied? In: ZfdA 19 (1961–1962) S. 263–329. – Eberhard Nellmann: Die Reichsidee in dt. Dichtungen der Salier- und fr¨uhen Stauferzeit: Annolied, K., Rolandslied, Eraclius. Berlin 1963. – Frank Shaw: Die Darstellung des Gef¨uhls in der K. Bonn 1966. – Manfred Hellmann: F¨urst, Herrscher und F¨urstengemeinschaft. Bonn 1967. – Siegfried J¨ager: Stud. zur Komposition der Crescentia der K., des Vorauer und Straßburger Alexander und des Herzog Ernst B. Bonn 1967. – Claus Riessner: Die Stadt Viterbo und die Almenia-Totila-Episode in der K. In: Studi Bonaventura Tecchi (1969) S. 57–66. – Wolfgang Schulte: Epischer Dialog. Unters. zur Gespr¨achstechnik in fr¨uhmhd. Epik. Bonn 1969. – F. Shaw: Ovid in der K. In: ZfdPh 88 (1969) S. 378–389. – Jutta Weleda: Die K. Unters. am Lautstand und alphabetisches Reimw¨orterbuch. Wien 1969. – Ingo N¨other: Die geistl. Grundgedanken im Rolandslied und in der K. Hamburg 1970. – Franzjosef Pensel: Neue Bruchstu¨ cke aus dem Anhang I der K. In: PBB 92 (1970) S. 340–348. – Romuald Bauerreiß: Die Siegburger Klosterreform in Regensburg, die K., das Rolandslied und der Pfaffe Konrad. In: Stud. und Mitt. zur Gesch. des Benediktinerordens und seiner Zweige 82 (1971) S. 334–343. – Christian J. Gellinek: Die dt. K. Erz¨ahltechnik und Kritik. Frankfurt/M. 1971. – Henry A. Myers: The concept of kingship in the Book of Emperors (K.). In: Traditio 27 (1971) S. 205–230. – Kenneth J. Northcott: Love in the 149

Mitte 12. Jh. K. In: Colloquia Germanica 5 (1971) S. 237–244. – Dagmar Oberm¨uller: Die Tugendkataloge der K. Heidelberg 1971. – Irene Schmale-Ott: Unters. zu Ekkehard v. Aura und zur K. In: Zs. f¨ur Bayer. Landesgesch. 34 (1971) S. 403–461. – F. Shaw: K. und Eneide. In: German Life and Letters NS 24 (1971) S. 295–302. – Johannes Egberts: Das Schema der Botensendung, Botenfahrt, Fahrt, Reckenfahrt und Heerfahrt in der K. und in den Epen K¨onig Rother, Rolandslied, M¨unchener Oswald, Salman und Morolf, Orendel, Kudrun, Wolfdietrich A, B, D. Mu¨ nchen 1972. – Helge Eilers: Unters. zum fr¨uhmhd. Sprachstil am Beispiel der K. G¨oppingen 1972. – Rose Beate Sch¨afer-Maulbetsch: Stud. zur Entwicklung des mhd. Epos. Die Kampfschilderungen in K., Rolandslied, Alexanderlied, Eneide, Lied v. Troye und Willeham. G¨oppingen 1972. – Franz-Josef Schmale (Hg.): Frutolfs und Ekkehards Chron. und die anonyme K. Darmstadt 1972. – W. F. Tulasiewicz: Index verborum zur dt. K. Berlin 1972. – Dieter Strauss: Taktisch-persuasiver Sprachgebrauch in der K. In: FS Paul B. Wessels. Nijmegen 1974, S. 3–9. – Ferdinand Urbanek: Herrscherzahl und Regierungszeiten in der K. In: Euph. 66 (1972) S. 219–237. – Eberhard Nellmann: Eine K.-Hs. aus der Schloßbibl. zu Blankenheim. In: ZfdPh 95 (1976) S. 60–68. – Kathryn Smits: Zweimal Heraclius: Zu Sprache und Erz¨ahlstil der Heraclius-Episode in der K. und im Buoch der Kunige niuwer e. In: Dt. Sprache, Gesch. und Gegenwart. FS Friedrich Maurer. Hg. Hugo Moser/ Heinz Rupp/Hugo Steger. Bern/Mu¨ nchen 1978, S. 155–167. – Gerhard Eis: Frag. aus der K. In: Ders.: Kleine Schr. zur altdt. weltlichen Dichtung (1979) S. 79–82. – Ian Stuart Robinson: Die Chron. Hermanns v. Reichenau und die Reichenauer K. In: Dt. Arch. f¨ur Erforschung des MA 36 (1980) ¨ S. 84–136. – Andr´as Vizkelety: Eine lat. Uberset¨ zung der K. In: Beitr. zur Uberl. und Beschreibung dt. Texte des MA (1983) S. 25–40. – Klaus Graf: Exemplarische Geschichten: Thomas Lirers Schw¨abische Chron. und die Gm¨under K. M¨unchen 1987. – Karl Stackmann: Dietrich v. Bern in der K. In: Idee, Gestalt, Gesch. Stud. zur europ¨aischen Kulturtradition. FS Klaus v. See. Hg. v. Gerd Wolfgang Weber. Odense 1988, S. 137–142. – ¨ Ingrid Bennewitz: Lukretia, oder: Uber die lit. Projektionen von der Macht der M¨anner und der Ohnmacht der Frauen. Darstellung und Bewertung von Vergewaltigung in der K. und im Ritter 150

Mitte 12. Jh. vom Thurn. In: Der frauwen buoch. Hg. v. I. Bennewitz. G¨oppingen 1989, S. 113–134. – Winfried Frey: Ottes Eraclius in der K. und in der Weltchron. Heinrichs v. Mu¨ nchen. In: Chroniques nationales et chroniques universelles (1990) S. 79–95. – Karl Stackmann: Erz¨ahlstrategie und Sinnvermittlung in der Dt. K. In: Erscheinungsformen kultureller Prozesse (1990) S. 63–82. – Marina Cometta: La figura di Teodorico nella K. In: Acme 44 (1992) 2, S. 75–116. – Andr´as Vizkelety: Eine lat. Prosabearbeitung der K. Cod. Lat.519 der Sz´ech´enyiNB/Budapest. In: Editionsberichte zur ma. Dt. Lit. (1994) S. 341–345. – Annegret Fiebig: ‹Vier tier wilde›: Weltdeutung nach Daniel in der K. In: Dt. Lit. und Sprache v. 1050–1200. FS Ursula Hennig. Hg. v. A. Fiebig/Hans-Jochen Schiewer. Berlin 1995, S. 27–49. – Hans Fromm: Die Disputationen in der Faustinianlegende der K. In: ebd., S. 51–69. – Ernst Hellgardt: Dietrich v. Bern in der dt. K. Zur Begegnung m¨undlicher und schriftlicher Traditionen. In: ebd., S. 93–110. – Dagmar Neuendorff: Vom erl¨osten Heidenk¨onig zum Christenverfolger. Zur K. und ihrer Integration in die S¨achsische Weltchron. In: ebd., S. 181–198. – Roswitha Wisniewski: Pestis patriae. Die Ungarneinf¨alle in der K. In: ebd., S. 347–357. – Kurt G¨artner: Die C und ihre Bearbeitungen. Editionsdesiderate der Versepik des 13. Jh. In: Bickelwort und wildiu maere. FS Eberhard Nellmann. Hg. v. Dorothee Lindemann. G¨oppingen 1995, S. 366–379. – F. Shaw: Die K.-Rezeption in der Weltchron. Heinrichs v. Mu¨ nchen. In: ebd., S. 380–392. – B´eatrice Hernad: K. In: Elisabeth Klemm/Ulrich Montag: Dt. Weltchron. des MA. Hss. aus den Best¨anden der Bayerischen Staatsbibl. Mu¨ nchen und die S¨achsische Weltchron. der Forschungsund Landesbibl. Gotha. Mu¨ nchen 1996, S. 12 f. – Karl Stackmann: Erz¨ahlstrategie und Sinnvermittlung in der dt. K. In: Ders.: Kleine Schr. Tl. 1. G¨ottingen 1997, S. 51–69. – Klaus Klein: Ein unbeachtetes K.-Fragm. in Gnesen. In: Fata libellorum. FS Franzjosef Pensel. Hg. v. Rudolf Bentzinger/Ulrich-Dieter Oppitz. G¨oppingen 1999, S. 95–100. – Stephan Mu¨ ller: Vom Annolied zur K. Zu Text- und Forschungsgesch. einer verlorenen dt. Reimchronik. Heidelberg 1999. – Claudia Bornholdt: Tricked into the Tower: The ‹Crescentia› Tower Episode of the K. as Proto-Mare. In: Journal of English and Germanic Philology 99 (2000) S. 395–411. – Almut Suerbaum: Erz¨ahlte 151

Kaiserchronik Gesch. In: Wolfram-Stud. 16 (2000) S. 235–255. – E. Nellmann: Kontamination in der Epik¨uberlieferung. In: ZfdA 130 (2001) S. 377–391. – Alexander Rubel: Caesar und Karl der Grosse in der K. Typologische Struktur und die translatio imperii ad Francos. In: Antike und Abendland 47 (2001) S. 146–163. – Vera Milde: Christlich-j¨udischer Disput in der Silvesterlegende der K. In: Juden in der dt. Lit. des MA. Religi¨ose Konzepte – Feindbilder – Rechtfertigungen. Hg. v. Ursula Schulze. T¨ubingen 2001, S. 13–34. – Otto Neudeck: Karl der Große – der beste aller werltkunige. In: GRM NF 53 (2003) S. 273–294. – Corinna Biesterfeldt: Moniage – der R¨uckzug aus der Welt als Erz¨ahlschluß. Stuttgart 2004. – Ludger Lieb/Stephan Mu¨ ller: Situationen literarischen Erz¨ahlens. In: Wolfram-Stud. 18 (2004) S. 33–57. – Alastair Matthews: Narration in Transition: The Herzog Adelger Episode of the K. In: Seminar 40 (2004) S. 313–326. – Monika Pohl: Unters. zur Darstellung ma. Herrscher in der dt. KC des 12. Jh. M¨unchen 2004. – J¨urgen Wolf: Narrative Historisierungsstrategien in Heldenepos und Chron. – vorgestellt am Beispiel v. K. und Klage. In: WolframStud. 18 (2004) S. 323–346. – Raymond Graeme Dunphy: Die ‹wˆılsælde›-Disputation. In: ZfdPh 124 (2005) S. 1–22. – Monika Winterling: Zur Darstellung Heinrichs V. und Lothars III. in der dt. K. des 12. Jh. In: Grafen, Herz¨oge, K¨onige. Der Aufstieg der fr¨uhen Staufer und das Reich (1079–1152). Hg. Hubertus Seibert/J¨urgen Dendorfer. Ostfildern 2005, S. 397–408. – Christoph Fasbender: Der Erfurter Discissus der K. (A). In: ZfdA 135 (2006) S. 435–449. – Christoph Petersen: Zeit, Vorzeit und die Narrativierung v. Gesch. in der K. In: ZfdPh 126 (2007) S. 321–353. – A. Matthews: Middle High German narrative technique: the K. in its literary context. Oxford 2008. – Martina Giese: Goslars legend¨are Gr¨undung durch Gundelcarl: eine neue Textversion nach der verlorenen S¨achsischen K.? In: Dt. Arch. f¨ur Erforschung des MA 65 (2009) S. 547–564. – Christiane Witth¨oft: Zwischen Wahrheitssuche und Wunderglauben. Die christlich-j¨udische Disputation der Silvesterlegende in der K. In: Disputatio 1200–1800. Hg. v. Marion Gindhart/Ursula Kundert. Berlin/New York 2010, S. 291–310. – Uta Goerlitz: Narrative construction of origin in the early middle high German K. In: Mythes a la cour, mythes pour la cour. Hg. v. Alain Carbellari. Gen`eve 2010, S. 155–164. – Lorenzo Lozzi 152

Rahewin Gallo: La Puglia e il Mezzogiorno d’Italia nella Dt. Kaiserchron. In: Studi medievali Ser. 3, 51 (2010) S. 153–213. – Armin Schulz: Fremde Koh¨arenz. Narrative Verkn¨upfungsformen im Nibelungenlied und in der K. In: Hist. Narratologie – medi¨avistische Perspektiven. Hg. v. Harald Haferland/Matthias Meyer. Berlin/New York 2010, S. 339–360. GM Balderich von Trier (Balderich Scholasticus), Florennes/Di¨ozese L¨uttich, † 1157/58 (letzte Bezeugung 1157). – Zun¨achst Rechtsgelehrter an der Kurie in Rom, seit 1147 Domscholaster, seit 1153 als Probst von St. Simeon in Trier bezeugt. B. ist Verfasser der Gesta Alberonis (nach 1152) u¨ ber seinen F¨orderer Erzbischof Albero von Trier (um 1080–1152), dessen Einsatz f¨ur die libertas ecclesiae besonderen Akzent erf¨ahrt. Dementsprechend verzichtet B. auf eine ausf¨uhrliche Schilderung von dessen Herkunft und Jugend zugunsten einer retrospektiven Darstellung der kirchenpolitischen Konflikte um 1100 (Investiturstreit) und weicht auch ansonsten stark von den narrativen Schemata einer ma. Bischofsvita ab. Ungew¨ohnlich ist insbesondere die individualisierende Perspektive auf den Protagonisten. Bei aller Parteinahme f¨ur Albero erweist sich B.s Text von einigen chronologischen Irrt¨umern abgesehen als zuverl¨assig. ¨ Uberlieferung: Trier, StB, Hs. 1387/6 8° (Perg., Ende 12. Jh.), davon die Abschrift Trier, StB, Hs. 1388/149 4° (Pap., 15./16. Jh.). Ausgaben: Georg Waitz, MGH SS 8 (1848) S. 243–260. – PL 154, Sp. 1307–1338 (nach MGH). – Hatto Kallfelz: Lebensbeschreibungen einiger Bisch¨ofe des 10.–12. Jh. (Ausgew¨ahlte Quellen zur dt. Gesch. des MA 22). Darmstadt 21986, S. 550–617. ¨ Ubersetzungen: Hatto Kallfelz: Lebensbeschreibungen einiger Bisch¨ofe des 10.–12. Jh. (Ausgew¨ahlte Quellen zur dt. Gesch. des MA 22). Darmstadt 21986, S. 550–617. – Brian A. Pavlac: A Warrior Bishop of the twelfth century. The Deeds of Albero of Trier (Mediaeval Sources in Translation 8). Toronto 2008. Literatur: Manitius 3 (1931) S. 695 f. – FranzJosef Schmale, NDB 1 (1953) S. 550. – Franz Josef Worstbrock, VL2 1 (1978) Sp. 585 f. – Jan Prelog, LexMA 1 (1980) Sp. 1365. – Heinz Thomas, LThK3 1 (1993) Sp. 1365 f. – Walter Berschin: Biogr. und Epochenstil im lat. MA. Bd. 4,1 (Quellen und Unters. zur lat. Philologie des MA 12,2). Stuttgart 153

2. H¨alfte 12. Jh. 2001, S. 469–471. – J¨org R. M¨uller: Vir religiosus ac strenuus. Albero v. Montreuil, Erzbischof v. Trier (1132–1152) (Trierer hist. Forschungen 56). Trier 2006. – Michael Embach: Trierer Literaturgesch. Das MA. Trier 2007, S. 399–406. NR Rahewin (Ra[c]hwin, Radewin[us], Ragewin[us], Radewic[us] u. a¨.), † zwischen 1170 und 1177. – Fortsetzer der Gesta Frederici I. Imperatoris → Ottos von Freising und lat. Dichter. R. enstammte vermutlich der bisch¨oflichen Ministerialenfamilie von Lohkirchen und k¨onnte die Freisinger Domschule besucht haben. 1444 ist er das erste Mal als «cartularius» (Urkundenschreiber) und seit 1147 als «capellanus et notarius» des Bischofs Otto von Freising bezeugt, dessen enger Vertrauter und wom¨oglich auch Sch¨uler er war. Seit 1156 ist R. als Kanoniker am Domstift nachgewiesen. Mehrmals hielt er sich am kaiserlichen Hof auf und u¨ berreichte 1157 Friedrich I. Ottos Weltchronik. R. begleitete Otto auf dessen Frankreichreise, auf der dieser am 22.9.1158 verstarb. Einige Monate hielt sich R. darauf am kaiserlichen Hof in der Lombardei auf und kehrte im Fr¨uhjahr 1159 nach Freising zur¨uck, wo er auch dem neuen Bischof Albert I. diente und an der Domschule unterrichtete. Sp¨atestens seit 1168 war R. Propst des Stiftes St. Veit bei Freising. Bereits die Weltchronik hatte R. nach Diktat Ottos niedergeschrieben. Nach dem Tod des Bischofs setzte er in dessen Auftrag sowie mit kaiserlicher Zustimmung die Gesta Frederici I. Imperatoris fort. Zwei B¨ucher der Gesta, welche die Jahre bis 1156 abdecken, waren von Otto bereits ausgef¨uhrt. Bis zum Februar 1160 schrieb R. die B¨ucher 3 und 4 und erweiterte damit das urspr¨unglich dreib¨andige Konzept der Gesta. Die Ankn¨upfung an Ottos Text ist chronologisch nicht nahtlos. Buch 3 behandelt die Zeit vom Polenfeldzug (August 1157) bis zur Unterwerfung Mailands (September 1158), Buch 4 vom Reichstag zu Roncaglia (November 1158) bis zum Konzil von Pavia (September 1159) einschließlich der zugeh¨origen Briefwechsel bis 1160. In der Regel war R. kein Augenzeuge (außer z. B. in Roncaglia), konnte sich aber auf die Berichte zuverl¨assiger Gew¨ahrsleute st¨utzen. Mit einer Charakterisierung Barbarossas schließt das Werk. Die Gr¨unde, warum R. die Gesta nicht fortf¨uhrte, sind unbekannt und k¨onnten im Umfeld des alexandrinischen Schismas ab 1159 zu suchen sein. R.s 154

2. H¨alfte 12. Jh. Darstellung der historischen Abl¨aufe zielt auf politische Belehrung ab und ist ganz auf die Person Friedrichs sowie die imperiale Politik ausgerichtet. Der fachliche Streit, ob sein historiographisches Werk eine Gesta oder Historia darstellt, ist dabei so unentschieden wie m¨ußig, da die ma. Begrifflichkeiten variieren und die Gattungsgrenzen fließend sind. R. bietet politische Details, verzichtet aber auf geschichtstheologische Er¨orterungen im Stil Ottos. Und auch sonst unterscheidet sich R.s Fortf¨uhrung grundlegend von Ottos Arbeit: Stil und Anlage seiner B¨ucher sind eigenst¨andig und auch auf alte Notizen Ottos d¨urfte R. kaum zur¨uckgegriffen haben. Trotzdem bringt er seine Verehrung f¨ur Otto in einem langen Nachruf im 4. Buch (Kap. 14) deutlich zum Ausdruck. In den Nachruf sind zwei lyrische Epitaphien integriert, ein l¨angeres mit elf Vagantenstrophen und eines in zehn endgereimten Hexametern. Auch ist R. den selben politischen Idealen verpflichtet, vor allem der gottgewollten «auctoritas» des Reiches und dessen Vorrang gegen¨uber anderen Herrscherh¨ausern. Charakteristisch f¨ur seine Form des historischen Berichts ist die wortgetreue Inserierung von u¨ ber 30 Briefen, Urkunden und Konzilsakten, die zum Teil nur hier u¨ berliefert sind. Diese Inserate sollen Objektivit¨at suggerieren, doch tritt R.s Position hinter diesen nur scheinbar zur¨uck und der Autor steht in jedem Fall auf der Seite des Kaisers. H¨ochstens in der Schismafrage ist eine gewisse Distanziertheit erkennbar, denn R. war – vielleicht in weniger starkem Maße als Otto – auf einen Ausgleich zwischen Kaiser und Papst bedacht und w¨unschte sich eine Harmonie beider Gewalten. Ein weiteres Stilmerkmal R.s ist die Einf¨ugung von Passagen mit w¨ortlicher Rede (vornehmlich Friedrichs) und Charakteristiken des auftretenden Personals. Diese Reden und Portraits sollen zur Erl¨auterung des jeweiligen Ereignisses beitragen, sind rhetorisch ausgearbeitet und orientieren sich dabei sowohl an antiken als auch ma. Autoren (vor allem Flavius Josephus, Sallust, Eusebius von Caesarea und Paulus Orosius, aber auch Sidonius Apollinaris, Jordanes, → Einhard und Liutprand von Cremona). Zwar fanden die Gesta rasche Verbreitung, doch blieb die Rezeption der «Konzeptfassung» auf den Freisinger und o¨ sterreichisch-babenbergischen Raum beschr¨ankt und die der «Widmungsfassung» ¨ auf das Elsass (s. Uberlieferung). Letztere wurde u. a. vom anonymen Verfasser des Carmen de gestis Frederici I. in Lombardia sowie von → Gunther von 155

Rahewin Pairis und → Burchard von Ursberg als Quelle verwandt. Um 1300 versiegte offensichtlich das Interesse am Werk und erst die Humanisten ab Aeneas Silvius → Piccolomini griffen auf die Gesta zur¨uck. Neben den Epitaphien im Nachruf auf Otto hat R. weitere Gedichte verfasst. Der Versus de vita Theophili ist eine Versbearbeitung der → Theophilus-Legende in Anlehnung an die lat. Prosa¨ubersetzung des → Paulus Diaconus in 651 gereimten Hexametern. Das Werk besticht vor allem durch seine an franz¨osischen Vorbildern geschulte Reimkunst, die dramatische Gestaltung und reflektierende Einsch¨ube. Der Flosculus Rahewini ad H. prepositum umfasst zwei B¨ucher mit insgesamt 194 Vagantenstrophen. «Propst H.», der Adressat der Dichtung, konnte bis jetzt nicht u¨ berzeugend identifiziert werden. Es handelt sich hierbei um eine k¨urzende Versifikation der ersten beiden B¨ucher der Sentenzen des → Petrus Lombardus und offensichtlich um einen fr¨uhen Vertreter der mnemotechnisch versifizierten Schultexte, die seit dem 13. Jh. f¨ur alle Disziplinen weit verbreitet waren. Auch philosophisches (Bernardus Silvestris) und mythologisches Textmaterial (Dritter Vatikanischer Mythograph) bezieht R. mit ein. Die Distinctiones des Petrus mit ihren dogmatischen S¨atzen und gegebenenfalls Opposita werden kunstvoll in das Versmaß einer oder mehrerer Strophen u¨ berf¨uhrt, die meist gek¨urzten Titel erscheinen mitunter als Rubra. Zwischen Buch 1 und 2 sind zwei Strophen u¨ ber Patrone von Freisinger Kirchen eingef¨ugt. Im unikalen Textzeugen folgen in gleicher Hand auf den Flosculus drei Dichtungen in endgereimten Hexametern, die ebenfalls von R. stammen k¨onnten: eine Summa quarundam questionum veteris et novi testamenti (93 Verse), die sachlich den Flosculus fortsetzt; das Apologeticum (22 Verse), eine Verteidigung des Verfassers gegen den Vorwurf, sein Werk nicht vollendet zu haben (als Argument werden die Belastungen des Hofdienstes angef¨uhrt); und schließlich ein naturphilosophisch-mythologisches Gedicht (332 Verse), in dessen Zentrum eine Theogonie der antiken G¨otter und mythologische Episoden stehen, teilweise mit tropologischer Deutung. Der Dialogus de pontificatu s. Romanae ecclesiae (MGH Ldl 3 [1897] S. 528–546), ein Traktat zur Rechtfertigung Papst Alexanders III. mit signifikant proalexandrinischer Haltung d¨urfte – entgegen fr¨uherer Mutmaßungen – auch aus stilistischen Gr¨unden nicht von R. verfasst worden sein. 156

Rahewin ¨ Uberlieferung: Gesta: 13 Hss. in zwei Kl.: «Konzeptfassung» (Handexemplar) und die erweiterte «Widmungsfassung», → Otto v. Freising. – Gedichte: M¨unchen, BSB, Clm 17212, 41ra–46ra (Perg., 12./13. Jh.) («Versus»). – Ebd., Clm 19488 (Perg., 12. Jh.) 95ra–111va («Flosculus»), 110vb–111va («Summa»), 111va («Apologeticum»), 111b–117b (naturphil. Gedicht). Ausgaben: Gesta: → Otto v. Freising. – Versus: Meyer 1873 und 1905 (s. Lit.) S. 93–114 bzw. S. 99–135. – Flosculus und Gedichte aus dem Clm 19488: Haye (s. Lit.) S. 552–566. – Deutinger 1999 (s. Lit.) S. 235–304. Bibliographie (zur a¨lteren Lit.): W. Wattenbach/F.-J. Schmale: Deutschlands Geschichtsquellen im MA. Vom Tode Kaiser Heinrichs V. bis zum Ende des Interregnum. Bd. 1. Darmstadt 1976, S. 60–66. Literatur: Wilhelm Wattenbach, ADB 27 (1888) S. 166 f. – Manitius 3 (1931) S. 388. – Biogr. Wb. zur dt. Gesch.2 2 (1974) S. 2246. – Hans-Werner Goetz/Franz-Josef Worstbrock, VL2 7 (1990) Sp. 976–982. – Karl Schnith, LexMA 7 (1995) Sp. 401 f. – Odilo Engels, LThK3 8 (1999) Sp. 804 f. – Roman Deutinger, NDB 21 (2003) S. 111 f. – H.-W. Goetz, Killy2 9 (2010) S. 400. – Simone Finkele, Encyclopedia of the Medieval Chronicle 2 (2010) S. 1251. – Wilhelm Meyer: R.s Gedicht u¨ ber Theophilus nebst Unters. u¨ ber die Theophilussage und die Arten der gereimten Hexameter. In: Sb. der Bayerischen Akad. der Wiss. Phil.-philolog. und hist. Cl. (1873) S. 49–111 (wieder in: Ders.: Gesammelte Abh. zur mlat. Rythmik. Bd. 1. Berlin 1905, S. 59–113). – W. Wattenbach: Mitt. aus zwei Hss. der k. Hof- und SB. In: Sb. der Bayerischen Akad. der Wiss. Phil.-philolog. und hist. Cl. (1873) S. 687–691. – Georg Waitz: ¨ Uber die verschiedenen Recensionen v. Ottos und R.s ‹Gesta Friderici I›. In: Sb. der Preuss. Akad. der Wiss. Phil.-Hist. Kl. 19 (1884) S. 331–342. – ¨ Bernhard Eduard v. Simson: Uber die verschiedenen Rezensionen v. Ottos und R.s ‹Gesta Friderici I›. In: Neues Arch. der Ges. f¨ur a¨ltere dt. Geschichtskunde 36 (1911) S. 681–716. – Karl Plenzat: Die Theophiluslegende in den Dichtungen des MA (Germ. Stud. 43). Berlin 1926, S. 34–39. – Klaus Oesterle: Stud. zu Rahewin. Diss. Heidelberg 1963. – Paolo Brezzi: Le fonti dei ‹Gesta Friderici Imperatoris› di Ottone e Rahevino. In: Bullettino dell’Istituto storico italiano per il medio evo 75 (1963) S. 105–122. – Franz-Josef Schmale: Die 157

2. H¨alfte 12. Jh. Gesta Friderici imperatoris Ottos v. Freising und ¨ R.s. Urspr¨ungliche Form und Uberl. In: DA 19 (1963) S. 168–214. – John B. Gillingham: Why Did R. Stop Writing the Gesta Frederici? In: English Historical Review 83 (1968) S. 294–303. – Peter Munz: Why Did R. Stop Writing the Gesta Friderici? A further consideration. In: ebd. 84 (1969) S. 771–778. – Hans Peter Apelt: R.s Gesta Friderici I. Imperatoris. Ein Beitr. zur Geschichtsschreibung des 12. Jh. Diss. Mu¨ nchen 1971. – Thomas Szab´o: R¨omisch-rechtliche Einfl¨usse auf die Beziehungen des Herrschers zum Recht. Eine Stud. zu vier Autoren aus der Umgebung Friedrich Barbarossas. In: Quellen und Forsch. aus italienischen Arch. und Bibl. 53 (1973) S. 34–48. – Dietrich Becker: Die Belagerung von Crema bei R., im Ligurinus und im Carmen de gestis Frederici I. imperatoris in Lombardia. Unters. zur literarischen Form staufischer Geschichtsschreibung. Diss. W¨urzburg 1975. – Ju¨ rgen Petersohn: R. IV 49: ‹seu de recipiendo prefecto›. Zur Rolle der Pr¨afektur bei den kaiserlich-r¨omischen Verhandlungen von 1159. In: Geschichtsschreibung und geistiges Leben im MA. FS Heinz L¨owe. Hg. v. Karl Hauck/ Hubert Mordek. K¨oln 1978, S. 397–409. – Walter Stach: Politische Dichtung im Zeitalter Friedrichs I. Der ‹Ligurinus› im Widerstreit mit Otto und R. In: Die Reichsidee in der dt. Dichtung des MA (WdF 589). Hg. v. R¨udiger Schnell. Darmstadt 1983, S. 48–82. – R. Schnell: Lat. und volkssprachliche Vorstellungen. Zwei Fallbeispiele (Nationsbewußtsein; K¨onigswahl). In: Lat. und Volkssprache im dt. MA 1100–1500. Regensburger Colloquium 1988. Hg. v. Nikolaus Henkel/Nigel F. Palmer. T¨ubingen 1992, S. 123–141, hier S. 129. – Jeffrey R. Ashcroft: ‹Si waren aines muotes›. Unanimity in Konrad’s Rolandslied and Otto’s and R.’s Gesta Frederici. In: Medieval Knighthood. Papers form the Fifth Strawberry Hill Conference 1990 (Medieval Knighthood 4). Hg. v. Christopher Harper-Bill/Ruth E. Harvey. Woodbridge 1992, S. 23–50. – Sonja Reisner: Form und Funktion der Imitatio bei R. Die Verwendung antiker Vorbilder in seinem Anteil an den ‹Gesta Friderici I. ¨ 104 (1996) S. 266–285. – imperatoris›. In: MIOG Thomas Haye: R. als Dichter. In: DA 54 (1998) S. 533–566. – R. Deutinger: R. v. Freising. Ein Gelehrter des 12. Jh. (MGH Schr. 47). Hannover 1999. – Repertorium fontium historiae medii aevi 9 (2003) S. 397. – O. Engels: Beobachtungen zum Anteil R.s an den ‹Gesta Frederici›. In: Engagierte 158

2. H¨alfte 12. Jh. Verwaltung f¨ur die Wiss. FS Johannes Neyses. Hg. v. Peter Hanau u. a. K¨oln 2007, S. 73–78. – Christine Schmitz: Tantalus – Tantulus: Der Einfluß der Satirendichtung des Horaz auf R.s allegorischmoralisches Lehrgedicht. In: Mlat. Jb. 42 (2007) S. 347–372. – R. Deutinger: R. v. Freising: Geistlicher, Geschichtsschreiber, Gelehrter. In: Otto v. Freising, R., Conradus Sacrista: Geschichtsschreiber des 12. Jh. in Freising. Beitr. zum 850. Todesjahr Bischof Ottos v. Freising 2008 (Sammelbl. des Hist. Ver. Freising 41). Hg. v. Ulrike G¨otz. Freising 2010, S. 42–55. VZ Thiodericus von Deutz (Dietrich v. D.) OSB. – Verfasser einer lat. Weltchronik. T.s Lebensdaten sind weitgehend unbekannt. Er trat w¨ahrend der Amtszeit von Abt Rudolf (um 1130–45) in das Deutzer Benediktinerkloster St. Maria und Heribert ein. Dort war er unter dem Abt Hartbern Kustos und schuf um 1160/64 eine zw¨olfteilige Handschrift mit chronikalischen Aufzeichnungen und Listen. Enthalten sind darin Verzeichnisse der Deutzer Gebietsverbr¨uderungen, der ¨ F¨orderer des Klosters, der Deutzer Abte, der Klosterpfarreien und -besitzungen, der P¨apste und K¨olner Erzbisch¨ofe. Hinzu kommen Schilderungen liturgischer Br¨auche und M¨artyrerfeste, ein Klosternekrolog, eine Translatio Heriberti und eine Weltchronik von der Sch¨opfung bis 1163. Zu den Quellen der Chronik z¨ahlen → Ekkehard von Aura und → Frutolf von Michelsberg. Erw¨ahnenswert sind auch die am Anfang des Codex stehenden vier Miniaturen mit Abbildungen von Patronen, Trinit¨at, Himmel und H¨olle. ¨ Uberlieferung: Sigmaringen, F¨urstlich Hohenzollernsche Hofbibl. (Autograph, verschollen). – K¨oln, Hist. Stadtarch., Deutz Abtei RH 2 (19. Jh., Abschrift der Sigmaringer Hs.). Ausgaben: Theodor Josef Lacomblet: Die Benediktiner-Abtei zu Deutz. Ihre Stiftung und ¨ ersten Wohlt¨ater, ihre Abte, Besitzungen und Reliquien. In: Arch. f¨ur die Gesch. des Niederrheins 5 (1866) S. 251–322, hier S. 264–322 (Teildr.). – Franz X. Kraus: Notizen aus und u¨ ber den Cod. Theoderici aus der Abtei Deutz. In: Jbb. des Ver. von Alterthumsfreunden im Rheinlande 41 (1866) S. 43–49 (Teildr.). – Series Thioderici Aeditui Tuitiensis. Hg. v. Oswald Holder-Egger. In: MGH SS 13. Hannover 1881, S. 285–287 (Teildr.). – Thioderici Aeditui Tuitiensis Opuscula. Hg. v. dems. In: MGH SS 14. Hannover 1883, S. 560–577. 159

Thiodericus von Deutz Literatur: Franz Josef Worstbrock, VL2 9 (1995) Sp. 801 f.; 11 (2004) Sp. 1523. – Heribert M¨uller: Zur Kanonisationsbulle f¨ur Erzbischof Heribert v. K¨oln. In: Rheinische Vierteljahrsbll. 40 (1976) S. 46–71, hier S. 69 f. – Monica Sinderhauf: Die Abtei Deutz und ihre innere Erneuerung. Klostergesch. im Spiegel des verschollenen Codex Thioderici (Ver¨off. des K¨olnischen Geschichtsver. 39). K¨oln 1996. MM Aachener Vita Karls des Großen («Vita Sancti Karoli», Aachener «Vita Karoli Magni»). – Lat. legendenhafte Vita, zweite H¨alfte 12. Jh. Die in drei B¨ucher eingeteilte Karlsvita eines unbekannten und h¨ochstwahrscheinlich geistlichen Verfassers entstand vermutlich um 1165 (oder erst um 1180/84) am staufischen Hof. Sie ist eine Rechtfertigungsschrift Karls zur Begr¨undung seiner von Friedrich Barbarossa angestoßenen Kanonisation (1165) und stellt die Auserw¨ahltheit des Karolingers durch Gott und dessen Verdienste um die Kirche in den Mittelpunkt. Damit folgt die Lebensbeschreibung einer klerikalen Viten-Tradition, in der Karl als religi¨ose Heilsgestalt profiliert wird. Die Aachener Vita hat dadurch einen legendarischen Charakter. Gleichzeitig weist das deutlich erkennbare staufische Herrscherverst¨andnis bei der Darstellung Karls die Vita als Zeugnis staufischer Hofhistoriographie aus. Im ersten Buch werden in 18 Kapiteln Karls hervorragende Kenntnisse, Eigenschaften und seine Leistungen f¨ur die Kirche vorgestellt. Die Auserw¨ahlung wird mit beispielhaften Ereignissen belegt. Das zweite Buch schildert Karls Heiliglandfahrt und seinen Reliquienerwerb. Es stimmt weitgehend mit einer Beglaubigungsschrift f¨ur Christus-Reliquien u¨ berein, die im 11. Jh. in St. Denis entstanden ist (Descriptio, qualiter Karolus Magnus clavum et coronam domini a Constantinopoli Aquisgrani detulerit [...]). Das dritte Buch enth¨alt Wunderberichte. Sieben Kapitel sind der Chronik des Ps.-Turpin entnommen (Wunder aus dem Spanienkrieg); elf weitere Kapitel schildern Wunder vor und nach Karls Tod und diejenigen, die sich anl¨asslich seiner Heiligsprechung ereigneten. Als Quellen benutzte der Verfasser im Kompilationsstil nachweislich → Einhards Vita Karoli Magni, die Reichsannalen, das Chronicon → Reginos von Pr¨um, das Chronicon Anianense, → Thegans Lude160

Johannes von Wurzburg ¨ wici imperatoris gesta und die Historia ecclesiastica Hugos von Fleury. Selbstverfasst sind die Praefationes der drei B¨ucher, die Einleitungen und Schlussbemerkungen zu den einzelnen Kapiteln sowie einige Abschnitte mit Lobpreisungen Karls. Der Stil dieser Passagen ist dezidiert rhetorisch und emphatisch, wobei Bibelzitate h¨aufig sind. ¨ Uberlieferung: Mindestens 35 Hss., teilweise unvollst.; vgl. Meuthen (s. Lit.), Geith 2002 (s. Lit.), H. und I. Deutz (Ausg.). Ausgaben: Gerhard Rauschen: Die Legende Karls des Großen im 11. und 12. Jh. Mit einem Anhang u¨ ber Urkunden Karls des Grossen und Friedrichs I. f¨ur Aachen v. Hugo Loersch (Publ. der Ges. f¨ur Rheinische Geschichtskunde 7). Leipzig 1890. – Helmut und Ilse Deutz: Die Aachener ‹Vita Karoli Magni› des 12. Jh. Auf der Textgrundlage der Edition v. Gerhard Rauschen unter Beif¨ugung der Texte der Karlsliturgie in Aachen neu hg., u¨ bers. und eingel. (Ver¨off. des Bisch¨oflichen Di¨ozesanarch. Aachen 48). Siegburg 2002. Literatur: Karl-Ernst Geith, VL2 1 (1978) Sp. 3–5. – Max Buchner: Das fingierte Privileg Karls des Großen f¨ur Aachen. Eine F¨alschung Reinalds v. Dassel. In: Zs. des Aachener Geschichtsver. 47 (1925) S. 179–254, hier S. 189–192. – Adalbert H¨amel: Die Entstehungszeit der Aachener Vita Karoli Magni und des PseudoTurpin. In: Quellen und Forschungen aus italienischen Archiven und Bibliotheken 32 (1942) S. 243–253. – Robert Folz: Le souvenir et la l´egende de Charlemagne dans l’empire germanique m´edi´eval (Publ. de l’Universit´e de Dijon 7). Paris 1950, S. 214–221. – Erich Meuthen (Hg.): Aachener Urkunden 1101–1250 (Publ. der Ges. f¨ur Rheinische Geschichtskunde 58). Bonn 1972, S. 83. – K.-E. Geith: Die Aachener Vita Karls des Großen. In: Ders.: Carolus Magnus. Stud. zur Darstellung Karls des Großen in der dt. Lit. des 12. und 13. Jh. (Bibliotheca Germanica 19). Bern/M¨unchen 1977, S. 27–47. – Ernst Tremp: Stud. zu den Gesta Hludowici imperatoris des Trierer Chorbischofs Thegan (MGH Schr. 32). Hannover 1988, S. 145–147. – Dorothea Klein: K[arl der Große] in der dt. Lit. In: RGA 16 (2000) S. 254–264, hier S. 256 f. – K.-E. Geith: Eine neue Hs. der ‹Aachener Vita› Karls des Großen. In: Scripturus vitam (2002) S. 357–368. – Ludwig Vones: Heiligsprechung und Tradition. Die Kanonisation Karls des Großen, die Aachener Karlsvita 161

2. H¨alfte 12. Jh. und der Pseudo-Turpin. In: Jakobus und Karl der Große. Von Einhards Karlsvita zum Pseudo-Turpin (Jakobus-Stud. 14). Hg. v. Klaus Herbers. T¨ubingen 2003, S. 89–106. VZ Johannes von Wurzburg. ¨ – Kleriker, 12. Jh. J. unternahm um 1160/70 eine Reise in das Hl. Land. Nach seiner R¨uckkehr nach W¨urzburg verfasste er eine Beschreibung der Hl. St¨atten (Descrip¨ tio terrae sanctae). Sie bietet nicht nur einen Uberblick u¨ ber die Verh¨altnisse in Pal¨astina zwischen dem zweiten und dritten Kreuzzug, sondern kann auch als Dokument fr¨uhen Nationalgef¨uhls gelten, wenn J. sich gegen die Anspr¨uche der Franzosen bem¨uht, die Hauptrolle dt. Ritter bei der Eroberung Jerusalems (1099) besonders herauszustellen. ¨ Uberlieferung: Mu¨ nchen, BSB, Clm 19418 (13. Jh., aus Tegernsee). – London, British Library, cod. Add. 22349 (14. Jh.). – Berlin, SBB, Ms. lat. oct. 32 (Kat. 861) (15. Jh., aus Bologna). – M¨unchen, BSB, Clm 8485 (15. Jh., aus dem M¨unchner Augustinerkloster). – W¨urzburg, UB, cod. M.ch.q. 73 (17. Jh., aus dem W¨urzburger Jesuitenkolleg). Ausgaben: PL 155, Sp. 1053–1090. – Tobias Tobler (Hg.): Descriptiones terrae sanctae ex saeculo VIII., IX., XII. et XV. Leipzig 1874 (Nachdr. Hildesheim/New York 1974) S. 102–192, 415–448 (mit Umstellungen und Auslassungen). ¨ Ubersetzung: Description of the Holy Land by John of W¨urzburg. Translated by Aubrey Stewart, with Notes by Charles A. Wilson (Palestine Pilgrims’ Text Society 5). London 1890. Literatur: Wilhelm Wattenbach, ADB 14 (1881) S. 484. – Manitius 3 (1931) S. 620–622. – Alfred Wendehorst, NDB 10 (1974) S. 577. – Ders., VL2 4 (1983) Sp. 822–824; 11 (2004) Sp. 806. – Reinhold R¨ohricht: Bibliotheca geographica Palaestinae. Chronologisches Verz. der v. 333 bis 1878 verfaßten Lit. u¨ ber das Heilige Land. Berlin 1890. Verb. und verm. Neuausg. mit einem Vorw. v. David H. K. Amiran. Jerusalem 1963 (Nachdr. London 1989). – Anna-Dorothee von den Brincken: Die ‹Nationes Christianorum Orientalium› im Verst¨andnis der lat. Historiographie v. der Mitte des 12. bis in die 2. H¨alfte des 14. Jh. (K¨olner Hist. Abh. 22). K¨oln/Wien 1973, S. 3 f., 30, 50 f. u. o¨ . (s. Reg.). – Aryeh Grabois: Le p`elerin occidental en Terre Sainte a` l’´epoque des croisades et ses r´ealit´es: la relation de p`elerinage de Jean de Wurtzburg. In: 162

2. H¨alfte 12. Jh. ´ Etudes de civilisation m´edi´evale (IXe–XIIe si`ecles). M´elanges Edmond-Ren´e Labande. Poitiers 1974, S. 367–376. BJ Helmold von Bosau, * kurz vor 1120 vielleicht im nordwestlichen Harzvorland, † nach 1177. – Geschichtsschreiber. H. wurde zwischen 1134 und 1138 in das Augustinerchorherrenstift Segeberg aufgenommen. 1138 floh er vor dem Slaweneinfall unter Pribislaw in das Kloster Faldera (Neum¨unster) und ging dann nach Braunschweig, wo er seit 1139 beim sp¨ateren Bischof Gerold von L¨ubeck seine Schulbildung erhielt. 1143 kehrte er nach Neum¨unster zur¨uck und erlebte die Slawenmission besonders in Wagrien aus n¨achster N¨ahe mit. 1156 wurde er Pfarrer in Bosau am Pl¨oner See. Seine aus zwei B¨uchern (das erste entstand um 1167/68, das zweite 1172) bestehende Chronica Slavorum ist keine ‹Geschichte der Slawen› (der missverst¨andliche Titel kam erst sp¨ater auf). Gest¨utzt auf eigene Erlebnisse und Berichte aus dem L¨ubecker Domkapitel, berichtet H. vielmehr u¨ ber die Missionierung der Elb- und Ostseeslawen durch das Bistum Oldenburg/L¨ubeck seit etwa 800 (Sachsenkriege Karls des Großen, Gru¨ ndung des Bistums Oldenburg) bis zum Ausgleichs Heinrichs des L¨owen mit Waldemar I. 1871. F¨ur Ereignisse bis etwa 1066 benutzte H. neben der Kirchengeschichte → Adams von Bremen u. a. die Viten Willehads und Ansgars oder die Weltchronik → Ekkehards. H.s Chronica, das wichtigste Zeugnis der Missionierung und Kolonisation Wagriens und Nordalbingiens im 12. Jh., wurde im 13. Jh. u. a. von → Arnold von L¨ubeck, im 14. u. 15. Jh. u. a. von → Heinrich von Herford, → Hermann von Lerbeke und Hermann → Korner rezipiert. ¨ Uberlieferung: Kopenhagen, UB, Additamenta Nr. 50 (11./15. Jh.). – Ebd., Arnamagn¨aische Slg. Nr. 30 (1472). – Wiener Neustadt, Neukloster, cod. XII D 21 (um 1512). – L¨ubeck, StB (15. Jh.; verloren, wie f¨unf weitere Hss.). – Vgl. Schmeidler (s. Ausg.) S. XVIII–XXIV. Ausgaben: Helmoldi presbyteri Bozoviensis Cronica Slavorum. Hg. v. Johann Martin Lappenberg (MGH SS 21, S. 1–99). Hannover 1869. – H. Slavenchronik. Bearb. v. Bernhard Schmeidler (MGH SS, rer. Germ. 32, S. 1–218). Hannover 3 1937. – Chronica Slavorum/Slawenchron. Neu u¨ bertragen und erl. v. Heinz Stoob (Ausgew¨ahlte Quellen zur dt. Gesch. des MA 19). Darmstadt 163

Helmold von Bosau 7

2008 (unver¨anderter Nachdr. der 6., gegen¨uber der 5. um einen Nachtrag erw. Aufl. 2002; zuerst 1963; lat.-dt.). Literatur: Wilhelm Wattenbach, ADB 11 (1880) S. 702 f. – Manitius 3 (1931) S. 493–498. – Karl Jordan, NDB 8 (1969) S. 502. – Dieter Berg, VL2 3 (1981) Sp. 975–979. – Wilfried Ehbrecht, LexMA 4 (1989) Sp. 2124 f. – Friedrich Wilhelm Bautz, BBKL 2 (1990) Sp. 706. – Ju¨ rgen Petersohn, LThK3 4 (1995) Sp. 1414. – Peter Hauptmann, RGG3 (2000) S. 1619. – Norbert H. Ott/Volker Scior, Killy2 5 (2009) S. 253 f. – Paul Regel: H. und seine Quellen. Diss. Jena 1883. – Hermann v. Breska: Unters. u¨ ber die Nachrichten H.s vom Beginn seiner Wendenchron. bis zum Aussterben des l¨ubischen F¨urstenhauses. In: Zs. des Vereins f¨ur L¨ubeckische Gesch. und Altertumskunde 4 (1884) 1, S. 1–67. – Albert B¨ohmer: Vicelin. Ein Beitr. zur Kritik H.s und der a¨lteren Urkunden von Neum¨unster und Segeberg. Mit Beilage: Zur Chronologie H.s und u¨ ber Spuren einer verlorenen zeitgen¨ossischen Aufzeichnung u¨ ber die holsteinsche Gesch. des 12. Jh. Wismar 1887. – Harry Bresslau: Bischof Marco. Ein Beitr. zur H.Kritik. In: Dt. Zs. f¨ur Geschichtswiss. 11 (1894) S. 154–163. – Wilhelm Ohnesorge: Neue H.Studien. Heimat, Alter und Schulzeit H.s. Charakteristik v. H.s Chron. und ihren Helden. In: Zs. des Vereins f¨ur Hamburgische Gesch. 16 (1911) S. 90–199. – Bernhard Schmeidler: Zur Sprache H.s. In: Neues Arch. der Ges. f¨ur a¨ ltere dt. Geschichtskunde 36 (1911) S. 538–542. – Ders.: H. und seine Cronica Slavorum. In: Zs. des Vereins f¨ur L¨ubeckische Gesch. und Altertumskunde 14 (1912) S. 185–236. – Heinrich Felix Schmid: Die slavische Altertumskunde und die Erforschung der Germanisation des dt. Nordostens. In: Zs. f¨ur slavische Philologie 1 (1924) S. 396–415; 2 (1925) S. 134–180. – Francis Joseph Tschan: H.: Chronicler of the North Saxon Missions. Presidential Address. In: The Catholic Historical Review 16 (1930/31) S. 379–412. – Bernhard Schmeid¨ ler: Uber die Glaubw¨urdigkeit H.s und die Interpretation und Beurteilung ma. Geschichtsschreiber. In: Neues Arch. der Ges. f¨ur a¨ ltere dt. Geschichtskunde 50 (1935) S. 320–387. – Leonid Arbusow: Liturgie und Geschichtsschreibung im MA. In ihren Beziehungen erl¨autert an den Schr. Ottos v. Freising († 1158), Heinrichs Livlandchron. (1227) und den anderen Missionsgeschichten des 164

Richard von Cluny Bremischen Erzsprengels: Rimberts, Adams v. Bremen, H.s. Bonn 1951. – Johannes Nowak: Unters. zum Gebrauch der Begriffe populus, gens und natio bei Adam v. Bremen und H. v. B. M¨unster 1971. – Ilona Opelt: Slavenbeschimpfungen in H.s Chron. In: Mlat. Jb. 19 (1984) S. 162–169. – Jerzy Strzelczyk: H. – swiadek zmierzchu Slowianszczyzny wagryjskiej i jego kronika. In: Sympozjum Historyczno-Archeologiczne. Pogranicze slowiansko-germanskie we wczesnym sredniowieczu. Bd. 2. Londyn 1991, S. 63–76. – Lutz E. v. Padberg: Geschichtsschreibung und kulturelles Ged¨achtnis. Formen der Vergangenheitswahrnehmung in der hochma. Historiographie am Beispiel v. Thietmar v. Merseburg, Adam v. Bremen und H. v. B. In: Zs. f¨ur Kirchengesch. 105 (1994) S. 156–177. – Horst Joachim Frank: Lit. in Schleswig-Holstein. Von den Anf¨angen bis 1700. Bd. 1. Neum¨unster 1995, S. 14–23. – Christian L¨ubke: H. v. B. (ca. 1120 – nach 1177). Chronica Slavorum. In: Hauptwerke der Geschichtsschreibung. Hg. v. Volker Reinhardt. Stuttgart 1997, S. 269–273. – Christoph Schmidt: Das Wunder bei H. v. B. und Nestor. Materialien zu einem Kulturvergleich. In: Saeculum 49 (1998) S. 235–258. – Bernd Dohrendorf: ‹Den ehrw¨urdingen Herren und V¨atern, der heiligen L¨ubeckischen Kirche Domgeistlichen ...›. Die L¨ubecker Hs. der SlawenChron. des H. v. B. Nach der R¨uckkehr v. Bibliotheksbest¨anden aus Armenien. Ein Beitr. u¨ ber die erste und a¨ lteste chronikalische Darstellung der Anfangsgesch. L¨ubecks. In: L¨ubeckische Bll. 164 (1999) S. 325–329. – Martin Illert: Zum Bild der Slaven in der ‹Slavenchronik› des H. v. B. In: Schr. des Vereins f¨ur Schleswig-Holsteinische Kirchengesch. 2, 49 (1999) S. 30–35. – Gerhard Theuerkauf: H. v. B. In: Hamburgische Biografie. Personenlexikon. Bd. 1. Hg. v. Franklin Kopitzsch. Hamburg 2001, S. 132. – V. Scior: Das Eigene und das Fremde. Identit¨at und Fremdheit in den Chron. Adams v. Bremen, H.s v. B. und Arnolds v. L¨ubeck. Berlin 2002. – Richard Mott: H. und Saxo. In: Venner og fjender/Freunde und Feinde. Dagligliv ved Østersøen 700–1200. Hg. v. Palle Birk Hansen/Manfred Gl¨aser (Ausstellungen zur Arch¨aologie in L¨ubeck 7). L¨ubeck 2004, S. 100–106. – David Fraesdorff: Der barbarische Norden. Vorstellungen und Fremdheitskategorien bei Rimbert, Thietmar v. Merseburg und H. v. B. Berlin 2005. – Martin Illert: Bl¨uhende Landschaften. Die sakrale Topographie H.s v. B. In: Schr. des Vereins f¨ur Schleswig165

2. H¨alfte 12. Jh. Holsteinische Kirchengesch. 52 (2006) S. 9–17. – Heidi Beutin: ‹... qui nec gratia nec odio nec pavore a veritatis via deducatur ...›. Nordalbingien und D¨anemark in H. v. B.s ‹Slawenchron.›. In: JOWG 16 (2006/2007) S. 179–194. – Barbara Egli: Identit¨at und Alterit¨at im HochMA. Stud. zu H. v. B., Saxo Grammaticus und Heinrich v. Lettland. In: Berner hist. Mitt. 25 (2008) S. 26 f. BJ Richard von Cluny (R. v. Poitiers, R. Pictaviensis) OSB, * um 1110 Poitou, † nach 1174 St. Martin/Rochefort. – Chronist. R. stammte wohl aus der Region um La Rochelle. Er lebte zun¨achst m¨oglicherweise im Priorat St. Martin/Poitou, sp¨ater im Kloster Cluny, als Petrus Venerabilis (um 1094–1156) dort Abt war. Um die Mitte des 12. Jh. unternahm R. eine EnglandReise. Zuletzt scheint R. wieder nach St. Martin zur¨uckgekehrt zu sein. W¨ahrend seiner Zeit in Cluny begann R. eine lat. Weltchronik, die Petrus Venerabilis gewidmet war. Das Werk ist in vier Redaktionen mit unterschiedlichen Berichtszeitr¨aumen u¨ berliefert, die bis 1153, bis 1162, bis 1171 und bis 1174 reichen. Dabei entstand die letzte Redaktion auf Grundlage der ersten Fassung. Alle Redaktionen wurden von R. selbst bearbeitet und sind in zahlreichen Handschriften u¨ berliefert, teilweise mit einem Papstkatalog R.s als Anhang. R.s Chronik ist entsprechend den Konventionen der ma. Weltchronistik nach Weltreichen gegliedert. Ihr inhaltlicher Schwerpunkt liegt auf kirchenpolitischen Entwicklungen, in der sp¨atesten Bearbeitung besonders auf dem zeitgen¨ossischen Schisma. R. vollzieht in seiner Chronik die kirchenpolitischen Wendungen seines Klosters mit. Zun¨achst Parteig¨anger von Kaiser Friedrich I. und Gegenpapst Viktor IV., unterst¨utzte R. schließlich Papst Alexander III. Der von R. urspr¨unglich als Friedensf¨urst dargestellte Friedrich wird sp¨ater als Kriegstreiber denunziert. In dieser ver¨anderten kirchenpolitischen Sichtweise R.s ist wohl auch der Grund f¨ur die vierte Redaktion zu suchen. Neben den Schilderungen historischer Ereignisse (u. a. Kreuzz¨uge) enth¨alt R.s Werk auch theologische Abschnitte, etwa eine Auseinandersetzung mit → Hugo von St. Viktor und Peter Abaelard. Außerdem f¨ugte R. Gebete, Fabeln und Anekdoten in den Text ein. Die Chronik beruht auf zahlreichen Quellen, darunter Werke von Flavius Josephus, Titus Livius, Sueton, → Augustinus, → Beda, Isidor von Sevilla, 166

2. H¨alfte 12. Jh. Ado von Vienne, Raimund von Aguilers und Foucher von Chartres. R.s Schrift wirkte sp¨ater u. a. auf → Martin von Troppau, Bernardus Guidonis und Bartholom¨aus von Lucca. Noch heute wird die Chronik h¨aufiger als historische Quelle zitiert. Weniger bekannt sind R.s kleinere Werke. Dazu z¨ahlen eine Reihe von R. nicht sicher zuzuschreibenden Gedichten, darunter ein Lobpreis Londons. Weiterhin hinterließ R. kurze historische Berichte u¨ ber die Zerst¨orung von Chˆatelaillon 1130 und u¨ ber die Aufst¨ande in La Rochelle unter dem englischen K¨onig Heinrich II. ¨ ¨ Uberlieferung: Zur lat. Uberl. vgl. Berger 1879 und Schnack 1921 (beide s. Lit.). Ausgaben: 1. Weltchronik: Chronicon Richardi Pictavensis Monachi Cluniacensis. In: Veterum Scriptorum Et Monumentorum Historicorum, Dogmaticorum, Moralium, Amplissima Collectio 5. Hg. v. Edmond Mart`ene u. a. Paris 1729, Sp. 1159–1174 (erste Red.). – Antiquitates Italicae medii aevi 4. Hg. v. Ludovicus Muratori. Mailand 1741 (Nachdr. Bologna 1965) Sp. 1079–1114 (zweite Red.). – Ex Chronico Richardi Pictaviensis, monachi Cluniacensis. Hg. v. Martin Bouquet. In: Recueil des historiens des Gaules et de la France 7. Paris 1749, S. 258; Bd. 9, 1757, S. 21–24; Bd. 10, 1760, S. 263; Bd. 11, 1767, S. 285; Bd. 12, 1781, S. 411–421 (vierte Red.). – Ex Richardi Pictaviensis Chronica. Hg. v. Georg Waitz. In: MGH SS 26. Hannover 1882 (Nachdr. Stuttgart 1975) S. 76–82 (Teildr.). – 2. Gedichte: Wilhelm Wattenbach: Verse aus England. In: Neues Arch. 1 (1876) S. 600–604. – 3. Briefe und Berichte: Berger 1879 (s. Lit.) S. 45–140. Literatur: Tusculum-Lex. 31982, S. 696. – Achim Kr¨ummel, BBKL 8 (1994) Sp. 208. – Neithard Bulst, LexMA 7 (1995) Sp. 820 f. – J¨org Ober´ Berger: Notice ste, LThK3 8 (1999) Sp. 1169. – Elie sur divers manuscrits de la biblioth`eque vaticane. Richard le Poitevin, moine de Cluny, historien et po`ete. Paris 1879 (mit Werkverz.). – Ingeborg Schnack: R. v. C., seine Chron. und sein Kloster in den Anf¨angen der Kirchenspaltung v. 1159. Ein Beitr. zur Gesch. der Anschauungen v. Kardinalkolleg und Papsttum im 12. und 13. Jh. Berlin 1921. Nachdr. Vaduz 1965. – Anna-Dorothee v. den Brincken: Stud. zur lat. Weltchronistik. D¨usseldorf 1957, S. 205 f. – Arno Borst: Der Turmbau v. Babel. Gesch. der Meinungen u¨ ber Ursprung und Vielfalt der Sprachen und V¨olker 2,2. Stuttgart 1959, S. 715 f. u. o¨ . – Alexander B. Scott: 167

Petrus Comestor Some Poems Attributed to R. of C. In: Medieval Learning and Literature. FS Richard William Hunt. Hg. v. Jonathan Alexander/Margaret Templeton Gibson. Oxford 1976, S. 181–199. – Francis Cairns: The Addition to the Chronica of R. of Poitiers and Hugo Primas of Orl´eans. In: Mlat. Jb. 19 (1984) S. 158–161. – Marc Saurette: Tracing the Twelfth-Century Chronica of R. of Poitiers, Monk of C. In: Memini. Travaux et documents 9/10 (2005/2006) S. 303–350. MM Petrus Comestor (P. Manducator), * um 1100 Troyes, † um 1179 Paris. – Theologe und Exeget. Geh¨orte dem Klerus von Troyes in der Champagne an; unterzeichnete mit «Presbyter Trecensis». C. war Sch¨uler des → Petrus Lombardus, dessen Nachfolger er 1159 an der Domschule von Paris wurde. 1168 nahm er die Funktion des Kanzlers von Notre-Dame an. Sein letztes Lebensjahr verbrachte C. zur¨uckgezogen im Chorherrenstift von St. Victor. Schon sehr fru¨ h verfasste er Glossen zu den Sentenzen des Petrus Lombardus und zu den Evangelien, des weiteren Quaestionen, Predigten und theologische Traktate. Nicht gesichert ist die Echtheit der Allegoriae in Vetus et Novum Testamentum und der Erkl¨arungen zu den R¨omerbriefen, unecht sind die u¨ brigen Paulus-Kommentare, zu Unrecht wird P. auch der Liber qui dicitur Pancrisis zugeschrieben. Hauptwerk P.s bildet die Historia scholastica (abgeschlossen zwischen 1169 und 1173), eine biblische Weltgeschichte mit philologisch-historischen Erl¨auterungen. Als Hauptquellen dienten die Vulgata, apokryphe Texte, Schriften der Kirchenv¨ater wie → Hieronymus, → Augustinus und Isidor von Sevilla und der j¨udischen Exegese. In der Fr¨uhzeit der Universit¨at diente die H. s. als Grundlage theologischer Vorlesungen und war als Schul- und Handbuch in Gebrauch. Zahlreiche Werke der lat. Geschichtsschreibung und Bibeldichtung beruhen auf ihr. Das a¨ ußerst einflussreiche Werk wurde von Petrus Pictaviensis erg¨anzt, viele Male in die Volkssprachen u¨ bersetzt und kommentiert. Ausgaben: Sermones: PL 171 (1854) Sp. 339–964 (unter dem Namen Hildeberts v. Lavardin). – PL 198 (1855) Sp. 1721–1844. – Sententiae de sacramentis: Raymond M. Martin: De sacramentis (Spicilegium sacrum Lovaniense 17). Louvain 1937 (Anhang). – Historia scholastica: PL 198 (1855) Sp. 1045–1722. – Hans Vollmer: Historia scholastica [...]. 2 Bde. Berlin 1925–27. – Agneta Sylwan: 168

Petrus Comestor Petri Comestoris Scolastica historia. Liber Genesis (CCCM 191). Turnhout 2005. Deutschsprachige Rezeption: Verarbeitet wurde die H. s. in den Weltchroniken des → Rudolf von Ems, des Jakob → Twinger von K¨onigshofen und → Heinrichs von M¨unchen, ebenso in der → Christherre-Chronik und der → S¨achsischen Weltchronik. Auch f¨ur zahlreiche Reimbibeln und andere biblische Dichtungen wurde die H. s. herangezogen, so war sie u. a. Hauptquelle f¨ur die Rijmbijbel → Jacobs von Maerlant, ebenso f¨ur die → Meininger Reimbibel und f¨ur die → Historien der alden E. Der → Daniel-Dichtung liegt die H. s. neben der Vulgata und den Postillen des → Nikolaus von Lyra zugrunde. Das Buch der Makkab¨aer – wahrscheinlich von → Lud(g)er von Braunschweig – zog ebenfalls die H. s. als Vorlage heran. Den dritten großen Einflussbereich der H. s. bilden die Bibelbearbeitungen in Prosa und die Historienbibeln. Neben der Vulgata war sie u. a. wichtige Quelle f¨ur das → Buch der K¨onige (alter eˆ), f¨ur den → Propheten-Auszug sowie f¨ur die Historienbibeln der Gruppen nach Vollmer (s. Lit.) I a, III a, VI, VII, VIII, indirekt u¨ ber die Vorlagen auch f¨ur I b, II a und II b. Der Antikenroman Alexander des → Rudolf von Ems greift direkt auf die Vorlage der H. s. zur¨uck. Ferner wurde das Werk in verschiedenen dt. Predigten, Rechtsb¨uchern sowie in Lehr- und Erbauungsb¨uchern bearbeitet. ¨ Es existieren nur wenige vollst¨andige Ubersetzungen ins Dt. Ein Druck der Kgl. Bibl. Stockholm (wahrscheinlich Speyer, Peter Drach II., zwischen 1515 und 1525) u¨ berliefert eine hochdt. ¨ Ubertragung. Eine fragmentarische Bearbeitung bietet Wolfenb¨uttel, HAB, Cod. Guelf. 404.10 (5 A) Novi. Der Auszug der → F¨unfzehn Vorzeichen des J¨ungsten Gerichts aus der H. s. wurde h¨aufig selbstst¨andig ins Deutsche u¨ bersetzt. Indirekten Einfluss – durch ihre Verwendung in den Vorlagen – nahm sie u. a. auf die dt. Bearbeitungen der → Vita Beatae virginis Mariae et salvatoris rhythmica. Literatur: Jean Long`ere, Dict. Spir. 12 (1985) Sp. 1614–1626. – Riccardo Quinto, LexMA 6 (1993) Sp. 1967 f. – Monika Rappenecker, BBKL 7 (1994) Sp. 343–345. – Schulthess/Imbach (1996) S. 546. – Rainer Berndt: ‹Historia scholastica›. In: LexthW (2003) S. 381 f. – M. Rappenecker, LThK3 8 (1999) Sp. 118. – Ulrich K¨opf, RGG4 6 169

2. H¨alfte 12. Jh. (2003) Sp. 1170. – Dorothea Klein, VL2 11 (2004) Sp. 1205–1225. – Oswald Zingerle: Die Quellen zum Alexander des Rudolfs v. Ems (Germ. Abh. 4). Breslau 1885. Nachdr. Hildesheim 1977. – H. Vollmer: Materialien zur Bibelgesch. und religi¨osen Volkskunde 1–4. Berlin 1912–31. – R. M. Martin: Notes sur l’œuvre litt´eraire de Pierre le Mangeur (Recherches de th´eologie ancienne et m´edi´evale 3). Louvain 1931. – Paul Gichtel: Die Weltchron. Heinrichs v. Mu¨ nchen in der Runkelsteiner Hs. des Heinz Sentlinger. Mu¨ nchen 1937. – Guido Kisch: Sachsenspiegel and Bible [...] (Publ. in Medieval Studies 5). Notre Dame/Indiana 1941. Nachdr. 1960. – Saralyn R. Daly: Peter C. Master of Histories. In: Speculum 32 (1957) S. 62–73. – Margarete ¨ Andersson-Schmitt: Uber die Verwandtschaft der Alexandersagen im Seelentrost und in der ersten ndl. Historienbibel. In: Mu¨ nstersche Beitr. zur nd. Philologie (1960) S. 78–104. – Roy Wisbey: Das Alexanderbild Rudolfs v. Ems (Phil.Stud.u.Qu. 31). Berlin 1966. – Achim Masser: Bibel, Apokryphen und Legenden. Geburt und Kindheit Jesu in der religi¨osen Epik des dt. MA. Berlin 1969. – Gerhard Stamm: Stud. zum ‹Schwarzw¨alder Prediger› (Medium Aevum 18). Mu¨ nchen 1969. – Werner Williams-Krapp: Das Gesamtwerk des sog. ‹Schwarzw¨alder Predigers›. In: ZfdA 107 (1978) S. 50–80. – M. Andersson-Schmitt: Mitt. zu den Quellen des Großen Seelentrostes. In: NdJb 105 (1982) S. 21–41. – Dies.: Zwei nd. Bibelfragm. und ¨ die Uberlieferungsgesch. der sog. ersten ndl. Historienbibel. In: Nd. Wort 23 (1983) S. 1–37. – Beryl Smalley: The Bible in the Middle Ages. Oxford 3 1984. – M. Andersson-Schmitt: Die Verwendung der ‹Historia scholastica› in einigen volkssprachigen Bibelwerken des MA. In: Kungliga Humanistika Vetenskaps-Samfundet i Uppsala (1985) S. 5–31. – David E. Luscombe: Peter C. In: The Bible in the Medieval World [...]. Hg. v. Katherine Walsh/ Diana Wood. Oxford 1985, S. 109–129. – Michael Menzel: Die ‹S¨achsische Weltchron.›. Quellen und Stoffauswahl (Vortr¨age und Forschungen 34). Sigmaringen 1985. – Gisela Kornrumpf: Die o¨ sterr. Historienbibeln III a und III b. In: Dt. Bibel¨ubersetzungen des MA. Hg. v. H. Reinitzer. Bern u. a. 1991, S. 350–371. – Dies.: Das ‹Buch der K¨onige›. Eine Exempelslg. als Historienbibel. In: FS W. Haug und B. Wachinger. Hg. v. Johannes Janota u. a. T¨ubingen 1992, S. 505–527. – James H. Morey: Peter C. Biblical Paraphrase and the Medieval Popular Bible. In: Speculum 68 (1993) 170

2. H¨alfte 12. Jh. S. 6–35. – Monika Schwabbauer: Profangesch. in der Heilsgesch. Quellenunters. zu den Incidentien der ‹Christherre-Chron.› (Vestigia Bibliae 15/16). Bern u. a. 1997. – Maria C. Sherwood-Smith: Die ‹Historia scholastica› als Quelle biblischer Stoffe im MA. In: Die Vermittlung geistlicher Inhalte im dt. MA. Hg. v. Timothy Jackson. T¨ubingen 1996, S. 153–165. – J¨urgen Wolf: Die S¨achsische ¨ Weltchron. im Spiegel ihrer Hss. Uberl., Textentwicklung, Rezeption (MMS 75). M¨unchen 1997. – Horst Brunner u. a. (Hg.): Stud. zur ‹Weltchron.› Heinrichs v. Mu¨ nchen 1–3 (Wissenslit. im MA 29–31). Wiesbaden 1998. – Bob Miller: Eine dt. Vers¨ubersetzung der lat. ‹Vita Adae et Evae› in der ‹Weltchron.› Heinrichs v. Mu¨ nchen. In: ebd. 1. Wiesbaden 1998, S. 240–332. – Ursel Bakker: Die Loccumer Erz¨ahlungen. Stoffe einer mnd. Historienbibel. In: Nd. Wort 38 (1998) S. 1–35. – M. C. Sherwood-Smith: Studies in the Reception of the ‹Historia scholastica› of Peter C. (Medium Aevum Monographs, NS 20). Oxford 2000. – Anna K. Hahn: Die ebreyschen sprechen dorobir. Die ‹Postilla› des Nikolaus v. Lyra in der Historienbibel Berlin, SBPK, mgf 1277. In: Metamorphosen der Bibel. Hg. v. Ralf Plate u. a. (Vestigia Bibliae 24/25). Bonn 2004, S. 247–264. – Mark Clark: P. C. and Peter Lombard. Brothers in deed. In: Traditio 60 (2005) S. 85–142. SF Der Linzer Entecrist. – Apokalyptische Dichtung, um 1170. Die L. E. genannte anonyme Dichtung u¨ ber die Ereignisse der Endzeit besteht aus 68 unterschiedlich langen, 6–36 Zeilen umfassenden Strophen in Reimpaartechnik. Die drei Abschnitte haben die Titel De anticristo. Elia et Enoch (50 Str.), De signis XV dierum ante diem iudicii (Str. 51–57) und De adventu Christi ad iudicium (Str. 58–68). Quellen waren die Bibel, vielleicht der Liber de antichristo des Adso de Montier-en-Der und wahrscheinlich De novissimis et antichristo des Petrus Damianus. Der theologisch versierte Dichter erz¨ahlt die Geschehnisse in tradierter Abfolge; auff¨allig sind die Versuche, sachliche Einzelheiten zu kl¨aren. ¨ Uberlieferung: Linz, LB, Hs. 33 (fr¨uher 178; Cc II 15), Bl. 171r–180r (Perg., um 1200 oder fr¨uhes 13. Jh., alemannisch). Ausgaben: August Heinrich Hoffmann v. Fallersleben: Fundgruben zur Gesch. dt. Sprache und Lit. Bd. 2. Breslau 1837, S. 102–134. – Friedrich 171

Der Linzer Entecrist Maurer (Hg.): Die religi¨osen Dichtungen des 11. und 12. J. Bd. 3. T¨ubingen 1970, S. 361–427. Literatur: Ehrismann 2,1 (1922) S. 132. – De Boor/Newald 1 (91979) S. 166 f. – Werner Schr¨oder, VL2 5 (1985) Sp. 842–845. – Sabine Schmolinsky/Red., Killy2 7 (2010) S. 445 f. – Karl Reuschel: Unters. zu den dt. Weltgerichtsdichtungen des XI. bis XV. Jh. Bd. 1. Diss. Leipzig 1895, S. 10–14. – Elisabeth Peters: Quellen und Charakter der Paradiesesvorstellungen in der dt. Dichtung vom 9. bis 12. Jh. Breslau 1915. – Edward Schr¨oder: Die Heimat des L. Entechrist. In: Nachrichten v. der Kgl. Ges. der Wiss. zu G¨ottingen, philologisch-hist. Kl. Berlin 1918, S. 340–346. – Konrad Schiffmann: Die Hs. des L. Entechrist. In: ZfdA 59 (1922) S. 163 f. – Erich Klibansky: Gerichtsszene und Prozeßform in erz¨ahlenden dt. Dichtungen des 12.–14. Jh. Berlin 1925. Nachdr. Nendeln 1967. – Albert Leitzmann: Lexikalische Probleme in der fr¨uhmhd. geistlichen Dichtung (Abh. der Preuß. Akad. der Wiss., phil.-hist. Kl. 1941,18). Berlin 1942. – Artur Rossmann: Wort und Begriff der Wahrheit in der fr¨uhmhd. Lit. Diss. T¨ubingen 1953. – Klaus D¨uwel: Werkbezeichnungen der mhd. Erz¨ahllit. (1050–1250). Diss. G¨ottingen 1965 (ersch. G¨ottingen 1983). – W. Schr¨oder: Noch einmal zu Friedrich Maurers Neuedition der Dt. religi¨osen Dichtungen des 11. und 12. Jh. In: PBB (T¨ub.) 93 (1971) S. 109–138. – Hans-Peter Kursawa: Antichristsage, Weltende und Ju¨ ngstes Gericht in ma. dt. Dichtung. Diss. K¨oln 1976, passim. – Richard K. Emmerson: Antichrist in the Middle Ages. Manchester 1981. – Rolf Bergmann/ Stefanie Stricker: Kat. der ahd. und as. Glossenhss. Bd. 2. Bln./New York 2005, S. 844 f. (Nr. 386a). BJ Theodericus. – M¨onch, Priester, Verfasser eines Pilgerberichts, zweite H¨alfte 12. Jh. Der wahrscheinlich aus dem Rheinland stammende T. unternahm mit anderen (einer seiner Begleiter war aus K¨oln) etwa um 1172 eine Reise ins Heilige Land. Sein Libellus de locis sanctis bietet eine umfangreiche Beschreibung der Jerusalemer Auferstehungskirche und Aufzeichnungen ihrer musivischen Inschriften sowie eine Beschreibung von Ordensbauten und -burgen. Hervorzuheben ist die Beobachtung, dass christlichen Pilgern zu dieser Zeit keine Gefahren von muslimischer Seite gedroht haben. 172

Theodericus von Echternach ¨ Uberlieferung: Wien, cod. 3529, 192r–207r (15. Jh.). – Univ. of Minneapolis, Library, The James Ford Bell Collection, MS. 1424/Co. (15. Jh.). Ausgaben: Titus Tobler: Theoderici Libellus de locis sanctis [...], St. Gallen-Paris 1865. – Marie Luise und Walther Bulst: Th. Libellus de locis sanctis (Editiones Heidelbergenses 18). Heidelberg 1976. ¨ Ubersetzungen: Sabinio De Sandoli: Itinera hierosolymitana crucesignatorum (saec. XII–XIII). Bd. 2. Jerusalem 1980, S. 309–390 (Abdruck von ¨ Toblers Text mit ital. Ubersetzung). – Aubrey Stewart: Description of the Holy Places (Palestine Pilgrims’ Text Society 17). London 1891. Literatur: Marie Luise Bulst-Thiele, VL2 9 (1995) Sp. 741 f. – Dies.: Die Mosaiken der Auferstehungskirche in Jerusalem und die Bauten der Franken im 12. Jh. In: Fr¨uhma. Stud. 13 (1979) S. 442–471. – Christine Sauer: Theoderichs Libellus de locis sanctis (ca. 1169–1174). Architekturbeschreibungen eines Pilgers. In: Der Heiligenkult in Schr., Bild und Architektur. Hg. v. Gottfried Kerscher. Berlin 1993, S. 213–239. – Vgl. auch die Einleitungen in den Ausgaben. BJ Theodericus von Echternach (Theodorich, Theoderich, Theodoricus Epternacensis) OSB, * um 1125, † kurz nach 1192. – Bibliothekar und Scholaster der Benediktinerabtei Echternach (Luxemburg). T. trat fr¨uh, wahrscheinlich unter Abt Gottfried I. (1123–1155), ins Echternacher Kloster ein, erhielt dort seine Ausbildung und hatte unter Abt Gerhard II. (1155–1171) das Amt des Armarius, sp¨ater auch das eines Schreibers inne, wovon Autographe der Vita Sanctae Hildegardis virgnis und des Chronicon Epternacense zeugen. Zugleich war er Magister der Klosterschule und ist als T. scholasticus bzw. scholaster in mehreren Urkunden, vor allem unter Abt Ludwig (1171–1181) bezeugt. 1192 war er an der Auseinandersetzung des Klosters mit Erzbischof Johann I. von Trier beteiligt und erreichte durch ein Schreiben an Kaiser Heinrich VI. die Wiederherstellung und erneute Beurkundung der Reichsunmittelbarkeit. Als Schriftsteller ist T. zwar eher Kompilator als Autor, besitzt aber einen pers¨onlichen Stil, der insbesondere durch den umfangreichen Einsatz von Reimprosa gekennzeichnet ist. Zwischen 1182 und 1187 schuf T. aus dem von Guibert von Gembloux 173

2. H¨alfte 12. Jh. zusammengestellten Material seine Vita S. Hildegardis virginis, die sp¨ater in die Gesamtausgabe der Werke Hildegards Aufnahme fand und aus drei jeweils durch Prolog und Kapitelverzeichnis eingeleiteten B¨uchern besteht. Buch I umfasst den Libellus Gottfrieds von Disibodenberg, Propst des Rupertsberger Klosters (Lebensbeschreibung Hildegards bis zur Neugr¨undung des Klosters auf dem Rupertsberg), den T. um einen Briefauszug zu Hildegards Visionsbegabung und einen Hinweis auf Vita activa und Vita contemplativa als Pole von Hildegards Existenz erweitert. Buch II und (zum Teil) III gruppieren als «uisiones» pr¨asentierte, vermutlich zwischen 1163 und 1170 entstandene Texte autobiographischer Pr¨agung. T.s Paratexte akzentuieren Hildegards Darstellung als Prophetin und Heilige. Buch III enth¨alt Mirakelberichte sowie eine Darstellung von Hildegards Tod. Eine aller Wahrscheinlichkeit ebenfalls von T. unternommene, f¨ur die Lekt¨ure im Refektorium am Jahrestag der Heiligen bestimmte Kurzfassung der Vita stellen die Octo lectiones in festo sancte Hildegardis legende dar. Um 1191 verfasste T. nach dem Vorbild der Lorscher Chronik sein unvollendet gebliebenes zweites Hauptwerk, das zwei B¨ucher umfassende Chronicon Epternacense. Beiden B¨uchern ist ein Prolog vorangestellt, Buch I zus¨atzlich eine Liste der Echter¨ nacher Abte, Buch II eine Auflistung der Herrscher von Pippin bis Heinrich VI. Die chronikalische Darstellung von Buch I umfasst eine auf gezielter Exzerption von Quellen zur fr¨ankischen Geschichte sowie von Willibrord-Viten basierende ¨ Uberblicksdarstellung zur Geschichte der fr¨ankischen F¨ursten bis zu Pippin, dem als einem der Gr¨under der Abtei Echternach neben dem Klosterpatron Willibrord T.s besonderes Interesse gilt. Mit Buch II verfolgt T. vor allem die Absicht, auf der Basis von Urkunden, chronikalischen Notizen und Kommentaren die Geschichte des Klosters und seiner Besitzst¨ande zu dokumentieren. Zu Beginn des 13. Jh. wurde T.s Chronik von einem Anonymus bis 1222 fortgesetzt. Große Wahrscheinlichkeit besitzt schließlich die Zuschreibung eines Libellus de libertate Epternacensi propugnata an T., der aus Echternacher Perspektive u¨ ber den Konflikt mit Erzbischof Johann I. im Jahr 1192 berichtet. ¨ Uberlieferung: Vita S. Hildegardis virginis: Vollst. ¨ Hss.: Wien, ONB, Cod. 624, 1v–80v (12. Jh., Autograph). – Wiesbaden, LB, Hs. 2, 317ra–327v (zwischen 1180 und 1190). – Berlin, SBB, Cod. lat. ¨ qu. 674, 1r–24v (Anfang 13. Jh.). – Wien, ONB, 174

2. H¨alfte 12. Jh. Cod. 4919, 20r–60v (erste H¨alfte 15. Jh.). – Berlin, SBB, Cod. lat. qu. 835, 1r–21rb (um 1490). – London, British Library, Add. ms. 15102, 224r–245r (1487 v. Johannes → Trithemius veranlasste Abschrift). – Br¨ussel, Bibl. Royale, ms. 5387–96, 156v–175v (Ende 12./Anfang 13. Jh.). – Br¨ussel, Bibl. Royale, ms. 5527–34, 191va–209ra (Anfang 13. Jh.). – Kurzfassungen und Ausz¨uge: Br¨ussel, Bibl. Royale, ms. 7917, fol. 157ra–158vb (Ende 14./Anfang 15. Jh.). – Hannover, LB, Cod. XIII 859, 18v–20r (14./15. Jh.). – Ausf¨uhrlichere Angaben bei M. Klaes (s. Ausg.) S. 157–194. – Octo lectiones in festo sancte Hildegardis legende: Br¨ussel, Bibl. Royale, ms. 3527–34, 209ra–210va. – Chronicon Epternacense: Gotha, Forschungs- und LB, Cod. Memb. I 71, 7v–46v (um 1191, Autograph). – Libellus de libertate Epternacensi propugnata: Ebd., Cod. Memb. I 71, 114r–123r (um 1191, Autograph). Ausgaben: Vita S. Hildegardis virginis: Justus Blanckwaldt: S. Hildegardis [...] Epistolarum liber. K¨oln 1566, S. 276–333. – Acta Sanctorum Septembris. Bd. 5. Antwerpen 1755, S. 629–697. – Monika Klaes: Vita Sanctae Hildegardis (CCCM 126). Turnhout 1993, S. 1–71. – Octo lectiones in festo sancte Hildegardis legende: Jean-Baptiste Pitra (Hg.): Analecta Sanctae Hildegardis opera spicilegio Solesmensi (Analecta Sacra 8). Paris 1882, S. 434–438. – M. Klaes: Vita Sanctae Hildegardis (CCCM 126). Turnhout 1993, S. 73–80. – Chronicon Epternacense: Ludwig Weiland, MGH SS 23 (1874) S. 38–64. – Libellus de libertate Epternacensi propugnata: Edmond Mart`ene/Ursin Durand: Veterum scriptorum et monumentorum historicum [...] amplissima Collectio. Bd. 4. Paris 1729 (Nachdr. New York 1968) S. 453–467. – Ludwig Weiland, MGH SS 23 (1874) S. 64–72. ¨ Ubersetzungen: Vita S. Hildegardis virginis: Ludwig Clarus: Leben und Schr. der heiligen Hildegard. Bd. 1. Regensburg 1854, S. 38–101. – Karl Koch: Hildegard v. Bingen und ihre Schwestern. Leipzig 1935, S. 115–172. – Adelgundis Fu¨ hrk¨otter: Das Leben der heiligen Hildegard v. Bingen. Salzburg 21980. – James McGrath: The life of the holy Hildegard written by the monks Gottfrid and T. Collegeville 1995. – Monika Klaes: Vita sanctae Hildegardis: Lat. – Dt. Leben der heiligen Hildegard v. Bingen (Fontes Christiani 29). Freiburg i. Br. 1998, S. 81–235. – Anna M. Silvas: Jutta and Hildegard. The Biographical Sources (Medieval women 1). Turnhout 1998, S. 135–210. – Tony 175

Gottfried von Viterbo Lindijer: De vita van Hildegard (Middeleeuwse studies en bronnen 68). Hilversum 2000. – Charles Munier (Hg.): La Vie de sainte Hildegarde de Bingen et les Actes de l’enquˆete en vue de sa canonisation. Paris 2000. Literatur: Manitius 3 (1931) S. 94. – Monika Klaes, VL2 9 (1995) Sp. 742–747. – Karl M¨uhlek, BBKL 11 (1996) Sp. 839 f. – Bernd Sch¨utte, LThK3 9 (2000) Sp. 1404 f. – Camille Wampach: Gesch. der Grundherrschaft Luxemburg im Fru¨ hMA. Bd. 1 (Publ. de la Section historique de l’Inst. GrandDucal de Luxembourg 63,1). Luxemburg 1929, S. 80–90. – Michele C. Ferrari: Sancti Willibrodi venerantes memoriam. Echternacher Schreiber und Schriftsteller v. den Angelsachsen bis Johann Bertels. Luxemburg 1994, S. 76–79. – Klaes (s. Ausg. Vita). – Christine Sauer: Fundatio und Memoria. Stifter und Klostergr¨under im Bild 1100 bis 1350 (Ver¨off. des Max-Planck-Inst. f¨ur Gesch. 109). G¨ottingen 1993, S. 246–273. – Walter Berschin: Die Vita Sanctae Hildegardis des T. v. E. Ihre Stellung in der biographischen Tradition. In: Hildegard v. Bingen, Prophetin durch die Zeiten. Hg. v. Else F¨orster. Freiburg/Basel/Wien 1997, S. 120–125. – Barbara Newman: Seherin – Prophetin – Mystikerin. Hildegard-Bilder in der hagiographischen Tradition. In: ebd., S. 126–152. – Klaes ¨ (s. Ubers.). – Michel Margue: Libertas Ecclesiae. Das Kloster im Spannungsfeld zwischen Adelsherrschaft und Reichsfreiheit aus der Sicht der Echternacher Quellen (8.–12. Jh.). In: Die Abtei Echternach 698–1998. Hg. v. Michele C. Ferrari/Jean Schr¨oder/Henri Trauffler (Publ. du CLUDEM 15). Luxemburg 1999, S. 241–245. – J¨org Ulrich: Vision bei Hildegard v. Bingen. Beobachtungen zur Vita Gottfrieds und T.s und zu den Visionsschriften Hildegards. In: Kerygma und Dogma 47 (2001) S. 14–29. – Michael Embach: Trierer Literaturgesch. Das MA. Trier 2007, S. 345–347. NR

Gottfried von Viterbo Kaiserlicher Notar und Hofkapellan, lat. Geschichtsschreiber und -dichter, * um 1125, † um/nach 1202. G. enstammte einer urspr¨unglich dt. Familie, deren Besitz in Viterbo (Latium) ein f¨ur Hofund/oder Milit¨ardienste verliehenes Allod gewesen sein d¨urfte (1169 gew¨ahrte Friedrich I. ein Privileg uber ¨ den Besitz). Kaiser Lothar III. sandte G. 176

Gottfried von Viterbo um 1133 zur Ausbildung an die Bamberger Domschule. Nach deren Abschluss und vor seinem Wirken in der Reichsverwaltung war er vermutlich in der p¨apstlichen Kanzlei t¨atig. G., der sich in Selbstzeugnissen als «magister», «capellanus» und «notarius» bezeichnete, trat 1151 unter Kaiser Konrad III. in die Hofkapelle ein. Dieser geh¨orte er auch unter Friedrich I. und vermutlich noch unter Heinrich VI. an. Mit großer Wahrscheinlichkeit (Schriftvergleiche des G.-Autographen mit Kanzleidokumenten) ist G. identisch mit demjenigen Kanzleinotar, der in der Forschung mit «Arnold II C» bezeichnet wird. Er unterzeichnete namentlich den Konstanzer Vertrag zwischen Barbarossa und Papst Eugen III. (1153) sowie 1186 eine Urkunde Heinrichs VI. Neben seiner Kanzleit¨atigkeit war G. vermutlich auch Lehrer oder Erzieher des jungen Heinrich und mit diplomatischen Aufgaben betraut. Deshalb unternahm er zahlreiche Reisen und war Mitglied politischer Delegationen. In best¨andigem Wechsel pendelte er zwischen Deutschland und Oberitalien, bereiste auch Sizilien, Frankreich sowie Spanien und nahm am zweiten und f¨unften Italienzug Barbarossas teil. Viele wichtige historische Ereignisse erlebte G. als Augenzeuge (neben dem Konstanzer Vertrag z. B. 1162 das Treffen Barbarossas mit Ludwig VII. von Frankreich in St.-Jean-de-Losne oder 1178 die Kr¨onung Friedrichs zum K¨onig von Burgund in Arles). 1158 ist er als Propst von Frankfurt und Kapellan von Mainz urkundlich belegt, 1163 auch als Domherr in Speyer. Weitere Dokumente von 1177/78 legen nahe, dass er auch u¨ ber Kanonikate in Pisa und Lucca verf¨ugte. 1179 wurde G. von Konrad von Montferrat gefangengenommen und ist 1181 das letzte Mal in Deutschland nachgewiesen. Danach d¨urfte er sich haupts¨achlich in Viterbo im Palatium aufgehalten haben, das er zusammen mit Familienmitgliedern hatte errichten lassen. Dort widmete er sich der Ausarbeitung seiner Werke, mit deren Abfassung er erst in seinem sechsten Lebensjahrzehnt begann, mit der Materialsammlung hingegen schon lange vorher. Laut Vorrede der Memoria Saeculum suchte er bei seinen Reisen best¨andig Bibliotheken auf. Auch habe er von Gesandten am Stauferhof aus Konstantinopel, Babylon, Armenien oder Persien Nachrichten bezogen. So hat G. in 40 Jahren eine F¨ulle an Material und Informationen gesammelt, die in sein historiographisches Œuvre einflossen. G. verwandte bei seinen Geschichtswerken sowohl Prosa als auch Verse. Bei den Versdichtungen 177

2. H¨alfte 12. Jh. benutzte er eine ihm eigent¨umliche Strophenform (zwei Hexameter mit Endreim und ein Pentameter, der mit dem vorgehenden Paarreim oder der eigenen Z¨asur reimt). Alle seine Werke sind interpretierbar als unterschiedliche Arbeitsstufen von einer umfassenden Weltchronik. Vier Werktitel wurden von G. verwandt und insgesamt acht Rezensionen dieser Werke lassen sich differenzieren. Am Anfang steht das Speculum regum, das um 1183 vollendet wurde. In zwei B¨uchern mit 674 bzw. 779 Versen pr¨asentiert es die Weltgeschichte in fortlaufenden Herrscherviten in zwei genealogischen Linien: von der Sintflut zur r¨omischen Fr¨uhgeschichte (1. Buch) und von der trojanischen Abkunft der Franken u¨ ber die r¨omische Kaisergeschichte und die fr¨ankischen Herrscher bis zu Heinrich VI., dem das Speculum gewidmet ist (2. Buch). In einem Prosaprolog wird das Werk als geschichtliches Lehr- und Lesewerk f¨ur Heinrich dargestellt und als Schullekt¨ure empfohlen. Dem Prolog folgen knappe Kaiser- und Papstkataloge. Herangezogene Quellen sind die Chronik des → Hieronymus (1. Buch) und Isidors Chronicon maius neben Bibel, Historia miscella, Origo gentis Romanorum und Liber historiae Francorum (2. Buch). Die Memoria saeculorum (1885) ist eine Teilbearbeitung des Speculum. Sie besteht aus 14 «Particulae» in Versen mit einem Vorwort an Heinrich. In den ersten 10 «Particulae» wird die biblische Geschichte bis Christus (IX und X) gegeben. Die beiden Abschnitte zum NT sind in Prosa verfasst. Der alttestamentliche Teil zieht neben der Bibel auch die Historia Scholastica des → Petrus Comestor heran, paralle Ereignisse aus der Profangeschichte erscheinen als «incidentia». Die weiteren Abschnitte behandeln die weltliche Geschichte bis Konrad III. Als f¨unfzehnte «Particula» waren abschließende Gesta Friderici vorgesehen, diese wurden aber nicht ausgef¨uhrt (zumindest erscheinen sie nicht in der ¨ Uberlieferung). In einer weiteren Bearbeitsungsstufe (Liber memorialis) ist den «Particulae» ein Prosateil mit 13 «Introductiones» («Isagogae») vorangestellt. Die «Introductiones» sollen ihrer Funktion nach in die Lekt¨ure einf¨uhren und diese erleichtern, beschr¨anken sich aber oft auf das Anf¨uhren von Namen und Daten. Vielleicht hat G. die Gesta Friderici in der Memoria nicht mehr ausgef¨uhrt, weil er schon die n¨achste Umarbeitung vorbereitete. Diese stellt der Liber universalis (um 1187) dar, eine Revision und 178

2. H¨alfte 12. Jh. Erweiterung der Memoria. Die «Particulae» wurden mit Prosateilen durchsetzt, die h¨aufig aus den «Introductiones» stammten, und angereichert mit Exzerpten aus der Weltchronik → Ottos von Freising. Ihre Gesamtzahl wurde auf 20 erh¨oht, mit den Gesta Friderici als letzter «Particula». Den Titel Memoria saeculorum und die Widmung an Heinrich wollte G. wohl zun¨achst beibehalten, schließlich wurde die Chronik in Liber universalis umbenannt (im Autograph auf Rasur) mit dem Hinweis, sie sei an Papst Gregor VIII. u¨ bersandt worden. Im Text allerdings wird sich teilweise auf das Werk schon mit dem Titel Pantheon bezogen, was bereits auf den n¨achsten Revisionsschritt verweist. Der Liber scheint eine letzte Autorisation G.s f¨ur die Publikation nicht erfahren zu haben. Von den u¨ ber 1000 Versen der Gesta Friderici im Liber etwa u¨ bernahm er nur 180 ins Pantheon. Diese konnten den gesamten Text deswegen vertreten, da sie ein (nachtr¨aglich eingef¨ugtes) Res¨umee der gesamten Gesta enthalten. Diese behandeln in der Langfassung in 47 Gedichten (von 3 bis u¨ ber 90 Versen) die Zeit von ¨ 1155 bis 1180 und beruhen neben m¨undlich Uberliefertem und eigenen Erlebnissen auf den Gesta Friderici I. Ottos von Freising und → Rahewins. Die letzte Gestalt der Weltchronik G.s ist das breit u¨ berlieferte Pantheon (in drei Rezensionen [C/E/D], 1187–91, gewidmet den P¨apsten Urban III. [C] und Gregor VIII. [E/D]). Es ist ¨ eine stilistische Uberarbeitung des Liber, bei welcher der Prosateil fast ganz gestrichen wurde und der Aufbau mit K¨onigs-, Kaiser- und Papstkatalogen klarer erscheint. Eine ausf¨uhrliche Inhaltsangabe ist vorangestellt und im Vorwort an den Papst, wird das Werk Klerikern und F¨ursten gleichermaßen anempfohlen. Der Titel Pantheon erf¨ahrt eine umst¨andliche Ausdeutung als «liber universalis». Rezension C hat 20, D 30 und E 34 «Particulae» (mit Wechsel von Vers und Prosa), wo¨ bei von der Anderung der Anzahl auch die thematische Aufteilung ber¨uhrt wird. Drei Handschriften der Rezension D enthalten eine Gesta Heinrici. Die letzte Fassung E hat einen theologischen Einstieg, der sich u¨ ber f¨unf «Particulae» erstreckt, und behandelt ab dem sechsten Abschnitt die biblische und profane Weltgeschichte bis zu Heinrich VI. mit Einschluss auch der griechischen und mohammedanischen Welt. Die letzte «Particula» bietet die Zeugnisse der alttestamentlichen Propheten zusammen mit einer Tabelle der Propheten und 179

Gottfried von Viterbo der V¨ater des AT. Das Werk wird von einem Gedicht in 35 Vagantenstrophen u¨ ber Christo- und Doxologie abgeschlossen, f¨ur das G.s Autorschaft umstritten ist. Der Quellenwert von G.s historiographischen Gesamtwerk ist dann hoch, wenn er selbst Erlebtes in den Text einbringt. Die Zuverl¨assigkeit seiner Angaben leidet mitunter an vielen Fl¨uchtigkeitsfehlern beim Kopieren und an seiner staufischen Parteinahme. Innovativ ist G., indem er erstmals in die lat. Chronistik nicht-historische Elemente aus religi¨osen Legenden sowie weltlichen Fabeln und Sagen integriert (z. B. Trojanersage, Apollonius von Tyrus, Roland oder das Blutmahl Ottos III.). G. verfolgte hier eindeutig auch den Anspruch, sein Publikum zu unterhalten. Dieser bunten F¨ulle an Stoffen und Vermischung unterschiedlicher Gattungen verdankt sein Geschichtswerk wohl auch die Beliebtheit im Sp¨atMA, die ¨ vor allem anhand der Uberlieferung des Pantheon evident ist. Der Umstand, dass G. als Dichter auf eher bescheidenem Niveau operiert und gerade die Versdichtungen mitunter etwas unbeholfen wirken, tat hier keinen Abbruch. Auch leidet unter der Mixtur aus profanem und religi¨osem Material und unterschiedlichsten Texttypen gewiss die historische Pr¨azision, dennoch war G. f¨ur sp¨atere Chronisten vorbildlich, wie etwa Sicard von Cremona, → Hermann von Niederaltaich, → Martin von Troppau, Bartholom¨aus von Lucca, → Rudolf von Ems, → Siegfried von Balnhausen oder Heinrich → Steinh¨owel. ¨ Uberlieferung: Speculum: Zw¨olf bekannte Hss. zumeist des 14./15. Jh. Die Hs. Paris, Bibl. Nationale, Ms. nouv. acq. lat. 229 enth¨alt als einzige die «Denominatio regnorum imperio subiectorum», eine topographische Materialslg. zu Regionen und St¨adten des Reichs, die auf G. selbst zur¨uckgehen d¨urfte. – Memoria: Paris, Bibl. Nationale, Ms. lat. 4896 (14. Jh.). – Montpellier, StB., Cod. 222 (14. Jh.). – Liber universalis: Paris, Bibl. Nationale, Ms. lat. 4894 (Autograph). – M¨unchen, ¨ BSB, Clm 43 (15. Jh.). – Pantheon: Uber 40 Hss., besonders Rezension C in Hss. des 13. Jh. Ausgaben: Georg Waitz, MGH SS 22 (1872) S. 21–336 (S. 21–93: «Speculum»; S. 94–106: «Memoria» [Ausz¨uge]; S. 107–307: «Pantheon» [Teilausg. der Rezensionen mit Bevorzugung der Zeit nach Chr.]; S. 307–334: «Gesta Friderici»; S. 334–338: «Gesta Heinrici»). – Pantheon: Johannes Herold: Pantheon, sive Universitatis Libri, 180

Gottfried von Viterbo qui Chronici appellantur [...]. Basel 1559 (VD 16 G 2384). – Johann Pistorius/Burkhard Gotthelf Struve: Germanici scriptores, qui rerum a Germanis per multas aetates gestarum historias vel annales posteris reliquerunt. Bd. 2: Quo Continetur Gotefridi Viterbiensis Pantheon, Werneri Rolewinckii Fasciculus Temporum, Et H. Mutii Chronica. Regensburg 1726, S. 8–392. – Gesta: G. Waitz: Gotifredi Viterbiensis Gesta Friderici I. et Heinrici VI. imperatorum metrice scripta. Hannover 1870, Nachdr. 1993 (MGH SS rer. Germ. 30). Literatur: Wilhelm Wattenbach, ADB 9 (1879) S. 481 f. – Manitius 3 (1931) S. 392–398. – FranzJosef Schmale, NDB 6 (1964) S. 676 f. – Karl Langosch, VL2 3 (1981) Sp. 173–182. – Gerhard Baaken, LexMA 4 (1989) Sp. 1607 f. – Odilo Engels, LThK3 4 (1995) Sp. 950. – Simone Finkele, Encyclopedia of the Medieval Chronicle 1 (2010) S. 722–724. – Heinrich Ulmann: G. v. V. Beitr. zur Historiographie des MA. Diss. G¨ottingen 1863. – ¨ G. Waitz: Uber G. v. V.s Gesta Friderici. In: Nachrichten von der Kgl. Ges. der Wiss. und der GeorgAugusts-Univ. zu G¨ottingen Jg. 1866 (Nr. 18) S. 279–293. – Wilhem Gundlach: Heldenlieder der dt. Kaiserzeit. Bd. 3: Barbarossa-Lieder. Innsbruck 1899, S. 468–429. – Bernhard Schmeidler: Italienische Geschichtsschreiber des 12. und 13. Jh. Ein Beitr. zur Kulturgesch. (Leipziger Hist. Abh. 11). Leipzig 1909, S. 21–27, 83–87. – Ernat Schulz: Die Entstehungsgesch. der Werke G. v. V.s. In: Neues Arch. der Ges. f¨ur a¨ ltere dt. Geschichtskunde 46 (1926) S. 86–131. – Wilhelm Berges: F¨urstenspiegel des hohen und sp¨aten MA (MGH Schr. 2). Leipzig 1938, S. 30, 103–105, 264. – Hermann Schreibm¨uller: Der staufische Geschichtsschreiber G. v. V. und seine Beziehungen zu Bamberg, W¨urzburg und bes. Speyer. In: Zs. f¨ur bayer. Landesgesch. 14 (1944) S. 248–281. – Ingeborg Pape: G. v. V. und die Carmina Burana. In: Philologus 115 (1971) S. 191–195. – Hans Werner Seiffert: Otto v. Freising und G. v. V. In: ebd., S. 292–301. – Wilhelm Wattenbach/F.-J. Schmale: Deutschlands Geschichtsquellen im MA. Vom Tod Kaiser Heinrichs V. bis zum Ende des Interregnums. Bd. 1. Darmstadt 1976, S. 77–92. – Carlos A. Contreras: G. of V. An Appraisal. Mikrofilm Ann Arbor, MI (Diss. Berkeley 1972) 1982. – Repertorium Fontium Historiae Medii Aevi 5 (1984) S. 169–171. – Anneke Beitske Mulder-Bakker: A Pantheon full of examples. The world chronicle of Godfrey of V. In: Exemplum et similitudo. Alexander the Great and 181

2. H¨alfte 12. Jh. Other Heroes as Points of Reference (Mediaevalia Groningana 8). Hg. v. Willem J. Aerts/Martin Gosman. Groningen 1988, S. 85–98. – Dagmar Gottschall: Marius Salernitanus und G. v. V. In: Sudhoffs Arch. 75 (1991) S. 111–113. – Friederike Boockmann: Stud. zum Pantheon des G. v. V. Tl. 1. Diss. M¨unchen (1985) 1992. – O. Engels: G. v. V. und seine Sicht des staufischen Kaiserhauses. In: Aus Arch. und Bibl. FS Raymund Kottje (Freiburger Beitr. zur ma. Gesch. 3). Hg. v. Hubert Mordek. Frankfurt/M. u. a. 1992, S. 327–345. – Friedrich Hausmann: G. v. V. Kapellan und Notar, Magister, Geschichtsschreiber und Dichter. In: Friedrich Barbarossa. Handlungsspielr¨aume und Wirkungsweisen des staufischen Kaisers (Konstanzer Arbeitskreis f¨ur Ma. Gesch. Vortr¨age und Forschungen 40). Hg. v. Alfred Haverkamp. Sigmaringen 1992, S. 603–621. – Loren James Weber: Godfrey of V.’s ‹Pantheon›. Origin, evolution and later transmission. Mikrofilm Ann Arbor, MI (Diss. Los Angeles) 1993. – Ders.: The historical importance of Godfrey of V. In: Viator 25 (1994) S. 153–195. – Ilse Haari-Oberg: Die Wirkungsgesch. der Trierer Gr¨undungssage vom 10. bis 15. Jh. (Europ¨aische Hochschulschr. 3,607). Bern u. a. 1994, S. 56–59. – Maria E. Dorninger: G. v. V. Ein Autor in der Umgebung der fr¨uhen Staufer (Salzburger Beitr. 31). Stuttgart 1997. – G. Baaken: Zur Beurteilung G.s v. V. In: Imperium und Papsttum. Zur Gesch. des 12. und 13. Jh. FS G. Baaken. Hg. v. Karl Augustin Frech/Ulrich Schmidt. K¨oln u. a. 1997, S. 159–180. – M. E. Dorninger: Zum Bild des Judentums im Heiligen R¨omischen Reich. Aus dem Werk G.s v. V. In: Jb. der Univ. Salzburg 1995/97 (1999) S. 173–194. – Fidel R¨adle: Eine ‹christliche› Lektion f¨ur den Ritter Alexander: Alexanders Briefwechsel mit dem K¨onig der Brachmanen im ‹Pantheon› G.s v. V. In: Herrschaft, Ideologie und Geschichtskonzeption in Alexanderdichtungen des MA (Ver¨off. des G¨ottinger Sfb. 529, Ser. A.: Lit.- und Kulturr¨aume im MA 2). Hg. v. Ulrich M¨olk. G¨ottingen 2002, S. 77–105. – Stefano Pittaluga: Boezio, Goffredo da V. e la ruota della Fortuna. In: Nova de veteribus. Mittel- und neulat. Stud. f¨ur Paul Gerhard Schmidt. Hg. v. Andreas Bihrer/Elisabeth Stein. M¨unchen 2004, S. 504–510. – Hans Hubert Anton: F¨urstenspiegel des fr¨uhen und hohen MA (Ausgew¨ahlte Quellen zur dt. Gesch. des MA 45). Darmstadt 2006, S. 24–26. – M. E. Dorninger: Mutter- und Tochterbeziehung am Beispiel des Aeneasstofes. Heinrich v. Veldeke und G. v. V. In: Current topics 182

2. H¨alfte 12. Jh. in medieval German literature. Texts and analyses (GAG 748). Hg. v. Sibylla A. Bierhals-Jefferis. G¨oppingen 2008, S. 32–54. – H. H. Anton: Trojaner, Franken, Deutsche im K¨onigsspiegel des G. v. V. In: Stud. zu Lit., Sprache und Gesch. in Europa. FS Wolfgang Haubrichs. Hg. v. Albrecht Greule u. a. St. Ingbert 2008, S. 617–633. – Oliver Killgus: Stud. zum ‹Liber universalis› G.s v. V. M¨unchen 2010. VZ Gunther von Pairis OCist, * um 1150, † um 1220. – Dichter, Geschichtsschreiber. G.s Biographie ist in der Forschung bis heute umstritten. Seine meist genannten Lebensumst¨ande beruhen auf Angaben in mehreren u¨ berlieferten Werken. Darin identifiziert sich jeweils ein G. als Verfasser. Diese Texte sind jedoch nicht mit absoluter Sicherheit dem gleichen Autor zuzuschreiben, sondern k¨onnten auch von zwei separaten Personen stammen. Verschiedentlich hat die Forschung G. u. a. mit → Gottfried von Straßburg oder einem Notar aus der Kanzlei Kaiser Friedrichs I. zu identifizieren versucht. Diese Thesen haben sich bis heute jedoch nicht durchsetzen k¨onnen. Geht man von einem einzigen Autor namens G. aus, so ergibt sich folgende Biographie: G. stammte aus den s¨udwestlichen Reichsgebieten (Basel?) und war zun¨achst Lehrer («scholasticus»), vielleicht an den Kathedralschulen von Basel oder Straßburg. Sp¨ater unterrichtete er Kaiser Friedrichs I. Sohn Konrad, fiel aber wohl vor 1186 in Ungnade. Zu Beginn des 13. Jh. wurde G. dann Zisterzienser im Kloster Pairis. G. werden allgemein vier lat. Texte zugeschrieben. G.s wahrscheinlich fr¨uhestes Werk Solymarius (1180–86) ist nur unvollst¨andig in 232 Bruchst¨ucken erhalten. Das historische Hexameter-Epos ist Friedrichs Sohn Konrad gewidmet und besingt den Ersten Kreuzzug. Als Vorlage diente die Historia Hierosolymitana des Robert von Reims, die G. versifizierte. Der Solymarius wird auch in G.s Ligurinus als dessen Vorg¨angerwerk erw¨ahnt; beide Texte stammen also vom gleichen ¨ Verfasser. Auch hat die Forschung stilistische Ubereinstimmungen des Solymarius mit dem sp¨ateren Werk nachgewiesen. Das historische Epos Ligurinus gilt als G.s dichterisches Hauptwerk und wurde wahrscheinlich 1187 beendet. Die 6577 Hexameter in zehn B¨uchern mit Prolog und Epilog sind eine panegyrische Dichtung auf Kaiser Friedrich I. Barbarossa. Im Mittel183

Gunther von Pairis punkt stehen Friedrichs Konflikte mit den St¨adten der Lombardei von 1152 bis 1160. Der behandelte Zeitraum verdankt sich G.s Vorlage, den B¨uchern II bis IV der Gesta Friderici I. imperatoris → Ottos von Freising und → Rahewins. Der Ligurinus stellt Friedrich als Garanten f¨ur Frieden und Ordnung dar. Diese Panegyrik sowie die Widmung des Textes an den Kaiser stellten vielleicht einen Versuch G.s dar, Friedrichs Gunst wiederzuerlangen. In seiner Panegyrik von Lucan inspiriert, ist der Ligurinus in Sprache und Metrik an Vergil, Ovid, Horaz und Statius angelehnt. Die hohe Qualit¨at des verwendeten Lateins und die Geschliffenheit der Verse ließen das Werk zu einer beliebten Schullekt¨ure des Humanismus werden. Die Annahme, es handele sich beim Ligurinus um eine humanistische ¨ F¨alschung, kann als widerlegt gelten. Die Uberlieferung des Werks ist leider l¨uckenhaft, da eine 1504 von Konrad Celtis in Ebrach aufgefundene Handschrift verloren ist. Die chronikalische Historia Constantinopolitana entstand wahrscheinlich um 1207/08. Das in 25 Kapitel aufgeteilte Prosimetrium schildert den Vierten Kreuzzug. Der Text entstand auf Veranlassung Martins, der zu G.s Zeit Abt von Pairis war. Martin hatte sich dem Kreuzzug urspr¨unglich als Prediger angeschlossen, hatte dann an der Pl¨underung Konstantinopels teilgenommen und war 1205 nach Pairis zur¨uckgekehrt. Entsprechend gleicht die Historia stellenweise einem Reisebericht. Jedes Kapitel wird von einer meist zwanzigzeiligen Verspartie in gereimten Distichen und Hexametern abgeschlossen. Man hat hinter dieser Anlage den Einfluss von Martianus Capella oder Boethius vermutet. Ebenfalls G. zugeschrieben wird der Prosatraktat De oratione, ieiunio et eleemosyna (vor 1215). Der Hauptteil des Texts umfasst elf B¨ucher u¨ ber das Gebet, denen der Autor sp¨ater der Vollst¨andigkeit halber zwei weitere B¨ucher u¨ ber das Fasten und Almosen hinzuf¨ugte. Das Werk enth¨alt Bez¨uge auf Cicero, Horaz und Juvenal, verweist also wie die fr¨uheren Texte G.s auf die r¨omische Latinit¨at. Darin liegt insgesamt das wichtigste Merkmal von G.s Werk: Das geschliffene Latein der Texte ist zugleich ihre bedeutendste Qualit¨at und eine wichtige Klammer ihrer gemeinsamen Zuschreibung an G. ¨ Uberlieferung: 1. Ligurinus: Die fr¨uhen Hss. sind verloren, darunter eine 1504 von Konrad Celtis in Kloster Ebrach aufgefundene Hs.; vgl. Knapp 184

Gunther von Pairis 1981 (s. Lit.) Sp. 318. – 2. Hystoria Constantinopo¨ litana: Verz. der Hss. bei Assmann 1956 (s. Uber.) S. 20–22 und Orth 1994 (s. Lit.) S. 95–99. – 3. De oratione: M¨unchen, BSB, Clm 8855, 1r–52v (15. Jh.). – Eine fr¨uhe Basler Hs. des Werks ist verschollen. Sie war Grundlage des LeontoriusDrucks von 1507 (s. Ausg.). – 4. Solymarius: K¨oln, Hist. Stadtarch., Chroniken und Darstellungen 264, 4 Bll. (12./13. Jh., Fragm.). Ausgaben: 1. Ligurinus: Ligvrini de gestis Imp. Caesaris Friderici primi Augusti [...]. Hg. v. Konrad Celtis. Augsburg: Erhard Oeglin, 1507 (Ausg. nach der verlorenen Ebracher Hs.; VD16 G 4135; Online-Ausg. BSB Mu¨ nchen [o. J.]). – Ligurinus sive de rebus gestis imp. caes. Friderici I. [...]. Hg. v. Carl Georg D¨umge. Heidelberg 1812. – PL 212 (1855) Sp. 327–467. – Der ‹Ligurinus› des Gunther von Pairis in Abbildung des Erstdrucks von 1507. Hg. v. Fritz P. Knapp. G¨oppingen 1982 (Faks.Ausg.). – Ligurinus (MGH SS rer. Germ. 63). Hg. v. Erwin Assmann. Hannover 1987 (mit Ausg. des Solymarius). – 2. Hystoria Constantinopolitana: Hystoria Constantinopolitana. Hg. v. Heinrich Canisius. In: Ders.: Antiquae Lectionis 5,2. Ingolstadt 1604, S. 358–393 (unvollst.; VD17 32:629367Z). – PL 212 (1855) Sp. 225–256 (nach Canisius). – Guntheri Alemanni scholastici monachis et prioris Parisiensis de expugnatione urbis Constantinopolitane [...]. Hg. v. Paul Riant. Genf 1875 (wieder in: Ders.: Exuviae sacrae Constantinopolitanae 1. Genf 1877. Neudr. Paris 2004, S. 57–126). – Orth 1994 (s. Lit.). – The Capture of Constantinople. The Hystoria Constantinopolitana of G. of P. Hg. v. Alfred J. Andrea. Philadelphia 1997 (mit engl. ¨ Ubers.). – 3. De oratione: Conrad Leontorius: Opus pulcherrimum de tribus vsitatis christianorum actibus oratione videlicet [...]. Basel: Michael Furter 1507 (VD16 G 4140; Online-Ausg. BSB Mu¨ nchen [o. J.]). – PL 212 (1855) Sp. 99–222. – 4. Solymarius: Solimarius. Hg. v. Wilhelm Wattenbach. In: Archives de l’Orient Latin 1 (1881) S. 551–561. Sonderdr. Gˆenes 1881. – Assmann 1987 (s. o.) S. 501–512. ¨ Ubersetzungen: Der Ligurinus Gunthers von Pairis im Elsaß, ein Epos zum Ruhme Kaiser Rothbarts aus dem 12. Jahrhundert. Hg. v. Theodor Vulpinus. Straßburg 1889. – G¨unthers von Pairis Historia Constantinopolitana. Hg. v. T. Vulpinus. In: Jb. f¨ur Elsaß-Lothringen 5 (1889) S. 3–56. – Joseph Sturm: Der ‹Ligurinus›. Ein dt. Heldengedicht zum Lobe Kaiser Friedrich Rotbarts. Freiburg i. Br. 185

2. H¨alfte 12. Jh. 1911. – Die Gesch. der Eroberung von Konstantinopel. Hg. v. E. Assmann. K¨oln u. a. 1956. – Ligurinus. Ein Lied auf den Kaiser Friedrich Barbarossa. Hg. v. Gerhard Streckenbach. Sigmaringendorf 1995. – Andrea 1997 (s. Ausg.). Literatur: Wilhelm Wattenbach, ADB 10 (1879) S. 145. – Manitius 3 (1931) S. 698–701. – Franz Brunh¨olzl, NDB 7 (1966) S. 325. – Maur Standaert, Dict. Spir. 6 (1967) Sp. 1296. – Fritz P. Knapp, VL2 3 (1981) Sp. 316–325. – Anselme Dimier: Gontier de P. In: DHGE 21 (1986) Sp. 611 f. – Franz-Josef Schmale, LexMA 4 (1989) Sp. 1794. – Bruno W. H¨auptli, BBKL 22 (2003) Sp. 481–484. – Anette Syndikus, Killy2 4 (2009) S. 528 f. – Otto Drinkwelder: Ist G. v. P. der Verf. des ‹Ligurinus›? In: Stud. und Mitt. zur Gesch. des Benediktinerordens und seiner Zweige 35, NF 4 (1914) S. 671–683. – Walter Rubarth: Der Verf. des ‹Ligurinus›. Breslau 1921. – Maurice Mutterer: Document alsacien sur la 4e croisade. La ‹Historia Constantinopolitana› de G. de P. In: Bulletin de la Soci´et´e Industrielle de Mulhouse 94 (1928) S. 433–450. – Walter Stach: Politische Dichtung im Zeitalter Friedrichs I. Der ‹Ligurinus› im Widerstreit mit Otto und Rahewin. In: Neue Jbb. f¨ur dt. Wiss. 13 (1937) S. 385–410. – Arsenio Frugoni: Arnaldo da Brescia nelle fonti del secolo xii. Rom 1954, S. 97–105. – E. Assmann: Bleibt der ‹Ligurinus› anonym? In: DA 12 (1956) S. 453–472. – Thomas Szabo: Herrscherbild und Reichsgedanke. Eine Stud. zur h¨ofischen Geschichtsschreibung unter Friedrich Barbarossa. Diss. Freiburg i. Br. 1971, S. 22–27. – Otto Zwierlein: Antike Motive beim Archipoeta und im ‹Ligurinus›. In: Mlat. Jb. 7 (1972) S. 102–124. – Dietrich Becker: Die Belagerung v. Crema bei Rahewin, im ‹Ligurinus› und im ‹Carmen de gestis Frederici I. imperatoris in Lombardia›. Unters. zur literarischen Form staufischer Geschichtsschreibung. Diss. W¨urzburg 1975. – F. P. Knapp: Similitudo 1. Stil- und Erz¨ahlfunktion von Vergleich und Exempel in der lat., franz¨osischen und dt. Großepik des HochMA. Wien u. a. 1975, S. 298–333. – W. Wattenbach/Franz-Josef Schmale: Deutschlands Geschichtsquellen im MA 1: Vom Tod Kaiser Heinrichs V. bis zum Ende des Interregnums. Darmstadt 1976, S. 71–76. – Peter v. Moos: Poeta und historicus im MA. Zum Mimesis-Problem am Beispiel einiger Urteile u¨ ber Lucan. In: PBB (Tu¨ b.) 98 (1976) S. 93–130. – Hans Bayer: G. v. P. und Gottfried v. Straßburg. In: 186

2. H¨alfte 12. Jh. Mlat. Jb. 13 (1978) S. 140–183. – Francis Swietek: G. of P. and the ‹Historia Constantinopolitana›. In: Speculum Bd. 53 (1978) S. 49–79. – Hans Bayer: Hartmann v. Aue. Die theol. und hist. Grundlagen seiner Dichtung sowie sein Verh¨altnis zu G. v. P. (Mlat. Jh. Beih. 15). Kastellaun 1978. – A. J. Andrea: The ‹Historia Constantinopolitana›. An Early Thirteenth-Century Cistercian Looks at Byzantium. In: Analecta Cisterciensia 36 ˆ (1980) S. 269–302. – H. Bayer: Ane eˆ re alse ein vihe. Der Moriz von Craun und der Ligurinus G.s v. P. In: Mlat. Jb. 16 (1981) S. 180–211. – A. J. Andrea: Cistercian Accounts of the Fourth Crusade. Were They Anti-Venetian? In: Analecta Cisterciensia 41 (1985) S. 3–41. – Ders.: Boethian Influence on G. of P.’s ‹Historia Constantinopolita›. In: Carmina Philosophiae 1 (1992) S. 19–33. – Peter Orth: Hystoria Constantinopolitana. Unters. und krit. Ausg. Hildesheim u. a. 1994 (vgl. dazu Gabriel Silagi. In: DA 54, 1998, S. 699). – H. Bayer: Parasitus Golias. Gottfried von Straßburg (G. v. P.) und die zeitkritisch-h¨aretische Schulpoesie der Carmina Burana. In: Mlat. Jb. 31 (1996) H. 2, S. 39–80. – Ders.: Gottfried v. Strassburg und der ‹Archipoeta›. Die literarischen Masken eines Ehr- und Namenlosen. Hildesheim u. a. 1996 (vgl. dazu Rudolf Schieffer. In: DA 53, 1997, S. 672). – G´erard Jacquin: L’‹Historia› de G¨unther de P. Statut du texte et id´eologie. In: Grecs et Romains aux prises avec l’histoire. R´epr´esentations, r´ecits et id´eologie 2. Hg. v. Guy Lachenaud/Dominique Longr´ee. Rennes 2003, S. 705–718. – Heinz Krieg: Herrscherdarst. in der Stauferzeit. Friedrich Barbarossa im Spiegel seiner Urkunden und der staufischen Geschichtsschreibung. Ostfildern 2003, S. 30–33 u. o¨ . – G¨unther Bernhard: Gunther, der Verfasser des Ligurinus, ein Notar aus der Kanzlei Kaiser Friedrichs I. Barbarossa? In: Mitt. des ¨ Inst. f¨ur Osterr. Geschichtsforschung 111 (2003) S. 18–43. – Volkhard Huth: Staufische ‹Reichshistoriographie› und scholastische Intellektualit¨at. Das els¨assische Augustinerchorherrenstift Marbach ¨ im Spannungsfeld v. regionaler Uberlieferung und universalem Horizont. Ostfildern 2004, S. 41–46, 238–242, 250–254. – Paolo Mastandrea: Arnaldo da Brescia nel Ligurinus di G. v. P. I modelli epici antichi. In: Paideia 60 (2005) S. 185–194. – Heinz Krieg: Im Spannungsfeld zwischen christlichen und adligen Normvorstellungen. Zur Beurteilung Friedrich Barbarossas in stauferzeitlicher Historiographie. In: Fr¨uhma. Stud. 41 (2007) S. 447–466. MM 187

Konrad von Eberbach Konrad von Eberbach OCist, † 18.9.1221 Eberbach/Hessen. – Verfasser einer Ordensgeschichte. K. lebte zun¨achst als Zisterzienser im Kloster Clairvaux, in das er sp¨atestens 1168 eingetreten sein d¨urfte. Er kannte noch → Bernhards Notar Gaufrid und weitere Sch¨uler des 1153 verstorbenen Abts. Um 1200 wechselte K. in das Rheingau-Kloster Eberbach. Noch im fortgeschrittenen Alter wurde K. dort 1221 zum Abt gew¨ahlt, starb aber bereits im selben Jahr. K. gilt als Autor der lat. Ordensgeschichte Exordium magnum Cisterciense (auch Narratio de initio Cisterciensis Ordinis, Liber de viris illustribus). Obwohl K. nur in zwei Handschriften als Verfasser genannt wird, ist diese Zuschreibung heute allgemein akzeptiert. Die Entstehungszeit des Exordiums wird h¨aufig in zwei Phasen angesetzt: W¨ahrend die ersten vier B¨ucher wohl um 1186–91 in Clairvaux entstanden, d¨urften die verbleibenden zwei B¨ucher um 1206–21 in Eberbach verfasst worden sein. Inhaltlich behandelt der Text die ersten hundert Jahre des Zisterzienserordens bis ins sp¨ate 12. Jh. Der Schwerpunkt des Exordiums liegt dabei weniger auf den Organisationsstrukturen des Ordens als auf den beteiligten Personen, die als spirituelle Vorbilder dargestellt werden. K.s Intention war eindeutig die Abfassung eines mehr erbaulichen denn historischen Werks. Entsprechend ist der Text mit Exempla, Legenden und Mirakelberichten angereichert. Als Quellen benutzte K. die Werke Bernhards und dessen Vita Prima, das Exordium parvum, das Liber miraculorum des Herbert von Clairvaux, die Gestae Karoli Magni des → Notker Balbulus sowie verschiedene andere Viten. Auch griff er vereinzelt auf m¨undliche Ausk¨unfte zur¨uck. Das sp¨ater in ganz Europa verbreitete Exordium erfuhr u. a. eine Rezeption durch die Devotio mo¨ derna, aus der fl¨amische und ndl. Ubertragungen des Texts hervorgingen. Außerdem sind zwei dt. Fassungen des Exordiums bekannt. ¨ Uberlieferung: Dt. Fassungen: Darmstadt, ULB, Hs. 106, 3ra–217va (Pap., K¨oln, um 1470–80, ¨ ripuarische Fassung der nordndl. Ubers. von K.s Text). – Koblenz, Landeshauptarch., Best. 701 Nr. 147, 1ra–186vb (Pap., um 1475, ripuarisch). – ¨ Verz. der lat. Uberl. bei Griesser 1961 (s. Ausg.) ¨ S. 11–24. Alteste lat. Hs.: Wiesbaden, LB, Hs. 381 (erstes Viertel 13. Jh.). Ausgaben: Bibliotheca Patrum Cisterciensium 1. Hg. v. Bertrand Tissier. Bonofonte 1660, S. 13–246 (als Teildr. wieder in: PL 185, 1855, 188

Sankt Brandans Reise Sp. 995–1198). – Exordium magnum Cisterciense sive narratio de initio Cisterciensis Ordinis. Hg. v. Bruno Griesser. Rom 1961 (auch als CCCM 138, Turnhout 1994 [erschienen 1997]; auch als Online-Ausg. ebd. 2010). – Exordium Magnum Cisterciense oder Bericht vom Anfang des Zisterzienserordens. Hg. v. Heinz Piesik. 2 Bde. Langwaden 2000 und 2002. ¨ Ubersetzungen: Exordium magnum. De middelnederlandsche vertaling van het Exordium magnum volgens het handschrift der Universit¨etsbibliotheek te Leiden. Hg. v. Arnoldus Greeve. Achel 1932. – Le grand exorde de Cˆıteaux, ou r´ecit des d´ebuts de l’Ordre Cistercien. Hg. v. Jacques Berlioz. Turnhout 1998. Literatur: ADB 16 (1882) S. 639. – JosephMarie Canivez, Conrad d’Eberbach. In: DHGE 13 (1956) Sp. 482. – Kolumban Spahr, NDB 12 (1979) S. 536. – Franz J. Worstbrock, VL2 5 (1985) S. 156–159; 11 (2004) Sp. 876. – Tiburtius H¨umpfner: Der bisher vermisste Tl. des ‹Exordium magnum S.O.C.›. In: Cistercienserchron. 20 (1908) S. 98–104. – Watkin W. Williams: The ‹Exordium magnum Cisterciense›. In: The Journal of Theological Studies 34 (1933) S. 150–157. – B. Griesser: Probleme der Text¨uberl. des ‹Exordium magnum›. In: Cistercienserchron. 52 (1940) S. 161–168, 177–187; 53 (1941) S. 1–10, 84–95, 161–177. – Ders.: Herbert v. Clairvaux und sein ‹Liber miraculorum›. In: Cistercienserchron. 54 (1947) S. 21–39, 118–148. – Romana Cortese Esposito: Exemplum e devotio nell’Exordium magnum. In: Citeaux 20 (1969) S. 14–37. – Benedicta Ward: Enthusiasm in the ‹Exordium magnum cisterciense›. In: Cistercian Studies 7 (1972) S. 154–159. – Dies.: L’enthousiasme religieux dans le Grand Exorde cistercien. ‹Exordium Magnum Cisterciense›, de Conrad, moine d’Eberbach. In: Collectanea Cisterciensia 35 (1973) S. 58–63. – Brian P. McGuire: Structure and Consciousness in the ‹Exordium magnum Cisterciense›. The Clairvaux Cistercians after Bernard. In: Cahiers de l’institut du moyen–ˆage grec et latin, Universit´e de Copenhague 30 (1979) S. 33–90. – Manfred Bambeck: Johannes Pauli und K. v. E. In: Germ.-romanische Monatsschr. NF 35 (1985) S. 437–438. – B. P. McGuire: An Introduction to the ‹Exordium magnum Cisterciense›. In: Cistercian Studies Quarterly 27 (1992) S. 277–297. – Monica Della Volpe: Maria nell’‹Exordium Magnum› e nel ‹Dialogus Miraculorum›. In: Marianum 54 (1992) S. 255–285. – B. 189

2. H¨alfte 12. Jh. P. McGuire: La pr´esence de Bernard de Clairvaux dans l’‹Exordium Magnum Cisterciense›. In: Vies et l´egendes de Saint Bernard. Cr´eation, diffusion, r´eception (XIIe–XXe Si`ecles). Actes des Rencontres de Dijon, 7–8 juin 1991. Hg. v. Patrick Arabeyre u. a. Brecht 1993, S. 63–83. – Paul M. Savage: History, Exempla, and Caritas in the ‹Exordium magnum›. Diss. Notre Dame/Indiana 2000. – Kassian Lauterer: Exordium Magnum Cisterciense. Ber. vom Anfang des Zisterzienserordens. In: Cistercienserchron. 108 (2001) S.451–465. – B. P. McGuire: Friendship and Faith. Cistercian Men, Women, and Their Stories, 1100–1250. Aldershot u. a. 2002, passim. – Michaela Pfeifer: Quand les moines racontent des histoires... Spiritualit´e cistercienne dans l’‹Exordium magnum cisterciense›. In: Collectanea Cisterciensia 65 (2003) S. 34–47. – Ferruccio Gastaldelli: Krit. Bemerkungen zur Ausg. des ‹Exordium Magnum Cisterciense›. In: Ebd. 110 (2003) S. 221–228 (engl. Version in: Cistercian Studies Quarterly 39, 2004, S. 311–320). – Martha G. Newman: Crucified by the Virtues. Monks, Lay Brothers, and Women in Thirteenth-Century Cistercian Saint’s Lives. In: Gender and Difference in the Middle Ages. Hg. v. Sharon A. Farmer/Carol B. Pasternack. Minneapolis u. a. 2003, S. 182–209. MM Sankt Brandans Reise. – Geistlicher Verstext wohl noch des 12. Jh., der Elemente von Legende, Roman, Reisebericht und Jenseitsvision mischt. B., ein irischer Heiliger des 5. Jh., ist Protagonist eines vom 9.–16. Jh. europaweit verzweigten Geflechts lat. und volkssprachiger, prosaischer und versifizierter Texte. Auf der Basis der lat. Navigatio entstand wohl noch im 12. Jh. die Reise-Fassung (O). Ihre wohl a¨ lteste, jedenfalls archaischste Bearbeitung bietet die mitteldt. Redaktion M. Sie wird repr¨asentiert durch die mitteldt. Berliner Hs. B (1934 Verse, 14. Jh.) und die nd. Wolfenb¨utteler Hs. N (1166 Verse, 15. Jh.). Der wissbegierige Abt B. findet in den Schriften allerlei Hinweise auf Wunder Gottes in fremden L¨andern, die ihm als dichterische Fiktion suspekt sind, weswegen er das Buch erz¨urnt verbrennt. Auf g¨ottlichen Befehl baut B. ein Schiff, mit dem er, begleitet von seinen M¨onchen, in See stechen und die bestrittenen Wunder selbst in Augenschein nehmen muss (u. a. Kampf zwischen Drache und Hirsch, Fischinsel, Sirene, Klausner auf einem Stein, Henoch und Elias, Teufel und 190

2. H¨alfte 12. Jh. Erzengel Michael, Judas, brennende Seelen-V¨ogel, ringf¨ormiger Fisch, Zwerg mit N¨apfchen, wunderbarer Reiter). Im Gegensatz zur planvoll nach dem Kirchenjahr gebauten Navigatio scheint die Abfolge der Stationen innerhalb der neunj¨ahrigen Bußfahrt der Reise einigermaßen willk¨urlich. Die ¨ sp¨ate Uberlieferung (14. Jh.) des formal (Reime, Metrik) wie inhaltlich mehrfach gest¨orten, in Details vielfach inkonsequenten Textes verweist auf eine lange Textgeschichte. Mit dem kaum a¨lteren → Herzog Ernst (B) teilt die Reise die Episoden um Lebermeer, Magnetberg und Greifen. Dem verlorenen hochdt. Original der Reise (O) am n¨achsten steht die mndl., durch zwei Sammelhandschriften des 14./15. Jh. bezeugte Version (C/H), die heute um 1200 angesetzt wird. Die Handschriften bieten einige u¨ ber B/N hinausgehende Episoden, treten allerdings gerade gegen Ende hin in Bestand und Reihenfolge auseinander (C: 2284 Verse; H: 2198 Verse). H steht M viel¨ fach n¨aher, C d¨urfte eine Uberarbeitung vorstellen. Mo¨ glicherweise bezeugt der → Wartburgkrieg (13. Jh.) eine weitere verlorene dt. Fassung der Reise. Im 15. Jh. entstand eine obd. Prosaredaktion (P) der Reise, von der vier Handschriften erhalten sind. Auch die lat. Navigatio wurde im 15. Jh. dreimal in dt. Prosa u¨ bertragen, u. a. von dem M¨unchener Diplomaten Johann Hartlieb (1457) und dem Tiroler Kart¨auser Heinrich Haller (um 1463); eine ¨ anonyme nd. Ubertragung ging in Der → Heiligen Leben ein (Erstdr. 1478). ¨ Uberliegerung: Reisefassung (M): Berlin, SBB, Mgo 56, 13v–50r (Perg., 14. Jh., mitteldt., wohl Deutschordensbesitz) (B). – Wolfenb¨uttel, HAB, cod. Guelf. 1203 Helmst., 81r–107v (Pap., 15. Jh., nd.) (N). – Stuttgart, LB, cod. poet. et phil. 2° 22, 179r–192v (Perg., 14/15. Jh., ndl.) (C). – Br¨ussel, Biblioth`eque Royale, Ms. 15589–15623, 1r–11r (Pap., 15. Jh., ndl.) (H). – Obd. Prosaredaktion (P): Gotha, UFB Gotha-Erfurt, Chart. A 13, 54rb–63rb (Pap., 1400/1450) (g). – Heidelberg, UB, Cpg 60, 157r–184r (Pap., um 1460) (h). – M¨unchen, UB, 2° Cod. ms. 688, 230vb–260rb (Pap., um 1470) (m). – Berlin, SBB, Mgq 1113, 87v–106r (Pap., um 1500) (b). Ausgaben: Mitteldt. Reisefassung: Reinhard Hahn/Christoph Fasbender (Hg.): Brandan. Die mitteldt. ‹Reise›-Fassung (Jenaer Germanistische Forschungen 14). Heidelberg 2002. – Obd. Prosaredaktion: R. Hahn: Ein neuer Zeuge der obd. Red. 191

Sankt Brandans Reise von ‹Brandans Reise› (P). In: Daphnis 27 (1998) S. 231–261 (b). Literatur: Walter Haug: Brandans Meerfahrt. In: VL2 1 (1978) Sp. 985–991; 11 (2004) Sp. 275 f. – Christoph Huber: Brandan. In: Killy2 2 (2008) S. 121 f. – Thomas Dahlberg: Brandaniana (Acta Universitatis Gothoburgensis 64). Stockholm 1958. – W. Haug: Vom Imram zur Aventiure-Fahrt. In: Wolfram-Stud. 1 (1970) S. 264–298. – Hannes K¨astner: Der zweifelnde Abt und die ‹mirabilia descripta›. In: Reisen und Reiselit. im MA und in der Fr¨uhen Neuzeit. Hg. v. Xenia v. Ertzdorff/ Dieter Neukirch (Chloe 13). Amsterdam 1992, S. 389–416. – Barbara Haupt: Welterkundung in der Schrift: B. R. und der Straßburger Alexander. In: ZfdPh 114 (1995) S. 321–348. – Clara Strijbosch: De bronnen van De reis van Sint Brandaan (Middeleeuwse studies en bronnen 44). Hilversum 1995. – Simon Demmelhuber: Vom Phantom der Empirie und empirischen Phantomen. In: Fremdes wahrnehmen – fremdes Wahrnehmen. Hg. v. Wolfgang Harms/Stephen Jaeger. Stuttgart/Leipzig 1997, S. 49–71. – Peter Strohschneider: Der Abt, die Schrift und die Welt: Buchwissen, Erfahrung und Inspiration in den Reiseversionen der Brandan-Legende. In: Scientia Poetica 1 (1997) S. 1–34. – Ingrid Kasten: Brandans Buch. In: ‹Ir sult sprechen willekomen›. FS H. Birkhan. Bern u. a. 1998, S. 49–60. – Wim van Androu: Het reisjournaal van Sint Brandaan, het publiek en de waarheid. In: Spiegel der Letteren 40 (1998) S. 245–280. – Clara Strijbosch: The Heathen Giant in the Voyage of Saint Brendan. In: Celtica 23 (1999) S. 369–389. – Reinhard Hahn: Zur ¨ Uberl. der obd. Red. v. ‹B. R.›. In: Septuaginta quinque. FS Heinz Mettke (Jenaer Germanistische Forschungen 5). Heidelberg 2000, S. 147–165. – Bettina Wagner: Die ‹Epistola presbiteri Johannis› lat. und dt. T¨ubingen 2000, S. 486–523 (Hs. B). – Clara Strijbosch: Ein Buch ist ein Buch ist ein Buch. Die Kreation der Wahrheit in ‹S. B. R.›. In: ZfdA 131 (2002) 277–289. – C. Fasbender: Brandan-Probleme. In: AB¨aG 56 (2002) S. 103–122. – Peter Christian Jacobsen: Die Navigatio Sancti Brendani. In: Beschreibung der Welt. Hg. v. X. v. Ertzdorff/Gerhard Giesemann. Amsterdam 2003, S. 63–95. – W. Haug: Brandans Meerfahrt und das Buch der Wunder. In: Raumerfahrung – Raumerfindung. Hg. v. Laetitia Rimpau/Peter Ihlig. Berlin 2005, S. 38–55. – W. Haug: The Little Man on a Leaf and the Two Concepts 192

Historia de expeditione Friderici imperatoris oft he Dutch/German Reise. In: The Brendan Legend. Hg. v. Glyn S. Burgess/C. Strijbosch. Leiden/Boston 2006, S. 81–98. – Andreas Hammer: St. Brandan und das ‹ander paradˆıse›. In: Imagination und Deixis. Hg. v. Kathryn Starkey/Horst Wenzel. Stuttgart 2007, S. 153–176. – Christine K¨uhn: Heilige sind anders. In: Studien zu Lit., Sprache und Gesch. in Europa. Hg. v. Albrecht Greule/Hans-Walter Herrmann. St. Ingbert 2008, S. 113–132. – Julia Weitbrecht: Aus der Welt. Heidelberg 2011, S. 183–206. CF Historia de expeditione Friderici imperatoris. – Lat. Bericht u¨ ber den Kreuzzug Friedrichs I. in zwei Fassungen, sp¨ates 12. Jh. und um 1200. Zusammen mit der → Historia Peregrinorum ist die Historia de expeditione Friderici imperatoris (HeF) das herausragende zeitgen¨ossische Zeugnis des Kreuzzugs Friedrich I. von 1189/90. Beider Hauptquelle war ein nicht erhaltener Kreuzzugsbericht, der bis 1190 reichte (vgl. auch → Tageno). Offensichtlich wurden aber verschiedene Fassungen benutzt. Nach den Angaben des Abts Gerlach von M¨uhlhausen († nach 1221) in der Str´ahover Handschrift der HeF k¨onnte ihr Verfasser ein o¨ sterreichischer Kleriker und Kreuzzugsteilnehmer gewesen sein, der von einem Nachtrag j¨ungerer Hand als «Ansbertus» bezeichnet wird. Aufgrund dieser (h¨ochst unsicheren) Autorzuweisung wird in der Literatur auf die HeF auch mit dem Autornamen Ansbert rekurriert. Die HeF zeichnet sich durch chronologisch exakte Darstellung des Kreuzzugs, das Heranziehen und die Zitierung offizieller Dokumente, die kanzleim¨aßige Datierung von Briefen, die Nennung rechtlicher Details und staufische Parteilichkeit aus. Das macht es wahrscheinlich, dass der Verfasser der verlorenen Vorlage Angeh¨origer der kaiserlichen Kanzlei war, dem tagebuchartige Notizen zum Verlauf des Zuges zur Verf¨ugung standen. Die HeF bietet als Rahmen des u¨ bernommenen Berichts Einleitung und Conclusio. Sie ist in zwei Fassungen u¨ berliefert. Die sp¨atere Fassung erweitert den Text um eine zus¨atzliche Einleitung, Briefe und einen annalistischen Anhang bis 1197. Dieser listet Ereignisse in Pal¨astina und im Reich nach dem Kreuzzug auf; so wird etwa die Gefangennahme des Richard L¨owenherz geschildert. Der Bearbeiter dieser zweiten Fassung d¨urfte im Kreise ¨ Herzog Leopolds von Osterreich zu suchen sein. 193

2. H¨alfte 12. Jh. ¨ Uberlieferung: 1. Fassung: Graz, UB, Ms. 411, 144r–151v (um 1200). – 2. Fassung: Prag, Strahovsk´a Knihovna, DF III 1, 94r–110v (Anfang 13. Jh. aus dem Pr¨amonstratenserkloster M¨uhlhausen [Milevsko]), unvollst., zusammen mit den Annalen des Gerlach v. M¨uhlhausen. Die Hs. ist schwer besch¨adigt, es gibt jedoch Abschriften aus dem 17. Jh., die vor der Besch¨adigung gefertigt wurden (s. Chroust [wie Ausg.] S. XIII f.). Ausgaben: Josef Dobrowsk´y: Historia de expeditione Friderici Imperatoris edita a quodam Austriensi clerico, qui eidem interfuit nomine Ansbertus. [...]. Prag 1827. – Hippolyt Tauschinski/ Mathias Pangerl: Codex Strahoviensis. Enth¨alt den Ber. des sog. Ansbert u¨ ber den Kreuzzug Kaiser Friedrichs I. und die Chron. des Domherrn Vincentius v. Prag und des Abtes Gerlach v. M¨uhlhausen (Fontes rerum Austriacarum 1,5). Wien 1863 (Nachdr. New York u. a. 1969). – Anton Chroust: Quellen zur Gesch. des Kreuzzuges Kaiser Friedrichs I. (MG SS rer. Germ., N.S. 5). Berlin 1928 (Nachdr. Mu¨ nchen 1989) S. 1–115. ¨ Ubersetzung: Ansbertus Austriensis. Der Kreuzzug Friedrich Barbarossas 1187–1190. Ber. eines Augenzeugen (Fremde Kulturen in alten Ber. 13). Eingeleitet, u¨ bersetzt und kommentiert v. Arnold B¨uhler. Stuttgart 2002. 22005. Literatur: Franz Josef Worstbrock, VL2 4 (1983) Sp. 59 f.; 11 (2004) Sp. 681. – Marie Bl´ahov´a, Encyclopedia of the Medieval Chronicle 1 (2010) ¨ S. 104 (Ansbert). – Anton Chroust: Uberl. des dem Ansbert zugeschriebenen Ber. u¨ ber den Kreuzug Friedrichs I. In: Neues Arch. der Ges. f¨ur a¨ ltere dt. Geschichtskunde 16 (1891) S. 511–526. – Ders.: Tageno, Ansbert und die Historia Peregrinorum. Drei krit. Unters. zur Gesch. des Kreuzzuges Friedrichs I. Graz 1892. – Karl Zimmert: Die Entste¨ 21 hung der ‹HeF› des sog. Ansbert. In: MIOG (1900) S. 561–598. – Ders.: Zur Tageno-AnsbertFrage. In: ebd. 41 (1926) S. 389–411 und 43 (1929) S. 398–404. – Chroust (s. Ausg.) S. VII–CIV. – Harold Steinacker, Rezension der Ausg. v. Chroust in: Hist. Zs. 141 (1930) S. 357–364. – Ferdinand G¨uterbock: Il diario di Tageno e altri fonti della terza crociata. In: Bolletino dell’Istituto storico italiano 55 (1941) S. 223–275. – Alphons Lhotsky: ¨ ¨ Quellenkunde zur ma. Gesch. Osterreichs (MIOG Erg.-Bd. 19). Graz/K¨oln 1963, S. 226 f. – Wilhelm Wattenbach/Franz-Josef Schmale: Deutschlands Geschichtsquellen im MA. Vom Tod Kaiser Heinrichs V. bis zum Ende des Interregnums. Bd. 1. 194

2. H¨alfte 12. Jh. Darmstadt 1976, S. 199–201. – Repertorium fontium historiae medii aevi 5 (1984) S. 524 f. – Rudolf Hiestand: Barbarossas letztes Schreiben vom Kreuzzug. In: De litteris, manuscriptis, inscriptionibus [...]. FS Walter Koch. Hg. v. Theo K¨olzer. Wien u. a. 2007, S. 561–577, passim. VZ Historia Peregrinorum. – Anonymer lat. Bericht u¨ ber den Kreuzzug Friedrichs I., sp¨ates 12. Jh. Innerhalb der zahlreichen Zeugnisse zum Kreuzzug Friedrichs I. von 1189/90 stellt neben der → Historia de expeditione Friderici imperatoris die H. P. eine herausragende zeitgen¨ossische Quelle dar. Ein nicht erhaltener Kreuzzugsbericht, der bis 1190 reichte, war die Hauptquelle beider Texte, wobei aber offensichtlich verschiedene Fassungen als Vorlage dienten (vgl. auch → Tageno). Der Verfasser dieses verlorenen Berichts war vermutlich Angeh¨origer der kaiserlichen Kanzlei, dem tagebuchartige Notizen zum Verlauf des Kreuzzugs zur Verf¨ugung standen. Der Urheber der H. P. wiederum k¨onnte in Salem oder im Elsass gelebt haben. Seinen Bericht hat der Verfasser wohl um 1194 erstellt und neben der Hauptvorlage weitere schriftliche und auch m¨undliche Nachrichten f¨ur ¨ Erg¨anzungen, Anderungen und Korrekturen herangezogen. Der vergleichsweise neutrale Blick gibt auch Raum f¨ur die Darstellung von Fehlern, R¨uck¨ schl¨agen oder grausamen Ubergriffen der christlichen Seite. Auch der Kaiser wird – trotz tendentiell pro-staufischer Ausrichtung der H. P. – bei der Kritik nicht ausgespart. Dennoch m¨ochte der Verfasser seinen Bericht als Anreiz zum Nacheifern verstanden wissen. Zahlreiche antike Dichterzitate und selbst verfasste Verse, die in den Text eingestreut sind, lassen auf einen hoch gebildeten Verfasser schließen, der laut eigenem Ausweis in der Vorrede auch anderweitig literarisch t¨atig war. ¨ Uberlieferung: Heidelberg, UB, Cod. Salemitanus IX 29, 1ra–27ra (erstes Drittel 13. Jh., aus dem Kloster Salem), unvollst¨andig. Ausgaben: Heinrich Canisius: Lectiones antiquae. Bd. 5. Ingolstadt 1604, S. 43–93. – Anton Chroust: Quellen zur Gesch. des Kreuzzuges Kaiser Friedrichs I. (MG SS rer. Germ., N.S. 5). Berlin 1928 (Nachdr. M¨unchen 1989) S. 116–127. Literatur: Franz Josef Worstbrock, VL2 4 (1983) Sp. 60 f. – Anton Chroust: Tageno, Ansbert und die Historia Peregrinorum. Drei krit. Unters. zur Gesch. des Kreuzzuges Friedrichs I. Graz 195

Historia Peregrinorum 1892. – Ders. (s. Ausg.) S. VII–CIV. – Ferdinand G¨uterbock: Il diario di Tageno e altri fonti della terza crociata. In: Bolletino dell’Istituto storico italiano 55 (1941) S. 223–275. – Wilhelm Wattenbach/Franz-Josef Schmale: Deutschlands Geschichtsquellen im MA. Vom Tod Kaiser Heinrichs V. bis zum Ende des Interregnums. Bd. 1. Darmstadt 1976, S. 199–201. – Repertorium fontium historiae medii aevi 5 (1984) S. 537. – Rudolf Hiestand: Barbarossas letztes Schreiben vom Kreuzzug. In: De litteris, manuscriptis, inscriptionibus [...]. FS Walter Koch. Hg. v. Theo K¨olzer. Wien u. a. 2007, S. 561–577, passim. VZ Sido von Neumunster. ¨ – Propst, Verfasser zweier historischer Briefe. S.s Herkunft und Lebensdaten sind weitgehend unbekannt. Er nennt sich selbst einmal einen Altersgenossen des → Helmold von Bosau, mit dem er wohl auch befreundet war. S. war wahrscheinlich 1177–1204 Propst des Stifts der AugustinerChorherren im holsteinischen Neum¨unster. Zumindest 1197 ist er noch sicher nachweisbar. S. hinterließ zwei lat. Briefe, deren Schwerpunkt jeweils auf historischen Nachrichten liegt. In der Epistola Sidonis (1195/96) betreffen diese die Slawenmission Vicelins und die Pfarrei Bishorst. Der Brief ist an den Inhaber der Nachbarpfarrei Bishorsts gerichtet, den Haseldorfer Pfarrer Gozwin. Indem S. Bishorst zur Zufluchtsst¨atte Vicelins aufwertet, der ja erster Propst Neum¨unsters war, versucht er die Pfarrei fester an sein Stift zu binden ¨ und ihre Ubernahme durch Gozwin zu verhindern. Eine Quelle des Briefs war der Versus de vita Vicelini, der fr¨uher f¨alschlich S. selbst zugeschrieben wurde, aber wohl nur w¨ahrend seiner Amtszeit entstand. Außerdem beruht die Epistola Sidonis auf der Slawenchronik Helmolds. Ein weiterer Brief S.s von 1199 war an den Abt Dietrich II. im Hildesheimer Michaelskloster gerichtet. In diesem Text sind u¨ berwiegend holsteinische Ereignisse aus dem 12. Jh. berichtet. Besonders die Familie Overboden wird in ihren Beziehungen zu S.s Stift gew¨urdigt. Hintergrund war S.s Interesse, das Dorf Arpsdorf mit Besitzanspr¨uchen des Stifts zu verkn¨upfen. Jenseits der Briefe war S. f¨ur die Stifte Neum¨unster und Segeberg auch als F¨alscher mehrerer Urkunden t¨atig. Diese sollten Rechte und Anspr¨uche der Stifte gegen¨uber dem Hamburger Domkapitel behaupten. S. war also kein neutraler Historiker, sondern – auch in 196

Anonymus Bambergensis seinen Briefen – stark tendenzi¨os. Eine endg¨ultige Bewertung seiner Zuverl¨assigkeit steht aber noch aus. ¨ Uberlieferung: Brief an Gozwin: Hamburg, Staatsarch., Cl. I. Lit. Oa, Nr. 11, 1r–5r (13. Jh.). – Prag, UB, adlig. 44. E 4 (2814), 60v–63r. – Br¨ussel, Kgl. Bibl., cod. 3520 (8972–73), 43r–48r. – Wiener Neustadt, Kloster St. Trinitatis, XII D. 21, 179r–183v (16. Jh.). – Brief an Dietrich II.: Kopenhagen, Kgl. Bibl., Gl. Kgl. Saml. 1571 4°, 209v–210r. Ausgaben: Brief an Gozwin: Sido. Kleine Schr. zur Gesch. Holsteins aus der Prager Hs. neu ver¨offentlicht. Hg. v. Richard Haupt. In: Zs. der Ges. f¨ur Schleswig-Holsteinische Gesch. 45 (1915) S. 14–52. – Helmolds Slavenchron. (Helmoldi presbyteri Bozoviensis Cronica Slavorum). Anhang: Die Verse u¨ ber das Leben Vicelins und der Brief Sidos. Hg. v. Bernhard Schmeidler. In: MGH SS rer. Germ. 32. Hannover 31937, S. 236–245. – Brief an Dietrich II.: B¨unz 1987 (s. Lit.) S. 121 f. Literatur: Enno B¨unz, VL2 8 (1992) Sp. 1152–1154. – B. Schmeidler: Neum¨unster in Holstein, seine Urkunden und seine kirchliche Entwicklung im 12. Jh. In: Zs. der Ges. f¨ur schleswig-holsteinische Gesch. 68 (1940) S. 78–179. – Karl Jordan: Die Anf¨ange des Stiftes Segeberg. In: ebd. 74/75 (1951) S. 59–95. – Wilhelm Wattenbach/Franz-Josef Schmale: Deutschlands Geschichtsquellen im MA 1: Vom Tod Kaiser Heinrichs V. bis zum Ende des Interregnums. Darmstadt 1976, S. 435–437. – E. B¨unz, Das a¨ lteste G¨uterverz. des Augustiner-Chorherrenstiftes Neum¨unster. Unters. zur Grundherrschaft am Ende des 12. Jh. In: Zs. der Ges. f¨ur schleswigholsteinische Gesch. 112 (1987) S. 27–122. – Hans Braunschweig: Bauer Gottschalk und seine Vision im Wirkungsfeld der Augustiner v. Neum¨unster. Beobachtungen zu einer Wechselbeziehung. In: ebd. 128 (2003) S. 7–45. – Hans-Walter Stork: Die Bibl. des Augustinerchorherrenstifts Neum¨unsterBordesholm. In: Zur Erforschung ma. Bibl. Chancen, Entwicklungen, Perspektiven. Hg. v. Andrea Rapp. Frankfurt/M. 2009, S. 395–420. MM Anonymus Bambergensis. – Verfasser zweier geschichtstheologischer Traktate, fr¨uhes 13. Jh. Die Bamberger Herkunft und die Zugeh¨origkeit zum Klerus des ansonsten unbekannten Autors in der Tradition des dt. Symbolismus d¨urfen als gesichert gelten. Er k¨onnte zudem M¨onch im Benediktinerkloster Michelsberg gewesen sein. In 197

1. H¨alfte 13. Jh. seinen beiden Traktaten, De semine scripturarum und De principe mundi, gibt es nur zwei textinterne Hinweise auf den Autor: Im ersten verr¨at A. B., 1204/05 zu schreiben, im zweiten wird angegeben, dass De semine schon abgefasst worden sei. In seinen Schriften legt A. B. im Sinne einer allegorischsymbolischen prophetischen Exegese Texte und Tatbest¨ande auf den noch bevorstehenden Geschichtsverlauf und das Zeitenende hin aus. Er entwickelt ein in Jahrhunderte eingeteiltes geschichtstheologisches System, das auf einer Exegese des lat. Alphabets und der Hagiographie beruht, und artikuliert eine reformorientierte Kleruskritik. De semine geht in Anlehnung an Lk 8,8 von der Grund¨uberlegung aus, jeder Buchstabe trage wie ein Keim alles Geschriebene in sich und besitze selbst prophetische Qualit¨at. Anhand des Alphabets wird das Weltende f¨ur das sp¨ate 16. Jh. errechnet. Das von A. B. entworfene auf Buchstabensymbolik beruhende Deutungssystem ist hochgradig originell und Aush¨angeschild der hochma. Bamberger Bildungssgeschichte. Die Hauptquellen sind Priscian (Buchstabendeutung), → Beda Venerabilis und Heimo von Bamberg (Komputistik) und die Autorit¨aten → Augustinus, → Gregor der Große und → Bernhard von Clairvaux. Bedeutende Rezipienten von De semine waren u. a. → Hugo von Trimberg, der im Renner (V. 15.455–15.464) Datierungen auf A. B. st¨utzt, Roger Bacon, Alexander von Roes und Arnald von Villanova, der eine Introductio zu De Semine verfasst hat. De principe behandelt die endzeitliche Rolle des Teufels (Offb 20) und ist prim¨ar eine historische, moralische und eschatologische Ausdeutung der Silvesterlegende (vor allem der Drachenbindung). Hauptquelle sind die Acta Silvestri. Mit der Behandlung des Teufels in der Endzeit stellt der Traktat thematisch ein ma. Unikat dar. ¨ Uberlieferung: Es sind 19 Hss. von De semine scripturarum des 13.–15. Jh. bekannt, sieben mit der urspr¨unglichen Langfassung und sieben Kurzfassungen in unterschiedlichen Redaktionen. F¨unf Hss. der Langfassung enthalten zudem De principe mundi (durchweg unter dem irref¨uhrenden Titel De Antichristo; dieser spielt im Traktat nur eine un¨ tergeodnete Rolle). Der Großteil der Uberl. weist beide Traktate dem kalabresischen Abt Joachim von Fiore zu. – Vgl. Friedrich Stegm¨uller: Repertorium biblicum medii aevi. Bd. 3. Commentaria 198

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1. H¨alfte 13. Jh. auctores H–M. Madrid 1951, Nr. 4033, 4054. – Francesco Russo: Bibliografia gioachimita (Biblioteca di bibliografia italiana 28). Florenz 1954, S. 30, 34. – VL2 11 (2004) Sp. 109, 111. Ausgaben: Franz Pelster: Ein Elogium Joachims v. Fiore auf Kaiser Heinrich II. und seine Gemahlin, die heilige Kunigunde. In: Liber floridus. Mlat. Stud. FS Paul Lehmann. Hg. v. Bernhard Bischoff. St. Ottilien 1950, S. 343–354 (nur De semine in Auswahl nach einer Hs. mit Kurzfassung). – Krit. Gesamtausg. v. Matthias Kaup (MGH, Quellen zur Geistesgesch.) in Vorbereitung. Literatur: Matthias Kaup, VL2 11 (2004) Sp. 108–113. – Boninus Mombritius: Sanctuarium seu Vitae Sanctorum. Novam hanc editionem curaverunt duo monachi Solesmenses. Bd. 2. Paris 1910. – Beatrice Hirsch-Reich: Zur ‹Notitia saeculi› und zum ‹Pavo›. Mit einem Exkurs u¨ ber die Verbreitung des pseudojoachimitischen B¨uchleins ¨ 38 (1920) ‹De semine scripturarum›. In: MIOG S. 571–610. – Herbert Grundmann: Geistesgesch. in den MGH. In: Die Welt als Gesch. 10 (1950) ¨ S. 98–116. – Ders.: Uber die Schr. des Alexander v. Roes. In: DA 8 (1950) S. 154–237. – Franz Pelster: Die Quaestio Heinrichs v. Barclay u¨ ber die zweite Ankunft Christi und die Erwartung des baldigen Weltendes zu Anfang des XIV. Jh. In: Archivio Italiano per la Storia della Piet`a 1 (1950) S. 25–82. – Raoul Manselli: La religiosit`a di Arnaldo da Villanova. In: Bulletino dell’Istituto Storico Italiano per il Medio Evo 63 (1951) S. 1–59. – Renate Neum¨ullers-Klauser: Der Heinrichs- und Kunigundenkult im ma. Bistum Bamberg. Festgabe aus Anlaß des Jubil¨aums ‹950 Jahre Bistum Bamberg 1007–1957›. Bamberg 1957, S. 103–107. – B. Hirsch-Reich: Alexanders v. Roes Stellung zu den Prophetien. Unter besonderer Ber¨ucksichtigung des Traktates ‹De semine scripturarum› in der ¨ 67 (1959) S. 306–316. – ‹Notitia saeculi›. In: MIOG Emmet Randolph Daniel: Roger Bacon and the ‹De semine scripturarum›. In: Medieval Studies 34 (1972) S. 462–467. – Horst Dieter Rauh: Das Bild des Antichrist im MA. Von Tyconlus zum Dt. Symbolismus (Beitr. zur Gesch. der Philos. und Theol. des MA NF 9). Mu¨ nster 21979. – Wilhelm Pohlkamp: Tradition und Topographie. Papst Silvester I. (314–335) und der Drache vom Forum Romanum. In: R¨omische Quartalsschr. 78 (1983) S. 1–100. – Johannes Fried: Die Bamberger Domschule und die Rezeption von Fr¨uhscholastik und Rechtswiss. in ihrem Umkreis bis zum Ende der Stauferzeit. 199

Arnold von Lubeck ¨ In: Schulen und Studium im sozialen Wandel des hohen und sp¨aten MA (Konstanzer Arbeitskreis f¨ur Ma. Gesch. Vortr¨age und Forschungen 30). Hg. v. dems. Sigmaringen 1986, S. 163–201. – J¨urgen Petersohn: Das geistige Leben: Bildung und Buchwesen, lat. Lit. u. Wiss. In: Gesch. Frankens bis zum Ausgang des 18. Jh. (Hb. der bayer. Gesch. 3,1). Hg. v. Andreas Kraus. Mu¨ nchen 31997, S. 332–369. – Arndt Brendecke: Die Jahrhundertwenden. Eine Gesch. ihrer Wahrnehmung und Wirkung. Frankfurt/M. u. a. 1999, bes. S. 56–60. – Josep Perarnau: Arnaldi de Villanova Introductio in librum [Ioachim] ‹De semine scripturarum› (Corpus Scriptorum Cataloniae A, 3). Barcelona 2004 (spanische Einl.). VZ Arnold von Lubeck ¨ OSB, * um 1150, † 27.6. ¨ 1211 oder 1214. – Chronist und Ubersetzer. A. k¨onnte als Waise in den Benediktinerorden eingetreten sein. Er wurde am Braunschweiger St. ¨ Agidienkloster ausgebildet und nahm vermutlich 1172 an der Pal¨astinafahrt Heinrichs des L¨owen teil. 1177 wurde A. erster Abt des neu gegr¨undeten Johannisklosters in L¨ubeck. A. verfasste um 1210 als Fortsetzung der Slawenchronik → Helmolds von Bosau eine lat. Chronica f¨ur die Jahre 1171–1209, die prowelfisch ausgerichtet ist und neben Themen aus dem Reich vor allem auf die nordelbische Regionalgeschichte fokussiert. Die ersten beiden B¨ucher schildern Heinrich den L¨owen und seine Politik, Buch 3–7 enthalten u. a. Nachrichten zur Reichsgeschichte, zu den dt.-d¨anischen Beziehungen sowie zum 3. und 4. Kreuzzug. Aufschlussreich sind Augenzeugenberichte A.s zu Ereignissen in Bistum und Stadt L¨ubeck. Nicht unproblematisch sind seine Ausf¨uhrungen zur Reichsgeschichte, da er mitunter Quellenvorlagen unterschiedlicher politischer Tendenz unkommentiert in seiner Chronica vereint. Generell nimmt die Zuverl¨assigkeit seiner Ausf¨uhrungen proportional mit der Entfernung vom norddt. Raum ab, da A. Urkunden und Briefe nur sp¨arlich verwendet und historiographische Vorlagen u¨ berhaupt nicht heranzieht und sich auf m¨undliche Tradierung st¨utzt. Klassische Zitate (u. a. Vergil, Horaz, Ovid) sind hingegen h¨aufig. Breit rezipiert scheint A.s Chronica nicht worden zu sein, nur bei Hermann → Korner und Albertus de Krummendick ist ihre Benutzung nachweisbar. Von Herzog Wilhelm von L¨uneburg, dem Sohn Heinrichs, erhielt A. (wohl aus genealogischem In¨ teresse) den Auftrag zu einer lat. Ubersetzung des 200

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Arnold von Lubeck ¨ Gregorius → Hartmanns von Aue. Kenntnis von diesem Werk k¨onnte Wilhelm u¨ ber die Z¨ahringer, zu denen sein Haus enge Kontakte pflegte, erlangt haben. A.s Gesta Gregorii peccatoris entstanden zwischen 1210 und 1213. W¨ahrend A. vor allem zu Beginn des Werkes mit leoninischen Hexametern und akzentrhythmischen Versen experimentierte, folgte er in der Regel den vierhebigen Reimpaarversen seiner Vorlage. Auch gibt A. den Geschehensablauf des hartmannschen Gregorius recht getreu wieder, doch flocht er – seinem klerikalen Bildungshorizont entsprechend – biblische Elemente mitsamt Auslegung und antike Zitate (Horaz, Vergil, Sta¨ tius) ein. Somit kommt seiner Ubersetzung der Status einer eigenst¨andigen Bearbeitung zu. Dass A. – trotz des Lateinischen – seine Gesta an ein Laienpublikum gerichtet wissen wollte, kann als Zeugnis des in nd. Hofkreisen im fr¨uhen 13. Jh. nach wie vor bestehenden Unbehagens gegen¨uber der hochdt. Literatursprache gedeutet werden. ¨ Uberlieferung: Chronica (auch u. d. T. Chronica Arnoldi abbatis, Cronica Slavorum, Historia abbatis Lubicensis) Berlin, SBB, Ms. lat. fol. 296, 126 Bll. (Perg., 14. Jh.). – Kopenhagen, Kgl. Bibl., GKS Cod. 646 (14./15. Jh.) und GKS Cod. 2288 (1579). – Kopenhagen, UB, Cod. Add. 50 T. 2 (15. Jh.). – Fragm.: Br¨unn, Moravsk´y Zemsk´y Arch. (M¨ahrisches Landesarch.) G 12, II 27 (13. Jh). – Prag, Nationalmus., Cod. XVII F 25 (13. Jh.). – Zusammen mit Helmolds Chron.: Kopenhagen, UB, Cod. Add. 50 T. 1 (14./15. Jh., Fragm.). – Kopenhagen, Arnamagnæanske Inst, Cod. AM 30.2° (1472). – L¨ubeck, StB, Ms hist. 4° 4 (15. Jh., Kriegsverlust). – Mindestens drei weitere ¨ Hss. verloren. Vgl. zur Uberl. der Chron.: Helmut ¨ G. Walter: Die hsl. Uberl. der Chron. A.s v. L. In: Freund/Sch¨utte (s. Lit.) S. 7–24. – Gesta Gregorii peccatoris: Paderborn, Erzbisch¨ofl. Akad. Bibl., Pa 54, 210r–227r (Perg. und Pap., zweite H¨alfte 15. Jh.; 1981 gestohlen und seitdem vermisst). – Bereits seit 1837 ist ein Fragm. (Pergamentdoppelbl., 13. Jh.) der damaligen Kgl. Bibl. Berlin verschollen. Vgl. Schilling (s. Ausg.) S. 18–27. Ausgaben: Chronica: Teilausg. in Sigismund Schorckels Helmold-Ausg. v. 1556 (Peter Braubach, Frankfurt/M.; VD16 H 1788). – Gottfried Wilhelm Leibniz: Scriptores rerum Brunsvicensium. Bd. 2. Hannover 1710, S. 653–751. – Johann Martin Lappenberg/Georg Heinrich Pertz: Arnoldi Chronica Slavorum (MGH SS rer. Germ. 201

1. H¨alfte 13. Jh. 14). Hannover 1868. Nachdr. Stuttgart 1995. – Dies. in: MGH SS Bd. 21. Hannover 1869 (Nachdr. Stuttgart 1988) S. 100–250. – CD-ROM Quellenslg. zur ma. Gesch. Fortsetzung. Hg. v. Thomas M¨uller/Alexander Pentzel, heptagon GbR, Berlin 1999, Nr. 3: Slavenchron. des A. v. L. – Christian L¨ubke: A. v. L.: Chron. (Ausgew¨ahlte Quellen zur dt. Gesch. des MA 20). Darmstadt. 2008 (lat./dt.). – Gesta Gregorii peccatoris: Gustav v. Buchwald: Arnoldi Lubecensis Gregorius Peccator de Teutonico Hartmanni de Aue in Latinum translatus. Kiel 1886. – Johannes Schilling: A. v. L. Gesta Gregorii Peccatoris. Unters. und Edition (Palaestra 280). G¨ottingen 1986, S. 67–177. ¨ Ubersetzung: Johann Christian Moritz Laurent: Die Chron. A.s v. L. (Geschichtsschreiber der dt. Vorzeit 13. Jh., 3 [71]). Berlin 1853. Leipzig 31940. Literatur: Wilhelm Wattenbach, ADB 1 (1875) S. 582–583. – Ehrismann 2,2,1 (1927) S. 187. – Hans Joachim Freytag, NDB 1 (1953) S. 381 – Dieter Berg/Franz Josef Worstbrock, VL2 1 (1978) Sp. 472–476; 11 (2004) Sp. 137. – Markus Wesche, LexMA 1 (1980) Sp. 1007 f. – Norbert H. Ott/Sandra Linden, Killy2 1 (2008) S. 218. – J. M. Lappenberg: Zur bevorstehenden Ausg. des A. v. L. In: Arch. der Ges. f¨ur a¨ ltere dt. Geschichtskunde 6 (1838) S. 566–584. – Rudolf Damus: Die Slavenchron. A.s v. L. L¨ubeck 1872 (auch in: Zs. des Ver. f¨ur L¨ubeckische Gesch. 3, 1870/76 S. 195–253). – Adolf Seelisch: Zwei lat. Bearbeitungen des Hartmannschen Gregorius. In: ZfdPh ¨ 19 (1887) S. 121–128. – Konrad Zwierzina: Uberl. und Kritik v. Hartmanns Gregorius. In: ZfdA 37 (1893) S. 130, 152–155. – Johannes Mey: Zur Kritik A.s v. L. Diss. Leipzig 1912. – Wilhelm Ohnesorge: Zur neuesten Forschung u¨ ber A. v. L. In: Zs. f¨ur Niedersachsen 77 (1912) S. 427–450. – Ernst Schuppe: Zur Textkritik des ‹Gregorius peccator› A.s v. L. Diss. Leipzig 1914. – Albert Leitzmann: Zum Gregorius peccator. In: ZfdA 67 (1930) S. 285–288. – Einar Joranson: The Palestine Pilgrimage of Henry the Lion. In: Medieval and historiographical essays in honor of James Westfall Thompson. Hg. v. Eugene Newton Anderson/James Lea Cate. Port Washington/New York 1938, S. 146–225, hier S. 146–168. – D. Berg: A. v. L. In: Deutschlands Geschichtsquellen im MA. Hg. v. WilhelmWattenbach/Robert Holtzmann. Neuausg. besorgt v. Franz-Josef Schmale. Bd. 1. Darmstadt 1967, S. 437–441. – Repertorium Fontium Historiae Medii Aevi Bd. 2 (1967) S. 401. – Peter F. Ganz: Dienstmann und Abt, ‹Gregorius 202

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1. H¨alfte 13. Jh. peccator› bei Hartmann v. Aue und A. v. L. In: Krit. Bewahrung. Beitr. zur dt. Philol. FS Werner Schr¨oder. Hg. v. Ernst-Joachim Schmidt. Berlin 1974, S. 250–275. – Volker Mertens: Gregorius Eremita. Eine Lebensform des Adels bei Hartmann v. Aue in ihrer Problematik und ihrer Wandlung in der Rezeption (MTU 67). Z¨urich/M¨unchen 1978, bes. S. 91–95. – Schilling (s. Ausg.) S. 9–61, 178–225. – Markus Euringer: Der gute S¨under – Gregorius Peccator. Eine vergleichende Unters. zur ¨ lat. Ubers. des ‹Gregorius› Hartmanns v. Aue durch A. v. L. Diss. Mu¨ nchen 1987. – Rainer Z¨ack: Der ‹guote S¨undaere› und der ‹Peccator Precipuus›. Eine Unters. zu den Deutungsmodellen des ‹Gregorius› Hartmanns v. Aue und der ‹Gesta Gregorii Peccatoris› A.s v. L. ausgehend von den Prologen (GAG 502). G¨oppingen 1989. – Adolf Friederici: A. v. L. In: L¨ubecker Lebensl¨aufe aus neun Jh. Hg. v. Alken Bruns. Neum¨unster 1993. 22009. – Bernward Plate: ‹Gregorius peccator›. Hartmann v. Aue und A. v. L. In: Mlat. Jb. 28,1 (1993) S. 67–90. – Gerd Althoff: Die Historiographie bew¨altigt: Der Sturz Heinrichs des L¨owen in der Darstellung A.s v. L. In: Die Welfen und ihr Braunschweiger Hof im hohen MA (Wolfenb¨utteler MA-Stud. 7). Hg. v. Bernd Schneidm¨uller. Wiesbaden 1995, S. 163–182. – Jens-Peter Schr¨oder: A.s v. L. ‹Gesta Gregorii Peccatoris›. Eine Interpretation, ausgehend von einem Vergleich mit Hartmanns v. Aue ‹Gregorius› (Hamburger Beitr. zur Germanistik 23). Frankfurt/M. u. a. 1997. – Volker Scior: Das Eigene und das Fremde. Identit¨at und Fremdheit in den Chron. Adams v. Bremen, Helmolds v. Bosau und A.s v. L. (Orbis mediaevalis 4). Berlin 2002. – David Fraesdorf: Der barbarische Norden. Vorstellungen und Fremdheitskategorien bei Rimbert, Thietmar v. Merseburg, Adam v. Bremen und Helmold v. Bosau. (Orbis mediaevalis 5). Berlin 2005, S. 323–325. – Stephan Freund/Bernd Sch¨utte: Die Chron. A.s v. L. Neue Wege zu ihrem Verst¨andnis (Jenaer Beitr. zur Gesch. 10). Frankfurt/M. 2008. VZ Otto von St. Blasien OSB, † 1223 (?). – Chronist. O. war vielleicht mit dem Benediktiner gleichen Namens identisch, der 1222 Abt von St. Blasien wurde und 1223 starb. Als Chronist wird O. erst 1482 namentlich erw¨ahnt und erneut in der Weltchronik des Johannes → Nauclerus von 1516. Bei dem O. zugeschriebenen Werk handelt es sich um eine lat. Chronica, die um 1209/10 entstand und die 203

Otto von St. Blasien Historia de duabus civitatibus (um 1132–57) → Ottos von Freising fortsetzt. In 52 Kapiteln behandelt die Chronica den Zeitraum von 1146 bis zur Kaiserkr¨onung Ottos IV. (1209). Das sich vor allem auf die Geschichte der r¨omisch-dt. Kaiser konzentrierende Werk erw¨ahnt auch den dritten und vierten Kreuzzug, die Doppelwahl Ottos IV. und Philipps von Schwaben (1198) sowie die Verlobung Ottos mit Beatrix von Schwaben (1208). O.s n¨uchterne, stets kaisertreue Darstellung gilt als stilistisch hochwertig, enth¨alt aber auch chronologische Fehler. Hauptquelle O.s f¨ur den Berichtszeitraum bis 1160 ist die Gesta Friderici Ottos von Freising und → Rahewins. O. erw¨ahnt außerdem Werke von Petrus Abaelard, → Petrus Comestor, → Petrus Lombardus, Petrus Cantor, Prepositinus von Cremona, Gilbert von Poitiers, Alanus ab Insulis und Humbert von Mailand. Die Chronica wiederum diente als Vorlage der Annalen von St. Trudpert (13. Jh.) und der Z¨urcher Weltchronik (um 1285), blieb aber ansonsten ohne Wirkung. Eine im 16. Jh. erw¨ahnte Chronica prima O.s ist heute nicht mehr nachweisbar. Das vielleicht auf dem Compendium Historiae des Petrus von Poitiers beruhende Werk verbrannte wahrscheinlich 1768. ¨ Uberlieferung: Z¨urich, ZB, cod. C 33, 103r–129v (vor 1261). – Paris, Bibl. Nationale, ms. ¨ lat. 4895 A, 151r–161r (14. Jh.). – Wien, ONB, cod. 3334, 126r–153v (1482). – Karlsruhe, LB, cod. St. Blasien 18, 41r–84v (18. Jh.). Ausgaben: Ottonis de Sancto Blasio Chronicon. In: Rerum Italicarum scriptores 6. Hg. v. Lodovico Muratori. Mediolani 1725 (Nachdr. Bologna 1976) S. 861–912. – Chronicon. In: Fontes rerum Germanicarum 3. Hg. v. Johann Friedrich B¨ohmer. Stuttgart 1853 (Nachdr. Aalen 1969) S. 582–640. – Ottonis de Sancto Blasio Chronica. Hg. v. Adolf Hofmeister. Hannover 1912. ¨ Ubersetzungen: Die Chronik des Otto von St. Blasien. Hg. v. Horst Kohl. Leipzig 1894. Nachdr. New York/London 1970. – Die Chronik Ottos von St. Blasien und die Marbacher Annalen. Hg. v. Franz-Josef Schmale. Darmstadt 1998. Literatur: ADB 24 (1887) S. 741. – Peter Johanek, VL2 7 (1989) Sp. 206–208. – Jan Prelog, LexMA 6 (1993) Sp. 1585 f. – Hugo Ott, LThK3 ¨ 7 (1998) Sp. 1225. – Ferdinand G¨uterbock: Uber O. v. St. B., Burchard v. Ursberg und eine unbekannte Welfenquelle mit Ausblick auf die Chiavennafrage. In: Krit. Beitr. zur Gesch. des MA. FS Robert Holtzmann. Hg. v. Walter M¨ollenberg/ 204

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Stadtbucher ¨ Martin Lintzel. Berlin 1933, S. 191–209. – Wilhelm Wattenbach/Franz-Josef Schmale: Deutschlands Geschichtsquellen im MA 1: Vom Tod Kaiser Heinrichs V. bis zum Ende des Interregnums. Darmstadt 1976, S. 112–115. – Carol L. Neel: The Historical Work of Burchard of Ursberg II. The Ursberg Chronicon and the Historia Welforum Tradition. In: Analecta Praemonstratensia 58 (1982) S. 225–257. – Wolfgang Wulz: Der sp¨atstaufische Geschichtsschreiber Burchard v. Ursberg. Stuttgart 1982, S. 71–76. – Thomas Ertl: O. v. St. B. rekonstruiert den triumphalen Einzug Heinrichs VI. in Palermo (1194). In: R¨omische Hist. Mitt. 43 (2001) S. 227–256. – Heinz Krieg: Herrscherdarst. in der Stauferzeit. Friedrich Barbarossa im Spiegel seiner Urkunden und der staufischen Geschichtsschreibung. Ostfildern 2003, S. 37–39 u. o¨ . – Ders.: Die Z¨ahringer in der Darstellung O.s v. St. B. In: In frumento et vino opima. FS Thomas Zotz. Hg. v. H. Krieg/Alfons Zettler. Ostfildern 2004, S. 39–58. MM Stadtbucher. ¨ Der Begriff S. bezeichnet unterschiedli¨ che Uberlieferungsbest¨ ande, die von st¨adtischen Schreibern und Amtstr¨agern oder st¨adtischen Kanzleien angelegt worden sind. Diese schriftlichen Aufzeichnungen aus Verwaltung, Recht, Gericht, Finanzwesen und Handel sind hervorragende Quellen der Verfassungs-, Verwaltungs- und Sozialgeschichte ma. St¨adte. Sind die K¨olner Schreinsurkunden im zweiten Viertel des 12. Jh. noch als Vorl¨aufer anzusehen, sind die fr¨uhesten S. im Hanseraum zu Beginn des 13. Jh. belegt; als a¨ ltestes erhaltenes Stadtbuch gilt der Hamburger Liber actorum coram consulibus in resignatione hereditatum. Die sich w¨ahrend des 14. Jh. differenzierenden S. zeugen von fast allen Bereichen des st¨adtischen Lebens. Als zeitgen¨ossische Bezeichnungen sind u. a. «liber civitatis», «liber memorialis» oder «denkelbuch», seit dem 15. Jh. auch «stadtbuch», «stadesbok», «ratsbuch» und «rades bok» gebr¨auchlich. Literatur: Katharina Colberg: Amtsb¨ucher. In: LexMA 1 (1980) Sp. 563 f. – Martin Kintzinger, LexMA 8 (1997) Sp. 12 f. – Peter Johanek, VL2 11 (2004) Sp. 1449–1453. – Carl Gustav Homeyer: Die S. des MA, insbesondere das Stadtbuch von Quedlinburg. In: Abh. der Kgl. Akad. der Wiss. in Berlin. Berlin 1861, S. 13–80. – Konrad Beyerle: Die dt. S. In: Dt. Geschichtsbll. 11 (1910) S. 145–200. – Paul ¨ Rehme: Uber S. als Geschichtsquelle. Halle/Saale 205

1. H¨alfte 13. Jh. 1913. – Ders.: Stadtbuchstud. In: Zs. der SavignyStiftung f¨ur Rechtsgesch. Germanistische Abt. 37 (1916) S. 1–93. – Ernst Pitz: Schrift- und Aktenwesen der st¨adtischen Verwaltung im Sp¨atMA. K¨oln – N¨urnberg – L¨ubeck. Beitr. zur vergleichenden St¨adteforschung und zur sp¨atma. Aktenkunde (Mitt. aus dem Stadtarch. v. K¨oln 45). K¨oln 1959. – Wilhelm M¨uller (Hg.): Das erste Bayreuther Stadtbuch (1430–1463). In: Arch. f¨ur die Gesch. v. Oberfranken 50 (1970) S. 183–282. – Horst-Diether Schroeder: S. der Hansest¨adte und der Stralsunder ‹Liber memorialis›. In: Neue Hansische Stud. Hg. v. Konrad Fritze (Forschungen zur ma. Gesch. 17). Berlin 1970, S. 1–14. – Friedrich Benninghoven: Das Stadtbuch von Schwetz 1374–1454. In: Zs. f¨ur Ostforschung 21 (1972) S. 42–69. – Rolf Schmidt: Zum Augsburger Stadtbuch v. 1276. Beschreibung der Originalhs. und der in Augsburg liegenden Abschriften des Augsburger Stadtbuchs. In: Zs. des Historischen Vereins f¨ur Schwaben 70 (1976) S. 80–179. – Klaus Wriedt: Geschichtsschreibung in den wendischen Hansest¨adten. In: Geschichtsschreibung und Geschichtsbewußtsein im sp¨aten MA. Hg. v. Hans Patze (Vortr¨age und Forschungen 31). Sigmaringen 1987) S. 401–426. – Eberhard Isenmann: Die dt. Stadt im Sp¨atMA 1250–1500. Stadtgestalt, Recht, Stadtregiment, Kirche, Gesellschaft, Wirtschaft. Stuttgart 1988. – Wolfgang Kl¨otzer: Stadtbuch. In: Handwb. zur dt. Rechtsgesch. Bd. 4. Hg. v. Adalbert Erler/Ekkehard Kaufmann. Berlin 1990, Sp. 1849–1851. – Thomas Engelke: ‹Eyn grosz alts Statpuech›. Das ‹Gelbe Stadtbuch› der Stadt Regensburg. Forschungen und Edition Regensburg 1995. – Dagmar H¨upper: St¨adtische Rechtsb¨ucher in Gebrauch – Das Oldenburger Stadtbuch. In: ‹Der sassen speyghel›. Sachsenspiegel – Recht – Alltag. Hg. v. Egbert Koolman (Ver¨off. des Stadtmuseums Oldenburg 21). Bd. 1. Oldenburg 1995, S. 279–302. – P. Johanek: Geschichtsbild und Geschichtsschreibung in den s¨achsischen St¨adten im 15. und 16. Jh. In: Hanse, St¨adte, B¨unde. Die s¨achsischen St¨adte zwischen Elbe und Weser um 1500. Hg. v. Matthias Puhle (Magdeburger Museumsschr. 4). Bd. 1. Magdeburg 1996, S. 557–574. – Ruth Schmidt-Wiegand: Gebrauchssituationen im Spiegel der Mit¨uberlieferung. Die dt. Rechtsb¨ucher des 13. und 14. Jh. in ihren Codices. In: Der Codex im Gebrauch. Akten des Internationalen Kolloquiums 11.–13. Juni 1992. Hg. Christel Meier (MMS 70). M¨unchen 1996, 206

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1. H¨alfte 13. Jh. S. 69–86. – Stefan P¨atzold: Amtsb¨ucher des MA. ¨ Uberlegungen zum Stand ihrer Erforschung. In: Archivalische Zs. 81 (1998) S. 87–111. – Friedrich Debus (Hg.): S. als namenkundliche Quelle. Vortr¨age des Kolloquiums vom 18.–20. September 1998. Leipzig 2000. – Dieter Geuenich: Was sind eigentlich ‹S.›? Versuch einer Definition. In: ebd., S. 17–29. – Reinhard Kluge: Das Stadtbuch als onomastische. Quelle. Entstehung, Funktion und Stand der Erfassung in den neuen Bundesl¨andern. In: ebd. 31–43. – K. Wriedt: B¨urgerliche Geschichtsschreibung im 15. und 16. Jh. Ans¨atze und Formen. In: St¨adtische Geschichtsschreibung im Sp¨atMA und in der fr¨uhen Neuzeit. Hg. v. P. Johanek (St¨adteforschung A, 47). K¨oln u. a. 2000, S. 19–50. – Eckhard M¨uller-Mertens: Stadtb¨ucherinventar 1200 bis 1550. Aussagen u¨ ber regionale Entwicklungsst¨ande. In: Akkulturation und Selbstbehauptung. Stud. zur Entwicklungsgesch. der Lande zwischen Elbe/Saale und Oder im sp¨aten MA. Hg. v. Eberhard Holtz u. a. (Ber. und Abh. Berlin-Brandenburgische Akad. der Wiss. Sonderbd. 6). Berlin 2001, S. 149–164. – Andreas Petter: Ma. S. und ihre Erschließung. Grundlagen und Gestaltung quellenkundlicher Arbeiten zur mit¨ teldt. Uberl. In: Sachsen und Anhalt 24 (2003) S. 189–245. – Henning Steinf¨uhrer: Die Leipziger Ratsb¨ucher 1466–1500. Forschung und Edition. Leipzig 2003. – Hansjo¨ rg Roth: Vielfalt als Einheit – Einheit in der Vielfalt. Das Ratsbuch ‹Liber diversarum rerum› (1417–1463) der Stadt Basel. In: Arch. f¨ur Diplomatik 50 (2004) S. 47–56. – Dietrich W. Poeck (Hg.): Das Schweriner Stadtbuch (1421–1597/1622). Rostock 2004. – H. Steinf¨uhrer (Hg.): Die Weimarer S. des sp¨aten MA. Edition und Komm. K¨oln u. a. 2005. – Piotr Olinski (Hg.): Die S. der Jungstadt Danzig und die Probleme ihrer Edtition. In: Editionswissenschaftliche Kolloquien 2003/2004. Historiographie – Briefe und Korrespondenzen – Editorische Methoden. Hg. v. Antje Thumser u. a. Toru´n 2005, S. 323–334. – Michaela ´ ı nad Hrub´a: Kniha soudn´ı a pametn´ı mesta Ust´ Labem [Das Gerichts- und Gedenkbuch der Stadt Aussig 1438–1514 im Kontext der Erforschung der S. in Nordwestb¨ohmen]. In: Ve znamen´ı zem´ı Koruny cesk´e. FS Lenka Bobkov´a. Hg. v. Ludek Brezina u. a. Praha 2006, S. 648–656. – Rolf Sprandel: Die Anf¨ange der Hamburger S. In: Verwaltung und Schriftlichkeit in den Hansest¨adten. Hg. v. J¨urgen Sarnowsky. Trier 2006, S. 81–96. – P. Olinski: Die Danziger S. im 14. und der ersten 207

Eberhard von Gandersheim H¨alfte des 15. Jh. In: Verwaltung und Schriftlichkeit in den Hansest¨adten. Hg. v. J. Sarnowsky (Hansische Stud. 169. Trier 2006, S. 109–122. – Marek Biszczanik: Zu einigen Aspekten der Graphemik der S. aus Schweidnitz im MA und in der fr¨uhen Neuzeit. Orbis linguarum 31 (2007) S. 43–51. – Bernhart J¨ahnig: Zur Edition der Kulmer S. In: Editionswissenschaftliche Kolloquien 2005/2007. Methodik – Amtsb¨ucher, digitale Edition – Projekte. Hg. v. Matthias Thumser (Publ. des dt.polnischen Gespr¨achskreises f¨ur Quellenedition 4). Toru´n 2008, S. 55–64. – Ivana Ebelov´a: ‹Libri Civitatis›. Zur Edition der a¨ ltesten S. B¨ohmens und M¨ahrens. In: ebd., S. 77–97. – Doris Baumert: Die S. und Urkunden der Stadt L¨owenberg in Schlesien. Stadtoldendorf 2008. – Guido Heinzmann: Die untergegangenen ma. Dorstener S. In: Vestische Zs. 102 (2008/09) S. 33–54. – Thomas K¨ubler (Hg.): Die S. Altendresdens (1412–1528). Leipzig 2009. – Heidelore B¨ocker: Die S. v. Haldensleben (ca. 1255–1486). Analysen und Register. Hamburg 2010. BJ Eberhard von Gandersheim. – Theologe, Verfasser einer mnd. Reimchronik. E. ist zwischen 1204 und 1216 als Diakon, Kaplan und Notar im Kloster Gandersheim nachweisbar. Er war wohl f¨ur die F¨alschung der sog. «Ju¨ ngeren Gr¨undungsurkunde» (vor 1206) des Klosters verantwortlich. Auch gilt er, u. a. aufgrund einer Eigennennung im Werk, als Autor der nd. Gandersheimer Reimchronik, die 1216–18 entstand und nur in einer sp¨ateren Handschrift des 15. Jh. u¨ berliefert ist. Die Entstehungszeit der Chronik f¨allt in die Amts¨ zeit der Abtissin Mechthild I. von W¨oltingerodeWohldenberg (1196–1223), die 1208 gegen den Hildesheimer Bischof die Exemption des Klosters erwirkt hatte. In diesem Kontext ist die Chronik als Begr¨undung historischer Anspr¨uche des Klosters im Rahmen seiner Gr¨undungsgeschichte zu verstehen. Der erhaltene Text umfasst rund 2000 Paarreimverse in 41 Kapiteln und zwei Hauptteilen. Im ersten Teil schildert E. die Klostergr¨undung unter Graf Liudolf (um 806–866) und dessen Gattin Oda, außerdem die erweiterte Familiengeschiche des Paars und die Gandersheimer Klostergeschichte bis Kaiser Arnulf von K¨arnten (um 850–899). Bemerkenswert ist in diesem Teil die h¨aufige und ausf¨uhrliche Erw¨ahnung von Schenkungen (G¨uter, Reliquien) und Privilegien des Klosters, was auf 208

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Klostergrundungsgeschichten ¨ den erw¨ahnten Entstehungskontext der Chronik verweist. Im zweiten Teil behandelt E. die weitere Geschichte des liudolfinischen Geschlechts bis Kaiser Heinrich II. und w¨urdigt daneben die a¨lteren ¨ Abtissinnen des Klosters (Gerberg II., Sophia I.). Die Chronik wird neben einem Preisgedicht auf Mechthild I. auch von Prosakatalogen der Kaiser, ¨ K¨onige und Gandersheimer Abtissinnen beschlossen. Als Quellen benutzte E. in der Reimchronik neben Klosterurkunden die sog. Gandersheimer Denkschrift, die heute als verloren gilt, und die s¨achsische Geschichte des → Widukind von Corvey. Dabei tritt der Erz¨ahler im Text aber keineswegs hinter dem Quellenmaterial zur¨uck. Vielmehr erh¨alt die klar gegliederte Chronik durch h¨aufige Selbstnennungen eine stark subjektive Note. In der Gesamttendenz kritisiert der so hervortretende Sprecher die Adeligen seiner Zeit f¨ur ihr zur¨uckhaltendes stifterisches Engagement, w¨ahrend er die fr¨uheren ¨ Wohlt¨ater und Abtissinnen des Klosters als vorbildlich w¨urdigt. E.s Reimchronik wurde durch die → Braunschweigische Reimchronik und Bodo von Clus rezipiert. Heute wird dem Text prim¨ar als fr¨uhes Zeugnis der mnd. Literatur Bedeutung zugesprochen. ¨ Uberlieferung: Wolfenb¨uttel, HAB, Cod. 503 Helmst., 37 Bll. (Perg., 15. Jh.). Ausgaben: Antiquitates Gandersheimenses [...] Welchem auch noch beygef¨uget ein sehr altes von diesem Stiffte handelndes Nieder-S¨achsisches Reim-Chronicon [...]. Hg. v. Johann Georg Leuckfeld. Wolfenb¨uttel 1709, S. 353–408 (Online-Ausg. BSB M¨unchen [o. J.]; SLUB Dresden [o. J.]). – Scriptores Rervm Brvnsvicensivm Illvstrationi Inservientes 3. Hg. v. Gottfried Wilhelm Leibniz. Hannover 1711, S. 149–171. – Eberhards Reimchronik von Gandersheim. In: MGH Dt. Chron. 2. Hg. v. Ludwig Weiland. Hannover 1877. Nachdr. Mu¨ nchen 1980, S. 385–429. – Die Gandersheimer Reimchronik des Priesters Eberhard. Hg. v. Ludwig Wolff. Halle/Saale 1927. T¨ubingen 21969. Literatur: ADB 6 (1877) S. 793 f. – Ehrismann, Schlußbd. (1935) S. 429 f. – L. Wolff, NDB 4 (1959) S. 238. – Volker Honemann, VL2 2 (1980) Sp. 277–282. – De Boor/Newald 3/1 (51997) S. 177 f., 179 f. u. o¨ . – Christian Kiening, Killy2 3 (2008) S. 150. – Edward Schr¨oder: Zur ¨ Uberl. und Textkritik dt. Chron. In: Neues Arch. der Gesellsch. f¨ur a¨ ltere dt. Geschichtskunde 45 209

1. H¨alfte 13. Jh. (1924) S. 119–131. – L. Wolff: Die Reimchron. E.s v. G. In: Nd. Jb. 50 (1924) S. 31–45. – Ders.: Sprachliches, Textkritisches und Stilistisches zu E. v. G. In: ZfdA 64 (1927) S. 307– 316. – Torsten Dahlberg: Die Mundart des E. v. G. In: Studia neophilologica 10 (1937/38) S. 119–123. – Wilhelm Seelmann: Zur Mundart E. v. G. In: Nd. Jb. 65/66 (1939/40) S. 40–42. – Elfriede Stutz: Stud. zum Zeilenbau in der Gandersheimer Reimchron. In: Nd. Mitt. 14 (1958) S. 5–58. – L. ¨ Wolff: Uber den Versbau mnd. Dichtungen. In: Nd. Mitt. 15 (1959) S. 39–68 (wieder in: Ders.: Kleinere Schr. zur altdt. Philologie. Hg. v. Werner Schr¨oder. Berlin 1967, S. 359–382). – Albert Leitzmann: Zur Gandersheimer Reimchron. In: ZfdPh 85 (1966) S. 83–93. – Hans Goetting: ¨ Das Uberlieferungsschicksal v. Hrotsvits Primordia. In: FS Hermann Heimpel 3. Hg. Max-PlanckInst. f¨ur Gesch. G¨ottingen 1972, S. 61–108. – Das Bistum Hildesheim 1: Das reichsunmittelbare Kanonissenstift G. Bearb. v. H. Goetting. Berlin u. a. 1973, S. 248 f. u. o¨ . – E. Stutz: Langzeilen in der Gandersheimer Reimchron. In: Stud. zur dt. Lit. des MA. Hg. v. Rudolf Sch¨utzeichel. Bonn 1979, S. 465–484. – Ursula Peters: Dynastengesch. und Verwandtschaftsbilder. Die Adelsfamilie in der volkssprachigen Lit. des MA. Tu¨ bingen 1999, S. 86–100. – Carla Riviello: La Gandersheimer Reimchronik. Una Klostergr¨undungsgesch. tra politica e religione. In: Rivista di cultura classica e medioevale 42 (2000) S. 241–287. MM Klostergrundungsgeschichten. ¨ 1. Allgemein: Die zahlreichen K. des MA sind in verschiedenen Formen u¨ berliefert. Im fr¨uhen MA oft nur kurze Berichte im urkundlichen Zusammenhang, nahmen sie sp¨ater den Charakter von Gr¨undungsgedichten oder -erz¨ahlungen an. Sie erf¨ullten teilweise juristische Funktionen, vor allem wenn sie fehlende Gr¨undungsurkunden ersetzen sollten. Auch dienten sie der Begr¨undung oder St¨arkung individueller Klostertraditionen, insbesondere durch die Darstellung von Stiftergenealogien oder die Auflistung von Grabst¨atten im jeweiligen Kloster. Dabei sind die K. nicht immer historisch genau; vielmehr transportieren sie h¨aufig auch Sagen und Legenden u¨ ber Adlige und Heilige im Umfeld der Klostergr¨undungen. Die Aufwertung der Stifter ist ein durchg¨angiger Zug der K. ¨ In der Uberlieferung sind K. oft als Einleitungen zu Traditions- und Kopialb¨uchern anzutreffen. 210

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1. H¨alfte 13. Jh. Auch sind sie als Teile von gr¨oßeren Chroniken, Viten u. a¨. erhalten. Die fr¨uhesten K. waren meist in lat. Sprache geschrieben, was sich bis zu den Fundationes monasteriorum Bavariae fortsetzte, die in der zweiten H¨alfte des 14. Jh. zusammengestellt wurden und rund 40 bayerische K. enthalten. Daneben sind ab dem 13. Jh. auch mhd. K. bekannt. 2. Vers-K.: Als fr¨uhes Beispiel einer mhd. VersK. sei hier die Gandersheimer Reimchronik (1216) des → Eberhard von Gandersheim genannt. Weitere wichtige mhd. Reimchroniken sind anonym aus Kl¨ostern des Benediktinerordens und seiner Zweige u¨ berliefert: Bei den Zisterziensern im nieder¨osterr. Zwettl entstand um 1311 eine mhd. K. in 742 Versen. Sie ist als Teil des Liber fundatorum et benefactorum (sog. B¨arenhaut-Sammlung) u¨ berliefert. Darin sind u¨ berwiegend lat. Texte (Gedicht und Stifterbericht) und Urkunden zu Stiftung und Gr¨undung des Klosters gesammelt. Die dt. K. beruht auf den lat. Teilen des Buchs und behandelt die Genealogie des Stiftergeschlechts der Kuenringer, die Stiftung Zwettls durch Hadmar I. und die weitere Geschichte der Kuenringer bis ins fr¨uhe 14. Jh. Die Zwettler K. war das direkte Vorbild f¨ur die K. des von Zwettl verwalteten Klosters der Zisterzienserinnen im nieder¨osterr. St. Bernhard. Dessen K. entstand wohl um 1350 ohne lat. Vorlage und bildete die Einleitung eines heute verschollenen Stiftungsbuchs. Die rund 768 Verse in Reimpaaren berichten neben der K. im engeren Sinn auch die Familiengeschichte der Stifter Otto und Stephan von Meißau. Im oberpf¨alzischen Benediktinerkloster Kastl wurde um 1322–39 unter Abt Hermann Lubens eine mhd. Reimchronik in 790 Versen verfasst. Als lat. Vorlage diente wohl ein heute verschollenes Salbuch. Die Kastler K. erz¨ahlt die ins Sagenhafte reichende Fr¨uhgeschichte der Grafen von KastlHabsberg-Sulzbach bis 1170. Die eigentliche Klos¨ tergr¨undung ist der Uberh¨ ohung der Stifter untergeordnet. Die wahrscheinlich als Einf¨uhrung f¨ur das Kloster besuchende Laien gedachte K. wurde im 15. Jh. von → Andreas von Regensburg als Quelle benutzt und erhielt 1527 eine Neufassung. Ebenfalls in der Oberpfalz entstand in der ersten H¨alfte des 14. Jh. die K. des Zisterzienserklosters Waldsassen. Die mhd. Reimchronik in 574 Versen wurde m¨oglicherweise von Abt Johann IV. Gr¨ubel verfasst und beruhte auf der lat. Fundatio monasterii Waldsassensis. Das Werk berichtet ausf¨uhrlich vom 211

Klostergrundungsgeschichten ¨ legend¨aren Schicksal des Ritters Gerweich. Dieser soll seinen Freund Markgraf Diepold III. von Vohburg in einem Turnierkampf verwundet haben, daraufhin aus Reue in ein Kloster eingetreten sein und Waldsassen gegr¨undet haben. Das ober¨osterr. Augustinerchorherren-Kloster Reichersberg besitzt ebenfalls eine eigene K. Das dt. Reimgedicht in 116 Versen wurde um 1462/69 vom Cellerar Bartholom¨aus → Hoyer als Teil des Liber procurationis verfasst. Die K. behandelt die Gr¨undung des Stifts durch einen Playner Grafen namens Werner im Jahr 1084. Auch adlige Schenkungen an das Kloster werden im Text aufgef¨uhrt, dessen Vorlage unbekannt ist. 3. Prosa-K.: Auf einer lat. Vorlage des 12. Jh. beruht die aus dem sp¨aten 14. Jh. stammende K. des Benediktinerklosters Komburg bei Schw¨abischHall. Das Werk berichtet die Stiftungsgeschichte Komburgs von der Gr¨undung durch Graf Burkhard von Rotenburg-Komburg (um 1079) bis zur Einrichtung von Klein-Komburg durch Graf Heinrich (1108). Als mhd. Prosawerk unterscheidet sich diese K. durch ihre Kunstlosigkeit von den genannten Reimchroniken. Gleichzeitig enth¨alt der Text Darstellungen von religi¨os gedeuteten Wunderzeichen. Das 1193 durch Heinrich II. von Weida gegr¨undete Pr¨amonstratenser-Kloster im th¨uringischen Mildenfurth besaß seit der Mitte des 13. Jh. eine eigene K. Der lat. Text war ein Werk → Arnolds von Quedlinburg und erfuhr ¨ 1515 durch Alexius Kr¨oßner eine dt. Ubertragung. Die K. enth¨alt eine ausf¨uhrliche Genealogie der V¨ogte von Weida. Im 12. Jh. entstand die K. des Konstanzer Benediktinerklosters Petershausen, Casus monasterii Petrishusensis. Im 15. Jh. wurden dann Teile der K. in mhd. Prosa u¨ bertragen. Neben der Heiligenvita des Gr¨unders Gebhard teilt der Text auch historische Fakten und Privilegien des Klosters mit. Aus heutiger Sicht liegt der Wert der mhd. K. nicht in ihrer, oft begrenzten, literarischen Qualit¨at. Vielmehr erlauben sie wertvolle R¨uckschl¨usse auf das Selbstverst¨andnis und Traditionsbewusstsein mittelalterlicher Kl¨oster, das insbesondere in deren Stiftungsgeschichten verankert war. ¨ Uberlieferung: 1. Zwettl: Zwettl, Stiftsarch., Hs. 2/1 (Perg., um 1308–28). – 2. Sankt Bernhard: Es sind nur Abschr. des 18. und 19. Jh. erhalten; s. M¨unzel 1933 (s. Lit.) S. 47. – 3. Kastl: M¨unchen, Haupstaatsarch., Kastl Klosterliteralien Nr. 1 212

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Klostergrundungsgeschichten ¨ (14. Jh., Salbuch). – 4. Waldsassen: Mu¨ nchen, BSB, Clm 1091, 8r–20r (14. Jh., Salbuch). – 5. Reichersberg: Reichersberg, Stiftsarch., Hs. R 134, S. 76 (Pap., 1462–69). – Ebd., Hs. R 135 (Abschr. v. R 134, sp¨atere Abschr. des 19. Jh. in Berlin, SBB, Mgq 488). – 6. Komburg: Mu¨ nchen, Haupstaatsarch., Klosterliteralien Komburg, Nr. 1 1/2, 2r–7r (14. Jh.). – 7. Mildenfurth: Weimar, Staatsarch., GhsSA F 865. – 8. Petershausen: Heidelberg, UB, cod. Salemit. IX 7, 2r–31r (15. Jh.). Ausgaben: 1. Zwettl: Das Stiftungen Buch des Cistercienser-Klosters Zwetl. Liber fundationum Monasterii Zwetlensis. Hg. v. Johann v. Frast. Wien 1851 (Nachdr. Graz 1964) S. 1–22. – Liber fundatorum Zwetlensis monasterii ‹B¨arenhaut›. Hs. 2/1 des Stiftsarchivs Zwettl. Hg. v. Joachim R¨ossl. Graz 1981. – 2. St. Bernhard: Das Stiftungs-Buch des Klosters St. Bernhard. Hg. v. Hartmann J. Zeibig. Wien 1853 (Nachdr. Graz 1964) S. 129–149. – 3. Kastl: Joseph Moritz: Stammreihe und Gesch. der Grafen von Sulzbach. M¨unchen 1833, S. 120–158. – 4. Waldsassen: Die Gr¨undung des Klosters Waldsassen. Altdt. Gedicht. Hg. v. Friedrich Keinz. M¨unchen 1885. – 5. Reichersberg: Bartholom¨aus Hoyer: Die Gr¨undung des Klosters Reichersberg. Hg. v. Gregor Schauber. In: Ober¨osterr. Heimatbll. 38 (1984) S. 103–105. – 6. Komburg: Mistele 1972 (s. Lit.) S. 35–38. – 7. Mildenfurth: Ausg. bei Backmund 1978 (s. Lit.). – 8. Petershausen: Die Chron. des Klosters Petershausen (Schw¨abische Chroniken der Stauferzeit 3). Hg. v. Otto Feger. Stuttgart 1956. Nachdr. Sigmaringen 1978. Literatur: Norbert Backmund: Arnold v. Quedlinburg. In: VL2 1 (1978) Sp. 483 f. – Volker Honemann, VL2 4 (1983) Sp. 1239–1247. – Ludwig Denecke: Hoyer, genannt Schirmer, Bartholom¨aus. In: VL2 4 (1983) Sp. 164–166. – De Boor/Newald 3/1 (51997) S. 178. – Otto Meyer: Die Klostergr¨undung in Bayern und ihre Quellen vornehmlich im HochMA. In: Zs. der SavignyStiftung f¨ur Rechtsgesch., kanonistische Abt. 20 (1931) S. 123–201. – Karl M¨unzel: Mhd. K. des 14. Jh. (Schottenkloster St. Jakob in Regensburg, Waldsassen, Kastl, Zwettl, St. Bernhard). Gunzenhausen 1933. – Manfred Krebs: Eine dt. Bearb. der ‹Casus monasterii Petrishusensis› aus dem 15. Jh. In: Zs. f¨ur die Gesch. des Oberrheins 87, NF 48 (1935) S. 245–249. – Karl Bosl: Das Nordgaukloster Kastl. In: Verhandlungen des Hist. Ver. f¨ur Oberpfalz und Regensburg 89 (1939) S. 3–189. – Pau213

1. H¨alfte 13. Jh. lus Weißenberger: Zur Gesch. des Benediktinerklosters Kastl (Oberpfalz) im 14.–15. Jh. In: Zs. f¨ur bayer. Kirchengesch. 18 (1949) S. 101–106. – Franz Tyroller: Die Herkunft der Kastler Klostergr¨under. In: ebd. 99 (1958) S. 77–163. – Walter Blank: Die Nonnenviten des 14. Jh. Eine Stud. zur hagiographischen Lit. des MA unter bes. Ber¨ucksichtigung der Visionen und ihrer Lichtph¨anomene. Freiburg i. Br. 1962, S. 45–81. – Alphons Lhotsky: Quellenkunde zur ma. Gesch. ¨ Osterreichs. Graz/K¨oln 1963, S. 243–258. – Hans Patze: Adel und Stifterchron. Fr¨uhformen territorialer Geschichtsschreibung im hochma. Reich. In: Bll. f¨ur dt. Landesgesch. 100 (1964) S. 8–81; 101 (1965) S. 67–128 (wieder in: H. Patze: Ausgew¨ahlte Aufs¨atze. Hg. v. Peter Johanek u. a. Stuttgart 2002, S. 109–250). – Karl-Heinz Mistele: Eine fr¨uhnhd. Fassung der ‹Hystoria de constructoribus› des Klosters Komburg. In: W¨urttembergisch Franken NF 56 (1972) S. 34–41. – J¨org Kastner: Historiae fundationum monasteriorum. Fr¨uhnormen monastischer Institutionsgeschichtsschreibung im MA. Mu¨ nchen 1974. – H. Patze: Klostergr¨undung und Klosterchron. In: Bll. f¨ur dt. Landesgesch. 113 (1977) S. 89–121 (wieder in: H. Patze: Ausgew¨ahlte Aufs¨atze. Hg. v. Peter Johanek u. a. Stuttgart 2002, S. 251–284). – J. R¨ossl/Alois Haidinger: Der ‹liber fundatorum› des Klosters Zwettl, sog. B¨arenhaut. In: Die Kuenringer. Das Werden des Landes Nieder¨osterreich. Nieder¨osterr. Landesausstellung. Stift Zwettl 16. Mai–26. Oktober 1981. Hg. v. Amt der Nieder¨osterr. Landesregierung. Wien 1981, S. 173–183. – Ludwig Holzfurtner: Gr¨undung und Gr¨undungs¨uberl. Quellenkrit. Stud. zur Gr¨undungsgesch. der Bayer. Kl¨oster ¨ der Agilolfingerzeit und ihrer hochma. Uberl. Kallm¨unz 1984. – Karl Brunner: Die Zwettler ‹B¨arenhaut›. Versuch einer Einordnung. In: Geschichtsschreibung und Geschichtsbewußtsein. Hg. v. Hans Patze. Sigmaringen 1987, S. 647–662. – J. R¨ossl: Die Zwettler ‹B¨arenhaut›. Nochmals ein exemplarischer Beleg. In: ebd., S. 663–680. – Richard Brunner: Die Gr¨undung des Klosters Waldsassen. Ulm 1990. – J¨urgen Dendorfer: Zwischen adeliger Haus¨uberl. und kl¨osterlicher Interessenswahrung. Die Kastler Reimchron., eine Quelle zur Fr¨uhgesch. Sulzbachs? In: Sulzbach und das Land zwischen Naab und Vils im fr¨uhen MA. Hg. v. G¨otz Alper. Sulzbach-Rosenberg 2003, S. 43–60. MM 214

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1. H¨alfte 13. Jh. Eberhard und Itha von Nellenburg. – Stiftervita zum Allerheiligenkloster Schaffhausen. Mehrere Schaffhausener Handschriften u¨ berliefern das Stiffterleben graf Eberhartes von Nellenburg (lat. Historia fundationis Monasterii Omnium Sanctorum in civitate Schaphusensi). Der Text in mhd. Prosa mit einem Prolog in Versen ist wohl im 13. Jh. entstanden, jedoch stammt die fr¨uheste erhaltene Handschrift aus dem 14. Jh. Das Werk schildert in mal chronikalischer, mal hagiographischer Form die Viten von Eberhard und Itha von Nellenburg sowie die Entstehung des von ihnen gestifteten Benediktinerklosters Allerheiligen in Schaffhausen. 1034 erstmals erw¨ahnt, hatte Eberhard III. von Nellenburg seit 1045 das Mu¨ nzrecht in Schaffhausen inne und war sp¨ater Graf im Neckar- und Z¨urichgau. Er stiftete 1050 das Allerheiligenkloster, wo er zuletzt als Konverse lebte und 1078/79 starb. Seine Frau I. verbrachte ihre letzten Lebensjahre als Nonne im Schaffhausener Agneskloster. Das Stiffterleben beschreibt neben den Viten E.s und I.s auch angebliche Wunder im Zusammenhang mit E.s heiligm¨aßigem Leben und Sterben. Hinzu kommen die Gr¨undungs- und Bauumst¨ande des Klosters und dessen weitere Geschichte unter E.s Sohn Burkhard v. N. bis zum Tod seiner Mutter Itha. Zu den Quellen des Werks z¨ahlen neben Klosterurkunden auch eine lat. E.-Vita und die Chronik des wohl in Allerheiligen gestorbenen Bernold von Sankt Blasien. Ob eine m¨ogliche lat. Fassung des Stiffterbuchs Vorlage des mhd. Texts war, ist heute nicht mehr nachzuweisen. Die neuere Forschung hat diese These mit dem Argument abgelehnt, das Werk sei f¨ur lateinunkundige Laien, nicht f¨ur Kleriker intendiert gewesen. Der dt. Text des Stiffterbuchs war aber sicher Vorlage f¨ur die sp¨atmittelalterliche, bis ins 18. Jh. u¨ berlieferte Legend von des Closters Allerhailgen Stifftung und erbauwung. ¨ Uberlieferung: St. Gallen, Stiftsbibl., cod. 604, S. 3–42 (Pap., Schaffhausen, 14. Jh.). – Frauenfeld, Kantonsbibl., cod. Y 146, 1ra–13va (Pap., Schaffhausen, 1438). – Schaffhausen, Staatsarch., Allerheiligen F 2, 43 Bll. (Pap., Schaffhausen, 1467). – Z¨urich, ZB, cod. L 47, S. 284–295 (16. Jh., lat. Bearb.). Ausgabe: Enrico W¨uscher-Becchi: Die Abtei Allerheiligen zu Schaffhausen. Beschreibung der reichsfreien Nellenburg’schen Stiftung Benediktiner Ordens in Schaffhausen von ihrem Ursprung bis nach ihrer Saekularisierung. Basel 1917. – Das 215

Eberhard und Itha von Nellenburg Buch der Stifter des Klosters Allerheiligen. Hg. v. Karl Schib. Aarau 1934. – Heinz Gallmann: Das Stifterbuch des Klosters Allerheiligen zu Schaffhausen. Kritische Neuedition und sprachliche Einordnung. Berlin u. a. 1994. Literatur: Georg v. Wyss, ADB 23 (1886) S. 418–421. – Volker Honemann, VL2 2 (1980) Sp. 284–286. – Tilman Struve: E., Graf v. N. In: LexMA 3 (1986) Sp. 1514 f. – Armin Schlechter, LThK3 3 (1995) Sp. 426. – Karl Heinz Burmeister: N., Grafen v. In: NDB 19 (1999) S. 58. – Roger Aubert: Itha de N. In: DHGE 26 (1997) Sp. 423. – Ekkart Sauser: E., Graf v. N. (1078/97). In: BBKL 23 (2004) Sp. 284 f. – Schib 1934 (s. Ausg.) S. III–XII. – Hans Patze: Adel und Stifterchron. Fr¨uhformen territorialer Geschichtsschreibung im hochma. Reich. In: Bll. f¨ur dt. Landesgesch. 100 (1964) S. 8–81, hier S. 54 f. (wieder in: Ders.: Ausgew¨ahlte Aufs¨atze. Stuttgart 2002, S. 109–250). – Hans Seeliger: Die Grabplatten der Grafen v. N. und die Nellenburger Memorialtafel im Mus. zu Allerheiligen in Schaffhausen. In: Schaffhauser Beitr. zur vaterl¨andischen Gesch. 49 (1972) S. 9–52. – Hans Lieb: Das Todesjahr Burkhards v. N. und die Meraldusurkunden. In: Schaffhauser Beitr. zur Gesch. 50 (1973) S. 39–47, hier S. 39 Anm. 2. – Arno Borst: E. v. N., Konverse in Schaffhausen. In: Ders.: M¨onche am Bodensee 610–1525. Sigmaringen 1978, S. 118–135. – Thomas Zotz: Markgraf Hermann v. Verona und Graf E. v. N. Religi¨oser Aufbruch und adlige conversio im Schwaben des 11. Jhs. In: Religi¨ose Bewegungen im MA. FS Matthias Werner. Hg. v. Enno B¨unz u. a. K¨oln u. a. 2007, S. 155–172. – Egon Hopfenzitz: Der Selige E. v. N., zweiter Patron der Domkirche St. Eberhard in Stuttgart. In: Hegau 65 (2008) S. 294 f. MM Fegfeuer des hl. Patricius. – Dt. Bearbeitungen lat. Patriciuslegendentexte. Ausgangspunkt f¨ur den lat. Tractatus de Purgatorio S. Patricii (zweite H¨alfte 12. Jh.) des englischen Zisterziensers H. von Saltry ist die als «St. Patrick’s Purgatory» bekannte H¨ohle auf Station Island im Lough Derg in Irland, die seit dem 13. Jh. ein viel besuchter Wallfahrtsort ist. Die Legende besagt, dass Christus dem hl. Patricius die H¨ohle als Ort offenbart habe, wo gl¨aubige Bußwillige Reinigung von ihren S¨unden erlangen k¨onnten. Der Traktat kombiniert den Bericht der Offenbarung 216

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Thietmar(us) des Fegfeuers an den hl. Patricius mit den Jenseitsvisionen eines Ritters Owein, der um die Mitte des 12. Jh. den Abstieg in das Purgatorium gewagt haben soll. Eine gek¨urzte Fassung dieser OweinLegende enth¨alt auch die Patriciuslegende der Legenda aurea (→ Jacobus a Voragine), wobei der Ritter dort statt Owein Nikolaus heißt. ¨ Uberlieferung: 54 lat Hss. verzeichnet Richard J. Hayes: Manuscript Sources for the History of Irish Civilisation. Bd. 2. Boston 1965, S. 455–456. ¨ I. Dt. Ubertragungen des Tractatus. 1. Eine Vers¨ubersetzung stammt von Michel → Beheim. Ausgabe: Hans Gille/Ingeborg Spriewald: Die Gedichte des Michel Beheim. Nach der Heidelberger Hs. cpg 334 [...]. Bd. 3/1 (DTM 65). Berlin 1971, S. 304–334. 2. Ferner ist eine in Innsbruck, UB, Cod. 979, 32vb–49va (zweite H¨alfte 15. Jh.) u¨ berlieferte Prosa¨ubersetzung des Heinrich → Haller bekannt. 3. Eine Prosabearbeitung mit selbstst¨andigen Exempeln und dem Bericht eines T¨uckelhausener Kart¨ausers u¨ berliefern zwei Dubliner Fragmente eines Augsburger Drucks. Es handelt sich dabei um Exzerpte aus Der → Seelen Wurzgarten. ¨ Uberlieferung: Vollst. Abschr. des Drucks: Breslau/Wrocław, UB, Cod. I D 41a, 131r–161v (1492). – Solothurn, ZB, Cod. S 398. Abdruck: G. Waterhouse: An Early German Account of St Patrick’s Purgatory. In: Modern Language Review 18 (1923) S. 317–22; 29 (1934) S. 74–77. 4. Eine mndl. Prosabearbeitung u¨ berliefern acht Handschriften. Abdruck: Verdeyen/Endepols (s. Lit.) Bd. 2. 5. Eine Prosafassung mit Einschub aus → Brandans Meerfahrt u¨ berliefert die Handschrift Heidelberg, UB, Cpg 60 (um 1460, schw¨abisch mit alemannischen und rheinfr¨ankischen Formen). ¨ II. Dt. Ubertragungen der in der Legenda aurea enthaltenen Fassung. 1. Prosa¨ubersetzung: Berlin, SBB, Mgf 863, 251rb–262ra (Pap., Straßburg, zweites Drittel 15. Jh., els¨assisch). – Colmar, StB, Ms. CPC 278. – Karlsruhe, LB, Cod. St. Georgen pap. germ. 71. – M¨unchen, BSB, Cgm 454, 194r–225r (Pap., zweite H¨alfte 15. Jh., nordbair.). – N¨urnberg, StB, Cod. Cent. VI 43° (Pap.). – Paris, Bibl. Nat., Cod. all. 150, 246r–262r (Pap., erste H¨alfte 15. Jh., ¨ rheinfr¨ankisch). – Zu einer weiteren Uberl. vgl. J¨org → Stuler. 217

1. H¨alfte 13. Jh. 2. Eine zweite Prosau¨ bersetzung bietet das Exemplum im Großen Seelentrost (→ Seelentrost) (Prosa). Ausgaben: Cornelis Mattheus van der Zanden: ´ Etude sur le Purgatoire de Saint Patrice. Amsterdam 1927. – Karl Warnke (Hg.): Das Buch vom Espurgatoire S. Patrice der Marie de France und seine Quelle (Bibliotheca Normannica 9). Halle 1938. Literatur: Nigel F. Palmer, VL 2 (21980) Sp. 715–717; 11 (2004) Sp. 437 f. – Louis Leonor Hammerich: Eine Pilgerfahrt des 14. Jh. nach dem F. d. h. P. In: ZfdPh 53 (1928) S. 25–40. – Ren´e Verdeyen/Joseph Endepols: Tondalus’ Visioen en St. Patricius’ Vagevuur. Bd. 1, Gent 1914. Bd. 2, Den Haag/Gent 1917. – Max Voigt: Beitr. zur Gesch. der Visionenlit. im MA (Palaestra 146). Leipzig 1924 (Nachdr. London/New York 1967). – John Randolph Shane Leslie: Saint Patrick’s Purgatory. London 1932. – Frederick W. Locke: A New Date for the Composition of the ‹Tractatus de Purgatorio Sancti Patricii›. In: Speculum 40 (1965) S. 641–646. – Douglas David Roy Owen: The Vision of Hell. Edinburgh/London 1970. – N. F. Palmer: The German and Dutch Translations of the ‹Visio Tundali› and their Circulation in the Later Middle Ages. Diss. Oxford 1975, S. 371–376. – Herrad Spilling: Die Visio Tnugdali (M¨unchener Beitr. zur Medi¨avistik und Renaissance-Forschung 21). M¨unchen 1975, S. 226–230. – Peter Dinzelbacher: Himmel, H¨olle, Heilige. Visionen und Kunst im MA. Darmstadt 2002, S. 86 f. SF Scotus, Michael → Band 6. Thietmar(us), Magister (Themar, Thetmar[us], Detmar[us], Ditmar[us]). – Verfasser eines Pilgerberichts. Der vielleicht aus Sachsen stammende W. war vermutlich Kleriker. Er unternahm 1217 eine Reise ins Heilige Land, die bis zum Sinai und Roten Meer f¨uhrte. Sein Liber peregrinationus (Iter ad Terram Sanctam) bietet in 30 Kapiteln u. a. eine Beschreibung der Geographie Pal¨astinas mit einer Darstellung zahlreicher biblischer St¨atten (vor allem des NT), eine Schilderung seines Aufenthalts im Sinaikloster (mit der Legende der dort begrabenen hl. Katharina von Alexandrien; vgl. → Katharinenlegende) und seiner Besteigung des Sinai. Der Islam ist ohne Feindseligkeit geschildert, Hilfsbereitschaft und Mitleiden der Sarazenen (bei 218

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1. H¨alfte 13. Jh. seiner Gefangennahme) werden positiv hervorgehoben. ¨ Uberlieferung: 19 Hss. des 13.–15. Jh. bei R¨ohricht, S. 47. Von den mindestens zwei Redaktionen gilt als die urspr¨ungliche die des cod. in scrinio 143 b der SUB Hamburg. Ausgaben: Titus Tobler: Magistri Thetmari iter ad Terram Sanctam anno 1217. St. Gallen/Bern 1851 (nach dem cod. B X 35 der UB Basel). – Jules de Saint-Genois: Voyages faits en Terre Sainte par Thetmar en 1217 [...]. In: M´emoires de l’Acad´emie royale de Belgique 26 (1851) S. 19–58 (nach dem cod. 466 [593] der Bibl. mun. Gent). – Johann Christian Moritz Laurent: Mag. Thietmari peregrinatio. Hamburg 1857 (nach der Hamburger Hs.; wieder in: Ders.: Peregrinatores medii aevi quatuor [...] Accessit mag. Thietmari Peregrinatio. Leipzig 1873). Literatur: Franz Josef Worstbrock, VL2 9 (1995) Sp. 793–795. – Reinhold R¨ohricht: Bibliotheca geographica Palaestinae. Chronologisches Verz. der von 333 bis 1878 verfaßten Lit. u¨ ber das Heilige Land. Berlin 1890. Verb. und verm. Neuausg. mit einem Vorw. von David H. K. Amiran. Jerusalem 1963 (Nachdr. London 1989) S. 47 f. – Paul Devos: Les premi`eres versions occidentales de la l´egende de Saidnaia. In: Analecta Bollandiana 65 (1947) S. 243–278. – Anna-Dorothee von den Brincken: Die ‹Nationes Christianorum orientalium› im Verst¨andnis lat. Historiograpie von der Mitte des 12. bis in die zweite H¨alfte des 14. Jh. K¨oln 1973 (Reg.). – Karl Ernst Hermann Krause: Zu Magister Thetmarus (Thietmarus). In: Forschungen zur dt. Gesch. 15 (1875) S. 153–156. BJ Oliver von Paderborn (auch Thomas Oliverus Scholasticus), * um 1170 Westfalen oder Friesland, † 11.9.1227 Anagni (?). – Theologe, Historiker. O. war seit 1196 «Magister scolarum» und seit 1200 Domscholaster in Paderborn. Danach ging er nach K¨oln, wo er seit 1203 Domscholaster und sp¨atestens 1218 Domdekan war. Um 1207 hielt er sich in Paris auf, bevor er 1209 nach Deutschland zur¨uckkehrte. Unter Innozenz III. reiste O. 1213–16 als p¨apstlicher Kreuzzugsprediger durch L¨uttich, Brabant, Flandern, Utrecht, Friesland und den Nordwesten Deutschlands. O. erwarb sich schnell einen Ruf als erfolgreicher Prediger, der zahlreiche Menschen zur Kreuzzugsteilnahme bekehrte. Zwischenzeitlich nahm O. 1215 am Laterankonzil in Rom teil. 1217 schloss er sich dem 219

Oliver von Paderborn f¨unften Kreuzzug an, bei dem O. an einem milit¨ari¨ schen Erfolg mitwirkte: In Agypten konstruierte er jene Belagerungsmaschine, die 1219 zur Einnahme von Damiette f¨uhrte. 1223 wurde O. zum Bischof von Paderborn gew¨ahlt. Die gegen den Kandidaten Heinrich von Brakel erfolgte Wahl war umstritten, erhielt aber eine p¨apstliche Best¨atigung durch Honorius III., zu dem O. gute Kontakte unterhielt. 1223/24 predigte O. in Friesland wieder den Kreuzzug. 1225 wurde er Kardinal von Sabina. 1227 begab er sich als p¨apstlicher Legat mit Kaiser Friedrich II. auf einen weiteren Kreuzzug, starb unterwegs aber wahrscheinlich an einer Seuche. O. verfasste mehrere lat. Werke u¨ ber seine Kreuzzugs-Erlebnisse und die Geschichte Pal¨astinas. Am bedeutendsten, da am eigenst¨andigsten, ist die Historia Damiatina. Der historisch weitgehend zuverl¨assige Text stellt den f¨unften Kreuzzug dar, an dem O. selbst teilgenommen hatte. Wegen dieser unmittelbaren Zeugenschaft O.s gilt die Historia bis heute als wichtige Quelle. O. begann sie wahrscheinlich noch w¨ahrend des Kreuzzugs und erstellte insgesamt drei Redaktionen des Texts, jeweils mit erweitertem Berichtszeitraum (bis Nov. 1219, bis Juli 1220, bis Sept. 1222). W¨ahrend die ¨ ersten Redaktionen der Historia in Agypten entstanden sein k¨onnten, d¨urfte die dritte Fassung in K¨oln geschrieben worden sein. Parallel zur Historia Damiatina verfasste O. wahrscheinlich die Historia regum Terrae Sanctae mit ihren ¨ zwei Redaktionen (entstanden 1219/20 in Agypten, 1222 in Deutschland). Diese Geschichte des Heiligen Landes beruht auf Vorlagen von Fulcher von Chartres und Wilhelm von Tyrus. Rein kompilatorisch sind O.s Descriptio Terrae Sanctae und seine Historia de ortu Jerusalem et eius variis eventibus, die sich aus dem AT und Petrus Comestor (Historia scholastica) speist. Daneben sind mehrere Briefe O.s erhalten, die sich u. a. mit der Rekrutierung von Kreuzfahrern in Friesland besch¨aftigen. Zwei Briefe an den K¨olner Erzbischof Engelbert enthalten Berichte u¨ ber die Kreuzzugs-Erlebnisse O.s 1217/17 in Pal¨astina und 1218/19 vor Damiette. Die beiden Briefe waren wohl auch Grundlage der Historia Damiatina. Außerdem schrieb O. 1221 an Sultan al-Kˆamil, um ihn zum Christentum zu bekehren. Diese Briefe zeigen O. als einen informierten Kenner des Islams und der Muslime, die O. als Ketzer, nicht als Heiden ansieht. Insgesamt gilt O. heute als kompetenter und sprachlich versierter Chronist der Kreuzz¨uge seiner Zeit. 220

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Wilbrand von Oldenburg ¨ ¨ Uberlieferung: Verz. der lat. Uberl. bei Hoogeweg 1894 (s. Ausg.). Ausgaben: Oliveri scholastici historia Damiatina. In: Corpus historicum medii aevi 2. Hg. v. Johann Georg von Eckhart. Leipzig 1723, Sp.1397–1450. – Die Schriften des K¨olner Domscholasters, sp¨ateren Bischofs von Paderborn und Kardinalbischofs von S. Sabina Oliverus. Hg. v. Hermann Hoogeweg. Tu¨ bingen 1894. ¨ Ubersetzungen: The Capture of Damietta. Hg. v. John J. Gavignan. Philadelphia 1948. – The Capture of Damietta. In: Christian Society and the Crusades 1198–1229. Hg. v. Edward Peters. Philadelphia 1971, S. 49–139 (nach Gavignan 1948). Literatur: ADB 24 (1887) S. 305–308. – Marie Luise Bulst-Thiele, VL2 7 (1989) Sp. 35–38. – Peter Thorau, LexMA 6 (1993) Sp. 1399. – AnneDorothee von den Brincken, LThK3 7 (1998) Sp. 1043 f. – Wolfgang Giese, NDB 19 (1999) S. 522 f. – Joseph Sch¨afers: O.s, des Bischofs v. Paderborn und Kardinalbischofs von S. Sabina (gest. 1227) Kenntnis des Mohammedanismus. In: Theologie und Glaube 4 (1912) S. 525–528. – Erich Weise: Der K¨olner Domscholaster O. und die Anf¨ange des Dt. Ordens in Preußen. In: Im Schatten von St. Gereon. FS Erich Kuphal. Hg. v. Rudolf Brandts u. a. K¨oln 1960, S. 385–394. – Klemens Honselmann: Aus der Bl¨utezeit der Domschule. In: Von der Domschule zum Gymnasium Theodorianum in Paderborn. Zur Wiederkehr des 1100. Todestages des Gr¨underbischofs Badurad und des 350. Jahrestages der Grundsteinlegung [...]. Hg. v. K. Honselmann. Paderborn 1962, S. 49–64. – Helmut Lahrkamp: Magister Oliverus. Kreuzprediger und Kardinal. In: ebd., S. 127–142. – A.-D. von den Brincken: Die ‹Nationes Christianorum Orientalium› im Verst¨andnis der lat. Historiographie v. der Mitte des 12. bis in die zweite H¨alfte des 14. Jh. K¨oln u. a. 1973, passim. – Wilhelm Wattenbach/Franz-Josef Schmale: Deutschlands Geschichtsquellen im MA 1: Vom Tod Kaiser Heinrichs V. bis zum Ende des Interregnums. Darmstadt 1976, S. 367–369. – Hans J. Brandt/Karl Hengst: Die Bisch¨ofe und Erzbisch¨ofe v. Paderborn. Paderborn 1984, S. 117–120. – A.-D. von den Brincken: Islam und Oriens Christianus in den Schriften des K¨olner Domscholasters O. († 1227). In: Orientalische Kultur und europ¨aisches MA. Hg. v. Albert Zimmermann/Ingrid Craemer-Ruegenberg. Berlin u. a. 1985, S. 86–102. – Rudolf Hiestand: O. Scholasticus und die Pariser Schulen zu Beginn des 221

1. H¨alfte 13. Jh. 13. Jh. Zu einem neuen Textfund. In: Jb. des K¨olnischen Geschichtsver. 58 (1987) S. 1–34. – A.-D. von den Brincken: Oliverus scholasticus et cardinalis († 1227). In: Rheinische Lebensbilder 12. Hg. v. Edmund Strutz und Franz-Josef Heyen. D¨usseldorf 1991, S. 47–67. – Dominic Francis: O. of P. and His Siege Engine at Damietta. In: Nottingham Medieval Studies 37 (1993) S. 28–32. – Karl Hengst: O. In: Die Bisch¨ofe des Heiligen R¨omischen Reiches 1198 bis 1448. Ein biogr. Lex. Hg. v. Erwin Gatz mit Clemens Brodkorb. Berlin 2001, S. 539. – Jessalynn Bird: Lea. Crusade and Conversion after the Fourth Lateran Council (1215). O. of P.’s and James of Vitry’s Missions to Muslims Reconsidered. In: Essays in Medieval studies 21 (2004) S. 23–47. MM Wilbrand von Oldenburg (Willebrand), † 27.7. 1233 Zwolle. – Bischof, Verfasser eines Reiseberichts. W. war ein Sohn von Graf Heinrich II. von Oldenburg-Wildeshausen, der 1197 auf einem Kreuzzug starb, sowie Neffe des Gerhard von Oldenburg-Wildeshausen, Erzbischof von Bremen und Hamburg. Fu¨ r eine geistliche Laufbahn vorgesehen, war er zun¨achst Kanonikus in Paderborn, dann Propst in Zutphen, seit 1209 Kanonikus in Hildesheim und dort seit 1219 Propst. Zwischenzeitlich reiste W. im Auftrag von Kaiser Otto IV. mit dem Ordensgroßmeister Hermann von Salza 1211 nach Pal¨astina, u. a. um Leo II. von Armenien eine Botschaft zu u¨ berbringen. Nach seiner R¨uckkehr wandte sich W. von dem mittlerweile gebannten Otto IV. ab und dem neuen K¨onig Friedrich II. zu. 1222–24 weilte er mit dem kaiserlichen Legaten Albrecht von Magdeburg in Italien. Seit 1225 war W. Bischof von Paderborn, seit 1226 auch Administrator von Mu¨ nster/Westfalen und Osnabr¨uck. W. widmete sich in dieser Zeit besonders dem Kampf gegen die Schwalenberger Grafen. 1227 hielt er sich als Legat des Kaisers in Italien auf. 1227 (Amtsantritt 1228) wurde er Bischof von Utrecht. Dieser Wechsel erfolgte mit p¨apstlicher Genehmigung auf Bitten der Grafen von Geldern und Holland. W. ging in seiner neuen Di¨ozese hart gegen die Drenther Bauern vor, deren Erhebung W.s Vorg¨anger das Leben gekostet hatte. Obwohl W.s Amtszeiten als Bischof also unter politisch-milit¨arischen Vorzeichen standen, fand der gebildete Pr¨alat noch 222

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1. H¨alfte 13. Jh. Raum f¨ur M¨azenatentum. So initiierte er 1232 eine Chronik des Bistums Utrecht. W. verfasste u¨ ber seine Reise nach Pal¨astina einen lat. Bericht, der sp¨ater als Itinerarium bekannt wurde. W.s Reiseroute f¨uhrte ihn u¨ ber Akkon, Tyrus, Beirut und Tripolis nach Antiochia. Dort u¨ berwinterte W. 1211/12 an Leos Hof, um dann u¨ ber Zypern nach Akkon zur¨uckzukehren. Wie im zweiten Buch der Berichts geschildert, reiste W. von dort u¨ ber Jaffa, Jerusalem und Bethanien zum Jordan. Das Itinerarium beschreibt zuletzt W.s Aufstieg auf den Berg Quarantana, bricht dann aber ab. Insgesamt sind W.s Reise und Bericht im Zusammenhang mit Kaiser Ottos Kreuzzugspl¨anen zu sehen. Otto war mit großer Sicherheit an Informationen u¨ ber Befestigungen, Wasserwege, Brunnen u. a¨. interessiert. Entsprechende Details liefert W.s Bericht, etwa u¨ ber die Festung Akkon. W. f¨ugte aber auch Beschreibungen milit¨arisch unbedeutender Orte (Kirchen, Heiligen-Memoriale) in sein Werk ein. ¨ Uberlieferung: Paris, Bibl. Nationale, ms. fr. 10130, 19v–30v (13. Jh.). – Ebd., ms. lat. 3088, 52r–61v (16. Jh.). – Berlin, SBB, Ms. Diez. C fol. 60, 38r–58r (17. Jh.). Ausgaben: Leonhard Allatius: Symmikta, sive opusculorum Graecorum et Latinorum, vetustiorum ac recentiorum. K¨oln 1653. – Johann C. M. Laurent: Wilbrands von Oldenburg Reise nach Pal¨astina und Kleinasien. Hamburg 1859 (lat.dt.). – Ders.: Perigrinatores medii aevi quatuor [...]. Leipzig 1864. 21873, S. 162–190. – Bernd U. Hucker: Die neue Politik Kaiser Ottos IV. Habil. Bamberg 1983, S. 475–494 (Teildruck). ¨ Ubersetzungen: Laurent 1859 (s. Ausg.). – La mission en Cilicie de W. v. O. en 1211–1212. Hg. v. Marc Delpech/Jean-Claude Voisin. In: M´elanges de l’Universit´e Saint-Joseph 56 (1999/2003) S. 291–346. Literatur: Wilhelm v. Heyd, ADB 42 (1897) S. 474–476; Jacob Cornelis van Slee, ADB 43 (1898) S. 260 f. – Wilhelm Kohl, BBKL 13 (1998) Sp. 1166–1168. – Sylvia Schein, LexMA 9 (1998) Sp. 112 f. – Marie Luise Bulst-Thiele/Franz Josef Worstbrock, VL2 10 (1999) Sp. 1071–1074. – B. U. Hucker, LThK3 10 (2001) Sp. 1167. – Anton Kohnen: Die Grafen v. Oldenburg-Wildeshausen. In: Jb. f¨ur die Gesch. des Herzogtums Oldenburg 22 (1914) S. 60–154. – Helmut Lahrkamp: Ma. Jerusalemfahrten und Orientreisen westf¨alischer Pilger und Kreuzritter. In: Westf¨alische Zs. 106 (1956) 223

Bertholdus Capellanus S. 269–346, hier S. 288–292. – Anne-Dorothee v. den Brincken: Die ‹Nationes Christianorum Orientalium› im Verst¨andnis der lat. Historiographie v. der Mitte des 12. bis in die zweite H¨alfte des 14. Jh. K¨oln u. a. 1973, passim. – D. Baron: Notes sur les mss. de voyage de W. d’Oldenbourg. In: Le Moyen aˆge 81 (1975) S. 499–506 (vgl. dazu: Ursula Winter: Die Hss.-Verz. der Dt. SB zu Berlin NF 1: Die europ¨aischen Hss. der Bibl. Diez 3. Berlin 1994, S. 43 f.). – Hans J. Brandt/Karl Hengst: Die Bisch¨ofe und Erzbisch¨ofe v. Paderborn. Paderborn 1984, S. 120–123. – Bernd U. Hucker: Kaiser Otto IV. (MGH Schr. 34). Hannover 1990, S. 161–170, 175–178, 182 f., 485–487. – Ders.: W., Administrator der Bist¨umer M¨unster und Osnabr¨uck, Bischof von Paderborn und Utrecht. In: Jb. Oldenburger M¨unsterland 1994 (1994) S. 60–70. – K. Hengst/Jan van Herwaarden: W., Graf v. Oldenburg-Wildeshausen († 1235). In: Die Bisch¨ofe des Heiligen R¨omischen Reiches 1198 bis 1448. Hg. v. Erwin Gatz. Berlin 2001, S. 824 f. – Peter Halfter: Eine Beschreibung Kilikiens aus westlicher Sicht. Das Itinerarium des W. v. O. In: Oriens Christianus 85 (2001) S. 176–203. MM Bertholdus Capellanus. – Verfasser einer Biographie Ludwigs IV. von Th¨uringen, erstes Drittel 13. Jh. Der Hofkaplan und Vertraute des Landgrafen Ludwig IV. von Th¨uringen verfasste bald nach dessen Tod (1227/28) eine lat. annalistische Biographie Ludwigs (Gesta Ludovici nach Holder-Egger [s. Ausg.]), in der sich B. als Mitglied des Kreuzzugsgefolge Ludwigs selbst nennt. Die Biographie darf zu den zuverl¨assigsten Werken der th¨uringischen Geschichtsschreibung gez¨ahlt werden. Sie beruht oftmals auf Augenzeugenberichten und schildert die politischen Vorg¨ange in klarer sachlicher Sprache detailliert und frei von legenden- oder sagenhaften Beigaben. Auch bei der Darstellung der Person Ludwigs und von dessen Gattin Elisabeth ist der Autor um Objektivit¨at bem¨uht. Die Gesta selbst sind nicht u¨ berliefert, doch l¨asst sich ihr Umfang und inhaltlicher Bestand anhand von historiographischen Kompilationswerken rekonstruieren, die Texte von B. u¨ bernommen haben. Dies geschah allerdings u¨ ber den Umweg einer – ebenfalls nicht erhaltenen – Vita Ludovici, die ein anonymer Reinhardsbrunner M¨onch aus B.s Urtext um 1308 exzerpiert hat und u. a. um Ausz¨uge aus der Vita S. Elisabeth des → Dietrich 224

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Burchard von Ursberg von Apolda erg¨anzt hat. Die Elisabeth-Vita (begonnen 1289) wiederum enth¨alt selbst Textabschnitte aus den Gesta. Ferner sind Ausz¨uge nachweislich ¨ enthalten in Das Leben des heiligen Ludwig (dt. Ubersetzung, 1314–23) von Friedrich → K¨oditz und in der Chronica Reinhardsbrunnensis (um Mitte 14. Jh.). Ausgaben der Kompilationswerke (Auswahl): Monika Rener: Die Vita der heiligen Elisabeth des Dietrich v. Apolda (Ver¨off. der Hist. Kommission f¨ur Hessen 53). Marburg 1993. – Heinrich R¨uckert: Friedrich K¨odiz von Salfeld. Das Leben des Heiligen Ludwig, Landgrafen in Th¨uringen, Gemahls der Heiligen Elisabeth. Leipzig 1851. – Oswald Holder-Egger: Chronica Reinhardsbrunnensis. In: MGH SS 30,1 (1896) S. 490–656. Literatur (nur zu B. selbst; Lit. zu Dietrich und K¨oditz vgl. dort): Helmut Lomnitzer, VL2 1 (1978) Sp. 805–807. – Karl Wenck: Die Entstehung der Reinhardsbrunner Geschichtsb¨ucher. Im Anh.: Eine Reinhardsbrunner Chron. des XIII. Jh. und Schedel’s Excerpte nach der Mu¨ nchener Hs. Halle 1878. – Gustav B¨orner: Zur Kritik der Quellen f¨ur die Gesch. der heiligen Elisabeth, Landgr¨afin v. Th¨uringen. In: Neues Arch. der Ges. f¨ur a¨ltere dt. Geschichtskunde 13 (1888) S. 431–516, hier S. 475–500. – O. Holder-Egger: Stud. zu Th¨uringischen Geschichtsquellen 2–3. In: Neues Arch. der Ges. f¨ur a¨ ltere dt. Geschichtskunde 20 (1895) S. 569–637; 21 (1896) S. 235–297. – Hans Patze: Die Entstehung der Landesherrschaft in Th¨uringen Bd. 1 (Mitteldt. Forschungen 22). K¨oln u. a. 1962, S. 262–271. – Ders.: Landesgeschichtsschreibung in Th¨uringen. In: Jb. f¨ur die Gesch. Mittelund Ostdeutschlands 16/17 (1968) S. 95–168, hier S. 110–118. VZ Burchard von Ursberg OPraem, * sp¨atestens 1177 Biberach (an der Riß [?]), † 11.1. fr¨uhestens 1231 Ursberg. – Historiograph, Propst. Kenntnisse u¨ ber B. liefert vor allem sein eigenes Werk. Er besuchte 1198 den p¨apstlichen Hof in Rom, wurde 1202 zum Priester geweiht und trat 1205 in das Pr¨amonstratenserstift Schussenried ein, wo er 1207 die Profess ablegte und 1209 Propst wurde. Seit 1215 – nach einer weiteren Romreise 1210/11 – war B. Propst des Stiftes Ursberg. Um 1229 begann B. mit der Abfassung einer lat. Weltchronik, als deren Verfasser allerdings bis zum 18. Jh. sein direkter Nachfolger → Konrad von Lichtenau gegolten hat. B.s Chronicon, eine der bedeutendsten Chroniken der Stauferzeit, ist 225

1. H¨alfte 13. Jh. gepr¨agt von seinem entschiedenen Eintreten f¨ur das staufische Kaisertum. Die Chronik bricht im Jahr 1230 ab. Die wichtigsten nachgewiesenen Vorlagen f¨ur die bis 1190 im Kompilationsstil angefertigten Schilderungen sind bis 1125 ausschließlich → Frutolf von Michelsberg und → Ekkehard von Aura, ab 1125 vor allem → Otto von Freising. Exzerpten aus dessen Weltchronik folgen Ausz¨uge aus zumeist schw¨abischen Genealogien und annalistischen Werken (darunter die → Historia und Genealogia Welforum, Weingartner und Zwiefaltener Annalen). Vom Jahre 1190 an st¨utzt sich B. auf eigene Erfahrungen und Augenzeugenberichte. Eine eigenst¨andige Vorrede ist der Schrift vorangestellt. Das Chronicon stellt die zuverl¨assigste zeitgen¨ossische Quelle f¨ur den staufisch-welfischen Machtkampf dar. B. bezieht klare Stellung gegen den Anspruch der Kurie unter Papst Innozenz III., u¨ ber die Absetzung von K¨onigen zu bestimmen. Er macht sich zum Anwalt Philipps von Schwaben und Friedrichs II. und pl¨adiert f¨ur das alleinige Gottesgnadentum des dt. K¨onigs. Vor allem wegen dieser antip¨apstlichen Tendenzen erfreute sich B.s Chronik unter den Reformatoren des 16. Jh. großer Beliebtheit. Ein Abschnitt aus dem Chronicon, u¨ berschrieben mit «Historia Friderici imperatoris» wurde im 15. Jh. anonym ins Deutsche u¨ bersetzt, vielleicht von Konrad Bollstatter (zuerst Graf 1995 1/2 [s. Lit.]). ¨ Uberlieferung: Der Autograph ist vermutlich beim Klosterbrand 1525 (oder [unwahrscheinlicher] 1632) vernichtet worden. Die einzige vollst. Hss. ist: Mu¨ nchen, Clm 4351, 263 Bll. (Pap., 15./16. Jh., aus dem Besitz Konrad Peutingers). – Unvollst. Hss.: Vormals Petronell (Nieder¨osterreich), Gr¨aflich Traunsches Schlossarch., Cod. 3 (15. Jh.; die Hss. wurde 1985 von Sotheby’s [London] versteigert, 2003 von Stargardt [Berlin]; Verbleib unbekannt). – Rom, Bibl. Apostolica Vaticana, Cod. Vat. lat. 9522. – ‹Historia Frederici› dt.: Dresden, LB, Mscr. H 171, 1r–97v (Pap., um 1500 oder sp¨ater, aus Augsburg[?]). Ausgaben (Auswahl): Fr¨uheste Drucke: Historia Friderici Imperatoris, sive Chronicon. Augsburg (St. Ulrich und Afra) 1472 (GW 05737, Teildr.). – Chronicon abbatis Urspergen. a Nino rege Assyriorum magno usque ad Fridericum II Romanorum Imperatorem. Augsburg (Miller) 1515. – Otto Abel/Ludwig Weiland: Burchardi et Cuonradi Urspergensium Chronicon. In: MGH SS 23 (1874, Nachdr. 1986) S. 333–390. – Oswald 226

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1. H¨alfte 13. Jh. Holder-Egger/Bernhard v. Simson: Burchardi Praepositi Urspergensis Chronicon/Die Chron. des Propstes B. v. U. (MGH SS rer. Germ. 16). Hannover/Leipzig 21916 (nur Vorrede und die Darstellung ab 1126). – Zu weiteren Ausg. vgl. ebd., S. XXXIV–XXXVIII. Das ‹Chronicon› bis 1126 ist derzeit nur u¨ ber den Apparat der Ausg. der Ekkehard/Frutolf-Chron. (Gustav Waitz, MGH SS 6, S. 1–267) erschließbar. Vgl. zur Ausgabensituation auch Nelsen-Minkenberg (s. Lit.) S. 255. ¨ Ubersetzung: Quellen zur Gesch. der Welfen und die Chron. B.s v. U. Hg. und u¨ bers. v. Matthias Becher unter Mitarbeit v. Florian Hartmann/Alheydis Plassmann (Ausgew. Quellen zur dt. Gesch. des MA. Freiherr-vom-Stein-Ged¨achtnisausg. 18b). Darmstadt 2007, S. 101–311. Literatur: Wilhelm Wattenbach, ADB 3 (1876) S. 566 f. – Joachim Leuschner, NDB 3 (1957) S. 30. – Biogr. Wb. zur dt. Gesch.2 1 (1973) Sp. 396. – Norbert Backmund, VL2 1 (1978) Sp. 1119–1121. – Werner Maleczek, LexMA 2 (1983) Sp. 952. – Georg Kreuzer, LThK3 2 (1994) Sp. 799. – Matthias Herweg, Encyclopedia of the Medieval Chronicle 1 (2010) S. 226. – Carl Adolf Herrschel: Burchardi historia Friderici primi. In: Serapeum 15 (1854) S. 58–60. – O. Abel: Die Ursperger Chron. In: Arch. der Ges. f¨ur a¨ltere dt. Geschichtskunde 11 (1873) S. 76–115. – Wilhelm Giesebrecht: Krit. Bemerkungen zur Ursperger Chronik. In: Sb. der Bayer. Akad. der Wiss., Phil.-hist. Kl. 1881, S. 201–239. – Georg Gronau: Die Ursperger Chron. und ihr Verfasser. Diss. Berlin 1890. – Theodor Lindner: Zum Chronikon Urspergense. In: Neues Arch. der Ges. f¨ur a¨ ltere dt. Geschichtskunde 16 (1891) S. 117–134. – Holder-Egger/Simson (s. Ausg.) S. VII–XXXVIII. – Robert Holtzmann: Das Carmen de Friderico I. imperatore aus Bergamo und die Anf¨ange einer staufischen Hofhistoriographie. In: Neues Arch. der Ges. f¨ur a¨ ltere dt. Geschichtskunde 44 (1922) S. 430–489. – Edas Ottmar: Das Carmen de Friderico I. imperator aus Bergamo und seine Beziehungen zu Otto-Rahewins Gesta Friderici, Gunthers Ligurinus und B.s v. U. Chron. In: ebd. 46 (1923) S. 430–489. – Ferdi¨ nand G¨uterbock: Uber Otto v. St. Blasien, B. v. U. und eine unbekannte Welfenquelle mit Ausblick auf die Chiavennafrage. In: Krit. Beitr. zur Gesch. des MA. FS R. Holtzmann (Hist. Stud. 238). Hg. v. Walter M¨ollenberg/Martin Kintzel. Berlin 227

Jordan von Sachsen 1933, S. 101–209. – Repertorium fontium historiae medii aevi 2 (1967) S. 609 f. – N. Backmund: Die ma. Geschichtsschreiber des Pr¨amonstratenserordens (Bibliotheca analectorum Praemonstratensium 10). Mu¨ nchen 1972, S. 8–33. – W. Wattenbach/Franz-Josef Schmale: Deutschlands. Geschichtsquellen im MA. Vom Tode Kaiser Heinrichs V. bis zum Ende des Interregnum. Bd. 1. Darmstadt 1974, S. 115–119. – Wolfgang Wulz: Der sp¨atstaufische Geschichtsschreiber B. v. U. Pers¨onlichkeit und hist.-politisches Weltbild (Schr. zur s¨udwestdt. Landeskunde 18). Stuttgart 1982. – Carol L. Neel: The historical work of B. of U. 1–6: The Ursberg ‹Chronicon› text; The Ursberg ‹Chronicon› and the ‹Historia Welforum› tradition; The historian and his sources; B. as historian; The historian, the emperor and the pope; B.s life and his historiographical achievment. In: Analecta Praemonstratensia 58 (1982) S. 96–129, 225–251; 59 (1983) S. 19–42, 221–257; 60 (1984) S. 224–255; 61 (1985) S. 5–42. – Michael Oberweis: Die Interpolationen im Chronicon Urspergense. Quellenkundliche Stud. zur Privilegiengesch. der Reform-Orden in der Stauferzeit (M¨unchener Beitr. zur Medi¨avistik und Renaissance-Forschung 40). Mu¨ nchen 1990. – Ilse Haari-Oberg: Die Wirkungsgesch. der Trierer Gr¨undungssage vom 10. bis 15. Jh. (Europ¨aische Hochschulschr. 3,607). Bern u. a. 1994, S. 62 f. – Klaus Graf: Ordensreform und Lit. in Augsburg. In: Literarisches Leben in Augsburg w¨ahrend des 15. Jh. (Studia Augustana 7). Hg. v. Johannes Janota/Werner Williams-Krapp. T¨ubingen 1995, S. 100–159, hier S. 146, Anm. ¨ 194. – Ders: Staufer-Uberl. aus Kloster Lorch. In: Von Schwaben bis Jerusalem. Facetten staufischer Gesch. (Ver¨off. des Alemannischen Inst. 61). Hg. v. S¨onke Lorenz/Ulrich Schmidt, Sigmaringen 1995, S. 209–240, hier S. 231, Anm. 135. – J¨urgen Wolf: Konrad Bollstatter und die Augsburger Geschichtsschreibung. Die letzte Schaffensperiode. In: ZfdA 125 (1996) S. 51–86, hier S. 61 f. – Heike NelsenMinkenberg: David oder Salomon? Stud. zur Rezeptionsgesch. Kaiser Ludwigs des Frommen in der Historiographie des 9. bis 13. Jh. Diss. Aachen 2004, S. 255 f. VZ Jordan von Sachsen (J. Graf von Eberstein, J. Teutonicus, J. Saxo) OP, * um 1185 Burgberg bei Dassel/Westfalen, † 13.2.1237. – Ordenschronist. Der aus adliger Familie stammende J. studierte in Paris Philosophie und Theologie. 1218 erwarb 228

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Jordan von Sachsen er den Magistergrad. Er war auch Baccalaureus der Theologie. Von Predigten des Dominikus begeistert, trat J. 1220 in das Dominikanerkloster SaintJacques in Paris ein. Im selben Jahr vertrat er das Kloster am Generalkapitel in Bologna. Seit 1221 Provinzial der Ordensprovinz Lombardia, wurde J. nach dem Tod des Dominikus 1222 Ordensgeneral. In diesem Amt organisierte J. die rapide Expansion des Ordens (rund 250 neue Kl¨oster), den er zugleich durch eine Verfassung festigte. Predigtund Visitationsreisen f¨uhrten J. nach Bologna, Oxford, Montpellier und zuletzt nach Pal¨astina. Auf der R¨uckreise von dort starb J. bei einem Schiffbruch. Er wurde in Akkon begraben und 1826 seliggesprochen. J. verfasste bereits als Student kleinere lat. Werke. Neben der Postilla in Apocalypsin ist hier besonders In Priscianum minorem zu erw¨ahnen, worin er die Grundlagen einer Universalgrammatik er¨ortert. Als Hauptwerk J.s gilt der wohl um 1230 entstandene Libellus de initiis Ordinis Praedicatorum. Der Text stellte die Urspr¨unge der Dominikaner dar, sowohl in ihrer Entwicklung als Gruppe wie in Einzelviten der Gr¨undungsv¨ater Dominikus, Heinrich von K¨oln und Reginald von Orl´eans. Der Libellus gilt heute als bedeutendste Quelle zur Fr¨uhgeschichte der Dominikaner. Die darin enthaltene Dominikus-Vita wurde im Mittelalter h¨aufig als Vorlage sp¨aterer Viten benutzt. J. hinterließ auch 56 Briefe, eine Oratio ad beatum Dominicum sowie mehrere lat. Predigten und wirkte an der Verfassung seines Ordens mit. ¨ ¨ Uberlieferung: F¨ur Verz. der lat. Uberl. vgl. die Ausg., vor allem Scheeben 1935, Walz 1951, Montanari 1991, Hodel 2005, außerdem Berg 1983 (s. Lit.) Sp. 862. Ausgaben: Jordanis de Saxonia Opera ad res ordinis praedicatorum spectantia quae exstant. Hg. v. Joachim Berthier. Fribourg 1891. – Die Briefe J.s v. S., des zweiten Dominikanergenerals (1222–37). Text und Unters., zugleich ein Beitr. zur Gesch. der Fr¨ommigkeit im 13. Jh. (Quellen und Forschungen zur Gesch. des Dominikanerordens in Deutschland 20). Leipzig 1925. – Libellus de principiis Ordinis Praedicatorum (Monumenta Ordinis Fratrum Praedicatorum Historica 16). Hg. v. Heribert Scheeben. Rom 1935. – Scheeben 1939 (s. Lit.). – Epistolae (Monumenta Ordinis Fratrum Praedicatorum Historica 23). Hg. v. Angelus Walz. Rom u. a. 1951. – De Oudste constituties van de Dominicanen. Voorgeschiedenis tekst, bronnen, 229

1. H¨alfte 13. Jh. ontstaan en ontwikkeling (1215–1237). Met uitgave van de tekst. Hg. v. Antoninus H. Thomas. Leuven 1965. – Oratio ad beatum Dominicum. Hg. v. Elio Montanari. Florenz 1991. – Franco Morenzoni: Les sermons de Jourdain de Saxe, successeur de Saint Dominique. In: Archivum Fratrum Praedicatorum 66 (1996) S. 201–244. – Jourdain de Saxe et ses auditeurs. Edition et e´ tude de dix sermons a` reportations multiples. Hg. v. Paul-Bernard Hodel. Lyon 1999. – J. v. S. Ordensmeister, Geschichtsschreiber, Beter. Eine Textsammlung. Hg. v. Wolfram Hoyer. Leipzig 22003. – Sermones. Hg. v. P.-B. Hodel. Rom 2005. – Weitere und a¨ ltere Ausg. bei Berg 1983 (s. Lit.) und Pulsfort 1992 (s. Lit.). ¨ Ubersetzungen: Die Briefe des seligen J. v. S. Hg. v. Johannes Mumbauer. Vechta 1927. – Das Buch von den Anf¨angen des Predigerordens. Hg. v. Mechthild Kunst. Kevelaer 1949. – On the Beginnings of the Order of Preachers. Hg. v. Simon Tugwell. Dublin 1982. Literatur: Moritz Cantor: Jordanus Nemorarius. In: ADB 14 (1881) S. 501 f. – Klemens Honselmann, NDB 10 (1974) S. 598. – Isnard W. Frank, LCI 7 (1974) Sp. 201 f. – Dieter Berg, VL2 4 (1983) Sp. 861–864. – Ders., LexMA 5 (1991) Sp. 629. – Ernst Pulsfort, BBKL 3 (1992) Sp. 652–654. – I. W. Frank, LThK3 5 (1996) Sp. 994 f. – Sabine v. Heusinger, RGG4 4 (2001) Sp. 573 f. – Daniel Antonin Mortier: Histoire des maitres g´en´eraux de l’Ordre des Fr`eres Prˆecheurs 1. Paris 1903, S. 137–253. – Marguerite Aron: Un animateur de la jeunesse au XIIIe si`ecle. Vie, voyages du Bx. Jourdain de Saxe, maˆıtre-es-arts a` Paris et g´en´eral des pr`eres prˆecheurs de 1222 a` 1237. Paris u. a. 1930. – Theodor Rensing: Die Herkunft des Dominikanergenerals J. v. S. In: Westfalen 17 (1932) S. 174 f. – Heribert Scheeben: Der literarische Nachlaß J.s v. S. In: Hist. Jb. 52 (1932) S. 56–71. – Ders.: J. der Sachse. Vechta 1937. – Ders.: Beitr. zur Gesch. J.s v. S. (Quellen und Forschungen zur Gesch. des Dominikanerordens in Deutschland 35). Vechta 1938. – Ders.: Die Konstitutionen des Predigerordens unter J. v. S. (Quellen und Forschungen zur Gesch. des Dominikanerordens in Deutschland 38). Vechta 1939. – Thomas Kaeppeli: Predigten J.s v. S. In: Archivum Fratrum Praedicatorum 9 (1939) S. 311–314. – Martin Grabmann: Der Komm. des Sel. J. v. S. († 1237) zum Priscianus Minor. In: ebd. 10 (1940) S. 5–19. – A. Walz: Intorno alle lettere del B. Giordano di Sassonia. In: Angelicum 26 (1949) S. 143–164, 218–232. – T. Kaeppeli: B. Iordani de 230

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1. H¨alfte 13. Jh. Saxonia litterae encyclicae (1233). In: Archivum Fratrum Praedicatorum 22 (1952) S. 177–185. – Marcel Hinderyckx: Kritische Studie van het ‹Libellus de principiis Ordinis Praedicatorum› door Jordaan van Saksen. Diss. Leuven 1963. – Christopher Brooke: St. Dominic and His First Biographer. In: Transactions of the Royal Historical Society Ser. 5,17 (1967) S. 23–40 (wieder in: Ders.: Medieval Church and Society. Collected Essays. London 1971, S. 214–232). – Hilarius M. Barth: Unters. zu den Schr. J.s v. S. († 1237), insbesondere zu seinem Apokalypsenkomm. Wien 1971. – T. Kaeppeli: Scriptores Ordinis Praedicatorum Medii Aevi III. Rom 1980, S. 53–55. – S. Tugwell: Notes on the Life of St Dominic. In: Archivum Fratrum Praedicatorum 65 (1995) S. 5–169; 66 (1996) S. 5–200; 67 (1997) S. 27–59; 68 (1998) S. 5–116. – F. Morenzoni: Exempla et pr´edication. L’exemple de Jourdain de Saxe. In: Les exempla m´edi´evaux. Nouvelles perspectives. Actes du Colloque du C.N.R.S. et de l’Ecole normale sup´erieure, Saint–Cloud 27–28 sept. 1994. Hg. v. Jacques Berlioz und Marie-Anne Polo de Beaulieu. Paris 1998, S. 269–291. – Margot Schmidt: The Importance of Christ in the Correspondence between J. of Saxony and Diana d’Andalo, and in the Writings of Mechthild of Magdeburg. In: Christ Among the Medieval Dominicans. Representations of Christ in the Texts and Images of the Order of Preachers. Hg. v. Kent Emery Jr. und Joseph Wawrykow. Notre Dame/Indiana u. a. 1998, S. 100–112. – Charles Peytavie: La figure de l’h´er´etique dans l’ hagiographie de Saint Dominique. L’exemple du ‹Libellus de Principiis ordinis fratrum praedicatorum› de Jourdain de Saxe, O. P. In: Heresis 36/37 (2002) S. 239–252, 308 f. – Giulia Barone: Il ‹Libellus de initio Ordinis fratrum Predicatorum› e lo sviluppo dell’Ordine nel primo cinquantennio. In: Domenico di Caleruega e la nascita dell’Ordine dei Frati Predicatori. Atti del XLI Convegno storico internazionale, Todi, 10–12 ottobre 2004. Spoleto 2005, S. 431–440. – Maria Alberzoni: J. of Saxony and the Monastery of St. Agnese in Bologna. In: Franciscan Studies 68 (2010) S. 1–19. MM Rudolf von Ems → Band 5. Matth¨aus Parisiensis (auch Matth¨aus Paris) OSB, * um 1200, † Juni 1259 St. Albans. – Chronist, Verfasser von Versviten. M. trat 1217 in das englische Benediktinerkloster St. Albans ein, wo er sich als Schreiber, Illuminator und Mo¨ nch einen guten Ruf erwarb. 1248 231

Rudolf von Ems erhielt er ein p¨apstliches Mandat, um das Kloster Holm in Norwegen zu reformieren, f¨ur das er sich schon fr¨uher in einem Rechtsstreit eingesetzt hatte. Der englische K¨onig Heinrich III. traf sich mehrmals mit M., so 1251 in Winchester. W¨ahrend seines Aufenthalts in Norwegen begegnete M. auch dem dortigen K¨onig Haakon IV. Trotz seiner guten Verbindungen zum K¨onigshaus wandte sich M. in seinem Werk gegen Zentralismus in Politik und Kirche und setzte sich f¨ur die Interessen der Landeskirche und des Adels ein. M.s Schriften sind u¨ berwiegend in lat. Sprache geschrieben. Als sein Hauptwerk gilt die um 1240 begonnene Chronica majora, die von der Sch¨opfung der Welt bis 1259 reicht. Sie enth¨alt u¨ berwiegend Ereignisse aus der europ¨aischen Geschichte, behandelt aber auch Vorg¨ange im Heiligen Land. Grundlage des Texts waren die Flores Historiarum des 1236 verstorbenen Benediktiners Roger von Wendover, den M. in St. Albans noch pers¨onlich gekannt hatte. M. erweiterte die Flores prim¨ar um die Zeit von 1234 bis 1259, f¨ugte aber auch eigene Illustrationen, Wappen und Kartenskizzen hinzu, um 1250 außerdem eine Sammlung von Dokumenten (Liber Additamentorum). Ebenfalls 1250 begann M. eine k¨urzere Fassung seiner Chronik, die als Historia anglorum (auch Chronica minor) die Jahre 1066 bis 1253 umspannte. Daneben kompilierte M. zwei k¨urzere lat. Chroniken, Abbreviatio Chronicarum und Flores Historiarum (nicht identisch mit Wendovers Werk). In mehreren Schriften behandelte M. die Geschichte seines Klosters. Die Gesta Abbatum S. Albani sind eine Abtgeschichte f¨ur den Zeitraum von 793 bis 1255. Die Vitae Offarum besch¨aftigen sich mit den sagenhaften Offa-K¨onigen, darunter Offa von Mercia, der M.s Kloster gegr¨undet haben soll. M. verfasste auch Viten der Erzbisch¨ofe Stephen Langton (nur fragmentarisch erhalten) und Edmund von Abingdon. Als volkssprachige Werke M.s sind nur mehrere Versviten nach lat. Vorlagen u¨ berliefert, so u¨ ber Alban von England, Eduard den Bekenner und Thomas Becket. Als Chronist profitierte M. von seinen Kontakten zu Politikern und hohen Klerikern, die ihn mit Dokumenten und Informationen versorgten: Richard von Cornwall, John Mansel, Johannes von Lexington, Hubert de Burgh, Alan de la Zouche sowie die Bisch¨ofe Robert Grosseteste und Peter des Roches. Entsprechend groß ist der Quellenwert von M.s Texten, die aber jenseits politi232

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Matth¨aus Parisiensis scher und kirchlicher Fakten auch f¨ur ihre kulturhistorischen Details und anschaulichen Illustrationen gesch¨atzt werden. Allerdings war der u. a. von Thomas Walsingham rezipierte M. kein neutraler Historiker, sondern stark von der Interessenperspektive seines Ordens bestimmt. Heute wird M. als ernstzunehmender Chronist gew¨urdigt, der nicht an Beda oder William von Malmesbury heranreicht, sich aber durch Gelehrtheit und fundierte Quellenarbeit eigene Verdienste erwarb. ¨ ¨ Uberlieferung: Zur umfangreichen Uberl. vgl. Vaughan 1954 und 1958 (s. Lit.) sowie die Ausgaben. Autographen existieren u. a. zur Chronica majora, dem Liber additamentorum, der Historia Anglorum und der Abbreviatio Chronicorum. Ausgaben: Lives of Edward the Confessor. Hg. v. Henry Richards Luard. London 1858. Nachdr. Nendeln 1966. – Historia Anglorum. Hg. v. Frederic Madden. 3 Bde. London 1866–69. Nachdr. Nendeln 1970 und 1971. – Thomas de Walsingham: Chronica monasterii S. Albani. Hg. v. Henry Thomas Riley. 3 Bde. London 1867–69. – Chronica majora. Hg. v. Henry Richards Luard. 7 Bde. London 1872–83. Nachdr. Nendeln 1964. – Ex Mathei Parisiensis operibus. Hg. v. Felix Liebermann. In: MGH SS 28. Hannover 1888. Nachdr. Stuttgart 1975, S. 74–455 (Teildr.). – Flores Historiarum. Hg. v. Henry R. Luard. 3 Bde. London 1890. – La estoire de Seint Aedward le Rei. Hg. v. Kathryn Wallace. London 1983. ¨ Ubersetzungen: Grande Chronique. Hg. v. Alphonse Huillard-Br´eholles und Th´eodore de Luynes. 9 Bde. Paris 1840/41. – English History. Hg. v. John A. Giles. 3 Bde. London 1852–54. – Ausz¨uge aus der gr¨oßeren Chronik des Matth¨aus von Paris. Hg. v. Georg Grandauer und Wilhelm Wattenbach. Leipzig 1896. 21941. – Chronicles of Matthew Paris. Monastic Life in the Thirteenth Century. Hg. v. Richard Vaughan. Gloucester 1984. – The Illustrated Chronicles of Matthew Paris. Observations of Thirteenth-Century Life. Hg. v. R. Vaughan. Stroud 1993. – The Life of St. Edmund. Hg. v. Clifford H. Lawrence. Phoenix Mill u. a. 1996. Nachdr. London 1999. – La grande chronique d’Angleterre. Hg. v. Nathalie Desgrugillers. 13 Bde. Clermont-Ferrand 2003–07. – The History of Saint Edward the King. Hg. v. Jocelyn Wogan-Browne/Thelma S. Fenster. Tempe 2008. – The Life of Saint Alban. Hg. v. J. Wogan-Browne und T. S. Fenster. Tempe 2010. 233

1. H¨alfte 13. Jh. Literatur: De Boor/Newald 4/2 (1973) S. 199. – Tusculum–Lex. 31982, S. 507. – PeterJohannes Schuler, BBKL 5 (1993) Sp. 999 f. – Karl Schnith, LexMA 6 (1993) Sp. 399. – K. Schnith, LThK3 6 (1997) Sp. 1485. – Marie-Luise Ehrenschwendtner, RGG4 5 (2002) Sp. 916. – Vivian H. Galbraith: Roger Wendover and Matthew P. Glasgow 1944. – Christopher R. Cheney: The ‹Paper Constitution› Conserved by Matthew P. In: The English Historical Review 65 (1950) S. 213–221. – R. Vaughan: The Relationship and Chronology of the Historical MSS. of Matthew P. Cambridge 1954. – Ders.: Matthew P. Cambridge 1958. – Albert B. Friedman: Medieval Popular Satire in Matthew P. In: Modern Language Notes 74 (1959) S. 673–678. – K. Schnith: England in einer sich wandelnden Welt (1189–1259). Stud. zu Roger Wendover und Matth¨aus P. Stuttgart 1974. – Williell Thomson: The Image of the Mendicants in the Chronicles of Matthew P. In: Archivum Franciscanum Historicum 70 (1977) S. 3–34. – Hans-Eberhard Hilpert: Kaiser- und Papstbriefe in den ‹Chronica majora› des Matthaeus P. Stuttgart 1981. – Ders.: Zu den Prophetien im Geschichtswerk des Matthaeus P. In: DA 41 (1985) S. 175–191. – Cynthia Hahn: Proper Behavior for Knights and Kings. The Hagiography of Matthew P., Monk of St. Albans. In: The Haskins Society Journal 2 (1990) S. 237–248. – Daniel Williams: Matthew P. and the ThirteenthCentury Prospect of Asia. In: England in the Thirteenth Century. Proceedings of the 1989 Harlaxton Symposium. Hg. v. William M. Ormrod. Stamford 1991, S. 51–67. – Brian J. Levy: Autoportrait d’artiste, figure de po`ete. Le cas de Matˆ thieu P. In: Figures de l’´ecrivain au Moyen Age. Actes du Colloque du Centre d’´etudes m´edi´evales de l’Universit´e de Picardie, Amiens, 18–20 mars 1988 (GAG 510). Hg. v. Danielle Buschinger. G¨oppingen 1991, S. 193–206. – Helen J. Nicholson: Steamy Syrian Scandals. Matthew P. on the Templars and Hospitallers. In: Medieval History 2 (1992) H. 2, S. 68–85. – Evelyn Edson: Matthew P.’ ‹Other› Map of Palestine. In: The Map Collector 66 (1994) S. 18–22. – Rebecca Reader: Sweet Charity and Sour Grapes. The Historical Imagination of Matthew P. In: Medieval History 4 (1994) S. 102–118. – Dies.: Matthew P. and AngloSaxon England. A Thirteenth-Century Vision of the Distant Past. Diss. Durham 1995. – Andrew D. Todd: A Study of Matthew P.’s Lives of the 234

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1. H¨alfte 13. Jh. Two Offas. Diss. Cambridge 1995. – R. Reader: Matthew P. and the Norman Conquest. In: The Cloister and the World. FS Barbara Harvey. Hg. v. John Blair und Brian J. Golding. Oxford 1996, S. 118–147. – Victoria B. Jordan: The Multiple Narratives of Matthew P.’ ‹Estoire de seint Aedward le rei›. Cambridge University Library MS Ee.iii.59. In: Parergon NS 13 (1996) H. 2, S. 77–92. – Sophia Menache: Matthew P.’s Attitudes toward AngloJewry. In: Journal of Medieval History 23 (1997) S. 139–162. – Fran¸coise Laurent: ‹A ma matere pas n’apent de vus dire ...› La Estoire de Seint Aedward le rei de Matthieu P. ou la ‹conjointure› de deux e´ critures. In: Revue des Sciences Humaines 251 (1998) S. 125–153. – Daniel Connolly: Imagined Pilgrimage in the Itinerary Maps of Matthew P. In: The Art Bulletin 81 (1999) H. 4, S. 598–622. – Sarah L. Hamilton: Tales of Wonder in the ‹Chronica Maiora› of Matthew P. In: Reading Medieval Studies 26 (2000) S. 113–140. – Michael Gaudio: Matthew P. and the Cartography of the Margins. In: Gesta 39 (2000) S. 50–57. – Bj¨orn Weiler: Matthew P., Richard of Cornwall’s Candidacy for the German Throne and the Sicilian Business. In: Journal of Medieval History 26 (2000) S. 71–94. – Andrew Jotischky: Penace and Reconciliation in the Crusader States. Matthew P., Jacques de Vitry and the Eastern Christians. In: Retribution and Reconciliation. Papers Read at the 2002 Summer Meeting and the 2003 Winter Meeting of the Ecclesiastical History Society. Hg. v. Kate M. Cooper und Jeremy Gregory. Woodbridge u. a. 2004, S. 74–83. – C. Hahn: The Limits of Text and Image? Matthew P.’ Final Project, the ‹Vitae duorum Offarum›, as a Historical Romance. In: Excavating the Medieval Image. Manuscripts, Artists, Audiences. FS Sandra Hindman. Hg. v. David S. Areford und Nina Rowe. Aldershot u. a. 2004, S. 37–58. – Brenda Bolton: Pastor Bonus. Matthew P.’s Life of Stephen Langton, Archbishop of Canterbury (1207–28). In: Nederlands archief voor kerkgeschiedenis 84 (2004) S. 57–70. – Katharine Breen: Returning Home from Jerusalem: Matthew P.’s First Map of Britain in Its Manuscript Context. In: Representations 89 (2005) S. 59–93. – Heather F. Blurton: From Chanson de Geste to Magna Carta. Genre and the Barons in Matthew P.’s Chronica majora. In: New Medieval Literatures 9 (2007) S. 117–138. – James M. Powell: Matthew P., the Lives of Muhammad, and the Dominicans. In: Ders.: The Crusades, the Kingdom of Sicily, and the Mediterra235

Narratio de primordiis Ordinis Theutonici nean 8. Aldershot u. a. 2007, S. 65–69. – B. Weiler: Stupor Mundi. M. P. und die zeitgen¨ossische Wahrnehmung Friedrichs II. in England. In: Herrschaftsr¨aume, Herrschaftspraxis und Kommunikation zur Zeit Kaiser Friedrichs II. Hg. v. Knut G¨orich u. a. M¨unchen 2008, S. 63–96. – Johannes Weiß: Ein dynastisch-territoriales Bild ihrer Zeit? Die Itinerar- und Pal¨astinakarten von M. Parisien¨ 116 (2008) S. 249–266. – B. Weiler: sis. In: MIOG Matthew P. on the Writing of History. In: Journal of Medieval History 35 (2009) S. 254–278. MM

Narratio de primordiis Ordinis Theutonici. – Lat. Ordenschronik. Die erst im 19. Jh. so betitelte N. entstand als lat. Prosachronik im 13. Jh. Heute wird meist eine Entstehung bald nach 1244 angenommen; allerdings ist auch die Zeit um 1204–11 in der Forschung diskutiert worden. Inhaltlich stellt das Werk die Entstehung und Fr¨uhzeit des Dt. Ordens dar. Es beginnt mit der Belagerung von Akkon (1190), beschreibt die Hospital-T¨atigkeiten der Ritter, die Annahme der Templer- und Johanniter-Regeln, die Erhebung zum Ritterorden (1198) und die Best¨atigung durch Papst Innozenz III. (1199). Die N. beruht wahrscheinlich auf m¨undlicher Ordens¨uberlieferung, benutzt aber auch schriftliche Quellen, darunter ein an den Papst gerichtetes Schreiben des Ordens von 1198 und eine Bulle von Papst Honorius III. aus dem Jahr 1216. ¨ Die Uberlieferung der N. erfolgte meist mit den Regeln und Statuten des Dt. Ordens oder mit der ¨ → Alteren Hochmeisterchronik. Zur lat. N. gesellten ¨ sich im 15. Jh. dt. Ubersetzungen, die in mehreren Handschriften erhalten sind. Als Vorlage diente die N. dem Prolog der Deutschordensregeln, ferner dem Ordenschronisten → Peter von Dusburg und dem L¨ubecker Historiker Hermann → Korner (Chronica novella, 1423). Heute wird die N. prim¨ar als historische Quelle zur Fr¨uhzeit des Dt. Ordens gesch¨atzt; eine literarische Wirkung u¨ bte sie nicht aus. ¨ Uberlieferung (dt.): Wien, Zentralarch. des Dt. Ordens, Hs. 787, 10v–13v (Pap., um 1420–30, Fragm.). – Ebd., Hs 427 b, S. 1–10 (zweite H¨alfte 15. Jh.). – Stuttgart, LB, cod. HB V 72, 2r–3v (nach 1493). – G¨ottingen, SUB, 2° Cod. Ms. histor. 88, 385r–385v (Pap., Anfang 16. Jh.). – Stuttgart LB, 236

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Heinrich von Lettland cod. HB V 73, 1r–3v (um 1590–95). – Zur lat. ¨ Uberl. vgl. Arnold 1987 (s. Lit.). Ausgaben (dt.): Des hohen Deutschen Ritterordens M¨unz-Sammlung in Wien, mit steter R¨ucksicht auf das Central-Archiv des hohen Ordens geschichtlich dargestellt und beschrieben. Hg. v. Beda Dud´ık. Wien 1858. Nachdr. Bonn 1966, S. 55–57. – Scriptores Rerum Prussicarum. Die Geschichtsquellen der preußischen Vorzeit 3. Hg. v. Max Toeppen. Leipzig 1866 (Nachdr. Frankfurt/M. 1965) S. 710–712. – Robert von Toll: Zur Chronologie der Gr¨undung des Ritterordens vom St. Marien-Hospitale des Hauses der Deutschen zu Jerusalem. In: Mitt. aus der livl¨andischen Gesch. 11 (1868) S. 103–130, hier S. 107–110. – Lat. Ausg. bei Arnold 1987 (s. Lit.), darunter: Dud´ık 1858 (s. o.) S. 38–40; Toll 1868 (s. o.) S. 104–107; Hubatsch ¨ 1954 (s. Ubers.). ¨ Ubersetzungen: Quellen zur Geschichte des Deutschen Ordens. Hg. v. Walther Hubatsch. G¨ottingen 1954, S. 26–31. – Marian Tumler: Der Deutsche Orden im Werden, Wachsen und Wirken bis 1400 mit einem Abriß der Geschichte des Ordens von 1400 bis zur neuesten Zeit. Wien 1955, S. 579–582. Literatur: Udo Arnold, VL2 6 (1987) ¨ Sp. 857–859. – Hans Grumblat: Uber einige Urkunden Friedrichs II. f¨ur den Dt. Orden. In: ¨ 29 (1908) S. 385–422. – Ders.: De p. o. MIOG T. Narratio. In: Preußenland 4 (1966) S. 17–32. – Ders.: Entstehung und Fr¨uhzeit des Dt. Ordens. Zur Gr¨undung und inneren Struktur des Dt. Hospitals v. Akkon und des Ritterordens in der ersten H¨alfte des 13. Jhs. In: Die geistlichen Ritterorden Europas. Hg. v. Josef Fleckenstein/Manfred Hellmann. Sigmaringen 1980, S. 81–107. – Gerard Labuda: Zu den Quellen der ‹Preußischen Chron.› Peters v. Dusburg. In: Der Deutschordensstaat Preußen in der polnischen Geschichtsschreibung der Gegenwart. Hg. v. U. Arnold/Marian Biskup. Marburg 1982, S. 133–164. – Repertorium fontium historiae medii aevi 8. Hg. Istituto Storico Italiano per il Medio Evo. Rom 2001, S. 122. MM

Heinrich von Hohenlohe, † 1249 oder 1250. H. ist bereits 1218 als W¨urzburger Domherr nachgewiesen. 1219/20 trat mit seinen Br¨udern Andreas und Friedrich in den Dt. Orden ein. H. 237

1. H¨alfte 13. Jh. wurde erster Komtur am sp¨ateren Hochmeistersitz Mergentheim, 1232 Deutschmeister und 1244 Hochmeister. H. gilt seit einiger Zeit als Verfasser des fru¨ her mit dem Namen Hermanns von Salza verbundenen Berichts u¨ ber die Eroberung Preußens. Der um 1247 entstandene Bericht umfasst die Jahre 1220–46 und steht u¨ berlieferungsgeschichtlich in Parallele zu demjenigen → Hartmanns von Heldrungen. Der u¨ berlieferte Text von 1514 geht wahrscheinlich auf eine dt. Fassung des 15. Jh. zuru¨ ck, die auch der → J¨ungeren Hochmeisterchronik als Vorlage diente. ¨ Uberlieferung: Wien, Zentralarch. des Dt. Ordens, Hs. 205, 108r–118v (Pap., 1514). – Berlin, SBB, Mgf 750, Bl. 12 (Perg., erste H¨alfte 14. Jh., mitteldt.; Fragm.). Ausgabe: Theodor Hirsch, in: Scriptores rerum Prussicarum. Die Geschichtsquellen der preußischen Vorzeit bis zum Untergange der Ordensherrschaft. Bd. 5. Leipzig 1874 (Nachdr. Frankfurt/M. 1965) S. 153–168. Literatur: Kurt Forstreuter, NDB 8 (1969) S. 378. – Udo Arnold, VL2 3 (1981) Sp. 757 f. – Karl Weller: Gesch. des Hauses Hohenlohe. Bd. 1. Stuttgart 1903, S. 110–149. – Max Perlbach: Preußisch-polnische Stud. zur Gesch. des MA. Bd. 2. Halle/Saale 1886, S. 95–119. – Karl Helm/ Walther Ziesemer: Die Lit. des Dt. Ritterordens (Gießener Beitr. zur dt. Philologie 94). Gießen 1951, S. 145 f. – U. Arnold (Hg.): Die Hochmeister des Dt. Ordens (Quellen und Stud. zur Gesch. des Dt. Ordens 6). Marburg 1998, S. 24–26. BJ Heinrich von Lettland (Henricus de Lettis), * um 1187/88, † nach 1259. – Chronist. Der Sohn eines Niederadligen wurde gemeinsam mit einem livl¨andischen Geiselknaben im holsteinischen Chorherrenstift Segeberg erzogen. Im Sommer 1205 ging er als Scholar des Bischofs Albert nach Riga, empfing 1208 die Priesterweihe und war bis 1259 Pfarrer in Papendorf bei Wenden im lettischen Grenzgebiet zu den Esten. H. war als Missionar t¨atig und nahm an mehr als 30 Heerfahrten gegen Liven und Esten teil. 1215 besuchte er das IV. Lateranum und war 1225/26 Dolmetscher des p¨apstlichen Legaten Wilhelm von Modena auf dessen Visitationsreise in Livland. Auf der Grundlage eigenen Erlebens, von Mitteilungen befreundeter Beteiligter und einigen di238

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Mitte 13. Jh. plomatischen Quellen verfasste H. zwischen 1225 und 1227 sein Chronicon Livoniae, das die Christianisierung der Letten, Liven und Esten von 1180 bis 1227 schildert. Es gilt als a¨ ltestes und wichtigstes Zeugnis zur fr¨uhen Geschichte der baltischen L¨ander. ¨ Uberlieferung: Zu den 16 Hss. (14.–18. Jh.) des Chronicon vgl. Arbusow (s. Lit.); Arbusow/Bauer (s. Ausg.) S. XLIII–XLVIII. Ausgaben: Heinrici Chronicon Lyvoniae. Hg. v. Wilhelmus Arndt. Hannover 1874 (MGH SS 23, S. 231–322). – H.s Livl¨andische Chron. 2. Aufl., bearb. v. Leonid Arbusow und Albert Bauer. Hannover 1955 (MGH SS rer. Germ. 31). – The Chronicle of Henry of Livonia. Henricus Lettus, translated and with a new introduction and notes by James A. Brundage. New York 2003 (¨uberarb. Fassung v. 1961). Literatur: Hermann Hildebrand, ADB 11 (1880) S. 637–639. – Paul Johansen, NDB 8 (1969) S. 413. – Dieter Berg, VL2 3 (1981) Sp. 776–778. – Manfred Hellmann, LexMA 4 (1989) Sp. 2096 f. – Friedrich Wilhelm Bautz, BBKL 2 (1990) Sp. 682f. – Karsten Br¨uggemann, LThK3 4 (1995) Sp. 1392. – Peter Hauptmann, RGG4 3 (2000) Sp. 1601. – Norbert H. Ott/Gudrun Gleba, Killy2 5 (2009) S. 192 f. – H. Hildebrand: Die Chron. H.s v. L. Ein Beitr. zu Livlands Historiographie und Gesch. Berlin 1865. – Robert Holtzmann: Stud. zu H. v. L. In: Neues Arch. der Ges. f¨ur a¨ ltere dt. Geschichtskunde 43 (1922) S. 159–212. – Leonid Arbusow: Die hsl. ¨ Uberl. der ‹Chronicon Livoniae› H.s v. L. In: Latvijas Universitates Raksti 15 (1926) S. 189–341; 16 (1927) S. 125–198. – Ders.: Das entlehnte Sprachgut in H.s ‹Chronicon Livoniae›. In: DA 8 (1951) S. 100–153. – Vilis Bilkins: Die Spuren v. Vulgata, Brevier und Missale in der Sprache v. H.s Chronicon Livoniae. Riga 1928. – Heinrich Laakmann: Zur Gesch. H.s v. L. und seiner Zeit. In: Beitr. zur Kunde Estlands 18 (1933) S. 57–102. – Paul Johansen: Die Chron. als Biogr. H.s v. L. Lebensgang und Weltanschauung. In: Jbb. f¨ur Gesch. Osteuropas NF 1 (1953) S. 1–24. – A. Bauer: Einl. In: Arbusow/Bauer (s. Ausg.) S. V–LIV (Lit.). – V. Bilkins: Problemet om H. de L. nationalitet. In: Historisk tidskrift (Stockholm) 82 (1962) S. 35–48. – James A. Brundage: The thirteenth-century Livonian crusade. Henricus de Lettis und the first legatine mission of bishop William of Modena. In: Jbb. f¨ur Gesch. Osteuropas NF 20 (1972) S. 1 ff. – Reinhard 239

Arnold von Quedlinburg Schneider: Straßentheater im Missionseinsatz. Zu H.s v. L. Ber. u¨ ber ein großes Spiel in Riga 1205. In: Stud. u¨ ber die Anf¨ange der Mission in Livland. Hg. v. M. Hellmann (Vortr¨age und Forschungen. Sonderbd. 37). Sigmaringen 1989, S. 107–121. – Andres Kasekamp: Characteristics of Warfare in the Times of Henry of Livonia and Balthasar Russow. In: Lithuanus. Lithuanian Quarterly of Arts and Sciences 36/1 (1990) S. 1–8. – Christoph Schmidt: Das Bild der ‹Rutheni› bei H. v. L. In: Zs. f¨ur Ostforschung 44 (1995) S. 509–520. – Simon Gerber: H. v. L. – ein Theologie des Friedens: ‹Nichts Bessers weiß ich mir an Sonn- und Feiertagen, als ein Gespr¨ach von Krieg und Kriegsgeschrei›. In: Zs. f¨ur Kirchengesch. 115 (2004) S. 1–18. – Barbara Egli: Identit¨at und Alterit¨at im HochMA. Stud. zu Helmold v. Bosau, Saxo Grammaticus und H. v. L. In: Berner hist. Mitt. 25 (2008) S. 26 f. BJ Arnold von Quedlinburg OPraem. – Chronist, Mitte 13. Jh. ¨ A. war Kaplan der Abtissin Gertraud von Quedlinburg (Amtszeit 1232–1270). Unsicher ist, ob er Chorherr am Stift St. Wipert in Quedlinburg oder am vogtl¨andischen Kloster Mildenfurth war. Er verfasste eine Gr¨undungsgeschichte des Klosters Mildenfurth, die auch die Genealogie der Gr¨underfamilie, der V¨ogte von Weida, miteinschließt. Im tradierenden Textzeugen ist das Werk zweigeteilt: Qualiter fundatum sit monasterium in Mildenfurt / Hec sunt scripta domini Arnoldi. Die beiden Titel k¨onnten auf unterschiedliche Autoren schließen lassen, doch legen inhaltliche Ausrichtung und Sprachgebrauch einen gemeinsamen Autor A. f¨ur beide Teile nahe. Der Stil der Chronik ist n¨uchtern. Sie st¨utzt sich mit Sicherheit auf die Archivbest¨ande des Klosters, die gr¨oßtenteils verloren sind. Lediglich eine raumgreifende Traumerz¨ahlung um den Gr¨undungsmythos des Klosters im ersten Teil verl¨asst die sachliche Erz¨ahlebene. Wiedergegeben wird ein angeblicher Traum Vogt Heinrichs w¨ahrend eines Reichstages zu Magdeburg: Diesem erscheinen Maria und Norbert, die Stifter des Pr¨amonstratenserordens, und auferlegen ihm zur S¨uhne des von Heinrich unabsichtlich verschuldeten Todes des j¨ungeren Bruders die Klostergr¨undung. Die Stiftung von Mildenfurth erfolgte 1193. F¨ur die Genealogie des Hauses Weida ist A.s Chronik von besonderem 240

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Christherre-Chronik Wert, da sie Angaben zu den a¨ltesten Familienmitgliedern enth¨alt, die sich nirgend sonst finden. Im Jahr 1515 ubersetzte ¨ der Magister Alexius Kr¨oßner aus Kolditz die Klostergeschichte ins Deutsche. ¨ Uberlieferung: Amberg, Staatsarch., Kloster Waldsassen 349, 174v–178r (Perg., um 1300/20), Abschr. des Originals (?) in einem Waldsassener ¨ Kopialbuch. – Ubers. Kr¨oßners: Weimar, Hauptstaatsarch., Ernestinisches Gesamtarch. (13 Papierbll.). Ausgaben: Johann Joachim Mu¨ ller: Entdecktes Staatskabinett. 3. Er¨offnung. Jena 1715, S. 179–190 ¨ (Ubers.). – Heinrich v. Reuß-Ebersdorff, in: Lobensteiner Intelligenzbl. 1785, St¨uck 14–15, 18–19, 26–29; danach in Ausz¨ugen: Julius Alberti: Die a¨ltesten Herren von Weida. Gera 1880, S. 22 ¨ (Ubers.). – Berthold Schmidt: A. v. Q. und die a¨ltesten Nachr. zur Gesch. des Reußischen Hauses. In: Zs. des Ver. f¨ur Th¨uringische Gesch. und Alterthumskunde 11 (1883) S. 401–499, hier S. 468–497 ¨ (Paralleldruck der Waldsassener Hs. und der Ubers. nach dem Text des Lobensteiner Intelligenzbl.). Literatur: Norbert Backmund, VL2 1 (1978) Sp. 483. – Jan-Ulrich B¨uttner, Encyclopedia of the Medieval Chronicle 1 (2010) S. 111. – Schmidt (s. Ausg.) S. 401–467. – Karl Emmanuel Hermann M¨uller: Das Chronicon Citizense des Benediktinerm¨onches Paul Lang im Kloster Bosau und die in demselben enthaltenen Quellen. Ein Beitr. zur Historiographie des 16. Jh. In: Neues Arch. f¨ur s¨achsische Gesch. 13 (1892) S. 279–314. – Ders.: Das Onomasticum mundi generale des Dominikanerm¨onches Johannes Lindner zu Pirna und seine Quellen. Ein Beitr. zur Historiographie des Reformzeitalters. In: ebd. 24 (1903) S. 217–247. – B. Schmidt: Nochmals A. v. Q. und die a¨ ltesten Nachr. des Reußischen Hauses. In: Vogtl¨andische Forschungen. Hg. vom S¨achsischen Altertumsver. Dresden 1904, S. 1–40. – Rudolf Diezel: Das Pr¨amonstratenserkloster Mildenfurt bei Weida (Beitr. zur Th¨uringischen Kirchengesch. 5). Jena 1937, S. 26–37, 47–52. – Repertorium Fontium Historiae Medii Aevi Bd. 2 (1967) S. 401 f. – N. Backmund: Die ma. Geschichtsschreiber des Pr¨amonstratenserordens (Bibliotheca Analecta Praemonstratensia 10). Averbode 1972, S. 136–142. – Peter Neumeister: Be¨ obachtungen und Uberlegungen zur Herkunft der V¨ogte v. Plauen, Weida und Gera. In: Neues Arch. f¨ur s¨achsische Gesch. 68 (1997) S. 1–45. VZ 241

Mitte 13. Jh. Christherre-Chronik. – Biblische Geschichtsdichtung, Mitte 13. Jh. Die C. ist nach ihrem Eingangsvers («Christ herre keiser u¨ ber alle kraft») benannt. Die Reimbibel d¨urfte zur Mitte des 13. Jh. von einem Kleriker in Th¨uringen verfasst worden sein und ist einem Landgrafen Heinrich von Th¨uringen (Heinrich Raspe IV. oder Heinrich III. dem Erlauchten) gewidmet. Mitunter wurde sie auch als Th¨uringische Weltchronik bezeichnet. Das breit u¨ berlieferte Werk ist – wie die Weltchronik des → Rudolf von Ems – unvollendet und bricht nach 24.330 Reimpaarversen im «Buch der Richter» ab, wobei ¨ sie in der Uberlieferung in der Regel fortgesetzt wird (zumeist mit Material aus andern Chroniken ¨ [s. Uberl.]; vgl. auch → Leipziger Fortsetzung der Christherre-Chronik). Der Verfasser scheint Rudolfs Werk, gekannt zu haben ohne, dass er sich explizit darauf bez¨oge. Neben dem AT hat die C. die gleichen Quellen wie die Chronik Rudolfs, wobei die C. ihren Vorlagen viel enger folgt: das Pantheon → Gottfrieds von Viterbo (Einleitung und Sch¨opfungsgeschichte) und die Historia Scholastica des → Petrus Comestor (Hauptteil). Diese Vorlagentreue bedingt auch, dass die C. die heidnische Geschichte a¨hnlich der Historia kaum integriert und in Form von knappen «incidentia» u¨ ber den Text vestreut, w¨ahrend Rudolf dem augustinischen Modell folgt und sie der biblischen Geschichte als synchronen Exkurs beistellt. Auch ordnet Rudolf seine Chronik nach den «aetates mundi» in sechs Weltzeitalter, w¨ahrend der Ank¨undigung einer solchen Gliederung des C.Dichters keine erkennbare strukturelle Umsetzung im Text folgt und weltchronikalische Ans¨atze im Verlauf der prim¨aren biblischen Nacherz¨ahlung etwas in den Hintergrund gelangen. Die kunstlose Sprache und die Simplizit¨at des Versbaus, bei dem selten eine syntaktische Einheit u¨ ber die Versgrenzen hinausgeht, d¨urften vom Autor (hier Rudolf vergleichbar) als Ausdruck der Bescheidenheit und Angemessenheit gegen¨uber der Wahrheit der Geschichte bewusst gew¨ahlt worden sein. Gegen¨uber Rudolf stellt die C. einen konservativeren historiographischen Entwurf dar, da sie in der Regel Bildung auf den geistlichen Bereich beschr¨ankt, w¨ahrend Rudolf auch auf weltliche Gelehrsamkeit abzielt. Beide Chroniken zusammen bilden die Grundlage aller sp¨ateren Weltchroniken (vgl. auch → Erweiterte Christherre-Chronik). In 242

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Mitte 13. Jh. Prosa aufgel¨ost geht die C. in die → Historienbibeln des MA ein. ¨ Uberlieferung: Die C. ist nur selten in reiner Textgestalt u¨ berliefert, sondern erscheint meist in Kompilation mit anderen Weltchroniken. Die¨ ser Uberlieferungsbefund mit vielf¨altig variierenden Mischredaktionen und Kompilationen ist exemplarisch f¨ur den Gattungstyp «Chronik». Vermutlich noch im 13. Jh. wurde die C. in zwei unterschiedlichen Redaktionen mit Rudolfs Weltchronik verbunden (entweder mit Rudolfs Schluss bis zum Buch der K¨onige als Fortsetzung der C. oder als Einleitung f¨ur die Rudolf-Chronik). Ferner wird die C. im Verbund mit der Weltchronik des → Jan(s) von Wien (Jans Enikel) u¨ berliefert (Enikel-Christherre-Mischtext, Hauptquelle der Erweiterten C.), auch eine Kompilation von Rudolf, Jan(s) von Wien und C.-Exzerpten kommt vor. F¨ur die Weltchronik des → Heinrich von M¨unchen stellt diese Dreier-Kompilation den chronikalischen Basistext dar. Neben diesen Kompilationshaupttypen lassen sich zahlreiche andere Formen und Texte nachweisen (so auch eine Kompilationen mit Rudolfs Baarlam). Die Grade der Textzusammenf¨ugung variieren dabei bei allen Kompilationstypen stark: von bloßer Aneinanderreihung bis zu einem sehr homogenen Text, erzielt durch weitreichende Modifikationen aller Bestandteile. Das Originalkonzept der C. d¨urfte keine Illustrationen vorgesehen haben, doch ab der Mitte des 13. Jh. treten reichhaltig illustrierte Hss. auf, zum Teil dreispaltig angelegt. Der Ausstattungsanspruch ist oft hoch und betrifft alle Redaktionen und Kompilationen. Offensichtlich waren die Weltchroniken pr¨adestinierte Repr¨asentationsobjekte. Fu¨ r die Gesamt¨uberlieferung in all ihren Formen ist von u¨ ber 100 Textzeugen auszugehen. – Hss. mit einem Text, welcher der «reinen Gestalt» der C. am n¨achsten kommt sind: G¨ottingen, SUB, 2° Cod. Ms. philol. 188/10 (vormals Gotha, Forschungsbibl., Cod. Memb. I 88), 1ra–191ra (Perg., zweites Viertel 14. Jh., ostmitteldt.). – M¨unchen, BSB, Cgm 4, (noch) 40 Bll. (Perg., um 1370/80, bair.o¨ sterr.; unvollst.). – Paris, Bibl. Nationale, Ms. allem. 114, 154 Bll. (Perg., erstes Viertel 14. Jh., bair. nach mitteldt. Vorlage). – Thorn, UB, Rps 144/IV (vormals K¨onigsberg, SUB, Hs. 888b), 249 Bll. (Perg., Ende 14. Jh., ostmitteldt., mit RudolfFortsetzung) – Zur Gesamt¨uberl. vgl. VL2 1 (1978) Sp. 1213 f.; 11 (2004) 317 und vor allem Plate 2005 (s. Lit.). 243

Christherre-Chronik Ausgaben: Eine krit. Edition (DTM) nach dem G¨ottinger Cod. Ms. philol. 188/10 ist angek¨undigt v. Kurt G¨artner/Ralf Plate. – Teilausg.: Gottfried Sch¨utze: Die Hist. B¨ucher des AT. 2 Thle. Hamburg 1779–81 (Abdr. Hamburg, SUB, Cod. 40b in scrin.). – Hans Ferdinand Maaßmann: Der keiser und der kunige buoch oder die sog. Kaiserchron. Gedicht des zw¨olften Jh. Bd. 3 (Bibl. der ges. dt. National-Lit. 4,3). Quedlinburg 1854, S. 118–150 (2200 Anfangsverse). – Kurt G¨artner unter Mitwirkung v. R. Plate/Monika Schwabbauer: Joseph und seine Br¨uder in der C. Probetext der in den DTM erscheinenden Ausg. nach der G¨ottinger Hs. Cod. 2° Philol. 188/10 (olim Gotha, Membr. I 88). Trier 1994. – Edition der Sch¨opfungsgesch. in G¨artner 1996 (s. Lit.). ¨ Ubersetzung: History as Literature. German World Chronicles of the Thirteenth Century in Verse. Excerpts from: Rudolf v. Ems, Weltchron. The C. Introduction, Translation, and Notes by R. Graeme Dunphy (Medieval German texts in bilingual editions 3). Kalamazoo 2003. Literatur: Norbert H. Ott, VL2 1 (1978) Sp. 1213–1217. – De Boor/Newald 3/1 (51997) S. 166, 420. – N. H. Ott/Red., Killy2 2 (2008) S. 423 f. – R. Plate, Encyclopedia of the Medieval Chronicle 1 (2010) S. 270–272. – August Friedrich Christian Vilmar: Die zwei Rezensionen und die Handschriftenfamilien der ‹Weltchron.› Rudolfs v. Ems. Mit Ausz¨ugen aus den noch ungedr. Theilen beider Bearbeitungen. Marburg 1839. – Karl Schr¨oder: Zur Christherre-Weltchron. In: Germanistische Stud. 2 (1875) S. 159–197. – Julius Zacher: Bruchst¨ucke aus der Slg. des Freiherrn v. Hardenberg 1. In: ZfdPh 9 (1878) S. 395–443, hier S. 422–441. – Karl Regel: Verh¨altnis der v. Hardenbergschen Bruchst¨ucke zu den Gothaer Reimbibelhss. In: ebd., S. 444–460. – Otto Dobereck: Die Erd- und V¨olkerkunde in der Weltchron. des Rudolf v. Hohen-Ems. In: ebd. 12 (1881) S. 257–301, hier S. 263–265. – Ewald Gleisberg: Die Historienbibel (Merzdorfs I.) und ihr Verh¨altnis zur Rudolfinischen und Th¨uringischen Weltchron. (Diss. Leipzig). Gera 1885. – Philipp Strauch (Hg.): Jansen Enikels Werke (MGH Dt. Chron. 3). Hannover/Leipzig 1900 (Nachdr. Stuttgart 2001) S. XXII–XL. – Edward Schr¨oder: Aus einer unbekannten Reimbibel. In: ZfdA 39 (1895) S. 251–256. – Gustav Roethe: Bruchst¨ucke altdt. Dichtungen aus Marburg und G¨ottingen. 244

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Christherre-Chronik In: ZfdA 41 (1897) S. 243–260. – August Wundrack: Posener Bruchst¨ucke der C. In: ZfdA 49 (1908) S. 381–384. – Gustav Ehrismann: Rudolf v. Ems Weltchron. Aus der Wernigeroder Hss. (DTM 20). Berlin 1915 (Nachdr. Dublin/Zu¨ rich 1967) S. V–XXXVII. – Heinrich Jerchel: Die Bilder der s¨udwestdt. Weltchron. des 14. Jh. In: Zs. f¨ur Kunstgesch. NF 2 (1933) S. 381–398. – Ders.: Die bayer. Buchmalerei des 14. Jh. In: Mu¨ nchner Jb. der bildenden Kunst NF 10 (1933) S. 70–109. – Hermann Menhardt: Zur Weltchron.-Lit. In: PBB 61 (1937) S. 402–462. – Paul Gichtel: Die Weltchron. Heinrichs v. Mu¨ nchen in der Runkelsteiner Hs. des Heinz Sentlinger (Schriftenreihe zur bayer. Landesgesch. 28). Mu¨ nchen 1937, S. 59–83. – Karlheinz Blaschke: G¨orlitzer Bruchst¨ucke zu Rudolf v. Ems und C. In: PBB (Halle) 77 (1955) S. 380–401. – Arno Borst: Der Turmbau v. Babel. Gesch. der Meinungen u¨ ber Ursprung und Vielfalt der Sprachen und V¨olker. Bd. 2,2. Stuttgart 1959 (Nachdr. M¨unchen 1995) S. 835 f. – Wolfgang Stammler: Epenillustration. In: RDK 5 (1967) Sp. 810–857, hier Sp. 831–836. – Hella Fr¨uhmorgen-Voss: Mhd. weltliche Lit. und ihre Illustration. Ein Beitr. zur ¨ Uberlieferungsgesch. In: DVjs 43 (1969) S. 23–75, hier S. 51–55 (wieder in: Dies.: Text und Illustration im MA. Aufs¨atze zu den Wechselbeziehungen zwischen Lit. und bildender Kunst. Hg. v. N. H. Ott [MTU 50]. Mu¨ nchen 1975, S. 1–56, hier S. 30–35). – Repertorium fontium historiae medii aevi. Bd. 3 (1970) S. 310. – Christine Kratzert: Die illustrierten Hss. der Weltchron. des Rudolf v. Ems. Diss. Berlin 1974. – Peter Ochsenbein: Zwei kleine Beitr. zur ‹Weltchron› des Rudolf v. Ems und zur ‹C.›. In: Neophilologus 62 ¨ (1978) S. 411–415. – K. G¨artner: Uberlieferungstypen ma. Weltchron. In: Geschichtsbewußtsein in der dt. Lit. des MA (Publ. of the Institute of Germanic Studies 34). Hg. v. Christoph Gerhardt u. a. T¨ubingen 1985, S. 110–118. – Ders: Zu einer Ausg. der C. In: Textkonstitution bei m¨und¨ licher und schriftlicher Uberl. (Beih. zu editio 1). Hg. v. Martin Stern T¨ubingen 1991, S. 7–14. – Ders.: Der Landgraf Heinrich v. Th¨uringen in den G¨onnerzeugnissen der C. In: Von Wyßheit w¨urt der Mensch geert ... FS Manfred Lemmer. Hg. v. Ingrid K¨uhn/Gotthard Lerchner. Frankfurt/M. 1993, S. 65–86. – J¨orn Uwe G¨unther: Die illustrierten mhd. Weltchronikhss. in Versen. Kat. der Hss. und Einordnung der Illustrationen in die Bild¨uberl. (tuduv-Stud., Reihe Kunstgesch. 48). 245

Mitte 13. Jh. Mu¨ nchen 1993, Reg. – K. G¨artner/R. Plate/M. Schwabbauer: Zur Ausg. der C. nach der G¨ottinger Hs. SUB, Cod. 2° Philol. 188/10 (olim Gotha, Membr. I 88). In: Editionsber. zur ma. dt. Lit. (Litterae 117). Hg. v. Anton Schwob. G¨oppingen 1994, S. 43–56. – Danielle Jaurant: Rudolfs ¨ ‹Weltchron.› als offene Form. Uberlieferungsstruktur und Wirkungsgesch. (Bibliotheca Germanica 34). T¨ubingen u. a. 1995, S. 5–25, 303–328. – K. G¨artner: Die Auslegung der Sch¨opfungsgesch. in der C. In: Die Vermittlung geistlicher Inhalte im dt. MA. Hg. v. Timothy R. Jackson u. a. T¨ubingen 1996, S. 119–151. – Elisabeth Klemm: ‹C.›. In: Dt. Weltchron. des MA. Hss. aus den Best¨anden der BSB Mu¨ nchen und die S¨achsische Weltchron. der Forschungs- und LB Gotha. Ausstellungskat. Mu¨ nchen 1996, S. 26 f. – M. Schwabbauer: Profangesch. in der Heilsgesch. Quellenunters. zu den Incidentien der ‹C.› (Vestigia Bibliae 15/16). Bern u. a. 1997. – Dorothea Klein: Heinrich v. M¨unchen und die Tradition der gereimten dt. Weltchronistik. In: Stud. zur ‹Weltchron.› Heinrichs v. M¨unchen. ¨ Bd. 1: Uberl., Forschungsber., Unters., Texte (Wissenslit. im MA 29). Hg. v. Horst Brunner. Wiesbaden 1998, S. 1–112. – Bernd Michael: C., vermischt und fortgesetzt mit Hans Enikel, Weltchron. In: ¨ Aderlaß und Seelentrost. Die Uberl. dt. Texte im Spiegel Berliner Hss. und Inkunabeln (SB zu Berlin – PK. Ausstellungskat. NF 48). Hg. v. Peter Jo¨ rg Becker/Eef Overgaauw. Mainz 2003, S. 413–415. – Ders.: Rudolf v. Ems: Weltchron., mit Ausz¨ugen aus C., Adam und Eva sowie Jans Enikel, Weltchron. (Fragm.). In: ebd., S. 415–417. – Ders.: Jans Enikel, Weltchron., vermischt und fortgesetzt mit der C. In: ebd., S. 426 f. – R. Plate: Wie f¨angt die Bibel an? Zu den Vorstufen der ‹Weltchron.› Heinrichs v. M¨unchen am Beispiel der Sch¨opfungsgesch. In: Metamorphosen der Bibel. Beitr. zur Tagung ‹Wirkungsgesch. der Bibel im deutschsprachigen MA› (Vestigia Bibliae 24/25). Hg. v. dems. Bern u. a. 2004, S. 229–246. – Ders.: Die ¨ Uberl. der C. (Wissenslit. im MA 28). Wiesbaden 2005. – Ders.: ‹C.›. In: ‹bescheidenheit›. Dt. Lit. des MA in Eisenach und Erfurt (Kat. zur Ausstellung der Univ.- und Forschungsbibl. Erfurt/Gotha in der UB Erfurt vom 22. August bis 13. Oktober 2006). Hg. v. Christoph Fasbender. Gotha 2006, S. 32 f. – Christine Glassner: Zwischen C. und ‹Iwein›. Aus zwei Jh. germanistischer Fragmentenforschung. In: Fragm. Der Umgang mit 246

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2. H¨alfte 13. Jh. l¨uckenhafter Quellen¨uberl. in der Mittelalterfor¨ schung (Denkschr. Osterr. Akad. der Wiss., Phil.Hist. Kl. 415). Hg. v. Christian Gastgeber. Wien 2010, S. 109–120. VZ S¨achsische Weltchronik. – Mnd. Prosachronik, 1260/1275. Die SW weist mit derzeit 58 Textzeugen eine ¨ umfassende Uberlieferung auf (Wolf 1997) und liegt in drei Rezensionen (A, B, C) vor, wobei Priorit¨at der Langfassung C gegen die k¨urzeren A, B besteht (Herkommer 1998). Die SW wurde lange Zeit → Eike von Repgow zugesprochen, da er im Prolog als Gew¨ahrsmann (v. 88 f.) explizit erw¨ahnt wird und die enge, wenn auch nicht unumstrittene, Verbindung von Recht und Geschichte dies zus¨atz¨ lich nahe legte. Insbesondere die Uberlieferungssituation aber auch Einsprengsel geistlicher Texte (z. B. die Predigt in c. 1) lassen von einer Autorschaft Eikes von Repgow Abstand nehmen und legen einen geistlichen Verfasser nahe, der m¨oglicherweise aus franziskanischem Umkreis stammte (Herkommer 1998). Die Datierung des Textes l¨asst sich auf die Zeit zwischen 1260 als terminus post quem und 1275 eingrenzen. Bereits im Prolog werden topisch Interpretations- und Lekt¨urehinweise aufgerufen, die die Besch¨aftigung mit moralischen Exempla sowie das Lesen belehrender Texte empfehlen und an die christliche Imitatio erinnern. Daran schließt sich im Ganzen ein universalhistorischer Abriss von der Geschichte des Alten Testaments, Babylons, Persiens, Griechenlands und Roms bis in die Zeit Friedrichs II. und die Gegenwart des Chronisten. Aufbau, Anlage und Inhalt entsprechen der lat. Chronistiktradition, vor deren Hintergrund die SW als ‹volkssprachliche Variante› gelten k¨onnte (Wolf 1997). Dabei beginnt der Chronist mit dem ersten Sch¨opfungstag (hier 18. M¨arz) und der Erschaffung der zehn Engelch¨ore, bevor er in c. 2 z¨ugig auf die Kainstat u¨ berleitet. Der Brudermord taucht im Rahmen der Romgr¨undung und dem Tod Remus erneut auf. An den Niedergang des R¨omischen Reiches schließt sich mit der Geburt Christi die Translatio auf das christliche Imperium. Hier wird die wechelvolle Geschichte als Abfolge von f¨ur das Reich guten und schlechten Herrschern erz¨ahlt, die schließlich im Investiturstreit und der Auseinandersetzung zwischen Papsttum und Kaisertum und dem Tiefpunkt des Reiches, 247

S¨achsische Weltchronik aus dem erst Lothar von Supplinburg herausf¨uhren konnte, gipfelt. Der Autor der SW zitiert unterschiedliche Quellen, um seine Autorit¨aten anzugeben und den Wahrheitsgehalt der Chronik zu unterstreichen. Neben allgemeinen, teilweise unspezifischen, Quellenverweisen gelten die Chronica → Frutolfs von Michelsberg (in der Redaktion des → Ekkehart von Aura) und die Annales Palidenses als Hauptquellen. Daneben werden Benutzung oder Kenntnis der Weltchronik des Albert von Stade, der Magdeburger Annalen und der Imago mundi des → Honorius Augustodunensis vermutet. Anders als die Autoren der Reimchroniken legt der Verfasser der SW h¨ochsten Wert auf die Verb¨urgung der historischen Wahrhaftigkeit seiner Aussagen, was durch die prosaische Form zus¨atzlich unterstrichen wird. Dar¨uber hinaus ist der Text mit weiteren In¨ formationen, deren Vollst¨andigkeit in der Uberlie¨ ferung divergiert, wie dem Anhang Uber die Herkunft der Sachsen, dem Papstkatalog, dem Katalog der r¨omischen K¨onige und Kaiser, der Genealogie der Welfen, der Zeittafel des ersten Jahrhunderts nach Christi Geburt, der Genealogie der Grafen von Flandern, der Zeittafel bis zum Jahr 1229, die zus¨atzlich historische Faktizit¨at verb¨urgen, ausgestattet. Die SW hat national eine umfassende Verbreitung, verschiedene Fortsetzungen mit lokalgeschichttlichem Schwerpunkt (S¨achs. Forts.; Bair. Forts.; Th¨uring. Forts.; Burghauser Forts.) und Re¨ zeption bis in die Fr¨uhe Neuzeit erfahren (Ubersicht bei Herkommer 1992). ¨ Uberlieferung (Handschriftenlisten bei Wolf 1997): Redaktion A1: Wolfenb¨uttel, HAB, Cod. 23.8 Aug. 4°. – Mu¨ nchen, BSB, Cgm 55. – Basel, UB, Cod. E VI 26. – Alba Julia / Karlsburg, Bibl. B´atthy´aneum, Cod. R I 115 (Kat.-Nr. 115). – Augsburg, Stadtarch., Reichsstadt – Selekt Sch¨atze Nr. 121. – Ebd., Reichsstadt – Selekt Sch¨atze ¨ Nr. 19. – ONB, Cod. 2692. – Mu¨ nchen, BSB, Cgm 6243. – Burghausen, o. S. (verschollen; Lat. Abschrift Mu¨ nchen, BSB, Clm 1201). – Heidelberg, UB, Cpg 525. – Mu¨ nchen, BSB, Cgm 1136. – Graz, UB, Ms. 470. – Frankfurt/M., UB, Ms. germ. qu. 11. – Mu¨ nchen, BSB, Cgm 327. – N¨urnberg, Germ. Nationalmuseum, Hs. 2733. – Darmstadt, ULB, Hs. 3234 Nr. 6. – M¨unchen, BSB, Cgm 3959. – Ebd., Cgm 6240. – Hamburg, SUB, Cod. hist. 8. – Straßburg, NUB, ms. 2119 (fr¨uher L germ. 195.2°). – Wolfenb¨uttel, HAB, Cod. 83.12 248

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Jordan von Giano Aug. 2°. – Bremen, SUB, msb 0044–03. – Leipzig, UB, Ms. 1314 fol. 45a-b. – Leipzig, Ms. 1314. – Berlin, SB, Mgf 750. – K¨onigsberg, SUB, Hs. 1150 (verschollen). – Danzig / Gda´nsk, Bibl. der Poln. Akad. der Wiss. (BGPAN), Ms. Mar. F 305. – Rezension A2: Berlin, SBB, Mgq 284. – Zwickau, Ratsschulbibl., Ms. I, IV, 6. – Mu¨ nchen, BSB, Cgm 691. – Hamburg, Bibl. der Patriotischen Ges., o. S. – Hamburg, SUB, Cod. hist. 10b. – Wien, ¨ ONB, Cod. 2917. – Salzburg, Museum Carolino Augusteum, Hs. 2319. – Kremsm¨unster, Stiftsbibl., Cod. 294. – Rezension B: St. Petersburg, M. E. Saltykov-Shchedrin-SB, Nem.F. vIV 1. – Kopenhagen, Kgl. Bibl., GKS Cod. 1978,4°. – M¨unster, UB, Hs. 366 (fr¨uher Ms. 216). – Riga, Akademische Bibl. der Univ. Lettlands, Mscr. 397. – Rostock, UB, Ms. theol. 33. – Kopenhagen, Arnamagnæanske Institut, Cod. AM 372.2°. – Leipzig, UB, Ms. 1308. – Bremen, SUB, msa 0033. – Berlin, SBB, Mgf 1387. – L¨ubeck, StB, Ms. Lub. 2° 4. – Hamburg, Bibl. der Patriotischen Ges. (verbrannt). – Berlin, SBB, Mgf 129. – Rezension C: Dresden, LB, Mscr. J 54d. – Hannover, LB, Ms. XI 674. – Straßburg, StB, o. S. (7). – Pommersfelden, Gr¨afl. Sch¨onbornsche Schlossbibl., Cod. 107 (2723). – Kopenhagen, Kgl. Bibl., GKS Cod. 457,2°. – Ebd., GKS Cod. 457,2°, Vorsatzblatt. – Wolfenb¨uttel, HAB, Cod. 44.19 Aug. 2°. – Wittenberg, Schlossbibl., Nr. 16. – Gdan´ sk, PAN, Ms. 1614. – Gotha, Forschungsbibl., Cod. Memb. I 90. – Hannover, LB, Ms. XIII 778. – Weimar, Herzogin Anna Amalia Bibl., Cod. Fol. 75. – Hildesheim, Stadtarch., Best. 52 Nr. 507 (fr¨uher HA 283). Ausgaben: Ludwig Weiland: Dt. Chron. und andere Geschichtsb¨ucher des MA. S¨achsische Weltchron. Eberhards Reimchron. von Gandersheim. Braunschweigische Reimchron. Chron des Stiftes S. Simon und Judas zu Goslar. Holsteinische Reimchron. In: MGH Dt. Chron. Bd. 2. Hannover 1877 (Neudr. 1971) S. 1–384. – Hubert Herkommer: Das Buch der Welt [Faks. und Kommentarband]. Komm. und Edition zur SW. Ms. Memb. I 90 Forschungs- und LB Gotha. Luzern 2000. Literatur: Alexander v. Daniels (Hg.): Das S¨achsische Weichbildrecht. Bd. 1: Weltchron. und Weichbildrecht in 136 Artikeln mit der Glosse. Berlin 1858. – Hermann Ballschmiede: Die SW. Norden 1914. – Karl August Eckhardt: Die Entstehung des Sachsenspiegels und die s¨achs. Weltchron. In: Beitr. zur Verfassungsgesch. des 13. Jh. Berlin 249

2. H¨alfte 13. Jh. 1931. – Oskar Pausch: Eine s¨achsische Weltchron. in Kremsm¨unster. In: Cremifanum 777–1977. Hg. vom Ober¨osterr. Landesarch. und der Kulturabt. ¨ Landesregierung, Linz 1977, des Amtes der OO. S. 29–36. – Hubert Herkommer: Eike v. Repgows Sachsenspiegel und die SW. Prolegomena zur Bestimmung des S¨achsischen Weltchronisten. In: NdJb 100 (1977) S. 7–42. – Thomas L. Markey: Reconstitution of a lost original via earliest distribution: Die SW. In: Neophilologus 63 (1979) S. 551–573. – Michael Menzel: Die SW. Quellen und Stoffauswahl. Sigmaringen 1985. – Alain Kerdelhu´e: Brevitas et prolixitas dans Lohengrin et la SW. In: Chroniques nationales et chroniques universelles. Hg. v. Danielle Buschinger. G¨oppingen 1990, S. 97–110. – Dagmar Neuendorff: Vom erl¨osten Heidenk¨onig zum Christenverfolger. Zur Kaiserchron. und ihrer Integration in die SW. In: Dt. Lit. und Sprache von 1050–1200. FS Ursula Hennig. Hg. v. Annegret Fiebig/Hans-Jochen Schiewer. Berlin 1995, S. 181–198. – Elisabeth Klemm/Ulrich Montag (Bearb.): Dt. Weltchron. des MA. Hss. aus den Best¨anden der BSB M¨unchen und die SW der Forschungs- und LB Gotha. Hg. v. BSB M¨unchen. M¨unchen 1996. – Friedrich Scheele: Die SW. Zum Verh¨altnis von Text und Bild am Beispiel der Bestrafungsszenen der Bremer Hs. Ms. a.33. In: Alles was Recht war. FS Ruth Schmidt-Wiegand. Hg. v. Hans H¨ofinghoff. Essen 1996, S. 123–137. – J¨urgen Wolf: Die s¨achsi¨ sche Weltchron. im Spiegel ihrer Hss. Uberl., Textentwicklung, Rezeption. M¨unchen 1997. – Paolo Marelli: Sintassi e semantica dei casi nella SW. Pisa 2004. GM Jordan von Giano (Jordanus de G., J. de Jano, Giordano da Giano) OFM, * um 1195 Giano bei Spoleto, † nach 1262 begraben in Magdeburg. – Chronist. J. schloss sich um 1217/18 den Franziskanern an. 1221 entsandte ihn der Orden nach Deutschland, wohin J. mit → Caesarius von Speyer reiste. J. hielt sich u. a. in Augsburg, Salzburg, W¨urzburg und Worms auf. 1223 wurde er in Speyer zum Priester geweiht und zum Guardian des dortigen Konvents ernannt. Anschließend war er 1224 vor¨ubergehend Guardian in Mainz und 1224–39 Kustos f¨ur Th¨uringen. J. lebte w¨ahrend dieser Zeit in Erfurt und verantwortete die Gr¨undung neuer Konvente wie Gotha und Eisenach. Auch sind zwei ItalienReisen J.s nachgewiesen: 1230 zu dem mit ihm 250

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2. H¨alfte 13. Jh. befreundeten Thomas von Celano nach Assisi und 1238 zur Kurie in Rom, wo J. gegen den umstrittenen Ordensgeneral Elias von Cortona intervenierte. Seit 1239 war J. Provinzialvikar des Ordens f¨ur B¨ohmen und Polen, 1242/43 f¨ur Sachsen. Im Auftrag des Halberstadter Provinzialkapitels diktierte J. seit 1262 seinem Mitbruder Balduin von Brandenburg eine lat. Prosachronik des Ordens. Das Werk umspannt die Jahre von 1207 bis 1262. Die Chronik enth¨alt zun¨achst eine allgemeine Darstellung der Fr¨uhzeit des Ordens, behandelt dann dessen Entwicklung in Deutschland und schließlich in der s¨achsischen Ordensprovinz. In großer Genauigkeit ist der Zeitraum von 1219 bis 1239 erfasst, in dem sich u. a. die Kontroverse um Elias von Cortona abspielte. Die gegen Ende zunehmend annalistische Darstellungsweise der Chronik wird vor allem im erw¨ahnten Zeitraum durch anschaulische bis anekdotische Schilderungen aufgebrochen. Da J. die Fr¨uhzeit des Ordens selbst miterlebt hatte, benutzte er kaum schriftliche Quellen, kannte aber die Werke des Julian von Speyer und des Thomas von Celano. J.s Chronik stellt f¨ur die Beurteilung von Thomas’ Zuverl¨assigkeit als Chronist eine wichtige Referenz dar. F¨ur die FranziskanerChronistik besitzt J.s Werk die gleiche Bedeutung wie die Chronik des Thomas von Eccleston. Neben der Ordenschronik sind drei J. zugeschriebene Briefe u¨ ber die Angriffe der Goldenen Horde 1241 u¨ berliefert. ¨ ¨ Uberlieferung: Zur lat. Uberl. vgl. u. a. Voigt 1870 (s. Ausg.), Auweiler 1917 (s. Lit.), Esser 1977 (s. Lit.). Ausgaben: Die Denkw¨urdigkeiten des Minoriten J. v. G. Hg. v. Georg Voigt. In: Abh. der K¨oniglich-S¨achsischen Ges. der Wiss. 12,6. Leipzig 1870, S. 421–545. – Chronica fratris Iordani a Iano. Hg. v. Leonard Lemmens. In: Analecta Franciscana 1 (1885) S. 1–54. – Mattheus Parisiensis: Ex Cronicis Maioribus. Hg. v. Felix Liebermann. In: MGH SS 28. Hannover 1888 (Nachdr. Stuttgart 1975) S. 207–212. – Chronica fratris Jordani. Hg. v. Heinrich B¨ohmer. Paris 1908 (mit J.s Briefen). ¨ Ubersetzungen: Nach Deutschland und England. Die Chron. der Minderbr¨uder Jordan v. Giano und Thomas v. Eccleston. Hg. v. Lothar Hardick. Werl 1957. – Sur les routes d’Europe au XIII. si`ecle. Jourdain de Giano, Thomas d’Eccleston et Salimbene d’Adam. Hg. v. Marie Th´er`ese Laureilhe. Paris 1959. Literatur: L. Hardick, NDB 10 (1974) S. 596. – Dieter Berg, LexMA 5 (1991) Sp. 627 f. – Helmut 251

Martin von Troppau Feld, BBKL 3 (1992) Sp. 508–512. – Justin Lang, LThK3 5 (1996) Sp. 993. – Oktavian Schmucki, RGG4 4 (2001) Sp. 573. – Claude Schmitt: Jourdain de G. In: DHGE 28 (2003) Sp. 333. – Edwin J. Auweiler: The ‹Chronica Fratris Jordani a Giano›. Diss. Washington D. C. 1917. – Odulphus van der Vat: Das chronologische R¨atsel in der Chron. J.s v. G. In: Archivum Franciscanum Historicum 24 (1931) S. 395–398. – Gerold Fussenegger: Wo liegt das Mittenwalde der Chron. des J. v. G.? In: Franziskanische Stud. 31 (1949) S. 152. – Rosalind B. Brooke: Early Franciscan Government. Elias to Bonaventure. Cambridge 1959, S. 20–27. – Duane V. Lapsanski: Perfectio evangelica. Eine begriffsgeschichtliche Unters. im fr¨uhfranziskanischen Schrifttum. Mu¨ nchen u. a. 1974, S. 176 f. – Kajetan Esser: Eine vollst. Hs. der Chron. des Fr. J. v. G. In: Studia historico-ecclesiastica. FS Luchesius G. Sp¨atling. Hg. v. Isaac V´asquez. Rom 1977, S. 419–451. – Luigi Pellegrini: Introduzione. In: Fonti francescane. Scritti e biografie di san Francesco d’Assisi [...]. Hg. Biblioteca francescana di Milano. Padua 31982, S. 1801–1897, hier S. 1849–1865. – Repertorium fontium historiae medii aevi 6. Hg. Istituto Storico Italiano per il Medio Evo. Rom 1990, S. 437 f. – Pierre B´eguin: Chronica fratris Iordani. Tractatus de adventu fratrum minorum in Angliam. Epistola de transitu sanctae Clarae. Processo di canonizzazione di santa Chiara d’Assisi. Concordances, index, listes de fr´equences, tables comparatives. Louvain 1990. – Franco Dal Pino: Giordano da Giano e le prime missioni Oltralpe dei frati minori. In: I compagni di Francesco e la prima generazione minoritica. Atti del XIX Convegno della Societ`a internazionale di studi francescani [...]. Spoleto 1992, S. 201–257. – L. Pellegrini: I quadri e i tempi dell’espansione dell’Ordine. In: Francesco d’Assisi e il primo secolo di storia francescana. Hg. v. Attilio Bartoli Langeli und Emanuela Prinzivalli. Turin 1997, S. 168–170, ¨ 172–175 u. o¨ . (mit ital. Ubers. der Chron.). – R. B. Brooke: The Image of St. Francis. Responses to Sainthood in the Thirteenth Century. Cambridge 2006, S. 49 f. MM Martin von Troppau (v. Oppau; Martinus Oppaviensis, Polonus) OP, * um 1200 Troppau (Opava), † um 1278/79 Bologna. – Einflussreichster ma. Chronist. Die wenigen Hinweise zu M.s Leben stammen aus den Vorreden seiner Werke, zwei p¨apstlichen 252

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Martin von Troppau Urkunden aus der Zeit Alexanders IV. (1254–61), einem Brief des Prager Ordensbruders Hyacinth sowie aus der Ernennungsurkunde zum Erzbischof von Gnesen vom 22.6.1278. Demnach wurde M. im Dominikanerkonvent St. Clemens in der Prager Altstadt erzogen und zum Priester geweiht. An der Kurie erwirkte er die p¨apstliche Best¨atigung der Privilegien von St. Clemens. Sich selbst bezeichnetet M. als «domni pape penitentiarius et capellanus». In Rom wirkte er 1261–78 als «Poenitentiarius minor». Das Bischofsamt konnte er nicht mehr antreten, da er auf der Anreise verstarb. Seine Heimatregion M¨ahren geh¨orte zum K¨onigreich B¨ohmen und so verdankt sich der erst sp¨ater vergebene Beiname «Polonus» (erstmals bei Tolomeo von Lucca) entweder der Zugeh¨origkeit des Prager Predigerkonvents zur polnischen Ordensprovinz oder dem Gnesener Episkopat. Verwandschaftliche Beziehungen oder sonstige Bindungen M.s zu Polen sind Konstrukte der polnischen Historiographie des sp¨aten 15. Jh. (vor allem Jan Długosz). Neben seiner lat. Prosaweltchronik, dem Chronicon pontificum et imperatorum, werden M. die Sammlung Sermones de tempore et de sanctis, ein typisch scholastisches Kompendium von Predigtlehrst¨ucken mit knappen aber pr¨azise ausgearbeiteten Modellen, das Promptuarium exemplorum, eine Kollektion von Exempla im Anhang der Sermones, und die Margarita Decreti (Tabula Martiniana Decreti) zugeschrieben. Letzteres ist die erste Realkonkordanz zum Decretum Gratiani. Um die moralischen Werte des Dekrets f¨ur die Benutzer aufzuschl¨usseln, bedient sich M. der in seiner Zeit noch seltenen alphabetischen Ordnungsmethode (Modell k¨onnte die Bibelkonkordanz Hugos von S. Cher gewesen sein, der als Großp¨onitentiar M.s Vorgesetzter war und im Chronicon besonders hervorgehoben wird.). Die 778 Lemmata der Margarita decreti mit Eigennamen und Begriffen erschließen nur einen beschr¨ankten Ausschnitt des Dekrets und spiegeln M.s eigene Interessen wieder. Urspr¨unglich nur f¨ur den Eigengebrauch konzipiert hat M. die Konkordanz wohl auf Dr¨angen von Konfratres ver¨offentlicht und damit offensichtlich – wie die breite Tradierung nahelegt – eine L¨ucke gef¨ullt. H¨ochst unsichere Zuschreibungen an M. sind De diversis miraculis, De schismate ecclesie Grecorum (nicht auffindbar) und die Historia de Guelfis (vermutlich sp¨ater entstanden). Die Abfassung von M.s Chronicon f¨allt in die Zeit Clemens IV. (1265–68), eine zweite Redaktion war 253

2. H¨alfte 13. Jh. 1271 abgeschlossen und die dritte endet mit dem Jahr 1277. Konzipiert ist das Werk als Fortsetzung der Historia Scholastica des → Petrus Comestor f¨ur die nachapostolische Zeit und als Zeittafel zum Decretum Gratiani. Als Comestor-Fortsetzung setzt die Chronik mit dem ersten Papst ein, also gem¨aß der gel¨aufigen Vorstellung mit Christus. Explizit richtet sich das Chronicon an Theologen und Juristen, f¨ur die es als Kompendium dienen sollte. Die Geschichtsschreibung ist hier nur Hilfswissenschaft, um den Kanonisten ein Hilfsmittel f¨ur die chronologische Einordnung der Rechtstexte an die Hand zu geben. Deswegen ging es M. vor allem um eine korrekte Datierung. Schon → Vinzenz von Beauvais hatte in der Apologia actoris zum Speculum maius die herk¨ommliche Chronistik als unzuverl¨assig gebrandmarkt und als chronistisches Prinzip eine Zuordnung zu den regierenden P¨asten und Kaisern empfohlen. Ein so gestalteter historiographischer Typus wurde seit dem 12. Jh. vor allem im Umkreis Roms weiterentwickelt. Eine l¨uckenlose profangeschichtliche Reihung l¨asst sich hiebei allerdings nur unter Einbeziehung auch der dt. K¨onige erzielen (erstmals 1221 bei Gilbertus Romanus). Es wird bei derartigen Darstellungen keine prinzipielle Trennung kirchlicher oder profaner Geschichte vorgenommen, vielmehr handelt es sich um ein pragmatisches Zuordungssystem, bei dem etwa M¨artyrer auf der rechten Seite zusammen mit den sie verfolgenden r¨omischen Kaisern erfasst werden. Das konkrete Muster f¨ur M.s Arbeit lieferte der Liber de tribus maximis circumstanciis gestorum → Hugos von St. Viktor. Annalistisch werden auf der (linken) Versoseite die P¨apste, auf der Rectoseite die Kaiser abgehandelt mit den jeweils zeitlich entsprechenden herausragenden historischen Ereignissen: «in una pagina ponendo pontifices, in alia pagina imperatores». Sowohl die Verwendung von Seiten statt Spalten zur Gegen¨uberstellung der beiden historischen Reihen als auch M.s Seitenlayout sind innovativ. Sein Originalkonzept ist eine Gliederung in Quinquagenen: Jede Seite hat 50 Zeilen, wobei jede Zeile ein Jahr repr¨asentiert. In diesem System ben¨otigt M. f¨ur die wiedergegebenen 13 Jh. synchroner Kaiser- und Papstgeschichte also 52 Seiten. Zusammen mit dem Prolog ergeben sich damit rund 27 Foliobl¨atter f¨ur das Originalmanuskript. Das exakte Jahr-zu-Zeile-Verh¨altnis l¨asst sich bei aller schriftstellerischen Disziplin freilich nicht durchweg aufrecht erhalten, und M. dehnt 254

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2. H¨alfte 13. Jh. die Zeilenzahl nach oben oder unten mitunter aus. Mit dem Interregnum verliert die rechte Seite ihre Ordnung. Der geographische Raum, der im Chronicon erfasst wird, entspricht exakt dem Geltungsbereich des Dekrets. Der dritten Redaktion ist als Exkurs ein Kapitel u¨ ber die vier Weltreiche und ein Abriss r¨omischer Geschichte und Topographie vorangestellt. Enthalten sind in dieser Redaktion auch Exempla und Papstfabeln (wie die M¨ar von der P¨apstin Johanna). Sein Gliederungsprinzip h¨alt M. in dieser Fassung nicht mehr konstant aufrecht. Als Quellen seines Werkes benennt M. im Vorwort die Gesta Pontificum Romanorum, Orosius, die Historia Romana des → Paulus Diaconus, den Liber de vita christiana Bonizos von Sutri, Gilbertus Romanus, Richard von Cluny, Gervasius von Tilbury, → Gottfried von Viterbo, Vinzenz von Beauvais, das Decretum Gratiani, M¨artyrerakten, Livius und f¨ur die r¨omische Topographie die → Mirabilia Romae (die M. einem Escodius zuschreibt). Dar¨uber hinaus sind als Quellen nachgewiesen: die Legenda aurea des → Jacobus a Voragine (oder eine ihrer Vorlagen), die Kirchengeschichte des EusebiusRufin, die Historia miscella, die Chronica pontificum et imperatorum Tiburtina und andere r¨omische PapstKaiser-Chroniken (vielleicht auch die Erfurter Minoritenchronik); dazu Benedikt von St. Andrea (Monte Soracte), Sicard von Cremona und Johannes von Mailly. M.s Umgang mit den Quellen und deren Einarbeitung in sein Darstellungskonzept ergeben ein historiographisches Werk, das im Hinblick auf ¨ seine Ubersichtlichkeit beispielhaft war und dankbar aufgenommen wurde. Sein Chronicon als Erfolg zu bezeichnen, wird M.s Bedeutung f¨ur die ma. Geschichtsschreibung schwerlich gerecht. M. ist der am h¨aufigsten kopierte und exzerpierte Chronist des MA. Die Wirkung seines Chronicon war so außerordentlich, dass die gesamte Gattung der streng systematischen Papst-Kaiser-Chronistik nach M. benannt wurde («Chronica Martiniana») und anonyme Chroniken oft einem Martin zugewiesen wurden; als Verfasser der nach M.s Muster aufgebauten → Flores temporum wird z. B. ein «Martinus Minorita» genannt. In Deutschland fußt nahezu jede sp¨atere ma. annalistische Weltchronik mit graphischer Stoffpr¨asentation auf dem «Chronicon». Die «Chronica pontificum et imperatorum Romanorum des → Andreas von Regensburg etwa ist im Aufbau sehr eng an M. angelehnt ebenso wie 255

Martin von Troppau die Chronica imperatorum ab anno I des → Johannes von Dorsten. Die dominante Stellung M.s in der sp¨atma. Historiographie spiegelt sich auch in zahlreichen Fortsetzungen innerhalb des Gesamtaufkommens der martinianischen Chroniken wider. Zudem wurde das Chronicon sehr bald in Volksprachen u¨ bersetzt (neben einer griechischen Teil¨ubersetzung f¨ur den innerkirchlichen Gebrauch vom Ende des 13. Jh.): Um 1305/1306 entstand eine persische ¨ Ubersetzung; italienische, dt., franz¨osische und armenische Fassungen folgten im 14. Jh. Um 1400 wurde das Werk ins Englische u¨ bersetzt, schließlich ¨ im 15. Jh. ins Kastilianische. Die Ubersetzungen u¨ bernehmen in der Regel nicht die streng ¨ synoptische Form. Neben den dt. Ubersetzungen ¨ (s. Uberlieferung) enthalten auch die → S¨achsische Weltchronik (Rezension C), die → Mnd. Weltchronik, die → Konstanzer Weltchronik und die Weltchronik von Johannes → Platterberger und Dietrich → Truchseß Exzerpte aus dem Chronicon. In der humanistischen Geschichtsschreibung nimmt der Einfluss M.s sp¨urbar ab; so findet er z. B. in der Weltchronik Hartmann → Schedels nur noch geringe Beachtung. ¨ Uberlieferung: Die Gesamt¨uberlieferung des Chronicon d¨urfte in ihrer G¨anze nicht erfasst sein. Bekannt sind rund 500 vollst¨andige Hss. vom Ende des 13. bis zum 16. Jh. (allein Kaeppeli [s. Lit.] f¨uhrt 392 Textzeugen an). Ab dem 15. Jh. wird die Texteinrichtung verderbt. Anhand der Abweichungsgrade vom graphischen Konzept lassen sich sechs Handschriftenklassen differenzieren: 1) Originalkonzept, rund 40 Hss. 2) Stark annalistische Ausrichtung mit variierender Jahres-/zeilenanzahl pro Seite, nur zwei Hss. 3) Doppelseitenkonzept ohne Zeilen-Jahreszahl-Relation. 4) Fortlaufende Erz¨ahlung mit jeweils 50 Papst- und Kaiserjahren im Wechsel. 5) Fortlaufende Erz¨ahlung, in der Papst- und Kaisergesch. konzeptlos vermischt werden. 6) Strikte Trennung von Papst- und Kaisergesch. – Auch die Drucke (keine Inkunabeln) lassen nichts mehr von der graphischen Anlage des Werkes erkennen. Das Fehlen der Wiegendrucke l¨asst sich vielleicht duch die Beliebtheit des noch eing¨angigeren Schemas des Fasciculus temporum des Werner → Rolevinck erkl¨aren. Repr¨asentative Textzeugen: Prag, Arch. der Prager Burg/Bibl. des Metropolitankapitels, G 4, 36 Bll. (14. Jh.) soll dem Autograph sehr nahe stehen. – Florenz, Nationalbibl., Ms. Conv. Soppr. F.4.733 256

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Martin von Troppau veranschaulicht vielleicht am besten die urspr¨ungliche Gestalt des Layouts. – Die Margarita Decreti sind mit u¨ ber 120 Textzeugen ebenfalls sehr breit ¨ und zu Fr¨uhdrucken u¨ berliefert. Vgl. zur Uberl. aller Werke Kaeppeli Nr. 2972–2974. – Chronicon (dt.): Berlin, SBB, Mgf 696, 229ra–294rb (Papsttl.), 314ra–381ra (Kaisertl.) (Pap., drittes Viertel 15. Jh., bair.); u¨ bersetzt v. Bruder → Hermann II, enth¨alt auf 301ra–313vb auch eine Teil¨ubers. des Flores temporum. – Ebd., Mgq 1661, 121 Bll. (Perg., 14. Jh., mitteldt.). – Heidelberg, UB, Cpg 137, 243 Bll. (Pap., um 1460, niederalemannisch, mit Miniaturen [Werkstatt Diebold Lauber]). – Ebd., Cpg 149, 110r–339v (Pap., um 1450, niederalemannisch, mit Miniaturen [Werkstatt Diebold Lauber]). – Ebd., Cpg 154, 1r–124r (Pap., 1474, mitteldt. mit ostfr¨ankisch-s¨udth¨uringischem Einschlag). – Ebd., Cpg 157, 1r–119r (Pap., 1429, bair./schw¨abisch). – Klagenfurt, Bisch¨ofl. Bibl., Cod. XXIX e 5, 83v–148r (Pap., Ende 15. Jh.). – London, British Library, Ms. Arundel 6, 59r–241r (Pap., 1460, bair.). – Meiningen, Hofbibl., Hs. 171 (fr¨uher Hs. 151), 1r–55r, 57v–73v (Pap., 15. Jh., schw¨abisch; verschollen). – M¨unchen, BSB, Cgm 316, 94 Bll. (Pap., 1435, ostschw¨abisch). – Ebd., Cgm 696, 35r–74v (Pap., zweite H¨alfte 15. Jh., ostschw¨abisch; Ausz¨uge). – Ebd., Cgm 7376 (vormals Nikolsburg, F¨urstl. Dietrichsteinsche Bibl., Cod. II 231), 2r–85r (Pap., 1466). – New York, Public Library, Spencer Collection, Ms. 103, 2 Bll. (Pap., um 1430/35, mit 2 Miniaturen [Werkstatt Diebold Lauber]; Fragm.). – Paris, Bibl. Nationale, Ms. allem. 101, 182 Bll. (Pap., 15. Jh.). – Kompilation aus dem Chronicon dt. und der S¨achsischen Weltchronik: Marburg, UB, Mscr. 76, 120r–132r (Pap., zweites Viertel 15. Jh., th¨uringisch). Ausgaben: Erstausg. v. Johannes Herold, Basel 1559 (VD16 M 1272) (weitere a¨ ltere Ausg. verzeichnet August Potthast: Bibliotheca historica medii aevi. Wegweiser durch die Geschichtswerke des europ¨aischen MA bis 1500. Bd. 1. Berlin 21896 (Nachdr. Graz 1953) S. 771. – Ludwig Weiland: Martini Oppiavensis Chronicon Pontificum et Imperatorum. In: MGH SS 22 (1872) S. 377–475. – Alle Ausgaben ignorieren das graphische Grundschema. – Chronicon (dt.): Albert Schulz (San Marte): Des Martinus Polonus Chron. ¨ der Kaiser und P¨apste, in dt. Ubersetzung aus der a¨ltesten Hs. des vierzehnten Jh. In: Arch. f¨ur das Studium der neueren Sprachen und Literaturen 23 257

2. H¨alfte 13. Jh. (1858) S. 339–403; 24 (1858) S. 27–84, 291–308; 25 (1859) S. 259–310 (nach Mgq 1661). Literatur: Wilhelm Wattenbach, ADB 20 (1884) S. 483 (Martinus Polonus). – Biogr. Wb. zur dt. Gesch.2 2 (1974) Sp. 1806.– Anna-Dorothee v. den Brincken, VL2 6 (1987) Sp. 158–166; 11 (2004) Sp. 979. – Birgit Studt, NDB 16 (1990) S. 279 f. – Karl Schnith, LexMA 6 (1993) Sp. 347 f. – A.-D. v. den Brincken, LThK3 6 (1997) Sp. 1429. – Peter Hauptmann, RGG4 5 (2002) Sp. 859. – A.-D. v. den Brincken, Encyclopedia of the Medieval Chronicle 2 (2010) S. 1085–1088 (Martin of Opava). – Norbert H. Ott/Red., Killy2 8 (2010) S. 11 f. – L. Weiland: Zur Ausg. der Chron. M. v. T.s. In: Arch. der Ges. f¨ur a¨ltere dt. Geschichtskunde 12 (1872) S. 1–79. – Oswald Holder-Egger: Einiges zur Quellenkritik der Chron. Sicards. In: Neues Arch. der Ges. f¨ur a¨ltere dt. Geschichtskunde 26 (1901) S. 471–555, hier S. 484–486. – ¨ Ders.: Uber eine R¨omische Papst- und Kaiserchron. In: ebd. 28 (1903) S. 193–226. – Emil G¨oller: Die p¨apstliche P¨onitentiarie v. ihrem Ursprung bis zu ihrer Umgestaltung unter Pius V. Bd. 1,1 (Bibl. des Dt. Hist. Inst. in Rom 3). Rom 1907, S. 86–88, 130–132. – Paul Joachimsen: Geschichtsauffassung und Geschichtsschreibung unter dem Einfluß des Humanismus (Beitr. zur Kulturgesch. des MA und der Renaissance 6). Leipzig 1910, S. 4–7. – Jean-Thi´ebaut Welter: L’exemplum dans ˆ la litt´erature religieuse et didactique du Moyen Age (Biblioth`eque d’histoire eccl´esiastique de la France 11). Paris/Toulouse 1927, S. 228–230. – Marcus Antonius van den Oudenrijn: Linguae haicanae scriptores Ordinius Praedicatorum Congregationis fratrum unitorum et Armenorum. Bern 1960, S. 210 f. – Karl Jahn: Die Frankengesch. des Raˇs¯id ¨ ad-D ¯in. Einleitung, vollst. Ubers., Komm. und ¨ 58 Texttafeln (Osterr. Akad. der Wiss. Phil.-Hist. Kl. Denkschr. 129/Ver¨off. der iranischen Kommission 4). Wien 1977, S. 13–16. – Thomas Kaeppeli: Scriptores ordinis praedicatorum medii aevi. Bd. 3. Rom 1980, S. 114–123. – A.-D. v. den Brincken: Zu Herkunft und Gestalt der MartinsChron. In: DA 37 (1981) S. 694–735. – Dies.: ¨ Stud. zur Uberl. der Chron. des M. v. T. Erfahrungen mit einem massenhaft u¨ berl. hist. Text. In: DA 41 (1985) S. 460–531. – Herbert Grundmann: Geschichtsschreibung im MA. Gattungen, Epochen, Eigenart (Kleine Vandenhoeck-Reihe 1209). G¨ottingen 41987, S. 23, 69. – A.-D. v. den Brincken: M. v. T. In: Geschichtsschreibung und 258

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2. H¨alfte 13. Jh. Geschichtsbewußtsein (Konstanzer Arbeitskreis f¨ur Ma. Gesch. Vortr¨age und Forschungen 31). Hg. v. Hans Patze. Sigmaringen 1987, S. 155–193. – Dies.: ‹In una pagina ponendo pontifices in alia pagina imperatores›. Das Kopieren der tabellarischen Papst-Kaiser-Chron. des M. v. T. OP († 1278). In: Revue d’histoire des textes 18 (1988) S. 109–136. – ¨ Dies.: Stud. zur Uberl. der Chron. des M. v. T. Erfahrungen mit einem massenhaft u¨ berlieferten hist. Text. 2. Tl. In: DA 45 (1989) S. 551–591. – Jacek Soszy´nski: A Survey of Medieval Manuscripts Containing the Chronicle of Martin the Pole in Polish Collections. In: Studie o Rukopisech 27 (1989/90) S. 113–131. – Arturo Bernal Palacios: Las obras canonicas de M. de T. In: Archivum Fratrum Praedicatorum 61 (1991) S. 89–126. – A.-D. v. den Brincken: Geographisches Weltbild und Berichtshorizont in der Papst-Kaiser-Chron. des M. v. T. OP. In: Ex ipsis rerum documentis. Beitr. zur Medi¨avistik. FS Harald Zimmermann. Hg. v. Klaus Herbers u. a. Sigmaringen 1991, S. 91–102. – Dies.: Stud. ¨ zur Uberl. der Chron. des M. v. T. Erste Nachtr¨age. In: DA 50 (1994) S. 611–613. – J. Soszy´nski: Kronika Marcina Polaka i jej ´sredniowieczna tradycja rekopi´ ˛ smienna w Polsce (Studia Copernicana 34). Warschau 1995 (mit engl. Zusammenfassung: The chronicle of Martinus Polonus and its medieval manuscript tradition in Poland). – A.-D. v. den Brincken: L¨ucken und L¨uckenlosigkeit in der Geschichtspr¨asentation des M. v. T. († 1278). In: Leben und Wahrheit in der Gesch. FS Hans T¨ummler (Sonderschr. der Akad. gemeinn¨utziger Wiss. zu Erfurt 28). Hg. v. Herbert H¨omig. Bochum 1996, S. 1–16. – Dies.: M. v. T. († 1278/79). Chronicon pontificum et imperatorum. In: Hauptwerke der Geschichtsschreibung. Hg. v. Volker Reinhardt. Stuttgart 1997, S. 414–417. – Dies.: M. v. T. O. P. als Graphiker des Geschichtsablaufes. In: Die Anf¨ange des Schrifttums in Oberschlesien bis zum Fr¨uhumanismus. Hg. v. Gerhard Kosellek. Frankfurt/M. 1997, S. 211–224. – L´azl´o Veszpr´emy: M. v. T. in der ungarischen Historiographie des MA. In: ebd., S. 225–236. – Repertorium fontium historiae medii aevi 7 (1997) S. 489 f. – Rolf Sprandel: Eine Erfurter M. v. T.Forts. (mit Edition). In: Landesgesch. als Herausforderung und Programm. FS Karlheinz Blaschke (Quellen und Forschungen zur s¨achsischen Gesch. 15). Hg. v. Uwe John/Josef Matzerath. Stuttgart 1997, S. 217–239. – Wolfgang-Valentin Ikas: Neue Handschriftenfunde zum ‹Chronicon pontificum 259

Hagen et imperatorum› des M. v. T. In: DA 58 (2002) S. 521–539. – Ders.: M. v. T. (Martinus Polonus), ¨ O.P. († 1278) in England. Uberl.und wirkungsgeschichtl. Stud. zu dessen Papst- und Kaiserchron. (Wissenslit. im MA 40). Wiesbaden 2002. – W.-V. Ikas: Forts. zur Papst- und Kaiserchron. M. v. T.s aus England (MGH Scriptores rer. Germ. NS 19). Hannover 2003, 22004. – Heike Johanna Mierau: Das Reich, politische Theorien und die Heilsgesch. Zur Ausbildung eines Reichsbewußtseins durch die Papst-Kaiser-Chron. des Sp¨atMA. In: Zs. f¨ur hist. Forschung 32 (2005) S. 543–575. – Dies.: Die Einheit des ‹imperium Romanum› in den Papst-Kaiser-Chron. des Sp¨atMA. In: Hist. Zs. 282 (2006) S. 281–312. – A.-D. v. den Brincken: Geographisches Weltbild und Berichtshorizont in der Papst-Kaiser-Chron. des M. v. T. OP. In: Stud. zur Universalkartographie (Ver¨off. des MaxPlanck-Inst. f¨ur Gesch. 229). Hg. v. dems./Thomas Szab´o. G¨ottingen 2008, S. 400–414. VZ Hagen, Gottfried, (ca. 1230–1299). – Kleriker, Verfasser einer deutschsprachigen Reimchronik. Der wohl als uneheliches Kind einem K¨olner Patriziergeschlecht angeh¨orige H. war seit den 1260er Jahren als Schreinsschreiber, Urkunden- und Stadtschreiber in K¨oln t¨atig und nahm auch diplomatische Missionen wahr. Er gilt als Verfasser der Reimchronik Boich van der stede Colne (6288 Verspaare). Als Abfassungszeit ist das Jahr 1270 angegeben. Nach der Darstellung der Fr¨uhgeschichte K¨olns seit der Christianisierung durch den hl. Maternus schildert H. aus patrizischer Sicht im zweiten Teil die Auseinandersetzungen zwischen Patriziergeschlechtern, Z¨unften und Erzbisch¨ofen um die Herrschaft in der Stadt K¨oln zwischen 1252 und 1270. H.s im K¨olner Dialekt verfasste Chronik wurde im 15. Jh. in den Chroniken des Agrippina und in der → Koelhoffschen Chronik rezpiert. ¨ Uberlieferung: Frankfurt/M., UB, Ms. germ. oct. 26, 2r–130r (Pap., um 1440, ripuarisch) (F). – K¨oln, Hist. Arch. der Stadt, Best. 7090 (Hss. aus D¨usseldorf) C V 1, Bl. 1–2 (fr¨uher D¨usseldorf, Staatsarchiv, A 22) (Perg., Ende erstes Viertel 14. Jh., ripuarisch) (D). – Paris, Bibl. Nationale, Ms. allem. 155, 1r–180r (Pap., zweite H¨alfte 17./18 Jh., niederrheinisch). Ausgaben: Des meisters Godefrit H., der Zeit Stadtschreibers, Reimchron. der Stadt C¨oln aus 260

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Das Buch der Konige ¨ alter eˆ und niuwer eˆ dem 13. Jh. Hg. v. Eberhard v. Groote. K¨oln 1834. – Dit ist dat boich van der stede Colne. Hg. v. Hermann Cardauns. Leipzig 1875. Nachdr. G¨ottingen 1968. – Reimchronik der Stadt K¨oln. Hg. v. Kurt G¨artner u. a. Hist. Komm. v. Thomas Bohn (Publ. der Ges. f¨ur Rheinische Geschichtskunde 74). D¨usseldorf 2008. Literatur: De Boor/Newald 3/1 (51997) S. 180 f. – Hugo Stehk¨amper, NDB 7 (1966) S. 478. – Hartmut Beckers, VL2 3 (1981) Sp. 384–387. – Norbert H. Ott/Gudrun Gleba, Killy2 4 (2009) S. 596 f. – Johann Janssen: Stud. u¨ ber die k¨olnischen Geschichtsquellen im MA. In: Annalen des hist. Vereins f¨ur den Niederrhein 1 (1855) S. 78–104 (Nachdr. Bad Feilnbach 1988). – Anton Birlinger: Zu G. H.s Chron. In: ZfdA 17 (1874) S. 428. – Heinrich Kelleter: G. H. und sein Buch v. der Stadt K¨oln. Trier 1894. – Ernst Dornfeld: Textkritische, sprachliche und metrische Unters. zu G. H.s Reimchron. der Stadt K¨oln. Marburg/Lahn 1911. – Johannes Bernhard Menke: Geschichtsschreibung und Politik in dt. St¨adten des Sp¨atMA. In: Jb. des K¨olnischen Geschichtsvereins 33 (1958) S. 1–8; 35/36 (1960) S. 85–194. – Andreas Rapp: Das D¨usseldorfer Fragm. v. G. H.s ‹Reimchron. der Stadt K¨oln› im Rahmen v. u¨ berlieferungsgeschichtlichen Fragestellungen und Vor¨uberlegungen zu einer Neuausg. In: RheinVjbl. 59 (1995) S. 1–30. – D´esir´ee Welter: Urkundliche Quellen und st¨adtische Chronistik. Entstehung und Wirkung v. G. H.s Reimchron. der Stadt K¨oln (1270/71). In: Quelle – Text – Edition. Hg. v. Anton Schwob/Erwin Streitfeld. T¨ubingen 1997, S. 123–132. – Manfred Groten: G. H. In: Rheinische Lebensbilder 17 (1997) S. 41–56. – Ders.: Volkssprachliche Geschichtsdichtungen im dt. Reich im sp¨aten 13. Jh. Melis Stoke und G. H. In: Von Fakten und Fiktionen. Ma. Geschichtsdarstellungen und ihre krit. Aufarbeitung. Hg. v. Johannes Laudage. K¨oln u. a. 2003, S. 281–308. – Joachim Bumke: Gesch. der dt. Lit. des MA. Mu¨ nchen 52004, S. 353 f. BJ Hartmann von Heldrungen OP, * um 1210, † 19.8.1283 Akkon. – Hochmeister des Dt. Ordens, vermutlicher Verfasser eines Berichts u¨ ber die Vereinigung des Livl¨andischen Schwertbr¨uderordens mit dem Dt. Orden. Der aus einem th¨uringischen Vasallengeschlecht stammende H. trat 1234 in den Dt. Orden ein, war 1261–66 Großkomtur, 1273 Hochmeister und 261

2. H¨alfte 13. Jh. erwarb 1278 das Augustinerchorherrenstift Zschillen/Sachsen. Er verfasste wahrscheinlich einen gereimten Bericht u¨ ber die Verhandlungen zur Vereinigung des livl¨andischen Schwertbr¨uderordens mit dem Dt. Orden (vgl. den Bericht, der → Heinrich von Hohenlohe zugeschrieben wird). ¨ Uberlieferung: Wien, Zentralarch. des Dt. Ordens, Hs. 205, f. 121–123 (Abschrift v. 1514). Ausgaben: Strehlke (s. Lit.). – Theodor Hirsch (Hg.): Scriptores rerum Prussicarum V. Leipzig 1874 (Nachdr. Frankfurt/M. 1965) S. 168–172. Literatur: Kurt Forstreuter, NDB 7 (1966) S. 727 f. – Udo Arnold, VL2, 3 (1981) Sp. 523 f. – Ernst Strehlke (Hg.): Scriptores rerum Prussicarum III. Leipzig 1866 (Nachdr. Frankfurt/M. 1965) S. 54 f. – Herbert Grundmann: Dt. Schrifttum im Dt. Orden. In: Altpreußische Forschungen 18 (1941) S. 21–49. – Gerard Labuda: O zr´odlach ‹Kro¨ niki pruskiej› Piotra z Dusburga [Uber die Quellen der ‹Preuß. Chron.› Peters v. Dusburg]. In: Komunikaty mazursko-warminskiej 112/113 (Olsztyn 1971) S. 217–243. – Marian Tumler: Der Dt. Orden. Von seinem Ursprung bis zur Gegenwart. Unter Mitarb. v. U. Arnold. 5., u¨ berarb. und erw. Aufl. Bad Mu¨ nstereifel 1992. – U. Arnold: H. v. H. 1273–1283. In: Die Hochmeister des Dt. Ordens. Hg. v. dems. (Quellen und Stud. zur Gesch. des Dt. Ordens 6). Marburg 1998, S. 36 f. BJ Das Buch der Konige ¨ alter eˆ und niuwer eˆ . – Prosageschichtsdichtungen, zweite H¨alfte 13. Jh. Unter dem Titel Buch der K¨onige alter ˆe und niuwer eˆ werden zwei historiographische Werke subsumiert, die sowohl einzeln als auch gemeinsam, aber nahezu ausnahmslos als biblisch-geschichtlicher Vorspann zu Rechtspiegeln u¨ berliefert werden: das Buch der K¨onige (alter eˆ) (BdK) und die Prosakaiserchronik (Pkchr, auch Buch der K¨onige (niuwer eˆ), die von unterschiedlichen anonymen Autoren stammen. Das BdK bietet die Geschichte alttestamentarischer Herrscher, die Pkchr eine r¨omische Herrscher- und Reichsgeschichte bis zu Konrad ¨ III. Die Funktion der Texte im Uberlieferungskontext ist das Vorf¨uhren beispielhafter (positiver wie negativer) Herrscher- und Richterfiguren und ihres Schicksals als Mahnung f¨ur den Rechtsfindungsprozess. Der erz¨ahlende Geschichstext wird exemplarisch auf den pragmatischen Rechtstext projiziert und die (Heils-)Geschichte legitimiert die Rechtsprechung. 262

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2. H¨alfte 13. Jh. Vom BdK lassen sich verschiedene im Umfang variierende Fassungen differenzieren, die ihre Bezeichnung dem Tradierungszusammenhang verdanken: eine Deutschenspiegel-Fassung und f¨unf Schwabenspiegel-Fassungen. Das Werk enstammt dem Umkreis der Augsburger Franziskaner, der Zeitpunkt der Abfassung l¨asst sich anhand der Spiegel-Datierungen relativ sicher ermitteln und liegt zwischen 1274/75 (Deutschenspiegel) und 1282 (Verkehrsform des Schwabenspiegel). In sachlicher Diktion verfasst, sind die Schwabenspiegel-Fassungen von der Prosa → Davids von Augsburg beeinflusst. Sprache und Stil erinnern zudem an deutschsprachige Redaktionen der Predigten → Bertholds von Regensburg. Neben dem AT fußt das BdK auf der Historia scholastica des → Petrus Comestor. Die Pkchr ist nur in einer Fassung u¨ berliefert, die zeitnah zum BdK ebenfalls in Augsburg entstanden ist. Sie folgt der → Kaiserchronik so eng, dass gelegentlich sogar Reime beibehalten werden. Am Textanfang stehen in Anlehnung an den Sachsenspiegel → Eikes von Repgow Bemerkungen zur Translatio imperii. Neben der Kaiserchronik st¨utzt sich der Text auf → Einhards Vita Karoli; weitere Quellen sind, da es sich oft um chronistisches Allgemeingut handelt, nicht mit Sicherheit zu bestimmen. Die Pkchr selbst wiederum geh¨ort zu den Quellen des → Lohengrin und der Bayerischen Chronik Ulrich → Fuetrers. Das BdK bildet zusammen mit der Chronik Jakob → Twingers von K¨onigshofen die Grundlage einer Historienbibel. ¨ Uberlieferung: Das BdK ist in 58 bekannten Hss. u¨ berliefert, die Pkchr in 16. Gemeinsam werden die beiden Werke in 8 Hss. tradiert, davon 7 Mal als Vorspann zum Schwabenspiegel: Alba Iulia (Karlsburg), Bibl. B´atthy´aneum, Cod. R II 104 (Kat.-Nr. 263), 1r–39v (Perg., erste H¨alfte 14. Jh., bair.-¨osterr.), ohne Schwabenspiegel. – Br¨ussel, Kgl. Bibl., Ms. 14689–91 (Kat.-Nr. 4577), 4r–86v (Pap., 1441–45, illustriert). – Freiburg i. Br., UB, Hs. 14, 149ra–253vb (Pap., 1431, schw¨abisch), in der Reihung Pkchr/BdK dem Schwabenspiegel nachgestellt. – Heidelberg, UB, Cpg 145, 6va–61vb (Pap., 1429, aus Augsburg, schw¨abisch mit alemannischen Formen). – Leipzig, UB, Rep. II. 74a, 1va–119rb (Pap., zweite H¨alfte 15. Jh., alemannisch). – Mu¨ nchen, BSB, Cgm 287, 1ra–143vb (Pap., 1419, schw¨abisch). – M¨unchen, UB, 2° Cod. ms. 688, 1ra–141rb (Pap., drittes Viertel 15. Jh., schw¨abisch, illustriert). – Stuttgart, LB, Cod. jur. 2° 222, Bl. 1–41 (Pap., 1418). – Das BdK wird auch 263

Das Buch der Konige ¨ alter eˆ und niuwer eˆ mit dem → Spiegel dt. Leute und der Weltchronik des → Jan(s) von Wien u¨ berliefert, als Fragm. im Anschluss an den Alexander → Rudolfs von Ems und in versifizierten Ausz¨ugen innerhalb der → Erweiterten Christherre-Chronik. – Vgl. zur Gesamt¨uberl. VL2 1 (1978) Sp. 1089. – Carl Gustav Homeyer: Verz. Dt. Rechtsb¨ucher des MA und ihrer Hss. Berlin 1836, Nr. 103, 360, 524, 525, 557, 668, 727, 811, 1093, 1211, 1241. – Hans Vollmer: Ober- und mitteldt. Historienbibeln (Materialien zur Bibelgesch. und religi¨osen Volkskunde des MA 1,1). Berlin 1912, Nr. 19, 20, 42, 80; M¨uller (s. Lit) S. 242–252. – Oppitz (s. Lit.). – Handschriftencensus (online). Ausgaben: Hans Ferdinand Maßmann: Buch der Koenige alter und neuer Ee. In: Land- und Lehenrechtbuch Bd. 1 (Rechtsdenkm¨aler des dt. MA 3). Hg. v. Alexander v. Daniels. Berlin 1860, Sp. XXXIII–CCXXIV. – Karl August Eckhardt: Studia iuris Suevici 1. Urschwabenspiegel (Bibliotheca rerum historicarum. Studia 4). Aalen 1975, S. 174–353. – Vgl. zu BdK und Pkchr-Einzelausg. VL2 1 (1978) Sp. 1089. Literatur: Hubert Herkommer, VL2 1 (1978) Sp. 1089–1092. – De Boor/Newald 3,2 (1987) S. 325, 415 f., 432. – Norbert H. Ott/Elisabeth Wunderle, Killy2 2 (2008) S. 248 f. – Frank Shaw, Encyclopedia of the Medieval Chronicle 1 (2010) S. 221. – H. F. Maßmann: Der keiser und der kunige buoch oder die sogenannte Kaiserchron. Gedicht des zw¨olften Jh. 3. Thl. (Bibl. der gesammten dt. National-Lit. 4,3). Quedlinburg/Leipzig 1854, S. 55–75, 366–371. – Ludwig v. Rockinger: Der K¨onige Buch (Abh. der Bayer. Akad. der. Wiss. Hist. Cl. 17). M¨unchen 1886, S. 1–102. – Edward Schr¨oder: Kaiserchron. (MGH Dt. Chron. 1). Hannover 1895 (Nachdr. Stuttgart 2002) S. 9, 76 f. – Leonhard Kandziora: Das gereimte Bruchst¨uck des Buches der K¨onige und die entsprechende Prosa. Diss. Greifswald 1910. – K. A. Eckhardt: Der Deutschenspiegel. Seine Entstehungsgesch. und sein Verh¨altnis zum Schwabenspiegel. Weimar 1924, S. 9–17. – Ernst Klebel: Stud. zu den Fassungen und Hss. des Schwabenspiegels. ¨ 44 (1930) S. 129–164. – Alfred H¨ubner: In: MIOG Vorstud. zur Ausg. des BdK in der Deutschenspiegelfassung und s¨amtlichen Schwabenspiegelfassungen (Abh. der Ges. der Wiss. zu G¨ottingen, Phil.-Hist. Kl. 3,2). Berlin 1932. Nachdr. G¨ottingen 1972. – Repertorium fontium historiae medii aevi 2 (1967) S. 599. – Ulrich-Dieter Oppitz: Dt. Rechtsb¨ucher des MA. Bd. 1: Beschreibung der Rechtsb¨ucher. K¨oln u. a. 1990, S. 267 264

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Jacob van Maerlant (Reg.). – Gisela Kornrumpf: Das BdK. Eine Exempelslg. als Historienbibel. In: FS Walter Haug und Burghart Wachinger Bd. 1. Hg. v. Johannes Janota u. a. T¨ubingen 1992, S. 505–527. – Joachim Heinzle: Wandlungen und Neuans¨atze im 13. Jh. (1220/30–1280/90) (Gesch. der dt. Lit. v. den Anf¨angen bis zum Beginn der Neuzeit 2,2) T¨ubingen 21994, S. 77, 112, 171. – Stephan M¨uller: ‹Schwabenspiegel› und ‹Pkchr›. Textuelle ¨ Aspekte einer Uberlieferungssymbiose am Beispiel der Gesch. Karls des Großen (mit einem Anh. ¨ zur Uberl. der ‹Pkchr›). In: Text und Text in ¨ lat. und volkssprachiger Uberl. des MA (WolframStud. 19). Hg. v. Eckart Conrad Lutz. Berlin 2006, S. 223–252. – Uta Goerlitz: Literarische Konstruktion (vor-)nationaler Identit¨at seit dem ‹Annolied›. Analysen und Interpretationen zur dt. Lit. des MA (11.–16. Jh.) (Quellen und Forschungen zur Lit.und Kulturgesch 45 [279]). Berlin/New York 2007, S. 247–282. VZ Jacob van Maerlant, * um 1230 Brugse Vrije/ Flandern, † um 1288/91 Damme/Br¨ugge. – mndl. Schriftsteller. J. wuchs wahrscheinlich in der Region um Br¨ugge auf. Seine Ausbildung d¨urfte er auf der Domschule in Br¨ugge erhalten haben, ohne jedoch an einer Universit¨at zu studieren. Vermutlich konnte J. sich viele Kenntnisse in den Bibliotheken der Abteien Ter Duinen und Ter Doest aneignen, die enge Beziehungen zu der Domschule unterhielten. J. war um 1257–66 oder l¨anger Kustos in der Pfarrei M. auf der Insel Voorne. Er widmete den dortigen Herrschaften Albrecht van Voorne und Graf Floris V. auch mehrere seiner Werke. Zuletzt lebte J. wieder in Flandern. Sein Todesdatum ist nicht direkt nachweisbar, sondern h¨angt von der Datierung seines letzten Werks ab. Meist wird angenommen, J. sei um 1288 oder bald nach 1291 gestorben. J.s fast komplett u¨ berliefertes Werk umfasst in erster Linie umfangreiche Versdichtungen in mndl. Sprache. Die Wahl der Volkssprache d¨urfte mit den fehlenden Lateinkenntnissen von J.s adligen Auftraggebern zusammenh¨angen. Als J.s fr¨uhestes Werk gilt Alexanders geesten (um 1260), eine Alexander-Vita in 14.000 Versen nach Walter von Chˆatillon. Die Historie van den Grale und das damit verbundene Boek van Merline (um 1261) erz¨ahlen in rund 10.000 Versen und nach einer Vorlage des Robert de Boron die Legenden um K¨onig Arthur, 265

2. H¨alfte 13. Jh. Merlin und den Heiligen Gral. Nach Torec (um 1262), einem Ritterroman in 4000 Versen, entstand wahrscheinlich die umfangreiche Historie van Troyen (um 1264) mit ihren 40.000 Versen. Darin entfaltet J. nach Vorlagen von Vergil, Ovid, Statius und Benoˆıt de Sainte-Maure ein Panorama der antiken Sagenwelt um den Trojanischen Krieg, Aeneas und die Argonauten. Heimelijkheid der heimelijkheden (um 1266), ein F¨urstenspiegel f¨ur Floris V. in 2000 Versen, war J.s n¨achstes Werk. Auf Der naturen bloeme (um 1270), eine Naturenzyklop¨adie in 16.000 Versen nach Thomas von Cantimpr´e, folgte bald J.s Rijmbijbel (auch Scolastica, 1271). Die rund 35.000 Verse reichen vom AT bis zum J¨udischen Krieg. Als Vorlagen benutzte J. die Werke von Flavius Josephus und → Petrus Comestor. Erst mehrere Jahre sp¨ater verfasste J. Sinte Franciscus leven (um 1275), eine Franziskus-Vita nach Bonaventura in 10.000 Versen. Fast zehn weitere Jahre vergingen bis zur Fertigstellung von J.s umfangreichstem Werk. Der f¨ur Floris V. geschriebene und rund 90.000 Verse umfassende Spiegel historiael (um 1284) ist eine Weltchronik von der Genesis bis zu J.s Gegenwart nach → Vinzenz von Beauvais. Der Text wurde von Philip Utenbroeke und Lodewijk van Velthem fortgesetzt. Besondere Verbreitung fand der Spiegel historiael in Kl¨ostern und im st¨adtischen B¨urgertum. Weiterhin gilt J. als Verfasser mehrerer k¨urzerer Gedichte, u. a. der dialogischen Martijns, sowie dreier nicht u¨ berlieferter Werke. Die Rezeption J.s erstreckte sich bis in den dt. Sprachraum. Erw¨ahnenswert sind etwa niederrheinische Texte von Alexanders geesten und Historie van Troyen aus der Region J¨ulich-Kleve, außerdem mnd.-westf¨alische Umschriften der Historie van den Grale und des Boek van Merline. Der vierte Teil des Spiegel historiael ist in fr¨uhnhd. Prosa u¨ berliefert ¨ (Berlin, SBB, Mgq 2018, von 1431; Wien, ONB, cod. 2902, von 1438). Auch eine niederrheinische Rezeption des Werks ist nachweisbar. Der manchmal mit → Rudolf von Ems verglichene J. gilt heute als bedeutendster Dichter des 13. Jh. im mndl. Sprachraum. Er verdankt diese Bedeutung nicht nur seiner Sprachkunst, sondern auch seiner T¨atigkeit als Mittler zwischen lat. Klassikern und der mndl. Volkssprache. So stammen ¨ einige der fr¨uhesten volkssprachigen Ubersetzungen lat. Werke von J. ¨ Uberlieferung: Online-Verz. der zahlreichen Hss. im Handschriftencensus unter folgenden Werknummern: 1745, 1898, 2093, 2094, 2201, 2903, 266

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2. H¨alfte 13. Jh. 3032, 3034. – Weitere Verz. zu M.s Hauptwerken bei van Moolenbroek 1991 (s. Lit.) sowie in: Anna van Panthaleon van Eck-Kampstra: J. v. M.s ‹Der naturen bloeme›. Twee Notities Over Hss. In: Het boek 36 (1963/64) S. 222–232. – Maaike Hogenhout-Mulder: The Filiation of Manuscripts of ‹Der naturen bloeme›. In: Distributions Spatiales et Temporelles, Constellations des Manuscrits. FS Anthonij Dees. Hg. v. Pieter van Reenen und Karin van Reenen-Stein. Amsterdam 1988, S. 205–220. Ausgaben: 1. Mndl. Werke J.s: Dit is die Istory van Tryoen. Hg. v. Napoleon De Pauw und Edward Gailliard. 4 Bde. Gent 1889–92. – Strofische gedichten. Hg. v. Johannes Franck. Leiden 1918. – Der naturen bloeme. Hg. v. Maurits Gysseling/Wilhelmus Johannes Pijnenburg. ’sGravenhage 1981. – Rijmbijbel. Hg. v. M. Gysseling/W. J. Pijnenburg. ’s-Gravenhage 1983. – Spiegel historiael. Hg. v. Frits Pieter van Oostrom. Amsterdam 1994. – Jos Biemans: Onsen Speghele Ystoriale in Vlaemsche. Codicologisch onderzoek naar de overlevering van de Spiegel historiael van Jacob van Maerlant, Philip Utenbroeke en Lodewijk van Velthem, met een beschrijving van de hss. en fragmenten. 2 Bde. Leuven 1997 (Ausg. mit Komm.). – Maerlants werk. Juweeltjes van zijn hand. Hg. v. Ingrid Biesheuvel. Amsterdam 1998 (Werkauswahl). – Sinte Franciscus leven. Hg. v. Harry van Beek. [o. O. 1998]. – Der Naturen Bloeme. Hg. v. Amand Berteloot. M¨unchen ¨ 1999 (Mikrofiche-Ausg.). – Altere Ausg. bei Biesheuvel/Palmer 2004. 2. Mnd. u. a. Bearbeitungen: Alexanders geesten. Hg. v. Ferdinand Snellaert. 2 Bde. Br¨ussel 1860/61. – Episodes uit Maerlant’s Historie van Troyen. hg. v. Jacob Verdam. Groningen 1873. – Merlijn, naar het eenig bekende Steinforter handschrift. Hg. v. Johannes van Vloten. Leiden 1880. – Alexanders geesten. Hg. v. J. Franck. Groningen/Leiden 1882. Nachdr. Ithaca [2000]. – De Pauw/Gailliard 1889–92 (s. o.). – Palmer 1976 (s. Lit.) S. 106–110 (Teildr. des ‹Spiegel historiael›). – Palmer 1982 (s. Lit.) S. 195–201 (Teildr. des ‹Spiegel historiael›). ¨ Literatur: Altere Lit. bei Arents 1943 und Biesheuvel/Palmer 2004. – Martin, ADB 20 (1884) S. 41–46. – Willem P. Gerritsen, LexMA 5 (1991) Sp. 291–293. – De Boor/Newald 3/1 (51997) S. 120, 123. – Roger Aubert, DHGE 26 (1997) Sp. 556–558. – Ingrid E. Biesheuvel/Nigel Palmer, VL2 11 (2004) Sp. 747–755. – Am´ed´ee Arents: 267

Jacob van Maerlant J. v. M. Proeve van bibliografie. Damme 1943. – Ernest W. McDonnell: J. v. M. A Study in Social and Intellectual History of Thirteenth Century Flanders. Diss. Univ. of Wisconsin-Madison 1948. – Gerard I. Lieftinck: Problemen met betrekking tot het Zutphens-Groningse M.-hs. Amsterdam 1959. – Thomas Mertens/Albert Gruijs: A New Fragment of J. v. M.s Eerste and Tweede Martijn (in cod. Bodmer 101, Bibliotheca Bodmeriana, Geneva). In: Quaerendo 5 (1975) S. 346–352. – ¨ N. F. Palmer: Eine dt. Ubers. v. der ‹Vierten Partie› des ‹Spiegel Historiael›. In: De nieuwe taalgids 69 (1976) S. 102–110. – Ders.: ‹Visio Tnugdali›. The German and Dutch Translations and their Circulation in the Later Middle Ages. M¨unchen 1982. – Kees de Graaf: Alexander de Grote in de ‹Spiegel Historiael›. Een onderzoek naar de vertaaltechniek van J. v. M. Nijmegen 1983. – Rudolf Ekkart: De Rijmbijbel van J. v. M. een in 1332 voltooid handschrift uit het Rijksmuseum Meermanno-Westreenianum. ’s-Gravenhage 1985. – F. van Oostrom: J. v. M., een herwaardering. In: Literatuur. Tijdschrift over Nederlandse letterkunde 2 (1985) S. 190–197. – Traude-Marie Nischik: Das volkssprachliche Naturbuch im sp¨aten MA. Sachkunde und Dinginterpretation bei J. v. M. und Konrad v. Megenberg (Hermaea NF 48). T¨ubingen 1986. – Helmut Tervooren: Statt eines Vorwortes. Lit. im maasl¨andisch-niederrheinischen Raum zwischen 1150–1400. In: Lit. und Sprache im rheinisch-maasl¨andischen Raum zwischen 1150 und 1450 (ZfdPh Sonderh. 108). Hg. v. H. Tervooren/Hartmut Beckers. Berlin 1989, S. 3–19. – Rudolf K. Weigand: Vinzenz v. Beauvais. Scholastische Universalchronistik als Quelle volkssprachiger Geschichtsschreibung. Hildesheim u. a. 1991, S. 186–205. – Geert Claassens: Alexander de Grote in het Heilige Land. Kruistochtverwijzingen in een historische roman van J. v. M. In: Millennium 5 (1991) S. 130–146. – Scolastica willic ontbinden. Over de Rijmbijbel van J. v. M. Bearb. v. Jaap van Moolenbroek. Hilversum 1991. – Wendelien van Welie-Vink: ‹Er staat niet wat er staat ...›. Onderzoek naar vijf miniaturen uit J. v. M.s ‹Spiegel historiael› het handschrift KA XX. In: Madoc 6 (1992) S. 225–235. – Petra Berendrecht: M.s Scolastica (c.q. Rijmbijbel) in relatie tot zijn directe bron. In: Tijdschrift voor Nederlandse Taal- en Letterkunde 108 (1992) S. 2–31. – Joachim Peeters: ‹Diederic van den Berne› en ‹Ettels orloghe›. Verwijst M. naar de Duitse heldenepiek? In: ebd. 268

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Jacob van Maerlant 108 (1992) S. 129–142. – Wim van Anrooij: De verhouding tussen Melis Stoke en J. v. M. In: ebd. 108 (1992) S. 156–167. – Ders.: M., Heraut Gelre en de ‹Korte kroniek van Holland›. In: ebd. 108 (1992) S. 289–323. – Theo Coun: Ten geleide. J. v. M., romantiek en werkelijkheid. In: Vlaanderen. Tweemaandelijks tijdschrift voor kunst en letteren 42 (1993) S. 233–267. – Frits van Oostrom: J. v. M., toen en nu. In: ebd., S. 234–240. – A. Berteloot: Was J. v. M. schepenklerk te Damme? In: ebd., S. 241–244. – Martine Meuwese: Miniatuurgevechten. Strijdajbeeldingen in Maerlant-hss. In: ebd., S. 247–252. – J. Biemans: M. in stukken en beetjes. In: ebd., S. 253–258. – T. Coun: M.s vertaling van de vier evangeli¨en. In: ebd., S. 263–267. – Wolfgang Bunte: J. v. M. und die Juden. In: Begegnungen zwischen Christentum und Judentum in Antike und MA. FS Heinz Schreckenberg. Hg. v. Hermann Lichtenberger u. a. G¨ottingen 1993, S. 51–92. – Karina van Dalen-Oskam: De laatste reis van de Drie Koningen. Mogelijke bronnen van v. 21.425–21.442 van J. v. M.s Rijmbijbel. In: Queeste 1 (1994) S. 97–107. – Dies.: Verdwaalde voorouders. De herkomst van v. 9115–9154 van J. v. M.s Rijmbijbel. In: Tijdschrift voor Nederlandse Taal- en Letterkunde 110 (1994) S. 198–211. – Martine Meuwese: J. v. M.s ‹Spiegel Historiael›. Iconography and Workshop. In: Flanders in a European Perspective. Manuscript Illumination Around 1400 in Flanders and Abroad. Proceedings of the International Colloquium, Leuven, 7–10 September 1993. Hg. v. Maurits Smeyers und Bert Cardon. Leuven 1995, S. 445–456. – Frits Pieter van Oostrom: M.s Wereld. Amsterdam 1996. – Petra Berendrecht: Proeven van bekwaamheid. J. v. M. en de omgang met zijn Lateijnse bronnen. Amsterdam 1996. – Jozef Janssens: Romeinse legioenen in het werk van M. Vanaf wanneer kende M. de ‹Historia regum Britanniae›? In: Queeste 3 (1996) S. 107–115. – Gert De Ceukelaire: De leugen als waarheid. M. en de val van Troje. In: ebd., S. 125–134. – Orlanda Lie: Kanttekeningen bij M.s berijmde Heimelijkheid der heimelijkheden en de Proza-Heimelijkheid. In: ebd. 3, S. 136–150. – Ria Jansen-Sieben: M.s zintuig-kampioenen. In: ebd., S. 151–161. – Eef A. Overgaauw: Een nieuw fragment van J. v. M.s Eerste Martijn (Koblenz, Landeshauptarch., Best. 701: Nr. 262, fol. 173r). In: ebd., S. 191–196. – J. Biemans: Het GroningsZutphense M.-hs. Over de noodzakelijkheid der handschriftenkunde. In: ebd., S. 197–219. – Ders.: 269

2. H¨alfte 13. Jh. Onsen Speghele ystoriale in Vlaemsche. Codicologisch onderzoek naar de overlevering van de ‹Spiegel historiael› van J. v. M., Philip Utenbroeke en Lodewijk van Velthem, met een beschrijving van de hss. en fragmenten. Leuven 1997. – J. v. M. de middeleeuwse wereld op schrift. Tentoonstellingsgids Damme, Huyse De Grote Sterre, 8 februari–27 april 1997. Hg. v. J. Janssens und Veerle Uyttersprot. Damme 1997. – K. van Dalen-Oskam: Studies over J. v. M.s ‹Rijmbijbel›. Hilversum 1997. – Raymond Harper: De koster en de Kerkvader. J. v. M. en de Stad Gods van Augustinus van Hippo. In: Queeste 4 (1997) S. 97–106. – Marian Andringa: M.s Alexanders geesten. Tussen roman en historiografie. In: Op avontuur. Middeleeuwse epiek in de Lage Landen. Hg. v. Jozef Janssens. Amsterdam 1998, S. 107–123, 313–322. – R. Harper: ‹Als God met ons is ...› J. v. M. en de vijanden van het christelijke geloof. Amsterdam 1998. – Ders.: Op de drempel van een nieuwe tijd. M. en het Jodendom. In: Madoc 13 (1999) S. 142–148. – Jozef Brams: J. v. M.s bewerking van het Secretum secretorum. In: Handelingen van de Koninklijke Zuidnederlandse Maatschappij voor Taal- en Letterkunde 53 (1999) S. 181–194. – K. van Dalen-Oskam: J. v. M.s ‹rijmbijbel› en het luikse ‹leven van Jezus›. In: Queeste 6 (1999) S. 147–166. – Wim van Anrooij: M., Boendale oder Velthem? Mo¨ gliche Quellen der ‹Karlmeinet›-Kompilation. In: Sprache und Lit. des MA in den ‹nideren landen›. Gedenkschrift f¨ur Hartmut Beckers. Hg. v. Volker Honemann u. a. K¨oln u. a. 1999, S. 325–342. – Willy L. Braekman: Fragment van een nieuw hs. van M.s ‹Istory van Troyen›. In: Tijdschrift voor Nederlandse Taal- en Letterkunde 116 (2000) S. 228–237. – G. Claassens: J. v. M. on Muhammad and Islam. In: Medieval Christian Perceptions of Islam. Hg. v. John Victor Tolan. New York 2000, S. 211–242. – Maria Sherwood-Smith: Studies in the Reception of the ‹Historia Scholastica› of Peter Comestor, the ‹Schwarzw¨alder Predigten›, the ‹Weltchronik› of Rudolf v. Ems, the ‹Scolastica› of J. v. M. and the ‹Historiebijbel› van 1360. Oxford 2000. – Martine Leonarda Meuwese: Beeldend vertellen. De verluchte hss. van J. v. M.s ‹Rijmbijbel› en ‹Spiegel Historiael›. Diss. Leiden 2001. – J. v. M.s ‹Der naturen bloeme› und das Umfeld. Vorl¨aufer, Redaktionen, Rezeption. Hg. v. A. Berteloot und Detlev Hellfaier. Mu¨ nster u. a. 2001. – Marcel van der Voort: Dat seste boec van serpenten. Een onderzoek naar en een uitgave van boek VI van J. v. M.s ‹Der 270

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2. H¨alfte 13. Jh. naturen bloeme›. Hilversum 2001. – Dirk Witthaut: ‹Reyne dachcortinghe ende ware leringhe›. Zur Beziehung zwischen Text und Bildprogramm in einer Hs. der Rijmbijbel des J. v. M. Diss. K¨oln 2003 (auch als Online-Ausg.). – Hans Kienhorst: Oude Fragmenten van J. v. M.s Rijmbijbel in Hss. uit het Agnietenklooster te Arnhem. In: Leuvense Bijdragen 94 (2005) S. 163–188. – D. Hellfaier: Schlangen, Monster, Fabelwesen. J. v. M. ‹Der naturen bloeme› unter besonderer Ber¨ucksichtigung der Detmolder Hs. aus dem sp¨aten 13. Jh. In: Tota Frisia in Teilansichten. FS Hajo van Lengen. Hg. v. Heinrich Schmidt. Aurich 2005, S. 223–234. – Van der Masen tot op den Rijn. Ein Hb. zur Gesch. der ma. volkssprachlichen Lit. im Raum von Rhein und Maas. Bearb. v. Helmut Tervooren u. a. Berlin 2006, S. 106–109 u. o¨ . – Oieter Borghart: The Reception of Artistotele’s ‹Ethica Nicomachea› in the ‹Heimelijkheid der heimelijkheden (Secret of Secrets)› by J. v. M. In: Medieval Mss. in Transition. Tradition and Creative Recycling. Hg. v. G. Claassens und Werner Verbeke. Leuven 2006, S. 61–80. – M. Sherwood-Smith: Old Friends. David and Jonathan in the Vulgate, the Historia Scholastica of Peter Comestor, the Weltchronik of Rudolf von Ems, and the Rijmbijbel of J. v. M. In: Oxford German Studies 36 (2007) S. 163–183. – A. Berteloot: M.s Fische. Ein Vergleich zwischen dem Fischebuch in J.s v. M. ‹Der naturen bloeme› und seiner lat. Vorlage. In: Reinardus 21 (2009) S. 16–31. – Thomas Haye: Die Martin-Gedichte des J. v. M. ¨ in der lat. Ubertragung des Jan Bukelare. In: Sacris Erudiri 49 (2010) S. 407–438. MM Chronicon rhythmicum Austriacum. – Lat. Reimchronik. Der Autor dieser Reimchronik in 877 Vagantenzeilen ist unbekannt. Die Forschung vermutet als Verfasser einen in Frankreich ausgebildeten Kleriker, der eine mehrmonatige Gefangenschaft bei Mongolen durchlitt. Er floh wahrscheinlich aus Ungarn nach Klosterneuburg, wo das C. r. A. entstanden sein d¨urfte. Er gilt auch als Autor eines Papst Innozenz IV. und Kaiser Friedrich II. gewidmeten Gedichts, das eine Reihe autobiographischer Angaben enth¨alt. Inhaltlich schildert das C. r. A. Aufstieg und Fall der Staufer vom Tod Kaiser Friedrichs I. 1190 bis zum Tod K¨onig Konradins 1268. Die Quellen des Verfassers sind nicht bekannt; wahrscheinlich handelte es sich um Annalen aus Stift Heiligenkreuz 271

Chronicon rhythmicum Austriacum und aus dem Schottenkloster in Wien sowie um ungarische Vorlagen. Das C. r. A. wirkte sp¨ater auf → Jan(s) von Wien und den sog. → Anonymus Leobiensis, auf das Auctuarium Vindobonense und die Continuatio Praedicatorum Vindobonense. ¨ ¨ Uberlieferung: Wien, ONB, cod. 506, 77v–86r (erste H¨alfte 14. Jh.). – Ebd., cod. 364, 177r–183v (Mitte 14. Jh.). – Zus¨atzliche Fragm. bei Kleinschmidt 1978 (s. Lit.). Ausgaben: C. r. A. In: Rerum Austriacarum Scriptores, qui lucem publicam hactenus non viderunt, et alia monumenta diplomatica nondum edita. Bd. 1. Hg. v. Adrian Rauch. Wien 1793, S. 129–156. – C. r. A. Hg. v. Wilhelm Wattenbach. In: MGH SS 25. Hannover 1880 (Nachdr. Stuttgart 1974) S. 350–368. – C. r. A. In: Catalogus fontium historiae Hungaricae [...]. Bd. 1. Hg. v. Albin F. Gombos. Budapest 1937, S. 671–676 (Teildr.). Literatur: Erich Kleinschmidt, VL2 1 (1978) Sp. 1256–1258. – Ernst Klebel: Die Fassungen und Hss. der o¨ sterr. Annalistik. In: Jb. f¨ur Landeskunde v. Nieder¨osterreich NF 21 (1928) S. 43–185. – Gerlinde Stiassni: Anonymi Clerici Chronicon Rhythmicum. Ein Beitr. zur Historiographie des 13. Jh. Diss. Wien 1955. – Alphons Lhotsky: Quellen¨ kunde zur ma. Gesch. Osterreichs. Graz/K¨oln 1963, S. 190 f. – Gerlinde Moser-Mersky: Das ¨ 73 (1965) S. 17–38. – Reo¨ sterr. C. r. In: MIOG pertorium fontium historiae medii aevi. Bd. 3. Hg. Istituto Storico Italiano per il Medio Evo. Rom 1970, S. 277. – Siegfried Haider: Die schriftlichen Quellen zur Gesch. des o¨ sterr. Raumes im fr¨uhen ¨ und hohen MA. In: Die Quellen der Gesch. Osterreichs. Hg. v. Erich Z¨ollner. Wien 1982, S. 26–49. – Andrea Sommerlechner: Stupor Mundi? Kaiser Friedrich II. und die ma. Geschichtsschreibung. Wien 1999, S. 109 f., 579 f. u. o¨ . (Reg.). MM Jan(s) von Wien (Jans[en] Enikel), * um 1230/40, † um 1300. – Chronist. Der Chronist nennt sich selbst «Johans» oder «Jans» (W, V. 85; F, V. 19) und bezeichnet sich als ‹Enkel des Herrn Jans› («hern Jansen eninchel», F, V. 21) und «rehter Wienner» (F, V. 23). Als sicher gilt, dass J. zur st¨adtischen Oberschicht geh¨orte und der «Kreis der f¨uhrenden Wiener Ritterb¨urger» (Brunner, S. 249) vermutlich auch zu seinen Rezipienten z¨ahlte. Eine Identit¨at mit dem urkundlich mehrfach belegten ‹Johann dem Schreiber› wird mitunter angenommen. Die Weltchronik (nach 1272/84 verfasst) legt die Weltgeschichte von ihren Anf¨angen in der 272

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Jan(s) von Wien (Jans[en] Enikel) Sch¨opfungsgeschichte bis zur Regierungszeit Kaiser Friedrichs II. dar (28.958 Verse). Der Konvention volkssprachiger Weltchroniken folgend, wird heilsgeschichtliches und weltgeschichtliches Wissen amalgamierend erz¨ahlt; neben alttestamentarischen Ereignissen wird von dem trojanischen Krieg, den Taten Alexanders des Großen und den Anf¨angen der Geschichte des r¨omischen Reiches berichtet. Auf die Darstellung der r¨omischen K¨onige folgt die der dt. Kaiser und K¨onige, aber auch der o¨ sterr. Markgrafen und Herz¨oge, die mit dem Tod Friedrichs II. endet. Ein Papstkatalog (nach V. 22.284, S. 428–434), eine Aufz¨ahlung dt. K¨onige und Kaiser bis zu Friedrich II. (nach V. 27.652, S. 539–543) und eine Genealogie der Babenberger (S. 544–548) sind in einigen Hss. als kurze Prosaeinsch¨ube integriert. Zu den Quellen werden insbesondere die Bibel, das dritte Buch der Imago Mundi des → Honorius Augustodunensis und die Kaiserchronik gez¨ahlt. Zudem werden neben m¨undlichen Wissenstraditionen auch breite literarische Kenntnisse vorausgesetzt, etwa der mhd. Versnovellistik (u. a. → Stricker), der Legenden- und Exempelsammlungen, aber auch j¨udischer Erz¨ahltraditionen. Narrative Erz¨ahlmuster und Stofftraditionen ganz unterschiedlicher Konvenienz fließen in die historiographische Darstellung ein und lassen J. als «Novellist» erscheinen (Knapp, S. 257), der mittels Erz¨ahlungen u¨ ber Normverst¨oße, Katastrophen und (erotische) Skandale unterhalten m¨ochte. Grundlegendes Strukturprinzip der Weltchronik ist eine episodenhafte Reihung von novellistischen und schwankhaften Erz¨ahlungen, die im Unterschied zu den Legenden und Mirakelerz¨ahlungen der Kaiserchronik einen weltlichen Erz¨ahlgestus aufweisen und geschichtstheologische Implikationen weitgehend ausblenden (Geith, Sp. 567). Auch die Lehre der sechs Weltalter wird als zugrundeliegendes Strukturschema nur angedeutet. J¨ungere Forschungsarbeiten verweisen verst¨arkt auf narrative Vernetzungen und originelle Kausalverbindungen u¨ ber einzelne Episoden und Erz¨ahltraditionen hinweg. Im Mittelpunkt des als Fragment u¨ berlieferten F¨urstenbuchs (4258 Verse) stehen die Geschichte der Babenberger und der Stadt Wien; ausgehend von der Gr¨undung Wiens werden historische Ereignisse aus der Zeit Markgraf Adalberts bis zur Herrschaft Herzog Friedrichs II. berichtet, die mit der Schlacht an der Leitha abbrechen. 273

2. H¨alfte 13. Jh. Die historisch-genealogischen Kenntnisse wurden J. wahrscheinlich durch seine Kontakte zum Wiener Schottenkloster vermittelt (F, V. 1089ff.). Auch im F¨urstenbuch dienen genuin literarische Erz¨ahlformen und Erz¨ahlschemata zur Wissensvermittlung historischer Ereignisse. Die sozio-politischen ¨ Daten der Babenberger Herrschaft in Osterreich und der Steiermark, die politischen Verhaltensweisen und Akte der Herrschaftsrepr¨asentationen werden anhand novellistischer Einsch¨ube – vereinzelt auch kritisch distanzierend – erz¨ahlt und begr¨undet (etwa die Belehnung Heinrich II. Jasomirgott mit dem Land ob der Enns oder die ¨ Achtung Herzog Friedrichs II.). So l¨asst sich nicht allein das Bild eines Kompilators, sondern durchaus eines selbstsch¨opferischen und originellen Autors nachzeichnen, der u.a. zum Begr¨under neuer Stofftraditionen wird. Insbesondere f¨ur die Weltchronik ist ein großes Rezeptionsinteresse in un¨ terschiedlichen Uberlieferungsverb¨ unden bezeugt (s. Christherre-Chronik, Chronik → Heinrichs von ¨ M¨unchen, → Historienbibeln u. a.). Die Uberlieferung des F¨urstenbuchs l¨asst hingegen auf eine regional begrenzte Rezeption im bayrisch-¨osterreichischen Raum schließen. ¨ Uberlieferung: Die Weltchronik ist in zahlreichen (illustrierten) Mischredaktionen des 14. und 15. Jh. u¨ berliefert. Zehn Hss. u¨ berliefern den Text vollst¨andig; in weiteren Hss. finden sich gek¨urzte Fassungen oder Kompilationen mit anderen Weltchroniken (s. o.). Zudem zahlreiche Bruchst¨ucke und Fragmente (Strauch, S. III–LXIII). Das F¨urstenbuch ist in sechs Pergamenthss. des 14. und 15. Jh. vollst¨andig und in drei weiteren Hss. fragmenta¨ risch u¨ berliefert. In einigen Hss. ist ein Uberlieferungsverbund mit dem Landbuch und einer Babenbergergenealogie festzustellen. Ausgaben: Jansen Enikels Werke: Weltchronik, F¨urstenbuch (MGH Dt. Chron. III,1–2). Hg. v. Philipp Strauch. Hannover/Leipzig 1891/1900. Nachdr. M¨unchen 1980. ¨ Ubersetzungen: Raymond Graeme Dunphy (Hg.): History as Literature. German World Chronicles of the Thirteenth Century in Verse. Excerpts from: Rudolf von Ems, Weltchronik, The Christherre-Chronik, Jans Enikel, Weltchronik. Introd., Transl. and Notes by Raymond Graeme Dunphy (Medieval German Texts in Bilingual Editions 3). Klamazoo 2003. – Deutschsprachige Erz¨ahler des MA. Aus dem Mittelhochdeutschen 274

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2. H¨alfte 13. Jh. u¨ bertragen und hg. v. Manfred Lemmer (Slg. Dieterich 370). Leipzig 1977, S. 256–278 (Teil¨ubersetzung). Literatur: Bernhard Schmeidler: Jans, hern Jansen enikel. In: VL1 2 (1936) Sp. 575–580. – Siegfried Haider: Jans Enikel. In: NDB 10 (1974) 338 f. – Karl-Ernst Geith: Enikel, Jans. In: VL2 2 (1980) Sp. 565–569. – Peter Csendes: Enikel, Jans. In: LexMA 3 (1986) Sp. 2012 f. – Christian Kiening: Jans (der) Enikel. In: Killy2 6 (2009) S. 108. – Joseph Seem¨uller: Dt. Poesie vom Ende des XII. bis in den Beginn des XVI. Jh. In: Gesch. der Stadt Wien. Hg. vom Alterthumsverein zu Wien. 3 Bde. Wien 1907, Bd. 3.1, S. 1–81. – Ernst Klebel: Die Fassungen und Hss. der o¨ sterr. Annalistik. In: Jb. f¨ur die Landesgesch. von Nieder¨osterreich NF 21 (1928) S. 43–185. – Hans Rupprich: Das Wiener Schrifttum des ausgehenden MA (Wiener Sb. 228/5). Wien 1954. – Richard Perger: Die Grundherren im ma. Wien. In Jb. des Vereins f¨ur Gesch. der Stadt Wien 23/25 (1967/69) S. 7–102. – Otto Brunner: Zwei Stud. zum Verh¨altnis von B¨urgertum und Adel. 1. Das Wiener B¨urgertum in Jans Enikels F¨urstenbuch (wieder in: Ders.: Neue Wege der Verfassungs- und Sozialgesch. G¨ottingen 21968, S. 242–265). – K.-E. Geith: Carolus Magnus. Stud. zur Darstellung Karls des Großen in der dt. Lit. des 12. und 13. Jh. (Bibliotheca Germanica 19). Bern/Mu¨ nchen 1977. – Horst Wenzel: H¨ofische Gesch. Literarische Tradition und Gegenwartsdeutung in den volkssprachigen Chron. des hohen und sp¨aten MA. Bern u. a. 1980. – Ursula LiebertzGr¨un: Gesellschaftsdarstellung und Geschichtsbild in Jans Enikels ‹Weltchronik›. Mit Notizen zu Geschichtserkenntnis und Geschichtsbild im MA. In: Euph. 75 (1981) S. 71–99. – Hartmut Kugler: Jans Enikel und die Weltchronistik im sp¨aten MA. In: Einf. in die dt. Lit. des 12. bis 16. Jh. Bd. 2: Patriziat und Landesherrschaft. 13.–15. Jh. Hg. v. Winfried Frey u. a. Opladen 1982, S. 216–252. – U. Liebertz-Gr¨un: Das andere MA. Erz¨ahlte Gesch. und Geschichtserkenntnis um 1300. Stud. zu Ottokar von Steiermark, Jans Enikel, Seifried Helbling (Forschung zur Gesch. der a¨lteren dt. Lit. 5). Mu¨ nchen 1984. – Leopold Hellmuth: Zur Entstehungs¨ zeit der Weltchron. des Jans Enikel. In: Osterreich in Gesch. und Lit. 29 (1985) S. 163–170. – Jeffrey Ashcroft: F¨urstlicher Sex-Appeal. Politisierung der Minne bei Tannh¨auser und Jansen Enikel. In: Liebe in der dt. Lit. des MA. St. Andrews-Colloquium 1985. Hg. v. dems./Dietrich Huschenbett/William 275

Jan(s) von Wien (Jans[en] Enikel) Henry Jackson. T¨ubingen 1987, S. 91–106. – Frank Shaw: Die Darstellung Karls des Großen in Enikels ‹Weltchronik› und anderweit. In: Geistliche und ¨ weltliche Epik des MA in Osterreich. Hg. v. David McLintock u. a. (GAG 446). G¨oppingen 1987, S. 119–128. – L. Hellmuth: Die Assassinenlegende in der o¨ sterr. Geschichtsdichtung des MA (Arch. f¨ur o¨ sterr. Gesch. 134). Wien 1988. – Raymond Graeme Dunphy: Images of the Emperor Frederick II in the Universal Chronicle of Jansen Eni¨ 40 (1994) S. 139–157. – Ders.: Die kel. In: ABAG Weimarer Bruchst¨ucke v. Jans Enikels ‹Weltchronik›. In: ZfdA 125 (1996) S. 411–418. – Elisabeth Lienert: Gesch. und Erz¨ahlen. Stud. zu Konrad v. W¨urzburgs ‹Trojanerkrieg› (Wissenslit. im MA 22). Wiesbaden 1996, S. 382–393. – Harald Tersch: Unruhe im Weltbild. Darstellung und Deutung des zeitgen¨ossischen Lebens in deutschsprachigen Weltchron. des MA. Wien u. a. 1996. – R. G. Dunphy: ‹Daz was ein michel wunder›. The Presentation of Old Testament Material in Jans Enikel’s ‹Weltchronik› (GAG 650). G¨oppingen 1998. – Dorothea Klein: Heinrich v. M¨unchen und die Tradition der gereimten dt. Weltchronistik. In: Stud. zur ‹Weltchronik› Heinrichs von M¨unchen. Hg. v. Horst Brunner (Wissenslit. im MA 29). Bd. 1. Wiesbaden 1998, S. 1–73. – Fritz Peter Knapp: Die ¨ Lit. des Sp¨atMA in den L¨andern Osterreich, Steiermark, K¨arnten, Salzburg und Tirol v. 1273 bis ¨ 1439 (Gesch. der Lit. in Osterreich v. den Anf¨angen bis zur Gegenwart, hg. v. Herbert Zeman. II/1). Graz 1999, S. 234–253. – Ursula Peters: Dynastengesch. und Verwandtschaftsbilder. Die Adelsfamilie in der volkssprachigen Lit. des MA (Hermaea 85). T¨ubingen 1999. – Andrea Sieber: ‹daz frouwen cleit nie baz gestuont›. Achills Crossdressing im ‹Trojanerkrieg› Konrads v. W¨urzburg und in der ‹Weltchronik› des Jans Enikel. In: Geschlechterdiskurse und K¨orperbilder im MA. Eine Bilanzierung nach Butler und Laqueur. Hg. v. Ingrid Bennewitz/Ingrid Kasten (Bamberger Stud. zum MA 1). Mu¨ nster 2002, S. 49–76. – Martin Przybilski: ‹di juden jehent›: Die Aufnahme j¨udischer Erz¨ahlstoffe in der ‹Weltchronik› des J. v. W. In: Aschkenas 14/1 (2004) S. 83–99. – Christiane Witth¨oft: Ritual und Text. Formen symbolischer Kommunikation in der Historiographie und Lit. des Sp¨atMA (Symbolische Kommunikation in der Vormoderne. Stud. zur Gesch., Lit. und Kunst). Darmstadt 2004. – Albrecht Classen: Toleranz im sp¨aten 13. Jh., mit besonderer Ber¨ucksichtigung von J. v. W. und Ramon 276

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Jordan von Osnabruck ¨ Llull. In: Mediaevistik 17 (2004/2005) S. 25–55. – Ders.: Literarische Diskurs-Bricolage als literarische Strategie (Textallianz) in sp¨atma. Chronistik: Der Fall von Jans Enikels ‹Weltchronik›. In: Strukturen und Funktionen in Gegenwart und Gesch. FS Franz Simmler. Hg. v. Claudia Wich-Reif. Berlin 2007, S. 425–444. – Maria Dobozy: Historical Narrative and Dialogue. The Serious and the Burlesque in Jans der Enikel’s ‹Weltchronik›. In: Current Topics in Medieval German Literature. Texts and Analyses (Kalamazoo Papers 2000–2006). Hg. v. Sibylle Jefferies. G¨oppingen 2008, S. 151–168. – Maria E. Dorninger: Ein Pl¨adoyer f¨ur Dalila? Bemerkungen zur geistlichen und weltlichen Rezeption bei Gottfried v. Admont und J. v. W. In: ZfdPh 127/3 (2008) S. 375–391. CW Cantilena de rege Bohemiae. – Mhd. Totenklage auf K¨onig Ottokar II. von B¨ohmen. 1278 fiel der b¨ohmische K¨onig Ottokar II. in der Marchfeldschlacht gegen Rudolf von Habsburg. Die C. besingt Ottokars Tod in Form einer mhd. Totenklage in zwei Strophen. Sie preist den K¨onig als Schild der Christenheit, lobt seine G¨ute und Liebe sowie sein Engagement f¨ur Witwen und Waisen. Erhalten ist der Text als Abschrift in der Chronik des sog. Colmarer Dominikanerchronisten. Der Verfasser der C. war m¨oglicherweise ein H¨ofling Ottokars. Ob er etwa mit → Friedrich von Sonnenburg, → Tannh¨auser oder → Ulrich von Etzenbach identisch war, ist heute nicht mehr nachweisbar. Ebenso unsicher ist, ob die C. durch Spielleute vermittelt wurde, wie neuerdings vermutet wird. Zur ersten Zeile des Texts sind jedenfalls Gesangsnoten in r¨omischer Quadratnotation u¨ berliefert. ¨ Uberlieferung: Stuttgart, LB, cod. hist. 4° 145, 109r–109v (um 1537–41). Ausgaben: Altdeutsche Dichter. Klage um Ottokar von B¨ohmen. Hg. v. Friedrich B¨ohmer. In: ZfdA 4 (1844) S. 573 f. – Cantilena de rege Bohemiae. Hg. v. Moritz Haupt. In: MGH SS 17 (1861) S. 251 f. – M¨uller 1974 (s. Lit.) S. 101 (nach Haupt 1861). Literatur: Erich Kleinschmidt, VL2 1 (1978) Sp. 1173 f. – Ders.: Die Colmarer DominikanerGeschichtsschreibung im 13. und 14. Jh. Neue ¨ Handschriftenfunde und Forschungen zur Uberlieferungsgesch. In: Dt. Arch. f¨ur Erforschung des MA 28 (1972) S. 371–496. – Ulrich M¨uller: Unters. zur politischen Lyrik des dt. MA (GAG 55/56). 277

2. H¨alfte 13. Jh. G¨oppingen 1974, S. 151 f. – Andreas Kusternig: Erz¨ahlende Quellen des MA. Die Problematik ma. Historiographie am Beispiel der Schlacht bei D¨urnkrut und Jedenspeigen 1278. Wien u. a. 1982, S. 128. – Hans-Joachim Behr: Lit. als Machtlegitimation. Stud. zur Funktion der deutschsprachigen Dichtung am b¨ohmischen K¨onigshof im 13. Jh. Mu¨ nchen 1989, S. 117–119. – Bertrand Michael Buchmann: ‹Daz jemant singet oder sait...› Das volkst¨umliche Lied als Quelle zur Mentalit¨atengesch. des MA. Frankfurt/M. 1995, S. 86 f. MM Jordan von Osnabruck ¨ (Jordanus, Jordanis), 13. Jh., † 15.4. (Jahr unbek.). – Kanoniker. Der vielleicht aus dem ritterb¨urtigen Geschlecht Korf in Osnabr¨uck stammende J. ist 1251–83 als Kanoniker des Osnabr¨ucker Domkapitels belegt. 1254/55 war er Scholaster, 1258/59 Dekan und seit 1268 Magister. J. verfasste in den Jahren des Interregnums eine Schrift Super Romano imperio, in der er darlegt, wie Christus das R¨omische Reich anerkannt und geehrt habe; laut Verheißung werde der Antichrist erst nach dem Zerfall des Imperiums auftreten. Die systematische Zusammenstellung biblischer Belege will den gottgewollten Vorrang des R¨omischen Reiches und die Notwendigkeit seines Fortdauerns zur Verhinderung des Kommens des Antichrists aufzeigen. Die J. fr¨uher zugeschriebenen Traktate Memoriale de praerogativa Romani imperii (1281) und Notitia saeculi (1288) stammen von Alexander von Roes, der J.s Werk in sein Memoriale aufnahm. Ausgaben: Herbert Grundmann, in: Alexander v. Roes: Schr. Hg. v. dems./Hermann Heimpel (MGH, Staatsschriften I 1). Hannover 1958, S. 94–100, S. 192–194 (Verdeutschung aus dem 15. Jh. nach der einzigen Hs. (Karlsruhe, LB, cod. Ettenheim-M¨unster 26). – Ders., in: Dt. MA. Krit. Studientexte der MGH 4, 1949, S. 22–28 (mit ¨ Ubersetzung). Literatur: Hermann Heimpel, NDB 10 (1974) S. 596. – Franz Josef Worstbrock, VL2 4 (1983) Sp. 852 f. – Franz Wilhelm: Die Schr. des Jordanus v. O. Ein Beitr. zur Gesch. der Publicistik im ¨ 19 (1898) S. 615–675. – Willem 13. Jh. In: MIOG Johannes Maria Mulder: Zur Kritik der Schr. des Jordanus v. O. In: ebd. 30 (1909) S. 102–119. – Wilhelm Schraub: J. v. O. und Alexander v. Roes. Ein 278

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2. H¨alfte 13. Jh. Beitr. zur Gesch. der Publizistik im 13. Jh. Heidelberg 1910. – Herbert Grundmann: Alexander v. Roes, ‹De translatione imperii› und Jordanus v. O., ‹De prerogativa Romani imperii›. In: Quellen zur Geistesgesch. des MA und der Renaissance. Hg. v. Walter Goetz. Bd. 2. Leipzig 1930, S. 10–36. – Grundmann (s. Ausg.) 1958. – Heinrich Koch: Jordanus v. O. Ein Beitr. zu seiner Biogr. In: Osnabr¨ucker Mitt. 89 (1983) S. 11–24. – Joseph Reese Strayer: J. of O. In: Dictionary of the Middle Ages. Hg. v. dems. Bd. 7. New York 1986, S. 147–149. BJ Pilgerreiseberichte uber ¨ Pal¨astina. – Anonyme dt. und ndl. Berichte. Aus dem Zeitraum vom 13. bis zum 16. Jh. ist eine große Zahl von P. u¨ . P. u¨ berliefert. Neben lat. P. geh¨oren dazu auch dt. und ndl. Berichte, die aber urspr¨unglich nicht volkssprachig verfasst worden sein m¨ussen – vielmehr sind oft lat. Vorlagen anzunehmen. Mindestens ein Drittel der volkssprachigen P. ist anonym u¨ berliefert, was vielleicht auf Verfasser von niederem Stand hinweist und oft mit einem anderen Merkmal verkn¨upft ist: Die P. unbekannter Verfasser sind h¨aufig keine vollst¨andigen Berichte, sondern Teilniederschriften oder Kompilationen. Darunter sind Beschreibungen und Verzeichnisse heiliger St¨atten besonders h¨aufig, wie sich an einigen typischen Titeln von P. ablesen l¨asst: Beschreibung des Tempels sambt dem Allerheiligsten Grab zu Jerusalem und anderen da selbst umbligenden heil. Stedt und ordten, Dit syn die heilige stede, die welke men siet ende versuect int heilige lant ouer meer oder Von der kinneklichen heiligen stat zu Jerusalem. Die Aufz¨ahlungen der St¨atten sind oft durch Abl¨asse erg¨anzt. Hinzu kommen praktische Rei¨ sehinweise, etwa f¨ur Ubernachtungen, aber auch medizinische Empfehlungen und Verst¨andigungshilfen, z. B. ein dt.-arabisches Glossar. Man hat die P. nicht nur nach ihrem Inhalt, ¨ sondern auch nach ihrem Uberlieferungskontext untersucht. Hier lassen sich mehrere Gruppen unterscheiden: Manche Handschriften bestehen prim¨ar aus P., in anderen sind die P. mit Berichten u¨ ber Romfahrten zusammengestellt, weiterhin aber auch mit historiographischen, theologischen, katechetischen und literarischen Schriften. Eine Reihe von Handschriften enth¨alt neben den P. auch die Legende von den Heiligen Drei K¨onigen oder Jesus-Viten. Als konkrete Beispiele von 279

Pilgerreiseberichte uber ¨ Pal¨astina die P. begleitenden Texten sind die h¨aufig hinzugef¨ugten → Mirabilia Romae ebenso zu nennen wie Werke von Lorenz → Egen, → Konrad von W¨urzburg oder Jakob → Twinger von K¨onigsho¨ fen. Unter den anonymen Schriften im Uberlieferungskontext der P. befinden sich Ablassverzeichnisse und Prophetien. Die neuere Forschung hat u. a. die Funktion der P. in den Blick genommen und die Texte im Rahmen der Kultur- und Mentalit¨atsgeschichte untersucht. ¨ Uberlieferung: Verz. v. 50 Hss. bei Huschenbett 1989 (s. Lit.). Die Gesamt¨uberl. d¨urfte jedoch 100 Hss. deutlich u¨ berschreiten. Ausgaben: Viele Berichte sind bisher nicht ediert. Die hier genannten Ausgaben stellen da¨ her nur einen Teil der Uberl. dar. – Anton Birlinger: Ein Pilgerb¨uchlein. Reise nach Jerusalem von 1444. In: Arch. f¨ur das Studium der neueren Sprachen und Literaturen 40 (1867) S. 301–322. – Die Pilgerfahrten N¨urnberger B¨urger nach Jerusalem im 15. Jh., namentlich die Reiseber. des Dr. med. Hans Lochner und des J¨org Pfinzing. Hg. v. Johann Kamann. In: Mitt. des Ver. f¨ur Gesch. der Stadt N¨urnberg 2 (1880) S. 78–163. – Vier rheinische Palaestina-Pilgerschr. des XIV., XV. und XVI. Jh. Hg. v. Ludwig Conrady. Wiesbaden 1882, S. 72–181, 297–301. – Ein niederrheinischer Ber. u¨ ber den Orient. Hg. v. Reinhold R¨ohricht/Heinrich Meisner. In: ZfdPh 19 (1887) S. 1–86. – Theodor Sch¨on: Eine Pilgerfahrt in das heilige Land im ¨ 13 (1892) S. 435–469. – Jahre 1494. In: MIOG Ein Osnabr¨ucker Pal¨astinapilgerber. aus dem Jahre 1420. Hg. v. Hermann della Valle. In: Mitt. des Ver. f¨ur Gesch. und Landeskunde v. Osnabr¨uck 59 (1939) S. 99–116. – Frank Sczesny: ‹Von der gestalt des heyligen grabs zw Jherusalem›. Ausgabe und Beschreibung des Pilgerber. in Cgm 845, Cgm 1276 und Wien Cod. 3012. Magisterarbeit W¨urzburg 1987. – F¨unf Pal¨astina-Pilgerber. aus dem 15. Jh. Hg. v. Randall Herz u. a. Wiesbaden 1998. – Folker Reichert: Eberhard im Bart und die Wallfahrt nach Jerusalem im sp¨aten MA. Ein unbekannter Pilgerber. In: Zs. f¨ur W¨urttembergische Landesgesch. 64 (2005) S. 57–83. Literatur: Dietrich Huschenbett, VL2 7 (1989) Sp. 687–696; 11 (2004) Sp. 1243. – Titus Tobler: ¨ Bibliographia geographica Palaestinae. Krit. Ubersicht gedruckter und ungedruckter Beschreibungen der Reisen ins Heilige Land. Leipzig 1861. 280

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Burchardus de Monte Sion Nachdr. Mansfield Centre [1996]. – Dt. Pilgerreisen nach dem Heiligen Lande. Hg. v. Reinhold R¨ohricht/Heinrich Meisner. Berlin 1880. – R. R¨ohricht: Bibliotheca geographica Palaestinae. Chronologisches Verzeichniss der auf die Geographie des Heiligen Landes bez¨uglichen Lit. v. 333 bis 1878 und Versuch einer Cartographie. Berlin 1890. Neuausg. Jerusalem 1963. – Ders.: Dt. Pilgerreisen nach dem Heiligen Lande. Neuausg. Innsbruck 1900. – Peter Thomsen u. a.: Die Pal¨astina-Lit. Eine internationale Bibliogr. in systematischer Ordnung mit Autoren- und Sachreg. 8 Bde. Leipzig 1911–60. – Anna-Dorothee van den Brincken: Die ‹Nationes Christianorum Orientalium› im Verst¨andnis der lat. Historiographie v. der Mitte des 12. bis in die zweite H¨alfte des 14. Jh. K¨oln u. a. 1973, passim. – Nathan Schur: Jerusalem in Pilgrims and Travellers’ Accounts. A Thematic Bibliography of Western Christian Itineraries 1300–1917. Jerusalem 1980. – Jean Richard: Les r´ecits de voyages et de p`elerinages. Turnhout 1981. – Claudia Zrenner: Die Ber. der europ¨aischen Jerusalempilger (1475–1500). Ein literarischer Vergleich im hist. Kontext. Frankfurt/M. u. a. 1981. – Arnold Esch: Gemeinsames Erlebnis, individueller Ber. Vier Parallelber. aus einer Reisegruppe v. Jerusalempilgern 1480. In: Zs. f¨ur hist. Forschung 11 (1984) S. 385–416. – Ludwig Schmugge: Die Pilger. In: Unterwegssein im Sp¨atMA. Hg. v. Peter Moraw. Berlin 1985, S. 17–47. – D. Huschenbett: Die Lit. der dt. Pilgerreisen nach Jerusalem im sp¨aten MA. In: DVjs 59 (1985) S. 29–46. – Christiane Hippler: Die Reise nach Jerusalem. Unters. zu den Quellen, zum Inhalt und zur literarischen Struktur der Pilgerber. des Sp¨atMA. Frankfurt/M. 1987. – D. Huschenbett: Von landen und ynselen. Literarische und geistliche Meerfahrten nach Pal¨astina im sp¨aten MA. In: Wissensorganisierende und wissensvermittelnde Lit. im MA. Perspektiven ihrer Erforschung. Kolloquium 5.–7. Dez. 1985. Hg. v. Norbert Wolf. Wiesbaden 1987, S. 187–207. – Ursula Ganz-Bl¨attler: Andacht und Abenteuer. Ber. europ¨aischer Jerusalem- und Santiagopilger (1320–1520). T¨ubingen 21991. – Europ¨aische Reiseber. des sp¨aten MA. Eine analytische Bibliogr. Hg. v. Werner Paravicini. Tl. 1 bearb. v. Christian Halm (Kieler Werkst¨ucke D: Beitr. zur europ¨aischen Gesch. des sp¨aten MA 5). Frankfurt/M. 2 2001. – Andrea Denke: Venedig als Station und Erlebnis auf den Reisen der Jerusalempilger im sp¨aten 281

2. H¨alfte 13. Jh. MA. Remshalden 2001. – Heike Schwab: Toleranz und Vorurteil. Reiseerlebnisse sp¨atma. Jerusalempilger. Berlin 2002. – Abendl¨andische Pal¨astinapilger des ersten Jahrtausends und ihre Ber. Eine kulturgeschichtliche Skizze. Hg. v. Anton Baumstark/ Helmhart Kanus-Cred´e. Allendorf 2002. – Swetlana Beloschnitschenko: Deutschsprachige Pilgerund Reiseber. des 15. und 16. Jh. Eine Unters. ihrer Themen und ihrer Sprache im mentalit¨atsgeschichtlichen Kontext. Osnabr¨uck 2004. – Carmen v. Samson-Himmelstjerna: Dt. Pilger des MA im Spiegel ihrer Ber. und der mhd. erz¨ahlenden Dichtung. Berlin 2004. – Susanne Lehmann-Brauns: Jerusalem sehen. Reiseber. des 12. bis 15. Jh. als empirische Anleitung zur geistigen Pilgerfahrt. Freiburg i Br. u. a. 2010. MM Burchardus de Monte Sion (Burchard von Barby, de Saxonia; Brocardus) OP, Barby bei Magdeburg (?). – Verfasser eines Pilgerberichts, sp¨ates 13. Jh. B. unternahm um 1283 eine Pilgerreise, die ihn nach Pal¨astina, den Libanon und weitere L¨ander des vorderen Orients f¨uhrte. 1285 weilte er mit der Gesandtschaft Rudolfs I. von Habsburg am Hof des ¨ seine Pilgerfahrt verfasa¨ gyptischen Sultans. Uber ste er sehr zeitnah eine lat. Reisebeschreibung (Descriptio terrae sanctae), die als instruktiver Pilgerf¨uhrer sich großer Beliebtheit erfreute und im 15. Jh. in verschiedene Volkssprachen, auch ins Deutsche, u¨ bersetzt wurde. Die Descriptio ist, ausgehend von Akkon, eine selbstst¨andige sachkundige Beschreibung der bereisten Gegenden (mit Ber¨ucksichtigung von Geographie, Fauna und Flora, Ethnologie und der religi¨osen Verh¨altnisse). Im Mittelpunkt steht eine ausf¨uhrliche Betrachtung Jerusalems und ein besonderes Augenmerk gilt dem Oriens Christianus. Abschließend wird u¨ ber eine Reise nach Zypern, ¨ Armenien, Kleinasien, Syrien und Agypten berichtet. B.s handschriftlich breit u¨ berlieferter Bericht hat maßgeblichen Einfluss auf Beschreibungen sp¨aterer Pilger ausge¨ubt (u. a. → Bernhard von Breidenbach und Felix → Fabri). ¨ ¨ Uberlieferung: Uber 93 lat. Hss. in zwei Redaktionen. Mo¨ glicherweise hat B. zun¨achst eine k¨urzere Fassung erarbeitet und diese in einem zweiten Arbeitsgang erweitert und mit Kartenmaterial versehen. – Dt.: Klosterneuburg, Stiftsbibl., Cod. 1056, 75r–98r (Perg., 14. Jh., mitteldt. mit obd. Einschlag). – M¨unchen, BSB, Cgm 317, 131ra–140vb 282

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2. H¨alfte 13. Jh. (Pap. und Perg., erste H¨alfte 15. Jh., bair.-¨osterr.). – ¨ Wien, ONB, Cod. 4578, 195va–207va (Pap., 15. Jh., bair.-¨osterr.) – Wolfenb¨uttel, HAB, Cod. 33.24. Aug. 4°, 266r–350v (Pap., 16. Jh.). – Dt. Drucke: Michael Herr: Novus orbis regionum ac insularum veteribus incognitarum. Die Neue Welt, der Landschaften und Insulen, so bis hierher allen Altweltbeschreibern unbekannt. Straßburg (Georg Ulricher) 1534 (VD16 G 3830). – Reyßbuch deß heyligen Lands. Johannes und Sigmund Feyerabend. Frank¨ furt/M. 1584 (VD16 F 902) u. o¨ . – Die Ubers. der ¨ Drucke und der hsl. Uberl. sind voneinander unabh¨angig. Ausgaben (lat.): Laurent, Johann Carl Mautitz: Peregrinatores medii aevi quatuor. Burchardus de Monte Sion, Ricoldus de Monte Crucis, Odoricus de Foro Julii, Wilbrandus de Oldenborg. Leipzig 1864 (Mikrofilmausg. London 2006) S. 1–100; 2 1873, S. 19–94. – W. A. Neumann: B. d. M. S. Liber de descriptione terrae sanctae. Textus conferendus. Genf 1880. – B. d. M. S. Descriptio terrae sanctae. In: Itinera Hierosolymitana crucesignatorum. Bd. 4: Tempore regni Latini extremo (Studium Biblicum Franciscanum Collectio maior 24,4). Hg. v. Sabino de Sandoli. Jerusalem 1984, S. 119–219. ¨ Ubersetzung: Aubrey Stewart: Burchard of Mount Sion. Description of the Holy Land (The library of the Palestine Pilgrims’ Text Society 12). London 1896. Literatur: Wilhelm v. Heyd, ADB 3 (1876) S. 567 f. – Joachim Leuschner, NDB 3 (1957) S. 32 f. – Karin Schneider, VL2 1 (1978) Sp. 1117 f. – Jan Prelog, LexMA 2 (1983) Sp. 953. – AnnaDorothea v. den Brincken: B. v. Barby. In: LThK3 2 (1994) Sp. 798. – Titus Tobler: Bibliographia geo¨ graphica Palaestinae. Krit. Ubersicht gedr. und ungedr. Beschreibungen der Reisen ins Heilige Land. Leipzig 1867 (Nachdr. Amsterdam 1964. Mansfield, CT 1998, Charleston, SC 2009) S. 27–30. – Reinhold R¨ohricht/Heinrich Meisner: Dt. Pilgerreisen nach dem Heiligen Lande. Berlin 1880, S. 560. – Reinhold R¨ohricht: Bibliotheca geographica Palaestinae. Chronologisches Verz. der v. 333 bis 1878 verfaßten Lit. u¨ ber das Heilige Land. Berlin 1890. Verb. und verm. Neuausg. mit einem Vorw. v. David H. K. Amiran. Jerusalem 1963 (Nachdr. London 1989) S. 60 (Nr. 1283). – Ernst Rotermund: Das Jerusalem des Burchard vom Berge Sion. In: Zs. des dt. Pal¨astina-Ver. 35 (1912) S. 1–27, 57–85. – Repertorium fontium historiae 283

Bruder Hermann I medii aevi. Bd. 2 (1967) S. 609. – Thomas Kaeppeli: Scriptores ordinis praedicatorum medii aevi. Bd. 1. Rom 1970, S. 257–260. – Bernhard Jahn: Raumkonzepte in der fr¨uhen Neuzeit. Zur Konstruktion v. Wirklichkeit in Pilgerber., Amerikareisebeschreibungen und Prosaerz¨ahlungen (Mikrokosmos 34). Frankfurt/M. u. a. 1993, S. 87–92. – Anne Simon: Sigmund Feyerabend’s Das Reyßbuch deß heyligen Lands. A study in Printing and Literary History (Wissenslit. im MA 32). Wiesbaden 1998, S. 26 f. – Gritje Hartmann: Wilhelm Tzewers. Itinerarius terre sancte. Einleitung, Edition, Komm. ¨ und Ubersetzung (Abh. des Dt. Pal¨astinaver. 33). Wiesbaden 2004, S. 38–42. – Ingrid Baumg¨artner: Reiseberichte und Karten. In: In Spuren reisen. Vor-Bilder und Vor-Schr. in der Reiselit. (Reiselit. und Kulturanthropologie 6). Hg. v. Gisela Ecker/ Susanne R¨ohl. Berlin 2006, S. 89–124. – Stefan Schr¨oder: Zwischen Christentum und Islam. Kulturelle Grenzen in den sp¨atma. Pilgerber. des Felix Fabri (Orbis mediaevalis 11). Berlin 2009, S. 77 und Reg. VZ Bruder Hermann I. – Dominikaner aus der zweiten H¨alfte des 13. Jh.; vermutet wird Identit¨at mit Hermann von Veldenz (um 1250–1308). B. H. ist Verfasser der Reimpaarvita Yolandas von Vianden (1231–1283), die 1248 als Nonne in das Dominikanerinnenkloster eintrat und 1258 dessen Priorin wurde. Zentrum des Texts ist der Konflikt zwischen h¨ofischem Leben, repr¨asentiert durch Yolandas Mutter Margarete von Courtenay und ihren Br¨autigam Walram II. von Monschau und Arrancy, und der geistlichen Sph¨are, f¨ur die Yolandas Beichtvater Walther von Meisenburg, aber auch ihr leiblicher Vater Heinrich von Vianden stehen. Auff¨allig ist die starke Pr¨agung der Narration durch Redeszenen. Eine von B. H. mutmaßlich verfasste dt. ¨ Ubersetzung der Dominikanerregel ist nicht erhalten. ¨ Uberlieferung: Luxemburg, Bibl. Nationale, Ms. 860, fr¨uher Ansemburg (Luxemburg), Arch. der Grafen von Ansemburg, o. S. (Perg., zwischen 1320 und 1330, moselfr¨ankisch). War die ‹Yolanda›Vita lange Zeit nur in einer 1655 angefertigten Abschrift des Jesuiten Alexander von Wiltheim erhalten, wurde 1932 die Existenz des Ansemburger Codex bekannt, der 1999 wieder aufgefunden wurde. Ausgaben: John Meier: B. H.s Leben der Gr¨afin Yolande v. Vianden. Breslau 1889. – Franz Pfeif¨ fer: Altdt. Ubungsbuch. Wien 1866, S. 103–113 284

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Weriand von Saldenhofen (Teilausg.). – Pierre Gr´egoire: Das ‹Yolanda›-Epos. B. H.s Dichtung im Urtext mit einer metrischen ¨ Ubers. und einer hist.-literarhist. Einf. Luxemburg 1979. – Richard H. Lawson (Hg.): Brother Hermann’s Life of the Countess of Yolanda of Vianden. Columbia 1995. – B. H.: Yolanda v. Vianden. Mo¨ selfr¨ankischer Text aus dem sp¨aten 13. Jh. Ubers. und komm. v. Gerald Newton und Franz L¨osel (Beitr. zur Luxemburger Sprach- und Volkskunde 21; Language and Culture in Medieval Luxembourg 1). Luxemburg 1999. – Claudine Moulin (Hg.): B. H. v. Veldenz, Leben der Gr¨afin Yolanda v. Vianden. Textgetreue Edition des Cod. Mariendalensis (Bibl. Nationale, Luxembourg, Ms. 860). Luxemburg 2009. Literatur: Ehrismann2 2.2.2 (1935) S. 406. – De Boor/Newald 3/1 (51997) S. 465 f. – Wolfgang Jungandreas, VL2 3 (1981) Sp. 1049–1051. – Franz Josef Worstbrock, VL2 11 (2004) Sp. 647 f. – J¨urgen Wolf, Killy2 5 (2009) S. 320. – Johannes Franck: Zu B. H.s Jolande. In: ZfdA 35 (1891) S. 379–388. – Albert Steffen: Zum Aufenthalt des hl. Albertus Magnus auf der Viander Grafenburg Schoenecken. In: Ons H´emecht 38/I (1932) S. 1–11. – Camille Wampach (Hg.): Urkunden- und Quellenbuch zur Gesch. der altluxemburgischen Territorien bis zur burgundischen Zeit. Bd. 2. Luxemburg 1939, S. 438–440 (Nr. 403) und S. 538–541 (Nr. 485). – Albert Leitzmann: Zu B. H.s ‹Iolande›. In: ZfdPh 66 (1941) S. 129–131. – Burghart Wachinger: S¨angerkrieg (MTU 42). M¨unchen 1973, S. 243–245. – Ulrich Wyss: Theorie der mhd. Legendenepik (Erlanger Stud. 1). Erlangen 1973, S. 257–280. – Joachim Heinzle: Wandlungen und Neuans¨atze im 13. Jh. (1220/30–1280/90) (Gesch. der dt. Lit. v. den Anf¨angen bis zum Beginn der Neuzeit 2,2). K¨onigstein/Ts. 1984, S. 165 f. – Dominique du Fays: La Maison des Vianden. Des Origines a` 1337. L¨uttich 1987. – Richard H. Lawson: Count Henry of Vianden and His Daughter Yolanda. In: Semper idem et novus. FS Frank Banta. Hg. v. Francis G. Gentry (GAG 481). G¨oppingen 1988, S. 255–266. – Richard H. Lawson: Countess Yolanda of Vianden. A Reconsideration. In: Women as Protagonists and Poets in the German Middle Ages. Hg. v. Albrecht Classen (GAG 528). G¨oppingen 1991, S. 105–115. – Angela MielkeVandenhouten: Grafentochter – Gottesbraut. Konflikte zwischen Familie und Fr¨ommigkeit in B. H.s ‹Leben der Gr¨afin Yolande v. Vianden› (Forschungen zur Gesch. der a¨lteren dt. Lit. 21). Mu¨ nchen 285

2. H¨alfte 13. Jh. 1998. – Catherine Hollerich: Fiktion und Realit¨at in B. H.s ‹Iolande v. Vianden›. In: H´emecht 51 (1999) S. 5–71. – Mich`ele Backes: Yolanda v. Vianden und die religi¨ose Frauenbewegung ihrer Zeit (Beitr. zur luxemburgischen Sprach- und Volkskunde 30). Luxemburg 2000. – Guy Berg: Der Cod. Mariendalensis. Zur Wiederauffindung, Erschließung und Edition einer hochma. Hs. aus dem Raume Luxemburg. In: Bulletin Linguistique et Ethnologique 30 (2000) S. 7–26. – JeanClaude Hollerich: Religion und Spiritualit¨at im Yolandaroman. In: ebd., S. 52–54. – Claudine Moulin-Fankh¨anel: B. H.s ‹Yolanda v. Vianden›. Zur Erschließung und textgetreuen Edition des neuaufgefundenen Cod. Mariendalensis. In: ebd., S. 39–45. – W. G¨unther Rohr: Die literaturwissenschaftliche Bearb. des Yolanda-Epos. In: ebd., S. 35–38. – Ruth Christmann: Unters. zur Sprachgesch. Luxemburgs: B. H.s ‹Yolanda v. Vianden›. In: ‹Man mohte schrˆıven wal ein buch›. Ergebnisse des Yolanda-Kolloquiums 26.–27. November, Luxemburg, Vianden und Ansemburg. Luxemburg 2001, S. 26–38. – Kurt G¨artner: B. H.s ‹Leben der ¨ Gr¨afin Yolanda v. Vianden›: Uberl. und Edition. In: ebd., S. 39–51. – Andrea Rapp/Ruth Rosenberger: Margarethe und Yolanda v. Vianden. Fromme Frauen zwischen Herrschaftspflicht und Armutsideal. Eine dominikanische Erfolgsgesch. des 13. Jh. In: Portr¨at einer europ¨aischen Kernregion. Der Rhein-Maas-Raum in hist. Lebensbildern. Hg. v. Franz Irsigler/Gisela Minn. Trier 2005, S. 92–100. – Maryvonne Hagby: Die Dialoge im ‹Leben der Yolanda v. Vianden›: inhaltliche, funk¨ tionale und gattungsgeschichtliche Uberlegungen. In: Formen und Funktionen v. Redeszenen in der mhd. Großepik. Hg. v. Franz Hundsnurscher/Nine Miedema (Beitr. zur Dialogforschung 36). Tu¨ bingen 2007, 73–87. NR Weriand von Saldenhofen OSB, † 24.6. 1314 (?). – Abt, Verfasser annalistischer Notizen. Nach der Priesterweihe 1282 war W. vermutlich zu¨achst Pfarrer im Scharfenberg (Krain, beim heutigen Radece, Slowenien) und 1286–1306 in Saldenhofen (Steiermark, heute Vuzenica, Slowenien), danach h¨ochstwahrscheinlich Abt des Benediktinerstifts St. Paul. Ein Abt W. ist dort von 1311 bis zu dessen Tod 1314 nachgewiesen. W. besaß eine Hs. des Liber derivationum des Huguccio von Pisa aus Padua – vielleicht von einer eigenen Studienreise –, in die er eigene Notate eintrug: lat. 286

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2. H¨alfte 13. Jh. Beda- und Augustinus-Zitate, einige dt. Verse aus ¨ → Freidanks Bescheidenheit mit freier lat. Ubersetzung sowie autobiographische und lokalhistorisch gepr¨agte Aufzeichnungen zum Zeitgeschehen der Jahre 1192–1287 im annalistischen Stil. ¨ Uberlieferung: London, British Library, Add. Ms. MS. 18.380 (aus St. Paul im Lavanttal), 4v, 122r–123v. Ausgaben: Robert Priebsch: Dt. Hss. in England. Bd. 2. Erlangen 1901, S. 157 (Abdruck Freidank-V.). – Erich Z¨ollner: Die Annalen des Pfarrers W. v. S. In: Carinthia. Mitt. des Geschichtsvereins f¨ur K¨arnten 1/147 (1957) S. 296–305, hier S. 303–305 (bearb. in: Ders.: Probleme und Aufgaben der o¨ sterr. Geschichtsforschung. Ausgew¨ahlte Aufs¨atze. Hg. v. Heide Dienst/Gernot Heiss. M¨unchen 1984, S. 282–292, hier S. 290–292) (Annalen). Literatur: Winfried Stelzer, VL2 10 (1999) Sp. 889 f. – Z¨ollner 1954 und 1984 (s. Ausg.). – Alphons Lhotsky: Quellenkunde zur ma. Gesch. ¨ ¨ 19). Graz/K¨oln 1963, 201 f. Osterreichs (MIOG VZ Colmarer Dominikanerchronist, * 1221, um 1305 oder 1296/98. – (Mit-)Verfasser der Basler und Colmarer Dominikanerquellen. Laut Selbstzeugnissen innerhalb seiner Chroniken trat der C. D. 1238 in den Predigerorden ein, lebte seit etwa 1260 in Basel und seit 1278 im neu gegr¨undeten Kloster in Colmar. Ob der u¨ berlieferte lat. historiographische Werkkomplex auf ihn allein oder noch auf einen zweiten Autor zur¨uckgeht, ist strittig. Der C. D. k¨onnte f¨ur die Aufzeichnungen bis um 1296/98 verantwortlich sein und der restliche Text bis 1305 von einem anonymen Fortsetzer stammen. Eine Identifikation des/der Verfasser(s) mit → Rudolf von Schlettstadt wird diskutiert, kann indes nicht verifiziert werden. Die origin¨are Struktur der Chronik ist ebenfalls nicht mit letzter Sicherheit zu rekonstruieren, ¨ denn die schlechte Uberlieferungslage (erst ab dem 16. Jh.) erlaubt kein klares Werkbild. Die etablierte Bezeichnung Basler und Colmarer Dominikanerquellen tr¨agt diesem Umstand Rechnung. Die Ausgabe von Jaff´e gliedert den Text nach der Stuttgarter Handschrift (die eine umarbeitende Abschrift des Colmarer Originals sein k¨onnte) in: Kurzannalen (Annales Colmarienses minores, 1211–98, abgefasst um 1298), zwei große Annalen (Annales Basileenses und Annales Colmarienses maiores, 1266 synchron zun¨achst in Basel und seit 1278 287

Colmarer Dominikanerchronist in Colmar gef¨uhrt), nichtannalistische Texte um 1300 (aufgeteilt in Els¨assische Zust¨ande Anfang des 13. Jh. und zwei topographische Beschreibungen des Elsass und Deutschlands) und das Hauptwerk des Komplexes und der Colmarer Dominikanergeschichtsschreibung u¨ berhaupt, das Chronicon Colmariense f¨ur 1242–1304 (Abfassungsbeginn in den 90er Jahren des 13. Jh.). Das Chronicon (auch als Kolmarer Chronik bezeichnet und nicht identisch mit der → Colmarer Chronik aus dem fr¨uhen 15. Jh.) behandelt die Geschichte Rudolfs I. und Albrechts von Habsburg sowie Adolfs von Nassau bis 1304 und wurde angestoßen durch die enge Verbindung Rudolfs zum Colmarer Konvent. Die Basler und Colmarer Quellen sind die a¨ ltesten Zeugnisse dominikanischen Schrifttums zur politischen Zeitgeschichte auf dt. Boden und geh¨oren zu den wichtigsten historischen Quellen aus der 2. H¨alfte des 13. Jh. Auch stehen sie exemplarisch f¨ur eine neben der konventionellen Historiographie der Weltchronistik und der Reichsgeschichten sich entwickelnde Form der Geschichtsschreibung, die auch lokale Ereignisse und Alltagsgeschichte ber¨ucksichtigt. Entsprechend fußen die Informationen des Autors haupts¨achlich auf eigener Kenntnis oder m¨undlicher Mitteilung. Zahlreiche Einzelbeobachtungen der ihn umgebenden Lebensrealit¨at begr¨unden den kulturgeschichtlichen Wert seiner Chroniken. Dabei breitet er scheinbar Peripheres aus und handelt mitunter u¨ berregional bedeutende Ereignisse nur stichwortartig ab. Zudem besitzt er Interesse an Naturph¨anomenen, Geographie und zeitgen¨ossischer Dichtkunst, wobei ein enthaltener Dichterkatalog auch deutschsprachige Autorten verzeichnet (→ Konrad von W¨urzburg, → Freidank, → Heinrich von Basel). Die Chroniken wurden vor 1314 redaktionell u¨ berarbeitet (von Schlettstadt [?]) und bis 1308 fortgef¨uhrt. Die Colmarer Quellen wurden im 14.Jh. von → Ottokar von Steiermark und → Matthias von Neuenburg rezipiert, gingen in die → K¨onigsfeldener Chronik ein, fanden Verwendung in der um 1403 verfassten Colmarer Chronik und wurden im 15. Jh. auch von Johannes → Meyer benutzt. ¨ Uberlieferung: Colmarer Originalshss. sind seit dem 18. Jh. verloren; Abschr.: Stuttgart LB, Cod. Hist. 4° 145, 140 Bll. (Pap., um 1540). – Colmar, StB, MS. 248, 183v–188r (Pap., um 1462/63; Auszug). – Stuttgart, LB, Cod. Donaueschingen 704, 288

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Ellenhard 174r–193v (Pap., um 1545; Teilabschrift der redigierten Fassung). – Fragm.: Zu¨ rich, Staatsarch., B X 62, S. 136 f., 141–144, 148–154 (Pap., um 1540). – Basel, UB, Cod. A X 130, 39rv (Pap., zweite H¨alfte 14. Jh.). Ausgaben (Auswahl): Christian Wurstisen: Gemaniae historicorum illustrium. Bd. 2. Frankfurt/M. 1585, S. 5–62 (Erstdr.). – Philipp Jaff´e: Annales Colmarienses, Annales Basileenses, Chronicon Colmariense. In MGH SS 17 (1861) S. 183–270. – Kleinschmidt 1972 (s. Lit.) S. 439–496 (Ausg. Donaueschingen und Fragm.). ¨ Ubersetzung: Hermann Pabst: Annalen und Chron. von Kolmar. Nach der Ausg. der MGH (Die Geschichtsschreiber der dt. Vorzeit 13. Jh. 7). Berlin 1867. 21897, bearb. v. Wilhelm Wattenbach. 3 Leipzig 1940. Literatur: Erich Kleinschmidt, VL2 1 (1978) Sp. 1295. – Clemens Joos, Encyclopedia of the Medieval Chronicle 1 (2010) S. 318 f. (Chronicon Colmariense). – Kurt K¨oster: Die Geschichtsschreibung der Kolmarer Dominikaner des 13. Jh. In: Schicksalswege am Oberrhein. Beitr. zur Kulturund Geistesgesch., zur Wirtschafts- und Staatenkunde (Elsaß-lothringisches Jb. 22). Hg. v. Paul Wentzcke. Heidelberg 1952, S. 1–100. – E. Kleinschmidt: Die Colmarer Dominikanergeschichtsschreibung im 13. und 14. Jh. In: DA 28 (1972) S. 371–496. – Ders.: Herrscherdarstellung. Zur Dispostion ma. Aussageverhaltens, untersucht an Texten u¨ ber Rudolf I. v. Habsburg (Bibliotheca Germanica 17). Bern u. a. 1974, S. 127–133. – Repertorium fontium historiae medii aevi 3 (1970) S. 314. – Annette Kehnel: Rudolf v. Habsburg im Geschichtswerk der Colmarer Dominikaner: In: Studia monastica. Beitr. zum kl¨osterlichen Leben im christlichen Abendland w¨ahrend des MA. FS Gert Melville. Hg. v. Reinhardt Butz/Jo¨ rg Oberste (Vita regularis 22). Mu¨ nster 2004, S. 211–234, passim. VZ Ellenhard (E. von Straßburg, E. der Große, Ellenhardus Argentinensis), * um 1240 Straßburg, † 13. oder 17.5.1304 Straßburg. – Armenpfleger, Auftraggeber einer lat. Chroniksammlung. E. stammte aus einer wohlhabenden Familie von Ministerialen. Als junger Mann nahm er 1262 an der gegen Bischof Walter von Gerolseck gef¨uhrten Schlacht bei Hausbergen (heute Oberhausbergen) teil. Wahrscheinlich im Rang eines Hauptmanns, k¨ampfte E. dort auf der Seite der Straßburger 289

2. H¨alfte 13. Jh. Truppen. Seit 1284 betreute E. als einer von zwei st¨adtischen Pflegern das Stiftungsverm¨ogen f¨ur den Bau des Straßburger Mu¨ nsters. 1292 wurde er auch Pfleger des M¨unster-Pfr¨undnerhauses, das f¨ur Hausarme zust¨andig war. Daneben war E. ein großz¨ugiger Spender f¨ur karitative und kirchliche Zwecke. Von Bedeutung f¨ur die dt. Chronistik ist eine von E. in Auftrag gegebene und noch heute erhaltene Handschrift, der sog. E.-Codex. Die Zusammenstellung des lat. Werks erfolgte 1290–99 unter Beteiligung → Gottfrieds von Ensmingen. Weitere Beitr¨ager sind wahrscheinlich, aber nicht namentlich nachzuweisen. Der Codex enth¨alt neben Chroniken und Annalen auch Kataloge von Monarchen und P¨apsten. Die Texte sind teils f¨ur die Handschrift verfasst, teils redigiert aus a¨ lteren Quellen u¨ bernommen worden. Der Inhalt des E.-Codex besteht aus der Imago mundi des → Honorius Augustodunensis (1r–29r), einem Katalog der P¨apste (29r–30r), der Vorrede zu De luminaribus ecclesiae von Honorius Augustodunensis (30r), einem Provinciale Romanum (30r–36r), Annales priores (36r–36v), De impressionibus aeris von → Albertus Magnus (37r–47v) und Annales Argentinenses fratrum Praedicatorum (48r–49v). Darauf folgt das sog. Ellenhardi Chronicon (50r–73v), das neben einem Kaiserkatalog und den Gesta Rudolfi des Gottfried von Ensmingen auch die Gesta Alberti regis (67r–73v) enth¨alt, die vielleicht von E. selbst verfasst wurden. Hinzu kommen ein Bellum Waltherianum (74r–81r), die Miracula S. Mariae Argentinensia des Gottfried von Ensmingen (94r–97v) und ein Catalogus episcoporum Argentinensium usque ad a. 1299 (98r–98v). Bei den Texten Provinciale Romanum (82r–93r) und Annales hospitalis Argentinensis (eingeklebtes Blatt) handelt es sich um sp¨atere Erg¨anzungen der Handschrift, die nach E.s Tod erfolgten. Der E.-Codex gilt heute als eines der fr¨uhesten dt. Beispiele dezidiert b¨urgerlicher Geschichtsschreibung. Die Geschichte der Stadt wird hier selbstbewusst in den Kontext der gr¨oßeren Weltgeschichte und des Reichs eingebettet – den Habsburgern zugewandt, doch distanziert gegen¨uber den Machtanspr¨uchen der Bisch¨ofe. Politisch und inhaltlich war der Codex Vorbild der weiteren Straßburger Chronistik. So diente er als Quelle f¨ur die dt. Chroniken von Jakob → Twinger von K¨onigshofen, Fritsche → Closener und Jakob Wimpfeling. Diesen kommt das Verdienst zu, die 290

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2. H¨alfte 13. Jh. lat. Originaltexte in die deutschsprachige Historiographie eingef¨uhrt zu haben. ¨ Uberlieferung: St. Paul im Lavanttal, Arch. des Benediktinerstifts, cod. 37/1 (fr¨uher 25. 4. 15) (Perg., Straßburg, sp¨ates 13. Jh.). Ausgaben: Ellenhardi Argentinensis Annales et Chronica. Hg. v. Philipp Jaff´e. In: MGH SS 17. Hannover 1861, S. 91–141 (Gesamtausg.). – Zus¨atzliche lat. Ausg. und Teilausg. bei Mertens 1980 (s. Lit.) Sp. 502. Literatur: [Carl] Hegel, ADB 6 (1877) S. 48 f. – Dieter Mertens, VL2 2 (1980) Sp. 501–503; 11 (2004) Sp. 404. – Karl Schnith: E. der Große. In: LexMA 3 (1986) Sp. 1847 f. – De Boor/Newald 3/2 (1987) S. 433 f. – Norbert H. Ott/Red., Killy2 3 (2008) S. 258 f. – Hermann Reincke-Bloch: Die els¨assischen Annalen der Stauferzeit (Regesten der Bisch¨ofe v. Straßburg 1,1). Innsbruck 1908, S. 146–169. – Hans Kunze: Die K¨onigsbilder im Straßburger Mu¨ nster. Nebst einem Abriß der Baugesch. des M¨unsters bis zum Tode Erwins. In: Zs. f¨ur die Gesch. des Oberrheins 66, NF 27 (1912) S. 612–639. – Heinrich Schmidt: Die dt. St¨adtechron. als Spiegel des b¨urgerlichen Selbstverst¨andnisses im Sp¨atMA (Schriftenreihe der Hist. Kommission bei der Bayerischen Akad. der Wiss. 3). G¨ottingen 1958, S. 138–140. – Helga Mosbacher: Kammerhandwerk, Ministerialit¨at und B¨urgertum in Straßburg. Stud. zur Zusammensetzung und Entwicklung des Patriziats im 13. Jh. In: Zs. f¨ur die Gesch. des Oberrheins 119 (1971) S. 33–173. – Erich Kleinschmidt: Herrscherdarstellung. Zur Disposition ma. Aussageverhaltens, untersucht an Texten u¨ ber Rudolf I. v. Habsburg. Bern/Mu¨ nchen 1974, S. 122–127. – Wilhelm Wattenbach/Franz-Josef Schmale: Deutschlands Geschichtsquellen im MA. Bd. 1: Vom Tod Kaiser Heinrichs V. bis zum Ende des Interregnums. Darmstadt 1976, S. 340–344. – D. Mertens: Der Straßburger E.-Codex in St. Paul im Lavanthal. In: Geschichtsschreibung und Geschichtsbewußtsein im sp¨aten MA. Hg. v. Hans Patze. Sigmaringen 1987, S. 543–580. – Alois Schmid: Die ‹Fundationes monasteriorum Bavariae›. Entstehung, Verbreitung, Quellenwert, Funktion. In: ebd., S. 581–646. – Norbert Warken: Ma. Geschichtsschreibung in Straßburg. Stud. zu ihrer Funktion und Rezeption bis zur fr¨uhen Neuzeit. Diss. Saarbr¨ucken 1995, S. 62–80. – Johannes Grabmayer: Zwischen Diesseits und Jenseits. Oberrheinische Chron. als Quellen zur Kulturgesch. des 291

Gottfried von Ensmingen sp¨aten MA. K¨oln u. a. 1999, S. 20–23 u. o¨ . – Yuko Egawa: Stadtherrschaft und Gemeinde in Straßburg vom Beginn des 13. Jh. bis zum Schwarzen Tod (1349) (Trierer hist. Forschungen 62). Trier 2007, S. 95–127. MM Gottfried von Ensmingen (Godefridus Argentinensis). – Straßburger lat. Historiograph, sp¨ates 13. Jh. G. ist ausschließlich in der Handschrift der historischen Quellensammlung des Straßburger B¨urgers → Ellenhard, zu deren Beitr¨agern er selbst geh¨orte, bezeugt. Dort wird G. an vier Stellen, datierbar auf 1290/91, als «redactor» und «compilator» genannt. Er stammte aus Insmingen (Lothringen) und stand wohl im Dienst des Straßburger Bischofs Gottfried von Lichtenberg, denn im Codex wird er ferner als «notarius curie Argentinensis» bezeichnet. Im Auftrag Ellenhards u¨ berarbeitete G. die Miracula S. Mariae Argentinensia, eine nicht erhaltene Aufzeichnung der Straßburger Marienwunder von 1380. Ferner verfasste er f¨ur das Ellenhardi chronicon, mit dem die Straßburger Geschichtsschreibung einsetzt, die Darstellung der zeitgen¨ossischen K¨onigsgeschichte ab 1257. Die Regierungszeit Rudolfs von Habsburg ab 1273 ist mit dem Titel Gesta [...] Rudolfi Romanorum regis versehen, wobei der deutliche Schwerpunkt auf den Jahren 1285–90 liegt. 1291 erg¨anzte G. die Gesta mit einem Nachtrag zu Rudolfs Tod. Die thematische Konzentration auf Rudolf als «rex pacifucus» und die eindeutige habsburgisch-parteiliche Darstellung durch den Straßburger bisch¨oflichen Notar ist Ausdruck der engen Verbindung von Stadt und Bistum zum habsburgischen K¨onigtum. Unter den Beitr¨agern des Chronicon ist G. der einzige namentlich genannte. Auch sprachlich-stilistisch ragen seine Beitr¨age deutlich wegen ihrer durchgehenden rhetorisch kunstfertigen Ausschm¨uckung hervor. Fritsche → Closener hat in seine 1362 ab¨ geschlossene Chronik eine k¨urzende dt. Ubersetzung integriert, welche die hohe Stilebene der Vorlage nivelliert. Nochmals verk¨urzt wurden die Gesta von Jakob → Twinger von K¨onigshofen, der ¨ Kloseners Ubersetzung f¨ur die seit 1382 erstellten Fassungen seiner dt. Chronik benutzte (in Kenntnis des lat. Originals). F¨ur die 1871 in Straßburg verbrannte lat. Chronik Twingers (um 1380/1420) wurde G.s Bearbeitung der Miracula verwandt, die aber in der dt. Chronik nicht ber¨ucksichtigt wurden. Schließlich hat Johannes Cuspinian 1520 die 292

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Peter von Straßburg Gesta f¨ur die Rudolf-Vita innerhalb seiner Caesares herangezogen. ¨ Uberlieferung: Ellenhard-Codex: St. Paul im Lavanttal, Stiftsbibl., Cod. 37/1 (vormals 25.4.15), 54v–67r (‹Gesta Rudolfi›), 94r–97v (‹Miracula›) (Perg., 1290, Straßburg). Ausgaben: Frantiˇsek Martin Pelcl: Chronicon quo res gestae Rudolphi Habsburgici et Alberti Austriaci Regum Romanorum egregie illustrantur. Prag 1777. – Adam Walther Strobel: Godefridi ab Ensningen relatio de conflictu in Husbergen. Straßburg 1841. – Johann Friedrich B¨ohmer: Gotfridi de Ensmingen Gesta Rudolfi et Alberti. In: Fontes rerum germanicarum. Bd. 2. Stuttgart 1845, S. 111–146. – Ders.: Gotfridus de Ensmingen de conflictu ap. Husbergen. In: ebd. Bd. 3. Ebd. 1853, S. 120–136. – Philipp Jaff´e in: MGH SS 17, S. 114–116 (‹Miracula›), 122–134 (‹Gesta Rudolfi›). Literatur: Carl Hegel, ADB 9 (1879) S. 481. – Dieter Mertens, VL2 3 (1981) Sp. 123–125; 11 (2004) Sp. 549. – Ders., MarLex 2 (1989) S. 693. – Eduard Tempeltey: De Godofredo ab E. ejusque quae feruntur operibus historicis. Leipzig 1861. – Arthur Benoit: Recherche sur le lieu de naissance du Chroniqueur Godefroi d’E. In: Revue d’Alsace N.S. 1 (1870) S. 204–214. – Carl Hegel (Hg.): Chron.dt. St. 8 (Edition Klosener und Twinger) allg. Einleitung S. 56–58 und S. 9, 40–56, 164, 447–452. – Ottokar Lorenz: Deutschlands Geschichtsquellen im MA seit der Mitte des dreizehnten Jh. Bd. 1. Berlin 31886, S. 29–32. – Hans Ankwicz-Kleehoven: Der Wiener Humanist Johannes Cuspinian. Gelehrter und Diplomat zur Zeit Kaiser Maximilians I. Graz u. a. 1959, S. 318 f. – Erich Kleinschmidt: Herrscherdarstellung. Zur Disposition ma. Aussageverhaltens, untersucht an Texten u¨ ber Rudolf I. v. Habsburg (Bibliotheca Germanica 17). Bern u. a. 1974, Reg. – Wilhelm Wattenbach/Franz-Josef Schmale: Deutschlands Geschichtsquellen im MA. Vom Tode Kaiser Heinrichs V. bis zum Ende des Interregnum. Bd. 1. Darmstadt 1976, S. 343 f. – D. Mertens: Der Straßburger Ellenhard-Codex in St. Paul im Lavanttal. In: Geschichtsschreibung und Geschichtsbewußtsein im sp¨aten MA (Konstanzer Arbeitskreis f¨ur Ma. Gesch. Vortr¨age und Forschungen 31). Sigmaringen 1987, S. 543–580, hier S. 557–559. – Gabriela Signori: Hagiographie, Architektur und Pilgerwesen im Spannungsfeld st¨adtischen Legitimations- und Integrationsstrebens. G. v. E.s Straßburger Wunderbuch der 293

2. H¨alfte 13. Jh. ‹heiligen Maria›. In: Zs. f¨ur hist. Forschung 17 (1990) S. 257–279. – Gerald Gropper: Die Doppelwahlen von 1198 und 1257 im Spiegel der Historiographie (Politik im MA 11). Neuried 2002, S. 232 f. VZ Peter von Straßburg (der Karmeliter) (Petrus Argentoratensis, Petrus Argentinensis) OCarm. – Chronist. P. gilt als m¨oglicher Verfasser des Bellum Waltherianum (1291). Das lat. Werk ist im EllenhardCodex anonym u¨ berliefert. Gegenstand sind die politisch wie milit¨arisch gef¨uhrten Auseinandersetzungen zwischen dem Straßburger Bischof Walter von Geroldseck und der B¨urgerschaft Straßburgs in den Jahren 1260 bis 1263. Eine besondere Rolle spielt in der Darstellung die Schlacht bei Hausbergen vom M¨arz 1862, in der Walter entscheidend geschlagen wurde. Der Verfasser des Bellum Waltherianum gibt im Text an, Berichte von Augenzeugen als Quellen benutzt zu haben, darunter Ellenhard. Im Auftrag des Jakob → Twinger von K¨onigshofen schuf Fritsche → Closener im 14. Jh. eine dt. Fassung des Bellum Waltherianum. Diese ging in Closeners Straßburger Chronik (1362) ein und wurde dann wiederum von Twinger in seinen lat. und dt. Chroniken aufgegriffen. Weder Closener noch Twinger erw¨ahnen jedoch P. als Verfasser des Bellum Waltherianum. Diese Zuschreibung erfolgte erst duch Casparus Bruschius in dessen Magni operis de omnibus Germaniae episcopatibus epitome (1549) und wurde danach im 18. Jh. wieder aufgegriffen. Allerdings sprechen auch Gr¨unde gegen die Autorschaft eines Straßburger Karmeliters. So ist der dortige Konvent erst seit 1316 nachweisbar, w¨ahrend der Text bereits 1291 entstand. P.s Verfasserschaft bleibt somit unbewiesen. ¨ Uberlieferung: Original: St. Paul im Lavanttal, Benediktinerstift, Archivhs. 37/1 (fr¨uher 25.4.15), 74r–81r (Perg., Straßburg, 1290–99). – Closeners ¨ dt. Ubers.: Paris, Bibl. Nationale, Ms. allem. 91. Ausgabe: Bellum Waltherianum a. 1260–1263. Hg. v. Philipp Jaff´e. In: MGH SS 17. Hannover 1861 (Nachdr. ebd. 1963) S. 105–114. – Fu¨ r die sp¨atere dt. Bearbeitung vgl. Fritsche Closener: Straßburgische Chronik. Hg. v. Adam Walther Strobel/Albert Schott. Stuttgart 1842, S. 57–72. Literatur: Dieter Mertens, VL2 7 (1989) Sp. 455 f. – M´edard Barth: Hdb. der els¨assischen Kirchen im MA. Straßburg 1960 [erschienen 1963], Sp. 1414 f. – Wilhelm Wattenbach/Franz-Josef 294

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2. H¨alfte 13. Jh. Schmale: Deutschlands Geschichtsquellen im MA 1: Vom Tod Kaiser Heinrichs V. bis zum Ende des Interregnums. Darmstadt 1976, S. 343. – Klaus Kirchert: St¨adtische Geschichtsschreibung und Schullit. Rezeptionsgesch. Stud. zum Werk v. Fritsche Closener und Jakob Twinger v. K¨onigshofen. Wiesbaden 1993, S. 26–32. – Yuko Egawa: Stadtherrschaft und Gemeinde in Straßburg vom Beginn des 13. Jh. bis zum Schwarzen Tod (1349). Trier 2007, S. 95–127. MM Braunschweigische Reimchronik. – Letztes Viertel des 13. Jh. Die anonym u¨ berlieferte BrRC erz¨ahlt in 9339 Versen die Geschichte des s¨achsischen Herrscherhauses vom s¨achsischen Aufst¨andischen Widukind, u¨ ber das Geschlecht der Brunonen, der Gr¨undung der Stadt Braunschweig, der Herrschaft der Welfen – insbesondere Heinrichs des L¨owen (um 1129/1130 oder 1133/35 – 1195) – bis zu Herzog Albrecht I. (1236–1279) und einer rhetorisch aufwendigen Totenklage auf ihn. Dabei werden die Schilderung der Taten Albrechts, die Darstellung der Stadt Braunschweig, reichspolitische Zusammenh¨ange sowie die Zeit des staufisch-welfischen Thronstreits (1198–1209) und die damit verbundene Geschichte des Herrscherhauses als Legitimierung der Macht und die Errichtung des Herzogtums Braunschweig L¨uneburg 1235 als «folgerichtiges Ergebnis eines historischen Prozesses» besonders fokussiert (Patze 1986). Die Betonung des Kirchenbaus, das Lob der Stadt Braunschweig und ihre besondere Verehrung des Heiligen Auctor legen nahe, dass der Verfasser vermutlich in den klerikalen Kreisen um die Herz¨oge von Braunschweig-L¨uneburg zu suchen ist. Zudem ist der Text keine strenge Aneinanderreihung historischer Fakten, sondern der Autor versuchte, entlang der F¨urstenviten Bez¨uge zur h¨ofischen Dichtung herzustellen (Parzival, v. 8949 ff.) Die Kapitel entsprechen einer genealogischen Anordnung, die die dynastische Struktur des Stammbaumes aufweisen. Daneben bezeugen reichliche Quellenverweise (auf die → S¨achsische Weltchronik, das Chronicon pontificum et imperatorum → Martins von Troppau, die Chronik → Eberhards von Gandersheim, die Annalen Gerhards von Stederburg, die Chronica minor des Braunschweiger ¨ Agidienklosters) auf umfassende Kenntnisse des Verfassers der zeitgen¨ossischen Historiographie. ¨ Uberlieferung: Hamburg, SUB, Cod. 18 in scrin. [fr¨uher Cod. germ. 18a]. – Wolfenb¨uttel, 295

Braunschweigische Reimchronik HAB, Cod. 81.14 Aug. 2° (enth¨alt die Umarbeitung des Textes ins Niederdeutsche). Ausgabe: Justin G¨obler: Chronica der Kriegsh¨andel, des Allergroßmechtigsten, vn¨uberwindtlichsten, Hochl¨oblichsten Rh¨omischen Teutschen Keysers [...] Herrn Maximiliani, des Namens der Erst [...], gegen die Venediger vnd Franzosen, [et]c. zu rettung jhrer Keyserlichen Maiestat Osterreichischen Erblanden in K¨arnten, Steyer, Crain, Tyroll, vnd anderer [...] Durch weylandt den Durchleichtigen [...] Herrn Erichen, Hertzog zu Braunschweigk vnnd L¨uneburg [...9 gef¨urt, vnd verhandelt [...] Franckfort am Meyn 1566. – Gottfried Wilhelm Leibniz (Hg.): [Braunschweigische Reimchronik]. In: Ders.: Scriptores rerum Brunsvicensium. Bd. 3. Hannover 1711, S. 1–147. – Karl Friedrich Arend Scheller: De Kronika fan Sassen. Brunswyk 1826. – Ludwig Weiland (Hg.): S¨achs. Weltchron. Eberhards Reimchron. von Gandersheim. Braunschweigische Reimchron. Chron. des Stiftes S. Simon und Judas zu Goslar. Holsteinische Reimchron. In: MGH Dt. Chroniken Bd. 2. Hannover 1877 (Neudr. 1971) S. 430–585. Literatur: Thomas Sandfuchs, VL2 1 (1978) Sp. 1007–1010; 11 (2004) Sp. 282. – Norbert H. Ott/Hans-Joachim Behr, Killy2 2 (2008) S. 146. – Johann Martin Lappenberg: Die alte Reimchron. der Herzoge von Braunschweig. In: Arch. der Ges. f¨ur a¨ ltere dt. Geschichtskunde 6 (1838) S. 390–403. – Karl Kohlmann: Die BrRC auf ihre Quellen gepr¨uft. Kiel 1876. – Rudolf K¨onig: Stilistische Unters. zur BrRC. Halle/Saale 1911. – Wilfried Herderhorst: Die BrRC als ritterlich-h¨ofische Geschichtsdichtung. In: Nieders¨achsisches Jb. f¨ur Landesgesch. 37 (1965) S. 1–34. – Hans Patze/KarlHeinz Ahrens: Die Begr¨undung des Herzogtums Braunschweig im Jahre 1235 und die BrRC. In: Bll. f¨ur dt. Landesgesch. 122 (1986) S. 67–90. – Stefanie H¨olscher: BrRC. Ein Ausdruck welfischer Machtlegitimation. In: JOWG 10 (1998) S. 181–190. GM

Livl¨andische Reimchronik. – Ostmitteldt. Ordenschronik. Die L. R., die nicht mit der j¨ungeren L. R. des Bartholom¨aus → H¨oneke zu verwechseln ist, entstand wahrscheinlich bald nach 1290 im Umfeld des Dt. Ordens. Damit z¨ahlt sie zu den Grundsteinen der Deutschordens-Historiographie und zu den 296

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Livl¨andische Reimchronik fr¨uhesten livl¨andischen Dichtungen in dt. Sprache. Das Werk d¨urfte urspr¨unglich aus Ostmitteldeutschland stammen und wurde vielleicht von einem preußischen Mo¨ nch des Dt. Ordens verfasst. Die fr¨uher vorgenommene Zuschreibung an Ditleb von Alnpeke aus Reval ist falsch. Die L. R. beginnt mit dem livl¨andischen Bischof Meinhard, der 1196 starb. Der erste Hauptteil des Werks reicht bis zur Eingliederung des Schwertbr¨uderordens in den Dt. Orden 1237. Der zweite Teil endet mit der Unterwerfung der Semgaller im Jahr 1290. Der inhaltliche Schwerpunkt der L. R. liegt auf der Missionierung Livlands, die aus betont milit¨arischer Perspektive geschildert wird. Auch stehen die Handlungen des Dt. Ordens st¨arker im Vordergrund als Ereignisse der eigentlichen livl¨andischen Geschichte. Dementsprechend sind die Amtsperioden der Ordensmeister f¨ur die Gliederung des Texts entscheidend, nicht jene von Bisch¨ofen oder adeligen Herrschern, wie in anderen Chroniken u¨ blich. Die 12.015 Verse der L. R. sind in ostmitteldt. Paarreimen verfasst, weisen aber nd. Spuren auf. Die Reime selbst sind meist eher zweckm¨aßig als kunstvoll, h¨aufig auch unrein. Von Wolfram und der dt. Heldenepik beeinflusst, schwankt der Grundton der L. R. zwischen Epik und Dramatik. Der Stil des Werks gilt als zugleich formelhaft wie lebendig. Letzteres ist freilich durch die Vielzahl der geschilderten Ereignisse bedingt. Die L. R. erg¨anzt das Chronicon Livoniae des → Heinrich von Lettland. Sie vereint unterschiedliche Quellen, die neben Urkunden und Briefen auch a¨ltere Aufzeichnungen umfassten, darunter wahrscheinlich Deutschordensannalen f¨ur 1245–60 und Dorpater Annalen f¨ur 1260–79. Weiterhin d¨urften eigene Erlebnisse des Verfassers in das Werk eingeflossen sein. Die Rezeption der L. R. erfolgte zun¨achst unmittelbar im Orden, da sie als Tischlekt¨ure zum Vorlesen diente, a¨hnlich dem → V¨aterbuch, der → Hester und den → Makkab¨aern. Sp¨ater erlangte der Text große Verbreitung und wirkte u. a. auf → Peter von Dusburg, Hermann von Wartberg, Johannes Renner und die Hochmeisterchronik. Heute ist die L. R. nur noch als Abschrift erhalten; mehrere Handschriften sind verschollen oder verloren. Aus heutiger Sicht mag die L. R. nur bedingt als Quelle zur livl¨andischen Geschichte heranzuziehen sein, diente sie doch vor allem der propagandistischen Vermittlung von Zielen des Dt. Ordens (Missionierung, Expansion). Gerade dies macht den 297

2. H¨alfte 13. Jh. Text allerdings zu einem wichtigen Zeugnis der Ordensgeschichte. ¨ Uberlieferung: Riga, Bibl. der livl¨andischen Ritterschaft, ohne Signatur, 86 Bll. (Mitte 14. Jh., mitteldt., verschollen). – Heidelberg, UB, cpg 367, 192ra–265vb (Perg., um 1415, ostmitteldt.). – Alle genannten Hss. sind Abschriften. Weitere Hss. gelten als verloren. Ausgaben: Livl¨andische Reimchronik. Hg. v. Franz Pfeiffer. Stuttgart 1844. Nachdr. Amsterdam 1969. – Livl¨andische Reimchronik. Mit Anmerkungen, Namenverzeichniss und Glossar. Hg. v. Leo Meyer. Paderborn 1876. Nachdr. Hildesheim 1963 (bis heute beste Ausg.). – Liivimaa vanem riimkroonika. Hg. v. Urmas Eelm¨ae. Tallinn 2003. – Zahlr. weitere, meist u¨ berholte Ausg. und Teildr. bei Arnold 1985 (s. Lit.). ¨ Ubersetzungen: Die Livl¨andische Reimchronik. Hg. v. Eduard Meyer. Tallinn 1848. – The Rhyme Chronicle of Livonia. A Translation, with Introduction, of Major Parts of the Middle High German ‹Livl¨andische Reimchronik.› Hg. v. Ausma Mullen. Stanford 1974. – The Livonian Rhymed Chronicle. Hg. v. Jerry Christopher Smith. Bloomington 1977. Chicago 22001. – Atskanu Hronika. Hg. v. Valdis Bisenieks. Riga 1998. Literatur: Udo Arnold, VL2 5 (1985) Sp. 855–862. – Manfred Hellmann, LexMA 5 (1991) Sp. 2052. – De Boor/Newald 4/1 (21994) S. 156. – Christa Balzer/Wolfgang Achnitz, KLL3 10 (2009) Sp. 227. – L. Meyer: Ueber die L. R. (Ueberl. und Ausg.). In: Baltische Monatsschr. 21 (1872) S. 353–381. – Ders.: Zur L. R. In: ZfdPh 4 (1873) S. 407–444. – Paul Ecke: Die L. R. Diss. Greifswald 1910. – Werner Meyer: Stilistische Unters. zur L. R. Diss. Greifswald 1912. – Leonid Arbusow: Die ma. Schrifts¨uberl. als Quelle f¨ur die Fr¨uhgesch. der ostbaltischen V¨olker. In: Baltische Lande 1. Hg. v. Albert Brackmann und Carl Engel. Leipzig 1939, S. 167–203. – Lutz Mackensen: Zur L. R. In: Ders.: Zur dt. Lit. Altlivlands. Unters. W¨urzburg 1961, S. 21–58. – Norbert Angermann: Die ma. Chronistik. In: Gesch. der deutschbaltischen Geschichtsschreibung. Hg. v. Georg v. Rauch. K¨oln u. a. 1986, S. 3–20. – ¨ Hartmut Kugler: Uber die L. R. Text, Ged¨achtnis und Topographie. In: Jb. der Br¨uder-Grimm-Ges. 2 (1992) S. 85–104. – Rasma Lazda-Cazers: Die L. R. Probleme und Hintergru¨ nde der literarischen Gattung. Diss. Univ. of Minnesota. 1996. – Helmut Birkhan: Gesch. der altdt. Lit. im Licht ausgew¨ahlter Texte 8: Lehrhafte Dichtung zwischen 298

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2. H¨alfte 13. Jh. 1200 und 1300. Wien 2005, S. 198–204. – Gero v. Wilpert: Deutschbaltische Literaturgesch. Mu¨ nchen 2005, S. 32–36. – Evalds Mugurjevics: Die a¨ltere L. R. u¨ ber die ethische Situation im Baltischen Raum. In: Deutschsprachige Lit. des MA im o¨ stlichen Europa. Forschungsstand und Forschungsperspektiven. Hg. v. Ralf G. P¨asler Dietrich Schmidtke. Heidelberg 2006, S. 267–274. – Edith Feistner/Michael Neecke/Gisela Vollmann-Profe: Krieg im Visier. Bibelepik und Chronistik im Dt. Orden als Modell korporativer Identit¨atsbildung. T¨ubingen 2007, S. 79–104, 216–231. – R. LazdaCazers: Landscape as Other in the L. R. In: AB¨aG 65 (2009) S. 183–209. MM Rosla, Heinrich OCist. – M¨onch, Verfasser einer lat. episch-historischen Dichtung, sp¨ates 13. Jh. Der Verfasser des epischen Gedichts Herlingsberga war vermutlich M¨onch in der Abtei Walkenried/ Harz und stammte laut Autornennung in seinem Werk aus Nienburg («Nienborch natus cognomine Rosla vocatus», V. 475; wahrscheinlich Nienburg bei Kelbra/Harz). R.s Dichtung umfasst 477 Hexameter und beschreibt die Belagerung, Einnahme und Schleifung der Burg Herlingsberg bei Goslar (auch Harliburg) im Jahr 1291, ein Ereignis von regionalgeschichtlicher Bedeutung, dessen Augenzeuge R. gewesen sein k¨onnte. Erhalten ist der Text nur als Teil des historischen Sammelwerks Origo Saxonum et terre Saxonie commendacio von Dietrich → Engelhus, das auch Ausz¨uge aus dem Pantheon → Gottfrieds von Viterbo und der Saxonia Dietrich → Langes enth¨alt. Nach Engelhus’ eigener Aussage lag R.s Epos in der Walkenrieder Bibliothek vor. Engelhus zitiert ferner in seinem Promptus und in seiner Weltchronik aus der Herlingsberga, wobei in der Chronik sieben zus¨atzliche Verse angef¨uhrt werden. Dies k¨onnte Indiz einer urspr¨unglich l¨angeren Fassung des Gedichts oder wom¨oglich eines weiteren Werks von R. sein. Auch einige Hexameter in der Origo, die gemeinhin Langes Saxonia zugeordnet werden, k¨onnten von R. stammen (vgl. VL2 8 [1992] Sp. 234). Der Konflikt zwischen s¨achsischen F¨ursten, Harzgrafen und einigen nieders¨achsischen St¨adten einerseits und Heinrich I. (Mirabilis) von Braunschweig-L¨uneburg-Grubenhagen andererseits, beruhte auf dem Vorwurf, Heinrich habe durch Duldung von Straßenr¨aubereien und eigener r¨auberischer Umtriebe den s¨achsischen Landfrieden von Erfurt missachtet. R. entgegnet diesen 299

Rosla Vorw¨urfen in der Herlingsberga mit einer Verteidigungsrede Heinrichs. Dessen Niederlage und die Zerst¨orung der Burg werden in der Dichtung, die ansonsten die Geschehnisse bildreich schildert, nur zur¨uckhaltend erw¨ahnt. R.s Kenntnis der klassischen Dichtung tritt in der Herlingsberga deutlich hervor, vor allem Vergil und Ovid sind Stilvorbilder; gelegentlich tauchen bewusst gr¨azisierende Formulierungen auf. Auch eine Marienvision von 36 Versen und zahlreiche sentenzenhafte Aussagen finden sich im Text. Das auftretende Personal wird zum Teil mit antiken, biblischen oder sagenhaften Charakteren verglichen (Odysseus, Hektor, Achill, Judas Makkab¨aus, Caesar, Pompejus, Dietrich von Bern). Dies und ein Hinweis von Engelhus legen die Vermutung nahe, dass R.s Epos als Schultext f¨ur den lat. Stil- und Metrikunterricht Verwendung gefunden hat und R. wom¨oglich selbst Lehrer gewesen sein k¨onnte. ¨ Uberlieferung: Hannover, LB, Ms. XIII 859, 171v–179r (erste H¨alfte 15. Jh.). ¨ Ausgabe: Johann Heinrich Meibom (d. A.): Henrici Roslae, Nienborgensis Saxonis, Herlingsberga: Sive Po¨emation de bello inter Hericum bello inter Henricum Mirabilem, Ducem Brunsvicensem & Lunaeburgensem, ac confoederatos Saxoniae Principes gesto ob arcem Herlingsbergam [...]. L¨uneburg 1652 (VD17 23:305392A). – Heinrich Meibom (d. J.): Scriptores Rerum Germanicarum. Bd. 1. Helmstedt 1688, S. 775–806. – Astrid Eva Wetzel: Die ‹Herlingsberga› des H. R. Magisterarbeit Kiel 2006. Literatur: Karl Ernst Hermann Krause, ADB 29 (1889) S. 239. – G¨unther Bernt, LexMA 4 (1989) Sp. 2105. – Udo Wawrzyniak, VL2 8 (1992) Sp. 233–236. – Jan Ulrich B¨uttner, Encyclopedia of the Medieval Chronicle 2 (2010) S. 1297 f. – Karl Grube: Beitr. zu dem Leben und den Schr. des Dietrich Engelhus. In: Hist. Jb. 3 (1882) S. 49–66. – Ottokar Lorenz: Deutschlands Geschichtsquellen im MA seit der Mitte des 13. Jh. Bd. 2. Berlin 31887, S. 136. – Wilhelm L¨uders: Der Harlingeberg bei Vienenburg. Eine welfische Burg des 13. Jh. In: Zs. des Harzver. f¨ur Gesch. und Altertumskunde 60 (1927) S. 5–38. – Manfred Ha¨ mann: Uberl., Erforsch. und Darstellung des Landesgesch. in Niedersachsen. In: Gesch. Niedersachsens. Bd. 1: Grundlagen und fru¨ hes MA. Hg. v. Hans Patze. Hildesheim 1977, S. 1–95, hier S. 22 f. – Helmar H¨artel/Felix Ekowski: Hss. der Nieders¨achsischen LB Hannover. Zweiter Tl.: Ms 300

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Flores temporum I 176a–Ms Noviss. 64 (Ma. Hss. in Niedersachsen 6). Wiesbaden 1982, S. 203–212. – Udo K¨uhne: Engelhus-Stud. Zur G¨ottinger Schullit. in der ersten H¨alfte des 15. Jh. (Scrinium Friburgense 12). Freiburg/Schweiz 1999, S. 194 (Reg.). – HansJoachim Ziegeler: Lit. am Welfenhof um 1300. In: Encomia – Dt. Sonderh. 2 der dt. Sektion der International Courtly Literature Society: H¨ofische Lit. und Klerikerkultur. Wissen – Bildung – Gesellschaft. Berlin 2002, S. 61–79, hier S. 75 (wieder in: Ders.: Orte der Lit. Schr. zur Kulturgesch. des sp¨aten MA und der Fr¨uhen Neuzeit [K¨olner germanistische Stud. NF 8]. Hg. v. Gerald Kapfhammer. K¨oln u. a. 2009, S. 25–42, hier S. 38 f.). – Repertorium fontium historiae medii aevi 10 (2004) S. 194. – U. K¨uhne: Der Kampf des Helden: ein klassisches Thema im mlat. Epos. In: Das diskursive Erbe Europas: Antike und Antikerezeption (Kulturgeschichtliche Beitr. zum MA und der fr¨uhen Neuzeit 2). Hg. v. Dorothea Klein/Lutz K¨appel. Frankfurt/M. 2008, S. 241–258, hier S. 258. VZ Flores temporum. – Lat. Prosachronik mit dt. ¨ Uberlieferung. Die anonym u¨ berlieferte Chronik in lat. Sprache behandelt die Weltgeschichte von Adam bis zum Jahr 1290 (Fassung I) bzw. 1349 (Fassung II). In heilsgeschichtlicher Pr¨agung werden die traditionellen sechs Weltalter dargestellt. Zeitlicher Schwerpunkt der F. t. ist dabei die Zeit seit Christi Geburt. Wie im Prolog des Werks betont wird, soll die Chronik ein zeitliches Ger¨ust bilden, in das die Lebensdaten der Heiligen eingeordnet werden k¨onnen. Diese seien n¨amlich die eigentlichen ‹flores› der Weltgeschichte. Gleichzeitig will das Werk als Kompendium f¨ur Prediger dienen. In einem Anhang der F. t. werden dann P¨apste und Kaiser in zwei Katalogen behandelt. Fassung I der F. t. entstand wohl um 1292 im alemannischen Sprachraum. Zu ihrem unbekannten Verfasser liegen in verschiedenen Schichten der Fassung differierende Angaben vor. M¨oglicherweise war er ein Franziskaner (eventuell auch Wilhelmit) namens Martin oder Hermann Gygas, oder beide M¨onche schrieben verschiedene Teile des Texts. Um 1350 entstand die Fortsetzung der F. t. in Fassung II. Auch diese ist anonym, doch erweist sich ihr Verfasser als papstkritischer (etwa gegen¨uber Bonifaz VIII.) und reichsfreundlicher (Wertsch¨atzung von Ludwig dem Bayern) als der 301

2. H¨alfte 13. Jh. Autor von Fassung I. Inhaltlich ist die Chronik bis 1250 weitgehend kompilatorisch, mit → Martin von Troppau als Hauptquelle. Stilistisch interessant ist die Verwendung von Anekdoten als Exempla sowie von Merkversen. Hier wird die Chronik ihrer Intention als Predigtkompendium gerecht. Eine Rezeption, oft als erweiterte Fortsetzungen, erfuhren die F. t. prim¨ar im s¨udlichen Deutschland, etwa durch Johann von Winterthur, → Andreas von Regensburg, Johannes Kraus, Johannes Fistenport, in der → Konstanzer Weltchronik und der → Weihenstephaner Chronik. Daneben er¨ fuhren die F. t. dt. Ubersetzungen, so im 15. Jh. durch Bruder → Hermann II als Plum der zeytt (mgf ¨ 696, s. Uberlieferung). 1473 erschien als Druck die dt. Bearbeitung T¨utsche Cronica von anfang der welt uncz uff keiser fridrich. Durch ein darin abgedrucktes ¨ Wappen wurde der Ulmer Mediziner und Ubersetzer Heinrich → Steinh¨owel (1412–1482/83) als Autor identifiziert. Sein Text folgt Fassung II der F. t., die hier um eine Fortsetzung bis Kaiser Friedrich III. (1415–1493) erweitert wird, außerdem um eine chronologische Liste von Zeitabschnitten nach Isidor von Sevilla. Insgesamt ist Steinh¨owels Chronik jedoch gegen¨uber der Vorlage gek¨urzt. ¨ Eine Rezeption dieser Ubertragung ist vielleicht im Schlussteil der Weihenstephaner Chronik gegeben, was aber nicht sicher nachgewiesen ist. Erst 1531 legte Jacob Koebel eine Neuausgabe der Cronica vor. ¨ Uberlieferung (dt.): Augsburg, Stadtarch., Reichsstadt-Selekt Sch¨atze Nr. 121, 1r–200v (Pap., um 1460, ostschw¨abisch). – Berlin, SBB, Mgf 696, 301ra–381ra (Pap., drittes Viertel 15. Jh., bair.; Text ¨ nur bis Geburt Christi). – Zur lat. Uberl. vgl. Holder-Egger 1879 (s. Ausg.) S. 227–229; Kr¨amer 1972 (s. Lit.) S. 17 f., Anm. 51; Johanek 1980 (s. Lit.). Ausgaben: Lat. Ausg. u. a. hg. v. Oswald Holder¨ Egger in MGH SS 24 (1879) S. 230–250. – Altere Ausg. bei Johanek 1980 (s. Lit.). ¨ Ubersetzungen: Heinrich Steinh¨owel: T¨utsche Cronica von anfang der welt uncz uff keiser fri¨ drich [...]. Ulm: Johann Zainer der Altere 1473 (GW 10075; Online-Ausg. BSB M¨unchen [o. J.] und HAB Wolfenb¨uttel 2006). – Sp¨aterer Druck ¨ der Steinh¨owel-Ubers. u. d. T.: Beschreibunge einer Chronic Von anfang der Welt biß auf Keyser Friderich den Dritten [...]. Bearb. v. Jacob Koebel. Frankfurt/M.: Egenolph 1531. 302

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2. H¨alfte 13. Jh.

Chronik des Stiftes S.S. Simon und Judas in Goslar

Literatur: Peter Johanek, VL2 2 (1980) Sp. 753–758; 11 (2004) Sp. 448. – Ders.: Bruder Hermann II. In: VL2 3 (1981) Sp. 1051; 11 (2004) Sp. 648. – Karl Schnith, LexMA 4 (1989) Sp. 564 f. – Gert Melville, LThK3 3 (1995) Sp. 1328 f. – Sigrid Kr¨amer: Die sog. Weihenstephaner Chronik. Text und Unters. M¨unchen 1972, S. 13–15. – Repertorium fontium historiae medii aevi 4. Hg. Istituto Storico Italiano per il Medio Evo. Rom 1976, S. 474 f. – Dieter Mertens: Fr¨uher Buchdruck und Historiographie. Zur Rezeption historiographischer Lit. im B¨urgertum ¨ des dt. Sp¨atMA beim Ubergang vom Schreiben zum Drucken. In: Stud. zum st¨adtischen Bildungswesen des sp¨aten MA und der fr¨uhen Neuzeit. Ber. u¨ ber Kolloquien der Kommission zur Erforschung der Kultur des Sp¨atMA 1978 bis 1981. Hg. v. Bernd Moeller u. a. G¨ottingen 1983, S. 83–111. – Klaus Graf: Exemplarische Geschichten. Thomas Lirers ‹Schw¨abische Chronik› und die ‹Gm¨under Kaiserchronik›. M¨unchen 1987, S. 192 f. – AnnaDorothee v. den Brincken: Anniversaristische und chronikalische Geschichtsschreibung in den F. T. (um 1292). In: Geschichtsschreibung und Geschichtsbewußtsein im sp¨aten MA. Hg. v. Hans Patze. Sigmaringen 1987, S. 195–214. – Joachim Schneider: Heinrich Deichsler und die N¨urnberger Chronistik des 15. Jh. Wiesbaden 1991, S. 72–75 u. o¨ . – Nikolaus Henkel: Heinrich Steinh¨owel. In: Dt. Dichter der fr¨uhen Neuzeit (1450–1600), ihr Leben und ihr Werk. Hg. v. Stephan Fu¨ ssel. Berlin 1993, S. 51–70. – Heike Johanna Mierau u. a.: ¨ Stud. zur Uberl. der F. t. (MGH Stud. und Texte 14). Hannover 1996. – Tanja Itgenshorst: Legenda Aurea und F. T. ‹Heiligengeschichtsschreibung› im ¨ 13. Jh. In: Aus Uberrest und Tradition. FS AnnaDorothee v. den Brincken. Lauf a. d. Pegnitz 1999, S. 93–127. MM

Abstammung und Amtsdauer des jeweiligen Herrschers, außerdem eine historische Chronik zu seiner Amtszeit und abschließend den Ort der Grablegung. Besonders eingehend behandelt werden Heinrich I., Heinrich III., Heinrich IV., Friedrich Barbarossa, Rudolf von Habsburg und Adolf von Nassau. Ausf¨uhrlich behandelt die Chronik neben der Reichsgeschichte auch die Historie des Goslarer Stifts mit seinem Erwerb von Grundbesitz, Privilegien und Reliquien. Die Chronik enth¨alt auch regional bedeutsame Ereignisse, etwa die Entdeckung von Silber im Rammelsberg. Der Text der Chronik folgt einer verlorenen lat. Vorlage. Historische Quellen waren neben Stiftsurkunden die → S¨achsische Weltchronik, die S¨achsische Kaiserchronik und vielleicht die P¨ohlder Annalen. Beide Fassungen der C. sind mit Reliquienverzeichnissen in der jeweiligen Sprache u¨ berliefert, die nd. Fassung zus¨atzlich mit einer Predigt zur Reliquienweisung des Stiftes von 1294. Im zeitlichen und inhaltlichen Kontext dieser Weisung d¨urfte die Chronik auch entstanden sein. ¨ Uberlieferung: Hannover, LB, Ms. XXI 1209, 3v–10v (Pap., zweites Drittel 15. Jh., nd.). – Wolfenb¨uttel, HAB, Cod. 20.10 Aug. 4°, 7v–17r (Pap., Ende 15. Jh., nd.). Ausgabe: Gottfried Wilhelm Leibniz: Scriptorum Brunsvicensia Illustrantium 3. Hannover 1711, S. 426–430. – Chron. des Stiftes S. Simon und Judas in Goslar. Hg. v. Ludwig Weiland. In: MGH Dt. Chron. 2. Hannover 1877, S. 586–608 (mit lat. Anh.). Literatur: Ingeborg Buchholz-Johanek, VL2 1 (1978) Sp. 1259 f. – Weiland 1877 (s. Ausg.). – Repertorium fontium historiae medii aevi 3. Hg. Istituto Storico Italiano per il Medio Evo. Rom 1970, S. 346. – Stefan Erlei: ‹H¨ofisch› im Mhd. Die Verwendung eines Programmworts der h¨ofischen Kultur in den deutschsprachigen Texten vor 1300. Frankfurt/M. 2010, S. 46 f. u. o¨ . MM

Chronik des Stiftes S.S. Simon und Judas in Goslar. – Nd. Kaiserchronik. Die in zwei Handschriften u¨ berlieferte nd. Fassung der C. beginnt mit Konrad I. und endet 1294. Die mit der nd. Fassung u¨ berlieferte, jedoch k¨urzere lat. Fassung der Chronik reicht von Konrad I. bis Heinrich V. Beide Fassungen der Chronik sind u¨ berwiegend als Herrscherchronik gestaltet. Die Kapitel zu den einzelnen Kaisern sind stets gleich aufgebaut und enthalten u. a. die Namen,

Totenklage auf Herzog Johann I. von Limburg und Brabant. – Ehrenrede im Gewand einer Personifikationsallegorie, nach 1294/98 (?). Die unikal u¨ berlieferte, 405 Verse umfassende Ehrenrede gilt als fr¨uhester erhaltener Text der Gattung. Widmungstr¨ager ist Herzog → Johann I. von Brabant, der 1294 an einer Verletzung starb, die er sich bei einem Turnier zu Ehren von Eleonora (Tochter K¨onig Edwards I. von England) in Barle-Duc zugezogen hatte. Der Verfasser, vermutlich

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Vision auf das Jahr 1401 ein Herold oder Spielmann, bezeichnet sich in Vers 281 als zum «ingesinde» Johanns geh¨orend. Der Text nutzt das Modell der Gerichtsverhandlung unter Personifikationen: Der Sprecher trifft im Maiengl¨uck auf die trauernden Personifikationen ‹Ehre›, ‹Treue›, ‹Saelde›, ‹Milte›. Die Damen beschuldigen die ebenfalls anwesende ‹Minne›, ihnen einen geliebten Ritter genommen zu haben. In ihren Anklagereden mischt sich die Klage u¨ ber den Verlust mit dem Preis der Rittertugenden des Verstorbenen: Er habe seine Ehrhaftigkeit besonders bei K¨ampfen in Burgund bewiesen; unbestechlich habe er Treueverpflichtungen eingehalten; kein Ritter sei jemals so dem¨utig dem g¨ottlichen Gl¨uck gegen¨uber gewesen; besonders hervorgehoben wird die unermessliche Freigebigkeit des Ritters, f¨ur die mehrere Beispiele (Ausr¨ustung seines Gefolges, Geschenke an andere Ritter und an Damen, Ausrichtung von Turnieren) gegeben werden. ‹Frau Minne› weist den Vorwurf, sie habe ihn zugrundegerichtet, zur¨uck. Vielmehr habe sie den Ritter von Jugend an hilfreich begleitet und beklage seinen Tod ebenfalls. Die Ankl¨agerinnen erkennen die Verteidigung der ‹Frau Minne› an, es folgt ein abschließendes F¨urbittgebet. Als Diener des Verstorbenen best¨atigt der Sprecher den Preis der Personifikationen aus eigener Erfahrung und beklagt den Tod des Ritters im Minnedienst. Den Abschluss der Rede bildet eine umfangreiche Blasonierung (Lanzenwimpel, Helmzier, Schild) und die Namensnennung. Das im Text beschriebene quartierte Wappen von Brabant und Limburg ist erst nach 1298 unter Johanns Sohn Johann II. nachgewiesen – in ihm will daher ein Teil der Forschung den Auftraggeber der Ehrenrede sehen. Gegebenenfalls bildete die hier gegebene Wappenbeschreibung auch die Vorlage f¨ur die Wappendarstellung des Herzogs in der Großen Heidelberger Liederhandschrift (Bl. 18r). ¨ Uberlieferung: Mu¨ nchen, BSB, Cgm 717, 119va–122rb (Pap., 1348, Augsburg). Ausgabe: Theodor Nolte: Lauda post mortem. Die dt. und ndl. Ehrenreden des MA. Frankfurt/M. 1983, S. 201–214. Literatur: Theodor Nolte, VL2 9 (1995) Sp. 991. – Tilo Brandis: Mhd., mnd. und mndl. Minnereden (MTU 25). M¨unchen 1968, S. 186 Nr. 474. – Nolte (s. Ausg.) S. 146–149. – Jan Goossens: Herzog Jan I. v. Brabant und der limburgische Erbfolgekrieg in der ma. ndl. und dt. Lit. 305

2. H¨alfte 13. Jh. in: ZfdPh 108 (1989) Sonderheft: Lit. und Sprache im rheinisch-maasl¨andischen Raum zwischen 1150 und 1450, S. 178–192, hier S. 179. – Ders.: ‹5 juni 1288: hertog Jan I van Brabant wint de slag bij Woeringen. De glorie van de ridder-dichter›. In: Nederlandse literatuur, een geschiedenis. Hg. v. M. A. Schenkeveld-van der Dussen. Groningen 1993, S. 41–46, hier S. 45 f. – Maria Ceunen: Jan I, hertog van Brabant. De dichtende en bedichte vorst. Leuven 1994, S. 46–48 Nr. 12. – Piet Avonds: Koning Artur in Brabant (12de–14de eeuw). Studies over riddercultuur en vorstenideologie (Verhandelingen van de Koninklijke Vlaamse Academie van Belgi¨e voor Wetenschappen en Kunsten, Klasse der Letteren 61, 167). Br¨ussel 1999, S. 85–89, 180–184. – Wim van Anrooij: Duitse lof voor een Brabantse hertog. De ererede op Jan I. In: Queeste 10 (2003) S. 127–145. – Remco Sleiderink: De stem van de meester. De hertogen van Brabant en hun rol in het literaire leven (1106–1430) (Nederlandse literatuur en cultur in de Middeleeuwen 25). Amsterdam, 2003, S. 104 f. – Johannes Janota: Orientierung durch volkssprachige Schriftlichkeit (1280/90–1380/90) (Gesch. der dt. Lit. v. den Anf¨angen bis zum Beginn der Neuzeit 3,1). T¨ubingen 2004, S. 346 f. JK Vision auf das Jahr 1401 (Visio seu prophetia fratris Johannis). – Lat. Prophetie. Die lat. V. entstand wahrscheinlich um 1294 in S¨uditalien. Der unbekannte Verfasser stammte vielleicht aus den Kreisen der Franziskanerspiritualen. Unbewiesen ist die gelegentliche Zuschreibung der V. an Johannes von Parma, der nach verschiedenen Zeugnissen eine Vision erlebt haben soll. Darin soll es allerdings um den franziskanischen Orden gegangen sein, w¨ahrend die V. die Zukunft der Gesamtkirche zum Thema hat. Die V. will laut Text jedenfalls die Vision eines Bruders namens Johannes aus dem Jahr 1292 sein. Der Text bezichtigt zu Beginn die zeitgen¨ossische Kirche unter Heranziehung von Bibelzitaten der Korruption. Dann erfolgt im Zusammenhang mit dem Verlust von Akkon die Erscheinung einer Bischofsgestalt. Diese prophezeit dem Erz¨ahler f¨ur die Zeit ab 1300 eine dunkle Zeit f¨ur Kirche und Klerus: Von Gier und Korruption zerrissen, werde die Christenheit verfolgt und ausgepl¨undert werden. Zuletzt wird aber eine Rettung und Erneuerung der Kirche vorhergesagt, an der Deutsche und Franzosen maßgeblich beteiligt sein w¨urden. 306

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2. H¨alfte 13. Jh. Am Ende steht eine Periode des Friedens vor dem Erscheinen des Antichrists. ¨ Eine wohl vor 1401 entstandene dt. Ubertragung der V. ist in zahlreichen Handschriften und Drucken u¨ berliefert. Die Zuschreibung an Johannes von Parma ist darin anderen Zuschreibungen gewichen, so an → Heinrich von Langenstein, → Hildegard von Bingen und Kaiser Sigismund. In der dt. V. fehlen r¨omische Bez¨uge; auch beginnt die prophezeite Zeit hier erst 1401. Michel → Beheim transformierte die Prosa der dt. V. schließlich in Verse und verlegte sie in das Jahr 1460. Außerdem entfernte er den Kontext der Vision, also die Erscheinung der Bischofsgestalt. Rezipiert wurde die V. auch durch → Telesforus von Cosenza und das ndl. Boec van der Wraken. Insgesamt bewegt sich die V. in den traditionellen Bahnen der prophetischen ¨ Literatur. So weist die Schrift etwa Ahnlichkeiten zu den → Vaticinia de summis pontificibus auf. Auffallend ist die scharfe Kritik am Klerus, die auf sp¨atere Kirchenkonflikte hinausweist. ¨ ¨ Uberlieferung: Dt. Uberl. mit u¨ ber 20 Hss. unter teils falschen Zuschreibungen (Heinrich von Langenstein, Hildegard von Bingen). Zur dt. und ¨ lat. Uberl. vgl. St¨ollinger-L¨oser 1999 (s. Lit.). Ausgaben: 1. Lat. Fassung: Visio seu prophetia fratris Johannis. Eine s¨uditalienische Prophezeiung aus dem Anfang des 14. Jh. Hg. v. Emile Donckel: In: R¨omische Quartalschr. f¨ur christliche Altertumskunde und Kirchengesch. 40 (1932) S. 361–379. – 2. Dt. Fassung: Friedrich Reiser’s Reformation des K. Sigmund. Hg. v. Willy Boehm. Leipzig 1876, S. 13–16. – Eberhart Windeckes Denkw¨urdigkeiten zur Gesch. des Zeitalters Kaiser Sigmunds, zum ersten Male vollst¨andig herausgegeben. Hg. v. Wilhelm Altmann. Berlin 1893, S. 357–360. – Alexander Reifferscheid: Neun Texte zur Gesch. der religi¨osen Aufkl¨arung in Deutschland w¨ahrend des 14. und 15. Jh. Greifswald 1905, S. 43–46. – Die Reformation Kaiser Sigmunds. Eine Schrift des 15. Jh. zur Kirchen- und Reichsreform. Hg. v. Karl Beer. Stuttgart 1933, S. 21* f. – 3. Versfassung Beheims: Michel Beheim: Die Gedichte des Michel Beheim nach der Heidelberger Hs. cpg 334 unter Heranziehung der Heidelberger Hs. cpg 312 und der Mu¨ nchener Hs. cgm 291 sowie s¨amtlicher Teilhss. 1 (DTM 60). Hg. v. Hans Gille/Ingeborg Spriewald. Berlin 1968, Nr. 109. Drucke: Die dt. V. erscheint in manchen Drucken der → Reformatio Sigismundi als Anhang. Fr¨uhester dieser Drucke: Reformatio Sigismundi. Augsburg: Lukas Zeissenmair, 1497 (GW 307

Polo M42068; Online-Ausg. BSB M¨unchen). – Weitere 13 Drucke in: Carl Koehne: Die Weissagung auf das Jahr 1401. In: Dt. Zs. f¨ur Geschichtswiss. NF 1 (1898) S. 352–362. Literatur: Christine St¨ollinger-L¨oser, VL2 10 (1999) Sp. 425–429. – Thomas Hohmann: Dt. Texte unter dem Namen ‹Heinrich v. Langenstein›. ¨ Eine Ubersicht. In: W¨urzburger Prosastud. 2. Unters. zur Lit. und Sprache des MA. FS Kurt Ruh (Medium Aevum 31). Hg. v. Peter Kesting. M¨unchen 1975, S. 219–236. – Robert E. Lerner: Medieval Prophecy and Religious Dissent. In: Past and Present 72 (1976) S. 3–24. – Tilman Struve: Utopie und gesellschaftliche Wirklichkeit. Zur Bedeutung des Friedenskaisers im sp¨aten MA. In: Hist. Zs. 225 (1977) S. 65–95 (wieder in: Ders.: Staat und Ges. im MA. Berlin 2004, S. 291–315). – Burghart Wachinger: Michel Beheim. Prosabuchquellen, Liedvortrag, Buch¨uberl. In: Poesie und Gebrauchslit. im dt. MA. W¨urzburger Colloquium 1978. Hg. v. Volker Honemann u. a. T¨ubingen 1979, S. 37–75. – R. E. Lerner: The Powers of Prophecy. The Cedar of Lebanon Vision from the Mongol Onslaught to the Dawn of the Enlightenment. Berkeley u. a. 1983, S. 100 f., 192 f. u. o¨ . – Peter C. van der Eerden: Eschatology in the ‹Boec van der Wraken›. In: The Use and Abuse of Eschatology in the Middle Ages. Hg. v. Werner Verbeke u. a. Leuven 1988, S. 425–440. – Ernst Voltmer: Prophetie und Reform der Kirche am Ende des MA oder wie der Dichter Michel Beheim an die ‹Weissagung auf das Jahr 1401› (alias ‹Visio seu prophetia fratris Johannis›) geraten ist. In: ‹Das Wichtigste ist der Mensch›. FS Klaus Gerteis. Hg. v. Angela Giebmeyer/Helga Schnabel-Sch¨ule. Mainz 2000, S. 75–113. – Jennifer Kolpacoff Deane: The Auffahrtabend Prophecy and Henry of Langenstein. German Adaptation and Transmission of the ‹Visio fratris Johannis›. In: Viator 40 (2009) H. 1, S. 355–386. MM Polo, Marco, * um 1254 vermutlich Venedig, † 18.1.1324 Venedig. – Kaufmann, Verfasser eines Reiseberichts. M. P. war der Sohn des venezianischen Kaufmanns Niccol`o P., der sich mit seinem Bruder Maffeo bereits 1261–69 in China aufhielt. An der 1271 beginnenden zweiten Reise nach China nahm auch M. P. teil; 1275 trafen sie in Peking ein. M. P. unternahm in den folgenden 17 Jahren im Auftrag Kublai Khans zahlreiche Land- und Seereisen, auf denen er China sowie mehrere dem Großkhan 308

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Polo tributpflichtige L¨ander S¨udostasiens kennenlernte. Durch die Teilnahme an einer Seereise, die 1292 im Hafen von Quanzhou begann, kamen die Polos u¨ ber Sumatra und Ceylon (heute Sri Lanka) 1294 in den persischen Hafen Hormus. 1295 erreichten sie schließlich Venedig. Vermutlich befand sich M. P. nach der Teilnahme an der Seeschlacht bei Korˇcula 1298/99 in genuesischer Gefangenschaft, in der nach lange vorherrschender Auffassung ein Mitgefangener, Rustichello (oder Rusticano) da Pisa, anhand von Aufzeichnungen und Diktaten M. P.s den Reisebericht in altfranz¨osischer Sprache (Divisament dou monde) verfertigt habe. Nach Ansicht von Barbara Wehr gibt es jedoch mit der lat. Fassung von Francesco Pipino da Bologna einen Strang der Text¨uberlieferung, in dem sich keine Spuren der franz¨osischen Version von Rustichello finden lassen, woraus geschlossen werden k¨onne, dass Rustichello sich erst nachtr¨aglich an der Text¨uberlieferung beteiligt habe und es vielmehr einen altvenezianischen Urtext gegeben habe, der direkt aus der Feder M. P.s stammte. Der Reisebericht M. P.s (Il Milione), der in verschiedenen Fassungen und Versionen u¨ berliefert ist, zeigt kompilativen Charakter. Er beschreibt die Reise durch das gesamte Asien unter Einbezug der fabelhaften Erz¨ahlung u¨ ber den Priesterk¨onig Johannes. Nach der grundlegenden Untersuchung von Luigi Foscolo Benedetto (1928) und neueren Forschungsergebnissen k¨onnen folgende Versionen des Reiseberichts, von dem mittlerweile rund 150 Manuskriptfassungen bekannt sind, unterschieden werden: 1. Franco-italienische Fassung F (Paris, Bibl. Nationale, fr. 1116). – 2. Franz¨osische Fassung Fg (nach Benedetto) oder Fr (nach M´enard), auch Gr´egoire-Text genannt (18 Hss.). – 3. Toskanische Fassung TA, auch als «Ottimo»-Text bezeichnet ¨ (f¨unf Hss. und in lat. Ubersetzung LT). – 4. Venezianische Fassung VA (eine vollst¨andige und drei unvollst¨andige Hss.; eine vollst¨andige Hs. aus dem Privatarchiv Ginori Lisci in Florenz ist verloren). – 5. Toskanische Fassung TB, auf der Grundlage von VA entstanden (sechs Hss.). – 6. Venezianische Fassung VB (zwei vollst¨andige und eine unvollst¨andige Hs.). – 7. Venezianische Fassung V (Berlin, SBB, Ms. Ham. 424). – 8. Lateinische Fassung Z (Toledo, Biblioteca Capitular, Zelada 49.20). – 9. Lateinische Fassung P von Francesco Pipino da Bologna 309

2. H¨alfte 13. Jh. (mehr als 60 Hss. und zahlreiche fr¨uhe Drucke, bisher nicht kritisch ediert). – 10. Lateinische Fassung LT (Paris, B.N. lat. 3195). – 11. Italienische Fassung R von Giovanni Battista Ramusio (postume Erstausgabe 1559, nicht kritisch ediert). Ausgaben (Auswahl): Version F: Luigi Foscolo Benedetto (Hg.): M. P. Il Milione. Prima edizione integrale (Comitato geografico nazionale italiano 3). Florenz 1928 (hat die Ausgaben von Giovanni Battista Baldelli Boni [1827], Adolfo Bartoli [1863] und Henry Yule [1871] u¨ berholt; bis heute grundlegend f¨ur jede textkrit. Besch¨aftigung mit P.s Werk; vgl. auch: L. F. Benedetto: La tradizione manoscritta del ‹Milione› di M. P. Turin 1962). – Gabriella Ronchi (Hg.): M. P. Milione. Le divisament dou monde. Il Milione nelle redazioni toscana e franco-italiana. Mit einem Vorw. v. Cesare Segre. Mailand 1982 (¨uberarb. Ausg. von Benedettos Edition der Version F und der toskanischen Version TA). – Version Fg bzw. Fr: Philippe M´enard u. a. (Hg.): M. P. Le devisement du monde (Textes litt´eraires fran¸cais 533, 552, 568, 575, 586). 5 Bde. Genf 2001–2006 (nach der Hs. London, British Library, Royal 19 D.I). – Version TA: Ruggero M. Ruggieri (Hg.): M. P. Il Milione. Introduzione, edizione del testo toscano (‹Ottimo›), note illustrative, esegetiche, linguistiche, repertori onomatici e lessicali (Biblioteca dell’‹Archivum Romanicum› I,200). Florenz 1986. – Version Z: Alvaro Barbieri (Hg.): M. P. Milione. Mailand/Parma 1998. ¨ Bei den dt. Ubersetzungen lassen sich zwei Fassungen unterscheiden: ¨ 1. Mitteldt. Ubersetzung des 14. Jh. (VG3) auf der Grundlage der lat. Bearbeitung der venezianischen Version (VA). ¨ Uberlieferung: Admont, Stiftsbibl., Cod. 504, 1r–59v (Perg., hier zweite H¨alfte 14. Jh., hier th¨uringisch). Ausgaben: Eduard Horst von Tscharner (Hg.): Der mitteldt. M. P. Nach der Admonter Hs. (DTM 40). Berlin 1935. – Steidl (s. Lit.) (korrigierter Wiederabdruck des Textes von Tscharner). ¨ 2. Obd. Ubersetzung (VG bzw. DI), nach der toskanischen Bearbeitung TB. ¨ Uberlieferung: Inkunabeldrucke: N¨urnberg, Fritz Creußner 1477 (HC *13245); Augsburg, Anton Sorg 1481 (nicht bei Hain). – Hss. (wahrscheinlich Druckabschriften): Mu¨ nchen, BSB, Cgm 252, 90r–94r (Pap., Schreiber: Konrad Bollstatter, Augsburg, 1455–77, ostschw¨abisch; Fragm.). – Ebd., Cgm 696, 137r–281v (Pap., zweite H¨alfte 15. Jh., 310

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2. H¨alfte 13. Jh. ostschw¨abisch). – Neustadt (Aisch), Kirchenbibl., Ms. 28, S. 449–690 (Pap., letztes Viertel 15. Jh., bair.). Bibliographien: Shinobu Iwamura: Manuscripts and Printed Editions of M. P.’s Travels. Tokio 1949. – Hiroshi Watanabe: M. P. Bibliography 1477–1983. Tokio 1986. – Vito Bianchi: M. P. Storia del mercante che cap`ı la Cina. Rom 2007, S. 331–351. Literatur: Ernst Bremer, VL2 7 (1989) Sp. 771–775. – Michael Tilly, BBKL 5 (1993) Sp. 779–781 – Ugo Tucci, LexMA 7 (1995) 71 f. – Johannes Witte: Das Buch des M. P. als Quelle f¨ur Religionsgesch. Berlin 1916. – Agnes Hoffmann: Unters. zu den altdt. M. P.-Texten (Freiburger Forschungen zur Kunst- und Literaturgesch. 4). Ohlau [Breslau] 1936. – Rodolfo Gallo: M. P., la sua fa´ miglia e la sua opera. Venedig 1955. – Etienne Balazs u. a.: Oriente Poliano. Studi e conferenze tenute all’Is. M.E.O. in occasione del 7. centenario della nascita di M. P. (1254–1954). Roma 1957. – Leonardo Olschki: L’Asia di M. P. Firenze 1957. – Henry H. Hart Venezianischer Abenteurer. Zeit, Leben und Ber. des M. P. Mit einer Einleitung v. Hans Plischke (Slg. Dieterich 231). Bremen 1959. – Paul Pelliot: Notes on M. P. 3 Bde. Paris 1959–73. – Luigi Foscolo Benedetto: La tradizione manoscritta del ‹Milione› di M. P. Turin 1962. – Alfons Gabriel: M. P. in Persien. Wien 1963. – Elgrid Kaiser: Der Wortschaft des M. P. Diss. Wien 1967. – Walter Kr¨amer: Wunder der Welt. Die fr¨uhen Entdeckungen unserer Erde. Leipzig u. a. 1971. – Carl Theodor Gossen: M. P. und Rustichello da Pisa. In: FS Erhard Lomatzsch. Mu¨ nchen 1975, S. 133–143. – Willem M. Rogegman: M. P. in Venetie. ’s-Gravenhage 1979. – Maria G. Capusso: La lingua del ‹Divisament dou monde› di M. P. Pisa 1980. – Wen-chien Li: M. P. in China. Hong Kong 1981. – Alvise Zorzi: Vita di M. P. veneziano. Mailand 1982 (dt. Ausg. D¨usseldorf 1983. Hildesheim 1992). – Theodor A. Kunst (Hg.): M. P. Von Venedig nach China. Die gr¨oßte Reise des 13. Jh. Stuttgart u. a. 1983. – Friederike Hassauer: Volkssprachliche Reiselit. Faszination des Reisens und r¨aumlicher ordo. In: Grundriß der romanischen Literaturen des MA 11,1. Hg. v. Hans Ulrich Gumbrecht. Heidelberg 1987, S. 259–283. – HansJoachim Klimkeit: Die Seidenstraße. Handelsweg und Kulturbr¨ucke zwischen Morgen- und Abendland. K¨oln 1988. – Folker Reichert: Columbus und M. P. – Asien in Amerika. Zur Literaturgesch. 311

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Luder von Ramesloh Latin vulgaire – latin tardif. Actes du V. Colloque International sur le Latin Vulgaire et Tardif, Heidelberg, 5–8 septembre 1997. Hg. v. Hubert Petersmann/Rudolf Kettemann. Heidelberg 1999, S. 117–132. – Dietmar Henze: M. P. In: Enzyklop¨adie der Entdecker und Erforscher der Erde. Bd. 4. Graz 2000, S. 164–387. – M. M¨unkler: Erfahrung des Fremden. Die Beschreibung Ostasiens in den Augenzeugenberichten des 13. und 14. Jh. Berlin 2000, S. 102 ff. – Jacques Monfrin: La tradition du texte de M. P. In: Ders.: Etudes de philologie romane (Publications romanes et fran¸caises 230). Gen`eve 2001, S. 513–533. – Otto Emersleben: M. P. Reinbek 2002. – U. Tucci: Il libro di M. P. tra filologia e informatica. In: Studi veneziani Ser. NS 43 (2002) S. 77–93. – Anja Overbeck: Literarische Skripta in Ostfrankreich. Edition und sprachliche Analyse einer franz¨osischen Hs. des Reiseberichts v. M. P. (Stockholm, Kungliga Biblioteket, Cod. Holm. M 304). Trier 2003. – F. Reichert: Zipangu. M. P.s Japan und das europ¨aische Weltbild zwischen MA und Neuzeit. In: Engelbert Kaempfer (1651–1716) und die kulturelle Begegnung zwischen Europa und Asien. Hg. v. Sabine KlockeDaffa u. a. Lemgo 2003, S. 147–168. – Manfred Caliebe: ‹Losbuch› und mitteldt. ‹M. P.›. ArtesLit. aus dem Ordensland Preußen. In: Vom vielfachen Schriftsinn im MA FS Dietrich Schmidtke. Hg. v. Freimut L¨oser/Ralf G. P¨asler (Schr. zur Medi¨avistik 4). Hamburg 2005, S. 51–80. – Federico Masini u. a. (Hg.): M. P. 750 anni. Il viaggio, il libro, il diritto. Roma 2006. – Steven Grossvogel: P., M. (1254–1324). In: Key Figures in Medieval Europe. An Encyclopedia. Hg. v. Richard Kenneth Emmerson/Sandra Clayton-Emmerson (Routledge encyclopedias of the Middle Ages 13). New York 2006, S. 542–544. – David Jacoby: M. P., His Close Relatives, and His Travel Account: Some New Insights. In: Mediterranean Historical Review 21 (2006) S. 193–218. – Marco Pozza: M. P. milion: An unknown source concerning M. P. In: Mediaeval Studies 68 (2006) S. 285–302. – Laurence Bergreen: M. P.From Venice to Xanadu. New York 2007. – Cosimo Palagiano (Hg.): L’impresa di M. P.: cartografia, viaggi, percezione [convegno internazionale, Spoleto, 16 e 17 dicembre 2005]. Roma 2007. – F. Reichert: M. P.s Identit¨aten. In: Nation – Europa – Welt. Identit¨atsentw¨urfe vom MA bis 1800. Hg. v. Ingrid Baumg¨artner (Zeitspr¨unge 11,3–4). Frankfurt/M. 2007, S. 363–377. – Suzanne Conklin Akbari (Hg.): M. P. and the Encounter of 313

2. H¨alfte 13. Jh. East and West. Toronto 2008. – Christiane Deluz: Handelsreisen: M. P. (13. Jh.). In: Legend¨are Reisen im MA. Hg. v. Feliciano Novoa Portela u. a. Stuttgart 2008, S. 101–126. – Peter Kapitza (Hg.): Japan in Europa. Texte und Bilddokumente zur europ¨aischen Japankenntnis von M. P. bis Wilhelm v. Humboldt. Mu¨ nchen 2008. – Hans-Wilm Sch¨utte: Wie weit kam M. P.? Gossenberg 2008. – Antonio Garcia Espada: M. P. y la Cruzada. Historia de la literatura de viajes a las Indias en el siglo XIV. Madrid 2009. – Ders.: M. P., Odorico of Pordenone, the Crusades, and the Role of the Vernacular in the First Descriptions of the Indies. In: Viator 40 (2009) 1, S. 201–222. – Philippe M´enard: M. P. Die Gesch. einer legend¨aren Reise. Darmstadt 2009. – Rudolf Wittkower: M. P. and the Pictorial Tradition of the Marvels of the East. In: Medieval Ethnographies. European Perceptions of the World Beyond. Hg. v. Joan-Pau Rubi´es Mirabet (The expansion of Latin Europe, 1000–1500, 9). Aldershot 2009, S. 175–208. – Christine Gadrat: Le rˆole de Venise dans la diffusion du livre de M. P. (XIVe–d´ebut XVIe si`ecle). In: M´edi´evales 58 (2010) S. 63–78. – Dies.: Traduction, diffusion et r´eception du livre de M. P. Paris 2010. – Nicole Steidl: M. P.s ‹Heydnische Chron.›. Die mitteldt. Bearb. des ‹Divisament dou monde› nach der Admonter Hs. Cod. 504 (Ber. aus der Literaturwiss.). Aachen 2010. BJ Luder von Ramesloh. – Ratsschreiber in L¨ubeck, Verwalter einer Vikarie am dortigen St. Johannis-Kloster. Nach dem Ausbruch des Konflikts zwischen der Stadt Riga und dem Dt. Orden reiste L. 1297 zusammen mit dem Ratsherrn Johann Keyser im Auftrag des L¨ubecker Rats zur Beobachtung der Situation nach Livland. Ob der Bericht u¨ ber die kriegerischen Auseinandersetzungen, der den zweiten Teil der von dem Ratsherrn und sp¨ateren B¨urgermeister Albrecht von Bardewik veranlassten Chronik von 1298 bildet, von L. stammt, ist umstritten. Der Bericht in nd. Sprache, der sich durch lebhafte Schilderung der Ereignisse auszeichnet und zahlreiche Dialoge enth¨alt, ist nur unvollst¨andig u¨ berliefert. L. ist 1317 zum letzten Mal urkundlich belegt. ¨ Uberlieferung: L¨ubeck, Arch. der Hansestadt L¨ubeck, «Copiarius» Albrechts von Bardewik, o. S., 335r–350r. Ausgabe: Die Aufzeichnungen Albrechts v. Bardewik vom Jahre 1298. Hg., eingel. und komm. 314

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2. H¨alfte 13. Jh. v. Wilhelm Mantel/Karl Koppmann. In: Die Chron. der nieders¨achsischen St¨adte. L¨ubeck, Bd. 1 (Chron.dt.St. 26). Leipzig 1899 (Nachdr. G¨ottingen 1968) S. 285–316 (L.s [?] Bericht S. 307–316). Literatur: Harald Parigger, VL2 5 (1985) Sp. 960 f. – Einleitung zur Ausg., S. 287–300. – Johannes Bernhard Menke: Geschichtsschreibung und Politik in dt. St¨adten des MA. Die Entstehung dt. Geschichtsprosa in K¨oln, Braunschweig, L¨ubeck, Mainz und Magdeburg (Schluß). In: Jb. des K¨olnischen Geschichtsvereins 34/35 (1959/60) S. 85–194, hier S. 116–120. – Antjekathrin Graßmann: L¨ubecker Archivalien aus Armenien zur¨uck. In: Der Archivar. Mitteilungsbl. f¨ur dt. Archivwesen 51 (1998) Sp. 687. BJ Hirzelin → Schlacht bei G¨ollheim. Schlacht bei Gollheim. ¨ – Reimpaardichtungen auf die Niederlage K¨onig Adolfs von Nassau (1298) ¨ gegen den Gegenk¨onig Albrecht von Osterreich. Adolf von Nassau war 1292 (5.5.) zum dt. K¨onig gew¨ahlt worden. 1298 (23.6.) erkl¨arte der Erzbischof von Mainz den K¨onig wegen verschiedener schwerer Vergehen f¨ur abgesetzt. Bereits am ¨ Folgetag wurde Albrecht von Osterreich zum dt. K¨onig gew¨ahlt. Eine Woche sp¨ater kam es bereits zur Schlacht bei G¨ollheim (2.7.), in deren Verlauf Adolf das Leben ließ. Albrecht ließ sich am 27.7. erneut zum K¨onig w¨ahlen. Anders als von der a¨lteren Forschung suggeriert und im Verfasserlexikon dargelegt, l¨asst sich die S. b. G. von den dort aufgef¨uhrten ‹verwandten Denkm¨alern› durch formale und inhaltliche Abgeschlossenheit klar abgrenzen. Diese Feststellung ber¨uhrt die These eines gemeinsamen Verfassers nicht, dessen Identifizierung mit Zilies von Sayn allerdings willk¨urlich ist. – Zwei Reimpaardichtungen thematisieren das Ereignis aus unterschiedlichen Perspektiven. Ein Bericht stammt von einem Parteig¨anger K¨onig Adolfs, der andere von einem gewissen Hirzelin. 1. Schlacht bei G¨ollheim (302 Verse). Das Interesse des anonymen Verfassers gilt so gut wie ausschließlich Adolf von Nassau und denen, die an seiner Seite k¨ampfen, vorrangig seinem (namentlich genannten) Gefolge vom Mittelrhein, in dem sich insbesondere Graf Eberhard I. von Katzenelnbogen noch in der Niederlage große Verdienste erwarb. 315

Hirzelin ¨ Uberlieferung: Frankfurt/M., StUB, Ms. germ. 8° 25 (Ausst. 26), A 2, B 2. Ausgaben: Hans Ferdinand Massmann: Bruchst¨ucke vom Niederrhein. In: ZfdA 3 (1843) S. 15–25. – Liliencron 1 (1865) S. 21–30. – Adolf Bach: Die Werke des Verfassers der S. b. G. (Meister Zilies von Seine?) (Rheinisches Arch. 11). Bonn 1930, S. 193–209. ¨ 2. Hirzelin, Parteig¨anger des Osterreichers und weltgewandter Herold, der seine literarische Rolle breit ausschm¨uckt, hat genaue Kenntnisse der Vorbereitungen und des Schlachtverlaufs, die er in der Fiktion seines Textes (314 Verse) den Damen daheim referiert. Er er¨offnet sein Gedicht unter explizitem Verweis auf → Wolframs von Eschenbach ¨ Willehalm, die Ubermacht des heidnischen Heeres unter Terramer herausstellend (das freilich die ¨ Schlacht verliert). Uber weite Strecken gibt er die Aufstellung, Schlachtrufe und einzelnen Z¨uge der Heere wieder. ¨ ¨ Uberlieferung: Wien, ONB, cod. 352, 106ra–108vd (= A). – Abschrift: Wolfenb¨uttel, HAB, cod. 1007 Helmst., 188r–193v. – Abschrif¨ ten: Wien, ONB, cod. 3399, 378v–381ra (= a). – Dresden, LB, cod. M 203, f. 78–83 (18. Jh.). Ausgaben: Adrian Rauch: Rerum Austriacarum scriptores 2. Wien 1793, S. 300–309 (a). – Alois Primisser: Peter Suchenwirths Werke. Wien 1827, S. 208–212. – Johann Friedrich B¨ohmer: Fontes rerum Germanicarum 2. Stuttgart 1845, S. 479–486. – Hans Ferdinand Massmann: ‹Der keiser und der kunige buoch› oder die sog. Kaiserchronik. Tl. 2 (Bibl.dt.Nat.-Lit. 4,2). Quedlinburg/ Leipzig 1849, S. 672–676. – Liliencron 1 (1865) S. 12–21 (nach A und a, beste Ausgabe). Literatur: Erich Kleinschmidt, VL2 4 (1983) Sp. 51–53. – Ingeborg Glier, VL2 8 (1992) 685–690. – Burghart Wachinger, VL2 10 (1999) ¨ 1554 f. – Joseph Seem¨uller: Uber die niederrheinische Reimchron. der Schlacht bei G¨ollheim. Innsbruck 1893. – Emil Schmidt: Die Frage nach der Zusammengeh¨origkeit der poetischen Fragmente von dem ‹Minnehof›, der ‹B¨ohmenschlacht›, der G¨ollheimer Schlacht und dem Ritterpreis. Diss. Marburg 1908. – G¨unter K¨otz: Die Katzenelnboger Grafen, Burg Rheinfels und die Dichter. In: RheinVjbl. 34 (1970) S. 340–347. – Karina Kellermann: Die Fragmente zur Schlacht bei G¨ollheim. In: Euph. 83 (1989) S. 98–129. – Dies.: Abschied vom ‹historischen Volkslied›. Tu¨ bingen 2000, S. 288–290. CF 316

Ablaßverzeichnisse Ablaßverzeichnisse. – Handschriftliche und gedruckte Verzeichnisse kirchlicher Institutionen u¨ ber die ihnen verliehenen Abl¨asse, ab ca. 1300. Die A. stellen die jeweiligen (oft gef¨alschten) Abl¨asse einer Kirche, eines bestimmten Klosters oder Ordens zusammen, oder verweisen auch nur pauschal auf die M¨oglichkeit des Ablasserwerbs. Man versteht hier unter A. kurze u¨ berblicksartige Texte, in Abgrenzung zu umfangreichen Kompendien (z. B. die → Abl¨asse und Heilt¨umer der Stadt K¨oln), die katalogartig alle Abl¨asse einer bestimmten Stadt erfassen und dabei zumeist den Vorbildern der → Indulgentiae ecclesiarum urbis Romae und Jerusalembeschreibungen (→ Pilgerberichte u¨ ber Pal¨astina) folgen. ¨ Uberwiegend sind die A. lat. verfasst, volks¨ sprachliche handschriftliche Uberlieferung ist selten. Die handschriftliche Aufzeichnungen der A. scheinen zudem eher internen archivalischen Interessen der jeweiligen Institutionen gedient zu haben; vor allem im Zuge der Klosterreformen gab es eine Tendenz zur schriftlichen Fixierung der geistlichen Besitzst¨ande. Demgegen¨uber stehen die Drucke der A. im Kontext einer sp¨atma. intensiven Ablasspublizistik, die sich zunehmend auch der Volkssprache bediente. So sind die A. ein Zeugnis der Ausbreitung des Buchdrucks und der Volkssprachlichkeit im Fr¨ommigkeitsbetrieb, wenngleich auch ihr Aufkommen (etwa im Vergleich zu Kampagnen des p¨apstlichen Nuntius Raimund → Peraudi) eher gering blieb. ¨ Uberlieferung (dt.; Zusammenstellung bis jetzt ¨ ermittelter Hss.; die tats¨achliche hsl. Uberlieferung d¨urfte umfangreicher sein): Verzeichnisse f¨ur Orden: Augsburg, UB, Cod. II.1.8° 14, 54v–64v (Pap., letztes Viertel 15. Jh., n¨urnbergisch; Dt. Orden). – Ebd., Cod. III.1.8° 9, 165r–171v (Pap., Ende 15. Jh., schw¨abisch; Zisterzienser, besonders Kirchheim). – Ebd., Cod. III.1.4° 31, 173r–180v (Pap., 1475, ostschw¨abisch; Birgittenorden, speziell f¨ur Maihingen). – Darmstadt, ULB, Hs. 823, 97v–98r (Perg., um 1300, mitteldt.; Dt. Orden). – Freiburg i. Br., UB, Hs. 467, 9v–10r (Pap., 1455–57, oberrheinisch; Johanniter). – Heidelberg, UB., Heid. Hs. 68 (vormals Cod. Heid. 359,5), 146r–151r (lat.), 151v (dt.) (Pap., 15. Jh., dt. Verz.: 16. Jh.; Dt. Orden). – Jena, ULB, Ms. El. philos. q. 2, 1r–15r (Pap., Ende 15. Jh., mitteldt. mit obd. Einschlag; Dt. Orden). – Mu¨ nchen, BSB, Cgm 837, 203r–203v (Pap., Ende 15./erstes Viertel 16. Jh., 317

um 1300 bair.; Augustinerchorherren und Laienbr¨uder). – Ebd., Cgm 5513, 5v–16v (Pap., um 1500, mittelbair.; Birgittenorden). – M¨unster, UB, Hs. 730, S. 277–287 (Perg. und Pap., sp¨ates 15. Jh., mnd.; verbrannt; Kreuzbr¨uder). – N¨urnberg, Germ. Nationalmus., Hs. 6, 1r–10v (Pap., 1451/52, n¨urnbergisch; Dominikaner). – Philadelphia, Library University of Pennsylvania, Ms. Cod. 1087, 21r–22v (Pap., 15. Jh., obd.; Dt. Orden). – Verzeichnisse f¨ur einzelne Kl¨oster oder Kirchen: Augsburg, UB, Cod. II.1.8° 14, 33v–54v (s. o.; Heiliggeistspital N¨urnberg). – Berlin, SBB, Mgo 278, 311r–313v (Pap., 16. Jh., nd.; Kloster Hamersleben). – Coburg, LB, Ms. Sche. 16, 307ra–308vb (Pap. und Perg., 1427, nordbair.; Bamberg). – London, British Library, Ms. Arundel 6, 48v–49v (Pap., 1460, nordbair.; Bamberg). – Mu¨ nchen, BSB, Cgm 267, 238v–240r (Pap., um 1448, nordbair.; Bamberg). – Ebd., Cgm 1529, 17v–19r (Perg., zweite H¨alfte 15. Jh., mittelbair.; Kloster Raitenhaslach). – Ebd., Cgm 1777, 346rv (Pap., Anfang 16. Jh., mittelbair.; Kloster Hohenwart). – N¨urnberg, Germ. Nationalmus., Hs. 6, 13r–60v (s. o.; Katharinenkloster N¨urnberg). – N¨urnberg, StB, Cod. Cent. IV, 20, 129va–130rb (Pap., 1442, n¨urnbergisch; Bamberg). – Ebd., Cod. Cent. VI, 92, 93 Bll., (Pap., zweite H¨alfte 15. Jh., n¨urnbergisch; Katharinenkloster N¨urnberg). – Zu¨ rich, Staatsarch., C II 13, Nr. 365 (Mitte 14. Jh.; Kloster T¨oss). – Nicht erfasst sind → Heiltumsb¨ucher, die auch h¨aufig A. enthalten. Zu Verzeichnissen in Gebetb¨uchern und Tafeln vgl. VL2 11 (2004) Sp. 12. – Fr¨uhdrucke: Gent, Arend de Keysere, vor 1487 (f¨ur St. Gilles, Br¨ugge [GW 0009505N], ndl.). – Gouda, Collacie Broeders, um 1495 (Annengilde und bruderschaft Haarlem [GW 00449], ndl.). – Leiden, Hugo Janszoen, 1499 (Johanniter Haarlem [GW 1139010], ndl.). – Leipzig, Konrad Kachelofen um 1491 (Stiftskirche Freiberg/Sachsen [GW 00099, 0009905N]). – L¨ubeck, Bartholom¨aus Ghotan, um 1492 (L¨ubecker Kirchen [GW 00009]). – Reutlingen, Michael Greyff, um 1483 (Einblattdr., Stiftskirche Urach [GW 00110]). – Speyer, Peter Drach um 1500 (?) (Einblattdr., Kloster St. Trudbert, Schwarzwald GW [00108]). Literatur: Falk Eisermann, VL2 11 (2004) Sp. 7–9. – Konrad Haebler: Gedruckte spanische Ablassbriefe des Inkunabelzeit. In: Zs. f¨ur B¨ucherfreunde 5 (1901/1902) S. 11 f., 59–71; 8 (1904/1905) S. 49–58. – Nikolaus Paulus: Gesch. des Ablasses im MA. Bd. 3. Paderborn 318

um 1300 1923. Nachdr. Darmstadt 2000. – Klaus Naß: Ablaßf¨alschungen im sp¨aten MA. Lothar III. und der Ablaß des Klosters K¨onigslutter. In: Hist. Jb. 111 (1991) S. 403–432. – Thomas Lentes: Gez¨ahlte Fr¨ommigkeit im sp¨aten MA. In: Fr¨uhma. Stud. 29 (1995) S. 1–71, hier S. 40–69. – Nine Robintje Miedema: Die ‹Mirabilia Romae›. Unters. zu ihrer ¨ Uberl. mit Edition der dt. und ndl. Texte (MTU 108). T¨ubingen 1996, S. 96, 132 und Reg. – F. Eisermann: Verz. v. Abl¨assen. In: Geburt der Zeit. Eine Gesch. der Bilder und Begriffe. Ausstellungskat. Mus. Fridericianum Kassel 1999/2000. Hg. v. Hans Ottomeyer. Wolfratshausen 1999, S. 239 f. (Nr. 7.4.7). – Ders.: Der Ablaß als Medienereignis. Kommunikationswandel durch Einblattdrucke im 15. Jh. In: Tradition and Innovation in an Era ¨ of Change/Tradition und Innovation im Ubergang zur Fr¨uhen Neuzeit (Medieval to Early Modern Culture/Kultureller Wechsel vom MA zur fr¨uhen Neuzeit 1). Frankfurt/M. 2001, S. 99–128. – Axel Ehlers: Die Ablasspraxis des Dt. Ordens im MA (Quellen und Stud. zur Gesch. des Dt. Ordens 64). Marburg 2007, S. 525, 527–530, 532–537, 556. VZ Berchtold von Kremsmunster ¨ (Bernhard v. K., Bernardus Noricus) OSB, * vor 1270, † um 1326. – Historiograph. B. wurde in den 80er Jahren des 13. Jh. M¨onch in Kremsm¨unster, 1290 Diakon in Passau und empfing 1300 die Priesterweihe. Seit 1292 war er im Skriptorium von Kremsm¨unster als Schreiber, Rubrikator und Korrektor, vielleicht auch als Buchmaler t¨atig. Sp¨ater war er Leiter des Skriptoriums. Seine Hand ist in knapp 70 Handschriften, die sich zum Großteil noch in Kremsm¨unster befinden, nachweisbar. Neben (zeitweiligen) T¨atigkeiten als Kustos der Stiftskirche und vermutlich auch als Scholasticus vertrat B. das Kloster auch nach außen. So reiste er 1319 nach Avignon. B. schrieb ausschließlich in lat. Sprache. Um 1300 ist seine erste literarische T¨atigkeit nachgewiesen, ein Reimoffizium f¨ur das Fest des Agapitus (des Schutzpatrons des Klosters), das allerdings nicht u¨ berkommen ist. Erhalten sind hingegen aus sp¨aterer Zeit eine Predigt auf den hl. Agapitus und eine Agapitus-Legende. B.s Hauptinteresse galt indes der Historiographie. Er gilt als (Mit-) Urheber der anonym u¨ berlieferten Geschichtsquellen von Kremsm¨unster mit deren Kompilation er wohl nach 1315 begonnen hat. Teilweise ist das 319

Berchtold von Kremsmunster ¨ Werk jedoch bereits zur Mitte des 13. Jh. in Passau verfasst worden. Das Sammelwerk enth¨alt Kataloge angeblicher Bisch¨ofe von Lorch und Passau, ¨ der Herz¨oge von Bayern und Osterreich und der ¨ Abte von Kremsm¨unster neben einer Geschichte der Kirche von Lorch und einer Gr¨undungsgeschichte Kremsm¨unsters. Die Kompilation sch¨opft aus Schriften Albert Behaims und Hermanns von Niederaltaich und ist zudem gepr¨agt von den Lorcher F¨alschungen, die ein Erzbistum Lorch und den legitimen Nachfolger Passau belegen sollten. Ein historiographischer Schwerpunkt liegt auf der bayerischen Fr¨uhgeschichte mit Herzog Tassilo III. als Gr¨under von Kremsm¨unster (777). Die ersten, fr¨uher enstandenen Teile der Geschichtsquellen zu Lorch und Passau (Historia Ecclesiae Laureacensis, auch Historia episcoporum Pataviensium et ducum Bavariae mit den entsprechenden Katalogen) werden auch unabh¨angig von der Gesamtkompilation u¨ berliefert. Aventinus nannte mit Bezug auf einen Teilabschnitt des Werkes (Passio Quirini) irrt¨umlich einen «Bernardus Noricus» als Autor. Auch Sigmar, der Cellerar von Kremsm¨unster wurde als Verfasser diskutiert. Seit der Mitte des 20. Jh. gilt die maßgebliche Teilhabe des Skriptoriumsleiters B. v. K. an der Kompilation als gesichert (Neum¨uller 1947 [s. Lit.]). Auf B. allein geht die Historia Cremifanensis zur¨uck, die Geschichte von der Gr¨undung des Klosters bis zu Abt Friedrich von Aich. Bei der Historia zieht B. zahlreiche weitere Quellen heran, darunter auch die Passauer Kataloge, die schon Eingang in die Geschichtsquellen gefunden hatten. Der ¨ Abtekatalog der Historia wurde bis ins 15. Jh. fortgef¨uhrt. Teilweise gleichzeitig zur Historia entstand die Narratio de Ecclesia Cremsmunstrensi, vielleicht der H¨ohepunkt des historiographischen Schaffens B.s, bei dem seine theologische und philolgische Ausbildung und vor allem seine poetische Begabung zum Tragen kommen. Die Narratio ist zweigeteilt in die Abschnitte «De constructione» u¨ ber die Gr¨undung des Klosters und «De Ruina» u¨ ber dessen Gegenwart und Niedergang. Zu sp¨ateren Geschichtsschreibern, auf die B.s Schriften direkt oder indirekt gewirkt haben, z¨ahlen → Andreas von Regensburg, Thomas → Ebendorfer, Ritter Hans → Ebran von Wildenberg, Ulrich → Fuetrer und vor allem Veit → Arnpeck, u¨ ber den B. wiederum von Aventinus rezipiert wurde. 320

Heinrich von Klingenberg ¨ ¨ Uberlieferung: (Autographe) Wien, ONB, Cod. 610 (Konzepths.). – Kremsm¨unster, Stiftsbibl., Schatzkasten Nr. 3 (vormals Cod. 401) (Rein¨ schrift). – Der Annalencod. Wien, ONB, Cod 375 («Annales Cremifanenses usque ad a. 1220») enth¨alt Notizen, Glossen, Verweise, Erg¨anzungen und Kommentare von der Hand B.s. Ausgaben: Hieronymus Pez: Bernardus Noricus. Coenibitae Cremifanensis chronicon Austriacum. Ab ejusdem gentis origine ad a. Christi 1308 perductum. In: Scriptores rerum austriacarum veteres ac genuini Bd. 1. Leipzig 1721, S. 687–696. – Johann Loserth: Die Geschichtsquellen von Kremsm¨unster im XIII. und XIV. Jh. Wien 1872. – Georg Waitz: Historia Patavienses et Cremifanenses. In: MGH SS 25 (1880) S. 610–678. – Wilhelm Wattenbach: Auctarium Cremifanense. In: MGH SS 9 (1851) S. 550–554 (Annalencod.). Literatur: Willibrord Neum¨uller, NDB 2 (1955) S. 102 (Bernardus Noricus v. K.). – Paul Uiblein, VL2 1 (1978) Sp. 715–718. – Karl Schnith, LexMA 1 (1980) Sp. 2000 (Bernhard v. K.). – Werner Maleczek, LThK3 1 (1994) Sp. 243. – Ernst Ludwig D¨ummler: Piligrim v. Passau und das Erzbisthum Lorch. Leipzig 1854. – G. Waitz: Sigmar und Bernhard v. K. In: Forschungen zur dt. Gesch. 20 (1880) S. 605–616. – J. Loserth: Sigmar und B. v. K. In: Arch. f¨ur o¨ sterr. Gesch. 81 (1895) S. 349–446. – Joseph Widemann: Die Passauer Annalen. In: Hist. Jb. 17 (1896) S. 499–503. – Alt¨ mann Altinger: Bernhard oder Sigmar. In: MIOG 19 (1898) S. 233–243. – J. Widemann: Die Passauer Geschichtsschreibung bis zum Anfang des 18. Jh. In: Hist. Jb. 20 (1899) S. 346–366, hier S. 348–352. – Ludwig Oblinger: Angelus Rumpler, Abt v. Formbach, und die ihm zugeschriebenen hist. Kollektaneen. In: Archivalische Zs. NF 11 (1904) S. 1–119, hier S. 51, 57 f. – Bernard P¨osinger: Die Rechtsstellung des Klosters Kremsm¨unster 777–1325. In: Arch. f¨ur Gesch. der Di¨ozese Linz 3 (1906) S. 13–133, hier S. 14–46. – Georg Leidinger: Unters. zur Passauer Geschichtsschreibung des MA. (Sb. der Bayerischen Akad. der Wiss., phil.-hist. Kl. 1915, Abh. 9.) S. 39–45, 66, 124 f. – Ders.: Bernardus Noricus. Ebd., 1917, Abh. 4. – W. Neum¨uller: Bernardus Noricus v. Kremsm¨unster. Wels 1947 (Sonderdr. aus: Jahresber. des Obergymnasiums der Benediktiner zu Kremsm¨unster 90). – Ders.: Zur ma. Bibl.gesch. Kremsm¨unsters. In: FS zum 400j¨ahrigen Bestande des o¨ ffentlichen Obergymnasiums der Benediktiner zu Kremsm¨unster. Wels 321

um 1300 1949, S. 281–291. – Ders./Kurt Holter: Die ma. Bibliotheksverz. des Stiftes Kremsm¨unster (Schriftenreihe des Inst. f¨ur Landeskunde v. Ober¨osterreich 2). Linz 1950. – P. Uiblein: Stud. zur Passauer Geschichtsschreibung des MA. In: Arch. f¨ur o¨ sterr. Gesch. 121 (1956) S. 93–180, hier S. 129–134, 155–160. – Altmann Kellner: Musikgesch. des Stiftes Kremsm¨unster. Kassel u. a. 1956, S. 89 f. – Alphons Lhotsky: Quellenkunde zur ma. Gesch. ¨ ¨ Erg.-Bd. 19) Graz u. a. 1963, Osterreichs (MIOG S. 284–287. – A. Kellner: Profeßbuch des Stiftes Kremsm¨unster. Kremsm¨unster 1968, S. 121 f. – J¨org Kastner: Die ‹Narratio de ecclesia Cremsmunstrensi›. Welt und Gesch. des Klosters als Spiegel der Heilsgesch. In: Ostbair. Grenzmarken 13 (1971) S. 246–256. – Repertorium fontium historiae medii aevi. Bd. 4 (1976) S. 488 f. – K. Schnith: Bayer. Geschichtsschreibung im Sp¨atMA. Eine Stud. zu den Quellen v. Passau-Kremsm¨unster. In: Hist. Jb. 97/98 (1978) S. 194–212, hier S. 194–197. – Jean-Marie Moeglin: Les ancˆetres du Prince. Propagande politique et naissance d’une histoire naˆ tionale en Bavi`ere au Moyen Age (1180–1500) ´ ´ (Ecole Pratique des Hautes Etudes, IVe Section, Sciences Historiques et Philologiques 5,54). Genf 1985, S. 42, 263. VZ Heinrich von Klingenberg (H. II. [auch: der j¨ungere] v. K.), * um 1240, † 12.9.1306 Konstanz. – Bischof von Konstanz, m¨oglicher Verfasser einer verlorenen Habsburger-Chronik. H. enstammte einem thurgauischen Ministerialengeschlecht und ist urkundlich erstmals 1254 und seit 1259 als Kleriker belegt. 1273/74 studierte er in Bologna. Weitere Studienorte sind nicht bekannt. Er schloss seine akademische Ausbildung als Dr. decretorum ab. H. war Inhaber zahlreicher Pfr¨unde (darunter Propsteien in Aachen, L¨uttich und Xanten). 1279–91 war H. Pronotar K¨onig Rudolfs I., 1283–90 dessen Vizekanzler. Nach dem Tod Rudolfs und der Wahl Adolfs von Nassau zum K¨onig ¨ verlor H. seine hohen politischen Amter. Seit 1292 wirkte der Habsburger Parteig¨anger als Rat und Gesandter Albrechts von Habsburg. 1293 wurde er zum Bischof von Konstanz gew¨ahlt. Es gilt heute als wahrscheinlich, dass H. eine verlorene Habsburger-Chronik in vermutlich lat. Prosa verfasst hat. Diese k¨onnte um 1300 entstanden sein. Zu Anfang des 16. Jh. war die Chronik in einer dt. Fassung noch in habsburgischem 322

um 1300 Besitz. Jakob → Mennel, Historiograph Maximilans I., zog H.s Werk f¨ur seine F¨urstliche Chronik (abgeschlossen 1518) als Quelle heran. Nach dem Zeugnis seiner Konstanzer Bischofschronik k¨onnte Mennel im Besitz einer Handschrift mit der lat. Chronikfassung gewesen sein. Mit letzter Sicherheit wird H.s Autorschaft nicht zu belegen sein, da auch Mennel sich mitunter eher auf eine Tradition bezieht, die er mit H. in Verbindung bringt. Nach Mennels Chronik verliert sich jegliche Spur des Werks, das auch sonst von der (sp¨at)ma./fr¨uhneuzeitlichen Historiographie offenbar nicht rezipiert wurde. Im 19. Jh. wurde H.s Habsburg-Chronik von der Forschung irrt¨umlich mit der sog. → Klingenberger Chronik (auch Rappertswiler Chronik) in Verbindung gebracht. Auch f¨ur den seit dem 16. Jh. kursierenden Hinweis auf einen Engelstraktat von H. gibt es keinen Anhaltspunkt. Neben seiner eigenen literarischen T¨atigkeit war H. ein M¨azen der dt. Literatur. Der Z¨urcher Minnes¨anger Johannes → Hadlaub richtete (nach 1293) ein Preislied an ihn: «er kan wˆıse und wort». Wenn es auch keinen konkreten Hinweis f¨ur eine F¨orderung der → Weingartner Liederhandschrift und des Codex Manesse (→ Heidelberger Liederhandschrift C) durch H. gibt, existieren doch biographische Beziehung H.s nach Zu¨ rich. Kontakte zum ManesseKreis sind somit zumindest denkbar. Literatur: Georg v. Wyß, ADB 11 (1880) S. 511–515. – Fritz Trautz, NDB 8 (1969) S. 365 f. – Erich Kleinschmidt, VL2 3 (1981) Sp. 759–761. – Brigitte Degler-Spengler, LThK3 4 (1995) Sp. 1389 f. – Christian Folini, HLS 7 (2008) S. 285 f. – Andreas Bihrer, Encyclopedia of the Medieval Chronicle 1 (2010) S. 761. – Karl Rieger: H. v. K. und die Gesch. des Hauses Habsburg. Eine Quellenunters. als Beitr. zur Historiographie des ausgehenden dreizehnten Jh. In: Arch. f¨ur o¨ sterr. Gesch. 48 (1872) S. 305-.355. – Alexander Cartellieri: H. v. K. Propst von Aachen 1291-.1293. In: Zs. des Aachener Geschichtsver. 17 (1895) S. 74–88. – Peter P. Albert: Die habsburgische Chron. des Konstanzer Bischofs H. v. K. In: Zs. f¨ur Gesch. des Oberrheins NF 20 (1905) S. 179–223. – A. Cartellieri: H. v. K. als Gubernator der Reichenau. In: Die Kultur der Abtei Reichenau. Erinnerungsschr. zur zw¨olfhundertsten Wiederkehr des Gr¨undungsjahres des Inselklosters 724–1924. Hg. v. Konrad Beyerle. Bd. 1. M¨unchen 1925, S. 606–615. – Otto Feger: Das a¨lteste Urbar des 323

Siegfried von Balnhausen Bistums Konstanz. Angelegt unter Bischof H. v. K. Unters. und Textausg. (Oberrheinischer Urbare 1/Quellen und Forschungen zur Siedlungsund Volkstumsgesch. der Oberrheinlande 3). Karlsruhe 1943. – Walter Dann: Die Besetzung des Bistums Konstanz vom Wormser Konkordat bis zur Reformation. In: Zs. f¨ur die Gesch. des Oberrheins 100, NF 61 (1952) S. 3–96. – Suzanne und Sven Stelling-Michaud: Les juristes suisses a´ Bologne (1255–1330). Notices biographiques et regestes des actes bolognais. In: Travaux d’Humanisme et Renaissance 38 (1960) S. 105–111. – Alphons ¨ Lhotsky: Quellenkunde zur ma. Gesch. Osterreichs ¨ Erg.-Bd. 19). Graz/K¨oln 1963, S. 264 f. – (MIOG E. Kleinschmidt: Herrscherdarstellung. Zur Disposition ma. Aussageverhaltens, untersucht an Texten u¨ ber Rudolf I. v. Habsburg (Bibliotheca Germanica 17). Bern/M¨unchen 1974, S. 269–277. – HertaElisabeth Renk: Der Manessekreis, seine Dichter und die Manesse-Hs. (Stud. zur Poetik und Gesch. der Lit. 33). Stuttgart u. a. 1974, Reg. – Joachim Bumke: M¨azene im MA. Die G¨onner und Auftraggeber der h¨ofischen Lit. in Deutschland 1150–1300. M¨unchen 1979, Reg. – Repertorium fontium historiae medii aevi 5 (1984) S. 430. – Ludger Beckmann: Konstanzer Bisch¨ofe vom 13. zum 14. Jh. Diss. Freiburg i. Br. 1995, Reg. – Heinrich ¨ Brauchli: H. v. K. um 1240–1306. Uberragende Figur in der Gesch. des Bistums Konstanz. In: Ders.: Thurgauer Ahnengalerie. Weinfelden 2003, S. 54–57. – A. Bihrer: Der Konstanzer Bischofshof im 14. Jh. Herrschaftliche, soziale und kommunikative Aspekte (Residenzenforschung 18). Ostfildern 2005, passim. VZ Siegfried von Balnhausen (Presbyter S., S. v. Ballhausen), † nach 1306. – Theologe, Chronist. S. war nach eigenen Angaben Priester im th¨uringischen Ballhausen. Er kompilierte eine lat. Weltchronik, die in zwei Fassungen jeweils als Autograph u¨ berliefert ist. Die Historia universalis (A) reicht bis 1304, w¨ahrend das revidierte und erweiterte Compendium historiarum (B) die Zeit bis 1306 erfasst. In beiden Fassungen kann die Schrift in drei Teile gegliedert werden. Teile eins und zwei enthalten biblische Ereignisse vom AT bis zur Passion Christi und zur Apostelgeschichte. Der in A und B jeweils sehr unterschiedlich gestaltete dritte Teil verzeichnet Ereignisse seit den antiken Christenverfolgungen. In B ist dieser Teil wiederum 324

Koditz ¨ in zwei Kapitel geteilt: «De persecutionibus ecclesie» schildert zehn Christenverfolgungen unter den r¨omischen Kaisern von Nero bis Diokletian; die «Historia regni Christi» reicht von Konstantin als dem ersten christlichen Herrscher bis ins 14. Jh. S.s Chronik erg¨anzt die historischen Er¨ eignisse durch Listen und Ubersichten, etwa der r¨omischen K¨onige und Kaiser bis Albrecht I. sowie der P¨apste bis Benedikt XI. (A) bzw. Clemens V. (B). S.s Chronik wird in erster Linie von biblischen und kirchlichen Ereignissen bestimmt. Diese d¨urfte der Priester S. als Exempla f¨ur Predigten benutzt haben, was der Chronik zumindest teilweise den Charakter einer Stoffsammlung verleihen w¨urde. Die weltliche Geschichte ist in S.s Werk deutlich durch die th¨uringische Sichtweise des Verfassers gepr¨agt, der auf die fr¨ankische Eroberung Th¨uringens ebenso eingeht wie auf die Urspr¨unge und Taten der th¨uringischen Landgrafen. Als Quellen dienten S. neben der Bibel auch Werke von → Petrus Comestor (Historia scholastica) und → Gottfried von Viterbo (Pantheon), die Erfurter Cronica Minor sowie Heiligenlegenden. Zudem flossen Elemente aus m¨undlicher Tradition in die Chronik ein, darunter Geister- und Mirakelberichte, Visionen und Herrscheranekdoten. Rezipiert wurde S.s Werk u. a. in der Th¨uringischen Weltchronik des Johannes → Rothe. Insgesamt entfaltete die Chronik S.s jedoch keine nachhaltige, u¨ ber¨ortliche Wirkung. ¨ Uberlieferung: Historia universalis: Erlangen, UB, cod. 410 (lrm. 576), 354 Bll. (Perg., Autograph). – Compendium historiarum: Leipzig, UB, cod. 1305 (fr¨uhes 15. Jh., Autograph). – Ebd., cod. 825 und 826. – Dresden, LB, Mscr. F 97. – Ebd., Mscr. App. 2306, 164vb–171ra. Ausgaben: Sifridi presbyteri de Balnhusin historia universalis et compendium historiarum. Hg. v. Oswald Holder-Egger. In: MGH SS 25. Hannover 1880 (Nachdr. Stuttgart 1974) S. 679–718. – ¨ Altere Ausg. bei Studt 1992 (s. Lit.). Literatur: Birgit Studt, VL2 8 (1992) Sp. 1200–1204. – Hans Patze: Landesgeschichtsschreibung in Th¨uringen. In: Jb. f¨ur die Gesch. Mittel- und Ostdeutschlands 16/17 (1968) S. 95–168. – Hilkert Weddige: Heldensage und Stammessage. Iring und der Untergang des Th¨uringerreiches in Historiographie und heroischer Dichtung. T¨ubingen 1989, S. 148 f. – Matthias Werner: Identit¨at und Gesch. Weimar 1997, S. 92 f. MM 325

1. H¨alfte 14. Jh. Koditz, ¨ Friedrich (auch K¨oditz von Salfeld, K¨odiz von Saalfeld), K¨oditz/Saalfeld-Rudolstadt (?), † um 1323/31. – Rektor, Biograph Ludwigs IV. von Th¨uringen. K.s Lebensumst¨ande sind weitgehend unbekannt. Er war bis etwa 1323 Rektor der Klosterschule in Reinhardsbrunn/Th¨uringen und schuf ¨ um 1314–23 die dt. Ubertragung einer lat. Vita Ludwigs IV. (1200–1227). Dieser war Landgraf von Th¨uringen und erwarb sich als Ehemann der heiligen → Elisabeth (1207–1231) einen heiligm¨aßigen Ruf. Das Original von K.s Ludwig-Vita ist verloren und nur in sp¨ateren Kopien u¨ berliefert, unter denen eine 1404 entstandene Abschrift des Nikolaus G¨otze von M¨uhlhausen als authentischste Kopie gilt. K.s Werk beruhte prim¨ar auf einer heute verlorenen Vita Ludowici (um 1308–14), die nur noch u¨ ber die Cronica Reinhardsbrunnensis teilweise nachweisbar ist. Weitere Quellen K.s waren wahrscheinlich die Elisabeth-Vita des Dietrich von Apolda und die Gesta des → Bertholdus Capellanus. K.s Vita mischt in ihren sechs B¨uchern historische Fakten mit christlichen Legenden. So besteht etwa das letzte Buch nur aus einer Sammlung von Wunderberichten. Heute gilt die Vita als gelungener Br¨uckenschlag zwischen Hagiographie und politischer Biographie, u. a. wegen der sprachlichen und stilistischen Geschliffenheit von K.s Prosa. ¨ Uberlieferung: Coburg, LB, Ms. Cas. 102, 2r–55v (Perg./Pap., 15. Jh.). – Mu¨ nchen, BSB, Cgm 5924, 2r–90v (15. Jh.). – Berlin, SBB, Mgf 576, 50 Bll. (Pap., um 1430). – Pommersfelden, Gr¨afl. Sch¨onbornsche Schlossbibl., Cod. 21 (2769), 1r–148v (1461). – Gotha, Forschungsbibl., Cod. Chart. B 52, 8r–62r (Pap., um 1470–80). – Dresden, LB, Mscr. R 61, 1r–61v (Pap., 1482). – Gotha, Forschungsbibl., Cod. Chart. B 180, 11v–72r (Pap., 1487). – Leipzig, UB, Ms. 0287°, 10r–82v (Pap., 1492). – Sowie nachma. Kopien; vgl. Lomnitzer 1985 (s. Lit.). Ausgabe: Das Leben des heiligen Ludwig, Landgrafen in Th¨uringen, Gemahls der heiligen Elisabeth. Nach der lat. Urschrift u¨ bers. v. F. K¨odiz v. Salfeld. Hg. v. Heinrich R¨uckert. Leipzig 1851. Literatur: Ehrismann 2,2,2 (1935) S. 405. – Helmut Lomnitzer, VL2 5 (1985) Sp. 5–7. – De Boor/ Newald 4/1 (21994) S. 184. – Oswald HolderEgger: Stud. zu Th¨uringischen Geschichtsquellen 2. In: Neues Arch. der Gesellsch. f¨ur a¨ ltere dt. Geschichtskunde 20 (1895) S. 373–421, 569–637, hier 326

1. H¨alfte 14. Jh. S. 622–637. – Rudolf Ehwald: Reste der Reinhardsbrunner Bibl. In: Mitt. des Ver. f¨ur Gothaische Gesch. und Altertumsforschung 1906/07 (1907) S. 63–73. – Hans Patze: Landesgeschichtsschreibung in Th¨uringen. In: Jb. f¨ur die Gesch. Mittelund Ostdeutschlands 16/17 (1968) S. 95–168 (wieder in: Gesch. Th¨uringens 1. Grundlagen und fr¨uhes MA. Hg. v. H. Patze/Walter Schlesinger. K¨oln/Wien 1985, S. 1–47). – Burghart Wachinger: S¨angerkrieg. Unters. zur Spruchdichtung des 13. Jh. M¨unchen 1973, S. 53–59. – Ute Rißland: Die Laute und Formen der Vita des Landgrafen ¨ Ludwig IV v. Th¨uringen in der Ubers. v. F. K. v. Saalfeld. In: Beitr. zur Erforschung der dt. Sprache 7 (1987) S. 182–206 (urspr¨unglich Diss. Jena 1983). – Sylvia Weigelt: Die Th¨uringische Landeschron. des Johannes Rothe. Ihre Quellen und deren editorische Darst. am Beispiel der Vita Ludowici ¨ in der Ubers. des F. K. v. Salfeld. In: Quelle, Text, Edition. Ergebnisse der o¨ sterr.-dt. Fachtagung der Arbeitsgemeinschaft f¨ur germanistische Edition in Graz vom 28. Februar bis 3. M¨arz 1996 (Editio Beih. 9). Hg. v. Anton Schwob/Erwin Streitfeld. T¨ubingen 1997, S. 109–121. – Martin J. Schubert: Sammelwerk zur Gesch. der Landgrafen. In: Bescheidenheit. Dt. Lit. des MA in Eisenach und Erfurt. Kat. zur Ausstellung der Univ.- und Forschungsbibl. Erfurt/Gotha in der UB Erfurt vom 22. August bis 13. Oktober 2006. Hg. v. Christoph Fasbender. Gotha 2006, S. 98 f. MM Ottokar von Steiermark (Otacher aus der Geul/ Gaal), * um 1260/65 bei Seckau (Nordweststeiermark), † 27.9.1319, 1320 oder 1321, beigesetzt vermutlich Stiftskirche Seckau. – Chronist. ¨ Der Verfasser der Steirischen (Osterreichischen) Reimchronik, in V. 18.185 von Frau Minne mit «Ottacker» angesprochen, wurde von Loehr (1937) als «Otacher ouz der Geul» identifiziert. O. geh¨ort demnach zur einflussreichen Familie der Herren von Strettweg (Stretwich), seit ca. 1243 genannt aus der Geul nach einem Lehen des Bistums Seckau bei Judenburg. Er ist zwischen 1287 und 1319 mehrfach urkundlich belegt, 1304 als Ehemann und Vater, 1313 als Mitglied einer Gesandtschaft Herzog Friedrichs des Sch¨onen nach Aragon, in dessen Umgebung auch O.s S¨ohne zu finden sind. Aus den Urkunden ergeben sich Hinweise auf Reisen nach Italien, B¨ohmen, Spanien und Flandern. 1291 327

Ottokar von Steiermark ist in Bologna ein Odacker de Stiria als Student der Rechtswissenschaften bezeugt. Die Urkunden stehen im Einklang mit den biographischen Angaben und Kenntnissen, die aus O.s Reimchronik zu erschließen sind. Dort bezeichnet er Otto II. von Liechtenstein, Sohn des Dichters Ulrich von Liechtenstein, als seinen Dienstherrn (Vv. 8120–8122). Er weist sich als Verfasser einer nicht erhaltenen Kaisergeschichte aus, die er «ze tiutsche von latˆın» (V. 19) gebracht habe. Dies l¨asst wie die Verwendung lat. Quellen in der Reimchronik auf O.s lat. Schulbildung schließen, zudem verf¨ugt er u¨ ber exzellente Kenntnisse der h¨of. Dichtung. Als seinen Meister nennt er einen sonst unbekannten Konrad von Rotenberg (V. 324), der unter den «videlæren» (V. 307) K¨onig Manfreds von Sizilien gewesen sei. Den gr¨oßten Teil seiner knapp 100.000 Verse umfassenden Chronik hat O. vermutlich in den beiden Jahrzehnten vor 1318 verfasst. Er behan¨ delt die Geschichte des Reiches und Osterreichs vom Tod Kaiser Friedrichs II. 1250 und Herzog Friedrichs II. 1246 bis zum Tod Kaiser Rudolfs von Habsburg 1291, die Zerst¨orung Akkons 1291 sowie Ereignisse der Reichs- und Landesgeschichte von 1291–1309/10, darunter auch die franz¨osischflandrischen Kriege, Unruhen in B¨ohmen und Ungarn oder der Kampf Venedigs um Ferrara. Die Chronik bricht im Bericht u¨ ber die o¨ sterr. Adelsrevolte von 1309/10 ab. O. gliedert seinen Stoff sowohl chronologisch als auch thematisch, stellt Zusammenh¨ange her und schildert die Begebenheiten anschaulich. Er bedient sich der narrativen Verfahren der h¨ofischen Epik, um Szenen zu dramatisieren oder durch fiktive Erz¨ahlungen die Verh¨altnisse zwischen den politischen Kr¨aften zu illustrieren. Die Adressaten der Chronik sind die steirischen und o¨ sterr. Landherren, in seiner Darstellung und Bewertung der Ereignisse vertritt O. ihre Interessen. Hinsichtlich der nachpr¨ufbaren Daten und Fakten sind O.s Ausk¨unfte zuverl¨assig, er kann sowohl auf Augenzeugenberichte als auch auf o¨ sterr. lat. Annalen und andere, nicht sicher nachweisbare Chroniken zur¨uckgreifen. Die Reimchronik wurde u. a. von Johann von Viktring f¨ur seinen Liber certarum historiarum und von Leopold von Wien f¨ur seine → Chronik von den 95 Herrschaften genutzt und galt Historiographen bis ins 18. Jh. als wertvolle Quelle. Mittlerweile 328

Von dem Anticriste wird sie vor allem als Zeugnis der Mentalit¨atsgeschichte untersucht. ¨ Uberlieferung: In keiner der bekannten Hss. (8 Codd. und 3 Fragmente, bis auf eine Hs. Pap., 14. u. 15. Jh., u¨ berwiegend bair.-¨osterr.) ist die Chronik vollst¨andig u¨ berliefert. Sie erscheint vielmehr in vier Teile gegliedert, die in verschiedenen Kombinationen u¨ berliefert werden, darunter oft der Untergang Akkons (Vv. 44.579–53.866). Den gr¨oßten zusammenh¨angenden Text (Vv. 1–69.002) ¨ Cod. Vindob. 3047, 224 u¨ berl. Wien, ONB, Bll. (Pap., 14./15. Jh., bair.-o¨ sterr.), Seem¨uller ¨ w¨ahlt als Leiths. f¨ur seine Edition Wien, ONB, Cod. Vindob. 3040, 220 Bll. (Pap., bair.-o¨ sterr., Ende 15. Jh.), entstanden m¨oglicherweise im Auftrag Kaiser Maximilians I. oder Friedrichs III. (Besitzvermerk auf der Innenseite des hinteren Deckels: «Iste liber est regis romanorum»), enth¨alt ¨ Vv. 250–28.464 und 69.003–98.595. Zur Uberl. s. Seem¨uller (1890, S. VII–XLVII, und 1894) und Liebertz-Gr¨un (1984, S. 104–111), dort nicht erw¨ahnt: L¨uneburg, Ratsb¨ucherei, Ms. Hist. C 2° 37, Bl. 194ra–259ra (Pap., laut Eintrag Bl. 188v entst. 1466, bair.). Enth¨alt Vv. 44.597–53.866 (Untergang Akkons). – Berlin, Geh. Staatsarch. Preuß. Kulturbesitz, XX. HA Hs. 34, Bd. 5, 3 L¨angsstreifen eines Bl. (Perg., 14./15. Jh., md. [?]). Enth¨alt Reste der Vv. 51.498–51.801. ¨ Ausgabe: Josef Seem¨uller (Hg.): O.s Osterr. Reimchronik. Nach den Abschriften Franz Lichtensteins. Hannover 1890–93. Nachdr. Zu¨ rich/ Dublin 1974 (MGH Dt. Chron. 5,1–2). Literatur: Helmut Weinacht, VL2 7 (1989) Sp. 238–245; 11 (2004) Sp. 1157 f. – Ursula Liebertz-Gr¨un, LexMA 6 (1993) Sp. 1587–1589. – Winfried Stelzer, NDB 19 (1999) S. 716 f. – Ursula Liebertz-Gr¨un, Killy2 9 (2010) S. 48 f. – Joseph Seem¨uller: Das M¨unchener Bruchst¨uck ¨ der Osterr. Reimchronik. In: ZfdA 38 (1894) S. 368–376. – Walter Heinemeyer: O. v. Steier und die h¨ofische Kultur. In: ZfdA 73 (1936) S. 201–227. – Maja Loehr: Der steirische Reim¨ chronist: her Otacher ouz der Geul. In: MOIG 51 (1937) S. 89–130. – Anna Kr¨uger: Stilgeschichtli¨ che Unters. zu O.s Osterr. Reimchronik (Palaestra 215). Leipzig 1938. – Eberhard Kranzmayer: Die steirische Reimchronik O.s und ihre Sprache (Sb. Akad. der Wiss. Wien, Phil.-Hist. Kl. 226,4). ¨ Wien 1950. – Othmar Hageneder: Uber das f¨urstliche Gesetzgebungsrecht beim steirischen Reimchronisten. In: FS Nikolaus Grass. Hg. v. Louis 329

1. H¨alfte 14. Jh. Carlen/Fritz Steinegger. Bd. 1. Innsbruck 1974, S. 459–481. – Ernst Englisch: O.s ‹Steir. Reimchronik›. Versuch einer realienkundlichen Interpretation. In: Die Funktion der schriftlichen Quelle ¨ in der Sachkulturforschung (Sb. Osterr. Akad. der Wiss., Phil.-Hist. Kl. 304,4). Wien 1976, S. 7–54. – Horst Wenzel: H¨ofische Gesch. Lit. Tradition und Gegenwartsdichtung in den volkssprachigen Chron. des hohen und sp¨aten MA (Beitr. zur a¨ lteren dt. Literaturgesch. 5). Bern u. a. 1980. – Ursula Liebertz-Gr¨un: Das andere MA. Erz¨ahlte Gesch. und Geschichtserkenntnis um 1300. Stud. zu O. v. St., Jans Enikel, Seifried Helbling (Forschungen zur Gesch. der a¨lteren dt. Lit. 5). Mu¨ nchen 1984. – Christoph M¨arz: Geborgte Helden, geliehene Gef¨uhle. Heldenepos und h¨ofischer Ro¨ man in O.s ‹Osterr. Reimchronik›. In: Helden¨ ¨ dichtung in Osterr. – Osterr. in der Heldendichtung. 4. P¨ochlarner Heldenliedgespr¨ach. Hg. v. Klaus Zatloukal. Wien 1997, S. 123–136. – V´aclac Bok: Zum Bild des b¨ohmischen K¨onigs Premysl Otakars II. in der ‹Steirischen Reimchronik›. In: Literarische Leben. Rollenentw¨urfe in der Lit. des Hoch- und Sp¨atMA. FS Volker Mertens. Hg. v. Matthias Meyer/Hans-Jochen Schiewer. T¨ubingen 2002, S. 33–54. – Wolfgang Haubrichs: Authentische Memoria. Zur Rolle des ¨ K¨unstlers in O.s ‹Osterr. (Steir.) Reimchronik›. In: ebd. S. 231–245. – Alexander Sager: Eastern Europe and the Cultural Poetics of the Chivalric Tournament in Medieval Germany: ‹Biterolf und Diet¨ leib›, O. v. S.’s ‹Osterr. Reimchronik› and Ludwig von Eyb’s ‹Turnierbuch›. In: Germano-Slavica 14 (2003) S. 5–23. – Christiane Witth¨oft: Ritual und Text. Formen symbolischer Kommunikation in der Historiographie und Lit. des Sp¨atMA (Symbolische Kommunikation in der Vormorderne). Darmstadt 2004. – Bettina Hatheyer: Das Buch von Akkon. Das Thema Kreuzzug in der ‹Steir. Reimchronik› ¨ des O. aus der Gaal. Unters., Ubers. und Komm. G¨oppingen 2005. – Georg Jostkleigrewe: ‹Ganzer frid noch staeter suon... wirt nimmer uˆ f der riviere der zweier rˆıche gemerke› – eine dt.-frz. Erbfeindschaft ante litteram? O. v. S. und die problematische Konstruktion ‹nationaler› Grenzen in vornationaler Zeit. In: Grenze und Grenz¨uberschreitung im MA. Hg. v. Ulrich Knefelkamp/Kristian BosselmannCyran. Berlin 2007, S. 37–53. VL Von dem Anticriste. – Geistliche Versdichtung. Die 634 Reimpaarverse in neun ungleich langen Abschnitten handeln von der Herkunft, dem Wir330

1. H¨alfte 14. Jh. ken und dem Tod des Antichrist. Dabei werden ¨ zwischen u¨ ber die Feststellung von Ahnlichkeiten Christus und dem Antichrist die fundamentalen Differenzen verdeutlicht etwa bei den Umst¨anden der Geburt (V. 99–148), bez¨uglich der Wundertaten (V. 259–282) und der Himmelfahrt (V. 611–634). Die beschreibenden Passagen eines Sprecher-Ich werden aufgelockert durch den Einschub w¨ortlicher Rede (V. 226–236, 464, 474–484, 611–618) und direkter Zitate (V. 559–562). Der Text beruft sich selbst zu Beginn auf → Augustinus, markiert außerdem Bibelzitate. Eine direkte Vorlage ist zwar nicht auszumachen, viele Textdetails sprechen aber daf¨ur, dass der Verfasser Adsos von Montier-en-Der De ortu et tempore Anichristi in der erweiterten Fassung des Albuinus Eremita (PL 40, Sp. 1131 ff., PL 101, Sp. 1289 ff.) gekannt und benutzt hat (Wang, Sp. 400). ¨ Uberlieferung: Berlin, SBB, Mgo 138, 57v–70r (Perg., Anfang 14. Jh., bair., fr¨uher Privatbesitz Matth¨aus Kuppitsch in Wien). Ausgabe: Moriz Haupt: Von dem Anticriste. In: ZfdA 6 (1848) S. 369–386. Literatur: Andreas Wang, VL2 1 (1978) Sp. 399 f.; 11 (2004) 121. – Theodor von Karajan: ‹Buch der R¨ugen›. In: ZfdA 2 (1842) S. 6–92 (zur Hs.). – Karl Theodor Reuschel: Unters. zu den dt. Weltgerichtsdichtungen des XI. bis XV. Jh. Leipzig 1895, S. 17–19. – Nikolaus Henkel: Weiteres zu ‹Verbleib unbekannt›. Die Kuppitsch-Hs. von ‹Buch der R¨ugen› und ‚‹Von dem Anticriste›. In: ZfdA 110 (1981) S. 23–27 (zur Hs.). CS Dalimil (Dalimils Chronik). – Tschechische Lan¨ deschronik mit zwei dt. Ubersetzungen, um 1310/14, dt. Fassungen Mitte 14. Jh./erstes Drittel 15. Jh. Die Reimchronik ist das a¨ lteste historiographische Werk in tschechischer Sprache. Sie wurde im 17. Jh. f¨alschlich dem fiktiven Domherrn Dalimil von Messeritsch zugeschrieben. Ihr unbekannter Verfasser d¨urfte dem tschechischen Adel wenn nicht angeh¨ort, so doch zumindest nahe gestanden haben. Die erste Fassung der Chronik umfasst 4500 Verse in 103 Kapiteln und reicht bis zum Jahr 1314; zwei sp¨atere Erweiterungen reichen bis 1320. Hauptquelle ist die Chronica Boemorum des → Cosmas von Prag. Die a¨ ußerst patriotisch Gesinnung des Verfassers liefert den Grundton der Chronik, schl¨agt allerdings oft in aggresive Xenophobie 331

Dalimil um. Der Autor bef¨urchtet wegen des vordringenden dt. Einflusses die Germanisierung B¨ohmens und propagiert die politische und wirtschaftliche St¨arkung des tschechischen Adels. ¨ Zwei dt. Ubersetzungen wurden von der Chronik angefertigt. Zwischen 1342 und 1346 entstand mit → Di tutsch kronik von Behem lant eine dt. Vers¨ubersetzung; ihr Urheber k¨onnte ein Prager Angeh¨origer der Kreuzherren mit dem Roten Stern gewesen sein. Die antidt. Tendenz erscheint hier stark abgemildert. Die Prosafassung entstand w¨ahrend der Hussitenunruhen in den 20er oder 30er Jahren des 15. Jh und verdankt ihre Entstehung dem zu dieser Zeit gestiegenen Interesse an der tschechischen Geschichte. Die Prosau¨ bersetzung lehnt sich enger an den tschechischen Text ¨ (der zweiten Fassung) an als die Reimfassung. Uber ihren Verfasser ist nichts Weiteres bekannt. ¨ Uberlieferung: Tschechisch: Drei Fassungen in insgesamt acht vollst. Hss. und sechs Fragm. Eine ¨ fragm. lat. Ubers. wurde 2005 entdeckt. Vgl. Encyclopedia of Medieval Chronicle 1 (2010) Sp. 504 f. – Dt. Prosafassung (zur Reimfassung s. ‹Di tutsch kronik von Behem lant›): Leipzig, UB, Ms. 1328, 135r–210v (Pap., 1460/70). – Mu¨ nchen, BSB, Cgm 3967, 104ra–146ra (Pap., 1444, nordbair.oberpf¨alzisch). – Ebd., Cgm 3968, 2r–71r (Pap., erstes Viertel 16. Jh., bair. mit ostfr¨ankischem Einschlag). Ausgaben (Auswahl): Die alttschechische Reimchron. des sog. D. Hg. im Jahre 1620 v. Pavel Jeˇs´ın von Bezdˇez´ı. Nachdr. mit einer Einl. v. Jiˇr´ı Daˇnhelka (Sagners slavistische Slg. 4.). M¨unchen 1981. – J. Daˇnhelka u. a.: Staroˇcesk´a kronika tak rˇeˇcen´eho Dalimila (Texty a studie k dˇejin´am cˇ esk´eho jazyka a literatury 4–6). 3 Bde. Prag 1988–95 (Bd. 3: Kommentarbd. v. Marie Bl´ahov´a.) – Dt. Prosafassung (zur Reimfassung s. ‹Di tutsch kronik von Behem lant›): Hyroniemus Pez: Scriptores rerum Austriacarum veteres ac genuini. Bd. 2. Wien 1725, S. 1044–1012. – J. Jireˇcek: R´ymovan´a kronika cˇ esk´a tak ˇreˇcen´eho Dalimila. Di tutsch kronik von Behemlant (Fontes rerum Bohemicarum 3). Prag 1882 (enth¨alt den tschechischen Text und beide dt. Fassungen). Literatur: Zu Beitr. zur Reim¨ubers. s. ‹Di tutsch kronik von Behem lant›. – Rainer Rudolf, VL2 2 (1980) Sp. 33–35; 11 (2004) Sp. 341. – Marie Bl´ahov´a, Encyclopedia of the Medieval Chronicle 1 (2010) S. 504 f. (zu tschechischen Beitr. s. vor allem hier). – Adolf Bachmann: Die Reimchron. 332

Reimverse der Kremser Ketzer des sogenannten D. In: Arch. f¨ur o¨ sterr. Gesch. 11 (1902) S. 59–119. – Repertorium fontium historiae medii aevi. Bd. 4 (1976) S. 101 f. – Zdenˇek Masaˇr´ık: Zur Sprache der mhd. Dalimilchron. In: Br¨unner Beitr. zur Germanistik und Nordistik 7 (1991) S. 54–64. – Ders.: Sprachliches zur prosaischen ¨ Ubers. der mhd. Dalimilchron. In: Vielfalt des Deutschen. FS Werner Besch. Hg. v. Klaus J. Mattheier u. a. Frankfurt/M. u. a. 1993, S. 241–251. – Norbert Kersken: Geschichtsschreibung im Europa der ‹nationes›. Nationalgeschichtliche Gesamtdarstellungen im MA (M¨unstersche hist. Forschungen 8). K¨oln u. a. 1995, S. 583–587. – Robert B. Pynsent: Die Dalimil-Chron. als polymythischer Text. In: Geschichtliche Mythen in den Literaturen und Kulturen Ostmittel- und S¨udosteuropas (Forschungen zur Gesch. und Kultur des o¨ stlichen Mitteleuropa 6). Stuttgart 1999, S. 199–232. – Tom´aˇs Edel: Pˇr´ıbˇeh johanitsk´eho komtura ˇreˇcen´eho D. Kapitola z dˇejin cˇ esk´e politiky. Prag 2000. VZ Darmst¨adter Gedicht uber ¨ das Weltende. Das D. G. ist von der gleichen Hand wie der → Karlmeinet (cod. 2290) geschrieben, entstanden wahrscheinlich in der ersten H¨alfte des 14. Jh. in K¨oln oder Aachen. Die Dichtung umfasst 332 paarweise gereimte Verse und ist eine Art Epilog zum Karlmeinet in drei Teilen: Antichrist (5–96), F¨unfzehn Zeichen (97–246), Vom J¨ungsten Tag (247–332). Der Text hat grunds¨atzlich dieselbe mittelfr¨ankische Sprachform wie die Abschnitte 1, 3 und 6 des Karlmeinet; eine direkte Quelle ist nicht bekannt. ¨ Uberlieferung: Darmstadt, ULB, Hs. 2194, 5 Bll. (Pap., um 1480, ripuarisch). Ausgaben: F. W. E. Roth: Ein nd. Gedicht des f¨unfzehnten Jh. u¨ ber das Weltende. In: Germania 32 (1887) S. 93–97. – Erik Rooth: Zur Sprache des Karlmeinet. Ein unbeachteter Schlußabschnitt (Monographien zur Sprachwiss. 1). Heidelberg 1976, S. 21–32. – Ders.: Zum D. G. u¨ . d. W. (K. Humanistika Vetenskapssamfundet i Lund, Scripta min. 1976–77). Lund 1977, S. 25–33. Literatur: Erik Rooth, VL2 2 (1980) Sp. 46 f. – De Boor/Newald 3/2 (1987) S. 120. – Theodor ¨ Frings: Uber eine Veldekeabh. der Koninklijke Vlaamse Academie voor Taal- und Letterkunde. In: PBB (Halle) 78 (1956) S. 111–157, hier S. 138 f. – Vgl. ferner die Ausgaben. BJ 333

1. H¨alfte 14. Jh. Reimverse der Kremser Ketzer. – H¨aretische dt. Reimpaarverse, u¨ berliefert in lat. Inquisitionsberichten, fr¨uhes 14. Jh. Mehrere lat. Berichte zeugen von der Inquisition in Krems und Umgebung (1312–15), die sich vermutlich gegen die Waldenser richtete. Diese eng verwandten und nur im Detail differierenden Berichte zitieren sechs dt. Reimpaare mit nur geringer Varianz, welche die Jungfrauengeburt leugnen («Eva het ein man / Der was gehaizzen Adam: / Seit der zeit an man / Nie chain vraw chain chint gewan / Noch nimmer getuet/ Also stet unser gelawb und unser muet» [Fassung B, hg. v. Wattenbach, s. Ausg.). M¨oglicherweise stellen diese Verse lediglich einen f¨ur die Inquisitoren besonders anst¨oßigen Auszug aus einer l¨angeren Dichtung dar. Aufgrund der Zusammenhanglosigkeit des Zitats sind keine sicheren Schl¨usse auf die weiteren theologischen Implikationen m¨oglich, die mit der Leugnung der Jungfrauengeburt verbunden waren. Auch die lat. Begleittexte geben hier keinen zuverl¨assigen Anhalt. Die sog. R. d. K. K. scheinen – auch wenn es weitere Bezeugungen von h¨aretischen Liedern und Gedichten bei → David von Augsburg und → Berthold von Regensburg gibt – die einzigen im volkssprachlichen Wortlaut u¨ berlieferten zu sein. ¨ Uberlieferung: Fassung A (authentischster Ber.): St. Florian, Stiftsbibl., Cod. XI 328, 148v–149r (Pap., 1476). – Fassung B: Klosterneuburg, Stiftsbibl., Cod. 933, 180r–181r (Pap., 14./15. Jh.). – Mattsee (bei Salzburg), Bibl. des Kollegiatstifts, «Liber traditionum» (innerhalb der «Annales Mattseenses»). – Wien, Bibl. des Dominikanerkonvents, Cod. 188/154, 58ra–59ra (Pap., 14./15. Jh.). – Michaelbeuern (bei Salzburg), Stiftsbibl., Man. cart. 85, 125v–126v (erstes Viertel 15. Jh.). – Fassung C: Vorau, Stiftsbibl., Cod. 24 (fr¨uher LXXIII), 1v (Pap., Ende 14. Jh.). – Fassung D: (Zitiert u. d. T. «fides et opinio Katharorum de incarnacione Christi» im Vorspann des Traktats «De incarnatione verbii contra Katharos» des Nikolaus → Vischel von Heiligenkreuz) Heiligenkreuz, Bibl. des Zisterzienserstifts, Cod. 84, 32vab (Perg, 14. Jh. [?]). Ausgaben: Hieronymus Pez: Scriptores rerum austriacarum veteres ac genuini. Bd. 2. Leipzig 1725, Sp. 533–536 (A). – Godfrid Edmund Frieß: ¨ Patarener, Begharden und Waldenser in Osterreich ¨ w¨ahrend des MA. In: Osterr. Vierteljahrsschr. f¨ur kath. Theol. 11 (1872) S. 209–272, hier S. 245–247 334

1. H¨alfte 14. Jh. (B, nach Kloster Neuburg). – Wilhelm Wattenbach: Annales Mattseenses a. 1305–1395. In: MGH SS 9 (1851) S. 823–837, hier S. 825–827 (B, nach Mattsee, synoptisch auch C). – Nickson (s. Lit.) S. 311–313 (A), S. 304–311 (B, nach allen drei Hss.). ¨ Ubersetzung: Maleczek (s. Lit.) S. 36–39 (A). Literatur: Burghart Wachinger, VL2 11 (2004) Sp. 1296 f. – Margaret Nickson: The ‹PseudoReinerius›-Treatise the final stage of a thirteen century work on heresy form the diocese of Passau. In: Archives d’ histoire doctrinale et ˆ 42 (1967) S. 255–314, hier litt´eraire du Moyen Age S. 303–314. – Alexander Patschovsky: Der Passauer Anonymus. Ein Sammelwerk u¨ ber Ketzer, Juden, Antichrist aus der Mitte des 13. Jh. (MGH Schr. 22). Stuttgart 1968, S. 138–140. – Peter Segl: Ket¨ zer in Osterreich. Unters. u¨ ber H¨aresie und Inqui¨ sition im Herzogtum Osterreich im 13. und beginnenden 14. Jh. (Quellen und Forsch. aus dem Gebiet der Gesch. NF 5). Paderborn u. a. 1984, S. 284–341. – Werner Maleczek: Die Ketzerverfolgung im o¨ sterr. Hoch- und Sp¨atMA. In: Wellen der Verfolgung in der o¨ sterr. Gesch. Hg. v. ¨ Erich Z¨ollner (Schr. des Inst. f¨ur Osterreichkunde 48). Wien 1986, S. 18–39. – Fritz-Peter Knapp: ¨ Die Lit. des Sp¨atMA in den L¨andern Osterreich, Steiermark, K¨arnten, Salzburg und Tirol v. 1273 ¨ bis 1439. Bd. 1 (Gesch. der Lit. in Osterreich von den Anf¨angen bis zur Gegenwart 2,1). Graz 1999, S. 98 f. – Karl Ubl: Die o¨ sterr. Ketzer aus der Sicht der zeitgen¨ossischen Theologen. In: Hss., Historiographie und Recht. FS Wilfried Stelzer ¨ Erg.-Bd. 42). Hg. v. Gustav Pfeifer. M¨un(MIOG chen 2002, S. 190–224. – Ariane Czerwon: Predigt gegen Ketzer. Stud. zu den lat. Sermones Bertholds v. Regensburg (Sp¨atMA, Humanismus, Reformation 57). T¨ubingen 2011, S. 61 f. VZ Rudolf von Radegg. – P¨adagoge, Dichter. R. war wahrscheinlich ein Sohn des Freiherrn Rudolf II. v. R. und einer Leibeigenen. Er besuchte wohl die Klosterschule in Rheinau. Seit 1311 ist er als Lehrer an der Klosterschule in Einsiedeln nachweisbar. Zuletzt war er dort bis 1327 auch Rektor. Er scheint allerdings nie dem Konvent angeh¨ort zu haben. R. erlebte pers¨onlich den H¨ohepunkt des sog. Marchenstreits zwischen Einsideln und Schwyz mit: 1314 u¨ berfielen Schwyzer Bauern das Kloster, pl¨underten es und hielten auch 335

Rudolf von Radegg R. kurzzeitig gefangen. Zuletzt ist R. 1327 nachgewiesen, als er dem Kloster Rheinau sein Haus vererbte. Einsiedeln ist Gegenstand von R.s Cappella Heremitana, einem Preisgedicht mit historischen Elementen. Die 854 lat. Distichen sind dem zu R.s Zeit amtierenden Einsiedler Abt Johannes I. von Schwanden gewidmet, der auch im Text erscheint. Die in drei B¨ucher eingeteilte Schrift beginnt nach einem einf¨uhrenden Prolog mit lobenden Versen auf das zun¨achst als locus gefasste Kloster, dessen Gr¨undungsgeschichte ebenfalls im ersten Buch abgehandelt wird. Das zweite Buch preist die M¨onche Einsiedelns und die erfolgreiche T¨atigkeit des Abts Johannes. Unter dessen Errungenschaften wird neben Bauprojekten und G¨utergewinnen auch die Durchsetzung der musikalischen Liniennotation nach Guido von Arezzo genannt. Das dritte Buch ¨ schildert den von R. erlebten Schwyzer Uberfall mit großer Unmittelbarkeit, doch ohne Erl¨auterung der Hintergr¨unde des Konflikts. R.s Cappella wurde vom Tobias des Matth¨aus von Vendˆome inspiriert. Die ersten beiden B¨ucher des Gedichts verwenden zahlreiche klassische Stilfiguren, ganz im Gegensatz zu dem schlicht gehaltenen dritten Buch, was dessen selbstst¨andige Entstehung wahrscheinlich macht. Charakteristisch f¨ur das zweite Buch ist auch die durchg¨angige Gestaltung nach dem Prinzip der Siebenzahl mit Verweisen auf die sieben Tugenden, sieben Kardinalsu¨ nden u. a. Die Verwendung der Siebenzahl in Bibel, klassischer Literatur, Theologie usw. wird von R. mit zahlreichen Beispielen belegt. Die Cappella wurde im sp¨aten 14. Jh. kommentiert und von Felix → Hemmerli sowie Albrecht von Bonstetten rezipiert. R. verfasste auch eine lat. Sequenz auf den heiligen Meinrad, die jedoch nur fragmentarisch u¨ berliefert ist. ¨ Uberlieferung: Einsiedeln, Stiftsbibl., cod. 1252 (fr¨uher EB 1) (1436–44, Hs. des Johann H¨achinger). Ausgaben: Gall Morel: Johannes v. Schwanden, Abt in Einsiedeln, und seine Zeit (1298–1326), besungen v. Meister Rudolph v. R. Aus einer Hs. des 15. Jh. In: Der Geschichtsfreund 10 (1854) S. 170–231, hier S. 180–230. – Ein Vorspiel der Morgartenschlacht. Der Marchenstreit in der Urschweiz. R. v. R.s Gedicht: Capeila Heremitarum ¨ in der Uhr’schen Ubersetzung mit hist. Einleitung und Anm. Hg. v. Leo Wirth. Aarau 1909. – Cappella Heremitana. Hg. v. Paul Br¨andli. Aarau 1975. 336

Totenklage auf Heinrich Preisinger von Wolnzach ¨ Ubersetzung: Capella Heremitana. Hg. v. Ernst G¨otzinger. In: Neues Schweizerisches Museum 3 (1863) S. 282–306 (Teil¨ubers.). Literatur: ADB 27 (1888) S. 112–114. – Franz Josef Worstbrock, VL2 8 (1992) Sp. 364–366. – Fritz Wernli: Die Talgenossenschaften der Innerschweiz. Ein Beitr. zur Frage der Hundertschaften und Markgenossenschaften. Zu¨ rich 1968. – Br¨andli 1975 (s. Ausg.). – Willy Keller: Geschichtsschreibung im Lande Schwyz v. R. v. R. bis heute. In: Mitt. des Hist. Ver. des Kantons Schwyz 70 (1978) S. XI–XXVII. – Richard Feller/Edgar Bonjour: Geschichtsschreibung der Schweiz vom Sp¨atMA zur Neuzeit. Basel/Stuttgart 21979, S. 73 f. – P. Br¨andli: Schwyz und die Schwyzer in der ‹Capella Heremitana› R.s v. R. In: Variorum munera florum. Latinit¨at als pr¨agende Kraft ma. Kultur. FS Hans F. Haefele. Hg. v. Adolf Reinle u. a. Sigmaringen 1985, S. 231–241. MM Totenklage auf Graf Wernher von Hohenberg (Werner von Honberg). – Ehrenrede im Gewand einer Personifikationsallegorie, um 1320. Widmungstr¨ager des unikal u¨ berlieferten, 194 Verse umfassenden Textes ist der auch als Minnes¨anger bekannte und als Minneritter ger¨uhmte → Wernher von Hohenberg († 1320) – nicht sein im Alter von acht Jahren gestorbener Sohn Werner III. († 1323). Er bietet keinerlei Tatenerz¨ahlung, sondern pr¨asentiert Totenklage und Tugendpreis im Modell der Begegnung mit den verwaisten Tugenden: Der Sprecher begegnet auf einem Spaziergang den Personifikationen ‹Ehre›, ‹Minne› und ‹Mannhaftigkeit›. Nacheinander bringen sie ihre Klagen um einen toten Ritter vor, dessen Tugendhaftigkeit, Best¨andigkeit und Aufrichtigkeit im Frauendienst sowie Tapferkeit und Gottesfurcht im Angesicht des Todes hervorgehoben werden. Die Personifikationen betonen, dass der Verlust sie selbst in ihrer Existenz angreift. Die umfangreiche Klage der ‹Mannhaftigkeit› m¨undet in eine Blasonierung des Schildes, des Wappenkleides und der Helmzier sowie in die Beschreibung des Begr¨abnisses. Sie schließt mit der Namensnennung des Verstorbenen und der Aufforderung zur F¨urbitte bei Gott und Maria. ¨ Uberlieferung: Karlsruhe, LB, Hs. Donaueschingen 104, 124va–125va (alte Blattz¨ahlung: 133va–134va) (Pap., um 1433, Konstanz?). 337

1. H¨alfte 14. Jh.

Ausgaben: Joseph Freiherr v. Lassberg: LiederSaal. Sammlung altdt. Gedichte. Bd. 2. o. O. 1822 (Nachdr. Hildesheim 1968) Nr. 128, S. 317–326. – Friedrich v. der Hagen: Minnesinger. Dt. Liederdichter des zw¨olften, dreizehnten und vierzehnten Jh. Bd. 4. Leipzig 1838, S. 93 f. – Die Schweizerischen Minnes¨anger. Hg. v. Karl Bartsch. Frauenfeld/Leipzig 1886 (Nachdr. 1964) S. CLXXVI–CLXXXI. – Politische Lyrik des dt. MA 1. Hg. v. Ulrich M¨uller. G¨oppingen 1972, Nr. LIII, S. 160–164. Literatur: Theodor Nolte, VL2 9 (1995) Sp. 987 f. – v. der Hagen (s. Ausg.) 92 f. – Bartsch (s. Ausg.) S. CLXXVI, CLXXXI f. – Tilo Brandis: Mhd., mnd. und mndl. Minnereden (MTU 25). M¨unchen 1968, S. 187 Nr. 475. – Ulrich M¨uller: Unters. zur politischen Lyrik des dt. MA (GAG 55/56). G¨oppingen 1974, S. 178. – J¨urg Schneider: Die Grafen von Homberg. Genealogische, g¨utergeschichtliche und politische Aspekte einer s¨uddt. Dynastie (11. bis 14. Jh.) (Argovia 89). Aarau 1977, S. 98–170. – T. Nolte: Lauda post mortem. Die dt. und ndl. Ehrenreden des MA. Bern 1983, S. 150–153. JK Totenklage auf Heinrich Preisinger von Wolnzach. – Ehrenrede mit breiter epischer Einkleidung, zweites Viertel 14. Jh. Widmungstr¨ager der in 684 Versen unikal (mit zahlreichen Textl¨ucken und Textverderbnissen) u¨ berlieferten Ehrenrede ist Heinrich II. von Wolnzach († bald nach 1326), der als K¨uchenmeister in Diensten Kaiser Ludwigs des Bayern stand. Der Text benutzt die epische Einkleidungsform des Berichts von einer aventiurehaften, wohl durch minnebezogenen Kummer motivierten Reise eines Ich-Sprechers. Bei einem Einsiedler, der laut den Tod eines vorbildhaften Ritters beklagt, erblickt er eine Tafel, auf der sich ihm nach einer Initiation (Beichte, Absolution, Weihwasser) ein Blick in den Himmel offenbart. Auf ihr sind vier Heilige mit Gefolge zu sehen (Georg, Wilhelm, Eustachius, Erhard), die bei Maria F¨urbitte f¨ur den verstorbenen Ritter leisten. Der Wortlaut ihrer Bitten – jeweils ein umf¨anglicher Preis der Rittertugenden Heinrichs und seiner N¨ahe zu den Heiligen – ist u¨ ber ihnen auf die Tafel geschrieben. Maria l¨asst durch Petrus das Himmelstor o¨ ffnen und den verstorbenen Ritter eintreten. An dessen Wappen erkennt der Sprecher ihn als Heinrich Preisinger von Wolznach. Er kehrt auf Geheiß des Ein338

1. H¨alfte 14. Jh. siedlers in die Welt zur¨uck, um dort die tr¨ostliche Botschaft von Heinrichs Aufnahme in den Himmel zu verk¨unden. Der Sprecher bekennt in mehrfachen Unf¨ahigkeitsbeteuerungen, keine Tatenerz¨ahlung und keine regelgerechte Wappenbeschreibung liefern zu k¨onnen – wobei er diese als eigentlich obligatorische Elemente der Ehrenreden best¨atigt. Der anonyme Autor, dessen theologische Bildung durch zahlreiche biblische Zitate und Anspielungen deutlich wird, ist daher vielleicht nicht unter den Herolden zu suchen. Er zeigt sich einem elaborierten, ‹gebl¨umten› Stil verpflichtet. ¨ Uberlieferung: Mu¨ nchen, BSB, Cgm 717, 112ra–116rb (Pap., 1348, Augsburg). Ausgabe: Theodor Nolte: Lauda post mortem. Die dt. und ndl. Ehrenreden des MA. Frankfurt/M. 1983, S. 215–241. Literatur: Theodor Nolte, VL2 9 (1995) Sp. 990 f. – Ders. (s. Ausg.) S. 154–159. – Johannes Janota: Orientierung durch volkssprachige Schriftlichkeit (1280/90–1380/90) (Gesch. der dt. Lit. v. den Anf¨angen bis zum Beginn der Neuzeit 3,1). T¨ubingen 2004, S. 347 f. JK Rostocker Chronik (nd.). Die «manstritlike unnd grodtlavige, werdige Cronica der loffliken Stadt Rostock» umfasst den Zeitraum 1310–14 (mit einzelnen Angaben bis 1329) und handelt damit von den Auseinandersetzungen F¨urst Heinrichs II. mit den mecklenburgischen Seest¨adten, wobei die Rostocker Ereignisse im Vordergrund stehen. Der anonyme Verfasser der Chronik, der gegen die B¨urgerschaft f¨ur die Ratsgeschlechter Partei ergreift, st¨utzte sich vor allem auf die Mecklenburgische Reimchronik des → Ernst von Kirchberg und kannte auch die Chronik des → Detmar von L¨ubeck. ¨ Uberlieferung: Rostock, UB, Mss. Meckl. 055, 1r–11v (16. Jh.). Ausgabe: Hans Rudolph Schr¨oter: Beitr. zur Mecklenburgischen Geschichts-Kunde. Bd. I,1. Rostock/Schwerin 1826, S. 1–44. Literatur: Klaus Wriedt, VL2 8 (1992) ¨ Sp. 251 f. – Karl Ernst Hermann Krause: Uber den 1. und 2. Theil der R. C. Programm der Großen Stadtschule Rostock 1873. – Ders.: Die Chronistik Rostocks. In: Hansische Geschichtsbll. 1885 (1886) S. 161–192, hier S. 163–165. BJ 339

Rostocker Chronik Peter von Dusburg (Dusberg, vermutl. Duisburg) OT. – Priester in K¨onigsberg. P. beendete 1326 sein dem DeutschordensHochmeister Werner von Orseln gewidmete lat. Chronica terrae Prussiae, eine Geschichte des Dt. Ordens, vor allem in Preußen, die bis 1326 reicht. Die in der Thorner Handschrift uberlieferte ¨ Fortsetzung bis 1430 stammt vermutlich ebenfalls von P., die Fortsetzung 1332–35 dagegen von Konrad Bitschin (seit 1430 Stadtschreiber in Kulm). P.s Chronik ist in vier Teile gegliedert, von denen die drei ersten die Gr¨undung des Ordens, die Aufnahme der Arbeit in Preußen und die K¨ampfe des Ordens mit den Heiden darstellen, w¨ahrend der vierte Teil einen kurzen Abriss Weltgeschichte seit der Gr¨undung des Ordens bietet. Predigthafte Ermahnungen erg¨anzen die Darstellung. F¨ur den vierten Teil st¨utzte sich P. u. a. auf die Chronik → Martins von Troppau, auf Berichte von Hermann von Salza und → Hartmann von Heldrungen sowie auf die → Livl¨andische Reimchronik. P.s Chronik ist in Abschriften und Ausz¨ugen u¨ berliefert. Vermutlich kurz nach 1330 wurde sie von → Nikolaus von Jeroschin in dt. Verse u¨ bersetzt. Die Erstausgabe von P.s Chronik besorgte 1679 Christoph Hartknoch 1679. W¨ahrend der Arbeit an seiner Chronica legte P. die Epitome gestorum Prussiae an, die ein Verzeichnis der Ordensgr¨undungen, der in Preußen gegr¨undeten Burgen und St¨adte sowie der Hoch- und Landesmeister und Notizen u¨ ber die Kriege 1249–1338 enthalten. Ausgaben: Chronicon terrae Prussiae, hg. v. Max T¨oppen, in: Scriptores rer. Pruss. 1. Leipzig 1861 (Nachdr. Frankfurt/M. 1965) S. 3–219. – ¨ Chron. des Preußenlandes. Ubers. und erl. v. Klaus Scholz/Dieter Wojtecki. Darmstadt 1984. Literatur: Klaus-Eberhard Murawski, NDB 4 (1959) S. 204. – Udo Arnold, LThK3 8 (1999) Sp. 122 f. – Jarosław Wenta, VL2 11 (2004) Sp. 1188–1192. – Helmut Bauer: P. v. D. und die Geschichtsschreibung des Dt. Ordens im 14. Jh. in Preußen. Berlin 1935. – Klaus Schreiner: Nobilitas Mariae. Die edelgeborene Gottesmutter und ihre adeligen Verehrer: Soziale Pr¨agungen und politische Funktionen ma. Adelsfr¨ommigkeit. In: Maria in der Welt. Marienverehrung im Kontext der Sozialgesch. 10.–18. Jh. Hg. v. Claudia Opitz u. a. (Clio Lucernensis 2). Z¨urich 1993, S. 213–242, hier S. 230–232. – Stefan Kwiatkowski: Scotistische Einfl¨usse in der Chron. v. P. 340

Nikolaus von Jeroschin D. In: Die Geschichtsschreibung in Mitteleuropa. Projekte und Forschungsprobleme (Subsidia historiographica 1). Toru´n 1999, S. 135–147. – Gisela Vollmann-Profe: Ein Gl¨ucksfall in der Gesch. der preußischen Ordenschronistik: Nikolaus v. Jeroschin u¨ bersetzt P. v. D. In: Forschungen zur dt. Lit. des Sp¨atMA. FS Johannes Janota. Hg. v. Horst Brunner/Wener Williams-Krapp. T¨ubingen 2003, S. 125–140. – Edith Feistner/Michael Neecke/G. Vollmann-Profe: Krieg im Visier. Bibelepik und Chronistik im Dt. Orden als Modell korporativer Identit¨atsbildung. T¨ubingen 2007, S. 113–134. – J. Wenta: Bemerkungen u¨ ber die Funktion eines ma. historiographischen Textes. Die Chron. des P. v. D. In: De litteris, manuscriptis, inscriptionibus [...]. FS Walter Koch. Hg. v. Franz-Albrecht Bornschlegel (Sacra bella septentrionalia 1). Wien u. a. 2007, S. 675–686. – Janusz Trupinda: Die Chron. v. P. v. D. als Quelle f¨ur die Interpretation der architektonischen Ausschm¨uckung des sog. Kapitelsaals und der Schloßkapelle im Nordfl¨ugel des Hochschlosses in Marienburg. In: Ma. Kultur und Lit. im Deutschordensstaat in Preussen. Leben und Nachleben. Hg. v. J. Wenta. Toru´n 2008, S. 513–527. – E. Feistner: Krieg und Kulturkontakt. Zur ‹Ethnologie› der Prussen und Litauer bei P. v. D. und Nikolaus v. Jeroschin. In: ebd., S. 529–539. – Rasa J. Mazeika: Violent Victims? Surprising Aspects of the Just War Theory in the Chronicle of P. v. D. In: The clash of cultures on the medieval Baltic frontier. Hg. v. Alan V. Murray. Farnham u. a. 2009, S. 123–140. BJ Nikolaus von Jeroschin OT, † wohl nach 1344. – Chronist. ¨ Uber N.s Herkunft ist nichts Gesichertes bekannt. Er selbst erw¨ahnt, dass er unter dem Hochmeister von 1335–41, Dietrich von Altenburg, Kaplan des Deutschen Ordens war (Chronik, vv. 302–314), in den ihn Gottfried von Heimburg (1327–29 Komtur von K¨onigsberg) aufgenommen hatte. Weitere aus seinen Werken abgeleitete biographische Daten – u. a. dass er von etwa 1311 bis Anfang der 1340er Jahre im preußischen Ordensland lebte, Ende der 1320er Jahre wahrscheinlich in K¨onigsberg – bleiben hypothetisch. Als fr¨uheste Schrift N.s gilt die nur fragmentarisch u¨ berlieferte Lebensbeschreibung des als Preußenmissionar kanonisierten Prager Bischofs 341

1. H¨alfte 14. Jh. Adalbert (Sent Adalbrechtes leben), die wohl auf Veranlassung Gottfrieds von Heimburg Ende der 1320er Jahre entstand. Erhalten sind nur zwei Vorreden sowie Ausf¨uhrungen (277 Verse) u¨ ber Adalberts Herkunft und Kindheit. Vorlagen d¨urften die lat. Adalbertsviten des Johannes Canaparius und Bruns von Querfurt gewesen sind. Hauptwerk N.s ist die sog. Deutschordenschronik (Kronike von Pruzinlant), eine 26.755 sechs¨ bis neunsilbige Verse umfassende freie Ubertragung des lat. Chronicon terrae Prussiae → Peters von Dusburg (abgeschlossen 1326/30). Anreger war der Hochmeister Lud(g)er von Braunschweig († 1335); vollendet wurde N.s Werk im Auftrag von Lud(g)ers Nachfolger Dietrich von Altenburg. Peters Chronik, von der 15 Handschriften (u. a. Stuttgart, LB, HB V 95 [Mitte 14. Jh., aus der Bibl. der Deutschordenskommende Mergentheim]; Toru´n, Biblioteka Gl´owna, rps. 54, ca. 1340 [ehem. K¨onigsberg, SB, Ms. fol. 1547]) und Fragmente, davon neun aus dem 14. Jh., bekannt sind, ist in vier Teile gegliedert. Die ersten drei stellen die Gru¨ ndung des Ordens, die Aufnahme der Arbeit in Preußen und die K¨ampfe des Ordens mit den «heidnischen» Bewohnern dar; der vierte Teil ist ein Abriss des allgemeinen Weltgeschehens seit der Ordensgr¨undung. N. behielt diese Einteilung bei, f¨ugte aber den weltgeschichtlichen Teil «Von P¨apsten und Kaisern» als «zurede» in die Ordensgeschichte ein. Den Prolog hat er zugunsten einer eigenen Einleitung, die nach der Anrufung der Trinit¨at u¨ ber die Auftragssituation informiert, weggelassen. Deutlich ist, wie bei N. die Ordensgeschichte bereits ganz Preußengeschichte geworden ist. Erhalten geblieben ist die Kreuzzugsgesinnung; Eroberung und Bekehrung werden zur Grundthese der ganzen Darstellung gemacht. N.’ Chronik diente wie die u¨ brigen volkssprachlichen Ordensdichtungen der Lesung bei Tisch, um den Br¨udern die Ordensgeschichte zu vergegenw¨artigen. Die nicht nur in Preußen verbreitete Kronike von Pruzinlant wurde bis zur Wiederentdeckung der lat. Chronik Peters von Dusburg Ende des 17. Jh. zur Quelle aller sp¨ateren preußischen historischen ¨ Texte (u. a. der → Alteren und der → J¨ungeren Hochmeisterchronik). 1464 u¨ bersetzte Konrad → Gesselen in Thorn N.’ volkssprachliche Chronik ins Latein seiner Vorlage zur¨uck; sie fand so Eingang in die polnische Historiographie bei Jan Długosz. ¨ ¨ Uberlieferung: Aktuelle Ubersicht im Handschriftencensus (Online). 342

1. H¨alfte 14. Jh. Ausgaben: Leben des Hl. Adalbert. Hg. v. Ernst Strehlke. In: Scriptores rerum Prussicarum 2. Leipzig 1863 (Nachdr. Frankfurt/M. 1965) S. 425–428. – Deutschordenschron. Hg. v. Franz Pfeiffer. Stuttgart 1854. Nachdr. Hildesheim 1966 (Auswahl). – ‹Kronike v. Pruzinlant›. Hg. v. E. Strehlke. In: Scriptores rerum Prussicarum 1. Leipzig 1861 (Nachdr. Frankfurt/M. 1965) S. 303–624. Literatur: Udo Arnold, VL2 6 (1987) Sp. 1081–1089. – Peter Ochsenbein, MarLex 4 (1992) S. 625. – Manfred Alexander, LThK2 7 81998) Sp. 852 f. – Sabine Schmolinsky, NDB 19 (1999) S. 272. – Norbert H. Ott/Ju¨ rgen Wolf, Killy2 8 (2010) S. 605–607; 11 (2004) 1053. – Walther Ziesemer: N. v. J. und seine Quelle. Berlin 1907. – Karl Helm/W. Ziesemer: Die Lit. des Dt. Ritterordens. Gießen 1951, S. 151–161. – Evald Johannson: Die Deutschordenschronik des N. v. J. Eine sprachliche Unters. mit komparativer Analyse der Wortbildung. Lund/Kopenhagen ¨ 1964. – Ders.: Stud. zu N. v. J.s Adalbert-Ubers. Lund/Kopenhagen 1967. – U. Arnold: Handschriftenbruchst¨ucke der Chron. J.s. In: Scriptores rerum Prussicarum 6 (1968) S. 36–43. – Horst Wenzel: H¨ofische Gesch. Bern u. a. 1980, S. 28–64. – Hartmut Boockmann: Die Geschichtsschreibung des Dt. Ordens. In: Geschichtsschreibung und Geschichtsbewußtsein im sp¨aten MA. Hg. v. Hans Patze. Sigmaringen 1987, S. 447–469, hier S. 456 f. – Klaus Schreiner: Nobilitas Mariae. Die edelgeborene Gottesmutter und ihre adeligen Verehrer. Soziale Pr¨agungen und politische Funktionen ma. Adelsfr¨ommigkeit. In: Maria in der Welt. Marienverehrung im Kontext der Sozialgesch. 10.–18. Jh. Hg. v. Claudia Opitz u. a. (Clio Lucernensis 2). Z¨urich 1993, S. 213–242. – Ul¨ rich Bartels/J. Wolf: Neues zur Uberl. der ‹Kronike v. Pruzinlant› des N. v. J. In: ZfdA 127 (1998) S. 299–306. – Klaus Klein/Ralf G. P¨asler: Neue Fragmente der ‹Kronike v. Pruzinlant› des N. v. J. In: ZfdA 132 (2003) S. 77–84. – Edith Feistner/ Michael Neecke/Gisela Vollmann-Profe: Krieg im Visier. Bibelepik und Chronistik im Dt. Orden als Modell korporativer Identit¨atsbildung. T¨ubingen 2007, S. 134–156. – E. Feistner: Krieg und Kulturkontakt. Zur ‹Ethnologie› der Prussen und Litauer bei Peter v. Dusburg und N. v. J. In: Ma. Kultur und Lit. im Deutschordensstaat in Preußen. Leben und Nachleben. Hg. v. Jarosław Wenta (Sacra bella septentrionalia 1). Toru´n 2008, S. 529–539. BJ 343

Jacobus de Verona Jacobus de Verona OESA, * um 1290. – Verfasser eines Pilgerberichts. W. war Lesemeister der Augustiner-Eremiten in Bern [Verona]. 1335 reiste er – wahrscheinlich als Kundschafter f¨ur einen Souver¨an (Halm) – als Pilger verkleidet ins Hl. Land. Seine lat. Beschreibung der Pilgerreise (Liber peregrinationis) lehnt sich teilweise an die Descriptio terrae sanctae des → Burchardus de Monte Sion an. Vermutlich in Bayern wurde das Werk, das einen Exkurs uber ¨ die Machtverh¨altnisse des a¨ gyptischen Sultanats und u¨ ber den Islam enth¨alt, im 15. Jh. ins Deutsche u¨ bersetzt (Buch der Kirchfahrt). ¨ Uberlieferung: Lat.: Minneapolis, Univ. of Minnesota Library, The James Ford Bell Collection, MS. 1424/Co, Bd. 2, f. 87–173. – Dt.: M¨unchen, BSB, Cgm 235, I + 106 Bll. (Pap., 16. Jh., mittelbair.). – Ebd., Cgm 298, 102 Bll. (Pap., Anfang 16. Jh., mittelbair.). Ausgabe: R¨ohricht/Meisner (s. Lit.) S. 45–64 (Auszug aus Cgm 235). ¨ Ubersetzungen: Ferdinand Khull (Hg.): Zweier dt. Ordensleute Pilgerfahrten nach Jerusalem in den Jahren 1333 und 1346 nach ihren eigenen Aufzeichnungen erz¨ahlt [...]. In: Gaben des Katholischen Preßvereins in der Di¨ozese Seckau f¨ur das Jahr 1895. Graz 1895, S. 47–105 (Auszug in nhd. ¨ Ubersetzung). – Ugo Monneret de Villard (Hg.): Liber peregrinationis di Jacopo da V. (Il Nuovo Ramusio 1). Rom 1950. Literatur: Karin Schneider, VL2 4 (1983) Sp. 447 f.; 11 (2004) Sp. 755. – Reinhold R¨ohricht/ Heinrich Meisner: Dt. Pilgerreisen nach dem Heiligen Lande. Berlin 1880, S. 468. – R. R¨ohricht: Bibliotheca geographica Palaestinae. Chronologisches Verz. der v. 333 bis 1878 verfaßten Lit. u¨ ber das Heilige Land. Berlin 1890. Verb. und verm. Neuausg. mit einem Vorw. v. David H. K. Amiran. Jerusalem 1963 (Nachdr. London 1989) Nr. 198. – Monneret de Villard (s. Ausg.) S. XI–XXXI. – Christiane Hippler: Die Reise nach Jerusalem. Unters. zu den Quellen, zum Inhalt und zur literarischen Struktur der Pilgerber. des Sp¨atMA (Europ¨aische Hochschulschr. 1,968). Frankfurt/M., Bern 1987, S. 135–138. – Ursula Ganz-Bl¨attler: Andacht und Abenteuer. Ber. europ¨aischer Jerusalem- und Santiago-Pilger (1320–1520) (Jakobus-Stud. 4). T¨ubingen 1990, S. 48, 358. – Europ¨aische Reiseberichte des sp¨aten MA. Eine analytische Bibliogr. Hg. v. Werner Paravicini. Tl. 1 bearb. v. Christian Halm (Kieler 344

Totenklage auf Graf Wilhelm III. von Holland Werkst¨ucke D: Beitr. zur europ¨aischen Gesch. des sp¨aten MA 5). Frankfurt/M. 22001, Nr. 6, S. 47–49. BJ Kuchimaister, Christian. – Geschichtsschreiber des 14. Jh. K. geh¨orte wohl einem a¨ btischen Dienstleuteund Amm¨annergeschlecht an. Im ersten Kapitel seines Werkes nennt er das Jahr 1335 als Datum f¨ur den Beginn seiner Arbeit. In die Tradition der lat. Casus Sancti Galli, die von Abt → Ratpert (zweite H¨alfte 9. Jh.) begr¨undet, von → Ekkehart IV. und von Konrad von Fabaria fortgesetzt wurden, verfasste K. mit den N¨uwen Casus Monasterii Sancti Galli eines der ersten bedeutenden Prosageschichtswerke in dt. Sprache. Seine Chronik umfasst die Zeit von 1229 bis 1329; seit 1300 berichtet K. als Augenzeuge. Die Casus beginnen mit dem Abt Konrad von Bussnang; besonders ausf¨uhrlich wird u¨ ber die ¨ Abte Bertholt von Falkenstein (1244–72) und Wilhelm von Montfort (1281–1301) berichtet. K., der enge Beziehungen zum Kloster unterhielt, ist gut unterrichtet und kennt Urkunden. F¨ur viele Nachrichten sind seine Casus die einzige und zuverl¨assige Quelle. In erster Linie berichtet K. vom Kloster, dann auch von der Stadt, der Ostschweiz und dem Reich; ferner stellt er die Verwandtschaft der ostschweizerischen Adelsgeschlechter dar. Dem Humanisten Joachim vom Watt dienten die Casus als Quelle f¨ur seine Abhandlung Die a¨bt des closters zu S. Gallen. 1736 wurden die N¨uwen Casus in der Helvetischen Bibliothek durch Johann Jacob Breitinger erstmals abgedruckt. ¨ Uberlieferung: Z¨urich, ZB, Cod. A 152 (ca. 1460). – St. Gallen, Kantonsbibl., VadSlg Ms. 67 (um 1450). – St. Galllen, Stiftsarch. (Nr. X 82) (erste H¨alfte 16. Jh.; Abschrift). Ausgabe: Eugen Nyffenegger: Cristˆan der K., ‹N¨uwe Casus Monasterii Sancti Galli›. Edition und sprachgeschichtlicher Komm. Berlin/New York 1974. Literatur: Hans J¨urgen Rieckenberg, NDB 13 (1982) 162. – Eugen Nyffenegger, VL2 5 (1985) Sp. 400–406. – Ernst Tremp, HLS 7 (2008). – Gesine Mierke, Killy2 7 (2010) S. 82 f. – Fritz Schreiber: C. Kuchimeisters ‹N¨uwe Casus monasterii sancti Galli›, ihre literarische und literar-hist. Bedeutung. W¨urzburg 1943. – Eberhard Url: Das ma. Geschichtswerk ‹Casus sancti Galli›. Eine Bestandsaufnahme. St. Gallen 1969. – Richard Feller/ Edgar Bonjour: Geschichtsschreibung der Schweiz 345

1. H¨alfte 14. Jh. vom Sp¨atMA zur Neuzeit. 2., durchges. und erw. Aufl. Bd. 1. Basel u. a. 1979, S. 85–87. – Repertorium fontium historiae medii aevi 6 (1990) S. 656. BJ ¨ Witkind. – Johanniter, Ubersetzer. Der dem K¨olner Johanniterhaus angeh¨orige W. u¨ bersetzte um 1335 im Auftrag der Schw¨ager Graf Gerhard IV. von Landskron und Burggraf Gerhard von Hammerstein († 1341) die zweite Rezension der Chronica (Annales) S. Pantaleonis f¨ur die Jahre 920–1162 in ripuarische Prosa, wobei er nur geringf¨ugig in den Text eingriff. In V. 111 seiner 114 Verse umfassenden paargereimten Vorrede nennt er sich selbst («ich Witkint»). ¨ Uberlieferung: Leipzig, UB, Rep. II. 70a, v 1 –36r (Perg.). Ausgabe: Johann Georg v. Eckhart: Corpus historicum Medii Aevi [...]. Bd. 1. Leipzig 1723, Sp. 945–1006. Literatur: Volker Honemann, VL2 10 (1999) Sp. 1274 f. – Karl Stackmann/Karl Bertau (Hg.): Frauenlob (Heinrich von Meißen). Leichs, Sangspr¨uche, Lieder. Bd. 1 (Abh. der Akad. der Wiss. in G¨ottingen, phil.-hist. Kl. 3,119). G¨ottingen 1981, S. 73–79 (Lit.). BJ Totenklage auf Graf Wilhelm III. von Holland. – Ehrenrede mit breiter epischer Einkleidung, nach 1337. Widmungstr¨ager ist h¨ochstwahrscheinlich Graf Wilhelm III. von Holland und Hennegau (Regierungszeit ab 1304, † 1337), der den traditionellen Herrschaftsbereich auf Seeland und Friesland ausdehnte. Auf ihn ist auch eine mnl. Preisrede von → Gelre u¨ berliefert. Die aufwendige Blasonierung k¨onnte darauf hindeuten, dass der anonyme Autor der T. ein Herold war. Der 480 Verse umfassende Text beginnt mit einer Berufung auf das Vorbild → Wolframs von Eschenbach und bedient sich teilweise eines ‹gebl¨umten Stils›. Die epische Einfassung der gattungstypischen Personifikationsallegorie ist umfangreicher als bei anderen Ehrenreden. Eine Tatenerz¨ahlung fehlt. Der Sprecher verirrt sich auf der Flucht vor einem Unwetter im Gebirge. Auf einer amoenen Lichtung trifft er ‹Frau Tugend›, die den Tod eines Mannes beklagt und vor Kummer in Ohnmacht f¨allt. Nach einem weiteren beschwerlichen Aufstieg begegnet der Sprecher ihrer Schwester, ‹Frau Ehre›, 346

1. H¨alfte 14. Jh. und sechs in Schwarz gekleideten und trauernden Damen (‹Treue›, ‹Freigebigkeit›, ‹Mannhaftigkeit›, ‹Demut›, ‹Wahrheit›, ‹Best¨andigkeit›). Diese treten nacheinander vor, um die h¨ofischen Tugenden des Verstorbenen hyperbolisch zu loben und seinen Verlust als Katastrophe zu beklagen. Auf die Frage nach dem Namen des Verstorbenen wird der Sprecher an einen syrischen Weisen auf der Spitze des Gebirges verwiesen. Dieser hat aus der Beobachtung der Gestirne und ihrer Unordnung den Tod eines Herren von Aquitanien abgelesen, den er mit Graf Wilhelm von Holland identifiziert. Aus den Sternen gewinnt der Heide aber auch den Trost, dass der Herr mit Freuden im Himmel aufgenommen worden sei. Er bittet den Sprecher um eine Wappenbeschreibung, die zur Memoria dieses ‹Herren u¨ ber vier L¨ander› dienen soll. Es folgt eine Wappenbeschreibung, die die heraldischen Zeichen auf die Tugend seiner Familie auslegt und ihre Herkunft legendarisch ausschm¨uckt (Verleihung durch die Hl. Drei K¨onige). Der Heide verspricht die Anfertigung eines goldenen Wappenschilds als Memorialzeichen. Der Sprecher schließt mit einem Segenswunsch f¨ur den Verstorbenen. ¨ Uberlieferung: Berlin, SBB, Ms. germ. qu. 284, 57ra–60ra(Perg., Mitte bis drittes Viertel 14. Jh.). – Ebd., Ms. germ. fol. 922, 14rb–17rb (Pap., erstes Viertel 15. Jh.). – Die ersten sechs Verse als Federprobe des 15. Jh. enth¨alt Heidelberg, UB Cpg 112, 123v (Perg., Ende 12. Jh.). Ausgabe: Friedrich Heinrich von der Hagen: Graf Wilhelm von Holland. Aus der Berliner Hs. von Gottfrieds Tristan. In: Germania 6 (1844) S. 251–271, hier S. 251–264. Literatur: Theodor Nolte, VL2 9 (1995) Sp. 988 f. – F. H. von der Hagen (s. Ausg.) S. 264–266. – Karl Helm: Zu Suchenwirts Ehrenreden. In: PBB 62 (1938) S. 383–390, hier S. 385–390. – Tilo Brandis: Mhd., mnd. und mndl. Minnereden (MTU 25). M¨unchen 1968, S. 187, Nr. 477. – Melitta Rheinheimer: Rheinische Minnereden. Unters. und Edition (GAG 144). G¨oppingen 1975, S. 14–16, 323. – Theodor Nolte: Lauda post mortem. Die dt. und ndl. Ehrenreden des MA. Frankfurt/M. 1983, S. 167–172. – Johannes Janota: Orientierung durch volkssprachige Schriftlichkeit (1280/90–1380/90) (Gesch. der dt. Lit. v. den Anf¨angen bis zum Beginn der Neuzeit 3,1). T¨ubingen 2004, S. 348. JK 347

Wilhelm von Boldensele Wilhelm von Boldensele (urspr. Otto de Nyenhusen), † um 1339 K¨oln. Zun¨achst Angeh¨origer des Dominikanerkovents St. Paul in Minden, verließ der Sohn des Johannes von Nyenhusen (wohl Neuenhausen bei Weserm¨unde), eines Bremer Stiftsministerialen und Kammerherrn des Bremer Erzbischofs, um 1330 den Orden und nannte sich seitdem nach seiner aus dem l¨uneburgischen Adelsgeschlecht von Boldensele stammenden Mutter. 1332 begann er in Noli/Italien auf dem Seeweg eine Pilgerfahrt nach Pal¨astina, die ihn u. a. nach Konstantinopel, nach ¨ Agypten und in das Katharinenkloster auf dem Berg Sinai f¨uhrte. Am 5.5.1335 betrat er Jerusalem. Nach seiner R¨uckkehr (von Beirut aus) hielt er sich 1336 bei Abt → Peter von Zittau in K¨onigsaal auf. 1337 war er in Avignon Gast des Kardinals Elias Talleyrand, f¨ur den er einen Bericht u¨ ber seine Reise verfasste (Liber de quibusdam ultramarinis partibus et praecipue de Terra sancta). Nachdem er diesen im September 1337 abgeschlossen hatte, fasste er vermutlich den Beschluss, nach K¨onigsaal zur¨uckzukehren und in den dortigen Konvent einzutreten, starb jedoch unterwegs. → Heinrich von Herford nannte ihn in seiner Chronik «in cursibus et fortuniis multum singularis». W.s im MA weit verbreiteter lat. Reisebericht ¨ (bereits 1351 gab es eine franz¨osische Ubersetzung des Jean de Long von St. Omer), dem ein Begleitbrief an Peter von Zittau und in den meisten Handschriften ein theologischer Prolog vorangeht, war nicht nur → Ludolf von Sudheim Quelle f¨ur sein bald danach entstandenes Reisebuch, sondern ihm folgten auch → Johannes von Hildesheim (Historia trium regum, vor 1364) und Jean de → Mandeville. ¨ Fragmente einer ripuarischen Ubersetzung des Liber aus dem 14. Jh. befinen sich im Staatsarchiv M¨unster (Msc. VII 2 b, Nr. 40). ¨ Uberlieferung: 27 lat. Hss. des 14. und 15. Jh. (vgl. Deluz 1976 und Halm, beide s. Lit). Ausgaben: Henricus Canisius: Thesaurus monumentorum ecclesiasticorum et historicorum. Bd. 5. Ingolstadt 1604, S. 95–142 (nach einer Straubinger Hs.). – Grotefend (s. Lit.) S. 226–286 (nach der Hs. Wolfenb¨uttel, HAB, Cod. 40 Weiss., 95r–110v). – Christiane Deluz: Liber de quibusdam ultramarinis partibus et praecipue de terra sancta de Guillaume de B. (1336), suivi de la traduction de Fr`ere Jean de Long (1351). Diss. Paris (Sorbonne) 1972. 348

Peter von Zittau ¨ Ubersetzung: Ferdinand Khull, in: Gaben des Katholischen Preßvereins in der Di¨ozese Seckau f¨ur das Jahr 1895. Graz 1895, S. 187–287. Literatur: Gabriele Schwarz, NDB 2 (1955) S. 430. – Marie Luise Bulst-Thiele/Franz Josef Worstbrock, VL2 10 (1999) Sp. 1092–1095. – Carl Ludwig Grotefend: Des Edelherrn W. v. B. Reise nach dem Gelobten Lande. In: Zs. des Hist. Vereins f¨ur Niedersachsen 1852, S. 209–286. – Helmut Lahrkamp: Ma. Jerusalemfahrten und Orientreisen westf¨alischer Pilger und Kreuzritter. In: Westf¨alische Zs. 106 (1956) S. 269–346, hier S. 316–321. – Georg Schnath: Drei nieders¨achsische Sinaipilger um 1330: Herzog Heinrich v. BraunschweigGrubenhagen, W. v. B. und Ludolf v. Sudheim. In: FS Percy Ernst Schramm. Wiesbaden 1964, Bd. 1, S. 461–477. – Ders.: Neues u¨ ber den nieders¨achsischen Orientreisenden W. v. B. (1334/35). In: Nieders¨achsisches Jb. 48 (1976) S. 433–435. – Christiane Deluz: La ‹g´eographie› dans le liber de Guillaume de B., p`elerin de la terre sainte. In: Voyage, quˆete, p`elerinage dans la litt´erature et la civilisation m´edi´evales (S´en´efiance 2). Aix 1976, S. 25–39. – Repertorium fontium historiae medii aevi 4 (1976) S. 293. – Thomas Kaeppeli: Scriptores Ordinis Praedicatorum Medii Aevi. Bd. 2. Rom 1975, S. 92 f. – Hartmut Beckers: Der Orientrei¨ seber. W.s v. B. in einer ripuarischen Uberl. des 14. Jh. In: RheinVjbl. 44 (1980) S. 148–166. – E. Graefe: A propos der Pyramidenbeschreibung des ¨ W. v. B. aus dem Jahre 1335. In: Zum Bild Agyptens im MA und in der Renaissance (Orbis biblicus et orientalis 95). Freiburg i. Ue. 1990, S. 9–28. – C. Deluz: Trait´e de l’´etat de la Terre sainte de Guillaume de B. In: Croisades et p`elerinages. R´ecits, chroniques et voyages en Terre Sainte (XIIe–XIVe si`ecle). Hg. v. Danielle R´egnier-Bohler. Paris 1997, S. 996–1028. – Iain MacLeod Higgins: William of B. (fl. 1330–1336). In: Trade, travel, and exploration in the Middle Ages. En encyclopedia. Hg. v. John Block Friedman/Kristen Mossler (Garland reference library of the humanities 1899). New York u. a. 2000, S. 645 f. – Europ¨aische Reiseberichte des sp¨aten MA. Eine analytische Bibliogr. Hg. v. Werner Paravicini. Tl. 1 bearb. v. Christian Halm (Kieler Werkst¨ucke D: Beitr. zur europ¨aischen Gesch. des sp¨aten MA 5). Frankfurt/M. 2 2001, Nr. 1, S. 31–36. BJ Peter von Zittau (auch P. v. K¨onigsaal) OCist, * um 1260/70, † 1339 oder sp¨ater. – Chronist, Prediger. 349

1. H¨alfte 14. Jh. P. schloss sich zwischen 1297 und 1305 den Zisterziensern im Kloster K¨onigsaal an, wo er seit 1309 Koadjutor und seit 1316 Abt war. In diesem Amt erweiterte P. den Grundbesitz des Klosters, verfolgte Bauprojekte und veranlasste u. a. eine Urkundensammlung. P. unterhielt auch gute Kontakte zu einer bedeutenden F¨ordererin des Klosters, der b¨ohmischen K¨onigin Elisabeth, sowie zu → Wilhelm von Boldensele. P. verfasste mehrere lat. Werke, unter denen vor allem das Chronicon Aulae regiae von Bedeutung ist. Das durch Johannes von Ellenbogen angeregte Werk behandelt in drei B¨uchern die Geschichte K¨onigsaals und B¨ohmens: im ersten Buch mit 130 Kapiteln von 1253 bis 1316, in den 34 Kapiteln des zweiten Buchs von 1317 bis 1334 und in den 15 Kapiteln des dritten Buchs von 1335 bis 1337. Die Chronik beleuchtet einerseits B¨ohmen, seine Reichsf¨ursten und Herrscher, darunter die b¨ohmischen K¨onige Wenzel II. und Johann von Luxemburg mit seiner Gattin Elisabeth. Andererseits sind die Geschichte K¨onigsaals und speziell die Erlebnisse P.s in der Chronik prominent vertreten. P.s Werk steht im Zentrum der sog. K¨onigsaaler Geschichtsquellen: Es folgt den Annales Aulae regiae und geht der Continuatio Francisci Pragensis voraus. P.s Text ist prim¨ar in lat. Reimprosa geschrieben, enth¨alt aber auch 2651 Verse in leoninischen Hexametern. In den Text eingeschaltet sind weiterhin eine Vita Wenzels II. sowie P.s Liber secretorum Aulae regiae, eine Sammlung von K¨onigsaaler Wunderberichten, außerdem eine Epistel in 498 Versen, die P. als Novize schrieb. Hinzu kommen Briefe, Ansprachen, Totenklagen und Visionsberichte, aber auch P.s eigenes Testament. F¨ur die ersten 51 Kapitel der Chronik griff P. ausf¨uhrlich auf Vorarbeiten seines Abt-Vorg¨angers Otto zur¨uck. Weiterhin sind Bez¨uge auf Francesco da Barberino und Neidhart nachzuweisen. Die Chronik selbst diente Franz von Prag als Vorlage und erlangte insgesamt eine große Verbreitung. Heute gilt sie als eine der wichtigsten Quellen zur b¨ohmischen Geschichte im MA. P. war wahrscheinlich auch Verfasser der Formula Domini Petri Abbatis Aulae regiae in aedificationem fratris et monachi devoti. Das manchmal auch → Heinrich von Langenstein zugeschriebene Werk enth¨alt in 13 leoninischen Hexametern (oft nicht mit¨uberliefert) und 50 Vagantenstrophen (insgesamt 213 Verse) Ratschl¨age und Ermahnungen f¨ur das Klosterleben, die am Leben Jesu ausgerichtet sind. Außerdem hinterließ P. eine Sammlung von 350

1. H¨alfte 14. Jh. 131 lat. Predigten in zwei B¨uchern, die jeweils das Kirchenjahr abdecken. Die schlichten Texte greifen u¨ berwiegend auf die Bibel (vor allem Hohelied) und → Bernhard von Clairvaux zur¨uck. Unbewiesen ist die Zuschreibung des Malogranatum-Traktats an P. Die lat. Abhandlung beschreibt in drei B¨uchern den Weg zu spiritueller Vollkommenheit. Als Autor gilt meist einer von P.s Vorg¨angern als Abt, Gallus von K¨onigsaal. Der Text erlangte in u¨ ber hundert Handschriften große Verbreitung. Wegen der unsicheren Zuschreibung muss eine Bewertung P.s jedoch prim¨ar anhand des Chronicon Aulae regiae erfolgen, das ihn als gewissenhaften Historiker und literarisch versierten Chronisten ausweist. ¨ ¨ Uberlieferung: Umfangreiche lat. Uberl. der Chron., darunter ein Autograph der Chronica (Rom, Biblioteca Vaticana, cod. Pal. lat. 950). Verz. bei Honemann 2004 (s. Lit.). Verz. der Predigten P.s in: Johannes Baptist Schneyer: Repertorium der lat. Sermones des MA f¨ur die Zeit von 1150–1350 IV. Mu¨ nster/Westf. 1972, S. 807–817. Ausgaben: Die K¨onigsaaler Geschichtsquellen mit den Zus¨atzen und der Fortsetzung des Domherrn Franz von Prag. Hg. v. Johann Loserth. Wien 1875. Nachdr. Graz 1970. – J. Loserth: Die geistlichen Schr. Peters von Zittau. In: Sb. der Akad. der Wiss. in Wien, Phil.-Hist. Kl. 98 (1881) H. 7, S. 379–402 (Teildr. der Predigten). – Chronicon aulae regiae. Excerpta de diversis chronicis additis quibusdam aulae regiae memorabilibus. Hg. v. Josef Emler. Prag 1884. Nachdr. Hildesheim u. a. 2004. – Viktorin Panh¨olzl: Des Petrus von Zittau kl¨osterliche Lebensregeln in lateinischen Versen. In: Cistercienser-Chronik 49 (1937) S. 353–358. – Formula ad edificacionem fratris et monachi devoti v rukopisech Rakousk´e n´arodn´ı knihovny ve V´ıdni. Hg. v. Jana Nechutova. In: Listy filologick´e 122 (1999) S. 176–193. ¨ Ubersetzungen: Kronika zbraslavsk´a. Hg. v. Jan. V. Nov´ak und V´aclav Novotn´y. Prag 1905. – Zbraslavsk´a kronika. Hg. v. Ludvik Kotek. Prag 1976. Literatur: ADB 25 (1887) S. 476–478. – Edmundus Mikkers: Pierre de Z. In: Dict. Spir. 12 (1986) Sp. 1677–1679. – B. Pabst, LexMA 6 (1993) Sp. 1940. – Winfried Eberhard, LThK3 8 (1999) Sp. 144. – Volker Honemann, NDB 20 (2001) S. 232 f. – Marco Innocenti, BBKL 20 (2002) Sp. 1168–1170. – V. Honemann, VL2 11 (2004) Sp. 1200–1205, XV. – Ders., Killy2 9 (2010) S. 159 f. – Thomas Hohmann: Initienregister der 351

Peter von Zittau Werke Heinrichs v. Langenstein. In: Traditio 32 (1976) S. 399–426. – Manfred Gerwing: Malogranatum oder der dreifache Weg zur Vollkommenheit. Ein Beitr. zur Spiritualit¨at des Sp¨atMA. M¨unchen 1986, 169–172 u. o¨ . – Ders.: Das Lehrgedicht des Abtes P. v. Z. und das Malogranatum. Ein Vergleich. In: Serta Devota in memoriam Guillelmi Lourdaux 1. Hg. v. Werner Verbeke. Leuven 1992, S. 305–320. – Maria Elisabeth Franke: Kaiser Heinrich VII. im Spiegel der Historiographie. Eine faktenkritische und quellenkundliche Unters. ausgew¨ahlter Geschichtsschreiber der ersten H¨alfte des 14. Jh. K¨oln u. a. 1992, S. 202–223 u. o¨ . – Jiˇr´ı Spev´acek: Petr Zitavsky a poc´atky lucembursk´e v Cech´ach. In: Mediaevalia historica Bohemica 3 (1993) S. 177–197. – Bernhard Pabst: Prosimetrum. Tradition und Wandel einer Literaturform zwischen Sp¨atantike und Sp¨atMA 2. K¨oln u. a. 1994, S. 961–978. – Josef Bujnoch: P. v. Z. als Chronist. Bilder aus der K¨onigsaaler Chron. Die Kr¨onungsfeier des Luxemburgers, K¨onig Johanns, und der Premyslidin Elisabeth im Winter 1311 [...]. In: Vortr¨age und Abh. aus geisteswiss. Bereichen 1996. Red. Freidrich Prinz. M¨unchen 1996, S. 111–128. – Marie Bl´ahov´a: Offizielle Geschichtsschreibung in den ma. b¨ohmischen L¨andern. In: Die Geschichtsschreibung in Mitteleuropa. Projekte und Forschungsprobleme. Hg. v. Jarosław Wenta. Torun 1999, S. 21–40. – Jana Zachov´a: Die Chron. des Franz v. Prag. In: ebd., S. 331–338. – Josef Bujnoch: Bilder aus der K¨onigsaaler Chron. Der fingierte Brief der personifizierten Kaiserkrone an K¨onig Heinrich VII. In: Vortr¨age und Abh. aus geisteswiss. Bereichen 1999. Hg. v. Eduard Hlawitschka. Mu¨ nchen 1999, S. 75–96. – G¨unther Rautenstrauch: Eine b¨ohmische Herrscherlegende. Wenzel II. in den Erz¨ahlungen des K¨onigsaaler Abtes Petrus v. Z. In: Zittauer Geschichtsbll. NF 10 (2003) H. 4, S. 1–7. – Ders.: Abt P. v. Z. im Spiegel des ‹Chronicon Aulae Regiae›. In: Die Oberlausitz und Sachsen in Mitteleuropa. FS Karlheinz Blaschke. Hg. v. Martin Schmidt. G¨orlitz u. a. 2003, S. 262–279. – G. Rautenstrauch: Die luxemburgisch–b¨ohmische Hochzeit v. 1310. Die Begr¨undung einer mitteleurop¨aischen Großdynastie im Spiegel der K¨onigsaaler Chron. des P. v. Z. In: Neues Lausitzisches Magazin NF 7 (2004) S. 67–86. – V. Honemann: Tod und Sterben in der ‹Chronica Aulae regiae› des P. v. Z. Zum geistesgeschichtlichen Hintergrund des ‹Ackermann›. In: Dt.-b¨ohmische Literaturbeziehungen – Germano-Bohemica. FS V´aclav 352

Canonicus Sambiensis Bok. Hg. v. Hans-Joachim Behr. Hamburg 2004, S. 75–95. – V. Honemann: P. v. Z. als Literat. In: Dt. Lit. des MA in B¨ohmen und u¨ ber B¨ohmen 2. Hg. v. V. Bok. Hamburg 2004, S. 145–159. – Katerina Kub´ınov´a: Potom kr´al, jako by se mu uˇz pretrhla oteˇz rozumu. Jedno m´ısto z autografu kroˇ niky Petra Zitavsk´ eho. In: Ve znamen´ı zem´ı Koruny cesk´e. FS Lenky Bobkov´e. Hg. v. Ludek Brezina u. a. Prag 2006, S. 538–544. – Anna Pumprov´a: Sermones in festivitatibus summis secundum ordinem Cysterciensem in capitulis faciendi. K forme ˇ dochov´an´ı k´az´an´ı Petra Zitavsk´ eho. In: Querite primum regnum Dei. FS Jana Nechutova. Hg. v. Helena Krm´ıckov´a u. a. Brno 2006, S. 241–252. – M. Bl´ahov´a: D´ılna stredovek´eho historika. Zpusob ˇ pr´ace Petra Zitavsk´ eho. In: Pismiennictwo Czech i Polski w sredniowieczu i we wczesnej epoce nowozytnej. Hg. v. Antoni Barciak und Wojciech Iwanczak. Katowice 2006, S. 11–33. MM Oberrheinische Chronik. – Anonyme Prosachronik aus dem alemannischen Sprachraum. Die Chronik in dt. Prosa eines offenkundig belesenen Unbekannten (Klerikers?) reichte zun¨achst bis 1337; sp¨ater wurde sie f¨ur die Jahre 1338/39, 1340–48 und 1349 fortgesetzt. Sie beginnt mit der Sch¨opfung und erreicht schon nach wenigen Seiten die Zeit von Christi Geburt. Nach knapp annotierten Papst- und Kaiserlisten wird die Darstellung erst mit K¨onig Rudolf von Habsburg ausf¨uhrlicher. Das zun¨achst eingehaltene unversalhistorische Schema geht in den Fortsetzungen, die ein besonderes Interesse am Hundertj¨ahrigen Krieg zwischen England und Frankreich sowie an der Geschichte des Dt. Ordens zeigen, zunehmend verloren. Ein Lokalbezug ist nicht sicher auszumachen. Die Vorlagen sind unklar; eingearbeitet wurde wohl m¨und¨ lich Uberliefertes aus dem els¨assischen und Schweizer Raum. ¨ Uberlieferung: Freiburg i. Br., UB, Hs. 473, 41r–73r (Perg., zweites Viertel 14. Jh., teilweise nicht vor 1337, oberrheinisch-s¨udalemannisch). Ausgaben: Franz Karl Grieshaber (Hg.): O. C., a¨lteste bis jetzt bekannte in dt. Prosa [...]. Rastatt 1850 (ungenau). – Hermann Maschek (Hg.): Dt. Chron. (Dt. Lit. Reihe Realistik des Sp¨atMA 5). Leipzig 1936 (Nachdr. Darmstadt 1964) S. 41–66. Literatur: De Boor/Newald 3/2 (1987) S. 437. – Erich Kleinschmidt, VL2 7 (1989) Sp. 7 f. – Georg v. Wyss: Die O. C. von Grieshaber. In: Anz. f¨ur schweizerische Gesch. und Alterthumskunde 2 353

1. H¨alfte 14. Jh. (1866) H. 1, S. 1 f. – O. Hartmann: Wo hat der Verfasser der O. C. von Grieshaber geschrieben? In: Anz. f¨ur schweizerische Gesch. NF 3 (1878–81) S. 382–385. – Karl Helm: Die O. C. In: Aufs¨atze zur Sprach- u. Literaturgesch. Wilhelm Braune zum 20. Februar 1920 dargebracht von Freunden und Sch¨ulern. Dortmund 1920, S. 237–254. – Margarete Neumann: Die sog. ‹Erste Bairische Fortsetzung› der S¨achsischen Weltchron. und ihre Beziehungen zum Oberrhein. Diss. Greifswald 1925, S. 19. – K. Helm/Walther Ziesemer: Die Lit. des Dt. Ritterordens (Gießener Beitr. zur dt. Philologie 94). Gießen 1951, S. 163 f. – Horst Wenzel: Die Datierung des Lohengrin. Beitr. zu einer Forschungskontroverse. In: RheinVjbl. 41 (1977) S. 138–159, hier S. 149–155. – Richard Feller/ Edgar Bonjour: Geschichtsschreibung der Schweiz vom Sp¨atMA zur Neuzeit. 2., durchges. und erw. Aufl. Basel/Stuttgart. Bd. 1, 1979, S. 30 f. – H. Wenzel: H¨ofische Gesch. Literarische Tradition und Gegenwartsdeutung in den volkssprachigen Chron. des hohen und sp¨aten MA (Beitr. zur a¨ lteren dt. Literaturgesch. 5). Bern u. a. 1980, S. 20, 26. – Udo Arnold: Ein Ber. zur Schlacht an der Strebe 1348 aus der Deutschordens-Ballei ElsaßBurgund. In: Preußenland 22 (1984) S. 4–8, hier S. 6–8. – Johannes Janota: Orientierung durch volkssprachige Schriftlichkeit (1280/90–1380/90) (Gesch. der dt. Lit. v. den Anf¨angen bis zum Beginn der Neuzeit 3,1). T¨ubingen 2004, S. 392 f. BJ Canonicus Sambiensis, † wahrscheinlich um 1338/40. – Theologe, Chronist. Der C. S. wird heute meist mit einem K¨onigsberger Theologen namens Konrad gleichgesetzt. Dieser war seit 1313 Domherr und 1318–30 Pfarrer in K¨onigsberg; 1331 wurde er Scholasticus. 1334/35 ist er zuletzt nachgewiesen. Einziges bekanntes Werk des C. S. sind die lat. Annalen Epitome gestorum Prussie, die vom Jahr 3 (Herodes) bis 1338 reichen. Der Text enth¨alt neben Ereignissen aus der biblischen und preußischen Geschichte auch solche aus der Kirchen- und Reichsgeschichte. Neben Daten zu P¨apsten (etwa Johannes XXII.), Kaisern (u. a. Friedrich II.), F¨ursten und Hochmeistern erw¨ahnt der C. S. u. a. auch Tod und Heiligsprechung des Franziskus. Hinzu kommen Ereignisse aus der Geschichte des Bistums Samland sowie Informationen zu preußischen und 354

1. H¨alfte 14. Jh. livl¨andischen Kriegsz¨ugen des Dt. Ordens. Die Annalen des C. S. sind meist knapp und sachlich abgefasst und gelten als eigenst¨andig und zuverl¨assig. Als Quellen dienten dem Autor u. a. → Nikolaus von Jeroschin, → Hermann von Reichenau, die Archive des Bistums und a¨ltere o¨ sterr. Annalen. ¨ Uberlieferung: K¨onigsberg, SUB, cod. 1119, 156r–166r (Pap., zweite H¨alfte 14. Jh.; verschollen). Ausgaben: Canonici Sambiensis epitome gestorum Prussie. Hg. v. Max Toeppen. In: Neue Preußische Provinzial-Bll. NF 4 (1853) S. 27–44, 140–153. – Canonici Sambiensis epitome gestorum Prussie. In: Scriptores Rerum Prussicarum. Die Geschichtsquellen der preußischen Vorzeit 1. Hg. v. M. Toeppen u. a. Leipzig 1861 (Nachdr. Frankfurt/M. 1965) S. 272–290. – Canonici Sambiensis Annales. Hg. v. Wilhelm Arndt. In: MGH SS 19 (1866) S. 697–708. ¨ Ubersetzungen: Toeppen 1853 (s. Ausg.). Literatur: Udo Arnold, VL2 1 (1978) Sp. 1171 f. – Christian Krollmann: Wer war der Verf. der Epitome gestorum Prussiae? In: Mitt. des Ver. f¨ur die Gesch. v. Ost- und Westpreußen 2 (1927/28) S. 51–53. – Ders.: C. S. In: Altpreußische Biogr. 1. Hg. v. dems. K¨onigsberg 1941, S. 99. – Odilo Engels: Zur Historiographie des Dt. Ordens im MA. In: AfK 48 (1966) S. 336–363, hier S. 347 f. – Repertorium fontium historiae medii aevi 3. Hg. v. Istituto Storico Italiano per il Medio Evo. Rom 1970, S. 115. – Jaroslaw Wenta: Stud. u¨ ber die Ordensgeschichtsschreibung am Beispiel Preußens. Toru´n 2000, S. 212–217. MM Michael de Leone (v. L¨owenhof, urspr. Michael Jude), * um 1300 W¨urzburg, † 3.1.1355 Wu¨ rzburg. – Jurist. Der aus einem Mainzer Patriziergeschlecht stammende M. studierte die Rechte und Theologie in Bologna. Er war seit 1328 kaiserlicher Notar, seit 1336 Protonotar der Bisch¨ofe Otto II. von Wolfskehl und Albrecht II. von Hohenlohe in Wu¨ rzburg und seit 1350 Scholaster des Neum¨unsterstifts. M. ist bekannt durch seine von ihm angelegten Handschriften, die teils f¨ur das Neum¨unsterstift (Manuale), teils f¨ur den privaten Gebrauch (Haus¨ buch) bestimmt waren. Die Ahnlichkeiten mit anderen Handschriften aus dem W¨urzburger Umkreis (Ebracher Hs., Liber privilegiorum, W¨urzburger Kleinepiksammlung) in Textbestand und Anlage, insbe¨ sondere aber in demjenigen Uberlieferungszweig des Renner des → Hugo von Trimberg, der auf eine 355

Michael de Leone Redaktion M.s zur¨uckgeht, sprechen daf¨ur, dass M. in W¨urzburg eine fr¨uhe Handschriftenmanufaktur betrieben hat. Das Hausbuch gilt als eine Sammlung deutschsprachiger Literatur mit Bezug zu W¨urzburg, in der besonders Werke von → Walther von der Vogelweide (deshalb auch W¨urzburger Liederhandschrift), aber auch von → Konrad von W¨urzburg, dem → K¨onig vom Odenwald, → Hermann von Schildesche und → Lupold von Bebenburg enthalten sind, die M. als lokalpatriotischer Literaturfreund f¨ur seine Nachkommen angelegt habe. Tats¨achlich richtet sich das Organisationsprogramm der Handschrift nach der Vorgabe des ma. Wissenssystems der ‹philosophia practica› und bietet so normatives Handlungswissen f¨ur das eigene Haus in den drei ¨ Bereichen der Ethik, Okonomik und Politik, bei denen M. lateinische und deutschprachige Texte unterschiedlichster Autoren und Wissensbereiche (neben den genannten → Freidanks Bescheidenheit, → Stricker, Cato, Renner, → Honorius Augustudonensis, Elucidarium, Regimina sanitatis, Buoch von guoter spˆıse u. a.) zusammengestellt hat. F¨ur die Politik hat M. selbst zwei Texte beigesteuert, in denen er das Leben Bischofs Otto beschreibt (De laudabilibus gestis Ottonis Wolfskel) und eine auf Lupold von Bebenburg fußende (Liber de ortu) Chronik W¨urzburgs gibt. Weitere lat. chronikalische Werke von M.s Hand sind auch im Manuale zu finden. Ausgabe: Horst Brunner (Hg.): Das Hausbuch des M. de L. (W¨urzburger Liederhs.) der Universit¨atsbibl. Mu¨ nchen (2° Cod. ms. 731). G¨oppingen 1983 (Faks.). – Johann Friedrich Boehmer: Johannes Victoriensis und andere Geschichtsquellen Deutschlands im 14. Jh. Stuttgart 1843, S. 451–477 (lat. Werke M.s). Literatur: Gisela Kornrumpf, VL2 6 (1987) Sp. 491–503. – Gerlinde Lamping, NDB 17 (1994) S. 421 f. – Anton Ruland: Die Ebracher Hs. des M. de L. mit Einschaltung der wichtigsten Stu¨ cke. W¨urzburg 1854. – Sabine Kr¨uger: Unters. zum sog. Liber privilegiorum des Lupold v. Bebenburg. In: DA 10 (1953/54) S. 96–131. – Peter Keyser: M. de L. († 1355) und seine literarische Sammlung. W¨urzburg 1966. – Kat. der dt. ma. Hss. der Universit¨atsbibl. Mu¨ nchen. Beschrieben v. Gisela Kornrumpf u. Paul-Gerhard V¨olker. Wiesbaden 1968, S. 66–107 (Beschreibung des ‹Hausbuchs›). – Ursula Peters: Lit. in der Stadt. Stud. zu den sozialen Voraussetzungen und kulturellen Organisationsformen st¨adtischer Lit. im 13. und 14. Jh. Tu¨ bingen 356

Lupold von Bebenburg 1983, S. 138–162. – Hans Thurn: Die Hss. der kleineren Provenienzen und Fragmente. Wiesbaden 1990, S. 31–47 (Beschreibung des ‹Manuale›). – Melitta Weiss Adamson: Preventive Medicine in Fourteenth-Century W¨urzburg: The Evidence in M. de L.’s ‹Hausbuch›. In: ‹Ir sult sprechen willekommen›. FS Helmut Birkhan. Hg. v. Christa Tuczay/Ulrike Hirhager/Karin Lichtblau. Bern u. a. 1998, S. 501–520. – Norbert Richard Wolf: Zur Schreibsprache des ‹Hausbuchs› M.s de L. In: Vom MA zur Neuzeit. FS Horst Brunner. Hg. v. Dorothea Klein. Wiesbaden 2000, S. 359–368. – Frank F¨urbeth: Bischofsst¨adte als Orte der Literaturproduktion und -rezeption. Am Beispiel von W¨urzburg (M. de L.) und Konstanz (Heinrich Wittenwiler). In: Bischofsst¨adte. Hg. v. Steffen Patzoldt (Das MA. Perspektiven medi¨avistischer Forsch., Jg. 7, 2002, H. 1) S. 125–146. – Vom Großen L¨owenhof zur Universit¨at. W¨urzburg und die dt. Lit. im Sp¨atMA. Hg. v. Horst Brunner/Hans-G¨unter Schmidt. Wiesbaden 2002. – Rainer Leng: Der Große L¨owenhof, das ‹Hausbuch› des M. de L. und die W¨urzburger Univ. In: W¨urzburg, der Große L¨owenhof und die dt. Lit. des Sp¨atMA. Hg. v. H. Brunner. Wiesbaden 2004, S. 153–181. – Peter R¨uckert: M. de L. als Pfarrer von Bettingen am Main. In: ebd., S. 183–197. – Christa BertelsmeierKierst: Das ‹Hausbuch› des M. de L. Zu Programm und Struktur der Sammlung. In: ebd., S. 199–210. – Falk Eisermann: Zur Datierung der ‹Wu¨ rzburger Kleinepiksammlung› (Forschungsbibl. Gotha, Chart. A 216). In: ZfdA 134 (2005) S. 193–204. – Michael Baldzuhn: Cato und Facetus im Hausbuch M.s de L. Zum hsl. Nach-, Neben- und Ineinander von Latein und Deutsch im 14. Jh. In: Arch. f¨ur das Studium der neueren Sprachen und Literaturen 243 (2006) S. 96–104. – F. F¨urbeth: Wissensorganisierende Komposithss. Materiale Konstituenten eines sp¨atma. Handschriftentyps am Beispiel des sog. ‹Hausbuchs› von M. de L. In: Materialit¨at in der Editionswiss. Hg. v. Martin Schubert. Berlin 2010, S. 293–308. FF Lupold von Bebenburg, * um 1300, † 28.10. 1363 Bamberg. – Jurist, Bischof von Bamberg. Der aus einer fr¨ankischen Reichsministerialenfamilie stammende L. v. B. studierte die Rechte in Bologna (nachweisbar 1316/17 und 1321/22). Seit 1325 hatte er Pfr¨unden in W¨urzburg, Bamberg, Erfurt, Bingen und Mainz. 1332 wurde er Offizial des Bischofs von W¨urzburg, 1353 Bischof in Bamberg. 357

1. H¨alfte 14. Jh. L. v. B. wirkte vor Erlangung des Bischofsamtes haupts¨achlich als Jurist in Mainz und W¨urzburg. In seinen politischen und juristischen Schriften trat er im Streit zwischen Kirche und Reich dem Machtanspruch des Papstes entgegen, wobei er juristische Positionen mit geschichtlichen Argumenten zu begr¨unden suchte. In seinem Hauptwerk, dem 1340 verfassten Tractatus de iuribus regni et imperii leitet er aus der Translatio imperii die volle Verf¨ugungsgewalt des dt. K¨onigs u¨ ber die Reichsteile unabh¨angig von p¨apstlicher Mitwirkung ab; der Traktat kann als der Beginn staatsrechtlicher Theoriebem¨uhung in Deutschland angesehen werden. Den gleichen Gegenstand behandeln der 1342 fertiggestellte Libellus de zelo christiane religionis veterum principum Germanorum, der als Geschichte der Verdienste der dt. F¨ursten um Glauben und Kirche gleichzeitig auch Ermahnungsschrift ist, und das 1340 geschriebene Ritmaticum querulosum et lamentosum dictamen de modernis cursibus et defectibus regni ac imperii Romanorum, das in leonischen Hexametern die Klage einer Jungfrau, die als Allegorisierung des Heiligen R¨omischen Reiches erscheint, u¨ ber den Zustand des Reichs und die Pflichtvergessenheit der F¨ursten erz¨ahlt und wiedergibt. Das Ritmaticum wurde schon 1341 von Otto Baldemann ins Deutsche u¨ bersetzt, welches wiederum 1348 durch Lupold Hornburg bearbeitet und durch Zus¨atze aktualisiert wurde. Wie auch L. v. B. geh¨orten beide zum Kreis um → Michael de Leone in W¨urzburg, der auch den Liber privilegiorum L.s v. B. und dessen darauf aufbauenden Liber de ortu, cursu et occasu Karoli magni et suorum successorum imperatorum et regnum Romanorum zur Grundlage eines eigenen Geschichtswerkes machte. Ausgaben: J¨urgen Miethke/Christoph Fl¨ueler (Hg.): Politische Schriften des L. v. B. (Tractatus de iuribus regni et imperii; Libellus de zelo christiane religionis veterum principum Germanorum; Ritmaticum querulosum et lamentosum dictamen de modernis cursibus et defectibus regni ac imperii Romanorum) (MGH Staatsschriften 4). Hannover 2004. – J. Miethke (Hg.): L. v. B., De iuribus regni ¨ et imperii. Uber die Rechte von Kaiser und Reich. M¨unchen 2005. Literatur: Katharina Colberg, VL2 5 (1985) Sp. 1071–1078. – Peter Johanek, NDB 15 (1987) S. 524 f. – Hermann Meyer: L. v. B. Stud. zu seinen Schr. Ein Beitr. zur Gesch. der staatsrechtlichen und kirchenpolitischen Ideen und der Publizistik im 14. Jh. Freiburg i. Br. 1909. – Adam 358

1. H¨alfte 14. Jh. Senger: L. v. B. Bamberg 1909. – Richard Scholz: Unbekannte kirchenpolitische Streitschr. aus der Zeit Ludwigs des Bayern (1327–1354). In: Bibl. des Preußischen Hist. Inst. in Rom 9–10 (1911–14), Bd. 1, S. 95–127, 236–242. – Sabine Kr¨uger: Unters. zum sog. Liber privilegiorum des L. v. B. In: DA 10 (1953/54) S. 96–131. – Peter Keyser: Michael de Leone († 1355) und seine literarische Sammlung. W¨urzburg 1966. – Sabine Kr¨uger: L. v. B. In: Fr¨ankische Lebensbilder. NF 4. Hg. v. Gerhard Pfeiffer. W¨urzburg 1971, S. 49–86. – Gerhard Barisch: L. v. B. Zum Verh¨altnis von politischer Praxis, politischer Theorie und angewandter Politik. Eine Studie u¨ ber den Eigenwert politischen Handelns in der Gesch. und der Gegenwart des 14. Jh. In: Ber. des Hist. Vereins Bamberg 113 (1978) S. 219–432. – Eva Luise Wittneben: L. v. B. und Wilhelm von Ockham im Dialog u¨ ber die Rechte am R¨omischen Reich des Sp¨atMA. In: DA 53 (1997) S. 567–586. – Johann Sch¨utz: L. v. B. In: Ders.: F¨ur Recht und Gesetz. Bedeutende Rechtsgestalter aus Bamberg. Bamberg 2001, S. 13–47. – Miethke/Fl¨ueler (s. Ausg.) S. 1–148. – J¨urgen Miethke: Politiktheorie im MA. Von Thomas v. Aquin bis Wilhelm v. Ockham. T¨ubingen 2 2008 (s. v. L. v. B.). FF Di tutsch kronik von Behem lant. – Dt. Vers¨ubersetzung der tschechischen DalimilReimchronik mit vorangehendem geschichtlichen Abriss, Mitte 14. Jh. Di tutsch kronik von Behem lant ist der Titel ¨ der Ubersetzung der → Dalimil-Landeschronik, des a¨ltesten historiographischen Werks in tschechischer Sprache (um 1310/14), sowie eines Abrisses der Geschichte B¨ohmens im Kompilationsstil, der ¨ ¨ die Ubersetzung einleitet. Ubersetzung und Abriss sind zwischen 1342 und 1346 entstanden; ihr beider Urheber k¨onnte ein Prager Angeh¨origer der Kreuzherren mit dem Roten Stern gewesen sein. Der Abriss gibt in 558 Versen, die nicht aus dem Dalimil stammen, annalistisch die Geschichte B¨ohmens bis 1342 wieder. Hauptquelle war ein Katalog tschechischer Herrscher, daneben gibt es ¨ Ubereinstimmungen mit weiteren Quellen des 14. Jh., darunter die Chroniken von Zbraslav und des Neplach von Opatovice. Ab 1319 ist der Abriss eigenst¨andig verfasst und beruht auf Zeitzeugenbe¨ richten. Die anschließende Ubersetzung des Dalimil folgt ihrer Vorlage bis zum 91. Kapitel recht eng 359

Di tutsch kronik von Behem lant und ger¨at erst im letzten Abschnitt sehr frei. Generell wird in ihr die stark tschechisch-nationalistische und anti-dt. Tendenz des Originals relativiert und Gleichberechtigung f¨ur alle im Land Geborenen ¨ eingefordert. Dabei verweist der Ubersetzer auch auf das Vorgehen Sobˇeslavs II. gegen¨uber der dt. Bev¨olkerung. Im letzten, freien Abschnitt, der Er¨ eignisse schildert, die der Ubersetzer selbst erlebt haben k¨onnte, stellt dieser sich mit pro-dt. Positionen dezidiert dem tschechischen Vorlagenverfasser entgegen. ¨ Uberlieferung: Prag, Arch. der Prager Burg/ Bibl. des Metropolitankapitels, Cod. G 45, 103 Bll., ¨ 1r–6v (Abriss), 7r–103r (Ubers.), (Pap., 1389, ostmitteldt.). Ausgaben: Venceslav Hanka: Dalimilova kronika. Dalimils Chron. v. B¨ohmen. D. t. k. v. B. l. (Bibl. des Litter. Ver. in Stuttgart 48). Stuttgart 1859. – Josef Jireˇcek: R´ymovan´a kronika cˇ esk´a tak rˇeˇcen´eho Dalimila. D. t. k. v. B. l. (Fontes rerum Bohemicarum 3) Prag 1882, ¨ S. 5–224 (Ubers.), 231–237 (Abriss). – Vlastimil ¨ Brom: D. t. k. v. B. l. Die gereimte dt. Ubers. der alttschechischen Dalimil-Chron. / R´ymovan´y nˇemeck´y pˇreklad staroˇcesk´e Dalimilovy kroniky. Br¨unn 2009, S. 84–580. Literatur: s. auch Dalimil. – Rainer Rudolf: Dalimil. In: VL2 2 (1980) Sp. 33–35; 11 (2004) Sp. 341, hier Bd. 2, Sp. 34 f. – Red., VL2 11 (2004) Sp. 1572. – Marie Bl´ahov´a, Encyclopedia of the Medieval Chronicle 1 (2010) S. 522 f. – Anton´ın Tomsa: R´ymovan´y nˇemeck´y pˇreklad tzv. kroniky Dalimilovy a pomˇer jeho k cˇ esk´e prˇedloze. ˇ In: Casopis pro modern´ı filologii 4 (Prag 1915) S. 35–48, 123–130, 229–238, 313–329, 413–431. – Bruno Hroch: Einiges u¨ ber das Verh¨altnis der ¨ mhd. Ubers. des altschechischen Dalimil zum Original. Jahresber. der k.k. Staatsrealschule Zwittau (1913/14) S. 1–17. – August Franz Hebert: ¨ Reimwb. f¨ur die mhd. Ubers. der alttschechischen Chron. des sog. Dalimil. Diss. Wien 1952. – Peter Hilsch: D. t. k. v. B. l. Der Verfasser der Dalimil¨ubertragung und die deutschb¨ohmische Identit¨at. In: Ex ipsis rerum documentis. Beitr. zur Medi¨avistik. FS Harald Zimmermann. Hg. v. Klaus Herbers u. a. Sigmaringen 1991, S. 103–115. – Zdenˇek Masaˇr´ık: Zur Sprache der mhd. Dalimilchron. In: Br¨unner Beitr. zur Germanistik und Nordistik 7 (1991) S. 54–64. – Norbert Kersken: Geschichtsschreibung im Europa der ‹nationes›. Nationalgeschichtliche Gesamtdarstellungen im MA (Mu¨ nstersche hist. Forsch. 8). K¨oln 360

Steckel u. a. 1995, S. 583–587. – V. Brom: Zur gereim¨ ten dt. Ubers. der alttschechischen Reimchron. des sog. Dalimil. In: Dt. Lit. des MA in und u¨ ber B¨ohmen 2 (Schr. zur Medi¨avistik 2). Hg. v. V´aclav Bok/Hans-Joachim Behr, Hamburg 2004, S. 161–171. – Ders.: Der sog. ‹Abriss› und sein Verh¨altnis zur dt. Reim¨ubers. der Dalimil-Chron. In: Br¨unner Beitr. zur Germanistik und Nordistik 10 (2005) S. 137–149. – Ders.: Der dt. Da¨ limil: Unters. zur gereimten dt. Ubers. der alttschechischen Dalimil-Chron. Br¨unn 2006. – Ders.: Die dt. Reim¨ubers. der alttschechischen ‹DalimilChron.› und das Fragm. der lat. Fassung. In: Dt. Lit. und Sprache im Donauraum (Olm¨utzer Schr. zur Dt. Sprach- und Lit.gesch. 2). Hg. v. Christine Pfau. Olm¨utz 2006, S. 261–279. – Jakob Zouhar: Im Schatten der dt. Reim¨ubertragung der Dalimil-Chron. Versannalen (der sog. ‹Abriss› aus dem 14. Jh.). Ein Beitr. zur ma. deutschsprachigen Lit. in B¨ohmen. In: Listy filologick´e 130 (2007) S. 21–42. – V. Brom 2009 (s. Ausg.) S. 1–78. VZ Steckel, Konrad (der Stekkel, Steckler, Stocker, ¨ Techel). – Ubersetzer des Asien-Reiseberichts des Odorico da Pordenone, Mitte 14. Jh. ¨ Nach Angabe am Schluss seiner Ubersetzung war S. Leutpriester in Wien, wo er am 26.6.1359 sein Werk abgeschlossen habe. Er k¨onnte Angeh¨origer der Tegernseer Familie St¨ockel gewesen sein («ein lay-pfaff genant Chonradt der Steckel von Tegernsee [...] zu Wienn»). Odorico († 1331) war Franziskanermissionar und hat 1330 einen lat. Bericht u¨ ber seine Missionsreise nach China (um 1314/18–29; u¨ ber Kleinasien, Arabien, Persien, Indien, Vietnam und Indonesien nach Peking) verfasst. Diese Relatio de mirabilibus orientalium Tatarorum st¨utzt sich neben biblischen Quellen nur auf eigene Erlebnisse und H¨orensagen, wird von rund 100 Textzeugen in zahlreichen Fassungen u¨ berliefert und wurde zeitnah zur Abfassung auch ins ¨ Franz¨osische und Italienische u¨ bersetzt. Uber Qua¨ lit¨at und spezifische Eigenarten der Ubersetzung S.s sind belastbare Urteile nicht m¨oglich, da seine konkrete Vorlage unbekannt ist. ¨ Uberlieferung: Klosterneuburg, Stiftsbibl., Cod. 1083, 174r–219r (Pap., 1425, bair.-o¨ sterr.; enth¨alt auch die «Reisen» Jean de → Mandevilles in ¨ der Ubersetzung Michael → Velsers). – M¨unchen, BSB, Cgm 7364 (vormals Nikolsburg, F¨urstl. Dietrichsteinsche Bibl., Cod. I 162), 536r–558v 361

Mitte 14. Jh. (Pap., 1449, bair.). – Karlsruhe, LB, Cod. Donaueschingen 482, 1r–16r (Pap., 1465, schw¨abisch). – Klosterneuburg, Stiftsbibl., Cod. 1065, 206, 1r–217r (Pap., 1473, bair.; Anfang und Schluss fehlen). – Mu¨ nchen, StB, Cod. L 1603, 168r–186r (Pap., letztes Viertel 15. Jh.); aus f¨unf selbstst¨andigen dt. Reiseber. zusammengebunden v. Matheus Br¨atzl, Kammerschreiber des bayerischen Herzogs Albrecht IV. (Marco → Polo, Johannes → Hartlieb, Mandeville [Velser], K. S., Hans → Schiltberger). – Die fragm. Hs. (zwei Pergamentst¨ucke) St. Paul im Lavanttal, Stiftsbibl., Cod. 36/8 (Mitte 14. Jh., bair.) enth¨alt das 8. Kap. des Ber. Odoricos Kapitel, das ¨ in der S.-Uberl. fehlt. Man kann S. diese fragmen¨ tarische Ubers. weder eindeutig zuschreiben noch absprechen. ¨ Ausgabe: Gilbert Strasmann: K. S.s dt. Ubertragung der Reise nach China des Odorico de Pordenone (Texte des sp¨aten MA und der fr¨uhen Neuzeit 20). Berlin 1968. Bibliographie: Alberto Martino: Die italienische Lit. im dt. Sprachraum. Erg. und Berichtigungen zu Frank-Rutger Hausmanns Bibliogr. (Chloe 17). Amsterdam/Atlanta 1994, S. 198 f. Literatur: Andr´e Schnyder, VL2 9 (1995) Sp. 241–243. – De Boor/Newald 3,2 (1987) S. 386 f. (vor allem zum Kontext der Reiseliteratur¨ubersetzungen). – Reinhold Jandesek: Odoricus v. Pordenone. In: LexMA 6 (1993) Sp. 1362 f. – Dan Goldenberg: Odorico da Pordenone. In: Encyclopedia of the Medieval Chronicle 2 (2010) S. 1163 f. – Strasmann (s. Ausg). – Dietrich Huschenbett: Rezension Ausg. Strasmann. In: AfdA 82 (1971) S. 175–179. – Giulio Cesare Testa: Bozza per un censimento dei manoscritti odoriciani. In: Odorico da Pordenone e la Cina (Storia cultura arte economia 3). Hg. v. Giorgio Melis. Pordenone 1983, S. 117–150. – Hans Gr¨ochenig: Ein ¨ Fragm. einer dt. Ubersetzung des Chinareiseber. v. Odorico de Pordenone. Ein Handschriftenfund aus dem Benediktinerstift St. Paul/K¨arnten. In: FS Ingo Reiffenstein. Hg. v. Peter K. Stein u. a. (GAG 478). G¨oppingen 1988, S. 565–572 (mit Abdruck). – Ders.: Dt. Denkm¨aler der heutigen Stiftsbibl. St. Paul. In: Schatzhaus K¨arntens. Landesausstellung St. Paul 1991. 900 Jahre Benediktinerstift. Bd. 2: Beitr. Klagenfurt 1991, S. 609–616, hier S. 614 f. – R. Jandesek: Das fremde China. Berichte europ. Reisender des sp¨aten MA und der fr¨uhen Neuzeit (Weltbild und Kulturbegegnung 3). 362

Mitte 14. Jh. Pfaffenweiler 1992, Reg. – Marina Mu¨ nkler: Erfahrung des Fremden. Die Beschreibung Ostasiens in den Augenzeugenber. des 13. und 14. Jh. Berlin 2000, S. 155, 183, 201, 256, 290. VZ Anonymus Leobiensis. – Chronist, Mitte 14. Jh. Dem Chronisten, der seit der ersten Teilausgabe (Pez 1721) mit A. L. bezeichnet wird, sind zumindest Verbindungen zum steierm¨arkischen Leoben zu unterstellen, wobei er wahrscheinlich aus dem nieder¨osterreichischen Raum stammt. Die annalistische Chronica ab incarnatione Domini et gesta principum sacerdotum id est summorum pontificum novae legis et etiam imperatorum omnium Romanorum behandelt die Kirchen- und Reichsgeschichte von Christi Geburt bis 1343 mit deutlichem Schwerpunkt auf der Zeit der Habsburger. Erstellt wurde sie im Kompilationsstil. Die Bewertung der unterschiedlichen Redaktionen der Chronik mit ihren Vorlagen und ihr jeweiliges Verh¨altnis zueinander ist nicht hinreichend abgeschlossen. Zun¨achst ist als Quelle vornehmlich das Chronicon pontificum et imperatorum des → Martin von Troppau als textliche Grundlage zu nennen und f¨ur die Fassung der Pez’schen Ausgabe zus¨atzlich der Liber certarum historiarum des → Johann von Viktring. Doch ist die Quellenbasis des A. L. breiter und umschließt nachweislich auch → Otto von Freising und → Alexander von Roes. Erweitert werden die Vorlagen dahingehend, dass steirische Ereignisse, St¨adte und Pers¨onlichkeiten in den Vordergrund gestellt werden. Der eigenst¨andige Rang der Chronica, von der fr¨uhen Forschung angezweifelt, ist in der gegenw¨artigen Diskussion unstrittig. Zu den sp¨ateren Rezipienten der Chronik des A. L. z¨ahlt Thomas → Ebendorfer. Zwei Textzeugen u¨ berliefern eine gleichsam anonyme Fortsetzung der Chronica bis 1347/48 in dt. Sprache. ¨ Uberlieferung (dt. Fortsetzung): Klosterneuburg, Stiftsbibl., Cod. 127, 264ra–265vb (Perg. und Pap., um 1440, bair.-o¨ sterr.). – Zwettl, Stiftsbibl., Cod. 59, 219ra–223ra (Perg. und Pap., um 1400). – Zur Gesamt¨uberl. (7 Hss. nebst Fragm.) vgl. Haider (s. Lit). Teilausgaben: Hieronymus Pez: Scriptores rerum Austriacarum veteres ac genuini Bd. 1. Leipzig 1721, S. 751–972. – Joseph v. Zahn: A. L. chronicon. Graz 1865. – Fedor Schneider: Johannis Abbatis Victoriensis Liber certarum historiarum. Bd. 1 (MGH SS rer. Germ. 36,1). Hannover/Leipzig 1909, S. 102–140 (als Rezension 363

Anonymus Leobiensis D des ersten Buches des ‹Liber› des Johann von Viktring). – Eine krit. Gesamtausgabe von Wilfried Stelzer und Marttin Wagendorfer am Inst. f¨ur ¨ Osterr. Geschichtsforschung ist in Vorbereitung. Literatur: Eugen Hillebrand, VL2 1 (1978) Sp. 371 f. – August Fournier: Abt Johann v. Viktring und sein Liber certarum historiarum. Ein Beitr. zur Quellenkunde dt. Gesch. Berlin 1875, S. 90–92. – F. Schneider: Stud. zu Johannes v. Viktring. 2. Thl. In: Neues Arch. der Ges. f¨ur a¨ ltere dt. Geschichtskunde 29 (1904) S. 394–442. – Alphons Lhotsky: Zu A. L. In: FS Richard Heuberger (Schlern-Schr. 206). Hg. v. Wilhelm Fischer. Innsbruck 1960, S. 87–91. – Ders.: Quel¨ ¨ lenkunde zur ma. Gesch. Osterreichs (MIOG Erg.bd. 19). Graz/K¨oln 1963, S. 301–305.– Siegfried Haider: Unters. zu der Chron. des ‹A. L.›. ¨ 72 (1964) S. 364–381. – A. Lhostky In: MIOG (Hg.): Thomas Ebendorfer, Chronica Austriae (MGH SS rer. Germ N.S. 13). Berlin/Zu¨ rich 1967, S. XXVIII–XXX. – Repertorium Fontium Historiae Medii Aevi Bd. 2 (1967) S. 360 f. – Erich: Kleinschmidt: Herrscherdarstellung. Zur Dispostion ma. Aussageverhaltens, untersucht an Texten u¨ ber Rudolf I. v. Habsburg (Bibliotheca Germanica 17). Bern/M¨unchen 1974, S. 189 f. – Lothar Schultes: Wissenschaftspflege, Geschichtsschreibung und Dichtung im Umkreis Herzog Albrechts II. In: Karttause Gaming. Ausstellung anl¨aßlich der Wiederherstellung des Herzoggrabes. Herzog Albrecht II. und die Kartause Gaming. Hg. v. Walter Hildebrand. Gaming 1985, S. 177–185. – W. Stelzer: Stud. zur o¨ sterr. Historiographie im 14. Jh. I. Die Chronik des ‹A. L.› und die Leobener Martins¨ Chronik. In: MIOG 103 (1995) S. 369–391. – Ders.: Die verschollene Trauttmansdorffer Hs. des A. L.: cvp. 3445, 8221 und ihre Kontamination in den ‹Commentarii› Anton Steyerers (1725). In: Unsere Heimat. Zs. f¨ur Landeskunde v. Nieder¨osterreich 66 (1995) S. 189–199. – Urban Bassi: Ein weiteres Doppelbl. der Kremser Fragm. des A. ¨ L.: ONB Cod. Ser. n. 3052. In: ebd. 67 (1996) S. 71–76. – U. Bassi/Margit Kamptner: Stud. zur Geschichtsschreibung Johanns v. Viktring. (K¨arntner Landesarch. 22). Klagenfurt 1997, S. 11–42 passim, 167 (Reg.). – W. Stelzer: ‹Perdet lilium coronam›. Englische Propaganda zur Schlacht bei Cr´ecy (1346) in o¨ sterr. Geschichtskompendien. In: Der weite Blick des Historikers. Einsichten in Kultur-, Landes- und Stadtgesch. FS Peter Johanek. Hg. v. Wilfried Ehbrecht. K¨oln u. a. 2002, S. 603–622, 364

Totenklage auf Graf Wilhelm IV. von Holland hier S. 606–609. – M. Wagendorfer: Philologische ¨ Uberlegungen zur Neuedition der Chron. des A. L. – Die Editionen v. H. Pez und F. Schneider aus heutiger Sicht. In: FS Heide Dienst. Hg. v. Anton Eggendorfer u. a. (Forschungen zur Landeskunde von Nieder¨osterreich 30) St. P¨olten 2004, S. 160–187. VZ Pehemische Cronica dewcz. – Dt. Prosachronik. Um 1308–14 entstand die alttschechische → Dalimil–Chronik, eine Darstellung der b¨ohmischen Geschichte bis 1314. Das anonyme Werk erfuhr 1345 zun¨achst eine dt. Reim¨ubersetzung. Um 1444 u¨ bertrug ein unbekannter Autor den alttschechischen Text dann in dt. Prosa. Die in drei Handschriften u¨ berlieferte P. C. d. ist in 69 Kapitel mit Vorrede gegliedert. Jedes Kapitel besitzt ¨ eine ausf¨uhrliche Uberschrift mit kurzer Wiedergabe des jeweiligen Kapitel-Inhalts. Der in einfacher, klarer Sprache geschriebene Text zeichnet sich u. a. durch die h¨aufige Verwendung von direkter Rede und Dialogen aus. Dem Verfasser war sichtlich an einer erz¨ahlenden Wiedergabe der historischen Ereignissen gelegen, nicht an einer annalistischen Kurzfassung. So bewahrt die P. C. d. bis heute eine gute Lesbarkeit. ¨ Uberlieferung: Mu¨ nchen, BSB, Cgm 3967, 104ra–146ra (Pap., St. Emmeram, 1444, nordbair.oberpf¨alzisch). – Leipzig, UB, Ms 1328, 135r–210v (Pap., 1460–70). – M¨unchen, BSB, Cgm 3968, 72 Bll. (Pap., 1515, bair.-ostfr¨ankisch, Christoph Hoffmanns Abschr. v. Cgm 3967). Ausgaben: Chronic der Behemen. In: Scriptores rerum Austriacarum 2. Hg. v. Hieronymus Pez. Leipzig 1725, Sp. 1044–1111. – Die pehemische Cronica dewcz. Hg. v. Josef Emler. In: Fontes rerum Bohemicarum 3. Prag 1882, S. 257–297. Literatur: Rainer Rudolf: Dalimil. In: VL2 2 (1980) Sp. 33–35; 11 (2004) Sp. 341. – [Red.], VL2 11 (2004) Sp. 1186 f. – Zdenek Masar´ık: Zur Sprache der mhd. Dalimilchron. In: Br¨unner Beitr. zur Germanistik und Nordistik 7 (1991) S. 51–64. – Ders.: Sprachliches zur prosaischen ¨ Ubers. der sog. Dalimilchron. In: Vielfalt des Dt. FS Werner Besch. Hg. v. Klaus J. Mattheier u. a. Frankfurt/M. 1993, S. 241–251. – Norbert Kersken: Geschichtsschreibung im Europa der ‹nationes›. Nationalgeschichtliche Gesamtdarst. im MA. K¨oln u. a. 1995, S. 583–587. – Vlastimil Brom: Der sog. ‹Abriss› und sein Verh¨altnis zur dt. Reim¨ubers. 365

Mitte 14. Jh. der Dalimil-Chron. In: Br¨unner Beitr. zur Germanistik und Nordistik 19 (2005) S. 137–149. – Ders.: ¨ Die Form der Eigennamen in den a¨ltesten Ubers. der Dalimil-Chron. In: ebd. 22 (2008) S. 11–26. MM Totenklage auf Graf Wilhelm IV. von Holland. – Ehrenrede mit narrativem Rahmen, um 1345 (?). Der 657 Verse umfassende, unikal u¨ berlieferte Text ist in einer mndl.-mhd. Mischsprache abgefasst. Widmungstr¨ager ist – unzweifelhaft, wenngleich eine explizite Namensnennung unterbleibt – Graf Wilhelm IV. von Holland († 1345). Da der Sprecher sich im Text mit dem sprechenden Namen «Vrudengher» (V. 99 und 105) vorstellt, wurde eine Identifizierung des Autors mit Pieter Vreugdegaer von Breda vorgeschlagen, der als Reimsprecher am Hof der Witwe Wilhelms, Herzogin Johanna von Brabant, in Breda bezeugt ist. Er k¨onnte noch eine weitere Ehrenrede (auf Graf Jan den Blinden von Luxemburg) verfasst haben. Die Ehrenrede ist in einen narrativen Rahmen eingef¨ugt: Nachdem er aus einem sorgenvollen Traum erwacht ist, beschließt der Sprecher, auf der Suche nach Freude auszureiten. Er trifft in amoener Landschaft auf die Gesellschaft der ‹Frau H¨ofischheit›. Diese weist ihn zur Burg der ‹Frau Ehre›, wo diese als Kaiserin zusammen mit der ‹K¨onigin Minne› und einem Hofstaat von Tugenden lebe. Dort wird der Sprecher von den teils als T¨urh¨uterinnen agierenden personifizierten Tugenden empfangen und von ‹Frau Ehre› in die Regeln ihrer Gesellschaft einf¨uhrt (Verbot von Missgunst, Streit und Nachrede). Als ein schwarzer Bote mit einer brieflichen Todesnachricht erscheint, beklagen die Personifikationen nacheinander den Tod des vorbildlichsten Ritters, dessen Tugenden sie hyperbolisch preisen. Abschließend h¨alt ‹Frau Mannhaftigkeit› eine Preisrede auf den Verstorbenen, in der sie seine historischen Ruhmestaten (Preußenfeldzug; Krieg gegen den K¨onig von Frankreich mit Nennung der Schlachten von Aubetin, Petit, Orchies, St. Amand, Seclin, Mortagne; Jerusalemwallfahrt; Feldz¨uge gegen die Litauer und Preußen; Belagerung von Utrecht; Feldzug gegen die Friesen) explizit benennt. Auf die Erw¨ahnung seines Todes in der Schlacht vor Staveren in Ost-Friesland folgt eine knappe Blasonierung des Wappenkleids und eine abschließende F¨urbitte f¨ur den Widmungstr¨ager und alle in 366

Mitte 14. Jh. der Schlacht mit ihm Gefallenen. Im allgemeinen Wehklagen bricht der Sprecher auf und verl¨asst die Burg. ¨ Uberlieferung: Den Haag, Koninklijke Bibliotheek ’s-Gravenhage, Cod. 128 E 2 (‹Haager Liederhandschrift›), 22r–26r (Pap., Ende 14. Jh.). Ausgaben: Jan Van Vloten: Onuitgegeven mnl. verzen uit het Haagsche Hs. No 721. In: De Dietsche Warande 9 (1871) S. 6–25, hier S. 6–23. – Derk Buddingh: Ein jammerliche Claghe. In: Archief. Geschied- en letterkundig Mengelwerk, inhoudende Jacob van Maerlant, een Zuid-Hollander, enz. ’s-Gravenhage 1859, S. 7–27. – Ernst Ferdinand Kossmann: Die Haager Liederhs. Faks. des Originals mit Einleitung und Transkription. Den Haag 1940, S. 53–60 Nr. 42. Literatur: Julius Zacher: Hss. im Haag. In: ZfdA 1 (1841) S. 209–269, hier S. 241 f. – Van Vloten (s. Ausg.) S. 24 f. – Tilo Brandis: Mhd., mnd. und mndl. Minnereden (MTU 25). Mu¨ nchen 1968, S. 188 Nr. 478. – Theodor Nolte: Lauda post mortem. Die dt. und ndl. Ehrenreden des MA. Bern 1983, S. 173–178. – Wim van Anrooij: Spiegel van ridderschap. Heraut Gelre en zijn ereredes (Nederlandse literatuur en cultuur in de Middeleeuwen 1). Amsterdam 1990, S. 121–123. – Remco Sleiderink: Heer en meester op het kasteel van Breda. Het literaire leven in de tweede helft van de veertiende eeuw. In: Cultuur in het laatmiddeleeuwse NoordBrabant. Literatuur – Boekproductie – Historiografie. Hg. v. Arnoud-Jan A. Bijsterveld/Jan A. F. M. van Oudheusden/Robert Stein. ’s-Hertogenbosch 1998, S. 24–36, hier S. 26–31. – Jaap Tigelaar: Dese es van Behem coninck Jan. Een onbekende ererede over Jan de Blinde, graaf van Luxemburg, koning van Bohemen (1296–1346) In: Queeste 10 (2003) S. 146–161, hier S. 158–160. – Helmut Tervooren: Van der Masen tot op den Rijn. Ein Hb. zur Gesch. der ma. volkssprachlichen Lit. im Raum von Rhein und Maas. Berlin 2006, S. 183–185. JK Stadeschronik. – Nicht erhaltene L¨ubecker Stadtchronik oder chronikalische Sammlung, gef¨uhrt bis 1349 (?). Der Geschichtsschreiber → Detmar von L¨ubeck erw¨ahnt im Vorwort seiner ersten Chronik von 1385 eine a¨ltere Chronik, die lange nicht mehr fortgef¨uhrt und mit deren Fortschreibung er beauftragt worden sei: «der stades coroniken was nicht togheschreven bis sos unde druttich jaren». Diese 367

Stadeschronik verlorene Chronik wird seit Grautoff (s. Lit.) als S. bezeichnet. Ihre Form, Funktion und autorbezogene Zuordenbarkeit ist umstritten. Sie k¨onnte (Koppmann 1898 [s. Lit.]) mit der gleichfalls nicht erhaltenen L¨ubecker Chronik des Stadtschreibers Johannes → Rode (Ruffus) identisch sein, die dieser noch bis 1349 fortgef¨uhrt haben soll, was zumindest mit den 36 Jahren bei Detmar korrespondierte. Wriedt 1987 (s. Lit.) pl¨adiert hingegen f¨ur zwei zu differenzierende Werke, wobei die S. keine literarisch ausgearbeitete und zur Publikation bestimmte Chronik gewesen sein k¨onnte, sondern eine von Stadtschreibern im Stile der Stadtb¨ucher fortlaufend gef¨uhrte Sammlung von Notizen, die dem Stadtrat zur Information dienen sollte. Ausgabe: Teilrekonstruktionsversuch der S. unter zumindest umstrittenenen Voraussetzungen anhand j¨ungerer Chroniken bei Koppmann 1899 (s. Lit.), Chron.dt.St. 26, S. 279–287. – Vgl. auch Koppmann 1898. Literatur: s. auch → Detmar von L¨ubeck; → Rode, Johannes. – Klaus Wriedt, VL2 9 (1995) Sp. 216 f. – Ferdinand Heinrich Grautoff: Chron. des Franciscaner Lesemeisters Detmar. Nach der Urschrift und mit Erg. aus andern Chron. Bd. 1 (Die l¨ubeckischen Chron. in nd. Sprache 1). Hamburg 1829, S. V–XXXI, bes. S. VI–IX. – Karl Koppmann: Die Chron. der nieders¨achsischen St¨adte. L¨ubeck 1/2/3 (Chron.dt.St. 19/26/28). Leipzig 1884/1899/1902. Nachdr. G¨ottingen 21967 (Einleitungen zu den jeweiligen Abdrucken). – Ders.: Die l¨ubische S. und ihre Ableitungen. In: Hansische Geschichtsbll. 1897 (1898) S. 147–202. – Friedrich Bruns: Der Verfasser der l¨ubischen S. In: Zs. des Ver. f¨ur L¨ubeckische Gesch. und Altertumskunde 26 (1932) S. 247–276. – K. Wriedt: Geschichtsschreibung in den wendischen Hansest¨adten. In: Geschichtsschreibung und Geschichtsbewußtsein im sp¨aten MA (Konstanzer Arbeitskreis f¨ur ma. Gesch. Vortr¨age und Forschungen 31). Hg. v. Hans Patze. Sigmaringen 1987, S. 401–426. – Sascha Mo¨ bius: Das Ged¨achtnis der Reichsstadt. Unruhen und Kriege in der l¨ubeckischen Chronistik und Erinnerungskultur des sp¨aten MA und der fr¨uhen Neuzeit (Formen der Erinnerung 47). G¨ottingen 2011, S. 139–143. VZ Chronik des St. Clarenklosters zu Weißenfels. Die wahrscheinlich fr¨uhestens bis zur Mitte des 14. Jh. entstandene Prosachronik behandelt die Geschichte des St. Clarenklosters von seiner Stiftung 368

Niederrheinischer Orientbericht 1285 bis 1347. Im Mittelpunkt stehen dabei die Viten und Wundertaten mehrerer adliger Nonnen des Klosters, deren Lebensf¨uhrung als vorbildlich vorgestellt wird (u. a. Elisabeth von Orlam¨unde). Die Familie des Klosterstifters Dietrich von Landsberg spielt im Text eine besonders prominente Rolle. Der Verfasser der C. ist unbekannt; u¨ ber seine von Lepsius (s. Lit.) vorgeschlagene Identit¨at als franziskanischer Beichtvater kann nur spekuliert werden. ¨ Uberlieferung: Dresden, LB, Mscr. L 364, 55 Bll. (Pap., 14./15. Jh.). – Dresden, LB, Mscr. a 29 (16. Jh., Abschrift v. L 364). Ausgabe: Die Chron. des St. Clarenklosters zu Weissenfels. Hg. v. Julius O. Opel. In: Neue Mitth. aus dem Gebiet hist.-antiquarischer Forschungen 11 (1867) S. 373–424. Literatur: Gisela Friedrich, VL2 1 (1978) Sp. 1245 f. – Karl Peter Lepsius: Hist. Nachrichten v. dem St. C. zu W. In: Neue Mitt. aus dem Gebiet hist.-antiquarischer Forschungen 3 (1837) H. 2, S. 45–94 (wieder in: Ders.: Kleine Schr. 2. Beitr. zur th¨uringisch-s¨achsischen Gesch. und dt. Kunstund Alterthumskunde. Hg. v. Albert Schulz. Magdeburg 1854, S. 231–275). MM Bozner Chronik. – Dt. St¨adtechronik, Mitte 14. Jh. Die B. C. enth¨alt Aufzeichnungen aus den Jahren 1018–1366 und wurde vermutlich von einem unbekannten Bozner B¨urger verfasst, der die ihm zug¨anglichen Ereignisse aus Vergangenheit und seiner Gegenwart verarbeitete. Die Notizen folgen keiner strengen Chronologie und geben sehr unterschiedliche Ereignisse wieder (aus der regionalen und u¨ berregionalen Politik, Naturph¨anomene und Katastrophen, Architektur, Modeausw¨uchse usw.). Der Schwerpunkt liegt in den 40er/50er Jahren des 14. Jh. Die B. C. war Grundlage der sog. Tiroler Chronik des 16. Jh. und wurde von Ferdinand von Troyer 1648 f¨ur dessen Chronik Bozens herangezogen. ¨ Uberlieferung: Innsbruck, Landesmus. Ferdinandeum, Dip. 612/I (1335–1366), 25 Bll. (Pap., 1518). – Ebd., ULB, Cod. 502, 56 Bll. (Pap., erste H¨alfte 16. Jh.). – Trostburg (Su¨ dtirol), Schlossarch., o. S. (verschollen). Ausgaben: Ausz¨uge bei Außerer (s. Lit.). und Mahlknecht 1996/97 (s. Lit.). – Sigune MasserVuketich: Die B. C. Regionalgeschehen und 369

Mitte 14. Jh. Weltereignis in lokaler Wahrnehmung. Textausg. und Komm. Diss. Innsbruck 2004. Literatur: Josef Riedmann, VL2 1 (1978) 977 f. – Karl Außerer: Die B. C. und ihre Nachrichten zur Gesch. der Stadt Bozen. In: Der Schlern 3 (1922) S. 386–393. – Leo Santifaller: Vom Schrift- und Schreibwesen unserer Heimat im Altertum und im MA. In: ebd. 13 (1932) S. 178–191 (mit zwei Faksimileabb. aus Dip. 612). – Giuseppe Gerola: Cronache Trentine del Medioevo. In: Studi trentini di Scienze Storiche 19 (1938) S. 3–26, hier S. 16 f. – L. ¨ Santifaller: Uber die schriftlich u¨ berl. Geschichtsquellen Tirols. Von den Anf¨angen bis zur Mitte des 14. Jh. In: Tiroler Heimat NF 13/14 (1949/50) S. 119–142, hier S. 124. – Bruno Mahlknecht: Die sog. ‹B. C.› aus dem 14. Jh. In: Der Schlern 70 (1996) S. 643–677; 71 (1997) S. 372–381, 555–560, 583–592. – J. Riedmann: Die sog. ‹B. C.› aus der Mitte des 14. Jh. als Geschichtsquelle. In: Bolzano fra i Tiroli e gli Asburgo. Atti del convegno internazionale di studi, Bolzano, Castel Mareccio, 16–18 ottobre 1996. Hg. v. Angelo Mura. Bozen 1999, S. 11–27. – Masser-Vuketich (s. Ausg.). VZ Niederrheinischer Orientbericht. – Erster deutscher Erfahrungsbericht u¨ ber den Nahen Osten. Der Verfasser stammte vermutlich aus K¨oln, war vielleicht ein Laie aus Kaufmannskreisen und schrieb sein Werk vermutlich zwischen 1349 und 1355. F¨ur den zum großen Teil aus eigener Anschauung verfassten Bericht zog er als Quellen die Reisebeschreibung Magister → Thietmars und die Orientgeschichte des Armeniers Hethum heran. Im Zentrum steht eine sachlich gegliederte Zusammenstellung von Beobachtungen u¨ ber das Leben im Nahen Osten. Das letzte Viertel der Schrift widmet sich Tieren, Pflanzen, B¨aumen und ihren Produkten. Der Orientbericht wurde von → Johannes von Hildesheim (Historia trium regnum) rezipiert. ¨ Uberlieferung: K¨oln, Hist. Archiv der Stadt, Best. 7010 (W) 261a, 22r–72v (Perg., 1408, ripuarisch). – Ebd., Best. 7020 (W*) 3, 116r–161r (Pap., 1410–20, ripuarisch/niederfr¨ankisch). Ausgabe: Reinhold R¨ohricht/Heinrich Meisner: Ein niederrheinischer Ber. u¨ ber den Orient. In: ZfdPh 19 (1887) S. 1–86. Literatur: Anna-Dorothee v. den Brincken, VL2 6 (1987) Sp. 998–1000. – Elisabeth Christern: Florentius v. Wevelinghoven und die Legende von den Heiligen Drei K¨onigen. In: Jb. 370

Mitte 14. Jh. des K¨olnischen Geschichtsvereins 34/35 (1959/60) S. 39–52. – A.-D. v. den Brincken: Die ‹Nationes Christianorum Orientalium› im Verst¨andnis der lat. Historiographie v. der Mitte des 12. bis in die zweite H¨alfte des 14. Jh. (K¨olner Hist. Abh. 22). K¨oln/Wien 1973, S. 70 f. und Anm. 377, vgl. Reg. – Dietrich Huschenbett: Die Lit. der dt. Pilgerreisen nach Jerusalem im sp¨aten MA. In: DVjs 59 (1985) S. 29–46, bes. S. 38 f. – Andrea Meregalli: Aspetti del ripuario tardo-medievale nei testimoni del N. O. In: I germani e gli altri. III/IV Seminario Avanzato in Filologia germanica. Hg. v. Vittoria Dolcetti Corazza/Renato Gendre. Bd. 1 (Bibliotheca Germanica. Studi e testi 13). Alessandria 2003, S. 271–277. – Ders.: La descrizione degli animali nel ‹N. O.›. In: Testi cosmografici, geografici e odeporici del medioevo germanico. Atti XXXI convegno dell’Associazione Italiana di Filologia Germanica, Lecce, 26–28 maggio 2004. Hg. v. Dagmar Gottschall (Textes et e´ tudes du moyen aˆge 33). Louvain-la-Neuve 2005, S. 187–205. BJ Erweiterte Christherre-Chronik. – ChronikKompilation auf Grundlage des Enikel-ChristherreMischtextes, Mitte 14. Jh. Unter den zahlreichen Redaktionen und ¨ Kompilationen im Uberlieferungskontext der → Christherre-Chronik (C.), nimmt die E. C. einen Sonderstatus ein (vgl. auch → Leipziger Fortsetzung der C.). Die Kompilation a¨ lterer gereimter Weltchroniken, erz¨ahlender historischer Texte und mehrerer Prosaquellen umfasst rund 57.000 Reimpaarverse und reicht von der Sch¨opfung bis zu K¨onig Ahasja (2 K¨on). Der Auftraggeber der E. C. ist vermutlich im Umkreis der ober¨osterreichischen Herren von Pernegg zu suchen. Der Terminus post quem f¨ur die Entstehung ist anhand der Vorlagen der E. C. 1310, der Terminus ante quem ist 1375 (Linzer Hs.). Die Hauptquelle ist die C., pr¨aziser ausgedr¨uckt: die konkrete Vorstufe ist der sog. Enikel-Christherre-Mischtext, eine Kombination aus zwei C.-Redaktionen mit Ausz¨ugen aus der Chronik des → Jan(s) von Wien (Jans Enikel). Dieser Mischtext wird wiederum in der E. C., vor allem f¨ur die Fortsetzung der am Beginn des Buches der Richter abgebrochenen C., aus der Weltchronik des → Rudolf von Ems erg¨anzt. Zum Ende des inserierten Rudolf Textes entfernt sich die E. C. immer weiter von dieser Vorlage und ger¨at zunehmend zu 371

Erweiterte Christherre-Chronik einer dt. Vers¨ubersetzung der Vulgata und der Historia scholastica des → Petrus Comestor. Zus¨atzlich sind zum Schluss Versumsetzungen von Passagen aus dem Buch der K¨onige (→ Buch der K¨onige alter ˆe und niuwer ˆe) eingearbeitet. Die Ermittlung der jeweiligen Quellen der E. C. gelingt nicht immer zweifelsfrei, die Vertracktheit der Quellenlage mag das Beispiel der in das Buch der Richter eingebauten Geschichte von Troja illustrieren: In der Vorlage dieser Pasage waren offenbar schon Elemente aus dem Trojanerkrieg → Konrads von W¨urzburg mit Jan(s)-von-Wien-Ausz¨ugen verbunden, zus¨atzlich versehen mit Versen aus dem → G¨ottweiger Trojanerkrieg als Einleitung. In ihrem ersten Teil entspricht die E. C. hinsichtlich Erz¨ahlweise und Struktur ganz der C. Ereignisse aus der profanen Geschichtsschreibung sind in den prim¨ar biblisch ausgerichteten Text stellenweise als «incidentia» hineinmontiert worden. Und auch im zweiten Teil, der in erster Linie Rudolf folgt, weicht der Autor hier von seiner Vorlage ab: Die bei Rudolf angeh¨angten synchronen Exkurse zur außerbiblischen Geschichte werden aufgel¨ost und die Textpartien chronologisch einsortiert. Mehrere Vorausdeutungen im Text auf noch zu schildernde Ereignisse zeigen, dass der Abbruch des Textes beim Buch der K¨onige ungeplant und eine Fortschreibung der E. C. intendiert war. Trotz ihres Fragmentstatus l¨asst sich aber – im Gegensatz zur C. – eine Gliederung nach den sechs Weltzeitaltern nachweisen (Sintflut, Abraham, Moses, David, Christus). Inhaltlich, konzeptuell und strukturell hat sich die E. C. im zweiten Teil so weit von der C. entfernt, dass ihre etablierte Bezeichnung eher irref¨uhrend ist. Sie ist ein historiographisches Erz¨ahlwerk im eigenen Recht und ein direkter Vorl¨aufer der Weltchronik → Heinrichs von M¨unchen, oder pr¨aziser ausgedr¨uckt: der Chroniken des ¨ Uberlieferungskomplexes, der unter der Bezeichnung Weltchronik Heinrichs von Mu¨ nchen subsumiert wird. In deren Erstfassung wird die E. C. nahezu unver¨andert integriert und weitergef¨uhrt. Erst in sp¨ateren Redaktionen wurde der E. C.Text ausgiebig umgeformt, u. a. durch Rekompilation mit der Hauptquelle C. ¨ Uberlieferung: Linz, LB, Hs. 472, 331 Bll., (Perg., nach 1370, bair.-o¨ sterr., mit 400 Miniaturen), es k¨onnte sich um die Urschrift handeln (wogegen die Ausstattung spricht) oder eine sehr sorgf¨altige Abschrift. Die N¨ahe zur Weltchronik 372

Friedrich von Saarburg Heinrichs von Mu¨ nchen l¨asst sich auch kodikologisch belegen, dadurch dass der zweite Schreiber der Linzer Hs. identisch ist mit dem Schreiber zweier Fragmente der ersten Weltchronik-Fassung (Mu¨ nchen, Staatl. Graphische Slg., Inv.-Nr. 40409 ¨ und ebd., BSB, Cgm 5249/23b). – Wien, ONB, Cod. Ser. nova 2642, 318 Bll. (Perg., um 1480, bair.-¨osterr., illustriert). – Ebd., Cod. 3060, 1v–287v (Pap., 1426, o¨ sterr.; unvollst.). Ausgaben: Ralf Plate: Christherre-Chron. Linz, Bundesstaatliche Studienbibl., Cod. 472. Farbmikrofiche-Edition. Einf. in den Text und Beschreibung der Hs. (Codices illuminati medii aevi 29). M¨unchen 1994. – Teilausg.: Dorothea Klein/Sonja Kerth/Elisabeth Lienert, in: Brunner 1998, Bd. 1, S. 393–403, 442–475 (Hiob und Sabilon-Erz¨ahlung des Trojateils). – Rettelbach 1998 (s. Lit.) S. 4–83 (Verkauf Josephs, MicheasErz¨ahlung, Thamir-Episode, Ende 3 K¨on). Literatur: s. auch → ‹Christherre-Chronik› und → Heinrich von M¨unchen. – Johannes Rettelbach, VL2 11 (2004) Sp. 420–423. – R. Plate, Encyclopedia of Medieval Chronicle 1 (2010) S. 585 f. – Hermann Menhardt: Zur Weltchron.-Lit. In: PBB 61 (1937) S. 402–462, hier S. 413–418, 422 f. – Repertorium fontium historiae medii aevi. Bd. 3 (1970) S. 310. – Gisela Kornrumpf: Die ‹Welt¨ chronik› Heinrichs v. M¨unchen. Zu Uberl. und Wirkung. In: FS Ingo Reiffenstein. Hg. v. Peter K. Stein u. a. (GAG 478). G¨oppingen 1988, S. 493–509. – E. Lienert: Antikenroman als Geschichtswissen. Zu den kompilierten Trojanerkriegen in der ‹E. C.› und in der ‹Weltchron.› Heinrichs v. Mu¨ nchen. In: Die dt. Trojalit. des MA und der fr¨uhen Neuzeit. Materialien und Unters. (Wissenslit. im MA 3). Hg. v. H. Brunner. Wies¨ baden 1990, S. 407–456. – Dies.: Die Uberl. v. Konrads ‹Trojanerkrieg›. In: ebd., S. 325–406, hier S. 354 f. – G. Kornrumpf: Das ‹Buch der K¨onige›. Eine Exempelslg. als Historienbibel. In: FS Walter Haug/Burghart Wachinger. Hg. v. Johannes Janota u. a. Bd. 1. Tu¨ bingen 1992, S. 505–527, hier S. 519–527. – J¨orn Uwe G¨unther: Die illustrierten mhd. Weltchronikhss. in Versen. Kat. der Hss. und Einordnung der Illustrationen in die Bild¨uberl. (tuduv-Stud., Reihe Kunstgesch. 48). Mu¨ nchen 1993, S. 183–193 (Nr. 22), 378–387 (Nr. 51). – Kurt G¨artner/R. Plate/Monika Schwabbauer: Zur Ausg. der C. nach der G¨ottinger Hs. SUB, Cod. 2° Philol. 188/10 (olim Gotha, Membr. I 88). In: Editionsber. zur ma. dt. Lit. (Litterae 117). Hg. 373

Mitte 14. Jh. v. Anton Schwob. G¨oppingen 1994, S. 43–56. – Horst Brunner (Hg.): Stud. zur ‹Weltchron.› Hein¨ richs v. M¨unchen. Bd. 1: Uberl., Forschungsber., Unters., Texte (Wissenslit. im MA 29). Wiesbaden 1998 (darin u. a.: D. Klein: Heinrich v. M¨unchen und die Tradition der gereimten dt. Weltchronistik, S. 1–112). – J. Rettelbach: Von der ‹E. C.› zur Red. α (Stud. zur ‹Weltchron.› Heinrichs v. Mu¨ nchen. Bd. 2.1 und 2.2 [Wissenslit. im MA 30.1/2]). Wiesbaden 1998. – Bernd Michael: C., vermischt und fortgesetzt mit Hans Enikel, Weltchron. In: Aderlaß ¨ und Seelentrost. Die Uberl. dt. Texte im Spiegel Berliner Hss. und Inkunabeln (SB zu Berlin – PK. Ausstellungskat. NF 48). Hg. v. Peter J¨org Becker/ Eef Overgaauw. Mainz 2003, S. 413–415. – R. Plate: Wie f¨angt die Bibel an? Zu den Vorstufen der ‹Weltchron.› Heinrichs v. M¨unchen am Beispiel der Sch¨opfungsgesch. In: Metamorphosen der Bibel. Beitr. zur Tagung ‹Wirkungsgesch. der Bibel im deutschsprachigen MA› (Vestigia Bibliae 24/25). Hg. v. dems. Bern u. a. 2004, S. 229–246. – Ders.: ¨ Die Uberl. der ‹C.› (Wissenslit. im MA 28). Wiesbaden 2005, S. 35 (Nr. 46). VZ Friedrich von Saarburg OFM (?). – Verfasser eines dt. Antichrist-Gedichts. F.s Name ist nur aus einer Eigennennung in seinem Werk bekannt. Er bezeichnet sich als «pruder» und war m¨oglicherweise Franziskaner. Sein Name k¨onnte sich auf Saarburg in Rheinland-Pfalz oder Sarrebourg in Lothringen beziehen. Die Forschung bevorzugt meist den lothringischen Ort. F. d¨urfte dort im 14. Jh. gewirkt haben. Er schrieb eine als Endkrist bekannte Antichrist-Rede mit 1097 Versen in westmitteldt.-els¨assischen Reimpaaren. Vorlage F.s d¨urfte das lat. Libellus de Antichristo des Adso von Montier-en-Der gewesen sein, allerdings nicht in direkter Lekt¨ure, sondern vermittelt u¨ ber das Compendium theologicae veritatis des → Hugo Ripelin von Straßburg. F. dramatisierte seine Vorlage in schmuckloser Form, allerdings nach eigenen Angaben unter großen M¨uhen. ¨ Uberliefert ist das Antichrist-Gedicht in einer mundartlich gef¨arbten Fassung, die heute als F.s ur¨ spr¨ungliche Fassung gilt (Wiener Codex, s. Uberlieferung). Eine alemannische Bearbeitung des Texts ist in einer M¨unchner Handschrift erhalten. Obwohl dieser Codex fr¨uher entstand als die Wiener Handschrift, d¨urfte die alemannische Fassung 374

Mitte 14. Jh. j¨unger sein. Sie weist n¨amlich stilistische Verbesserungen auf, w¨ahrend die mundartliche F¨arbung entfernt wurde. ¨ Uberlieferung: Mu¨ nchen, BSB, Cgm 574, 87vb–94ra (Pap., Augsburg, um 1368 oder sp¨ater, ¨ alemannische Bearbeitung). – Wien, ONB, cod. 2885, 164ra–174ra (Pap., Innsbruck, 1393, bair.o¨ sterr., Originalfassung des Texts). Ausgabe: Der Endkrist des F. v. S. und die anderen Inedita des Cod. Vind. 2885. Hg. v. Ute Schwab. Neapel 1964, S. 33–64 (nach dem Wiener cod. 2885). Literatur: Walter R¨oll, VL2 2 (1980) Sp. 959. – De Boor/Newald 3/2 (1987) S. 121. – Richard Schwab: Bruder F. v. S. und sein Endkrist. In: Heimatbuch des Kreises Saarburg 10 (1965) S. 27–29. – U. Schwab: Der Minne Porten, ein Ineditum des Cod. Vindob. 2885. In: PBB (Tu¨ b.) 88 (1967) S. 86–109. – W. R¨oll: Die Antichristrede F.s v. S. In: ZfdA 96 (1967) S. 278–320. – Michael Embach: Trierer Literaturgesch. Das MA. Trier 2007, S. 597 f. MM Gerhard von Braunswalde OCist. – M¨oglicher ¨ Verfasser der lat. Alteren Chronik von Oliva, Mitte 14. Jh. G. ist 1330–42 als Prior des Klosters Oliva bei Danzig nachgewiesen. Nach einer (vorsichtig formulierten) These Theodor Hirschs (1861 [s. Ausg.] ¨ S. 655, Anm. 1) k¨onnte er der Verfasser der Alteren Chronik von Oliva (Chronica Olivensis) gewesen sein, wof¨ur es aber keine Belege gibt. Ein Klostermitglied in f¨uhrender Position ist als Autor naheliegend, eine Zuweisung an G. indes spekulativ. Auch der Abt Stanislaus k¨onnte der Urheber gewesen sein. Das Prosawerk ist eine typische zisterziensische Klosterchronik und d¨urfte zwischen 1348 und 1352 entstanden sein auf Veranlassung von Vertretern des Dt. Ordens, der seit 1309 u¨ ber Pommerellen herrschte. Die Chronik sollte die Anspr¨uche und eingeforderten Privilegien des Klosters auf eine schriftliche Grundlage stellen. Erz¨ahlt wird die Geschichte Olivas von der Gr¨undung (1185/86) bis 1350. Die Klostergeschichte wird dabei verbunden mit derjenigen der wechselnden Herrscher. Neben der Darstellung politischer und kriegerischer Ereignisse wird auch auf die wirtschaftliche Entwicklung oder auf Baut¨atigkeiten eingegangen. Eingeschoben ist ein Geschichte des Dt. Ordens. W¨ahrend die Klosterchronik ein weitgehend origin¨ares Werk ist, das 375

Gerhard von Braunswalde auf Urkunden, m¨undlicher Tradition, Zeitzeugenberichten und eigenem Erlebten fußt, beruht die Ordensgeschichte auf dem Exordium ordinis Cruciferorum, das wiederum auf der Reimchronik des → Nikolaus von Jeroschin und → Peter von Dusburg aufbaut. F¨ur Pommerellen stellt die Chronik die bedeutendste historische Quelle dar, vergleichbar der Chronik Peters f¨ur das a¨ ltere Ordensland oder der → Livl¨andischen Reimchronik. Sie enth¨alt bedeutende Informationen zur Schlacht von Cr´ecy oder zum Verlauf der Pest. In den Annales Olivensis wurde die Chronik f¨ur die Jahre 1356–1545 weitergef¨uhrt und f¨ur die Tabulae fundatorum et benefactorum monasterii Olivensis (nach 1467) stellte sie die Quelle dar. Rezipiert wurde die Chronica Olivensis ferner von → Wiegand von Marburg, Konrad → Gesselen, Johannes → Bugenhagen, Simon → Grunau und dem bedeutenden polnischen Chronisten Jan Długosz. ¨ Uberlieferung: Acht Hss. und zwei Fragm., drei Hss. des 15. Jh.: Link¨oping, Stifts- och Landsbibl., Cod. H 3a. – Rom, Bibl. Apostolica Vaticana, Cod. Chigianus G II 51. – G¨ottingen, SUB, 4° Cod. Ms. theol. 207. Ausgaben: Theodor Hirsch: De prima fundatione monasterii Olivae. In: Ders. u. a.: Scriptores rerum Prussicarum. Bd. 1. Leipzig 1861 (Nachdr. Frankfurt/M. 1965) S. 669–726. – Ersetzt durch: Ders. in: ebd. Bd. 5. Leipzig 1874 (Nachdr. Frankfurt/M. 1965) S. 594–623. – Wydał Ketrzy´ ˛ nski: Fontes Olivenses. In: August Bielowski (Hg.): Pomniki dziejowe Polski. Monumenta Poloniae Historica. Bd. 6. Lemberg 1893 (Nachdr. Warschau u. a. 1961). Literatur: Udo Arnold, VL2 2 (1980) Sp. 1230 f. – Christoph Friedrich Weber, Encyclopedia of the Medieval Chronicle 1 (2010) S. 381 f. (Chronicon Olivensis). – T. Hirsch: Das Kloster Oliva. Ein Beitr. zur Gesch. der westpreußischen Kunstbauten. Danzig 1850, S. 60–75 (Anhang). – Ders. 1861 (s. Ausg.) S. 649–668. – Max Perlbach: Die a¨ ltere Chron. v. Oliva. G¨ottingen 1871. – ¨ Heinrich v. Zeißberg: Uber eine Hs. zur a¨ lteren Gesch. Preußens und Livlands. In: Altpreußische Monatsschr. 21 (1884) S. 193–260, 421–484. – M. ¨ Perlbach: Uber die Ergebnisse der Lemberger Hs. f¨ur die a¨ltere Chron. v. Oliva. In: ebd. 9 (1872) ¨ S. 18–40. – T. Hirsch: Uber eine Hs. zur a¨ lteren Gesch. Preußens und Livlands. In: Hist. Zs. 28 (1872) S. 209–221. – Ders. 1874 (s. Ausg.) 376

Heinrich von Munchen ¨ S. 591–594. – Walter Fuchs: Peter v. Dusburg und das Chronicon Olivense. In: Altpreußische Monatsschr. 21 (1884) S. 193–260, 421–484. – M. Perlbach: Der alte preußische Chronist in der Chron. v. Oliva. In: ebd. S. 621–636. – W. Ketrzy´ ˛ nski: Kronika oliwska i Exordium Ordinis Cruciferorum. In: Przewodnik Naukowy i literacki 18 (1890) S. 289–297, 385–394, 499–510. – Erich Maschke: Quellen und Darstellungen in der Geschichtsschreibung des Preußenlandes. In: Dt. Staatenbildung und dt. Kultur im Preußenlande. Hg. v. Paul Blunk. K¨onigsberg 1931, S. 22 (wieder in: Scriptores rerum Prussicarum 6. Frankfurt/M. 1968, S. 7 f.). – Marzena Pollak´owna: Kronika Piotra z Dusburga. Breslau u. a. 1968, S. 84–105. – U. Arnold: Geschichtsschreibung im Preußenland bis zum Ausgang des 16. Jh. In: Jb. f¨ur die Gesch. Mittel- und Ostdeutschlands 19 (1970) S. 79–81. – Repertorium fontium historiae medii aevi 4 (1976) S. 489–492 (Fontes Olivenses). – Heinz Lingenberg: Die a¨lteste Olivaer Geschichtsschreibung (bis etwa 1350) und die Gr¨undung des Klosters Oliva. L¨ubeck 1994. – Jarosław Wenta: Stud. u¨ ber die Ordensgeschichtsschreibung am Beispiel Preußens (Subsidia historiographica 2). Thorn 2000, Reg. – C. F. Weber: Urkunden in der symbolischen Kommunikation zwischen dem Dt. Orden und Polen: Friedensschluss und Konfliktf¨uhrung im 14. Jh. In: Ma. Kultur und Lit. im Deutschordensstaat in Preussen. Leben und Nachleben (Sacra Bella Septentrinalia 1). Thorn 2008, S. 309–329. VZ Heinrich von Munchen. ¨ – Kompilator einer mhd. gereimten, im Umfang stark variierenden Weltchronik aus der Mitte des 14. Jh.; bzw. Namenssigle eines Chroniktypus, der neben chronikalischen Quellen auch historische Epen wie den Antikenroman oder die chanson de geste als Quellen heranzieht. H., der sich – je nach Handschrift – zwei- bis dreimal innerhalb seiner Chronik selbst nennt, ist historisch nicht fassbar. N. Ott versteht die Namensnennung in seinem Artikel im VL2 als «wahrheitsversichernde Autorsigle f¨ur einen bestimmten monumentalen Kompilationstyp Weltchronik, der mit seiner offenen Form [...] immer neue Fassungen provozierte» (Sp. 828). Die Textsorte ‹Weltchronik› stellt die Forschung – wie jede andere Literatur, die Wissen zu Summen akkumuliert – vor große texttheoretische Probleme, die schon bei der Begrifflichkeit 377

Mitte 14. Jh. beginnen. Denn bereits die Idee von ‹Vollst¨andigkeit› eines Werkes, die der Unterscheidung in ‹vollst¨andige› und ‹unvollst¨andige› Handschriften zugrunde liegt, greift hier zu kurz, ist doch der Schluss der ‹Weltchronik› prinzipiell offen: Manche Fassungen erstrecken sich bis zu Friedrich II., andere nur bis zu Karl dem Großen oder gar nur bis zu den antiken Kaisern. Auch in welchen F¨allen Handschriften fragmentarisch sind, ist so kaum zu bestimmen. Das wiederum hat Auswirkungen auf den Fassungsbegriff, der aufgrund ihrer programmatischen Offenheit im Falle der ‹Weltchronik› nur mit Abstrichen sinnvoll zu verwenden ist. Der Basistext, der den verschiedenen Fassungen der ‹Weltchronik› – allerdings seinerseits in unterschiedlichem Umfang und unterschiedlicher Zusammenstellung – zugrunde liegt, besteht aus Teilen der ‹Weltchronik› → Rudolfs von Ems, der → Christherre-Chronik und dem Marienleben des Bruder → Philipp. Die Ausz¨uge aus diesen Texten werden von H. kunstvoll und souver¨an miteinander verkn¨upft. Ob H. bereits eine fr¨uhe ‹WeltchronikKompilation› vorlag, ist umstritten. In den Basistext werden Teile so unterschiedlicher Vorlagen wie dem Willehalm → Wolframs von Eschenbach, → Ottes Eraclius, der Legenda Aurea des → Jacobus a Voragine oder → Ulrichs von Etzenbach Alexander eingef¨ugt und eingearbeitet, wobei teils umfangreiche Textbl¨ocke unver¨andert und zusammenh¨angend u¨ bernommen werden, teils sich die ¨ Ubernahme auf ein einzelnes Verspaar beschr¨ankt. Oft ist nicht nachvollziehbar, ob prim¨are oder se¨ kund¨are Ubernahme aus Zwischenstufen – etwa Florilegien – vorliegt. ¨ Uberlieferung: 28 Hss., 19 vollst¨andig, 9 fragmentarisch. Einige davon seien im Folgenden aufgrund von Besonderheiten erw¨ahnt; f¨ur weiterf¨uhrende Angaben sei auf den Handschriftencensus, dem auch die folgenden Hinweise entnommen sind, verwiesen: Dreispaltig sind folgende Handschriften: Gotha, Forschungsbibl., Cod. Chart. A 3, (Pap., 1398). – Karlsruhe, LB, Cod. Donaueschingen A III 3 (Perg., zweite H¨alfte 14. Jh., illustriert). – M¨unchen, BSB, Cgm 7330 (Perg., 1394). – Ebd.,Cgm 7377 (Perg., Ende 14. Jh.; ein Blatt wird unter der Signatur Berlin, SBB, Mgq 1724 in Berlin aufbewahrt). – Salzburg, UB, Cod. M II 265 (Perg., um 1400; fragm.; weitere Fragmente in Metten und Mu¨ nchen). – Wolfenb¨uttel, HAB, Cod. 1.5.2 Aug. 2° (Perg., letztes Drittel 14. Jh.). 378

Mitte 14. Jh. Bebilderungen weisen folgende Handschriften auf: Berlin, SBB, Mgf 1107 (Pap., 1387; Raum f¨ur Illustrationen ausgespart). – Stockholm, Kgl. Bibl., Cod. Vu 74a (Perg. und Pap., um 1400; 227 einspal¨ tige lavierte Federzeichnungen). – Wien, ONB, Cod. 2782 (Perg., 1439; Raum f¨ur Illustrationen ausgespart). – Ebd., Cod. 2921 (Pap., 242 kolorierte Federzeichnungen). – Ebd., Cod. Ser. nova 9470 (Pap., um 1370/90; 208 meist einspaltige, 12–20 Zeilen hohe Miniaturen [nur im Bereich des zweiten Schreibers]; rote Seitentitel; Besitzeintrag aus der ersten H¨alfte des 15. Jh. auf Bl. 257r und 347r f¨ur das Augustiner-Chorfrauenstift St. Jakob in Wien). – Ebd., Cod. 13704 (Pap., zweite H¨alfte 15. Jh.; illustriert). – Wolfenb¨uttel, HAB, Cod. 1.5.2 Aug. 2° (Perg., letztes Drittel 14. Jh.; 167 Miniaturen und Aussparungen f¨ur weitere ca. 44 Miniaturen; u¨ ber 100 Illustrationen stammen erst aus der zweiten H¨alfte des 15. Jh.). Ausgaben: Rudolf v. Ems. Weltchronik. Aus der Wernigeroder Handschrift hg. v. Gustav Ehrismann (DTM 20). Berlin 1915 (Nachdr. Dublin/Zu¨ rich 1967). – Dorothea Klein: H. v. M., Weltchronik. ¨ Farbmikrofiche-Edition der Hs. Wien, Osterr. Nationalbibl., Cod. 2768. Einf. zum Werk und Beschreibung der Hs. (Codices illuminati medii aevi 43). Mu¨ nchen 1996. – Die Weltchron. H.s v. M. neue EE (DTM 88). Hg. v. Frank Shaw u. a. Berlin 2008. Literatur: Heinrich L¨ulfing, NDB 8 (1969) 418 f. – Norbert H. Ott, VL2 3 (1981) 827–837. – Dorothea Klein, Killy2 5 (2009) S. 201–203. – Werner Schr¨oder: Die Exzerpte aus Wolframs ‹Willehalm› in der ‹Weltchron.› H.s v. M. Berlin 1981. – Frank Shaw: Die Darstellung Karls der Großen in der Weltchron. H.s v. M. In: Zur dt. Lit. und Sprache des 14. Jh. Dubliner Colloquium 1981. Hg. v. Walter Haug u. a. (Reihe Siegen 45). Heidelberg 1983, S. 173–207. – Gisela Kornrumpf: K¨onig Artus und das Gralsgeschlecht in der Weltchron. H.s v. M. In: Wolfram-Stud. 8 (1984) S. 178–198. – Kurt G¨artner: Phillips Marienleben und die Weltchron. H.s v. M. In: ebd., S. 199–218. – G. Kornrumpf: Heldenepik und Historie im 14. Jh. Dietrich und Etzel in der Weltchron. H.s v. M. In: Geschichtsbewußtsein in der dt. Lit. des MA. Hg. v. Christoph Gerhardt u. a. T¨ubingen 1985, S. 88–109. – ¨ Dies.: Die ‹Weltchron.› H.s v. M. Zu Uberl. und Wirkung. In: FS Ingo Reiffenstein. Hg. v. Peter K. Stein u. a. (GAG 478). G¨oppingen 1988, S. 493–509. – F. Shaw: Die Parzival-Zitate bei H. v. 379

Heinrich von Herford M. In: FS Werner Schr¨oder. Hg. v. Kurt G¨artner/ Joachim Heinzle. Tu¨ bingen 1989, S. 183–196. – Elisabeth Lienert: Antikenroman als Geschichtswissen. Zu den kompilierten Trojanerkriegen in der ‹Erweiterten Christherre-Chronik› und in der ‹Weltchron.› H.s v. M. In: Die dt. Trojalit. des MA und der Fr¨uhen Neuzeit. Materialien und Unters. Hg. v. Horst Brunner (Wissenslit. im MA 3). Wiesbaden 1990, S. 407–456. – F. Shaw: Die Kaiserchron.-Rezeption in der Weltchron. H.s v. M. In: FS Eberhard Nellmann. Hg. v. Dorothee Lindemann u. a. (GAG 618). G¨oppingen 1995, S. 380–392. – D. Klein: Stud. zur ‹Weltchron.› H.s v. M. Bd. 3/1: Text- und u¨ berlieferungsgeschichtliche Unters. zur Redaktion ß. Bd. 3/2: Die wichtigsten Textfassungen in synoptischer Darstellung (Wissenslit. im MA 31/1,2). Wiesbaden 1998. – Johannes Rettelbach: Stud. zur ‹Weltchron.› H.s v. M. Bd. 2/1 und 2/2. Von der ‹Erweiterten Christherre-Chron.› zur Redaktion a. 634 und 425 Ss (Wissenslit. im MA 30/1 und 2). Wiesbaden 1998. – Stud. zur ‹Weltchron.› H.s v. M. Bd. 1: ¨ Uberl., Forschungsber., Unters., Texte. Hg. v. H. Brunner (Wissenslit. im MA 29). Wiesbaden 1998 (darin: D. Klein: H. v. M. und die Tradition der gereimten dt. Weltchronistik, S. 1–112; Andrea Spiel¨ berger: Die Uberl. der ‹Weltchron.› H.s v. M., S. 113–198). – F. Shaw: ‹Willehalm› as history in H. v. M.’s ‹Weltchron.›. In: Wolfram’s ‹Willehalm›. Fifteen essays. Hg. v. Martin H. Jones u. a. 2002, S. 291–306. – Ralf Plate: Wie f¨angt die Bibel an? Zu den Vorstufen der ‹Weltchron.› H.s v. M. am Beispiel der Sch¨opfungsgesch. In: Metamorphosen der Bibel. Beitr. zur Tagung Wirkungsgesch. der Bibel. Hg. v. R. Plate/Andrea Rapp. Bern 2004, S. 229–246. – Kurt G¨artner: Der ‹Streit der T¨ochter Gottes› in der ‹Weltchron.› H.s v. M. In: Historia vero testis temporum. FS V´aclav Bok. Hg. v. Hana Andr´aˇsov´a u. a. Wien 2009, S. 19–45. KP Heinrich von Herford (H. v. Hervord, Henricus de Hervordia) OP, * um 1300 Herford/Westf., † 9.10.1370 Minden. – Theologe, Chronist. ¨ Uber das Leben H.s ist wenig bekannt. Er besuchte wahrscheinlich die Lateinschule der Reichsabtei in Herford und trat in Minden in den Dominikanerorden ein, an deren Generalkapitel er 1340 in Mailand teilnahm. Von den im Prolog zur Catena aurea zusammengestellten Verzeichnis seiner historischen, theologisch-philosophischen, kirchenpoliti380

Johannes von Brakel schen und grammatikalischen elf Werke sind nur drei u¨ berliefert. Der Liber de rebus memorabilibus sive Chronicon ist eine aus zahlreichen Quellen kompilierte Weltchronik bis 1355, welche die geschilderte Zeit in sechs Weltalter gliedert und die Kapitel nach der Reihenfolge der r¨omischen Kaiser richtet. Als Quellen benutzte er neben den Chroniken → Frutolfs und → Ekkehards u. a. die Weltchronik des → Vinzenz von Beauvais (bis 1249). Als Vorlage diente H.s Geschichtswerk den Dominikanern Konrad von Halberstadt d. J. und Hermann → Korner. Die Catena aurea entium bietet eine Summe philosophischer, theologischer und naturwissenschaftlicher Fragen und Antworten in zehn Teilen. Der zehnte Teil schließt mit der Frage nach dem Heil des Menschen an den Anfang, den Sch¨opfergott, an. Das dritte erhaltene Werk, De conceptione virginis gloriose, ist eine Streitschrift gegen die zu Beginn des 14. Jh. von den Minoriten verbreitete Lehre von der unbefleckten Empf¨angnis Mariens. ¨ Uberlieferung: 1. Liber de rebus memorabilioribus sive Chronicon: Wolfenb¨uttel, HAB, cod. Helmst. 11a (1404; Prolog, Anfang der 1. Aetas und Kap. 1–40 der 6. Aetas). – Ebd., cod. 11b (Forts. von cod. 11a; Kap. 41–100 der 6. Aetas). – Trier, Bistumsarch., Abt. 95 Nr. 99 (Ende 14. Jh.; 4. und 5. Aetas). – Berlin, SBB, cod. lat. fol. 224 (1468, aus Minden; 6. Aetas, Kap. 41–100 und Sachregister). – Ebd., cod. lat. fol. 431 (17./18. Jh.; 6. Aetas, Kap. 67–100, unvollst.). – Ebd., cod. lat. fol. 70, 71, 71 a (1802; 6. Aetas, Kap. 41–100). – M¨unster, ULB, Hs. 462 (Kat. 472) (15./16. Jh.; Fragm. aus der 6. Aetas; Kriegsverlust). – 2. Catena aurea entium: Rom/Vatikan, Bibl. Apostolica Vaticana, cod. lat. Vat. 4310 (14. Jh.; Buch 1–7). – Ebd., cod. lat. Vat. 3025 (14. Jh.; Ende von Buch 7 bis Buch 10). – Erfurt, Univ.- und Forschungsbibl. Erfurt/Gotha, Cod. Amplon. Fol. 370 (14. Jh.; Buch 1–6). – Ebd., cod. 371 (Buch 7–8). – Ebd., cod. 4° 295, 52v–99v (14. Jh.; Buch 9). – Paris, Bibl. Nationale, cod. lat. 6444 (1374; Buch 9 und 10). – Cambridge, Corpus Christi College, MS. 505, 1r–92v (14. Jh.; Buch 9 und 10). – L¨uneburg, Ratsb¨ucherei, cod. Theol. 2° 25, 1–267v (15. Jh.; Buch 1–6, gek¨urzt). – 3. De conceptione virginis gloriose: Erfurt, Univ.- und Forschungsbibl. Erfurt/Gotha, Cod. Amplon. 4° 146, 1r–104r (14./15. Jh.). Ausgabe: Liber de rebus et temporibus memorabilibus sive Chronicon. Hg. v. August Potthast. G¨ottingen 1859. 381

Mitte 14. Jh. Literatur: Klemens Honselmann, NDB 8 (1969) 411. – Schulthess/Imbach (1996) S. 460 f. – Eugen Hillenbrand, VL2 3 (1981) Sp. 745–749. – Dieter Berg, LexMA 4 (1989) Sp. 2093. – Friedrich Wilhelm Bautz, BBKL 2 (1990) Sp. 667. – ¨ Franz Diekamp: Uber die schriftstellerische T¨atigkeit des Dominikaners H. v. H. In: Zs. f¨ur vaterl¨andische Gesch. und Altertumskunde (Westfalen) 57 (1899) S. 90–103. – Rolf Sprandel: Stud. zu H. v. H. In: Person und Gemeinschaft im MA. FS Karl Schmid. Hg. v. Gerd Althoff u. a. Sigmaringen 1988, S. 557–572. – R¨udiger Schnell: Lat. und volkssprachliche Vorstellungen. Zwei Fallbeispiele (Nationsbewußtsein; K¨onigswahl). In: Lat. und Volkssprache im dt. MA 1100–1500. Regensburger Colloquium 1988. Hg. v. Nikolaus Henkel/N. F. Palmer. T¨ubingen 1992, S. 123–141, hier S. 130, 138. – Anette Baumann: Weltchronistik im ausgehenden MA. H. v. H., Gobelinus Person, Dietrich Engelhus (Europ¨aische Hochschulschr. 3,653). Frankfurt/M. 1995. – Klaus Peter Schumann: H. v. H. Enzyklop¨adische Gelehrsamkeit und universalhist. Konzeption in Dienste Dominikanischer Studienbed¨urfnisse (Ver¨off. der Hist. Kommission f¨ur Westfalen 44,4). Mu¨ nster 1996. – Joop van Banning: Der Beitr. des H. v. H. OP († 1370) zu einem besseren Verst¨andnis der V¨aterexegese des Hugo von Saint-Cher OP († 1263). In: V¨ater der Kirche. Ekklesiales Denken v. den Anf¨angen bis in die Neuzeit. FS Hermann Josef Sieben. Hg. v. Johannes Arnold u. a. Paderborn u. a. 2004, S. 803–822. – Iolanda Ventura: Formen des dominikanischen Enzyklop¨adismus im 14. Jh.: H. v. H., Konrad v. Halberstadt, Jakob v. Soest. In: Graeco-Latina Brunensia 12 (2007) S. 131–151. – Peter Johanek: Karl IV. und H. v. H. In: Institution und Charisma. FS Gert Melville. Hg. v. Franz Joseph Felten u. a. K¨oln u. a. 2009, S. 229–244. – Christian Heitzmann: Demogorgon in Minden. Heidnische G¨otter in der – jetzt vollst¨andigen – Weltchron. des H. v. H. In: Der wissenschaftliche Bibliothekar. FS Werner Arnold. Hg. v. Detlev Hellfaier (Wolfenb¨utteler Schr. zur Gesch. des Buchwesens 4). Wiesbaden 2009, S. 337–342. BJ Johannes von Brakel (Johann von Brack, de Bra¨ culis) OESA. – Ubersetzer eines F¨urstenspiegels, Mitte/zweite H¨alfte 14. Jh. W¨ahrend er als Lesemeister im Kloster Osnabr¨uck wirkte, fertigte der vermutlich aus Brakel im Landkreis H¨oxter stammende J. v. B. eine 382

Mitte 14. Jh. mnd. Fassung des F¨urstenspiegels De regimine prin¨ cipum des Agidius Romanus (→ F¨urstenspiegel nach Aegidius Romanus) an. In der neueren literaturgeschichtlichen Forschung wird der fru¨ her als Johann ¨ von Brack bezeichnete Ubersetzer meist mit Johannes von Brakel gleichgesetzt, der seit 1361 als Magister in Paris bezeugt ist und 1385 starb. Die Datierung der einzigen erhaltenen Handschrift (vom Jahr 1415) spricht nicht dagegen, da es sich dabei nicht um das Originalmanuskript handelt, wie bereits durch Mante (s. Ausg.) nachgewiesen wurde. ¨ Uberlieferung: Halle, ULB, Cod. Stolb.Wernig. Zb 37, 83r–132r (Pap., um 1415, mnd.). Ausgabe: Axel Mante (Hg.): Aegidius Romanus. De regimine principum. Eine mnd. Version. Lund 1929. Literatur: Gerd Brinkhus, VL2 4 (1983) Sp. 545 f.; 11 (2004) Sp. 763. – De Boor/Newald 4/1 (21994) S. 297. – Damasus Trapp: Clm 27034. Unchristened Nominalism and Wycliffite Realism at Prague in 1381. In: Recherches de Th´eologie ancienne et m´edi´evale 24 (1957) S. 320–360, bes. S. 327–331. – Adolar Zumkeller: Mss. v. Werken der Autoren des Augustiner-Eremitenordens in mitteleurop¨aischen Bibl. (Cassiciacum 20). W¨urzburg 1966, Nr. 54c, 453, 458a, 459–462. – Hildegard Herricht: Die ehem. Stolberg-Werniger¨odische Handschriftenabt. (Schr. zum Bibliotheksund B¨uchereiwesen in Sachsen-Anhalt 31). Halle 1970, S. 30. – Hartmut Beckers: Mnd. Lit. – Versuch einer Bestandsaufnahme II. In: Mnd. Wort 18 (1978) S. 1–47, hier S. 17–19. – Brigitte Pfeil: Kat. der dt. und ndl. Hss. des MA in der Universit¨atsund LB Sachsen-Anhalt in Halle (Saale) (Schr. zum Bibliotheks- und B¨uchereiwesen in SachsenAnhalt 89/1.2). Halle 2007, S. 323–327. SF Ludolf von Sudheim (Rudolf; Petrus; von Suchem, zu Suchen; Suthem). – Verfasser eines Pilgerf¨uhrers, Mitte 14. Jh. ¨ Uber L.s Person ist wenig bekannt. Nach eigenen Aussagen war er Pfarrer in Sudheim bei Paderborn. Im Dienst eines Ritters aus dem Gefolge des K¨onigs von Armenien unternahm er 1336–41 eine Orientfahrt, die ihn nach S¨udfrankreich, Sizilien, ¨ Rhodos, Zypern, Agypten und ins Heilige Land f¨uhrte. Sein lat. Reisebericht, den er wohl um die Jahrhundertmitte anfertigte und dem Paderborner Bischof Balduin von Steinfurt († 1361) widmete, geht aber nur in Ans¨atzen auf konkrete Umst¨ande dieser Reise ein. Geboten wird eine umfassende 383

Ludolf von Sudheim Abhandlung u¨ ber Geographie, Bev¨olkerung, Geschichte und Hagiographie des o¨ stlichen Mittelmeerraumes. Sie ist weniger entlang einer etablierten Reiseroute strukturiert, als vielmehr nach enzyklop¨adischen (der Beschreibung des Mittelmeers und seiner Gefahren folgen Abschnitte u¨ ber die Inseln Korsika, Sardinien, Sizilien, Rhodos, Zypern) und heilsgeschichtlichen Prinzipen (der Weg ¨ f¨uhrt von Gaza u¨ ber Agypten, den Nil, das Rote Meer, den Sinai, Bethlehem nach Jerusalem). Als Quelle, der L. in der Struktur und in w¨ortlich u¨ bernommenen Passagen folgt, gegen die er sich aber auch mit K¨urzungen, Erg¨anzungen und Korrekturen absetzt, l¨asst sich der kurz vorher entstandene lat. Reisebericht des → Wilhelm von Boldensele identifizieren. Daneben scheint L. weitere Quellen mit dem → Niederrheinischen Orientbericht sowie mit Hermann → Korner zu teilen. L.s Bericht ist breit u¨ berliefert, wobei das Verh¨altnis der 27 Hss. der ‹Langfassung› zueinander noch genauer zu bestimmen w¨are. Umstritten ist die Annahme einer lat. ‹Kurzfassung›, die Bischof Gottfried von Osnabr¨uck gewidmet gewesen sein k¨onnte (so Schnath, s. Literatur). Eine gek¨urzte Redaktion der ‹Langfassung›, von der sich noch vier Hss. nachweisen lassen, stammt von dem Zisterzienser Nicolaus von Huda. L.s Bericht wurde wohl schon bald – vielleicht durch L. selbst – ins Niederdeutsche u¨ bersetzt (zehn Hss.). Zur breiten ¨ lat. und nd. Uberlieferung treten drei lat. Inkunabelausgaben. Von diesen abh¨angig ist eine obd. ¨ Ubersetzung, die in drei Augsburger Inkunabeln und acht Hss. u¨ berliefert ist und die im 16. und 17. Jh. auch in Siegmund Feyerabends Reyßbuch deß Heyligen Lands integriert wurde. L.s Bericht hat eine große Wirkung auf Pilgertexte anderer Autoren vornehmlich des ausgehenden 15. Jh.: So u¨ bernehmen Hans → Tucher und Felix → Fabri historisches, geographisches und nautisches Wissen von L. ¨ Uberlieferung: 1. Lat. Fassungen: Die a¨lteste bekannte lat. Hs. der ‹Langfassung› ist Erfurt, UB, Cod. Amplon. 4° 393, 21r–63r (Perg., um 1380); zu den bei v. Stapelmohr (s. Ausg.) S. 19 genannten Hss. der ‹Langfassung› kommen noch Aschaffenburg, Hofbibl., cod. 44, 1r–56v (Pap., 15. Jh.) und Berlin, SBB, Cod. lat. fol. 583, 4r–38v (Pap., 1446). Die vier Hss. der Red. des Nikolaus von Huda nennt v. Stapelmohr (s. Ausg.) S. 20. – Drucke des Libellus de itinere ad terram sanctam: [Straßburg: Heinrich Eggestein] (HC 384

Ludolf von Sudheim 10307, GW M44167); [Straßburg: Heinrich Eggestein, um 1475/80] (H 10308, M44168); [Gouda: Gerard Leeu, 1484] (HC 10309, GW M44164), vgl. v. Stapelmohr (s. Ausg.) S. 15–17. 2. Nd. Fassung: Den autorn¨achsten Text (mit ¨ L.s Begr¨undung von Ubersetzung und Umarbeitung) der nd. Fassung bietet die v. Stapelmohr noch unbekannte Hs. M¨unster, ULB, Ms. N.R. 1501 [fr¨uher Ms. N.R. 44] (Pap., zweites Viertel 15. Jh., westf¨alisch). – Zu den u¨ brigen Hss. vgl. auch die ausf¨uhrlichen Beschreibungen bei v. Stapelmohr (s. Ausg.) S. 21–53: Berlin, SBB, Mgq 1900 (fr¨uher Wernigerode, F¨urstl. Stolbergische Bibl., Cod. Zb 22), 1r–57v (Pap., 1472, Niedersachsen). – Darmstadt, ULB, Hs. 810, 92v–69r (Perg., 14./15. Jh., Exzerpt des Berichts u¨ ber den Fall von Akko). – D¨usseldorf, ULB, Ms. B 112, 165r–198r (Pap., 15. Jh.). – Hamburg, SUB, Cod. geogr. 15, S. 1–64 (Pap., Anfang 15. Jh.). – Hildesheim, Dombibl., Hs. J 79 (an F 39) 176r–207v (Pap., um 1486–90, Ostfalen; verschollen). – Karlsruhe, LB, Cod. Donaueschingen 480 (Pap., Anfang 15. Jh). – Rostock, UB, Mss. theol. 40, 1r–52v (Pap., zweite H¨alfte 15. Jh.). – Wolfenb¨uttel, HAB, Cod. 127a Blankenburg, 87r–109va (Pap., 15. Jh.). Ebd., Cod. 1246 Helmst., 107–167 (Pap., 1440). 3. Obd. Fassung: Colmar, StB, Ms. N. 59, 3r–42v (Pap., 15./16. Jh.). – London, University College, MS. Germ. 21 (olim Cheltenham, Bibl. Phillippica, Cod. 24505) (Pap., zweite H¨alfte 15. Jh., Oberschwaben). – M¨unchen, BSB, Cgm 252, 1r–38v, 85r–86v, 39r–55v (Pap., um 1477, Ostschwaben). – Mu¨ nchen, BSB, Cgm 318, 59r–117v (Pap., 1476, Salzburg). – Neustadt a. d. Aisch, Kirchenbibl., Ms. 28, S. 215–445 (Pap., letztes Viertel 15. Jh.). – ¨ Wien, ONB, Cod. 2906, 144v–185v (Pap., 1470–77, Schwaben). – Wolfenb¨uttel, HAB, Cod. 116.6 Extravagantes, 452–507 (Pap., erstes Viertel 17. Jh.). – W¨urzburg, UB, M. ch. q. 37 (Pap., 1480). – Drucke: B˚uch von dem weg z˚u dem heylligen grab oder gelobten land: [Augsburg: Ludwig Hohenwang um 1477] (HC 10310, GW M44170); [Augsburg: Anton Sorg um 1477] (GW M44175); [Augsburg: G¨unther Zainer] 1477 (HC 10311, GW M44175). Ausgaben: 1. Lat. Fassungen: Itinerarium ad Terram Sanctam per Petrum de Suchen. Hg. v. Thomas Phillipps. Middlehill 1825, S. 53–68. – Ludolphi rectoris ecclesiae parochialis in Suchem de itinere terre sancte liber. Hg. v. Ferdinand Deycks (Bibl. des Litterarischen Vereins in Stuttgart 25). 385

Mitte 14. Jh. Stuttgart 1851, S. 1–102 (krit. Text der ‹Langfas¨ sung›). – Eine englische Ubersetzung dieses Textes wird geboten von Aubrey Stewart: Ludolph v. Suchem’s Description of the Holy Land, and the Way thither (Palestine Pilgrims’ Text Society 12). London 1895 (Nachdr. in: The Library of the Pilgrim’s Text Society 12, New York 1971). – Die gek¨urzte Fassung des Nicolaus von Huda bietet: De Itinere Terre Sancte. Hg. v. Wilhelm Anton Neumann. In: Archives de l’Orient latin 2 (1884) S. 305–377. 2. Nd. Fassung: August Partz: Mittheilungen aus einer nd. Hs. des Reisebuchs zum heil. Lande von L. v. Suchen. In: Germania. Neues Jb. der Berlinischen Ges. f¨ur dt. Sprache und Alterthumskunde 6 (1844) S. 52–72. – Johann Gottfried Ludwig Kosegarten: L. v. Suchens Reisebuch ins Heilige Land. Greifswald 1861, S. 17–68. – Friedrich Wilhelm E. Roth: Ber. des L. v. S. u¨ ber die Einnahme von Accre 1294. Nach einer Darmst¨adter Hs. In: Zs. der Dt. Morgenl¨andischen Ges. 42 (1888) S. 421–424 (nach der Hs. Darmstadt 810). – L.s v. S. Reise ins Heilige Land, nach der Hamburger Hs. Hg. v. Ivar v. Stapelmohr (Lunder germanistische Forschungen 6). Lund/Kopenhagen 1937, S. 93–158. Literatur: Wilhelm Heyd, ADB 19 (1884) S. 388–390. – Marie Luise Bulst-Thiele, VL2 5 (1985) Sp 984–986. – Ferdinand Deycks: ¨ Uber a¨ ltere Pilgerfahrten nach Jerusalem. Mu¨ nster 1848. – Julius Evelt: L. v. Suthem. In: Zs. f¨ur vaterl¨andische Gesch. und Altertumskunde Westfalens NF 10 (1859) S. 1–22. – v. Stapelmohr (s. Ausg.) S. 1–89. – Helmut Lahrkamp: Ma. Jerusalemfahrten und Orientreisen westf¨alischer Pilger und Kreuzritter. In: Westf¨alische Zs. 106 (1956) S. 269–346, hier S. 321–327. – Georg Schnath: Drei nieders¨achsische Sinaipilger um 1330. Herzog Heinrich v. Braunschweig-Grubenhagen, Wilhelm v. Boldensele, L. v. S. In: FS Percy Ernst Schramm. Hg. v. Peter Classen. Wiesbaden 1964, Bd. 1, S. 461–478, bes. S. 467–477. – Anna-Dorothe v. den Brincken: Die ‹Nationes christianorum orientalium› im Verst¨andnis der lat. Historiographie von der Mitte des 12. bis in die zweite H¨alfte des 14. Jh. (K¨olner Hist. Abh. 22). K¨oln/Wien 1973, bes. S. 71 f., 282–284 u. o¨ . – Aleya Khattab: ¨ Das Agyptenbild in den deutschsprachigen Reisebeschreibungen der Zeit von 1285–1500. Frankfurt/M. 1982. – Christiane Hippler: Die Reise nach Jerusalem. Unters. zu den Quellen, zum Inhalt und zur literarischen Struktur der Pilgerberichte des Sp¨atMA. Frankfurt/M. 1987. – Bern386

Mitte 14. Jh. hard Jahn: Raumkonzepte in der Fr¨uhen Neuzeit. Zur Konstruktion von Wirklichkeit in Pilgerberichten, Amerikareisebeschreibungen und Prosaerz¨ahlungen (Mikrokosmos 34). Frankfurt/M. 1993. – Ernst Bremer: Mnd. literarische Hss. in Paderborn. In: Nd. Wort 34 (1994) S. 1–11, hier S. 8 f. – Michael Herkenhoff: Die Darstellung außereurop¨aischer Welten in Drucken dt. Offizinen des 15. Jh. Berlin 1996, S. 52 f. – Europ¨aische Reiseberichte des sp¨aten MA. Eine analytische Bibliogr. Hg. v. Werner Paravicini. Tl. 1 bearb. v. Christian Halm (Kieler Werkst¨ucke D: Beitr. zur europ¨aischen Gesch. des sp¨aten MA 5). Frankfurt/M. 22001, Nr. 2, S. 36–44. – Paula Giersch/ Wolfgang Schmid: Rheinland – Heiliges Land. Pilgerreisen und Kulturkontakte im MA (Armarium Trevirense 1). Trier 2004, S. 106–123. – Anne Simon: ‹Of smelly and ashen apples›. Two German pilgrims’ views of the East. In: Eastward bound: travel and travellers, 1050–1550. Hg. v. Rosamund Allen. Manchester 2004, S. 196–220. JK Honeke, ¨ Bartholom¨aus. – Chronist des Dt. Ordens in Livland. H. stammte wohl aus der Stadt Osnabr¨uck oder deren Umgebung; er war Kaplan dreier livl¨andischer Ordensmeister. Er verfasste 1346/48 eine mnd. Reimchronik (J¨ungere Livl¨andische Reimchronik), welche die Geschichte Livlands zwischen 1315 und 1348 behandelt. Die in der Urfassung verlorene Chronik ist nur in dem nd. Prosaauszug der livl¨andischen Chronik des Bremer Notars Johannes Renner (1525–1583) erhalten. H.s Chronik benutzten u. a. → Wigand von Marburg und die → J¨ungere Hochmeisterchronik. ¨ Uberlieferung: Bremen, SUB, msa 0171 (a. 171), 95r–119r. Ausgaben: Konstantin H¨ohlbaum (Hg.): Die j¨ungere livl¨andische Reimchron. des B. H. 1315–48. Leipzig 1872. – Johann Renner’s ‹Livl¨andische Historien›. Hg. v. Richard Hausmann/K. Hohlbaum. G¨ottingen 1876. ¨ Ubersetzung: Liivimaa noorem riimkroonika (Die j¨ungere livl¨andische Reimchron.). Hg. v. Sulev Vahtre. Tallin 1960 (estnisch). Literatur: Konstantin H¨ohlbaum, ADB 13 (1881) S. 70. – Hellmuth Weiss, NDB 9 (1972) 342. – Udo Arnold, VL2 4 (1983) Sp. 120 f. – K. H¨ohlbaum: Johannes Renner’s livl¨andische Historien und die j¨ungere livl¨andische Reimchron. G¨ottingen 1872. – Karl Helm/Walther Ziesemer: 387

Honeke ¨ Die Lit. des Dt. Ritterordens (Gießener Beitr. zur dt. Philologie 94). Gießen 1951. – Edith Feistner/ Michael Neecke/Gisela Vollmann-Profe: Krieg im Visier. Bibelepik und Chronistik im Dt. Orden als Modell korporativer Identit¨atsbildung. T¨ubingen 2007, S. 228–231. BJ Kurze preußische Reimchronik. Der unbekannte Verfasser war Mitglied des Dt. Ordens. Die u¨ berlieferten Fragmente aus der Mitte des 14. Jh., die nicht das Original darstellen, umfassen 256 Verse. Sie schildern vor allem preußische Ereignisse von 1249–61 und 1330–38, stellen die Kriegsz¨uge des Ordens in den Vordergrund und enthalten teilweise sonst nicht bekannte Angaben u¨ ber Land- und Hochmeister. Die Quellenfrage ist offen, auch wenn Beziehungen zu den Chroniken von → Peter von Dusburg und → Nikolaus von Jeroschin zu vermuten sind. ¨ Uberlieferung: Berlin, SBB, Fragm. 38 (fr¨uher Ms. boruss. qu. 299), 2 Bl. (Perg, 14. Jh., ostmitteldt.). Ausgabe: Ernst Strehlke: Zwei Fragmente einer kurzen Reimchron. v. Preußen. In: Scriptores rerum Prussicarum. Die Geschichtsquellen der preußischen Vorzeit. Bd. 2. Leipzig 1863 (Nachdr. Frankfurt/M. 1965) S. 1–8. Literatur: Udo Arnold, VL2 5 (1985) Sp. 468 f. – Strehlke (vgl. Ausg.). – Karl Helm/Walther Ziesemer: Die Lit. des Dt. Ritterordens (Gießener Beitr. zur dt. Philologie 94). Gießen 1951. – Gerard Labuda: Zu den Quellen der ‹Preußischen Chron.› Peters v. Dusburg. In: Der Deutschordensstaat Preußen in der polnischen Geschichtsschreibung der Gegenwart. Hg. Udo Arnold/Marian Biskup (Quellen und Stud. zur Gesch. des Dt. Ordens 30). Marburg/Lahn 1982, S. 133–164. BJ Karl IV. (Taufname: Wenzel), * 14.5.1316 Prag, † 29.11.1378 Prag. – r¨omisch-dt. Kaiser, Schriftsteller, M¨azen. 1. Leben: K. war ein Enkel von Kaiser Heinrich VII. (1269/78–1313) und a¨ltester Sohn des b¨ohmischen K¨onigs Johann von Luxemburg (1296–1346). K.s Mutter Elisabeth (1292–1330) war eine Tochter des Przemyslidenk¨onigs Wenzel II. Als Kind lebte K. seit 1323 in Paris, wo er am Hof des franz¨osischen K¨onigs Charles IV. erzogen wurde. Als Firmpate gab Charles dem urspr¨unglich Wenzel getauften Jungen den Namen K. 1329 wurde K. 388

Karl IV. mit Blanca Margarete von Valois verheiratet und in den n¨achsten Jahren zunehmend mit herrschaftlichen Aufgaben betraut. So weilte er als Statthalter seines Vaters seit 1331 in Italien und seit 1333 in B¨ohmen. 1334 wurde K. Markgraf von M¨ahren. 1336/37 und 1340/41 engagierte er sich in Tirol f¨ur seinen Bruder Johann Heinrich. Da K.s Vater die eigenen Amtspflichten aus Altersgr¨unden allm¨ahlich nicht mehr erf¨ullen konnte, u¨ bernahm K. 1341 in B¨ohmen faktisch die Amtsf¨uhrung und wurde von den dortigen St¨anden als Kronanw¨arter anerkannt. Nachdem Ludwig der Bayer vom Papst gebannt worden war, erfolgte am 11.7.1346 K.s vorl¨aufige Wahl zum r¨omisch-dt. K¨onig. Am 26.11.1346 wurde er in Bonn gekr¨ont. Zwischenzeitlich nahm er im August 1346 an der Schlacht bei Cr´ecy teil. Am 2.9.1347 wurde K. auch K¨onig von B¨ohmen. Der Tod Ludwigs sowie G¨unthers von Schwarzburg entledigte K. zweier m¨achtiger Gegner, und so konnte er sich am 17.6.1349 in Frankfurt endg¨ultig und unangefochten zum r¨omischdeutschen K¨onig w¨ahlen lassen. Am 25.7.1349 wurde er in Aachen gekr¨ont und heiratete im selben Jahr Anna von der Pfalz. Nach deren Tod verm¨ahlte er sich 1353 mit Anna von Schweidnitz. 1354 begann K. einen Italienzug, auf dem er am 6.1.1355 in Mailand zum K¨onig von Italien gekr¨ont wurde. In Rom erfolgte am 5.4.1355 die Kr¨onung zum Kaiser. Nach dem Tod seiner Frau Anna 1362 heiratete K. 1365 Elisabeth von Pommern. Am 4.6.1365 wurde er in Arles zum K¨onig von Burgund gekr¨ont. Nach einem zweiten Italienzug 1368/69 erlangte er 1373 noch die Brandenburgische Kurw¨urde. Zuletzt widmete er sich intensiv der dynastischen Machtsicherung und konnte seinem Sohn Wenzel 1376 die dt. K¨onigskrone sichern. K. war ein komplexer Herrscher mit einer Vielzahl von Facetten. Politisch ein geschickter Machtmensch, sicherte er seine Position durch konsequente Hausmacht- und Heiratspolitik. Er entwickelte B¨ohmen zum Kultur- und Verwaltungsmittelpunkt des Reichs, festigte die kaiserliche Macht in Italien und schw¨achte zugleich das franz¨osische K¨onigtum. Dass K. bei allem Machtbewusstsein als Herrscher auch kompromissf¨ahig war, zeigt die Goldene Bulle von 1356, in der die Wahl der r¨omisch-deutschen K¨onige kodifiziert wurde. Das Werk enthielt Zugest¨andnisse an die Kurf¨ursten, die K. im Interesse einer Stabilisierung 389

Mitte 14. Jh. des dt. K¨onigstums akzeptierte. Die erstrebte Stabilit¨at wurde tats¨achlich erzielt, behielt die Goldene Bulle doch bis 1806 ihre G¨ultigkeit. Obwohl K. gute Beziehungen zur Stadt N¨urnberg unterhielt, entwickelte er in erster Linie Prag zur Hauptstadt seiner Herrschaft. K.s dortige Kanzlei war ein Musterbeispiel mittelalterlicher Zentralverwaltung, ihre Kanzleisprache vorbildlich. Daneben veranlasste K. den Bau des Veitsdoms (seit 1344) und der Karlsbr¨ucke (seit 1357) durch seinen Lieblingsarchitekten Peter Parler, der seit 1348 auch Burg Karlstein erbaute. Die Gr¨undung der Karls-Universit¨at (1348) trug ebenso zur Aufwertung Prags bei wie die Erhebung des Prager Bistums zum Erzbistum 1344. An guten Beziehungen zur Kirche interessiert, betrieb K. Klostergr¨undungen und f¨orderte den christlichen Reliquienkult. Daneben unterhielt er Kontakte zu Papst Clemens VI. und Francesco Petrarca. Auch f¨orderte er die Chronisten Pˇrib´ık → Pulkava von Raden´ın, Franz von Prag, Krabice von Weitmile und Giovanni di Marignolli. Hofdichter K.s war → Heinrich von Mu¨ geln, der f¨ur den Kaiser das dt. Huldigungsgedicht Der meide kranz (um 1355) verfasste. Von der Geschichtsschreibung lange untersch¨atzt, wird K. heute f¨ur eine Reihe langfristig wirksamer Verdienste anerkannt – darunter die Institutionalisierung einer u¨ berstaatlichen Verwaltung, die Aufwertung Prags zur europ¨aischen Metropole und die Einbindung B¨ohmens in das Reich. Durch diese Errungenschaften gelang K. die Vers¨ohnung des universalistischen Reichsgedankens mit dem Bohemozentrismus der Przemysliden. 2. Werk: K. betrieb in Diplomatie und Kultur systematisch die Aufwertung der tschechischen Sprache. Er veranlasste eine alttschechische Bibel¨ubersetzung und f¨orderte die zweisprachigen Werke des Claretus de Solencia. Der Kaiser selbst schrieb allerdings in Latein. Sein Hauptwerk ist die Vita Caroli Quarti, eine bis 1346 reichende Autobiographie in 20 Kapiteln. Die Datierung des Texts ist unsicher und wird meist zwischen 1350 und 1370 angesetzt. Entsprechend ist auch die Funktion der Vita ungekl¨art – im Fall einer fr¨uheren Entstehung k¨onnte sie als politisches Programm gelesen werden, bei sp¨aterer Entstehung als Bilanz eines alternden Herrschers zur Lekt¨ure f¨ur seinen Nachfolger. Sicher scheint indes die Beteiligung eines zweiten Verfassers. Sind die ersten 390

Mitte 14. Jh. 14 Kapitel bis 1340 noch in der ersten Person geschrieben, so berichten die u¨ brigen Kapitel in der dritten Person. Auch ist das Latein des zweiten Teils der schlichten Sprache der ersten Kapitel u¨ berlegen. Die Vita schildert das fr¨uhe Leben K.s als eine Reihe von Bew¨ahrungsproben, die er zur Erlangung seiner Eigenst¨andigkeit meistern muss. Die Darstellung der pers¨onlichen Entwicklung K.s wird durch Elemente aus der geistlichen Literatur erg¨anzt: eine einleitende Meditation u¨ ber christliche Lebensf¨uhrung sowie Auslegungen von Gleichnissen des Matth¨aus-Evangeliums. Die Einbindung der Autobiographie in einen geistlichen Kontext dient der Erh¨ohung K.s zu einem musterg¨ultigen christlichen Herrscher. Die gleiche geistliche Pr¨agung bestimmt auch die mit der Vita u¨ berlieferten Moralitates K.s. Die darin gesammelten Sentenzen, Meditationen und Textst¨ucke waren m¨oglicherweise als Materialsammlung f¨ur eine geplante Fortsetzung der Vita intendiert. K. wird auch eine lat. Fassung der Legende des heiligen Wenzel zugeschrieben. Die Historia nova de sancto Weceslao martyre duce Bohemorum entstand um 1355/61. Eine m¨ogliche Datierung ist 1358, als K. die Versch¨onerung von Wenzels Grab veranlasste. Die Verehrung Wenzels war f¨ur K. von politischer Bedeutung: Als Nationalheiliger und Przemysliden-Herrscher verk¨orperte Wenzel b¨ohmische Qualit¨aten, die sich perfekt in K.s Programm einf¨ugten. Die duale Funktion Wenzels als Heiliger und Monarch wird auch in K.s Wenzelslegende deutlich. Der erste Teil des Werks beschreibt Wenzels Vita mit politischen H¨ohepunkten wie dem Regensburger Reichstag. Im zweiten ¨ Teil werden Wenzels Wunder und die Uberf¨ uhrung seiner Gebeine nach Prag beschrieben. K.s Historia ging sp¨ater in die Chronik des Pˇrib´ık Pulkava ein. K. verfasste wahrscheinlich auch einen anonym u¨ berlieferten F¨urstenspiegel, in dem ein Sohn seinen Vater um eine Einf¨uhrung in die Regierungskunst bittet. Das Werk kann K. nicht sicher zugeschrieben werden und stammt vielleicht auch nur aus seinem Umfeld. Der Inhalt des Texts l¨asst eine Autorschaft K.s zumindest m¨oglich erscheinen, da der angesprochene Vater ein Kaiser ist und auch die Herrschaft u¨ ber B¨ohmen explizit erw¨ahnt wird. Vorlagen des F¨urstenspiegels waren Augustinus und Petrarca (De avaritia vitanda). Aus der Regierungst¨atigkeit K.s gingen zwei weitere Schriften hervor. Mit der Vita und den 391

Karl IV. Moralitates ist in einer fr¨uhen Handschrift die Kr¨onungsordnung Ordo ad coronandum regem Bohemorum u¨ berliefert. Der Text d¨urfte im Zusammenhang mit K.s Kr¨onung von 1347 entstanden sein und regelt die Kr¨onung des K¨onigs und der K¨onigin von B¨ohmen. Eine redaktionelle Beteiligung K.s an dem Text wird heute allgemein angenommen. Die Maiestas Carolina (um 1351–53) ist ein Entwurf zur Kodifikation des b¨ohmischen Landrechts in 109 Artikeln. Neben feudalrechtlichen Grundlagen sind darin auch die Eigenschaften des k¨oniglichen Eigentums sowie Rechte und Pflichten des Adels festgelegt. Als der Entwurf 1355 vorgelegt wurde, rief er massiven Widerstand des Adels hervor, der sich in seinen Rechten eingeschr¨ankt sah. K. musste den Entwurf daraufhin widerrufen. Trotzdem ist der Text eine wichtige Quelle zu K.s Verst¨andnis als Herrscher. Darin liegt auch insgesamt der Wert von K.s Werken – sie erschließen seine politische Programmatik unmittelbarer als die von Dritten verfasste Hofliteratur und -chronistik. Ihre eigentlich literarische Wirkung blieb freilich gering. ¨ Uberlieferung: Verz. der umfangreichen, teil¨ weise verlorenen lat. Uberl. bei Hillenbrand 1983 ¨ (s. Lit.). – Mhd. Ubers. der Vita Caroli Quarti in: Breslau, StB, cod. 304 (15. Jh.). Ausgaben: 1. Vita Caroli Quarti: Vita Caroli IV. Hg. v. Josef Emler. In: Fontes rerum Bohemicarum 3. Prag 1882, S. 323–368 (maßgebliche krit. Ausg. ¨ mit Edition der mhd. Ubers. auf S. 396–417). – Vita ab eo ipso conscripta. hg. v. Kurt Pfisterer und Walther Bulst. Heidelberg 1950. – Kaiser Karls IV. Jugendleben und St.-Wenzels-Legende. Hg. v. Anton Blaschka. Weimar 1956. – Vita Caroli quarti. Die Autobiographie Karls IV. Hg. v. Eugen Hillenbrand. Stuttgart 1979 (lat.-dt.). – Selbstbiographie. Vita Karoli Quarti. Hg. v. A. Blaschka. Hanau 1979 (nach Blaschka 1956; lat.-dt.). – Vlastn´ı zˇivotopis. Hg. v. Jan Binder. Prag 1979 (lat.-tschechisch). – Karoli IV imperatoris Romanorum vita ab eo ipso conscripta et hystoria nova de Sancto Wenceslao martyre. Autobiography of Emperor Charles IV and His Legend of St. Wenceslas. Hg. v. Bal´azs Nagy. Budapest 2001 (lat.-engl.). 2. Moralitates: Moralitates Caroli IV. imperatoris. Hg. v. Karl Wotke. In: Zs. des Ver. f¨ur die Gesch. M¨ahrens und Schlesiens 1 (1897) S. 59–73. 3. Wenzelslegende: Kronica Pulkavova. Hg. v. J. Emler. In: Fontes rerum Bohemicarum 5. Prag 392

Karl IV. 1893, S. 18–22. – Die St. Wenzelslegende Kaiser Karls IV. Hg. v. A. Blaschka. Prag 1934, S. 64–80. – Blaschka 1956 (s. o.). – Blaschka 1979 (s. o.). – Nagy 2000 (s. o.). 4. F¨urstenspiegel: Ein F¨urstenspiegel Karls IV. Hg. v. Samuel Steinherz. Prag 1925. 5. Maiestas Carolina: Maiestas Carolina. Der Kodifikationsentwurf Karls IV. f¨ur das K¨onigreich B¨ohmen von 1355. Hg. v. Bernd-Ulrich Hergem¨oller. M¨unchen 1995 (lat.-dt.). 6. Kr¨onungsordnung: Die Kr¨onungsordnung der K¨onige von B¨ohmen. Hg. v. Johann Loserth. In: Arch. f¨ur o¨ sterr. Gesch. 54 (1876) S. 9–36 (Teilˇ y ˇra´ d korunovaˇcn´ı a jeho puvod. Hg. ausg.). – Cesk´ v. Josef Cibulka. Prag 1934. ¨ Altere Ausg. bei Hillenbrand 1983 (s. Lit.). – Vgl. auch → Goldene Bulle. ¨ Ubersetzungen: Spisov´e c´ısare Karla IV., na oslavu petistylet´e pam´atky jeho sbor Matice cesk´e. Hg. v. J. Emler. Prag 1878 (maßgebliche tsche¨ chische Ubers. v. K.s Werken). – Selbstbiographie. Hg. v. Ottokar Menzel. Berlin 1943. – Fu¨ r weitere ¨ Ubers. vgl. die zweisprachigen Ausgaben. Literatur: ADB 15 (1882) S. 164–169. – Ferdinand Seibt, NDB 11 (1977) S. 188–191. – Peter Johanek: Goldene Bulle. In: VL2 3 (1981) Sp. 84–87; 11 (2004) Sp. 544. – E. Hillenbrand, VL2 4 (1983) Sp. 994–999. – Peter Moraw, LexMA 5 (1991) Sp. 971–974. – Stephan Haering, BBKL 3 (1992) Sp. 1136–1140. – De Boor/Newald 4/1 (21994) S. 384 u. o¨ . – P. Moraw, LThK3 5 (1996) Sp. 1243. – F. Seibt, RGG4 4 (2001) Sp. 816–818. – S. Steinherz: Zum F¨urstenspiegel K.s IV. In: Mitt. des Ver. f¨ur Gesch. der Dt. in B¨ohmen 64 (1926) S. 111–118. – A. Blaschka: Das Prager Universit¨atsprivileg K.s IV. In: ebd. 3 (1934) S. 57–102. – Josef Skutil: Die tschechischen Prosaschr. Kaiser K.s IV. In: Zs. f¨ur Slawistik 11 (1966) S. 252–264. – Jiˇr´ı Kejr: Maiestas Carolina v dochovanych rikopisech. In: Studie o rukopisech 17 (1978) S. 3–39. – E. Hillenbrand: Die Autobiographie K.s IV. Entstehung und Funktion. In: Bll. f¨ur dt. Landesgesch. 114 (1978) S. 39–72. – Kaiser K. IV. 1316–1378. Forschungen u¨ ber Kaiser und Reich. Hg. v. Hans Patze. Neustadt/Aisch 1978. – Jiˇr´ı Spev´acek: Die Epoche K.s IV. In: Die Parler und der Sch¨one Stil 1350–1400 II. Europ¨aische Kunst unter den Luxemburgern. Hg. v. Anton Legner. K¨oln 1978, S. 585–605. – Jarom´ır Homolka: Zu den ikonographischen Programmen K.s IV. In: ebd., S. 607–618. – Ferdinand Seibt: K. IV., ein 393

Mitte 14. Jh. Kaiser in Europa 1346–1378. M¨unchen 1978. Neuausg. Frankfurt/M. 2003. – Kaiser K. IV. Staatsmann und M¨azen [Kat.]. Hg. v. F. Seibt. M¨unchen 1978. – Jiˇr´ı Spevacek: K. IV. Sein Leben und seine staatsm¨annische Leistung. Wien u. a. 1979. – P. Moraw: Kaiser K. IV. im dt. Sp¨atMA. In: Hist. Zs. 229 (1979) S. 1–24. – Hubert Herkommer: Kritik und Panegyrik. Zum literarischen Bild K.s IV. (1346–1378). In: Rheinische Vierteljahrsbll. 44 (1980) S. 68–116. – K. IV. und sein Kreis. Hg. v. F. Seibt. Mu¨ nchen u. a. 1982. – P. Moraw: Grundz¨uge der Kanzleigesch. Kaiser K.s IV. In: Zs. f¨ur hist. Forschung 12 (1985) S. 11–42. – Ders.: Die St¨adtepolitik Kaiser K.s IV. (1346–1378) unter besonderer Ber¨ucksichtigung von Wetzlar. In: Mitt. des Wetzlarer Geschichtsver. 31 (1985) S. 21–39. – Sieglinde Hartmann: Die ‹Autobiographie› K.s IV. ‹Politische Rechtfertigungsschr.› oder ‹Heiligenvita›? In: JOWG 4 (1986/87) S. 67–79. – Walther Lammers: Unwahres oder Verf¨alschtes in der Autobiographie K.s IV.? In: F¨alschungen im MA. Internationaler Kongreß der Monumenta Germaniae Historica, Mu¨ nchen, 16.–19. September 1986 (Schr. der MGH 33,1). Hannover 1988, S. 339–376. – J. Kejr: Die sog. Maiestas Carolina. Forschungsergebnisse und Streitfragen. In: Studia Luxemburgensia. FS Heinz Stoob. Hg. v. P. Johanek und Friedrich Fahlbusch. Warendorf 1989, S. 79–122. – Heinz Stoob: Kaiser K. IV. und seine Zeit. Graz u. a. 1990. – Sabine Schmolinsky: Prophetisch-endzeitliches Denken im Umkreis K.s IV. In: Lit. im Umkreis des Prager Hofs der Luxemburger. Schweinfurter Kolloquium 1992. Hg. v. Joachim Heinzle u. a. Berlin 1994, S. 92–105. – Michael Stolz: Heinrichs v. M¨ugeln F¨urstenpreis auf K. IV. Panegyrik, Herrschaftslegitimation, Sprachbewußtsein. In: ebd., S. 106–141. – Roland Pauler: Die Auseinandersetzungen zwischen Kaiser K. IV. und den P¨apsten. Italien als Schachbrett der Diplomatie. Neuried 1996. – Bernd-Ulrich Hergem¨oller: Cogor adversum te. Drei Stud. zum literarisch-theologischen Profil K.s IV. und seiner Kanzlei. Warendorf 1999. – Marie Bl´ahov´a: Der Kult des Heiligen Wenzel in der Ideologie K.s IV. In: Fonctions sociales et politiques du culte des saints dans les soci´et´es de rite grec et latin au moyen aˆge et a` l’´epoque moderne. Hg. v. Marek Derwich u. a. Wrocław 1999, S. 227–236. – Arnulf Rieber: K. IV., Staatsmann und M¨azen. In: Sudetenland 41 (1999) S. 387–408. – J¨org K. Hoensch: Die Luxemburger. 394

Mitte 14. Jh. Eine sp¨atma. Dynastie von gesamteurop¨aischer Bedeutung 1308–1437. Stuttgart 2000, S. 105–192. – ¨ P. Moraw: Uber den Hof Kaiser K.s IV. In: Dt. K¨onigshof, Hoftag und Reichstag im sp¨aten MA. Hg. v. P. Moraw. Stuttgart 2002, S. 77–103. – Martin Kintzinger: K. IV. In: Die dt. Herrscher des MA. Hist. Portr¨ats v. Heinrich I. bis Maximilian I. Hg. v. Bernd Schneidm¨uller/Stefan Weinfurter. Mu¨ nchen 2003, S. 408–432, S. 593 f. – M. Bl´ahov´a: Intellektuelles Leben am Hofe K.s IV. In: Quaestiones medii aevi novae 8 (2003) S. 25–48. – Wojciech Iwanczak: K. IV. und die Religiosit¨at seiner Epoche. In: Die ‹Neue Fr¨ommigkeit› in Europa im Sp¨atMA. Hg. v. Marek Derwich/Martial Staub. G¨ottingen 2004, S. 59–75. – P. Moraw: Schw¨abisch Gm¨und, Kaiser K. IV. und Peter Parler im dt. Reich des sp¨aten MA. In: Parlerbauten. Architektur, Skulptur, Restaurierung. Internationales Parler–Symposium Schw¨abisch Gm¨und 17.–19. Juli 2001. Red. Richard Strobel. Stuttgart 2004, S. 19–27. – Stanislaw Mach´acek: Die Reform der b¨ohmischen Kr¨onungsvordnung durch K. IV. In: Aachen und Prag. Kr¨onungsst¨adte Europas. Hg. v. Vera Plazek. Prag 2004, S. 65–69. – Eva Schlotheuber: Die Autobiographie K.s IV. und die ma. Vorstellungen vom Menschen am Scheideweg. In: Hist. Zs. 281 (2005) S. 561–591. – Marco Bogade: Kaiser Karl IV. Ikonographie und Ikonologie. Stuttgart 2005. – K. IV. Kaiser v. Gottes Gnaden. Kunst und Repr¨asentation des Hauses Luxemburg 1310–1437. Hg. v. Jiˇr´ı Fajt. M¨unchen/Berlin 2006 (vgl. dazu: Kai Wenzel, in: Bohemia 47, 2006/07, S. 377–390). – Hiram K¨umper: Zwischen ‹kaiserlichem Recht-Buch› und ‹Reichsgrundgesetz›. Beitr. zur Wirkungs- und Literaturgesch. der Goldenen Bulle K.s IV. zwischen 1356 und 1806. In: Wolfenb¨utteler Beitr. 14 (2006) S.155–191. – Anke Paravicini: Die Vita K.s IV., ein ‹Ego-Dokument›? In: DA 63 (2007) S. 101–110. – Die Goldene Bulle: Politik, Wahrnehmung, Rezeption. Hg. v. Ulrike Hohensee u. a. 2 Bde. Berlin 2009. – Martin Nodl: Maiestas Carolina. Kritick´e postrehy k pramenum, vyhl´asen´ı a ‹odvol´an´ı› Karlova zakon´ıku. In: Studia Mediaevalia Bohemica 1 (2009) S. 21–35. – Lenka Bobkov´a: Corona Regni Bohemiae und ihre visuelle Repr¨asentation unter K. IV. In: Kunst als Herrschaftsinstrument. B¨ohmen und das Heilige R¨omische Reich unter den Luxemburgern im europ¨aischen Kontext. Hg. v. J. Fajt. Berlin u. a. 2009, S. 120–135. – Michael Lindner: Eine Kiste voller Knochen. Kaiser K. IV. erwirbt Reli395

Pulkava von Raden´ın quien in Byzanz. Zugleich ein Beitr. zur Datierung zweier Karlsteiner Reliquienszenen. In: ebd., S. 289–299. – Katerina Kub´ınov´a: K. IV. und die Tradition Konstantins des Großen. In: ebd., S. 320–327. – Richard Nemec: Kulturlandschaft und ‹Staatsidee›. Architektur und Herrschaftskonzeption K.s IV. In: B¨ohmen und das Dt. Reich. Ideen- und Kulturtransfer im Vergleich. Hg. v. Eva Schlotheuber. M¨unchen 2009, S. 63–102. MM Pulkava von Raden´ın, Pˇrib´ık, † zwischen 18.9. 1378 und 24.9.1380. – P¨adagoge, Chronist. P. stammte wahrscheinlich aus niederem Adel und wurde an der Universit¨at Prag promoviert. Er war 1373–78 Lehrer und Rektor an der Prager ¨ Agidiusschule, danach Pfr¨undner der Pfarre Chudenice, obwohl er selbst kein Priester gewesen sein d¨urfte. Als einziges schriftstellerisches Werk P.s ist eine Chronik von B¨ohmen aus dem Jahr 1374 u¨ berliefert. Der lat. Text wurde von Kaiser → Karl IV. beauftragt und mitkonzipiert, sollte also offiziellen Rang einnehmen. Entsprechend wird in der Chronik die Geschichte B¨ohmens in Gestalt ihrer Herrscher dargestellt. Heute sind sechs Rezensionen der Chronik bekannt. W¨ahrend der Berichtszeitraum stets mit dem Turmbau zu Babel und dem Auszug der dortigen Slawen beginnt, enden die Rezensionen zu unterschiedlichen Zeitpunkten. Die Hauptfassung reicht bis zum Tod von Karls Mutter Elisabeth im Jahr 1330, w¨ahrend andere Fassungen um 1320 abbrechen. Im sp¨aten 15. Jh. wurde die Chronik von Nikolaus Glasberger stark erweitert. Eine noch aus ¨ dem 14. Jh. stammende, tschechische Ubersetzung des Werks wird heute P. selbst zugeschrieben. F¨ur seine Recherchen erhielt P. Zugriff auf das Kronarchiv, wie sich an seiner Verwendung dort aufbewahrter Urkunden nachweisen l¨asst. P. benutzte auch eine heute verlorene Chronik Brandenburgs sowie Werke von → Dalimil, → Cosmas von Prag und → Peter von Zittau. Die Rezeption der stark verbreiteten Chronik P.s erfolgte prim¨ar in der tschechischen Geschichtsschreibung. Jan Długosz und Aeneas Silvius → Piccolomini griffen stark auf P. zur¨uck, und auch Hartmann → Schedel kannte sein Werk. Im 15. Jh. enstanden ¨ außerdem zwei dt. Ubersetzungen der Chronik, die anonym und unabh¨angig voneinander u¨ berlie¨ fert sind. Eine nordbay. Ubertragung reicht bis 1310 396

Johannes de Marignolis und liegt in Mu¨ nchner und Wolfenb¨utteler Hand¨ schriften vor (s. Uberlieferung). Eine aus Schlesien ¨ stammende Ubertragung verbrannte im Zweiten Weltkrieg. P.s Chronik gilt heute als glaubw¨urdig, aber stilistisch bieder und historisch ohne großen Neuigkeitswert. Von kulturhistorischem Interesse sind die darin wiedergegebenen b¨ohmischen Sagen und Legenden (M¨adchenkrieg u. a.). Von P.s Werk ausgehend, erlangten sie sp¨ater literarische Verbreitung und Wirkung. Auch die von Karl IV. verfasste Wenzelslegende wurde in die Chronik aufgenommen (Historia nova de sancto Weceslao martyre duce Bohemorum, um 1355/61). ¨ Uberlieferung (dt.): Breslau, StB, cod. R 304, 160r–306v (Perg./Pap., zweite H¨alfte 15. Jh., ostmitteldt., verbrannt). – Mu¨ nchen, BSB, Cgm 1112, 53r–169v (Pap., drittes Viertel 15. Jh., nordbair.). – Wolfenb¨uttel, HAB, cod. Guelf. 90 Aug. 2°, 25r–46v (um 1520, Chron. reicht hier bis 949). – ¨ Zur lat. und tschech. Uberl. vgl. Bl´ahov´a 1987 (s. Lit.) S. 577–579. Ausgaben: Alfred Riedel: Bruchst¨ucke einer Brandenburgischen Chronik in Pulcawa’s B¨ohmischer Chronik. In: Codex diplomaticus Brandenburgensis 4. Hg. v. A. Riedel. Berlin 1862, S. 1–22. – Prib´ıka z Raden´ına recen´eho Pulkavy kronika cesk´a. Przibiconis de Radenin dicti Pulkavae Chronicon Bohemiae. Hg. v. Josef Emler. Prag 1893 (maßgebliche Ausg.; enth¨alt lat. und tschechische Fassungen). – Anton Blaschka: Die St. Wenzelslegende Kaiser Karls IV. Einleitung, Texte, Kommentar. Prag 1934, S. 64–80 (Teildr. aus der ¨ dt. Fassung). – Altere Ausg. bei Bok 2004 (s. Lit.). Literatur: V´aclav Bok, VL2 11 (2004) Sp. 1282–1285. – Ivan Hlav´acek, LexMA 7 (1995) Sp. 324 f. – Marie Bl´ahov´a: Kroniky doby Karla IV. Prag 1987. – V. Bok: Wolfenb¨uttelsk´y fragment nemeck´eho prekladu Pulkavovy kroniky [Das ¨ Wolfenb¨utteler Fragm. der dt. Ubers. der P.Chron.]. In: Listy filologick´e 113 (1990) S. 24–31. – Norbert Kersken: Geschichtsschreibung im Europa der ‹nationes›. Nationalgeschichtliche Gesamtdarst. im MA. K¨oln u. a. 1995, S. 598–603. – Milada Svobodov´a: Nekolik pozn´amek k obsahu a osudum znovunalezen´eho Litomerick´eho rukopisu Pulka¨ vovy kroniky [Uber eine wiedergefundene Hs. der Chron.]. In: Miscellanea oddelen´ı rukopisu a star´ych tisku 16 (1999/2000) S. 93–117. – M. Bl´ahov´a: Die Anf¨ange des b¨ohmischen Staates in 397

Mitte 14. Jh. der ma. Geschichtsschreibung. In: Von sacerdotium und regnum. Geistliche und weltliche Gewalt im fr¨uhen und hohen MA. FS Egon Boshof. Hg. v. Franz-Reiner Erkens und Hartmut Wolff. K¨oln u. a. 2002, S. 67–76. – Jana Nechutov´a: Die lat. Lit. des MA in B¨ohmen. K¨oln u. a. 2007, S. 166 f. (urspr¨unglich tschech., Prag 2000). MM Johannes de Marignolis (Giovanni de’ Marignolli) OFM, Florenz, † 1358/59 Breslau (?). – Chronist. J. war zun¨achst Lektor in Bologna. 1338–53 reiste er im Auftrag von Papst Benedikt XII. als Gesandter durch China und Indien. Dort weilte er u. a. am Pekinger Hof des Großen Khans. 1354 wurde J. Bischof von Bisignano und sp¨ater Hofkaplan von Kaiser Karl IV. in Prag. Es war Karl, der J. mit der Abfassung der Cronica Boemorum beauftragte. J. schrieb das Werk in seinen letzten Lebensjahren als lat. Chronik in drei B¨uchern. Der Text reicht vom biblischen Adam bis zur Zeit J.s und enth¨alt neben universalhistorischen Daten auch solche zur b¨ohmischen Geschichte mit ihren Herrschern und Bisch¨ofen. Daf¨ur verzichtet J. weitgehend auf die Kaiser- und Papstgeschichte, f¨ur die er auf entsprechende Standardwerke verweist. Erw¨ahnenswert sind auch J.s Beschreibungen der von ihm bereisten Gebiete Asiens. Die Chronik umfasst neben genealogischen Abschnitten und Namenslisten auch panegyrische Verse. Jedoch ist die Form des Werks insgesamt nicht abgerundet, sondern wirkt oft sprunghaft und unfertig. W¨ahrend insbesondere die Schilderungen Asiens auf J.s direkter Anschauung beruhen, sind auch schriftliche Vorlagen in das Werk eingeflossen, so die Bibel und die Chroniken von → Johannes de Utino und → Cosmas von Prag. In B¨ohmen selbst wenig rezipiert, ging J.s Text sp¨ater in die Chronik von den 95 Herrschaften ein. So entstanden auch Bez¨uge zur Chronik Von den f¨unf Zeiten vor Christi Geburt, die teilweise auf dem Text der Chronik von den 95 Herrschaften beruht. Heute ist die Cronica wegen ihrer Beschreibungen Chinas und Indiens von kulturhistorischem Interesse. ¨ ¨ Uberlieferung: Lat. Uberl. bei Kornrumpf 2004 (s. Lit.). Ausgabe: Kronika Marignolova. Hg. v. Josef Emler. In: Fontes Rerum Bohemicarum 3. Prag 1882 (Nachdr. Hildesheim 2004) S. 492–604. – Teildr. u. a. in: Dal ‹Chronicon Boemorum› di Giovanni de Marignolli florentino. In: Storia dei 398

Mitte 14. Jh. viaggiatori italiani nelle Indie Orientali con estrati d’alcune relationi di eloggio e stampa ed alcuni documenti inediti Publicata in sessione del congreso geografico di Parigi. Hg. v. Angelo de Gubernatis. Livorno 1875, S. 142–160. – Relatio Fr. Iohannis. In: Sinica Franciscana 1. Hg. v. Anastasius van den Wyngaert. Quaracchi 1929, S. 524–560. – Krit. Ausg. in Vorbereitung. ¨ Ubersetzungen: Johannes von Marignola minderen Bruders und p¨apstlichen Legaten Reise in das Morgenland. Hg. v. Joseph Meinert. Prag 1820 (Teil¨ubers.). – Cronica Boemorum (um 1345/47, 1355–58) – Indien, Ceylon und das irdische Paradies. In: Quellen zur Gesch. des Reisens im Sp¨atMA. Hg. v. Folker Reichert. Darmstadt 2009, S. 178–190 (Teil¨ubers. nach Wyngaert). – Au jardin d’Eden. Hg. v. Christine Gadrat. Toulouse 2009 (Teil¨ubers.). Literatur: Claudia v. Collani, BBKL 3 (1992) Sp. 479 f. – Anna-Dorothee von den Brincken, LThK3 5 (1996) Sp. 934. – Claude Schmitt: Jean de Florence. In: DHGE 27 (2000) Sp. 35 f. – Gisela Kornrumpf, VL2 11 (2004) Sp. 791–794. – Giovanni Soranzo: Il papato, l’Europa cristiana e i Tartari. Mailand 1930, S. 533–553 u. o¨ . – Livarius Oliger: De anno ultimo vitae Fr. Iohannis de Marignollis Missionarii inter Tataros atque episcopi Bisinianensis. In: Antonianum 18 (1943) S. 29–35. – Marion Habig: Marignolli and the Decline of Medieval Missions in China. In: Franciscan Studies NS 5 (1945) S. 21–36. – A.-D. von den Brincken: Die universalhist. Vorstellungen des Johann v. M. OFM. Der einzige ma. Weltchronist mit Fernostkenntnis. In: AfK 49 (1967) S. 297–339. – Herbert Franke: Das ‹himmlische Pferd› des Johann v. M. In: ebd. 50 (1968) S. 33–40. – Ders.: Die Gesandtschaft des J. v. M. im Spiegel der chinesischen Lit. In: Asien. Tradition und Fortschritt. FS Horst Hammitzsch. Hg. v. Lydia Br¨ull/Ulrich Kemper. Wiesbaden 1971, S. 117–134. – Wolfgang Giese: Tradition und Empirie in den Reiseber. der ‹Kronika Marignolova›. In: AfK 56 (1974) S. 447–456. – Von den f¨unf Zeiten vor Christi Geburt. Ein sp¨atma. Grundriß der alten Gesch. nach J. de M. und Otto v. Freising. Hg. v. Heribert A. Hilgers. Mu¨ nchen 1980. – Ders.: Zum Text der ‹Cronica Boemorum› des J. de M. In: Mlat. Jb. 15 (1980) S. 143–154. – Cl´ement Schmitt: L’epopea francescana nell’Impero Mongolo nei secoli XIII–XIV. In: Venezia e l’Oriente. Atti del XXV corso internazionale di Alta Cultura [...]. Hg. v. Lio399

Niccolo` da Poggibonsi nello Lanciotti. Florenz 1987, S. 379–408. – Ananda Abeydeera: Jean de Marignolli. L’envoy´e du pape au jardin d’Adam. In: L’Inde et l’imaginaire. Hg. v. Catherine Weinberger-Thomas. Paris 1988, S. 57–67. – Reinhold Jandesek: Das fremde China. Ber. europ¨aischer Reisender des sp¨aten MA und der fr¨uhen Neuzeit. Pfaffenweiler 1992, S. 59–79. – A. Abeydeera: Die Reise des J. v. M. nach Ceylon. Ein Beitr. zum UNESCO-Projekt ‹Seidenstraßen: Straßen des Dialogs›. In: Dt. Schiffahrtsarch. 15 (1992) S. 55–68. – Ders.: In Search of the Garden of Eden. Florentine Friar Giovanni dei Marignolli’s Travels in Ceylon. In: Terrae Incognitae 25 (1993) S. 1–23. – Xenja v. Ertzdorff: ‹Et transivi per principaliores mundi provincias›. J. M. als weitgereister Erz¨ahler der B¨ohmenchron. In: Lit. im Umkreis des Prager Hofs der Luxemburger. Schweinfurter Kolloquium 1992. Hg. v. Joachim Heinzle u. a. Berlin 1994, S. 142–173. – Ilse Haari-Oberg: Die Wirkungsgesch. der Trierer Gr¨undungssage vom 10. bis 15. Jh. (Europ¨aische Hochschulschr. 3,607). Bern u. a. 1994, S. 77–79. – Marie Bl´ahov´a: Geographische Vorstellungen und Kenntnisse der b¨ohmischen ma. Chronisten. In: Raum und Raumvorstellungen im MA. Hg. v. Jan A. Aertsen und Andreas Speer. Berlin u. a. 1997, S. 540–556. – Dies.: Offizielle Geschichtsschreibung in den ma. b¨ohmischen L¨andern. In: Die Geschichtsschreibung in Mitteleuropa. Projekte und Forschungsprobleme. Hg. v. Jaroslaw Wenta. Torun 1999, S. 21–40. – Katerina Engstov´a: Marignolova kronika jako obraz predstav o moci a postaven´ı cesk´eho kr´ale. In: Mediaevalia Historica Bohemica 6 (1999) S. 77–94. – Katerina Kubinov´a: Jan M. a jeho ‹cestopis›. In: Odorik z Pordenone: Z Bena’tek do Pekingu a zpi‘t [...]. Hg. v. Petr Sommer und Vladimir Liscak. Prag 2008, S. 95–106. MM Niccolo` da Poggibonsi. Nach Cossar ist eine fr¨uher dem N¨urnberger Patrizier Gabriel Muffel zugeschriebene Beschreibung einer Pilgerreise ins Hl. Land und zum Sinai ¨ die ein unbekannter die Kopie einer Ubersetzung, Passauer vom fru¨ hesten italienischen Pilgerbericht anfertigte. Dieser stammt von dem Fransziskaner N. aus Poggibonsi, der 1346–50 eine Pilgerfahrt unternommen hatte. Im Unterschied zur unbebilderten italienischen Vorlage enth¨alt der dt. Text 140 «angetuschte» Federzeichnungen. Gabriel Muffel scheint 400

Matthias von Neuenburg zumindest der Besitzer der Handschrift gewesen zu sein. ¨ Uberlieferung: London, British Library, MS. Egerton 1900, 2r–151r (15. Jh.). Ausgabe: C. D. M. Cossar: The German Translation of N. da P.’s Libro d’oltramare (GAG 452). G¨oppingen 1985, S. 37–171. Literatur: Dietrich Huschenbett, VL2 6 (1987) Sp. 969 f. – Reinhold R¨ohricht: Dt. Pilgerreisen nach dem Heiligen Lande. Innsbruck 1900 (Nachdr. Aalen 1967) S. 133–136. – G. Hirschmann: Die Familie Muffel im MA. Ein Beitr. zur Gesch. des N¨urnberger Patriziats, seiner Entstehung und seines Besitzes. In: Mitt. des Vereins f¨ur Gesch. der Stadt N¨urnberg 41 (1950) S. 257–344. – Cossar (s. Ausg.) Einleitung. – Anne Wolff: Two Pilgrims at Saint Catherine’s Monastery, N. di P. and Christopher Harant. In: Desert travellers from Herodotus to T. E. Lawrence. Hg. v. Janet Starkey/ Okasha El Daly (Astene publications 1). Durham 2000, S. 33–58. – Pier Giorgio Sclippa: Come il diario di viaggio in Terra Santa di N. da P. si e` trasformato nella guida per i pellegrini di No`e Bianco In: Atti dell’Accademia ‹San Marco› di Pordenone 9 (2007) S. 79–98. BJ Stadtregimentslehren → Band 6. Matthias von Neuenburg (Nuwenburg, d. i. Neuenburg i. Br.), * vor 1300 (1295?), † um 1364/70 Straßburg (?). – Jurist, Chronist. Der wohl aus dem Neuenburger Patriziat stammende M. studierte 1315/16 Kirchenrecht in Bologna. Nach seinem Magisterabschluss war er seit sp¨atestens 1327 Prokurator am geistlichen Gericht in Basel. Dort z¨ahlte er zum Kreis um Berthold von Buchegg, der zun¨achst noch Komtur des Dt. Ordens und seit 1328 Bischof von Straßburg war. Dorthin folgte M. Berthold als juristischer Berater. Der Bischof betraute ihn 1335 und 1338 auch mit diplomatischen Missionen an den p¨apstlichen Hof in Avignon. Seit vor 1345 B¨urger von Straßburg, war M. seit sp¨atestens 1350 wieder Prokurator am geistlichen Gericht. Nach Bertholds Tod 1353 war M. f¨ur dessen Nachfolger Johann von Lichtenberg t¨atig, u. a. als Vermittler im Mainzer Bistumsstreit. M. verfasste seit etwa 1352 eine lat. Chronica in 133 Kapiteln. Das Werk behandelt in seiner Grundfassung die Reichsgeschichte der Jahre von 1245 bis 1350, beginnt also mit K¨onig Rudolf I. und endet mit der fr¨uhen Regierungszeit K¨onig → Karls IV. 401

2. H¨alfte 14. Jh. M. erg¨anzte die Chronik in einer zweiten Redaktion bis 1356; anonyme Autoren setzten den Text dann bis 1378 fort. Inhaltlich besitzt die prohabsburgische Chronik einen oberrheinischen Schwerpunkt. Parallel zu M.s Biographie liegt dieser bis 1328 auf Basel, danach auf Strassburg. Neben politischen Ereignissen beschreibt die Chronik auch kulturhistorische Details sowie m¨undlich tradierte Anekdoten, vor allem u¨ ber Rudolf I. Aus Teilen des Werks stellte M. auch eine kurze Vita seines fr¨uheren Herren Berthold zusammen, die die Chronik erg¨anzt. M.s Text schließt an die Chronik des → Martin von Troppau an und beruht prim¨ar auf einer Redaktion der Colmarer Dominikanerchronik von etwa 1308–14. Gleichzeitig flossen M.s unmittelbare Kenntnisse in sein Werk ein, was besonders f¨ur die Zeit Ludwigs des Bayern von Bedeutung ist. Wegen des umfangreichen Detailwissens des Verfassers wurde die Chronik fr¨uher auch Ludwigs Kanzler Albert II. von Hohenberg zugeschrieben, der aber h¨ochstens eine heute verlorene Vorlage M.s verfasst haben k¨onnte. Trotz seiner schlichten chronologischen Anordnung gilt M.s Chronik mittlerweile als wichtige Quelle zur Reichs- und Landesgeschichte des 14. Jh. ¨ Uberlieferung: Bern, Burgerbibl., Cod. 260, 233–268 (Perg., Straßburg [?], Mitte 14. Jh.). – Rom, Bibliotheca Vaticana, cod. Vat. 2973 (Ende ¨ 14. Jh.). – Wien, ONB, cod. 578 (Perg. und Pap., um 1380–90). – Eine Straßburger Hs. des 14. Jh. ist ¨ verbrannt. Zur Uberl. vgl. auch Hofmeister 1924 (s. Ausg.). Ausgaben: Matthiae Neoburgensis Chronica cum continuatione et Vita Berchtholdi de Buchegg Ep. Arg. Die Chronik des Matthias von Neuenburg; nach der Berner- und Strassburgerhandschrift mit den Lesarten der Ausgaben von Cuspinian und Urstisius. Hg. v. Gottlieb Studer. Bern 1866. – Fontes rerum Germanicarum 4. Hg. v. Johann Friedrich B¨ohmer. Stuttgart 1868, S. 149–297. – Die Wiener Handschrift der Chronik des Mathias von Neuenburg. Hg. v. Ludwig Weiland. G¨ottingen 1891. – Die vaticanische Handschrift der Chronik des Matthias von Neuenburg. Hg. v. Ludwig Weiland. G¨ottingen 1892. – Die Chronik des Mathias von Neuenburg (MGH SS rer. Germ. NS 4). Hg. ¨ v. Adolf Hofmeister. Berlin 1924. 21955. – Altere Ausg. bei Arnold 1987 (s. Lit.). ¨ Ubersetzungen: Die Chronik des Mathias von Neuenburg. Hg. v. Georg Grandauer/Ludwig 402

2. H¨alfte 14. Jh. Weiland. Leipzig 1892. Nachdr. New York u. a. 1970. Literatur: ADB 20 (1884) S. 666–668. – Klaus Arnold, VL2 6 (1987) Sp. 194–197; 11 (2004) Sp. 981. – Paul-Joachim Heinig, NDB 16 (1990) S. 411. – Karl Schnith, LexMA 6 (1993) Sp. 404. – De Boor/Newald 4/1 (21994) S. 144. – Edward Schr¨oder: Die Berner Hs. des M. v. N. In: Nachr. v. der K¨oniglichen Gesellsch. der Wiss. zu G¨ottingen 50 (1899) S. 49–71. – Peter Paul Albert: Zur Lebensgesch. des M. v. N. In: Zs. f¨ur die Gesch. des Oberrheins 58, NF 19 (1904) S. 752–754. – Hans Ankwicz-Kleehoven: Johann ¨ Cuspinian und die Chron. des M. v. N. In: MIOG 32 (1911) S. 275–293. – Konstantin Sch¨afer: M. v. N. In: Das Markgr¨aflerland 18 (1956) S. 11–19. – Erich Kleinschmidt: Die Colmarer DominikanerGeschichtsschreibung im 13. und 14. Jh. Neue ¨ Handschriftenfunde und Forschungen zur Uberlieferungsgesch. In: DA 28 (1972) S. 371–496. – Ders.: Herrscherdarst. Zur Disposition ma. Aussageverhaltens, untersucht an Texten u¨ ber Rudolf I. v. Habsburg. Bern u. a. 1974, S. 179–183. – Rolf Sprandel: Stud. zu M. v. N. In: Historiographia mediaevalis. Stud. zur Geschichtsschreibung und Quellenkunde des MA. FS Franz-Josef Schmale. Hg. v. Dieter Berg/Hans-Werner Goetz. Darmstadt 1988, S. 270–282. – Alfred Ritscher: Lit. und Politik im Umkreis der ersten Habsburger. Dichtung, Historiographie und Briefe am Oberrhein. Frankurt/M. u. a. 1992, S. 184–219. – Maria E. Franke: Kaiser Heinrich VII. im Spiegel der Historiographie. Eine faktenkritische und quellenkundliche Unters. ausgew¨ahlter Geschichtsschreiber der ersten H¨alfte des 14. Jh. K¨oln u. a. 1992, S. 275–290. – Ulrich Parlow: M. v. N. Jurist und Historiograph. o. O. 1994. – Jo¨ rg Busch: M. v. N., Italien und die Herkunftssage der Habsburger. In: Zs. f¨ur die Gesch. des Oberrheins 142, NF 103 (1994) S. 103–116. – Hans-Dieter M¨uck: M. v. N. Ein Chronist des Sp¨atMA am Oberrhein. Seine Zeit, sein Leben, sein Werk. Begleitpublikation der Ausstellung zum 700. Jahr der Geburt von M. v. N., Neuenburg am Rhein 1995. Ludwigsburg 1995. – Norbert Warken: Ma. Geschichtsschreibung in Straßburg. Stud. zu ihrer Funktion und Rezeption bis zur fr¨uhen Neuzeit. Diss. Saarbr¨ucken 1995, S. 81–88. – Uli Mu¨ nzel: Baden im Spiegel seiner G¨aste. In: Badener Neujahrbll. 73 (1998) S. 126–131. – Johannes Grabmayer: Zwischen Diesseits und Jenseits. Oberrheinische 403

Mittelniederdeutsche Weltchronik Chron. als Quelle zur Kulturgesch. des sp¨aten MA. K¨oln u. a. 1999, S. 23–26. – Philippe Nuss: Les Habsbourg en Alsace des origines a` 1273. Recherches pour une histoire de l’Alsatia Habsburgica. Altkirch 2002, S. 53–57, 316–318 u. o¨ . MM Mittelniederdeutsche Weltchronik. – Prosachronik, Mitte 14. Jh. Die Mnd. W. bietet die Geschichte des vierten Reiches nach der Vier-Reiche-Lehre von der Gr¨undung der Stadt Rom bis zu Kaiser Friedrich II. Der Text basiert vor allem auf der → S¨achsischen Weltchronik und dem Chronicon pontificum et imperatorum → Martins von Troppau, wobei letzterer vor allem pr¨agend f¨ur die r¨omische Fr¨uhgeschichte und den Schluss des Werkes ist. Aufgrund von Einsch¨uben aus dem Bereich der Legende (u. a. → Pilatus, → Hieronymus, → Siebenschl¨aferlegende), die sich teilweise mit dem Material aus der Legenda aurea des → Jacobus a Voragine decken, enstpricht die Mnd. W. dem Typus des historio¨ graphischen Legendars, der aus der Uberlieferung der S¨achsischen Weltchronik bekannt ist. Bei diesem Typus wird die S¨achsische Weltchronik auf sehr a¨hnliche Weise mit Legendeneinsch¨uben und Ausz¨ugen aus Martins Chronicon erg¨anzt. Insbesondere zur S¨achsischen Weltchronik-Handschrift 14 (Kopenhagen, Kgl. Bibl., GKS Cod. 1978,4°) sind die Gren¨ zen fließend. Zahlreiche inhaltliche Uberschneidungen und Parallelen im Aufbau der Mnd. W. und der Handschrift 14 sind konstatierbar. Ob der Urheber der Mnd. W. unabh¨angiges Material beisteuerte, l¨asst sich schwer feststellen: Die a¨ußerst kom¨ plexen Uberlieferungslagen der S¨achsischen Weltchronik und der Martins-Chronik erschweren die Bewertung derjenigen Abschnitte der Mnd. W., deren Vorlagen nicht identifiziert sind. Eigenst¨andige Beitr¨age des Kompilators wird man daher nur mit a¨ ußerster Vorsicht annehmen d¨urfen. In der Stockholmer Handschrift folgen auf die Geschichte des ¨ r¨omisch-dt. Reiches ein Uberblick u¨ ber die kirchliche Hierarchie und eine Papstgeschichte bis zu Clemens VI. nach Martin von Troppau. In den beiden Kopenhagener Textzeugen fehlen diese Abschnitte. Es scheint sich dennoch um die urspr¨ungliche Form der Chronik zu handeln, die Kaiserund Papstgeschichte in bewusster Abweichung von Martins Parallelschema. Hier wird zuerst von den Kaisern berichtet, «wente er regiment ersten vor 404

Chronikalien der Ratsbucher ¨ von Basel ghan is. Dar na van den pawesen. wente er regiment schal [...] waren [...] an dat ende der werlt». ¨ Uberlieferung: Stockholm, Kgl. Bibl., Cod. D 1340, 186 Bll. (Pap., um 1440, nordnd. mit ostf¨alischem Einschlag). – Kopenhagen, Arnamagnæanske Inst., Cod. AM 29.2°, 158 Bll. (Perg., 1452). – Kopenhagen, Kgl. Bibl., NKS Cod. 272,2°, 615 Seiten (Pap., 17. Jh.). Literatur: Hubert Herkommer, VL2 6 (1987) Sp. 623–625. – Stephen Mark Carey, Encyclopedia of the Medieval Chronicle 2 (2010) S. 1115. – Ludwig Weiland: Nd. Pilatuslegende. In: ZfdA 17 (1874) S. 147–160. – Wilhelm Wattenbach: Hss. der Stockholmer Bibl. In: Anz. f¨ur Kunde der dt. Vorzeit NF 22 (1875) S. 6–8, hier S. 6 f. – Conrad Borchling: Mnd. Hss. in Skandinavien, Schleswig-Holstein, Mecklenburg und Vorpommern. Zweiter Reiseber. (Nachr. v. der Kgl. Gesellsch. der Wiss. zu G¨ottingen, Philol.-hist. Kl. 1900, Beiheft). G¨ottingen 1900, S. 64, 100. – Otto Walde: Storhetstidens litter¨ara krigsbyten. En kulturhistorisk-bibliografisk stud. Bd. 2. Uppsala 1920, S. 430 f. – Els Oksaar: Eine neuentdeckte mnd. Weltchron. des 15. Jh. In: NdJb 85 (1962) ¨ S. 33–46. – H. Herkommer: Uberlieferungsgesch. der ‹S¨achsischen Weltchron.›. Ein Beitr. zur dt. Geschichtsschreibung des MA (MTU 38). Mu¨ nchen 1972, S. 124 Anm. 87, S. 89–91, 269. – Gerhard Cordes: Mnd. Dichtung und Gebrauchslit. In: Hb. zur nd. Sprach- u. Lit.wiss. Hg. v. dems./ Dieter M¨ohn. Berlin 1983, S. 351–390, hier S. 363. – Lotte Kurras: Dt. und ndl. Hss. der Kgl. Bibl. Stockholm. Handschriftenkat. (Acta Bibliothecae Regiae Stockholmiensis 67). Stockholm 2001, S. 79 und Abb. 38. – Repertorium fontium historiae medii aevi 11,4 (2007) S. 442. VZ Braunschweiger Fehdebuch (Braunschweiger Gedenkb¨ucher). – Stadtchronikalische Nachrichten, zweite H¨alfte 14. Jh. Der Braunschweiger Stadtrat ließ «Gedenkb¨ucher» anlegen, die von verschiedenen Stadtschreibern unregelm¨aßig gef¨uhrt wurden und ab der Mitte des 14. Jh. erhalten sind. Enthalten sind – nicht immer systematisch geordnet – Angaben zu Beschl¨ussen und Verordnungen des Rats und vor allem u¨ ber Sch¨adigungen Braunschweiger B¨urger ¨ duch Fehde oder Uberfall. Hierbei werden Datum, Personenangaben, der genaue Tatbestand und eine etwaige S¨uhne meist lakonisch aufgelistet, mitunter aber auch mit grausigen Einzelheiten versehen. Es 405

2. H¨alfte 14. Jh. d¨urfte sich um den umfangreichsten Katalog von Raub¨uberf¨allen aus dem 14. Jh. handeln. ¨ Uberlieferung: Braunschweig, Stadtarch., B I 2, Bd. 1–2 (1. und 2. Gedenkbuch des gemeinen Rats der Stadt Braunschweig). Ausgabe: Fehdebuch 1377–1388. Hg. v. Ludwig H¨anselmann. In: Die Chron. der nieders¨achsischen St¨adte. Braunschweig 1 (Chron.dt.St. 6). Leipzig 1868, S. 25–120. Die Ausgabe H¨anselmanns ist eine chronologisch geordnete Auswahl aus dem ersten und zweiten Gedenkbuch, stellt also eine Exzerptensammlung des 19. Jh. dar. – 1. Gedenk¨ buch im Uberlieferungkontext: Detlev Hellfaier: Das 1. Gedenkbuch des Gemeinen Rates der Stadt Braunschweig. 1342–1415 (1422) (Braunschweiger Werkst¨ucke A,26 [73]). Braunschweig 1989. Literatur: De Boor/Newald 3,2 (1987) S. 446. – Klaus Nass, VL2 11 (2004) Sp. 281. – H¨anselmann (s. Ausg.) S. 9–25. – Heinrich Schmidt: Die dt. St¨adtechron. als Spiegel des b¨urgerlichen Selbstverst¨andnisses im Sp¨atMA (Schriftenreihe der Hist. Kommission bei der Bayer. Akad. der Wiss. 3). G¨ottingen 1958, S. 16 f. – Johannes Bernhard Menke: Geschichtsschreibung und Politik in dt. St¨adten des Sp¨atMA. In: Jb. des K¨olnischen Geschichtsver. 33 (1958) S. 1–84, hier S. 67–70. – Joachim Ehlers: Historiographie, Geschichtsbild und Stadtverfassung im sp¨atma. Braunschweig. In: Rat und Verfassung im ma. Braunschweig. FS zum 600j¨ahrigen Bestehen der Ratsverfassung 1386–1986 (Braunschweiger Werkst¨ucke A,21 [64]). Braunschweig 1986, S. 99–134, hier S. 106. VZ Chronikalien der Ratsbucher ¨ von Basel. – Chronikalische Eintr¨age in Basler Amtsb¨uchern. In den Basler Amtsb¨uchern des Mittelalters finden sich neben Verwaltungsvermerken auch chronikalische Notizen der Stadtschreiber. Erhalten sind diese Chronikalien f¨ur die Zeit nach dem Basler Stadtbrand 1356 bis 1548. Die a¨ lteren Amtsb¨ucher enthielten m¨oglicherweise ebenfalls Chronikalien, fielen aber dem Feuer zum Opfer. Die in den Chronikalien aufgezeichneten Ereignisse erfassen zahlreiche Facetten der Stadtgeschichte. Breiten Raum nehmen die unter Basler Beteiligung gef¨uhrten Kriege ein, deren historische Umst¨ande ebenso vermerkt werden wie die Namen daran teilnehmender B¨urger. Neben st¨adtischen Großereignissen (Besuche von Monarchen, Beerdigungen von Bisch¨ofen) sind in 406

2. H¨alfte 14. Jh. den Chronikalien auch wirtschaftshistorisch interessante Details wie Lebensmittelpreise notiert. Die nachweisliche Unterst¨utzung der Chronikalien durch den Rat der Stadt erlaubt die Einordnung der Chronikalien als politisch gewollte PatrizierHistoriographie. ¨ Uberlieferung: Verz. der Archivalien bei Bernoulli 1890 (s. Ausg.) S. 1–9. Ausgabe: Chronikalien der Rathsb¨ucher 1356–1548. Bearb. v. August Bernoulli. In: Basler Chronik. 4. Hg. v. der Hist. Ges. Basel. Leipzig 1890, S. 1–162. Literatur: Peter Johanek, VL2 1 (1978) Sp. 1268 f. – Heinrich Schmidt: Die dt. St¨adtechron. als Spiegel des b¨urgerlichen Selbstverst¨andnisses im Sp¨atMA. G¨ottingen 1958, S. 16–18. – Gerhart Burger: Die s¨udwestdt. Stadtschreiber im MA. B¨oblingen 1960, S. 227 f. – Gert Melville: System und Diachronie. Unters. zur theoretischen Grundlegung geschichtsschreiberischer Praxis im MA. In: Hist. Jb. 95 (1975) S. 33–67, 308–341, hier S. 57 f. – Richard Feller/Edgar Bonjour: Geschichtsschreibung der Schweiz vom Sp¨atMA zur Neuzeit 1. Basel 21979, S. 33 f. MM Johann von Habsburg (Hans II. Graf von Habsburg-Laufenburg-Rapperswil), † 1380. – Verfasser eines Liedes, 14. Jh. Hauptmann Johann II. Graf von HabsburgLaufenburg-Rapperswil stand in der sog. «Z¨urcher Mordnacht» des Jahres 1350 auf der Seite jener aus Z¨urich verbannten Ratsmitglieder, die durch einen ¨ Uberfall auf den gegnerischen B¨urgermeister Rudolf Brun und dessen Anh¨anger versuchten, die Macht u¨ ber die Stadt zur¨uckzugewinnen. Er wurde gefangen genommen und mehr als drei Jahre in Kerkerhaft gesetzt. Der Chronist Petermann → Etterlin weist ihn als Verfasser eines Lieds mit dem Titel Ich weiß ein e blouwes blumelin aus. Ob das (Liebes-?)Lied mit jenem in der Heidelberger Handschrift 343 aus der Mitte des 16. Jh. enthaltenen, neunstrophigen Lied mit dem Incipit «Ich weis mir ein bluemlein bloe» zu identifizieren ist, konnte bislang nicht endg¨ultig gekl¨art werden. ¨ Uberlieferung: Heidelberg, UB, Cpg 343, 70v–72r (Pap., Mitte 16. Jh.). Ausgabe: Thomas Cramer: Die kleineren Liederdichter des 14. und 15. Jh. Bd. 2. Mu¨ nchen 1979, S. 88–93. Literatur: Carl Brun: Habsburg-Laufenburg, in: HBLS 4 (1927) S. 39. – Burghart Wachinger VL2 407

Johann von Habsburg 4 (1983) Sp. 636 f. – Petermann Etterlin, Kronica v. der loblichen Eydtgnoschaft, jr harkommen und sust seltzam strittenn und geschichten. Bearb. v. Eugen Gruber (Quellenwerk zur Entstehung der Schweizerischen Eidgenossenschaft 3/3). Aarau 1965, S. 127. – Cramer (s. Ausg.) S. 499. – Matthias Miller/Karin Zimmermann: Die Codd. Palatini germanici in der UB Heidelberg (Cod. Pal. germ. 304–495) (Kat. der UB Heidelberg 8). Wiesbaden 2007, S. 172. SF Wernher von Birkendorf (Birchidorf [?]), * um 1300 (?) Baden/Aargau (?), † nach 1361 Basel (?). W. ist 1335–61 in Basel als Stadtschreiber urkundlich bezeugt. Ob er der Badener Familie Birchidorf enstammte, ist unsicher. Nach der Zerst¨orung des Basler Stadtarchivs 1356 durch ein Erdbeben legte W. zun¨achst als Ersatz f¨ur das zerst¨orte Stadtbuch das sog. Leistungsbuch I an, das er bereits 1357 durch das Rote Buch ersetzte, eine f¨ur die Geschichte Basels bedeutende Rechtsschrift, die auch einen Bericht u¨ ber das Edbeben enth¨alt. ¨ Uberlieferung: Basel, Staatsarch., Ratsb¨ucher A1 («Rotes Buch»). Literatur: Volker Honemann, VL2 10 (1999) Sp. 920 f. – Wilhelm Wackernagel: Das Erdbeben v. 1356 in den Nachrichten der Zeit und der Folgezeit bis auf Christian Wurstien. In: Basel im vierzehnten Jh. Geschichtliche Darstellungen zur f¨unften S¨acularfeier des Erdbebens am S. Lucastage 1356. Hg. v. der Basler Hist. Ges. Basel 1856, S. 211–250, hier S. 225–227. – Basler Chron. Bd. 4. Bearb. v. August Bernoulli. Leipzig 1890, S. 3 f., 17, 109–121, 131–133. – Wappenbuch der Stadt Baden und B¨urgerbuch. Aarau 1920, S. 29 f. – Gerhart Burger: Die s¨udwestdt. Stadtschreiber im MA. B¨oblingen 1960, S. 49, 227, 233. – Karl Mommsen: Die a¨ ltesten Ratsb¨ucher. In: Jahresber. des Staatsarch. Basel-Stadt 1963. o. J., S. 31–41. VZ Mandeville, Jean de John, Johannes de Montevilla, † 1372 (?) L¨uttich (?). – Verfasser eines weit ¨ verbreiteten franz¨osischen Reisebuches, dt. Ubersetzungen sp¨ates 14. Jh. Als Ritter J. d. M. identifiziert sich der Verfasser eines (titellosen) Reisebuches in dessen Pround Epilog. Sein Werk, das europaweit in zahlreichen Sprachen Verbreitung fand, z¨ahlt zu den beliebtesten Vetretern der ma. Reiseliteratur und zu den meistgelesenen B¨uchern des Sp¨atMA und der fr¨uhen Neuzeit u¨ berhaupt. Weiteren Angaben 408

Mandeville aus dem Text zufolge sei M. im englischen St. Albans geboren, wo er bis zu seinem Reiseantritt 1322 gelebt habe und 1356 nach seiner R¨uckkehr von seiner Reise bis in ferne L¨ander den Bericht verfasst habe. Sp¨atere Textfassungen geben als Abfassungsort L¨uttich an und nennen als Initiator der Schrift den Arzt Jean de Bourgogne (seltener: de Bordeaux) dit a` la Barbe, den J. bereits in Kairo getroffen habe. Die englische Abkunft M.s wird von historiographischen L¨utticher Quellen best¨atigt. Diese postulieren teilweise allerdings auch eine Identit¨at von J. d. M. und Jean de Bourgogne. Eine m¨ogliche Erkl¨arung f¨ur das Pseudonym «de Bourgogne» bietet der Chronist Jean d’Outremeuse, der angibt («Le Myreur des Histors»), M. habe England wegen eines Totschlags verlassen m¨ussen. Ferner habe sich M. in L¨uttich als Arzt, Naturforscher, Astrologe und Philosoph niedergelassen und sei am 12.11.1372 verstorben und in der Kirche des Wilhelmitenordens beigesetzt worden. Die dortige Grabinschrift best¨atigt diese Angaben, ist aber nur in (unsicherer) Abschrift erhalten (→ P¨uterich von Reichertshausen, 1462). Nicht auszuschließen ist, dass M. in der fr¨uhen Version des Reisebuches zun¨achst seinen Namen preisgab nicht aber seinen Aufenthaltsort und sp¨ater angesichts der raschen Verbreitung des Textes seine Anonymit¨at zu sichern suchte. Der Bericht d¨urfte (laut Mehrzahl der Textzeugen der autorn¨achsten kontinentalen Fassung) 1356 entstanden sein; im Text selbst enden die Reisen des M. 1357. Erst im 19. Jh. m¨undete die seit dem 17. Jh. gef¨uhrte Diskussion um den Wahrheitsgehalt des Reiseberichts in eine Quellenanalyse. Diese erwies M.s profunde literarische Kenntnise einschließlich der zeitgen¨ossischen Reiseliteratur, erbrachte aber auch, dass es sich bei dem Bericht um reine literarische Fiktion handelt. Die nun ge¨außerten Plagiatsvorw¨urfe sind allerdings ahistorisch und setzen einen modernen Authentizit¨atsbegriff voraus. Als J.s Quellen konnten identifiziert werden: in erster Linie die Itinerarien → Wilhelms von Boldensele (u¨ ber eine Pal¨astinafahrt) und des Odorico da Pordenone (u¨ ber eine ¨ Asienreise, vgl. auch dessen Ubersetzer Konrad → Steckel); ferner die Enzyklop¨adien Speculum historiale/naturale des → Vinzenz von Beauvais, Haitons Florilegium Flor des Estoirs d’Orient, der Liber de terra sancta des Ps.-Odoricus, die Historia Hierosolomitana des Jacques de Vitry, die Legenda aurea des 409

2. H¨alfte 14. Jh. → Jacobus a Voragine, der Brief des Priesters Johannes (→ Priesterk¨onig Johannes), die Historia Hierosolomitanae des → Albert von Aachen, Brunetto Latinis Tresor, die Historia scholastica des → Petrus Comestor, De statu Saracenorum Wilhelms von Tripoli und De sphaera mundi des Johannes de Sacrobosco. Ob M. seine Quellen zum Teil u¨ ber die 1351 entstandene Sammlung von Reiseliteratur des Jan de Langhe (Jean le Long) rezipierte und ob er auch Marco → Polos Bericht u¨ ber den fernen Orient sowie die Historia Mongolorum Wilhelms von Rubruk gekannt hat, ist umstritten. Die Quellenanalyse spricht gegen eine Entstehung des Werkes in England und f¨ur L¨uttich (oder zumindest den Kontinent), da viele herangezogenen Quellen zur Abfassungszeit in England nicht vorlagen, und andererseits in England kursierende und daher erwartbare Quellentexte in M.s Bericht nicht auftauchen. Die Reise M.s ist zweigeteilt: Der erste Teil ist ein Pilgerbericht mit Merkmalen eines Itinerars, der zweite Teil beschreibt entferntere Reiseziele. Nach dem Prolog beginnt der Text mit Beschreibungen der einzelnen Wege von Europa ans hl. Grab. Besonderes Gewicht legt M. dabei auf Passionsreliquien und hl. St¨atten. Der Weg u¨ ber Konstantinopel bietet einen Exkurs zur ostr¨omischen Kirche. Landeskundliche Ausf¨uhrungen zu den auf den unterschiedlichen Routen durchreisten L¨ander werden dabei erg¨anzt mit geographisch-historischen ¨ Einsch¨uben zu Arabien und Agypten (vor allem Kairo). Das hl. Land und die hl. Stadt werden ausf¨uhrlich beschrieben. M. empfiehlt dabei an die jeweiligen individuellen Bed¨urfnisse angepasste Reiserouten. Der erste Teil schließt mit einer Darstellung des Islams und des Lebens Mohammeds. Die Itinerarstruktur des Textes wird nicht konsequent aufrechterhalten (narrative Einsch¨ube, ein Dialog zwischen M. und dem Sultan von Kairo, Wunderberichte). Der umfangreichere zweite Teil verl¨asst als Fiktion einer Entdeckungsfahrt den Rahmen des Pilgerberichts g¨anzlich. Noch st¨arker als im ersten Teil werden dabei geographische, naturkundliche und historische Informationen verarbeitet, daneben finden teilweise fiktive Alphabete (griechisch, a¨ gyptisch, hebr¨aisch, sarazenisch, persisch, chald¨aisch) ausf¨uhrliche Erw¨ahnung. Auch das Phantastische, Wunderbare und Monstr¨ose wird im breiten Umfang dargeboten. Berichtet wird zun¨achst von Afrika, dem Mittleren Osten und Indien (dem o¨ stlichsten Punkt der damaligen Weltvorstellung). Enthalten ist auch ein Exkurs u¨ ber 410

2. H¨alfte 14. Jh. den s¨udlichen Sternenhimmel und die Kugelge¨ stalt der Erde. Uber su¨ dostasiatische wundersame Inseln gelangt der Erz¨ahler schließlich nach Kathai (China), dem Reich des großen Khans. Erw¨ahnt werden dabei auch nordwestliche gelegene L¨ander bis Russland und Preußen, das Teufelstal, das irdische Paradies oder das Reich des Priesters Johannes, dessen gel¨aufige Gleichsetzung mit dem Kaiser von Indien hier u¨ bernommen wird. M.s Reisebuch ist in seiner Zusammenstellung innovativ und entzieht sich der eindeutigen Kategorisierung. Man entspricht seinem Charakter am ehesten, wenn man es als «Summe» von Reiseliteratur bezeichnet, dessen Verfasser ein ausgepr¨agtes enzyklop¨adisches Interesse offenbart. Die Ich-Perspektive verleiht dem Text dabei fiktiven Augenzeugencharakter. Eine vorsichtige Bewertung des Werkes als erster Reiseroman ist m¨oglich, zumindest war M.s Reise stilistisches und inhaltliches Vorbild f¨ur die Entwicklung des fiktionalen Reiseromans. Reisebeschreibungen des Sp¨atMA fußen auf seinem Werk. Vornehmlich zu nennen ist Hans → Schiltperger, daneben auch Felix → Fabri. In einzelnen Hss. des Reiseberichts und bei Jean d’Outremeuse werden M. (als Jean a` la Barbe) weitere Schriften zugewiesen (Pestschrift, lat. und franz¨osisches Lapidarium, naturwissenschaftliche Abhandlungen und ein Herbarium). Diese Zuschreibungen sind nicht verifiziert und unsicher (vgl. VL2 5, 1985, 1212 f.). ¨ Ubersetzungen des Reisebuches in die meisten westeurop¨aischen Sprachen (englisch, irisch, d¨anisch, spanisch, italienisch) setzten im letzten ¨ Viertel des 14. Jh. ein. Eine dt. Ubertragung (der L¨utticher und Vulgata-Version) erstellte der Metzer Kanoniker → Otto von Diemeringen, eine weitere von Michel → Velser(1393/98). Ferner sind eine unikal u¨ berlieferte, nicht erhaltene (und da¨ her nicht zuordenbare) dt. Ubersetzung bekannt (Straßburg, Stadtbibl., Cod. A 86 [15. Jh., ver¨ brannt]), eine ndl. Ubersetzung (der Kontinental¨ Version), von der wiederum nd./mitteldt. Uber¨ setzungen abh¨angen (gemeinsamer Ubersetzungs¨ archetyp) sowie zwei evtl. unabh¨angige nd. Ubersetzungen. ¨ Uberlieferung: Ingesamt sind derzeit fast 300 Hss. und zahlreiche (Fr¨uh-)Drucke bekannt. Die Tradition einzelner Drucke reicht bis ins 20. Jh. ¨ Im letzten Drittel des 14. Jh. setzt die Uberliefe¨ rung ein, gegen Ende des Jh. nimmt die Uberlieferungsdichte zu und bleibt das ganze 15. Jh. 411

Mandeville konstant hoch. Im Folgenden finden national¨ sprachliche Ubesetzungen außer dt./ndl. keine Ber¨ucksichtigung. – Franz¨osisch: Kontinentale (Pariser) Version: mindestens 33 Hss., a¨ lteste von 1371. Vgl. R¨ohl 2004 (s. Lit.) S. 23–142. – L¨utticher (Ogier-)Version: Beruht auf einer Umarbeitung der Kontinental-Version, Abweichungen sind die Ogier-Interpolationen (→ Ogier von D¨anemark), die vermutlich durch Jean d’Outremeuse vermittelt wurden. Die Alphabete sind hier um zwei vermehrt und zus¨atzliche Angaben zur Niederschrift des Werkes sind beigegeben. – Sieben Hss.; Chantilly, Mus´ee Cond´e 699 steht dem Archetyp dieser Version am n¨achsten und enth¨alt weitere Werke (s. o.), die vielleicht M. zuzuschreiben sind. – Vgl. Bennet 1954 (s. Lit.) S. 280–284; de Poerck 1961 (s. Lit.) S. 31. – Insulare (Norman French) Version: In England vor 1390 entstanden. Die Teufelstalerz¨ahlung ist gek¨urzt, ein Exkurs u¨ ber die Weltklimata beigef¨ugt. – 21 Hss. in mehreren redaktionellen Untergruppen. Vgl. Bennet 1954 (s. Lit.) S. 265–271; de Poerck 1954 (s. Lit.) ¨ S. 126–129. – Lateinische Ubersetzungen: In Eng¨ land entstandene Ubersetzungen der Insularen Version: Leidener Version/Royal-Version: Vier bzw. sieben Hss.; vgl. Bennet 1954 (s. Lit.) S. 298 f./299 f. und Seymour 1973 (s. Lit.) S. 194. – Harley-Version: London, British Library, Ms. Harley 82 (15. Jh.). – Ashmole-Version: Oxford, Bodleian Library, Ms. Ashmole 769 (um 1450). – Vulgata-Version: Fehler¨ und l¨uckenhafte Ubertragung der L¨utticher Version, die auf dem Kontinent entstanden ist und als einzige der lat. Fassungen in den Druck gelangte. – Mind. 38 Hss., vgl. Bennet 1954 (s. Lit.) S. 301–312. – Erstdruck: Zwolle (Peter van Os) 1483 (GW M20403); bis zum 17. Jh. sechs weitere Drucke (vgl. ebd., S. 359–364). – Deutsche ¨ und niederl¨andische Uberlieferung: (vgl. Handschriftencensus [online]), s. → Otto v. Diemeringen, ¨ Michel → Velser. – Niederl¨andische Ubers.: Bekannt sind f¨unf Hss. und ein Fragm. – Darauf basierende ¨ nd./mitteldt. Ubers.: Berlin, SBB, Mgf 204, 160 Bll. (Pap., drittes Viertel 15. Jh., nordnd.). – Ebd., Mgf 550, 83 Bll. und Mgq 271, 131 Bll. (beide Perg., zweite H¨alfte 14. Jh., ripuarisch). – Ebd., Mgq 322, 215 Bll. (Pap., 14. Jh., west-westf¨alisch). – D¨usseldorf, ULB, Ms. fragm. K 20: Z 15/4, 1 Pergamentbl. (zweite H¨alfte 14. Jh., ripuarisch); Abdr.: Anton Birlinger/Wilhelm Crecelius: Bruchst¨uck einer Erdbeschreibung. In: Altdt. Neujahrsbll. f¨ur 1874. Mittel- und nd. Dialektproben. Wiesbaden 412

Mandeville 1874, Sp. 89 f. (Nr. IV). – Leiden, UB, BPL 1983, 113 Bll., 3r–113r (Pap., 1463, s¨udwestf¨alisch). – L¨uneburg, Ratsb¨ucherei, Ms. Hist. C 2° 8, 169 Bll. (Pap., erste H¨alfte 15. Jh., nordnd.). – Marburg, UB, Mscr. 76, 1r–119v (Pap., zweites Viertel 15. Jh., nordth¨uringisch). – Soest, StB, Cod. 28, 1r–91v (Pap., um 1455, nordwestf¨alisch). – ¨ Nd. Ubertragungen mit unklarem Abh¨angigkeitsverh¨altnis (eigenst¨andig [?]) sind: Corvey, F¨urstl. Bibl., ohne Sign. (fr¨uher Schrank 81/7), S. 189–310 (Mitte 15. Jh.). – Schloss Dyck, F¨urstl. SalmReifferscheidtsche Bibl., Hs. Var. et Curiosa 40, 4v–188r (um 1400); verkauft, unbekannter Standort. Ausgabe: Kontinentale Version: Malcolm Letts: M.’s Travels. 2 Bde. London 1953. Nachdr. 1967. – Christiane Deluz: J. d. M. Le livre des merveilles du monde (Sources d’histoire m´edi´evale 31). Paris 2000. – L¨utticher Version: Letts 1949 (s. Lit.) S. 116–118; Letts Ausg. 1953 (s. o.) Bd. 2, S. 506 f. (jeweils Ausz¨uge). – Insulare Version: George F. Warner: The Buke of Sir John Maundeuill Being the Travels of Sir John M., Knight (1322–1356). Westminster 1889. – Royal-Version: Michael C. Seymour: A Study of the Interrelations of the English Versions of M.’s Travels. Diss. Oxford 1959; ders.: The Bodley Version of M.’s Travels. Oxford 1963 (jeweils Ausz¨uge). – Harley-Version: Johann Vogels: Die ungedruckten lat. Versionen M.s. Wissenschaftliche Beil. zum Progr. Gymnasium zu Crefeld 1886, S. 16–20; Seymour 1973 (s. Lit.) S. 149–192. – Vulgata-Version: Richard Hakluyt’s Collection of the Voyages, Travels and Discoveries of the English Nation. Bd. 2. London 1809, S. 79–138; Letts Ausg. 1953 (s. o.) Bd. 2, S. 495–498 ¨ (Ausz¨uge). – Ndl Ubers.: Nicolaas A. Cramer: De reis van Jan van M. naar de middelnederlandsche Hss. en Incunabelen. Leiden 1908. – Hist.-krit. Ausg. der mitteldt./nd. Fassungen angek¨undigt v. E. Bremer. – Siehe auch → Otto von Diemeringen, Michel → Velser. ¨ Ubersetzungen (Ausw.): Johann v. M. Von seltsamen L¨andern und wunderlichen V¨olkern. Ein Reisebuch v. 1356. Hg., bearb. und u¨ bertragen aus dem Mhd. v. Gerhard Gr¨ummer. Leipzig 1986. – Reisen des Ritters John M. vom Heiligen Land ins ferne Asien. 1322–1356. Aus dem Mhd. u¨ bers. und hg. v. Christian Buggisch. Lenningen/Darmstadt 2004. Literatur: E. Bremer, VL2 5 (1985) Sp. 1201–1214; 11 (2004) Sp. 961. – Ingrid 413

2. H¨alfte 14. Jh. Baumg¨artner, LexMA 6 (1993) S. 325–331. – Sabine Schmolinsky, Killy2 7 (2010) S. 643–645. – Karl Sch¨onborn: Bibliographische Unters. u¨ ber die Reisebeschreibung des Sir John Maundevil. Breslau 1840. – Albert Bovenschen: Die Quellen f¨ur die Reisebeschreibung des Johann v. M. Berlin 1888. – Ders. Unters. u¨ ber Johann v. M. und die Quellen seiner Reisebeschreibung. In: Zs. der Gesellsch. f¨ur Erdkunde zu Berlin 23 (1888) S. 177–306. – Paul Ham´elius: M.s Travels. Bd. 2 (Early English Text Society. Original series 154). London 1923. – Arthur Schoerner: Die dt. M.-Versionen. Hsl. Unters. Diss. Lund 1927. – M. Letts: Sir John M. The Man and his Book. London 1949. – Robert Fazy: Jehan de M. Ses voyages et son s´ejour discut´e en Egypte. In: Etudes Asiatiques/Asiatische Stud. 4 (1950) S. 30–54. – Josephine Waters Bennet: The Rediscovery of Sir John M. (The Modern Language Association of America. Monograph Series 19). New York 1954. Nachdr. 1971. – Louis Mourin: Les Lapidaires attribut´es a` J. d. M. et a` Jean a` la Barbe. In: Romanica Gandensia 4 (1955) S. 159–191. – Guy de Poerck: La tradition manuscrite des voyages de J. de M. In: ebd., S. 125–158. – Andr´e Goosse: Les Lapidaires a` M. In: Les dialectes belgo-romans 17 (1960) S. 63–112. – G. de Poerck: Le Corpus Mandevillien du MS Chantilly 699. In: Fin du moyen aˆ ge et renaissance. FS Robert Guiette. Anvers 1961, S. 31–48. – Luc Schepens: Au sujet de deux manuscrits de J. d. M. In: Scriptorium 16 (1962) S. 377 f. – Rita Lejeune: J. de M. et les Li´egeois. In: M´elanges de linguistique romane et de philologie m´edi´evale offerts a` M. Maurice Delbouille. Hg. v. Jean Renson/Madelaine Thyssens. Gembloux 1964, S. 409–437. – M. C. Seymour: The Scribal Tradition of M.s Travels. The Insular Version. In: Scriptorium 18 (1964) S. 11–21. – Josse de Kock: Quelques copies aberrantes des ‹Voyages› de J. d. M. In: Le Moyen ˆ 70 (1965) S. 521–537. – E. J. Morrall: Oswald Age von Wolkenstein and M.’s ‹Travels›. In: Mediaeval German Studies. FS Frederick Norman. London 1965, S. 262–272. – M. C. Seymour: M.’s Travels. Oxford 1967. – A. Goosse: Jean d’Outremeuse et J. d. M. In: FS Walther v. Wartburg Bd. 1. Hg. v. Kurt Baldinger. T¨ubingen 1968, S. 235–250. – Reiner Moritz: Unters. zu den dt.sprachigen Reisebeschreibungen des 14.–16. Jh. Diss. Mu¨ nchen 1970. – Donald R. Howard: The World of M.’s Travels. In: Yearbook of English Studies 1 (1971) 414

2. H¨alfte 14. Jh. S. 1–17. – Douglas R. Butturff: Satire in M.’s Travels. In: Annuale Medievale 13 (1972) S. 155–164. – Charles W. R. D. Moseley: The Metamorphoses of Sir John M. In: Yearbook of English Studies 4 (1974) S. 5–25. – Josef Kr´asa: Die Reisen des Ritters John M. Mu¨ nchen 1983. – W. G¨unther Ganser: Die ndl. Version der Reisebeschreibung ¨ Johanns v. M. Unters. zur hsl. Uberl. (Amsterdamer Publ. zur Sprache und Lit. 63). Amsterdam 1985, S. 70–77. – Margarete Andersson-Schmitt: Kreuz und Dornenkrone – ein nd. M.-Exzerpt in Uppsala. In: Jb. des Ver. f¨ur Nd. Sprachforsch. 111 (1988) S. 53–62. – C. Deluz: Le livre de Jehan de M. Une ‹g´eographie› au XIVe si`ecle (Publ. ´ de l’Institut d’Etudes m´edi´evales 2,8). Louvain-laNeuve 1988. – Xenja v. Ertzdorff: Gedruckte Reiseber. u¨ ber China in Deutschland im 15. und 16. Jh. In: Reisen und Reiselit. im MA und in der Fr¨uhen Neuzeit (Chloe 13). Hg. v. ders./Dieter Neukirch. Amsterdam u. a. 1992, S. 417–437. – Rainer Lengeler: Reisender in Sachen Universalismus. Das Zeugnis v. M.s Bibelzitaten. In: Diesseits- und Jenseitsreisen im MA (Studium universale 14). Hg. v. Wolf-Dieter Lange. Bonn u. a. 1992, S. 91–100. – John Roland Seymour Philipps: The Quest for John M. In: The Culture of Christendom. FS Denis L. T. Bethell. Hg. v. Marc Anthony Meyer. ¨ London 1993, S. 243–255. – K. Ridder: Ubers. und Fremderfahrung. J. d. M.s literarische Inszenierung eines Weltbildes und die Lesarten seiner ¨ ¨ Ubersetzer. In: Ubersetzen im MA. Cambridger Colloquium (Wolfram-Stud. 14). Hg. v. Joachim Heinzle u. a. Berlin 1996, S. 231–264. – Elmar Seebold: M.s Alphabete und die ma. Alphabetslg. In: PBB 120 (1998) S. 379–400. – Susanne R¨ohl: Die ‹Voyages› v. J. d. M. – eine neue Hs. In: Codices Manuscripti 27/28 (1999) S. 55 f. – Andrew Fleck: Here, There and in Between: Representing Differences in the Travels of Sir John M.. In: Studies in philology 97 (2000) S. 379–400. – Andrea Kann: Picturing the world: The illustrated manuscripts of ‹The Book of John M.›. Diss. Univ. of Iowa 2002. – Britta-Juliane Kruse: J. d. M.: Reisen ¨ (anonyme Ubers. um 1356). In: Aderlaß und See¨ lentrost. Die Uberl. dt. Texte im Spiegel Berliner Hss. und Inkunabeln. Hg. v. Peter J¨org Becker/Eef Overgaauw. Mainz 2003, S. 382–384. – Rosemary Tzanaki: M.s Medieval Audiences. A Study on the Reception of the Book of Sir John M. (1371–1550). Aldershot/Burlington 2003. – G¨unther W. Rohr: Stephen Greenblatt und das Phantom ‹Johann v. 415

Mandeville M.›. In: Autor – Autorisation – Authentizit¨at (Beihefte zu editio 21). Hg. v. Thomas Bein. Tu¨ bingen 2004, S. 173–182. – S. R¨ohl: Der livre de M. im ¨ 14. und 15. Jh. Unters. zur hsl. Uberl. der kontinentalfranz¨osischen Version (MA-Stud. 6). Mu¨ nchen 2004. – Alexandra Nusser: Zu sp¨atma. Au¨ torenbildern am Bsp. der Uberl. v. J. d. M.s ‹Reisen› in Europa. In: Kleidung und Repr¨asentation in Antike und MA (MA-Stud. 7). Hg. v. Ansgar K¨ob/Peter Riedel. Mu¨ nchen 2005, S. 95–116. – G. W. Rohr: Johann v. M., Reisen – peregrinatio et curiositas. In: K¨unstler, Dichter, Gelehrte (Mittelaltermythen 4). Hg. v. Ulrich Mu¨ ller/Werner Wunderlich. Konstanz 2005, S. 375–390. – M. C. Seymour: Burnt M. A Latin Epitome. In: Manuscripta 49 (2005) S. 95–122. – Michael J. Bennet: M.s Travels and the Anglo-French Moment. In: Medium aevum 75 (2006) S. 273–292. – Evelyn Edson: Travelling on the Mappamundi. The World of John M. In: The Hereford World Map. Medieval World Maps and their Context. Hg. v. Paul A. D. Harvey. London 2006, S. 389–403. – Val´erie Gontero: Les gemmes marine: au carrefour du lapidaire et du bestiaire (d’apres Physice, une version du Lapidaire de J. d. M.). In: Monˆ des marins du Moyen Age (Senefiance 52). Hg. v. Chantal Connochie-Bourgne. Aix-en-Provence 2006, S. 187–197. – Fabienne L. Michelet: Reading and Writing the East in ‹M.’s Travels›. In: Wissen u¨ ber Grenzen. Arabisches Wissen und lat. MA (Miscellanea mediaevalia 33). Hg. v. Andreas Speer. Berlin 2006, S. 282–303. – Susanna Morales Osorio/Sonia Fern´andez Hoyos: El Mediterr´aneo a trav´es de la ficci´on: el extra˜no caso de Sir John M. In: Anuario des Estudios Medievales 36 (2006) S. 335–354. – S. R¨ohl: Le ‹Livre de M.› a` Paris autour de 1400. In: Patrons, Authors and Workshops: Books and Book Production in Paris circa 1400 (Synthema 4). Hg. v. Peter Ainsworth/Godfried Croenen. Leuven/Paris 2006, S. 279–296. – E. Bremer/S. R¨ohl (Hg.): J. d. M. in Europa. Neue Perspektiven in der Reiselit.forsch. (MA-Stud. 12). Paderborn/M¨unchen 2007. – Suzanne Conklin Akbari: Currents and Currency in Marco Polo’s ‹Devisement dou monde› and ‹The Book of John M.›. In: Marco Polo and the encounter of East and West. Hg. v. dems./Amilcare Iannucci. Toronto 2008, S. 110–132. – John Larner: Plucking Hairs from the Great Cham’s Beard: Marco Polo, Jan de Langhe, and Sir John M. In: ebd., S. 133–155. – The World Translated: Marco Polo’s ‹Le Devisement 416

Telesforus von Cosenza dou monde›, ‹The Book of Sir John M.›, and Their Medieval Audiences. In: ebd., S. 156–182. – Miguel Angel Ladero Quesada: Reale und imagin¨are Welten. John M. In: Legend¨are Reisen im MA. Hg. v. Feliciano Novoa Portela/F. Javier Villalba Ruiz de Toledo. Stuttgart 2008, S. 55–76. – Marcia Kupfer: ‹... lectres ... plus vrayes›. Hebrew Script and Jewish Witness in the M. Manuscript of Charles V. In: Speculum 83 (2008) S. 58–111. – Mojm´ır Frinta: Searching for the Sources of Inspiration of the Master of the Travels of John M. In: Wiener Jb. f¨ur Kunstgesch. 57 (2008) S. 7–30. – Ana Pinto: ‹M.s Travels›. A ‹Rihla› in Disguise. In: Travels and travelogues in the Middle Ages (AMS Studies in the Middle Ages 28). Hg. v. Jean-Francois KostaTh´efaine. New York 2009, S. 3–58. – A. Nusser: Symbiosen zwischen zwei Buchdeckeln: J. d. M.s ‹Reisen› in den Sammelhss. der dt. und lat. Textversionen. In: Zwischen Medien, zwischen Kulturen. ¨ Poetiken des Ubergangs in philologischer, filmischer und kulturwissenschaftl. Perspektive (LiteraturFilm 5). Hg. v. Dagmar von Hoff/Teresa Seruya. M¨unchen 2011, S. 83–96. VZ Telesforus von Cosenza (Telesphorus, Theolosphorus de Cusentia). – Theologe, Verfasser einer lat. Prophezeiung. ¨ Uber T.s Identit¨at sind keine sicheren Aussagen m¨oglich. Meist wird vermutet, er sei ein su¨ ditalienischer Franziskanerspirituale gewesen, der vielleicht den Clarenern oder Hieronymiten angeh¨orte. T. gilt als Verfasser des auf 1386 datierten Traktats De causis, de statu, de cognitione ac fine praesentis scismatis et tribulationum futurarum. Das lat. Werk ist dem genuesischen Dogen Antonio Adorno gewidmet und entstand wahrscheinlich zwischen 1356 und 1365, mit einer Nachbearbeitung zwischen 1378 und 1386. Der Traktat ist als Prophezeiung geschrieben, zu der T. nach eigenen Angaben von einer Engelserscheinung angeregt wurde. Thema ist das kirchliche Schisma, das T. prim¨ar auf s¨undige Kleriker, Kaiser Friedrich III. und einen falschen Papst zur¨uckf¨uhrt. Der Text sagt den Aufstieg eines franz¨osischen K¨onigs namens Karl voraus, mit dessen Hilfe ein wahrer Papst das Schisma beenden werde. Nach der von T. erwarteten Reform der Kirche und der christlichen Eroberung Pal¨astinas prophezeit der Text f¨ur 1433 das Erscheinen des Antichrists. 417

2. H¨alfte 14. Jh. T.s Traktat folgt einerseits traditionellen eschatologischen Mustern, wie sie von der biblischen Offenbarung des Johannes vorgegeben werden. Daneben ist die Schrift von j¨ungeren Autoren und Schriften beeinflusst, vor allem von Joachim von Fiore und pseudo-joachitischen Texten (Oraculum Cyrilli-Kommentar, Liber de flore) sowie von Johannes de Rupescissa und Alexander von Roes. Der Traktat selbst wurde besonders in s¨uddt. Kl¨ostern rezipiert. Bemerkenswert an der reichen lat. und in ¨ geringem Maße auch franz¨osischen Uberlieferung ist die Verbindung des Traktats mit Texten entgegengesetzter Tendenz in einzelnen Handschriften. ¨ Eine Uberlieferung in dt. Sprache erfuhr der Traktat nur in einem anonymen M¨unchner Auszug und in einer Wiener Handschrift. Diese umfasst f¨unf Kapitel des Texts und die sog. Karls-Prophetie, die in lat. Handschriften und Drucken fehlt. T.s Prophezeiung wirkte u. a. auf Thomas → Ebendorfer (Tractatus de scismatibus, 1451–58), Johannes Lichtenberger (Prognosticatio, 1488) und Berthold von Chiemsee (Onus ecclesiae, 1519). Als kritische Reaktion auf den Traktat sei hier der Tractatus contra quendam eremitam de ultimis temporibus vaticinantem nomine Theolophorum (1392) des → Heinrich von Langenstein erw¨ahnt. Johann von W¨unschelburg setzte T. die sog. Gamaleon-Predigt entgegen. Darin wird die Ankunft eines neues Zeitalters unter einem dt. Herrscher prophezeit, der Frankreich und Rom u¨ berwinden werde. Insgesamt ist T.s Werk in seinem pro-franz¨osischen, kirchenpolitischen Kontext durchaus von Interesse, da es gewisse Grundlinien zeitgen¨ossischer Auseinandersetzungen aufzeigt. Als Prophetie bleibt es aber hinter den Schriften des Joachim von Fiore zur¨uck, der es inspirierte. ¨ ¨ Uberlieferung (dt.): Wien, ONB, cod. 3002, 10r–38r (Pap., 15. Jh.; bair. Teil¨ubersetzung). – Mu¨ nchen, UB, 2° cod. ms. 684, 106r–109r (Pap., 1465, mittelbair.; anonymer Auszug). – Zur um¨ fangreichen lat. Uberl. mit u¨ ber 40 Hss. vgl. Donckel 1933 und St¨ollinger-L¨oser 1995 (beide s. Lit.). Drucke: Lat. und franz¨osische Fr¨uhdrucke bei Donckel 1933 (s. Lit.). Ausgaben: Nur lat. Teilausg.: Donckel 1933 (s. Lit.; Teildr.). – Guerrini 1997 (s. Lit.; Teilfaks.). Literatur: Christine St¨ollinger-L¨oser, VL2 9 (1995) Sp. 679–682. – Georg Kreuzer, BBKL 14 (1998) Sp. 1539–1541. – Johannes Schlageter, LexMA 8 (1997) Sp. 530. – Johannes Helmrath, LThK3 9 (2000) Sp. 1320. – Herbert Grundmann: 418

2. H¨alfte 14. Jh. Die Papstprophetien des MA. In: AfK 19 (1928) 77–138 (wieder in: Ders.: Ausgew¨ahlte Aufs¨atze 2. Stuttgart 1977, S. 1–57). – Emile Donckel: Stud. u¨ ber die Prophezeiung des Fr. T. v. C., O. F. M., (1365–1386). In: Archivum Franciscanum Historicum 26 (1933) S. 29–104, 282–314. – Dietrich Kurze: Nationale Regungen in der sp¨atma. Prophetie. In: Hist. Zs. 202 (1966) S. 9–12 (wieder in: Ders.: Klerus, Ketzer, Kriege und Prophetien. Hg. v. Ju¨ rgen Sarnowsy u. a. Warendorf 1996, S. 458–460). – Marjorie Reeves: The Influence of Prophecy in the Later Middle Ages. A Study in Joachimism. Oxford 1969, S. 125–331, 342–345, 423 f. – Ders.: Joachim of Fiore and the Prophetic Future. London 1976, S. 68–71, 95–97, 145–147 u. o¨ . – Robert E. Lerner: Refreshment of the Saints. The Time after Antichrist as a Station for Early Progress in Medieval Thought. In: Traditio 38 (1976) S. 97–144. – Richard Spence: MS. Syracuse University v. Ranke 90 and the Libellus of T. of C. In: Scriptorium 33 (1979) S. 271–274. – Bernard McGinn: Visions of the End. Apocalyptic Traditions in the Middle Ages. New York 1979, 246–250. – Roberto Rusconi: L’attesa della fine. Crisi della societ`a, profezia ed Apocalisse in Italia al tempo del grande scisma d’Occidente (1378–1417). Rom 1979, S. 171–184. – Georg Kreuzer: Heinrich v. Langenstein. Stud. zur Biogr. und den Schismatraktaten unter besonderer Ber¨ucksichtigung der ‹Epistola pacis› und der ‹Epistola concilii pacie›. Mu¨ nchen u. a. 1987, S. 119–128. – H´el´ene Mil´ let: Ecoute et usage des proph´eties, par les pr´elats pendant le Grand Schisme. In: M´elanges de l’Ecole ˆ 102 (1990) H. 2, Fran¸caise de Rome. Moyen Age S. 425–455. – Andr´e Vauchez: Les th´eologiens face aux proph´eties a l’´epoque des papes d’Avignon et du Grand Schisme. In: ebd., S. 577–588. – Colette Beaune: De Telesphore a` Guillaume Postel. La diffusion du Libellus en France aux XIVe` me et XVe` me si`ecles. In: Il Profetismo gioachimita tra Quattrocento e Cinquecento. Atti del III Congresso Internazionale di Studi Gioachimiti, S. Giovanni in Fiore, 17–21 settembre 1989. Hg. v. Gian Luca Potest`a. Genua 1991, S. 195–211. – M. Reeves: The Medieval Heritage. In: Prophetic Rome in the High Renaissance Period. Hg. v. dems. Oxford 1992, S. 3–21. – Paola Guerrini: Propaganda politica e profezie figurate nel tardo Medioevo. Neapel 1997, S. 25–46, Abb. 12–70. – Dies.: Escatologia e gioachimismo in T. da C. In: Il ricordo del futuro. Gioacchino Da Fiore e il Gioachimismo attraverso la storia. Hg. v. Fabio Troncarelli. 419

Bruder Sigwalt Bari 2006, S. 125–134. – Renate BlumenfeldKosinski: Poets, Saints, and Visionaries of the Great Schism, 1378–1417. University Park/Pennsylvania 2006, S. 193 f., 208 f. u. o¨ . MM Bruder Sigwalt (Priester Siegwalt, Sigenwalt, Sigeboldus). – Eremit, Weltpriester. Unter S.s Namen wird seit etwa 1430 in drei Handschriften eine Endzeitprophezeiung im Kontext von Kaiserprophetien und Reformschriften (vgl. Denkw¨urdigkeiten Eberhard → Windecks) u¨ berliefert. ¨ Uberlieferung: Mu¨ nchen, BSB, Cgm 267, 246r–247r (15. Jh.). – Mu¨ nchen, UB, 2° cod. ms. 684, 95v–96v (Pap., 1465, mittelbair. im Grenzgebiet zum Schw¨abischen). – Coburg, LB, Ms. Sche. 16, 313vb–314vb (um 1500). Ausgaben: Wilhelm Altmann (Hg.): Eberhart Windeckes Denkw¨urdigkeiten zur Gesch. des Zeitalters Kaiser Sigmunds. Berlin 1893 (Nachdr. London 2010) S. 361 f. – Alexander Reifferscheid (Hg.): Neun Texte zur Gesch. der religi¨osen Aufkl¨arung in Deutschland w¨ahrend des 14. und 15. Jh. Greifswald 1905, S. 41 f. – Prosa der dt. Gotik. Eine Stilgesch. in Texten. Ausgew¨ahlt und geordnet v. Wolfgang Stammler (Literarhist. Bibl. 7). Berlin 1933, S. 89–91. Literatur: Klaus Arnold, VL2 8 (1992) Sp. 1244 f. – Herbert Grundmann: Die Papstprophetien des MA. In: AfK 19 (1928) S. 77–138, hier S. 133 (wieder in: Ders.: Ausgew¨ahlte Aufs¨atze [Schr. der MGH 25]. Bd. 2. Stuttgart 1977, S. 1–57, hier S. 51 f.). – K. Arnold: Niklashausen 1476. Quellen und Unters. zur sozialreligi¨osen Bewegung des Hans Behem und zur Agrarstruktur eines sp¨atma. Dorfes (Saecvla spiritalia 3). Baden-Baden 1980, S. 43 f. BJ Levold von Northof, * 5.2.1279 wohl Pelkum/ Hamm, † 3.10.1359 (?). – Theologe, Chronist. L. stammte aus einer m¨arkischen Ritterfamilie und wurde fr¨uh Waise. Er studierte 1294–96 in Erfurt und 1303–08 in Avignon. 1310 wurde er Pfr¨undner in Boppard, 1311 Verwalter der Wormser Propstei des Grafen Adolf II. von der Mark (1288–1344) und 1314 Domherr in L¨uttich. In den folgenden Jahren bewegte sich L. als Berater im engen Umfeld Adolfs, der 1313 F¨urstbischof von L¨uttich geworden war. Er vertrat Adolf 1322 beim Provinzialkonzil in K¨oln und reiste mit ihm 1328 an den Hof in Avignon. Seit etwa 1331/32 war 420

Levold von Northof L. Abt des Hadelin-Stifts in Celles-des-Dinant (seit 1338 in Vis´e). Von etwa 1340 bis 1353 war L. auch Erzieher der Grafenso¨ hne in L¨uttich. L.s Hauptwerk ist die lat. Chronica comitum de Marka (1358). Die u¨ berwiegend annalistisch geschriebene Chronik behandelt die Geschichte der Grafen von der Mark bis 1358. Sie streift auch Ereignisse aus der Geschichte des dt. Reichs, des Niederrheins, L¨uttichs und Brabants. Weiterhin enth¨alt das Werk Elemente eines F¨urstenspiegels sowie F¨urstenlehren in Reimprosa. Der Chronica ist außerdem L.s Genealogie der Grafen von der Mark zuzurechnen, die das Hauptwerk erg¨anzt. Als Vorlagen benutzte L. u. a. die L¨utticher Annalen sowie Werke des → Martin von Troppau und des → Vinzenz von Beauvais. Die Chronica selbst wurde h¨aufig rezipiert, so von → Heinrich von Herford, Johannes → Nederhoff, Dietrich Westhoff, Gert van der Sch¨uren und in der Reimchronik der m¨arkischen Grafen. Auch existieren zwei wahrscheinlich unabh¨angig voneinander ent¨ standene nd. Ubersetzungen des Texts. Noch 1538 schuf Ulrich Verne, Kaplan in Hamm, einen nd. Auszug des Werks. Die Chronik hat ihre Bedeutung bis heute nicht verloren: Obwohl L. sich darin naturgem¨aß als gr¨aflicher Parteig¨anger erweist, ist der Text als zuverl¨assiges Geschichtswerk anerkannt. L. verfasste zudem ein L¨utticher Lehnbuch (1343), eine aus der Bibel, den Kirchenv¨atern und p¨apstlichen Schriften kompilierte Sentenzensammlung sowie einen Katalog der K¨olner Erzbisch¨ofe von Maternus bis Wilhelm von Gennep. Eine als Cronica ab Adam primo homine begonnene Weltchronik blieb Fragment. ¨ Uberlieferung: Dt. Fassung der Chron.: Anholt, F¨urstlich Salm-Salmsche Bibl., cod. 42 (15. Jh.). – M¨unster, Bistumsarch., Freckenhorst, St. Bonifatius, PfA 313, 90 Bll. (Pap., 16. Jh.). – ¨ Zur lat. Uberl. vgl. Zschaeck 1929 (s. Ausg.) S. XVI–XXVIII. Ausgaben: Chron. der Grafen von der Mark und der Erzbisch¨ofe von C¨oln. Hg. v. Carl Ludwig Tross. Hamm 1859 (lat.-dt.). – Le livre des fiefs de l’´eglise de Li´ege sous Adolphe de La Marck. Hg. ´ v. Edouard Poncelet. Br¨ussel 1898. – Die Chron. der Grafen von der Mark von Levold von Northof (Levoldi de Northof Chronica comitum de Marka) (MGH SS rer. Germ. NS 6). Hg. v. Fritz Zschaeck. Berlin 1929. Nachdr. Mu¨ nchen 1984. 421

2. H¨alfte 14. Jh. ¨ Ubersetzungen: Tross 1859 (s. Ausg.). – Die Chron. der Grafen von der Mark. Bearb. v. Hermann Flebbe. M¨unster u. a. 1955. Literatur: ADB 24 (1887) S. 23 f. – Gerd Brinkhus, VL2 5 (1985) Sp. 738–742; 11 (2004) Sp. 921. – Wolfgang Herborn, LexMA 5 (1991) Sp. 1925. – Paul Leidinger, LThK3 6 (1997) Sp. 868 f. – Ernst Fittig: L. v. N. Ein westf¨alischer Geschichtsschreiber des 14. Jh. Diss. Bonn 1906. – F. Zschaeck: L. v. N., der ma. westf¨alischer Geschichtschreiber, und seine Verwandtschaft. In: Mitt. der Westdt. Ges. f¨ur Familienkunde 5 (1926/28) S. 403–410. – Bernhard Vollmer: Das Testament L.s v. N. In: FS Ludwig Schmitz-Kallenberg. Hg. v. Johannes Bauermann u. a. M¨unster 1927, S. 113–121. – Hans-Friedrich Rosenfeld: Mndl. Reimchron. In: M´emoires de la Soci´et´e N´eophilologique de Helsinki 13 (1938) S. 253–397, hier S. 257–299. – Wilhelm Berges: Die F¨urstenspiegel des hohen und sp¨aten MA (Schr. der MGH 2). Leipzig 1938 (Nachdr. Stuttgart 1952) S. 106 f. u. o¨ . – H. Flebbe: L. v. N. und seine Chron. der Grafen v. der Mark. In: Der M¨arker 4 (1955) S. 124–127, 168–170. – Paul Renvert: L. v. N., Ertwin Ertman(n) und Hermann v. Lerbeck als westf¨alischer Geschichtsschreiber. In: Jahresber. des Hist. Ver. f¨ur die Grafschaft Ravensberg 61 (1959) S. 108–134. – Ludger Tewes: M¨arkisch–k¨olnische Grenzkonflikte bei L. v. N. In: Der M¨arker 33 (1984) S. 54–56. – Dieter Scheler: L. v. N. F¨urstenerzieher und Geschichtsschreiber. In: Von Soest – aus Westf. Wege und Wirkung abgewanderter Westfalen im sp¨aten MA und in der fr¨uhen Neuzeit. Hg. v. Heinz-Dieter Heimann. Paderborn 1986, S. 181–196. – Juul Stinissen: Levoldi de Northof Chronica Comitum de Marka. Een kritische studie. In: Het oude land van Loon 43 (1988) S. 137–187. – Rolf Sprandel: Stud. zu Heinrich v. Herford. In: Person und Gemeinschaft im MA. FS Karl Schmid. Hg. v. Gerd Althoff u. a. Sigmaringen 1988, S. 557–571 (wieder in: R. Sprandel: Chronisten als Zeitzeugen. Forschungen zur sp¨atma. Geschichtsschreibung in Deutschland. K¨oln u. a. 1994, S. 67–82). – Elke Dißelbeck-Tewes: Die Chron. der Grafen v. der Mark des L. v. N. aus der ehemaligen Stiftsbibl. Freckenhorst. In: Beitr. zur Gesch. Dortmunds und der Grafschaft Mark 83/84 (1992/93) S. 295–306. – D. Scheler: L. v. N. (1279–1359). Chronicon comitum de Marka. In: Hauptwerke der Geschichtsschreibung. Hg. v. Volker Reinhardt. Stuttgart 1997, S. 376–378. – Martin Gropengießer und Mirjam Gr¨ave: Die Fehdef¨uhrung 422

2. H¨alfte 14. Jh. der Grafen v. der Mark im engeren heimischen Raum unter besonderer Ber¨ucksichtigung der v. L. v. N. verfaßten Chron. der Jahre 1198–1358. In: Der Schl¨ussel. Bll. der Heimat f¨ur Stadt und Amt Hemer 46 (2001) S. 5–9. – Sven Rabeler: Vertrauen und Gunst. Klientelismus am sp¨atma. Hof. In: Der Fall des G¨unstlings. Hofparteien in Europa vom 13. bis zum 17. Jh. Hg. v. Jan Hirschbiegel und Werner Paravicini. Ostfildern 2004, S. 41–63. – Werner R¨osener: Der ma. F¨urstenhof. Vorbilder, Hofmodelle und Herrschaftspraxis. In: Ma. F¨urstenh¨ofe und ihre Erinnerungskulturen. Hg. v. Carola Fey. G¨ottingen 2007, S. 21–42. – Norbert Kersken: Auf dem Weg zum Hofhistoriographen. Historiker an sp¨atma. F¨urstenh¨ofen. In: ebd., S. 107–140. – Christine Reinle: Ergebnisse und Probleme. In: ebd., S. 277–322. – S. Rabeler: Der Geschichtsschreiber, die Dynastie und die St¨adte. St¨adte als Objekte, Akteure und Antagonisten dynastisch orientierter Politik in der Chron. L.s v. N. (1279–ca. 1359). In: Jb. f¨ur Regionalgesch. 27 (2009) S. 15–40. – Stefan P¨atzold: Burgen bei L. Zu den Erw¨ahnungen ma. Befestigungsanlagen in der Chron. der Grafen v. der Mark des L. v. N. (1357/58). In: M¨arkisches Jb. f¨ur Gesch. 109 (2009) S. 7–44. MM Taube, Heinrich, von Selbach (Henricus Surdus de Selbach, Heinrich Taub, Heinrich der Taube; f¨alschlich auch von Rebdorf genannt), † 9.10.1364 Eichst¨att. – Kleriker, Jurist und Chronist. Der aus dem Siegerl¨ander Rittergeschlecht der Tauben von Selbach stammende T. studierte Theologie und Kanonisches Recht (in Bologna?), wurde Magister und empfing die Priesterweihe. Seit 1328 Prokurator an der Rota in Avignon, vertrat er 1334/35 Bischof Heinrich von Eichst¨att in einem Prozess vor diesem Gericht. 1336 erhielt er als bisch¨oflicher Kaplan eine Pfr¨unde am Willibaldschor. Unter Bischof Berthold von Zollern war T. seit 1353 in dessen Kanzlei t¨atig; zudem trat er als P¨onitentiar und Richter in bisch¨oflichen Diensten auf. T.s Hauptwerk ist eine Chronik (1294–1363) zur Geschichte des 14. Jh., bes. f¨ur die Zeit Ludwigs des Bayern. H. benutzte u. a. kirchenrechtliche Quellen. Die Anlage der Chronik schließt an ¨ die → Flores temporum an. Uberliefert sind von T. ferner sieben Gr¨undonnerstagspredigten und sechs Biographien Eichst¨atter Bisch¨ofe. ¨ Uberlieferung: 1. Chronik: a) Wien, cod. 3284* – Klosterneuburg, Stiftsbibl., CCl 699, 423

Taube 57v–69v (Abschrift in CCl 697). – Wien, cod. 3408, f. 38–46. – b) Paris, Bibl. Nationale, ms. lat. 10770 (fr¨uher Rebdorf), f. 62–99. – Wien, cod. 3284, 83–107v. – 2. F¨unf Gr¨undonnerstagspredigten, 1339–43: Paris, Bibl. Nationale, ms. lat. 10770, f. 100–144. – 3. Zwei Gr¨undonnerstagspredigten, 1348 und 1349: Mu¨ nchen, BSB, Clm 14198, 116r–127r. – 4. Sechs Biographien Eichst¨atter Bisch¨ofe und eine Erg¨anzung seit 1306: Eichst¨att, Di¨ozesanarch., cod. B 4, 23r, 24v–27v. Ausgaben: Chronik: MGH SS XXV, 593–596. – Harry Bresslau (Hg.): Die Chron. H.s T. v. Selbach. Mit den von ihm verfaßten Biographien Eichst¨atter Bisch¨ofe (Chronica Heinrici Surdi de Selbach). Berlin 1922. Literatur: Hans J¨urgen Rieckenberg, NDB 8 (1969) S. 425. – Karl Schnith, LexMA 4 (1989) Sp. 2106. – Katharina Colberg, VL2 9 (1995) Sp. 628–631. – Aloys Schulte: Die sogenannte Chron. des H. v. Rebdorf: Ein Beitr. zur Quellenkunde des 14. Jh. Diss. Mu¨ nster 1879. – Gustav Frhr. Schenk zu Schweinsberg: Magister H. der T. v. S. In: Neues Arch. der Ges. f¨ur a¨ ltere dt. Geschichtskunde 10 (1885) S. 171. – Die Eichst¨atter Bischofschron. des Grafen Wilhelm Werner v. Zimmern. Eingel. und hg. v. Wilhelm Kraft (Ver¨off. der Ges. f¨ur Fr¨ankische Gesch. Reihe 1, Fr¨ankische Chron. 3). W¨urzberg 1956. – Edmund Ernst Stengel: H. der T. Neue Nachrich¨ 71 ten u¨ ber den Eichst¨atter Chronisten. In: MIOG (1963) S. 76–86. – Martin Haeusler: Das Ende der Gesch. in der ma. Weltchronistik (AfK Beih. 3). K¨oln/Wien 1980, S. 121–123, 250 f. – Peter Moraw: Politische Sprache und Verfassungsdenken bei ausgew¨ahlten Geschichtsschreiber des dt. 14. Jh. In: Geschichtsschreibung und Geschichtsbewußtsein im Sp¨atMA. Hg. v. Hans Patze (Vortr¨age und Forschungen 31). Sigmaringen 1987, S. 695–726. – Peter Johanek: Weltchronistik und regionale Geschichtsschreibung. In: ebd., S. 287–330. – Stefan Weinfurter: Die Viten der Eichst¨atter Bisch¨ofe im ‹Pontifikale Gundekarianum› I. In: Das ‹Pontifikale Gundekarianum›. Faks.-Ausg. des Cod. B 4 im Di¨ozesanarch. Eichst¨att. Hg. v. Andreas Bauch/ Ernst Reiter. Kommentarband. Wiesbaden 1987, S. 118–122. – Ingeborg Buchholz-Johanek: Geistliche Richter und geistliches Gericht im sp¨atma. Bistum Eichst¨att (Eichst¨atter Stud. NF 23). Regensburg 1988. BJ Closener, Fritsche → Band 6. 424

Heinrich von Diessenhofen Heinrich von Diessenhofen, Truchsess (He[i]nricus Dapifer de D.), * um 1300, † 22./24.12.1376 Konstanz. – P¨apstlicher Kaplan, Domherr in Konstanz und lat. Chronist. Der Sohn des Diessenhofener B¨urgers und habsburgischen Ministerialen Johannes Truchsess von Diessenhofen aus dem westschweizerischen Geschlecht der Ritter von Hettlingen verdankte es dem Einfluss und den Verbindungen seiner Familie vor allem zu den o¨ sterreichischen Herz¨ogen, dass er bereits vor dem zul¨assigen Alter und ohne Weihe reich bepfr¨undet war (vier Pfarrkirchen, die Kanonikate von Embrach [Kt. Zu¨ rich], Konstanz und Berom¨unster [Kt. Luzern]), was gegen g¨ultiges Kirchenrecht verstieß (die Dispens erbat und erhielt H. erst 1345). Das Studium des geistlichen Rechts nahm er 1316 in Bologna auf (1319 Prokurator der dt. Nation, 1324 «rector scolarium ultramontanorum» und Dr. decretorum). Von 1325 an nahm H. sein Kanonikat in Berom¨unster wahr, wo er seit 1326 auch als Kustos wirkte. 1331–37 verbrachte er als habsburgischer Gesandter an der Kurie in Avignon. Dort erwirkte er f¨ur Graf Otto von Habsburg die L¨osung vom Bann und wurde von Papst Johannes XXII. zum Kaplan erhoben. 1341 verließ H. Berom¨unster und erf¨ullte in Konstanz das Amt des Domherren, das er seit sp¨atestens 1324 innehatte. Bis 1356 hielt er sich noch drei Mal an der Kurie auf. Zusammen mit dem Bischof und weiteren Kanonikern wurde H. 1343 wegen der Einhaltung des p¨apstlichen Interdiktes gegen Ludwig den Bayern aus der Stadt vertrieben. Nach seiner R¨uckkehr 1344 z¨ahlte er zum Kreis der Kandidaten auf den Konstanzer Bischofsstuhl. Seit dieser Zeit bem¨uhte er sich auch um die Konstanzer Dompropstei, die ihm schließlich 1363 u¨ bertragen wurde. Im Folgejahr musste er sie jedoch nach einer von seinem abgesetzten Vorg¨anger initiierten und f¨ur ihn ung¨unstigen p¨apstlichen Untersuchung wieder aufgeben. 1373 und 1374 ist H. als p¨apstl. Subkollektor von Stadt und Di¨ozese Konstanz bezeugt. Neben seinen Amtspflichten scheint er ausreichend Gelegenheit gefunden zu haben, in den reichen Best¨ande der Konstanzer Dombibliothek zu studieren. Seine Schenkungen an die Bibliothek dokumentieren sein Interesse auch an theologischen Fragestellungen. W¨ahrend seiner Zeit am Avignoneser Papsthof f¨uhrte er die Historia ecclesiastica nova des Bartholom¨aus von Lucca († 1327) f¨ur die Jahre 1333–61 425

2. H¨alfte 14. Jh. fort. Bartholom¨aus’ Chronik stellt die Kirchengeschichte als Papstgeschichte dar. H. lag bereits eine Erweiterung der Historia vor, die bis 1323 reichte. Diese erg¨anzte er mit kleineren Angaben vor allem zur Geschichte der Habsburger und f¨ugte Angaben zum Leben von Johannes XXII. († 1334) hinzu. Seine eigene Chronikfortsetzung berichtet zun¨achst von den Vorg¨angen am p¨apstlichen Hof 1333–37, wie sie H. selbst erlebt hat. Vermutlich w¨ahrend eines sp¨ateren Aufenthalts in Avignon geringf¨ugig erweitert, erscheint dieser Teil von H.s Chronik als 24. Buch der Historia ecclesiastica nova ¨ in einem italienischen Uberlieferungszweig. Um 1344 hat H. die Chronik in Konstanz u¨ berarbeitet und in die Gestalt eines 25. Buches der Historia gebracht. Mit Quellenmaterial, bestehend vor allem aus Nachrichten und Kanzleigut, das er seit 1338 gesammelt hatte, setzte er diese dann fort und f¨uhrte sie in der Folge fortlaufend weiter mit ihm wichtigen Ereignissen aus dem Reich und der Region. Seine Aufzeichnungen in kurzen Erz¨ahleinheiten sind sprachlich anspruchslos und folgen der Annalenform in st¨arkerem Maße, als es beim ersten Teil der Fall ist. Die Annalen brechen 1361 ¨ unvermittelt ab. In der Uberlieferung sind sie mit ¨ Uberschriften gegliedert, die von H. selbst stammen k¨onnten. Um die Genauigkeit seiner Angaben war H. sehr bem¨uht. Er nennt gelegentlich Gew¨ahrsleute, wodurch sein Text einen hohen Quellenwert gewinnt. Vom urspr¨unglichen Vorhaben einer prim¨aren Kirchen- und Papstgeschichte ist H. allerdings graduell abgewichen. Den Konflikt mit Ludwig dem Bayern beschreibt er aus kurialer Perspektive, die aber eine Kritik am avignoneser Papsttum nicht ausschließt. Die Auswirkungen der Auseinandersetzung auf den su¨ dwestlichen Raum des Reiches behielt er dabei stets im Auge. Von Karl IV. erhoffte er eine Reform des Reiches, gab aber seine anf¨angliche Begeisterung f¨ur Karl auf, den die Chronik zun¨achst als neuen Alexander preist. Bei aller Ausgewogenheit in der Darstellung und seinen Urteilen ist H. indes nicht unparteiisch sondern letztlich dem Papsttum verpflichtet. In der regionalen Berichterstattung wahrt er den kapitularen Standpunkt und stellt dabei die B¨urger der Stadt Konstanz oder die Mendikanten negativ dar. W¨ahrend die Chronik heute eine wichtige Quelle f¨ur Schwaben und die Schweiz im 14. Jh. darstellt, ist eine breitere zeitgen¨ossische Rezeption nicht nachgewiesen. Benutzt wurde sie vom Autor 426

2. H¨alfte 14. Jh. der → Konstanzer Weltchronik und im 15. Jh. von Felix → Fabri in der Historia Suevorum. ¨ Uberlieferung: Einzige vollst. Hs. mit dem Konstanzer zweiten Teil ab 1338: M¨unchen, BSB, Clm 21259 (Ulm. 59) Bl. 265–296 (davor ab Bl. 243 die Chron. des Bartholom¨aus v. Lucca) (Perg., 14. Jh.). – 1. Tl. bis 1337: Rom, Bibl. Apostolica Vaticana, Cod. Vat. lat. 3766 (15. Jh.); einen Text nach dieser Hs. bietet: Paris, Bibl. Nationale, Ms. Baluze 56 (17. Jh.). – Rom, Bibl. Apostolica Vaticana, Cod. Barb. lat. 2661 (15. Jh., mit Abschr. aus dem 16. Jh.). – Mailand, Bibl. Ambrosiana, Cod. C 285 (18. Jh.). Ausgaben: Karl Adolf Constantin von H¨ofler: Chron. des H. T. v. D. 1342–1362 (Beitr. zur Gesch. B¨ohmens 1,2 [Beilage]). Prag 1865. – Heinricus de D. und andere Geschichtsquellen Deutschlands im sp¨ateren MA (Fontes rerum Germanicarum 4). Hg. aus dem Nachlasse Johann Friedrich Boehmer’s v. Alfons Huber. Stuttgart 1868, S. 16–26. – Georg Modestin: H. v. D. Chron. In Vorbereitung f¨ur MGH SS. – Nur 1. Tl.: Lodovico Antonio Muratori: Rerum italicarum Scriptores Bd. 11. Mailand 1723, Sp. 1210–1216. – Etienne Baluze: Vitae paparum Avenioensium. Hoc est Historia Pontificum Romanorum qui in Gallia sederunt ab anno Christi MCCCV usque ad annum MCCCXCIV. Bd. 1. Paris 1693; 2. Aufl. v. Guillaume Mollat. Paris 1914, S. 171–177, 216–222. Literatur: Georg v. Wyß, ADB 5 (1877) S. 148 f. – Friedrich Schaltegger, HBLS 2 (1924) Sp. 718 f. – Sabine Kr¨uger, NDB 3 (1957) S. 662 f. – Katharina Colberg, VL2 3 (1981) Sp. 708–710. – Karl Schnith, LexMA 4 (1989) Sp. 2090. – Ludwig Vones, LThK3 4 (1995) Sp. 1379 f. – Brigitte Hotz, HLS 3 (2004) S. 720 f. – Andreas Bihrer, Encyclopedia of the Medieval Chronicle 1 (2010) S. 767 f. – Josef Ludwig Aebi: H., der T. v. D., der Zeitbuchschreiber. In: Der Geschichtsfreund 32 (1877) S. 133–220. – Henry Simonsfeld: Zur Historiographie des 14. Jh. 1.: Die Chron. H.s v. D. 2.: Zur Kirchengesch. des Tolomeo v. Lucca. In: Forschungen zur dt. Gesch. 18 (1878) S. 299–314. – Ottokar Lorenz: Deutschlands Geschichtsquellen im MA seit der Mitte des dreizehnten Jh. Bd. 1. Berlin 3 1886, S. 84–92, 160; Bd. 2 31887, S. 404. – Albert Werminghoff: H. v. D. als Bewerber um die Dompropstei zu Konstanz. In: Zs. f¨ur die Gesch. des Oberrheins 50 (NF 11) (1896) S. 115–141. – Gustav C. Knod: Dt. Studenten in Bologna (1289–1562). Biogr. Index zu den Acta nationis Germanicae 427

Konigsfeldener ¨ Chronik Universitatis Bononiensis. Berlin 1899. – Regesta episcoporum Constantiensium. Bd. 2, bearbeitet v. Alexander Cartellieri. Innsbruck 1905. – Rudolf Wegeli: Die Truchsessen v. D. In: Thurgauische Beitr. zur vaterl¨andischen Gesch. 47 (1907) S. 124–155. – G. Mollat: Etude critique sur les Vitae paparum Avenionensium d’E. Baluze. Paris 1917, ¨ S. 13–17. – Ludwig Schmugge: Zur Uberl. der Historia ecclesiastica nova des Tholomeus v. Lucca. In: DA 32 (1976) S. 495–545. – Repertorium fontium historiae medii aevi. Bd. 5 (1984) S. 422 (Henricus dapifer). – Peter Moraw: Politische Sprache und Verfassungsdenken bei ausgew¨ahlten Geschichtsschreibern des dt. 14. Jh. In: Geschichtsschreibung und Geschichtsbewußtsein im sp¨aten MA (Konstanzer Arbeitskreis f¨ur Ma. Gesch. Vortr¨age und Forschungen 31). Sigmaringen 1987, S. 695–726. – B. Hotz: Die Truchsessen v. D. und das Konstanzer Domkapitel zu Beginn des Grossen Schismas. In: Itinera 16 (1994) S. 60–73. – B´eatrice Wiggenhauser: Klerikale Karrieren. Das l¨andliche Chorherrenstift Embrach und seine Mitglieder im MA. Z¨urich 1997, S. 372–376. – Christiane Schuchard: Die p¨apstlichen Kollektoren im sp¨aten MA (Bibl. des Dt. Hist. Inst. in Rom 91). Tu¨ bingen 2000, S. 263 f. – A. Bihrer: Der Konstanzer Bischofshof im 14. Jh. Herrschaftliche, soziale und kommunikative Aspekte (Residenzenforschung 18). Ostfildern 2005, S. 523–529. – G. Modestin: ‹Facta est magna strages›. Der Konstanzer Domherr H. v. D. und die zeitgen¨ossische Historiographie des Laupenkrieges. In: Freiburger Geschichtsbll. 85 (2008) S. 33–67. – Ders.: H. v. D., Marquard v. Randegg und der Grosse Drache – Avignon, 11. April 1337. In: Schweizerische Zs. f¨ur Gesch. 59 (2009) S. 329–341. – Ders.: Eine ‹coniuratio› gegen Kaiser Karl IV. und das Schweigen des Chronisten. H. v. D. ¨ als Historiograph Herzog Rudolfs IV. von Osterreich (1357–1361). In: Studia Mediaevalia Bohemia 2/1 (2010) S. 7–24. VZ Konigsfeldener ¨ Chronik. – Dt. Chronik, um 1388. Die K. C. entstand um 1388 im Franziskanerkloster K¨onigsfelden/Aargau. Ihr urspr¨unglicher Autor ist unbekannt, die Originalhandschrift verloren. Auf die heute verschollene Abschrift des Clevi → Fryger von 1442 folgten 1479/80 bis Ende des 15. Jh. weitere Abschriften. Nach heutiger Kenntnis bestand die K. C. aus zwei Teilen. Der erste Teil schilderte in 30 Kapiteln und beginnend mit K¨onig 428

Totenklage auf Engelhart von Hirschhorn Rudolf I. (1218–1291) die Geschichte der Habsburger, außerdem die Gr¨undung K¨onigsfeldens, die historisch eng mit den Habsburgern verkn¨upft war. Gegenstand des zweiten Teils mit 31 Kapiteln war die Vita der K¨onigin Agnes von Ungarn (um 1281–1364), die als Witwe des ungarischen K¨onigs Andreas III. ihre letzten Lebensjahre in K¨onigsfelden verbrachte. Zu den Quellen der K. C. z¨ahlten zun¨achst a¨ltere, u. a. o¨ sterr. Aufzeichnungen von etwa 1340 und 1365/66, aus denen besonders chronikalische Informationen u¨ ber das Geschlecht der Habsburger stammen. Der Verfasser der K. C. bediente sich auch bei dem sog. Colmarer Dominikanerchronisten und vielleicht bei Johann von Winterthur. Die K. C. selbst diente noch bis ins 16. Jh. ¨ Chroniken als Quelle, so der Osterreichischen Landeschronik (sp¨ates 14. Jh.) des → Leopold von Wien, der Austrie principum chronici epitome triplex (1476) des Heinrich → Gundelfingen und der Zimmerischen Chronik (um 1565) des Froben Christoph von Zimmern. ¨ Uberlieferung: Die Hs. Frygers v. 1442 war lange in Berner Privatbesitz und ist heute verschollen. – Bern, Burgerbibl., cod. A 45, (Pap., 1479/80; Abschrift des Clemens Specker von Sulgen; Kopie davon: Bern, Burgerbibl., Cod. Hist. Helv. VI.74). – London, British Library, Add. Ms. 16579 (Ende 15. Jh.; Teilabschrift). – Berlin, SBB, Mgf 615 (18. Jh.; Abschrift). Ausgabe: Martin Gerbert: De translatis Habsburgo-Austriacorum principum eorumque coniugum cadaveribus ex ecclesia cathedrali Basiliensi et monasterio Koenigsfeldensi in Helvetia ad conditorium novum monasterii St. Blasii in silva nigra. St. Blasien 1772, S. 87–113. Literatur: Erich Kleinschmidt, VL2 5 (1985) Sp. 106 f.; 11 (2004) Sp. 870. – Joseph Seem¨uller: Zur Kritik der K. C. (Sb. der Akad. der Wiss. in Wien, phil.-hist. Kl. 147/2). Wien 1904. – Ders.: Die Quellen. In: MGH Dt. Chron. VI (1909) S. CCLX–CCLXII. – Joseph Ferdinand R¨uegg: Heinrich Gundelfingen. Ein Beitr. zur Gesch. des dt. Fr¨uhhumanismus und zur L¨osung der Frage u¨ ber die urspr¨ungliche K¨onigsfelderchron. Freiburg/Schweiz 1910, S. 105–107. – Ernst Klebel: Die Fassungen und Hss. der o¨ sterr. Annalistik. In: Jb. f¨ur Landeskunde von Nieder¨osterreich NF 21 (1928) S. 43–185. – Beat R. Jenny: Graf Froben Christoph v. Zimmern. Geschichtsschreiber, Erz¨ahler, Landesherr. Lindau/Konstanz 429

2. H¨alfte 14. Jh. 1959, S. 140–143, 228 f. – Alphons Lhotsky: Quel¨ lenkunde zur ma. Gesch. Osterreichs. Graz/K¨oln 1963, S. 321 f. – Repertorium fontium historiae medii aevi 3. Hg. Istituto Storico Italiano per il Medio Evo. Rom 1970, S. 362 f. – E. Kleinschmidt: Die Colmarer Dominikaner-Geschichtsschreibung im 13. und 14. Jh. Neue Handschriftenfunde und ¨ Forschungen zur Uberlieferungsgesch. In: DA 28 (1972) S. 371–496, hier S. 432–434. – Johannes Janota: Orientierung durch volkssprachige Schriftlichkeit (1280/90–1380/90) (Gesch. der dt. Lit. v. den Anf¨angen bis zum Beginn der Neuzeit 3/1). T¨ubingen 2004, S. 46, 56, 401. – Bernhard Stettler: Die sog. Klingenberger Chron. des Eberhard W¨ust, Stadtschreiber v. Rapperswil. St. Gallen 2007, S. 36. MM Totenklage auf Engelhart von Hirschhorn. – Ehrenrede, zweite H¨alfte 14. Jh. Nach einer Anrufung Gottes und Marias (mit Bez¨ugen auf das Passionsgeschehen) bittet der anonyme Sprecher der 76 Verse umfassenden Rede um Erbarmen f¨ur den Widmungstr¨ager, wohl Engelhart I. (gest. 1361). Eine Tatenerz¨ahlung im eigentlichen Sinne fehlt. Der ausf¨uhrliche, hyperbolische Preis des Verstorbenen ber¨uhrt dessen Verdienste als Ritter sowie seine als exemplarisch hervorgehobenen Herrschertugenden (Freigebigkeit und Gastfreundschaft gegenu¨ ber den Bed¨urftigen, Wahrhaftigkeit gegen¨uber den Vertragspartnern, Weisheit als Ratgeber hoher F¨ursten). In diesem Rahmen handelt es sich bei den Versen 64 f. «wann in der f¨ursten or | sein weise zung macht su¨ ßen sank» wohl nicht um die Kennzeichnung Engelharts als (Minne-)S¨anger, wie die a¨ ltere Forschung meinte, sondern um das metaphorische Lob seiner F¨ahigkeiten als Berater. An Stelle der sonst u¨ blichen Wappenblasonierung bietet der Schlussvers («Ey klymmender lew von Altzey») vermutlich den Schlachtruf Engelharts, dessen heraldische Komponente sich entweder auf seine N¨ahe zu den Pfalzgrafen (und Herren von Alzey), oder auf Engelharts m¨utterliche Linie der Liebesberger bezieht. ¨ Uberlieferung: Karlsruhe, LB, Hs. Donaueschingen 112, 170v–172r (Pap., 15. Jh.). Ausgabe: Ein schoen alt Lied von Grave Friz von Zolre, dem Oettinger, und der Belagerung von Hohen Zolren, nebst noch etlichen andern Liedern. Also zum ersten mal, guten Freunden zu Lust und Lieb, in druk ausgegeben durch den alten 430

2. H¨alfte 14. Jh. Meister Sepp, auf der alten Meersburg [d. i. Joseph von Lassberg]. o. O. 1842, S. 39–41. – Theodor Nolte: Lauda post mortem. Die deutschen und niederl¨andischen Ehrenreden des Mittelalters. Frankfurt/M. 1983, S. 188–191. Literatur: Theodor Nolte, VL2 9 (1995) Sp. 986f. – Eva Kiepe-Willms: Zu Egen von Bam¨ berg, Engelhart v. Hirschhorn und Konrad Ottinger. In: ZfdA 101 (1972) S. 285–288. – Nolte (s. Ausg.) S. 134–140. JK Floreke, Nikolaus (Klaus), * um 1310 L¨uneburg, † 1378/80 L¨uneburg. – Notar, Chronist. F. wurde in L¨uneburg 1355 Ratsnotar sowie Stadtschreiber und 1356 Rektor der HeiliggeistKapelle im dortigen Ratshaus. Auch war er Vikar in Bardowick (um 1366) und L¨uneburg. 1363 ist er im Gefolge eines Ratsherrn beim Hansetag in L¨ubeck nachgewiesen. Neben Urkunden und weiteren juristischen Dokumenten schrieb F. um 1370 wahrscheinlich auch eine Hochzeitsordnung f¨ur L¨uneburg. Nennenswert sind aber vor allem seine Eintragungen im a¨ltesten Stadtbuch L¨uneburgs, dem 1290 begonnenen Donatus burgensium antiquus (auch Liber Civitatis). Dieses enth¨alt zwischen Rats- und B¨urgerlisten auch F.s nd. Beschreibung der ersten Phase des L¨uneburger Erbfolgekriegs von 1369 bis 1374. F. berichtet die Ereignisse aus Sicht des Rats, dessen Privilegien er an keiner Stelle anzweifelt. Seine Darstellung ist kurz und schmucklos, besitzt aber als einzige zeitgen¨ossische Quelle zum L¨uneburger Erbfolgekrieg großen historischen Wert. ¨ Uberlieferung: L¨uneburg, Stadtarch., AB 1 (sog. Liber Civitatis oder Donatus burgensium antiquus) S. 189–202 (Perg., 1290–1399). – L¨uneburg, Stadtarch., AB 231 (sog. Registrum privilegiorum) 15vb, 16ra–16vb, 19vb–20vb (1412, Abschr. v. Nikolaus Kule; davon eine sp¨atere Abschr. in ebd., AB 232). – Vgl. auch Reinecke 1903 (s. Ausg.). Ausgaben: Urkundenbuch zur Gesch. der Herz¨oge v. Braunschweig und L¨uneburg und ihrer Lande. Bd. 3. Hg. v. Hans Sudendorf. Hannover 1862, Nr. 435, S. 294–299 (Mikrofilm-Ausg. SUB G¨ottingen 2000). – Urkundenbuch der Stadt L¨uneburg. Hg. v. Wilhelm F. Volger. Bd. 1, Hannover 1872, S. 422; Bd. 2, ebd. 1875, S. 39, 97, 164, 190. – L¨uneburgs a¨ltestes Stadtbuch und Verfestungsregister (Quellen und Darstellungen zur Gesch. Niedersachsens 8). Hg. v. Wilhelm Reinecke. Hannover u. a. 1903, S. 198–208 (Mikrofiche-Ausg. SUB 431

Floreke G¨ottingen 2000). – Die Chron. der nieders¨achs. St¨adte: L¨uneburg (Chron.dt.St. 36). Hg. v. W. Reinecke. Stuttgart 1931 (Nachdr. G¨ottingen 1968) S. 3–20. – Droste 2009 (s. Lit.) S. 74–81 (mit ¨ Ubers.). Literatur: Uta Reinhardt, VL2 2 (1980) Sp. 749; 11 (2004) Sp. 447. – De Boor/Newald 4/1 (21994) S. 154, 768. – J¨orn-Wolfgang Uhde: Die L¨uneburger Stadtschreiber v. den Anf¨angen bis zum Jahre 1378. Diss. Hamburg 1977, S. 161–186. – Hans-Joachim Ziegeler: Ehe, Recht und o¨ ffentliche Gelder. Zu N. F.s Entwurf einer L¨uneburger Hochzeitsordnung (ca. 1370). In: Ordnung und Lust. Bilder v. Liebe, Ehe und Sexualit¨at in Sp¨atMA und Fr¨uher Neuzeit. Hg. v. Hans-J¨urgen Bachorski. Trier 1991, S. 45–69. – H.-J. Ziegeler: Der L¨owe hinter Gittern. Lit. in L¨uneburg um 1400. In: Literarische Interessenbildung im MA. DFG-Symposion 1991. Hg. v. Joachim Heinzle. Stuttgart u. a. 1993, S. 280–300 (wieder in: H.J. Ziegeler: Orte der Lit. Schr. zur Kulturgesch. des sp¨aten MA und der Fr¨uhen Neuzeit. Hg. v. Gerald Kapfhammer. K¨oln u. a. 2009, S. 1–24). – Heiko Droste: Schreiben u¨ ber L¨uneburg. Wandel v. Funktion und Gebrauchssituation der L¨uneburger Historiographie (1350 bis 1639). Hannover 2000, S. 49–52 u. o¨ . – Ders.: Narrationen des Rechts. Der L¨uneburger Erbfolgekrieg in der Darstellung N. F.s. In: In: Gesch. schreiben. Ein Quellen- und Studienhb. zur Historiografie (ca. 1350–1750). Hg. v. Susanne Rau/Birgit Studt. Berlin 2010, S. 73–84. MM Kempensen (Keppensen). – Liederdichter. K. ist nur durch seine Eigennennung in einem nd. Lied nachgewiesen. Er bezeichnet sich darin als Knappen und war m¨oglicherweise am L¨uneburger Erbfolgekrieg beteiligt. In dem Lied besingt er mit großer Direktheit ein Ereignis aus diesem Krieg: ¨ den gescheiterten Uberfall der Truppen von Herzog Magnus II. auf L¨uneburg im Oktober 1371. Da ¨ der Uberfall sich in der sog. Ursulanacht ereignete, enth¨alt der Text auch eine Anrufung der heiligen Ursula. Die heute bekannte Textgestalt mit ihren 16 f¨unfzeiligen Lindenschmidt-Strophen ist erst seit dem 16. Jh. schriftlich u¨ berliefert. ¨ Uberlieferung: L¨uneburg, Stadtarch., AB 1119, 78v–79v. – Ebd., AB 1116 a, 131r–132r (zweite H¨alfte 16. Jh., sog. Tzerstede-Chron.). – Sowie weitere nachma. Handschriften. Ausgaben: Alte hoch- und nd. Volkslieder 1. Hg. v. Ludwig Uhland. Stuttgart/Tu¨ bingen 432

Suchenwirt 1844 (Nachdr. Hildesheim 1968) S. 401–404 (Nr. 159). – Wilhelm Havemann: Gesch. der Lande Braunschweig und L¨uneburg 1. G¨ottingen 1853, S. 498–501. – Die hist. Volkslieder der Deutschen vom 13. bis 16. Jh. 1. Hg. v. Rochus v. Liliencron. Leipzig 1865 (Nachdr. Hildesheim 1966) 79–81. – Die Chron. der nieders¨achs. St¨adte: L¨uneburg (Chron.dt.St. 36). Hg. v. Wilhelm Reinecke. Stuttgart 1931 (Nachdr. G¨ottingen 1968) S. 22–25. Literatur: K[arl] Bartsch, ADB 15 (1882) S. 625. – Uta Reinhardt, VL2 4 (1983) Sp. 1114 f.; 11 (2004) Sp. 836. – De Boor/Newald 4/1 (21994) S. 189. – Reinecke 1931 (s. Ausg.). – Ulrich M¨uller: Unters. zur politischen Lyrik des dt. MA (GAG 55/56). G¨oppingen 1974, S. 202 u. o¨ . MM

Kolner ¨ Prosa-Kaiserchronik. – Chronik eines wohl in der zweiten H¨alfte des 14. Jh. t¨atigen anonymen Verfassers. In dem zum Typus der Weltreichschroniken mit Schwerpunkt auf der Darstellung der Geschichte der r¨omisch-dt. Kaiser und K¨onige geh¨orenden Text werden K¨oln und seine Erzbisch¨ofe besonders hervorgehoben. Anfang und Schluss fehlen. Der erhaltene Teil setzt mit der Schilderung der j¨udischen K¨onige nach Salomo ein und endet mit einem Hinweis auf das Rostocker F¨urstentreffen im Jahr 1311. Die Chronik ist inhaltlich und formal an der → S¨achsischen Weltchronik ausgerichtet; weitere Quellen waren lat. Weltchroniken (→ Frutolf von Michelsberg, → Ekkehard von Aura, → Martin von Troppau u. a.) sowie Werke der lokalen Historiographie (vor allem Chronica regia Coloniensis). ¨ Uberlieferung: Mu¨ nchen, BSB, Cgm 691, ra 17 –278vb (Pap., K¨oln [?], drittes Viertel 15. Jh., ripuarisch). Ausgabe: Abdruck von Bl. 249r–278v bei Cardauns (s. Lit.). Literatur: Hartmut Beckers, VL2 5 (1985) Sp. 60 f. – Hermann Cardauns: Eine dt. K¨olner Kaiserchron. In: Hist. Jb. der G¨orres-Ges. 2 (1881) S. 416–445. – Gabriele v. Olberg-Haverkate: Zeitbilder – Weltbilder. Volkssprachige Universalchronistik als Instrument kollektiver Memoria. Eine textlinguistische und kulturwissenschaftliche Unters. (Berliner Sprachwissenschaftliche Stud. 12). Berlin 2008, S. 552–558. BJ 433

2. H¨alfte 14. Jh. Teuffenbeck, Heinrich, † 2.11.1389 Schliersee/ Obb. – Kanoniker im Kollegiatstift Schliersee. T. ist seit 1378 urkundlich als Kanoniker im Kollegiatstift Schliersee bezeugt. Er t¨atigte mehrere Stiftungen und ließ u. a. die als Grabst¨atte der Kanoniker dienende Peterskapelle bauen. T. verfasste das Chronicon Schlierseense seu brevis historia de ortu, fundatione, benefactoribus et praediis antiquissimae ecclesiae collegiatae Schlierseensis. Eine kurze Stiftsgeschichte berichtet nach einer knappen R¨uckschau auf die karolingische Fr¨uhzeit als Benediktinerkloster von der Umwandlung zu¨achst in ein Chorherrenstift (1141), dann in ein Kollegiatstift (um Mitte 13. Jh.?). Im Wesentlichen besteht das Werk jedoch aus einer Aufz¨ahlung von weltlichen und geistlichen Wohlt¨atern und Tradenten Schliersees. Die geschenkten G¨uter werden erw¨ahnt, T.s eigene Stiftungen stark hervorgehoben. ¨ Uberlieferung: 1. Lat. Fassung: a. M¨unchen, Hauptstaatsarch., Klosterliteralien Schliersee 4, 1r–14r (14. Jh.). – b. Ebd., Klosterliteralien Schliersee 5, S. 1–25 (15. Jh.). – 2. Dt. Fassung: c. Ebd., Klosterliteralien Schliersee 4/I, unpaginiert (16. Jh.). – d. Ebd., Klosterliteralien Schliersee 4/II, 17. Jh. – e. Hs. aus Schliersee/Unser Lieben Frauen M¨unchen (verloren). Ausgaben: Joseph v. Obernberg: Hist. Abh. v. dem uralten Benediktinerkloster, und nachmaligem Chorstifte Schliers in Oberbayern, verfaßt im Jahre 1788 [...]. In: Neue hist. Abh. der baierischen Akad. der Wiss. Bd. 2. Mu¨ nchen 1804. 3. Abt., S.1–144 (lat.). – Andreas Felix Oefele, in: Rerum Boicarum Scriptores 1. Augsburg 1763, S. 377–385 (dt., nach Hs. e mit starken Verderbnissen). Literatur: Peter Johanek, VL2 9 (1995) Sp. 730–733. – Obernberg (s. Ausg.). – Hubert Vogel: Schliersee, seine Grundherrschaft und seine Vogtei. Diss. Mu¨ nchen 1939, S. 90 f. – Repertorium fontium historiae medii aevi. Bd. 3 (1970) S. 444. – Norbert Backmund: Die Kollegiat- und Kanonissenstifte in Bayern. Windberg 1973. – Karl Brunner: Die Zwettler ‹B¨arenhaut›. Versuch einer Einordnung. In: Geschichtsschreibung und Geschichtsbewußtsein im sp¨aten MA. Hg. v. Hans Patze (Vortr¨age und Forschungen 31). Sigmaringen 1987, S. 649 f. BJ Suchenwirt, Peter. – Verfasser k¨urzerer Reimpaartexte. – Zweite H¨alfte 14. Jh., zuletzt in Wien. Zwischen 1377 und 1395 ist S. in mehreren Archivalien mit Frau und Kindern in Wien nachweisbar. Die Lage seines Hauses inmitten denen anderer 434

2. H¨alfte 14. Jh. Hofangestellter legt nahe, dass auch er w¨ahrend dieses Zeitraums am Hof Herzog Albrechts III. ¨ von Osterreich (1349/50–1395) t¨atig gewesen ist. M¨oglicherweise war er zuvor als Fahrender unterwegs – dies legen die Inhalte einzelner Werke (Von dem Pfennig), die Konturierung mancher Erz¨ahlerfigur (Der Minne Schlaf) sowie der sprechende Name «Suchenwirt» nahe, der wohl (wie bei den Sangspruchdichtern des 13. Jh.) als K¨unstlername mit der Bedeutung «(Ich) suche einen Gast- bzw. Auftraggeber» aufzufassen ist. Die meisten der S. zugeschriebenen Werke schließen mit diesem Namen in Form einer Verfassersignatur. In welcher Beziehung der Dichter, vor allem vor 1377, zu den jeweils erw¨ahnten historischen Personen stand, ist unsicher (z. B. Ludwig von Ungarn oder Markgraf Ludwig von Brandenburg). Die 52 Reimpaardichtungen (mit jeweils etwa 60 bis 600, insgesamt rund 12.200 Versen) entstanden den Ereignissen zufolge, auf die sie Bezug nehmen, im Zeitraum zwischen etwa 1365 und 1402. Dazu geh¨oren neben politischen Reden, Minnereden, artifizieller Poesie und einem Marienpreisgedicht (1540 Verse) nach dem Vorbild → Konrads von W¨urzburg vor allem rund 25 panegyrische Ehrenreden sowie Totenklagen auf verstorbene Adlige, u. a. auf K¨onig Ludwig von Ungarn, Herzog Heinrich von K¨arnten, Herzog Albrecht II. und ¨ Herzog Albrecht III. von Osterreich, Burggraf Albrecht von N¨urnberg, Graf Ulrich von Cilli, Ulrich von Wallsee, aber auch auf den Teichner, deren Gebrauchssituation, etwa im Rahmen der Begr¨abnisfeier oder des Jahresgedenkens, noch genauer zu beschreiben bleibt. Weil sie verschiedenen Herren aus weit auseinander liegenden Herrschaftsgebieten gewidmet sind, glaubt man, dass Suchenwirt sie teilweise w¨ahrend seiner Zeit als Fahrender angefertigt haben m¨usse, doch standen die meisten Gepriesenen in so engem Kontakt zum Wiener Hof (einige geh¨orten der Rittergesellschaft St. Georg an), dass auch dieser als Auftraggeber und Adressat in Frage kommt. In Wien entstanden auch, noch zu Lebzeiten des Autors und vermutlich unter des¨ sen Mitwirken, die a¨ ltesten Uberlieferungstr¨ ager, ¨ allen voran Cod. 13045 der Osterr. Nationalbibliothek (A). Weitere zentrale Textzeugen liegen in der Zisterzienserabtei Schlierbach, Cod. I,27 (B; von 1625, enth¨alt zahlreiche in A fehlende Werke) und in Wien, Cod. 10100 (C; von 1620), dazu kommt eine breite Streu¨uberlieferung, vor allem der Minnereden. 435

Suchenwirt Die Ehrenreden folgen dem u¨ berkommenen stereotypen Aufbau: Einleitung, Hauptteil mit Charakterbeschreibung, Aufz¨ahlung der Taten des Verstorbenen («argumentum a gestis»: topische Schilderung von kriegerischen Auseinandersetzungen, Aufz¨ahlung von L¨ander-, St¨adte- u. Personennamen), Namensnennung, Preisformel und F¨urbitte, Schluss mit Wappenbeschreibung und Autorsignatur. Losgel¨ost vom jeweiligen Entstehungsanlass und -zweck (Memoria) k¨onnen S.s Klage- und Lobreden als eine Art «Ritterspiegel» gelesen werden, der dem Adel Anweisungen f¨ur rechtes Verhalten bereitstellt. Individuell gestaltet sind sie vor allem sprachlich und rhetorisch. Da die panegyrischen Texte auch kurze Blasonierungen der Wappen der gepriesenen Personen enthalten, gilt S. in Literatur- und Geschichtswissenschaft als der erste namentlich bekannte Herold innerhalb des dt. Sprachraums. Doch auch wenn zahlreiche Parallelen zu den Wappen- und Ehrenreden des fl¨amischen Herolds Gelre (Beyeren) daf¨ur sprechen, dass S. diesen kannte, und obwohl sich in seinen Texten die a¨ ltesten literarischen Belege f¨ur die Bezeichnung «Herold» («erald») im deutschsprachigen Schrifttum finden, gibt es f¨ur eine Heroldst¨atigkeit S.s keinen Beleg, zumal in Rechnungsb¨uchern derselben Zeit andere Herolde im Dienst des Wiener Hofes erscheinen. Sowohl als Fahrender als auch w¨ahrend seiner Besch¨aftigung am Hof war der Berufsdichter im ¨ Bereich der Offentlichkeitsarbeit t¨atig, offenbar als Reimsprecher und Publizist, als Laienprediger und Propagandist, vielleicht sogar als Diplomat und Politiker, vermutlich auch als Schreiber und Rezitator. Neben den Ehrenreden und Totenklagen hat S. weltliche und geistliche Reimpaargedichte mit laienkatechetischer Funktion (Die sieben Freuden Mari¨a, Die zehn Gebote und Weiteres), politische Ereignisdichtungen (Von Herzog Albrechts Ritterschaft u¨ ber die Preußenfahrt Albrechts III., Der Rat von dem Ungelt uber ¨ die Einf¨uhrung der Weinsteuer von 1365 usw.) und F¨urstenspiegel (Aristoteles R¨athe, Vom W¨urfelspiel, Von dem Pfennig) sowie minneallegorische Erz¨ahlungen (Der Minne Schlaf, Die sch¨one Abenteuer, Die Minne vor Gericht u. a.), rhetorische Finger¨ubungen (Aequivocum, Der FreundSinn) und Parodien (Ehrenrede auf Gumolf Lapp von Ernwicht) angefertigt. Dabei bediente er sich der gesamten Bandbreite poetischer Darstellungsmittel. Vorbilder waren daf¨ur u. a. → Wolfram von Eschenbach, Konrad von W¨urzburg oder Heinrich 436

Suchenwirt der Teichner, nachgewirkt hat S. unter anderem bei → Hugo von Montfort, Michael → Beheim oder Hans → Schneider. S.s Werke stehen im Kontext der volkssprachigen und lateinischen, weltlichen ¨ wie geistlichen Dichtung und Ubersetzungsliteratur im Umfeld von Universit¨at, Hof und den Kl¨ostern in und um Wien («Wiener Schule»), sodass eine Klassifizierung des Berufsdichters als Herold der Vielfalt seines dichterischen Gesamtwerks nicht gerecht wird. Ausgaben: P. S.’s Werke aus dem vierzehnten Jahrhunderte. Hg. v. Alois Primisser. Wien 1827. Nachdr. Wien 1961. – Godfried Edmund Friess: F¨unf unedirte Ehrenreden P. S.s. In: Sb. der phil.hist. Classe der kaiserlichen Akad. der Wiss. 88 (1877). Wien 1878, S. 99–126. – ‹Vom W¨urfelspiel›. In: Liederbuch der Clara H¨atzlerin. Hg. v. Carl Haltaus. Quedlinburg/Leipzig 1840. Nachdr. mit Nachw. v. Hanns Fischer. Berlin 1966. – Wolfgang Achnitz: P. S.s Reimtraktat ‹Die zehn Gebote› im Kontext deutschsprachiger Dekaloggedichte des MA. Mit Textedition und einem Abdruck der Dekalog-Auslegung des Johannes K¨unlin. In: Beitr. zur Gesch. der dt. Sprache und Lit. 120 (1998) S. 53–102. Literatur: W. Uhl, ADB 37 (1894) S. 774–780. – De Boor/Newald 3/2 (1987) 43–47 u. o¨ . – Claudia Brinker-von der Heyde, VL2 9 (1995) 481–488. – Wolfram H¨orandner, LexMA 8 (1997) Sp. 280 f. – Wolfgang Achnitz, Killy2 11 (2011) S. 383–385. – ¨ August Koberstein: Uber die Sprache des o¨ sterr. Dichters P. S. Naumburg 1842 – Franz Kratochwil: ¨ Uber den gegenw¨artigen Stand der S.-Hss. In: Germania 34 (1889) S. 203–244, 303–345, 431–487. – Joseph Seem¨uller: Chronologie der Gedichte P. S.s. In: ZfdA 41 (1897) S. 193–233 – Otfried Weber: P. S. Stud. u¨ ber sein Wesen und sein Werk. Greifswald 1937. – Hans Rupprich: Das Wiener Schrift¨ tum des ausgehenden MA (Sb. der Osterr. Akad. der Wiss., Phil.-hist. Kl., 228/5). Wien 1954. – ¨ Hans Blosen: Uberlegungen zur Text¨uberl. und zur Textgestaltung bei einem Gedicht von P. S. In: Kolloquium u¨ ber Probleme altgermanistischer Editionen. Hg. v. Hugo Kuhn u. a. Wiesbaden 1968, S. 123–132. – Tilo Brandis: Mhd., mnd. und mndl. Minnereden. Verz. der Hss. und Drucke. M¨unchen 1968. – Walter Blank: Die dt. Minneallegorie. Gestaltung und Funktion einer sp¨atma. Dichtungsform. Stuttgart 1970. – Eberhard L¨ammert: Reimsprecherkunst im Sp¨atMA. Eine Unters. der Teichnerreden. Stuttgart 1970. – Ingeborg Glier: 437

2. H¨alfte 14. Jh. ¨ Artes amandi. Unters. zu Gesch., Uberl. und Typologie der dt. Minnereden. Mu¨ nchen 1971. – Ulrich Mu¨ ller: Unters. zur politischen Lyrik des dt. MA. G¨oppingen 1974. – Stephanie Cain Van D’Elden: P. S. and Heraldic Poetry. Wien 1976. – Margaretha Ruckt¨aschel-Gorschenek: Historisches und Sozialkritisches in der deutschsprachigen Dichtung des Sp¨atMA, dargestellt am Beispiel P. S.s. Diss. M¨unchen 1977. – Lotte Kurras: ‹Der F¨ursten Warnung›. Ein unbekanntes Wappengedicht P. S.s? In: ZfdA 108 (1979) S. 239–247. – Theodor Nolte: Lauda post mortem. Die dt. und ndl. Ehrenreden de MA. Frankfurt/M. u. a. 1983. – Claudia Brinker: ‹Von manigen helden gute tat›. Gesch. als Exempel bei P. S. Bern u. a. 1987 (mit Bibliogr.). – Walter Kleindel (unter Mitarb. v. Hans Veigl): Das Große Buch der ¨ Osterreicher. Namen, Daten, Fakten. Wien 1987. – Thomas Cramer: Gesch. der dt. Lit. im sp¨aten MA. M¨unchen 1990 (3., aktual. Aufl. 2000). – Felix Czeike: Hist. Lex. Wien. Bd. 5. Wien 1997, S. 395. – Silvia Schmitz: Das Ornamentale bei P. S. und seinen Zeitgenossen. Zu strukturellen Zusammenh¨angen zwischen Herrschaftsrepr¨asentation und poetischem Verfahren. In: H¨ofische Repr¨asentation. Das Zeremoniell und die Zeichen. Hg. v. Hedda Ragotzky/Horst Wenzel. T¨ubingen 1990, S. 279–302 – H. Blosen: Literarischer Text im Gebrauch. S.s Reimpaarrede vom ‹W¨urfelspiel› in protestantischer Umformung. In: ‹Durch aubenteuer muess man wagen vil›. Hg. v. Wernfried Hofmeister/Bernd Steinbauer. Innsbruck, S. 19–26. – W. Achnitz, 1998 (s. Ausg.). – Ders.: Die schlafende Minne. Die Rezeption der Kunstauffassung Konrads von W¨urzburg bei P. S. In: Euphor. 96 (2002) S. 349–368 – Christian Lackner: Hof und Herrschaft. Rat, Kanzlei und Regierung der o¨ sterr. Herz¨oge (1365–1406). Wien/M¨unchen 2002. – H. Blosen: Lekt¨ure ma. Hss. als Problem – aus der Sicht des Editionsphilologen. In: ‹In tiutscher zungen rehtiu kunst›. Hg. Horst P. P¨utz/Gerhard Schildberg-Schroth. Frankfurt/M. 2003, S. 9–25. – Christian Schneider: Hovezuht. Literarische Hofkultur und h¨ofisches Lebensideal um Herzog Al¨ brecht III. von Osterreich und Erzbischof Pilgrim II. von Salzburg (1365–1396). Heidelberg 2008. – W. Achnitz: Die gest¨orte Hochzeit. Lit. und Gesch. in den Ehrenreden des vermeintlichen Herolds P. S. In: Ma. Lit. und Kultur im Deutschordensstaat in Preußen – Leben und Nachleben. Hg. v. Sieglinde Hartmann/Gisela Vollmann-Profe/Jarosław Wenta. Toru´n 2008, S. 483–498. WA 438

2. H¨alfte 14. Jh. Leopold von Wien (Leupoldus von Wienna) ¨ ¨ OSA, * um 1340 Osterreich. – Ubersetzer von historiographischen Schriften und Pilgerliteratur, Chronist (?). L. geh¨orte dem Wiener Konvent der Augustinereremiten an und ist 1368 in Klosterneuburg als Terminarius belegt. Vermutlich im Anschluss studierte er am Generalstudium des Ordens in Paris, wo er Lektor wurde und vielleicht auch theologischer Baccalaureus. Vor 1377 unternahm L. eine Reise nach Rom. Seit 1377 ist er als Lektor am Wiener Generalstudium und 1377/78 als Prior seines Heimatkonvents bezeugt. An der 1384 eingerichteten Theologischen Fakult¨at der Universit¨at Wien war er in der Lehre t¨atig, setzte aber auch seine eigenen Studien fort. L. geh¨orte zum akademisch-geistlichen Kreis um ¨ den Hof Herzog Albrechts III. von Osterreich als dessen Hofkaplan er 1385 nachgewiesen ist. Im Februar dieses Jahres ersuchte Albrecht Papst Urban VI. um die Verleihung eines Benifiziums ohne Seelsorge an L. zur Belohnung f¨ur dessen Lehrt¨atig¨ keit und Ubersetzungen. Im Juli 1385 wurde L. vom Ordensgeneral zum «lector secundarius primo loco» am Wiener Generalstudium und im Dezember von Urban in Erf¨ullung des herz¨oglichen Gesuchs zum Ehrenkaplan ernannt. Dabei wird L. als «Licentiatus theologiae» bezeichnet. Identifikationsversuche L.s mit dem herzoglichen Hofkaplan L(e)utoldus Stainrueter/-reuter (1378/79 an der Wiener Universit¨at bezeugt) und dem Priester Leupoldus Ulrici (1386 Baccalaureus artium) halten ¨ einer eingehenden Uberpr¨ ufung kaum stand. F¨ur den Hofmeister Hans von Liechtenstein u¨ bersetzte L. zwei lat. Pilgerschriften ins Deutsche. Von der stat ze Jerusalem ist eine stark k¨urzende ¨ Ubertragung der Descriptio terra sanctae des Philippus, und Von der rais des pergs Synai hatte einen Text zur Vorlage, der wahrscheinlich auf eigenen Erlebnissen des Bruders des Hofmeisters, Hertel von Liechtenstein, beruhte. Auch der Traktat Von der Stat ze Rom, der auf 1377 datiert ist und in ¨ ¨ ONB, Cod. 3490 den beiden anderen Ubersetzungen vorausgeht, k¨onnte von L. stammen. Er ist ¨ eine Kompilation aus Ubersetzungen u. a. aus den → Mirabilia Romae und → Martin von Troppau sowie eigenen Reiserlebnissen des Verfassers. ¨ Im Auftrag Herzog Albrechts schuf L. eine Ubersetzung der Historia (ecclesiastica) tripartita Cassiodors (einer im MA weit verbreiteten Chronik¨ Kompilation lat. Ubersetzungen aus Sokrates Scholastikos, Sozomenos und Theodoretos), die er 1385 439

Leopold von Wien ¨ abschloss. Der Ubersetzung geht eine «lobrede» an Albrecht in Versen voran, gefolgt von einer Prosavorrede, die mit einigen Reimen abschließt. Autornennungen finden sich in beiden Einleitungstei¨ len. Die Ubersetzung ist frei, verzichtet aber weitgehend auf K¨urzungen und f¨ugt dem CassiodorText auch wenig hinzu. ¨ Zwei weitere Zuschreibungen von Ubersetzungen an L. (oder L. Stainreuter) gelten heute als wi¨ derlegt oder zumindest zweifelhaft: Die dt. Ubertragung des Rationale divinorum officiorum des Wilhelm → Durandus aus dem Jahr 1384 d¨urfte von einem Anonymus aus dem Wiener Kreis stammen. Dort d¨urfte auch der Urheber einer dt. Version des F¨urstenspiegels des Aegidius Romanus (Zum e p˚uch von ordnung der fursten) zu suchen sein, f¨ur die gleichsam L. als Verfasser erwogen worden ist ¨ (vgl. → F¨urstenspiegel nach Agidius Romanus). Nicht zu belegen ist ferner L.s Urheberschaft f¨ur die → Chronik von den 95 Herrschaften. ¨ Uberlieferung: Von der Stat ze Rom/Von der stat ze Jerusalem/Von der rais des pergs Synai: Wien, ¨ ONB, Cod. 3490, 90r–94v/94v–102r/102r–103r (Pap., Ende 14. Jh., bair.-¨osterr.); «Von der Stat ze Rom» auch in: Trient, StB, Cod. 2131, S. 87–122 (Pap., 1432, mittelbair.). – Historia tripartita (dt.): Berlin, SBB, Mgf 1109, 291 Bll. (Perg., 14. Jh., bair.-¨osterr., aus der Bibl. der F¨ursten v. Starhemberg auf Riedegg). Ausgaben: Von der Stat ze Rom/Von der stat ze Jerusalem/Von der rais des pergs Synai: Josef Haupt: ¨ Philippi liber de terra sancta in der dt. Ubersetzung des Augustiner Lesemeister Leupold vom ¨ Jahre 1377. In: Osterr. Vierteljahrschrift f¨ur kath. Theol. 10 (1871) S. 517–526/526–539/539 f. – Descriptio terrae sanctae (lat.): Wilhelm Anton Neumann: Philippi Descriptio Terrae Sanctae. In: ebd. 11 (1872) S. 28–78, 165–174. – Historia tripartita (dt.): Christine Boot: Cassiodorus’ Historia ecclesiastica tripartita in Leopold Stainreuter’s German translation Ms germ. fol. 1109 (Amsterdamer Publ. zur Sprache und Lit. 29/30). 2 Bde. Amsterdam 1977. – Heilig (s. Lit.) S. 275–282 (nur Lob- und Vorrede). Literatur: Paul Uiblein, VL2 5 (1985) Sp. 716–723; 11 (2004) Sp. 920. – Norbert H. Ott, LexMA 8 (1997) Sp. 39 f. (Stainreuter, Leopold). – Sabine Schmolinsky, Killy2 7 (2010) Sp. 350 f. – Haupt (s. Ausg.) S. 511–517. – Neumann (s. Ausg.) S. 20–28. – J. Haupt: Philippi liber de terra sancta oder Hertels v. Lichtenstein 440

Ernst von Kirchberg Pilgerb¨uchlein dt. v. Leupolt Augustiner. Wien 1872. – Franz Martin Mayer: Unters. u¨ ber die o¨ sterr. Chron. des Matth¨aus oder Gregor Hagen. In: Arch. f¨ur o¨ sterr. Gesch. 60 (1880) S. 195–342. – Karl Uhlirz: Quellen und Geschichtsschreibung der Stadt Wien, v. der Zeit der Landesf¨ursten aus Habsburgischem Hause bis zum Ausgange des MA (Gesch. der Stadt Wien 2,1). Wien 1900, S. 67–69. – Nikolaus Paulus: Gesch. des Ablasses im MA. Bd. 2: Vom Ursprunge bis zur Mitte des 14. Jh. Darmstadt 1923, 22000, S. 301–303. – Margarete Zirwes: Stud. zu den Pilgerb¨uchlein des Leopold Stainreuter. Diss. Wien 1953. – Hans Rupprich: Das Wiener Schrifttum des ausgehen¨ den MA (Osterr. Akad. der Wiss., Phil.-hist. Kl., Sb. 228, Abh. 5). Wien 1954, S. 154–156. – ¨ Alois Weißthanner: Ma. Rompilger. Zur Uberl. der Mirabilia und Indulgentiae urbis Romae. In: Archivalische Zeitung 49 (1954) S. 39–64, hier ¨ S. 43. – Alphons Lhotsky: Osterr. Historiographie ¨ (Osterreich-Arch. 12). Mu¨ nchen 1962, S. 38–43. – ¨ Ders.: Quellenkunde zur ma. Gesch. Osterreichs ¨ Erg.-Bd. 19). Graz/K¨oln 1963, S. 312–320, (MIOG 492 (Reg.). – Stanley Newman Werbow: ‹Die gemeine Teutsch›. Ausdruck und Begriff. In: ZfdPh 82 (1963) S. 44–63, hier S. 47–49, 58. – Gerard H. Buijssen (Hg.): Durandus’ Rationale in ¨ sp¨atmhd. Ubersetzung. Das vierte Buch nach der Hs. CVP 2765 (Studia Theodisca VI). Assen 1966, S. [5], [55]–[57], [67]. – Adolar Zumkeller: Manuskripte v. Werken der Autoren des Augustiner-Eremitenordens in mitteleurop¨aischen Bibl. (Cassiciacum 20). W¨urzburg 1966, S. 320–322 (Nr. 659–663). – Isnard Wilhelm Frank: Hausstudium und Universit¨atsstudium der Wiener Dominikaner bis 1500 (Arch. f¨ur o¨ sterr. Gesch. 127). Wien 1968, S. 128 f. – A. Lhotsky: Aufs¨atze und Vortr¨age Bd. 5: Aus dem Nachlaß. Hg. v. Hans Wagner/Heinrich Koller. Wien 1976, S. 392 und Reg. – Adalbero Kunzelmann: Gesch. der dt. Augustiner-Eremiten Bd. 3: Die bayer. Provinz vom Beginn der Neuzeit bis zur S¨akularisation (Cassiciacum 26,3). W¨urzburg 1975, S. 9 f. Anm. 23, 110 Anm. 390, 310 Anm. 1182. – Othmar Hageneder: Die Rechtsstellung des Machlandes im sp¨aten MA und das Problem der ober¨osterr. Landeswappen. In: Erlebtes Recht in Gesch. und Gegenwart. FS Heinrich Demelius. Hg. Werner Ogris/Gerhard Frotz. Wien 1973, S. 61–79, hier ¨ S. 76 f. – P. Uiblein: Die ersten Osterreicher als Professoren an der Wiener Theologischen Fakult¨at 441

2. H¨alfte 14. Jh. (1384–1389). In: Aspekte und Kontakte eines Kirchenhistorikers. Kirche und Welt in ihrer Bewegung (Wiener Beitr. zur Theologie 52). Hg. v. Franz Loidl. Wien 1976, S. 85–101, hier S. 89 f. (wieder in: P. Uiblein: Die Univ. Wien im MA. Beitr. und Forschungen [Schriftenreihe des Universit¨atsarch. 11]. Hg. v. Kurt M¨uhlberger/Karl Kadletz. Wien 1999, S. 329–348, hier S. 338–341. – Georg Steer: Durandus, Wilhelm. In: VL2 2 (1980) Sp. 245–247, hier Sp. 246. – P. Uiblein: Die Quellen ¨ des Sp¨atMA. In: Die Quellen der Gesch. Oster¨ reichs (Schr. des Inst. f¨ur Osterreichkunde 40). Hg. v. Erich Z¨ollner. Wien 1982, S. 50–113, hier ¨ S. 100–103. – Rolf Sprandel: Ubersetzungsund Rezeptionsprobleme am Beispiel der steierischen Reimchron. In: Zweisprachige Geschichtsschreibung im sp¨atma. Deutschland (Wissenslit. im MA 14). Hg. v. dems. Wiesbaden 1993, S. 7–26. – Repertorium fontium historiae medii aevi 7 (1997) S. 195. VZ Ernst von Kirchberg. – Verfasser einer mhd. Reimchronik. Einer Familie niederhessischer Ritter entstammend, diente E. wahrscheinlich 1378/79 als Kanzleibeamter unter Herzog Albrecht II. von Mecklenburg-Schwerin (1318–1379); er ist zuletzt 1384 nachgewiesen. Sein einziges bekanntes Werk ist die von Albrecht beauftragte sog. Mecklenburgische Reimchronik. Sie enstand nach Angaben E.s seit dem 8.1.1378, m¨oglicherweise in Doberan. In Albrechts Todesjahr 1379 brach E. die Arbeit an der Chronik ab. Der Text ist als unvollendete, illustrierte Handschrift u¨ berliefert. Von den urspr¨unglich 28.000 Versen sind durch Blattverluste nur etwa 26.000 erhalten. Zeitlich mit der Zeit Karls des Großen ansetzend, schildert die Chronik die Geschichte der Obodritengebiete mit ihren Herrschern. Das Werk behandelt auch die F¨ursten von Werle und Rostock und endet 1374. Zwei Drittel der Chronik ¨ gelten als freie Ubertragung der Chronica Slavorum des → Helmold von Bosau. F¨ur den Zeitraum ab 1171 benutzte E. dann vor allem die → S¨achsische Weltchronik, die Chronica Slavorum des Arnold von L¨ubeck und die Doberaner Genealogie. Mag der Inhalt der Chronik auch weitgehend entlehnt sein, so zeigen Metrik und Reime durchaus eigene Qualit¨aten des Verfassers. Bedeutsam ist die Reimchronik als a¨lteste mecklenburgische F¨ursten- und Landeschronik. 442

2. H¨alfte 14. Jh. ¨ Uberlieferung: Schwerin, Landeshauptarch., 1.12–1 Chroniken, 1v–217v, 223r–223v (Perg., 1378/79, mitteldt.-nd., mit Reg.). Ausgaben: Monumenta inedita rerum Germanicorum praecipue Cimbricarum et Megapolensium IV. Hg. v. Ernst Joachim v. Westphalen. Leipzig 1745, S. 593–840. – Mecklenburgische Reimchronik. Hg. v. Christa Cordshagen/Roderich Schmidt. K¨oln u. a. 1997. – Online-Faks. Univ. Greifswald 2011. Literatur: [Friedrich] Schirrmacher, ADB 15 (1882) S. 788 f. – J¨urgen Petersohn, VL2 2 (1980) Sp. 618–620; 11 (2004) Sp. 418. – De Boor/Newald 4/1 (21994) S. 155, 768. – Werner Knoch: E. v. K., seine Herkunft und seine Auseinandersetzung mit der Sprache in der Mecklenburgischen Reimchronik. In: Mecklenburgische Jbb. 104 (1940) S. 1–100. – Roderich Schmidt: Zur Mecklenburgischen Reimchronik des E. v. K. In: FS Reinhold Olesch. Hg. v. Hans Rothe u. a. K¨oln/Wien 1990, S. 71–101. – W. Knoch: Wismar, Rostock und Heinrich II. von Mecklenburg 1310/4 nach der Reimchronik E. v. K.s (1378). In: Hansische Geschichtsbll. 110 (1992) S. 43–56. – Michaela Scheibe: Dynastisch orientiertes Geschichtsbild und genealogische Fiktion in der Mecklenburgischen Reimchronik des E. v. K. In: Schriftkultur und Landesgesch. Stud. zum su¨ dlichen Ostseeraum vom 12. bis zum 16. Jh. Hg. v. Matthias Thumser. K¨oln u. a. 1997, S. 23–62. – R. Schmidt: Mecklenburg und Pommern in der Reimchron. des E. v. K. (1378). In: Mecklenburg und seine Nachbarn. Hg. v. Helge bei der Wieden. Rostock 1997, S. 69–92 (wieder in: Ders.: Das hist. Pommern: Personen, Orte, Ereignisse. K¨oln u. a. 2007, S. 245–264). – Ders.: Die Herrschaft in Mecklenburg. Ihre Darstellung und Deutung in der Reimchronik des E. v. K. In: Ders.: Weltordnung – Herrschaftsordnung im europ¨aischen MA. Darstellung und Deutung durch Rechtsakt, Wort und Bild. Goldbach 2004, S. 319–350. – Die Buchmalerei in der Chron. des E. v. K. Ein Beitr. zu ihrer kunstgeschichtlichen Erforschung. Hg. v. Gerd Baier. Schwerin 2007. – Oliver Auge: Ma. und fr¨uhneuzeitliche Geschichtsschreibung als verl¨angerter Arm der Politik? Eine Spurensuche bei E. v. K., Albert Krantz und Nikolaus Marschalk. In: Mecklenburgische Jbb. 123 (2008) S. 33–60. MM Stromer, Ulman (Stromeir), * 6.1.1329 N¨urnberg, † 3.4.1407 N¨urnberg. – Verfasser von f¨ur 443

Stromer die N¨urnberger Chronistik grundlegenden Aufzeichnungen zur Familien-, Firmen-, Lokal- und Reichsgeschichte. S. entstammte einer reichen N¨urnberger Patrizierfamilie. Seit etwa 1360 leitete er zusammen mit seinen Br¨udern Peter und Andreas die im Montanwesen sowie im Draht-, Holz- und Baumwollgesch¨aft engagierte Stromersche Fernhandelsgesellschaft. Anzunehmen sind Aufenthalte in deren europ¨aischen Niederlassungen (Barcelona, Genua, Mailand, Br¨ugge und Krakau). Seit 1371 Mitglied des Rats der Reichsstadt N¨urnberg, u¨ bernahm S. verschiedene diplomatische Missionen und st¨adti¨ sche Amter: 1372–90 war er Pfleger des N¨urnberger Klarissenklosters, 1388 ‹Oberster Hauptmann› und begleitete 1390–96 als oberster Stadtbaumeister u. a. die Errichtung des ‹Sch¨onen Brunnens›. Mit seinem politischen Wirken sind der Beitritt N¨urnbergs zum ‹Rheinisch-Schw¨abischen St¨adtebund› (1384), die Opposition gegen Burggraf Friedrich V. im ‹St¨adtekrieg› (1388/89), aber auch Pogrome und Besitzaneignungen im Rahmen der sog. ‹Großen Judenschuldtilgung› (1385) verbunden. Im Jahr 1400 war er maßgeblich an der Absetzung K¨onig Wenzels beteiligt. Enge Beziehungen pflegte er zu den Pf¨alzer Wittelsbachern, vor allem als Finanzier und politischer Unterst¨utzer von Kurf¨urst Ruprecht II. und dessen Sohn, K¨onig Ruprecht. 1390 gr¨undete S. vor den Toren N¨urnbergs die erste Papierm¨uhle auf dt. Boden. Er starb in der N¨urnberger Pestepidemie 1406/1407. Nach eigenen Angaben hat S. um 1360 mit der Aufzeichnung zur Familien-, Firmen-, Lokalund Reichsgeschichte begonnen, die er mehrfach erg¨anzt und umgearbeitet hat. Autograph erhalten ist das von 1385/90 bis etwa 1403 gef¨uhrte Puechel von meim geslecht und von abentewr. Das Werk ist als Mischung von Chronistik, Familienbuch, Selbstzeugnis und kaufm¨annischem Handlungsbuch anzusprechen. S. hat hier offenbar in loser und unsystematischer Folge in ein ‹Pers¨onliches Memorialbuch› eingetragen, was auch immer ihm wichtig erschien: Notizen und Listen u. a. u¨ ber die Herkunft der Familie, u¨ ber Heiraten und Verwandtschaftsbeziehungen, Kinder und Enkel, u¨ ber Verstorbene, daneben u¨ ber Hausk¨aufe oder gesch¨aftlich relevante Sachverhalte (Z¨olle, Preise, Gewichte, M¨unzen). Das chronologische Ger¨ust bilden Berichte u¨ ber politische Ereignisse in der Stadt und im Reich zwischen 1349 und 1401. 444

Stromer S. schildert sie deutlich selektiv aus der Perspektive des N¨urnberger Rats, besonders milit¨arische Details und vertragliche Vereinbarungen zwischen Konfliktparteien finden seine Aufmerksamkeit. Auf seine eigene Rolle als einflussreicher Politiker und Finanzier in den beschriebenen Ereignissen geht er dagegen kaum ein. Am Schluss steht eine ‹Firmenchronik› der Stromerschen Papierm¨uhle sowie ein Verzeichnis der dort geleisteten Geselleneide. Neben dem autographen Puechel ist ein Fragment einer Umarbeitung (ebenfalls von S.s Hand) erhalten, in der er die Eintr¨age rudiment¨ar ordnet und die politischen und pers¨onlichen Angaben reduziert. Die zahlreichen sp¨ateren Abschriften und Bearbeitungen nutzen das Material mit je eigenen Akzentsetzungen. Die Mehrzahl von ihnen tilgt die famili¨aren und gesch¨aftlichen Angaben, f¨uhrt das Puechel auf reine Annalistik zur¨uck und integriert neues Material. In vielen Hss. wird die → Chronik aus Kaiser Sigmunds Zeit angeschlossen. Weitere Zeugnisse f¨ur die bis ins 17. Jh. reichende produktive Auseinandersetzung der Nu¨ rnberger Chronistik (vgl. auch → N¨urnberger Jahrb¨ucher des 15. Jh.; Heinrich → Deichsler) mit dem Puechel sind u. a. eine auf die genealogischen Eintr¨age konzentrierte Exzerptfassung durch den N¨urnberger Patrizier Hans Haller und eine lat. Teil¨ubertragung, die wom¨oglich von Hartmann → Schedel stammt. ¨ Uberlieferung: Die Fassungseinteilungen und -zuordnungen der bisherigen Forschung st¨utzen sich vor allem auf die Angaben bei Hegel (s. Ausg.) S. 12–18. Sie m¨ussten durch eine umfassende neuere Untersuchung und Darstellung der ¨ komplexen Uberlieferungsverh¨ altnisse ersetzt werden. 1. Puechel von meim geslecht und von abentewr: Das Autograph S.s. ist erhalten in N¨urnberg, Germ. Nationalmuseum, Hs. 6146, 1r–99v (Pap., ca. 1385–1402, N¨urnberg) = Hegel (s. Ausg.) Hs. C. – Als direkte Abschrift davon gilt die Hs. Wolfenb¨uttel, HAB, Cod. 19 Aug 4° (Pap., 15. Jh.) = Hs. W/C2. – Zwei weitere sp¨atere Hss. kopieren Hs. C seitengetreu mit allen Streichungen und L¨ucken: Bamberg, SB, J. H. Msc. hist. 62a (Pap., 16. Jh.) und N¨urnberg, Staatsarch., Rep. 52a (Reichsstadt N¨urnberg), Hs. Nr. 11b (fr¨uher Nr. 172) (Pap., 17. Jh.) = Hs. C3. 2. Vom Autograph der zweiten Redaktion ist nur noch ein Einzelblatt erhalten: Bamberg, SB, J. H. Msc. hist. 62 b (Pap., 14. Jh.). 3. Weitere Hss.: N¨urnberg, Staatsarch., Rep. 52a (Reichsstadt N¨urnberg), Hs. Nr. 11a (fr¨uher 445

2. H¨alfte 14. Jh. Nr. 173) (Pap., 15. Jh.) = Hs. A. – Ebd., Arch. der Freiherren Stromer von Reichenbach auf Burg Gr¨unsberg, B 17 (Pap., 1515), = Hs. A2. – Ebd., Arch. der Freiherren Stromer von Reichenbach auf Burg Gr¨unsberg, B 18 (Pap., 17. Jh.) = Hs. A3. – N¨urnberg, StB, Hs. Amb. 19. 4° (Pap., 16. Jh.) = Hs. A4. – N¨urnberg, Stadtarch., E 17/I, 848 (Pap., 1490, von der Hand Michael Behaims, der seine Vorlage von Hans Haller bezogen hat); wohl aus dieser Hs. ist eine Abschrift des 17./18. Jh. gezogen: Bamberg, SB, J. H. Msc. hist. 62, Bl. 113–122. – N¨urnberg, Germ. Nationalmuseum, Hs. 6147 (Pap., 1452–56) = Hs. a. – N¨urnberg, Staatsarch., Rep. 52a (Reichsstadt N¨urnberg), Hs. Nr. 54 (fr¨uher Nr. 59) (Perg., 1506) = Hs. a2; als Abschriften von dieser Hs. gelten Bamberg, SB, J. H. Msc. hist. 127 (Pap., 16 Jh.) und Fischbach bei N¨urnberg, Scheurl-Bibl./Familienarch., Nr. 306 (362), 1r–36r (Pap., fr¨uhes 16. Jh.) = Hs. a3. – Budapest, Nationalbibl., Cod. Germ. 57 64r–91v (Pap., 15. Jh.). – Dresden, SLUB, Mscr. H 206, Bl. 1r–38r (Pap., 15. Jh.). – Wolfenb¨uttel, HAB, Cod. 30.9 Aug. 2° 75r–93r (Pap., 16. Jh.). – W¨urzburg, UB, M. ch. f. 105, 221r–232r (Pap., 16. Jh.). 4. Hans Hallers Fassung: N¨urnberg-Großgr¨undlach, Archive der Freiherrn und Grafen Haller von Hallerstein, Hauptabt. Haller-Arch., Codex HansHaller III (CHH III), 54r–85v und 87r–89r (Pap., erste H¨alfte 16. Jh.). – Eine Abschrift des 17./18. Jh. aus dieser Hs. bietet Bamberg, SB, J. H. Msc. hist. 62, Bl. 123–128. Ausgaben: Ulman Stromers ‹Puechel von meim geslecht und von abentewr› 1349–1407. Hg. v. Karl Hegel. In: Die Chron. der fr¨ankischen St¨adte: N¨urnberg, Bd. 1 (Chron.dt.St. 1). N¨urnberg 1862 (Nachdr. 1961) S. 25–106 (mit gegen¨uber dem Autograph ver¨anderter Anordnung). – Ulman Stromer: P¨uchel von mein geslecht vnd von abentewr. Teilfaks. der Hs. 6146 des Germ. Nationalmuseums N¨urnberg. Kommentarband bearb. v. Lotte Kurras. Mit Beitr. v. Lore Sporhan-Krempel, Wolfgang Stromer von Reichenbach und Ludwig Veit. Hg. vom Verband Dt. Papierfabriken, Bonn 1990 (Ausz¨uge). Literatur: Lotte Kurras, VL2 9 (1995) Sp. 457–460. – Joachim Schneider, LexMA 8 (1997) Sp. 245 f. – Sabine Schmolinsky, Killy2 11 (2011) 354 f. – Georg Wolfgang Karl Lochner: Die a¨lteste vorhandene Hs. der N¨urnberger Chron. In: Anz. f¨ur Kunde der dt. Vorzeit, NF 1 (1853) Sp. 7–9. – Hegel (s. Ausg.) 446

2. H¨alfte 14. Jh. S. 1–20, 107–312. – Wilhelm E. Vock: U. Stromeir (1329–1407) und sein Buch. Nachtr¨age zur Hegelschen Ausg. In: Mitt. des Vereins f¨ur Gesch. der Reichsstadt N¨urnberg 29 (1928) S. 85–168. – Lotte Sporhan/Wolfgang v. Stromer/Gerhard Piccard: Die fr¨uheste Gesch. eines gewerblichen Unternehmens in Deutschland. In: Arch. f¨ur Gesch. des Buchwesens 4 (1961–63) S. 187–212. – W. v. Stromer: Obd. Hochfinanz 1350–1450. (Vierteljahresschr. f¨ur Sozial- und Wirtschaftsgesch., Beihefte 55–57) Wiesbaden 1970. – Urs M. Zahnd: Einige Bemerkungen zu sp¨atma. Familienb¨uchern aus N¨urnberg und Bern. In: N¨urnberg und Bern. Hg. v. Rudolf Endres. Erlangen 1990, S. 7–38. – Kurras (s. Ausg.). – Gunther Friedrich: Bibliogr. zum Patriziat der Reichsstadt N¨urnberg (N¨urnberger Forschungen). N¨urnberg 1994, S. 172–177. – Almut H¨ofert: Der Krieg in der Individualperspektive von reichsst¨adtischem Patriziat und Adel im Sp¨atMA. Die Beispiele N¨urnberg, Frankfurt und Georg v. Ehingen. In: Krieg und Verbrechen nach sp¨atma. Chron. Hg. v. Christoph Heiduk/Almut H¨ofert/Cord Ulrichs (Kollektive Einstellungen und sozialer Wandel im MA, NF 4). K¨oln 1997, S. 111–184, hier S. 123–138. – Thomas Cramer: Gesch. der dt. Lit. im sp¨aten MA. Mu¨ nchen 32000, S. 156 f. – Joachim Schneider: Typologie der N¨urnberger Stadtchronistik um 1500. In: St¨adtische Geschichtsschreibung Sp¨atMA und in der fr¨uhen Neuzeit. Hg. v. Peter Johanek. K¨oln/Weimar/Wien 2000, S. 181–203, bes. S. 183–187. – Klaus Wriedt: B¨urgerliche Geschichtsschreibung im 15. und 16. Jh. Ans¨atze und Formen. In: ebd., S. 19–50, bes. S. 19–22. – Thomas Zotz: Der Stadtadel im sp¨atma. Deutschland und seine Erinnerungskultur. In: Adelige und b¨urgerliche Erinnerungskulturen des Sp¨atMA und der Fr¨uhen Neuzeit. Hg. v. Werner R¨osener. G¨ottingen 2000, S. 145–161. – S. Schmolinsky: ¨ Selbstzeugnisse finden oder: Zur Uberl. erinnerter Erfahrung im MA. In: Self-Fashioning/Personen(selbst)darstellung. Hg. v. Rudolf Suntrup/Jan R. Veenstra. Frankfurt/M. u. a. 2003, S. 23–49, bes. S. 40 f. – Barbara Schmid: Schreiben f¨ur Status und Herrschaft. Dt. Autobiographik in Sp¨atMA und fr¨uher Neuzeit. Z¨urich 2006, bes. S. 67–71. – Birgit Studt: Erinnerung und Identit¨at. Die Repr¨asentation st¨adtischer Eliten in sp¨atma. Haus- und Familienb¨uchern. In: Haus- und Familienb¨ucher in der st¨adtischen Ges. des Sp¨atMA und der Fr¨uhen Neuzeit. Hg. v. ders. K¨oln/Weimar/Wien 2007, 447

Chronik von den 95 Herrschaften S. 1–31, bes. S. 6–8. – Peter Fleischmann: Rat und Patriziat in N¨urnberg. Die Herrschaft der Ratsgeschlechter vom 13. bis zum 18. Jh. Bd. 2: Ratsherren und Ratsgeschlechter (N¨urnberger Forschungen 31). N¨urnberg 2008, S. 947 f. – Carla Meyer: Die Stadt als Thema. N¨urnbergs Entdeckung in Texten um 1500 (MA-Forschungen 26). Ostfildern 2009, S. 115–124. – Dies.: Zur Edition der N¨urnberger Chron. in den ‹Chron. der dt. St¨adte›. In: Mitt. des Vereins f¨ur Gesch. der Stadt N¨urnberg 97 (2010) S. 1–29, bes. S. 5–8 und 13 f. JK Chronik von den 95 Herrschaften. – Anonym ¨ u¨ berlieferte Prosachronik zur Geschichte Osterreichs, sp¨ates 14. Jh. Die C. v. d. 95 H. (Titel nach der Ausgabe Seem¨uller; sp¨atma. Bezeichnung: Chronica patrie ¨ [Chronik des Landes Osterreich]) ist das umfangreichste o¨ sterreichische historiographische Werk der zweiten H¨alfte des 14. Jh und wird oft dem ¨ haupts¨achlich als Ubersetzer bekannten → Leopold von Wien zugesprochen. Die Chronik ist eine Kompilation aus prim¨ar dt. Vorlagen. Neben Leopold wurde u. a. Johann → Seffner als Autor vermutet, von dem aber lediglich die in einigen Textzeugen mit¨uberlieferte Lehre vom Streit herr¨uhrt, w¨ahrend etwa Heinrich → Gundelfingen einen Matth¨aus als Verfasser annahm. Auch wurden bei der Chronik stilistische Differenzen zu Leopolds ¨ Ubersetzung der Historia tripartita festgestellt, was freilich wiederum kein zwingendes Ausschlusskriterium f¨ur diesen darstellt. Festzuhalten ist, dass keine der rund 50 Handschriften eine Verfasserangabe tr¨agt. Die C. v. d. 95 H., 1380 begonnen und 1394 fertiggestellt, folgt als Weltchronik dem Muster der Minoritenchronik → Flores temporum und vereinigt Kaiser- und Papstgeschichte mit einer Ge¨ schichte Osterreichs, die in 95 Herrschaften gegliedert ist. Die 81 ersten Herrscher sind einer fiktiven Fabelf¨urstenreihe und die letzten dt. Chroniken entnommen. Die Fabelf¨urstenreihe nimmt in der Chronik breiten Raum ein. Sie ist frei erfunden ¨ und d¨urfte als Ur- und Fr¨uhgeschichte Osterreichs von Herzog Rudolf IV. angeregt worden sein, k¨onnte aber auch erst unter Albrecht III. entstanden sein. Zu den weiteren Vorlagen der Kompilation z¨ahlen das Chronicon Bohemiae des → Johannes de Marignolis und ab der 82. Herrschaft: das F¨urstenbuch des → Jan(s) von Wien (von Markgraf Albrecht-Adalbert bis Herzog Friedrich II.), die 448

Dietrich von Nieheim Steirische Reimchronik → Ottokars (Interregnum bis Herzog/K¨onig Albrecht I.) und die → K¨onigsfeldener Chronik (Nachrichten u¨ ber Albrechts Tod bis zu Herzog Rudolf IV.). Origin¨ar und daher von historisch besonderem Wert sind Berichte u¨ ber Albrecht III. und Leopold III. Eine Fortsetzung bis 1398 enth¨alt eine Totenklage zu Albrecht III. und einen Pilgerbericht u¨ ber Albrechts IV. Jerusalemfahrt von 1398. Rezeptionsspuren der C. v. d. 95 H. finden sich zun¨achst wenige: Im 15. Jh. erscheinen in ¨ der Uberlieferung zwei kleine, teils erweiterte lat. Ausz¨uge, im fr¨uhen 16. Jh. ein dritter. Umfangreicher und handschriftlich verbreiteter war ein Auszug mit Erweiterung bis 1439, der auf Thomas → Ebendorfer zur¨uckgeht (¨altester Textzeuge: Mu¨ nchen, BSB, Cgm 425, 1r–18r [zweite H¨alfte 15. Jh]). Ebendorfer hatte wohl zun¨achst eine lat. Teil¨ubersetzung erstellt und diese auf Anregung K¨onig Friedrichs III. in seine Cronica Austrie integriert. Friedrich selbst hat f¨ur ein Wappenbuch (Wien, Haus-, Hof- und Staatsarch., Cod. Weiß 84) und sp¨ater als Kaiser f¨ur die Wappenwand der St. Georgs-Kathedrale der Burg in Wiener Neustadt Wappen der Fabelf¨urstenreihe verwandt. Der humanistischen Quellenkritik hielt die Chronik indes nicht stand. Um 1453/55 hat Aeneas Silvius → Piccolomini die F¨alschung der Fr¨uhgeschichte in der C. v. d. 95 H. nachgewiesen. Diesem Urteil folgte → Ebran von Wildenberg in seiner Chronik der F¨ursten von Bayern und beruft sich dabei auf die Historia scholastica des → Petrus Comestor. Der Rezeption in sp¨ateren o¨ sterreichischen Geschichtswerken hat dieses Urteil indes keinen Abbruch getan. Eingang fand die C. v. d. 95 H. in Chroniken von Konrad → Gr¨unenberg, Heinrich Gundelfingen, → Albrecht von Bonstetten und Veit → Arnpeck. ¨ Uberlieferung: Mindestens 50 Hss. in zwei Red. (A und B); von Red. A sind nur zwei Text¨ zeugen bekannt, w¨ahrend die Uberl. v. B sich in zwei weitere Hauptgruppen, mehrere Untergruppen und Mischklassen verzweigt. Red. A: Chicago, UB, Ms. 978/978a (aus zwei Teilen zusammengebunden, vormals Schloss Podgora bei G¨orz, Bibl. der Grafen v. Attems), hier: 978, 2r–171r (Pap., 1456, bair.-o¨ sterr.). Auf 176r–178v enth¨alt die Hs. (nach Seffners Lehre vom Streit) den Schlussteil aus der vermutlich a¨ltesten Red. der Chronik, in der die Fabelf¨urstenliste noch fehlte (hg. v. Seem¨uller ¨ [s. Ausg.] S. 216 f.). – Wien, ONB, Cod. Ser. 449

2. H¨alfte 14. Jh. nova 4212, 1ra–146vb (Pap., erste H¨alfte 15. Jh., bair.-¨osterr.). – Zur Gesamt¨uberl. vgl. Seem¨uller (s. Ausg.) S. I–CCV; VL2 5 (1985) Sp. 721; 11 (2004) Sp. 920; Handschriftencensus (online). ¨ Ausgaben: Joseph Seem¨uller: Osterr. C. v. d. 95 H. (MGH Dt. Chron. 6). Hannover/Leipzig 1909. Nachdr. M¨unchen 1980. – Teilausg.: Hieronymus Pez: Scriptores rerum austriacarum veteres ac genuini. Bd. 1. Leipzig 1721, S. 204–424, 431–436. – ¨ Mathias Fuhrmann: Alt- und neues Osterreich, Oder Compendieuse Universal-Historie Von dem alt- und neuen, geist- und weltlichen Zustand dieses Lands. Bd. 4. Wien 1737, S. 3–48. Literatur: s. auch → Leopold von Wien. – Seem¨uller (s. Ausg.) S. I–CCCVII. – Konrad Josef Heilig: Leopold Stainreuter v. Wien, der Verfasser der sog. C. der 95 H. Ein Beitr. zur o¨ sterr. His¨ 47 (1933) S. 225–289. – toriographie. In: MIOG Christoph v. Steiger: Clemens Speckers illustrierte ¨ Hs. der Osterr. C. v. d. 95 H. In: Nobile claret opus. FS Ellen Judith Beer. Z¨urich 1986, S. 135–140. – Martin Wagendorfer: Horaz, die ¨ C. v. d. 95 H. und Friedrich III. Uberlegungen zum Widmungsbrief der Historia Austrialis des Aeneas Silvius de Piccolominibus. In: Hss., Histo¨ riographie und Recht. FS Winfried Stelzer (MIOG Erg.-Bd. 42). Wien/Mu¨ nchen 2002, S. 109–127. – ¨ Robert Giel: L. v. W.: Osterr. C. v. d. 95 H. ¨ In: Aderlaß und Seelentrost. Die Uberl. dt. Texte im Spiegel Berliner Hss. und Inkunabeln. Hg. v. Peter J¨org Becker/Eef Overgaauw. Mainz 2003, S. 434–436. – Renate Schweers: Albrecht v. Bonstetten und die vorl¨andische Historiographie zwischen Burgunder- und Schwabenkriegen (Stud. und Texte zum MA und zur fr¨uhen Neuzeit 6). M¨unster u. a. 2005, S. 137 f. – Georg Scheibelreiter: Die Wappenreihe der o¨ sterr. Fabelf¨ursten in der sog. C. v. d. 95 H. (um 1390). In: Ders: Wappenbild und Verwandtschaftsgeflecht. Kultur- und mentalit¨atsgeschichtliche Forschungen zu Heraldik und ¨ Erg.-Bd. 53). Wien/Mu¨ nchen Genealogie (MIOG 2009, S. 163–176. VZ Dietrich von Nieheim (Niem, Nyem), * um 1340 Brakel/Westfalen, † M¨arz 1418 Maastricht. – Jurist, Kurialbeamter, Schriftsteller. D. stammte aus einer beg¨uterten Familie; sein Vater war m¨oglicherweise Ratsherr in Brakel. Nach dem Erwerb des Baccalaureus der K¨unste in Avignon war D. seit 1370 Notar eines Rotarichters. 450

2. H¨alfte 14. Jh. 1376/77 hielt er sich im Umfeld von Papst Gregor XI. auf. Unter Urban VI. war D. seit 1378 als Abbreviator und Skriptor an der p¨apstlichen Kanzlei t¨atig. D. besaß Pfr¨unden in Bonn, K¨oln, L¨uttich, Minden und Maastricht. 1395 wurde er von Bonifaz IX. zum Elekt von Verden ernannt, trat sein Bischofsamt aber nie an. Obwohl er sich zeitweise in Verden aufhielt und in L¨uneburg 1396 eine Di¨ozesansynode veranstaltete, blieben die Widerst¨ande im lokalen Adel und Domkapitel zu groß. 1401 gab D. seine Ambitionen auf das Amt des Bischofs endg¨ultig auf. Im selben Jahr schrieb er sich ehrenhalber an der Universit¨at Erfurt ein. Daneben war er vor 1413 Rektor und M¨azen des r¨omischen Anima-Hospizes und stiftete ein Spital in Hameln. Den P¨apsten blieb er als kurialer Beamter verbunden, entwickelte sich aber zunehmend zum Konziliaristen. 1415 nahm er am Konzil in Konstanz teil. 1417 zog sich D. als Kanoniker nach Maastricht zur¨uck, wo er seine letzten Lebensjahre verbrachte. D. verfasste ein umfangreiches Korpus lat. Schriften, darunter amtliche, historische, juristische und kirchenpolitische Texte. Als Historiker bet¨atigte er sich zun¨achst in den Gesta Karoli Magni imperatoris (1398/99), einer Sammlung von Kollektaneen u¨ ber Karl den Großen, die Staufer und die Ottonen. Das Viridiarium imperatorum et regum Romanorum (1411) schildert die K¨onigs- und Kaisergeschichte zum Zweck der Herrscherinstruktion. D.s Cronica (1413/14) verarbeitet in Florenz gefundenen Privilegien zu einer historischen Darstellung. Nach 1413 entstand dann eine Kompilation von Akten und Briefen aus K¨onig Ruprechts Kanzlei sowie von Akten aus der Zeit vor dem Konzil von Pisa. D.s Historie de gestis Romanorum principum (1415) ist eine chronologische Darstellung der Geschichte der dt. Kaiser im Zeitraum von 918 bis 1313. D. widmete das Werk als F¨urstenspiegel dem dt. K¨onig Sigismund. D.s kirchenjuristischer und -politischer Hintergrund pr¨agte eine Reihe seiner Schriften. Sein Liber cancellarie (1380) war ein f¨ur die damalige Zeit aktualisiertes Handbuch der Kurialverwaltung, der Stilus palacii abbreviatus eine Zusammenfassung des Verfahrensrechts der Rota. Den Unionsverhandlungen war die Aktensammlung Nemus unionis (1408) gewidmet. D.s historische und kirchliche Interessen u¨ berschnitten sich in seiner Schismengeschichte De scismate (1409/10). De modis uniendi et reformandi ecclesiam (1410) besch¨aftigte sich wieder mit Fragen der Kircheneinheit und -reform, 451

Dietrich von Nieheim ebenso Avisamenta (1414). Außerdem hinterließ D. eine Reihe von Briefen. Als Sammler und Kenner historischer Dokumente sch¨opfte D. in seinen Schriften aus einem reichen Fundus von Quellen. Allerdings ist sein Werk nicht frei von Wiederholungen. Auch hat man ihn als ewig Unvollendeten kritisiert, der kaum einen wirklich endg¨ultigen Text hervorbrachte. Bei allen Defiziten z¨ahlt er aber zu den bedeutenderen Autoren im Umkreis der Kurie seiner Zeit. ¨ Uberlieferung: Bis heute existiert keine syste¨ ¨ matische Ubersicht der verstreuten lat. Uberl. Zu den Hss. einzelner Werke vgl. die Ausgaben. Ausgaben: Kleinere Werke und Werkverz. bei Heimpel 1932 (s. Lit.). – Einzelausgaben: D.s v. Niem Schreiben ‹de bono Romani pontificis regimine›. Hg. v. Daniel Rattinger. In: Hist. Jb. 5 (1884) S. 163–178. – Georg Erler: D.s v. Niem Schrift ‹Contra dampnatos Wiclivitas Pragae›. In: Zs. f¨ur vaterl¨andische Gesch. und Altertumskunde 43 (1885) H. 1, S. 178–198. – Ders.: D. v. N. (Theodericus de Nyem). Sein Leben und seine Schr. Leipzig 1887. Nachdr. Aalen 1977. – Die hist. Schr. D.s v. N. Hg. v. G. Erler. Leipzig 1887. – Der Liber cancellariae apostolicae vom Jahre 1380 und der Stilus Palatii abbreviatus. Hg. v. G. Erler. Leipzig 1888. Nachdr. Aalen 1971. – De scismate libri tres. Hg. v. G. Erler. Leipzig 1890. – Zwei Notizen aus der Trierer Stadtbibl. Hg. v. Heinrich Volbert Sau¨ 12 (1891) S. 507–544 (Fragm. erland. In: MIOG der Gesta Karoli Magni). – Dialog u¨ ber Union und Reform der Kirche 1410 (de modis uniendi et reformandi ecclesiam in concilio universali). Hg. v. Hermann Heimpel. Stuttgart 1933. Nachdr. Vaduz 1969. – Historisch-politische Schr. des D. v. N. (MGH Staatsschriften 5,1 und 5,2). Hg. v. Alphons Lhotsky u. a. 2 Bde. Hannover 1956 und 1980. Literatur: Theodor Lindner, ADB 23 (1886) S. 671–673 (unter Niem). – Hermann Heimpel, NDB 3 (1967) S. 691 f. – Joachim Leuschner, VL2 2 (1980) Sp. 140–144. – Katharina Colberg, LexMA 3 (1986) Sp. 1037 f. – Friedrich Wilhelm Bautz, BBKL 1 (1990) Sp. 1299 f. – Heribert M¨uller, LThK3 3 (1995) Sp. 242. – Ellen Widder, RGG4 2 (1999) Sp. 849. – Franz Bliemetzrieder: Zu D.s v. N. ‹Denkschr.› nach dem Tode Bonifaz’ IX. (1. Oct. 1404). In: Stud. und Mitt. aus dem Benediktiner- und Zisterzienserorden 23 (1902) S. 685 f. – Johann Baptist S¨agm¨uller: Dieterich v. N. hat den 5. Traktat seines ‹Nemus unionis› 452

Hermann von Lerbeck nicht ‹Colles reflexi›, sondern ‹Calles reflexi› betitelt. In: Hist. Jb. 25 (1904) S. 531–535. – Willem J. M. Mulder: D. v. N., zijne opvatting van het Concilie en zijne kroniek. Amsterdam 1907. – Alfons Fritz: Das Grab Karls des Großen nach den v. W. J. M. Mulder S. J. hg. Fragm. einer Chron. D.s v. N. In: Zs. des Aachener Geschichtsver. 30 (1908) S. 477–479. – Ferdinand Graf: Die Ablaßfrage und D. v. N. Freiburg i. Br. 1923. – H. Heimpel: Eine unbekannte Schr. D.s v. N. u¨ ber die Berufung der Generalkonzilien (1413/1414). Heidelberg 1929. – G¨unther Wrede: D. v. N. und das Stift Lemgo. In: Westf¨alische Zs. 88 (1931) H. 1, S. 186–195. – H. Heimpel: D. v. N. (ca. 1340–1418). M¨unster/ Westf. 1932. – Ders.: D. v. N. In: Westf¨alische Lebensbilder 5. Hg. v. Aloys B¨ome u. a. M¨unster/ Westf. 1935, S. 176–192. – A. Lhotsky: Viridiarium imperatorum et regum Romanorum. In: Anz. der ¨ Osterr. Akad. der Wiss., phil.-hist. Kl. 85 (1948) S. 387–393 (wieder in: Ders.: Aufs¨atze und Vortr¨age 3. Hg. v. Hans Wagner/Heinrich Koller. Wien 1976, S. 111–116). – Karl Pivec: Quellenanalysen ¨ 58 (1950) S. 386–440. – zu D. v. N. In: MIOG Ders./H. Heimpel: Neue Forschungen zu D. v. N. In: Nachrichten der Akad. der Wiss. in G¨ottingen, phil.-hist. Kl. 4 (1951) S. 1–122. – Ernest F. Jacob: D. of N. In: Ders.: Essays in the Conciliar Epoch. Manchester 1953, S. 24–43, 241–244. – Sabine Kr¨uger: Die Darmst¨adter Hs. des D. v. N. In: DA 12 (1956) S. 200–220. – K. Colberg: Eine Briefslg. aus der Zeit K¨onig Ruprechts. In: FS H. Heimpel 2. Hg. v. Mitarb. am Max-PlanckInst. f¨ur Gesch. G¨ottingen 1972, S. 540–590. – A. Lhotsky: ‹Viridiarium imperatorum et regum Romanorum.› Ein bisher unbekanntes Hauptwerk des D. v. N. In: Ders.: Aufs¨atze und Vortr¨age 3. Hg. v. H. Wagner/H. Koller. Wien 1976, S. 111–116. – ¨ K. Colberg: Die Uberlieferer v. 1411: D. v. N. und Johannes Stalberg. In: Eulenspiegel-Jb. 24 (1984) S. 63–74. – Thomas Vogtherr: Das Bistum Verden und seine Bisch¨ofe im Großen Schisma. In: R¨omische Quartalschr. f¨ur christliche Altertumskunde und Kirchengesch. 94 (1999) S.131–148. – T. Vogtherr: D. v. N. (um 1340–1418). 1395–1399 Elekt v. Verden. In: Die Bisch¨ofe des Heiligen R¨omischen Reiches 1198 bis 1448. Hg. v. Erwin Gatz. Berlin 2001, S. 842–843. – Matthias M. Tischler: Die ¨ ‹Divisio regnorum› v. 806 zwischen hsl. Uberl. und historiographischer Rezeption. In: Herrscher- und F¨urstentestamente im westeurop¨aischen MA. Hg. v. Brigitte Kasten. K¨oln u. a. 2008, S. 193–258. MM 453

2. H¨alfte 14. Jh. Hermann von Lerbeck (H. v. Minden; Hermannus de Lerbe[c]k[e], Lerbecius) OP, * Mitte 14. Jh., † nach 1404. – Lat. Chronist. Der bedeutendste sp¨atma. Historiograph seiner heimatlichen Region k¨onnte einem Ministerialengeschlecht aus dem Raum Minden oder einer st¨adtischen Mindener B¨urgerfamilie entstammen, die sich beide nach dem Dorf Lerbeck (heute zu Porta Westfalica) benannten. Um 1365 ist er in den Predigerkonvent St. Paul in Minden eingetreten, wo ihn sein a¨ lterer Klosterbruder → Heinrich von Herford zum Studium der Geschichte angeregt haben d¨urfte. 1391 erhielt H. von Bonifaz IX. die Ehrenw¨urde eines p¨apstlichen Kaplans, was seine mehrmalig bezeugten Aufenthalte am Hof der Schaumburger Grafen und auch eine Reise nach L¨ubeck plausibel macht. H. verfasste drei historiographische Werke. Als erstes wurde vermutlich die Widukind-Geschichte Cronica (Mindensis et) Wedechindi verfasst, die vor allem auf der Chronik Heinrichs von Herford sowie o¨ rtlichen Widukind-Sagen beruht haben d¨urfte. Das Werk ist verloren, wird aber in Geschichtswerken von Johann von Essen und Johann → Nederhoff zitiert. Der Catalogus episcoporum Mindensium ist um 1380 entstanden und stellt die erste Mindener Bistumsgeschichte (780–1379) dar. H. zog neben Nekrologien, Urkunden und Akten des Domes auch Mitteilungen aus anderen Kl¨ostern heran, st¨utzte sich zus¨atzlich auf die m¨undliche Tradition und f¨ur die sp¨atere Zeit auf eigene Anschauung. Die d¨unne Dokumentenlage f¨ur die Fr¨uhzeit verbreiterte er mit allgemeingeschichtlichen Darstellungen Heinrichs von Herford. Im Zentrum der Bistumschronik stehen die Verdienste der jeweiligen Bisch¨ofe und lokalgeschichtliche Ereignisse. Die allgemeine Kirchengeschichte kommt nur am Rande vor, die Reichsgeschichte so gut wie gar nicht. Da H. Texte aus den Vorlagen mitunter außerhalb ihres Kontextes stellt, w¨ortlich und unkommentiert u¨ bernimmt und dabei auf stilistische Anpassungen zugunsten eines homogenen Textes verzichtet, hat der Catalogus Defizite hinsichtlich der Lesefreundlichkeit. Die Chronik ist Bischof Otto III. gewidmet und wurde im 16. Jh. dreimal fortgesetzt. In die gleichsam lat. sog. J¨ungere Bischofschronik Heinrich Tribbes, die fr¨uher ebenfalls H. zugeschrieben wurde, ist der Catalogus integriert. Im Auftrag des Grafen Otto I. von Schaumburg und seines Bruders Bernhard begann H. um 454

2. H¨alfte 14. Jh. 1403/04 eine Geschichte des Adelshauses zu schreiben, das Chronicon comitum Schauwenburgensium. Die Chronik reicht von 1030 bis 1400 und ber¨ucksichtigt auch die Lokal-, Kirchen und Reichsgeschichte. Zur konkreten Familiengeschichte d¨urften H. nur wenige schriftliche Quellen vorgelegen haben. Nachgewiesene Vorlagen f¨ur die allgemeine Historie sind das Friesenprivileg Karls des Großen, die Slavenchronik → Helmolds von Bosau, → Vinzenz von Beauvais, → Heinrich von Herford, die Hamburger Annalen, Albert von Stade und die → S¨achsische Weltchronik. F¨ur die Zeit nach der dynastischen Aufspaltung des Hauses Schaumburg in mehrere Linien im 13. Jh. u¨ bernimmt H. die Perspektive des «J¨ungeren Hauses Schaumburg», in dessen Einflussbereich Minden lag und dem seine Auftraggeber angeh¨orten. In die J¨ungere Bischofschronik fand auch das Chronicon Eingang. Charakteristisch f¨ur H.s chronikalisches Gesamtwerk ist sein dezidiert formuliertes Bem¨uhen, nur verl¨asslich verb¨urgte Nachrichten aufzunehmen. Gelegentlich wird der einfache Prosastil durch zumeist selbst verfasste Verse aufgelockert. Das Chronicon wurde 1467, der Catalogus in der zweiten H¨alfte des 16. Jh. (nach 1556) ins Niederdeutsche u¨ bersetzt. ¨ Uberlieferung: Catalogus: Hannover, Staatsarch., Ms. T 5 und T 6 (14. und 17. Jh.); beide Hss. sind 1943 verbrannt. – Ebd., LB, Ms. XXII 1372 (17. Jh.). – Berlin, SBB, Ms. boruss. qu. 147, S. 1–3 (Mitte 15. Jh.), nur die Widmung. – Catalogus (nd.): Hannover, LB, Ms. XXII 1374 (16. Jh.). – Mu¨ nster, Staatsarch., Msc. VII Nr. 2433 (16. Jh.), Fragm. – Ebd., Msc. VII Nr. 3002, 11r–54r (16. Jh.). – Berlin, SBB, Ms. boruss. fol. 60 (Abschr. v. 1746). – Chronicon: Leipzig, UB, Ms. 1317, 218r–232v. – Hannover, LB, Ms. XXII 1463, 1r–39r. – B¨uckeburg, F¨urstl. Schaumburg-Lippische Hofbibl., Cod. Χ 3 (zweite H¨alfte 15. Jh.), Abschr. in: ebd., Cod. Χ 4 (1815). – Wolfenb¨uttel, HAB, Cod. 32.14 Aug. 2°, 49r–94r (16. Jh.). – Hannover, LB, Ms. XXII 1463, 41r–133v. – Chronicon (hochdt.): B¨uckeburg, F¨urstl. Schaumburg-Lippische Hofbibl., Cod. Χ 4 (1815). Ausgaben: Heinrich Meibom: Hermanni de Lerbeke Chronicon Comitum Schawenburgensium. Frankfurt/M. 1620 (VD17 12:114100L), S. 5–83 (‹Chronicon›), S. 85–126 (‹Catalogus›). – Nachdr.: Heinrich Meibom d. J.: Rerum germanicarum tomi tres, Bd. 2. Helmstedt 1688 (VD17 23:231265P), S. 489–548 (‹Chronicon›), S. 549–574 455

Hermann von Lerbeck (‹Catalogus›). – Klemens L¨offler: Die Bischofschroniken des MA. H. v. L.s Catalogus episcoporum Mindensium und seine Ableitungen (Mindener Geschichtsquellen 1). M¨unster 1917, S. 17–90. – Wilhelm Fuchs: H.s v. L. Schaumburgische Chron. in nd. Bearb. Nach einer Hs. des 15. Jh. Progr. des Gymnasiums zu B¨uckeburg 1872, S. 1–57. ¨ Ubersetzungen: Hans Rausch: H. v. L.s Chron. der Grafen von Schaumburg. In: Die schaumburglippische Heimat 11 (1951) S. 5–89. Literatur: Johann Karl v. Schr¨oder, NDB 8 (1969) S. 647 f. – Katharina Colberg, VL2 3 (1981) Sp. 1069–1071. – Rolf Sprandel, LThk3 4 (1995) Sp. 1443. – Jan Ulrich B¨uttner, Encyclopedia of the Medieval Chronicle 1 (2010) S. 778 f. – Paul Hasse: Zur Kritik der Schaumburger Grafenchron. H. v. L.s. In: Zs. der Ges. f¨ur die Gesch. der Herzogth¨umer Schleswig, Holstein und Lauenburg 4 (1873) S. 225–250. – K. L¨offler: Die Mindener Geschichtsschreibung des MA. In: Hist. Jb. 36 (1915) S. 271–305. – Gustav Engel: Geistiges Leben in Minden, Ravensberg und Herford w¨ahrend des 17. und 18. Jh. Tl. 1: Die Gesch.schreibung. In: 52. Jber. des Hist. Ver. f¨ur die Grafschaft Ravensberg (1938) S. 1–158. – Martin Krieg: Hss. der Mindener Chronistik im 16. und 17. Jh. In: Westf¨alische Zs. 107 (1957) S. 107–134. – Paul Renvert: Levold v. Northof, Ertwin Ertman(n) und H. v. L. als westf¨alische Geschichtsschreiber. In: Jber. des Hist. Ver. f¨ur die Grafschaft Ravensberg 59 (1959) S. 108–134. – Thomas Kaeppeli: Scriptores ordinis praedicatorum medii aevi. Bd. 2. Rom 1975, S. 225. – Repertorium fontium historiae medii aevi 5 (1984) S. 464. – Dieter Brosius: Der ‹Catalogus episcoporum Mindensium› und die ‹Cronica comitum de Schowenburg› des H. v. L. In: Geschichtsschreibung und Geschichtsbewußtsein im sp¨aten MA (Konstanzer Arbeitskreis f¨ur Ma. Gesch. Vortr¨age und Forschungen 31). Hg. v. Hans Patze, S. 427–445. – R. Sprandel: Chronisten als Zeitzeugen. Forschungen zur sp¨atma. Geschichtsschreibung in Deutschland (Kollektive Einstellungen und sozialer Wandel im MA NF 3). K¨oln u. a. 1994, S. 197, 200, 207 u. o¨ . – Klaus-Peter Schumann: Heinrich v. Herford. Enzyklop¨adische Gelehrsamkeit und universalhist. Konzeption im Dienste dominikanischer Studienbed¨urfnisse (Ver¨off. der Hist. Kommission f¨ur Westfalen 44). Mu¨ nster 1996, S. 219–221. – Markus Mu¨ ller: Die sp¨atma. Bis¨ tumsgeschichtsschreibung. Uberl. und Entwicklung (Arch. f¨ur Kulturgesch. Beihefte 44). K¨oln 456

Detmar von Lubeck ¨

2. H¨alfte 14. Jh.

u. a. 1998, S. 123–125. – Joachim Schneider: Zweisprachigkeit als eine Chance der Chronisten im Sp¨atMA. In: Die Geschichtsschreibung in Mitteleuropa. Projekte und Forschungsprobleme (Subsidia historiographica 1). Hg. v. Jarosław Wenta. Thorn 1999, S. 249–276, hier S. 265 f. – Gerda Maeck: Die Weltchron. des Albert v. Stade. Ein Zeitzeugnis des MA. Lehrte 2001, S. 308–310 u.¨o. – Helge Blanke: Das Recht als Mittel der Machtpolitik. Eine Unters. zur nordwestdt. Grafschaftschronistik im Sp¨atMA (Kollektive Einstellungen und sozialer Wandel im MA NF 6). K¨oln u. a. 2002, S. 19–27. – Oliver Plessow: Die umgeschriebene Gesch. Sp¨atma. Historiographie in M¨unster zwischen Bistum und Stadt (Mu¨ nstersche Hist. Forschungen 14). K¨oln 2006, S. 133, 136, 181, 256, 544. – Norbert Kersken: Auf dem Weg zum Hofhistoriographen. Historiker an sp¨atma. F¨urstenh¨ofen. In: Ma. F¨urstenh¨ofe und ihre Erinnerungskulturen (Formen der Erinnerung 27). Hg. v. Carola Fey u. a. G¨ottingen 2007, S. 141–166, hier S. 115 f., 132, 137. VZ

(Chron.dt.St¨adte 7). Leipzig 1869 (Nachdr. G¨ottingen 1962); Bd. 2. Hg. v. Max Dittmar/G. Hertel (Chron.dt.St¨adte 27). Leipzig 1899 (Nachdr. G¨ottingen 1967). – Hermann Maschek (Hg.): Dt. Chron. (Dt. Lit. Reihe Realistik des Sp¨atMA 5). Leipzig 1936 (Nachdr. Darmstadt 1964) S. 172–179 (Auszug). Literatur: Gundolf Keil, VL2 5 (1985) Sp. 1132–1142. – Volker Henn, LexMA 6 (1993) Sp. 79. – Hilkert Weddige/Ju¨ rgen Wolf, Killy2 7 (2010) S. 608 f. – Johannes B. Menke: Geschichtsschreibung und Politik in dt. St¨adten des Sp¨atMA. In: Jb. des K¨olnischen Geschichtsvereins 34/35 (1960) bes. S. 148–161. – R. William Leckie: To vromen de stad: Orosius: Heinrich v. Lammesspringe and the M. S. In: Euph. 85 (1991) S. 315–341. – J¨urgen Wolf: Die ‹S¨achsische Weltchron.› im Spiegel ihrer Hss. Mchn. 1997, bes. S. 200. – Robert Giel: M. S. In: Aderlaß und See¨ lentrost. Die Uberl. dt. Texte im Spiegel Berliner Hss. und Inkunabeln. Hg. v. Peter J¨org Becker/Eef Overgaauw. Mainz 2003, S. 433 f. BJ

Magdeburger Schoppenchronik. ¨ – Stadtchronik des 14./15. Jh. in mnd. Prosa. Der 1350 zum Sch¨offenschreiber berufene, aus dem nieders¨achsischen Kloster Lamspringe stammende Priester H(e)inrich von Lammespringe, der auch als Stadtschreiber des Rats t¨atig war, wird als Verfasser des Urtextes der M. S. angenommen. Die seinen Dienstherren gewidmete Chronik schrieb er zwischen 1360 und 1372 nieder. 1359/60 vertrat er die Stadt vor → Karl IV.; um 1373 gab er sein Amt auf. Bei der M. S. handelt es sich um eine Geschichte der Stadt Magdeburg von ihrer sagenhaften Gr¨undung durch Julius Caesar u¨ ber die Zeit Ottos I. und die Anf¨ange des Magdeburger Erzbistums bis in die Gegenwart des Autors. Heinrich benutzt u. a. mindestens zwei Versionen der weit verbreiteten → S¨achsischen Weltchronik. Die M. S., in die auch Anekdotenhaftes und geistliche Lieder eingegangen sind, ist inhaltlich und stilistisch sehr selbstst¨andig. 1373–1428 und 1450–68 wurde sie fortgesetzt, um 1500 im Auftrag Erzbischof Ernsts von Magdeburg hochdt. bearbeitet und 1565/66 abermals ins Hochdeutsche u¨ bersetzt. ¨ Uberlieferung: Zehn Hss. (davon vier nd.) des 15–17. Jh. bei Janicke (s. Ausg.) S. XLI–XLVII, und Dittmar/Hertel (s. Ausg.) S. XI. Ausgaben: Die Chroniken der nieders¨achsischen St¨adte. Magdeburg. Bd. 1. Hg. v. Karl Janicke

Detmar von Lubeck ¨ (Di[e]tmarus Gusterbeke Barvotus) OFM, † um 1395. – Lesemeister, Chronist. D. ist 1368–1380 als Lesemeister des Katharinenklosters zu L¨ubeck bezeugt und bis 1394 als dessen Mitglied. Seine in mehreren Bearbeitungsstufen erhaltene Chronik der Stadt L¨ubeck wurde von offizieller Seite initiiert: 1385 beauftragten ihn die Gerichtsherren Thomas Murkerke und Hermann Langhe mit der Fortschreibung der seit 36 Jahren (dem Zeitpunkt des ersten Ausbruchs der Pest in Deutschland) nicht weitergef¨uhrten, verlorenen → Stadeschronik (vgl. Johannes → Rode [Ruffus]). Den a¨ußeren Anlass zur Fortf¨uhrung der Chronik lieferte der L¨ubecker Knochenhaueraufstand. Dieser und weitere Ereignisse sollten eine Schilderung und Bewertung aus der Sicht des Rats erfahren, die L¨ubecker Stadtgeschichte insgesamt in einen reichs- und weltgeschichtlichen Kontext integriert werden. Die einzelnen Entstehungsschichten der drei differenzierbaren Detmar-Chroniken sind nicht zur G¨anze gekl¨art. Offen ist, ob D. auf eine Endfassung hinarbeitete, oder die einzelnen Redaktionen f¨ur unterschiedliche Gebrauchskontexte konzipiert wurden. Am Beginn steht wohl die Fortsetzung der Stadeschronik mit den Jahren 1350–86, sp¨ater von anderer Hand bis 1395 weitergef¨uhrt.

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2. H¨alfte 14. Jh. Die n¨achste Stufe scheint die Ausarbeitung von Material der Stadeschronik inklusive der eigenen Fortsetzung zu einer l¨ubischen Weltchronik von 1105 bis 1386 zu sein. Ihr stellte D. eine aus der → S¨achsischen Weltchronik entnommene Einleitung voran und st¨utzte sich ferner vor allem auf die Slavenchronik → Helmolds von Bosau, auf → Vinzenz von Beauvais (Speculum historiale) und die Reiseberichte des armenischen K¨onigs Haython. Die letzte Bearbeitungsstufe, die aus weiteren, nicht identifizierten Quellen sch¨opft, erweitert den Darstellungszeitraum auf 1101–1395. Außerdem wird D. ein kurzer Bericht u¨ ber die Streitigkeiten der Stadt und der Mo¨ nchskl¨oster mit Bischof Burchard von Serken und der Weltgeistlichkeit (1276–1319) zugeschrieben. Quelle von D.s Ausf¨uhrungen sind Urkunden sowohl der Stadt als auch des Katharinenklosters. ¨ Uberlieferung: Detmar-Chronik 1 (Fortsetzung der ‹Stadeschronik› bis 1386) (Bruchst¨ucke): Hamburg, SUB, Cod. hist. 33, 7r–37v (Pap., erste H¨alfte 15. Jh., nd.). – Ebd., Cod. hist. 94, 1r–61r (eingestreut in die ‹Nd. Chronik› Gert → Rinesberchs/ Herbord → Schenes, Pap., um 1430, nd.). – Detmar-Chronik 2 (1105–1386): L¨ubeck, StB, Ms. Lub. 2° 4, 12va–142ra (Pap., Mitte 15. Jh., nd.). – Hamburg, Bibl. der Patriotischen Ges., o. S. (vermutlich Mitte 15. Jh.; 1842 verbrannt). – DetmarChronik 3 (1101–1395): Eriwan, Mashtots Matenadaran, Ms. Lub. 2° 1 (vormals L¨ubeck, StB, Ms. Lub. 2° 1), 196 Bll. (Perg., sp¨ates 14. Jh., nd.). – Hamburg, SUB, Cod. hist. 33, 38v–155r (fragm., ab 1277; zur Hs. s. o.). – Bericht u¨ ber die Streitigkeiten der Stadt und der M¨onchkl¨oster mit der Weltgeistlichkeit: Hamburg, SUB, Cod. hist. 33, 191v–194r (s. o.). Ausgaben: Ferdinand Heinrich Grautoff: Chron. des Franciscaner Lesemeisters D. Nach der Urschrift und mit Erg. aus andern Chroniken. Bd. 1 (Die l¨ubeckischen Chroniken in nd. Sprache 1). Hamburg 1829. – Karl Koppmann: Die Chroniken der nieders¨achsischen St¨adte. L¨ubeck 1 und 2 (Chron.dt.St. 19 bzw. 26). Leipzig 1884/99 (Nachdr. G¨ottingen 21967) S. 195–597 bzw. S. 15–70, 79–116, 319–332 (Ber. u¨ ber die Streitigkeiten). Literatur: Olof Ahlers, NDB 3 (1957) S. 618 f. – Thomas Sandfuchs, VL2 2 (1980) Sp. 68 f.; 11 (2004) Sp. 346. – Hans Bernd Spiess, LexMA 3 (1986) Sp. 737. – De Boor/Newald 3,2 (1987) S. 450–452. – Heinz-Dieter Heimann, LThK3 3 (1995) Sp. 114. – Norbert H. Ott/Gerhard Wolf, 459

Twinger von Konigshofen ¨ Killy2 3 (2008) S. 8 f. – Christine Putzo, Encyclopedia of the Medieval Chronicle 1 (2010) S. 193 f. – Koppmann 1884/99 (s. Ausg.), Einleitungen zu den jeweiligen Abdrucken. – Friedrich Bruns: Reimar Kock. Der l¨ubische Chronist und sein Werk. In: Zs. des Ver. f¨ur L¨ubeckische Gesch. und Altertumskunde 35 (1955) S. 85–104. – Repertorium fontium historiae medii aevi 4 (1976) S. 180 f. – Klaus Wriedt: Geschichtsschreibung in den wendischen Hansest¨adten. In: Geschichtsschreibung und Geschichtsbewußtsein im sp¨aten MA (Konstanzer Arbeitskreis f¨ur ma. Gesch. Vortr¨age und Forsch. 31). Hg. v. Hans Patze. Sigmaringen 1987, S. 401–426. – Antjekathrin Graßmann (Hg.): L¨ubeckische Gesch. L¨ubeck 1989. 42008, S. 300–304. – Jarosław Wenta: D. v. L. und Preußen. In: JOWG 10 (1998) S. 409–418. – Wilfried Ehbrecht/Peter Johanek: Konsens und Konflikt. Skiz¨ zen und Uberlegungen zur a¨ lteren Verfassungsgeschichte dt. St¨adte (St¨adteforschung 56). K¨oln u. a. 2001, S. 49–61 passim u. o¨ . VZ Twinger von Konigshofen, ¨ Jakob (Jakob von K¨onigshofen), * um 1346 K¨onigshofen/Elsass, † 27.12.1420 Straßburg. – Archivar, Chronist. T. stammte aus einer Familie, die in sich in ¨ f¨uhrenden Amtern um die Stadt Straßburg verdient gemacht hatte. Er besuchte wahrscheinlich die Lateinschule in Straßburg. Er war nach 1363 Vikar an der Kirche St. Martin in Straßburg, Kaplan am Marienaltar im Mu¨ nster, um 1379 vielleicht Pr¨abendar bei St. Thomas oder Jung St. Peter in Straßburg. 1382 empfing er die Priesterweihe, war 1384–95 «rector ecclesie» (Pfarrer [oder Pfr¨undeninhaber]) in Drusenheim bei Straßburg, 1395 Kanoniker und Archivar von St. Thomas in Straßburg. T., der an Straßburger Lateinschulen und an der Stiftsschule lehrte, war mit Fritsche → Closener bekannt. T. sammelte historisches Material und stellte eine lat. Cronica nova de diversis collecta zusammen; daf¨ur exzerpierte er vor allem das Speculum historiale des → Vinzenz von Beauvais und die Chronik des → Martin von Troppau. Vor 1382 mit der Abfassung begonnen, setzte er das Werk mit zahlreichen Nachtr¨agen bis zu seinem Tod fort. Auf der Grundlage dieser Materialsammlung begann T. 1382 mit der Abfassung einer dt. Chronik, die er ebenfalls bis zu seinem Lebensende fortf¨uhrte. Das vollst¨andige Werk lag nur in einem pers¨onlichen Exemplar vor (Fassung C, verbrannt). Seit 1386 nahm T. zwei ¨ k¨urzere Uberarbeitungen in Angriff, die bis 1390 460

Twinger von Konigshofen ¨ (Fassung A) und 1391 (Fassung B) reichten. Hauptquellen waren → Petrus Comestor, → Ekkehard von Aura, Martin von Troppau, die Marbacher Annalen, Fritsche Closener, → Jacobus a Voragine und verschiedene stadtgeschichtliche Aufzeichnungen zu Straßburg. Nach der Weltgeschichte (Kap. 1) bis Alexander d. Gr. mit ausf¨uhrlicher Behandlung des Trojanischen Krieges und der Gr¨undung Triers folgt die Geschichte Roms bis zu den dt. K¨onigen Wenzel und Ruprecht (Kap. 2), an welche die Geschichten der P¨apste (Kap. 3), der Straßburger Bisch¨ofe (Kap. 4) und jene von Straßburg und seiner regionalen Umgebung (Kap. 5) anschließen. Als 6. Kapitel erm¨oglicht ein alphabetisches Sach- und Namenregister das Auffinden von Einzelthemen. T.s dt. Chronik wurde sp¨ater h¨aufig erg¨anzt und fortgesetzt, u. a. von Hans Spach (bis 1520 Mitglied des Großen Rats in Straßburg) und Konrad von Duntzenheim. Das Werk diente ferner als Muster und Vorlage f¨ur andere Chronisten und Chroniken (u. a. Konrad → Justinger, → Klingenberger Chronik, Petermann → Etterlin, → Koelhoffsche Chronik). Mit seinem Vocabularius de significatione nominum baute T. das lat.-dt. Vokabular Fritsche Closeners systematisch aus. Zusammen mit Closener steht T. auf dem Gebiet der lexikographischen Grammatik am Anfang des Rezeptionsprozesses von Johannes’ de Janua Catholicon. Das in drei von T. selbst stammenden Fassungen (jeweils um eine Art vermehrte und verbesserte Auflage, vermutlich 1382, 1390 und 1408) vorliegende Vokabular enth¨alt ausschließlich Nomina in alphabetischer Anordnung. Zum Wortgut, das dem Alltag entstammt, kommen biblischer, Allgemein- und Bildungswortschatz hinzu. Viele Erkl¨arungen werden in Form von «Versus memoriales» (Merkversen) gegeben. Neben Closener berief sich T. vor allem auf die zwei systematische Darstellungen des lat. Wortschatzes im MA, auf die Magnae Derivationes des Hugutio von Pisa und das Catholicon des Johannes de Janua. Im Anschluss an das Vokabular von 1390 folgen einige kleinere Texte: eine Fassung der Termini iuristarum (wohl von T. selbst verfasst) sowie Texte zur Bibel. T.s Computus novus chirometralis, ein Handbuch u¨ ber die Zeitrechnung und die beweglichen Feste, ist in einer Kurz- (1390) und einer Langfassung (1394) erhalten. F¨ur die Sch¨uler des Thomasstifts verfasste T. ein Lehrbuch f¨ur den liturgischen Choralgesang (Tonarius seu libellus de octo tonis). 461

2. H¨alfte 14. Jh. ¨ 1. Cronica nova de diversis colUbelieferung: lecta: Beschreibung der einzigen (verbrannten) und autographen Hs. (ehem. Strasbourg, Bibl. de la Ville, ohne Sign.) bei Strobel/Schneegans (s. Ausg.) S. 55–57; Hegel 1870 (s. Ausg.) S. 161–165, 199. – 2. Croniken (dt.): Bislang sind 82 Hss. (teilweise nur mit l¨angeren Textausschnitten) bekannt; vgl. Hegel 1870 (s. Ausg.) S. 199–226; VL2 10 (1999) Sp. 1183 f. – Drucke: Augsburg, J. B¨amler, 1474–87 (Hain 9791–94, GW 3163–65). – 3. Vocabularius de significatione nominum: 16 Textzeugen sind erhalten, 3 weitere bezeugt; vgl. Einleitung zur Ausgabe. – 4. Computus novus chirometralis: Budapest, Sz´ech´enyi Nationalbibl., cod. Lat. 159, 1r–15v (k¨urzere Fassung, bearb.). – Solothurn, ZB, cod. S I 167, 12r–30r (k¨urzere Fassung) und 97r–110v (l¨angere Fassung); das «Speculum astronomicale» und der «Computus vulgaris», in der gleichen Hs. 111r–115v bzw. 129r–133v u¨ berliefert, sind Bearbeitungen von T.s «Computus». – 5. Tonarius seu libellus de octo tonis: Prag, N´arodn´ı Knihovna, Ms. XI E 9, 229r–242r. Ausgaben: 1. Chroniken: J. Schilter, Straßburg 1698 (Mikrofiche-Ausg. 1995). – A. W. Strobel/L. Schneegans, in: Code historique et diplomatique de la ville de Strasbourg 1. Straßburg 1843, S. 1–236. – Chron. des J. T. v. K. Hg. v. Carl Hegel (Chron.dt.St¨adte 8 und 9). 2 Bde., Leipzig 1870/71 (Nachdr. G¨ottingen 1961) S. 230–910. – 2. Vocabularius: Die Vokabulare von Fritsche Closener und J. T. v. K. Hg. Klaus Kirchert zus. mit Dorothea Klein (TTG 40–42). 3 Bde. T¨ubingen 1995 (¨uberlieferungsgeschichtliche Ausg.). – 3. Tonarius: Der Straßburger Chronist K¨onigshofen als Choralist. Sein Tonarius, wiedergefunden von M. Vogeleis. Hg. v. Franz X. Mathias. 1903, S. 92–154. Literatur: Karl Schnith, LexMA 5 (1991) 294. – Dorothea Klein, VL2 9 (1995) 1181–1193. – LThK3 10 (2001) 318. – Hartmut Bobzin/Red., Killy2 11 (2011) S. 651 f. – Aloys Schulte: Closener und K¨onigshofen. Beitr. zur Gesch. ihres Lebens und die Entstehung ihrer Chron. Straßburg 1883. – Jean G´eny: Die Glossarien v. K. und Closener. In: Bull. eccl´esiastique de Strasbourg 6 (1887). – F. Jostes: Fritsche Closeners und J. T.s Vocabularien. In: Zs. f¨ur Gesch. des Oberrheins 49 (1895) S. 157–165. – Ferdinand Vetter: Neues zu Justinger. Kunrat Justinger als Sch¨uler und Fortsetzer K.s [...]. In: Jb. f¨ur Schweizerische Gesch. 31 (1906) S. 109–206. – Anne Kn¨oppler: Die dt. Chron. des J. T. v. K. Diss. Mu¨ nster 1954. – Klaus Grubm¨uller: 462

2. H¨alfte 14. Jh. Vocabularius Ex quo. Unters. zu lat.-dt. Vokabularen des Sp¨atMA (MTU 17). Mu¨ nchen 1967, S. 56–61 u. o¨ . – Franz Hofinger: Stud. zu den dt. Chron. des Fritsche Closener v. Straßburg und des J. T. v. K. Diss. Mu¨ nchen 1974. – Konrad Kunze: J. T.s v. K. ‹Lampartica Historia›. In: ZfdA 109 (1980) S. 146–152. – Klaus Kirchert: Text und Textgesch. Zu u¨ berlieferungsgeschichtlichen Editionen sp¨atma. Gebrauchsprosa. In: Germanistik – Forschungsstand und Perspektiven. Vortr¨age des Dt. Germanistentages 1984. Hg. v. Georg St¨otzel. Berlin (New York 1985, Tl. 2, S. 51–71. – Ders.: ‹Vocabularium de significacione nominum›. Zur Erforschung sp¨atma. Vokabularlit. In: La lexicographie au Moyen Age. Coordonn´e par C[laude] Buridant (Lexique 4). Lille 1986, S. 47–70. – Ders.: Text und Kontext. Zu den ‹W¨orterb¨uchern› v. Fritsche Closener und J. T. v. K. In: Br¨uder-GrimmSymposion zur Hist. Wortforschung. Beitr. zu der Marburger Tagung vom Juni 1985. Hg. v. Reiner Hildebrandt/Ulrich Knoop (Hist. Wortforschung 1). Berlin/New York 1986, S. 222–241. – Heinrich Schoppmeyer: Zur Chron. des Straßburgers J. T. v. K. In: Historiographia mediaevalis. Stud. zur Geschichtsschreibung und Quellenkunde des MA. FS Franz-Josef Schmale. Hg. v. Dieter Berg/HansWerner Goetz. Darmstadt 1988, S. 283–299. – K. Kirchert: Eine Fassung der ‹Termini iuristarum› aus der Hand J. T.s v. K. In: FS Kurt Ruh. Hg. v. dems. u. a. 1989, S. 154–167. – D. Klein: Ad memoriam firmiorem. Merkverse in lat.-dt. Lexikographie des sp¨ateren MA. In: ebd., S. 131–153. – Gisela Kornrumpf: Chron. und Roman. Das ‹Buch v. Troja I› als Quelle J. T.s v. K. In: Die dt. Trojalit. des MA und der Fr¨uhen Neuzeit. Hg. v. Horst Brunner (Wissenslit im MA 3). Wiesbaden 1990, S. 457–467. – R. Weigand: Vinzenz v. Beauvais. Scholastische Universalchronistik als Quelle volkssprachlicher Geschichtsschreibung. 1991. – Dorothea Klein: Zur Praxis des Lateinunterrichts: ‹Versus memoriales› in lat.-dt. Vokabularen des sp¨aten MA. In: Lat. und Volkssprache im dt. MA 1100–1500. Regensburger Colloquium 1988. Hg. v. Nikolaus Henkel/Nigel F. Palmer. T¨ubingen 1992, S. 337–350. – K. Kirchert: St¨adtische Geschichtsschreibung und Schullit. Rezeptionsgeschichtliche Stud. zum Werk v. Fritsche Closener und J. T. v. K. Wiesbaden 1993. – Ilse Haari-Oberg: Die Wirkungsgesch. der Trierer Gr¨undungssage vom 10. bis 15. Jh. (Europ¨aische 463

Egen Hochschulschr. 3,607). Bern u. a. 1994, S. 80–86. – N. Warken: Ma. Geschichtsschreibung in Straßburg (Diss. Saarbr¨ucken) 1995. – Francis Rapp: J. T. v. K. (1346–1420). Chron. v. Straßburg. In: Hauptwerke der Geschichtsschreibung. Hg. v. Volker Reinhardt. Stuttgart 1997, S. 662–665. – V´aclav Bok: Zur Rezeption der Weltchron. J. T.s in B¨ohmen. In: Dt. Lit. des MA in B¨ohmen und u¨ ber B¨ohmen. ˇ e Vortr¨age der internationalen Tagung [...] Cesk´ Budˇejovice, 8. bis 11. September 1999. Hg. v. Dominique Fliegler/V. Bok. Wien 2001, S. 269–284. – Richard Olivier: Histoire de Strasbourg, histoire pour Strasbourg. La chronique allemande de J. T. v. K. In: Revue d’Alsace 127 (2001) S. 219–239. – Robert Giel: J. T. v. K.: Chron. In: Aderlaß und ¨ Seelentrost. Die Uberl. dt. Texte im Spiegel Berliner Hss. und Inkunabeln. Hg. v. Peter J¨org Becker/ Eef Overgaauw. Mainz 2003, S. 436–438. BJ Egen, Lorenz (Pregen), * um 1360/65, † 1418. – Kaufmann, B¨urgermeister, Verfasser einer Reisebeschreibung. E. stammte aus einer Familie des Augsburger Patriziats mit engen Verbindungen zu den Welsern. Er ist u¨ berwiegend als Kaufmann, aber auch als Baumeister nachgewiesen. 1390/91 heiratete E. erstmalig, um 1410 dann erneut. Im selben Jahr stiftete er das Antonius-Spital f¨ur bed¨urftige Handwerker. Seine Gesch¨aftsverbindungen f¨uhrten ihn auch auf Auslandsreisen, u. a. nach Venedig. Daneben begann E. 1385 eine Pilgerreise, an der u. a. auch Peter Sparnau teilnahm. E.s Route f¨uhrte ihn nach Venedig, Alexandria, Kairo, Jerusalem, Beirut, Rhodos, Istanbul und u¨ ber Ungarn nach Wien. Er zeichnete die Reise in einem knappen dt. Reisebericht auf, der in zwei posthum entstandenen Handschriften u¨ berliefert ist. E.s Bericht besteht weitgehend aus einer Auflistung heiliger St¨atten mit kurzen Bemerkungen des Verfassers u¨ ber die besuchten Orte. Der Text d¨urfte zum Eigengebrauch gedient haben und entfaltete keine weitere Wirkung. Sparnau hinterließ ebenfalls einen Bericht u¨ ber die Reise mit E. ¨ Uberlieferung: Coburg, LB, Ms. Sche. 16, 274va–279rb (Perg. und Pap., 1427, nord-/ mittelbair.). – M¨unchen, BSB, Cgm 267, 256r–260v (Pap., um 1448, nordbair.). Ausgaben: Wie Lorenz egen von Augsburg etc. zoch gen Sant kathareinen. Hg. v. Friedrich Keinz. In: Das Ausland 38 (1865) S. 917–919. Literatur: Karin Schneider, VL2 2 (1980) Sp. 365. – De Boor/Newald 3/2 (1987) S. 387. – 464

Die Konigin ¨ von Frankreich, Cronica Reinhold R¨ohricht: Dt. Pilgerreisen nach dem Heiligen Lande. Innsbruck 1900 (Nachdr. Aalen 1967) S. 96 u. o¨ . – Ursula Ganz-Bl¨attler: Andacht und Abenteuer. Westeurop¨aische Pilgerberichte nach Jerusalem und Santiago de Compostela (1320–1520). T¨ubingen 1990, S. 52 u. o. ¨ – Dietrich Huschenbett: Ber. u¨ ber Jerusalem-Pilgerfahrten v. Kaufleuten und adligen Kanonikern aus Augsburg im 15. Jh. In: Literarisches Leben in Augsburg w¨ahrend des 15. Jh. Hg. v. Johannes Janota/Werner Williams-Krapp. T¨ubingen 1995, S. 240–264. – Friedrich Peter Geffcken: Die Welser und ihr Handel 1246–1496. In: Die Welser. Neue Forschungen zur Gesch. und Kultur des obd. Handelshauses. Hg. v. Mark H¨aberlein/Johannes Burkhardt. M¨unchen 2002, S. 27–167. MM Johann von Posilge, * um 1340 Pusilie (Po˙ silge o¨ stl. Marienburg/Preußen, heute Zulawka), † 14.6., wohl 1405. – Chronist. J. studierte vielleicht in Prag, war 1372–74 Pfarrer in Dt.-Eylau und Schiedsrichter in einem Streit zwischen dem Dt. Orden und dem Bistum Ermland. 1376 wurde er Offizial (Richter) des Bischofs von Pomesanien in Riesenburg und Pfarrer in Ladekop. J. verfasste eine lat. Chronik, die, fortgesetzt von anderen, von 1360 bis 1419/20 reicht und nur in einer dt. Fassung erhalten ist. J. beschr¨ankte sich nicht auf den Dt. Orden, sondern schrieb eine preußische Landeschronik, in die er Nachrichten aus den preußischen Nachbarl¨andern sowie Aktenst¨ucke einf¨ugte. Quellen waren ein verlorenes Annalenwerk (in verk¨urzter Form in den Annalista Thorunensis erhalten), zeitgen¨ossische Urkunden, Streitschriften und eigenes Erleben. ¨ Uberlieferung: Berlin, SBB, Ms. boruss. fol. 213, 1r–84v (Pap., 1420–22 [?] und 16. Jh.) (B). – Ebd., Ms. boruss. fol. 241, 1r–92r (Pap., 15. Jh.) (A). – Ebd., Ms. boruss. fol. 867, 3r–87v (Pap, 16. Jh.; Abschrift von Hs. A) (S). – Dresden, LB, Mscr. G 38 (Pap., Abschrift aus dem Jahr 1713) (D). – Wien, Zentralarch. des Dt. Ordens, Hs. 205, 1r–102r (Pap., 1514; Abschrift von Hs. B [?]) (W). Ausgaben: Jbb. Johannes Lindenblatts oder Chron. Johannes v. der Pusilie. Hg. v. Johannes Voigt/Friedrich W. Schubert. K¨onigsberg 1823 (nach A). – Ernst Strehlke, in: Scriptores rerum Prussicarum III. Leipzig 1866 (Neudr. Frankfurt/M. 1965) S. 79–388 (nach B). Literatur: K. Lohmeyer, ADB 26 (1888) 458 f. – Christian Krollmann, Altpreußische Biogr. 1 (1941) 465

2. H¨alfte 14. Jh. S. 307. – Zenonas Ivinskis, Lietuviu Enziklopedija 23 (Boston, MA 1961) S. 338 f. – Kurt Forstreuter, NDB 10 (1974) S. 565. – Udo Arnold, VL2 4 (1983) Sp. 710 –712. – Manfred Hellmann, LexMA 5 (1991) Sp. 596. – Max T¨oppen: Gesch. der preussischen Historiographie von P. v. Dusburg bis auf K. Sch¨utz. Berlin 1853 (Nachdr. Walluf 1973) S. 35–41. – Strehlke (s. Ausg.) S. 31–57. – Helmut Bauer: Peter v. Dusburg und die Geschichtsschreibung des Dt. Ordens im 14. Jh. in Preußen. Berlin 1935, S. 79–93. – Odilo Engels: Zur Historiographie des Dt. Ordens im MA. In: AfK 48 (1966) S. 336–363, hier S. 345, 350 f. – U. Arnold: Geschichtsschreibung im Preußenland bis zum Ausgang des 16. Jh. in: Jb. f¨ur die Gesch. Mittel- und Ostdeutschlands 19 (1970), hier S. 84 f. – Wolfgang Wippermann: Der Ordensstaat als Ideologie, 1979, S. 50 f. – Jaroslaw Wenta: Zur Verfasserschaft der sog. Chron. des J. v. P. In: Preußenland 28 (1990) S. 1–9. BJ Die Konigin ¨ von Frankreich, Cronica. – Novelle, beziehungsweise kurze Erz¨ahlung eines Autors, auf den in einigen Handschriften seiner beiden Werke Der Litauer und Die K¨onigin von Frankreich als «Schondoch» verwiesen wird. Der Autor l¨asst sich jenseits dieser Namenszuweisung historisch nicht fassen. Sein literarisches Schaffen wird auf das letzte Drittel des 14. Jh. datiert. Inhalt ist die Leidensgeschichte einer durch einen intriganten Marschall verleumdeten K¨onigin, deren Ehre schließlich durch einen treuen Hund wieder hergestellt wird, der f¨ur sie streitet. Obwohl keine unmittelbare Vorlage nachweisbar ist, sind Entsprechungen mit dem Sibille-Roman der Elisabeth von Nassau-Saarbr¨ucken und der Genovefa-Legende unverkennbar. ¨ Uberlieferung: Die K¨onigin von Frankreich wird von 21 vollst¨andigen Handschriften und einer um 1645 entstandenen Abschrift uberliefert, ¨ aber auch in der Fassung eines 15 Strophen umfassenden Meisterliedes Die K¨onigin von Frankreich und der ungetreue Marschall, das Hans Sachs als Quelle f¨ur sein Schauspiel von 1549 gedient hat. Diese Versfassung wird im Band 5 des DLL MA im Rahmen eines eigenen Artikels behandelt werden. Der Stoff wurde von einem anonymen Autor auch einer Prosabearbeitung unterworfen, die als Die K¨onigin von Frankreich, Cronica unikal u¨ berliefert ist. In der Cronica werden dem Text Werbung und Hochzeit hinzugef¨ugt und die K¨onigin 466

2. H¨alfte 14. Jh. wird zur Schwester von Herzog Leopold III. von ¨ Osterreich umgedeutet. Die Cronica ist u¨ berliefert durch die Pergament- und Papierhandschrift Breslau/Wrocław, StB, Cod. R 304 [Kriegsverlust]. Die Handschrift besteht aus zwei Teilen. Der erste umfasst neben der K¨onigin von Frankreich, Cronica eine Prosafassung von Valentin und Namelos, eine Prosafassung des Apollonius von Tyrland und die Ungarnchronik → Heinrichs von Mu¨ geln. Der zweite Teil umfasst das Buch von Troja nach Guido de Columnis und die dt. Chronica Bohemorum des Pˇrib´ık → Pulkava von Raden´ın. Der erste Teil wird auf 1465 datiert, der zweite auf die zweite H¨alfte des 15. Jh. Sibylle Jefferis weist in ihrem Artikel im Nachtragsband des VL2 auf f¨unf Bildzyklen des Stoffes in Form von Handschriftenilluminationen, Holzschnitten, Fresken und zwei Teppichen hin. Ausgabe: Walter S¨ußmann: Eine schlesische Fassung der Erz¨ahlung ‹Die K¨onigin von Frankreich und der ungetreue Maschall›. In: PBB 64 (1940) S. 244–263. Literatur: Udo Arnold: Schondoch. In: VL2 8 (1992) Sp. 820–823. – Sibylle Jefferis, VL2 11 (2004) Sp. 752 f. – Der Roman von der ‹K¨onigin Sibille› in drei Prosafassungen des 14. und 15. Jh. Mit Benutzung der nachgelassenen Materialien von Fritz Burg hg. v. Hermann Tiemann (Ver¨off. aus der Staats- und Universit¨atsbibl. Hamburg 10). Hamburg 1977. – S. Jefferis: The ‹Cronica von der K¨onigin von Frankreich›: the prose adaption of Schondoch’s novella. In: FS Francis G. Gentry (GAG 693). G¨oppingen 2003, S. 159–172. KP Sparnau, Peter, † 1426 Merseburg. – Theologe, Verfasser eines Reiseberichts. S. war von 1400 bis zu seinem Tod Dompropst in Merseburg. Er brach mit dem Arnst¨adter B¨urger Ulrich von Tennstedt und einem Diener am 30.6.1385 zu einer Pilgerfahrt nach Jerusalem auf. In Venedig schlossen sie sich mit anderen dt. Pilgern (u. a. Lorenz → Egen) zu einer gr¨oßeren Gruppe zusammen. Die weitere Route f¨uhrte u¨ ber Alexandria und Kairo nach Bethlehem, Jerusalem, Damaskus und Beirut. Nach dem Weihnachtsfest kehrten sie u¨ ber Konstantinopel auf dem Landweg u¨ ber den Balkan zur¨uck. S. verfasste u¨ ber die Reise einen knappen Bericht, dem eine Liste der hl. St¨atten in Jerusalem und seiner Umgebung vorangestellt ist. 467

Sparnau ¨ Uberlieferung: Weimar, Herzogin Anna Amalia Bibl., Cod. Oct. 55b, 164r–182v (Pap., aus der Kartause Erfurt, 15. Jh., mitteldt./ostmitteldt.). Ausgabe: Reinhold R¨ohricht: Die Jerusalemfahrt des P. S. und Ulrich v. Tennstaedt (1385). In: Zs. der Ges. f¨ur Erdkunde 26 (1891) S. 479–491. Literatur: W. G¨unther Rohr, V 2 9 (1995) Sp. 31 f. – Reinhold R¨ohricht/Heinrich Meisner: Dt. Pilgerreisen nach dem heiligen Lande. Berlin 1880, S. 468 f. – R. R¨ohricht: Dt. Pilgerreisen nach dem Heiligen Lande. Innsbruck 1900 (Nachdr. Aalen 1967) S. 96. – Ders.: Bibliotheca geographica Palaestinae. Chronologisches Verz. der von 333 bis 1878 verfaßten Lit. u¨ ber das Heilige Land. Berlin 1890. Verb. und verm. Neuausg. mit einem Vorw. von David H. K. Amiran. Jerusalem 1963 (Nachdr. London 1989) S. 92. – Ludwig Erich Schmitt: Unters. zu Entstehung und Struktur der ‹nhd. Schriftsprache›. Bd. 1. Sprachgesch. des Th¨uringisch-Obers¨achsischen im Sp¨atMA (Mitteldt. Forschungen 36,1). K¨oln/Wien 21982, S. 178, 339–342, 347. – Klaus Ridder: Jean de Man¨ devilles ‹Reisen›. Stud. zur Uberlieferungsgesch. ¨ der dt. Ubersetzungen des Otto v. Diemeringen (MTU 99). M¨unchen u. a. 1991, S. 68, 288 f. (vgl. dazu W. G¨unther Ganser, ZfdA 121 [1992] 247–252, hier S. 248). – Ursula Ganz-Bl¨attler: Andacht und Abenteuer. Ber. europ¨aischer Jerusalemund Santiago-Pilger (1320–1520) (Jakobus-Stud. 4). T¨ubingen 1990, S. 52, 365. – Europ¨aische Reiseberichte des sp¨aten MA. Eine analytische Bibliogr. Hg. v. Werner Paravicini. Tl. 1 bearb. v. Christian Halm (Kieler Werkst¨ucke D: Beitr. zur europ¨aischen Gesch. des sp¨aten MA 5). Frankfurt/M. 22001, Nr. 11, S. 55 f. BJ Schlacht bei Sempach. – Historische Schlacht, die Ausgangspunkt zahlreicher propagandistischer Lieder war. Im sp¨aten 14. Jh. kollidierten zunehmend die territorialen Interessen der Habsburger und der Eidgenossen. Das Scheitern diplomatischer Bem¨uhungen f¨uhrte zuletzt zur milit¨arischen Eskalation des Konflikts. So kam es im Juli 1386 zum Kampf zwischen den Eidgenossen und dem o¨ sterr. Herzog Leopold III. Diese sog. S. b. S. endete mit dem Tod Leopolds und der Niederlage seines Heers. Zusammen mit der Schlacht von N¨afels (1388) bildete der eidgen¨ossische Sieg bei Sempach das milit¨arische Fundament eines wachsenden schweizer. 468

Schlacht bei Sempach Selbstbewusstseins. Dieses a¨ usserte sich auch in verschiedenen Dichtungen, vor allem in Hans Halbsuters Sempacherlied (auch Halbsuterlied). Das Lied enth¨alt als fr¨uheste schriftliche Quelle die Legende des schweizer. Nationalhelden Arnold Winkelried und fand Eingang in die Chroniken von Werner ¨ Steiner, Werner Schodoler und Agidius Tschudi. Zu den von Halbsuter kompilierten a¨lteren Quellen z¨ahlt das sog. Kleine Sempacherlied, das wie Halbsuter die Eidgenossen heroisiert. Seine 15 Strophen zu jeweils sieben Zeilen enthalten neben kraftvollen Bildern und mehreren Dialogen auch historische Details aus der Schlacht. Charakteristisch sind die satirischen Z¨uge des Lieds, das den Stier von Uri gegen den L¨owen von Habsburg antreten l¨asst, w¨ahrend zuletzt die eidgen¨ossische Kuh mit ihrem Schwanz den schw¨abischen Herren er¨ schl¨agt, der sie melken will. Uber den Ton des Lieds besteht eine Querverbindung zu Veit Weber. Wahrscheinlich bald nach der S. b. S. (um 1386–88?) entstand das Lied eines su¨ ddt. Dichters in 14 Strophen zu je acht Zeilen mit Dreireimen. Der Text ist durch seine dt. Perspektive interessant, die ihn von den meist eidgen¨ossisch oder o¨ sterr. gepr¨agten Sichtweisen anderer Texte unterscheidet. Der Verfasser unterst¨utzt den Schw¨abischen St¨adtebund gegen Graf Eberhard von W¨urttemberg. Die S. b. S. wird hier als Warnung f¨ur Eberhard interpretiert, der wie Leopold die St¨adte unterwerfen wolle. Entsprechend liegen die Sympathien des Autors bei den Eidgenossen, nicht beim Adel. Weiterhin ist ein Reimpaargedicht zur S. b. S. in zwei Fassungen mit 58 bzw. 62 Versen erhalten. Der Text besteht aus zwei Szenen: einem Dialog zwischen Leopold und dem Sempacher Schultheiß sowie einer Szene zwischen Leopold und seinem Heer. Passend zur eidgen¨ossischen Perspektive des Texts werden die Habsburger Reiter als vermessen und leichtfertig dargestellt. Interessanterweise wird die Einleitung des Gedichts je nach Fassung mal als o¨ sterr., mal als eidgen¨ossische Rede verwendet. Zuletzt seien auch zwei kurze Spr¨uche erw¨ahnt, die aus o¨ sterr. Perspektive die Stadt Sempach an¨ klagen. Die Spr¨uche stehen teilweise im Uberlieferungszusammenhang mit einer Liste der o¨ sterr. Gefallenen. ¨ Uberlieferung: Kleines Sempacherlied: Luzern, Zentral- und Hochschulbibl., BB Ms. 1a fol, 32v–33v (Pap., fr¨uhes 16. Jh., Abschr. der Chron. des Melchior Russ). – Ebd., BB Ms. 382.4°, S. 10–12 469

2. H¨alfte 14. Jh. (Pap., 1532, Liederchron. des Werner Steiner). – Ebd., Ms. A 158, 5r–6v (16. Jh., Abschr. v. Ms. 382.4°). – Weitere Abschr. im 17. Jh. – S¨uddt. Lied: Mu¨ nchen, BSB, Cgm 8990, 1v (Pap., Einzelbl.). – Reimpaargedicht: Luzern, Zentral- und Hochschulbibl., BB Ms. 111 fol., 168r (Pap., um 1500, Einzelbl.). – Ebd., BB Ms. 106 fol., 333r. – Z¨urich, ZB, Ms. A 59, S. 157 f. (Chronik des Aegidius Tschudi). – Spr¨uche: Ebd., Ms. A 113, S. 57, 60 (1462). – Weitere Hss. bei Rattay 1986a (s. Lit.) S. 192 f. Ausgaben: Kleines Sempacherlied: Die hist. Volkslieder der Deutschen vom 13. bis 16. Jh. 1. Hg. v. Rochus v. Liliencron. Leipzig 1865 (Nachdr. Hildesheim 1966) Nr. 33. – Schweizerische Volkslieder 2. Hg. v. Ludwig Tobler. Frauenfeld 1884, S. 10–14. – Die Schlacht bei Sempach. Gedenkbuch zur f¨unften S¨acularfeier. Hg. v. Theodor v. Liebenau. Luzern 1886, S. 185–187. – Vgl. auch die Ausg. zur Chron. des Melchior Russ. – S¨uddt. Lied: R. v. Liliencron: Ein neues Lied auf die Sempacher Schlacht. In: Hist. Taschenbuch. Hg. v. Wilhelm H. Riehl. Leipzig 1876, S. 259–273, hier S. 268–273. – Liebenau 1886 (s. o.) S. 352–354. – Reimpaargedicht: Aegidius Tschudi: Chronicon Helveticum 1. Hg. v. Johann R. Iselin. Basel 1734, S. 532 f. – ¨ Alois L¨utolf: Uber Lucerns Schlachtlieder-Dichter im 15. Jh., besonders Halbsuter und das Sempacherlied. In: Der Geschichtsfreund 18 (1862) S. 183–204, 271–276, hier S. 196–198. – Liliencron 1865 (s. o.) Nr. 32. – Liebenau 1886 (s. o.) S. 349–351. – Spr¨uche: Liliencron 1865 (s. o.) S. 111, 123. Literatur: Frieder Schanze, VL2 8 (1992) Sp. 699–702; 11 (2004) Sp. 1381. – Bernhard Stettler, LexMA 7 (1995) Sp. 1742. – Wilhelm Meyer: Der Chronist Werner Steiner 1492–1542. In: Der Geschichtsfreund 65 (1910) S. 57–216. – Fritz Jacobsohn: Der Darstellungsstil der hist. Volkslieder des 14. und 15. Jh. und die Lieder v. der S. b. S. Rostock 1914. – Hans Georg Wirz: Der Sieg v. S. im ¨ Lichte der Uberl. Z¨urich 1921. – Berthe Widmer: Die S. b. S. in der Kirchengesch. In: Schweizer. Zs. f¨ur Gesch. 16 (1966) S. 180–205. – Paul Aebischer: Arnold de Winkelried, le h´eros de S. et Roland, le vainqueur de Roncevaux. Observations sur la technique du montage, du lancement et de la mise en orbite de quelches mythes dans le cosmos historico-litteraire. In: Ebd. 19 (1969) S. 1–33. – Beat Suter: Arnold v. Winkelried, der Heros von 470

2. H¨alfte 14. Jh. Sempach. Die Ruhmesgesch. eines Nationalhelden. Stans 1977, S. 35–40. – Barbara Helbling: Der ¨ Held v. S. Osterr. und eidgen¨ossische Versionen. In: Schweizer. Zs. f¨ur Gesch. 31 (1981) S. 60–66. – Die S. v. S. im Bild der Nachwelt. Ausstellung aus Anlaß des Jubil¨aums 600 Jahre S. b. S. Hg. v. Heinrich Thommen. Luzern 1986. – Walter Schaufelberger: Kriegf¨uhrung und Kriegertum zur Sempacher Zeit 1385–1389. Eine kleine Gedenkschr. zu einem großen Ereignis. Z¨urich 1986. – Armand Baeriswyl: Die S. b. S. In: Gesch. Hist. Magazin 70 (1986) S. 27–34. – Heinrich Koller: Die S. b. S. ¨ im Bewußtsein Osterreichs. In: Jb. der Hist. Ges. Luzern 4 (1986) S. 48–60. – Guy P. Marchal: Die S. b. S. 1386, die Eidgenossen und das Problem des gerechten Krieges. In: Beitr. zur Sempacher Jahrhundertfeier 1386–1986. Vier hist. Referate, organisiert von ‹Aktuelles Sempach›. Sempach 1986, S. 55–66. – Beate Rattay: Entstehung und Rezeption politischer Lyrik im 15. und 16. Jh. Die Lieder im ‹Chronicon Helveticum› v. Aegidius Tschudi (GAG 405). G¨oppingen 1986, S. 46–52, 65–74, 140–160, 192–198. – Dies.: Winkelried im Grossen Sempacher Lied und bei Aegidius Tschudi. In: Kontroversen, alte und neue. Akten des VII. Internationalen Germanisten-Kongresses, G¨ottingen 1985 VIII. Hg. v. Albrecht Sch¨one. T¨ubingen 1986. S. 16–23. – Hans R. Fuhrer: Die S. b. S. 1386. Ursachen, Verlauf und Folgen des Konfliktes zwi¨ schen Eidgenossen und Osterreich-Habsburg. In: Pallasch 22 (2006) S. 62–74. – Rainer Hugener: Umstrittenes Ged¨achtnis. Habsburgisches und eidgen¨ossisches Totengedenken nach der S. b. S. In: Die Habsburger zwischen Aare und Bodensee. Hg. v. Peter Niederh¨auser. Z¨urich 2010, S. 223–238. MM Schlacht bei N¨afels. – Historisch-politische Ereignislieder, 15./16. Jh. Vier im 16. und 17. Jh. u¨ berlieferte Lieder berichten von der kriegerischen Auseinandersetzung zwischen Habsburg und der Eidgenossenschaft bei N¨afels im Glarner Tal (Kt. Glarus, N¨ahe Walensee). Nachdem Habsburg aus dem Sempacherkrieg (1386, → Schlacht bei Sempach) schon geschw¨acht hervorging, wurde im April 1388 ein großes o¨ sterr. Heer von einigen hundert Glarnern beim Versuch, Glarus wieder unter habsburgische Herrschaft zu bringen, vernichtend geschlagen. Dieser Sieg wird bis heute in Glarus als «N¨afelser Fahrt» gefeiert. Eines der Lieder, von dem wiederum zwei weitere 471

Schlacht bei N¨afels ¨ abh¨angen, ist bedeutend a¨ lter als sein Uberlieferungstr¨ager. Unmittelbar nach der Schlacht d¨urfte es allerdings nicht verfasst worden sein, dazu ist es schon zu sehr der memoria verpflichtet. Eine m¨ogliche wenn auch nicht gesicherte Quelle dieses Liedes ist die Glarner Chronik, und so k¨onnte es aus der ersten H¨alfte des 15. Jh. stammen. Es umfasst 15 Strophen zu je vier Versen mit unterbrochenem Reim (auch als zwei paarreimige Langzeilen darstellbar). Der Text setzt ein mit der durch Verrat erm¨oglichten habsburgischen R¨uckeroberung von Weesen am Walensee im Vorfeld der S. b. N. («Mordnacht von Weesen», Februar 1388), nennt dann den Tag des Einfalls der Habsburger ins Glarner Tal (f¨alschlich Samstag statt Donnerstag) und gibt die Zahl der Feinde u¨ bertreibend mit 15.000 an (statt rund 7000). Das Gebet eines Glarner Hauptmanns er¨offnet die eigentliche Schlachtdarstellung, die ihren H¨ohepunkt in der szenischen Konfrontation eines um Gnade flehenden Habsburger Herren mit einem unnachgiebigen Glarner findet. Nach dem Muster von Hans Halbsuters Lied u¨ ber die Schlacht bei Sempach ist dieses a¨ltere Lied im 16. Jh. umgearbeitet worden. In der revidierten Form umfasst es 46 kreuzreimende Vierzeilerstrophen. M¨oglicherweise geht diese Bearbeitung auf den Glarner Chronisten Aegidius Tschudi zur¨uck, da das Lied in seinem Chronicon Helveticum u¨ berliefert ist und (historisch korrekte) Detailerg¨anzungen vom historischen Interesse und Kenntnisstand seines Verfassers zeugen. Auf beiden a¨ lteren Liedern wiederum beruht eine dritte, j¨ungere Version mit 43 Strophen. Diese greift den Anfang des alten Liedes auf und verwendet einige Strophen der Tschudi-Version ganz oder teilweise. Das Gros des Liedes ist indes eine Neudichtung, bei der die Mordnacht weiter ausgemalt, ein Bittgebet der Glarner eingef¨ugt und die Schlachtdarstellung daf¨ur gek¨urzt wird. Der Schluss mit einer Bitte um g¨ottlichen Beistand verweist schon auf die j¨ahrlichen Feierlichkeiten im Gedenken an die siegreiche Schlacht. Ein viertes Lied zur N¨afels-Schlacht mit 34 Strophen ist g¨anzlich unabh¨angig von den Vorg¨angern und unikal im Druck u¨ berkommen (N¨afelser Schlacht, Beschehen im 1388. Jar, den 9. Aprellens zw¨uschen den Oesterreycheren vnd den Landtleuten deß Lands Glarus. Z¨urich [Rudolph Wyssenbach] 1601). ¨ Altes Lied: Innerhalb Werner Uberlieferung: Steiners «Liederchron.»: Luzern, Zentral- und 472

Fundationes monasteriorum Bavariae Hochschulbibl., BB Ms. 382.4°, S. 14–16 (1532/36, aus Z¨urich; Autograph Steiners). – Z¨urich, ZB, Cod. A 158, 7v–9r (nach 1536). – Kopien des 17. Jh. in: Bern, Burgerbibl., Mss. h.h. V.57 und h.h. V.79. – Fassung Tschudi: Z¨urich, ZB, Cod. A 59, S. 197–199 (Bd. 2 der Urschr. des «Chronicon»). – Kopien des 17. Jh. in: St. Gallen, Stiftsbibl., Cod. 654, S. 56–61 und Cod. 1210, S. 356–359. – Dritte Fassung (nur im Druck): Schlachtlieder der Alten Eydtgnossen ordenlich vnd grundtlich auß den warhafftigen historien beschriben vnd zusamen getruckt. Zu¨ rich [Rudolph Wyssenbach] 1600, Nr. 10 (VD16 S 2939). – Insgesamt 10 Drucke bis 1652, vgl. Emil Weller: Annalen der poetischen National-Lit. der Deutschen im XVI. und XVII. Jh. 2 Bde. Freiburg 1862–64, Bd. 1, S. 103; Bd. 2, S. 518 und Rattay (s. Lit.) S. 199 f. Ausgaben: Altes Lied: Ludwig Uhland: Alte hoch- und nd. Volkslieder mit Abh. und Anm. Bd. 1. Stuttgart/T¨ubingen 1844 (Nachdr. Hildesheim 1968) S. 409–411 (Nr. 161). – Ludwig Ettm¨uler: Eidgen¨ossische Schlachtlieder. In: Mitt. der antiquarischen Ges. in Z¨urich 2 (1844) S. 64–85, hier S. 71 f. – Ludwig Tobler: Schweizerische Volkslieder. Bd. 1 (Bibl. a¨ lterer Schriftwerke der dt. Schweiz 4,5). Frauenfeld 1882, S. 8 f. – Wehrli (s. Lit.) S. 88 f. – Fassung Tschudi: Johann Rudolf Iselin: Aegidius Tschudi. Chronicon Helveticum. Bd. 1. Basel 1734, S. 548 f. – Beide: Rochus v. Liliencron: Die hist. Volkslieder der Deutschen vom 13. bis 16. Jh. Bd. 1. Leipzig 1865 (Nachdr. Hildesheim 1966) S. 145–147 (Nr. 35); S. 148–151 (Nr. 36). – Tr¨umpy (s. Lit.) S. 27–33 (Paralleldr.). – Dritte Fassung: Rainer Hugener: Das a¨lteste gedruckte Lied zur S. b. N. Komm. und Edition. In: Schweizerische Zs. f¨ur Gesch. 59 (2009) S. 261–278. Literatur: Frieder Schanze, VL2 8 (1992) Sp. 696–698. – Walter Schaufelberger, LexMA 6 (1993) Sp. 1004 (zum hist. Kontext). – Max Wehrli: Das Lied v. der S. b. N. In: Schweizerische Zs. f¨ur Gesch. 9 (1959) S. 206–213 (wieder in: Ders.: Formen ma. Erz¨ahlung. Z¨urich 1969, S. 87–96). – Hans Tr¨umpy: Die alten Lieder auf die S. b. N. In: Jb. des hist. Ver. des Kt. Glarus 60 (1963) S. 25–51. – Viktor Schlumpf: Die frumen, edlen Puren. Unters. zum Stilzusammenhang zwischen den hist. Volksliedern der Alten Eidgenossenschaft und der dt. Heldenepik (Geist und Werk der Zeiten 19). Z¨urich 1969, passim. – Ulrich Mu¨ ller: Unters. zur politischen Lyrik des dt. MA. (GAG 55/56). 473

2. H¨alfte 14. Jh. G¨oppingen 1974, S. 206, 588 (Reg.). – Beate Rattay: Entstehung und Rezeption politischer Lyrik im 15. und 16. Jh. Die Lieder im Chronicon Helveticum v. Aegidius Tschudi (GAG 405). G¨oppingen ¨ 1986, S. 52–54, 172, 199 f. – F. Schanze: Uberlieferungsformen politischer Dichtung im 15. und 16. Jh. In: Schriftlichkeit und Lebenspraxis im MA. Erfassen, Bewahren, Ver¨andern (MMS 76). Hg. v. Hagen Keller. M¨unchen 1999, S. 299–331, hier S. 318. – Hugener (s. Ausg.). VZ Fundationes monasteriorum Bavariae. – Lat. Sammlung von Klostergr¨undungsgeschichten, ¨ sp¨ates 14. Jh. (nach 1388); dt. Ubersetzung, 15. Jh. Die Gr¨undungsgeschichten von u¨ ber 40 Kl¨ostern wurden in dieser meist als F. m. B. bezeichneten Zusammenstellung vereint und nach geographischen Gesichtspunkten geordnet. Neben den eigentlichen → Klostergr¨undungsgeschichten enth¨alt die Sammlung auch eingestreute Notizen zur weiteren Klostertradition neben Abschriften von Urkunden und kurzen Annalen. Die Versuche der Forschung, den Urheber zu identifizieren, sind fehlgeschlagen. Auf → Albert von Dießen gehen die F. m. B. mit gr¨oßter Wahrscheinlichkeit nicht zur¨uck, eine Regensburger Provinienz (St. Emmeram) ist zumindest denkbar (vgl. → Andreas von Regensburg). Die F. m. B. wurden vollst¨andig und wortgetreu ins Deutsche u¨ bertragen. ¨ Uberlieferung: Acht bekannte Hss. (davon heute sieben in Mu¨ nchen und eine in Wien; vgl. Leidinger [s. Lit.] S. 674). Autograph des Sammlers: M¨unchen, BSB, Clm 14594, 81 Bll. (14. Jh.), ¨ Uberschr.: «Miscellanea de historia imprimis Baua¨ riae». – Dt. Ubers.: Ebd., Cgm 427, Tl. 2, 76r–250r (1479, mittelbair. [Benediktbeuren?]). Vorlage der ¨ Ubers. ist ebd., Clm 27164, 1r–93v (15. Jh., aus Tegernsee). Ausgabe: Die Sammlung als Ganzes ist nicht ediert. Nachweise von Ausg. einzelner Gr¨undungsgeschichten bei Leidinger (s. Lit.) S. 675–702 (Anm.). – Ausg. der (vermutlich urspr¨unglich dt.) Gr¨undungsgeschichte von Ettal: Leidinger, S. 677–679. Literatur: Volker Honemann, VL2 2 (1980) Sp. 1010 f.; 11 (2004) Sp. 471. – G. Leidinger: ‹F. m. B.› In: Neues Arch. der Ges. f¨ur a¨ltere dt. Geschichtskunde 24 (1899) S. 671–717. – Romuald Bauerreiß: Wer ist der Verfasser der ‹F. m. B.›? In: 474

2. H¨alfte 14. Jh. Stud. und Mitt. zur Gesch. des Benediktinerordens 49 (1931) S. 45–54. – Bernhard Schmeidler: Albert v. Dießen und die Geschichtsschreibung v. Tegernsee. Eine pal¨aographische und quellenkrit. Studie. In: Zs. f¨ur bayer. Landesgesch. 10 (1937) S. 65–92. – R. Bauerreiß: Albert v. Tegernsee und die Tegernseer Geschichtsschreibung. In: Stud. und Mitt. zur Gesch. des Benediktinerordens 54 (1936) S. 7–14. – Ders.: Zur Herkunft des bayr. Chronisten Albert v. Tegernsee (XIV. Jh.). In: ebd. 75 (1964) S. 470–474. – Karin Schneider: Die dt. Hss. der BSB Mu¨ nchen. Cgm 351–500 (Catalogus codicum manuscriptorum Bibliothecae Monacensis 5,3). Wiesbaden 1973, S. 234–237. – Jo¨ rg Kastner: Historiae fundationum monasteriorum. Fr¨uhformen monastischer Institutionsgeschichtsschreibung im MA (Mu¨ nchener Beitr. zur Medi¨avistik und Renaissance-Forschung 18). Mu¨ nchen 1974, S. 7 f. – Alois Schmid: Die ‹F. m. B.›. Entstehung – Verbreitung – Quellenwert. In: Geschichtsschreibung und Geschichtsbewußtsein im sp¨aten MA (Konstanzer Arbeitskreis f¨ur Ma. Gesch. Vortr¨age und Forschungen 31). Hg. v. Hans Patze. Sigmaringen 1987, S. 581–646. – Evemarie Clemens: Luxemburg-B¨ohmen, Wittelsbach¨ Bayern, Habsburg-Osterreich und ihre genealogischen Mythen im Vergleich. Trier 2001, S. 146 f. VZ Mair von Nordlingen, ¨ Hans, † 1407 oder 1408. – ¨ Ratsherr, Ubersetzer. M. lebte in N¨ordlingen, war dort 1382–1407 Ratsherr und 1384/85 Spitalpfleger. Er vertrat die Stadt 1393–97 in Rechtsangelegenheiten; daneben war er 1394–97 auch Stadtamtmann. Um 1390–92 ¨ schuf M. die wahrscheinlich a¨ lteste fr¨uhnhd. Ubersetzung der 1287 vollendeten Historia destructionis Trojae des Guido de Columnis. In M.s Buch von Troja sind die ersten 31 B¨ucher Guidos enthalten, w¨ahrend Prolog, Epilog und vier Schlussb¨ucher fehlen. Andere Teile des Texts sind bei M. gek¨urzt, darunter astrologische Exkurse, Personenbeschreibungen und Verweise auf antike Vorlagen. Daf¨ur ¨ f¨ugt M. seiner Ubertragung einen gereimten Epilog hinzu, in dem er Guido und sich selbst als Au¨ toren nennt. Insgesamt bem¨uht sich M.s Ubersetzung um Originaltreue, enth¨alt aber eine klerikalmoralisierende Grundtendenz und eine zugespitzte Minne-Darstellung. ¨ Neben der handschriftlichen Uberlieferung (darunter ein wahrscheinlicher Autograph) ist M.s 475

Mair von Nordlingen ¨ ¨ Ubersetzung auch in Drucken des sp¨aten 15. Jh. erhalten (Ein h¨ubsche histori von der k¨unngclichenn stat troy wie si zerst¨orett wartt). Allerdings ist M.s Buch von Troja in manchen Drucken mit dem Troja-Epos des → Konrad von W¨urzburg verbunden, entweder als Mischredaktion oder als ein aus beiden Werken kontaminierter Text. In M.s wahrscheinlichem Autographen (Cgm 342, s. u.) sind auch chronikalische Notizen in lat. Sprache enthalten, u. a. u¨ ber Augsburger Ketzer im Jahr 1393. M.s Autorschaft ist allerdings nicht sicher nachzuweisen. ¨ Uberlieferung: Mu¨ nchen, BSB, Cgm 342, 3r–80r (Pap., 1393, vielleicht Autograph M.s, mit chronikalischen Notizen auf 1r, 2r, 82v–84r). – London, University College, MS. Germ. 7, 1r–97v (Pap., 15. Jh.). – Coburg, LB, Ms. Sche. 16, 7r–105v (Perg. und Pap., 1427). – Mu¨ nchen, BSB, Cgm 267, 7r–145v (Pap., um 1448). – Gießen, UB, Hs. 231, 1r–109v (Pap., Mitte 15. Jh.). – M¨unchen, BSB, Cgm 696, 1r–34v (Pap., zweite H¨alfte 15. Jh., Kurzfassung). – London, British Library, Ms. Arundel 6, 242r–342v (Pap., 1460). – Berlin, Staatliche Museen-Kupferstichkabinett, Cod. 78 A 13 (fr¨uher Hs. 99), 136 Bll. (Pap., 1464). – Straßburg, National- und UB, ms. 2119 (fr¨uher L germ. 195.2°), 116r–184r (Pap., drittes Viertel 15. Jh.). – M¨unchen, BSB, Cgm 213, 56r–56v (Pap., 1479–81, Auszug). Ausgaben: Emil Thiede: Studien u¨ ber daz buoch von Troja. Greifswald 1906, S. 64–70 (Teildr.). – Volksb¨ucher vom sterbenden Rittertum. Hg. v. Heinz Kindermann. Weimar u. a. 1928, S. 1–22. 2 1942, S. 35–56 (Teildr.). – Sp¨atlese des MA 1. Hg. v. Wolfgang Stammler. Berlin 1963, S. 61–70 (Teildr.). – Das ‹Buch von Troja› von Hans Mair. Krit. Textausg. und Unters. Hg. v. Hans Josef Dreckmann. Diss. Mu¨ nchen 1970 (vgl. dazu Heribert A. Hilgers. In: AfK 58, 1976, S. 256–261). Drucke: Mehrere Drucke aus dem letzten Viertel des 15. Jh.; vgl. GW-Nr. 7233, 7234, 7235, 7236, 7237, 7238, 7239, 6 Sp.802a. Literatur: De Boor/Newald 4/2 (1973) S. 189. – Karin Schneider: Buch v. Troja nach Guido de Columnis. In: VL2 1 (1978) Sp. 1101–1104. – Hans–Hugo Steinhoff, VL2 5 (1985) Sp. 1180–1183. – Leo Baer: Die illustrierten Historienb¨ucher des 15. Jhs. Straßburg 1903, S. 33–39, VI–VIII. – Wolfgang Monecke: Stud. zur epischen Technik Konrads v. W¨urzburg. Das Erz¨ahlprinzip der ‹wildekeit›. Stuttgart 1968, 476

Zurcher ¨ Stadtchroniken S. 9–27, 102–107. – K. Schneider: Der Trojanische Krieg im sp¨aten MA. Dt. Trojaromane des 15. Jh. Berlin 1968, S. 9–27, 102–107 (vgl. dazu H. A. Hilgers. In: AfK 52, 1970, S. 159–161). – K. Schnei¨ der: Uberl.und Editionsfragen zu zwei verschiedenen sp¨atma. dt. Trojaromanen. In: Probleme altgermanistischer Editionen. Kolloquium Marbach am Neckar 26. und 27. April 1966. Hg. v. Hugo Kuhn u. a. Wiesbaden 1968, S. 91–96. – Dreckmann 1970 (s. Ausg.). – Hans Joachim Koppitz: Stud. zur Tradierung der weltlichen mhd. Epik im 15. und beginnenden 16. Jh. Mu¨ nchen 1980, S. 150–154, 251 f. – Max Wehrli: Gesch. der dt. Lit. vom fr¨uhen MA bis zum Ende des 16. Jh. Stuttgart 1980, S. 874–876. – Dieter Weber: Geschichtsschreibung in Augsburg. Hektor M¨ulich und die reichsst¨adtische Chronistik des Sp¨atMA. Augsburg 1984, S. 48, 56. – Klemens Alfen u. a.: Dt. Trojatexte des 12. bis 16. Jh. Repertorium. In: Die dt. Trojalit. des MA und der Fr¨uhen Neuzeit. Materialien und Unters. Hg. v. Horst Brunner. Wiesbaden 1990, S. 7–197, hier S. 72 f. – Rainer Meisch: Troja und die Reichsstadt N¨ordlingen. Stud. zum ‹Buch v. Troja› (1390/92) des H. M. Wiesbaden 1994. – Mar´ıa Sanz Juli´an: La vieja materia frente a los nuevos tiempos. El incunable 277 Hist. T de la HAB de Wolfenb¨uttel. In: Bestandsaufnahme der Germanistik in Spanien. Kulturtransfer und methodologische Erneuerung. Hg. v. Cristina Jarillot Rodal. Bern u. a. 2010, S. 539–550. MM Zurcher ¨ Stadtchroniken. – Fr¨uhe volkssprachige Chroniken. Die Z. S. sind die fr¨uhesten in der Volkssprache geschriebenen schweizer. Chroniken. Auf verschiedenen a¨lteren Quellen basierend, umfassen sie die Stadtgeschichte von den Gr¨undungsheiligen Felix und Regula bis in die zweite H¨alfte des 15. Jh. Sie sind in mehreren Redaktionen und Fortsetzungen u¨ berliefert, die teilweise unabh¨angig voneinander entstanden. Heute werden prim¨ar vier Redaktionen unterschieden, die aus dem 14. und 15. Jh. stammen: Die um 1390 entstandene Redaktion A kompiliert a¨ltere Annalen (u. a. von Ulrich Krieg), eine Sammlung von Sagen und Legenden um die Stadtgr¨undung (um 1339 verfasst), die Chronik des Eberhard M¨ulner f¨ur 1350–55 und verschiedene Geschichten u¨ ber Rudolf von Habsburg. Außerdem f¨ugte der unbekannte Redaktor wohl von ihm selbst stammende Angaben zu den 477

2. H¨alfte 14. Jh. Schlachten von Sempach (1386) und N¨afels (1388) hinzu. Sp¨ater wurde A auch um eine Fortsetzung bis 1420 erweitert. Redaktion B, auch als Chronik der Stadt Z¨urich bekannt, wurde um 1420–30 verfasst. Ihr Redaktor reduzierte A weitgehend auf politische Ereignisse und milit¨arische Auseinandersetzungen. B ging dann in die Berner Chronik des Konrad → Justinger ein. Die um 1435 entstandene und auf A (ohne Fortsetzung) basierende Redaktion D enth¨alt eine noch st¨arker reduzierte Fassung der Z. S., die sich nur noch auf milit¨arische Ereignisse beschr¨ankt. Die manchmal angenommene Verfasserschaft von Konrad Kienast ist bis heute nicht sicher nachweisbar. Als Redaktion A–D wird die sog. Klingenberger Chronik bezeichnet. In sie sind neben A und D auch die Werke anderer Chronisten eingegangen: Jakob → Twinger von K¨onigshofen, Ulrich → Richental, → Konrad von Mure und Isenhofer von Waldshut. Redaktor war vielleicht Eberhard W¨uest, Notar in Rapperswil. A–D wurde sp¨ater bis 1444 (Alter Z¨urichkrieg) fortgesetzt. Diese Redaktion unterscheidet sich von den anderen Z. S. aufgrund ihrer durchg¨angigen Adelsperspektive, die einen kritischen Blick auf die Eidgenossen bedingt. Aus dem dritten Viertel des 15. Jh. stammt Redaktion C, die eine wichtige Quelle zur Schlacht bei Sempach darstellt. Daneben existiert eine Glarner Redaktion, die vom Landschreiber Rudolf Mad bis 1477 fortgesetzt wurde. Um 1486/1506 entstand außerdem eine Z. S. im Auftrag des Z¨uricher Stadtrats. Dieses Werk basierte auf der Chronik des Diebold → Schilling. Erw¨ahnt sei hier zuletzt auch eine legendenhafte Version der Z¨uricher Stadtgeschichte bei → Martin von Bartenstein. ¨ Uberlieferung: Zahlr. Hss. des 15. bis 18. Jh., oft mit der Klingenberger Chronik u. a. Chron. u¨ berliefert. – Verz. bei Gamper 1984 (s. Lit.) S. 27–29, 167–204 sowie im Handschriftencensus, WerkNr. 4679 und 2705. – Von Bedeutung ist besonders ¨ die Uberl. der Klingenberger Chronik: Z¨urich, ZB, Cod. A 78 (15. Jh.; Abschr. des Konstanzer Domherren Gebhard Sprenger). – Ebd., Cod. A 113 (1462; Abschr. Hans Huoplis). – Ebd., Cod. A 80, 76r-134r (15. Jh., unvollst.). – St. Gallen, Stiftsbibl., Hs. 645 (15. Jh.). – Ebd., Hs. 806, S. 227–270 (15. Jh.; unvollst.). – Ebd., Hs. 608, 22 Bll. (16. Jh.; unvollst.). – St. Gallen, StB, Hs. 68 (Ende 15. Jh.; unvollst.). – M¨unchen, BSB, Cgm 1223 (1562). – ¨ Uberlingen, Stadtarch., Bd. 14 v. Jakob Reutlingers 478

2. H¨alfte 14. Jh. Kollektaneen, S. 1–135 (Ende 16. Jh.). – Zu einer heute verschollenen Hs. der Klingenberger Chronik und einigen Fragm. vgl. auch Erich Kleinschmidt: Herrscherdarst. Zur Disposition ma. Aussageverhaltens [...]. Bern 1974, S. 275; Johannes Dierauer: Chron. der Stadt Z¨urich. Basel 1900, Hss. 7–10, S. XXXII f. Ausgaben: Ludwig Ettm¨uller: Die beiden a¨ ltesten dt. Jahrb¨ucher der Stadt Z¨urich. In: Mitt. der antiquarischen Ges. in Z¨urich 2 (1844) S. 33–96 (unvollst.). – Die Klingenberger Chron. Hg. v. Anton Henne. Gotha 1861. Nachdr. Vaduz 1987 (gilt als mangelhafte Ausg.). – Chron. der Stadt Z¨urich mit Fortsetzungen. Hg. v. Johannes Dierauer. Basel 1900. – Die sog. Klingenberger Chron. des Eberhard W¨ust, Stadtschreiber von Rapperswil. Hg. v. Bernhard Stettler. St. Gallen 2007. Literatur: Albert B¨uchi: Chroniken. In: HBLS 2 (1924) S. 578–590. – Guy P. Marchal: Chron. der Stadt Z¨urich. In: VL2 1 (1978) Sp. 1258 f.; 11 (2004) Sp. 331. – Rudolf Gamper, VL2 10 (1999) Sp. 1608–1611. – Michael Jucker: Chron. der Stadt Z¨urich. In: Killy2 2 (2008) S. 427. – Rudolf Luginb¨uhl: Anonyme Z¨urcher- und Schweizerchron. aus den Dreissigerjahren des 16. Jh., nach ihren Quellen untersucht. In: Jb. f¨ur Schweizer. Gesch. 32 (1907) S. 139–204. – Emil D¨urr: Die Chron. des Felix Hemerli. In: Basler Zs. f¨ur Gesch. und Altertumskunde 8 (1909) S. 180–213. – Ders.: Die Chron. des Rudolf Mad, Landschreibers v. Glarus. In: Basler Zs. f¨ur Gesch. und Altertumskunde 9 (1910) S. 94–110. – Hans G. ¨ Wirz: Der Sieg v. Sempach im Lichte der Uberl. In: Neujahrsbl. der Feuerwerker-Ges. in Z¨urich 117 (1921) S. 13–31. – Hans Strahm: Der Chronist Conrad Justinger und seine Berner Chron. v. 1420. Bern 1978, S. 47–49. – Richard Feller/Edgar Bonjour: Geschichtsschreibung der Schweiz vom Sp¨atMA zur Neuzeit. Basel 21979, S. 45–47. – Bar¨ bara Helbling: Der Held v. Sempach. Osterr. und eidgen¨ossische Versionen. In: Schweizer. Zs. f¨ur Gesch. 31 (1981) S. 60–66. – Robert Hoehn: Stud. zu den Kurzerz¨ahlungen in schweizer. Chron. des 14.–16. Jh. Z¨urich 1982, S. 58–64, 114–126. – Rudolf Gamper: Die Z¨urcher Stadtchron. und ihre Ausbreitung in die Ostschweiz. Forschungsgesch., ¨ Uberl., Analyse der Chroniktexte. Zu¨ rich 1984. – Ilse Haari-Oberg: Die Wirkungsgesch. der Trierer Gr¨undungssage vom 10. bis 15. Jh. (Europ¨aische Hochschulschr. 3,607). Bern u. a. 1994, S. 96–98. – Christoph Sieber: Die Reichsstadt Z¨urich zwi479

Ursprung der Stadt Mainz ¨ schen der Herrschaft Osterreich und der werdenden Eidgenossenschaft. In: Gesch. des Kantons Z¨urich 1. Fr¨uhzeit bis Sp¨atMA. Hg. v. Niklaus Fl¨ueler/Marianne Fl¨ueler-Grauwiler. Z¨urich 1995, S. 471–496. – R. Gamper: Der Adel in den Z¨urcher Chron. In: Alter Adel – neuer Adel? Z¨urcher Adel zwischen Sp¨atMA und fr¨uher Neuzeit. Hg. v. Peter Niederh¨auser. Z¨urich 2003, S. 125–141. MM Ursprung der Stadt Mainz. – Dt. Prosachronik. Der U. d. S. M. wurde wahrscheinlich in der zweiten H¨alfte des 14. Jh. oder im fr¨uhen 15. Jh. von einem Mainzer B¨urger verfasst. Das nur wenige Seiten lange, in dt. Prosa geschriebene Werk wird oft als Chronik angesehen, ist aber vielmehr eine Geschichtserz¨ahlung mit historiographischer Maske. Der Text beginnt mit der legend¨aren Gr¨undung der Stadt Trier durch den babylonischen K¨onigssohn Treverus. Im weiteren Verlauf behandelt die Schrift außerdem die Gr¨undung von Mainz durch zw¨olf Meister, erz¨ahlt von Kaiser Drusus, den Hunnen sowie K¨onig Dagobert und schließt mit dem Kampf um st¨adtische Privilegien im 12. Jh. Insgesamt d¨urfte der Nachweis solcher Mainzer Freiheiten eine Hauptintention des Autors bei der Abfassung gewesen sein. Die Darstellungen im U. beruhen teilweise auf dem Christiani Chronicon Moguntinum (13. Jh.). Der U. d. S. M. selbst war Quelle f¨ur Wigand Gerstenberg und Main¨ zer Chronisten. Die weitere Uberlieferung verlief prim¨ar u¨ ber die um 1443 entstandene Zweitredaktion der Chronik des Eberhard Windeck, in die der U. d. S. M. in leicht gek¨urzter Form einging. ¨ Die sonstige Uberlieferung ist sp¨arlich. Die Forschung hat den U. d. S. M. erst in j¨ungerer Zeit als historische Erz¨ahlung zu w¨urdigen begonnen. ¨ Uberlieferung: Berlin, SBB, Mgq 1803 (fr¨uher Molsberg, Gr¨afl. Walderdorffsche FideikommissBibl., Nr. 3597), 201r–208v (Pap., sp¨ates 15. Jh.). – Darmstadt, LB, cod. 820, 69r–78v (1507, erweiterte Red.). – Eine Miltenberger Hs. ist verschollen. – ¨ Vgl. auch die Uberl. der Chron. v. Eberhard Windeck, die den U. d. S. M. u¨ bernahm. Ausgaben: Die Chron. der mittelrheinischen St¨adte: Mainz 2. Hg. v. Karl Hegel und der Bayerischen Akad. der Wiss. (Chron.dt.St. 18). Leipzig 1882 (Nachdr. G¨ottingen 1968) S. 239–243. – Eberhart Windeckes Denkw¨urdigkeiten zur Gesch. des Zeitalters Kaiser Sigmunds zum ersten Male 480

Wigand von Marburg vollst¨andig herausgegeben. Hg. v. Wilhelm Altmann. Berlin 1893, S. 456–465. Literatur: Klaus Graf, VL2 10 (1999) Sp. 130 f. – Die Chron. des Wigand Gerstenberg v. Frankenberg. Hg. v. Hermann Diemar. Marburg 1909. 2 1989, S. 59*–61*. – Wilhelm Diepenbach: Dagobertlegende in Mainz. In: Stadt und Stift. Beitr. zur Mainzer Gesch. FS Heinrich Schrohe. Mainz 1934, S. 18–36. – Ilse Haari-Oberg: Die Wirkungsgesch. der Trierer Gr¨undungssage vom 10. bis 15. Jh. Bern u. a. 1994, S. 110–113. – Uta Goerlitz: Humanismus und Geschichtsschreibung am Mittelrhein. Das ‹Chronicon urbis et ecclesiae Maguntinensis› des Hermannus Piscator OSB. T¨ubingen 1999, S. 258–269. – Dies.: Facetten literarischen Lebens in Mainz zwischen 1250 und 1500. Ma. Erz¨ahlungen u¨ ber das (ur)alte Mainz im Spannungsfeld v. Latein und Volkssprache, M¨undlichkeit und Schriftlichkeit. In: Lebenswelten Gutenbergs. Hg. v. Michael Matheus. Stuttgart 2005, S. 59–88. MM Witte, Johannes, de Hese. – Verfasser eines Reiseberichts. W. stammte vermutlich aus Hese in Gelderland. In seinem in Ich-Form verfassten lat. Bericht u¨ ber seine Asienreise 1389–91 (Itinerarius in partes orientales) bezeichnet er sich als «presbyter» (Di¨ozese ¨ Utrecht); in der mndl. Ubersetzung des Itinerarius erscheint der Autor als «Jan Voet». W.s Itinerarius, dem in den meisten Drucken der lat. Brief des Priesterk¨onigs Johannes beigef¨ugt ist, beruht eher auf fiktiven, der Reiseliteratur und Enzyklop¨adik entnommenen Elementen und Passagen als auf eigener Anschauung (vgl. die Aufzeichnungen des Jean de → Mandeville und Koloman → M¨uhlwangers). Die Reise f¨uhrt von Jerusalem ¨ und den Sinai nach Indien (ausf¨uhru¨ ber Agypten liche Beschreibung der Hauptstadt Edissa mit dem Palast des Priesterk¨onigs Johannes und der Stadt Hulna mit dem Grab des Apostels Thomas). ¨ Uberlieferung: Sieben Hss. (¨alteste Hs: Minneapolis, The James Ford Bell Library, MS. 1424/Co [Phillipps 6650], aus der Abtei Deutz, 1424) und elf Drucke (von 1490 bis 1565; Erstdruck: K¨oln, Joh. Guldenschaff, ca. 1490); vgl. Scott D. Westrem: A Critical Edition of J. W. de H.’s Itinerarius, the Middle Dutch Text, an English Translation, and Commentary, Together with an Introduction to European Accounts of Travel to 481

2. H¨alfte 15. Jh. the East (1240–1400). Diss. Northwestern Univ., Evanston, IL 1985, S. 286–302, 331–378, 394–469. ¨ Ausgabe: Westrem (s. Uberl.) S. 470–537. ¨ Die mndl. Ubersetzung des 15. Jh. (Db) lehnt sich eng an die a¨lteste lat. Hs. an. ¨ Uberlieferung: Berlin, BSB, Ms. Phillipps 1981, 12 Bll. (Pap., 17. Jh.) (Db). – Privatbesitz Antiquariat Gilhofer und Ranschburg, Wien, Nr. 1930/9, 1r–8v (Pap., 15. Jh.; verschollen) (Da). – Privatbesitz Abraham de Vries, Haarlem, ohne Sign., 5 Bll. (Pap.; verschollen) (Dh). Ausgabe: Westrem (s. o.) S. 538–567 (nach Db). Literatur: Bettina Wagner, VL2 10 (1999) Sp. 1276 –1278. – Gustav Oppert: Der Presbyter Johannes in Sage und Gesch. Ein Beitr. zur V¨olkerund Kirchenhistorie und zur Heldendichtung des MA. Berlin 1864, S. 180–193. – Friedrich Zarncke: Der Priester Johannes. Zweite Abh., enth. Cap. IV, V und VI, Abh. der Philol.-Hist. Cl. der Kgl.-S¨achsischen Ges. der Wiss. zu Leipzig. Bd. 8, Nr. 1 (Abh. der Kgl.-S¨achsischen Ges. der Wiss. zu Leipzig 19). Leipzig 1883, S. 159–171. – Scott ¨ D. Westrem 1985 (s. Uberl.). – Ders.: A Medieval Travel Book’s Editors and Translators. Managing Style and Accommodating Dialect in J. W. de H.’s Itinerarius. In: The Medieval Translator 4 (1994) S. 153–180. – Ders.: W. de H., J. (Jan Voet) (fl. 1389–1392?). In: Trade, Travel, and Exploration in the Middle Ages. An Encyclopedia. Hg. v. John Block Friedman/Kirsten Mossler (Garland Reference Library of the Jumanities 1899). New York u. a. 2000, S. 649–651. – Ders.: Broader Horizons. A Study of J. W. de H.’s Itinerarius and Medieval Travel Narratives (Medieval Academy Books 105). Cambridge, MA 2001. BJ Wigand von Marburg, * vor 1365, † nach 1409. – Herold des Dt. Ordens, Chronist. W. stammte wahrscheinlich aus dem hessischen Marburg oder dem slowenischen Maribor. 1393 ist er mit dem Hochmeister des Dt. Ordens Conrad von Wallenrod in Danzig nachweisbar. Sp¨ater war er Herold des Dt. Ordens. Um 1393/94 verfasste W. eine Reimchronik in dt. Sprache, die detailiert die milit¨arischen Auseinandersetzungen des Ordens mit den Litauern schildert. Er beschreibt darin ausf¨uhrlich Einzelheiten wie Gel¨ande- und Wetterbedingungen, angewandte Taktiken, erlittene Verluste und gewonnene Beute, bis hin zur Beschreibung von Belagerungsmaschinen. Der urspr¨ungliche Umfang der Chronik wird auf 16.500–17.000 Verse gesch¨atzt. In dt. Sprache 482

2. H¨alfte 14. Jh. sind zehn, teilweise verst¨ummelte Fragmente mit insgesamt 645 Versen erhalten. Diese Fragmente schwanken in ihren jeweiligen Umf¨angen, die von zehn bis 140 Versen reichen. Die Fragmente II–III und VII–IX sind als Zitate aus der Historia rerum Prussicarum des Caspar Sch¨utz u¨ berliefert. Die u¨ brigen Fragmente wurden aus zwei heute verlorenen Handschriften kopiert, die beide um 1400 entstanden sind. Außerdem ist W.s Chronik in einer ¨ stark gek¨urzten lat. Ubersetzung u¨ berliefert, die der Thorner Kaplan Konrad Ghesselen 1464 f¨ur den polnischen Historiker Johannes Długosz anfertigte. W.s weitgehend kompilatorisches Werk benutzte vor allem lat. Chroniken als Quellen: die Olivenser Chronik des Gerhard von Braunswalde, das Chronicon Livoniae des Hermann von Wartberge, die Epitome gestorum Prussiae des → Peter von Dusburg, aber auch die Thorner Annalen, Ordensakten und m¨undliche Berichte. Rezipiert wurde W. in erster Linie durch die preußische und polnische Chronistik, interessanterweise jedoch nur außerhalb des Ordens. Aus heutiger Sicht k¨onnen W.s Chronik durchaus erz¨ahlerische Qualit¨aten attestiert werden, die sich besonders in einer h¨aufig durch direkte Rede erzielten Lebendigkeit a¨ ussern. Allerdings konzentrierte sich W. auf die Darstellung der – von ihm rein milit¨arisch, nicht religi¨os aufgefassten – K¨ampfe, ohne deren Hintergr¨unde zu erl¨autern. Es liegt also nahe, den literarischen Wert der Chronik u¨ ber ihre historische Aussagekraft zu stellen. ¨ Uberlieferung: 1. Fragm. nach Hs. 1 (um 1400): Wien, Zentralarch. des Dt. Ordens, Hs. 565, 1r–2v (Wende 14./15. Jh.). – Mu¨ nchen, BSB, Cgm 5249/24 m, 1r–2v (Wende 14./15. Jh.). – Karlsruhe, LB, cod. Donaueschingen A III 9 a, 1r–2v (Wende 14./15. Jh.). – Ebd., cod. Donaueschingen A III 9 b, 1r–2v (Wende 14./15. Jh.). – 2. Fragm. nach Hs. 2 (um 1400): Karlsruhe, LB, cod. Donaueschingen A III 10, 1r–2v. Ausgaben: Bruchst¨uck einer Reimchron. des Dt.-Ordens aus dem Anfange des 15. Jh. In: Mittheilungen aus dem Gebiete der Gesch. Liv-, Ehstund Kurland’s 3 (1843) S. 129–133. – Eduard Kr¨omecke; Ein Bruchst¨uck eines mhd. Gedichtes. In: Anz. f¨ur Kunde der dt. Vorzeit NF 5 (1858) Sp. 335 f. – Die Chron. W.s v. M. Origi¨ ¨ nalfragmente, lat. Ubersetzung und sonstige Uberreste. Hg. v. Theodor Hirsch. In: Scriptores Rerum Prussicarum 2. Hg. v. T. Hirsch u. a. Leipzig 483

Elhen von Wolfhagen 1863 (Nachdr. Frankfurt/M. 1965) S. 429–662. – Karl A. Barack: Bruchst¨ucke aus W.s v. M. Reimchron. In: Germania 12 (1867) S. 194–205. – Zwei Fragmente der Reimchron. W.’s v. M. Hg. v. T. Hirsch. In: Scriptores Rerum Prussicarum 4. Hg. v. Max Toeppen u. a. Leipzig 1870 (Nachdr. Frankfurt/M. 1965) S. 1–8. – Herbert Thoma: Ein neues Bruchst¨uck aus der Reimchron. W.s v. M. In: ZfdA 74 (1937) S. 42–45. – Udo Arnold: Ein Fragm. der Reimchron. W.s v. M. In: Scriptores rerum Prussicarum 6. Hg. v. Walther Hubatsch. Frankfurt/M. 1968, S. 44–49. ¨ Ubersetzung: Wigandi Marburgensis equitis et fratris ordinis Teutonici Chronicon seu annales. Hg. v. Johannes Voigt. Posen 1842. Literatur: K. Lohmeyer, ADB 20 (1884) S. 293 f. – Carl A. L¨uckerath, LexMA 9 (1998) Sp. 94. – Gisela Vollmann-Profe, VL2 11 (2004) Sp.1658–1662. – Helmut Bauer: Peter v. Dusburg und die Geschichtsschreibung des Dt. Ordens im 14. Jh. in Preußen. Berlin 1935, S. 60–78. – Karl Helm/Walther Ziesemer: Die Lit. des Dt. Ritterordens. Gießen 1951, S. 165–167. – Mary Fischer: ‹Di himels rote›. The Idea of Christian Chivalry in the Chronicles of the Teutonic Order (GAG 525). G¨oppingen 1991, S. 223–236. – Klaus Schreiner: Nobilitas Mariae. Die edelgeborene Gottesmutter und ihre adeligen Verehrer: Soziale Pr¨agungen und politische Funktionen ma. Adelsfr¨ommigkeit. In: Maria in der Welt. Marienverehrung im Kontext der Sozialgesch. 10.–18. Jh. Hg. v. Claudia Opitz u. a. Z¨urich 1993, S. 213–242. – Sławomir Zonenberg: Kronika Wiganda z Marburga. Bydgoszcz 1994. – Jarosław Wenta: Stud. u¨ ber die Ordensgeschichtsschreibung am Beispiel Preußens. Toru´n 2000, S. 228 f. – Krzysztof Kwiatkowski: Die Selbstdarstellung des Dt Ordens in der ‹Chronik› W.s v. M. In: Selbstbild und Selbstverst¨andnis der geistlichen Ritterorden. Hg. v. Roman Czaja/J¨urgen Sarnowsky. Toru´n 2005, S. 127–138. MM Elhen von Wolfhagen, Tilemann, * um 1347/48 Wolfhagen/Niederhessen, † nach 1406 Limburg a. d. Lahn. – Stadtschreiber, Chronist. Der mit Gunther von Ehlen verwandte E. erwarb unter unbekannten Umst¨anden die niederen Weihen; seit 1370 ist er in Limburg nachgewiesen. Er war dort bis etwa 1398 o¨ ffentlicher Notar und wahrscheinlich gleichzeitig, zumindest aber um 1394, Stadtschreiber. 1390 heiratete er eine 484

Elhen von Wolfhagen Sch¨offentochter aus dem Limburger Patriziat. E. gilt allgemein als Verfasser der 1377/78 begonnenen Limburger Chronik, u. a. wegen einer darin ent¨ haltenen Selbstnennung. Die mittelalterliche Uberlieferung des Werks ist fragmentarisch (nur ein Codex des 15. Jh.); die meisten Handschriften stammen aus dem 16. bis 18. Jh. Es gibt auch Hinweise auf verlorene Textstellen aus fru¨ heren Fassungen. Die Limburger Chronik behandelt den Zeitraum 1335 bis 1398 in Limburg und im Lahntal als episodisch angelegte Darstellung mit einzelnen Vor- und R¨uckgriffen. Die geschilderten Ereignisse und Verh¨altnisse stammen zumeist aus Politik (Adelsfehden), Kultur (u. a. Kleidungsmoden) und Religion (ausf¨uhrliche Beschreibungen von Geißlerz¨ugen). Aber auch Naturkatastrophen und Epidemien sind in E.s Werk erw¨ahnt. Die politische Tendenz der Chronik gilt als freundlich gegen¨uber Kaiser → Karl IV. und dem Reich. Obwohl E. in der Chronik den Anspruch a¨ußert, nur von ihm selbst bezeugte Tatsachen zu berichten, geht die Forschung heute von einer teilweisen Verwendung lokalhistorischer Quellen aus. Zur Kommentierung mancher Ereignisse benutzte E. auch Autorit¨aten-Zitate (vor allem Aristoteles und → Bernhard von Clairvaux) aus zeitgen¨ossischen Sentenzensammlungen. Erw¨ahnenswert sind die in E.s Werk eingeschobenen Lieder Gerlachs von Limburg, Reinhards von Westerburg, Peters von Arberg u. a. Dabei erg¨anzte E. die Liedtexte mit Informationen u¨ ber die jeweiligen Liederdichter sowie die Verbreitung und Auff¨uhrung der St¨ucke. Die Limburger Chronik wurde sp¨ater von Johannes → Rothe und Wigand → Gerstenberg als Vorlage benutzt. Von Gerstenberg stammt auch ein Verweis auf eine Hessenchronik f¨ur den Zeitraum von 1360 bis 1417. E. wird verschiedentlich als Autor dieses verlorenen Werks vermutet, doch ist diese Zuschreibung unsicher. Heute wird E. besonders als Chronist von kulturhistorischem Wert gesch¨atzt. ¨ Uberlieferung: Berlin, SBB, Mgq 1803, 211r–217v (Pap., Ende 15. Jh.; Fragm.). – Alle weiteren Hss. sind nachma. – Verz. der zahlr. Hss. bei Wyss 1883 (s. Ausg.) S. 2–9; Gensicke 1962 (s. Lit.) S. 265, Anm. 49. Ausgaben: Fasti Limpurgenses. Das ist: Eine wohlbeschriebene Chronick Von der Stadt und den Herren zu Limpurg auff der Lahn [...]. Hg. v. Georg Ernst Winckler. Wetzlar 1720. Nachdr. Limburg a. d. Lahn 2003 (nach einem Druck des Johann Faust v. 1617). – Die Limburger Chronik 485

2. H¨alfte 14. Jh. mit einer Einleitung und erl¨auternden Anmerkungen. Hg. v. Christian Daniel Vogel. Herborn 1826. 2 1828. – Die Limburger Chronik des Johannes. Nach J. Fr. Fausts Fasti Limpurgenses. Hg. v. Karl Rossel. Wiesbaden 1860. – Die Limburger Chronik des T. E. v. W. (MGH Dt. Chron. 4/1). Hg. v. Arthur Wyss. Hannover 1883. Neudr. Mu¨ nchen 1993. – Die Limburger Chronik nach dem a¨ ltesten Drucke von 1617. Hg. v. Friedrich Zurbonsen. D¨usseldorf 1910. – Die Limburger Chronik. Hg. v. Otto G. Brandt. Jena 1922. – Die Limburger Chronik des Tileman E. v. W. Hg. v. Gottfried Zedler. Limburg a. d. Lahn 1930 (Text nach Wyss, mit nhd. Fassung). – Die Limburger Chronik des T. E. v. W. Hg. v. Karl Reuss. Limburg a. d. Lahn 1961. Neudr. ebd. 1995 (nhd. Ausg.). – Dt. Lyrik des sp¨aten MA (BMA 22). Hg. v. Burghart Wachinger. Frankfurt/M. 2006, S. 476–479 (Teildr.). Literatur: Hellmuth Gensicke, NDB 4 (1959) S. 345 f. – Peter Johanek, VL2 (1980) Sp. 474–478. – De Boor/Newald 4/1 (21994) S. 150, 166, 168 u. o¨ . – Norbert H. Ott/Gerhard Wolf, Killy2 3 (2008) S. 252. – Hermann Diemar: Texte und Unters. zur verlorenen Hessenchron. In: Zs. des Ver. f¨ur Hessische Gesch. und Landeskunde 37 ¨ (1903) S. 33–55. – Emil Schaus: Uber das Todesjahr des Limburger Chronisten T. In: Neues Arch. der Ges. f¨ur a¨ltere dt. Geschichtskunde 32 (1907) S. 722–727. – Edward Schr¨oder: Die Abfassungszeit der Limburger Chron. In: ZfdA 53 (1912) S. 207 f., 335 f. – Heinrich Otto: Zur Frage nach der Entstehung der Limburger Chron. In: Neues Arch. der Ges. f¨ur a¨ltere dt. Geschichtskunde 43 (1922) ¨ S. 397–401. – E. Schr¨oder: Zur Uberl. und Textkritik dt. Chron. In: ebd. 45 (1924) S. 119–131. – G. Zedler: Die Quellen der Limburger Chron. und ihre Verwertung durch T. In: Hist. Vierteljahrschr. 23 (1926) S. 289–324. – Ders.: Die Hessenchron., ihr Umfang und Inhalt sowie ihr Verf. In: Zs. des Ver. f¨ur Hessische Gesch. und Landeskunde 55 (1926) S. 176–228. – Ders.: Zur Erkl¨arung und Textkritik der Limburger Chron. In: Mu¨ nchener Mus. f¨ur Philologie des MA und der Renaissance 5 (1929) S. 210–250. – Gertraud Groh: Die Limburger Chron. des T. E. v. W. Diss. Mu¨ nchen 1951. – Harro Brack: Die Geschichtsauffassung der Limburger Chron. Vergleichende Stud. zur sp¨atma. Geschichtsschreibung. Diss. Mu¨ nchen 1953. – H. Gensicke: Zur Limburger Chron. In: Nassauische Annalen 73 (1962) S. 262–267. – Georg Steer: ‹Dat dagelyt von der heiligen passien›. Die sog. 486

2. H¨alfte 14. Jh. ‹Große Tageweise› Graf Peters v. Arberg. In: Beitr. zur weltlichen und geistlichen Lyrik des 13. bis 15. Jh. W¨urzburger Colloquium 1970. Hg. v. Kurt Ruh/Werner Schr¨oder. Berlin 1973, S. 112–204. – Paul G¨orlich: Ein Limburger Chronist des 14. Jh. T. E. und sein Werk. In: Hessische Heimat 47 (1996) S. 89–92. – Fred Schwind: T. E. v. W. (ca. 1346/48 – nach 1411). Limburger Chron. In: Hauptwerke der Geschichtsschreibung. Hg. v. Volker Reinhardt. Stuttgart 1997, S. 163–166. – Wolfgang Haubrichs: ‹Habitus Corporis›. Leiblichkeit als Problem einer hist. Semantik des MA. Ein Beispiel physiognomischer K¨orperdarstellung in der Limburger Chron. In: K¨orperinszenierungen in ma. Lit. Kolloquium am Zentrum f¨ur interdisziplin¨are Forschung der Univ. Bielefeld, 18. bis 20. M¨arz 1999. Hg. v. Klaus Ridder/Otto Langer. Berlin 2002, S. 15–43. – Wilfried Ehbrecht: ‹uppe dat sulck grot vorderffenisse jo nicht meer enscheghe›. Konsens und Konflikt als eine Leitfrage st¨adtischer Historiographie, nicht nur im Hanseraum. In: St¨adtische Geschichtsschreibung im Sp¨atMA und in der fr¨uhen Neuzeit. Hg. v. P. Johanek. K¨oln u. a. 2000, S. 51–109, hier S. 67 f. – Franz-Karl Nieder: Der Anhang zur Limburger Chron. des T. E. v. W. Text und Anm. In: Nassauische Annalen 118 (2007) S. 195–208. – Michael Embach: Trierer Literaturgesch. Das MA. Trier 2007, S. 423–425. MM Bromes, Dirk (Brome; Dirik, Thidericus), * um 1338 L¨uneburg (?), † 1400 L¨uneburg. – Verfasser eines Einschubs in die L¨uneburger Chronik bis 1414 (1421). B. wurde 1371 Ratsherr in L¨uneburg und 1391 sowie 1392 vom Stadtrat zum Sodmeister an der Saline gew¨ahlt. B. galt lange zu Unrecht als Verfasser der → L¨uneburger Chronik bis 1414 (1421), doch ist ein unikal u¨ berlieferter Einschub zwischen Einleitung und Hauptteil der Chronik von rund sechs Quartseiten vermutlich ihm zuzuschreiben. Der Einschub rekurriert auf den «L¨uneburger Erbfolgekrieg» (1370–88) und die Bem¨uhungen um einen Friedensschluss. Der Bericht ist nicht neutral sondern gegen Herzog Magnus II. gerichtet und weist B. als eindeutigen Parteig¨anger des L¨uneburger Rats aus. ¨ Uberlieferung: Kopenhagen, Kgl. Bibl., GKS Cod. 667,2°, 1va–4va (Pap., 15. Jh., nd.). Literatur: Thomas Sandfuchs, VL2 1 (1978) Sp. 1041. – Conrad Borchling: Mittelnd. Hss. 487

Bromes in Skandinavien, Schleswig-Holstein, Mecklenburg und Vorpommern. Zweiter Reiseber. (Nachr. v. der Kgl. Ges. der Wiss. zu G¨ottingen, Philol.-hist. Kl. 1900 [Beiheft]). G¨ottingen 1900, S. 66–68. – Wilhelm Reinecke: Die L¨uneburger Chron. bis 1414 in: Die Chron. der nieders¨achsischen St¨adte: L¨uneburg (Chron.dt.St. 36). Stuttgart 1931 (Nachdr. G¨ottingen 1968) S. 37–44. – Heiko Droste: Wandel v. Funktion und Gebrauchssituation der L¨uneburger Historiographie (1350 bis 1639) (Ver¨off. der Hist. Kommission f¨ur Niedersachsen und Bremen 195). Hannover 2000, S. 68. VZ Die Weberschlacht. – Gereimter historischer Bericht. Die vor 1396 in K¨oln (Ise) enstandene «rede» berichtet in Versen ausf¨uhrlich von den Ereignissen der sog. Weberschlacht, als die Z¨unfte sich gegen die die Stadt K¨oln regierenden alten Geschlechter erhoben und u. a. das Recht erstritten, Mitglieder der Z¨unfte zur Rentkammer zuzulassen sowie Jurisdiktion und Verwaltung o¨ ffentlicher Eink¨unfte der Hand der Z¨unfte zu u¨ berlassen. Anlass zu gewaltt¨atigen Auseinandersetzungen gab der Fall eines Straßenr¨aubers, der nach Meinung der Z¨unfte nicht schnell genug verurteilt worden sei. Diese erzwangen gewaltsam seine Herausgabe und k¨opften ihn. Dieser Vorfall f¨uhrte im Folgenden zu o¨ ffentlichem Chaos, Pl¨underungen und Brandschatzungen; die Weber sahen sich in ihren Forderungen best¨atigt. Nach anhaltenden B¨urgerkrieg a¨ hnlichen K¨ampfen zwischen den Parteien unterlagen die Weber den Patriziern, die von einigen Z¨unften unterst¨utzt wurden. Die «gesellen van Ysenmart» (die Schmiedezunft, V. 419), von denen einige den Webern schließlich noch beispringen wollten, flohen, als sie von der Niederlage h¨orten. Der Text endet mit einem kurzen Schlusssatz, «De is wail geleirt, die al dinck zo dem besten keirt» (V. 479f.), den Honemann (Sp. 781) als «Notdach» bezeichnet, die Verdammung der Weber sei «als eine Art Fazit» zu verstehen. Der Text muss aber, nach einhelliger Meinung der Forschung erg¨anzt werden durch die am Ende der → Koelhoffschen Chronik (Guilelmus [de Gouda]: Die Cronica van der hiliger Stat va[n] Coelle[n]. K¨oln, Koelhoff 1499, Bl. CCLXXIIIr–CCLXXVIv) u¨ berlieferten 40 Verse unter der Rubrik «Eyn vermanunge zo den ouersten van Coellen van dem alden heirschafft», die als Epimythion der Weberschlacht zu 488

Kolner ¨ Memoriale des 15. Jahrhunderts lesen sind. Sie bezichtigen die Weber der Gewalt ¨ und des Ubermuts. Durch Gottes Wirken h¨atten sie bekommen, was sie nach dem St¨anderecht verdient h¨atten. Der Verfasser warnt die «van Coelne yr alde» (V. 9) vor der Hoffart der Z¨unfte, mahnt sie zu Gottesfurcht und stets «vredelich ind vredesam» (V. 39) zu sein (vgl. Groote, Ausgabe, S. 230–232 [zit.], Cardauns/Schr¨oder, Ausgabe, S. 156 f.). Ein Verfasser konnte nicht sicher identifiziert werden; Stein und Fleermann diskutieren die Urheberschaft des Rentkammerschreibers Heinrich von Lintorf (gest. nach 1387). Stilistisch ist der Text sehr einfach gehalten, viele Flickw¨orter und -verse zeigen die Anstrengung f¨ur den Autor dem Bericht etwas a¨ sthetische Qualit¨at zu verleihen. Insgesamt ist der Erz¨ahler im Text sehr pr¨asent, nennt sich oft selbst, spricht sein Publikum unmittelbar an. Dieser Umstand l¨asst die Forschung an die Authentizit¨at des in der Koelhoffschen Chronik u¨ berlieferten Schlusses glauben. ¨ Uberlieferung: Frankfurt/M., UB, Ms. germ. oct. 26, 130v–140r (Pap., um 1440, ripuarisch). – Paris, Bibl. Nationale, Ms. allem. 155, 180v–195v (Pap., 16./17. Jh., niederrheinisch). Beide Hss. u¨ berliefern den Text zusammen mit Gottfried → Hagens Reimchronik der Stadt K¨oln. Zahlreiche Abschriften von Hagens Chronik aus dem 18. und 19. Jh. enthalten ebenfalls beide Texte und sind von der Frankfurter Hs. abh¨angig. Ausgabe: Des Meisters Godefrit Hagen der Zeit Stadtschreibers, Reimchronik der Stadt C¨oln aus dem dreizehnten Jh. Mit Anm. und W¨orterbuch nach der einzigen alten Hs. zum erstenmale vollst¨andig hg. von Eberhard von Groote, Stadtrath. C¨oln am Rhein 1834 (Nachdr. 1972) S. 214–232 und 255 f. – Hermann Cardauns/Karl Schr¨oder (Hg.): Gotfrid Hagen. Dit is dat boich van der stede Colne. Leipzig 1875 (Chron.dt.St. 12.1) S. 1–236 (Gotfrid Hagen: ‹Boich van der stede Colne›) S. 237–262 (Weberschlacht). – Rochus von Liliencron (Hg.): Die hist. Volkslieder der Deutschen vom 13. bis 16. Jh. 5 Bde. Leipzig 1865–69, Bd. 1, Nr. 20, S. 68–77. – Kurt G¨artner/ Andrea Rapp/D´esir´ee Welter (Hg.): Gottfried Hagen, Reimchronik der Stadt K¨oln. Hist. Kommentar von Thomas Bohn (Publ. der Ges. f¨ur Rheinische Geschichtskunde 74). D¨usseldorf 2008. Literatur: Volker Honemann, VL2 10 (1999) Sp. 780–782. – Leonard Ennen: Gesch. der Stadt K¨oln. 2 Bde. K¨oln 1864, S. 661–682. – Walther ¨ Stein: Uber den Verfasser des k¨olnischen Liedes von 489

2. H¨alfte 14. Jh. der Weberschlacht. In: Hansische Geschichtsbll. 27 (1899) S. 147–164. – Johannes Bernhard Menke: Geschichtsschreibung und Politik in dt. St¨adten des Sp¨atMA. In: Jb. des k¨olnischen Geschichtsvereins 33 (1958) S. 1–84 und 34/35 (1859/1860) S. 85–194, hier 33, S. 12–22 und 56. – Waltraud Ise: Zum Wortschatz der ‹Weverslaicht›. In: Rheinische Vierteljahrsbll. 33 (1969) S. 330–335. – Birgitt Weimann: Die ma. Hss. der Gruppe Manuscripta germanica (Kat. der StB und UB Frankfurt/Main 5,IV). Frankfurt/M. 1980 S. 113 f. – Klaus Militzer: ¨ ‹Gaffeln, Amter, Z¨unfte›. Handwerker und Handel vor 600 Jahren. In: Jb. des k¨olnischen Geschichtsvereins 67 (1996) S. 41–59. – Bastian Fleermann: Der K¨olner Stadtschreiber Heinrich von Lintorf. Verfasser des sp¨atma. Liedes ‹Die Weberschlacht›? In: Die Quecke. Ratinger und Angerl¨ander Heimatbll. 72 (2002) S. 53–60. – G¨artner/Rapp/Welter (s. Ausgabe). CS Kolner ¨ Memoriale des 15. Jahrhunderts. – Gruppe dt. Denkschriften. Die K. M. entstanden zwischen 1400 und 1463 auf Geheiß des K¨olner Stadtrats. Sie behandeln in dt. Sprache und im sachlichen Ton von Denkschriften zeitgen¨ossische Ereignisse der K¨olner Politik. Damit sind die K. M. zwischen Chroniken und Akten anzusiedeln. Sie berichten u¨ ber insegesamt sechs historische Ereigniszusammenh¨ange: 1400/01: Die Wahl und K¨olner Kr¨onung von K¨onig Ruprecht mit einer Beschreibung des st¨adtischen Kr¨onungsfests und Einzelheiten zur Beteiligung K¨olns an Ruprechts Italien-Feldzug. 1403–1405: Entstehung und Verlauf der Ravensberger Fehde, einer Auseinandersetzung zwischen der Stadt K¨oln und Graf Adolf von Ravensberg (mit Urkunden dokumentiert). 1414/15: Der Ablauf der K¨olner Bischofsfehde mit den abschließenden Friedensverhandlungen. Eine zweite Denkschrift behandelt den gleichen Zeitraum, konzentriert sich aber auf die Wahl und den Einzug des neuen K¨olner Erzbischofs Dietrich. 1442: Der Besuch von K¨onig Friedrich III. in K¨oln 1442 mit Belehnungs- und Huldigungsakten. Nur bei dieser Denkschrift ist der Autor namentlich bekannt, in diesem Fall ein Greve des K¨olner Sch¨offengerichts namens Werner → Overstolz. 1460: Der Verlauf der Vernicher Fehde gegen Goswin Brent mit Details zu den abschließenden 490

2. H¨alfte 14. Jh. Friedensverhandlungen K¨olns mit Gerhard von Ju¨ lich und Gerhard von Blankenheim. 1463: Die Verhandlungen um die Wahl von Dietrichs Nachfolger als K¨olner Erzbischof zwischen dem Stadtrat, dem K¨olner Domkapitel, den Gesandten der Erzstift-St¨adte sowie den Vertretern des Herzogs von Burgund. Diese Denkschrift weist sehr genau Burgunds Machtanspr¨uche auf Kurk¨oln nach. Insgesamt sind die K. M. eher von historischem als von literarischem Wert. ¨ Uberlieferung: K¨oln, Hist. Arch., Ms. A IV 10, 1r–3v. – Ebd., Ms. A II 106, 1r–34v. – Ebd., Acta et processus 50, 1r–6v, 13r–22v, 24r–38v. – Ebd., Ms. A XIII 13, 126r–128v. – Darmstadt, ULB, Ms. Alfteriana 14, 1r–3v. Ausgabe: Memoriale des 15. Jh. In: Die Chroniken der niederrheinischen St¨adte: C¨oln 1 (Chron.dt.St. 12). Hg. v. Hermann Cardauns. Leipzig 1875 (Nachdr. G¨ottingen 1968) S. 332–387. Literatur: Hartmut Beckers, VL2 5 (1985) Sp. 55–57. – Cardauns 1875 (s. Ausg.). MM Otto von Diemeringen, † 13.8.1398, begraben ¨ im Dom zu Metz. – Ubersetzer des Reisebuchs des Jean de → Mandeville. Der Metzer Kanoniker O. enstammte wahrscheinlich dem im Raum Metz/Straßburg h¨aufig bezeugten Ministerialengeschlecht derer von Diemeringen und d¨urfte in Paris den Magister artium erworben haben. Um 1367/68 trat er ins Metzer Domkapitel ein, wo er bis zu seinem Tod oft be¨ zeugt ist. O.s dt. Ubertragung der Voyages Mandevilles beruht auf der L¨utticher Version. Auch beruft er sich auf eine lat. Quelle (Vulgata-Version [?]). ¨ Seine Ubersetzung ist die im dt. Raum am meisten rezipierte. Er gliederte seine Bearbeitung in f¨unf B¨ucher und bietet fast alle Ogier-Interpolationen (→ Ogier von D¨anemark) der L¨utticher und alle der Vulgata-Version neben einigen selbstst¨andi¨ gen Beitr¨agen. Die Ubersetzung O.s wiederum wurde bald nach 1400 ins Tschechische u¨ bertragen (Vavˇrincem z Bˇrezov´e [Laurentius de Brezowa] zugeschrieben, hg. v. Frantisek Simek: Cestopis t. zv. Mandevilla. Prag 1911. Nachdr. 1963). ¨ Uberlieferung: Bekannt sind 44 Hss. und 2 Fragm. (Gesamtverz.: Handschriftencensus [online]); die sp¨aten Textzeugen sind im Gegensatz ¨ zur u¨ brigen Mandeville-Uberl. oft mit Federzeichnungen illustriert, welche die Holzschnitte der Fr¨uhdrucke beeinflusst haben. – Erstdruck: Basel 491

Otto von Diemeringen (Bernhard Richel) 1480/81 (GW M20412); weitere Fr¨uhdrucke: Straßburg (Johann Pr¨uss) 1483/84/88 (GW M20414/M20416/M20420); Ebd. (Bartholom¨aus Kistler) 1499 (GW M20418); Ebd. (Matthias Hupfuff) 1501 (VD16 J 625); Ebd. (Johann ¨ 1507 (VD16 J 626). Knobloch d. A.) Ausgaben: Sven Martinsson: Itinerarium orientale. Lund 1918 (mnd., nach Hamburg, SUB, Cod. geogr. 58 und Magdeburg, StB, Cod. XII,15 [verschollen]). – Edward W. Crosby: O. v. D. A German version of Sir John Mandeville’s ‹Travels›. Diss. Univ. of Kansas 1965 (nach Lawrence, Univ. of Kansas, Kenneth Spencer Research Libr., Summerfield Ms. C 18, E 15 und E 16). – Ernst Bremer/ ¨ Klaus Ridder: Reprint der Erstdr. der dt. Ubers. des Michel Velser (Augsburg, Sorg, 1480) und des O. v. D. (Basel, Richel, 1480/81) (Dt. Volksb¨ucher in in Faksimiledrucken A 21). Hildesheim u. a. 1991. – K. Ridder: Jean de Mandeville Reisebe¨ schreibung. Ubertr. aus dem Franz¨osischen v. O. v. D. Der Antichrist und die f¨unfzehn Zeichen vor dem J¨ungsten Gericht (Codices illuminati medii aevi 24). M¨unchen 1992 (4 Mikrofiches, Faks. v. ¨ ONB, Cod. 2838). – Eine hist.-krit. Ausg. ist angek¨undigt v. K. Ridder. ¨ Ubersetzung: Die Reisen des Ritters John Mandeville durch das Gelobte Land, Indien und China. Bearb. v. Theo Stemmler nach der dt. ¨ Ubers. des O. v. D. (Bibl. klassischer Reiseber.). ¨ Stuttgart 1966. – Weitere nhd. Ubers. aus dem Mhd. s. → Mandeville, Jean. Literatur: s. → Mandeville, Jean. – Karl Bartsch, ADB 5 (1877) S. 129. – Sabine Schmolinsky, Killy1 9 (1991) S. 51 f. – Francis E. Sandbach: Hsl. Unters. u¨ ber O. v. D.’s dt. Bearb. der Reisebeschreibung Mandeville’s. Straßburg 1899. – Arthur Schoerner: Die dt. Mandeville-Versionen. Hsl. Unters. Diss. Lund 1927. – Reiner Moritz: Unters. zu den deutschsprachigen Reisebeschreibungen des 14.–16. Jh. Diss. M¨unchen 1970. – Christiane Deluz: Le livre de Jehan de Mandeville. Une ‹g´eographie› au XIVe si`ecle (Publ. ´ de l’Institut d’Etudes m´edi´evales 2,8). Louvainla-Neuve 1988. – K. Ridder: Jean de Mandevil¨ les ‹Reisen›. Stud. zur Uberlieferungsgesch. der ¨ dt. Ubers. des O. v. D. (MTU 99). M¨unchen ¨ 1991. – Ders.: Werktyp, Ubersetzungsintention und Gebrauchsfunktion. Jean de Mandevilles Rei¨ seerz¨ahlung in dt. Ubers. O. v. D. In: Reisen und Reiselit. im MA und in der Fr¨uhen Neuzeit (Chloe 13). Hg. v. dems./Dieter Neukirch. 492

Velser Amsterdam u. a. 1992, S. 357–388. – K. Ridder: ¨ Ubersetzungsnaher und wirkungsintensiver Text. ¨ Zu einer Ausg. der dt. Mandeville-Ubertragung des O. v. D. In: Editionsber. zur ma. dt. Lit. (Litterae 117). Hg. v. Anton Schwob u. a. G¨oppingen 1994, ¨ S. 325–331. – K. Ridder: Ubers. und Fremderfahrung. Jean de Mandevilles literarische Inszenierung ¨ eines Weltbildes und die Lesarten seiner Uberset¨ zer. In: Ubersetzen im MA. Cambridger Colloquium (Wolfram-Stud. 14). Hg. v. Joachim Heinzle u. a. Berlin 1996, S. 231–264. – Martin Przybilski: Die Zeichen des Anderen. Die Fremdsprachenalphabete in den ‹Voyages› des Jean de Mandeville ¨ am Beispiel der dt. Ubersetzung O.s v. D. In: Mlat. Jb. 37 (2002) S. 295–320. – Susanne R¨ohl: Der livre de Mandeville im 14. und 15. Jh. Unters. zur hsl. ¨ Uberl. der kontinentalfranz¨osischen Version (MAStud. 6). Mu¨ nchen 2004, S. 14, 208 f., 217, 219 f., 238. – Reinhard Berron: Einige Bemerkungen zu u¨ bersetzten Namen in der D.-Version v. Mandevilles ‹Reisen›. In: Texte zum Sprechen bringen. Philologie und Interpretation. FS Paul Sappler. Hg. v. Christiane Ackermann/Ulrich Barton. Tu¨ bingen 2009, S. 219–230. VZ ¨ Velser, Michel, † nach 1400 (?). – Ubersetzer des Reisebuches des Jean de → Mandeville. V. stammte vermutlich aus V¨ols am Schlern (Fi`e) in S¨udtirol und ist 1370–86 urkundlich fassbar. In Interpolationen im u¨ bersetzten Text benennt er ¨ sich selbst als Urheber der Ubersetzung der Voyages Mandevilles. Seine Vorlage war gem¨aß eigener Angabe franz¨osisch. Der l¨angsten Interpolation nach war V. in Bardassano bei Chieri (Piemont) Schloss- und Gerichtsverwalter in Diensten Ludovico Bertones, der aus einer piemontisch-franz¨osischen Adelsfamilie stammte. Dort habe V. u¨ ber eine Bibliothek verf¨ugt und franz¨osisch gelernt. ¨ Die Ubertragung steht einer Handschrift der kontinentalen Version nahe, die f¨ur Valentina Visconti († 1408) geschrieben worden war (Modena, Bibl. Estense, Ms. Francese Nr. 33 α N.5.7 [1388]). V.s Konzept, das nur in einem Fragment erhal¨ ten ist, entstand wohl um 1388, die Ubersetzung ¨ 1393–1398. Signifikante Anderungen seiner Version stellen die autobiographischen Einsch¨ube und Einf¨ugungen dar, die dann am ausf¨uhrlichsten sind, wenn die Glaubw¨urdigkeit der Erz¨ahlung besonders betont werden soll. Regionale Orts- und Personennamen binden den Text in den S¨udtiroler Rezeptionsraum ein. 493

2. H¨alfte 14. Jh. ¨ Uberlieferung: Bekannt sind 40 Hss. und ein Fragm. in zwei Red. und einer Kurzfassung (Gesamtverz.: Handschriftencensus [online]). – Erste Red. (von der V. dem schw¨abischen Freiherrn und Priester in Lindau Hans v. Hornstein ein Exemplar schenkte): 4 Hss.; zweite Red.: 36 Hss. (davon 4 Fragm.). – Nur eine Hss. einer stark gek¨urzten Fassung ist illustriert: New York, Public Library, Spencer Collection, Ms. 37 (vormals Wernigerode, F¨urstl. Stolbergische Bibl., Cod. Zb 25), 170 Bll. (1459). Dieser Hs. stehen die Fr¨uhdrucke nahe: Augsburg (Anton Sorg) 1480 und 81 (GW M2041010 und M20408). – Ebd. (Johann Sch¨onsperger) 1482 (GW M20407). Ausgaben: Eric John Morrall: Sir John Mandevilles Reisebeschreibung. Nach der Stuttgarter ¨ Papierhs. Cod. HB V 86 in dt. Ubersetzung v. M. V. (DTM 66). Berlin 1974. – Ernst Bremer/ ¨ Klaus Ridder: Reprint der Erstdr. der dt. Ubersetzung des M. V. (Augsburg, Sorg, 1480) und des Otto v. Diemeringen (Basel, Richel, 1480/81) (Dt. Volksb¨ucher in Faksimiledrucken A 21). Hildesheim u. a. 1991. ¨ Ubersetzung: Das Reisebuch des Ritters John Mandeville. Ins Nhd. u¨ bertragen und eingel. v. Gerhard E. Sollbach. Frankfurt/M. 1989. – ¨ Weitere nhd. Ubersetzungen aus dem Mhd. s. → Mandeville, Jean. Literatur: s. → Mandeville, Jean. – Gustav Roethe, ADB 39 (1895) S. 576 (u¨ berholt). – Sabine Schmolinsky, Killy1 12 (1992) S. 14. – Arthur Schoerner: Die dt. Mandeville-Versionen. Hsl. Unters. Diss. Lund 1927. – E. J. Morrall: M. ¨ V., Ubersetzer einer dt. Version von Sir John Mandevilles Reisen. In: ZfdPh 81 (1962) S. 82–91. – John Kevin Coyle: M. V. and his German Translation of Mandevilles ‹Travels›. In: The Durham University Journal 55 (1962/63) S. 16–22. – E. J. Morrall: The Manuscript Tradition of M. V.’s Version of Sir John Mandevilles Travels. Diss. London 1963. – Ders.: The Text of M. V.s Mandeville¨ Translation. In: Probleme ma. Uberl. und Textkritik. Oxforder Colloquium 1966. Hg. v. Peter F. Ganz/Werner Schr¨oder. Berlin 1968, S. 183–196. – Reiner Moritz: Unters. zu den deutschsprachigen Reisebeschreibungen des 14.–16. Jh. Diss. Mu¨ nchen 1970. – E. J. Morrall: M. V.s ‹Mandeville› und Petrarcas geographische Schr. In: Vallesia 26 (1971) S. 111–129. – Ders.: Der Islam und Muhammad im sp¨aten MA. Beobachtungen zu M. 494

2. H¨alfte 14. Jh. ¨ V.s Mandeville-Ubers. und Michael Christans Version der ‹Epistola Mahumetem› des Papstes Pius II. In: Geschichtsbewußtsein in der dt. Lit. d. MA (Publ. of the Institute of Germanic Studies 34). Hg. v. Christoph Gerhardt u. a. Tu¨ bingen 1985, S. 147–161. – Christiane Deluz: Le livre de Jehan de Mandeville. Une ‹g´eographie› au XIVe si`ecle (Publ. ´ de l’Institut d’Etudes m´edi´evales 2,8). Louvain¨ la-Neuve 1988. – K. Ridder: Ubersetzung und Fremderfahrung. Jean de Mandevilles literarische Inszenierung eines Weltbildes und die Lesarten ¨ ¨ seiner Ubersetzer. In: Ubersetzen im MA. Cambridger Colloquium (Wolfram-Stud. 14). Hg. v. Joachim Heinzle u. a. Berlin 1996, S. 231–264. – Susanne R¨ohl: Der livre de Mandeville im 14. ¨ und 15. Jh. Unters. zur hsl. Uberl. der kontinentalfranz¨osischen Version (MA-Stud. 6). M¨unchen 2004, S. 184 f. – Randall Herz: Apropos binding waste: A new manuscript finding of Mandeville’s Reisen in the abridged V. redaction. In: Jean de Mandeville in Europa. Neue Perspektiven in der Reiseliteraturforschung (MA-Stud. 12). Hg. v. E. Bremer. Paderborn 2007, S. 41–66. VZ Konstanzer Weltchronik. – Anonyme Prosachronik vom Ende des 14. Jh. Nach der Vorrede wollte der unbekannte, aber sicher geistliche Verfasser eine Geschichte der Welt von ihrem Beginn bis in seine eigene Lebenszeit am Ende des 14. Jh. in dt. Sprache vorlegen. Lat. Quellen, die zum Teil w¨ortlich zitiert werden, waren u. a. Martinus minorita, → Martin von Troppau, → Gottfried von Viterbo (Pantheon) und → Heinrich Truchseß von Diessenhofen. Die sich ohne inneren Zusammenhang an den Herrschaftsjahren von Kaisern und P¨apsten orientierende, insgesamt fragmentarische Darstellung bietet erst f¨ur das 14. Jh. individuellere Zu¨ ge (vgl. die Passagen u¨ ber die Judenverfolgung, die Geißlerz¨uge von 1349 und das Erdbeben von 1356). Die letztlich auf das dt. Reich beschr¨ankte Chronik beachtet besonders den Konstanzer Raums. ¨ Uberlieferung: Berlin, SBB, Mgf 1714 (fr¨uher Privatbesitz Antiquariat Dr. Jo¨ rn G¨unther, Hamburg, Nr. 2006/18; davor Privatbesitz Auktionshaus Sotheby’s, London, Nr. 2005/35; davor Kreuzenstein bei Korneuburg/Nieder¨osterreich, Bibl. der Grafen Wilczek, Nr. 11318), 1r–54v (Pap., illustriert, ca. 1450, mittelbair.). – Chur, Staatsarch., Cod. B 1 (fr¨uher Kantonsbibl., Ms. 53a), 495

Konstanzer Weltchronik 117r–150v (Pap., Ende 15. Jh., hochalemannisch). – Klosterneuburg, Stiftsbibl., Cod. 331, 379r–390r (Pap., um 1420/25, mittelbair.). – Ebd., Cod. 1253, 119r–145r (Pap., mit Illustrationen, erste H¨alfte 15. Jh., bair.-¨osterr.). – Konstanz, Stadtarch., Hs. A I 1, 89rb–128vb (Pap., von mehreren H¨anden/Verfassern, bis 1466; darin: Bl. 121v–123v Konstanzer Bischofskat. bis 1462 und Bl. 114va Eintrag eines Schreibers mit eigenen Lebensdaten 1417–1422; erste H¨alfte 15. Jh., Chronikteil 1422–25). – Luzern, Zentral- und Hochschulbibl., BB Ms. 335 fol., Tl. 2, S. 431–482 (Pap., Luzern, 1426, obd.). – Mu¨ nchen, BSB, Cgm 426, 1v–45r (Pap., drittes Viertel 15. Jh., bair. mit ostschw¨abischen Ankl¨angen). – New York, Public Library, Spencer Collection, Ms. 100, S. 1–33 (Pap., ca. 1460). – St. Gallen, Stiftsbibl., Cod. 657, S. 1–46 (Pap., zweite H¨alfte 15. Jh.). – Z¨urich, ZB, Cod. A 172, 1r–20r (Pap., Ende 15./Anfang 16. Jh.). Ausgabe: Eine K. W. aus dem Ende des 14. Jh. Hg. v. Theodor v. Kern. In: Zs. der Ges. f¨ur Bef¨orderung der Geschichts-, Alterthums- und Volkskunde v. Freiburg, dem Breisgau und den angrenzenden Landschaften 1 (1869) S. 179–235 (mit einleitendem Komm.). Literatur: Birgit Studt, VL2 11 (2004) Sp. 886–889. – Gudrun Gleba, Killy2 6 (2009) S. 638. – Nigel F. Palmer: Latein und Deutsch in den Blockb¨uchern. In: Lat. und Volkssprache im dt. MA 1100–1500. Regensburger Colloquium 1988. Hg. v. Nikolaus Henkel/N. F. Palmer. T¨ubingen 1992, S. 310–336, hier S. 312. – Renate Schipke: Ein neuer Textzeuge der ‹K. W.› etc. (Staatsbibl. zu Berlin, Preußischer Kulturbesitz, Ms. germ. fol. 1714). In: ZfdA 137 (2008) S. 89–96. BJ Rinesberch, Gert (Rynesberch), * um 1315 Bremen, † 1406 Bremen. – Chronist. R. war Vikar am Dom und seit 1365 auch an der Stephanikirche in Bremen. Die nach den Amtsperioden der Bremer Erzbisch¨ofe vom 8. bis ins 15. Jh. gegliederte nd. Chronica Bremensis von R. und Herbord → Schene war wohl zun¨achst als ¨ Ubersetzung der Historia archiepiscoporum Bremensium geplant. Die Zus¨atze zu den Bischofsviten sind am Anfang sp¨arlich; f¨ur die Zeit von ca. 1105 bis 1276 arbeiteten die Verfasser dann systematisch die dt. L¨ubecker Chronik des Johannes → Rode ein. Die Chronik endet mit dem Jahr 1430. Die Anteile der beiden Autoren am Gesamtwerk lassen sich nicht eindeutig zuordnen. Umstritten ist, ob der Bremer 496

Gmunder ¨ Kaiserchronik B¨urgermeister und Dombaumeister Johann Hemeling den Auftrag erteilt, die Chronik u¨ berarbeitet und fortgesetzt hat. Sp¨atere Bearbeitungen und Fortf¨uhrungen reichen bis 1547. ¨ Uberlieferung: 17 Hss. des 15.–19. Jh. (vgl. Meinert, S. VII ff.). Ausgaben: Johann Martin Lappenberg: Geschichtsquellen des Erzstifts und der Stadt Bremen. Bremen 1841 (Nachdr. Aalen 1967) S. 55–158 (unvollst.). – Hermann Meinert (Hg.): Die Chron. der nieders¨achs. St¨adte. Bremen (Chron.dt.St. 37). Bremen 1968. Literatur: Wilhelm von Bippen, ADB 28 (1889) S. 629. – Klaus Wriedt, VL2 8 (1992) Sp. 82. – De Boor/Newald 4/1 (21994) S. 156. – K. Wriedt: Rinesberch und S. In: LexMA 7 (1995) Sp. 855. – Karl Koppmann: Zu der Chron. v. Rynesberch und S. In: Bremisches Jb. 6 (1871) S. 256–265. – W. v. Bippen: Die Verfasser der a¨ ltesten bremischen Stadtchron. in: ebd. 12 (1883) S. 108–131. – Hans G. Tr¨uper: Die verwandtschaftlichen Beziehungen unter den Erben des Bremer Domkellners und Chronisten H. S. In: Norddt. Familienkunde 8 (1969) S. 229–232. – Herbert Schwarzw¨alder: Die Chron. v. Rinesberch und S. In: Bremisches Jb. 52 (1972) S. 21–37. – Wilfried Ehbrecht: Die Braunschweiger ‹Schichten›. Zu Stadtkonflikten im Hanseraum. In: Brunswiek 1031, Braunschweig 1981. Die Stadt Heinrichs des L¨owen von den Anf¨angen bis zur Gegenwart. Hg. v. Gerd Spies. Braunschweig 1982, S. 44–46. – Sabine Bleckwehl: Die Bremer Chron. von R.-Schene. Aufbau und Bedeutung. Oldenburg 1988. BJ Schene, Herbord (Herbort), * um 1340 Bremen, † 21.6.1413 (1414?) Bremen. – Kanoniker, Chronist. S. stammte aus einflussreicher Bremer Ratsfamilie. Er ist seit 1360 als Pr¨aband, seit 1377 als Kellermeister («cellerarius») am Dom und seit 1373 auch als Kanoniker am Ansgarstift bezeugt. S. nahm an verschiedenen geistlichen Gesandtschaften teil und machte der Stadt sowie dem Ansgarstift bedeutende Schenkungen. Zusammen mit Gert → Rinesberch verfasste er die nd. Chronica Bremensis. ¨ Uberlieferung: s. Gert → Rinesberch. Ausgaben: s. Gert → Rinesberch. Literatur: De Boor/Newald 3,2 (1987) S. 449 f.; 4,1 (21994) S. 156. – Klaus Wriedt, VL2 (1992) Sp. 639–641. – s. auch s. Gert → Rinesberch. BJ 497

um 1400 Gmunder ¨ Kaiserchronik. – Chronik in dt. Spra¨ che mit vorangestellter Weltgeschichte in Ubersicht. Die G. K. – die Stadt Schw¨abisch Gm¨und wird im Vorspann der meisten Handschriften als Adressat genannt – ist ein sp¨atma. Geschichtswerk in dt. Sprache, wohl aus der Zeit um 1400. Sie bietet nach einem kurzen R¨uckblick auf die Sintflut, die Zerst¨orung Trojas und die Geschichte Roms eine Kurzfassung der Geschichte der dt. Kaiser von Karl dem Großen bis Karl IV. Zahlreiche Ereignisse der Lokal- und Regionalgeschichte sind eingef¨ugt. Die Chronik ist vor allem als zweiter Teil der Ulmer Inkunabeldrucke (1485/86) Thomas → Lirers bekannt geworden. ¨ Uberlieferung: Augsburg, Stadtarch., Reichsstadt – Selekt Sch¨atze Nr. 121, Tl. B, 150va–160vb (Pap., Schreiber B: Aalener Stadtschreiber, um 1465, ostschw¨abisch) (A). – Brixen, Bibl. des Priesterseminars, Cod. A 21 (Nr. 21), 43v–55v (Pap., 16. Jh.; unvollst.; Druckabschrift). – Gotha, Forschungsbibl., Cod. Chart. A 158, 215ra–226ra (Pap., Ende 15. Jh.) (Go). – G¨ottingen, SUB, 4° Cod. Ms. theol. 293, 95ra–104vb (Pap., ca. 1450 und 1467, schw¨abisch) (G¨o). – Graz, UB, Ms. 470, 122va–125ra (Perg., 1415, bair.) (Gr). – Heidelberg, UB, Cpg 5, 54ra–68ra (Pap., erstes Viertel 15. Jh., bair.) (H). – Mu¨ nchen, Hauptstaatsarch., Staatsverwaltung Nr. 1938, 23ra–36rb (Pap., Schreibernennung auf Bl. 36rb: Petrus Hersperger, 1472; mit Fortsetzung). – Mu¨ nchen, BSB, Cgm 331, 57r–71r (Pap., Schreiber: Hans Seybolt, ehemaliger Klosterschreiber zu Seligental [Bl. 176v; die Hs. wurde f¨ur Thomas Jud von Bruckberg geschrieben], 1480, mittelbair.) (M2). – Ebd., Cgm 436, 67v–86v (Pap., Ende 15. Jh., schw¨abisch; Druckabschrift). – Ebd., Cgm 699, 86r–113r (Pap., Ende 15. Jh. [nach 1491], ostfr¨ankisch; Druckabschrift). – Ebd., Cgm 735, 31r–56v (Pap., Schreiber: Konrad Bollstatter, Augsburg, 1472–82 und erste H¨alfte 15. Jh., ostschw¨abisch) (M3). – Ebd., Clm 14574 165r–178v (erste H¨alfte 15. Jh.) (M1). – Mu¨ nchen, UB, 8° Cod. ms. 179, 110r–120v (Pap., Schreibernennung «Explicit de Hermannum Mendel de valli angely» [Engelthal bei Hersbruck] im Auftrag eines Conradus Hayden zu Amberg, 1434 [vgl. Bl. 3r, 103r], 1501 [vgl. Bl. 120v], bair.). – N¨urnberg, Staatsarch., Rep. 52a (Reichsstadt Nu¨ rnberg), Hs. Nr. 14 (historiographische Sammelhs. Heinrich → Deichslers mit a¨ lteren Teilen, darunter:) 516r (Pap., Entstehungszeit a¨ltere Teile: bis 1461, 498

um 1400 n¨urnbergisch; Fragm.). – Oldenburg, LB, Cim I 204a, 16r–31r (Pap., 1568 [Vorderdeckel], 1603 [Bl. 1r]; Druckabschrift). – Stuttgart, LB, Cod. HB V 51, 81r–108v (Pap., 1592–94 [Wasserzeichen]; Druckabschrift). – Weimar, Herzogin Anna Amalia Bibl., Cod. Quart 127, 70r–90r (Druckabschrift), 104r–118v (mit Fortsetzung bis K¨onig Ruprecht) (kurz nach 1501 in N¨urnberg zusammengestellt). – ¨ Wien, ONB, Cod. 2822, 121va–137ra (Pap., 1440, bair.). – Ebd., Cod. 2866, 36va–52va (Pap., Schreibernennung auf Bl. 52vb: Hanns vom Markht, Mitte 15. Jh., bair.-¨osterr.). – Ebd., Cod. 3301, 136v (bair.; Auszug, Druckabschrift). – W¨urzburg, UB, M. ch. f. 140 (hist. Sammelhs. aus dem Besitz von Johannes → Trithemius), 240r–248v; 252v–253r (Exzerpte aus anderer Vorlage; Anfang 16. Jh.). Ausgaben: Johann Reinhard Wegelin: Thome Lirers von Ranckweil Alte Schw¨abische Geschichten. Lindau 1761, S. 73–96. – Thomas Lirer: Schw¨abische Chron., gedruckt v. Konrad Dinckmut in Ulm am 12. Januar 1486. Faks.-Ausg., hg. und mit einem Nachw. v. Ernst Voulli`eme. Potsdam o. J. [1923]. – Thomas Lirer: Schw¨abische Chron. Hg. und eingel. v. Eugen Thurnher. Bregenz o. J. [1967], S. 53–70. Literatur: Peter Johanek, VL2 3 (1981) Sp. 67–70; 11 (2004) Sp. 543 f. – Klaus Graf: Exemplarische Geschichten. Thomas Lirers ‹Schw¨abische Chron.› und die ‹Gm¨under Kaiserchron.› (Forschungen zur Gesch. der a¨ lteren dt. Lit. 7). Mu¨ nchen 1987. – Gabriele v. Olberg-Haverkate: Zeitbilder – Weltbilder. Volkssprachige Universalchronistik als Instrument kollektiver Memoria. Eine textlinguistische und kulturwissenschaftliche Unters. (Berliner Sprachwissenschaftliche Stud. 12). Berlin 2008, S. 495–508. – Klaus Gantert: Thomas Lirer: Schw¨abische Chron. Daran: G. C. (bis ¨ 1462). In: Aderlaß und Seelentrost. Die Uberl. dt. Texte im Spiegel Berliner Hss. und Inkunabeln. Hg. v. Peter J¨org Becker/Eef Overgaauw. Mainz 2003, S. 439 f. BJ Bernhard von Uissigheim (U[i]ssig[k]heim, Ussinken, Utzingen). – (Mit-)Verfasser einer historischen Reimpaardichtung, um 1400. Ein B. v. U. nennt sich selbst als Verfasser des 2216 Verse umfassenden Reimpaarspruchs vom W¨urzburger St¨adtekrieg. B., der nicht weiter belegt ist, k¨onnte dem fr¨ankischen Adelsgeschlecht der Herren von Uissigheim, die im 13./14. Jh. als Domkanoniker und Lehnsherren in W¨urzburg bezeugt 499

Bernhard von Uissigheim sind, oder dem fr¨ankischen Ort selbst entstammen. Liliencrons These (s. Ausg. und Lit.) einer Zugeh¨origkeit zum westschweizerischen Adelsgeschlecht von Utzigen ist h¨ochst unsicher. Diese Na¨ mensform taucht zwar in der Uberlieferung auf, beruht aber wahrscheinlich auf einem Lesefehler. Anzunehmen ist ferner, dass B. nicht der Verfasser des gesamten Spruches ist, sondern nur f¨ur den Hauptteil verantwortlich zu machen ist, der mit seinem Namen u¨ berliefert ist. Eine Anspielung B.s auf → Neidhart (V. 1158) zeugt von seiner literarischen Bildung. Der St¨adtekrieg ist der im Sp¨atMA verbreiteten politischen Ereignisdichtung zuzurechnen und stellt das umfangreichste u¨ berlieferte Werk dieser Gattung dar, die in der Regel u¨ ber einen historischen Konflikt aus der Sicht der siegreichen Partei berichtet. Im Gegensatz zu einem historischen Bericht ist das Werk hochgradig tendenzi¨os. Es d¨urfte kurz nach der Schlacht von Bergtheim (1400) entstanden sein, der entscheidenden Niederlage der W¨urzburger B¨urger und des verb¨undeten Elfst¨adtebundes in der Auseinandersetzung mit dem Wu¨ rzburger Bischof Gerhard von Schwarzburg und dem fr¨ankischen Stiftsadel. B. vertritt, wie auch die anderen unbekannten beteiligten Verfasser, entschieden die Position des Adels und polemisiert stark gegen die B¨urgerschaft (so werden z. B. nach Art der bauernfeindlichen Dichtung die B¨urger, die wie Ritter k¨ampfen wollen, als anmaßend dargestellt und l¨acherlich gemacht). Die Auftraggeber der Dichtung d¨urften daher Angeh¨orige des fr¨ankischen Adels gewesen sein, dessen Verdienste durchweg hervorgehoben werden. Inhaltlich ist der St¨adtekrieg wie folgt aufgeteilt: V. 1–854: Schilderung des Aufstands der B¨urger ¨ von 1397; V. 855–1010: Uberleitung mit Kritik an K¨onig Wenzel; V. 1011–1946: Darstellung der Schlacht bei Bergtheim. Danach schließen sich ver¨ schiedene Anh¨ange an, die in der Uberlieferung variieren k¨onnen. Die Verse 1989–2178 stellen h¨ochstwahrscheinlich ein urspr¨unglich selbst¨andiges Spottlied dar. Die Frage, inwieweit der W¨urzburger St¨adtekrieg generell als Kompilation zu bewerten ist (vgl. Schubert 2004 [s. Lit.]) und wieviele Verfasser insgesamt beteiligt waren, bleibt offen. ¨ ¨ Uberlieferung: Die Uberl. geh¨ort durchweg dem 16. Jh. an. Dieser Befund d¨urfte dem Bauernkrieg, einer vergleichbaren politischen Situation, bei der die Stadt W¨urzburg erneut auf der Seite der Aufst¨andischen gestanden hat, geschuldet 500

Grill sein; die Geschehnisse wurden wieder aktuell und konnten zur politischen Propaganda herangezogen werden. Die Hss. sind in die drei Kl. A, B und C gliederbar. Die Namensnennung B.s findet sich nur in Hss. der Kl. B (V. 1012). Der Handschriftenkl. C ist ein b¨urgerfreundlicher Epilog angeh¨angt. – Kl. A: Hamburg, SUB, Cod. hist 52 f., S. 189–254 (verschollen). – M¨unchen, UB, 4° Cod. ms. 494, 2r–50r. – Kl. B: Druck 1517 (s. Ausg.). – W¨urzburg, UB, M. ch. q. 147, 88r–97v (Teilabschr. des Druckes). – Kl. C: ‹Siebersche Hs.› (verschollen, abgedr. bei Reinhardt [s. Ausg.]). – Wolfenb¨uttel, HAB, Cod. 16 Blankenburg, 271r ff. (18. Jh., innerhalb der ‹Fr¨ankischen Chron.›). – W¨urzburg, Staatsarch., Standbuch 201, S. 136a–137b (Ausz¨uge; vgl. Liliencron 1870 [s. Lit.] S. 374). – Liliencron (s. Ausg.) S. 195 nennt ferner zwei heute verschollene/nicht auffindbare Hss. (Beck’sche Buchhandlung N¨ordlingen/Ver. f¨ur fr¨ankische Gesch. Wu¨ rzburg). Ausgabe: Warhafftige bericht vnnd handlung e Wie der Hochwirdig Furst und Herre / her Gerhardt von Schwartzenberg / Bischoue zw Wirtze G. burg v¯n Hertzog zu Francken seiner Furstlichen e Auffrurische Landschafft [...] Mit eroberter veldschlacht vor Berchtheym eingenomen vnd gestrafft hat [...]. W¨urzburg (Balthasar Mu¨ ller) 1527 (VD16 W 674). – Johann Paul Reinhard: Beytr. zu der Hystorie Frankenlandes. Bd. 2. Bayreuth 1761, S. 261–328. – Rochus v. Liliencron: Die hist. Volkslieder der Deutschen vom 13. bis 16. Jh. Bd. 1. Leipzig 1865 (Nachdr. Hildesheim 1966) S. 164–195 (Nr. 40). Literatur: Peter Johanek, VL2 1 (1978) Sp. 774–776. – Ehrismann 2,2,2 (1935, Schlussbd.) S. 525–527. – De Boor/Newald 3,2 (1987) S. 70. – Liliencron (s. Ausg.) S. 161–164. – R. v. Liliencron: Nachtr¨age zur Nr. 40 der hist. Volkslieder und zu den Bruchst¨ucken der Simon’schen Reimchron. bei Lorenz Fries. In: Sb. der Kgl. Bayer. Akad. der Wiss. zu Mu¨ nchen 1870, Bd. 2, S. 373–385. – Ernst Schubert: ‹bauergeschrey›. Zum Problem der o¨ ffentlichen Meinung im sp¨atma. Franken. In: Jb. f¨ur fr¨ankische Landesforschung 34/35 (1975) S. 883–907. – Horst Brunner: Verk¨urztes Denken. Religi¨ose und literarische Modelle in der ˆ politischen Dichtung des deutschen MA. In: Uf der mˆaze pfat. FS Werner Hoffmann. Hg. v. Waltraud Fritsch-R¨oßler (GAG 555). G¨oppingen 1991, S. 309–333 (wieder in: H. Brunner: Ann¨aherungen. Stud. zur dt. Lit. des MA und 501

um 1400 der Fr¨uhen Neuzeit [Phil.Stud.u.Qu. 210]). Berlin 2008, S. 272–290, hier S. 284–286. – Sonja Kerth: Der landsfrid ist zerbrochen. Das Bild des Krieges in den politischen Ereignisdichtungen des 13. bis 16. Jh. (Imagines medii aevi 1). Wiesbaden 1997, Reg. – Dies.: Vor 600 Jahren wollte W¨urzburg Freie Reichsstadt werden. In: W¨urzburg heute 64 (1997) S. 49–52. – H. Brunner: Die dt. Lit. In: Gesch. der Stadt W¨urzburg. Bd. 1: Von den Anf¨angen bis zum Ausbruch des Bauernkriegs. Hg. v. Ulrich Wagner. Stuttgart 2001, S. 466–479, hier S. 473. – Hannes K¨astner: Pfaffenhaß und Pfaffenschelte in der politischen Ereignisdichtung und im meisterlichen Spruchlied um 1400. In: W¨urzburg, der Große L¨owenhof und die dt. Lit. des Sp¨atMA (Imagines Medii Aevi 17). Hg. v. H. Brunner. Wiesbaden 2004, S. 359–370. – E. Schubert: Die Lieder vom W¨urzburger St¨adtekrieg (1397–1400). In: Jb. f¨ur fr¨ankische Landesforschung 64 (2004) S. 39–81. – Gisela Mo¨ ncke: Zum W¨urzburger Buchdruck in der ersten H¨alfte des 16. Jh. Johann Lobmeyer – Balthasar M¨uller – Melchior Bopp. In: Arch. f¨ur Gesch. des Buchwesens 62 (2008) S. 153–188. – S. Kerth: B. v. U.: Vom W¨urzburger St¨adtekrieg. In: Hist. Lex. Bayerns (online). VZ Grill, Nikolaus, * um 1340, † nach 8.4.1419 M¨uhldorf am Inn. – Stadtchronist M¨uhldorfs am Inn. Zwischen 1389 und 1419 ist G. regelm¨aßig in Mu¨ hldorf beurkundet als Kaufmann und B¨urger der Stadt sowie als Stifter, Zeuge in Rechtsgesch¨aften und Ratsmitglied (seit 1401). Sein Testament vom 8.4.1419 weist ihn als a¨ ußerst wohlhabenden Mann aus und berichtet von seiner Heirat im Jahre 1363. G. ist der Urheber der sog. M¨uhldorfer Annalen. Diese Landes- und Stadtgeschichte ist zweigeteilt. Der erste Teil wurde 1400, der zweite 1428 abgeschlossen. Am Ende des ersten Teils heißt es: «[...] fecit scribere Nycolaus dictus Grill sub anno domini 1400 in sui memoria». Dieser Abschnitt behandelt die bayerische Urgeschichte von der Einwanderung des F¨ursten Barbarus aus Armenien nach der Sintflut bis zum Tod Herzog Heinrichs III. (998) und ist eine nahezu w¨ortliche, dabei ¨ leicht k¨urzende Ubersetzung der Abhandlung De ordine ducum Babarie sive regum, die → Berchtold von Kremsm¨unster zugeschrieben wird. Ob G. die ¨ sprachlich nicht durchweg u¨ berzeugende Ubersetzung selbst angefertigt oder lediglich u¨ bernommen hat, ist nicht gekl¨art. Der zweite Teil deckt 502

um 1400

¨ Herzog Leopold III. der Heilige, Markgraf von Osterreich

die Jahre 1313–1428 ab. Ab 1397 handelt es sich um Notizen (oder Nachtr¨age) mehrerer H¨ande, weswegen die Zuschreibung des gesamten zweiten Teils an G. fraglich ist und 1428 f¨ur seinen Tod keinen Terminus post quem darstellt. Die Aufzeichnungen berichten in knapper Form vor allem von den kriegerischen Auseinandersetzungen um M¨uhldorf, der damaligen erzstiftischsalzburgischen Enklave in Bayern. Die historisch wertvollen Augenzeugenberichte G.s geh¨oren zu den a¨ ltesten bayerischen Zeugnissen dt.sprachiger Geschichtsschreibung. ¨ Uberlieferung: M¨unchen, Hauptstaatsarch., Hochstiftsliteralien (HL) Salzburg 851 (vormals Mu¨ hldorf Landgericht Nr. 24), Originalhs. (14./15. Jh., bair.); als Tl. des ‹Mu¨ hldorfer Stadtrechtsbuchs›. – N¨urnberg, Germ. Nationalmus., Hs. 4212, 15v–20v, Abschr. ohne Verfasservermerk (sp¨ates 15. Jh., bair.). – Die Zweiteilung der ‹Annalen› wird durch die Texteinrichtung in den Hss. nicht indiziert. Ausgaben: Joseph Ernst Ritter v. KochSternfeld: Einiges aus der Chron. des Niklas G., weiland Stadtschreibers zu Mu¨ hldorf, mit urkundlichen Zugaben. In: Bayer. Annalen Jg. 1835, Abt. Vaterlandskunde 4, S. 27–31 (Ausz¨uge aus der M¨unchner Hs.). – Karl Theodor v. Heigel: M¨uhldorfer Annalen 1313–1428. In: Chron.dt.St. 15 (1878) S. 384–391 (Krit. Edition des zweiten Teils). Literatur: Helgard Ulmschneider, VL2 3 (1981) Sp. 257–259. – Albrecht Classen, Encyclopedia of the Medieval Chronicle 1 (2010) Sp. 736 f. – Sigmund v. Riezler: Gesch. Bayerns. Bd. 3. Stuttgart/ Gotha 1889, S. 917. – Michael D¨oberl: Entwicklungsgesch. Bayerns. Bd. 1: Von den a¨ltesten Zeiten bis zum Westf¨alischen Frieden. M¨unchen 31916, S. 359 f. – Repertorium fontium historiae medii aevi 5 (1984) S. 247. – Edwin Hamberger (Hg.): Mu¨ hldorf a. Inn – Salzburg in Bayern. 935, 1802, 2002 (Begleitbd. zur gleichnamigen Ausstellung). M¨uhldorf 2002, Reg. VZ Herzog Leopold III. der Heilige, Markgraf ¨ ¨ von Osterreich. – Alteste dt. Vita des babenbergischen Markgrafen in Prosa, um 1400. Die im bayerisch-¨osterreichischem Raum entstandene Lebensgeschichte Leopolds III. (1075–1136, Kanonisation 1485) ist haupts¨achlich ¨ kompiliert aus Ubersetzungen der lat. sog. LeopoldiChronik (14. Jh.) und des Chronicon pii marchionis (um 1180), das als Exkurs in den Kloster503

neuburger Annalen u¨ berliefert ist. Eine Einleitung nennt als Intention der Vita («bildnuzz») die zur Nachahmung animierende Darstellung eines vorbildlich-heiligm¨aßigen Lebens. An die Einlei¨ tung schließt sich die Ubersetzung der Leopoldi¨ Chronik an. In die Ubersetzung integriert sind zus¨atzlich die hier erstmals nachweisbare Klosterneuburger Schleierlegende (derzufolge das Kloster an der Stelle gegr¨undet wurde, wo der verlorene Schleier von L.s Ehefrau Agnes wiedergefunden worden war; zum Typus der Gr¨undungslegenden vgl. → Klostergr¨undungsgeschichten) und ein Bericht u¨ ber die Grundsteinlegung Klosterneu¨ burgs. Es folgt nun die Ubersetzung des Chronicon, das auch in der Handschrift der Leopoldi-Chronik der Legende folgt. Das Chronicon nennt L.s Klostergr¨undungen und w¨urdigt seine Nachkommen. ¨ Der Ubersetzer beschließt die Vita mit dem Trostschreiben Papst Innozenz II. an Agnes nach L.s Tod («Also schreibt pabst Innocencius der ander») und mit Berichten u¨ ber seine Wunder («etleiche seiner czaihen»), die seit 1323 aufgezeichnet wurden. Diese beiden Schlussteile der Vita sind wieder der Leopoldi-Chronik entnommen. Das Material zu Leopold d¨urfte im Zuge der Vorbereitung des Heiligsprechungsprozesses ab 1358 gesammelt worden sein. Bereits um 1270 war eine bis zum Aussterben der Babenberger erweiterte Fassung des Chronicon ¨ ins Deutsche u¨ bersetzt worden. Diese Ubersetzung ¨ erscheint in der Uberlieferung unter dem Titel Der fursten geslechte im Verbund mit dem F¨urstenbuch des → Jan(s) von Wien. ¨ Uberlieferung: Klosterneuburg, Stiftsbibl., Cod. 1079, 3r–14r (Pap., 1438/39, bair.-o¨ sterr.). – Berlin, SBB, Mgo 111, 33 Bll. (Pap., 15. Jh., bair.¨ «Dy legent vnnd das leben des o¨ sterr.); Uberschrift: heyligen himelfursten und marcktgraffn sanndt lewpolt vonn o¨ sterreych». – Leopoldi-Chronik: Klosterneuburg, Stiftsbibl., Cod. 626, 202v–206r (Perg., 1371). – Der fursten geslechte (Babenbergische Ge¨ nealogie): Drei Codd. der ONB Wien, jeweils im Anschluss an das «F¨urstenbuch» des Jan(s) von Wien: Cod. 2778, 72r–74r (um 1385); Cod. 2782, 28vb–30ra (1439); Cod. 13897, 95r–96v (zweite H¨alfte 14. Jh.). ˇ Ausgaben: Cernik (s. Lit.) S. 18–23. – Dienst 1990 (s. Lit.) S. 232–237. –Ausz¨uge bei Knapp (s. Lit.) S. 325. – Leopoldi-Chronik: Ludwig (s. Lit.) S. 146–149 («Chronica pii Leopoldi»). – Chronicon pii marchionis: Wilhelm Wattenbach, MGH SS 504

Muhlwanger ¨ 9 (1851) S. 609–613. – Der fursten geslechte: Philipp Strauch: Babenbergische Genealogie. In: MGH Dt. Chron. 3 (1891) S. 680–686. Literatur: Georg Wacha, VL2 5 (1985) Sp. 713–715. – Vinzenz Oskar Ludwig: Der Kanonisationsprozeß des Markgrafen L. III. In: Jb. des Stiftes Klosterneuburg 9 (1919) S. 145–151. – ˇ Berthold Cernik: Das ma. Lebensbild des hl. L. In: St. L. FS des Augustiner Chorherrenstiftes Klosterneuburg zur 800j¨ahrigen Gedenkfeier des Todes des Heiligen. Hg. v. Siegfried Wintermayr. Klosterneuburg 1936, S. 7–26. – Hermann Maschek: Die liturgischen Hymnen am Feste des hl. L. In: Theologisch-praktische Quartalschr. 89 (1936) S. 750–758. – Alphons Lhotsky: Quellenkunde ¨ ¨ Erg.-Bd. 19). zur ma. Gesch. Osterreichs (MIOG Graz/K¨oln 1963, S. 188, 249 f. – G. Wacha: Das Nachlebens L.s III. In: 1000 Jahre Babenberger ¨ in Osterreich (Kat. des Nieder¨osterr. Landesmus. Lilienfeld NF 66). Wien 1976, S. 612–625, hier S. 614 f. – Ders.: L. III., der Heilige. Ein Sym¨ bol in Osterreichs Gesch. (Wissenschaftl. Schriftenreihe Nieder¨osterr. 12). Wien 1975. – Der hl. L. Landesf¨urst und Staatssymbol. Nieder¨osterr. Landesausstellung, Stift Klosterneuburg, 30. M¨arz – 3. November 1985 (Kat. des Nieder¨osterr. Landesmus. NF 155). Wien 1985, zur Klosterneuburg Hs.: S. 220 (Nr. 168). – Heide Dienst: Regionalgesch. und Gesellschaft im HochMA am Beispiel ¨ ¨ Erg.-Bd. 27). Wien u. a. 1990, Osterreichs (MIOG S. 83–86. – Fritz Peter Knapp: Die Lit. des Sp¨atMA ¨ in den L¨andern Osterreich, Steiermark, K¨arnten, Salzburg und Tirol v. 1273 bis 1439. 2. Halbbd.: Die Lit. zur Zeit der habsburgischen Herz¨oge v. Rudolf IV. bis Albrecht V. (1358–1439) (Gesch. der ¨ Lit. in Osterr. 2,2). Graz 2004, S. 322, 325. – Zur Person L.s: H. Dienst, NDB 14 (1985) S. 277–280. – Dies.: LexMA 5 (1991) Sp. 1899. – Hans-Josef Olszewsky: BBKL 4 (1992) Sp. 1507–1502. – Ludwig Vones, LThK3 6 (1997) Sp. 843 f. – Flori¨ dus R¨ohrig: L. III, der Heilige. Markgraf v. Osterreich. Wien/M¨unchen 1985. – Karl Brunner: L., der Heilige. Ein Portrait aus dem Fr¨uhling des MA. Wien u. a. 2009. – Zum ‹Chronicon pii marchionis›: Walter Koch: Das Chronicon Pii Marchionis in seiner Beziehung zum ‹Babenberger-Stammbaum› in Heiligenkreuz. In: Wiener Jb. f¨ur Kunstgesch. 29 ¨ (1976) S. 187–190. – Oskar Pausch: Osterreichs Lit. am Ausgang des HochMA – Neue quellenkundli¨ che Perspektiven. In: Osterreichs Lit. zur Zeit der 505

um 1400 Babenberger (Wiener Arbeiten zur germ. Altertumskunde und Philologie 10). Hg. v. Alfred Ebenbauer u. a. Wien 1976, S. 152–162, hier S. 154. – Joachim Bumke: M¨azene im MA. Die G¨onner und Auftraggeber der h¨ofischen Lit. in Deutschland 1150–1300. Mu¨ nchen 1979, S. 52, 313 f., Anm. 57. – Dienst 1990 (s. o.) S. 23–45, 72–85. VZ Muhlwanger, ¨ Koloman, † 8.9., wohl 1418. – Theologe, Chronist. M. stammte wahrscheinlich aus niederem ober¨osterr. Adel. Er war seit etwa 1386 Pfarrer in Traunkirchen und studierte um 1388 an der Universit¨at Wien Kirchenrecht. Daneben war er Domherr in Olm¨utz und seit etwa 1408 in Passau. M. war der Autor der um 1400 entstandenen, ersten Fassung der Chronik von Goisern. Das in dt. Sprache mit lat. Einsprengseln verfasste Werk enth¨alt in M.s Fassung zwei Hauptbestandteile. Zun¨achst eine fiktive Reisebeschreibung, die von dem Brief des sog. Priesterk¨onigs Johannes inspiriert ist und von einer Indienfahrt M.s erz¨ahlt. Diese Reise will er als als p¨apstlicher Legat zu einem Priester namens Johannes unternommen haben. Zweitens stellt die Chronik unter Einbeziehung o¨ rtlicher Sagen die Fr¨uhgeschichte des ober¨osterr. Goisern (heute Bad Goisern) dar, das M. von einem K¨onig «Goisram» und einer Stadt «Goisernburg» herleitet. Das Werk weist Parallelen zu Johannes → Witte de Hese und → Leopold von Wien auf. Nach der nur in Ausz¨ugen u¨ berlieferten Erstfassung M.s entstand bis sp¨atestens 1560 eine zweite Bearbeitung, in der M.s Indienreise fehlt, in die aber weitere ober¨osterr. Sagen eingearbeitet sind. Weitere Fassungen der Chronik von Goisern wurden noch bis 1866 fortgef¨uhrt. ¨ Uberlieferung: St. Florian, Stiftsbibl., Cod. X 384, 91r–100r, 101v–102r (um 1500). – Linz, Landesarch., Musealarch., Aktenbd. 52, 8 Bll. (Pap., ¨ um 1560). – Weitere Uberl. ab dem 17. Jh. bei Grill 1957 (s. Ausg.). Ausgaben: Chronik von Goisern. Aufgeschrieben von Matthias Putz, Bergarbeiter im Ischler. Hg. v. Franz Kraus. Wien 1881. – Chronik von Goisern. Hg. v. Kulturbeauftragten des Gauleiters. Linz 1944. – Friederike Grill: Die Chronik von Goisern. Ein Beitrag zur Historiographie des Landes Ober¨osterreich. Diss. Wien 1957, S. 121–156. Literatur: Winfried Stelzer, VL2 6 (1987) Sp. 723 f. – Grill 1957 (s. Ausg.). – F. Grill: Lorenz Mittenauers historiographische Aufzeichnungen. In: Jb. des Musealvereines Wels 7 (1960/61) 506

um 1400 S. 62–69. – Alphons Lhotsky: Quellenkunde ¨ zur ma. Gesch. Osterreichs. Graz/K¨oln 1963, ¨ S. 360 f. – F. Grill: Osterreichs a¨ lteste Dorfchron. Beitr. zu ihrer Entwicklungsgesch. In: Mitt. des Ober¨osterr. Landesarch. 16 (1990) S. 47–64. – Dies.: Die Chron. v. Goisern – ein Sonderfall o¨ sterr. Geschichtsschreibung. In: Heimat Goisern. Bad Goisern in Vergangenheit und Gegenwart. Hg. v. Josef Ferdin. Bad Goisern/Linz 1990, S. 137–152. – Fritz P. Knapp: Die Lit. des Sp¨atMA ¨ in den L¨andern Osterreich, Steiermark, K¨arnten, Salzburg und Tirol v. 1273 bis 1439 II: Die Lit. zur Zeit der habsburgischen Herz¨oge v. Rudolf IV. bis Albrecht V. (1358–1439). Graz 2004, S. 299–302. MM Leipziger Schluss der Christherre-Chronik. – Abweichender Abschluss der Christherre-Chronik, 14. Jh., wom¨oglich noch sp¨ates 13. Jh. Der Leipziger Schluss der Christherre-Chronik (LSC) ist eine raffende anonyme Nachdichtung der biblischen B¨ucher Numeri (ab Kap. 17), Josua und Richter in 2002 Reimpaarversen mit knappen «incidentia» zur gleichzeitigen außerbiblischen Geschichte. Der Text des LSC ersetzt in einer be¨ stimmten Gruppe der → Christherre-Chronik-Uberlieferung (Textstufe Y2) ab Vers 20728 den urspr¨unglichen Text, der zu Beginn des Buches der Richter abbricht. Der LSC ist keine Bearbeitung des entsprechenden Teils der Christherre-Chronik, auch die Weltchronik → Rudolfs von Ems (die in der ¨ Uberlieferung oft zusammen mit der ChristherreChronik erscheint) war dem Verfasser unbekannt. Ob neben der Vulgata eine weitere Quelle herangezogen wurde, etwa die Historia Scholastica des → Petrus Comestor, ist unsicher, auch f¨ur die «incidentia» ist keine Quelle nachgewiesen. Auffallend ist der v¨ollige Verzicht auf Auslegung und Kommentar, was der Verfasser mit mangelnder Kompetenz begr¨undet. Das Erscheinen des LSC in der Christherre¨ Chronik-Uberlieferung d¨urfte wahrscheinlich auf ¨ einen Uberlieferungsdefekt zur¨uckgehen: Eine unvollst¨andige Handschrift, die bei V. 20.728 oder kurz danach abbrach, d¨urfte mit dem LSC vervollst¨andigt worden sein. Offen ist, ob der LSC eigens zur Komplettierung der Christherre-Chronik verfasst wurde (wof¨ur die Knappheit und der Auslegungsverzicht sprechen k¨onnten) oder ob es sich um den Schlussteil einer nicht erhaltenen eigenst¨andigen biblischen Geschichtsdichtung handelt. Dieses Werk w¨are dann vermutlich erheblich 507

Leipziger Schluss der Christherre-Chronik k¨urzer als die Chroniken Rudolfs und des → Jan(s) von Wien oder die Christherre-Chronik selbst, aber ausf¨uhrlicher als etwa die → Historien der alden E. ¨ Uberlieferung: Vollst¨andig (mit kleineren L¨ucken): Leipzig, UB, Ms. 791, 162v–176r (Perg., zweites Viertel 14. Jh., ostmitteldt. mit nd. Einschlag). – Unvollst¨andig bzw. gek¨urzt: Hamburg, SUB, Cod. 40b in scrin. (vormals Cod. theol. 1254), 46v–69r (Pap., um 1410, Mittelrhein), V. 1–1387 und Karlsruhe, LB, Cod. Donaueschingen 78, 322r–334r (Pap., Anfang 15. Jh., rheinfr¨ankisch), V. 1–92, 427–921, 1854–1898. In beiden Hss. wird der Text mit Ausz¨ugen aus der ‹Weltchronik› Rudolfs v. Ems fortgesetzt. Die Textzeugen sind unabh¨angig voneinander, gehen aber auf eine gemeinsame Vorstufe zur¨uck. – Fragmentarische Hss. der Textstufe Y2 datieren noch ins sp¨ate 13./fr¨uhe 14. Jh. Da sie vor V. 20.728 abbrechen, ist es nicht zu kl¨aren, ob der LSC schon Bestandteil dieser fr¨uhen Stufe gewesen sein k¨onnte. Ausgaben: Gottfried Sch¨utze: Die Hist. B¨ucher des AT [...]. Aus einer gleichzeitigen Hs. der o¨ ffentlichen Stadt-Bibl. zu Hamburg. 2 Theile. Hamburg 1779–81, hier Bd. 1, S. 3–21; Bd. 2, S. 86–108 (Hamburger Hs.). – G¨artner/Plate 2000 (s. Lit.) S. 338–342 (f¨unf «incidentia» nach Leipzig mit Varianten aus den anderen Hss.). Literatur: s. auch → Christherre-Chronik. – Ralf Plate, VL2 11 (2004) Sp. 915–917. – Kurt G¨artner/R. Plate: Troja im LSC. In: Vom MA zur Neuzeit. FS Horst Brunner. Hg. v. Dorothea Klein u. a. Wiesbaden 2000, S. 333–345. – R. Plate: Die ¨ Uberl. der C. (Wissenslit. im MA 28). Wiesbaden 2005, S. 152–162, 181–186. VZ Stetter, Johannes (Steete[r]n), † nach 1399. – Konstanzer Stadtchronist. S. entstammte einer angesehenen Konstanzer Familie, die erstmals 1349 erw¨ahnt wird. 1386–91 war er Mitglied des Großen Rats der Stadt und verschiedener Aussch¨usse. Als st¨adtischer S¨ackelmeister ist er 1392–99 bezeugt. S. ist der a¨ lteste nachweisbare Chronist von Konstanz. Seine dt. Konstanzer Stadtchronik (auch Annalen) zeichnet sich aus durch ihre patrizische Perspektive, ihren amtlichen Ton und ihre Zuverl¨assigkeit in Fragen des Stadtpolitik. Leider ist sie in ihrer urspr¨unglichen Form verloren und nur u¨ ber zwei j¨ungere Chroniken des 16. Jh., die Material aus S.s Werk beziehen, ansatzweise rekonstruierbar. So ist 508

Meister Wichwolt ¨ im Bd. 1 der Collectanea des Uberlinger Stadtschreibers und sp¨ateren B¨urgermeisters Jakob Reutlinger († 1611) eine umfangreiche Folge von rund 40 Nachrichten unterschiedlichen Umfangs mit der ¨ Uberschrift versehen: «ettliche Annales und Jargeschichten von Hannsen Steetern zu Constanz verzaichnet». Diese Nachrichten betreffen Konstanzer Ereignisse aus den Jahren 1277–1378, 1428/30, 1441 und 1499. Ihr Ende wird markiert mit dem Vermerk: «usque huc ex Annalibus Joannis Steeten de Constantia». Das zweite historiographische Werk ist die Cronica der Statt Constanz von Christoph Schwarzach aus dem Jahr 1585. Zwei annalistischen Eintragungen sind hier pers¨onliche Notizen hinzugef¨ugt, die mit «ich Hanns Stetter» einsetzen. Diese beiden Jahres¨ubersichten betreffen in regelloser Folge die Jahre 1222–1397. Ungef¨ahr zwei Drittel des Schwarzach-Textes stimmen mit dem u¨ berein, was Reutlinger als zu S. geh¨orig ausgewiesen hat. Das u¨ brige Drittel f¨uhrt Reutlinger zwar auch in seinem Sammelwerk, doch weist er diese Texte explizit Gebhard → Dacher zu. Ermittelt wurde auf ¨ Grundlage dieser sekund¨aren Uberlieferung ein S.Bestand, der die Jahre 1206–1388 abdeckt, mit einer B¨urgermeisterliste bis 1397. Detailliert wird hierin aus der zweiten H¨alfte des 14. Jh. berichtet, wobei S. auf eigenes Erleben zur¨uckgreifen konnte. Auch Ereignisse der eidgen¨ossischen Landesgeschichte werden aufgegriffen (Verlustlisten von Morgarten, Guglerkrieg, → Schlacht bei Sempach, → Schlacht bei N¨afels). Es bleiben indes viele offene Fragen: Hatte die Chronik ein Vorwort oder eine Passage zur Stadtgr¨undung? Geht das Fehlen von ausf¨uhrlichen Beitr¨agen zur Bistumsgeschichte auf S. selbst zur¨uck oder die Auswahl der sp¨ateren Chronisten? Auch sind S.s Quellen unbekannt, wenn auch zu vermuten ist, dass ihm a¨ltere Stadtchroniken vorlagen. Gleichfalls ist umstritten, welcher der Textzeugen verl¨asslicher ist, wie auch der quantitative Umfang der S.-Rekonstruktion Diskussionsgegenstand ist. Welche Gestalt und Funktion S.s Annalen auch gehabt haben m¨ogen, unstrittig ist, dass nahezu die gesamte Lokalchronistik des 15. und 16. Jh. auf S. aufbaut, namentlich Gebhard Dacher und das → Chronicon Constantiense. ¨ ¨ Uberlieferung: Uberlingen, Stadtarch., Reutlinger Collectaneen 1, S. 181–221 (Ende 16. Jh.). – Konstanz, Stadtarch. A I 2 (Anfang 17. Jh.) (Schwarzacher). 509

um 1400 Ausgabe: Pilipp Ruppert: Die Chron. der Stadt Konstanz. Konstanz 1891 (verschiedene Chron.Texte, darunter S., werden ineinandergeblendet). Literatur: Eugen Hillenbrand, VL2 9 (1995) Sp. 328 f.; 11 (2004) Sp. 1460. – Andreas Bihrer, Encyclopedia of the Medieval Chronicle 2 (2010) S. 1392. – Veronika Feller-Vest, HLS (online) http://www.hls-dhsdss.ch/textes/d/D18768. – Adolf Boell: Das große hist. Sammelwerk v. Reutlinger in der Leopold¨ Sophien-Bibl. in Uberlingen. In: Zs. f¨ur die Gesch. des Oberrheins 34 (1882) S. 31–65, 342–392 (als ¨ selbstst¨andige Publ.: Uberlingen 1889). – Ruppert (s. Ausg.) S. III–VII. – Theodor Ludwig: Die Konstanzer Geschichtsschreibung bis zum 18. Jh. Diss. Straßburg 1894. – Konrad Beyerle: Die Konstanzer Ratslisten des MA. Heidelberg 1898. – Th. Ludwig: Eine neue Konstanzer Stadtchron. In: Zs. f¨ur die Gesch. des Oberrheins NF 20 (1905) S. 345–347. – E. Hillenbrand: Die Konstanzer Geschichtsschreibung im Sp¨atMA (Konstanzer Arbeitskreis f¨ur Ma. Gesch. Protokoll 201). Konstanz 1976. – Richard Feller/Edgar Bonjour: Geschichtsschreibung der Schweiz vom Sp¨atMA zur Neuzeit. Basel/Stuttgart 21979, S. 107. – Helmut Maurer: Konstanz im MA. 2 Bde. Konstanz 21996, Reg. – Repertorium fontium historiae medii aevi 10,4 (2005) S. 507. – Sandra Wolff: Die ‹Konstanzer Chron.› Gebhart Dachers. ‹By des Byschoffs zyten volgiengen disz nachgeschriben ding vnd sachen ...›. Codex Sangallensis 646: Edition und Kommentar (Konstanzer Gesch.- und Rechtsquellen 40). Ostfildern 2008, S. 739 (Reg.). VZ Meister Wichwolt (Wybolt [Wichbolt], Meister Babiloth). – Verfasser (vermutlich aus dem nd. Sprachraum) der ersten dt. ProsaAlexanderchronik, um 1400 (vor 1410). Die Cronica Alexandri des großen konigs wird von drei Handschriften mit einem Verfassernamen u¨ berliefert. Von den drei auftauchenden Namensformen Wybolt, Wichwolt und Babiloth (Entstellung [?]) ist auch anhand kodikologischer Anhalts¨ punkte (s. Uberlieferung) der Name Wichwolt vorzuziehen. Die Cronica ist eine im Detail mitunter k¨urzende oder erweiternde, aber in der Ge¨ samtheit dem lat. Wortlaut eng folgende Ubersetzung der Historia de preliis Alexandri magni. Bis ungef¨ahr zur Mitte (Tod des K¨onig Porus von Indien) folgt sie zun¨achst der Orosius Rezension (J2), erweitert um Aristoteles’ Belehrung des jungen Alexander u¨ ber F¨urstenpflichten (nicht in J2), und dann 510

um 1400 der Rezension J3 mit Einsch¨uben aus dem ps.aristotelischen Secretum secretorum und einigen Abweichungen beim Briefwechsel mit dem Brahmanenk¨onig Dindimus (vgl. → Dindimus’ Buch). Die Versanteile der Vorlage (zwei Grabschriften und ein Mahngedicht) sind im lat. Original u¨ bernommen. In der Tendenz wird in der Chronik, die das ganze Leben Alexanders darstellt, den wundersamen Ereignissen weniger Raum gegeben als in vergleichbaren Alexandererz¨ahlungen, daf¨ur akzentuiert die ¨ sprachlich nicht durchweg u¨ berzeugende Ubersetzung den moralisch-didaktischen Aspekt. Ob W. selbst verschiedene lat. Vorlagen kompilierte und u¨ bertrug, kann so lange nicht ausgeschlossen werden, bis eine entsprechende lat. Kompilation, die ihm als Vorlage gedient haben k¨onnte, indentifiziert wird. Die Cronica war im 15. Jh. offensichtlich sehr ¨ beliebt, wie die Uberlieferung nahelegt. Vom Umfang her reicht sie fast an die des Vers-Alexanders → Seifrits (1352) und des Prosa-Alexanders Johannes → Hartliebs (um 1450) heran. Im Gegensatz zu Hartliebs Text erschien W.s Alexander aber nur ein Mal im Druck (mit Erweiterungen aus Hartlieb). W.s Alexanderlehre wurde um die Mitte des 15. Jh. in die Excerpta Chronicarum Johannes → Platterbergers und des Dietrich → Truchseß inseriert. ¨ Uberlieferung: Hss. mit Namensnennung: Dessau, LB, Hs. Georg. 229.8°, 1r–69r (Pap., Mitte 15. Jh., bair. mit mitteldt. Einfl¨ussen). Auf Bl. 69r: «D¨yß buch hat gemacht meister wichwolt der erber vnd der erleuchste man yn der schrifft auß genomen vnd auß geleit [...]». – Jena, ULB, Ms. Prov. o. 70, 100 Bll. (Pap., 15. Jh., mitteldt.). Auf Bl. 99r/v: «Dyß buch hoth meyster wybolt der erbar und erluchte man yn der schrifft uß genommen vnd uß geleyt [...]». – Dresden, LB, Mscr. M 55, 1ra–77vb (Pap., um 1460/70, ostmitteldt.). Auf Bl. 77va: «Dis buch hot gemacht meister babiloth der erbar vnd erlewchte man in der schrifft auß genomen vnd auß geleit [...]». Die Dessauer Hs. steht vermutlich dem Original am n¨achsten. – Ohne Namensnennung: Berlin, SBB, Mgq 1001, 60 Bll. (Pap., 15. Jh., s¨udth¨uringisch). – Coburg, LB, Ms. Sche. 16, 101ra–166rb (Perg. und Pap., 1427, nord-/mittelbair.). – Gießen, UB, Hs. 231, 110ra–170rb (Pap., Mitte 15. Jh., bair. mit mitteldt. Einfl¨ussen). – Gotha, Forschungsbibl., Cod. Chart. A 26, 249ra–322vb (Pap., 1470/75, nordbair.). – K¨oln, Hist. Arch. der Stadt, Best. 511

Meister Wichwolt 7020 (W*) 3, 1r–60r (Pap., 1410/20, ripuarisch/ niederfr¨ankisch). – London, University College, MS. Germ. 7 (vormals Cheltenham, Bibl. Phillippica, Cod. 9065), 98r–154v (Pap., 15. Jh., bair.). – M¨unchen, BSB, Cgm 267, 146r–214v (Pap., um 1448, nordbair.) – Straßburg, National- und UB, Ms. 2119 (vormals L germ. 195.2°, davor Privatbesitz T. O. Weigel, Leipzig), 184va–210vb (Pap., 15. Jh., nordbair.). – Stuttgart, LB, Cod. HB X 22, 112r–230r (Pap., 1470, bair.-tirolerisch). – Wolfenb¨uttel, HAB, Cod. 32.8 Aug. 2°, 1r–77r (Pap., letztes Viertel 15. Jh., ostfr¨ankisch/nordbair.). – Ausz¨uge: St. Gallen, Stiftsbibl., Cod. 628, 809a–815b (Pap., zweite H¨alfte 15. Jh., nordbair. mit mitteldt. Einfl¨ussen). – Ebd., Cod. 965, S. 435–442 (Pap., 15. Jh., nordostschweizerisch). – Fr¨uhdruck: L¨ubeck (Lukas Brandis) um 1477/78, nd. (GW ¨ 00890). – Trotz des oberdt. Uberlieferungsschwerpunktes (vor allem Raum N¨urnberg) ist ein urspr¨unglich nd. Text wahrscheinlich (mehrfach auftretende Textkorruptheiten obd. Zeugen lassen sich am ehesten durch die Annahme einer nd. Vorlage erkl¨aren). Ausgaben: Synoptischer Abdruck des ersten Drittels nach Stuttgart und Dresden bei Herzog (s. Lit.). – Auszug nach Dresden bei: Johannes Erben: Ostmitteldt. Chrestomathie. Proben der fr¨uhen Schreib- und Druckersprache des mitteldt. Ostens (Dt. Akad. der Wiss. zu Berlin. Ver¨off. des Inst. f¨ur dt. Sprache und Lit. 24). Berlin 1961, S. 60 f. – Peter Hvilshøj Andersen: Deux t´emoins en prose du Roman d’Alexandre a` la fin du Moyen Age en Allemagne: L’Alexandre du ‹Grosser Seelentrost› et L’Alexandre de Wichbolt (Medievales 15). Amiens 2001, S. 93–179 (nach Stuttgart, Cod. HB X 22). Literatur: Hans Hugo Steinhoff, VL2 1 (1978) Sp. 577–579; 11 (2004) Sp. 205 (Meister Babiloth). – Trude Ehlert, VL2 10 (1999) Sp. 985 f. – Gisela Kornrumpf, Killy2 12 (2011) S. 367 f. – Adolf Ausfeld: Die Orosius-Rezension der Historia Alexandri Magni de preliis und Babiloths Alexanderchron. In: FS der Badischen Gymnasien. Karlsruhe 1886, S. 97–120. – Sigmund Herzog: Die Alexanderchron. des Meister Babiloth. Ein Beitr. zur Gesch. des Alexanderromans (Programm des EberhardLudwig-Gymnasiums). Stuttgart 1897 und 1903. – Karl Georg Brandis: Die Jenaer Hs. des ‹Babiloth›. In: FS Walther Judeich. Weimar 1929, S. 206–209. – Friedrich Franz Siggelkow: Stud. zu mnd. Volksb¨uchern. In: NdJb 55 (1929) S. 40–81, hier S. 40–65. – Friedrich Pfister: Stud. zu sp¨atma. 512

Holsteinische Reimchronik dt. Alexandergesch. In: ZfdA 79 (1942) S. 114–132, hier S. 114–121. – George Cary/David J. Ross: The Medieval Alexander. Cambridge 1956, S. 51, 254 f. – Wolfgang Stammler: Ma. Prosa in dt. Sprache. In: Dt. Philologie im Aufriß. Bd. 2. Hg. v. dems. Berlin 21960, Sp. 749–1102, hier Sp. 1042. – Gerta Schmidtgall: Vorstud. zu einer Gesamtausg. der Alexandergesch. des Meister Babiloth. Diss. FU Berlin 1961. – J¨urgen Brummack: Die Darstellung des Orients in den dt. Alexandergesch. des MA (Phil.Stud.u.Qu. 29). Berlin 1966, S. 25 f., 59 f., 82, 87. – D. J. Ross: Illustrated medieval Alexander-Books in Germany and the Netherlands (Publ. of the Modern Humanities Research Association 3). Cambridge 1971, S. 8. – Herwig Buntz: Die dt. Alexanderdichtung des MA (Slg. Metzler 123). Stuttgart 1973. – R¨udiger Schnell: Zur volkssprachlichen Rezeption des Speculum Historiale in Deutschland. In: Vincent of Beauvais and Alexander the Great. Studies on the Speculum maius and its translations into medieval vernaculars (Mediaevalia Groningana 7). Hg. v. Willem J. Aerts u. a. Groningen 1986, S. 101–126. – Hans-Friedrich Rosenfeld: Babiloth oder W.? Eine Verfasserfrage, zugleich eine namenkundliche Unters. In: ZfdPh 105 (1986) S. 332–369. – Reinhard Pawis: Johann Hartliebs Alexander (MTU 97). M¨unchen u. a. 1991. – Rudolf Weigand: Vinzenz v. Beauvais. Scholastische Universalchronistik als Quelle volkssprachiger Geschichtsschreibung (Germanistische Texte und Stud. 36). Hildesheim u. a. 1991. – Ralf Nelles: W.s ‹Cronica Allexandri Magni› als Quelle der ‹Excerpta Chronicarum›. Magisterarbeit Bonn 1992. – T. Ehlert: Die Rolle des Fr¨uhdrucks bei der Edition der ‹Cronica Allexandri des grossen konigs› des M. W. (Babiloth). In: Editionsber. zur ma. dt. Lit. Beitr. der Bamberger Tagung ‹Methoden und Probleme der Edition ma. dt. Texte› 1991. Hg. v. Anton Schwob (Litterae 117). G¨oppingen 1994, S. 15–32. – P. Hvilshøj Andersen: L’Alexandre du ‹Großer Seelentrost›, l’Alexandre de Wernigerode, l’Alexandre de Wichbolt. Trois adaptations allemandes du roman du Pseudo-Callisth`ene. Diss. Amiens (Mikrofiche-Ausg.) 2000. – Elisabeth Lienert: Dt. Antikenroman des MA (Grundlagen der Germanistik 39). Berlin 2001, S. 65. – P. Hvilshøj Andersen: Le motif du fils rebelle dans ´ l’‹Alexandre› de Wichbolt. In: Etudes m´edi´evales 6 (2004) S.151–165. – Florian Kragl: Die Weisheit des Fremden. Stud. zur ma. Alexandertradition. Mit 513

1. H¨alfte 15. Jh. einem allgemeinen Tl. zur Fremdheitswahrnehmung (Wiener Arbeiten zur germ. Altertumskunde und Philol. 39). Bern u. a. 2005, S. 394–415. – P. Hvilshøj Andersen Vinlandicus: Wigbolds Alexanderbuch – eine Pionierarbeit. In: Eulenspiegel trifft Melusine. Der fr¨uhnhd. Prosaroman im Licht neuer Forschungen und Methoden. Hg. v. Catherine Drittenbass/Andr´e Schnyder (Chlo¨e 42). Amsterdam 2010, S. 183–200. VZ Holsteinische Reimchronik (Hamburg. bzw. Hamburg-Holstein. R.). – Mnd. Chronik. Die H. R. behandelt prim¨ar die Geschichte Holsteins in Wechselwirkung mit den d¨anischen Herrschern von 1199 bis 1227. Die einzelnen Teile der Chronik und damit ihr Inhalt unterscheiden sich jedoch in den erhaltenen Handschriften: Annalistisch angelegt ist die sog. Gr¨oßere H. R., deren 512 Verse vollst¨andig den genannten Zeitraum umfassen. Dieser Teil entstand wahrscheinlich zu Beginn des 15. Jhs., sicher aber nach 1381. Er ist in den Handschriften B, C, D und partiell auch in A ¨ enthalten (vgl. Uberlieferung). Charakteristisch f¨ur die Gr¨oßere H. R. ist u. a. ihre scharfe Kritik an D¨anemark. Die sog. Kleine H. R. umfasst eine Einleitung in Prosa sowie 240 Verse mit einer gestrafften und abgemilderten Fassung der Gr¨oßeren H. R. Die Kleinere H. R. ist nur in sp¨ateren Handschriften ab E vollst¨andig enthalten. Ein weiterer Teil der H. R. sind zwei 139 Verse umfassende Bruchst¨ucke u¨ ber das Leben des Grafen Adolf IV. von Holstein, der darin als heiligm¨aßiger Herrscher dargestellt wird. Die vor 1321 entstandenen Bruchst¨ucke finden sich nur in Handschrift A. Diese enth¨alt auch die Erz¨ahlung vom Tode K¨onig Erich Plogpennings. Als Vorlagen der H. R. sind die → S¨achsische Weltchronik und die Weltchronik des Albert von Stade nachgewiesen. Die in der H. R. enthaltene Vita Adolfs war wiederum Vorlage f¨ur De inclito Adolfo comite Holzacie. ¨ Uberlieferung: A: Hannover, LB, Ms. XXI 1283, 57r–60v (Pap., Ende 15. Jh./Mitte 16. Jh., nd.). – B: Kopenhagen, K¨onigliche Bibl., GKS Cod. 820, 2° (vor 1550). – C: Hamburg, SUB, cod. hist. 22, S. 78–87 (17. Jh.). – D: Hannover, LB, cod. XXI 1283b, 47r–58v (17./18. Jh.). – E: Hamburg, SUB, Realcat. Hamb. Mscr. Vol. I (vor 1667, von dieser Hs. existieren weitere Abschr.). – Eine weitere Hs. ist verloren. 514

1. H¨alfte 15. Jh. Ausgaben: Hamburgische Chronik. in nieders¨achsischer Sprache. Hg. v. Johann M. Lappenberg. Hamburg 1861 (Nachdr. Niederwalluf 1971) S. 193–226. – H. R. Hg. v. Ludwig Weiland. In: MGH Dt. Chron. 2. Hannover 1877 (Nachdr. Mu¨ nchen 2001) S. 609–633. Literatur: Thomas Frenz, VL2 4 (1983) Sp. 116 f. – De Boor/Newald 3/2 (1987) S. 452. – Helge Todberg: Zur H. R. In: Beitr. zur dt. und nordischen Lit. FS Leopold Magon. Hg. v. Hans Werner Seiffert. Berlin 1958, S. 392–405. – Lud¨ wig Wolff: Uber den Versbau mnd. Dichtungen. In: Nd. Mitt. 15 (1959) S. 39–68 (wieder in: Ders.: Kleinere Schr. zur altdt. Philologie. Hg. v. Werner Schr¨oder. Berlin 1967, S. 359–382). – Rainer Postel: Johann Martin Lappenberg. Ein Beitr. zur Gesch. der Geschichtswiss. im 19. Jh. L¨ubeck/ Hamburg 1972, S. 85–87 (zur Ausg. v. 1861). – T. Frenz: Die H. R. Gesch. eines ma. Textes im Spannungsfeld von Wiss. und Politik. In: AfK 73 (1991) S. 253–263. MM Hinrik van den Ronen. – Stadtschreiber, Chronist. Der Jurist war im sp¨aten 14. und fr¨uhen 15. Jh. Stadtschreiber in Magdeburg. Nach Angaben der Quellen stand er dem Stadtrat nahe und wurde mit mehreren Gesandtschaften betraut. So vertrat er die Stadt 1394/95 bei juristischen Verhandlungen in Prag. 1403 wurde er zur Pr¨ufung des Palliums von Erzbischof G¨unther II. von Schwarzburg entsandt. H. z¨ahlte zu den Autoren der Magdeburger Sch¨oppenchronik, deren f¨unften Abschnitt er verfasste (1403–1410). Als Stadtschreiber war H. ein sp¨ater Nachfolger des Heinrich von Lammesspringe, der die Chronik begr¨undete, und direkter Vorg¨anger von Engelbert → Wusterwitz, der ihren sechsten Abschnitt schrieb. ¨ Uberlieferung: Berlin, SB, Ms. boruss. fol. 172, 230 Bll. (Pap., letztes Viertel 15. Jh., mnd.). – Zur ¨ weiteren Uberl. s. Magdeburger Sch¨oppenchronik. Ausgabe: Magdeburger Sch¨oppenchronik (Chron.dt.St¨adte 7: Die Chron. der nieders¨achsischen St¨adte 1: Magdeburg). Hg. v. Karl Janicke. Leipzig 1869. Neudr. G¨ottingen 1962 (mit Nachtr¨agen in Bd. 7,2, 1899, S. 1–140). Literatur: F¨ur weitere Lit. s. → Magdeburger Sch¨oppenchronik. – Gundolf Keil: Magdeburger Sch¨oppenchron. In: VL2 5 (1985) Sp. 1132–1142. – De Boor/Newald 4/1 (21994) S. 155. – Janicke 1869 (s. Ausg.) S. XXV. – G. Keil: Nachtr. zum VL. In: PBB (Tu¨ b.) 83 (1961) S. 167–226. MM 515

Hinrik van den Ronen Guntzel, ¨ Nickel (Gun[t]zel; Nik[o]la[u]s), † 1426 G¨orlitz. – Stadtschreiber von G¨orlitz, Verfasser chronikalischer Notizen. Der Sohn des gleichnamigen B¨urgermeisters († um 1392) z¨ahlte neben Johann → Bereith und Johann Frauenburg zu den maßgebenden G¨orlitzer Pers¨onlichkeiten des Sp¨atMA. G. war von 1401 bis zu seinem Tod G¨orlitzer Stadtschreiber («Notarius»), zudem Ratmann (seit 1394), Sch¨oppe (1398) und wie sein Vater B¨urgermeister (1401/07/22). Auch unternahm er diplomatische Reisen (u. a. nach Prag und zum Konzil von Konstanz) und f¨uhrte f¨ur den Rat der Stadt lat. und dt. Korrespondenz. In seinen letzten Lebensjahren verfasste er aus dem Ged¨achtnis u¨ berwiegend lat. unsystematische chronikalische Aufzeichnungen zu den Jahren 1404, 1406–1408, 1413 und 1415/16. Die Nachrichten sind mitunter unzuverl¨assig, wie Vergleichsquellen erwiesen haben. ¨ Uberlieferung: G¨orlitz, Bibl. der Oberlausitzischen Ges. der Wiss., L I 262, 1–3a (Kriegsverlust). – Abschr. f¨ur hsl. Quellen- und Urkundenslg. haben laut Jecht vorgenommen: Bartholom¨aus Scultetus († 1614): Annales Gorlicenses Bd. 2 und Jakob Gottlieb Kloß († 1789): Diplomatarium Lusatiae Superioris Bd. 2, S. 6–11 (Ausz¨uge) (Vgl. Jecht 1909 [s. Lit] S. 18–21, 23, 173 f.). Ausgabe: Abdr. eines dt. und eines lat. Briefes vom 19. resp. 22. 3. 1418 aus dem hist. Kontext des Konzils von Konstanz: Jecht 1940 (s. Lit.) S. 7 f. Literatur: Hubert Herkommer, VL2 3 (1981) Sp. 325. – Albrecht Classen, Encyclopedia of the Medieval Chronicle 1 (2010) S. 746. – Richard Jecht (Hg.): Die Fehde der Stadt G¨orlitz mit Gotsche Schoff auf dem Greiffenstein 1425 und 1426. In: Silesiaca. FS Colmar Gr¨unhagen. Breslau 1898, S. 101–108. – Ders.: Codex diplomaticus Lusatiae superioris. Slg. der Urkunden f¨ur das Markgrafthum Oberlausitz. Bd. 2,2. G¨orlitz 1900–1904, S. 780 (Reg.); Bd. 3. Ebd. 1905–10. S. 821 f. (Reg.). – Ders.: Quellen zur Gesch. der Stadt G¨orlitz bis 1600. G¨orlitz 1909, S. 23, 173 f. – Ders.: Gesch. der Stadt G¨orlitz. Bd. 1,1. G¨orlitz 1926, S. 133, 140; Bd. 1,2 ebd. 1927–34, S. 582 f. – Ders.: Die Oberlausitz und das Konzil v. Konstanz. In: Neues lausitzisches Magazin 116 (1940) S. 1–35, hier 7 f., 25–27. VZ Colmarer Chronik. – Dt. Prosachronik, fr¨uhes 15. Jh. Die annalistische Regionalchronik wurde um 1403 von einem unbekannten Dominikaner in 516

Katzmair Colmar verfasst und zwei Mal anonym fortgesetzt (bis 1426/54). Sie enth¨alt auch weltchronistische Elemente, denn die Chronik beginnt mit kurzen Notizen zur Sch¨opfung, zum Leben der Patriarchen, und zur Gr¨undung von Rom und Trier. Hauptquelle dieser Eingangspassage, die Kenntnisse der Vorstellung von den «aetates mundi» offenbart, ist neben der Genesis → Martin von Troppau. Ein Abschnitt zu Noah, seine Entdeckung des Weines und zu dessen vier Charakteristiken beruht auf ma. Erz¨ahlkonvention. Dieser Chronikeingang scheint vom Autor zur Erf¨ullung zeitgen¨ossischer Genreerwartungen gew¨ahlt worden zu sein. Einige Notizen zu Heiligen des 2.–5. Jh. nach der Legenda aurea (→ Jacobus a Voragine) erg¨anzt durch Bemerkungen zur Reliquientranslation der Hl. drei K¨onige und zum Kloster Einsiedeln leiten dann zur eigentlichen Chronik u¨ ber, die mit 1212 beginnt. Bis 1293 st¨utzt sich der Autor hier auf das lat. Chronikwerk des → Colmarer Dominikanerchronisten. F¨ur die Zeit von 1315 bis 1403 bietet er eine eigenst¨andige Chronik. Diese ist nicht auf Colmar beschr¨ankt, sondern enth¨alt auch Angaben zur erweiterten Regional- und Reichsgeschichte (wie etwa zur Bannung Ludwigs IV.). Die Fortsetzungen folgen diesem Modell, wobei die erste eingehend vom Konstanzer Konzil berichtet. ¨ Uberlieferung: Vollst. Hss.: Colmar, StB, Ms. 45 (Kat.-Nr. 563), 1r–6v (Pap., um 1463., aus dem Kloster Murbach, geschrieben u. a. von Sigismund → Meisterlin; Chron. bis 1403). – Nu¨ rnberg, Staatsarch., Rep. 52a (Reichsstadt N¨urnberg) Hs. Nr. 13, 5r–44r (Pap., um 1470, n¨urnbergisch; Chron. bis 1426). – Teil¨uberl. in: Basel, UB, Cod. E VI 26, 85v, 175v–185v, 192r, 205r (Pap., 1420/30 mit Nachtr¨agen bis 1474, aus Basel, alemannisch; Ausz¨uge des Colmarer Kaplans → Erhard von Appenwiler, um 1460). – Colmar, StB, Ms. I. CH 1 (Kat.-Nr. 540), 31r–36v (Pap., zweite H¨alfte 16. Jh.; Ausz¨uge des Colmarer Obristen Conrad Scheerer bis 1454). – Augsburg, SB/StB, 2° Cod. 169, 168v–169r, 189v–191v (Pap., erstes Drittel 15. Jh., und 16. Jh., els¨assisch und alemannisch). Ausgabe: Franz Josef Mone: Quellenslg. der badischen Landesgesch. Bd. 3. Karlsruhe 1863, S. 581 f. (Ausz¨uge nach Colmar Ms. 45). – J. Se´e: Kurze Colmarer Chron. In: Alsatia 10 (1873/74 [1875]) S. 221–235 (nach Colmar Ms. 45). – Julius Rathgeber: Beitr. zur Gesch. des Elsasses. In: Forschungen zur dt. Gesch. 15 (1875) S. 455–471, 517

1. H¨alfte 15. Jh. hier S. 462–469 (nach Colmar Ms. I. CH 1). – August Bernoulli: Die a¨ lteste dt. Chron. v. Colmar. Colmar 1888 (nach N¨urnberg). Literatur: Erich Kleinschmidt, VL2 1 (1978) Sp. 1294; 11 (2004) Sp. 335. – Gabriel Viehhauser, Encyclopedia of the Medieval Chronicle 1 (2010) S. 480. – Rathgeber (s. Ausg.) S. 460–462. – Bernoulli (s. Ausg.) S. VI–XXIX. – Rudolf Reuss: De scriptoribus rerum Alsaticarum historicis inde a primordiis ad saeculi 18 exitum. Straßburg 1897, S. 22–24, 57. – Repertorium fontium historiae medii aevi. Bd. 3 (1970) S. 311. – E. Kleinschmidt: Die Colmarer Dominikanergeschichtsschreibung im 13. und 14. Jh. In: DA 28 (1972) S. 371–496, hier S. 418 f. VZ Katzmair, J¨org, * um die Mitte des 14. Jh. Mu¨ nchen, † 5.3.1417 Mu¨ nchen. – Verfasser chronikalischer Aufzeichnungen. Der einem angesehenen M¨unchner Patriziergeschlecht entstammende K. ist 1391 als B¨urger M¨unchens und seit 1396 als Mitglied des innern Rats bezeugt. 1397 hatte K., mittlerweile einer der einflussreichsten Patrizier der Stadt, auch das B¨urgermeisteramt inne. Er trat nach eigener Aussage in den Mu¨ nchner B¨urgerunruhen in den Jahren 1397–1403 zun¨achst als Vermittler auf. Durch die Aufst¨andischen entmachtet ergriff K. jedoch 1398 die Flucht; er lebte bis 1403 im T¨olzer Exil. Im selben Jahr erfolgte gemeinsam mit den anderen patrizischen Wortf¨uhrern die R¨uckkehr nach ¨ Mu¨ nchen, wo er schon bald wieder hohe Amter bekleidete und fortan als Gutsbesitzer lebte. K. verfasste als Zeitgenosse eine Denkschrift u¨ ber die M¨unchner Unruhen 1397–1403, in der er auch u¨ ber die Streitigkeiten zwischen den drei Wittelsbachischen Linien Bayern-M¨unchen (Ernst und Wilhelm), Bayern-Landshut (Heinrich) und Bayern-Ingolstadt (Stephan und dessen Sohn Ludwig) um die Stadtherrschaft berichtet. Es handelt sich bei dieser Denkschrift, welche in einer Abschrift von Anna Reitmor (vor 1573) erhalten ist, um einen knappen, n¨uchternen Erlebnisbericht aus dem Blickwinkel des Politikers K., der informieren, nicht polemisieren will. ¨ Uberlieferung: Mu¨ nchen, BSB, Cgm 929, 24r–54hr (Pap., vor 1573; chronistische Sammelhs. der Anna Reitmor). Ausgaben: Karl August v. Muffat: Jo¨ rg Kazmair’s Denkschr. u¨ ber die Unruhen zu Mu¨ nchen in den Jahren 1397–1403. In: Chron. dt. St¨adte 15 518

1. H¨alfte 15. Jh. (1878) S. 411–583. – Hermann Maschek (Hg.): Dt. Chron. (Dt. Lit. Reihe Realistik des Sp¨atMA 5). Leipzig 1936 (Nachdr. Darmstadt 1964) S. 212–252. Literatur: Edmund Freiherr v. Oefele, ADB 15 (1882) S. 459. – Klaus Grubm¨uller, VL2 4 (1983) Sp. 1085–1087. – De Boor/Newald 4/1 (21994) S. 146. – Johann Andreas Schmeller: J¨org Katzmair’s, B¨urgermeisters der Stadt M¨unchen, Denkschr. u¨ ber die Unruhen daselbst in den Jahren 1397–1403. In: Oberbayerisches Arch. f¨ur vaterl¨andische Gesch. 8 (1847) S. 1–54. – Muffat (s. Ausg.). – Fridolin Solleder: Mu¨ nchen im MA. Mu¨ nchen u. a. 1938, S. 506–522. – Gudrun Gleba: Die Aufzeichnungen des M¨unchener B¨urgers J¨org Kazmair zu den Jahren 1397–1403. Eine Schr. zur ma. Meinungsbildung. In: St¨adtische Geschichtsschreibung im Sp¨atMA und in der fr¨uhen Neuzeit. Hg. v. Peter Johanek (St¨adteforschung A, 47). K¨oln u. a. 2000, S. 215–231. – Stefan Dicker: Landesbewusstsein und Zeitgeschehen. Stud. zur bayerischen Chronistik des 15. Jh. (Norm und Struktur 30). K¨oln u. a. 2009, S. 218–220. SF Appenzeller Reimchronik. – Chronik des Appenzeller Befreiungskampfes in Reimpaarversen, fr¨uhes 15. Jh. Die Chronik in 4142 Versen wurde vermutlich vor oder sp¨atestens 1405 verfasst, da die Schlacht am Stoss (17.6.1405) nicht mehr angef¨uhrt wird. Der Verfasser ist unbekannt, er d¨urfte aber der St. Galler F¨urstabtei nahegestanden haben. Die Ereignisse des Appenzeller Befreiungskampfes gegen ¨ die Herrschaft der St. Galler Abte werden f¨ur die Jahre 1400–1404 relativ getreu wiedergegeben mit bauernfeindlicher Tendenz und eindeutiger Parteinahme f¨ur die St. Galler Seite. Formal ist die Chronik anspruchslos mit vielen sprachlichen Wiederholungen und Nachl¨assigkeiten bei den Reimen sowie im Versmaß. Wom¨oglich hat sich der Dichter der Chronik an Heinrich → Wittenwilers Ring orientiert. ¨ Uberlieferung: St. Gallen, Stiftsarch., Cod. A 87, 69r–137r (Pap., [sp¨ates ?] 15. Jh., Abschr.) Ausgabe: Traugott Schiess: Reimchron. des Appenzellerkriegs (1400–1404). In: Mitt. zur vaterl¨andischen Gesch. 35 (St. Gallen 1919) S. 1–125. Literatur: Guy P. Marchal, VL2 1 (1978) Sp. 412. – Jakob B¨achtold: Gesch. der dt. Lit. in der Schweiz. Frauenfeld 1892, S. 200 f. – Samuel Singer: Schweizerdt. (Die Schweiz im dt. Geistesleben 58). Frauenfeld u. a.1928, S. 76–78. – Ders.: Die 519

Appenzeller Reimchronik ma. Lit. in der dt. Schweiz (ebd. 66/67). Ebd. 1930, S. 115–117. – Bruno Boesch: Zum Stilproblem in Heinrich Wittenwilers Ring. In: Philologia Dt. FS Walter Henzen. Hg. v. Werner Kohlschmidt/Paul Zinsli. Bern 1965, S. 63–79, hier S. 73. – Maria D¨orig: Die Reimchron. des Appenzellerkrieges. Versuch einer Lokalisierung des Autors derselben. Liz. phil. (masch.) Freiburg/Schweiz 1968. – Hanno Helbling: Hb. der Schweizer Gesch. Bd. 1. Z¨urich 1972, S. 271–280. – Richard Feller/Edgar Bonjour: Geschichtsschreibung der Schweiz vom Sp¨atMA zur Neuzeit. Basel 21979, S. 114 f. – Eckart Conrad Lutz: Aufl¨osung aller Ordnung in Stadt und Land – die Weltangst des zeitgen¨ossischen Beobachters. Endzeitgedanken in der ‹Reimchron. des Appenzellerkrieges›. In: Spiritualis fornicatio. Heinrich Wittenwiler, seine Welt und sein ‹Ring› (Konstanzer Gesch.- und Rechtsquellen 32). Sigmaringen 1990, S. 147–153. VZ Chronik von Rapperswil. – Prosachronik. Die Chronik behandelt den Zeitraum von 1000 bis 1388. Die Schwerpunkte der Darstellung liegen im ersten Teil auf der Rapperswiler Burgund Stadtgr¨undung sowie dem Aussterben des lokalen Herrengeschlechts, im zweiten Teil auf den bewaffneten Konflikten mit Z¨urich (1350–1388). Autor und Ursprung der Chronik sind unbekannt. Das Prosawerk in dt. Sprache entstand m¨oglicherweise zu Anfang des 15. Jh. Es war lange in einer Abschrift des Rapperswiler Presbyters Matth¨aus Rickenmann von 1670 erhalten, die heute verschollen ist. Die inhaltliche Gesamttendenz der Chronik gilt als pro-¨osterreichisch. ¨ Uberlieferung: Die einzige bekannte Hs. von 1670 war urspr¨unglich im Privatbesitz von Xaver Rickenmann (Rapperswil) und ist heute verschollen. Ausgabe: Chron. v. Rapperswil vom Jahre 1000 bis zum Jahre 1388. Hg. v. Ludwig Ettm¨uller. In: Mitt. der antiquarischen Ges. Z¨urich 6 (1849) S. 225–236. Literatur: Gisela Friedrich, VL2 1 (1978) Sp. 1254 f. – Repertorium fontium historiae medii aevi 3. Hg. Istituto Storico Italiano per il Medio Evo. Rom 1970, S. 424. – Ferdinand Elsener: Die Gr¨undung der Stadt Rapperswil in der chronikali¨ schen Uberl. In: Gotik in Rapperswil. Gesch. und Kunst am obern Z¨urichsee [...]. Hg. Ortsgemeinde Rapperswil. Red. Bernhard Anderes. Rapperswil 1979, S. 25–34. MM 520

Person Person, Gobelin(us) (auch Persoen, Persona), * 1358 Paderborn (?), † 17.11.1421 Stift B¨oddeken. – Theologe, Chronist, Biograph. Der wohl aus dem Paderborner B¨urgertum stammende P. war als junger Kleriker zun¨achst in Rom t¨atig. Unter Papst Urban VI. arbeitete er dort seit sp¨atestens 1383 an der Apostolischen Kammer. Daneben begleitete er den Papst auf mehreren Reisen, bevor P. 1386 in Genua zum Priester geweiht wurde. Anschließend setzte er seine Kammert¨atigkeit in Paderborn fort, war seit 1389 Vikar an der Dreifaltigkeitskapelle im dortigen Dom und seit 1390 Pfarrer an der Marktkirche. Seit 1393 war P. an der Universit¨at Erfurt immatrikuliert, doch ist sein genaues Studium unbekannt. 1408 wurde er Prokurator und Kaplan unter dem Paderborner F¨urstbischof Wilhelm von Berg. In dessen Auftrag reformierte P. 1408/1409 das Kloster B¨oddeken. 1409/10 war er Rektor an der Warburger Andreaskirche, danach Offizial und Generalvikar Wilhelms. Damals befand sich P. auch in Auseinandersetzungen mit den Benediktinern des Paderborner Abdinghofklosters um dessen Reform. Selbst eine 1410 unternommene Romreise P.s an die Kurie konnte die Situation nicht kl¨aren. Wilhelm versetzte P. daraufhin nach Bielefeld, wo er seit 1411 Kanonikus und seit 1416 auch Dekan des Marienstifts war. Nachdem P. 1416/17 die Reform des Marienstifts abgeschlossen hatte, lebte er zuletzt im Stift B¨oddeken. Von P. sind mehrere, zumeist lat. Schriften u¨ berliefert. Der Cosmidromius ist eine lat. Weltchronik, die mit der Genesis beginnt und im 15. Jh. endet. Zun¨achst 1406 fertiggestellt, setzte P. das Werk in einer ersten Rezension annalistisch knapp bis 1410 fort. Eine zweite, u¨ berarbeitete Rezension erg¨anzte die Chronik in ausf¨uhrlicherer Prosa bis 1418. Das in sechs Zeitalter eingeteilte Werk griff u. a. auf Dietrich Lange, Fuldaer und Paderborner Annalen sowie Akten und Berichte zur¨uck. Rezipiert wurde die Chronik besonders in Westfalen; sie wirkte u. a. auf Dietrich → Engelhus, Nicolaus Gerung, Gottschalk Hollen, Ertwin → Ertman und Bernhard Witte. Als weiteres lat. Werk P.s sei hier auch sein Tractatus musicae scienciae (1417) genannt, der im Kontext der Bielefelder Stiftsreform entstanden sein d¨urfte. Die Schrift kompiliert zum Gebrauch der Mo¨ nche wichtige Texte zur Musiktheorie. P. verfasste zudem lat. Grabspr¨uche auf Rupert von Berg (1394), Wilhelm von Berg (1408) und Urban VI. (1410). 521

1. H¨alfte 15. Jh. Als Bearbeitung einer Meinolf-Vita Sigewards verfasste P. u¨ ber den Gr¨under B¨oddekens die Vita sancti Maynulphi (nach 1409). Die Schrift ist mit einem Bericht u¨ ber die Reform B¨oddekens 1409 u¨ berliefert (Processus translacionis et reformacionis monasterii Budecensis). Die Vita liegt auch in einer nd. ¨ Ubertragung vor (Leven unses hl. vaders S. Maynulphi). Diese d¨urfte von P. selbst geschrieben worden sein, vermutlich f¨ur die nicht lateinkundigen Laienbr¨uder in B¨oddeken. Als nd. Schrift wird P. verschiedentlich auch Sunte Liborius leven zugewiesen. Diese Vita des Bischofs und Heiligen Liborius kann P. aber nicht sicher zugeschrieben werden. Insgesamt wird P. heute vor allem als geschickter Kompilator wahrgenommen, dessen Werk durch gute Quellenkenntnisse besticht. ¨ Uberlieferung (dt.): 1. Meinolf-Vita: M¨unster/ Westf., ULB, Ms. N.R. 4000, 8 Bll. (Pap., zweites Viertel 16. Jh.). – Paderborn, Erzbisch¨ofliche akademische Bibl., Arch. Paderborner Studienfonds, Pa 130, 3, 31r–36r. – 2. Liborius-Vita: M¨unster/ Westf., ULB, Ms. N.R. 4001, 7 Bll. (Pap., zweites ¨ Viertel 16. Jh.). – Zur lat. Uberl. vgl. Jansen 1900 (s. Ausg.), Colberg 1989 (s. Lit.), Baumann 1995 (s.Lit.), Vry 1997 (s. Lit.). Ausgaben: Leben des heiligen Meinolphus aus dem 15. Jh. Hg. v. Wilhelm E. Giefers. In: Kath. Zs. 1 (1851) S. 629–644. – Cosmidromius. Hg. v. Max Jansen. Mu¨ nster/Westf. 1900 (enth¨alt auch kleinere Werke P.s). – Hermann Mu¨ ller: Der tractatus musicæ scientiæ des G. P. (1358–1421). In: Kirchenmusikalisches Jb. 20 (1907) S. 177–196. – Das Leben des heiligen Meinolf. Eine nd. Hs. Hg. v. Heinrich ¨ R¨uthing. Paderborn 1991. – Altere Ausg. des 16. bis 18. Jhs. bei Colberg 1989 (s. Lit.). Literatur: ADB 9 (1879) S. 300 f. – Heinrich H¨uschen, MGG 5 (1956) Sp. 386 f. – Klemens Honselmann, NDB 6 (1964) S. 491 f. – Dieter Berg, LexMA 4 (1989) Sp. 1528. – Katharina Colberg, VL2 7 (1989) Sp. 411–416; 11 (2004) Sp. 1187. – Uwe Schweikert, MGG2 13 (2005) Sp. 360 f. – M. Jansen: Das Todesjahr des G. P. In: Hist. Jb. 23 (1902) S. 76–80. – Klemens L¨offler: G. P.s ‹Vita Meinulphi› und sein Kosmidromius. In: ebd. 25 (1904) S. 190–192. – Henri Moretus: De magno legendario Bodecensi. In: Analecta Bollandiana 27 (1908) S. 257–358. – Wilhelm St¨uwer: Die Verehrung des hl. Meinolf. In: Westf. 19 (1934) S. 227–239. – Gero Kirchner: Eine neue ¨ Hs. des Cosmidromius Gobelini P. (Offentl. Wiss. Bibl. Berlin Ms. lat. fol. 943). In: DA 11 (1954/55) 522

1. H¨alfte 15. Jh. S. 227–233. – Theo Hamacher: Wahrheit, Zweifel und Irrtum um G. P. In: Die Warte 19 (1958) S. 178 f. – K. Honselmann: Zur Translatio S. Liborii. G. P. und die Teilnehmerber. In: Westf. Zs. 116 (1966) S. 171–189. – Joseph Prinz: Eine neue Hs. des Cosmidromius G. P.s. In: Westf. 48 (1970) S. 206–217. – Rainer Decker: Bischof Wilhelm v. Berg und die Stadt Paderborn. In: Westf. Zs. 122 (1972) S. 75–101. – K. Honselmann: Zur Vita Mainulfi. In: ebd. 123 (1973) S.81–90. – Ders.: Eine nd. Lebensbeschreibung des hl. Meinolf, vermutlich ein Werk G. P.s. In: ebd., S. 268 f. – T. Hamacher: G. P., der erste Musiktheoretiker Westfalens als Musikreformator im Bistum Paderborn. In: Ders.: Musik und Musiker. Paderborn 1982, S. 55–67. – Ders.: Erinnerungen an G. P. In: Ders.: Aufs¨atze zur Gesch. und Kultur insbesondere des Paderborner Raumes. Paderborn 1986, S. 1–9. – K. Honselmann: Die a¨lteste Vita Meinolfi. Brevierlesungen zu den Festen der Heiligen aus dem Ende des 9. Jh. In: Westf. Zs. 137 (1987) S. 185–206. – H. R¨uthing: Eine neue Hs. der mnd. Lebensbeschreibung des hl. Meinolf v. B¨oddeken. In: ebd. 141 (1991) S. 329–335. – Jochen A. Modess: G. P. und die Musik. In: St. Marien in Bielefeld. 1293–1993. Gesch. und Kunst des Stifts und der Neust¨adter Kirche. Hg. v. Johannes Altenberend. Bielefeld 1993, S. 97–102. – Reinhard Vogelsang: Das Stift St. Marien in Bielefeld 1293–1810. In: Ravensberger Bll. 1993 (1993) H. 1, S. 22–39. – Anette Baumann: Weltchronistik im ausgehenden MA. Heinrich v. Herford, G. P., Dietrich Engelhus. Frankfurt/M. u. a. 1995. – Volker de Vry: Liborius, Br¨uckenbauer Europas. Die ma. Viten und Translationsber. Paderborn 1997, S. 146–157. – Hermann–Josef Schmalor: G. P. (1358–1421). In: Westf. Lebensbilder 16. Hg. v. Karl Zuhorn u. a. Mu¨ nster/Westf. 2000, S. 9–30. – Paul Derks: G. P.s Buhl-Geist Goldemer, die Burg-Gespenster und die Gespenster-Burgen an der Ruhr. In: Exemplar. FS Kurt Otto Seidel. Hg. v. R¨udiger Brandt/Dieter Lau. Frankfurt/M. u. a. 2008, S. 139–200. MM Tr¨ankle, Ulrich, Feldkirch/Vorarlberg, † nach 1413 (vor 1414?) vermutlich Feldkirch. – Chronist. Von T., Sohn eines Metzgers, ist in zwei Abschriften des 16. bzw. 17. Jh. eine Chronik erhalten, die sich der Darstellung der Jahre zwischen 1290 und 1412 widmet. Neben der m¨undlichen 523

Tr¨ankle Tradition zog er f¨ur die von ihm nicht selbst erlebte Zeit wahrscheinlich die Chronik des Franziskanerm¨onchs → Johann von Winterthur (um 1350) heran. Dieser Teil der Chronik T.s und zwei zweitere Passagen sind in lat. Sprache, der Rest in dt. Sprache aufgezeichnet. Im Vordergrund stehen lokalgeschichtliche Ereignisse mit den letzten Grafen von Feldkirch (Rudolf III. und Rudolf IV.) in der Hauptrolle. Daneben schildert T. die Zeit des Appenzellerkrieges, nennt die Grafen von Montfort seine «Herren», berichtet auch u¨ ber kulturgeschichtliche Ereignisse, Himmelserscheinungen, Bauten, Prozessionen und Feste. ¨ Uberlieferung: Stuttgart, LB, cod. hist. 2° 618, ¨ 101r–115v (um 1630). – Uberlingen, Stadtarch., Reutl. Coll. Bd. I, S. 158–173 (1581; Exzerpt aus T.s Chron. in der Sammlung Jakob Reutlingers). Ausgabe: Gerhard Winkler: Die Chronik des U. T. von Feldkirch. In: Geschichtsschreibung in Vorarlberg. Ausstellungskat. des Vorarlberger Landesmuseums 59. Bregenz 1973, S. 18–48 (Synopse der beiden Hss.). Literatur: Eugen Turnherr, VL2 9 (1995) Sp. 1006–1008; 11 (2004) Sp. 1158. – Joseph Z¨osmair: U. T. v. Feldkirch und Thomas Lirer, angeblich v. Rankweil, zwei vorarlbergische Chronisten des MA. In: Schr. des Ver. f¨ur Gesch. des Bodensees 15 (1896) S. 10–26. – Benedikt Bilgeri: Die Chron. des Ulrich Im Graben von Feldkirch. In: Alemannia (Vorarlberg) 11 (1937) S. 33–46, 86–94. – Meinrad Tiefenthaler: Feldkirch in den Chron. In: Feldkirch. Die o¨ sterr. Stadt am Alpenrhein. Feldkirch 1949, S. 49–56. – G. Winkler: Einleitung zur Ausg. (s. o.) S. 11–17. – B. Bilgeri: Politik, Wirtschaft, Verfassung der Stadt Feldkirch bis zum Ende des 18. Jh. In: Gesch. der Stadt Feldkirch. Bd. 1. Sigmaringen 1987, S. 87–387. – Klaus Graf: Exemplarische Geschichten. Thomas Lirers ‹Schw¨abische Chron.› und die ‹Gm¨under Kaiserchron.› (Forschungen zur Gesch. der a¨ lteren dt. Lit. 7). M¨unchen 1987. BJ Cronica des koninks Sigmunds zu Ungern. – Episodische Sigmundschronik. Aus dem Besitz des K¨olner B¨urgers Hilbrant Sudermann ist eine Miscellanchronik u¨ berliefert, die bis 1419 reicht und wohl vorher entstanden ist. Darin ist zwischen den Eintr¨agen f¨ur 1414 die Chronik eingeschoben, die episodisch-anekdotisch aus der Regierungszeit des ungarischen und 524

Albertus de Constancia r¨omisch-dt. K¨onigs Sigismund (1368–1437) berichtet. Dabei unterst¨utzt die Chronik durchg¨angig Sigismunds politisches Vorgehen. Die Vorlage der Chronik ist unbekannt, d¨urfte aber obd. gewesen sein, da die u¨ berwiegend nd. gehaltene Chronik h¨aufig obd. Lautformen verwendet. ¨ Uberlieferung: Kopenhagen, Kgl. Bibl., GKS cod. 666, 2°, 37v–43v. Ausgabe: Cardauns 1876 (s. Lit.). Literatur: Winfried Stelzer, VL2 1 (1978) Sp. 1250. – Hermann Cardauns: Chron. u¨ ber Sigmund K¨onig v. Ungarn. In: Forschungen zur dt. Gesch. 16 (1876) S. 335–350. – T¨unde Radek: Das Ungarnbild in der deutschsprachigen Historiographie des MA. Frankfurt/M. 2008, S. 125. MM Eygil von Sassen (Eigil, Egil). – B¨urgermeister, Verfasser eines Reiseberichts. E. war 1402–25 Sch¨offe und 1412/13 B¨urgermeister von Friedberg/Hessen. Er hinterließ mhd. Reiseberichte u¨ ber seine amtlichen Fahrten. Sie enthalten Beschreibungen wichtiger zeitgen¨ossischer Ereignisse, etwa des Konzils von Konstanz (1414–18). Eine bis heute benutzte Quelle ist E.s Bericht u¨ ber die Aachener K¨onigskr¨onung des sp¨ateren Kaisers Sigismund im Jahr 1414. Aufgrund der Genauigkeit des Berichts geht die Forschung von der pers¨onlichen Anwesenheit E.s bei der Kr¨onung aus. ¨ Uberlieferung: Darmstadt, Staatsarch., u. d. T.: Prothocollum antiquitatum ob annis 1400 usque ad annum 1442 (fr¨uher im Arch. der Reichsburg Friedberg/Wetterau). Ausgaben: Baur 1865 (s. Lit.; Teildr.). – Dt. Reichstagsakten unter Kaiser Sigmund, Abt. 1: ¨ 1410–1420 (Dt. Reichstagsakten, Altere Reihe 7). Hg. v. Dietrich Kerler. Mu¨ nchen 1878. G¨ottingen 2 1956, Nr. 167, S. 243–245 (Kr¨onungsber.). Literatur: Dietrich Huschenbett, VL2 2 (1980) Sp. 669 f. – Ludwig Baur: Eigel’s v. S. Reiseber. In: Anz. f¨ur Kunde der dt. Vorzeit NF 12 (1865) Sp. 300–306. – Heinz Merling: Die Sch¨offenfamilie v. S. in Gr¨unberg, Friedberg und Marburg. In: Hessische Familienkunde 2 (1951/53) Sp. 1–4, 63–68. – Europ¨aische Reiseber. des sp¨aten MA. Bd. 1: Dt. Reiseber. Hg. v. Werner Paravicini. Bearb. v. Christian Halm. Frankfurt/M. u. a. 1994. 2 2001, Nr. 14. – Katharina Klinge: Die Wahl Sigismunds v. Luxemburg zum R¨omischen K¨onig im Lichte der Goldenen Bulle. Norderstedt 2008, S. 9 f. MM 525

1. H¨alfte 15. Jh. Albertus de Constancia. – Verfasser einer lat. Prosachronik auf Grundlage der Kaiserchronik, erstes Drittel 15. Jh. In der Cronica Regum et Imperatorum nennt sich ihr Verfasser frater albertus de Constantia indignus et inutilis studens (Cod. Lat. 519, 166r). Weitere gesicherte Kenntnisse zu diesem A. gibt es nicht. Vielleicht ist er identisch mit einem «Albertus de Chanstancia», der 1421 in einer Wiener Universit¨atsmatrikel genannt wird. Die Cronica ist eine nach Herrschern gegliederte, raffende Darstellung der r¨omischen und dt. Geschichte von Aenas bis Friedrich I., wobei der Tod Friedrichs II. am Schluss noch Erw¨ahnung findet. Vorlage waren nach Verfasserangabe dt. Chroniken, aus der er eine Auswahl getroffen und diese ins Lateinische u¨ bersetzt habe. Als Hauptquelle ist eine Fassung der → Kaiserchronik (Gruppe B) identifiziert worden, einige Passagen lassen auch die Nutzung anderer Quellen erkennen. A. u¨ berf¨uhrt seine volkssprachliche Versvorlage, die noch Merkmale der m¨undlichen Tradierung aufweist, in eine lat. Prosaform, die seinem im Prolog formulierten Anspruch an die «scientia» gerecht werden soll. Eingestreute Dicta dienen dem «docere». Die Dialoge der Kaiserchronik werden in indirekte Rede aufgel¨ost. A. u¨ berging die legendarischen Einsch¨ube in der Vorlage und auch deren Kampf- und Schlachtschilderungen, w¨ahrend Partien, welche die Heiden negativ darstellen, zum Teil noch vermehrt wurden. ¨ Uberlieferung: Budapest, Nationalbibl., Cod. Lat. 519, 166r–192v (Pap., 1427, aus dem Benediktinerkloster Millstatt, Schreiber: Oswald v. Freistritz). – Die Hs. Stuttgart, LB, Cod. hist. 2° 411 aus dem Kloster Zwiefalten enth¨alt eine stark ab¨ weichende lat. Ubers. der Kaiserchronik nach einer zumindest nahestehenden Vorlage. Literatur: Andr´as Vizkelety, VL2 11 (2004) Sp. 37 f. – Maria Mairold: Die Millst¨atter Bibl. In: Carinthia I. Zs. f¨ur geschichtliche Landeskunde v. K¨arnten 170 (1980) S. 87–106. – A. Vizkelety: ¨ Eine lat. Ubers. der ‹Kaiserchron.›. In: Beitr. zur ¨ Uberl. und Beschreibung dt. Texte des MA. Referate der 8. Arbeitstagung o¨ sterr. Hss.-Bearbeiter (GAG 402). Hg. v. Ingo Reiffenstein. G¨oppingen 1983, S. 25–40. – Ders.: Maria, Thron Salomonis. Bildbeschreibung einer Millst¨atter Hs. v. 1427 in der Sz´ech´enyi-Nationalbibl. v. Budapest. In: Carinthia I 180 (1990) S. 275–284. – Ders.: Eine lat. Prosabearb. der ‹Kaiserchron.› (Cod. Lat. 519 526

1. H¨alfte 15. Jh. der Sz´ech´enyi-Nationalbibl./Budapest). In: Editionsber. zur ma. dt. Lit. Beitr. der Bamberger Tagung ‹Methoden und Probleme der Edition ma. dt. Texte› (Litterae 117). Hg. v. Anton Schwob. G¨oppingen 1994, S. 341–346. VZ Basler Annalen. – Vorwiegend deutschsprachige historiographische Aufzeichnungen zur sp¨atma. Geschichte Basels, 15. Jh. Es lassen sich drei unterschiedliche B. A. differenzieren: Gr¨oßere B. A. (von 238 [erstmalige urkundliche Erw¨ahnung Basels]–1416), Kleinere B. A. (1308–1415) und Sp¨atere B. A. (1421–1480, Fortsetzung der Gr. B. A.). Alle drei B. A. bestehen aus zumeist dt. Aufzeichnungen zu bemerkenswerten Vorkommnissen in Basel (Fehden, Ungl¨ucksf¨alle, Straftaten etc.). Die Gr. B. A. reichen zwar weit zur¨uck, haben aber einen deutlichen zeitlichen Schwerpunkt auf dem letzten Drittel des 14. Jh. (Kern der Gr. B. A. in der vollst¨andigsten Handschrift [Basel, Cod. A λ II 6a] sind dt. Nachrichten zu den Jahren 1275–1412). Der genaue Entstehungsprozess, die benutzten Quellen und beteiligte ¨ Autoren sind ungekl¨art. Die produktive Uberlieferung resultiert in stark divergierenden Textzeugen. So lassen sich die Gr. B. A. in der Gesamt¨uberlieferung am ehesten als Verbund verwandter Nachrichtengruppen beschreiben. Die Sp. B. A. setzen 1421 mit dem Erscheinen eines Wolfes in der Stadt ein. Die oft zusammen mit weiteren historiographischen Texten tradierten B. A. sind Zeugnis des Interesses an der Gegenwartschronistik im sp¨atma. Basel, wie auch die → Chronikalien der Ratsb¨ucher von Basel. ¨ Uberlieferung: Gr. B. A.: Aarau, Kantonsbibl., Ms. Zf. 37, 105v–108v (um 1510 [?] geschrieben v. Hieronymus Brilinger, lat.). – Basel, UB, Cod. A λ II 6a, S. 1–7, 27–29 (um 1532 geschrieben v. Cosmas Ertzberg). – Ebd., Cod. A λ IV 14 (Zus¨atze Brilingers zu einem Etterlin-Druck). – Ebd., Cod. E I 4, 431a (Ende 15. Jh., aus der Basler Kartause). – Ebd., Cod. H IV 27 (Zus¨atze Brilingers zur Chron. Heinrichs v. Beinheim). – Ebd., Ki.-Ar. Mscr. 67 (um 1453 geschrieben v. B¨urgermeister Adelberg Meyer). – Ebd., VB Mscr. S 2 (Chron. v. Konrad Schnitt, um 1537). – Bern, Burgerbibl., Mss. h.h. VI.63 (7), (Notiz Christian Wurstisen zum Jahr 1378). – Kl. B. A.: Basel, UB, Cod. H V 11. – Sp. B. A.: Ebd., Cod. A λ IV 14. Ausgaben: August Bernoulli: Basler Chron. Bd. 5. Leipzig 1895, S. 3–41 (‹Gr. B. A.› nach allen Hss. außer Basel, VB Mscr. 2), S. 51–67 (‹Kl. 527

Basler Annalen B. A.›). – Ders.: Basler Chron. Bd. 6. Ebd. 1902, S. 239–275 (‹Gr. B. A.› nach Basel, VB Mscr. 2), S. 278–286 (‹Sp. B. A.›). Literatur: Klaus Graf, VL2 11 (2004) Sp. 221–223. – A. Bernoulli (s. Ausg.). – Repertorium fontium historiae medii aevi. Bd. 2 (Rom 1967) S. 252. – Richard Feller/Edgar Bonjour: Geschichtsschreibung der Schweiz vom Sp¨atMA zur Neuzeit. Basel/Stuttgart 21979, S. 30–44 (zur Basler Chronistik allg.). VZ Johannes de Utino (J. a Mortiliano) OFM, † 1363. – Verfasser einer lat., im 15. Jh. ins Deutsche u¨ bersetzten Prosachronik mit einem Anhang zur ungarischen Geschichte. J. war Magister der Theologie und Inquisitor in der Di¨ozese Aquilea. Er starb in seinem Konvent in Friaul. Die lat. Chronik des J. wurde wohl zu Beginn des 15. Jh. recht w¨ortlich ins Deutsche u¨ bersetzt; sie folgt einem streng annalistischgenealogischen Prinzip. Der erste Abschnitt, der von Adam bis zu Christus und den Aposteln reicht, ist nach demselben heilsgeschichtlichen Prinzip gegliedert, das die Flores temporum von der r¨omischen Chronik → Martins von Troppau unterscheidet (sechs Weltalter). Bei Adam, Moses und Christus jedoch hat auch f¨ur J. die Gliederung der Geschichte nach drei Zeitaltern («gesetz der Nat¨ur», «gesetz der geschriben pot», «zeytt der genaden»; Berlin, SBB, Mgf 947, 4r, 10r, 33r) Vorrang. Der zweite Abschnitt mit der Papst-Kaiser-Chronik behandelt die Geschichte der P¨apste und der Kaiser getrennt in zwei Katalogen (vgl. Martin von Troppau, Flores temporum). Im dritten Teil folgt die Chronik der ungarischen K¨onige, beginnend mit dem Heiligen Stephan. In den lat. Hss. und in der Hs. Berlin, SBB, Mgf 947 endet die Ungarnchronik bei Ladislaus postumus (Ladislaus V.) (1458), im l¨uckenhaften Budapester cod. germ. 53 bei Andreas II. (1234). Zu den wichtigsten Quellen z¨ahlen Petrus Pictaviensis und → Petrus Comestor, ferner die Weltchronik des Paulinus Minorita und → Heinrich von M¨unchen. Alle Handschriften sind mit Medaillonbildern ausgestattet. ¨ Uberlieferung: Lat.: s. N. H. Ott, VL2 4 (1983) Sp. 785 f.; 11 (2004) 802. – Dt.: Berlin, SBB, Mgf 947, 1r–86 (Pap., um 1460) (Be). – Budapest, Nationalbibl., Cod. Germ. 53 (fr¨uher Heiligenkreuz, Stiftsbibl., Cod. 166) (Perg., kurz nach 1458, bair.o¨ sterr.) (Bu2). – Frankfurt/M., Museum f¨ur angewandte Kunst Frankfurt, LM 219.220.221 (fr¨uher 528

Luneburger ¨ Chronik bis 1414 (1421) Museum f¨ur Kunsthandwerk, LM 219.220.221), 3 Bll. (Perg., 15. Jh., mitteldt.; ohne den Ungarnteil). – Frankfurt/M., UB, Ms. germ. fol. 12 (fr¨uher Privatbesitz Antiquariat Hiersemann, Leipzig, Nr. 1939/658,1813), 69 Bll. (Pap., um 1460, mittelbair.) (Fr1). – Martin (Slowakei), Literaturund Kunstarch. der Slowakischen Nationalbibl., J 324, 51 Bll. (Pap., zweite H¨alfte 15. Jh.). Ausgaben: Ungarnchronik: Franciscus Toldy (Hg.): Analecta monumentorum Hungariae historica. Pestini o. J. (ca. 1850), S. 75–86. – Matthias Florianus (Hg.): Historiae Hungaricae fontes domestici III. Quinque Ecclesiae 1884, S. 266–275 (beide nach der Wolfenb¨utteler Hs.). – Eine krit. Edition der gesamten lat. Chronik fehlt. Eine Edi¨ tion der dt. Ubersetzung existiert nicht. Literatur: Norbert H. Ott, VL2 4 (1983) Sp. 785–788, 11 (2004) Sp. 801–803. – J´anos Kar´acsonyi: Adal´ek kr´onik´aink t¨ort´enet´ehez. Magyar K¨onyvszemle 1895, S. 219–226. – N. H. Ott: Typen der Weitchronik-Ikonographie. In: JOWG 1 (1980/81) S. 29–55. – Gert Melville: Gesch. in graphischer Gestalt. Beobachtungen zu einer sp¨atma. Darstellungsweise. In: Geschichtsschreibung und Geschichtsbewußtsein im sp¨aten MA. Hg. v. Hans Patze (Vortr¨age und Forschungen 31). Sigmaringen 1987, S. 57–154, hier S. 76–79. – Gisela Kornrumpf: Die ‹Weltchron.› Heinrichs v. ¨ M¨unchen. Uberl. und Wirkung. In: FS Ingo Reiffenstein. Hg. v. Peter K. Stein (GAG 478). G¨oppingen 1988, S. 493–514, hier S. 507 f. – Andr´as ¨ Vizkelety: Zur Uberl. der Weltchron. des J. de U. In: De Captu Lectoris. Wirkungen des Buches im 15. und 16. Jh. dargestellt an ausgew¨ahlten Hss. und Drucken. Hg. v. Wolfgang Milde/Werner Schuder. Berlin 1988, S. 289–309. – Die Historienbibel des J. v. Udine (Ms 1000 Vad). Ausgew. und bearb. v. Renate Frohne. Bern u. a. 1992. – L´aszl´o Veszpr´emy: Martin v. Troppau in der ungarischen Historiographie des MA. In: Die Anf¨ange des Schrifttums in Oberschlesien bis zum Fr¨uhhumanismus. Hg. v. Gerhard Kosellek (Tagungsreihe der Stiftung Haus Oberschlesien 7). Frankfurt/M. u. a. 1997, S. 225–236, hier S. 231–236. – Bernd Michael: J. d. U.: Welchron. (dt.). In: Aderlaß ¨ und Seelentrost. Die Uberl. dt. Texte im Spiegel Berliner Hss. und Inkunabeln. Hg. v. Peter J¨org Becker/Eef Overgaauw. Mainz 2003, S. 427–429. – L. Veszpr´emy: Egy k´es˜ok¨oz´epkori vil´agkr´onika a M´aty´as-kori historiogr´afi´aban. J. de U. latin nyelv¨u kr´onik´aj´anak hazai recepci´oja. In: Sz´azadok 144 (2010) S. 465–484. BJ 529

1. H¨alfte 15. Jh. Luneburger ¨ Chronik bis 1414 (1421). – Nd. anonyme Chronik des Herzogtums L¨uneburg aus der Perspektive von Stadt und Rat. Die L. C. umfasst die Jahre von 785 (Niederwerfung der Sachsen durch Karl den Großen) bis zur Gegenwart des Autors (1414). Eine Fortsetzung eines anderen Verfassers reicht bis 1421. Da der unbekannte Chronist des Hauptteils sehr genaue Kentniss von Urkunden und Briefen besitzt und diese gelegentlich in Paraphrase wiedergibt, darf er im Umkreis der L¨uneburger Ratskanzlei vermutet werden. Wom¨oglich war er Stadtschreiber oder Ratsnotar. Eine vage Autorvermutung benennt Hinricus Gartze, Ratsnotar von 1415 bis 1427 (mit großer Wahrscheinlichkeit als Autor auszuschließen ist der Senator Dirk → Bromes). Im ersten Viertel der Chronik wird die Zeit bis zur Mitte des 14. Jh. pr¨asentiert, wobei alle s¨achsischen Herz¨oge in genealogischer Abfolge knapp benannt werden. Nur der Konflikt Heinrichs des L¨owen mit dem Reich wird ausf¨uhrlicher behandelt. Die Kaiser werden nur in solchen F¨allen erw¨ahnt, in denen ein konkreter Bezug zu Sachsen vorliegt. Ausf¨uhrlich werden im Folgenden die Ereignisse nach dem Tod des L¨uneburger Herzogs Wilhelm II. (1369) geschildert, der ohne m¨annlichen Nachfahren blieb. Die Auseinandersetzungen um Erbanspr¨uche m¨undeten in den «L¨uneburger Erbfolgekrieg», bei dem die Stadt L¨uneburg als wichtigster Parteig¨anger die finanzielle Hauptlast trug. Die Probleme um die daraus resultierende ¨ Uberschuldung der Stadt gipfelten zur Mitte des 15. Jh. im «L¨uneburger Pr¨alatenkrieg» (→ Chronik des Anonymus vom Pr¨alatenkrieg, → L¨uneburger Pr¨alatenkrieg, Dirick D¨oring, Hinrik Lange). Die Chronik-Fortsetzung hebt sich deutlich vom Hauptteil ab, da hier die Reichsgeschichte (u. a. Absetzung K¨onig Wenzels, Konstanzer Konzil, Hussitenkriege) in den Vordergrund r¨uckt. ¨ Uberlieferung: Mindestens 23 Hss., drei noch aus dem 15. Jh. – Vgl. Conrad Borchling: Mnd. Hss. in Norddeutschland und den Niederlanden. 1. Reiseber. In: Nachr. v. der Kgl. Ges. der Wiss. zu G¨ottingen, Philol.-hist. Kl., Gesch¨aftliche Mittheilungen 1898. G¨ottingen 1899, S. 79–316, hier S. 157, 219 f. – Ders.: Mnd. Hss. in Skandinavien, Schleswig-Holstein, Mecklenburg und Vorpommern. Zweiter Reiseber. (Nachr. v. der Kgl. Ges. der Wiss. zu G¨ottingen, Philol.-hist. Kl. 1900 [Beih.]). G¨ottingen 1900, S. 66 f., 106. – Ders.: 530

1. H¨alfte 15. Jh. Mnd. Hss. in Wolfenb¨uttel und einigen benachbarten Bibliotheken. Dritter Reiseber. Ebd. 1902 (Beih). G¨ottingen 1902, S. 99 f., 114, 119 f., 193. – VL2 5 (1985) Sp. 1063. – Droste (s. Lit.) S. 454–457. – Handschriftencensus (online). Ausgaben: Gottfried Wilhelm Leibniz: Scriptores Rerum Brunsvicensium Illustrationi Inservientes, Antiqui Omnes Et Religionis Reformatione Priores. Bd. 3. Hannover 1711, S. 172–223 (‹Chronicon Lvnebvrgicvm›). – Wilhelm Reinecke: Die L. C. bis 1414 (1421). In: Die Chron. der nieders¨achsischen St¨adte: L¨uneburg (Chron.dt.St. 36) Stuttgart 1931 (Nachdr. G¨ottingen 1968) S. 45–128. Literatur: Ingeborg Buchholz-Johanek, VL2 5 (1985) Sp. 1063–1065. – De Boor/Newald 3,2 (1987) S. 447 f. – W. Reinecke: L¨uneburgs Chronistik. In: Nieders¨achsisches Jb. NF 2 (1925) S. 145–164, hier S. 149 f. – Ders. (s. Ausg.) S. 37–44. – Ders.: Gesch. der Stadt L¨uneburg. Bd. 1. L¨uneburg 1933 (Nachdr. 1977) S. 123–126. – Heiko Droste: Wandel v. Funktion und Gebrauchssituation der L¨uneburger Historiographie (1350 bis 1639) (Ver¨off. der Hist. Kommission f¨ur Niedersachsen und Bremen 195). Hannover 2000, passim (Reg.). VZ Korner, Hermann (Corner, K¨orner) OP, * bald nach 1365 L¨ubeck, † vermutlich Anfang M¨arz 1438 L¨ubeck. – Chronist. K. ist 1386 als S¨oldnerunterf¨uhrer («capitaneus») L¨ubecks, um 1397 als «magister studentium» im Halberst¨adter Predigerkonvent, um 1400 am Ordenstudium in Magdeburg, 1410 als Prior des Dominikanerklosters St. Johannis in Hamburg sowie 1414–17, 1420–22 und 1426 als Lesemeister des Burgklosters in L¨ubeck nachweisbar. 1426 wurde er wieder in Magdeburg Lektor. Seit 1431 an der Univ. Erfurt immatrikuliert, hielt er dort im Auftrag des Ordens Bibelvorlesungen; 1435 wurde er zum Dr. theol. promoviert. K. stellte 1416 einen ersten Entwurf seiner lat. Chronica novella (Wolfenb¨utteler Hs.) fertig; weitere Bearbeitungen datieren von 1420 (Danziger Hs.), 1423 (Link¨opinger Hs.), 1430 (verloren), 1435 oder 1438 (L¨uneburger Hs.). Im Unterschied zu den lat. Fassungen, welche die Menschheitsgeschichte von der Sch¨opfung bis ins 15. Jh. bieten, beginnt ¨ die von K. 1431 abgeschlossene nd. Ubersetzung (auf der Grundlage der Fassung von 1435) seiner Chronik erst mit der Zeit Karls des Großen und reicht bis ins Jahr 1438. Die auf Laien als Leser 531

Korner ausgerichtete dt. Fassung weist eine weniger gelehrte Tendenz als die lat. Versionen auf. Sie ist eine wichtige Quelle f¨ur die Kenntnis des (Mittel-) Niederdeutschen und enth¨alt viel Volkst¨umliches, verschiedene Legenden, Sagen (z. B. den Tanz von K¨olbigk) und gegen Schluss auch zeitgen¨ossische und eigene Augenzeugenberichte. Der zweite Teil der dt. → Rufus-Chronik ist auf die verlorene K.-Rezension von 1430 zur¨uckzuf¨uhren. ¨ Uberlieferung Lat. Fassungen: Vgl. Schwalm (s. Ausg.) S. VIII–XV; zu Schwalm, S. XV: L¨uneburg, Ratsb¨ucherei, Ms. Hist. C 2° 3 und 4 (1474) ist eine Abschrift von Ms. Hist. C 2° 1–2; Hamburg, SUB, cod. Hist. 2 (zwischen 1474 und 1480) ist eine Abschrift von L¨uneburg, Ms. Hist. C 2° 4. – Dt. Fassung: Hannover, LB, Ms. XIII 757, ¨ 282 Bll. (Pap., Mitte 15. Jh., nd.). – Wien, ONB, Cod. 3048, 16ra–253vb (Pap., um 1470–80 und 1500, nieders¨achsisch). – Berlin, SBB, Mgq 95, 122r–? (Pap., 16. Jh.; Ausz¨uge). – Gießen, UB, Hs. 962, 229r–246r (Pap., zweite H¨alfte 16. Jh., nordnd., Niederdeutschland; Auszug). – Hannover, LB, Ms. XXI 1283, 1vb–20rb (Pap., Ende 15. Jh. und Mitte 16. Jh., nd.; Auszug). – L¨uneburg, Ratsb¨ucherei, Ms. Hist. C 2° 7, 58ra–149vb (Pap., 1459, nd.; Ausz¨uge). Ausgaben: Lat. Fassungen: Jakob Schwalm (Hg.): Die Chronica novella des H. K. G¨ottingen 1895 (mit Auslassungen). – Dt. Fassung: Ausz¨uge bei Schwalm (s. Ausg.) S. 535–572. – 21 Abschnitte bei Richard Brill: H. K. als Erz¨ahler. Von Karl dem Großen und seinen Paladinen. In: NdJb 67/68 (1941/42) S. 138–183. – Zwei Texte bei Bayerschmidt (s. Lit.) S. 61–63. – Vorrede und 12 Erz¨ahlungen aus K.s Chronik nach der Wiener Hs. bei Franz Pfeiffer: Nd. Erz¨ahlungen aus dem XV. Jh. In: Germania 9 (1864) S. 257–289, eine davon auch bei Friedrich Kuge: Rotwelsch. Quellen und Wortschatz der Gaunersprache und der verwandten Geheimsprachen. Bd. 1. Straßburg 1901, S. 5–8. Literatur: Antjekathrin Graßmann, NDB 12 (1979) S. 590. – De Boor/Newald 4/1 (21994) S. 156. – Katharina Colberg, VL 5 (1985) Sp. 317–320. – Schwalm (s. Ausg.) S. III–X. – Karl Koppmann: Die Chroniken der nieders¨achsischen St¨adte. L¨ubeck. Bd 2 (Chron.dt.St. 26). Leipzig 1899 (Nachdr. G¨ottingen 1967) S. 3–14, 183–196. – Monumenta Ordinis Fratrum Praedicatorum Historica. Bd. 8. Rom/Stuttgart/Wien 1900, S. 191, 215, 234 f. – K. Koppmann: Die Chroniken der 532

Upschlacht nieders¨achsischen St¨adte. L¨ubeck. Bd. 3 (Chron. dt. St. 28). Leipzig 1902 (Nachdr. G¨ottingen 1968) S. XI f., 345–356. – Carl F. Bayerschmidt: H. K¨orner’s Weltchron. In: Middle Ages, Reformation, Volkskunde. FS John Gotthold Kunstmann (University of North Carolina Studies in the Germanic Languages and Literatures 26). Chapel Hill 1959, S. 59–64. – Hermann K¨olln: Unters. zu den nd. Bearb. der Chronica novella H. K.s. Diss. K¨oln 1965. – R¨udiger Schnell: Lat. und volkssprachliche Vorstellungen. Zwei Fallbeispiele (Nationsbewußtsein; K¨onigswahl). In: Lat. und Volkssprache im dt. MA 1100–1500. Regensburger Colloquium 1988. Hg. v. Nikolaus Henkel/Nigel F. Palmer. T¨ubingen 1992, S. 123–141, hier S. 130. – Helga M¨ohringMu¨ ller/Dieter R¨odel/Joachim Schneider: Sp¨atma. Adelsterminologie bei H. K., Andreas v. Regens¨ burg und seinen Ubersetzer, Veit Arnpeck und Sigismund Meisterlin. In: Zweisprachige Geschichtsschreibung. Hg. v. Rolf Sprandel (Wissenslit. im MA 14). Wiesbaden 1993, S. 385–428. – Horst Joachim Frank: Lit. in Schleswig-Holstein. Bd. 1: Von den Anf¨angen bis 1700. Neum¨unster 1995, S. 44–51. – A. Graßmann: H. K. In: Biographisches Lex. f¨ur Schleswig-Holstein und L¨ubeck. Bd. 12. Neum¨unster 2006, S. 269–271. BJ Porner, Hans, Kramer, * zwischen 1355 und 1357 Braunschweig, † 1429/30 Braunschweig. W. war zun¨achst Kramer, dann Wechsler, geh¨orte seit 1398 dem Rat der Stadt an und hatte daneben ¨ verschiedene Amter inne (Beutelherr, Ratswechsler, Mu¨ nz- und Gießherr). Von W. ist neben amtlichen Aufzeichnungen ein privates Gedenkbuch (Bezeichnung nicht von P.) u¨ berliefert, das finanztechnische Notizen und chronikalische Passagen u¨ ber Ereignisse der Jahre 1417–26 enth¨alt. In seinem Testament erw¨ahnt er eine von ihm verfasste Chronik («tydebok»), die jedoch verloren ist. Ferner beschrieb P. seine zwei Pilgerfahrten, die er 1418/19 (nach Pal¨astina) und 1424 (nur bis Rom) unternahm, jeweils gemeinsam mit seinem Neffen Arndt Porner und dem Geistlichen Lippold Fabri. ¨ Uberlieferung: 1. Amtliche Aufzeichnungen: Hans Porners Erstes Teringebok: Braunschweig, Stadtarch., B I 9, Bd. 13. – Zweites Teringebok: Ebd., B I 9, Bd. 14. – K¨ammereibuch: Ebd., B I 9, Bd. 18. – Schloßbuch: Ebd., B I 10, Bd. 1. – Schloßzinsbuch: Ebd., B I 10, Bd. 2. – 2. Gedenkbuch: Ebd., B I 9, Bd. 12, 4°, 75 Bll. (Pap.). – 3. Testament: Ebd., 533

1. H¨alfte 15. Jh. B I 23, Bd. 2. – 4. Reiseberichte: Wolfenb¨uttel, HAB, cod. 42, 3 Aug., 305v–313v (Pap., 15. Jh.; Abschrift). Ausgaben: 1. Gedenkbuch: Ludwig H¨anselmann: Die Chron. der nieders¨achsischen St¨adte. Braunschweig, Bd. 1 (Chron.dt.St. 6). Leipzig 1868 (Nachdr. G¨ottingen 1962) S. 218–281. – 2. Pilgerreisen: Ders.: H. P.s Meerfahrt. In: Zs. des hist. Vereins f¨ur Niedersachsen (1874/75) S. 130–149. – 3. Testament: ebd., S. 150–152. Literatur: Uta Reinhardt, VL2 7 (1989) Sp. 789–791. – Reinhold R¨ohricht/Heinrich Meisner: Dt. Pilgerreisen nach dem Heiligen Lande. Berlin 1880, S., 471. – R. R¨ohricht: Dt. Pilgerreisen nach dem Heiligen Lande. Innsbruck 1900 (Nachdr. Aalen 1967) S. 103 (mit Kurz¨ Itinerar). – Jakob Berg: Altere dt. Reisebeschreibungen. Diss. Gießen, Alsfeld 1912, S. 1–51. – Hans-Joachim Lepszy: Die Reiseber. des MA und der Reformationszeit. Diss. Hamburg 1952, S., 26, 146 f., 154, 157, 164, 166, 267. – R. R¨ohricht: Bibliotheca geographica Palaestinae. Chronologisches Verz. der v. 333 bis 1878 verfaßten Lit. u¨ ber das Heilige Land. Berlin 1890. Verb. und verm. Neuausg. mit einem Vorw. v. David H. K. Amiran. Jerusalem 1963 (Nachdr. London 1989) S. 105 Nr. 284. – Ursula Ganz-Bl¨attler: Andacht und Abenteuer. Ber. europ¨aischer Jerusalemund Santiago-Pilger (1320–1520) (Jakobus-Stud. 4). T¨ubingen 1990, S. 371. – Dietrich Mack: Zur Gesch. der Braunschweiger Familie Porner (1326–1551). In: Forschungsber. der Familienkundlichen Kommission f¨ur Niedersachsen und Bremen Ser. NF 10 (1991) S. 7–112. – Europ¨aische Reiseber. des sp¨aten MA. Eine analytische Bibliogr. Hg. v. Werner Paravicini. Tl. 1 bearb. v. Christian Halm (Kieler Werkst¨ucke D: Beitr. zur europ¨aischen Gesch. des sp¨aten MA 5). Frankfurt/M. 2 2001, Nr. 15, S. 64–66; Nr. 19, S. 69. BJ Upschlacht, Niclaus, * letztes Viertel 14. Jh., † erstes Viertel 15. Jh. – Notar, Verfasser einer Lieddichtung. Von U. ist eine nach 1415 entstandene Lieddichtung u¨ berliefert; aus einem aus einer Brandenburger Sammlung des 15. Jh. stammenden Vermerk ist bekannt, dass er 1416 eine Urkunde ausfertigte. Das Lied erz¨ahlt vom Sieg des hohenzollerischen Markgrafen Friedrich I. u¨ ber die Br¨uder Dietrich und Johann von Quitzow im Jahr 1414. Bei der Abfassung des Liedes nutzte U., ein Zeitgenosse 534

1. H¨alfte 15. Jh. von Engelbert → Wusterwitz, dessen Chronik. 14 Strophen sind in achtzeiligen Schweifreimen geschrieben; in der letzten, vierzeiligen Halbstrophe nennt sich U. als Verfasser. Auf welchen Wegen das Lied im 16. Jh. in die Chronik des Stadtschreibers der Altstadt Magdeburg, Peter Neumann, fand, ist ungewiss; von dort gelangte es in die Aufzeichnungen des Rathenower Stadtschreibers Thomas Neumann. ¨ Uberlieferung: In der hsl. Rathenower Chronik (1598) des Thomas Neumann. Die Hs., die 1912 im Besitz der Familie von der Hagen auf Hohennauen war, ist wahrscheinlich nach dem Zweiten Weltkrieg verloren gegangen. Ausgaben: Riedel 1851 (s. Lit.) S. 164–168. – Ders. 1861 (s. Lit.) S. 183–187. – Specht (s. Lit., zit. bei Bergstedt 2011). Literatur: Burghart Wachinger, VL2, 10 (1999) Sp. 116 f. – Clemens Bergstedt, Killy2 11 (2011) S. 706 f. – Adolf Friedrich Riedel: Zehn Jahre aus der Gesch. der Ahnherren des Preußischen K¨onigshauses. Das Aufsteigen des Burggrafen Friedrich VI. von N¨urnberg zur kurf¨urstlichen W¨urde und zur Reichsstatthalterschaft in Deutschland. Berlin 1851. – Ders.: Gesch. des Preußischen K¨onigshauses. Bd. 2: Markgraf Friedrich, erster Kurf¨urst von Brandenburg aus dem burggr¨aflichen Hause Zollern. Berlin 1861, Nr. 48, S. 221–225. – Walther Specht: Thomas Neumanns Rathenower Chron. In: Jahresber. des Hist. Vereins zu Brandenburg a. H. 43/44 (1912) S. 109–114. – Volkslied des Brandenburger Niklas U. auf Markgraf Friedrich I. und seinen Sieg u¨ ber die Quitzows 1414 nach der wiederaufgefundenen Hs. hg. v. Walther Specht und u¨ bersetzt v. Otto Tschirch. In: ebd., S. 73–76. – C. Bergstedt: ‹Und wenn es ein Jahr F¨ursten regnen w¨urde›: Niklas U.s Lied u¨ ber Markgraf Friedrich I. und die Quitzows. In: Im Dialog mit Raubrittern und Sch¨onen Madonnen. Die Mark Brandenburg im sp¨aten MA. Hg. v. dems. u. a. (Stud. zur brandenburgischen und vergleichenden Landesgesch. 6). Berlin 2011, S. 151–155. BJ Peter von Uniˇcov (M¨ahrisch Neustadt) OP, † nach 1417. – Verfasser eines Widerrufs. Der aus Uniˇcov (M¨ahrisch-Neustadt) stammende P. studierte an der Universit¨at Prag die K¨unste. Nachdem er seine Studien in K¨oln als Baccalaureus abgeschlossen hatte, lebte er als Prediger in Prag. Wahrscheinlich war er damals bereits Dominikaner geworden. P. lehrte Theologie am 535

Peter von Uniˇcov Prager Generalstudium seines Ordens, nach 1413 als Regens. Seit 1407 profilierte er sich o¨ ffentlich als Gegner von Jan Hus und dessen Reformen. So forderte P. 1410 einen Prozess gegen Hus und trat beim Konstanzer Konzil 1414 als Zeuge gegen den Reformator auf. Nachdem P. um 1415/16 nach Prag zur¨uckgekehrt war, wurde er 1417 verhaftet und musste seine antihussitischen Positionen ¨ P.s weiteres Leben ist o¨ ffentlich widerrufen. Uber nichts bekannt. Seine verschiedentlich behauptete Identit¨at mit dem Dominikaner Peter Mangold ist fraglich, da beide unterschiedlichen Ordensprovinzen angeh¨orten. P.s auf den 13.3.1417 datierter Widerruf seiner fr¨uheren Aussagen gegen die Hussiten ist in mehreren Handschriften u¨ berliefert. Der Text enth¨alt ein Bekenntnis P.s zur sog. Kommunion in beiderlei Gestalt sowie die Bitte um Wiederaufnahme in die Universit¨atsgemeinde. Urspr¨unglich in lat. Sprache geschrieben, erfuhr der Widerruf bald auch dt. und ¨ tschechische Ubersetzungen. Weiterhin sind eine Abschw¨orungsformel P.s und ein Brief des Rektors der Prager Universit¨at erhalten, in dem dieser P. als Reaktion auf dessen Widerruf vergibt. Die Vorg¨ange um P. fanden auch Widerhall in antihussitischen Schriften. In diesen wurde etwa die Behauptung verbreitet, P. habe den Widerruf nur unter Folter geleistet und sp¨ater zur¨uckgenommen. Unsicher ist die Zuschreibung eines Flugblatts vom 2.1.1417 an P. Die Schrift mit dem Incipit «Utrum licet magistris studii pragensis illa diffinire et approbare ...» und der Signatur «Magistri de Constantia» verteidigt die Beschl¨usse des Konzils von Konstanz. Als verschollen gilt heute P.s lat. Abhandlung gegen die eucharistischen Thesen des Jacobellus von Mies mit dem Titel Auctoritates contra utramquem speciem (1414). ¨ Uberlieferung: Dt. Fassungen von P.s Widerruf in: Prag, Nationalbibl., cod. IX E 3, S. 96–99. – ¨ Wien, ONB, cod. 4937, 36v–45r (Pap., um 1420, mit lat. und tschech. Fassungen). – Lat. Hss.: Br¨unn, M¨ahrisches Landesarch., cod. G 12,20, S. 1–5. – Prag, Bibl. des Metropolitankapitels, Kat.nr. 1657, 144v–147r. – Prag, Nationalbibl., cod. III G 16, 73r–74r. – Ebd., cod. VIII G 13, 180v–182v. – Ebd., cod. X F 10, 25v–27v. Ausgaben: Johann Loserth: Hus und Wiclif. Zur Genesis der Husitischen Lehre. Prag u. a. 1884, S. 296–298 (lat. Fassung des Widerrufs). Literatur: Freimut L¨oser, VL2 11 (2004) Sp. 1196–2000. – Jiˇr´ı Kejˇr: Deklarace praˇzsk´e univerzity z 10. bˇrezna 1417 o pˇrij´ım´an´ı pod oboj´ı 536

Stephans von Gumpenberg Pilgerreise a jej´ı historick´e pozad´ı. In: Sbornik historick´y 8 (1961) S. 133–156. – Jaroslav Kadlec: Reholn´ı gener´aln´ı studia pri Karlove universite v dobe predhusitsk´e. In: Historia Universitatis Carolinae Pragensis 7 (1966) H. 2, S. 63–108. – Ders.: Planctus super civitatem Pragensem a jeho autor. In: Studie o rukopisech 25 (1986) S. 47–73. – Ders.: Katolict´ı exulanti ceˇst´ı doby husitsk´e. Prag 1990, passim. – Ders.: Husovi odprci. In: Jan Hus na pˇrelomu tis´ıcilet´ı. Mezin´arodn´ı rozprava o cˇ esk´em reform´atoru 15. stolet´ı a o jeho recepci na prahu tˇret´ıho mil´enia. ´ ı nad Labem 2001, Hg. v. Miloˇs Drda u. a. Ust´ S. 325–342. – V´aclav Bok/F. L¨oser: Der Widerruf des P. v. U. vor der Prager Universit¨atsgemeinde (1417). In: Schr. im Umkreis mitteleurop¨aischer Univ. um 1400. Lat. und volkssprachige Texte aus Prag, Wien und Heidelberg. Unterschiede, Gemeinsamkeiten, Wechselbeziehungen. Hg. v. Fritz Peter Knapp u. a. Leiden u. a. 2004, S. 231–250. MM

Stephans von Gumpenberg Pilgerreise. – Anonymer Pilgerreisebericht, erstes Viertel 15. Jh. Im Jahr 1417/18 unternahm eine achtk¨opfige Reisegesellschaft von bayerisch-fr¨ankischen Adligen, W¨urzburger B¨urgern nebst Dienern unter der Leitung von Stephan (III.) von Gumpenberg ¨ eine Heiliglandfahrt. Uber diese Reise ist ein Bericht u¨ berliefert, als dessen Verfasser zun¨achst der Reiseleiter selbst angenommen wurde. Dieser wird im Teilnehmerverzeichnis als erster aufgef¨uhrt und spricht im Bericht einmal in der 1. Person. Da S. v. G. aber in Pal¨astina am 14.11.1417 starb, kommt er als Autor nicht in Betracht. Eine Zuweisung an den Kaplan Johann Eyselsaner ist zwar m¨oglich, aber unsicher, da dieser nur auf dem Titeblatt des Drucks, nicht aber im Text selbst erscheint. Dort ist nur von einem «caplan» die Rede. Aufgrund der dezidierten Vorliebe des Verfassers f¨ur Minoriten, k¨onnte es sich um einen W¨urzburger Franziskaner gehandelt haben, doch auch das ist spekulativ. Die Pilgerfahrt ging u¨ ber die u¨ bliche Route von Venedig u¨ ber Jaffa nach Jerusalem. Aufgrund von Krankheitsf¨allen und des Todes von S. v. G. verpasste die Gesellschaft das Schiff f¨ur die R¨uckfahrt und musste u¨ ber Damaskus und Beirut reisen mit einem anschließenden langen Aufenthalt auf Zypern. Der Bericht ist in einzelne Tage gegliedert und wird mit einer Beschreibung Jerusalems und Betlehems 537

1. H¨alfte 15. Jh. und der jeweiligen hl. St¨atten abgeschlossen. Er besticht vor allem durch die individuelle und subjektive Darstellung, die im Gegensatz zu Vergleichstexten von schriftlichen Quellen unabh¨angig zu sein scheint. Stattdessen wird Gef¨uhlen und Stimmungen Raum gegeben, die Beschreibungen sind bildhaft und r¨aumliche Vergleiche (Lage, Gr¨oße, Entfernung) beziehen sich auf fr¨ankische Orte. Der Detailreichtum und die Pr¨azision der Beschreibung begr¨unden ihren Wert als Quellentext f¨ur unterschiedliche historische Disziplinen. ¨ Drucke (keine hsl. Uberl.): Erstdruck: Warhafftige beschreybung der Meerfart so von den Gestrengen Edlen v¯n Ehrenfesten Stephan von Gumpenberg/ Friderich von Wolffskel/ vnnd Hans von Kameraw / Auch dem Ehrsamen Hans Strigel vnd Nicolao Magerer / bede Burger z˚u W¨urtzburg/ sampt vier Dienern [...] vnnd eim Caplan von W¨urtzburg/ so Johann Eyselsaner geheissen/ im Winter ist vollbracht worden [...]. Hg. v. Kaspar ¨ Bauer. Frankfurt/M. (Georg Rab d. A./Weigand Han) 1561 (VD16 W 207) (Mit Widmung an den Pilgerfahrer Sigmund Thunger und seinen Mitreisenden v. 1551). – Nachdruck in: Sigmund Feyerabend: Reyßbuch deß heyligen Lands [...]. Frankfurt/M., 1584 (und weitere Auflagen) (VD16 F 902), 235v–250r (ohne Widmung). Ausgaben: Hildebrand Dussler: Reisen und Reisende in Bayerisch-Schwaben und seinen Randgebieten in Oberbayern, Franken, W¨urttemberg, Vorarlberg und Tirol. Bd. 1 (Reiseber. aus Bayerisch-Schwaben 1). Weißenhorn 1968, S. 34–36 (Auszug). – Freie Nacherz¨ahlungen bei: J. K. Goldmayer: Reise v. W¨urzburg nach Jerusalem im Jahre 1449. In: Zs. f¨ur Bayern und die angrenzenden L¨ander 2 (1817) S. 237–246. – Hansheinrich Sonntag: Eine Wallfahrt v. W¨urzburg nach Jerusalem im 15. S¨akulum. In: Fr¨ankische Monatshefte 8 (1929) S. 50–53. Literatur: Rainer D¨obrich, VL2 9 (1995) Sp. 293–295. – Titus Tobler: Zwei B¨ucher Topographie von Jerusalem und seinen Umgebungen. Bd. 1. Berlin 1853, S. XXXII. – Johannes Petzholdt: Verzeichnis einer Slg. von Reisen ins Hl. Land. In: Neuer Anz. f¨ur Bibliogr. und Bibliothekswiss. (1861) S. 273–292, 337–342, hier S. 281–284. – Ludwig Albert v. Gumppenberg: Gesch. der Familie v. Gumppenberg. 2. Aufl. hg. v. Hubert v. Gumppenberg. W¨urzburg 1881, S. 131–133. – Wilhelm Heyd: Gesch. des Levantehandels. 2 Bde. Stuttgart 1879, passim. – Ders.: 538

1. H¨alfte 15. Jh. Les consulats e´ tablis en Terre Sainte au Moyenˆ pour la protection des p´elerins. In: Archives Age de l’Orient latin 2 (1884) S. 355–363. – Reinhold R¨ohricht: Bibliotheca geographica Palaestinae. Chronologisches Verz. der von 333 bis 1878 verfaßten Lit. u¨ ber das Heilige Land. Berlin 1890. Verb. und verm. Neuausg. mit einem Vorw. von David H. K. Amiran. Jerusalem 1963 (Nachdr. London 1989) S. 121 (Nr. 365). – Ders.: Dt. Pilgerreisen nach dem Heiligen Lande. Neue Ausg. Innsbruck 1900 (Neudr. Aalen 1967) S. 119. – Eugen Oberhummer: Der Berg des hl. Kreuzes auf Cypern. In: Das Ausland 65 (1892) S. 364–410, hier S. 382 f. – Martin Sommerfeld: Die Reisebeschreibungen der dt. Jerusalempilger im ausgehenden MA In: DVjs 2 (1924) S. 816–851. – Hans-Joachim Lepszy: Die Reiseberichte des MA und der Reformationszeit. Diss. Hamburg 1952, S. 192 (Reg.). – Christiane Hippler: Die Reise nach Jerusalem. Unters. zu den Quellen, zum Inhalt und zur literarischen Struktur der Pilgerber. des Sp¨atMA (Europ¨aische Hochschulschr. 1,968). Frankfurt/M., Bern 1987, S. 92 f. – Anne Simon: ‹Gotterfahrung› oder ‹Welterfahrung›. Das Erlebnis des Reisens in Pilgerber. des f¨unfzehnten Jh. In: Reisen und Welterfahrung in der dt. Lit. des MA (W¨urzburger Beitr. zur dt. Philologie 7). W¨urzburg 1991. Hg. v. Dietrich Huschenbett/John Margetts, S. 173–184, hier S. 177–184. – Dies.: Sigmund Feyerabend’s Das Reyßbuch deß heyligen Lands. A Study in Printing and Literary History. Diss. London 1991, passim. – Freimut L¨oser: Geistliche Lit. des MA unter regionalen Aspekten. Die Beispiele W¨urzburg und Melk. In: ZfdPh 122 (2003), Sonderheft: Regionale Literaturgeschichtsschreibung, S. 246–265, hier S. 248. – Vom Großen L¨owenhof zur Univ. W¨urzburg und die dt. Lit. im Sp¨atMA. Ausstellungskat. 2002. Hg. v. Horst Brunner/Hans-G¨unter Schmidt. Wiesbaden 2004, Nr. 19. – Sabine Heimann-Seelbach: Subjektivit¨at zwischen Heilsordnung und Weltordnung: Stephans v. Gumpenberg Warhafftige beschreybung der Meerfart (1417/18). In: Erkundung und Beschreibung der Welt. Zur Poetik der Reiseund L¨anderber. (Chloe 34). Hg. v. Xenja v. Ertzdorff/Gerhard Giesemann. Amsterdam u. a. 2003, S. 109–134. – Randall Herz: W¨urzburger Reiseber. des Sp¨atMA und des 16. Jh. In: Wu¨ rzburg, der Große L¨owenhof und die dt. Lit. des Sp¨atMA (Imagines medii aevi 17). Hg. v. H. Brunner. Wiesbaden 2004, S. 431–456. – H. Brunner: Die dt. Lit. 539

Vaticinia de summis pontificibus In: Gesch. der Stadt W¨urzburg. Bd. 3,1. Hg. v. Ulrich Wagner. Stuttgart 2007, S. 466–479, hier S. 475. VZ Vaticinia de summis pontificibus (Papalista, Vaticinia de papis, Vaticinia pontificum). – Lat. Weissagungen. Als V. d. s. p. werden zwei Reihen lat. Prophetien bezeichnet, die in zahlreichen Handschriften und Drucken u¨ berliefert sind. Je nach Fassung enthalten die Reihen jeweils um die 15 Weissagungen, was in ¨ der Uberlieferung aber schwankt. Die Weissagungen umfassen neben den eigentlichen Orakeltexten auch Motti und emblematische Illustrationen. Die Verfasser der V. d. s. p. sind unbekannt. Mittelalterliche Zuschreibungen an Joachim von Fiore oder nicht nachweisbare Autoren wie Rabanus Anglicus und Anselm von Marsico sind ebenso fiktiv wie die Autorschaft des Zauberers Merlin. Ursprung der a¨ lteren V. d. s. p.-Reihe (nach ihrem Incipit auch «Ascende calve») war das griechische Leo-Orakel (um 1180). Darin waren die Weissagungen auf die griechisch-byzantinischen Kaiser bezogen. Die lat. Prosabearbeitung des Orakels k¨onnte um 1285 entstanden sein, vielleicht in Neapel und mit Bezug auf r¨omische Kardin¨ale. Die j¨ungere V. d. s. p.-Reihe («Genus nequam») gilt als Interpretation der a¨ lteren Reihe und k¨onnte in der ersten H¨alfte des 14. Jh. geschrieben worden ¨ sein. Uber den Kontext ihrer Entstehung existieren mehrere Thesen (s¨udfranz¨osische FranziskanerSpiritualen, lombardisches Umfeld der Viscontis). Die Reihen wurden wahrscheinlich im fr¨uhen 15. Jh. zusammengef¨uhrt, etwa w¨ahrend des bis 1417 w¨ahrenden Schismas oder w¨ahrend des Konstanzer Konzils um 1414–18. In dieser verbundenen Form der V. d. s. p. wird die j¨ungere Reihe oft vor der a¨ lteren u¨ berliefert. Auch sind die Bez¨uge auf Kaiser und Kardin¨ale Zuordnungen von P¨apsten gewichen, darunter Nikolaus III., Coelestin V. und Johannes XXII. Die lat. V. d. s. p. wurden u. a. von → Telesforus von Cosenza, der Visio fratris Johannis (Vision auf das Jahr 1401) und dem Liber de flore rezipiert. Nach dem Konzil von Konstanz waren die V. d. s. p. auch im dt. Sprachraum sehr verbreitet. Eine Rezeption der lat. V. d. s. p. ist hier etwa bei Thomas Prischuch (Des Consili gruntvest), Hermann → Korner (Chronica novella) und Thomas → Ebendorfer (Chronica pontificum Romanorum) nachweisbar. Eine vollst¨andige V. d. s. p.-Fassung in 540

Vaticinia de summis pontificibus dt. Sprache ist nicht u¨ berliefert; erhalten sind nur ¨ dt. Ubertragungen der V. 18, 20 und 23. Diese werden einem Anselm von Marsico zugeschrieben, auf 1278 datiert und inhaltlich auf die P¨apste Gregor XII. und Johannes XXIII. sowie die Stadt Prag bezogen. Die von einer gemeinsamen Vorlage ausge¨ hende Uberlieferung erfolgte neben wenigen Einzelhandschriften vor allem u¨ ber Kaiser Sigismunds Buch von Eberhard → Windeck. Charakteristisch f¨ur die dt. V. d. s. p. ist das Fehlen der Illustrationen. Die V. d. s. p. sind nicht nur wegen ihrer zeitgen¨ossischen Popularit¨at von Bedeutung, sondern auch wegen ihrer Nachwirkung auf die Reformation. Sie wurden von Andreas Osiander 1527 kommentiert und auf Luther umgedeutet herausgegeben, von Hans Sachs in Versen erl¨autert und von Paracelsus ausgelegt. Die neuere Forschung hat neben der Verfasserfrage auch die V. d. s. p.-typische Verbindung von Text und Bild ausf¨uhrlich er¨ortert. ¨ ¨ Uberlieferung: Zur lat. Uberl. mit u¨ ber 100 Hss. vgl. Millet 2002 (s. Lit.) S. 260–262. – Dt. ¨ Uberl. in den Hss. des Kaiser Sigismunds Buch von Eberhard Windeck. V. 18, 20 und 23 auch in: Berlin, SBB, Mgo 101, 148r–149v (Pap., 1438). – Mu¨ nchen, UB, 2° cod. ms. 684, 94v–95r (Pap., 1465). – Weimar, Herzogin Anna Amalia Bibl., Cod. Quart 127, 130v–131v (N¨urnberg, bald nach 1501). ¨ Drucke: Uber 20 Drucke seit 1505 mit Joachim von Fiore als Verfasser. – Vgl. Francesco Russo: Bibliografia gioachimita. Florenz 1954, S. 44–48. Ausgaben: Eberhart Windeckes Denkw¨urdigkeiten zur Gesch. des Zeitalters Kaiser Sigmunds zum ersten Male vollst¨andig herausgegeben. Hg. v. Wilhelm Altmann. Berlin 1893, S. 360 f. (dt.). – Weissagungen u¨ ber die P¨apste. Vat. Ross. 374. Hg. v. Robert E. Lerner. 3 Bde. Z¨urich 1985–88. – Lerner/Schwartz 1994 (s. Lit.). – The Late Medieval Pope Prophecies. The Genus nequam Group. Hg. v. Martha H. Fleming. Tempe/Arizona 1999. – Fabio Troncarelli: Vaticinia pontificum. Dal Codice 25. F 16 [recte 17] della Biblioteca Comunale di Monreale. Bari 2007. – Vaticinia Pontificum (ms. A.2848, Biblioteca Comunale dell’Archiginnasio, Bolonia). Edici´on facs´ımil e libro de estudios. Hg. v. Jean-Baptiste Lebigue u. a. 2 Bde. Madrid 2008. Literatur: Christine St¨ollinger–L¨oser, VL2 11 (2004) Sp. 1595–1600. – Herbert Grundmann: Die Papstprophetien des MA. In: AfK 19 (1929) S. 77–138 (wieder in: Ders.: Ausgew¨ahlte Aufs¨atze 541

1. H¨alfte 15. Jh. 2. Stuttgart 1977, S. 1–57). – Marjorie Reeves: The Influence of Prophecy in the Later Middle Ages. A Study in Joachimism. Oxford 1969, S. 193 f., 214 f., 401–415, 453–462 u. o¨ . – Dies.: Some Popular Prophecies from the Fourteenth to the Seventeenth Centuries. In: Studies in Church History 8 (1972) S. 107–134 (wieder in: Dies.: The Prophetic Sense of History in Medieval and Renaissance Europe. Aldershot u. a. 1999, S. 107–134). – Leonie von Wilckens: Die Prophetien u¨ ber die P¨apste in dt. Hss. Zu Illustrationen aus der Pariser Hs. Lat. 10834 und aus anderen Mss. der ersten H¨alfte des 15. Jh. In: Wiener Jb. f¨ur Kunstgesch. 28 (1975) S. 171–180. – Maria Ciardi Dupr´e Dal Poggetto: Il ‹V. Pontificum› Ms. Rossiano 374 nella Biblioteca Vaticana. In: La miniatura italiana tra Gotico e Rinascimento 2. Atti del II Congresso di Storia della Miniatura Italiana, Cortona 24–26 settembe 1982. Hg. v. Emanuela Sesti. Florenz 1985, S. 563–584. – Claudio De Polo: Un manoscritto senese del ‹V.› di Gioacchino da Fiore e la fortuna di questo testo nei manoscritti posteriori italiani e stranieri nelle placchette dei libri a stampa. In: ebd., S. 585–596. – Paola Guerrini: Federico da Montefeltro e Sisto IV nei ‹V.› dell’Anglicano 1146 e del Chigiano A. V. 152. In: Federico di Montefeltro. Lo stato, le arti, la cultura 3. Hg. v. Baiardi Certoni u. a. Rom 1986, S. 131–135. – R. E. Lerner: On the Origins of the Earliest Latin Pope Prophecies. In: F¨alschungen im MA 5. Internationaler Kongreß der MGH Mu¨ nchen, 16.–19. September 1986 (MGH Schr. 33,5). Hg. MGH. Hannover 1988, S. 611–635. – Bernard McGinn: ‹Pastor Angelicus›. Apocalyptic Myth and Political Hope in the Fourteenth Century. In: Santi e santit`a nel secolo XIV. Atti del XV Convegno internazionale, Assisi, 15–16–17 ottobre 1987. Hg. v. Roberto Rusconi. Perugia 1989, S. 219–251 (wieder in: Ders.: Apocalypticism in the Western Tradition. Aldershot u. a. 1994, S. 221–251). – R. E. Lerner und Elizabeth Brown: On the Origins and Import of the Columbinus Prophecy. In: Traditio 45 (1989/90) S. 219–256. – M. Reeves: The ‹V. d. s. p.›. A Question of Authority. In: Intellectual Life in the Middle Ages. FS Margaret Gibson. Hg. v. Lesley Janette Smith und Benedicta Ward. London 1991, S. 145–156. – Andreas Rehberg: Der ‹Kardinalsorakel›-Komm. in der ‹Colonna›-Hs. Vat. lat. 3819 und die Entstehungsumst¨ande der Papstvatizinien. In: Florensia 5 (1991) S. 45–112. – H´el`ene Millet und Dominique Rigaux: Aux origines du succ`es des ‹V. d. s. p.› In: Fin du monde 542

1. H¨alfte 15. Jh. et signes des temps. Visionnaires et proph`etes en France m´eridionale (fin 13e–d´ebut 14e si`ecle). Hg. Centre National de la Recherche Scientifique Paris. Toulouse u. a. 1992, S. 129–156. – Gigetta Dalli Regoli und Gemma Landolfi: Un testo profetico medievale in un codice quattrocentesco. I V. Pontificum e il MS. Harley 1340 della British Library. In: Il Codice miniato. Rapporti tra codice, testo e figurazione. Atti del III Congresso di Storia della Miniatura. Cortona, 20–23 ottobre 1988. Hg. v. Melania Ceccanti und Maria Castelli. Florenz 1992, S. 405–423. – R. E. Lerner: Recent Work on the Origins of the ‹Genus nequam› Prophecies. In: Florensia 7 (1993) S. 141–158. – Ders. und Orit Schwartz: Illuminated Propaganda. The Origins of the ‹Ascende calve› Pope Prophecies. In: Journal of Medieval History 20 (1994) S. 157–191. – Samantha Kelly: The ‹Visio fratris Iohannis›. Prophecy and Politics in Late-Thirteenth-Century Italy. In: Florensia 8/9 (1994/95) S. 7–42. – Pia H. Weidmann: Die V. pontificum. Tradition einer Bildprophetie. In: Nova Acta Paracelsica NF 13 (1999) S. 153–184. – M. E. Reeves: The ‹V. d. s. p.› A Question of Authorship. In: Dies.: The Prophetic Sense of History in Medieval and Renaissance Europe. Aldershot u. a. 1999, S. 145–156. – H. Millet: Il libro delle immagini dei papi. Storia di un testo profetico medievale. Rom 2002. – Dies.: Les successeurs du pape aux ours. Histoire d’un livre proph´etique m´edi´eval illustr´e (V. d. s. p.). Turnhout 2004. – Giordana M. Canova: La profezia a servizio dell’ideologia. L’illustrazione tardogotica dei V. Pontificum e del Libellus de causis di Teloforo da Cosenza in area padana. In: Medioevo. Immagini e ideologie. Atti del convegno internazionale di studi, Parma, 23–27 settembre 2002. Hg. v. Arturo Quintavalle. Mailand 2005, S. 324–336. – Gian Luca Potest`a: L’uomo con la falce e la rosa. Dagli Oracula Leonis ai V. pontificum della Biblioteca Estense. In: Profezie illustrate gioachimite alla corte estense. Hg. v. dems. Modena 2010, S. 129–179. MM Engelhus, Dietrich (auch Engelhausen, Engelhusen, Engelhusius), * um 1365 Einbeck, † 5.5.1434 Wittenburg bei Elze. – Augustinerchorherr, P¨adagoge, Chronist. E. stammte aus verm¨ogender Familie und besuchte als geb¨urtiger Einbecker vielleicht die dortige Stiftsschule. Sicher studierte er seit 1381 an der Universit¨at Prag die K¨unste und erwarb dort 543

Engelhus 1389 den Magistergrad. 1393 ging E. an die Theologische Fakult¨at in Erfurt, wo er 1495 Consiliarius wurde, und wechselte 1410 an die Universit¨at Leipzig. Um 1406–22 war er in G¨ottingen als Schulrektor t¨atig. Laut einer Vita E.s u¨ bte er dieses Amt auch in Einbeck, Bamberg und Magdeburg aus, was allerdings nicht sicher nachweisbar ist. E. war außerdem Kanonikus in Hildesheim und 1434 Visitator in Windesheim und B¨odecken. Im selben Jahr zog er sich in das Augustinerchorherrenstift Wittenburg zur¨uck. E. unterhielt Kontakte zu Johannes Dederoth und Johannes Busch. Als Autor arbeitete E. u¨ berwiegend in lat. Sprache. Nennenswert ist zun¨achst seine seit 1419 entstandene lat. Weltchronik Speculum seu imago mundi, die kompilatorisch die traditionellen sechs Zeitalter ab Adam und Eva behandelt. E. selbst schrieb das Werk bis 1433 fort; Matthias Do¨ ring und andere f¨ugten sp¨ater Nachrichten bis 1498 hinzu. Das Werk war seitdem als Nova Chronica bekannt. Daneben nahm E. k¨urzere lat. Bearbeitungen der Chronik vor, die separat u¨ berliefert sind. Um 1424 u¨ bersetzte er seine Chronik gerafft und redigiert in die dt. Sprache. Weitere lat. Chroniktexte E.s sind die Cronica Erffordernsis (f¨ur den Zeitraum 438–1351) sowie die erweiterte Cronica Erfordensis (f¨ur 438–1422) und die Genealogia ducum Brunsvicensium. Die Zuschreibung der Chronicorum episcoporum Hildesheimensium an E. gilt als unsicher. E.s lat. Œuvre ist aber nicht nur auf historiographische Arbeiten beschr¨ankt. Im Promptus stellte E. eine allgemeine Enzyklop¨adie mit Lemmata aus Theologie, Recht, Medizin und den K¨unsten zusammen. Theologisch orientiert sind sein Psalmenkommentar Expositio psalterii und die Biblia metrica, eine Hexameter-Zusammenfassung der Bibel nach einer Vorlage von Otto von Riga. Einen weiteren dichterischen Versuch stellt das kompilatorische Historiengedicht Origo Saxonum et terrae Saxoniae commendatio dar. Aus E.s schulischer T¨atigkeit erwuchs das W¨orterbuch Vocabularius quadriidiomaticus (um 1400?). Das auf dem Vocabularius Theutonicus beruhende Werk enth¨alt Eintr¨age in nd., lat., griech. und hebr. Sprache und erlangte im westdt. Sprachraum Verbreitung. In dt. Sprache sind E. auch zwei geistliche Schriften zuzuschreiben. Von ihm selbst stammt eine Regule der leynen. Diese Laienregel in 25 Kapiteln enth¨alt Anleitungen zur religi¨osen und praktischallt¨aglichen Lebensf¨uhrung. Bei E.s Kunst to ster¨ vende handelt es sich um eine nd. Ubersetzung des 544

Engelhus Sterbebuchs Speculum artis bene moriendi, als dessen m¨ogliche Verfasser Nikolaus von Dinkelsb¨uhl, Johannes → Nider und Thomas → Peuntner gelten. ¨ Die Ubertragung war in zahlreichen Handschriften verbreitet und darf neben E.s Weltchronik als sein wichtigstes Werk gelten. ¨ Uberlieferung: 1. Weltchronik (nd.): Wolfenb¨uttel, HAB, Cod. 30.8 Aug. 4°, 1r–197r (Pap., 1435). – 2. Vocabularius quadriidiomaticus (mehrsprachig): Mainz, StB, Hs. I 145, 1r–204v (Pap., um 1430). – Berlin, SBB, Ms. lat. qu. 238, 209ra–235ra (Pap., zweites Drittel 15. Jh.). – Karlsruhe, LB, Cod. Thennenbach 10, 152r–175v (Pap., 1462). – Vgl. auch Powitz 1963 (s. Lit.) S. 102–109. – 3. Kunst to stervende: Wolfenb¨uttel, HAB, Cod. 422 Helmst., 96ra–105vb (Pap., 1409, nd.). – Emden, Bibl. der Gesellschaft f¨ur bildende Kunst und vaterl¨andische Altert¨umer, Hs. 64, 45v–57r (Pap., Mitte 15. Jh., nd.). – Weitere Hss. bei Conrad Borchling: Mnd. Hss. in Wolfenb¨uttel und einigen benachbarten Bibl. Dritter Reiseber. (Nachr. von der Kgl. Ges. der Wiss. zu G¨ottingen, Philol.-hist. Kl. 1902, Beih.). G¨ottingen 1902, S. 37; Rudolf 1957 (s. Lit.) S. 80, Anm. 20. – 4. Regule der leyen: Zahlr. Hss. bei Borchling 1902 (s. o.) S. 101; Langenberg 1902 ¨ (s. Ausg.) S. 129–132. – Zur lat. Uberl. vgl. Worstbrock/Berg 1980 und 2004 (s. Lit.). Ausgaben: Regule der leyen: Rudolf Langenberg: Quellen und Forschungen zur Gesch. der dt. Mystik, Bonn 1902, S. 72–106. – E.s nd. Weltchron. ist bislang ohne Ausg. – Ausg. der lat. Werke bei Worstbrock/Berg 1980 und 2004 (s. Lit.). Literatur: Schum.: D. Engelhusen. In: ADB 6 (1877) S. 141 f. – Helga Zinsmeyer, NDB 4 (1959) S. 515 f. – Friedrich Zoepfl, Dict. Spir. 4 (1960) Sp. 749 f. – Victor Conzemius, DHGE 15 (1963) Sp. 486. – Franz J. Worstbrock/Dieter Berg, VL2 2 (1980) Sp. 556–561; 11 (2004) Sp. 410 f. – D. Berg, LexMA 3 (1986) Sp. 1921. – De Boor/Newald 4/1 (21994) S. 155 u. o¨ . – Anna–Dorothee v. den Brincken, LThK3 3 (1995) Sp. 657 f. – Hiram K¨umper, BBKL 25 (2005) Sp. 373–375. – Paul Lehmann: Aus der ‹Vorratskammer› des Chronisten D. E. In: Hist. Jb. 47 (1927) S. 489–499. – Hermann Herbst: Neue Nachr. zu den Schr. des D. E. In: Zs. f¨ur Geistesgesch. 1 (1935) S. 242–250. – Rainer Rudolf: Ars moriendi. K¨oln/Wien 1957, S. 75–80. – Gerhardt ¨ Powitz: Zur Gesch. der Uberl. des E.-Glossars. In: Nd. Wort 86 (1963) S. 83–109. – Klaus Grubm¨uller: Vocabularius Ex quo. Unters. zu lat.-dt. Vokabularen des Sp¨atMA (MTU 17). Mu¨ nchen 1967, 545

1. H¨alfte 15. Jh. S. 61–64 u. o¨ . – Horst Eckert: Gottfried Wilhelm Leibniz’ ‹Scriptores rerum Brunsvicensium›. Entstehung und historiographische Bedeutung. Frankfurt/M. 1971, S. 123–133. – F. J. Worstbrock: Die ¨ Biblia metrica des D. E. und ihre Uberl. In: DA 36 (1980) S. 177–192. – Hartmut Beckers: Der Ber. des nd. Chronisten D. E. u¨ ber die angels¨achsische Landnahme in Britannien. In: FS Karl Schneider. Hg. v. Ernst Siegfried Dick/Kurt R. Jankowsky. Amsterdam 1982, S. 289–303. – Robert Damme: Der ‹Vocabularius Theutonicus›. Versuch einer ¨ Uberlieferungsgliederung. In: Nd. Wort 23 (1983) ¨ S. 137–176. – Ders.: Uberlegungen zu einer Wortgeographie des Mnd. auf der Materialgrundlage v. Vokabularhss. In: ebd. 27 (1987) S. 1–59. – Horst H¨ulse: Nachr. u¨ ber Einbeck in der Weltchron. des D. E. In: Einbecker Jb. 38 (1987) S. 54–72. – Rudolf Weigand: Vinzenz v. Beauvais. Scholastische Universalchronistik als Quelle volkssprachiger Geschichtsschreibung. Hildesheim u. a. 1991, S. 244–249. – D. E. Beitr. zu Leben und Werk. Hg. v. Volker Honemann. K¨oln u. a. 1991. – V. Honemann: Postilla Engelhusen. Eine Predigtslg. des D. E. In: Nd. Wort 32 (1992) S. 101 f. – Ders.: Der Laie als Leser. In: Laienfr¨ommigkeit im sp¨aten MA. Formen, Funktionen, politischsoziale Zusammenh¨ange. Hg. v. Klaus Schreiner. M¨unchen 1992, S. 241–251. – Claus Sp¨orer: D. E. Beitr. zu Leben und Werk. In: Einbecker Jb. 42 (1993) S. 201 f. – R. Damme: Stud. zum E.Glossar I. Der dt.-lat. Tl. des ‹Vocabularius quadriidiomaticus›. In: Jb. des Ver. f¨ur Nd. Sprachforschung 117 (1994) S.75–92. – Ilse Haari-Oberg: Die Wirkungsgesch. der Trierer Gr¨undungssage vom 10. bis 15. Jh. (Europ¨aische Hochschulschr. 3,607). Bern u. a. 1994, S. 98–100. – Anette Baumann: Weltchronistik im ausgehenden MA. Heinrich von Herford, Gobelinus Person, D. E. Frankfurt/M. 1995. – R. Damme: Zum Kolophon der Trierer Engelhus-Hs. 1129/2054. In: Sprache und Lit. des MA in den ‹nideren landen›. Gedenkschr. f¨ur Hartmut Beckers. Hg. v. V. Honemann u. a. K¨oln u. a. 1999, S. 53–65. – V. Honemann: Engelhusiana. Eine Miszelle. In: Nd. Wort 39 (1999) S. 453 f. – Udo K¨uhne: E.-Stud. Zur G¨ottinger Schullit. in der ersten H¨alfte des 15. Jh. Freiburg (Schweiz) 1999. – Rolf Sprandel: World Historiography in the Late Middle Ages. In: Historiography in the Middle Ages. Hg. v. Deborah Mauskopf Deliyannis. Leiden u. a. 2003, S. 157–180. MM 546

1. H¨alfte 15. Jh. Grunsleder, ¨ Ulrich (Gr¨unleder, Gr¨unslederer), Vohenstrauß/Oberpfalz, † 1.4.1421 Regensburg ¨ (Hinrichtung). – Ubersetzer von hussitischen Traktaten ins Deutsche. Alle Angaben zu G.s Leben und Wirken sind den Werken des → Andreas von Regensburg (Chronica pontificum et imperatorum Romanorum und Chronica Husitarum) entnommen. Seine Ausbildung erhielt G. in Regensburg, wo er auch zum Priester geweiht wurde. Um 1420 war er Kaplan an der Regensburger Ahakirche. Wegen des Propagierens hussitischen Gedankenguts – zwei Traktate von Hus sollen von G. selbst ins Deutsche u¨ bersetzt, eigenh¨andig geschrieben und in Laienkreisen verbreitet worden sein – wurde er am 25.5.1420 unter Bischof Albert III. verhaftet. Da G. nicht wiederrief, wurde er als Ketzer verurteilt und auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Einer Predigt des Berthold → Puchhauser (Sermo in combustione Ulrici Gr¨unsleder), die dieser am 31.3.1421 im Regensburger Dom in Anwesenheit G.s gehalten hat und die bei Andreas aufgezeichnet ist, kann ferner entnommen werden, dass G. das Konstanzer Konzil als f¨ur die Kirche nicht repr¨asentativ eingesch¨atzt habe und von einer Verurteilung des Jan Hus aufgrund falscher Zeugenaussagen ausgegangen sei. Die von G. u¨ bersetzten Werke sind nicht u¨ berliefert, auch werden ihre Titel bei Andreas nicht genannt. Sie d¨urften eines der fr¨uhesten Beispiele der Aufnahme und Verbreitung hussitischer Lehren in dt. Sprache dargestellt haben, die allerdings im dt. religi¨osen Schrifttum nur ein begrenztes Echo fanden. Literatur: Herman Haupt, ADB 49 (1904) S. 605 f. – Kurt Illing, VL2 2 (1980) Sp. 290 f. – Karl Adolf Constantin H¨ofler: Geschichtsschreiber der hussitischen Bewegung in B¨ohmen Thl. 2 (Fontes rerum Austriacarum 1,6). Wien 1865, S. 427, 456 f. – H. Haupt: Hussitische Propaganda in Deutschland. In: Hist. Taschenbuch (hg. v. Friedrich v. Raumer) 6. Folge Bd. 7 (1888) S. 246 f. – Romuald Bauerreiss: Kirchengesch. Bayerns. Bd. 5. St. Ottilien 1955, S. 8. – Georg Leidinger: Andreas v. Regensburg. S¨amtl. Werke (Quellen und Er¨orterungen zur bayer. und dt. Gesch. NF 1). Mu¨ nchen 1903 (Nachdr. 1965) S. 133, 350–362, 403. – Gerhard Schlesinger: Die Hussiten in Franken. Der Hussiteneinfall unter Prokop dem Großen im Winter 1429/30, seine Auswirkungen sowie sein Niederschlag in der Gesch.schreibung 547

Grunsleder ¨ (Die Plassenburg 34). Kulmbach 1974, S. 105. – Franz Machilek: Dt. Hussiten: In: Jan Hus – Zwischen Zeiten, V¨olkern, Konfessionen (Ver¨off. des Collegium Carolinum 85). Hg. v. Ferdinand Seibt. M¨unchen 1997, S. 267–282, hier S. 274. VZ Totenklage auf Heinrich von Eschweiler. – Ehrenrede in der Nachfolge Gelres und Peter Suchenwirts, um 1419/20. Widmungstr¨ager dieser Ehrenrede von 222 Versen ist Heinrich von H¨uckelhoven (1339–1419), Schultheiß in Eschweiler. Nach einer Einleitung, in der knapp der Sinn exemplarischer Lebensbeschreibung diskutiert wird und die den Text in einen lehrhaften Rahmen stellt, folgt die Tatenerz¨ahlung, die vor allem die von Heinrich bestrittenen Schlachten und bereisten L¨ander reiht. Im Zentrum steht die vorbildhafte, preisw¨urdige Ritterbiographie (Ritterschlag in Rom, Pilgerfahrten, Betonung der 64-j¨ahrigen Ritterschaft). Klage fehlt fast g¨anzlich, daf¨ur wird die Hoffnung ge¨außert, dass Heinrichs Seele nun von seiner besonderen Treue zu Maria profitieren wird. Der Text schließt mit einer Aufforderung an das Publikum zur F¨urbitte, der Wappenbeschreibung und der Namensnennung des Widmungstr¨agers. In den Schlussversen bezeichnet sich der anonyme Autor als Herold am Hof zu Kleve. Er orientiert sich deutlich am Beispiel der Ehrenreden Peter → Suchenwirts und vor allem → Gelres. ¨ Uberlieferung: Mu¨ nchen, BSB, Cgm 568, 243ra–244va (Pap., 1468–70, Augsburg). Ausgabe: Theodor Nolte: Lauda post mortem. Die dt. und ndl. Ehrenreden des MA. Frankfurt/M. 1983, S. 192–200. Literatur: Theodor Nolte, VL2 9 (1995) Sp. 989 f. – Ders. (s. Ausg.) S. 141–145. JK Andechser Chronik. – Chronik des bedeutenden Wallfahrtsortes in zwei Redaktionen, fr¨uhes 15. Jh. bzw. 1472. Die a¨ltere der beiden Redaktionen ist origin¨ar deutschsprachig und d¨urfte um 1403 oder kurz danach entstanden sein. Sie diente als Werbung f¨ur die Andechser Wallfahrt und besteht aus einer Reihung von anekdotenartigen Erz¨ahlungen in 19 Kapiteln, meist u¨ ber bedeutende Mitglieder des 1248 ausgestorbenen Andechser Grafengeschlechtes. Von diesen wird eine Verbindung zu Reliquien und der Kapelle von Andechs hergestellt. Da der Text das 548

Andreas von Regensburg Wittelsbacher Herzoghaus auff¨allig positiv bewertet, k¨onnte der anonyme Verfasser diesem nahegestanden haben (evtl. der Wittelsbacher Kanzler Johann Fuchsm¨undel). Die zweite Redaktion der Chronik von 1472 fußt auf der ersten, zieht aber weitere lat. Quellen heran. Urspr¨unglich lat. verfasst, wurde sie offensichtlich umgehend ins Deutsche u¨ bersetzt. Der ebenfalls anonyme Autor dieser Redaktion war trotz der widerspr¨uchlichen Quellenlage zur Klostergeschichte bestrebt, eine stringente Chronologie des Klosters Andechs von 766 an vorzulegen. Die dt. Drucke dieser Redaktion aus dem 15. und 16. Jh. sind wahrscheinlich s¨amtlich vom Kloster selbst in Auftrag gegeben worden, um den ohnehin florierenden Wallfahrtsort weiter zu propagieren. ¨ Uberlieferung: Redaktion 1: Rund 30 Hss. ¨ Alteste Hs.: M¨unchen, BSB, Cgm 2928, 18v–26r (Pap., aus dem Franziskanerkloster M¨unchen, mittelbair. und schw¨abisch; die Chron. befindet sich in einer a¨ lteren Lage [1429/31] die in den Hauptcodex [1434/36] eingebunden ist). Zur weiteren ¨ Uberl. vgl. Brackmann (s. Lit.) S. 32–39; Kraft 1937 (s. Lit.) S. 6–17; VL2 1 (1978) Sp. 334. – Der ¨ Schwerpunkt der Uberl. liegt in der zweiten H¨alfte des 15. Jh., nachdem 1451 die Andechser Reliquien durch → Nikolaus v. Kues positiv begutachtet worden waren. – Redaktion 2: Mu¨ nchen, Hauptstaatsarch., Kl. Lit. Andechs 1, 11r–20v (lat.), 62v–76v ¨ (freie dt. Ubers.) (Pap., 1472, Nachtr¨age bis ins ¨ 17. Jh.). Die hier enthaltene Ubers. ist Grundlage der Drucke (Ausw.): Johann → B¨amler, Augsburg um 1472 (GW 1639/163910N), um 1473 (GW 1640); Johann Sch¨onsperger, ebd. um 1495 (GW 1641/1642); Lukas Zeissenmair, Wessobrunn 1502 (?) mit u¨ ber 2000 Exemplaren (VD16 V 2527). – Eine unikal u¨ berlieferte Chronik die vermutlich keiner der Redaktionen angeh¨ort befindet sich in: Andechs, Arch. des Benediktinerpriorats, Mscr. 18, 49 Bll. (Perg., illustriert, 1457 oder 67, aus Andechs). Ausgabe: Kraft 1940 (s. Lit.) S. 583–600 (Red. 1 nach Cgm 2928). Literatur: Werner Williams-Krapp, VL2 1 (1978) Sp. 334. – Magnus Sattler: Chron. v. Andechs. Donauw¨orth 1877, S. 86–90. – Albert Brackmann: Die Entstehung der Andechser Wallfahrt (Abh. der Preußischen Akad. der Wiss., Phil.hist. Kl. 5) Berlin 1929. – Benedikt Kraft: Andechser Stud. 1/2 (Oberbayr. Arch. f¨ur vaterl¨andische Gesch. 73/74). M¨unchen 1937/40. – Matthias M. Tischler: Die Christus- und Engelweihe 549

1. H¨alfte 15. Jh. im MA. Texte, Bilder und Stud. zu einem ekklesiologischen Erz¨ahlmotiv (Erudiri sapientia 5). Berlin 2005, S. 60, 81 (mit Textauszug nach Kraft 1940). – Toni Aigner: Die Chron. v. Andechs und der fr¨uhe Buchdruck. Die Bedeutung der A. C. f¨ur die Historiographie des Hl. Berges und des fr¨uhen Buchdrucks (Edition Andechs 1). M¨unchen 2008. VZ Andreas von Regensburg (Andreas Mu¨ lner/ Mu¨ ller) OSA, * um 1380 Reichenbach/Oberpfalz (?), † um 1442/48 Stadtamhof (heute zu Regensburg). – Historiograph. A. besuchte um 1393 eine Schule in Straubing und trat 1401 in das Augustiner-Chorherrenstift St. Mang in Stadtamhof ein. 1405 wurde er in Eichst¨att zum Priester geweiht, verblieb aber im Kloster und war dort um den Ausbau der Bibliothek bem¨uht. Um 1435/38 wurde er Dekan von St. Mang. Gem¨aß eines Selbstzeugnisses hat A. seit seiner Priesterweihe historische Studien betrieben und Aufzeichnungen angefertigt, wobei ihm die reichhaltige Regensburger Bibliothekslandschaft n¨utzlich war. Auch war er ein eifriger Sammler unterschiedlichsten Urkunden- und Aktenmaterials. Seine historiografischen Kompilationswerke entstanden zumeist in den 20er Jahren des 15. Jh. Oft arbeitete er an mehreren Werken gleichzeitig. ¨ Bis zur Ubernahme des Dekanats arbeitete A. in den 1430er Jahren an Fortsetzungen seiner Chroniken, wie z. B. der Chronica pontificum et imperatorum Romanorum, die am Anfang seines schriftstellerischen Schaffens steht. Diese schloss A. nach eigenem Bekunden zun¨achst am 21.1.1422 ab, begonnen wurde sie wohl 1420. Sie folgt dem Muster → Martins von Troppau und sch¨opft ferner aus der Chronik → Frutolfs von Bamberg und → Ekkehards von Aura sowie aus den → Flores temporum. 1422 erstellte A. unter dem Titel Compendium de condicione civitatis Ratisponensis et de diversis haereticis einen Auszug aus der Chronik. Dieses Exzerpt u¨ berreichte er Bischof Johann II. von Regensburg zur Vorbereitung des Reichstags zur Hussitenfrage, der f¨ur den 1.7.1422 in Regensburg einberufen war (aber letztlich in N¨urnberg tagte). Dem Auszug voran steht ein Gedicht u¨ ber Regensburg und dessen sieben Namen. Aktensammlungen mit gelegentlichen Verbindungstexten und damit keine historiografischen Arbeiten im strengen 550

1. H¨alfte 15. Jh. Sinne sind das Concilium Constanciense und Concilium provinciale (um 1421–23) zum Konzil von Konstanz, das A. selbst nicht besuchen konnte, und zur Regensburger Di¨ozesansynode von 1419. Vor allem das umfangreiche Concilium Constanciense stellt eine bedeutende Quellensammlung dar, da viele St¨ucke nur hier u¨ berliefert sind. Das Diarium sexennale (Titel nach Oefele [s. Ausg.]) ist eine lat. und dt. Notizensammlung zu diversen Ereignissen der Jahre 1422–27, die tagebuchartig geordnet sind. Neben Abschriften handelt es sich auch um Notate von m¨undlichen Berichten. Das Diarium scheint zum Teil eine konkrete Vorarbeit zur Chronica Husitarum zu sein. Diese in den Textzeugen unbetitelte Chronica ist wie die beiden Concilia eine Aktensammlung, in diesem Fall zu den Hussitenkriegen 1419–28. Um 1430 nahm A. das Hussitenthema im Dyalogus de heresi bohemica ein weiteres Mal auf. Im Dialog zwischen «ratio» und «animus» gelangt A. zu einer chronologischen Darstellung der Ereignisse, die in die Hussitenkriege m¨undeten und erkl¨art auch Grundbegriffe der Auseinandersetzung sowie die hussitische Lehre. Von allen Schriften A.s hat der «Dyalogus» den st¨arksten didaktischen Charakter. 1425 u¨ berreichte A. dem Wittelsbacher Herzog Ludwig VII. einen selbst angefertigten (und nicht erhaltenen) Stammbaum des Herrschergeschlechts. Offensichtlich bei dieser Gelegenheit erhielt A. den Auftrag zur Abfassung einer Chronik der bayerischen Herz¨oge. Im selben Jahr d¨urfte er eine erste Fassung der Chronica de principibus terrae Bavarorum erstellt haben, die bis einschließlich 1180 reichte. Diese u¨ berarbeitete er – wohl auch noch 1425 – und baute in den folgenden Jahren diese zweite Redaktion in mehreren Stufen weiter aus: 1428 war die Fortsetzung der Chronik bis 1427 abgeschlossen; die letzte Erweiterung geht bis zum Jahr 1436. A. gr¨undet f¨ur seine Bayern-Chronik, der ersten umfassenden Geschichte Bayerns von den Anf¨angen an, haupts¨achlich auf seiner eigenen Papst- und Kaiserchronik, zieht aber auch weitere Quellen heran, darunter die Chronik → Ottos von Freising, das Pantheon → Gottfrieds von Viterbo und die → Kastler Reimchronik. Um 1427 hat A. begonnen, die Bayern-Chronik ins Deutsche zu u¨ bersetzen und schloss diese Arbeit 1428 zusammen mit der Erweiterung der lat. Chronik bis 1427 ab. Im 16. Jh. ¨ kamen zwei weitere dt. Ubersetzungen hinzu, wobei umgekehrt schon im 15. Jh. zwei R¨uck¨ubersetzung der dt. Fassung vorgenommen wurden (eine 551

Andreas von Regensburg wom¨oglich von Hartmann → Schedel). Der Regensburger Lohnschreiber Leonhard → Heff hat um 1470/71 die Papst- und Kaiserchronik ins Deutsche u¨ bersetzt sowie Ausz¨uge aus dem Consilium Constantiense und der Chronica Hussitarum. ¨ Uberlieferung: Chronica pontificum et imperatorum Romanorum: Rund 20 Hss.; vgl. Leidinger (s. Ausg.) S. XVIII–XXXVII. – Autograph (Ab¨ schrift): Wien, ONB, Cod. 3296, 1r–100r (Pap., zweites Viertel 15. Jh.). – Compendium de condicione civitatis Ratisponensis et de diversis haereticis: Mu¨ nchen, UB, 2° Cod. ms. 672, 308r–324r (Pap., 15. Jh.). – M¨unchen, BSB, Clm 27070, 84r–100r (Pap., 1611–14). – Concilium Constanciense/provin¨ ciale und Chronica Husitarum: Uberlieferungsverbund: 6 Hss. insgesamt; Chronica Husitarum nur in 5 Hss., Concilium provinciale nur in 2 Hss.; vgl. Leidinger (s. Ausg.) S. LXI–LXIII, LXX–LXXII (auch zu den Fr¨uhdrucken). – Diarium sexennale: M¨unchen, BSB, Clm 903, 221r–224v/235r–271r (Pap., 1420–57). – Chronica de principibus terrae Bavarorum/ Chronik von den F¨ursten von Bayern: Zwei Hss. Red. 1, 4 Hss. Red. 2, 7 Hss. endg¨ultige Fas¨ sung; A.’ dt. Ubers. in 8 vollst. Hss. und 3 Fragm.; vgl. Leidinger (s. Ausg.) S. LXXXIII–LXXIX, LXXXXV–LXXXXVIII. – Dyalogus de heresi bo¨ hemica: 5 Hss., vgl. Leidinger S. CIX–CXI. – Ubersetzungen Leonhard Heffs: Hamburg, SUB, Cod. hist. 8, 12r–231v (Pap., 1501). – M¨unchen, BSB, Cgm 3959, 15ra–339ra (Pap., erstes Viertel 16. Jh., bair., Abschrift des Cgm 6240). – Ebd., Cgm 6240, 17r–312r (Pap., 1471, geschrieben v. Heff, mittelbair.). – Ebd., Clm 14053, (Pap., 1497–1524, Exzerpte). Ausgabe: Georg Leidinger: A. v. R.: S¨amtliche Werke (Quellen und Er¨orterungen zur bayer. und dt. Gesch. N.F. 1). Mu¨ nchen 1903. Neudr. Aalen 1969. – Chronica pontificum et imperatorum Romanorum: Bernhard Pez: Thesaurus Anecdotorum Novissimus Bd. 4,3. Augsburg/Graz 1723, S. 273–366. – Johann Georg v. Eckhart: Corpus Historicum Medii Aevi Bd. 1. Frankfurt u. a. 1743, S. 1931–2176. – Diarium sexennale: Andreas Felix v. Oefele: Rerum Boicarum Scriptores Nusquam Antehac Editi. Bd. 1. Augsburg 1773, S. 15–30. – Chronica de principibus terrae Bavarorum: Marquard Freher: Andreae Presbyteri Ratisponensis Chronicon de ducibus Bavariae. Amberg 1602. Literatur: Sigmund v. Rietzler, ADB 1 (1875) S. 448 f. – Helmut Plechl, NDB 1 (1953) S. 283. – Peter Johanek, VL2 1 (1978) Sp. 342–348; 11 552

Chronik der Straßburger Franziskanerprovinz (2004) Sp. 92. – Dieter Girgensohn, LexMA 1 (1980) Sp. 609 f. – Gert Melville, LThK3 1 (1993) Sp. 609 f. – De Boor/Newald 4,1 (21994) S. 171, 176 f. – Ottokar Lorenz: Deutschlands Geschichtsquellen im MA seit der Mitte des dreizehnten Jh. Bd. 1. Berlin 31886 (Nachdr. Graz 1966. Augsburg 1999) S. 189–193. – Philipp Schneider: Der Traktat de limitibus parochiarum civitatis Ratisbonensis des Konrad v. Megenberg und die allg. Chron. des A. v. R. In: Hist. Jb. 25 (1904) S. 703–740. – G. Leidinger: Ein Handschriftenverm¨achtnis an die Stadt Regensburg vom Jahre 1430. In: FS Hermann Grauert. Freiburg i. Br. 1910, S. 111–115; als Sonderdr. u. d. T.: Kleine Stud. zu A. v. R. 1. Freiburg i. Br. 1910. – Erwin Herrmann: A. v. R. Ein Geschichtsschreiber des fr¨uhen 15. Jh. In: Die Oberpfalz 46 (1958) S. 269–272. – Rudolf Niederl¨ander: Die ‹Chronica Husitarum› des A. v. R. als eine wesentliche Quelle f¨ur die Gesch. der Hussitenkriege. In: Liber ad magistrum. FS Johannes Sp¨orl. Hg. v. Walter Fr¨ohlich u. a. M¨unchen 1964, S. 83–88. – Repertorium Fontium Historiae Medii Aevi 2 (1967) S. 233 f. – Birgit Studt: Fu¨ rstenhof und Gesch. Legitimation durch ¨ Uberl. (Norm und Struktur 2). K¨oln u. a. 1992, S. 228–262. – Joachim Schneider: Die ‹Chron. v. ¨ den F¨ursten zu Bayern› des A. v. R.: Ubers. als Funktionswandel? In: Wissenslit. im MA und in der Fr¨uhen Neuzeit (Wissenslit. im MA 13). Hg. v. Horst Brunner/Norbert Richard Wolf. Wiesbaden 1993, S. 245–252. – Ders.: Neue Aspekte zu Auftrag, Strategie und Erfolg einer zweisprachigen Dynastiegesch. des 15. Jh.: Die ‹Bayer. Chron.› des A. v. R. lat. und dt. In: Zweisprachige Geschichtsschreibung im sp¨atma. Deutschland. Hg. v. Rolf Sprandel (Wissenslit. im MA 14). Wiesbaden 1993, S. 129–172. – Ders.: Ver¨ mittlungsprobleme einer dt. Weltchronik-Ubers.: ¨ Leonhard Heffs Ubers. der ‹Chronica pontificum et imperatorum Romanorum› des A. v. R. In: ebd., S. 173–226. – Ders./Helga Mo¨ hringM¨uller/Dieter R¨odel: Sp¨atma. Adelsterminologie ¨ bei Hermann Korner, A. v. R. und seinen Ubers., Veit Arnpeck und Sigismund Meisterlin. In: ebd. S. 385–428. – Claudia M¨artl: A. v. R.: Augustinerchorherr und Geschichstschreiber (ca. 1380 – ca. 1442). In: Ber¨uhmte Regensburger. Lebensbilder aus zwei Jahrtausenden. Hg. v. Karlheinz Dietz/Gerhard H. Waldherr. Regensburg 1997, S. 99–103. – J. Schneider: Zweisprachigkeit als eine 553

1. H¨alfte 15. Jh. Chance der Chronisten im Sp¨atMA. In: Die Geschichtsschreibung in Mitteleuropa (Subsidia Historiographica 1). Hg. v. Wojciech Mrozowicz. Thorn 1999, S. 249–276, hier S. 263 f. – Stefan Dicker: Landesbewusstsein und Zeitgeschehen. Stud. zur bayer. Chronistik des 15. Jh. (Norm und Struktur 30). K¨oln u. a. 2009, S. 30–81. VZ Chronik der Straßburger Franziskanerprovinz. – Lat. Ordenschronik. Die Chronik mit dem Originaltitel Chronicon breve ordinis Minorum cum nominibus provinciarum et ministrorum generalium usque ad tempus concilii primi Lugdunensis ist nur in einer Wiener Handschrift des 15. Jh. u¨ berliefert. Entstanden ist das lat. Werk aber bereits um 1420 bis 1430 im Franziskanerkloster Basel. Die Chronik enth¨alt Annalen zur Geschichte des Franziskanerordens und Listen von dessen Oberen. Eine wichtige Rolle spielen auch die Auseinandersetzungen um die Basler Beginen. Obwohl insgesamt weitgehend kompilatorisch, besitzt die Chronik f¨ur den Zeitraum von 1300 bis 1325 durchaus Eigenst¨andigkeit und Lebendigkeit. ¨ ¨ Uberlieferung: Wien, ONB, cod. 4349, 3r–12r (15. Jh.). Ausgabe: Chron. der Strassburger FranziskanerProvinz. Hg. v. Leonhard Lemmens. In: R¨omische Quartalschr. 14 ( 1900) S. 235–255. – Chronicon Provinciae Argentinensis O. F. M. circa an. 1310–27 a quodam Fratre Minore Basileae conscriptum (1206–1325). Hg. v. L. Lemmens. In: Archivum Franciscanum Historicum 4 (1911) S. 671–687. Literatur: Guy P. Marchal, VL2 1 (1978) Sp. 1260 f. – Rudolf Wackernagel: Eine Chron. des Basler Barf¨ußerklosters. In: Basler Zs. f¨ur Gesch. und Altertumskunde 1 (1902) S. 147 f. – Johann B. Villiger: Das Bistum Basel zur Zeit Johanns XXII., Benedikts XII. und Klemens VI. (1316–1352). Rom 1939, S. 16–20. – Cl´ement Schmitt: Le conflit des Franciscains avec le clerg´e s´eculier a` Bˆale sous l’´evˆeque G´erard de Wippingen (1318–1324). In: Archivum Franciscanum Historicum 54 (1961) S. 216–225. – Brigitte DeglerSprengler: Die Beginen in Basel. In: Basler Zs. f¨ur Gesch. und Altertumskunde 69 (1969) S. 5–83. – ´ Jean-Claude Schmitt: Mort d’une h´er´esie. L’Eglise et les clercs face aux b´eguines et aux b´eghards du Rhin sup´erieur du XIVe au XVe si`ecle. Paris u. a. 1978. MM 554

1. H¨alfte 15. Jh. Justinger, Konrad, † April 1438 Z¨urich. – Chronist. Der vom Oberrhein (eventuell Rottweil) stammende J. kam in der zweiten H¨alfte des 14. Jh. mit seinem Bruder nach Bern, wo er sich zwischen 1390 und 1431 nachweisen l¨asst, zun¨achst als Notar und Schreiber in der st¨adtischen Kanzlei; ausdr¨ucklich als Stadtschreiber Berns wird er nur in einer Urkunde von 1400 bezeichnet. 1420 erhielt J. vom Rat der Stadt den Auftrag, eine Chronik Berns zu schreiben. Diese reicht von 1152 (Wahl Barbarossas) bis 1421 (Grundsteinlegung des M¨unsters). Die Kleine Berner Chronik (auch Anonymus oder K¨onigshofen-Justinger) enth¨alt einen k¨urzeren, vielfach textlich mit der amtlichen Chronik u¨ bereinstimmenden Text, der den Zeitraum 1191–1424 umfasst. Wichtigste Quellen waren die im st¨adtischen Archiv liegenden Urkunden, die im Jahrzeitbuch der Berner Stadtkirche u¨ berlieferte Cronica de Berno (Mitte 14. Jh.), eine Z¨urcher Chronik, die Chronik des Konstanzer Konzils sowie eine Beschreibung der Schlacht von Laupen 1339. J.s Chronik wurde von Diebold → Schilling 1483 f¨ur seine Chronik verwendet und fortgesetzt. Bendicht → Tschachtlan und Heinrich → Dittlinger benutzten in ihrer 1471 abgeschlossenen Chronik eine oder mehrere Handschriften J.s. ¨ Uberlieferung: Zweieinhalb, m¨oglicherweise vom Autograph, der 1430 auf Kosten der Staatskasse gebunden wurde, stammende, rubrizierte Pergamentseiten existieren noch (Bern, Burgerbibl, Mss. H.H.X. 69), ferner f¨unf vollst¨andige Manuskripte. Zum «K¨onigshofen-Justinger» (elf Manuskripte, darunter vier aus dem 15. Jh.) vgl. Perrin (s. Lit.) S. 205–229. Ausgabe: Die Berner-Chron. des K. J. Hg. v. Gottlieb Studer. Bern 1871 (im Anhang auch die ‹Kleine Berner Chron.›). Literatur: Hans F¨uglister/Christine St¨ollinger, VL2 4 (1983) 93–936; 11 (2004) Sp. 823 f. – De Boor/Newald 4,1 (21994) S. 142. – Norbert H. Ott/Regula Schmid, Killy2 6 (2009) S. 223 f. – Gustav Tobler: Die Chronisten und Geschichtsschreiber des alten Bern. Bern 1891. – Aim´ee Perrin: Verz. der hsl. Kopien v. K. J.s Berner Chron. In: Berner Zs. f¨ur Gesch. und Heimatkunde (1950) S. 204–229. – Hans Strahm: Der Chronist K. J. u. seine Berner Chron. v. 1420. Bern 1978. – Richard Feller/Edgar Bonjour: Geschichtsschreibung der Schweiz vom Sp¨atMA zur Neuzeit. Bd. 1. 2., durchgesehene und erw. Aufl. Basel/Stuttgart 555

Justinger 1979, S. 7–11. – Klaus Kirchert: St¨adt. Geschichtsschreibung und Schullit. Wiesb. 1993. – Urs Martin Zahnd: zu ewigen ziten angedenk ... In: Berns grosse Zeit. Bern 1999, S. 187–195. – Regula Schmid: Gesch. im Dienst der Stadt. Z¨urich 2008. – Kathrin Jost: K. J. (ca. 1365–1438). Chronist und Finanzmann in Berns großer Zeit (Konstanzer Arbeitskreis f¨ur Ma. Gesch., Sonderbd. 56). Ostfildern 2011. BJ ¨ Ottinger, Konrad (auch Conrad Attinger). – Dichter eines hussitenfeindlichen Lieds. ¨ ist nur durch seine Eigennennung in einem O. von ihm verfassten Lied nachzuweisen; seine genaue Identit¨at ist unbekannt. M¨oglicherweise han¨ um Konrad M¨uller d. A. ¨ aus delte es sich bei O. Deiningen. M¨uller war Notar und Schreiber in der ¨ gr¨aflichen Kanzlei der von Ottingen sowie Vater von Konrad Bottstatter. Allerdings ist Mu¨ ller sonst nicht als Autor hervorgetreten. ¨ Lied mit dem Incipit «Hayliger gaist nun O.s gib uns ratt» entstand um 1420/21. Die neun Strophen des Texts rufen zum Kampf gegen die Hussiten auf. Diese werden im Lied mit aufm¨upfigen G¨ansen verglichen, gegen die der Adler (also das Reich) strikt vorgehen soll. Das Lied enth¨alt entsprechende Appelle an K¨onig Sigmund und andere Herrscher, darunter die F¨ursten von Sachsen und Braunschweig. Man hat das Lied wegen seiner radi¨ Anspielung auf das Brakalen Ressentiments (O.s ¨ ten der G¨anse) mit Muskatblut verglichen. Ob O. weitere Lieder verfasst hat, ist bis heute unsicher. ¨ Uberlieferung: Mu¨ nchen, BSB, Cgm 811, 26v–28r (Pap., zweites Viertel 15. Jh., ostschw¨abisch). – Karlsruhe, LB, cod. Donaueschingen 112, 172r–174v (Pap., Mitte 15. Jh., ostfr¨ankisch). Ausgaben: Die historischen Volkslieder der Deutschen vom 13. bis 16. Jh. 1. Hg. v. Rochus von Liliencron. Leipzig 1865 (Nachdr. Hildesheim 1966) S. 275–278 (Nr. 57). – Thomas Cramer: Die kleineren Liederdichter des 14. und 15. Jh. 1. Mu¨ nchen 1977, S. 47–50, 420 f. Literatur: Eva Kiepe-Wilms, VL2 7 (1989) Sp. 205 f. – Dies.: Zu Egen v. Bamberg, Engel¨ In: ZfdA 101 (1972) hart v. Hirschhorn und K. O. S. 285–288. – Ulrich M¨uller: Unters. zur politischen Lyrik des dt. MA (GAG 55/56). G¨oppingen 1974, S. 222. – Das a¨ lteste Lehenbuch der Grafschaft Oettingen. 14. Jh. bis 1477. Bearb v. 556

Rothe Elisabeth Gr¨unenwald. Augsburg 1976, passim. – Bertrand Michael Buchmann: ‹Daz jemant singet oder sait ...› Das volkst¨umliche Lied als Quelle zur Mentalit¨atengesch. des MA. Frankfurt/M. 1995, S. 163–169. – Ulrich Ernst: Literarische Ausgrenzungsstrategien gegen¨uber Ketzern im Sp¨atMA. Versuch einer Systematisierung. In: Exil, Fremdheit und Ausgrenzung in MA und fr¨uher Neuzeit. Hg. v. Andreas Bihrer u. a. W¨urzburg 2000, S. 15–33. – Helmut Beifuss: Politische Lyrik. Dichter zwischen Propaganda und Selbstdarst. Die deutschsprachigen Auseinandersetzungen des 15. Jh. mit den Hussitenkriegen als Fallbeispiel. In: B¨ohmen als ein kulturelles Zentrum dt. Lit. Hg. v. Petra H¨orner. Frankfurt/M. u. a. 2004, S. 63–107. MM Rothe, Johannes, * um 1355/60 Creuzburg/ Werra, † 5.5.1434 Eisenach. – Juristischer, geistlicher und historiographischer Schriftsteller. ¨ Uber R.s Ausbildung gibt es keine Kenntnisse, aber sein Wirken in Eisenach ist urkundlich reich belegt. Als Priester ist er dort 1387 erstmalig bezeugt. Seit 1394 hatte er das Vikariat am Marienstift und seit 1397 an St. Georg inne. Auch stand R. im Dienst der Stadt Eisenach und erscheint 1393 zum ersten Mal als «notarius». Von 1395 bis um 1407/12 war er als Ratsschreiber t¨atig. An St. Marien ist er als Stiftsherr erstmals 1418 nachgewiesen, wahrscheinlich ist R. aber sp¨atestens 1414 in das Chorherrenstift eingetreten. 1421 wurde er Leiter der dortigen Stiftsschule. In seiner Th¨uringischen Weltchronik bezeichnet er sich in einem Akrostichon zudem als «capellan des bischofis» und an anderer Stelle auch als Kaplan der Landgr¨afin Anna von Schwarzburg, Gattin Friedrichs des Friedfertigen. R. hat ein breitgef¨achertes schriftstellerisches Werk hinterlassen. Dabei stehen sein literarisches Œuvre und seine Biographie in unmittelbaren Zusammenhang. Aus der Stadtschreiberzeit stammen die Ratsgedichte, Rechtsb¨ucher und vielleicht seine erste Chronik, w¨ahrend die geistliche Dichtung ¨ mit seinen klerikalen Amtern korrespondiert. Im Kontext seines (zumindest erstrebten) Dienstes am landgr¨aflichen Hof sind vor allem die zwei sp¨ateren Chroniken und der F¨urstenratgeber zu sehen, und der Ritterspiegel k¨onnte aus seiner Unterrichtsst¨atigkeit erwachsen sein. Seine Schriften stehen zueinander in intertextuellem Bezug: Die sp¨ateren sch¨opfen fast durchweg aus ihren Vorg¨angern. R. zeigt bei seinen Werken eine deutliche Pr¨aferenz f¨ur den Vers. Die Rechtsb¨ucher und auch 557

1. H¨alfte 15. Jh. die Chroniken sind allerdings (bis auf die Prologe) in Prosa verfasst, wobei Sprache und Ausdruck in jedem Fall hohen literarischen Standards gerecht werden. Dennoch hat er – mit Ausnahme des Elisabethlebens und der Chroniken – außerhalb des Eisenacher Raums keine nenneswerte Nachwirkung erzielt, was im Falle seiner Erbauungsliteratur auch daran liegen k¨onnte, dass diese konzeptuell f¨ur das 15. Jh. wenig innovativ war. R.s zwei Ratsgedichte werden in verschiedenen Fassungen, teils verderbt oder unvollst¨andig, u¨ berliefert. Vielleicht waren sie urspr¨unglich als Reimvorreden zu einzelnen juristischen B¨uchern konzipiert. Zumindest bestehen inhaltliche Korrelationen. Das erste, paargereimte Gedicht beschreibt den Aufbau der Stadtverwaltung, indem es sie metaphorisch mit dem menschlichen Organismus vergleicht. Das zweite, im leoninischen Hexameter, gemahnt den Stadtrat und die Beamten zu Pflich¨ terf¨ullung und angemessenem Verhalten. Uber ein Akrostichon ist dieses Gedicht an einen «Reinhard» adressiert, vielleicht ist der Eisenacher Ratsherr Reinhard Pinkernail gemeint. Der F¨urstenratgeber in Reimpaaren, der mit den Ratsgedich¨ ten im Uberlieferungsverbund steht, behandelt das in der F¨urstenspiegelliteratur gel¨aufige Thema des rechten Ratgebers. Er bezieht Exempla mit ein und greift auch die Organismusmetapher des ersten Ratsgedichts wieder auf. Die Rechtsb¨ucher, die R. laut Aussage der Th¨uringischen Weltchronik «10 gantze jar» gesammelt hat, sind nur teilweise und in der Redaktion seines (zweiten [?]) Nachfolgers im Schreiberamt Johannes Purgoldt erhalten. Teil einer gr¨oßeren Sammlung war das sog. Eisenacher Rechtsbuch, von dem noch rund 300 Kapitel erhalten sind, die u. a. familien- und erbrechtliche Bestimmungen neben lehensrechtlichen oder stadtrechtlichen Vorschriften enthalten. Diese juristische Sammlung sollte vermutlich dem Eisenacher Oberhof, der f¨ur die St¨adte der gesamten Landgrafschaft zust¨andig war, als Quelle f¨ur die Urteilsfindung dienen. R.s erstes und unbetiteltes historiographisches Werk (sog. Eisenacher Chronik) ist zum Teil eine erweiternde dt. Bearbeitung der Historia de lantgraviis Thuringie Eccardiana. Diese wurde im Eisenacher Franziskanerkloster nicht vor 1412/14 abgeschlossen. Weitere Quellen sind die Chronica Thuringorum und die Chronica minor Minoritae Erphordensis. R.s kurze Chronik reicht von 152 nach Christus (der 558

1. H¨alfte 15. Jh. angeblichen Gr¨undung Eisenachs) bis 1409. Zentrum des Werkes ist Eisenach als Sitz der Landgrafen, wo sich die f¨ur Th¨uringen wichtigen Ereignisse abspielen. Mitunter werden auch Begebenheiten in oder um Eisenach angesiedelt, die von anderen Quellen andernorts lokalisiert werden. Auch die Topographie Eisenachs wird behandelt und die Geschichte der Landgrafen mit Bezug auf die Stadt dargestellt. M¨ogliche Auftraggeber der Chronik sind der Stadtrat (im Text wird der Ratsherr Reinhard Pinkernail erw¨ahnt) oder der Landgrafenhof. Die Erz¨ahlung der Th¨uringischen Landeschronik setzt bei der Sch¨opfung ein und endet 1406 mit dem Tod des Landgrafen Balthasar. In einigen Handschriften wird sie bis 1426, 1496, 1550 und 1552 weitergef¨uhrt. Zur Sprache kommen im ersten Teil u. a. biblische und r¨omische Geschichte und die legend¨are Abkunft der Th¨uringer vom Heer Alexanders des Großen. Der Hauptteil richtet den Fokus auf die Landesgeschichte und die Landesherren. R. scheint zahlreiche gegen¨uber der Eisenacher Chronik zus¨atzliche th¨uringische historiographische Quellen ausgewertet zu haben (darunter auch die Historia de lantgraviis Pistoriana aus dem Eisenacher Predigerkonvent). Er folgt nicht der traditionellen heilgeschichtlichen Anordnung des Materials sondern einer simplen Chronologie. Gewidmet ist das vermutlich um 1418/19 abgeschlossene Werk u¨ ber ein Akrostichon der Reimvorrede und deren Strophen 50–53 dem Amtmann auf der Wartburg, Bruno von Teutleben. Auch die Th¨uringische Weltchronik (D¨uringische Chronik) stellt th¨uringische Geschichte in einen gr¨oßeren historischen Kontext und beruht auf vergleichbaren Quellen, ist aber ausf¨uhrlicher bei einer st¨arkeren Betonung des universalgeschichtlichen Aspektes. Erweitert um eine Papst-/Kaisergeschichte enth¨alt sie andererseits auch mehr Material zur Lokalgeschichte. Gewidmet ist das 1421 abgeschlossene Werk der Landgr¨afin Anna (wiederum im Versprolog). In einigen Handschriften wird die Chronik bis 1440 fortgesetzt, der Erfurter B¨urgermeister Hartung → Kammermeister († 1467) verfasste eine Fortsetzung bis 1467. R.s Chroniken sind der Ausgangspunkt volkssprachlicher Geschichtsschreibung in Th¨uringen, auf der die sp¨atere Landeshistoriographie (Konrad → Stolle, Wigand → Gerstenberg) aufbaut. Das Lob der Keuschheit k¨onnte R.s fr¨uhestes Werk sein und aus den 80er Jahren des 14. Jh. stam¨ men. Uber ein Akrostichon ist es einer «Alheid» 559

Rothe als Neujahrsgabe gewidmet, wom¨oglich der Eisenacher Zisterziensernonne Alheid Tuchin. In 5635 paargereimten Versen bietet das Werk ein allegorisches Gem¨alde der Keuschheit und weiterer Tugenden (wie etwa der M¨aßigkeit). R. sch¨opft vor allem aus der patristischen Literatur und kommt bei direkter Ansprache der Rezipientin immer wieder auf die zeitgen¨ossischen sittlichen Verh¨altnisse in Frauenkl¨ostern zu sprechen. R.s Ritterspiegel d¨urfte um 1415 entstanden sein und war vielleicht f¨ur seine adligen Stiftssch¨uler bestimmt. In rund 4100 Kreuzreimversen wird aus b¨urgerlicher Sicht eine breit angelegte Standesdidaxe f¨ur den wirtschaftlich und sittlich verfallenden Ritterstand geboten. Begrifflichkeit, Geschichte, Privilegien oder Pflichten des Rittertums werden erl¨autert und eine Tugendadels-Lehre einbezogen. Als Quelle dient Flavius Vegetius Renatus, zus¨atzlich verwendet R. zahlreiche Autorit¨atenzitate. Das paargereimte Elisabethleben (→ Das Leben der heiligen Elisabeth) entstand nach der Th¨uringischen Weltchronik, aus der es sch¨opft, und ist neben den Chroniken die am weitesten verbreitete Schrift R.s. Es st¨utzt sich insbesondere auf → Dietrich von Apolda. Zwei Fassungen liegen vor (beide um 4100 Verse), die neben Varianz im Hauptteil auch unterschiedliche Vorreden haben. Ob die sp¨atere Version auf R. selbst zur¨uckgeht, ist nicht gekl¨art. Die Geistliche Brustspange (Liber devotae animae) ist stark an das Lob der Keuschheit angelehnt, bezieht sich aber gelegentlich auch auf den Ritterspiegel und z¨ahlt zu den letzten Werken R.s. Die Allegorese einer goldenen Brustspange ist eine Neujahrsgabe, laut Akrostichon wahrscheinlich f¨ur die Nonnen zu St. Katharina in Eisenach. Einzelne Teile des Schmuckst¨uckes werden in Hinblick auf Tugenden und die Gef¨ahrdungen des Klosterlebens ausgelegt. Daneben werden Themen wie Trinit¨at, Erl¨osung, Eucharistie und J¨ungstes Gericht angeschnitten. Als Autorit¨aten treten → Augustinus und → Bernhard von Clairvaux in den Vordergrund. Durch Bernhard gelangen auch mystische Darstellungen in das Werk. ¨ Aufgrund von Ubereinstimmungen zur PilatusDarstellung in der Weltchronik ist die Passion vermutlich gleichfalls in die sp¨ate Periode zu setzen. Deren 2051 Paarreimverse haben vier Abschnitte: Lebensgeschichte des Judas (→ Judaslegende), Entstehung des Geldes und Geschichte der 30 Silberlinge, Pilatuslegende (→ Pilatus) und Zerst¨orung 560

Rothe Jerusalems. Die Judaslegende hat R. u¨ ber die Version der Legenda aurea des → Jacobus a Voragine rezipiert und zu den Silberlingen außerdem eine Passage aus dem Pantheon → Gottfrieds von Viterbo (Particula XX, «Denariis triginta deum») herange¨ zogen. Uber Gottfried k¨onnte R. auch die Historia apocrypha der Legenda aurea eines Anonymus des 12. Jh. rezipiert haben, deren Hauptbestandteil eine Pilatusvita ist. Der Abschnitt zu Pilatus bei R., mit 1264 Versen der Hauptteil der Passion, ist eine dt. Versbearbeitung dieser Vita, der Passus in der Weltchronik eine Kurzfassung. ¨ Uberlieferung: Ratsgedichte/F¨urstenratgeber: Fulda, LB, Cod. D 31, 54v–60r (Gedichte), 60r–64v (Ratgeber), (Perg., R.–Texte 1409, obd.). – Berlin, SBB, Mgq 13, 130r–139v (Pap., 1454), nur Ratsgedichte. – Eisenacher Rechtsbuch/Ritterspiegel: Kassel, UB, LB und Murhardsche Bibl., 4° Ms. poet. et roman. 8, 1r–80v (Spiegel), 81r–154v (Rechtsbuch), (Pap., erstes Viertel 15. Jh., th¨uringisch); der auf 150r–152r innerhalb des Rechtsbuches stehende berufskundliche Traktat → Die sieben Eigenk¨unste (artes mechanicae) stammt nicht von R. – Eisenacher Chronik: Berlin, SBB, Mgq 252, 59 Bll. (Pap., zweites Viertel/Mitte 15. Jh., westth¨uringisch); Nhd. Bearbeitung: Dresden, LB Mscr. K 362 (1567). – Th¨uringische Landeschronik: 37 bekannte Hss., zwei davon aus dem 15. Jh.: Gotha, Forschungsbibl., Cod. Chart. B 180, 158r–288r (Pap., 1487, ostmitteldt.), geschrieben v. Urban Schlorff, daher fr¨uher oft «Schlorffsche Chronik». – Leipzig, UB, Rep. II 137, 16r–116v (Pap., R.-Abschn.: 1485, ostmitteldt.). – Th¨uringische Weltchronik: Mindestens 11 Hss.; a¨ltester Vertreter: Halle, U und LB, Cod. Stolb.-Wernig. Zb 32 (vormals Wernigerode, F¨urstl. Stolbergische Bibl., Cod. Zb 32), 197 Bll. (Pap., zweites Viertel 15. Jh. [nach 1435], ostmitteldt.). – Lob der Keuschheit: Berlin, SBB, Mgq 186, 2r–41v (Pap., Mitte/zweite H¨alfte 15. Jh., els¨assisch). – Ebd., Mgq 1400 (vormals Cheltenham, Bibl. Phillippica, Cod. 8311), 99 Bl. (18. Jh., th¨uringisch), Abschrift einer verschollenen Hs. v. 1456. – Elisabethleben: 11 Hss., ein Fragm.; Referenzhs.: Coburg, LB, Ms. Cas. 102, 66r–103v (Perg. und Pap., 1404 und Mitte bis drittes Viertel 15. Jh., th¨uringisch). – Geistliche Brustspange: Kopenhagen, Arnamagnæanske Inst., Cod. AM 785.4°, 100v–231v (Pap., drittes Viertel 15. Jh., westth¨uringisch). – Passion: Dresden, LB, Mscr. M 199, 38 Bll. (Pap., Mitte/zweite H¨alfte 15. Jh., 561

1. H¨alfte 15. Jh. th¨uringisch), durch Wassereinwirkung nicht mehr lesbar. Ausgaben (Ausw.): Rochus v. Liliencron: D¨uringische Chron. des J. R. (Th¨uringische Geschichtsquellen 3). Jena 1859. – Alfred Heinrich: J. R.s Passion. Mit einer Einleitung und einem Anh. (Germanistische Abh. 26). Breslau 1906. Nachdr. Hildesheim/New York 1977. – Hans Neumann: J. R. Das Lob der Keuschheit. Nach C.A. Schmids Kopie einer verschollenen L¨uneburger Hs. (DTM 38). Berlin 1934. – Ders.: J. R. Der Ritterspiegel (ATB 38). Halle 1936. – Peter Rondi: J. R. Eisenacher Rechtsbuch (Germanenrechte NF, Abt. Stadtrechtsb¨ucher 3). Weimar 1950 (mit nhd. ¨ Ubersetzung). – Herbert Wolf: J. R.s Ratsgedichte (Texte des sp¨aten MA und der fr¨uhen Neuzeit 25). Berlin 1971. – Martin J. Schubert/Annegret Haase: J. R.s Elisabethleben. Aufgrund des Nachlasses v. Helmut Lomnitzer (DTM 85). Berlin 2005. – Sylvia Weigelt: J. R. Th¨uringische Landeschron. und Eisenacher Chron. (DTM 87). Berlin 2007. – Der Ritterspiegel. Hg., u¨ bersetzt und kommentiert v. Christoph Huber/Pamela Kalning. Berlin/New York 2009. – Eine Edition der «Geistlichen Brustspange» (Exzerpte bei Ahmling [s. Lit.] passim) ist v. Jens Haustein angek¨undigt. Literatur: Franz Xaver v. Wegele, ADB 29 (1889) S. 350 f. – BWG2 (1974) S. 2369. – De Boor/Newald 3,2 (1987) S. 12, 94–96, 111 f., 227, 429, 444 f. – Volker Honemann, VL2 8 (1992) Sp. 277–285; 11 (2004) Sp. 1133. – Matthias Werner, LexMA 7 (1995) Sp. 1050. – S. Weigelt, LThK3 5 (1996) Sp. 963. – Hans Schneider, RGG4 7 (2004) Sp. 646. – Stefan Tebruck, NDB 22 (2005) S. 118 f. – V. Honemann: Eisenacher Rechtsbuch. In: HRG2 1 (2008) Sp. 1310–1313. – P. Kalning, Encyclopedia of the Medieval Chronicle 2 (2010) S. 1298 f. – Dies., Killy2 10 (2011) S. 58–60. – Carl Adolf Herschel: J. R. In: Serapeum 17 (1856) S. 293–297. – Reinhold Bechstein: Zu der th¨uringischen Chron. des J. R. In: Germania 4 (1859) ¨ S. 472–482. – Fedor Bech: Uber J. R. In: Germania 6 (1861) S. 45–80, 257–287; 7 (1862) S. 354–367; ¨ 9 (1864) S. 172–179. – August Witzschel: Uber das Leben der hl. Elisabeth v. J. R. In: Zs. des Ver. f¨ur th¨uringische Gesch. und Altertumskunde 7 (1867) S. 359–418, 493–495. – Ders.: Beitr. zur Texteskritik der D¨uringischen Chron. des J. R. 2 Bde. (Jahresber. des Gymn. zu Eisenach 1873/74 und 74/75). Eisenach 1874/75. – Julius Petersen: Das Rittertum in der Darstellung des J. R. Straßburg 562

1. H¨alfte 15. Jh. 1909. – Hermann Helmbold: J. R. und die Eisenacher Chroniken des 15. Jh. In: Zs. des Ver. f¨ur th¨uringische Gesch. und Altertumskunde 29, NF 21 (1913) S. 393–452. – Karl Zander: J. R. Sein Leben und seine Werke. Diss. Halle 1921. – Maria ¨ Homrich: Stud. u¨ ber die hsl. Uberl. des Lebens der Hl. Elisabeth v. J. R. Diss. Frankfurt/M. 1924. – Ludwig Ahmling: Liber devotae animae. Ein neues Werk J. R.s. Vorstud. zu einer Ausg. des Gedichts. Diss. Hamburg 1933. – H. Neumann: Das Lob der Keuschheit, ein Lehrgedicht v. J. R. Literarhist. und sprachgeschichtl. Unters. (Palaestra 191). Leipzig 1934. – Ders.: Die eigenh¨andigen Urkunden J. R.s und ihre wissenschaftl. Bedeutung. In: Zs. des Ver. f¨ur th¨uringische Gesch. und Altertumskunde 45, NF 31 (1935) S. 351–357. – Ute Schwab: Zum Thema des J¨ungsten Gerichts in der mhd. Lit. 2. Die Bedeutung der vier j¨ungsten Dinge im sog. ‹Liber devotae animae› des J. R. In: Annali Istituto Orientale di Napoli. Sezione Germanica 3 (1960) S. 51–65. – Ludwig Ehrich Schmitt: Unters. zu Entstehung und Struktur der ‹nhd. Schriftsprache›. Bd. 1: Sprachgesch. des Th¨uringisch-obers¨achsischen im Sp¨atMA. Die Gesch¨aftssprache v. 1300 bis 1500 (Mitteldt. Forschungen 36,1). K¨oln/Graz 1966, S. 177–184 u. o¨ . – Hans Patze: Landesgeschichtsschreibung in Th¨uringen. In: Gesch. Th¨uringens Bd. 1 (Mitteldt. Forschungen 48,1). Hg. v. dems./Walter Schlesinger. K¨oln u. a. 1968, S. 1–47, hier S. 13–16. – Ders.: Verfassungs- und Rechtsgesch. im hohen und sp¨aten MA. In: ebd. Bd. 2,1 (Mitteldt. Forschungen 48,2,1). K¨oln u. a. 1974, S. 345–348, 365–368. – Gerhild S. Williams: Adelsdarstellung und adliges Selbstverst¨andnis im Sp¨atMA. Politische und soziale Reflexionen in den Werken J. R.s und Ulrich F¨uetrers. In: Legitimationskrisen des dt. Adels. 1200–1900 (Literaturwiss. und Sozialwiss. 11). Hg. v. Uwe Hobendahl/Paul Michael L¨utzeler. Stuttgart 1979, S. 45–60. – V. Honemann: J. R. und seine Th¨uringische Weltchron. In: Geschichtsschreibung und Geschichtsbewußtsein im sp¨aten MA (Vortr¨age und Forschungen. Konstanzer Arbeitskreis f¨ur Ma. Gesch. 31). Hg. v. Hans Patze. Sigmaringen 1987, S. 497–522 (wieder in: ders.: Literaturlandschaften. Schr. zur deutschsprachigen Lit. im Osten des Reiches (Medieval to Early Modern Culture 11). Hg. v. Rudolf Suntrup u. a. Frankfurt/M. 2008, S. 95–124. – S. Weigelt: J. R.s Darstellung der Sage vom S¨angerkrieg und ihre Quellen. In: 563

Rothe Dt. Sprache und Lit. in MA und Fr¨uher Neuzeit. Hg. v. Heinz Endermann/Rudolf Bentzinger. Jena 1989, S. 159–168. –- Dies.: J. R. als sp¨atma. Chronist. In: Ergebnisse der 22. und 23. Jahrestagung des Arbeitskreises ‹Dt. Lit. des MA›. (Dt. Lit. des MA 6). Hg. v. Wolfgang Spiewok. Greifswald 1990, S. 156–165. – Dietmar Peil: ‹... hende, arme, fuß und beyne›. Anmerkungen zur organologischen Metaphorik in den Ratsgedichten des J. R. In: ZfdA 119 (1990) S. 317–332. – V. Honemann: Die Stadt bei J. R. und Hermann Bote. In: Hermann Bote. St¨adtisch-hansischer Autor in Braunschweig 1488–1988 (Fr¨uhe Neuzeit 4). Hg. v. Herbert Blume/Ebergard Rohse. T¨ubingen 1991, S. 24–42 (wieder in: Literaturlandschaften [s. o.] S. 125–146). – V. Honemann: J. R. in Eisenach. Literarisches Schaffen und Lebenswelt eines Autors um 1400. In: Fortuna vitrea 6 (1991) S. 69–88 (wieder in: Literaturlandschaften [s. o.] S. 147–166). – R¨udiger Schnell: Lat. und volkssprachliche Vorstellungen. Zwei Fallbeispiele (Nationsbewußtsein; K¨onigswahl). In: Lat. und Volkssprache im dt. MA 1100–1500. Regensburger Colloquium 1988. Hg. v. Nikolaus Henkel/Nigel F. Palmer. T¨ubingen 1992, S. 123–141, hier S. 136. – Ilse Haari-Oberg: Die Wirkungsgesch. der Trierer Gr¨undungssage vom 10. bis 15. Jh. (Europ¨aische Hochschulschr. 3,607). Bern u. a. 1994, S. 100–104. – S. Weigelt: Die Th¨uringische Landeschron. des J. R. Ihre Quellen und deren editorische Darstellung am Bei¨ spiel der Vita Ludowici in der Ubers. des Friedrich K¨oditz v. Salfeld. In: Quelle – Text – Edition. Ergebnisse der o¨ sterr.-dt. Fachtagung (Beih. zu editio 9). Hg. v. Anton Schwob/Erwin Streitfeld. T¨ubingen 1997, S. 109–121. – Peter Strohschneider: J. R.s Verslegende u¨ ber Elisabeth v. Th¨uringen und seine Chron. Materialien zum Funktionsspektrum legendarischen und historiographischen Erz¨ahlens im sp¨aten MA. In: Internationales Arch. f¨ur Sozialgesch. der dt. Lit. 23 (1998) S. 1–29. – S. Weigelt: Stud. zur ‹Th¨uringischen Landeschron.› des ¨ J. R. und ihre Uberl. Mit Vor¨uberlegungen zur Edition der Landeschron. Habilschr. Jena 1999. – Dies.: Die Rezeption der ‹Th¨uringischen Landeschron.› des J. R. in differenten Bedarfskonstellationen des 15. und 16. Jh. In: Instrumentalisierung von Historiographie (Das MA 5). Hg. v. Gudrun Gleba. Berlin 2000, S. 71–86. – Dies.: Die st¨adtische Eisenacher Kanzlei um 1400 und die autographen Urkunden des J. R. In: Septuaginta quinque. FS Heinz Mettke. Hg. J. Haustein u. a. Heidelb. 2000, S. 409–428. – Henrike 564

And¨achtige Prozession L¨ahnemann: Didaktische Verfahrensweisen im Ritterspiegel des J. R. In: Lit. und Macht im ma. Th¨uringen. Hg. v. Ernst Hellgardt u. a. K¨oln u. a. 2002, S. 179–190. – C. Huber: Die Ritterweihe Landgraf Ludwigs IV. bei J. R. Historiographischer Textbaustein und poetologische Aspekte. In: ebd., S. 165–177. – Repertorium fontium historiae medii aevi 10 (2004) S. 196 f. – Christoph Fasbender (Hg.): ‹bescheidenheit›. Dt. Lit. des MA in Eisenach und Erfurt. Austellungskat. Univ.- und Forschungsbibl. Erfurt/Gotha. Gotha 2006 (darin: S. Weigelt: J. R. ‹Th¨uringische Weltchron.›, S. 94 f.; C. Fasbender: J. Rs. ‹Weltchron.› und ‹Wilhelms III. v. Th¨uringen Pilgerfahrt ins Heilige Land›, S. 96 f.; ders.: J. R. Elisabethleben: Erz¨ahlung vom Wartburgkrieg, S. 100 f.; C. Huber/P. Kalning/H. L¨ahnemann: J. R. ‹Der Ritterspiegel› S. 102 f.). – M. J. Schubert: Philol. Kontamination und ma. Textgesch. J. R.s ‹Elisabethleben›. In: Ber. und Abh. der Berlin-Brandenburgischen Akad. der Wiss. 10 (2006) S. 183–194. – J¨urgen Wolf: Die Heiligenlegende als multivalente Gattung zwischen kl¨osterlich-dynastischer Memorialkultur, Chronistik und laikal-privater Andacht: Beobachtungen am ‹Elisabethleben› des J. R. In: The Medieval Chronicle 4 (2006) S. 203–213. – Ders.: Sammelbd. mit zwei th¨uringischen Lebensbeschreibungen Ludwigs IV. und Elisabeth. In: Elisabeth v. Th¨uringen – eine europ¨aische Heilige. Kat. Hg. v. Dieter Blume/Matthias Werner. Petersberg 2007, S. 440 f. – M. J. Schubert: Das ‹Elisabethleben› des J. R. In: ebd., S. 441 f. – J. Haustein: Wuchernde Allegorien. Zu J. R.s ‹Geistlicher Brustspange›. In: Ma. Sprache und Lit. in Eisenach und Erfurt. FS Rudolf Bentzinger (Kultur, Wiss., Lit. Beitr. zur Mittelalterforschung 18). Hg. v. M. Schubert u. a. Frankfurt/M. 2008, S. 122–130. – Brigitte Pfeil: Die ‹Th¨uringische Weltchron.› des J. R. aus der B¨ucherslg. der F¨ursten zu StolbergWernigerode (Halle, ULB, Solb.-Wernig. Zb 32). In: ebd., S. 207–229. – H. L¨ahnemann/Sandra Linden (Hg.): Dichtung und Didaxe. Lehrhaftes Sprechen in der dt. Lit. des MA. Berlin/New York 2009 (darin: C. Huber: Didaktischer Pluralismus und Poetik der Lehrdichtung. Zum ‹Ritterspiegel› des J. R., S. 413–426; P. Kalning: Ubi-sunt-Topik im ‹Ritterspiegel› des J. R. zwischen lat. Quellen und literarischer Gestaltung, S. 427–438; M. Schubert: J. R. als didaktischer Chronist, S. 439–449; V. Honemann: Das Bild der Gerechtigkeit im Rechtsbuch des J. R./Johannes Purgoldt und seine Tradition, S. 469–479). VZ 565

1. H¨alfte 15. Jh. And¨achtige Prozession. – Bericht u¨ ber eine Pilgerprozession zu den heiligen St¨atten der Grabeskirche in Jerusalem von 1421/22. Die A. P. ist ein anonym u¨ berlieferter kurze Bericht u¨ ber eine von Franziskanerbr¨udern angef¨uhrte n¨achtliche Pilgerprozession zu den «loca sacra» der Grabeskirche in Jerusalem. Die einzelnen Stationen (Kapellen, Alt¨are, S¨aulen etc.) werden beschrieben und hinsichtlich ihrer biblischen oder legendenhaften Bez¨uge erl¨autert. Am Schluss steht eine Aufz¨ahlung der Gr¨aber der Jerusalemer Kreuzfahrerk¨onige und ein chronikartiger Abriss der Kreuzz¨uge. Es k¨onnte sich bei der A. P. um einen Auszug aus einem verschollenen Pilgerreisebericht eines Ritters handeln. F¨ur den Ritterstand des Verfassers sprechen Hinweise auf Wappen in der Grabeskirche, die Erw¨ahnung des Ritterschlags am heiligen Grab und am Ende ein Verweis auf die Georgslegende. Dieser Reisebericht d¨urfte illustriert gewesen ¨ sein: In der bair. Uberlieferung der A. P. ist eine Illustration textlich dokumentiert, in zwei Hand¨ schriften der Uberlieferung als Einschub in das Kaiser Sigismunds Buch ist sie erhalten. Einen gewissen Bekanntheitsgrad darf man der A. P. f¨ur den bair. ¨ ¨ Raum des 15. Jh. unterstellen. Uber einen Uberlie¨ ferungszweig (Cgm 845/1276; ONB, Cod. 3012) wirkte sie auf Beschreibungen des Heiligen Landes ¨ und → Anselm von Eyb von Sebald → Rieter d. A. ein und stellt somit auch eine indirekte Quelle f¨ur Sebald Rieter d. J. und Hans (VI.) → Tucher dar. ¨ Uberlieferung: Mu¨ nchen, BSB, Clm 1805, 42ra–44ra. – Ebd., Clm 14574, 161r–165v. – Ebd., Clm 14909, 67r–73r (1471). – P¨ottmes, Schlossarch. der Freiherren v. Gumppenberg, Nr. 205. – Wien, ¨ ONB, Cod. 3080, 17vb–18ra (Auszug) (alle Hss. Pap., 15. Jh., bair.). – Im Verbund mit dem Pilgerf¨uhrer → Von der Schickung vnd Gestalt des heyligen Grabs: M¨unchen, BSB, Cgm 845, 18r–24v (Pap., 1469/70, mittelbair.). – Ebd., Cgm 1276, 1r ff. (Pap., letztes ¨ Viertel 15. Jh., mittelbair.). – Wien, ONB, Cod. 3012, 35r ff. (Pap., 1458, bair.). – Rheinfr¨ankische ¨ Uberl. als Einschub im Kaiser Sigismunds Buch Eberhard → Windecks. Ausgaben: R¨ohricht/Meisner (s. Lit.) S. 115–119 (nach P¨ottmes). – Wilhelm Altmann: Die Beschreibung der heiligen St¨atten v. Jerusalem in Eberhard Windecke’s Denkw¨urdigkeiten u¨ ber das Zeitalter Kaiser Sigismund’s. In: Zs. des Dt. Pal¨astina Ver. 16 (1893) S. 188–192. – Ders.: Eberhart Windeckes Denkw¨urdigkeiten zur 566

1. H¨alfte 15. Jh.

Von der Schickung vnd gestalt des heyligen grabs

Gesch. des Zeitalters Kaiser Sigmunds. Berlin 1893, S. 372–376. – Sczesny (s. Lit.) S. 51–60 (nach dem ¨ ¨ Uberlieferungszweig Cgm 845/1276; ONB, Cod. 3012). Literatur: Frank Sczesny, VL2 11 (2004) Sp. 88 f. – Reinhold R¨ohricht/Heinrich Meisner: Dt. Pilgerreisen nach dem heiligen Lande. Berlin 1880, S. 111–114. – R. R¨ohricht: Bibliotheca Geographica Palaestinae. Chronologisches Verz. der v. 333 bis 1878 verfaßten Lit. u¨ ber das Heilige Land. Berlin 1890. Verb. und verm. Neuausg. mit einem Vorw. v. David H. K. Amiran. Jerusalem 1963 (Nachdr. London 1989) S. 149 (Nr. 470). – F. Sczesny: Bairischer Anonymus, ‹Von der Gestalt des Heiligen Grabes zu Jerusalem und des Heiligen Landes darum›. In: F¨unf Pal¨astina-Pilgerber. aus dem 15. Jh. (Wissenslit. im MA 33). Hg. und eingel. v. Randall Herz u. a. Wiesbaden 1998, S. 23–96, hier S. 24–27. VZ Von der Schickung vnd gestalt des heyligen grabs. – Anonymer Pilgerf¨uhrer. Die Schilderung der Pilgerreise beschr¨ankt sich geographisch auf Pal¨astina, umfasst noch die hl. ¨ St¨atten im Sinai und in Agypten. Sie spart Anund Abreise aus, enth¨alt aber auch praktische handbuchartige Informationen wie Wegstreckenangaben, Zollangaben, Routen etc. Auf einen Prolog folgen die And¨achtige Prozession in die Grabkirche und die Beschreibung der hl. St¨atten sowie die Beschreibung der Grabkapelle und der Verk¨undigungsgrotte. Die Hss. enthalten die a¨ltesten bildlichen Darstellungen der Grabkapelle (M1: 51v; M2: 23r; W: 74v) und der Verk¨undigungsgrotte in Nazareth (M1: 53v). ¨ Laut Sczesny gehen alle Uberlieferungen auf einen alem. Archetyp zur¨uck, dessen Heimat der w¨urttembergische Hof (Urach oder Stuttgart) mit einem f¨urstlichen Auftraggeber gewesen sei. Dieser sei nach Szesny eine «Kompilation aus Eigenbericht und verabreiteten Quellen». Aus den Quellen u¨ bernommen seien der zweite Teil, die «And¨achtige Prozession» (auf 1421/22 datiert), und der dritte Teil, eine «Beschreibung der heiligen St¨atten» (Mitte 15. Jh.), (VL2 7, Sp. 662 f.). Johannes Kettner, der entgegen R¨ohricht (Pilgerreisen, S. 126 und 140) nicht der Verfasser des Textes war (Sczesny), bearbeitete und schrieb die Vorlage zwischen 1457 und 1461 in seine Sammelhandschrift zusammen mit den → Mirabilia Romae, → Indulgentia ecclesiarum urbis Romae, → Tundalus 567

und → Ps.-Engelharts von Ebrach Das Buch der Volkommenheit (= M1). W¨ahrend Palmer und Schneider davon ausgingen, dass Kettner als Leibarzt Eberhards V. Graf von W¨urttemberg-Urach diesen 1468 nach Pal¨astina begleitete, weist Sczensny nach, dass Graf Ulrich von W¨urttemberg Kenntners Arbeitgeber war (Ausgabe, S. 125 f.). Gleichwohl tr¨agt die Reisebeschreibung → Anselms von Erb auff¨allige Gemeinsamkeiten mit Kettners Text, was auf dessen Benutzung w¨ahrend Eberhards Reise schließen ¨ l¨asst. Die Uberlieferungen M2 und W sind durch eine Zwischenstufe von einem gemeinsamen Archetyp getrennt; Sczesny vermutet, dass Kettner diesen vermittelte (VL2 7, Sp. 662). ¨ Uberlieferung: M1: Mu¨ nchen, BSB, Cgm 845, 18r–54v (Pap., um 1469/70, mittelbair., Schreiber: Johannes Kettner). – M2: Ebd., Cgm 1276, 1r–25r (Pap., vor 1454, mittelbair., Tegernsee oder Bene¨ diktbeuern). – W: Wien, ONB, Cod. 3012, 35r–77r (Pap., vor 1458, mittelbair., Schreiber: Anton Pelchinger). Ausgabe: Frank Sczesny (Hg.): Von der gestalt des heyligen grabs zw Jherusalem. Ausgabe und Beschreibung des Pilgerberichts in cgm 845, cgm 1276 und Wien cod. 3012. Magisterarbeit (masch). W¨urzburg 1987. Literatur: Dietrich Huschenbett/Frank Sczesny, VL2 8 (1992) Sp. 661–663; 11 (2004) Sp. 1381. – Tito Tobler: Bibliographia Geographia Palaestinae ab anno CCCXXXIII usque ad annum M. Dresden 1875, S. 49 f. – Wilhelm Anton Neumann: Beitr. zur Bibliogr. der Pal¨astinalit. im Anschluß an eine Besprechung. In: Zs. des dt. Pal¨astinaVereins 4 (1881) S. 224–244, hier S. 235. – Reinhold R¨ohricht: Biblioteca Geographia Palaestina. Chronologisches Verzeichnis der von 333 bis 1878 verfassten Lit. u¨ ber das Hl. Land mit dem Versuch einer Kartographie. Berlin 1890 (Nachdr. Jerusalem 1963) Nr. 334, S. 114, Nr. 341, S. 115, Nr. 362, S. 121. – Ders.: Dt. Pilgerreisen nach dem hl. Lande. Innsbruck 1900, Nr. 126, 140. – Carol Herselle Krinsky: Representations of the Temple of Jerusalem before 1500. In: Journal of the Warburg and Courtauld Institutes 33 (1970) S. 1–19. – Nigel F. Palmer: ‹Visio Tnudglai›. The German and Dutch Translations and their Circulations in the Later Middle Ages (MTU 76). M¨unchen 1982, S. 258–263. – Sczesny (s. Ausg.). – Karin Schneider: Die dt. Hss. der Bayerischen Staatsbibl. Mu¨ nchen. Cgm 691–867 (Catalogus codicum manu scriptorum Bibliothecae Monacensis V,5). 568

Richental Wiesbaden 1984, S. 597–606. – Ders.: Bairischer Anonymus, ‹Von der Gestalt des Hl. Grabes zu Jerusalem und des Hl. Landes darum›. In: F¨unf Pal¨astina-Pilgerberichte aus dem 15. Jh. Hg. und eingel. v. Randall Herz, D. Huschenbett und F. Sczesny (Wissenslit. im MA 33). Wiesbaden 1998, S. 23–96, hier S. 23, 34–36, 45 f. – D. Huschenbett: Pilgerreiseberichte u¨ ber Pal¨astina. In: VL2 7 (1989) Sp. 687–696; 11 (2004) Sp. 1243. CS Richental, Ulrich ([von] R[e]ichent[h]al[er]), * um 1365 Konstanz, † 1437 Konstanz. – Konstanzer B¨urger und Verfasser einer Chronik zum Konzil von Konstanz. Der Sohn des Konstanzer Stadtschreibers Johann R. d¨urfte zum Geistlichen ausgebildet worden sein und die niederen Weihen empfangen haben. 1380 wird er im Zusammenhang mit einer (erfolglosen) Bewerbung um eine Chorherrenpfr¨unde am Konstanzer Stift St. Johann in einem Dokument als «clericus Constatiensis» bezeichnet. Nach dem dritten Konstanzer Zunftaufstand (1389) verlor R.s Vater sein Amt und die (teilweise patrizische) Familie R.s entscheidend an Einfluss. 1402–35 ist R. als Konstanzer B¨urger ohne o¨ ffentliches Amt oder einen angegebenen Beruf nachgewiesen. Vielleicht war er als Kaufmann t¨atig oder lebte von seinem betr¨achtlichen Verm¨ogen. R. verfasste eine illustrierte dt. Chronik des Konzils von Konstanz (1414–18) und der politischen, kirchlichen und st¨adtischen Ereignisse, die sich w¨ahrend des Konzils abspielten. Er selbst nahm am Konzil nicht teil, doch wurden ihm zur Vorbereitung und w¨ahrend des Konzils organisatorische Aufgaben u¨ bertragen. Dadurch hatte R. auch Zugang zu amtlichen Schriftst¨ucken («libri papales» st¨adtischer Beh¨orden, Kanzleiunterlagen usw.). W¨ahrend des Konzils legte er eine Teilnehmerliste an und offenbar auch eine Materialsammlung, die auf eigener Erfahrung, Teilnehmerbefragungen und Kopien amtlicher sowie publizistischer Dokumente beruhte. Diese Sammlung war die Grundlage seiner Chronik, von der verschiedene handschriftliche Fassungen existieren. Die urspr¨ungliche und umfangreichste ist anhand einer Todesnachricht zu Heinrich Lacembock († 1421) gut datierbar und in der Ich-Form gehalten, wodurch der Augenzeugen-Aspekt betont wird. Am breitesten rezipiert wurde die Konstanzer Revision (um 1424). Sie enth¨alt mehr Nachrichten zu Konstanz, weniger zu R. selbst und berichtet objektiviert in der dritten Person. Diese Fassung wurde 569

1. H¨alfte 15. Jh. vom Konstanzer Rat als offizi¨ose Geschichtsschreibung angenommen. Eine dritte Fassung geht auf den Konstanzer Chronisten Gebhard → Dacher zur¨uck. Dazu kommen Mischtypen, K¨urzungen in Sammelhandschriften und eine lat. Redaktion, die sich indes auf die Erl¨auterung der Bildinhalte beschr¨ankt. Das Bildmaterial war von Anfang an Bestandteil des Chronik-Konzeptes. Die Illustrationen und Ereignisbilder geben Szenen des Konzils wieder und wurden nach Angaben R.s professionell ausgef¨uhrt. Die Chronik wird vom Kirchenjahr und durch Schilderungen von Prozessionen und Kirchenfesten strukturiert, eingeschoben sind politische, geographische, wirtschaftliche oder alltagsbezogenen Themen. Nach einleitenden Ausf¨uhrungen zum Hintergrund des Konzils beginnt dessen Beschreibung mit der Ankunft Johannes XXIII. und endet mit der Abreise K¨onig Sigismunds. Differenzierbar ist dabei ein chronologischer bildlichnarrativer Teil und ein systematischer mit (teilweise lat.) Bistums- und Personenlisten u. a¨ . Zahlreiche und von Handschrift zu Handschrift in der Anzahl variierende Wappenbilder sind eingef¨ugt. R.s Chronik d¨urfte f¨ur ein b¨urgerlich-st¨adtisches Publikum bestimmt gewesen sein. Konstanz erscheint als ein idealer Ort und wird f¨ur die Zeit w¨ahrend des Konzils als weltweites Zen¨ trum christlicher Okumene dargestellt. Enthalten ist auch die erste dt. Beschreibung einer orthodoxen Messe. Vor allem in der Konstanzer Fassung wurde R.s Chronik von sp¨ateren Historiographen rezipiert, darunter Conrad → Justinger, Diebold → Schilling, Claus Schultheiß, Johann Stumpf, Johannes → Nauclerus oder Hermann von der Hardt. F¨ur Wappenb¨ucher ausgewertet wurde sie von Konrad → Gr¨unenberg, Virgil Solis und Martin Schrot. ¨ Uberlieferung (die Papierhss. sind, sofern nicht anders vermerkt, alemannisch/obd. und illustriert) Urfassung: New York, Public Library, Spencer Collection, Ms. 32 (vormals Aulendorf, Gr¨afl. K¨onigsegg’sche Bibl., ohne Sign.), 521 Bll. (um 1460), «Aulendorfer Codex». – Prag, Nationalbibl., Cod. XVI.A.17, 1r–280v (1464), aus der Werkstatt Gebhard Dachers. – «Offizielle» Fassung: Konstanz, Rosgartenmuseum, Hs. 1, 1r–150r (um 1465). – ¨ Wien, ONB, Cod. 3044, 26r–244v (um 1470). – Bearbeitungen Gebhard Dachers: Karlsruhe, LB, Cod. St. Georgen 63, 267 Bll. (um 1470). – Stuttgart, LB, Cod. HB V 22, 117v–167v (1467/69) stark 570

1. H¨alfte 15. Jh. gek¨urzt in hist. Sammelhs., enth¨alt auch die «Konstanzer Chronik» Dachers und die dt. Chron. Jakob → Twingers von K¨onigshofen. – Weitere Bearbeitungen: Karlsruhe, LB, Cod. Ettenheimm¨unster 11, 4r–124r (1467 und 1490–1500), Sammelhs., enth¨alt auch Twingers dt. Chron. – Wolfenb¨uttel, HAB, Cod. 61 Aug. 2°, 1r–239v (Anf. 16. Jh., ohne Bilder); Abschrift der Hs. Wolfenb¨uttel durch H. v. der Hardt: Stuttgart, LB, Cod. theol. et phil. 2° 76,37, 444 Bll. (Ende 17. Jh.). – Gek¨urzte Fassungen in Slg. (ohne Bilder): Innsbruck, Landesmuseum Ferdinandeum, Dip. 873, 1r–78v (Pap., um 1460, Schreiber: C. Schultheiß), enth¨alt auch die «Z¨urcher Stadtchronik». – St. Gallen, Stiftsbibl., Cod. 657, S. 132–228 (zweite H¨alfte 15. Jh.), enth¨alt auch «Konstanzer Weltchronik», «Z¨urcher Stadtchronik». – Z¨urich, ZB, Cod. A 80, 35r–73v (um 1475), enth¨alt auch «Z¨urcher Stadtchronik», sog. «Klingenberger Chronik» des Eberhard → W¨ust. – Ebd., Cod. A 172, S. 132–228 (um 1500), enth¨alt auch «Konstanzer Weltchronik», «Zu¨ rcher Stadtchronik». – Lat. Redaktion: Prag, Nationalbibl., Cod. VII.A.18, 36 Bll. (um 1470). – Stuttgart, Hauptstaatsarch., Bestand J 522, B¨u 29a Nr. 5, 16v–20r (Ende 17. Jh., ohne Bilder), Abschrift aus dem 1697 verbrannten Cod. Salemitanus v. 1491/92). – Zu Faks. der einzelnen Hss. vgl. VL2 8 (1992) Sp. 57 f. – Drucke: Augsburg (Anton Sorg) 1483 (GW M38152), nach Karlsruhe, Cod. St. Georgen 63. – Augsburg (Heinrich Steiner) 1536 (VD16 R 2202). – «Costnitzer Concilium», Frankfurt/M. (Paul Reffeler/Sigmund Feyerabend) 1575 (VD16 R 2203). Ausgaben: Michael Richard Buck: U.s v. R. Chron. des Constanzer Conzils 1414–1418. T¨ubingen 1882 (Aulendorfer Hs.). – Otto Feger: U. R. Das Konzil zu Konstanz. Bd. 1: Faks. Bd. 2: Komm. und Text. Starnberg/Konstanz 1964 (Konstanzer Hs., mit Forschungsbeitr.). – RosgartenMuseum: Die R.-Chron. Das Konstanzer Konzil v. 1414–18. Konstanz 2003 (CD-Rom). – Thomas Martin Buck: Chron. des Konstanzer Konzils 1414–1418. Von U. R. (Konstanzer Gesch.- und Rechtsquellen 41). Ostfildern 2010. 22011. Literatur: Eduard Heyck, ADB 28 (1889) S. 433–435. – Dieter Mertens, VL2 8 (1992) Sp. 55–60. – De Boor/Newald 4,1 (21994) S. 178 f. – Wilhelm Matthiesen, LexMA 8 (1997) Sp. 1201 f. – Karl Schnith, LThK3 10 (2001) Sp. 358. – Thomas Buck, Encyclopedia of the Medieval Chronicle 2 (2010) S. 1277. – Sabine 571

Richental Schmolinsky, Killy2 9 (2010) S. 608 f. – Veronika Feller-Vest, HLS (online) http://www.hlsdhs-dss.ch/textes/d/D18702. – Rudolf Kautzsch: Die Hss. von U. R.s Chron. des Konstanzer Konzils. In: Zs. f¨ur die Gesch. des Oberrheins 48 NF 9 (1894) S. 443–496. – Theodor Vogel: Stud. zu R.s Konzilschron. Diss. Freiburg 1911. – Joseph Karl Riegel: Die Teilnehmerlisten des Konstanzer Konzils. Ein Beitr. zur ma. Statistik. In: Zs. der Ges. f¨ur Bef¨orderung der Geschichts-, Altertums- und Volkskunde von Freiburg, dem Breisgau und den angrenzenden Landschaften 31 (1916) S. 193–267. – Heinrich Finke: Das badische Land und das Konstanzer Konzil. In: Festgabe der Badischen Hist. Kommission zum 9. Juli 1917. Karlsruhe 1917, S. 19–70, hier S. 33–41. – Otto zur Nedden: Quellen und Stud. zur oberrheinischen Musikgesch. im 15. und 16. Jh. (Vero¨ ff. des Musik-Inst. der Univ. T¨ubingen 9). Kassel 1931, S. 48–55. – Karl K¨up: U. v. R.’s Chronicle of the Council of Constance. In: Bulletin of the New York Public Library 40 (1936) S. 303–320. – Eduard Zimmermann: Wappen geistlicher W¨urdentr¨ager in U. R.s Chron. In: Schr. des Ver. f¨ur Gesch. des Bodensees und seiner Umgebung 65 (1938) S. 140–163. – Ders.: Die Wappen der Schweizer Pr¨alaten im Konstanzer Konzilienbuch. In: Schweizer Arch. f¨ur Heraldik 53 (1939) S. 65–71, 121–125. – K. K¨up: The Illustrations for U. R.’s Chronicle of the Council of Constance in Manuscripts and Books. In: Papers of the Bibliographical Society of America 34 (1940) S. 1–16. – Feger (s. Ausg.) Bd. 2, S. 21–36. – Astrik L. Gabriel: Garlandia. Studies in the History of the Mediaeval University. Frankfurt/M. 1969, S. 65–96. – Werner Eichorn: Die Chron. der Schweiz im Sp¨atMA und die Heraldik der Chron. des U. v. R. In: Schweizer Arch. f¨ur Heraldik 85 (1971) S. 17–22. – Stefan Weinfurter: Zum Gestaltungsprinzip der Chron. des U. R. In: Freiburger Di¨ozesanarch. 94 (1974) S. 517–531. – Richard Feller/Edgar Bonjour: Geschichtsschreibung der Schweiz vom Sp¨atMA zur Neuzeit. Basel/Stuttgart 21979, S. 107 f. – Michael Holzmann: Die Konzilschron. des U. R. ¨ Uberlegungen zu den verschiedenen Hss. In: Schr. des Ver. f¨ur die Gesch. des Bodensees und seiner Umgebung 101 (1983) S. 73–82. – Rudolf Gamper: Die Z¨urcher Stadtchron. und ihre Ausbreitung ¨ in die Ostschweiz. Forschungsgesch., Uberl, Analyse der Chroniktexte (Mitt. der Antiquarischen 572

Wusterwitz Ges. in Z¨urich 52,2). Z¨urich 1984. – W. Matthiessen: U. R.s Chron. des Konstanzer Konzils. In Annuarium Historiae Conciliorum 17 (1985) S. 71–191, 323–455. – Helga Unger: Text und Bild im MA. Illuminierte Hss. aus f¨unf Jh. in Faksimileausg. Graz 1986, S. 142–144. – Thomas Cramer: Bilder erz¨ahlen Gesch. Die Illustrationen in U. R.s Chron. als Erz¨ahlung in der Erz¨ahlung. In: Erz¨ahlungen in Erz¨ahlungen. Ph¨anomene der Narration in MA und fr¨uher Neuzeit (Forschungen zur Gesch. der a¨ lteren dt. Lit. 19). Hg. v. Harald Haferland/Michael Mecklenburg. M¨unchen ¨ 1996, S. 327–349. – T. M. Buck: Zur Uberlieferungslage der R.-Chron. Ein textkrit. Vergleich der Aulendorfer und Konstanzer Hs. In: Konstanzer Arbeitskreis f¨ur ma. Gesch. Protokoll 370 (1999) S. 1–27. – Ders.: Der Codex Salemitanus: Rekonstruktion einer verlorenen R.-Hs. In: Quellen, Kritik, Interpretation. FS Hubert Mordek. Hg. v. T. M. Buck. Frankfurt/M. u. a. 1999, S. 247–278. – Ders.: Zu den historiographischen Prinzipien U. R.s. In: Schr. des Ver. f¨ur Gesch. des Bodensees 117 (1999) S. 11–32. – Thomas Rathmann: Geschehen und Geschichten des Konstanzer Konzils. Chron., Briefe, Lieder und Spr¨uche als Konstituenten eines Ereignisses (Forschungen zur Gesch. der a¨lteren dt. Lit. 25). Mu¨ nchen 2000. – Gerrit Jasper Schenk: Sehen und gesehen werden. Der Einzug K¨onig Sigismunds zum Konstanzer Konzil 1414 im ¨ Wandel von Wahrnehmung und Uberl. Am Beispiel v. Hss. und fr¨uhen Augsburger Drucken der R.-Chron. In: Medien und Weltbilder im Wandel der fr¨uhen Neuzeit (Documenta Augustana 5). Hg. v. Franz Mauelshagen/Benedikt Mauer. Augsburg 2000, S. 71–106. – T. M. Buck: Zur Gesch. der R.-Edition. In: Zs. f¨ur W¨urttembergische Landesgesch. 59 (2000) S. 433–448. – Ders.: Fiktion und Realit¨at. Zu den Textinserten der R.-Chron. In: Zs. f¨ur die Gesch. des Oberrheins 149, NF 110 (2001) S. 61–96. – Gisela Wacker: U. R.s Chron. des Konstanzer Konzils und ihre Funktionalisierung im 15. und 16. Jh. Aspekte zur Rekonstruktion der Urschr. und zu den Wirkungsabsichten der u¨ berlieferten Hss. und Drucke. Diss. T¨ubingen 2002. – Klaus Gantert: U. R.: Concilium zu ¨ Konstanz. In: Aderlaß und Seelentrost. Die Uberl. dt. Texte im Spiegel Berliner Hss. und Inkunabeln. Hg. v. Peter J¨org Becker/Eef Overgaauw. Mainz 2003, S. 438. – T. M. Buck: Figuren, Bilder, Illustrationen: Zur piktoralen Literalit¨at der R.-Chron. 573

1. H¨alfte 15. Jh. In: Scientia veritatis. FS H. Mordek. Hg. v. Oliver M¨unsch. Ostfildern 2004, S. 411–443. – Ders.: Von Konstanz u¨ ber Aulendorf nach New York: Zur Text- und Rezeptionsgesch. einer oberschw¨abischen R.-Hs. In: Schr. des Ver. f¨ur Gesch. des Bodensees 125 (2007) S. 3–19. – Repertorium fontium historiae medii aevi 11,3 (2007) S. 262 f. – T. ¨ M. Buck: Zur Uberl. der Konstanzer Konzilschron. U. R.s. In: DA 66 (2010) S. 93–108. VZ Wusterwitz, Engelbert, * um 1385 Brandenburg, † 5.12.1433 Brandenburg. – Geschichtsschreiber. Nach dem Studium in Erfurt (1404) und Prag (1406), wo er 1407 das Bakkalaurat (vielleicht auch den seit 1418 erscheinenden Magistertitel) erwarb, war W. im juristischen Dienst t¨atig. Seit 1410 ist er als Schiedsrichter belegt. Zu seinen Auftraggebern geh¨orten zun¨achst die Bisch¨ofe von Brandenburg. Zwischen 1416 und 1418 wurde W. Stadtschreiber der Altstadt Magdeburg, an der Jahreswende 1424/25 der Neustadt Brandenburg. 1427 war er vor¨ubergehend Offizial des Bischofs von Halberstadt. Neben seinem zu den Anf¨angen der m¨arkischen Chronistik z¨ahlenden Hauptwerk Memoriale (weder im Original noch in Abschriften erhalten), das die Ereignisse in der Mark Brandenburg an der Wende vom 14. zum 15. Jh. behandelt, wird W. die Fortsetzung der → Magdeburger Sch¨oppenchronik (Berichtszeitraum 1411–21) und das Prozessregister des Klosters Lehnin zugeschrieben. ¨ Uberlieferung: 1. Fortsetzung der Magdeburger Sch¨oppenchronik: Zwei Hss. und mehrere Bearbei¨ tungen, Ausz¨uge und Ubersetzungen (vgl. Ausg., S. XLI–XLVII). – 2. Aufzeichnungen zur brandenburgischen Geschichte: Vgl. Ribbe. Ausgabe 1. Mageburger Sch¨oppenchronik: Karl Janicke: Die Chron. der nd. St¨adte 1 (Chron.dt.St. 7). Leipzig 1869 (Nachdr. G¨ottingen 1962) S. 331,8–358,13. – 2. Aufzeichnungen zur brandenburgischen Geschichte: Adolph Friedrich Riedel (Hg.): Codex diplomaticus Brandenburgensis IV, 1. Berlin 1862, S. 23–45 (nach Andreas Angelus). – Julius Heidemann (Hg.): E. W.’ M¨arkische Chron. nach Angelus und Hafftiz. Berlin 1878. – Otto Tschirch: Des E. W. m¨arkische Chron. In: 43. und 44. Jb. des Hist. Vereins zu Brandenburg 1912, S. 1–59. – Ribbe, S. 59–166 (nach allen acht erhaltenen Fassungen von Hafftiz’ Chron.); zu a¨ lteren verstreuten W.-Exzerpten vgl. Ribbe, S. 15–18. Literatur: ADB 44 (1898) S. 371 – Martin Kintzinger, LexMA 9 (1998) Sp. 383 f. – Birgit Studt, 574

1. H¨alfte 15. Jh. VL2 10 (1999) Sp. 1462–1464. – Clemens Bergstedt, Killy2 12 (2011) S. 597. – Wolfgang Ribbe: ¨ Die Aufzeichnungen des E. W. Uberl., Edition und Interpretation einer sp¨atma. Quelle zur Gesch. der Mark Brandenburg (Einzelver¨off. der Hist. Kommission zu Berlin 12). Berlin 1973, S. 5–58. – Ders.: Das Prozeßregister des Klosters Lehnin. Potsdam 1998. – Birgit Zacke: E. W. – Chronist der Quitzow-Zeit. In: Im Dialog mit Raubrittern und sch¨onen Madonnen. Die Mark Brandenburg im sp¨aten MA. Hg. v. C. Bergstedt u. a. (Stud. zur brandenburgischen und vergleichenden Landesgesch. 6). Berlin 2011, S. 436–438. BJ Munsterische ¨ Chroniken. – Sp¨atma. lat. und nd. Chroniken, 15./16. Jh. Grundlage der sp¨atma. Geschichtsschreibung von Hochstift, Bistum und der Stadt Mu¨ nster ist die Bischofschronik De vita et gestis episcoporum Monasteriensium des Florenz von Wevelinghoven. Diese Chronik setzt in ihrer urspr¨unglichen Fassung 772 ein, reicht bis 1379 und ist nach den Amtszeiten der Bisch¨ofe gegliedert. Von unbekannten Schreibern wurde sie u¨ berarbeitet und bis 1424 fortgesetzt. Um 1460 enstand als Anschluss an diese Bearbeitung eine in sich geschlossene lat. Chronik f¨ur die Jahre 1424–58 unter den Bisch¨ofen Heinrich II. und Walram von Mu¨ nster. Im Zentrum steht die Soester Fehde und die Mu¨ nsterische Stiftsfehde. Ihr Autor k¨onnte Mitglied des Domkapitels in M¨unster gewesen sein. Dieser lat. historiographische Grundstock wurde von Schreibern und Forsetzern f¨ur eigene Chroniken und Kataloge verwandt und dabei in der Regel mit anderem Material kompiliert und mit eigenen Zus¨atzen erg¨anzt. Rudolf von Langen schrieb eine kurze lat. Fortsetzung der Chronik von 1424 bis 1458 u¨ ber den Nachfolger Walrams, Heinrich III. von Schwarzenburg. Ab dem 15. Jh. sind auch nd. Texte u¨ berliefert, ¨ die teilweise Ubersetzungen der lat. Vorlagen sind. Folgende nd. Chroniken sind zu differenzieren: 1. Die Chronik der Bisch¨ofe von M¨unster ¨ (772–1424) ist eine Ubersetzung der FlorenzChronik mit eigenst¨andigen Erg¨anzungen f¨ur das 15. Jh. 2. Das Leben Bischofs Otto von Hoya (1392–1424) ist aus unterschiedlichen Vorlagen kompiliert und mit selbstst¨andigen Zus¨atzen erheblich erg¨anzt worden. 3. Arnd → Bervergerns Chronik (1424–66) schließt an den Tod Ottos an. Die Zuschreibung 575

Munsterische ¨ Chroniken an Bervergern f¨ur den gesamten Text ist allerdings strittig. 4. Die Bervergern-Chronik wurde in verschiedenen Redaktionen von weiteren Verfassern bis 1524 fortgef¨uhrt. 5. Auch die M¨unsterische Chronik 1424–1558 aus der Mitte des 16. Jh. geht auf verschiedene Urheber zur¨uck. ¨ Uberlieferung: Vgl. VL2 6 (1987) Sp. 791 f.; Ficker (s. Ausg.) S. XV–XLII und vor allem Plessow (s. Lit.) S. 185–243. Ausgaben: Antonius Mattheus: Veteris aevi analecta. Bd. 8. Leiden 1708; Bd. 25 Den Haag 1738 (fehlerhafte Abdrucke von 1, 3 und 5). – Julius Ficker: Die Geschichtsquellen des Bistums M¨unster. Bd. 1: Die M¨unsterischen Chron. des MA. Mu¨ nster 1851. Literatur: Karl-Heinz Kirchhoff, VL2 6 (1987) Sp. 791–793. – Jan Ulrich B¨uttner, Encycclopedia of the Medieval Chronicle 2 (2010) S. 1129 (Mu¨ nsterische Chron. 1424–58). – Ficker (s. Ausg.) S. VII–LIV. – Ottokar Lorenz: Deutschlands Geschichtsquellen im MA seit der Mitte des dreizehnten Jh. Bd. 2. Berlin 21887, S. 85 f. – K.-H. Kirchhoff: Die Unruhen in M¨unster/Westf. 1450–1457. In: St¨adtische F¨uhrungsgruppen und Gemeinde in der werdenden Neuzeit. Hg. v. Wilfried Ehbrecht. K¨oln/Wien 1980, S. 153–312. – Franz Winter: Quellenchron. zur Soester Fehde (Ver¨off. des Stadtarch. Soest 20). Soest 1997. – Markus M¨uller: ¨ Die sp¨atma. Bistumsgeschichtsschreibung. Uberl. und Entwicklung (Arch. f¨ur Kulturgesch. Beihefte 44). K¨oln 1998, S. 111–118. – Oliver Plessow: Die umgeschriebene Gesch. Sp¨atma. Historiographie in M¨unster zwischen Bistum und Stadt (Mu¨ nstersche Hist. Forschungen 14). K¨oln 2006. VZ Statwech, Johann. – Nd. und lat. Chronist, Mitte 15. Jh. S. bezeichnet sich mehrfach als «pop(p)endykesch man». Er stammte demnach aus dem Papenteich, einem Landstrich zwischen Braunschweig und Gifhorn. Werkexterne Zeugnisse zu ihm sind nicht bekannt. Er k¨onnte Kleriker in Braunschweig gewesen sein, wo in den 1440er Jahren seine Chroniken entstanden sein d¨urften: zwei nd. Reimchroniken, eine nd. Prosachronik und eine lat. annalistische Papst- und Kaiserchronik. F¨ur alle seine Werke, die in autornahen Textzeugen vorliegen, gilt, dass S. um deren graphisches Layout sehr bem¨uht war. 576

Statwech Um historische Entwicklungen und Bez¨uge bildlich zu verdeutlichen, wurden in den Handschriften z. B. Trenn- und Verbindungslinien eingezeichnet, einzelne Namen farbig umrandet und Feder¨ zeichnungen eingef¨ugt, wobei schematische Ubersichten ganze Versoseiten einnehmen k¨onnen. Die dt. Chroniktexte sind in einer kunstvollen nd. Literatursprache verfasst (bei konstanter Reimreinheit der Verswerke) und schon dadurch ein wichtiges Zeugnis der mnd. Literatur des Sp¨atMA. Dass der Autor in einem Bescheidenheitstopos ironisch auf seine beschr¨ankten dichterischen F¨ahigkeiten hinweist, hebt diese eher hervor: «Van rymen was ik nicht ryke / Wente ik byn vd dem Poppendyke» (Hannover, Ms. XIII 777, 1r). Anspruchsvolle Historiographie wird dabei nicht geboten und war wohl auch nicht intendiert. S. wollte in erster Linie (und mit Ausnahme der lat. Annalen) «de leygen leren» mit verl¨asslichen wie umfassenden chronikologischen Informationen. Die kleine Reimchronik (920 Verse) umfasst die Zeit von Adam bis Christi Geburt und ist angreichert mit zahlreichen Genealogien und Medaillonbildchen. Viele Verse teilt sie mit der großen Reimchronik (3962 Verse), die von Adam bis zum Tod ¨ Kaiser Sigismunds (1437) reicht. Sie ist in der Uberlieferung verbunden mit lat. Papst- und Kaiserannalen, die ganz im Stil der «Martinianen» pro Seite ¨ 50 Jahre in 50 Zeilen behandeln. Graphische Ubersichtsdarstellungen («Arbores») begleiten den Text. Die Prosachronik (mit Reimvorrede) setzt ebenfalls bei Adam ein und deckt die Jahre bis 1441 ab. Wie die Kleine Reimchronik bindet sie viele Genealogien und Medaillons ein. Zu S.s Quellen geh¨oren – neben → Martin von Troppau – die → Flores temporum, die Legenda aurea des → Jacobus a Voragine (oder eine andere Sammlung) f¨ur das zahlreiche Legendenmaterial, die Chronik des Braunschweiger ¨ Agidienklosters sowie der Liber de rebus memorabilibus → Heinrichs von Herford. Von Konrad → Bote wiederum wurde S.s historiographisches Werk f¨ur dessen Chronik der Sassen ausgewertet. ¨ Uberlieferung: Kleine Reimchronik: Breslau, UB, Akc 1949/59 (vormals G¨orlitz, Bibl. der Oberlausitzischen Ges. der Wiss., Cod. A III.I.14), 6 Pergamentbll. (erste H¨alfte 15. Jh.). – Dresden. LB, Mscr. M 178, 26 Bll. (18. Jh.). – Berlin, SBB, Mgq 4, 17 Bll. (Abschrift v. Dresden, 18. Jh.). – Cheltenham, Bibl. Phill., Cod. 11060, 20 Bll. (18. Jh., aus G¨orlitz; verschollen). – Große Reimchronik/lat. Annalen: Hannover, LB, Ms. XIII 777, 42 Bll. (Pap., 577

1. H¨alfte 15. Jh. um 1440); ab 11r sind Reimchron. und Annalen ineinander verwoben mit den Papst-/Kaiserannalen zweispaltig auf der Versoseite und dem dt. korrespondierenden Text auf der Rectoseite. – Vgl. Conrad Borchling: Mnd. Hss. in Norddeutschland und den Niederlanden. Erster Reiseber. In: Nachr. v. der Kgl. Ges. der Wiss. zu G¨ottingen, Philol.-hist. Kl., Gesch¨aftliche Mitth. 1898. G¨ottingen 1899, S. 79–316, hier S. 212 f. – Helmar H¨artel/Felix Ekowski: Hss. der Nieders¨achsischen LB Hannover, Zweiter Tl.: Ms I 176a – Ms Noviss. 64 (Ma. Hss. in Niedersachsen 6). Wiesbaden 1982, S. 197 f. – Prosachronik: Hildesheim, Stadtarch., Best. 52 Nr. 366 (fr¨uher HM 366), 9 Pergamentbll. (Mitte 15. Jh.). – Vgl. C. Borchling: Mnd. Hss. in Wolfenb¨uttel und einigen benachbarten Bibl. Dritter Reiseber. (Nachr. von der Kgl. Ges. der Wiss. zu G¨ottingen, Philol.-hist. Kl. 1902 Beih.). G¨ottingen 1902, S. 201 f. – Irene Stahl: Ma. Hss. im Stadtarch. Hildesheim, eingeleitet v. H. H¨artel (Ma. Hss. in Niedersachsen. Kurzkat. 4). Wiesbaden 2001, S. 59 f. Ausgaben: Kleine Reimchronik: Wilhelm Seelmann: Johan S. In: Nd. Jb 13 (1887) S. 121–128 (Teilabdr. nach Hs. Dresden, die mit Breslau u¨ bereinstimmt). – Große Reimchronik: Artur Korl´en: S.s gereimte Weltchron. Ms. N:o 777 Hannover. Uppsala 1906 (unvollst. da ohne Annalen und schema¨ tische Ubersichten); Textbesserungen bei: W. Seelmann: Rezension Ausg. Korl´en. In: AfdA 32 (1908) S. 50–71. – Prosachronik: Heinrich Deiter: J. S.s Prosa-Chron. In: Nd. Jb. 39 (1913) S. 33–74 (ohne Genealogien, fehlerhaft). Literatur: Volker Honemann, VL2 9 (1995) Sp. 238–240. – Albrecht Classen, Encyclopedia of the Medieval Chronicle 2 (2010) S. 1387 f. – Carl Schaer: Conrad Botes nieders¨achsische Bilderchron., ihre Quellen und ihr hist. Wert. Hannover 1880, S. 55–60. – A. Korl´en: Zu den mnd. eˆ -Lauten bei S. In: AfdA 32 (1908) S. 321–327. – H. Deiter: Textkrit. Bemerkungen zu S.s gereimter Weltchron. In: NdJb 40 (1914) S. 43–45. – Gerhard Cordes: Ostf¨alische Chron. des ausgehenden MA. In: NdJb 60/61 (1934/35) S. 42–62, hier S. 48 f. – Gert Melville: Gesch. in graph. Gestalt. In: Geschichtsschreibung und Geschichtsbewußtsein im sp¨aten MA (Vortr¨age und Forschungen. Konstanzer Arbeitskreis f¨ur Ma. Gesch. 31). Hg. v. Hans Patze. Sigmaringen 1987, S. 57–154 (allgemein zu graphischer Historiographie). – Harald Tersch: Unruhe 578

1. H¨alfte 15. Jh.

Geschrift und Weisung fur ¨ die Fahrt zum Hl. Grab

im Weltbild. Darstellung und Deutung des zeitgen¨ossischen Lebens in deutschsprachigen Weltchroniken des MA. Wien u. a. 1996, S. 43–46. – Repertorium fontium historiae medii aevi 10,4 (2005) S. 467. VZ Geschrift und Weisung fur ¨ die Fahrt zum Hl. Grab. – Anonymer Pal¨astina-Reisef¨uhrer Der Besitzer eines Codex, der neben einer Abschrift des Iwein → Hartmanns von Aue u. a. den von einem o¨ sterr. Anonymus verfassten Pilgerf¨uhrer Geschrift und Weisung f¨ur die Fahrt zum Hl. Grab enth¨alt, war Johannes Bassenheimer. Der vermutliche Schreiber des F¨uhrers und weiterer Teile der Handschrift galt lange – und wohl zu Unrecht – auch als dessen Verfasser. Kenntnisse zur Herkunft Bassenheimers gibt es nicht; er k¨onnte Nieder¨osterreicher gewesen sein, wie die Verbindung zu → Thomas von Laa (an der Thaya) und die Schreibsprache nahelegen, und hat eine Romreise ¨ unternommen (s. Uberl.). M¨ogliche Auftraggeber der Geschrift und Weisung sind der o¨ sterr. Herzog Albrecht IV. (Pilgerreise 1398) oder Herzog Ernst der Eiserne (Pilgerreise 1414): «im dienst ains fursten von ostereich der uber mer fur» (Mscr. M 65, 88ra). Bassenheimer hat den Text 1426 geschrieben, woraus sich der Terminus ante quem ergibt. Der textinterne Terminus post quem ist 1373. Es handelt sich um keinen Pilgerbericht sondern um eine Zusammenstellung von Informationen f¨ur potentielle Pal¨astinafahrer in drei Teilen. Der erste Teil ist ein Regimen sanitatis f¨ur die Seereise zur Vermeidung von Erk¨altungen, Verstopfungen usw. (z. B.: «du solt nicht ze vil ezzen besunder auf dem schiff» [Mscr. M 65, 85vb]). Der zweite listet notwendige Ger¨ate und Lebensmittel und beschreibt die einzelnen H¨afen der Seereise. Der dritte und umfangreichste Teil bietet ein St¨atten- und Ablassverzeichnis des hl. Landes mit Hinweisen zu Legenden und biblischen Ereignissen. ¨ Uberlieferung: Dresden, LB, Mscr. M 65 (Iwein-Hs. f), 85vb–88ra (Pap., 1415, B.s Nachtr¨age 1426/30, mittelbair., Texte v. B. mit o¨ sterr. Merkmalen); der Pilgerber. steht zwischen dem Iwein und einem Itinerar u¨ ber eine Romreise B.s. Ein darauf folgendes Tierbispel des Thomas v. Laa. beschließt die Hs., die bis auf den Iwein von B. geschrieben worden sein d¨urfte. Im Vorderdeckel und auf Bl. 1r/v hat B. zwei dt. Reimpaargedichte eingetragen (das zweite ist → Die Graserin). Im Itinerar 579

(datiert auf 1430) nennt er sich auf Bl. 88rb: «ich hanns passenhanner». Am Ende des Bispels (89vb) heißt es: «den spruch hab ich ze dienst gemacht dem passenhanner». Offensichtlich stehen alle von B. nachgetragenen Texte in einem pers¨onlichen Bezug zu ihm. Ausgaben: Herrschel 1854, 1855, 1863 (s. Lit.) (Ausz¨uge). – Ursula Mainka: Johannes Bassenhaimer Mscr. Dresden M 65. Edition und Komm. Zulassungsarbeit (masch.) Wu¨ rzburg 1989, ¨ S. 28–59. – Frank Sczesny: Osterr. Anonymus: ‹Geschrift und Weisung f¨ur die Fahrt zum Heiligen Grab› (entstanden zwischen 1373 und 1426). In: F¨unf Pal¨astina-Pilgerber. aus dem 15. Jh. (Wissenslit. im MA 33). Hg. v. Randall Herz u. a. Wiesbaden 1998, S. 11–22. Literatur: Dietrich Huschenbett, VL2 1 (1978) Sp. 634 f.; 11 (2004) Sp. 224. – Carl Adolf Herrschel: J. Passenhanner. In: Serapeum 15 (1854) S. 232–234. – Ders.: Der Kampf gegen die Romantik. In: ebd. 16 (1855) S. 13–16. – Felix Geisheim: Die Hohenzollern am heiligen Grabe zu Jerusalem. Insbesondere die Pilgerfahrten der Markgrafen Johann und Albrecht v. Brandenburg im Jahre 1435. Berlin 1858, S. 5. – C. A. Herrschel: Zur Reiselit. des MA. In: Anz. f¨ur Kunde der teutschen Vorzeit 10 (1863) S. 319–322. – Titus Tobler: Biblio¨ graphia geographica Palaestinae. Krit. Ubersicht gedr. und ungedr. Beschreibungen der Reisen ins Heilige Land. Leipzig 1867 (Nachdr. Amsterdam 1964. Mansfield [CT] 1998. Charleston [SC] 2009) S. 46. – Reinhold R¨ohricht/Heinrich Meisner: Dt. Pilgerreisen nach dem Heiligen Lande. Berlin 1880, S. 471 f., 569. – R. R¨ohricht: Bibliotheca geographica Palaestinae. Chronologisches Verz. der v. 333 bis 1878 verfaßten Lit. u¨ ber das Heilige Land. Berlin 1890. Verb. und verm. Neuausg. mit einem Vorw. v. David H. K. Amiran. Jerusalem 1963 (Nachdr. London 1989) S. 107 (Nr. 291). – Ders.: Dt. Pilgerreisen nach dem Heiligen Lande. Neue Ausg. Innsbruck 1900 (Neudr. Aalen 1967) S. 43 Anm. 86, 105. – Gerhard Eis: Ma. Fachlit. Stuttgart 21967, S. 22. – Christiane Hippler: Die Reise nach Jerusalem. Unters. zu den Quellen, zum Inhalt und zur literarischen Struktur der Pilgerber. des Sp¨atMA. Frankfurt/M. u. a. 1987, S. 89, 93 Anm. 137, 141 Anm. 115, 158 Anm. 173. – Mainka (s. Ausg.) S. 1–27, 60–133. – Ursula Ganz-Bl¨atter: Andacht und Abenteuer. Ber. europ¨aischer Jerusalemund Santiago-Pilger (1320–1520) (Jakobus-Stud. 580

Wernher von Oberwesel 4). T¨ubingen 1990, S. 373. – Sczesny (Ausg.) Einleitung, S. 1–9. – Bernhard Dietrich Haage/Wolfgang Wegner: Dt. Fachlit. der Artes in MA und Fr¨uher Neuzeit (Grudlagen der Germanistik 43). Berlin 2007, S. 143, 146. VZ Wernher von Oberwesel (von Bacharach). – Textgruppe um den angeblichen j¨udischen Ritualmord an dem Knaben Wernher. 1287 wurde in der N¨ahe von Oberwesel eine Knabenleiche entdeckt. Der angebliche j¨udische Ritualmord (¨alteste Quelle: Gesta Boemundi archiepiscopi Treverensis, um 1300, MGH SS XXIV, S. 470 f.) an dem etwa vierzehnj¨ahrigen Christenknaben W. l¨oste im Rheinland schwere Pogrome gegen die j¨udische Bev¨olkerung aus. W. wurde bald als katholischer Volksheiliger verehrt (Wallfahrt, Bau der Bacharacher W.-Kapelle); 1426–29 wurde unter der Leitung des Bacharacher Pfarrers → Winand von Steeg ein Informationsprozess zur Vorbereitung der formellen Kanonisierung W.s durchgef¨uhrt, der letztlich erfolglos war (erst 1963 wurde W.s Namen aus dem Heiligenverzeichnis gestrichen). Von den von Winand zusammengestellten Prozessakten (Processus Bacheracensis s. Wernheri a. 1426–29) wurden drei offizielle Abschriften angefertigt. Neben der Dokumentation des Prozesses enthalten die zwei noch existierenden Abschriften (Rom, Bibl. Apost. Vat., cod. Vat. Pal. lat. 858 [P, Exemplar Kurf¨urst Ludwigs]; Trier, StB, Hs. 1139/65 4° [T; ehem. Hist. Arch., Hs. 410; Exemplar des Trierer Erzbischofs]) auch verschiedene literarische Fassungen der W.-Legende, f¨ur die auf ein damals bereits existierendes Erz¨ahlmuster zur¨uckgegriffen werden konnte (vgl. William von Norwich, Anderl von Rinn, → Simon von Trient). Zu der Textgruppe um den angeblichen Ritualmord an W. geh¨oren: 1. Mhd. Verslegende (P, 7r–9r; Ausg.: Christ [s. Lit.], 18–25): Der Autor der urspr¨unglich f¨ur eine an W.s Grab angebrachte, nicht mehr erhaltene Holztafel verfasste Legende (178 Reimpaarverse; um 1350 [?]) k¨onnte aus dem Bereich der Bettelorden stammen. F¨ur die Prozessakten fertigte Winand eine lat. Prosau¨ bersetzung (BHL 8864 f.) der mhd. Verslegende an (P, 7r-v; T, 8r–9v; Trier, StB, Hs. 1143/445 8° [ehem. Hist. Archiv, Hs. 414], 15. Jh., 50v–52v). 2. Von einer lat. Prosalegende existieren eine a¨ltere (BHL 8860; Passio antiqua s. Werneri) und 581

1. H¨alfte 15. Jh. eine j¨ungere Fassung (BHL 8861; die Nova Historia der Bollandisten). Die a¨ ltere Fassung ist in dem umfangreichen, aus dem 14. Jh. stammenden Legendar Br¨ussel, Bibl. Royale, cod. 7503–18 (134r–136r) u¨ berliefert. Sie enth¨alt gegen¨uber der mhd. Verslegende zus¨atzlich die Behauptung, die Juden h¨atten den Mord an W. u. a. auch deswegen begangen, um an die von ihm am Gr¨undonnerstag kommunizierte Hostie zu gelangen. Drucke: Hystorie plurimorum sanctorum noviter et laboriose ex diversis libris in unum collecte, [K¨oln, Ulr. Zell] 1483 (Cop. 6434), 268v–269v (ohne den gr¨oßten Teil des ersten und ohne den zweiten Prolog). – L¨owen, Joh. de Westfalia 1485 (Cop. 6441), 54v–56r (ohne Prologe). Ausgaben: AASS Aprilis II, 699–701. – Christ (s. Lit.) 25–27 (ohne Prologe). Die j¨ungere Fassung besteht aus den Lektionen des von Winand 1426 u¨ berarbeiteten Officium novum. 3. Mnl. Verslegende Van Sente Waernere: Als Eigengut bietet das fragm. u¨ berlieferte, wahrscheinlich noch aus dem 13. Jh. stammende Gedicht (erhalten sind 236 Reimpaarverse) eine umfangreiche Kindheitsgeschichte W.s. ¨ Uberlieferung: Oudenaarde, Stadsarchief, cod. 5576/32, 186r-v (Ende 13. Jh.; Rijmboek van Oudenaarde). – Oxford, Bodleian Library, MS. Douce 381, f. 13, aus derselben Hs., nach der alten Z¨ahlung f. 184. Ausgaben: Napoleon de Pauw: Middelnederlandsche Gedichten en Fragmenten. Bd. 2. Gent 1893, S. 357–365. – de Keyser (s. Lit.) S. 231–236 (Neuausg.), 249–254 (Abb. und diplomatischer Ab¨ druck der Uberl.). – Maurits Gysseling (Hg.): Corpus van middelnederlandse teksten. Bd. 2,1. ’s-Gravenhage 1980, S. 449–455. ¨ Ubersetzung: Wolfgang Bunte: Juden und Judentum in der mnl. Lit. (1100–1600) (Judentum und Umwelt 24). Frankfurt/M. u. a. 1989, S. 390–396. 4. Die beiden W.-Offizien «Historia prima» und «Nova historia» (von Winand 1426 erg¨anzt) enthalten auch auf W. ausgerichtete lat. Hymnen und Sequenzen (AH 12, Nrn. 493 f. – AH 42, Nr. 335. – AH 12, Nr. 492; AH 42, Nr. 334 [nur in T]). ¨ Uberlieferung: Frankfurt/M., StUB, Ms. lat. oct. 56 (14. Jh.). – T, 10r–22v («Historia prima»), 36v–62r («Nova historia» mit den Erg¨anzungen Winands). 582

1. H¨alfte 15. Jh. 5. In einem Traktat gegen die W.-Verehrung, der die Ritualmordunterstellung selbst nicht anzweifelt, wird die Emordung durch Juden als nicht hinreichendes Kriterium f¨ur ein M¨arytertum dagestellt. ¨ Uberlieferung: Koblenz, Landeshauptarch., Best. 701/232, 293r–295r (1428, aus dem Besitz des Dominikaners Heinrich Kalteisen). Ausgabe: Ausz¨uge bei Iserloh (s. Lit.) 284 Anm. 53. Literatur: Gottfried Kentenich, ADB 55 (1910) S. 45 f. – Paul Gerhard Aring, BBKL 13 (1998) S. 837 f. – Albrecht Hausmann, VL2 10 (1999) Sp. 945–950. – Thomas Wetzstein, LThK3 10 (2001) Sp. 1102 f. – Karl Christ: Werner v. Bacharach. Eine mittelrheinische Legende in Reimen. In: FS Otto Glauning. Bd. 2. Leipzig 1938, S. 1–28. – Alois Schmidt: Zur Baugesch. der Wernerkapelle in Bacharach. In: RheinVjbl. 19 (1954) S. 69–89. – Erwin Iserloh: W. v. O. Zur Tilgung seines Festes im Trierer Kalender. In: Trierer Theologische Zs. 72 (1963) S. 270–285. – P. de Keyser: De legende van s. Werner. De uitgave van ‹Van Sente Waerneer› in het licht van de briefwisseling Nap. de PauwGuido Gezelle. In: Verslagen en mededelingen der Koninklijke Vlaamsche academie foor taal- en letterkunde (1963) S. 209–255. – Ferdinand Pauly: Zur Vita des W. v. O. Legende und Wirklichkeit. In: Arch. f¨ur mittelrheinische Kirchengesch. 16 (1964) S. 94–109. – Andr´e Vauchez: Antisemitismo e canonizzazione popolare: San Werner o Vernier († 1287), bambino martire e patrono dei vignaioli. In: Culto dei santi, istituzioni e classi sociali in et`a preindustriale. Hg. v. Sofia Boesch Gajano/ Lucia Sebastian. L’Aquila/Rom 1984, S. 489–508. – Ronnie Po-chia Hsia: The Myth of Ritual Murder. Jews and Magic in Reformation Germany. New Haven 1988. – Friedrich Lotter: Innocens virgo et martyr. Thomas v. Monmouth und die Verbreitung der Ritualmordlegende im HochMA. In: Die Legende vom Ritualmord. Zur Gesch. der Blutbeschuldigung gegen Juden. Hg. v. Rainer Erb. Berlin 1993, S. 25–72, hier S. 67–70. – Franz-Josef Ziwes: Stud. zur Gesch. der Juden im mittleren Rheingebiet w¨ahrend des hohen und sp¨aten MA, 1995, S. 230–242. – Gerd Mentgen: Die Ritualmordaff¨are um den ‹Guten Werner› v. Oberwesel und ihre Folgen. In: Jb. f¨ur westdt. Landesgesch. 21 (1995) S. 159–198. – Enno B¨unz: Winand v. Steeg (1371–1453). In: Rheinische Lebensbilder. Bd. 15. Hg. v. Franz-Josef Heyen. K¨oln 1995, S. 43–64, 583

Meißnische Chronik hier S. 54–56. – R. Erb: Ritualmordbeschuldigung. In: LexMA 7 (1995) Sp. 879 f. – T. Wetzstein: Vom ‹Volksheiligen› zum ‹F¨urstenheiligen›. Die Wiederbelebung des Wernerkults im 15. Jh. In: Arch. f¨ur mittelrheinische Kirchengesch. 51 (1999) S. 11–68. – Daniela Wolf: Ritualmordaff¨are und Kultgenese. Der ‹gute Werner von Oberwesel›. Bacharach 2002. – Gerd Hergen L¨ubben: Der Textfund zu Bacherach. In: Die Br¨ucke. Forum f¨ur antirassistische Politik und Kultur, H. 140, 2006, S. 126–128. BJ Meißnische Chronik Chronik der Markgrafen ¨ von Meißen. – Ubersetzungen einer lat. Dynastiegeschichte in drei Fassungen, 1426 bis fr¨uhes 16. Jh. Unter dem Begriff M. C. werden drei unter¨ schiedliche anonyme Ubertragungen von De origine principum marchionum Misnensium et Thuringiae lantgraviorum (auch Chronicon Missnense, Annales Vetero-Cellenses maiores) des Johannes Tylich, Propst des Naumburger Augustinerchorherrenstiftes, subsumiert. Die gel¨aufigen Bezeichnungen Red. I, II und III sind irref¨uhrend, da sie ein Abh¨angigkeitsverh¨altnis vermuten lassen, das nicht besteht. Die lat. Vorlage d¨urfte nach 1407 entstanden sein. Dieses herausragende Werk der sp¨atma. meißnischen Geschichtsschreibung stellt Abkunft, Genealogie und politische Geschichte der Wettiner dar, die hier auf den Sachsen-Herzog Widukind zur¨uckgef¨uhrt werden, und reicht von 785 bis 1346. Tylich benutzte u¨ berwiegend Material aus Kl¨ostern, so auch die Lauterberger Chronik und die Chronik vom Petersberg (Cronica Montis Sereni). Neben der Familiengeschichte wird von Klosterund Stadtgr¨undungen im Einfluss der Markgrafen von Meißen berichtet. Ab dem 12. Jh. ger¨at die Erz¨ahlung detaillierter. Das Werk endet mit der Eroberung von Langensalza durch Markgraf Fried¨ rich II. (1346). Die Ubertragungen Red. I. (1426) und II. (sp¨ates 15. Jh.) sind eng an Tylich angelegt. Red. II wird zusammen mit einer Fortsetzung ¨ von 1426–78 (in der handschriftlichen Uberlieferung f¨alschlich 1488) u¨ berliefert, die mit der Schlacht bei Aussig einsetzt. Es besteht damit eine L¨ucke in der Darstellung zwischen 1346 und 1426. Die Fortsetzung erweitert das Themenspektrum der Dynastiegeschichte, indem von unterschiedlichen Geschehnissen berichtet wird, die aber u¨ berwiegend innerhalb der Markgrafschaft stattfanden (famili¨are Feste, Naturereignisse, der «wettinische 584

Werkmann Bruderkrieg» oder die Kauffungen Fehde [«Altenburger Prinzenraub»]). Am Schluss ist eine Briefzeitung von Hans → Bucheler, einem dt. B¨urger aus Florenz, eingef¨ugt mit einem Bericht von der florentinischen Pazzi-Verschw¨orung. Die Fortsetzung 1426–78 liegt auch in einer erweiterten Fassung vor, die den Text um Bez¨uge auf Neustadt an der Orla erg¨anzt. ¨ Eine dritte Ubersetzung (Red. III) ist 1522 unter dem Titel Die Meyssenische Cronica erstmals im Druck erschienen. Es ist eine k¨urzenden Kompilation von Exzerpten aus De origine mit Fortsetzung bis 1440, im Druck teilweise mit einer knappen Universalgeschichte verbunden. Es ist die einzige der drei dt. Fassungen, der eine weitere Verbreitung zukam. Grundlegend von der M. C. in ihren verschiedenen Gestalten zu unterscheiden ist das Chronicon parvum Dresdense (Coronica principum Misnensium), eine kurze wettinische Dynastiegeschichte aus der zweiten H¨alfte des 14. Jh. mit annalistischen Angaben von 1175 bis 1349. Zu ihre Quellen z¨ahlen neben Material, das auch f¨ur De origine verwandt wurde, u. a. die Annales Veterocellenses (minores). ¨ Uberlieferung: Red. I: Zwickau, Ratsschul¨ bibl., Ms. I, 6, 25 Bll. (Pap., 1426, mitteldt.; Uberschrift Bl. 1ra: «[...] Cronike von latin in deuczß der hochgebornnen fursten von meyßen [...]». – Red. II: Halle, ULB, ThSGV 3147, 100r–127v, Fortsetzung: 127v–138v (Pap., 1492, Chron.-Texte: Nach¨ trag 1508, lat. und mitteldt.; Uberschrift: «cronike der margrauen von misßen [...] noch laudt der kroniken auff sant peters perge»). Die Sammelhs. zur meißnischen Geschichte enth¨alt ferner: Chronica Montis Sereni (2r–83r); Chronicon Terrae Misnensis (86r–99v). – Weimar, HAAB, Cod. Quart 206, 2r–64r, Fortsetzung: 64v–90r (Pap., fr¨uhes. 16. Jh., ¨ mitteldt.; Uberschr. wie in Halle, ThSGV 3147, der Vorlage dieser Hs.). – Nur die erweiterte Fortsetzung: Dresden, LB, Mscr. H 170m, 77r–144r (Pap., 15. Jh., mitteldt. [Neustadt a. d. Orla?]). Davor (1r–77r) eine lat. th¨uringische Landgrafenchronik (Historia pistoriana, vgl. Johannes → Rothe). – Red. III, Drucke: Erfurt (Matthes Maler) 1522 (VD 16 M 2265 f.), Titel: «Die Meyssenische Cronica wye dye hochgeboren Fursten von Meyssen etc. Erst christlichen glawben an genomen vnnd herkomen syndt». – Im Verbund mit einer Universalchronik e (Chronica Darynn auffs kurtzest werden begriffen die namhafftigsten geschichten [...] Auch findestu hinden e in diesem Buchlein die Meissnische Chronica): Leipzig 585

1. H¨alfte 15. Jh. (Michael Blum) 1532 (VD16 C 2459); Wittenberg (Georg Rhau) 1532 (VD 16 C 2461); Wittenberg ¨ 1534 und 53 (VD 16 C 2462 f.). – (Peter Seitz d. A.) ¨ Zur lat. Uberl. von De origine vgl. Marquis (s. Lit.) S. 150–161. – Chronicon parvum Dresdense: Dresden, LB, Mscr. J 46, 9r–10v (Perg., drittes Viertel 14. Jh., ostmitteldt. [Altzelle?]). Ausgaben: Johann Burkhard Mencke: Rex misnicae. In: Scriptores rerum Germanicarum, Praecipue Saxonicarum. Bd. 2. Leipzig 1728, Sp. 417–431 (nur Forts. 1426–78). – Zu Ausg. der lat. Fassung vgl. Repertorium fontium historiae medii aevi 2 (1967) S. 345. – Chronicon parvum Dresdense: Ludwig Schmidt: Das sog. Chronicon parvum Dresdense. In: Dresdner Geschichtsbll. 28 (1919) S. 203–205. Literatur: Joachim Schneider, VL 11 (2004) Sp. 985–988. – Brigitte Pfeil, Encyclopedia of the Medieval Chronicle 2 (2010) S. 1098. – Julius Otto Opel: Annales Vetero-Cellenses (Mitth. der dt. Ges. zur Erforschung vaterl¨andischer Sprache und Alterth¨umer in Leipzig 1,2). Leipzig 1874, S. 17–19, 25–30. – Otto Langer: Die sog. Annales Vetero-Cellenses. In: Neues Arch. f¨ur S¨achsische Gesch. und Altertumskunde 17 (1896) S. 75–120, hier S. 84–86. – Martin Baltzer: Zur Kunde th¨uringischer Geschichtsquellen des 14. und 15. Jh., ¨ besonders ihrer hsl. Uberl. In: Zs. des Ver. f¨ur th¨uringische Gesch. und Altertumskunde 18 (1897) S. 1–60, bes. S. 9, 43–45. – Repertorium fontium historiae medii aevi 2 (1967) S. 384 (‹Chronicon parvum Dresdense›). – Stefan P¨atzold: Die fr¨uhen Wettiner. Adelsfamilie und Haus¨uberl. bis 1221 (Gesch. und Politik in Sachsen 6). K¨oln u. a. 1997, S. 265–362. – Bettina Marquis: Meißnische Geschichtsschreibung im sp¨aten MA (ca. 1215–1420). Mu¨ nchen 1998, S. 150–172. – Tobias Daniels: La congiura dei Pazzi nell’informazione e nella cronistica tedesca coeva. In: Archivio Storico Italiano 169 (2011) S. 23–76. VZ Werkmann, Johann (Johan, Joannes), * um 1385 Wismar, † 1456 Wismar. – Ratsherr. W. entstammte einer angesehen Wismarer Familie. Er wurde 1406 in Prag als Baccalaureus Artium und 1419 in Rostock als Magister eingeschrieben. Von 1430 bis zu seinem Tod ist er als Ratsherr in Wismar belegt. W. ist der wahrscheinliche Verfasser der nd. «Historie van Her Johan Bantzkowen vnde Her Hinrik van Haren, wo se ¨ enthouet sind» (Uberschrift), eines anonym u¨ berlieferten zeitgen¨ossischen Berichts u¨ ber die Auseinandersetzungen zwischen Rat und Bev¨olkerung 586

1. H¨alfte 15. Jh. von Wismar 1427–30 (W.s Bericht nur bis 1428). W. nennt sich in der Schrift, die Partei f¨ur den Rat ergreift, nicht explizit als Verfasser, die Art, wie sein Name im Text erscheint, legt seine Verfasserschaft jedoch nahe. ¨ Uberlieferung: Neun Hs. (s. Techen, S. 5–8), die a¨ ltesten zwei: Schwerin, Mecklenburgisches Landeshauptarch. (1535) und Schwerin, LB Mecklenburg-Vorpommern (1544), beide ohne Signatur. Ausgabe: Friedrich Techen: Die Wismarschen Unruhen im ersten Drittel des f¨unfzehnten Jh. In: Jb. des Ver. f¨ur Mecklenburgische Gesch. und Altertumskunde 55 (1890) S. 1–138, hier S. 96–133. Literatur: Klaus Wriedt, VL2 10 (1999) Sp. 890 f. – Techen (s. Ausg.). – Konrad Fritze: Am Wendepunkt der Hanse. Unters. zur Wirtschaftsund Sozialgesch. wendischer Hansest¨adte in der 1. H¨alfte des 15. Jh. (Ver¨off. des Hist. Inst. der ErnstMoritz-Arndt-Univ., Greifswald 3). Berlin 1967, S. 199–214. VZ Hemmerli, Felix (Hemmerlein, Malleolus), * 1389 Z¨urich, † um 1458/59 wahrscheinlich Luzern. – Kleriker und Jurist. H. studierte das Recht 1406–1416/18 in Erfurt und 1423/24 in Bologna. 1412 erhielt er eine Chorherrenpfr¨unde am Großm¨unsterstift in Z¨urich. 1421 wurde er Propst in Solothurn, 1427 Kantor in Z¨urich. Nach der Verhaftung 1454 war er in Kerkerhaft im Franziskanerkloster Luzern. H. war ein u¨ beraus streitbarer Kleriker und Jurist, der sich u. a. f¨ur die Reform des Domkapitels in Z¨urich einsetzte, was ihm dort zahlreiche Feinde, einen Mordanschlag und letztlich die Amtsenthebung 1454 einbrachte. Mit dazu beigetragen hatte auch die Parteinahme f¨ur die Habsburger nach dem ‹Alten Zu¨ richkrieg› 1443, die sich nach dem Friedensvertrag von 1450 und der folgenden Einbindung Z¨urichs in die Eidgenossenschaft als falsche Entscheidung herausstellte. Das a¨ ußerst umfangreiche Werk H.s von 41 Schriften kann nach Thema, literarischer Form, Gebrauchszweck und Rezeption in vier Gruppen geschieden werden: Abhandlungen zu strittigen Fragen des Kirchen- und des Zivilrechts (z. B. Tractatulus de contractibus u¨ ber den schuldrechtlichen Geiselvertrag, De exorcismis et adiuracionibus u¨ ber einen gegen eine Landplage empfohlenen Exorzismus), Kritik an den kirchlichen Zust¨anden (z. B. Contra validos mendicantes gegen die Bettelorden, 587

Hemmerli De libertate ecclesiastica u¨ ber die Mißst¨ande in der Kirche), allgemeine Zeitkritik (z. B. Epistola Caroli Magni als fingierte Aufforderung an Kaiser Friedrich III. zu einem Krieg gegen die Schwyzer, Liber de nobilitate als Streitgespr¨ach zwischen Bauer und Adligem u¨ ber den Vorrang des Adels), Autobiographisches und in eigener Sache geschriebene Streitschriften (z. B. Passionale, Registrum querele). Aus diesen durch perso¨ nliches Engagement in den kirchlichen und politischen Streitfragen seiner Zeit gepr¨agten Werken f¨allt der Tractatus de balneis naturalibus heraus, in dem H. nach dem Muster der italienischen B¨aderheilkunde eine ausf¨uhrliche Beschreibung und Gebrauchsanleitung der warmen B¨ader in Baden und Pf¨afers gibt. H.s Werk erfuhr schon zu seiner Zeit eine durchaus unterschiedliche Rezeption; von seinen kirchlichen, rechtlichen und politischen Schriften erhielt nur der Erstling Contra validos mendicantes gr¨oßere Aufmerksamkeit und wurde von H.s Sch¨uler, dem sp¨ateren Fr¨uhhumanisten Niklas von Wyle, im Rahmen von dessen Translationen 1468 auch ins Deutsche u¨ bersetzt. Der Tractatus de balneis naturalibus wurde schon zu seiner Entstehungszeit um 1450 h¨aufiger abgeschrieben und dann um 1470 ¨ von Jordan T¨omlinger in eine dt. Ubertragung gebracht, welche wiederum 1495 von Hans Folz in Reimpaarverse gesetzt und gedruckt wurde. Eine Gesamtausgabe der Werke sowie des Liber de nobilitate wurde schließlich auch von Sebastian Brant 1497 und um 1500 in den Druck gebracht. Ausgaben: Clarissimi viri Juriumque doctoris Felicis Hemmerlin [...] opuscula et tractatus. Hg. v. Sebastian Brant. Straßburg 1497. – Dass. Straßburg um 1500. – De Nobilitate et Rusticitate Dialogus. Straßburg um 1500. – Reber (Ausz¨uge; s. Lit.). – Frank F¨urbeth: Heilquellen in der dt. Wissenslit. des Sp¨atMA. Zur Genese und Funktion eines Paradigmas der Wissensvermittlung am Beispiel des ‹Tractatus de balneis naturalibus› v. F. H. und seiner Rezeption. Wiesbaden 2004. – Translationen von Niclas von Wyle. Hg. v. Adelbert v. Keller. Stuttgart 1861, S. 157–197. – Claudius Sieber-Lehmann/ Thomas Wilhelmi (Hg.): In Helvetios – Wider die ¨ Kuhschweizer. Bern u. a. 1998, S. 49–81 (Ubersetzung eines Teils von ‹De nobilitate›). Literatur: Katharina Colberg, VL2 3 (1981) Sp. 989–1001. – Balthasar Reber: F. H. von Zu¨ rich. Neu nach den Quellen bearbeitet. Z¨urich 1846. – F. Fiala: Dr. F. H. Probst des St. Ursenstiftes in 588

Frund ¨ Solothurn. In: Urkundio 1 (1857) S. 281–760. – Albert Schneider: Der Z¨urcher Canonicus und Cantor Magister F. H. an der Univ. Bologna 1408–1412 und 1423–1424. Z¨urich 1888. – Albert Werminghoff: F. H. Ein schweizerischer Publizist des XV. Jh. In: Neue Jbb. f¨ur das klassische Altertum, Gesch. und dt. Lit. 7 (1904) S. 582–597. – Hermann Walser: Meister H. und seine Zeit 1388–1458. Z¨urich 1940. – Emil D¨urr: Die Chron. des F. H. In: Basler Zs. 8 (1909) S. 180–213. – Ders.: F. H. als Verfasser eines hist. Volksliedes. In: Anz. f¨ur die schweizerische Gesch. NF 12 (1914) S. 220–235. – Hans-J¨org Gilomen: Der Traktat ‹De emptione et venditione unius pro viginti› des Magisters F. H. In: Stud. zum 15. Jh. FS Erich Meuthen. Hg. v. Johannes Helmrath/Heribert Mu¨ ller. Bd. 1. Mu¨ nchen 1994, S. 583–605. – Pius Kaufmann: Gesellschaft im Bad. Die Entwicklung der Badefahrten und der ‹Naturb¨ader› im Gebiet der Schweiz und im angrenzenden s¨udwestdt. Raum (1300–1610). Z¨urich 2009. FF Frund, ¨ Hans, * um 1400 Luzern, † 1468/vor 10.3. 1469 Luzern. – Landschreiber, Chronist. F. war 1429–37 Unterschreiber des Luzerner Stadtschreibers Egloff Etterlin, um 1437–53 dann Landschreiber in Schwyz. W¨ahrend des Alten Z¨urichkriegs wurde er auch als Feldschreiber eingesetzt und zu Tagsatzungen entsandt. Um 1441 war F. Notar und nach einer gescheiterten Bewerbung als Stadtschreiber um 1457–61 Gerichtsschreiber in Luzern. Noch als Unterschreiber verfasste F. um 1428–31, vielleicht im Auftrag des Kastlans Christoph von Silinen, einen kurzen Bericht u¨ ber zeitgen¨ossische Hexenverfolgungen im Wallis. Dieser Text wird heute trotz seiner K¨urze als historische Quelle gesch¨atzt. Um 1447 entstand dann F.s Hauptwerk, eine Chronik des Alten Z¨urichkriegs. Der Text beginnt mit dem Tod des Grafen Friedrich VII. von Toggenburg 1436 und bricht mit dem Waffenstillstand von 1446 ab. F. erweist sich in der Chronik als Parteig¨anger der Eidgenossen, dessen Darstellung aus Urkunden ebenso sch¨opft wie aus (wahrscheinlich eigenen) Erlebnissen. Das Werk wurde sp¨ater von Benedikt → Tschachtlan und Heinrich Dittlinger bearbeitet und von Diebold → Schilling als Vorlage benutzt. Die fr¨uher F. zugeschriebene Schrift Vom Herkommen der Schwyzer und Oberhasler gilt heute als Werk des Heinrich → Gundelfingen. ¨ Uberlieferung: Chronik: St. Gallen, Stiftsbibl., cod. 644, 501 S. (Pap., 1476, Schreiber: Melchior 589

1. H¨alfte 15. Jh. Rupp). – Z¨urich, ZB, cod. A 54/55 (1532, nur Kopie einer fr¨uheren Fassung). – Ber. u¨ ber Hexenverfolgungen: Luzern, ZB/UB, BB Ms. 335 fol., S. 483–490 (Pap., Luzern, um 1426–28, obd.). – Straßburg, National- und UB, ms. 2935 (fr¨uher L germ. 727.2°), 162a–164a (Pap., nach 1457 im 15. Jh., alemannisch). Ausgaben: Chronik: Die Chronik des H. F., Landschreiber zu Schwytz. Hg. v. Christian Immanuel Kind. Chur 1875. – Ber. u¨ ber Hexenverfolgungen: Joseph Hansen: Quellen und Unters. zur Gesch. des Hexenwahns und der Hexenverfolgung im MA. Bonn 1901, S. 533–537, Nr. 39b. – Theodor v. Liebenau: ‹Von den Hexen, so in Wallis verbrannt wurdent in den Tagen, do Cristofel von Silinen herr und richter was›. In: Anz. f¨ur Schweizerische Gesch. NF 9 (1903) H. l, S. 135–138. – Leo Weisz: Aus einer Luzerner Hs. In: Zs. f¨ur Schweizerische Kirchengesch. 28 (1934) S. 241–255. – Tremp 1999 (s. Lit.). Literatur: Vischer, ADB 8 (1878) S. 154. – Guy P. Marchal, VL2 2 (1980) Sp. 992 f. – De Boor/Newald 4/1 (21994) S. 143, 763. – Friedrich K¨ummerly: H. F.s Chron. des Alten Zu¨ richkrieges als dt. Sprachdenkmal. In: Mitt. des Hist. Ver. des Kantons Schwyz 68 (1976) S. 97–104. – Jean-Pierre Bodmer: Die Chron. v. H. F. In: Ders.: Chron. und Chronisten im Sp¨atMA. Bern 1976, S. 16–18. – Richard Feller/Edgar Bonjour: Geschichtsschreibung der Schweiz vom Sp¨atMA zur Neuzeit. Basel 21979, S. 60 f. – Rapport sur la chasse aux sorciers et aux sorci`eres men´ee d`es 1428 dans le dioc`ese de Sion. Hg. v. Kathrin Utz ´ Tremp. In: L’imaginaire du sabbat. Edition critique des textes les plus anciens (1430 c.–1440 c.). Hg. v. Martine Ostorero u. a. Lausanne 1999, S. 23–63. – Konrad Wanner: Schreiber, Chronisten und Fr¨uhhumanisten in der Luzerner Stadtkanzlei des 15. Jh. In: Jb. der Hist. Ges. Luzern 18 (2000) S. 2–44. – Barbara Aeschbacher: H. F. Die Chron. des Alten Z¨urichkriegs. Produktion und Rezeption. Lic. phil.-Arbeit Z¨urich 2000. – Georg Modestin: Von den hexen, so in Wallis verbrant wurdent. Eine wieder entdeckte Hs. mit dem Bericht des Chronisten H. F. u¨ ber eine Hexenverfolgung im Wallis (1428). In: Vallesia 60 (2005) S. 399–409. – Christian Sieber: ‹Unfreundliche› Briefe, Kriegserkl¨arungen und Friedensvertr¨age. Der Alte Z¨urichkrieg (1436–1450) im Spiegel der Biogr. v. Landschreiber H. F. In: Mitt. des Hist. Ver. des Kantons Schwyz 98 (2006) S. 11–37. MM 590

1. H¨alfte 15. Jh. ¨ Sebald, d. J. – Verfasser Rieter, Peter, Sebald d. A., von Pilgerreiseberichten, 15. Jh. Vom sp¨aten 14. Jh. bis ins 17. Jh. unternahmen Mitglieder der N¨urnberger Patrizierfamilie Rieter Pilgerfahrten nach Italien, Santiago oder ins Hl. Land (vgl. auch die Reiseunternehmungen der N¨urnberger Familie → Ketzel). Von den Reisen P. R.s (Santiago 1428; Mailand 1432; Jerusalem 1436, mit J¨org → Pfintzing; Rom 1450), seines Sohnes S. ¨ (Rom 1450; Santiago 1462; Jerusalem und Sid. A. nai 1464) und dessen Sohnes S. d. J. (Jerusalem und Sinai 1479, mit Hans → Tucher) sind Aufzeichnungen erhalten, die f¨ur den innerfamili¨aren Gebrauch bestimmt waren. Diese sind vom Nachfahren Hans R. († 1626), der auch Verfasser eines «Geschlechterbuchs» war, in teilweise redigierter Form zu einem «Reisebuch» zusammengestellt worden. Die Berichte zu den Reisen P.s sind a¨ ußerst knapp und enthalten kaum mehr als Angaben zu Reisebegleitern und -kosten. Die Notizen zur Romreise S.s ¨ sind vergleichbar kurz gehalten und nur die d. A. Ausf¨uhrungen zu Santiago und vor allem Jerusalem ausf¨uhrlicher geraten. Letztere bieten auch eine Episode u¨ ber die Gefangennahme und Befreiung der Pilger im Hl. Land, eine ausf¨uhrliche Beschreibung der hl. St¨atten und ein inseriertes Itinerar, das auch in Berichten Tuchers und → Niccol`os da Poggibonsi u¨ berliefert ist. Die K¨urze der Reisebe¨ d¨urfte auf Hans R. schreibungen P.s und S. d. A. zur¨uckgehen, der die Texte nach eigenen Aussagen nur selektiv aus einem nicht erhaltenen «alten Rieterbuech» u¨ bernommen hat. Da der Bericht der Heiliglandfahrt S.s d. J. auch von a¨lteren Textzeugen unabh¨angig vom Reisebuch Hans R.s u¨ berliefert wird, liegen dessen Aufzeichnungen in viel detaillierterer Gestalt vor. Außerdem gibt es zu dessen Reise einen Parallelbericht seines Begleiters Hans Tucher. Der Text ist dreigliedrig: 1) Beschreibung der Pal¨astinareise mit einem angeh¨angten Itinerar der gebr¨auchlichen Kaufmannsrouten nach Jerusalem. 2) Eine u¨ berarbeitete Fassung des Reiseberichtes seines Vaters, ein kurzer Auszug aus der «Historia Regum Terrae Sanctae» des Olivier le Scolastique und die Darstellung der Reise auf den Sinai und zum Katharinenkloster, an der auch der Kanzler der Herz¨oge von Sachsen, Dr. Otto Spiegel, teilnahm. 3) Zusammenstellung von Informationen (zur Reisevorbereitung, den notwendigen Utensilien, Kosten, ausl¨andischen M¨unzen etc.). Neben pers¨onlichen Reiseaufzeichnungen diente S. d. J. nach eigenen Angaben ein lat. Pilgerf¨uhrer, den schon sein 591

Rieter Vater erworben hatte, als zus¨atzliche Quelle. Aufgrund der zahlreichen w¨ortlichen Entsprechungen zu Tuchers Bericht ist es zudem vorstellbar, dass S. d. J. und Tucher w¨ahrend der Reise gemeinsam tagebuchartige Notizen erstellten und sp¨ater unabh¨angig voneinander auswerteten. W¨ahrend aber Tuchers Beschreibung eine der popul¨arsten Pilgerschriften des Sp¨atMA wurde (mit Einfluss auf Felix → Fabri oder Ludwig Tschudi von Gr¨applang) blieben diejenigen S.s d. J. und der andern Mitglieder der R.-Familie auf den famili¨aren Gebrauch beschr¨ankt. ¨ Uberlieferung: Ansbach, Gymnasialbibl., ohne Sign. (1594), Reisebuch in der Redaktion des Hans R.; enth¨alt auch a¨ltere Texten, darunter ein Autograph S.s d.J. – M¨unchen, BSB, Cgm 378, 138 Bll. (Ende 15. Jh., bair.), Ber. S.s d. J. (nur Jerusalem). – London, British Library, Cod. Egerton 1901, 44 Bll. (16. Jh.), Reisebuch mit Abweichungen zu Ansbach und zus¨atzlichen Familiennachr. – N¨urnberg, StB, «Schwarzes Rieterbuch». Ausgabe: Reinhold R¨ohricht/Heinrich Meisner: Das Reisebuch der Familie Rieter (Bibl. des litterar. Ver. Stuttgart 168). Stuttgart 1884. – Herbers/Pl¨otz 1996 (s. Lit) S. 73–77 (Ausz¨uge San¨ tiagofahrt S.s d. A.). Literatur: Helgard Ulmschneider, VL2 8 (1992) Sp. 73–75. – R. R¨ohricht/H. Meisner: Dt. Pilgerreisen nach dem Heiligen Lande. Berlin 1880, S. 111–114. – R. R¨ohricht: Bibliotheca geographica Palaestinae. Chronologisches Verz. der von 333 bis 1878 verfaßten Lit. u¨ ber das Heilige Land. Berlin 1890. Verb. und verm. Neuausg. mit einem Vorw. v. David H. K. Amiran. Jerusalem 1963 (Nachdr. London 1989) S. 127 (Nr. 389). – Theodor Hampe: Dt. Pilgerfahrten nach Santiago de Compostela und das Reisetagebuch des Sebald ¨ Ortel. In: Mitt. aus dem germ. Nationalmus. 1896, S. 61–82, hier S. 62 f. – R. R¨ohricht: Dt. Pilgerreisen nach dem Heiligen Lande. Neue Ausg. Innsbruck 1900 (Neudr. Aalen 1967) S. 96, 131, 156–158, 196. – Robert Priebsch: Dt. Hss. in England. Bd. 2. Erlangen 1901, S. 76 f. – Hans-Joachim Lepszy: Die Reiseberichte des MA und der Reformationszeit. Diss. Hamburg 1952, S. 69–72. – Albert Bartelmeß: Lebensbeschreibung des Hans Rieter v. Kornburg (1522–1584) und seine beiden Kopial- und Stammb¨ucher. In: Mitt. des Ver. f¨ur Gesch. der Stadt N¨urnberg 56 (1969) S. 360–383, hier S. 376, 381. – Karin Schneider: Die dt. Hss. der BSB Mu¨ nchen. Cgm 351–500 (Catalogus codicum 592

Schiltberger manu scriptorum Bibliothecae Monacensis V,3). Wiesbaden 1973, S. 95 f. – Erich Straßner: Graphemsystem und Wortkonstituenz. Schreibsprachl. Entwicklungsunters. an N¨urnberger Chroniktexten (Hermaea NF 39). Tu¨ bingen 1977, S. 29–31. – Claudia Zrenner: Die Ber. der europ¨aischen Jerusalempilger 1475–1500. Ein literarischer Vergleich im hist. Kontetxt (Europ¨aische Hochschulschr. I,382). Frankfurt/M., Bern 1981, S. 20–35. – Christiane Hippler: Die Reise nach Jerusalem. Unters. zu den Quellen, zum Inhalt und zur literarischen Struktur der Pilgerber. des Sp¨atMA (Europ¨aische Hochschulschr. 1,968). Frankfurt/M. u. a. 1987, S. 90 f. – Robert Pl¨otz: Dt. Pilger nach Santiago de Compostela bis zur Neuzeit. In: Dt. Jakobspilger und ihre Ber. (Jakobus-Stud. 1). Hg. v. Klaus Herbers. T¨ubingen 1988, S. 1–27, hier S. 25. – Ursula Ganz-Bl¨attler: Andacht und Abenteuer. Ber. europ¨aischer Jerusalem- und SantiagoPilger (1320–1520) (Jakobus-Stud. 4). T¨ubingen 1990, S. 353 (Reg.). – Jean-Marc Pastr´e: Un regard m´edi´eval sur des mondes nouveaux. Les r´ecits de voyage de S. R. et de Hans Tucher. In: Nouˆ veaux mondes et mondes nouveaux au Moyen Age (Greifswalder Beitr. zum MA 22/Wodan 37). Hg. v. Danielle Buschinger/Wolfgang Spiewok. Greifswald 1994, S. 93–100. – Anne Simon: Mit verschiedenen Augen. Ein Vergleich zweier sp¨atma. Pilgerber. In: Reisen im Diskurs. Modelle der literarischen Fremderfahrung von den Pilgerber. bis zur Postmoderne (Neue Bremer Beitr. 8). Hg. v. Anne Fuchs/Theo Harden. Heidelberg 1995, S. 266–287. – K. Herbers/R. Pl¨otz: Nach Santiago zogen sie. Ber. v. Pilgerfahrten ans ‹Ende der Welt›. M¨unchen 1996, S. 68–77. VZ Rotteler ¨ Chronik. Die vermutlich als Hauschronik auf Schloss R¨otteln bei L¨orrach, dem Sitz des Markgrafen Rudolf III. von Hochberg-Sausenberg, verfasste Chronik besteht aus Zus¨atzen zu einzelnen Kapiteln der Deutschen Chronik Jakob → Twingers von K¨onigshofen und berichtet vor allem von Rudolf als Vermittler zwischen F¨ursten und St¨adten am Oberrhein und am Konstanzer Konzil. Die Chronik enth¨alt neben Urkunden auch einen l¨angeren Bericht vom Kostanzer Konzil und ein Itinerar von K¨onig Sigismunds Reise nach Frankreich und England (1415–17), deren beider Herkunft ungekl¨art ist. ¨ Uberlieferung: Vollst¨andig nur in 3 Hss.: A: Basel, UB, cod. E I 1. – B: Ebd., cod. E I 1 h (Abschrift 593

1. H¨alfte 15. Jh. von A). – C: Bern, Burgerbibl., Mss. hist. helv. VII. 81 (von Niclaus Tugy 1452 abgeschrieben). Ausgabe: August Bernoulli: Basler Chroniken 5. Leipzig 1895, S. 103–189. – R¨otteler Chronik 1376–1432. Bearb. und u¨ bers. v. Klaus Schubring. L¨orrach 1995. Literatur: Claudius Sieber, VL2 8 (1992) Sp. 288 f. – Fritz Sch¨ulin: R¨otteln-Haagen. Beitr. zur Orts-, Landschafts- und Siedlungsgesch. L¨orrach 1965, S. 65–74. – Repertorium fontium historiaemedii aevi. Bd. 3 (1970) S. 429 f. – Hansmartin Schwarzmaier: L¨orrach im MA. In: L¨orrach. Landschaft – Gesch. – Kultur. L¨orrach 1983, S. 170–195 (mit a¨lterer Lit.). – Christoph T. Maier: Politik im sp¨atma. Basel: Die Sezession von 1414. In: Basler Zs. f¨ur Gesch. und Altertumskunde 87 (1987) S. 29–53. BJ Schiltberger, Hans (Johannes, Johann), * um 1380, † nach 1427. – Bayerischer Adliger, Verfasser eines Reiseberichts. H. S. nahm am Tu¨ rkenfeldzug K¨onig Sigismunds von Ungarn (1368–1437) teil und geriet in der Schlacht bei Nicopolis (25.9.1396) in Gefangenschaft. Er diente erst Sultan Bayezid I., gelangte dann zu den Mongolen in den Dienst Timurs sowie seiner Nachfolger und kehrte 1427 nach Bayern zur¨uck, wo er sp¨ater wohl als K¨ammerer Herzog Albrechts III. (1401–1460) t¨atig war. Nach der R¨uckkehr verfasste S. einen Bericht u¨ ber seine Erlebnisse, der zu den fr¨uhesten deutschsprachigen Zeugnissen u¨ ber den Orient z¨ahlt, auch wenn Authentizit¨at allenfalls der Rahmenerz¨ahlung zukommt, die u¨ ber Gefangennahme, Fluchtversuche sowie R¨uckkehr berichtet und nur sechs von 67 Kapiteln ausmacht. Buch- und Toposwissen vermitteln der chronikalische Teil (Kap. 4–29) und vor allem der systematische Reisebericht (Kap. 30–66), wo in der Manier zeitgen¨ossischer Reiseund Pilgerf¨uhrer und in nachweislicher Anlehnung an → Mandevilles Voyages historisches, geographisches, religi¨oses, ethnographisches und phantastisches Wissen u¨ ber die L¨ander des Nahen und Fernen Ostens und ihre Bewohner zusammengestellt wird. Der langanhaltende Erfolg von S.s Bericht kann mit der bis ins 17. Jh. im christlichen Europa omnipr¨asenten ‹T¨urkengefahr› erkl¨art werden. ¨ Berlin, SBB, Fragm. 73 Uberlieferung: (15. Jh.). – Heidelberg, UB, Cpg 216 (um 594

1. H¨alfte 15. Jh. 1480, niederalemannisch mit schw¨abischen Formen). – Karlsruhe, LB, Cod. Donaueschingen 481 (15. Jh.). – Mu¨ nchen, BSB, Cod. L 1603, 190r–249r (fr¨uher 4° M. Mon. 22; davor N¨urnberg, StB, Solg. Ms. 34.2°; 15. Jh.). – St. Gallen, Stiftsbibl., Cod. 628, S. 918–940 (zweite H¨alfte 15. Jh., nordbair.mitteldt.). – Straßburg, National- und UB, ms. 2119, fr¨uher L germ. 195.2; davor Privatbesitz T. O. Weigel (Leipzig), 280ra–291rb (1411, nordbair.). – Wolfenb¨uttel, HAB, Cod. 91.7 Extravagantes (17. Jh.) – Wolfenb¨uttel, HAB, Cod. 198.1 Hist. 8°, 1r–72v (16. Jh.). – Dazu kommen drei Inkunabeln (Augsburg, Anton Sorg, ca. 1478 und 1493), zwei Drucke des 16. Jh. (N¨urnberg, Johann vom Berg und Ulrich Newber um 1543; Wien, Greger H¨ubner um 1596) sowie weitere Drucke des 17. Jh. (vgl. Langmantel [s. Ausg.] S. 156 f.). Ausgaben: Karl Friedrich Neumann (Hg.): Reisen des J. S. aus M¨unchen in Europa, Asia und Afrika v. 1394 bis 1427. Mu¨ nchen 1859 (nach Heidelberg, UB, Cpg 216). – Valentin Langmantel (Hg.): H. S.s Reisebuch. T¨ubingen 1885 (nach M¨unchen, StB, Cod. L 1603). – John Buchan Telfer: The Bondage and Travels of J. S. with Notes by Philipp Bruun. London 1879 (Nachdr. New York 1973). ¨ Ubersetzungen: Telfer (s. Ausg.). – H. S.: Als Sklave im Osmanischen Reich und bei den Tataren 1394–1427. Aus dem Mhd. u¨ bertragen und hg. v. Ulrich Schlemmer. Stuttgart 1983. – Iogann ˇ Sil’tberger: Puteˇsestvie po Evrope, Azii i Afrike s ¨ 1394 goda po 1427 god. Ubers. v. Ziia M. Bunijatova. Baku 1984. – Johann S.s Irrfahrt durch den Orient. Aus dem Mhd. u¨ bertragen und hg. v. Markus Tremmel. Taufkirchen 2000. – Ole Høiris: Johann S.s rejseberetning. 31 a˚r som slave hos osmannerne og mongolerne 1396–1427. Højbjerg 2005. Literatur: De Boor/Newald 4/1 (21994) S. 160 f. – Hans-Jochen Schiewer, VL2 8 (1992) Sp. 675–679. – Christoph K. Neumann, LexMA 7 (1995) Sp. 1465 f. – Markus Tremmel, NDB 22 (2005) S. 773 f. – Dietrich Huschenbett/Red., Killy2 10 (2011) S. 359 f. – Hans-Joachim Lepszy: Die Reiseber. des MA und der Reformationszeit. Diss. Hamburg 1952, S. 35–38, passim. – Zoran Konstantinovic: Dt. Reisebeschreibungen u¨ ber Serbien und Montenegro (S¨udosteurop¨aische Arbeiten 56). M¨unchen 1960, S. 16–20. – Wolfgang Helmholdt: Das t¨urkische Vaterunser in H. S.s Reisebuch. In: Central Asiatic Journal 11 (1966) 595

Schiltberger S. 141–143. – Elisabeth Geck: Buchkundlicher Exkurs zu Herzog Ernst, Sankt Brandans Seefahrt, ¨ H. S.s Reisebuch. Wiesbaden 1969. – Yasar Onen: Das Bild der T¨urkei in dt. Reisebeschreibungen des 16. Jh. In: Geistesgeschichtliche Perspektiven. FS Rudolf Fahrner. Hg. v. G¨otz Grossklaus. Bonn 1969, S. 129–145. – Diane Summerhays Strachan: Five Fifteenth-Century German Reisebeschreibungen. Salt Lake City 1975. – Norbert Angermann: Die ersten dt. Reiseber. u¨ ber Sibirien. In: Reiseber. v. Deutschen u¨ ber Russland und v. Russen u¨ ber Deutschland. Hg. v. Friedhelm Berthold Kaiser/Bernhard Stasiewski (Stud. zum Deutschtum im Osten 15). K¨oln u. a. 1980, S. 43–57. – Annie Faug`ere: L’Antiquit´e dans les r´ecits de voyage. ˆ In: La repr´esentation de l’Antiquit´e au Moyen Age. Hg. v. Danielle Buschinger/Andr´e Cr´epin (Wiener Arbeiten zur germ. Altertumskunde und Philologie 20). Wien 1982, S. 79–89. – Aleya Khattab: ¨ Das Agyptenbild in den deutschsprachigen Reisebeschreibungen der Zeit v. 1285–1500 (Dt. Sprache und Lit. 517). Frankfurt/M. u. a. 1982, S. 26–28, 137–148. – Norbert Ohler: Reisen im MA. M¨unchen 1986. – Ernst Bremer: Stud. zur Reiselit. des 14. und 15. Jh. Paderborn 1987. – Gerhard Wolf: Die deutschsprachigen Reiseber. des Sp¨atMA. In: Der Reiseber. Hg. v. Peter J. Brenner. Frankfurt/M. 1989, S. 81–116. – H.-J. Schiewer: Leben unter Heiden. H. S.s t¨urkische und tartarische Erfahrungen. In: Daphnis 21 (1992) S. 159–179. – Marija Wakounig: Das Bild der T¨urken und Tataren bei J. S. In: Prace historyczne 102 (1992) S. 117–124. – Andrea Klein: Der Literaturbetrieb am M¨unchener Hof im f¨unfzehnten Jh. (GAG 652). G¨oppingen 1998, S. 195–204. – Dick Harrison: I skuggan av Cathay. V¨asteurop´eers m¨ote med Asien 1400–1600. Lund 1999, S. 92–116. – Europ¨aische Reiseber. des sp¨aten MA. Eine analytische Bibliogr., hg. v. Werner Paravicini. Tl. 1: Dt. Reiseber., bearb. v. Christian Halm. (Kieler Werkst¨ucke Reihe D: Beitr. zur europ¨aischen Gesch. des sp¨aten MA 5). Frankfurt/M. u. a. 2001, S. 56–62. – Michael Weithmann: Ein Baier unter ‹T¨urcken und Tataren›. H. S.s unfreiwillige Reise in den Orient. In: Lit. in Bayern 21 (2005) S. 2–15. – Marija Javor Briˇski: Kulturkonflikte als Machtkonflikte am Beispiel sp¨atma. Reiseber. In: Acta neophilologica 39 (2006) S. 99–107. – Leopold Hellmuth: H. S.s Besuch bei der Sperberburg. In: Mythos – Sage – Erz¨ahlung. Gedenkschrift Alfred Ebenbauer. Hg. v. Johannes Keller/Florian Kragl. G¨ottingen 2009, S. 129–143. NR 596

Johann von Wunschelburg ¨ Suho, Albert (Suhovius, Suhof, auch Kuel, Kuyl), * um 1394 Osnabr¨uck, † nach 1449 Osnabr¨uck (?). Der Sohn eines Osnabr¨ucker Vikars studierte wohl Theologie oder Kirchenrecht. Zuerst 1417 als geistlicher Notar nachgewiesen, wurde er 1425 Vikar und 1435 Kantor am Johannsstift in Osnabr¨uck. Danach war er st¨adtischer Offizial und Sachwalter seines Stiftskapitels. Von 1432 bis etwa 1436 weilte S. am Basler Konzil. Seit 1442 war er Generalvikar und Offizial der Di¨ozese Osnabr¨uck und seit 1445 Dekan der Kalandbr¨uder an der Osnabr¨ucker Marienkirche. S. hinterließ eine nd. Chronik sowie drei theologische Werke in lat. Sprache, die alle vor der Chronik entstanden. Speculum futurorum temporum (1428) ist eine Kompilation in drei B¨uchern und 23 Kapiteln u¨ ber den Zustand des Klerus. Mit konziliaristischer Tendenz verteidigt S. darin dessen gesellschaftliche Sonderstellung und wendet sich zugleich gegen Verfallserscheinungen innerhalb des h¨oheren Klerus. S. griff f¨ur das Speculum vor allem auf ein gleichnamiges Werk des Gebeno von Eberbach zur¨uck, außerdem auf → Martin von Troppau, Alanus ab Insulis, Walther von Chˆatillon und Matth¨aus von Vendˆome. Das zweite lat. Werk S.s, Abcedarium (1432), enth¨alt sieben Predigten mit Prologen. Weiterhin verfasste S. lat. Sentenzenkommentare (1445) u¨ ber das Ave praeclara maris stella des → Hermann von Reichenau und das Lauda Sion salvatorem des → Thomas von Aquin. S.s Weltchronik Der werlde lop (1447) ist in nd. Sprache geschrieben und nur vereinzelt durch (teils metrische) lat. Zitate erg¨anzt, die meist aus Petrus Rigas Aurora stammen. S.s Text ist in 225 Kapitel und sieben Zeitalter gegliedert. Er beginnt mit der Genesis und endet im sechsten Zeitalter mit ¨ dem Ubergang von Papst Eugen IV. auf Nikolaus V. im Jahr 1447. Das siebte Zeitalter beinhaltet die Ankunft des Antichrists und das Ende der Welt. Als echte Weltchronik umfasst Der werlde lop biblische, orientalische, hellenische und r¨omische Ereignisse sowie die Geschichte der Kaiser und P¨apste. Die Vita Christi nimmt im Text einen besonderen Rang ein, ab Karl dem Großen auch die Geschichte Sachsens und Osnabr¨ucks. Quellen S.s waren wahrscheinlich die Historia scholastica des → Petrus Comestor, das Chronicon pontificum et imperatorum des Martin von Troppau und die → Flores temporum. Obwohl S.s Werk als eine der wenigen nd. Chroniken des Mittelalters in einer Reihe mit Werken von Dietrich → Engelhus und Hermann 597

1. H¨alfte 15. Jh. → Korner sowie mit der → S¨achsischen Weltchronik zu nennen ist, steht eine echte W¨urdigung durch die Forschung noch aus. ¨ Uberlieferung: Der werlde lop (nd. Weltchronik): Warburg, St. Johannes Baptist, ohne Sign., 311 Bll. (Pap., 1452, wahrscheinlich Autograph). – Krakau, Bibl. Jagiellonska, Berol. mgq 1481 (fr¨uher Berlin, SBB, Mgq 1481), 2ra–175va (Pap., 1473). – Speculum futurorum temporum: Osnabr¨uck, Staatsarch., Dep. 58 d, Msc. Nr. CV, 1r–90r (wahrscheinlich von S. selbst korrigiert). – Abcedarium: Osnabr¨uck, Staatsarch., Dep. 58 d, Msc. Nr. CV, 91r–127r (wahrscheinlich Autograph). – Sentenzenkommentare: Mu¨ nster/Westf., Staatsarch., Altertumsver. M¨unster, Msc. Nr. 41, 44 Bll. (um 1445–48). Ausgaben: Friedrich Runge: A. S. als Quelle f¨ur den Osnabr¨ucker Chronisten Lilie. In: Mitt. des Ver. f¨ur Gesch. und Landeskunde v. Osnabr¨uck 16 (1891) S. 173–227 (Teildr. des Speculum). Literatur: ADB 54 (1908) S. 634. – Franz Josef Worstbrock, VL2 9 (1995) Sp. 491–497. – Florenz Landmann: Das Predigtwesen in Westfalen in der letzten Zeit des MA. Ein Beitr. zur Kirchen- und Kulturgesch. Mu¨ nster/Westf. 1900, S. 64 f. – Johannes Vincke: Der Klerus des Bistums Osnabr¨uck im sp¨aten MA. Mu¨ nster/Westf. 1928, S. 14, 22, 125, 153, 166. – Hermann Rothert: Gesch. der Stadt Osnabr¨uck im MA. Osnabr¨uck 1937 (Nachdr. ebd. 2004) passim. – Wilhelm Berning: Das Bistum Osnabr¨uck vor Einf¨uhrung der Reformation (1543). Osnabr¨uck 1940, S. 72–76. – Lothar Schmieding: Stift und Pfarre St. Johann zu Osnabr¨uck im MA. Diss. M¨unster/Westf. 1951, S. 71, 78 f. – Bernd-Ulrich Hergem¨oller: ‹Pfaffenkriege› im sp¨atma. Hanseraum 1. Quellen und Stud. zu Braunschweig, Osnabr¨uck, L¨uneburg und Rostock. K¨oln u. a. 1988, S. 84–88, 93–98, 104–106; Bd. 2, ebd. 1988, S. 67 f. MM Grevenstein, Hermann → Band 4. Johann von Wunschelburg ¨ (Wunschilburg, Wunslburg, -berg u. a¨ .), * um 1385 W¨unschelburg (heute Radk´ow), † nach 1456. – Theologe, Prediger. J. studierte in Prag und wurde 1404 Baccalaureus, 1406 Magister. Seit etwa 1409/10 lehrte er Theologie an der Universit¨at Leipzig, zu deren Gr¨undungsprofessoren er z¨ahlte. 1437/38 war er 598

1. H¨alfte 15. Jh. Rektor der Universit¨at. Daneben wurde er zu einem unbekannten Zeitpunkt zum Dr. theol. promoviert und hatte eine Predigerpfr¨unde in Amberg/Oberpfalz inne. J. schrieb mehrere lat. Werke, die allerdings nur teilweise erhalten sind. Die Appellatio pulchra ist nur im Concilium Constantiense des → Andreas von Regensburg u¨ berliefert. Im Text bittet J. den Salzburger Erzbischof um Unterst¨utzung in einem Streit mit Konrad von Soest, an den J. seine Amberger Pfr¨unde zu verlieren f¨urchtete. Die Abhandlung De signis et miraculis falsis (um 1429?) wendet sich gegen zeitgen¨ossische Formen des Aberglaubens, vor allem gegen vermeintliche Wundererscheinungen wie das sog. → Wilsnacker Wunderblut. Die im 16. Jh. auf dem kirchlichen Index gelistete Schrift ist heute nur aus indirekten Erw¨ahnungen bei sp¨ateren Autoren bekannt. Sie ist u. a. bei Flacius Illyricus, Konrad Gesner und Heinrich Pantaleon genannt. Ebenfalls gegen den Aberglauben gerichtet ist der Tractatus de superstitionibus (um 1440). Der nur noch in einer Handschrift erhaltene Text benutzte De fide et legibus von Wilhelm von Auvergne als Vorlage und wurde ebenfalls indiziert. Obwohl in lat. Sprache verfasst, zitiert das Werk auch zwei dt. Beschw¨orungen. Eine besondere Rolle in J.s Werk nimmt die lat. Gamaleon-Predigt ein, die J. 1439 in Amberg hielt. Darin wird die Ankunft eines neues Zeitalters unter einem dt. Herrscher prophezeit, der Frankreich und Rom u¨ berwinden werde. Gamaleon selbst erscheint als weissagender Knabe, der verschiedene Zeichen auslegt. Die Predigt wurde u. a. von Johann Lichtenberger und Flacius Illyricus rezipiert. Eine dt. Fassung der GamaleonProphezeiung wurde lange f¨alschlich f¨ur eine ¨ Ubertragung von J.s Predigt gehalten. Allerdings ist die Prophezeiung bereits in einem lat. Brief an Papst Bonifatius IX. von 1394 nachweisbar (Epistola Gamaleonis). Auf diesem beruhend, wurde sie dann unabh¨angig von J.s Predigt weiter u¨ berliefert, u. a. mit den Incipits «Gamaleon schreibt zu dem babst» und «Die dinck sein ausgezogen und nomen aus der epistel Gamaleonis». Der dt. Text wurde 1461 von Michel → Beheim in Verse gefasst. ¨ ¨ Uberlieferung: Zur lat. J.-Uberl. vgl. Kurze/ St¨ollinger-L¨oser 1983/2004 (s. Lit.). – Die dt. ¨ Gamaleon-Uberl. jenseits von J. umfasst folgende Hss.: Coburg, LB, Ms. Sche. 16, 320vb–322vb (Perg. und Pap., 1427, bair.). – Mu¨ nchen, BSB, Cgm 267, 249v–251r (Pap., um 1448, nordbair.). – Wien, 599

Rufus-Chronik ¨ ONB, cod. 3002, 38v–44r (Pap., zweite H¨alfte 15. Jh., bair.). – Mu¨ nchen, UB, 2° cod. ms. 684, 100r–102v (Pap., 1465, mittelbair.). Ausgaben: 1. J.s Gamaleon: Friedrich von Bezold: Zur deutschen Kaisersage. In: Sb. der Bayer. Akad. der Wiss., phil.-hist. Kl. 1884 (1885) S. 560–606, hier S. 604 f. – Herrmann 1966 (s. Lit.) S. 114 f. – 2. Anonymer Gamaleon (dt.): Neun Texte zur Gesch. der religi¨osen Aufkl¨arung in Deutschland w¨ahrend des 14. und 15. Jh. Hg. v. Alexander Reifferscheid. Greifswald 1905, S. 46–50 (nach Cgm 267). – Verz. der lat. J.-Ausg. bei Kurze/ St¨ollinger-L¨oser 1983/2004. Literatur: Lauchert, ADB 44 (1898) S. 320–322. – Robert E. Lerner: Gamaleon. In: DHGE 19 (1981) Sp. 957 f. – Dietrich Kurze/Christine St¨ollinger-L¨oser, VL2 4 (1983) Sp. 818–822; 11 (2004) Sp. 805 f. – Erwin Herrmann: ‹Veniet aquila, de cuius volatu delebitur leo.› Zur Gamaleon-Predigt des J. v. W. In: Festiva Lanx. FS Johannes Sp¨orl. Hg. v. Karl Schnith. M¨unchen 1966, S. 95–117. – Dietrich Kurze: Nationale Regungen in der sp¨atma. Prophetie. In: Hist. Zs. 202 (1966) S. 1–23. – Thayron Sandquist: The Holy Oil of St. Thomas of Canterbury. In: Essays in Medieval History Presented to Bertie Wilkinson. Hg. v. T. Sandquist/Maurice Powicke. Toronto 1969, S. 330–344. – Marjorie Reeves: The Influence of Prophecy in the Later Middle Ages. A Study in Joachimism. Oxford 1969, S. 332–334. – R. E. Lerner: Medieval Prophecy and Religious Dissent. In: Past and Present 72 (1976) S. 3–24. – Franz Fuchs: Buchbesitz als Altersvorsorge. Eine Bibliotheksstiftung des J. v. W. f¨ur die Pr¨adikatur bei St. Martin in Amberg im Jahre 1450. In: Wirtschaft – Ges. – Mentalit¨aten im MA. FS Rolf Sprandel. Hg. v. Hans-Peter Baum. Stuttgart 2006, S. 683–695. MM

Rufus-Chronik. Die zu Unrecht nach Johannes → Rode (Ruf[f]us) so benannte L¨ubecker Stadtchronik umfasst den Zeitraum 1105–1430. Sie stammt von einem unbekannten Verfasser. Die Chronik besteht aus zwei Teilen. Der erste Teil behandelt die Jahre 1105–1395, wobei f¨ur die Jahre bis 1349 wahrscheinlich die Stadeschronik Johannes Rodes, f¨ur die Zeit ab 1350 die Chronik → Detmars von L¨ubeck benutzt worden ist. Der zweite Teil (1395–1430) ist 600

Merswin ¨ im Wesentlichen eine dt. Uberarbeitung der (verlorenen) dritten Rezension (1430) der lat. Chronica novella des Dominikaners Hermann → Korner. ¨ Uberlieferung: Kopenhagen, Kgl. Bibl., Ny kgl. Saml. 310, 2° (15. Jh.). – Ebd., Gl. kgl. Saml. 682, 2° (16. Jh.). – Hamburg, SUB, Hist. 107 (16. Jh.). Ausgabe: Karl Koppmann, in: Die Chron. der nieders¨achsischen St¨adte. L¨ubeck. Bd. 2 (Chron.dt.St. 26). Leipzig 1899 (Nachdr. G¨ottingen 1967) S. 197–276; Bd. 3 (Chron.dt.St. 28). Leipzig 1902 (Nachdr. G¨ottingen 1968) S. 1–342. – Ausz¨uge sind verzeichnet bei August Potthast: Bibliotheca historica medii aevi. Wegweiser durch die Geschichtswerke des europ¨aischen MA bis 1500. Bd. 2. 2., verb. u. verm. Aufl. Berlin 1896 (Nachdr. 1957) S. 989. Literatur: Klaus Wriedt, VL2 8 (1992) Sp. 278 f. – De Boor/Newald 4/1 (21994) S. 155. – Die l¨ubeckischen Chron. in nd. Sprache. Hg. v. Ferdinand Heinrich Grautoff. Tl. 1. Hamburg 1829, S. XXIV–XXXI; Tl. 2. Hamburg 1830, S. XV–XVII. – Jakob Schwalm (Hg.): Die Chronica novella des Hermann Korner. G¨ottingen 1895, S. XXXI–XXXV. – Karl Koppmann: Die L¨ubische Stadeschron. und ihre Ableitungen. In: Hansische Geschichtsbll. 25 (1897) S. 149–204. – Ders., 1899 (s. Ausg.) S. XVI, 177–196. – Ders., 1902 (s. Ausg.) S. XI–XX. BJ Merswin, Cuntz. – Urheber oder Schreiber der dt. ¨ Ubersetzung eines politischen Traktats, 1431 bzw. nach 1442. ¨ Mit «C˚untz Merswin» ist die dt. Ubersetzung des Memoriale de prerogativa imperii Romani Alexanders von Roes im einzigen Textzeugen unterschrieben. ¨ Ob M. der Ubersetzer oder lediglich der Schreiber des Textes war, l¨asst sich nicht entscheiden. Die ¨ Ubersetzung ist 1431 in Straßburg, die Abschrift nach 1442 entstanden. Mehr als die Zugeh¨origkeit M.s zum ber¨uhmten Straßburger Patriziergeschlecht (Rulman → Merswin) ist von ihm nicht bekannt. ¨ Die Ubersetzungsvorlage Memoriale ist um 1281 verfasst worden und behandelt die Entstehung des Heiligen R¨omischen Reiches dt. Nation und seine Bedeutung f¨ur die Christenheit. Nachhaltig gewirkt hat der Traktat erst im 15. Jh. zur Zeit der nationalen Spannungen nach dem Konzil von Basel. Vor diesem politischen Hintergrund ist die ¨ Ubersetzung zu sehen, die auf einer offenbar unvollst¨andigen Memoriale-Vorlage beruht. Sie gilt zu601

1. H¨alfte 15. Jh. sammen mit der → Reformatio Sigismundi (um 1437) ¨ als a¨ ltester dt. politischer Prosatext. Die Ubertragung, die sprachlich an Jakob → Twinger von K¨onigshofen erinnert, ist sehr darum bem¨uht, die komplexen lat. Begrifflichkeiten einer klerikalen Reichstheorie einem dt. Laienpublikum verst¨and¨ lich zu machen, doch ger¨at der Ubersetzer vor allem bei Alexanders Welt¨amtertheorie an seine Grenzen («sacerdotium» und «imperium» sind in der dt. Fassung ambivalent, die «translatio imperii» etwa ist dem volkst¨umlichen Geschichtsverst¨andnis fremd). Dass auch in der dt. Fassung die Namen zur fr¨ankischen Fr¨uhgeschichte ausschließlich latinisiert erscheinen, legt nahe, dass diese nur aus dem lat. Schrifttum bekannt war. Mit der fr¨ankischen Amtsbezeichnung «maior domus» schließlich ¨ konnte der Ubersetzer (wie auch derjenige der → Magdeburger Sch¨oppenchronik) u¨ berhaupt nichts anfangen («gr¨osser des huses»). Um Schwierigkeiten dieser Art m¨oglichst zu vermeiden, erstellte der ¨ Verfasser in der Regel statt einer w¨ortlichen Ubersetzung eine je nach Einzelfall paraphrasierende, k¨urzende oder erl¨auternde dt. Textfassung. Sein Versuch, die lat. politische Literatur einem breiten dt. Publikum zu vermitteln, darf allerdings als gescheitert betrachtet werden: Die lat. Reichstheorie blieb im Deutschen ohne nenneswerte Wir¨ kung (vgl. auch die Ubertragungen des Ritmaticums → Lupolds von Bebenburg oder sp¨ater der Germania Jakob Wimpfelings) und die politische Reflexion im MA und fr¨uher Neuzeit dem Lateinischen verhaftet. ¨ Uberlieferung: Karlsruhe, LB, Cod. Ettenheimm¨unster 26, 227ra–240ra (Pap., Straßburg um 1465, alemannisch mit rheinfr¨ankischem Einschlag). Ausgabe: Herbert Grundmann/Hermann Heimpel: Alexander v. Roes. Schr. (MGH Staatsschr. des sp¨ateren MA 1,1). Stuttgart 1958 (Nachdr. 1985) S. 192–208. Literatur: Marlies Hamm, VL2 6 (1987) ¨ Sp. 419 f. – H. Grundmann: Ubersetzungsprobleme im Sp¨atMA. Zu einer alten Verdeutschung des Memoriale Alexanders v. Roes. In: ZfdPh 70 (1948/49) S. 113–145 (wieder in: Ders.: Ausgew¨ahlte Aufs¨atze. Bd. 3: Bildung und Sprache [MGH Schr. 25,3]. Stuttgart 1978, S. 163–195). – Hugo Kuhn: Versuch u¨ ber das 15. Jh. in der dt. Lit. In: Ders.: Entw¨urfe zu einer Literatursystematik des Sp¨atMA. T¨ubingen 1980, S. 77–101. – Birgit Studt: Vom universalen Modell zum politi602

1. H¨alfte 15. Jh. schen Argument. Die Aktualisierung des ‹Memoriale› Alexanders v. Roes im 15. Jh. In: Das MA 5 (2000) H. 2, S. 31–48. VZ Papst-Kaiser-Rotulus. Die in der Tradition der Chronik → Martins von Troppau stehende Darstellung der P¨apste und Kaiser in synoptischen Reihen, Bild und Text kombinierend, umfasst hier die Zeit von Christi Geburt bis zu Papst Eugen IV. bzw. zu K¨onig Sigismund (etwa 1431/33). ¨ Uberlieferung: Berlin, SBB, Hdschr. 143 (Pergamentrolle, zusammengeklebt aus 15 St¨ucken, 1431–33, rheinfr¨ankisch; das Textinitium der Rolle ist gest¨ort). Inhaltlich verwandt ist die Hs. Wien, cod. Ser. nova 2653 (bis 1452/53 gef¨uhrt; lat. Text). Literatur: Christine St¨ollinger-L¨oser, VL2 11 (2004) 1161–1163. – Tilo Brandis: Ein mhd. P.-K.R. des 15. Jh. In: FS Albi Rosenthal. Hg. v. Rudolf Elvers. Tutzing 1984, S. 67–80. – Preußischer Kulturbesitz. 25 Jahre in Berlin. Sammeln – Forschen – Bilden. Aus der Arbeit der Stiftung Preußischer Kulturbesitz (Jb. Preußischer Kulturbesitz, Sonderbd. 3). Berlin 1986, S. 188 (Nr. 163), 411. – Hans-Jochen Schiewer: Berlins sch¨one Hss. Deutschsprachige Kostbarkeiten aus der Handschriftenslg. der Staatsbibl. Preußischer Kulturbesitz (Jahresgabe der Leuchte Versicherungsmakler GmbH 1987). Berlin 1987, S. 23–25, 27 (Abb. 9). – Glanz alter Buchkunst. Ma. Hss. der Staatsbibl. Preußischer Kulturbesitz Berlin. Hg. v. T. Brandis/ Peter J¨org Becker (Staatsbibl. Preußischer Kulturbesitz. Ausstellungskataloge 33). Wiesbaden 1988, S. 174 f. (Nr. 81). – Birgit Studt: Gebrauchsformen ma. Rotuli. Das Wort auf dem Weg zur Schrift – die Schrift auf dem Weg zum Bild. In: Vestigia Monasteriensia. Westfalen – Rheinland – Niederlande. Hg. v. Ellen Widder u. a. (Stud. zur Regionalgesch. 5). Bielefeld 1995, S. 325–350, hier S. 339, Anm. 48. – T. Brandis: Ma. dt. Hss. 25 Jahre Neuerwerbungen der Staatsbibl. zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz. In: Die Pr¨asenz des MA in seinen Hss. [...]. Hg. v. H.-J. Schiewer/ Karl Stackmann. Tu¨ bingen 2002, S. 303–335 und Tf. XXIV–XXXIV, hier S. 313 (Nr. 23) und Tf. XXIX. – Matthias Puhle/Claus-Peter Hasse (Hg.): Heiliges R¨omisches Reich Dt. Nation 962 bis 1806. Von Otto dem Großen bis zum Ausgang des MA. 29. Ausstellung des Europarates in Magdeburg und Berlin und Landesausstellung Sachsen-Anhalt. Kat. Dresden 2006, S. 467 (Nr. V.67). – Kurt 603

Papst-Kaiser-Rotulus Heydeck: Die Hss. der Signaturenreihe Hdschr. der Staatsbibl. zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz. Teil 1: Hdschr. 1–150 (Staatsbibl. zu Berlin, Preußischer Kulturbesitz. Kataloge der Handschriftenabt., Erste Reihe 9,1) (in Druckvorb.). BJ Pfaffenfeind. – Politisches Lied. Das 63 Lindenschmidtstrophen (aabxb) mit Kehrreim umfassende Lied schildert die Ereignisse um die Magdeburger Stiftsfehde (1431–1435). ¨ Unter dem Vorwand der Gefahr von Ubergriffen durch die Hussiten wurden ohne die Genehmigung des Erzbischofs, G¨unther II. von Schwarzburg, T¨urme und Wohnungen f¨ur Domherren in die Stadtbefestigung integriert, wodurch, so der erzbisch¨ofliche Vorwurf in den Klageschriften, erm¨oglicht wurde Pfahlb¨urger aufzunehmen und die st¨adtische Gerichtsbarkeit ungeb¨uhrend ausgedehnt wurde. Zudem spielte das Magdeburger B¨undnisrecht in diesem Kontext eine Rolle. Der Erzbischof hatte schon zuvor die Autonomie der Stadt (vgl. Str. 18 und 28) durch die Einschr¨ankung des «privilegium de non evocando», in Frage gestellt. Die Magdeburger Stiftsst¨adte und der S¨achsische St¨adtebund standen hinter den Bestrebungen der Stadt, da sie Interesse daran hatten, dass Magdeburg nicht wieder zu einer einfachen Territorialstadt degradiert werde. 1431 verließ das gesamte Kapitel mit den Kirchensch¨atzen die Stadt (Str. 8) und rief 1432 die Fehde aus. Nach Kampferfolgen der St¨adter zog der Erzbischof ans Hofgericht und das Basler Konzil. Trotz Reichsacht gegen die Stadt hielt der Krieg jedoch an. Letztlich konnte der Erzbischof mit den s¨achsischen und erzgebirgischen F¨ursten B¨undnisse schließen, woraufhin diese schließlich eine Einigung zwischen den Opponenten herbeif¨uhrten: die Stadtbefestigung Magdeburgs durfte bleiben, die Privilegien der Stadt sollten unangetastet bestehen und der Bann gel¨ost werden. Das Kapitel bekam seine G¨uter zur¨uck. Da das Lied nichts vom diplomatischen Ende der Auseinandersetzung berichtet, ist es wohl noch unterdessen gedichtet worden, wahrscheinlich noch vor der Reichsacht (1433). Der Ascherslebener Verfasser nennt sich in der letzten Strophe selbst «Pfaffenfeind», was seine Interpretation der Geschehnisse passend auf den Punkt bringt. In Str. 3–14 geht er scharf mit den Pfaffen ins Gericht, auf deren Rat hin erst der sonst gottestreue und 604

Weihenstephaner Chronik ehrenhafte Graf G¨unther gegen die Stadt Magdeburg vorging. Die Pfaffen erscheinen dagegen als Triebstreiber, Gottesl¨asterer, Kirchenr¨auber und Frauensch¨ander. Der Verfasser warnt den Erzbischof und die anderen Kurf¨ursten vor den Konsequenzen und lobt Freiheit, Reichtum, Mut und Treue der Stadt Magdeburg, die er als «kron uber das land» (Str. 41,2) bezeichnet. Zur Dramatisierung und Poetisierung des historischen Berichts tragen die Verwendung von Dialogsequenzen zwischen G¨unther und den Magdeburger B¨urgermeistern Arnd Jordan und Hans Lindow, Tiermetaphorik und bildhafte Vergleiche bei. Das Lied endet mit der Schilderung des feigen R¨uckzugs des Bischofs von Hildesheim und seiner Verb¨undeten vor dem u¨ berlegenen «K¨onig Otto» (Str. 61; =Stadt Magdeburg). ¨ Uberlieferung: Cyriacus Spangenberg: Mansfeldische Chronica. Eisleben 1572, Bl. 372v–376r ¨ (hochdt. Ubersetzung aus einem nd. Original). Ausgaben: Einhundert dt. hist. Volkslieder. Gesamm. und in urkundl. Texten chronologisch geordnet von Friedrich Leonard Soltau. Leipzig 1845, Nr. 14a. – Liliencron 1 (1865) Nr. 69. – Des Knaben Wunderhorn. Alte dt. Lieder. Ges. von Achim von Arnim und Clemens Brentano. Hg. und komm. v. Heinz R¨olleke. Stuttgart 2006, S. 106–109 (22strophige Bearb.). Literatur: Frieder Schanze, VL2 7 (1989) Sp. 550 f. – Liliencron (s. Ausg.) S. 340 f. CS Ostman(n), Ott. Der Name «ott ostman» steht unter einem Lied in der Heidelberger Hs. 704. Ob die Unterschrift den Verfasser oder den Scheiber des Textes bezeichnet, ist unsicher. Das auf den 21.9.1433 datierte Lied im Lindenschmidt-Ton umfasst 18 Strophen zu je f¨unf Zeilen. Thema ist der Sieg Johanns von Bayern u¨ ber die pl¨undernden Hussiten bei Hiltersried/ Oberpfalz 1433. ¨ Uberlieferung: Heidelberg, UB, Hs. 704 (vorm. cod. 363.54), 155v–157r (17. Jh.) Ausgaben: Gerhard (s. Lit.) S. 225–227. – Mu¨ ller (s. Lit.) S. 131–133. – Cramer 2 (1979) 404–406. Literatur: Isolde Neugart, VL2 7 (1989) Sp. 125 f. – Ferdinand Gerhard: Vom Hussenkrieg. Ein hist. Volkslied (in: Neue Heidelberger Jbb. 3) 1893, S. 224–230. – Ulrich M¨uller: Unters. zur politischen Lyrik des dt. MA (GAG 55/56). G¨oppingen 1974, 326. BJ 605

1. H¨alfte 15. Jh. Steinruck, Heinrich, † 9.3.1470. – Verfasser von historischen Aufzeichnungen. H. S. (III.) war ein zwischen 1412 und 1464 urkundlich belegter Angeh¨origer des adeligen fr¨ankischen Geschlechts der Steinau, gen. Steinr¨uck. Im Zentrum der von ihm – nach eigener Aussage – zwischen 1433 und 1462 annalistisch angelegten historischen Aufzeichnungen in dt. Sprache stehen fr¨ankische Angelegenheiten (u. a. Unwetter, Kriegsz¨uge). Zu den wenigen Geschehnissen von reichsgeschichtlicher Bedeutung, die erw¨ahnt werden, z¨ahlen die K¨onigskr¨onungen von 1438 und 1440. ¨ Uberlieferung: W¨urzburg, Staatsarch., Depositum: Arch. der Freiherren von Th¨ungen zu Weißenbach Nr. 2910 (= Bd. 9) (ehem. cod. Schweinfurt XXXI), Kopialbuch, 15. Jh., S. 195–204 (die Eintragungen brechen unvermittelt mit dem Jahr 1462 ab). Ausgabe: August Sch¨affler: Die Aufzeichnungen des H. S. u¨ ber Ereignisse aus den Jahren 1430/1462. In: Arch. des Hist. Vereins f¨ur Unterfranken und Aschaffenburg 23 (1875/76) S. 475–488. Literatur: Christine St¨ollinger-L¨oser, VL2 9 (1995) 285 f. – Richard v. Steinau-Steinr¨uck: Abriß der Gesch. des fr¨ankischen Geschlechtes von Steinau genannt Steinr¨uck in bezug auf seine Zugeh¨origkeit zu dem Hochstifte W¨urzburg und im besonderen auf seine Besitzungen daselbst. In: Arch. des Hist. Vereins v. Unterfranken und Aschaffenburg 49 (1907) S. 1–134, bes. S. 35–49. – Heinrich Wagner: Neustadt a. d. Saale (Hist. Atlas v. Bayern. Tl. Franken, Reihe I, H. 27). Mu¨ nchen 1982, S. 178 f. u. o¨ . (Reg.). BJ Weihenstephaner Chronik. – Dt. ProsaWeltchronik. Die anonym u¨ berlieferte W. C. entstand um 1433 als Prosachronik in dt. Sprache. Ihr mit den Urspr¨ungen Roms beginnender Berichtszeitraum wurde in mehreren Fortsetzungen bis 1435, 1462, 1469 und zuletzt 1472 erweitert. Ein großer Teil des Texts stellt das Leben Karls des Großen dar, jedoch nicht historisch akkurat, sondern mit legendenhaften Z¨ugen. So wird etwa Karls bis heute unbekannter Geburtsort im Sinne o¨ rtlicher Sagen bei Mu¨ nchen lokalisiert. Die Karlsvita der W. C. ist auch selbstst¨andig u¨ berliefert, also ohne die Weltchronik. Das Werk berichtet außerdem die Geschichte Roms und des r¨omischen Reichs, der Kaiser, P¨apste und Konzilien. Geschildert werden 606

1. H¨alfte 15. Jh. weiterhin die Erbauung der Burg W. durch K¨onig Pippin und die Intrigen um dessen Frau Berta. Die j¨ungeren Abschnitte der W. C. r¨ucken zunehmend Ereignisse und Personen aus M¨unchen und Oberbayern in den Vordergrund, darunter den Pestausbruch von 1430 sowie den bayerischen Herzog Wilhelm III. Wichtigste Vorlage der W. C. waren die → Flores temporum. Diese lat. Chronik aus dem sp¨aten 13. Jh. behandelt die Weltgeschichte ab Adam in heilsgeschichtlicher Pr¨agung, enth¨alt aber auch Kaiserund Papstkataloge. In die fr¨uheren Teile der W. C. flossen die Flores in einer heute verlorenen Fassung ein, in die sp¨ateren Fortsetzungen der W. C. ¨ wahrscheinlich als dt. Ubersetzung des Heinrich → Steinh¨owel von 1473. Die W. C. u¨ bernimmt die ¨ Flores teilweise in w¨ortlicher Ubersetzung, k¨urzt aber manche Teile des a¨ lteren Werks. Besonders in den j¨ungeren Teilen ist die W. C. nach den P¨apsten und Kaisern der Flores gegliedert. Weitere Quellen der W. C. waren die Weltchronik des → Jan(s) von Wien, das Karlslied des → Strickers sowie lat. Annalen, Legenden und Mirakelberichte. Rezipiert wurde die W. C. etwa in der Bayerischen Chronik des Ulrich → F¨uetrer. Heute wird die W. C. vor allem als volkssprachiges Werk gew¨urdigt und gilt als bedeutendes Zeugnis der oberbayerischen Literatur ihrer Zeit. ¨ Uberlieferung: Wolfenb¨uttel, HAB, cod. 38.28 Aug. 2°, 106 Bll. (Pap., 1467). – M¨unchen, BSB, Cgm 315, 95 Bll. (Pap., 1472, mittelbair., nur Karls¨ vita). – Wien, ONB, cod. 2861, 97ra–209rb (Perg., 1474, schw¨abisch). – M¨unchen, BSB, Cgm 259, 124 Bll. (Pap., drittes Viertel 15. Jh., mittelbair.). – Paris, Bibl. de l’Institut de France, Ms. 3406, 63 Bll. (Pap., 1486, mittelbair., nur Karlsvita). Ausgaben: Johann von Aretin: Aelteste Sage u¨ ber die Geburt und Jugend Karls des Grossen. M¨unchen 1803, S. 15–63 (Teildr.). – Eraclius. Dt. und franz¨osisches Gedicht des zw¨olften Jh. (jenes von Otte, dieses von Gautier von Arras), nebst mhd., griechischen, lat. Anh¨angen und geschichtlicher Unters. Hg. v. Hans F. Massmann. Quedlinburg u. a. 1842, S. 186–189 (Teildruck). – Sp¨atlese des MA 1. Hg. v. Wolfgang Stammler. Berlin 1963, S. 41–45, 95–98. – Sigrid Kr¨amer: Die sogenannte Weihenstephaner Chron. Text und Unters. (Mu¨ nchener Beitr. zur Medi¨avistik und Renaissance-Forschung 9). Mu¨ nchen 1972, S. 69–245 (Chron. ohne Karlsvita). Literatur: Birgit Studt, VL2 10 (1999) Sp. 790–794. – Otto Freitag: Die sog. Chron. v. 607

Hofer Weihenstephan. Ein Beitr. zur Karlssage. Halle/ Saale 1905. – Ulrich F¨uetrer: Bay. Chron. Hg. v. Reinhold Spiller. Mu¨ nchen 1909 (Nachdr. Aalen 1969) S. LII–LIV. – Kr¨amer 1972 (s. Ausg.). – KarlErnst Geith: Carolus Magnus. Stud. zur Darst. Karls des Großen in der dt. Lit. des 12. und 13. Jh. Bern u. a. 1977, S. 243, 245, 266. – Peter Johanek: Weltchron. und regionale Geschichtsschreibung im Sp¨atMA. In: Geschichtsschreibung und Geschichtsbewußtsein. Hg. v. Hans Patze. Sigmaringen 1987, S. 287–330. – Joachim Schneider: Neue Aspekte zu Auftrag, Strategie und Erfolg einer zweisprachigen Dynastiegesch. des 15. Jh. Die ‹Bay. Chron.› des Andreas v. Regensburg lat. und dt. In: Zweisprachige Geschichtsschreibung im sp¨atma. Deutschland. Hg. v. Rolf Sprandel. Wiesbaden 1993, S. 129–172. – R. Sprandel: Chronisten als Zeitzeugen. Forschungen zur sp¨atma. Geschichtsschreibung in Deutschland. K¨oln u. a. 1994, ¨ S. 56–64. – Heike J. Mierau u. a.: Stud. zur Uberl. der ‹Flores temporum› (MGH Stud. und Texte 14). Hannover 1996, S. 25, 43, 60, 68 u. o¨ . – Harald Tersch: Unruhe im Weltbild. Darst. und Deutung des zeitgen¨ossischen Lebens in deutschsprachigen Weltchron. des MA. Wien u. a. 1996, S. 43–46 u. o¨ . – Stefan Dicker: Landesbewusstsein und Zeitgeschehen. Stud. zur bayerischen Chronistik des 15. Jh. K¨oln u. a. 2009, S. 220 f. MM Hofer → Band 4. Chronica auff Closternewburg, der lantsfurstlichen ¨ statt (Kleine Klosterneuburger Chronik). – Dt. annalistische Aufzeichnungen, 14./15. Jh. Die Chronik umspannt die Jahre 1322–1428. Sie stammt von mehreren Verfassern aus vermutlich b¨urgerlichen Kreisen. Unter diesen k¨onnte der herzogliche Bergmeister, Stadtschreiber und Richter Niklas Teim († 1435) gewesen sein. Außer einigen lat. Zitaten und Wendungen ist die Chronik durchweg auf Deutsch verfasst und liefert wichtige Informationen aus Stifts-, Stadt-, Wirtschafts-, Sozial-, Natur- oder Kulturgeschichte (wie Mitteilungen u¨ ber Preise, Judenverfolgungen oder das Villacher Erdbeben von 1348). ¨ Uberlieferung: Klosterneuburg, Stiftsbibl., Cod., 1235, 1r–48r (Pap., 16. Jh.), auf 48v–50v folgt eine kurze Chronik f¨ur die Jahre 1569–76. – Ebd., Cod. 1235a, 1r–36r, 36v–37r (Pap, 16. Jh.), den Chronikschluss ab 36v hat eine Hand des 17./18 608

Geldernsche Chronik Jh. nachgetragen. – Zwei weitere Codd. aus dem 16. Jh. nach R¨ohrig (s. Lit.), S. 119, Anm. 108 im Stiftsarch. Klosterneuburg. Ausgaben: Hartmann Joseph Zeibig: Die kleine Klosterneuburger Chron. (Monumenta Claustroneoburgensia 1). Wien 1851 (Sonderdr. aus: Arch. f¨ur Kunde o¨ sterr. Geschichtsquellen 7, 1851, S. 231–268). – Hermann Maschek: Die Klosterneuburger Chron. In: Dt. Chron. (DLE, Reihe Realistik des Sp¨atMA 5). Leipzig 1936, S. 285–316. Literatur: Winfried Stelzer, VL2 1 (1978) Sp. 1246. – Zeibig (s. Ausg.) Einleitung. – Maschek (s. Ausg.) S. 37, 33, 335–339. – Alphons Lhotsky: ¨ ¨ Quellenkunde zur ma. Gesch. Osterreichs (MIOG Erg.bd. 19). Graz/K¨oln 1963, S. 305 f. – Repertorium fontium historiae medii aevi. Bd. 3 (1970) S. 312. – Floridus R¨ohrig: Klosterneuburg (Wiener Geschichtsb¨ucher 11). Wien 1972, S. 36–38. – Lothar Schultes: Wissenschaftspflege, Geschichtsschreibung und Dichtung im Umkreis Herzog Albrechts II. In: Kartause Gaming. Ausstellung anl¨aßlich der Wiederherstellung des Herzoggrabes. Herzog Albrecht II. und die Kartause Gaming. Hg. v. Walter Hildebrand. Gaming 1985, S. 177–185, hier S. 181. – Harald Tersch: daz ist zwˆar der Bˆeheim sit ... Zum Bild des n¨ordlichen Nach¨ barn in deutschsprachigen Chron. Osterreichs. In: Kontakte und Konflikte. B¨ohmen, M¨ahren und ¨ Osterreich: Aspekte eines Jahrtausends gemeinsamer Gesch. (Schriftenreihe des Waldviertler Heimatbundes 36). Hg. v. Thomas Winkelbauer. Horn 1993, S. 97–112, hier S. 106 f. VZ Reicher von Pirchenwart, Peter (Pirawarth), † 1436. – Theologe, Verfasser eines eschatologischen Traktats. R. studierte an der Universit¨at Wien die K¨unste. Als Magister hielt er 1408–17 Vorlesungen u¨ ber Philosophie, seit 1415 auch u¨ ber Theologie. 1416 war er Dekan der Artistenfakult¨at, wechselte dann aber an die Theologische Fakult¨at. Dort lehrte er als Prof. und erwarb 1422 das Lizentiat. 1425 und 1431 war R. Rektor der Wiener Universit¨at, 1426/27, 1429/30 und 1432 Dekan der Theologischen Fakult¨at. 1427 wurde er Domherr am Wiener Stefansdom. R. stand an der Universit¨at in hohem Ansehen und vertrat sie einmal vor Herzog Albrecht V. Auch hatte er Kontakt Nikolaus von Dinkelsb¨uhl. R. starb an der Pest. R. gilt heute als Verfasser des Traktats De antichristo et de fine mundi (1435), der fr¨uher Thomas → Ebendorfer zugeschrieben wurde. Der Text 609

1. H¨alfte 15. Jh. besch¨aftigt sich mit der Frage nach der Existenz eines zuk¨unftigen Weltgerichts und dem diesem vorhergehenden Auftreten des Antichrists. Eine Quelle des Traktats ist → Pseudo-Methodius. Neben dem Antichrist-Traktat sind kleinere lat. Schriften P.s bekannt, darunter ein Traktat gegen die Hussiten sowie Quaestiones, Vorlesungen und Predigten. ¨ ¨ Uberlieferung: De antichristo: Wien, ONB, cod. 4233, 42v–52v (Pap., 1455). – Zur verstreuten ¨ Uberl. R.s weiterer lat. Schriften vgl. Joseph Aschbach: Gesch. der Wiener Univ. im ersten Jh. ihres Bestehens. FS zu ihrer 500j¨ahrigen Gr¨undungsfeier. Wien 1865, S. 445. Literatur: [Red.], VL2 11 (2004) Sp. 1293. – ¨ Aschbach 1865 (s. Uberl.) S. 443–445. – Harald Zimmermann: Ebendorfers Antichristtraktat. Ein Beitr. zum Geschichtsdenken des Wiener Histori¨ 71 (1963) S. 99–114. – Paul Uibkers. In: MIOG lein: Thomas Ebendorfer. In: Thomas Ebendorfer v. Haselbach (1388–1464). Gelehrter, Diplomat, Pfarrer v. Perchtoldsdorf. Hg. v. Marktgemeinde Perchtoldsdorf. Perchtoldsdorf 1988, S. 14–39, hier 37 f. (vgl. dazu: Georg Kreuzer, DA 48, 1992, S. 322 f.). – P. Uiblein: Die Univ. Wien im MA. Beitr. und Forschungen. Wien 1999, S. 557 u. o¨ . MM Geldernsche Chronik («Cronycken van Gelre»). – Nd. Prosachronik, 15. Jh. Ein unbekannter Verfasser schrieb im 15. Jh. diese nd. Prosachronik. Die in der G. C. behandelte Zeitspanne beginnt mit dem biblischen Adam und endet 1437 abrupt. Das Werk kann grob in zwei Teile eingeteilt werden. Im ersten Teil werden u¨ berwiegend Ereignisse und Personen der allgemeinen Welt- und Kirchengeschichte dargestellt: die alttestamentarischen Patriarchen, antike und ma. Herrscher (u. a. Alexander, Caesar, Karl der Große), Ordensgr¨under und -gr¨undungen, milit¨arische Auseinandersetzungen (u. a. die Eroberung Jerusalems 1099). Der zweite Teil beginnt 1216 und konzentriert sich st¨arker auf Ereignisse und Personen im Zusammenhang mit Geldern. Dazu z¨ahlen neben genealogischen Entwicklungen (u. a. die Erhebung Reinholts vom Grafen zum Herzog 1338) und milit¨arischen Konflikten (u. a. Schlacht bei Worrungen 1288) auch kulturhistorisch interessante Schilderungen. So geht der Autor auf Getreidepreise, lokale Katastrophen und 610

1. H¨alfte 15. Jh. klimatische Verh¨altnisse ein. Ungekl¨art ist, in welchem Maße der Verfasser aus eigener Anschauung berichtete oder Quellen zurate zog. Die Benutzung einer lat. Vorlage wird in der neueren Forschung angezweifelt. Die historischen Kenntnisse des Autors sind jedenfalls kritisch zu bewerten, da die G. C. eine Reihe chronologischer Fehler enth¨alt. ¨ Uberlieferung: Isselburg, Mus. Wasserburg Anholt, F¨urstlich Salm-Salmsche Bibl., Ms. Nr. 42, 214r–222v. Ausgabe: Aloys Meister: Nd. Chron. aus dem 15. Jh. In: Annalen des Hist. Ver. f¨ur den Niederrhein 70 (1901) S. 43–63. Literatur: Harald Parigger, VL2 2 (1980) Sp. 1183 f.; 11 (2004) Sp. 512. – Meister 1901 (s. Ausg.). – Hans-Friedrich Rosenfeld: Mndl. Reimchron. In: M´emoires de la Soci´et´e N´eophilologique de Helsinki 13 (1938) S. 253–397, hier S. 257–299. MM Siegfried von Gelnhausen. – Land- und Zollschreiber, Verfasser eines Pilgerreiseberichts. S., zwischen 1421 und 1455 urkundlich belegt, ¨ war Finanzbeamter Johannes IV. und Philipps d. A. von Katzenelnbogen, 1425 Landschreiber in Darmstadt und 1427–38 Zollschreiber in St. Goar. S. verfasste wahrscheinlich den Prosabericht (Stede vnd tage reyse czu dem helgen grabe) u¨ ber die ¨ nach Pal¨astina 1433/34. Pilgerreise Philipps d. A. Neben einer chronologischen Pr¨asentation der mit pers¨onlichen Daten des Grafen verkn¨upften Reisestationen und der Hl. St¨atten bietet der Bericht herausragende Ereignisse (u. a. Ritterschlag). Eine Versifizierung des Prosaberichts in der Tradition der panegyrischen Gattungen nahm 1477 Erhart → Wameszhafft vor. ¨ Uberlieferung: Privatbesitz Antiquariat Erasmushaus, Basel (fr¨uher Privatbesitz Auktionshaus Pierre Berg´e & associ´es, Paris; davor Privatbesitz Fam. Leichtle, Kempten; davor ohne Ort, ohne Sign.), 14 Bll. (Perg., um 1453–55, rheinfr¨ankisch). Ausgaben: Reisebericht: Reinhold R¨ohricht/ Heinrich Meisner: Die Pilgerreise des letzten Grafen von Katzenellenbogen (1433–1434). In: ZfdA 26 (1882) S. 348–371. – Zollschreibereirechnungen: Karl E. Demandt (Hg.): Regesten der Grafen von Katzenelnbogen 1060–1486. Bd. 3: Rechnungen, Besitzverzeichnisse, Steuerlisten und Gerichtsb¨ucher (Ver¨off. der Hist. Kommission f¨ur Nassau 11). Wiesbaden 1956. 611

Siegfried von Gelnhausen Literatur: Silvia Schmitz, VL2 8 (1992) 1205 f. – Karl Ernst Demant: Die Orientfahrten der Katzenelnbogener Grafen. In: Arch. f¨ur hessische Gesch. und Altertumskunde NF 33 (1975) S. 27–54. – S. ¨ v. KatzenSchmitz: Die Pilgerreise Philipps d. A. elnbogen in Prosa und Vers (Forschungen zur ¨ Gesch. der Alteren Dt. Lit. 11). 1990. – Europ¨aische Reiseberichte des sp¨aten MA. Hg. v. Werner Paravicini. Tl. 1: Dt. Reiseberichte. Bearb. v. Christian Halm (Kieler Werkst¨ucke, Reihe D, Bd. 5). 2., durchges. und um einen Nachtr. erg. Aufl. Frankfurt/M. u. a. 2001, Nr. 23, S. 76–78. BJ Gutevrunt, Heinrich. – Verfasser der Historia von der vorstorunge troye. G. nennt sich selbst im Epilog (Bl. 172ra) «heynrich gutevrunt von dem brunswick [Braunschweig] ¨ geboren». Sein Werk, eine Ubersetzung der Historia destructionis Troiae des Guido de Columnis, entstand im Auftrag des nur aus dem Epilog bekannten «hern Johannes dryborch in der czeit eyn ritter zu der erbaren stat vinsterno bynnen einen iare [...] ane sechs wochen» (Bl. 172rb) und wurde sp¨atestens 1432 be¨ endet. Die wenig gewandte Ubersetzung orientiert sich eng am Wortlaut der Vorlage. ¨ Uberlieferung: Berlin, SBB, Mgf 1389 (fr¨uher Liegnitz/Legnica, Kirchenbibl. St. Peter und Paul, Cod. 63), 172 Bl. (Perg. und Pap., 1436 [Bl. 172rb], mitteldt.). Literatur: Hans-Hugo Steinhoff, VL2 3 (1981) Sp. 335 f. – De Boor/Newald 4,1 (1994) S. 57. – Gunvor Krogerus: Historie van der vorstorynge der stat Troye (Societas scientiarum Fennica, Commentationes humanarum litterarum 17,2). Helsingfors 1951, S. 16–19. – Karin Schneider: Der ‹Trojanische Krieg› im sp¨aten MA. Dt. Trojaromane des 15. Jh. (Phil.Stud.u.Qu. 40). Berlin 1968, S. 68–70. – Klemens Alfen/Petra Fochler/Elisabeth Lienert: Dt. Trojatexte des 12. bis 16. Jh. Repertorium. In: Die dt. Trojaliteratur des MA und der Fr¨uhen Neuzeit. Materialien und Unters. Hg. v. Horst Brunner (Wissenslit. im MA 3). Wiesbaden 1990, S. 7–197, hier S. 78–83 u. o¨ . BJ Kaiser Friedrichs Meerfahrt. Der namentlich unbekannte Verfasser des dt. Gedichts (380 Verse) u¨ ber die 1436 vom sp¨ateren Kaiser Friedrich III. unternommene Pilgerreise nach Jerusalem nahm wahrscheinlich nicht selbst an der 612

Kleine Stamser Chronik Reise teil. Er arbeitete vermutlich in der Hofkanzlei. Das Gedicht ist im sog. Heroldstil gehalten, beschreibt die hl. St¨atten und bietet eine (unvollst¨andige) Liste der Reiseteilnehmer. ¨ ¨ Uberlieferung: Diarium: Wien, ONB, cod. 2674, Bl. 3–6 (Perg., 15. Jh.). – Gedicht: London, British Library, Ms. Add. 16592, 12r–21r (Pap., 16. Jh.). Ausgabe: Diarium: Joseph Chmel: Gesch. Kaiser Friedrichs IV. und seines Sohnes Maximilian I. Bd. 1. Hamburg 1840, S. 576–593, hier S. 580–584. – Gedicht: Reinhold R¨ohricht: Die Je¨ rusalemfahrt des Herzogs Friedrich v. Osterreich. In: ZfdPh 23 (1891) S. 26–41. Literatur: Dietrich Huschenbett, VL2 4 (1983) Sp. 943 f. – Reinhold R¨ohricht/Heinrich Meisner: Dt. Pilgerreisen nach dem Heiligen Lande. Berlin 1880, S. 474 f. – R. R¨ohricht: Dt. Pilgerreisen nach dem Heiligen Lande. Innsbruck 1900 (Nachdr. Aalen 1967) S. 110–112. – Ders.: Bibliotheca geographica Palaestinae. Chronologisches Verz. der v. 333 bis 1878 verfaßten Lit. u¨ ber das Heilige Land. Berlin 1890. Verb. und verm. Neuausg. mit einem Vorw. v. David H. K. Amiran. Jerusalem 1963 (Nachdr. London 1989) S. 100 Nr. 307. – Europ¨aische Reiseber. des sp¨aten MA. Hg. v. Werner Paravicini. Tl. 1: Dt. Reiseber. Bearb. v. Christian Halm (Kieler Werkst¨ucke, Reihe D, Bd. 5). 2., durchges. und um einen Nachtr. erg. Aufl. Frankfurt/M. u. a. 2001, Nr. 26, S. 82–84. BJ Pfinzing, Georg (J¨org). – Verfasser eines Pilgerberichts. Der aus einer bedeutenden N¨urnberger Familie stammende P. war der Sohn des Sebald P. Aus Anlass ¨ der Uberf¨ uhrung der Reichsinsignien nach N¨urnberg reiste er 1424 mit Sigmund Stromer als Ratsemiss¨ar nach Ofen. 1436/37 und 1440 (R¨uckreise u. a. mit Gabriel → Tetzel) unternahm P. Wallfahrten ins Hl. Land. Bei einem Streit wurde er 1445 gefangen. In seiner Reisebeschreibung, die eine ausf¨uhrliche Liste der Etappen und der besuchten Heiligt¨umer (Bl. 155–51r) enth¨alt, hat P. wahrscheinlich beide Reisen zusammengezogen. Von P.s Werk, ¨ zum großen Teil eine Ubernahme des Pilgerberichts Hans → Lochners, scheint → Hans von der Gruben abgeschrieben zu haben. ¨ Uberlieferung: N¨urnberg, StB, Cod. Amb. 28.8° (Perg., 1445, n¨urnbergisch; Autograph), 613

1. H¨alfte 15. Jh. 5r–51r (Pilgerbericht u¨ ber die Fahrt nach Jerusalem), 58v–59r (Bericht u¨ ber die Verbringung der Reichsinsignien nach N¨urnberg), 59r-v (Notizen P.s). Ausgaben: R¨ohricht/Meisner (s. Lit.) S. 67–96. – Kamann (s. Lit.) S. 120–163. Literatur: Andr´e Schnyder, VL2 7 (1989) Sp. 567 f. – Reinhold R¨ohricht/Heinrich Meisner: Dt. Pilgerreisen nach dem Heiligen Lande. Berlin 1880, S. 65–67. – Johann Kamann: Die Pilgerfahrten N¨urnberger B¨urger nach Jerusalem im 15. Jh., namentlich der Reiseber. des Dr. med. Hans Lochner und des J. P. In: Mitt. des Vereins f¨ur die Gesch. der Stadt N¨urnberg 2 (1880) S. 78–163. – Ursula Ganz-Bl¨attler: Andacht und Abenteuer. Ber. europ¨aischer Jerusalem- und Santiago-Pilger (1320–1520) (Jakobus-Stud. 4). T¨ubingen 1990, S. 375 f. – Europ¨aische Reiseberichte des sp¨aten MA. Eine analytische Bibliogr. Hg. v. Werner Paravicini. Tl. 1 bearb. v. Christian Halm (Kieler Werkst¨ucke D: Beitr. zur europ¨aischen Gesch. des sp¨aten MA 5). Frankfurt/M. 22001, Nr. 28, S. 85–87. BJ Kleine Stamser Chronik. – Knappe dt. Chronik aus der ersten H¨alfte des 15. Jh. Herzog Friedrich IV. mit der leeren Tasche (gest. ¨ 1439), der Begr¨under der sog. «Alteren Tiroler Linie» der Habsburger, ließ im Jahr 1409 in dem von Graf Meinhard II. (gest. 1295) gestifteten Tiroler Zisterzienserkloster Stams die Grablege seiner Angeh¨origen einrichten. Vor ihm hatte bereits Meinhard II. in der dortigen Kirche die Grabst¨atte der Stifterfamilie etabliert (letzte Beisetzung 1335). Zur Wahrung des Andenkens der beiden Dynastien entstand noch zu Lebzeiten Friedrichs IV., also vor 1439, wahrscheinlich in Stams die K. S. C., welche den Zeitraum von 1253 bis 1432 umfasst. Es besteht ein enger inhaltlicher Zusammenhang mit der etwas sp¨ater entstandenen lat. Chronik Breve chronicon monasterii Stamsensis (so bezeichnet von Hieronymus Pez: Scriptores rerum Austriacarum. Bd. 2. Leipzig 1725). Inhaltlich erg¨anzt die K. S. C. ein Verzeichnis der in der Stamser Grablege bestatteten F¨ursten und F¨urstinnen mit Daten u¨ ber die Gr¨undung und Weihe des Stamser Klosters und einem Nekrolog der Habsburger. ¨ Uberlieferung: Wien, Haus-, Hof- und Staatsarch., Cod. Blau 43, 115r–118v (um 1500). – Ebd., Cod. Blau 38, 132r–137v (18. Jh.; aus einer anderen Vorlage). – Kopien aus Cod. Blau 43: Ebd., Cod. 614

1. H¨alfte 15. Jh. Rot 8/2, S. 125–132. – Klosterneuburg, Stiftsarch., Slg. Freisleben, Karton 5:10. Ausgabe: Heinrich Koller: Eine dt. Fassung der K. S. C. In: R¨omische Hist. Mitt. 28 (1986) S. 169–183, hier S. 178–183. Literatur: Winfried Stelzer, VL2 11 (2004) Sp. 849–851. – Koller (s. Ausg.) S. 169–177. – W. Stelzer: Auf der Suche nach verschollenen Klos¨ terneuburger Uberl. o¨ sterr. Geschichtsquellen des Sp¨atMA. In: Jb. des Stiftes Klosterneuburg NF 16 (1997) S. 331–344, hier S. 342 f. SF Augsburger Stadtchroniken des 15. Jh. (dt.). Wie auch in anderen Handelsmetropolen des Reichs entwickelte sich in der einstigen Bischofsund sp¨ateren Reichsstadt Augsburg ab dem 13./14. Jh. eine zwischen christlich gepr¨agter Universalgeschichte und lokalen Gr¨undungslegenden verankerte Historiographie, die im 15. Jh. eine beispiellose Produktivit¨at entfaltete. Initiiert und gef¨ordert durch die st¨adtische Oberschicht, insbesondere die 1478 gegr¨undete Vereinigung der «Mehrer der Gesellschaft», beeinflusst durch das Kloster St. Ulrich und Afra und gest¨utzt auf u. a. in dessen Bibliothek vorhandene Quellen wie die → S¨achsische Weltchronik, → Flores temporum, die Chroniken → Martins von Troppau oder die Jakob → Twingers von K¨onigshofen entstanden teilweise aufw¨andig illustrierte (z. B. M¨unchen, BSB, Cgm 213; Augsburg, StuSB, 2° Cod. Halder 1; Stuttgart, LB, Cod. HB V 52) Darstellungen einzelner Ereignisse, Annalenwerke und umfassende Stadtchroniken. Die Forschung hat gezeigt, welche Bedeutung den Texten trotz ihrer Varianz sowohl f¨ur die st¨adtische Selbstvergewisserung als auch als Argument in den innenpolitischen Konflikten zukam. In den Werken werden verschiedene Positionen in Bezug auf politische Entw¨urfe und Handlungen artikuliert, Stadtbilder konstruiert, Bedeutungszuschreibungen legitimiert und das Material nach individuellem Ermessen und mit eigenen Erfahrungen aufgef¨ullt. Herrschaft, Herrschaftsanspruch und Stadtregierung st¨utzten sich dabei zugleich auf volkssprachlich vermittelte Antike wie zeitgen¨ossische Chronistik. Vor diesem Hintergrund verfasste der Geistliche → K¨uchlin zwischen 1437 und 1442 in knapp 400 Versen eine auf lat. Vorlagen fußende, die Gr¨undung Augsburgs auf die Trojaner zur¨uckf¨uhrende Reimchronik (8 Hss.). 1456 entstand darauf aufbauend im Auftrag des Ratsherrn und Patriziers Sigismund Gossembrot und 615

Augsburger Stadtchroniken des 15. Jh. durch die Hand des Benediktiners Sigismund → Meisterlin die erste beispielhaft humanistische Augsburger Chronik zun¨achst in lat., sp¨ater auch in dt. Sprache. Meisterlin ver¨anderte die Fr¨uhgeschichte der Stadt gegen¨uber der Vorlage, indem er die Schwaben als ‹Ureinwohner› zwischen Lech und Wertach ‹Vindelica› erbauen und sich gegen das Volk der Amazonen zur Wehr setzen l¨asst. Der Kampf gegen die Kriegerinnen, durch Horaz- und Boccaccio-Lekt¨ure inspiriert, dient als zus¨atzliches Argument f¨ur die Datierung der Stadtgr¨undung, da die Genealogie der Herrscherinnen die Gr¨undung Augsburgs vor die Trojas legt. W¨ahrend anfangs vorrangig stadtgeschichtlich orientierte Chroniken entstanden, wie die der Stadt ¨ Augsburg von 1368 bis 1406 (Wien, ONB, Cod. 3214), die mit dem Zunftaufstand 1368 einsetzt, st¨adtische Urkunden, Akten und Berichte direkt u¨ bernommen zu haben scheint, um selbst wiederum als Quelle sp¨aterer Stadtchroniken bedeutend zu werden, f¨allt bei sp¨ateren Werken die Anbindung der Partikular- an die Weltchronistik auf. Dies kann sich in der Betonung von Papst- und Kaisergeschichte niederschlagen, wie in der anonymen Augsburger Chronik von der Gr¨undung der Stadt bis zum Jahr 1469, die sich in Teilen auf Meisterlin, in Teilen auf umfangreiche Studien anderer Vorlagen st¨utzt. Seit dem Ende der 1460er Jahre wurde der Kanzleischreiber Konrad Bollstatter als Quellenforscher, Bearbeiter und Fortsetzer der Augsburger Chronik im Zusammenhang mit einer weltgeschichtlichen Inszenierung bedeutend. Die Rezeption der b¨urgerlichen Chronistik und der h¨ofischen Prosaliteratur zeigt sich in verwobener Abschrift und einer Bebilderung, die vorbildlich auf die sp¨ateren Schweizer Chroniken wirkte. Meisterlins Augsburger Chronik als Neukonzeption der Stadtgeschichte nach den Identit¨atsvorstellungen des B¨urgertums war erfolgreich, denn sie wurde bis ins 16. Jh. stark rezipiert, sodass noch heute 16 Handschriften (davon sieben illustrierte) und ein Druck von 1522 vorliegen. Fr¨uhe Abschriften (1457) wurden durch die Kaufmannsbr¨uder Hektor und J¨org → M¨ulich vorgenommen, die sowohl an Chroniken als auch an zeitgen¨ossischer Prosa interessiert waren. In der Mu¨ lich-Fassung der sp¨atestens 1454 fertiggestellten ¨ Ubersetzung von Johannes → Hartliebs Alexanderroman inszenieren die kolorierten Federzeichnungen Hektor Mu¨ lichs das mythisch-historische Ge616

Augsburger Stadtchroniken des 15. Jh. schehen um den makedonischen Alexander in der Kulisse Augsburg. Im Zusammenhang mit der Augsburger Chronistik ist neben oben stehenden F¨orderern insbesondere noch auf den Stadtschreiber Valentin Eber, den B¨urgermeister Peter Egen und den Arzt Hermann → Schedel zu verweisen. Mehrere Autoren sind anonym geblieben, bekannt geworden u. a. Erhard → Wahraus, Ulrich Schwarz, Wilhelm Rem, Clemens Sender, Johannes Frank und Burkhard → Zink. Der durch Maximilian I. protegierte Buchdruck zeigt sich in der Besonderheit, chronikalische Schriften nicht nur in der engagierten Klosterdruckerei zu vervielf¨altigen, sondern auch in Offizine zu geben und damit Drucker wie Johann B¨amler, Anton Sorg, Johann Sch¨ußler, Johann Blaubirer, Johann Sch¨onsberger und G¨unther Zainer t¨atig werden zu lassen. Literatur: Ferdinand Frensdorff (Hg.): Die Chron. der schw¨abischen St¨adte. Augsburg, Bd. 1. Leipzig 1865 (Chron.dt.St. 4) S. 245–249. – Paul Joachimsohn: Zur st¨adtischen und kl¨osterlichen Geschichtsschreibung Augsburgs im f¨unfzehnten Jh. In: Alemannia 22 (1894) 1–32, 123–159. – Ders.: Die humanistische Geschichtsschreibung in Deutschland. H. 1: Die Anf¨ange. Sigismund Meisterlin. Bonn 1895. – Ders.: Geschichtsauffassung und Geschichtsschreibung in Deutschland unter dem Einfluß des Humanismus. Leipzig 1910. – Heinrich Schmidt: Die dt. St¨adtechron. als Spiegel des b¨urgerlichen Selbstverst¨andnisses im Sp¨atMA (Schriftenreihe der Hist. Kommission bei der Bayerischen Akad. der Wiss. 3). G¨ottingen 1958. – Karl Schnith: Die Augsburger Chron. des Burkhard Zink. Eine Unters. zur reichsst¨adtischen Geschichtsschreibung des 15. Jh. Mu¨ nchen 1958. – Die Chron. der schw¨abischen St¨adte. Augsburg. Bd. 6 (Chron.dt.St. 29). G¨ottingen 21966. – Heinz Friedrich Deininger: Augsburg. In: Bayerisches St¨adtebuch. Tl. 2 (Dt. St¨adtebuch. Hb. st¨adtische Gesch.). Stuttgart u. a. 1974, S. 61–78. – Dieter Weber: Geschichtsschreibung in Augsburg. Hektor Mu¨ lich und die reichsst¨adtische Chronistik des Sp¨atMA (Abh. zur Gesch. der Stadt Augsburg 30). Augsburg 1984, S. 278 f. – Frank Shaw: Iulia I.115. Fragment einer universalhist. Augsburger Stadtchron. In: Beitr. zur Gesch. der dt. Sprache und Lit. 108 (1986) S. 212–223. – Katharina Colberg: Meisterlin, Sigismund. In: VL2 6 (1987) Sp. 356–366. – K. Schnith: Ma. Augsburger Gr¨undungslegenden. In: F¨alschungen im 617

1. H¨alfte 15. Jh. MA. Hannover 1988, Bd. 1, S. 497–517. – Norbert H. Ott: Zum Ausstattungsanspruch illustrierter St¨adtechroniken. Sigismund Meisterlin und die Schweizer Chronistik als Beispiele. In: Poesis et Pictura. Stud. zum Verh¨altnis von Text und Bild in Hss. und alten Drucken. FS Dieter Wuttke. Hg. v. Stephan F¨ussel/Joachim Knape. Baden-Baden 1989, S. 77–106. – Rolf Kießling: Zum AugsburgBild in der Chronistik des 15. Jh. In: Literarisches Leben in Augsburg w¨ahrend des 15. Jh. Hg. v. Johannes Janota/Werner Williams-Krapp (Studia Augustana 7). Tu¨ bingen 1995, S. 183–215. – J¨org Rogge: Vom Schweigen der Chronisten. In: ebd., S. 216–239. – Karin Schneider: Berufs- und Amateurschreiber. In: ebd., S. 8–26. – Peter Johanek: Geschichtsschreibung und Geschichtsu¨ berlieferung in Augsburg am Ausgang des MA. In: ebd., S. 160–182. – J¨urgen Wolf: Konrad Bollstatter und die Augsburger Geschichtsschreibung. Die letzte Schaffensperiode. In: ZfdA 125 (1996) S. 51–86, bes. S. 60. – Hans-J¨org K¨unast: ‹Getruckt zu Augsburg›. Buchdruck und Buchhandel in Augsburg zwischen 1468 und 1555. T¨ubingen 1997. – JeanMarie Moeglin: Les e´ lites urbaines et l’histoire de leur ville en Allemagne (XIVe–XVe si`ecles). ´ ˆ In: Les Elites urbaines au Moyen Age. XXVIIe Congr`es de la Soci´et´e des Historiens M´edi´evistes de l’Enseignement Sup´erieur public (Rome, mai 1996) (Collection de l’Ecole Fran¸caise de Rome 238; S´erie Histoire Ancienne et M´edi´evale 46). Paris/Rom 1997, S. 351–383. – K. Schnith: Zur Erforschung der sp¨atma. Augsburger Historiographie in den letzten f¨unfzig Jahren. In: ZBLG 60 (1997) S. 479–489 [Diskussion des Forschungsstandes]. – J. Wolf: Die S¨achsische Weltchron. im Spiegel ih¨ rer Hss. Uberlieferung, Textentwicklung, Rezeption (MMS 75). Mu¨ nchen 1997, S. 29–31. – Timo ¨ Reko: Uber das Passiv in einigen sp¨atma. Stadtchroniken. Ein Beitr. zur Theorie und Praxis der hist. Syntaxforschung. Frankfurt/M. u. a. 2000. – Anja Schmidt: Augsburger Ansichten. Die Darstellung der Stadt in der Druckgraphik des 15. bis 18. Jh. (Schw¨abische Geschichtsquellen und Forschungen 20). Augsburg 2000. – Klaus Mandl: Unterschichten und Randgruppen in den sp¨atma. Stadtchron. am Beispiel Augsburg. Diplomarbeit Graz 2003. – J. Wolf: Augsburger Stadtchron. des ¨ 15. Jh. In: VL2 11 (2004) Sp. 185–188 [Uberl. und ´ Ausg. o. g. Werke]. – Zita Agota Pataki: Bilder schaffen Identit¨at – Zur Konstruktion eines st¨adtischen Selbstbildes in den Illustrationen der Augsburger Chron. Sigismund Meisterlins 1457–1480. 618

1. H¨alfte 15. Jh. In: Identit¨at und Krise? Zur Deutung vormoderner Selbst-, Welt- und Fremderfahrungen. Hg. v. Christoph Dartmann/Carla Meyer (Symbolische Kommunikation und gesellschaftliche Wertesysteme 17). M¨unster 2007, S. 99–117. – Kristina Domanski: Das wechselvolle Schicksal der Amazonen in Augsburg: Die ‹Augsburger Chronik› Sigismund Meisterlins und die Bildtradition der Amazonen in Hss. und fr¨uhen Drucken. In: Zs. f¨ur Kunstgesch. 72 (2009) S. 15–48. – Gabriele v. OlbergHaverkate: Zeitbilder – Weltbilder. Volkssprachige Universalchronistik als Instrument kollektiver Memoria. Eine textlinguistische und kulturwissenschaftliche Unters. (Berliner Sprachwissenschaftliche Stud. 12). Berlin 2008, S. 534–541. – Martin Kaufhold (Hg.): Augsburg im MA. Augsburg ´ Pataki: Ein B¨urger blickt auf seine 2009. – Z. A. Stadt. Zur Rezeption und Funktion des Stadtbildes bei Hektor Mu¨ lich 1455/57. In: Stadtgestalt und ¨ Offentlichkeit. Die Entstehung politischer R¨aume in der Stadt der Vormoderne. Hg. v. Stephan Albrecht. K¨oln u. a. 2010, S. 121–146. – Lieselotte E. Saurma-Jeltsch/Tobias Frese (Hg.): Zwischen Mimesis und Vision. Zur st¨adtischen Ikonographie am Beispiel Augsburgs. Berlin/Mu¨ nster 2010. CK Kuchlin. ¨ – Verfasser einer Reimchronik. K¨uchlin nennt sich der Verfasser einer in acht Kapiteln 396 Verse umfassenden Reimchronik Vom Herkomen der Stadt Augsburg, die wohl zwischen 1437 und 1442 nach Aussagen des Verfassers aus einer lat. Vorlage und im Auftrag des Augsburger B¨urgermeisters Peter Egen (= Peter von Agon) entstanden ist. Es konnte bisher nicht entschieden werden, ob es sich dabei um Johannes K¨uchlin, der 1443 in den Heidelberger Matrikeln genannt wird, oder Geiso (Gyso) K¨uchlin, der 1453 als Chorvikar von St. Moritz in Augsburg erscheint (Joachimsohn, S. 14), handelt. Die Reimchronik ist der erste Bericht von der Gr¨undung und Geschichte der Stadt Ausgburg in dt. Sprache. Er beginnt mit der Zerst¨orung Trojas und der Gr¨undung durch trojanische Germanen und Schwaben noch vor Rom, weshalb «da von sagt die latin nicht» (fol. 99v). Mit Rom, so K. weiter, f¨uhrte Augsburg schwere Auseinandersetzungen, konnte aber erst von Drusus unterworfen werden. Ganz kurz leitet der Verfasser u¨ ber zu Christi Geburt, der Christenverfolgung unter Diokletian, der Bekehrung Augsburgs durch St. Narziß 619

Kuchlin ¨ und zur Stiftung der ersten Kirche und Bischofsamtes. Abrupt endet der Text mit «Das lauß ich die pfarer predigen. Ich wil mich des entledigen». Es schließt sich ein Epilog mit Details zumVerfasser, Auftraggeber, Vorlage und Dichtergebet an. Als dem K. bekannt vorausgesetzt werden k¨onnen der Prologus in Conversionem et Passionel S. Afrae des → Adilbert von Augsburg und → Jordans von Osnabr¨uck Super Romano imperio. Sigismund → Meisterlin, Verfasser einer dt. Chronik (1456), ¨ kannte K.s Reimchronik in lat. Ubersetzung. Beide Texte sind gemeinsam in B u¨ berliefert. ¨ Uberlieferung: C: Augsburg. Bisch¨ofl. Ordinariatsbibl., Cod. 51, 95r–104r (Pap., 15. Jh., schw¨ab., ab V. 55). – B: Augsburg, SB und StB., 2° cod. Aug. 59, 102r–110r (ab V. 55). – A: Ebd., 2° cod. Aug. 68, 186r–191v. – Ebd., 2° cod. Halder 9, 302r–320r (Pap., 1566). – M: M¨unchen, BSB, Clm 61, 198r–203v. – D: Ebd., Cgm 5482, 108r–113v ¨ (ab V. 55). – E: Wien, ONB, Cod. 2842, 9r–17v (Pap., zweite H¨alfte 15. Jh., schw¨abisch). – W: Wolfenb¨uttel, HAB, Cod. 76.3. Aug. 2°, 96r–107r. Ausgabe: Adelbert von Keller (Hg.): Fastnachtspiele aus dem 15. Jh. 3. Tl. (Bibl. des Litt. Vereins in Stuttgart 30). Stuttgart 1853, S. 1358–1368 (Abdruck von W) (zit.). – Ferdinand Frensdorff (Hg.): Die Chroniken der schw¨abischen St¨adte: Augsburg, Bd. 1 (Chron.dt.St. 4). Leipzig 1865, S. 343–356 (nach M). Literatur: Clarissa Altsch¨affel, VL2 5 (1985) Sp. 407–409. – Frensdorf (s. Ausg.) S. 333–342. – Paul Joachimsohn: Die humanistische Geschichtsschreibung in Deutschland. Bonn 1895, S. 12–16. CS Frauenzucht, genannt Bernkopf (der F., Bernkouff, Pernkopf, Vernkop, u. a¨.). – Verfasser von zwei politischen Liedern. F. wurde von Eberhard → Windeck als Autor zweier Lieder identifiziert, ist aber biographisch ¨ nicht fassbar. Uber eine m¨ogliche Verbindung F.s zu Mainz kann nur spekuliert werden. Selbst sein Name ist nicht eindeutig, da er sich mal F., mal B. nennt. Seine Lieder sind allein in Windeckes Denkw¨urdigkeiten zur Geschichte des Zeitalters Kaiser ¨ Sigmunds u¨ berliefert, was eine Uberpr¨ ufung ihrer Authentizit¨at erschwert. Windecks Zuschreibung der Lieder an F. wird heute jedoch allgemein akzeptiert. F.s erstes Lied behandelt in 26 f¨unfzeiligen Strophen die Schlacht von Bulgn´eville (1431) im Rahmen des Vetternkampfs zwischen Ren´e I. d’Anjou 620

Windeck und Antoine de Vaud´emont um die Lothringische Erbfolge. Der Text wird stark von der Klage um die dt. Opfer unter den Truppen Ren´es bestimmt. Das zweite Lied besingt in 39 f¨unfzeiligen Strophen die Fehde zwischen Graf Michel von Wertheim und Johann II. von Brunn, Bischof von W¨urzburg. Geschildert wird auch die Eroberung von Schloss Schweinburg (1437). Das wohl um 1437–40 entstandene Lied u¨ bt deutliche Kritik an machtpolitisch motivierten Auseinandersetzungen zwischen Adeligen. Dagegen stilisiert sich der S¨anger zum F¨ursprecher der einfachen Leute. Die historischen Schilderungen in F.s Liedern dienten im 16. Jh. dem Chronisten Lorenz Fries als Quelle. ¨ ¨ Uberlieferung: Uberl. nur in Hss. von Eberhart Windeckes Denkw¨urdigkeiten zur Geschichte des Zeitalters Kaiser Sigmunds. Verz. der Hss. bei Cramer 1977 (s. Ausg.). Ausgaben: Die hist. Volkslieder der Deutschen vom 13. bis 16. Jh. Bd. 1. Hg. v. Rochus v. Liliencron. Leipzig 1865 (Nachdr. Hildesheim 1966) S. 328–332 (Nr. 67), 355–362 (Nr. 73). – Eberhart Windeckes Denkw¨urdigkeiten zur Gesch. des Zeitalters Kaiser Sigmunds, zum ersten Male vollst¨andig herausgegeben. Hg. v. Wilhelm Altmann. Berlin 1893, S. 320–324, 422–428. – Cramer 1 (1977) S. 212–227. Literatur: [Karl] Bartsch: Bernkopf. In: ADB 2 (1875) S. 466. – Ulrich M¨uller, VL2 2 (1980) Sp. 883 f. – De Boor/Newald 3/1 (51997) S. 247 u. o¨ . – Karina Kellermann, Killy2 3 (2008) S. 555. – Ulrich M¨uller: Unters. zur politischen Lyrik des dt. MA (GAG 55/56). G¨oppingen 1974, passim. – Cramer 1977 (s. Ausg.). – Stefan Hohmann: Friedenskonzepte. Die Thematik des Friedens in der deutschsprachigen politischen Lyrik des MA. K¨oln u. a. 1992, S. 372–380. – K. Kellermann: Abschied ¨ vom ‹hist. Volkslied›. Stud. zu Funktion, Asthetik und Publizit¨at der Gattung hist.-politische Ereignisdichtung. T¨ubingen 2000, S. 349, 359. MM Windeck, Eberhard, * um 1380 Mainz, † um 1440. – Verfasser einer Geschichte u¨ ber Kaiser Sigmund und seine Zeit. Aus einer chronikalischen Biographie Kaiser Sigmunds (1368–1437), in der sich ein «eberhart windecke ein burger zu mencz» (Mainz) als Autor bezeichnet, stammt der Hinweis, dass dieser mit 15 Jahren nach Prag gekommen sei. Er habe dort bis zum Tod Kaiser Sigmunds, der ihn wiederholt mit Finanzgesch¨aften beauftragt habe, zu dessen 621

1. H¨alfte 15. Jh. Hof geh¨ort. Aufenthalte in Buda und in Pressburg (1409–13), wo W. das B¨urgerrecht erwarb, f¨orderten den Kontakt zu Sigmund, den W. nach dessen Teilnahme am Konstanzer Konzil auf einer Reise durch Frankreich, Spanien und England begleitete. Reisen in Sigmunds Diensten f¨uhrten ihn u. a. nach Br¨ugge (1416) und Pavia (1418). 1424 vom K¨onig mit einem Anteil am Mainzer Rheinzoll f¨ur seine Dienste belohnt, wurde W. endg¨ultig in Mainz ans¨assig, wo er sich seit 1428 f¨uhrend aufseiten der Z¨unfte gegen das Patriziat engagierte. Von W.s Chronik Des keiser Sigesmundus buch und bi sinem leben eins teils gescheen ist existieren zwei Fassungen. Sofort nach Kaiser Sigmunds Tod diktierte W. ohne offiziellen Auftrag eine zun¨achst bis 1438 reichende Fassung, die von seinem Diener «Reynhart Brunwart» niedergeschrieben und dann noch um einen Anhang bis 1439 erg¨anzt wurde (Handschrift sp¨ates 15./fr¨uhes 16. Jh.; davon Abschrift von 1704). Sp¨atere Ereignisse wurden in einer 1443 endenden, nach W.s Tod wohl im Elsass entstandenen Redaktion hinzugef¨ugt; etliche Passagen des Urtextes wurden ver¨andert, der Text in 370 Kapitel gegliedert. Von dieser reich illustrierten Fassung der Hagenauer Malerwerkstatt des Diebold Lauber stammen mindestens sieben nicht illustrierte Abschriften des 17. Jh. ab. ¨ Uberlieferung: Privatbesitz Auktionshaus Sotheby’s, London, Nr. 2009/26 (fr¨uher Privatbesitz Irland; davor Cheltenham, Bibl. Phillippica, Cod. 10381), noch 306 Bll. (Pap., 1445–50; noch 174 u¨ berwiegend ganzseitige Illustrationen aus der Werkstatt von Diebold Lauber) (C). – Berlin, SBB, Mgf 121. – Gotha, Forschungsbibl., Cod. Chart. A 23, 412 Bll. (Pap.; Schreiber: Ulrich Aicher aus K¨otzting; Eger, 1461, nordbair.; geplanter Bildzyklus von etwa 250 Illustrationen nicht ausgef¨uhrt) (G). – Hannover, LB, Ms. XIII 917, 281 Bl. (Pap., ¨ erstes Drittel 16. Jh., fr¨uhnhd.) (H). – Wien, ONB, Cod. 2913, II + 473 + I Bll. (Pap., Schreiber: Wilhelm Gralap von Straßburg [de Argentinensis], ¨ 1456, els¨assisch) (V2). – Wien, ONB, Cod. 13975, noch IV + 460 + IV Bll.; Privatbesitz MarksThom´ee-Collection, ohne Sign. (fr¨uher Privatbesitz N. N. [9]), 1 Bl. (urspr¨unglich Bl. 109 des Codex); Privatbesitz Antiquariat Paul Graupe, Berlin, Nr. 1935/6 (fr¨uher Privatbesitz Antiquariat J. Halle, M¨unchen, ohne Sign. [2]), 1 Bl. (verschollen; urspr¨unglich Bl. 349 des Codex) (Pap., illustriert, aus der Werkstatt von Diebold Lauber, 1443; um 1446, 622

1. H¨alfte 15. Jh. um 1450 bzw. um 1440–1445, els¨assisch) (V1). – Z¨urich, ZB, Cod. A 8. – Acht Hss. des 17. Jh., vgl. Reifferscheid 1888, S. 530–536. Ausgaben: E. W.s Denkw¨urdigkeiten zur Gesch. des Zeitalters Kaiser Sigmunds. Hg. v. Wil[helm] Altmann. Berlin 1893. – Vorwort der Chron., in: Schneider (s. Lit.) S. 239–241. ¨ Ubersetzung: Das Leben K¨onig Sigmunds v. E. Windecke. Nach Hss. u¨ bers. v. Dr. v. Hagen. Mit Nachtr¨agen v. O. Holder-Egger (Die Geschichtsschreiber der dt. Vorzeit. Zweite Gesammtausg. 15. Jh. Erster Bd.). Leipzig 1899 (fehlerhaft). Literatur: John Hennig, LexMA 9 (1998) Sp. 232 f. (Windecke). – Peter Johanek, VL2 10 (1999) Sp. 1197–1206. – Norbert H. Ott/Joachim Schneider, Killy2 12 (2011) S. 450 f. – Alexander Reifferscheid: Des Kaisers Sigismund Buch v. E. W. und seine Ueberl. In: Nachrichten v. der Kgl. Ges. der Wiss. [...] zu G¨ottingen (1887) S. 522–545. – Arthur Wyss: E. W. und sein Sigmundbuch. In: Centralbl. f¨ur Bibliothekswesen 11 (1894) S. 433–483. – Johannes Bernhard Menke: Geschichtsschreibung und Politik in dt. St¨adten des Sp¨atMA. In: Jb. des K¨olnischen Geschichtsvereins 34/35 (1959/60) S. 85–194, hier S. 132–134. – Rudolf Marx: E. W. v. Mainz und die Junckher in Eger. In: Genealogie (1962) S. 131–186. – AnnaDorothea v. den Brincken: Die Rezeption ma. Historiographie durch den Inkunabeldruck. In: Geschichtsschreibung und Geschichtsbewußtsein im Sp¨atMA. Hg. v. Hans Patze (Vortr¨age und Forschungen 31). Sigmaringen 1987, S. 215–236. – Ilse Haari-Oberg: Die Wirkungsgesch. der Trierer Gr¨undungssage vom 10. bis 15. Jh. (Europ¨aische Hochschulschr. 3,607). Bern u. a. 1994, S. 110–113. – Lieselotte Saurma-Jeltsch: Sp¨atformen ma. Buchherstellung. Bilderhss. aus der Werkstatt Diebold Laubers in Hagenau. 2 Bde. Wiesbaden 2001. – Ute Monika Schwob: Ideologischer und milit¨arischer Kampf gegen die Hussiten. Oswald von Wolkenstein und E. W. als Zeitzeugen. In: Dt. Lit. des MA in B¨ohmen und u¨ ber B¨ohmen. Vortr¨age der internationalen Tagung [...] ˇ e Budˇejovice, 8. bis 11. September 1999. Hg. Cesk´ v. Dominique Fliegler/V´aclav Bok. Wien 2001, 301–318. – Lieselotte Saruma-Jeltsch: Sp¨atformen ma Buchherstellung. Bilderhss. aus der Werkstatt Diebold Laubers in Hagenau. 2 Bde. Wiesbaden 2001. – Christoph Fasbender: Werkstattschreiber. Aus Anlass der j¨ungeren Forschung zur Handschriftenproduktion Diebold Laubers. In: Das MA. 623

Reformatio Sigismundi Perspektiven medi¨avistischer Foschung 7 (2002) 2, S. 110–124. – J. Schneider: Das illustrierte ‹Buch von Kaiser Sigmund› des E. W. Der wiederaufgefundene Textzeuge aus der ehemaligen Bibl. v. Sir Thomas Phillipps in Cheltenham. In: DA 61 (2005) S. 169–180. – P. Johanek: E. Windecke und Kaiser Sigismund. In: Sigismundus v. Luxemburg. Ein Kaiser in Europa. Hg. v. Michel Pauly/ Fran¸cois Reinert. Mainz 2006, S. 143–156. – Bernhard T¨opfer: Antiklerikale Positionen bei einem b¨urgerlichen Geschichtsschreiber des 15. Jh.: E. Windecke. In: Zs. f¨ur Geschichtswiss. 55 (2007) S. 493–508. – J. Schneider: Vom pers¨onlichen Memorandum zum kommerziellen Produkt. Das Buch v. Kaiser Sigmund des E. W. und die Werkstatt des Diebold Lauber. In: Gesch. schreiben. Ein Quellen- und Studienhb. zur Historiografie (ca. 1350–1750). Hg. v. Susanne Rau/Birgit Studt. Berlin 2010, S. 234–244. BJ Reformatio Sigismundi. – Anonyme dt. Reichsreformschrift aus Basel von 1439. Die R. S. wurde im Zuge des Basler Konzils (1431–49) verfasst. Ziel der im Text vorgeschlagenen Maßnahmen ist die R¨uckkehr zu einer g¨ottlichen und nat¨urlichen Ordnung. F¨ur das ohne Autornamen u¨ berlieferte Werk wurden im 19. und 20. Jh. – in einer f¨ur solche F¨alle typischen Forschungsdiskussion – zahlreiche Verfasser vorgeschlagen, die letztlich alle ausscheiden (Friedrich Reiser, Valentin → Eber, Friedrich Grenn, Friedrich Winterlin, Heinrich von Beinheim, Friedrich der Junge von Tomburg und Landscron). Man wird im Urheber lediglich einen rechtskundigen Kanzleiangeh¨origen vermuten d¨urfen, der in nicht n¨aher bestimmbarer Funktion dem Umkreis Kaiser Sigismunds und K¨onig Albrechts II. angeh¨orte, am Basler Konzil teilnahm und mit dessen Statuten vertraut war. Auch kannte er den Reformtraktat des L¨ubecker Bischofs Johannes Schele (Avisamenta reformacionis in curia et extra, zuletzt in: Quellen zur Kirchenreform im Zeitalter der großen Konzilien des 15. Jh. Bd. 2: Die Konzilien v. Pavia-Siena [1423/24], Basel [1431–1449] und Ferrara-Florenz [1438–1445] [Ausgew¨ahlte Quellen zur dt. Gesch. des MA 38,b]. Hg. v. Ju¨ rgen Miethke/Lorenz Weinrich. Darmstadt/Berlin 2002, S. 202–237). ¨ Die R. S., die in der Uberlieferung als deutschsprachige Reformschrift bezeichnet und von ihrem ¨ Verfasser als Ubertragung aus dem Lateinischen gekennzeichnet wird, ist indes mehr als eine bloße 624

Reformatio Sigismundi ¨ Ubersetzung von Scheles Traktat und weiterer lat. Quellen. Viele Abschnitte sind mit großer Wahrscheinlichkeit origin¨ar dt. verfasst. In Abgrenzung zu Schele lockerte der Verfasser zudem die Reformvorschl¨age im Predigtstil durch Legenden und Berichte aus dem eigenen Leben auf. In der Einleitung der R. S. werden die geistlichen wie weltlichen Missst¨ande beklagt und vor allem die Reichsst¨adte als potentielle Haupttr¨ager einer grundlegenden Reform angesprochen. Als Ursache der Verwerfungen werden die klerikale Simonie und die daraus resultierende Habgier der Laien ausgemacht. Reformatorische Grundlage sollen die sieben Sakramente und der Gottesglaube der einfachen Leute sein. Der Hauptteil differenziert zwischen geistlicher und weltlicher Reform und ist in zwei entsprechende Abschnitte gegliedert. Der erste entwirft eine Neuordnung der klerikalen Hierarchie vom Papst bis zu den Pfarrkirchen mit Vorschl¨agen zum jeweiligen Einkommen und zur Ausstattung. Besonders detaillierte Angaben betreffen die Reform des Episkopats. So sollen die Bisch¨ofe z. B. u¨ ber einen universit¨aren Abschluss verf¨ugen, um besser f¨ur die Ausbildung Sorge tragen zu k¨onnen. Papsttum und Kardinalstand werden in zeit¨ublicher und moderater Weise kritisiert, das Mo¨ nchtum und weltliche Machtanspr¨uche der Kirche aber grunds¨atzlich abgelehnt und Eheschließungen von Pfarrern bef¨urwortet. Die Orden sollen ihre Regeln genau beachten und sich in die Klausur und aus dem Bereich der Pfarren zur¨uckziehen. Der zweite (k¨urzere) Abschnitt zur weltlichen Ordnung fordert zun¨achst die Erneuerung der kaiserlichen Macht und verbindet dies mit den Anregungen, der dt. K¨onig m¨oge gelehrt und im Idealfall zum Priester geweiht sein. Ferner sollen Z¨olle verboten und der Straßenbau besser geregelt, Zunft- und Gewerbeordnungen eingehalten werden. Die Leibeigenschaft und der F¨urkauf werden zur¨uckgewiesen. Weitere Reform¨ vorschl¨age betreffen die Ritterschaft, den Arztestand, die Rechtssprechung, das Siegel- und Notariatswesen sowie der Wahrung des Friedens. Zwei Abschnitte zum M¨unzwesen und zum Terminieren der Bettelorden stehen als Nachtr¨age am Textende. Nicht hinl¨anglich gekl¨art sind Funktion und Hintergrund der im Text genannten «Kleinen», in die der Verfasser offensichtlich seine Hoffnungen setzt. Den Abschluss der R. S. bildet eine Traumvision Sigismunds, die er 1403 an Christi Himmelfahrt in Pressburg gehabt haben soll. Der Bericht u¨ ber 625

1. H¨alfte 15. Jh. diese «Offenbarung des neuen stats», welche die Grundlage der Reformvorstellungen sei, wird dem Kaiser in den Mund gelegt. Sigismund ist demnach der Wegbereiter des kommenden und programmatisch benannten priesterlichen Friedensherrschers Friedrich von Lantnewen (Lantnaw, Lantzenaw), dessen Macht¨ubernahme f¨ur 1439 prophezeit wird und der die Neuordnung realisieren werde. Wegen dieses interpretatorisch umstrittenen VisionsSchlussteils ist die R. S. oft als rein utopisch missinterpretiert worden, wodurch verkannt wird, dass sie in weiten Strecken mit zeitgen¨ossischen Reformgedanken korreliert. Neben der Urfassung (N) existieren weitere Bearbeitungen bis um 1450, die jeweils unterschiedliche politische Tendenzen akzentuieren. Fassung P, bald nach 1439 und gleichfalls in oder bei Basel entstanden, r¨uckt die Vision an die Spitze, f¨ugt zwei Kapitel u¨ ber Fahrende Sch¨uler und Dichter sowie u¨ ber Herolde ein und k¨urzt daf¨ur an anderer Stelle (so fehlt etwa die Forderung nach dem Studium f¨ur die Bisch¨ofe). Fassung G entspricht von der Anordnung P, ist vor 1449 entstanden und geht vermutlich auf einen gebildeten Kleriker zur¨uck. Fassung V (wohl aus Augsburg, um 1440) folgt der N-Gliederung, allerdings mit erheblichen K¨urzungen. Die j¨ungste Fassung (K) entstand vermutlich um 1450 im Rhein-Main-Gebiet. ¨ Uberlieferung: Oft wird die R. S. wie ein Reichsgesetz tradiert im Verbund mit der Refor¨ matio Friderici (R. F.) und/oder einer dt. Ubersetzung der Goldenen Bulle (G. B.). – Fassung N: Weimar, HAAB, Cod. Fol. 73, 24r–64ra (drittes Viertel 15. Jh.), «R. F.»: 1r–4v, «G. B.»: 4v–22v. – Fassung P: Weimar, Hauptstaatsarch., Cod. Fol. 181, 13r–68r (15. Jh.). – Fassung G: Stuttgart, LB, Cod. hist. 4° 93, 1r–104v (16. Jh.). – Fassung V: Gotha, Forschungsbibl., Cod. Chart. A 160, 67r–120r (um 1480), «R. F.»: 121r–127v. – Innsbruck, ULB, Serv. Cod. I b 28 (vormals Bibl. des Servitenklosters, Cod. I b 28), 85r–176r (15. Jh), «G. B.»: 1r–82v. – Mu¨ nchen, BSB, Cgm 276, 111r–155v (zweite H¨alfte 15. Jh.), «G. B.»: 82r–100r, «R. F.»: 156r–161v. – Ebd., Cgm 568, 187ra–216vb (1468/70), «R. F.»: 217r–220v. – Ebd., Cgm 702, 1r–71r (Mitte 15. Jh.), «R. F.»: 71r–78v. – Ebd., Cgm 3887, 48ra–89ra (Mitte 15. Jh.), «R. F.»: 89r–94r. – Ebd., Clm 4362, 135r–176r (15. Jh.), «R. F.»: 176v–181r. – N¨urnberg, Germ. Nationalmuseum, Hs. 15902, 1r–44r (1501, Druckabschr.), «R. F.»: 44v–51v. – Prag, Nationalmuseum, Cod. VI D 30, 626

1. H¨alfte 15. Jh. 72 Bll. (1480). – Salzburg, UB, Cod. M II 10, 157v–188r (15. Jh.). – St. Gallen, Stiftsbibl., Cod. 957, S. 6–211 (1469), «R. F.»: S. 212–234. – Wien, ¨ ONB, Cod. 2975, 12r–83r (1465). – Fassung K: Luzern, Zentral- und Hochschulbibl., KB Ms. 27 fol., Bl. 155–171 (1463), «G. B.»: Bl. 133–149. – Nicht zugeordnet: Straßburg, StB, Cod. B 89 (1471 [?]; verbrannt). – Prag, Nationalbibl., Cod. XVI.D.49, 21 Bll. (Mitte/zweite H¨alfte 15. Jh.; Fragm.). – Inkunabeln: (Fassung V) Augsburg (Johann → B¨amler) Bl. 84a–130b, innerhalb der B¨amler-Chron. (GW 03163). – Ebd. (Anton Sorg) Bl. 79a–109a, innerhalb der B¨amler-Chron. (GW 03164). – Ebd. (Johann Sch¨onsperger) 1484 (GW M42065) Bl. 1–37, «R. F.»: Bl. 38–43. – Ebd. (Lukas Zeissenmair) 1497 (GW M42068). – Zu weitern Drucken vgl. Koller (wie Ausg.) S. 41–45. Ausgaben: Willy Boehm: Friedrich Reiser’s Reformation des K. Sigmund. Mit Benutzung der a¨ltesten Hss. nebst einer krit. Einl. und einem erkl¨arenden Comm. Berlin 1876. – Heinrich Werner: Die Reformation des Kaisers Sigmund. Die erste dt. Reformschr. eines Laien vor Luther (Arch. f¨ur Kulturgesch. Erg.heft 3). Berlin 1908. – Karl Beer: Die Reformation Kaiser Sigmunds. Eine Schr. des 15. Jh. zur Kirchen- und Reichsreform (Beih. zu den dt. Reichstagsakten). Stuttgart 1933. – Heinrich Koller: Reformation Kaiser Siegmunds (MGH Staatschr. 6). Stuttgart 1964. Nachdr. 1995. – Auswahl: L. Weinrich: Quellen zur Reichsreform im Sp¨atMA (Ausgew¨ahlte Quellen zur dt. Gesch. des MA 39). Darmstadt 2001, S. 226–246. – Faks.: R. S. (Augsburg: Zeissenmair 1497). Mit einem Nachw. v. Ursula Altmann. Leipzig/K¨oln 1979. – R. S. (Augsburg: Zeissenmair 1497) 2. Repr. der Originalausg. Mit einem Nachw. v. U. Altmann. (Bibl. seltener B¨ucher. Neudr. 1). Leipzig 1984. Literatur: Heinrich Koller, VL2 7 (1990) Sp. 1070–1074. – Ders., LexMA 7 (1995) Sp. 550 f. – Sabine Schmolinsky, Killy2 9 (2010) S. 469 f. – Paul Joachimsen: Die Reformation des Kaisers Sigismund. In: Hist. Jb. 41 (1921) S. 36–51. – Alfred Doren: Zur R. S. In: Hist. Vierteljahrsschr. 21 (1922/23) S. 1–59. – K. Beer: Zur ¨ Uberl. der sog. Reformation Kaiser Siegmunds. In: ¨ 40 (1925) S. 205–233. – Ders.: Zur Uberl. ¨ MIOG und Entstehung der R. S. In: Sb. der Akad. der Wiss. in Wien, phil.-hist. Kl. 206 (1927) Abh. 3, S. 1–43. – Ders.: Zur Entstehungsgesch. der R. 627

Reformatio Sigismundi ¨ Erg.-Bd. 12 (1932) S. 572–675. – S. In: MIOG Frantiˇsek Mich´alek Bartoˇs: Husitsk´e ohlasy v. ‹Reformaci› cesaˇre Zigmunde (Reformaˇcni sbornik 5). Prag 1934. – K. Beer: Zur Frage nach dem Verfas¨ 51 (1937) S. 161–177. – ser der R. S. In: MIOG Ders.: Der gegenw¨artige Stand der Forsch. u¨ ber die R. S. In: ebd. 59 (1951) S. 55–93. – H. Koller: ¨ 60 (1952) Eine neue Fassung der R. S. In: MIOG S. 143–154. – Thea Buyken: Der Verfasser der R. S. In: Aus MA und Neuzeit. FS Gerhard Kallen. Hg. v. Josef Engel/Hans Martin Klinkenberg. Bonn 1957, S. 97–116. – H. Koller: Unters. zur R. S. In: DA 13 (1957) S. 482–524. – Lothar Graf zu Dohna: R. S. Beitr. zum Verst¨andnis einer Reformschr. des 15. Jh. G¨ottingen 1960. – Koller (s. Ausg.) S. 1–49. – Karl Mommsen: Die ‹R. S.›, Basel und die Schweiz. In: Schweizerische Zs. f¨ur Gesch. 20 (1970) S. 71–91. – Clemens Bauer: Der Wucherbegriff der R. S. In: Aus Stadt- und Wirtschaftsgesch. FS Erich Maschke. Hg. v. Friedrich Facius/J¨urgen Sydow. Stuttgart 1975, S. 110–117. – Franz Irsigler: Die ‹Kleinen› in der sog. R. S. In: Saeculum 27 (1976) S. 248–255 (wieder in: Miscellanea F. Irsigler. Festgabe zum 65. Geburtstag. Hg. v. Volker Henn u. a. Trier 2006, S. 125–132). – Tilman Struve: Reform oder Revolution? Das Ringen um eine Neuordnung in Reich und Kirche im Lichte ¨ der R. S. und ihrer Uberl. In: Zs. f¨ur die Gesch. des Oberrheins 126 (1978) S. 73–129. – Hartmut Boockmann: Zu den Wirkungen der ‹Reform Kaiser Sigmunds›. In: DA 35 (1979) S. 514–541 (wieder in: Stud. zum st¨adtischen Bildungswesen des sp¨aten MA [Abh. der Akad. der Wiss. in G¨ottingen. Philol.-Hist. Kl. 3, 137]. Hg. v. Bernd Moeller u. a. G¨ottingen 1983, S. 112–135). – Michael Hiersemann: Der Konflikt Papst – Konzil und die R. S. ¨ im Spiegel ihrer Uberl. In: Zs. f¨ur hist. Forsch. 9 (1982) S. 1–14. – Heinz Thomas: Jean la Pucelle, das Basler Konzil und die ‹Kleinen› der R. S. In: Francia 11 (1983) S. 319–339. – Heinz Angermeier: Die Reichsreform 1410–1555. Die Staatsproblematik in Deutschland zwischen MA und Gegenwart. Mu¨ nchen 1984, S. 88 f. – Klaus H. Lauterbach: Geschichtsverst¨andnis, Zeitdidaxe und Reformgedanke an der Wende zum 16. Jh. (Forsch. zur oberrheinischen Landesgesch. 33). Freiburg i. Br./Mu¨ nchen 1985, S. 57–72. – Peter Johannes Schuler: Recht und Billigkeit als Politische Forderung der Reformschr. des 15. Jh. In: Kaiser Friedrich III. (1440–1493) in seiner Zeit. Stud. anl¨aßlich des 500. Todestags am 19.8.1493/1993 628

Piccolomini (Forsch. zur Kaiser- und Papstgesch. des MA 12). Hg. v. Paul-Joachim Heinig. K¨oln u. a. 1993, S. 301–315. – Ilse Haari-Oberg: Die Wirkungsgesch. der Trierer Gr¨undungssage vom 10. bis 15. Jh. (Europ¨aische Hochschulschr. 3,607). Bern u. a. 1994, S. 113–116. – T. Struve: Kontinuit¨at und Wandel in zeitgen¨ossischen Entw¨urfen zur Reichsreform des 15. Jh. In: Sozialer Wandel im MA. Wahrnehmungsformen, Erkl¨arungsmuster, Regelungsmechanismen. Hg. v. Ju¨ rgen Miethke/Klaus Schreiner. Sigmaringen 1994, S. 365–382. – Ivan Hlav´acˇ ek/Alexander Patschovsky (Hg.): Reform von Kirche und Reich zur Zeit der Konzilien v. Konstanz (1414–1418) und Basel (1431–1449). Konstanz-Prager Hist. Kolloquium. Konstanz 1996 (darin u. a.: A. Patschovsky: Der Reformbegriff zur Zeit der Konzilien v. Konstanz und Basel, S. 7–28; Claudia M¨artl: Der Reformgedanke in den Reformschr. des 15. Jh., S. 91–108; H. Book¨ mann: Uber den Zusammenhang von Reichsreform und Kirchenreform, S. 203–214). – Ders.: Die Orden in den dt. Texten zur Kirchen- und Reichsreform des 15. Jh. In: H¨aresie und vorzeitige Reformation im Sp¨atMA (Schr. des Hist. ˇ Kollegs/Kolloquien 39). Hg. v. Frantiˇsek Smahel. Mu¨ nchen 1998, S. 275–288. – Carl Pfaff: Klerus und Laien im Spiegel der ‹R. S.›. In: Pfaffen und Laien – ein ma. Antagonismus? Freiburger Colloquium 1996 (Scrinium Friburgense 10). Hg. v. Eckart Conrad Lutz/Ernst Tremp. Freiburg/ Schweiz 1999, S. 191–207. – Christian J¨org: ‹zu ¨ ratslagen von des kornes wegen› – Uberlegungen zu den Rahmenbedingungen st¨adtischer Versorgungspolitik in Zeiten v. Hungersn¨oten w¨ahrend des 15. Jh. im obd. Raum. In: Inklusion/Exklusion. Stud. zu Fremdheit und Armut v. der Antike bis zur Gegenwart. Hg. v. Andreas Gestrich/ Lutz Raphael. Frankfurt/M. 2004, S. 209–338. – Ern¨o Marosi: R. S. – K¨unstlerische und politische Repr¨asentation am Hof Sigismunds v. Luxemburg. In: Sigismundus Rex et Imperator. Kunst und Kultur zur Zeit Sigismunds v. Luxemburg. Austellungskat. Budapest 2006. Hg. v. Imre Tak´acs. Mainz 2006, S. 24–39. VZ Piccolomini, Aeneas Silvius, * 18.10.1405 Corsignano (nach ihm Pienza genannt) bei Siena, † 15.8.1464 Ancona. – Humanist, Poeta laureatus und Papst (Pius II.). Aufgrund seiner fr¨uh einsetzenden und umfassenden Publikationst¨atigkeit, die außer geistlichem Schrifttum so unterschiedliche Textsorten 629

1. H¨alfte 15. Jh. wie Historiographie, Memoiren, Erziehungsschriften, Liebeskom¨odien, Novellen und Reden umfasst und oft autobiographisch gef¨arbt ist, lassen sich P.s Lebenslauf und seine intellektuelle Entwicklung pr¨azise beschreiben. Der Sohn einer verarmten Adelsfamilie studierte in Siena und Florenz Jurisprudenz und die lateinische Sprache. 1432 begann seine Karriere auf dem Basler Konzil, wo er aufgrund seiner humanistischen Bildung und seiner sprachlichen Bef¨ahigung rasch auf sich aufmerksam machte. Als Vertreter des Konziliarismus wurde er Sekret¨ar und Gesandter des Konzilspapstes Felix V. und nahm in dieser Funktion am Frankfurter Reichstag teil, wo ihm am 27.7.1442 von Friedrich III. die Dichterkrone verliehen wurde. Im selben Jahr trat P. als Diplomat in die k¨onigliche und in die o¨ sterreichische Kanzlei in Wien ein. 1447 empfing er die Priesterweihe, wurde dann Bischof von Triest, sp¨ater von Siena. Am 18.12.1456 wurde er zum Kardinal erhoben und am 19.8.1458 zum Papst gew¨ahlt und nahm den Namen Pius II. an. In seiner neuen Funktion vertrat er die p¨apstliche Suprematie und bereitete einen Kreuzzug gegen die T¨urken vor. P.s. Bedeutung ist vorrangig in seiner Rolle als einflussreichster Vertreter des Humanismus n¨ordlich der Alpen sowie als Wiederentdecker und Vermittler der vergessenen Schriften → Ottos von Freising zu sehen. Sie dokumentiert sich in seinem gewaltigen und vielseitigen Œuvre, dem umfassenden Kreis seiner Kontakte, der sich u¨ ber ganz Europa spannte und seinem u¨ berragenden literarischen Ingenium. Im deutschsprachigen Raum beeinflusste P. vor allem Hermann → Schedel, → Niklas von Wyle, Johann von Eych und → Albrecht von Bonstetten. Im Folgenden werden die am st¨arksten rezipierten Werke P.s auf der Grundlage des Artikels von F. J. Worstbrock zu P. im VL2 (1989) aufgef¨uhrt: I. Historiographie 1. Commentarii de gestis concilii Basiliensis ist eine zwischen 1439 und 1440 entstandene Konzilsgeschichte, die den Streit um die Absetzung Papst Eugens IV. und die Wahl Felix’ V. zum Gegenstand hat. Ausgabe: D. Hay/W. K. Smith: De gestis concilii Basiliensis commentariorium libri II (1440). Oxford 1967. 2. Bei De viris illustribus handelt es sich um eine zwischen 1440 und 1450 entstandene un630

1. H¨alfte 15. Jh. vollst¨andige Sammlung von 42 Kurzbiographien bedeutender Zeitgenossen. Ausgabe: Enee Silvii Piccolominei postea Pii PP II, De viris illustribus. Hg. v. Adrian van Heck. Citt`a del Vaticano 1991. 3. In libros Antonii Panormitae de dictis et factis Alphonsi regis memorabilibus commentarius: 1456 entstandenes Exzerpt und Kompilation einer Anekdoten- und Aphorismensammlung Antonio Beccadellis, der darin das Ideal eines Renaissancef¨ursten entwirft. Ausgabe: Opera, S. 472–499. ¨ 4. Historia Austrialis ist eine Geschichte Osterreichs und Wiens in drei verschiedenen Fassungen, die zwischen 1453 und 1458 entstand und die Geschichte der Babenberger, der Staufer und Friedrichs III. darlegt. Gesch¨opft hat P. dazu vorrangig ¨ aus der Osterreichischen Chronik von den 95 Herrschaften des → Leopold von Wien, aber auch aus Otto von Freising und Flavio Biondo. Ausgabe: Eneas S. P.: Historia Austrialis. Hg. v. Julia Kn¨odler/Martin Wagendorfer (Scriptores rerum Germanicarum 24). Hannover 2009. ¨ Ubersetzungen (Red. II): Theodor Ilgen: A. S.: Die Gesch. Kaiser Friedrichs III. Leipzig 1899. – ¨ Osterr. Gesch. Hg. v. Ju¨ rgen Sarnowsky. Darmstadt 2005. 5. Historia Bohemica, entstanden 1458, liegt in drei Redaktionen vor, deren letzte der unten angegebenen Edition zugrunde liegt, 1475 erstmals gedruckt. Die Historia ist eine Geschichte B¨ohmens, die sich neben Landschafts- und Regionenbeschreibungen vor allem auf eine Auseinandersetzung mit dem Hussitismus und die Geschichte K¨onigs Ladislaus konzentriert. Ausgabe: A. S. P.: Historia Bohemica. Hg. v. Joseph Hejnic/Hans Rothe. 3 Bde. K¨oln 2005 (Bd. 1: Historia Bohemica. Hist.-krit. Ausg. des lat. ¨ Textes, besorgt v. Joseph Hejnic, mit dt. Uberset¨ zung v. Eugen Udolph; Bd. 2: Die fr¨uhnhd. Ubersetzung [1463] des Breslauer Stadtschreibers Peter Eschenlo¨er. Hg. v. V´aclav Bok; Bd. 3: Die erste alt¨ tschechische Ubersetzung (1487) des katholischen Priesters Jan H´uska. Hg. v. Jaroslav Kol´ar). 6. Historia Gothorum, entstanden 1453, kann weitgehend als Exzerpt aus den Getica des Jordanes bezeichnet werden; nicht ediert. 7. Asia (1461) und Europa (1458): Von Osten nach Westen voranschreitend strebt P. in diesem die Genre von Ethno-, Geo- und Historiographie mischenden Text eine «Enzyklop¨adie der L¨ander- und 631

Piccolomini V¨olkerkunde» (Worstbrock, VL2, Sp. 658) an. Es handelt sich um eine summarische Darstellung der europ¨aischen und kleinasiatischen L¨ander. Dazu bedient er sich sowohl antiker Quellen, als auch zeitgen¨ossischen Wissens, insbesondere der Schriften Flavio Biondos. Hintergrund seiner Darstellung ist die wachsende Sorge bez¨uglich der Bedrohung durch die T¨urken. Ausgaben: Europa: Enee Silvii Piccolominei postea Pii PP II De Europa. Hg. v. Adrian van Heck. ¨ Citt`a del Vaticano 2001. Eine dt. Ubersetzung der van Heckschen Ausgabe ist: Enea Silvio P. Europa. Hg. v. G¨unter Frank/Paul Metzger, Albrecht Hartmann. Heidelberg 2005. – Asia: Enea Silvio P., Beschreibung Asiens, u¨ bers. v. Raimund Senoner. Hg. v. Wilhelm Baum. Klagenfurt 2005. 8. Commentarii rerum memorabilium que temporibus suis contigerunt, entstanden 1463, besteht aus zw¨olf B¨uchern und umfasst P.s Memoiren, die sich bis ins Jahr 1463 erstrecken. Worstbrock sieht in dem Werk eine erste gesamteurop¨aische Zeitgeschichte, die durch historische Exkurse, lebhafte Biographien, Landschaftsbeschreibungen und Anekdoten einen einzigartigen literarischen Rang einnehme. Ausgaben: Pii II Commentarii Rerum Memorabilium que Temporibus suis contigerunt. Hg. v. A. van Heck (Studi e Testi 312, 313). 2 Bde. Citt`a del Vaticano 1984. – Enea Silvio P., Papa Pio II, I Commentarii. Hg. v. L. Totaro (Classici 47). 2 Bde., Milano 1984. II. Briefe, Brieferz¨ahlungen und Brieftraktate 1. P.s Briefe von seinen anderen, etwa historiographischen, hofkritischen oder p¨adagogischen Schriften zu unterscheiden, ist nicht leicht. In typisch humanistischem Stil nutzt er den Brief u¨ ber mehr als 30 Jahre lang als Rahmen f¨ur literarische Reflexionen u¨ ber Fragen der Zeit sowie politische und religionspolitische, aber auch kulturelle Themen. Von Anfang an verstand er seine Briefkorrespondenz als ein literarisches Zeugnis; er pflegte und sammelte sein Brief-Œuvre. Ausgabe: Rudolf Wolkan: Der Briefwechsel des Eneas Silvius P., 4. Bde. Wien 1909–18. 2. Brieferz¨ahlungen a) Somnium Fortunae (1444): Es handelt sich um die Erz¨ahlung eines Traums, in dem der Erz¨ahler seinem Freund Maffeo Vegio begegnet, der ihn durch das Reich der allm¨achtigen Fortuna f¨uhrt. Bei ihrer Wanderung treffen die beiden auf 632

Piccolomini ber¨uhmte Personen, die als Beispiele des willk¨urlichen Waltens der Fortuna herangezogen werden, und schließlich auf diese selbst. Ausgabe: Wolkan. b) Historia de duobus amantibus: Entstanden 1444, 1462 von Niklas von Wyle u¨ bersetzt und 1478 zusammen mit 17 anderen «Translatzen» erstmals in Esslingen von Konrad Fyner gedruckt. Es handelt sich um die novellistisch erz¨ahlte Geschichte einer leidenschaftlichen Ehebruchsliebe, die vermutlich eine Begebenheit aus dem Jahre 1432 aufgreift, in die Kaspar Schlick verwickelt war: Der junge adlige Eurialus, der als Gefolgsmann Kaiser Sigismunds mit diesem nach Siena kommt, verliebt sich in die sch¨one Lucretia, die ihrerseits Eurialus verf¨allt. Nach einer Reihe heimlicher Treffen reist Eurialus mit dem Kaiser wieder ab. Lucretias verzweifeltem Vorschlag, mit ihr zu fliehen, weicht er aus. W¨ahrend er vom Kaiser mit einer Adligen verheiratet wird, stirbt Lucretia vor Kummer. Die Novelle verzichtet nicht nur auf alle Mittel der Fiktionalisierung und Stilisierung, sondern auch auf eine Rechtfertigung der beteiligten Figuren: Leidenschaftlich entflammt begeht Lucretia offenen Auges Ehebruch mit allen daraus resultierenden Gefahren und Gewissensno¨ ten. Es ist ungez¨ugelte Leidenschaft, die sie und Eurialus verbindet; ob u¨ berhaupt von einer Liebesgeschichte im emphatischen Wortsinne die Rede sein kann, ist zweifelhaft. Denn ¨ auch das Ende nimmt keine Uberh¨ ohung des Paares im Liebestod vor, sondern unterstreicht durch den einsamen Tod Lucretias das Scheitern der Liebe und die unaufhaltsame Zersto¨ rung des Menschen, der sich der erotischen Leidenschaft ausliefert. P. hat sich als Pius II. von seiner u¨ beraus popul¨aren und sowohl im Lateinischen, als auch in der Volkssprache so rasant wie breit u¨ berlieferten Novelle nachdr¨ucklich distanziert. Ausgabe: Eneae Silvii Piccolominei epistolarium seculare complectens De duobus amantibus, De naturis equorum, De curialium miseriis. Neuausg. der Edition v. Rudolf Wolkan v. A. van Heck. Citt`a del Vaticano 2007. ¨ Ubersetzungen: Enea Silvio P.: Briefe und Dichtungen. Hg. v. Max Mell/Ursula Abel. Mu¨ nchen 1966, S. 240–299. – E. J. Morall: A. S. P. (Pius II.) and Niklas von Wyle. The Tale of two lovers Eurialus and Lucretia. Amsterdam 1988. – Enea Silvio P.: Euryalus und Lucretia. Lat./dt. Hg. v. Herbert R¨adle (RUB 8869). Stuttgart 1993. 633

1. H¨alfte 15. Jh. 3. Brieftraktate 3.1 P¨adagogische Schriften ¨ a) F¨ur Herzog Sigismund von Osterreich, 1443: Inhalt dieses die praktische Lebenskunst in den Mittelpunkt r¨uckenden Erziehungsbriefes ist ein Katalog antiker Autoren, aus denen Verhaltensregeln und Handlungsanleitungen f¨ur das Mu¨ ndel Friedrichs III. gesch¨opft werden. Ausgabe: Wolkan I, 1 Nr. 99. b) De liberorum educatione, f¨ur K¨onig Ladislaus Postumus, 1450: Kann als Summe eines humanistischen Erziehungsideals betrachtet werden, in der P. auch eine Rechtfertigung der Dichtung gegen¨uber theologischer Kritik vornimmt. Aus antiken Quellen wie Cicero, Macrobius und Juvenal wird im Rahmen der septem artes liberales ein umfassendes Bildungsprogramm entworfen, wobei der Grammatik die gr¨oßte Aufmerksamkeit geschenkt wird. Ausgaben: Wolkan II Nr. 40. – P. Galliker 1889. c) De curialium miseriis, 1444: Drastische und satirische Hofkritik, die, aus Lukian und Juvenal sch¨opfend, bissig und schonungslos das Leben von H¨oflingen und Hofbediensteten mit Spott, Kritik und Verachtung u¨ berzieht. Ausgaben: Wolkan I 1, Nr. 166. – W. P. Mustard. Baltimore-London 1928. – Eneae Silvii Piccolominei epistolarium seculare complectens De duobus amantibus, De naturis equorum, De curialium miseriis. Neuausg. der Edition v. Rudolf Wolkan v. A. van Heck. Citt`a del Vaticano 2007. 3.2 Politische Traktate a) De ortu et auctoritate imperii Romani: 1446 entstandener Traktat, der die absolute Suprematie und Souver¨anit¨at des K¨onigs behauptet und naturrechtlich, u¨ ber das Gemeinwohl und den g¨ottlichen Willen begr¨undet. Ausgaben: Wolkan II Nr. 3. – Gerhard Kallen: A. S. P. als Publizist in der ‹Epistola de ortu et auctoritate Imperii Romani› (Ver¨off. des PetrarcaHauses Dt.-Italienisches Kulturinst. Erste Reihe: Abhandlungen Bd. 4). K¨oln 1939, S. 51–97 (mit ¨ dt. Ubersetzung). b) Germania, entstanden 1457/58. P. entwirft hier das Idealbild eines in Bezug auf Wissenschaften, Wohlstand und Bildung bl¨uhenden und vor allem durch Sprache, Traditionen und Kultur geeinten Landes, das in einer geschichtlichen Kontinuit¨at mit dem alten, barbarischen Germanien steht. Mit dieser Vision von Einheit, Ordnung und Wohlergehen reagiert P. auf Kritik an der Kurie und 634

1. H¨alfte 15. Jh. an der vermeintlichen Dominanz Roms gegen¨uber Deutschland. Ausgabe: A. S., Germania, und Jakob Wimpfeling: Responsa et replicae ad Eneam Silvium. Hg. v. Adolf Schmidt. K¨oln/Graz 1962. c) Epistula ad Mahumetem: 1460 verfasster, an Sultan Mehmed II. adressierter, aber nicht abgesandter Brief, der um eine friedliche L¨osung des Konflikts zwischen Christen und Muslimen bem¨uht ist. Den Hauptteil des Briefes bildet ein Bekehrungsgespr¨ach, in dem dem Sultan die Wahrheit ¨ der christlichen Lehre und die Uberlegenheit der christlichen Kultur vor Augen gestellt werden. Ausgaben: Pio II (Enea Silvio P.), Lettere a Maometto (Epistula ad Mahumetem). Hg. v. G. Toffa¨ nin. Napoli 1953. – Ubersetzungen: Epistula ad Mahumetem II (Epistle to Mohammed II). Ed. and transl. A. R. Baca. New York 1990. – Il Corano e la tiara; l’epistola a Maometto di Enea Silvio P. (papa Pio II). Ed. L. D’Ascia. Bologna 2001. – Pius II. Papa: Epistola ad Mahumetem: Einleitung, krit. ¨ Edition, Ubersetzung v. Reinhold F. Glei u. a. Trier 2001. III. Dialoge 1. Libellus dialogorum de generalis concilii autoritate et gestis Basiliensium: Entstanden 1440, diskutiert dieser Dialog die Superiorit¨at von Papst bzw. Konzil. Der Text imaginiert die R¨uckkehr → Nikolaus’ von Kues, der sich vom Konziliaristen zum loyalen Anh¨anger Eugens IV. gewandelt hatte. Der Erz¨ahler berichtet von einem heimlich mitangeh¨orten Gespr¨ach, das Nikolaus mit dem Konziliaristen Stephan von Novara f¨uhrt, der ihn schließlich auf seine Seite ziehen kann. Ausgabe: Libellus dialogorum de Generalis Concilii autoritate et gestis Basiliensium. Hg. v. D. Hay. Oxford 1967. 2. Pentalogus de rebus ecclesiae et imperii: 1443 entstandenes ‹F¨unfergespr¨ach› zwischen dem Erz¨ahler, K¨onig Friedrich III., Kanzler Kaspar Schlick, Bischof Silvester von Chiemsee, Nicodemo della Scala, dem Bischof von Freising. Das Gespr¨ach hat die Wiederherstellung der kirchlichen Einheit, u. a. durch die Unterwerfung Italiens unter einen vom Papst gekr¨onten r¨omisch-dt. Kaiser zum Gegenstand. Ausgabe: Eneas S. P. Pentalogus. Lat./Dt. Hg. v. Christoph Schingnitz. Hannover 2009. 3. Dialogus pro donatione Constantini: Bei diesem unvollendeten Text handelt sich um eine in Form eines Dialogs abgefasste Traumerz¨ahlung, die in der 635

Piccolomini Forschung auch als Dialogus de somnio quodam bekannt ist. Anl¨asslich der Eroberung Konstantinopels (1453) soll im Paradies ein Kongress abgehalten werden, an dem der Erz¨ahler mit seinen Gespr¨achspartnern, dem p¨apstlichen Sekret¨ar Pietro Noceto und seinem Mentor, dem 1450 heilig gesprochenen Bernardino von Siena, teilnimmt. Gegenstand der Gespr¨ache, die auf eine Diskussion der weltlichen Herrschaft der P¨apste zulaufen, sind der Fall Konstantinopels, die Silvester-Legende und die Konstantinische Schenkung. Ausgabe: Eneas S. P.: Dialogus. Hg. v. Duane R. Henderson (MGH. Quellen zur Geistesgesch. 27). Hannover 2011. IV. Versdichtungen 1. Carmina: Die Abfassung der Lieder f¨allt in die fr¨uhe Schaffenszeit P.s Er schrieb 19, zumeist erotische, Carmina, ca. 60 Epigramme und Epitaphe, einen Friedrich III. zugeeigneten Hymnus De passione Domini und die Distichen In Maumethem perfidum Turchorum regem. Ausgabe: Enee Silvii Piccolominei postea Pii PP II Carmina edidit commentarioque instruxit Adrianus van Heck. Citt`a del Vaticano 1994. 2. Chrysis: 1444 entstandene, unikal u¨ berlieferte satirische Liebeskom¨odie. Ausgabe: A. S. P: Chrysis. Com´edie latine in´edite. Hg. v. Andre Boutemy. Br¨ussel 1939. – Jean-Louis Charlet: Chrysis (Textes de la Renaissance 102). Paris 2006. Traduction avec le texte la¨ tin en regard. – Ubersetzung: Enea Silvio P.: Briefe und Dichtungen. Hg. v. Max Mell/Ursula Abel. M¨unchen 1966, S. 301–335. Von P.s Werken wurden u. a. die folgenden ins Deutsche u¨ bersetzt: Von Niklas von Wyle De remedio amoris, De duobus amantibus, der Erziehungsbrief ¨ f¨ur Sigismund von Osterreich und das Somnium Fortunae, von Michael Christian die Epistula ad Mahumetem, von Wilhelm von Hirnkofen De misieria curialium, Johann Gottfried P.s Brief an Wilhelm von Stein und von Peter Eschenloer die Historia Bohemica. Ausgaben: Opera omnia, Basel 1551 (Neudr. 1967). – Orationes politicae et ecclesiasticae (ed. G. D. Mansi) 3 Bde., Lucca 1755–59. – Opera inedita (ed. J. Cugnoni) Rom 1883 (Neudr. 1968). Literatur: Franz Josef Worstbrock, VL2 7 (1989) Sp. 634–669 (Lit. bis 1989). – Johannes Helmrath: Pius II. In: LThK3 8 (1999) Sp. 322–324. – Joachim Weinhardt: Pius II. In: RGG4 6 (2003) Sp. 1363 f. – Stephan F¨ussel, LGB2 6 (2003) S. 4. – J. Helmrath, 636

Piccolomini Killy2 9 (2010) 219–224. – Volker Reinhardt: Enea Silvio P. (1405–64). Germania. In: Hauptwerke der Geschichtsschreibung. Hg. v. V. Reinhardt. Stuttgart 1997, S. 481–485. – Nationenbildung. Die Nationalisierung Europas im Diskurs humanistischer Intellektueller. Italien und Deutschland. Hg. v. Herfried M¨unkler/Hans Gr¨unberger/Kathrin Mayer. Berlin 1998. – Paul J. Weinig: Aeneam suscipite, Pium recipite. A. S. P. Stud. zur Rezeption eines humanistischen Schriftstellers im Deutschland des 15. Jh. Wiesbaden 1998. – J. Helmrath: Pius II. und die T¨urken. In: Europa und die T¨urken in der Renaissance. Hg. v. Bodo Guthm¨uller/Wilhelm K¨uhlmann (Fr¨uhe Neuzeit 54). T¨ubingen 2000, 79–137. – Olaf Bruhn: ‹... den Becher der Liebe ...›. Eine Lekt¨ure der Novelle ‹Historia de duobus amantibus› v. Enea Silvio P. mit Roland Barthes, ‹Fragmente einer Sprache der Liebe›. In: Mlat. Jb. 36 (2001) S. 253–274. – J. Helmrath: Enea Silvio P. als ‹Apostel des Humanismus›. Formen und Wege seiner Diffusion. In: Diffusion des Humanismus. Stud. zur nationalen Geschichtsschreibung europ¨aischer Humanisten. Hg. v. dems. u. a. G¨ottingen 2002, S. 99–142. – Claudia M¨artl: Alltag an der Kurie: Papst Pius II. (1458–1464) im Spiegel zeitgen¨ossischer Berichte. In: Pius II. ‹El pi`u expeditivo pontifice›. Selected Studies on A. S. P. (1405–1464). Hg. v. Zweder v. Martels/Arjo Vanderjagt (Brill’s Studies in Intellectual History 117). Leiden 2003, S. 107–145. – J. Helmrath: Enea Silvio P. Vater des modernen Europagedankens? In: Europa und die Europ¨aer. Quellen und Essays zur modernen europ¨aischen Gesch. FS Hartmut Kaelble. Hg. v. R¨udiger Hohls u. a. Berlin 2005, S. 361–369. – J. Helmrath: Enea Silvio, Plinius und die ‹inventores rerum›. ‹De diversarum scienciarum arciumque origine› in der N¨urnberger Hs. Cent VI App. 14 – (k)ein unbekannter Traktat Pius’ II. In: Osmanische Expansion und europ¨aischer Humanismus. Akten des interdisziplin¨aren Symposions vom 29. und 30. Mai 2003 im Stadtmuseum Wiener Neustadt. Hg. v. Franz Fuchs. Wiesbaden 2005, S. 97–108. – Christopher B. Krebs: Negotiatio Germaniae. Tacitus’ Germania und Enea Silvio P., Giannantonio Campano, Conrad Celtis und Heinrich Bebel (Hypomnemata 158). G¨ottingen 2005. – Benedikt Konrad Vollmann: Enea Silvio P.s ‹Historia Austrialis›. Anmerkungen zu einer neuen Studie u¨ ber die Fassungen des Werks. In: PBB 127 (2005) S. 240–246. – C. M¨artl: Wie schreibt ein Papst Gesch.? Zum Umgang mit Vorlagen in den 637

1. H¨alfte 15. Jh. Commentarii Pius’ II. In: Die Hofgeschichtsschreibung im ma. Europa. Hg. v. Rudolf Schieffer/Jaroslav Wenta. Thorn 2006, S. 232–251. – Maria Antonietta Terzoli: Enea Silvio P. Uomo di lettere e mediatore di culture. Gelehrter und Vermittler der Kulturen. Basel 2006. – C. M¨artl: Epigraphisches zu Papst Pius II. (Enea Silvio P., 1405/1458–1464). In: De litteris, manuscriptis, inscriptionibus [...]. FS Walter Koch. Hg. v. Theo K¨olzer u. a. Wien u. a. 2007, S. 329–351. – Nancy Bisaha: ‹Discourses of power and desire›: the letters of A. S. P. (1453). In: Florence and Beyond. Culture, society and politics in Renaissance Italy. Hg. v. David S. Peterson. Toronto 2008, S. 121–134. – Karl A. E. Enenkel: Autobiographik als Welteroberung: Enea Silvio P. (Papst Pius II.; 1432–1464). In: Ders.: Die Erfindung des Menschen. Die Autobiographik des fr¨uhneuzeitlichen Humanismus von Petrarca bis Lipsius. Berlin/New York 2008, S. 266–299. – ¨ Duane R. Henderson: Zur Entstehung und Uberl. des sog. ‹Dialogus de donatione Constantini› des Enea Silvio P. In: Pirckheimer Jb. f¨ur Renaissanceund Humanismusforschung 22 (2008) S. 97–120. – Enea Silvio P. n¨ordlich der Alpen. Akten des interdisziplin¨aren Symposions vom 18. bis 19. November 2005 an der Ludwig Maximilians-Univ. M¨unchen. Hg. v. Franz Fuchs. Wiesbaden 2008. – Cora Dietl: Hurenkom¨odie oder politische Dichtung? Die Chrysis des Enea Silvio P. In: Texte zum Sprechen bringen. Philologie und Interpretation. FS Paul Sappler. Hg. v. Christiane Ackermann u. a. T¨ubingen 2009, S. 261–272. – C. M¨artl: Pius II. (1458–1464). Offensive und defensive Strategien seiner Selbstdarstellung als Papst. In: Eigenbild im Konflikt. Krisensituationen des Papsttums zwischen Gregor VII. und Benedikt XV. Hg. v. Michael Matheus/Lutz Klinkhammer. Darmstadt 2009, S. 63–87. – Emily O’Brien: A. S. P.’s Chrysis: A Prurient Pasttime – or Something More? In: Modern Languages Notes 124 (2009) S. 111–136. – C. M¨artl: Weltl¨aufige Pr¨alaten, wankelm¨utige F¨ursten, wohlhabende St¨adte. Der Humanist Enea Silvio P. (Papst Pius II., 1405–1464) und Bayern. In: Bayern und Italien. Kontinuit¨at und Wandel ihrer traditionellen Beziehungen. Hg. v. Hans-Michael K¨orner/Florian Schuller. Lindenberg im Allg¨au 2010, S. 103–123. – Lucas Burkart: Der Krit. Blick, oder: Enea Silvio P. schildert die letzte Kaiserkr¨onung in Rom am 19. M¨arz 1452. In: Sehen und Sakralit¨at in der Vormoderne. Hg. 638

1. H¨alfte 15. Jh. v. David Ganz/Thomas Lentes (KultBild. Visualit¨at und Religion in der Vormoderne 4). Berlin 2011, S. 120–131. KP Wolfhard, Johannes (Wolfhardi) OP. – Beitr¨ager einer Vita Heinrich Fabris. W.s Lebensdaten sind weitgehend unbekannt. Er war Dominikaner und zumindest um 1452 Beichtvater im Unterlindenkloster in Colmar. Man hat ihn verschiedentlich mit Johannes Wolhard(t) identifiziert, der Schaffner und 1458 Lesemeister im Unterlindenkloster war, außerdem 1465, 1474 und 1478 Prior in Straßburg. Wolhard wirkte auch im Verfahren gegen den Hussiten und Waldenser Friedrich Reiser mit. W. stand wahrscheinlich im Zusammenhang mit dem dt. Bericht u¨ ber Leben und Sterben des Heinrich Fabri (1452). Der Text schildert auf erbauliche Weise die Vita von W.s Zeitgenossen Fabri, der wie W. als Beichtvater in Sch¨onensteinbach t¨atig war. Hauptverfasser der Vita war sicher Fabris Nachfolger als Beichtvater, Johannes von Mainz. W. ist in der einzigen u¨ berlieferten Handschrift in seiner Eigenschaft als Beichtvater erw¨ahnt, dem Fabri sich offenbar kurz vor seinem Tod anvertraute. W. k¨onnte Johannes also f¨ur dessen Vita wichtige, auf Fabri selbst zur¨uckgehende Angaben geliefert haben – oder Johannes schrieb mit, w¨ahrend Fabri W. aus seinem Leben berichtete. Eine direkte Mitwirkung W.s am Text gilt heute als eher unwahrscheinlich. ¨ Uberlieferung: Berlin, SBB, Mgq 191, Bll. 115r–118v (Pap./Perg., um 1400, alemannisch). Ausgabe: Vom gottseligen Leben und Abscheiden des Bruders Heinrich Fabri, Beichtigers zu Sch¨onensteinbach (gest. 1452). Hg. v. Luzian Pfleger. In: Bulletin eccl´esiastique de Strasbourg 44 (1925) S. 228–235. Literatur: Hans-Jochen Schiewer, VL2 10 (1999) Sp. 1360 f. – Johannes Meyer: Buch der Reformacio Predigerordens 1. Hg. v. Benedikt Reichert. Leipzig 1908, Kap. 4 f. – Annette Barthelm´e: La R´eforme Dominicaine au XVe Si`ecle en Alsace et dans l’Ensemble de la Province de Teutonie. Straßburg 1931, passim. – Andreas R¨uther: Bettelorden in Stadt und Land. Die Straßburger Mendikantenkonvente und das Elsaß im Sp¨atMA (Berliner Hist. Stud. 26). Berlin 1997, S. 122, 256, 274. MM 639

Wolfhard Artzt, Eikhart (Eucharius). – Chronist, 15. Jh. A., Sohn eines Handelsherrn und Patriziers in Cronweißenburg, war B¨urger zu Weißenburg/Unterelsass. Er schrieb seit 1440 historische Aufzeichnungen («cronick») nieder (Weißenburger Chronik). Vorbild war die Chronik Jakob → Twingers von K¨onigshofen, deren 6. Kapitel ihm in bearbeiteter Form als Einleitung f¨ur sein eigenes Werk diente. A.s eigene Aufzeichnungen schildern – in nicht chronologischer Anordnung – die Ereignisse zwischen 1431 und 1471, wobei der «Weißenburger Krieg» (1469–71) am ausf¨uhrlichsten behandelt wird. ¨ Uberlieferung: Heidelberg, UB, Cpg 116, 78 Bll. (aus zwei Teilen [I–IV; 1–72*] zusammengebunden), 1r–71v (darin: Register [Bl. 1r–9v] nach Jakob Twinger von K¨onigshofen: ‹Chronik› dt.) (Pap., I: 1528; II: um 1530, obd. mit mittelfr¨ankischen Formen). Ausgaben: Franz Joseph Mone: E. Artztes v. Weissenburg Gesch. seiner Zeit. Von 1431 bis 1471. In: Badisches Arch. zur Vaterlandskunde in allseitiger Hinsicht 2 (1827) S. 210–306 (ordnet die Aufzeichnungen chronologisch, modernisiert die Orthographie). – Conrad Hofmann: E. A.s Chron. v. Weissenburg. In: Quellen und Er¨orterungen zur Bayerischen und Dt. Gesch. 2 (1862) S. 145–208 (10r–46r und 70r–71v). – Ders.: E. A., vom Weissenburger Krieg. In: ebd. 3 (1863) S. 260–301 (46v–69v, die Verfassernotiz 18r wird vorangestellt). Literatur: Wolfgang Stammler, NDB 1 (1953) S. 403 f. – Peter Johanek, VL2 1 (1978) Sp. 503 f. – Ottokar Lorenz: A. In: Deutschlands Geschichtsquellen im MA seit der Mitte des dreizehnten Jh. Bd. 1. Berlin 1886, S. 52 f. – Carl Hegel (Hg.): Die Chron. des Jacob Twinger v. K¨onigshofen 1400 (1415). In: Die Chron. der oberrheinischen St¨adte. Straßburg. Bd. 1 (Chron.dt.St. 8). Leipzig 1870 (Nachdr. Stuttgart 1961) S. 224 (Nr. 50). – Karin Zimmermann unter Mitwirkung v. Sonja Glauch, Matthias Miller und Armin Schlechter: Die Codices Palatini germanici in der Universit¨atsbibl. Heidelberg (Cod. Pal. germ. 1–181) (Kataloge der Universit¨atsbibl. Heidelberg VI). Wiesbaden 2003, S. 268–270. BJ Danziger Ordenschronik. – Dt. Chronik zur Geschichte Preußens. Die D. O. behandelt die Geschichte Preußens im Zeitraum von 1190 bis 1439 und unter besonderer Ber¨ucksichtigung der Regierung des Dt. Ordens. 640

Girnant von Schwalbach Der Text existiert nur als Rekonstruktion aus dem 19. Jh., da keine Originalhandschriften erhalten sind. Urspr¨unglich wohl aus der Zeit um 1440 bis 1480 stammend, wurde die D. O. wahrscheinlich mehrmals erweitert und im 16. Jh. in Kompilationen eingef¨ugt. Sie diente als Quelle der Preußischen Chronik (Mitte 16. Jh.) Stenzel Bornbachs, der die D. O. einem angeblich 1457 gestorbenen Heinrich Caper (auch Kaper) zuschrieb. Beweisbar ist diese Zuschreibung freilich nicht. Trotzdem bleibt die D. O. als eines der a¨ ltesten Werke preußischer Chronistik von Interesse. ¨ Uberlieferung: Nur als Rekonstruktion erhalten (s. Ausg.). Ausgabe: Danziger Ordenschron. Hg. v. Theodor Hirsch. In: Scriptores Rerum Prussicarum. Die Geschichtsquellen der preußischen Vorzeit 4. Hg. v. Max Toeppen u. a. Leipzig 1870 (Nachdr. Frankfurt/M. 1965) S. 366–383. Literatur: Udo Arnold, VL2 2 (1980) Sp. 44. – De Boor/Newald 4/1 (21994) S. 156, 769. – Hirsch 1870 (s. Ausg.) S. 357–365 f. – Jolanta Dworzaczkowa: Dziejopisarstwo gdanskie do polowy XVI wieku. Danzig 1962. – Repertorium fontium historiae medii aevi 3. Hg. Istituto Storico Italiano per il Medio Evo. Rom 1970, S. 343. – U. Arnold: Geschichtsschreibung im Preußenland bis zum Ausgang des 16. Jh. In: Jb. f¨ur die Gesch. Mittel- und Ostdeutschlands 19 (1970) S. 74–126, hier S. 91 f. – Wolfgang Spiewok: Die Chronistik des dt. Ritterordens. In: Die Ritterorden im MA. Hg. v. Danielle Buschinger/Wolfgang Spiewok. Greifswald 1996, S. 155–168. MM Erhard von Appenwiler, † 8.1.1472 Basel. – Kaplan, Chronist. E. stammte aus dem els¨assischen Appenwihr, wahrscheinlich aus einer Adelsfamilie mit G¨utern um Colmar. Seit 1429 in Basel nachweisbar, war er dort seit 1439 M¨unsterkaplan und seit 1443 K¨ammerer der Bruderschaft zu St. Johann. E.s einziges bekanntes Werk ist als Autograph in einer Basler Handschrift u¨ berliefert, die u¨ berwiegend eine s¨achsische Weltchronik enth¨alt. Auf den zuvor leeren Bl¨attern dieser Handschrift eingetragen ist E.s dt.-lat. Chronik zur Geschichte Basels, in die auch zus¨atzliche reichs- und lokalhistorische Abschnitte eingeschaltet sind: ein lat. Bericht u¨ ber das Jahr 1439 (Papstwahl von Felix V., Pestepidemie u. a.), ein Bericht zur Kr¨onung K¨onig Friedrichs III. in Aachen, eine Liste der 1386 in 641

1. H¨alfte 15. Jh. der Schlacht bei Sempach gefallenen Adligen sowie mehrere historische Briefe zu milit¨arischen Siegen (Konitz 1454, Belgrad 1456). E. benutzte als Vorlagen u. a. die → Colmarer Chronik und die Konstanzer Annalen. Die urspr¨unglich nur bis zu E.s Tod reichende Chronik wurde sp¨ater von Heinrich Sinner bis 1474 erg¨anzt. ¨ Uberlieferung: Basel, UB, cod. E. VI. 26, 180v–231r (Pap., Basel, 1420–74, alemannisch, Autograph E.s). Ausgabe: Basler Chroniken. Bd. 4. Hg. v. August Bernoulli. Leipzig 1890, S. 221–361, 381–384, 402–408. Literatur: Louis Carlen, LexMA 1 (1980) Sp. 805 f. – Hubert Herkommer, VL2 2 (1980) ¨ Sp. 584. – Ders.: Uberlieferungsgesch. der ‹S¨achsischen Weltchron.›. Ein Beitr. zur dt. Geschichtsschreibung des MA (MTU 38). Mu¨ nchen 1972, S. 42–46. – J¨urgen Wolf: Die S¨achsische Weltchron. ¨ im Spiegel ihrer Hss. Uberl., Textentwicklung, Rezeption (MMS 75). M¨unchen 1997, S. 25–29, 325–327. – Ders.: ‹Swaz dan gesche, der scrive daz›. Die Gegenwart als Problem der Texttradierung. In: The Medieval Chronicle. Proceedings of the 1st International Conference on the Medieval Chronicle, Driebergen/Utrecht, 13–16 July 1996. Hg. v. Erik S. Kooper. Amsterdam 1999, S. 285–299. MM Girnant von Schwalbach (Girnand, Gernand, Gernold, f¨alschlich auch Bernart). – Verfasser eines dt. Reiseberichts, 15. Jh. Der aus Cleeberg/Langg¨ons stammende G. z¨ahlte zum niederen Adel und war wahrscheinlich ein Bruder des Johanniter-Komturs Johann v. S. Im M¨arz 1440 reiste G. als Pilger nach Jerusalem. Er geh¨orte zur gleichen Reisegruppe wie der Basler Patrizier und Ratsherr Hans → Rot, der wie G. einen Bericht u¨ ber die Reise verfasste. In seinem eigenen, nur als Abschrift erhaltenen dt. Bericht schildert G. in knapper Form die a¨ ußeren Umst¨ande und Stationen der Hinreise u¨ ber Butzbach, Venedig und Jaffa bis Jerusalem. Die Heimreise wird nicht ausgef¨uhrt. Hinzu kommen Informationen u¨ ber Reiseunterk¨unfte, Schiffspassagen und die heiligen St¨atten, außerdem kulturhistorisch interessante Beobachtungen (etwa zu venezianischen Prozessionen) sowie praktische Hinweise (H¨ohe von Trinkgeldern u. a¨.). Der Bericht beruht neben G.s eigenen Erlebnissen mit großer Sicherheit auch auf Angaben aus anderen Pilgerf¨uhrern. 642

1. H¨alfte 15. Jh. Wie die sachliche Anordnung von G.s Text nahelegt, war dieser vielleicht als Reisef¨uhrer intendiert. ¨ Uberlieferung: Gießen, UB, Hs. 162, 17 Bll. (Pap., 1463, rheinfr¨ankisch, Abschr. v. Conrad Rendel). Ausgaben: Dt. Pilgerreisen nach dem Heiligen Lande. Hg. v. Reinhold R¨ohricht/Heinrich Meisner. Berlin 1880, S. 97–99 (Teildr.). – Reise zum Heiligen Grab (1440). Hg. v. Dietrich Huschenbett. In: F¨unf Pal¨astina-Pilgerber. aus dem 15. Jh. Hg. v. Randall Herz u. a. Wiesbaden 1998, S. 97–138 (vgl. dazu: Klaus Ridder. In: ZfdA 129, 2000, S. 231–235). Literatur: Dietrich Huschenbett, VL2 3 (1981) Sp. 44 f. – R¨ohricht/Meisner 1880 (s. Ausg.) S. 114 f. – R. R¨ohricht: Bibliotheca geographica Palaestinae. Berlin 1890. Jerusalem 21963, Nr. 313. – Hermann Knaus: Drei Wetterauer pilgern zum Heiligen Grab (1440). In: Friedberger Geschichtsbll. 13 (1938) S. 25–28. – Werner R¨osener: Reise- und L¨anderbeschreibungen in autobiographischen Zeugnissen des Adels im Sp¨atMA. In: Erkundung und Beschreibung der Welt. Zur Poetik der Reise- und L¨anderber. Vortr¨age eines interdisziplin¨aren Symposiums vom 19. bis 24. Juni 2000 an der Justus-Liebig-Univ. Gießen. Hg. v. Xenja v. Ertzdorff u. a. Amsterdam u. a. 2003, S. 87–108. MM Rot, Hans und Peter. – Verfasser von Pilgerreiseberichten. Hans R. († 1452 Basel) und sein Sohn Peter († 1487 Basel) entstammten einer angesehenen Basler Familie und waren beide in die Basler Stadtverwaltung involviert: als Ratsherren der Hohen Stube (1431–36 und 1440 bzw. 1452–53), als Ratsherren der Ritter (1441–43 bzw. 1454) und schließlich als B¨urgermeister (1444–51/52 bzw. 1455/56 und 1464–87). Auch hatten sie jeweils viele erstrangige Ehren¨amter inne; so war H. u. a. Gesandter am Reichsgericht von Westfalen (1435) und P. Deputat der Universit¨at sowie Stiftsherr an St. Leonhard. Beide unternahmen Pilgerfahrten ins hl. Land (H.: 1440, P.: 1453), wo sie zu Rittern vom hl. Grabe geschlagen wurden. P. stiftete nach seiner R¨uckkehr einen Altar («Peter-Rot-Altar»), vielleicht ein Jugendwerk des Hans Fries. Sowohl H. als auch P. verfassten Reiseberichte, die in einem Pilgerbuch zusammengefasst sind, das offensichtlich f¨ur den innerfamili¨aren Gebrauch 643

Rot bestimmt war und eine Mischung aus Erlebnisbericht und Pilgerf¨uhrer darstellt. In beiden F¨allen lassen sich die nach eigenem Erleben selbst verfassten Passagen von dem aus anderen Quellen Referierten sprachlich-stilistisch deutlich abgrenzen. Die Reise H.s nahm den zeit¨ublichen Verlauf: von Venedig mit der Galeere nach Jaffa und von dort weiter nach Jerusalem. Die R¨uckreise schloss auch Zypern und Rhodos mit ein. H. beschreibt die venezianischen Reliquien und geht auf die Seereise sowie die anschließende Landreise nur knapp ein, bietet aber eine Namensliste der gemeinsam mit ihm zum Ritter geschlagenen Reisenden. Der prominenteste Begleiter war Graf Heinrich XXX. von Schwarzburg. Hervorzuheben an H.s Bericht ist das a¨ ußerst detaillierte Verzeichnis der hl. St¨atten mit Anf¨uhrung der einzelnen Abl¨asse, das in die Beschreibung der R¨uckreise eingef¨ugt ist. Zahlreiche Orte außerhalb Jerusalems finden Erw¨ahnung, wobei H. ausdr¨ucklich betont, nicht alle besucht zu haben. Er d¨urfte einen der u¨ blichen Pilgerf¨uhrer als Quelle herangezogen haben. Eingeschoben sind ferner Ausf¨uhrungen zu den sieben schismatischen christlichen Religionen, wunderlichen Tieren und den politischen Verh¨altnissen in Pal¨astina. H. schließt den Bericht mit der ¨ Wiedergabe des Vertrages f¨ur die Uberfahrt und Verzeichnissen der Zollausgaben, Trinkgelder und Mitreisenden. Darunter befanden sich → Girnant von Schwalbach und → Hans von der Gruben, die Parallelberichte verfasst haben. Die Reisebeschreibung des Sohnes P. f¨allt deutlich k¨urzer aus, da dieser nach eigenem Bekunden bem¨uht war, Redundanz zu vermeiden. Lediglich der Venedigaufenthalt (wo er sich der Reisegruppe Kurf¨urst Friedrichs III., Markgraf von Brandenburg, anschloss) und ein Abstecher nach Padua finden eine breitere Schilderung. Auch geht P. auf die Eroberung Konstantinopels ein, berichtet aber u¨ ber das Hl. Land nur kurz. Er f¨ugt aber wie sein Vater eine Liste der zum Ritter Geschlagenen bei. Mit knappen Notizen zum Aufenthalt auf Zypern bei der R¨uckreise bricht der Bericht ab. Der kulturhistorische Wert der beiden Pilgerberichte liegt vor allem in den exakten Angaben bei H. zu Entfernungen, Mitreisenden, dem Reisevertrag, Z¨ollen usw. Diese Informationen sind wichtige Erg¨anzungen zu den Darstellungen bei Girnant und Hans von der Gruben, die ansonsten oft mit H.s Text u¨ bereinstimmen. ¨ Uberlieferung: Basel, UB, Cod. H V 15 (Mitte 15. Jh.), 2r–53r, 89r–94r (H.); 61r–75r, 54r, 57r, 105r 644

Hans von der Gruben (P.). – Auf 101r–103v stehen Gebete, die restlichen Bll. sind leer. Ausgabe: August Bernoulli: H. und P. R.s Pilgerreisen 1440 und 1453. In Beitr. zur vaterl¨andischen Gesch. NF 1 (1882) S. 331–408. Literatur: Volker Honemann, VL2 8 (1992) Sp. 260–262. – Samuel Sch¨upbach-Guggenb¨uhl, R. H. / R. P., HLS (online). – Bernoulli (s. Ausg.) S. 329 f. – Reinhold R¨ohricht: Bibliotheca geographica Palaestinae. Chronologisches Verz. der von 333 bis 1878 verfaßten Lit. u¨ ber das Heilige Land. Berlin 1890. Verb. und verm. Neuausg. mit einem Vorw. von David H. K. Amiran. Jerusalem 1963 (Nachdr. London 1989) S. 100, 111, 113 f. – Ders.: Dt. Pilgerreisen nach dem Heiligen Lande. Neue Ausg. Innsbruck 1900 (Neudr. Aalen 1967) S. 114–116, 124 f. – Burkhard v. Roda: Der P.-R.Altar (Basler Kostbarkeiten 7). Basel 1986. – Dietrich Huschenbett: ‹Von landen und ynselen›. Literarische und geistliche Meerfahrten nach Pal¨astina im sp¨aten MA. In: In: Wissensorganisierende und wissensvermittelnde Lit. im MA. Perspektiven ihrer Erforschung (Wissenslit. im MA 1). Hg. v. Norbert Richard Wolf. Wiesbaden 1987, S. 187–207, hier S. 193 f. – V. Honemann: Der Ber. des H. R. u¨ ber seine Pilgerfahrt ins Heilige Land im Jahre 1440. ¨ Uberlegungen zum Umgang mit ma. Reiseber. In: Reisen und Welterfahrung. Anglo-German Colloquium in Liverpool 1989 (W¨urzburger Beitr. zur dt. Philologie 7). Hg. v. D. Huschenbett/John Margetts. W¨urzburg 1991, S. 306–326. – D. Huschenbett: Girnand v. Schwalbach, ‹Reise zum Heiligen Grab› (entstanden zwischen 1440 und 1461/62), Einleitung. In: F¨unf Pal¨astina-Pilgerber. aus dem 15. Jh. (Wissenslit. im MA 33). Hg. v. Randall Herz u. a. Wiesbaden 1998, S. 97–101. – Werner R¨osener: Reise- und L¨anderbeschreibungen in autobiogr. Zeugnissen des Adels im Sp¨atMA. In: Erkundung und Beschreibung der Welt. Zur Poetik der Reise- und L¨anderber. (Chloe 34). Hg. v. Xenja v. Ertzdorff/Gerhard Giesemann. Amsterdam u. a. 2003, S. 87–108, hier S. 101–105. VZ Hans von der Gruben. – Verfasser von Reiseberichten, 15. Jh. Der aus K¨oln stammende Goldschmied war seit 1436 Diener des Berner Patriziers Ludwig von Diesbach. 1440 reiste er mit der großen Reisegesellschaft Ludwigs ins Hl. Land. 1447–50 begleitete er diesen nach Italien, Frankreich und Spanien. H. 645

1. H¨alfte 15. Jh. besuchte 1467 abermals Pal¨astina, diesmal als Begleiter von Nikolaus und Wilhelm von Diesbach, dem Sohn und dem Neffen Ludwigs. ¨ Uber seine Reisen hat H. Berichte verfasst. Zu seiner ersten Heiliglandfahrt existieren Parallelberichte von Hans → Rot, → Girnand von Schwalbach und J¨org → Pfinzing. Pfinzing hatte vor der Reise mit Ludwig bereits 1436 das Hl. Land besucht. Offensichtlich hat H. f¨ur seinen Bericht u¨ ber die erste Pilgerfahrt den Text Pfinzings f¨ur den zweiten Teil der Reise (Emmaus-Jerusalem-JaffaVenedig) abgeschrieben. ¨ Uberlieferung: Das Original ist nicht u¨ berliefert. Seit 1539 sind Abschr. im Besitz der Familie Diesbach nachgewiesen. Die Ausg. beruht auf einer Kopie v. 1773/90 (156 Quartseiten) aus dem Besitz des Herausgebers Max v. Diesbach. Ausgabe: M. v. Diesbach: H. v. d. G.s Reise und Pilgerbuch 1435–1467. In: Arch. des hist. Ver. vom Kanton Bern 14 (1894) S. 97–151, hier S. 117–149. Literatur: Dietrich Huschenbett, VL2 3 (1981) Sp. 455. – Reinhold R¨ohricht: Bibliotheca geographica Palaestinae. Chronologisches Verz. der v. 333 bis 1878 verfaßten Lit. u¨ ber das Heilige Land. Berlin 1890. Verb. und verm. Neuausg. mit einem Vorw. v. David H. K. Amiran. Jerusalem 1963 (Nachdr. London 1989) Nr. 311 und 358. – Diessbach (s. Ausg.) S. 97–116. – R. R¨ohricht: Dt. Pilgerreisen nach dem Heiligen Lande. Neue Ausg. Innsbruck 1900 (Neudr. Aalen 1967) S. 114–116, 136 f. – Peter Welten: Reisen nach der Ritterschaft. Jerusalempilger in der zweiten H¨alfte des 15. Jh. In: Zs. des dt. Pal¨astinaver. 93 (1977) S. 283–293. – Richard Feller/Edgar Bonjour: Geschichtsschreibung der Schweiz vom Sp¨atMA zur Neuzeit. Basel 21979, S. 37 f. – Repertorium fontium historiae medii aevi 5 (1984) S. 251. – Urs Martin Zahnd: Die Bildungsverh¨altnisse in den bernischen Ratsgeschlechtern im ausgehenden MA. Verbreitung, Charakter und Funktion der Bildung in der politischen F¨uhrungsschicht einer sp¨atma. Stadt (Schr. der Berner Burgerbibl. 14). Bern 1979, S. 110 f., 177. – Ders.: Die autobiographischen Aufzeichnungen Ludwig v. Diesbachs. Stud. zur sp¨atma. Selbstdarstellung im obd. und schweizerischen Raume (Schr. der Berner Burgerbibl. 17). Bern 1986, S. 134 f., 137. – Ders.: Von der Heiliglandfahrt zur Hofreise. Formen und Funktionen adeliger und patrizischer Bildungsreisen im sp¨atma. Bern. In: Grand Tour. Adeliges Reisen und eu646

1. H¨alfte 15. Jh. rop¨aische Kultur vom 14. bis zum 18. Jh. (Beihefte der Francia 60). Hg. v. Rainer Babel. Ostfildern 2005, S. 73–88, hier S. 78, 85. VZ Martin von Bolkenhain (M. Kotbus, M. Cromer). Ein M. Kotbus ist seit 1433 in den Bolkenhainer Schlossregistern als a¨ ußerst wohlhabender B¨urger der niederschlesischen Stadt beurkundet. Der Beiname «Cromer» l¨asst in M. einen Kaufmann erkennen. 1435–45 hatte er zahlreiche st¨adti¨ ¨ sche Amter inne (Ratmann, Sch¨oppe, Altester der B¨urgerschaft). Nach 1445 ist er nicht mehr nachgewiesen. Von M. sind Aufzeichnungen u¨ ber die Hussitenz¨uge nach Schlesien u¨ berliefert. Zwar nennt sich der Verfasser im Text nicht selbst, doch gibt der Schreiber des einzigen Textzeugen einen Hinweis auf einen ¨ «Martinus». Zudem wird anl¨asslich des Uberfalls b¨ohmischer S¨oldner auf Bolkenhain (1444) M.s Haus mit einem Kramladen erw¨ahnt. M.s Bericht besteht im Wesentlichen aus einer Schilderung der Jahre 1425–34, erg¨anzt um den ¨ Uberfall auf Bolkenhain, der sich aus einer lokalen Fehde ergab. Eine strenge Chronologie h¨alt M. nicht ein, doch zeugen seine detailreichen Aufzeichnungen von der Beobachtungsgabe und dem Kenntnisstand ihres Verfassers, der Selbsterlebtes anschaulich und lebendig zu schildern vermag. Die Z¨uge der Hussiten nach Schlesien und ins angrenzende Meißnische werden dargestellt, ohne dass ihre Auswirkungen in einen gr¨oßeren historischen Kontext gestellt w¨urden. Der Aufz¨ahlung der hussitischen Grausamkeiten steht das opfervolle Leiden der anderen Seite gegen¨uber, eine Ausgewogenheit der Darstellung ist von M. nicht intendiert. ¨ Nur der Abschnitt u¨ ber den Uberfall auf Bolkenhain ger¨at nuancenreicher. Die Aufzeichnungen schließen mit einem skeptischen Bußaufruf. Auch der Umstand, dass wom¨oglich eine Schilderung des Unterganges von Sodom, Gomorrha und Ninive urspr¨unglicher Bestandteil des Textschlus¨ ses war (s. Uberlieferung), spricht daf¨ur, dass M. die Ereignisse in Schlesien als g¨ottliches Strafgericht und Vergeltung f¨ur begangene S¨unden gedeutet haben k¨onnte. Unabh¨angig von dieser Wertung sind M.s Aufzeichnungen eine bedeutsame historische Quelle f¨ur die Rekonstruktion der Hussitenz¨uge und haben die Anschauungen u¨ ber die Hussiten in der dt. Geschichtswahrnehmung mitgepr¨agt. So hat Gustav Freytag in seine Bilder aus der deutscher 647

Martin von Bolkenhain Vergangenheit (1859–67) Ausz¨uge aus M.s Bericht in modernisierter Sprachform integriert. ¨ Uberlieferung: Breslau, UB, Cod. IV Q 229, 1r–15r (Pap., 1480 geschrieben v. Nikolaus von Zobten aus Rohnstock bei Bolkenhain, aus dem Zisterzienserkloster Heinrichau/Niederschlesien). Textverlust am Anfang durch erhebliche Besch¨adigung von Bl. 1. Auf 15v, dem Beginn einer Erz¨ahlung von Ninive, Sodom und Gomorrha, steht ein R¨uckverweis auf das vorangegangene St¨uck mit Autorhinweis: «Do vorne hatthe her ehe genant Martinus dem got gnade noch dem gee schichte [...] gesatczt etliche pflogen orsprunglich In der Biblien geschrebin dy wolde ich nicht vnder dy materia der hussen mengen». Demzufolge war in Nikolaus’ Vorlage (Autograph [?]) die Hussitenchronik mit einer Erz¨ahlung vom Untergang der biblischen St¨adte verbunden. Ausgaben: August Heinrich Hoffmann v. Fallersleben: M. v. B. Von den Hussitenkriegen in Schlesien und der Lausitz. In: Scriptores rerum Lusaticarum. Slg. ober- und niederlausitzischer Geschichts.schreiber. NF Bd. 1. G¨orlitz 1839, S. 351–379. – Colmar Gr¨unhagen: Das erste Blatt der Chron. des Martin von Bolkenhain. In: Scriptores rerum Silesiacarum oder Slg. schlesischer Geschichtsschreiber. Bd. 6. Hg. v. Gustav Adolf Stenzel. Breslau 1871, S. 172 f. – Franz Wachter: Chron. des M. v. B. In: ebd. Bd. 12: Geschichtsschreiber Schlesiens des 15. Jh. (1883) S. 1–18. Literatur: Colmar Gr¨unhagen, ADB 3 (1876) S. 105. – Peter Johanek, VL2 6 (1987) Sp. 151–153. – Angelika Merz/Wojciech Mrozowicz, Encyclopedia of the Medieval Chronicle 2 (2010) S. 1084 f. (Martin of Bolk´ow). – Ottokar Lorenz: Deutschlands Geschichtsquellen im MA seit der Mitte des dreizehnten Jh. Bd. 2. Berlin 31887 (Nachdr. Graz 1966) S. 120, 245. – Bruno Krusch: Kr¨amer Martinus Kotbus, der Chronist v. Bolkenhain. In: Zs. des Ver. f¨ur Gesch. Schlesiens 37 (1903) S. 310–320. – Paul Langer: M. v. B., der a¨lteste und ber¨uhmteste B¨urger unserer Stadt. In: Bolkenhainer HeimatsBll. 2 (1913) S. 26–34. – Repertorium fontium historiae medii aevi 7 (1997) S. 476. – Franz Machilek: Hussitismus in Schlesien: ‹abschreckende Begegnung› mit Reformideen. In: Gesch. des christlichen Lebens im schlesischen Raum. 2 Bde. Hg. v. Joachim K¨ohler/Rainer Bendel (Religionsund Kulturgesch. in Ostmittel- und S¨udosteuropa 1). M¨unster u. a. 2001, Bd. 1, S. 431–450, hier S. 431 f. – Vladim´ır Wolf: Kronika Martina z 648

Rheinfr¨ankischer Anonymus Bolkova a Kladsko. In: Kladsk´y sborn´ık 4 (2001) S. 13–18. VZ Zerstorung ¨ Jerusalems. – Mitteldt. Prosaerz¨ahlung. ¨ Die Z. J. ist die mitteldt. Ubersetzung einer altfranz¨osischen Prosafassung der Vengeance de NostreSeigneur. Im 12./13. Jh. zun¨achst als Versdichtung entstanden, war die Erz¨ahlung u¨ ber die Z. J. seit dem 14. Jh. auch in anonymer Prosa verbreitet. ¨ Auf dem sog. Japhet-Zweig von deren Uberlieferung beruht die Z. J. Die a¨ lteste erhaltene Fassung der Z. J. liegt in einer Berner Handschrift vor (s. ¨ ¨ Uberlieferung), in der sich ein «Claus» als Ubersetzer bezeichnet und seinen Text auf 1440 datiert. Die Z. J. erz¨ahlt zun¨achst von der Heilung und Bekehrung des r¨omischen Kaisers Vespasian durch Veronica. Um den Tod Jesu zu r¨achen, belagert Vespasian dann mit Titus Jerusalem. Nach der Einnahme der Stadt kommt es zu brutalen Racheakten an den j¨udischen Bewohnern, von denen nur ein kleiner Teil per Schiff fliehen kann. Vespasian kehrt nach Rom zur¨uck und wird dort mit dem Adel und Volk der Stadt vom Papst getauft. Der in Jerusalem verhaftete Pilatus wird zu Tode gefoltert. Zuletzt werden Joseph, Jaffel und Jakob von Vaspasian mit der Aufzeichnung der Geschehnisse um die Z. J. beauftragt. Die Erz¨ahlung wurde urspr¨unglich von Jesu Weissagung u¨ ber die Z. J. angeregt. Der Stoff wurde dann u. a. u¨ ber → Historienbibeln und Chroniken in den dt. Sprachraum transportiert, darunter die → S¨achsische Weltchronik und → Heinrich von M¨unchen, aber auch → Jerusalems Zerst¨orung. ¨ Uberlieferung: Bern, Burgerbibl., Cod. 537, 1r–160r (Pap., zweite H¨alfte 15. Jh., ripuarischmoselfr¨ankisch; unvollst.). – Luzern, Zentral- und Hochschulbibl., KB Pp 175.2, 28 Bll. (Pap., um 1470, els¨assisch; Fragm.). – Trier, StB, Hs. 1289/561 8°, 233v–307v (Pap., Kloster Eberhardsklausen, 1519). Ausgaben: Dorothee Eggenberger/Heinz Horat: Veronika, Pilatus und die Zerst¨orung Jerusalems. Eine Legende in gotischen Federzeichnungen. Baden 2010 (Faks. der Luzerner Hs.). Literatur: Joachim Knape, VL2 10 (1999) Sp. 1545–1549. – Walther Suchier: La venjance nostre seigneur. Po´eme en vieux fran¸cais. In: Revue des langues romanes Ser. 5,43 (1900) S. 364–367. – ¨ Ders.: Uber das altfranz¨osische Gedicht v. der Z. 649

1. H¨alfte 15. Jh. J. (‹La Venjance nostre seigneur›). In: Zs. f¨ur romanische Philologie 24 (1900) S. 161–198; 25 (1901) S. 94–109. – Ernst Pein: Unters. u¨ ber die Verfasser der Passion und der Vengence Jhesucrist enthalten in der Hs. No. 697 der StB zu Arras. Werder 1903. – John A. Herbert: Titus & Vespasian or The Destruction of Jerusalem in Rhymed Couplets. London 1905 (zur engl. Bearb.). – Hans Vollmer: Materialien zur Bibelgesch. und religi¨osen Volkskunde des MA 4: Die Neue Ee. Eine neutestamentliche Historienbibel. Berlin 1929, S. 139–168, 192–201. – Loyal A. T. Gryting: The Oldest Version of the Twelfth-Century ‹Venjance nostre seigneur›. Diss. Univ. Ann Arbor 1949. – L. A. T. Gryting: The ‹Venjance nostre seigneur› as a Mediaeval Composite. In: The Modern Language Journal 38 (1954) S. 15–17. – Joseph of Arimathea. A Critical Edition. New York/ London 1983. – Die destructie van der Stat von Jherusalem. Een Vlaams volksboek, naar het uniek exemplaar van de Antwerpse druk van Willem Vorsterman (ca. 1525), met toelating van de British Library. Hg. v. Willy L. Braekman. Brugge 1984. – La Vengeance de Nostre-Seigneur. The Old and Middle French Prose Versions 1: The Version of Japheth. Hg. v. Alvin E. Ford. Toronto 1984 (Lit. ¨ zur franz¨osischen Uberl.). – Stephen K. Wright: The Vengeance of Our Lord. Medieval Dramatizations of the Destruction of Jerusalem. Toronto 1989. – Gisela Kornrumpf: Die o¨ sterr. Historienbibeln III a und III b. In: Dt. Bibel¨ubersetzungen des MA. Beitr. eines Kolloquiums im Dt. BibelArch. (Vestigia bibliae 9/10). Hg. v. Heimo Reinitzer. Frankfurt/M. 1991, S. 350–374. – Wolfgang Bunte: Die Zerst¨orung Jerusalems in der mndl. Lit. (1100–1600). Frankfurt/M. u. a. 1992. MM Rheinfr¨ankischer Anonymus (fr¨uher: Anonymus von Donaueschingen). – Verfasser eines Pilgerreiseberichts. ¨ Uber die 1441/42 unternommene Reise ins Hl. Land verfasste der R. A., wohl ein Geistlicher, einen Reisebericht, der u¨ berwiegend mainfr¨ankische bzw. rheinfr¨ankische Sprachmerkmale aufweist. Die von Venedig aus angetretene Reise musste wegen heftiger Gegenwinde in Akkon unterbrochen werden, von wo die Pilger auf dem Landweg nach Jerusalem gelangten. Der Bericht des R. A. enth¨alt nach einem knappen Reiseitinerar der Hinreise ein Verzeichnis der ¨ hl. St¨atten im Hl. Land, dem eine Ubersicht u¨ ber 650

1. H¨alfte 15. Jh. die Gesamtdauer der Reise folgt. In einem Exkurs wird der Besuch der Stadt Zadar behandelt. ¨ Uberlieferung: Karlsruhe, LB, Hs. Donaueschingen 484, 1r–15v (zweite H¨alfte 15. Jh.; Abschrift). Ausgaben: Reinhold R¨ohricht/Heinrich Meisner: Dt. Pilgerreisen nach dem Heiligen Lande. Berlin 1880, S. 100 f. (Auszug). – Uwe Reineke: Der Pal¨astina-Pilgerber. im Codex Donaueschingen 484. Text, Beschreibung, Interpretation. W¨urzburg 1987, S. 10–39. – Randall Herz: R. A., ‹Fahrt zum Heiligen Grab› (1441–1442). In: F¨unf Pal¨astina-Pilgerberichte aus dem 15. Jh. Hg. v. Nicky Zwijnenburg-T¨onnies u. a. (Wissenslit. im MA 33). Wiesbaden 1998, S. 139–174. Literatur: Randall Herz, VL2 11 (2004) Sp. 1299 f. – Reinhold R¨ohricht: Bibliotheca geographica Palaestinae. Chronologisches Verz. der v. 333 bis 1878 verfaßten Lit. u¨ ber das Heilige Land. Berlin 1890. Verb. und verm. Neuausg. mit einem Vorw. v. David H. K. Amiran. Jerusalem 1963 (Nachdr. London 1989) S. 111 Nr. 215. – Reinhold R¨ohricht: Dt. Pilgerreisen nach dem Heiligen Lande. Innsbruck 1900 (Nachdr. Aalen 1967) S. 116. – Reineke (s. Ausg.) S. 1, 9, 40. – Berthold Waldstein-Wartenberg: Die Vasallen Christi. Kulturgesch. des Johanniterordens im MA. Wien u. a. 1988. – Herz (s. Ausg.) S. 139–148. – Europ¨aische Reiseberichte des sp¨aten MA. Hg. v. Werner Paravicini. Tl. 1: Dt. Reiseberichte. Bearb. v. Christian Halm (Kieler Werkst¨ucke, Reihe D, Bd. 5). 2., durchges. und um einen Nachtr. erg. Aufl. Frankfurt/M. u. a. 2001, Nr. 32, S. 93 f. BJ Fryger (von Waldshut), Clevi OFM. – Schreiber. F. lebte wahrscheinlich als Franziskaner im Kloster K¨onigsfelden/Aargau. In einer Handschrift bezeichnet er sich selbst als «lermeyster». Auf ihn geht eine 1442 entstandene Fassung der → K¨onigsfeldener Chronik zur¨uck. F. schrieb das Werk aus einer a¨lteren Fassung ab, die um 1388 verfasst wurde. ¨ Uberlieferung: Die Hs. F.s v. 1442 war lange in Berner Privatbesitz und ist heute verschollen. – Bern, Burgerbibl., cod. A 45, (Pap., 1479/80, Abschrift des Clemens Specker von Sulgen; Kopie davon: Bern, Burgerbibl., Cod. Hist. Helv. VI.74). – London, British Library, Add. Ms. 16579 (Ende 15. Jh., Teilabschrift). – Berlin, SBB, Mgf 615 (18. Jh., Abschrift). Ausgabe: Martin Gerbert: De translatis Habsburgo-Austriacorum principum eorumque coniugum cadaveribus ex ecclesia cathedrali Basiliensi et 651

Fryger monasterio Koenigsfeldensi in Helvetia ad conditorium novum monasterii St. Blasii in silva nigra. St. Blasien 1772, S. 87–113. Literatur: Erich Kleinschmidt, VL2 2 (1980) Sp. 998. – De Boor/Newald 4/1 (21994) S. 145, 765. – Joseph Seem¨uller: Zur Kritik der K¨onigsfelder Chron. (Sb. der Akad. der Wiss. in Wien, phil.-hist. Kl. 147/2). Wien 1904. – Alphons ¨ Lhotsky: Quellenkunde zur ma. Gesch. Osterreichs. Graz/K¨oln 1963, S. 321 f. – Johannes Janota: Orientierung durch volkssprachige Schriftlichkeit (1280/90–1380/90) (Gesch. der dt. Lit. v. den Anf¨angen bis zum Beginn der Neuzeit 3/1). T¨ubingen 2004, S. 46, 56, 401. – Bernhard Stettler: Die sog. Klingenberger Chron. des Eberhard W¨ust, Stadtschreiber v. Rapperswil. St. Gallen 2007, S. 36. MM Chronikalische Notizen eines Wiener Burgers ¨ (Anonymus Viennensis). – Dt.-lat. Privatchronik. Die C. N. umfassen den Zeitraum von 1402 bis 1443. Dabei sind einfache Mitteilungen in lat., genauere Angaben meist in dt. Sprache geschrieben. Inhaltlich bestehen die C. N. einmal aus autobiographischen Vermerken, den einzigen bekannten Informationen u¨ ber den Autor: Er lebte als B¨urger in Wien und war Mitarbeiter des Stadtanwalts J¨org Flemming. 1402 heiratete er und wurde 1411/12 Mitglied der Mu¨ nzhausgenossenschaft. Seine zehn Kinder starben alle noch zu seinen Lebzeiten. Als Lebensdaten des Autors werden heute die Jahre von um 1380 bis etwa 1450 vermutet. Neben den Lebensumst¨anden des Verfassers berichten die C. N. uber ¨ verschiedene kriegerische Auseinandersetzungen, u. a. u¨ ber den M¨ahrenzug Albrechts IV. von 1403 und die Hussitenkriege. Sie erw¨ahnen auch Monarchenbesuche und -hochzeiten, Hinrichtungen sowie Todesf¨alle im Wiener Patriziat, Wetterph¨anomene und Naturkatastrophen, außerdem die Judenverfolgungen von 1420. 1463 wurden den Aufzeichnungen von einer zweiten Hand Erg¨anzungen zu Herrschaftszeit und Tod Albrechts VI. hinzugef¨ugt. Die C. N., deren Originalhandschrift verloren ist, sind eine der a¨ ltesten o¨ sterr. Privatchroniken. ¨ Sie weisen inhaltliche Uberschneidungen mit den sog. Wiener Annalen von 1348 bis 1404 (s. Lit.) auf. ¨ Uberlieferung: Wien, Stiftsbibl. St. Dorothea (Autograph, verschollen). 652

Reisetagebuch uber ¨ die Kronung ¨ Friedrichs III. Ausgaben: Anonymi Viennensis breve chronicon Austriacum ab anno MCCCCII ad MCCCCXLIII. Hg. v. Hieronymus Pez. In: Scriptores rerum Austriacarum 2. Hg. v. dems. Leipzig 1725, Sp. 547–550. Literatur: Harald Tersch, VL2 11 (2004) Sp. 331 f. – Arnold Luschin v. Ebengreuth: M¨unzwesen, Handel und Verkehr im sp¨ateren MA. In: Gesch. der Stadt Wien II,2. Hg. Alterthumsver. Wien. Wien 1905, S. 741–866. – Wiener Annalen v. 1348–1404. Hg. v. Joseph Seem¨uller. In: MGH Dt. Chron. 6. Hannover/Leipzig 1909, S. CCCII–CCCVI, 231–242. – Silvia Petrin: Der o¨ sterr. Hussitenkrieg, 1420–1434. Wien 1982. – H. ¨ Tersch: Osterr. Selbstzeugnisse des Sp¨atMA und der fr¨uhen Neuzeit (1400–1650). Eine Darst. in Einzelbeitr. Wien u. a. 1998, S. 34–38. MM Chronik aus Kaiser Sigmunds Zeit. – N¨urnberger Chronik. Die Chronik zur Geschichte N¨urnbergs und des Reichs umfasst die Jahre von 1126 bis 1441. W¨ahrend die Eintr¨age zu den ersten drei Jahrhunderten noch sp¨arlich sind, enth¨alt die Chronik ab etwa 1420 mehr Details, was sich u. a. der Verwendung von Augenzeugenberichten und st¨adtischen Dokumenten verdankt. Der erste Teil der Chronik beruht daneben auf fr¨ankisch-bayerischen Annalen, die auch der Augsburger Chronik des Erhard Wahraus als Quelle dienten. Als Verfasser der Chronik gelten heute zwei unbekannte Autoren, von denen einer den Zeitraum bis 1438 und ein zweiter die Zus¨atze bis 1441 schrieb. ¨ Die Uberlieferung der Chronik besteht aus drei ¨ Fr¨uhfassungen sowie sp¨ateren Uberarbeitungen. Besondere Bekanntheit erlangte das Werk vor allem in Verbindung mit den Annalen des Ulman → Stromer, mit denen die Chronik h¨aufig in N¨urnberger Jahrb¨ucher eingef¨ugt wurde. Die Chronik erfuhr auch eine Rezeption durch die namhaften Chronisten Hartmann → Schedel, Michael Eisenhard, Johannes M¨ullner und Heinrich → Deichsler. ¨ Uberlieferung: Haupthss., die auch als Vorlagen der u. a. Ausg. dienten: N¨urnberg, Staatsarch., Rep. 52a (Reichsstadt N¨urnberg), Hs. Nr. 14, 449rv, 452r–454v, 461rv, 472r–473v, 477rv, 479r–480v, 484r–495v (Pap., bis 1461, n¨urnbergisch). – N¨urnberg, StB, cod. Amb. 237.4°, 83r–114v (Pap., Ende 653

1. H¨alfte 15. Jh. 16. Jh.). – Zahlreiche weitere Hss. bei Hegel 1862 (s. Ausg.) S. 327–341 und Adam 1972 (s. Lit.). Ausgabe: Die Chroniken der fr¨ankischen St¨adte: N¨urnberg, Bd. 1 (Chron.dt.St. 1). Hg. v. Karl Hegel. Gesamthg. Hist. Kommission der Bayerischen Akad. der Wiss. Leipzig 1862 (Nachdr. G¨ottingen 1961) S. 344–410. Literatur: Helgard Ulmschneider, VL2 1 (1978) Sp. 1249 f. – Hegel 1862 (s. Ausg.). – Die Chroniken der fr¨ankischen St¨adte: N¨urnberg, Bd. 4 (Die Chroniken der dt. St¨adte vom 14. bis ins 16. Jh. 10). Hg. v. Karl Hegel, Gesamthg. Hist. Kommission der Bayerischen Akad. der Wiss. Leipzig 1872 (Nachdr. G¨ottingen 1961) S. 49–58. – Heinrich Schmidt: Die dt. St¨adtechroniken als Spiegel des b¨urgerlichen Selbstverst¨andnisses im Sp¨atMA. G¨ottingen 1958, S. 38 f., 42 f. – Karl Adam: Arch. der Freiherren Stromer v. Reichenbach auf Burg Gr¨unsberg. Bd. 2. Mu¨ nchen 1972, S. 2 f. – Johannes Mu¨ llner: Die Annalen der Reichstadt N¨urnberg v. 1623. Bd. 1. Hg. v. Gerhard Hirschmann. N¨urnberg 1972, S. 2*. – Joachim Schneider: Heinrich Deichsler und die N¨urnberger Chronistik des 15. Jh. Wiesbaden 1991, passim. MM Reisetagebuch uber ¨ die Kronung ¨ Friedrichs III. – Itinerar der Kr¨onungsfahrt Friedrichs III. von Graz nach Aachen 1442/43. Der Bericht eines unbekannten Mitreisenden (im Bericht «Hanns Sechker» genannt) setzt mit der Abreise am 3.2.1442 ein und endet mit der R¨uckkehr nach Wiener Neustadt am 9.2.1443. Der Autor, wohl ein Adliger, beschreibt als Augenzeuge von Tag zu Tag alle Einzelheiten der Reise. ¨ Uberlieferung: Bern, Burgerbibl., Cod. A 45, 120r–127v (Pap., 1479–82) (B). – London, British Library, Ms. Add. 16592, 24r–77v (Anfang 16. Jh.; Abschrift der vollst. Schlußred. des Reiseberichts) (L). – Zum Verh¨altnis der beiden Hss. zueinander s. Herre. Ausgaben: Theodor von Liebenau: K¨onigsfelder Chron. zur Gesch. Kaiser Friedrichs III. In: Jb. der k. k. Heraldischen Ges. ‹Adler› in Wien 11 (1884) S. 11–24, hier S. 13–18 (nach der unvollst. Hs. B). – Seem¨uller (s. Lit.) 1896, S. 625–665 (krit. Auszug). – Herre (s. Lit.) 1928, Nr. 108, S. 192–195. Literatur: Helgard Ulmschneider, VL2 7 (1989) Sp. 1216 f. – Joseph Seem¨uller: Friedrichs III. ¨ Aachener Kr¨onungsreise. In: MIOG 17 (1896) S. 584–665. – Robert Priebsch: Dt. Hss. in England. Bd. 2. Erlangen 1901 (Nachdr. Hildesheim/ 654

1. H¨alfte 15. Jh. ¨ New York 1979) 158 f. – Osterr. Chron. von den 95 Herrschaften. Hg. v. J. Seem¨uller (MGH Dt. Chron. 6). Hannover 1909 (Nachdr. Dublin u. a. 1974) S. XXXVI–XXXIX. – Hermann Herre (Hg.): Dt. Reichstagsakten unter Kaiser Friedrich III. 2. Abt.: 1441–42. 1. H¨alfte (Dt. Reichstagsakten 16). Stuttgart/Gotha 1928, S. 165–167. – Alphons Lhotsky: Quellenkunde zur ma. Gesch. ¨ ¨ Osterreichs (MIOG, Erg.-Bd. 19). Graz/K¨oln 1963, 346 f. – Hartmut Boockmann: K¨onig Friedrich III. unterwegs. In: Ders.: F¨ursten, B¨urger, Edelleute. Lebensbilder aus dem sp¨aten MA. Mu¨ nchen 1994, S. 33–55. BJ Hans von Anwil. – Lieddichter, 15. Jh. H. v. A. stammte wahrscheinlich aus dem thurgauischen Anwil. Er ist nur aus der letzten Strophe des einzigen von ihm erhaltenen Liedes (25 f¨unfzeilige Str.) bekannt, in dem die erfolglose Belagerung des o¨ sterr. Laufenburg durch die Eidgenossen (1444) verspottet wird. Der Autor steht aufseiten der mit den Eidgenossen verfeindeten Z¨urcher. ¨ Uberlieferung: Fribourg, Archives de l’´etat, Register Nr. 70, 41r–43r. Ausgaben: Joseph Schneuwly: Lied v. H. v. A. gegen die Schwitzer. In: Anz. f¨ur Schweizerische Gesch. NF 3 (1878–81) S. 270–272 (Teilausg.). – Ludwig Tobler (Hg.): Schweizerische Volkslieder. Bd. 2 (Bibl. a¨lterer Schriftwerke der dt. Schweiz und ihres Grenzgebietes 5). Frauenfeld 1884, S. 30–33 (Teilausg.). – Cramer 1 (1977) S. 316–319. Literatur: Hans Tr¨umpy, VL2 3 (1981) Sp. 441. – Cramer 1, S. 469. BJ Offenburg, Henman, * 1379 Basel, † 1459 Basel. – Apotheker, Verfasser einer Verteidigungsschrift. O. ubernahm ¨ die Apotheke seines Vaters und geh¨orte der Safranzunft, seit 1411 auch der Zunft der Hausgenossen an. Er betrieb Fernhandel, auch mit Edelmetall, und erwarb sich zudem durch Finanzgesch¨afte ein bedeutendes Verm¨ogen, das er sp¨ater in Lehensg¨utern anlegte. Er war 1406–59 Mitglied des Basler Rats, 1406/1407 und 1410–23 als Ratsherr der Safranzunft, zwischen 1413 und 1422 viermal als Oberstzunftmeister, 1423–33 als Vertreter der Achtburger und 1435–59 als Ritter. W¨ahrend des zweiten Ammeistertums (1410–17) geh¨orte er zum inneren Kreis des Stadtregiments. Zur Zeit des Konstanzer Konzils f¨uhrte O., der 1413 erstmals in Beziehung zu K¨onig Sigismund 655

Hans von Anwil getreten war, eine Bank und intensivierte den Kontakt zu Sigismund, von dem er 1417 f¨ur sich und seine Nachkommen einen Wappenbrief, 1429 eine Wappenbesserung erhielt. 1433 in Rom vom Kaiser zum Ritter geschlagen, wurde er 1437 in Jerusalem zum Ritter des Hl. Grabes ernannt. O. vertrat die Interessen der Stadt Basel u. a. bei K¨onigswahlen, 1422 auf den Reichstag in N¨urnberg, 1424/25 in Wien und war auch w¨ahrend des Basler Konzils ¨ als Diplomat t¨atig. Als adliger Lehenstr¨ager Osterreichs geriet er in den Auseinandersetzungen zwi¨ schen Basel und Osterreich (1440er Jahre) in politische Schwierigkeiten (1445 Ausschluss aus dem Rat). Als Vorbereitung auf einen m¨oglichen Hochverratsprozess verfasste O. in dt. Sprache eine autobiographische Verteidigungsschrift, die als Chronik des H. O. bekannt geworden ist. Die 1445 entstandene Chronik beginnt in annalistischer Form und listet die Verdienste O.s um Basel in den Jahren 1413–45 auf. Es folgt eine in Rechtfertigungsabsicht verfasste chronikalische Darstellung der Ereignisse von 1443 bis 1445. Das Memorandum, das mit der Wiedereinsetzung O.s (nach einer halbj¨ahrlichen Unterbrechung, zusammen mit anderen Patriziern) in den Basler Rat abbricht, wurde kaum weiter verbreitet. ¨ Uberlieferung: Basel, UB, Ki.-Ar. Mscr. 67, Bl. 2–46 (Mitte 16. Jh.; Abschrift). Ausgaben: Henmann O.s Ber. v. seinen Leistungen. In: Schweizer Geschichtsforscher 12 (1844) S. 33–99 (einleitende biographische Notiz ebd., S. 29–33). – Die Chron. Henmann O.s 1413–1445. In: Basler Chron. Bd. 5. Hg. v. August Bernoulli. Leipzig 1895, S. 225–299. Literatur: Elsanne Gilomen-Schenkel, VL2 7 (1989) Sp. 23 f. – Dies., HLS 9 (2010). – Klaus Graf: Basler Annalen. In: VL2 11 (2004) Sp. 221–223. – Bernoulli (s. Ausg.) Einleitung zur Ausg., S. 203–224, und hist. Komm. in den Fußnoten. – Rudolf Wackernagel: Gesch. der Stadt Basel. Bd. 1. Basel 1907, passim, bes. 603–605. – E. Gilomen-Schenkel: H. O. (1379–1459), ein Basler Diplomat im Dienste der Stadt, des Konzils und des Reichs (Quellen und Forschungen zur Basler Gesch. 6). Basel 1975 (mit einem Itinerar zu O.s Gesandtschaftsreisen). – Richard Feller/Edgar Bonjour: Geschichtsschreibung der Schweiz vom Sp¨atMA zur Neuzeit. Bd. 1. 2., durchges. und erw. Aufl. Basel/Stuttgart 1979, S. 34 f. – Ren´e Teuteberg: Basler Gesch. Basel 1986, S. 126–128. BJ 656

Wahraus Auer, Hans (Ouwer, Ower), * vor 1420 Schaffhausen (?), † nach 1446 Luzern (?). – Verfasser eines Lieds zur Schlacht von Ragaz. Nach dem Zu¨ richer B¨undnis mit Habsburg kam es in der ersten H¨alfte des 15. Jh. zwischen Z¨urich und den Eidgenossen zum sog. Alten Zu¨ rcherkrieg. In dessen Verlauf siegten die Eidgenossen im M¨arz 1446 bei Ragaz (heute Bad Ragaz) u¨ ber Hans ¨ von Rechenberg und seine Truppen. Uber diese Schlacht ist ein Lied u¨ berliefert, in dem sich A. selbst als Verfasser und «Geselle» nennt. A. stammte wahrscheinlich aus Schaffhausen, lebte seit etwa 1440 in Basel und seit sp¨atestens 1442 in Luzern. Dort ist er 1442/43 als Knecht des Richters und Ratsherren Niklaus Wanner nachweisbar, 1445/46 als Stadtl¨aufer. Unsicher ist, ob A. selbst an der Schlacht bei Ragaz teilnahm. Das durch Handschriften des Aegidius Tschudi u¨ berlieferte Lied besteht aus 24 achtzeiligen Strophen im Hildebrandston. Neben den Hintergr¨unden und milit¨arischen Geschehnissen der Schlacht enth¨alt es auch Kritik an Z¨urich und Lob f¨ur die Eidgenossen. Das Lied zeigt also offen A.s eigene Position als Parteig¨anger der Eidgenossen, die im Text als fromm und rechtschaffen dargestellt werden. Entsprechend schließt das Lied mit einer Anrufung Gottes und seiner Heiligen. ¨ Uberlieferung: St. Gallen, Stiftsbibl., Cod. 645, S. 503–509 (Pap., 1520/30, fr¨uher im Besitz v. Aegidius Tschudi). – Zu¨ rich, ZB, Ms. A 60, S. 494 f. (bearb. Fassung in Tschudis Chronik). Ausgaben: Die hist. Volkslieder der Deutschen vom 13. bis 16. Jh. 1. Hg. v. Rochus von Liliencron. Leipzig 1865 (Nachdr. Hildesheim 1966) S. 397–400. – Schweizerische Volkslieder 2. Hg. v. Ludwig Tobler. Frauenfeld 1884, S. 36–39 (Teildr.). – Hist. Volkslieder der dt. Schweiz. Hg. v. Otto v. Greyerz. Leipzig 1922, S. 46 f. (Teildr.). – Thomas Cramer: Die kleineren Liederdichter des 14. und 15. Jhs. 1. Mu¨ nchen 1977, Nr. 421. – Dt. Dichtung des MA 3. Hg. v. Michael Curschmann/Ingeborg Glier. M¨unchen 1981, Nr. 52 (S. 634–642). Literatur: HBLS 1 (1921) Sp. 474. – Max Wehrli, VL2 1 (1978) Sp. 515. – De Boor/Newald 4/1 (21994) S. 186. – Viktor Schlumpf: Die frumen edlen puren. Unters. zum Stilzusammenhang zwischen den hist. Volksliedern der alten Eidgenossenschaft und der dt. Heldenepik. Z¨urich 1969, S. 82–84. – Curschmann/Glier 1981 (s. Ausg.) S. 715. MM 657

1. H¨alfte 15. Jh. Wahraus, Erhard (Warruss, Waurauss), * um 1375/80, † 1454/55 Augsburg. – Chronist. W. stammte aus einer aus Eichst¨att nach Augsburg zugewanderten Familie und erhielt 1402 das B¨urgerrecht der Stadt Augsburg. Er war als Handelsherr Mitglied der Zunft der Salzfertiger und geh¨orte 1442 dem Großen Rat in Augsburg an. Von W. ist im → Augsburger Liederbuch als Abschrift eine deutschsprachige Chronik u¨ ber die Jahre 1126 bis 1445 u¨ berliefert. Der am Anfang stehenden Berechnung biblischer Ereignisse folgen knappe Notizen zu Geschehnissen des 12., 13. und fr¨uhen 14. Jh. Dann wird W.s Chronik ausf¨uhrlicher, und zunehmend r¨uckt Augsburg in den Vordergrund. Neben Angaben zur inneren und a¨ ußeren Geschichte der Stadt, zu Kriminal- und Ungl¨ucksf¨allen, Warenpreisen, Seuchen und Wetter geht es um die Auseinandersetzungen zwischen Reichsst¨adten und F¨ursten sowie um einzelne Ereignisse in Bayern und im Reich, die Konzilien von Konstanz und Basel. Im Zentrum der Darstellung stehen durchwegs die Interessen der Augsburger Kaufleute. Dem vermutlich 1443 abgeschlossenen Werk f¨ugte W. zus¨atzliche Notizen bis 1445 an und redigierte wahrscheinlich a¨ ltere Passagen. Zu den Quellen z¨ahlen neben der → Chronik aus Kaiser ¨ Sigmunds Zeit (große Ubereinstimmung bis 1349) vermutlich Klosterannalen. W.s Chronik wurde ihrerseits von Hektor → Mu¨ lich als Quelle benutzt. ¨ Uberlieferung: Mu¨ nchen, BSB, Cgm 379, 201v–211r (Pap., um 1454, ostschw¨abisch). Ausgabe: Ferdinand Frensdorff, in: Die Chron. der schw¨abischen St¨adte. Augsburg. Bd. 1 (Chron.dt.St. 4). Leipzig 1865 (Nachdr. G¨ottingen 1965) S. 199–241; Beilagen I–IV, S. 243–264. Literatur: Friedrich Roth, ADB 40 (1896) S. 596. – Karl Schnith, VL2 10 (1999) Sp. 574–576. – Frensdorff (s. Ausg.). – Heinrich Schmidt: Die dt. St¨adtechron. als Spiegel des b¨urgerlichen Selbstverst¨andnisses im Sp¨atMA (Schriftenreihe der Hist. Kommission bei der Bayerischen Akad. der Wiss. 3). G¨ottingen 1958. – Dieter Weber: Geschichtsschreibung in Augsburg. Hektor M¨ulich und die reichsst¨adtische Chronistik des Sp¨atMA (Abh. zur Gesch. der Stadt Augsburg 30). Augsburg 1984. – Andrea Dirsch-Weigand: Stadt und F¨urst in der Chronistik des Sp¨atMA. Stud. zur sp¨atma. Historiographie (Kollektive Einstellungen und sozialer Wandel im MA, NF 1). K¨oln/Wien 1991. – Rolf Kießling: Zum Augsburg-Bild in der Chronistik des 15. Jh. In: Literarisches Leben in Augs658

1. H¨alfte 15. Jh. burg w¨ahrend des 15. Jh. Hg. v. Johannes Janota/Williams Williams-Krapp. T¨ubingen 1995, S. 183–215. – Augsburger Stadtlex. 2., v¨ollig neu bearb. und erw. Aufl. Hg. v. G¨unther Gr¨unsteudel u. a. 1998. BJ Sperrer, Hans (gen. Br¨uglinger), † 1456/57 Basel. Der aus einer B¨ackers- und Mu¨ llerfamilie stammende S. ist seit 1429 in Basel belegt. Von Beruf B¨ackermeister, ist er seit 1429 als Mitglied der Brodbeckenzunft in Basel nachgewiesen. Er war mehrmals S¨ackelmeister seiner Zunft und geh¨orte seit 1439 dem Kleinen Rat an, bis 1447 als Zunftmeister, dann als Ratsherr. Vom Basler Rat wurde S., der vermutlich durch Getreidespekulationen ein Verm¨ogen erworben hatte, mit der F¨uhrung von Finanzgesch¨aften beauftragt. S. schloss 1446 eine deutschsprachige Chronik u¨ ber die Ereignisse um Basel 1444–46 ab. Im Zentrum stehen die Armagnakeneinf¨alle mit der Schlacht bei St. Jakob an der Birs und der Krieg ¨ gegen Osterreich. S., der an den Auseinandersetzungen in der Reiterei teilgenommen hatte, beschreibt die Ereignisse aus baselst¨adtischer Sicht und verschweigt einige f¨ur die Stadt und den Rat unerfreuliche Begebenheiten. ¨ Uberlieferung: Basel, Staatsarch., Zunftarch., Brodtbecken, Manual I, S. 37–54, Eintrag im Zunftbuch (Autograph). Ausgabe: August Bernoulli (Hg.): Basler Chron. Bd. 4. Leipzig 1890, S. 163–208. Literatur: Guy P. Marchal, VL2 9 (1995) Sp. 80 f. – Veronika Feller-Vest, HLS Online. – Wilhelm Wackernagel: Die Schlacht von St. Jakob an der Birs in den Berichten der Zeitgenossen. Basel 1844. – August Bernoulli: Die Schlacht bei St. Jakob an der Birs. Basel 1877. – Hans Georg Wackernagel: Die Schlacht bei St. Jakob an der Birs. Quellen und a¨ltere Darstellungen. In: Gedenkbuch zur Fu¨ nfhundertjahrfeier [...]. Basel 1944, S. 287 ff. – Friedrich Meyer: Die Beziehungen zwischen Basel und den Eidgenossen in der Darstellung der Historiographie des 15. und 16. Jh. (Basler Beitr. zur Geschichtswiss. 39). Basel 1951, S. 16–18 u. o¨ . – Richard Feller/Edgar Bonjour: Geschichtsschreibung der Schweiz vom Sp¨atMA zur BJ Neuzeit. Basel 21979, 35 f. Overstolz, Werner, † 1451 K¨oln. – Verfasser eines Familienbuchs, erste H¨alfte 15. Jh. Der aus einem K¨olner Patriziergeschlecht stammende O. ist 1421 als Sch¨offe, seit 1423 und 1442 als 659

Sperrer Greve des Sch¨offengerichts in K¨oln bezeugt. 1443 trat er in den Dt. Orden ein, f¨ur den er juristisch t¨atig war. Er ist der Verfasser des sog. Overstolz(en)buchs von 1446, eines «Hausbuchs» mit chronikalischen Teilen, wobei O. sich weitgehend auf m¨undliche Tradition beruft («as ich van myme seligen vader gehoirt hayn», Bl. 8b). Sein Werk umfasst Abschriften von Besitz- und Stiftungsurkunden seiner Familie, eine Aufz¨ahlung von Ahnen und Ver¨ wandten, eine Mitteilung uber ¨ die Ubernahme des urspr¨unglichen Familienwappens durch ihn und einen Bericht u¨ ber (angeblich) r¨omische Abstammung der 15 K¨olner Patriziergeschlechter. Als Autograph ist von O. ferner ein Bericht u¨ ber den Aufenthalt K¨onig Friedrichs III. in K¨oln (1442) im → K¨olner Memoriale des 15. Jh. u¨ berliefert. ¨ Uberlieferung: K¨oln, Hist. Arch., Abt. 7657 (ehem. 1157; Genealog. Abt.), Nr. 67. Literatur: Reinhard Pawis, VL2 7 (1989) Sp. 245–247. – Wolfgang Herborn: B¨urgerliches Selbstverst¨andnis im sp¨atma. K¨oln. In: Die Stadt in der europ¨aischen Gesch. FS Edith Ennen. Hg. v. Werner Besch u. a. Bonn 1972, S. 490–519 (Lit.). – Marc v. der H¨oh: Zwischen religi¨oser Memoria und Familiengesch.: Das Familienbuch des W. O. In: Haus- und Familienb¨ucher in der st¨adtischen Ges. Hg. v. Birgit Studt. K¨oln u. a. 2007, S. 33–60. – Ders.: Historiografie zwischen Privatheit und Geheimnis – das Familienbuch des W. O. In: Gesch. schreiben. Ein Quellen- und Studienbuch zur Historiographie (ca. 1350–1750). Hg. v. Susanne Rau/B. Studt. Berlin 2010, S. 115–126. SF Vrischemei (Vrische Mei, Vrischemai, Vrischeman). – Liederdichter. Die Stadt Soest l¨oste sich im Rahmen der sog. Soester Fehde 1444 von der bisch¨oflichen Herrschaft und unterstellte sich Herzog Johann I. von Kleve. Zur Wiederherstellung seiner Herrschaft belagerte daraufhin der K¨olner Erzbischof Dietrich II. 1446 und im Juli 1447 die Stadt, aber jeweils ohne Erfolg. Soest behauptete sich auch gegen das 1447 die Stadt bedr¨angende Heer b¨ohmischer S¨oldner. Die Ereignisse der Soester Fehde wurden danach reichsweit in Chroniken und Liedern aufgegriffen, u. a. im Kriegstagebuch des → Bartholom¨aus van der Lake. Diese Chronik enth¨alt in ihren jeweils in Westfalen u¨ berlieferten Redaktionen A, B und C auch vier Lieder u¨ ber die 660

Bartholom¨aus van der Lake Vorg¨ange in den Jahren 1446 und 1447. Im zweiten und dritten Lied nennt sich jeweils V. (auch «ruterknecht») als Verfasser. Trotz fehlender Verfassernennungen in den anderen beiden Liedern werden diese ebenfalls V. zugeschrieben. Lied I umfasst sieben Lindenschmidt-Strophen mit vier zus¨atzlichen Versen. Inhalt ist ein K¨olner Angriff auf Soest, der fr¨uhzeitig entdeckt und von der Stadt abgewehrt wird. Held des Lieds ist der Soester B¨urgermeister, der f¨ur sein Gottvertrauen gelobt wird. Der B¨urgermeister und die gefangenen oder get¨oteten Gegner werden namentlich erw¨ahnt. In Lied II mit seinen 13 LindenschmidtStrophen steht ein Soester Vorstoß im Mittelpunkt, der zur Einnahme eines K¨olner Schlosses f¨uhrt. Im Lied wird allerdings berichtet, die Schlossbewohner h¨atten sich friedlich ergeben, w¨ahrend in Lakes Kriegstagebuch behauptet wird, das Schloss sei niedergebrannt worden. M¨oglicherweise verleitete V.s Unterst¨utzung f¨ur die Soester ihn in II zu einer Verf¨alschung. Das ebenfalls 13 Lindenschmidt-Strophen umfassende Lied III thematisiert die K¨olner Belagerung Soests unter Dietrich II. und Bischof Magnus von Hildesheim. Wieder wehren die Soester erfolgreich die K¨olner Streitkr¨afte ab und vereiteln deren Versuche, die Kornvorr¨ate der Stadt in Brand zu stecken. Die neunte Strophe von Lied III wird im Text als Spottvers u¨ ber die beiden Bisch¨ofe bezeichnet, der nach deren Niederlage allgemein kursiert habe. Lied IV benutzt als einziger Text der Gruppe nicht die Lindenschmidt-Strophe, sondern besteht auch zehn Strophen im Sch¨uttensam-Ton. IV kontrastiert den Zusammenhalt der Soester mit der Bedrohung durch das b¨ohmische S¨oldnerheer. Da Gott auf der Seite Soests gestanden habe, habe die Stadt sich behauptet. Die Lieder erm¨oglichen es eindeutig, V. als Parteig¨anger Soests einzuordnen. Den Bewohnern der Stadt werden durchg¨angig positive Eigenschaften wie Einigkeit und Tapferkeit zugewiesen, w¨ahrend die Angreifer als verzagt und verblendet dargestellt werden. Eine mehr als lokale Wirkung entfalteten die Lieder nicht. ¨ ¨ Uberlieferung: Zur Uberl. v. Lakes Kriegstagebuch vgl. Chroniken 1889 (s. Ausg.) XIII–XVIII. Ausgaben: Liliencron 1 (1865) Nr. 84–87 (nach Red. B). – Die Chron. der westf¨alischen und niederrheinischen St¨adte 2: Soest (Chron.dt.St. 21). Leipzig 1889 (Nachdr. G¨ottingen 1969) S. 340–345 (nach Red. A). – Alte hoch- und nd. Volkslieder 661

1. H¨alfte 15. Jh. 2. Hg. v. Ludwig Uhland. Stuttgart 31892 (Nachdr. Hildesheim 1968) Nachtrags-Nr. 1642–1645 (nach Red. C). Literatur: Hans-Joachim Ziegler, VL2 10 (1999) Sp. 548–552. – Heinz-Dieter Heimann: Stadthistoriographie und Stadtreformation. In: Jb. f¨ur Westf¨alische Kirchengesch. 76 (1983) S. 30–49. – Wilfried Ehbrecht: Emanzipation oder Territorialisierung? In: Studia Luxemburgensia. FS Heinz Stoob. Hg. v. Friedrich Fahlbusch/Peter Johanek. Warendorf 1989, S. 404–432 (wieder in: Konsens ¨ und Konflikt. Skizzen und Uberlegungen zur a¨ lteren Verfassungsgesch. dt. St¨adte. Hg. v. W. Ehbrecht/P. Johanek. K¨oln 2001, S. 270–291). MM

Bartholom¨aus van der Lake, † Mitte 1468 Soest. – Soester Stadtschreiber und Chronist. B. stammte aus einer bereits im 13. Jh. in Soest nachgewiesenen angesehenen Familie. Pers¨onlich ist er das erste Mal 1432 als Kleriker der K¨olner Di¨ozese und Gerichtsnotar in Arnsberg bezeugt. Vermutlich kam B. mit der Verlegung des Amtes 1434 nach Soest (zur¨uck [?]), wo er 1436 als B¨urger aufgenommen wurde. Seit 1440/41 war er Stadtsekret¨ar und partizipierte in dieser Funktion an allen wichtigen Verhandlungen im Verlauf der Soester Fehde (1444–49). Zum Herzog von Kleve entwickelte er dabei ein so gutes Verh¨altnis, dass dieser ihn mit dem Soester Bischofshof belehnte. B. verfasste in den Fehdejahren ein Kriegstagebuch. Diese Chronik schildert die Auseinandersetzungen zwar mit einem beschr¨ankten, nur auf Soest gerichteten Blickwinkel, z¨ahlt aber dank ihres Detailreichtums zu den zuverl¨assigsten Quellen der Fehde. Die Aufzeichnungen sind dreigliedrig: Im ersten Teil wird die Vorgeschichte wiedergegeben; dieser Abschnitt scheint nachtr¨aglich als koh¨arente Zusammenfassung der Ereignisse 1438–44 beigef¨ugt worden zu sein. Der zweite Teil schildert in echter Tagebuchform den Ablauf der Fehde bis zu ihrem H¨ohepunkt, der Besetzung Soests 1447. ¨ Uber diese berichtet der letzte Teil dann ausf¨uhrlich. Unter dem Titel De historia van der Soistschen vede erschien um 1533 eine dem Soester B¨urgermeister Johann von Esbeck gewidmete Fassung des Kriegstagebuchs, die vermutlich vom Pr¨adikanten und Koadjutor Johann Pollius redigiert wurde. B.s Chronik war weit verbreitet und wurde von 662

1. H¨alfte 15. Jh. zahlreichen sp¨ateren Historiographen herangezogen (vgl. → Vrischemei). ¨ Uberlieferung: Zahlreiche Hss. u¨ berliefern zumeist nur Tl. 1 und 2. der Chronik. Tl. 3 wird nur von einer einzelnen Handschriftengruppe tradiert. Vgl. Hansen/Jostes (s. Ausg.). – Fischer (s. Lit.). Ausgabe: Joseph Hansen/Franz Jostes: Die Chron. der westf¨alischen und niederrheinischen St¨adte. Dortmund, Neuß, Soest, Duisburg. Bd. 2: Soest (Chron.dt.St. 21). Leipzig 1889 (Nachdr. G¨ottingen 1969) S. 1–171. Literatur: Thomas Sandfuchs, VL2 1 (1978) Sp. 618 f. – De Boor/Newald 4,1 (21994) S. 152. – Hansen/Jostes (s. Ausg.) S. XIII–XLI. – WolfHerbert Deus: Die Soester Fehde. FS der Stadt Soest zum 500. Jahrestage der Beendigung der Soester Fehde am 27. April 1949 (Soester wissenschaftl. Beitr. 2). Soest 1949. – Hermann Rothert: Das a¨ lteste B¨urgerbuch der Stadt Soest. 1302–1449 (Ver¨off. der Hist. Kommission Westfalens 27). Mu¨ nster 1958, S. 11 u. o¨ . – Volker Honemann: Gr¨unde und Begr¨undungen f¨ur den Ausbruch der Soester Fehde in den zeitgen¨ossischen Quellen. In: Der Krieg im MA und in der Fr¨uhen Neuzeit. Gr¨unde, Begr¨undungen, Bilder, Br¨auche, Recht (Imagines medii aevi 3). Hg. v. Horst Brunner. Wiesbaden 1999, S. 217–228. – Wilfried Ehbrecht/Peter Jo¨ hanek: Konsens und Konflikt. Skizzen und Uberlegungen zur a¨ lteren Verfassungsgesch. dt. St¨adte (St¨adteforschung A,56). K¨oln u. a. 2001, S. 270–291 passim. – Christian Fischer: Die Soester Fehde¨ chron. des B. v. d. L. Uberl. und linguistische Befunde. In: Nd. Wort 46 (2006) S. 45–58. VZ Johann von Lunen ¨ OP, Dortmund. – Verfasser eines historischen Lieds. J. erhielt seine Ausbildung um 1418–30 in Hildesheim und England. Als Mediziner und Leiter des Ordensstudiums wirkte er in Groningen, Soest, Minden und Dortmund, wo er um 1448 auch als Lektor lehrte. Danach war er Praedicator Generalis und schließlich Terminarius in Essen. J. schrieb 1448 ein neunstrophiges Lied u¨ ber ein wichtiges Ereignis der Soester Stadtgeschichte: Im Rahmen der sog. Soester Fehde hatte der K¨olner Erzbischof Dietrich II. im Juli 1447 die Stadt belagert, um dort seine Herrschaft wiederherzustellen. J.s Lied schildert diese Belagerung sowie Dietrichs erfolglosen Versuch, die Stadt zu st¨urmen und zu erobern. J. stellt sich in seinem Text eindeutig auf 663

Johann von Lunen ¨ die Seite des von den Soestern als neuer Landesherr bevorzugten Herzogs Johann I. von Kleve. ¨ Uberlieferung: Berlin, SB, cod. theol. qu. 10, 62r–62v (Mitte 15. Jh.). – Soest, Stadtarch., cod. 17, 217r (Pap., um 1480/81, Abschr. von Lambertus Brocker). – Vgl. auch Eickermann 1973 (s. Ausg.). Ausgabe: Gedicht des Dortmunder Dominikaners J. v. L. u¨ ber den fehlgeschlagenen Sturm auf Soest 1447 Juli 19. Hg. v. Joseph Hansen u. a. In: Die Chron. der dt. St¨adte 21: Die Chron. der westf¨alischen und niederrheinischen St¨adte 2: Soest. Hg. Bayerische Akad. der Wiss. Leipzig 1889 (Neudr. G¨ottingen 1969) S. 410–412 (nach der Berliner Hs.). – Norbert Eickermann, Das Soester Siegeslied von 1448. In: Soester Zs. 85 (1973) S. 39–47 (ediert beide Hss.). Literatur: Franz Josef Worstbrock, VL2 4 (1983) Sp. 674 f.; 11 (2004) Sp. 784. – Simon Tugwell: Jean de Luenen. In: DHGE 27 (2000) Sp. 242. – Thomas Kaeppeli: Scriptores Ordinis Praedicatorum Medii Aevi 2. Rom 1975, S. 472. MM Bereith, Johann (Bereit[h] von J¨uterbog), * Anfang 15. Jh. J¨uterbog, † kurz vor 8.8.1450 G¨orlitz. – Kaufmann und G¨orlitzer Ratspolitiker, Verfasser eines kurzen historischen Berichts. B. studierte 1425–27 in Leipzig und schloss mit dem Baccalaureat in den Artes ab. 1432/33 erwarb er das G¨orlitzer B¨urgerrecht. Er heiratete eine Ratsherrentochter und erlangte als Kaufmann einen betr¨achtlichen Wohlstand. Das G¨orlitzer Stadtschreiberamt hatte B. 1436–63 inne; 1441 wurde er Ratmann, 1449 Sch¨oppe und 1469 B¨urgermeister. 1450 unternahm B. eine Romreise. Seine Hauptaufgaben in der Verwaltung waren die Reorganisation und die finanzielle Sanierung nach den Hussitenkriegen. Dank seiner geschickten Diplomatie nahm G¨orlitz eine f¨uhrende Stellung im lausitzischen Sechsst¨adtebund ein. 1448 verfasste B. einen kurzen Bericht u¨ ber die geschichtlichen Ereignisse in G¨orlitz seit Beginn der Hussitenunruhen. Die sp¨atere Bezeichnung G¨orlitzer Annalen ist insofern irref¨uhrend, als B. keine historiographischen Aufzeichnungen vorgenommen hat. Der Bericht ist ganz von seiner Funktion als Stadtschreiber und Lokalpolitiker gepr¨agt: Die Lage der Stadt – nach der Bedr¨angung durch Hussiten und Landadel und belastet mit hohen Schulden – wird umrissen und u¨ ber erfolgreiche Maßnahmen des Rates hinsichtlich des Haushalts 664

Bauernfeind und ausw¨artiger Beziehungen Rechenschaft abgelegt. Besonderes Gewicht legt B. auf den f¨ur die Wirtschaftskraft notwendigen freien Handel. ¨ Uberlieferung: G¨orlitz, Stadtarch., Varia 59, 1r–4v; die Papierhs. enth¨alt neben B.s Ber. weitere zeitgen¨ossische Aufzeichnungen zu den st¨adtischen Finanzen und Verwaltungsakten. Ausgabe: Gustav K¨ohler: Des B. v. Geuterbog Goerlitzer Annalen aus der Hs. der Rathsbibl. zu Goerlitz. In: Scriptores rerum lusaticarum NF 1 (G¨orlitz 1839) S. 215–226. Literatur: Peter Johanek, VL2 1 (1978) Sp. 718–720. – Ottokar Lorenz: Deutschlands Geschichtsquellen im MA seit der Mitte des dreizehnten Jh. Bd. 1. Berlin 31887 (Nachdr. Graz 1966. Augsburg 1999) S. 119. – Woldemar Lippert: Beitr. zur Lebensgesch. des G¨orlitzer Geschichtsschreibers J. B. In: Neues Lausitzisches Magazin 77 (1901) S. 131–139. – Richard Jecht: Quellen zur Gesch. der Stadt G¨orlitz bis 1600. G¨orlitz 1909, S. 174–176. – Repertorium fontium historiae medii aevi 2 (1967) S. 489. VZ Pluntsch, Tilemann (Plunk, Pluntz, Pluynsch), Euskirchen, † nach 1450. – Theologe, Chronist. P. war 1410–15 stellvertretender Landdechant in Z¨ulpich. Sp¨atestens 1419 wechselte er als Pfarrer nach Euskirchen, wo er bis l¨angstens 1445 t¨atig war. Gleichzeitig scheint er bis sp¨atestens 1434 Pastor in Elsig gewesen zu sein. Seit 1449 ist P. als Scholaster an der Stiftsschule in M¨unstereifel nachweisbar. P. hinterließ einen wahrscheinlich autographischen Codex, der u. a. Werke von → Boethius, → Ludolf von Sudheim und Marco → Polo enth¨alt. Außerdem u¨ berliefert die Handschrift eine P. zugeschriebene M¨unstereifeler Chronik (1448/49). Das ripuarische Werk behandelt in annalistischer K¨urze den Zeitraum von 1270 bis 1450 in K¨oln, J¨ulich, Geldern und M¨unstereifel. Bis zum Berichtsjahr 1369 basiert die Chronik auf den K¨olner Jahrb¨uchern in deren sog. Rezension A, also der sog. K¨olnischen Chronik. Die Darstellung des Zeit nach 1369 ist eigenst¨andiger geschrieben und legt ihren Schwerpunkt auf J¨ulich und M¨unstereifel. Die Chronik weist verschiedene chronologische und inhaltliche Fehler auf. Eine direkte Wirkung des Texts ist bis heute nicht nachgewiesen. In P.s Codex finden sich auch die Passio, Translatio und Wunderberichte des M¨artyrer-Ehepaars 665

1. H¨alfte 15. Jh. Chrysanthus und Daria in lat. Sprache, die m¨oglicherweise ebenfalls von P. verfasst wurden. ¨ Uberlieferung: Luxemburg, Bibl. Nationale, Ms. 121 (fr¨uher Nr. 50), 175v–178v (Pap., 1448/49, ripuarisch). – Sp¨atere Abschr. in Br¨ussel, ehem. Burgundische Bibl., Nr. 6907. Ausgaben: Mu¨ nstereifeler Chronik (1270–1450). Hg. v. Heinrich-Josef Floss. In: Annalen des Hist. Ver. f¨ur den Niederrhein 15 (1864) S. 188–205, hier S. 190–202. – Romreise des Abtes Markward von ¨ Pr¨um und Ubertragung der hl. Chrysanthus und Daria nach M¨unstereifel im Jahre 844. Hg. v. H.-J. Floss. In: ebd. 20 (1869) S. 96–217, hier S. 156–184. Literatur: Christine St¨ollinger-L¨oser, VL2 7 (1989) Sp. 763 f. – Karl Josef K¨upper: Stud. zur Verbstellung in den K¨olner Jbb. des 14./15. Jhs. Bonn 1971, S. 29. MM Bauernfeind. – Politisches Lied. Das Lied umfasst 13 ungleichversig paargereimte F¨unfzeiler mit abschließender Waisenterzine und ist betitelt mit Nicolae ein liedchen geschanckt der ritter wegen wider die stede. Es steht im Kontext der seit dem 14. Jh. andauernden blutigen Auseinandersetzungen zwischen den St¨adten und den adligen Landesherren. 1446 hatten sich 31 St¨adte zu einem B¨undnis zusammengefunden, woraufhin der Adel auf Betreiben Markgraf Albrechts von BrandenburgAnsbach mit einem F¨urstenbund Front machte. Z¨ahe und erfolglose Verhandlungen endeten 1449 mit der Absage der Ritter an die St¨adte und im Krieg (Chroniken, S. 420–424 mit dem Verzeichnis der Absagebriefe). Das zu einem Brief gefaltete Einzelblatt f¨uhrt neben dem Titel die Widmung: «Dem Ersamen Nicolae statschriber czu Franckenfurt mynem lieben herren und besundern guten frunde», womit Nicolaus Uffsteiner gemeint ist, der zwischen 1431 und 1470 Stadtschreiber zu Frankfurt war. Unzweifelhaft steht der (wie sein «frunde Nicolaus») st¨adtische Verfasser auf Seiten des Adels (namentlich genannt werden Eberhard von Urbach, Eberhard Rude von Kollenberg, Hans von Berchten bzw. Hasenkr¨oz und Hans von Klingenau bzw. Swiezer), den er vor den habs¨uchtigen und u¨ berheblichen St¨adten warnt. Ihnen d¨urfe niemand trauen, sie erheben sich u¨ ber ihre eigenen Mauern, achten keinen Herren und wollen ihn stattdessen vertreiben. Der Verfasser «Jacobus» nennt sich entsprechend treffend selbst in der letzten Strophe «Burenfiendt». 666

1. H¨alfte 15. Jh. ¨ Uberlieferung: Frankfurt/M., Stadtarch., Reichssache I/5213, 1 Bl. (Pap., 1449, hessisch). Ausgabe: Richard W¨ulcker: ‹Lied der Ritter wider die St¨adte›. In: Germania 16 (1871) S. 438–442. – Karl Steiff/Gebhard Mehring: Gesch. Lieder und Spr¨uche W¨urttembergs. Stuttgart 1912, S. 29–32. Literatur: Helmut Weinacht, VL2 1 (1978) Sp. 638 f. – Die Chroniken dt. St¨adte vom 14. bis ins 16. Jh. auf Veranlassung und mit Unterstu¨ tzung Seiner Majest¨at des K¨onigs von Bayern Maximilian II. hg. durch die hist. Comm. bei der K¨onigl. Akademie der Wiss. Bd. II. Leipzig u. a. (1864). – W¨ulcker (s. Ausg.) S. 438–441. CS Wiest, Ulrich. – Lieddichter. Das von W. w¨ahrend des St¨adtekrieges 1449/50 (Markgrafenkrieg) gedichtete Lied ist gegen die am Krieg beteiligten geistlichen F¨ursten, d. h. die Bisch¨ofe von Mainz, Bamberg und Eichst¨att, gerichtet. In der Schlussstrophe nennt der Autor neben seinem Namen als Entstehungszeit des Liedes das Jahr 1449. Nach Kiepe gelten die Angaben u¨ ber Ort und Zeit der ‹Auff¨uhrung› an Allerseelen in Augsburg «auf der singschuol» (9, 4–9) als sp¨aterer Einschub. ¨ Uberlieferung: a) Berlin, SBB, Mgq 718, r 45 –46v (Pap., vor 1520; Claus → Spauns Liederbuch, Augsburg vor 1520, Text in Dreizeilerstr. gegliedert). – b) N¨urnberg, Germ. Nationalmuseum, Slg. Merkel Hs. 2° 966, 88v (Pap., Valentin Holls Hs., Augsburg 1524/26). In beiden Hss. erscheint der Text unter dem Titel «Lied von den Almosen». Ausgaben: Ludwig Uhland (Hg.): Alte hochund niederdt. Volkslieder mit Abh. und Anm. Bd. 1. Stuttgart/T¨ubingen 1844, Nr. 165. – Liliencron 1 (1865) Nr. 89. – Eva und Hansj¨urgen Kiepe (Hg.): Gedichte 1300–1500 (Epochen der dt. Lyrik 2). M¨unchen 1972 (Nachdr. ebd. 2001) S. 242–246 (nach a, mit gegen¨uber Uhland und Lliliencron verbesserter Stropheneinteilung). – Cramer 3 (1982) S. 477–479. Literatur: Frieder Schanze, VL2 10 (1999) Sp. 1058–1060. – Fritz Schnell: Zur Gesch. der Augsburger Meistersinger-Schule (Abh. zur Gesch. der Stadt Augsburg 11). Augsburg 1958, S. 10. – Ulrich M¨uller: Unters. zur politischen Lyrik des dt. MA (GAG 55/56). G¨oppingen 1974, S. 236 Nr. 125. – Hellmut Rosenfeld: Vorreformatorischer und nachreformatorischer Meistersang. Zur 667

Wiest Augsburger Meistersingerschule von U. W. bis Raphael Duller. In: Stud. zur dt. Lit. und Sprache des MA. FS H. Moser. Hg. v. Werner Besch u. a. Berlin 1974, S. 253–271, hier S. 257–259. – Horst Brun¨ ner: Die alten Meister. Stud. zu Uberl. und Rezeption der mhd. Sangspruchdichter im Sp¨atMA und in der fr¨uhen Neuzeit (MTU 54). M¨unchen 1975, S. 21–24. – H. Rosenfeld: Singschule und Meistersinger vor 1500. In: Stud. zur dt. Lit. des MA. FS G. Lohse. Hg. v. Rudolf Sch¨utzeichel. Bonn 1979, ¨ S. 687–712, hier S. 693–698. – F. Schanze: Uberlieferungsformen politischer Dichtungen im 15. und 16. Jh. In: Schriftlichkeit und Lebenspraxis im MA. Erfassen, Bewahren, Ver¨andern. Hg. v. Hagen Keller u. a. (MMS 76). Mu¨ nchen 1999, S. 299–331. BJ Frisch, Bartholom¨aus OCart. – M¨oglicher Verfasser eines Antichrist-Traktats. Der ansonsten unbekannte Kart¨auser F. ist nur als Autor eines Briefs nachweisbar, den er an einen Magister Heinrich von Memmingen schrieb. In dem als Gothaer Abschrift erhaltenen Text erw¨ahnt F. seinen Plan f¨ur einen eschatologischen Traktat zur Ankunft des Antichrists, die F. offenbar f¨ur 1500 erwartete. Gleichzeitig erbittet er Heinrichs Beistand f¨ur dieses Vorhaben. Ob F. seine Abhandlung dann tats¨achlich verfasste, ist nicht bekannt. ¨ Uberlieferung: Gotha, Forschungsbibl., Cod. Chart. B 180, 2r–9r (Pap., 1487, ostmitteldt.). Literatur: Heinrich Niew¨ohner, VL2 2 (1979) Sp. 972. – Klaus Graf: Die Weimarer Hs. Q 127 ¨ als Uberl. historiographischer, prophetischer und erbaulicher Texte. In: ZfdA 118 (1989) S. 203–216, hier S. 210. MM Antichrist-Bildertext (Endkrist-Bildertext). – Begleitext zu bildlichen Antichrist-Darstellungen, Mitte 15. Jh. Der A.-B. setzt sich aus der Einleitung und ¨ erkl¨arenden Uberschriften zu einem Zyklus von rund 50–55 meist halbseitigen Illustrationen zum Leben des Antichrist und der → F¨unfzehn Vorzeichen des j¨ungsten Gerichts zusammen. Wahrscheinlich handelt es sich um einen Auszug aus der bebilderten → Konstanzer Weltchronik, die oft mit dem A.-B. zusammen u¨ berliefert wird. Direkte Quelle des um 1440/50 exzerpierten Chroniktextes ist vor allem das 7. Buch des Compendium theologicae veritatis des → Hugo Ripelin von Straßburg; ferner werden die Apokalypse, Glossen zur Apokalypse und 668

Vom Antichrist zu Daniel, das puch der tugent (Exempla de virtutibus) des → Albuinus Eremita und die Legenda aurea des → Jacobus a Voragine zitiert. Der A.-B. war sp¨ater die Vorlage f¨ur Michel → Beheims Dichtung Von des endecristes leben. ¨ Uberlieferung: Berlin, SBB, Mgf 733, 13 Bll. (Perg., 15. Jh., bair.). – Ebd., Mgf 1714 (vormals verschiedene Privatbesitzer und davor Kreuzen¨ stein bei Korneuburg/Osterreich, Bibl. der Grafen Wilczek, Nr. 11318), 38r–50v (Pap., um 1450, mittelbair.; fragm. und innerhalb der Konstanzer Weltchronik). – G¨ottweig, Stiftsbibl., Cod. 276, 178r–181v (ohne Illustrationen). – Klosterneuburg, Stiftsbibl., Cod. 1253, 145v–159v, (Pap., erste H¨alfte 15. Jh., bair.-¨osterr.). – Mu¨ nchen, BSB, Cgm 426, 51r–79r (Pap., drittes Viertel 15. Jh., bair. mit ostschw¨abischem Einschlag). – New York, Public Library, Spencer Collection, Ms. 100, S. 34–51 (Pap., um 1460, bair.). – St. Gallen, Stiftsarch., Cod. Fabariensis XVI, 107v–120r (Pap., zweites Viertel 15. Jh., su¨ dschw¨abisch/niederaleman¨ nisch). – Wien, ONB, Cod. 2838, 163va–178va (Pap., 1476, s¨udschw¨abisch). – W¨urzburg, UB, M. ch. f. 116, 187va–203r (Pap., drittes Viertel 15. Jh., ostfr¨ankisch). – Z¨urich, ZB, Cod. A 172, 20r–26r (Pap., um 1500). – Blockb¨ucher chiroxylographisch: Paris, Bibl. Sainte Genevi`eve/Wien, Albertina (2 resp. 5 Einzelbll.; vgl. Schreiber [s. Lit.] S. 232 f.). – Schweinfurt, Bibl. Otto Sch¨afer OS 372 (vormals Harburg [olim Maihingen], F¨urstl. ¨ Ottingen-Wallersteinsche Bibl., Cod. I 2,2°, 24) Franken (N¨urnberg [?], um 1450). – Blockb¨ucher xylographisch (Ausw.): Mu¨ nchen, BSB, Xylogr. 1 (Schwaben [?], um 1465 [?]). – Ebd., Xylogr. 2 (vormals Schweinfurt, Bibl. Otto Sch¨afer, OS 125) N¨urnberg 1470. – Vgl. zu den Blockb¨uchern auch VL2 1 (1978) Sp. 400 f. – Drucke (Ausw.): Straßburg (?), um 1482 (GW 2050/51). – Nd.: Ebd. (?) um 1482 (GW 2052). Ausgaben: Faksimiles einzelner Hss./Blockb¨ucher/ Drucke: Klaus Ridder: Jean de Mandeville, Rei¨ sebeschreibung. Ubertragung aus dem Franz¨osischen v. Otto v. Diemeringen. Der Antichrist und die f¨unfzehn Zeichen vor dem Ju¨ ngsten Gericht. ¨ Wien, ONB, Cod. 2838 (Codices illuminati medii aevi 24). Farbmikrofiche-Edition. M¨unchen 1992. – Heinrich Theodor Musper: Der Antichrist und die f¨unfzehn Zeichen. Mu¨ nchen 1970 (Bibl. Sch¨afer OS 372). – Kurt Pfister: Das Puch von dem Entkrist. Leipzig 1925 (BSB, Xylogr. 1). – Ernst Kelchner: Der Enndkrist der StB zu Frankfurt am 669

Mitte 15. Jh. Main. Frankfurt/M. 1891. – Der Antichrist und die f¨unfzehn Zeichen vor dem J¨ungsten Gericht. Mit Beitr. von Karin Boveland u. a. Bd. 1. Faks. der ersten typographischen Ausg. Hamburg 1979 (GW 2050). Literatur: Oswald Erich: Antichrist. In: RDK 1 (1937) Sp. 724–729. – Georg Steer, VL2 1 (1978) Sp. 400 f.; 11 (2004) Sp. 121. – Josef v. Ess u. a.: Antichrist, LexMA 1 (1980) Sp. 703–708. – Georg N¨olle: Die Legende v. den F¨unfzehn Zeichen. In: PBB 6 (1879) S. 413–476. – Wilhelm Ludwig Schreiber: Manuel de l’amateur de la gravure sur bois et sur m´etal au XVe si`ecle. Bd. 4: Contenant un catalogue des livres xylographiques et xylo-chirographiques. Berlin 1902 (Nachdr. Stuttgart 1969 [Hb. der Holz- und Metallschnitte des XV. Jh.]) S. 217–233. – G. Steer: Germanistische Scholastikforschung. Ein Ber. In: Theologie und Philosophie 45 (1970) S. 204–226, hier S. 220. – Der Antichrist und die f¨unfzehn Zeichen (s. Ausg.). Bd. 2: Kommentarbd. zum Faks. der ersten typographischen Ausg. eines unbekannten Straßburger Druckers, um 1480. Hamburg 1979. – Nigel F. Palmer: Lat. und Dt. in den Blockb¨uchern. In: Lat. und Volkssprache im dt. MA 1100–1500. Regensburger Colloquium 1988. Hg. v. Nikolaus Henkel/N. F. Palmer. T¨ubingen 1992, S. 310–336, hier S. 312. – Thomas Habel: Prototyp und Variation: Aufstieg und Fall des Antichrist in N¨urnberger Bildertexten und Fastnachtspielen des 15. Jh. In: Der Sturz des M¨achtigen. Zu Struktur, Funktion und Gesch. eines literarischen Motivs (Abh. der Akad. der Wiss. in G¨ottingen. Philol.-Hist. Kl. 3,234). Hg. v. Theodor Wolpers. G¨ottingen 2000, S. 149–202, bes. S. 155 f. – Renate Schipke: Weltende und Antichrist. Berliner SB erwirbt illustrierte Hs. aus dem 15. Jh. In: Bibliotheksmagazin. Mitt. aus den SB in Berlin und M¨unchen 3 (2007) S. 21–24. – Dies.: Ein neuer Textzeuge der ‹Konstanzer Weltchronik› etc. (SB zu Berlin, Preuß. Kulturbesitz, Ms. germ. fol. 1714). In: ZfdA 137 (2008) S. 89–96. VZ Vom Antichrist. – Anonyme Prosadichtung. Als Verfasser des 1965 Zeilen umfassenden Textes galt lange Zeit → Heinrich von M¨ugeln (zuerst Bergeler, Klapper und Menhardt; vgl. dazu V¨olker, S. 10–13, 26). Erst V¨olker konnte dies widerlegen und vermutet aus der Art der «Umformung theologischen Gedankenguts zur Erz¨ahlung und zur moralischen Lebenslehre» (S. 26) einen 670

Mitte 15. Jh. unbekannten Verfasser aus dem Laienstand. Die Entstehungszeit ist unklar. Als Vorlage diente das vom sog. → Passauer Anonymus verfasste De Antichristo Venturo. Als weitere Quellen sind De ortu et tempore Antichristi Adsos von Montier-en-Der in der erweiterten Fassung des → Albuinus Eremita, → Honorius’ Augustodunensis Elucidarium, Isidors von Sevilla Etymologiae und Sententiarum liber III (V¨olker, S. 13 f.) sowie → Hugo Ripelins von Straßburg Compendium theologicae veritatis (R¨oll, S. 284f.) identifiziert worden. Es wird vermutet, daß der Verfasser das Dreiergespann heidnischer G¨otter Mahmet, Apoll und Terviganz aus → Wolframs von Eschenbach Willehalm kannte. Der Text stellt von Beginn an seine moraldidaktische Funktion heraus, agitiert weniger gegen die S¨undigen, sondern diejenigen, die weder den Predigern richtig zuh¨oren noch sich selbst die M¨uhe machen die Heilige Schrift zu lesen, statte dessen «hayden buch ettlichen tail geh¨ort habend» (Z. 6) und deshalb aus Unvernunft heraus vom Weg des christlichen Glaubens abgewichen sind. Der Text nimmt somit eine mediale Leerstelle ein und partizipiert wohl schon aus diesem Grund am f¨ur die Predigt typischen Gestus der Zitatauslegung einerseits und der eing¨angigeren Erz¨ahlform andererseits. Nach der Schilderung von Zeit, Ort und Umst¨ande der Geburt des Antichrist folgen Ausf¨uhrungen zu seinen Machtmitteln (Wunderwirken, Zauberei, Verf¨uhrung, Gaben und Marter), zu den Geschicken vor der Geburt des Antichrist, die Befreiung der V¨olker Gog und Magog, Erscheinen des Antichrist, Apokalypse und Tod des Antichrist durch Christus. Eingeflochten ist eine moralisierende Kritik an der aktuellen Gegenwart. Entsprechend dem didaktischen Impetus des gesamten Textes werden die Wirkungen des Antichrist auf den Unglauben zur¨uckgef¨uhrt. Zahlreiche Widerholungen bei den ausgelegten Zitaten und Charakterschilderungen im Zusammenhang mit den Lastern sind auf die Verkn¨upfung zwischen Danielsvision und Johannesapokalypse zur¨uckzuf¨uhren mit der Begr¨undung, dass beide Visionen zwar «f´unf hundert jar» voneinander getrennt seien, «das man es dester baß verstand vnd auch gelaube» (Z. 1900–1903). F¨ur die entsprechende moraldidaktische Wirkung des Traktats weicht der Verfasser von der Vorlage ab und l¨asst den Antichrist vom Menschen und «nit von dem t´ufel, als ettlich leut wenend» (Z. 93), abstammen. ¨ Uberlieferung: Donaueschingen, F¨urstl. F¨urstenbergische Hofbibl., Cod. 189, 42r–95r (Pap., 671

Pseudo-Methodius ¨ 15. Jh.). – Wien, ONB, Cod. 2846, 1ra–29va (Pap., 1478, bair.-o¨ sterr., aus dem Besitz Ortolfs von Trenbach d. J. [1430–1502]). – Mu¨ nchen, BSB, Cgm 273, 158va–191rb (Pap., 1459). – M¨unchen, BSB, Cgm 514, 118r–135r (Pap., 15. Jh.). Ausgabe: Paul-Gerhard V¨olker: Vom Antichrist. Eine mhd. Bearbeitung des Passauer Anonymus. M¨unchen 1970 (Kleine dt. Prosadenkm¨aler 6) S. 53–115. Literatur: Andreas Wang, VL2 10 (1999) Sp. 397–399. – Will-Erich Peuckert: Antichrist. In: Handw¨orterbuch des Aberglaubens 1 (1931/32) Sp. 479–502. – Alfred Bergeler: Das dt. Bibelwerk Heinrichs von Mu¨ geln. Berlin 1938. – Hans Vollmer: Bibel und dt. Kultur. Bd. 8. Leipzig 1938. – Ders.: Kleine Schriften Heinrichs von Mu¨ geln im Cod. Vind. 2846. In: ZfdA 80 (1943/44) S. 177–184 (mit Abdruck von Bl. 136rb-vb, Bl. 31va–32ra, Bl. 30rb–31ra). – Frederick William Ratcliffe: Die Psalmen¨ubersetzung Heinrichs von Mu¨ geln. Die Vorrede, der schlichte Psalmentext und Probleme einer Herausgabe. In: ZfdPh 84 (1965) S. 46–76. – Walter R¨oll: Die Antichristrede Friedrichs von Saarburg. In: ZfdA 96 (1967) S. 278–320. – V¨olker (s. Ausg.). – Horst Dieter Rauh: Das Bild des Antichrist im MA. Von Tyconius bis zum dt. Symbolismus. Mu¨ nster 1979 (Beitr. zur Gesch. der Philosophie und Theologie des MA. N. F. 9). CS Pseudo-Methodius. – Verfasser einer apokalyptischen Weltgeschichte. Die urspr¨unglich in syrischer Sprache verfassten Revelationes Methodii enthalten eine Weltgeschichte von Adam bis zur Apokalypse. Das Werk stellt in einem ersten Teil vor allem Ereignisse aus dem AT dar, w¨ahrend ein zweiter Teil prophetische Visionen u¨ ber das Weltende enth¨alt. Als Verfasser wird im Text ein olympischer Bischof aus dem 3. Jh. namens M. angegeben. Tats¨achlich d¨urften die Revelationes erst im sp¨aten 7. Jh. entstanden sein. Der christliche Autor benutzt M. als literarische persona, hinter der verborgen er die zeitgen¨ossische Expansion der islamischen Umaiyaden angreift. Die Bedrohung Byzanz’ durch islamische M¨achte wird von P.-M. als Vorzeichen der Apokalypse gewertet. Der Verfasser prophezeit das Auftreten eines «Endkaisers», der den Islam besiegen und eine Zeit des Friedens einl¨auten wird. Nach dieser Friedensperiode erwartet Ps.-M. das Weltende. Der Autor erg¨anzt seine Prophezeiungen mit Mahnungen an 672

Pseudo-Methodius die Leser, die Festigkeit ihres christlichen Glaubens zu wahren. ¨ Die Revelationes erfuhren fr¨uh griechische Ubersetzungen. Ab dem 8. Jh. entstanden auch lat. Fassungen, die eine große westeurop¨aische Verbreitung des Werks begr¨undeten. Insbesondere eine gek¨urzte lat. Rezension, die im 8. Jh. im s¨uddt. Raum entstand (St. Gallen?), erlangte im MA Bedeutung. In dieser Rezension fehlen die urspr¨unglichen Bez¨uge des Ps.-M. auf Alexander und ¨ Athiopien sowie seine Warnungen vor einer Konversion zum Islam. Eingef¨ugt wurden hier die milit¨arischen Konflikte mit den Sarazenen in Spanien und Frankreich. Die lat. Revelationes waren in rund 200 Handschriften verbreitet und wurden seit dem 15. Jh. auch gedruckt, u. a. in Deutschland. Daneben sind zwei obd. Prosafassungen des Werks in zwei Handschriften erhalten. Diese Fassungen greifen unabh¨angig voneinander die gek¨urzte lat. Rezension auf, d¨urften aber auf verwandten Vorlagen basieren. Schreiber der beiden Handschriften waren Liebhard Eghenvelder und Johannes Schlitpacher, die allerdings nicht eindeu¨ tig als dt. Ubersetzer zu identifizieren sind. In dt. Sprache liegen weiterhin zwei an der Wende vom 15. zum 16. Jh. entstandene dt. Drucke vor, die jedoch auf einer anderen lat. Rezension beruhen als die genannten obd. Fassungen. Mit Blick auf die breite Rezeption der Revelationes muss zun¨achst → Petrus Comestor erw¨ahnt werden. Er war der wichtigste Vermittler des Werks, etwa f¨ur sp¨atere Weltchroniken und Historienbibeln. So benutzt → Rudolf von Ems in einem gr¨oßeren Exkurs innerhalb seiner Weltchronik die Revelationes u¨ ber Comestor vermittelt. Rezipiert wurde Ps.-M. auch von Aethicus Ister, Quintilinus von Spoleto, Engelbert von Admont (De ortu [...]), Nikolaus von Straßburg (De adventu Christi et Antichristi [...]), Adso von Montier-en-Der (Libellus de ortu et tempore Antichristi), → Vinzenz von Beauvais (Speculum historiale), Jan van Boendale (Boec van der Wraken), Peter von Andlau (Libellus de cesarea monarchia), Thomas → Ebendorfer, Peter Peicher von Pirchenwart, Johannes Lichtenberger und im V¨aterbuch. Mit der Rezeption der Revelationes gingen der jeweiligen Zeit entsprechende Anpassungen des Werks einher. So wurden die urspr¨unglichen «S¨ohne Ishmaels» im MA durch die Tu¨ rken ersetzt, etwa bei Ulrich H¨opp, J¨org Graff und Wolfgang Aytinger. Dessen Tractatus super Methodium ist 673

Mitte 15. Jh. mehrfach mit den Revelationes uberliefert ¨ und betrachtet den Fall Konstantinopels 1453 als Anfang des Weltendes. Insgesamt gilt der direkte und indirekte Einfluss der Revelationes auf die eschatologische Literatur des MA als immens. Die von Ps.-M. eingef¨uhrte Tiburtinische Sibylle und der «Endkaiser» wurden von zahlreichen Apokalyptikern adaptiert. Die das Werk durchziehenden Warnungen vor einer islamischen Expansion wurden zu einer wiederkehrenden Konstante der europ¨aischen Kulturgeschichte. ¨ Uberlieferung (dt.): Br¨ussel, Kgl. Bibl., ms. 8879–80, 11v–23v (Pap., 1451–53, Schreiber: Liebhard Eghenvelder). – Melk, Stiftsbibl., cod. 1560 (fr¨uher 61; B 26), 222v–228r (Pap. und Perg., 1474, Schreiber: Johannes Schlitpacher). – Zur umfang¨ reichen lat. und griechischen Uberl. mit rund 200 Hss. vgl. Laureys/Verhelst 1988 (s. Lit.) und St¨ollinger-L¨oser 2004 (s. Lit.). Drucke: Dt.: Memmingen: [Albrecht Kunne], 1497 (GW-Nr. M23065; Online-Ausg. BSB M¨unchen, o. J.). – Basel: Michael Furter, [nach 1500] (GW–Nr. M23072). – Lat.: GW-Nr. 4706, M23054, M23057, M23059, M23062, M23067, M23069. Vgl. auch St¨ollinger-L¨oser 2004 (s. Lit.). Ausgaben: Ausg. der dt. Prosa¨ubers.: Rudolf 1976 (s. Lit.) S. 77–91. – Lat. und griechische Ausg.: Sibyllinische Texte und Forschungen. Pseudomethodius, Adso und die tiburtinische Sibylle. Hg. v. Ernst Sackur. Halle 1898 (Nachdr. Turin 1963) S. 59–96. – Die Apokalypse des Ps.-Methodios. Hg. v. Anastasios Lolos. Meisenheim 1976. – Die dritte und vierte Redaktion des Pseudo-Methodios. Hg. v. A. Lolos. Ebd. 1978. – Prinz 1985 (s. Lit.) S. 6–17. – Die syrische Apokalypse des PseudoMethodius. Hg. v. Gerrit Reinink. 2 Bde. Leu¨ ven 1993 (mit dt. Ubers.). – Die Apokalypse des Pseudo-Methodius. Die a¨ltesten griechischen und ¨ lateinischen Ubersetzungen. Hg. v. Willem J. Aerts und George A. A. Kortekaas. 2 Bde. Leuven 1998. – Albert Behaim: Das Brief- und Memorialbuch des Albert Behaim (MGH Briefe des sp¨ateren Mittelalters 1). Hg. v. Thomas Frenz und Peter Herde. Mu¨ nchen 2000, S. 134–178 (Nr. 43). ¨ Ubersetzungen: Reinik 1993 (s. Ausg.). Literatur: Christine St¨ollinger-L¨oser, VL2 11 (2004) Sp. 995–1002. – Rainer Rudolf: Des P.¨ M. ‹Revelationes› (Fassung B) und ihre dt. Ubers. in der Br¨usseler Hs. Eghenvelders. In: ZfdPh 95 (1976) S. 68–91. – Horst Dieter Rauh: Das Bild 674

Mitte 15. Jh. des Antichrist im MA v. Tyconius zum dt. Symbolismus. M¨unster/Westf. 21979, S. 145–152. – Paul J. Alexander: The Diffusion of Byzantine Apocalypses in the Medieval West and the Beginnings of Joachimism. In: Prophecy and Millenarianism. FS Marjorie Reeves. Hg. v. Ann Williams. London 1980, S. 53–106. – G. Reinink: Ismael, der Wildesel in der W¨uste. Zur Typologie der Apokalypse des P.-M. In: Byzantinische Zs. 75 (1982) S. 336–344. – Ders.: Der Verfassername ‹Modios› der syrischen Schatzh¨ohle und die Apokalypse des P.-M. In: Oriens Christianus 67 (1983) S. 46–64. – Otto Prinz: Eine fr¨uhe abendl¨andische Aktualisierung der lat. ¨ Ubers. des P.-M. In: DA 41 (1985) S. 1–23. – P. J. Alexander: The Byzantine Apocalyptic Tradition. Berkeley u. a. 1985, S. 13–60, 151–225 u. o¨ . – Harald Suermann: Der byzantinische Endkaiser bei P.-M. In: Oriens christianus 71 (1987) S. 140–155. – Francisco J. Martinez: The Apocalyptic Genre in Syriac. The World of P.-M. In: Literary Genres in Syriac Literature. Symposium Syriacum 1984. Groningen-Oosterhesselen 10–12 September. Hg. v. Hendrik Drijvers u. a. Rom 1987, S. 337–352. – Thomas Frenz: Textkrit. Unters. zu P.-M. Das Verh¨altnis der griechischen zur a¨ ltesten lat. Fassung. In: Byzantinische Zs. 80 (1987) S. 50–58. – George Kortekaas: The Transmission of the Text of P.-M. in cod. Paris lat. 13348. In: Revue d’Histoire des Textes 18 (1988) S. 63–79. – G. Reinink: P.M. und die Legende vom r¨omischen Endkaiser. In: The Use and Abuse of Eschatology in the Middle Ages. Hg. v. Werner Verbeke u. a. Leuven 1988, S. 82–111. – Marc Laureys und Daniel Verhelst: P.-M., Revelationes: Textgesch. und krit. Edition. Ein Leuven-Groninger Forschungsprojekt. In: ebd., S. 112–136. – G. Reinink: Der edessenische P.-M. In: Byzantinische Zs. 83 (1990) S. 31–45. – Gerrit Bunt: The Middle English Translations of the Revelations of P.-M. In: Polyphonia Byzantina. FS Willem J. Aerts. Hg. v. Hero Hokwerda u. a. Groningen 1993, S. 131–143. – G. Reinink: P.-M. and the Pseudo-Ephremian Sermo de fine mundi. In: Media Latinitas. A Collection of Essays to Mark the Occasion of the Retirement of L. J. Engels. Hg. v. Ren´ee Nip u. a. Turnhout 1996, S. 317–321. – Walther Ludwig: Eine unbekannte Variante der ‹Varia Carmina› Sebastian Brants und die Prophezeiungen des P.-M. Ein Beitr. zur T¨urkenkriegspropaganda um 1500. In: Daphnis 26 (1997) S. 263–299. – Bernard McGinn: Visions of the End. Apocalyptic Traditions in the Middle 675

Auszug von Teutschen Landen Ages. New York 21998, S. 70–76, 301–303. – Walter Kaegi jr.: Gigthis and Olbia in the P.-M. Apocalypse and Their Significance. In: Byzantinische Forschungen 26 (2000) S. 161–167. – Ernst Voltmer: Prophetie und Reform der Kirche am Ende des MA oder wie der Dichter Michel Beheim an die ‹Weissagung auf das Jahr 1401› (alias ‹Visio seu prophetia fratris Johannis›) geraten ist. In: ‹Das Wichtigste ist der Mensch›. FS Klaus Gerteis. Hg. v. Angela Giebmeyer und Helga SchnabelSch¨ule. Mainz 2000, S. 75–113. – C. St¨ollingerL¨oser: Chuseth, P.-M. und Rudolf v. Ems.Wer war die Mutter Alexanders des Großen? In: Arch. f¨ur das Studium der neueren Sprachen und Literaturen 240 (2003) S. 347–354. – Jean-Marc Rosenstiehl: Mod`eles du temps et de la fin des temps dans l’‹Apocalypse du Pseudo-M´ethode›. In: Le temps et les temps. Dans les litt´eratures juives et chr´etiennes au tournant de notre e` re. Hg. v. Christian Grappe. Leiden u. a. 2006, S. 231–257. – Wolfram Brandes: Die Belagerung Konstantinopels 717/718 als apokalyptisches Ereignis. Zu einer Interpolation im griechischen Text der P.-M.-Apokalypse. In: Byzantina Mediterranea. FS Johannes Koder. Hg. v. Klaus Belke und Ewald Kislinger. Wien u. a. 2007, S. 65–92. – Michael W. Twomey: The ‹Revelationes› of P.-M. and Scriptural Study at Salisbury in the Eleventh Century. In: Source of Wisdom. FS Thomas D. Hill. Hg. v. Charles Wright. Toronto u. a. 2007, S. 370–386. MM Auszug von Teutschen Landen. – Bericht u¨ ber den Romzug Kaiser Friedrichs III. (1451/52) in vier Fassungen, fr¨uheste Mitte 15. Jh. Wohl unmittelbar nach den geschilderten Ereignissen d¨urfte der Bericht u¨ ber den Romzug im nordbair./ostschw¨abischen Raum entstanden sein. Es ist wahrscheinlich, dass sein Verfasser ein Teilnehmer des Zuges war, wom¨oglich im Gefolge Herzog Albrechts VI. oder als reichst¨adtischer Gesandter. Die Zuweisung an Kaspar → Enenkel seit dem 17. Jh. (Kurzfassung 2) beruht auf einem Irrtum oder einer F¨alschung des Sp¨athumanisten Job Hartmann von Enenkel. Beschrieben wird die Reise Friedrichs III. von St. Veit an der Glan u¨ ber diverse norditalienische St¨adte bis nach Rom. Zwar wird am Rande auch auf Besonderheiten geographischer, politischer oder historischer Natur hingewiesen, doch steht das o¨ ffentliche Zeremoniell f¨ur den Herrscher an den verschiedenen Stationen im Zentrum 676

Enenkel des Berichts, der mit dem Abend des Kr¨onungstages (19.3.1452) endet. F¨ur Teile der Zeremonien in Rom zieht der Verfasser als Quelle den Ordo coronationis des Guilelmus → Durandus hinzu, wobei die u¨ bernommenen Abschnitte durchweg ins Deutsche u¨ bersetzt wurden. Vermutlich ebenfalls aus einer (unbekannten) Vorlage stammt eine Liste der zum Empfang von Friedrichs portugiesischer Braut Eleonore nach Pisa delegierten Gesandten. Die Sprache des A. v. t. L. ist einem schlichten Berichtsstil verpflichtet. Friedrich und seine Reise wird durchweg positiv mit einer Neigung zu Superlativen dargestellt. Mitte des 16. Jh. u¨ bernahm der Augsburger Schuster und Chronist Clemens → J¨ager f¨ur seinen von Johann Jakob Fugger ¨ veranlassten Habsburgisch-Osterreichischen Ehrenspiegel ganze Passagen aus dem A. v. t. L. (Kurzfassung 3). ¨ Uberlieferung: Langfassung: Augsburg, SB/StB, 2° Cod. Aug. 72, 186v–209v (Pap., nach 1486). – Heidelberg, UB, Cpg 677, 1r–34r (Pap., 1464–69, schw¨abisch; geschrieben v. Klara → H¨atzerlin, erg¨anzt v. Sebastian → Ilsung). – M¨unchen, BSB, Cgm 276, 10r–21r (Pap., zweite H¨alfte 15. Jh., nordbair./[ost]schw¨abisch). – Ebd., Cgm 369, 11r–38v (Pap., zweite H¨alfte 15. Jh., ostschw¨abisch). – Warschau, Nationalbibl., Cod. 12539 I (olim Akc. 9801 [Baw. 45]; davor Lemberg, Baworowskische Bibl., Cod. 45 [X D 10]), 40r–93v (Pap., 15. Jh., bair.o¨ sterr.) – Druck: Johann Otmar, Augsburg 1503 (VD16 A 4462); wahrscheinlich waren die zeitgleich kolportierten Romzugspl¨ane Kaiser Maximilians I. Ausl¨oser f¨ur die Drucklegung. – Kurzfassung 1: Fulda, LB, Cod. Aa 114, 158r–163v (Pap., 15. Jh.). – M¨unchen, BSB, Clm 9503, 342r–346v (Perg. und Pap., 15. Jh., bair.). – N¨urnberg, Staatsarch., N¨urnberger Reichstagsakten Nr. 1, 1r–14v (Pap., 15. Jh.). – Wolfenb¨uttel, HAB, Cod. 90 Aug. 2°, Bl. 7–19 (Pap., 15. und 16. Jh.). – Kurzfassung 2: Linz, Landesarch., Schl¨usselberger Arch., Slg. Hoheneck, Hs. 110, 195v–200r (Pap., fr¨uhes 17. Jh., geschrieben von J. H. v. Enenkel). Ausgaben: Langfassung: Friedrich Roth/Matthias Lexer, in: Die Chron. der schw¨abischen St¨adte. Augsburg Bd. 3 (Chron.dt.St. 22). Stuttgart/Gotha 1892, S. 307–326. – Achim Thomas Hack: Ein anonymer Romzugsber. v. 1452 (Ps-Enenkel) mit den zugeh¨origen Personenlisten (Teilnehmerlisten, Ritterschlagslisten, R¨omische Einzugsordnung) (ZfdA. Beiheft 7). Stuttgart 2007 (nach Heidelberg, UB, Cpg 677). – Kurzfassung 1: Gustav Georg K¨onig v. K¨onigsthal: 677

Mitte 15. Jh. Nachlese in den Reichs-Geschichten [...]. Frankfurt/M. 1759, S. 1–17. – Kurzfassung 2: Johann Georg Adam v. Hoheneck: Die l¨obliche Herren Herren St¨ande, Herren- und Ritterstand, In dem Ertz-Herzogthum Oesterreich ob der Ennß [...]. 3. Tl. Passau 1747, S. 134–141. – Kurzfassung 3: ‹Ehrenspiegel› des Clemens J¨ager, auf Veranlassung Kaiser Leopolds III. u¨ berarb. v. Sigmund v. Birken und zum Druck gebracht: Spiegel der Ehren des H¨ochstl¨oblichsten Kayser- und K¨oniglichen Erzhauses Oesterreich [...]. N¨urnberg 1668 (VD17 23:231732Y). – Stephan Alexander W¨urdtwein: Subsidia Diplomatica [...]. Bd. 12. Heidelberg 1778, S. 4–37. Literatur: Achim Thomas Hack, VL2 11 (2004) Sp. 190–193. – Elvira Glaser: Das Graphemsystem der Clara H¨atzerlin im Kontext der Hs. Heidelberg, Cpg. 677. In: Dt. Sprache in Raum und Zeit. FS Peter Wiesinger. Hg. v. Peter Ernst/Franz Patocka. Wien 1998, S. 479–494. – A. T. Hack: Das Empfangszeremoniell bei ma. Papst-Kaiser-Treffen (Forschungen zur Kaiser- und Papstgesch. des MA 18). K¨oln 1999, S. 35–40, 191–194. – Ders.: Der Ritterschlag Friedrichs III. auf der Tiberbr¨ucke 1452. Ein Beitr. zum r¨omischen Kr¨onungszeremoniell des sp¨aten MA. In: Rom und das Reich vor der Reformation (Tradition – Reform – Innovation 7). Hg. v. Nikolaus Staubach. Frankfurt/M. u. a. 2004, S. 197–236. VZ Enenkel, Kaspar, † 1487. – Vermeintlicher Verfasser einer Reisebeschreibung. Der o¨ sterr. Adlige E. begleitete 1452 Friedrich III. (1415–1493) zur dessen Kaiserkr¨onung nach Rom. Ihm wurde lange ein in mehreren Handschriften erhaltener Bericht u¨ ber diese Reise zugeschrieben. Heute ist das Werk als → Auszug von teutschen Landen bekannt und gilt als anonym. ¨ Uberlieferung: Vgl. Hack 2004. Ausgabe: Hack 2007 (s. Lit.) S. 81–98 (dort auch a¨ ltere Ausg.). Literatur: Peter Johanek, VL2 2 (1980) Sp. 523; 11 (2004) Sp. 407. – De Boor/Newald 4/1 (21994) S. 162, 772. – Achim Thomas Hack: Auszug von Teutschen Landen. In: VL2 11 (2004) Sp. 190–193. – Repertorium fontium historiae medii aevi 4. Hg. Istituto Storico Italiano per il Medio Evo. Rom 1976, S. 322 f. – A. T. Hack: Ein anonymer Romzugsber. von 1452 (Ps-E.) mit den zugeh¨origen Personenlisten (Teilnehmerlisten, Ritterschlagslisten, R¨omische Einzugsordnung) (ZfdA Beih. 7). Stuttgart 2007. MM 678

Mitte 15. Jh. Burn, ¨ Johannes, de Mohausen. – Verfasser eines historischen Berichts, Mitte 15. Jh. Am Schluss einer Beschreibung der Aachener Kr¨onung Friedrichs III. zum r¨omisch-dt. K¨onig (1442) nennt sich deren Verfasser: «ego Johannes e Burnn de Mohawsen clericus Maguntinensis dyocesis ac notarius publicus» (Cgm 331, 12v). Demnach stammte B. vermutlich aus Mohnhausen in Oberhessen und wirkte als Kleriker der Di¨ozese Mainz. Er begleitete die Gesandten des Salzburger Domkapitels zur Kr¨onung und beschrieb als Augenzeuge Kr¨onungszug, Zeremoniell und die anschließenden Festlichkeiten in schlichter anschaulicher Prosa. ¨ Uberlieferung: Mu¨ nchen, BSB, Cgm 331, 10r–12v (Pap., 1480, mittelbair.). – Warschau, Nationalbibl., Cod. 12539 I (vormals Akc. 9801 [Baw. 45]; davor Lemberg, Baworowskische Bibl., Cod. 45 [X D 10]), 96r–103v (15. Jh., bair.-¨osterr.). Ausgaben: Joseph Hansen: Zur Kr¨onung K¨onig Friedrichs III. in Aachen im Juni 1442. In: Zs. des Aachener Geschichtsver. 9 (1887) S. 211–216. – ¨ Hermann Herre, in: Dt. Reichstagsakten. Altere Reihe Bd. 16: Dt. Reichstagsakten unter Kaiser Friedrich III. 2. Abt.: 1441–1442. G¨ottingen 1928, S. 195–202 (Nr. 109). Literatur: Karin Schneider, VL2 1 (1978) Sp. 1139. – Alphons Lhotsky: Quellenkunde zur ¨ ¨ ma. Gesch. Osterreichs. Graz/K¨oln 1963 (MIOG, Erg.bd. 19), S. 347 f. VZ Leonhard von Chios (Leonardo, Leon[h]ardus Chiensis, Ethicy, Mytileneus) OP, * um 1395 Chios, † 1459 Genua (?). – P¨apstlicher Legat, Verfasser eines lat. Briefberichts u¨ ber die Eroberung Konstantinopels. L. vom dominikanischen Orden der «fratres peregrinantes» studierte in Padua und lehrte an den Universit¨aten Padua und Genua, bevor er zum Bischof von Mytilene (Lesbos) berufen wurde. Seit 1452 hielt er sich im Auftrag der r¨omischen Kurie zusammen mit Kardinal Isidor von Kiew in Konstantinopel auf, um eine Beendigung des Schismas zwischen Rom und Byzanz vorzubereiten. Die Einnahme der ostr¨omischen Metropole durch die T¨urken erlebte L. als Augenzeuge. Nach der R¨uckkehr nach Chios hielt er die Ereignisse in einem Briefreport an Papst Nikolaus V. fest. Der lebhafte Bericht macht pr¨azise und detaillierte Angaben zu diesem epochalen Ereignis, lobt die heldenhaften Verteidiger, kritisiert aber auch 679

Burn ¨ die Fehler, die zur Katastrophe f¨uhrten. Er ist eine der bedeutendsten Quellen zum Fall von Konstantinopel und war die Grundlage f¨ur viele sp¨atere Geschichtsschreiber; ein fr¨uhes Beispiel ist die Historia excidii et ruinae Constantinopolitanae urbis des Gottfried Lange (eine verk¨urzte Fassung des Briefberichts). Ferner sind von L., der bei t¨urkischen Angriffen auf Lesbos, die er ebenfalls als Augenzeuge erlebte, in Gefangenschaft geriet, ein Report auch u¨ ber dieses Ereignis u¨ berliefert sowie ein Traktat gegen Gianfrancesco Poggio Bracciolini. Eine dt. ¨ Ubersetzung des Konstantinopel-Briefes aus dem 15. Jh., die in den Dt. Reichstagsakten (s. Lit.) erw¨ahnt wird, ist nicht nachweisbar. 1551 gelangte ¨ eine Ubersetzung von Heinrich von Eppendorf in den Druck. Diejenigen Passagen des Briefs, die den Verlust kirchlichen Besitzes und Reliquiensch¨andungen behandeln, sind in den 70er Jahren des 15. Jh. u¨ bersetzt und in die Vorreden einer dt. Bibelhandschrift integriert worden. Sie erscheinen dort kombiniert mit einer Klage u¨ ber die zerst¨orten Bibliotheken und den Verlust von Bibelhandschriften, die ¨ nicht auf L. zur¨uckgeht. Der anonyme Ubersetzer und Verfasser der Vorreden (vgl. Johannes Rellach) kn¨upft an seine Klage die Ank¨undigung einer eigenen volkssprachlichen Bibel an. ¨ Uberlieferung: Der Briefreport u¨ ber den Fall von Konstantinopel wird von 22 Hss. tradiert. – Druck des Briefes im dt. Raum: Historia captae a turca Constantinopolis descripta a Leonardo Chiensi (mit einer praefatio v. Michael Roting). N¨urnberg (Johann vom Berg/Ulrich Neuber) 1544. – ¨ Ubers. v. 1551: Die belegerrung vnd eroberung der Kaiserlichen statt Constantinopolis [...] durch Leonhardum den Ertzbischoff z˚u Mitylene dargegeben [...]. Alles aus Latinischer sprachen ins deutsch newlich verdolmetschet Durch Heinrichen v. Eppendorff (Innerhalb von Floridus Franciscus: Kriegsu¨ bung dess f¨urtrefflichsten vnd streitbarsten ersten R¨omischen Kaisers Julij). Straßburg (Georg Messerschmidt) 1551 (VD16 F 1674 f.). – Bibelhs.: N¨urnberg, StB, Solg. Ms. 16.2°, 2r–7v (Pap., zweite H¨alfte 15. Jh., schw¨abisch [Augsburg?]); die Hs. bietet AT, Josua, Richter und Ruth. Ausgabe: Leonardus Chiensis. Historia Constantinopolitanae Urbis a Mahumete II captae. In: PG 159 (1866) Sp. 923–944. – Agostino Pertusi: La caduta di Costantinopoli. Bd. 1,1: Le testimonianze 680

Nederhoff de contemporanei. Mailand 1976, S. 120–171 (mit ¨ italienischer Ubers.). ¨ Ubersetzung: J. R. Melville Jones: The Siege of Constantinople 1453. Seven Contemperary Accounts. Amsterdam 1972, S. 11–55. Literatur: Isnard Wilhelm Frank, LThK 6 (1997) Sp. 834 f. – Christine Wulf, VL2 11 (2004) Sp. 918 f. – Robert Gramsch, Encyclopedia of the Medieval Chronicle 2 (2010) S. 1017. – Raymund J. Loenertz: La soci´et´e des fr`eres p´er´egrinants. ´ Etude sur l’orient dominicain. Bd. 1. Rom 1937, S. 66–70. – Gyula Moravcsik: Der Ber. des Leonardus Chiensis u¨ ber den Fall von Konstantinopel in einer vulg¨argriechischen Quelle. In: Byzantinische Zs. 44 (1951) S. 428–436. – Steve Runciman: The Fall of Constantinople 1453. Cambridge 1965, 112004, S. 196 und Reg. (dt. u. d. T.: Die Eroberung von Konstantinopel, 1453 [Beck’sche Sonderausg. 46]. M¨unchen 31977). – ¨ Dt. Reichstagsakten. Altere Reihe. Unter Kaiser Friedrich III. 1453–1454, Abt. 5, H¨alfte 1. Bd. 19,1. Hg. v. Helmut Weigel/Henny Gr¨uneisen. G¨ottingen 1969, S. 16, Anm. 2. – Pertusi (s. Ausg.) S. 390–407. – Thomas Kaeppeli: Scriptores ordinis praedicatorum medii aevi. Bd. 3. Rom 1980, S. 180–185; Bd. 4 (1993, hg. v. dems. und Emilio Panelli) S. 188. – Johannes Karayannopulos/G¨unter Weiß: Quellenkunde zur Gesch. v. Byzanz (324–1453). Halbbd. 2. Wiesbaden 1982, Nr. 558. – Christine Wulff: Eine volkssprachige Laienbibel des 15. Jh. Unters. und Teiledition der Hs. N¨urnberg, StB, Ms. Solg. 16. 2° (MTU 98). M¨unchen 1991, S. 92–99, 153–159. – Repertorium fontium historiae medii aevi 7 (1997) S. 186. – Marios Philippides: The Fall of Constantinople 1453. In: Viator 29 (1998) S. 189–225. – Klaus-Peter Matschke: L. v. C., Gennadios Scholarios und die ‹collegae› Thomas Pyropulos und Johannes Basilikos vor, w¨ahrend und nach der Eroberung von Konstantinopel durch die T¨urken. In: Byzantina 21 (2000) S. 227–236. – Enrico Basso: Leonardo da Chios. In: Dizionario Biografico degli Italiani 64 (2005) S. 424–427. – M. Philippides: The siege and the fall of Constantinople in 1453. Historiography, topography, and military studies. Farnham u. a. 2011, S. 720 (Reg.). VZ Nederhoff, Johannes (Nederhof, -hove, Niderhoff) OP, * vor 1400 Dortmund, † nach 1456. – Chronist. N. war wahrscheinlich der Sohn eines nach Dortmund gezogenen Handwerkers, der 1400 681

Mitte 15. Jh. ratsf¨ahig wurde. Der Dominikaner N. studierte vielleicht in Erfurt Theologie und Philosophie und lehrte um 1417/18 als Lektor im L¨ubecker Dominikanerkonvent. Seit 1429 leitete er die Klosterstudien seines Ordens in Bremen, war seit 1434 Lektor in Krakau und 1435 Definitor auf dem Provinzialkonzil in Den Haag. Danach war er wahrscheinlich Lektor und Prediger im Dortmunder Predigerkloster, wo er 1440 als Vikar nachgewiesen ist. 1450 reiste er mit seinem Provinzial Johann von Essen zum Generalkapitel in Lyon. Daneben wird eine weitere Lehrt¨atigkeit N.s in Nijmegen angenommen, deren Zeitpunkt jedoch unbekannt ist. N.s Cronica Tremoniensium (sp¨atestens 1450) ist eine lat. Geschichte Dortmunds von der Stadtgr¨undung bis zur «Großen Fehde» von 1388–90. Das Werk ist von schwankender Qualit¨at und behauptet u. a. f¨alschlich eine Gr¨undung der Stadt durch die R¨omer, was mit konstruierten Etymologien untermauert wird. An anderen Stellen geht N. hingegen durchaus sorgf¨altig mit seinen zahlreichen Quellen um. Zu den Vorlagen der Chronik z¨ahlen Isidor von Sevilla, Bartholom¨aus Anglicus, Alexander von Roes, Johann von Essen, → Vinzenz von Beauvais, → Martin von Troppau, → Heinrich von Herford, → Hermann von Lerbeck, → Levold von Northoff und die → Gesta Treverorum. Außerdem flossen Heiligenviten und st¨adtische Dokumente in N.s Werk ein. Eine Rezeption der Chronik ist u¨ ber sp¨atere Abschriften mit Erg¨anzungen nachweisbar. Noch Dietrich Westhoff benutzt im 16. Jh. N.s Chronik. N. gilt auch als Autor einer Vita Karls des Großen, die sich auf dessen Taten in Spanien und Pal¨astina konzentrierte. Das Werk ist jedoch verloren. ¨ Uberlieferung: Dortmund, Stadtarch., Best. 202-XIII 1 und 2. – Berlin, SBB, Ms. Boruss. oct. 29, 1r–118r. – Ebd., Ms. Boruss. fol. 574, 1r–79v. Ausgabe: Des Dominikaners Jo. Nederhoff Chronica Tremoniensium. Hg. v. Eduard Roese. Dortmund 1880 (Online-Ausg. ULB D¨usseldorf 2011). Literatur: Katharina Colberg, VL2 6 (1987) Sp. 868–870. – Dieter Berg, LexMA 5 (1991) Sp. 518. – Josef Beckmann: Stud. zum Leben und literarischen Nachlaß Jakobs v. Soest O.P. (1360–1440). Leipzig 1929, S. 67. – Theodor Rensing: Das Dortmunder Dominikanerkloster. Mu¨ nster/Westf. 1936, passim. – Gabriel M. L¨ohr: Die Dominikaner an den Universit¨aten Erfurt und 682

Mitte 15. Jh. Mainz. In: Archivum Fratrum Praedicatorum 23 (1953) S. 236–274, hier S. 262. – Thomas Kaeppeli: Scriptores Ordinis Praedicatorum Medii Aevi II. Rom 1975, S. 499 f. – Servatius P. Wolfs: Zur Gesch. der Kapitel der Ordensprovinz Saxonia im 15. Jh. In: Archivum Fratrum Praedicatorum 48 (1978) S. 87–91. – Peter Johanek: Inszenierte Vergangenheit. Vom Umgang mit geschichtlicher ¨ Uberl. in den dt. St¨adten des MA. In: Ferne Welten – freie Stadt. Dortmund im MA. Hg. v. Matthias Ohm u. a. Bielefeld 2006, S. 39–48. MM Bevergern, Arnd, * um 1400 M¨unster/Westfalen, † vor 21.12.1458 (?) ebd. – Schmied, Chronist. B. ist in Mu¨ nster 1429–52 regelm¨aßig urkundlich bezeugt; der erste Beleg weist ihn als Mitglied der Gilde der Schmiede aus. 1441 war er Mitbegr¨under der Mu¨ nsteraner Liebfrauen-Bruderschaft zu St. Aegidii. B. besaß ein Haus im Zentrum der Stadt und legte 1449 ein kleines Kapital in Renten an. Die Gilden der Stadt w¨ahlten ihn seit 1443 mehrmals zum Aldermann der Gesamtgilde. In dieser Funktion vertrat er 1447 in einem St¨andeausschuss die Interessen M¨unsters in der Soester Fehde. B. gilt als Verfasser der nd. Fortsetzung einer Chronik des Bistums M¨unster. Dieses ihm zugeschriebene historiographische Werk gibt zu seinem eigenen Leben die Auskunft, dass er im Zuge der Mu¨ nsterschen Stiftsfehde (1450–58) zusammen mit anderen f¨uhrenden Familien vom Grafen Johann V. von Hoya der Stadt verwiesen worden sei. B. hatte zun¨achst die Partei der Grafen ergriffen, sich jedoch nach dem Coesfelder Kompromiss (1452) den gem¨aßigten Kr¨aften angeschlossen. B.s ¨ Chronikfortf¨uhrung schließt an die nd. Ubersetzung einer Bearbeitung der lat. Chronik des Florenz von Wevelinghoven an. Florenz’ Text setzt 772 ein und ist nach den Amtszeiten der Bisch¨ofe gegliedert. Unmittelbarer Anschluss der Fortsetzung ist die Vita Ottos IV. von Hoya. Die Vita ist in einigen Textzeugen mit Zus¨atzen versehen ist, die auf B. zur¨uckgehen k¨onnten. Otto starb 1424 und mit diesem Jahr setzt die neue Chronik ein, die bis ins Jahr 1466 reicht. Von besonderem Interesse sind hierbei die Augenzeugenberichte vor allem aus der Zeit der Stiftsfehde. Die f¨uhrenden politischen Repr¨asentanten w¨ahrend der Hoyaschen Wirren werden dabei als «roeper» bezeichnet. Die Chronik wurde in verschiedenen Redaktionen von weiteren Verfassern bis ins 16. Jh. fortgef¨uhrt. Auch die alleinige Autorschaft B.s f¨ur die 683

Bevergern Chronik muss angezweifelt werden, da urkundliche Zeugnisse einen Tod B.s sp¨atestens 1458 nahelegen (Plessow [s. Lit] S. 440). Wenngleich auch textinterne Hinweise f¨ur eine Verfasserschaft B.s sprechen, so d¨urfte zumindest der Bericht u¨ ber den Zeitraum 1458–66 nicht von ihm stammen. ¨ Uberlieferung: Oftmals in Ausz¨ugen als Teil einer kompilierten umfassenderen Chronik: K¨oln, Hist. Arch. der Stadt, Best. 7030 (Chron. und Darst.) 334 (Pap., um 1600). – M¨unster, Staatsarch., Depositum des Altertumsver., Msc. 5 (Pap., zweite H¨alfte 16. Jh./1632). – Ebd., Msc. 45 (Pap., um 1600). – Ebd., Msc. 50 (zweites Faszikel: Pap., letztes Viertel 16. Jh.). – Ebd., Msc. 54 (Pap., Ende 17./Anfang 18. Jh.). – Ebd., Msc. 58 (Pap., nach 1708). – Ebd., Msc. 61 (Pap., nach 1522). – Ebd., Msc. 104 (Pap., fr¨uhes 17. Jh.). – Ebd., Msc. 107a (Pap. und Perg., um 1700). – Ebd., Msc. 112 (Pap., zweite H¨alfte 17. Jh.). – Ebd., Msc. 116 (Pap., um 1700). – Ebd., Msc. 117 (Pap., 1494 [Nachtrag 1522]). – M¨unster, Stadtarch., Msc. 1 (Perg., um 1500 und um 1600). – Ebd., ULB (Handschriftenslg. Nordkirchen), Nk 100 (Pap., 1629/Mitte 17. Jh.). – Zu den genauen hsl. Fundstellen vgl. Plessow (Lit.) S. 197–233 passim. Vgl. auch Ficker (s. Ausg.) S. XXXV–XXXVI. Ausgabe: Antonius Mattheus: Veteris aevi analecta Bd. 8. Leiden 1708, S. 1–173; Bd. 5. Den Haag 21738, S. 1–115. – Julius Ficker: A. B.’s Mu¨ nsterische Chron. v. der Wahl Bischof Heinrich’s v. Moers bis auf die Einf. Bischof Heinrich’s v. Schwarzenburg. 1424–66. In: Die Geschichtsquellen des Bistums M¨unster. Bd. 1: Die M¨unsterischen Chron. des MA. Mu¨ nster 1851, S. 164–172, 244–288, Fortsetzung der Chron.: S. 289–303. Literatur: Hans Thiek¨otter, NDB 2 (1955) S. 203. – Karl-Heinz Kirchhoff, VL2 1 (1978) Sp. 839. – Ders.: M¨unsterische Chroniken. In: VL2 6 (1987) Sp. 791–793, hier Sp. 793. – J. Ficker (s. Ausg.) S. XXXV–XXXIX. – Ottokar Lorenz: Deutschlands Geschichtsquellen im MA seit der Mitte des dreizehnten Jh. Bd. 2. Berlin 21877, S. 85 f. – Aloys B¨omer: Das literarische Leben in M¨unster bis zur endg¨ultigen Rezeption des Humanismus. Aus dem geistigen Leben und Schaffen in Westfalen. FS zur Er¨offnung des Neubaus der Kgl. UB in Mu¨ nster. M¨unster 1906, S. 81 f. – Markus M¨uller: Die sp¨atma. Bistumsgeschichtsschreibung. ¨ Uberl. und Entwicklung (Arch. f¨ur Kulturgesch. Beihefte 44). K¨oln u. a. 1998, S. 112, 117 f. – Oliver Plessow: Die umgeschriebene Gesch. Sp¨atma. 684

Nurnberger ¨ Jahrbucher ¨ des 15. Jahrhunderts

Mitte 15. Jh.

Historiographie in Mu¨ nster zwischen Bistum und Stadt (M¨unstersche Hist. Forschungen 14). K¨oln 2006, bes. S. 305–321, 427–478. VZ

Leithandschrift wiedergibt, sondern aus einer Vielzahl von Vorlagen destilliert wurde. Auf einen zu rekonstruierenden Archetypus ausgerichtet, ordnet sie die Textbausteine nach der (vermuteten) Entstehungszeit (s. Vorw. der Ausg.): Diese damit auch in ihrer Reihung k¨unstlichen Textfassungen verfestigten sich weiter im Forschungsdiskurs unter den ihnen durch das Herausgeberteam verliehenen Titeln Jahrb¨ucher bis 1469, Jahrb¨ucher bis 1487 und Tuchersche Fortsetzung der Jahrb¨ucher. Wie weit sich die Edition dabei von den handschriftlichen Vorlagen l¨oste, zeigt der Umgang mit Deichslers Kompilation, die in den B¨anden der Edition in mehrere Teile zerlegt wurde: Ausgehend von einem modernen Autorbegriff trennten die Herausgeber zuerst alle Teile der Chronik ab 1488 ab, f¨ur die sie Augenzeugenschaft unterstellten. Die zeitlich vorangehenden Teile von Deichslers Gesamtkompilation wurden dagegen in Ausz¨ugen unter den Jahrb¨uchern des 15. Jahrhunderts aufgenommen und weiter aufgeteilt auf die Bl¨ocke Chronik von Heinrich Deichsler bis 1487, Jahrb¨ucher bis 1469 und Jahrb¨ucher bis 1487. Deichslers Chronikkompilation war dabei ein maßgeblicher Grund f¨ur die – so der Editor – «Lossch¨alung der Jahrb¨ucher bis 1469» von der Redaktion «bis 1487» (von Kern, Jbb. des 15. Jh., S. 108), f¨ur deren Plausibilit¨at er drei weitere Handschriften des 16. Jh. ins Feld f¨uhrte. Nicht in Deichslers Chronik tradiert sind die annalistischen Notizen, die sich unter dem Titel Tuchersche Fortsetzung der Jahrb¨ucher bis 1499 ediert finden. Dieser an die Redaktion «bis 1469» anschließende Strang der Jahrb¨ucher wurde auf der Basis von f¨unf Handschriften erschlossen, die gr¨oßtenteils dem Umkreis der N¨urnberger Patrizierfamilie Tucher zugeordnet werden. Neben der Provenienz der Handschriften ist hierf¨ur auch die h¨aufige Erw¨ahnung von Familienmitgliedern der Tucher im Text, drittens vor allem der Zugang des oder der anonymen Annalisten zu amtlichen Zeugnissen bzw. Insider-Informationen aus ratsnahen Kreisen anzuf¨uhren. Als F¨orderer bzw. Quellenlieferanten wurden die Vordersten Losunger Anton (I.) und Anton (II.) sowie der f¨ur seine Jerusalemreise ber¨uhmte Ratsherr Hans (IV.) → Tucher namhaft gemacht. Nicht nur in dieser Jahrbuchreihe sind demnach f¨ur die ‹zeitgeschichtlichen› Anteile auch der Historiographie fremde Gattungen wie Rechtstexte, Relationen, Wandzeitungen, politische Dichtung etc. verarbeitet worden. Vermittelt die Edition nur einen fragmentarischen und verzerrten Eindruck vom Textbestand

Nurnberger ¨ Jahrbucher ¨ des 15. Jahrhunderts. N¨urnberger Jahrb¨ucher des 15. Jahrhunderts lautet der Behelfstitel der Forschung f¨ur eine F¨ulle annalistischer Nachrichten in handschriftlichen Kompilationen, die ab der Mitte des 15. Jh. die Masse ¨ der historiographischen Uberlieferung in N¨urnberg bildeten. Angelegt, u¨ berbearbeitet und fortgesetzt wurden sie von einem Zirkel historisch interessierter ‹Amateure› in N¨urnberg, die in intensivem Austausch standen und ihre Manuskripte untereinander ausliehen. Namentlich bekannt sind die Schreiber bzw. Eigent¨umer der Handschriften – mit Ausnahme Heinrich → Deichslers – in der Regel erst seit dem fr¨uhen 16. Jh. (die Edition nutzte u. a. Handschriften von Christoph Scheurl d. J., Pankraz Bernhaupt Schwenter, Sixt Olhafen und Anton Kreutzer). In der Edition der Chronik der deutschen St¨adte finden sich lediglich die stadtgeschichtlich relevanten Teile der Handschriften publiziert; das Interesse der Chronisten reichte jedoch weit u¨ ber den N¨urnberger Horizont hinaus: Ebenso eifrig wie lokale Nachrichten – u¨ ber Kaiserbesuche und st¨adtische Feste, Wetter- und Preisschwankungen, Baumaßnahmen, Verbrechen und Brandkatastrophen u.v.m. – sammelten sie auch Reichs- und Universalgeschichte. Die Handschriften f¨uhren daher h¨aufig bis in biblische Zeiten zur¨uck; Kennzeichen f¨ur die Jahrb¨ucher-Redaktion «bis 1487» etwa ist nach Auskunft des Editors in den Handschriften ihre fr¨uheste Notiz zum babylonischen Turmbau aus dem AT. Nicht nur inhaltlich, auch formal pr¨asentieren sich die Jahrb¨ucher heterogen: Es handelt sich nicht um feste Texte, unter einem Autornamen tradiert, sondern um in der Gruppe zusammen getragene Materialsammlungen, ohne Anfang oder Schlusspunkt, da sie – wie auch ihr Gegenstand, die st¨andig fortschreitende Geschichte – nie vollst¨andig sein konnten; ihr Korpus war demnach a¨ ußerst fluide, jeder Kompilator ordnete und kombinierte die von ihm erreichbaren ‹Textbausteine› in seiner konkreten Handschrift neu. Ihre Edition musste damit zwangsl¨aufig zur Momentaufnahme einer im Fluss befindlichen Textmasse gerinnen. Erschwerend kommt hinzu, dass die Edition nicht eine 685

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Nurnberger ¨ Jahrbucher ¨ des 15. Jahrhunderts

¨ der Uberlieferungstr¨ ager, so machten jedoch erst die Bem¨uhungen der Editoren um die autornahen Erstfassungen m¨oglich, die Zusammensetzung des Nachrichtenbestandes zu erschließen. Den Grundstock der N¨urnberger Jahrb¨ucher bildet demnach das schon am Ende des 14. Jh. angelegte P¨uchel von meim geslechet und von abentewr des N¨urnberger Großkaufmanns und Ratsherrn Ulman → Stromer, freilich nicht mit den Inhalten und der Form des pers¨onlichen Memorialbuches mit u. a. famili¨aren und kaufm¨annischen Notizen, wie es in den autographen und autornahen Handschriften u¨ berliefert ist. Die Jahrbuch-Kompilatoren selektierten vielmehr nur die historiographischen Nachrichten, tilgten alle Verweise auf den Autor und suchten seinen fortlaufenden Text in kurze annalistische Eintr¨age mit Zeitangaben am Zeilenanfang zu zerteilen. Solchermaßen in ein anonymes, unpers¨onliches Annalenwerk verwandelt, konnten sie nun beliebig Erg¨anzungen und Fortsetzungen anlagern. Schon fr¨uh war diese Redaktion des P¨uchel daher u. a. mit Notizen aus der Chronik aus Kaiser Sigmunds Zeit verquickt. Diese wohl ab 1420 angelegte anonyme Chronik kam dabei ihren Bearbeitern sowohl durch ihre chronologische Struktur als auch durch ihre stilistische Knappheit deutlich mehr entgegen als Stromers P¨uchel; sie wurde daher stilpr¨agend f¨ur die N¨urnberger Annalistik. Die Kompilatoren griffen jedoch nicht nur auf diese wie weitere n¨urnbergische Vorlagen zur¨uck. Sie benutzten auch im schw¨abisch-alemannischen und bairischen Raum weit verbreitete Universalchroniken wie das K¨onigshofen-Register, die Bairische ¨ Chronik, die → Konstanzer Weltchronik, die → Altere Hochmeister-Chronik und die → Flores Temporum in verschiedenen Redaktionen u.v.m. Die F¨ulle dieser Vorlagen war f¨ur den zeitgen¨ossischen Bearbeiter in den Handschriften freilich zu einem ununterscheidbaren Amalgam verschmolzen. Eine Ahnung von der Zahl der kopierten Vorlagen konnte er h¨ochstens daraus gewinnen, wenn die ihm voran gehenden Kompilatoren an der chronologischen Ordnung ihres Materials gescheitert waren: Immer wieder produzierten sie unwillentlich Mehrfacheintragungen. H¨aufig war die schiere Masse des von ihnen oft in jahrzehntelanger Sammelarbeit zusammen getragenen Materials nicht mehr zu durchdringen, umso mehr, als sie in den von ihnen ausgeborgten Schriften trotz Abweichungen und Erg¨anzungen in je anderen Kontexten und Zusammenstellungen immer wieder denselben Nachrichten begegneten.

Wie viele Male etwa Heinrich Deichsler in den von ihm konsultierten «vil alten puchern» zum Teil dieselben Nachrichten rezipierte, zeigte Joachim Schneider an den im Schriftbild erkennbaren Aufzeichnungs- und Nachtragsschichten: Zu einer ¨ Uberschwemmung im Jahr 1459 deckte Deichsler seinen Nachrichtenbestand demnach aus mind. sechs verschiedenen Manuskripten der Jahrb¨ucher bis 1469 (Schneider, Heinrich Deichsler, S. 108). Diese Varianz ist ein entscheidender Grund, weshalb diese Literatur nicht durch den Buchdruck vervielf¨altigt wurde. Die handschriftliche Produktion dagegen sollte vom 16. bis zum Ende des 18. Jh. noch deutlich anschwellen und breite Teile der Bev¨olkerung erfassen; 1941 wurde die Zahl der u¨ berlieferten fr¨uhneuzeitlichen Chronikkompilationen auf u¨ ber 1000 gesch¨atzt (vgl. Straßner, S. 39 f.). Ihre Systematisierung hat bislang trotz mehrerer Vorschl¨age noch nicht zu einem konsensf¨ahigen Abschluss gef¨uhrt (vgl. Straßner, Kurras). ¨ Uberlieferung: Die unten angef¨uhrte Aus¨ gabe st¨utzt sich auf folgende 18 Uberlieferungstr¨ager: Bamberg, SB, Amb. 315.2°. – Ebd., J.H.Msc.Hist.21a. – Ebd., Msc.Hist.46. – Ebd., Will I, 233.2°. – Budapest, Ungarisches Nationalmuseum, Cod. Germ. 57. – N¨urnberg, ScheurlBibl. (privat), Collectaneenbde. C und L. – Karlsruhe, LB, K 734. – Kopenhagen, Det Kongelige Bibliotek, GKS 661 folio. – N¨urnberg, Staatsarch., Arch. der Freiherren Stromer v. Reichenbach auf Burg Gr¨unsberg, B 23. – Ebd., Reichsstadt N¨urnberg, Hss., Nr. 12, 13, 14, 58, 70, 180. – N¨urnbergGroßgr¨undlach, Arch. der Grafen und Freiherren Haller v. Hallerstein (privat), CHH-III. – Weimar, Anna-Amalia-Bibl.: Hs. F 86. Ausgabe: Jbb. des 15. Jh.: Jbb. bis 1469. Jbb. bis 1487. Chron. v. Heinrich Deichsler bis 1487. Hg. v. Theodor v. Kern. In: Die Chron. der fr¨ankischen St¨adte. N¨urnberg. Bd. 4 (Chron.dt.St. 10). Leipzig 1872, Nr. XI, S. 47–388. – Tucher’sche Fortsetzung der Jbb. 1469–1499. Hg. v. T. v. Kern. In: Die Chron. der fr¨ankischen St¨adte. N¨urnberg, Bd. 5 (Chron.dt.St. 11). Leipzig 1874, Nr. XII, S. 443–510. Literatur: Helgard Ulmschneider, VL2 6 (1987) Sp. 1254–1257. – Michael Diefenbacher: Deichslersche Chron. In: Stadtlex. N¨urnberg. 2. verb. Aufl. N¨urnberg 2000, S. 201. – Kern, Jbb. des 15. Jh. (s. Ausg.) S. 47–117. – Ders., Tucher’sche

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Paumgartner Fortsetzung (s. Ausg.) S. 443–455. – Paul Joachimsohn: Die humanistische Geschichtsschreibung in Deutschland. H. I: Die Anf¨ange. Sigismund Meisterlin. Bonn 1895, bes. ab S. 153. – Heinrich Schmidt: Die dt. St¨adtechron. als Spiegel des b¨urgerlichen Selbstverst¨andnisses im Sp¨atMA (Schriftenreihe der hist. Kommission bei der Bayerischen Akad. der Wiss. 3). G¨ottingen 1958, S. 38–51. – Gerhard Hirschmann: Einleitung. In: Johannes Mu¨ llner: Die Annalen der Reichsstadt N¨urnberg v. 1623. Tl. 1. Hg. v. dems. (Quellen zur Gesch. und Kultur der Stadt N¨urnberg 8). N¨urnberg 1972, S. 1*–51*. – Erich Straßner: Graphemsystem und Wortkonstituenz. Schreibsprachliche Entwicklungstendenzen vom Fr¨uhnhd. zum Nhd. untersucht an N¨urnberger Chroniktexten (Hermaea NF 39). T¨ubingen 1977. – Lotte Kurras: Exkurs. Die N¨urnberger Chron. im 16. Jh. In: Norica. N¨urnberger Hss. der fr¨uhen Neuzeit. Hg. v. ders. (Kat. des Germ. Nationalmuseums Nu¨ rnberg: Die Hss. des Germ. Nationalmuseums Nu¨ rnberg 3). Wiesbaden 1983, S. XI–XV. – Joachim Schneider: Heinrich Deichsler und die N¨urnberger Chronistik des 15. Jh. Wiesbaden 1991. – Ders.: Typologie der N¨urnberger Stadtchronistik um 1500. Gegenwart und Gesch. in einer sp¨atma. Stadt. In: St¨adtische Geschichtsschreibung im Sp¨atMA und in der Fr¨uhen Neuzeit. Hg. v. Peter Johanek (St¨adteforschungen A 47). K¨oln/Weimar/Wien 2000, S. 181–203. – Matthias Kirchhoff: Ged¨achtnis in N¨urnberger Texten des 15. Jh. Gedenkb¨ucher, Br¨uderb¨ucher, St¨adtelob, Chroniken (N¨urnberger Werkst¨ucke zur Stadt- und Landesgesch. 68). Neustadt a. d. Aisch 2009, bes. S. 23–76. – Carla Meyer: Die Stadt als Thema. N¨urnbergs Entdeckung in Texten um 1500 (MA-Forschungen 26). Ostfildern 2009, bes. S. 58–150. – Dies.: Zur Edition der N¨urnberger Chron. in den ‹Chron. der dt. St¨adte›. In: Mitt. des Ver. f¨ur Gesch. der Stadt N¨urnberg 97 (2010) S. 1–29, bes. S. 24–26. CM ¨ * um 1380 N¨urnPaumgartner, Konrad d. A., berg, † 3.9.1464 N¨urnberg. – Kaufmann, Verfasser eines Geschlechterbuchs. P.s Familie geh¨orte seit 1396 zum N¨urnberger Patriziat. 1402 heiratete P. eine Kaufmannstochter und trat anschließend in die Handelsgesellschaft seines Schwiegervaters ein. Nach dessen Tod 1430 gr¨undete P. eine eigene Fernhandelsgesellschaft und war als Kaufmann und Bankier erfolgreich. Nachdem seine Frau 1415 gestorben 689

Mitte 15. Jh. war, heiratete er 1417 erneut. P. geh¨orte seit 1424 dem N¨urnberger Stadtrat an und wurde 1440 Alter B¨urgermeister. Vor 1441 stiftete er die Georgenkapelle am Augustinerkloster seiner Heimatstadt. Seine T¨ochter verheiratete P. mit Endres Tucher d. ¨ und Wilhelm L¨offelholz. P. muss auch gute KonA. takte zum Adel unterhalten haben, denn Kurf¨urst Friedrich I. von Brandenburg bestimmte P. zu einem seiner Testamentsvollstrecker. P. war der Autor der Abschrift Cunrad paumgartners des eltern hantschrift, was vnd wie vil er Kynnder, Enicklein vnnd vrenicklein erlebt hat, vnd von Ime herkomen, vnnd geporn sind. Das Geschlechterbuch in dt. Sprache enth¨alt f¨ur den Berichtszeitraum von 1402 bis 1463 Angaben u¨ ber die Lebensdaten und Ehen von P.s zwei Frauen, 21 Kindern, 74 Enkeln und 40 Urenkeln. Erw¨ahnt werden etwa die bedeutende Klosterschreiberin Klara Keiperin, eine Tochter P.s, und sein Enkel Stefan → Baumgartner, sp¨ater Autor einer Reisebeschreibung. Auch manche Taufpaten sind in dem Werk vermerkt, das nur in sp¨ateren Abschriften u¨ berliefert ist. P.s Geschlechterbuch z¨ahlt zu den fr¨uhesten b¨urgerlichen Geschlechterb¨uchern N¨urnbergs. Auch gilt es als wichtige Quelle zum N¨urnberger Patriziat, dessen Verflechtungen P. akribisch notierte. ¨ Uberlieferung: N¨urnberg-Großgr¨undlach, Arch. Haller v. Hallerstein, Mon. CHH-III (fr¨uher Scheurl Cod. H), S. 134–143 (1490). – N¨urnberg, Staatsarch., Rep. 52a (Reichsstadt Nu¨ rnberg), Nr. 264 (Pap., 1538). – N¨urnberg, Germ. Nationalmus., Hs. 16583 (Pap., 17. Jh.). – Altdorf/N¨urnberg, Burg Gr¨unsberg, Arch. Stromer v. Reichenbach, A1 (1854). Literatur: Helgard Ulmschneider, VL2 7 (1989) Sp. 393–395. – De Boor/Newald 4/1 (21994) S. 148. – Wilhelm Krag: Die P. v. N¨urnberg und Augsburg. Ein Beitr. zur Handelsgesch. des XV. und XVI. Jh. Mu¨ nchen u. a. 1919, S. 5–19. – Elisabeth Pfeiffer: Der ‹Augustiner-Hochaltar› und vier weitere N¨urnberger Alt¨are des ausgehenden 15. Jh. In: Mitt. des Ver. f¨ur Gesch. der Stadt N¨urnberg 52 (1963/64) S. 305–398. – Erich Strassner: Graphemsystem und Wortkonstituenz. Schreibsprachliche Entwicklungstendenzen vom Fr¨uhnhd. zum Nhd. untersucht an N¨urnberger Chroniktexten. T¨ubingen 1977, S. 27. – Helmut Haller v. Hallerstein: N¨urnberger Geschlechterb¨ucher. In: Mitt. des Ver. f¨ur Gesch. der Stadt N¨urnberg 65 (1978) S. 212–235. – Georg Steer: Hugo Ripe690

Mitte 15. Jh. lin v. Straßburg. Zur Rezeptions– und Wirkungsgesch. des ‹Compendium theologicae veritatis› im dt. Sp¨atMA. T¨ubingen 1981, S. 303–307. MM Muffel, Nikolaus (Nikla[u]s III.), * 1409/10 N¨urnberg, † 28.2.1469 N¨urnberg. M. entstammte einer N¨urnberger Patrizierfamilie. Nach dem fr¨uhen Tod seiner Eltern – sein Vater Nikolaus II. M. (1379/82–1415) war Ratsherr in N¨urnberg – wuchs er in der Obhut seiner Großmutter auf. Seit 1425 m¨undig, wurde er im folgenden Jahr durch K¨onig Sigmund u. a. mit dem Dorf Eckenhaid und der H¨alfte Eschenaus belehnt. Von 1433 bis zu seinem Tod geh¨orte er dem N¨urnberger Rat an, der ihm 1440 die Pflege des N¨urnberger Klaraklosters und die des Egidienklosters ¨ anvertraute. 1443 wurde M. zum Alteren B¨urger¨ meister, 1445 zu einem der sieben Alteren Herren gew¨ahlt. Er vertrat vier Jahre lang die politischen Interessen N¨urnbergs beim Schw¨abischen St¨adtebund und u¨ bernahm w¨ahrend des 1. Markgrafenkrieges diplomatische Aufgaben. 1449/50 hielt er sich bei K¨onig Friedrich III. in Wiener Neustadt auf und nahm 1452 als Vertreter N¨urnbergs an der Kaiserkr¨onung Friedrichs III. in Rom teil, zu der er die Reichskleinodien aus N¨urnberg u¨ berbrachte. Noch w¨ahrend seiner bis 1455 andauernden Laufbahn im Diplomatendienst N¨urnbergs 1452 zu einem der drei Obersten Hauptleute gew¨ahlt, wurde M. 1457 vorderster Losunger (erster B¨urgermeister) und stand damit zusammen mit einem zweiten Losunger an der Spitze des Rats. Wegen Veruntreuung von Geldern und Diebstahls 1469 verhaftet, angeklagt und auch wegen Bruchs des Amtsgeheimnisses peinlich befragt, wurde er gerade zwei Monate nach Fertigstellung seines Gedenkbuchs hin¨ gerichtet. Heinz Ubertwerch dichtete 1469 ein politisches Lied auf M., in dem er den Verlauf und das Ergebnis des Prozesses schilderte (vgl. Cramer 1 [1982] S. 341–347). Im Zuge seiner Teilnahme an der Kaiserkr¨onung Friedrichs III. 1452 verfasste M. seine Beschreibung der Stadt Rom. Sein Werk Von dem Ablaß und den heiligen St¨atten zu Rom behandelt in drei Abschnitten die sieben Hauptkirchen, die Stationstage r¨omischer Kirchen w¨ahrend der geschlossenen Zeit und weitere wichtige Kirchen Roms samt Schilderung einiger weltlicher Bauten. Neben zahlreichen Legenden und Sagen ist die nicht enden wollende Aufz¨ahlung heiliger St¨atten samt Kapellen und Alt¨aren mit der Nennung der dort 691

Muffel vorhandenen Reliquien und der mit ihrer Hilfe zu gewinnenden Abl¨asse verbunden. Am 20.12.1468 schloss M. sein «Gedechtnusse und schriefft» betiteltes Gedenkbuch ab, in dem zun¨achst ausf¨uhrlich von seinen frommen Stiftungen, Heilt¨umern und Ablasssch¨atzen, dann von seinem Stand und seinem Herkommen sowie von seinen Erfolgen und Ehren die Rede ist. ¨ Uberlieferung: 1. Von dem Ablaß und den heiligen St¨atten zu Rom: Mu¨ nchen, BSB, Cgm 1279, 80r–126v (Pap., letztes Viertel 15. Jh., n¨urnbergisch). – 2. Gedenkbuch: N¨urnberg, Germ. Nationalmuseum, Hs. 36187, III + 8 + XI Bll. (Pap., 1468) (N). – Mu¨ nchen, BSB, Clm 472, 234r–235r (Pap., 1488–1505; Auszug) (M). – Bamberg, SB, J.H. Msc. Hist. 85, 71r–75v (Pap., 17./18. Jh.) (B). Ausgaben: 1. Von dem Ablaß und den heiligen St¨atten zu Rom: N. M.s Beschreibung der Stadt Rom. Hg. v. Wilhelm Vogt (Bibl. des Litterarischen Vereins in Stuttgart 128). Stuttgart u. a. 1876. Nachdr. ebd. 1920. – 2. Gedenkbuch: Andreas Felix v. Oefele: Scriptores Rerum Boicarum. Bd. 1. Augsburg 1763, S. 353 (Abdruck von Mu¨ nchen, BSB, Clm 472). – Carl Hegel (Hg.): Die Chron. der fr¨ankischen St¨adte: N¨urnberg, Bd. 5 (Chron.dt.St. 11). Leipzig 1874 (Nachdr. G¨ottingen 1961) S. 735–751 (nach der N¨urnberger Hs.). – Bertold Freiherr v. Haller/Matthias Kirchhoff: ‹Gedechtnusse und Schriefft› Nik¨ las III. M.s (1409/10–1469). Neuedition, Ubersetzung und Kommentierung des Gedenkbuchs. In: Mitt. des Vereins f¨ur Gesch. der Stadt N¨urnberg 97 (2010) S. 45–109 (nach der N¨urnberger Hs.). Literatur: Ernst Mummenhoff, ADB 22 (1885) 444–451. – Helgard Ulmschneider, VL2 6 (1987) Sp. 713–718. – Gerhard Hirschmann, NDB 18 (1997) S. 569. – Carl v. Hegel: Niklas M.s Leben und Ende. In: Mitt. des Vereins f¨ur Gesch. der Stadt N¨urnberg 14 (1894) S. 227–236. – Paul Lehmann/Otto Glauning: Urteilsbrief des N¨urnberger Stadtgerichts unter Niklas M. auf eine Klage v. Paulus Schafhauser aus Augsburg (1462–1464). In: Ma. Hss.-Bruchst¨ucke der UB und des Georgianum zu M¨unchen (Zs. f¨ur Bibliothekswesen, Beiheft 72). Mu¨ nchen 1940, S. 167 f. – G. Hirschmann: Die Familie Muffel im MA. Ein Beitr. zur Gesch. des N¨urnberger Patriziats, seiner Entstehung und seines Besitzes. In: Mitt. des Vereins f¨ur Gesch. der Stadt N¨urnberg 41 (1950) S. 257–344. – Ders.: N. M. In: Fr¨ankische Lebensbilder 3 (1969) S. 50–68. – Ders.: N. M., Vorderster Losunger, 692

Rosenbusch 1410–1469. In: Ber¨uhmte N¨urnberger aus neun Jahrhunderten. Hg. v. Christoph Frhr. v. Imhoff. N¨urnberg 21989, S. 39–41. – Gerhard Fouquet: Die Aff¨are Niklas M. Die Hinrichtung eines N¨urnberger Patriziers im Jahre 1469. In: Vierteljahrschrift f¨ur Sozial- und Wirtschaftsgesch. 83 (1996) S. 459–500. – Nine Miedema: Die ‹Mirabilia Ro¨ mae›. Unters. zu ihrer Uberl. mit Edition der dt. und ndl. Texte. Tu¨ bingen 1996. – Georg Satzinger: Nikolaus V., N. M. und Bramante. Monumentale Triumphbogens¨aulen in Alt-St.-Peter. In: R¨omisches Jb. der Bibliotheca Hertziana 31 (1996) S. 91–107. – Europ¨aische Reiseber. des sp¨aten MA. Eine analytische Bibliogr. Hg. v. Werner Paravicini. Tl. 1 bearb. v. Christian Halm (Kieler Werkst¨ucke D: Beitr. zur europ¨aischen Gesch. des sp¨aten MA 5). Frankfurt/M. 22001, Nr. 48, S. 122 f. – G. Wiedmann: Der N¨urnberger Kaufmann N. M. in Rom (1452). In: Grand Tour. Adeliges Reisen und europ¨aische Kultur vom 14. bis zum 18. Jh. Akten der internationalen Kolloquien in der Villa Vigoni 1999 und im Dt. Hist. Inst. Paris 2000. Hg. v. Rainer Babel/W. Paravicini. Ostfildern 2004, S. 105–114. – Peter Fleischmann: Rat und Patriziat in N¨urnberg. Die Herrschaft der Ratsgeschlechter vom 13. bis zum 18. Jh. Bd. 2: Ratsherren und Ratsgeschlechter. Neustadt a. d. Aisch 2008. S. 709–732. – Fritz Fink: Niklas M., der N¨urnberger Losunger: Warum der Patrizier einst am Galgen endete. In: Neunhofer Land 33 (2008) S. 5–8. BJ Rindfleisch, Peter, † 1535. – Verfasser eines Berichts u¨ ber seine Pilgerfahrten. Der aus wohlhabender Breslauer Kaufmannsfamilie stammende R., der 1485 durch Friedrich III. geadelt wurde, reiste 1496 u¨ ber N¨urnberg und Venedig, wo er einen schriftlichen Pilgerf¨uhrer erwarb, ins Heilige Land, und hielt sich vierzehn Tage in Jerusalem und an den heiligen St¨atten auf, ehe er u¨ ber Venedig zur¨uckkehrte. 1506 pilgerte er zusammen mit seinem Knecht Hans von Bein von Antwerpen aus auf dem Landweg nach Santiago und kehrte am 28.1.1507 zur¨uck. W¨ahrend der Bericht u¨ ber die Reise ins Heilige Land genaue Reisedaten sowie Angaben u¨ ber Entfernungen und Reiseproviant bietet sowie die Gefahren und Schwierigkeiten der Reise schildert, sind u¨ ber R.s Wallfahrt nach Santiago nur kurze Notizen u¨ berliefert. ¨ Uberlieferung: G¨orlitz, Oberlausitzische Bibl. der Wiss., cod. Milich’sche Bibl. 8° 9., zur Zeit 693

Mitte 15. Jh. unter dieser Signatur in der UB Breslau. 95 Bll., 8° (Mitte 16. Jh., Titel: Walfart zum Heiligen Grabe Peter Rindfleischs Sehligen 1496). – Freiberg, Bibl. der Jakobskirche, Signatur unbekannt (18. Jh.; Abschrift der G¨orlitzer Hs. laut R¨ohricht/Meisner; verschollen). Ausgabe: Reinhold R¨ohricht/Heinrich Meisner: Dt. Pilgerreisen nach dem heiligen Lande. Berlin 1880, S. 315–348. Literatur: Volker Honemann, VL2 8 (1992) Sp. 80–82. – Theodor Hampe: Dt. Pilgerfahrten nach Santiago de Compostela. Nu¨ rnberg 1896. – Konrad H¨abler: Das Wallfahrtsbuch des Hermann K¨unig v. Vach und die Pilgerreisen der Deutschen nach Santiago de Compostela. Straßburg 1899. – Hans-Joachim Lepszy: Die Reiseber. des MA und der Reformationszeit. Diss. Hamburg 1952, S. 147 f., 152, 161, 163 f., 178. – Reinhold R¨ohricht: Bibliotheca geographica Palaestinae. Chronologisches Verz. der v. 333 bis 1878 verfaßten Lit. u¨ ber das Heilige Land. Berlin 1890. Verb. und verm. Neuausg. mit einem Vorw. v. David H. K. Amiran. Jerusalem 1963 (Nachdr. London 1989) Nr. 198. – Christiane Hippler: Die Reise nach Jerusalem. Unters. zu den Quellen, zum Inhalt und zur literarischen Struktur der Pilgerber. des Sp¨atMA (Europ¨aische Hochschulschr. 1,968). Frankfurt/M., Bern 1987. – Europ¨aische Reiseberichte des sp¨aten MA. Hg. v. Werner Paravicini. Tl. 1: Dt. Reiseberichte. Bearb. v. Christian Halm (Kieler Werkst¨ucke, Reihe D, Bd. 5). 2., durchges. und um einen Nachtr. erg. Aufl. Frankfurt/M. u. a. 2001, Nr. 110, S. 272 f.; Nr. 119, S. 295. BJ Rosenbusch, Johann (Rosenpusch), * um 1385, † nach 1453/vor 1461 Mu¨ nchen. – Mu¨ nchner Stadtarzt und Stadtschreiber. R. enstammte einem ostfr¨ankischen Ministerialengeschlecht und hat vermutlich in Paris die Artes und Medizin studiert (sich selbst bezeichnete er als «artium et medicine doctor»). 1411 trat er die Stellung als Stadtarzt von Mu¨ nchen an und wechselte 1416 ins Stadtschreiberamt, ohne seine medizinische Praxis aufzugeben. Er heiratete ins M¨unchner Patriziat ein, verlor aber Frau und eines seiner Kinder im Pestjahr 1439. Das Schreiberamt behielt er bis 1452 und war auch als juristischer Ratskonsulent t¨atig. Zu seine Pflichten z¨ahlte neben dem F¨uhren von Rechnungsb¨uchern oder Ratsprotokollen auch die Repr¨asentation der Stadt bei den Herz¨ogen und beim Kaiser. Auf medizinischem 694

Mitte 15. Jh. Gebiet d¨urfte R. einen signifikanten Einfluss auf die st¨adtische Medizinalpolitik vor allem in den Pestjahren 1420, 1430 und 1439 ausge¨ubt haben. Von R. sind lat. und dt. medizinische Fachschriften sowie chronikalische Aufzeichnungen zur Stadtgeschichte u¨ berliefert. Letztere finden sich in den st¨adtischen Rechnungsb¨uchern aus seiner Amtszeit. Sie gleichen den Mangel an M¨unchner Ratschroniken aus diesem Zeitraum zwar nicht aus, gew¨ahren mit vielen Details aber wertvolle Einblicke in die sp¨atma. Geschichte M¨unchens. Dar¨uber hinaus behandelt R. auch landes- und reichsgeschichtliche Themen wie die franz¨osische Invasion des Elsass und der Eidgenossenschaft, die Hussitengefahr oder das Schicksal Agnes Bernauers. R.s vier u¨ berlieferte medizinische Schriften (je zwei lat. bzw. dt.) sind in erster Linie di¨atetisch ausgerichtet. F¨ur den Dekan → Johannes von Indersdorf verfasste er das auf 1434 datierte Regimen pro sanitate, das sich den pers¨onlichen Beschwerden des Adressaten widmet (Schnupfen, H¨orsturz, Ohrger¨ausche, Ohnmachtsanf¨alle). Die zweite lat. Schrift, De sompno (1452), ist eine kurze Schlafanleitung. Der kleine Pesttraktat Decretum u¨ ber den gemain gebrech ist eine Kompilation aus Zusammenfassungen von oder Exzerpten aus diversen Pestschriften: → Pariser Pestgutachten, dt. Bearbeitung des Prager Sendbriefes des → Gallus von Prag, → Sinn der h¨ochsten Meister von Paris und → Brief an die Frauen von Plauen. Die fachlich selbstst¨andigste Leistung R.s auf medizinischem Gebiet ist Vill hubscher frag, warumb solich pestilencz regniert. Hier stellt er «epidemologische Fragen», die demographische Aspekte, Wohnverh¨altnisse und spezifische Unterschiede der epidemischen Auspr¨agung zwischen den Spezies (Mensch/Tier), Alters- oder Bev¨olkerungsgruppen einbeziehen. Hartmann → Schedel hat um 1495 versucht, diese Fragen («quaestiones») durch «responsiones» im Sinne einer systemgerechten scholastischen Deutung aufzulo¨ sen (M¨unchen, BSB, Clm 25060, 8r–10r; Abdr. Sudhoff [wie Ausg.] S. 143 f.). ¨ Uberlieferung: Chronikalische Notizen: Mu¨ nchen, Stadtarch., KR 1416–1452. – Ebd., ‹Erstes Zeugbuch› v. 1430 und ‹Zweites Zeugbuch› v. 1444 f. – Ebd., Saalb¨ucher (Segmente) 1416–1452. – Medizinische Schr.: M¨unchen, BSB, Clm 7744 (um 1450) 1r–3v («Regimen pro sanitate»), 95r–96v («Decretum»), 97r («Vill hubscher frag»); «Decretum» auch in: Ebd., Clm 7746, 695

Zerbster Ratschronik 196r–197v (um 1450). – «De sompno»: Ebd., Clm 7660, 209v–210r (um 1455). Ausgabe: Chronikalische Notizen: Fridolin Solleder: M¨unchen im MA. M¨unchen/Berlin 1938, S. 21, 393, 434, 448–451 (Ausz¨uge). – Medizinische Schr.: Karl Sudhoff: Pestschr. aus den ersten 150 Jahren nach der Epidemie des ‹schwarzen Todes› 1348 [Tl.] VII, [§§] 147 und 152. In: Arch. f¨ur Gesch. der Medizin 14 (1923) S. 1–25, 79–105, 129–168, hier S. 129–131 («Decretum»), 131 f. («Regimen pro sanitate», Teilabdr.), 132 f. («De sompno», Teilabdr.), 142 f. («Vill hubscher frag»). Literatur: Gundolf Keil/Marianne Halbleib, VL2 8 (1992) Sp. 179–182. – Carsten Kottmann, Encyclopedia of the Medieval Chronicle 2 (2010) S. 1296 f. – G. Keil: Die ‹Cirurgia› Peters v. Ulm. Unters. zu einem Denkmal altdt. Fachprosa mit krit. Ausg. des Textes (Forsch. zur Gesch. der Stadt Ulm 2). Heidelberg 1960, S. 115–118. – Ralph G¨unther Brachvogel: Krit. Gedanken zur Wasserzeichenkunde als Datierungshilfe. In: Acta congressus internationalis historiae pharmaciae, Pragae MCMLXXI (Ver¨off. der Internationalen Ges. f¨ur Gesch. der Pharmazie NF 38). Stuttgart 1972, S. 45–50. – Ders.: Das ‹M¨unchner Salbenbuch›. Diss. Mu¨ nchen 1973, S. 1 f., 9 f. u. o¨ . VZ Zerbster Ratschronik. – Prosachronik. Der unbekannte, lateinkundige Verfasser der Chronik, die laut Prolog 1451 von zehn genannten Zerbster Ratsherren in Auftrag gegeben wurde, war vermutlich Stadtschreiber. Dieses Amt hatte 1448 Nicolaus Jodeke inne. Die Meinung der fr¨uhesten Forschung, dass der Ratsherr und ehemalige B¨urgermeister Peter Becker (um 1385–nach 1461) die Chronik verfasst habe, kann als erledigt gelten. Die «als Informationsquelle f¨ur die st¨adtische Machtpolitik» (Dunphy) konzipierte Chronik (Inschrift auf dem Pergamentumschlag: «sal nyemant lesen, er sie denn met eyden der stadt verwandt!») umfasst die Geschichte der Stadt Zerbst von 1259 bis 1445. Im Zentrum steht die Darstellung der Privilegien der Stadt. Die Chronik, die sich ausf¨uhrlich dem Prozess gegen Becker widmet, bricht nach dem 1440 von Markgraf Friedrich von Brandenburg geschlossenen Frieden ab. ¨ Uberlieferung: Zerbst, Stadtarch., Hs. III,1 (Perg.; vermutlich Autograph des Verfassers; verschollen). – Zwei Abschriften des 15./16. Jh.: Oranienbaum, Landesarch., LAO, U II, Nr. 814 (olim 696

Wolfgang von Steyr Zerbst, ehem. Herzogliches Haus- und Staatsarch., GAR I fol. 344 b Nr. 17); die zweite, ehem. GAR V fol. 275 b Nr. 19, ist verschollen. Ausgaben: Franz Kindscher (Hg.): Peter Beckers Zerbster Chron. In: Urkundenslg. zur Gesch. von Anhalt. Hg. v. dems. Dessau 1858. – Die Z. R. Neu hg. v. Hermann W¨aschke. Dessau 1907. – Die Z. ¨ R. Ubers. v. dems. Dessau 1907. Literatur: Raymond Graeme Dunphy, VL2 10 (1999) Sp. 1544 f. – s. Ausgaben. – Reinhold Specht: Gesch. der Stadt Zerbst. 2 Bde. Dessau 1998. BJ Stralsunder Chroniken. Die seit dem 16. Jh. belegte Bezeichnung (Chron[icon] Sund[ense]) ist nicht der Titel eines bestimmten Werks, sondern ist als Sammelbegriff f¨ur im 15./16. Jh. entstandene chronikalische Texte zu verstehen. Im Zentrum der u¨ berlieferten, in annalistischer Form berichtenden Texte steht die Geschichte Stralsunds; gelegentlich werden auch Geschehnisse in norddt. und skandinavischen L¨andern aufgezeichnet. ¨ Uberlieferung: Stralsund, Stadtarch., Hss. 39, ¨ 144, 185. – Wien, ONB, cod. 2982, 1r–25r (15. Jh.). Ausgaben: Gottlieb Mohnike/Ernst Zober: Stralsundische Chronik. I. Stralsund 1833, S. 159–224 (Ausz¨uge aus Stralsundischen Chron. von 1230 bis 1521). – E. Zober: Eine alte Stralsunder Chron. Stralsund 1842. – Rudolf Baier: Zwei Stralsundische Chron. des f¨unfzehnten Jh. Stralsund 1893, S. 1–11 (‹Stralsundische Chronik A› von 1124 bis 1482) und S. 13–47 (‹Stralsundische Chronik B› von 844 bis 1495). – Ders.: Bruchst¨ucke einer stralsundischen Chron. In: Pommersche Jbb. 1 (1900) S. 51–76. Literatur: Klaus Wriedt, VL2 9 (1992) Sp. 371 f. – Einleitungen zu den Editionen. – Karl Koppmann: Rundschau u¨ ber die Litteratur der hansischen Gesch. In: Hansische Geschichtsbll. 1872 (1873) S. 163–165. – Robert Geerds: Das Chronicon Sundense. Diss. Leipzig 1889. – Repertorium fontium historiae medii aevi 3 (1970) S. 452 f., 455. – Ralf Lusiardi: Stiftung und st¨adtische Ges. Religi¨ose und soziale Aspekte des Stiftungsverhaltens im sp¨atma. Stralsund (Stiftungsgeschichten 2). Berlin 2000, S. 39. BJ Wolfgang von Steyr OSB, * 1402 Steyr, † 7.3. ¨ 1491/98 Melk. – Schriftsteller, Ubersetzer. W. studierte an der Universit¨at Wien und trat 1425 in das Benediktinerkloster Melk ein, wo er 697

Mitte 15. Jh. 1426 die Profess ablegte. Sp¨atestens 1433 zum Priester geweiht, hielt er sich 1435 in Steyr auf und war 1436 vor¨ubergehend Prior im Salzburger Kloster St. Peter. 1437 predigte er in Melk, wurde aber noch im selben Jahr Prior in Kleinmariazell. Er hatte das Amt bis 1452 inne, kehrte zwischenzeitlich aber 1451 mit dem Abt Laurenz Gruber als Visitator nach Melk zur¨uck. Nach einer Zwischenstation im nieder¨osterreichischen Pfaffst¨atten war W. zuletzt 1463–65 Prior in Melk. W. ist als Schreiber mehrerer Melker Handschriften nachweisbar und wird in einigen F¨allen auch ¨ als Verfasser und Ubersetzer meist lat. Texte vermutet. Sicher von W. stammt das als sein Hauptwerk geltende und als Autograph erhaltene Itinerarium. Der annalistisch angelegte Text reicht vom Konstanzer Konzil bis 1463 und versammelt autobiographische Notizen W.s sowie Daten zur Geschichte Melks, besonders zur Klosterreform. Die Reinschrift des Werks erfolgte 1464, wurde jedoch sp¨ater noch erg¨anzt. Erw¨ahnenswert sind weiterhin ¨ W.s dt. Ubersetzungen einer Reihe lat. Predigten, ¨ die er auch als Schreiber festhielt. Als Ubersetzungen W.s gelten darunter prim¨ar vier Predigten von ¨ Thomas → Ebendorfer, als wahrscheinliche Ubersetzungen auch Predigten → Bernhards von Clairvaux und → Heinrichs von Langenstein. An kleineren Werken wird W. zun¨achst die Descriptio dedicationis ecclesie Mellicensis monasterii zugeschrieben, in der er den Bau und die Weihe (1429) der Stiftskirche in Melk darstellt. Wohl um 1436 entstand W.s Tractatus de spirituali vita animae, zu dem in einer weiteren Handschrift auch Exzerpte u¨ berliefert sind. W. war neben Johannes → Schlitpacher wahrscheinlich auch am Melker Tractatus de tribus formis eligendi prelatum beteiligt, der bei W. De electione praelatorum benannt ist und wohl nach 1453 von ihm bearbeitet wurde. 1467 verfasste W. einen textkritischen Kommentar zur Benediktinerregel. ¨ Verschiedentlich wird er auch als Ubersetzer des Petrarca-Briefs XI,11 ins Deutsche angesehen. Ungekl¨art ist W.s genaue Rolle in der Reform der Melker Klostermusik. Ihm wird heute eine Handschrift (cod. 950) von 1462 zugeschrieben, in der Tonare, Traktate und ein dt. Marienlied mit Text und Melodie verzeichnet sind. W. k¨onnte nur als Schreiber agiert haben, ebenso aber als Bearbeiter ¨ oder gar Ubersetzer des Lieds. ¨ Aufgrund der Uberlieferungssituation ist die Zuschreibung einzelner Werke an W. bis heute nicht 698

Mitte 15. Jh. abschließend gekl¨art. Als Selbstzeugnis eines Melker Mo¨ nchs in der Bl¨utezeit des Klosters ist W.s Itinerarium aber eine wichtige Quelle, auch wenn W. sicher nicht den Rang eines Schlitpacher erreichte. ¨ Uberlieferung: Itinerarium: Melk, Stiftsbibl., cod. 46 (fr¨uher 959/H 17), 157r–159r (nach 1486, Autograph). – Dt. Predigt¨ubers.: Ebd., cod. 1794, 37r–67v, 84v–97v (15. Jh., Autograph). – Weitere m¨ogliche Werke W.s als Autor oder Schreiber in den Melker Hss. 94, 787, 950, 984, 1098, 1101, 1916. Ausgaben: Chronicon Mellicense Seu Annales Monasterii Mellicensis [...]. Hg. v. Anselmus Schramb. Wien 1702, S. 372–374. – Itinerarium venerabilis patris Wolfgangi de Stira. In: Scriptores rerum Austriacarum 2. Hg. v. Hieronymus Pez. Leipzig 1725, Sp. 445–457. Literatur: Freimut L¨oser, VL2 10 (1999) Sp. 1348–1352. – Harald Tersch, BBKL 24 (2004) Sp. 1579–1581. – Alphons Lhotsky: Thomas Ebendorfer. Ein osterr. ¨ Geschichtsschreiber, Theologe und Diplomat des 15. Jhs. (Schr. der MGH 15). Stuttgart 1957 (Nachdr. ebd. 1975) S. 86 f. – ¨ Ders.: Quellenkunde zur ma. Gesch. Osterreichs. Graz/K¨oln 1963, S. 353 f. – Joachim Angerer: Lat. und dt. Ges¨ange aus der Zeit der Melker Reform. Probleme der Notation und des Rhythmus, bezogen auf den hist. Hintergrund und verbunden mit einer Edition der wichtigsten, durch die Reform eingef¨uhrten Melodien. Wien 1979, S. 36 f., 151–157. – Burkhard Ellegast: Die Anf¨ange einer Textkritik zur Regel des heiligen Benedikt in den Kreisen der Melker Reform (15. Jh.). In: Stift Melk. Gesch. und Gegenwart 3 (1983) S. 8–92. – Meta Bruck: Descriptiones codicum historicorum medii aevi (2). Codex Mellicensis 391. In: Mitt. aus dem Nieder¨osterr. Landesarch. 8 (1984) S. 31–44, hier S. 38 f. – Dies.: Profeßbuch des Klosters Melk. 1. Tl.: 1418–1452. In: Stift Melk. Gesch. und Gegenwart 4 (1985) S. 79–202, hier S. 119–122. – Joachim Knape: Petrarcas Brief u¨ ber die Definition des ¨ Lebens (Sen XI,11) in einer Melker Ubers. des 15. Jhs. In: ZfdA 122 (1993) S. 312–327. – M. Bruck: Die Melker Reform im Spiegel der Visitationen. Wien 1994, S. 86 f., 143 f. u. o¨ . – H. Tersch: W. ¨ v. S. (1402–1498), Itinerarium. In: Ders.: Osterr. Selbstzeugnisse des Sp¨atMA und der Fr¨uhen Neuzeit (1400–1650). Eine Darstellung in Einzelbeitr. Wien u. a. 1998, S. 66–71. MM 699

Wolfgang von Steyr Brunner, Johannes (Prun[n]er, Hans). – Verfasser eines politischen Lieds, Mitte 15. Jh. Im 15. Jh. ist ein Hans B. mehrfach als St. Galler B¨urger bezeugt. Dieser k¨onnte identisch sein mit dem Verfasser eines Spottlieds auf den St. Galler Abt Kaspar von Breitenlandenberg in 14 stolligen Stro¨ phen. Uber dessen Autor und Herkunft heißt es in Strophe 13: «si sprechent, Johannes Pruner hab es von Costanz bracht». Das Lied d¨urfte um 1451 entstanden sein im Zuge des Konfliktes zwischen Stadt und Stift in Folge st¨adtischer Autonomiebestrebungen. Kaspar wird scharf angegriffen. Die Strophen 11 und 12 sind vielleicht sp¨ater eingeschoben worden, nachdem der Abt als Finte gegen die Stadt eine Aufnahme in das eidgen¨ossische Landrecht erreicht hatte. Wahrscheinlich unterlagen dann auch ¨ die letzten beiden Strophen einer Uberarbeitung, was die ohnehin eingeschr¨ankte Zuverl¨assigkeit der Autorangabe mindert. ¨ Uberlieferung: St. Gallen, Stiftsarch., Bd. 87, S. 297 f. und Bd. 91, 235r–236r. Ausgaben: Liliencron 1 (1865) S. 441–443. – Ludwig Tobler: Schweizerische Volkslieder Bd. 2 (Bibl. a¨ lterer Schriftwerke der dt. Schweiz 5). Frauenfeld 1884, S. 39–34. – Cramer 1 (1977) S. 83–85. Literatur: Max Wehrli, VL2 1 (1978) Sp. 1062. – Liliencron 1 (1865) S. 440–443. – L. Tobler: Schweizerische Volkslieder. Bd. 1 (Bibl. a¨ lterer Schriftwerke der dt. Schweiz 4). Frauenfeld 1882, S. XXVI. – Cramer 1 (1977) S. 426. – Viktor Schlumpf: Die frumen edelen puren (Arbeiten aus dem hist. Seminar der Univ. Z¨urich 19). Z¨urich 1969, S. 85. – Ulrich M¨uller: Unters. zur politischen Lyrik des dt. MA. (GAG 55/56). 2 Bde. G¨oppingen 1974, Reg. VZ Jakob von Ratingen (auch Iacob vsn Rotynge, Jocob von Rotingen, Jacop van Roten, Jacob van Raetyngen, Jacob von Rotingen). – Verfasser eines antisemitischen Lieds. J. ist nur durch eine Eigennennung in einem mnd. Lied nachweisbar. Aus dem Wortschatz des Textes hat die Forschung auf eine geistliche Ausbildung des Verfassers geschlossen. Das Lied schildert in 19 achtzeiligen Strophen mit Kreuzreimen, wie Juden im Breslau des Jahres 1453 angeblich eine Hostie sch¨andeten. Der schlichte Text ist mit religi¨osen Akzenten (Wunderzeichen) und antisemitischen Spitzen angereichert, etwa in seiner gen¨usslichen Schilderung der Bestrafung der vermeintlichen Hostiensch¨ander. J.s Lied ist in f¨unf 700

Luneburger ¨ Pr¨alatenkrieg Fassungen erhalten, die sich u. a. in der L¨ange unterscheiden. So gibt es Fassungen mit nur 15 oder 18 Strophen. Die gleiche angebliche Hostiensch¨andung wie in J.s Lied ist auch in einem Brief des Wiener Ratsherren und Abgesandten Oswald Reicholf erw¨ahnt. ¨ Uberlieferung: Kopenhagen, Kgl. Bibl., GKS Cod. 3401,8°, 992r–992v, 999r–1000v (Pap.). – Berlin, SBB, Mgo 185, S. 188–193 (Pap., 15. Jh.). – Wolfenb¨uttel, HAB, cod. Helmst. 1140, 106v–107r (15. Jh.). – Marburg, UB, Mscr. 54, 190r–192r (Pap. und Perg., 1461/79). – Wienhausen, Klosterbibl., Ms. 9, 18r–19v (Pap., nach 1480, sog. Wienh¨auser Liederbuch). – Werden, Pfarrarch., Nr. 21 (Pap., um 1500/30, sog. Werdener Liederbuch). Ausgaben: Horae belgicae 10. Hg. v. August Heinrich Hoffmann von Fallersleben. Hannover 1854 (Nachdr. Amsterdam 1968) S. 235–238. – Franz Jostes: Eine Werdener Liederhs. aus der Zeit um 1500. In: NdJb 14 (1888) S. 60–89, hier S. 86–88. – Jakobs v. Ratingen Lied auf das Breslauer Hostienmirakel. Hg. v. Edward Schr¨oder. In: NdJb 16 (1890) S. 41–44. – Karl Sch¨uddekopf: Das Breslauer Judenlied Jacobs von Ratingen. In: Korrespondenzbl. des Ver. f¨ur nd. Sprachforschung 17 (1893) S. 6–10. – Paul Alpers: Das Wienh¨auser Liederbuch. In: NdJb 69/70 (1943–47) S. 1–40, hier S. 14–16 (nach dem Wienh¨auser Liederbuch). – ‹Mein Seel fang an zu singen›. Religi¨ose Frauenlieder des 15.–16. Jh. Krit. Stud. und Textedition. Hg. v. Albrecht Classen. L¨owen u. a. 2002, S. 47–51 (nach dem Wienh¨auser Liederbuch). – Vgl. auch die Ausg. zum Wienh¨auser Liederbuch und Werdener Liederbuch. Literatur: Thomas Cramer, VL2 4 (1983) Sp. 487; 11 (2004) Sp. 756. – De Boor/Newald 4/1 (21994) S. 189. – Marcus Brann: Gesch. der Juden in Schlesien 4. Breslau 1907, S. 120–144. – Marie Josepha: Das geistliche Lied der Devotio moderna. Ein Spiegel ndl.-dt. Beziehungen. Nijmegen 1930, S. 27–34. – L´eon Poliakov: Gesch. des Antisemitismus 2. Worms u. a. 1978, S. 20 f. u. o¨ . – Hermina Joldersma: Specific or Generic ‹Gentile Tale›? Sources on the Breslau Host Desecration (1453) Reconsidered. In: Arch. f¨ur Reformationsgesch. 95 (2004) S. 6–33. MM Luneburger ¨ Pr¨alatenkrieg. – Drei historische nd. Lieder, Mitte 15. Jh. Der L. P. von 1454 bis 1456, das zentrale Ereignis der sp¨atma. Stadtgeschichte L¨uneburgs, wird neben der Thematisierung in der Chronistik (vgl. 701

Mitte 15. Jh. → Chronik des Anonymus vom P., Dirick D¨oring, Hinrik Lange) auch in drei Liedern aufgegriffen. Das erste Lied umfasst nach einer f¨unfzeiligen Eingangsstrophe 26 sechszeilige Strophen. Die u¨ berlieferte Gestalt ist eine Kompilation, die 1455–57 entstanden sein d¨urfte: Teils beziehen sich die Strophen kritisch auf den alten Stadtrat (2–6, 16–26), teils auf den neuen (7–15). Bei der letzten Strophe ist der Bezug offen. Das zweite Lied weist in 25 f¨unfzeiligen Strophen die Schuld an den verheerenden Ereignissen Dietrich Schaper zu, dem Propst des Benediktinerinnenklosters L¨une. Die Abfassung dieses Liedes ist wahrscheinlich kurz nach 1457 erfolgt. Das letzte der Lieder beklagt aus der Sicht des alten Rats in 13 f¨unfzeiligen Strophen das Schicksal Johann Springintguts, des ehemaligen B¨urgermeisters, der 1455 in Gefangenschaft eines ungekl¨arten Todes starb. ¨ Uberlieferung: Acht Hss. aus dem 16./17. Jh., die bis auf zwei jeweils alle drei Lieder u¨ berliefern. Zwei Hss. u¨ berliefern nur eine Kurzform von Lied 1. – Referenzhs.: L¨uneburg, Stadtarch., AB 1116a, 132r–137r (Pap., 1563, ‹Tzerstede Cod.›; enth¨alt auch die ‹Chron. des Anonymus vom P.›). – Zur ¨ weiteren Uberl. s. Conrad Borchling: Mnd. Hss. in Norddeutschland und den Niederlanden. 1. Reiseber. In: Nachrichten v. der Kgl. Ges. der Wiss. zu G¨ottingen, Philol.-hist. Kl., Gesch¨aftliche Mittheilungen 1898. G¨ottingen 1899, S. 79–316, hier S. 152 f., 157 f., 119–222. – Ders.: Mnd. Hss. in Skandinavien, Schleswig-Holstein, Mecklenburg und Vorpommern. Zweiter Reiseber. (Nachr. von der Kgl. Ges. der Wiss. zu G¨ottingen, Philol.-hist. Kl. 1900 (Beih.). G¨ottingen 1900, S. 199. – Ders.: Mnd. Hss. in Wolfenb¨uttel und einigen benachbarten Bibl. Dritter Reiseber. Ebd. 1902 (Beih.). G¨ottingen 1902, S. 99 f., 145 f., 147. – VL2 5 (1985) Sp. 1066. – Droste (s. Lit.) S. 454–457. Ausgaben: Liliencron 1 (1865) S. 471–480 (Nr. 101–103). – Wilhelm Reinecke, in: Die Chron. der nieders¨achsischen St¨adte: L¨uneburg (Chron.dt.St. 36) Stuttgart 1931 (Nachdr. G¨ottingen 1968) S. 341–343, 396–409. Literatur: Uta Reinhardt, VL2 5 (1985) Sp. 1065 f.; 11 (2004) Sp. 941. – Liliencron (1865) S. 466–471. – Reinecke (s. Ausg.) S. 339–342. – Ulrich M¨uller: Unters. zur politischen Lyrik des MA. Bd.1 (GAG 55). G¨oppingen 1974, S. 242 f. – Heiko Droste: Wandel v. Funktion und Gebrauchssituation der L¨uneburger Historiographie (1350 bis 702

2. H¨alfte 15. Jh. 1639) (Ver¨off. der Hist. Kommission f¨ur Niedersachsen und Bremen 195). Hannover 2000, S. 109 f. VZ

Reise, Nikolaus (Clesse/Klesse, Clas/Klas [?]), * vor 1400 Mainz, † 1462 (?) Mainz. – Mainzer Patrizier, dem eine Prosachronik seiner Heimatstadt zugeschrieben wird. R. war Ratsmitglied, wurde 1441 Rechenmeister des Rats und 1444 B¨urgermeister seiner Heimatstadt. M¨oglicherweise ist er der Verfasser der Chronik von alten Dingen der Stadt Mainz. Der Text ist anonym u¨ berliefert, enth¨alt aber einen Hinweis auf einen «Clesse». Die Annahme, hier handle es sich um eine Autornennung, beruht allerdings auf einer Konjektur (Wyss [s. Lit.] S. 38: «mit Clesse» zu «mir Clesse»; der Herausgeber Hegel geht noch von einem anonymen Verfasser aus), und die Identifizierung dieses «Klesse» (als Form von «Nikolaus») mit R. ist spekulativ. Gesichert ist einzig, dass der Urheber der tagebuchartigen und detailreichen Chronik Patrizier war, denn er bezeugt selbst seine Zugeh¨origkeit zu den «Geschlechtern» und schreibt dezidiert aus deren Perspektive. Der Text wurde zum gr¨oßten Teil 1446 verfasst und beschreibt im Haupteil die Stadtgeschichte von 1332–1444 mit einem Anhang zu den Jahren 1445–52. Die Reichs- oder Bistumsgeschichte wird kaum ber¨uhrt. Voran geht ein Bericht u¨ ber die Gew¨ahrung der st¨adtischen Privilegien durch den Erzbischof (1135 und 1229). Im Zentrum der chronikologischen Erz¨ahlung stehen die Konflikte des patrizisch dominierten Rats mit anderen Interessengruppen in Mainz wie z. B. das Zerw¨urfnis zwischen Rat und den Z¨unften (1332 beigelegt) oder die Absetzung des Rates 1444 (vgl. hierzu auch Jacob → Stoßelin und Eberhard → Windeck). Der Anhang schildert die Auseinandersetzungen der Stadt mit dem Klerus. Innerhalb des gesamten Textverlaufs sind zahlreiche Urkunden, Korrespondenzen und Protokolle als Belege f¨ur die historischen Darstellungen inseriert. ¨ Uberlieferung: Frankfurt/M., UB, Ms. germ. qu. 51, 5r–345v (Pap., drittes Viertel 15. Jh., rheinfr¨ankisch). – Darmstadt, Staatsarch., C 1 Nr. 213, 1r–27r, 53rv (Pap., 15./16. Jh.). – Zu Abschriften der Frankfurter Haupths. aus dem 18. Jh. vgl. Weiland (s. Lit.) S. 67–69 und Hegel (s. Ausg.) S. XXII–XXIV. 703

Reise Ausgabe: Carl Hegel: Chron. v. alten Dingen der Stadt Mainz (Chron. der mittelrheinischen St¨adte. Mainz. Bd. 1 [Chron.dt.St. 17]. Leipzig 1881 (Nachdr. Stuttgart 1968) S. 1–352; vgl. auch Wyss 1883 (s. Lit.) S. 40–44. Literatur: Thomas Frenz, VL2 7 (1989) Sp. 1214 f. – Gesine Mierke, Encyclopedia of the Medieval Chronicle 2 (2010) S. 1269. – Ludwig Weiland: Beschreibung einer Hs. der UB Gießen. In: Neues Arch. der Ges. f¨ur a¨ ltere dt. Geschichtskunde 4 (1879) S. 59–85. – Hegel (s. Ausg.) S. XI–XXIV. – Ders.: Chron. der mittelrheinischen St¨adte. Mainz. Bd. 2 (Chron.dt.St. 18) 2. Tl., S. 244–246. – Arthur Wyss: Zur Gesch. der Stadt Mainz im MA. In: Westdt. Zs. f¨ur Gesch. und Kunst 3 (1883) S. 35–63, hier S. 35–44. – ¨ C. Hegel/A. Wyss: Uber die Ausg. der Mainzer Chron. In: ebd., S. 398–417, hier S. 398–404, 409 f. – Johannes Bernhard Menke: Geschichtsschreibung und Politik in den dt. St¨adten des Sp¨atMA. In: Jb. des k¨olnischen Geschichtsver. 33 (1958) S. 1–84 und 34/35 (1960) S. 85–194, hier 34/35, S. 136–146. – Repertorium fontium historiae medii aevi 3 (1970) S. 378. – Birgitt Weimann: Die ma. Hss. der Gruppe Manuscripta Germanica (Kat. der St und UB Frankfurt/M. 5,4). Frankfurt/M. 1980, S. 59–61. VZ Vetter, Jakob. In den letzten beiden Strophen eines politischen Liedes nennt sich der Verfasser «Jacob Veter aller welt spiegler». Das 30 Strophen zu acht Versen (Kreuzreim) umfassende Lied hat die Einsetzung des Ladislaus Postumus zum o¨ sterr. Regenten 1452 zum Thema. ¨ Uberlieferung: Mu¨ nchen, BSB, Cgm 1113, 131r–132v (Pap., um 1400, Nachtragshand g, bair.o¨ sterr.). – Fulda, LB, Cod. B 21 (fr¨uher Weingarten, Klosterbibl., G 4), 119r–120v (Pap., 1579–94). Ausgaben: [Joseph] Chmel, in: Sb. Akad. der Wiss. in Wien, Philos.-Hist. Kl. 5, 2 (1850) S. 609–612. – Liliencron 1 (1865) Nr. 99. – Ulrich M¨uller: Politische Lyrik des dt. MA. Bd. 2 (GAG 84). M¨unchen 1974, S. 173–178 (Text), S. 328 (Komm.). – Cramer 3 (1982) S. 352–359. Literatur: Liliencron 1 (1865) S. 452–455. – Cramer 3 (1982) 575. – Isolde Neugart, VL2 10 (1999) Sp. 321 f. – Mu¨ ller (s. Ausg.). – Ders.: Unters. zur politischen Lyrik des dt. MA (GAG 55/56). G¨oppingen 1974. BJ 704

Georgenberger Chronik Frank, Johannes (Fanck) OSB, † 19.5.1472 Augsburg. – Chronist, Illustrator. Seit 1447 in Augsburg nachweisbar, lebte F. seit 1451 im dortigen Kloster St. Ulrich und Afra. Er legte 1452 die Profess als Benediktiner ab, war seit etwa 1454 im Skriptorium des Klosters t¨atig und erhielt 1458 die Priesterweihe. Als geschickter Illuminator illustrierte F. u. a. 1459 mehrere Chorb¨ucher. Als sein Hauptwerk gilt die sog. Augsburger Chronik. Nach Jahren geordnet, schildert der Text f¨ur die Jahre 1430 bis 1462 Ereignisse in der Stadt Augsburg, in F.s Kloster und im Umland. Besondere Aufmerksamkeit widmet die schmucklos geschriebene Chronik Johannes von Capistrano, der 1454 in Augsburg predigte. ¨ Uberlieferung: Augsburg, Bistumsarch., Hs 79, 237r–257r (Pap., Augsburg, um 1467–1506, schw¨abisch). Ausgaben: Fr. Johannes Frank’s Augsburger Annalen 1430–1462. Hg. v. Anton Steichele. In: Arch. f¨ur die Gesch. des Bisthums Augsburg 2 (1858) S. 78–122. – Die Chroniken der schw¨abischen St¨adte: Augsburg 5 (Die Chroniken der dt. St¨adte vom 14. bis ins 16. Jh. 25). Hg. v. Friedrich Roth. Leipzig u. a. 1896 (Nachdr. G¨ottingen 1966) S. 295–340. Literatur: Wolfram Schnitt, VL2 2 (1980) Sp. 800; 11 (2004) Sp. 451 f. – Benedikt Kraft/ Eduard Gebele: Die Hss. der Bisch¨ofl. Ordinariatsbibl. in Augsburg. Augsburg 1934, S. 46, 93. – Dieter Weber: Geschichtsschreibung in Augsburg. Hektor M¨ulich und die reichsst¨adtische Chronistik des Sp¨atMA. Augsburg 1984, S. 39–46 u. o¨ . – Klaus Graf: Ordensreform und Lit. in Augsburg w¨ahrend des 15. Jh. In: Literarisches Leben in Augsburg w¨ahrend des 15. Jh. Hg. v. Johannes Janota/Werner Williams-Krapp. T¨ubingen 1995, S. 100–159. – Peter Johanek: Geschichtsschreibung und Geschichts¨uberl. in Augsburg am Ausgang des MA. In: ebd., S. 160–182. – Eberhard K¨onig: Augsburger Buchkunst an der Schwelle zur Fr¨uhdruckzeit. In: Augsburger Buchdruck und Verlagswesen v. den Anf¨angen bis zur Gegenwart. Hg. v. Helmut Gier/J. Janota. Wiesbaden 1997, S. 173–200, hier S. 192–195. – Anna Bartl: Der ‹Liber illuminista¨ rum› aus Kloster Tegernsee. Edition, Ubers. und Komm. der kunsttechnologischen Rezepte. Stuttgart 2005, S. 33 f. – Christine Beier: Producing, Buying and Decorating Books in the Age of Gutenberg. The Role of Monasteries in Central Europe. In: Early Printed Books as Material Objects. 705

2. H¨alfte 15. Jh. Proceedings of the Conference Organized by the IFLA Rare Books and Manuscripts Section, Munich, 19–21 August 2009. Hg. v. Bettina Wagner/ Marcia Reed. Berlin 2010, S. 65–82, hier S. 76 f. MM Georgenberger Chronik. – Zipser Prosachronik, zweite H¨alfte 15. Jh. Der Name dieser anonymen dt. Prosachronik beruht auf dem Herkunftsort ihrer einzigen u¨ berlieferten Handschrift, dem in der nordslowakischen Zips gelegenen Georgenberg (Spiˇssk´a Sobota, Szepesszombat, heute zu Poprad). Die G. C. ist in erster Linie eine K¨onigschronik f¨ur die Zeit von 997 bis 1454. Im Mittelpunkt stehen u¨ berwiegend die ungarischen K¨onige; die Keuzz¨uge werden ebenfalls behandelt. Nur f¨ur die j¨ungere Zeit stellt die G. C. auch Ereignisse der Zipser Region dar. Die Zipser selbst werden in dem Werk als treue Untertanen der ungarischen K¨onige pr¨asentiert. Dies verweist auf den politischen Hintergrund der G. C. Die St¨adte der Zips besaßen zahlreiche Privilegien, die sie sich erhalten wollten. Konsequent betont die Chronik also die enge Verbundenheit der Zipser zu jenen K¨onigen, die u¨ ber diese Privilegien entschieden. In diesem Kontext u¨ berliefert die G. C. auch die sog. Zipser Willk¨ur, das um 1370 entstandene Sonderrecht der Zipser St¨adte. Als historische Quellen dienten der G. C. prim¨ar → Martin von Troppau und die Wiener Bilderchronik (auch Ungarische Bilderchronik, Chronica de gestis Hungarorum). Eine Rezeption erfuhr die G. C. etwa im 17. Jh. durch die Leutschauer Chronik des Kaspar Hain. ¨ Uberlieferung: Poprad, Staatl. Kreisarchiv, cod. 14 (Kat.nr. 656), 5v–10v (Pap., zweite H¨alfte 15. Jh.). Ausgaben: K´alm´an Demk´o: A szepesszombati kr´onika. (Szepesmegyei To¨ rt´enelmi T´arsulat e´ vk¨onyve 7). L¨ocse 1891. – Chronicon, quod conservatur in Monte Sancti Georgii. Szepesszombat, Georgenberg, Spiˇska-Sobota. Hg. v. Imre Szentp´etery. In: Scriptores Rerum Hungaricarum. Bd. 2. Hg. v. B´ela Puk´anszky. Budapest 1938, S. 273–287. – Spisskosobotsk´a kronika. In: Kroniky stredovek´eho Slovenska, stredovek´e Slovensko ocami kr´al’ovsk´ych a mestsk´ych kronik´arov. Hg. v. Ju´ lius Sopko. Budmerice 1995, S. 104–111. Literatur: Peter Johanek, VL2 2 (1980) Sp. 1206 f.; 11 (2004) Sp. 515 f. – De Boor/Newald 4/1 (21994) S. 157, 769. – Gerhard Eis/Rainer Rudolf: Altdt. Schrifttum im Nordkarpatenraum. 706

2. H¨alfte 15. Jh. Mu¨ nchen 1960, S. 45 f. – Repertorium fontium historiae medii aevi 3. Hg. Istituto Storico Italiano per il Medio Evo. Rom 1970, S. 345. – Ulrich-Dieter Oppitz: Dt. Rechtsb¨ucher des MA 2. K¨oln u. a. 1990, S. 465 (Nr. 417a). – Ju´ lius Sopko: Spisskosobotsk´a kronika. In: Historick´a revue 5 (1994) H. 1, S. 18–26. – Ilpo Tapani Piirainen: Acht Chron. des Sp¨atMA und der Fr¨uhen Neuzeit aus der Zips/Spiˇs. Ein Beitr. zur deutschsprachigen Geschichtslit. in der Slowakei. In: Dt. Sprache in der Slowakei 2. Gesch., Gegenwart und Didaktik. Hg. v. I. T. Piirainen/J¨org Meier. Wien 2004, S. 65–78. MM ¨ Altere Hochmeisterchronik (Chronica Prutenorum ab anno MCXC usque ad MCCCXC; Chronicon Samiliarum; Alte Preußische Chronik; Zamehlsche Chronik). – Deutschordenschronik in dt. Prosa, zweites Drittel 15. Jh. Ein unbekannter Ordensgeistlicher erstellte in Preußen zwischen 1433 und 1440 eine ostmitteldt. Deutschordenschronik, die 1190 einsetzt und bis 1433 reicht. F¨ur die a¨ ltere Zeit zog der Verfasser die Livl¨andische Reimchronik, die Livl¨andische Chronik → Hermanns von Wartberge, das Hochmeisterverzeichnis und vor allem → Nikolaus von Jeroschin heran. Ausz¨ugen aus dessen gereimter Kronike von Pruzinlant – in k¨urzender Prosaparaphrase – ver¨ H. fast drei Viertel ihres Gesamtumdankt die A. fangs. Gelegentlich sind sogar noch Reime aus Nikolaus’ Chronik enthalten. Ab der zweiten H¨alfte des 14. Jh. kann sich der Verfasser auf m¨undliche Berichte sowie Relationen und Urkunden der Ordenskanzlei st¨utzen. Trotz ihrer geringen literarischen Kunstfertigkeit ¨ H. offensichtlich von zahlreichen wurde die A. Kommenden benutzt. Drei ostmitteldt. Fortsetzungen der Chronik sind unabh¨angig voneinander entstanden: Die erste (f¨ur die Jahre 1433–55) bietet die Vorgeschichte des Dreizehnj¨ahrigen Krieges und die ersten Kriegshandlungen mit entschiedener Parteinahme f¨ur den Orden. Die zweite, k¨urzere enstand nach 1454 und umfasst die Jahre 1431–38. Ihr Verfasser d¨urfte einer obd. Ordenspartei angeh¨ort haben und bezieht eine vergleichsweise neutrale Position. Die dritte Fortsetzung aus dem Jahre 1472 stammt von einem erml¨andischen Geistlichen, dem kurze Hochmeisterbiographien vor allem dazu dienen, Aussagen u¨ ber die eigene 707

¨ Altere Hochmeisterchronik Di¨ozese zu treffen. Ausf¨uhrlich wird hier auf Ereignisse zu Beginn des Preußischen Pfaffenkriegs eingegangen (→ Chronik vom Pfaffenkrieg). ¨ Uberlieferung: 25 Hss. vorwiegend aus dem 15./16. Jh. Die Fortsetzungen werden ausschlieߨ H. zusammen u¨ berlich mit dem Hauptext der A. liefert, die a¨lteste in f¨unf Hss., die zweite unikal, die dritte in zwei Hss. – Vgl. Toeppen (s. Ausg.) S. 519–528, 536–538. – P¨asler (s. Lit.) im Handschriftenverz. S. 83–195 (s. Reg.), 292 f. und Handschriftencensus (online). Ausgabe: Max Toeppen: Die a¨ . H. In: Scriptores Rerum Prussicarum. Die Geschichtsquellen der preußischen Vorzeit. Bd. 3. Hg. v. Theodor Hirsch u. a. Leipzig 1866 (Nachdr. Frankfurt/M. 1965) S. 540–725. – Eine neue Ausg. ist angek¨undigt v. Mathieu Olivier. Literatur: Gundolf Keil, VL2 1 (1978) Sp. 286 f. – Karl Kletke: Die Quellenschriftsteller zur Gesch. des Preußischen Staats, nach ihrem Inhalt und Werth dargestellt. Berlin 1858, S. 86. – Toeppen (s. Ausg.) S. 519–539. – Ottokar Lorenz: Deutschlands Geschichtsquellen im MA von der Mitte des 13. Jh. bis zum Ende des 14. Jh. Bd. 2. Berlin 31887, S. 206–210. – Erich Maschke: Quellen und Darstellung in der Geschichtsschreibung des Preußenlandes. In: Dt. Staatenbildung und dt. Kultur im Preußenlande. Hg. vom Landeshauptmann der Provinz Ostpreußen. K¨onigsberg 1931, S. 17–39. – Erich Weise: Georg v. Egloffstein und die erste Fortsetzung der ¨ H. In: Preußenland und Dt. Orden. FS Kurt A. Forstreuter. Hg. v. G¨ottinger Arbeitskreis (Ostdt. Beitr. 9). W¨urzburg 1958, S. 344–370. – Gerhard Eis/G. Keil: Nachtr. zum VL. In: PBB (T¨ub.) 83 (1961) S. 167–226, hier S. 188–190. – Jarosław Wenta: Stud. u¨ ber die Ordensgeschichtsschreibung am Beispiel Preußens (Subsidia historiographica 2). Thorn 2000, S. 251–254. – Ralf G.P¨asler: Deutschsprachige Sachlit. im Preußenland bis 1500. Un¨ ters. zu ihrer Uberl. (Aus Arch., Bibl. und Mus. Mittel- und Osteuropas 2). K¨oln u. a. 2003, bes. S. 290–294, 432 (Reg.). – Gisela Vollmann-Profe: Ungebetene ‹geste› aus B¨ohmen: der Hussiten¨ H›. In: Dt.-b¨ohmieinfall v. 1433 und die ‹A. sche Literaturbeziehungen – Germano-Bohemica. FS Vaclav Bok. Hg. v. Hans-Joachim Behr u. a. (Schriftenreihe Stud. zur Germanistik 7). Hamburg (2004) S.415–426. – Edith Feistner/Michael Neecke/G. Vollmann-Profe: Krieg im Visier. 708

Georg von Egloffstein Bibelepik und Chronistik im Dt. Orden als Modell korporativer Identit¨atsbildung (Hermea NF 114). T¨ubingen 2007, S. 188–201. – G. VollmannProfe: Die a¨ . H. Versuch der Rettung eines verkannten Werkes der preußischen Historiographie. In: Ma. Kultur und Lit. im Deutschordensstaat in Preussen: Leben und Nachleben. Hg. v. J. Wenta (Sacra bella septentrionalia 1). Thorn 2008, S. 541–549. – M. Olivier: Geschichtsschreibung im ma. Preußen und historiographischer Wissenstransfer (13.–15. Jh.). In: Ma. Eliten und Kulturtransfer o¨ stlich der Elbe. Interdisziplin¨are Beitr. zu Arch¨aologie und Gesch. im ma. Ostmitteleuropa. Hg. v. Norbert Goßler/Anne Klammt. G¨ottingen 2009, S. 151–168, hier S. 163–167. – Ders.: Une chronique de l’ordre Teutonique et ses usaˆ ges a` la fin du Moyen Age: l’Ancienne Chronique des Grands-Maˆıtres et sa r´eception jusqu’au milieu du XVIe si`ecle. In: Revue de l’Institut fran¸cais d’histoire en Allemagne 2 (2010) S. 187–193. VZ Georg von Egloffstein OT, * um 1409 Sulzbach, † 1458. – Chronist. G. stammte aus einer els¨assisch-fr¨ankischen Familie, die u. a. Deutschmeister, Komture, R¨ate und Kleriker hervorbrachte. Der Sohn eines Sulzbacher Landrichters schloss sich dem Dt. Orden an, war 1441–48 Vogt in der Neumark und seit 1451 in Leipe. Unter Hochmeister Ludwig von Erlichshausen unternahm G. 1451/52 auch Reisen als Visitator der dt. und italienischen Ordensballeien. 1452/53 vertrat er den Dt. Orden am Wiener kaiserlichen Gericht. Sp¨ater war er polnischer Gefangener im Dreizehnj¨ahrigen Krieg, zuletzt Gesandter des Ordens in Brandenburg und Rom. Um 1455–58 schrieb G. eine dt. Fortsetzung der ¨ Alteren Hochmeisterchronik f¨ur die Zeit von 1433 bis 1455. Darin schildert er ausf¨uhrlich die sich zuspitzenden Ereignisse, die zum Dreizehnj¨ahrigen Krieg f¨uhrten. Der Text verweist auf G.s eigenes Miterleben dargestellter Ereignisse, die er mit politischem Sachverstand kommentiert. M¨oglicherweise brachte G. auch eine Handschrift der Chronik nach Su¨ ddeutschland, wo sie Vorlage weiterer Textzeugen wurde. Dies w¨urde die Verbreitung des Werks im s¨uddt. Raum erkl¨aren. Sp¨ater entstand ¨ auch eine lat. Ubersetzung der Chronik. Erhalten sind weiterhin Aufzeichnungen G.s und eines Marienburger Chorherren namens Jost Krop 709

2. H¨alfte 15. Jh. u¨ ber ihre 1451/52 gemeinsam durchgef¨uhrten Visitationen. G.s Itinerar gibt konzise Auskunft u¨ ber seine Reise, die u¨ ber Sachsen, Th¨uringen, Hessen, ¨ Osterreich, Venedig und Koblenz bis Mergentheim f¨uhrte. Eine genauere Erschließung von G.s Werk steht noch aus. ¨ ¨ Uberlieferung: 1. Fortsetzung der Alteren Hochmeisterchronik: Leutkirch/Allg¨au, Schloss Zeil, F¨urstlich Waldburg zu Zeil und Trauchburg’sches Gesamtarch., Hs. 22 (15. Jh.). – Stuttgart, LB, Cod. HB V 72, 4r–81r (Pap., um 1496–99). – Jena, ULB, Ms. El. philos. q. 2, 18r–207r (Pap., 1498). – Wien, Zentralarch. des Dt. Ordens, Hs. 427B (fr¨uher Nr. 69), 6r–245r (Pap., Ende 15. Jh.). – Salzburg, Stiftsbibl. St. Peter, Armarium XXVII, classis D No. 30 (Pap., fr¨uhes 16. Jh.; verschollen). – Stuttgart, LB, Cod. HB V 73, 1r–139v (Pap., um 1590–95). – 2. Tagebuch: Berlin, Geheimes Staatsarch. Preußischer Kulturbesitz, OBA 11020 und 11021 (Kanzleiabschriften). ¨ Ausgabe: 1. Fortsetzung der Alteren Hochmeis¨ terchronik: Altere Hochmeisterchronik. Hg. v. Max Toeppen. In: Scriptores Rerum Prussicarum. Die Geschichtsquellen der preußischen Vorzeit. Bd. 3. Leipzig 1866 (Nachdr. Frankfurt/M. 1965) S. 637–700. – 2. Tagebuch: Reimer 1907 (s. Lit.; Teildr.). ¨ Literatur: Gundolf Keil: Altere Hochmeisterchron. In: VL2 1 (1978) Sp. 286–288. – Udo Arnold, VL2 2 (1980) Sp. 1197–2000; 11 (2004) Sp. 515. – Heinrich Reimer: Der Verfall der Deutschordensballei Koblenz im 15. Jh. In: Trierisches Arch. 11 (1907) S. 1–42. – Herbert Koch: Reise der von dem Dt. Orden im Jahre 1451 ausgesandten Visitatoren. In: Zs. des Ver. f¨ur die th¨uringische Gesch. und Altertumskunde 28, NF 20 (1911) S. 198–204. – Erich Joachim: Reiseber. der von dem Dt. Orden im Jahre 1451 ausgesandten Visitatoren. In: Sb. des Ver. f¨ur die Gesch. v. Ost- und Westpreußen 11 (1917/19) S. 42 f. – Erich Weise: G. v. E. (c. 1409–1458) und die Erste ¨ Fortsetzung der Alteren Hochmeister-Chron. In: Preußenland und Dt. Orden. FS Kurt Forstreuter. W¨urzburg 1958, S. 343–373. – G. Keil: Nachtr. zum VL. In: PBB (T¨ub.) 83 (1961) S. 167–226. – Udo Arnold: Beitr. zum VL. In: PBB (T¨ub.) 88 (1966) S. 143–158. – Jaroslaw Wenta: Stud. u¨ ber die Ordensgeschichtsschreibung am Beispiel Preußens. Tor´un 2000, S. 252. – Gisela Vollmann-Profe: Die a¨ ltere Hochmeisterchron. Versuch der Rettung eines verkannten Werkes der preußischen Historio710

2. H¨alfte 15. Jh. graphie. In: Ma. Kultur und Lit. im Deutschordensstaat in Preussen. Leben und Nachleben. Hg. v. J. Wenta. Toru´n 2008, S. 541–549. – Mathieu Olivier: Geschichtsschreibung im ma. Preußen und historiographischer Wissenstransfer (13.–15. Jh.). In: Ma. Eliten und Kulturtransfer o¨ stlich der Elbe. Interdisziplin¨are Beitr. zu Arch¨aologie und Gesch. im ma. Ostmitteleuropa. Hg. v. Anne Klammt. G¨ottingen 2009, S. 151–168. – Zus¨atzliche poln. Lit. bei Arnold 1980. MM Geschichte von wegen eines Bundes. – Chronik des Dreizehnj¨ahrigen Krieges. Die in mehreren Handschriften u¨ berlieferte dt. Chronik entstand zur Zeit des Dreizehnj¨ahrigen Krieges. Der unbekannte Verfasser d¨urfte dem Dt. Orden angeh¨ort und unter dessen Hochmeister in Marienburg gedient haben, wahrscheinlich als Schreiber. Die Chronik rekapituliert die Geschichte des Preußischen Bundes, in dem sich die St¨ande gegen den Dt. Orden verb¨undeten, und des Dreizehnj¨ahrigen Krieges bis 1462. Die Kriegsereignisse stehen dabei im Mittelpunkt. Wie sich aus dem Text erschließen l¨asst, erfolgte die chronikalische Darstellung seit 1454 wahrscheinlich parallel zu den jeweils aktuellen Geschehnissen. Die Chronik w¨are somit sp¨atestens zwischen 1454 und 1462 abgefasst worden; um 1462 erfolgte eine Redaktion. Die Perspektive des Werks ist durchg¨angig ordensfreundlich. H¨aufig wird die vermeintlich g¨ottliche Legitimation des Ordens betont, w¨ahrend der Bund moralisch verurteilt wird. In seinen historischen Schilderungen scheint der Autor ebenso auf eigene Erlebnisse und Kenntnisse wie auf m¨undliche Mitteilungen Dritter und auf Ordensakten zur¨uckgegriffen zu haben. Von der Chronik bestehen Querbez¨uge zu den Werken anderer Ordenschronisten wie → Georg von Egloffstein und Laurentius → Blumenau. Die G. v. w. e. B. war(en) Vorlage(n) f¨ur die um 1497–1512 entstandene Historia brevis magistrorum ordinis Theutonici generalium und sp¨ater f¨ur Kaspar Hennenberger. ¨ Uberlieferung: Wien, Zentralarch. des Dt. Ordens, Hs. 305 (fr¨uher Nr. 56), 103r–179r (Pap., um 1494). – Madrid, Kgl. Bibl. El Escorial, Cod. K.II.9 fol., 67r–141v (Pap., Ende 15. Jh.). – Wien, Zentralarch. des Dt. Ordens, Hs. 363 (fr¨uher Nr. 65), 193 Bll. (Pap., 1549). – K¨onigsberg, SUB, Hs. 1559, 148 Bll. (Pap., zweite H¨alfte 16. Jh.; verschollen). – Danzig, Bibl. der Poln. Akad. der Wiss., Ms. 1264, 1r–84r (Pap., 1574). – Stockholm, Kgl. Bibl., Cod. 711

Geschichte von wegen eines Bundes D 1335, S. 215–450 (Pap., Anfang 16. Jh., ostmitteldt.). – Vilnius, Bibl. der Litauischen Akad. der Wiss., Fond 15–145 (fr¨uher K¨onigsberg, Staatsarch., Msc. B 59 4°) (Pap., 18. Jh.). Ausgabe: Scriptores Rerum Prussicarum. Die Geschichtsquellen der preußischen Vorzeit. Bd. 4. Hg. v. M. Toeppen u. a. Leipzig 1870 (Nachdr. Frankfurt/M. 1965) S. 75–211. Literatur: Udo Arnold, VL2 3 (1981) Sp. 16–18; 11 (2004) Sp. 525. – De Boor/Newald 4/1 (21994) S. 156, 769. – Gundolf Keil: Nachtr. zum VL. In: PBB (T¨ub.) 83 (1961) S. 167–226, hier S. 181 f. – Odilo Engels: Zur Historiographie des Dt. Ordens im MA. In: AfK 48 (1966) S. 336–363. – U. Arnold: Beitr. zum VL. In: PBB (T¨ub.) 88 (1966) S. 143–158, hier S. 150 f. – Ders.: Geschichtsschreibung im Preußenland bis zum Ausgang des 16. Jh. In: Jb. f¨ur die Gesch. Mittel- und Ostdeutschlands 19 (1970) S. 74–126. – Hartmut Boockmann: Geschichtsschreibung des Dt. Ordens im MA und Geschichtsschreibung im ma. Preußen. Entstehungsbedingungen und Funktionen. In: Lit. und Laienbildung im Sp¨atMA und in der Reformationszeit. Symposion Wolfenb¨uttel 1981. Hg. v. Ludger Grenzmann/Karl Stackmann. Stuttgart 1984, S. 80–93. – Ders.: Die Geschichtsschreibung des Dt. Ordens. Gattungsfragen und ‹Gebrauchssituationen›. In: Geschichtsschreibung und Geschichtsbewußtsein im sp¨aten MA. Hg. v. Hans Patze. Sigmaringen 1987, S. 447–469. – Cord Ulrichs: Der 13j¨ahrige Krieg zwischen dem Dt. Orden und dem preußischen St¨andebund im Spiegel der G. v. w. e. B. und anderer Chron. In: Krieg und Verbrechen nach sp¨atma. Chron. Hg. v. Christoph Heiduk u. a. K¨oln u. a. 1997, S. 185–241. – Ralf G. P¨asler: Deutschsprachige Sachlit. im Preußenland bis 1500. ¨ Unters. zu ihrer Uberl. K¨oln u. a. 2003, S. 292 f. u. o¨ . – Marie-Luise Heckmann: Krieg und hist. Erinnerung im landesherrlichen und im st¨adtischen Milieu des Hanseraums. In: Das Bild und die Wahrnehmung der Stadt und der st¨adtischen Gesellschaft im Hanseraum im MA und in der fr¨uhen Neuzeit. Hg. v. Roman Czaja. Tor´un 2004, S. 115–162. – Frauke Schmitz: Eine Deutschordenschron. berichtet: Beschreibung von Personen und Gruppen in der G. w. e. B. In: Bilder, Wahrnehmungen, Vorstellungen. Neue Forschungen zur Historiographie des hohen und sp¨aten MA. Hg. v. J¨urgen Sarnowsky. G¨ottingen 2007, S. 165–201. – M.-L. Heckmann: Zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Die Selbstsicht der F¨uhrungsgruppe des Dt. Ordens 712

Zink beim Ausbruch des Dreizehnj¨ahrigen Krieges. In: Der Blick auf sich und die anderen. Selbst- und Fremdbild von Frauen und M¨annern in MA und fr¨uher Neuzeit. FS Klaus Arnold. Hg. v. J. Sarnowsky. G¨ottingen 2007, S. 237–263. MM Schmid, Johannes (Fabry) OFM, † 1462 oder sp¨ater W¨urzburg (?). – Sammler von Handschriften und Verfasser dt. chronikalischer Aufzeichnungen. Wie seinen handschriftlichen Aufzeichnungen zu entnehmen ist, stammte S. aus Elmendingen bei Pforzheim. Zun¨achst dem Franziskanerkonvent in Pforzheim angeh¨orig, wo er Novizenschulmeister war, verließ er als Gegner der Reform bei Einzug der Observanten in Pforzheim 1443 mit den meisten seiner Mitbr¨uder das Kloster und wechselte vermutlich ins Minoritenkloster Rothenburg ob der Tauber, wo er bis 1455 nachgewiesen ist. Zuletzt lebte S. im Franziskanerkloster in W¨urzburg, in dessen Bibliothek sein literarischer Nachlass u¨ berging. Die Quellen der chronikalischen Aufzeichnungen S.s – der ehemalige cod. I, 100 hat die reichhaltigsten historiographischen Nachrichten u¨ berliefert – waren universalhistorische Werke wie die minoritischen → Flores temporum und ihre verschiedenen Fortsetzungen (u. a. Reinbold → Slecht). Lokale Nachrichten erg¨anzend und regionale Bez¨uge herstellend, schrieb S. auf dieser Grundlage die zeitgen¨ossische Geschichte fort. Auf Notizen zum Jahr 1349 (u. a. Pestepidemie, Judenverfolgung), die den Schlussteilen der Flores temporum (Fassung II) entsprechen, folgen annalistische Notizen (u. a. zum S¨uddt. St¨adtekrieg, zum Konstanzer und Basler Konzil, zur Eroberung von Konstantinopel, zur Mainzer Stiftsfehde; vgl. Annales Stuttgartienses). Zwei ausf¨uhrliche Berichte besch¨aftigen sich dem 13-j¨ahrigen Krieg des Dt. Ordens in Preußen gegen Polen und mit den Geschehnissen bei der Eroberung von Konstantinopel. Auch die Einf¨uhrung der Observanz in den Minoritenkonventen Pforzheim (1443) und T¨ubingen (1446) wird thematisiert. Im letzten Berichtsjahr seiner Aufzeichnungen geht S. auf die Schlacht von Seckenheim im selben Jahr ein. ¨ Uberlieferung: W¨urzburg, Franziskanerkloster, Cod. I 43 (Pap., 15. Jh.; verbrannt). – Ebd., Cod. I 90, 240r–243v (Pap., Schreiber/Besitzeintrag: «Frater Johannis Schmidt de Pforcze conventualis in 713

2. H¨alfte 15. Jh. rotesburga illo tempore» [Bl. 243v]; verbrannt). – Ebd., Cod. I 100, 276v, 277v–278v (Pap., 15. Jh., obd.; Besitzeintrag auf dem Einbanddeckel: «Johannes Fabri O. Min.»; verschollen). Ausgaben (Ausz¨uge): Herman Haupt: Aufzeichnungen des Franziskaners J. Schmidt v. Elmendingen bei Pforzheim 1356–1455. In: Alemannia 13 (1885) S. 148–153. – Ders.: Chronikalische Aufzeichnungen des Franziskaner-Conventualen J. Schmidt v. Elmendingen bei Pforzheim (1349–1462). In: W¨urttembergische Vierteljahrshefte f¨ur Landesgesch. 8 (1885) 290 f. Literatur: Birgit Studt, VL2 8 (1992) Sp. 759–761. – Johann Gerhard Meuschen: Hermanni Gygantis O.F.M. Flores temporum seu Chronicon [...]. Leiden 1743, 21750. – Annales Stuttgartienses. Hg. v. Christoph Friedrich St¨alin. In: W¨urttembergische Jbb. f¨ur vaterl¨andische Gesch. 1 (1848) S. 1–30. – C. F. St¨alin: Martini minoritae continuatio Suevica posterior. In: W¨urttembergische Jbb. (1852 [1854]) S. 158–166. – Richard Fester: Die Fortsetzung der Flores temporum von Reinbold Slecht. In: Zs. f¨ur die Gesch. des Oberrheins 48 (1894) S. 79–145 (dazu H. Kaiser, in: ebd. NF 18 [1903] 240–250). BJ Zink, Burkhard, * um 1396 Memmingen, † 1474 oder 1475 Ausgburg. – Kaufmann, Chronist. Der Sohn eines Kaufmanns besuchte seit 1407 Schulen in Krain und Reifnitz. Nach Erbstreitigkeiten zun¨achst mittellos, wanderte Z. als fahrender Sch¨uler und Lehrer durch Schwaben. Seit 1415 war er Kaufmannsgehilfe in Augsburg, N¨urnberg und Bamberg, 1419–30 Faktor in Augsburg. Anschließend arbeitete er bis 1438 als Waagmeister f¨ur Peter Egen. 1441–44 war er Faktor in einer Handelsgesellschaft, unterhielt dann ein eigenes Han¨ delsgesch¨aft und u¨ bernahm st¨adtische Amter. So wurde er 1450 Zahlmeister, 1454 Kornungelter, 1456 Weinstadelsiegler, 1458 Großweinungelter und 1459 Stadtzinsmeister. Er unternahm im st¨adtischen Auftrag sowie als selbstst¨andiger Kaufmann Reisen nach Rom, Venedig, Ungarn, Rhodos und Kreta. Zu Wohlstand gelangt, zog sich Z. zuletzt aus dem Handelsgesch¨aft zur¨uck und widmete sich seiner Sammlung von Traktatsliteratur, Lyrik und Fabeln. Wahrscheinlich nach 1450 verfasste Z. eine dt. Chronik in vier B¨uchern, die heute nur in Handschriften des 16. Jh. u¨ berliefert ist. Das erste Buch 714

2. H¨alfte 15. Jh. ist eine Abschrift der a¨ltesten Augsburger B¨urgerchronik f¨ur die Zeit von 1368 bis 1406 und wurde 1466 fertiggestellt. Im zweiten Buch sind historische Nachrichten u¨ ber Augsburg f¨ur die Jahre von 1401 bis 1466 versammelt. Das dritte Buch enth¨alt eine Chronik der Familie Zink ab dem Tod von Z.s Eltern sowie Z.s eigene Autobiographie. Im vierten Buch kehrt Z. zu Augsburger Ereignissen zur¨uck, hier f¨ur den Zeitraum 1416–68. Als Quellen dienten Z. neben der Augsburger B¨urgerchronik vor allem im vierten Buch auch m¨undli¨ che Uberlieferungen und eigene Beobachtungen. So vermerkt Z. neben Waren- und Lebensmittelpreisen auch Alltagserscheinungen und Kriminalf¨alle. Z.s b¨urgerliches Selbstverst¨andnis macht ihn gegen¨uber F¨ursten ebenso misstrauisch wie gegen¨uber den niederen Z¨unften, da er beide als Bedrohungen der st¨adtischen Ordnung empfindet. Z.s die Chronik durchziehende Selbstreflektion, die insbesondere in seiner Autobiographie deutlich hervortritt, war f¨ur ihre Zeit h¨ochst innovativ. Als individueller Ausdruck b¨urgerlichen Bewusstseins im Sp¨atmittelalter besitzt Z.s Chronik daher einen besonderen Rang. ¨ Uberlieferung: Augsburg, Staats- und StB, 2° Cod. Aug. 33, 275 Bll. (Pap., 16. Jh.). – Augsburg, Stadtarch., Chronik-Hs. Nr. 1, 532 Bll. (Pap., 16. Jh.). – M¨unchen, BSB, Cgm 2028 (Pap., 16. Jh.). – Graz, ZB der Wiener Franziskanerprovinz, A 67/35, 1r–281r (Pap., letztes Viertel 16. Jh.). Ausgaben: Die Chron. der schw¨abischen St¨adte: Augsburg 2 (Chron.dt.St. 5). Hg. v. Ferdinand Frensdorff/Matthias Lexer. Leipzig 1866 (Nachdr. G¨ottingen 1965) S. 1–330. – Das Leben des Burkard Zink nebst Ausz¨ugen aus seiner Chron. Hg. v. Werner Mahrholz. Leipzig [1920] (Teildruck). – Artur Miller: Burkard Z. Der Augsburger Chronist. Sein Leben und sein Werk. Donauw¨orth [1948], S. 343–418 (Teildruck). – Horst Wenzel: Die Autobiographie des sp¨aten MA und der fr¨uhen Neuzeit. Bd. 2. M¨unchen 1980, S. 51–72 (Teildruck nach der Frensdorff-Ausg.). ¨ Ubersetzung: Bourkard Z. & sa chronique ´ d’Augsbourg. Hg. v. Edouard Fick. Genf 1868, S. 77–108 (Teildruck). Literatur: Ferdinand Frensdorff, ADB 45 (1900) S. 325–329. – De Boor/Newald 3/2 (1987) S. 437 u. o¨ .; 4/1 (21994) 149 f. – Karl Schnith, VL2 10 (1999) Sp. 1556–1558. – Ders., LThK3 10 (2001) Sp. 1459. – Norbert H. Ott/Ju¨ rgen Wolf, 715

Zink Killy2 12 (2011) S. 686 f. – Robert Francis Seybolt: B. Z., a Wandering Scholar of the Fifteenth Century. In: Journal of English and Germanic Philology 19 (1920) S. 520–528. – A. Miller: B. Z. (um 1396–um 1474). In: Lebensbilder aus dem Bayerischen Schwaben. Bd. 3. Hg. v. G¨otz v. P¨olnitz/Adolf Layer. Mu¨ nchen 1954, S. 81–116. – K. Schnith: Die Augsburger Chron. des B. Z. Eine Unters. zur reichsst¨adtischen Geschichtsschreibung des 15. Jh. Diss. Mu¨ nchen 1958. – Heinrich Schmidt: Die dt. St¨adtechron. als Spiegel des b¨urgerlichen Selbstverst¨andnisses im Sp¨atMA. G¨ottingen 1958, S. 29–38. – Erich Maschke: Der wirtschaftliche Aufstieg des B. Z. (* 1396, † 1474/75) in Augsburg. In: FS Hermann Aubin. Bd. 1. Hg. v. Otto Brunner u. a. Wiesbaden 1965, S. 235–262. – Lorna Susan Bloom: German Secular Autobiography. A Study of Vernacular Texts from circa 1450 to 1650. Diss. Toronto 1983, S. 244–259. – H. Wenzel: Zu den Anf¨angen der volkssprachigen Autobiographie im sp¨aten MA. In: Daphnis 13 (1984) S. 59–75. – Wolfgang Petz: Reichsst¨adte zur Bl¨utezeit 1350 bis 1550. Alltag und Kultur im Allg¨au und in Oberschwaben. Kempten 1989, S. 8–25. – Martin Kintzinger: ‹Ich was auch ain schueler.› Die Schulen im sp¨atma. Augsburg. In: Literarisches Leben in Augsburg w¨ahrend des 15. Jh. Hg. v. Johannes Janota/Werner Williams-Krapp. T¨ubingen 1995, S. 58–81. – Peter Johanek: Geschichtsschreibung und Geschichts¨uberl. in Augsburg am Ausgang des MA. In: ebd., S. 160–182. – Rolf Kießling: Zum Augsburg-Bild in der Chronistik des 15. Jh. In: ebd., S. 183–215. – Jo¨ rg Rogge: ¨ Vom Schweigen der Chronisten. Uberlegungen zu Darst. und Interpretation v. Ratspolitik sowie Verfassungswandel in den Chron. v. Hektor Mu¨ lich, Ulrich Schwarz und B. Z. In: ebd., S. 216–239. – K. Schnith: Zur Erforschung der sp¨atma. Augsburger Historiographie in den letzten f¨unfzig Jahren. In: Zs. f¨ur bayerischen Landesgesch. 60 (1997) S. 479–489. – Ralph Frenken: B. Z. (1396–1474). In: Ders.: Kindheit und Autobiographie vom 14. bis 17. Jh. Psychohist. Rekonstruktionen 1. Kiel 1999, S. 262–274. – Ders.: ‹Da fing ich an zu erinnern ...› Die Psychohistorie der ElternKind-Beziehung in den fr¨uhesten dt. Autobiographien (1200–1700). Gießen 2003, S. 116–123. – Sabine Schmolinsky: Selbstzeugnisse finden oder: ¨ Zur Uberl. erinnerter Erfahrung im MA. In: Self-Fashioning. Personen(selbst)darstellung. Hg. v. 716

Meisterlin Rudolf Suntrup/Jan R. Veenstra. Frankfurt/M. u. a. 2003, S. 23–49. – Gerhard Fouquet: Familie, Haus und Armut in sp¨atma. St¨adten. Das Beispiel des Augsburger Ehepaares Elisabeth St¨orkler und B. Z. In: Inklusion-Exklusion. Stud. zu Fremdheit und Armut v. der Antike bis zur Gegenwart. Hg. v. Andreas Gestrich/Lutz Raphael. Frankfurt/M. 2004, S. 283–307. – Kay P. Jankrift: Henker, Huren, Handelsherren. Alltag in einer ma. Stadt. Stuttgart 2008, S. 77–104. MM Meisterlin, Sigismund (Musterlin, M¨u[n]sterlin, Meu[n]sterlin; Sigmund) OSB, * um 1434 Augsburg (?), † nach 1491. – Historiograph, Fr¨uhhumanist. M. trat um 1450 in das reformierte Kloster St. Ulrich und Afra in Augsburg ein. Der Augsburger Humanistenkreis um Sigmund Gossembrot, der von M. als Lehrer und v¨aterlicher Freund bezeichnet wurde, erwies sich als entscheidend f¨ur seine geistige Entwicklung. Vermutlich durch F¨ursprache von Hermann → Schedel und Laurentius → Blumenau erlangte M. 1457 vom Augsburger Bischof Peter von Schaumburg die Erlaubnis zum Studium der Artes und des Kirchenrechts in Padua, doch nutzte M. dort alle Gelegenheiten zur Handschriftensuche und zu humanistischen Studien, wie sein Briefwechsel mit Vertretern des Augsburger Kreises nahelegt. Ungehindert konnte er diesen Vorlieben indes nicht nachgehen und musste sich der strengen Klosterdisziplin von St. Justina in Padua f¨ugen. Wohl zum Abtswechsel an sein Heimatkloster 1458 zur¨uckbeordert, kehrte er 1459 nach Italien zur¨uck, nachdem er zusammen mit Gossembrot seine Handschriftenfunde ausgewertet hatte. Die folgenden Jahre sind von Rastlosigkeit gekennzeichnet: Wohl nach dem Weggang Gossembrots 1462 verließ auch M. sein Augsburger Stift und ist zun¨achst als Novizenmeister in St. Gallen bezeugt. Die n¨achsten Jahre verbrachte er (nachweislich 1463/64) im els¨assischen Kloster Murbach, wo er haupts¨achlich Altert¨umer und B¨ucher in der Bibliothek ordnete. Aus dieser Zeit sind von M. ein Brief mit Beschreibungen von Wandteppichen sowie Abschriften und Neuordnungen von Bibliothekskatalogen und eine Materialsammlung u¨ berkommen, die vielleicht die Vorarbeit zu einer Murbacher Chronik darstellt (vgl. ¨ zur Uberlieferung und zu Ausgaben VL2 6 [1987] Sp. 361 f.). In der Folge diente er 1469/70 dem Grafen Ulrich von Oettingen als Kaplan und Sekret¨ar 717

2. H¨alfte 15. Jh. und im Anschluss wom¨oglich als Almosensammler dem els¨assischen Priorat St. Valentin (Rufach). Auch sein Augsburger Heimatkloster hat er wohl mehrmals besucht. Vor 1476 wurde M. Domprediger in W¨urzburg und bald mit der Pfarre in Laudenbach (heute zu Karlstadt) bepfr¨undet. M. wechselte 1478 als Prediger nach St. Sebald in Nu¨ rnberg und lebte als Pfarrer seit 1481 in Großgr¨undlach, seit 1489 in Feucht. In N¨urnberg entstand das Gros seiner Schriften. St¨utzen konnte er sich dabei auf seine eigenen B¨uchersammlung, die Bibliothek von St. Sebald, die von ihm selbst geordnet worden war, und auf Material der N¨urnberger Humanisten um Hartmann Schedel und Sebald Schreyer. Vom Rat der Stadt N¨urnberg wurde er f¨ur die systematische Suche nach Quellen in den umliegenden Kl¨ostern bezahlt. Um 1491 verließ M. den N¨urnberger Raum. Vielleicht verbrachte er seinen Lebensabend im Augsburger Heimatkloster. M. kann als der erste dt. Historiograph gelten, dessen Werke zumindest teilweise auf Quellenkritik beruhen. Aber auch wenn seine Geschichtsschreibung nicht mehr prim¨ar den Heilsplan Gottes erkl¨art, wollte M. dennoch sein schriftstellerisches Schaffen als Beitrag zur Klosterreform verstanden wissen. Die seine Werke bestimmende Mischung aus scholastischer Gelehrsamkeit, klassischen Studien und ma. Fr¨ommigkeit zeigt dabei wesentliche Z¨uge des dt. Fr¨uhhumanismus. Dem von ihm selbst eingeforderten Wahrheitsanspruch f¨ur die Historiographie, den er mittels Quellenvergleich entsprechen wollte, wird M. indes nicht immer gerecht. Noch vor dem Italienaufenthalt wurde M. von Gossembrot zu Untersuchungen der Augsburger Gr¨undungs- und Fr¨uhgeschichte und der Abfassung der lat. Chronographia Augustensium angeregt, die er am 20.6.1456 Gossembrot widmete. Ziel war zun¨achst eine Revision der bisherigen widerspr¨uchlichen Augsburger Geschichtsschreibung, die von der Reimchronik → K¨uchlins gepr¨agt war. Anhand des Studiums antiker und ma. Quellen (Sueton, Isidor, → Frutolf-Ekkehard, → Otto von Freising, Augsburger Quellenfunde und Verstreutes von Aeneas Silvius → Piccolomini und Boccacio) widerlegte M. im ersten Buch die gel¨aufige Vorstellung, wonach Augsburg von Trojanern gegr¨undet worden sei, stellte im zweiten die Gr¨undungsgeschichte neu dar und im dritten 718

2. H¨alfte 15. Jh. die Schlacht im Teutoburger Wald in den Mittelpunkt. Das vierte Buch beschreibt die Augsburger Stadtgeschichte im Kontext der dt. Geschichte von Konstantin dem Großen bis in die Gegenwart. Der gr¨oßte Teil des Textes wird noch als unkritische Quellenkompilation – auf Basis gr¨undlicher Recherche – bewertet werden m¨ussen, doch schl¨agt sich sein italienisches Quellenstudium sp¨ater in einer Revision des Widmungsbriefes (vor 1462) nieder. Auf Geheiß Gossembrots u¨ bersetzte M. sein Fr¨uhwerk f¨ur den Augsburger Rat umgehend ins Deutsche und konnte es diesem am 4.1.1457 widmen. Die dt. Fassung schließt mit Ludwig dem Bayern, folgt aber dem lat. Text ansonsten recht getreu und hat sich offensichtlich den Stil der Viten¨ubertragungen → Adilberts und → Alberts von Augsburg zum Vorbild genommen. In Augsburg hat die Chronik grundlegend auf die sp¨atere Historiographie gewirkt. Bebilderte Redaktionen von Hektor → Mu¨ lich und Konrad Bollstatter haben den dt. Text erweitert. Konrad Peutinger und Veit Bild haben die Chronographia rezipiert, und in Ulm wurde sie von M.s Zeitgenossen Heinrich → Steinh¨owel und Felix → Fabri herangezogen. Um 1473 hat M. f¨ur den Prior von St. Ulrich und Afra, Konrad Agst, auf Grundlage von Wunderprotokollen den lat. Liber miraculorum St. Simperti erstellt und rund zehn Jahre sp¨ater f¨ur den Abt Johann von Giltingen das Chronicon ecclesiasticum, das er am 20.7.1483 Johann widmete. Dieser Abriss der Geschichte von St. Ulrich und Afra ist als Erg¨anzung zur Chronographia Augustensium konzipiert. Da der Abt eine detailliertere Arbeit erwartet hatte, reichte M. im Folgejahr den Index monasterii Ss. Udalrici et Afrae nach. Der Text offenbart M.s mittlerweile souver¨anen Umgang mit Quellenmaterial. Vom N¨urnberger Rat wurde eine Bearbeitung der → Sebald-Legende in Auftrag gegeben (Legenda nova St. Sebaldi). Doch M.s Entwurf von 1484, der auf eine historisch fundierte Revision abzielte, wurde abgelehnt. Nach 1488 pr¨asentierte M. eine ¨ Uberarbeitung, welche er in volkst¨umliche Z¨uge einkleidete und u¨ bersetzte, die aber dennoch auf erneutes Missfallen stieß und lediglich von Hartmann Schedel und Schreyer benutzt wurde. Schedel war es auch, der eine N¨urnberger Stadtgeschichte anregte, an der M. seit 1484 arbeitete. 1485 pr¨asentierte er Schedel erste zum Teil ins Deutsche ubersetzte ¨ Entw¨urfe, und dieser d¨urfte 719

Meisterlin ihm wahrscheinlich den offiziellen Ratsauftrag durch die Losunger Ruprecht → Haller und Niklas → Groß vermittelt haben. Die Nieronbergensis cronica war 1488 in der lat. Grundfassung und einer dt. Umarbeitung abgeschlossen. Die Darstellung des «vetus Neronberga» reicht von der vermeintlich r¨omischen Stadtgr¨undung durch Tiberius bis zu K¨onig Wenzel am Anfang des 15. Jh. Das Gliederungsprinzip ist eine konventionelle Kaiser- und K¨onigreihung. Besonderes Gewicht liegt auf der Verfassungsgeschichte und auch der Zunftaufruhr von 1348 wird breit geschildert, was der Tendenz der Chronik entspricht: Sie dient der Rechtfertigung der Freiheit der Stadt gegen¨uber dem Reich und den N¨urnberger Burggrafen. Eine angek¨undigte «moderna Neronberga», die nach humanistischen Muster das Stadtbild h¨atte beschreiben sollen, wurde nicht mehr voll ausgef¨uhrt. M. hat ein a¨ ußerst fundiertes Quellenstudium betrieben. Da er auf Veranlassung Sebald Schreyers den Bestand der Bibliothek von St. Sebald selbst katalogisiert hatte (N¨urnberg, StB. Cod. Will 3.666a.2°; Ausgabe: Paul Ruf: Ma. Bibl.kat. Dt.lands und der Schweiz Bd. 3,3: Bistum Bamberg. M¨unchen 1939 [Nachdr. 1961] S. 690–718), war diese f¨ur ihn gut nutzbar. Neben zahlreichen antiken und ma. Geschichtsschreibern st¨utzt sich M. auf Piccolomini, Flavio Biondo und Jacobus Bergomas und die selbst gesammelten Materialien aus den umliegenden Kl¨ostern. Der humanistische Aspekt beschr¨ankt sich bei der Chronik auf das Bem¨uhen um eine individuellere Darstellung der Ereignisse. Eine Quellenkritik im eigentlichen Sinne – wie schon bei der Chronographia Augustensium – wird auch hier nicht ge¨ubt, weswegen die Nieronbergensis cronica von der zeitgen¨ossischen humanistischen Geschichtsschreibung auch nicht nennenswert rezipiert wurde. Die dt. Fassung ist in einem bildhaften, an der Predigt orientierten und durchaus individuellem Stil verfasst, wobei schw¨abische Sprachmerkmale wohl schon vom ersten Schreiber nivelliert wurden. In der N¨urnberger Stadtgeschichtsschreibung hat M. erst im 16. Jh. gewirkt, was der nicht immer verhohlenen Kritik an den weltlichen Autorit¨aten geschuldet sein k¨onnte. Neben seinen historischen Werken ist von M. Korrepondenz erhalten sowie einige (wenig u¨ berzeugende) lat. Gedichte. ¨ Uberlieferung: Chronographia Augustensium: 13 lat. (zwei unvollst.) und 17 dt. Hss. (darunter 1 Hs. mit Ausz¨ugen und 1 Fragm.). Dazu kommen drei 720

Meisterlin illustrierte Hss. mit den Redaktionen M¨ulichs und Bollstatters. Vgl. VL2 6 (1987) Sp. 358 f. und Handschriftencensus (online). – Drucke (dt.): Augsburg (Johann B¨amler) 1483 (GW 02860) Ausz¨uge. – Ebd. (Melchior Ramminger) 1522 (VD 16 2299 f.) unvollst. – Liber miraculorum St. Simperti: M¨unchen, BSB, Clm 4353, Bl. 61–68 (15./16. Jh., aus St. Ulrich und Afra). – Chronicon ecclesiasticum: Augsburg SB/StB, 2° Cod. Aug. 320 (Autograph). – Mu¨ nchen, BSB, Clm 23877, Bl. 106–119 (aus dem Besitz Hartmann Schedels). – Index monasterii Ss. Udalrici et Afrae: Augsburg, Bisch¨ofl. Ordinariatsbibl., Cod. 50. – Ebd., S und StB, 2° Cod. Aug. ¨ 320. – Ebd., UB, Slg. Ottingen-Wallerstein Cod. II 3 2° 27. – Mu¨ nchen, Bsb, Clm 1009, 1211 und 22104. – Legenda nova St. Sebaldi: Lat.: M¨unchen, Clm 901 (geschrieben 1484 v. Hartmann Schedel) Fassung 1. – Ebd., Clm 23877 (Autograph aus Schedels Besitz) Fassung 2. – Dt.: N¨urnberg, Staatsarch., Rep. 52a (Reichsstadt N¨urnberg), Hs. Nr. 187 (vormals Nr. 112a), Bl. 100–108 (17. Jh.). – Ebd., N¨urnberg, Germ. Nationalmuseum, Hs. Merkel 2° 210a, 8 Bll. (18. Jh.). – Nieronbergensis cronica: Mindestens 11 lat. und 25 dt. Hss. (vornehmlich aus dem 16. Jh.), darunter ein Autograph mit der ersten Fassung in lat. und dt.: Mu¨ nchen, Clm 23877, Bl. 123–181 (s. o.). Vgl. VL2 6 (1987) Sp. 363, 11 (2004) Sp. 988 und Handschriftencensus (online). – Gedichte: Mu¨ nchen, BSB, Clm 4408, Bl. 157 f. (15. Jh., aus St. Ulrich und Afra). – Zur Korrespondenz vgl. VL2 6 (1987) Sp. 365. Ausgabe: Chronographia Augustensium: Braun (s. Lit.) S. 54–70 (Ausz¨uge). – Lat. Widmungsbrief an den Stadtrat: Joachimsohn (1895, s. Lit.) S. 281–284 und Ristow (s. Lit.) S. 217–222. – Liber miraculorum St. Simperti: Bernhard Pez: Thesaurus Anecdotorum Novissimus, Seu Veterum Monumentorum, praecipue Ecclesiasticorum, ex Germanicis potissimum Bibliothecis adornata Collectio recentissima. Bd. 2. Augsburg/Graz 1721, Sp. 381–398. – Acta Sanctorum Octobris 6 (1868) S. 251–257. – Braun (s. Lit.) S. 78 f. (Ausz¨uge). – Chronicon ecclesiasticum: Johann Pistorius: Rerum germanicarum veteres iam primum publicati scriptores 6. Frankfurt 1607 (VD17 23:232015Z) S. 589–614; Regensburg 31726 (hg. v. Burkhard Gotthelf Struve) S. 657–683. – Index monasterii Ss. Udalrici et Afrae: Braun (s. Lit.) S. 42–52 (Ausz¨uge). – Legenda nova St. Sebaldi (lat.): Matth¨aus Rader: Bavaria Sancta. 721

2. H¨alfte 15. Jh. Mu¨ nchen 21704, S. 57 f. (Ausz¨uge). – Joachimsohn (1895, s. Lit.) S. 305–324. – (Dt.): Johann Christoph Wagenseil: De Sacri Rom. Imperii Libera Civitate Noribergensi commentatio. Altdorf 1697 (VD17 12:134556S) S. 51–54. – Lazarus Carl v. W¨olkern oder Johann Carl B¨oheim (?): Vertrautes Sendschreiben an Tit. Herrn Johann Heinrich von Falkenstein [...] in welchem die Ehre des heil. Beichtigers Sebaldi [...] gerettet wird. o. O. [N¨urnberg] 1735, S. 24–26. – Nieronbergensis cronica: Johann Peter v. Ludewig: Reliquiae manuscriptorum omnis aevi, diplomatum ac monumentorum, ineditorum adhuc. Bd. 8. Frankfurt/Leipzig 1727, S. 3–149 (lat.). – Matthias Lexer: Sigmund Meisterlin’s Chron. der Reichsstadt N¨urnberg 1488. In: Chron. der fr¨ankischen St¨adte: N¨urnberg Bd. 3 (Chron.dt.St. 3). Leipzig 1864, S. 32–178: Bd. 5 (Chron.dt.St. 11). Ebd. 1874, S. 707–733 (anon. Forts. 1488–91) (dt.). – Dietrich Kerler: Der lat. Text. In: ebd., S. 181–256. – Hans Rupprich: Humanismus und Renaissance in den dt. St¨adten und an den Univ. (Dt. Lit. Reihe Humanismus und Renaissance 2). Leipzig 1935, S. 110–116 (dt., Ausz¨uge). – Hedwig Heger: Sp¨atMA, Humanismus, Reformation (Die dt. Lit. Texte und Zeugnisse 1,1). Mu¨ nchen 1965, S. 585–586 (Widmungsbrief) S. 587–594 (Ausz¨uge dt.). – Gedichte: Joachimsohn (1895, s. Lit.) S. 106, Anm. 4. – Korrespondenz: Ebd., S. 257–279. Zu a¨ lteren Abdrucken vgl. VL2 6 (1987) Sp. 365. Literatur: Franz Xaver v. Wegele, ADB 21 (1885) S. 164–266. – Katharina Colberg, VL2 6 (1987) Sp. 356–366; 11 (2004) Sp. 988. – Dies., NDB 16 (1990) S. 730. – De Boor/Newald 4,1 (21994) S. 663 f., 911 (Reg.). – Georg Kreuzer, LThK3 7 (1998) Sp. 74. – Albrecht Classen, Encyclopedia of the Medieval Chronicle 2 (2010) S. 1098 f. – Frank F¨urbeth/Red., Killy2 8 (2010) S. 144 f. – Placidus Braun: Notitia HistoricoLiteraria De Codicibvs Manvscriptis In Bibliotheca Liberi Ac Imperialis Monasterii Ordinis S. Benedicti Ad SS. Vdalricvm Et Afram Avgvstae Extantibvs. Bd. 3. Augsburg 1793, S. 42–75, 78 f. – D. Kerler (wie Ausg.) Einleitung, S. 3–23. – Ferdinand Frensdorff: Die Chron. der schw¨abischen St¨adte: Augsburg Bd. 1 (Chron.dt.St. 4). Leipzig 1865, S. XXXV–XLVIII. – Paul Joachimsohn: Zur st¨adtischen und kl¨osterlichen Geschichtsschreibung Augsburgs im 15. Jh. In: Alemannia 22 (1894) S. 1–32. – Ders.: Die humanistische Geschichtsschreibung in Deutschland. Bd. 1: Die Anf¨ange. 722

2. H¨alfte 15. Jh. S. M. Bonn 1895 (wieder in: Ders.: Gesammelte Aufs¨atze. Bd. 2. Hg. v. Notker Hammerstein. Aalen 1983, S. 121–461). – Richard Stauber: Die Schedelsche Bibl. Ein Beitr. zur Gesch. der Ausbreitung der italienischen Renaissance, des dt. Humanismus und der medizinischen Lit. (Stud. und Darstellungen aus dem Gebiete der Gesch. 6,2–3). Freiburg i. Br. 1908, S. 17, 30, 37 f., 45, 71, 81 f. – Friedrich Zoepfl: Der Humanismus am Hof der F¨urstbisch¨ofe v. Augsburg. In: Hist. Jb. 62/69 (1949) S. 671–708. – Medard Barth: Heiltumf¨uhrer und Almosensammler des MA. In: Freiburger Di¨ozesan-Arch. 74 (1954) S. 100–131. – Brigitte Ristow: Unters. zu S. M.s Widmungsbriefen an Sigismund Gossembrot. In: PBB (T¨ub.) 85 (1963) S. 206–252. – Arno Borst: Die Sebaldslegende in den ma. Gesch. N¨urnbergs. In: Jb. f¨ur fr¨ankische Landesforschung 26 (1966) S. 19–177, hier S. 122–128. – Elisabeth Caesar: Sebald Schreyer. Ein Lebensbild aus dem vorreformatorischen N¨urnberg. Diss. W¨urzburg 1967 (wieder in: Mitt. des Ver. f¨ur Gesch. der Stadt N¨urnberg 56, 1969, S. 1–213, hier S. 102 f., 118–120, 144, 146, 201). –Josef Bellot: Das Benediktinerstift St. Ulrich und Afra in Augsburg und der Humanismus. In: Stud. und Mitt. zur Gesch. des Benediktinerordens 84 (1973) S. 394–406. – Wolfgang Milde: Zur bibliothekarischen T¨atigkeit des fr¨uhhumanistischen Geschichtschreibers S. M. In: Interrogativi dell’umanesimo 1 (1976) S. 55–77. – Eckhard Bernstein: Die Lit. des dt. Fr¨uhhumanismus (Slg. Metzler 168). Stuttgart 1978, S. 22–25. – Hans P¨ornbacher: Lit. in Bayerisch Schwaben. Von der ahd. Zeit bis zur Gegenwart (Beitr. zur Landeskunde von Schwaben 6). Weißenhorn 1979, S. 42, 45, 47. – Norbert H¨orberg: Libri sanctae Afrae. St. Ulrich und Afra zu Augsburg im 11. und 12. Jh. nach Zeugnissen der Klosterbibl. (Ver¨off. des Max-Planck-Inst. f¨ur Gesch. 74/Stud. zur Germania Sacra 15). G¨ottingen 1983, S. 325 (Reg.). – Dieter Weber: Geschichtsschreibung in Augsburg. Hektor M¨ulich und die reichsst¨adtische Chronistik des Sp¨atMA (Abh. zur Gesch. der Stadt Augsburg 30). Augsburg 1984, S. 59–63. – Herrad Spilling: Hss. des Augsburger Humanistenkreises. In: Renaissance- und Humanistenhss. (Schr. des Hist. Kollegs. Kolloquien 13). Hg. v. Johanna Authenrieth. Mu¨ nchen 1988, S. 71–84, bes. S. 76–78. – Norbert H. Ott: Zum Ausstattungsanspruch illustrierter St¨adtechron. S. M. und die 723

Meisterlin Schweizer Chronistik als Beispiel. In: Poesis et pictura. Stud. zum Verh¨altnis von Text und Bild in Hss. und alten Drucken. FS Dieter Wuttke (Saecula spiritalia. Sonderbd.). Hg. v. Stephan F¨ussel/ Joachim Knape. Baden-Baden 1989, S. 77–106. – Joachim Schneider: Heinrich Deichsler und die N¨urnberger Chronistik des 15. Jh. (Wissenslit. im MA 5). Wiesbaden 1991, S. 17–28, 219–221. – Helga Mo¨ hring-Mu¨ ller u. a.: Sp¨atma. Adelsterminologie bei Hermann Korner, Andreas v. Regens¨ burg und seinem Ubersetzer, Veit Arnpeck und S. M. In: Zweisprachige Geschichtsschreibung im sp¨atma. Deutschland (Wissenslit. im MA 14). Hg. v. Rolf Sprandel. Wiesbaden 1993, S. 385–428. – J. Schneider: Anspruch und st¨adtische Realit¨at. Die zweisprachige N¨urnberger Chron. des S. M. In: ebd., S. 271–316. – Ilse Haari-Oberg: Die Wirkungsgesch. der Trierer Gr¨undungssage vom 10. bis 15. Jh. (Europ¨aische Hochschulschr. 3,607). Bern u. a. 1994, S. 138–140. – Repertorium fontium historiae medii aevi 7 (1997) S. 554. – J. Schneider: S. M. (ca. 1435–1497 oder sp¨ater). Chron. der Reichsstadt N¨urnberg. In: Hauptwerke der Geschichtsschreibung. Hg. v. Volker Reinhardt. Stuttgart 1997, S. 424–427. – J. Schneider: Typologie der N¨urnberger Stadtchronistik um 1500. In: St¨adtische Geschichtsschreibung im Sp¨atMA und in der fr¨uhen Neuzeit (St¨adteforschung A,47). Hg. v. Peter Johanek. K¨oln u. a. 2000, S. 181–203, bes. S. 197 f. – N. H. Ott: Von der Hs. zum Druck und retour. S. M.s Chron. der Stadt Augsburg in der Hss.- und DruckIllustration. In: Augsburg, die Bilderfabrik Europas. Essays zur Augsburger Druckgraphik der Fr¨uhen Neuzeit (Schw¨abische Geschichtsquellen und Forschungen 21). Hg. v. John Roger Paas. Augsburg 2001, S. 21–29. – H. P¨ornbacher: Schw¨abische Literaturgesch. Tausend Jahre Lit. aus Bayerisch Schwaben (Ver¨off. der Schw¨abischen Forschungsgemeinschaft. Sonderpubl.). Weißenhorn 2002, S. 63–67. – Robert Giel: S. M.: Cronographia Augustensium, dt. In: Aderlaß und See¨ lentrost. Die Uberl. dt. Texte im Spiegel Berliner Hss. und Inkunabeln. Hg. v. Peter J¨org Becker/ Eef Overgaauw. Mainz 2003, S. 441–444. – Dieter Mertens: Die Instrumentalisierung der ‹Germania› des Tacitus durch die dt. Humanisten. In: Zur Gesch. der Gleichung ‹germanisch-dt.›. Sprache und Namen, Gesch. und Institutionen (RGA, Erg.-Bd. 34). Hg. v. Heinrich Beck u. a. Berlin/ New York 2004, S. 37–101, hier S. 64–67. – Regine 724

Blumenau Schweers: Albrecht v. Bonstetten und die vorl¨andische Historiographie zwischen Burgunder- und Schwabenkriegen (Stud. und Texte zum MA und zur fr¨uhen Neuzeit 6). M¨unchen 2005, S. 180 f. – Harald Mu¨ ller: Habit und Habitus. M¨onche und Humanisten im Dialog (Sp¨atMA und Reformation, Neue Reihe 32). T¨ubingen 2006, S. 137–191, ´ S. 414 (Reg.). – Zita Agota Pataki: Bilder schaffen Identit¨at. Zur Konstruktion eines st¨adtischen Selbstbildes in den Illustrationen der Augsburger Chron. S. M.s 1457–1480. In: Identit¨at und Krise? Zur Deutung vormoderner Selbst-, Welt- und Fremderfahrungen (Symbolische Kommunikation und gesellschaftliche Wertesysteme 17). Hg. v. Christoph Dartmann/Carla Meyer. M¨unster 2007, S. 99–118. – David J. Collins: A Monk, a Hermit, and the City of Nuremberg. M.’s Vitae of Saint Sebald. In: Ders.: Reforming Saints. Saints’ Lives and their Authors in Germany. 1470–1530 (Oxford studies in historical theology). Oxford u. a. 2008, S. 56–65. – Kristina Domanski: Das wechselvolle Schicksal der Amazonen in Augsburg. Die Augsburger Chron. S. M.s und die Bildtradition der Amazonen in Hss. und fr¨uhen Drucken. In: Zs. f¨ur Kunstgesch. 72 (2009) S. 15–48. – Matthias Kirchhoff: Ged¨achtnis in N¨urnberger Texten des 15. Jh. Gedenkb¨ucher, Br¨uderb¨ucher, St¨adtelob, Chron. (N¨urnberger Werkst¨ucke zur Stadt- und Landesgesch. 68). N¨urnberg 2009, S. 250–300. – C. Meyer: Von den ‹Jahrb¨uchern› zu S. M.s Nieronbergensis cronica. In: Die Stadt als Thema. N¨urnbergs Entdeckung in Texten um 1500 (MA-Forsch. 26). Hg. v. ders. Ostfildern 2009, S. 130–178. – Gernot Michael M¨uller: ‹Quod non sit honor Augustensibus si dicantur a Teucris ducere originem.› Humanistische Aspekte in der ‹Cronographia Augustensium› des S. M. In: Humanismus und Renaissance in Augsburg. Kulturgesch. einer Stadt zwischen Sp¨atMA und Dreißigj¨ahrigem Krieg (Fr¨uhe Neuzeit 144). Hg. v. dems. Berlin/ New York 2010, S. 237–274. – H. M¨uller: Der Beitr. der Mo¨ che zum Humanismus im sp¨atma. Augsburg. S. M. und Veit Bild im Vergleich. In: ebd., S. 389–408. – Dominic Eric Delarue: Das Bild Augsburgs als Stadt. Repr¨asentation von Gr¨oße, Heiligkeit und Einigkeit in den Illustrationen zur Stadtchron. S. M.s. In: Zwischen Mimesis und Vision. Zur st¨adtischen Ikonographie am Beispiel Augsburgs. Hg. v. Lieselotte E. Saurma-Jeltsch/Tobias Frese (Kunstgesch. 87). M¨unster u. a. 2010, 725

2. H¨alfte 15. Jh. S. 35–57. – Z. A. Pataki: Antike Form und humanistischer Sinn. Die Illustration der G¨ottin Cisa in den Augsburger Abschr. der Stadtchron. S. M.s 1457–1530. In: ebd., S. 59–100. – J. Schneider: Das erste Ereignis einer Gesch.: Die Bedeutung der angeblich r¨omischen Gr¨undung N¨urnbergs in der Stadtchron. des S. M. In: Gesch. schreiben. Ein Quellen- und Studienhb. zur Historiografie (ca. 1350–1750). Hg. v. Susanne Rau/Birgit Studt. Berlin 2010, S. 491–500. VZ Blumenau, Laurentius (Lorenz B.), * um 1415 Danzig, † 25.12.1484 Villeneuve-l`es-Avignon. – Jurist, Historiograph. Der einer Danziger Kaufmannsfamilie entstammende B. studierte 1434–37 in Leipzig, wo er das Bakkalaureat erwarb, danach etwa seit 1439 in Padua und seit 1444 in Bologna. Er wurde als einer der ersten Deutschen zum Doktor beider Rechte promoviert (geistliches Recht in Padua, r¨omisches in Bologna). Anschließend diente er dem Hochmeister des Dt. Ordens als Gesandter und Hofjurist. Im Zuge des Konflikts des Ordens mit dem Preußischen Bund gab B. 1456 seine Stellung auf und lebte vor¨ubergehend im Umfeld Peters von Schaumberg, Bischof von Augsburg, den er bei fr¨uheren Gesandschaftsreisen in Rom kennengelernt hatte. Die Zugeh¨origkeit zum Augsburger Fr¨uhhumanistenkreis, dem auch Sigismund → Meisterlin, Sigmund Gossembrot und Hermann → Schedel angeh¨orten, w¨are wohl ohne acht erhaltene lat. Briefe B.s an Schedel nicht bekannt geworden. In a¨hnlichen Positionen wie beim Dt. Orden war B. 1457–66 am Innsbrucker Hof Sieg¨ munds, Herzog von Osterreich und Graf von Tirol, t¨atig und 1466–71 beim Erzbischof von Salzburg. In die Zeit von B.s Tiroler Jahren f¨allt die Auseinandersetzung Siegmunds mit → Nikolaus von Kues. Bei keiner seiner Anstellungen konnte der Kleriker B. trotz Bem¨uhens eine Bepfr¨undung erlangen. Seit 1472 ist er als Kart¨auser zun¨achst in der Großen Kartause von Grenoble, sp¨ater als Prior der Kartause von Villeneuve bezeugt. Auch dem Kart¨auserorden diente B. als beratender Jurist. Angeregt von der Katastrophe des Dt. Ordens in Preußen hat B. 1456/57 eine lat. Chronik der j¨ungeren Geschichtes des Ordensstaates begonnen, ist jedoch nicht u¨ ber die Einleitung und die Darstellung bis 1449 hinausgekommen. Die Schrift weist deutliche Einfl¨usse des Fr¨uhhumanismus auf. Im Dienst des Dt. Ordens hatte B. zuvor 726

2. H¨alfte 15. Jh. einen umfangreichen gelehrt-rechtlichen Traktat verfasst, welcher die Rechtlosigkeit der Anspr¨uche des Preußischen Bundes belegen sollte. Ferner sind einige amtliche Briefe und Berichte in dt. Sprache erhalten. ¨ Uberlieferung: Chronik: M¨unchen, BSB, Clm 529, f. 104–137 (mit Widmungsbrief v. 1457; aus der Bibl. Schedels). – Ebd., Clm 902, f. 1–55 (16. Jh.). – Traktat: Berlin, Geh. Staatsarch. Preuß. Kulturbesitz (vormals Staatliches Archivlager G¨ottingen, davor Staatsarch. K¨onigsberg), Ordensbriefarch. 11700 und 12411. – Briefe, Berichte: Vgl. Bookmann 1965 (s. Lit.) S. 240. Ausgabe: Chronik: Max Toeppen: Historia de ordine Theutonicorum cruciferorum. In: Scriptores rerum Prussicarum. Bd. 4. Hg. v. Theodor Hirsch u. a. Leipzig 1870 (Nachdr. Frankfurt/M. 1965) S. 35–66. Literatur: Karl Lohmeyer, ADB 2 (1875) S. 747 f. – Klaus Eberhard Murawski, NDB 2 (1955) S. 328 f. – Hartmut Boockmann, VL2 1 (1978) Sp. 902 f. – Ders., LexMA 2 (1983) Sp. 287 f. – Peter Rummel: Lorenz B. In: LThK3 2 (1994) Sp. 529. – H. Boockmann/Red., Killy2 1 (2008) S. 600. – Georg Voigt: L. B. In: Neue Preuß. Provinzialbll. 3 (1859) Bd. 4, S. 242–264. – Max Perlbach: Prussia scholastica. Braunschweig 1895, S. 130. – Hermann Freytag: Die Gesch¨aftstr¨ager des Dt. Ordens an der r¨omischen Kurie v. 1309–1525. In: Zs. des Westpreußischen Gesch.Ver. 49 (1907) S. 185–220, hier S. 209–211. – H. Boockmann: L. B. Fu¨ rstlicher Rat, Jurist, Humanist (ca. 1415–1484) (G¨ottinger Bausteine zur Geschichtswiss. 37). G¨ottingen 1965. CD-ROMAusg. 2001. – Odilo Engels: Zur Historiographie des Dt. Ordens im MA. In: Arch. f¨ur Kulturgesch. 48 (1966) S. 336–363. – H. Boockmann: Die Geschichtsschreibung des Dt. Ordens. In: Geschichtsschreibung und Geschichtsbewußtsein im sp¨aten MA. Hg. v. Hans Patze (Konstanzer Arbeitskreis f¨ur Ma. Gesch.: Vortr¨age und Forschungen/Konstanzer Arbeitskreis f¨ur Ma Gesch. 31). Sigmaringen 1987, S. 447–469. – Marie-Luise Heckmann: Zwischen Anspruch und Wirklichkeit... Die Selbstsicht der F¨uhrungsgruppe des Dt. Ordens beim Ausbruch des Dreizehnj¨ahrigen Krieges. In: Der Blick auf sich und die anderen. Selbst- und Fremdbild von Frauen und M¨annern in MA und fr¨uher Neuzeit. FS Klaus Arnold. Hg. v. S¨unje Pr¨uhlen u. a. (Nova mediaevalia 2). G¨ottingen 2007, S. 237–264, passim. VZ 727

Helewegh Helewegh, Hermann (Hermann Westval), * um 1420/30 Riga, † 1490 Riga. – Rigaer Stadtschreiber und Chronist. H. studierte 1444–46 in Rostock und schloss mit dem Bakkalaureat in den Artes ab; er bezeichnete sich selbst aber oft als Magister. 1454–79 war er Stadtschreiber in Riga, saß seit 1480 im Rat der Stadt und wurde 1484 Stadtk¨ammerer. Vom Stadtrat erhielt H. 1456 den Auftrag, eine Chronik u¨ ber die Auseinandersetzung zwischen dem Rigaer Erzbischof Silvester Stodewescher († 1479) und dem Dt. Orden u¨ ber eine gemeinsame Stadtherrschaft und das Zustandekommen des Vertrags von Kirchholm (1452) anzulegen. H. f¨uhrt diese nd. Prosachronik weit u¨ ber den Vertrag hinaus bis 1489 fort. Sein Boek der kroneken der Kerkholmesschen degedinge ist die einzige livl¨andische St¨adtechronik und dokumentiert den Konflikt zwischen Erzbischof und Orden sowie das Ringen Rigas um Unabh¨angigkeit von beiden Parteien. H.s Chronik ist dabei weniger Stadtchronik im engen Sinne als vielmehr eine sehr detaillierte Schilderung der machtpolitischen Entwicklungen aus Sicht der Stadt. Schließlich wurde der Streit mit milit¨arischen Mitteln ausgefochten und fand 1484 einen H¨ohepunkt in der Zerst¨orung des Schlosses durch die Rigaer B¨urger. H. war qua Amt hervorragend u¨ ber die Ereignisse informiert, nennt viele Verhandlungsbeteiligte namentlich und gibt auch komplexe Details der Verhandlungen pr¨azise wieder (zur Perspektive des Dt. Ordens vgl. Christoph → F¨urstenau). Die Chronik ist daher f¨ur die Kenntnisse der Geschichte Livlands im 15. Jh. von hoher Bedeutung, liegt allerdings nur noch in einer ¨ hochdt. Ubertragung aus der Mitte des 17. Jh vor, die der Rigaer Ratsherr Johann Witte besorgt hat. ¨ Uberlieferung: Das Autograph wurde 1674 von einem Brand im Rigaer Stadtarch. zerst¨ort. – ¨ Hochdt. Ubertragung Wittes: Riga, Hist. Staatsarch. Lettlands, Fonds 4038, Verz. 2, Nr. 100. – Abschr. des Witte-Textes aus dem 18. Jh. v. Hermann v. Brevern: Ebd., Fonds 4038, Verz. 2, Nr. 86. – Eine weitere Kopie, die Friebe (s. Ausg.) f¨ur seine Edition mit herangezogen hat, ist verloren. Ausgabe: Wilhelm Christian Friebe: Fragmente zur Gesch. Lieflands, besonders der Stadt Riga. In: Der nordischen Miscellaneen 26stes St¨uck. Hg. v. August Wilhelm Hupel. Riga 1791, S. 1–240. – Das rothe Buch inter Archiepiscopalia [...]. In: Scriptores rerum Livonicarum. Bd. 2. Leipzig/Riga 1848, S. 729–804, hier S. 742–804. 728

Brunswigk Literatur: Volker Honemann, VL2 11 (2004) Sp. 639–641. – Thomas Br¨uck, Encyclopedia of the Medieval Chronicle 1 (2010) S. 763. – Georg Berkholz: Johann Wittes Originalhs. des rothen Buches inter Archiepiscopalia. In: Sb. der Ges. f¨ur Gesch. und Altertumskunde der Ostseeprovinzen Rußlands 1874. Riga 1875, S. 8–11. – Heinrich Julius B¨otf¨uhr: Die Rigische Rathslinie v. 1226–1876. 2., vollst. umgearb. Ausg. Riga u. a. 1877 (Nachdr. Hannover-D¨ohren 1969) S. 11–114. – Leonid Arbusow: Livlands Geistlichkeit vom Ende des 12. bis in das 16. Jh. In: Jb. f¨ur Genealogie, Heraldik und Sphragistik 1900 (1901) S. 33–80, 1901 (1902) S. 1–160, 1902 (1904) S. 20–134, 1911/12/13 (1914) S. 1–432, hier 1901, S. 20 und 1911/12/13, S. 81. – Repertorium fontium historiae medii aevi 5 (1984) S. 403. – Norbert Angermann: Die ma. Chronistik. In: Gesch. der deutschbaltischen Geschichtsschreibung (Ostmitteleuropa in Vergangenheit und Gegenwart 20). Hg. v. Georg v. Rauch. K¨oln u. a. 1986, S. 3–20, hier S. 17 f. – Thomas Br¨uck: H. H. – Ratssekret¨ar und Ratsherr in Riga im Spannungsfeld zwischen Stadt und Stadtherren im 15. Jh. In: Akteure und Gegner der Hanse. Zur Prosopographie der Hansezeit (Hansische Stud. 9/Abh. zur Handels- und Sozialgesch. 30). Hg. v. Detlef Kattinger/Horst Wernicke. Weimar 1998, S. 145–164. – Ders.: Rigaer Chronistik im 17. Jh. Johann Witte und seine Bearbeitung der Chronik des H. H. In: Historiographie, Briefe und Korrespondenzen, editorische Methoden (Publ. des Dt.-Polnischen Gespr¨achskreises f¨ur Quellenedition 3). Hg. v. Matthias Thumser u. a. Thorn 2005, S. 143–170. VZ Meyer, Bertold (Meier; Barthold) OSB. – Abt, ¨ Verfasser von Legenden und Geschichten des Agidienklosters in Braunschweig, Mitte 15. Jh. M. studierte seit 1432 in Braunschweig (Baccalaureus artium 1435). Nachdem er 1449 zum Abt des Klosters Berge gew¨ahlt worden war, wurde seine Wahl vom Erzbischof Friedrich III. von Magdeburg indes nicht konfirmiert. 1454–66 ist er als Abt des Aegidienklosters in Braunschweig nachgewiesen. Der Braunschweiger Stadtrat stiftete nach den Unruhen von 1446 dem Stadtheiligen St. Autor einen neuen Sarg; anl¨asslich der Umlegung der Gebeine 1457 verfasste M. eine nd. Vita und Translatio des Hl. Autor, die er dem Braunschweiger Gemeinwesen (den «Ersamen borgermesteren, radmannen vnde allen ghemen borgeren») widmete 729

2. H¨alfte 15. Jh. und mit weiterem Material zu Braunschweig und seinem Heimatkloster anreicherte. Zwar gibt M. seine in f¨unf Abschnitte geglie¨ derte Schrift als Ubersetzung lat. Chroniken und Legenden aus, doch trifft dies offensichtlich nur f¨ur die Teile 1, 4, 5 und (mit Einschr¨ankung) 2 zu. Der Schluss des zweiten Teils sowie der dritte Abschnitt sind eigenst¨andig. Der erste Teil des Werkes enth¨alt ¨ die Vita, es folgen eine Geschichte des Agidienklosters im zweiten, dessen Abschluss ein langes Versgebet an den Hl. Autor bildet. Der dritte Teil ist die Translatio mit einem angeh¨angten Lobgedicht auf Braunschweig. Dieser Abschnitt enth¨alt auch einen zeitgen¨ossischen Bericht zu den Braunschweiger Unruhen von 1446. Der vierte Teil widmet sich vor allem der Klosterstifterin Markgr¨afin Gertrud und bietet diverse Wundererz¨ahlungen. Eine kurze Genealogie der Herz¨oge von Braunschweig-L¨uneburg beschließt M.s Werk. ¨ Uberlieferung: Hannover, Kestner-Mus., Inv. Nr. 3931, 77 Bll. (Perg., nach 1465, mnd. mit ¨ ostf¨alischem Einschlag, aus dem Agidienkloster). – Wolfenb¨uttel, HAB, Cod. 744.1 Novi, 85 Bll. (Pap., 15. Jh., mnd.; 3. Abschnitt fehlt, 2. nur teilweise enthalten). Ausgaben: Ludwig H¨anselmann: Die Chron. der nieders¨achsischen St¨adte: Braunschweig. Bd. 2 (Chron.dt.St. 16). Leipzig 1880 (Nachdr. G¨ottingen 1962) S. 513–526 (nur der Ber. u¨ ber die Unruhen v. 1446). – Ders.: Abt B. Meiers Legenden und Gesch. des Klosters St. Aegidien zu Braunschweig. Wolfenb¨uttel 1900. Literatur: Uta Reinhardt, VL2 6 (1987) Sp. 473 f. – Friedrich Georg Hermann Culemann: Lobgedicht auf die Stadt Braunschweig. In: NdJb 1 (1875) S. 56 f. – H¨anselmann 1880/1900 (s. Ausg.) S. 513–515/S. 3–64. – Richard Moderhack: Baun¨ schweigische Landesgesch. im Uberblick (Quellen und Forschungen zur braunschweigischen Gesch. 23.). Braunschweig 1976, S. 384. – Repertorium fontium historiae medii aevi 7 (1997) S. 586. – Helmar H¨artel: Hss. des Kestner-Museums zu Hannover (Ma. Hss. in Niedersachsen 11). Wiesbaden 1999, S. 41 f. VZ Brunswigk, Hans, † 1498 L¨uneburg. – Verfasser einer knappen Fortsetzung der L¨uneburger Chronik. Der Essigbrauer und L¨uneburger S¨ulfmeister (P¨achter von Siedepfannen) stammte aus einer ortsans¨assigen Patrizierfamilie. W¨ahrend des Pr¨alatenkrieges wurde er 1454 zun¨achst in den «SechzigerRat» und 1455 gegen seinen Willen in den neuen 730

2. H¨alfte 15. Jh. Stadtrat gew¨ahlt. Eine Schlussnotiz in einem Textzeugen der → L¨uneburger Chronik bis 1414 (1421) weist ihn als Verfasser einer knappen und wenig koh¨arenten Fortsetzung dieser Chronik von 1456 bis 1497 aus. ¨ Uberlieferung: Hannover, LB, Ms. XXIII, 899 [42], S. 383–390 (Pap., 16. Jh., nd.); auf S. 390: e «Duth heft geschreven ein atichbrower in Lunenborch de dar gewesen is im nyen rade vorordent geheten Hans Brunswigk». Ausgabe: Wilhelm Reinecke: Die L¨uneburger Chron. bis 1414 in: Die Chron. der nieders¨achsischen St¨adte: L¨uneburg (Chron.dt.St. 36). Stuttgart 1931 (Nachdr. G¨ottingen 1968) S. 143–147, 383–386. Reinecke bietet die Chronikfortsetzung ¨ losgel¨ost vom Uberlieferungkontext als Anh¨ange der Editionen der L¨uneburger Chronik und des → L¨uneburger Pr¨alatenkrieges. Literatur: Thomas Sandfuchs, VL2 1 (1978) Sp. 1041. – Reinecke (s. Ausg.) S. 43 f. – Heiko Droste: Wandel von Funktion und Gebrauchssituation der L¨uneburger Historiographie (1350 bis 1639) (Ver¨off. der Hist. Kommission f¨ur Niedersachsen und Bremen 195). Hannover 2000, S. 181, 207, Anm. 355. VZ Scheneck, Wilhelm, de Rockenhusen. Der sonst weiter nicht belegte Schreiber trug auf freiem Raum in der Metzer Handschrift Ms. 599 nachtr¨aglich chronikalische Notizen – knapp zur H¨alfte in dt., der Rest in nicht fehlerfreier lat. Sprache – f¨ur die Jahre 1455–60 (Hessische Chronik) ein. Ereignisse von lokalgeschichtlichem Interesse stehen im Vordergrund der vermutlich im Raum Kassel/G¨ottingen entstandenen Aufzeichnungen. ¨ Uberlieferung: Metz, StB, Ms. 599 (olim 34), 2r–4v, 284v–286v (1456; Schreibernennung auf Bl. 256v: «dominus wilhelmus scheneck de rockenhusen»). Abdruck: Franz Joseph Mone: Hessische Chronik von 1455–60. In: Anz. f¨ur Kunde der teutschen Vorzeit 4 (1835) Sp. 282–287. Literatur: Klaus Klein, VL2 8 (1992) Sp. 641. – Mone (s. Ausg.) Sp. 282. – Repertorium fontium historiae medii aevi. Bd. 3 (1970) S. 350. BJ Wispeck, Hans. – Ritter, Lieddichter. In der Signaturstrophe seines der o¨ sterr. Propaganda dienenden, nicht vor Herbst 1458 entstandenen Lieds (45 Fu¨ nfzeilerstrophen des → Lindenschmidt-Typs) u¨ ber den Tod des K¨onigs 731

Scheneck Ladislaus von Ungarn und B¨ohmen am 23.11457 in Prag bezeichnet sich S. selbst als Ritter am K¨onigshof zu Wien. Der Pesttod des K¨onigs wird als Giftmord durch die als Ungarin verkleidete Gattin des b¨ohmischen Gubernators Georg von Podiebrad hingestellt. Als Urheber des Anschlags auf den f¨ur den rechten Glauben eintretenden K¨onig werden der utraquistische Erzbischof von Prag, Johannes Rokyzana, und der o¨ sterreichische Landesverweser Ulrich Eizinger genannt. ¨ Uberlieferung: a) Augsburg, UB, cod. I, 3. 2° 18, 30r–31va (Pap., um 1480, ostschw¨abisch). – b) Bamberg, Bibl. des Hist. Vereins in der Staatsbibl., Msc. 129 (Nr. 1790), 6v–10r (Pap., 1562, obd., 39 Str., ohne Autorsignatur). Ausgaben: Franz Joseph Mone: Teutsche Volkslieder. In: Anz. f¨ur Kunde der teutschen Vorzeit 8 (1839) Sp. 66–85, 326–334, hier Sp. 66–70 (Andruck des Liedes; Hs. b). – Liliencron 1, Nr. 107. – Cramer 3, S. 480–487. Literatur: Frieder Schanze, VL2 10 (1999) Sp. 1271 f. – Liliencron 1, S. 489–503, Nachtragsbd. S. 93 f. – Bertrand Michael Buchmann: ‹Daz jemant singet oder sait ...›. Das volkst¨umliche Lied als Quelle zur Mentalit¨atengeschichte des MA. Frankfurt/M. 1995, S. 180–187. BJ Truchseß, Dietrich (Theodorich, Theoderich), † 30.4.1467 N¨urnberg. – Schreiber, Chronist. T. war wahrscheinlich ein Bruder oder Sohn des N¨urnberger Ratsschreibers Ulrich T. Nachdem er um 1443 an der Universit¨at Leipzig studiert hatte, wurde er 1455 st¨adtischer Ratsschreiber. 1461 ging er eine weitere Verpflichtung f¨ur dieses Amt ein. Wie in der Chronik des Heinrich → Deichsler berichtet wird, wurde T. 1467 aus heute unbekannten Gr¨unden hingerichtet. Mit Johannes → Platterberger d. J. verfasste T. die zweib¨andige Weltchronik Excerpta chronicarum (1459), eine dt. Kompilation aus lat. Quellen. Als Vorlagen dienten neben den Werken antiker Autoren u. a. → Vinzenz von Beauvais, → Martin von Troppau und die → Flores temporum. Die Quellen¨ubersetzungen in der Chronik sind dabei von unterschiedlicher Qualit¨at. Inhaltlich umfasst das in die klassischen sechs Weltalter gegliederte Werk politische wie Heilsgeschichte. W¨ahrend der erste Band der Excerpta chronicarum den Zeitraum von der Genesis bis Caesar darstellt, behandelt Band zwei die Zeit bis zum Tod des dt. K¨onigs Ruprecht von der Pfalz im 732

Platterberger Jahr 1410. In den zweiten Band sind auch eine dt. ¨ Ubersetzung der Historia Welforum und ein dt. Auszug aus der Chronik des Sigebert von Gembloux eingeflochten. ¨ Die Uberlieferung der Excerpta chronicarum ist nicht ohne Br¨uche. Der zweite Band des Werks wurde erst 1979 vollst¨andig aufgefunden, nachdem zuvor nur Ausz¨uge Hartmann → Schedels bekannt gewesen waren. Neben Schedels und weiteren auszugsweisen Handschriften sind auch gek¨urzte Fassungen u¨ berliefert, so in der St. Galler Weltchronik. Die Rezeption der Chronik erfolgte prim¨ar durch Schedel in dessen eigener Weltchronik, außerdem durch Sigmund → Meisterlin und die sog. N¨urnberger Chronik. Heute gilt die Excerpta chronicarum als einer der letzten Ans¨atze des Sp¨atMA, ein heilsgeschichtliches Gesamtbild der Weltgeschichte darzustellen. ¨ Uberlieferung: N¨urnberg, StB, Cod. Cent. II, 86, 355 Bll. (Perg./Pap., zweite H¨alfte 15. Jh., n¨urnbergisch). – Oxford, Bodleian Libr., Ms. Douce 367, 198 Bll. (Pap., zweite H¨alfte 15. Jh.). – N¨urnberg, Germ. Nationalmus., L¨offelholz-Arch. D 631/632, 369 und 492 Bll. (Pap., zweite H¨alfte 15. Jh.). – St. Gallen, Stiftsbibl., cod. 628 (Pap., zweite H¨alfte 15. Jh., Kurzfassung). – Mu¨ nchen, BSB, Clm 472, 136r–228v, 239r–257v (Pap., 1488–1505, Ausz¨uge). – N¨urnberg-Großgr¨undlach, Arch. Haller v. Hallerstein, Mon. CHH III (1490, Ausz¨uge). – N¨urnberg, Scheurl-Bibl., cod. D2, 109r–165v (Ausz¨uge). Ausgabe: Bisher nur Teildr.: Die Chroniken der fr¨ankischen St¨adte: N¨urnberg 3 (Chron.dt.St. 3). Hg. v. Karl Hegel. Leipzig 1864, S. 268–305. – Roth 1990 (s. Lit.). Literatur: Lotte Kurras: Platterberger, Johannes. In: VL2 7 (1989) Sp. 726–728; 11 (2004) Sp. 1248. – Dies., VL2 9 (1995) Sp. 1088 f. – De Boor/Newald 4/1 (21994) S. 148, 765. – Hans Vollmer: Ober- und mitteldt. Historienbibeln (Materialien zur Bibelgesch. und religi¨osen Volkskunde des MA I,1). Berlin 1912, S. 169–171. – Karin Schneider: Der ‹Trojanische Krieg› im sp¨aten MA. Dt. Trojaromane des 15. Jh. Berlin 1968, S. 66–68. – Peter Kesting: Ein dt. Cato in Prosa. Cato und Cicero in der St. Galler Weltchron. In: W¨urzburger Prosastud. 2. FS Kurt Ruh (Medium Aevum 31). Hg. v. P. Kesting. W¨urzburg 1975, S. 161–173. – L. Kurras: Excerpta chronicarum. Der zweite Bd. der Platterberger-Truchseßschen Weltchron. In: ZfdA 109 (1980) S. 86–89. – R¨udiger Schnell: Zur 733

2. H¨alfte 15. Jh. volkssprachlichen Rezeption des ‹Speculum historiale› in Deutschland. Die Alexander-Gesch. in den ‹Excerpta Chronicarum›. In: Vincent of Beauvais and Alexander the Great. Studies on the ‹Speculum maius› and Its Translations into Medieval Vernaculars. Hg. v. Willem J. Aerts. Groningen 1986, S. 101–126. – Christoph Roth: ‹Von der stat Troya vrsprung, p¨awung, streyten und irer zerst¨orung.› Der Trojatl. der ‹Excerpta Cronicarum› (1459) v. J. P. dem Ju¨ ngeren und Theoderich T. In: Die dt. Trojalit. des MA und der Fr¨uhen Neuzeit. Hg. v. Horst Brunner. Wiesbaden 1990, S. 245–301. – Rudolf Weigand: Vinzenz v. Beauvais. Scholastische Universalchronistik als Quelle volkssprachiger Geschichtsschreibung. Hildesheim u. a. 1991. – Joachim Schneider: Heinrich Deichsler und die N¨urnberger Chronistik des 15. Jh. Wiesbaden 1991, S. 59 f. u. o¨ . – Ralf Nelles: Wichwolts ‹Cronica Allexandri Magni› als Quelle der ‹Excerpta Chronicarum›. Mag.arbeit Bonn 1993. – J¨urgen Wolf: Die S¨achsische Weltchron. im Spie¨ gel ihrer Hss. Uberl., Textentwicklung, Rezeption (MMS 75). M¨unchen 1997, S. 216 f. u. o¨ . MM Platterberger, Johannes d. J. (nicht: Plattenberger). – Schreiber, Chronist. P. war der Sohn eines N¨urnberger Stadtschreibers, seit 1445 selbst st¨adtischer Schreiber und bis mindestens 1467 auch Diener der Losungsstube. Mit Dietrich → Truchseß verfasste er die zweib¨andige Weltchronik Excerpta chronicarum (1459), eine dt. Kompilation aus lat. Quellen. Als Vorlagen dienten den Verfassern neben den Werken antiker Autoren u. a. → Vinzenz von Beauvais, → Martin von Troppau und die Flores temporum. Die Quellen¨ubersetzungen in der Chronik sind dabei von unterschiedlicher Qualit¨at. Inhaltlich umfasst das in die klassischen sechs Weltalter gegliederte Werk ebenso Ereignisse der politischen wie der Heilsgeschichte. W¨ahrend der erste Band der Excerpta chronicarum den Zeitraum von der Genesis bis Caesar darstellt, behandelt Band zwei die weitere Zeit bis zum Tod des dt. K¨onigs Ruprecht von der Pfalz im Jahr 1410. In den zwei¨ ten Band sind auch eine dt. Ubersetzung der Historia Welforum und ein dt. Auszug aus der Chronik des Sigebert von Gembloux eingeflochten. ¨ Die Uberlieferung der Excerpta chronicarum ist nicht ohne Br¨uche. Der zweite Band des Werks wurde erst 1979 vollst¨andig aufgefunden, nachdem zuvor nur Ausz¨uge Hartmann → Schedels bekannt gewesen waren. Neben Schedels Codex und 734

2. H¨alfte 15. Jh. weiteren auszugsweisen Handschriften sind auch gek¨urzte Fassungen u¨ berliefert, so in einem Sankt Galler Kodex aus der zweiten H¨alfte des 15. Jh. ¨ (s. Uberlieferung). Diese Fassung war fr¨uher als St. Galler Weltchronik bekannt. Es handelt sich dabei aber nicht um ein eigenst¨andiges Werk, sondern um P.s Excerpta chronicarum. Die Rezeption der Chronik erfolgte prim¨ar durch Schedel in dessen eigener Weltchronik, ferner durch Sigmund → Meisterlin und die sog. N¨urnberger Chronik. Heute gilt die Excerpta chronicarum als einer der letzten Ans¨atze des Sp¨atmittelalters, ein heilsgeschichtliches Gesamtbild der Weltgeschichte darzustellen. ¨ Uberlieferung: N¨urnberg, StB, Cod. Cent. II, 86, 355 Bll. (Perg./Pap., zweite H¨alfte 15. Jh., n¨urnbergisch). – Oxford, Bodleian Libr., Ms. Douce 367, 198 Bll. (Pap., zweite H¨alfte 15. Jh.). – N¨urnberg, Germ. Nationalmuseum, L¨offelholz-Arch. D 631/632, 369 und 492 Bll. (Pap., zweite H¨alfte 15. Jh.). – St. Gallen, Stiftsbibl., cod. 628 (Pap., zweite H¨alfte 15. Jh., Kurzfassung). – Mu¨ nchen, BSB, Clm 472, 136r–228v, 239r–257v (Pap., 1488–1505, Ausz¨uge). – N¨urnberg-Großgr¨undlach, Arch. Haller v. Hallerstein, Mon. CHH III (1490, Ausz¨uge). – N¨urnberg, Scheurl-Bibl., cod. D2, 109r–165v (Ausz¨uge). Ausgabe: Bisher nur Teildr.: Die Chroniken der fr¨ankischen St¨adte: N¨urnberg 3 (Chron.dt.St. 3). Hg. v. Karl Hegel. Leipzig 1864, S. 268–305. – Roth 1990 (s. Lit.). Literatur: Lotte Kurras, VL2 7 (1989) Sp. 726–728; 11 (2004) Sp. 1248. – Dies.: Truchseß, Dietrich. In: VL2 9 (1995) Sp. 1088 f. – De Boor/ Newald 4/1 (21994) S. 148, 765. – Hans Vollmer: Ober- und mitteldt. Historienbibeln (Materialien zur Bibelgesch. und religi¨osen Volkskunde des MA I,1). Berlin 1912, S. 169–171. – Karin Schneider: Der ‹Trojanische Krieg› im sp¨aten MA. Dt. Trojaromane des 15. Jh. Berlin 1968, S. 66–68. – Peter Kesting: Ein dt. Cato in Prosa. Cato und Cicero in der St. Galler Weltchron. In: W¨urzburger Prosastud. 2. FS Kurt Ruh (Medium Aevum 31). Hg. v. P. Kesting. W¨urzburg 1975, S. 161–173. – L. Kurras: Excerpta chronicarum. Der zweite Bd. der Platterberger-Truchseßschen Weltchron. In: ZfdA 109 (1980) S. 86–89. – R¨udiger Schnell: Zur volkssprachlichen Rezeption des ‹Speculum historiale› in Deutschland. Die Alexander-Gesch. in den ‹Excerpta Chronicarum›. In: Vincent of Beauvais and Alexander the Great. Studies on the 735

Brunner ¨ Weltchronik ‹Speculum maius› and Its Translations into Medieval Vernaculars. Hg. v. Willem J. Aerts. Groningen 1986, S. 101–126. – Christoph Roth: ‹Von der stat Troya vrsprung, p¨awung, streyten und irer zerst¨orung.› Der Trojateil der ‹Excerpta Cronicarum› (1459) v. J. P. dem Ju¨ ngeren und Theoderich Truchseß. In: Die dt. Trojalit. des MA und der Fr¨uhen Neuzeit. Hg. v. Horst Brunner. Wiesbaden 1990, S. 245–301. – Rudolf Weigand: Vinzenz v. Beauvais. Scholastische Universalchronistik als Quelle volkssprachiger Geschichtsschreibung. Hildesheim u. a. 1991. – Joachim Schneider: Heinrich Deichsler und die N¨urnberger Chronistik des 15. Jh. Wiesbaden 1991, S. 59 f. u. o¨ . – Ralf Nelles: Wichwolts ‹Cronica Allexandri Magni› als Quelle der ‹Excerpta Chronicarum›. Magisterarbeit Bonn 1993. – J¨urgen Wolf: Die S¨achsische Weltchron. im ¨ Spiegel ihrer Hss. Uberl., Textentwicklung, Rezeption (MMS 75). M¨unchen 1997, S. 216 f. u. o¨ . MM ¨ Brunner ¨ Weltchronik. – Dt. Ubersetzung einer lat. Chronik, zweite H¨alfte 15. Jh. ¨ Die anonyme Ubersetzung des Liber de temporibus des florentinischen Humanisten und Historiographen Matteo Palmieri (1406–1475) – einer Universalchronik von der Sch¨opfung bis 1448 – ist ¨ vermutlich in Osterreich entstanden. Die konkrete ¨ Vorlage der Ubersetzung ist nicht ermittelt. Das Explizit (205v) lautet: «Mathei Palmery buech von der zeit der zeit [sic!] der wellt mitsambt den zuge¨ legten hystorien ist geendet». Diese vom Ubersetzer «zugelegten» historischen Erg¨anzungen sind mit «Nota» gekennzeichnet und an den chronologisch ¨ entsprechenden Stellen in den Ubersetzungstext integriert. Sie betreffen historische Ereignisse aus ¨ B¨ohmen und Osterreich, gelegentlich auch Italien. Als Quelle f¨ur die Inserate zur b¨ohmischen Geschichte ist die Historia Bohemica des Aeneas Silvius → Piccolomini ermittelt. Diese wurde 1458 abgeschlossen, woraus sich ein terminus post quem f¨ur die B. W. ergibt, der terminus ante quem (1470/90) resultiert aus der Datierung des einzigen Textzeugen. ¨ Uberlieferung: Br¨unn, ULB, Cod A 52, 5r–205v (Pap., 1470–90, aus dem Br¨unner Augustinerkloster St. Thomas). Die Hs. k¨onnte urspr¨unglich aus einem o¨ sterr. Augustiner-Chorherrenstift (Klosterneuburg [?]) stammen. Auf die Chronik folgen auf den letzten 3 Bll. der Hss. unsystematische Notizen zur o¨ sterr. Geschichte mit dem j¨ungsten Bezugsdatum 1567. Der Chroniktext ist wie 736

Ebendorfer die lat. Vorlage in 2 Spalten eingerichtet: f¨ur die Papst-/Kirchengeschichte einerseits und die weltliche Geschichte andererseits. Die jeweiligen Kolumnen¨uberschriften sind: «Die jar kristenlichen hails» / «Jar der kaiser der welt». Ausgabe (lat.): Gino Scaramella: Matthei Palmerii liber de temporibus. (Aa. 1–1448) (Rerum Italicarum scriptores. Nuova ed. 26,1). Citt`a di Castello 1906. Literatur: V´aclav Bok, VL2 11 (2004) Sp. 298 f. – Vladislav Dokoupil: Soupis Rukopis˚u Knihovny Augustini´an˚u na St. Brn˘e. Catalogus codicum manu scriptorum Bibliothecae Monasterii Eremitarum S. Augustini Vetero-Brunae (Soupisy Rukopisn´ych Fond u˚ Universitn´ı Knihovny v Brn˘e/Catalogi codicum manu scriptorum in Bibliotheca Universitatis Brunensis asservatorum 1). Prag 1957, S. 58 f. (Verz. der Hss. des Augustinerkosters Alt-Br¨unn). – Zum ‹Liber de temporibus›: Heike Johanna Mierau: Die alten Regeln der heilsgeschichtlichen Zeiteinteilung gelten fort – Der Liber de temporibus des Matteo Palmieri und seine Fortsetzung im 16. Jh. In: Gesch. schreiben. Ein Quellen- und Studienbuch zur Historiografie (ca. 1350–1750). Hg. Susanne Rau/Birgit Studt. Berlin 2010, S. 373–389. VZ Ebendorfer, Thomas (de Haselpach), * um 10.8.1388 Haselbach bei Korneuburg, † 12.1.1464 Wien. – Theologe, Historiker, Diplomat. Der Bauernsohn studierte seit 1408 in Wien die K¨unste. Seit 1409 Baccalaureus und seit 1412 Magister sowie Stipendiat am Collegium Ducale, lehrte E. danach an der Wiener Artistenfakult¨at. Er wechselte schließlich zu den Theologen und wurde 1421 zum Priester geweiht. Neben mehreren Amtszeiten als Dekan hatte er seit 1423 auch mehrmals das Rektorat der Universit¨at inne. 1428 wurde E. an der Theologischen Fakult¨at promoviert und lehrte dort bis 1460 als Professor. Daneben war er 1424–27/28 Pfarrer in Krems, seit 1427 Domherr am Wiener Stephansdom, 1435 vor¨ubergehend Pfarrer in Falkenstein/Mistelbach und anschließend Pfarrer in Perchtolsdorf. Als Abgesandter seiner Universit¨at nahm E. 1431–35 am Konzil von Basel teil. Der ausgewiesene Kenner der Hussiten-Bewegung wurde auch zu diplomatischen Verhandlungen hinzugezogen, u. a. in Prag, Br¨unn, Iglau. Besondere Wirkung entfaltete E. als Ratgeber von K¨onig Friedrich III. (1415–1493), der ihn zwischen 1441 und 737

2. H¨alfte 15. Jh. 1444 regelm¨aßig zu Reichstagen und zum Basler Konzil entsandte. Weiterhin war E. bei Friedrichs K¨onigskr¨onung in Aachen 1442 und seiner Kaiserkr¨onung in Rom 1452 anwesend. Sp¨ater verlor E. politisch an Einfluss, war aber vereinzelt noch diplomatisch t¨atig. E.s erhaltenes Gesamtwerk besteht zum gr¨oßten Teil aus theologischen und historischen Schriften in lat. Sprache. Zu Lebzeiten E.s erlangten besonders seine Predigtsammlungen Verbreitung, vor allem in ¨ S¨uddeutschland und Osterreich. Gegenstand seiner wichtigsten Sammlungen sind die Perikopen der Heiligen-, Herren- und Sonntage in den jeweiligen Evangelien und Episteln: Sermones de evangeliis de tempore (um 1426–nach 1431), Sermones de evangeliis de sanctis (um 1426–43), Sermones de epistolis de tempore (um 1427–40; 1478 gedruckt) und Sermones de epistolis de sanctis (um 1435–43). E. erweist sich in diesen Predigten als strenger Sittenprediger, der nicht nur abergl¨aubische Praktiken, sondern u. a. auch harmlose Fastnachtsbr¨auche verdammt. Daneben verfasste E. Zyklen von Traktatpredigten zu geistlichen und allt¨aglich-praktischen Themen (Gebote, S¨unden, Rechtsgesch¨afte, Almosen u. a.). Mehrere Predigten E.s erfuhren auch eine dt. ¨ Ubersetzung durch den Benediktiner → Wolfgang Suppan von Steyr. In einer Melker Handschrift Suppans werden E. heute sechs dt. Predigten zugeschrieben. E.s weiteres theologisches Werk enth¨alt Ansprachen, Konzilsberichte, Gutachten sowie zahlreiche Aristoteles-, Bibel- und Sentenzenkommentare, die meist auf Vorlesungen E.s beruhten. In ihrem Umfang nehmen die Kommentare den gr¨oßten Teil von E.s Gesamtwerk ein. Als besonders bedeutend gilt sein sechsb¨andiger Isaias-Kommentar (1428–60), der in großer Tiefe auch auf zeitgen¨ossische Sitten und Kultur eingeht. Als Historiker trat E. mit Schriften zur Kaiserund Kirchengeschichte hervor. Auf Anregung von Friedrich III. enstand die Chronica regum Romanorum (auch Annales imperatorum Romanorum, 1449–51), eine umfassende Geschichte der Kaiser seit der Antike. E.s Chronica Austrie (um 1451–63) sollte die Kaiserchronik urspr¨unglich als Anhang erg¨anzen, wurde aber zuletzt ein selbst¨andiges Werk, ebenso seine Chronik der Bist¨umer Lorch und Passau, Kathalogus presulum Laureacensium (um 1450–62). Der die Kirchenspaltung behandelnde Tractatus de schismatibus (1451–58) ging sp¨ater in der 738

2. H¨alfte 15. Jh. Cronica pontificum Romanorum (auch Liber pontificium, 1458–63) auf. Erw¨ahnt sei hier auch noch E.s Kreuzzugsgeschichte De duobus passagiis christianorum principum (auch Historia Hierosolymitana, 1454–56). Im Mittelalter noch vor allem f¨ur seine Predigten bekannt, wird E. heute wegen seiner historischen Arbeiten gesch¨atzt. Trotz ihres oft kompilatorischen Ansatzes gelten E.s Chroniken als Werke eines kompetenten Geschichtskenners. ¨ Uberlieferung (dt.): Melk, Stiftsbibl., Cod. 1794 (786; O 22), 37r–43v, 45v–55v, 61r–68r, 84v–97v (Pap., 15. Jh., sechs Predigt¨ubers.). – Vgl. auch Lhotsky 1957 (s. Lit.) S. 86 f. – Bei Lhotsky ¨ finden sich auch Angaben zur lat. Uberl., die haupts¨achlich in einem Codex erhalten ist: Wien, ¨ ONB, Codex latinus 3423. Ausgaben (dt.): Thomas Ebendorfer (1388–1464). Sechs fr¨uhnhd. Predigten. Hg. v. Carmen K¨ammerer. Berlin 2005. – Neuere Ausg. der lat. Hauptwerke hg. v. Alphons Lhotsky und Harald Zimmermann als MGH SS NS 13, 16, 18, 20–22, ¨ 25. Altere lat. Ausg. bei Uiblein 1980 (s. Lit.). Literatur: ADB 5 (1877) S. 526–528. – A. Lhotsky, NDB 4 (1959) S. 223 f. – Friedrich Zoepfl, Dict. Spir. 4 (1960) Sp. 29 f. – Heinrich Schmidinger, DHGE 14 (1960) Sp. 1276–1278. – Paul Uiblein, VL2 2 (1980) Sp. 253–266; VL2 11 (2004) Sp. 389. – H. Zimmermann, LexMA 3 (1986) Sp. 1511. – De Boor/Newald 4/1 (21994) S. 114 f. u. o¨ . – Ders., BBKL 14 (1998) Sp. 945–946. – Ders., LThK3 9 (2000) Sp. 1528. – A. Lhotsky: Stud. ¨ zur Ausg. der Osterr. Chron. des T. E. In: DA 6 (1943) S. 188–245. – Ders.: T. E. und die o¨ sterr. Freiheitsbriefe. In: Jb. f¨ur Landeskunde von Nieder¨osterreich NF 29 (1944/48) S. 131–143. – Ders.: Apis Colonna. Fabeln und Theorien u¨ ber die Abkunft der Habsburger. Ein Exkurs zur Chronica ¨ Austriae des T. E. In: Mitt. des Inst. f¨ur Osterr. Geschichtsforschung 55 (1944) S. 171–246 (wieder in: Ders.: Aufs¨atze und Vortr¨age 3. Hg. v. Hans Wagner/Heinrich Koller. Wien 1976, S. 7–102). – Richard Blaas: Unters. zu T. E.s ‹Liber Pontificum›. Diss. Wien 1947. – A. Lhotsky: T. E. In: Jb. des Ver. f¨ur Gesch. der Stadt Wien 5/6 (1947) ¨ S. 93–107. – Ders.: Stud. zur Ausg. der Osterr. ¨ 57 (1949) S. 193–230. – Chron. des T. E. In: MIOG Gertrude Grabherr: Die staats- und kirchenpolitischen Anschauungen in den hist. Werken T. E.s. Wien 1949. – P. Uiblein: Die Passauer Bistumschron. des T. E. Wien 1950. – H. Zimmermann: 739

Ebendorfer T. E.s Schismentraktat. In: Arch. f¨ur o¨ sterr. Gesch. 120 (1954) S. 45–147. – Hildegard Bartelm¨as: T. E.s Kreuzzugstraktat. Diss. Wien 1954. – Herta Eberstaller: T. E.s erster Ber. vom Baseler Konzil an die ¨ 64 (1956) S. 313–317. – Wiener Univ. In: MIOG A. Lhotsky: T. E. Ein o¨ sterr. Geschichtsschreiber, Theologe und Diplomat des 15. Jh. (Schr. der MGH 15). Stuttgart 1957. – Walter Jaroschka: T. E.s Traktat u¨ ber die Bulle ‹Deus novit› (Basel 1434). Diss. Wien 1957. – A. Lhotsky: Zur Edition der Cronica Austrie des T. E. In: DA 17 (1961) S. 537–539. – W. Jaroschka: T. E. als Theo¨ 71 (1963) retiker des Konziliarismus. In: MIOG S. 87–97. – H. Zimmermann: E.s Antichristtraktat. Ein Beitr. zum Geschichtsdenken des Wiener Historikers. In: ebd. 71 (1963) S. 99–114. – Johannes Baptist Schneyer: Wegweiser zu lat. Predigtreihen des MA. M¨unchen 1965 (Reg.). – A. Lhotsky: ¨ Uber das Anekdotische in sp¨atma. Geschichtswer¨ ken Osterreichs. In: Arch. f¨ur o¨ sterr. Gesch. 125 (1966) S. 76–95 (wieder in: Ders.: Aufs¨atze und Vortr¨age 3. Hg. v. Hans Wagner/Heinrich Koller. Wien 1976, S. 138–149). – P. Uiblein: Epilegomena zur Neuausg. der ‹Cronica Austrie› T. E.s. In: Unsere Heimat (Nieder¨osterreich) NF 40 (1969) S. 1–23. – Silvia Petrin: Perchtoldsdorf im MA. Wien 1969, S. 234–256, 282–285, 320–338 u. o¨ . – Elisabeth Kugler: T. E.s F¨urstenreden. Diss. Wien 1972. – Emma Scherbaum: Das hussitische ¨ B¨ohmen bei T. E. In: Osterreich in Gesch. und Lit. 17 (1973) S. 141–153. – Isnard W. Frank: T. E.s Ob¨odienzansprache am 11. September 1447 in der Wiener Stephanskirche. Ein Beitr. zum ‹Konziliarismus› des Wiener Theologen. In: Annuarium Historiae Conciliorum 7 (1975) S. 314–353. – A. Lhotsky: T. E. Zum f¨unfhundertsten Todestage am 12. Januar 1964. In: Ders.: Aufs¨atze und Vortr¨age 4. Hg. v. Hans Wagner/Heinrich Koller. Wien 1976, S. 225–243. – H. Zimmermann: Die Anf¨ange des Dt. Reiches unter Otto dem Großen nach T. E. In: FS Friedrich Hausmann. Hg. v. Herwig Ebner. Graz 1977, S. 603–614. – H. Zimmermann: Romkritik und Reform in E.s Papstchronik. In: Reformatio Ecclesiae. FS Erwin Iserloh. Hg. v. Remigius B¨aumer. Paderborn 1980, S. 169–180. – H. Zimmermann: Der Cancer Cusa und sein Gegner Gregor-Errorius. Der Streit des Nikolaus Cusanus ¨ mit Gregor Heimburg bei T. E. In: Osterr. Arch. f¨ur Kirchenrecht 34 (1983/84) S. 10–28 (wieder in: Ders.: Im Bann des MA. Sigmaringen 1986, 740

Histori von einem großen Wuterich ¨ genannt Dracule Wayda S. 133–151). – T. E. v. Haselbach (1388–1464). Gelehrter, Diplomat, Pfarrer v. Perchtoldsdorf. Ausstellung anl¨aßlich der 600. Wiederkehr des Geburtstages v. T. E. in der Burg zu Perchtoldsdorf vom 16. Sept. bis 16. Okt. 1988. Hg. Marktgemeinde Perchtoldsdorf. Perchtoldsdorf 1988. – P. ¨ Uiblein: Aus den letzten Jahren T. E.s. In: MIOG 100 (1992) S. 283–304. – H. Zimmermann: Romerlebnisse E.s. In: Studia in honorem Eminentissimi Cardinalis Alphonsi M. Stickler. Hg. v. Rosalius Castillo Lara. Rom 1992, S. 617–627. – Johannes Seidl: T. E., Enea Silvio Piccolomini und Johannes Hinderbach. Geistliche im Umkreis Friedrichs III. In: Beitr. zur Wiener Di¨ozesangesch. 34 (1993) S. 39–43. – H. Zimmermann: T. E. (1338–1464). Cronica regum Romanorum. Cronica Austriae. Cronica pontificum Romanrorum. In: Hauptwerke der Geschichtsschreibung. Hg. v. Volker Reinhardt. Stuttgart 1997, S. 149–152. – H. Zimmermann: T. E. als Universalhistoriker der konziliaren Epoche. In: R¨omische Hist. Mitt. 40 (1998) S. 389–414. – Katherine Walsh: Professors in the Parish Pulpit. Zu T. E.s homiletischer T¨atigkeit als ‹Winzerseelsorger› in Perchtoldsdorf. In: Innsbrucker Hist. Stud. 22 (2000) S. 79–116. MM Histori von einem großen Wuterich ¨ genannt Dracule Wayda (‹Drakula›). – Anonymer Prosatext u¨ ber den walachischen Woiwoden Vlad III., um 1462. Vlad III., genannt Tepe¸ ¸ s (‹der Pf¨ahler›), wurde zwischen 1428 und 1431 (vielleicht in Sch¨assburg/ Transsylvanien, heute Siebenb¨urgen) als zweiter Sohn Vlads II. geboren. Nach seinem Vater, der als Mitglied des 1378 gegr¨undeten h¨ofisch-ritterlichen Drachenordens den Beinamen ‹Dracul› f¨uhrte, wurde er auch ‹Draculea› (‹der kleine Drache›) genannt. Obwohl schon als Kind in der Kriegskunst unterwiesen, geriet Vlad mit seinem j¨ungeren Bruder Radu gleich bei seinem ersten Kriegszug in t¨urkische Gefangenschaft und verbrachte mehrere Jahre als Geisel am Hof des Sultans Mehmet II. Nachdem Vlads Vater und sein a¨ lterer Bruder Mircea vom ungarischen K¨onig Hunyadi ermordet worden waren, schickte der Sultan die Br¨uder 1448 zur¨uck in die Walachei, weil er glaubte, mit ihrer Unterst¨utzung dort regieren zu k¨onnen. Vlad er¨ hielt als der Altere den Titel eines F¨ursten (‹Woiwoden›) der Walachei, befreite sich jedoch rasch aus den Zw¨angen des Sultans und floh zu seinem Vetter nach Moldawien, um sich dann mit K¨onig 741

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Hunyadi, dem Mo¨ rder seines Vaters und seines Bruders, zu vers¨ohnen und gegen den gemeinsamen Feind Mehmet zu verb¨unden. Vlad ging nicht nur brutal gegen seine Feinde vor, sondern richtete auch seine eigenen Untertanen streng; besonders traf dies die Sachsen in Siebenb¨urgen, die sich mehrfach gegen ihn erhoben. Seit 1460 galt er als unbezwingbarer K¨ampfer gegen die vordringenden T¨urken, die vergeblich versuchten, den Woiwoden in Hinterhalte zu locken, doch blieben seine zahlenm¨aßig unterlegenen Truppen in einer Art Guerillakrieg stets siegreich. Trotz solcher Erfolge ließ ihn der ungarische K¨onig Matthias Corvinus (1443–1490) im Okt./Nov. 1462 f¨ur insgesamt 13 Jahre gefangen setzen – u¨ ber die Gr¨unde daf¨ur l¨asst sich nur spekulieren. W¨ahrend der Gefangenschaft konvertierte Vlad 1467 zum Katholizismus, um eine Verwandte des K¨onigs heiraten zu k¨onnen. Sp¨ater war man so sehr auf ihn angewiesen, dass Vlad den Kampf gegen das Osmanische Reich wieder aufnehmen durfte: Mit ungarischen Truppen befreite er 1475 das besetzte Bosnien und richtete abschreckende Massaker unter den Gefangenen an. 1476 wurde er sogar wieder als Woiwode der Walachei eingesetzt, und noch im selben Jahr starb er eines gewaltsamen Todes. Unklar ist, ob dies im Kampf geschah oder ob er ermordet wurde. Vor diesem historischen Hintergrund entstand um 1462 ein anonymer Prosatext, der mit Hilfe der neuen Medien rasch in ganz Europa Verbreitung fand. Um Vlad politisch zu diffamieren, stellt ihn die Histori als einen der grausamsten Tyrannen der Menschheitsgeschichte in eine Reihe mit Herodes, Nero und Diocletian und f¨uhrt nach Art eines Itinerars in etwa 200 Druckzeilen vorgeblich chronologisch angeordnete Vorf¨alle an, die seine Ungerechtigkeit und Grausamkeit dokumentieren sollen. Die Anekdoten stammen aus sehr verschiedenen Quellen, welche im Einzelnen noch nicht hinreichend erforscht sind. Ausgangspunkt f¨ur den Stoffkomplex k¨onnte ein zu Anfang der sechziger Jahre des 15. Jh. in dt. oder lat. Sprache verfasstes Flugblatt gewesen sein, dessen Existenz sich aus den Gemeinsamkeiten aller u¨ berlieferten handschriftlichen und gedruckten Fassungen der Histori erschließen l¨asst. Als Urheber einer solchen Propagandaschrift kommen die von Vlad bek¨ampften Siebenb¨urgener Sachsen in Frage, die sich mit dem Pamphlet an den ungarischen K¨onig sowie an den Papst gewandt haben k¨onnten, um sich f¨ur erlittene Bestrafungen zu r¨achen. Sowohl unter den Papst 742

2. H¨alfte 15. Jh.

Histori von einem großen Wuterich ¨ genannt Dracule Wayda

Pius II. (Aeneas Silvius → Piccolomini, Comentarii rerum memorabilium, Frankfurt/M. 1614, 296 ff.) in Briefen u¨ bermittelten Informationen als auch in der schon vor 1464 angefertigten Darstellung des Thomas → Ebendorfer (Chronica Regum Romanorum, hg. v. Harald Zimmermann, Tl. 2, Hannover 2003, S. 917–924) finden sich bereits fast alle Motive der dt. Texte u¨ ber den ‹W¨uterich› Vlad Dracul versammelt. ¨ Uberlieferung: Mu¨ nchen, BSB, Cgm 1586, 187r–190r (Pap., um 1460/75, bair.-¨osterr.). – Colmar, StB, Ms. 45, 142v–145v (Pap., um 1475–1500). – Lambach, Stiftsbibl., Cod. Chart. 327, 230r–233v (Pap., 1489, o¨ sterr.; verschollen). – London, British Library, Ms. Add. 24315, 138r–143r (Pap., um 1500, bair.). – St. Gallen, Stiftsbibl., Cod. 806, S. 283–288 (Pap., um 1500, alemannisch). – Hinzu kommen 13 Druckauflagen aus der Zeit zwischen 1488 und 1568 (textkritische Studien fehlen); der Erstdruck erschien wohl am 14.10.1488 bei Marx → Ayrer in N¨urnberg (und nicht 1485 in L¨ubeck) – dies ist insoweit interessant, als es sein kann, dass Vlad III. nicht, wie oft angenommen, in Sch¨assburg geboren worden ist, sondern vielleicht in N¨urnberg: Sein Vater Vlad II. hielt sich zum Zeitpunkt seiner Geburt nachweislich dort auf, doch ist unklar, ob sich seine hochschwangere Mutter im Gefolge des F¨ursten befand. Drucke: Hain 6405. – GW 12524–12531. – VD16 2635–2639. – 1. [N¨urnberg], Marx Ayrer 1488 [wohl a¨ltester Druck] (GW 12524). – 2. [N¨urnberg, Peter Wagner, nach Okt. 1488] (GW 12525). – 3. Bamberg, [Hans Sporer] 1491 (GW 12526). – 4. Leipzig, [Martin Landsberg 14]93 (GW 12527). – 5. Augsburg, Christoph Schnaitter [14]94 (GW 12528). – 6. N¨urnberg, Ambrosius Huber [14]99 (GW 12529). – 7. Straßburg [Mathis Hupfuff] 1500 (GW 12530). – 8. [L¨ubeck, Bartholom¨aus Gothan, nicht vor Okt. 1488] (GW 12531). – 9. Augsburg, Melchior Ramminger, um 1520 (VD16 D2635). – 10. N¨urnberg, Johann Stuchs, 1520 (VD16 D2636). – 11. N¨urnberg, Jobst Gutknecht, 1521 (VD16 D2637). – 12. Augsburg, Matthaeus Franck, 1560 (VD16 D2638). – 13. [Hamburg, Drucker des Jegher, um 1502] (VD16 D2639). Eine bearbeitete Fassung der Histori (des Flugblatts?) wurde schon fr¨uh auch in die Konstanzer Chronik des Gebhard → Dacher integriert (Autograph von 1465: St. Gallen, Stiftsbibl., Cod. 743

646), aus dessen Schreibstube verschiedene weitere Handschriften mit historiographischen Werken stammen, und auch Sebastian Mu¨ nster hat den Text in seine zuerst 1544 in Basel erschienene Cosmographia aufgenommen. Dar¨uber hinaus verbreitete sich die Legende vom grausamen F¨ursten Dracula durch weitere Bearbeitungen in dt. Sprache, etwa von Michel → Beheim, der auf der Grundlage der Histori (oder des Flugblatts?) bald nach 1463, ebenfalls am Wiener Hof, ein u¨ ber 100 Strophen langes Lied «von ainem wutrich der hies Trakle waida von der Walachei» verfasste, das man sich vielleicht schon nach Art des erst um 1700 entstehenden B¨ankelsangs verbreitet denken darf. Bei Beheim ist Dracula zum zeitlosen Exemplum f¨ur die S¨undenhaftigkeit ungerechter Herrschaft stilisiert und als solches wurde der Stoff bis in die Neuzeit hinein in zahlreichen osteurop¨aischen (slawischen und russischen) Fassungen rezipiert. Vermutlich veranlasste die Histori sogar Bram Stoker dazu, ausgerechnet Vlad III. zum Ahnherrn aller Vampire zu machen: Dracula war nach Auskunft der in Londoner Bibliotheken vorhandenen ¨ Uberlieferung sowohl ein gefeierter Nationalheld der rum¨anischen Geschichtsschreibung als auch ein blutr¨unstiger Tyrann und damit eine perfekte Projektionsfl¨ache f¨ur die ebenfalls von Gegens¨atzen bestimmten Charaktere, wie sie seit jeher literarische Wiederg¨anger und Vampire auszeichnen. Ausgabe: Dieter Harmening: Der Anfang von Dracula. Zur Gesch. von Geschichten (Quellen und Forschungen zur europ¨aischen Ethnologie 1). W¨urzburg 1983 (Abdr. und Abb. verschiedener hsl. und gedruckter Fassungen). Literatur: Dieter Harmening, VL 2 (1980) Sp. 221–223. – Lotte Baumann, EM 3 (1981) Sp. 834–838. – Krista Zach, LexMA 8 (1999) ¨ Sp. 1790 f. – Gregor C. Conduratu: Uber den Walachischen Woiwoden Wlad IV., 1456–1462. In: Arch. des Vereins f¨ur siebenb¨urgische Landeskunde NF 27 (1896) H. 1, S. 331–343 (Abdr. der verschollenen Lambacher Hs.). – Ders.: Michael Beheims Gedicht u¨ ber den Woiwoden Wlad II. Drakul. Mit hist. und krit. Erl. Diss. Leipzig, Bukarest 1903. – Harald Raab: Zu einigen nd. Quellen des altrussischen Schrifttums. In: Zs. f¨ur Slawistik 3 (1958) S. 323–325. – Jurij Striedter: Die Erz¨ahlung vom walachischen Vojevoden Drakula in der russischen ¨ und dt. Uberl. In: Zs. f¨ur slavische Philologie 29 (1961) S. 398–427. – Ja. S. Lurie: Povest’ o Drakule. Moskau, Leningrad 1964 [russ., mit Abb. des 744

Kipfenberger Leipziger Drucks von 1493]. – Eduard Str¨ubing: Eine unbekannte Ausg. des Dracole Wayda. In: Beitr. zur Inkunabelkunde 3, F. 1 (1965) S. 103 f. – Gianfranco Giraudo: L’edizione di Lipsia del 1493 della History von Dracole Wayda. In: Annali della Facolt`a di Lingue e Letterature Straniere di Ca’Foscari, Brescia 12 (1973) S. 165–177. – Mechthild Wiswe: Van deme quaden Thyranne Dracole Wyda. In: NdJb 96 (1973) S. 43–53. – Harmening 1983 (s. Ausg.). – A. Zolt´an: Beitr¨age zur Entstehung der russischen Drakula-Gesch. in: Studia Slavica Academiae Scientiarum Hungaricae 31 (1985) S. 109–126. – Frank Shaw: Rezension zur Ausg. Harmening. In: The Modern Language Review 81 (1986) S. 245–249. – Jurij Striedter: Erz¨ahlformen als Antwort auf den Schrecken der Gesch. Oder: Wie Drakula u¨ berlebte. In: Gesch. als Lit. Formen und Grenzen der Repr¨asentation von Vergangenheit. Hg. v. Hartmut Eggert. Stuttgart 1990, S. 104–127. – Ralf-Peter M¨artin: Dracula. Das Leben des F¨ursten Vlad Tepes. Frankfurt/M. 1991. – Ders./Raymond McNally: In Search of Dracula. Boston u. a. 1994 (zuerst 1972). – Stefan Andreescu: Vlad Tepes (Dracula) intre legenda si adevar istoric (Ed. Enciclopedica). 2., u¨ berarb. Aufl. Bukarest 1998. – Matei Cazacu (Hg.): L’histoire du prince Dracula en Europe centrale et orientale (XVe si`ecle). Pr´esentation, e´ dition critique, traduction et commentaire (Hautes e´ tudes m´edi´evales et modernes 61). Gen`eve 1998. – Rainer M. K¨oppl (Hg.): 100 Jahre Dracula (Maske und Kothurn 41). K¨oln/Weimar 1998. – Kurt W. Treptow: Vlad III Dracula. The Life and Times of the Historical Dracula. Ia¸si u. a. 2000. – Michael Kroner: Dracula. Wahrheit, Mythos und Vampirgesch¨aft. Heilbronn 2005. – Clemens Ruthner: Untote Verzahnungen. Prolegomena zu einer Literaturgesch. des Vampirismus. In: Poetische Wiederg¨anger. Deutschsprachige Vampirismus-Diskurse vom MA bis zur Gegenwart. Hg. v. Julia Bertschik/Christa Agnes Tuczay. T¨ubingen 2005, S. 11–41. – Claudia M¨artl: Wie schreibt ein Papst Gesch.? Zum Umgang mit Vorlagen in den ‹Commentarii› Pius II. In: Die Hofgeschichtsschreibung im ma. Europa. Hg. v. Rudolf Schieffer/Jaroslav Wenta. Toru´n 2006, S. 233–251. – Dracula. Woiwode und Vampir. Schloss Ambras, Innsbruck, 18. Juni – 31. Oktober 2008. Eine Ausstellung des Kunsthist. Museums Wien. Hg. v. Wilfried Seipel. Wien 2008, S. 31 und 33 (Nr. 1.5) (mit Abb.). – William Layher: Horrors of the East: Printing Dracole Wayda 745

2. H¨alfte 15. Jh. in 15th-century Germany. In: Daphnis 37 (2008) S. 11–32. – Wolfgang Achnitz: Graf Draculas Herkommen aus dt. Texten der Fr¨uhen Neuzeit. In: How To Make A Monster. Konstruktionen des Monstr¨osen. Hg. v. Sabine Kyora/Uwe Schwagmeier (Film – Medium – Diskurs 37). W¨urzburg 2011, S. 21–40. WA Chronik der Zeiten Albrechts II. und Friedrichs III. – Konzept einer Kaiserchronik. Die Chronik ist nur fragmentarisch als anonymes Konzept u¨ berliefert, das wohl um 1460/70 in die leeren Registerseiten einer Wiener Handschrift notiert wurde. Der Text enth¨alt zahlreiche Korrekturen von der gleichen Hand, d¨urfte also ein Autograph des Chronisten sein. Dieser ist unbekannt, hat aber nach eigenen Angaben bereits in einem fr¨uheren Werk die b¨ohmisch-ungarische Geschichte abgehandelt. Das Konzept der Chronik umfasst die Jahre von 1439 bis 1443. Geschildert werden wichtige Ereignisse aus der fr¨uhen Regierungszeit des damaligen o¨ sterr. Herzogs, dt. K¨onigs (seit 1440) und sp¨ateren Kaisers Friedrich III. (1415–1493). Der Chronist stellt u. a. die Konflikte Friedrichs mit den Landst¨anden und seinem Bruder Albrecht VI. dar. Die Chronik geht außerdem auf Friedrichs bis heute nicht entschl¨usseltes Motto «AEIOV» (auch «A.E.I.O.U.») ein. Der Verfasser nennt neben der im Text bevorzugten, affirmativen Deutung «En! Amor Electis, Iniustis Ordinor Ultor» auch die satirische Lesart «Aller Erst Ist Osterreich Verdorben». ¨ ¨ Uberlieferung: Wien, ONB, Cod. Ser. nova 3964, 3 Bll. (Pap., um 1460/70, bair., Fragm.). Ausgabe: Alphons Lhotsky: Eine unbeachtete ¨ Chron. Osterreichs aus der Zeit Kaiser Friedrichs III. In: FS zur Feier des zweihundertj¨ahrigen Bestandes des Haus-, Hof- und Staatsarch. 1 (Mitt. des o¨ sterr. Staatsarch., Erg.bd. II,1). Hg. v. Leo Santifaller. Wien 1949, S. 538–548. Literatur: Gisela Friedrich, VL2 1 (1978) Sp. 1267 f. – A. Lhotsky 1949 (s. Ausg.). – Ders.: AEIOV. Die ‹Devise› Kaiser Friedrichs III. und sein ¨ 60 (1952) S. 155–193 (wieNotizbuch. In: MIOG der in: Ders.: Aufs¨atze und Vortr¨age 2. Wien 1976, S. 162–222). MM Kipfenberger. – Verfasser zweier politischer Lieder. Jeweils in der Schlussstrophe nennt sich der K. mit Namen («Chiphenwerger», «Kyppinberger»). 746

2. H¨alfte 15. Jh. Das erste Lied umfasst 35 Strophen und berichtet aus o¨ sterr.-habsburgischer Sicht von den Schwierigkeiten K¨onig Albrechts II. in Ungarn seit April 1439 und von dessen Tod im selben Jahr auf dem Kriegszug gegen die T¨urken. ¨ ¨ Uberlieferung: Wien, ONB, Cod. 5153, 33v–35v (Mondsee/Ober¨osterreich). Das zweite, 21-strophige Lied, erz¨ahlt von der 1446 in Neumarkt erfolgten Enthauptung des aus ¨ Osterreich stammenden ehemaligen Kriegsobersten Breslaus, Leonhard Assenheimer. ¨ Uberlieferung: Breslau/Wrocław, UB, Cod. IV Q 97 (1479 abgeschlossen; u¨ berl. auf der Innenseite des hinteren Einbanddeckels). Literatur: Ulrich M¨uller, VL2 4 (1983) Sp. 1149 f. – Rochus v. Liliencron: Die hist. Volkslieder der Dt. vom 13. bis 16. Jh. Bd. 1. Leipzig 1865, S. 366–371 (Nr. 75). – Joseph Klapper: Altdt. Texte aus Breslau. In: ZfdA 50 (1908) S. 167–205, hier S. 202–205. – Ders.: Das Lied v. Leonhard Assenheimer. In: FS zur 700-Jahrfeier des Neumarkter Rechts (1235–1935). Hg. v. Franz Zmarzly. Neumarkt 1935, S. 31–37. – Hermann Menhardt: Verz. ¨ der altdt. literarischen Hss. der ONB. Bd. 2 (Ver¨off. des Inst. f¨ur dt. Sprache und Lit. 13). Berlin 1961, S. 1098–1100. – U. Mu¨ ller: Unters. zur politischen Lyrik des dt. MA (GAG 55/56). G¨oppingen 1974, Reg. SF Cronica der graffen von Cilli (Cillier Chronik). – Dt. Prosachronik, zweite H¨alfte 15. Jh. Die bedeutende historisch-politische Position der gef¨ursteten Grafen von Cilli (Celje, heute Slowenien) begr¨undet den herausragenden Quellenwert dieser steirischen Chronik. Sie berichtet vom Aufstieg und Fall des Geschlechts 1340–1460. Der Fokus ist hierbei klar auf die wachsende wirtschaftliche Macht der Cillier und ihre politische Stellung gegen¨uber Habsburg, dem Reich und dem europ¨aischen S¨udosten gerichtet. Zur Illustration der Fr¨uhgeschichte ist eine gek¨urzte dt. Bearbeitung der → Vita Maximiliani (des Cillier Heiligen) mit dem Titel Legend von S. Maximilian [...] vorangestellt. Ihr folgt ein Einleitungsschreiben u¨ ber die Bedeutung historiographischer Literatur, ohne die auch ein Prinz «mit dem glockenschlagk» vergessen w¨urde. Den Grundstock des eigentlichen Werkes stellt eine vermutlich um 1436/37 fertiggestellte Chronik dar, die urspr¨unglich von 1340–1436 gereicht haben d¨urfte. Ihr Verfasser k¨onnte ein Cillier Franziskaner gewesen sein, der im Auftrag Graf 747

Cronica der graffen von Cilli Hermanns II. schrieb (wof¨ur sein offensichtlicher Zugang zu Archivalien und Urkunden spricht). Dieser Teil deckt den Aufstieg der ehemaligen Freien von Sannegg in den Reichsf¨urstenstand ab. Forgesetzt wurde die Cronica in zwei Abschnitten zun¨achst bis zum Aussterben der Familie nach der Ermordung des letzten Grafen Ulrich II. (1456) und dann mit einer Zusammenfassung des sich anschließenden Erbstreits bis 1460. Ein Anhang mit Dokumenten zu territorialen Erwerbungen und Privilegien beschließt den Text in seiner u¨ berlieferten Gestalt. ¨ ¨ Uberlieferung: Uber 20 Hss., die s¨amtlich eine sp¨atere Redaktion des 16. Jh. (in drei Varianten) tradieren. – Die UB Graz verwahrt 5 Hss. mit der Chron.: Mss. 463, 487, 1189, 1240, 1332. – Vgl. Krones (s. Ausg.) S. 10–20, 176–183. – Lhotsky (s. Lit.) S. 350. – VL2 1 (1978) Sp. 1247. Ausgaben: Simon Friedrich Hahn: Collectio Monumentorum, Veterum Et Recentium, Ineditorum. Bd. 2. Braunschweig 1726, S. 665–764. – Julius Aquilin Caesar: Annales ducatus Styriae. Bd. 3: De styriae rebus sub Habspurgico-Austriacis principibus ab anno MCCCXXX ad annum MDXIX. Graz 1777, S. 5–164. – Franz Krones Ritter v. Marchland: Die Freien von Saneck und ihre Chron. als Grafen von Cilli. Bd. 2: Die Cillier Chron. Text mit krit. Einleitung und hist. Erl¨auterungen. Graz 1883. Literatur: Winfried Stelzer, VL2 1 (1978) Sp. 1247 f. – Kerstin Pfeiffer, Encyclopedia of the Medieval Chronicle 1 (2010) S. 344. – F. Krones: Die zeitgen¨ossischen Quellen zur Gesch. der Grafen von Cilli. Mit Einschluss der sog. ‹Cillier Chron.› 1341–1456. In: Beitr. zur Kunde steierm¨arkischer Geschichtsquellen 8 (1871) S. 3–120. – Ders. Die Cillier Chron. Krit. Unters. ihres Textes und Gehalts. In: Arch. f¨ur o¨ sterr. Gesch. 50 (1873) S. 3–102. – Herbert Schraberger: Die Cillier Chron. Zur dt. Grammatik des 16. Jh. Diss. Graz 1954. – Alphons Lhotsky: Quel¨ ¨ Erg.lenkunde zur ma. Gesch. Osterreichs (MIOG Bd. 19). Graz/K¨oln 1963, S. 350 f. – Repertorium fontium historiae medii aevi. Bd. 3 (1970) S. 311. – Hans Patze: M¨azene der Landesgeschichtsschreibung im sp¨aten MA. In: Geschichtsschreibung und Geschichtsbewußtsein im sp¨aten MA (Konstanzer Arbeitskreis f¨ur Ma. Gesch. Vortr¨age und Forschungen 31). Hg. v. dems. Sigmaringen 1987, S. 331–370, hier S. 363–365.– Johannes Grabmeyer: Die Cillier und Die Chronistik – Aspekte 748

Eschenloer eines Forschungsprojektes zur Geschichte der Grafen v. Cilli 1341–1456. In: Zbornik Mednarodnega Simpozija Celjski Grofje, Stara Tema – Nova Spoznanja. Hg. v. Rolanda Fugger Germadnik. Celje 1999, S. 213–224. – Norbert Kersken: Auf dem Weg zum Hofhistoriographen. Historiker an sp¨atma. F¨urstenh¨ofen. In: Ma. F¨urstenh¨ofe und ihre Erinnerungskulturen (Formen der Erinnerung 27). Hg. v. Carola Fey u. a. G¨ottingen 2007, S. 107–140, hier S. 118 f., 132, 137. VZ Eschenloer, Peter (Eschenloher), * um 1420 N¨urnberg, † 12.5.1481 Breslau. – Stadtschreiber, ¨ P¨adagoge, Chronist, Ubersetzer. Der Sohn eines Kaufmanns zog fr¨uh mit seinen Eltern nach G¨orlitz. Nach dem Studium und dem Erwerb des Magistergrads wurde E. Lehrer und war um 1450 Rektor der G¨orlitzer Stadtschule. Von 1455 bis zu seinem Tod arbeitete er als Stadtschreiber in Breslau, wahrscheinlich neben einer fortgesetzten T¨atigkeit als Rektor. Im Auftrag des Rats unternahm er auch diplomatische Missionen und f¨uhrte briefliche Verhandlungen mit der Kurie. Um 1460–72 verfasste E. die lat. Historia Wratislaviensis et que post mortem regis Ladislai sub electo Georgio de Podiebrat Bohemorum rege illi acciderant prospera et adversa, eine umfangreiche Chronik mit zahlreichen eingef¨ugten Urkunden u. a. Dokumenten. W¨ahrend der Entstehungszeit des Werks u¨ bersetzte E. auch f¨ur den Breslauer Stadtrat zwei lat. Werke anderer Autoren in die dt. Sprache: 1464 die De Bohemorum origine ac gestis historia von Aeneas Silvius → Piccolomini (eine wichtige Quelle f¨ur E.s Historia Wratislaviensis) und 1466 die Historia Hierosolymitana von Robertus Monachus. Von besonderer Bedeutung ist E.s um 1472–81 entstandene Chronik Peter Eschenlohers Stadtschreibers zu Breslau Geschichten der Stadt Breslau oder Denkw¨urdigkeiten seiner Zeit vom Jahre 1440 bis 1479. Es handelt sich dabei um eine erweiterte und u¨ berarbeitete dt. Fassung der Historia Wratislaviensis, in ¨ die wohl auch E.s Ubersetzung eines Pamplets von Nikolaus Tempelfeld einfloss. Wie die lat. Fassung annalistisch angeordnet, bereitet das Werk den Inhalt der Historia teils wortgetreu, teils paraphrasiert auf. In stilistischer Hinsicht gilt die dt. Fassung als u¨ berlegen. Unter anderem durch die intensivere Verwendung von Exempla ist sie literarischer als die lat. Fassung, gleichzeitig jedoch von geringerer 749

2. H¨alfte 15. Jh. historischer Genauigkeit. So d¨urften z. B. viele Details der ausf¨uhrlich wiedergegebenen Reden erfunden sein. Die subjektive Sichtweise des Verfas¨ sers ist in der Ubersetzung st¨arker ausgepr¨agt. So ergreift E. in der Chronik durchg¨angig Partei f¨ur K¨onig Matthias Corvinus und den Breslauer Stadtrat. Insgesamt gilt das Werk als eine der wichtigsten dt. Chroniken im mittelalterlichen Schlesien. ¨ Uberlieferung: Breslau, UB, cod. IV F 151 a, S. 813–835 (Pap., zweite H¨alfte 15. Jh.). – Prag, Graf Nostitzsche Majoratsbibl., Ms. d 6 (fr¨uher 228 i), 4r–121r (Pap., letztes Drittel 15. Jh.). – Breslau, UB, Classis IV, Fol. 105, 1r–154r (Pap., Breslau?, vor 1545). – Br¨unn, ULB, Cod. Mk 13, 690 Bll. ¨ (Pap., zweite H¨alfte 16. Jh.). – Zur lat. Uberl. vgl. Menzel 1980 (s. Lit.). Ausgaben: Peter Eschenlohers Stadtschreibers zu Breslau Geschichten der Stadt Breslau oder Denkw¨urdigkeiten seiner Zeit, vom Jahre 1440 bis 1479. Hg. v. Johann Gottlieb Kunisch. 2 Bde. Breslau 1827/28. – Politische Correspondenz Breslaus im Zeitalter K¨onig Georgs v. Podiebrad. Zugleich als urkundliche Belege zu E.s ‹Historia Wratislaviensis› (Scriptores rerum Silesiacarum 8 und 9). Hg. v. Hermann Markgraf. 2 Bde. Breslau 1873/74. – Geschichte der Stadt Breslau. Hg. v. Gunhild Roth. 2 Bde. M¨unster u. a. 2003. – Aeneas Silvius Piccolomini: Historia Bohemica II: Die ¨ fr¨uhnhd. Ubersetzung (1463) des Breslauer Stadtschreibers Peter Eschenlo¨e. Hg. v. V´aclav Bok. K¨oln u. a. 2005. Literatur: Markgraf: P. Eschenlo¨er. In: ADB 6 (1877) S. 348 f. – Josef Joachim Menzel, VL2 2 (1980) Sp. 630–632 (mit a¨ lterer Lit.); 11 (2004) Sp. 426. – Ders., LexMA 4 (1989) Sp. 11. – De Boor/Newald 4/1 (21994) S. 157, 769. – Richard Koebner: Der Widerstand Breslaus gegen Georg v. Podiebrad. Breslau 1916, S. 20 f., 155–157. – Hans J¨urgen v. Witzendorff-Rehdiger: Die Breslauer Stadtschreiber 1272–1741. In: Jb. der Schlesischen Friedrich-Wilhelms-Univ. zu Breslau 5 (1960) S. 7–32, hier S. 14 f. – Alfred A. Strnad: Die Breslauer B¨urgerschaft und das K¨onigtum Georg Podebrads. In: Zs. f¨ur Ostforschung 14 (1965) S. 401–435, 601–640. – V´aclav Bok: Zu E.s dt. ¨ Ubertragung der ‹Historia Bohemica› des Eneas Silvius Piccolomini. In: Br¨ucken. Germanistisches Jb. 1994 (1994) S. 141–151. – Volker Honemann: Lat. und volkssprachliche Geschichtsschreibung im Sp¨atMA: Zur Arbeitsweise des Chronisten P. E. aus Breslau. In: DA 52 (1996) S. 617–627 (wieder 750

2. H¨alfte 15. Jh. in: Ders.: Literaturlandschaften. Schr. zur deutschsprachigen Lit. im Osten des Reiches. Hg. v. R. Suntrup u. a. Frankfurt/M. 2008, S. 333–346). – G. Roth: Berichten, Bewerten und Beurteilen. B¨ohmische Gesch. aus der Perspektive v. P. E.s ‹Geschichten der Stadt Breslau›. In: Dt. Lit. des MA in B¨ohmen und u¨ ber B¨ohmen. Vortr¨age der ˇ e Budˇejovice, 8. internationalen Tagung [...] Cesk´ bis 11. September 1999. Hg. v. Dominique Fliegler/V. Bok. Wien 2001, S. 343–360. – Dies.: Schlesische Gesch. in der ‹Gesch. der Stadt Breslau› des P. E. Der Chronist als Berichterstatter, Kommentator und Interpret. In: Jb. der Schlesischen Friedrich-Wilhelms-Univ. zu Breslau 42/44 (2001/03) S. 49–59. – Dies.: Zwischen Pflicht und ¨ K¨ur. Der Stadtschreiber P. E. als Botschafter, Ubersetzer und Chronist. Mit drei Anh¨angen zu Gesandten, Prokuratoren und Boten des Breslauer ¨ Rates. In: Stadt, Kanzlei und Kultur im Ubergang zur Fr¨uhen Neuzeit. Hg. v. Rudolf Suntrup/Jan Veenstra. Frankfurt/M. u. a. 2004, S. 15–46. – V. Honemann: Herrscheradventus in st¨adtischer Perspektive: Der Einzug des K¨onigs Matthias Corvinus in Breslau 1469 und seine Darstellung in der Chronik des P. E. In: The Mediation of Symbol in Late Medieval and Early Modern Times. Medien der Symbolik in Sp¨atMA und Fr¨uher Neuzeit. Hg. v. R. Suntrup u. a. Frankfurt/M. 2005, S. 145–162 (wieder in: Ders.: Literaturlandschaften. Schr. zur deutschsprachigen Lit. im Osten des Reiches. Hg. v. R. Suntrup u. a. Frankfurt/M. 2008, S. 347–364). – Ders.: The Marriage of Matthias Corvinus to Beatrice of Arag´on (1476) in Urban and Court Historiography. In: Princes and Princely Culture 1450–1650 II. Hg. v. Martin Gosman u. a. Leiden u. a. 2005, S. 213–226 (wieder u. d. T.: Der K¨onig heiratet. Die Hochzeit des Matthias Corvinus mit Beatrice von Aragon 1476 in st¨adtischer und h¨ofischer Geschichtsschreibung. In: Ders.: Literaturlandschaften, a. a. O., S. 365–382). – Ders./G. Roth: Ma. Autographen und Textgenese. Am Beispiel von P. E.s ‹Gesch. der Stadt Breslau›. In: Dt. Texte des MA zwischen Handschriftenn¨ahe und Rekonstruktion. Berliner Fachtagung, 1.–3. April 2004. Hg. v. Martin J. Schubert. T¨ubingen 2005, S. 217–236. – G. Roth: P. E. (um 1420–1481). In: Schlesische Lebensbilder. Bd. 9. Hg. v. Joachim Bahlcke. Insingen 2007, S. 49–55. MM Gunther (von) Nordhausen OSB, Erfurt, † 9.1. 1503 Erfurt. – Abt und Verfasser eines lat. Traktates zur Historiographie. 751

Gunther (von) Nordhausen G. stammte aus einem Erfurter Patriziergeschlecht und wurde 1434 als Oblate zusammen mit seinem Bruder dem Benediktinerkloster St. Peter in seiner Heimatstadt u¨ bergeben. Seit 1437 studierte er an der Erfurter Universit¨at und wurde 1441 Baccalaureus, 1444 Magister der Artes. Nach dem Beitritt der Erfurter Benediktiner zur Bursfelder Kongregation war G. seit 1447 Kustos, anschließend Prior und 1458 bis seiner Resignation 1500/01 Abt des Konvents. Unter seiner Leitung erlebte das Peterskloster eine wirtschaftliche wie geistige Bl¨utezeit und G., der weit u¨ ber Erfurt hinaus gewirkt hat, ist den f¨uhrenden Vertretern der Bursfelder Reform zuzurechnen. Ein Ausweis hierf¨ur sind die h¨aufigen Tagungen des Generalkapitels des Ordens in Erfurt w¨ahrend seiner Amszeit. 1460–85 hat G. sechs Mal vor dem Gremium gesprochen, die Reden sind allerdings nicht erhalten. Der Historiographie galt G.s besonderes Interesse. Vermutlich hat er das Chronicon ecclesiasticum des Nikolaus von Siegen angeregt; in Bursfelder Klostern entstanden ferner u. a. die Chronik des Klosters Clus von Heinrich Bodo und die Hirsauer Jahrb¨ucher des Johannes → Trithemius. Diese sind zwar nicht auf G. direkt zur¨uckzuf¨uhren, dokumentieren aber ein historisches Bewusstsein innerhalb der Kongregation, das zumindest von G. gef¨ordert wurde. Von seinen eigenen literarischen Werken, die Johannes Butzbach in seinem Auctarium de scriptoribus ecclesiasticis verzeichnet (Bonn, UB, S 356, 216v), ist nur eines u¨ berliefert, der Traktat De historiae studio et utilitate. Der Text ist ¨ an die Abte und die F¨uhrungsebene der Kongregation gerichtet. G. hebt darin den Stellenwert historiographischer Aufzeichnungen hervor und fordert zur historischen Auseinandersetzung und insbesondere zur Klosterhistoriographie auf, da die Geschichtlichkeit grundlegender Bestandteil von Mensch, Welt und Heilsplan sei. Der eindringliche und leicht verst¨andliche Traktat gibt konkrete Empfehlungen zur Umsetzung historischer Forschung und schl¨agt vor, in jedem Kloster einen M¨onch zu bestimmen, der sich als «magister historiarum» der Geschichtsschreibung widmen solle. G. bezog sich mit seinen Anregungen einerseits auf die ma. historiographische Tradition der «memoria», ließ aber auch schon humanistische Tendenzen erkennen, indem er die Aufgabe des Chronisten auch in der Rekonstruktion der Vergangenheit sah. In einer auf Wahrheit verpflichteten Historiographie erkannte G. zudem eine m¨ogliche 752

Meyer Unterst¨utzung bei der Umsetzung der Ordensreform (im Sinne einer Erneuerung durch Erinnerung). Von seinen Bem¨uhungen um die Reform im Peterskloster zeugen auch rechtliche und wirtschaftliche Aufzeichnungen. Unter den Zins- und Kopialb¨uchern des Klosters findet sich auch ein Zinsbuch mit eigenh¨andigen Aufzeichnungen G.s aus dem Jahre 1468. ¨ Uberlieferung: Traktat: Melk, Stiftsbibl., Cod. 20 (vormals 1085 bzw. 1836) S. 207–213 (Abschrift, um 1730). – Zinsbuch: London, British Library, Ms. Add. 10964. Ausgabe: Frank (s. Lit.) S. 382–387. Literatur: Enno B¨unz, VL2 11(2004) Sp. 568–571. – Barbara Frank: Das Erfurter Peterskloster im 15. Jh. Stud. zur Gesch. der Klosterreform und der Bursfelder Union (Ver¨off. des Max-Planck-Inst. f¨ur Gesch. 34). G¨ottingen 1973, S. 136 f., 144, 245 f., 374–376. – Erich ¨ Kleineidam: Universitas studii Erffordensis. Uberblick u¨ ber die Gesch. der Univ. Erfurt im MA 1392–1521. Bd. 1 (Erfurter theolog. Stud. 14). Leipzig 21985, S. 376–378, 429. – Klaus Schreiner: Erneuerung durch Erinnerung. Reformstreben, Geschichtsbewußtsein und Geschichtsschreibung im benediktinischen M¨onchtum S¨udwestdeutschlands an der Wende vom 15. zum 16. Jh. In: Historiographie am Oberrhein im sp¨aten MA und in der fr¨uhen Neuzeit (Oberrheinische Stud. 7). Hg. v. Kurt Andermann. Sigmaringen 1988, S. 35–87, hier S. 49–51. – Paul Gerhard Schmidt: Das Chronicon Ecclesiasticum des Nikolaus v. Siegen. In: Geschichtsbewußtsein und Geschichtsschreibung in der Renaissance (Studia Humanitatis 7). Hg. v. August Buck u. a. Leiden u. a. 1989, S. 77–84, hier S. 79–81. – K. Schreiner: Geschichtsschreibung im Interesse der Reform. Die ‹Hirsauer Jb.› des Johann Trithemius (1462–1516). In: Hirsau, St. Peter und Paul 1091–1991. Bd. 2 (Forschungen und Ber. der Arch¨aologie des MA in Baden-W¨urttemberg 10,2). Hg. v. Hermann Diruf u. a. Stuttgart 1991, S. 297–324, hier S. 299 f. – Constance Proksch: Klosterreform und Geschichtsschreibung im Sp¨atMA (Kollektive Einstellungen und sozialer Wandel im MA NF 2). K¨oln u. a. 1994, Reg. – Harald Mu¨ ller: Habit und Habitus. M¨onche und Humanisten im Dialog (Sp¨atMA und Reformation Neue Reihe 32). T¨ubingen 2006, S. 40, 98. VZ 753

2. H¨alfte 15. Jh. Meyer, Johannes (Meyger; J. [M.] Turicenses) OP, * um 1422 Z¨urich, † 20.7.1485 Kloster Adelhausen, heute in Freiburg i. Br. – Ordensreformer und -chronist. M. wurde 1432 als Neunj¨ahriger dem Z¨urcher Predigerkonvent anvertraut und wechselte 1442 in den seit 1429 reformierten Konvent von Basel, wo Mitte der 1440er Jahre → Johannes von Mainz als Lektor t¨atig war. Das gesamte Wirken M.s zielte in der Folge darauf hin, die Ordensreform zu f¨ordern und die Klostergemeinschaften zur strengen Observanz zur¨uckzuf¨uhren. Nach der Priesterweihe wirkte M. in verschiedenen Frauenkl¨ostern als Beichtvater (u. a. seit 1454 im Berner Inselkloster, 1458–65 in Sch¨onensteinbach bei Gebweiler, 1467–73 in Schlettstadt, 1473–77 in Liebenau bei Worms und seit 1482 in Adelhausen). Die drei Freiburger Kl¨oster Adelhausen, St. Agnes und St. M. Magdalena hatte M. 1465 selbst reformiert, und auch in M¨annerkonventen unterst¨utze er die Reformierung (Gebweiler 1465, Frankfurt 1474). Im Gebiet der Grafen von W¨urttemberg half er 1478 in vier Frauenkl¨ostern mit Erfolg bei der Durchsetzung der Reformbestrebungen, im Kloster Gnadenzell (Offenhausen) hingegen scheiterte er und wurde als Beichtvater nach einer Erkrankung abberufen. Im reformierten Teil des Ordens war M. hochgesch¨atzt: So erhielt er anl¨asslich seines 50j¨ahrigen Ordensjubil¨aums Dankadressen vom Generalmeister des Ordens und vom K¨olner Provinzial. Auch sein literarisches Schaffen stellte M. ganz in den Dienst der Ordensreform, indem er mit seinen dt. und lat. historiographischen Werken den Mitbr¨udern und -schwestern hervorragende Beispiele monastischen Lebens an die Hand zu geben suchte. F¨ur M. bedeutete «reformacio» die Erneuerung durch R¨uckkehr zum urspr¨unglichen Ordensleben, was sein Interesse an der Chronistik plausibel macht. Um auch den Lateinunkundigen vor allem unter den Nonnen die M¨oglichkeit der Lekt¨ure zu geben, sind die meisten Schriften dt. verfasst oder ins Deutsche u¨ bersetzt worden. Es handelt sich ausschließlich um Kompilationen aus a¨ lteren Ordenschroniken, nur geringf¨ugig angereichert mit Material aus eigener Anschauung, m¨undlichen Berichten oder urkundlichen Quellen. Neben der kompilatorischen Chronistik bet¨atigte sich ¨ M. als Handschriftensammler, Ubersetzer, Redaktor und Vermittler vornehmlich dominikanischer Literatur. 754

2. H¨alfte 15. Jh. Seine chronistischen Werke lassen sich in drei Schaffensperioden aufteilen: 1454–58, 1466–71 ¨ und 1475–84. In die erste Periode fallen das Amterbuch und das Buch der Ersetzung, die fast immer gemeinsam uberliefert ¨ werden. Ersteres unterrichtet ¨ in Frauenkl¨ostern des Prediu¨ ber die 23 Amter gerordens und beruht auf dem Liber de instructione officialium des 5. Generalmeisters → Humbert von ¨ Roman. Der Ubersetzungstil changiert zwischen w¨ortlich und frei; dabei ist die Bearbeitung leicht k¨urzend mit einigen Erg¨anzungen aus der eigenen Praxis oder anderen Quellen. Das Buch der Ersetzung ist inhaltlich a¨ ußerst heterogen: In zehn Kapiteln finden sich eine W¨urdigung dominikanischer Frauenkl¨oster, Ausf¨uhrungen zur f¨ur Nonnen angemessenen geistigen Haltung, die Geschichte des weiblichen Ordenszweiges, eine Beschreibung der Provinz Teutonia und der Konventionen einzelner Kl¨oster sowie eine Generalmeisterchronik, die bereits Merkmale einer Ordenschronik aufweist. Quellen sind Humberts Sermones ad omnem statum, die Vitas fratrum Gerhards von Frachet, der Liber de apibus des → Thomas von Cantimpr´e und die → Herzklosterallegorie. Außerdem entstand w¨ahrend M.s T¨atigkeit als Beichtvater in Bern eine Ausgabe redigierter dominikanischer Schwesternleben und Chroniken, enthaltend Elsbeth → Stagels Schwesternleben von T¨oß sowie das → Katharinentaler und ¨ das → Otenbacher Schwesternbuch. Eine weitere von M. redigierte Handschrift enth¨alt die Fortsetzung ¨ des Otenbacher Schwesternbuchs und eine von M. selbst verfasste Chronik des Inselklosters St. Michael in Bern in 55 Kapiteln f¨ur die Jahre 1286–1455. Die Kapitel 40–50 f¨uhren vorbildliche Nonnenviten vor, die letzten f¨unf enthalten geistliche Unterweisungen und Ermahnungen. Ebenfalls in die Berner Zeit f¨allt eine Redaktion des Regelbuchs des Inselklosters (eine Kompilation aus Ordenskonstitutionen, Briefen, Reformstatuten) und der Liber vitae, ein Verzeichnis der Schwestern und Beichtv¨ater mit historischen Einsch¨uben, das M. zusammen mit → Anna von Sissach erarbeitete. Die zweite Schaffensperiode M.s wird er¨offnet vom Liber de illustribus viris O.P., der 1466 Johannes → Kreutzer gewidmet ist. Der Text beruht auf zahlreichen Quellen und steht in einer literarischen Tradition, die bis auf De viris illustribus des → Hieronymus zur¨uckgeht. Die katalogartige Sammlung vereint in der von M. selbst erweiterten Fassung 235 Elogien auf hervorragende Ordensvertreter. Im selben Jahr verfasste M. einen kurzen 755

Meyer lat. Bericht u¨ ber die Reformierung des Klosters Engelport in Gebweiler (De fundatione, restauracione ac reformacione monasterii sororum Angelicae Porte [...]). Die Chronica brevis O.P. u¨ berreichte er 1470 in Gebweiler dem Generalvikar der Observanten in der Teutonia. Diese Chronik der Generalmeister (mit sp¨ateren Nachtr¨agen bis 1479) ist elaborierter als diejenige im Buch der Ersetzung; ihre Hauptquelle ist die Chronica brevis O.P. des Jakob von Soest. M.s umfangreichstes Werk ist das Buch der Reformacio Predigerordens (auch: Chronik des Klosters Sch¨onensteinbach). Es gliedert sich in f¨unf Teile, deren erste drei sich ausschließlich Sch¨onensteinbach widmen: Der erste dokumentiert die Zeit, als Sch¨onensteinbach noch ein Zisterzienserinnen- (seit 1135) und dann ein Augustinerinnenkloster (seit 1160) war, der zweite die Neugr¨undung 1397 als erstes weibliches Reformkloster der Teutonia; Teil 3 bietet 19 Nonnenviten; Teil 4 berichtet von Dominikanerbr¨udern, die sich f¨ur die Reform einsetzten; der ausf¨uhrlichste f¨unfte Teil erz¨ahlt von der Ausbreitung der Reform innerhalb der Teutonia bis 1467. Neben den literarischen Quellen (darunter Johannes → Niders Formicarius und De reformatione religiosorum) st¨utzt sich M. beim Buch der Reformacio auch auf Archivalien, m¨undliche Berichte und die eigene Anschauung. Das Leben der Br¨uder Predigerordens (Vitas fratrum) von 1469 beruht in erster Linie, wie schon das Buch der Ersetzung, auf den Vitas fratrum Gerhards von Frachet. Es f¨uhrt die Vorbildlichkeit der Lebensf¨uhrung der ersten Generalmeister und Ordensbr¨uder vor und enth¨alt auch Exempel und Mirakel. Die Papstchronik Predigerordens (1470, annalistisch fortgef¨uht bis 1481) stellt die Ordensgeschichte unter den Pontifikaten der 38 P¨apste von Innozenz III. bis zu Paul II. dar. Das k¨urzere Gegenst¨uck ist die Kaiserchronik Predigerordens (1471), bei der die 15 Kaiser oder K¨onige von Friedrich I. bis zu Friedrich III. das zeitliche Ger¨ust der ordenschronikalischen Erz¨ahlung bilden. Noch ins selbe Jahr f¨allt die autobiographisch aufschlussreiche Epistel brieffe zu den swestern brediger ordens, in der M. u¨ ber seine literarische T¨atigkeit und seine Quellen Rechenschaft ablegt. Dabei benennt er seine bisherigen Werke in unchronologischer Reihung. Den Schwesternleben-Komplex als bloße Redaktionen nennt er dabei nicht; dass auch die Inselkloster-Chronik und der EngelportText hier nicht erscheinen, erlaubt Zweifel an M.s Verfasserschaft f¨ur diese Texte. Aus dem Jahr 1475 ist ein kurzer lat. Katalog u¨ berkommen, der 34 gelehrte Dominikaner zum 756

Meyer Teil mit Literaturangaben auflistet (De primis sanctis patribus Parisiensibus doctoribus O.P.), und 1482 hat M. ein Exzerptum aus dem Adelhauser Schwesternbuch erstellt. Hierbei verbindet er ein alphabetisches Gesamtverzeichnis der Schwestern mit Ausz¨ugen aus der Chronik der → Anna von Munzingen. Auch zwei weitere dt. Ordenschroniken fallen in seine letzte aktive Schreibphase. Die Chronik von 1481 ist erneut nach den Generalmeistern geordnet und offensichtlich im Bewusstsein des nahen Todes verfasst und diejenige von 1484 stellt eine Erg¨anzung zu M.s Vitas fratrum von 1469 dar und berichtet annalistisch von den Jahren 1153–1323. Als Exkurs inseriert ist eine Vita des → Albertus Magnus, die vorher entstanden ist. Verzeichnisse geben Nachricht von verschollenen Schriften M.s; auch sind von M. Collectanea und Handschriften mit Listen oder Exzerp¨ ten aus Ordensregeln und Ahnlichem u¨ berkom¨ men. Diese enthalten evtl. Ubersetzungen, die M. selbst vorgenomen haben k¨onnte (vgl. VL2 6 (1987) Sp. 483–486). M.s historiographisches Werk ist innerhalb des Ordens vor allem im 16. Jh. breit rezipiert worden (Georg Epp, Leander Alberti, Conrad Zittard). ¨ ¨ ¨ Uberlieferung: Amterbuch (Ab)/Buch der Ersetzung (BdE): Bloomington, Indiana, University Li¨ 135r–242r brary, Ricketts Ms. 198, 1r–118r (Ab) (BdE) (Perg. und Pap., 1455, aus dem Katharinenkloster N¨urnberg). – Freiburg i. Br., Stadtarch., ¨ 1r–10v, 146r–161v, B 1 Nr. 108, 21r–145v (Ab) 165v–194v, 220rv, 195r–198r (BdE) (Pap., um 1482/84, oberrheinisch; enth¨alt auf 215r–219r ein Verz. M.s der Prioren der Teutonia). – Ebd., B 1 ¨ 145r–184r (BdE) (Pap., um Nr. 147, 2r–144r (Ab) 1472/80, oberrheinisch). – Karlsruhe, LB, Cod. K ¨ (Pap., 1475, aus Pforzheim). – 1177, 2r–177v (Ab) Ebd., Cod. St. Peter pap. 43, 75r–98v (BdE, Auszug) (zweite H¨alfte 15. Jh., aus Adelhausen). – ¨ Leipzig, UB, Ms. 1548, 14r–111v (Ab), 133r–251r (BdE) (Pap., 1483, aus M¨odlingen). – T¨ubingen, UB, Cod. Md 456, 3r–52v (BdE, Ausz¨uge) (Pap., 1472/84, aus St. Gallen); auf 56r–62r Sonder¨uberl. der «Geistlichen Meerfahrt» der → Margareta Ur¨ sula von Masm¨unster innerhalb des BdE. – Uberlingen, Leopold-Sophien-Bibl., Ms. 5, 120vb–239va ¨ 261ra–362vb (BdE) (Pap., zweite H¨alfte 15. Jh., (Ab) ostschweizerisch; enth¨alt auf 369ra–371ra einen von M. erstellten Kat. der Provinziale und der Wahlkap. der Teutonia). – Schwesternleben (Red.): N¨urnberg, StB, Cod. Cent. V, 105, 143 Bll. (Perg. und Pap., 757

2. H¨alfte 15. Jh. zweite H¨alfte 15. Jh., aus dem N¨urnberger Katharinenkloster). – Chronik des Inselklosters St. Michael: Breslau, UB, Cod. IV F 194a, 81vb–148va (Pap., um 1450, aus dem N¨urnberger Katharinenklos¨ ter; auf 1ra–81vb steht die Fortsetzung des «Otenbacher Schwesternbuches»). – Regelbuch des Inselklosters/Liber vitae: Bern, Burgerbibl., Cod. A 53, 75 Bll. (Perg., Mitte 15. Jh.). – Liber de illustribus viris O.P./De fundatione [...] Angelicae Porte [...]: Basel, UB, Cod. E III 12, 1r–46v/54r–56v (Pap., teilweise Autograph). – Chronica brevis O.P.: M¨unchen, Nationalmuseum, Cod. 939, 18v–86v (Pap., 15. Jh.); auf 107r–109v: «De primis [...] doctoribus O.P.». – Buch der Reformacio Predigerordens: Straßburg, National- und UB, Ms. 2934 (vormals L germ. 726.4°, davor Cheltenham, Bibl. Phillippica, Cod. 3880), 10v–258r (Pap., 1468, aus St. Nikolaus in undis, Straßburg; mit Korrekturen und Erg¨anzungen M.s). – M¨unchen, BSB, Cgm 8081, 24v–274v (Pap., 1470, aus dem N¨urnberger Katharinenkloster). – St. Gallen, Stiftsbibl., Cod. 1916, S. 42–757 (Pap., St. Galler Abschrift des Cgm 8081 von 1483). – T¨ubingen, UB, Cod. Md 456, 81r–245r (Ausz¨uge) (s. o.). – Vitas fratrum/Kaiserchronik/Epistel/Papstchronik: Berlin, SBB, Mgq 195, 12v–162v/170r–253v/ 253v–257r/267r–282r (Pap., aus Straßburg, mit Nachtr¨agen M.s; auf 163r–166r steht M.s Vita des Albertus Magnus). – Freiburg i. Br., Stadtarch., B 1 Nr. 202, 9r–152v («Vitas fratrum»); ebd. B 1 Nr. 203 (Fortsetzung von Nr. 202) 1r–71v, Nachtrag M.s: 74v–76v («Papstchronik»), 71v–74r («Epistel») (Pap., 1475 [Nachtrag M.s: 1481], rheinfr¨ankisch). – Mu¨ nchen, BSB, Cgm 416, 1r–161v («Vitas fratrum») (Pap., 1489, niederalemannisch). – Chronik von 1481: Freiburg i. Br., Stadtarch., B 1 Nr. 107, 292r–317v (Pap. und Perg., zweite H¨alfte 15. Jh., aus Adelhausen, Autograph). – Chronik von 1484: Ebd., 240v–227v. – Exzerptum aus dem Adelhauser Schwesternbuch: Ebd., 268r–288r. – Ebd., B 1 Nr. 108, 199r–214v (s. o.). ¨ Ausgaben: Amterbuch (Ausz¨uge): K¨onig 1880 (s. Lit.) S. 196–206. – Ernst Kelchner: Eine Bibliotheksordnung aus dem Jahre 1259. Ein Beitr. zum Bibliothekswesen des MA. In: Zs. f¨ur Buchwesen 1 (1884) S. 307–313, hier S. 308–313. – K. Meyer (s. Lit.) S. 171–177. – Scheeben 1937 (s. Lit.) S. 190–195. – Karl Christ: Ma. Bibliotheksordnungen f¨ur Frauenkl¨oster. In: Zentralbl. f¨ur Bibliothekswesen 59 (1942) S. 1–29, 758

2. H¨alfte 15. Jh. hier S. 25–29. – Albert Bruckner: Scriptoria medii aevi Helvetica. Bd. 12: Das alte Bistum Basel. Genf 1971, S. 35–39. – Borries (s. Lit.) S. 418–421. – Buch der Ersetzung (Ausz¨uge): K¨onig 1880 (s. Lit.) S. 207–209. – Anton Hauber: Dt. Hss. in Frauenkl¨ostern des sp¨ateren MA. In: Zentralbl. f¨ur Bibliothekswesen 31 (1914) S. 341–373, hier S. 357–359. – Florent Landmann: Zwei Andachts¨ubungen v. Straßburger Klosterfrauen am Ende des MA. In: Arch. f¨ur els¨assische Kirchengesch. 6 (1931) S. 217–228, hier S. 222–228. – Scheeben 1937 (s. Lit.) S. 189–202. – Borries (s. Lit.) S. 158 f., 203, 210, 421–425, 462 f. – Liber de illustribus viris O.P./De fundatione [...] Angelicae Porte [...]: Paulus v. Lo¨e: J. M. Liber de viris illustribus O.P. (Quellen und Forschungen zur Gesch. des Dominikanerordens in Deutschland 12). Leipzig 1918. – Chronica brevis O.P./De primis [...] doctoribus O.P.: Heribert C. Scheeben: J. M. Chronica brevis O.P. (Quellen und Forschungen zur Gesch. des Dominikanerordens in Deutschland 29). Vechta 1933. – Buch der Reformacio Predigerordens: Benedikt M. Reichert: J. M. Buch der Reformacio Predigerordens (Quellen und Forschungen zur Gesch. des Dominikanerordens in Deutschland 2/3). 2 Bde. Leipzig 1908/1909 (nach Cgm 8081). – Nachtr¨age nach Straßburg, Ms. 2934: Annette Barthelme: La r´eforme dominicaine au XVe si`ecle en Alsace et dans l’ensemble de la province de Teutonia. Straßburg 1931, S. 188–193. – Vitas fratrum: Placidus Wehbrink: Das Leben der Br¨uder Predigerordens v. J. M. In: Arch. der dt. Dominikaner 2 (1939) S. 99–133 (nach Berlin, Mgq 195). – Papstchronik (Ausz¨uge): Albert 1902 (s. Lit.) S. 294–297. – Oskar Vasella: Gesch. des Predigerklosters St. Nicolai in Chur v. seinen Anf¨angen bis zur 1. Aufhebung, 1280–1538. Diss. Paris 1931, S. 130. – Epistel: Scheeben 1937 (s. Lit.) S. 185–189 (nach Berlin, Mgq 195). – Ausz¨uge aus Freiburg, B 1 Nr. 202 bei Albert 1898 (s. Lit.) S. 258–261. – Chronik v. 1481/84 (Ausz¨uge): K¨onig 1880 (s. Lit.) S. 133, 194 f. – Albert 1898 (s. Lit.) S. 261 f. – Albert 1902 (s. Lit.) S. 288–294. – Scheeben 1937 (s. Lit.) S. 176, 178–180, 184. – Exzerptum aus dem Adelhauser Schwesternbuch (Ausz¨uge): K¨onig 1880 (s. Lit.) S. 210–225. Literatur: Werner Fechter, VL2 6 (1987) Sp. 474–489. – Manfred Gerwing, LexMA 6 (1993) Sp. 592. – Peter Ochsenbein, BBKL 5 (1993) Sp. 1427–1429. – Markus Ries, NDB 17 (1994) S. 355 f. – Thomas Berger, LThK3 7 759

Meyer (1998) Sp. 224. – Sabine v. Heusinger, RGG4 5 (2002) Sp. 1199 f. – Wolfram-Schneider-Lastin, VL2 11 (2004) Sp. 1003 f. – Anna Zajchowska, Encyclopedia of the Medieval Chronicle 2 (2010) S. 1107 f. – Joseph K¨onig: Zur Gesch. der Freiburger Kl¨oster. In: Freiburger Di¨ozesan-Arch. 12 (1878) S. 291–303. – Ders.: Die Chron. der Anna v. Munzingen. In: ebd. 13 (1880) S. 129–236. – Wilhelm Preger: Gesch. der dt. Mystik im MA. Bd. 2: Aeltere und neuere Mystik in der ersten H¨alfte des XIV. Jh. Heinrich Suso. Leipzig 1881 (Neudr. Aalen 1962) S. 251–253. – Peter Albert: J. M. ein obd. Chronist des 15. Jh. In: Zs. f¨ur die Gesch. des Oberrheins 52 (1898) S. 25–263. – Ders.: Zur Lebensgesch. des Albertus Magnus. In: Freiburger Di¨ozesan-Arch. 30 (1902) S. 283–298. – Ders.: Zur Lebensgesch. des Dominikanerchronisten J. M. In: Zs. f¨ur die Gesch. des Oberrheins 60 (1906) S. 504–510. – P. v. Lo¨e: Statistisches u¨ ber die Ordensprovinz Teutonia (Quellen und Forschungen zur Gesch. des Dominikanerordens in Deutschland 1). Leipzig 1907. – Ders.: Statistisches u¨ ber die Ordensprovinz Saxonia (ebd. 4). Ebd. 1910. – Kathi Meyer: Das ‹Amptbuch› des J. M. Ein Beitr. zur Gesch. des Musikbetriebes in Kl¨ostern des MA. In: Arch. f¨ur Musikwiss. 1 (1918/19) S. 166–178. – H. C. Scheeben: Hss. 1. In: Arch. der dt. Dominikaner 1 (1937) S. 149–202. – Hildegard Wachtel: Die liturgische Musikpflege im Kloster Adelhausen seit Gr¨undung des Klosters 1234 bis um 1500. In: Freiburger Di¨ozesan-Arch. 66 (1938) S. 1–96, hier S. 57–64. – Gundolf Gieraths: Reichtum des Lebens. Die dt. Dominikanermystik des 14. Jh. (F¨ur Glauben und Leben 6). D¨usseldorf 1956, S. 4–45. – Hans Hornung: Daniel Sudermann und die Bibl. des Straßburger Klosters St. Nikolaus in undis. In: Zs. f¨ur die Gesch. des Oberrheins 107 (1959) S. 338–399, hier S. 388–391. – Klaus Grubm¨uller: Die Viten der Schwestern v. T¨oß und ¨ Elsbeth Stagel (Uberl. und literarische Einheit). In: ZfdA 98 (1969) S. 171–204. – Thomas Kaeppeli: Scriptores ordinis praedicatorum medii aevi. Bd. 2. Rom 1975, S. 476–480. – Otto Herding: Das Testament des Hans v. Sch¨onau (1480–1527). In: Freiburger Di¨ozesan Arch. 99 (1979) S. 94–172, hier S. 104, 107 f., 116, 123. – W. Fechter: Die N¨urnberger Hs. v. J. M.s ‹Buch der Reformacio Predigerordens›. In: ZfdA 110 (1981) S. 57–69. – Eugen Hillenbrand: Die Observantenbewegung in der dt. Ordensprovinz der Dominikaner. In: Reformbem¨uhungen und Observanzbestrebungen im 760

Hans von Eptingen sp¨atma. Ordenswesen (Berliner Hist. Stud. 14/Ordensstud. 6). Hg. v. Kaspar Elm. Berlin 1989, S. 232 f. – P. Ochsenbein: Lat. und Dt. im Alltag oberrheinischer Dominikanerinnenkl¨oster des Sp¨atMA. In: Lat. und Volkssprache im dt. MA 1100–1500. Regensburger Colloquium 1988. Hg. v. Nikolaus Henkel/Nigel F. Palmer. T¨ubingen 1992, S. 42–51, hier S. 45. – Thomas Lentes: Bild, Reform und Cura Monialium. Bildverst¨andnis und Bildgebrauch im Buch der Reformacio Predigerordens des J. M. († 1485). In: Dominicains et dominicaines en Alsace, XIIIe–XXe si`ecles. Actes du colloque de Guebwiller, 8–9 avril 1994. Hg. v. JeanLuc Eichenlaub. Colmar 1996, S. 177–195. – Repertorium fontium historiae medii aevi 7 (1997) S. 586 f. – Claudia Engler Maurer: Regelbuch und Observanz. Der Codex A 53 der Burgerbibl. Bern als Reformprogramm des J. M. f¨ur die Berner Dominikanerinnen. Diss. Bern 1998. – Anne Winston-Allen: Rewriting Women’s History: Medieval Nuns’ vitae by J. M. In: Medieval German Voices in the 21st Century. The Paradigmatic Function of Medieval German Studies for German Studies (Internationale Forschungen zur allg. und vergleichenden Literaturwiss. 46). Hg. v. Albrecht Classen. Amsterdam 2000, S. 145–154. – Claudia Heimann: Beobachtungen zur Arbeitsweise von J. M. OP anhand seiner Aussagen u¨ ber die Reform der Dominikanerkonvente der Teutonia, besonders der Natio Austriae. In: Archivum Fratrum Praedicatorum 72 (2002) S. 187–220. – Carl Pfaff: Bild und Exempel. Die observante Dominikanerin in der Sicht des J. M. O.P. In: Personen der Gesch. – Gesch. der Personen: Stud. zur Kreuzzugs-, Sozial- und Bildungsgesch. FS Rainer Christoph Schwinges. Hg. v. Christian Hesse u. a. Basel 2003, S. 221–238. – Marie-Luise Ehrenschwendtner: Die Bildung der Dominikanerinnen in S¨uddeutschland vom 13. bis 15. Jh. (Contubernium 60). Stuttgart 2004, S. 389 (Reg.). – Ekkehard Borries: Schwesternspiegel im 15. Jh. Gattungskonstitution, Editionen, Unters. Berlin/New York 2008. – W. Schneider-Lastin: Leben und Offenbarungen der Elsbeth v. Oye. Textkrit. Edition der ¨ Vita aus dem ‹Otenbacher Schwesternbuch›. In: Kulturtopographie des deutschsprachigen S¨udwestens im sp¨ateren MA. (Kulturtopographie des alemannischen Raums 1). Hg. v. Barbara Fleith/Ren´e Wetzel. Berlin u. a. 2009, S. 395–468, hier S. 395, 399, 462 f. – Christian Seebald: Schreiben f¨ur die Reform. Reflexionen v. Autorschaft in den 761

2. H¨alfte 15. Jh. Schr. des Dominikaners J. M. In: Schriftstellerische Inszenierungspraktiken – Typologie und Gesch. (Beih. zum Euph. 62). Hg. v. Christoph J¨urgensen/Gerhard Kaiser. Heidelberg 2011, S. 33–54. VZ Hans (Bernhard) von Eptingen, † 1494. – Verfasser eines Pilgerreiseberichts. Der Schlossherr aus Pratteln (bei Basel) enstammte einem seit dem Ende des 12. Jh. bezeugten Basler Rittergeschlecht. 1467 erwarb H. das Basler B¨urgerrecht und wurde 1468 Ratsmitglied. 1460 hatte er in der Reisegesellschaft Herzogs Otto II. von Pfalz-Mosbach eine Heiliglandfahrt unternommen, uber ¨ die er einen Bericht verfasste. Demnach stach die Gesellschaft am 12.5.1460 in Venedig in See und kehrte am 12.9. dorthin zur¨uck. Zusammen mit dem Herzog erhielt H. den Ritterschlag am Heiligen Grab und wurde auf der R¨uckreise in Nicosia auch zum Schwertritter von Zypern geschlagen. Von Venedig aus reiste er u¨ ber Mailand und St. Gotthard nach Pratteln zur¨uck. Der Bericht ist Teil einer umfassenderen Familiengeschichte, des Familienbuchs der Herren von Epting. Eine Reihe von Ratschl¨agen f¨ur Pilger geht den anschaulichen Aufzeichnungen voraus, die gepr¨agt sind von der ausgesprochenen Neugier ihres Verfassers. Von Interesse sind zudem die namentlichen Erw¨ahnungen anderer Reiseteilnehmer. ¨ Uberlieferung: Abschr. des ‹Familienbuchs› aus dem 16. Jh. im Privatbesitz der Familie von Sonnenberg, Luzern, 256 Bll., Reiseber.: 55v–110r. Ausgaben: Anon.: Reise des Ritters H. B. v. E. nach Pal¨astina im Jahr 1460. In: Schweizerischer Geschichtsforscher 7 (1828) S. 313–402 (unvollst.: Teile der Meerfahrt und die Ablassverz. fehlen). – August Bernoulli: Die Pilgerfahrt H. B.s v. Eptingen. In: Beitr. zur vaterl¨andischen Gesch. NF 2,1 (1885) S. 15–75 (Nacherz¨ahlung). – Dorothea A. Christ: Das Familienbuch der Herren von Eptingen. Komm. und Transskription (Quellen und Forschungen zur Gesch. und Landeskunde des Kantons Baselland 41). Liestal 1992. Literatur: Marjatta Wis, VL2 3 (1981) Sp. 450. – Reinhold R¨ohricht/Heinrich Meisner: Dt. Pilgerreisen nach dem Heiligen Lande. Berlin 1880, S. 481. – R. R¨ohricht: Bibliotheca geographica Palaestinae. Chronologisches Verz. der v. 333 bis 1878 verfaßten Lit. u¨ ber das Heilige Land. Berlin 1890. Verb. und verm. Neuausg. mit einem Vorw. 762

2. H¨alfte 15. Jh. v. David H. K. Amiran. Jerusalem 1963 (Nachdr. London 1989) Nr. 345. – Ders.: Dt. Pilgerreisen nach dem Heiligen Lande. Neue Ausg. Innsbruck 1900 (Neudr. Aalen 1967) S. 126 f. – Karl Schwarber: Aus dem Pal¨astina-Itinerar des Ritters H. B. v. E. In: Stultifera Navis. Mitt.bl. der Schweizerischen Bibliophilen-Ges. 5 (1948) S. 108–115. – Hans-Joachim Lepszy: Die Reiseber. des MA und der Reformationszeit. Diss. masch. Hamburg 1952, S. 177 f. – Peter D¨urrenmatt: Schweizer Gesch. Z¨urich 1963, S. 105. – Ursula Ganz-Bl¨attler: Andacht und Abenteuer. Ber. europ¨aischer Jerusalemund Santiago-Pilger (1320–1520) (Jakobus-Stud. 4). T¨ubingen 1990, 32000, S. 64, 120 f., 184–186, 228 f., 381. – Christ (s. Ausg.) Komm. – Werner Paravicini: Die ritterlich-h¨ofische Kultur des MA (Enzyklop¨adie dt. Gesch. 32). M¨unchen 21999, S. 102–108. – Svetlana Beloˇsniˇcenko: Deutschsprachige Pilger- und Reiseber. des 15. und 16. Jh. Eine Unters. ihrer Themen und ihrer Sprache im mentalit¨atsgeschichtlichen Kontext. Osnabr¨uck 2004, S. 84–146. VZ Werler Reimchronik der Soester Fehde. – Mnd. Chronik. Der Verfasser der anonym u¨ berlieferten Chronik in Paarreimen (83.766 Verse) berichtet eigenst¨andig von den Ereignissen der Soester Fehde (1444–1449, Abfall Soests vom Erzbistum K¨oln mit Unterst¨utzung des Herzogtums Kleve) und propagiert dabei die Position K¨olns, insbesondere hebt er den Anteil der erzstiftisch-k¨olnischen Stadt Werl an den Auseinandersetzungen hervor (die Soester/ Klever Position vertreten in ihren Berichten u¨ ber die Ereignisse z. B. → Bartholom¨aus van der Lake und → Gert van der Sch¨uren). Vermutlich hielt sich der Verfasser zumindest vor¨ubergehend in Werl auf, war Zeit-, nicht Augenzeuge der Ereignisse und entstammt eher dem rheinischen als dem westf¨alischen Raum. Die Abfassung der Chronik d¨urfte um 1460 abgeschlossen gewesen sein. ¨ Uberlieferung: Paderborn, Erzbisch¨ofl. Akadem. Bibl., Pa 71, 1–34 (Mitte 15. Jh.). Ausgabe: Joseph Hansen (Hg.): Die Chron. der westf¨alischen und niederrheinischen St¨adte. Bd. 2: Soest (Chron.dt.St¨adte 21). Leipzig 1889, S. 282–336. Literatur: Carl August L¨uckerath, VL2 10 (1999) Sp. 891–894. – Norbert Wex: Soester Fehde. In: Killy2 10 (2011) S. 46 f. – Hansen (s. Ausg.) S. 179–181. – Wolf-Herbert Deus: Die Soester 763

Werler Reimchronik der Soester Fehde Fehde. Soest 1949. – Heinz-Dieter Heimann: F¨urstenpolitik und Fehde. In: Soest. Stadt – Territorium – Reich. Hg. v. Gerhard K¨ohn (Soester Beitr. 41). Soest 1981, S. 151–179. – Wolfgang Bockhorst: Werl im Sp¨atMA. In: Werl. Gesch. einer westf¨alischen Stadt. Hg. v. Amalie Rohrer/Hans-J¨urgen Zacher (Stud. und Quellen zur westf¨alischen Gesch. 31). Bd. 1. Paderborn/Werl 1994, S. 95–134 passim. – H.-D. Heimann: Die Soester Fehde. In: Soest. Gesch. der Stadt. Bd. 2. Hg. v. dems. (Soester Beitr. 53). Soest 1996, S. 173–260. – Ders.: Die Soester Fehde. Gesch. einer erstrittenen Stadtfreiheit. Soest 2003. VZ Kerkhorde, ¨ Johann, * zweite H¨alfte 14. Jh., † nach 1465. – Verfasser einer Dortmunder Chronik. In den Jahren 1431, 1433, 1436 und 1450 war K. Vertreter der sechs Gilden Dortmunds; 1438–48, 1455 und 1458–62 ist er außerdem als Rat der Stadt Dortmund bezeugt. Von ihm stammt eine nd. Chronik von Dortmund, die mit dem Tag von K.s Heirat (1405) beginnt und mit dem Jahr 1465 abbricht. Erhalten ist etwa knapp die H¨alfte des Originals. Die Chronik ist nach Jahren eingeteilt, K. bem¨uht sich um Objektivit¨at und erz¨ahlt aus eigenem Erleben heraus. Besonders wichtig ist die Darstellung der SoesterFehde als Gegenbericht zur Klevischen Chronik des → Gert van der Sch¨uren und der Soester Chronik des → Bartholom¨aus van der Lake. ¨ Uberlieferung: Berlin, SBB, Ms. Boruss. fol. 574, 160r–212r (Abschr. aus dem Jahr 1612 nach einem im selben Jahr v. Detmar M¨ulher angefertigten Auszug nach dem heute verlorenen Autograph). – Paderborn, Erzbisch¨ofliche Bibl., Cod. Pa 102 (Dortmunder Chron. des Dietrich Westhoff [1548/51] mit Eintragungen aus K. v. einer Hand des 17. Jh.). – Abschr. des 18. und 19. Jh. nach der Berliner Hs.: Dortmund, Stadtarch., B XIII 12 (Kriegsverlust). – Ebd., Best. 202, XIII 13. Ausgabe: Johannes Franck/Joseph Hansen (Hg.): Chron. des J. K. v. 1405–1465 (Die Chron. der dt. St¨adte vom 14. bis ins 16. Jh. 20). Leipzig 1887 (Nachdr. G¨ottingen 1969) S. 1–146. Literatur: Hubert Herkommer, VL2 4 (1983) Sp. 1132–1134. – De Boor/Newald 4/1 (21994) S. 152. – Karl R¨ubel: Die Chron. des J. K. In: Beitr. zur Gesch. Dortmunds und der Grafschaft Mark 1 (1875) S. 58–63. – Franck/Hansen (s. Ausg.) S. XIX f., 3–13. – Wilhelm Fox: Ein Humanist 764

Mainzer Chronik als Dortmunder Geschichtsschreiber und Kartograph – Detmar M¨ulher (1567–1633). In: Beitr. zur Gesch. Dortmunds und der Grafschaft Mark 52 (1955) S. 109–275, bes. S. 165 f. – Heinrich Schmidt: Die dt. St¨adtechron. als Spiegel des b¨urgerlichen Selbstverst¨andnisses im Sp¨atMA (Schriftenreihe der Hist. Kommission bei der Bayerischen Akad. der Wiss. 3). G¨ottingen 1958, bes. S. 83, 91 und 100. – Luise v. Winterfeld: Gesch. der freien Reichs- und Hansestadt Dortmund. Dortmund 61977, S. 28. – Ursula B¨aumker: ‹... men gaff allemenne genoech ind reedliken ...›. Zur Truppenverpflegung w¨ahrend der Soester Fehde (1448/49). In: Nahrung und Tischkultur im Hanseraum. Hg. v. Ruth-Elisabeth Mohrmann/G¨unter Wiegelmann (Beitr. zur Volkskultur in Nordwestdeutschland 91). M¨unster 1996, S. 211–241, hier S. 211 f. – Oliver Plessow: Die umgeschriebene Gesch. Sp¨atma. Historiographie in Mu¨ nster zwischen Bistum und Stadt (M¨unstersche hist. Forschungen 14). K¨oln 2006, S. 415 u. o¨ . – Matthias Ohm u. a. (Hg.): Ferne Welten – Freie Stadt: Dortmund im MA (Dortmunder MA-Forschungen 7). Bielefeld 2006, passim. SF Bernd. – Verfasser eines Pilgerreiseberichts, zweite H¨alfte 15. Jh. Als «koster bernt» bezeichnet sich der Verfasser eines nd. Berichtes von einer Pilgerfahrt nach Jerusalem im Jahr 1463. Die Aufzeichnungen enden mit dem Besuch des Toten Meeres. Da keine externen Nachweise zum Autor vorliegen, l¨asst sich ausschließlich aus den handschriftlichen Informationen ein vages Bild von ihm zeichnen: B. k¨onnte Franziskaner gewesen sein, die Sprache weist ins westliche Mu¨ nsterland und er kannte M¨unster. Vielleicht war er dort oder in der N¨ahe K¨uster. ¨ Uberlieferung: Dorsten, Schloss Lembeck, Gr¨afl. Merveldtsche Bibl., Cod. B 12° 283 (vormals Westerwinkel, Merveldtsche Schlossbibl., Cod. B 12° 283), 305r–352v (Pap., 15./16. Jh., nd.); auf Bl.268r–286r sind ferner zwei «geistige Wallfahrten» nach Jerusalem bzw. Rom enthalten; ein Besitzervermerk nennt «sorora anna magdalena zum kley». Ausgaben: Autbert Stroick: Der Ber. des Koster B. u¨ ber seine Pilgerfahrt ins Hl. Land aus dem Jahre 1463. In: Westf¨alische Zs. f¨ur vaterl¨andische Gesch. und Altertumskunde 90 (1934) S. 89–111. – Helmut Lahrkamp: Ma. Jerusalemfahrten und Orientreisen westf¨alischer Pilger und Kreuzritter. In: ebd. 765

2. H¨alfte 15. Jh. 106 (1956) S. 269–346, hier S. 331–334 (Auszug, nach Stroick). Literatur: Dietrich Huschenbett, VL2 1 (1978) Sp. 746; 11 (2004) Sp. 239. – Hartmut Beckers: Mnd. lit. Hss. in westf¨alischen Adelsarch. und bibl. In: Nd. Wort 34 (1994) S. 35–44, hier S. 44. VZ Mainzer Chronik. – Anonymer Bericht u¨ ber die Geschichte der Stadt Mainz 1459–84. Im Zentrum der zwischen 1582 und 1612 zusammengestellten Chronik steht die Eroberung der Stadt Mainz im Rahmen der Mainzer Stiftsfehde (1462). Mehrere Streitschriften sind inseriert und ein Gedicht Hans → Gutkorns wurde mitaufgenommen. ¨ Uberlieferung: A: Mainz, StB, cod. IV 94. – B: Darmstadt, Staatsarch., C 1 Nr. 207 (erw. Abschrift aus A). – C: M¨unchen, BSB, Cgm 2875 (ver¨anderte Abschrift aus B). Ausgaben: Carl Hegel (Hg.): Die Chron. der mittelrheinischen St¨adte. Mainz. Bd. 2 (Chron.dt.St. 18). Leipzig 1882 (Nachdr. G¨ottingen 1968) S. 14–86 (aus A). – J. Bodmann: Eine vollst¨andige von einem Gleichzeitigen und Augenzeugen gefertigte Nachricht von der [...] Fehde und [...] Unterjochung der Stadt Mainz. In: Rheinisches Arch. 4/5 (1811) (verf¨alscht aus B). Literatur: Thomas Frenz, VL2 5 (1985) Sp. 1179 f. – Hegel (s. Ausg.) S. 1–13. – Arthur Wyss: Zur Gesch. der Stadt Mainz im MA. 1. Die Ausg. der Mainzer Chron. in den ‹Chron. der dt. St¨adte›. In: Westdt. Zs. f¨ur Gesch. und Kunst 3 (1884) S. 35–58. – Carl Hegel: Die Mainzer Chron. von 1459–1484. In: ebd. 4 (1885) S. 51–55 (darauf Erwiderung von A. Wyss, ebd. S. 112). – Adalbert Erler: F. J. Bodmann, ein F¨orderer und F¨alscher der Rheinischen Rechtsgesch. In: Jb. f¨ur das Bistum Mainz 5 (1950) S. 473–493. – Johannes Bernhard Menke: Geschichtsschreibung und Politik in dt. St¨adten des MA. In: Jb. des k¨olnischen Geschichtsvereins 33 (1958) S. 1–84; 34/35 (1960) S. 85–194, hier S. 146 f. – Alois Gerlich: Mainzer Stiftsfehde. In: LexMA 6 (1993) Sp. 144 f. – Franz Dumont/ Ferdinand Scherf/Friedrich Sch¨utz (Hg.): Mainz. Die Gesch. der Stadt. Mainz 1998. – Kai-Michael Sprenger: Die Mainzer Stiftsfehde 1459–1463. In: Lebenswelten Johannes Gutenbergs. Hg. v. Michael Matheus (Mainzer Vortr¨age 10). Stuttgart 2005, S. 107–142. BJ 766

2. H¨alfte 15. Jh. Schumann, Johannes. – Schreiber, m¨oglicherweise auch selbst Autor. S. stammte vermutlich aus Lutzenburg/Oberpfalz, Lutzenburg/Schwaben oder L¨utzelburg bei Augsburg. Er war Schreiber in der deutschsprachigen Sammelhandschrift London, British Library, Ms. Arundel 6 (Pap., 15. Jh., bair.), die u. a. die Goldene Bulle, die Chronik → Martins von Troppau ¨ und Hans → Mairs Trojanerkrieg-Ubersetzung und eine Sammlung von Abl¨assen enth¨alt. Am Schluss steht ein Bericht u¨ ber eine Kaufmannsreise von Venedig nach Beirut im Jahr 1434 mit der Schreibernotiz, die S.s Namen und das Jahr 1460 als Datum der Niederschrift angibt. Es ist unklar, ob S. die ganze Handschrift bis zum Reisebericht, der sich durch eine F¨ulle von Details auszeichnet, geschrieben hat, oder ob er vielleicht selbst der reisende Kaufmann war. Ausgabe: Ernst Henrici: Beschreibung einer Seereise von Venedig nach Beirut im Jahr 1434. In: ZfdA 25 (1881) S. 59–70. Literatur: Dietrich Huschenbett, VL2 8 (1992) Sp. 875 f. – Karl Ernst Hermann Krause: Bemerkungen zu der Reise v. Venedig nach Beirut. In: ZfdA 25 (1881) S. 182–188. – Reinhold R¨ohricht: Bibliotheca geographica Palaestinae. Chronologisches Verz. der v. 333 bis 1878 verfaßten Lit. u¨ ber das Heilige Land. Berlin 1890. Verb. und verm. Neuausg. mit einem Vorw. v. David H. K. Amiran. Jerusalem 1963 (Nachdr. London 1989) Nr. 302. – Ders.: Dt. Pilgerreisen nach dem Heiligen Lande. Innsbruck 1900 (Nachdr. Aalen 1967) S. 108 f. – Rainer Meisch: Troja und die Reichsstadt N¨ordlingen. Stud. zum ‹Buch v. Troja« (1390/92) des Hans Mair (Wissenslit. im MA 18). Wiesbaden 1994. BJ

Gemeine Eiderstedtische Chronik (Chronicon Eiderostadense vulgare). – Prosachronik, zweite H¨alfte 15. Jh. Die annalistisch angelegte mnd. Chronik behandelt die Geschichte Eiderstedts mit ihren politischen Verzweigungen nach Dithmarschen, Gottorf und D¨anemark. Abgehandelt wird, mit einzelnen L¨ucken, der Zeitraum von 1103 bis 1547. Die Jahre 1461–72 d¨urften vom Chronisten aus eigener Anschauung berichtet worden sein. Als Hauptautor des Werks gilt der Landschreiber Dirk Scriver, der aus einer Familie von Gutsbesitzern stammte. 767

Schumann Sp¨ater wurde die Chronik wahrscheinlich von seinem Bruder Wenni und anderen Mitgliedern der Familie fortgesetzt. ¨ Uberlieferung: Kopenhagen, Kgl. Bibl., GKS cod. 820,2° (Mitte 16. Jh.). – Weitere Hss. bei Jasper 2 1977 (s. Ausg.) S. 11 f. Ausgaben: Andreas L. J. Michelsen: Johann Russes, Achtundvierzigers aus Lunden, Sammlungen und Vorarbeiten zur Chron. des Landes Dithmarschen. In: Staatsb¨urgerliches Magazin 9 (1829) S. 695–723. – Chronicon Eiderostadense vulgare oder die gemeine Eiderstedtische Chronik 1103–1547. Bearb. v. Johannes Jasper/Claus Heitmann. Garding 1923. Neuaufl. St. Peter Ording ¨ 1977. Nachdr. Norderstedt 2007 (mit nhd. Ubers.). Literatur: Klaus Wriedt, VL2 2 (1980) ¨ Sp. 1191. – Goslar Carstens: Uber den Verf. des ‹Chronicon Eiderostadense vulgare›. In: Nordfriesisches Jb. NF 1 (1965) S. 55–58. – Karl-Peter K¨oo¨ p: Von ‹Schweifsternen› und von ‹großer Finsternis›. Das ‹Chronicon Eiderostadense vulgare› als astronomische Quelle. In: Nordfriesland 24 (1991) H. 3, S. 21 f. MM Bruder Heinrich. – Verfasser eines Pilgerberichts. Von M¨arz bis Oktober 1461 unternahm Graf ¨ zu Stolberg (1436–1511) innerHeinrich d. A. halb der Reisegesellschaft Herzog Wilhelms III. von Th¨uringen eine Pilgerreise nach Jerusalem. Als ¨ zu StolVerfaser des lange Zeit Graf Heinrich d. A. berg, fr¨uher auch f¨alschlicherweise seinem Sohn, Graf Botho von Stolberg, zugeschriebenen Berichts u¨ ber diese Reise nennt sich im Text ein «bruder henrich» aus Graf Heinrichs Gefolge. Von derselben Reise existieren zwei Pilgerberichte (Hans → Kopl¨ar und → Wilhelms von Th¨uringen Pilgerfahrt ins Hl. Land). ¨ Uberlieferung: Wernigerode, LA Magdeburg Landeshauptarch., Außenstelle Wernigerode, Rep. H Stolberg-Wernigerode, H. A. A 1 Fach 4 Nr. 2, 27 Bll. (um 1461/62; Fragm.). Ausgabe: Eduard Jacobs: Graf Heinrichs des ¨ Alteren zu Stolberg Meerfahrt nach Jerusalem und ins gelobte Land. In: Zs. des Harz-Vereins f¨ur Gesch. und Alterthumskunde 1 (1868) S. 173–220. Literatur: Dietrich Huschenbett, VL2 3 (1981) Sp. 880; 11 (2004) Sp. 637. – Reinhold R¨ohricht/ Heinrich Meisner: Dt. Pilgerreisen nach dem Heiligen Lande. Berlin 1880, S. 510 u. 578. – R. R¨ohricht: Bibliotheca geographica Palaestinae. 768

Wilhelms III. von Thuringen ¨ Pilgerfahrt ins Hl. Land Chronologisches Verz. der v. 333 bis 1878 verfaßten Lit. u¨ ber das Heilige Land. Berlin 1890. Verb. und verm. Neuausg. mit einem Vorw. v. David H. K. Amiran. Jerusalem 1963 (Nachdr. London 1989) S. 144 Nr. 441. – Ders.: Dt. Pilgerreisen nach dem Heiligen Lande. Innsbruck 1900 (Nachdr. Aalen 1967) S. 39 Anm. 46, 131, 180. – Randall Herz: Hans Koppler, ‹Rais in das heilig land› (1461). In: F¨unf Pal¨astina-Pilgerber. aus dem 15. Jh. (Wissenslit. im MA 33). Hg. v. dems. u. a. Wiesbaden 1998, S. 175–224, hier S. 198 f. – Europ¨aische Reiseberichte des sp¨aten MA. Hg. v. Werner Paravicini. Tl. 1: Dt. Reiseberichte. Bearb. v. Christian Halm (Kieler Werkst¨ucke, Reihe D, Bd. 5). 2., durchges. und um einen Nachtr. erg. Aufl. Frankfurt/M. u. a. 2001, Nr. 57, S. 141–143. BJ Kopl¨ar, Hans (Copl¨ar, Koppler). – Verfasser eines Pilgerreiseberichtes, zweite H¨alfte 15. Jh. Der dem Salzburger Patriziat entstammende K. wurde 1455 durch Kaiser Friedrich III. nobilitiert. Er unternahm 1461 eine Pilgerreise im Gefolge des Landgrafen Wilhelm III. von Th¨uringen nach Jerusalem, u¨ ber die er einen Bericht verfasst hat. (Eine von R¨ohricht 1900 [s. Lit.] vermutete Identit¨at mit dem Kammerdiener Wilhelms, Hans Compan, ist auszuschließen). Von der betreffenden Reise existieren zwei weitere Pilgerberichte (Bruder → Heinrich aus dem Gefolge des Grafen Heinrich zu Stolberg, → Wilhelms von Th¨uringen Pilgerfahrt ins Hl. Land) mit zum Teil hohen Grad ¨ an Ubereinstimmung. ¨ Uberlieferung: Mu¨ nchen, BSB, Cgm 337, 239ra–245vb (Pap., 1470, bair.-o¨ sterr.), anonyme ¨ Uberl.: Im Texteingang (der ansonsten mit Cod. 3080 u¨ bereinstimmt) ist Platz f¨ur einen Namen aus¨ gespart. – Wien, ONB, Wien, Cod. 3080, 1ra–6rb (Pap., 15. Jh., bair.-¨osterr.). – Vgl.: Hermann Men¨ hardt: Verz. der altdt. literarischen Hss. der ONB. Bd. 2 (Ver¨off. des Inst. f¨ur dt. Sprache und Lit. 13). Berlin 1961, S. 869 und Karin Schneider: Die dt. Hss. der BSB Mu¨ nchen. Cgm 201–350 (Catalogus codicum manu scriptorum Bibliothecae Monacensis 5,2). Wiesbaden 1970, S. 358. Ausgaben: Randall Herz: H. K. ‹Rais in das heilig Land›. In: F¨unf Pal¨astina-Pilgerber. aus dem 15. Jh. (Wissenslit. im MA 33). Hg. v. dems. u. a. Wiesbaden 1998, S. 203–224. Literatur: Dietrich Huschenbett, VL2 1 (1978) Sp. 316; 11 (2004) Sp. 890. – Johann Georg Kohl: 769

2. H¨alfte 15. Jh.

Die Pilgerfahrt des Landgrafen Wilhelm des Tapferen v. Th¨uringen zum heiligen Lande im Jahre 1461. Bremen 1868. – Reinhold R¨ohricht/Heinrich Meisner: Dt. Pilgerreisen nach dem Heiligen Lande. Berlin 1880, S. 484. – R. R¨ohricht: Bibliotheca geographica Palaestinae. Chronologisches Verz. der v. 333 bis 1878 verfaßten Lit. u¨ ber das Heilige Land. Berlin 1890. Verb. und verm. Neuausg. mit einem Vorw. v. David H. K. Amiran. Jerusalem 1963 (Nachdr. London 1989) Nr. 346. – Ders.: Dt. Pilgerreisen nach dem Heiligen Lande. Neue Ausg. Innsbruck 1900 (Neudr. Aalen 1967) S. 130. – Cordula Nolte: Erlebnis und Erinnerung. F¨urstliche Pilgerfahrten nach Jerusalem im 15. Jh. In: Fremdheit und Reisen im MA. Hg. v. Irene Erfen/Karl-Heinz Spiess. Stuttgart 1997, S. 65–92, hier S. 71. – Herz (s. Ausg.) S. 175–202. VZ Wilhelms III. von Thuringen ¨ Pilgerfahrt ins Hl. Land. – Reisebericht. Der dt. Reisebericht beschreibt die Pal¨astinaFahrt des th¨uringischen Landgrafen W. III. vom M¨arz bis Oktober 1461. W. reiste mit einem Gefolge von nahezu 100 Personen, darunter Grafen, Ritter, Kleriker sowie Th¨uringer und N¨urnberger B¨urger. Der Bericht ist anonym u¨ berliefert, stammte aber in der a¨ ltesten Handschrift zumindest teilweise vom Weimarer Kammerschreiber W.s, Apel Steinhausen. Von dessen in der Handschrift nachweisbaren Hand stammt n¨amlich auch die u¨ brige Reisekorrespondenz W.s; außerdem ist Steinhausen im Bericht als Schreiber genannt. ¨ Die Uberlieferung der P. besteht zun¨achst aus einer Langfassung A mit einem korrigierten Berichtsteil, Erg¨anzungen sp¨aterer Besitzer und einem nachtr¨aglich eingebundenen Verzeichnis der Reisekosten. Eine Fassung B entstand wahrscheinlich in einem kl¨osterlichen Umfeld und ist um erz¨ahlende Abschnitte und die R¨uckreise gek¨urzt. Allerdings enth¨alt B eine Teilnehmerliste der Reise, die sp¨ater in A u¨ bernommen wurde. Der Reisebericht ist wie ein Tagebuch angelegt und enth¨alt im ersten Teil ein Itinerar f¨ur die Route von Weimar nach Venedig mit detailierten Notizen u¨ ber die Empf¨ange und Ehrbezeigungen, die W. unterwegs zuteil wurden. Auch jenseits von Venedig stehen konkrete Erlebnisse der Reisegesellschaft im Mittelpunkt, darunter die Kollision mit einem Segler, die Fahrt auf einer Kriegsgaleere und die Besichtigung von Reliquien. Allerdings 770

2. H¨alfte 15. Jh. werden diese Erlebnisse sp¨ater h¨aufiger durch meteorologische, geographische, religi¨ose, politische und kulturelle Beobachtungen erg¨anzt (u. a. u¨ ber Kunstsch¨atze). Der in Jaffa beginnende zweite Teil des Berichts verzeichnet die weiteren Reisestationen mit Kommentaren des Verfassers. W.s Reise brachte zwei weitere Berichte hervor, die von Hans → Kopl¨ar und einem → «Heinrich» (fr¨uher f¨alschlich Heinrich von Stolberg) stammen. Sp¨ater wurde der hier besprochene Bericht von th¨uringischen Chronisten benutzt. Die weitere Rezeption erfolgte u. a. durch Hartung → Kammermeister, Konrad → Stolle und Cyriacus Spangenberg. ¨ Uberlieferung: Gotha, Forschungsbibl., cod. Chart. B 54, 2v–60v (um 1461, Fassung A). – Ebd., cod. Chart A 159, 197r–206r (Erfurt, um 1470, Fas¨ sung B). – Weitere Uberl. bei Herz 1998 (s. Lit.) S. 175, 189–198. Ausgaben: R. v. Weber: Pilgerfahrt eines dt. F¨ursten ins heilige Land im 15. Jh. In: Morgenbl. f¨ur gebildete Leser 39 (1845) S. 920–924; 40 (1846) S. 937–941; 41 (1847) S. 974–977 (Nacherz¨ahlung). – Johannes Falke: Herzog Wilhelms III. Reise in das Hl. Land 1461. In: Arch. f¨ur die S¨achsische Gesch. 4 (1865) S. 283–320, hier S. 289–320 (Teildruck). – Johann G. Kohl: Pilgerfahrt des Landgrafen Wilhelm des Tapferen von Th¨uringen zum hl. Lande i. J. 1461. Bremen 1868, S. 67–157. Literatur: Randall Herz, VL2 10 (1999) Sp. 1142–1145. – Reinhold R¨ohricht: Dt. Pilgerreisen nach dem Heiligen Lande. Neuausg. Innsbruck 1900, S. 127–130. – Valmar Cramer: Das Rittertum vom Hl. Grabe im 14. und 15. Jh. In: V. Cramer/Gustav Meinertz: Das Heilige Land in Vergangenheit und Gegenwart 3. K¨oln 1941, S. 111–199, hier S. 115, 120, 137. – Hans-Joachim Lepszy: Die Reiseber. des MA und der Reformationszeit. Diss. Hamburg 1952, S. 40–42. – Christiane Hippler: Die Reise nach Jerusalem. Unters. zu den Quellen, zum Inhalt und zur lit. Struktur der Pilgerber. des Sp¨atMA. Frankfurt/M. 1987, S. 93, 98 f., 154, 236. – Berthold Waldstein-Wartenberg: Die Vasallen Christi. Kulturgesch. des Johanniterordens im MA. Wien u. a. 1988, S. 104, 216, 298 f. – Cordula Nolte: Erlebnis und Erinnerung. F¨urstliche Pilgerfahrten nach Jerusalem im 15. Jh. In: Fremdheit und Reisen im MA. Hg. v. Irene Erfen/Karl-Heinz Spieß. Stuttgart 1997, S. 65–92. – R. Herz: Hans Koppler, ‹Rais in das heilig land› (1461). In: F¨unf 771

Matthias von Kemnat Pal¨astina-Pilgerber. aus dem 15. Jh. Hg. v. R. Herz u. a. Wiesbaden 1998, S. 175–224. MM Matthias von Kemnat (M. Widmann, M. Kemnaten[sis]), * 13.2.1429 (?) Kemnath/Oberpfalz, † 1.4.1476 Heidelberg. – Kurf¨urstlicher Hofkaplan, fr¨uhhumanistischer Chronist und Dichter. M. begann 1447 – zu diesem Zeitpunkt war er bereits Kleriker – sein Studium an der Universit¨at Heidelberg (1449 Baccalaureus artium). 1457 hielt er sich als Sch¨uler des italienischen Humanisten Arriginus an der ber¨uhmten und ersten dt. humanistischen Schule auf der Plassenburg (bei Kulmbach) auf. Mit einem Empfehlungsschreiben von Arriginus an den Kurf¨ursten Friedrich I. (den Siegreichen) und Peter → Luder kehrte M. nach Heidelberg zur¨uck, wo er seine Studien fortsetzte und 1465 als Baccalaureus des Kanonischen Rechts abschloss. Sp¨atestens seit 1460 war er Hofkaplan Friedrichs und erhielt an der Heidelberger Schlosskapelle und in Untergrießheim Pfr¨unden. M.’ Korrespondenz (darunter mit dem Eichst¨atter Kanzler Johann Mendel), seine Handschriftensammlung und Erw¨ahnungen in Texten von Zeitgenossen belegen seine Einbindung in den Heidelberger Fr¨uhhumanistenkreis am kurf¨urstlichen Hof. M. stand u. a. in Kontakt mit Stephan Hoest, Jakob Wimpfeling und war mit Luder befreundet. Auch lernte er in Heidelberg Michel → Beheim kennen. M.’ Hauptwerk ist seine Weltchronik mit der ersten F¨urstengeschichte in dt. Sprache. Daneben sind wenige selbstverfasste Briefe, eine akademische Rede anl¨asslich seines Bakkalaureats von 1465 und lat. Gelegenheitsdichtungen (darunter eine autobiographische Elegie) erhalten. Auch in seine Chronik sind Carmina integriert. F¨ur Kurf¨urst Friedrich hat er ein Kalendarium und ¨ eine Gebetbuch geschrieben (Wien, ONB Cod. 13428, 1r–187r). M.’ astrologisches Interesse belegen eine einschl¨agige Textsammlung, die er zu diesem Thema angelegt hat (in Bibl. Apostolica Vaticana, Cod. Pal. lat. 1370), selbst ausgearbeitete Horoskope sowie ein Brief an den kurf¨urstlichen Notar Johannes Pr¨uß. Die Prosachronik M.’ umfasst Ereignisse der profanen, kirchlichen, Natur- und Kulturgeschichte von Christi Geburt bis 1475/76, dient aber prim¨ar der Verherrlichung Friedrichs. Ihm ist das Werk gewidmet (eine dt. und eine lat. panegyrische Vorrede) und ein großer Teil des Materials verdankt 772

Matthias von Kemnat sich der engen Bindung M.’ an den Landesherren. Neben dem Zugang zum pf¨alzischen Archiv und der Artistenbibliothek konnte M. auch aus eigener Anschauung berichten, da er den Kurf¨ursten auf zahlreichen Unternehmungen begleitet hat. Der universalhistorische Teil der Chronik ist im Stile der Martinianen (→ Martin von Troppau) in synchrone Papst- und Kaiserreihen gegliedert, das strenge Gliederungsprinzip wird jedoch nicht durchweg aufrechterhalten: Vorgeschichten zu den jeweiligen Dynastien werden eingeschoben. Den bayerischen F¨ursten und Herz¨ogen gilt hier ein besonderes Interesse, wobei M. versucht, die Herrschaft der Wittelsbacher historisch zu legitimieren. Auch kulturelle Notizen und gesellschaftliche Anekdoten fließen in den Text ein. Die Nachrichten zur bayerischen Stammessage, zu den (legend¨aren) bayerischen Herz¨ogen und auch teilweise die Propaganda f¨ur die Wittelsbacher sind der dt. Chronik von den F¨ursten zu Bayern des → Andreas von Regensburg entlehnt, ebenso ist dessen Chronica pontificum et imperatorum eine wichtige Quelle. F¨ur die Universalchronik zog M. ferner heran: die → Flores temporum, den Liber Augustalis des Benevenuto de Rambaldis, die Chroniken Martins von Troppau, → Frutolfs und → Ekkehards sowie die Historia Bohemica des Aeneas Silvius → Piccolomini. M. selbst gibt in der lat. Vorrede eine Quellenliste an, die nicht vollst¨andig identifiziert ist. Der universalhistorische erste Teil der Chronik ist 1475 nachtr¨aglich der Chronik in der ersten Fassung, die vor allem die Geschichte Friedrichs des Siegreichen enthielt und schon drei Jahre fr¨uher begonnen worden war, beigef¨ugt worden. Fast scheint es, dies sei ausschließlich deshalb geschehen, um das ausgiebige F¨urstenlob in einen traditionellen, wenn auch die Wittelsbacher hervorhebenden, Rahmen zu stellen. Die F¨urstengeschichte folgt keinem weltgeschichtlichen Ansatz. ¨ Uber die H¨alfte des Textes widmet sich Friedrich, seinen Kriegstaten, der Heidelberger Hofkultur und den dort gepflegten humanistischen Wissenschaften. Kostproben hierzu gew¨ahrt die Chronik anhand von lat. Gedichten und wissenschaftlichen Exkursen, etwa zur Astrologie, Rhetorik oder ¨ Geographie. Eine dt. Ubersetzung einer Lobrede Peter Luders auf Friedrich von 1458, die M. selbst vorgenommen haben k¨onnte, dient dem zweiten Teil als Einleitung, ohne dass Luders Urheberschaft kenntlich gemacht worden ist (auch die Vorreden des ersten Teils lehnen sich an Luder an). Kern 773

2. H¨alfte 15. Jh. des zweiten Teils ist eine Gruppe lat. Gedichte, welche die Taten Friedrichs und seiner H¨oflinge preisen. Die Autoren werden selten angef¨uhrt, es finden sich Texte von Luder, Wimpfeling und M. selbst, die mit historischen Notizen zu den Jahren 1452–71 vermengt werden und so den Grundstock der Friedrichs-Chronik bilden. Diese wurde chronologisch erweitert bis 1473 und dabei durchsetzt mit zahlreichen Exkursen aus klassischen und humanistischen Texten, eigenen astrologischen Studien und zus¨atzlichem Material aus Archiv und Universit¨at, (m¨undlichen) Nachrichten und Selbsterlebtem. Es sind im zweiten Teil zahlreiche klassische und vor allem humanistische Quellen, die M. in die Chronik einbringt (vgl. Joachimsen [s. Lit] und VL2 6 (1987) Sp. 192 f). Das mitunter un¨ubersichtliche Textkonglomerat hat M. nicht mehr in eine abschließende Redaktion u¨ berf¨uhrt, weswegen sein Ansatz, einer F¨urstengeschichte ein humanistisches Gewand zu verleihen, nicht g¨anzlich u¨ berzeugen kann (im Gegensatz etwa zu den sp¨ateren Arbeiten Veit → Arnpecks). Doch im Gegensatz zu seinen Nachfolgern → Ebran von Wildenberg und Ulrich → Fuetrer, die an anderen Wittelsbacherh¨ofen wirkten und f¨ur die Charakterisierung des Herrschergeschlechts sich auf M. st¨utzten, dabei aber den Rahmen der dynastischen Landesgeschichte nicht verließen, hat M.’ Chronik mit ihrer panegyrischen Grundhaltung und humanistischen «Ged¨achtnus»-Kultur schon renaissancehafte Z¨uge. 1469 stellte M. sein gesamtes historisches Material Michel Beheim zur Verf¨ugung, der es f¨ur seine Pf¨alzische Reimchronik benutzte. Hartmann → Schedel, der 1477 in eine historiographische Sammelhandschrift die M.-Chronik aufnahm (M¨unchen, BSB, Clm 338, 139r–189r), hat als erster auf die inhaltliche wie konzeptuelle Zweiteilung des Textes reagiert und nur den zweiten Teil abgeschrieben, um Redundanz zu Andreas von Regensburg zu vermeiden. ¨ Uberlieferung: Chronik: Vollst. Hss.: Paris, Bibl. Nationale, Ms. allem. 85, 106 Bll. (Pap., 1475). – Heidelberg, UB, Cod. Heid. NF 9 (vormals u. a. Malibu, The J. Paul GettyMuseum, 83. Mp. 152), 98 Bll. (Perg. und Pap., 1476). – Ebd., Heid. Hs. 3599, 1r–170v (Pap., um 1477/80); anonyme Fortsetzung 1467–77 auf 170v–180v. – Wertheim, F¨urstl.-L¨owensteinWertheim-Freudenbergsches Hausarch., A I / 12–60, 165 Bll. (Pap., 15. Jh.), Fortsetzung u¨ ber die 774

2. H¨alfte 15. Jh. Wallfahrt von Niklashausen auf 155v–165r, Schilderung der Hochzeit des Matthias Corvinus in Stuhlweißenburg 1476 und Ber. uber ¨ den Tod Friedrichs des Siegreichen auf 165v). – Leipzig, UB, Rep. III. 16a, 278 Bll. (Pap., 1530). – M¨unchen, BSB, Cgm 1642, 1r–148v (Pap., zweites Viertel 16. Jh.). – Zu weiteren Hss., die nur den 2. Tl. oder Ausz¨uge daraus enthalten vgl. VL2 6 (1987) Sp. 189 und Marburger Repertorium zur ¨ Ubersetzungslit. im dt. Fr¨uhhumanismus (online: http://www.mrfh.de/019). – Rede: Rom, Bibl. Apostolica Vaticana, Cod. Pal. lat. 870, 132r–157v (Pap., 15. Jh., Autograph); enth¨alt auf 158r–166v ¨ auch die dt. Ubersetzung der Lobrede Peter Luders auf Kurf¨urst Friedrich. – Korrespondenz und ¨ Gedichte: Wien, ONB, Cod. 3244 (Pap., 15. Jh. Autograph[?]). – M¨unchen, BSB, Clm 1817, 10 ¨ Bll. (Pap., 1460), Brief an Pr¨uß. – Wien, ONB Cod. 13428, 298v–300v (Pap., 15. Jh., Autograph), Gedichte und auf 293v–294a zwei Horoskope. Ausgaben: Chronik: Conrad Hofmann: Des M. v. K. Chron. Friedrich I. des Siegreichen. In: Quellen zur Gesch. Friedrich’s des Siegreichen. Bd. 1: M. v. K. und Eikhart Artzt (Quellen und Er¨orterungen zur bayerischen und dt. Gesch. 2). Mu¨ nchen 1862 (Neudr. Aalen 1969) S. 1–141; Lesarten in Bd. 2: Michael Beheim und Eikhart Artzt (Ebd. 3). Ebd. 1863 (Neudr. Ebd. 1969) S. 307–314 (Teilausg., nur Tl. 2 [unvollst.]; Leiths.: Cgm 1642). – Klaus Arnold: Niklashausen 1476. Quellen und Unters. zur sozialreligi¨osen Bewegung des Hans Behem und zur Agrarstruktur eines sp¨atma. Dorfes (Saecula spiritalia 3). Baden-Baden 1980, S. 253–255 (Nachrichten zur Niklash¨auser Wallfahrt [nicht bei Hoffmann]). – Vollst. krit. Ausg. angek¨undigt v. Armin Schlechter. – Gedichte: Karl Hartfelder: Analekten zur Gesch. des Humanismus in S¨udwestdeutschland. In: Vjs. f¨ur Kultur und Litt. der Renaissance 1 (1886) S. 494–499 (Elegie und andere Carmina). – Ritter 1923 (s. Lit.) S. 112–114. – Rede: Hartfelder 1891 (s. Lit.) S. 146–149. – Korrespondenz: Wattenbach 1869 (s. Lit.) S. 69, 71, 73, 92–94, 112, 115–117, 120, 124 f., 127. – Franz Fuchs/Veit Probst: Zur Gesch. des Heidelberger Fr¨uhhumanismus: Neue Briefe des M. v. K. (gest. 1476). In: Wolfenb¨uttler Renaissance Mitt. 15 (1991) S. 49–61, 93–103. – Briefe an M.: Max Herrmann: Zwei Briefe des Kanzlers Johann Mendel. In: Sammelbl. Hist. Ver. Eichst¨att 3 (1888) S. 13–19, hier S. 18 f. und Holstein (s. Lit.) S. 24. 775

Matthias von Kemnat Literatur: Birgit Studt/Franz Josef Worstbrock, VL2 6 (1987) Sp. 186–194; 11 (2004) Sp. 981. – Klaus Graf, NDB 16 (1990) S. 410 f. – De Boor/ Newald 4,1 (21994) S. 153, 226, 480 f., 507. – Martina Backes, Killy2 8 (2010) S. 41 f. – B. Studt, Encyclopedia of the Medieval Chronicle 2 (2010) S. 1095 f. – Wilhelm Wattenbach: Peter Luder, der erste humanistische Lehrer in Heidelberg. In: Zs. f¨ur die Gesch. des Oberrheins 22 (1869) S. 33–127. – Ders.: Peter Luder’s Lobrede auf Pfalzgraf Friedrich den Siegreichen. In: ebd. 23 (1871) S. 21–38; 33 (1881) S. 439. – Karl Hartfelder: M. v. K. In: Forschungen zur dt. Gesch. 22 (1882) S. 329–349. – Ottokar Lorenz: Deutschlands Geschichtsquellen im MA seit der Mitte des dreizehnten Jh. Bd. 1. Berlin 31886 (Nachdr. Graz 1966) S. 135–137. – K. Hartfelder: Zur Gelehrtengesch. Heidelbergs am Ende des MA. In: Zs. f¨ur die Gesch. des Oberrheins 45 (1891) S. 141–171. – Hugo Holstein: Zur Gelehrtengesch. Heidelbergs beim Ausgang des MA (Jahresber. u¨ ber das Kgl. Gymnasium zu Wilhelmshaven 11). Wilhelmshaven 1893. – Paul Joachimsen: Die humanistische Geschichtsschreibung in Deutschland Bd. 1: Die Anf¨ange: Sigismund Meisterlin. Bonn 1895, S. 168–172. – Maximilian Buchner: Ein Jugendgedicht Jakob Wimpfelings auf Bischof Mathias Ramung von Speier. In: Zs. f¨ur die Gesch. des Oberrheins NF 22 (1907) S. 478–485. – Gerhard Ritter: Aus dem Kreise der Hofpoeten Pfalzgraf Friedrichs I. In: ebd. NF 38 (1923) S. 109–123. – Ders.: Zur Gesch. des h¨aretischen Pantheismus in Deutschland im 15. Jh. Mitt. aus einer vatikanischen Hs. In: Zs. f¨ur Kirchengesch. 43 (1924) S. 150–159. – Ders.: Die Heidelberger Univ. im MA (1386–1508). Ein St¨uck dt. Gesch. Heidelberg 1936 (Reg.). – Ludwig Litzenburger: M. Widmann v. K., Hofkaplan Friedrichs des Siegreichen von der Pfalz (1460–1476). In: Arch. f¨ur mittelrheinische Kirchengesch. 14 (1962) S. 454–458. – Dietrich Kurze: Die festl¨andischen Lollarden. Zur Gesch. der religi¨osen Bewegungen im ausgehenden MA. In: AfK 47 (1965) S. 48–76, hier S. 56, 63. – Frank E. Baron: The Beginnings of German Humanism. The Life and Work of the Wandering Humanist Peter Luder. Diss. Berkeley 1966, S. 84–87, 109. – Karl Stackmann: Die F¨urstenlehre in der Chron. des M. v. K. Ein Beitr. zur Wirkungsgesch. der sp¨atma. Spruchdichtung. In: Mediaevalia litteraria. FS Helmut de Boor. Hg. v. Ursula Hennig/Herbert Kolb. M¨unchen 1971, S. 565–581 776

Beheim (wieder in: Ders.: Ma. Texte als Aufgabe. Kleine Schr. Bd. 1. Hg. v. Jens Haustein. G¨ottingen 1997, S. 325–340). – Bernhard Bischoff: Lorsch im Spiegel seiner Hss. (M¨unchener Beitr. zur Medi¨avistik und Renaissance-Forschung. Beiheft 2). Mu¨ nchen 1974. – Colette Jeudy: Une œuvre in´edite de Johannes Pfeffer de Weidenberg. In: Revue d’Histoire de la Spiritualit´e 53 (1977) S. 235–244. – Heribert A. Hilgers: Die drei Kometen-Strophen Heinrichs v. Mu¨ geln in einer Hs. des M. v. K. In: ZfdA 108 (1979) S. 414–429. – Bibliotheca Palatina. Kat. zur Ausstellung der Univ. Heidelberg in Zusammenarbeit mit der Bibliotheca Apostolica Vaticana. Textbd. (Heidelberger Bibliotheksschr. 24). Hg. v. Elmar Mittler. Heidelberg 1986, pas¨ sim. – B. Studt: Uberl. und Interesse: Sp¨ate Hss. der Chron. des M. v. K. und die Geschichtsforschung der Neuzeit. In: Historiographie am Oberrhein im sp¨aten MA und der fr¨uhen Neuzeit (Oberrheinische Stud. 7). Hg. v. Kurt Andermann. Sigmaringen 1988, S. 275–308. – K. Arnold: Neues zu Niklashausen 1476. In: Reformation und Revolution. Beitr. zum politischen Wandel und den sozialen Kr¨aften am Beginn der Neuzeit. FS Rainer Wohlfeil. Hg. v. Rainer Postel/Franklin Kopitzsch. Stuttgart 1989, S. 69–89. – V. Probst: Petrus Antonius de Clapis (ca. 1440–1512) Ein italienischer Humanist im Dienste Friedrich des Siegreichen v. der Pfalz (Ver¨off. des Hist. Inst. der Univ. Mannheim 10). Paderborn u. a. 1989, S. 33. – B. Studt: ¨ F¨urstenhof und Gesch. Legitimation durch Uberl. (Norm und Struktur 2). K¨oln u. a. 1992, S. 91 f., 144–153. – Ute v. Bloh: Hostis Oblivionis et Fundamentum Memoriae. Buchbesitz und Schriftgebrauch des M. v. K. In: Wissen f¨ur den Hof. Der sp¨atma. Verschriftungsprozeß am Beispiel Heidelberg im 15. Jh. (MMS 67). Hg. v. Jan-Dirk M¨uller. M¨unchen 1994, S. 29–120. – Dies./Theresia Berg: Vom Gebetbuch zum alltagspraktischen Wissenskompendium f¨ur den f¨urstlichen Laien. Die Expansion einer sp¨atma. Hs. am Beispiel eines Ma¨ nuskripts in Wien, ONB, Cod. Vat. Pal. 13428. In: ebd., S. 233–287. – J.-D. Mu¨ ller: Sprecher-Ich und Schreiber-Ich. Zu Peter Luders Panegyricus auf Friedrich den Siegreichen, der Chron. des M. v. K. und der Pf¨alzer Reimchron. des Michel Beheim.In: ebd., S. 289–321. – V. Probst: Zur Chron. des M. v. K. In: Mannheimer Geschichtsbll. NF 1 (1994) S. 59–67. – Repertorium fontium historiae medii aevi 7 (1997) S. 523. – Armin Schlechter 777

2. H¨alfte 15. Jh. (Hg.): Kostbarkeiten gesammelter Gesch. Heidelberg und die Pfalz in Zeugnissen der UB (Schr. der UB Heidelberg 1). Heidelberg 1999, S. 143 f. (A 1–2) und Farbtafel 2. – Dieter Mertens: Landeschronistik im Zeitalter des Humanismus und ihre sp¨atma. Wurzeln. In: Dt. Landesgeschichtsschreibung im Zeichen des Humanismus (Contubernium 56). Hg. v. Franz Brendle u. a. Stuttgart 2001, S. 19–32, hier S. 23, 30. – B. Studt: Dynastien und F¨ursten. Die Chron. des Heidelberger Hofkaplans M. v. K. als legitimierende Geschichtserz¨ahlung. In: Gesch. schreiben. Ein Quellen- und Studienhb. zur Historiografie (ca. 1350–1750). Hg. v. Susanne Rau/B. Studt. Berlin 2010, S. 432–445. VZ Beheim, Michel (Behaim, Beham; Michael), * 1414 oder 1420 S¨ulzbach bei Weinsberg, † 1474 oder 1478. – Chronist und Liedautor. B. ist Autor von 452 Liedern, deren Themen sich u¨ ber ein breites Spektrum (Zeitgeschichtliches wie antihussitische Propaganda und Tu¨ rkenkriege, aber auch Heilsgeschichte, F¨urstenpreis, Kunstauffassung, Liebesklage) erstrecken und oft autobiographische Bez¨uge aufweisen, sowie von drei Reimchroniken (Buch von den Wienern, Buch von der Stadt Triest, Pf¨alzische Reimchronik). Die Forschung zu B. bezieht sich neben zahlreichen historischen Quellen, die seinen Lebensweg dokumentieren, auch auf die umfassenden Ausk¨unfte, die B. in seinen autobiographischen Texten gibt. Diesen zufolge wurde er als Sohn eines Webers geboren und u¨ bte das Handwerk des Vaters aus, bis er in den Dienst Konrads von Weinsberg trat, in dem er erstmals als Autor literarischer Texte in Erscheinung trat. Nach dem Tod seines ersten M¨azens stand er in wechselnden Dienstverh¨altnissen sowohl zu St¨adten wie Wien und Augsburg als auch zu Wittelsbacher und Habsburger Adelsgeschlechtern (U. M¨uller [Killy2 1, 2008] gibt eine vollst¨andige Liste aller Dienstherren, die B. in seinen Liedern nennt). Die rasch auf einander folgenden unterschiedlichen Dienstverh¨altnisse schlagen sich deutlich in seinem literarischen Schaffen nieder, was zur Geringsch¨atzung der literarischen Qualit¨at seiner Texte durch Teile der fr¨uheren Forschung gef¨uhrt hat. B. selbst reflektiert in seinen Texten oft und bemerkenswert pragmatisch die materielle Abh¨angigkeit, aus der viele seiner Lieder erwachsen. Dass er in Folge seiner Parteilichkeit innerhalb seines 778

2. H¨alfte 15. Jh. Œuvres zum Teil einander entgegen gesetzte politische Positionen bezieht, scheint jedoch weder f¨ur ihn selbst, noch f¨ur seine Auftraggeber ein Problem dargestellt zu haben. B. begreift seine Dichtkunst als eine professionelle und offenbar eher technische Kompetenz, die er in seinen Liedern auch immer wieder hervorhebt und thematisiert. Wie sehr er um die Rezeption seines Werkes bem¨uht ist, zeigt sich u. a. daran, dass ¨ die Uberschriften vieler seiner Lieder Hinweise auf Besonderheiten der Weise, des Reims oder des Inhalts beinhalten, also als regelrechte Leseund Vortragsanweisungen zu verstehen sind. Ver¨ einzelt finden sich darin auch Außerungen zu den Umst¨anden der Entstehung und der Auff¨uhrung. Dar¨uber hinaus sind die Handschriften A und C weitgehend als Autographen zu betrachten; Korrekturen B.s finden sich in B, als Autographe umstritten sind E und G. Diese Hochsch¨atzung der eigenen Kunst gegen¨uber und die Sorgfalt, die ih¨ rer Uberlieferung geschenkt wird, verbindet B. mit den Meistersingern, zu denen er jedoch aus verschiedenen Gr¨unden nicht gerechnet werden sollte: So geh¨orte B. etwa keiner Singschule an. Entscheidender ist jedoch, dass seine Texte im Rahmen von Abh¨angigkeits- und Dienstverh¨altnissen entstanden, also zumindest zum Teil als Auftragsdichtung zu verstehen sind. B.s 452 Lieder sind in 11 ‹Weisen› mit jeweils eigenem Namen (wie ‹Slegweise›, ‹Angstweise› oder ‹Hofton›) gedichtet. Neben religi¨osen Liedern, die heilsgeschichtliche Themen wie Sch¨opfung, Geburt Christi und Erl¨osung, aber auch das Wirken des Teufels zum Gegenstand haben, finden sich in B.s Œuvre Lieder, die sich teilweise polemisch, kritisch oder mahnend zu politischen und religi¨osen Fragen der Zeit a¨ ußern. Doch auch Liebes-, Preisund Werbungslieder, oft mit Natureingang, finden sich im Werk B.s. Ihre Melodien sind allesamt u¨ berliefert und haben B. eine Nachwirkung im Kreise der Meistersinger verschafft. Die Weisen verbinden zumeist Lieder a¨ hnlicher Thematik oder a¨hnlichen Stils. Reimchroniken und Lieder sind auch in der ¨ Uberlieferung erkennbar voneinander unterschieden. Das Buch von den Wienern (1462/66) hat die Belagerung Kaiser Friedrichs III. durch seinen Bruder Albrecht VI. zum Gegenstand. B. schildert die Geschehnisse als Augenzeuge aus der Perspektive der Belagerten, wobei er die Bedrohungen deut779

Beheim lich macht, die ihm pers¨onlich daraus erwuchsen, dass er zur Gefolgschaft des Kaisers geh¨orte. Das Buch von der Stadt Triest (1463/64) erz¨ahlt von der Belagerung der Stadt durch die Venezianer, die Pf¨alzische Reimchronik (nach 1471) setzt sich aus mehreren Teilen zusammen: Der Darlegung von Abstammung und Herkunft des Pfalzgrafen Friedrich I., einem Lob auf die Stadt Heidelberg und den milit¨arischen Taten und Errungenschaften Friedrichs zwischen 1455 und 1471. ¨ Uberlieferung: Lieder: Heidelberg, UB, Cpg 312 (A); darin u. a. das ‹B¨uchlein von den Sieben Tods¨unden› (39 Lieder in der Verkehrten Weise) und das ‹B¨uchlein von den Juden› (24 Lieder in der Verkehrten Weise); ‹Contra Iudaeos›-Lieder (8 Lieder in der Verkehrten Weise). Diese ‹Liedgruppen› finden sich außer in A auch in C und D, wobei C das ‹B¨uchlein von den Sieben Tods¨unden› in 37 Strophen u¨ berliefert. Vgl. dazu: RSM 1, S. 170 f. und F. Schanze, Bd. 2, S. 175. – M¨unchen, BSB, Cgm 291 (B); RSM 1, S. 198 f.; F. Schanze, Bd. 2, S. 197. – Heidelberg, UB, Cpg 334 (C); RSM 1, S. 171 f.; F. Schanze, Bd. 2, S. 175 f. – Ebd., Cpg 382 (D); RSM 1, S. 175 f.; F. Schanze, Bd. 2, S. 182. – Ebd., Cpg 351 (E): umfasst 29 Lieder in der Osterweise; RSM 1, S. 174; F. Schanze, Bd. 2, S. 179 f. – Ebd., Cpg 375 (G): ‹Buch von der Liebhabung Gottes› in der Osterweise; RSM 1, S. 175; F. Schanze, Bd. 2, S. 182. – M¨unchen, UB, 2° Cod. ms. 737 (verschollen) (a); RSM 1, S. 223; F. Schanze, Bd. 2, 217 f. – Dresden, LB, Mscr. M 180, 71r–82v (zwei Lieder B.s in der Gekr¨onten Weise); RSM 1., S. 139; F. Schanze, Bd. 2, S. 164. – Buch von der Stadt Triest: Schweinfurt, Bibl. des Humanistischen Gymnasiums, o. S.; F. Schanze, Bd. 2, S. 230. – Buch von den Wienern: Gotha, Forschungsbibl., Cod. Chart. B 50: (C); F. Schanze, Bd. 2, S. 170. – Heidelberg, UB, Cpg 386; RSM 1, S. 176; F. Schanze, Bd. II, S. 182. – Straßburg, StB, Cod. B 129 (verbrannt); RSM 1, S. 255. – Pf¨alzische Reimchronik: Heidelberg, UB, Cpg 335, in drei B¨uchern mit jeweils einer Vorrede; RSM 1, S. 173; F. Schanze, Bd. 2, S. 176. Ausgaben: Lieder: Hans Gille und Ingeborg Spriewald (Hg.): Die Gedichte des M.B. (DTM 60, 64, 65), 1968–72. – Buch von der Stadt Triest: Heinrich Oertel (Hg.): M. Beham, Von der statt Triest, Programm des K. humanistischen Gymnasiums Schweinfurt f¨ur das Schuljahr 1915/16. Schweinfurt 1916 (mit Abdruck). – Hans Gille/ Ingeborg Spriewald (Hg.): Die Gedichte des M. B. 780

Beheim Nach der Heidelberger Hs. Cpg 334 unter Heranziehung der Heidelberger Hs. Cpg 312 und der Mu¨ nchener Hs. Cgm 291 sowie s¨amtlicher Teilhss., Bd. III/1: Gedichte Nr. 358–453. Die Melodien (DTM 65/1). Berlin 1971, S. 352–450. – Buch von den Wienern: Theodor v. Karajan (Hg.): Michael B.’s Buch von den Wienern. 1462–1465. Wien 1843, S. LXXVI, LXXX–LXXXII. – Pf¨alzische Reimchronik: Teileditionen in: C. Hofmann: Quellen und Er¨orterungen zur Bayerischen und dt. Gesch. III/2. Mu¨ nchen 1863 ‹Michel Beheim und Eikhart Artzt› (Reimchronik auf den S. 1–258). – Zur Baugesch. des Heidelberger Schlosses im Anschluß an des Weinsberger Meisters¨angers M. B. Lob auf Heidelberg v. J. 1470. Von dem in der Heidelberger Universit¨atsbibl. befindlichen Original der ‹Reimchronik› kopiert und mit erkl¨arenden Anmerkungen versehen, bearb. v. Karl Christ. Heidelberg 1884, S. 12–14. – K. W. F. Wassermannsdorff: Die Erziehung Friedrichs des Siegreichen. Basel 1886. Literatur: Ulrich M¨uller, VL2 1 (1978) Sp. 672–680 (Lit.). – Ders., Killy2 1 (2008) S. 417–419. – Dagmar Kratochwil: Die Autographe des M. B. In: Litteræ ignotæ. Beitr. zur Textgesch. des dt. MA. Neufunde und Neuinterpretationen. Hg. v. U. Mu¨ ller (Litteræ 50). G¨oppingen 1977, S. 109–134. – Thomas Honemann: Dt. Texte aus der ‹Wiener Schule› als Quelle f¨ur M. B.s religi¨ose Gedichte. In: ZfdA 107 (1978) S. 319–330. – Burghart Wachinger: M. B. Prosabuchquellen – Liedvortrag – Buch¨uberl. In: Poesie und Gebrauchslit. im dt. MA. W¨urzburger Kolloquium 1978. Hg. v. Volker Honemann u. a. T¨ubingen 1979, S. 37–75. – Christoph Petzsch: Michael B. Nr. 417: zur Poetologie des Meisterliedes. In: Arch. f¨ur das Studium der neueren Sprachen und Literaturen 217 (1980) S. 293–311. – William Cecil McDonald: ‹Whose bread I eat›: the song-poetry of M. B. G¨oppingen 1981. – C. Petzsch: Muskatbl¨ut Nr. 62 und M. B. Nr. 250. Zum uneigentlichen Sprachgebrauch im Sp¨atMA. In: Euphorion 76 (1982) S. 275–294. – Ders.: Michael B. Nr. 340: zur Poetologie des Meisterliedes II. In: Arch. f¨ur das Studium der neueren Sprachen und Literaturen 220 (1983) S. 15–26. – Frieder Schanze: Meisterliche Liedkunst zwischen Heinrich v. Mu¨ geln und Hans Sachs. 2 Bde. M¨unchen/Z¨urich 1983/84. – Manfred G¨unter Scholz: Zum Verh¨altnis von M¨azen, Autor und Publikum im 14. und 15. Jh.: ‹Wilhelm ¨ von Osterreich› – ‹Rappoltsteiner Parzifal› – M. 781

2. H¨alfte 15. Jh. B. Darmstadt 1987. – Bernd Thum: Die Publizistik M. B.s im Spannungsfeld des sp¨atma. Populismus. In: Ist zwˆıvel herzen nˆachgebˆur. G¨unther Schweikle zum 60. Geburtstag. Hg. v. R. Kr¨uger u. a. Stuttgart 1989, S. 203–223. – Albert M¨uller: Stigma und Stigmatisierungstechniken im Sp¨atMA. Zur symbolischen Bek¨ampfung aufst¨andischer Untertanen am Beispiel M. B.s ‹Buch von den Wienern›. In: Symbole des Alltags, Alltag der Symbole. FS Harry K¨uhnel. Hg. v. Gertrud Blaschitz u. a. Graz 1992, S. 323–247. – Jan-Dirk M¨uller: Sprecher-Ich und Schreiber-Ich. Zu Peter Luders Panegyricus auf Friedrich d. S., der Chronik des Mathias von Kemnat und der Pf¨alzer Reimchronik des M. B. In: Wissen f¨ur den Hof. Der sp¨atma. Verschriftlichungsprozeß am Beispiel Heidelberg im 15. Jh. Hg. v. Jan-Dirk M¨uller. M¨unchen 1994, S. 289–321. – Friederike Niemeyer: ‹Mein gsankk nieman pet¨oret›. Sirenen im meisterlichen Lied M. B.s. In: Als das wissend die meister wol. Beitr. zur Darstellung und Vermittlung von Wissen in Fachlit. und Dichtung des MA und der fr¨uhen Neuzeit. Walter Blank zum 65. Geburtstag. Hg. v. Martin Ehrenfeuchter/Thomas Ehlen. Frankfurt/M. u. a. 2000, S. 305–330. – Ernst Voltmer: Prophetie und Reform der Kirche am Ende des MA oder wie der Dichter M. B. an die ‹Weissagung auf das Jahr 1401› (alias ‹Visio seu prophetia fratris Johannis›) geraten ist. In: ‹Das Wichtigste ist der Mensch›. FS Klaus Gerteis. Hg. v. Angela Giebmeyer/Helga Schnabel-Sch¨ule (Trierer Hist. Forschungen 41). Mainz 2000, S. 75–113. – F. Niemeyer: ‹Ich, Michel Pehn.› Zum Kunst- und Rollenverst¨andnis des meisterlichen Berufsdichters M. B. Frankfurt/M. 2001. – Johannes Fournier: Die gute Nachricht in wechselnden Formen. Vers und Prosa im ‹St. Pauler Evangelienreimwerk›, im Evangelienbuch f¨ur Matthias Beheim und in M. B.s Liedern. In: Metamorphosen der Bibel. Beitr. zur Tagung ‹Wirkungsgesch. der Bibel im deutschsprachigen MA›. Hg. v. Ralf Plate/Andrea Rapp. Frankfurt/M. 2004, S. 189–208. – Manuela Niesner: Die ‹Contra-Judaeos-Lieder› des Michael B. ¨ ¨ Zur Rezeption Irmhart Osers und des Osterreichischen Bibel¨ubersetzers im 15. Jh. In: PBB 126 (2004) S. 398–424. – Susanne K¨obele: Vom ‹Schrumpfen› der Rede auf dem Weg zu Gott. ¨ Aporien christlicher Asthetik (Meister Eckhart und das ‹Granum sinapis› – M. B. – Sebastian Franck). In: Poetica 36 (2004) S. 119–147. – Bettina Hatheyer: Bez¨uge zu den skandinavischen L¨andern im 782

2. H¨alfte 15. Jh. Werk M. B.s. In: JOWG 16 (2006/07) S. 243–262. – Horst Brunner: Die fr¨uhen T¨one M. B.s. In: wort und wise, singen unde sagen. FS Ulrich M¨uller. Hg. v. Ingrid Bennewitz (GAG 741). G¨oppingen 2007, S. 1–10. – Gabriel Zeilinger/Gerhard Fouquet: Sp¨atma. Nordlandfahrer – M. B. (1450) und Pietro Querini (1431/32). In: Rund um die Meere des Nordens. FS Hain Rebas. Hg. v. Michael Engelbrecht u. a. Heide 2008, S. 347–365. – W. C. McDonald: M. B.’s literary assault on the ‹Sin against nature›. A neglected 15-century text on sodomy. In: Daphnis 38 (2008) S. 399–420. – U. Mu¨ ller: Beobachtungen u¨ ber den Zusammenhang ¨ von Stand, Werk, Publikum und Uberl. mhd. Lyriker. Oswald v. Wolkenstein und M. B. – ein Vergleich. In: Gesammelte Schr. zur Literaturwiss. Hg. v. U. M¨uller. Tl. 2 (GAG 750). G¨oppingen 2010, ¨ S. 1–18. – Ders.: Exemplarische Uberl. und Edition. Mehrfachfassungen in authentischen LyrikHss. – zum Beispiel bei Oswald v. Wolkenstein und M. B. In: ebd., S. 19–30. – Ders.: KontextInformationen zum ‹Sitz im Leben› in sp¨atma. Lyrik-Hss.: M¨onch v. Salzburg, M. B. In: ebd., S. 31–50. – Ders.: Autobiographische Texte im deutschsprachigen MA. Probleme und Perspektiven der Edition. Vorgef¨uhrt am exemplarischen Fall der Sangvers-Lyrik und Sangvers-Epik des M. B. In: ebd., S. 51–68. KP Gilgenschein. – Lieddichter, 15. Jh. Der ansonsten unbekannte G. verfasste 1462 oder sp¨ater zwei Lieder, die in → Fichards Liederbuch u¨ berliefert waren. Da das Liederbuch verbrannt ist, sind die Lieder nur noch indirekt erhalten. W¨ahrend ein Lied 18 Strophen im LindenschmidTon umfasst, besteht das zweite Lied aus 14 Strophen zu je sieben Versen in Kreuzreimen mit jeweils einem reimlosen sechsten Vers. Beide St¨ucke thematisieren die Mainzer Stiftsfehde, in der Pfalzgraf Friedrich I. der Siegreiche gegen den Mainzer Erzbischof Adolf von Nassau k¨ampfte. G.s besonderes Interesse gilt in diesem Zusammenhang der Schlacht bei Seckenheim (1462), in der Friedrich einen wichtigen Sieg errang. Dabei erweist sich der Dichter als Anh¨anger Friedrichs, was etwa an seinen sp¨ottischen Bemerkungen u¨ ber die unterlegene Partei abzulesen ist. Auch kritisiert er die aus seiner Sicht unlauteren Motive von Friedrichs Gegnern. Ein verschiedentlich hergestellter 783

Gilgenschein Zusammenhang zwischen G. und einem Lied im Codex Heidelberg, UB, Cpg 837 ist nicht belegbar. ¨ ¨ Uberlieferung: Uberl. nur in Fichards Liederbuch: Frankfurt/M., Stadtarch., Familienarch. Fichard Nr. 165 Ms. 69 (Pap., Mitte 15. Jh.; verbrannt). Ausgaben: Ein hundert dt. hist. Volkslieder. Hg. v. Friedrich Leonhard v. Soltau. Leipzig 21845, S. 138–149 (Nr. 23, 23a), 149–153 (Nr. 24). – Die histor. Volkslieder der Deutschen vom 13. bis 16. Jh. Bd. 1. Hg. v. Rochus v. Liliencron. Leipzig 1865 (Nachdr. Hildesheim 1966) S. 523–526 (Nr. 112), 526–528 (Nr. 113). – Geschichtliche Lieder und Spr¨uche W¨urttembergs. Hg. v. Karl Steiff/ Gebhard Mehring. Stuttgart 1912, S. 38–40 (Nr. 9), 44 f. (Nr. 11). – Thomas Cramer: Die kleineren Liederdichter des 14. und 15. Jh. Bd. 1. Mu¨ nchen ¨ 1977, S. 247–252, 460 f. – Altere Ausg. bei Cramer 1981 (s. Lit.). Literatur: K[arl] Bartsch, ADB 9 (1879) S. 171. – Thomas Cramer, VL2 3 (1981) Sp. 44. – De Boor/Newald 4/1 (21994) S. 189, 778. – Albrecht Classen: Anticlericalism in Late Medieval German Verse. In: Anticlericalism in Late Medieval and Early Modern Europe. Proceedings of an International Colloquium Held Sept. 20–22, 1990 at the University of Arizona, Tucson, Ariz. Hg. v. Peter A. Dykema/Heiko Oberman. Leiden u. a. 1993, S. 91–114, hier S. 104 f. – Horst Brunner: ‹Dulce bellum inexpertis›. Bilder des Krieges in der dt. Lit. des 15. und 16. Jh. Wiesbaden 2002, S. 91 f. u. o¨ . MM Peter von Straßburg (II). – Lieddichter. P. ist nur durch seine Eigennennung in einem nd. Liedfragment nachweisbar, das im Rostocker Liederbuch u¨ berliefert ist. Erhalten sind neben drei vollst¨andigen Strophen auch die Autorstrophe und ein Strophenfragment. Es handelt sich um ein historisches Lied u¨ ber einen Herzog namens Hinrik, der belagert und entsetzt wird. Die besungene Begebenheit ereignete sich m¨oglicherweise im Bruderkrieg von 1432 zwischen den Herz¨ogen Wilhelm I. und Heinrich II. von BraunschweigL¨uneburg, die sich um die Herrschaft Wolfenb¨uttel stritten. Der Heinrich zuneigende P. hatte vielleicht einen Rostocker oder Braunschweiger Hintergrund, was aber nur eine Vermutung der Forschung ist. ¨ Uberlieferung: Rostock, UB, Mss. philol. 100/2, 12r (Pap., letztes Viertel 15. Jh.). 784

Zipfer Ausgabe: Das Rostocker Liederbuch. Nach den Fragmenten der Handschrift. Hg. v. Friedrich Ranke/Joseph Mu¨ ller-Blattau. Halle/Saale 1927. Neudr. Kassel 1987, S. 230 f. (Nr. 11). Literatur: Arne Holtorf, VL2 7 (1989) Sp. 456 f. – Ranke/Mu¨ ller-Blattau 1927 (s. Ausg.) S. 281 f. – Marie Hours: Sozialgesch. der Familie Doring in Braunschweig zwischen 1275 und 1492. G¨ottingen 1983. MM Hoyer, Bartholom¨aus (gen. Schirmer) CRSA, * 1423 Schloss Itter/Tirol, † 13.2.1482 Reichersberg. – Verfasser eines Gedichts und eines Wirtschaftsbuchs. Der Sohn eines Richters und Unterkastellans lebte seit 1437 im ober¨osterr. Chorherrenstift Reichersberg, wo er 1440 die Profess ablegte. Nach einem weiteren Studium in Salzburg erhielt H. 1450 die Priesterweihe. Danach Seelsorger in der Pfarrei P¨utten, war er 1462–69 Cellerar und 1469–82 Propst in Reichersberg. Sp¨ater soll er auch Hofkaplan und seit 1473 Rat von Kaiser Friedrich III. gewesen sein. H. hinterließ im Reichersberger Stiftsarchiv ein 1462–69 entstandenes Liber procurationis mit zwei Einzelwerken: Ein dt. Reimgedicht in 116 Versen behandelt die Gr¨undung des Stifts durch einen Playner Grafen namens Werner im Jahr 1084. Auch adlige Schenkungen an das Kloster werden im Text aufgef¨uhrt, dessen Quellen unbekannt sind. Wegen seiner Kunstlosigkeit nur von geringem literarischem Wert, ist das Gedicht eher als historisches Dokument zur Reichersberger Geschichte von Wert. Im gleichen Codex ist H.s Registrum procurationis rei domesticae u¨ berliefert. Das Werk umfasst 14 Kapitel in dt., teilweise auch lat. Sprache und bie¨ tet einen Uberblick u¨ ber die Stiftsverwaltung und -wirtschaft. So nennt es detailiert die verschiede¨ nen Amter im Stift und die mit ihnen verbundenen Aufgaben, was es als klostergeschichtliche Quelle interessant macht. ¨ Uberlieferung: Reichersberg, Stiftsarch., Hs. R 134, 194 S. (Pap., 1462–69, Gedicht auf S. 76, Registrum auf S. 132–186). – Ebd., Hs. R 135 (Abschr. v. R 134, sp¨atere Abschr. des 19. Jh. in Berlin, SBB, Mgq 488). Ausgaben: Bartholomaei Hoyer dicti Schirmer, cellerarii 1462–1469, Registrum procurationis rei domesticae pro familia Reichersperg. Hg. v. Konrad Meindl. In: Arch. f¨ur o¨ sterr. Gesch. 61 (1880) 785

2. H¨alfte 15. Jh. S. 33–88. – Julian Plante: The Library of Stift Reichersberg. Diss. New York 1972, S. 164–169. – Die Gr¨undung des Klosters Reichersberg. Hg. v. Gregor Schauber. In: Ober¨osterr. Heimatbll. 38 (1984) S. 103–105. Literatur: Ludwig Denecke, VL2 4 (1983) Sp. 164–166. – Roger Aubert, DHGE 24 (1993) Sp. 1321. – Karl M¨unzel: Mhd. Klostergr¨undungsgeschichten des 14. Jh. Schottenkloster St. Jakob in Regensburg, Waldsassen, Kastl, Zwettl, St. Bernhard. Gunzenhausen 1933, S. 52. – 900 Jahre Stift Reichersberg. Augustiner-Chorherren zwischen Passau und Salzburg. Ausstellung des Landes Ober¨osterreich, 26. April bis 28. Oktober 1984 im Stift Reichersberg am Inn. Bearb. v. Dietmar Straub. Linz 1984, S. 117, 194. MM Zipfer, Antonius. – Eremit, Verfasser einer politischen Reformschrift. Der sich «vnwirdiger pruder anthonius czipffer» nennende Verfasser eines sozialpolitischen Reformprogramms, das sich an die Teilnehmer des Regensburger Reichstags 1462 richtete, lebte laut Text als Eremit bei Eichst¨att. Seine Botschaft, die er als g¨ottliche Eingebung erfahren haben will, teilte er dem Lesemeister der Eichst¨atter Dominikaner mit. Dem auf den 7.11.1462 datierten, in seinem Inhalt wenig originellen «prief» – in seinen Reformvorstellungen nicht vergleichbar mit der → Reformatio Sigismundi oder dem → Oberrheinischen Revolution¨ar – geht es in erster Linie um die Wiederherstellung der infolge des Krieges gest¨orten religi¨osen und sozialen Ordnung. Bekehrungsunwillige Juden seien ebenso mit dem Tod zu bestrafen wie andere Wucherer, Straßenr¨auber, Ehebrecher, Spieler etc. Angeprangert werden Kleidermode und Luxus. In politischer Hinsicht tritt Z. f¨ur die Anerkennung der kaiserlichen Gewalt ein und mahnt zu Vers¨ohnung und Eintracht der F¨ursten und St¨ande. ¨ Uberlieferung: Mu¨ nchen, UB, 2° Cod. ms. 684, 112v–117v (Pap., 1465, mittelbair. im Grenzgebiet zum Schw¨abischen). Ausgabe: Oliger (s. Lit.) S. 275–280. Literatur: Christine St¨ollinger-L¨oser, VL2 10 (1999) Sp. 1558–1560. – Livarius Oliger: Das sozialpolitische Reformprogramm des Eichst¨atter Eremiten A. Z. aus dem Jahre 1462. In: Beitr. zur Gesch. der Renaissance und Reformation. Joseph Schlecht zum sechzigsten Geburtstag. Mu¨ nchen/ 786

2. H¨alfte 15. Jh.

Mainzer Belagerung / Eroberung von Mainz 1462

Freising 1917, S. 263–280. – Gisela Kornrumpf/ Paul-Gerhard V¨olker: Die dt. ma. Hss. der Universit¨atsbibl. Mu¨ nchen (Die Hss. der Universit¨atsbibl. M¨unchen 1). Wiesbaden 1968, S. 60. – Klaus Arnold: Niklashausen 1476. Quellen und Unters. zur sozialreligi¨osen Bewegung des Hans Behem und zur Agrarstruktur eines sp¨atma. Dorfes (Saecvla spiritalia 3). Baden-Baden 1980, S. 42 f. BJ Mainzer Belagerung / Eroberung von Mainz 1462. – Bericht in einer mitteldt. und einer nd. Fassung. Der Bericht eines anonymen Parteig¨angers des Mainzer Erzbischofs Adolf II. von Nassau w¨ahrend der Mainzer Stiftsfehde (1459–63) schildert vor allem die Ereignisse des 28./29.10.1462, geht aber ¨ auch auf die Vorbereitungen des Uberfalls auf die mit Adolfs Gegenspieler Erzbischof Diether von Isenburg verb¨undete Stadt Mainz ein und verzeichnet die Kriegsbeute. ¨ Uberlieferung: Berlin, Geheimes Staatsarch. Preußischer Kulturbesitz, XX. HA Hist. StA K¨onigsberg, OBA 15738 (md.). – Paderborn, Erzbisch¨ofliche Akademische Bibl., Pa 54, 109v–111r (zweite H¨alfte 15. Jh., nd.; seit 1981 verschollen). Ausgaben: Hegel (s. Lit.) S. 95–99 (nd. Fassung). – Schmidt (s. Lit.) Nr. 2, S. 92–97 (md. Fassung). Literatur: Carl Hegel: Verfassungsgesch. v. Mainz. In: Die Chron. der mittelrheinischen St¨adte. Mainz 2 (Chron.dt.St. 18). Leipzig 1882 (Nachdr. G¨ottingen 1968) Abt. 2, S. 87–94, 171–182. – Heinrich Schrohe: Mainz in seinen Beziehungen zu den dt. K¨onigen und den Erzbisch¨ofen der Stadt bis zum Untergang der Stadtfreiheit (1462) (Beitr. zur Gesch. der Stadt Mainz 4). Mainz 1915, S. 197–207. – Aloys Schmidt: Zur Mainzer Stiftsfehde 1462. In: Jb. f¨ur das Bistum Mainz 3 (1948) S. 89–99. – Dieter Brosius: Zum Mainzer Bistumsstreit 1459–1463. In: Arch. f¨ur hessische Gesch. und Altertumskunde NF 33 (1975) S. 111–136. – Alois Gerlich: Mainzer Stiftsfehde. In: LexMA 6 (1993) Sp. 144 f. – Kai-Michael Sprenger: Die Mainzer Stiftsfehde 1459–1463. In: Lebenswelten Johannes Gutenbergs. Hg. v. Michael Matheus (Mainzer Vortr¨age 10). Stuttgart 2005, S. 107–142. BJ Lubecker ¨ Ratschronik von 1401–1482. – Nd. Chronik im Auftrag des l¨ubischen Stadtrats. Die L. R. als eine der Fortsetzungen der Chronik → Detmars von L¨ubeck wurde im Gegensatz 787

zur dieser vom L¨ubecker Rat nicht an externe Verfasser delegiert sondern ist Zeugnis der amtlichen Geschichtsschreibung der l¨ubischen Ratskanzlei. Historische Ereignisse, politische Zust¨ande und Rechtsverh¨altnisse werden ausschließlich aus Sicht der Stadt beschrieben und bewertet. Die L. R. wurde von drei Notaren respektive Schreibern erstellt, die als Ratsangestellte oder -mitglieder Zugang zu allen Urkunden und Protokollen sowie genaue Kenntnis von der st¨adtischen Verwaltung hatten. Nach ihren Verfassern l¨asst sich die L. R. in drei Abschnitte einteilen. Der erste und umfangreichste Teil f¨ur die Jahre 1401–1469 stammt von Johann Hertze († 1476), Protonotar (1436–55) und sp¨ater Ratsherr (seit 1460). Hertze vertrat seine Heimatstadt oft in juristischen und diplomatischen Angelegenheiten: 1433 am Hofe Papst Eugens IV. und bei Verhandlungen u. a. in London, Kopenhagen und Rostock. F¨ur die Jahre 1401–1438 hat Hertze offensichtlich eine lat. Rezension der Chronica novella Hermann → Korners herangezogen, danach schrieb er u¨ berwiegend nach eigener Kenntnis, hat aber auch einen diplomatischen Bericht Johann → Brachts in die Chronik eingearbeitet. Von einem Auszug aus Hertzes erstem Teil der Chronik ¨ ist eine lat. Ubersetzung bekannt (→ Christian von Geren). Nach Hertzes Tod wurde die L. R. f¨ur den Zeitraum 1469–1480 von Johann Reyndes (auch: Wunstorp) weitergef¨uhrt. Auch Reyndes war Protonotar (von 1455 bis zu seinem Tod 1483) und unternahm im Auftrag des Rats zahlreiche Reisemissionen (u. a. L¨uneburg, Kiel, D¨anemark und Schweden). Den kurzen letzten Teil der Chronik besorgte Dietrich Brandes († 1500), der Geistlicher und von 1481 bis an sein Lebensende Stadtschreiber war. Es ist denkbar, dass er die Chronik auch u¨ ber 1482 hinaus f¨uhrte, ein Codex mit einer solchen Fortf¨uhrung ist indes nicht u¨ berkommen. In Brandes’ Zeit als Stadtschreiber f¨allt auch die anonyme, 1485 von Matth¨aus Brandis lat. und nd. gedruckte → Chronica slavica (GW 06692/06693). Mit Ausnahme von Brandes’ kurzer Fortsetzung, die sich mit ihrer unklaren Strukturierung vom Rest absetzt, ist die L. R. ein einheitlich gestaltetes offizi¨oses historiographisches Werk, das als Rechenschaftsbericht mit juristischer Funktion diente. Wichtige Dokumente wie Vertr¨age und Urkunden werden zum Teil w¨ortlich u¨ bernommen, die aufgenommenen Inhalte sind durchweg 788

Christian von Geren historisch verifizierbar und auf erz¨ahlerische Ausschm¨uckung wird zugunsten einer strengen Stadtannalistik verzichtet. Die L. R. erf¨ullt so mehrere Funktionen: Sie ist Chronik der Stadt- und Ratsgeschichte einschließlich der jeweiligen regionalen, nationalen oder internationalen Kontexte und damit Ausdruck des Selbstbewusstseins der Stadt und ihrer Kaufmannschaft; sie konnte aber auch als juristische Referenz bei strittigen Rechtsf¨allen dienen. ¨ Uberlieferung: L¨ubeck, StB, Ms. Lub. 2° 2, 250 Bll.: 1a–179d (Tl. 1), 179d–229 (Tl. 2), 230–239 (Tl. 3), 240–249 (Reg.) (Perg., 1489, nd.). Ausgaben: Ferdinand Heinrich Grautoff: Chron. des Franciscaner Lesemeisters Detmar. Nach der Urschrift und mit Erg. aus andern Chron. Bd. 2 (Die l¨ubeckischen Chron. in nd. Sprache 2). Hamburg 1830. – Karl Koppmann: Dritte Fortsetzung der Detmar-Chron. erster Theil v. 1401–1438. In: Die Chron. der nieders¨achsischen St¨adte. L¨ubeck 3 (Chron.dt.St. 28) Leipzig 1902 (Nachdr. G¨ottingen 1967) S. 357–442. – Friedrich Bruns: Die Ratschron. v. 1438–1482. I: 1438–1465; II: 1466–1482. (Dritte Fortsetzung der Detmar-Chron. 2. Tl.). (Chron. der nieders¨achsischen St¨adte L¨ubeck 4/5,1 [Chron.dt.St. 30/31]) Leipzig 1910/11. Nachdr. G¨ottingen 1968. Literatur: Harald Parigger, VL2 5 (1985) Sp. 933–935; 11 (2004) Sp. 932. – De Boor/Newald 4,1 (21994) S. 155 f. – Koppmann (s. Ausg.) S. 345–356. – Bruns (s. Ausg.) S. IX–XLII. – Ders.: Die L¨ubische Ratschron. des 15. Jh. und ihre Verfasser. In: Hansische Geschichtsbll. 30 (1902) S. 183–204. – Ders.: Die L¨ubecker Stadtgeschichtsschreiber. In: ebd. (1903) S. 45–102. – Wolfgang Stammler: Die dt. Hanse und die dt. Lit. In: Ders.: Kleine Schr. zur Literaturgesch. des MA. Berlin 1953, S. 218–238. – Johannes Bernhard Menke: Geschichtsschreibung und Politik in dt. St¨adten des Sp¨atMA. Die Entstehung dt. Geschichtsprosa in K¨oln, Braunschweig, L¨ubeck, Mainz und Magdeburg. In Jb. des k¨olnischen Geschichtsver. 33 (1958) S. 1–84; 34/35 (1960) S. 83–194, bes. S. 116–126. – Heinrich Schmidt: Die dt. St¨adtechroniken als Spiegel des b¨urgerlichen Selbstverst¨andnisses im Sp¨atMA (Schriftenreihe der Hist. Kommission bei der Bayer. Akad. der Wiss. 3). G¨ottingen 1958, S. 51–63. – Rolf Sprandel (Hg.): Zweisprachige Geschichtsschreibung im sp¨atma. Deutschland (Wissenslit. im MA 14). Wiesbaden 1993, S. 122 f. – Wilfried Ehbrecht: ‹uppe dat sulck grot vorderffenisse jo nicht meer enscheghe›. Konsens 789

2. H¨alfte 15. Jh. und Konflikt als eine Leitfrage st¨adtischer Historiographie, nicht nur im Hanseraum. In: St¨adtische Geschichtsschreibung im Sp¨atMA und in der fr¨uhen Neuzeit (St¨adteforschung A, 47). Hg. v. Peter Johanek. K¨oln u. a. 2000, S. 51–109. – J¨urgen Sarnowsky: Der weite Horizont: ‹Hansisches› und ‹Außerhansisches› in der L. R. des 15. Jh. In: Das Bilder der Hanse in der st¨adtischen Geschichtsschreibung des MA und der fr¨uhen Neuzeit (Hansische Stud. 20). Hg. v. Volker Henn. Trier 2010, S. 1–18. VZ Christian von Geren, † vermutlich letztes Drittel 1486. – Chronist. 1444 an der Univ. Rostock immatrikuliert und 1445 zum Baccalaureus promoviert, wurde der aus der Altmark stammende C. v. G. Anfang 1446 Substitut des Ratsschreibers Johann Hertze. Seit Ende 1449/Anfang 1450 war er Sekret¨ar der Kaufmannskooperation der L¨ubecker Bergenfahrer, bem¨uhte sich 1456 in Rom um eine p¨apstliche Absolution des in Bann gefallenen Kontors in Bergen und kehrte nach einem Mordanschlag 1459 von dort nach L¨ubeck zur¨uck. 1460 erscheint er als Inhaber der Bergenfahrervikarie am Olafsaltar der L¨ubecker Marienkirche, 1460/61 auch als Stadtschreiber des Kieler Rats. 1463 wurde er von K¨onig Christian I. in den Adelsstand erhoben. C. verfasste eine L¨ubische Chronik, deren erster, die Jahre 1350–1469 umfassende Teil aus einer nicht erhaltenen fr¨uheren Chronik C.s stammt. W¨ahrend er sich f¨ur die a¨ ltere Zeit zum Teil an die Chronik Hermann → Korners h¨alt, schreibt er ab 1439, bestimmt ab 1443 als Zeitgenosse. Der zweite Teil, der die Jahre 1470–86 in annalistischer Form behandelt, berichtet von politischen Ereignissen im Bereich der Hanse, vom Untergang Karls des K¨uhnen, vom Mord an Lorenzo de’ Medici und von Lokalem. Bei C.s lat. Aufzeichnungen zu den Jahren 1446/47, denen er eine Notiz zum Jahr 1451 anf¨ugte, handelt es sich um einen u¨ bersetzten Auszug aus dem ersten Teil der → L¨ubecker Ratschronik von 1401–1482 seines Vorgesetzten Johann Hertze. Das Sch¨uttingsrechnungsbuch der Bergenfahrer, das er von 1469 bis 1485/86 f¨uhrte, enth¨alt Aufzeichnungen C.s aus dem Jahr 1469 zur Geschichte der Sch¨uttinge (Versammlungsh¨auser der kaufm¨annischen Korporationen) in der Mengstraße und in der Beckergrube. ¨ Uberlieferung: L¨ubeck, Arch. der Hansestadt L¨ubeck, Hs. 66 (vorl¨aufige Signatur; fr¨uher StB, 790

2. H¨alfte 15. Jh.

Bracht

cod. [Lub?] 109), 1v (Notizen zur Gesch. der Sch¨uttinge), 131r–139r («L¨ubische Chronik»). Eine Abschrift des Cod. von E. Deecke (ehem. StB L¨ubeck, Ms. Lub. 414–416) ist verschollen. – Kopenhagen, Det Arnamagnaeanske Inst., Am 295, fol., 48r (Aufzeichnungen zu den Jahren 1446/47 und 1451). Druck: Friedrich Bruns (Hg.): Die L¨ubecker Bergenfahrer und ihre Chronistik (Hansische Geschichtsquellen NF 2). Berlin 1900, S. 235 (Notizen zur Gesch. der Sch¨uttinge) 348–381 (Chronik), 410 f. (Aufzeichnungen zu den Jahren 1446/47 und 1451); pers¨onliche Urkunden S. 400–405. Literatur: Helgard Ulmschneider, VL2 11 (2004) Sp. 317–320. – Bruns (s. o.) S. 242–252, 308–337, 400–409 u. o¨ . – Repertitorium fontium historiae medii aevi 3 (1970) Sp. 247 f. – Gerhard Fouquet: ‹Geschichts-Bilder› in einer Reichsund Hansestadt: C. v. G. und seine Chron. der L¨ubecker Bergenfahrer (ca. 1425–1486). In: Das Ged¨achtnis der Hansestadt L¨ubeck. FS Antjekathrin Graßmann. Hg. v. Rolf Hammel-Kiesow/ Michael Hundt. L¨ubeck 2005, S. 113–125. BJ

deme heren koninge to Palen, landen manschopp unde steden in Prutzen uppe de ene unde dem heren homester Dutsches Ordens [...] uppe de anderen ziide [...]». – Laut freundlicher Mitt. v. Dr. Iwan Iwanov, Stadtarch. L¨ubeck, befindet sich die Hs. nicht mehr in den dortigen Best¨anden. – Ein Teilabschr. der Hs. hat sich laut Hanserecesse 2,5 (s. Ausg.) S. 298 in Reval befunden. Ausgabe: Hanserecesse Abt. 2: 1431–1476, Bd. 5: 1460–1466. Hg. vom Ver. f¨ur Hansische Gesch. Bearb. v. Goswin v. der Ropp. Leipzig 1888, Nr. 443, S. 297–369. – Innerhalb der ‹L¨ubecker Ratschronik›: Friedrich Bruns: Die Ratschron. v. 1438–1482. 3. Fortsetzung der Detmar-Chron. 2. Tl. (Die Chron. der nieders¨achsischen St¨adte L¨ubeck 4 [Chron.dt.St. 30]). Leipzig 1910 (Nachdr. G¨ottingen 21968) S. 359 f., 382–389 (§§ 1884, 1898–1898c). Literatur: Gundolf Keil, VL21 (1978) Sp. 982. – F. Bruns: Die L¨ubecker Stadtschreiber v. 1350–1500. In: Hansische Geschichtsbll. 1903 (1904) S. 45–104, hier S. 63 f. – Ders. (s. Ausg.) S. 382 f. VZ

Bracht, Johann, * Mu¨ nster, † 24.1.1487 L¨ubeck. – L¨ubecker Ratssekret¨ar, Verfasser eines diplomatischen Reiseberichts. B. trug einen Magistertitel und war von 1351 bis zu seinem Tod Stadtschreiber von L¨ubeck. Auch unternahm er diplomatischen Reisen f¨ur die Hansestadt und war u. a. im Dreizehnj¨ahrigen Krieg vermittelnd zwischen Polen und dem Dt. Orden t¨atig. 1463 stand er bei zwei Reisen st¨adtischen Gesandschaften vor, die dem Ordenshochmeister und dem polnischen K¨onig l¨ubische Friedensvermittlungen antrugen. Im Folgejahr geh¨orte er zu einer Gruppe st¨adtischer Unterh¨andler, welche – ohne durchschlagenden Erfolg – die arrangierten Friedensverhandlungen begleitete. B. hielt die Ereignisse dieser Reise in nd. tagebuch¨ahnlichen Aufzeichnungen fest und legte diese als offiziellen Bericht dem Rat der Hansestadt vor. Johann Hertze, einer der Fortsetzer der L¨ubecker Chronik des → Detmar von L¨ubeck, hat B.s Bericht ausgewertet und in einige Abschnitte der → L¨ubecker Ratschronik von 1401–1482 integriert. ¨ Uberlieferung: Vormals L¨ubeck, Stadtarch., Bestand 01.1–03.05, Nr. 018 (ASA Externa Polonica), 94 Bll. (Pap. mit Pergamentumschlag, 1464, Autograph). Auf der Vorderseite des Umschlags ist v. B. selbst notiert: «Dit is de recessus twisschen

Kastorp, Heinrich (Hinrich Castorp), † 1512 L¨ubeck. – L¨ubecker Kaufmann, B¨urgermeister und Chronist. K., der a¨lteste Sohn des ber¨uhmten gleichnamigen L¨ubecker B¨urgermeisters (gest. 1488), der ebenso wie jener als Kaufmann großes Ansehen genoss, wurde 1500 in den Rat der Stadt gew¨ahlt; 1512 nahm er das B¨urgermeisteramt auf, verstarb jedoch noch im selben Jahr. Mit großer Wahrscheinlichkeit stammt von ihm – m¨oglicherweise aber auch von seinem Vater – eine verloren gegangene Chronik u¨ ber den Aufstand des «Preußischen Bundes» gegen den Ordensstaat, die 1454 beginnt und bis ca. 1466 (Thorner Friede) reicht. K. benutzte die Chronik Johann → Lindaus, aus der er zum Teil w¨ortlich entlehnte. Wahrscheinlich wurde der Bericht in der Fortsetzung der Chronik durch → Detmar von L¨ubeck teilweise verarbeitet und ging auch in die Darstellung des L¨ubecker Predigers Reimar Kock (gest. 1569) ein. Die verlorene Urschrift d¨urfte in mnd. Sprache verfasst gewesen sein. Literatur: Wilhelm Mantels: Castorp. In: ADB 4 (1876) S. 69 f. – Gerhard Neumann: Hinrich Castorp. In: NDB 3 (1957) S. 174 f. – Harald Parigger, VL2 4 (1983) Sp. 1053–1055. – Inge-Maren W¨ulfing, LexMA 2 (1983) Sp. 1563 f. – Ferdinand

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Gesselen H. Grautoff: Die L¨ubeckischen Chron. in nd. Sprache. Bd. 2. Hamburg 1830. – Friedrich Bruns: Reimar Kock. Der l¨ubische Chronist und sein Werk. In: Zs. des Ver. f¨ur L¨ubeckische Gesch. und Altertumskunde 35 (1855) S. 85–104. – Theodor Hirsch (Hg.): SS rer. Prussicarum. Die Geschichtsquellen der preußischen Vorzeit bis zum Untergange der Ordensherrschaft. Bd. 4. Leipzig 1870. – Gerhard Neumann: Hinrich Castorp. Ein L¨ubecker B¨urgermeister aus der zweiten H¨alfte des 15. Jh. (Ver¨off. zur Gesch. der Freien und Hansestadt L¨ubeck 11). L¨ubeck 1932. – Fritz R¨orig: Vom Werden und Wesen der Hanse. Leipzig 1940, passim. – Philippe Dollinger: Die Hanse. 5., erw. Aufl. Stuttgart 1998, passim. SF Gesselen, Konrad, * Geismar, † nach 1469. – ¨ Ubersetzer von Deutsch-Ordens-Chroniken ins Lateinische. G. studierte seit Mai 1425 in Rostock (1426/27 Baccalaureus artium). Anschließend lebte er in Thorn (erster sicherer Nachweis 1435). Sp¨atestens 1444 war er Rektor der altst¨adtischen Schule und seit 1453 Kaplan an der Pfarrkirche St. Johannis. Zusammen mit dem befreundeten polnischen Chronisten Jan Długosz oder in dessen Auftrag u¨ bersetzte G. die dt. Reimchroniken des → Nikolaus von Jeroschin (Kronike von Pruzinlant) und → Wigands von Marburg in lat. Prosa. Długosz war an den Verhandlungen, die zum zweiten Thorner Frieden (1466) zwischen dem Dt. Orden und Polen f¨uhrten, selbst beteiligt und hatte daher großes Interesse an den beiden Dt. OrdensDichtungen. ¨ Die Ubersetzungen wurden 1464 offensichtlich unter Zeitdruck vorgenommen, woraus Verk¨urzungen, Fehler und sprachliche Unzul¨anglichkeiten resultieren. Dennoch hat die Arbeit G.s ihre unbestreitbare Bedeutung, da sie die Rezeption preußischer Geschichtsschreibung in der polnischen Chronistik bef¨ordert hat. Hinzu kommt ¨ der Quellenwert des Ubersetzungswerkes, denn die Chronik Wigands ist im dt. Original nur in wenigen Bruchst¨ucken u¨ berliefert und liegt in ihrer Gesamtheit also nur in der Bearbeitung G.s vor. ¨ Uberliefert ist von G. zudem ein nd. Silbencisioianus (Merkgedicht f¨ur die Heiligen- und Feiertage, vor 1435; vgl. → Cisioianus). ¨ Uberlieferung: Berlin, Geheimes Staatsarch. Preuß. Kulturbesitz, XX. HA OF 273, 230r–277v: «Chronica vetus. Extracta e Cronica Cruciferorum 793

2. H¨alfte 15. Jh. ordinis teutonicorum» (Nikolaus); Bl. 279r–303v: «Chronica nova prutenica» (Wigand). – Cisioianus: Rostock UB, Ms. math.-phys. 1, 24v (Astronomische Sammelhs. 1424/35, Abschnitt 14r–75v: Thorn 1435). Ausgaben: Chronica nova prutenica: Johannes Voigt/Eduard Comes Raczy´nski: Chronicon seu Annales Wigandi Marburgensis, equitis et fratris ordinis Teutonici Chronicon seu annales. Posen 1842 (lat./poln.). – Theodor Hirsch u. a.: Scriptores rerum Prussicarum. Die Geschichtsquellen der preussischen Vorzeit bis zum Untergange der Ordensherrschaft. Bd. 2. Leipzig 1863 (Nachdr. Frankfurt/M. 1965) S. 453–662. – Cisioianus: Karl Ernst Hermann Krause: Bruchst¨uck eines Kalendarii des Johannisklosters und Nd. Cisiojanus des K. G. In: Große Stadtschule Rostock, Schulprogramm Jg. 1875, S. 10–15. Literatur: Karl Ernst Hermann Krause, ADB 9 (1879) S. 95. – Udo Arnold, VL2 3 (1981) Sp. 20–22. – Christian Theodor Ludwig Lucas: ¨ Uber die Chron. des Dt. Ordensritters Wigand v. Marburg. In: Beitr. zur Kunde Preußens 6 (1824) S. 465–506. – Max Toeppen: Gesch. der preußischen Historiographie von P. v. Dusburg bis auf K. Sch¨utz. Berlin 1853 (Nachdr. Wiesbaden 1973) S. 17, 29–32. – Hirsch (s. Ausg.) ¨ S. 429–441. – Max Perlbach: Der Ubersetzer des Wigand v. Marburg. In: Altpreuß. Monatsschr. 32 (1895) S. 411–424. – Anton Blaschka: Monumentum Thorunense. In: Wissenschaftl. Zs. der Martin-Luther-Univ. Halle 7 (1957/58) Nr. 3, S. 715–726. – Ders.: K. G. ein Mitarbeiter von Johannes Długosz: Epilog zum Monumentum Thorunense. In: ebd. 10 (1957/58) Nr. 4, S. 893–895. – Zenon Nowak: Zwi¸azki Prus z uniwersytetami w Roztoce i Gryfii w XV i pocz¸atkach XVI wieku. In: Zapiski historyczne 33 (1968) S. 641–644. – Heribert A. Hilgers: Versuch u¨ ber dt. Cisiojani. In: Poesie und Gebrauchslit im dt. MA. W¨urzburger Colloquium 1978. Hg. v. Volker Honemann u. a. T¨ubingen 1979, S. 127–163, hier S. 154 (Nr. 3). – Kurt Heydeck: Die ma. Hss. der UB Rostock (Kat. der UB Rostock 1). Wiesbaden 2001, S. 78–89, bes. S. 81. – Robert Ruci´nski: K. G. [ok. 1409 – po 1469]. Przykład kariery uczonego w ´sredniowiecznym Toruniu. In: Rocznik Toru´nski 28 (2001) S. 37–49. – Ralf G. P¨asler: Deutschsprachige Sachlit. im Preußenland bis 1500. Unters. zu ¨ ihrer Uberl. (Aus Arch., Bibl. und Mus. Mittelund Osteuropas 2). K¨oln u. a. 2003, S. 52, 283. VZ 794

2. H¨alfte 15. Jh. Mornauer, Alexander und Paul. – Landshuter Stadtschreiber. Der wohl aus dem oberbayerischen Murnau stammende P. M. war 1439–64 Stadtschreiber in Landshut und danach bis mindestens 1470 Spitalmeister des dortigen Heilig-Geist-Spitals. Sein wahrscheinlich um 1438/39 in Landshut geborener Sohn A. M. folgte seinem Vater 1464 als Landshuter Stadtschreiber und war daneben als o¨ ffentlicher Notar t¨atig. 1488 ging er als Bergmeister nach Rattenberg in Tirol. Er starb wohl in den fr¨uhen neunziger Jahren des 15. Jh. In ihrer Eigenschaft als Stadtschreiber waren die M.s Mitverfasser der Landshuter Ratschronik. Das Werk enth¨alt schlichte, meist regionalhistorische Annalen f¨ur die Zeit von 1439 bis zum Beginn des Landshuter Erbfolgekriegs 1504. Die Chronik wurde von P. M. als Stadtschreiber begonnen und bis zum Ende seiner Amtszeit fortgef¨uhrt, also f¨ur den Berichtszeitraum 1439 bis 1464. F¨ur 1464 bis 1488 setzte A. M. die Chronik fort, danach sein Nachfolger Hans Vetter. Die von den M.s aufgezeichneten Annalen basieren auf den j¨ahrlichen Ratslisten, in denen die Stadtratsmitglieder, Oberrichter und Stadtschreiber genannt wurden. F¨ur manche Jahre beschr¨ankten sich die M.s auf die Wiedergabe der Listen, w¨ahrend an anderen Stellen auch sonstige Ereignisse und Erscheinungen in die Chronik einflossen – darunter Geburten, Hochzeiten und Feldz¨uge der Herzogsfamilie, aber auch Angaben zu Landshuter Preisen, Steuern, Epidemien und Bauten. Der Wert der Chronik ist aufgrund ihrer schlichten Machart ein historischer, kein literarischer. Sie gilt als historisch zuverl¨assig und ist in ihrer engen Bindung an die Ratslisten mit Nikolaus → Grills M¨uhldorfer Annalen und den M¨unchner Ratsprotokollen verglichen worden. ¨ Uberlieferung: Mu¨ nchen, BSB, Cgm 3063 (zweite H¨alfte 16. Jh.). – Landshut, Stadtarch. Bd. 1 (17. Jh., mit redigierten Ausz¨ugen der M¨unchner Hs.). Ausgaben: Joannis Vetteri Fasti Consulares Landishutani. Hg. v. Andreas Felix Oefele. In: Rerum Boicarum Scriptores Nusquam Antehac Editi 2. Augsburg 1763, S. 760–779. – Landshuter Ratschron.. Hg. v. Karl Theodor Heigel. In: Die Chron. der baierischen St¨adte: Regensburg, Landshut, M¨uhldorf, M¨unchen (Chron.dt.St. 15). Leipzig 1878 (Nachdr. G¨ottingen 1967) S. 245–366. 795

Mornauer Literatur: Paul Ruf, VL1 3 (1943) Sp. 456. – Gisela Friedrich: Landshuter Ratschron. (1439–1504). In: VL2 5 (1985) Sp. 556–559. – De Boor/Newald 4,1 (21994) S. 147. – Georg Spitzlberger, NDB 18 (1997) S. 153. – Christof Paulus, Encyclopedia of the Medieval Chronicle 2 (2010) S. 993 f. – Heigel 1878 (s. Ausg.). – Ottokar Lorenz: Deutschlands Geschichtsquellen im MA seit der Mitte des dreizehnten Jh. 1. Berlin 31886, S. 196 f. – Theo Herzog: Der Landshuter Stadtschreiber A. Mornauer und sein Geschlecht. In: Verhandlungen des Hist. Ver. f¨ur Niederbayern 81 (1955) S. 91–112. – Repertorium fontium historiae medii aevi 9 (2003) S. 432. – Helga Czerny: Der Tod der bayerischen Herz¨oge im Sp¨atMA und in der fr¨uhen Neuzeit 1347–1579. Vorbereitungen, Sterben, Trauerfeierlichkeiten, Grablegen, Memoria. Mu¨ nchen 2005, S. 21 f. – Stefan Dicker: Landesbewusstsein und Zeitgeschehen. Stud. zur bayerischen Chronistik des 15. Jh. K¨oln u. a. 2009, S. 409 f. u. o¨ . MM Landshuter Ratschronik. – St¨adtechronik f¨ur die Jahre 1439–1504. Drei Generationen von Stadtschreibern haben die Chronik der niederbayerischen Residenzstadt unter den Herz¨ogen Heinrich (1393–1450), Ludwig (1450–79) und Georg (1479–1503) verfasst. Sie setzt 1439 ein und endet mit dem Ausbruch des Landshuter Erbfolgekriegs (1504). Als Verfasser konnten f¨ur die Zeit bis 1464 Paulus Mornauer, anschließend und bis 1488 dessen Sohn Alexander Mornauer und f¨ur die restlichen Jahre Hans Vetter nachgewiesen werden. Der fr¨uhen Forschung galt Vetter noch als alleiniger Verfasser. Paul Mornauer stammte wahrscheinlich urspr¨unglich aus dem oberbayerischen Murnau. ¨ Nach der Ubergabe des Schreiberamts an seinen Sohn (1464) ist Paul bis 1470 als Spitalmeister des Landshuter Heilig-Geist-Spitals nachgewiesen. Alexander d¨urfte in Landshut geboren sein und hatte das Stadtschreiberamt bis 1488 inne. Daneben wirkte er als o¨ ffentlicher Notar. Offenbar schied er auf Initiative Herzog Georgs aus dem Dienst, der dem Stadtschreiber daf¨ur das Bergmeisteramt in Rattenberg (Tirol), dem Geburtsort der Ehefrau von Alexander, u¨ bertrug. Dessen direkter Nachfolger Georg Walhan blieb nur rund ein Jahr im Amt und 1490 wurde Hans Vetter Stadtschreiber. Aufgrund eigenh¨andiger Aufzeichnungen (4 Bll.: Mu¨ nchen, BSB Cgm 5190 A. 3) ist einiges u¨ ber ihn bekannt. Er war 1477 Rentmeister in Weiden, 1483 796

Knebel Richter in Reicheneck und anschließend in Wemding, trat 1485 in den Dienst des Ritters Wolfram von Wolfstein (Marschall Herzog Georgs), u¨ bersiedelte 1489 nach Landshut, wo er auf Empfehlung Georgs Stadtschreiber wurde. Dieses Amt hatte er bis zu seinem Tod 1516 inne. Den Rahmen f¨ur die Aufzeichnungen in der L. R. bildet f¨ur jedes Jahr jeweils eine Ratsliste, welche die Namen der vom Herzog j¨ahrlich best¨atigten Mitglieder des inneren und a¨ußeren Rats, des Oberrichters und des Stadtschreibers enth¨alt. Diese Listen wurden angereichert mit kurzen Notizen zum Stadtleben (wie Steuern und Preise, Epidemien oder Bauarbeiten) und Angelegenheiten des herz¨oglichen Hofes (Audienzen, Kriegsz¨uge, Geburten, Hochzeiten usw.). Da die Aufzeichnungen zeitnah zum Geschehen erfolgten, darf ihnen ein hohes Maß an historischer Verl¨asslichkeit unterstellt werden. Die breitesten Ausf¨uhrungen stammen von Vetter (die Mornauers belassen es mehrfach bei den bloßen Ratslisten, auch im Jahr der Landshuter Hochzeit [1475]). Dieser ber¨ucksichtigt auch die Reichsgeschichte, um die Stadtgeschichte in einen breiterern Kontext zu stellen. Vielleicht griff er bei seinen Berichten auch auf schriftliche Quellen zur¨uck. Trotz dieser gelegentlichen Exkurse ist die L. R. im Großen und Ganzen aber ein Verzeichnis knapper regionalhistorischer Fakten in annalistischer Form ohne Parteinahmen oder Bewertungen, abgesehen von der selbstverst¨andlichen positiven Darstellung des jeweiligen Landesherren. In ihrer Eigenart, die annalistischen Notizen direkt an die Ratslisten zu kn¨upfen, ist die L. R. ein Sonderfall. Vergleichbar sind mit Einschr¨ankungen der zweite Teil der M¨uhldorfer Annalen des Nikolaus → Grill oder die → M¨unchner Ratsprotokolle. ¨ Uberlieferung: Mu¨ nchen, BSB, Cgm 3063 (zweite H¨alfte 16. Jh.). – Landshut, Stadtarch. Bd. 1 (17. Jh.); enth¨alt eine Fortsetzung der Ratslisten und der chronikalischen Notizen bis 1606 vom Ratsherrn Virgil Glasberger. Der Textbestand vom Cgm 3063 erscheint hier nur auszugsweise, jedoch mit Abweichungen und Erg¨anzungen. Ausgaben: Andreas Felix Oefele: Joannis Vetteri Fasti Consulares Landishutani. In: Rerum Boicarum Scriptores Nusquam Antehac Editi. Bd. 2. Augsburg 1763, S. 760–779. – Karl Theodor Heigel: L. R. In: Chron.dt.St. 15 (1878) S. 245–366. Literatur: Gisela Friedrich, VL2 5 (1985) Sp. 556–559. – Christof Paulus, Encyclopedia of 797

2. H¨alfte 15. Jh. the Medieval Chronicle 2 (2010) S. 993 f. – Heigel (s. Ausg.) S. 247–282. – Ottokar Lorenz: Deutschlands Geschichtsquellen im MA seit der Mitte des dreizehnten Jh. Bd. 1. Berlin 31886, S. 196 f. – Theo Herzog: Der Landshuter Stadtschreiber Alexander Mornauer und sein Geschlecht. In: Verhandlungen des Hist. Ver. f¨ur Niederbayern 81 (1955) S. 91–112. – Repertorium fontium historiae medii aevi 9 (2003) S. 432. – Stefan Dicker: Landesbewusstsein und Zeitgeschehen. Stud. zur bayerischen Chronistik des 15. Jh. (Norm und Struktur 30). K¨oln u. a. 2009, S. 409 f. und Reg. VZ Knebel, Johannes (Hans), * um 1414/16 Basel (?), † um Mai/Juni 1481 ebd. (?). – Theologe, Chronist. K. war der Sohn eines Zunftmeisters und Mitglieds im Großen Rat von Basel. Er studierte seit 1432 an der Universit¨at Erfurt die K¨unste und erwarb 1435 in Heidelberg den Grad des Bakkalaureus. Wahrscheinlich studierte K. auch Theologie, da er 1441 zum Priester geweiht wurde. 1441–50 war er als Kaplan Prokurator der Dompropstei von Basel. Daneben besaß er mehrere Pfr¨unden, so seit 1447 die Kaplanei an der Katharinenkapelle im Pfirter Hof zu Burg/Basel und eine ChorherrenPfr¨unde im els¨assischen Lautenbach. 1460 wurde er zum Notar der Basler Universit¨at ernannt. K. unterhielt Kontakte zu Peter von Andlau, Niklaus → R¨usch und Johann von Venningen. K. verfasste die lat.-dt. Quellenchronik Johannis Knebel capellani ecclesiae Basiliensis diarium. Das urspr¨unglich dreib¨andige Werk begann mit dem Jahr 1462, doch ist der erste Band heute verloren. Nur die letzten beiden B¨ande f¨ur die Berichtszeitr¨aume 1473–76 und 1476–79 sind als Autographen erhalten. Das Diarium besitzt u¨ berwiegend den Charakter einer Materialsammlung, die sich aus offiziellen wie inoffiziellen Quellen speist. Neben Akten, Zeitungen und Briefen sind auch Ger¨uchte und Berichte von Gew¨ahrsleuten in den Text eingef¨ugt. Historisch wichtige Fakten stehen neben Kuriosit¨aten von partikularem Interesse. Die Grundhaltung des Werks ist reichsst¨adtisch. Die Eidgenossen werden maßvoll kritisch dargestellt, der Herzog von Burgund negativ. Heute wird das Diarium als bedeutende Quellen zur Geschichte Basels w¨ahrend der Burgunderkriege gesch¨atzt. ¨ Uberlieferung: Basel, UB, cod. A λ II 3 a und 4 a (1473–79, Autographen). Ausgabe: Chronik des Kaplans J. K. aus den Zeiten des Burgunderkriegs. Erste Abt. 1473–1475. 798

2. H¨alfte 15. Jh. Zweite Abt. 1476–1479. Hg. v. Karl BuxtorffFalkeisen. 2 Bde. Basel 1851–55. – Johannis Knebel capellani ecclesiae Basiliensis diarium. (Basler Chroniken 2 und 3). Hg. v. Wilhelm Vischer u. a. 2 Bde. Leipzig 1880–87. Literatur: ADB 16 (1882) S. 275. – PeterJohannes Schuler, NDB 12 (1979) S. 168 f. – Guy P. Marchal, VL2 4 (1983) Sp. 1272–1274. – Friedrich Meyer: Die Beziehungen zwischen Basel und den Eidgenossen in der Darst. der Historiographie des 15. und 16. Jh. Basel 1951, S. 67–78. – Heinrich Schmidt: Die dt. St¨adtechron. als Spiegel des b¨urgerlichen Selbstverst¨andnisses im Sp¨atMA. G¨ottingen 1958, S. 78 f. u. o. ¨ – F. Meyer: Die Eidgenossen im Urteil der baslerischen Geschichtsschreibung des 15. und 16. Jh. In: Basler Stadtbuch 1967 (1966) S. 117–139. – Richard Feller/ Edgar Bonjour: Geschichtsschreibung der Schweiz vom Sp¨atMA zur Neuzeit. Basel 21979, S. 59–61. – Claudius Sieber-Lehmann: Sp¨atma. Nationalismus. Die Burgunderkriege am Oberrhein und in der Eidgenossenschaft. G¨ottingen 1995, S. 30–33. MM Dacher, Gebhard, * um 1425 Konstanz, † 1471 Konstanz. – Schreiber und Chronist. D.s Vater († 1439) geh¨orte als Mitglied der Fischerzunft dem Kleinen Rat der Stadt Konstanz an. 1458 erhielt D. f¨ur zehn Jahre das B¨urgerecht ¨ von Uberlingen, woher seine Frau stammte; 1461 wurde er Konstanzer B¨urger und Zolleinnehmer («husherre») im dortigen Kaufhaus. 1465 und 1471 wird er urkundlich als Vertreter der Fischerzunft im Großen Rat erw¨ahnt. D. leitete eine Schreibstube, deren Gesamtproduktion nicht mehr zu rekonstruieren ist, aus der aber mehrere Handschriften mit historiographischen Texten erhalten sind. Der Entschluss, eine eigene Chronik seiner Heimatstadt und des Bistums Konstanz zu verfassen, resultiert sicherlich aus D.s Kopistent¨atigkeit. Aus seiner Werstatt erhalten sind neben D.s eigener Konstanzer Chronik Abschriften der Chronik des Konstanzer Konzils von Ulrich → Richental und eine kompilatorische Zusammenstellung von Jakob → Twingers von K¨onigshofen Straßburger Chronik, Richentals Konzilschronik und dem Anfang von D.s Chronik. Hier fungiert D.s Werk als als zeitliche bzw. lokale Erg¨anzung zu den Texten Richentals und Twingers. Die Konstanzer Chronik ist das umfangreichste Werk der sp¨atma. Konstanzer Historiographie, ihr 799

Dacher Grundger¨ust eine Konstanzer Bischofsliste, anhand welcher D. aus verschiedenen lat. und dt. Quellen eine annalistische Chronik kompilierte. D. sch¨opfte hierbei auch aus der nur sp¨at¨uberlieferten Chronica des Johannes → Stetter, des ersten nachweisbaren Konstanzer Stadtchronisten. Dem Text voran steht eine sagenhafte Gr¨undungsgeschichte, welche die f¨ur die Stadt konstitutiven Elemente Reich, Bischof und Gemeinde verbindet. Ab der Mitte des 13. Jh. bietet die Chronik detaillierte Lokalnachrichten, wobei auch Ereignisse aus dem Thurgau und Oberschwaben einbezogen werden. Nur selten geht der Blick u¨ ber diesen Raum hinaus. Im M¨arz 1470 bricht der Text ab. ¨ Uberlieferung: St. Gallen, Stiftsbibl., Cod. 646, 258 Bll., (Pap., 1458–72, ostalemannisch, Autograph; mit Nachtr¨agen v. Konrad Albrecht, Stadtschreiber zu Konstanz). – Stuttgart, LB, Cod. HB V 22, 223vb–242vb (Pap., 1467–69, Autograph; Anfang der ‹Konstanzer Chron.› als Anhang zu den Chron. ¨ Twingers und Richentals). – Wien, ONB, Cod. 2807, 24 Bll., (Pap., Mitte 15. Jh., aus Ravensburg [?]; Fragm.). – Ausz¨uge aus der Chron. D.s finden ¨ sich in den Kollektaneen des Uberlinger Stadt¨ schreibers Jakob Reutlingers (Stadtarch. Uberlingen). – Von D. geschriebene Hss. (mit Richentalund/oder Twinger-Texten: Karlsruhe, LB, Cod. St. Georgen 63 (um 1470). – Prag, Nationalbibl., Cod. XVI.A.17 (1464). – Stuttgart, LB, Cod. HB V 22 (s. o.). – Abschr. nicht erhaltener Hss. D.s: Stuttgart, LB, Cod. theol. et phil. 2° 76; Wolfenb¨uttel, HAB, Cod. 61 Aug. 2°. – Alle Hss. aus D.s Schreibstube sind illustriert. Ausgaben: Philipp Ruppert: Die Chron. der Stadt Konstanz. Konstanz 1891 (Teilausg.). – Sandra Wolff: Die ‹Konstanzer Chron.› G. D.s. ‹By des Byschoffs zyten volgiengen disz nachgeschriben ding vnd sachen ...›. Codex Sangallensis 646: Edition und Komm. (Konstanzer Geschichts- und Rechtsquellen 40). Ostfildern 2008, S. 269–724 (Variantendokumentation auf beiliegender CD-ROM). Literatur: Ottokar Lorenz, ADB 4 (1876) S. 688 (G. D. v. Dingelstorff). – Eugen Hillebrand, VL2 2 (1980) Sp. 31 f.; 11 (2004) Sp. 341. – Ruppert (s. Ausg.). – Theodor Ludwig: Die Konstanzer Geschichtsschreibung bis zum 18. Jh. Diss. Straßburg 1894. – Rudolf Kautzsch: Die Hss. v. Ulrichs v. Richental Chron. des Konstanzer Konzils. In: Zs. f¨ur die Gesch. des Oberrheins NF 9 (1894) S. 443–496. – Schulte: Zu den oberrheinischen Chronisten des MA. In: ebd. 14 (1899) 800

Schilling S. 671. – Heinrich Vildhaut: Hb. der Quellenkunde zur dt. Gesch. Bd. 2 (Quellenkunde zur allg. Gesch. 4). Werl 21909, S. 74–92. – Ernst v. Berchem u. a.: Die Wappenb¨ucher des dt. MA. In: Beitr. zur Gesch. der Heraldik. Hg. v. dems. u. a. Berlin 1939 (Nachdr. Neustadt/Aisch 1972) S. 1–102. – Johannes Duft: R¨uckblick in das 15. Jh. Die Konstanzer Chron. v. G. D. in der Stiftsbibl. St. Gallen. Oberl¨ander Chron. (Heimatbl. des S¨udkurier). Konstanz 1961. – Kat. der deutschsprachigen illustrierten Hss. des MA. Begonnen v. Hella Fr¨uhmorgen-Voss, fortgef¨uhrt v. Norbert H. Ott zusammen mit Ulrike Bodemann. Bd. 3,3. M¨unchen 2000, S. 213–216 (Nr. 26A.9.1) und Abb. 114–116. – Gisela Wacker: Ulrich Richentals Chron. des Konstanzer Konzils und ihre Funktionalisierung im 15. und 16. Jh. Aspekte zur Rekonstruktion der Urschrift und zu den Wirkungsabsichten der u¨ berl. Hss. und Drucke. Diss. T¨ubingen 2002, Anhang II, S. IX–XI, XV f., XVIII. – Wolff (s. Ausg.) S. 13–250. VZ Kleine Toggenburger Chronik. – In der zweiten H¨alfte des 15. Jh. in dt. Sprache verfasste Chronik. Wahrscheinlich wurde die K. T. C. von einem aus Lichtensteig stammenden Toggenburger verfasst, der vielleicht der Familie Wittenwiler zuzuordnen ist. Im Zentrum der Chronik, welche die Jahre 1367–1446 umfasst, stehen Ereignisse aus dem Alten Z¨urichkrieg; die Tendenz ist toggenburgisch und antiz¨urcherisch, teilweise scheint der Autor uber ¨ Selbsterlebtes zu berichten (vgl. auch die Chronik des Hans → Fr¨und u¨ ber den Alten Z¨urichkrieg). Die Schlacht bei St. Jakob an der Sihl erf¨ahrt eine «ganz verkehrte» (Feller/Bonjour), sonst so nicht belegte Darstellung. ¨ Uberlieferung: Mu¨ nchen, BSB, Cgm 558, 113r–124r (Pap., Ende 15. Jh., hochalemannisch). – St. Gallen, StB, Cod. 42, S. 125–127 (ein Exzerpt des Joachim v. Watt [Vadian]). Ausgabe: Gustav Scherrer: Kleine Toggenburger Chron. Mit Beilagen und Er¨orterungen. St. Gallen 1874, S. 1–42. Literatur: Guy P. Marchal, VL2 4 (1983) Sp. 1204. – Scherrer (s. Ausg.). – Karin Schneider: Die dt. Hss. der BSB Mu¨ nchen. Cgm 501–690 (Catalogus codicum manu scriptorum Bibliothecae Monacensis 5/4). Wiesbaden 1978, S. 135. – Richard Feller/Edgar Bonjour: Geschichtsschreibung 801

2. H¨alfte 15. Jh. der Schweiz vom Sp¨atMA zur Neuzeit. 2., durchges. und erw. Aufl. Bd. 1. Basel u. a. 1979, S. 91. SF ¨ * um 1435/40 HaSchilling, Diebold, d. A., genau/Elsass, † 1485/86 Bern. – Verfasser von Chroniken. S. stammte aus einer Familie, die urspr¨unglich in Biel das B¨urgerrecht besaß und um 1360 nach Solothurn zog. Sein Vater war Gerber und Lederwarenh¨andler. S. erwarb um 1454/55 in der Werkst¨atte Diebold Laubers in Hagenau Kenntnisse der Buchproduktion. 1456 trat er als Substitut in die luzernische Kanzlei ein, wo er mit dem Chronisten Hans → Fr¨und zusammentraf, und wirkte seit 1460 in der Berner Kanzlei, seit 1473 als Unter-, seit 1476 als S¨ackel- und 1481–85 als Gerichtsschreiber. 1468 wurde er Mitglied des Großen Rats. 1480 heiratete er Katharina Baumgartner, Tochter eines Berner Venners. Als Mitglied der «Gesellschaft zum Narren und Distelzwang» (seit 1462; zun¨achst Stubenschreiber, dann S¨ackelmeister, 1468–70 und 1481–85 Stubenmeister) nahm er 1468 am Waldshuterkrieg und 1476 an den Schlachten bei Grandson und Murten teil. Zu S.s chronikalischem Schaffen z¨ahlen f¨unf aufeinander bezogene Werke. Die um 1468 in enger Zusammenarbeit mit Bendicht → Tschachtlan entstandene Berner Stadtchronik umfasst die Zeit von den Anf¨angen der Stadt bis zum Sundgauerzug (Waldshuterkrieg). Als Quellen dienten Konrad → Justingers Berner Chronik, Hans Fr¨unds Schilderung des Toggenburger Erbschaftskrieges sowie eigene Erlebnisse. Die seit dem 17. Jh. verschollene Chronik ist nur in zwei Ausschreibungen erhalten (Obersimmentaler Chronik; Liebenau-Codex, Luzern). Ebenfalls verloren ist seine Chronik der Geschichte der Burgunderkriege (1468–77), die sog. Kleine Burgunderchronik (darauf beruht u¨ berwiegend Peter → Molsheims Freiburger Chronik u¨ ber die Burgunderkriege), die S. in den Jahren 1481–84 u¨ berarbeitete und erweiterte. Die so entstandene dritte Chronik S.s, die sog. Große Burgunderchronik, behandelt den Zeitraum von 1468 bis 1484 und enth¨alt 199 Bilder f¨ur den Zeitraum 1468–1480; eingef¨ugt sind auch Aktenst¨ucke und Volkslieder. Diese nach S.s Tod von seiner Witwe an den Rat der Stadt Z¨urich verkaufte Chronik diente Gerold → Edlibach als Vorlage f¨ur die Passagen zum Burgunderkrieg in seiner Z¨urcher Chronik. 1474 beauftragte die Stadt Bern S. mit der Abfassung der sog. Amtlichen Berner Chronik, die S. dem 802

2. H¨alfte 15. Jh. Rat 1483 u¨ berreichte. Die ersten beiden B¨ande entsprechen weitgehend den Chronik Tschachtlans und Justingers. Tschachtlan griff in amtlicher Funktion auch zensurierend in den dritten Band ein, der die Zeit von 1468 bis 1480 umfasst und zu dem in S.s privater Großer Burgunderchronik eine Parallelfassung vorliegt. Die Herkunft der 600 Illustrationen, darunter 290 f¨ur den Zeitraum von 1468 bis 1480, und S.s Anteil daran ist ungekl¨art. Die als Auftragsarbeit des Altschultheißen Rudolf von Erlach 1484/85 entstandene Chronik, nach dem langj¨ahrigen Aufenthaltsort Spiezer Schilling benannt, ist eine reich illustrierte (344 Bilder) Geschichte der Stadt Bern von den Anf¨angen an. Das sich vor allem auf Justinger, Fr¨und und Tschachtlan st¨utzende Werk endet abrupt 1460/65. ¨ Uberlieferung: 1. Kleine Burgunderchronik: N¨urnberg, StB, Solg. Ms. 63.2°, 197 Bl. (Pap., 1477/78, schweizerisch) (N). – 2. Große Burgunderchronik: Frauenfeld, Kantonsbibl., Zu¨ rich, ZB, Cod. A 5, 1036 Seiten (Pap., 1480–84; Autograph). – Ebd., Cod. A 54/55 (1532; Abschrift von Z¨urich, ZB, Cod. A 5). – Cod. Y 149, 436r–450r (Pap., Mitte 16. Jh.; Auszug u¨ ber die Jahre 1469–71). – 3. Amtliche Chronik: Bern, Burgerbibl., Mss. h.h. I.1, 235 Bll. (Perg., 1474–84, alemannisch; Autograph; Tl. 1). – Ebd., Mss. h.h. I.2, 184 Bl. (Perg., ca. 1474–84, alemannisch; Autograph; Tl. 2). – Ebd., Burgerbibl., Mss. h.h. I.3, 470 Bll. (Perg. ca. 1474–84, alemannisch; Auto¨ graph; Tl. 3). – Freiburg i. U./Fribourg, Kantonsund Universit¨atsbibl., Ms. Soci´et´e e´ conomique D 402, 113ra–116vb (Pap., 1467; Auszug). Ausgaben: Theodor v. Liebenau/Wolfgang Friedrich v. M¨ulinen (Hg.): Berner Chron. v. 1424–68. Bern 1893. – Albert B¨uchi (Hg.): Freiburger Chron. der Burgunderkriege. Bern 1914. – Gustav Tobler (Hg.): Die Berner Chron. des D. S. 1468–84. 2 Bde. Bern 1897 und 1901. – Alfred A. Schmid (Hg.): Die Grosse Burgunderchron. des D. S. v. Bern. ‹Z¨urcher Schilling›. Luzern 1985 (Faks. der Hs. Ms. A5 der ZB Z¨urich und Komm.). – Hans Bloesch/Paul Hilber (Hg.): Berner Chron. 4 Bde. Bern 1943–45 (Faks. der Hs. Hist. Helv. I.1–3 der Burgerbibl. Bern). – Hans A. Haeberli/Christoph v. Steiger (Hg.): Spiezer Bilderchron. Luzern 1990 (Faks. und Komm.). Literatur: Wilhelm Baum, VL2 8 (1992) Sp. 670–672. – Norbert H. Ott, NDB 22 (2005) S. 770 f. – Urs Martin Zahnd, Killy2 10 (2011) 803

Tschachtlan/Dittlinger S. 354 f. – Hans Braun, HLS Online. – Georg v. Wyss: Gesch. der Historiographie in der Schweiz. Z¨urich 1895, S. 135–137 und 175 (Bilder). – Theodor v. Liebenau: D. S. In: Slg. Bernischer Biographien. Bd. 2. Bern 1896, S. 417–420. – Josef Zemp: Die Schweizerischen Bilderchron. und ihre Architektur-Darstellungen. Z¨urich 1897, S. 35–70. – E[duard] A. Gessler: Die Schweizer Bilderchron. des 15. u. 16. Jh. Zu¨ rich 1941, ¨ S. 165–169. – Otto Homburger: Uber die kunstgeschichtliche Bedeutung der Hss. der Burgerbibl. In: Sch¨atze der Burgerbibl. Bern. Bern 1953, ¨ S. 107–112. – Carl Gerhard Baumann: Uber die Entstehung der a¨ ltesten Schweizer Bilderchron. (1468–1485.) Unter besonderer Ber¨ucksichtigung der Illustrationen in D. S.s Grosser Burgunderchron. in Z¨urich. Bern 1971. – Richard Feller/ Edgar Bonjour: Geschichtsschreibung der Schweiz. Vom Sp¨atMA zur Neuzeit. 2., durchges. und erw. Aufl. Basel/Stuttgart. Bd. 1, 1979, S. 21–26. – Pascal Ladner: D. S., Leben und Werk. In: Schmid (s. Ausg.) S. 1–8. – Carl Pfaff: Sozialgeschichtliches zu S.s Werk. In: ebd., S. 9–16. – Ernst Walder: ‹Von raeten und burgern verhoert und corrigiert›. D. S.s drei Redaktionen der Berner Chron. der Burgunderkriege. In: Berner Zs. f¨ur Gesch. und Heimatkunde 48 (1986) H. 3, S. 87–117. – U. M. ¨ (ca. 1435/40–1485/86). Chron. Zahnd: D. S. d. A. In: Hauptwerke der Geschichtsschreibung. Hg. v. Volker Reinhardt. Stuttgart 1997, S. 571–574. – Gerrit Himmelsbach: Die Renaissance des Krieges. Z¨urich 1999. – Christoph Eggenberger: Funktion und Anspruch der Schweizer Bilderchron. In: Kunst und Architektur in der Schweiz 51 (2000) 3, S. 53–59. – U. M. Zahnd: ‹zu ewigen zitten angedenck›. Einige Bemerkungen zu den bernischen Stadtchron. aus dem 15. Jh. In: Berns grosse Zeit. Das 15. Jh. neu entdeckt. Hg. v. Ellen J. Beer u. a. Bern 2003. – C. Eggenberger: Die Grosse Burgunderchron. In: Karl der K¨uhne (1433–1477). Kunst, Krieg und Hofkultur. Hg. v. Susan Marti u. a. Ausstellungskat. Z¨urich 2008, S. 331 (Nr. 145a). – Regula Schmid Keeling: Gesch. im Dienst der Stadt. Amtliche Historie und Politik im Sp¨atMA. Z¨urich 2009. BJ Tschachtlan, Bendicht (Benedikt) / Dittlinger, Heinrich. – Berner Chronisten. Der um 1420 geborene T. stammte aus wohlhabender Berner Familie und saß seit 1451 im Großen sowie 1453, 1464–67, 1468–91 und 1493 804

Tschachtlan/Dittlinger im Kleinen Rat der Stadt Bern. Seit 1457 war er Mitglied der Patriziergesellschaft «Zum Narren und Distelzwang». 1468 nahm er am Sund¨ gauerzug teil. T. versah u. a. folgende Amter und T¨atigkeiten: 1458–63 Schultheiß von Burgdorf, 1464–71 und nach 1486 Ungelter (Verantwortlicher f¨ur die Getr¨ankesteuer), 1469–73 MetzgernVenner (F¨ahnrich), 1470/71 Tagsatzungsgesandter und Vermittler im Twingherrenstreit und seit 1474 Bauherr. Zwischen 1465–83 u¨ bte er das Vogteirecht u¨ ber das Kloster Fraubrunnen aus, 1471 u¨ ber das Antonierspital. 1483 zog T. sich aus Verwaltung und Politik zur¨uck und starb 1493 an der Pest. Der rund 20 Jahre j¨ungere D. ist von vergleichbarer Abkunft und k¨onnte Tuchh¨andler gewesen sein. Seit 1464 geh¨orte er dem Großen, seit 1470 dem Kleinen Rat an. Auch D. wirkte nach 1467 zusammen mit T. als Ungelter und nahm gleichfalls am Sundgauerzug teil. Seit 1475 versah er die Vogtei Oltingen; 1475 erscheint er als Genosse der «Zunft zum Mittell¨owen». D. zog 1475/76 als bernischer Hauptmann in den Burgunderkrieg. 1479 starb er. Die den beiden zugeschriebene illustrierte Berner Chronik – wobei T. vermutlich der Verfasser/ Kompilator und D. lediglich der Schreiber war – wurde f¨ur den privaten Gebrauch erstellt (bis 1787 verblieb das Manuskript im Privatbesitz). Die kontinuierliche Darstellung der Chronik beginnt kurz vor der Stadtgr¨undung (1191) und reicht bis 1468 mit Nachtr¨agen bis 1471. Am Text k¨onnte auch der seit 1460 in Bern t¨atige Diebold → Schilling ¨ mitgewirkt haben; dass die drei Chronisten d.A. als aktive Stadtpolitiker in Kontakt standen ist unzweifelhaft. Die Illustratoren der Handschrift sind unbekannt. Die Vorlagen der Chronik sind Konrad → Justinger (bis 1421), der Schwyzer Chronist Hans → Fr¨und (Alter Z¨urichkrieg 1440/50) und Schilling (diverse Themen 1408–68). Auf eigenes Quellenstudium hat T. verzichtet. Von ihm selbst stammt die den Text abschließende Darstellung ¨ des Twingherrenstreits, die redaktionelle Uberarbeitung der Vorlagen und vermutlich auch die Disposition der Illustrationen. Kritische Bemerkungen zum Rat der Stadt relativierte T., auch vermittelte er dem Text eine deutliche pro-eidgen¨ossische und anti-¨osterreichische Position. Die Vorrede gibt Auskunft u¨ ber die Funktion der Chronik: Diese sollte den beiden Ratsherren bei ihrem politischen Wirken als Rechenschaft u¨ ber die st¨adtische Vergangenheit dienen. 805

2. H¨alfte 15. Jh. Von der offiziellen Berner Chronik Schillings unterscheidet sich die Chronik T.s und D.s darin, dass die geschichtlichen Abl¨aufe aus Sicht der Berner Handwerkerschaft geschildert werden. Dieser entstammten die beiden Urheber zwar famili¨ar, geh¨orten ihr selbst aber freilich nicht mehr an (abgesehen von der Zunftzugeh¨origkeit T.s). Von der a¨lteren Forschung als (bis auf den Schluss) reines Kompilationswerk zwar gering gesch¨atzt, ist der Stellenwert der Chronik T.s und D.s dennoch nicht zu untersch¨atzen. Sie ist das a¨ lteste bekannte Zeugnis der Tradition der schweizerischen Bilderchronistik und zudem Nachweis des historischen Interesses innerhalb der Gesellschaft «Zum Narren und Distelzwang». ¨ Uberlieferung: Z¨urich, ZB, Cod. A 120, 1088 Bll. (Pap., 1470/71, alemannisch) mit 230 Abbildungen (Original). Ausgaben: Emanuel Stierlin/Johann R. Wyss: B. T.s Berner-Chron., von dem Jahre 1421 bis in das Jahr 1466. Bern 1820. – Gottlieb Studer: B. T.s Berner Chronik 1424–1470, nebst den Zus¨atzen des Diebold Schilling (Quellen zur Schweizergesch. 1). Basel 1877. – Hans Bloesch/Ludwig Forrer/Paul Hilber: B. T. Berner Chron. Hs. A 120 der ZB Z¨urich (Schweizerische Buchmalerei 1). Genf/Zu¨ rich 1933. – Alfred A. Schmid: T.s Bilderchron. Faks.-Ausg. der Hs. Ms. A 120 der ZB Z¨urich. Luzern 1986. – Pascal Ladner: Edition des Chroniktextes, mit einem Glossar v. Eugen B¨urgisser. In: Schmid 1988 (s. Lit.) S. 139–454. Literatur: Gustav Tobler, ADB 38 (1894) S. 697 f. (B. T.) – Urs Martin Zahnd, VL2 9 (1995) Sp. 1113–1115. – Regula Schmid, Encyclopedia of the Medieval Chronicle 1 (2010) S. 1451 f. (Tschachtlan-Dittlinger-Chron. v. Bern) – Annelies H¨ussy, HLS (online) (Tschachtlan, Benedikt). – G. Studer: Die Hs. der Berner-Stadtchron. v. C. Justinger, D.-T., D. Schilling und die BernerChron. im Anschluß an K¨onigshofen. In: Arch. des Hist. Ver. Bern 4 (1860) S. 1–72. – Ders.: Die Chron. v. T. In: ebd. 6 (1867) S. 627–653. – G. Tobler: Die Chronisten und Geschichtsschreiber des alten Bern. In: FS zur VII. S¨akularfeier der Gr¨undung Berns. 1191–1891. Bern 1891, S. 19–22. – Ders.: Schilling’sche Varianten zur Tschachtlanchron. In: Anz. f¨ur Schweizerische Gesch. 7 (1895) S. 189–192. – Ders.: B. T. In: Slg. Bernischer Biogr. Bd. 2. Bern 1896, S. 564 f. – Josef Zemp: Die schweizerischen Bilderchron. und ihre 806

2. H¨alfte 15. Jh. Architekturdarstellungen. Z¨urich 1897, S. 23–35. – Die Schweizer Bilderchron. des 15./16. Jh. Einl. v. Walter Muschg. Bilderl¨auterungen v. Eduard A. Gessler. Z¨urich 1941, S. 163–165. – Carl Ger¨ hard Baumann: Uber die Entstehung der a¨ltesten Schweizer Bilderchron. 1468–1485 unter besonderer Ber¨ucksichtigung der Illustrationen in Diebold Schillings Grosser Burgunderchron. in Zu¨ rich. Bern 1971. – Richard Feller/Edgar Bonjour: Geschichtsschreibung der Schweiz vom Sp¨atMA zur Neuzeit. Basel 21979, S. 14–16. – A. A. Schmid (Hg.): T.s Bilderchron. Komm. zur Faks.-Ausg. der Hs. Ms. A 120 der ZB Zu¨ rich. Mit Beitr. v. Vinzenz Bartlome, E. B¨urgisser, P. Ladner, Hans A. Michael, Sigmund Widmer und U. M. Zahnd Luzern 1988. – Kathrin Utz Tremp: Die befleckte Handfeste: Die innerst¨adtischen Unruhen im Spiegel der sp¨atma. bernischen Chronistik. In: Die Schweiz im MA in Diebold Schillings Spiezer Bilderchron. Hg. v. Hans Haeberli/Christoph v. Steiger. Luzern 1991, S. 135–150. – Ellen J. Beer u. a. (Hg.): Berns grosse Zeit. Das 15. Jh. neu entdeckt. Bern 1999, S. 189–191. – U. M. Zahnd: Stadtchron. und autobiogr. Mitt. Stud. zur Selbstdarstellung sp¨atma. B¨urger. In: Das dargestellte Ich. Stud. zu Selbstzeugnissen des sp¨ateren MA und der fr¨uhen Neuzeit (Selbstzeugnisse des MA und der beginnenden Neuzeit 1). Hg. v. Klaus Arnold u. a. Bochum 1999, S. 29–51, hier S. 34–36. – Jeannette Rauschert: Herrschaft und Schrift. Strategien der Inszenierung und Funktionalisierung von Texten in Luzern und Bern am Ende des MA (Scrinium Friburgense 19). Berlin u. a. 2006, S. 115–118, 120 f. 123, 128, 149. – Repertorium fontium historiae medii aevi 11,1/2 (2006) S. 234 f. – R. Schmid: Turm, Tor und Reiterbild. Ansichten der Stadt in Bilderchron. des Sp¨atMA. In: Stadtbilder der Neuzeit. Die europ¨aische Stadtansicht von den Anf¨angen bis zum Photo (Stadt in der Gesch. 32). Ostfildern 2006, S. 65–81, hier S. 68, 71, 74. – Kathrin Johst: Konrad Justinger (ca. 1365–1438): Chronist und Finanzmann in Berns großer Zeit (Vortr¨age und Forschungen. Sonderbd. 56). Ostfildern 2011, S. 342–246, 430. VZ Steinhuser, T¨oni. – Verfasser eines Lied u¨ ber den sog. Waldshuterkrieg. Der wahrscheinlich in Appenzell t¨atige S. ist vielleicht identisch mit dem 1470 und 1482 in Luzern nachgewiesenen Anthony (Anton) Steinhuser von Wil. Als Kriegsteilnehmer verfasste er 1468 807

Steinhuser ein 15 Schweifreimstrophen umfassendes Lied u¨ ber die Belagerung der vorder¨osterreichischen Stadt Waldshut im Zuge der kriegerischen Auseinandersetzung zwischen den Eidgenossen und o¨ sterr. Adligen um die Vorherrschaft im Sundgau und im s¨udlichen Schwarzwald («Waldshuterkrieg» oder «Sundgauerzug»). Am Schluss werden die beteiligten eidgen¨ossischen Orte lobend erw¨ahnt; in der letzten Strophe nennt der Verfasser seinen Namen. ¨ Uberlieferung: Z¨urich, ZB, Ms. A 60, S. 1011 (Urschrift von Tschudis «Chronicon Helveticum», Bd. 3). Ausgaben: Liliencron 1 (1865) S. 555 Nr. 122. – Cramer 3 (1982) S. 288. – Ludwig Tobler (hg.): Schweizerische Volkslieder. Bd. 2 (Bibl. a¨ lterer Schriftwerke der dt. Schweiz 5). Frauenfeld 1884, S. 43–48 (ohne die Strophen 12 und 13). Literatur: Gustav Rothe, ADB 35 (1893) S. 736 (Antonius Steinhuser). – HBLS 6 (1931) S. 538 (Anton Steinhuser). – Liliencron (s. Ausg.). – Cramer 3 (1982) S. 565. – Frieder Schanze, VL2 9 (1995) Sp. 278 f. – Theodor v. Liebenau: Notizen u¨ ber hist. Lieder und Dichter schweizerischer Schlachtlieder. In: Anz. f¨ur Schweizerische Gesch., NF 1 (1870/73) S. 276–283, hier S. 280 f. – Beate Rattay: Entstehung und Rezeption politischer Lyrik im 15. und 16. Jh. Die Lieder im Chronicon Helveticum v. Aegidius Tschudi (GAG 405). G¨oppingen 1986, S. 59, 85–90, 208. – Karina Kellermann: Abschied vom ‹hist. Volkslied›. ¨ Stud. zu Funktion, Asthetik und Publizit¨at der Gattung historisch-politische Ereignisdichtung (Hermaea NF 90). T¨ubingen 2000, S. 280, 324. BJ Kammermeister, Hartung, * Erfurt (?), † 15.3. 1467 Erfurt. – B¨urgermeister von Erfurt und Geschichtsschreiber. K. war seit sp¨atestens 1428 landgr¨aflicher Geleitsmann zu Erfurt und Bettelstedt (1435); 1442 erfolgte die Aufnahme in den sitzenden Rat von Erfurt; 1447, 1452, 1456, 1461 und 1465 hatte K. das Amt des obersten B¨urgermeisters inne. Er verfasste eine erfurtisch-thu¨ ringische Chronik, mit der er die th¨uringische Chronik des Johannes → Rothe von 1460–67 fortsetzte und u¨ ber das Geschehen in Erfurt, die politischen Beziehungen der Stadt und u¨ ber den «s¨achsischen Bruderkrieg» berichtet. ¨ Uberlieferung: Dresden, LB, Mscr. K 71, 366v–456r (Pap., 1572). – Ebd., Cod. d 100, 378v–456r. – Erfurt, Stadtarch., Cod. 5/100–1 808

Emerich (fr¨uher A I-6), 97r–168r. – Ebd., Cod. 5/100–2 (fr¨uher A I-2), S. 563–774. – Jena, UB, Ms. Bud. f. 145, 98r–327v (Ende 15. bis 16. Jh., md.). Ausgaben: Robert Reiche (Hg.): Die Chron. Hartung Cammermeisters (Geschichtsquellen der Provinz Sachsen und angrenzender Gebiete 35). Halle 1896, S. 21–221. – Ludwig Schmidt: Zu Hartung Cammermeister. In: Neue Mitt. aus dem Gebiet hist.-antiquarischer Forschung 21 (1903) S. 173–181. Literatur: Hans Patze, NDB 11 (1977) S. 86 f. – Hubert Herkommer, VL2 4 (1983) Sp. 981–983; 11 (2004) Sp. 825. – De Boor/Newald 4/1 (21994) S. 154. – Reiche (s. Ausg.) S. I–LXXIV, 1–20. – Schmidt (s. Ausg.). – Horst Rudolf Abe: Die ma. Univ. Erfurt im Spiegel der zeitgen¨ossischen Chron. des Hartung Cammermeister († 1467) und des Conrad Stolle († 1505). In: Beitr. zur Gesch. der Univ. Erfurt 3 (1957) S. 7–18. – H. Patze/Walter Schlesinger (Hg.): Gesch. Th¨uringens. Bd. 1 (Md. Forsch. 48/1). K¨oln/Wien 1968, S. 9; Bd. 2. Ebd. 1974, S. 241. – RSM 1 (1994) S. 113. SF Emerich, Georg (Emmerich), * um 1422 Glatz, † 21.1.1507 G¨orlitz. E. war der Sohn eines Kaufmanns und B¨urgermeisters. Nach dem Schulbesuch in G¨orlitz studierte er in Leipzig Jura. Sp¨ater gelangte er als Kaufmann und Bergbau-Unternehmer zu Wohlstand. Nachdem E. 1464 die Ratstochter Benigna Horschel verf¨uhrt hatte und das M¨adchen schwanger wurde, verweigerte E. eine Hochzeit. Gleichsam als S¨uhne unternahm er 1465 eine Pilgerreise u¨ ber Venedig und Zypern nach Jerusalem. Dort wurde er im Juli desselben Jahres zum Ritter des Heiligen Grabes geschlagen. Nach dem Tod seines Vaters war er dann 1470–1506 Mitglied des G¨orlitzer Stadtrats und mehrmals B¨urgermeister. Daneben trat E. als Stifter hervor und ließ 1481–1504 in G¨orlitz eine Kopie des Heiligen Grabes errichten. Eine oft kolportierte zweite Pilgerreise E.s fand wahrscheinlich nicht statt. E. hinterließ eine lat. Urkunde, die seinen Jerusalem-Aufenthalt und Ritterschlag dokumentiert. Der heute verschollene Text wurde von dem Franziskaner-Vikar und Guardian Franziskus von Piacenza verfasst. Er best¨atigt E.s Reise, seinen Besuch der heiligen St¨atten und den Ritterschlag am Grab. Damit ist die Urkunde eine interessante 809

2. H¨alfte 15. Jh. Quelle zur Geschichte der Ritter vom Heiligen Grab. ¨ Uberlieferung: Das Original der Urkunde befand sich fr¨uher im Hagedornschen Familienarch. in Hagenwerder/G¨orlitz und gilt heute als verschollen. Ausgaben: De Georgio Emmerichio ad terram sanctam profecto et ad instar sacri sepulcri simulacro condito. In: Scriptores rerum Lusaticarum antiqui et recentiores l. Hg. v. Christian Gottfried Hoffmann. Leipzig/Bautzen 1719, S. 372 f. – Jecht 1892 (s. Lit.) Tf. IV (Faks.). – Roth 2003 (s. Lit.) ¨ S. 279 f. (nach Jecht, mit dt. Ubers.). Literatur: W. Harnack, VL 1 (1933) Sp. 567. – Paul Bretschneider, VL 5 (1955) Sp. 201. – Joachim Telle: Klet, Georg. In: VL2 4 (1983) Sp. 1215–1218. – Dt. Pilgerreisen nach dem Heiligen Lande. Hg. v. Reinhold R¨ohricht und Heinrich Meisner. Berlin 1880, S. 485, 492, 573. – Richard Jecht: Urkundliche Nachrichten u¨ ber G. E. In: Neues Neues Lausitzisches Magazin 68 (1892) S. 85–165. – R. R¨ohricht: Dt. Pilgerreisen nach dem Heiligen Lande. Neuausg. Innsbruck 1900, S. 131–133 (Nr. 1465 a). – R. Jecht: Ein Schreiben G. E.s aus Ofen vom Jahre 1478 und das damals gef¨ahrdete Waidstapelrecht der G¨orlitzer. In: Neues Lausitzisches Magazin 83 (1907) S. 249–256. – Horst Wenzel: G. E. und das Heilige Grab in G¨orlitz. G¨orlitz 1994. – Heinz Fietze: G. E. In: Ders.: G¨orlitz. Herausragende B¨urger unserer Heimatstadt aus der Zeit des 15. bis 20. Jh. G¨orlitz 1996, S. 18–21. – Gunhild Roth: Das ‹Heilige Grab› in G¨orlitz. In: Der Jakobuskult in Ostmitteleuropa. Austausch, Einfl¨usse, Wirkungen. Hg. v. Klaus Herbers/Dieter R. Bauer. T¨ubingen 2003, S. 259–284. – Till Meinert: Die Heilig-GrabAnlage in G¨orlitz. Architektur und Gesch. eines sp¨atma. Bauensembles. Esens 2004. – Hans-Ulrich Minke: Kaiserin Helena und G. E. Zum Fortwirken einer Pilgertradition im Sp¨atMA. In: Jb. f¨ur schlesische Kirchengesch. 84/85 (2005/2006) S. 1–16. – Christian Speer: Die Stiftungen G. E.s (1422–1507) als Beispiele sp¨atma. Fr¨ommigkeit und Stiftungskultur in G¨orlitz. In: Jb. f¨ur Schlesische Kirchengesch. 86 (2007) S. 1–11. – Ders.: Ein G¨orlitzer pilgert nach Jerusalem. Die Wallfahrt des G. E. im Jahr 1465. In: Menschen unterwegs. Die via regia und ihre Akteure. Essayband zur 3. S¨achsischen Landesausstellung. Hg. v. Winfried Mu¨ ller/ Swen Steinberg. Dresden 2011, S. 196–203. MM 810

2. H¨alfte 15. Jh. Wirsberger-Prophezeiungen. – Chiliastische Prophetien. Die Entstehungsumst¨ande der W.-P. sind nicht vollst¨andig erforscht. Mo¨ gliche Autoren, sicher aber Verbreiter der W.-P. waren die Br¨uder Janko und Livin von Wirsberg. Sie stammten aus einem fr¨ankischen Rittergeschlecht und waren auf dem bei Eger gelegenen Gut H¨oflas ans¨assig. Sie verschickten die W.-P. nach eigenen Angaben bereits seit etwa 1455, nachweislich aber 1465/66 an hohe Adlige, Reichsst¨adte und Gelehrte. Die W. behaupteten dabei, im Auftrag eines von ihnen nicht identifizierten Hintermanns zu agieren. Ob es sich bei dieser Gestalt um eine Fiktion, einen religi¨osen Lehrmeister oder gar um den eigentlichen Verfasser der W.-P. handelte, ist bis heute ungekl¨art. Man hat u. a. u¨ ber einen entlaufenen Frankziskanerm¨onch spekuliert, der neben den W.-Br¨udern auch weitere Anh¨anger um sich versammelt haben k¨onnte. Die neuere Forschung hat verschiedentlich auch einen Zusammenhang zwischen der Entstehung der W.P. und dem Auftreten des Dominikaners Johannes de Castro Coronato vermutet, der 1455 in Erfurt wegen religi¨os inspirerter Delirien festgenommen wurde. Die Ereignisse in Erfurt k¨onnten die W.-P. ausgel¨ost haben. Der Text der dt.-lat. W.-P. ist nur in einer von einem Kopisten erstellten Augsburger Handschrift greifbar. Darin sind ein anonymer, einleitender Brief an einen Johannes de Oriente (vielleicht ist Janko gemeint) und die eigentlichen Prophezeiungen enthalten. Diese sind hier an die Stadt N¨urnberg gerichtet und prophezeien das Erscheinen des Antichrist im Jahr 1467 sowie das Ende der Welt im Jahr 1471. Diese traditionellen chiliastischen Elemente sind in den Prophezeiungen mit Kritik an Kirche und Klerus verbunden. Die W. verurteilen u. a. die kirchliche Ablasspraxis und das alleinige Recht des Klerus, die Schrift auszulegen. Die Prophezeiungen brechen vielmehr radikal mit allen fr¨uheren Exegesepraktiken, die sie als «verflucht» bezeichnen; die Papstkirche beschimpfen sie in einem joachimitischen wie hussitischen Topos als «babylonische Hure». Als Belege werden umfangreiche lat. Bibelzitate angef¨uhrt, die besonders aus Jer, Jes und der Apostelgeschichte stammen. Der Stil der W.-P. ist h¨ochst emotional, elliptisch und irregul¨ar, weshalb man u¨ ber eine psychische Erkrankung des Verfassers spekuliert hat. Eine erste Rezeption erfuhren die W.-P. durch Johannes von Dorsten. Dessen Quaestio quodlibetalis de tertio statu mundi contra errores abbatis Joachim de 811

Wirsberger-Prophezeiungen ¨ Fiore (1465) enth¨alt zahlreiche Ubereinstimmungen mit den Prophezeiungen, was deren Kenntnis bei Johannes’ nahelegt. Wahrscheinlich kannte J. auch weitere, heute verlorene W.-P. Insgesamt ordnet er die W.-P. der joachimitischen Literatur zu. 1466 reagierte auch der p¨apstliche Legat und Lavanter Bischof Rudolf von R¨udesheim auf die Prophezeiungen. In einem Brief an Heinrich von Absberg, Bischof von Regensburg, bezeichnete er die W.-Br¨uder als Verbreiter t¨orichter Irrlehren. Janko sehe sich als zweiter Johannes eines neuen Christus, dessen baldiges Auftreten er verk¨unde. Heinrich ließ die vier Oberen der Regensburger Bettelorden daraufhin eine Liste begutachten, in der aus kirchlicher Sicht fragw¨urdige Behauptungen der W. zusammengestellt waren. Der Bischof wechselte bez¨uglich der W.-P. auch Briefe mit verschiedenen Parteien in Eger, etwa mit der Stadt und den dortigen Minoriten, die allesamt jede Assoziation mit den W.-Br¨udern von sich wiesen. Die W. wurden ebenfalls aktiv und schrieben an den Bischof, sie seien keine Ketzer, da sie doch selbst eine Pr¨ufung ihrer Schriften erbeten h¨atten. Im Dezember 1466 wurden die W. nach Regensburg vorgeladen, erschienen aber nicht. W¨ahrend Jankos weiteres Schicksal unbekannt ist, wurde Livin 1467 verhaftet. Nach einem Prozess in Regensburg und Livins Widerruf der Prophezeiungen wurde er 1468 als Ketzer zu ewigem Kerker verurteilt. In der oberpf¨alzischen Hohenburg inhaftiert, nahm er seinen Widerruf zur¨uck und starb 1468/69. Mit seinem Tod erlosch auch das Interesse an den W.-P. Ihre Edition und breitere Erforschung stehen bis heute aus. ¨ Uberlieferung: 1. W.-P.: Augsburg, UB, cod. II.1.2° 85, 190r–214r (N¨urnberg, um 1466, nordbair.-lat.). – 2. Quaestio: Trier, StB, Ms. 2064/2252 4°, 61r–76r (bald nach 1465/66). – Gießen, UB, Ms. 696, 25r–32v, 216r–218v (bald nach 1465/66). – 3. Brief des Rudolf v. R¨udesheim: Colmar, StB, Ms. 45 (Kat.-Nr. 563), 171r (letztes Viertel 15. Jh.). – Mu¨ nchen, BSB, Clm 3550, 379vb–380rb. – Ebd., Clm 17796, 167v–168r. – Ebd., Clm 18930, 85rv. – M¨unchen, Franziskanerkloster St. Anna, Ms. 8° Cmm 7. – Paris, Bibl. Natio¨ cod. nale, ms. lat. 5178, 53v–54r. – Wien, ONB, ¨ 4764, 191r–192v. – Zur Uberl. des v. den W.-P. ausgel¨osten Briefverkehrs und weiterer Vorg¨ange vgl. H¨agele 2004 (s. Lit.). Ausgaben: Die W.-P. selbst sind unediert. – Ausg. der Quaestio: Ruth Kestenberg-Gladstein: 812

Lindau The ‹Third Reich›. A 15th-Century Polemic Against Joachism, and Its Background. In: Journal of the Warburg and Courtauld Institute 18 (1955) S. 245–295 (wieder in: Joachim of Fiore in Christian Thought. Essays on the Influence of the Calabrian Prophet 2. Hg. v. Delno C. West. New York 1975, S. 559–609). – Brief des Rudolf v. R¨udesheim: Chronica fratris Nicolai Glassberger. In: Analecta Franciscana 2 (1887) S. 422 f. (mit der bisch¨oflichen Liste der fragw¨urdigen W.-Lehrs¨atze auf S. 423–425). – Ignaz v. D¨ollinger: Beitr. zur Sektengesch. des MA 2. Mu¨ nchen 1890 (Nachdr. Darmstadt 1968) S. 625 f. Literatur: Herman Haupt, ADB 43 (1898) S. 518–520. – G¨unter H¨agele, VL2 11 (2004) Sp. 1672–1681. – Gottfried Zedler: Die Mainzer Ablassbriefe der Jahre 1454 und 1455. Mainz 1913. – Otto Schiff: Die W. Ein Beitr. zur Gesch. der revolution¨aren Apokalyptik im 15. Jh. In: Hist. Vjs. 26 (1931) S. 776–786. – Kestenberg-Gladstein 1955 (s. Ausg.). – Gordon Leff: Heresy in the Later Middle Ages 2. New York 1967, S. 471–474. – Gerhard Maier: Die Johannesoffenbarung und die Kirche. T¨ubingen 1981, S. 187–190. – Alexander Patschovsky: Die W. Zeugen der Geisteswelt Joachims v. Fiore in Deutschland w¨ahrend des 15. Jh.? In: Il Profetismo Gioachimita tra Quattrocento e Cinquecento. Atti del III Congresso Internazionale di Studi Gioachimiti, S. Giovanni in Fiore, 17–21 settembre 1989. Hg. v. Gian Luca Potest`a. Genua 1991, S. 225–257. MM Brambeck, Peter. – Danziger Ratsherr und Chronist (?), 15. Jh. B. wird die sogenannte Danziger Chronik vom Bunde f¨ur die Jahre 1439–66 zugeschrieben. Laut ¨ (unsicherer) Angabe in der Uberlieferung war er der Bruder oder Freund Otto Brambecks († 1464), der als Danziger Ratsherr seit 1457 belegt ist. Zu B. selbst gibt es keine urkundlichen Nachweise. Da außer der handschriftlichen Zuweisung aus dem 16. Jh. keine weiteren Angaben zu B.s Verfasserschaft vorliegen, darf diese angezweifelt werden. In der Chronik selbst wird aus Danziger Sicht haupts¨achlich der Konflikt des Preußischen Bundes von St¨adten und St¨anden unter F¨uhrung Danzigs mit dem Dt. Orden dargestellt. Kriegerische Auseinandersetzungen f¨uhrten dabei zu betr¨achtlichen Gebietsverlusten f¨ur den Orden. ¨ Uberlieferung: Berlin, SBB, Ms. boruss. fol. 148 (Pap., Mitte 16. Jh.). Quellenverz. der 813

2. H¨alfte 15. Jh. Preußischen Chronik des Danziger Stadtschreibers Stanislaus (Stenzel) Bornbach: «Darnach volget Peter Brambeck, eines ratherrn zu Danzke, des Otto Brambecks bruder oder naher freund.» Ausgabe: Theodor Hirsch: Die Danziger Chron. vom Bunde, wahrscheinlich von P. B. In: Ders.: Sriptores rerum Prussicarum. Die Geschichtsquellen der preussischen Vorzeit bis zum Untergange der Ordensherrschaft. Bd. 4. Leipzig 1870 (Nachdr. Frankfurt/M. 1965) S. 409–443 (anfechtbare Rekonstruktion der Chronik). Literatur: Udo Arnold, VL2 1 (1978) Sp. 985. – Hirsch (s. Ausg.) S. 405–409. – Paul Gehrke: Das Ebert-Ferber-Buch und seine Bedeutung f¨ur die Danziger Tradition der Ordensgesch. In: Zs. des westpreuß. Geschichtsver. 31 (1892) S. 1–164. – Jolanta Dworzaczkowa: Dziejopisarstwo Gda´nkie do połowy XVI wieku. Danzig 1962. – Repertorium fontium historiae medii aevi 3 (1970) S. 343. – Ralf G. P¨asler: Dt.sprachige Sachlit. im Preußenland bis ¨ 1500. Unters. zu ihrer Uberl. (Aus Arch., Bibl. und Mus. Mittel- und Osteuropas 2). K¨oln u. a. 2003, S. 215 f., 298 f. VZ Lindau, Johannes, * um 1425 Danzig, † um 1480/83 Danzig. – Chronist. L. studierte um 1443 in Leipzig. Nach seinem Magisterabschluss war er um 1455 Stadtschreiber in Danzig und um 1460 auch Schreiber am obersten Appellationsgericht. Daneben wirkte er bei diplomatischen Gesandtschaften mit und nahm 1464–66 an den Verhandlungen des Dt. Ordens zum zweiten Thorner Frieden teil. L. verfasste eine Chronik des Dreizehnj¨ahrigen Krieges von 1454 bis 1466 in dt. Sprache. Das Werk ist allerdings nicht direkt u¨ berliefert, sondern nur aus Chroniken und Kompilationen des 16. Jh. zu rekonstruieren, die es ausf¨uhrlich benutzten. So wird es u. a. in der Preußischen Chronik des Stenzel Bornbach erw¨ahnt. L.s Chronik war, soweit erschließbar, in schlichter Sprache geschrieben und beschr¨ankte sich meist auf eine sachliche Darstellung der historischen Ereignisse. L. gilt auch als einzige bekannte Quelle mehrerer im Werk erw¨ahnter Ereignisse und Urkunden, was seine Chronik historisch wertvoll macht. Ausgabe: Gesch. des dreizehnj¨ahrigen Krieges. In: Scriptores rerum Prussicarum 4. Die Geschichtsquellen der preußischen Vorzeit bis zum Untergange der Ordensherrschaft. Hg. v. Theodor 814

2. H¨alfte 15. Jh. Hirsch u. a. Leipzig 1870 (Nachdr. Frankfurt/M. 1965) S. 502–637 (Rekonstruktion). Literatur: Udo Arnold, VL2 5 (1985) Sp. 837 f. – Friedrich Schwarz: J. L. In: Altpreußische Biogr. 1. Hg. v. dems. K¨onigsberg 1941, S. 399. – U. Arnold: Stud. zur preußischen Historiographie des 16. Jh. Bonn u. a. 1967, S. 29 u. o¨ . – Repertorium fontium historiae medii aevi 3. Hg. Istituto Storico Italiano per il Medio Evo. Rom 1970, S. 343. – Anna Strzelecka: J. L. In: Polski Slownik Biograficzny 17. Hg. Polska Akademia Nauk und Instytut Historii. Krakau 1972, S. 351 f. MM Hans von Redwitz. – Verfasser eines fr¨uhnhd. Reiseberichts, 15. Jh. Die genaue Identit¨at des H. v. R. ist ungekl¨art. Wahrscheinlich handelte es sich entweder um Johannes v. R. zu Theißenort, der 1485 Domherr in Bamberg war, oder um H. v. und zu R. Letzterer war f¨urstlicher Hofmeister in Bamberg sowie Hofrichter und Hauptmann im Dienst des Hauses Brandenburg-Kulmbach. H. v. und zu R. starb 1484. H. unternahm von April bis September 1467 eine Pilgerreise nach Pal¨astina. Zu den Stationen z¨ahlten Bamberg, Mu¨ nchen, Venedig, Jerusalem, ¨ Otranto, Salerno, Neapel und Rom. Uber die Fahrt schrieb H. einen dt. Reisebericht, der in einer Berliner Handschrift erhalten ist. Der Text enth¨alt genaue Schilderungen der heiligen St¨atten, bis hin zu deren Abmessungen und zur¨uckgelegten Wegstrecken. Ebenso konkret sind H.s Angaben zu den w¨ahrend der Fahrt anfallenden Kosten, v. a. die Zahlungen an Muslime. Weiterhin sind historische Details in den Text eingestreut. H.s Reisebericht erfuhr keine nennenswerte Rezeption. ¨ Uberlieferung: Berlin, SBB, Mgo 327, 1–131 (Perg., 15. Jh., ostfr¨ankisch). Ausgabe: Auszug aus einer handschriftlichen Beschreibung der Wallfahrt des H. v. R. von Bamberg nach Jerusalem im Jahre 1467. Hg. v. Kaplan Schweiger. In: Arch. f¨ur Gesch. und Alterthumskunde von Oberfranken 1 (1840) H. 2, S. 6–17 (nhd. Teilausg.). Literatur: Marjatta Wis, VL2 3 (1981) Sp. 459 f. – Dt. Pilgerreisen nach dem Heiligen Lande. Hg. v. Reinhold R¨ohricht/Heinrich Meisner. Berlin 1880, S. 485 f. – R. R¨ohricht: Bibliotheca geographica Palaestinae. Berlin 1890. Jerusalem 21963, Nr. 357. – Ders.: Dt. Pilgerreisen nach dem Heiligen Lande. Neuausg. Innsbruck 1900, S. 136. MM 815

Hans von Redwitz Tetzel, Gabriel, † 23.11.1479 N¨urnberg. T. war N¨urnberger Patrizier, 1469–79 Ratsmit¨ glied und hatte verschiedene h¨ohere Amter inne. 1465–67 geh¨orte er zum Gefolge des b¨ohmischen Adligen Leo von Roˇzmital, der, um die politischen Interessen des b¨ohmischen K¨onigs zu vertreten, eine Reise zu verschiedenen westeurop¨aischen F¨ursten unternahm. Die Route f¨uhrte von Prag u¨ ber N¨urnberg nach Br¨ussel und London, dann durch Frankreich nach Spanien (u. a. nach Santiago de Compostela). Die R¨uckreise nach Prag erfolgte u¨ ber die franz¨osische Mittelmeerk¨uste, Norditalien, Graz und Wiener Neustadt. T. verfasste dar¨uber einen deutschsprachigen Reisebericht. Die Prosaaufzeichnungen sind stilistisch einfach und beschreiben vor allem die Zeremonien an den einzelnen Aufenthaltsorten und F¨urstenh¨ofen. T.s Desinteresse am eigentlichen Zweck der Reise ist offensichtlich. ¨ Uberlieferung: Mu¨ nchen, BSB, Cgm 1279, 128r–178v (Pap., letztes Viertel 15. Jh., n¨urnbergisch). Ausgaben: Des b¨ohmischen Herrn Leo’s von Roˇzmital Ritter-, Hof- und Pilger-Reise durch die Abendlande 1465–1467. Beschrieben von zweien seiner Begleiter = Itineris a Leone de Rosmital nobili Bohemo annis 1465–1467 per Germaniam, Angliam, Franciam, Hispaniam, Potugalliam atque Italiam confecti, commentar¨u coaevi dus. Hg. v. Johann Andreas Schmeller (Bibl. des Literarischen Ver. in Stuttgart 7. Stuttgart 1844. ¨ Ubersetzungen: Malcolm Letts: The Travels of Leo of Rozmital through Germany, Flanders, England, France, Spain, Portugal and Italy 1465–1467. Cambridge 1957. – Cestovn´ı den´ık Lva z Roˇzmit´alu a na Blatn´e 1465–1467 (Kniˇznice Verbum 10). Olomouc 2003. Literatur: Gustav Roethe, ADB 37 (1894) S. 788 f. – Michael Stolz, VL2 9 (1995) 718 f. – Johann Andreas Schmeller, Leu’s v. Rosmital [...] Ritter-, Hof- und Pilgerreise durch die Abendlande in den Jahren 1465–1467. In: Gelehrte Anz. Hg. v. Mitgliedern der kgl. Bayerischen Akad. der Wiss. 10 (1840) S. 425–431, 433–439, 441–446, 449–454. – Karl v. Hegel (Hg.): Die Chron. der fr¨ankischen St¨adte. Bd. 5. N¨urnberg (Chron.dt.St. 11). Leipzig 1874 (Nachdr. G¨ottingen 1961) S. 875. – Reinhold R¨ohricht/Heinrich Meisner: Dt. Pilgerreisen nach dem Heiligen Lande: Berlin 1880 (Innsbruck 21900) S. 572. – Luis V´azquez de Parga/Jos´e M. Lacarra/Juan U. Riu: 816

Furstenau ¨ Las peregrinaciones a Santiago de Compostela. 3 Bde., Madrid 1948/49 (Nachdr. Pamplona 1998) Bd. 1, S. 98, 238–240, Bd. 3, S. 254. – M. Stolz: Die Reise des Leo v. Roˇzmital. In: Dt. Jakobspilger und ihre Berichte. Hg. Klaus Herbers (Jakobus-Stud. 1) T¨ubingen 1988, S. 97–121. – Ursula Ganz-Bl¨attler: Andacht und Abenteuer. Berichte europ¨aischer Jerusalem- und Santiago-Pilger (1320–1520). 2., durchges. Aufl. Tu¨ bingen 1991 (ebd. 32000). – Friederike Hassauer: Santiago. Schrift, K¨orper, Raum, Reise. Eine medienhist. Rekonstruktion. Mu¨ nchen 1993. – Fran¸coise Michaud-Fr´ejaville: Le voyage du seigneur L´eon de Rozmital en Occident, un apprentissage? In: Voyages et voyageurs ˆ au Moyen Age. XXVIe Congr`es de la SHMES, Limoges-Aubazine, mai 1995 (Publ. de la Sorbonne. S´erie Histoire ancienne et m´edi´evale 39. Paris 1996, S. 31–52. – Dies.: Dangereux Occident: le voyage de L´eon de Rozmital jusqu’`a SaintJacques de Compostelle. In: Espace v´ecu, mesur´e, imagin´e. FS Christiane Deluz. Hg. v. Christine Bousquet-Labou´erie (Cahiers de recherches m´edi´evales 3). Paris 1997, S. 57–69. – Jutta M. ¨ Huesmann: Uber einige Aspekte des Aufenthaltes Leos v. Roˇzmit´al am Hof Philipps des Guten von Burgund (1466). In: Stredocesk´y sborn´ık historick´y 25 (1999) S. 49–61. – Friedrich Wolfzettel: Enfer ou paradis: l’alt´erit´e de l’Espagne du XVe si`ecle vue par L´eon de Rozmital et Hieronymus M¨unzer. In: Guerres, voyages et quˆetes au Moyen ˆ Age. M´elanges offerts a` Jean-Claude Faucon. Hg. v. Alain Labb´e u. a. Paris 2000, S. 439–448. – Europ¨aische Reiseberichte des sp¨aten MA. Hg. v. Werner Paravicini. Tl. 1: Dt. Reiseberichte. Bearb. v. Christian Halm (Kieler Werkst¨ucke, Reihe D, Bd. 5). 2., durchges. und um einen Nachtr. erg. Aufl. Frankfurt/M. u. a. 2001, Nr. 63, S. 153–157. – Peter Johanek: Und thet meinem herrn gar gross eer. Die rittersreis des Lev von Roˇzmital. In: Lit. – Gesch. – Literaturgesch. FS Volker Honemann. Hg. v. Nine Robijntje Miedema/Rudolf Suntrup. Frankfurt/M. 2003, S. 455–480. – Denise P´ericard-M´ea: Leo v. Rozmital, b¨ohmischer Pilger und Botschafter (1465–1467) im werdenden Europa. In: Wallfahrten in der europ¨aischen Kultur. Tagungsband Pr´ıbram, 26.–29. Mai 2004 = Pilgrimage in European culture. Hg. v. Daniel Doleˇzal/Hartmut K¨uhne (Europ¨aische Wallfahrtsstud. 1). Frankfurt/M. u. a. 2006, S. 109–119. – Miquel Raufast Chico: El bar´on de rozmital en 817

2. H¨alfte 15. Jh. la corona de Arag´on: Nuevos datos sobre la presencia de un ilustre viajero bohemio del siglo XV en la peninsula ib´erica. In: Estudios de Historia de Espa˜na 9 (2007) S. 107–137. – Eike Juhre: Leo v. Roˇzmit´al in Venedig (1466). Ein diplomatischer Gesandter des ‹Hussitenk¨onigs›? In: Venezia, incrocio di culture. Percezioni di viaggiatori europei e non europei a confronto. Atti del convegno, Venezia, 26–27 gennaio 2006. Hg. v. K. Herbers/Felicitas Schmieder (Ricerche. Centro Tedesco di Studi Veneziani 4). Rom 2008, S. 33–46. – W. Paravicini: Ber. und Dokument. Leo v. Roˇzmit´al unterwegs zu den H¨ofen Europas (1465–1466). In: AfK 92 (2010) S. 253–308. BJ Furstenau, ¨ Christoph, † 1477. – Schreiber, Verfasser eines historischen Berichts. F. stammte aus dem preußischen Marienburg, studierte wahrscheinlich seit 1442 in Krakau und wurde dort 1445 Baccalaureus. Er arbeitete seit 1448 als Schreiber f¨ur die livl¨andischen Meister des Dt. Ordens Heinrich Vincke und Johann Mengede. Der Orden entsandte F. auch auf Reisen nach Rom und Stockholm (1461). Seit 1463 B¨urger der Stadt K¨onigsberg, wurde er dort 1464 Sch¨offe und um 1469 Ratsherr. F. gilt allgemein als Autor eines bald nach 1469 entstandenen Berichts in nd. Sprache. Thema ist der um 1450 ausgefochtene Konflikt zwischen dem livl¨andischen Dt. Orden und Silvester Stodewescher, dem Erzbischof von Riga. Gegenstand des Streits war die Frage, ob das Erzbistum Riga (also auch die Stadt Riga) dem Erzbischof oder dem Orden untergeordnet sein sollte. In F.s Bericht werden nicht nur die politischen Aspekte der Auseinandersetzung beleuchtet, sondern auch praktische Konsequenzen, etwa welchen Habit die Rigaer Domherren zu tragen verpflichtet w¨aren. Die im Bericht geschilderten Verhandlungen zwischen den Streitparteien sind detailiert wiedergegeben, teilweise in direkter Rede. Die genauen Kenntnisse der Verhandlungen durch den Verfasser legen ¨ F.s Autorschaft ebenso nahe wie deutliche Ubereinstimmungen des Berichts mit einer Klageschrift gegen Silvester, die sicher von F. stammt. Ob der Bericht f¨ur F.s Ordensherren oder die Nachwelt geschrieben wurde, ist heute nicht mehr nachzuweisen. Es handelt sich bei F.s Werk jedenfalls nicht um eine neutrale Darstellung, sondern um eine parteiische Schilderung aus Ordenssicht. So wird etwa Silvester als manipulativer 818

2. H¨alfte 15. Jh. Unruhestifter portr¨atiert. Damit bildet die Schrift einen Gegenpol zur Rigaer Chronik des Hermann → Helewegh. ¨ Uberlieferung: K¨onigsberg, fr¨uheres Preußisches Staatsarch., Geheimes Arch., Fol. Sammlung liv-, est- und kurl¨andischer Urkunden (verschollen). – Riga, Arch. der livl¨andischen Ritterschaft (verschollen). Ausgabe: Karl E. Napiersky: Hist. Darstellung der durch die Schuld des Erzbischofs Silvester entstandenen Uneinigkeit zwischen ihm und dem Orden in Livland w¨ahrend des Bundes in Preußen um’s Jahr 1450 und f. f. In: Arch. f¨ur die Gesch. Liv-, Ehst- und Curlands 7 (1854) S. 151–184. Literatur: Heinz v. zur M¨uhlen: Stodewescher, Silvester. In: LexMA 8 (1996) Sp. 189. – Volker Honemann, VL2 11 (2004) Sp. 475–477. – Leonid Arbusow: Livlands Geistlichkeit vom Ende des 12. bis ins 16. Jh. In: Jb. f¨ur Genealogie, Heraldik und Sphragistik 1900 (1901) S. 33–80; 1901 (1902) S. 1–160; 1902 (1904) S. 39–134; 1911–13 (1914) S. 1–432. – Christian Krollmann: F., C. In: Altpreußische Biogr. 1. Hg. v. dems. K¨onigsberg 1941, S. 201. – Klaus Eberhard Murawski: Zwischen Tannenberg und Thorn. Die Gesch. des Dt. Ordens unter dem Hochmeister Konrad v. Erlichshausen 1441–1449. G¨ottingen 1953, S. 153–172. – Fritz Gause: Die Gesch. der Stadt K¨onigsberg in Preußen 1: Von der Gr¨undung der Stadt bis zum letzten Kurf¨ursten. K¨oln u. a. 1996, S. 187 f., 193 f. MM Heinrich van Beeck (Beek). – Verfasser einer nd. Stadtchronik, 15. Jh. H.s genaue Lebensumst¨ande sind unbekannt. Er war wohl B¨urger von K¨oln und nach 1472 m¨oglicherweise Kaufhausmeister in Mainz. 1469–72 verfasste H. eine K¨olner Stadtchronik in nd. Prosa mit dem Titel Agrippina. Das Werk ist als Autograph und in mehreren Abschriften erhalten. Der Berichtszeitraum bricht 1419 ab, war aber urspr¨unglich umfangreicher geplant. Der Text gliedert sich in zwei Teile: zun¨achst die eigentliche Chronik, die u¨ berwiegend als Kaiserchronik angelegt ist und auch einen Katalog der P¨apste enth¨alt; schließlich ein Anhang mit Urkunden, die meist K¨olner Privilegien dokumentieren. Die Chronik ist in allen Handschriften illustriert, u¨ berwiegend mit Stammb¨aumen (u. a. Karolinger und Ottonen) und Herrscherbildern (etwa ein Reiterbildnis Julius Caesars). 819

Heinrich van Beeck Als Quellen benutzte H. u. a. Jakob → Twinger von K¨onigshofen, Werner Rolevinck, Gottfried → Hagen, die K¨olner Jahrb¨ucher und vielleicht → Peter von Andlau, da die Agrippina auch juristische Kenntnisse verr¨at. H.s Werk wiederum ging sp¨ater zu großen Teilen in die → Koelhoffsche Chronik ein. Insgesamt blieb die bis heute nicht vollst¨andig edierte Agrippina als erste Universalchronik K¨olns jedoch ein zu Unrecht vernachl¨assigter Text. Sie ist fr¨uher Ausdruck eines großen b¨urgerlichen Selbstbewusstseins, wie im Werk an dem K¨oln zugewiesenen Stellenwert abzulesen ist: B. nennt K¨oln die «Krone von allen Reichsst¨adten» und platziert sie in den Quaternionen an der Spitze der Bauernst¨adte. ¨ Uberlieferung: K¨oln, Hist. Arch. der Stadt, Best. 7030 (Chron. u. Darst.) 19, 187 Bll. (Pap., 1469–72, Autograph A). – Ebd., Best. 7030 (Chron. u. Darst.) 20, 192 Bll. (Pap., um 1472–75, v. H. korrigierte Reinschr. B, Vorlage sp¨aterer Abschr.). – Ebd., Best. 7030 (Chron. u. Darst.) 21, 203 Bll. (Pap., Johann Sudermann, 1475, nach B). – Ebd., Best. 7030 (Chron. u. Darst.) 22, 33v–143r, 154r–162v (Pap., nach 1470, nach B). – Ebd., Best. 7030 (Chron. u. Darst.) 23, 221 Bll. (Pap., Wende 15./16. Jh., ripuarisch, nach B). – Berlin, SBB, Ms. boruss. fol. 478, 287 Bll. (Pap., 1500, ripuarisch, nach B). – K¨oln, Hist. Arch. der Stadt, Best. 7030 (Chron. u. Darst.) 62, 448 Bll. (Pap., nach 1506 im 16. Jh., nach B). Ausgaben: [Agrippina-Teile in der Koelhoffschen Chron.]. Hg. v. Hermann Cardauns. In: Die Chron. der dt. St¨adte 13: Die Chron. der niederrheinischen St¨adte. C¨oln 2. Hg. Bayerische Akad. der Wiss. Leipzig 1876 (Nachdr. G¨ottingen 1968) S. 226–231 (Teildr.). – Robert Meier: Heinrich van Beeck und seine ‹Agrippina›. Ein Beitr. zur K¨olner Chronistik des 15. Jh. Mit einer Textdokumentation (K¨olner Hist. Abh. 41). K¨oln u. a. 1998, S. 129–271 (Teildr.). – Gottfried Hagen: Reimchron. der Stadt K¨oln. Hg. v. Kurt G¨artner u. a. D¨usseldorf 2008, S. 245–274 (Teildr.). Literatur: Hartmut Beckers, VL2 3 (1981) Sp. 693–695. – De Boor/Newald 4/1 (21994) S. 152. – Adam Wrede: Der K¨olner Bauer im Lichte der Forschung. In: Beitr. zur K¨olnischen Gesch., Sprache, Eigenart 2 (1916) H. 8/9, S. 87–115. – K¨oln 1475, des Heiligen Reiches Freie Stadt. Ausstellung des Hist. Archivs der Stadt K¨oln zum 500. Jahrestag der Anerkennung K¨olns als Freie Reichsstadt [...]. Hg. v. Anna-Dorothee 820

Speyrer Chronik Brincken. K¨oln 1975, S. 67–71 u. o¨ . – Dies.: Privilegien Karls IV. f¨ur die Stadt K¨oln. In: Bll. f¨ur dt. Landesgesch. 114 (1978) S. 243–264. – Klaus Militzer: Collen eyn kroyn boven allen steden schoyn. Zum Selbstverst¨andnis einer Stadt. In: Colonia Romanica 1 (1986) S. 15–32. – Volker Henn: Das Bildprogramm der ‹Agrippina› des K¨olner Chronisten H. v. B. In: Rheinische Vierteljahrsbll. 60 (1996) S. 121–152. – R. Meier: Der K¨olner Bauer. Ein Bild aus der K¨olner Stadtchron. ‹Agrippina›, ca. 1470. In: Quellen zur Gesch. der Stadt K¨oln. Bd. 2. Sp¨ates MA und fr¨uhe Neuzeit (1396–1794). Hg. v. Joachim Deeters u. a. K¨oln 1996, S. 91–94. – Ders.: Geschichtsschreibung im K¨oln des 15. Jh. Die ‹Agrippina›. In: Gesch. in K¨oln 42 (1997) S. 21–39. – Norbert H. Ott u. a.: Kat. der deutschsprachigen illustrierten Hss. des MA 3,3. Hg. v. der Kommission f¨ur Dt. Lit. des MA der Bayerischen Akad. der Wiss. M¨unchen 2000, S. 191–212 (Nr. 26A.8.1). – R. Meier: Zeitgem¨aßes und Unzeitgem¨aßes. Die ‹Koelhoffsche Chron.› und ihre Vorg¨angerin ‹Agrippina› im Vergleich. In: Sp¨atma. und st¨adtische Geschichtsschreibung in K¨oln und im Reich. Hg. v. Wolfgang Schmitz u. a. K¨oln 2001, S. 69–77. – Susanne Rau: Stadthistoriographie und Erinnerungskultur in Hamburg, K¨oln und Breslau. In: Dt. Landesgeschichtsschreibung im Zeichen des Humanismus. Hg. v. Dieter Mertens u. a. Stuttgart 2001, S. 227–257. MM Judenfint, Hans. – Spruchdichter des 15. Jh. S¨amtliche Angaben u¨ ber den Speyrer Dichter J. entstammen einem von ihm verfassten, unikal uberlieferten ¨ Spruch; ansonsten ist er nirgends nachweisbar. In der Forschung hielt man den Namen (oder das Pseudonym?) des Dichters lange f¨ur «Judensint», mittlerweile wird in der Forschung der Name «Judenfint» (Judenfeind) als der plausiblere angesehen. Dieser als einziger von ihm erhaltene, kurz nach 1474 entstandene Spruch besteht aus 203 Verszeilen in Reimpaaren und ist in der anonymen → Speyrer Chronik, die den Zeitraum von 1406–1477 umfasst, u¨ berliefert. Er behandelt den Prozess und die Hinrichtung des Peter von Hagenbach, des burgundischen Landvogts am Oberrhein 1469–74. J. steht auf der Seite der Reichsst¨adte und ist Gegner der F¨ursten. Die Sprache des verlorenen Originals d¨urfte mit der fr¨uhnhd. rheinfr¨ankischen Kanzleisprache der Speyrer Chronik u¨ bereingestimmt haben. 821

2. H¨alfte 15. Jh. ¨ Uberlieferung: Karlsruhe, Generallandesarch., Hs. 65/624, S. 706–708 (drittes Viertel 15. Jh.). Ausgabe: Franz Joseph Mone: Quellenslg. zur badischen Landesgesch. Bd. 3. Karlsruhe 1863, S. 151–153. Literatur: Hartmut Harthausen, NDB 10 (1974) S. 638 f. – Kurt Hannemann, VL2 4 (1983) Sp. 896 f.; 11 (2004) Sp. 816. – De Boor/Newald 4/1 (21994) S. 190. – Karl Theodor Hane: Literarische Kulturleistungen des ma. Speyer. Diss. Heidelberg 1934, S. 33, 64 f. – Hermann Heimpel: Das Verfahren gegen Peter v. Hagenbach zu Breisach (1474). Ein Beitr. zur Gesch. des dt. Strafprozesses. In: Zs. f¨ur Gesch. des Oberrheins 94 (1942) S. 321–357. – Hildburg Brauer–Gramm: Der Landvogt Peter v. Hagenbach (G¨ottinger Bausteine zur Geschichtswiss. 27). G¨ottingen u. a. 1957, S. 315, 341. – Klaus Graf: Die ‹Speyrer Chron.›. Ein vergessenes Werk der Geschichtsschreibung aus dem 15. Jh. (Protokoll Nr. 309 der Arbeitsgemeinschaft f¨ur geschichtliche Landeskunde am Oberrhein). ¨ Karlsruhe 1991, S. 11 f. – Frieder Schanze: Uberlieferungsformen politischer Dichtungen im 15. und 16. Jh. In: Schriftlichkeit und Lebenspraxis im MA. Hg. v. Hagen Keller u. a. (MMS 76). Mu¨ nchen 1999, S. 299–331, hier S. 312. SF Speyrer Chronik. – Anonymes dt. Sammelwerk mit administrativen und politischen Dokumenten zur Regional- und Reichsgeschichte, drittes Viertel 15. Jh. Die S. C. d¨urfte relativ bald nach 1450 in Speyer begonnnen worden und ihr Kompilator k¨onnte Mitglied des Speyrer Rats gewesen sein oder zumindest aus dessen Umkreis stammen. Die wiedergegebenen Dokumente sind offenbar auch aus der st¨adtischen Kanzlei bezogen worden, weswegen der Stadtschreiber Bernhard Fr¨owis (im Amt 1465–80) als m¨oglicher Urheber zur Diskussion gestellt wurde. Der Berichtszeitraum reicht von 1406 bis 1477, mit signifikanter Kumulation bei den Jahren 1449–63. Das u¨ berlieferte Resultat der Kompilations- und Schreibt¨atigkeit ist eine Mischung aus Historiographie und Aktensammlung. Der Anteil an vollst¨andig abgeschriebenen und nur hier u¨ berlieferten Urkunden und Akten ist hoch (vergleichbar Eberhard → Windeck). Auch sind Teilnehmerverzeichnisse zu historischen Ereignissen (wie etwa der Kaiserkr¨onung Friedrichs III.) enthalten. Gleichfalls aufgenommen wurden 822

2. H¨alfte 15. Jh. Spottschriften, antij¨udische Propaganda oder Satiren. Das Werk weist daher Z¨uge einer vormodernen Publizistik auf. ¨ Die Texte reflektieren oft Meinungen und Angste der st¨adtischen Zeitgenossen des Kompilators, wie zun¨achst die T¨urkenangst und dann die Sorgen wegen der Burgunderkriege. Zu Letzteren ist ein Reimspruch von Hans → Judenfint (Spruch u¨ ber Peter von Hagenbach) und ein Lied u¨ ber die Schlacht bei Murten von Matthias → Zollner in die Chronik aufgenommen. Da der Chronist schriftstellerisch versiert war, gelang es ihm, aus dem Material einen gut lesbaren Text und ein anschauliches Bild sp¨atma. mittelrheinischer Befindlichkeit zu erstellen. Seine Anonymit¨at ist dabei beabsichtigt und wird begr¨undet: «liber dictus nemo quia per neminem iustificabitur». Vielleicht hat der Urheber sie wegen der politisch brisanten Parteinahme f¨ur Pfalzgraf Friedrich I. den Siegreichen gegen Kaiser Friedrich III. gew¨ahlt. Der Pfalzgraf, dessen Abkunft anhand der vollst¨andig kopierten → Scheyerer F¨urstentafel bis in die Karolingerzeit zur¨uckverfolgt wird, und seine Fehden bilden einen Schwerpunkt des Werkes. Dadurch ger¨at die S. C. zu einem bedeutenden Quellentext f¨ur die kurpf¨alzische Regionalgeschichte und als solcher ist sie zun¨achst auch rezipiert worden. Das erste gedruckte Werk, das Material aus der S. C. bezieht, ist die Historia Palatina von Karl Ludwig Tolner (Frankfurt/M. 1700). Gegen¨uber der Regional- und Reichsgeschichte ger¨at die Stadt selbst nur selten in den Blick (St¨adtetage, Konflikt mit Bischof Matthias Ramung), wenngleich eine st¨adtische Blickrichtung auf die dargestellten Ereignisse unverkennbar ist. Thematisch eng verwandt aber eigenst¨andig ist das Chronicon Spirense (Speyer, Landesarch, Kopialb¨ucher Nr. 187 [15./16. Jh.]), das teilweise die selben Quellen benutzt. Offensichtlich war die dokumentarisch gest¨utzte Form der kompilierenden Historiographie der S. C. im sp¨atma. Speyer weiter verbreitet. ¨ Uberlieferung: Karlsruhe, Generallandesarch., Hs. 65/624, 802 S. (drittes Viertel 15. Jh.). – Mindestens zehn H¨ande sind in der Hs. nachgewiesen, die zum Teil st¨adtischen Schreibern zuordenbar sind und das Werk zumindest in der Ausf¨uhrung als Kollektivarbeit ausweisen. Neben dem vollst¨andigen Chroniktext sind in der Hs. eine Entwurfsabschrift von der Hand des Kompilators enthalten sowie eine Zweitabschrift des Abschnitts von 823

Speyrer Chronik der Einnahme Konstantinopels bis zum Veldenzer Krieg (1453–55) mit Abweichungen. – Vgl. Michael Klein: Die Hss. 65,1–1200 im Generallandesarch. Karlsruhe (Die Hss. der Staatsarch. in BadenW¨urttemberg 2). Wiesbaden 1987, S. 220 f. – Zur ¨ Uberl. hsl. und gedruckter Ausz¨ugen aus der S. C. vgl. VL2 9 (1995) Sp. 88. Ausgabe: Franz Joseph Mone: Quellenslg. der badischen Landesgesch. Bd. 1. Karlsruhe 1848, ¨ S. 367–520 (l¨uckenhaft mit Anderung der Kapitelfolge). Literatur: Klaus Graf, VL2 9 (1995) Sp. 87–90. – Ursula Kundert, Encyclopedia of the Medieval Chronicle 2 (2010) Sp. 1380 f. (Speyerer C.). – Mone (s. Ausg.) S. 367–371. – Ludwig Rockinger: ¨ Uber a¨ ltere Arbeiten zur baierischen und pf¨alzischen Gesch. im geheimen Haus- und Staatsarch. (Abh. der Hist. Kl. der Kgl.-Bayerischen Akad. der Wiss. 14,3 und 15,3). Mu¨ nchen 1879 und 1880, S. 229 f. und S. 181 f. – Ottokar Lorenz: Deutschlands Geschichtsquellen im MA seit der Mitte des 13. Jh. Bd. 1. Berlin 31886, S. 134 f. – Arthur Wyss: Eberhard Windeck und sein Sigmundbuch. In: Zentralbl. f¨ur Bibliothekswesen 11 (1894) S. 433–483, hier S. 446–451. – Maximilian Buchner: Die Stellung des Speierer Bischofs Mathias Ramung zur Reichsstadt Speier, zu Kurf¨urst Friedrich I. von der Pfalz und zu Kaiser Friedrich III. In: Zs. f¨ur Gesch. des Oberrheins 63 (1909) S. 29–82, 259–301. – Karl T. Hane: Literarische Kulturleistungen des ma. Speyer. Diss. Heidelberg 1933, S. 41. – Repertorium fontium historiae me¨ dii aevi 3 (1970) S. 452. – Birgit Studt: Uberl. und Interesse. Sp¨ate Hss. der Chron. des Matthias v. Kemnat und die Geschichtsforschung der Neuzeit. In: Historiographie am Oberrhein im sp¨aten MA und in der fr¨uhen Neuzeit (Oberrheinische Stud. 7). Hg. v. Kurt Andermann. Sigmaringen 1988, S. 275–308. – Maren Gottschalk: Geschichtsschreibung im Umkreis Friedrichs I. des Siegreichen v. der Pfalz und Albrechts IV. des Weisen v. BayernM¨unchen. Diss. M¨unchen 1989. – K. Graf: Die ‹S. C.›. Ein vergessenes Werk der Geschichtsschreibung aus dem 15. Jh. (Protokoll der Arbeitsgemeinschaft f¨ur geschichtliche Landeskunde am Oberrhein 309). Karlsruhe 1991. – B. Studt: F¨ursten¨ hof und Gesch. Legitimation durch Uberl. (Norm und Struktur 2). K¨oln u. a. 1992, Reg. – Dies.: Neue Zeitungen und politische Propaganda. Die ‹Speyerer C.› als Spiegel des Nachrichtenwesens im 15. Jh. In: Zs. f¨ur die Gesch. des Oberrheins 824

Albrecht von Bonstetten 143 (1995) S. 145–219. – Achim Thomas Hack: Ein anonymer Romzugsber. v. 1452 (Ps.-Enenkel) mit den zugeh¨origen Personenlisten (Teilnehmerlisten, Ritterschlagslisten, R¨omische Einzugsordnung) (ZfdA. Beih. 7). Stuttgart 2007, S. 13. VZ Stuttgarter Stiftschronik vom Hause Wurt¨ temberg. – Kurze anonyme dt. Prosachronik der Geschichte der Grafen von W¨urttemberg, drittes Viertel 15. Jh. Die Chronik ist das a¨ lteste deutschsprachige Zeugnis der w¨urttembergischen Geschichtsschreibung. Sie verbindet die Genealogie der W¨urttemberger Grafen (mit exakten Angaben zu den Todesdaten) mit Darstellungen der milit¨arischen Konflikte, in die W¨urttemberg involviert war. Das Werk deckt die Zeit von der Geburt Eberhards I. des Erlauchten (1265) bis zur R¨uckkehr Graf Ulrichs aus der pf¨alzischen Gefangenschaft (1463) ab. Entstanden ist die Chronik vermutlich im Stuttgarter Kollegiatsstift, der Grablege der Grafenfamilie. Die Angaben zu den Todestagen sind lat. Memorialaufzeichnungen der Stiftsherren entnommen und die Kriegsdarstellungen d¨urften auf (verlorenen) annalistischen Quellen beruhen. Die Verwendung der Volkssprache und die Einbindung der Fehdehandlungen in den Chroniktext sind Ausweis des gestiegenen Interesses der nichtgelehrten w¨urttembergischen Oberschicht an der lokalen (Herrscher-)Historiographie. Dass der Text auch außerhalb des Grafenhofes rezipiert wurde, ¨ belegen neben der Uberlieferung vor allem zwei gedruckte dt. historische Werke: In der → Chronik der Kaiser, K¨onige und P¨apste, sowie der Grafen von W¨urttemberg (Augsburg [Johann Blaubirer] um 1480 [GW 06687]) wird im nachtr¨aglich hinzugef¨ugten 7. Kapitel der Text der Stiftschronik bis 1344 w¨ortlich u¨ bernommen. Ferner ist sie eine Quelle f¨ur Thomas → Lirers Schw¨abische Chronik (Erstdruck: Ulm [Konrad Dinckmut] 1485 [GW M18409]). Deren zweiten Teil bildet die → Gm¨under Kaiserchronik in einer Redaktion bis 1462. Die hier vorgenommenen Interpolationen zu W¨urttemberg beruhen in erster Linie auf der Stiftschronik. Deren Text bis 1392 wird hier vollst¨andig wiedergegeben, wenn auch aufgeteilt auf die jeweiligen dt. Herrscher. ¨ Uberlieferung: Lindau, Stadtbibl., Cod. P I 1, 186ra–189rb (Pap., 1476, aus dem Umkreis des Kemptener Stiftsschulmeisters Johannes → Birk 825

2. H¨alfte 15. Jh. von Biberach); u¨ berwiegend lat. hist. Sammelhss. (darin u. a. die → Flores temporum in der Fassung des Hermannus Minorita, die Reichsgesch. des Nikolaus Burgmann die Beschreibung des Heiligen Landes durch → Burchardus de Monte Sion und Ausz¨uge aus der Legenda Aurea des → Jacobus a Voragine neben zahlreichen k¨urzeren hist. Texten vor allem zur s¨udwestdt. Gesch.). – Bis zum Jahr 1450 wird der Text auch innerhalb der Esslingischen Chronik des Dionysius Dreytwein u¨ berliefert: Stuttgart, LB, Cod. hist. 2° 679, 52v–55r (Pap., 16. Jh.). Ausgaben: Christoph Friedrich v. St¨alin: Zu den Annales Stuttgartienses. In: W¨urttembergische Jbb. f¨ur Statistik und Landeskunde Jg. 1864 (1866) S. 251–261, hier S. 256–261. – Innerhalb der «Esslingischen Chronik»: Adolf Diehl: Esslingische Chron. (1548–1564) (Bibl. des litterar. Ver. 221). T¨ubingen 1901, S. 77–81. Literatur: Klaus Graf, VL2 9 (1995) Sp. 472 f. – Stephanie Seidel, Encyclopedia of the Medieval Chronicle 2 (2010) S. 1397. – Eberhard J. Nikitsch: Dionysius Dreytwein. Ein Esslinger K¨urschner und Chronist. Stud. zur Handwerkermentalit¨at in fr¨uhneuzeitlichen Reichsst¨adten. Mit einer Edition der Franziskaner-Reimchron. In: Esslinger Studien 24 (1985) S. 1–210, hier S. 45–47. – K. Graf: Exemplarische Geschichten. Thomas Lirers ‹Schw¨abische Chron.› und die ‹Gm¨under Kaiserchron.› (Forsch. zur Gesch. der a¨ lteren dt. Lit. 7). Mu¨ nchen 1987, S. 213–220. – Ders.: Geschichtsschreibung und Landesdiskurs im Umkreis Graf Eberhards im Bart von W¨urttemberg (1459–1496). In: Bll. f¨ur dt. Landesgesch. 129 (1993) S. 165–193. – Repertorium fontium historiae medii aevi 10,4 (2005) S. 507 f. VZ Albrecht von Bonstetten, * um 1442/43 Uster (Kt. Z¨urich), † um 1504. – Historiographischer und hagiographischer Schriftsteller. A. enstammte einem alten Z¨urcher Freiherrengeschlecht und trat 1465 in das Benediktinerstift Einsiedeln ein. Er studierte die Artes in Freiburg i. Br. (1466) und Basel (bis 1468) sowie Kanonisches Recht in Pavia (1471–74). 1470 war A. Dekan von Einsiedeln; 1474 wurde er zum Priester geweiht. 1482 ernannte ihn Friedrich III. zum Hofpfalzgrafen und Hofkaplan. A.s Schriften lassen seine N¨ahe zu den Herrschenden seiner Zeit erahnen, wurden sie doch u. a. von Friedrich III., Maximilian I., Herzog Sigismund von Tirol und vom franz¨osischen K¨onigshaus in Auftrag gegeben. Außerdem stand er in 826

2. H¨alfte 15. Jh. enger Verbindung zu Humanistenkreisen; so hatte er seit 1469 Briefkontakt zu → Nikolaus von Wyle, der in A. das Interesse am Schrifttum Papst Pius’ II. (Aeneas Silvius → Piccolomini) weckte. A.s bedeutendste Werke sind historiographischer Natur, doch er war auch im Bereich der Hagiographie t¨atig. Einige seiner Schriften ubersetzte ¨ er selbst ¨ ins Deutsche, wobei anhand A.s Ubersetzungsstil der Einfluss des Nikolaus von Wyle besonders gut greifbar ist. Außerhalb der beiden literarischen Hauptbet¨atigungsfelder stehen zwei u¨ berlieferte Schriften: Ein Fr¨uhwerk von 1470, die Poema de Iustitie ceterarumque Virtutum exilio. Es handelt sich um die allegorische Darstellung eines Streits zwischen Gerechtigkeit und Welt in Form eines Briefes an Nikolaus. Als Vorbild diente Piccolominis Somnium de Fortuna. Ferner ist hier ein sp¨ates, Friedrich III. gewidmetes Marienbrevier von 1493 zu nennen: Septem hore canonici virginis Mariae. A.s historiographische Schriften sind: Germanica prelia Karoli quondam Burgundie ducis et finis ejus u¨ ber die Burgunderkriege, am 21.3.1477 Herzog Sigismund und der Niederen Vereinigung gewidmet. ¨ Eine dt. Ubersetzung mit dem Titel Die t¨utschen stritt Karoli ettwan herzogen zu Burgund und sin ende beendete A. am 13.4.1477. In diesen Geschichtskontext geh¨ort noch die kurze Abhandlung von 1479, De provisione vacantis ducatus Burgundie. Ebenfalls aus dem Jahr 1479 stammt die erste landeskundliche Darstellung der Schweiz, die auf zeitgen¨ossischer Chronistik und eigenen Erfahrungen basiert: Superioris Germanie confederationis descriptio, dt.: Der Obert¨utschheit Eidgenosschaft stett und lender gel¨agenheit und darin der menschen sitten vil kurze beschribung. In 20 Kapiteln werden u. a. ausgesuchte Orte mit ihrer Topographie, Geschichte und Eigenheiten vorgestellt, und es wird auf die historischen Urspr¨unge und milit¨arischen Leistungen der Eidgenossenschaft eingegangen. Von besonderem Interesse sind hier auch die kartographischen Darstellungen, die den Text illustrieren. Die lat. Geschichte des Klosters Einsiedeln Varia de origine, indulgentiis, rebus et gestis insignis monasterii dive Marie loci heremitarum von 1480 ist als Vorarbeit f¨ur die dt. Schrift Von der loblichen Stiftung des hochwirdigen gotzhus Ainsideln unserer lieben Frowen zu bewerten, womit der dt. Fassung eine gr¨oßere Eigenst¨andig¨ keit zukommt als bei einer bloßen Ubersetzung. Von 1491 stammt die Historia Domus Austrie (dt. 1492), in der die habsburgische Dynastie entgegen 827

Albrecht von Bonstetten der zeitgen¨ossischen Vorstellung auf die Scipionen zur¨uckgef¨uhrt wird. An hagiographischen Schriften sind u¨ berliefert: Die Vita des → Nikolaus von Fl¨ue, Historia fratris Nicolai de Rupe (dt.: Das Leben Bruder Niklausen) von 1492. F¨ur den Abt des Klosters Fischingen u¨ bersetzte A. die Legende der → Ida von Toggenburg 1481 und 85 zweimal vom Deutschen ins Lateinische 1486 verwandte er diese beiden Fassungen f¨ur eine R¨uck¨ubersetzung. Diese r¨uck¨ubersetzte Fassung fand in einigen von Sebastian → Brant herausgegebenen Drucken Aufnahme in die Legendensammlung Der → Heiligen Leben. Eine origin¨ar dt. → Gerold-Prosalegende von 1484 ist dem Kurf¨ursten Ernst und dessen Bruder Albrecht von Sachsen gewidmet. Die u¨ berlieferten religi¨osen Schriften A.s werden komplettiert von der lat. Oratio beati Bernhardi. ¨ Uberlieferung dt.: Die t¨utschen stritt Karoli: Rom, Biblioteca Vallicelliana, Cod. C 75. Die Papierhandschrift (Autograph?) enth¨alt auch die lat. Fassung und De provisione. Als Prolog dient ein Zueignungsschreiben an Papst Sixtus IV. vom 22.5.1480. – Von der loblichen Stiftung: Druck: Ulm, Johann Reger, 29.7.1494 (GW 04919). – Der Obert¨utschheit Eidgenosschaft: M¨unchen, BSB, Clm 4006, Bl. 18–31 (Pap.). Die lat. Fassung geht der ¨ Ubers. voran. Die Hs. enth¨alt eine Widmung an Ludwig XI. von Frankreich vom 19.8.1481. – Von e der gelegenhait des lanndes Osterrich vnd des selben vol¨ kes Sitten: Wien, ONB, Cod. 13652, 129 Bll. (Pap.; auf Bl. 6v Widmung an Herzog Sigismund). – Bruder Niklaus: N¨urnberg, Staatsarch., Losungsamtliche Reverse, Rep. 93, 19 (Lat./dt.). – Ida von Toggenburg (R¨uck¨ubers.): Frauenfeld, Staatsarch., Hs. ¨ Fischingen C 15 S 9 N 12. – Wien, ONB, Cod. 8994, 311r–314r (Pap., 1511, obd.). – Gerold: Nur als Teil der Einsiedler Chroniken Ulrich Wytwylers, Erstdruck: Freiburg i. Br., Stephan Graf, 1567 (VD16 W 4714). – Zur Gesamt¨uberl. vgl. B¨uchi 1893, S. III–IX. – Lhotsky (s. Lit.). – VL2 (1978) Sp. 177 f.; 11 (2004) Sp. 57. Ausgaben: Poema: B¨uchi 1893 (s. Lit.) S. 151–169. – Germanica prelia Karoli: Arch. f¨ur schweizerische Gesch. 13 (1862) S. 283–298 (lat.), S. 299–316 (dt.). – De provisione: Ebd., S. 318–324. – Von der loblichen Stiftung: B¨uchi 1893 (s. Lit.) S. 187–214. – Sup. Germanie conf. descriptio: Ebd., S. 226–250 (lat.), S. 250–267 (dt.). – Historia Domus Austrie: Andreas Fidler: Gesch. der ganzen 828

Brunner o¨ sterr., weltlichen und kl¨osterlichen Klerisey beyderley Geschlechtes. Bd. 4. Wien 1782, S. 90–180 (lat. Teilausg.). – Brichacek (s. Lit.) (dt.). – Nicolai de Rupe/Bruder Niklaus: Morell 1862 (s. Lit.) S. 20–26 (lat.), S. 26–34 (dt.). – Ida von Toggenburg: Kern (s. Lit.) S. 60–83 (alle Fassungen). – Gerold: Ringholz 1904 (s. Lit.) S. 662–665 (nach VD16 W 4715 [o. O. 1577]). – Rolf Benzinger u. a.: Der gute Gerhart Rudolfs v. Ems in einer anonymen Prosaaufl¨osung und die lat. und dt. Fassung der GeroldLegende Albrechts v. Bonstetten. Nach den Hss. Reg. O 157 und Reg. O 29 a und b im th¨uringischen Hauptstaatsarch. Weimar (DTM 81). Berlin 2001, S. 75–167. – Oratio: Odilo Ringholz: Der selige Markgraf v. Baden in seinem Leben und seiner Verehrung. Freiburg 1892, S. 69. Literatur: Hans Fueglister, VL2 1 (1978) Sp. 176–179; 11 (2004) Sp. 57. – Werner Williams-Krapp: Ida v. Toggenburg, VL2 4 (1983) Sp. 359–361, hier Sp. 360 f. – Ders./Red., Killy2 1 (2008) S. 78 f. – P. Gall Morell: A. v. B., Decan in Einsiedeln. In: Der Geschichtsfreund 3 (1846) S. 3–39. – Ders.: A.s v. B. ‹Leben des sel. Bruder Klaus von der Fl¨ue vom J. 1482›. In: ebd. 18 (1862) S. 18–34. – Albert B¨uchi: A. v. B. Ein Beitr. zur Gesch. des Humanismus in der Schweiz. Diss. Mu¨ nchen 1889; auch: Frauenfeld 1889. Nachdr. Charleston (SC) 2010. – Ders.: A. v. B. Briefe und ausgew¨ahlte Schr. (Quellen zur Schweizer Gesch. 13). Basel 1893. – Paul Joachimsen: Fr¨uhhumanismus in Schwaben. In: W¨urttembergische Vierteljahreshefte f¨ur Landesgesch. NF 5 (1896) S. 104–106. – O. Ringholz: Gesch. des f¨urstlichen Benediktinerstifts Unserer Lieben Frau v. Einsiedeln. Bd. 1. Einsiedeln u. a. 1904, S. 470–479. – Leo M. Kern: Die Ida v. Toggenburg-Legende. In: Thurgauische Beitr. zur Vaterl¨andischen Gesch. 64/65 (1928) S. 31–59. – Helga Dobbert: A. v. B., Dekan in Einsiedeln. Eine Unters. zur Schweizer Historiographie des 15. Jh. Diss. Frankfurt/M. 1952. – Oskar Vasella: Bruder Klaus und die Stadt N¨ordlingen. In: Zs. f¨ur schweizerische Kirchengesch. 54 (1960) S. 68–71. – Richard Feller/Edgar Bonjour: Geschichtsschreibung der Schweiz vom Sp¨atMA zur Neuzeit. Bd. 1. Basel u. a. 1962, S. 104–107. – Alphons Lhotsky: Quellen¨ kunde zur ma. Gesch. Osterreichs. Graz u. a. 1963, S. 422–425. – W. Williams-Krapp: Stud. zu ‹Der Heiligen Leben›. In: ZfdA 105 (1976) 274–303, hier Anm. 59. – Ursula Maria Brichacek: Die ‹Oesterreichische Hystory› des A. v. B. Edition und 829

2. H¨alfte 15. Jh. literarhist. Unters. 2 Bde. Diss. Wien 1980. – W. Williams-Krapp: Die dt. Ida-Legende des Schweizer Humanisten A. v. B. In: Zs. f¨ur Gesch. des Oberrheins 130 (1982) S. 71–80. – Ders.: Die dt. und ndl. Legendare des MA. Stud. zu ihrer ¨ Uberlieferungs, Text- und Wirkungsgesch. (TTG 20). T¨ubingen 1986, S. 338–340, 420. – Evemarie Clemens: Luxemburg-B¨ohmen, Wittelsbach¨ Bayern, Habsburg-Osterreich und ihre genealogischen Mythen im Vergleich. Trier 2001, S. 275 f. – Wilfried Kettler: Trewlich ins Te¨utsch gebracht. ¨ Lat.-dt. Ubersetzungsschrifttum im Umkreis des schweizerischen Humanismus. Bern u. a. 2002, Reg. – Oliver Landolt: A. v. B. (1442/43 – um 1505). Humanistische Geschichtsschreibung im Kloster Einsiedeln. In: Geschichtsschreibung im Kanton Schwyz. Festhalten und Erinnern vom Sp¨atMA bis heute (Schwyzer Hefte 86). Hg. v. Angela Dettling. Schwyz 2005, S. 27–30. – Regine Schweers: A. v. B. und die vorl¨andische Historiographie zwischen Burgunder- und Schwabenkriegen (Stud. und Texte zum MA und zur fr¨uhen Neuzeit 6). Mu¨ nster u. a. 2005. – Harald Mu¨ ller: Habit und Habitus. M¨onche und Humanisten im Dialog (Sp¨atMA und Reformation Neue Reihe 32). Tu¨ bingen 2006, bes. S. 175–191. – Stefan Frey: ‹Uß gegebnem keiserlichen gewalt›. Der Einsiedler Klosterherr A. v. B. als Hofpfalz¨ graf und Wappenbriefaussteller. In: Abte, Amtsleute, Archivare. Z¨urich und das Kloster Einsiedeln (Mitt. der Antiquarischen Ges. in Z¨urich 76). Hg. v. Peter Niederh¨auser/Andreas Meyerhans. Z¨urich 2009, S. 91–100. – Thomas Maissen: Die Bedeutung der Alpen f¨ur die Schweizergesch. v. A. v. B. (ca. 1442/43–1504/05) bis Johann Jakob Scheuchzer (1672–1733). In: Wiss. – Berge – Ideologien. Johann Jakob Scheuchzer (1672–1733) und die fr¨uhneuzeitliche Naturforschung. Hg. v. Simona Boscani Leoni. Basel 2010, S. 161–178. VZ Brunner, Ulrich. – Verfasser eine Pilgerreiseberichtes, letztes Drittel 15. Jh. Der Kapitular am Stift Haug in W¨urzburg unternahm im M¨arz bis November 1470 mit Eberhard von Grumbach und dem Kanzler Friedrich eine Pilgerfahrt nach Rom und Jerusalem und legte dar¨uber einen ausf¨uhrlichen Bericht an. Besonders im letzten Teil, der thematisch geordnet ist (Sachgebiete sind z. B. Reiten auf Eseln, Ablass, 830

2. H¨alfte 15. Jh. heilige St¨atten), erf¨ullt dieser Bericht die Funktion eines Reisef¨uhrers und -handbuchs (s. auch → Girnand von Schwalbach). Allerdings scheint B. auch aus anderen Berichten Darstellungen u¨ bernommen zu haben, da er in der kurzen Reisezeit die Vielzahl der beschriebenen St¨atten schwerlich besucht haben kann. Sp¨ater wurde B.s Bericht selbst von → Hans von Mergenthal f¨ur dessen Beschreibung der Pilgerfahrt Herzog Albrechts von Sachsen (1476) benutzt. ¨ Uberlieferung: Dresden, LB, Mscr. P 216, 77 Bll. (Pap., nach 1470); mit Besitzvermerk Johannes Holewein, Mundkoch Herzog Heinrichs v. Sachsen (1538, f. IIIr). Ausgabe: Reinhold R¨ohricht: Die Jerusalemfahrt des Kanonikus U. B. vom Haugstift in W¨urzburg (1470). In: Zs. des Dt. Pal¨astina-Ver. 29 (1906) S. 1–50. Literatur: Dietrich Huschenbett, VL2 1 (1978) Sp. 1063. – Carl Adolf Herschel: B.s Pilgerfahrt nach dem heiligen Grabe. In: Serapeum 14 (1853) S. 189–192. – Titus Tobler: Bibliographia geogra¨ phica Palaestinae. Krit. Ubersicht gedruckter und ungedruckter Beschreibungen der Reisen ins Heilige Land. Leipzig 1867 (Nachdr. Amsterdam 1964. Mansfield, CT 1998. Charleston, SC 2009) S. 50. – R. R¨ohricht/Heinrich Meisner: Dt. Pilgerreisen nach dem Heiligen Lande. Berlin 1880, S. 560. – R. R¨ohricht: Bibliotheca geographica Palaestinae. Chronologisches Verz. der v. 333 bis 1878 verfaßten Lit. u¨ ber das Heilige Land. Berlin 1890. Verb. und verm. Neuausg. mit einem Vorw. v. David H. K. Amiran. Jerusalem 1963 (Nachdr. London 1989) S. 121 (Nr. 365). – Ders.: Dt. Pilgerreisen nach dem Heiligen Lande. Neue Ausg. Innsbruck 1900 (Neudr. Aalen 1967) S. 141. – Hans-Joachim Lepszy: Die Reiseberichte des MA und der Reformationszeit. Diss. Hamburg 1952, S. 42 f. – Christiane Hippler: Die Reise nach Jerusalem. Unters. zu den Quellen, zum Inhalt und zur literarischen Struktur der Pilgerber. des Sp¨atMA (Europ¨aische Hochschulschr. 1,968). Frankfurt/M. u. a. 1987, S. 92, Anm. 136. – Ursula Ganz-Bl¨attler: Andacht und Abenteuer. Ber. europ¨aischer Jerusalemund Santiago-Pilger (1320–1520) (Jakobus-Stud. 4). T¨ubingen 1990, S. 384. – Enno B¨unz: Stift Haug in W¨urzburg. Unters. zur Gesch. eines fr¨ankischen Kollegiatstiftes im MA (Ver¨off. des Max-PlanckInst. f¨ur Gesch. 128/Stud. zur Germania Sacra 20). G¨ottingen 1998, S. 130 Anm. 94, 202 f. Anm. 493. VZ 831

¨ Osterreichische Chronik der Jahre 1454 bis 1467 ¨ Osterreichische Chronik der Jahre 1454 bis 1467. – Prosachronik. ¨ C. verzeichnet Die in dt. Sprache verfasste O. Wiener und o¨ sterr. Ereignisse aus den Jahren 1454 bis 1467. Sie behandelt im ersten Teil das Leben des o¨ sterr. Herzogs und b¨ohmisch-ungarischen K¨onigs Ladislaus Postumus (1440–1457) sowie die politischen Entwicklungen nach seinem Tod. Die Auseinandersetzungen zwischen Herzog Friedrich V. von K¨arnten (sp¨ater Kaiser Friedrich III.) und seinem Bruder Albrecht VI. werden ebenfalls ausf¨uhrlich dargestellt. Neben der hohen Politik geht die ¨ C. auch auf kleinere lokale Ereignisse wie etwa O. Hinrichtungen ein. Außerdem erw¨ahnt sie vereinzelt ausl¨andische Vorg¨ange wie den Tod Papst Pius’ II. Die u. a. auf st¨adtischen Akten und Zei¨ C. ist anonym u¨ berliefert. tungen beruhende O. Als m¨ogliche Autoren gelten der 1467 verstorbene Ulrich Grießenpeckh, Stadtschreiber in Wien, und Hans Rechwein, ein kaiserlicher Protonotar. Im 16. Jh. entstand eine lat. Fassung des Werks. ¨ ¨ Uberlieferung: Wien, ONB, cod. 2908, 95 Bll. (Pap., um 1470, o¨ sterr.). – Gießen, UB, Hs. 352, 1r–227r (Pap., letztes Viertel 16. Jh.). – St. P¨olten, Nieder¨osterr. Landesarch., cod. 78 / 2, S. 1–121 (um 1600). Ausgaben: Selecta iuris et historiarum tum anecdota tum iam edita, sed rariora 5. Hg. v. Heinrich Christian Senckenberg. Frankfurt/M. 1739, S. 3–346. – Rerum Austriacarum Historia ab anno Christi MCCCCLIIII usque ad annum Christi MCCCCLXVII quam ax spechrono bibliathecae augustae Vindobonensis manuscripto [...]. Hg. v. Adrian Rauch. Wien 1794. Literatur: Winfried Stelzer, VL2 7 (1989) Sp. 116 f. – Heimito v. Doderer: Zur b¨urgerlichen Geschichtsschreibung in Wien w¨ahrend des 15. Jh. Diss. Wien 1925, S. 41 f. u. o¨ . – Eduard Czegka: ¨ C. 1454–1467. Diss. Wien 1928 Die anonyme O. (verschollen). – Alphons Lhotsky: Quellenkunde ¨ zur ma. Gesch. Osterreichs. Graz/K¨oln 1963, S. 363 f. – Kalevi Tarvainen: Zur Problematik der sprachlichen Unters. hist. Chron. des Sp¨atMA. In: Fachlit. des MA. FS Gerhard Eis. Hg. v. Rudolf Keil u. a. Stuttgart 1968, S. 115–130. – Repertorium fontium historiae medii aevi 3. Hg. Istituto Storico Italiano per il Medio Evo. Rom 1970, S. 277. – Paul Uiblein: Die Quellen des ¨ Sp¨atMA. In: Die Quellen der Gesch. Osterreichs. Hg. v. Erich Z¨ollner. Wien 1982, S. 105 f. – Regine Metzler: Argumentative Strukturen in Chron. 832

Die Chronik im Weißen Buch von Sarnen des 16. Jh. In: Ges., Kommunikation und Sprache Deutschlands in der fr¨uhen Neuzeit. Stud. des dt.-japanischen Arbeitskreises f¨ur Fr¨uhneuhochdeutschforschung. Hg. v. Klaus Mattheier. M¨unchen 1997, S. 263–278. – Matthias Meyer: Narrating Vienna. Then and Now. In: Topographies of the Early Modern City. Hg. v. Arthur Groos u. a. G¨ottingen 2008, S. 219–237. MM Die Chronik im Weißen Buch von Sarnen. – Schweizerische Gr¨undungschronik. Um 1470/72 verfasste Hans Schriber (um 1435–1474), Landschreiber von Obwald, das sog. W. B.s v. S. Das Werk besteht u¨ berwiegend aus Abschriften von Urkunden zur Geschichte Obwaldens und Nidwaldens von 1309 bis 1474. Nach Art eines Kanzleihandbuchs werden darin wichtige B¨undnisse und Vertr¨age dokumentiert. Ein chronikalisch gestalteter Teil des W. B.s enth¨alt außerdem die ins Mythische reichende Gr¨undungsgeschichte der Eidgenossenschaft bis 1426. Dazu z¨ahlen vor allem der R¨utlischwur, der Burgenbruch und die Sage von Wilhelm Tell. Im W. B. sind diese schweizerische Gr¨undungsmythen erstmals schriftlich festgehalten. Sp¨atere Ereignisse wie der Appenzellerkrieg sind ebenfalls behandelt. Die Darstellung ist mal notizenhaft knapp, mal erz¨ahlend und durch direkte Rede aufgelockert. Die Quellen des W. B.s sind nur teilweise sicher erschlossen. Die Befreiungsgeschichte d¨urfte auf Konrad → Justinger und Felix → Hemmerli ¨ zur¨uckgehen, die Tellsage auf a¨ ltere Uberlieferung aus Uri und auf das schweizer. Bundeslied. Gerade bei der Tellsage sind die volkst¨umlichen, m¨oglicherweise nur m¨undlich tradierten Wurzeln unsicher. Freilich entfaltete das W. B. seine Wirkung gerade nicht als historisch exaktes Dokument, sondern als Basis schweizerische Gr¨undungsmythen. Die Entstehung der Schweiz aus gerechtfertigter Rebellion gegen die Landvogt-Herrschaft wurde fortan den Machtanspr¨uchen der Habsburger entgegengesetzt. Fortgeschrieben wurde diese Tradition in der schweizerischen Chronistik besonders von Petermann Etterlin, Johannes Stumpf und Aegidius Tschudi (auch Vorlage f¨ur Schillers Wilhelm Tell). ¨ Uberlieferung: Sarnen, Staatsarch. Obwalden, Weißes Buch, S. 441–465 (Pap., um 1470/72, v. Hans Schriber). Ausgaben: Die Chronik des Weissen Buches im Archive Obwalden. Hg. v. Georg v. Wyss. [Z¨urich 833

2. H¨alfte 15. Jh. 1857]. – Die Chronik im weissen Buche zu Sarnen. Hg. v. Gerold Meyer von Knonau. In: Der Geschichtsfreund 13 (1857) S. 66–86. – Die Chronik des weissen Buches von Sarnen, aeltester Bericht vom Werden und Wachsen der Eidgenossenschaft. Hg. v. Ferdinand Vetter. Z¨urich 1891. – Das weisse Buch. Die a¨ lteste Chronik, die das Werden der Eid¨ genossenschaft erz¨ahlt, in Originaltext und Ubertragung. Hg. v. Albert Zu¨ st. Z¨urich 1939. – Das Weiße Buch von Sarnen (Quellenwerk zur Entstehung der Schweizerischen Eidgenossenschaft 3,1). Bearb. v. Hans Georg Wirz. Aarau 1947. – Das Weiße Buch von Sarnen. Bearb. v. Bruno Meyer. Sarnen 1984. – Meyer 1985 (s. Lit.) S. 187–194 (Teildr.). – Studach 1993 (s. Lit.) S. 316–357. – Online-Faks.-Ausg.: Staatsarch. Obwalden 2008. Literatur: Guy P. Marchal, VL2 1 (1978) Sp. 1262–1267. – Christian Sieber, Killy2 2 (2008) S. 426 f. – Karl Meyer: Die Urschweizer Be¨ freiungstradition in ihrer Einheit, Uberl. und Stoffwahl. Unters. zur Schweizer. Historiographie des 15. und 19. Jh. Z¨urich u. a. 1927. – Max Wehrli: ‹W¨ar’ ich witzig, hiess ich nicht der Tell›. In: Hortulus Amicorum. FS Fritz Ernst. Hg. v. Fritz Enderlin und Werner Kaegi. Z¨urich 1949, S. 187–194. – B. Meyer: Die Entstehung der Eidgenossenschaft. Der Stand der heutigen Anschauungen. In: Schweizerische Zs. f¨ur Gesch. 2 (1952) S. 153–205. – Harold Steinacker: Die Habsburger und der Ursprung der Eidgenossen¨ schaft. In: MIOG 61 (1953) S. 1–37. – Hans Tr¨umpy: Bemerkungen zum alten Tellenlied. In: Basler Zs. f¨ur Gesch. und Altertumskunde 65 (1965) S. 113–132. – M. Wehrli: Der Schweizer Humanismus und die Anf¨ange der Eidgenossenschaft. In: Schweizer Monatshefte 47 (1967) S. 127–146. – Tell. Werden und Wandern eines Mythos. Hg. v. Lilly Stunzi. Bern u. a. 1973, passim. – Jean-Pierre Bodmer: Chron. und Chronisten im Sp¨atMA. Bern 1976, S. 23–26. – Richard Feller und Edgar Bonjour: Geschichtsschreibung der Schweiz vom Sp¨atMA zur Neuzeit. Basel 21979, S. 78–80. – B. Meyer: W. B. und Wilhelm Tell. Weinfelden 3 1985. – Willi Studach: Die Sprache des W. B.s v. S. Graphematik, Morphologie, Syntax und Stilistik. Sarnen 1993. – Lothar Sutter: Der vom Thal genannt Wilhelm Tell. Mythos oder Wirklichkeit? Die Tellsage nach dem W. B. v. S. und die Entstehung der Schweizer Eidgenossenschaft im Licht der Urkunden. Eschborn 1997. – Peter Blickle: 834

2. H¨alfte 15. Jh. Libert`a come elemento dell’ivenzione della tradizione politica nella Confederazione elvetica nel XV secolo. In: Annali dell’Istituto storico italogermanico in Trento 23 (1997) S. 11–28. – Walter Koller: Wilhelm Tell. Ein humanistisches M¨archen. In: Aegidius Tschudi und seine Zeit. Hg. v. Katharina Koller-Weiss/Christian Sieber. Basel 2002, S. 237–268. – J¨urgen R¨omer: Wilhelm Tell, Habsburg und die Eidgenossen. Propaganda im Kontext eidgen¨ossischer Politik um 1500. In: Propaganda, ¨ Kommunikation und Offentlichkeit (11.–16. Jh.). Hg. v. Karel Hruza. Wien 2002, S. 209–222. MM Lirer, Thomas. – Anonymer Verfasser einer fiktiven schw¨abischen Prosachronik, 15. Jh. Der Verfasser der Lirerschen Chronik, der sich am Ende des Textes als «Thoman Lirer gesessen z˚u Ranckweil» bezeichnet, ist nicht sicher zu identifizieren; vielleicht handelt es sich um ein Pseudonym («Lirer» f¨ur L¨ugenerz¨ahler). Das in der Chronik angegebene Entstehungsjahr 1133 ist fiktional; sie ist wahrscheinlich zwischen 1462 und 1485 entstanden. Die Schw¨abische Chronik ist 1485/86 in drei Inkunabeln (Hain 10116–10118) bei Konrad Dinckmut in Ulm erschienen. Die ganzseitigen Illustrationen des Drucks stammen vom selben Meister, der auch die Illustrationen der Ulmer Terenzausgabe geschaffen hat, die Dinckmut 1486 f¨ur den Ulmer Patrizier Hans Neithart druckte. 1499 erschien bei Kistler in Straßburg eine weitere Ausgabe ohne Illustrationen. Der Schw¨abischen Chronik folgt jeweils die → Gm¨under Kaiserchronik (Ende des 14. Jh.). Ausgangspunkt ist der fiktive r¨omische Kaiser «Kurio», der im 2. Jh. wegen seines christlichen Glaubens aus Rom vertrieben wurde. Er ließ sich in «Kurwalhen» nieder und wurde zum Stammvater aller schw¨abischen Adelsgeschlechter. Mit diesem Ursprungsmythos werden in den folgenden Episoden verschiedene Geschlechter verbunden, vor allem die Familien der Grafen von Montfort und Werdenberg. Eine durchgehende Geschichte Schwabens ergibt sich nicht. ¨ Uberlieferung: Brixen, Bibl. des Priesterseminars, Cod. A 21 (Nr. 21), 1r–43r (Pap., 16. Jh.; Druckabschrift). – Fulda, LB, Cod. B 21 (fr¨uher Weingarten, Klosterbibl., G 4), 79r–119r (Pap., 1579–94. – Gießen, UB, Hs. 400 (Pap; 16. Jh., ostschw¨abisch; Druckabschrift ohne die «Gm¨under Kaiserchronik»; M¨unchen, BSB, Cgm 436, 1r–66v 835

Lirer (Pap., Ende 15. Jh., schw¨abisch; Druckabschrift). – Oldenburg, LB, Cim I 204a, 31v–75v (Pap., 1568 [Vorderdeckel]; 1603 [Bl. 1r]; Druckabschrift). – Stuttgart, LB, Cod. HB V 51, 2r–80v (Pap., 1592–94). – Weimar, Herzogin Anna Amalia Bibl., Cod. Quart 127, 5r–66r (kurz nach 1501 in N¨urnberg zusammengestellt; Druckabschrift). – Wien, ¨ ONB, Cod. 3301, 153vb (1510/19–28 [Nachtrag], bair.; Auszug; Druckabschrift). Ausgaben: Faks. der Ausg. vom 12.1.1486, mit einem Komm. v. Peter Amelung. Leipzig 2005. – Schw¨abische Chron. Hg. v. Eugen Thurnher. Bregenz 1967. Literatur: Eugen Turnher, VL2 5 (1985) Sp. 847–850; 11 (2004) Sp. 924 f. – Gerhard Wolf, Killy2 7 (2010) S. 450 f. – Rudolf Seigel: Zur Geschichtsschreibung beim schw¨abischen Adel in der Zeit des Humanismus. In: Zs. f¨ur W¨urttembergische Landesgesch. 40 (1981) S. 93–118. – Rolf K¨ohn: Der Bauernaufstand v. 922 bzw. 992 in T. L.s ‹Schw¨abischer Chron.›. In: Zs. f¨ur Gesch. des Oberrheins 132 (1984) S. 97–108. – Klaus Graf: Exemplarische Geschichten. T. L.s ‹Schw¨abische Chron.› und die ‹Gm¨under Kaiserchron.› (Forschungen zur Gesch. der a¨lteren dt. Lit. 7). Mu¨ nchen 1987. – Klaus Gantert: T. L.: Schw¨abische Chron. Daran: Gm¨under Chron. (bis 1462). In: ¨ Aderlaß und Seelentrost. Die Uberl. dt. Texte im Spiegel Berliner Hss. und Inkunabeln. Hg. v. Peter J¨org Becker/Eef Overgaauw. Mainz 2003, S. 439 f. – G. Wolf: Von der Chron. zum Weltbuch. Sinn und Anspruch s¨udwestdt. Hauschron. am Ausgang des MA (Quellen und Forschungen zur Lit.- und Kulturgesch. 18 [252]). Berlin/New York 2002. BJ Anselm von Eyb, * 12.10.1444 Schloss Sommersdorf bei Ansbach, † 6.1.1477. – Fr¨ankischer Ritter, Verfasser eines Pilgerf¨uhrers. ¨ Bruder LudDer Sohn Ludwigs von Eyb d. A., wigs von Eyb d. J. sowie Neffe Albrechts von Eyb nennt sich selbst zu Beginn seines Pilgerf¨uhrers Anßhelm von Eyb, rytter und doctor zu Sumerßdorff. 1458 nahm A. das Studium in Erfurt auf, es folgten mindestens sieben Studienjahre in Pavia, wo er zum Doktor des R¨omischen Rechts promoviert wurde. Seit 1462 war A. am Bamberger Dom bepfr¨undet und seit 1464 am Zisterzienserinnenkloster Birkenfeld. Unmittelbar nach Abschluss seiner Studien unternahm A. 1468 eine Pilgerreise ins Hl. Land in einer Gruppe adliger Wallfahrer unter der 836

Steigerwalder Leitung des Grafen Eberhart im Bart von W¨urttemberg. Am 12.7. wurde er in Jerusalem zum Ritter des heiligen Grabs geschlagen. Nach seiner R¨uckkehr trat A. 1471 dank des Einflusses seines Vaters, der Rat des brandenburgischen Kurf¨ursten Albrecht Achilles war, und u¨ ber Vermittlung des Mainzer Erzbischofs Adolf von Nassau in kaiserliche Dienste als Beisitzer im kaiserlichen Kammergericht. Gleichzeitig stand er im Hofsold Friedrichs III. Er heiratete 1475 die verm¨ogende Ursula von Rappoltstein. A.s Pilgerbuch u¨ ber seine Pal¨astinafahrt, geschrieben «mit kurzen worten», l¨asst jegliche Individualit¨at oder auch nur die Namen der Mitreisenden vermissen und ist wenig mehr als ein Verzeichnis der heiligen St¨atten, an denen Ablass zu gewinnen ist. Es unterscheidet sich kaum von anderen zeitgen¨ossischen Pilgerf¨uhrern (vgl. Johann → Lochner, J¨org → Pfinzing, Ulrich → Brunner oder Martin → Ketzel). A. beschr¨ankt sich in seinem Pilgerf¨uhrer zudem auf das Hl. Land und l¨asst Hin- und R¨uckreise komplett außen vor. Die Dokumentation der erworbenen Abl¨asse steht im Mittelpunkt. Der Bericht erh¨alt so den Charakter einer Rechtfertigung und l¨asst den Finanzier der Reise, A.s Vater Ludwig, als eigentlichen Adressaten vermuten. ¨ Uberlieferung: Neustadt (Aisch), Kirchenbibl., Ms. 28, S. 3–34 (Pap., um 1480, bair.). Die Hs. wurde im Auftrag von A.s Vater Ludwig angelegt. Darin weitere Pilgerlit. (u. a. der Pilgerbericht Ludwigs v. Eyb d. J. und die → Mirabilia Romae in dt. Fassung). Ausgabe: Regine Birkmeyer: A. v. E.: Pilgerbuch (1468). In: Eberhard im Bart und die Wallfahrt nach Jerusalem im sp¨aten MA. Hg. v. Gerhard Faix/Folker Reichert (Lebendige Vergangenheit 20). Stuttgart 1998, S. 173–194. Literatur: Helgard Ulmschneider, VL2 1 (1978) Sp. 381. – Joseph Chmel: Aktenst¨ucke und Briefe zur Gesch. des Hauses Habsburg im Zeitalter Maximilian’s I. aus Arch. und Bibl. Bd. 1 (Monumenta Habsburgica 1,1). Wien 1854 (Nachdr. Hildesheim 1968) S. 415 f. – Georg Schepss: Zu den Eyb’schen Pilgerfahrten. In: Zs. des dt. Pal¨astinaver. 14 (1891) S. 17–29. – Felix Priebatsch: Politische Correspondenz des Kurf¨ursten Albrecht Achilles. Bd. 2 (Publicationen aus den K¨onigl. Preuß. Staatsarch. 67). Leipzig 1897, S. 129, Anm. 2. – Reinhold R¨ohricht: Dt. Pilgerreisen nach dem Heiligen Lande. Neue Ausg. Innsbruck 1900 (Neudr. Aalen 837

2. H¨alfte 15. Jh. 1967) S. 139 f. – Albert Werminghoff: Ludwig v. ¨ Eyb der Altere (1417–1502). Ein Beitr. zur fr¨ankischen und dt. Gesch. im 15. Jh. Halle (Saale) 1919, S. 43–45, 420–422, 439. – R. Birkmeyer: Die Jerusalemfahrt des fr¨ankischen Ritters Anselm v. Eyb im Jahr 1468. In: Jb. f¨ur fr¨ankische Landesforschung 59 (1999) S. 109–127. – Steffen Krieb: Schriftlichkeit, Erinnerung und ritterschaftliche Identit¨at. Die Herren v. Eyb im 15. Jh. In: Adelige und b¨urgerliche Erinnerungskulturen des Sp¨atMA und der Fr¨uhen Neuzeit. Hg. v. Werner R¨osener. (Formen der Erinnerung 8). G¨ottingen 2000, S. 79–96, hier S. 81–83. VZ Steigerwalder, Friedrich (Staigerwallder). – Verfasser eines Pilgerreiseberichts, letztes Drittel 15. Jh. S. unternahm 1470 gemeinsam mit seinem Dienstherren Graf Gaudenz von Kirchberg eine Heiliglandfahrt, u¨ ber die er eine Beschreibung verfasste. Diese ist der einzig bekannte Pilgerbericht aus S¨udtirol. Zur großen Reisegesellschaft geh¨orten S¨udtiroler Adlige, Flamen und Niederl¨ander sowie die Herz¨oge von MecklenburgStargard Ulrich II. und Magnus I. (Ein kurzer Parallelbericht u¨ ber die Reise Ulrichs ist in die Vitae Ducum Megapolensium Dominorum Stargardiae im Anhang des Mecklenburgischen Chronicon des Johann Friedrich Chemnitius [† 1686] eingeschoben.) Die Reisegruppe schiffte sich f¨ur die zeit¨ubliche Route in Venedig in Richtung Jaffa ein, doch ¨ nahm die Uberfahrt eine unerwartete Wendung, als der venezianische Vizeadmiral vor der griechischen Hafenstadt Modon (Meth´oni) das Schiff f¨ur einen Einsatz gegen die T¨urken beschlagnahmte. Ein weiteres Schiff mit Pilgern, auf dem Ulrich → Brunner reiste, konnte entkommen. Die eindringliche Schilderung der folgenden Verwicklungen in die K¨ampfe um die osmanisch annektierte Herrschaft von Negroponte (Eub¨oa), der Verzeiflung der Pilger und des Elends der auf Kreta eintreffenden Kriegsfl¨uchtlinge macht die Besonderheit von F.s Reisebericht aus. In Jaffa traf seine Pilgergruppe wieder auf die durch Krankheit dezimierten Reisenden des anderen Schiffs. Die Beschreibung des Aufenthaltes in Pal¨astina hat die Form eines Stationenverzeichnisses, angereichert mit pers¨onlichen Kommentaren. Auch listet S. die verstorbenen Pilger auf, darunter den auf Kreta bestatteten Wolfgang von Liechtenstein, dessen Todesnachricht von einer Bozener Chronik des 16. Jh. 838

2. H¨alfte 15. Jh. w¨ortlich u¨ bernommen wird (vgl. Angelus Stummer [Hg.]: Tirol an des Erl¨osers Grab. Pilgrims Reise-Erz¨ahlungen vom Tirol-Vorarlberger Papstund Kaiserjubil¨aums-Pilgerzuge. Wien 1899, S. 9). ¨ Uberlieferung: Churburg (Schluderns im Vinschgau/S¨udtirol), Gr¨afl. Trapp’sches Arch., o. S., 1r–59r (Abschr. 1576). – Parallelber. Herzog Ulrich II.: Schwerin, Landeshauptarch., Arch.bibl. Nr. 25618, Bd. 3, S. 2298–2301. Ausgaben: Reinhold R¨ohricht: Jerusalemfahrt des Grafen Gaudenz v. Kirchberg, Vogtes v. Matsch (1470). Nach der Beschreibung seines Dieners F. S. In: Forsch. und Mitt. zur Gesch. Tirols und Vorarlbergs 2 (1905) S. 102–152. – Werner Kreuer: Tagebuch der Heilig-Land-Reise des Grafen Gaudenz v. Kirchberg, Vogt v. Matsch/Su¨ dtirol i. J. 1470. Bearbeitung und Kommentierung des v. seinem Diener Friderich Staigerwallder verfaßten Reiseber. (Essener Geographische Arbeiten 20). Paderborn 1990, S. 69–331. Literatur: Randall Herz, VL2 9 (1995) Sp. 243–245. – Joseph Ladurner: Die V¨ogte v. Matsch, sp¨ater auch Grafen v. Kirchberg. In: Zs. des Ferdinandeums f¨ur Tirol und Vorarlberg 3. Folge 16 (1871) S. 5–292, hier S. 23 f. – R¨ohricht (s. Ausg.) S. 97. – Ders.: Die Jerusalemfahrt des Kanonikus Ulrich Brunner vom Haugstift in W¨urzburg (1470). In: Zs. des Dt. Pal¨astina-Ver. 29 (1906) S. 1–50, hier S. 3 f. – Josef Weingartner: Der obere Weg v. Landeck u¨ ber den Reschen nach Meran. In: Jb. des S¨udtiroler Kulturinst. 5–7 (1965–67) S. 406–423, hier S. 422 f. – Christiane Hippler: Die Reise nach Jerusalem. Unters. zu den Quellen, zum Inhalt und zur literarischen Struktur der Pilgerber. des Sp¨atMA (Europ¨aische Hochschulschr. 1,968). Frankfurt/M., Bern 1987, S. 77. – Kreuer (s. Ausg.) S. 1–68. VZ Zurcher ¨ Buch vom heiligen Karl → Band 5. Heff, Leonhard (Hefft, Heffter), Eichst¨att, † nach ¨ 1476. – Schreiber, Ubersetzer, Chronist. H. studierte 1459–61 an der Wiener Universit¨at die K¨unste. Nach seinem Abschluss als Baccalaureus war er Stuhlschreiber in Regensburg. Zu einem unbekannten Zeitpunkt hielt er sich wahrscheinlich auch in Italien auf. Erasmus Trainer, zu H.s Zeit Stadtk¨ammerer von Regensburg, regte den Schreiber zu seinem ersten Hauptwerk an: einer um 1471 entstandenen dt. ¨ Ubertragung der Chronica pontificum et imperatorum 839

Zurcher ¨ Buch vom heiligen Karl des → Andreas von Regensburg. Da H., wie er im ¨ lat. Prolog zur Ubersetzung angibt, eine universale Weltchronik erarbeiten wollte, erg¨anzte er den Haupttext um mehrere Nebentexte. F¨ur die Zeit vor Christi Geburt stellte er der Chronica einen Auszug aus der → S¨achsischen Weltchronik voran. Hinter der Chronica f¨ugte H. f¨ur die Berichtsjahre ab 1422 ¨ weitere dt. Ubertragungen von Werken des Andreas ein (Concilium Constantiense, Chronica Hussitarum). Von H. selbst d¨urfte ein Gebet stammen, das die zuletzt immer knapper werdenden Nachtr¨age abrundet. Es lobt Kaiser Friedrich III. als K¨ampfer gegen T¨urken und Hussiten. Auch H.s zweites Hauptwerk bezeugt seinen universalchronistischen Ehrgeiz. Das lat. Kompendium Imago Mundi (um 1472–75) stellt nach Art eines Nachschlagewerks die sechs Weltalter dar. Es ist prim¨ar Kaiser-, sekund¨ar auch Papstchronik, mit Bayern und Regensburg als geographischen Schwerpunkten. So enth¨alt das Werk auch einen Katalog der Regensburger Bisch¨ofe. Daneben schaltete H. einzelne theologische Abschnitte in sein Kompendium ein. Als Vorlagen benutzte H. vor allem das Speculum historiale des → Vinzenz von Beauvais, die Werke des Andreas von Regensburg und die Flores temporum. H. hinterließ auch eine Intervalltafel mit einem Bericht zum Regensburger Christentag (1471), Estomihi-Intervallen f¨ur die Jahre 1473–1780 sowie einem wohl von ihm selbst verfassten Gebet. ¨ Uberlieferung: 1. Chronik: M¨unchen, BSB, Cgm 6240, 2ra–290vb (fr¨uher Budapest, Nationalbibl., cod. Germ. 12) (Pap., Regensburg, 1471, obd., Autograph). – Ebd., Clm 14053, 212va–215ra ¨ (Pap., um 1497–1524, nur Ubers. der Chron. des Andreas von Regensburg). – Hamburg, SUB, cod. hist. 8, 232 Bll. (Pap., 1501). – M¨unchen, BSB, Cgm 3959, 1ra–339vb (Pap., Regensburg, erstes Viertel 16. Jh., bair.). – 2. Imago Mundi: M¨unchen, BSB, Clm 26632, 109ra–499vb (Pap., 1475). – Innsbruck, ULB, cod. 2, 108va–547va (Pap., 1494, Abschr.). – 3. Intervalltafel: Mu¨ nchen, BSB, Clm 14053, 150r–155v (Pap., um 1497–1524). – Ebd., Clm 26632, 499v–502v (Pap., 1475). Ausgaben: 1. Chron.: Herkommer 1972 (s. Lit.) S. 62, Anm. 82 (Auszug). – Schneider 1993 (s. Lit.; Teildr.). – 2. Imago Mundi: Online-Faks.-Ausg. BSB M¨unchen [o. J.]. – 3. Intervalltafel: Bischoff 1940 (s. Lit.) S. 578. Literatur: Peter Johanek, VL2 3 (1981) Sp. 569–572; 11 (2004) Sp. 598. – Hans v. Ankwicz: Eine Abschr. der Weltchron. des L. H. v. 840

Birk Eichst¨att in der Innsbrucker UB. In: Forschungen zur Gesch. Bayerns 16 (1908) S. 286–291. – Bernhard Bischoff: Ostertagtexte und Intervalltafeln. In: Hist. Jb. 60 (1940) S. 549–580 (wieder in: Ders.: Ma. Stud. 2. Ausgew¨ahlte Aufs¨atze zur Schriftkunde und Literaturgesch. Stuttgart 1967, ¨ S. 192–226). – Hubert Herkommer: Uberlieferungsgesch. der ‹S¨achsischen Weltchron.›. Ein Beitr. zur dt. Geschichtsschreibung des MA (MTU 38). M¨unchen 1972, S. 58–65, 262–265. – Birgit Studt: Fu¨ rstenhof und Gesch. Legitimation durch ¨ Uberl. K¨oln 1992, S. 211–214. – Joachim Schneider: Vermittlungsprobleme einer dt. Weltchron.¨ ¨ Ubers. L. H.s Ubers. der ‹Chronika pontificam et imperatorum Romanorum› des Andeas v. Regensburg. In: Zweisprachige Geschichtsschreibung im sp¨atma. Deutschland. Hg. v. Rolf Sprandel. Wiesbaden 1993, S. 173–226, 431–454. – Markus M¨uller: Die sp¨atma. Bistumsgeschichtsschreibung. ¨ Uberl. und Entwicklung. K¨oln u. a. 1998, S. 216, 220. – Gabriele von Olberg-Haverkate: Zeitbilder – Weltbilder. Volkssprachige Universalchronistik als Instrument kollektiver Memoria. Eine textlinguistische und kulturwiss. Unters. Berlin 2008, S. 522–534, 574–584. MM Birk, Johannes, * Biberach an der Riß, † nach 1494. – Schulmeister, Klosterchronist. B. ist 1459 als Student in Wien bezeugt und 1468 an der Universit¨at Heidelberg als Wiener Baccalaureus der Artes. In Heidelberg d¨urfte er den Magistergrad erworben haben. Sp¨ater erscheint er als kaiserlicher Notar. Seit den sp¨aten 60er Jahren des 15. Jh. war B. Schulleiter am Bendediktinerkloster in Kempten, wo er zuletzt 1494 nachgewiesen ist. Ihm werden lat. historiographische Werke zugeschrieben, die alle die Geschichte der Abtei Kempten behandeln (vor allem die Involvierung Karls des Großen in die Klosterfr¨uhzeit) und in einem intertextuellen Kontext stehen. Die Vita Hildegardis (um 1472) ist eine knappe Darstellung der Klostergr¨undung mit einem Fokus auf Hildegard, die Gemahlin Karls. Auch werden Wundergeschichten um ihr Grab dargeboten. Die Vita d¨urfte zur Bekr¨aftigung der historischen Rechtsanspr¨uche des reichsunmittelbaren Klosters gedient haben. Der Sigmaringer Cod. 50 wurde wahrscheinlich Kaiser Friedrich III. 1474 in Augsburg vorgelegt. Die Zuweisung der Vita an B. ist auch aufgrund stilistisch-inhaltlicher Abweichun841

2. H¨alfte 15. Jh. gen von den anderen Schriften unsicher, sie stellt aber deren Quellengrundlage dar. Die Historia Karoli Magni et de fundatione monasterii in Campidonia ist gleichfalls eine Schilderung der Gr¨undungsgeschichte der Abtei, die zudem eine Genealogie des Karolingergeschlechts und eine Vita Karls enth¨alt. ¨ Der Text gibt in der handschriftlichen Uberlieferung vor, eine 1494 von B. vorgenommene Abschrift eines Originals Gottfrieds von Marsilia, Kanzler Ludwigs des Frommen, zu sein. Der Tractatus de monasterio Campidonensi et eius multiplicibus privilegiis ist die ausf¨uhrlichste Darstellung der Klostergeschichte in rund 2000 binnegereimten Versen und reicht bis ins Jahr 1491. Der a¨ lteste Textzeuge ist 1494 geschrieben. Die Versform deutet auf einen schulischen Gebrauch ebenso hin wie die mehrfache Nennung der Kemptener Stiftsschule und des Schulmeisters B. Neben fingierten Quellen (wie Gottfried) st¨utzt sich B. bei den Karolingertexten vor allem auf den Pseudo-Turpin und → Thegan. Die Klosterfr¨uhgeschichte wird ausgeschm¨uckt, um die Privilegien der Reichsabtei gegen¨uber der sp¨ater gegr¨undeten Reichsstadt Kempten hervorzuheben. Bei der sp¨ateren Klostergeschichte geht es u. a. um die Aufrechterhaltung des kl¨osterlichen Monopols in der lat. Schulbildung. Wenngleich B.s Werk trotz seines Wiener Studiums keine expliziten fr¨uhhumanistischen Tendenzen aufweist, liegen doch einige Parallelen zu Chroniken → Albrechts von Bonstetten, Gallus ¨ → Ohems und Thomas → Lirers vor. Von B.s lat. historiographischen Schriften sind dt. Bearbeitungen u¨ berliefert: Eine Kemptener Klosterchronik (Erste Kemptener Klosterchronik), die den gleichen Zeitraum wie der Tractatus abdeckt sowie eine weitere, erg¨anzende Klosterchronik mit vorangestelltem Abt-Katalog (Stiftung des gotzhaus Kempten), verbunden mit Viten Karls und Hildegards. Die Bearbeitungen k¨onnten von B. selbst stammen, was vor allem f¨ur den dt. Paralleltext zum Tractatus gilt. ¨ Uberlieferung: Vita Hildegardis: Sigmaringen, F¨urstl. Hohenzollernsche Hofbibl., Cod. 50, 65 Bll. (Perg., 15. Jh.; Widmungsexemplar f¨ur Kaiser Friedrich III. [mit Miniatur], verschollen). – Fulda, LB, Cod. Aa 96, 106v–113r (Perg., 1496, aus dem Benediktinerkloster Blaubeuren). – Historia Karoli: M¨unchen, BSB, Clm 1211, 185r–197v (Pap., 1529; Abschrift des Clm 22104). – Ebd., Clm 1803, 122 S. (Pap., 18. Jh.). – Ebd., Clm 22104, 842

2. H¨alfte 15. Jh. 114v–129v (Pap., Anfang 16. Jh.). – Tractatus de monasterio Campidonensi: Einsiedeln, Stiftsbibl., Cod. 245, 48r–53r (Pap., 1494, fragm.). – Mu¨ nchen, BSB, Clm 1211, 197v–218r (s. o.). – Ebd., Clm 1370, 1r–35r (Pap., 16.–18 Jh., aus dem Kloster Polling). – Ebd., Clm 1211, 197v–218r (s. o.). – Ebd., Clm 22104, 130r–154r (s. o.). – Dt. Bearbeitungen: Augsburg, SB und StB, 2° Cod. 249, 131 Bll. (Pap., 1582, schw¨abisch; Abschrift des Cgm 9280). – M¨unchen., BSB, Cgm 5819, 87 Bll. (Pap., 1479, schw¨abisch; ‹Erste Kemptener Klosterchronik›). – Ebd., Cgm 9280 (vormals Privatbesitz Antiquariat G¨unther, Hamburg; davor Fam. Leichtle, Kempten), 2r–57r, 59r–112v (Pap., 1506; nach dem Schreiber und Kemptener Notar Johannes Kr¨aler auch ‹Kr¨alersche Hs.›; ‹Stiftung des gotzhaus Kempten›, ‹Erste Kemptener Klosterchronik›). – Ebd., Cgm 9470 (vormals Privatbesitz Auktionshaus Christie’s, London, Nr. 2010/43; davor Ernst Urbas, Klagenfurt), 24r–92r (Pap., 1499/1500, schw¨abisch/ alemannisch; ‹Stiftung des gotzhaus Kempten›). – W¨urzburg, UB, M. ch. f. 97, 124r–230v (Pap., zweite H¨alfte 15. Jh., [ost]schw¨abisch; ‹Stiftung des gotzhaus Kempten›, ‹Erste Kemptener Klosterchronik›). Ausgaben: Vita Hildegardis: Acta Sanctorum Aprilis. Bd. 3 (Antwerpen 1675) S. 793–802. – Tractatus de monasterio Campidonensi: Michael Kuen: Collectio Scriptorum Rerum HistoricoMonastico-Ecclesiasticarum Variorum Religiosorum Ordinum. Bd. 2. Ulm 1756, S. 169–206. – Dt. Bearbeitungen (Teilausgaben): Baumann 1881 (s. Lit.) S. 191–210. – Baumann 1882 (s. Lit.) S. 29–58. – Baumann 1889 (s. Lit.) S. 31–34, 95–101 (u. d. T. ‹Cronic des loblichen gotzhuß Kempten und auch von sant Hylgarten leben mit ander sachen›). Literatur: Peter Johanek, VL2 1 (1978) Sp. 870–875. – Hans F. Massmann: Der Keiser und der Kunige Buoch oder die sogenannte Kaiserchron. [...]. Bd. 3 (Bibl. der gesammten dt. National-Lit. von der a¨ ltesten bis auf die neuere Zeit. Abt. 1; 4,3). Quedlinburg/Leipzig 1854, S. 1075–1078. – Wilhelm Wattenbach: Beschreibung einiger Hss. in der f¨urstl. hohenzollern’schen. Bibl. in Sigmaringen. In: Anz. f¨ur Kunde der dt. Vorzeit NF 14 (1867) Sp. 235–239, hier S. 237f. – Franz Ludwig Baumann: Eine Kemptener (L¨ugen)Kronik des XV. Jh. In: Alemannia 9/10 (1881) S. 186–210; 10 (1882) S. 29–58. – Ottokar Lorenz: Deutschlands Geschichtsquellen 843

Leman im MA seit der Mitte des dreizehnten Jh. Bd. 1. Berlin 21876, S. 346. – F. L. Baumann: Die Kemptener Chroniken des ausgehenden 15. Jh. In: Forschungen zur schw¨abischen Gesch. Hg. v. dems. Kempten 1899, S. 1–101. – Franz H¨uttner: Chron. des Klosters Kempten. In: Neues Arch. der Ges. f¨ur a¨ ltere dt. Geschichtskunde 28 (1903) S. 751–756. – Josef Rottenkolber: Die lat. Schule im Stift Kempten. In: Nachr. des Ver. ehemaliger Kemptener Gymnasiasten 9 (1944) S. 10. – Robert Folz: Le souvenir et la l´egende de Charlemagne dans l’empire germanique m´edi´evale. Paris 1950 (Neudr. Genf 1973) S. 480–488. – Klaus Schreiner: ‹Hildegardis regina›. Wirklichkeit und Legende einer karolingischen Herrscherin. In: AfK 57 (1977) S. 23–40. – Norbert H¨orberg: Geistige Entwicklung in Stift und Stadt. In: Gesch. der Stadt Kempten. Hg. v. Volker Dotterweich u. a. Kempten 1989, S. 139–149, hier S. 144 f. – K. Schreiner: Hildegard, Adelheid, Kunigunde. Leben und Verehrung heiliger Herrscherinnen im Spiegel ihrer deutschsprachigen Lebensbeschreibungen aus der Zeit des sp¨aten MA. In: Spannungen und Widerspr¨uche. Gedenkschrift f¨ur Frantiˇsek Graus. Hg. v. Susanna Burghartz u. a. Sigmaringen 1992, S. 37–50. – Volker Laube: Der Geistliche Staat und die Medien der Fr¨uhen Neuzeit: Zur Chronistik der Abtei Kempten. In: Geistliche Staaten in Oberdeutschland im Rahmen der Reichsverfassung (Oberschwaben – Gesch. und Kultur 10). Hg. v. Wolfgang Wu¨ st. Epfendorf 2002, S. 265–286. VZ

Leman, Ulrich (Lehmann, Leemann). – Verfasser von Reiseberichten, zweite H¨alfte 15. Jh. Der St. Galler Kaufmann geh¨orte 1490 zum Vorstand der Notensteiner Gesellschaft vornehmer B¨urger, Großkaufleute und alteingesessener Geschlechter; 1492 ist er als Gerichtsstatthalter in St. Gallen bezeugt. Er unternahm 1472 eine Reise nach Jerusalem und bereiste bis 1478 j¨ahrlich die Strecke Rhodos-Tripolis-Beirut-AlexandriaRhodos. 1478 gelangte er nach Italien und kehrte 1480 nach St. Gallen zur¨uck, um sogleich wieder eine Fahrt zu unternehmen, diesmal in die westliche Mittelmeerregion (Sizilien und die Provence). ¨ Uber seine Reisen verfasste L. Berichte. In der Einleitung zum Pilgerbericht beschreibt er verschiedene Reisem¨oglichkeiten in das Hl. Land. 844

Ackermann Im Bericht selbst l¨asst er stets die Perspektive des Kaufmanns erkennen, und da seine Heiliglandfahrt nicht nur religi¨os motiviert war, ist das Besondere seines Reisetextes die Verbindung von Pilger- und Kaufmannsthematik. Er schildert Handel und Gewerbe und preist vor allem Damaskus als Kaufmannsstadt. Als Motivation f¨ur die Aufzeichnungen seiner Mittelmeerfahrten gibt L. an, sie seien vor allem f¨ur seine Nachkommen zur Erinnerung bestimmt. Seine Schilderungen sind detailreich und von Erz¨ahlfreude gepr¨agt. Im Textzeugen von L.s Berichten finden sich im Anhang auch Ausf¨uhrungen zum muslimischen Glauben und den Problemen der Schifffahrt. ¨ Uberlieferung: Mu¨ nchen, BSB, Cgm 692, 96 Bll. (Pap., Ende 15. Jh., hochalemannisch); auf 1v ganzseitiges Wappen U. L.s in kolorierter Federzeichnung. Ausgabe: Reinhold R¨ohricht/Heinrich Meisner: Dt. Pilgerreisen nach dem Heiligen Lande. Berlin 1880, S. 102–110 (Ausz¨uge). – Dies.: Insel Rhodos. In: Johanniterbl. der Ordensballey Brandenburg Jg. 21 (1880) Nr. 1 (Ausz¨uge). – Monika Reininger: U. L.s Reisen. Erfahrungen eines Kaufmanns aus St. Gallen vom Ende des 15. Jh. im Mittelmeer und in der Provence. W¨urzburg 2007, S. 1–215. Literatur: Dietrich Huschenbett, VL2 5 (1985) Sp. 703 f. – Titus Tobler: Bibliographia geographica ¨ Palaestinae. Krit. Ubersicht gedr. und ungedr. Beschreibungen der Reisen ins Heilige Land. Leipzig 1867 (Nachdr. Amsterdam 1964, Mansfield, CT 1998, Charleston, SC 2009) S. 60. – R. R¨ohricht: Bibliotheca geographica Palaestinae. Chronologisches Verz. der v. 333 bis 1878 verfaßten Lit. u¨ ber das Heilige Land. Berlin 1890. Verb. und verm. Neuausg. mit einem Vorw. v. David H. K. Amiran. Jerusalem 1963 (Nachdr. London 1989) Nr. 370. – Ders.: Dt. Pilgerreisen nach dem Heiligen Lande. Neue Ausg. Innsbruck 1900 (Neudr. Aalen 1967) S. 141 f. – Martin Sommerfeld: Die Reisebeschreibungen der dt. Jerusalempilger im ausgehenden MA. In: DVjs 2 (1924) S. 816–850, hier S. 846. – Marianne Beyer-Fr¨ohlich: Die Entwicklung der dt. Selbstzeugnisse (Dt. Lit. 25, Reihe dt. Selbstzeugnisse 1). Leipzig 1930, S. 48. – Hans-Joachim Lepszy: Die Reiseberichte des MA und der Reformationszeit. Diss. Hamburg 1952, S. 177, 185, 200 f. – Reininger (s. Ausg.) Einleitung, S. ix–li. VZ 845

2. H¨alfte 15. Jh. Ackermann, Jacob. – K¨olnischer Verfasser eines dt. historischen Berichts, zweite H¨alfte 15. Jh. In eine Handschrift mit der dt. Chronik Jakob → Twingers und dem Großen → Seelentrost sind kurze historische Nachrichten u¨ ber die Kriege des Kurf¨ursten Friedrich I. von der Pfalz mit Kurmainz (1460–62) und u¨ ber den Tod und die Beisetzung des 1463 verstorbenen K¨olner Erzbischofs Dietrich von Moers nachgetragen. Der Verfasser dieser Berichte nennt sich in ihnen selbst: W¨ahrend der kriegerischen Auseinandersetzungen «wart mir Jacob Ackermann ein schif genommen» (Bl. 8r). Dieses Schiff wird im folgenden als «frechterschif [...] of dem Rin» spezifiziert, und A. spricht ferner von seinem «herren von Collen». Aufgrund dieser Angaben darf man in A. einen K¨olner Kaufmann vermuten, der seine Nachrichten u¨ ber die Auseinandersetzungen aus der Perspektive des pers¨onlich Betroffenen niederschrieb. Ob auch die knappen und gleichsam nachgetragenen genealogischen Notizen auf Bl. 117r der Handschrift auf A. zur¨uckgehen, ist nicht mit Sicherheit zu kl¨aren. Sie behandeln Kurf¨urst Ludwig III. von der Pfalz († 1436) nebst seinen Nachkommen (mit Schwerpunkt auf Ruprecht, dem Nachfolger Dietrichs auf dem K¨olner Bischofsstuhl), erw¨ahnen auch einige weitere K¨olner Ereignisse und reichen bis 1474. ¨ Uberlieferung: N¨urnberg, Germ. Nationalmus., Hs. 8827, 6v–9r (hist. Nachr.), 117r (genealogische Notizen) (Pap., 1451–54, ripuarisch). Die hist. Nachr. sind zwischen dem Reg. der Chronik Twingers und derem Beginn eingetragen. Ausgabe: Hermann Cardauns: C¨olner Aufzeichnungen 1460–74. In: Die Chroniken der niederrheinischen St¨adte: C¨oln, Bd. 3 (Chron.dt.St. 14). Hg. v. Carl Hegel. Leipzig 1877, S. 922–926. Literatur: Hellgard Ulmschneider, VL2 11 (2004) Sp. 12 f. – Carl Hegel (Hg.): Die Chron. des Jacob Twinger v. K¨onigshofen 1400 (1415). In: Die Chron. der oberrheinischen St¨adte: Straßburg. Bd. 1 (Chron.dt.St. 8). Leipzig 1870 (Nachdr. Stuttgart 1961) S. 216 f. – Repertorium fontium historiae medii aevi. Bd. 2 (1967) S. 107. – Lotte Kurras: ‹Der große Seelentrost›. Hs. N. In: ZfdA 104 (1975) S. 247–250. – Dies.: Die dt. ma. Hss. Zweiter Teil: Die naturkundlichen und hist. Hss., Rechtshss., Varia (Kat. des Germ. Nationalmus. N¨urnberg 1,2). Wiesbaden 1980, S. 41 f. VZ 846

2. H¨alfte 15. Jh. Rolevinck, Werner (Rolevyn[c]k, -win[c]k, Rolowinck, Rovelink, Lorevinch), * 1425 Laer bei Horstmar/Westfalen, † 26.8.1502 K¨oln. Der Sohn des wohlhabenden Erbbauern Johann Schulte R. besuchte seit 1437 vermutlich die Domschule in Mu¨ nster und nahm im Wintersemester 1443/44 in K¨oln ein Rechtsstudium auf. 1447 trat er in die streng regelgetreue Kartause St. Barbara in K¨oln ein, wo er den Rest seines Lebens verbrachte. Als M¨onch ohne Amt trug er mit zahlreichen Schriften, gelehrten Briefwechseln (u. a. mit Johannes → Trithemius), Predigten und theologischen Vortr¨agen zur Bl¨ute seines Konvents bei, an dem u. a. auch → Heinrich von Dissen wirkte. Im Klosternachruf wird R. f¨ur seine hohe Bildung in der Theologie, Historiographie und im Kanonischen Recht sowie f¨ur seine Fr¨ommigkeit ger¨uhmt. Er starb an der Pest. Der genaue Umfang seines Œuvres ist unsicher. Mehr als 50 durchweg lat. Werke sind ihm sicher zuzuweisen, von einigen sind nur die Titel u¨ berkommen. Haupts¨achlich handelt es sich um exegetische Schriften (vor allem zum Neuen Testament, insbesondere zu den apostolischen Briefen), doch deckt sein theologisches Schaffen auch die Bereiche Homiletik, Hagiographie, Katechetik und Poimenik ab; hinzu kommen Arbeiten zum Kanonischen Recht und zur Geschichtsschreibung (Werk¨ubersicht bei Holzapfel 1959 [s. Ausg.] S. 23–32). Mit einer didaktisch geschickten Verbindung von Graphik und Schrift zielte R. mit seinen Arbeiten auf ein gr¨oßeres Publikum. Zahlreiche Schriften ließ er in K¨oln vom Drucker Arnold ter Hoernen publizieren. Hervorzuheben sind hier seine «Spiegel», darunter der Adelsspiegel De origine nobilitatis und der Bauernspiegel De regimine rusticorum. Auch zwei historiographische Werke gelangten in den Druck, wobei R.s Fasciculus temporum omnes antiquorum chronicas complectens (um 1470) sein mit Abstand popul¨arstes Werk wurde und eines der weit verbreitesten B¨ucher der Inkunabelzeit u¨ berhaupt. Die graphisch-enzyklop¨adische Universalchronik in Kurzform von der Sch¨opfung bis zu R.s Gegenwart verdr¨angte mit ihrem noch eing¨angigerem Schema die Martinianischen Chroniken (von der Weltchronik → Martins von Troppau gibt es keinen einzigen Wiegendruck). Inhaltlich gr¨undet der Fasciculus aber auf Martin, neben → Vinzenz von Beauvais und dem anonymen Handbuch → Rudimentum noviciorum. In der Tradition des Compendium historiae in genealogia Christi 847

Rolevinck des Peter von Poitiers wird der Geschichtsverlauf synoptisch dargestellt. Auf der Hauptachse («linea Christi») werden Christi Vorl¨aufer f¨ur das Bibelzeitalter und nach Christi Tod die P¨apste von Petrus bis Sixtus IV. († 1484) gelistet. Fu¨ r das Bibelzeitalter laufen zu dieser Hauptachse mitunter mehrere Linien parallel (f¨ur jeweils die a¨gyptischen und assyrischen Herrscher, die r¨omischen Kaiser, Hohepriester, Propheten und die alttestamentlichen K¨onige). F¨ur das Kirchenzeitalter verwendet R. nur noch zwei parallele Linien f¨ur die P¨apste bzw. Kaiser. Er folgt hier also dem Modell der Papst-Kaiser-Chroniken im Stile der Martinianen. Die Hauptinnovationen R.s sind das horizontale anstelle eines vertikalen Layouts und das Konzept des Z¨ahlens nach r¨uckw¨arts und vorw¨arts, ausgehend vom zentralen Ereignis des Lebens Christi (Bl. xxviir im autorisierten Druck). Zahlreiche Holzschnitte illustrieren das Geschilderte. Im Ergebnis ist der Fasciculus sehr u¨ bersichtlich und eignet sich hervorragend als historisches Nachschlagewerk. Die Chronik wurde ins Deutsche, Niederl¨andische, Franz¨osische, Walisische und Englische u¨ bertragen und oft erweitert. W¨ahrend das Grundlayout bei den unterschiedlichen und zahlreichen Fassungen im Kern unver¨andert blieb, gibt es eine ausgepr¨agte Varianz bei den Holzschnitten. Die zweite gedruckte historiographische Schrift R.s, De laude antique Saxonie nunc Westphalie dicte (um 1474), ist eine westf¨alische Regionalgeschichte und vor dem Hintergrund des wachsenden Interesse an derartiger regionaler Geschichtsschreibung im 15. Jh. zu sehen. In fl¨ussigem Latein beschreibt R. die Vergangenheit, die Geographie und die Bewohner seiner Heimat, denen er das Werk widmet, neben einer langen Reihe namentlich genannter Herren. An schriftlichen Quellen st¨utzt er sich auf → Bartholom¨aus Anglicus, Vinzenz von Beauvais und Johann von Essen und verflechtet dieses Material mit Anekdoten, pers¨onlichen Eindr¨ucken und Erlebnissen zu einer neuartigen Kulturgeschichte. ¨ Uberlieferung: Theologische und juristische Schr. (meist autograph) in: Berlin, SBB, Mss. theol. lat. fol. 713–716. – Ebd., Ms. theol. lat. oct. 171. – Darmstadt, ULB, Hs. 710. – K¨oln, Hist. Arch. der Stadt, Best. 7010 (W) 119, 122 und 217. – Ebd., Best. 7020 (W*) 393. – Ebd., Best. 7004 (GB 4°) 211. – Paris, Nationalbibl., Ms. lat. 10718. – SaintPierre-de-Chartreuse, Grand Chartreuse, Ms. lat 18/14. – (Erst-)Drucke (hier und stets, wenn nicht anders vermerkt: K¨oln, Arnold ter Hoernen): 848

Rolevinck Sermo in festo praesentationis beatissimae Mariae virginis. K¨oln (?) (Drucker v. Ps.-Augustinus, Manuale) um 1470 (GW 2963). – Legenda de sancto Servatio, praecedit tabula confluentina. 1472 (GW M38775). – Quaestiones duodecim notabiles. 1472 (GW M38780). – Formula vivendi canonicorum. Um 1472 (GW M38767). – De origine nobilitatis. Um 1472 (GW M38777). – De regimine rusticorum. Um 1472 (GW M38782). – De venerabili sacramento et valore missarum. Um 1472 (GW M38789). – Paradisus conscientiae. 1475 (GW M38779). – De contractibus. Um 1475 (GW M38668). – De forma visitationum monasticarum. Um 1475 (GW M38823). – De fraterna correctione. Um 1477 (GW M38824). – Historiographische Schr.: Fasciculus temporum: Amsterdam, Bibl. Philosophica Hermetica, Ms. 48. – Arnhem, Openbare en Gelderse Wetenschappelijke Bibl., Ms. 8. – New York, The Morgan Libr., MS M.801. – Paris, Nationalbibl., Ms. lat. 16020. – Turin, Nationalbibl., Cod. J. I. 7. – Welche Hss. Vorl¨aufer der Drucke und welche Kopien von diesen sind, ist nicht mit Sicherheit zu entscheiden. – Maßgeblich ¨ f¨ur die Uberl. ist aber der autorisierte Druck v. 1474/77 (GW M38693); fr¨uhere Drucke: 1472 (GW M38692); um 1473 (Nikolaus G¨ortz, GW M38682). – Allein bis 1500 rund 35 Ausg., weitere Aufl. im 16. Jh., letzte Aufl. 1726. – Dt. ¨ Ubers.: Augsburg (Anton Sorg) um 1478 (GW M3874210). – Basel (Bernhard Richel) 1481 (GW M38743). – Straßburg (Johann Pr¨uss) nach 1492. – De laude antiquae Saxoniae: Ausgangspunkt der ¨ Uberl. ist der Druck um 1475 (GW M38774). – ¨ Ausz¨uge: Wien, ONB Cod. 3529, 268r–272r. Ausgaben: Wernerus Rolevinck Laerensis: De laude Veteris Saxoniae nunc Westphaliae dictae. W. R. Karth¨auser aus Laer, vom Lobe des alten Sachsens. Im Original-Text nach der ersten Ausg. (c. 1478), mit dt. Uebersetzung hg. v. Carl Ludwig Philipp Tross. Mit einem Vorw. v. Hermann Rump. K¨oln 1865. – Hermann Jellinghaus. W. R.: De regimine rusticorum. In: Jb. des Ver. f¨ur die Evangelische Kirchengesch. Westfalens 9 (1907) S. 68–164. – Egidius Holzapfel: W. R.s Bauernspiegel. Unters., ¨ Neuherausg. und Ubersetzung v. W. R.s ‹De regimine rusticorum› (Freiburger theologische Stud. 76). Freiburg i. Br. 1959. – W. R. Ein Buch zum Lobe Westfalens, des alten Sachsenlandes. Der Text ¨ der lat. Erstausg. vom Jahre 1471 mit dt. Ubersetzung. Hg. v. Hermann B¨ucker. Mu¨ nster 1953. 849

2. H¨alfte 15. Jh. 2

1982; nach der Ausg. H. B¨uckers v. 1953 neu bearb. und hg. v. Anneliese Raub. Mu¨ nster 2002. ¨ Ubersetzungen: Von der Lage, den Gebr¨auchen, Tugenden und dem Lobe der Westphalen oder Alt-Sachsen in drei B¨uchern v. W. Rolewink ¨ v. Laer. Ubers. v. Johann Valerius Kutscheit, nach der durch O. Craes veranstalteten C¨ollner Ausg. d. J. 1602. Lemgo 1834. – Die seelsorgerliche F¨uhrung ¨ der Bauern. Bauernspiegel. Ubers. und komm. v. E. Holzapfel. Mit einem Vorw. v. Linus Bopp (Schr. zur Religionsp¨adagogik 2). Freiburg i. Br. 1959. Literatur: Franz Xaver v. Wegele, ADB 29 (1989) S. 72 f. – Katharina Colberg, VL2 (1992) Sp. 153–158. – Peter Johanek, LThK3 8 (1993) Sp. 1243 f. – Joachim Vennebusch, MarLex 5 (1993) S. 519. – De Boor/Newald 4,1 (21994) S. 299, 328. – P. Johanek, LexMA 8 (1998) Sp. 8. – Andrea Worm, Encyclopedia of the Medieval Chronicle 2 (2010) S. 1294 f. mit Fig. 52. – Hugo Wolffgram: Neue Forschungen zu W. R.s (Carth¨auserm¨onch 1425–1502) Leben und Werken. In: Zs. f¨ur vaterl¨andische Gesch. und Altertumskunde (Westfalen) 48 (1890) S. 85–136; 50 (1892) S. 127–161. – Ernst Voulli`eme: Der Buchdruck K¨olns bis zum Ende des f¨unfzehnten Jh. Ein Beitr. zur Inkunabelbibliogr. (Publ. der Ges. f¨ur Rheinische Geschichtskunde 24). Bonn 1903. – Karl L¨offler: K¨olnische Bibliotheksgesch. im Umriß. Mit einer Nachweisung k¨olnischer Hss. und einem Beitr. v. G. Frenken u¨ ber den Kat. der Dombibl. von 833. K¨oln 1923. – Margaret Bingham Stillwell: The Fasciculus temporum. A Genealogical Survey of Editions before 1480. In: Bibliographical Essays. FS Wilberforce Earnes. Cambridge, MA 1924, S. 409–440. – Christel Schneider: Die K¨olner Kartause von ihrer Gr¨undung bis zum Ausgang des MA. K¨oln 1932. – Karl Schulte-Kemminghausen: W. R. In: Westf¨alische Lebensbilder 4 (1933) S. 48–61. – Paul Casser: Das Westfalenbild W. R.s. In: Westfalen 18 (1933) S. 26–33. – Robert Wer´ ner: Etude sur le ‹Fasciculus Temporum› e´ dition de Henri Wirczburg (1481) (Bibl. der Schweizer Bibliophilen 2,12). Bern 1937. – H. B¨ucker: W. R. (1425–1502). Leben und Pers¨onlichkeit im Spiegel des Westfalenbuches (Gesch. und Kultur 4). M¨unster 1953. – Harro Brack: W. R.s Bauernspiegel. In: Hist. Jb. 74 (1955) S. 139–149. – H. B¨ucker: Das Erscheinungsjahr des Westfalenbuches v. W. R. In: Westfalen 38 (1960) S. 162–166. – Richard Bruce Marks: The Medieval Manuscript Library of the Charterhouse of St. Barbara in Cologne. 2 850

2. H¨alfte 15. Jh. Bde. (Analecta Cartusiana 21/22). Salzburg 1974. – G¨unter Mayer: Autor – Drucker – Publikum. W. R.s Fasciculus temporum und Anton Sorgs Versuch einer dt. Ausg. In: Bibliotheksforum Bayern 4 (1976) S. 225–235. – R. B. Marks: The Significance of Fifteenth-Century Hand Corrections in the D¨usseldorf Exemplars of some of Therhoernen’s Editions of the Works of W. R. In: Gutenberg-Jb. 52 (1977) S. 49–56. – Volker Henn: Der Bauernspiegel des W. R. ‹De regimine rusticorum› und die soziale Lage westf¨alischer Bauern im sp¨aten MA. In: Westf¨alische Zs. 128 (1978) S. 289–313. – Hans Ju¨ rgen Warnecke: Das Hofrecht v. Schulze R. in Laer. Ein Beitr. zur Lebengesch. W. R.s und zum Erscheinungsjahr seines Westfalenbuches. In: ebd. 130 (1980) S. 31–49. – Leonhard Intorp: Eine Laudatio auf Westfalen in Erz¨ahltexten des 15. Jh. In: Pers¨onlichkeit und Welt, Bildung und Sprache. FS Heinz Mu¨ ller (Siegener Stud. Sonderh. 31). Hg. v. Wolfgang Hinrichs u. a. Siegen 1981, S. 111–122. – Dieter Mertens: Fr¨uher Buchdruck und Historiographie. In: Stud. zum st¨adtischen Bildungswesen des sp¨aten MA und der fr¨uhen Neuzeit (Abh. der Akad. der Wiss. in G¨ottingen Philol.-Hist. Kl. 3,137). Hg. v. Bernd Moeller u. a. G¨ottingen 1983, S. 83–111. – Adam Wienand: Die K¨olner Kartause und ihre Stellung in der Geistesgesch. Gru¨ ndung und Entwicklung. In: Die Kart¨auser. Der Orden der schweigenden Mo¨ nche. Hg. v. Marijan Zadnikar. K¨oln 1983, S. 203–286, hier S. 244 f. – Gert Melville: Gesch. in graphischer Gestalt. In: Geschichtsschreibung und Geschichtsbewußtsein im sp¨aten MA (Vortr¨age und Forschungen. Konstanzer Arbeitskreis f¨ur Ma. Gesch. 31). Hg. v. Hans Patze. Sigmaringen 1987, S. 57–154, hier S. 79–82. – V. Henn: ‹... quod interdominos et subiectos esse debet mutua dilectio›. Zu den St¨andetraktaten des K¨olner Kart¨ausers W. R. In: Die K¨olner Kartause um 1500. Eine Reise in unsere Vergangenheit. Aufsatzbd. Hg. v. Werner Sch¨afke. K¨oln 1991, S. 199–212 (wieder in: V. Henn: Aus rheinischer, westf¨alischer und hansischer Gesch. Hg. v. Franz Irsigler u. a. Trier 2009, S. 135–154). – Frans A. Janssen: Author and Printer in the History of Typographical Design. In: Quaerendo 21 (1991) S. 11–37. – Ellen Widder: Westfalen und die Welt. Anm. zu W. R. In: Westf¨alische Zs. 141 (1991) S. 93–122. – Eef A. Overgaauw: Observations on the Manuscript of W. R.s Fasciculus Temporum. The Dating of the Fasciculus Manuscript in Arnhem Public Library. In: Quaerendo 22 (1992) S. 292–300. – La851

Rolevinck viece C. Ward: Authors and Authority. The Influence of Jean Gerson, and the ‹Devotio Moderna› on the Fasciculus Temporum of W. R. In: Die Kart¨auser und ihre Welt. Kontakte und gegenseitige Einfl¨usse. Bd. 1 (Analecta Cartusiana 62). Salzburg 1993, S. 171–188. – Ilse Haari-Oberg: Die Wirkungsgesch. der Trierer Gr¨undungssage vom 10. bis 15. Jh. (Europ¨aische Hochschulschr. 3,607). Bern u. a. 1994, S. 127 f. – Severin Corsten: Buchdruck in K¨oln. Titelbl. und Vorw. einer Marienpredigt des W. R., 1470. In: Quellen zur Gesch. der Stadt K¨oln. Bd. 2: Sp¨ates MA und fr¨uhe Neuzeit (1396–1794). Hg. v. Joachim Deeters u. a. K¨oln 1996, S. 95–100. – F. A. Janssen: Ther Hoernen and R. A new Angle on an Interesting Collaboration. In: Quaerendeo 27 (1997) S. 300–306. – Uwe Neddermeyer: Von der Hs. zum gedruckten Buch. Schriftlichkeit und Leseinteresse im MA und in der fr¨uhen Neuzeit. Quantitative und qualitative Aspekte. 2 Bde. (Buchwissenschaftliche Beitr. aus dem Dt. Bucharch. M¨unchen 61,1/2). Wiesbaden 1998, S. 956 (Reg.). – L. C. Ward: A Carthusian view of the Holy Roman empire. W. R.’s Fasciculus Temporum. In: Die Kart¨auser und das Heilige R¨omische Reich. Bd. 4 (Analecta Cartusiana 140). Salzburg 1999, S. 23–44. – Volker Honemann: Theologen, Philosophen, Geschichtsschreiber, Dichter und Gelehrte im ‹Fasciculus temporum› des W. R. Ein Beitr. zur ma. Literaturgeschichtsschreibung. In: Der weite Blick des Historikers. Einsichten in Kultur-, Landes- und Stadtgesch. FS P. Johanek. Hg. v. Wilfried Ehbrecht u. a. K¨oln u. a. 2002, S. 337–356. – Klaus Gantert: W. R.: Fasciculus temporum (dt.). In: Aderlaß ¨ und Seelentrost. Die Uberl. dt. Texte im Spiegel Berliner Hss. und Inkunabeln. Hg. v. Peter J¨org Becker/E. Overgaauw. Mainz 2003, S. 431 f. – Repertorium fontium historiae medii aevi 10 (2004) S. 183–185. – Albrecht Classen: W. R.’s Fasciculus Temporum. The history of a late-medieval bestseller, or the first hypertext. In: GutenbergJb. 81 (2006) S. 225–230. – Meta NiederkornBruck: W. R. Wissensspeicher, Wissenswelt und Wissen von der Welt – Aufbereitung des Wissens bei den Kart¨ausern. In: Liber amicorum James Hogg. Kart¨auserforschung 1970–2006. Bd. 6 (Analecta Cartusiana 210). Hg. v. ders. Salzburg 2007, S. 47–68. – Frank-Joachim Stewing: Daten und Ereignisse auf einem Blick. Die Weltgesch. des K¨olner Kart¨ausers W. R. (1479). In: Hss. und fr¨uhe Drucke aus der Zeitzer Stiftsbibl. Hg. v. dems./Uwe John. 852

Montigel Petersberg 2009, S. 98–101. – Francisco J. Cornejo: Iconograf´ıa de las ilustraciones del ‹Fasciculus temporum›, de W. R. In: Gutenberg-Jb. 86 (2011) S. 27–55. VZ Kimpel, Johannes, * 1422 Memmingen, † 14.11. 1474 Augsburg (?). K. studierte an einem unbekannten Ort, wurde 1442 zum Magister promoviert und empfing 1448 die Priesterweihe. Er wirkte als Geistlicher in Augsburg und hielt sich 1460–62 in Rom auf. Seit 1473 im Besitz von Aufzeichnungen des Memminger B¨urgers Erhard → Wintergerst zur Geschichte Memmingens, erg¨anzte K. diese und f¨uhrte sie weiter (Kimpelsche Chronik). Die von K.s gleichnamigem Neffen (Studium in Wien, 1484 Priesterweihe, seit 1496 Dekan des Kollegiatstifts Gr¨onenbach, † 23.9.1523) fortgef¨uhrte Chronik blieb in Familienbesitz. Die letzte Weiterf¨uhrung der Chronik bis zum Jahr 1622 stammt von Jonas Kimpel. ¨ Uberlieferung: Memmingen, StB, Cod. 2,19.2 (17. Jh.). – Paris, Bibl. Nationale, Ms. allem. 92, 80 Bll. (16. Jh.). Literatur: Peter Johanek, VL2 4 (1983) Sp. 1146 f. – Michael Bohl¨ander: Universalgesch. und Hausbuch. Aspekte zur Kimpelschen Chron. (der Stadt Memmingen). In: Die Funktion außerund innerliterarischer Faktoren f¨ur die Entstehung dt. Lit. des MA und der fr¨uhen Neuzeit. Tagung Greifswald, 18.9. bis 20.9.1992. Hg. v. Christa Baufeld (GAG 603). G¨oppingen 1994, S. 281–300. BJ Montigel, Rudolf (Monzigel, von Montigel). – schweizer. Liederdichter. M. lebte zur Zeit der Burgunderkriege als B¨urger in Luzern und hinterließ zwei dt. Lieder. Das sog. Lied von der Ewigen Richtung (Incipit: «Der su¨ eße sumer fr¨owet mich») entstand 1474 bald nach dem B¨undnisschluss zwischen den Eidgenossen und dem o¨ sterr. Herzog Sigmund. Der Text enth¨alt 23 Strophen zu acht Zeilen mit jeweils zwei Paarreimen gefolgt von einem Schweifreim. Das Lied lobt den neuen Bund gegen¨uber den alten ¨ Konflikten zwischen Osterreich und den Eidge¨ nossen. Zugleich fordert das Lied von den Osterreichern die Einhaltung des B¨undnisses und stellt die Eidgenossen als starke B¨undnispartner im Kampf gegen Venedig und die Tu¨ rken dar. Durch eine 853

2. H¨alfte 15. Jh. Eigennnennung am Schluss ist das Lied eindeutig M. zuzuordnen. Ein zweites Lied u¨ ber die Schlacht bei Grandson (Osterrich, du slafest gar lang) ist zwar anonym u¨ berliefert. Da M. aber nachweislich ein Lied u¨ ber die Schlacht dichtete, wird ihm der Text allgemein zugeschrieben. Das Lied umfasst 30 Strophen zu sechs Zeilen mit jeweils einem Paarreim und einem anschließenden Schweifreim. Die im Text beschriebe Schlacht fand w¨ahrend der Burgunderkriege statt und f¨uhrte im M¨arz 1476 zur eidgen¨ossischen R¨uckeroberung der Burg Grandson von Karl dem K¨uhnen. M. nahm selbst an der Schlacht bei Grandson teil und erholte sich in Bern von einer dort erlittenen Verwundung. Sein Lied ¨ verurteilt Osterreich, denunziert Karl als Antichrist und lobt die Eidgenossen, indem er im Text die an der Schlacht beteiligten St¨adte und ihre Verdienste aufz¨ahlt. Insgesamt beweisen M.s Lieder den patriotischen Geist des Verfassers, sind aber trotz poetischer Ans¨atze (das Naturbild zu Beginn des Lieds von der Ewigen Richtung) eher unbeholfen gedichtet. ¨ Uberlieferung: 1. Lied von der Ewigen Richtung: Z¨urich, ZB, Cod. A 161 (fr¨uher B 94), 42v–45r (Pap., um 1485). – 2. Lied u¨ ber die Schlacht ¨ bei Grandson: Uberl. nur in Chronikhss. – a. Bei Diebold Schilling: Bern, Burgerbibl., Mss. h. h. I. 3, S. 672–678 (Perg., um 1474–84). – Z¨urich, ZB, Ms. A 5, S. 565–573 (Pap., 1480–84). – b. Bei Werner Schodoler: Aarau, Kantonsbibl., Ms. ZF 18, 187v–189v (Pap., um 1514–32). – c. Bei Werner Steiner: Luzern, ZB, Ms. 382.4, S. 81–89 (Pap., 1532). – Sowie in sp¨ateren Abschr. dieser Chroniken. Ausgaben: Die historischen Volkslieder der Deutschen vom 13. bis 16. Jh. 2. Hg. v. Rochus von Liliencron. Leipzig 1866 (Nachdr. Hildesheim 1966) Nr. 129, 138. – Die Berner-Chronik des Diebold Schilling 1468–1484 I. Hg. v. Gustav Tobler. Bern 1897, S. 391–396. – Schweizerische Volkslieder 2. Hg. v. Ludwig Tobler. Frauenfeld 1884, S. 15–23. – Historische Volkslieder der dt. Schweiz. Hg. v. Otto v. Greyerz. Leipzig 1922, S. 55 f. – Thomas Cramer: Die kleineren Liederdichter des 14. und 15. Jh. 2. M¨unchen 1979, S. 306–311. – Die eidgen¨ossische Chronik des Wernher Schodoler um 1510 bis 1535. Kommentar zur Faksimile-Ausgabe der dreib¨andigen Handschrift MS 62 in der Leopold-Sophien-Bibliothek 854

2. H¨alfte 15. Jh. Ueberdingen, MS 2 im Stadtarchiv Bremgarten. Hg. v. Walther Benz. Luzern 1983, S. 232 f. Literatur: Frieder Schanze, VL2 6 (1987) Sp. 682 f.; 11 (2004) Sp. 1012. – De Boor/Newald 4/1 (21994) S. 187. – Viktoria Prasser: Die Sage von der Zukunftsschlacht am Baum. Berlin 1940, S. 168. MM Rusch, ¨ Niklaus (Niclaus), * um 1430 Basel, † 21.10.1506 Basel. – Schreiber, Notar, Chronist. Der Sohn des gleichnamigen Basler Malers war 1457 und 1459–74 Stadtschreiber und Gesandter von M¨ulhausen, 1474–97 Basler Stadtschreiber, seit 1475 Vorsteher der Safranzunft, zwischen 1498 und 1506 viermal Ratsherr, 1475 und 1479 Dreizehner (Geheimer Staatsrat), 1501/1502 und 1504/1505 Neuner (Geheime Wahlm¨anner), zwischen 1497 und 1506 viermal Oberstzunftmeister. Zahlreiche Gesandtschaften f¨uhrten ihn ins Reich und in die Eidgenossenschaft, nach 1475 auch zum Kaiser und zum Papst sowie zum Frieden von Basel 1499. Zwischen 1474 und 1476 von R. angelegte dt. Aufzeichnungen u¨ ber zeitgen¨ossische Ereignisse sollten vermutlich die Grundlage f¨ur eine Chronik der Burgunderkriege bilden; erhalten sind nur Fragmente. Als Stadtschreiber verfasste er im Auftrag des Rats mehrere Briefe u¨ ber die auch in seinen Aufzeichnungen behandelten Ereignisse (u. a. Vorgeschichte der Burgunderkriege), die an die St¨adte K¨oln, L¨ubeck und Erfurt gesandt wurden. ¨ Uberlieferung: Basel, Staatsarch., A. G. 6, S. 3 f., 9–15, 39–46, 51 f. Ausgaben: Bernoulli (s. Lit.) S. 18–58 (einschließlich der Briefe). – Vischer (s. Lit.) S. 292–305 und S. 305–332 (ein Teil der Briefe). Literatur: Frieder Schanze, VL2 8 (1992) Sp. 424 f. – Samuel Sch¨upbach-Guggenb¨uhl, HLS Online. – Carl Christoph Bernoulli: Die Beschreibung der Burgunderkriege durch den Basler Stadtschreiber N. R. Diss. Basel 1886. – Wilhelm Vischer [/C. C. Bernoulli] (Hg.): Basler Chron. Bd. 3. Leipzig 1887, S. 275–292, 638–640. – Richard Feller/Edgar Bonjour: Geschichtsschreibung der Schweiz vom Sp¨atMA zur Neuzeit. Bd. 1. 2., durchges. u. erw. Aufl. Basel/Stuttgart 1979, s. 40. BJ Kiburger, Elogius (Eloy, Loyen, Loy, Login), † 18.7.1506 Bern. – Leutpriester, Verfasser einer legendenhaften Chronik und einer Pestschrift. K. erscheint 1439 im Dienst der Herren von Bubenberg. Seit 1446 war er Pfarrer von Einigen, 1456–1503 von Worb, seit 1478 K¨ammerer 855

Rusch ¨ und Kaplan des Marienaltars in M¨unsingen und 1488–1506 Chorherr des Kollegiatstifts St. Vinzenz in Bern. K. verfasste zu Ehren der Herren von Bubenberg nach 1464 die Stretlinger [Str¨atlinger, Str¨attliger] Chronik. Die aus zw¨olf Kapiteln bestehende Chronik erz¨ahlt, beginnend mit dem Jahr 121 n. Chr., die Geschichte der Herren von Str¨atlingen (Stret[e]lingen) und ihrer Kirche von Einigen. Das Werk endet mit dem letzten Walther von Str¨atlingen und der Aufz¨ahlung der 67 Reliquien von Einigen. Die von K. erw¨ahnten Quellen sind nicht erhalten; f¨ur die den Hauptteil der Chronik ausmachenden Sagen, Wunderberichte und Legenden benutzte K. neben der lokalen Tradition den Dialogus miraculorum des Caesarius von Heister¨ bach (mit w¨ortlicher Ubernahme ganzer Passagen), das → Passional (Michaelstoff), die Legenda aurea des → Jacobus a Voragine und die Chronik des → Martin von Troppau. In seinem um 1480 entstandenen Regimen pestilentiale nimmt K. auf die Berner Pestepidemie von 1439 Bezug. Der deutschsprachige Text – ebenfalls eine Kompilation – behandelt zun¨achst die Vorbeugung, in einem zweiten Teil die Behandlung der Krankheit. ¨ Uberlieferung: Bern, Staatsarch., Cod. B III 40, S. 1–166 (Stretlinger Chronik), S. 169–184 (Regimen pestilentiale) (Mitte 15. Jh.). Ausgaben: Jakob Baechtold (Hg.): Die Stretlinger Chron. Ein Beitr. zur Sagen- und Legendengesch. der Schweiz aus dem XV. Jh. (Bibl. a¨ lterer Schriftwerke der dt. Schweiz und ihres Grenzgebietes 1). Frauenfeld 1877 (Studienausg. 1917). – Peter Lerch (Hg.): Das Regimen pestilentiale aus der Str¨attliger Chron. (Berner Beitr. zur Gesch. der Medizin und der Naturwiss. 8). Bern 1949. Literatur: Guy P. Marchal, VL 5 (1983) 1143–1146. – De Boor/Newald 4/1 (21994) S. 143. – Kathrin Utz Tremp, HLS 7 (2007) S. 199 f. – Rainer Hugener, Killy2 6 (2009) S. 400 f. – Max Gr¨utter: Ist die Str¨attliger Chron. historisch wertlos? In: Bll. f¨ur Bernische Gesch., Kunst und Altertumskunde 24 (1928) S. 107–115. – Hans Gustav Keller: Einigen. Die Gesch. einer bernischen Dorfkirche. Thun 1946. S. 57–59. – Ders.: E. K. und seine ‹Str¨atlinger Chron.›. In: Hist. Museum Schloss Thun, Jahresbericht 1945. Thun 1946, S. 15–36. – Richard Feller/Edgar Bonjour: Geschichtsschreibung der Schweiz vom Sp¨atMA 856

Rudimentum noviciorum zur Neuzeit. Bd. 1. Basel/Stuttgart 21979, S. 33 f. – K. Tremp-Utz: Die Chorherren des Kollegiatstifts St. Vinzenz in Bern. In: Berner Zs. f¨ur Gesch. und Heimatkunde 46 (1984) S. 55–110, hier S. 71 f. – Thomas Heim: Die Str¨attliger Chron. Einblicke in das bernische Wallfahrtswesen. In: Berner Zs. f¨ur Gesch. 71 (2009) H. 3, S. 1–56. BJ Mulich, ¨ Hektor, * um 1420, † 1489/90. – Kaufmann, 1465–85 Ratsherr, Zunftmeister der Kramer, f¨uhrender Politiker Augsburgs. H. M., der m¨utterlicherseits mit den Peutinger und durch Heirat mit den Fugger verwandt war, hat zusammen mit seinem Bruder J¨org → M. eine Sammlung ma. Literatur angelegt, von der heute noch 13 Handschriften und Drucke erhalten sind. Etwa die H¨alfte ist von den beiden Br¨udern selbst abgeschrieben, wobei vier der Handschriften von Hektor mit Federzeichnungen illustriert wurden. Neben par¨anetischer Literatur u¨ berwiegt die Historiographie; hier hat Hektor seine Abschrift von Sigismund → Meisterlins Augsburger Chronik mit Nachtr¨agen von 1348 bis 1456 erg¨anzt. Wohl aus diesem Interesse entstand auch Hektors eigene Augsburger Chronik, die von 1348 bis 1487 reicht und Geschehnisse der Region, des Reichs und der europ¨aischen L¨ander umfasst. W¨ahrend er bis 1440 vor allem die Chronik des Erhard Wahrhaus benutzt, basieren die folgenden Berichte auf eigenen Erfahrungen seiner amtlichen und kaufm¨annischen T¨atigkeit. Das Werk hatte großen Einfluß auf die Augsburger Geschichtsschreibung und wurde von J¨org Demer, Matthias Manlich, Marx Walther und Wilhelm Rem fortgesetzt. Ausgabe: Friedrich Roth (Hg.): Die Chroniken der schw¨abischen St¨adte. Augsburg. 3. Bd. (Chron.dt.St. 22). Leipzig 1892. – Weber (s. Lit.) S. 263–273 (Fortsetzung der Meisterlin-Chronik). Literatur: Werner Alberts, VL2 6 (1987) S. 738–742. – Klaus Graf, NDB 18 (1997) S. 303. – Paul Joachimsohn: Die humanistische Geschichtsschreibung in Deutschland. H. 1. Die Anf¨ange. Sigismund Meisterlin. Bonn 1895, S. 78–84. – Dieter Weber: Geschichtsschreibung in Augsburg. H. M. und die reichsst¨adtische Chronistik des Sp¨atMA. Augsburg 1984. – Rosa Micus: Augsburger Handschriftenproduktion im 15. Jh. In: ZfdPh 104 (1985) S. 411–424. – Helmut Gier: Kirchliche und private Bibliotheken in Augsburg w¨ahrend des 15. Jh. In: Literarisches Leben in Augsburg 857

2. H¨alfte 15. Jh. w¨ahrend des 15. Jh. Hg. v. Johannes Janota. Tu¨ bingen 1995, S. 82–99. – Frank F¨urbeth: Privatbi¨ bliotheken und Uberlieferungsgesch. Eine schwierige Beziehung. In: Pal¨aste der Gelehrsamkeit. Privatbibliotheken im sp¨aten MA und in der fr¨uhen Neuzeit. Hg. v. Oliver Auge/Falk Eisermann (im Druck). FF Mulich, ¨ J¨org (Georg), * vor 1430, † 1501/1502. J. M. stammte aus einer reichen Augsburger Kaufmannsfamilie; mit seinem Bruder Hektor → M. verband ihn die gemeinsame B¨ucherleidenschaft. In einer von ihm geschriebenen und von Hektor illustrierten Handschrift findet sich eine Beschreibung der wichtigsten St¨atten des Heiligen Landes (Jaffa, Jerusalem, Jordanm¨undung), das J. M. zusammen mit vier adligen Herren im Jahr 1449 als Pilger besuchte. J. M. hat außerdem noch einen Bericht u¨ ber seine Pilgerreise hinterlassen, in dem auch die Anreise u¨ ber Venedig geschildert wird; eine Umformung dieses Berichts in eine Reiseanleitung f¨ur Jerusalempilger wurde vielleicht von dem Augsburger B¨urger Heinrich Pittinger vorgenommen, der Nachbar der M¨ulichs gewesen war. Ausgabe: Ulrich Seelbach (Hg.): J. M., Beschreibung der heiligen St¨atten zu Jerusalem und Pilgerreise nach Jerusalem. G¨oppingen 1993. Literatur: Dietrich Huschenbett, VL2 6 (1987) Sp. 742 f. – Rosa Micus: Augsburger Handschriftenproduktion im 15. Jh. In: ZfdPh 104 (1985) S. 411–424. – Helmut Gier: Kirchliche und private Bibliotheken in Augsburg w¨ahrend des 15. Jh. In: Literarisches Leben in Augsburg w¨ahrend des 15. Jh. Hg. v. Johannes Janota. T¨ubingen 1995, S. 82–99. – Frank F¨urbeth: Privatbibliotheken und ¨ Uberlieferungsgesch. Eine schwierige Beziehung. In: Pal¨aste der Gelehrsamkeit. Privatbibliotheken im sp¨aten MA und in der fr¨uhen Neuzeit. Hg. v. Oliver Auge/Falk Eisermann (im Druck). FF Rudimentum noviciorum. – Welthistorisches Kompendium. Das vielleicht von einem Mitglied des L¨ubecker Domkapitels verfasste R. N. ist ein lat. Kompendium der Weltgeschichte von der Genesis bis 1473. Der erste und meistverbreitete Druck des Werks erfolgte im August 1475 bei Lukas Brandis in L¨ubeck (GW M39062; s. Drucke). M¨oglicherweise war Brandis aber nicht nur Drucker, sondern auch an der Redaktion beteiligt. Der Druck liegt in zwei Fassungen mit 464 bzw. 474 Bl¨attern vor, die sich 858

2. H¨alfte 15. Jh. durch eine eingef¨ugte Lage von Tabellen unterscheiden. Eine geplante Zweitauflage mit reduzierter Ausstattung und gek¨urztem Text ist nur in Form von Probedrucken erhalten. Auch sind franz¨osische Drucke des R. N. u¨ berliefert. Das R. N. ist in sechs Weltalter aufgeteilt, in denen die biblische und weltliche Geschichte jeweils synchron dargestellt werden. Dabei folgt das R. N. nicht nur den Kaisern und P¨apsten der Weltgeschichte, wie es in vielen ma. Chroniken u¨ blich war. Charakteristisch ist vielmehr die starke Einbeziehung von Gelehrten und Schriftstellern. Geographisch spielen norddt. Ereignisse eine wichtige Rolle, in den redigierten franz¨osischen Drucken die Geschichte Frankreichs ab Karl dem Großen. Die Form der Darstellung ist vor allem im sp¨ateren Berichtszeitraum annalistisch. Im Anhang sind dem R. N. ein Heiligenkalender nach Usuard und ein umfangreiches Register hinzugef¨ugt. Hinzu kommen mehrere Landkarten, so eine Weltkarte nach De proprietatibis rerum von Bartholom¨aus Anglicus und eine Pal¨astina-Karte, die hier im Kontext der Descriptio Terrae Sanctae des Burchardus de Monte Sion eingebaut ist. Im Text finden sich weiterhin Holzschnitte, etwa Portr¨ats antiker Autoren oder Darstellungen von Stadtgr¨undungen (u. a. L¨ubeck, L¨uneburg, Wismar). Als Vorlagen des R. N. dienten neben dem L¨ubecker Chronicon Slavicum (1459) auch → Martin von Troppau und → Petrus Comestor. Weitere Quellen waren Cicero, Seneca, Ovid, Vergil, Horaz, Terenz und die Kirchenv¨ater. Rezipiert wurde das Werk etwa im Fasciculus temporum des → Rolevinck. Die neuere Forschung hat vor allem die Landkarten des R. N. untersucht, allerdings besitzt das Kompendium auch historiographische Qualit¨aten. Dazu z¨ahlt besonders sein bewusster und sorgf¨altiger Umgang mit den Quellen. ¨ Ubersetzung: La Mer des hystoires. Traduction du ‹Rudimentum noviciorum›. Hg. v. Nelly Sciardis. Paris 2003. Drucke: Lat. und franz¨osische Drucke und Digitalisate s. GW M39062, M39074, M39077, M39079, M39078, M39081. Literatur: Hartmut Kugler, VL2 11 (2004) Sp. 1340–1344. – Gustav Kohlfeldt: Zur Druckgesch. des L¨ubecker R. Novitiorum vom Jahre 1475. In: Zentralbl. f¨ur Bibliothekswesen 24 (1907) S. 26–30. – Adolf Schmidt: Neue Funde von Probedrucken des Lukas Brandis in L¨ubeck in der LB zu Darmstadt. In: Nordisk Tidskrift f¨or bok859

Hans von Waltheym och biblioteksv¨asen 12 (1925) S. 93–106. – Albert Schramm: Der Bilderschmuck der Fr¨uhdrucke 10: Die Drucker in L¨ubeck 1: Die beiden Br¨uder Brandis. Leipzig 1927, S. 8 u. o¨ . – Mappemondes a. d. 1200–1500. Hg. v. Marcel Destombes. Amsterdam 1964, S. XXIX u. o¨ . – Robert Brun: La ‹Mer des histoires› de Pierre Le Rouge offerte a Charles VIII. In: Humanisme actif 2. FS Julien Cain. Hg. v. ´ Etienne Dennery. Paris 1968, S. 191–197. – Ursula Altmann: Die Leistungen der Drucker mit Namen Brandis im Rahmen der Buchgesch. des 15. Jh. Diss. Berlin 1974. Online-Ausg. ebd. 2005, S. 46–48 u. o¨ . – Anna-Dorothee v. den Brincken: Universalkartographie und geographische Schulkenntnisse im Inkunabelzeitalter. In: Stud. zum st¨adtischen Bildungswesen des sp¨aten MA und der fr¨uhen Neuzeit. Ber. u¨ ber Kolloquien der Kommission zur Erforschung der Kultur des Sp¨atMA 1978 bis 1981. Hg. v. Bernd Moeller u. a. G¨ottingen 1983, S. 398–429. – Hans Michael Winteroll: Summae innumerae. Die Buchanzeigen der Inkunabelzeit und der Wandel lat. Gebrauchstexte im fr¨uhen Buchdruck. Stuttgart 1987, S. 383–405. – Ilse Haari-Oberg: Die Wirkungsgesch. der Trierer Gr¨undungssage vom 10. bis 15. Jh. Bern u. a. 1994, S. 130 f. – Michael Herkenhoff: Die Darstellung außereurop¨aischer Welten in Drucken dt. Offizinen des 15. Jh. Berlin 1996, S. 110–114. – Evelyn Edson: The World Map, 1300–1492. The Persistence of Tradition and Transformation. Baltimore 2007, S. 169–172. – Val´erie Gontero: Marginalia versus fabula. La fonction illustrative de l’oiseau dans l’incunable ‹La Mer des histoires›. In: ˆ D´eduits d’oiseaux au Moyen Age. Hg. v. Chantal Connochie-Bourgne. Aix-en-Provence 2009, S. 105–110. MM Hans von Waltheym (Waldheim), * um 1422 Halle/Saale, † 21.4.1479 Leipzig. – Salzjunker, Ratsherr, Verfasser eines nd. Reiseberichts. H.s Familie stammte urspr¨unglich aus Franken. H. wuchs in Halle auf und besuchte die Lateinschule. Er scheint sich auch beim Konzil von Basel aufgehalten zu haben. Seit 1450 war er Pf¨anner und Angeh¨origer der Salzjunker-Genossenschaft, sp¨ater Ratsherr, seit 1457 Oberbornmeister und 1459–68 mehrmals erster Ratsmeister. Nach innerst¨adtischen Konflikten um die beherrschende Position der Pf¨anner musste deren Vertreter H. als Oberbornmeister zur¨ucktreten. Er verließ Halle 860

Simon von Trient und verbrachte seine letzten Lebensjahre in Leipzig. H. unternahm von Februar 1474 bis M¨arz 1475 eine Pilgerreise nach S¨udfrankreich. Zu seinen Reisestationen z¨ahlten u. a. Erfurt, N¨urnberg, Landshut, Ulm, Konstanz, Bern, Fribourg, Genf, Avignon, Saint-Maximin-la-Sainte Baume (Reiseziel), Z¨urich, Basel und Schaffhausen. Auch besuchte H. in der Ranftschlucht den Mystiker und Eremiten → Nikolaus von der Fl¨ue. W¨ahrend der Fahrt entstanden Reisenotizen, die H. sp¨ater zu einem nd. Reisebericht zusammenstellte. Der Text ist nur in einer Abschrift erhalten. H.s Schilderungen gelten wegen ihres Detailreichtums als wichtige historische Quelle. Besondere Aufmerksamkeit widmete H. der Darstellung von Kirchen, Reliquien, Heiligen- und M¨artyrergr¨abern. Dies k¨onnte nicht nur auf H.s Fr¨ommigkeit zur¨uckgehen – m¨oglicherweise war er vom th¨uringischen Herzog Wilhelm III. beauftragt worden, Reliquien zu erwerben. ¨ Uberlieferung: Wolfenb¨uttel, HAB, cod. 17.2 Aug. 4°, 225 Bll. (Pap., 15. Jh., Abschr.). Ausgaben: Gustav Freytag: Nikolaus v. der Fl¨ue. In: Im neuen Reich 2 (1872) H. 1, S. 593–610 (wieder in: Ders.: Vermischte Aufs¨atze aus den Jahren 1848–1894 II. Hg. v. Ernst Elster. Leipzig 1903, S. 3–59; Teilausg.). – H. v. Waldheims Reisen durch die Schweiz im Jahre 1474. Hg. v. Friedrich Emil Welti. In: Arch. des Hist. Ver. des Kantons Bern 25 (1920) H. 2, S. 89–154 (Teilausg.). – Das oberbadische Land im Pilgerbuche des H. v. Waltheim aus den Jahren 1474/75. Hg. v. Albert Werminghoff. In: Zs. f¨ur Gesch. des Oberrheins NF 37 (1922) S. 71–83. – Die Pilgerfahrt des H. v. W. im Jahre 1474. Hg. v. F. E. Welti. Bern 1925. MikroficheAusg. G¨ottingen 1996. ¨ Ubersetzungen: Le p`elerinage de H. v. W. en l’an 1474. Hg. v. Annie Faug`ere. In: Provence historique Bd. 41 (1991) S. 465–474, 499–507, 521–525, ¨ ¨ 533–542. – Altere Ubers. bei Huschenbett 1981. Literatur: Ehrismann 2,1 (1922) S. 523. – Dietrich Huschenbett, VL2 3 (1981) Sp. 460–463. – Johannes Freydank: Die Hallesche Pf¨annerschaft im MA. Halle/Saale 1927, S. 164. – Karl Voretzsch: Reisen Deutscher nach der Provence und S¨udfrankreich in fr¨uheren Zeiten. Bd. 3: Die Pilgerfahrt des Hallischen Salzjunkers H. v. W. nach der Provence 1474 und andere Pilgerreisen im 15. Jh. In: Volkstum und Kultur der Romanen 13 (1940) S. 30–110. – Werner Paravicini: H. v. W., 861

2. H¨alfte 15. Jh. pelerin et voyageur. In: Provence Historique 41 (1991) S. 433–464. – Victor Saxer: Notes en marge du r´ecit de W. In: ebd. 41 (1991) S. 499–525. – Walter Haas: H. v. W.s Pilgerreise und sein Besuch in Freiburg (1474). In: Freiburger Geschichtsbll. 69 (1992) S. 7–39. – Europ¨aische Reiseber. des sp¨aten MA. Eine analytische Bibliogr. Bd. 1: Dt. Reiseber. Bearb. v. Christian Halm. Hg. v. Werner Paravicini. Frankfurt/M. u. a. 1994. 22001, S. 171–174. – Uli Mu¨ nzel: Baden im Spiegel seiner G¨aste. In: Badener Neujahrsbll. 73 (1998) S. 126–131. – Andrea Stierlin: Eine Pilgerfahrt im Geiste. Stud. zum Ber. des H. v. W. Genf 2001. – Frank Meier: H. v. W. auf Pilgerfahrt und Bildungsreise. Mobilit¨at als didaktischer Zugang zur ma. Gesch. Hamburg 2003. – Arnold Esch: Von Halle in die Provence. Der Ber. des H. v. W. u¨ ber seine Pilgerreise 1474. In: Jb. f¨ur hallische Stadtgesch. 2007 (2007) S.10–39. – Carina Brumme: Das sp¨atma. Wallfahrtswesen im Erzstift Magdeburg, im F¨urstentum Anhalt und im s¨achsischen Kurkreis. Entwicklung, Strukturen und Erscheinungsformen frommer Mobilit¨at in Mitteldeutschland vom 13. bis zum 16. Jh. Frankfurt/M. u. a. 2010, S. 201–208. MM Simon von Trient. – Weitl¨aufiger Komplex von Texten, die sich auf den angeblichen Ritualmord an dem Knaben Simon, Sohn eines Gerbers aus Trient, beziehen. Am Ostermontag des Jahres 1475 (27.3.) wurde die Leiche des seit Gr¨undonnerstag vermissten Simon in der N¨ahe des Hauses des j¨udischen Geldh¨andlers Samuel in einem Graben, der zur Etsch f¨uhrte, aufgefunden. Bereits am n¨achsten Tag setzte ein Prozess gegen die ju¨ dische Gemeinde von Trient ein, die man mit dem (seit dem 12. Jh. gel¨aufigen) Vorwurf konfrontierte, das Kind entf¨uhrt und zur Gewinnung seines Bluts ermordet zu haben. In zuvor nie dagewesenem Ausmaße wurde das Ereignis begleitend medial aufbereitet. Gegen die r¨ucksichtslos sich durchsetzenden Absichten des Bischofs Johann Hinderbach, mit dem Knaben Simon einen Lokalheiligen zu kreieren, vermochte weder der engagierte p¨apstliche Kommissar Giovanni Battista dei Guidici, noch der Papst, noch auch der Herzog von Tirol etwas auszurichten. Zahlreiche Intellektuelle der Zeit sekundierten dem Bischof mit zum Teil besorgniserregend unreflektierten Pamphleten. Die m¨annlichen Mitglieder der drei j¨udischen Familien starben, nachdem man Gest¨andnisse unter Folter er862

2. H¨alfte 15. Jh. presst hatte, auf dem Scheiterhaufen. Die Seligsprechung des Knaben, die umgehend die gew¨unschte Wallfahrt nach Trient ausl¨oste, wurde durch die p¨apstliche Bulle vom 20.6.1478 nachtr¨aglich sanktioniert. 1588 in den liturgischen Kalender aufgenommen, wurde der Simon-Kult erst 1965 durch den Vatikan aufgehoben. Aus der Flut agitatorischen Schrifttums ist nicht wenig in die zeitgen¨ossische Chronistik (u. a. Werner → Rolevinck, Johann → Naukler, Hartmann → Schedel) eingegangen. Im Folgenden kann nur das wichtigste hervorgehoben werden. I. Lateinische Texte. I. 1. A. Johannes Matthias Tiberinus, Passio beati Simonis. Drastischer Ereignisbericht des Leibarztes von Bischof Hinderbach vom 4.4.1475 in Briefform, gerichtet an den Rat der B¨urger von Brescia. Der mit biblischem und humanistischem Zierrat u¨ berladene Text wurde im Druck in f¨unf Redaktionen verbreitet: ¨ Uberlieferung: a) Ohne Titel: Sant’Orso [Vicenza], Hans vom Rin (Hain 15652). Erstdruck. – Weitere Drucke: [Augsburg, St. Ulrich u. Afra] (Hain 15649); [N¨urnberg], Friedrich Creussner (Hain 15654); [K¨oln, Drucker des Salomo und Markolf, um 1480] (Hain 15648). – b) Iohannis Mathie liberalium artium et medicine doctoris de obitu beati Simonis [...]. Treviso, Geraert van der Leye (Hain 15653). Nachdr.: 20.6.1475. – c) Passio Beati Simonis pueri Tridentini [...]; [Rom, Bartholom¨aus Guldinbeck] (Hain 15650). – Mantua, [Johann Schall] (Hain 15651). – d) De infantulo in ciuitate Tridentina rapto [...]. Neue Datierung 17.4.1475: Rom, Bartholom¨aus Guldinbeck, 19.6.1475 (Hain 15656). Nachdr.: 24.7.1475 (Hain 15655). – e) Ohne Titel, adressiert an Raphael Zovenzonius; [Venedig], Gabriel de Petro (Hain 15659). Nachdr.: [Venedig], Nicolas Jenson. ¨ I. 1. B. Ubersetzungen von I. 1. A. (um 1476): a) Die Geschicht vnd legend von dem seyligen kind vnd marterer genannt Symon [...]. Augsburg, G¨unther Zainer (Hain 15658). Mit 12 Holzschnitten. Nach 1. A. a) (Hain 15649), erg¨anzt um einen Bericht u¨ ber die vollstreckte Hinrichtung der Trienter Juden. Abschrift: Berlin, SBB, Mgq 43, 2r–10v. – b) Johannes Mathias Tuberinus der freyen kuonst vnd Ertzney doctor [...] Großmechtigen regirer [...], [N¨urnberg, Friedrich Creussner] (Hain 15657). Nach 1. A. a) (Hain 15654) mit einigen Zus¨atzen und Ab¨anderungen. – c) Mnd. Fassung in Der → Heiligen Leben, zuerst: L¨ubeck, Steffen 863

Simon von Trient Arndes, 1492, Bl. Clxxxvr–Clxxxviir. – L¨ubeck, Steffen Arndes, 1499, CCr–CCiir . I. 2. Johannes Matthias Tiberinus, Historia completa de passion et obitu pueris Simonis. Nach dem Prozess von Tiberinus vervollst¨andigte, u. a. um 27 angeh¨angte Mirakel erg¨anzte Fassung. Der Druck wurde vom bisch¨oflichen K¨ammerer Hermann Schindeleyp in Auftrag gegeben. ¨ Uberlieferung: 2 Drucke. Trient, [Albert Kunne], 9.2.1476 (Hain 15661). Rom, Bartholom¨aus Guldinbeck [um 1476]. I. 3. Johannes Matthias Tiberinus, Carmina. Sammelausgabe von Gedichten, die f¨ur den SimonKult werben (bis 1478), darunter die Lamentationes beati Simonis (31 Distichen). ¨ Uberlieferung:: Trient, Leonardus Longus, 5.9. 1482 (Hain 15660). I. 4. Silvester de Balneorgio, Conclusiones cum earum declaracionibus super canonizacione beati Symonis. Der Augustinereremit widmete Bischof Hinderbach (6.12.1475) ein Schreiben, das die erf¨ullten Bedingungen f¨ur die Seligsprechung Simons attestiert. ¨ Uberlieferung: [Trient, Albert Kunne, 1475/76] (Hain 15203). I. 5. Nikolaus von Mantua, Sermo de beato Symone martire Tridentino. Von Bischof Hinderbach veranlasste Stellungnahme eines Franziskaners (7.10.1479), die belegt, dass Simon alle Kriterien f¨ur eine kirchliche Verehrung, wie sie in der p¨apstlichen Bulle abgelehnt worden war, erf¨ulle. ¨ Uberlieferung: Hsl. Paris, Bibl. Nat., ms. nouv. acq. lat. 505, 1r–6v. I. 6. Raphael Zovenzonius (1431–1485), antij¨udisches Gedicht Surgite pontifices tuque o sanctissime Caesar (73 Hexameter), entstanden auf die briefliche Aufforderung Bischof Hinderbachs (30.4.1475). ¨ Uberlieferung: In 1. A. d) und 3. I. 7. Johann Hinderbach, Carmina. Bisher nicht untersuchte Gedichte des Bischofs. ¨ Uberlieferung: Trient, Archivio di Stato, capsa 69, Nr. 200. Ausgabe: Giuseppe Menestrina: Gli ebrei a Trento. In: Tridentum 6 (1903) S. 359 f. I. 8. Anonymus, Schm¨ahgedichte auf Giovanni Battista dei Guidici (Herbst 1475). ¨ Uberlieferung: Trient, Archivio di Stato, capsa 69, Nr. 199, 200. Ausgabe: G. Menestrina, Gli ebrei a Trento (s. o.) S. 359 f. 864

Simon von Trient I. 9. Johann Schlitpacher von Melk (1403–1482), Klageepigramm Preterita ut sileam quod nuper in urbe Tridenti (noch 1475). ¨ Uberlieferung: Melk, Stiftsbibl., cod. 1860 (B 26), 206v. I. 10. Thomas Pratus, De immanitate Iudeorum in Symonem Tridentinum (214 Distichen). Versifizierung des Tiberinus-Berichts, die allerdings nur die erste Prozessphase referiert (noch 1475). Bischof Hinderbach wird als herkulischer Befreier vom j¨udischen Ungeheuer gefeiert. ¨ Uberlieferung: Treviso, Geraert van der Leye [1475]. I. 11. Johannes Calphurnius (1433–1503), Mors et apotheosis Simonis infantis novi martiris (250 Hexameter) mit einleitendem Lobgedicht auf den Widmungstr¨ager Hinderbach (95 Verse). ¨ Uberlieferung: [Trient, Giov. Leonardo Longo, um 1481] (GW 5919). Vicenza, Hans vom Rin, 1481 (GW 6389). I. 12. Ubertinus Pusculus, Simonis (667 und 974 Hexameter). Zweiteiliges, Hinderbach gewidmetes Epos (nach 1476) auf der Basis von 2., das das Ereignis zum universalen Kampf der Juden gegen die Christen stilisiert, angereichert um Exkurse zur Geschichte des Judentums und zum «ersten M¨artyrer» Richard von Paris (1179), abgeschlossen mit der Geschichte der unter der Folter standhaften Frau des Juden Samuel. ¨ ¨ Uberlieferung: Wien, ONB, cod. Ser. n. 12822. Danach der Druck: Vbertini Pusculi Brixiensis duo libri Symonidos, Augsburg, Johann Otmar, 1511. I. 13. Samuel Karoch von Lichtenberg, Erz¨ahlung Quid dictare debeo cum prophando ignarus (282 Vagantenzeilen) (um 1480) mit Legendenprolog und Gebetsepilog. ¨ Uberlieferung: Ottobeuren, Benediktinerabtei, cod. O. 76, 131r–134v. I. 14. Quintus Aemilianus Cimbriacus, Historia beati Simonis Tridentini und Pinacedion (135 und 26 Distichen), die weitgehend um die Passion des Kindes und dessen Wundert¨atigkeit kreist. ¨ Uberlieferung: [Wien, Johann Winterburg, um 1493] (GW 311). II. Deutsche Texte. II. 1. Matth¨aus K¨unig, Gedicht Heiliger geist nu gib mer vnder richt (444 Verse), Bischof Hinderbach gewidmet (V. 374–376), aufgrund des noch nicht feststehenden Ausgangs entstanden vor Mitte Juni 1475 (V. 427–431). Das Gedicht erz¨ahlt vom Plan 865

2. H¨alfte 15. Jh. des Kindesraubs an bis zur Erzwingung der vorgefertigten Gest¨andnisse durch die Folter. ¨ Uberlieferung: [Sant’Orso], Hans vom Rin, 1475. Ausgaben: Liliencron 2 (1866) S. 13–21. II. 2. ‹Tobias-Gest¨andnis›. Aus der Perspektive des angeklagten Juden Tobias entwickeltes Gest¨andnis (noch 1475), von dem drei Fassungen vorliegen. ¨ Uberlieferung: a) 4 Hss.: M¨unchen, BSB, Cgm 1586, 161r–162r. – Melk, Stiftsbibl., cod. 131 (L 4), 360v–361v. – Jakob → Unrest, Chronik. – Augsburg, UB, cod. 1.3. 2° 18, 94v–96v. b) Freiburg, UB, cod. 490, 123v–127v (mit angeh¨angten Wundern). – c) → Matthias von Kemnat, Chronik (K¨urzung unter Einbeziehung anderer Quellen; das Gest¨andnis wird nicht mehr dem Tobias in den Mund gelegt). Auch in der → Speyerer Chronik. Ausgaben: a) Jakob Unrest, Chronik, hg. v. K. Großmann, 1957, S. 47–49. – b) Karl Rieder: Das Martyrium des hl. Simon v. Trient. In: Alemannia 16 (1898) S. 63–69. – c) Matthias von Kemnat, Chronik, hg. v. K. Hofmann, Bd. 1, 1862, S. 120–122. – Speyerer Chronik, hg. v. Franz Josef Mone, Bd. 1, Karlsruhe 1848, S. 514–516. II. 3. ‹Hystorie von 1475›. Von I.1 und I.2. unabh¨angiger, in 13 Kapitel geteilter anonymer Bericht von der Planung des Kindesmords bis zu den Hinrichtungen im Juni 1475, erschienen am 6.9.1475. Auf jeder aufgeschlagenen Seite stehen sich Text und Holzschnitt (links) gegen¨uber. ¨ Uberlieferung: Trient, Albert Kunne, 6.9.1475 (Hain 7773). – Abschriften: Karlsruhe, BLB, Cod. Donauesch. 245, 114r–132r. – Mu¨ nchen, BSB, Cgm 1109, 155r–166v. II. 4. ‹N¨urnberger Simon-Gedicht›. Inc.: «Do tausent virhundert f¨unfundsibenczig jar» (50 Verse unter einem Holzschnitt). Der wohl in N¨urnberg entstandene Einblattdruck, der die ‹Historie von 1475› voraussetzt, wirbt f¨ur den Simon-Kult. Der Holzschnitt zeigt den gemarterten Simon, dem sich Pilger n¨ahern. Ausgabe: Waltraud Timmermann: Antisemitismus in sp¨atma. und fr¨uhneuzeitlichen Medien. In: Wirkendes Wort 36 (1986) S. 354–372. II. 5. ‹Ulmer Simon-Gedicht›. Inc.: «Simon ain kind bin ich genant» (162 Verse). Das Gedicht, das der ‹Historie von 1475› folgt, erz¨ahlt die Abl¨aufe aus der Perspektive Simons bis zur Auffindung von dessen Leichnam. 866

2. H¨alfte 15. Jh. ¨ Uberlieferung: [Ulm, Johann Zainer, um 1491?]. II. 6. ‹Dresdener Simon-Gedicht›. Inc.: «In disem genaden reichem jar» (58 Verse). Kunstlose Kompilation von II. 2 und II. 5. ¨ Uberlieferung: Dresden, LB, cod. M 180, 128r–129v. Literatur: A. D¨orrer VL1 2 (1936) Sp. 707–714. – Franz-Josef Worstbrock, VL2 8 (1992) Sp. 1260–1275. – Johann Evangelist Scherer: Die Rechtsverh¨altnisse der Juden in den dt.-¨osterr. Landen. Leipzig 1901, S. 596–615, 643–667. – Giuseppe Divina: Storia del beato Simone. 2 Bde. Trient 1902. – Giuseppe Menestrina: Gli ebrei a Trento. In: Tridentum 6 (1903) S. 304–316, 348–374, 384–411. – Maria de Unterrichter: Il Beato Simone e i verseggiatori suoi contemporanei. In: Studi Trentini di Scienze storiche 3 (1930) S. 187–193. – Will-Erich Peuckert: Ritualmord. In: Handwb. des dt. Aberglaubens 7 (1935/36) Sp. 727–739. – Joshua Trachtenberg: The Devil and the Jews. New Haven 1943, S. 124–158. – Franz Unterkircher: Die ‹Simonis› des Ubertinus Pusculus. In: Der Schlern 27 (1953) S. 504–506. – Gemma Volli: I ‹Processi Tridentini› e il culto del b. Simone. In: Il Ponto 19 (1963) S. 1396–1408. – Willehad Paul Eckert: Beatus Simoninus. Aus den Akten des Trienter Judenprozesses. In: Judenhaß – Schuld der Christen? Hg. v. dems./E. L. Ehrlich. Essen 1964, S. 329–358. – Ders.: Aus den Akten des Trienter Judenprozesses. In: Miscellania mediaevalia 4 (1966) S. 281–336. – Ders.: Der Justizmord von Trient. In: Theologisch-praktische Quartalschrift 117 (1969) S. 333–341. – Isaiah Shachar: The Judensau. A Medieval Anti-Jewish Motif and Its History. London 1974, S. 36 f., 57–61, 65. – Aldo Chemelli: Trento nelle sue prime testimonianze a stampa. Trient 1975. – Giuseppe Zippel: Storia e cultura del rinascimento Italiano. Padua 1979, S. 35–40. – F. J. Worstbrock: Neue Schr. und Gedichte Samuel Karochs v. Lichtenberg. In: ZfdA 112 (1983) S. 82–125. – Mariarosa Cortesi: Il vescovo Johannes Hinderbach e la cultura umanistica a Trento. In: Bernardo Clesio e il suo tempo. Rom 1988, S. 477–502. – Ronnie Po-Chia Hsia: The Myth of Ritual Murder. Jews and Magic in Reformation Germany. New Haven/London 1988, S. 43–50, 211–215 (dt.: Trient 1475. Gesch. eines Ritualmordprozesses. Aus dem Amerikanischen v. Robin Cackett. Frankfurt/M. 1997). – Wolfgang 867

Wameszhafft Treue: Der Trienter Judenprozess. Voraussetzungen – Abl¨aufe – Auswirkungen (1475–1588) (Forschungen zur Gesch. der Juden A/4). Hannover 1996. – Nicole Spengler: ‹das er sijm leiden gheglicht ist der marter vnsers heren›. Legendenbildung um S. v. T. – Ein Ritualmordkonstrukt. In: Juden in der dt. Lit. des MA. Hg. v. Ursula Schulze. T¨ubingen 2002, S. 211–231. – Anna Esposito: Das Stereotyp des Ritualmordes in den Trienter Prozessen und die Verehrung des ‹Seligen› Simone. In: Ritualmord. Hg. v. Susanna Buttaroni/ Stanislaw Musial. Wien u. a. 2003, S. 131–172. – Diego Quaglioni: Das Inquisitionsverfahren gegen die Juden in Trient (1475–1878). In: ebd., S. 85–130. – Klaus Brandst¨atter: Antij¨udische Ritualmordvorw¨urfe in Trient und Tirol: Neue Forschungen zu S. v. T. und Andreas v. Rinn. In: Hist. Jb. 125 (2005) S. 495–536. – Karl Bertau: 43. Vorlesung. 1400–1500 (IV). Kultur-Sakralit¨at II. Buchdruckzonen, Bild und Buchtstabe. 3.1 S. v. T. In: Ders.: Schrift – Macht – Heiligkeit. In den Literaturen des j¨udisch-christlich-muslimischen MA. Hrsg. v. Sonja Glauch. Berlin 2005, S. 600 f. – Michael Scholz-H¨ansel: Antiju¨ dische Bildpropaganda. In: Ders.: Inquisition und Kunst. Berlin 2009, S. 114–130, bes. S. 127 f. CF Wameszhafft, Erhart (Waneshaft, Waineshaft, Wonneschaft; Erhard), * ca. Mitte 15. Jh. – Verfasser einer Reisebeschreibung und einer Minneallegorie. Am Ende der um 1470 in K¨onigstein am Hofe Graf Eberhards III. von Eppstein-K¨onigstein († vor 1475) entstandenen Minnerede Liebe und Gl¨uck nennt sich der Sprecher «ich d˚ummer wameszhafft» (V. 289). Im 1477 im Auftrag des Mainzer Erzbischofs Diether von Isenburg gedichteten Reisebericht Hodoeporicon Weg vnd Reyssbeschreibung des wolgebornen Herrn Hern Philipssen Grauen zu Catzenelnpogen vnd Dietz gibt der Autor den vollen Namen «Erhart Wameszhafft» (V. 26 und V. 2400) an. Der Name ist urkundlich nicht nachgewiesen, gegebenenfalls auch reiner K¨unstlername. Die Frage nach W.s gesellschaftlicher Stellung (Berufsdichter? Hofbeamter?) ist nicht zu kl¨aren. Das Hodoeporicon (240 Strophen zu je zehn achtsilbigen Reimpaaren) ist eine Versifizierung des wohl von → Siegfried von Gelnhausen stammenden Prosaberichts Stede vnd tage reyse czu dem helgen grabe u¨ ber die 1433/34 unternommene Pal¨astina¨ von Katzenelnbogen. W. u¨ berreise Philipps d. A. nimmt getreu die Details der Vorlage (Orts- und 868

Wierstraet Zeitangaben, religi¨ose Bedeutung der besuchten Orte, Strapazen der Reise, finanzielle Aufwendungen des Grafen). Zus¨atzlich st¨utzt er sich nach eigener Aussage auf m¨undliche Berichte des Grafen Philipp und erg¨anzt ausf¨uhrlichere Erkl¨arungen der heilsgeschichtlichen Zusammenh¨ange sowie Elemente mit herrschaftslegitimierender und panegyrischer Funktion (rhetorischer Schmuck; breite Darstellung der «militia christi» des Grafen; Blasonierung des Wappens der Grafen von Katzenellenbogen). Liebe und Gl¨uck (230 Verse) verbindet Personifikationsdichtung und Allegorie. Der Sprecher begegnet auf einem Spaziergang in amoener Landschaft f¨unf Frauengestalten, die sich als ‹Liebe›, ‹Best¨andigkeit›, ‹Hoffnung›, ‹Trost› und ‹Gl¨uck› vorstellen. Er wird Zeuge, wie ein Ju¨ ngling hinzutritt und klagend sein Herz entbl¨oßt. ‹Frau Liebe› legt dem Sprecher die sichtbaren Attribute des Herzens (Krone, Flammen- und Sonnenstrahlenkranz, Vergissmeinnicht, Blutstropfen) allegorisch auf die von Ihr und ihren Gef¨ahrtinnen verliehenen Minnetugenden aus. Auf die F¨urbitte des Sprechers erkl¨art ‹Frau Gl¨uck›, sie werde den J¨ungling nur unterst¨utzen, wenn er sich k¨unftig in der Liebe verschwiegen und vorsichtig verhalte. Nicht mehr haltbar ist die in der a¨ lteren Forschung vorgenommene Zuschreibung einer weiteren Minnerede (‹Warnung an hartherzige Frauen›) an W. ¨ Uberlieferung: Hodoeporicon: Klitschdorf/ Kliczk´ow, Gr¨afl. zu Solms’sche Schlossbibl., Hs. X,4 (Pap., Anfang 16. Jh.; Verbleib unbekannt). – Erhalten sind daneben neuzeitliche Abschriften: Gießen, UB, cod. 161 (Pap., 18. Jh.); Wiesbaden, Hessisches Hauptstaatsarch., Abt. 1001 Nr. 73 G (Pap., Mitte 18. Jh.); ein Exzerpt in Prosa aus der zweiten H¨alfte des 17. Jh. liegt in Kassel, Murhardsche und LB, 4o Ms. Hass. 116, 65v–80r (Pap.) vor. – Liebe und Gl¨uck: Berlin, SBB, Ms. germ. quart 719, 61r–68r (Pap., um 1470–73, rheinfr¨ankisch). – Eine Abschrift dieser Hs. von der Hand Wilhelm Grimms ist Berlin, SBB, Ms. germ. quart 909, 97r–103v. Ausgaben: Adolf Bach: E. Wameszhaffts Hodoeporicon oder Beschreibung der Reise des Grafen Philipp von Katzenelnbogen nach dem hl. Lande (1433/34). Nach der Klitschdorfer Hs. herausgegeben. In: Ders: Germanistisch-hist. Stud. Gesammelte Abh. Hg. v. Heinrich Matthias Heinrichs/ Rudolf Sch¨utzeichel. Bonn 1964, S. 410–440. – 869

2. H¨alfte 15. Jh. Ders.: Eine Minneallegorie Erhard Wameshafts (Waneshafts?) verfasst um 1470 in K¨onigstein im Taunus. In: ebd., S. 450–456. Literatur: De Boor/Newald 4,1 (21994) S. 201. – Silvia Schmitz, VL2 10 (1999) Sp. 700–703. – Jacob Klingner, Killy2 12 (2011) S. 134 f. – Ewald Wernicke: Die Pilgerreise des letzten Grafen von Katzenellenbogen. In: ZfdA 32 (1888) S. 44–50. – A. Bach (s. Ausg.) S. 391–456. – Tilo Brandis: Mhd., mnd. und mndl. Minnereden (MTU 25). M¨unchen 1968, S. 189 Nr. 482. – Ingeborg Glier: Artes amandi. Unters. zu Gesch., ¨ Uberl. und Typologie der dt. Minnereden (MTU 34). Mu¨ nchen 1971, S. 342–344. – Silvia Schmitz: ¨ in Prosa und Vers. Die Pilgerreise Philipps d. A. Unters. zum dokumentarischen und panegyrischen Charakter sp¨atma. Adelslit. (Forschungen ¨ zur Gesch. der Alteren Dt. Lit. 11). Berlin 1990, S. 219–314. – Europ¨aische Reiseberichte des sp¨aten MA. Eine analytische Bibliogr. Hg. v. Werner Paravicini. Tl. 1 bearb. v. Christian Halm (Kieler Werkst¨ucke D: Beitr. zur europ¨aischen Gesch. des sp¨aten MA 5). Frankfurt/M. 1994, Nr. 23, S. 76–78. JK Wierstraet, Christian. – Verfasser einer Reimchronik. Der aus D¨usseldorf stammende W. war Kleriker und kaiserlicher Notar. Zur Zeit der Belagerung der Stadt Neuss durch Karl den K¨uhnen 1474/75 (→ Karl der K¨uhne und die Burgunderkriege, Vom k¨olnischen Krieg) war er laut Vorrede des Drucks ¨ von 1497 (s. Uberlieferung) «Secretarius» (Stadtschreiber) von Neuss. W. verfasste eine Reimchronik in ripuarischer Sprache u¨ ber die Belagerung von Neuss (Histori des beleegs van Nuis), die am 20.12.1475 (laut Angabe des Verfassers) beendet und im folgenden Jahr als erstes Werk aktueller Chronistik durch den Buchdruck verbreitet wurde. ¨ Uberlieferung: Drucke: a) [K¨oln, A. Therhoernen 1476]; Ex. Cambridge/Mass., Houghton Library (ehemals Br¨ussel), und D¨usseldorf, UB, D. Sp. G. 434 (defekt); Faks.-Ausg. Hg. v. Herbert Kolb, ¨ mit Ubertragung und Einleitung. Neuss 1974. – b) K¨oln, [J. Koelhoff d. J.] 29.3.1497, mit einer Prosavorrede, in der auch das Akrostichon angef¨uhrt ist (Abdruck Chron.dt.St. 20, S. 497); Exx. Herdringen, Schlossbibl., Sammelbd. F¨u J 79, Nr. 6 (ehem. Adolfsburg, K¨oln, UB, Leipzig, UB, London, British Library (defekt), Neuss, Stadtarch. 870

2. H¨alfte 15. Jh. Ausgaben: Eberhard von Groote (Hg.): Des Stadt-Secretarius Christainus Wierstraat Reimchronik der Stadt Neuss zur Zeit der Belagerung durch Karl den K¨uhnen, Herzog von Burgund. K¨oln 1855 (nach b). – Chron.dt.St. 20, S. 509–614. – Karl Meisen (Hg.): Christian Wierstraits Historij des beleegs van Nuys. Reimchronik der Stadt Neuß aus der Zeit der Belagerung durch Herzog Karl den K¨uhnen von Burgund. Bd. 1 (Rheinische Beitr. und H¨ulfsb¨ucher zur germ. Philologie und Volkskunde 11). Bonn 1926. Das u. a. von dem Verfasser des Chronicon magnum belgicum und der → Koelhoffschen Chronik rezipierte Werk W.s wurde 1564 als vollst¨andige Neufassung in hochdt. Sprache («rein teutsch») noch einmal ver¨offentlicht. ¨ Uberlieferung: Druck mit 28 Illustrationen und Widmung an den Neusser Rat von G. Hirtzhorn (Cervicornus) d. J.: K¨oln, A. und A. Caesar 1564; Ex. Neuss, Stadtarch. (defekt; Reproduktion einzelner Seiten in: Neuss, Burgund und das Reich, Abb. 10, 13–16, 18, 21, 23, dazu S. 391). Literatur: Frieder Schanze, VL2 10 (1999) Sp. 1055–1058; 11 (2004) Sp. 1658. – Theodor Ewald Meinerich: Sprachliche Unters. zu C. W.s Chron. der Stadt Neuss. Diss. Leipzig 1885. – Chron.dt.St. 20, 1887, S. 481–508 (A. Ulrich/C. N¨orrenberg). – Karl Meisen: C. W.s Neusser Belagerungschronik v. 1476 im Sprachenkampf am Niederrhein. In: Theutonista 1 (1924/25) S. 200–213, 286–299; 2 (1925/26) S. 241–255. – ¨ Kolb (s. Uberl.). – Neuss, Burgund und das Reich. (Schriftenreihe des Stadtarch. Neuss 6). Neuss 1975. – Christoph Petzsch: Die Belagerung von Neuß. Eine Reimchron. ungew¨ohnlicher Anlage. In: GRM NF 33 (1983) S. 325–334. – F. Schanze: ¨ Uberlieferungsformen politischer Dichtungen im 15. u. 16. Jh. In: Schriftlichkeit und Lebenspraxis im MA. Erfassen, Bewahren, Ver¨andern. Hg. v. Hagen Keller u. a. (MMS 76). Mu¨ nchen 1999. – Rolf Nagel: Eine evangelische Chron.? Anm. zur W.-Cronik. v. 1564. In: Jb. f¨ur den Kreis Neuss (2001) S. 54–59. BJ Zetler, Conrad. – Chronist. ¨ Die durch den Uberlinger Stadtschreiber und B¨urgermeister Jakob Reutlinger von 1580 bis Ende 1611 gef¨uhrten, sp¨ater von seinem Enkel Medardus Reutlinger fortgesetzten Reutlingerschen Kollektaneen enthalten in Band 13 «ain chronik [...] von Lienhardt Wintersulger burgermaister und Con871

Zetler radten Zedtlern gerichtsschreiber allhie». Die Anteile Wintersulgers (seit 1470 B¨urgermeister) und Z.s lassen sich nicht trennen. Im Zentrum der bis zum Jahr 1498 reichenden Chronik mit Schwer¨ punkt Uberlingen (Inhaltsregest s. Boell, S. 360 f.) stehen politische und gesellschaftliche Ereignisse im S¨udwesten des Reiches aus der zweiten H¨alfte des 15. Jh. Erst in zweiter Linie werden Geschehnisse außerhalb dieses Gebiets erw¨ahnt (z. B. Belagerung von Neuss 1474; Schlachten von Grandson, Murten und Nancy). ¨ ¨ Uberlieferung: Uberlingen, Stadtarch., o. S., «Reutlingersche Kollektaneen» (ehem. LeopoldSophien-Bibl., Ms. 96), 18 Bde, hier Bd. 13, S. 15–109. Literatur: Volker Honemann, VL2 10 (1999) Sp. 1549 f. – Adolf Boell: Das grosse hist. Sammelwerk v. Reutlinger in der Leopold-SophienBibl. in Ueberlingen. in: Zs. f¨ur die Gesch. des Oberrheins 34 (1882) S. 31–65, 342–392. – Gerhart Burger: Die s¨udwestdt. Stadtschreiber im MA. B¨oblingen 1960, S. 230, 324. BJ Zollner, Mathis, † um 1507/1508 Bern. – Schneider, Liederdichter. Der aus dem rheinischen Laufenburg stammende Z. ist seit 1458 als Berner B¨urger nachweisbar. Er war als Schneider t¨atig, geh¨orte der Mohrenzunft an und erwarb sich finanziellen Wohlstand. Seit 1460 war er Mitglied des Großen Rats, zudem Teilnehmer mehrerer Feldz¨uge: 1468 zog er mit nach Waldshut, 1474 nach H´ericourt und 1475 ¨ nach Biel. Uber drei weitere, von ihm wohl nicht selbst erlebte Schlachtz¨uge verfasste Z. drei dt. Lieder. Sie sind ihm durch ihre Signaturen zuzuschreiben, in denen Z. seinen Namen mit dem Bild der «stechelin stangen» verbindet oder durch es ersetzt – m¨oglicherweise ein Hinweis auf die Nadel, sein Werkzeug als Schneider. Z.s Lied u¨ ber den Blamont-Zug vom Juli und August 1475 umfasst 15 Strophen zu acht Zeilen. Darin lobt er den Bund aus Eidgenossen, oberrheinischen F¨ursten und Reichsst¨adten, die den Zug nach Burgund unternahmen. Als Berner streicht Z. besonders die Leistungen seiner Stadtgenossen heraus. Z. nennt die Teilnehmer sowie ihre Taten und widmet sich intensiv dem Kampf um die Festung Blamont. Ein zweites Lied Z.s thematisiert die Schlacht bei Murten vom 22.6.1476. Die 15 Strophen zu jeweils vierzehn Zeilen sind in J¨org → Schillers Hofton geschrieben, der auch von Veit → Weber 872

B¨amler benutzt worden war. Das Lied behandelt ausf¨uhrlich die Belagerung Murtens, k¨urzer die eigentliche Schlacht. Neben lebendig gestalteten Reden enth¨alt der Text biblische Vergleiche, Gottes- und Marienlob sowie einen Friedenswunsch. Z.s drittes Lied umfasst 18 Strophen zu sechs Zeilen und handelt von der Schlacht bei Nancy am 5.1.1477. Dort unterst¨utzen die Eidgenossen den belagerten Herzog R´en´e von Lothringen gegen Karl den K¨uhnen. Dessen Tod in der Schlacht beendete die Burgunderkriege. Entsprechend unterstreicht Z., neben einer erneut knappen Schlachtschilderung, besonders die Bedeutung der Ereignisses als Strafe Gottes an einem S¨under. Vereinzelt hat man Z. auch ein anonymes Lied u¨ ber den sog. M¨uhlh¨auserkrieg von 1468 zugeschrieben. Dessen Verfasser war ein Berner, ist aber bis heute nicht sicher als Z. zu identifizieren. ¨ Uberlieferung: 1. Blamont-Lied: In Diebold Schillings Großer Burgunderchronik: Z¨urich, ZB, Ms. A 5, S. 359–364 (1481/82, Autograph). – Bern, Burgerbibl., Ms. h. h. I, 3, S. 359–362 (1483, Autograph). – In Wernher Schodolers Eidgen¨ossischer Chronik: Aarau, Kantonsbibl., Ms. Z 18 fol., 113v–114r (1514/32, Autograph). – Sowie sp¨atere Abschriften. 2. Murten-Lied: Karlsruhe, Generallandesarch., Hs. 65/624, S. 733–737 (drittes Viertel 15. Jh., hier Tl. der Speyerer Chronik). – Berlin, SBB, Mgq 1487, 10v–11r (Pap., letztes Viertel 15. Jh.). – Z¨urich, Staatsarch., B VIII 268, 44r–46r (16. Jh.). – Berlin, SBB, Mgf 784, 3r–4r (16. Jh., fr¨uher Bestandteil der Hs. St. Gallen, Stiftsbibl., cod. 645, S. 575–577). – St. Gallen, Stiftsbibl., cod. 1219, S. 81–88 (18. Jh.). 3. Nancy-Lied: In Diebold Schillings Großer Burgunderchronik: Z¨urich, ZB, Ms. A 5, S. 784–788 (1481/82, Autograph). – Bern, Burgerbibl., Ms. h. h. I, 3, S. 862–865 (1483, Autograph). – In Wernher Schodolers Eidgen¨ossischer Chronik: Aarau, Kantonsbibl., Ms. Z 18 fol., 253r–254v (1514/32, Autograph). – In Werner Steiners Liederchronik: Luzern, ZB, Abt. B¨urgerbibl., Ms. 382.4, S. 117–121 (1532, Autograph). – Z¨urich, ZB, Ms. A 158, 67r–69v. Ausgaben: 1. Blamont-Lied: Liliencron 2 (1866) Nr. 136. – Die Berner-Chron. des Diebold Schilling 1468–1484 I. Hg. v. Gustav Tobler. Bern 1897, S. 269–272. – Cramer 3 (1982) S. 497–500. – Die Eidgen¨ossische Chron. des Wernher Schodoler um 1510 bis 1535 IV. Hg. v. Walther Benz. Luzern 1983, S. 209 f. – Diebold Schilling: Die grosse 873

2. H¨alfte 15. Jh. Burgunder Chron. des Diebold Schilling v. Bern: Komm. Hg. v. Alfred A. Schmidt. Luzern 1985, S. 174 f. 2. Murten-Lied: Liliencron 2 (1866) Nr. 144. – Die ma. Lit. der dt. Schweiz. Hg. v. Samuel Singer. Frauenfeld u. a. 1930, S. 108–115. – Cramer 3 (1982) S. 501–507. – 3. Nancy-Lied: Liliencron 2 (1866) Nr. 146. – Die Berner-Chron. des Diebold Schilling 1468–1484 II. Hg. v. G. Tobler. Bern 1901, S. 119–123. – Cramer 3 (1982) S. 508–511. – Die Eidgen¨ossische Chron. des Wernher Schodoler [...] IV (s. o.) S. 252. – Schilling: Die grosse Burgunder Chron. (s. o.) S. 174 f. Literatur: RSM 5 (1991) S. 585 f. – Frieder Schanze, VL2 10 (1999) Sp. 1583–1586. – Viktor Schlumpf: Die frumen edlen puren. Unters. zum Stilzusammenhang zwischen den hist. Volksliedern der alten Eidgenossenschaft und der dt. Heldenepik. Z¨urich 1969, S. 21–23, 76 f. u. o¨ . – Hellmut Thomke: ‹Der se der ward von bluote rot›. Die Burgunderkriege im Spiegel der Dichtung, In: Berner Zs. f¨ur Gesch. und Heimatkunde 38 (1975) S. 1–40. – Bertrand M. Buchmann: Daz jemant singet oder sait. Das volkst¨umliche Lied als Quelle zur Mentalit¨atsgesch. des MA. Frankfurt a. M. u. a. ¨ 1995, S. 203–206. – F. Schanze: Uberlieferungsformen politischer Dichtungen des 15. und 16. Jhs. In: Schriftlichkeit und Lebenspraxis im MA. Erfassen, Bewahren, Ver¨andern (MMS 76). Hg. v. Hagen Keller u. a. M¨unchen 1999, S. 299–331. MM B¨amler, Johann, * um 1425/30 Augsburg, † um 1503 oder 1507 Augsburg. – Drucker und Buchmaler, Kompilator einer selbstverlegten Chronik. B. wird 1453 als Schreiber in Augsburg erw¨ahnt; danach arbeitete er als Rubrikator und ist als solcher 1466–68 in Straßburg nachgewiesen. Dort rubrizierte er Drucke von Johann Mentelin und Heinrich Eggestein (u. a. GW 2883, 4205). Die a¨ lteste von B. illuminierte Inkunabel ist ein Mainzer Bibeldruck von Johann Fust und Peter Sch¨offer aus dem Jahr 1462 (GW 04204). B. ist den vorz¨uglichsten dt. Buchmalern der Fr¨uhdruckzeit zuzurechnen. Seit 1472 war er als Buchdrucker und zeitweilig auch als Buchbinder in Augsburg t¨atig. Sein erster datierter Druck stammt vom 22./23.4.1472 (GW M17713), der letzte vom 13.4.1495 (GW 08445). Im Zeitraum dazwischen besorgte B. u¨ ber 130 Ausgaben, u¨ berwiegend deutschsprachige Erbauungs- und Unterhaltungsliteratur, darunter: Historia Alexandri Magni (¨ubersetzt von Johann 874

2. H¨alfte 15. Jh. Hartlieb, GW 883a/884), die Disticha catonis dt. (→ Cato, GW 06320/06321), die Historia M´elusine (u¨ bersetzt von → Th¨uring von Ringoltingen, GW 12641 u. o¨ .), der Passionstraktat → Heinrichs von St. Gallen (GW 12171), die Legenda aurea des → Jacobus a Voragine dt. (GW M11352 u.¨o.), die 24 goldenen Harfen Johannes → Niders (GW M26851 u. o¨ .), → Konrads von Megenberg Buch der Natur (GW M16426 u. o¨ . mit den ersten naturkundlichen Holzschnitten) oder → Plenarien (GW M3406210 u. o¨ .). B. f¨uhrte als erster Drucker ganzseitige Eingangsholzschnitte ein. Literarisches Talent bewies er beim textlichen Arrangement vieler seiner Drucke. Seine selbst kompilierte Chronik von allen Kaisern, K¨onigen und P¨apsten erschien im Oktober 1476 (GW 03163, Nachdrucke von Anton Sorg, Augsburg 1480 [GW 03164] und Johann Sch¨onsperger, ebd. 1487 [GW 03165]. Zudem ist eine Abschrift bekannt.). Hauptbestandteile der Kompilation sind das 2. und 3. Kapitel der Chronik Jakob → Twingers von K¨onigshofen; daneben zog B. auch die → Reformatio Sigismundi, die Reformatio Friderici, die Dt. Chronik Heinrich → Steinh¨owels und einen anonymen Bericht u¨ ber das Konzil von Konstanz heran. ¨ Uberlieferung: Abschrift der Chron. von allen Kaisern, K¨onigen und P¨apsten nach GW 3163: Gotha, Forschungsbibl., Cod. Chart. A 160, 160 Bll. (um 1480, ostschw¨abisch, umfangreicher Blattverlust). Literatur: Otto Mu¨ hlbrecht, ADB 2 (1875) S. 39. – Ferdinand Geldner, NDB 1 (1953) S. 521. – RL2 1 (1958) Sp. 158–162. – F. Geldner, VL2 1 (1978) Sp. 599 f. – Ders., LexMA 1 (1980) Sp. 1404 f. – Josef Bellot/Eberhard K¨onig, LGB2 (1987) Sp. 216 f. – Chron.dt.St. 8: Die Chron. der oberrheinischen St¨adte. Straßburg 1 (1870) S. 192, 214–219, 225. – Willy Boehm: Friedrich Reiser’s Reformation des K. Sigmund. Mit Benutzung der a¨ ltesten Hss. nebst einer krit. Einl. und einem erkl¨arenden Comm. Leipzig 1876, S. 6–8. – William Morris: On the artistic qualities of the woodcutbooks of Ulm and Augsburg in the 15th Century. In: Bibliographia 1 (1895) S. 437–455. – Albert Schramm: Der Bilderschmuck der Fr¨uhdrucke. Bd. 3: Die Drucke v. J. B. in Augsburg. Leipzig/Stuttgart 1921. Nachdr. Stuttgart 1990. – Victor v. Klemperer: Der Augsburger Drucker J. B. als Rubrikator. In: Gutenberg Jb. 2 (1927) S. 50–52; 3 (1928) S. 105–106. – Helmut 875

B¨amler H. Schmid: Augsburger Einzelformschnitt und Buchillustration im 15. Jh. (Stud. zur dt. Kunstgesch. 315). Baden-Baden 1958, S. 44–67. – Ders.: Augsburger Einzelformschnitt und Buchillustration im 15. Jh. In: Arch. f¨ur Gesch. des Buchwesens 1 (1958) S. 274–276. – F. Geldner: Die dt. Inkunabeldrucker. Ein Hb. der dt. Buchdrucker des 15. Jh. nach Druckorten. Bd. 1: Das dt. Sprachgebiet. Stuttgart 1968, S. 138. – Ders.: Ein Probesatz des ‹Buchs der Kunst, dadurch der weltliche Mensch mag geistlich werden› (Augsburg: J. B. 1476). In: Gutenberg-Jb. 45 (1970) S. 108–113. – Inge Leipold: Das Verlagsprogramm des Augsburger Druckers J. B. Zum Funktionstyp ‹Fr¨uhe deutschsprachige Druckprosa›. In: Bibliotheksforum Bayern 4 (1976) S. 236–252. – Helmut Presser: Briefe des Augsburger Fr¨uhdruckers Hans B. aus dem Jahr 1480. In: Aus dem Antiquariat 2 (1978) S. 33–39. – Richard F. Byrn: J. B.s Cordiale-Auszug vom Jahre 1473. In: Poesie und Gebrauchslit. im dt. MA. W¨urzburger Colloquium 1978. Hg. v. Volker Honemann u. a. T¨ubingen 1979, S. 95–106. – Sheila Edmunds: Questions of transmission: Text, image and technique in early copies of Hartlieb’s Alexanderbuch. In: Text and image (Center for Medieval and Early Renaissance Studies Binghamton, NY. Acta 10). Hg. v. David W. Burchmore. Binghampton 1986, S. 117–133. – J¨urgen Vorderstemann: Eine neue Augsburger B¨ucheranzeige aus der Mitte der achtziger Jahre des 15. Jh. In Gutenberg-Jb. 55 (1980) S. 44–50. – S. Edmunds: New Light on J. B. In: Journal of the Printing Historical Society 22 (1993) S. 29–53. – Yael Zirlin: Joel meets Johannes. A fifteenth-century JewishChristian collaboration in manuscript illumination. In: Viator 26 (1995) S. 265–282. – Akihiko Fujii: Zur Methode der Exzerption a¨lterer Drucke. Ein Beitr. zum Problem des Setzerwechsels in Fr¨uhdrucken. In: ZfdPh 115 (1996) S. 393–432. – Helmut Gier/Johannes Janota (Hg.): Augsburger Buchdruck und Verlagswesen: v. den Anf¨angen bis zur Gegenwart. Wiesbaden 1997, passim. – Christine Baier: Missalien massenhaft. Die B.-Werkstatt und die Augsburger Buchmalerei im 15. Jh. In: Codices manuscripti 48/49 (2004) S. 67–78. – Henrike ¨ L¨ahnemann/Timo Kr¨oner: Die Uberl. des Sigenot. Bildkonzeptionen im Vergleich von Hs., Wandmalerei und Fr¨uhdrucken. In: JOWG 14 (2004) S. 175–188. – R. F. Byrn: Nahtstelle Hs. – Druckvorlage: J. B. im Augsburger Kloster St. Ulrich und Afra. In: Texttyp und Textproduktion in der 876

Hans von Mergenthal dt. Lit. des MA (Trends in medieval philology 7). Hg. v. Elizabeth Andersen u. a. Berlin u. a. 2005, S. 437–450. – Toni Aigner: J. B., Illuminator und Drucker in Augsburg. In: Die Chron. v. Andechs und der fr¨uhe Buchdruck. Die Bedeutung der A. C. f¨ur die Historiographie des Hl. Berges und des fr¨uhen Buchdrucks (Edition Andechs 1). Mu¨ nchen 2008, S. 46–56. – Christian V¨ohringer: Monster, Bilder und Beweise. Die Bedeutung der Holzschnitte in J. B.s ‹Melusine› v. 1474 und 1480. In: 550 Jahre dt. Melusine – Coudrette und Th¨uring v. Ringoltingen. Hg. v. Andr´e Schnyder/Jean-Claude M¨uhlethaler. Bern u. a. 2008, S. 327–342. – Ewa Gossart: Johann Hartliebs ‹Histori von dem grossen Alexander›. Zur Rezeption des Werkes am Beispiel der bebilderten Hss. und Inkunabeln (Stud. zur Kunstgesch. des MA und der Fr¨uhen Neuzeit 6). Korb 2010, S. 65 f., 72–88. VZ Chronik der Kaiser, Konige ¨ und P¨apste, sowie der Grafen von Wurttemberg. ¨ – Dt. Weltchronik. Die um 1480 gedruckte Chronik in dt. Sprache entstand wahrscheinlich in Augsburg. Sie behandelt in den Kapiteln 1 und 6 die oberrheinische Regionalgeschichte, in Kapiteln 2–3 die dt. Kaiser, in Kapitel 4 die P¨apste und in Kapitel 5 die franz¨osischen K¨onige und deren Urspr¨unge. Ein nachtr¨aglich eingef¨ugtes Kapitel 7 widmet sich der Geschichte W¨urttembergs. Textlich ist die Chronik eine Kompilation aus den Chroniken des Jakob → Twinger von K¨onigshofen und des Heinrich → Steinh¨owel. Kapitel 7 folgt außerdem von 1265 (Geburt von Graf Eberhard dem Erlauchten) bis 1344 w¨ortlich der Stuttgarter Stiftschronik vom Hause W¨urttemberg. M¨oglicherweise weist die Chronik auch Verbindungen zur Chronistik Konrad Bollstatters sowie zu Johann → B¨amlers Kaiserund Papstchronik von 1476 auf; dies w¨are noch genauer zu erforschen. Drucke: Chronik der Kaiser, K¨onige und P¨apste, sowie der Grafen von W¨urttemberg. [Augsburg: Johann Blaubirer, um 1480] (GW Nr. 6687; Online-Ausg. BSB Mu¨ nchen [o. J.]). Ausgaben: Christian Friedrich Sattler: Gesch. des Herzogthums W¨urtenberg unter der Regierung der Graven 1. T¨ubingen 21773, Beil. S. 1–4 (Teilausg. v. Kap. 7). Literatur: Klaus Graf, VL2 11 (2004) Sp. 328 f. – Ders.: Exemplarische Geschichten. Thomas Lirers 877

2. H¨alfte 15. Jh. ‹Schw¨abische Chronik› und die ‹Gm¨under Kaiserchronik›. M¨unchen 1987, S. 218 f. – Ju¨ rgen Wolf: Konrad Bollstatter und die Augsburger Geschichtsschreibung. Die letzte Schaffensperiode. In: ZfdA 125 (1996) S. 51–86, hier S. 54, 62 f., 84. MM Hans von Mergenthal (Johann von M.), † 1488. – Kanzler, Verfasser eines Reisberichts. H. stammte aus einer Familie Zwickauer Patrizier. Er diente unter dem s¨achsischen Kurf¨ursten Ernst und dessen Bruder, Herzog Albrecht, 1464–69 als Kanzler. 1469–78 war H. Rentmeister f¨ur Sachsen. Er besaß bis 1478 auch ein Rittergut in Marienthal/Zwickau. H. begleitete Herzog Albrecht 1476 auf dessen Pilgerreise nach Pal¨astina. Im Auftrag der Herzogs verfasste er einen dt. Reisebericht u¨ ber die Fahrt. Das Werk ist nur in sp¨ateren Handschriften und Drucken erhalten. H. beschreibt ausf¨uhrlich die hygienischen, kriminellen und sonstigen Unannehmlichkeiten der Reise, aber auch die erweiterte europ¨aische Reiseroute Albrechts, der unterwegs zahlreiche Ehrungen erlebte. Weiterhin listet H. die Mitglieder der Reisegesellschaft auf. Zus¨atzlich zu den von H. selbst erlebten Details d¨urfte auch der Reisebericht des Ulrich → Brunner von 1470 in den Text eingeflossen sein. Neben H.s Reisebericht sind auch einzelne Rechnungsb¨ucher aus seiner Zeit als Rentmeister erhalten. ¨ Uberlieferung: Erfurt-Gotha, Univ.- und Forschungsbibl., Chart. B 415, 1r–29v (Pap., Mitte 16. Jh.). Drucke: Gr¨undliche und warhafftige beschreibung Der l¨oblichen und Ritterlichen Reise und Meerfart in das heilige Land nach Hierusalem [...]. Hg. v. Hieronymus Weller. Leipzig 1586 (OnlineFaks. BSB M¨unchen 2008). – Weitere Drucke im 17. und 18. Jh.; vgl. Ganz-Bl¨attler 1990 (s. Lit.) S. 386. Ausgabe: Christian August Vulpius: Curiosit¨aten der physisch-literarisch- artistischhistorischen Vor- und Mitwelt [...]. Bd. 3. Weimar 1813, S. 486–496 (Teildr.). Literatur: ADB 21 (1885) S. 421 f. – Marjatta Wis, VL2 3 (1981) Sp. 458 f. – Reinhold R¨ohricht: Bibliotheca geographica Palaestinae. Berlin 1890. Jerusalem 21963, Nr. 382. – Ders.: Dt. Pilgerreisen nach dem Heiligen Lande. Neuausg. Innsbruck 1900, S. 142–155. – Hans-Joachim Lepszy: Die Reiseber. des MA und der Reformationszeit. 878

2. H¨alfte 15. Jh. Diss. Hamburg 1952, Reg. – Claudia Zrenner: Die Ber. der europ¨aischen Jerusalempilger (1475–1500). Ein literarischer Vergleich im hist. Kontext. Frankfurt/M. u. a. 1981, S. 15–19 u. o¨ . – Silvia Schmitz: ¨ v. Katzenelnbogen Die Pilgerreise Philipps d. A. in Prosa und Vers. Unters. zum dokumentarischen und panegyrischen Charakter sp¨atma. Adelslit. Mu¨ nchen 1990, S. 174–179. – Ursula GanzBl¨attler: Andacht und Abenteuer. Westeurop¨aische Pilgerber. nach Jerusalem und Santiago de Compostela (1320–1520). Tu¨ bingen 1990, S. 260 f. u. o¨ . – Europ¨aische Reiseber. des sp¨aten MA. Eine analytische Bibliographie 1: Dt. Reiseber. Bearb. v. Christian Halm. Hg. v. Werner Paravicini. Frankfurt/M. u. a. 1994. 22001, S. 177–181. – Cordula Nolte: Erlebnis und Erinnerung. F¨urstliche Pilgerfahrten nach Jerusalem im 15. Jh. In: Fremdheit und Reisen im MA. Hg. v. Irene Erfen/Karl-Heinz Spieß. Stuttgart 1997, S. 65–92. – Folker Reichert: Von Dresden nach Jerusalem. Albrecht der Beherzte im Heiligen Land. In: Herzog Albrecht der Beherzte (1443–1500). Ein s¨achsischer F¨urst im Reich und in Europa. Hg. v. Andr´e Thieme. K¨oln u. a. 2001, S. 53–71. – Uwe Schirmer: Kurs¨achsische Staatsfinanzen (1456–1656). Strukturen, Verfassung, Funktionseliten. Stuttgart 2006, S. 67–70. MM Ketzel, Martin, * wohl Augsburg. Der wahrscheinlich dem N¨urnberger Geschlecht der Ketzel entstammende, aber in Augsburg lebende K. unternahm 1476 eine Pilgerreise ins Hl. Land, an der auch Herzog Albrecht von Sachsen teilnahm (vgl. Hans von → Mergenthal und → Ludwig von Eyb d. J.). In einem 1640 verfassten Anhang zu Jo¨ rg → Pfinzings Fahrt ins Hl. Land (1437) wird eine weitere, 1468 erfolgte Reise K.s nach Jerusalem erw¨ahnt. ¨ Uberlieferung: Heidelberg, UB, Cpg 117, 111 Bl. (Pap., zwischen 1476 und 1486, bair.). Ausgabe: Friedrich Rhenanus (Hg.): M. K.s von Augsburg Reise nach dem gelobten Lande im Jahre 1476, von ihm selbst beschrieben. In: Altes und Neues f¨ur Gesch. und Dichtkunst. Heft 1. Potsdam 1832, S. 28–103 (100v–109r nur als Exzerpt abgedruckt). Literatur: Wolfram Schmitt, VL2 4 (1983) Sp. 1142. – Reinhold R¨ohricht/Heinrich Meisner: Dt. Pilgerreisen nach dem Heiligen Lande. Berlin 1880, S. 96, 469, 498. – Christian Geyer: K.s Pilgerfahrt nach Jerusalem im Jahre 1476. 879

Ketzel In: Jb. des Vereins f¨ur Gesch. der Stadt N¨urnberg 27 (1904/1905) S. 16–19. – Theodor Aign: Die Ketzel. Ein N¨urnberger Handelsherren- und Jerusalempilger-Geschlecht (Freie Schriftenfolge der Ges. f¨ur Familienforschung in Franken 12). Neustadt a. d. Aisch 1961, bes. S. 26–32, 60–62. – Ursula Ganz-Bl¨attler: Andacht und Abenteuer. Ber. europ¨aischer Jerusalem- und SantiagoPilger (1320–1520) (Jakobus-Stud. 4). T¨ubingen 1990, S. 386. – Dietrich Huschenbett: Ber. u¨ ber Jerusalem-Pilgerfahrten von Kaufleuten und adligen Kanonikern aus Augsburg im 15. Jh. In: Literarisches Leben in Augsburg w¨ahrend des 15. Jh. Hg. v. Johannes Janota/Werner Williams-Krapp (Studia Augustana 7). T¨ubingen 1995, S. 240–264. – Europ¨aische Reiseber. des sp¨aten MA. Hg. v. Werner Paravicini. Tl. 1: Dt. Reiseber. Bearb. v. Christian Halm (Kieler Werkst¨ucke, Reihe D, Bd. 5). 2., durchges. und um einen Nachtr. erg. Aufl. Frankfurt/M. u. a. 2001, Nr. 77, S. 183–185. BJ Chronik des Anonymus vom Pr¨alatenkrieg. – Chronik des L¨uneburger Pr¨alatenkriegs. Die 1476 geschriebene C. behandelt den Zeitraum von 1448 bis 1455. Dies war eine Hochphase des sog. L¨uneburger P.s, einer historisch bedeutsamen Auseinandersetzung zwischen Stadtrat und Pr¨alaten um deren Beteiligung an der Tilgung der hohen st¨adtischen Schulden. Der Konflikt eskalierte in jener Zeit bis zur Absetzung und Inhaftierung der Ratsmitglieder. Eingekerkert wurde auch der B¨urgermeister Johann Springintgud, mit dessen Tod die C. endet. Der P. wurde vor der C. bereits von den Chronisten Hinrik Lange und Dirick D¨oring behandelt. Zumindest Langes Werk war dem anonymen Verfasser der C. bekannt: Er u¨ bernahm mehr als ein Drittel seiner C., oft w¨ortlich, von Lange. Fast die H¨alfte der C. d¨urfte auf vom Autor eingesehenen Archivdokumenten beruhen (u. a. Schiedsspr¨uche). Der Eigenanteil des Verfassers zeigt sich besonders in seiner Wiedergabe der Verhandlungen des Rats mit den Pr¨alaten und dem Papst, die in direkter Rede lebhaft dargestellt werden. Dabei ist der Verfasser offen parteiisch, denn wie die Werke von Lange und D¨oring unterst¨utzt die C. den abgesetzten Stadtrat. Obwohl tendenzi¨os, wurde die C. des A. als Quelle gesch¨atzt und erlangte in Handschriften und Fr¨uhdrucken große Verbreitung. ¨ Uberlieferung: L¨uneburg, Stadtarch., cod. AB 1125 (1476, Original). – Weitere Hss. bei Conrad Borchling: Mnd. Hss. in Norddeutschland und 880

Langen den Niederlanden. Erster Reiseber. In: Nachrichten von der Kgl. Ges. der Wiss. zu G¨ottingen, philol.-hist. Kl., Gesch¨aftliche Mittheilungen 1898. G¨ottingen 1899, S. 79–316, hier S. 148, 151 f., 156, 220, 223, 236. Ausgabe: Die Chroniken der nieders¨achsischen St¨adte: L¨uneburg (Die Chroniken der dt. St¨adte vom 14. bis ins 16. Jh. 36). Hg. v. Wilhelm Reinecke, Gesamthg. Hist. Kommission der Bayerischen Akad. der Wiss. Stuttgart 1931 (Nachdr. G¨ottingen 1968) S. 280–336. Literatur: Ingeborg Buchholz-Johanek, VL2 1 (1978) Sp. 1243 f. – Uta Reinhardt: L¨uneburger P. In: VL2 5 (1985) Sp. 1065 f.; 11 (2004) Sp. 941. – W. Reinecke: L¨uneburgs Chronistik. In: Nieders¨achsisches Jb. f¨ur Landesgesch. 2 (1925) S. 145–164. – Ders.: Gesch. der Stadt L¨uneburg 1. L¨uneburg 1933 (Nachdr. ebd. 1977) S. 203–242. – Dieter Brosius: Die Rolle der r¨omischen Kurie im L¨uneburger P. (1449–1462). In: Nieders¨achsisches Jb. f¨ur Landesgesch. 48 (1976) S. 107–134. – Heiko Droste: Schreiben u¨ ber L¨uneburg. Wandel von Funktion und Gebrauchssituation der L¨uneburger Historiographie (1350 bis 1639) (Ver¨off. der Hist. Kommission f¨ur Niedersachsen und Bremen 195). Hannover 2000, S. 104 f. u. o¨ . – Silke Springensguth: Tod im Turm. Die Rolle pers¨onlicher und sozialer Beziehungen in Konflikten des MA am Beispiel des L¨uneburger Pr¨alatenkrieges. Mo¨ nchengladbach 2007. – Robert Gramsch: St¨adtische Gesellschaft und Kirche im sog. ‹L¨uneburger Pr¨alatenkrieg› (1446–62). In: St¨adtische Gesellschaft und Kirche im Sp¨atMA. Arbeitstagung auf Schloss Dhaun 2004. Hg. v. Sabine Klapp/Sigrid Schmitt. Stuttgart 2008, S. 93–122. MM Langen, Rudolf von, * um 1438 Everswinkel/M¨unster, † 25.12.1519 Mu¨ nster/Westf. – Humanist, Dichter. L. stammte aus einer adeligen Familie. Sein Onkel Hermann war Dompropst in M¨unster, wo L. die Schule besuchte. Seit 1456 studierte er in Erfurt die K¨unste und war seit 1458 gleichzeitig Kanonikus in M¨unster. Nach seinen Abschl¨ussen als Baccalaureus (1458) und Magister (1460) lehrte L. 1460–62 an der Universit¨at Basel. Anschließend wurde er in Mu¨ nster Propst am Kollegiatsstift des Alten Doms. 1464 weilte er am Hof in Kleve und 1466 in Rom, wo er f¨ur Bischof Heinrich von Schwarzburg diplomatisch t¨atig war. 1469 hielt sich L. in Adwert/ 881

2. H¨alfte 15. Jh. Groningen auf und begleitete Bischof Heinrich 1474/75 auf Heerfahrt. Daneben erwarb sich L. zunehmend einen Ruf als Humanist und legte eine hervorragende Bibliothek an (nach L.s Tod verbrannt). 1500 spielte L. eine wichtige Rolle bei der Reform der Domschule in M¨unster. 1505 wurde er Mitglied der Bursfelder Kongregation. L. unterhielt u. a. Kontakte zu Erasmus von Rotterdam, Rudolf Agricola, Murmellius, Friedrich Mormann und zu den Adwerter Humanisten. L. gilt heute als wichtiger Vertreter der nlat. Dichtung des Sp¨atmittelalters. Zwei Hauptwerke sind zu nennen: Sein Hermann v. L. gewidmeter Text Hierosolyma (um 1476) kompiliert rund f¨unfzig Vorlagen zu einer Geschichte Jerusalems und des Tempels von der fr¨uhesten Zeit bis zu ihrer Zerst¨orung. Die Carmina (1486) versammeln 59 humanistische Gedichte mit Widmungen an Landgraf Hermann von Hessen u. a. Die geistlich gepr¨agte Sammlung ist aufgeteilt in lyrische, epigrammatische und heroische Gedichte, oft in der Form von Inschriften, Epitaphen, Gelegenheitsund Freundschaftsgedichten. Besonders umfangreich sind darunter ein Gedicht auf die Belagerung von Neuss durch Karl den K¨uhnen 1474/75 und ein Gedicht u¨ ber die Drei K¨onige. Zu den kleineren Werken L.s z¨ahlt zun¨achst das Rosarium (1493), ein Rosenkranzgebet mit Anrufungen Marias in antiken Metren. W¨ahrend das Rosarium dem K¨olner Universit¨atsrektor Peter Rink gewidmet ist, empfing dessen Bruder Johann die Horae de Sancta Cruce (1495), eine Sammlung von Tagzeitengedichten u¨ ber die Passion Christi, die ebenfalls in antiken Metren geschrieben sind. Die Vita Henrici (1496 oder sp¨ater) L.s war die Fortsetzung einer anonymen Bischofschronik. Diese reichte bis 1458 und wurde von L. um das Leben des Heinrich von Schwarzburg bis zu dessen Tod 1496 erweitert. Außerdem sind acht Briefe L.s aus dem Zeitraum 1469 bis 1501 erhalten, in denen er u. a. seine Ideen u¨ ber humanistische Bildung diskutiert. L. verfasste auch verstreute Beitr¨age zu Drucken anderer Autoren. L. orientierte sich als Dichter an seinem Vorbild Prudentius und lobte Cicero, dessen Briefe er als junger Mann in Basel gelehrt hatte, als H¨ohepunkt der Latinit¨at. Entsprechend blieb er der schriftstellerisch der lat. Tradition verhaftet und reichte als Dichter nicht an Murmellius heran. Seine Verdienste um den dt. Humanismus sind jedoch bis heute unbestritten. 882

2. H¨alfte 15. Jh. Drucke: Zu den lat. L.-Drucken des sp¨aten 15. Jh. s. GW-Nr. 699, 10673, 10680, M17035, M17038, M17040, M17041, M17044, M17048, M1704820. Beitr. L.s auch in GW-Nr. 2424, 5797, 9184, 10676, 10680, M31603, M35851, M47540. Vgl. auch Worstbrock 1985 (s. Lit.). Ausgabe: Die M¨unsterischen Chroniken des MA. Hg. v. Julius von Ficker. M¨unster 1851, S. 241–243. – R. v. L. Leben und gesammelte Gedichte des ersten M¨unster’schen Humanisten. Ein Beitr. zur Gesch. des Humanismus in Deutschland. Hg. v. Adalbert Parmet. Mu¨ nster 1869 (OnlineAusg. BSB M¨unchen). – Carl Krafft/Wilhelm Crecelius: Beitr. zur Gesch. des Humanismus am Niederrhein und in Westfalen 2. Elberfeld 1875, S. 33 f. – Epistolae VI Rudolfi Langii. Hg. v. W. Crecelius. Elberfeld 1876. – Hermann Hugenroth: Zwei lat. Adressen an K¨oln aus dem 15. Jh. In: Jb. des K¨olnischen Geschichtsver. 56 (1985) S. 22–35 (lat.-dt.). – Des m¨unsterschen Kanonikus Rudolph v. L. Gedichte. Hg. v. H. Hugenroth. Mu¨ nster/ Westf. 1991 (lat.-dt.). Literatur: ADB 17 (1883) S. 659 f. – Otto Herding, NDB 13 (1982) S. 578–580. – Franz J. Worstbrock, VL2 5 (1985) Sp. 590–598. – Hans-Josef Olszewsky, BBKL 4 (1992) Sp. 1105–1107. – De Boor/Newald 4/1 (21994) S. 604, 613 u. o¨ . – Hans Peterse, LThK3 6 (1997) Sp. 641. – Roger Aubert, DHGE 30 (2008) Sp. 355. – Aloys B¨omer: Das literarische Leben in M¨unster bis zur endg¨ultigen Rezeption des Humanismus. M¨unster/Westf. 1906. – Klemens L¨offler: Zur Biographie R. v. L.s. In: Zs. f¨ur vaterl¨andische Gesch. und Altertumskunde 69 (1911) H. 1, S. 1–13. – Regnerus Post: Het Sint Bernardsklooster te Aduard. Eene bijdrage tot de geschiedenis der kloosters in de provincie Groningen. In: Archief voor de geschiedenis van het aartsbisdom Utrecht 48 (1923) S. 1–236, S. 131–136. – Georg Ellinger: Gesch. der neulat. Lit. Deutschlands im sechzehnten Jh. 1. Berlin u. a. 1929, S. 388 f., 419–421. – K. L¨offler: R. v. L. In: Westf¨alische Lebensbilder 1. Hg. v. A. B¨omer und Otto Leunenschloß. M¨unster/Westf. 1930, S. 344–357. – Alfred H. v. Wallthor: H¨ohere Schulen in Westf. vom Ende des 15. bis zur Mitte des 19. Jh. In: Westf¨alische Zs. 107 (1957) S. 1–105, hier S. 18–24. – Eug`enie Droz: La premi`ere Reforme scolaire a` M¨unster en Westphalie (1485). In: Ideen und Formen. FS Hugo Friedrich. Hg. v. Fritz Schalk. Frankfurt/M. 1965, S. 61–78. – E. Droz: Die ‹Regule Remigii›, eine unbekannte 883

Lurlebat m¨unsterische Inkunabel aus dem Jahre 1486. In: Ex officina literaria. Beitr. zur Gesch. des westf. Buchwesens. Hg. v. Joseph Prinz. M¨unster/Westf. 1968, S. 1–8. – Jozef Ijsewijn: The Coming of Humanism to the Low Countries. In: Itinerarium Italicum. The Profile of the Italian Renaissance. FS Paul Oskar Kristeller. Hg. v. Heiko A. Oberman und Thomas A. Brady. Leiden 1975, S. 193–301. – G¨otzR¨udiger Tewes: Die Bursen der K¨olner ArtistenFakult¨at bis zur Mitte des 16. Jh. K¨oln u. a. 1993, S. 715–727. – Oliver Plessow: Die umgeschriebene Gesch. Sp¨atma. Historiographie in M¨unster zwischen Bistum und Stadt. K¨oln u. a. 2006, S. 291 f. u. o¨ . – F. J. Worstbrock: R. v. L. In: Dt. Humanismus 1480–1520. Verfasserlex. 2. Berlin u. a. 2009, Sp. 16–27. MM

Lurlebat. – Dichter eines historischen Lieds. Der ansonsten unbekannte L. verfasste wahrscheinlich im Herbst/Winter 1476 ein Lied u¨ ber die Schlacht bei Murten vom 22.6.1476. Dort siegten die Eidgenossen w¨ahrend der Burgunderkriege u¨ ber die Truppen von Karl dem K¨uhnen. Das Lied beginnt mit einer Anrede der Bundesgenossen und der Bitte um Beistand, schildert dann den Ablauf der Schlacht und endet mit der Erinnerung an die Hilfe Gottes w¨ahrend der Schlacht. Der Text ist in zw¨olf Strophen mit jeweils 19 Versen geschrieben. Jede Strophe umfasst zwei Pseudo-Neidharte, vergleichbar dem Bauern als Pfr¨undner. Die Melodie des Lieds ist in der sog. Sterzinger MiszellaneenHandschrift u¨ berliefert. ¨ Uberlieferung: Z¨urich, ZB, cod. A 5, S. 692–698 (Pap., 1480–84, Autograph der Berner ¨ – Ebd., Ms. Chronik von Diebold Schilling d. A.). A 54/55 (1532, Abschr. v. cod. A 5). Ausgaben: Gustav Tobler: Ein unbekanntes Lied von der Schlacht bei Murten. In: Schweizer. Rundschau 3 (1893) S. 312–320. – Die Berner Chron. des Diebold Schilling 1468–1484 II. Hg. v. G. Tobler. Bern 1901, S. 68–74. – Thomas Cramer: Die kleineren Liederdichter des 14. und 15. Jh. 2. Mu¨ nchen 1979, S. 268–274. Literatur: Frieder Schanze, VL2 5 (1985) Sp. 1083 f. – Ludwig Tobler: Das neu entdeckte Lied v. der Schlacht bei Murten. In: Anz. f¨ur schweizer. Gesch. 24 (1893) S. 497–499. – Hellmut Thomke: Der se der wart von bluote rot. Die Bur884

Stolle gunderkriege im Spiegel der Dichtung. In: Berner Zs. f¨ur Gesch. und Heimatkunde 38 (1976) S. 1–40. MM Hochmut, J¨org, Donauw¨orth, † 22.9.1485. – Kaplan, Verfasser historischer Berichte. H. stammte aus Donauw¨orth und erhielt 1463 eine Pfr¨unde in der Georgskirche in N¨ordlingen. Dort war er um 1465 auch als Notar t¨atig, bevor er 1470 Kaplan am Frauenm¨unster in Z¨urich wurde. Er scheint dort seine Arbeit als Notar bis mindestens 1479 fortgesetzt zu haben und u¨ bernahm auch ¨ diplomatische Auftr¨age f¨ur die M¨unster-Abtissin und die Stadt Z¨urich. H. u¨ bersandte wiederholt dt. und lat. Berichte nach N¨ordlingen und Donauw¨orth. Darin geht er auf Ereignisse und Nachrichten aus Zu¨ rich und dem dt.-franz¨osischen Raum ein. H. berichtete etwa 1477 u¨ ber die Schlacht von Nancy, 1478 u¨ ber den Friedensvertrag zwischen K¨onig Ludwig XI. von Frankreich und Kaiser → Maximilian I., 1479 wahrscheinlich u¨ ber den Krieg im Hennegau (Zuschreibung unsicher) und 1482 u¨ ber das Erscheinen von Nebensonnen in Z¨urich. Die von H. religi¨os gedeutete Himmelserscheinung verweist auf die astronomischen Interessen des Notars. Er besch¨aftigte sich n¨amlich auch mit den Werken des Astronomen Eberhard Schleusinger. Daneben war H. als Schreiber t¨atig: 1474/75 wirkte er am → Z¨urcher Buch vom Heiligen Karl mit. ¨ Uberlieferung: Augsburg, UB, cod. I. 3. 2° 18, 107v–109v, 117r–119r, 128v–129v, 155v–156v (Pap., Ende 15. Jh., Sammelhs. mit mehreren Ber. an Donauw¨orth). – N¨ordlingen, Stadtarch., Missiven der Jahre 1473–80, 1482, 1485. – Als Schreiber 1474/75 beteiligt am Z¨urcher Buch vom heiligen Karl: Z¨urich, ZB, Cod. Car. C 28, 1r–47r (Pap., 1474–78). Ausgabe: Theodor v. Liebenau: Ein Z¨urcher Schlachtber. u¨ ber Nancy. In: Anz. f¨ur schweizerische Gesch. NF 8 (1898) S. 66–69. Literatur: Klaus Graf, VL2 11 (2004) Sp. 683 f. – Andreas Meyer: Z¨urich und Rom. Ordentliche Kollatur und p¨apstliche Provisionen am Frau- und Grossm¨unster 1316–1523. Tu¨ bingen 1986, S. 263. – Karin Schneider: Dt. ma. Hss. der UB Augsburg. Die Signaturengruppen Cod. I.3 und Cod. III.1 (Die Hss. der UB Augsburg II,1). Wiesbaden 1988, S. 60–81. – Martin Germann: Fundort Bucheinband. Ein Zu¨ rcher Kalender auf das Jahr 1482. Mit ¨ einem Uberblick u¨ ber die Z¨urcher Offizin und ihre Drucke 1479 bis um 1481. In: Gutenberg-Jb. 68 (1993) S. 66–87. MM 885

2. H¨alfte 15. Jh. Stolle, Konrad, * wohl 1430 Niederzimmern am Ettersberg, † 30.12.1505 Erfurt. – Chronist. Nach dem Schulbesuch in Erfurt und Langensalza lebte S. um 1458–62 in Rom, Florenz und Mantua. Vermutlich 1463 zum Priester geweiht, wurder er 1464 Vikar an St. Severi, sp¨ater auch an anderen Kirchen in Erfurt. S. verfasste eine th¨uringisch-erfurtische Chronik in mitteldt. Sprache. Das mehrheitlich seit 1477 entstandene Memoriale, eine chronologisch geordnete Sammlung von Nachrichten, beginnt mit dem Bau der Arche Noah und endet mit dem Einzug des Kardinals Raimund → Peraudi 1502 in Erfurt; Einleitung und Schluss fehlen. Im Vordergrund stehen Ereignisse aus Th¨uringen und Erfurt, aber auch welthistorische Geschehnisse werden erw¨ahnt. F¨ur die Kapitel 1–195 st¨utzte sich S. insbesondere auf Johannes → Rothe (Th¨uringische Landeschronik, Th¨uringische Weltchronik) sowie ¨ auf dessen lat. Quellen; w¨ortliche Ubereinstimmungen finden sich auch mit der Landeschronik Wigand → Gerstenbergs. In die weitere Darstellung wurden neben mehrfach eingestreuten lat. chronikalischen Notizen ein lat. Gedicht u¨ ber den großen Brand in Erfurt 1472, mehrere ‹historische Lieder› (u. a. → Karl der K¨uhne und die Burgunderkriege) und die Kopie eines der Fr¨uhdrucke der → Burgundischen Legende aufgenommen. S.s Chronik war eine wichtige Quelle f¨ur die sp¨atere th¨uringische Landesgeschichtsschreibung. ¨ Uberlieferung: Jena, ULB, Ms. Sag. q. 3, 10r–321v (darin: 204r–210r: «Burgundische Legende»; 224r–228r: Hans Bucheler: Bericht u¨ ber die Pazzi-Verschw¨orung in Florenz von 1478, an den Bischof von Meissen) (Pap.; Autograph ? [vgl. B¨unz], 15. Jh., th¨uringisch). – Zu weiteren Hss., die jeweils nur Exzerpte enthalten, s. Thiele, S. 25–28. Ausgaben: Memoriale. Th¨uringisch-Erfurtische Chronik von K. S. Bearb. v. Richard Thiele (Geschichtsquellen der Provinz Sachsen und angrenzender Gebiete 39). Halle 1900. – Teilausg. bei Ludwig Friedrich Hesse (Hg.): K. S.s th¨uringischerfurtische Chron. (Bibl. des Litterarischen Vereins in Stuttgart 32). Stuttgart 1854. Nachdr. 1968. – Hermann Maschek (Hg.): Dt. Chron. (Dt. Lit. Reihe Realistik des Sp¨atMA 5). Leipzig 1936 (Nachdr. Darmstadt 1964) S. 182–193 (Auszug). Literatur: Franz Xaver von Wegele, ADB 36 (1893) 409 f. – De Boor/Newald 4,1 (21994) 154 u. o¨ . – Volker Honemann, VL2 9 (1995) Sp. 359–362. – Gerhard Streich, LexMA 8 (1997) 886

2. H¨alfte 15. Jh. ¨ Sp. 191. – Andreas Ludwig Jakob Michelsen: Uber die ungedruckte th¨uringische Chron. v. Conrad S. In: Zs. des Vereins f¨ur Th¨uringische Gesch. und Altertumskde 1 (1854) S. 219–236. – August Witzschel: Die erste Bearb. der D¨uringischen Chron. von Johannes Rothe. In: Germania 17 (1872) S. 129–169. – Hans Patze: Landesgeschichtsschreibung in Th¨uringen. In: Gesch. Th¨uringens. Hg. v. dems./Walter Schlesinger (Mitteldt. Forschungen 48). Bd. 1. K¨oln u. a. 1968, S. 7 f. – Martin Hannappel: Was K. S. u¨ ber den Guß der Gloriosa des Erfurter Domes berichtet. In: Fuldaer Geschichtsbll. 48 (1972) S. 147–150. – Franzjosef Pensel: Verz. der altdt. und ausgew¨ahlter neuerer dt. Hss. in der Universit¨atsbibl. Jena (DTM 70/2). Berlin 1986, S. 535–542. – Enno B¨unz: Neues zur Biogr. des Chronisten K. S. (1436–1501). In: DA 56 (2000) S. 201–211. – Stefan Tebruck: K. S., ‹Memoriale›. In: ‹bescheidenheit›. Dt. Lit. des MA in Eisenach und Erfurt. Kat. zur Ausstellung der Universit¨ats- und Forschungsbibl. Erfurt/Gotha in der Universit¨atsbibl. Erfurt vom 22. August bis 13. Oktober 2006. Hg. v. Christoph Fasbender. Gotha 2006, S. 16 f. (A.1.4). BJ Bucheler, Hans (Pucheler, P¨urcheler). – Verfasser eines historischen Berichts. B. lebte wohl zumindest zeitweise in Florenz, hatte aber nachweislich Verbindungen nach Meissen. Er verfasste einen dt. Bericht u¨ ber die sog. Pazzi-Verschw¨orung, in deren Rahmen Mitglieder der Florentiner Pazzi-Familie 1478 erfolglos gegen die Herrschaft der Medici aufbegehrten. B.s Bericht rekapituliert die Ereignisse um den gescheiterten Staatsstreich und die anschließende Bestrafung der Verschw¨orer. Die genaueren politischen Hintergr¨unde bleiben bei B. allerdings unerw¨ahnt. Die in einer Jenaer Handschrift erhaltene Fassung des Berichts war an den Meissener Bischof gerichtet. Sie wurde von dem Erfurter Chronisten ¨ Konrad Stolle unter der Uberschrift Von der stad Florentcz jn welschen landen in sein Memoriale aufgenommen. Eine zweite Fassung der Berichts erging an «gute Freunde» B.s und bildet den Schlussteil der Meissnischen Chronik, die lange f¨alschlich B. zugeschrieben wurde. ¨ Uberlieferung: Dresden, LB, Mscr. H 170m, 140–144 (Pap., 15. Jh.). – Jena, ULB, Ms. Sag. q. 3, 224r–228r (Pap., 15. Jh., th¨uringisch). – Leipzig, UB, Ms. 1674, 115r–116v (Pap., um 1473–82). – Gießen, UB, Hs. 329, 38r–39v (Pap., N¨urnberg, 887

Bucheler 1478–81, nordbair.). – Halle/Saale, ULB, ThSGV 3147, 136v–138v (Pap., 1492/1508). – Weimar, LB (HAAB), cod. Q 206. Ausgaben: Scriptores Rervm Germanicarum, Praecipue Saxonicarum 2. Hg. v. Johann B. Mencke. Leipzig 1728, Sp. 431–434 (MikroficheAusg. Berlin 2008). – Konrad Stolle: Th¨uringischErfurtische Chronik. Aus der Urschrift. Hg. v. Ludwig Hesse. Stuttgart 1854, S. 139–146. – Konrad Stolle: Memoriale. Th¨uringisch-Erfurtische Chronik. Hg. v. Richard Thiele. Halle/Saale 1900, S. 390–394. – Tobias Daniels: La congiura dei Pazzi nell’informazione e nella cronistica tedesca coeva. In: Archivio Storico Italiano 169 (2011) S. 23–76. Literatur: Peter Johanek, VL2 1 (1978) Sp. 1106 f.; 11 (2004) Sp. 301. – Volker Honemann: Stolle, Konrad. In: VL2 9 (1995) Sp. 359–362. – Martin Baltzer: Zur Kunde th¨uringischer Geschichtsquellen des 14. und 15. Jh., besonders ihrer ¨ hs. Uberl. In: Zs. des Ver. f¨ur Th¨uringische Gesch. und Altertumskunde 18, NF 10 (1896/97) S. 1–60. MM Erhardus OP. – Hebraist. E. stammte nach Angaben von Konrad Sartori aus dem Kloster Altenhohenau. Verschiedentlich hat man ihn auch als E. Streitperger aus dem Kloster Pettau identifiziert. Dieser lebte um 1475–84 in Regensburg, wurde 1494 Praedicator generalis seiner Ordensprovinz und 1495 Prior in Pettau. E. war vielleicht ein Sch¨uler des Petrus Nigri, den er sicher pers¨onlich kannte. Seine genaue Ausbildung ist unbekannt, aber wie sich aus E.s Werk erschließen l¨asst, besaß er neben Lateinkenntnissen auch Grundkenntnisse in der hebr¨aischen Sprache. Mit Nigri weilte E. 1475 in Trient, wo er am Gerichtsprozess u¨ ber den angeblichen Ritualmord an Simon von Trient teilnahm. E. war Kurator der urspr¨unglich lat. Prozessakten und verfasste um 1478/79 eine kompetente dt. Bearbeitung des Materials. Er u¨ bersetzte den gr¨oßten Teil der Akten und behielt nur die hebr¨aischen Stellen im Original bei. Von Ambrosius Schwerzenpeck wurde E. auch als Autor einer weiteren Schrift identifiziert. Es handelt sich dabei um eine 1492 entstandene Abhandlung in lat. Sprache. Der Text u¨ bersetzt und erl¨autert das j¨udische Passah-Ritual auf Grundlage einer hebr¨aischen Haggadah-Bilderhandschrift, die in Tegernsee aufbewahrt wurde. ¨ Uberlieferung: New York, Yeshiva University ¨ Library, 1478 German Ms. (Ubers. der Trienter 888

Ebran Prozessakten). – Mu¨ nchen, BSB, Clm 18526b, fol. 190–200 (Tegernsee, vor 1492). Literatur: Bernhard Bischoff, VL2 2 (1980) Sp. 582–584; 11 (2004) Sp. 416. – De Boor/Newald 4/1 (21994) S. 655, 875. – Bernhard Walde: Christliche Hebraisten Deutschlands am Ausgang des MA. Mu¨ nster/Westf. 1916, S. 178–182. – B. Bischoff: Frater E. O.Pr., ein Hebr¨aist des 15. Jh. In: Hist. Jb. 57 (1937) S. 615–618 (wieder in: Ders.: Ma. Stud. 2. Ausgew¨ahlte Aufs¨atze zur Schriftkunde und Literaturgesch. Stuttgart 1967, ¨ S. 187–191). – Franz Hammer: Uber eine bisher unbekannte Hs. aus Eberhards Bibl. In: Graf Eberhard im Bart v. W¨urttemberg im geistigen und kulturellen Geschehen seiner Zeit. Zur Stuttgarter Bibliophilentagung verfasst v. Bibliothekaren der W¨urttembergischen LB. Stuttgart 1938, S. 13–24. – Willehad P. Eckert: Aus den Akten des Trienter Judenprozesses. In: Judentum im MA. Beitr. zum christlich-j¨udischen Gespr¨ach. Hg. v. Paul Wilpert. Berlin 1966, S. 283–336. – Thomas Kaeppeli: Scriptores Ordinis Praedicatorum Medii Aevi I. Rom 1970, S. 373 f. – Georg Knauer: Iter per miscellanea. Homer’s Batrachomyomachia and Johannes Reuchlin. In: The Whole Book. Cultural Perspectives on the Medieval Miscellany. Hg. v. Stephen Nichols/Siegfried Wenzel. Ann Arbor 1996, S. 23–36, hier S. 31 f. MM Fellhainer, Fritz. – Bair. Mundartdichter. F. ist nur u¨ ber seine Eigennennung in einem von ihm verfassten Lied nachzuweisen. Darin bezeichnet er den Passauer Bischof Ulrich III. von Nussdorf als seinen Herren. Dieser starb 1479, also d¨urfte F. in der zweiten H¨alfte des 15. Jh. gelebt haben. F.s antisemitisches Lied behandelt prim¨ar eine angebliche Hostiensch¨andung durch Passauer Juden (1477/78). Im Text verkauft ein geldgieriger Christ einer Gruppe Juden mehrere Hostien, die daraufhin in einer Synagoge mit dem Messer gesch¨andet werden. Nach der Entdeckung dieses Vorgangs durch die Beh¨orden kommt es in Passau zu antisemitischen Pogromen. Auch berichtet das Lied kurz von einem Christen in Sch¨arding, der sein Kind an Juden verkauft haben soll. F. beschließt den Text mit einer Mahnung zu christlichem Lebenswandel. Das in bair. Mundart geschriebene Lied umfasst 22 vierhebige Strophen zu je sechs Zeilen und ist in zwei Handschriften des fr¨uhen 16. Jh. u¨ berliefert. 889

2. H¨alfte 15. Jh. Mo¨ glicherweise steht F.s Lied im Entstehungszusammenhang mit einem lat. Prosabericht von ca. 1515, der die gleiche Hostiensch¨andung schildert. Eine fr¨uhe Fassung des Berichts k¨onnte dem Lied als Vorlage gedient haben. ¨ Uberlieferung: Berlin, SBB, Mgq 495 (fr¨uher Privatbesitz v. Matth¨aus Kuppitsch in Wien), 43r–44v (Pap., um 1500, nordbair.-schw¨abisch). – ¨ Wien, ONB, cod. 3000, 52v–56v (Pap., um 1504/05, bair.-o¨ sterr.). Ausgaben: Die historischen Volkslieder der Deutschen vom 13. bis 16. Jh. Bd. 2. Hg. v. Rochus v. Liliencron. Leipzig 1866 (Nachdr. Hildesheim 1966) S. 142–146 (Nr. 153). – Thomas Cramer: Die kleineren Liederdichter des 14. und 15. Jh. ¨ Bd. 1. M¨unchen 1977, S. 199–204. – Zu Uberl. und Ausg. des lat. Prosaber. vgl. Liliencron 1866 (s. o.) und M¨uller 1980 (s. Lit.) Sp. 722. Literatur: K[arl] Bartsch, ADB 6 (1877) S. 615. – Ulrich M¨uller, VL2 (1980) Sp. 721 f. – Cramer 1977 (s. Ausg.) S. 452. – Dietrich Schmidtke: Die Lieder der Berliner Hs. germ. quart. 495. In: Arch. f¨ur das Studium der neueren Sprachen und Literaturen 218 (1981) S. 16–36, 271–285. – Miri Rubin: Gentile Tales. The Narrative Assault on Late Medieval Jews. New Haven 1999 (Neudr. Philadelphia 2004) S. 174 f. MM Ebran, Hans, von Wildenberg, * um 1425/35 bei Abensberg/Niederbayern, † um 1501/1503. – Bayerischer Chronist. Der a¨ lteste Sohn von Ulrich E. v. W. stammte aus niederbayerischem Turnieradel. Als junger Mann diente er unter Herzog Ludwig dem Reichen von Bayern-Landshut (1417–1479). Zun¨achst Hauptmann, wurde H. 1462 zum Ritter geschlagen und nahm im selben Jahr an der Schlacht bei Giengen teil. Seit 1463 war er herzoglicher Rat, seit 1464 Oberrichter in Landshut, seit 1468 Beisitzer am herzoglichen Hofgericht und seit 1474 Hofmeister und Pfleger in Burghausen. Er betreute dort die Herzoginnen Amalia und sp¨ater Hedwig. Nach Ludwigs Tod diente er unter dessen Sohn Georg (1455–1503). 1480 pilgerte H. nach Pal¨astina und machte auf dieser Reise wahrscheinlich auch in Montecassino Station. H. verfasste um 1479 die Chronik von den F¨ursten aus Bayern und um 1490–93 eine zweite Fassung des Werks, die auch Ereignisse seit 1450 enth¨alt. H. erarbeitete das Werk unter Mithilfe zweier unbekannter Priester, die er als Lateinunkundiger wohl 890

2. H¨alfte 15. Jh. f¨ur lat. Quellenstudien heranzog. Der eigentliche Text d¨urfte von H. selbst stammen. Allerdings ist von der Chronik kein kompletter Autograph u¨ berliefert, nur eine Abschrift mit Anmerkungen H.s, außerdem sp¨atere Handschriften. Inhaltlich stellt die Chronik die Geschichte Bayerns und seiner F¨ursten dar. Eingebettet in die Welt- und Reichsgeschichte, schildert H. prim¨ar politische Ereignisse, f¨ugt aber auch heilsgeschichtliche Untert¨one ein. Im zweiten Teil des Werks erfolgt die Darstellung entlang der WittelsbacherGenealogie nach F¨ursten gegliedert, die jeweils eigene Kapitel erhalten. Besonderen Wert legt die Chronik auf den Nachweis der Abstammung der Grafen von Scheyern von Kaiser Arnulf. Damit will H. eine fr¨uhere Karolinger-Herrschaft in Bayern nachweisen und den Anspruch der Wittelsbacher auf das Herzogtum untermauern. Trotz seiner grunds¨atzlichen Unterst¨utzung f¨ur das F¨urstenhaus a¨ußert H. zugleich deutliche Kritik an schlecht oder nachl¨assig regierenden Herrschern. So erweist sich H. als Chronist mit moralischem Fundament. Als Quellen benutzte H. prim¨ar → Otto von Freising (Weltchronik), → Andreas von Regensburg (Chronik von den F¨ursten aus Bayern), Jakob → Twinger von K¨onigshofen, → Petrus Comestor (Historia ecclesiastica), Werner → Rolevinck (Fesciculus temporum), → Berchtold von Kremsm¨unster und die Scheyerer F¨urstentafel. Neuere Ereignisse schildert die Chronik aus H.s eigener Kenntnis. Er f¨ugt auch Anekdoten ein, die im Sinne von Exempla benutzt werden, ein weiterer Beleg f¨ur H.s moralische Grundhaltung. Charakteristisch ist außerdem H.s weitgehender Verzicht auf die Benutzung von Urkunden und Akten als Quellen, mit dem o¨ sterr. Privilegium minus von 1156 als nennenswerter Ausnahme. H.s Chronik diente selbst als Quelle f¨ur Ulrich Fuetrer, Veit → Arnpeck und Johannes Aventinus. Die moderne Forschung w¨urdigt H. meist als eigenst¨andigen und kritischen Chronisten, der die stringente und gegliederte Darstellung historischer Abl¨aufe souver¨an beherrscht. Besonders erw¨ahnenswert ist H.s Abkehr von der kompilatorischen Historiographie des Andreas von Regensburg. Vielmehr spricht aus H.s F¨urstenportr¨ats ein individueller Gestaltungswille. ¨ Uberlieferung: Weimar, Herzogin-Anna-Amalia-Bibl., cod. Fol. 78, 1r–112r (Pap., sp¨ates 15. Jh., bair., mit Verfasserkorrekturen). – Mu¨ nchen, BSB, Cgm 1597, 88 Bll. (Pap., um 1500). – Ebd., Cgm 891

Die Einbecker Fehde 1557, 124r–180v (Pap., um 1560). – Sp¨atere Abschriften aus dem 17. und 19. Jh. bei Johanek 1980 (s. Lit.). Ausgabe: Rerum Boicarum scriptores 1. Hg. v. Andreas Felix Oefele. Augsburg 1763, S. 301–341 (Teildr.). – Des Ritters H. E. v. W. Chronik v. den F¨ursten aus Bayern (Quellen und Er¨orterungen zur bayerischen und dt. Gesch. NF II,1). Hg. v. Friedrich Roth. M¨unchen 1905. Nachdr. Aalen 1969. Literatur: Sigmund v. Riezler, ADB 42 (1897) S. 498 f. – Peter Johanek, VL2 2 (1980) Sp. 307–312; 11 (2004) Sp. 390. – Bernhard Hagel, LexMA 3 (1986) Sp. 1531. – De Boor/Newald 4/1 (21994) S. 147. – Victor Keller: Ritter H. E. v. W., sein Leben und seine bay. Chronik. In: Verhandlungen des Hist. Ver. f¨ur Niederbayern 31 (1895) S. 85–141. – Roth 1905 (s. Ausg.). – Repertorium fontium historiae medii aevi 4. Hg. Istituto Storico Italiano per il Medio Evo. Rom 1976, S. 269. – Michael M¨uller: Die bay. Stammessage in der Geschichtsschreibung des MA. In: Zs. f¨ur bayer. Landesgesch. 40 (1977) S. 341–371. – Benno Hubensteiner: H. E. v. W. In: Ders.: Biographenwege. Lebensbilder aus dem alten Bayern. Mu¨ nchen 1984, S. 15–28. – Jean-Marie Moeglin: Les ancˆetres du prince. Propagande politique et naissance d’une histoire nationale en Bavi`ere au Moyen Age (1180–1500). Genf 1985, S. 144–168 u. o¨ . – Ilse Haari-Oberg: Die Wirkungsgesch. der Trierer Gr¨undungssage vom 10. bis 15. Jh. (Europ¨aische Hochschulschr. 3,607). Bern u. a. 1994, S. 131–134. – Norbert Warken: Ma. Geschichtsschreibung in Strassburg. Stud. zu ihrer Funktion und Rezeption bis zur fr¨uhen Neuzeit. Diss. Saarbr¨ucken 1995, S. 394–408. – Norbert Kersken: Auf dem Weg zum Hofhistoriographen. Historiker an sp¨atma. F¨urstenh¨ofen. In: Ma. F¨urstenh¨ofe und ihre Erinnerungskulturen. Hg. v. Carola Fey u. a. G¨ottingen 2007, S. 107–139, hier S. 121–124 u. o¨ . – Stefan Dicker: Landesbewusstsein und Zeitgeschehen. Stud. zur bay. Chronistik des 15. Jh. K¨oln u. a. 2009, S. 82–111 u. o¨ . MM Die Einbecker Fehde. – Historisches Lied. Herzog Wilhelm von Braunschweig-Wolfenb¨uttel stand mit dem Hildesheimer Stift in Fehde. W¨ahrend Landgraf Hermann von Hessen sich mit Wilhelm verband, stellten sich die Stadtb¨urger von Einbeck auf die Seite des Stiftes. Das Lied schildert episodisch die Ereignisse, als es am 12.5.1479 zu 892

Lied von Dole einer entscheidenden Schlacht am Tackmannsgra¨ ben kam, bei der sich die Einbecker der Ubermacht der F¨ursten beugen mussten. Die nicht schon zuvor flohen (Str. 12), wurden get¨otet oder gefangengenommen. Als Entstehungsort des Liedes nennt der Verfasser «Rusteberge in dem Hagen». Er warnt, wer sich mit den F¨ursten anlegen wolle, «der gripet et gans wislich an» (Str. 18). Im Hildebrandston gedichtet, umfasst das Lied in den Handschriften zwischen 14 und 18 Strophen. Johann Letzner (S. 111 f.) berichtet, man h¨atte zu seiner Zeit zwei weitere Lieder gesungen, eines davon aus der Perspektive der F¨ursten. Eine ¨ Uberlieferung fehlt allerdings. ¨ Uberlieferung: Wolfenb¨uttel, HAB, Cod. 32. 14 Aug. 2 °, 108v–110v (Pap., 15. Jh., nd.). – Hannover, Nieders¨achsisches Hauptstaatsarch., Mscr A 24, 2v–4v (Pap., 15. Jh., hochdt., Johann Letzners Braunschweigische Chronik, Kriegsverlust). – Ebd., Mscr. F 7, 5b–7b (Pap., 15. Jh., hochdt., Johann Letzners Braunschweigische Chronik, Kriegsverlust). – Hildesheim, Stadtarch., Hs. Nr. 5 (Pap., 15. Jh., hochdt., Kriegsverlust). Ausgabe: Rochus von Liliencron (Hg.): Die hist. Volkslieder der Deutschen vom 13. bis 16. Jh. 5 Bde. Leipzig 1865–69, Bd. 2, S. 151–157, Nr. 156. Literatur: Eckhard Lenk, VL2 2 (1980) Sp. 419 f. – Johann Letzner: Dasselische und Einbeckische Chronik. Erfurt 1596, Buch VI. – Liliencron (s. Ausgabe). – Wilhelm Feise: Nachrichten u¨ ber die Schlacht am Tackmannsgraben. In: Jb. des Vereins f¨ur Gesch. und Altertum der Stadt Einbeck 14 (1930) S. 37–75. CS Hermann von Bruychoyfen (Brunchoyften, Br¨uninghausen). – Herold des St. Hubertusordens. H. stammte wahrscheinlich aus dem westlichen Deutschland und war vermutlich als genealogischer Schriftsteller f¨ur verschiedene F¨ursten t¨atig. Herzog Gerhard, Graf von Ravensberg, stiftete nach der sog. Hubertus-Schlacht bei Linnich (1444) den Ju¨ licher St. Hubertusorden. H. verfasste in seinem Auftrag ein Heroldsbuch dieses Ordens, das er 1479/80 abschloss. Das Buch bietet 1300 Wappendarstellungen, Namenslisten, eine kurze Klever Regentengeschichte sowie Zeichnungen mit Beischriften unterschiedlicher Thematik. ¨ Uberlieferung: Krakau, Bibl. Jagiello´nska, Berol. mgq 1479 (fr¨uher Berlin, SBB, Mgq 1479; 893

2. H¨alfte 15. Jh. davor Cheltenham, Bibl. Phillippica, Cod. 9415), 13v–127v (Pap., 15. Jh., ripuarisch). Literatur: Volker Schmidtchen, VL2 3 (1981) Sp. 1052–1054; 11 (2004) Sp. 648. – Heinrich Oidtmann: Die Hubertusschlacht bei Linnich in Dichtung, Sage und Gesch. J¨ulich 1904. – Emil Pauls: Aus der a¨ltesten Gesch. des Hubertusordens am Niederrhein. In: Zs. des Bergischen Geschichtsvereins (1907) S. 159–178. – Egon v. Berchem/ Donald Lindsay Galbreath/Otto Hupp: Beitr. zur Gesch. der Heraldik (Schriftenreihe der Reichsstelle f¨ur Sippenforschung 3). Berlin 1939. Nachdr. Neustadt a. d. Aisch 1972. – Helmut Schulte: Linnich. Gesch. einer niederrheinischen Stadt. Linnich 1967. BJ Lied von Dole. – Historisches Ereignislied. Das L. v. D. erz¨ahlt in dt. Sprache ein Ereignis aus dem Burgundischen Erbfolgekrieg: Im Mai 1479 u¨ berfielen franz¨osische Truppen das burgundische Dole und pl¨underten die Stadt. Der Vorgang wird im Lied mit offen antifranz¨osischen Untert¨onen dargestellt. So wird der franz¨osische K¨onig etwa als verlogen und betr¨ugerisch bezeichnet. Der Text ist in drei Handschriften und mehreren Einblattdrucken u¨ berliefert und besteht aus neunzeiligen Reimstrophen im Schema ABABCDCCD. Der Umfang schwankt in den verschiedenen Fassungen zwischen neun und 14 Strophen. Die ebenfalls u¨ berlieferte Melodie des Lieds beruht auf einer Tanzweise des Hans Heselloher von um 1450 (Von u¨ ppiglichen Dingen). Sie wurde sp¨ater als «Doler Weise» bekannt und in vielen Liedern des 16. Jh. verwendet. ¨ Uberlieferung: Mu¨ nchen, BSB, Cgm 809, 58r–58v (Pap., Tegernsee, 1490–1524, bair.ostschw¨abisch). – Berlin, SBB, Mgq 718, 58 (Pap., vor 1520). – Klosterneuburg, Stiftsbibl., Cod. 1228, 29r–31v (Pap., um 1520, bair.-o¨ sterr.). – Augs¨ burg, UB, cod. Ottingen-Wallerstein I, 3, 4° 10, 129v–131v (Pap., 1554, mit Melodie). Drucke: Verz. bei Brednich 1974 (s. Lit.). Ausgaben: Die hist. Volkslieder der Deutschen vom 13. bis 16. Jh. 3. Hg. v. Rochus v. Liliencron. Leipzig 1867 (Nachdr. Hildesheim 1966) S. IX–XI. – Walther Lipphardt: Das wiedergefundene Gesangbuch-Autograph von Adam Reißner aus dem Jahre 1554. In: Jb. f¨ur Liturgik und Hymnologie 10 (1965) S. 79 f. (Faks. der Melodie). – Max Geisberg: The German Single-Leaf Woodcut, 1500–1550. Hg. v. Walter L. Strauss. New York 894

2. H¨alfte 15. Jh. 1974, Nr. 1372. – Brednich 1974 (s. Lit.) Abb. 35 (Faks.). – Gisela Ecker: Einblattdrucke von den Anf¨angen bis 1555. Unters. zu einer Publikationsform literarischer Texte 2 (GAG 314,2). G¨oppingen 1981, Abb. 41 (Faks.). Literatur: Michael Curschmann, VL2 5 (1985) Sp. 816–818. – Wolfgang Suppan: Ein christlich Lied wider die T¨urken und die Doler Weise. In: Jb. f¨ur Liturgik und Hymnologie 9 (1964) S. 152–156. – M. Curschmann: Typen inhaltsbezogener formaler Nachbildung eines sp¨atma. Liedes im 15. und 16. Jh. In: Werk-Typ-Situation. FS Hugo Kuhn. Hg. v. Ingeborg Glier u. a. Stuttgart 1969, S. 305–325. – M. Curschmann: Texte und Melodien zur Wirkungsgesch. eines sp¨atma. Liedes. Bern 1970, S. 112 f., 124 u. o¨ . – W. Suppan: Dt. Liedleben zwischen Renaissance und Barock. Die Schichtung des dt. Liedgutes in der zweiten H¨alfte des 16. Jh. Tutzing 1973, S. 21 f., 235 f. – Rolf W. Brednich: Die Liedpublizistik im Flugbl. des 15. bis 17. Jh. 1. Baden-Baden 1974, S. 155 f. – Betrand Buchmann: ‹Daz jemant singet oder sait ...› Das volkst¨umliche Lied als Quelle zur Mentalit¨atengesch. des MA. Frankfurt/M. 1995, S. 207 f. u. o¨ . MM Schamdocher, Georg. – Verfasser einer kurzen dt. Prosachronik u¨ ber Kaiser Friedrich III., sp¨ates 15. Jh. Die sp¨arlichen Angaben zu S.s Leben stammen auschließlich aus seinem eigenen Werk. So habe er zum Tross geh¨ort, der Friedrich 1442 zur Kr¨onung nach Aachen begleitet hat («und ich zoch auch mit», Ausg. S. 315), und an den diversen Kriegsh¨andeln, die er als Augenzeuge schildert, selbst teilgenommen (z. B: «ich hielt auch dabey, hiet aber nur ain Ror in der hant», Ausg. S. 317). Seine Chronik umspannt die Jahre von Friedrichs Kr¨onung bis 1479. Dargestellt werden in erster Linie verschiedene Kriegsz¨uge und Schlachten im Zusammenhang mit der Hausmachtpolitik Friedrichs. Eingestreut sind annalistische Notizen und Anekdoten. Zu den Hintergr¨unden und Motiven der Ereignisse und Handlungen des Kaisers steuert R. keine Informationen bei; seine aus der Erinnerung heraus beigesteuerten Daten sind nicht immer korrekt. Er l¨asst aber ein pers¨onliche Einsicht in die politischen Zusammenh¨ange erkennen, die seine Zugeh¨origkeit zum habsburgischen Hof nahelegen. Die breiteste Schilderung erf¨ahrt die Schlacht von St. Jakob an der Birs (bei Basel), 895

Schamdocher und auch die Niederlagen spart R. nicht aus, wie den Bruderzwist um das Erbe Habsburgs mit dem bayerischen Herzog Albrecht VI., die Angriffe des ungarischen K¨onigs Matthias Corvinus oder t¨urkische Raubz¨uge. ¨ Uberlieferung: Offensichtlich lag dem Hg. Oefele ein Verfasserautograph vor, das neben der Chron. Korrespondenz u. a. von Friedrich, Albrecht IV. und Matthias Corvinus zu den geschilderten Ereignissen enthielt und heute als verloren gelten muss. Ausgabe: Andreas Felix v. Oefele: Breve Chronicon Georgii Schamdocher Rerum sub Friderico III. gestarum ab A. MCCCCXL ad A. MCCCCLXXIX. In: Rerum Boicarum Scriptores Nusquam Antehac Editi. Bd. 1. Augsburg 1763, S. 315–321 (mit einer Briefauswahl). Literatur: Birgit Studt, VL2 8 (1992) Sp. 600 f. – Gregor Werner, Encyclopedia of the Medieval Chronicle 2 (2010) S. 1333 f. – Oefele (s. Ausg.) S. 315. – Dt. Reichstagsakten unter Kaiser Friedrich III. 2. Abt., 1441–1442 (Dt. Reichstagsakten, ¨ Altere Reihe 16,2). Hg. durch die Hist. Kommission der Bayer. Akad. der Wiss. Stuttgart/Gotha 1928, S. 200 Anm. 3. – Alphons Lhotsky: Quellen¨ ¨ Erg.bd. kunde zur ma. Gesch. Osterreichs (MIOG 19). Graz/K¨oln 1963, S. 426. – Repertorium fontium historiae medii aevi 10,3 (2005) S. 303. VZ Burgundische Legende. – Politisch-historische Ereignisdichtung, letztes Viertel 15. Jh. Kurz nach dem Tod Karls des K¨uhnen bei der Belagerung von Nancy am 5.1.1477 erschien in Basel, Straßburg und Augsburg eine gedruckte deutschsprachige Reimpaarchronik der Burgunderkriege in 326 Versen. Der vermutlich geistliche Verfasser k¨onnte die R¨uckblicksdichtung im Auftrag seines Druckers erstellt haben. Er st¨utzt sich auf keine literarischen Quellen sondern auf Augenzeugenberichte. In schmuckloser, daf¨ur aber klarer Sprache werden die Ereignisse ab 1465 geschildert. Dabei ist die Reimchronik ganz gegen Burgund gerichtet und an keiner Stelle um Objektivit¨at bem¨uht. Beides, Form und Tendenz, k¨onnte Ursache der Beliebtheit des ersten oberrheinischen Burgunderdrucks gewesen sein. Es folgten vor allem die Straßburger Burgunderdrucke von Konrad → Pfettisheim und Hans Erhart → T¨usch, wobei sich T¨usch stark an den B. L. orientierte, die 896

Burgundische Legende von Karls Feldz¨ugen gegen Ludwig XI. von Frankreich, der Gefangennahme des Herzogs von Geldern, der Zusammenkunft Karls mit Kaiser Friedrich III. oder der vergeblichen Belagerung von Neuss erz¨ahlen. Besonderes Augenmerk wird auch auf die letztlich kriegsausl¨osenden Ereignissen um den von Karl eingesetzten oberrheinischen Landvogt Peter von Hagenau gerichtet (→ Breisacher Reimchronik). Nach Schilderungen der Niederlagen Karls bei Granson, Murten und Nancy wird Karls Tod als Gottesgericht gedeutet. Die B. L. werden von einem Dankgebet beschlossen (vgl. auch → Karl der K¨uhne und die Burgunderkriege). ¨ Uberlieferung: Inkunabeln: A: Basel (Bernhard Richel [VL] oder Michael Wenssler [GW]) um 1477/78 (GW M17617), mit Titelholzschnitt. Das ¨ einzige erhaltene Exemplar Wien, ONB, Ink. 2.H.43 wurde aus der Hs. ebd., Cod. 2975 ausgel¨ost. – B: Straßburg (Heinrich Knoblochtzer) o. J. (1477 [?]) (GW MI7614). – C: Augsburg (G¨unther Zainer) 1477 (GW MI7618). – Abschriften: 1) Umschr. Konrad → Stolles: Jena, ULB, Ms. Sag. q. 3, 204r–210r (Pap., 15. Jh., th¨uringisch [Autograph?]); nach A oder B, mit zus¨atzlichen Versen. – 2) Els¨assische Abschr. v. B: Straßburg, National- und UM, Ms. 3572, 277v–283v (Pap., um 1480), als Zusatz zur Chron. Jakob → Twingers von K¨onigshofen. – 3) Els¨assische Abschr. in einer K¨onigshofen-Hs.: Dresden, LB, Mscr. Dresd. F.98, ¨ 256v–262r (Pap., Ende 15. Jh.), Uberschr.: «Burgunsche Legende. Spruch». – 4) Hessische Umschr. (v. B [?]) des Johannes → Gensbein: Berlin, SBB, Mgq 1803 (vormals Molsberg, Gr¨afl. Walderdorffsche Fideikommiss-Bibl., Nr. 3597), 67v, 69rv, 91r–96v (alte Blattz¨ahlung, heutige kann abweichen) (Pap., Ende 15. Jh.). – 5) Bair. Abschr. v. C des Hieronymus Herprunner wohl f¨ur den Salzburger Landrichter Wilhelm Kulm¨ar: Mu¨ nchen, Staatsbibl., Cgm 318, 118r–123r (Pap., 1477/78). Ausgaben: Karl August Muffat: Meistersang auf Karl’n den K¨uhnen. In: Taschenbuch f¨ur die vaterl¨andische Gesch. 39 (1850/51) S. 312–314 (GW MI7618). – Faks.: Picot/ Stein (s. Lit.) S. 29–42 (GW MI7614, unvollst. Exemplar Karlsruhe, LB, 42 A 1932, 14 RH). – Abschr. Konrad Stolles: Hesse 1851 (s. Lit.) S. 326–336. – Ders. 1854 (s. Lit.) S. 115–125. – Thiele (s. Lit.) S. 363–373. Literatur: Ludwig Friedrich Hesse: Aus Konrad Stolles Erfurter Chron. In: ZfdA 8 (1851). S. 302–347. – Ders.: Konrad Stolles th¨uringischerfurtische Chron. (Bibl. des Litterarischen Ver. in 897

2. H¨alfte 15. Jh. Stuttgart 32). Stuttgart 1854. Nachdr. Amsterdam 1968. – Richard Thiele: Memoriale. Th¨uringischerfurtische Chron. v. Konrad Stolle (Geschichtsquellen der Provinz Sachsen und angrenzender Gebiete 39). Halle 1900, S. 19, 22. – Karl Schneider: Unters. zur Burgundischen Hystorie des H. E. D¨usch. Diss. Straßburg 1910, S. 8–11, 13 f., 93–95, 139 f. – Ders.: Die Burgundische Hystorie und ihr Verfasser. In: Jb. f¨ur Gesch., Sprache und Lit. Elsaß-Lothringens 26 (1910) S. 95–164. – Emil D¨urr: Die Nicolai de preliis et occasu ducis Burgundie historia und deren Verfasser. In: Basler Zs. f¨ur Gesch. und Altertumskunde 11 (1912) S. 395–419. – Gustav Tobler: Conrad Pfettisheims Gedicht u¨ ber die Burgunderkriege (Neujahrsbl. der Literarischen Ges. Bern auf das Jahr 1918). Bern 1917, S. 4 f. – Emile Picot/Henri Stein: Recueil de Pi`eces Historiques Imprim´ees sous le R`egne de Louis XI. Bd. 2. Paris 1923, S. 65–90 (mit Text v. B. in franz¨osicher Prosa¨ubertragung). – Wilhelm J. Meyer: Ein seltenes, unbekanntes Z¨urcher Exemplar der Burgundischen Legende, Strassburg 1477. In: Der Schweizer Sammler 3 (1929) S. 129–133 – Kurt Ohly: Nicolaus: De preliis et occasu ducis Burgundie historia, und drei andere Straßburger Flugschr. gegen Karl v. Burgund aus den Jahren 1477/1478. In: Zs. f¨ur die Gesch. des Oberrheins 106 (1958) S. 53–93, 277–363, hier S. 53–55, 331–334, 352, 356, 358–363. – Richard Feller/Edgar Bonjour: Geschichtsschreibung der Schweiz. Bd. 1. Basel/Stuttgart 1962, 21979, S. 138 f. – Ferdinand Geldner: Die dt. Inkunabeldrucker. Ein Hb. der dt. Buchdrucker des 15. Jh. nach Druckorten. Bd. 1. Stuttgart 1968, S. 66 f., 114–116, 132–137. – Hans-Peter Trenschel: Chron. In: Die Burgunderbeute und Werke burgundischer Hofkunst (Ausstellungskat. Bernisches Hist. Museum). Bern 1969, S. 71, Nr. 23. – Joseph Lange u. a.: Neuss, Burgund und das Reich. Festgabe der Stadt Neuss zur 500-Jahrfeier der erfolgreichen Abwehr der Belagerung durch Herzog Karl den K¨uhnen v. Burgund 1474/75 (Schriftenreihe des Stadtarch. 6). Neuss 1975, S. 145, 160, 388, 392. – Claudius Sieber-Lehmann: Sp¨atma. Nationalismus (Ver¨off. des Max-Planck-Inst. f¨ur Gesch. 116). G¨ottingen ¨ 1995, S. 34 f. – Frieder Schanze: Uberlieferungsformen politischer Dichtung im 15. und 16. Jh. In: Schriftlichkeit und Lebenspraxis im MA. Erfassen, Bewahren, Ver¨andern (MMS 76). Hg. v. Hagen Keller. M¨unchen 1999, S. 299–331, hier S. 315 (Nr. 27). – Romy G¨unthart: Deutschsprachige Lit. 898

2. H¨alfte 15. Jh. im fr¨uhen Basler Buchdruck (ca. 1470–1510) (Stud. und Texte zum MA und zur fr¨uhen Neuzeit 11). Mu¨ nster u. a. 2007, S. 393 (Reg.). VZ Karl der Kuhne ¨ und die Burgunderkriege. – Lieder, Spr¨uche und Chroniken zu den politischen Ereignissen der Jahre 1474 bis 1477. Die Auseinandersetzungen um Herzog Karl den K¨uhnen von Burgund aufgrund seiner Expansionspolitik in den Jahren 1474–77, besonders die sogenannten Burgunderkriege, fanden ein starkes Echo in der zeitgen¨ossischen Chronistik und Publizistik. I. Nach Karls Tod in der Schlacht bei Nancy am 5.1.1477 erschienen noch im selben Jahr in Straßburg und Basel drei gedruckte Reimchroniken, die einen R¨uckblick auf die politischen Ereignisse bieten: Die anonyme → Burgundische Legende wurde mehrfach handschriftlich abgeschrieben. Der Straßburger Hans Erhart T¨usch benutzte sie als Quelle f¨ur seine Burgundische Historie. Eine weitere, k¨urzere Reimchronik stammt von dem Straßburger Kleriker Konrad Pfettisheim. Eine lat. Prosachronik eines Nicolaus tr¨agt den Titel De proeliis et occasu ducis Burgundiae historia. Erhalten sind auch eine Reihe weiterer zeitgen¨ossischer Darstellungen, so etwa Berichte des Basler Stadtschreibers Nikolaus → R¨usch (1476), eine lat. Schrift des → Albrecht von Bonstetten (1477), die noch im selben Jahr eine dt. Bearbeitung erfuhr, Johann → Knebels Diarium sowie die → Breisacher Reimchronik; ferner Konrad → Stolles Th¨uringische Chronik und die Schweizer Chronistik, vertreten durch Diebold → Schilling, → Peter von Molsheim, Hans → Fries und Gerold → Edlibach. II. Zahlreiche meist kleinliterarische Texte, die sich auf Einzelbegebenheiten beziehen und oft in unmittelbarem Zusammenhang mit den historischen Ereignissen um Karl den K¨uhnen entstanden, sind h¨aufig im Rahmen von Chroniken u¨ berliefert. 1. Eine Beschreibung der Festlichkeiten in Trier 1473 bei einem Treffen mit Kaiser Friedrich III., im Rahmen dessen Karl seine G¨aste mit einer ungeheuren Prachtentfaltung beeindruckte, findet sich in dem in dt., lat. und ndl. Versionen verbreiteten, anonym u¨ berlieferten Libellus de magnificentia ducis Burgundiae in Treveris visa conscriptus. ¨ ¨ Uberlieferung: Uberl. im Rahmen verschiedener Chroniken: lat. in den → Gesta Treverorum und dem Magnum Chronicon Belgicum, dt. u. a. in der Hs. Basel, UB, E. I. 1, f. 186–188. – Ebd., D. IV. 10, f.Tb-x. – Vgl. auch Wilhelm Vischer: Basler Chron. 899

Karl der Kuhne ¨ und die Burgunderkriege Bd. 3. Leipzig 1887, S. 332–364, hier S. 333 (mit Abdruck). ¨ 2. Uber die Verpf¨andung oberrheinischer Gebiete durch Erzherzog Sigmund von Tirol an Karl den K¨uhnen und die Einsetzung des verhassten Peter von Hagenbach als burgundischen Landvogt sowie u¨ ber seine Verurteilung und Hinrichtung im Mai 1474 berichten ein Spruch des Hans → Judenfint und ein Lied in zehn F¨unfzeilerstrophen in der sogenannten → LindenschmidtStrophe, als dessen Verfasser sich «ein kremerli» nennt. ¨ Uberlieferung: Luzern, ZB, Abt. B¨urgerbibl., Ms. 382.4, S. 41 f. – Einzeldruck des 16. Jh. (verschollen). 3. Das als «Ewige Richtung» bezeichnete, 1474 geschlossene B¨undnis zwischen Herzog Sigmund und den Eidgenossen gegen Burgund wird in Liedern von dem Luzerner Rudolf → Montigel und Veit → Weber gefeiert. 4. Ein weiteres Lied Veit Webers handelt von den ersten Kampfhandlungen nach der Kriegserkl¨arung der Eidgenossenschaft gegen Burgund, den Sieg der Eidgenossen und ihrer Verb¨undeten u¨ ber ein burgundisches S¨oldnerheer bei Hericourt am 13.11.1474. 5. Die Belagerung der Stadt Neuss durch Karl den K¨uhnen in den Jahren 1747/75 behandeln die zuerst 1476 in K¨oln gedruckte Historij des beleegs van Nuys von Christian → Wierstraet sowie ein anonymes Reimpaargedicht von 621 Versen (Vom k¨olnischen Krieg). 6. Ein gegen Karl den K¨uhnen gerichtetes polemisches Reimpaargedicht in 194 Versen (Ende 1474/75) enth¨alt zugleich Berechnungen der Neumonde f¨ur 1475. Das vielleicht in Basel entstandene Gedicht ist in 13 Abschnitte von zumeist zw¨olf oder 14 Versen gegliedert. ¨ Uberlieferung: Basel, UB, A.λ.II.3a, 387–395. – Cambridge (Mass.), Harvard University, Houghton Library, Ms Ger 74, 12v–15b. Abdrucke: W. Vischer u. a.: Basler Chron. Bd. 2. Leipzig 1880, S. 176–181. – Eckehard Simon: An Unpublished Poem on Charles the Bold and the Burgundian Wars Dated 1475. In: PBB (T¨ub.) 97 (1975) S. 68–87, hier S. 70–75. Literatur: E. Simon: The Thirteen New Moons of 1475: A Corrective Note. In: PBB (T¨ub.) 98 (1976) S. 424–429. – Herbert Kolb: Zeitgesch. in der Lit. Zu einem neu ver¨offentlichten Schm¨ahgedicht gegen Karl den K¨uhnen. In: Daphnis 6 (1977) 900

Breisacher Reimchronik S. 1–39. – E. Simon: Eine L¨ubecker Historienbibelhs. (ca. 1470/75) in der Houghton Library. In: ZfdA 107 (1978) S. 113–121, hier S. 114 Anm. 2. – Rolf Max Kully: Das Cl¨arlein [...]. In: ebd., S. 138–150, hier S. 139. 7. Von den Erfolgen der Eidgenossen in den kriegerischen Auseinandersetzungen des Jahres 1475 mit der Freigrafschaft Burgund handeln Lieder von Veit Weber und Mathis → Zollner. Ein Loblied auf ¨ die Stadt Freiburg im Uechtland und ihre Verbindung mit den Eidgenossen dichtete wiederum Veit Weber. ¨ 8. Uber die eigentlichen Burgunderkriege, in denen die Eidgenossen u¨ ber die Heere Karls des K¨uhnen große Schlachtensiege errangen und u¨ ber den Tod Karls gibt es eine Vielzahl an Liedern: Es sind vier anonyme Lieder u¨ ber die Schlacht bei Grandson (2.3.1476) erhalten, u¨ ber die Schlacht bei Murten (22.6.1476) existieren Lieder von Veit Weber, Hans → Viol, Mathis Zollner und → Lurlebat, u¨ ber die Schlacht bei Nancy (5. Januar 1477) kennen wir ein Lied Mathis Zollners und ein anonymes Lied von «zwen Schwizerknaben». ¨ Uberlieferung: Bern, Burgerbibl., Mss. h. h. 1.3, S. 672–683. – Z¨urich, ZB, Ms. A 5, S. 565–579. – Aarau, Kantonsbibl., Ms. ZF 18. – Jena, UB, Mscr. Buder fol. 145, 200v–204r. Abdrucke: Ludwig Tobler: Schweizerische Volkslieder. Bd. 2 (Bibl. a¨ lterer Schriftwerke der dt. Schweiz 5/2). Frauenfeld 1884, S. 56–61, 66–69. 9. Nach der Schlacht bei Nancy entstand ein kurzer Reimpaarspruch eines Schweizer Verfassers u¨ ber die Niederlagen Karls des K¨uhnen. ¨ Uberlieferung: Z¨urich, ZB, Ms. A 161, 82v–83v. Eine R¨uckblicksdichtung aus eidgen¨ossischer Perspektive auf die Burgunderkriege ist auch das Lied vom → Ursprung der Eidgenossenschaft. III. Lat. Dichtungen. Jakob Wimpheling verfasste Gedichte u¨ ber Peter von Hagenbach und die Schlacht bei Murten, von seinem Lehrer Ludwig → Dringenberg stammt ein Gedicht u¨ ber den Untergang Karls des K¨uhnen; Johannes Mathias Tiberinus schrieb eine Herzog Sigmund gewidmete Darstellung der Begebenheiten. Vier k¨urzere Gedichte handeln vom Tod Karls: Eines davon wurde in gereimten Sechszeilerstrophen von einem Straßburger verfasst, die u¨ brigen in Hexametern oder Distichen. Eines der Lieder ist Johannes → G¨osseler zugeschrieben. ¨ Uberlieferung: Basel, UB, A.λ.I. 10, S. 617–621 (Schreiber Johann Knebel). – Abschrift davon in 901

2. H¨alfte 15. Jh. Basel, UB, A.λ.II.3a, 90rv, 95r–96v. – Basel, Staatsarch., Politisches G 1, 1, Nr. 236 (Einzelbl.). Abdruck: W. Vischer: Basler Chron. Bd. 3. Leipzig 1887, S. 120 f., 129–133, 481 f. Literatur: Iris und Frieder Schanze, VL2 4 (1983) Sp. 1006–1012. – Klaus Graf, Killy2 6 (2009) S. 297–299. – Hans Tarlach: Veit Weber und seine Dichtungen. Diss. Greifswald 1933, S. 48. – Claudius Sieber–Lehmann: Sp¨atma. Nationalismus. Die Burgunderkriege am Oberrhein und in der Eidgenossenschaft. G¨ottingen 1995. – Gerrit Himmelsbach: Die Renaissance des Krieges. Kriegsmonographien und das Bild des Krieges in der sp¨atma. Chronistik am Beispiel der Burgunder¨ kriege. Z¨urich 1999. – F. Schanze: Uberlieferungsformen poltitischer Dichtungen im 15. und 16. Jh. In: Schriftlichkeit und Lebenspraxis im MA. Erfassen, Bewahren, Ver¨andern. Hg. v. Hagen Keller u. a. (MMS 76). M¨unchen 1999, S. 299–331. – Karl der K¨uhne (1433–1477). Kunst, Krieg und Hofkultur. Hg. v. Susan Marti u. a. (Ausstellungskat.). Stuttgart 2008. SF Breisacher Reimchronik. – Historisch-politische Versdichtung, letztes Viertel 15. Jh. In rund 8400 Reimpaarversen schildert die anonyme Chronik aus der Sicht der Breisacher Opposition den Konflikt der oberrheinischen St¨adte mit Peter von Hagenbach, dem vom burgundischen Herzog Karl dem K¨uhnen eingesetzten Landvogt. Die herausragende Rolle Breisachs in der Chronik legt deren dortige Entstehung nahe. Beim Verfasser k¨onnte es sich um einen Kleriker oder einen Stadtschreiber gehandelt haben, der weitgehend Augenzeuge gewesen zu sein scheint. Da der Text widmungslos u¨ berliefert ist, schrieb er vermutlich ohne amtlichen Auftrag. Die formal anspruchslose Chronik folgt nicht durchgehend einer linearen Chronologie, bietet aber einen Reichtum an Details. Sie ist in 165 Ka¨ pitel gegliedert (Hs. Stuttgart: 148), deren Uberschriften inhaltlich nicht immer mit dem folgenden Textabschnitt u¨ bereinstimmen. Es waren vielleicht urspr¨unglich Bildunterschriften. Die Kapitel 1–42 beschreiben die Geschichte der burgundischen Herrschaft am Oberrhein von 1469 bis zur Hinrichtung Peters von Hagenbach (1474), wobei die rechtskundige Beschreibung des Prozesses gegen ihn besonders hervorsticht. Die Kapitel 143–165 widmen sich den Burgunderkriegen und dem Untergang Karls des K¨uhnen. Der Schluss 902

2. H¨alfte 15. Jh. der Chronik ist dabei nicht triumphierend geraten, sondern von geschichtspessimistischer F¨urstenkritik gepr¨agt angesichts der kriegerischen Streitigkeiten um das burgundische Erbe zwischen Maximilian I. und Ludwig XI. Intertextuelle Bez¨uge zu anderen Schriften um die Auseinandersetzungen mit Burgund (→ Burgundische Legende, Konrad Pfettisheim, Hans Erhart T¨usch) scheinen nicht zu bestehen. ¨ Uberlieferung: Straßburg, Stadtbibl., Cod. 428, 280 Bll. (Pap., 1555 geschrieben v. Mathiß Hermann, alemannisch; 1870 verbrannt). Die Hs. enthielt 199 Federzeichnungen. – Stuttgart, LB, Cod. hist. 2° 487, 157 Bll. (Pap., um 1670, alemannisch). Ausgabe: Franz Josef Mone: Reimchron. u¨ ber Peter v. Hagenbach und die Burgunderkriege. In: Quellenslg. der badischen Landesgesch. Bd. 3. Karlsruhe 1863, S. 257–417; Abb. im Tafelanh., Tafel 3–23 (Edition des Straßburger Cod. mit einigen der Federzeichnungen). Literatur: Kurt Hannemann, VL2 1 (1978) Sp. 1013 f. – Alastair Matthews, Encyclopedia of the Medieval Chronicle 1 (2010) S. 210. – Mone (s. Ausg.) S. IV, 183–256, 417–434, 681–684, Tafelanh. S. (3)–(5). – Ottokar Lorenz: Deutschlands Geschichtsquellen im MA seit der Mitte des 13. Jh. Berlin 31886, S. 131–133. – Karl Schneider: Die Burgundische Hystorie und ihr Verfasser. In: Jb. f¨ur Gesch., Sprache und Lit. Elsaß-Lothringens 26 (1910) S. S. 95–164, hier S. 157 f. – Hildburg Brauer-Gramm: Der Landvogt Peter v. Hagenbach – Die burgundische Herrschaft am Oberrhein 1469–1474 (G¨ottinger Bausteine zur Geschichtswiss. 27). G¨ottingen, 1957, S. 361–372. – Richard Feller/Edgar Bonjour: Geschichtsschreibung der Schweiz. Bd. 1. Basel/Stuttgart 1962, 21979, S. 140 f. – Cl´emence Seither: Essai de bibliographie de la ville de Mulhouse Bd. 2 (Bulletin du Mus´ee historique 74). Mu¨ hlhausen 1965, Nr. 820–928. – Oskar Zink: Aus Hagenbachs Vergangenheit. In: Annuaire de la Soci´et´e d’Histoire sundgauvienne (1967) S. 14–35, hier S. 25, 29–35. – G¨unther Haselier: Gesch. der Stadt Breisach. Bd. 1: Von den Anf¨angen bis zum Jahr 1700. Breisach/Rhein 1969, S. 223, 228 f., 241 f., Tafel 46–50. – Karl Bittmann: Ludwig XI und Karl der K¨uhne. Die Memoiren des Philippe de Commynes als historische Quelle. Bd. 2,1. G¨ottingen 1970, S. 616–621. – Joseph Lange u. a.: Neuss, Burgund und das Reich. Festgabe der Stadt Neuss zur 500-Jahrfeier der erfolgreichen Abwehr der Belagerung durch Her903

Chronik der Burgunderkriege zog Karl den K¨uhnen v. Burgund 1474/75 (Schriftenreihe des Stadtarch. 6). Neuss 1975, S. 172, 394. – Claudius Sieber-Lehmann: Sp¨atma. Nationalismus (Ver¨off. des Max-Planck-Inst. f¨ur Gesch. 116). G¨ottingen 1995, S. 40–49. – Frieder Schanze: ¨ Uberlieferungsformen politischer Dichtung im 15. und 16. Jh. In: Schriftlichkeit und Lebenspraxis im MA. Erfassen, Bewahren, Ver¨andern (MMS 76). Hg. v. Hagen Keller. M¨unchen 1999, S. 299–331, hier S. 316 (Nr. 30). – Claudius Sieber-Lehmann: Schwierige Nachbarn. Basel, Vorder¨osterreich und die Eidgenossen im ausgehenden 15. Jh. In: Die Habsburger im dt. S¨udwesten. Neue Forschungen zur Gesch. Vorder¨osterreichs. Hg. v. Franz Quarthal. Stuttgart 2000, S. 273–286, hier S. 279 f. VZ Chronik der Burgunderkriege. – Anonyme Basler Chronik. Die Chronik eines unbekannten Autors entstand nach 1484. Sie behandelt die B. in vollst¨andiger L¨ange von 1473 bis 1479. In der Chronik fehlen zwar manche historischen Fakten, doch ist sie an anderen Stellen detailreicher als das bedeutende Diarium des Basler Kaplans Johann → Knebel. Charakteristisch f¨ur die Chronik ist die strikte Unterscheidung von «T¨utschen» und «Walchen». Erhalten ist die Chronik als Teil einer Kompilation, die ein Magister namens Berlinger auf Grundlage von Petermann → Etterlins Chronik zusammenstellte. ¨ Uberlieferung: Basel, UB, cod. λ IV 14, 83v–97r (1507, Berlingers Exemplar von Etterlins Chronik mit Randnotizen). – Basel, UB, cod. H IV 27, 93–116 (Mitte 16. Jh.). Ausgabe: Die anonyme Chronik der Burgunderkriege. Hg. v. August Bernoulli. In: Basler Chroniken 5. Basel 1895, S. 499–527. Literatur: Guy P. Marchal, VL2 1 (1978) Sp. 1244 f.; 11 (2004) Sp. 327. – Friedrich Meyer: Die Beziehungen zwischen Basel und den Eidgenossen in der Darstellung der Historiographie des 15. und 16. Jh. (Basler Beitr. zur Geschichtswiss. 39). Basel 1951, S. 81 f. – Richard Feller und Edgar Bonjour: Geschichtsschreibung der Schweiz vom Sp¨atMA zur Neuzeit. Basel 21979, S. 61. MM Caoursin, Guillaume, * um 1430 Flandern, † 1501. – Verfasser einer Beschreibung der Belagerung von Rhodos. C. studierte die Artes und die Rechte an der Sorbonne und war seit 1462 Sekret¨ar und Vizekanzler des Johanniterordens. Nachdem der Orden 904

Die kurze Bibel Rhodos erfolgreich gegen die T¨urken unter Sultan Mehmed II. (1480) verteidigt hatte, schrieb C. umgehend einen lat. Bericht (Obsidionis Rhodiae urbis descriptio), der auch die erste schriftlich fixierte Beschreibung von Rhodos enth¨alt. Noch im selben Jahr ist C.s Schrift mehrfach im Druck erschie¨ nen; um die Jahreswende kam eine dt. Ubersetzung heraus, sp¨ater auch eine englische, italienische und d¨anische. Eine handschriftlich u¨ berlieferte dt. ¨ Ubersetzung ist von der gedruckten unabh¨angig. Eine weitere publizierte Schrift C.s ist sein Brief Ad Innocentium papam VIII. oratio. ¨ Uberlieferung: Hss. lat.: Budapest, Nationalbibl., Cod. lat. 210. – Paris, Nationablibl. Ms. lat. 6067. – Freiburg, UB, hs. 21. – W¨urzburg, UB, M. ch. q. 150. – Exzerpte: M¨unchen, BSB, Clm 14053, 188v–9v. – Hs. dt.: Berlin, SBB, Mgq 813, 17 Bll. (Pap., 15. Jh.). – Dt. Drucke: Passau (Benedikt Mayr) Jahreswende 1480/81 (GW 06011). – Straßburg (Bartholomaeus Kistler) 1502 (VD16 C 788). – Ebd. (Matthias Hupfuff) 1505 (VD16 C 789). – Ebd. (Martin Flach) 1513 (VD16 C 790). – Fr¨uhe lat. Drucke: Venedig (Erhard Ratdolt) 1480 (GW 06004). – Parma (Andreas Portilia) 1480 (GW 06004). – Br¨ugge (Colard Mansion) 1480 (GW 06006). – Passau (Benedikt Mayr) 1480 (GW 060007). – L¨owen (Johann v. Paderborn) 1480 (GW 0600610). – Sp¨atere lat. Drucke des 15. Jh.: Ulm (Johann Reger) 1496 (GW 06003) mit reichhaltiger Holzdruckausstattung; GW 06008–06011; darunter (GW 06010) das erste jemals gedruckte Buch in ¨ Skandinavien (s. Ausg.). – Engl./ital. Ubers.: GW 06012/13. – Oratio: GW 06014–06016 (alle Rom 1485). Ausgaben: Matilde L´opez Serrano: Obsidionis Rhodie descriptio de G. C. (Incunables espa˜noles/ Evista bibliogr´afica y documental Suplemento 1,1,3/4.) Madrid 1947 (Ausg. GW 06008). – Jacob Isager: G. C. descriptio obsidionis urbis Rhodie per Johannem Snel in Ottonia impressa anno d˜ni 1482. Odense 1982 (Faks.-Ausg. GW 06010). Literatur: Gerhard Baader, VL2 (1978) Sp. 1174. – Hiram K¨umper, Encyclopedia of the Medieval Chronicle 1 (2010) S. 245. – Hippolyte Romain Joseph Duthilloeul: Galerie douaisienne, ou Biographie des Hommes Remarquables de la ville de Douai. Douai 1844, S. 67–69. – Dictionnaire de biographie fran¸caise 7 (1956) S. 1056. – Repertorium fontium historiae medii aevi. Bd. 5 (1984) S. 296. – Albert-Guillem Hauf i Valls: Una versi´o valenciana quatrecentista desconeguda de la 905

2. H¨alfte 15. Jh. Obsidionis Rhodie de G. C. In: Caplletra: revista internacional de filolog´ıa 15 (1993) S. 89–125. – Nicolas Vatin: L’Ordre de Saint-Jean-de-J´erusalem, l’Empire ottoman et la M´editerran´ee orientale entre les deux si`eges de Rhodes. 1480–1522 (Collection Turcica 7). Paris 1994, S. 559 (Reg.). – Ders.: Sultan Djem. Un prince ottoman dans l’Europe du XVe si`ecle d’apr`es deux sources contemporaines. Vˆak.i’ aˆ t-i Sult.aˆ n Cem, Œuvres de G. C. (Publ. der t¨urkischen Ges. f¨ur Geschichtsforschung 8,14). Ankara 1997. – Ders: Les tremblements de terre a` Rhodes en 1481 et leur historien, Guillaume Caoursin. In: Natural disasters in the Ottoman Empire. Halcyon Days in Crete III. Hg. v. Elisabet A. Zachariadu. Rethymnon 1999, S. 153–184. – Theresa M. Vann: G. C.’s Descriptio obsidione rhodiae and the Archives of the Knights of Malta. In: The Crusades and the Military Orders. Expanding the Frontiers of Medieval Latin Christianity (CEU medievalia 1). Hg. v. Zsolt Hunyadi/Jo´ zsefLaszlovszky. Budapest 2001, S. 109–120. – Jean-Bernard de Vaivre: La maison de G. C. a` Rhodes. In: Archives h´eraldiques Suisses 122 (2008) S. 224–230. – Ders.: G. C., ses origines douaisiennes et son portrait. In: ebd. 123 (2009) S. 194–201. VZ Die kurze Bibel. – Zusammenstellungen von Bibelausz¨ugen. ¨ Als K. B. werden drei Uberlieferungsgruppen von Bibelausz¨ugen in dt. Sprache bezeichnet: Erstens eine Kompilation von «kurczen wibeln», die im 14. Jh. in N¨urnberg entstanden sein d¨urfte. Diese den Historienbibeln zugerechnete N¨urnberger Kompilation versammelt St¨ucke aus a¨lteren dt. Vorlagen in Prosa und Versen. Er¨offnet wird die Kompilation vom → Streit der vier T¨ochter Gottes in einer Fassung, deren Verse sp¨ater in die Weltchronik des Heinrich von M¨unchen eingegangen sind. Darauf folgen Geschichten aus der → ChristherreChronik von der Sch¨opfung bis zu den Br¨udern Jakob und Esau. Diese Abschnitte wechseln zwischen Prosa und Versen. Zur N¨urnberger Kompilation geh¨oren auch Geschichten aus dem → Buch der K¨onige alter eˆ in der → Schwabenspiegel-Fassung. Diese Abschnitte beginnen mit Joseph bis reichen bis Judas Makkab¨aus. Der letztgenannte Teil dient in fr¨uheren Handschriften noch als Vorspann zum Schwabenspiegel. Eine zweite K. B. ist als kurtz bibel und ein kern der alten ee u¨ berliefert. Der Text ist eine dt. Fassung des 906

2. H¨alfte 15. Jh. Compendium historiae in genealogia Christi von Petrus Pictaviensis nach einer interpolierten Vorlage. Er reicht von der Sch¨opfung bis zum M¨artyrertod von Petrus und Paulus in Rom. Die erhaltenen Handschriften enstanden zumeist im dritten Viertel des 15. Jh. Eine strophische K. B. ist als Heidelberger Misch¨ gedicht oder Die bibel kurtz bekannt. Ihre Uberlieferung beginnt um 1500, doch sind ihre genauen Entstehungsumst¨ande ebenso unbekannt wie eine m¨ogliche direkte Vorlage. Der Inhalt dieser K. B. umfasst Gen bis 4 K¨onige, Mt bis Joh, R¨om 1–5 und Apostelgeschichte 20. Der Text paart lat. Distichen jeweils mit dt. Entsprechungen. Die lat. Distichen beruhen auf dem Roseum memoriale divinorum eloquiorum des Petrus von Rosenheim. Begleitet werden die biblischen Abschnitte von lat. Zus¨atzen, die teilweise auf dem bereits genannten Compendium historiae des Pictaviensis beruhen k¨onnten, teilweise auch → Petrus Comestor, Nikolaus von Lyra und die Vulgata zitieren. Die dt. Verse dieser K. B. wurden im 16. Jh. auch mehrmals separat gedruckt, oft unter Angabe von Gesangsmelodien, die in den K. B.-Handschriften noch fehlen. ¨ Uberlieferung: 1. N¨urnberger Kompilation: Wolfenb¨uttel, HAB, Cod. 1.6.2 Aug. 2°, 1ra–40rb (Pap., N¨urnberg [?], Mitte 14. Jh., ostfr¨ankisch). – N¨urnberg, Germ. Nationalmus., L¨offelholz-Arch. D 654, 284rb–318ra (Pap., Bamberg [?], erste H¨alfte 15. Jh.). 2. Kurtz Bibel: Klagenfurt, Bisch¨ofl. Bibl., Cod. XXXI b 6, 86v–115r (Pap., Mitte 15. Jh., obd.). – Mu¨ nchen, BSB, Cgm 564, 99va–128rb (Pap., 1455, mittelbair.). – Augsburg, Stadtarch., Sch¨atze 121, 1v–29va, 31ra–58rb (Konrad Bollstatter und Aalener Stadtschreiber, um 1462–65). – G¨ottingen, SUB, 4° Cod. ms. theol. 293, 71ra–94vb (Pap., um 1467, schw¨abisch). – M¨unchen, BSB, Cgm 252, 138ra–145vb (Pap., Augsburg, 3. Viertel 15. Jh., ostschw¨abisch). 3. Strophische K. B.: Heidelberg, UB, cpg 110, 55 Bll. (Pap., um 1500, alemannisch). – Ebd., cpg 110a, 14 Bll. (Perg./Pap., Fragm.). Drucke: F¨ur Drucke der strophischen K. B. ab 1525, s. VD16–Nr. B 2981, A 1921. Ausgaben: 1. N¨urnberger Kompilation: Schwabenspiegel Langform M. Hg. v. Karl August Eckhardt. Aalen 1971, S. 53–55, 68–131 (K¨onige). – Biblia dt. Luthers Bibel¨ubers. und ihre Tradition. Hg. HAB. Bearb. v. H. Reinitzer. Wolfenb¨uttel 907

Die kurze Bibel 1983, S. 75 (Gen). – Studien zur ‹Weltchronik› Heinrichs von Mu¨ nchen 2,2: Von der ‹Erweiterten Christherre-Chronik› zur Redaktion a. Hg. v. Johannes Rettelbach. Wiesbaden 1998, S. 88–92 (Beratung mit den Tugenden). 2. Kurtz Bibel: Hans Vollmer: Nd. Historienbibeln und andere Bibelbearbeitungen (Materialien zur Bibelgesch. und religi¨osen Volkskunde des MA 1,2). Berlin 1916, S. 34 f. – Deutsche Bibelausz¨uge des MA zum Stammbaum Christi mit ihren lat. Vorbildern und Vorlagen (Bibel und dt. Kultur 1). Hg. v. Hans Vollmer. Potsdam 1931, S. 127–188. 3. Strophische K. B.: Vollmer 1931 (s. o.) S. 35–126 (vgl. dazu Alfred H¨ubner. In: AfdA 51, 1932, S. 197–200). – Zimmermann 2001 (s. Lit.) S. 65. Literatur: Gisela Kornrumpf, VL2 11 (2004) Sp. 898–903. – Vollmer 1931 (s. Ausg.) S. 1–3, 7–10, 14 f., 27–31. – Philip S. Moore: The Works of Peter of Poitiers, Master in Theology and Chancellor of Paris. Notre Dame/Indiana 1936, S. 97–117. – Markus Jenny: Gesch. des deutschschweizerischen evang. Gesangbuches im 16. Jh. Basel u. a. 1962, S. 71–73, 170–173, 281 f. – Klaus Graf: Exemplarische Geschichten. Thomas Lirers ‹Schw¨abische Chron.› und die ‹Gm¨under Kaiserchron.›. Mu¨ nchen 1987, S. 192–199. – Gert Melville: Gesch. in graphischer Gestalt. Beobachtungen zu einer sp¨atma. Darstellungsweise. In: Geschichtsschreibung und Geschichtsbewußtsein. Hg. v. Hans Patze. Sigmaringen 1987, S. 57–154. – Karl Stackmann: Die Bedeutung des Beiwerks f¨ur die Bestimmung der Gebrauchssituation vorlutherischer dt. Bibeln. In: De Captu Lectoris. Wirkungen des Buches im 15. und 16. Jh. dargestellt an ausgew¨ahlten Hss. und Drucken. Hg. v. Wolfgang Milde/Werner Schuder. Berlin 1988, S. 273–288 (wieder in: K. Stackmann: Philologie und Lexikographie. Kleine Schr. 2. Hg. v. Jens Haustein. G¨ottingen 1998, S. 62–78). – G. Kornrumpf: Das Klosterneuburger Evangelienwerk des o¨ sterr. An¨ onymus. Datierung, neue Uberl., Originalfassung. In: Dt. Bibel¨ubers. des MA. Beitr. eines Kolloquiums im Dt. Bibel–Arch. Hg. v. Heimo Reinitzer. Frankfurt/M. 1991, S. 115–131. – G. Kornrumpf: Das ‹Buch der K¨onige›. Eine Exempelslg. als Historienbibel. In: FS Walter Haug und Burghart Wachinger 1. Hg. v. Johannes Janota u. a. T¨ubingen 1992, S. 505–527. – Franz J. Worstbrock: Libri pauperum. Zu Entstehung, Struktur und Gebrauch einiger ma. Buchformen der Wissenslit. seit 908

Tucher dem 12. Jh. In: Der Codex im Gebrauch. Akten des Internationalen Kolloquiums 11.–13. Juni 1992 (MMS 70). Hg. v. Christel Meier. M¨unchen 1996, S. 41–60 (wieder in: F. J. Worstbrock: Ausgew¨ahlte Schr. 1. Hg. v. Susanne K¨obele und Andreas Kraß. Stuttgart 2004, S. 338–364). – Rettelbach 1998 (s. Ausg.) Bd. 2,1, S. 114 f. – John Flood: Offene Geheimnisse. Versteckte und verdeckte Autorschaft im MA. In: Autor und Autorschaft im MA. Kolloquium Meißen 1995. Hg. v. J. Haustein u. a. T¨ubingen 1998, S. 370–396. – Karin Zimmermann: Neues zum sog. ‹Heidelberger Mischgedicht› in Cod. Pal. germ. 110. In: ZfdA ¨ 130 (2001) S. 63–65. – Ralf Plate: Die Uberl. der ‹Christherre-Chron.›. Wiesbaden 2005, S. 31. MM Peter von Molsheim, * um 1. H¨alfte 15. Jh. Bern (?), † um 1490. – Theologe, Chronist. Der 1455 erstmals erw¨ahnte P. war der Sohn eines K¨urschners aus urspr¨unglich els¨assischer Familie. Der Berner B¨urger schloss sich zun¨achst den Johannitern an, wurde 1455 Kaplan von St. Johann in Fribourg, 1474 Kommende-Schaffner und 1483 Rektor an der Pfarrei Wohlen/Aargau. 1478 begann P. im Auftrag des Stadtrats von Fribourg eine Chronik, die vom Rat 1479 offiziell angenommen wurde. Das deutschsprachige Werk schildert in 199 Kapiteln den Zeitraum von 1178 bis 1477. Die meisten Eintragungen betreffen allerdings die Herrschaft Karls des K¨uhnen von 1467 bis zu seinem Tod in der Schlacht bei Nancy. Ein anderer Autor erg¨anzte die Chronik sp¨ater bis 1481. Die Illustrationen gehen wahrscheinlich auf Hans Fries zur¨uck. P.s Werk beruht u¨ berwiegend auf der sog. kleinen Chronik des Diebold → Schilling von 1477. P. erweiterte Diebolds Text um eigene Kenntnisse, die er als Augenzeuge oder durch Mitteilungen gewonnen hatte. Auch kommentierte er die Ereignisse aus dezidiert eidgen¨ossischer Sicht. So lobt die Chronik Bern und Fribourg, verurteilt aber Karl als Kriegstreiber, polemisiert gegen Savoyen und Burgund und a¨ ussert starke Ressentiments gegen den Adel. Trotz dieser subjektiven F¨arbung gilt P.s Chronik heute als repr¨asentativ f¨ur die st¨adtische Historiographie ihrer Zeit, da sie einen eher politischen als wissenschaftlichen Anspruch besitzt. ¨ Uberlieferung: Verz. der 14 Hss. (seit 1478) bei B¨uchi 1914 (s. Ausg.) S. 231–273. Ausgaben: Peter von Molsheims Freiburger Chronik der Burgunderkriege. Hg. v. Albert 909

2. H¨alfte 15. Jh. B¨uchi. Bern 1914. – Ludwig Sterners Handschrift der Burgunderkriegschronik des Peter von Molsheim und der Schwabenkriegschronik des Johann Lenz mit den von Sterner beigef¨ugten Anh¨angen. Hg. v. Frieder Schanze. 2 Bde. Ramsen 2001, 2006. Literatur: Harald Parigger, VL2 7 (1989) Sp. 437 f.; 11 (2004) Sp. 1194. – A. B¨uchi: Die Chron. und Chronisten v. Freiburg im Uechtland. In: Jb. f¨ur Schweizer. Gesch. 30 (1905) S. 197–325. – Fran¸cois Ducrest: La r´edaction fribourgeoise de la chronique des guerres de Bourgogne. In: Annales fribourgeoises 1 (1913) S. 111–113. – A. B¨uchi: Zur Biogr. P.s v. M. In: Anz. f¨ur schweizer. Gesch. NF 13 (1915) S. 112 f. – ¨ Carl Gerhard Baumann: Uber die Entstehung der a¨ ltesten Schweizer Bilderchron. (1468–1485) unter bes. Ber¨ucksichtigung der Illustrationen in Diebold Schillings Grosser Burgunderchron. in Z¨urich. Bern 1971, S. 36 f. – Richard Feller und Edgar Bonjour: Geschichtsschreibung der Schweiz vom Sp¨atMA zur Neuzeit. Basel 21979, S. 96 f. – Gerrit Himmelsbach: Die Renaissance des Krieges. Kriegsmonographien und das Bild des Krieges in der sp¨atma. Chronistik am Beispiel der Burgunderkriege. Z¨urich 1999, S. 240–245 u. o¨ . MM ¨ * 10.4.1428 N¨urnberg, Tucher, Hans VI. (d. A.), † 24.2.1491 N¨urnberg. – Verfasser eines Reiseberichts u¨ ber eine Fahrt nach Pal¨astina, zum Katharinenkloster, auf den Sinai und zu den a¨gyptischen St¨adten Kairo und Alexandria. T. entstammte einer im Fernhandel engagierten ¨ N¨urnberger Patrizierfamilie. Uber T.s pers¨onliche Besitzverh¨altnisse sind wir durch sein im Autograph erhaltenes Salbuch unterrichtet, in dem er seinen Lehensbesitz im N¨urnberger Umland, seinen st¨adtischen H¨auserbesitz, seine Geld- und Leibrenten verzeichnete (1477 mit Nachtr¨agen bis zu seinem Tod; im Anhang befindet sich eine Liste der Seelger¨atstiftungen der Tucherschen Familie). 1476 trat er als ‹Alter Genannter› in den N¨urnberger ‹Kleinen Rat› ein und u¨ bernahm neben seinen Gesch¨aften in der Familienfirma verschiedene ¨ Amter und Funktionen im politischen Leben der Stadt: So als ‹Alter B¨urgermeister› (1480), Pfleger des Augustinerinnenklosters Pillenreuth, des ‹Reichen Almosens› (1486), des Augustinerklosters und des st¨adtischen Steinbruchs. Im Rahmen st¨adtischer Ordnungs- und Verwaltungsinteressen steht das alphabetische Inhaltsregister, das T. f¨ur das 910

2. H¨alfte 15. Jh. N¨urnberger Reformation genannte Stadtrecht (Erstdruck 1484; T.s Register ist ab der Ausgabe von 1503 dem Inhaltsverzeichnis vorgestellt) anfertigte. Die Best¨ande der Ratsbibliothek, die ihm 1486 anvertraut wurden, ließ T. neu ordnen und katalogisieren und gab ihnen durch große Zuk¨aufe eine humanistisch beeinflusste Neuausrichtung. Er gilt daher als Begr¨under der heutigen StB N¨urnberg. Daneben hatte er zusammen mit seinem Vetter Anton II. als Initiator und Quellenlieferant großen Anteil an der Fortsetzung der → N¨urnberger Jahrb¨ucher bis 1469 bis zum Jahr 1499. Der ihm fr¨uher zugeschriebene Traktat Von den Kaiserangesichten u¨ ber antike Kaiserm¨unzen stammt nicht von T., sondern von dem Dominikaner Stephan → Fridolin. T. unternahm vom Mai 1479 bis April 1480 zusammen mit seinem N¨urnberger Ratskollegen Sebald Rieter d. J. eine Reise, die ihn u¨ ber 49 Wochen nach Jerusalem, zum Katharinenkloster auf ¨ den Sinai und nach Agypten f¨uhrte. Bereits auf der Reise – belegt durch einen erhaltenen Brief aus Jerusalem an seinen Bruder – verfolgte er den Plan, einen Bericht u¨ ber seine Reise anzufertigen. Auf der Basis der Aufzeichnungen seines Reisegef¨ahrten Sebald Rieter d. J., die er neu arrangierte und in die er eigene Aufzeichnungen wie auch fremde Quellen einf¨ugte, erarbeitete T. unmittelbar nach seiner R¨uckkehr ein ‹Reisehandbuch›, das nachfolgenden Pilgern praktische Reiseinstruktionen vermitteln soll. Tagebuchartig ist hier verzeichnet, was T. an den Stationen der Reise, die u¨ ber Venedig, die o¨ stliche Adria, Kreta und Rhodos nach Jaffa f¨uhrt, gesehen und erlebt hat. Ausf¨uhrlich werden die Heiligen St¨atten in und um Jerusalem beschrieben, teilweise im Vergleich zu N¨urnberger Bauwerken. Es schließt sich der Bericht von der Reise zum Katharinenkloster auf den Sinai, vom viermonatigen Aufenthalt in Kairo und Alexandria sowie von der R¨uckreise an. T. bietet neben oftmals spannenden Ereignisschilderungen (heimliche Besuche von f¨ur Christen eigentlich verbotenen Orten, Gefangennahme in Alexandria, st¨urmische Schiffspassage nach Venedig) eine F¨ulle heilsgeschichtlicher, geographischer und kulturhistorischer Informationen, die er u. a. von → Ludolf von Sudheim bezieht. T. zielt dabei auf die allgemeine Verst¨andlichkeit und den Nutzwert des angesammelten Wissens ab. Dem Reisebericht f¨ugte er eine Beschreibung des Heiligen Grabes und ein Itinerar durch zwei Kaiser911

Tucher und zwanzig K¨onigreiche der Christenheit an, je¨ weils mit im Verh¨altnis zur fr¨uheren Uberlieferung dieser Texte genaueren Maß- und Distanzangaben. Den Schluss bilden eine Liste der Reiseutensilien, die die Pilger in Venedig vor der Einschiffung besorgen sollen und ein Muster-Schiffsvertrag. Der aufw¨andige Redaktionsprozess, der sich – ¨ ein besonderer Gl¨ucksfall der Uberlieferung – anhand mehrerer autornaher bzw. autographer Hss. im Detail nachvollziehen l¨asst, f¨uhrt u¨ ber mehrere Zwischenstufen und Korrekturprozesse, an denen u. a. außer T. auch noch der N¨urnberger Ratsschreiber Jo¨ rg Spengler beteiligt ist. Deutlich ist T.s Bem¨uhen, den Bericht sachlich und sprachlich an ein breiteres, nicht vorgebildetes Publikum anzupassen. Mit dem von ihm selbst in Auftrag gegebenen Erstdruck bei Johann Sch¨onsperger in Augsburg 1482 unzufrieden, ließ T. im selben Jahr eine emendierte «Ausgabe letzter Hand» bei Konrad Zeninger in N¨urnberg drucken. Mit insgesamt sechs Inkunabelausgaben und weiteren Nachdrucken im 16. und 17. Jh. (u. a. als Teil von Siegmund Feyerabends Reyßbuch deß Heyligen Lands) geh¨orte der Reisebericht T.s zu den Bucherfolge des Genres. Er fand Verwendung als Handbuch, das auf der Pilgerreise mitgef¨uhrt wird (so bei Felix → Fabri) und bildete die textliche Grundlage f¨ur eine Reihe weiterer Pilgerb¨ucher (Konrad → Beck, → Bernhard von Breidenbach). Das angeh¨angte Itinerar wurde in den fr¨uhnhd. Prosaroman Fortunatus, die landeskundlichen Angaben T.s in geographische Werke des 16. Jh. aufgenommen. ¨ Uberlieferung: 1. Salbuch: N¨urnberg, Stadtarch., E 29 (FA Tucher)/III, Nr. 86 (Pap., 1477–91). – 2. Register zur ‹N¨urnberger Reformation›: Druck N¨urnberg: Hieronymus H¨oltzl 1503 (VD 16: N 2026), Bl. 3r–10v. – 3. Reisebuch: Erhalten sind vier autographe Hss.: N¨urnberg, Stadtarch., E29 (FA Tucher)/III, Nr. 259 (Pap., 1480) (= Hs. NC; 1. Red., 2. Tl.). – Coburg, LB, Ms. Sche. 18 (Pap., 1480) (= Hs. C; 1. Red., 2. Tl.). – London, British Library, Ms. Add. 18386 (Pap., 1480/81) (= Hs. L1; 2. Red.). – Nu¨ rnberg, Stadtarch., E29 (FA Tucher)/III, Nr. 11 (Pap., 1481/82) (= Hs. N). Die Hs. N ist eine der wenigen heute noch erhaltenen Druckvorlagen der Inkunabelzeit. Sie enth¨alt die Spuren mehrerer Korrekturvorg¨ange sowie Setzermarkierungen der ersten beiden Inkunabelauflagen. – Eine weitere Hs. bietet einen Mischtext aus T.s Bericht und dem seines Reisegef¨ahrten Sebald Rieter d. J.: Berlin, SBB, Mgq 1575 (Pap., vor 1482) 912

Tucher (= Hs. B; Teile sind Abschrift des T.-Autographs, 1. Red., 1. Tl). Inkunabeldrucke: Augsburg: Johann Sch¨onsperger 1482 (in 2°, HC*15663). – N¨urnberg: Konrad Zeninger 1482 (in 2°, HC 15664). – Augsburg: Johann Sch¨onsperger 1482 (in 2°, HC*15665). – N¨urnberg: Konrad Zeninger 1483 (in 4°, HC*15666). – Straßburg: Heinrich Knoblochtzer 1484 (in 2°, Reichling 1096). – Augsburg: Anton Sorg 1486 (in 2°, HC*15667). Aus dem 16. Jh. stammen eine Einzelausgabe, eine Aufnahme in ein Sammelwerk und vier Drucke einer Exzerptfassung. Weiterhin sind 16 Druckabschriften erhalten. Vgl. auch die umfangreichen Angaben bei Randall Herz (s. Ausg.) S. 33–148 (Hss.) und S. 163–188 (Drucke). Ausgaben: Heinrich K¨unzel: Drei B¨ucher dt. Prosa, in Sprach und Stylproben. Erster Teil. Frankfurt/M. 1838, S. 104–106 (Ausz¨uge aus dem Reisebuch). – Das Reisebuch des H. T. Hg. v. Erhard Pascher (Armarium. Beitr. zur Kodikologie und den Hist. Hilfswiss. 3). Klagenfurt 1978 (Faks. der Ausg. Straßburg: Heinrich Knoblochzer 1484). – ¨ aus dem Hl. Randall Herz: Briefe H. T.s d. A. Land und andere Aufzeichnungen. In: Mitt. des Vereins f¨ur Gesch. der Stadt N¨urnberg 84 (1997) S. 61–92, hier S. 63–80. – Ders.: Die ‹Reise ins ¨ Gelobte Land› H. T.s des Alteren 1479–1480. Un¨ ters. zur Uberl. und krit. Edition eines sp¨atma. Reiseberichts (Wissenslit. im MA 38). Wiesbaden 2002. S. 327–794. – Quellen zur Gesch. des Reisens im Sp¨atMA. Ausgew¨ahlt und u¨ bers. v. Folker Reichert. Unter Mitarbeit v. Margit StolbergVowinckel (Ausgew¨ahlte Quellen zur dt. Gesch. des MA. Freiherr-vom-Stein-Ged¨achtnisausg. 46). Wiesbaden 2009, S. 95–97 (zwei Briefe). Literatur: Helgard Ulmschneider, VL2 9 (1995) Sp. 1127–1132. – Randall Herz, BBKL 12 (1997) Sp. 672–678. – Ders., Killy2 11 (2011) 633 f. – Johann Kamann: Die Pilgerfahrten N¨urnberger B¨urger nach Jerusalem im 15. Jh. In: Mitt. des Vereins f¨ur Gesch. der Stadt N¨urnberg 2 (1880) S. 78–163. – Wilhelm Schwemmer: Das M¨azenatentum der N¨urnberger Patrizierfamilie Tucher. In: ebd. 51 (1962) S. 18–59. – Marjatta Wis: Die dreißig Silberlinge. In: Neuphilol. Mitt. 71 (1970) S. 699–709. – Claudia Zrenner: Die Berichte der europ¨aischen Jerusalempilger (1475–1500). Ein literarischer Vergleich im hist. Kontext. Frankfurt/M. 1981. – Barbara Weinmayer: Stud. zur Gebrauchssituation fr¨uher dt. Druckprosa (MTU 913

2. H¨alfte 15. Jh. 77). M¨unchen/Z¨urich 1982, S. 151–157. – Aleya ¨ Khattab: Das Agyptenbild in den deutschsprachigen Reisebeschreibungen der Zeit von 1285–1500. Frankfurt/M. 1982. – Reiner Hausherr: Ein Pfarrkind des heiligen Hauptherren St. Sebald in der ¨ Grabeskirche. In: Osterr. Zs. f¨ur Kunst und Denkmalpflege 40 (1986) S. 195–204. – Christiane Hippler: Die Reise nach Jerusalem. Unters. zu den Quellen, zum Inhalt und zur literarischen Struktur der Pilgerberichte des Sp¨atMA. Frankfurt/M. 1987. – Hannes K¨astner: Fortunatus. Peregrinator mundi. Welterfahrung und Selbsterkenntnis im ersten dt. Prosaroman der Neuzeit (Rombach Litterae). Freiburg i. Br. 1990, bes. S. 258–272. – Ders.: Nilfahrt mit Pyramidenblick. In: Begegnung mit dem ‹Fremden›. Akten des VIII. Internationalen Germanisten-Kongresses 7. Hg. v. Eijiro Iwasaki u. a. Tokio 1991, S. 308–316. – Ulrike Bausewein/R. Herz u. a.: Dt. und ndl. Pilgerberichte von Pal¨astinareisenden im sp¨aten MA und in der fr¨uhen Neuzeit. In: Wissenslit. im MA und in der fr¨uhen Neuzeit. Bedingungen, Typen, Publikum, Sprache. Hg. v. Horst Brunner/Norbert Richard Wolf (Wissenslit. im MA 13). Wiesbaden 1993, S. 132–155, hier S. 142–155. – Hartmut Heller: N¨urnberger Jerusalempilger in Kairo. Bemerkungen zur hist. Fremdverkehrs- und Stadtgeographie in den Reiseberichten des H. T. (1479) und Christoph F¨urer (1565). In: FS Wigand Ritter. Hg. v. Rasso Ruppert/Karl-Ludwig Storck (N¨urnberger wirtschafts- und sozialgeographische Arbeiten 46). N¨urnberg 1993, S. 210–223. – Bernhard Jahn: Raumkonzepte in der Fr¨uhen Neuzeit. Zur Konstruktion von Wirklichkeit in Pilgerberichten, Amerikareisebeschreibungen und Prosaerz¨ahlungen (Mikrokosmos 34). Frankfurt/M. 1993. – Gunther Friedrich: Bibliogr. zum Patriziat der Reichsstadt N¨urnberg (N¨urnberger Forschungen). N¨urnberg 1994, S. 172–177. – JeanMarc Pastr´e: Un regard m´edi´eval sur des mondes nouveaux. Les r´ecits de voyage de Sebald Rieter et de H. T. In: Nouveaux mondes et mondes nouˆ (Wodan 20). Greifswald 1994, veaux au Moyen Age S. 93–100. – Michael Herkenhoff: Die Darstellung außereurop¨aischer Welten in Drucken dt. Offizinen des 15. Jh. Berlin 1996, S. 165–180. – R. Herz: Briefe H. T.s (s. Ausg.). – Volker Alberti/ Barbara v. Tucher: Von N¨urnberg nach Jerusalem. Die Pilgerreise des reichsst¨adtischen Patriziers H. T. 1479 bis 1480. Simmelsdorf 2000. – Europ¨aische 914

2. H¨alfte 15. Jh. Reiseberichte des sp¨aten MA. Eine analytische Bibliogr. Hg. v. Werner Paravicini. Tl. 1 bearb. v. Christian Halm (Kieler Werkst¨ucke D: Beitr. zur europ¨aischen Gesch. des sp¨aten MA 5). Frankfurt/M. 22001, Nr. 82, S. 189–194. – R. Herz: Die ‹Reise ins Gelobte Land› (s. Ausg.) S. 1–323. – ¨ ‹Reise ins Gelobte Land›. In: Ders.: H. T.s d. A. Wallfahrten in N¨urnberg um 1500. Akten des interdisziplinaren Symposions vom 29. und 30. Sept. im Caritas Pirckheimer-Haus in N¨urnberg. Hg. v. Klaus Arnold. Wiesbaden 2002, S. 79–104. – Anne Simon: ‹Of smelly and ashen apples. Two German pilgrims’ views of the East›. In: Eastward bound: travel and travellers, 1050–1550. Hg. v. Rosamund Alle. Manchester 2004, S. 196–220. – R. Herz: Stud. zur Druck¨uberlieferung der ‹Reise ins ¨ Gelobte Land H. T.s des Alteren›. Bestandsaufnahme und hist. Auswertung der Inkunabeln unter Ber¨ucksichtigung der sp¨ateren Druck¨uberlieferung (Quellen und Forschungen zur Gesch. und Kultur der Stadt N¨urnberg 34). N¨urnberg 2005. – Judith Martin: Ein Baedeker f¨ur Pilgerfahrten: Sp¨atma. Reisebeschreibungen der Pilgerfahrten von H. T. und Christoph F¨urer. In: Gesch. – Friedensgesch. – Lebensgesch. Hg. v. Judith Martin/Christoph Hamann. Herbolzheim 2007, S. 167–181. – Peter Fleischmann: Rat und Patriziat in N¨urnberg. Die Herrschaft der Ratsgeschlechter vom 13. bis zum 18. Jh. Bd. 2: Ratsherren und Ratsgeschlechter (N¨urnberger Forschungen 31). N¨urnberg 2008, S. 1012 f. – Carla Meyer: New Methods and Old Records: Awareness and Perceptions of the Near East in H. T.’s Account of his Journey to the Holy Land and to Egypt. In: Medieval History Journal 15 (2012). JK Bernhard von Breidenbach (Breydenbach), * um 1434 Breidenstein/Lahn (?), † 5.5.1497 Mainz. – Herausgeber des ersten gedruckten illustrierten Pilgerberichts von einer Jerusalemreise und des ersten gedruckten dt. Kr¨auterbuchs. B. war nach seiner Ausbildung an der Domschule in Mainz und der Universit¨at Erfurt (1456–58) Mitglied des Domkapitels und Kanoniker verschiedener Stifte in Mainz und Aschaffenburg. Als Amtmann des Domkapitels in Bingen (1469–73), K¨ammerer des weltlichen Stadtgerichts (1477–91) und Domdekan (1484–97) in Mainz geh¨orte er zu den einflussreichsten Beamten des Erzbistums. F¨ur die Erzbisch¨ofe Diether von Isenburg und Berthold 915

Bernhard von Breidenbach von Henneberg f¨uhrte er dar¨uber hinaus verschiedene diplomatische und politische Missionen aus (Rom, Frankfurt, Aachen). Vom 25.4.1483–2.2.1484 unternahm B. zusammen mit dem erst achzehnj¨ahrigen Grafen Johann Solms-Lich und dessen Dienstmann Philipp von Bicken eine Pilgerreise nach Jerusalem, zum Si¨ nai und nach Agypten. B. selbst wurde von dem aus Utrecht stammenden Maler und Formschneider Erhard Reuwich begleitet. Zeitweilig reiste die Gruppe zusammen mit anderen durch Berichte hervorgetretenen Pilgern (Paul → Walther von Guglingen, Felix → Fabri). Der junge Graf starb auf der R¨uckreise in Alexandria an der Ruhr. Erstes Ergebnis der Fahrt waren autograph erhaltene Reiseinstruktionen, die B. f¨ur den jungen Grafen Ludwig von Hanau-Lichtenberg (1464–1484) anfertigte, der im April 1484 nach Jerusalem aufbrach. Sie geben detaillierte Ratschl¨age, etwa zur notwendigen Ausr¨ustung und zur Wahl des Schiffspatrons in Venedig. B. hatte die Reise zusammen mit dem Maler Reuwich auch in seiner Funktion als Initiator, Finanzier und Herausgeber f¨ur zwei umfangreiche und vor allem im Zusammenspiel von Text und Bild innovative Buchprojekte unternommen. Das erste war ein deutschsprachiges pharmabotanisches Kompendium, dessen Vorarbeiten (erhalten im sog. Codex Berleburg) in die Mitte der 1470er Jahre zur¨uckreichten. In B.s Auftrag kompilierte der u. a. in Mainz wirkende Arzt Johannes Wonnecke aus Kaub vor allem aus dt. Quellen (u. a. Macer und → Konrads von Megenberg Buch der Natur) einen Text, den Reuwich mit Abbildungen zu versehen hatte. Die Pal¨astinareise hatte wohl auch den Zweck, Vorlagen f¨ur noch fehlende Abbildungen mediterraner Pflanzen zu beschaffen. Nach der R¨uckkehr wurden f¨ur die Erstausgabe des Gart der Gesundheit genannten Werkes (28.3.1485) allerdings nur zum Teil Holzschnitte von Reuwich verwendet, zum Teil griff der beauftragte Drucker Peter Sch¨offer auf Schnitte zur¨uck, die er f¨ur ein im Fr¨uhjahr 1484 gedrucktes lat. Kr¨auterbuch (Herbarius Moguntinus) hatte erstellen lassen. Der Gart der Gesundheit pr¨asentiert in halbalphabetischer Gliederung Angaben zu 282 Pflanzen sowie 25 tierischen Drogen und 28 Mineralien gemeinsam mit 380 teilweise großformatigen Holzschnitten. Sein unmittelbarer und lange anhaltender Erfolg (15 Inkunabelausgaben; bis zum 17. Jh. rund 60 Drucke in mehreren Redaktionen) 916

Bernhard von Breidenbach macht ihn zu dem wohl wirkm¨achtigsten illustrierten Kr¨auterbuch des sp¨aten MA. Deutlicher schl¨agt sich der Ertrag der Pilgerreise im zweiten von B. initierten Buchprojekt nieder, dem zuerst lateinisch (11.2.1486) und dann deutsch (21.6.1486) von Reuwich in Mainz mit den Typen Peter Sch¨offers gedrucktem Reisebericht. B.s auf der Reise gemachte Notizen wurden hierf¨ur von dem Pforzheimer Dominikaner Martin Rath ausgearbeitet und durch verschiedene gattungsspezifische (vor allem die Reiseberichte des Hans → Tucher und Paul Walther von Guglingen, → Burchardus de Monte Sion), historische (→ Vinzenz von Beauvais, Bartholom¨aus von Lucca) und theologische Quellen (u. a. Petrus Alfonsi) erg¨anzt. Zur Beschreibung der Reiseerlebnisse treten so botanische und zoologische, geschichtliche, geographisch-ethnologische Informationen, aber auch sprachwissenschaftlich interessante Angaben (u. a. Abbildung fremdsprachlicher Alphabete, arabisch-dt. Wortliste). Deutlich ist eine politische Stoßrichtung, die Warnung vor dem Islam und die Aufforderung zu koordinierter Verteidigung der Christenheit (u. a. durch die im Anhang gegebenen Berichte von zeitgen¨ossischen ottomanischen Eroberungen). Die Publikation steht so in einem Zusammenhang mit der Reichspolitik des Widmungstr¨agers, Erzbischof Berthold von Henneberg – gegebenenfalls zielt das Publikationsdatum der lat. Ausgabe auf die K¨onigswahl Maximilians in Frankfurt (16.2.1486), bei der B. zugegen war. Besonderen Rang bekommt das Pilgerbuch durch von Reuwich beigesteuerten Illustrationen. Hervorstechend ist das ganzseitige Titelbild (eine Frauenfigur, umgeben von den Wappen B.s und seiner beiden adligen Reisegef¨ahrten). Neben Alphabeten, Architektur-, Personen und Tierdarstellungen werden ferner mehrere Stadtansichten in doppelseitigen (Porec, Korfu) bzw. mehrseitig aufklappbaren (Modon, Candia, Rhodos je vier Seiten; Jerusalem und das Hl. Land sechs Seiten; Venedig acht Seiten, aufklappbar zu einer Breite von 1,62 cm) Holzschnitten pr¨asentiert. Reuwich verwendet – anders als im Vorwort angegeben – hierf¨ur jedoch nicht nur seine ‹nach der Natur› gemachten Skizzen von der Reise, sondern auch a¨ltere Vorlagen, die er sich u. a. in Venedig beschafft haben d¨urfte. Das Pilgerbuch B.s diente in der Folge anderen Reiseberichten als Quelle (u. a. Felix Fabri und 917

2. H¨alfte 15. Jh. → Arnold von Harff). Der große Erfolg auf dem Buchmarkt schlug sich bereits im 15. Jh. in weite¨ ren lat. und dt. Auflagen, aber auch Ubersetzungen ins Niederl¨andische, Franz¨osische, Spanische und Tschechische nieder. Bis ins 17. Jh. erschien der Bericht in 12 illustrierten und weiteren unillustrierten Ausgaben (u. a. als Teil von Siegmund Feyerabends Reyßbuch deß Heyligen Lands). ¨ Uberlieferung: 1. Gart der Gesundheit: Eine Vorstufe der Redaktionsarbeiten ist in der Hs. Berleburg, F¨urstlich Sayn-Wittgenstein’sche Bibl., Cod. RT 2/6 (Pap., 15. Jh.) erhalten. – Erstdruck: Mainz: [Peter Sch¨offer], 28.3.1485 (HC 8948). 2. Pilgerbuch: Erstdruck der lat. Ausgabe Mainz: Erhard Reuwich, 11.2.1486 (GW 5075). Weitere Drucke: Speyer: Peter Drach, 29.7.1490 (GW 5076) und Speyer: Peter Drach 1502 (VD16 B 8258). – Erstdruck der dt. Ausgabe Mainz: Erhard Reuwich, 21.6.1486 (GW 5077). Weitere Drucke Augsburg: Anton Sorg 1488 (GW 5078); Augsburg: Sorg 1502 (GW 5078 Add.); [Speyer: Pe¨ ter Drach, um 1505]. – Drucke von Ubersetzungen ins Niederl¨andische: Mainz: Erhard Reuwich, ¨ 24.5.1488 (GW 5081); ins Franz¨osische (Ubersetzung des Jean de Hersin): [Lyon: Gaspard Ortuin], 18.2.1489 (GW 5079); ins Franz¨osische (freie Bearbeitung des Nicolas Le Huen): Lyon: Michel Topi´e und Jacques Heremberck, 28.11.1488 (GW 5080); ins Spanische: Zaragoza: Paul Hurus, 16.1.1498 (GW 5082); ins Tschechische: Pilsen: Nikolaus Bakalar, 1498 (GW 508210N). – Weitere Angaben zu den Ausgaben bei Hugh William Davies (s. Lit.). Alle handschriftlichen Zeugnisse scheinen Exzerpte oder Abschriften von Drucken zu sein. 3. Reiseinstruktionen: Das Autograph von B.s Reiseinstruktion f¨ur den Grafen Ludwig v. HanauLichtenberg vom M¨arz/April 1484 findet sich laut R¨ohrich/Meisner (s. Ausg. 3.) im Staatsarchiv Darmstadt (Signatur nicht bekannt). Ausgaben: 1. Gart der Gesundheit: Ein Faksimile des ‹Co¨ des Berleburg› findet sich bei: Alterer deutscher ‹Macer› – Ortolf von Baierland ‹Arzneibuch› – ‹Herbar› des Bernhard von Breidenbach – F¨arberund Maler-Rezepte: Die oberrheinische medizinische Sammelhs. des Kodex Berleburg (Berleburg, F¨urstlich Sayn-Wittgenstein’sche Bibl., Cod. RT 2/6). Einf. zu den Texten, Beschreibung der Pflanzenabbildungen und der Hs. Hg. v. Werner Dressend¨orfer/Gundolf Keil/Wolf-Dieter 918

2. H¨alfte 15. Jh. Mu¨ ller-Jahncke (Codices illuminati medii aevi 13). Farbmikrofiche-Edition. Mu¨ nchen 1991. – Faksimileausgaben des Erstdrucks: Johannes de Cuba: Hortus sanitatis. Mu¨ nchen 1924 und 1966. 2. Pilgerbuch: Lat. Fassung: Bernhard v. Breydenbach: Peregrinationes. Un viaggiatore del Quattrocento a Gerusalemme e in Egitto. Ristampa anastatica dell’incunabulo. Traduzione italiana e note di Gabriella Bartolini e Giulio Caporali. Rom 1999. – Quellen zur Gesch. des Reisens im Sp¨atMA. Ausgew¨ahlt und u¨ bers. v. Folker Reichert. Unter Mitarbeit v. Margit Stolberg-Vowinckel (Ausgew¨ahlte Quellen zur dt. Gesch. des MA. Freiherrvom-Stein-Ged¨achtnisausg. 46). Wiesbaden 2009, S. 80–87 (Musterschiffsvertrag, lat. und in nhd. ¨ Ubersetzung). – Digitalisat der lat. Erstausgabe: urn:nbn:de:bvb:12-bsb00051697–6. – Dt. Fassung: B. v. Breydenbach: Die Reise ins Heilige Land. ¨ Ein Reisebericht aus dem Jahre 1483. Ubertragung und Nachw. v. Elisabeth Geck. Wiesbaden 2 1977 (Ausz¨uge). – B. v. Breydenbach: Peregrinatio in terram sanctam. Erste dt. Ausg. v. Peter Sch¨offer. Mainz 1486. Faks. mit einer wissenschaftlichen Einleitung v. Andreas Klußmann. Saarbr¨ucken 2008. – B. v. Breydenbach: Peregrina¨ tio in terram sanctam. Fr¨uhnhd. Text und Ubersetzung. Hg. v. Isolde Mozer. Berlin 2010. – Digitalisat der dt. Erstausgabe: urn:nbn:de:bvb:12bsb00051699–1. – Spanische Fassung: Bernardo de B.: Viaje de la Tierra Santa. Ed. facs´ımil con introd. de Jaime Moll. Madrid 1974. – Bernardo de B.: Viaje de la Tierra Santa. Ed. de Pedro Tena Tena. Saragossa 2003. – Bernhardo de Breydenbach: Viaje de la Tierra Santa. La Coru˜na 2007. 3. Reiseinstruktionen: Reinhold R¨ohricht/Heinrich Meisner: Dt. Pilgerreisen nach dem Heiligen Lande. Berlin 1880, S. 120–145. Literatur: Allgemein: Dietrich Huschenbett, VL2 1 (1978) Sp. 752–754. – Erich Woldan, LexMA 1 (1980) Sp. 1991. – Frederike Timm, Killy2 1 (2008) S. 481 f. – Albert Schramm: Bilderschmuck der Fr¨uhdrucke. Bd. 15: Die Drucker in Mainz. Leipzig 1932. – Reimar W. Fuchs: Die Mainzer Fr¨uhdrucke mit Buchholzschnitten 1480–1500. In: Arch. zur Gesch. des Buchwesen 2 (1960) S. 1–129. – Michael Giesecke: Der Buchdruck in der fr¨uhen Neuzeit. Eine hist. Fallstudie u¨ ber die Durchsetzung neuer Informationsund Kommunikationstechnologien. Frankfurt/M. 1999, S. 337–361. – Peter Schmidt: Zur Produktion und Verwendung von Druckgrafik in Mainz 919

Bernhard von Breidenbach im 15. Jh. In: Gutenberg – aventur und kunst. Vom Geheimunternehmen zur ersten Medienrevolution. Kat. zur Ausstellung der Stadt Mainz anl¨aßlich des 600. Geburtstages v. Johannes Gutenberg. Hg. v. der Stadt Mainz. Mainz 2000, S. 584–596, bes. S. 588–591. – Helmut Broszinski: Die Seele und des Leibes Heil. Die ‹Fart vber mer zu dem heiligen grab› und der ‹Gart der Gesundheit› B.s v. Breydenbach (1440–1497). Kassel 2002. 1. Gart der Gesundheit: Gundolf Keil, VL2 (1980) Sp. 1072–1092. – Wolf-Dieter M¨uller-Jahncke: Deßhalben ich solichs an gefangen werck vnfolkomen ließ. Das Herbar [!] des ‹Codex Berleburg› als eine Vorlage des ‹Gart der Gesundheit›. In: Dt. Apotheker-Zeitung 117 (1977) S. 1663–1671. – (s. Ausg. 1.) S. 35–37, 71–74, 79–105. – Brigitte Baumann/Helmut Baumann: Die Mainzer Kr¨auterbuch-Inkunabeln ‹Herbarius Moguntinus› (1484), ‹Gart der Gesundheit› (1485), ‹Hortus sanitatis› (1491). Wissenschaftshist. Unters. der drei Prototypen botanisch-medizinischer Lit. des Sp¨atMA (Denkm¨aler der Buchkunst 15). Stuttgart 2010. 2. Pilgerbuch: Reinhold R¨ohricht: Die Pal¨astinakarte B. v. B.’s. In: Zs. des dt. Pal¨astinavereins 24 (1901) S. 129–135. – Hugh William Davies: B. v. B. and his Journey to the Holy Land 1483 to 1484. A Bibliography. London 1911. Nachdr. Utrecht 1968. – Hellmut Lehmann-Haupt: Die Holzschnitte der Breydenbachschen Pilgerfahrt als Vorbilder gezeichneter Handschriftenillustration. In: Gutenberg-Jb. 1929, S. 152–163. – Friedrich Uhlhorn: Zur Gesch. der Breidenbachschen Pilgerfahrt. In: Gutenberg-Jb. 1934, S. 107–111. – Ruthardt Oehme: Die Pal¨astinakarte aus B. v. Breydenbachs Reise ins Hl. Land 1486. In: Zentralbl. f¨ur Bibliothekswesen. Beihefte 75 (1950) S. 70–83. – Marjatta Wis: Zur Bedeutung der Ma. Pal¨astinaPilgerberichte f¨ur Wortforschung und Quellenkunde. In: Neuphilol. Mitt. 66 (1965) S. 273–297, bes. S. 275 f. – Ahmad Haydar: Ma. Vorstellungen von den Propheten der Sarazenen mit besondere Ber¨ucksichtigung der Reisebeschreibung des B. v. B. Diss. Berlin 1971. – Claudia Zrenner: Die Berichte der europ¨aischen Jerusalempilger (1475–1500). Ein literarischer Vergleich im hist. Kontext. Frankfurt/M. 1981. – Arp´ad P´eter Orb´an: B. v. Breydenbach, Peregrinatio in Terram Sanctam. In: Ons Geestelijk Erf 57 (1983) S. 180–190. – Heinrich Rohrbacher: 920

Fabri B. v. Breydenbach und sein Werk Peregrinatio in Terram Sanctam 1486. In: Philobiblon 33 (1989) S. 89–113. – Bernhard Jahn: Raumkonzepte in der Fr¨uhen Neuzeit. Zur Konstruktion von Wirklichkeit in Pilgerberichten, Amerikareisebeschreibungen und Prosaerz¨ahlungen (Mikrokosmos 34). Frankfurt/M. 1993. – Kristian Bosselmann-Cyran: Das arabische Vokabular des Paul Walther v. Gug¨ lingen und seine Uberl. im Reisebericht B.s v. B. In: W¨urzburger medizinhist. Mitt. 12 (1994) S. 153–182. – Kristian Bosselmann-Cyran: Einige ¨ Anm. zum Pal¨astina- und Agyptenkompendium des B. v. B. (1486). In: Kairoer germanistische Stud. 8 (1994/95) S. 95–115. – Michael Herkenhoff: Die Darstellung außereurop¨aischer Welten in Drucken dt. Offizinen des 15. Jh. Berlin 1996, S. 180–204. – Heike Edeltraud Schwab: Das andere anders sein lassen? Zur Darstellung des Fremden in den Parallelen dt. Pilgerberichten von Felix Fabri und B. v. Breydenbach (1483/1484). In: Ulm und Oberschwaben 50 (1996) S. 139–165. – Europ¨aische Reiseberichte des sp¨aten MA. Eine analytische Bibliogr. Hg. v. Werner Paravicini. Tl. 1 bearb. v. Christian Halm (Kieler Werkst¨ucke D: Beitr. zur europ¨aischen Gesch. des sp¨aten MA 5) Frankfurt/M. 22001, Nr. 87, S. 201–209. – Klaus Niehr: ‹als ich das selber erkundet vnd gesehen hab›. Wahrnehmung und Darstellung des Fremden in B. v. Breydenbachs Peregrinationes in Terram Sanctam und anderen Pilgerberichten des ausgehenden MA. In: Gutenberg-Jb. 76 (2001) S. 269–300. – Paula Giersch/Wolfgang Schmid: Rheinland – Heiliges Land. Pilgerreisen und Kulturkontakte im MA (Armarium Trevirense 1). Trier 2004, S. 142–167. – Elizabeth Ross: Picturing Knowledge and Experience in the Early Printed Book: Reuwich’s Illustrations for Breydenbach’s Peregrinatio in terram sanctam (1486). Diss. Harvard (masch.) 2004. – Elena Di Venosa: Il glossario arabo di Breydenbach: tracce di una tradizione plurilingue negli errori di traduzione In: Il plurilinguismo in area germanica nel Medioevo. Hg. v. Licia Sinisi. Bari 2005, S. 47–68. – F. Timm: Der Pal¨astina-Pilgerbericht des B. v. B. v. 1486 und die Holzschnitte Erhard Reuwichs. Die ‹Peregrinatio in terram sanctam› (1486) als Propagandainstrument im Mantel der gelehrten Pilgerschrift. Stuttgart 2006. – E. Ross: Mainz at the crossroads of Utrecht and Venice. Erhard Reuwich and the Peregrinatio in terram sanctam (1486). In: Cultural exchange between the low countries and Italy (1400–1600). Hg. v. Ingrid 921

2. H¨alfte 15. Jh. Alexander-Skipnes. Turnhout 2007, S. 123–144. – Stefan Schr¨oder: Zwischen Christentum und Islam. Kulturelle Grenzen in den sp¨atma. Pilgerberichten des Felix Fabri (Orbis mediaevalis. Vorstellungswelten des MA 11). Berlin 2009, S. 83–85. – Isolde Mozer (s. Ausg. 2.) S. IV–XLI. JK Fabri, Felix (Schmid, Faber) OP, * um 1437/38 Z¨urich, † 14.3.1502 Ulm. – Historiograph und Autor mehrerer umfangreicher Pilgerberichte. F. entstammte einer Z¨urcher Patrizierfamilie. Seinen Familiennamen Schmid benutzte er selbst in der latinisierten Form, oft auch in der Abk¨urzung f.f.f. («frater felix fabri»). 1452 trat F. in den Basler Dominikanerkonvent ein, zeitgleich mit dem sp¨ateren Ordensprovinzial, Inquisitor und Rosenkranz-Propagator Jakob → Sprenger. 1468 kam F. in das Ulmer Dominikanerkloster, wo er bis zu seinem Tod als Prediger und Lesemeister wirkte. Im Auftrag des Ordens unternahm er einige diplomatische Reisen in Deutschland und nach Italien und nahm auch an mehreren Generalkapiteln teil. F. erwarb keine akademischen Grade; Kenntnisse des Griechischen und des Hebr¨aischen besaß er nicht. Eine (gegebenenfalls nie vollzogene) Abordnung F.s an die Universit¨at T¨ubingen im Jahr 1478 stand wohl im Zusammenhang mit den bald darauf ¨ Domiaufgegebenen Pl¨anen Graf Eberhards d. A., nikanerobservanten nach T¨ubingen zu holen. Im Rahmen seiner T¨atigkeit als Verantwortlicher f¨ur das Ordensstudium und damit f¨ur die Predigerausbildung in Ulm stand die Zusammenarbeit mit dem ‹Hausdrucker› der Ulmer Dominikaner, Johannes Zainer. Zu zwei lat. Drucken von Predigtsammlungen des Leonardo de Utino erstellte F. 1475 und 1478 umfangreiche Register. Ungekl¨art ist, ob er an der Herstellung von weiteren lat. und dt. Drucken in Ulm beteiligt war. In der Vorrede zur Augsburger Zweitauflage der dt. → SeuseGesamtausgabe von 1512 wird F. nicht als Herausgeber der Erstauflage (Augsburg: Anton Sorg 1482) bezeichnet, ihm wird vielmehr die Urheberschaft an einer lat. Redaktion der Werke Seuses zugeschrieben. Diese d¨urfte in der heute verschollenen Seuse-Hs. zu suchen sein, die Martin Gerbert 1760 im Ulmer Wengenkloster eingesehen hat: Ihr war eine Seuse-Vita von F. vorgeschaltet, die sich nur ¨ in einer polnischen Ubertragung erhalten hat. F. wirkte als Seelsorger f¨ur eine Reihe von ober¨ schw¨abischen Frauenkl¨ostern. Uberliefert sind einige in diesem Zusammenhang stammende dt. katechetische Schriften (Biechlin von der menschwerdung 922

2. H¨alfte 15. Jh. Jesu Christi und wirdt genempt das hirtlin, 1474; Tractetli von der ewigen selikait und Traktat u¨ ber das Leiden Christi, um 1474–87; Von dem regiment der andechtigen witwen, 1481) sowie insgesamt 23 Predigten oder Predigtexzerpte. Sie zeigen F. als sprachm¨achtigen, gewandten Rhetoriker und als gem¨aßigten Vertreter der Dominikanischen Observanzbewegung. ¨ Ahnlich wie sein Basler Mentor Johannes → Meyer scheint sich F. auch als Chronist der Reformbem¨uhungen von ihm betreuter Konvente bet¨atigt haben – Texte sind nicht erhalten, indirekt bezeugt ist aber eine 1499 verfasste dt. Geschichte des Dominikanerinnenklosters Gnadenzell in Offenhausen. Als gelehrter Historiograph zeigt sich F. in seiner lat. Descriptio Theutoniae, Suevia et civitatis Ulmensis. Urspr¨unglich als abschließender 12. Traktat des Evagatorium (s. u.) gedacht, wurde das Werk von F. selbstst¨andig ausgearbeitet. Sein erster Teil ist eine Geographie, Landes- und Herrschergeschichte umfassende Darstellung Alemanniens und Schwabens. Hierbei setzt sich F. auch kritisch mit zeitgen¨ossischer Geschichtsschreibung (Thomas → Lirer) auseinander. Der zweite Teil bietet eine ausf¨uhrliche, thematisch gegliederte Beschreibung der Stadt Ulm und ihrer Bewohner. F. geht auf Politik, Wirtschafts- und Alltagsleben ein, auf die geistlichen Institutionen der Stadt und des Umkreises, ebenso auf Ulmer Familien und deren bedeutende Vertreter. Er sch¨opft aus Chroniken, Urkunden, aber auch aus pers¨onlicher Anschauung. Als Historiograph wird F. bereits im 16. Jh. rezipiert (etwa von Schedel, Crusius und Goldast). Der heutigen Forschung ist F. jedoch vor allem als Reiseschriftsteller pr¨asent, der die Jerusalemwallfahrt in verschiedenen Berichten und mit verschiedenen Zielsetzungen geschildert hat. Zum ersten Mal reiste F. vom 14.4.–16.11.1480 als Begleiter des Adligen Georg von Stein ins Heilige Land. Die Route f¨uhrte u¨ ber Venedig und die Passage auf dem Pilgerschiff Agostino Contarinis nach Jerusalem. Der Aufenthalt im Hl. Land war jedoch nur kurz, eine urspr¨unglich geplante Weiterreise auf den Sinai fiel aus. F. berichtet von dieser Reise in einem wohl bald nach seiner R¨uckkehr entstandenen Gereimten Pilgerb¨uchlein. Erkl¨artes Ziel F.s. ist es, den adligen Reisebegleitern eine Grundlage f¨ur die Erinnerung an ihre Reise und ihren Ritterschlag am Hl. Grab zu bieten. Bei der Schilderung der Ereignisse der Pilgerfahrt wird daher besonders die tapfere Haltung 923

Fabri der deutschen Ritter in gefahrvollen Situationen hervorgehoben. In der europ¨aischen Pilgerliteratur einzigartig ist die besondere Form: F. dichtet 266 siebenzeilige dt. Strophen, denen das metrische Schema des Liebesliedes Ich stund an einem morgen bzw. des Ereignisliedes Schlacht bei Sempach zu Grunde liegt. Das B¨uchlein stellt damit den Versuch dar, den Reisebericht mit R¨ucksicht auf die Vorlieben seines Publikums an das Muster weltlicher Helden- und Ereignisdichtung anzugleichen. Eine zweite Reise f¨uhrte F. vom 14.4.1483–29.1. ¨ 1484 ins Heilige Land und nach Agypten. Er reiste zun¨achst als Kaplan der Adligen Johannes Werner von Zimmern, Heinrich von Stoffeln, Ber von Rechberg und Hans Truchsess von Waldburg. Als Diener des letzteren befand sich auch Konrad → Beck in der Reisegruppe. Nach einer Passage auf dem Schiff Piero Landos folgte ein ausf¨uhrlicher Besuch Pal¨astinas und Jerusalems. W¨ahrend F.s adlige Begleiter nach dem Ritterschlag am Hl. Grab die R¨uckreise antraten, plante F. die Weiterreise zum Sinai. Nach rund sechs Wochen in Jerusalem schloss er sich einer Gruppe von Pilgern um → Bernhard von Breidenbach und Paul → Walther von Guglingen an, mit denen er zum Katharinenkloster und von dort weiter nach Kairo und Alexandria kam. An die von Bernhard von Breidenbach finanzierte Schiffspassage nach Venedig schloss sich die R¨uckreise mit Ulmer Kaufleuten an. F. beschreibt die Reise in einem zweib¨andigen lat. Werk, das er selbst Evagatorium, d. h. ‹Abschweifung› nennt und mit erkl¨arenden Paratexten versieht. Es dokumentiert – nach einer kurzen Rekapitulation der ersten Reise – in elf Traktaten den Verlauf der Reise informativ, anekdotenreich und in markiert subjektiver Perspektive. Das eigene Erleben des Autors F., der teils staunend, teils abgekl¨art, aber immer humorvoll dem Fremden begegnet, steht an vielen Stellen im Vordergrund. Zus¨atzlich versucht F., in breiten Exkursen alles ihm verf¨ugbare theologische, historische und naturkundliche Wissen u¨ ber die bereisten Orte einzuarbeiten. Er st¨utzt sich dabei auf eine Vielzahl von Quellen (Bibel und Kommentarliteratur, Kirchenv¨ater, antike Schriftsteller, ma. Enzyklop¨adistik, zeitgen¨ossisches theologisches und naturkundliches Schrifttum, humanistische Historiographie) sowie andere Reiseberichte (Prominent sind → Burchardus de Monte Sion und → Ludolf von Sudheim. Daneben kennt und benutzt F. die Berichte von Hans → Tucher und Bernhard von 924

Fabri Breidenbach). F. will keine Reiseinstruktionen f¨ur kommende Pilger verfassen, sondern nach eigener Aussage in einem schmucklosen Latein seinen Mitbr¨udern im Ulmer Konvent eine m¨oglichst genaue Grundlage f¨ur einen geistigen Nachvollzug der Reise zur Verf¨ugung stellen. Durch die Kombination von Wissen und spannender Erz¨ahlung will er den Mo¨ nchen zu einem besseren Verst¨andnis der heilsgeschichtlichen Ereignisse verhelfen. Sein eigenh¨andiges Manuskripts ist 1484–88 anzusetzen, weitere Erg¨anzungen scheint er bis in die 1490er Jahre vorgenommen zu haben. Der Forschung gilt das Evagatorium aufgrund seines Detailreichtums und seiner gleichermaßen umfangreichen wie originellen Quellenbehandlung als einer der wichtigsten und gehaltvollsten Pilgerberichte des sp¨aten MA. F¨ur seine adligen Reisegef¨uhrten fertigte F. wiederum einen deutschsprachigen Bericht an: Das Deutsche Pilgerbuch, in dem mehrfach auf das bereits vorliegende Evagatorium verwiesen wird. Der Prosabericht ist jedoch weniger eine dt. Kurzfassung des lat. als vielmehr ein Text mit eigenst¨andigem Programm und anderen Gewichtungen. Dem weltlichen Publikum gem¨aß ist an vielen Stellen die theologische zugunsten einer moralischen Argumentation zur¨uckgedr¨angt, Schilderungen pers¨onlicher Erfahrungen und Gef¨uhle sowie Kritik an den adligen Pilgern sind sparsamer eingesetzt. Unter dem Titel Eigentliche beschreibung der hin vnnd wider farth zu dem Heyligen Landt kam das Werk posthum 1556 in den Druck und fand auch als Teil von Siegmund Feyerabends Reyßbuch deß Heyligen Lands weite Verbreitung. Um nutzte F. seine Reiseerfahrung zur Abfassung einer Sionpilger genannten ‹Pilgerfahrt im Geiste›, die sich an die von ihm seelsorgerisch betreuten, teilweise in Klausur lebenden Klosterfrauen richtete. Nach einer Gebrauchsanleitung f¨ur den Andachtstext werden neben der Wallfahrt nach Jerusalem aber auch noch Pilgerreisen nach Rom und Santiago beschrieben. Statt umfangreicherer Reiseerlebnisse liefert der Text als t¨agliche Meditationsgrundlage stereotyp die Tagesetappen und die besuchten Heilt¨umer, dazu Angaben zu bestimmten Messen, Hymnen und Psalmen. Da die imaginierte abendliche ‹Einkehr› außerhalb des Heiligen Landes bei ordensgeschichtlich bedeutenden Heiligen bzw. «by dem hailigen im kalender» erfolgen soll und die Gesamtzahl der Etappen aller drei Reisen gegen geographische Wahrscheinlichkeiten 365 925

2. H¨alfte 15. Jh. betr¨agt, sind die Sionpilger weniger ein Reisebericht, als vielmehr ein Versuch der verr¨aumlichten Darstellung des Kirchenjahres und Heils- und Ordensgeschichte. Imaginierter Ausgangs-, Wendeund Endpunkt der ‹Pilgerfahrt im Geiste› ist jeweils das Grab Seuses in Ulm. Die handschriftliche ¨ Uberlieferung konzentriert sich auf Frauenkl¨oster in Ulm und seinem engen Umkreis. ¨ Uberlieferung: 1. Deutsche Predigten und Traktate: Die einzigen unter F.s Namen u¨ berlieferten Predigten finden sich in der Hs. Berlin, SBB, Ms. germ. qu. 1241, 239r-243r (B1; Siglen nach Klingner, s. Literatur, 1.) und 243r–247r (B2) (Pap., 1475). Alle anderen Predigten k¨onnen nur durch Namensnennungen ¨ im Text, Wortparallelen, der Uberlieferungssituation und stilistischen Kriterien zugewiesen werden: Augsburg, UB, Cod III.1.8° 42, 107r–128r (A1), 128v–151r (A2), 217r–229v (A3), 239r–245v (A4), 246r–260r (A5), 288r–333r (A6), 333v–358r (A7) (Pap., um 1477). – Berlin, SBB, Ms. germ. fol. 1056, 91rb–95va (H1), 95va–98vb (H2) (Pap., letztes Viertel 15. Jh.). – Ebd., Ms. germ. qu. 1121, 206r–210r (B1), 210r–215r (B2), 215r–224r (B3), 233r–248r (B4), 249r–251v (B5), 252r–256v (B6), 257r–259r (B7) (Pap., 1474–1487). – Ebd., Ms. germ. qu. 1241, 216r–223v (Bx), 224r–228r (By). – M¨unchen, BSB, Cgm 4375, 201v–227r (M1–4) (Pap., erstes Viertel 16. Jh.). – Ebd., Cgm 5140, 270r–311v (M5) (Pap., 1491). – St. Gallen, Stiftsbibl., Cod. 1869, S. 256–291 (= By) (Pap., 15. Jh.). – Die drei mit vollst¨andigem Text auf Lateinisch im Evagatorium zitierten Predigten hielt Fabri vor seinen Reisegenossen, also urspr¨unglich auf Deutsch, vgl. Evagatorium I, S. 443–445 (Weihnachtspredigt in der Geburtskirche); Evagatorium II, S. 15–18 (Predigt u¨ ber das Rittertum am Hl. Grab); Evagatorium II, S. 506 f. (Strafpredigt gegen einen griechischen Mo¨ nch, gehalten am Michaelstag 1487 in der Ulmer Predigerkirche). Daneben stehen die kurzen Inhaltsangaben zweier weiterer dt. Predigten, die F. auf der Reise hielt, vgl. Evagatorium I, S. 173 (Predigt u¨ ber das Kreuz und die Wundersucht) sowie Evagatorium I, S. 188 (Predigt u¨ ber die Pilgerschaft, gehalten am Tag Mariae Heimsuchung). – Biechlin von der menschwerdung Jesu Christi und wirdt genempt das hirtlin: Berlin, SBB, Ms. germ. qu. 1588, 1r–156v. (Pap., 1504). – Daneben u¨ berliefert Berlin, SBB, Ms. germ. qu. 1121, 225r–233r ein Exzerpt nach gleicher Vorlage. – Tractetli von der ewigen selikait: Ebd., Ms. germ. qu. 1588, 926

2. H¨alfte 15. Jh. 157r–217v. – Traktat u¨ ber das Leiden Christi: Ebd., Ms. germ. qu. 1121,192r–206r. – Von dem regiment der andechtigen witwen: Karlsruhe, LB, Cod. St. Georgen 102, 1r–150r (Pap., 1481). – 2. Historiographie: Eine autographe, mit zahlreichen Korrekturen versehene Hs. der Descriptio Sueviae und des Tractatus de civitate Ulmensi ist Ulm, StB, Cod. 19555,3 (olim 6718,1) (Pap., 1484–88). Ferner die Hs. Mu¨ nchen, BSB, Clm 848 (Pap., vor 1502) aus der Bibliothek Hartmann → Schedels sowie zehn Hss. des sp¨aten 16.–19. Jh., alle heute in Ulm, Stadtarch. – Die Hs. Mu¨ nchen, BSB, Clm 462 (Pap., vor 1502), eine eigenh¨andige Abschrift Schedels, u¨ berliefert das Werk in einer k¨urzeren Redaktion von 1497, die auch der Ausgabe von Goldast (s. Ausgaben, 2.) zu Grunde liegt. 3. Gereimtes Pilgerb¨uchlein: M¨unchen, BSB, Cgm 359, 1r–27r (Pap., 1482). ¨ 4. Evagatorium: Das mit zahlreichen Anderungen und Nachtr¨agen versehene zweib¨andige Autograph liegt in Ulm, StB, cod. 19555, 1 und 2 (olim 6718) (Pap., 1484–88) vor. – Zeitlich dem Autograph nahe stehen die Hss. Mu¨ nchen, BSB, Clm 2826 (Pap., 1488); Dresden, SLUB, A 71 (Pap., Ende 15. Jh.); Ulm, StB, Hs. H Schad 66 (Pap., 1509). In dem Doppelband M¨unchen, BSB, Clm 188/189 (Pap., 1508/1509) ist eine mit Druckgraphik angereicherte Abschrift durch Hartmann Schedel erhalten. Zwei Bruchst¨ucke werden in der Fragmentensammelmappe Stuttgart, Hauptstaatsarch., Hs. 236 (Pap., Ende 15. Jh.) aufbewahrt. – Sp¨atere Abschriften sind Ulm, StB, Hs. H Schad 67 (Pap., letztes Viertel 16. Jh.); ebd., Hs. H Fabri 2+3 (Pap., 1707); Hamburg, SUB, Cod. geogr. 54 (Pap., 1713). 5. Deutsches Pilgerbuch: Das dt. Pilgerbuch ist im Autograph erhalten in der Hs. Dessau, Landesb¨ucherei, Georg. Hs. 238, 8°, 1r–232r, (Pap., 1484). – Nahe stehen dieser Fassung die Hs. Ulm, Stadtarch., Cod. Fabri 5 (Pap., 1494) und das Fragm. Berlin, Kupferstichkabinett, Nr. 4072 (Pap., um 1488). – Abschriften des fr¨uhen 16. Jh. sind Berlin, SBB, Ms. germ. fol. 1266 (Pap., 1522); Darmstadt, ULB, Hs. 3961 (Pap., 16. Jh.); Kalocsa, Kathedralbibl., Ms. 323 (Pap., 1512). – Eine eng verbundene Hss.-Gruppe bilden Eichst¨att, UB, Cod. st 676 (4° 55), 1r–198v (Pap., 16 Jh.); Stuttgart, LB, cod. asc. 26 fol., 75r–214v (Pap., um 1500); Stuttgart, LB, HB I 26 (Pap., Anfang 16. Jh.) und Wolfenb¨uttel, HAB, Cod. Guelf. 18. 14. Aug. 4°, 1r–168r (Pap., um 1500). – Weitere Textzeugen: M¨unchen, BSB, Cgm 1016, 74r–82v (Pap., zweite 927

Fabri H¨alfte 16. Jh.), Auszug aus der Sinaibeschreibung; ebd., Cgm 1275, 1r-197r (Papier, 17./18. Jh); ¨ Wien, ONB, cvp 2906, 144v–185v (Pap., 15. Jh.); Wolfenb¨uttel, HAB, Hs. 44. 11. Aug. 2°, 219r–307v (17. Jh.). – Eine Exzerptfassung in einer Hs. aus dem Schloss zu Meersburg (betitelt Reise zweier Pilger) ist heute verschollen. – Der Erstdruck erfolgte postum (s. Ausg. 5.). 6. Sionpilger: St. Petersburg, Ermitage (olim Berlin, Kgl. Museum, ohne Sign.), Inv.-Nr. 169562 (Pap., 1494). – Stuttgart, LB, Cod. theol. et phil. 4° 143 (Pap., 1494). – Ulm, Stadtarch., Cod. 9727, 1r–303v (Pap., 1493). – Wien, Schottenkloster, Cod. 413 (H¨ubl. 248), 3r–479r (Pap., 1495). ¨ asse In dieser Hs. finden sich auf 485r–515v Die Abl¨ der 7 Kirchen in Rom, die gegebenenfals ebenfalls auf F. zur¨uckgehen. – Eine Kurzfassung, die meist nur die einzelnen Etappen nennt, ist in der Hs. Innsbruck, Ferdinandeum, Cod. FB 3172, 82r–102v (Pap., 1488) u¨ berliefert. Ausgaben: 1. Deutsche Predigten und Traktate: Ausgaben fehlen. Gedruckt ist lediglich eine F. zuzuschreibende anonyme Predigt auf Joh. 16,21 bei Kurt Ruh: Franziskanisches Schrifttum im dt. MA. Bd. 2: Texte (MTU 86). Mu¨ nchen 1985, S. 159–165 Nr. 13. – Eine Edition des Witwentraktats bereitet Britta-Juliane Kruse vor. 2. Historiographie: Descriptio Theutoniae, Suevia et civitatis Ulmensis: Melchior Goldast: Suevicarum Reum Scriptores aliquot veteres [...]. Frankfurt 1605, S. 46–317 (Fassung von 1497). – Fratris Felicis Fabri Descriptio Sueviae. Mit Anm. hg. v. H. Escher (Quellen zur Schweizer Gesch. 6). Basel 1884, S. 109–204 (Ausz¨uge der die Schweiz betreffenden Teile, Fassung von 1484/88). – Gustav Veesenmeyer: Fratris Felicis Fabri Tractatus de civitate Ulmensi, de eius origine, ordine, regimine, de civibus eius et statu (Bibl. des Litterarischen Vereins in Stuttgart 186). T¨ubingen 1889 (Auszug nur des Ulm betreffenden zweiten Teils, Fassung von ¨ 1484/88). – Eine dt. Ubersetzung hiervon bietet: Bruder F. F.s Abh. von der Stadt Ulm. Verdeutscht v. K. D. Hassler. In: Mitt. des Vereins f¨ur Kunst und Altertum in Ulm und Oberschwaben 13–15 (1908–1909). – Ausz¨uge aus der verlorenen volkssprachlichen (!) Chron. des Klosters Offenhausen von 1499 (‹De quo satis multa, quae non edita sunt, ¨ populari lingua scripsit›) werden – in lat. Ubersetzung – zitiert von Martin Crusius: Annales Suevici sive Chronica rerum gestarum antiquissimae 928

Fabri et inclytae Suevicae gentis [...]. Bd. 3. Frankfurt 1596, S. 75 f. (liber II, pars III, caput VIII) und o¨ fter. – Die von Gerbert (s. Lit. 2.) beschriebene hsl. (lat.?) Seusevita scheint nur in einer polnischen Fassung erhalten, abgedruckt bei: Ignacy Polkowski: Dawny zabytek jezyka polskiego w zyworce ojca Amandusa. Gnesen 1875. 3. Gereimtes Pilgerb¨uchlein: F. Fabers Gereimtes Pilgerb¨uchlein. Hg. v. Anton Birlinger. M¨unchen 1864, S. 3–31. – Max Schiendorfer: F. F. (1437/38–1502). Das strophische Pilgerb¨uchlein von 1480/82 nach der einzigen Hs. transkribiert. Z¨urich 2008, S. 13–41 (http:// www.mediaevistik.uzh.ch/downloads/Fabri.pdf). 4. Evagatorium: Fratris Felicis F. Evagatorium in Terrae Sanctae, Arabie et Egypti Peregrinationem. Hg. v. Konrad Dietrich Haßler (Bibl. des Litterarischen Vereins in Stuttgart 2–4). Bd. 1–3. Stutt¨ gart 1843–49. Alle Ubersetzungen und Auswahlausgaben beziehen sich auf diesen Editionstext. – Eine zweisprachig lat.-frz. Gesamtausgabe liegt vor in Les errances de Fr`ere F´elix, p`elerin en Terre ´ sainte, en Arabie et en Egypte (1480–1483). Hg. v. Nicole Chareyron/Jean Meyers. 2 Bde. Montpel¨ lier 2000–2002. – Lat. Ausz¨uge mit nhd. Ubersetzungen bietet: Quellen zur Gesch. des Reisens im Sp¨atMA. Ausgew¨ahlt und u¨ bers. v. Folker Reichert. Unter Mitarbeit v. Margit StolbergVowinckel (Ausgew¨ahlte Quellen zur dt. Gesch. des MA. Freiherr-vom Stein-Ged¨achtnisausg. 46). Wiesbaden 2009, S. 122–135 (De homines deducunt tempus in galea), S. 154–163 (De triplici mari), S. 238–263 (u¨ ber Mohammed, den Islam ¨ und die Muslime). – Eine Ubersetzung ins Englische ist: The Wanderings of Felix Fabri. Hg. v. Stuart Aubrey. 4 Bde. London 1897. Neudr. New York 1971. – Eine Auswahl von Passagen in nhd. ¨ Ubersetzung bieten: Die Reisen des F. F. durch Tirol in den Jahren 1483 und 1484. Hg. und u¨ bers. v. Josef Garber. Innsbruck/Mu¨ nchen 1923. – F. F. Galeere und Karawane. Pilgerreise ins Heilige ¨ Land, zum Sinai und nach Agypten. Bearb. v. Herbert Wiegandt. Darmstadt 1996. – Eine englische Nacherz¨ahlung liefern Hilda F. Prescott: Friar Felix at Large: A Fifteenth Century Pilgrimage to the Holy Land. New Haven 1950 (Nachdr. 1960) und Dies.: Jerusalem Journey. London 1954, Letzteres ¨ auch in dt. Ubersetzung erschienen: Dies.: F. F.s Reise nach Jerusalem. Aus dem Englischen u¨ bers. v. Lotte v. Schaukal. Mit zeitgen¨ossischen Stichen von Venedig und Jerusalem. Freiburg/Basel/Wien 929

2. H¨alfte 15. Jh. 1960. Vgl. ferner Dies.: Once to Sinai. The Further Pilgrimage of Friar F. F. London 1957. – Eine ¨ ¨ franz¨osische Ubersetzung der Agypten betreffen´ den Teile ist: Voyage en Egypte de F. F., 1483. Traduction du latin, pres´ent´e et annot´e par le R. P. Jacques Masson (Collection des Voyageurs Occidentaux en Egypte 14). Kairo 1975. – Italienische Ausz¨uge bei: Venezia nel MCDLXXXVII. Descrizione di Felice F. da Ulma. Hg. v. Domenico Zasso. Venedig 1881. 5. Deutsches Pilgerbuch: Eigentliche beschreibung der hin vnnd wider farth zu dem Heyligen Landt gen Jerusalem, vnd furter durch die grosse W¨usteney zu dem Heiligen Berge Horeb Sinay [...], [Frankfurt/M.: David Zo¨ pfel] 1556 (VD16 F 136) (mit einer Neuaufl. 1557; VD16 F 137). – Der Text ist auch aufgenommen im Reyßbuch deß heyligen Lands: Frankfurt: Sigmund Feyerabend 1584 (VD16 F 902), 122v–188r. – Eine neue Gesamtausgabe fehlt. Ausz¨uge bei Heinrich Ruckgaber: Gesch. der Grafen von Zimmern. Rottweil 1840, S. 107–109. – Gek¨urzte nhd. Bearbeitungen liegen vor in: Das Pilgerb¨uchlein des Bruders F. F. Hg. und bearb. v. Magdalene Kuhn. Konstanz 1955. – Die Pilgerfahrt des Bruders F. Faber ins Heilige Land anno 1483. Nach der ersten dt. Ausg. 1556. Hg. v. Helmut Roob/Kurt Eichler. Berlin 1964/Heidelberg 1965. – Gerhard Sollbach: In Gottes Namen fahren wir. Die Pilgerfahrt des F. Faber ins Heilige Land und zum St. Katharina-Grab auf dem Sinai A.D. 1483. Kettwig 1990. 6. Sionpilger: Gustav Veesenmeyer: Ein Gang durch die Kirchen und Kapellen Ulms um das Jahr 1490 nach F. F.s Syonpilgerin. In: Verhandlungen des Vereins f¨ur Kunst und Alterthum in Ulm und Oberschwaben, N. R. 1 (1869) S. 29–44 (Ausz¨uge). – Dt. Pilgerreisen nach dem Hl. Lande. Hg. und erl. v. Reinhold R¨ohricht und Heinrich Meisner. Berlin 1890, S. 278–296 (Ausz¨uge). – F. F.: Die Sionpilger. Hg. v. Wieland Carls (TspMA 39). Berlin 1999, S. 63–395. – Die Kurzfassung der Sionpilger aus der Innsbrucker Hs. ebd., S. 552–562. – Die Abl¨asse der sieben Kirchen in Rom ebd., S. 534–539. Literatur: Kurt Hannemann, VL2 2 (1980) Sp. 681–689; 11 (2004) Sp. 435 f. – Friedrich Wilhelm Bautz, BBKL 1 (1990) Sp. 1586 f. – Claudia H¨andl/Gerhard Wolf, Killy2 3 (2008) S. 350 f. – Max H¨aussler: F. Faber aus Ulm und seine Stellung zum geistigen Leben seiner Zeit. Leipzig 930

2. H¨alfte 15. Jh. 1914. – Hermann T¨uchle: Beitr. zur Gesch. des Ulmer Dominikanerordens. In: Aus Arch. und Bibl. Stud. aus Ulm und Oberschwaben. FS Max Huber. Weißenhorn 1968, S. 194–207. – Isnard W. Frank: Franziskaner und Dominikaner im vorreformatorischen Ulm. In: Kirchen und Kl¨oster in Ulm. Hg. v. Hans Eugen Specker/Hermann T¨uchle. Ulm 1979, S. 103–147. – Herbert Wiegandt: F. F. Dominikaner, Reiseschriftsteller, Geschichtsschreiber. In: Lebensbilder aus Schwaben und Franken 15 (1983) S. 1–28. – Bernhard Neidiger: Das Dominikanerkloster Stuttgart, die Kanoniker vom gemeinsamen Leben in Urach und die Gr¨undung der Univ. Tu¨ bingen. Konkurrierende Reformans¨atze in der w¨urttembergischen Kirchenpolitik am Ausgang des MA (Ver¨off. des Arch. der Stadt Stuttgart 58). Stuttgart 1993, hier S. 81, 83. – Manfred Seidenfuß: Das Bekannte verstehen, das Neue vermitteln. Aspekte zum Schreiben bei Frater F. F. In: Verstehen und Vermitteln. FS Armin Reese. Hg. v. Uwe Uffelmann/M. Seidenfuß. Idstein 2004, S. 395–420. 1. Deutsche Predigten und Traktate: Karin Schneider: F. F. als Prediger. In: FA Walter Haug/Burghart Wachinger. Hg. v. Johannes Janota u. a. T¨ubingen 1992, S. 457–468. – Jacob Klingner: Just say happily: ‹Felix said so›, and you’ll be in the clear. F. F. OP (1440–1502) Preaching Monastic Reform to Nuns. In: Medieval Sermon Studies 46 (2002) S. 42–56. – Britta-Juliane Kruse: Witwen. Kulturgesch. eines Standes in Sp¨atMA und Fr¨uher Neuzeit. Berlin/ New York 2007, S. 50–68. 2. Historiographie: Martin Gerbert: Iter Alemannicvm, Accedit Italicvm et Gallicvm. Editio secunda, reuisa & correcta. St. Blasien 1773, S. 200. – Gustav Veesenmeyer: Des Frater F. F. Tractatus de civitate Ulmensi. Prolegomena zu einer neuen Ausg. desselben. In: Verhandlungen des Vereins f¨ur Kunst und Alterthum in Ulm und Oberschwaben, N. R. 2 (1870) S. 29–40. – H. Escher (s. Ausg., 2.) S. 205–229. – Gustav Veesenmeyer (s. Ausg. 2.) S. V–XI. – Georg Leidinger: Eine bisher unbekannte Hs. v. F. F.s Descriptio Theutoniae, Sueviae et civitatis Ulmensis. In: Neues Arch. f¨ur a¨ ltere dt. Geschichtskunde 23 (1898) S. 248–259. – Paul Joachimsen: Geschichtsauffasssung und Geschichtsschreibung in Deutschland unter dem Einfluß des Humanismus. Leipzig 1910 (Neudr. Aalen 1968) S. 45–50, 229 f. – Walter Schmidlin: F. F.s Beschreibung Schwabens und dessen Abh. von der Stadt Ulm. In: Ulm und Oberschwaben 29 (1934) S. 97–102. – Max Ernst: Frater 931

Fabri F. F. Der Geschichtsschreiber der Stadt Ulm. In: Zs. f¨ur w¨urttembergische Landesgesch. 6 (1942) S. 323–367. – Harald Olbrich: Frater F. F.s Stadtlob von Ulm. In: Gestalt-Funktion-Bedeutung. FS Friedrich Mo¨ bius. Hg. v. Franz J¨ager/Helga Sciuri. Jena 1999, S. 133–141. – Klaus Graf: Reich und Land in der s¨udwestdt. Historiographie um 1500. In: Dt. Landesgeschichtsschreibung im Zeichen des Humanismus. Hg. v. Franz Brendle u. a. Stuttgart 2001, S. 201–211, hier S. 206–208. – Rolf Kießling: ‹Wer etwas sucht, der sucht es offt an viel steten, da es nit ist› – Stadtgr¨undungslegenden schw¨abischer Reichsst¨adte im Sp¨atMA. In: Mythen und Legenden in der Gesch. Hg. v. Volker Dotterweich. M¨unchen 2004, S. 47–75, hier S. 59–64. – Regine Schweers: Albrecht v. Bonstetten und die vorl¨andische Historiographie zwischen Burgunder- und Schwabenkriegen (Stud. und Texte zum MA und zur fr¨uhen Neuzeit 6). Mu¨ nster 2005. S. 197–201. 3. Gereimtes Pilgerb¨uchlein: Annemarie H¨ohn: Jn orient stat die gegni / zuo der fast blanget euch. Das Pilgerb¨uchlein und die anderen Pilgerberichte F. F.s. Lizentiatsarbeit Z¨urich 2006. – Max Schiendorfer (s. Ausg., 3.) S. 2–11. 4. Evagatorium: Reinhold R¨ohricht: Dt. Pilgerreisen nach dem Heiligen Lande. Innsbruck 1900, S. 161–164. – Wilhelm Engelhardt: Eine Pal¨astinareise des Fr. F. F. von Ulm im Jahre 1483. In: Neue kirchliche Zs. 21 (1910) S. 1003–1019. – Ders.: Sinai-Reise des Fr. F. von Ulm anno 1483. In: ebd. 23 (1912) S. 655–668. – Marjatta Wis: Ein dt. Pal¨astina-Pilgerber. als Quelle italienischer Seetermini. In: M´elanges de philologie et de linguistique. Hg. v. Tauno Nurmela. Turku 1967, S. 135–143. – Hubert Feilke: F. F.s Evagatorium u¨ ber seine Reise in das Heilige Land. Eine Unters. u¨ ber die Pilgerlit. des ausgehenden MA (Europ¨aische Hochschulschr. I, 155). Frankfurt/Bern 1976. – Claudia Zrenner: Die Ber. der europ¨aischen Jerusalempilger (1475–1500). Ein literarischer Vergleich im hist. Kontext. Frankfurt/M. 1981. – Aleya Khattab: ¨ Das Agyptenbild in den deutschsprachigen Reisebeschreibungen der Zeit von 1285–1500. Frankfurt/M. 1982. – Arnold Esch: Gemeinsames Erlebnis – individueller Ber. Vier Parallelber. aus einer Reisegruppe von Jerusalempilgern 1480. In: Zs. f¨ur hist. Forschung 11 (1984) S. 385–416. – Christiane Hippler: Die Reise nach Jerusalem. Unters. zu den Quellen, zum Inhalt und zur literarischen Struktur der Pilgerber. des Sp¨atMA. Frankfurt/M. 1987. – Hannes K¨astner: Nilfahrt mit Pyramidenblick. In: 932

Fabri Begegnung mit dem ‹Fremden›. Akten des VIII. Internationalen Germanisten-Kongresses 7. Hg. v. Eijiro Iwasaki u. a. Tokio 1991, S. 308–316. – Detlev Kraack: Monumentale Zeugnisse der sp¨atma. Adelsreise. Inschriften und Graffiti des 14.–16. Jh. (Abh. der Akad. der Wiss. in G¨ottingen, Philol.Hist. Kl., Folge 3, 224). G¨ottingen 1997, bes. S. 416–419. – Dorothea R. French: Pilgrimage, ritual, and power strategies. F. F.’s pilgrimage to Jerusalem in 1483. In: Studies in Jewish civilization 7 (1996) S. 167–179. – Heike Edeltraud Schwab: Das andere anders sein lassen? Zur Darstellung des Fremden in den parallelen dt. Pilgerberichten von F. F. und Bernhard v. Breydenbach (1483/1484). In: Ulm und Oberschwaben 50 (1996) S. 139–165. – Xenia v. Ertzdorff: ‹Die ding muoss man mit gesunder vernunft ansehen›. Das ‹Evagatorium› des Ulmer Dominikaners F. F. 1484–ca.1495. In: Beschreibung der Welt. Zur Poetik der Reise- und L¨anderber. Hg. v. ders. unter Mitarbeit v. Rudolf Schulz (Chloe 31). Amsterdam 2000, S. 219–262. – Uwe Israel: Mit fremder Zunge sprechen. Deutsche im sp¨atma. Italien. In: Zs. f¨ur Geschichtswiss. 48 (2000) S. 677–696. – Europ¨aische Reiseber. des sp¨aten MA. Eine analytische Bibliogr. Hg. v. Werner Paravicini. Tl. 1 bearb. v. Christian Halm (Kieler Werkst¨ucke D: Beitr. zur europ¨aischen Gesch. des sp¨aten MA 5). Frankfurt/M. 22001, Nr. 88, S. 210–220. – Stjepan Krasic: Opis hrvatske jadranske obale u putopisima ˇsvicarskog dominikanca Feliksa Fabrija (Schmida) iz 1480. i 1483/84. godine [Descriptions of the Croatian Adriatic coast in the travel accounts of the Swiss Dominican F. F. (Schmid) recorded in 1489 and 1483/84]. In: Anali Zavoda 39 (2001) S. 133–216. – Heike Schwab: Toleranz und Vorurteil. Reiseerlebnisse sp¨atma. Jerusalempilger (Spektrum Kulturwiss. 4). Berlin 2002. – Siegfried Bodenmann: Die rot-schwarz-weiße W¨uste des F. F. Wahrnehmung und Wissenstradition im Sp¨atMA. In: Physica et historia. FS Andreas Kleinert. Hg. v. S. Splinter u. a. (Acta Historica Leopoldina 45). Stuttgart 2005, S. 51–63. – Nicole Chareyron: Errances et digressions dans un r´ecit de voyage au XVe si`ecle: l’Evagatorium de fr`ere F. F. In: La digression dans la litt´erature et l’art du Moyen ˆ Age. Hg. v. Chantal Connochie-Bourgne. Aix-enProvence 2005, S. 115–124. – Jean Meyers: Merveilleux et fantastique dans le r´ecit de voyage: Le Cas de l’Evagatorium de fr`ere F. F. (c. 1435–1502). 933

2. H¨alfte 15. Jh. In: ‹Furent les merveilles pruvees et les aventures truvees›. Hommage a` Francis Dubost. Hg. v. Francis Gingras. Paris 2005, S. 437–463. – Nicole Chareyron: Le monde marin de F. F. In: Monˆ des marins du Moyen Age. Hg. v. C. ConnochieBourgne. Aix-en-Provence 2006. S. 95–104. – Kathryne Beebe: F. F. and his audiences: the pilgrimage writings of a Dominican preacher in late medieval Germany. Diss. Oxford 2007. – J. Meyers: L’Evagatorium de Fr`ere F. F.: de l’errance ˆ du voyage a` l’errance du r´ecit. In: Le Moyen Age 114 (2008) S. 9–36. – Ders.: Le ’rhinoc´eros’ de Fr`ere F. F. Autopsie d’un passage de l’Evagatorium (II, 7, fol. 39 B–40 A). In: Rursus N°3, 15.02.2008 (URL: http://revel.unice.fr/rursus/document.html?id=221). – Stefan Schr¨oder: Zwischen Christentum und Islam. Kulturelle Grenzen in den sp¨atma. Pilgerber. des F. F. (Orbis mediaevalis. Vorstellungswelten des MA 11). Berlin 2009. – Brigitte Lehmann-Brauns: Jerusalem sehen. Reiseber. des 12. bis 15. Jh. als empirische Anleitung zur geistigen Pilgerfahrt (Berliner Kulturwiss. 9) Freiburg i. Br. u. a. 2010, S. 263–329. 5. Deutsches Pilgerbuch: Xenia von Ertzdorff: F. F.s ‹Evagatorium› und ‹Eygentlich beschreibung der hin vnnd wider farth zou dem Heyligen Landt› (1484) und der Ber. u¨ ber die Pilgerfahrt des Freiherrn Johann Werner v. Zimmern in der ‹Chronik der Grafen von Zimmern› – Ein Vergleich. In: Jb. f¨ur Internationale Germanistik 31 (1999) H. 2, S. 54–86. 6. Sionpilger: Gustav Veesenmeyer 1869 (s. Ausg. 6.). – Wieland Carls (s. Ausg. 6.) S. 9–62. – Klaus Herbers: Spiritualit´e nouvelle ou m´ecanisme reliˆ gieux a` la fin du Moyen Age? Le ‹p`elerinage spirituel›. In: Les traces du p`elerinage a` Saint-Jacquesde-Compostelle dans la culture europ´eenne (Patrimoine culturel 20). Straßburg 1992, S. 8–17. – Albrecht Classen: Imaginary Experience of the Divine. F. F.’s ‹Sionspilger› – Late-medieval Pilgrimage-Literature as a Window into Religious Mentality. In: Studies in Spirituality 15 (2005) S. 109–128. – K. Herbers: F. F.s ‹Sionpilgrin› – Reiseschilderung und a¨ ltester Kirchenf¨uhrer Ulms. Ein Beitr. der Reichsstadt Ulm zur Pilgerlit. des 15. Jh. In: Die obd. Reichsst¨adte und ihre Heiligenkulte. Hg. v. dems. (Jakobus-Stud. 16). T¨ubingen 2005, S. 195–215. – Kathryne Beebe: Reading Mental Pilgrimage in Context. The Imaginary Pilgrims and Real Travels of F. F.’s ‹Die Sionpilger›. In: Essays in Medieval Studies 25 (2008) S. 39–70. – Jacob 934

2. H¨alfte 15. Jh. Klingner: Reisen zum Heil – Zwei Ulmer ‹Pilgerfahrten im Geiste› vom Ende des 15. Jh. In: Literarische R¨aume: Landschaft, Erinnerung, Wissen. Hg. v. Martin Huber u. a. Berlin 2012. JK Walther, Paul (von Guglingen) OFM, * um 1422 G¨uglingen/Schwaben, † nach 1484. – Vizeguardian, Verfasser eines Reiseberichts. W. trat 1440 in den Chorherren-Orden vom Heiligen Grabe ein und wechselte 1458 zu den Observanz-Minoriten. Er war Vizeguardian des Heidelberger Franziskanerklosters und unternahm 1481–83 eine Pilgerfahrt nach Pal¨astina. Auf der R¨uckreise schloss er sich dem Pilgerzug von → Bernhard von Breidenbach und Felix → Fabri an, mit denen er zum Katharinenkloster und von dort weiter nach Kairo und Alexandria kam. Die Schilderung der R¨uckreise stellt eine wichtige Erg¨anzung zu den Berichten von Fabri und Breidenbach dar. W.s Werk bietet detailreiche Beobachtungen u¨ ber das Leben in Jerusalem, Ortsund Lagepl¨ane der Wallfahrtsziele sowie Notenbeispiele von Pilgerliedern. W. benutzte nach eigener Aussage Quellen aus der Bibliothek des MonteSion-Klosters (wo er fast ein Jahr lebte) und befragte Ortsans¨assige; er kannte das Speculum historiale des → Vinzenz von Beauvais. Die Rezeption von W.s Pilgerbuch wurde durch ¨ die Uberlieferung bei Breidenbach vermittelt. Im 15. Jh. diente es u. a. Konrad → Gr¨unenberg und → Arnold von Harff als Quelle; im 16. Jh. fand es Eingang in die Gemma-Gemmarum-Vokabulare. ¨ Uberlieferung: Neuburg a. d. Donau, Studienseminar (nicht o¨ ffentliche) B¨uchersammlung, o. S. (396 Folioseiten; fr¨uhe Abschrift vom Ende des 15. Jh.). Ausgaben: Fratris Pauli Waltheri Guglingensis itinerarium in Terram Sanctam et ad Sanctam Catharinam. Hg. und erl. v. Matthias Sollweck) T¨ubingen 1892 (vollst. Abdruck der ersten 122 Seiten; weitere knappe Textproben im Anhang). Literatur: Kristian Bosselmann-Cyran, VL2 10 (1999) Sp. 655–657. – Sollweck (s. Ausg.). – Hilda F. M. Prescott: Jerusalem Journey. Pilgrimage to the Holy Land in the Fifteenth Century. Lon¨ don 1954 (dt. Ubersetzung v. Lotte v. Schaukal u. d. T.: Felix Fabris Reise nach Jerusalem. Freiburg i. Br. u. a. 1960). – Reimar W. Fuchs: Die Mainzer Fr¨uhdrucke mit Buchholzschnitten 935

Walther 1480–1500. In: Arch. f¨ur Gesch. des Buchwesens 2 (1960) S. 1–129. – Ursula Ganz-Bl¨attler: Andacht und Abenteuer. Ber. europ¨aischer Jerusalemund Santiago-Pilger (1320–1520) (Jakobus-Stud. 4). T¨ubingen 1990, S. 78–80, 389. – Hartmut Bob¨ zin: Miszellen zur Gesch. der Athiopistik. In: FS Ewald Wagner. Hg. v. Wolfhart Heinrichs/Gregor Schoeler. Bd. 1: Semitische Stud. (= Beiruter Texte und Stud. 54/1). Stuttgart 1994, S. 82–101, hier S. 92–95. – K. Bosselmann-Cyran: Das arabische ¨ Vokabular des P. W. v. G. und seine Uberl. im Reiseber. Bernhards v. Breidenbach. In: W¨urzburger medizinhist. Mitt. 12 (1994) S. 153–182. – Ders.: ¨ Einige Anm. zum Pal¨astina- und Agyptenkompendium des Bernhard v. Breidenbach. In: Kairoer Germanistische Stud. 8 (1994/95) S. 95–115. – Heinz Grotzfeld: Arabische Wortlisten in Pilgerhandb¨uchern des 15. Jh. In: Proceedings of the 14th Congress of the Union Europ´eenne des Arabisants et Islamisants. Budapest 1995, S. 33–47. – Europ¨aische Reiseberichte des sp¨aten MA. Hg. v. Werner Paravicini. Tl. 1: Dt. Reiseberichte. Bearb. v. Christian Halm (Kieler Werkst¨ucke, Reihe D, Bd. 5). 2., durchges. und um einen Nachtr. erg. Aufl. Frankfurt/M. u. a. 2001, Nr. 84, S. 195–197. BJ Johann von Solms(-Lich), Graf, † 1483/84. – Verfasser eines Pilgerberichts. J. v. S. unternahm 1483 unter anderem mit dem Mainzer Domherrn → Bernhard von Breidenbach und dem Maler Erhard Rewich eine Pilgerfahrt nach Pal¨astina; sein Prosabericht erschien, zusammen mit Texten von Breidenbach, → Mandeville, → Fabri u. a., 1584 im von dem Frankfurter Verleger Siegmund Feyerabend zusammengestellten Sammelwerk Reyszbuch dess heyligen Lands. Ausgabe: Sigmund Feyerabend: Reyßbuch deß heyligen Lands. Frankfurt/M. 1584. Literatur: De Boor/Newald 4/1 (21994) S. 162. – August Wagner: Die Breidenbachsche Pilgerfahrt. Die Reise des Grafen Johann zu SolmsLich nach dem Heiligen Land im Jahre 1483. In: Hessische Heimat (Gießen) 23 (1972) S. 29–32, 35–36. – Peter Assion: Altdt. Fachlit. Berlin 1973, S. 106. – Anne Simon: Sigmund Feyerabend’s Das Reyßbuch deß heyligen Lands. A study in printing and literary history (Wissenslit. im MA 32). Wiesbaden 1998. – Anneliese Schmitt: Breidenbach, Bernhard v.: Reise ins Heilige Land. In: Aderlaß 936

Jerusalems Zerstorung ¨ ¨ und Seelentrost. Die Uberl. dt. Texte im Spiegel Berliner Hss. und Inkunabeln. Hg. v. Peter J¨org Becker/Eef Overgaauw. Mainz 2003, S. 384–386. SF Beck, Konrad (Konrad Beck v. Mengen), * 16.10. 1437, † 22.7.1512. – Verfasser eines Reiseberichts ins Heilige Land und einer Familienchronik. B. war B¨urger aus Mengen (Oberschwaben). Er unternahm gr¨oßere Wallfahrten nach St. Jossesur-mer (1473 und 1493) und Rom (1487). Vom 7.4.–15.10.1483 reiste er mit Hans Truchsess von Waldburg, dem er als Verwalter diente, ins Heilige Land. In der gleichen Reisegruppe befand sich Felix → Fabri. Nach seiner R¨uckkehr verfasste B. eine dt. Beschreibung der Reise, wohl zur pers¨onlichen Erinnerung und zur famili¨aren Memoria. Sie ist unikal in einer autographen, lange in Familienbesitz tradierten Handschrift erhalten, an deren Buchdeckel im 16. Jh. Reste des Pilgerbarts B.s befestigt wurden. Der Bericht st¨utzt sich bei den geographischen Angaben auf «des N¨urnbergers receppt», d. h. das gedruckte Reisebuch des Hans → Tucher, dessen Benutzung durch die Reisegruppe auch bei Fabri bezeugt ist. Neben tradierten Angaben («als man sagt») gibt B. anschauliche Beschreibungen eigener Erlebnisse («han ich gesehen»), etwa der Fronleichnamsprozession in Venedig, der Begehung der Grabeskirche oder des Ausflugs von Jerusalem an den Jordan. Er stellt sich selbst nicht nur in vorteilhaftem Licht dar (Ehrenstrafe in Venedig; Festnahme durch den Rat von Mengen im Anschluss an seine R¨uckkehr). Der Bericht bekommt seinen besonderen Wert vor allem als ‹Parallelbericht› zu Fabris Schilderungen der Reise, da er gemeinsame Erlebnisse der Gruppe teilweise anders akzentuiert und Details nennt, die Fabri ausl¨asst. Deutlich ist B.s Interesse an der Verzeichnung der Kosten und der Nennung der Mitglieder der Reisegesellschaft: Er gibt 106 Personen namentlich an, die auf dem Schiff des Piero Lando nach Pal¨astina reisen und nennt einige der 104 Reisende umfassenden Gruppe auf dem Schiff Agostino Contarinis. Dazu verzeichnet er die zu Rittern des Hl. Grabes geschlagenen Mitreisenden sowie die Todesf¨alle unter der Reise. In einem ebenfalls autograph erhaltenen ‹Familienbuch› trug B. von 1467 bis 1511 annalistische Notizen zu seiner Familie, seinen Pilgerfahrten, geistlichen Stiftungen sowie zur einigen Kriegen 937

2. H¨alfte 15. Jh. ein, was von seinen S¨ohnen und seinem Enkel bis 1571 fortgesetzt wurde. In die Handschrift hat B. noch weitere Texte aufgenommen: Neben Kalendern, astrologischen, mantischen und medizinischen Texten auch 1467 die Melusine → Th¨urings von Ringoltingen (¨altester erhaltener Textzeuge) und 1478 Heinrich → Steinh¨owels Griseldis. ¨ Uberlieferung: Pilgerbuch: Kalocsa, Kathedralbibl., Ms. 384, 1r–23v und 27r–30r (Pap., um 1483). – Familienbuch: Klosterneuburg, Stiftsbibl., cod. 747, 126v–128v (Pap., 1467–1511). Ausgaben: Pilgerbuch: J´ozsef Szegz´ardi: Beck Konr´ad zar´andokk¨onyve a XV. sz´azadb´ol. Budapest 1916, S. 59–106. – Familienbuch: H. J. Zeibig: Die Familien-Chron. der Beck von Leopoldsdorf. In: Arch. f¨ur Kunde o¨ sterr. Geschichtsquellen 8 (1852) S. 209–229, hier die von B. stammenden Eintr¨age S. 213–216. Literatur: Dietrich Huschenbett, VL2 1 (1978) Sp. 656 f. – H. J. Zeibig (s. Ausg.) S. 211 f. – Szegz´ardi (s. Ausg.) S. *1–*6 (dt. Zusammenfassung). – Andr´as Vizkelety: Beschreibendes Verz. der altdt. Hss. in ungarischen Bibliotheken. Bd. 2. Wiesbaden 1973, S. 216 f. – Ursula Hess: Heinrich ¨ Steinh¨owels ‹Griseldis›. Stud. zur Text- und Uberlieferungsgesch. einer fr¨uhhumanistischen Prosanovelle (MTU 43). M¨unchen 1975, S. 26–33. – Europ¨aische Reiseberichte des sp¨aten MA. Eine analytische Bibliogr. Hg. v. Werner Paravicini. Tl. 1 bearb. v. Christian Halm (Kieler Werkst¨ucke D: Beitr. zur europ¨aischen Gesch. des sp¨aten MA 5). Frankfurt/M. 1994, Nr. 86, S. 199–201. – Stefan Schr¨oder: Zwischen Christentum und Islam. Kulturelle Grenzen in den sp¨atma. Pilgerberichten des Felix Fabri (Orbis mediaevalis. Vorstellungswelten des MA 11). Berlin 2009, S. 65 f. JK Jerusalems Zerstorung. ¨ – Auszug aus einer Historienbibel. J. Z. erz¨ahlt die Geschichte der Zerst¨orung Jerusalems unter Vespasian und Titus w¨ahrend des Ju¨ dischen Krieges im Jahr 70. Der in einer Berliner Handschrift u¨ berlieferte Text stellt einen Auszug aus der Historienbibel Neue Ee dar und wurzelt mittelbar in der Weltchronik des Heinrich von M¨unchen. In der Handschrift umfasst der als J. Z. firmierende Text auch zwei Abschnitte, die ebenfalls aus der Neuen Ee stammen, aber nicht der Zerst¨orung selbst angeh¨oren. Eine weitere Quelle der Handschrift ist die B-Tradition des Passionals. 938

2. H¨alfte 15. Jh. ¨ Uberlieferung: Berlin, SBB, Mgo 484 (fr¨uher Cheltenham, Bibl. Phillippica, cod. 1153), 297r–312v (Pap., Ende 15. Jh., schw¨abisch). Literatur: Hans-Georg Richert, VL2 4 (1983) Sp. 517. – Hans Vollmer: Materialien zur Bibelgesch. und religi¨osen Volkskunde des MA 4: Die Neue Ee. Eine neutestamentliche Historienbibel. Berlin 1929, S. 192–201. – Paul Gichtel: Die Weltchron. Heinrichs v. Mu¨ nchen in der Runkelsteiner Hs. des Heinz Sentlinger. Mu¨ nchen 1937, passim. MM

Lubbe, Jakob, * 1430 Groß-Lichtenau bei Marienburg, † bald nach 1500 wohl Danzig. – Kaufmann, Verfasser einer Familienchronik. Der aus b¨auerlichen Verh¨altnissen stammende L. besuchte 1440–46 die Schule in Danzig, machte dann eine Kaufmannslehre, erwarb 1465 das Danziger B¨urgerrecht und trat im selben Jahre in die Kr¨amerzunft ein, deren Eltermann er mehrmals war. L.s Chronik ist nur in einer mangelhaften Abschrift im Zusammenhang einer Familiengeschichte u¨ berliefert, die ein Verwandter, der Dominikaner Martin Grunewald, um 1600 verfasste. L.s Aufzeichnungen u¨ ber die Jahre 1465–89 enthalten neben Schilderungen innerst¨adtischer Ereignisse (u. a. Umbau der Marienkirche, Brand des Artushofs, Unruhen von 1476) Nachrichten zu Familienereignissen (Verlobungen, Hochzeiten, Geburten, Taufen, Todesf¨allen), Berichte uber ¨ Wallfahrten nach Aachen und Spanien sowie Notizen u¨ ber den eigenen sozialen und beruflichen Aufstieg. ¨ Uberlieferung: Danzig/Gdan´ sk, Biblioteka Gda´nska Polskiej Akademii Nauk (ehem. StB), Sig. Ms. 1300, S. 67–107 (1606). Ausgabe: Jakob Lubbe’s Familienchronik. In: Scriptores Rerum Prussicarum. Die Geschichtsquellen der Preußischen Vorzeit bis zum Untergang der Ordensherrschaft 4. Hg. v. Theodor Hirsch u. a. Leipzig 1874 (Nachdr. Frankfurt/M. 1965) S. 692–724. Literatur: Reinhard Pawis, VL2 5 (1985) 925 f. – Sigfried R¨uhle: J. L., ein Danziger B¨urger des 15. Jh. In: Mitt. des Westpreußischen Geschichtsvereins 23 (1924) S. 17–30, 33–45. – Udo Arnold: Stud. zur preußischen Historiographie des 16. Jh. Bonn 1967, S. 29, 108. BJ 939

Lubbe Weinreich, Caspar. – Kaufmann, Verfasser einer Danzinger Chronik. W. geh¨orte h¨ochstwahrscheinlich der Danziger Fernhandels- und Reederfamilie Weinreich an. Zwischen 1461 und 1480 hielt er sich vermutlich in den Niederlanden, vielleicht auch in England auf. In seiner zum u¨ berwiegenden Teil auf eigenen Beobachtungen beruhenden Danzinger Chronik in dt. Sprache u¨ ber die Jahre 1461–96 berichtet W. u¨ ber sehr unterschiedliche Geschehnisse, jedoch wohl stets mit Blick auf die Bedeutung des Handels f¨ur die Entwicklung der Stadt Danzig. ¨ Uberlieferung: Danzig/Gdan´ sk, Staatsarch. (Wojew´odzkie Archiwum Pan´ stwowe), 300 R/L 1 32q (Abschrift Stenzel Bornbachs, zweite H¨alfte 16. Jh.). Ausgaben: Theodor Hirsch/Friedrich August Vossberg (Hg.): C. W.’s Danziger Chron. Ein Beitr. zur Gesch. Danzigs, der Lande Preussens und Polen, des Hansabundes und der nordischen Reiche. Berlin 1855. Nachdr. Walluf 1973. – T. Hirsch, in: Scriptores Rerum Prussicarum. Die Geschichtsquellen der preußischen Vorzeit. Bd. 4. Leipzig 1870 (Nachdr. Frankfurt/M. 1965) S. 725–800 (be¨ arb. Ubernahme der Ausg. von 1855, Einleitung und Komm. stark gek¨urzt). Literatur: Gisela Vollmann-Profe, VL2 11 (2004) Sp. 1645–1647. – s. Ausg. – Jolanta Dworzaczkowa: Dziejopisarstwo gdan´ skie do połowy XVI wieku [Die Danziger Geschichtsschreibung bis zur Mitte des 16. Jh.]. Gda´nsk 1962. – Udo Arnold: Geschichtsschreibung im Preußenland bis zum Ausgang des 16. Jh. In: Jb. f¨ur die Gesch. Mittel- und Ostdeutschlands 19 (1970) S. 74–126. – Livia Visser-Fuchs: English events in Ca. W.’s Danzig Chronicle, 1461–1495. In: The Ricardian 7, 95 (1986) S. 310–320. BJ Schedel, Hartmann, * 13.2.1440 N¨urnberg, † 28.11.1514 N¨urnberg. – Arzt, B¨uchersammler, Polyhistor. S. wurde als Sohn einer wohlhabenden N¨urnberger Kaufmannsfamilie geboren. Sein a¨ lterer Vetter und Mentor Hermann → Schedel machte ihn fr¨uh mit humanistischem Gedankengut vertraut. S. studierte seit 1456 in Leipzig (1457 Baccalaureus, 1459 Magister artium, danach Studium des Kanonischen Rechts). Mitschriften zeugen vom Einfluss des Humanisten Peter Luder auf S. Ende 1463 folgte er Luder nach Padua, wo er Italienisch, Griechisch und Hebr¨aisch lernte, in einem 940

Schedel Freundeskreis N¨urnberger Kommilitonen (u. a. Sebald Mulner, Georg Pfinzing, Johannes Pirckheimer) verkehrte und seine akademischen Studien an der Medizinischen Fakult¨at fortsetzte (1466 Doctor medicinae). Nach seiner R¨uckkehr aus Italien und einer ausgedehnten Wallfahrt in die Rheinlande, Flandern und Brabant praktizierte S. als Stadtarzt in N¨ordlingen (1470–76), Amberg (1477–80) und schließlich N¨urnberg (seit 1482). Seit 1488 war er auch ‹Genannter› im ‹Gr¨oßeren Rat› von N¨urnberg. ¨ Uber die berufliche T¨atigkeit von S. legen erhaltene lat. Rezeptb¨ucher (oft mit Nennung der Namen der Behandelten), Konsilien und Befunde Zeugnis ab. In tagebuchartigen Libri Annales hat S. dar¨uber hinaus lat. Notizen zu seiner Biographie hinterlassen, lat. und dt. Eintragungen sowie eine kurze Autobiographie finden sich in einem Familienbuch. Die in großer Zahl erhaltenen B¨ucher aus seinem Besitz bieten vielfach eigenh¨andige Anmerkungen. Ebenso wie der Briefwechsel mit seinem Vetter Hermann (33 Briefe, davon vier von S.) und einer Reihe anderer Gelehrter geben sie Auskunft u¨ ber S.s humanistische Interessen und Projekte, die er neben Beruf und Ratsamt verfolgte. S. zeichnete sich vor allem als Sammler und Kompilator aus. Seit Beginn seines Studiums schrieb er eine enorme Zahl von Handschriften und Drucken ab, kaufte und tauschte B¨ucher, ließ sie neu binden und stattete sie mit Buchschmuck (darunter vielen Holz- und Metallschnitten) aus. Ein autograph erhaltener Katalog von 1498 (mit Erg¨anzungen 1507) verzeichnet 667 B¨ande. In ihren Inhalten und in der bibliotheksinternen Struktur spiegelt sich die Organisation der Wissenschaften in den Universit¨aten des 15. Jh. Titelreichster Bereich war jener der «Ars humanitatis»; erkennbar ist S.s ausgepr¨agtes Interesse f¨ur antike, ma. und humanistische Geschichtsschreibung sowie f¨ur zeitgen¨ossischen Kosmographie und Geographie. Daneben finden sich in seinem Besitz auch volks¨ sprachliche Werke. Uber die B¨uchersammlung – nach Umfang und Qualit¨at die alles u¨ berragende Bibliothek in den dt. Gebieten um 1500 – wirkte S. f¨ur seinen großen, u¨ ber N¨urnberg hinaus reichenden Freundeskreis als Multiplikator humanistischer Ideen. Nach seinem Tod ging die Bibliothek relativ geschlossen an seine Erben u¨ ber, kam sp¨ater an die Fuggersche Bibliothek und aus dieser an die Hofbibliothek in Mu¨ nchen (die heutige BSB). 941

2. H¨alfte 15. Jh. Aufgrund des reichen Bestandes an beigebundenen Kunstwerken gilt sie auch als erste erhaltene umfangreiche Grafiksammlung eines Privatmanns. In eine fr¨uhe Phase von S.s Sammelt¨atigkeit f¨allt sein Liederbuch (1460–62, mit Nachtr¨agen um 1467), in dem Texte und (teilweise) Melodien zu insgesamt 150 Liedern – geistliche lat. ebenso wie weltliche Werke aus Burgund und Italien, vorwiegend aber anonyme dt. Lieder – aufgezeichnet sind. Aufgrund der vielen unikal u¨ berlieferten St¨ucke ist es eine bedeutende Quelle f¨ur das dt. Tenorlied des ausgehenden 15. Jh. S.s. historisch-antiquarische Interessen schlagen sich in umfangreichen Sammlungen von Inschriften aus Deutschland und Italien nieder. Im hsl. Liber de antiquitatibus cum epitaphiis kombiniert er sein eigenes Material mit der u¨ berlieferten humanistischen Epigraphik zu einer universalen, in drei Abteilungen (Griechenland und Rom, Italien, Deutschland) gegliederten Schau des Bewahrungsw¨urdigen. Sein im dt. Humanismus beispielloses Bem¨uhen um arch¨aologische Dokumentation zeigt sich auch im Fragment gebliebenen Liber Epigraphicus. Diskutiert wird S.s Verfasserschaft auch im Fall mehrerer lat. Chroniken zur Reichs- und Lokalgeschichte. Allerdings ist der eigensch¨opferische Anteil an den von ihm eigenh¨andig aufgezeichneten Texten oftmals schwer zu bestimmen. S.s. reiche Bibliothek stellte das Reservoir dar, aus dem er bei seiner Mitarbeit an einem der ambitioniertesten Buchprojekte der Zeit, der sog. Schedelschen Weltchronik, sch¨opfte. Finanziert durch die N¨urnberger Handelsherren Sebald Schreyer und Sebastian Kammermeister wurde seit etwa 1487 weltgeschichtliches und geographisches Wissen zusammengetragen und f¨ur den Druck aufbereitet – ein groß angelegtes Gemeinschaftsunternehmen, an dem zahlreiche Mitarbeiter der weltlichen und geistlichen Bildungselite N¨urnbergs beteiligt waren, ferner K¨unstler und Handwerker. Der Druck des 326 Bl¨atter in Folio umfassenden Liber chronicarum cum figuris et ymaginibus ab inicio mundi wurde am 12.7.1493 bei Anton Koberger beendet. Eine parallel von dem N¨urnberger Schreiber Georg Alt ¨ erarbeitete dt. Ubersetzung, das Buch der Croniken vnd geschichten mit figuren vnd pildnussen von anbeginn der welt bis auf dise vnnsere zeit, erschien am 23.12.1493. Zwar tritt S. nicht als Autor des Textes auf – ein Titelblatt fehlt beiden Ausgaben –, jedoch nennt er sich im lat. Text an einer Stelle selbst («ego Hartmannus Schedel Nurembergensis 942

2. H¨alfte 15. Jh. doctor», Bl. CCLIIV). Auch die erhaltenen Druckvorlagen, teilweise von seiner Hand, geben Hinweise auf seine Mitwirkung als Lieferant von Text, Quellenmaterial und Abbildungsvorlagen. Die Chronik f¨uhrt vom Beginn der Welt bis zum Jahr 1493. Indem sie die Geschichte in sieben Weltalter gegliedert pr¨asentiert, folgt sie einem Modell der heilsgeschichtlich ausgerichteten Weltchronistik, namentlich dem 1483 erstmals und dann in zahllosen Auflagen gedruckten Supplementum chronicarum des Augustinerm¨onches Jacobus Philippus Foresti aus Bergamo. Die Eintr¨age pr¨asentieren zun¨achst die biblische Geschichte synchronisiert mit der griechischen und r¨omischen Profangeschichte. W¨ahrend vor Christi Geburt die beiden Linien der Propheten und weltlichen Herrscher das Ordnungsger¨ust bilden, folgt die zwei Drittel des Buches umfassende Darstellung des sechsten Weltalters seit Christi Geburt der Linie der (jeweils biographisch behandelten) P¨apste und r¨omischen Kaiser. Zwischen das sechste Weltalter und den eschatologischen Ausblick auf das noch kommende siebte Weltzeitalter mit Apokalypse und Gericht ist eine kosmographische Darstellung der L¨ander Europas (formuliert nach der ‹Europa› des Aeneas Silvius → Piccolomini) eingeschaltet. Als Quelle f¨ur die Kompilation dient vor allem die humanistische Historiographie der Zeit (u. a. Antonius von Florenz, Flavio Biondo, Aeneas Silvius Piccolomini, Bartolomeo Platina, Poggio Bracciolini), weniger die ma. Weltchronistik. Eingearbeitet ist ferner theologisches, hagiographisches und naturkundliches Wissen sowie historiogeographische Informationen u¨ ber L¨ander und St¨adte. Sie machen das Werk zu einer in ihrer Vollst¨andigkeit einzigartigem Dokument der zeitgen¨ossischen, humanistisch inspirierten Geographie. Das vorgefundene Material ist zwar entlang der u¨ blichen heilsgeschichtlichen Ordnungsmuster kompiliert, im Text werden aber auch antike bzw. ‹moderne› Deutungen pr¨asent gehalten. Quellenkritische Urteile fehlen weitgehend. Herausragende buchk¨unstlerische Bedeutung gewinnt die Chronik durch das Zusammenspiel des Textes mit 1809 Holzschnitten aus der N¨urnberger Werkstatt von Michael Wolgemut und Wilhelm Pleydenwurff, in der auch der junge Albrecht D¨urer arbeitete. Besonders die großformatigen Kartenbilder und St¨adteansichten haben einen u¨ ber die reine Textillustration hinausgehenden Anspruch. Zwar werden auch hier vielfach alte ikonographische Muster u¨ bernommen bzw. einige 943

Schedel Holzst¨ocke mehrfach f¨ur unterschiedliche Inhalte verwendet, einige der St¨adteansichten sind aber erkennbar nach Augenschein gezeichnet. Dokumentiert sind S.s. Bem¨uhungen um geographische Korrektheit und Aktualit¨at, u¨ ber die er sich mit geographisch beschlagenen N¨urnbergern (u. a. Martin Behaim und Hieronymus Mu¨ nzer) austauschte. An den hsl. Druckvorlagen der lat. wie der dt. Ausgabe l¨asst sich die Arbeit am ausgefeilten Layout nachvollziehen. Unter anderem wurden den Seiten 24 verschiedene Layoutschemata zu Grunde gelegt, in die jeweils der genau berechnete Text eingef¨ugt wurde. Gr¨oßeren Verkaufserfolg der Ausgabe bei Koberger, f¨ur die auch mit einer lat. B¨ucheranzeige geworben wurde, verhinderten wohl gek¨urzte und mit weiteren Holzschnitten den Marktbed¨urfnissen angepasste Raubdrucke des Augsburger Druckers Johann Sch¨onsperger (lat. 1496; dt. 1497 und 1500). Der urspr¨ungliche Plan einer zweiten, durch Konrad Celtis u¨ berarbeiteten Auflage wurde fallengelassen. Erhalten sind neben den Vertr¨agen der am Projekt beteiligten Gelehrten, K¨unstler und Drucker auch die ‹Endabrechnungen› Schreyers und Kammermeisters von 1509. ¨ Uberlieferung: 1. Familienbuch: Berlin, SBB, Ms. germ. fol. 447 (Abschrift von 1552). – Libri annales: M¨unchen, BSB, Clm 533 (1467–82) und Clm 624 (1502–10). – Briefe: M¨unchen, BSB, Clm 224 und 418. 2. Rezepte und Konsilien: M¨unchen, BSB, Clm 205, Clm 224, Clm 263, Clm 288, Clm 290, Clm 363, Clm 383, Clm 441, Clm 456, Clm 25060. 3. Index librorum: M¨unchen, Clm 263, 126r–149v (Pap., 1498) und 151r–160r (Nachtrag um 1507). Einen zweiten, j¨ungeren Katalog mit leicht abweichendem Bestand u¨ berliefert Berlin, SBB, Ms. germ. fol. 447, 255r–277r. 4. Liederbuch: M¨unchen, BSB, Cgm 810 (Pap., ca. 1460–67, mit Nachtr¨agen). 5. Epigraphik: Liber de antiquitatibus cum epitaphiis et cum epigrammatibus: Mu¨ nchen, BSB, Clm 716. – Liber epigraphicus: M¨unchen, BSB, Clm 27313. – Daneben verstreute Eintr¨age in seinen Hss., u.a. Mu¨ nchen, BSB, Clm 78, 215, 263, 369, 414, 418, 472, 504. 6. Chronistik: Kleinere historiographische Arbeiten S.s. finden sich u.a. in M¨unchen, BSB, Clm 434, Clm 472 und Clm 23877. – Weltchronik: Die Druckvorlage der lat. Ausgabe (‹Archetypus›), teilweise von S.s Hand, mit Korrekturen von Alt und 944

Schedel Mu¨ nzer liegt in der Hs. N¨urnberg, StB, cod. Cent. II 98, vor, die der dt. Ausgabe in der Hs. N¨urnberg, StB, cod. Cent. II 99. – Drucke der lat. Ausgabe: N¨urnberg: Anton Koberger, 12.7.1493 (H 14508); Augsburg: Johann Sch¨onsperger, 1.2.1497 (HC 14509). – Drucke der dt. Ausgabe: N¨urnberg: Anton Koberger, 23.12 1493 (H 14510); Augsburg: Johann Sch¨onsperger, 18.9.1496 (HC 14511); Augsburg: Johann Sch¨onsperger, 1500 (HC 14512). – Lat. B¨ucheranzeige: [N¨urnberg: Anton Koberger, um 1493] (VE15 K-19). Nachlass: BSB M¨unchen. – Ludwig Denecke: Die Nachl¨asse in den Bibliotheken der Bundesrepublik Deutschland. 2. Aufl. bearb. v. Tilo Brandis. Boppard 1981, S. 322. Ausgaben: 1. Briefe: Paul Joachimsohn: Hermann Schedels Briefwechsel (Bibl. des Litterarischen Vereins in Stuttgart 196). Tu¨ bingen 1893, hier Nr. 24, S. 59 f.; Nr. 44, S. 92 f.; Nr. 45. S. 94 f. (an Hermann Schedel). – Weitere Briefe Hartmanns bei Richard Stauber: Die Schedelsche Bibl. Ein Beitr. zur Gesch. der Ausbreitung der italienischen Renaissance, des dt. Humanismus und der medizinischen Lit. Freiburg i. Br. 1908 (Nachdr. Nieuwkoop 1969) S. 242–251. – Anton Ruland: Das Exemplar von ‹Hartmanni Schedelii Chronicon lat. Norimbergae 1493.›, welches der Verfasser H. S. selbst besass. In: Serapeum 15 (1854) S. 137–153, hier S. 143 (an Hieronymus M¨unzer). – Ders.: Der Briefwechsel des Johannes Trithemius mit Dr. H. S. In: Serapeum 16 (1855) S. 268–272. – Paul Joachimsohn: Die humanistische Geschichtsschreibung in Deutschland. Die Anf¨ange: Sigismund Meisterlin. Bonn 1895; S. 277–279. – Hans Rupprich: Der Briefwechsel des Konrad Celtis. Mu¨ nchen 1934, S. 99 f. 2. Medizinische Schriften: Karl Sudhoff: Lepraschaubriefe aus dem 15. Jh. In: Arch. f¨ur Gesch. der Medizin 4 (1911) S. 370–378, hier S. 372–375. – Ders.: Anweisungen f¨ur Arzneigebrauch und Lebensregelung in der Rekonvaleszenz, in Form eines Konsiliums f¨ur Wilhelm von B¨ohmen von Dr. H. S. in N¨urnberg. In: ebd. 8 (1914/15) S. 295–349. – ¨ Walter H¨opfner: Die N¨urnberger Arzte des 15. Jh. Hermann und H. S. und zwei Konsilien des letzteren u¨ ber die Paralyse. Diss. Leipzig 1915. – K. Sudhoff: Diagnostische bzw. differentialdiagnostische Tabellen H. S.s u¨ ber Fallsucht, Schwangerschaft und Mola vom Jahre 1469. In: Arch. f¨ur Gesch. der Medizin 9 (1916) S. 255 f. – Klaus Fischer: H. 945

2. H¨alfte 15. Jh. S. in N¨ordlingen. Das pharmazeutisch-soziale Profil eines sp¨atma. Stadtarztes (W¨urzburger medizinhist. Forschungen 58). W¨urzburg 1996, S. 259–494 (Edition der Rezeptsammlung Clm 290). 3. Bibliothekskataloge: Richard Stauber (s. unter 1.) S. 103–145. – Ma. Bibliothekskataloge Deutschlands und der Schweiz. Bd. 3, Tl. 3, bearb. v. Paul Ruf. Mu¨ nchen 1939 (Nachdr. 1961) S. 805–839. 4. Liederbuch: Robert Eitner: Das dt. Lied des XV. und XVI. Jh. in Wort, Melodie und mehrstimmigem Tonsatz. Bd. 2. Berlin 1880. – Karl Frommann: Das Mu¨ nchner Liederbuch. In: ZfdPh 15 (1883) S. 104–126. – Das Schedelsche Liederbuch. Ausgew¨ahlte S¨atze u¨ bertragen und eingel. v. Herbert Rosenberg. Kassel 1933. – Das Liederbuch des Dr. H. S. Faks. Mit einem Vorw. v. Bettina Wackernagel (Das Erbe dt. Musik 84, Abt. MA 21). Kassel u. a. 1978. 5. Epigraphik: Francesca Parisi: Contributi per il soggiorno Padovano di H. S. Una silloge epigrafica del codice latino Monacense 716. In: Quaderni per la storia dell’Universit`a di Padova 32 (1999) S. 1–76, hier S. 26–76 (Abschnitt zu Padua aus dem Liber de antiquitatibus). – Dies.: L’abate Johannes Radenecker (1441–1504) nel ‹Liber de antiquitatibus› di H. S. In: Margerita amicorum. Studi di cultura europea per Agostino Sottili. Hg. v. Fabio Fomer (Bibliuotheca erudita 26.2). Mailand 2005, Bd. 2, S. 847–856, hier S. 855 f. (Abschnitt zu N¨urnberg aus dem Liber de antiquitatibus). 6. Chronistik: Andreas Felix Oefele: Rerum Boicarum scriptores nusquam antehac editi. Augsburg 1763, S. 348–352 (‹Chronicon Monasterii S. Aegidii, Scotorum Noribergae›), 374–376 (‹De ortu ac laudabili progressu Conventus Fratrum Ordinis Praedicatorum Noribergae›), 392–398 (‹Historia rerum Memorabilium ab anno MCCCCXXXIX ad annum MCCCCLX›). – Weltchronik: Ruland (s. Ausg. 1.) S. 141 (Ausz¨uge des Dedikationsschreibens an die Stadt N¨urnberg). – Liber cronicarum. Hg. v. der Bibl. der Abtei Niederaltaich. Niederaltaich 1970. – Liber chronicarum. Mu¨ nchen 1994 (Mikrofiche-Ausg.). Digitalisat: urn:nbn:de:bvb:12-bsb00034024–1. – Faksimiles der dt. Ausgabe: Buch der Chron. und Geschichten. Leipzig 1933. – Das buch der Croniken. Hg. v. der Bibl. der Abtei Niederaltaich. Niederaltaich [1967–70]. – H. S.: Weltchronik. Mu¨ nchen 1965. – Register des Buchs der Croniken und geschichten mit figuren [...]. Mu¨ nchen 1975. – Die Schedelsche Weltchronik. 946

2. H¨alfte 15. Jh. Nachw. v. Rudolf P¨ortner (Die bibliophilen Taschenb¨ucher 64). Dortmund 21978. – Weltchronik. Faks.-Druck nach dem Original von 1493. Lindau [1988]. – H. S.s Weltchronik. Nachw. v. Elisabeth R¨ucker, Komm. v. Konrad Kratzsch. 2 Bde. Ludwigsburg 1990. – Weltchronik. Kolorierte Gesamtausg. v. 1493. Einleitung und Komm. v. Stephan F¨ussel. K¨oln u. a. 2001 (Nachdr. Augsburg 2004). – Digitalisat: http://digi.ub.uniheidelberg.de/diglit/is00309000. Literatur: 1. Allgemein: B´eatrice Hernad/Franz Josef Worstbrock, VL2 8 (1992) Sp. 609–621. – Paul Sappler, ebd., Sp. 625–628 (Schedels Liederbuch). – Alfred Wendehorst, LexMA 7 (1995) Sp. 1444 f. – Andreas G¨oßner, RGG4 7 (2004) Sp. 871. – Nicolaus C. Heutger, BBKL 9 (1994) S. 26–29. – Franz Fuchs, NDB 22 (2005) S. 600–602. – Karl Heinz Burmeister, Killy2 10 (2011) S. 269–271. – Wilhelm Wattenbach: H. S. als Humanist. In: Forschungen zur dt. Gesch. 11 (1871) S. 351–374. – Franz Machilek: Klosterhumanismus in N¨urnberg um 1500. In: Mitt. des Vereins f¨ur Gesch. der Stadt N¨urnberg 64 (1977) S. 10–45. – Herbert Schneider: H. S., ein Antoniterfreund im dt. Humanismus. In: Auf den Spuren des Hl. Antonius. FA Adalbert Mischlewski. Hg. v. Peer Frieß. Memmingen 1994, S. 237–248. – Hugo Weretschek: H. S.s ‹Liber genealogiae et rerum familiarum›. Ein unpubliziertes Ms. aus Fuggerbesitz (Antiquariat Inlibris. Kat. 8). Wien 2000. – F. J. Worstbrock: Imitatio in Augsburg. Zur Physiognomie des dt. Fr¨uhhumanismus. In: ZfdA 129 (2000) S. 187–201. – Reinhard Stauber: H. S., der Nu¨ rnberger Humanistenkreis und die ‹Erweiterung der dt. Nation›. In: Diffusion des Humanismus. Stud. zur nationalen Geschichtsschreibung europ¨aischer Humanisten. Hg. v. Johannes Helmrath u. a. G¨ottingen 2002, S. 159–185. – Klaus Gantert: H. S.: Familienbuch (lat. und dt.). In: Aderlaß und Seelentrost. ¨ Die Uberl. dt. Texte im Spiegel Berliner Hss. und Inkunabeln. Hg. v. Peter Jo¨ rg Becker/Eef Overgaauw. Mainz 2003, S. 424 f. 2. Medizin: H¨opfner (s. Ausg. 2.). – Otto Meyer: H. S. In: Medizinhist. Journal 4 (1969) S. 55–68. – Werner Dressend¨orfer: H. S.s Angaben zur Aufbewahrung von Arzneimitteln in Apotheken. In: ‹gelˆerter der arzenˆıe, ouch apotˆeker›. Beitr. zur Wissenschaftsgesch. FS Willem F. Daems. Hg. v. Gundolf Keil (W¨urzburger medizinhist. Forschungen 24). Wiesbaden 1982, S. 543–550. – Bernhard 947

Schedel Schnell: Arzt und Literat. In: Sudhoffs Arch. 75 (1991) S. 44–57. – Johannes Laschinger: Dr. H. S. als Stadtarzt in Amberg (1477–1481). In: Mitt. des Vereins f¨ur Gesch. der Stadt N¨urnberg 80 (1993) S. 137–145. – Fischer (s. Ausg. 2.). – B. Schnell: H. S. und seine medizinischen Hss. Mit einer Auflistung seiner medizinischen Illustrationen im Anhang. In: Medizin, Jurisprudenz und Humanismus in N¨urnberg um 1500. Hg. v. Franz Fuchs (Pirckheimer Jb. f¨ur Renaissance- und Humanismusforschung 24). Wiesbaden 2010, S. 11–46. 3. B¨ucher- und Graphiksammlung: Karl Halm: Catalogus codicum latinorum Bibliothecae Regiae Monacensis. Bd. I,1: Codices num. 1–2329 complectens (Catalogus codicum manu scriptorum Bibliothecae Regiae Monacensis III,1). M¨unchen 1892. – Stauber (s. Ausg. 3.). – Otto Hartig: Die Gr¨undung der M¨unchener Hofbibl. durch Albrecht V. und Johann Jakob Fugger (Abh. der kgl. Bayerischen Akad. der Wiss., Philos.-philol. und hist. Kl. 28/3). M¨unchen 1917, bes. S. 112, 127, 261–266. – Eva Matthews Sanford: Some Literary Interest of Fifteenth Century German Students. In: Transactions and Proceedings of the American Philological Association 59 (1928) S. 72–98. – Claude Jenkins: Dr. H. S. and his Books. In: Medieval Studies presented to Rose Graham. Hg. v. Veronica Ruffer. Oxford 1950, S. 98–137. – Wolf¨ gang Milde: Uber B¨ucherverzeichnisse der Humanistenzeit (Petrarca, Tommaso Parentucelli, H. S.). In: B¨ucherkataloge als buchgeschichtliche Quellen in der fr¨uhen Neuzeit (Wolfenb¨utteler Schr. zur Gesch. des Buchwesens 10). Wiesbaden 1984, S. 19–31, bes. S. 27–31. – B´eatrice Hernad: Die Graphiksammlung des Humanisten H. S. (Bayerische Staatsbibl., Ausstellungskataloge 52). Mu¨ nchen 1990. – F. J. Worstbrock: H. S.s ‹Index Librorum›. In: Stud. zum 15. Jh. FS Erich Meuthen. Hg. v. Johannes Helmrath u. a. M¨unchen 1994. Bd. 2, S. 697–715. 4. Liederbuch: Martin Kirnbauer: H. S. und sein ‹Liederbuch›. Stud. zu einer sp¨atma. Musikhs. (Bayerische Staatsbibl. M¨unchen, Cgm 810) und ihrem Kontext (Publ. der Schweizerischen Musikforschenden Ges. II,42). Bern u. a. 2001. – Volker Mertens: Was Humanisten sangen. In: Humanismus in der dt. Lit. des MA und der fr¨uhen Neuzeit. Hg. v. Nicola McLelland u. a. T¨ubingen 2008, S. 215–229. 5. Epigraphik: Joseph Dernjac: Die Handzeichnungen im Cod. latinus Monacensis 716. In: Repertorium f¨ur Kunstwiss. 2 (1879) S. 301–311. – F. 948

Schedel J. Worstbrock: H. S.s ‹Liber antiquitatum cum epitaphiis et epigrammatibus›. Zur Begr¨undung und Erschließung des hist. Ged¨achtnisses im dt. Humanismus. In: Erkennen und Erinnern in Kunst und Lit. Hg. v. Dietmar Peil u. a. T¨ubingen 1998, S. 215–243. – Parisi (s. Ausg. 5.). 6. Chronistik: Valerian v. Loga: Die St¨adteansichten in H. S.s Weltchron. In: Jb. der K¨oniglich Preußischen Kunstsammlungen 9 (1888) S. 93–107, 184–196. – Michael Haitz: H. S.’s Weltchron. Mu¨ nchen 1899. – Joseph Sprengler: H. S.s Weltchron. Diss. W¨urzburg 1905. – Paul Joachimsen: Geschichtsauffassung und Geschichtsschreibung in Deutschland unter dem Einfluß des Humanismus 1 (Beitr. zur Kulturgesch. des MA und der Renaissance. HF 6). Leipzig 1910 (Neudr. Aalen 1968) S. 87–91. – Franz I. Stadler: Michael Wolgemut und der N¨urnberger Holzschnitt im letzten Drittel des 15. Jh. Straßburg 1913. – Rudolf Bernoulli: Das Weltallbild in S.s Weltchron. In: Buch und Bucheinband. Aufs¨atze und graphische Bll. zum 60. Geburtstag v. Hans Loubier. Leipzig 1923, S. 48–58. – Xaver Schnieper: Die S.sche Weltchron. Eine Einf. und W¨urdigung. In: Stultifera Navis 7 (1950) S. 85–104. – Leonhard Sladeczek: Albrecht D¨urer und die Illustrationen zur Schedelchronik. Baden-Baden 1965. – Peter Zahn: Neue Funde zur Entstehung der S.schen Weltchron. 1493 (Renaissance-Vortr¨age 213). N¨urnberg 1974. – Ludwig Grote: Kaiser Maximilian in der S.schen Weltchron. Mit einem Anhang v. Dieter Wuttke. In: Mitt. des Vereins f¨ur Gesch. der Stadt N¨urnberg 62 (1975) S. 60–83. – Horst Kunze: Gesch. der Buchillustration in Deutschland. Das 15. Jh. Leipzig 1975, S. 368–381. – Adrian Wilson: The Making of the Nuremberg Chronicle. Amsterdam 21978. – Elisabeth R¨ucker: N¨urnberger Fr¨uhhumanisten und ihre Besch¨aftigung mit Geographie. Zur Frage einer Mitarbeit v. H. Mu¨ nzer und C. Celtis am Text der S.schen Weltchron. In: Humanismus und Naturwiss. Hg. v. Rudolf Schmitz/Fritz Krafft (DFG, Mitt. der Kommission f¨ur Humanismusforschung 6). Boppard 1980, S. 181–192. – Dieter Mertens: Fr¨uher Buchdruck und Historiographie. In: Stud. zum st¨adtischen Bildungswesen des sp¨aten MA und der fr¨uhen Neuzeit. Hg. v. Bernd Moeller/Hans Patze/Karl Stackmann. G¨ottingen 1983, S. 83–111. – AnnaDorothee v. den Brincken: Universalkartographie und geographische Schulkenntnisse im Inkunabelzeitalter. In: ebd., S. 398–429, hier S. 411–418. – J¨org-Geert Arentzen: Imago mundi cartographica. 949

2. H¨alfte 15. Jh. ¨ Stud. zur Bildlichkeit ma. Welt- und Okumenekarten unter besonderer Ber¨ucksichtigung des Zusammenwirkens von Text u. Bild (MMS 53). M¨unchen 1984, bes. S. 118–122, 184–189. – Steven Rowan: Chronicle as Cosmos. H. S.’s Nuremberg chronicle, 1493. In: Daphnis 15 (1986) S. 375–407. – Elisabeth R¨ucker: H. S.s Weltchron. Das gr¨oßte Buchunternehmen der D¨urer-Zeit (mit einem Kat. der St¨adteansichten). M¨unchen 21988. – Wilfried Krings: Text und Bild als Informationstr¨ager bei gedruckten Stadtdarstellungen der Fr¨uhen Neuzeit. In: Poesis et pictura. Hg. v. Stephan F¨ussel/ Joachim Knape. Baden-Baden 1989, S. 295–335. – Achim Kr¨ummel: Das ‹Supplementum Chronicarum› des Augustinerm¨onches Jacobus Philippus Foresti v. Bergamo. Eine der a¨ ltesten Bilderchron. und ihre Wirkungsgeschichte (bibliothemata 6). Herzberg 1992. – 500 Jahre S.sche Weltchron. Akten des interdisziplin¨aren Symposions vom 23./24. April 1993 in N¨urnberg. Hg. v. S. F¨ussel (Pirckheimer-Jb. 9). N¨urnberg 1994. – Klaus A. Vogel: H. S. als Kompilator. Notizen zu einem derzeit kaum bestellten Forschungsfeld. In: ebd., S. 73–98. – Klaus Arnold: Bilder und Texte. Stadtbeschreibung und St¨adtelob bei H. S. In: Acta Conventus Neo-Latini Hafniensis. Proceedings of the Eighth International Congress of Neo-Latin Studies (Medieval Texts and Studies 120). Binghamton/New York 1994, S. 121–132. – Ingmar ten Venne: Neues Weltverst¨andnis in H. S.s ‹Liber Chronicarum›? In: Noveaux mondes et monˆ des noveaux au Moyen Age. Hg. v. Danielle Buschinger/Wolfgang Spiewok (Wodan 22). Greifswald 1994, S. 133–143. – Volker Schupp: Zu H. S.s Weltchron. In: Texttyp, Sprechergruppe, Kommunikationsbereich. Stud. zur dt. Sprache in Gesch. und Gegenwart. FS Hugo Steger. Hg. v. Heinrich L¨offler. Berlin 1994, S. 52–67. – H. S.s Weltchron. Eine Ausstellung in der Universit¨ats- und Landesbibl. Saarbr¨ucken (Saarbr¨ucker Universit¨atsreden 39). Saarbr¨ucken 1995. – Peter Zahn: H. S.s Weltchron. Bilanz der j¨ungeren Forschung. In: Bibliotheksforum Bayern 24 (1996) S. 231–248. – S. F¨ussel: Die Welt im Buch. Buchk¨unstlerischer und humanistischer Kontext der S.schen Weltchron. v. 1493 (Kleiner Druck der GutenbergGes. 111). Mainz 1996. – Dietrich Briesemeister: H. S. (1440–1514). Liber cronicarum cum figuris et ymagninibus. In: Hauptwerke der Geschichtsschreibung. Hg. v. Volker Reinhardt. Stuttgart 1997, S. 567–571. – Albrecht Berger/Jona950

2. H¨alfte 15. Jh. than Bardill: The Representations of Constantinople in H. S.’s World Chronicle, and Related Pictures. In: Byzantine and Modern Greek Studies 21 (1998) S. 2–37. – Richard Klein: Die Behandlung der griechischen Gesch. in der Weltchron. des H. S. (1493). In: Jb. f¨ur fr¨ankische Landesforschung 58 (1998) S. 167–186. – Hartmut Kugler: N¨urnberg auf Bl. 100. Das verst¨adterte Geschichtsbild der S.schen Weltchron. In: Stadt-Ansichten. Hg. v. Ju¨ rgen Lehmann/Eckart Liebau (Bibliotheca Academica. Sammlung interdisziplin¨arer Studien 1). W¨urzburg 2000, S. 103–124. – Christoph Reske: Die Produktion der S.schen Weltchron. in N¨urnberg. Wiesbaden 2000. – Gernot Michael M¨uller: Die ‹Germania generalis› des Conrad Cel¨ tis. Stud. mit Edition, Ubersetzung und Komm. (Fr¨uhe Neuzeit 67). T¨ubingen 2001, bes. S. 286 f. u. o¨ . – C. Reske: Albrecht D¨urers Beziehung zur S.schen Weltchron. unter besonderer Ber¨ucksichtigung des Berliner Stockes. In: Gutenberg-Jb. 78 (2003) S. 45–66. – Mara R. Wade: Von S.s ‹Weltchron.› bis zu Birkens Friedensdichtung. Eine N¨urnberger emblematisch-ikonographische Tradition im Kontext. In: Die Dom¨anen des Emblems. Hg. v. Gerhard F. Strasser u. a. Wiesbaden 2004, S. 55–78. – Dieter Wuttke: ‹Film vor dem Film›. Zur lat. Buchanzeige v. H. S.s ‹Liber chronicarum›. In: Nova de veteribus. Mittel- und neulat. Stud. f¨ur Paul Gerhard Schmidt. Hg. v. Andreas Bihrer u. a. M¨unchen 2004, S. 799–808. – Jonathan Green: Marginalien und Leserforschung. Zur Rezeption der ‹S.schen Weltchron.›. In: Arch. f¨ur Gesch. des Buchwesens 60 (2006) S. 184–261. – Kees Bezemer: The medieval jurists in S.’s Weltchron. (1493). Immediate and remote sources. In: Tijdschrift voor Rechtsgeschiedenis 77 (2009) S. 61–72. – Carla Meyer: Die Stadt als Thema. N¨urnbergs Entdeckung in Texten um 1500 (MA-Forschungen 26). Ostfildern 2009, S. 278–297. – Mona Kirsch: Eine neue Perspektive auf H. S.s ‹Buch der Chroniken und Geschichten› – Weltchronistik an der Schwelle zwischen MA und Fr¨uher Neuzeit. In: Concilium medii aevi 13 (2010) S. 85–115. – Stephanie Leitch: Mapping Ethnography in Early Modern Germany. New Worlds in Print Culture. New York 2010, S. 17–35. JK Siegfried von Bacharach, † nach 1505. – Chronist, 15. Jh. S. stammte vielleicht aus Bacharach/Rhein. 1475 trat er in die W¨urzburger Ungeldverwaltung ein 951

Siegfried von Bacharach und war 1481–1505 Ungeldschreiber in W¨urzburg. An annalistische Aufzeichnungen Sigmund Keplers in dt. Sprache, die bis etwa 1470 fortgef¨uhrt worden waren, ankn¨upfend, verfasste S. eine W¨urzburger Ratschronik, die tagebuchartig u¨ ber Ereignisse der Stadt W¨urzburg berichtet. Sie wurde von sp¨ateren Ungeldschreibern mit Einsch¨uben versehen und sporadisch fortgesetzt (bis 1603). Ausgabe: Die Rats-Chron. der Stadt W¨urzburg (15. und 16. Jh.). Eingel. und hg. v. Wilhelm Engel (Quellen und Forschungen zur Gesch. des Bistums und Hochstifts W¨urzburg 2). W¨urzburg 1950. Literatur: Alfred Wendehorst, VL2 8 (1992) 1199 f. – Hans Thurn: W¨urzburger annalistische Aufzeichnungen v. 1254 bis 1440. In: W¨urzburger Di¨ozesangeschichtsbll. 33 (1971) S. 263–265. – Karl Tr¨udinger: Stadt und Kirche im sp¨atma. W¨urzburg (Sp¨atMA und Fr¨uhe Neuzeit 1). Stuttgart 1978. BJ Ertman, Ertwin (Erwin Erdmann, Erdwin,) * um 1430 Osnabr¨uck, † 30.5.1506 oder 30.3.1505. – B¨urgermeister von Osnabr¨uck, Chronist. Der Sohn eines Brauers studierte seit 1443 in Erfurt die K¨unste sowie Kanonisches und R¨omisches Recht. Nach Osnabr¨uck zur¨uckgekehrt, war E. dort seit 1452 Ratsherr. In den folgenden Jahren wurde er in Hanse-Angelegenheiten mehrmals auf diplomatische Missionen entsandt, so 1452 nach K¨oln, 1456 nach L¨ubeck und 1461 nach Wesel. Dabei war E. nicht nur f¨ur die Stadt t¨atig, sondern auch f¨ur die Osnabr¨ucker Bisch¨ofe Konrad III. von Diepholz und Konrad IV. von Rietberg. 1470 erhielt E. einen Wappenbrief. Seit 1477 amtierte er regelm¨aßig als B¨urgermeister. Er scheint sich erst ¨ 1503 aus seinen o¨ ffentlichen Amtern zur¨uckgezogen zu haben. E. verfasste w¨ahrend seiner Zeit als B¨urgermeister die lat. Cronica sive Catalogus episcoporum Osnabrugensium, eine Geschichte des Bistums und seiner Bisch¨ofe. Er begann das Werk um 1481 und stellte zun¨achst eine bis 1441 reichende Fassung fertig. 1491/95 entstand eine weitere, bis zum Berichtsjahr 1454 fortgesetzte Fassung. Als Quellen d¨urfte E. neben Werken des Hermann von Lerbeck und des Florenz von Wevelinghofen auch a¨ltere Urkunden und Chroniken f¨ur Minden, Mu¨ nster, K¨oln und Utrecht benutzt haben. Im Auftrag des Osnabr¨ucker Stadtrats schuf der ansonsten unbekannte Bernhard von Horst um ¨ 1550–55 eine nd. Ubertragung der letzten Fassung 952

Denscke Kroneke der Cronica. Der Benediktiner Dietrich Lilie (um 1500–1578) setzte Bernhards nd. Text dann bis zum Berichtsjahr 1553 fort. Die nd. Chronik ist in mehreren Handschriften u¨ berliefert. Insgesamt gilt E.s Werk heute als wichtiger, fr¨uher Grundstein der weiteren Osnabr¨ucker Chronistik. ¨ Uberlieferung (dt.): Verz. der zahlreichen dt. Hss. bei Runge 1894 (s. Ausg.) S. XX–XXVIII. – ¨ Verz. der lat. Uberl. bei Forst 1891 (s. Ausg.). Ausgaben: Chronica. In: Die Chroniken des Mittelalters (Osnabr¨ucker Geschichtsquellen und Forschungen 1). Hg. v. Hermann Forst. Osnabr¨uck 1891, S. 21–173 (lat. Fassung). – Die nd. Bischofschron. bis 1553 (Osnabr¨ucker Geschichtsquellen und Forschungen 2). Hg. v. Friedrich Runge. Os¨ nabr¨uck 1894 (nd. Fassung). – Altere Ausg. bei August Potthast: Wegweiser durch die Geschichtswerke des europ¨aischen MA bis 1500. Bd. 1. Berlin 2 1896 (Nachdr. Graz 1954) S. 428. Literatur: H[ermann] Forst, ADB 48 (1904) S. 413 f. – Franz J. Worstbrock/Josef Deutsch, VL2 2 (1980) Sp. 623 f. – De Boor/Newald 4/1 (21994) S. 152, 767. – H. Forst: Die Geschichtsschreibung im Bistum Osnabr¨uck bis zum Ende des 17. Jh. In: Dt. Geschichtsbll. 5 (1904) S. 117–127. – Ernst Mu¨ ller: Der Wappenbrief des Osnabr¨ucker Chronisten Erwin E. (von 1470). In: Archivalische Zs. 40 (1931) S. 270–272. – Hugo Rothert: E. E. In: Westf. Lebensbilder. Bd. 3. Hg. v. Aloys B¨ome u. a. Mu¨ nster/Westf. 1934, S. 328–344. – G¨unther ¨ Wrede: Eine neue Hs. zu Dietrich Lilies Ubers. und Fortsetzung von E.s Chron. In: Osnabr¨ucker ¨ Mitt. 65 (1952) S. 181 f. – Heinrich Schmidt: Uber das Verst¨andnis v. der Gesch. in E. E.s Gesch. der Bisch¨ofe v. Osnabr¨uck. In: ebd. 69 (1960) S. 6–38. – Repertorium fontium historiae medii aevi. Bd. 4. Hg. Istituto Storico Italiano per il Medio Evo. Rom 1976, S. 380. – Chron. der Stadt Osnabr¨uck. Bearb. v. Ludwig Hoffmeyer. Osnabr¨uck 41982, S. 120 f. – Michael Feldkamp: Eine Abschr. der lat. Fassung der Ertmann-Chron. in der Vatikanischen Bibl. aus dem 17. Jh. In: Osnabr¨ucker Mitt. 94 (1989) S. 27–34. – Markus M¨uller: Die sp¨atma. Bistumsge¨ schichtsschreibung. Uberl. und Entwicklung (AfK Beih. 44). K¨oln u. a. 1998, S. 120–122, 336–344. – Gerhard Diehl: Exempla f¨ur eine sich wandelnde Welt. Stud. zur norddt. Geschichtsschreibung im 15. und 16. Jh. (Ver¨off. des Inst. f¨ur Hist. Landesforschung der Univ. G¨ottingen 38). Bielefeld 2000, S. 60–87. MM 953

2. H¨alfte 15. Jh. Denscke Kroneke. – Nd. Prosachronik der Geschichte D¨anemarks, sp¨ates 15. Jh. ¨ Die D. K. ist die nd. anonyme Ubersetzung eines sp¨atma. lat. Auszugs aus den Gesta Danorum des Saxo Grammaticus († 1216). Diese Saxo-Epitome (Compendium Saxonis, auch Compendium Historiae Danica) umfasst acht B¨ucher und setzt den SaxoText bis 1431 fort. Sie k¨onnte auf den aus Stralsund stammenden Odenseer Mo¨ nch Thomas Geysmer zur¨uckgehen. Bis zum Jahr 1350 st¨utzt sich die Fortsetzung auf die Chronica Jutensis. Die D. K. bietet wie Saxo und das Compendium die d¨anische Geschichte von ihrem Anbeginn mit dem sagenhaften K¨onig Dan und stellt wichtige historische Personen heraus (Hamlet [Ambletus], hl. K¨onig Knut). Die Wiedergabe der d¨anischen Geschichte nach Saxo endet mit dem Kommentar: «Hyr gheit dat nu vth dat Saxo sette van den werken ¨ der denen.» Es schließt sich die Ubersetzung der Fortf¨uhrungen des Compendium an. Ein origin¨arer Beitrag der D. K. ist die kurze Fortsetzung bis zum Tod K¨onig Christians I. (1481). Den exakt gleichen Zeitraum bis 1481 umfasst auch die Danske Rimkrønike des Nigels van Søre, die ebenso wie das Compendium ins Niederdeutsche u¨ bersetzt wurde (→ Cronick aller konnige tho Dennemarken). Diese d¨anische/nd. Verschronik beruht auf den gleichen Quellen wie die D. K., ohne dass ein gegenseitiges Abh¨angigkeitsverh¨altnis best¨unde. Die beiden unabh¨angigen nd. Saxo-Bearbeitungen belegen dessen Rezeption im sp¨atma. nd. Sprachraum. ¨ Uberlieferung: Druck v. Matth¨aus Brandis (GW M40734), L¨ubeck oder Odense (GW: Schleswig oder Ribe), um 1490 oder 1502 (GW: um 1502), 152 Quartbll. Incipit: «Dyt is de denscke kroneke, de Saxo grammaticus de poeta ersten gheschreef in dat latyne vnde daer na in dat dudesck ghesettet is». Ausgabe: Keine Ausg. des nd. Textes. – Compendium: Jacob Langebek: Thomae Gheysmeri Compendium Historiae Danica ab initio ad Waldemarum IV. conscriptum Anno 1431. In: Ders.: Scriptores rerum Danicarum medii aevi Bd. 2. Kopenhagen 1773, S. 286–400. – Martin Clarentius Gertz: Saxonis Gesta Danorum ab incerto auctore in compendium redacta et continuata. In: Ders.: Scriptores minores historiae Danicae medii aevi Bd. 1. Kopenhagen 1917, S. 195–460. ¨ Ubersetzung (d¨an.): Vibeke Winge: Den Danske Krønike efter Saxo Grammaticus. Over954

2. H¨alfte 15. Jh.

Niederdeutsche Croninck aller konnige tho Dennemarken

sat fra en bog p˚a plattysk trykt omkring a˚r 1500 af Matthæus Brandis. Kopenhagen 2000. Bibliographie (zum Druck): Ludwig Hain: Repertorium bibliographicum in quo libri omnes ab arte typographica inventa usque ad annum MD. Bd. 2,2 Stuttgart/Paris 1838, Nr. 14496. – Lauritz Nielsen: Dansk bibliografi. Med saerligt hensyn til dansk bogtrykkerkunsts historie. Bd. 1: 1482–1550. Kopenhagen 1919, Nr. 242. – Conrad Borchling/ Bruno Claussen: Nd. Bibliogr. Gesamtverz. der nd. Drucke bis zum Jahre 1800. Bd. 1: 1473–1600. Neum¨unster 1933, Nr. 172/172a. Literatur: Manitius 3 (1913) S. 502–507 (zu Saxo). – Christine St¨ollinger-L¨oser, VL2 11 (2004) Sp. 344–346. – Martin Przybilski, Encyclopedia of the Medieval Chronicle 1 (2010) S. 516. – Paul Herrmann: Erl¨auterungen zu den ersten neun B¨uchern der D¨anischen Gesch. des Saxo Grammaticus. Bd. 2: Komm. Die Heldensagen des Saxo Grammaticus. Leipzig 1922, S. 2. – Holger Ehrencron-Mu¨ ller (Hg.): Forfatterlex. omfattende Danmark, Norge og Island indtill 1814. Bd. 3. Kopenhagen 1926, S. 205 f. (zu Geysmer). – Repertorium fontium historiae medii aevi Bd. 3 (1977) S. 320 f. – V. Winge: D¨anische Deutsche – dt. D¨anen. Gesch. der dt. Sprache in D¨anemark 1300–1800 mit einem Ausblick auf das 19. Jh. (Sprachgesch. 1). Heidelberg 1992, S. 76. – Alken Bruns/Dieter Lohmeyer: Die L¨ubecker Buchdrucker im 15. und 16. Jh. Buchdruck f¨ur den Ostseeraum. Heide 1994, S. 67 f. (zu Brandis). – Anders Leegaard Knudsen: Saxostudier og rigshistorie p˚a Valdemar Atterdags tid (Inst. for Histoire Skrifter 17). Kopenhagen 1994, S. 37–62, 67–80 passim. VZ Niederdeutsche Croninck aller konnige tho Dennemarken. – Nd. Fassung einer d¨anischen Reimchronik. Unter K¨onig Christian I. von D¨anemark verfasste der Seel¨ander Zisterzienser Nikolaus von Sorø (d¨an. Niels i Soroe, auch Nigels van Sore) zwischen 1478 und 1481 eine Reimchronik in d¨anischer Sprache, die als Danske Rimkronike bekannt ist. Das Werk erz¨ahlt in 5068 Versen die Geschichte der d¨anischen K¨onige von den mythischen Anf¨angen (Noahs Sohn Japeth als Begr¨under des K¨onigshauses) bis zur Verlobung von Prinz Johann von D¨anemark im Jahr 1478. Als Quelle benutzte Nikolaus wahrscheinlich zumindest teilweise die Gesta Danorum des Saxo Grammaticus, die bis 1185 reichen. 955

1495 wurde die Chronik als fr¨uhester Druck D¨anemarks ver¨offentlicht. Gegen Ende des 15. Jh. entstand eine anonyme ¨ nd. Ubersetzung des Texts in 5043 originalgetreu u¨ bersetzten, aber unbeholfenen Versen. Diese Densche Cronick Broder Nigels’ van Sore aller konninge tho Dennemarken war vielleicht f¨ur ein j¨ungeres Mitglied der d¨anischen K¨onigsfamilie bestimmt, die ¨ ja aus Oldenburg stammte. Wie der Ubersetzer in der gegen¨uber dem Original erweiterten Einleitung vermerkt, sollte das Werk j¨ungeren Lesern ¨ moralische Exempel an die Hand geben. Die Ubersetzung wurde wohl 1500 w¨ahrend der Schlacht von Hemmingstedt von den Dithmarschern geraubt. Der Sammler Johann Russe schuf von dieser nd. Fassung um 1550 eine Abschrift, die 1559 nach D¨anemark gelangte. Heute gilt die Cronick als wichtige Quelle zur nd. Sprachgeschichte. ¨ Uberlieferung (nd.): Kopenhagen, Kgl. Bibl., cod. GKS 820 2°, 1–96. – Zu sp¨ateren Abschriften vgl. Hansen 1899 und Toldberg 1959 (beide s. Ausg.). Ausgaben: Reimer Hansen: Bruder Nigels’ d¨anische Reimchronik niederdeutsch. In: NdJb 25 (1899) S. 134–151; ebd. 27 (1901) S. 63–138. – Den danske rimkrønike 3. Hg. v. Helge Toldberg. Kopenhagen 1959. Literatur: Harald Parigger, VL2 6 (1987) Sp. 986–988; VL2 11 (2004) Sp. 1049. – Hansen 1899 (s. Ausg.). – Toldberg 1959 (s. Ausg.). MM Chronik der nortelvischen Sassen, der Ditmarschen, Stormarn unde Holsten. Die nd. Chronik schildert annalistisch die politische Geschichte und Kirchengeschichte Holsteins vom Sachsenzug Karls des Großen bis 1435, mit k¨urzeren Nachtr¨agen bis 1483. Geschrieben wurde die Chronik wahrscheinlich bis sp¨atestens 1486. Die Jahre von 1250 bis 1483 wurden dabei m¨oglicherweise sp¨ater verfasst als der Zeitabschnitt von 790 bis 1181. Der unbekannte Autor der Chronik war vielleicht Hamburger und Kleriker, denn der Text unterstreicht mehrmals die Bedeutung Hamburgs und enth¨alt religi¨ose Bez¨uge. Als Quellen dienten die Annales Hamburgenses, die Annales Ryenses und die Cronica Slavorum des → Helmold von Bosau. Von sp¨ateren Chronisten wurde die Chronik mehrmals als Vorlage benutzt. ¨ Uberlieferung: Hannover, LB, Ms. XXI 1283, 21ra–56v, 61r–78r (Pap., sp¨ates 15. Jh. bis Mitte 956

Grunemberg ¨ 16. Jh., nd.). – Weitere Hss. bei Lappenberg 1865 (s. Ausg.). Ausgabe: Johann Russe’s Achtundvierziger aus Lunden, Sammlungen und Vorarbeiten zur Chron. der Landes Dithmarschen. Aus der Urschrift mitgeteilt. Hg. v. Andreas Michelsen. In: Staatsb¨urgerliches Magazin 9 (1829) S. 343–380. – Die Chron. der nordelbischen Sassen (Quellenslg. der schleswig-holsteinisch-lauenburgischen Gesellsch. f¨ur vaterl¨andische Gesch. 3). Hg. v. Johann Martin Lappenberg. Kiel 1865. – Dt. Chronik. Hg. v. Hermann Maschek. Leipzig 1936 (Nachdr. Darmstadt 1964) S. 131 f. (Teildr. nach Lappenberg 1865). Literatur: Manitius 4 (1931) S. 497. – Klaus Wriedt, VL2 1 (1978) Sp. 1251. – Reimer Hansen: Der dithmarsische Chronist Johann Russe und seine Vorg¨anger. In: Zs. der Ges. f¨ur SchleswigHolsteinische Gesch. 29 (1899) S. 1–86. – Wilhelm Fricke: Unters. zur a¨ lteren Holsteinischen Gesch. Jena 1907, S. 1–32. – Helge Blanke: Gewaltausu¨ bung und Strafrechtspflege im Lichte der sp¨atma. Grafschaftschronistik Nordwestdeutschlands. In: Herrschaftliches Strafen seit dem HochMA. Formen und Entwicklungsstufen. Hg. v. Hans Schlosser. K¨oln u. a. 2002, S. 247–284, hier S. 254 f. MM Waldau, Hieronymus (Waldaw), * um 1427, † zwischen 31.5. und 19.6.1495 Thorn. – Theologe, Verfasser historischer Aufzeichnungen. W. war urspr¨unglich als Schreiber im Dienst des Dt. Ordens f¨ur den Komtur von Christburg/Pommern t¨atig. Mit dem Ausbruch des Preußischen St¨andekriegs 1454 wandte er sich jedoch vom Orden ab. Stattdessen wirkte er nun als Schreiber unter dem im selben Jahr ernannten Gubernator Hans von Baysen. Nach dessen Tod 1459 setzte er seine T¨atigkeit unter Stibor von Baysen fort. Seit 1462 war W. Pfarrer von Neuteich/Pommern und seit 1466 Pfarrer an der Johannskirche in Thorn. Daneben erhielt W. 1468 auch Domherren-Pfr¨unde f¨ur Ermland sowie Kulm, wo W. auch Offizial des dortigen Bischofs war. Als Subkollektor betreute er 1476–84 Danzig und Teile des Bistums Leslau. Neben einem dt. Brief an den Rat der Stadt Danzig sind von W. nur historische Notizen u¨ berliefert. Die unsystematisch vorgenommenen Aufzeichnungen in lat. Sprache befinden sich in W.s Druckexemplar der Familiares epistole ad diversos (N¨urnberg 1481) von Aeneas Sylvius → Piccolomini. Vermerkt sind u¨ berwiegend von 957

2. H¨alfte 15. Jh. W. selbst erlebte Ereignisse aus Thorn, Kulm, ¨ Preußen, B¨ohmen, Ungarn und Osterreich. ¨ Uberlieferung: Danzig, Archiwum, Panstwowe, 300, D/48, 50 (Brief). – Ebd., Biblioteka PAN, Rkp. 1385 (Aufzeichnungen). Ausgaben: Otto G¨unther: Die Aufzeichnungen des Thorner Pfarrers Hieronymus Waldau. In: Zs. des Westpreußischen Geschichtsvereins 49 (1907) S. 228–249. – Udo Arnold: H. W. In: Scriptores rerum Prussicarum 6. Hg. v. Walther Hubatsch. Frankfurt/M. 1968, S. 84–105. Literatur: U. Arnold, VL2 10 (1999) Sp. 606 f. – G¨unther 1907 (s. Ausg.). – Hans Schmauch: H. W. In: Altpreuß. Biogr. 2. Hg. v. Christian Krollmann. Marburg 1967, S. 769 f. – Arnold 1968 (s. Ausg.). – Ernst M. Wermter: Die Br¨uder vom gemeinsamen Leben auf dem Wege von Zwolle (Bistum/Oberstift Utrecht) nach Kulm (Bistum Kulm/Lande Preußen k¨oniglich-polnischen Anteils) im 15. und 16. Jh. In: Das Preußenland als Forschungsaufgabe. Eine europ¨aische Region in ihren geschichtlichen Bez¨ugen. FS U. Arnold. Hg. v. Bernhart J¨ahnig. L¨uneburg 2000, S. 227–274. MM Grunemberg, ¨ Konrad (Gr¨unenberg), † 1494 Konstanz. – Heraldiker, Chronist. Aus einer z¨unftischen Konstanzer Familie stammend, stand G., Sohn eines verm¨ogenden B¨urgermeisters und Reichsvogts, als junger Mann in den Diensten von Kaiser Friedrich III. und schaffte es 1465 mit dessen Unterst¨utzung, von den Z¨unften zu den Geschlechtern u¨ berzutreten. Von 1474 bis zu seinem Tod war G. mehrmals Mitglied des Rats der Stadt, um 1479/80 auch Spitalpfleger. Daneben war er 1479 sowie 1481–89 Beisitzer des Thurgauer Landgerichts und 1483–91 M¨unzstatthalter. Er wurde um 1483–85 zum Ritter geschlagen. 1486 pilgerte G. u¨ ber Venedig nach Pal¨astina. 1489 war er Vertreter der Stadt Konstanz auf dem Frankfurter Reichstag. G. hinterließ drei Werke in dt. Sprache. Die ¨ Osterreichische Wappenchronik ist als unvollst¨andiges Autograph u¨ berliefert und entstand um 1482/92. Das Werk enth¨alt prim¨ar die Wappen der o¨ sterr. Herrscher von der Mitte des 9. Jh. bis in G.s Zeit, daneben aber auch Fantasiewappen. Vorlage der ¨ Wappenchronik war die Osterreichische Chronik von den 95 Herrschaften des → Leopold (Stainreuter) von Wien. Als Maler konnten Rudolf Stahel und Bernd Konrad identifiziert werden. Das ebenfalls als Handschrift G.s u¨ berlieferte Wappenbuch (1483 vollendet) enth¨alt Abbildungen 958

2. H¨alfte 15. Jh. von rund 2.000 Wappen des dt. und ausl¨andischen Adels sowie von Minnes¨angern, biblischen und mythischen Herrschern. Die Reichswappen sind traditionell nach Quaternionen geordnet. Auch an diesem Werk G.s waren zwei Maler beteiligt, darunter wohl Stahel. Bemerkenswert sind die ausf¨uhrlichen Angaben des Wappenbuchs zu den Hintergr¨unden und Konventionen des zeitgen¨ossischen Turnierwesens. Als Quellen dienten G. u. a. Ulrich → Richental, Thomas → Lirer und die → Weingartner Liederhandschrift. Das Wappenbuch erlangte erst im 19. Jh. gr¨oßere Verbreitung. Erhalten ist auch ein mhd. Bericht G.s u¨ ber seine Pal¨astina-Pilgerreise. Der wahrscheinlich um 1487 entstandene Text ist in zwei illustrierten Autographen in Karlsruhe und Gotha u¨ berliefert. Die Gothaer Handschrift enth¨alt eine erweiterte Fassung des Berichts und k¨onnte als Widmungsexemplar gedient haben, die Karlsruher Fassung als Handexemplar. Der Bericht ist eine diaristische, nach Reisetagen geordnete Aufbereitung der Fahrt. Neben den f¨ur Pilgerberichte u¨ blichen Aufz¨ahlungen der Reisestationen, heiligen St¨atten und empfangenen Abl¨asse ist der Text mit exakt beobachteten, lebhaften Details angereichert (u. a. zu Hochzeiten, Piraten, Schiffsnavigation). G.s Reisebericht ist daher auch kulturhistorisch wertvoll. ¨ Uberlieferung: 1. Wappenchronik: Wien, Staatsarch., cod. Rot 1 (B¨ohm 1), 93 Bll. (um 1482/92, Autograph). – 2. Wappenbuch: Berlin, Geheimes Staatsarch., VIII. HA, M, Sammlungen II 21 (1483, Autograph). – M¨unchen, BSB, Cgm 145, 182 Bll. (Perg., sp¨ates 15. Jh., Kopie der Berliner Hs.). – Ebd., Cgm 9210 (Pap., 1602–1604, Kopie v. Cgm 145). – 3. Pilgerfahrtsbericht: Karlsruhe, LB, cod. St. Peter pap. 32, 53 Bll. (Pap., 1487, alemannisch, Autograph). – Gotha, Forschungsbibl., cod. Chart. A 541, 103 Bll. (Pap., um 1490, alemannisch, Autograph). – Aarau, Kantonsbibl., MsWettF 33, 119r–178v (Pap., 1568/69–1604). – Luzern, Zentral- und Hochschulbibl., BB Ms. 254.4°, 90r–94r (Pap., 1592, nur Kurzfassung des Ber.). Ausgaben: Des Conrad Gr¨unenberg, Ritters und Burgers zu Costenz, Wappenbuch, volbracht am n¨unden tag des Abrellen, do man zalt tusend vierhundert dr¨u und achtzig jar. Hg. v. Rudolf von Stillfried-Alc´antara und Adolf M. Hildebrandt. 4 Bde. G¨orlitz 1875–83. Einb¨andiger Nachdr. Saarbr¨ucken 2009. – Dt. Pilgerreisen nach dem Heiligen Lande. Hg. v. Reinhold R¨ohricht/Heinrich Meisner. Berlin 1880, S. 147–161 (Teildr.). – Ritter G.s Pilgerfahrt ins Heilige Land 1486. Mit 959

Russ 24 Nachbildungen der Handzeichnungen G.s. Hg. v. Johann Goldfriedrich/Walter Fr¨anzel. Leipzig [1912]. – Edo Pivcevic: K. v. G.’s Visit to Croatian Coastal Towns in 1486. In: BC Review 17 (1980) S. 23–42 (Teildr.). – K. G.s Pilgerreise ins Heilige Land 1486. Unters., Edition und Komm. Hg. v. Andrea Denke. K¨oln u. a. 2011. – Weiterhin sind u¨ ber die jeweiligen Heimatbibl. digitale Online-Faks.-Ausg. der Hss. Cgm 145, Cgm 9210 ¨ und St. Peter pap. 32 (s. Uberl.) verf¨ugbar. Literatur: Winfried Stelzer, VL2 3 (1981) Sp. 288–290; 11 (2004) Sp. 559. – Friedrich Meichle: K. G. v. Konstanz. In: Das Bodenseebuch 25 (1938) S. 25–28. – Otto Hupp u. a.: Beitr. zur Gesch. der Heraldik. Berlin 1939 (Nachdr. Neustadt/Aisch 1972) S. 64–66 (Nr. 45 f.). – HansJoachim Lepszy: Die Reiseber. des MA und der Reformationszeit. Diss. Hamburg 1952, S. 44 f. – Die Hss. v. St. Peter im Schwarzwald 1: Die Papierhss. Bearb. v. Klaus Niebler. Wiesbaden 1969, S. 50 f. – Wolfgang Irtenkauf: Die Hs. HB XIII 1 der W¨urttembergischen LB Stuttgart. In: Die Weingartner Liederhs., Textbd. Hg. v. Otfrid Ehrismann. Stuttgart 1969, S. 7–28, hier S. 8–10. – Ursula Ganz-Bl¨attler: Andacht und Abenteuer. Westeurop¨aische Pilgerber. nach Jerusalem und Santiago de Compostela (1320–1520). T¨ubingen 1990, S. 80 f., 127 f., 213 f. u. o¨ . – Ulrike Hirhager: K. G.s Pilgerfahrt ins Heilige Land 1486. In: So wold ich in fr¨oiden singen. FS Anthonius H. Touber (AB¨aG 43/44). Hg. v. Carla Dauven-van Knippenberg/Helmut Birkhan. Amsterdam u. a. 1995, S. 255–271. – Andres Betschart: Zwischen zwei Welten. Illustrationen in Ber. westeurop¨aischer Jerusalemreisender des 15. und 16. Jh. (W¨urzburger Beitr. zur dt. Philologie 15). W¨urzburg 1996, S. 48–50, 300–309. – Karin Br¨ustl: Die o¨ sterr. Wappenchron. des K. G. Dipl.-Arbeit Wien 2001. – The Story of Sir K. G.’s Pilgrimage to the Holy Land in 1486. Hg. v. Kristiaan Aercke. Moncalieri ¨ 2005 (mit engl. Ubers. des Texts nach Fr¨anzel 1912, s. Ausg.). – K. Aercke: The Pilgrimage of K. G. to the Holy Land in 1486. In: Travel and Translation in the Early Modern Period. Hg. v. Carmine Di Biase. Amsterdam u. a. 2006, S. 159–173. – Denke 2011 (s. Ausg.). MM Russ, Melchior, der J¨ungere, * kurz nach 1450, † 1499 bei Rheineck gefallen. – Jurist, Chronist. ¨ Der Sohn des Stadtschreibers Melchior R. d. A. († 1493) studierte in Basel (1471) und Pavia (1473). 960

Scherl Er war als Schreiber in der Kanzlei Luzern und an der Tagsatzung t¨atig und nahm an den Burgunderkriegen teil. Diplomatische Reisen f¨uhrten ihn 1479/80, 1488 und 1489/90 nach Ungarn, wo ihn Matthias Corvinus nach K¨ampfen gegen die T¨urken zum Ritter schlug; seine Pensionsversprechungen gegen¨uber R. erf¨ullte der K¨onig allerdings nicht. Seit 1480 geh¨orte R. dem Großen Rat von Luzern an; 1483–85 war er Landvogt zu Ebikon und 1486–89 zu Malters. Nach einem Ehrenhandel mit dem Schultheiß Ludwig Seiler wurde R. 1498 aus Luzern verbannt. Er fiel als Urner S¨oldner im Schwabenkrieg. R. verfasste seit 1482 eine Chronik in dt. Sprache, welche die Geschichte Luzerns vom Fr¨uhMA an unter Einbeziehung der u¨ brigen Eidgenossenschaft darstellt und 1479 abbricht. Sie ist zu großen Teilen der Chronik der Berner → Tschachtlan und Dittlinger entlehnt. Eingestreut sind luzern¨ spezifische Passagen (u. a. eine Ubersetzung des verlorenen St¨adtelobs Amoenitates urbis Lucernensis des → Heinrich von Gundelfingen) und das sog. kleine Sempacherlied (→ Schlacht bei Sempach). Die Fr¨uhgeschichte Luzerns wird auffallend sagenhaft geschildert. R.’ Version der Tellsage, die von der Fassung in der nur wenig a¨lteren → Chronik im Weißen Buch von Sarnen stark abweicht, ist angeregt von Urner Quellen; das Lied → Vom Ursprung der Eidgenossenschaft wird erw¨ahnt. Von R. sind zudem ein Bericht an den Luzerner Rat u¨ berliefert, in dem er den finanziellen Misserfolg seiner Reisen zu Matthias Corvinus zu erkl¨aren versucht. Zwei oder drei lat. Privatbriefe in einem Luzerner Kanzlei-Formularbuch, an dessen Entstehung er beteiligt war, sind vielleicht von R. ¨ Uberlieferung: 1. Chronik: Luzern, Zentralund Hochschulbibl., BB Ms. 1a fol, S. 1–81 (Pap., Autograph). – 2. Bericht u¨ ber die Reisen zu Matthias Corvinus: Luzern, Staatsarch., URK 42/951 (Autograph). – 3. Luzerner Kanzlei-Formularbuch: Ebd., COD 1435/32, Bl. 4–63. Ausgabe: 1. Chronik: M. Russen’s eidgen¨ossische Chron. Hg. v. Joseph Schneller. 2 Tle. Bern 1834 und 1838 (wieder in: Der Schweizerische Geschichtsforscher 10 [1838] S. 1–232). – Maya Vonarburg Z¨ullig: M. R.: Cronika. Eine Luzerner Chron. aus der Zeit um 1482. Z¨urich 2009. – 2. Bericht u¨ ber die Reisen zu Matthias Corvinus: Philipp Anton v. Segesser: Die Beziehungen der Schweizer zu Matthias Corvinus. in: Ders.: Slg. kleiner Schr. 961

2. H¨alfte 15. Jh. Bd. 2. Bern 1879, S. 169–282, hier S. 262–282. – 3. Luzerner Kanzlei-Formularbuch: Robert Durrer/ Paul Hilber (Bearb.): Diebold Schilling, Luzerner Bilderchron., 1513. Genf 1932, S. 241 ff. (Anhang; ohne Zuweisung an R.). Literatur: De Boor/Newald 4,1 (21994) 143. – Konrad Wanner, VL2 11 (2004) Sp. 1351–1353. – Gregor Egloff, HLS Online. – Segesser (s. Ausg.) S. 209–219. – August Bernoulli: Die Luzerner Chron. des M. R. Diss. Basel 1872. – Rudolf Maag: M. R. der J¨ungere berichtet u¨ ber Archivalien, die ¨ er den Herzogen von Osterreich ausgeliefert hat, um 1480. In: Anz. f¨ur Schweizerische Gesch. NF 8 (1898/1901) S. 193–198. – Paul B¨anziger: Beitr. zur Gesch. der Sp¨atscholastik und des Fr¨uhhumanismus in der Schweiz (Schweizer Stud. zur Geschichtswiss. NF 4). Z¨urich 1945, S. 106 f. – Richard Feller/Edgar Bonjour: Geschichtsschreibung der Schweiz vom Sp¨atMA bis zur Neuzeit. Bd. 1. 2., durchges. und erw. Aufl. Basel/Stuttgart 1979, S. 62 f. – K. Wanner: Schreiber, Chronisten und Fr¨uhhumanisten in der Luzerner Stadtkanzlei des 15. Jh. In: Jb. der Hist. Ges. Luzern 18 (2000) S. 2–44. – Walter Koller: Wilhelm Tell – ein humanistisches M¨archen. In: Aegidius Tschudi und seine Zeit. Hg. v. Katharina Koller-Weiss/Christian Sieber. Basel 2002, S. 237–268, bes. S. 259 f. – Guy P. Marchal: Schweizer Gebrauchsgeschichte. Geschichtsbilder, Mythenbildung und nationale Identit¨at. Basel 2006. BJ Scherl, Johannes OP, N¨urnberg. S. studierte 1464 Theologie im Leipziger Dominikanerkonvent. Seit 1471 Prior im observanten Kloster Eichst¨att, wurde er 1477 Spiritual des Dominikanerinnenklosters St. Katharina in St. Gallen. 1496 legte er – vermutlich wegen Verleumdung (vgl. Klosterchronik der Angela → Varnb¨uhler, nach der S. auch geistliche Texte u¨ bersetzt haben soll) – sein Amt nieder und kehrte nach Eichst¨att zur¨uck. S. verfasste ein dt. historisches Lied (37 Str. zu je 5 Versen) u¨ ber die 1482 in St. Gallen eingef¨uhrte strenge Klausur; ob auch die Melodie von ihm stammt, ist umstritten. Ob S. auch zwei dt. Predigten (¨uber Mt 17,2 und Lk 1,39) verfasst hat, die 1486 von einem Dominikaner Johannes Scherl im Katharinenkloster St. Gallen gehalten wurden, ist unklar. ¨ Uberlieferung: Hist. Lied. T¨ubingen, UB, Md 456, 245v–249v (um 1485, Schreiberin: Elisabeth 962

2. H¨alfte 15. Jh. Muntprat). – Predigten: N¨urnberg, StB, cod. Cent. VII,13, 79r–99r und 99v–113v. Abdrucke: Hist. Lied. Vogler (s. Lit.) S. 40–46 – Hauber 1918/19 (s. Lit.) S. 348–350. – Meyer (s. Lit.) S. 271–275. Literatur: Peter Ochsenbein, VL2 8 (1992) Sp. 644 f. – Anton Hauber: Dt. Hss. in Frauenkl¨ostern des sp¨ateren MA. In: Zentralbl. f¨ur Bibliothekswesen 31 (1914) S. 341–373, hier S. 356–361. – Ders.: J. S., ein dt. Tondichter des 15. Jh. In: Arch. f¨ur Musikwiss. 1 (1918/19) S. 346–353. – Kathi Meyer: Ein hist. Lied aus dem Frauenkloster zu St. Gallen. In: ebd., S. 269–277. – Thoma Vogler: Gesch. des DominikanerinnenKlosters St. Katharina in St. Gallen (1228–1607). Freiburg/Schweiz 1938, S. 40–46, 49, 119 und 256. – Werner Fechter: Wer war Justina Blarerin? in: ZfdA 108 (1979) S. 430–442, hier S. 438. – Thomas Kaeppeli: Scriptores Ordinis Praedicatorum Medii Aevi. Bd. 3. Rom 1980, S. 10. BJ Ayrer, Marcus (Marx), * um 1458 N¨urnberg, † nach 1506. Der in erster Linie als Wanderdrucker (¨uber 50 Drucke im ISTC, 40 Eintr¨age im GW) t¨atige A. ist wohl Ende der f¨unfziger Jahre des 15. Jh. (Bezzel: um 1458) in N¨urnberg als Sohn des Salzh¨andlers Heinrich Ayrer (1417–1497) und der Elisabeth Geymann († 1462) zur Welt gekommen. Am 5.7.1477 immatrikulierte er sich an der Universit¨at Ingolstadt und wurde 1480 Baccalaureus. Kurz darauf heiratete er die «Jungfrau Kunigund N zu Bamberg» und zeugte mit ihr zwei schon bald versterbende So¨ hne. Zun¨achst trat A. als Verfasser eines Bamberger Almanachs f¨ur das Jahr 1483 (GW 3143) in Erscheinung. Der Einblattdruck liefert astronomische Angaben der Mondphasen insbesondere als Richtlinie f¨ur das Aderlassen; derartige Almanache druckte A. sp¨ater auch in anderen St¨adten. Engel geht davon aus, dass das Fehlen der Sensenschmidtschen Druckermarke unter den Einblattkalendern 1483 und 1484 (GW 1892) darauf hindeuten k¨onnte, dass A. «in den achtziger Jahren des 15. Jahrhunderts in Bamberg mit den Typen Johann Sensenschmidts gedruckt hat» (Engel, 221). Zu A.s Bamberger Drucken lassen sich auf diese Weise weitere z¨ahlen, wie die Grammatica. Regula Dominus quae pars (A,Z), [um 1482/83] (GW 11137), die Pesti963

Ayrer lentia. Pestregiment in Versen, [um 1483, nicht nach 1485] (GW M3146310) und Johannes Angeli: Almanach auf das Jahr 1484, [um 1484] (GW 01892). Als Drucker in N¨urnberg arbeitete A., der seinen Vornamen nun nur noch verk¨urzt (Marx) verwendete, seit 1483 (Reske: 1487) bis 1489. Er verwendete drei Texttypen. Bis auf die Puerilia super Donatum (GW 11099) und lat. Almanache erschienen deutschsprachige volkst¨umliche Schriften: 1487 Das Titelb¨uchlein, das nach Clemen «Editio princeps» ist und zugleich «Archetypus» der deutschsprachigen rhetorischen Lehrb¨ucher der Zeit; 1489 das W¨urfelb¨uchlein. Ebenfalls in N¨urnberg, am 14.10.1488, druckte A. wohl die a¨ lteste von insgesamt dreizehn Ausgaben der → Histori von dem großen W¨uterich Dracole Waida (acht vor 1500) auf vier Blatt und in obd. Mundart mit dem Schlusssatz: «Volendet am tag Calixti Von marco ayrer Jm Lxxxviij iare». Der Titelholzschnitt zeigt den rum¨anischen Woiwoden; den (wahrscheinlich schadhaften) Druckstock nutzte sp¨ater der N¨urnberger Drucker Peter Wagner. Trotz handschriftlicher r¨omischer Blattz¨ahlung l¨asst sich der Druck (heute in Weimar) bisher keinem Sammelband zuordnen; m¨oglicherweise geh¨orte er zu Gottscheds B¨ucherschatz (Str¨ubing). 1490/91 war A. in Regensburg t¨atig, 1492/93 wieder in Bamberg, wo er in einer gemeinsam mit dem Pergamenth¨andler Hans Bernecker gef¨uhrten Winkeldruckerei «In dem zinck¯ewerd» bzw. «pey der j¨uden schul» (heute Habergasse) kleine deutschsprachige Bl¨atter produzierte: vier der f¨unf Bamberger Drucke nennen Bernecker, wohl der Geldgeber, als Gesellschafter. Es entstanden die Sibyllenweissagung am 8.6.1492 (ohne Bernecker; GW M41985), von Hans → Folz sowohl Vom Branntwein, [14]93 (GW 10120) als auch Vom Hausrat, [14]93 (GW 10132), von Kunz → Has Von der Welt Lauf, [14]93 (WG 12134) wie die Legenda St. Sebaldi, dt., [14]93 (GW M17603). In Ingolstadt (1496/97) war A.s Teilhaber der Universit¨atspedell und Buchbinder Georg → Wyrffel d. J., mit dem er mindestens f¨unf Schriften ver¨offentlichte, u. a. die Practica Magistri Johannis | Engel zu Ingelstat (GW 1904). Seit 1498 druckte A. mit Heidericus Ayrer zusammen in Erfurt lat. Schriften, ehe er 1502 in Frankfurt/O. durch das Fragment einer Flugschrift gegen die T¨urken (UB Wrocław, Teitge 1987) nachzuweisen ist. Das 1504 f¨ur Petrus Hispanus’ 964

Unrest Expositio preclarissima tractatuum verwendete Typenmaterial stammt laut Teitge (2000) von A. Als letzter bekannter Druck gilt das Ecce Christianissimi preceptorium Johann → Gersons vom 23.3.1506 (VD16 J581; vgl. Reske). Literatur: Otto Mu¨ hlbrecht, ADB 1 (1875) S. 710. – Wolfram Schmitt, VL1 1 (1933) Sp. 576. – Ferdinand Geldner, NDB 1 (1953) S. 473. – Wolfram Schmitt, VL2 1 (1978) Sp. 576. – Johann Gottfried Weller: Altes aus allen Theilen der Gesch. Bd. 1. Chemnitz 1762, S. 560. – Georg Wolfgang Panzer: Aelteste Buchdruckergesch. Nu¨ rnbergs. N¨urnberg 1789, S. 107, Nr. 163. – Rudolf Hochegger: Ueber die Entstehung und Bedeutung der Blockb¨ucher. Leipzig 1891, S. 21. – Ernst Kroker: Der Stammbaum der Familie A. In: Mitt. des Vereins f¨ur Gesch. der Stadt N¨urnberg 14 (1901) S. 158–204. – Konrad Burger: The printers and publishers of the XV. century. London 1902, S. 17. – Einblattdrucke des XV. Jh. Ein bibliogr. Verz. Hg. v. der Kommission f¨ur den Gesamtkatalog der Wiegendrucke. Halle/S. 1914. – Karl Schottenloher: Die Entwicklung der Buchdruckerkunst in Franken bis 1530. W¨urzburg 1919, S. 17, 21. – Otto Clemen (Hg.): Titelb¨uchlein. Weimar 1921. – Ernst Voulli`eme: Die dt. Drucker des 15. Jh. Berlin 21922, S. 18, 63, 76, 128, 135. – Annemarie Meiner: Ein unbekanntes Signet des M. A. von 1506. In: ZfBf NF 21 (1929) S. 76–78. – Albert Schramm: Der Bilderschmuck der Fr¨uhdrucke. Bd. 13, 16, 18, 1930–35. – Constantin J. Karadja: Die a¨ltesten gedruckten Quellen zur Gesch. der Rum¨anen. In: GutenbergJb. 9 (1934) S. 114–136. – Karl Schottenloher: A., M. In: Lex. des gesamten Buchwesens. Bd. 1. Leipzig 1935, S. 118. – G¨otz Freiherr von P¨olnitz: Die Matrikel der Ludwig-MaximilianUniv. Ingolstadt-Landshut-M¨unchen. Bd. 1. M¨unchen 1937, S. 73. – Georg Wolff: B¨ucherkunde der fr¨ankischen Gesch. Abt. 1. W¨urzburg 1937. – Eduard Str¨ubing: Eine unbekannte Ausg. des Dracole Waida. In: Beitr. zur Inkunabelkunde. Dritte Folge 1. Hg. v. Hans L¨ulfing/Ursula Altmann. Berlin 1965, S. 103–106. – Ferdinand Geldner: Die dt. Inkunabeldrucker. Ein Hb. der dt. Buchdrucker des XV. Jh. nach Druckorten. Bd. 1. Stuttgart 1968, S. 53–55, 176, 217 f., 265. – Hermann Engel: Bamberg – der erste Druckort M. A.s. In: Bibliotheksforum Bayern 4 (1976) 3, S. 218–224. – Irmgard Bezzel: A., M. In: Lex. des gesamten Buchwesens. Hg. v. Severin Corsten u. a., 2. v¨ollig neu bearb. 965

2. H¨alfte 15. Jh. und erw. Auflage. Bd. 1. Stuttgart 1987, S. 210. – Hans-Erich Teitge: Der Buchdruck des 16. Jh. in Frankfurt an der Oder. In: Marginalien 108 (1987) S. 11. – Anton Hiersemann: Gesamtkat. der Wiegendrucke. Stuttgart 1990. – H.-E. Teitge: Der Buchdruck des 16. Jh. in Frankfurt an der Oder. Verz. der Drucke. Staatsbibl. zu Berlin, Preußischer Kulturbesitz. Wiesbaden 2000, S. 6 f. – Christoph Reske: Die Buchdrucker des 16. und 17. Jh. im dt. Sprachgebiet. Auf der Grundlage des gleichnamigen Werks von Josef Benzing. Wiesbaden 2007, S. 267. – Eva Raffel: In Europa gedruckt, in Weimar gesammelt. Die herzogliche Inkunabelsammlung. In: Europa in Weimar. Visionen eines Kontinents. Hg. v. Hellmut Seemann. Weimar 2008, S. 48–76, hier S. 54, 70–72. CK Unrest, Jakob, † 1500. – Theologe, Chronist. U. war zun¨achst Priester in der Di¨ozese Regensburg. Unter dem Patronat von Maria Saal war er 1466–1500 Pfarrer in St. Martin (heute zu Techelsberg/K¨arnten). Daneben hatte er um 1466–80 ein Kanonikat am Kollegiatsstift Maria Saal inne. Auch war er um 1469 Chorherr am Kollegiatsstift Gurnitz, 1488 kurzzeitig Vikar der Pfarrei St. Urban bei Glanegg und 1488/90 Vikar der Pfarrei Steuerberg. U. verfasste drei dt. Prosachroniken. Die verbreitete K¨arntner Chronik wurde 1490 abgeschlos¨ sen und ist in Uberarbeitungen und Erweiterungen bis ins sp¨ate 16. Jh. handschriftlich u¨ berliefert. Der Werk beginnt mit den Anf¨angen K¨arntens 764 und reicht bis in die Zeit der Habsburger. Politisches Ziel der Chronik ist die Legitimation k¨arntnerischer Eigenst¨andigkeit, die U. etwa mit der Tradition der Einsetzung von Landesherz¨ogen begr¨undet. Im Sinne einer k¨arntnerischen Selbstbehauptung ist auch der ausf¨uhrliche Anhang der Chronik zu verstehen. Darin verzeichnet U. den Adel und die Klosterstifter K¨arntens. In einem Teil ¨ der Uberlieferung enth¨alt die Chronik auch einen Anhang mit annalistischen Notizen zu Sankt Veit an der Glan f¨ur den Zeitraum von 1200 bis 1497. ¨ U.s Osterreichische Chronik wurde wahrscheinlich vor 1480 begonnen, aber erst 1493 fertiggestellt. In dieser Fassung reicht sie von 1435 bis zum Tod Kaiser Friedrichs III. im Jahr 1493. U. selbst setzte das Werk dann bis 1499 fort. U. gibt an, eine a¨ ltere Chronik als Vorlage benutzt zu haben, wahrscheinlich die → Chronik von den 95 Herrschaften. Weitere Quellen waren Akten, Flugschriften und m¨undli¨ che Uberlieferung. Gegen Ende des 15. Jh. verfasste 966

2. H¨alfte 15. Jh. U. auch eine Ungarische Chronik. Das nach K¨onigen gegliederte Werk behandelt den Zeitraum von Attila bis in die Jahre nach dem Tod des Matthias Corvinus 1490. In historischen Exkursen widmet sich die Chronik auch der osmanischen und venezianischen Geschichte. U.s Chroniken sind in ihrer schlichten Prosa keineswegs die Werke eines stilistischen Meisters oder gar Universalgelehrten. Sie besitzen jedoch jeweils eigenen Wert. So war die K¨arntner Chronik f¨ur die Ausformung des k¨arntnerischen Landesbe¨ wusstseins von Bedeutung. Die Osterreichische Chronik gilt als wichtige Quelle f¨ur Zeit Friedrichs III. Die Ungarische Chronik z¨ahlt neben der Ungarnchronik → Heinrichs von M¨ugeln zu den fr¨uhesten dt. Prosachroniken u¨ ber Ungarn. Insgesamt kann U. also guten Gewissens als ein Pionier der o¨ sterr. Geschichtsschreibung bezeichnet werden. ¨ ¨ Uberlieferung: Zur Uberl. der K¨artner Chron. mit u¨ ber 25 Hss. vgl. Großmann 1957 (s. Ausg.) S. XIV Anm. 1; K¨ogl 1994 (s. Ausg.); Stelzer 1999 (s. Lit.). – Die o¨ sterr. und ungarischen Chron. sind in zwei Hss. der K¨arntner Chron. enthalten: Hannover, LB, Ms. XIII 783, 27r–32v (Ungarische ¨ Chron.), 33r–137v (Osterr. Chron.) (Pap., letztes ¨ Drittel 15. Jh.). – Wien, ONB, Cod. 8007, 45r–67r ¨ (Ungarische Chron.), 74h–232v (Osterr. Chron.) (Pap., erste H¨alfte 16. Jh.). Ausgaben: Collectio monumentorum, veterum et recentium, ineditorum, ad codicum fidem restitutorum, selectiorum, et rariorum [...] 1. Hg. v. Simon Friedrich Hahn. Braunschweig 1724, ¨ S. 479–536 (K¨arntner Chron.), S. 537–803 (Osterr. Chron.). – Franz von Krones: Die o¨ sterr. Chron. J. U.s mit Bezug auf die einzige bisher bekannte Hs. der k. Bibl. zu Hannover. In: Arch. f¨ur o¨ sterr. Gesch. 48 (1872) S. 421–530, hier S. 493–498. – Ders.: J. U.s Bruchst¨uck einer dt. ¨ 1 (1880) S. 337–377, Chron. v. Ungarn. In: MIOG hier S. 355–372 (Teildruck). – Goessinger 1949 ¨ (s. Lit.) S. 79–105. – Osterr. Chron. (MGH SS rer. Germ. NS 11). Hg. v. Karl Großmann. Weimar 1957. Nachdr. Mu¨ nchen 2001. – Armbruster 1974 (s. Lit.) S. 481–508. – Christian K¨ogl: Text ¨ und Uberl. der K¨arntner Chron. des J. U. nach Wiener Hss. Diplomarbeit Wien 1994. Literatur: ADB 39 (1895) S. 311 f. – De Boor/ Newald 4/1 (21994) S. 142, 145, 765. – Heinz Dopsch, LexMA 8 (1997) Sp. 1260. – Winfried Stelzer, VL2 10 (1999) Sp. 85–88. – K. Großmann: Eine neugefundene Hs. der drei Chron. U.s. In: 967

Unrest ¨ MIOG 39 (1923) S. 368–371. – Luise Schneider: Unters. uber ¨ die o¨ sterr. Chron. J. U.s. Diss. Wien 1939. – Erika Smola: Die K¨arntner Chron. ¨ und Osterr. Chron. J. U.s. Eine sprachliche Unters. Diss. Graz 1944. – Richard Goessinger: Der Historiograph J. U. v. St. Martein am Techelsberg und seine Werke. Diss. Graz 1949. – Jakob Obersteiner: Zur Biogr. v. J. U. In: Carinthia I 143 (1953) S. 948–951. – Wilhelm Neumann: Die T¨urkeneinf¨alle nach K¨arnten. Wahrheit und Dichtung in der K¨arntner Geschichtsschreibung v. J. U. bis zur Gegenwart. In: S¨udost-Forschungen 14 (1955) S. 84–109 (wieder in: Bausteine zur Gesch. K¨arntens. FS W. Neumann. Hg. v. Alfred Ogris. Klagenfurt 1985, S. 170–190). – W. Neumann: Be¨ merkungen zu J. U. und zur Ausg. seiner ‹Osterr. Chron.› In: S¨udostdt. Arch. 2 (1959) S. 12–17. – Alphons Lhotsky: Quellenkunde zur ma. Gesch. ¨ Osterreichs. Graz/K¨oln 1963, S. 405–408. – Ka¨ levi Tarvainen: Stud. zum Wortschatz der Osterr. Chron. J. U.s. Jyv¨askyl¨a 1966. – Ders: Zur Wort¨ gestalt in bair. Chron. des 15. Jhs. J. U.s Osterr. Chron. im Vergleich mit drei anderen bair. Chron. Jyv¨askyl¨a 1968. – Ders.: Zur Problematik der sprachlichen Unters. hist. Chron. des Sp¨atMA. In: Fachlit. des MA. FS Gerhard Eis. Hg. v. Rudolf Keil u. a. Stuttgart 1968, S. 115–130. – Friederike Zaisberger: Das Kapitel von Maria Saal in der zweiten H¨alfte des 15. Jh. In: Carinthia I 162 (1972) S. 181–205. – Winfried Stelzer: J. U. und Ladislaus Sunthaym. Der Ber. u¨ ber die Herzogseinsetzung aus den Kollektaneen Sunthayms – eine lat. Fassung der K¨arntner Chron. U.s. In: Carinthia I 163 (1973) S. 181–198. – Adolf Armbruster: J. U.s ungarische Chron. In: Revue roumaine d’histoire 13 (1974) S. 473–508. – Paul Uiblein: Die Quellen ¨ des Sp¨atMA. In: Die Quellen der Gesch. Osterreichs. Hg. v. Erich Z¨ollner. Wien 1982, S. 50–113, hier S. 108 f. – W. Neumann: J. U. Leben, Werk und Wirkung. In: Geschichtsschreibung und Geschichtsbewußtsein. Hg. v. Hans Patze. Sigmaringen 1987, S. 681–694. – Jean-Marie Moeglin: J. U.s K¨arntner Chron. als Ausdruck regionaler Identit¨at in K¨arnten am Ausgang des 15. Jhs. In: Regionale Identit¨at und soziale Gruppen im dt. MA. Hg. v. Peter Moraw. Berlin 1992, S. 165–191. – Doris Aichholzer: Die K¨arntner in Chron. und literarischen Werken des Hoch- und Sp¨atMA. In: Carinthia I 186 (1996) S. 439–461. – Peter Wiesflecker: Zur Adelsliste in J. U.s K¨arntner Chron. In: 968

Lang Hss., Historiographie und Recht. FS W. Stelzer. Hg. v. Gustav Pfeifer. M¨unchen 2002, S. 167–189. MM Gunther ¨ von Mosbach. – Verfasser einer antihussitischen Reimschrift. G. ist nur durch seine Eigennennung am Ende von Die pehemisch Irrung (1483) nachweisbar, wo er sich als «doctor» bezeichnet. Die gegen die Hussiten gerichtete Schrift ist in Paarreimen geschrieben und in zwei Drucken u¨ berliefert. Die neuere Forschung hat f¨ur die Autorschaft oder zumindest Versifikation des Texts auch Hans Folz in Erw¨agung gezogen, was jedoch nicht sicher nachzuweisen ist. Drucke: N¨urnberg: Hans Folz, 1483. – N¨urnberg: Johann Stuchs, [1520]. Ausgabe: Fischer 1961 (s. Lit.) S. 164–173. Literatur: Kurt Illing, VL2 3 (1981) Sp. 315. – De Boor/Newald 4/1 (21994) S. 393, 832. – Hans Folz: Die Reimpaarspr¨uche (MTU 1). Hg. v. Hanns Fischer. Mu¨ nchen 1961, S. XXII f. – Ingeborg Spriewald: Hans Folz. Dichter und Drucker. In: PBB (Halle) 83 (1961) S. 242–277. MM Lang, Andreas (Andreas von Michelsberg) OSB, * um 1440/50 Staffelstein/Di¨ozese Bamberg, † 23.10.1502 Michelsberg. – Historiker, Biograph. L. lebte als Benediktiner im Bamberger Kloster Michelsberg, wo er 1483–1502 Abt war. Er setzte in diesem Amt die Reformen seines VorVorg¨angers Eberhard III. fort. So verbesserte er die wirtschaftliche und bauliche Situation des Klosters und widmete sich besonders dem Aufbau von Bibliothek und Skriptorium. Daneben war L. Vorsitzender der Hirsauer (1493) und W¨urzburger (1499) Provinzialkapitel der Bursfelder Benediktinerkongregation. 1497 traf L. Herzog → Bogislaw X. von Pommern-Stettin. Auch unterhielt er Kontakte zu Johannes → Trithemius. L. hinterließ mehrere lat. Werke, die er verschiedenen Schreibern diktierte. Das auch in dt. Sprache erhaltene Inventarium Andreae abbatis monasterii Sci. Michaelis Bambergae (1483) ist ein kurz nach L.s Wahl zum Abt erstelltes Inventar des Klosters. De vita S. Ottonis episcopi (1487) behandelt das Leben des heiligen Otto, der in Michelsberg begraben war. Die Schrift existiert in drei Fassungen, die u. a. Herzog Bogislaw gewidmet sind. Mit der Legenda sanctissimi et piissimi Ottonis Babenbergensis episcopi ac Pomeranice gentis apostoli (1499) liegt auch eine erweiterte Fassung der Otto-Vita vor, die Johannes 969

2. H¨alfte 15. Jh. Macharius gewidmet ist. Es handelt sich um eine Kompilation aus Otto-Viten des 12. Jh. (Ebo, Herbord). Weitere Werke L.s stellen die engere Geschichte Michelsbergs dar: Der Cathalogus abbatum monasterii S. Michaelis Montismonachorum (um 1487–94) f¨uhrt ¨ die Abte des Klosters bis 1483 auf und enth¨alt neben ¨ knappen Informationen u¨ ber die Abte auch Kopien von Urkunden sowie Verzeichnisse von B¨uchern im Klosterbesitz. Der Fasciculus abbatum Monasterii S. Michaelis (1494) ist eine Fassung des Cathalogus abbatum, in der die Urkunden nur verk¨urzt wiedergegeben sind, zus¨atzlich aber Portr¨atzeichnun¨ gen der Abte aufgenommen wurden. Das Werk enth¨alt ab dem heiligen Otto auch Informationen zu Bisch¨ofen und wurde sp¨ater von anderen M¨onchen fortgesetzt. Einen erweiterten Gesichtskreis jenseits Michelsbergs umfasst die Chronica episcoporum Babenbergensium (um 1487–94), eine knappe Darstellung (mit Urkunden) der fr¨ankischen K¨onige und des Bistums Bamberg mit seinen Bisch¨ofen bis 1487. Der Cathalogus pontificum Sancte Bambergensis ecclesie (1494) ist eine Katalog der Bisch¨ofe von Bamberg. Diese Fortsetzung des Fasciculus und gek¨urzte Fassung der Chronica wurde sp¨ater bis 1505 forgesetzt und ist auch als Auszug u¨ berliefert. L.s Cathalogus sanctorum Ordinis divi patris Benedicti ist ein f¨unfteiliger Katalog der benediktinischen Heiligen f¨ur den Mo¨ nchsroter Abt Johannes mit Holzschnitten und Illuminationen. In seinem einzigen theologischen Werk, Perpetuum Silentium de immaculata S. Mariae Virginis conceptione (1497), verteidigt L. in neun Traktaten das Marienprivileg. Er f¨uhrt darin u. a. Duns Scotus und Eadmer von Canterbury als Autorit¨aten an, zitiert aber auch Wunderberichte. L.s Hauptverdienst liegt aber in seiner zwar kompilatorischen, doch fundierten Arbeit als Historiker und Biograph. ¨ Uberlieferung: 1. Inventarium: Bamberg, Staatsarch., Rep. B 110, Nr. 2–3 (Pap./Perg., 1483). – 2. Legenda: Bamberg, SB, R. B. Msc. 122, 58 Bll. (1499). – 3. Cathalogus abbatum: Ebd., R. B. Msc. 48, 72–333 (um 1487–94). – 4. Fasciculus: Ebd., R. B. Msc. 49, 1–54 (1494). – 5. Chronica: Ebd., R. B. Msc. 48, 1r–67v (um 1487–94). – 6. Cathalogus pontificum: Ebd., R. B. Msc. 49, 64r–84v (1494). – Ebd., R. B. Msc. 1, 37 Bll. (1497, Auszug). – 7. Cathalogus sanctorum: Ebd., Msc. Hist. 141, 292 Bll. – 8. Perpetuum: Ebd., Ms. Theol. 239, 1–100 (1497). – Die Hs. der Otto-Vita ist verloren. 970

2. H¨alfte 15. Jh. Ausgaben: De S. Ottone, Bambergensi Episcopo. et Pomeraniae Apostolo. In: Scriptores Rerum Germanicarum 1. Hg. v. Johann Peter Ludewig. Frankfurt a. M./Leipzig 1718, S. 394–534, 739–785 (Online-Ausg. BSB M¨unchen). – Episcopatus Bambergensis sub metropoli Moguntina chronologice ac diplomatice illustratus. Opus posthumum. Hg. v. Aemilianus Ussermann. Sankt Blasien 1801, S. 298–315 (Cathalogus abbatum). – Das Urkundenbuch des Abtes Andreas im Kloster Michelsberg bei Bamberg in vollst¨andigen Ausz¨ugen. Hg. v. Caspar A. Schweitzer. In: Bericht u¨ ber das Wirken des Historischen Vereines zu Bamberg 16 (1853) S. I–X, 1–147; ebd. 17 (1854) S. 1–175. – Excertpa de Ottone ex libris Andreae abbatis S. Mich. Bambergensis. Hg. v. Rudolf K¨opke. In: MGH SS 12. Hannover 1856. Nachdr. Stuttgart 1995, S. 903–909 (Teildr.). – Krit. Ausg. fehlen. Literatur: ADB 1 (1875) S. 488. – Gerd Zimmermann, VL2 5 (1985) Sp. 572–578. – Markus Huck, MarLex. 4 (1992) S. 20 f. – Franziskus B¨ull, LThK3 6 (1997) Sp. 637. – Johannes Linneborn: Ein 50j¨ahriger Kampf (1417– ca. 1467) um die Reform und ihr Sieg im Kloster ad sanctum Michaelem bei Bamberg. In: Stud. und Mitt. aus dem Benediktiner- und Zisterzienserorden 25 (1904) S. 252–266, 579–599, 718–729; ebd. 26 (1905) S. 55–68, 247–254, 534–546. – Joseph Fassbinder: Der ‹Catalogus sanctorum ordinis sancti Benedicti› des Abtes A. v. M. Diss. Bonn 1910. – Dietrich Andernacht: Die Biographen Bischof Ottos v. Bamberg. Diss. Frankfurt a. M. 1950, S. 115–117. – Kurt Eisenmann: Stud. u¨ ber Voraussetzungen und Rezeption des Humanismus in den fr¨ankischen Territorien W¨urzburg, Bamberg und der Markgrafschaft Ansbach-Bayreuth. Diss. W¨urzburg 1953, S. 104–107. – Andreas Kraus: Die benediktinische Geschichtsschreibung im neuzeitlichen Bayern. In: Stud. und Mitt. zur Gesch. des Benediktinerordens und seiner Zweige 80 (1969) S. 205–229. – J¨urgen Petersohn: Bemerkungen zu einer neuen Ausg. der Viten Ottos v. Bamberg. In: DA 27 (1971) S. 175–194; 33 (1977) S. 546–559. – Gerd Zimmermann: Ein Bamberger Klosterinventar v. 1483/86 als Quelle zur Sachkultur des Sp¨atMA. In: Kl¨osterliche Sachkultur des Sp¨atMA. Internationaler Kongreß, Krems a. der Donau, 18.–21.9.1978. Hg. v. Heinrich Appelt. Wien 1980, S. 225–246. – Ludwig Unger: Die Reform des Benediktinerklosters St. Michael bei Bamberg in der 2. H¨alfte des 15. Jh. 971

Mager Bamberg 1987, S. 55–67. – Ders.: Eine Bamberger Quelle zur Hersfelder Gesch. Der ‹Cathalogus sanctorum ordinis sancti Benedicti› des Abtes A. L. vom M. In: Heimatkalender des Landkreises Hersfeld-Rotenburg 32 (1988) S. 52–57. – Markus Mu¨ ller: Die sp¨atma. Bistumsgeschichtsschrei¨ bung. Uberl. und Entwicklung. K¨oln u. a. 1998, S. 353–360 u. o¨ . – G¨unter Dippold: A. L. († 1502), Abt des Benediktinerklosters St. Michael in Bamberg. In: Staffelsteiner Lebensbilder. Hg. v. G. Dippold. Staffelstein 2000, S. 31–36. MM Mager, Berthold. – Landverweser der Hauptmannschaft des F¨urstentums Krain. M. verfasste Anfang November 1483 einen an Herzog Georg den Reichen von BayernLandshut gerichteten Bericht (unter dem Titel Hofmer vonn Turcken in Leipzig ver¨offentlicht) u¨ ber einen T¨urkeneinfall, der von ungarischen Truppen niedergeschlagen wurde. ¨ Uberlieferung: Druck 4 Bl. 4°: [Leipzig, M. Brandis 1483/84], Ex. in Budapest, Nationalbibl., Inc. 955. Literatur: Frieder Schanze, VL2 5 (1985) Sp. 1148. BJ Passio Pragensium. – Flugschrift u¨ ber den Aufstand der Utraquisten in Prag am 24.9.1483. Der Aufstand der tschechischen Bewohner Prags (Utraquisten) war gegen die Prager Ratsherren und den katholischen Klerus gerichtet. W¨ahrend der erste Teil der Flugschrift den Beginn und Verlauf des Aufstandes beschreibt, geht es in der folgenden Berichterstattung auch um Ereignisse der Zeit danach, was darauf hindeutet, dass es sich hierbei um einen nachtr¨aglich f¨ur ein deutschsprachiges Publikum redigierten Text handelt. ¨ Uberlieferung: Zwei Druck. Erstausgabe: [Leipzig, Marcus Brandis, nach dem 30.9.1483], 4° (ein Exemplar ist bekannt: Wrocław, Biblioteka Napituna); Nachdr.: [Leipzig, Konrad Kachelofen, ca 1485] 4° (Hain *12455) (2 Exemplare: M¨unchen, BSB, 4° Inc. s. a. 1402, aus dem Besitz Hartmann → Schedels; London, British Library). Ausgabe: Bachmann (s. Lit.) S. 253–255. Literatur: Randall Herz, VL2 11 (2004) 1164–1166. – Franz Palacky: Gesch. von B¨ohmen. Bd. 5. 1. Abt. Prag 1865, S. 247–275. – Adolf Bachmann: Zur Gesch. des Aufstandes der Prager im September 1483. In: Mitt. des Vereines f¨ur Gesch. 972

Gundelfingen der Deutschen in B¨ohmen 19 (1881) S. 241–256. – Kamil Boldan: P. P. – tiˇsten´a relace o praˇzsk´em povst´an´ı 1483 [P. P. – eine gedruckte Relation zum Prager Aufstand 1483]. In: Documenta Pragensia 19 (2001) S. 173–180. BJ Gundelfingen, Heinrich (von), * um 1440/45 Konstanz, † kurz vor dem 26.4.1490 Waldkirch bei Freiburg i. Br. – Geschichtsschreiber. G. war der Enkel eines Abts von St. Gallen und der uneheliche Sohn eines Berom¨unsterer Propstes und Konstanzer Generalvikars. Seit 1458 studierte er in Heidelberg die K¨unste, bevor er wegen der Pest 1460 nach Freiburg i. Br. wechselte. 1461 wurde er Bakkalaureus und 1465 Magister. Daneben hatte er verschiedene kirchliche Pfr¨unden inne, so 1462–67 eine Kaplanei in Grosswangen/Luzern, 1464–86 eine Altarpfr¨unde am Freiburger M¨unster und 1467–71 eine Pfarre in Oberkirch/Baden. In Freiburg seit 1471 Magister Regens, lehrte G. dort seit demselben Jahr bis 1486 als Prof. f¨ur Poetik und Rhetorik. Er war mehrmals Dekan und 1477 Prorektor. Ebenfalls 1477 ernannte ihm Herzog Sigismund der M¨unzreiche zum Kaplan. 1480 wurde G. auch Kanonikus in Berom¨unster. 1486 zog er sich nach Waldkirch zur¨uck, wo er seinen letzten Lebensjahre verbrachte. W¨ahrend seiner Freiburger Zeit unterhielt G. u. a. Kontakte zu Konrad St¨urzel. G. verfasste zeitlebens zahlreiche Schriften, die jedoch meist ungedruckt blieben. Die Hauptsprache in G.s Texten ist Latein, w¨ahrend die dt. Werke eine Minderheit darstellen. Sicher von G. stammt der dt. Berichtsentwurf Kr¨onung und Salbung K¨onig Karls VIII. (um 1484). Darin schildert G. eine Gesandtschaft zur Kro¨ nung Karls VIII. von Frankreich 1483. Enthalten ist auch die dt. Fassung einer Festrede des Hofkanzlers Konrad St¨urzel. Ein weiteres dt. Werk G.s d¨urfte aus seiner nachweislichen Sympathie f¨ur die Eidgenossen und deren B¨undnis mit Sigismund (sog. «Ewige Richtung») entstanden sein. Das Herkommen der Schwyzer und Oberhasler (lat. Origo, profectus et gesta incolarum et civium de Hasli) behandelt die, freilich eher mythischen als historischen, Urspr¨unge der Schweiz bis zum 4. Jh. Der Verfasser beruft sich dabei u. a. auf Benvenuto Rambaldi. Der Text existiert als lat. und mhd. Fassung und entstand wohl um 1480–90. Die Schrift ist anonym u¨ berliefert, wird meist aber G. zugeschrieben. Die fr¨uhnhd. Fassung ist G. allerdings unsicherer zuzuordnen als die lat. Fassung. Von G.s verlorenem St¨adtelob Amoenitates urbis ¨ Lucernensis (1480/81) ist nur eine dt. Ubertragung 973

2. H¨alfte 15. Jh. in der Chronik des Melchior → Russ d. J. erhalten. Unter den lat. Schriften G.s sind von Bedeutung: Historia Austriaca ab initio regni usque ad a. 1476 (auch Austriae principum chronici epitome triplex, 1476), eine Sigismund gewidmete Geschichte ¨ Osterreichs, die verschiedentlich als Hauptwerk G.s angesehen wird. Die Chronik enth¨alt neben einem weitgehend auf → Leopold von Wien gest¨utzten Hauptteil auch Darstellungen der habsburgischen Genealogie, der Grafen Tirols bis 1439 und der Burgunderkriege. Bedeutsam ist auch G.s Nicolai Underwaldensis eremitae historia (1488), die erste Vita des Mystikers und Eremiten Nikolaus von der Fl¨ue. Das Werk bietet neben der Vita Fl¨ues auch ein lat. Officium G.s u¨ ber ihn. Erw¨ahnt seien noch die h¨ochstwahrscheinlich von G. stammende, heute verschollene Descriptio, Confoederationis Helveticae (1479), ein Lob auf die Eidgenossen und die «Ewige Richtung»; das St¨adtelob Topographia urbis Bernensis (1486); schließlich Monimenta militaria, ein verschollener, milit¨arisch ausgerichteter F¨urstenspiegel f¨ur Sigismund. Insgesamt blieb G. in seinen eigentlichen Lehrbereichen, also Poetik und Rhetorik, ohne eigenes Profil. Die gr¨oßte Wirkung erzielten seine Werke zur eidgen¨ossischen Geschichte, vor allem das Herkommen und die Fl¨ue-Vita. ¨ Uberlieferung: 1. Herkommen der Schwyzer und Oberhasler, dt.: M¨unchen, BSB, Clm 951, 210r–221r (1497, Abschr. des Hartmann → Schedel). – Zur ¨ weiteren (auch lat.) Uberl. vgl. B¨achtold 1877 (s. Ausg.) S. LXVI f. und Bruckner 1961 (s. Ausg.). – 2. Kr¨onung und Salbung K¨onig Karls VIII.: Freiburg i. Br., UB, Hs. 356a, 1r–13r (Pap., um 1484, ober¨ rheinisch, Autograph). – Zur Uberl. der lat. Werke G.s vgl. Mertens 1981 (s. Lit.). Ausgaben: Herkommen der Schwyzer und Oberhasler, dt.: Vom Herkommen der Schwyzer. Eine wiederaufgefundene Schrift aus dem XV. Jh., mit Erl¨auterungen und krit. Unters. Hg. v. Hugo Hungerb¨uhler. St. Gallen 1872, S. 15–31. – Die Stretlinger Chron. Ein Beitr. zur Sagen- und Legendengesch. der Schweiz aus dem XV. Jh. Hg. v. Jakob B¨achtold. Frauenfeld 1877, S. 179–197. – Das Herkommen der Schwyzer und Oberhasler. Hg. v. Albert Bruckner. Aarau 1961. Literatur: Albert Bruckner, NDB 7 (1966) S. 313 f. – Dieter Mertens, VL2 3 (1981) Sp. 306–310. – Guy P. Marchal: Das Herkommen der Schwyzer und Oberhasler. In: VL2 3 (1981) 974

2. H¨alfte 15. Jh. Sp. 1048 f. – Ders.: Kiburger, Elogius. In: VL2 4 (1983) Sp. 1143–1146. – Roger Aubert, DHGE 22 (1988) Sp. 1162–1164. – De Boor/Newald 4/1 (21994) S. 143, 763. – Joseph Ferdinand R¨uegg: H. G. Ein Beitr. zur Gesch. des Dt. Fr¨uhhumanismus und zur L¨osung der Frage u¨ ber die urspr¨ungliche K¨onigsfelder Chron. Fribourg 1910. – Robert Durrer: Bruder Klaus. Die a¨ltestesten Quellen u¨ ber den seligen Nikolaus von Fl¨ue, sein Leben und seinen Einfluss. Sarnen 1917, S. 418–458. – Gustav Schn¨urer: G.s Lobrede auf die Eidgenossenschaft (1479). In: Zs. f¨ur Schweizerische Gesch. 4 (1924) S. 178–187. – Alphons Lhotsky: Apis Colonna. Fabeln und Theorien u¨ ber die Abkunft der Habsburger. Ein Exkurs zur Chronica Austriae des ¨ 55 (1944) S. 171–246 (wieder T. E. In: MIOG in: Ders.: Aufs¨atze und Vortr¨age 3. Hg. v. Hans Wagner/Heinrich Koller. Wien 1976, S. 7–102). – ¨ Ders.: Quellenkunde zur ma. Gesch. Osterreichs. Graz/K¨oln 1963, S. 421 f. – G. P. Marchal: Die frommen Schweden in Schwyz. Das ‹Herkommen der Schwyzer und Oberhasler› als Quellen zum schwyzerischen Selbstverst¨andnis im 15. und 16. Jh. Basel u. a. 1976. – Leo Zehnder: Volkskundliches in der a¨ lteren schweizerischen Chronistik. Basel/Bonn 1976, S. 613–623. – Helene B¨uchlerMattmann: Das Stift Berom¨unster im Sp¨atMA, 1313–1500. Beitr. zur Sozial- und Kulturgesch. Berom¨unster 1976, S. 101, 116 u. o¨ . – Richard Feller/ Edgar Bonjour: Geschichtsschreibung der Schweiz vom Sp¨atMA zur Neuzeit. Basel 21979, S. 74–78. – Hermann Rambach: H. v. G. und seine Biographie des Bruders Nikolaus v. der Fl¨ue. In: Waldkircher Heimatbrief 139 (1992) S. 1–3. – D. Mertens: Die Anf¨ange der Freiburger Humanistenlektur. In: Gesch. in Verantwortung. FS Hugo Ott. Hg. v. Hermann Sch¨afer. Frankfurt/M. u. a. 1996, S. 93–107. – Ders.: Humanisten in Freiburg. In: Gesch. der Stadt Freiburg im Breisgau. Bd. 1. Hg. v. Heiko Haumann/Hans Schadek. Stuttgart 1996, S. 268–278, 637–639. – Pirmin Meier: Ich Bruder Klaus v. Fl¨ue. Eine Gesch. aus der inneren Schweiz. Z¨urich 1997, S. 261, 387 u. o¨ . – Regine Schweers: Albrecht v. Bonstetten und die vorl¨andische Historiographie zwischen Burgunder- und Schwabenkriegen. M¨unster u. a. 2005, S. 139–142, 192–197. – Rainer Hugener: G., H. v. In: Encyclopedia of the Medieval Chronicle. Bd. 1. Hg. v. Graeme Dunphy. Leiden 2010, S. 745 f. MM 975

Konrad von Bondorf Konrad von Bondorf OFM, * um 1430 Bonndorf/Schwarzwald (?), † 4.1.1510. – Briefautor, ¨ Ubersetzer einer Franziskus-Vita. K. war von adliger Herkunft und ging bei den Franziskanern in Villingen zur Schule. Nachdem er selbst in den Orden eingetreten war, studierte er in Italien (vielleicht Rom, Padua oder Bologna) und lebte um 1479 als Baccalaureus in Straßburg. Um 1482 wurde er in Padua zum Dr. theol. promoviert und war danach bis 1492 in Freiburg i. Br. immatrikuliert. Daneben ist er 1484 bei einer Disputation in Straßburg nachweisbar. Er hielt auch Vorlesungen u¨ ber die Sentenzenkommentare des Duns Scotus. K.s Bem¨uhungen um Pfr¨unde scheiterten, doch hatte er bis zum Ende seines Lebens hohe Ordens¨amter inne. So wurde er 1483 Vikar der obd. Provinz seines Ordens, war Kustos und ab 1498 Provinzial. Er war auch h¨aufig als Visitator unterwegs, besonders in Italien. Der angesehene Gelehrte unterhielt u. a. Kontakte zu Johann Geiler von Kaysersberg und Heinrich Karrer. Da K.s Nachlass weitgehend verloren ist, kann sein Werk heute kaum abschließend beurteilt werden. Sicher verfasste er vier private Briefe an Klara von Rietheim, eine Klarissin aus schw¨abischem Adel. Die in dt. Sprache geschriebenen Briefe sind Teil der S¨oflinger Lieder und Briefe, die man nach der Reform des Klarissenklosters S¨oflingen 1484 in den Zellen der Nonnen fand. K.s Briefe zeugen in ihrer pers¨onlichen Ansprache Klaras von einem herzlichen und freundschaftlichen Umgang miteinander, enthalten aber auch Informationen u¨ ber Vorg¨ange im Orden. So unterrichtet K. Klara vertraulich u¨ ber die bevorstehende Reform ihres Klosters. Nicht sicher zu belegen ist K.s Autorschaft ei¨ ner dt. Ubertragung der Legenda maior S. Francisci ¨ des → Bonaventura. Die Ubersetzung wird manchmal auch Sibilla von Bondorf zugeschrieben, deren Beichtvater K. war. Sibilla d¨urfte allerdings vielmehr die Schreiberin der Reinschrift des Textes gewesen sein. Weiterhin verfasste K. 1491 eine Visitationsordnung. ¨ Uberlieferung: 1. Briefe: Ludwigsburg, Staatsarch., Sign. B 509, B¨u 2. – Ulm, Stadtarch., Veesenmeyersche Urkundensammlung, Nr. 299. – 2. Legenda maior: London, British Library, cod. Add. 15710, 3r–247v (um 1478). Ausgaben: Anton Birlinger: Amores S¨oflingenses. In: Alemannia 3 (1875) S. 145–147. – Dt. Privatbriefe des MA 2. Hg. v. Georg Steinhausen. Berlin 1907, Nr. 51–54. – Max Miller: Die 976

Chronicon Sclavicum / Wendesche Kroneke

2. H¨alfte 15. Jh.

S¨oflinger Briefe und das Klarissenkloster So¨ flingen im Sp¨atMA. Diss. T¨ubingen 1940, S. 198–209 (Nr. 38–41). – Bonaventuras ‹Legenda Sancti Fran¨ cisci› in der Ubersetzung der Sibilla von Bondorf. Hg. v. David Brett-Evans. Berlin 1960 (vgl. dazu Kurt Ruh. In: PBB [T¨ub.] 85 [1963] S. 273–279). Literatur: K. Ruh, VL2 5 (1985) Sp. 141–145; 11 (2004) Sp. 876. – De Boor/Newald 4/1 (21994) S. 321, 810. – Christian Roder: Die Franziskaner zu Villingen. In: Freiburger Di¨ozesanarch. 32 (1904) S. 232–312. – Florent Landmann: Zum Predigtwesen der Strassburger Franziskanerprovinz in der letzten Zeit des MA. In: Franziskanische Stud. 13 (1926) S. 337–365; 14 (1927) S. 297–332; 15 (1928) S. 96–120, 316–348; hier bes. 15 (1928). – Miller 1940 (s. Ausg.) S. 90–93, 166 f. – D. Brett-Evans: Sibilla v. B. Ein Nachtrag. In: ZfdPh 86, Sonderh. (1976) S. 91–98. – Gabriela Signori: Die S¨oflinger Liebesbriefe (um 1484) oder die vergessene Gesch. von Nonnen, die von Liebe tr¨aumten. In: Metis 17 (1995) S. 14–23. – Marc M¨untz: Freundschaften und Feindschaften in einem sp¨atma. Frauenkloster. Die sog. S¨oflinger Briefe. In: Meine in Gott geliebte Freundin. Freundschaftsdokumente aus kl¨osterlichen und humanistischen Schreibstuben. Hg. v. Gabriela Signori. Bielefeld 1998, S. 111–120. MM

484 (vormals Cheltenham, Bibl. Phillippica, Cod. 1153), 163v–177v (Pap., 1492–98, schw¨abisch). Literatur: HBLS 1 (1921) S. 575. – Werner Williams-Krapp, VL2 6 (1987) Sp. 150. – Salomon V¨ogelin: Gesch. der Wasserkirche und der Stadtbibl. Z¨urich. Z¨urich 1848, S. 5, 7, 22 f. – Heinrich Zeller-Werdm¨uller: Das ehemalige AugustinerChorherrenstift St. Martin auf dem Z¨urichberg. In: Z¨urcher Taschenbuch NF 15 (1892) S. 55–90, hier S. 80. – Otto Bartenstein: Beitr. zur Bartensteinschen Familiengesch. o. O. [Posen] 1910. – Repertorium fontium historiae medii aevi 2 (1967) S. 461. – Rudolf Gamper: Die Z¨urcher Stadtchron. und ihre Ausbreitung in der Ostschweiz (Mitt. der Antiquarischen Ges. in Z¨urich 52,2 / 148. Neujahrsbl.). Z¨urich 1984, S. 14, 160–162, 205. VZ

Martin von Bartenstein. – Verfasser einer Z¨urcher Lokallegende, sp¨ates 15./fr¨uhes 16. Jh. Der Augustiner-Chorherr im St. Martin Kloster auf dem Z¨urichberg stammte urspr¨unglich aus Franken. Zwischen 1480 und 1520/30 verfasste er f¨ur eine «frowe von Arms» (Z¨urich, Cod. A 118, 54v) eine dt. Legende der Z¨urcher Stadtpatrone Felix, Regula und Exuperantius und kombinierte diese mit der Z¨urcher Gr¨undungssage. In den ersten drei Vierteln des Textes folgt M. der Chronik von den Anf¨angen der Stadt Z¨urich (→ Z¨urcher Stadtchroniken), wobei er die Heiligen st¨arker in den Mittelpunkt r¨uckt. Das letzte Viertel bietet eine Neudeutung der Gr¨undungen von Propstei, Abtei und Wasserkirche, die bei M. dem Wirken der Patrone zugeschrieben werden. ¨ Uberlieferung: Z¨urich, ZB, Cod. A 118, 54 Bll. (Pap., 1520/30, alemannisch). – Weitere dt., jeweils eigenst¨andige Prosafassungen der FelixRegula-Legende: Heidelberg, UB, Cpg 111, 2r–41v (1470/75, alemannisch). – Berlin, SBB, Mgq 190, 114r–126v (Pap., 15. Jh., alemannisch). – Ebd., Mgq 977

Chronicon Sclavicum / Wendesche Kroneke. – Lat. und nd. Fassungen. Die aus acht Teilen bestehende Chronik umfasst die Zeit bis 1485. Der bis 1168 reichende erste Teil ist → Helmold von Bosau entnommen, der zweite Teil (bis 1256) den L¨ubecker Bischofsgesten. Quellen f¨ur die folgenden Teile sind Hans → Korners Chronica novella (III: 1188–1435) und die L¨ubecker Ratschronik (IV: 1435–49, VII: 1460–80). Der f¨unfte Teil (1452–59) ist selbstst¨andig konzipiert worden. Der sechste Teil bietet als Exzerpt aus den Bischofsgesten eine L¨ubecker Bischofsgeschichte von Anfang bis 1466, die bis 1484 fortgef¨uhrt wird. Der letzte Teil (1480–85) ist von dem Ratsschreiber Dietrich Brandes in Anlehnung an die Ratschronik verfasst. ¨ Uberlieferung: Ein lat. und ein nd. Druck: GW 6692 und 6693. Ausgabe: Ernst Adolph Theodor Laspeyres (Hg.): Chronicon Sclavicum, quod vulgo dicitur parochi Suselensis. L¨ubeck 1865. Literatur: Rolf Sprandel, VL2 11 (2004) Sp. 329–331. – Friedrich Bruns: Der dritte Teil des C. S. und sein Verfasser. In: Hansische Geschichtsbll. 37 (1910) S. 103–129. – Ders.: Die Chron. der nieders¨achsischen St¨adte. L¨ubeck, Bd. 4 (Chron.dt.St. 30). Leipzig 1910 (Nachdr. G¨ottingen 1968) S. XXXIII–XLII; ebd., L¨ubeck, Bd. 5, 1. Tl. (Chron.dt.St. 31,1). Leipzig 1911 (Nachdr. G¨ottingen 1968) S. VII–XV. – Repertorium fontium historiae medii aevi 3 (1970) S. 451 (Lit.). – R. Sprandel: Der ‹C. S.› v. 1485. In: Ders. (Hg.): 978

2. H¨alfte 15. Jh. Zweisprachige Geschichtsbeschreibung im sp¨atma. Deutschland (Wissenslit. im MA 14). Wiesbaden 1993, S. 122–128. BJ Johannes von Thurocz (Thur´oczy J´anos), * um 1435 Lipt´oszentmih´aly (?), † 1488/89 Buda (?). – ¨ Ungarischer Chronist; dt. Ubertragungen seiner Chronica Hungarorum entstanden seit Ende des 15. Jh. Der in der zweiten H¨alfte des 15. Jh. mehrfach urkundlich genannte Jurist weltlichen Standes tritt zun¨achst als Notar, sp¨ater als Protonotar der k¨oniglichen Kanzlei in Buda sowie als Notar des Pr¨amonstratenser-Konvents in S´ag (Slowakei) in Erscheinung. Aus seiner Feder stammt eine bedeutsame und umfangreiche Prosa-Chronik der ungarischen Geschichte in lat. Sprache, die in den 80er Jahren des 15. Jh. verfasste Chronica Hungarorum. J. berichtet darin von der Geschichte der Skythen, Hunnen und Ungarn bis zum Wiener-Neust¨adterSieg des K¨onigs von Ungarn und B¨ohmen, Matthias Corvinus. Mit zahlreichen Illustrationen versehen, wurde das Werk erstmals im Jahre 1488 in Br¨unn gedruckt, bald darauf auch in Augsburg. Als Zugabe zur Chronik wurde auf die Initiative des Olm¨utzer Bischofs Johannes Filipecz hin das Carmen miserabile des Erzbischofs Rogerius von Split u¨ ber den Tataren¨uberfall in Ungarn mitgedruckt. ¨ Uberlieferung: Drucke Br¨unn, [Conrad Stahel, Mathias Preinlein], 20. M¨arz 1488 (42 Holzschnitte). – Augsburg, Erhard Ratdolt f¨ur Theobald Feger in Buda, 3. Juni 1488 (66 Holzschnitte). Ausgaben: Elisabeth Gal´antai u. a. (Hg.): J. d. T. Chronica Hungarorum (Bibl. Scriptorum medii recentisque aevorum, SN 7–9). 2 Bde. Budapest 1985–1988. – Englische Teil¨ubersetzung: Chronicle of the Hungarians [from] J´anos Thur´oczy (Indiana University Uralic and Altaic series 155/Medievalia Hungarica series 2). Bloomington 1991. ¨ Ubersetzungen ins Deutsche: ¨ 1. Eine unikal u¨ berlieferte, anonyme dt. Ubertragung der Chronica nach dem Br¨unner Druck ent¨ stand bald nach 1490. Der Ubersetzer ließ darin neben der skythischen Vorgeschichte auch einige weitere Zwischenkapitel der lat. Chronica sowie das Carmen miserabile unber¨ucksichtigt. ¨ Uberlieferung: Heidelberg, UB, Cpg 156 (Pap., nach 1490, bair.; mit kolorierten Federzeichnungen). 2. Eine ebenfalls nur in einer Handschrift ¨ und anonym u¨ berlieferte Ubersetzung nach einer verk¨urzten Druckvariante des Augsburger 979

Johannes von Thurocz Drucks – in der die Einnahme von Wien und Wiener Neustadt durch Matthias Corvinus entf¨allt – ist wenig sp¨ater entstanden. ¨ Uberlieferung: Cambridge (Mass.), Harvard College Library/Houghton Library, MS Ger 43 (fr¨uher Nikolsburg, F¨urstl. Dietrichsteinsche Bibl., Cod. II 138) (Pap., um 1500, o¨ sterr.). 3. Eine k¨urzende dt. Bearbeitung der Chronica (nach 1526), die in keinem Zusammenhang mit den ¨ zwei genannten handschriftlichen Ubersetzungen steht, verfasste der Ritter Hans Haug zum Freystein, Rat und Diener Ferdinands von Habsburg (ungarischer K¨onig 1536–1564). Seine stofflich neu strukturierte Chronik ist in f¨unf B¨ucher gegliedert; die ersten beiden B¨ucher folgen der lat. Vorlage genau, die restlichen drei zeigen dagegen eine eigenst¨andigere Bearbeitung. ¨ Uberlieferung: Druck N¨urnberg, Johann Pe¨ 1534 (mit treius/Wien, Johann Singriener d. A., Holzschnitten v. Peter Fl¨otner). – Neudr. Augsburg, Philipp Ulhart, 1536. – Hsl. Kopie: Fulda, LB, B 21 (1589). 4. Ob die Chronica des J. v. T. dem Chronisten Jakob → Unrest als Vorlage f¨ur seine bis 1490 reichende Ungarische Chronik diente, ist bislang nicht gekl¨art. Literatur: Ulrike Bodemann, VL2 11 (2004) Sp. 797–801. – Karoly Kertbeny: Ungarn betreffende dt. Erstlings-Drucke. 1454–1600 (Bibliogr. der ungarischen nationalen und internationalen Lit. 1). Budapest 1880, S. 111 f. – J´ozsef Kasz´ak: Thuroczy J´anos e´ lete e´ s kr´onik´aja. Budapest 1906. – Josef Fitz: Die Ausg. der Thuroczy-Chron. aus dem Jahr 1488. In: Gutenberg-Jb. 12 (1937) S. 97–106. – Josef Benzing: ‹Der Hungern Chronica› (Wien 1534) und ihr Drucker. In: Amor librorum. FS Abraham Horodisch. Hg. v. Max Nord. Zu¨ rich/ Amsterdam 1958, S. 59–64. – Ilona Hubay: Die illustrierte Ungarnchron. des J. v. T. In: GutenbergJb. 37 (1962) S. 390–399. – Horst Kunze: Gesch. der Buchillustration in Deutschland. Das 15. Jh. Bd. 1. Leipzig 1975, S. 243 f. – Norbert Kersken: Geschichtsschreibung im Europa der ‹nationes›. Nationalgeschichtliche Gesamtdarstellungen im MA (Mu¨ nstersche Hist. Forschungen 8). K¨oln u. a. 1995, S. 652–739. – Karin Zimmermann unter Mitwirkung v. Sonja Glauch, Matthias Miller und Armin Schlechter: Die Codd. Palatini germanici in der UB Heidelberg (Cod. Pal. germ. 1–181) (Kat. der UB Heidelberg 6). Wiesbaden 2003, S. 351 f. und Abb. 9. SF 980

Nuhn Chronik der Grafen von Bentheim. – Nd. F¨urstenchronik. Die in einer einzigen Handschrift u¨ berlieferte Chronik gilt als a¨ lteste volkssprachige Chronik Bentheims. Das Werk eines unbekannten Autors behandelt die Geschichte der Grafen von Bentheim vom 12. Jh. bis 1485. Die Chronik beginnt mit Pfalzgraf Otto (II.) von Salm-Rieneck und seiner Frau Gertrud (* um 1080), die 1154 als Gr¨afin von B. erw¨ahnt ist. Sie endet mit dem seit 1473 regierenden Everwin II. (1461–1530). Ausf¨uhrlich wird auch auf die Schlacht bei Ane (1227) sowie den Grafen Bernhard I. (um 1330–1421) und seinen frommen Lebenswandel eingegangen. Bernhard z¨ahlte zu den fr¨uhen Unterst¨utzern des Klosters Frenswegen, dessen lat. Chronik eine Vorlage der Chronik gewesen sein d¨urfte, wie die zahlrei¨ chen textlichen Ubereinstimmungen nahelegen. ¨ Uberlieferung: Berlin, SBB, Mgq 812, 1r–16r (Pap., Kloster Groß-Burlo?, nach 1485). Ausgabe: Een cronike van den greven van ¨ Benthem. Edition und Ubersetzung einer sp¨atmittelalterlichen Chronik u¨ ber die Grafen von Bentheim (Westf¨alische Beitr. zur nd. Philologie 12). Hg. v. Volker Honemann u. a. Bielefeld 2010. Literatur: Volker Honemann, VL2 11 (2004) Sp. 327. – Klemens L¨offler: Quellen zur Gesch. des Augustinerchorherrenstifts Frenswegen (Windesheimer Kongregation). Soest 1930, S. 3–162. – Heinrich Voort: Die Chron. der G. v. B. In: Bentheimer Jb. 1987 (1987) S. 35–46. – V. Honemann: Eine ma. Chron. der G. v. B. In: Sprache und Lit. des MA in den Nideren Landen. Gedenkschrift f¨ur Harmut Beckers. Hg. v. V. Honemann u. a. K¨oln u. a. 1999, S. 135–140. MM Nuhn, Johannes, * 25.1.1442 in oder bei Hersfeld, † nach 1523. – Theologe, Chronist. N. studierte an der Universit¨at Erfurt um 1461 Theologie und arbeitete danach in Kaltennordheim f¨ur Graf Heinrich XII. von HennebergSchleusingen. Nach dessen Tod 1475 wechselte N. an den Hof von Gr¨afin Mechthild, der Witwe Ludwigs II. von Hessen, und erzog ihre So¨ hne Wilhelm I. und Wilhelm II. 1483 ist N. bei der Huldigung f¨ur Wilhelm I. in Kassel nachgewiesen. 1484 reiste er mit Wilhelm II. nach Innsbruck und K¨oln. Als Wilhelm II. 1493 die Regierungsgesch¨afte u¨ bernahm, blieb N. am Hof t¨atig. Er war Weltgeistlicher und hatte eine Altarpfr¨unde in der Propstei Frauenberg (Hersfeld) inne. Die Hofakten nennen 981

2. H¨alfte 15. Jh. N. 1506 zum letzten Mal; insgesamt ist er 1523 ¨ zuletzt nachweisbar. Uber sein weiteres Leben ist nichts bekannt. Von N. sind drei historische Werke in dt. Sprache u¨ berliefert. Die Hessische Chronik ist N. durch eine Eigennennung in der Einleitung zuzuschreiben. In 81 Kapiteln stellt das Werk die Geschichte von Julius Caesar bis 1511 mit Nachtr¨agen bis 1522 dar. Schwerpunkt ist die Geschichte der hessischen Landgrafen, vor allem in der Zeit nach 1471. Daneben geht N. aber auch auf die Urspr¨unge Bayerns und der th¨uringischen Landgrafen ein. Die eigentliche chronikalische Darstellung wird in der Hessischen Chronik durch belehrende Sentenzen und Sprichw¨orter erg¨anzt. Als Vorlage d¨urfte N. zumindest die Kleine Hessenchronik benutzt haben. Die Chronica und altes Herkommen der Landgrawen zu Dh¨oringen und Hessen und Markgraven zu Meißen ist in zwei B¨ucher zu 30 und 177 Kapiteln eingeteilt. Der Text reicht im ersten Buch von 477 v. Chr. bis zu den franz¨osischen Karolingern, im zweiten Buch von den Urspr¨ungen der th¨uringischen Landtgrafen bis 1480. Auch diese Chronik konzentriert sich auf die hessische Geschichte des 15. Jh., w¨ahrend die a¨ ltere Geschichte f¨ur die genealogische Herleitung einzelner F¨urstengeschlechter benutzt wird, etwa der Askanier und Henneberger. Die zum Teil falschen genealogischen Annahmen im Text st¨utzen sich u. a. auf → Rudolf von Ems sowie Elisabeth von NassauSaarbr¨ucken. Sie dienten dem politischen Zweck, hessische Gebietsanspr¨uche zu begr¨unden (Brabant). Die Chronica ist anonym u¨ berliefert, stimmt aber vielfach mit der Hessischen Chronik u¨ berein, weshalb sie allgemein N. zugeschrieben wird. Es k¨onnte sich auch um eine Kompilation des 16. Jh. aus N.s Werken handeln, die vielleicht von dem nassauischen Pfarrer und Chronisten Joseph Imhof zusammengestellt wurde. Die annalistische Chronologia enth¨alt den gleichen Zeitraum wie die Hessische Chronik. Allerdings ist die Darstellung hier tabellarisch-grafisch aufbereitet. Das durch eine Eigennennung N.s zuschreibbare Werk wird durch ein Prologgedicht und gereimte Einsprengsel aufgelockert. Weitere Texte N.s sind nur indirekt nachweisbar, meist durch Erw¨ahnungen bei Cyriacus Spangenberg. Er nennt u. a. das aus Reimversen und Prosa gemischte Werk Ankunfft und Stammenbaum der Grafen von Henneberg und ein alphabetisch angeordnetes Hennebergisch ABC u¨ ber acht Kleriker aus dem 982

2. H¨alfte 15. Jh. Haus Henneberg. N. selbst erw¨ahnt außerdem eine von ihm verfasste Reimchronik. Mo¨ glicherweise schrieb er auch Chroniken der Geschlechter von Anhalt, Hanstein und Wallenstein sowie der Stadt Hersfeld. N.s Werk wurde erst ab dem sp¨aten 16. Jh. rezipiert, so von dem hessischen Chronisten Wigand Lauze. Die Wertsch¨atzung N.s in der Forschung nahm seit dem 19. Jh. allm¨ahlich zu, da seine Chroniken heute als wichtige Quellen zur hessischen Geschichte gelten. ¨ Uberlieferung: Nur zur Chronologia existiert ein m¨oglicher Autograph (M¨uhlhausen, Stadtarch., A 1 No. 1, fr¨uhes 16. Jh.). Die u¨ brigen u¨ ber 30 Hss. zu N.s Werk stammen aus nachma. Zeit (sp¨ates 16. und 17. Jh.). Vgl. Johanek 1987 (s. Lit.). Ausgaben: Selecta iuris et historiarum tum anecdota tum iam edita, sed rariora. Hg. v. Heinrich Christian Senckenberg. Frankfurt/M., Bd. 3, 1735, S. 45–49, 301–514; Bd. 5, 1739, S. 385–518 (Chroniken). – Auszug aus einer Chron. des Johann Rohe. Hg. v. Georg Landau. In: Zs. des Ver. f¨ur Hessische Gesch. und Landeskunde 5 (1850) S. 1–13 (Teildruck der «Chronologia»). – Die Chron. des Johannes Nohen im Stadtarch. Mu¨ hlhausen. Hg. v. Emil Kettner. In: Mu¨ hlh¨auser Geschichtsbll. 1 (1900/1901) S. 30–32 (Teildruck der «Chronologia»). Literatur: Peter Johanek, VL2 6 (1987) Sp. 1240–1247. – De Boor/Newald 4/1 (21994) S. 150. – Birgit Studt, NDB 19 (1999) S. 374. – Hermann Diemar: Texte und Unters. zur verlorenen Hessenchron. In: Zs. des Ver. f¨ur Hessische Gesch. und Landeskunde 37 (1903) S. 33–55. – Julius Dieterich: [Rezension v. Karl Knetsch: Des Hauses Hessen Anspr¨uche auf Brabant]. In: ebd. 49 (1916) S. 257–263. – Wilhelm Engel: 400 Jahre hennebergische Geschichtsschreibung. In: Sachsen und Anhalt 9 (1933) S. 199–230. – Ludwig Zimmermann: Die Zentralverwaltung Oberhessens unter dem Hofmeister Hans v. D¨ornberg. Darmstadt 1974. – Erich Kleinschmidt: Literarische Rezeption und Gesch. Zur Wirkungsgesch. v. Wolframs Willehalm im Sp¨atMA. In: DVjs 48 (1974) S. 585–649. – Karl E. Demandt: Der Personenstaat der Landgrafschaft Hessen im MA 1. Ein ‹Staatshandbuch› Hessens vom Ende des 12. bis zum Anfang des 16. Jh. Marburg 1981, S. 612 f. – Ulrike ¨ Stein: Die Uberlieferungsgesch. der Chron. des J. N. v. Hersfeld. Ein Beitr. zur hessischen Historiographie. Frankfurt/M. u. a. 1994. – Dies.: Die 983

Philipp von Hanau-Munzenberg ¨ Grafen v. Henneberg in den Chron. des J. N. In: Jb. des Hennebergisch-Fr¨ankischen Geschichtsver. 9 (1994) S. 127–138. – Enno B¨unz: Zur Gesch. des Wittenberger Heiltums. J. N. als Reliquienj¨ager in Helmarshausen und Hersfeld. In: Zs. des Ver. f¨ur Th¨uringische Gesch. 52 (1998) S. 135–158. – B. Studt: Das Land und seine Fu¨ rsten. Zur Entstehung der Landes- und dynastischen Geschichtsschreibung in Hessen und Th¨uringen. In: Nordhessen im MA. Probleme v. Identit¨at und u¨ berregionaler Integration. Hg. v. Ingrid Baumg¨artner/Winfried Schich. Marburg 2001, S. 171–196. – Thomas Fuchs: Traditionsstiftung und Erinnerungspolitik. Geschichtsschreibung in Hessen in der fru¨ hen Neuzeit. Kassel 2002, passim. – Wolfgang Breul: Chron. als F¨urstenspiegel. Zum historiographischen Werk des J. N. v. Hersfeld. In: Hessische Chron. zur Landes- und Stadtgesch. Hg. v. Gerhard Menk. Marburg 2003, S. 29–56. MM Philipp von Hanau-Munzenberg ¨ (Graf Philipp der J¨ungere), * 20.9.1449 Windecken, † 26.8.1500. – Verfasser eines Reiseberichts. P. war der Sohn des Grafen Reinhard III. von Hanau und der Margarethe von Pfalz-Mosbach. Nach dem fr¨uhen Tod seines Vaters stand P. unter der Vormundschaft seines Onkels Philipp I. ¨ Nach der Teilung seiner Grafschaft 1458 red. A. gierte P. die sp¨atere Grafschaft Hanau-M¨unzenberg. 1468 verm¨ahlte er sich mit Adriana von Nassau-Dillenburg. 1484 unternahm er eine Pilgerfahrt nach Jerusalem. P. reiste zusammen mit Graf Ludwig von Hanau-Lichtenberg, einem Sohn Philipps I. Im Juni 1484 erreichten sie Venedig und im Juli Jaffa, von wo sie nach Jerusalem weiterreisten. Nachdem sie die Stadt im August wieder verlassen hatten, waren sie im November wieder in Venedig. Ludwig starb am 30. Dezember in Trient, woraufhin P. im Januar 1485 nach Hanau zur¨uckkehrte. Dort verfasste P. einen dt. Bericht u¨ ber die Reise, der in einer Marburger Handschrift erhalten ist. Der Text vermerkt vor allem die heiligen St¨atten, die P. besuchte, und die Abl¨asse, die er dort empfing. Zur gleichen Reise existiert auch eine Liste von Ludwigs Ausgaben, die zu den a¨ ltesten erhaltenen Verzeichnissen ihrer Art geh¨ort (Darmstadt, Staatsarch., D 7 Nr. 26/2). ¨ Uberlieferung: Marburg, Staatsarch., 81 Regierung Hanau A 47 Nr. 2, S. 1–12. – Vgl. auch 984

Schneider Reinhold R¨ohricht: Bibliotheca geographica Palaestinae. Berlin 1890. Jerusalem 21963, Nr. 267. Ausgaben: Reinhold R¨ohricht: Die Jerusalemfahrten der Grafen Philipp, Ludwig (1484) und Reinhard von Hanau (1550). In: Zs. des Ver. f¨ur Hessische Gesch. und Landeskunde 26 (1891) S. 85–188, besonders S. 90–110. Literatur: Dietrich Huschenbett, VL2 7 (1989) Sp. 598 f. – Reinhold R¨ohricht: Dt. Pilgerreisen nach dem Heiligen Lande. Neuausg. Innsbruck 1900, S. 166. – Paula Giersch und Wolfgang Schmid: Rheinland – Heiliges Land. Pilgerreisen und Kulturkontakte im MA. Trier 2004, S. 168–171. MM Schneider, Hans, * nach 1450 vermutlich Augsburg, † nach 1513 vielleicht N¨urnberg. – Spruchdichter u. -sprecher. Die Augsburger Baumeisterb¨ucher verzeichnen Geldgaben an einen Sprecher H. S. von 1488 bis 1503. In den N¨urnberger Ratsverl¨assen findet er Erw¨ahnung von 1501 an, kurz bevor er im Interesse des Augsburger B¨urgermeisters Hans Langenmantel N¨urnberger B¨urger wird, bis 1511, als sich wiederholt nach ihm erkundigt werden soll. 1513 wurde das Drucken seines Spruchs u¨ ber den Zunftaufruhr in K¨oln im Januar untersagt (220 Verse, Oktavdruck: [N¨urnberg, W. Huber, vor 14.4.] 1513, 6 Bll. [VD16 S 3230], Ex. London, British Library, 11517.aa.9; Hs.: N¨urnberg, Germ. Nationalmuseum, Hs. Merkel 2° 966, 90v–91r). Trotz der F¨ursprache K¨onig → Maximilians (1502) erhielt der Sprecher kein Amt, sondern scheint sich als fahrender und parteiischer Spruchdichter zu verdingen. 1488–93 war er f¨ur Herzog Christoph von Bayern t¨atig, u¨ ber dessen Jerusalemfahrt er dichtete: DES durchleichtigen hochgeporn f¨ursten vnd hern herczog Cristofels von pairn m¨or fart (250 Verse, Oktavdruck: [Augsburg, H. Schobser, nach August 1493], 8 Bll. [GW M40872], def. Ex. Berlin, SBB, Ink. 283, fragm. Bogen eines Ex. Mu¨ nchen, Einbl. I,9). Seit 1492 stand S. auch im Dienst Kaiser Friedrichs, seit 1498 Maximilians I.: Er nannte sich der «keyßerlichen maiestat sprecher». Als politischer Publizist wurde er mehrfach ermahnt und zensiert, letztlich auch der Unruhestiftung und des Diebstahls bezichtigt. Die u¨ berlieferten 22 Spruchgedichte, die der Information wie der Unterhaltung der Stadtbev¨olkerung dienten und stilistisch in diesem eher m¨undlichen Bereich anzusiedeln sind, lassen sich S. auf985

2. H¨alfte 15. Jh. grund der Autorsignatur zuordnen; zun¨achst verwendet er diese variabel, seit 1504 standardisiert: «als(o) Hans Schneider gesprochen hat». Historisch-politische Ereignisse werden in etwa der H¨alfte seiner Dichtungen verarbeitet: So in seinem ersten und bisher unedierten Spruch, einer St¨andemahnrede wider die T¨urken kurz nach dem Reichstag in Regensburg von 1471, die in drei unterschiedlich langen Fassungen u¨ berliefert ist und nur in den Schlussversen der a¨ ltesten auf S. und auf das Jahr 1456 verweist (sicher ein Schreibfehler, vielleicht statt 1476, da die im Text erw¨ahnte Eroberung Negroponts 1470 terminus ante quem non). ¨ Uberlieferung: a) N¨urnberg, Germ. Nationalmuseum, Hs. HR 131, 82r–93v (558 Verse, verm. Claus Spaun, 1494). – b) Mu¨ nchen, BSB, Cgm 5919, 343r–355v (671 Verse, Ulrich Mostl, Regensburg 1501/10, ohne Autorsignatur, SW-Digitalisat online). – c) Oktavdruck: Pforzheim, [Th. Anshelm] 1500, Ex. Augsburg, SuStB, 8° Ink. 107 (396 Verse, anonyme Bearbeitung durch Niklas Wolgemut). – d) Oktavdruck: N¨urnberg, Marx → Ayrer 1488 (GW 2031; anonyme Abschrift in Hamburg, SUB, cod. hist. 31e, 391r–393r). Das 1509 erschienene gedicht von der vngehorsame der Venediger (94 Verse) ist der einzige auf Einblattdrucken und zugleich der am h¨aufigsten u¨ berlieferte Spruch S.s. ¨ Die Uberlieferungssituation wie auch die Bearbeitung des Themas durch andere Autoren (wie Johann Kurtz) verweist auf das akute Interesse in Politik und Handel an der Auseinandersetzung, an der Acht auf dem Augsburger Reichstag und der Schlacht bei Agnadello am 14. Mai. Die Informationen wurden rasch in Umlauf gebracht, Ende des Monats griff in N¨urnberg bereits die Zensur. ¨ Uberlieferung: ([N¨urnberg, A. Dyon], Ex. Berlin, SBB, Yd 7803, 36 und Mu¨ nchen, BSB, Einbl. I,21a. – [Augsburg, H. Froschauer], Ex. London, British Library, C.18.e.2 (41). – [Augsburg, H. Froschauer], Ex. M¨unchen, BSB, Einbl. I,20 (andere Ausgabe als Ecker, Abb. 15!). – [Augsburg, J. Otmar], Ex. London, British Library, Cup. 651.e (74). – [Mu¨ nchen, BSB, H. Schobser 1509], Ex. Mu¨ nchen, BSB, Einbl. I,21 (mit Einbl. I, 21a auf einer Pappe befestigt; aus Mu¨ nchen, Cgm 1586, S. 967). – [Augsburg, S. I.], Ex. Mu¨ nchen, BSB, Einbl. I, 21b (Abdruck bei Ecker, Abb. 15). – Weitere verschollene Ex.: viell. Augsburg, S. I. abgedruckt bei Weller, Bd. 3, Nr. 492; viell. Nu¨ rnberg, 986

2. H¨alfte 15. Jh. A. Dyon fr¨uher in Zwickau, Ratsschulbibl., eingeklebt im Vorderdeckel des Bandes 1.7.37, vgl. Clemen 1911, S. 11. – Hs.: N¨urnberg, Hs. Merkel 2° 966, 117rv; ebd. 122r, bis V. 67). Im Grenzbereich des historisch-politischen Ereignisgedichts anzusiedeln ist das 1510 gedruckte New gedicht von der furstlichen statt Annenberg ursprung vnd herkommen (268 Verse, [Leipzig, M. Landsberg 1510], 6 Bl. [VD16 S 3228], Ex. Zwickau, RSB, 24.8.21 [4]), das in der Tradition der Laus urbium auf die Verehrung der Heiligen Anna in der gerade zehnj¨ahrigen Silberbergbaustadt gerichtet ist. S. entwirft, in der Rolle des Fremdenf¨uhrers vorangehend, ein geistliches Annaberg, dessen monumentale Sakralarchitektur, wunderwirkende Reliquien und fromme Bev¨olkerung offenbar Pilger ins Erzgebirge locken sollte. W¨ahrend dort der Aufbau der s¨achsischen Region besprochen wird, berichtet ein anderer spruch von erdpidme] grausamlich die seind gescheh] zu Venedig vnd anderßwo (112 Verse, N¨urnberg, Germ. Nationalmuseum, Hs. Merkel 2° 966, 110v–111r, unediert) von den Februar bis August 1511 andauernden massiven Erdst¨oßen im Nordosten Italiens, die mit St¨arken bis zu 9,5 (EMS) große Zerst¨orung brachten. Statt Lob und Huldigung formuliert der Dichter Ermahnung, Klage und Warnung in der Beschreibung von Einzelschicksalen wie bei der pauschalisierenden Schilderung von Ereignissen gr¨oßerer Bedeutung. Ausnahmen des S.schen Œuvres bilden – formal – sein Lied auf die B¨ohmenschlacht (1504, 9 Achtzeilerstr. vom Typ des J¨ungeren Hildebrandsliedes, Hamburg, SUB, cod. hist. 31e, 390v, unediert) und – inhaltlich – ein M¨are und drei Minnereden, die wie sieben weitere Spr¨uche S.s durch den Augsburger Valentin Holl von inzwischen verlorenen Drucken des beginnenden 16. Jh. abgeschrieben und in der N¨urnberger Handschrift (Germ. Nationalmuseum, 2° 966 Merkel, 1524–26) ohne Reihung oder erkennbaren Bezug zueinander u¨ berliefert sind (Spruch von Treue und Untreue [Dieb und Henker], 94 Verse, 112v–113r; Spruch vom Liebesgl¨uck im Traum, 80 Verse, 116v–117r, unediert; Spruch f¨ur Braut und Br¨autigam, 70 Verse, 113rv, unediert; Spruch von drei M¨annern, die u¨ ber ihre Frauen klagen, 120 Verse, 75v–76r). Untypisch scheint auch das sp¨ate Pest-Gebet (34 Verse, ¨ Wien, ONB, Cod. 2981, 29v–30r [Hs. des Simprecht Kr¨oll, Augsburg, um 1534], unediert). 987

Schneider Weitere historisch-politische Spruchgedichte (vgl. Schanze 1992/2004): 1478. Spruch u¨ ber den Augsburger B¨urgermeister Ulrich Schwarz und seine Hinrichtung (256 Verse). ¨ Uberlieferung: Mu¨ nchen, BSB, Cgm 379, 221v–225v (um 1454, Nachtrag am Ende der Hs., SW-Digitalisat online). – Salzburg, Stiftsbibl. St. Peter, Cod. b IV 3, 134r–138v (Ende 15. Jh., am Ende der Hs.). 1488. Spruch u¨ ber K¨onig Maximilians Gefangenschaft in Br¨ugge (314 Verse). ¨ Uberlieferung: Quartdruck: [N¨urnberg, M. Ayrer] 1488, 8 Bll. (GW M22109), Ex. Berlin, SBB, Yg 5351 [?]/Inc. 1898 [?], ohne Autorensigna¨ tur, Wien, ONB, Ink 7.H.75 (vgl. Weller, Bd. 2, S. 563). – Hss.: Berlin, SBB, Mgq 1803, 152r–163r (Hs. des Johannes Gensbein, Ende 15. Jh., 2008 wiederentdeckt). – Halle/Saale, ULB, Hist. 2° 183. 11. Fasz., 26r–29v. 1492. Spruch u¨ ber das Reichsheer auf dem Lechfeld (198 Verse). ¨ Uberlieferung: N¨urnberg, StB, Cod. Will. I,425, 2r, 71r–74v (zweite H¨alfte 16. Jh.). 1500. Spruch anl¨asslich des Reichstags zu Augsburg (250 Verse). ¨ Uberlieferung: Oktavdruck: [N¨urnberg, P. Wagner? 1500], 8 Bll. (GW M40871), Ex. London, British Library, 11517.de.24 (1). – Hs.: N¨urnberg, Germ. Nationalmuseum, Hs. Merkel 2° 966, 92rv. 1504. Spruch vom Landshuter Erbfolgekrieg und den N¨urnbergern (329–370 Verse). ¨ Uberlieferung: Quartdrucke: [N¨urnberg, vor 12.7.1504], kein Ex. bekannt; [Augsburg, H. Froschauer um 1505], 6 Bll. (VD16 S 3226), Ex. London, British Library, 11515.b.23; Augsburg, J. ¨ 1504], kein Ex. bekannt. – Sch¨onsperger [d. A. Hs.: Augsburg, SuStB, 4° Cod. Aug. 251, 1r–10r (mit zwei Spr¨uchen S.s von 1504 und mehrfach dem Monogramm h X sch); verschollen sind Liliencrons Hs. (1504, 370 Verse, Abdruck bei Liliencron) und Maltzahns Hs. (vgl. Maltzahn 1875, Nr. 850), zwei j¨ungere Abschriften in N¨urnberger Chroniken erw¨ahnt Liliencron ohne Nachweis. 1504. Spruch von der B¨ohmenschlacht bei Regensburg am 12. Sept. (230 Verse). ¨ Uberlieferung: Quartdrucke: [N¨urnberg? 1504], Ex. Kassel (1944 verbrannt, Abdruck bei Liliencron); [Mainz, J. Sch¨offer 1504], 4 Bll. (VD16 S 3225), Ex. Einsiedeln, Stiftsbibl., Inc. 1000.3 (Weller.Rep.297); [Leipzig, M. Landsberg um 1505], 4 988

Schneider Bll. (VD16 ZV 27299). – Hss.: Augsburg, SuStB, 4° Cod. Aug. 251, 11r–6r; vgl. P¨ornbacher 1979, S. 30 (Angabe Liliencron, Nr. 235 falsch). – Hamburg, SUB, cod. hist. 31e, 432r–434v (Hs. des Hieronymus Streitel, 1494/1504). – Rom, Bibl. Apost. Vat., Pal. IV 228, 39v-42v (Hs. des Simprecht Kr¨oll, Augsburg 1518/22). – Stuttgart, LB, Cod. hist. 8° 16a, S. 27–34 (Bd. 1 der Miscellanea historica des Oswald Gabelkover [1539–1616]). ¨ 1507. Spruch zum Lob des Hauses Osterreich (244 Verse). ¨ Uberlieferung: N¨urnberg, Germ. Nationalmuseum, Hs. Merkel 2° 966, 95v–96r. 1507. Spruch von der Niederlage der Franzosen bei St. Hubert am 18. Okt. (190 Verse). ¨ Uberlieferung: N¨urnberg, Germ. Nationalmuseum, Hs. Merkel 2° 966, 91r–92r. 1512. Spruch u¨ ber die Einnahme des Hohenkr¨ahen am 13. Nov. (158 Verse). ¨ Uberlieferung: Oktavdruck: [N¨urnberg, J. Weissenburger 1512], 4 Bll. (VD16 S 3227) (Weller.Rep.739), Ex. Berlin, SBB, Yg 6651 (Abschrift des 19. Jh. in Berlin, SBB, Mgq 371, S. 233–240). – Hs.: N¨urnberg, Germ. Nationalmuseum, Hs. Merkel 2° 966, 93v–94r. 1512. Spruch von der Eroberung der Raubschl¨osser vor dem Wald im Dez. (120 Verse). ¨ Uberlieferung: Oktavdruck: [N¨urnberg, Hieronymus H¨olzel 1512], 4 Bll. (VD16 S 3229) (Weller.Rep.738) [N¨urnberg, W. Huber 1513], Ex. Berlin, SBB, Yg 6656 (Digitalisat online). Ausgaben: Christian Sch¨ottgen/George Christoph Kreysig: Diplomatische und curieuse Nachlese, der Historie von Ober-Sachsen, und angr¨antzenden L¨andern. Eilffter Teil. Dresden/Leipzig 1733, S. 77–87 (1510. Annaberg). – Des Ritters G¨otz von Berlichingen mit der eisernen Hand eigene Lebensbeschreibung. Hg. v. Johann Gustav B¨usching/Friedrich Heinrich von der Hagen. Breslau 31813, Anhang Nr. 3, S. 221–224 (1512. Eroberung Raubschl¨osser). – Taschenbuch f¨ur die vaterl¨andische Gesch. Hg. v. Joseph Hormayer. Wien 1833, S. 263–265 (1509. ‹vngehorsame der Venediger›). – Ein Hundert Deutsche Historische Volkslieder. Hg. v. Friedrich Leonhard von Soltau. Leipzig 21845, S. 203–206 (1509. ‹vngehorsame der Venediger›). – Franz Trautmann: Die Abenteuer Herzog Christophs von Bayern, genannt der K¨ampfer. Bd. 1. Regensburg 1853, S. 494. – Erz¨ahlungen aus altdt. Hss. Gesammelt durch Adelbert von Keller. Stuttgart 1855, S. 188–191 (drei M¨annern, die 989

2. H¨alfte 15. Jh. u¨ ber ihre Frauen klagen). – Lochner 1866 (1492. Reichsheer auf dem Lechfeld). – Rochus von Liliencron: Die hist. Volkslieder der Deutschen vom 13. bis 16. Jh. Bd. 2. Leipzig 1966, Nr. 167 (1488. Maximilian Br¨ugge), Nr. 181 (1492. Reichsheer auf dem Lechfeld), Nr. 235 (1504. Landshuter Erbfolgekrieg), Nr. 244 (1504. B¨ohmenschlacht bei Re¨ gensburg), Nr. 250 (1507 Lob des Hauses Osterreich); Bd. 3. Leipzig 1867, Nr. 255 (1507. Niederlage Franzosen St. Hubert), Nr. 259 (1509. ‹vngehorsame der Venediger›). Nr. 270 (1512. Einnahme Hohenkr¨ahen), Nr. 271 (1512. Eroberung Raubschl¨osser), Nr. 279 (1511. Zunftaufruhr). – Rochus von Liliencron: Zwei politische Gedichte des 16. Jh. In: Neue Beitr. zur Gesch. dt. Alterthums 3 (1867) S. 77–109, hier S. 86–96 (1500. Reichstags zu Augsburg). – Conrad Hoffmann: H. S.s hist. Gedicht auf die Hinrichtung des Augsburger B¨urgermeisters Schwarz. In: Sb. der k¨oniglich bayerischen Akad. der Wiss. zu M¨unchen. 1870. Bd. 1, S. 503–511. – Dt. Pilgerreisen nach dem heiligen Lande. Hg. v. Reinhold R¨ohricht/Heinrich Meisner. Berlin 1880, S. 299–307. – Alte Einblattdrucke. Hg. v. Otto Clemen (Kleine Texte f¨ur ¨ Vorlesungen und Ubungen 86). Bonn 1911 (1512. Einnahme Hohenkr¨ahen). – Die dt. M¨arendichtung des 15. Jh. Texte. Hg. v. Hanns Fischer (MTU 12). M¨unchen 1966, S. 362–364, Nr. 40 (Treue und Untreue). – Lit. in Bayerisch Schwaben. Von der ahd. Zeit bis zur Gegenwart. Ausstellung anl¨aßlich der Schw¨abischen Kulturtage 1979. Augsburg Rathaus. Hg. v. Hans P¨ornbacher. Weißenhorn 1979 (1504. B¨ohmenschlacht). Literatur: Gustav Roethe, ADB 32 (1891) S. 121–123. – Frieder Schanze, VL2 8 (1992) Sp. 786–797; 11 (2004) Sp. 1383f. – Emil Weller: Annalen der poetischen National-Lit. der Deutschen im XVI. und XVII. Jh. 2 Bde. Freiburg i. Br. 1862–64. – Emil Weller: Repertorium typographicum. Die dt. Lit. im ersten Viertel des sechzehnten Jh. Im Anschluß an Hains Repertorium und Panzers dt. Annalen. Bd. 3. N¨ordlingen 1864. – Georg Wolfgang Karl Lochner: H. S.s Spruch von 1492. In: Anz. f¨ur Kunde der dt. Vorzeit NF 13 (1866) Sp. 9–14. – Conrad Hoffmann: H. S.s hist. Gedicht auf die Hinrichtung des Augsburger B¨urgermeisters Schwarz. In: Sb. der k¨oniglich bayerischen Akad. der Wiss. zu M¨unchen. 1870. Bd. 1. S. 500–503. – Emil Weller: H. S. In: ebd., Sp. 61 f. – Wendelin von Maltzahn: Dt. B¨ucherschatz. Jena 1875. – Arthur Wyss: Eine Limburger 990

2. H¨alfte 15. Jh. Hs. In: Neues Arch. f¨ur a¨ltere Geschichtskunde 7 (1882) S. 569–584. – Victor Michels: Stud. u¨ ber die a¨ ltesten dt. Fastnachtspiele. Straßburg 1896, S. 143–145. – Theodor Hampe: Volkslied und Kriegslied im alten N¨urnberg. In: Mitt. des Vereins f¨ur Gesch. der Stadt N¨urnberg 23 (1919) S. 3–54. – Theodor Hampe: Archivalische Miszellen zur N¨urnberger Literaturgesch. In: ebd. 27 (1928) S. 253–278. – Heinrich Niew¨ohner: Zwei ‹Ermahnungen wider die Tu¨ rken› und das Gedicht ‹Vom Eigennutz›. In: ZfdA 71 (1934) S. 49–64. – Heinrich Niew¨ohner: Das b¨ose Weib und die Teufel. In: ZfdA 83 (1951/52) S. 143–156. – Arnd Mu¨ ller: Zensurpolitik der Reichsstadt N¨urnberg. Von der Einf¨uhrung der Buchdruckereien bis zum Ende der Reichsstadtzeit. In: Mitt. des Vereins f¨ur Gesch. der Stadt N¨urnberg 49 (1959) S. 66–169. – Gerhard Pietzsch: F¨ursten und f¨urstliche Musiker im ma. K¨oln. Quellen und Stud. (Beitr. zur rheinischen Musikgesch. 66). K¨oln 1966, S. 81 ff. – Tilo Brandis: Mhd., mnd. und mndl. Minnereden. Mu¨ nchen 1968, S. 96. – Heinz Mundschau: Sprecher als Tr¨ager der ‹tradition vivante› in der Gattung ‹M¨are› (GAG 63). G¨oppingen 1972, S. 53 f. – Peter Seibert: Aufstandsbewegungen in Deutschland 1476–1517 in der zeitgen¨ossischen Reimlit. (Reihe Siegen 11). Heidelberg 1978, S. 274–277, 290–293. – Lotte Kurras: Die dt. ma. Hss. Bd. 2. Wiesbaden 1980, S. 83–88. – Fritz Langensiepen: Tradition und Vermittlung. Literaturgesch. und didaktische Unters. zu Hans Folz. Berlin 1980, S. 189 f., 254. – Gisela Ecker: Einblattdrucke von den Anf¨angen bis 1555 (GAG 314). 2 Bde. G¨oppingen 1981. – John Walter van Cleve: Revolution and the ‹Volkslied›. Cologne 1513. In: Neuphilologische Mitt. 82 (1981) S. 229–235. – Hans Fischer: Stud. zur dt. M¨arendichtung. Hg. v. Johannes Janota. T¨ubingen 21983, bes. S. 177–180. – Ferdinand Geldner: Bemerkungen zum Text des ‹T¨urkenschreis› von Balthasar Mandelreiß, des ‹T¨urkenkalenders› (1454) und der ‹Ermanung ... wider die T¨urken› von Niclas Wolgemut. In: Gutenberg-Jb. 58 (1983) S. 166–171. – Hans-Joachim Ziegeler: Erz¨ahlen im Sp¨atMA. M¨aren im Kontext von Minnereden, Bispeln und Romanen (MTU 87). M¨unchen 1985, S. 25, 234, 498, 558. – Frieder Schanze: Einblattdrucke von Hans Hochspringer d. J., Jakob K¨obel und Adam Dyon. In: Gutenberg-Jb. 59 (1984), S. 154 f. – Frieder Schanze: Nachtrag zu: ‹Von Virgilio dem Zauberer›. Ein unbekannter Druck Peter Wagners und seine Quellen – Enikels Weltchronik und ein Lied in Klingsors 991

Gruber Schwarzem Ton. In: ebd. 63 (1988), S. 88–94, hier S. 94. – Dieter H. Meyer: Literarische Hausb¨ucher des 16. Jh. Die Sammlungen des Ulrich Mostl, des Valentin Holl und des Simprecht Kr¨oll (W¨urzburger Beitr. z. dt. Philol. 2). 2 Tle. W¨urzburg 1989, S. 739 f., vgl. Reg. zum Kodex Valentin Holls. – Karina Kellermann: Abschied vom ¨ ‹hist. Volkslied›. Stud. zur Funktion, Asthetik und Publizit¨at der Gattung historisch-politische Ereignisdichtung. T¨ubingen 2000. – Frieder Schanze: Zu drei N¨urnberger Einblattdrucken des fr¨uhen 16. Jh. In: Gutenberg-Jb. (1992) S. 134–145, bes. S. 137 f. – Carla Meyer: Die Stadt als Thema. N¨urnbergs Entdeckung in Texten um 1500 (MAForschungen 26). Ostfildern 2009. – Christoph Fasbender: Annaberg-Boomtown. Gleichzeitigkeit und Ungleichzeitigkeit einer Metropole um 1500. In: Stadt der Moderne. Hg. v. C. F./Cecile Sandten. Trier (im Druck). – Ders.: Die Wiederkehr der Stadt in H. S.s ‹Ursprung und Herkommen der Stadt Annaberg› (1510). In: Wissenspal¨aste. R¨aume des Wissens in der Vormoderne. Hg. v. C. F./Gesine Mierke. W¨urzburg (in Druckvorb.). CK Gruber, Wenzel (Grueber) OSB. – Chronist, 15. Jh. Nach G.s Angaben stand seine Familie seit Generationen im Dienst der Trennbeck von Trennbach, einer bayerischen Adelssippe. G. selbst war Diener des 1468 verstorbenen Hans von Trenbach (auch Hanns von Trennbach). Wie Hans trat G. in die nieder¨osterr. Kartause Gaming ein, wo er aber nicht lange blieb. Er reiste nach Rom und wurde in Salzburg zum Priester geweiht. Zuletzt lebte er als Benediktiner in Scheyern. Dort schrieb er bis sp¨atestens 1486 eine Familienchronik der Trennbachs in dt. Sprache. G.s Autograph wurde bis ins 16. Jh. in der Familie Trennbach aufbewahrt. Nach dem Verlust der Chronik ist das Werk heute allerdings nur noch u¨ ber Exzerpte in sp¨ateren Chroniken nachzuweisen. So verfasste Johann Awer f¨ur den Passauer Bischof Urban von Trennbach um 1550 eine neue Chronik, in der er auf G.s Text zur¨uckgriff. Awers Chronik ist als Abschrift von 1590 erhalten. Daneben benutzte Wiguleus Hundt in seinem Stammbuch Teile von G.s Chronik. G.s Chronik enth¨alt auch eine Fassung der sog. Greisenklage. Sie wird von G. Hans von Trenbach als Verfasser zugeschrieben. Trenbachs Au992

Nikolaus von Popplau torschaft ist heute jedoch umstritten. Ob G. absichtlich oder irrt¨umlich eine falsche Zuschreibung vornahm, kann freilich nicht mehr nachgewiesen werden. ¨ Uberlieferung: Wien, Nieder¨osterr. Landesarch., Hs. 327, 17–261 (Passau, 1590, Abschr. der Chronik Awers). Ausgabe: Lorenz Westenrieder: Baierisch-hist. Calender oder Jb. der merkw¨urdigsten baierischen Begebenheiten alt- und neuer Zeiten f¨ur 1787. M¨unchen [1786], S. 278–285. – Wiguleus Hundt: Bayerisches Stammbuch 3. In: Slg. hist. Schr. und Urkunden 3. Hg. v. Maximilian v. Freyberg. Stuttgart/T¨ubingen 1830, S. 159–797, hier S. 719, 723–727. Literatur: Frieder Schanze, VL2 3 (1981) Sp. 285 f. – Hans-Dieter Mu¨ ck: ‹Den Techst vbr’ das Geleyemors Wolkenstain›. Oswalds v. Wolkenstein Liedtext Kl. 131 in Cgm 4871 und Gilles Binchois’ Chanson ‹Je loe amours›. In: Lyrik des ausgehenden 14. und des 15. Jh. Hg. v. Frank V. Spechtler. Amsterdam 1984, S. 115–148, hier S. 126–129. – Ulrich Seelbach: Sp¨ath¨ofische Lit. und ihre Rezeption im sp¨aten MA. Stud. zum Publikum des ‹Helmbrecht› v. Wernher dem Gartenaere. Berlin 1987, S. 62 f. MM Nikolaus von Popplau (auch Niclas von Poppel), * um 1443 Breslau, † nach dem 16.6.1490 N¨urnberg (?). – Kaufmann, H¨ofling, Reiseschriftsteller. N. war der Sohn eines von Liegnitz nach Breslau u¨ bersiedelten ritterb¨urtigen Kaufmanns, Ratsherren und B¨urgermeisters. Er genoss eine sorgf¨altige Erziehung und studierte ab 1456 an der Univ. Leipzig. Wegen des Tods seines Vaters trat N. aber bald darauf in das Familienunternehmen ein. Sp¨ater k¨ampfte er mit K¨onig Georg von Podiebrand gegen die Hussiten. Als Belohnung erhielt er 1469 ein Wappen von Papst Paul II. 1470 zog sich N. aus dem aktiven Gesch¨aft der Handelsgesellschaft zur¨uck, bevor er 1473 nach schwerer Krankheit einen Vergleich mit seinem a¨ lteren Bruder Kaspar erzielte. Nach 1480 war er am Hof Kaiser Friedrichs III. t¨atig, der N. 1483 Wappenprivilegien und den Titel eines Pfalzgrafen verlieh. 1483–86 unternahm N. zur Erlangung der Ritterw¨urde eine Reise durch Europa, 1486 und 1489/90 auch diplomatische Reisen zu Iwan III. von Russland. Bald nach seiner Heimkehr verstarb N. ¨ Uber seine Europa-Reise verfasste N. einen dt. Bericht, der in Abschriften des 18. Jh. erhalten 993

2. H¨alfte 15. Jh. ist. Darin ist ausf¨uhrlich N.s Itinerar wiedergegeben, u. a. mit Wien, Heidelberg, K¨oln, Br¨ussel, Antwerpen, Canterbury, London, Irland, Santiago de Compostela, Lissabon, Sevilla, Barcelona, Toulouse, Paris, Ulm, N¨urnberg, Leipzig und Prag. N. besaß ausgezeichnete Kontakte zum Adel und reiste meist von Hof zu Hof. Außerdem suchte er Pilgerst¨atten auf, so das Grab Thomas Beckets. Unterwegs sammelte bzw. tranportierte N. Empfehlungsschreiben und Briefe. Der Bericht beschreibt N.s Adelskontakte und Hofaufenthalte ebenso wie Sitten und Gebr¨auche der besuchten Gegenden. Dabei verf¨allt der Bericht allerdings manchmal in Stereotypen und Verallgemeinerungen. Insgesamt gilt der Text heute aber als wichtiges Zeugnis der sp¨atmittelalterlichen Reiseliteratur, u. a. da er adlige Netzwerke und Kommunikationsformen der Zeit sichtbar macht. ¨ Uberlieferung: Es sind nur Abschriften des 18. Jh. erhalten. Ausgaben: Reisebeschreibung Niclas von Popplau, Ritters, b¨urtig von Breslau. Hg. v. Johann Wilhelm Oelsner und Ulrich Reiche. In: Schlesien ehedem und jetzt 1 (1806) S. 27–45, 91–109, 184–200, 264–280, 357–372, 446–460, 530–535. – Samuel Benjamin Klose’s Darstellung der inneren Verh¨altnisse der Stadt Breslau vom Jahre 1458 bis zum Jahre 1526 (Scriptores rerum Silesiacarum 3). Hg. v. Gustav Stenzel. Breslau 1847, S. 361–375. – Reisebeschreibung Niclas von Popplau, Ritters, b¨urtig von Breslau. Hg. v. Piotr Radzikowski. Krak´ow 1998. – Wettlaufer 2007 (s. Lit.) S. 365–367 (Teildr.). Literatur: ADB 26 (1888) S. 428–431. – Dietrich Huschenbett, VL2 6 (1987) Sp. 1133 f.; 11 (2004) Sp. 1054 f. – Klaus Herbers, NDB 20 (2001) S. 629 f. – Ludwig Petry: Die P. Eine schlesische Kaufmannsfamilie des 15. und 16. Jh. Breslau 1935. – Gunhild Roth: Breslauer Kaufleute unterwegs in Europa. Handelsbeziehungen und Risiken im Spiegel von Rechtstexten des 15. und 16. Jh. In: Reisen und Welterfahrung. AngloGerman Colloquium in Liverpool 1989. Hg. v. Dietrich Huschenbett/John Margetts. W¨urzburg 1991, S. 228–239. – Werner Paravicini: Von der ¨ Heidenfahrt zur Kavalierstour. Uber Motive und Formen adeligen Reisens im sp¨aten MA. In: Wissenslit. im MA und in der Fr¨uhen Neuzeit. Hg. v. Horst Brunner/Norbert Wolf. Wiesbaden 1993, S. 91–130. – Isabel Braga: Imagens ´ de Africa nos textos de Ehingen, Rosmital, P. e 994

2. H¨alfte 15. Jh. M¨unzer. In: Bulletin of Hispanic Studies 71 (1994) S. 55–66. – Detlev Kraack: Monumentale Zeugnisse der sp¨atma. Adelsreise. Inschr. und Graffiti des 14–16. Jh. (Abh. der Akad. der Wiss. in G¨ottingen, philol.-hist. Kl. 3,224). G¨ottingen 1997. – Ders.: Monumentale Zeugnisse der sp¨atma. Adelsreise auf den Wegen nach Santiago de Compostela. In: Der Jakobuskult in ‹Kunst› und ‹Literatur›. Zeugnisse in Bild, Monument, Schr. und Ton. Hg. v. Klaus Herbers. T¨ubingen 1998, S. 109–125. – P. Radzikowski: Niclas v. P., His Work and Travels. In: The Ricardian 11 (1998) H. 140, S. 239–248. – Livia Visser-Fuchs: ‹He hardly touched his food, but talked with me all the time.› What Niclas v. P. Really Wrote about Richard III. In: The Ricardian 11 (1999) H. 145, S. 525–530. – Europ¨aische Reiseber. des sp¨aten MA 1. Eine analytische Bibliogr. Hg. v. Werner Paravicini. Bearb. v. Christian Halm. Frankfurt a. M. u. a. 22001, S. 220–223. – D. Kraack: Pilgerfahrten und Reisen v. West nach Ost und v. Ost nach West. Beziehungsgeschichtliche Perspektiven und Anregungen zur Untersuchung der adligen Mobilit¨at im Sp¨atMA. In: Der Jakobuskult in Ostmitteleuropa. Einfl¨usse, Wirkungen. Hg. v. K. Herbers/Dieter R. Bauer. T¨ubingen 2003, S. 57–74. – W. Paravicini: Der Fremde am Hof. N. v. P. auf Europareise 1483–1486. In: F¨urstenh¨ofe und ihre Außenwelt. Aspekte gesellschaftlicher und kultureller Identit¨at im dt. Sp¨atMA. FS Josef Fleckenstein. Hg. v. Thomas Zotz. Wu¨ rzburg 2004, S. 291–337. – Jo¨ rg Wettlaufer: Gesandtschafts- und Reiseberichte. In: H¨ofe und Residenzen im sp¨atma. Reich. Hof und Schrift. Hg. v. W. Paravicini. Ostfildern 2007, S. 361–372. – D. Kraack: N. v. P. (um 1443–nach dem 16. Juni 1490). In: Schlesische Lebensbilder 10. Hg. v. Karl Borchardt. Insingen 2010, S. 43–56. MM Institoris, Heinrich (latinisiert aus Heinrich Kramer) OP, * um 1430 Schlettstadt/Elsass, † 1505 in M¨ahren. Um 1445 in Schlettstadt in den Dominikanorden eingetreten, studierte I. u. a. in Schlettstadt und Rom. 1458 nahm er als Beichtvater an der Verbrennung des Waldenserbischofs Friedrich Reiser in Straßburg teil. 1474 schloss er in Rom das Studium ab, erhielt Mitte Juni desselben Jahres die Befugnis zur Inquisition und unterst¨utzte auf der R¨uckreise 1475 den Bischof von Trient bei seinem Ritualmordprozess gegen die o¨ rtliche Judengemeinde 995

Institoris (→ Simon von Trient). Auf einer Rundreise durch Oberdeutschland sammelte I. Material u¨ ber Ritualmordprozesse und publizierte gegen Waldenser, Hussiten, B¨ohmische Br¨uder, Taboriten und andere Anh¨anger vermeintlicher Irrlehren. 1479 wurde er von Sixtus IV. zum p¨apstlichen Inquisitor von Oberdeutschland ernannt und vom Ordensgeneral zum Doctor theologiae promoviert. I. war an Hexeninquisitionen in den Di¨ozesen Straßburg, Basel, Konstanz und Brixen, m¨oglicherweise auch Metz und Trier beteiligt, veranlasste die uneinschr¨ankte Anwendung der Folter und f¨alschte Urkunden sowie Zeugenaussagen. 1482 unterschlug er Ablassgelder in Augsburg, was einen Haftbefehl zur Folge hatte. Zum Schutz f¨ur seine T¨atigkeit erwirkte I. 1484 von Papst Innozenz VIII. die Bulle Summis desiderantes (5.12.1484), die ihn zum Generalinquisitor ernannte und zur Hexenverfolgung in allen dt. Di¨ozesen beauftragte. Auf dem R¨uckweg von Rom veranlasste er einen Hexenprozess in Innsbruck. Als Vertreter aller sozialen Schichten gegen ihn protestierten, setzte Bischof Georg (II.) Golser von Brixen eine Kommission ein, die I.’ T¨atigkeit untersuchte. Aufgrund von deren Ergebnis ließ der Bischof die Verfolgung einstellen und hob die Urteile der Inquisition auf. I. wurde aufgefordert, das Land zu verlassen. Als Reaktion darauf verfasste er in Eile ein Werk, in dem er seine gescheiterte Hexenverfolgung zum Erfolg umgestaltete, den Malleus Maleficarum («Hexenhammer»). Dieses Handbuch zur Hexenverfolgung erschien im Herbst 1486 bei Peter Drach in Speyer erstmals im Druck (bis 1523 gab es 13 Auflagen in Deutschland und Frankreich, zwischen 1574 und 1620 weitere 14 Auflagen, zuletzt 1669 in Lyon). Der in der Apologia als Mitautor genannte Prior der dt. Ordensprovinz, Jakob Sprenger, Angeh¨origer des observanten Fl¨ugels des Ordens, war keineswegs an der Abfassung dieses Werkes beteiligt, vielmehr bek¨ampfte er die Aktivit¨aten I.’ und u¨ berzog ihn seit 1485 mit Verweisen und der Androhung von Strafen und Verboten. Anhaltender Druck vonseiten der K¨olner Oberen bewirkte, dass I. 1493 nach Salzburg, 1496 nach Venedig und 1500 als Inquisitor nach Olm¨utz gehen musste. Zu den Schriften I.s geh¨oren ferner die Epistola contra quendam conciliistam archiepiscopum videlicet Crainensem (1482), mit der er gegen den Erzbischof von Krain, seinen Ordensbruder Andreas Zamometiˇc, vorging (vgl. GW 1857–59). 996

Bote ¨ Uberlieferung: Rom, cod. Vat. Ottobon. 736 (4.11.1482). – Wien, cod. 3853, 287r–294r (1484). Drucke: Hain 9235 und 9236; Einblattdrucke 681 und 682. In seiner Gegenschrift zur Monarchia (1483 und 1487 in Venedig gedruckt) des Antonio Roselli, dem Opusculum in errores Monarchie von 1496 (Hain 9237) setzte I. Rosellis Forderung der strikten Trennung von geistlicher und weltlicher Gewalt mit Ketzerei gleich. W¨ahrend seiner T¨atigkeit in Augsburg enstanden der Tractatus novus de miraculoso eucaristie sacramento [...] (1493; Hain 9234) und die Sammlung Tractatus varii cum sermonibus plurimis contra quattuor errores novissime exortos adversus divinissimum eucharistie sacramentum [...] (1495; Hain ¨ 9233). Nach der Ubernahme des Auftrags von Papst Alexander VI., als Inquisitor nach Olm¨utz zu gehen, entstand als I.’ letztes Werk Sancte Romane ecclesie fidei defensionis clippeus adversus Waldensium seu Pickardorum heresim (Olm¨utz, C. Baumgarten, 1501). Ausgabe: Heinrich Kramer (Institoris): Der Hexenhammer. Malleus Maleficarum. Hg. v. G¨unter Jerouschek/Wolfgang Behringer. Neu aus dem Lateinischen u¨ bertragen v. W. Behringer, G. Jerouschek und Werner Tschacher. Mu¨ nchen 2000. 6 2007. Literatur: Friedrich Merzbacher, NDB 10 (1974) 175 f. – Andr´e Schnyder/Franz Josef Worstbrock, VL2 4 (1983) Sp. 408–415. – Reinhard Tenberg, BBKL 2 (1990) Sp. 1307–1310. – Wolfgang Behringer, LThK3 5 (1996) Sp. 543 f. – Ders., Killy2 6 (2009) S. 55 f. – A. Schnyder: Formen und Funktionen des Erz¨ahlens in einigen d¨amonologischen Exempla des ‹Malleus maleficarum› (1487) v. I. und Sprenger. In: Archivum Fratrum Praedicatorum 66 (1996) S. 257–292. – Peter Segl (Hg.): Der Hexenhammer. Entstehung und Umfeld des Malleus Maleficarum v. 1487. K¨oln/Wien 1988. – W. Behringer/G¨unter Jerouschek: ‹Das unheilvollste Buch der Weltliteratur›? Zur Entstehungs- und Wirkungsgesch. des Malleus Maleficarum und zu den Anf¨angen der Hexenverfolgung. In: Heinrich Kramer (Institoris): Der Hexenhammer. Malleus Maleficarum (s. Ausg.) S. 9–98. – A. Schneider: Vom Teufel im Salat und anderen Erscheinungen des B¨osen. Die Teufelsvorstellung im ‹Hexenhammer› (1487). In: Engel, Teufel und D¨amonen. Einblicke in die Geisterwelt des MA. Hg. v. Hubert Herkommer/Rainer Christoph Schwinges. Basel 2006, S. 89–102. BJ 997

2. H¨alfte 15. Jh. Ulmer Annalen / Ulmer Chronik. Zu der nicht umfangreichen ma. Chronistik der Stadt Ulm – Felix → Fabris um 1490 entstandener Tractatus de civitate Ulmensi ist nicht chronologisch angeordnet – k¨onnen folgende dt. Texte gez¨ahlt werden: die Ulmer Annalen (zwei Reihen von Aufzeichnungen; die Karlsruher Hs. umfasst die Jahre 1397 bis 1487, die Wiener Hs. die Jahre 1300 bis 1452) und die bis 1474 reichende Ulmer Chronik. Der Ulmer Chronist Sebastian Fischer griff in der Mitte des 16. Jh. neben der Ulmer Chronik wahrscheinlich auch auf die Notizenreihen der Ulmer Annalen zur¨uck. ¨ Uberlieferung: Annalen: Karlsruhe, LB, cod. St. ¨ Georgen 71, 147v–148v. – Wien, ONB, cod. 2908, 189v–190v (datiert 1477). – Chronik: Wilhelm Seuffers Hs. (Anfang 16. Jh.; verschollen). – Ulm, Stadtarch. G 1/1529 (geschrieben von Hans Ehinger 1529). Ausgaben; Annalen: Franz Joseph Mone: Annalistische Aufzeichnungen zur Gesch. von Ulm (1307–1487) mitgetheilt aus einer Karlsruher Hs. In: Anz. f¨ur Kunde des dt. MA (1834) S. 229 f. – Chronik: Anonyme Chron. von Ulm (11473). Nach einer (in seinem Besitz befindlichen) Hs. aus dem Anfang des 16. Jh. v. Pfarrer Seuffer in Zainingen. In: Verhandlungen des Hist. Vereins Ulm Ser. NF 3 (1871) S. 29–36. Literatur: Klaus Graf, VL2 11 (2004) Sp. 1580–1583. – Friedrich Pressel: Der ulmische Chronist Sebastian Fischer. In: Verhandlungen des Vereins f¨ur Kunst und Alterthum in Ulm und Oberschwaben NF 2 (1870) S 1–10. – Karl Gustav Veesenmeyer (Hg.): Sebastian Fischers Chron. besonders von Ulmischen Sachen. In: Ulm-Oberschwaben 5/8 (1896) S. I–X, 1–278. – Heinrich Betz: Die Reichsstadt Ulm im Lichte ihrer fr¨uhen. Geschichtsschreibung. In: Schw¨abische Heimat 5 (1954) S. 180–184. – K. Graf: Schlachtengedenken in der Stadt. In: Stadt und Krieg. Hg. v. Bernhard Kirchg¨assner/G¨unter Scholz (Stadt in der Gesch. 15). Sigmaringen 1989, S. 83–104, hier S. 94, 98 f. BJ Bote, Konrad. – Goldschmied, mutmaßlicher Kompilator einer mndl. Sachsenchronik (Cronecken der sassen). ¨ Uber die Frage, ob Konrad oder Hermen/Hermann Bote (wohl der Vetter Konrads) als Verfasser gelten k¨onnen, hat die Forschung nach wie vor keinen Konsens erzielt (vgl. dazu Funke, Flood, 998

2. H¨alfte 15. Jh. Worm). Umstritten ist auch, ob der Titel der Chronik als Plural- oder Singularform zu verstehen ist. Der Goldschmied Konrad Bote kam vermutlich von Wernigerode nach Braunschweig und schrieb dort seine Cronecken der sassen. Neben der Stadt Braunschweig werden darin die gesamten nieders¨achsischen Lande und besonders die Stadt Magdeburg behandelt, wobei Bote auch Kaiser- und F¨urstengenealogien in seine Chronik einbezieht. Diese ist zwar als Kompilation aus der → S¨achsischen Weltchronik, der → Magdeburger Sch¨oppenchronik und der → Braunschweigischen Reimchronik anzusehen, setzt ihnen gegen¨uber jedoch erkennbar neue Akzente, etwa durch den reichsgeschichtlichen Bezugsrahmen, der im Zusammenspiel von dynastisch orientierter Landesgeschichte, Stadt-, bzw. Bistumsgeschichte und einem christlich-teleologischen Geschichtsmodell entwickelt wird. Aufgrund der reich mit Holzschnitten illustrierten Ausgabe von 1492 wird die Chronik auch als Nieders¨achsische Bilderchronik bezeichnet. Ihre Wirkung war im nieders¨achsischen Raum betr¨achtlich und schl¨agt sich in mehreren Fortsetzungen nieder. Funke dokumentiert 93 Inkunabeln der Cronecken der sassen, von denen zw¨olf handschriftliche Anh¨ange aufweisen. Ausgabe: Eine Edition liegt nicht vor. Ein Verzeichnis der Drucke findet sich bei Funke, S. 302–304. Literatur: Thomas Sandfuchs, VL2 1 (1978) Sp. 970 f. – Carl Schaer: Conrad B.s nieders¨achsische Bilderchron., ihre Quellen und ihr hist. Wert. Hannover 1880. – John L. Flood: Probleme um B.s Cronecken der sassen. In: Hermen Bote. Braunschweiger Autor zwischen MA und Neuzeit. Hg. v. Detlev Sch¨ottker/Werner Wunderlich (Wolfenb¨utteler Forschungen 37). Wiesbaden 1987, S. 179–194. – Heinz-Lothar Worm: Zur Cronecken der sassen. In: EulenspiegelJb. 27 (1987) S. 29–38. – Herbert Blume/ Eberhard Rohse: Hermann-Bote-Forschung von 1987–1990. In: Hermen Bote. St¨adtisch-hansischer Autor in Braunschweig 1488–1988. Beitr. zum Braunschweiger Kolloquium 1988. Hg. v. H. Blume/E. Rohse (Fr¨uhe Neuzeit 4). T¨ubingen 1991, S. 325–364. – Cornelia Schneider: Konrad Botho. Chronecken der Sassen. In: Gutenberg: Aventur und Kunst. Vom Geheimunternehmen zur ersten Medienrevolution. Kat. zur Ausstellung der 999

Eisenberg Stadt Mainz anl¨aßlich des 600. Geburtstages v. Johannes Gutenberg, 14. April – 3. Oktober 2000. Hg. v. der Stadt Mainz. Mainz 2000, S. 379 (Katalognummer GM 195). – Brigitte Funke: Cronecken der sassen. Entwurf und Erfolg einer s¨achsischen ¨ Geschichtskonzeption am Ubergang vom MA zur Neuzeit (Braunschweiger Werkst¨ucke 104; Reihe A Ver¨off. aus dem Stadtarch. und der Stadtbibl. 48). Braunschweig 2001. KP Eisenberg, Jakob. – Mo¨ glicher Verfasser einer mnd. Chronik. Der ansonsten unbekannte E. galt im 18. Jh. als Autor der 1492 gedruckten Cronecken der Sassen. Diese mnd. Chronik mit farbigen Holzschnitten stellt prim¨ar die Geschichte Niedersachsens, Magdeburgs und Braunschweigs dar. Das Werk benutzte vor allem die → Magdeburger Sch¨oppenchronik, die → Braunschweigische Reimchronik und die → S¨achsische Weltchronik als Quellen. Sp¨ater erlebte die Chronik lat. und hochdt. Bearbeitungen. Heute wird E. allgemein nicht mehr als Autor des Texts angenommen. Meist werden zwei Personen als m¨ogliche Verfasser genannt: einmal der wohl aus Wernigerode stammende Goldschmied Konrad (Cord) Bote, der von 1475 bis 1501 in Braunschweig lebte; weiterhin der Braunschweiger Zollschreiber → Hermann (Hermen) Bote, der wahrscheinlich ein Vetter Konrads war und 1520 starb. Hermanns Autorschaft liegt u. a. nahe, da er auch mit weiteren Chroniken hervortrat. Druck: Cronecken der Sassen. Mainz: Peter Sch¨offer 1492 (GW 4963). Ausgaben: Mittlerweile mehrere Digitalisate des Drucks von 1492: BSB Mu¨ nchen [o. J.]. – Herzogin Anna Amalia Bibl. Weimar [o. J.]. – HAB Wolfenb¨uttel 2008. – Vgl. auch http://gesamtkatalogderwiegendrucke.de/docs/GW04963.htm. Literatur: Thomas Sandfuchs: Bote, Konrad. In: VL2 1 (1978) Sp. 970 f. – De Boor/Newald 4/1 (21994) S. 153 f. – Johann Christoph Adelung: Fortsetzung und Erg. zu Christian Gottlieb J¨ochers Gelehrten-Lex. 2. Leipzig 1787, Sp. 854. – John L. Flood: Probleme um Botes ‹Cronecken der sassen›. In: Hermen Bote. Braunschweiger Autor zwischen MA und Neuzeit. Hg. v. Detlev Sch¨ottker und Werner Wunderlich. Wiesbaden 1987, S. 179–194. – Hermann Bote. St¨adtisch-hansischer Autor in Braunschweig 1488–1988. Beitr. zum Braunschweiger Bote-Kolloquium 1988. Hg. v. Herbert Blume/ 1000

Lankmann von Falkenstein Eberhard Rohse. T¨ubingen 1991. – Brigitte Funke: ‹Cronecken der sassen›. Entwurf und Erfolg ei¨ ner s¨achsischen Geschichtskonzeption am Ubergang vom MA zur Neuzeit. Braunschweig 2001. – H. Blume: Hermann Bote. Braunschweiger Stadtschreiber und Literat. Stud. zu seinem Leben und Werk. Bielefeld 2009. MM Lankmann von Falkenstein, Niklas (Lanck[h]mann v. Val[c]kenstein, Nicolaus). – Habsburgischer Gesandter und Hofkaplan, Verfasser eines Berichts zur Hochzeit und Kr¨onung Friedrichs III., zweite H¨alfte 15. Jh. L. stammte aus dem nieder¨osterreichischen Falkenstein und wurde 1446 in Passau zum Priester geweiht. Im M¨arz 1451 wurde er als «Mandatarius specialis» zusammen mit Jakob → Motz vom sp¨ateren Kaiser Friedrich III. nach Lissabon gesandt, um dessen Ehe mit Eleonore von Portugal, der Schwester K¨onig Alfons V., per procurationem zu schließen und die Braut zur Trauung und Kr¨onung nach Rom zu geleiten. In den Jahren nach seiner Reise versah L. Pfarreien in Wullersdorf, Wien und Stein an der Donau und wurde 1464 von Kaiserin Eleonore zum Hofkaplan bestellt. 1473 erscheint er in den Kanonisationsakten Markgrafs Leopolds III. Zwar erwarb L. 1475 eine Herrenpfr¨unde mit Wohnung in Klosterneuburg, wird 1485 aber noch als wohnhaft in Stein bezeugt. Aus dem Jahr 1489 stammt die letztmalige urkundliche Erw¨ahnung. ¨ Uber seine Gesandschaftsreise nach Portugal und die sich anschließenden Zeremonien hat L. einen autobiographischen Bericht verfasst, die Desponsatio et Coronatio serenissimidomini Imperatoris Fridericii tercii et eius auguste domine Leonore. L. schildert die gemeinsame Reise mit Motz ausgehend von der Wiener Neustadt u¨ ber Genf, Montpellier und Barcelona. In Santiago di Compostela hielten die Reisenden sich drei Tage auf und erreichten im Juli Lissabon. Nach dem Eheschluss am 2. August und den anschließenden Feierlichkeiten wird ¨ die Uberf¨ uhrung von Friedrichs Braut nach Italien auf dem Seewege dargestellt. Nach der Zusammenf¨uhrung des Paares in Siena, dem Zug nach Rom, den dortigen Feierlichkeiten und einer Reise nach Neapel erfolgte im April 1452 die R¨uckreise nach Wien u¨ ber Venedig. L. war Teil des Gefolges der Kaiserin und gelangte im Juni 1452 in die Wiener Neustadt zur¨uck. An die Schilderung der Reisen und Feierlichkeiten hat L. noch kurze Nachrichten u¨ ber die Flucht 1001

2. H¨alfte 15. Jh. Leonores vor den St¨anden nach Leoben (August 1452), u¨ ber die Kinder des Kaiserpaares, Friedrichs Wahl zum ungarischen K¨onig 1459 und den Tod der Kaiserin 1467 geh¨angt. Es ist davon auszugehen, dass tagebuchartige Aufzeichnungen die Grundlage f¨ur L.s Bericht, in dem gelegentlich auch in der subjektiven Ich-Form erz¨ahlt wird, bildeten. Die Darstellung ist detailreich und lebendig und offenbart die Weltoffenheit ihres Verfassers. Stilistisch ist der Text noch ganz dem MA verhaftet. Bischof Nikolaus Kaps ließ 1503 in Augsburg sowohl den lat. Reisebericht als auch eine dt. ¨ Ubersetzung drucken. Beiden Drucken vorangestellt sind Widmungsschreiben Kaps’ an K¨onig → Maximilian I. Laut Schlusswort der dt. Fassung ¨ stammt die wortgetreue Ubertragung von Kaps selbst. Die Publikationen standen im Dienste der Propaganda f¨ur die Kaiserkr¨onung Maximilians. ¨ Marx → Treitzsaurwein benutzte die dt. Ubersetzung f¨ur den ersten Teil des Weißkunig. ¨ ¨ Uberlieferung: Desponsatio (Hss.): Wien, ONB, r v r r Cod. 3286, 1 –46 und Cod. 3288, 1 –47 . Beide Hss. zweite H¨alfte 15. Jh. von gleicher Hand (Autographen[?]). – Ebd., Cod. 3636, 269r–279v (1526/37, Schreiber: Leonhard Schilling). – Ebd., Cod. 9784, 1r–47v (17. Jh., Abschr. Cod. 3286). – Wien, Haus-, Hof- und Staatsarch., Cod. Rot 140 ¨ (Suppl. 5) (Ende 15. Jh., Abschr. ONB Cod. 3288), angelegt f¨ur K¨onig Maximilian I. – Desponsatio (Druck): Sacratissimi et Jnuictissimi Romanorum Jmperatoris Friderici tercij. Ac conthoralis ipsius Leonore desp¯osatio ac ipsor¯u coronatio [...]. Augsburg (Hans Froschauer) 1503 (VD16 L 414), nach Cod. 3288. – Desponsatio (dt.): Des allerdurchleichtigsten vnnd vn¨uberwindtlichsten f¨ursten vnd here ren. hern Friderichen des dritten Romischen kaysers. Vnd frawen Leonora. k¨unigin auß Portugal. e verm¨achelunng v¯n kronung [...]. Augsburg (Johann Otmar) 1503 (VD16 L 415). – Aus dem Klosterneuburger Nachlass L.s: Breviarium Salisburgense: Klosterneuburg, Stiftsbibl., Cod. 970. – Sammelhs. mit lat. Sermones aus den Jahren 1441–1456 (von Motz?): Ebd., Cod. 893. Ausgaben: Marquard Freher/Burkhard Gotthelf Struve: Rerum Germanicarum Scriptores aliquot insignes. Bd. 2. Straßburg 1717, S. 55–80 (nach VD16 L 414). – Hieronymus Pez: Scriptores rerum austriacarum veteres ac genuini. Bd. 2. Leipzig 1725, S. 571–606 (nach Cod. 3288). – Aires 1002

2. H¨alfte 15. Jh. Augusto Nascimento: Leonor de Portugal, imperatriz da Alemanha. Di´ario de viagem do embaixador Nicolau Lanckman de Valckenstein (Colec¸ca˜ o Medievalia 6). Lissabon 1992 (mit portugiesischer ¨ Ubers.). Literatur: Paul Uiblein, VL2 5 (1985) Sp. 603–607. – Barbara Schmid, Encyclopedia of the Medieval Chronicle (Lanckmann de Valckenstein, Nicolaus). – Joseph Chmel: Gesch. Kaiser Friedrichs IV. und seines Sohnes Maximilian I. Hamburg 1843, S. 679–700. – Ernst v. Birk: Die Leonor von Portugal. Gemahlinn Kaiser Friedrichs des Dritten 1434–1467. Ein Vortrag gehalten in der feierlichen Sitzung der Kaiserl. Akad. der Wiss. am 31. Mai 1858. Wien 1858, S. 166–192 (wieder in: Almanach. Akad. der Wiss. in Wien 9 [1859] S. 153–188). – Ottokar Lorenz: Deutschlands Geschichtsquellen im MA seit der Mitte des dreizehnten Jh. Bd. 2. Berlin 31887, S. 304 f. – Franz Krones: Leonor v. Portugal. In: Mitt. des hist. Ver. f¨ur Steiermark 49 (1902) S. 53–120, hier S. 61–79. – Joseph Strobl: Stud. u¨ ber die literarische T¨atigkeit Kaiser Maximilian I. Berlin 1913, S. 98–149. – Franz Pesendorfer: Der Weißkunig Kaiser Maximilians I. Diss. Wien 1931, S. 39–44. – Heinz Otto Burger: Der Weißkunig als Lit.denkmal. In: Kaiser Maximilians I. Weißkunig Bd. 1 (Textbd.). Hg. v. Heinrich T. Musper u. a. Stuttgart 1956, S. 25. – Alphons Lhotsky: Quellenkunde zur ma. Gesch. ¨ ¨ Erg.-Bd. 19). Graz/K¨oln 1963, Osterreichs (MIOG S. 361 f. – Gerd Tellenbach: Zur Fr¨uhgesch. abendl¨andischer Reisebeschreibungen. In: Historia integra. FS Erich Hassinger. Hg. v. Hans Fenske u. a. Berlin 1977, S. 51–80, hier S. 66 f. – Ders.: Glauben und Sehen im Romerlebnis dreier Deutscher des 15. Jh. In: R¨omische Kurie, Kirchliche Finanzen, Vatikanisches Arch. Stud. zu Ehren v. Hermann Hoberg (Miscellanea historiae pontificiae 46). Teilbd. 2. Rom 1979, S. 883–912, hier S. 895–903. – P. Uiblein: Die Quellen des Sp¨atMA. ¨ In: Die Quellen der Gesch. Osterreichs (Schr. des ¨ Inst. f¨ur Osterreichkunde 40). Hg. v. Erich Zo¨ llner. Wien 1982, S. 50–113, hier S. 112. – Erwin Koller: O Portugal, o Portugal, wie gar ain guets kunigreich bist du! Die Brautwerbungsbotschaft Friedrichs III. im Weißkunig. In: Lit. und Sprache in Tirol von den Anf¨angen bis zum 16. Jh. (Schlern-Schr. 301). Hg. v. Michael Gebhardt/ Max Siller. Innsbruck 1996, S. 293–321. – Ders.: Die Verheiratung Eleonores v. Portugal mit Kaiser 1003

Motz Friedrich III. in zeitgen¨ossischen Ber. In: Portu´ gal – Alemanha – Africa. Do imperialismo colonial ao imperialismo pol´ıtico (Colec¸ca˜o Actas & col´oquios 7). Hg. v. Ant´onio Henrique R. de Oliveira Marques u. a. Lissabon 1996, S. 43–56, hier S. 49–55. – Repertorium fontium historiae medii aevi 7 (1997) S. 119 f. – Folker Reichert: Erfahrung der Welt. Reisen und Kulturbegegnung im sp¨aten MA. Stuttgart u. a. 2001, S. 65, 97–99. – B. Schmid: Schreiben f¨ur Status und Herrschaft. Dt. Autobiographik in Sp¨atMA und fr¨uher Neuzeit. Z¨urich 2006, S. 157 f. – Albrecht Classen: S¨udwesteurop¨aische Grenz¨uberschreitungen aus dt. Perspektive. Fremdbegegnung zwischen deutschsprachigen Reisenden und der iberischen Welt im Sp¨atMA. In: ¨ 116 (2008) S. 34–47, hier S. 40 f. MIOG VZ Motz, Jakob. – Theologe, Verfasser von Hochzeitsreden. M. stammte wahrscheinlich aus dem bayerischen Kempten, studierte seit 1435 in Wien Theologie und erwarb dort 1442 das Baccalaureat. Anschließend war er Hofkaplan und Beichtvater von K¨onig Friedrich III., sp¨ater wohl Pfarrer in Z¨urich. Als Friedrich seine bereits 1450 vereinbarte Ehe mit Leonore von Portugal eingehen wollte, entsandte er M. und Niklas → Lankmann nach Lissabon. Dort schloss M. als Prokurator Friedrichs die Ehe und geleitete die Braut dann nach Rom, wo Friedrich und Leonore 1452 getraut und zum Kaiserpaar gekr¨ont wurden. W¨ahrend seines Aufenthalts in Lissabon hielt M. zwei lat. Hochzeitsreden, die an Leonores Bruder Alfons V. und an die Braut selbst gerichtet waren. In der Rede an Leonore verherrlicht M. die Braut als tugendhafte Frau und preist im Bild des Goldrings die Ehe. M.s Ansprachen standen zu ihrer Zeit in gutem Ansehen. Albrecht von Bonstetten schrieb sie Aeneas Silvius → Piccolomini zu und benutzte sie in seiner Historia domus Austriae von 1491. Noch zu Lebzeiten Friedrichs III. entstand eine anonyme ¨ dt. Ubersetzung, die m¨oglicherweise aus dem Umfeld des Niklas von Wyle stammt. Diese Fassung ist nur noch in einem Druck des 18. Jh. erhalten. Eine dritte Lissabonner Rede M.s, die er im Oktober 1451 zum Abschied vor Alfons hielt, ist nur in einer Wolfenb¨utteler Handschrift u¨ berliefert. ¨ Uberlieferung: Wolfenb¨uttel, HAB, cod. 24.5 Aug. 4°, 79r–85r (um 1460, enth¨alt alle Ansprachen). – M¨unchen, UB, 2° cod. ms. 667, 145r–145v, 1004

Scherer von Ilau ¨ 146v (um 1463). – Augsburg, UB, cod. Ottingenv r Wallerstein II Lat. 1 4° 33, 41 –43 (um 1470). Ausgaben: Rerum Germanicarum Scriptiores varii 2. Hg. v. Marquard Freher/Burkhard Struve. Straßburg 1717, S. 31–34. – Georg Schepss: Verm¨ahlung K¨onig Friedrichs III. mit Leonor von Portugal. In: Anz. f¨ur Kunde der dt. Vorzeit NF 26 (1879) Sp. 104–107. ¨ Ubersetzungen: Nachlese in den ReichsGeschichten, bestehend in einer neuen Sammlung von ungedruckten Reichs-Tags- und insbesondere von Reichs-St¨adtischen-CollegialHandlungen unter der Regierung Kaiser Friederichs III. Hg. v. Gustav K¨onig von K¨onigsthal. Frankfurt/M., Leipzig 1759, S. 25–32. Literatur: Franz J. Worstbrock, VL2 6 (1987) Sp. 711 f. – Franz von Krones: Leonor v. Portugal, Gemahlin Kaiser Friedrichs III., des steirischen Habsburgers (1436–1467). In: Mitt. des Hist. Ver. f¨ur Steiermark 49 (1902) S. 53–120. – Alphons Lhotsky: Quellenkunde zur ma. Gesch. ¨ Osterreichs. Graz/K¨oln 1963, S. 361 f. – Katherine Walsh: Deutschsprachige Korrespondenz der Kaiserin Leonora v. Portugal. Bausteine zu einem geistigen Profil der Gemahlin Kaiser Friedrichs III. und zur Erziehung des jungen Maximilian. In: Kaiser Friedrich III. (1440–1493) in seiner Zeit. Stud. anl¨aßlich des 500. Todestags am 19. August 1493/1993. Hg. v. Paul-Joachim Heinig. K¨oln u. a. 1993, S. 399–445. – Eberhard Holtz: Eine Portu¨ giesin in Osterreich. Eleonore, Gemahlin Kaiser Friedrichs III. In: F¨urstinnen und St¨adterinnen. Frauen im MA. Hg. v. Gerald Beyreuther u. a. Freiburg i. Br. u. a. 1993, S. 255–282. – Alois Niederst¨atter: Der alte Z¨urichkrieg. Stud. zum o¨ sterr.eidgen¨ossischen Konflikt sowie zur Politik K¨onig Friedrichs III. in den Jahren 1440 bis 1446. Wien u. a. 1995, S. 105 f. – Bettina Maleczek-Pferschy: Kaiserin Eleonore. In: Frauen des MA. Hg. v. Karl Schnith. Wien 1997, S. 420–446. – Carolin Mauz: Das Bild der Leonora v. Portugal in der ‹Historia austrialis› des Aeneas Sylvius de Piccolomini. In: Bilder, Wahrnehmungen, Vorstellungen. Neue Forschungen zur Historiographie des hohen und sp¨aten MA. Hg. v. J¨urgen Sarnowsky. G¨ottingen 2007, S. 141–163. MM Scherer von Ilau (Illnau, Il¨ow). – Verfasser eines historisch-politischen Ereignisliedes, sp¨ates 15. Jh. Als «der scherrer von yl¨ow» (Autorsignatur der Schlussstrophe, vermutlich Illnau, Kt. Zu¨ rich) be1005

2. H¨alfte 15. Jh. zeichnet sich der Dichter eines Liedes, das vom Aufruhr gegen den als korrupt und u¨ berheblichen geltenden Z¨urcher B¨urgemeister Hans Waldmann und von dessen Enthauptung berichtet (6.4.1489, im Lied f¨alschlich 1488). Das Lied schildert in 22 Strophen zu f¨unf Versen (→ Lindenschmidt-Strophe) die Ereignisse aus der Sicht der «fromen gemeind». Die Hinrichtung wird gerechtfertigt und die Anschuldigungen an Waldmann zum Teil in direkter Rede vorgetragen. Gegen Waldmann polemisiert auch das Lied einer Luzernerin anl¨asslich der willk¨urlichen Hinrichtung des Frischhans Theiling (hg. Ludwig Tobler: Schweizerische Volkslieder. Bd. 1 [Bibl. a¨ lterer Schriftwerke der dt. Schweiz 4]. Frauenfeld 1882, S. 23–25). ¨ Uberlieferung: Berlin, SBB, Mgq 1803 (vormals Molsberg, Gr¨aflich Walderdorffsche Fideikommiss-Bibl., Nr. 3597), 172v–176v (alte Z¨ahlung: 285v–289v) (Pap., sp¨ates 15. Jh. [Nachtr. 16. Jh.], westmitteldt.; chronikalische Sammelhs. geschrieben v. → Johannes Gensbein). Vgl. zur Hs.: Arthur Wyss: Eine Limburger Hs. In: Neues Arch. der Ges. f¨ur a¨ltere dt. Geschichtskunde 7 (1882) S. 569–584, bes. S. 577, und Stefanie Weber: Ein neuer und ein verloren geglaubter Textzeuge zu Strickers ‹Karl der Große›. In: ZfdA 140 (2011) S. 23–27, hier S. 26 f. – Privatbesitz Antiquariat Heribert Tenschert, Ramsen (Schweiz) (vormals Privatbesitz Fam. Diesbach, Uebewil), 152v–154v (Pap., 1501); Autograph Ludwig → Sterners der Chron. von 1501. Dort steht das S.-Lied in einer Gruppe von Liedtexten zwischen der Bur¨ und der gunderchronik Diebold → Schillings d. A. Schwabenkrieg-Chronik des Hans → Lenz. – Teilfaks.: Frieder Schanze: Ludwig Sterners Hs. der Burgunderkriegschron. des Peter v. Molsheim und der Schwabenkriegschron. des Johann Lenz mit den v. Sterner beigef¨ugten Anh. Bd. 1. Ramsen 2001; vgl. zur Hs. auch die Bde. 2 (Interimskomm. zum Faks.) und 3 (Beschreibung der Hs. und Edition der Schwabenkriegschron.). Ebd. 2001/2006. Ausgaben: H. v. Dießbach: Der Schwabenkrieg. Besungen v. einem Zeitgenossen. Johann Lenz, B¨urger v. Freiburg. Zu¨ rich 1849, S. 164–166 (nach der Hs. Sterners, hier gegen die Hs. mehreren Liedern zum → Schwabenkrieg nachgeordnet). – Liliencron 2 (1866) S. 271–273 (Nr. 174). – Cramer 3 (1982) S. 177–180. Literatur: F. Schanze, VL2 8 (1992) Sp. 643 f.; 11 (2004) Sp. 1381. – Liliencron 2 (1866) S. 269–271. – 1006

2. H¨alfte 15. Jh. ¨ Cramer 3 (1982) S. 553. – L. Tobler: Uber die hist. Volkslieder der Schweiz. In: Arch. des hist. Ver. des Kt. Bern 7 (1868/71) S. 305–362, hier S. 352. VZ Chronik des Gotzhaus St. Gallen. – Denkschrift zum sog. Rorschacher Klosterbruch. In der zweiten H¨alfte des 15. Jh. eskalierten die politischen Spannungen zwischen der F¨urstabtei St. Gallen und ihrer Heimatstadt. Als Konsequenz initiierte der Abt Ulrich Roesch einen Neubau des Klosters bei Rorschach. 1489 erfolgte im sog. Rorschacher Klosterbruch die Zerst¨orung des unvollendeten Neubaus durch aufgebrachte B¨urger, was den Sankt Gallerkrieg ausl¨oste, der 1490 durch Verhandlungen zwischen Abtei und Stadt beendet wurde. Die von verschiedenen H¨anden geschriebene C. fasst auf der Grundlage von Akten, Urkunden und Privilegien die Vorgeschichte des Klosterbruchs zusammen. Dabei diente das Werk wahrscheinlich nicht als historische Chronik, sondern als Denkschrift f¨ur die Verhandlungen von 1490. Die C. d. G. St. G. d¨urfte im Umfeld von Abt Ulrich abgefasst worden sein, um ihm Argumente f¨ur diese Verhandlungen bereitzustellen. ¨ Uberlieferung: St. Gallen, Stiftsarch., Cod. B 221, 28r–136r (Pap., 15. Jh.). Ausgabe: Kurze Chronik des Gotzhaus St. Gallen (1360–1490) v. einem unbekannten Conventualen, besonders der Klosterbruch zu Rorschach mit darauf bez¨uglichen Vertr¨agen und Liedern nach einer Hs. des Stiftsarchives zu St. Gallen. Hg. v. Josef Hardegger. In: Mitt. zur vaterl¨andischen Gesch. St. Gallen 2 (1863) S. 1–112. Literatur: Guy P. Marchal, VL2 1 (1978) Sp. 1247. – Johannes H¨ane: Der Klosterbruch in Rorschach und der St. Galler Krieg 1489–1490. St. Gallen 1895. – Johannes Duft: Der Bodensee in Sankt-Galler Hss. Texte und Miniaturen aus der Stiftsbibl. Sankt Gallen. St. Gallen u. a. 41982 (Nachdr. ebd. 1988) S. 117 f. u. o¨ . – Rudolf Gamper: ‹Da ist dem gotzhus der todstich geben›. In: Schatzkammer Stiftsarch. St. Gallen. Miscellanea Lorenz Hollenstein. Hg. v. Peter Erhart. DietikonZ¨urich 2009, S. 53–56. MM Chronik der vier Orden von Jerusalem. – Dt. Ordenschronik. Im Mittelpunkt der Chronik stehen die Johanniter, Templer, Chorherren vom Heiligen Grab sowie der Dt. Orden. Dargestellt wird die Gr¨undung 1007

Chronik des Gotzhaus St. Gallen der vier Orden in Jerusalem und ihre weitere Geschichte, eingef¨ugt in den gr¨oßeren historischen Kontext Jerusalems sowie Pal¨astinas und erg¨anzt um die Geschichte Preußens bis 1455. Die C. ist in einer Abschrift aus dem fr¨uhen 16. Jh. erhalten, d¨urfte aber bereits nach 1489 im sp¨aten 15. Jh. entstanden sein. Als Verfasser wird heute ein unbekannter Priester des Dt. Ordens aus Franken oder Mergentheim vermutet. Er kompilierte die Chro¨ nik u. a. aus der Alteren Hofmeisterchronik sowie Werken des Jakob von Vitry und → Peter von Dusburg. Diese lagen dem Autor wahrscheinlich nicht direkt vor, sondern wurden ihm durch eine unbekannte Handschrift vermittelt. ¨ Uberlieferung: Wien, Zentralarch. des Dt. Ordens, Hs. 459 (fr¨uher 212), 92 S. (Pap., fr¨uhes 16. Jh., fr¨ankisch?). Ausgaben: Chron. der vier Orden von Jerusalem. Hg. v. Robert Toeppen. Marienburg 1895. – Chron. der vier Orden von Jerusalem. Hg. v. U. Arnold. In: Scriptores Rerum Prussicarum. Die Geschichtsquellen der preußischen Vorzeit 6. Hg. v. Walter Hubatsch. Leipzig 1968, S. 110–164. Literatur: U. Arnold, VL2 1 (1978) Sp. 1261 f. – Ders. 1968 (s. Ausg.). – Ders.: Geschichtsschreibung im Preußenland bis zum Ausgang des 16. Jh. In: Jb. f¨ur die Gesch. Mittel- und Ostdeutschlands 19 (1970) S. 74–126, hier S. 89 f. – Ders.: Landesbeschreibung Preußens. In: Landesbeschreibungen Mitteleuropas vom 15. bis 17. Jh. Vortr¨age der 2. internationalen Tagung des Slawenkomitees im Herder-Inst. Marburg an der Lahn 10.–13. November 1980. Hg. v. Hans-Bernd Harder. K¨oln u. a. 1983, S. 79–123. – Ders.: Deutschordenshistoriographie im Dt. Reich. In: Die Rolle der Ritterorden in der ma. Kultur. Hg. v. Zenon H. Nowak. Toru´n 1985, S. 65–87. – Michael Neecke: C. d. v. O. v. J. In: Encyclopedia of the Medieval Chronicle 1. Hg. v. R. Graeme Dunphy. Leiden/Boston 2010, S. 445. MM Muller, ¨ Bernhard, * um 17.11.1457 N¨urnberg. – Verfasser einer Familienchronik, M. war nach einer Notiz der Harsd¨orfferChronik Genannter des N¨urnberger Großen Rats. Er verfasste ohne jeden literarischen Anspruch eine Familienchronik, die ausf¨uhrlich u¨ ber die Besitzungen der Familie, die j¨ahrlichen Eink¨unfte etc. Auskunft gibt, bevor die eigentliche Familiengeschichte (Ahnentafel, Patengeschenke etc.) beginnt. 1008

Turnierchronik ¨ Uberlieferung: N¨urnberg, Staatsarch., Nu¨ rnberger Hss. Nr. 290, 131 Bll. (davon mehr als die H¨alfte f¨ur Nachtr¨age freigelassen; Ende 15. Jh.). Literatur: Helgard Ulmschneider, VL2 6 (1987) Sp. 745 f. – Helmut Frhr. Haller v. Hallerstein: N¨urnberger Geschlechtsb¨ucher. In: Mitt. des Vereins f¨ur Gesch. der Stadt N¨urnberg 65 (1978) S. 212–235, hier S. 231. BJ Peter von Neumagen (Numagen; P. von Trier; Treverus), * um 1450 Trier, † 6.10.1515 Z¨urich. – Priester, Chorherr, Notar, Schriftsteller und B¨uchersammler. Nach Studium in Basel (seit 1476/77) ist P. 1481 als Kleriker des Bistums Trier belegt, seit 1484 als Akolyth und sp¨ater als Priester. 1482 wurde er Sekret¨ar des Reformers Erzischof Andreas von Kram, u¨ ber dessen Wirken er in seinem Hauptwerk, den Gesta archiepiscopi craynensis in facto indictionis concilii Zeugnis ablegt. Nach Andreas’ Scheitern und Gefangennahme fand N. Zuflucht im Kloster L¨utzel. Von 1487 bis 1513 ist eine T¨atigkeit als Kaplan an der Z¨urcher St.-Leonhards-Kapelle bezeugt; in der Folge wurde er Chorherr am dortigen Großm¨unster und war bis zu seiner Absetzung 1502 auch bisch¨oflicher Ehekommissar. Im Rahmen der Kaplanst¨atigkeit entwickelte P. eine rege schriftstellerische T¨atigkeit, bei der er sich auf eine Bibliothek st¨utzen konnte, um deren systematische Erweiterung er sich zeitlebens bem¨uht hat und deren B¨ande zum Teil bis heute in der Zentralbibliothek Z¨urich aufbewahrt werden. ¨ Uberlieferung: Gesta archiepiscopi craynensis in facto indictionis concilii: Z¨urich, ZB, Cod. S 204 o, 169r–208v (Pap., 1484). – Passionale magistri Felicis Hemmerlin de Thurego: Z¨urich, ZB, Cod. Car. C 119, 1–35 (Pap., 1502). – Passio sanctorum martirum Felicis, Regulae, Exuperanti: Qui decim plagis: Z¨urich, ZB, Cod. Car. C 67, 253v–257v (Pap., 15. Jh.). – Tractatus apparicionum: Z¨urich, ZB, Cod. Car. C 99, 19r–31r (Pap., 15. Jh.). – Genio vel miro Nicolaum non edere credo. Treverus Niclaum [...]: Z¨urich, ZB, Cod. Car. C 99, 1v–18r (Pap., 15. Jh.). Ausgaben: Gesta archiepiscopi craynensis in facto indictionis concilii: J. H. Hottinger: Historiae ecclesiasticae novi testamenti IV. Hannover/Zu¨ rich 1667, S. 355–393. – Passionale magistri Felicis Hemmerlin de Thurego: Balthasar Reber: Felix Hemmerlin. Z¨urich 1846, S. 383–401 (Auswahl). – Passio sanctorum martirum Felicis, Regulae, Exuperanti: Qui decim plagis: J. H. Hottinger: Historiae ecclesiasticae novi 1009

2. H¨alfte 15. Jh. testamenti VIII. Z¨urich 1667, S. 1040–1055. – Genio vel miro Nicolaum non edere credo. Treverus Niclaum [...]: Robert Durrer: Bruder Klaus. Die a¨ ltesten Quellen u¨ ber den seligen Nikolaus v. der Fl¨ue. Bd. 1. Sarnen 1917 (Nachdr. 1981) S. 234–331. Literatur: Peter-J. Schuler, VL2 7 (1989) Sp. 440–442. – Uwe Neddermeyer, LThK3 8 (1999) Sp. 131 f. – Heinz Schmitt, BBKL 29 (2008) Sp. 995–1016. – Joseph Schlecht: Andrea Zamometic und der Basler Konzilsversuch v. 1482 (Quellen und Forschungen aus dem Gebiete der Gesch. 8). Paderborn 1903, S. 125–127, 140–147. – Hans Lehmann: Das Cisterzienserkloster Wettingen und seine Beziehungen zu Salem bis zum Tode des Abtes Peter II., 1633. In: Zs. f¨ur Gesch. des Oberrheins NF 32 (1917) S. 514–561, hier S. 557–561. – Friedrich Hegi: Peter N¨umagen. In: Hist.-Biographisches Lex. der Schweiz. Bd. 5. Neuenburg 1929, S. 313. – Paul B¨anziger: Beitr. zur Gesch. der Sp¨atscholastik und des Fr¨uhhumanismus in der Schweiz (Schweizer Stud. zur Geschichtswiss. NF 4). Z¨urich 1945, S. 55–64. – Rudolf Pfister: Kirchengesch. der Schweiz. Bd. 1. Z¨urich 1964, S. 403 f. – Jean-Pierre Bodmer/ Martin Germann: Kantonsbibl. Z¨urich 1835–1915. Z¨urich 1986, S. 19. – Andreas Meyer: Z¨urich und Rom (Bibl. des Dt. Hist. Inst. in Rom 64). Tu¨ bingen 1986, S. 465. – Peter-Johannes Schuler: Notare S¨udwestdeutschlands. Ein prosographisches Verz. f¨ur die Zeit v. 1300 bis ca. 1520. Stuttgart 1987, Nr. 941. – Michael Embach: Trierer Literaturgesch. Das MA. Trier 2007, S. 426–430. NR Staind(e)l, Johann → Band 6. Turnierchronik. – Historisches Turnierbuch. Die Herkunft der T. ist ungekl¨art. Der Text entstand nach Angaben eines barocken Autors m¨oglicherweise im Auftrag des kaiserlichen Kanzlers Kaspar Schlick um 1430 in Magdeburg. Sicher ist diese Behauptung wegen fehlender Quellen jedoch nicht zu belegen. Die a¨ lteste u¨ berlieferte Handschrift der T. von 1494 u¨ berliefert das Werk als Cronick vnnd verzaichnus von vrsprung vnd anfanng der turnir. Der Codex stammt von J¨org Rugen, einem Unterherold in bayerischen Diensten, der sonst vor allem Wappenb¨ucher verfasste. Die in dt. Sprache verfasste T. ist als historisches Turnierbuch angelegt. In chronistischer Manier wird dargestellt, wie der ostfr¨ankische K¨onig Heinrich I. der Vogler in der ersten H¨alfte des 1010

2. H¨alfte 15. Jh. 10. Jh. das Turnierwesen etabliert haben soll. So soll er nach seinem Sieg u¨ ber die Ungarn 933 die Reichsf¨ursten von Rhein, Franken, Schwaben und Bayern mit der Turnierausrichtung beauftragt haben. Nach der Errichtung einer Turnierordnung seien die vier F¨ursten zu obersten Turnierrichtern ernannt und 939 ein erstes Turnier durchgef¨uhrt worden. Allerdings ist diese Herleitung weitgehend fiktiv und mit historischen Fehlern durchsetzt. So wird Heinrich I. in der T. f¨alschlich als Kaiser bezeichnet. Das Werk kann also nicht als echte Chronik aufgefasst werden. Trotz ihres Fantasiecharakters erfuhr die T. eine bis ins 17. Jh. reichende Rezeption. Sie war zun¨achst Vorlage f¨ur das Turnierbuch (1519) des → Ludwig von Eyb d. J., der die T. teilweise w¨ortlich u¨ bernahm. Im 16. Jh. wurde die T. in Ausgburg und Simmern gedruckt; die Zahl der Druckauflagen legt dabei eine gr¨oßere Verbreitung nahe. Der Augsburger Druck von 1518 war Vorlage f¨ur einen ¨ G¨ottinger Codex (s. Uberlieferung) und f¨ur den ersten Teil von Georg Rixners Turnierbuch (1530). Rixner (auch R¨uxner) war Reichsherold sowie Genealoge und nach einer neueren These vielleicht mit J¨org Rugen identisch. Danach erstreckte sich die Wirkung der T. weiter zu Hans Sachs und seiner Historia, Ursprung und ankunfft des thurniers, wie, wo, wenn unnd wie viel der im Teutschland sind gehalten worden (1541). Auch das Kraichgauer Turnierbuch (um 1615) griff noch auf die T. zur¨uck. Die neuere Forschung hat sich f¨ur die T. kaum begeistern k¨onnen, da der Text als historische Quelle wie als literarische Fantasie nur bedingt von Wert ist. ¨ Uberlieferung: M¨unchen, Hauptstaatsarch., Notthafft Lit. 62, 689, 1200, 29 Bll. (1494, Fragm.). – New York, Public Library, Spencer Collection, Ms. 176, 214r–236r (Pap., 1499). – G¨ottingen, SUB, 2° Cod. Ms. histor. 98, 54 Bll. (Pap., 16. Jh.). – Mu¨ nchen, BSB, Cgm 961, 15r–51r (Pap., um 1525, in der T. des Ludwig v. Eyb d. J.). Drucke: Wann vnd vmb wellicher vrsachen willen das loblich Ritterspil des turniers erdacht vnd zum ersten ge¨ubet worden ist. Augsburg: Sigmund Grimm und Marx Wirsung, 1518 (VD16 W 1175 f.; Online-Ausg. BSB M¨unchen). – Georg R¨uxner: Anfang vrsprung vnd herkomen des Thurniers inn Teutscher nation [...]. Simmern: Hieronymus Rodler, 1532 (VD16 ZV 21971 und R 3542; Online-Ausg. DFG). – Zu weiteren Drucken vgl. Stamm 1986 (s. Ausg.) S. 299 f., Anm. 7. Ausgaben: Heide Stamm: Das Turnierbuch des Ludwig von Eyb (cgm 961). Edition und Unters. 1011

Walther Mit einem Anhang: Die Turnierchronik des J¨org Rugen (Textabdruck). Stuttgart 1986. Literatur: Helgard Ulmschneider, VL2 11 (2004) Sp. 1569–1572. – Erich Kuphal: Ludwig v. Eyb der J¨ungere (1450–1521). In: Arch. f¨ur Gesch. und Altertumskunde v. Oberfranken 30 (1927) H. 1, S. 6–58. – Egon v. Berchem u. a.: Beitr. zur Gesch. der Heraldik. Berlin 1939, S. 77–79, 86–88, 160–162. – Lotte Kurras: Georg Rixner, der Reichsherold ‹Jerusalem›. In: Mitt. des Ver. f¨ur Gesch. der Stadt N¨urnberg 69 (1982) S. 341–344. – Klaus Arnold: Reichsherold und Reichsreform. Georg Rixner und die sog. ‹Reformation Kaiser Friedrichs III.›. In: Ber. des Hist. Ver. f¨ur die Pflege der Gesch. des ehemaligen F¨urstbistums Bamberg 120 (1984) S. 91–109. – Klaus Graf: Geschichtsschreibung und Landesdiskurs im Umkreis Graf Eberhards im Bart v. W¨urttemberg (1449–1496). In: Bll. f¨ur dt. Landesgesch. 129 (1993) S. 165–193. – Ders.: Eberhard im Bart und die Herzogserhebung 1495. In: 1495. Wu¨ rttemberg wird Herzogtum. Dokumente aus dem Hauptstaatsarch. Stuttgart zu einem epochalen Ereignis. Hg. v. Stephan Molitor u. a. Stuttgart 1995, S. 9–43. – L. Kurras: Das grosse Buch der Turniere. Alle 36 glanzvollen Ritterfeste des MA. Die Bilderhs. des Codex Rossianus 711 im Besitz der Biblioteca Apostolica Vaticana. Stuttgart u. a. 1996, S. 15–17, 42–45. – Franz-Heinz Hye: Ausgew¨ahlte heraldische Quellen in der Innsbrucker UB. In: Biblos 46 (1997) S. 295– 304. – K. Arnold: Der fr¨ankische Adel, die T. des Jo¨ rg Rugen (1494) und das Turnierbuch des Georg Rixner (1530). In: Nachdenken u¨ ber fr¨ankische Gesch. Hg. v. Erich Schneider. Neustadt/Aisch 2005, S. 129–153. – K. Graf: Herold mit vielen Namen. Neues zu Georg R¨uxner alias Rugen alias Jerusalem alias Brandenburg alias ... In: Ritterwelten im Sp¨atMA. H¨ofischritterliche Kultur der Reichen Herz¨oge v. BayernLandshut. Hg. Museen der Stadt Landshut. Landshut 2009, S. 115–125. MM Walther, Marx (Markus), * um 1456 Augsburg, † 1511 Augsburg. – Chronist Der Sohn des wohlhabenden Kaufmanns Ulrich → W. nahm in seiner Vorliebe f¨ur den ritterlichen Lebensstil an Turnieren in Augsburg teil. In ein von einem Maler angefertigtes Turnierbuch, das seine Beteiligung an Turnieren von 1477 bis 1489 dokumentiert, f¨ugte er den Federzeichnungen die Na1012

Abl¨asse und Heiltumer ¨ der Stadt Koln ¨ men der Dargestellten bei; sp¨ater trug er verschiedene Aufzeichnungen seines Vaters zur Geschichte der Familie ein. ¨ Uberlieferung: Mu¨ nchen, BSB, Cgm 1930, 2°, 1v–20v, 24 Bll. (Pap., 1506–11, ostschw¨abisch). In seinen sp¨ateren Jahren erg¨anzte und bearbeitete (vor allem stilistisch) W. die Augsburger Chronik des Hektor → Mu¨ lich, die ihm in der Redaktion des J¨org Demer zur Verf¨ugung stand. Die Zus¨atze betreffen vor allem Turniere, das Wetter, Kriminalf¨alle, Lebensmittelpreise und Anekdoten. ¨ Uberlieferung: Augsburg, StB, 2° cod. Halder 2 (fr¨uhes 16. Jh.; Autograph W.s; Nachtr¨age von sp¨ateren H¨anden bis ins Jahr 1540). Ausgabe: Friedrich Roth: Fortsetzungen der Chron. des Hector Mu¨ lich von Demer, W. und Rem. In: Die Chron. der schw¨abischen St¨adte. Augsburg. Bd. 4 (Chron.dt.St. 23). Leipzig 1894 (Nachdr. G¨ottingen 1966) S. 405–470. Literatur: Friedrich Roth, in: Die Chron. der schw¨abischen St¨adte. Augsburg. Bd. 3 (Chron.dt.St. 22). Leipzig 1892 (Nachdr. G¨ottingen 1965) S. XXXIV f., XLVI–XLVI, 379–382 (zum ‹Tournierbuch›). – Ders., ADB 54 (1908) 791 f. – Karl Schnith, VL2 10 (1999) 650 f. – Dieter Weber: Geschichtsschreibung in Augsburg. Hektor M¨ulich und die reichsst¨adtische Chronistik des Sp¨atMA (Abh. zur Gesch. der Stadt Augsburg 30). Augsburg 1984. – Johannes Janota/Williams Williams-Krapp (Hg.): Literarisches Leben in Augsburg w¨ahrend des 15. Jh. T¨ubingen 1995, passim. – Augsburger Stadtlex. 2., v¨ollig neu bearb. und erw. Aufl. Hg. v. G¨unther Gr¨unsteudel u. a. 1998. BJ Abl¨asse und Heiltumer ¨ der Stadt Koln. ¨ – K¨olner Ablasskalender und Heilt¨umerverzeichnis, sp¨ates 15. Jh. Die beiden unterschiedlichen Texte, Kalender ¨ und Verzeichnis, erscheinen in der Uberlieferung zusammen und sind beide in Anlehnung an die → Indulgentiae ecclesiarum urbis Romae entstanden. Sie sind Zeugnis eines ausgesprochenen Selbstbewusstsein K¨olns als Stadt der kirchlichen Gnaden nach dem Vorbild der ewigen Stadt und in Konkurrenz zu ihr. Der Ablasskalender kopiert die Struktur eines Texttypus, der die Jahreskalender f¨ur die Kirchen Roms (→ Stationes ecclesiarum urbis Romae) mit Angaben aus den Indulgen1013

2. H¨alfte 15. Jh. tiae vermengt, und wendet diese Struktur auf K¨oln an. Es werden so diejenigen Abl¨asse benannt, die an den jeweiligen Festtagen in den K¨olner Kirchen erworben werden k¨onnen. Im Heilt¨umerverzeichnis werden alle K¨olner Kirchen und Reliquien aufgef¨uhrt. Direkte Quelle dieses Teils sind die Laudes Coloniae aus dem sp¨aten 14. Jh., die wiederum auf einer Indulgentiae-Texttradition be¨ ruhen. Es bestehen inhaltliche Uberschneidungen mit dem → Dornenkranz von K¨oln. Die Auflistung der Kl¨oster und Kirchen wird sowohl in der → Koelhoffschen Chronik von 1499 wieder verwandt als auch in zahlreichen Drucken der → UrsulaLegende. ¨ Uberlieferung: Nur im Druck: Johann Koel¨ K¨oln 18.2.1492 (GW 00008); Titel Abhoff d. A., lasskalender: Der aflais der tzo verdienen is in die principael kyrchen cloesteren vnd capellen bynnen der werdige hilliger stat Collen vp die hillige dage durch dat gantze iar na den kalender getzeygent (Bl. ijr); Titel Heiltumsverzeichnis: Dit is ydt heildom der wyrdyger stat Colne (Bl. lxxijr). – Einige Druckexemplare sind mit dem Dornenkranz von K¨oln zusammengebunden. Teilausgabe (nur Heilt¨umerverz.): Rautenberg (s. Lit.) S. 161–163. Literatur: Nine Miedema, VL2 11 (2004) Sp. 3 f. – Franz Falk: Die Druckkunst im Dienste der Kirche zun¨achst in Deutschland bis zum Jahre 1520 (G¨orres-Ges. zur Pflege der Wiss. im Katholischen Deutschland. Vereinsschr. 1879,2). K¨oln 1879 (Nachdr. 1969), bes. S. 69, 161, 166 f. – William G. Rusch: A Possible Explanation of the Calendar in the W¨urzburg Lectionary. In: Journal of Theological Studies NF 21 (1970) S. 105–111. – Bernhard Schimmelpfennig: R¨omische Ablaßf¨alschungen aus der Mitte des 14. Jh. In: F¨alschungen im MA Bd. 5: Fingierte Briefe. Fr¨ommigkeit und F¨alschung. Realienf¨alschungen (MGH Schr. 33,5). Hannover 1988, S. 637–658. – Christiane Neuhausen: Das Ablasswesen in der Stadt K¨oln vom 13. bis zum 16. Jh. (K¨olner Schr. zu Gesch. und Kultur 21). K¨oln 1994, S. 203–211. – ¨ Ursula Rautenberg: Uberl. und Druck. Heiligenlegenden aus fr¨uhen K¨olner Offizinen (Fr¨uhe Neuzeit 10). T¨ubingen 1996, S. 161–166. – N. Robijntje Miedema: Rompilgerf¨uhrer in Sp¨atMA und Fr¨uher Neuzeit. Die ‹Indulgentiae ecclesiarum urbis Romae› (dt./ndl.). Edition und Komm. (Fr¨uhe Neuzeit 72). T¨ubingen 2003, S. 398 f., 459, 468, 470. VZ 1014

2. H¨alfte 15. Jh. Aachener Chronik. – Dt. St¨adtechronik f¨ur die Jahre 770–1482, Ende 15. Jh. Die anonymen historiographischen Aufzeichnungen scheinen in einem Zug verfasst worden zu sein. Als ihr Urheber kommt am ehesten ein Vertreter des Aachener B¨urgertums in Betracht, der offizi¨os im Auftrag des Stadtrats t¨atig gewesen sein k¨onnte. Bei der Darstellung der Fr¨uhzeit wird auf die f¨ur die Aachener Heiltumsfahrt bedeutsamen Akte der dt. Herrscher besonderes Gewicht gelegt. Den Schwerpunkt der Chronik bildet indes die Schilderung der innerst¨adtischen Ereignisse aus dem 15. Jh. So finden die Lebensmittelpreise oder Streitigkeiten mit dem Adel aus dem st¨adtischen Umland Erw¨ahnung, das vorwiegende Interesse des Chronisten gilt aber hier den Auseinandersetzungen zwischen Rat und Zu¨ nften. ¨ Uberlieferung: Berlin, SBB, Ms. boruss. qu. 260, S. 1–24 (Pap., 1513). – Aachen, Stadtarch., Hs. 35, S. 243–266 (Pap., 1702). – Aachen, Domarch., Cod. XVII 2 (Pap., 18. Jh.; abweichende Fassung bis einschließlich 1590). Ausgaben: Hugo Loersch: A. C. aus einer Hs. der k¨onigl. Bibl. in Berlin. In: Annalen des hist. Ver. f¨ur den Niederrhein 17 (1866) S. 1–29. – Emil Pauls: Chronica manuscripta Aquensis. In: Zs. des Aachener Geschichtsvereins 35 (1913) S. 126–153, hier S. 152 f. (hsl. Varianten zu Loersch nach Aachen, Stadtarch., Hs. 35). Literatur: Peter Johanek, VL2 1 (1978) Sp. 2 f. – Erich Meuthen: Aachen in der Geschichtsschreibung (bis 1800). In: Speculum Historiale. Gesch. im Spiegel v. Geschichtsschreibung und Geschichtsdeutung. FS Johannes Spoerl. Hg. v. Clemens Bauer u. a. Freiburg i. Br. 1965, S. 375–392. – Repertorium fontium historiae medii aevi Bd. 3 (1970) S. 258. VZ Kremerin, Magdalena (Kremer), † ein 2.10. nach 1490. – Chronistin. Die Dominikanerin stammte aus Straßburg und lebte zun¨achst im Kloster Silo/Schlettstadt. 1478 wurde K. in das Kloster Kirchheim unter Teck entsandt, wo sie offenbar den Rest ihres Lebens verbrachte. Sie bezeichnet sich in einer u¨ berlieferten Handschrift von um 1490 selbst als K¨usterin, Novizenmeisterin, Obers¨angerin und Schreiberin. Die gleiche Handschrift enth¨alt eine Chronik des Klosters Kirchheim in dt. Sprache, als deren Autorin und Schreiberin K. gilt. Darin beschreibt sie die 1015

Aachener Chronik Kirchheimer Reform von 1478 sowie die Auseinandersetzungen mit dem w¨urttembergischen Grafen Eberhard VI. in den Jahren 1487/88. Dessen Versuche, die observanten Nonnen zu vertreiben, wurden durch seinen Vetter Eberhard V. vereiltelt. K.s Chronik endet mit einem kurzen Eintrag zum Jahr 1490. Die schlichte Prosa der Chronik wird mehrmals durch eingef¨ugte Briefe und Namenslisten unterbrochen – so z¨ahlt K. etwa jene Nonnen auf, die nach der Reform in das Kloster eintraten. Die Chronik ist somit ein wichtiges Dokument zur Kirchheimer Klostergeschichte, besitzt aber keine u¨ berregionale Bedeutung. ¨ Uberlieferung: Wien, Schottenkloster, Cod. 307 (H¨ubl 233), 3r–172v (Pap., um 1490). – Stuttgart, Hauptstaatsarch., A 493 (R 530), 293 S. (Pap., um 1490, Autograph). Ausgaben: Christian Friedrich Sattler: Gesch. des Herzogthums W¨urtenberg unter der Regierung der Graven 5 (= 4. Fortsetzung). Ulm 1768, Beilage Nr. 42, S. 173–280 (weitere verwandte Schriftst¨ucke in B. 4, 1768, Beilagen Nr. 74–76, 108–114). Literatur: S¨onke Lorenz, VL2 11 (2004) Sp. 892 f. – Dieter Stievermann: Der Augustinerm¨onch Dr. Conrad Holzinger. Kaplan, Rat und Kanzler des Grafen bzw. Herzogs Eberhard d. J. v. W¨urttemberg am Ende des 15. Jhs. In: Mittel und Wege fr¨uher Verfassungspolitik. Hg. v. Josef Engel. Stuttgart 1979, S. 356–405. – Rolf G¨otz: Eine einmalige Gelegenheit. Hss. aus dem Kirchheimer Kloster werden in St. Blasien ausgestellt. In: Beitr. zur Heimatkunde des Bezirks Kirchheim unter Teck NF 38 (1984) S. 3–8. – Ulrich P. Ecker: Die Gesch. des Klosters S. Johannes-Baptista der Dominikanerinnen zu Kirchheim U. Teck. Freiburg i. Br. 1985, passim. – Anne Winston-Allen: Convent Chronicles. Women Writing about Women and Reform in the Late Middle Ages. University Park/ Pennsylvania 2005, S. 97–101 u. o¨ . – Heike Uffmann: Wie in einem Rosengarten. Monastische Reformen des sp¨aten MA in den Vorstellungen v. Klosterfrauen. Bielefeld 2008, S. 147–152. – Rolf G¨otz: Die Herz¨oge v. Teck. Herz¨oge ohne Herzogtum. Kirchheim unter Teck 2009, S. 97–273, 889–904. MM ¨ Auer, Magdalena OSB. – Abtissin des Klosters Frauenchiemsee. A. stammte vermutlich aus dem oberbayerischen Adelsgeschlecht der Auer von Winkel und war 1016

Gerstenberg ¨ 1467–94 Abtissin des Klosters Frauenchiemsee. Es sind tagebuchartige Aufzeichnungen von ihr u¨ berliefert, die Nachrichten u¨ ber das Kloster w¨ahrend ihrer Amtszeit enthalten (z. B. u¨ ber den Klosterbrand 1491, u¨ ber Altarweihen oder politische und gesellschaftliche Beziehungen des Klosters). ¨ Uberlieferung: M¨unchen, Hauptstaatsarch., Klosterliteralien Frauenchiemsee 88, im von A. angelegten Gschicht Buech des Klosters Frauenchiemsee, das von A.s Nachfolgerin im Amt Ursula → Pf¨affinger fortgef¨uhrt wurde. Den ersten Teil mit A.s Notizen schrieb der Kaplan Peter Franck. Literatur: Rainer Rudolf, VL2 1 (1978) Sp. 516; ¨ 11 (2004) Sp. 173. – Ernst Geiß: Relation der Abtissin Ursula der Pf¨affingerin v. Frauen-Chiemsee u¨ ber den pf¨alzisch-bayerischen Erbfolgekrieg. In: Oberbayerisches Arch. 8 (1847) S. 224–236, hier S. 225. – Gerhard Eis/Gundolf Keil: Nachtr. zum VL. In: PBB (T¨ub.) 83 (1961) S. 167–226, hier S. 171. – Dominik Dorfner: Kloster Frauenchiemsee im 14. und 15. Jh. In: Kloster Frauenchiemsee 782–2003. Gesch., Kunst, Wirtschaft und Kultur einer altbayer. Benediktinerinnenabtei. Hg. v. Walter Brugger/Manfred Weitlauff. Weißenhorn 2003, S. 247–290, hier S. 274, 284. – Charlotte Woodford: Nuns as Historians (Oxford Modern Languages and Literature Monographs). Oxford 2002, S. 67–74. – Eva Schlotheuber: Klostereintritt und Bildung. Die Lebenswelt der Nonnen im sp¨aten MA. Mit einer Edition des ‹Konventstagebuchs› einer Zisterzienserin v. Heilig-Kreuz bei Braunschweig (1484–1507) (Sp¨atMA und Reformation Neue Reihe 24). T¨ubingen 2004, S. 325 f. VZ Dietrich von Schachten (Diedtrich von Schachttenn), † 1503. – Amtmann, Verfasser einer Reisebeschreibung. D. war unter dem Landgrafen Wilhelm I. der ¨ Altere von Hessen (1466–1515) Geheimrat und sp¨ater Vogt von Grebenstein und Gieselwerder. 1491/92 begleitete D. Wilhelm auf dessen Pilgerfahrt nach Pal¨astina und hielt die Reise in ausf¨uhrlichen Aufzeichnungen fest. Neben Pal¨astina spielen Neapel, Rom (mit dem Vatikan) und Venedig im Text eine prominente Rolle. Die von D. selbst als rein privat bezeichnete Reisebeschreibung enth¨alt umfangreiche Schilderungen zeitgen¨ossischer Lebensumst¨ande, Sitten und Gebr¨auche, u. a. des venezianischen Karnevals, italienischer Frauenkleidung und ausl¨andischer Nahrungsmittel. D.s Originalhandschrift des Werks ist heute verloren und 1017

2. H¨alfte 15. Jh. nur aus Abschriften von 1613, 1726 und sp¨ater zu ¨ rekonstruieren. Trotz der problematischen Uberlieferung wird die Reisebeschreibung aber bis heute als kulturhistorische Quelle benutzt. ¨ Uberlieferung: Kassel, LMB, cod. Hass. 32, 47 Bll. (1613, Abschrift des Johann von Hundeshausen). – Ebd., cod. Hass. 4° 65 (1726, Abschrift des Johann Christoph Kalckhoff). – Ebd., cod. Hass. 4° 65b (18./19. Jh.?). Ausgaben: D.’s v. S. Beschreibung der R¨uckreise des Landgrafen Wilhelm’s I. aus dem gelobten Lande in sein Vaterland. Achtzehnte Fortsetzung der Nachrichten vom Ev. Luth. Waisenhause. Marburg [um 1805]. Mikrofiche-Ausg. G¨ottingen 1998. – Beschreibung der Reise ins heilige landt, welche Herr landgraff Wilhelm, der a¨ltere, anno 1483 Sonntags nach Ostern vorgenommen. In: Dt. Pilgerreisen nach dem Heiligen Lande. Hg. v. Reinhold R¨ohricht/Heinrich Meisner. Berlin 1880, S. 162–245. – ‹In Gottes Namen fahren wir...› ¨ Die Pilgerfahrt des Landgrafen Wilhelm des Alteren von Hessen in das Heilige Land. Hg. v. Otto St¨uckrath. Melsungen 1925. Literatur: ADB 30 (1890) S. 486. – Dietrich Huschenbett, VL2 2 (1980) Sp. 146. – De Boor/Newald 4/1 (21994) S. 162, 772. – Martin Sommerfeld: Die Reisebeschreibungen der dt. Jerusalempilger im ausgehenden MA. In: DVjs 2 (1924) S. 816–851, hier S. 847 f. – Hans-Joachim Lepszy: Die Reiseber. des MA und der Reformationszeit. Diss. Hamburg 1952, S. 267. – Karl E. Demandt: Der Personenstaat der Landgrafschaft Hessen im MA. Ein ‹Staatshandbuch› Hessens vom Ende des 12. bis zum Anfang des 16. Jhs. 2 (Ver¨off. der Hist. Kommission Hessen 42). Marburg 1981, S. 727–729. – Europ¨aische Reiseber. des sp¨aten MA 1. Eine analytische Bibliogr. Hg. v. Werner Paravicini. Bearb. v. Christian Halm. Frankfurt/M. u. a. 1994, S. 240–242. – Stefan Schr¨oder: Zwischen Christentum und Islam. Kulturelle Grenzen in den sp¨atma. Pilgerber. des Felix Fabri. Berlin 2009, S. 94, 215 f. u. o¨ . MM

Gerstenberg, Wigand (Bodenbender), * 1.5.1457 Frankenberg/Hessen, † 27.8.1522 Marburg/Lahn. G. studierte 1473–76 in Erfurt Theologie und lebte anschließend als Messpriester in Frankenberg. 1494–1500 war er Hofkaplan des hessischen Landgrafen Wilhelm III., zun¨achst in Dornberg und seit 1018

2. H¨alfte 15. Jh. 1497 in Marburg. Nach dem fr¨uhen Tod Wilhelms war G. 1503–1506 Kaplan der Grafenwitwe Anna. Daneben verfasste er drei chronistische Texte in dt. Sprache, die als Autographen erhalten sind. Als G.s Hauptwerk gilt die 1493–1515 entstandene Landeschronik von Th¨uringen und Hessen, deren Berichtszeitraum bis 1515 reicht. Die konzise, kompilatorische Chronik schildert die Landesgeschichte als F¨urstengeschichte, nach G.s eigenen Angaben mit dem Ziel, j¨ungere Herrscher durch positive Exempla zu inspirieren. Das Werk k¨onnte also f¨ur Wilhelms Sohn geschrieben worden sein. Die annalistisch gestalteten Teile der Chronik werden durch Exkurse zu → Bonifatius und → Elisabeth von Th¨uringen erg¨anzt. Die von G. urspr¨unglich konzipierten 260 Federzeichnungen sind zumeist nur durch die ihnen zugedach¨ ten Uberschriften zu erschließen, denn nur 45 Zeichnungen wurden tats¨achlich eingef¨ugt. Bemerkenswert ist G.s offener Umgang mit seinen Quellen, die er ausf¨uhrlich auflistet: u. a. Jakob → Twinger von K¨onigshofen, → Dietrich von Apolda, → Jacobus a Voragine, Dietrich → Engelhus, Johannes → Rothe, → Paulus Diaconus, Lampert von Hersfeld, → Vinzenz von Beauvais und Tilemann → Elhen von Wolfhagen. 1503–1506 entstand G.s Stadtchronik von Frankenberg, eine Darstellung nicht nur der Stadtgeschichte, sondern auch der Stadt selbst mit ihrer Architektur, ihrer Infrastruktur und ihrem Gewerbe. Von besonderer Qualit¨at sind G.s Schilderungen zeitgen¨ossischer Entwicklungen, die er mit autobiographischen Details verkn¨upft. Gleichzeitig schreckt G. nicht davor zur¨uck, in seinem Werk wohl von ihm selbst gef¨alschte Privilegien zu benutzen, um die Bedeutung Frankenbergs aufzuwerten. Fu¨ r die Einbettung der Geschichte Frankenbergs in jene von Land und Reich greift G. auf Teile seiner eigenen Landeschronik zur¨uck. Wie diese enth¨alt auch die Stadtchronik zahlreiche Federzeichnungen. G.s Regententafel von Th¨uringen und Hessen (1504–1509) kompiliert die genealogischen Anteile der fr¨uheren Werke des Chronisten, erg¨anzt durch Darstellungen von herrschaftlichen Wappen. ¨ Uberlieferung: 1. Landeschronik: Kassel, UB / LMB, 4° Ms. hass. 115 (Pap., um 1493–1515, Autograph). – New York, Union Theological Seminary Library, Ms. 38, 235 Bll. (Pap., fr¨uhes 16. Jh.). – 2. Stadtchronik von Frankenberg: Kassel, UB/LMB, 4° Ms. hass. 26, 1r–40r (um 1506, Autograph). – 3. Regententafel von Th¨uringen und Hessen: Darm1019

Gerstenberg stadt, ULB, Hs. 238, 23 Bll. (Perg. und Pap., kurz nach 1504, Autograph mit sp¨ateren Forts.). – Abschr. der genannten Hss. aller drei Werke bei Diemar 1909 (s. Ausg.) S. 89*–96*. Ausgabe: Die Chronik des Wigand Gerstenberg von Frankenberg. Hg. v. Hermann Diemar. Marburg 1909. 21989 (Gesamtausg.; vgl dazu Karl Wenck. In: Zs. des Ver. f¨ur Hessische Gesch. und Landeskunde 43, 1909, S. 389–392; Oswald Holder-Egger. In: Neues Arch. der Ges. f¨ur a¨ ltere dt. Geschichtskunde 35, 1910, S. 605 f.). – Wigand Gerstenberg von Frankenberg 1457–1522. Die Bilder aus seinen Chroniken. Th¨uringen und Hessen, Stadt Frankenberg. Hg. v. Ursula BraaschSchwersmann und Axel Halle. Marburg 2007 ¨ (Faks.). – Altere Ausg. des 17. und 18. Jh. bei Herkommer 1980 (s. Lit.). Literatur: ADB 9 (1879) S. 66 f. – Friedrich Uhlhorn, NDB 6 (1964) S. 327 f. – Hubert Herkommer, VL2 2 (1980) Sp. 1274–1276. – Gudrun Gleba, Killy2 4 (2009) S. 195 f. – Julius Pistor: Der Chronist W. G. nebst Unters. u¨ ber a¨ ltere hessische Geschichtsquellen. Marburg 1892. – H. Diemar: Texte und Unters. zur verlorenen Hessenchron. In: Zs. des Ver. f¨ur Hessische Gesch. und Landeskunde 37 (1903) S. 33–55. – Gottfried Zedler: Die Hessenchron., ihr Umfang und Inhalt sowie ihr Verf. In: ebd. 55 (1926) S. 176–228. – Annemarie Schuricht: Bilder hessischer St¨adte als hist. Quellen v. W. G. 1493 bis Matth¨aus Merian d. A. 1646. Hersfeld 1930. – Wolfgang Heß: Hessische St¨adtegr¨undungen der Landgrafen v. Th¨uringen. Marburg 1966, S. 127–139. – Paul G¨orlich: Hersfeld in der Landeschron. des W. G. In: Mein Heimatland (Bad Hersfeld) 24 (1970/71) S. 33–35. – Ders.: Melsungen in der Landeschron. des W. G. In: Jb. des Kreises Melsungen 41 (1972) S. 139–141. – Repertorium fontium historiae medii aevi 4. Hg. Istituto Storico Italiano per il Medio Evo. Rom 1976, S. 711 f. – Armin Sieburg: W. G. und seine Frankenberger Chron. Wie es in Hessen aussah, als W. G. lebte und schrieb. In: Heimatjb. f¨ur das Frankenberger Land 1986 (1986) S.41–54. – Thomas Fuchs: Transformation der Geschichtsschreibung im Hessen des 16. Jh. In: Hessisches Jb. f¨ur Landesgesch. 48 (1998) S. 63–82. – R¨udiger St¨orkel: Die angebliche nassauische Niederlage ‹in der Stippach› bei Herborn (1416, 1427?). Kriege und Fehden zwischen Hessen und Nassau im 14. und 15. Jh. im Spiegel der hessischen Chronistik. In: Nassauische Annalen 111 (2000) S. 51–109. – Birgit Studt: 1020

Groningen Das Land und seine Fu¨ rsten. Zur Entstehung der Landes- und dynastischen Geschichtsschreibung in Hessen und Th¨uringen. In: Nordhessen im MA. Probleme v. Identit¨at und u¨ berregionaler Integration (Ver¨off. der Hist. Kommission f¨ur Hessen 64). Hg. v. Ingrid Baumg¨artner/Winfried Schich. Marburg 2001, S. 171–196. – T. Fuchs: Traditionsstiftung und Erinnerungspolitik. Geschichtsschreibung in Hessen in der fr¨uhen Neuzeit. Kassel 2002, S. 27–74. – Ernst Riegg: Eine Identit¨at der Leiden und Niederlagen. Frankenberg in der Stadtund Landeschron. W. G.s. In: Hessische Chron. zur Landes- und Stadtgesch. Hg. v. Gerhard Menk. Marburg 2003, S. 57–86. – I. Baumg¨artner: K¨onig Konrad I. und regionale Identit¨at. Das Urteil hessischer Historiographen bis um 1600. In: Konrad I. Auf dem Weg zum Dt. Reich? Hg. v. HansWerner Goetz und Simon Elling. Bochum 2006, S. 367–400. – Johannes Stein: Die Landeschron. v. Th¨uringen und Hessen des W. G. Kassel 2008. – Steffen Krieb: Herrscherdarst. in den Bildern der Chron. W. G.s. In: Visualisierte Kommunikation im MA. Legitimation und Repr¨asentation. Hg. v. Steffen Arndt/Andreas Hedwig. Marburg 2010, S. 83–98. MM Hagen, Henning OSB, * um 1440 Helmstedt, † nach 1503. – Chronist. H. lebte als Benediktinerm¨onch im Helmstedter Ludgeri-Kloster und war dort 1494–1503 Propst. Seine mnd. Stadtchronik Der staed croneke to Helmstede (1491) ist als Autograph erhalten. Das Werk war vom Helmstedter Stadtrat in Auftrag gegeben worden, nachdem Herzog Wilhelm von Braunschweig 1490 Lehnsherr geworden war. Die Chronik sollte st¨adtische Privilegien nachweisen und diese so rechtlich absichern. Dementsprechend ¨ enth¨alt der Hauptteil des Werks Ubertragungen und Exzerpte Helmstedter Urkunden aus dem Stadtarchiv. H. erg¨anzte dieses Material u. a. um Benutzerhinweise, ein Register und ein Verzeichnis st¨adtischer Bediensteter. Insgesamt u¨ berwiegt in H.s Werk der dokumentarische Aspekt, weshalb die Chronik kaum von literarischem Wert ist. Es handelt sich letztlich um eine «Gleichsetzung von Amtsbuch und Chronik» (Wriedt). H. hinterließ auch ein Sch¨ulerheft mit Aufzeichnungen (1453) und ein Kopialbuch seines Klosters (1481). ¨ Uberlieferung: Chronik: Helmstedt, Stadtarch., cod. B 1 8 (1491, Autograph). – Sch¨ulerheft: 1021

2. H¨alfte 15. Jh. Wolfenb¨uttel, Staatsarch., cod. VII B 99 (1453). – Kopialbuch: Ebd., cod. VII B 68 (1481). Ausgaben: H. H.s Chron. der Stadt Helmstedt. Hg. v. Edvin Brugge/Hans Wiswe. In: Nd. Mitt. 19/21 (1963/65) S. 113–280. Literatur: Uta Reinhardt, VL2 3 (1981) Sp. 388. – Emil Henrici: Funde in Braunschweigs Bibl. und Arch. VIII: H. H.s, des Helmstedters, Sch¨ulerheft v. 1453. In: Braunschweigisches Magazin 15 (1909) S. 66 f. – Eduard Mutke: Helmstedt im MA. Verfassung, Wirtschaft, Topographie. Wolfenb¨uttel 1913, S. XII f. – Otto Sch¨utte: Aus H. H.s Chron. der Stadt Helmstedt vom Jahre 1491. In: Die Braunschweiger GNC Monatsschr. 9 (1922) S. 509–511. – E. Brugge: H. H.s Stadtchron. v. Helmstedt. In: Nd. Mitt. 2 (1946) S. 105–122. – Ders./H. Wiswe 1963 (s. Ausg.; hier auch a¨ ltere Lit.). – H. Wiswe: H. H.s Chron. der Stadt Helmstedt. In: Braunschweiger Jb. 46 (1965) S. 145 f. – Dieter Stubbendiek: Stift und Stadt Helmstedt in ihren gegenseitigen Beziehungen. Diss. G¨ottingen 1974, S. 147–151. – Klaus Wriedt: B¨urgerliche Geschichtsschreibung im 15. und 16. Jh. Ans¨atze und Formen. In: St¨adtische Geschichtsschreibung im Sp¨atMA und in der fr¨uhen Neuzeit. Hg. v. Peter Johanek. K¨oln u. a. 2000, S. 19–50. – Uwe Neddermeyer: St¨adtische Geschichtsschreibung im Blickfeld von Stadthistorie, Inkunabelkunde, Lit.und Historiographiegesch. Anmerkungen zu einer Textgattung. In: Sp¨atma. st¨adtische Geschichtsschreibung in K¨oln und im Reich. Die ‹Koelhoffsche› Chron. und ihr hist. Umfeld. Hg. v. Georg M¨olich u. a. K¨oln 2001, S. 1–27. – Friedrich Ebel: Die Sprucht¨atigkeit des Magdeburger Sch¨oppenstuhls f¨ur Niedersachsen. In: ‹Unseren fruntlichen grus zuvor›. Dt. Recht des MA in mittel- und osteurop¨aischen Raum. Hg. v. Andreas Fijal u. a. K¨oln u. a. 2004, S. 91–117, hier S. 99–101. – Dieter Lent: H., H. In: Braunschweigisches Biographisches Lex. 8. bis 18. Jh. Hg. v. Dieter Lent u. a. Braunschweig 2006, S. 290 f. MM Groningen, Rainer (auch Reynerus Groningen). – Verfasser einer nd. Reimchronik. ¨ Uber G.s Leben sind nur Vermutungen m¨oglich. Er war m¨oglicherweise b¨urgerlicher Abstammung und in Braunschweig als Geistlicher und Notar oder Ratsschreiber t¨atig. Sein einziges bekanntes Werk ist das Schichtspiel (1492), eine nd. Reimchronik in 5000 Versen mit Paarreimen. Im einzigen erhaltenen Autographen fehlen jedoch mehrere 1022

2. H¨alfte 15. Jh. Bl¨atter und dadurch rund 600 Verse des Texts. Nach Jahren geordnet, ist die Reimchronik durchg¨angig in Kapitel und Artikel mit Zwischen¨uberschriften gegliedert. Die begrenzten sprachlichen F¨ahigkeiten G.s erschweren leider das Verst¨andnis des Werks, da sie zu dunklen und verk¨urzten Formulierungen f¨uhren. Gegenstand des Schichtspiels ist die Schicht des Ludeke Holland im Jahr 1488. «Schicht» meint hier einen Aufstand oder Unruhen. Zu diesen kam es damals in Braunschweig wegen einer neuen Mu¨ nzordnung. Ein K¨urschner und B¨urgermeister namens Ludeke Holland setzte sich an die Spitze der Aufst¨andischen und regierte kurzzeitig die Stadt, wurde aber zuletzt von Bevo¨ lkerung und Rat gest¨urzt. 1491 floh er aus Braunschweig, wo daraufhin die alte Ordnung wiederhergestellt wurde. Als Gegner Hollands kommentiert G. dessen Fall mit Genugtuung. Wohl kurz nach 1510 entstand eine verk¨urzte Prosaparaphrase des Schichtspiels, die nur rund ein Drittel der Vorlage wiedergibt. Danach brach der anonyme Verfasser den Text aus unbekannten Gr¨unden ab. Die Paraphrase kommentiert und erg¨anzt viele Stellen in G.s Original. Sie gilt insgesamt als anschaulicher und geistreicher als die eigentliche Reimchronik. ¨ Uberlieferung: Wolfenb¨uttel, HAB, cod. 120 Helmst., 1r–29v (Pap., sp¨ates 15. Jh.). – Ebd., cod. 652 Helmst., 168r–214v (Pap., 16. Jh., Abschr. der Paraphrase). Ausgaben: Das Schichtspiel. Hg. v. Ludwig H¨anselmann. In: Die Chron. der dt. St¨adte 16: Die Chron. der nieders¨achsischen St¨adte 2. Braunschweig. Hg. Bayerische Akad. der Wiss. Leipzig 1880 (Neudr. G¨ottingen 1962) S. 101–255. – Die Paraphrase des Schichtspiels in der Wolfenb¨uttler Hs. Helmstad. 652. Hg. v. Joseph Hansen. In: Die Chron der dt. St¨adte 35: Die Chron. der nieders¨achsischen St¨adte 3,1. Braunschweig. Hg. Bayerische Akad. der Wiss. Stuttgart/Gotha 1928 (Neudr. G¨ottingen 1962) S. 1969, S. 17–67 (Paraphrase). Literatur: Uta Reinhardt, VL2 3 (1981) Sp. 261 f. – De Boor/Newald 4/1 (21994) S. 153. – H¨anselmann 1880 (s. Ausg.) S. 84–98. – Eduard Damk¨ohler: Zum Braunschweiger ‹Schichtspiel› und ‹Schichtbuch›. In: NdJb 29 (1903) S. 123–131. – Robert Sprenger: Zum Braunschweiger ‹Schichtspiel› und ‹Schichtbuch›. In: Korrespondenzbl. des Ver. f¨ur nd. Sprachforschung 1023

Kapfman 24 (1903) S. 75 f. – Joachim Ehlers: Historiographie, Geschichtsbild und Stadtverfassung im sp¨atma. Braunschweig. In: Rat und Verfassung im ma. Braunschweig. FS zum 600j¨ahrigen Bestehen der Ratsverfassung, 1386–1986. Hg. v. Manfred Garzmann. Braunschweig 1986, S. 99–134. – Wilfried Ehbrecht: Die Braunschweiger Schicht v. 1488. Ein Stadtkonflikt als Exempel f¨ur Mißgunst und Ehrgeiz in den st¨adtischen F¨uhrungsfamilien. In: Hermann Bote. St¨adtisch-hansischer Autor in Braunschweig 1488–1988. Beitr. zum Braunschweiger Bote-Kolloquium 1988. Hg. v. Herbert Blume/Eberhard Rohse. T¨ubingen 1991, S. 109–132 (wieder in: W. Ehbrecht: Konsens und ¨ Konflikt. Skizzen und Uberlegungen zur a¨ lteren Verfassungsgesch. dt. St¨adte. Hg. v. Peter Johanek. K¨oln 2001, S. 292–313). – Matthias Puhle: Die ¨ Braunschweiger ‹Schichten› des MA im Uberblick und Vergleich. In: Schicht – Protest – Revolution in Braunschweig 1292 bis 1947–48. Beitr. zu einem Kolloquium der TU Braunschweig [...] vom 26. bis 28. Oktober 1992. Hg. v. Birgit Pollmann. Braunschweig 1995, S. 27–33. MM Kapfman, Steffan (Kapffmann, Kauffmann), * um 1455. – Verfasser eines Pilgerberichts. Der aus St. Gallen stammende K. war B¨urger zu Freiburg im Uechtland. Er unternahm 1491 – wahrscheinlich in Begleitung seines Bruders Daniel – eine ganzj¨ahrige Reise ins Hl. Land und verfasste dar¨uber einen Bericht, in dem er in 91 knappen Abschnitten die besuchten hl. St¨atten beschrieb. ¨ Uberlieferung: St. Gallen, Stiftsbibl., Cod. 610 (lat. Sammelhs. hagiographischen und chronikalischen Inhalts), S. 4–11 (Pap., Hauptteil: 1452–59; S. 4–11: 16. Jh.). Literatur: Volker Honemann, VL2 4 (1983) Sp. 992. – Reinhold R¨ohricht/Heinrich Meisner: Dt. Pilgerreisen nach dem Heiligen Lande. Berlin 1880, S. 223 f. – Max de Diesbach: Les P´el´erins Fribourgeois a` Jerusalem (1436–1640). In: Archives de la Soci´et´e d’histoire du canton de Fribourg 5 (1889) S. 191–282, hier S. 207 f. – Konrad Haebler (Hg.): Das Wallfahrtsbuch des Hermann K¨unig v. Vach und die Pilgerreisen der Deutschen nach Santiago de Compostela. Straßburg 1899, S. 53. – R. R¨ohricht: Bibliotheca geographica Palaestinae. Chronologisches Verz. der v. 333 bis 1878 verfaßten Lit. u¨ ber das Heilige Land. Berlin 1890. Verb. und verm. Neuausg. mit einem Vorw. v. David H. K. 1024

Pilgerfahrt des Konrad von Parsberg und Reinhard von Bemelberg Amiran. Jerusalem 1963 (Nachdr. London 1989) S. 142 Nr. 432. – Europ¨aische Reiseber. des sp¨aten MA. Hg. v. Werner Paravicini. Tl. 1: Dt. Reiseber. Bearb. v. Christian Halm (Kieler Werkst¨ucke, Reihe D, Bd. 5). 2., durchges. und um einen Nachtr. erg. Aufl. Frankfurt/M. u. a. 2001, Nr. 94, S. 239 f. BJ Ortenstein, Hans. – Lieddichter. O. ist nur durch seine Signatur unter dem Lied vom «Fr¨aulein von Britannien» nachweisbar, das 1491/92 entstand und in vier Drucken von 1492 u¨ berliefert ist. Das Lied umfasst 282 dt. Verse mit lat. Einsprengseln sowie einem Marienpreis am Anfang und Ende. Der Hauptteil des Texts erz¨ahlt eine stark dramatisierte Version realer Ereignisse aus dem Jahr 1491. Im Mittelpunkt steht der Streit von K¨onig Karl VIII. von Frankreich und K¨onig Maximilian um Herzogin Anna von Bretagne (das «Fr¨aulein» des Titels). Urspr¨unglich mit Maximilian verheiratet, wurde Anna von Karl aus der nie vollzogenen Ehe gerissen und von dem franz¨osischen K¨onig erneut geehelicht, was zu politischen und juristischen Disputen f¨uhrte. O. schildert diese Vorg¨ange in dramatischen Dialogen und mit ebenso dramatischen Appellen an Papst, Kaiser und K¨onige, f¨ur Anna zu intervenieren. N¨urnberg und Rennes dienen als Schaupl¨atze, an denen sich O.s Anna als tapfere Heldin bew¨ahren muss. Karl VIII. wird hingegen als roher Ehebrecher dargestellt, der g¨ottliches Gesetz bricht. Tats¨achlich war sein Vorgehen eher ein Akt kalkulierter, an Machtfragen orientierter Heiratspolitik. Drucke: Zweibr¨ucken: J¨org Geßler, [1492] (GW-Nr. M22120). – [Augsburg: Anton Sorg, 1492] (GW-Nr. M28431). – Ulm: [Johann Zainer ¨ 1492 (GW-Nr. M28432). – [Wien: Johann d. A.], Winterburg], 1492 (GW-Nr. M28433). Ausgaben: Liliencron 2 (1866) Nr. 179. – Popul¨are Lit. des Sp¨atMA. Inkunabeln aus Zweibr¨ucken (J¨org Geßler). Ink E 4817 der Universit¨atsbibl. Freiburg i. Br. Ink F 10 Nr. 10 der Hist. Bibl. der Stadt Rastatt. Hg. v. Ute Obhof/ Johannes Sch¨ondorf. Wiesbaden 1997, S. 15–18 (Faks.-Ausg.). Literatur: Frieder Schanze, VL2 7 (1989) Sp. 54 f.; 11 (2004) Sp. 1096. – Ernst Adlassnig: Der Zeitungscharakter nachrichtendominanter Wiener Massendruckschr. Seine Auspr¨agung und seine Weiterentwicklung zwischen 1492 und 1570. Diss. Wien 1980, S. 32–62. MM 1025

2. H¨alfte 15. Jh.

Pilgerfahrt des Konrad von Parsberg und Reinhard von Bemelberg. – Pilgerreisebericht eines unbekannten Verfassers, sp¨ates 15. Jh. Sechs Handschriften u¨ berliefern den Bericht von einer Pilgerreise in das hl. Land, die R. v. B. zusammen mit K. v. P. in einer Gruppe von Ministerialen wahrscheinlich 1494 unternommen hat (vgl. auch → Ludwig von Greiffenstein und den Parallelbericht von Pietro Casola, hg. v. Anna Paoletti: Viaggio a Gerusalemme di Pietro Casola [Oltramare 11]. Alessandria 2001.) Zwei Handschriften weisen den Text R. v. B. zu, drei nennen K. v. P. als Autor und eine (die a¨lteste) ist ohne Autorzuweisung. R. v. B. diente den hessischen Landgrafen als Amtmann und die Familie derer von Parsberg stand in Diensten der bayerischen Herz¨oge. Beide waren nach handschriftlichem (und fragw¨urdigem) Zeugnis Mitglied des Johanniterordens. Sowohl die Verfasserfrage als auch die grunds¨atzliche, ob es sich bei den u¨ berlieferten Versionen um einen Bericht in unterschiedlichen Fassungen oder um zu differenzierende Werke handelt, ist Gegenstand der Diskussion. Mit großer Wahrscheinlichkeit handelt es sich um verschiedene Versionen eines einzigen Berichts. Abweichungen im Text und die zwei unterschiedlichen Autornennungen d¨urften auf den gemeinsamen Schreiber aller vier vollst¨andigen Handschriften aus dem fr¨uhen 17. Jh., Christoph Tegernseer, zur¨uckgehen. Dieser hat die Namen wahrscheinlich f¨ur die jeweiligen Auftraggeber eingesetzt, um das Gedenken an die Teilnahme der Pilgerfahrt innerhalb des entsprechenden Geschlechtes aufrechtzuerhalten. Neben K. v. P. und R. v. B. ist das Werk in der Forschung auch → Ludwig von Greiffenstein und zuletzt dem dt. Johanniter-Prior Rudolf von Werdenberg (Hasecker [s. Lit.] S. 46–49) zugewiesen worden. Vor allem Ludwig und R. v. B. d¨urften als Verfasser auszuschließen sein. Stattdessen ist die Annahme eines niederadligen nicht weiter bekannten Verfassers aus dem Umkreis des Mu¨ nchener herzoglichen Hofs am wahrscheinlichsten (Delfs [s. Lit.]). Zwei Handschriften (Leipzig und Cgm 3006 und damit je eine K. v. P. bzw. R. v. B. zugeschriebene) geben an, es handele sich bei ¨ dem Text um eine Ubersetzung aus dem Italienischen. Das w¨are gerade im Umfeld des bayerischen Hofes nicht ungew¨ohnlich, aber da eine entsprechende Vorlage nicht bekannt ist, kann der Wahrheitsgehalt dieser Angabe nicht u¨ berpr¨uft werden. 1026

2. H¨alfte 15. Jh. Der Inhalt des Berichts (Anreise mit der Pilgergaleere von Venedig u¨ ber Kreta nach Jaffa, Ritterschlag am hl. Grab etc.) mit Schwerpunkt auf der Beschreibung der venezianischen Reliquien und der hl. St¨atten Jerusalems weicht, abgesehen von einem Erdbeben auf Kreta und verst¨arkten Konflikten mit der muslimischen Bev¨olkerung, nicht vom Schema vergleichbarer Texte ab und scheint vom Bericht des Hans → Tucher beeinflusst zu sein (vor allem Reiseinstruktionen). ¨ Uberlieferung: Privatbesitz Sigurd Freiherr v. Ow-Wachendorf, Starzach (sp¨ates 15. Jh. [?]/16. Jh.); Fragm., ohne Autornennung. – Gießen, UB, Hs. 165, 121 Bll. (1603) Zuschreibung an R. v. B., geschrieben v. Tegernseer (?). – Innsbruck, ULB, Cod. 721, 94 Bll. (17. Jh.); unvollst., Zuschreibung an K. v. P. – Leipzig, UB, Rep. IV. 53b, 134 Bll. (1603) Zuschreibung an R. v. B., geschrieben v. Tegernseer (?). – M¨unchen, BSB, Cgm 3006, 200 Bll. (fr¨uhes 17. Jh., nach 1604) Zuschreibung an K. v. P., geschrieben v. Tegernseer. – Ebd., Cgm 4030, 124 Bll. (fr¨uhes 17. Jh.); Zuschreibung an K. v. P., geschrieben v. Tegernseer (?). – Ausf¨uhrliche Beschreibung der Hss. bei Fricke (s. Lit.) S. 21–27. Ausgaben: Theodor Sch¨on: Eine Pilgerfahrt in ¨ 13 (1892) das heilige Land im Jahre 1494. In: MIOG S. 435–469 (Fragm.). – Fricke (s. Lit.) S. 162–171 (Ausz¨uge aus verschiedenen Hss. mit Abb.). – Fouquet (s. Lit.) S. 131–311 (nach Gießen, Hs. 165). Bibliographie: Werner Paravicini: Europ¨aische Reiseber. des sp¨aten MA. Eine analytische Bibliogr. Bd. 1: Dt. Reiseber. (Kieler Werkst¨ucke D 5). Frankfurt/M. u. a. 22001, Nr. 102. Literatur: Dietrich Huschenbett, VL2 7 (1989) Sp. 1176 f. – Reinhold R¨ohricht/Heinrich Meisner: Dt. Pilgerreisen nach dem Heiligen Lande. Berlin 1880, S. 593. – R. R¨ohricht: Bibliotheca geographica Palaestinae. Chronologisches Verz. der von 333 bis 1878 verfaßten Lit. u¨ ber das Heilige Land. Berlin 1890. Verb. und verm. Neuausg. mit einem Vorw. von David H. K. Amiran. Jerusalem 1963 (Nachdr. London 1989) S. 162 (Nr. 571, 573). – Ders.: Dt. Pilgerreisen nach dem Heiligen Lande. Neue Ausg. Innsbruck 1900 (Neudr. Aalen 1967) S. 184–187. – Arnold Esch: Gemeinsames Erlebnis – individueller Ber. Vier Parallelber. v. einer Reisegruppe v. Jerusalempilgern 1480. In: Zs. f¨ur Hist. Forsch. 11 (1984) S. 385–416, hier S. 413. – Wilhelm Fricke: Die Itinerarien des K. v. P., des R. v. B. und ihrer Mitreisenden u¨ ber eine 1027

Schiphower Pilgerreise nach Jerusalem im Jahre 1494. Zugleich ein Beitr. zur Erforschung v. Fremdenfurcht und Fremdenfeindschaft im Sp¨atMA. Bochum 2000. – Gerhard Fouquet (Hg.): Die Reise eines niederadeligen Anonymus ins Heilige Land im Jahre 1494 (Kieler Werkst¨ucke E 5). Frankfurt/M. 2007 (darin u. a.: Tobias Delfs: Der Verfasser und seine Kopisten: Eine Spurensuche, S. 37–55). – Jyri Hasecker: Die Johanniter und die Wallfahrt nach Jerusalem (1480–1522) (Nova Mediaevalia 5). G¨ottingen 2008, bes. S. 40–49, 312/319 (Reg.). – Stefan Schr¨oder: Zwischen Christentum und Islam. Kulturelle Grenzen in den sp¨atma. Pilgerber. des Felix Fabri (Orbis mediaevalis 11). Berlin 2009, S. 95 f. VZ Schiphower, Johannes, * 1463 Meppen, † nach 1521. – Augustiner-Eremit, Chronist. S.s Lebensdaten sind u¨ berwiegend nur aus seinen eigenen Angaben im Werk zu erschließen. Er wurde als Sohn eines B¨urgermeisters geboren, trat 1478 in das Osnabr¨ucker Kloster der Augustiner ein und legte um 1480/81 die Profess ab. Anschließend studierte er in Lippstadt und seit 1483 in Appingedam, bevor er 1484 in Osnabr¨uck zum Priester geweiht wurde. Nach weiteren Studien in Bologna war S. seit 1488 Cursor im Kloster Nordhausen, kehrte aber 1489 nach Italien zur¨uck. Er studierte in Siena und weilte 1491 am Generalkapitel seines Ordens in Rom. Im selben Jahr wurde er Prior in Anklam und kehrte 1494 nach Osnabr¨uck zur¨uck. 1497 wurde S. in Rom zum Baccalaureus promoviert und nahm als Diffinitor der S¨achsischen Ordensprovinz erneut am Generalkapitel teil. Seit 1500 Terminarius in Oldenburg, gewann er dort als Beichtvater das Vertrauen Grafen Johann V. von Oldenburg (1460–1526). Auch nach seiner R¨uckkehr nach Osnabr¨uck 1504 blieb S. dem F¨urstenhaus als Lehrer und Beichtvater verbunden. S.s Hauptwerk ist die 1503 im Auftrag Johanns V. begonnene Chronica archicomitum Oldenburgensium. Die Entstehung dieser Schrift umfasst vier Rezensionen mit jeweils erweiterten Berichtszeitr¨aumen: bis 1504 (verloren), bis 1505, bis 1518 und bis 1514 (mit Nachtr¨agen bis 1521). S. stellt in der lat. Chronik vor allem die Geschichte der Grafen von Oldenburg sowie der (in erster Linie norddt.) Augustiner-Eremiten dar, behandelt aber auch Teile der Reichsgeschichte sowie Heilige und Autoren des Ordens. Zus¨atzlich sind pers¨onliche Nachrichten u¨ ber S. und seine Familie in den Text 1028

Trithemius eingestreut. Neben durchaus zuverl¨assigen Fakten finden sich in der Chronica auch legend¨are oder schlicht konstruierte Ereignisse. So f¨uhrt S. die Grafen von Oldenburg und den Theologen Aegidius Romanus auf die Familie Colonna zur¨uck; die Oldenburger h¨atten ihre Grafenw¨urde von Julius Caesar erhalten. Weite Teile der Chronik sind kompiliert, wie S. selbst zugibt, vor allem aus der Rasteder Chronik und Annalen. Weitere Quellen S.s waren Werke von Heinrich Wolters, → Helmold von Bosau, Albert von Stade, Florenz von Wevelinghoven, → Martin von Troppau und Ambrosius de Cora. Auf der Grundlage der dritten Rezension von S.s Chronica schuf der Johanniter-Komtur Johannes ¨ von Haren eine nd. Ubersetzung des Werks. Die ¨ gek¨urzte Ubertragung wurde 1506 beendet, enth¨alt also nicht die sp¨ateren Zus¨atze dieser Rezension bis 1518. S. verfasste auch eine Reihe kleinerer lat. Werke, die jedoch uberwiegend ¨ nicht erhalten sind: Conclusiones de praedestinatione et praescientia (1491, verloren), De conceptione immaculata Beatae Mariae Virginis (1492), Passio (1495, verloren), Tractatus de sacramentorum defensione (1495, verloren), Sermo de ordinibus (1500, verloren) und Tractatus de paupertate Christi (1504, verloren). Er schrieb 1496 ferner eine Epistel an den Lippst¨adter Prior Johannes Velkener mit W¨urdigungen von Theologen seines Ordens, darunter Hermann von Schildesche und Johann Klenkok. Von Bedeutung ist S. aber prim¨ar als wichtiger Vertreter der Augustiner-Geschichtsschreibung. ¨ Uberlieferung: 1. Autographen der Chron.: Hannover, LB, Ms. XXII 1396, 5r–92v. – Oldenburg, Staatsarch., Best. 297 Nr. A 1, S. 27–245. – ¨ 2. Nd. Chronik-Ubersetzung des Johannes von Haren: Gotha, Forschungsbibl., cod. Chart. B 60, ¨ 1r–78r (Pap., um 1506). – Zur weiteren lat. Uberl. vgl. Frenz 1992 (s. Lit.). Druck: Incipit tractatus de conceptioe immaculate virginis. collect. p. venerabile sacre theologie lectore fratre iohae de meppis cognominato schyphower [...]. L¨ubeck [Steffen Arndes], 1495 (Online–Ausg. HAB Wolfenb¨uttel). Ausgaben: Heinrich Meibom d. J.: Rerum Germanicarum Scriptores 2. Helmstedt 1688, S. 123–191 (Chron.). – Eckermann 1971 (s. Lit.; Epistel). Literatur: ADB 31 (1890) S. 306 f. – Manitius 3 (1931) S. 497. – Thomas Frenz: Johannes v. Haren. In: VL2 4 (1983) Sp. 637; 11 (2004) Sp. 772. – Ders., 1029

2. H¨alfte 15. Jh. VL2 8 (1992) Sp. 681–684. – Achim Kr¨ummel, BBKL 3 (1992) Sp. 557–559. – Willigis Eckermann, LThK3 9 (2000) Sp. 147. – Adolar Zumkeller: Mss. v. Werken der Autoren des AugustinerEremitenordens in mitteleurop¨aischen Bibl. W¨urzburg 1966, S. 267–269. – W. Eckermann: Eine unver¨offentlichte hist. Quelle zur Literaturgesch. der westf¨alischen Augustiner des Sp¨atMA. In: Analecta Augustiniana 34 (1971) S. 185–238. – Heinrich Schmidt: Oldenburgische Geschichtsschreibung. In: Gesch. des Landes Oldenburg. Ein Hb. Hg. v. Albrecht Eckhardt mit H. Schmidt. Oldenburg 1987, S. 67–84, hier S. 69 f. – W. Eckermann: J. S., Augustinertheologe und Chronist der Grafen v. Oldenburg. Eine biographische Skizze. In: Oldenburger Profile. Hg. v. Joachim Kuropka. Cloppenburg 1989, S. 9–34. – Bernd Hucker: Die Notizen des Augustinereremiten J. S. (1463–1527) u¨ ber Tyle Ulenspeygel. In: Traditio Augustiniana. FS Willigis Eckermann. Hg. v. A. Zumkeller/Achim Kr¨ummel. W¨urzburg 1994, S. 583–597. – Gerhard Diehl: Exempla f¨ur eine sich wandelnde Welt. Stud. zur norddt. Geschichtsschreibung im 15. und 16. Jh. Bielefeld 2000, S. 88–135. – G¨unter Werner: Ahnen und Autoren. Landeschron. und kollektive Identit¨aten um 1500 in Sachsen, Oldenburg und Mecklenburg. Husum 2002, S. 130–165. – Norbert Kersken: Auf dem Weg zum Hofhistoriographen. Historiker an sp¨atma. F¨urstenh¨ofen. In: Ma. F¨urstenh¨ofe und ihre Erinnerungskulturen. Hg. v. Carola Fey u. a. G¨ottingen 2007, S. 107–139. MM Trithemius, Johannes (J. Heidenberg, J. Zeller) OSB, * 1.2.1462 Trittenheim/Mosel, † 13.12. 1516 W¨urzburg. – Humanist, Ordensreformator, Schriftsteller. Einer Winzerfamilie entstammend, studierte T. in Trier, K¨oln sowie Heidelberg und trat 1482 in das Benediktinerkloster Sponheim bei (Bad) Kreuznach ein, wo er 18 Monate sp¨ater zum Abt gew¨ahlt wurde. T. bem¨uhte sich erfolgreich um die monastische und o¨ konomische Reform des Konvents, vor allem aber wurde Sponheim dank der von T. aufgebauten Bibliothek zu einem Zentrum des dt. Humanismus. T. verfasste zwar auch monastisches Schrifttum, seinen Platz in der dt. Literaturgeschichte lat. Zunge erlangte er vor allem als Verfasser der ersten gedruckten Literaturgeschichte (De scriptoribus ecclesiasticis), als Historiograph, als Korrespondenzpartner von Konrad Celtis, Kaiser Maximilian, Hartmann → Schedel, Johannes Reuchlin 1030

2. H¨alfte 15. Jh. und anderen sowie als Autor von Geheimschrifttraktaten. Seine bisweilen als Bibliomanie empfundene B¨ucherleidenschaft, h¨aufige Abwesenheit vom Kloster und schließlich der Vorwurf okkulter Neigungen f¨uhrten dazu, dass er Sponheim 1506 zugunsten der Abtei St. Jakob in W¨urzburg verließ, wo er bis zu seinem Tod als Abt amtierte. Das schriftstellerische Werk T.s umfasst zahlreiche Textsorten und deckt diverse Wissensdom¨anen ab, ein ausf¨uhrliches Werkverzeichnis mit Zusam¨ menstellung der Uberlieferung in Handschrift und Druck findet sich bei Arnold (s. Lit.), S. 228–285. Unter den im Zusammenhang mit der benediktinischen Reform entstandenen monastischen Werken sind vor allem zu nennen eine Vielzahl an Kapitelsreden (De fuga saeculi et laudibus vitae religiosae, 1490; De ruina ordinis sancti Benedicti et reformationis Bursfeldensis laudibus, 26.8.1492 u. v. a.) sowie Statutensammlungen wie die Constitutiones provincialium capitulorum ordinis sancti Benedicti per provinciam Moguntinam et diocesim Bambergensem (um 1490–93). Theologische Schriften umfassen Anweisungen f¨ur die rechte priesterliche Lebensf¨uhrung wie De institutione vitae sacerdotalis (1486), exegetische Traktate wie den Libellus de quaestionibus psalterii (1496) sowie insbesondere breit rezipierte mariologische Texte wie De laudibus sanctissimae matris Annae (1494). Unter den historiographischen Werken haben die Annales Hirsaugiensis (1509–14) und das Chronicon Sponheimense (ca. 1495–1509) besondere Resonanz gefunden. Als Literaturhistoriker (und Wiederentdecker → Otfrids von Weißenburg, → Willirams von Ebersberg und → Hrosvits von Gandersheim) zeigt sich T. als Autor des bibliographischen Kompendiums De scriptoribus ecclesiasticis (beendet 1494) und der daraus sch¨opfenden Separatbibliographien Catalogus illustrium virorum Germaniae (1491–95), De origine, progessu et laudibus ordinis fratrum Carmelitarum (beendet 1492) sowie von De viris illustribus ordinis sancti Benedicti (um 1492). Weiterhin ist er Verfasser des medienhistorisch bedeutsamen Traktats De laude scriptorum manualium (1492). Zum Arkanschrifttum z¨ahlt eines der meistrezipierten Werke T.s, die unvollendete Steganographia (um 1500), daneben sind 261 Briefe von seiner Hand u¨ berliefert. T. hat sein Werk ausschließlich auf Latein ver¨ fasst. An dt. und ndl. Ubersetzungen des 15. und 16. Jh. sind bekannt die Exhortationes ad monachos 1031

Trithemius (1522; St. Gallen, Stiftsbibl., Cod. 590, S. 314–334), die Oratio de cura pastorali (1583; Br¨ussel, Bibl. Royale, ms. 8084–8107), De triplici regione claustralium ([...] von teglicher ubung geistlicher closterpersanen; um 1500; Mu¨ nchen, BSB, Cgm 4439, 1r–48r), De laudibus s. Annae (1495; Berlin, SBB, Mgo 484, 93v–112v), der Liber octo quaestionum (Antwort Herrn Johan Abts zu Spanheim auff acht fragstuck, Druck Ingolstadt 1555, 1556), De septem secundeis, id est intelligentiis sive spiritus orbes post deum moventibus (Von den syben Geysten, Druck N¨urnberg, H. H¨oltzel 1522, danach Hs. L¨ubeck, StB, Ms. math. 4° 9 [verschollen], 135r–138v, 16. Jh.) sowie die Steganographia (Steganographie, Berlin, SBB, Mgf 177, 16. Jh.). ¨ Uberlieferung: Im Folgenden wird allein das im weiteren Sinne chronikalische Schrifttum ber¨uck¨ sichtigt, zur sonstigen Uberl. vgl. Arnold (s. Lit.), S. 228–285. – Annales Hirsaugiensis: u. a. M¨unchen, BSB, Clm 703 (Autograph). – Stockholm, Kgl. Bibl., Cod. 910/I, II (16. Jh., Zweibr¨ucken). – Stuttgart, LB, Cod. HB XV 74/I, II (17. Jh., Hirsau). – M¨unchen, BSB, Cgm 1580, 56r–85r (1545, Ausz¨uge). – Catalogus illustrium virorum Germaniae: Kassel, UB/LMB, 2° Ms. theol. 63, 1r–79r (15. Jh.). – W¨urzburg, UB, M.p.th.f. 64b, 82r–113v (16. Jh., unvollst.). – Chronicon Hirsaugiense: Rom (Vatikanstadt), Bibl. Apostolica Vaticana, Cod. Pal. lat. 929, 1r–258r (Autograph). – Chronicon Sponheimense: W¨urzburg, UB, M.ch.f. 16, 4r–124r (Autograph). – M¨unchen, BSB, Cgm 2845 (um 1633). – Gießen, UB, Hs. 573 (17./18. Jh.). – Rom (Vatikanstadt), Bibl. Apostolica Vaticana, Cod. Pal. lat. 964, 3r–189r (1528, Sponheim). – Br¨unn/Brno, St´atni Arch´ıv, Nemecky Historicky Spolek, Cod. 491 (17. Jh.). – Escorial, Bibl. del Monasterio de San Lorenzo del Escorial, Cod. G II 8 (Anfang 16. Jh.). – Karlsruhe, LB, Cod. R 4, 1r–325r (16. Jh.). – Hamburg, SUB, Cod. hist. 60, 18r–410r (zweite H¨alfte 16. Jh.). – Stuttgart, LB, Cod. hist. fol. 398 (16. Jh.). – Weimar, Herzogin Anna Amalia Bibl., Cod. fol. 70, 1r–301r (17. Jh, unvollst.). – Darmstadt, ULB, Cod. 1406, 1r–67r (17. Jh.). – Karlsruhe, Generallandesarch., Abt. 65, Nr. 661 (17. Jh.). – M¨unchen, BSB, Clm 1824 (dt. Ausz¨uge). – Chronicon successionis ducum Bavariae et comitum Palatinorum: M¨unchen, BSB, Cgm 1616, 29r–80v (18. Jh.). – Mu¨ nchen, Bayerisches ¨ Geheimes Hausarch., Hs. Nr. 3 (16. Jh., Uberschriften zum Teil autograph). – Rom (Vatikanstadt), Bibl. Apostolica Vaticana, Cod. Pal. lat. 7011 1032

Trithemius (16. Jh.). – Compendium breve fundationis et reformationis monasterii sancti Iacobi ordinis s. Benedicti in suburbio Herbipolensi: W¨urzburg, UB, M.ch.f. 126, 145r–153v (Autograph). – Ebd., M.ch.f. 260, 73r–95v (17. Jh.). – W¨urzburg, Staatsarch., Hist. Ver., Ms. q. 17*. – Br¨ussel, Bibl. royale 5301–5320 (5313) (17. Jh.). – Weimar, Herzogin Anna Amalia Bibl., Cod. fol. 80 (17. Jh.). – Compendium de origine Francorum: London, British Library, Ms. Add. 22794 (16./17. Jh.). – De laude scriptorum manualium: Kiel, UB, Inc. 50/8, 1r–17v (um 1492, Sponheim). – Krakau, Bibl. Jagiell´onska, Berol. Ms. lat. qu. 395. – Berlin, SBB, Cod. lat. fol. 410, 177r–190v (um 1492, Sponheim). – Paris, Bibl. Nationale, Ms. lat. 11413, 25r–45v (Ende 15. Jh., Groß St. Martin/K¨oln). – W¨urzburg, UB, M.p.th.f. 64b, 20v–37v (16. Jh.). – Mainz, Stadtarch., Cod. II 70, 35r–53v (1501, St. Jakob/Mainz [?]). – Erfurt, Bibl. des Domarch., Cod. hist. 6, fol. 2*, 3* (Ende 15. Jh., Erfurter Kartause, Ausz¨uge). – De origine, progressu et laudibus ordinis fratrum Carmelitarum: Kassel, UB/LMB, 2° Cod. theol. 63, 90r–120r (15. Jh., Sponheim). – Berlin, SBB, Cod. lat. fol. 410, 160r–176r (1492). – W¨urzburg, UB, M.p.th.f. 64b, 72r–81v (16. Jh., unvollst.). – De scriptoribus ecclesiasticis: Berlin, SBB, Cod. lat. fol. 410, 2v–257r (1492). – New York, Privatbesitz Antiquariat Hans P. Kraus, Cod. 143 (Sammlung 1992 aufgel¨ost) (1492). – Gent, UB, Hs. 67–67b, 19r–214v (1494). – Paris, Bibl. Nationale, Bibl. de l’Ars´enal, Ms. 507/III (1504, Roodenclosster bei Br¨ussel). – Mu¨ nchen, BSB, Clm 14576, 33r–77v (16. Jh., St. Emmeram/Regensburg, Exzerpte). – De viris illustribus ordinis sancti Benedicti: Krakau, Bibl. Jagiell´onska, Berol. Ms. lat. oct. 216 (15./16. Jh., fragm.). – Ebd., Berol. Ms. lat. oct 395 (15./16. Jh.). – Kiel, UB, Inc. 50/10 (1492, Sponheim). – Trier, Bibl. des Priesterseminars, Cod. 79, 37r–78r (15. Jh., St. Matthias/Trier). – Wiesbaden, LB, Cod. 33, 1r–3r (15. Jh., Sch¨onau). – Br¨ussel, Bibl. royale, ms. 2310–2323, 346r–381r (1494, St. Nikolaus/Brauweiler). – Paris, Bibl. du mus´ee du Louvre, D´epartement des Desseins, Collection Edmond de Rothschild, Ms. 1, 316r–326v (16. Jh., St. Trudo/Gembloux, Ausz¨uge). – Padua, UB, Cod. 629 (16. Jh.). – Epistolae: vgl. die Auflistung bei Arnold (s. Lit.) S. 261–285. – Vita beati Maximi episcopi Moguntini: Rom (Vatikanstadt), Bibl. Apostolica Vaticana, Cod. Pal. lat. 850, 110r–121v (Autograph). – Vita beati Rabani Mauri: Rom (Vatikanstadt), Bibl. Apostolica Vaticana, Cod. Pal. lat. 850, 1033

2. H¨alfte 15. Jh. 75r–108v (Autograph). – W¨urzburg, UB, M.ch.q. 95, 379r–408v (17. Jh.). Ausgaben: Johannis Trithemii [...] Opera historica, quotquot hactenus reperiri potuerunt, omnia [...], ed. Marquard Freher. 2 Bde. Frankfurt/M. 1601 (Nachdr. Frankfurt/M. 1966). – Johannes Trithemii [...] Opera pia et spiritualia, quotquot vel olim typis expressa vel M.SS. reperiri potuerunt. Hg. v. Johannes Busaeus. Mainz 1604/1605. – Paralipomena opusculorum Petri Blesenis et Joannis Trithemii aliorumque [...]. Hg. v. Johannes Busaeus. Mainz 1605. K¨oln 1624. – Einzelausgaben verzeichnet Arnold (s. Lit.) S. 228–285. Literatur: Franz Xaver v. Wegele, ADB 38 (1894) S. 626–631. – De Boor/Newald 4/1 (21994) S. 666–668, passim. – Klaus Arnold, LexMA 5 (1991) Sp. 608 f. – Christoph Schmitt, BBKL 19 (2001) Sp. 1446–1454. – Klaus Ganzer, LThK3 (2001) Sp. 263 f. – Birgit Merz, RGG4 (2001) Sp. 532 f. – K. Arnold, VL2 11 (2004) Sp. 1560–1565. – Ders., Killy2 (2011) S. 602 f. – Paul Lehmann: Nachrichten v. der Sponheimer Bibl. des Abtes J. T. In: Festgabe zum 7. September 1910. Hermann Grauert zur Vollendung des 60. Lebensjahres. Hg. v. Max Jansen. Freiburg i. Br. 1910, S. 205–220. – Ferdinand Wilhelm Emil Roth: Stud. zum J. T.-Jubeljahr (1516) 1916. In: Stud. und Mitt. des Benediktinerordens 37 (1916) S. 265–301. – Ivo Fischer: Der Nachlaß des Abtes J. T. v. St. Jakob in W¨urzburg. In: Arch. des Hist. Ver. v. Unterfranken und Aschaffenburg 67 (1928) S. 41–82. – Helmut v. Jan: J. T., ein Historiker und Geschichtsf¨alscher. In: Bll. f¨ur Pf¨alzische Kirchengesch. und Religi¨ose Volkskunde 18 (1951) S. 33–42. – Heinrich B¨uttner: Abt T. und das Privileg Honorius II. f¨ur Sponheim. In: Zs. f¨ur die Gesch. des Oberrheins 107 (1959) S. 496–501. – P. Lehmann: Merkw¨urdigkeiten des Abtes J. T. (Bayerische Akad. der Wiss. Phil.-hist. Kl. Sb. 1961/2). M¨unchen 1961. – Paulus Volk: Abt J. T. In: RheinVjbl. 27 (1962) S. 37–49. – Paul Chacornac: Grandeur et adversit´e de J. T. B´en´edictin, abb´e de Spanheim et de Wurtzburg (1462–1516). Paris 1963. – Klaus Schreiner: Abt J. T. (1462–1516) als Geschichtsschreiber des Klosters ¨ Hirsau. Uberlieferungsgeschichtliche und quellenkrit. Bemerkungen zu den ‹Annales Hirsaugienses›. In: RheinVjbl. 31 (1966/67) S. 72–138. – Christel Steffen: Unters. zum ‹Liber de scriptoribus ecclesiasticis› des J. T. Ein Beitr. zu den Anf¨angen der theologischen Bibliogr. In: Arch. f¨ur Gesch. des Buchwesens 10 (1970) S. 1247–1354. – Frank Louis 1034

2. H¨alfte 15. Jh. Borchardt: German antiquity in renaissance myth. Baltimore/London 1971, S. 127–135. – Ulrich Bubenheimer: Der Aufenthalt Burchards v. Worms im Kloster Lobbes als Erfindung des J. T. Zur lit. Arbeitsweise und Quellenkenntnis des Sponheimer Abtes. In: Zs. der Savigny-Stiftung f¨ur Rechtsgesch. Kanonistische Abt. 58 (1972) S. 320–337. – Roland Behrendt: Abbot J. T. (1462–1516). Monk and Humanist. In: Revue b´en´edictine 84 (1974) S. 212–229. – David I. Howie: Benedictine Monks, Manuscript Copying and the Renaissance: J. T.’ ‹De laude scriptorum›. In: Revue b´en´edictine 86 (1976) S. 129–154. – Noel L. Brann: A Monastic Dilemma Posed by Invention of Printing: the Context of De laude scriptorum manualium by Abbot J. T. In: Visible Language 13 (1979) S. 150–167. – Richard Bruce Marks: A Cologne Benedictine Scriptorium ca. 1490 and T.’ ‹De laude scriptorum›. In: Mlat. Jb. 15 (1980) S. 162–171. – Noel L. Brann: The Abbot T. (1462–1516). The Renaissance of Monastic Humanism (Studies in the History of Christian Thought 24). Leiden 1981. – Nikolaus Staubach: Auf der Suche nach der verlorenen Zeit. Die historiographischen Fiktionen des J. T. im Lichte seines wissenschaftlichen Selbstverst¨andnisses. In: F¨alschungen im MA. Internationaler Kongreß der MGH M¨unchen, 16.–19. September 1986. Bd. 1 (Schr. der MGH 33, 1). Hannover 1988, S. 263–316. – Klaus Schreiner: Geschichtsschreibung im Interesse der Reform. Die ‹Hirsauer Jbb.› des J. T. In: Hirsau St. Peter und Paul 1091–1991. Hg. v. dems. (Forschungen und Ber. der Arch¨aologie des MA in Baden-W¨urttemberg 10). Stuttgart 1991, S. 297–324. – Richard Auernheimer/Frank Baron (Hg.): J. T. Humanismus u. Magie im vorreformatorischen Deutschland (Bad Kreuznacher Symposien 1). M¨unchen u. a. 1991. – K. Arnold: ‹De viris illustribus›. Aus den Anf¨angen der humanistischen Literaturgeschichtsschreibung: J. T. u. andere Schriftstellerkataloge. In: Humanistica Lovaniensia 42 (1993) S. 52–70. – Thomas Ernst: Der Schl¨ussel zum dritten Buch der Steganographia des T. In: Daphnis 25 (1996) S. 1–250. – K. Arnold: J. T. In: Rheinische Lebensbilder 16 (1997) S. 53–64. – Michael Kuper: J. T.: der schwarze Abt. Berlin 1998. – James A. Reeds: Solved: The Ciphers in Book III of T.’s ‹Steganographia›. In: Cryptologica 22 (1998) S. 291–317. – K. Arnold: Warum schrieben und sammelten Humanisten ihre Briefe? Beobachtungen zum Briefwechsel des J. T. In: Adel – Geistlichkeit – Milit¨ar. FS 1035

Trithemius Eckhardt Opitz. Hg. v. Michael Busch/Jo¨ rg Hillmann. Bochum 1999, S. 19–32. – Noel L. Brann: T. and Magical Theology. Albany 1999. – Uta Goerlitz: Wissen und Repr¨asentation. Zur Auseinandersetzung des Hermannus Piscator mit J. T. In: ‹Artes› im MA. Hg. v. Ursula Schaefer. Ber¨ lin 1999, S. 198–212. – Johannes Mo¨ tsch: Die Abte und Prioren des Benediktinerklosters St. Martin zu Sponheim. In: Arch. f¨ur mittelrheinische Kirchengesch. 51 (1999) S. 383–391. – Roland Behrendt: The Library of Abbot T. In: The American Benedictine Review 50 (2000) S. 3–23. – Michael Embach: J. T. (1462–1516) als Propagator Hildegards v. Bingen. In: Hildegard v. Bingen in ihrem hist. Umfeld. Hg. v. Alfred Haverkamp. Mainz 2000, S. 561–598. – Ders.: Skriptographie versus Typographie. J. T. Schrift ‹De laude scriptorum›. In: Gutenberg-Jb. 75 (2000) S. 132–144. – K. Arnold: J. T. (1462–1516). 2., bibliogr. u. u¨ berlieferungsgeschichtlich neu bearb. Aufl. W¨urzburg 2001 (dort die a¨ltere Lit.). – Thomas Ernst: Anatomie einer F¨alschung: ‹Johannis Thrithemij [...] Steganographiae Lib 3. cum Clave, t`am generalj, qu`am specialj [...] M.D.XXI›. In: Daphnis 30 (2001) S. 513–595. – Harald M¨uller: ‹Graecus et fabulator›. J. T. als Leitfigur und Zerrbild des sp¨atma. ‹Klosterhumanismus›. In: ‹Inquirens subtilia diversa›. FS Dietrich Lohrmann. Hg. v. Horst Kranz/Ludwig Falkenstein. Aachen 2002, S. 201–223. – Karl U. Nordmann: Die Magie des J. T. In: Ebernburg-H. 36 (2002) S. 45–59. – Armin Schlechter: Der Kathalogus brevis ecclesiasticorum scriptorum in Karlsruhe, Cod. Schwarzach 4 und J. T. In: Scripturus Vitam. Lat. Biogr. v. der Antike bis in die Gegenwart. FS Walter Berschin. Hg. v. Dorothea Walz. Heidelberg 2002, S. 1057–1075. – K. Arnold: Eine Frage der Glaubw¨urdigkeit – J. T. in seinen Briefen und Selbstzeugnissen. In: War Faustus in Kreuznach? Realit¨at und Fiktion im Faust-Bild des Abtes J. T. Hg. v. Frank Baron/Richard Auernheimer (Bad Kreuznacher Symposien 3). Alzey 2003, S. 13–81. – Harald Mu¨ ller: Ber. aus Berlin. Abt J. T. im Jahre 1505 u¨ ber die Mark Brandenburg, Mo¨ nchtum und Wiss. In: AfK 86 (2004) S. 315–339. – Otto Herding: J. T. (1462–1516) als Geschichtsschreiber des Klosters Hirsau. In: Beitr. zur s¨udwestdt. Historiographie. Hg. v. dems./Dieter Mertens/Hansmartin Schwarzmaier. Stuttgart 2005, S. 63–69. – M. Embach: Trierer Literaturgesch. Das MA. Trier 2007, S. 462–465, 558–561. – Ernst Hellgardt: Die Rezeption Otfrids v. Weißenburg v. J. T. bis 1036

Arnpeck zur neunten Centurie (1494–1565). In: Catalogus und Centurien. Hg. v. Arno Mentzel-Reuters/ Martina Hartmann (Sp¨atMA, Humanismus, Reformation 45). T¨ubingen 2008, S. 65–75. – M. Embach: J. T. OSB (1462–1516) und die Bibl. v. Kloster Sponheim – mit einem Blick auf die Vita Juttas v. Sponheim (1092–1136). In: Zur Erforschung ma. Bibl. Chancen – Entwicklungen – Perspektiven. Hg. v. Andrea Rapp (Zs. f¨ur Bibliothekswesen und Bibliogr. Sonderbd. 97). Frankfurt/M. 2009, S. 101–136. – Anthony Grafton: J. T.: Magie, Gesch. und Phantasie. In: Erz¨ahlende Vernunft. Hg. v. G¨unter Frank/Anja Hallacker/ Sebastian Lalla. Berlin 2006, S. 77–90. – James Earle Landes: Witekinds Schwarzk¨unstler (T. und Agrippa) im Faustbuch. In: Hermann Witekinds ‹Christlich bedencken› und die Entstehung des Faustbuchs v. 1587. Hg. v. Frank Baron (Studium litterarum 17). Berlin 2009, S. 161–174. – Ernst Erich Metzner: Fr¨uhma. kollektives Erinnerungswesen und fr¨uhneuzeitliche individualistische Wissenschaftseinrede. Thietmar v. Merseburg und J. T. zu den sagenhaft-exorbitanten Anf¨angen des alten fr¨ankischen und dt. Zentralorts ‹Frank(en)furt›/‹Helenopolis›. In: Frankfurt im Schnittpunkt der Diskurse. Hg. v. Robert Seidel. Frankfurt/M. 2010, S. 281–310. NR Arnpeck, Veit, * 1435/40 wohl Freising, † Ende 1495. – Geistlicher, Geschichtsschreiber. A., Sohn eines Schusters, war 1453 Scholar in Amberg und studierte 1454–57 in Wien mit Abschluss als Baccalaureus. Er war als Kleriker Inhaber verschiedener Pfr¨unden, um 1465 in Amberg, 1468, 1487 und 1492 in Landshut und 1491 in Freising. A. war der bedeutendste Geschichtsschreiber Bayerns vor Aventin und der maßgebliche Historiker f¨ur Freising vor Karl Meichelbeck. Zwischen 1493 und 1495 verfasste A. seine vier Werke, die lat. Chroniken der bayerischen (Chronica Baioariorum) und o¨ sterr. (Chronicon Austriacum) Geschichte, eine von der lat. bayerischen Chronik abh¨angige, aber ver¨anderte dt. Chronik der Bayern und den Liber de gestis episcoporum Frisingensium. Die Zuweisung eines nicht erhaltenen Libellus de fundationibus monasteriorum in Bavaria ist umstritten. A. st¨utzte sich bei seiner kompilierenden Geschichtsschreibung vor allem auf regionale und u¨ berregionale chronistische und annalistische 1037

2. H¨alfte 15. Jh. Quellen; erst in zweiter Linie zog er Viten, Legenden, Passiones u. a¨ . heran. Die Chronica Baioariorum ist in f¨unf B¨ucher gegliedert und umfasst die Geschichte Bayerns von den Anf¨angen bis in die Zeit nach 1490. Die bereits 1493 abgeschlossene Chronik der Bayern ist eine nach dem Vorbild Hans → Ebrans gestaltete Landeschronik f¨ur Laienkreise, zugleich ein herausragendes Denkmal bairischer Mundart. Die Quellen des wohl Ende 1494 abgeschlossenen Chronicon Austriacum, das die o¨ sterr. Geschichte von der Urzeit bis 1488 bietet, sind neben dem sog. zweiten lat. Auszug der → Chronik von den 95 Herrschaften und den Klosterneuburger Tafeln ein Teil des auch in der Chronica Baioariorum verarbeiteten Materials; spezifisch o¨ sterr. Quellen fehlen. Der zuletzt abgeschlossene Liber de gestis episcoporum Frisingensium umfasst die Geschichte der Bisch¨ofe von Freising von Korbinian bis 1495. ¨ Uberlieferung: 1. Chronica Baioariorum: Mu¨ nchen, BSB, Clm 2230 (Autograph, im 16. Jh. im Besitz Aventins und Wiguleus Hundts). – Ebd., Clm 1212 (Abschrift des Autographs). – Eine weitere Abschrift von 1721 ist verschollen. – 2. Chronik der Bayern: Dresden, LB, Mscr. H 148 (Ende 16. Jh.) (Hs. 6). – M¨unchen, Reichsarch., o. S. (2) (Pap., bair.; verschollen). – M¨unchen, BSB, Cgm 1587 (um 1600). – Ebd., Cgm 1588, Bl. 1–209 (Ende 16. Jh.) (Hs. 7). – Ebd., Cgm 1589 (Anfang 17. Jh.) (Hs. 10). – Ebd., Cgm 1589a (Pap., um 1700) (Hs. 4). – Ebd., Cgm 2817, noch IX + 469 + VI Bll. (Pap., um 1500, Nachtr¨age Anfang 16. Jh., bair.; zwei unkolorierte Federzeichungen; mit anonymer Fortsetzung 1494–1506) (Hs. 1). – Ebd., Cgm 2818 (Pap., 16. Jh.) (Hs. 2). – Ebd., Cgm 2819 (Pap., 17. Jh.; Abschrift von M¨unchen, BSB, Cgm 2818) (Hs. 3). – Ebd., Cgm 5422 (zweite H¨alfte 16. Jh.) (Hs. 5). – Regensburg, Staatl. Bibl., 2Bav.1168 (fr¨uher Klosterbibl. St. Emmeram, o. S.), 232 Bll. (Pap., Schreiber oder Besitzer: Esaias Wipacher, 1586 [?], bair.). – Stuttgart, Hauptstaatsarch., Cod. A 100 (B¨u 24) (Pap., 1576–91) (Hs. 12). – ¨ Wien, ONB, Cod. 12474 (Pap.; wohl Abschrift von M¨unchen, BSB, Cgm 1589) (Hs. 11). – Ebd., Cod. 14681 (Pap.; wohl Abschrift von Mu¨ nchen, BSB, Cgm 1588) (Hs. 8). – 3. Chronicon Austriacum: Mu¨ nchen, BSB, Clm 2230 (Autograph); Ebd., Clm 1213. – 4. Liber de gestis episcoporum Frisingensium: Mu¨ nchen, Ordinariatsarch., B 5, 63–158, 42r–82v. Ausgaben: 1. Chronica Baioariorum: Gottfried Wilhelm Leibniz: Scriptores rerum Brunsvicensium III. Hannover 1711, S. 660–675 (Teile). – 1038

2. H¨alfte 15. Jh. Bernhard Pez: Thesaurus anecdotorum novissimus. Bd. 3. Augsburg, S. 1–472. – Georg Leidinger (Hg.): V. A. S¨amtl. Chroniken. (Quellen und Er¨orterungen zur bayerischen und dt. Gesch. NF 3. Mu¨ nchen 1915 (Nachdr. Aalen 1969) S. 1–443. – 2. Chronik der Bayern: Lorenz Westenrieder, in: Ders.: Beytr¨age zur vaterl¨andischen Historie [...]. Bd. 2. M¨unchen 1789, S. 87–104 (Teile, Esaias Vipacher zugeschrieben). – Maximilian Prokop v. Freyberg: Slg. hist. Schr. und Urkunden. Bd. 1. Stuttgart 1827, S. 5–198. – Leidinger (s. o.) S. 447–705.– 3. Chronicon Austriacum: Hieronymus Pez: Scriptores rerum Austriacarum. Bd. 1. Leipzig 1721, S. 1165–1925. – Leidinger (s. o.) S. 709–845. – 4. Liber de gestis episcoporum Frisingensium: Martin v. Deutinger: Beytr¨age zur Gesch., Topographie und Statistik des Erzbisthums Mu¨ nchen und Freising. Bd. 3. M¨unchen 1851, S. 473–553. – Leidinger (s. o.) S. 849–914. Literatur: Sigmund v. Riezler, ADB 1 (1875) S. 596 f. – Hans Rall, NDB 1 (1953) S. 393. – Peter Johanek, VL2 1 (1978) Sp. 493–498. – Wilhelm Liebhart, LexMA 1 (1980) Sp. 1011. – Walter Ziegler, LThK3 1 (1993) Sp. 1028. – Georg Leidinger: ¨ Uber die Schr. des bayerischen Chronisten V. A. Mu¨ nchen 1893. – Karl Franz Joetze: V. Aernpeckh, ein Vorl¨aufer Aventins (Verhandlungen des hist. Vereins f¨ur Niederbayern 29). M¨unchen 1893. – G. Leidinger: V. A.s ‹Chronik der Bayern› (Sb. der Bayer. Akad. der Wiss., Phil.-hist. Abt. 1936, H. 5). Mu¨ nchen 1936. – Josef Staber: V. A. und die Gr¨undungsgesch. v. Weihenstephan. Stud. und Mitt. zur Gesch. des Benediktinerordens und seiner Zweige 66 (1955) S. 51–57. – Walter Jaroschka: Unbekannte Ulrichs- und Maximiliansu¨ berlieferungen bei bayer. und o¨ sterr. Historiographen. In: ¨ 65 (1957) S. 98–105. – Dieter R¨odel: V. A.: MIOG Publikumsbezogene Zweisprachigkeit bei ‹Chronica Baioariorum› und ‹Bayerischer Chronik›. In: Zweisprachige Geschichtsschreibung im sp¨atma. Deutschland. Hg. v. Rolf Sprandel (Wissenslit. im MA 14). Wiesbaden 1993, S. 227–270. – Helga M¨ohring-Mu¨ ller/Dieter R¨odel/Joachim Schneider: Sp¨atma. Adelsterminologie bei Hermann Kor¨ ner, Andreas v. Regensburg und seinen Ubersetzern, V. A. und Sigismund Meisterlin. In: ebd., S. 385–428. – Norbert Warken: Ma. Geschichtsschreibung in Straßburg. Stud. zu ihrer Funktion und Rezeption bis zur fr¨uhen Neuzeit. Diss. Saarbr¨ucken 1995, S. 418–425 (Landesgeschichtsschreibung aus klerikaler Perspektive: V. A.). – 1039

Christoph, Herzog von Bayern ¨ Bernhard L¨ubbers: Uber eine vermeintlich verschollene Hs. v. V. A.s Bayerischer Chron. In: Zs. f¨ur Bayer. Landesgesch. 74 (2011) (im Druck). BJ Christoph, Herzog von Bayern, * 6.1.1449 M¨unchen, † 8.8.1493 Rhodos. C. wurde als achtes von zehn Kindern des Herzogs Albrecht III. von Bayern-Mu¨ nchen und der Herzogin Anna von Braunschweig geboren. Als sein a¨ lterer Bruder Albrecht 1467 die Herrschaft im Herzogtum Bayern-M¨unchen zur G¨anze allein u¨ bernahm, erhob C. Anspr¨uche auf Teilhabe an der Regierung und l¨oste damit einen Bruderzwist aus, der auch mit milit¨arischen Mitteln nicht gel¨ost werden konnte und C. nicht zu seinem Erbe verhalf. Mit dem j¨ungeren Bruder Wolfgang zog C. daher 1488 nach Br¨ugge, um K¨onig → Maximilian aus seiner Gefangenschaft zu befreien (Spruch Hans → Schneiders) und sich seiner Gunst zu versichern. 1490 folgten sie Maximilian in seinem Feldzug gegen Vladislav II. von B¨ohmen, der seine Anspr¨uche auf die ungarische Krone gegen den Habsburger erfolgreich durchsetzen konnte. Heimgekehrt, erhoben C. und Wolfgang erneut Forderungen gegen Albrecht, bis 1493 die bayerischen Landst¨ande die Br¨uder zwangen, sich einem kaiserlichen Rechtsspruch zu unterwerfen. Dazu sollte es nicht mehr kommen: 1493 ließ sich C. von seinem Neffen Friedrich, dem Sohn seiner Schwester Elisabeth, zu einer gemeinsamen Pilgerfahrt ins Heilige Land u¨ berreden. Nachdem er in Venedig bereits sein Testament, worin er seinem Bruder Albrecht das v¨aterliche Erbe u¨ berschreibt, verfasst hatte, erkrankte er auf dem R¨uckweg von Jerusalem; er starb auf Rhodos und wurde dort in der St. Antonskirche beigesetzt. ¨ Uber Pilgerreise, Erkrankung und Tod C.s sind mehrere Berichte entweder von Augenzeugen oder durch H¨orensagen u¨ berliefert (Veit → Arnpeck, Andreas → Zayner, Rudolf von Werdenberg, Au¨ gustin K¨ollner). Uber die Wallfahrt selbst berichtet C. in einem tagebuchartigen Brief von der Insel Lissa (vom 28.5.1493). Sein fragmentarisches, inzwischen verschollenes Pilgramsbuch (Echtheit von Bastert angezweifelt) umfasst den Zeitraum von der Ankunft in Jaffa (Tel Aviv, 24./25. Juni) bis zum 9. Juli auf Rhodos und schildert u. a. die Befreiung des s¨achsischen Kurf¨ursten Friedrich des Weisen aus der Hand der T¨urken. Als einziger u¨ berlieferter Textzeuge gilt der Abdruck des Fragments in 1040

Friedrichs des Weisen Jerusalemfahrt Trautmanns Volksbuch Die Abenteuer Herzog Christophs von Bayern. Die Aufzeichnungen sind allerdings nur auszugsweise u¨ berliefert. Hans Schneiders Spruch u¨ ber die Pilgerfahrt Herzog Christophs von Bayern 1493 in 250 Versen (Oktavdruck, Augsburg, Hans Schobser, nach August 1493; def. Ex. Berlin Ink. 283; fragm. Ex. Mu¨ nchen Einbl. I,9) ist nach Berichten des herzoglichen Kochs «maister hans» [«Gartner»] angefertigt worden. Auch in Georg Spalatins Nachlass findet sich ein Bericht u¨ ber die Wallfahrt oder Meerfahrt Friedrichs des Weisen nach Jerusalem, der 1539 nach dem Tod des s¨achsischen Kurf¨ursten aus einem «Verzeichniß von der Ritterbr¨uder einem», wie Spalatin seine Quelle nennt, aufgezeichnet wurde und auch C. und dessen Ableben auf Rhodos erw¨ahnt. Der ebenfalls 1493 pilgernde Heinrich von Zedlitz trifft am 21. August in Rhodos ein; sein Reisebericht schildert, dass der Herzog von Sachsen bereits abgereist, Herzog C. u. a. hingegen verstorben seien. Ausgaben: Brief und Pilgramsbuch unvollst¨andig in Trautmann 1880 (s. Lit.) S. 448–458 (Original des Briefes nach S. 493 in «Frh. E. v. Oefele’s Coll. vet. Hist. Bav.», keine Angaben zum Verbleib). – H. Schneiders Spruch in: R¨ohricht/ Meisner 1880 (s. Lit.) S. 299–307. – H. v. Zedlitz’ Reisebericht in: R¨ohricht 1894 (s. Lit.). – BB 1 (1978) S. 618–625. Literatur: Sigmund v. Riezler, ADB 4 (1876) S. 232–235. – Dietrich Huschenbett, VL2, 1 (1978) Sp. 1229. – Felix Joseph Lipowsky: Herzog Christoph, oder der Kampf u¨ ber Mitregierung in Baiern. M¨unchen 1818, S. 159–167. – Karl August v. Muffat: Zur Gesch. Herzog Christophs, 1460–1471. In: Hormayr’s Taschenbuch f¨ur die vaterl¨andische Gesch. f¨ur 1850, 1851, S. 359 f. – Jo¨ hann Voigt: Uber die Gefangenschaft des Herzogs C. v. Bayern. In: Abh. der Akad. der Wiss. in M¨unchen, Hist. Kl. VII, 2. Abt., 1853, S. 505–544. – Franz Trautmann: Die Abenteuer Herzog C.s v. B. Tl. 2. Regensburg/New York/Cincinnati 1880. – Reinhold R¨ohricht/Heinrich Meisner (Hg.): Dt. Pilgerreisen nach dem heiligen Lande. Berlin 1880, S. 177–179. – R. R¨ohricht: Bibliotheca geographica Palestinae. Berlin 1890, S. 143, Nr. 437. – Ders.: Jerusalemfahrt des Heinrich v. Zedlitz 1493. In: Zs. des Dt. Palaestina-Vereins 1041

2. H¨alfte 15. Jh. 17 (1894) S. 98–114, 185–200, 277–301. – August Alckens: Herzog C. der Starke von BayernMu¨ nchen. Mainburg 1975. – Bernd Bastert: Der Mu¨ nchner Hof und Fuetrers ‹Buch der Abenteuer›. Literarische Kontinuit¨at im Sp¨atMA. Frankfurt/M., Berlin 1993, S. 68–70. – Helga Czerny: Der Tod der bayerischen Herz¨oge im Sp¨atMA und in der fr¨uhen Neuzeit. 1347–1579: Vorbereitungen – Sterben – Trauerfeierlichkeiten – Grablegen – Memoria. M¨unchen 2005, S. 201–227. – Jyri Hasecker: Die Johanniter und die Wallfahrt nach Jerusalem (1480–1522) (Nova Mediaevalia 5). G¨ottingen 2008, S. 31 f. CK Friedrichs des Weisen Jerusalemfahrt. – Pilgerbericht. Zwischen dem 19. M¨arz und Ende September 1493 unternahm Kurf¨urst Friedrich III. der Weise von Sachsen mit ca. 100 Mitgliedern seines Hofes (u. a. der Rentmeister Hans Hundt, ein Hofnarr sowie die Maler Cuntz und Johann; vgl. R¨ohricht/ Meisner, Pilgerreisen und Buchwald) eine Pilgerreise in das Heilige Land. Auf dem Weg nach Jerusalem schlossen sich eine Reihe Pilger aus den Reihen der F¨ursten an (z. B. Herzog Christoph von Bayern, Boguslav von Lobkowitz, Heinrich von Zedlitz und Botho von Stolberg). Mit Lucas Cranach, der Herzog Christoph begleitete und Friedrich den Weisen schließlich 1532 postum portr¨atierte, gesellte sich ein dritter Maler hinzu (R¨ohricht/Meisner, Rechnungsbuch, S. 42 f. und Buchwald). Seit 1505 war Cranach Hofmaler in Wittenberg, wo er die Heilt¨umer der Reliquiensammlung beschrieb und skizzierte, deren St¨ucke gr¨oßtenteils von ebendieser Pilgerfahrt stammten. Insgesamt sollen 189 Pilger sechs Tage (27. Juni bis 2. Juli) in Jerusalem verbracht haben. Der Verfasser des Reiseberichts ist ein anonymer Ritterbruder. ¨ Uber Teilnehmer, Reiseweg und Ausgaben geben Auskunft Hans Hundts Rechnungsbuch und ein Brief Andreas Sluders’ vom 30.4.1493 (Trautmann). Ausgaben: Christian Gotthold G. Neudecker/ Ludwig Preller (Hg.): Georg Spalatins hist. Nachlaß. Bd. 1. Jena 1851, Beilage 1, S. 76–91. – Reinhold R¨ohricht/Heinrich Meisner: Dt. Pilgerreisen nach dem Hl. Lande. Innsbruck 1900 (Nachdr. Aalen 1967) S. 578, Nr. 177. Literatur: Dietrich Huschenbett, VL2 2 (1980) Sp. 956 f.; 11 (2004) Sp. 469 f. – R¨ohricht/Meisner: Hans Hundts Rechnungsbuch (1493–1494). 1042

2. H¨alfte 15. Jh. In: Neues Arch. f¨ur S¨achsische Gesch. und Altertumskunde 4 (1883) S. 37–100. – Franz Trautmann: Die Abenteuer Herzog Christophs von Bayern. 2. Tl. Regensburg/New York/Cincinatti 1880, S. 442 f. – R¨ohricht: Bibliotheca Geographica Palestinae. Berlin 1890 (Nachdr. London 1963 und 1989) Nr. 440. – R¨ohricht/Meisner, Pilgerreisen, S. 172–177. – Georg Buchwald: Allerlei Wittenbergisches aus der Reformationszeit II: Jan Gossaert in Wittenberg. In: Vierteljahrsschrift der Lutherges. 11 (1929) S. 29–31. CS Heinrich von Zedlitz, † 5.6.1510 Giersdorf (Podg´orzyn). – Ritter, Hofmeister, Verfasser eines Reiseberichts. H. war ein schlesischer Ritter und Hofmeister. Er lebte zuletzt in Giersdorf. Von April bis Oktober 1493 unternahm er eine Pilgerfahrt nach Pal¨astina, die er in einem dt. Reisebericht schildert. H.s Reiseroute verlief u. a. u¨ ber Liegnitz, Br¨unn, Wien, Leoben, Venedig und Jaffa. Er reiste in einer großen Gruppe von 185 Pilgern, unter denen auch Kurf¨urst Friedrich von Sachsen und Herzog Christoph der Starke waren. Letzterer starb w¨ahrend der Reise. H.s Bericht ist besonders in seiner Darstellung Pal¨astinas konventionell. Nennenswert sind neben der ausf¨uhrlichen Teilnehmerliste jedoch die Schilderungen venezianischer Festlichkeiten sowie der Bedrohungen durch t¨urkische Schiffe w¨ahrend der ¨ Uberfahrt nach Jaffa. ¨ Uberlieferung: F¨urstenstein, Fu¨ rstlich Plessische Schlossbibl., Mss. Oct. 8° (16. Jh.). – Breslau, StB, Kl-Oe 195 (Auszug). – Vgl. auch R¨ohricht 1890 (s. Lit.), R¨ohricht 1894 (s. Ausg.). Ausgabe: Reinhold R¨ohricht: Die Jerusalemfahrt des H. v. Z. (1493). In: Zs. des dt. Pal¨astinaver. 17 (1894) S. 98–114, 185–220, 277–301 (OnlineAusg. bei der Akad. der Wiss. zu G¨ottingen unter www.digiberichte.de). – Pilgerfahrt nach Jerusalem. In: Kulturgesch. aus erster Hand. Ber. von Augenzeugen und Zeitgenossen. Hg. v. Heinrich Pleticha. W¨urzburg 1963, S. 153–157 (Teildr.). Literatur: M[ax] Hippe, ADB 44 (1898) S. 742. – Marjatta Wis, VL2 3 (1981) Sp. 926 f. – Dt. Pilgerreisen nach dem Heiligen Lande. Hg. v. Reinhold R¨ohricht/Heinrich Meisner. Berlin 1880, S. 260, 510, 527, 577. – R. R¨ohricht: Bibliotheca geographica Palaestinae. Berlin 1890. Jerusalem 21963, Nr. 442. – Ders.: Dt. Pilgerreisen nach dem Heiligen Lande. Neuausg. Innsbruck 1900, 1043

Heinrich von Zedlitz S. 179–181. – Eugen Stolz: Die Heiliglandfahrt Ludwigs v. W¨urttemberg im Jahre 1493. In: Hist. Jb. 47 (1927) S. 526–536. – Europ¨aische Reiseber. des sp¨aten MA 1: Dt. Reiseber. Hg. v. Werner Paravicini. Bearb. v. Christian Halm. Frankfurt/M. u. a. 1994. 22001, S. 253–255. – Helga Czerny: Der Tod der bayerischen Herz¨oge im Sp¨atMA und in der fr¨uhen Neuzeit 1347–1579. Vorbereitungen, Sterben, Trauerfeierlichkeiten, Grablegen, Memoria. M¨unchen 2005, S. 213 f. MM Jakobslied. – Pilgerlied. Der Auftakt des 26 Strophen umfassenden Liedes, «Wer das allendt bawen wil | Der heb sich auff vnd sey mein gesellst», ist gleichzeitig ein Aufruf zur Pilgerreise nach Santiago de Compostela. In Str. 1–3 werden die Vorbereitungen beschrieben (Schuhe, Reisegeschirr, Kleidung, Gep¨ack und Stab, Beichte) und daraufhin die Eigenarten der zu bereisenden L¨ander und Gegenden in kurzen Episoden, oft burlesken Inhalts, besungen (Schweiz, Welschland, Armagnac, Savoyen, Languedoc, f¨unf Pyren¨aenp¨asse, Cap Finisterre). Mit Str. 13–23 wird eine l¨angere Episode von einem kastilischen Spitalmeister eingeschoben (in der sich auch die einzigen beiden Refrains, 16,4 und 18,4, finden), der 350 Pilger vergiftete. Die dt. Pilger zeigen den Vorfall dem spanischen K¨onig an, der sich als Pilger getarnt selbst ein Bild machen will und auf vergiftete Suppe, zu kleine Brote und schmutzige Betten st¨oßt. Zur Strafe wird der Spitalmeister gehenkt und sein To¨ chterlein unter dem Galgen begraben. Die Reime mit dem Schema aabxb sind oft unrein. Uhland (Schriften) und B¨ohme (Altdt. Liederbuch) weisen auf Umdichtungen noch im 16. Jh. hin, was eine Entstehung noch im 15. Jh. ¨ vermuten l¨asst (Janota, Sp. 499). Die fr¨uheste Uberlieferung einer Melodie stammt aus dem Jahre 1541. ¨ Uberlieferung: Mu¨ nchen, BSB, Cgm 817, 288r–289v (Pap., fr¨uhes 16. Jh., bair., Tegernsee, Schreiber: Mo¨ nch Martin Probst). – Ebd., Cgm 809, 61r–63r (Pap., fr¨uhes 16. Jh., bair., Tegernsee). Ausgabe: Alte hoch- und nd. Volkslieder mit Abh. und Anm. hg. v. Ludwig Uhland. 2 Bde. Stuttgart 1844, Nr. 302 f. – Philipp Wackernagel: Das dt. Kirchenlied. Von der a¨ltesten Zeit bis zum Anfang des 17. Jh. 5 Bde. Leipzig 1864–77, Bd. 2, Nr. 1246. – Altdt. Liederbuch. Volkslieder der Deutschen nach Wort und Weise aus dem 12. bis zum 17. Jh. ges. und erl. v. Franz Magnus 1044

Kolumbusbrief B¨ohme. Leipzig 1877, Nr. 610 f. – Rochus Freiherr von Liliencron (Hg.): Dt. Leben im Volkslied um 1530. Berlin u. a. 1926 (Dt. Nationallitt. 13), Nr. 136. – Dt. Liederhort: Auswahl der vorz¨uglicheren dt. Volkslieder, nach Wort und Weise aus der Vorzeit und Gegenwart ges. und erl. v. Ludwig Erk. Neubearb. und fortges. v. Franz Magnus B¨ohme. Leipzig 1894 (Nachdr. Hildesheim 1963) Nr. 2091. – Dt. Volkslieder. Texte und Melodien. Hg. v. Lutz R¨ohrich/Rolf Wilhelm Brednich. Bd. 1: Erz¨ahlende Lieder. Balladen, Schw¨anke, Legenden. D¨usseldorf 1965, Nr. 54, S. 298–301. – Hugo Moser/Joseph Mu¨ ller-Blattau: Dt. Lieder des MA von Walther von der Vogelweide bis zum Lochamer Liederbuch. Texte und Melodien. Stuttgart 1968, S. 196–198, 338 f. – Des Knaben Wunderhorn. Alte dt. Lieder. Ges. von Achim von Arnim und Clemens Brentano. Hg. und komm. v. Heinz R¨olleke. Stuttgart 2006, S. 307–311. Literatur: Johannes Janota, VL2 4 (1983) Sp. 498–500. – Ludwig Uhland: Schr. zur Gesch. der Dichtung und Sage. Bd. 4. Stuttgart 1869, S. 310–316. – Heinrich Hoffmann von Fallersleben: Gesch. des dt. Kirchenliedes bis auf Luthers Zeit. Hannover 1861, S. 216. – Josef Mantuani: ‹Die Musik in Wien›. In: Gesch. der Stadt Wien. Bd. 3. Wien 1907, S. 187. – Joseph M¨uller-Blattau: ‹In Gottes Namen fahren wir›. In: FS Max Schneider. Hg. v. Hans Joachim Zingel. Halle 1935, S. 65–73, bes. S. 71 f. – Johannes Janota: Stud. zu Funktion und Typus des dt. geistl Liedes im MA. M¨unchen 1986 (MTU 23) S. 240. CS Kolumbusbrief. – Brief des Christoph Kolumbus. Auf der R¨uckfahrt von seiner ersten Amerikareise verfasste der Entdecker Christoph Kolumbus am 15.2.1493 einen Brief u¨ ber f¨unf exotische Inseln. Er adressierte diesen K. an Luis de Sant´angel, der Schatzmeister des spanischen K¨onigs Ferdinand II. und ein wichtiger Unterst¨utzer von Kolumbus’ Entdeckungsreisen war. Inhaltlich nutzt Kolumbus seinen Brief zun¨achst zur Selbstdarstellung als erfolgreicher Entdecker, der die Erwartungen des K¨onigs erf¨ullt hat. Er beschreibt weiterhin f¨unf Inseln, bei denen es sich um Kuba, Haiti und kleinere Bahamas-Inseln handelt. Ausf¨uhrlich geht er auf die von ihm angetroffenen Eingeborenen und deren f¨ur den europ¨aischen Betrachter fremdartige Sitten ein. Er vermerkt die Andersartigkeit ihrer Zivilisation, der es u. a. an 1045

2. H¨alfte 15. Jh. St¨adten und Privatbesitz fehle. In der Beschreibung jener Inseln, die Kolumbus nicht selbst aufgesucht hat, formuliert er typische, mythisch-monstr¨ose Vorstellungen der Fr¨uhen Neuzeit u¨ ber exotische Regionen. So erw¨ahnt der K. als Inselbewohner etwa Kannibalen und Menschen mit Schw¨anzen. Der K. ist damit gleichzeitig einzigartig, da er Kolumbus’ bedeutende Entdeckungen dokumentiert, aber zugleich konventionell, weil er unreflektiert zeitgen¨ossische Vorstellungen transportiert. Urspr¨unglich in spanischer Sprache geschrieben und ver¨offentlicht, erfuhr der K. noch 1493 durch ¨ Leandro di Cosco eine lat. Ubersetzung und wurde als Epistola de insulis nuper inventis gedruckt. Bis 1522 sind u¨ ber zwanzig weitere Drucke nachweisbar, u. a. in mehreren europ¨aischen Volkssprachen. Eine dt. Fassung wurde 1497 in Straßburg gedruckt. Der ¨ unbekannte Ubersetzer stammte laut Eigennennung im Text aus Ulm. Als Vorlage dieses Drucks wird verschiedentlich ein fr¨uherer Ulmer Druck vermutet, der aber nicht nachweisbar ist. Die dt. Fassung erweitert das Original um Versuche, die von Kolumbus beschriebenen Inseln geographisch zu lokalisieren. 1494 wurde der K. im Narrenschiff des Sebastian Brant rezipiert, erlebte bis heute zahlreiche Ausgaben und ist fester Bestandteil moderner Forschungen zur Reiseliteratur. Drucke: Eyn schon h¨ubsch lesen von etlichen inßlen die do in kurtzen zyten funden synd durch den k¨unig von hispania. Straßburg: Bartholom¨aus Kistler, 1497 (GW-Nr. 7179; Online-Ausg. BSB Mu¨ nchen [o. J.]. – F¨ur die spanischen und lat. Drucke vgl. GW–Nr. 7171–7178 und 7999–8003 sowie St¨ollinger-L¨oser 2004. Ausgaben: Der dt. Kolumbus-Brief (von etlichen insslen die do in kurtzen zyten funden synd durch den k¨unig von hispania...). Hg. v. Konrad H¨abler. Strassburg 1900. Nachdr. Wiesbaden 1979 (Faks. des Kistler-Dr.). – Von den entdeckten Inseln 1493. Hg. v. Walther ab Hohlenstein. Schwartenbach/Wil 1943. – Carlos Sanz: Henry Harrisse (1829–1910), ‹pr´ıncipe de los americanistas›. Su vida, su obra, bibliograf´ıa cr´ıtica de sus publicaciones y reproducci´on en facs´ımil de la portada y las 54 primeras p´aginas de la ‹Bibliotheca Americana vetustissima›. Madrid 1958, 201–216 (Faks.). – Der Kolumbusbrief. Fanal einer neuen Zeit. Hg. v. Leo Schelbert. Dietikon/Z¨urich 1976 (Faks. des lat. Erstdr.). – Schwarzgold. Der dt. KolumbusBrief von 1497 in Ausz¨ugen. Mit Graphiken von Eckhard Froeschlin. [Wuppertal] 1993. – Der erste 1046

2. H¨alfte 15. Jh. Brief aus der Neuen Welt. Lat.-dt., mit dem spanischen Text des Erstdrucks im Anhang. Hg. v. Robert Wallisch. Stuttgart 2000. 32010. Literatur: Christine St¨ollinger-L¨oser, VL2 11 (2004) Sp. 865–867, XIV. – Sanz 1958 (s. Ausg.) S. 63–244. – C. Sanz: El gran secreto de la Carta de Col´on, critica historica y otras adiciones a la Bibliotheca Americana vetustissima. Madrid 1959. – Rudolf Hirsch: Printed Reports on the Early Discoveries and Their Reception. In: First Images of America 2. The Impact of the New World on the Old. Hg. v. Fredi Chiappelli. Berkeley u. a. 1976, S. 537–562 (wieder in: R. Hirsch: The Printed Word. Its Impact and Diffusion. London 1978, Nr. IX). – Frauke Gewecke: Wie die neue Welt in die alte kam. Stuttgart 1986, S. 89–97, 126–128. – Wolfgang Neuber: Fremde Welt im europ¨aischen Horizont. Zur Topik der dt. Amerika-Reiseber. der fr¨uhen Neuzeit. Berlin 1991, S. 235–242 u. o¨ . – Klaus A. Vogel: Amerigo Vespucci und die Humanisten in Wien. Die Rezeption der geographischen Entdeckungen und der Streit zwischen Joachim Vadian und Johannes Camers u¨ ber die Irrt¨umer der Klassiker. In: Die Folgen der Entdeckungsreisen f¨ur Europa. Akten des interdisziplin¨aren Symposions, 12./13. April 1991 in N¨urnberg. Hg. v. Stephan F¨ussel. N¨urnberg 1992, S. 53–104. – Bernhard Jahn: Raumkonzepte in der fr¨uhen Neuzeit. Zur Konstruktion von Wirklichkeit in Pilgerber., Amerikareisebeschreibungen und Prosaerz¨ahlungen. Frankfurt a. M. u. a. 1993, S. 144–149, 173–182. – Christof Dipper: Guanahani, 12. Okt. 1492. In: Ringvorlesung: Entdeckungen und fr¨uhe Kolonisation. Hg. v. C. Dipper und Martin Vogt. Darmstadt 1993, S. 135–163. – Michael Herkenhoff: Die Darst. außereurop¨aischer Welten in Drucken dt. Offizinen des 15. Jhs. Berlin 1996, S. 255–273 u. o¨ . – Wallisch 2000 (s. Ausg.). – Christine Ganser: Die sprachliche Darst. der eurozentrischen Weltsicht im K. M¨unchen 2010. MM Noltz, Reinhard, * um 1450 Worms, † 1518. – Wormser B¨urgermeister, Chronist. Der Sohn eines wohlhabenden Handwerkers studierte seit 1471 in Heidelberg (dort auch Magister) und seit 1472 in K¨oln. 1489 wurde er Mitglied des Stadtrats von Worms und 1490 Schultheiss. 1495–1516 war N. mehrmals B¨urgermeister. 1047

Noltz Daneben bet¨atigte er sich als Baumeister des Liebfrauenstifts und unternahm diplomatische Missionen zum Hof von Kaiser Maximilian I. F¨ur die Jahre 1493–1509 hinterließ N. dt. Aufzeichnungen u¨ ber Ereignisse der Wormser Stadtgeschichte. Der Text enth¨alt auch Neuigkeiten aus N.s Leben (etwa die Geburt einer Tochter) und wurde deshalb h¨aufig als Tagebuch tituliert. N. selbst bezeichnete sein Werk jedoch als Chronik. Die nur als Abschrift aus dem 18. Jh. erhaltenen Aufzeichnungen behandeln zahlreiche politische Ereignisse wie den Reichstag von 1495, den bayerischen Erbfolgekrieg von 1504, die Bischofsfehde zwischen Trier und Boppard sowie den langwierigen Streit zwischen Rat und Bischof u¨ ber die Wormser Stadtherrschaft. Die politischen Daten werden erg¨anzt durch außergew¨ohnliche Geschehnisse aus der Stadtgeschichte wie Hinrichtungen, Katastrophen und Naturereignissen. Viele Notizen N.s sind auch repr¨asentativen Vorg¨angen gewidmet, darunter k¨onigliche Reichstags-Besuche in Worms, Geschenk¨ubergaben an hochgestellte Personen sowie Turniere und Prozessionen. Von kulturhistorischem Interesse sind weiterhin die von N. aufgezeichneten lat. Lieder mit hinzugef¨ugten Angaben zur Auff¨uhrungspraxis. Der Reichtum der in N.s Werk enthaltenen Schilderungen macht den Text zur wichtigsten Wormser Geschichtsquelle seiner Zeit neben den Acta Wormatiensia. Diese wurden m¨oglicherweise von N. zusammen mit dem Stadtschreiber Adam von Schwechenheim verfasst, was aber nicht sicher nachweisbar ist. ¨ Uberlieferung: Der Autograph der Aufzeichnungen sowie eine nachweisbare Abschr. sind verloren. Erhaltene Hs.: Worms, Stadtarch., Abt. 1 B Nr. 10 (1714). Ausgaben: Monumenta Wormatiensia. Annalen und Chroniken (Quellen zur Gesch. der Stadt Worms 3). Hg. v. Heinrich Boos. Berlin 1893, S. 371–543 (Tagebuch), 570–584 (Briefe N.s). – Der Mann, der dabei war. Aus dem Tagebuch des R. N. zur Zeit des Wormser Reichstages 1495. Hg. v. Ilse Bindseil. Worms 1995. ¨ Ubersetzung: Beitr. zur Gesch. der Stadt Worms. Hg. v. Hans Soldan. Worms 1896, ¨ S. 92–204 (nhd. Ubers.). Literatur: Falk Eisermann, VL2 11 (2004) Sp. 1055–1058. – Boos 1893 (s. Ausg.) S. XXXV–XLII. – H. Boos: Gesch. der rheinischen St¨adtekultur v. ihren Anf¨angen bis zur Gegenwart 1048

Waldauf von Waldenstein mit besonderer Ber¨ucksichtigung der Stadt Worms IV. Berlin 1901. – Fritz Reuter: Worms als Reichstagsstadt 1495. In: 1495. Kaiser, Reich, Reformen. Der Reichstag zu Worms. Kat. zur Ausstellung des Landeshauptarch. Koblenz in Verbindung mit der Stadt Worms. Koblenz 1995, S. 123–138. – F. Eiser¨ mann: Archivgut und chronikalische Uberl. als vernachl¨assigte Quelle der Fr¨uhdruckforschung. In: Gutenberg-Jb. 81 (2006) S. 50–61, hier S. 59–61. MM Waldauf von Waldenstein, Florian (Waldauff v. W.), * um 1445 Tirol, † 13.10.1510 Schloss Rettenberg bei Kolsass/Unterinntal. – Diplomat, M¨azen, Verfasser eines Heiltumbuchs. Urspr¨unglich im Dienst von Herzog Sigmund dem Mu¨ nzreichen stehend, war W. danach Protonotar unter Kaiser → Maximilian I. Er wurde vom Kaiser auch mit Finanzangelegenheiten sowie diplomatischen Gesandtschaften betraut und begleitete Maximilian auf Reisen. So geriet er 1489 ¨ bei einer gemeinsamen Uberquerung der Zuidersee mit dem Kaiser in Seenot. Damals gelobte W. die Einrichtung einer geistlichen Stiftung, die er sp¨ater in Hall verwirklichte. 1509 wurde W. Superintendent f¨ur den Bau von Maximilians Grabmal in Innsbruck. W. war auch Mitglied im Birgittenorden und trat als M¨azen hervor. So stiftete er in Hall nicht nur eine Kapelle, eine Bibliothek und von ihm gesammelte Reliquien. Er f¨orderte auch mehrere Drucke, darunter das Missale Brixense (1493) und die Tiroler Gesatz vnd ordnungen (1506). Eine wichtige Rolle spielte W. auch bei der Publikation der Schriften (Pseudo-)Birgittas. So ließ er deren ¨ Revelationes in lat. Sprache wie als dt. Ubersetzung drucken, ebenso die heute verlorenen F¨unfzehn Gebete zum Leiden Christi (s. Drucke). W. verfasste ein Heiltumbuch, das auch als sog. Haller Heiltumbuch bekannt ist. Das Werk entstand 1508/09 zur Darstellung von W.s Stiftung in Hall und ist als Autograph erhalten. Dieser war als Vorlage f¨ur einen sp¨ateren Druck intendiert, was am Zustand des Codex erkennbar ist. ¨ Er enth¨alt Uberarbeitungen von anderen H¨anden und 145 eingeklebte Probeabz¨uge von Holzschnit¨ und ten. Diese stammen von Hans Burgkmair d. A. sind außerhalb des Heiltumbuchs nicht u¨ berliefert. Der Codex erlaubt wertvolle R¨uckschl¨usse auf die Druckpraxis des sp¨aten MA. Mo¨ glicherweise existierte auch ein kleineres Heiltumb¨uchlein. Es wird im Heiltumbuch als k¨auflich erw¨ahnt, ist aber nicht 1049

2. H¨alfte 15. Jh. erhalten. W. hinterließ auch Briefe und Berichte an seine Dienstherren Sigmund und Maximilian. Die Texte berichten u. a. von Gesandtschaften und Feldz¨ugen, an denen W. teilnahm. ¨ Uberlieferung: Heiltumbuch: Hall/Tirol, Arch. des Dekanalamts, 189 Bll. (1508/09, Autograph). Drucke: Von W. hg. oder veranlasst: [PseudoBirgitta: Orationes quindecim, dt. Augsburg: Erhard Ratdolt, 1492] (GW 438420N; Druck verloren, Abschr. in Mu¨ nchen, UB, 8° cod. ms. 273, 1r–33r). – Birgitta: Revelationes. N¨urnberg: Anton Koberger, 1500 (GW 4392; mehrere Online-Ausg.: BSB Mu¨ nchen, Staatsarch. Berlin, UB Sevilla). – Birgitta: Das puch der Himlischen offenbarung der heiligen wittiben Birgitte [...]. N¨urnberg: Anton Koberger, 1502 (VD16 B 5593, B 5596, mit B 5595 als Augsburger Fassung; Online-Ausg. BSB M¨unchen). Ausgaben: Heiltumbuch: Josef Garber: Das Haller Heiltumbuch mit den Unika-Holzschnitten ¨ Hans Burgkmairs des Alteren. In: Jb. der Kunsthist. Sammlungen des Allerh¨ochsten Kaiserhauses 32 (1915) H. 2, S. 1–127. – Briefe: Maximilians I. vertraulicher Briefwechsel mit Sigmund Pr¨uschenk Freiherrn zu Stettenberg nebst einer Anzahl zeitgen¨ossischer das Leben am Hofe beleuchtender Briefe. Hg. v. Victor von Kraus. Innsbruck 1875, S. 83–85. – V. v. Kraus: Maximilian’s I. Beziehungen zu Sigmund von Tirol in den Jahren 1490–1496. Studie zur Charakteristik beider F¨ursten. Wien 1879, S. 23–37. – Garber 1915 (s. o.) S. VI f. – F. W. v. W. FS zur 450–Jahr-Feier der Haller Stubenges. Hg. v. Ernst Verdross-Drossberg. Innsbruck 1958, S. 17 f., 21 f. Literatur: De Boor/Newald 4/1 (21994) S. 332. – Volker Honemann, VL2 10 (1999) Sp. 607–611. – Karl Schottenloher: Die liturgischen Druckwerke Erhard Ratdolts aus Augsburg 1485–1522. Typen- und Bildproben. Mainz 1922, S. XII f. – Verdross-Drossberg 1958 (s. Ausg.). – Ulrich Montag: Das Werk der heiligen Birgitta ¨ v. Schweden in obd. Uberl. Texte und Unters. (MTU 18). M¨unchen 1968, S. 103–111. – Tilman Falk: Hans Burgkmair. Stud. zu Leben und Werk des Augsburger Malers. M¨unchen 1968, S. 14 f., 63 f., Abb. 37 f. – Erich Egg: Kaiser Maximilians goldener Ritter Waldauf und das Haller Heiligtum. In: Das Fenster. Tiroler Kulturzs. 5 (1969) S. 401–419. – Klaus Brunner: Kat. der Ritter-Waldauf-Bibl. Eine ehemalige Predigerbibl. in Hall/Tirol. M¨unchen u. a. 1983. – Nikolaus Grass: Camposanto-Teutonico-Privilegien f¨ur 1050

2. H¨alfte 15. Jh. ¨ Osterreich. Ein Beitr. zur Sakralkultur im Zeitalter Kaiser Maximilians I. In: Domus Austriae. FS Hermann Wiesflecker. Hg. v. Walter H¨oflechner u. a. Graz 1983, S. 137–158. – H. Wiesflecker: ¨ Kaiser Maximilian I. Das Reich, Osterreich und Europa an der Wende zur Neuzeit 5: Der Kaiser und seine Umwelt. Mu¨ nchen 1986, S. 244–247, 712–714 u. o¨ . – Heinrich L. Nickel: Zur Wirkungsgesch. des Halleschen Heiltumbuches von 1520. In: Wiss. Zs. der Univ. Halle-Wittenberg 41 (1992) H. 5, S. 93–101. – V. Honemann: Laien als Literaturf¨orderer im 15. und fr¨uhen 16. Jhs. In: Laienlekt¨ure und Buchmarkt im sp¨aten MA. Hg. v. Thomas Kock und Rita Schlusemann. Frankfurt/M. u. a. 1997, S. 147–160. – Hans-Joachim Kracht und Jakob Torsy: Reliquiarium Coloniense. Siegburg 2000, s. Reg. – V. Honemann: ‹Sp¨atma.› und ‹humanistische› Fr¨ommigkeit. F. W. v. W. und Heinrich Bebel. In: Tradition and Innovation in an Era of Change. Hg. v. Rudolf Suntrup/Jan R. Veenstra. Frankfurt/M. 2001, S. 75–98. – Walter Neuhauser: Einn kaiserlicher Auftraggeber. Ein Brief Kaiser Maximilians I. an Anton Koberger, ¨ Beitr. zur Uberliegerungsgesch. der ‹Revelationes s. Birgittae›. In: Codices manuscripti 58 (2006) S. 9–20. – Livia C´ardenas: Zwischen Legitimation und Memoria. F. W. und das unvollendete Projekt des Haller Heiltumsbuches. In: Forum Hall in Tirol. Neues zur Gesch. der Stadt 2. Hg. v. Alexander Zanesco/Romedio Schmitz-Esser. Hall 2008, S. 234–253. – Ren´e Hurtienne: Haller WaldaufReliquien in N¨urnberg – N¨urnberger Reliquien in Hall? ‹Transportierte Fr¨ommigkeit› im Sp¨atMA. In: ebd., S. 300–321. – R. Schmitz-Esser: Perso¨ nliche Beziehungen v. Macht und Fr¨ommigkeit. Erich v. Braunschweig, Katharina v. Sachsen und F. W. Der Umschlag des Haller Heiltumsbuches als u¨ bersehene hist. Quelle. In: ebd., S. 278–299. MM Braunschweiger Stadtfehde (1492–94). – Chronologischer Bericht, sp¨ates 15. Jh. Nach kurzen allgemeinen Nachrichten zu Braunschweig aus den Jahren 1488–91 beschreibt der Text in strenger Chronologie tagebuchartig die Ereignisse im Zuge der «Großen Stadtfehde» zwischen der Stadt Braunschweig und Herzog ¨ Heinrich I. (dem Alteren) von BraunschweigWolfenb¨uttel (vgl. → Braunschweiger Fehde, Tilman → Rasche): den Streit um Huldigung und Best¨atigung der Privilegien Heinrichs, die mehrmonatige Belagerung der Stadt und Verw¨ustung des 1051

Braunschweiger Stadtfehde (1492–94) Umlands, den Sieg der B¨urger bei Bleckenstedt und den Friedensschluss, der die Selbstst¨andigkeit Braunschweigs wahrte. Der anonyme Verfasser, der die Position der Stadt vertritt, d¨urfte mit dem a¨ ußerst detaillierten Bericht im Kompilationsstil (zusammengestellt aus Braunschweiger Akten und Aufzeichnungen) sehr zeitnah zu den Ereignissen begonnen haben. ¨ Uberlieferung: Wolfenb¨uttel, HAB, Cod. 652 Helmst., 114r–167v (Pap., 16. Jh., nd.). Ausgabe: Hermann B¨asecke, in: Die Chron. der nieders¨achsischen St¨adte. Braunschweig 3,1 (Chron.dt.St. 35,1) Stuttgart/Gotha 1928, S. 79–135. Literatur: Klaus Nass, VL2 11 (2004) Sp. 282 f. – Jean-Philippe Hashold, Encyclopedia of the Medieval Chronicle 1 (2010) S. 209. – Felix Priebatsch: Die grosse Braunschweiger Stadtfehde. 1492–1495. Breslau 1890. – B¨asecke (s. Ausg.) S. 71–78. – Werner Spies: Gesch. der Stadt Braunschweig im NachMA. Bd. 1. Braunschweig 1966, S. 19–25. – Repertorium fontium historiae medii aevi 2 (1967) S. 582. – Matthias Puhle: Die Politik der Stadt Braunschweig innerhalb des S¨achsischen St¨adtebundes und der Hanse im sp¨aten MA (Braunschweiger Werkst¨ucke A,20 [63]). Braunschweig 1985, S. 184–194. – Volker Honemann: Humanistische und sp¨atma. Zeitgeschichtsschreibung in Braunschweig um 1500. Die ‹Descriptio belli› des Telomonius Ornatomontanus (Tilman Rasche v. Zierenberg) und die deutschsprachigen Darstellungen der ‹Großen Braunschweiger Stadtfehde› v. 1492–1494. In: St¨adtische Geschichtsschreibung im Sp¨atMA und in der fr¨uhen Neuzeit (St¨adteforschung A,47). Hg. v. Peter Johanek. K¨oln u. a. 2000, S. 111–157. VZ Braunschweiger Fehde. – Historisch-politische Ereignislieder aus Braunschweiger Chroniken, sp¨ates 15. Jh. Die kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen der Stadt Braunschweig und Herzog ¨ Heinrich I. (dem Alteren) von BraunschweigWolfenb¨uttel im Zuge der «Großen Stadtfehde» (1492–94) bilden den historischen Rahmen von vier Liedern und zwei Liedfragmenten, die zeitnah zu den Ereignissen verfasst wurden und diese aus Braunschweiger Sicht schildern (vgl. → Braunschweiger Stadtfehde, Tilman → Rasche). Drei der vier vollst¨andigen Lieder sind in der 1052

Ludwig von Greiffenstein → Lindenschmidt-Strophe verfasst. Ein gemeinsamer Autor f¨ur diese Lieder ist denkbar. ¨ Uberlieferung: Die vier vollst. Lieder werden innerhalb verschiedener Braunschweiger-Chron. u¨ berliefert (z. B. der des Andreas Schoppius). Liliencron 2 (1866) S. 319, 322, 324, 329 und 214 f. gibt insgesamt acht Textzeugen f¨ur die vier vollst. Lieder an. Der heutige Verbleib der gelisteten Hss. d¨urfte nicht immer zweifelsfrei zu kl¨aren sein. – Vgl. auch VL2 1 (1978) Sp. 1006. Ausgaben: Liliencron 2 (1866) S. 315–329 (Nr. 184–187) (vollst. Lieder). – Hassebrauk (s. Lit.) S. 5–7 (Fragm.). Literatur: Uta Reinhardt, VL2 1 (1978) Sp. 1006. – Liliencron (s. Ausg.) S. 312–315. – Felix Priebatsch: Die grosse Braunschweiger Stadtfehde. 1492–1495. Breslau 1890. – Gustav Hassebrauk: Die geschichtliche Volksdichtung Braunschweigs. In: Zs. des Harzver. f¨ur Gesch. und Altertumskunde 34 (1901) S. 1–105; 35 (1902) S. 1–182, hier bes. Jg. 34, S. 4–7. – Volker Honemann: Humanistische und sp¨atma. Zeitgeschichtsschreibung in Braunschweig um 1500. Die Descriptio belli des Telomonius Ornatomontanus (Tilman Rasche v. Zierenberg) und die deutschsprachigen Darstellungen der Großen Braunschweiger Stadtfehde v. 1492–1494. In: St¨adtische Geschichtsschreibung im Sp¨atMA und in der fr¨uhen Neuzeit (St¨adteforsch. A,47). Hg. v. Peter Johanek. K¨oln u. a. 2000, S. 111–157. VZ Fasbender, Peter, * ca. 1460, † 1518. – Verfasser eines Reiseberichts. Aus Molsberg (Westerwald) stammender Koblenzer B¨urger aus dem K¨uferstand, der 1492/93 eine Pilgerreise ins Heilige Land unternahm, u¨ ber die er 1494/95 einen Peter Vaßbenders Beduoartt nahe dem heligen Grabe zuo Jeruosalem. eyn Buerger zuo Couuelentz betitelten Bericht verfasste. Der in sachlichem Stil gehaltene Text orientiert sich einerseits stark an einer biblischen Geographie, enth¨alt aber auch Beobachtungen zu Kultur- und Naturgeschichte, Topographie und Mythologie sowie thematisert in zeittypischer Manier die ‹T¨urkengefahr›. ¨ Uberlieferung: Trier, StB, Hs. 1936/7 8° (Pap., 15. Jh., moselfr¨ankisch), m¨oglicherweise mit eigenh¨andigen Erg¨anzungen v. P. F. Ausgabe: Reinhold R¨ohricht/Heinrich Meisner: Dt. Pilgerreisen nach dem Heiligen Lande. Berlin 1880, S. 247–277. 1053

2. H¨alfte 15. Jh. Literatur: Volker Honemann, VL2 2 (1979) Sp. 711. – Reinhold R¨ohricht/Heinrich Meisner: Dt. Pilgerreisen nach dem Heiligen Lande. Berlin 1880, S. 246–277. – Hans-Joachim Lepszy: Die Reiseber. des MA und der Reformationszeit. Diss. Hamburg 1952, S. 264. – Richard Laufner: Ein Mensch in seiner Gegenwart. Der Wallfahrtsber. P. F.s v. Molsberg, B¨urger zu Koblenz. In: FS Hermann Heimpel. Hg. v. Josef Fleckenstein u. a. (Ver¨off. des Max-Planck-Inst. f¨ur Gesch. 36). Bd. 2. G¨ottingen 1972, S. 247–265. – Betty C. Bushey: Die dt. und ndl. Hss. der Stadtbibl. Trier bis 1600 (Beschreibendes Verz. der Hss. der StB Trier NS 1). Wiesbaden 1996, S. 225 f. – Michael Embach: Trierer Literaturgesch. Das MA. Trier 2007, S. 613 f. NR Ludwig von Greiffenstein, * 1466, † 11.5. 1495. – Verfasser eines Reiseberichts. L. war ein unehelicher Sohn des Grafen Eberhard von W¨urttemberg. Er studierte in Tu¨ bingen Jura und wurde zum Doktor beider Rechte promoviert. 1484 legitimierte Kaiser Friedrich III. ihn, woraufhin er 1493 den Herrentitel v. G. erhielt. L. wurde lange mit dem anonymen Fragment eines Reiseberichts in Verbindung gebracht, der im Wachendorfer Archiv der Freiherren von Ow aufgefunden wurde (→ Pilgerfahrt des Konrad von Parsberg und Reinhard von Bemelberg). W¨ahrend dieses Fragment aber eine 1494 unternommene Reise darstellt, reiste L. nach heutiger Kenntnis bereits 1493 nach Jerusalem. Er war Mitglied in der Reisegruppe des Herzogs Friedrich von Sachsen, den auf dieser Fahrt auch Johannes von Lobkowitz (1450–1517) begleitete. Johannes beschrieb die Pilgerfahrt in einem tschechischen Bericht. In dt. Sprache ist die Darstellung des → Heinrich von Zedlitz erhalten. Literatur: Dietrich Huschenbett, VL2 5 (1985) Sp. 1015 f.; 11 (2004) Sp. 940. – Reinhold R¨ohricht: Dt. Pilgerreisen nach dem Heiligen Lande. Neuausg. Innsbruck 1900, S. 183–187. – Martin Sommerfeld: Die Reisebeschreibungen der dt. Jerusalempilger im ausgehenden MA. In: DVjs 2 (1924) S. 816–851. – Eugen Stolz: Die Heiliglandfahrt Ludwigs v. Wu¨ rttemberg im Jahre 1493. In: Hist. Jb. 47 (1927) S. 526–536. – Tobias Delfs: Der Verf. und seine Kopisten: Eine Spurensuche. In: Die Reise eines niederadeligen Anonymus ins Heilige Land im Jahre 1494. Hg. v. Gerhard Fouquet u. a. Frankfurt/M. 2007, S. 38–55. MM 1054

2. H¨alfte 15. Jh. Jungere ¨ Hochmeisterchronik. – In den 90er Jahren des 15. Jh. entstandene, urspr¨unglich nd. verfasste Chronik. Bei dem Verfasser der J. H. handelt es sich wahrscheinlich um einen Deutschordenspriester der Ballei Utrecht. Die Chronik reicht bis 1466, war weit verbreitet und diente weiteren Chroniken als Quelle (z. B. Handschriften der Waiblinger Chronik). Die Darstellung reicht u¨ ber die Geschichte des Ordens hinaus und ist in den Zusammenhang einer mit Noah beginnenden Heilsgeschichte gestellt. Der Verfasser l¨asst seinen Orden als Streiter Gottes erscheinen, wobei besonders der ritterliche Charakter betont wird. Als Quellen dienten ihm vor allem → Peter von Dusburg, → Nikolaus von Jeroschin, → Johann von Posilge sowie die → Livl¨andische Reimchronik. ¨ Uberlieferung: Prag, Nationalmuseum, Cod. XVII C 8, 1r–257v (Pap., 1548). – Wien, Zentralarch. des Dt. Ordens, Hs. 392, 3r–186r (Pap., Ende 15. Jh., ndl.). – Vgl. dazu auch Hirsch (s. Ausg.) S. 4–16. Ausgabe: Theodor Hirsch: Die J. H. In: SS rer. Prussicarum 5 (1874) (Nachdr. 1965) S. 43–148. Literatur: Udo Arnold, VL2 4 (1983) Sp. 922 f. – Hirsch (s. Ausg.) S. 1–42. – Odilo Engels: Zur Historiographie des Dt. Ordens im MA. In: AfK 48 (1966) S. 340–342, 358–360. – U. Arnold: Stud. zur preußischen Historiographie des 16. Jh. Diss. Bonn 1967, Reg. – Franz Lackner unter Mitarbeit v. Alois Haidinger: Kat. der Streubest¨ande in Wien und Nieder¨osterreich. Tl. 1: Nichtarchivalische ma. Hss. und Fragm. in Korneuburg, Mistelbach, Retz, St. P¨olten, Tulln, Waidhofen an der Thaya, Weitra, Wien, Wiener Neustadt und aus ¨ Privatbesitz. Katalogbbd. und CD-ROM (Osterr. Akad. der Wiss., phil.-hist. Kl., Denkschr. 272; Ver¨off. der Kommission f¨ur Schrift- und Buchwesen des MA 2/5). Wien 2000, S. 309–312 (Nr. 62). SF Melzer, Bernhardin, Sagan, † 29.6.1512 G¨orlitz. – B¨urgermeister von G¨orlitz. M. wurde 1476 an der Univ. Leipzig immatrikuliert und erwarb 1478 den Grad eines Baccalaureus; seit 1488 ist er als B¨urger und «subnotarius» in G¨orlitz nachweisbar. Seit 1491 geh¨orte er dort dem Rat an und war mehrfach B¨urgermeister (1495, 1499, 1500, 1506, 1508). M. legte eine zwei B¨ande umfassende Sammlung von Urkunden- und Aktenmaterial an (seit der 1055

Jungere ¨ Hochmeisterchronik Edition irref¨uhrend als «G¨orlitzer Ratsannalen» bezeichnet), die nur sparsam chronikalische Anmerkungen enth¨alt. Die zwischen 1488/89 und 1495 erfolgten Aufzeichnungen waren wohl als Hilfsmittel f¨ur einen in der st¨adtischen Verwaltungspraxis T¨atigen gedacht. ¨ Uberlieferung: G¨orlitz, Ratsarch. (Stadtarch.), Varia 60 und 61. Ausgabe: Joachim Leopold Haupt, in: Scriptores rerum Lusaticarum. Slg. ober- und niederlausitzischer Geschichtschreiber, NF 2. G¨orlitz 1841, S. 1–453. Literatur: Peter Johanek, VL2 6 (1987) Sp. 380 f. – Volker Honemann: Die Stadtschreiber und die dt. Lit. im Sp¨atMA und der fr¨uhen Neuzeit. In: Zur dt. Lit. und Sprache des 14. Jh. Dubliner Colloquium 1981. Hg. Walter Haug u. a. (Reihe Siegen. Germanistische Abt. 45). Heidelberg 1983, S. 320–353. BJ Munzer, ¨ Hieronymus (Monetarius), * um 1437 Feldkirch/Vorarlberg, † 27.8.1508 N¨urnberg. – Mediziner, Ratsherr, Humanist. 1. Leben: Der aus einfachen Verh¨altnissen stammende M. studierte seit 1464 in Leipzig die K¨unste. Seit 1466 Baccalaureus, erwarb er 1470 den Magistergrad und lehrte anschließend die Artes. Ein zus¨atzliches Studium der Medizin in Pavia, wo M. sich auch als Hofmeister verdingte, schloss er 1478 mit der Promotion ab. Anschließend lebte er als Stadtarzt in N¨urnberg und erhielt 1480 das B¨urgerrecht. W¨ahrend in N¨urnberg die Pest w¨utete, hielt sich M. 1483 in Rom auf. 1484 unternahm er eine Reise in die Niederlande. 1494/95 wich er einem erneuten Ausbruch der Pest durch eine Pilgerreise aus, die ihn bis nach Santiago de Compostela f¨uhrte. W¨ahrend der Reise weilte M. im Auftrag von K¨onig → Maximilian I. auch am Hof Johanns II. von Portugal. Nach seiner R¨uckkehr wirkte M. ab 1496 an der Errichtung einer N¨urnberger Poetenschule mit. Durch die Herstellung von Arzneimitteln zu Wohlstand gelangt, widmete sich M. zunehmend dem Ausbau seiner hervorragenden Bibliothek. Neben Klassikern der r¨omischen Literatur sammelte er auch Werke von Rhazes und Avicenna sowie von → Augustinus, → Petrus Lombardus, Pierre d’Ailly und Aeneas Silvius → Piccolomini. Hinzu kamen B¨ucher von zeitgen¨ossischen Humanisten, die M. teilweise pers¨onlich kannte. So 1056

Munzer ¨ unterhielt er Verbindungen zu Konrad Celtis, Sebald Schreyer, Sixtus Tucher sowie Hermann und Hartmann → Schedel. Letzterer gewann M. f¨ur die Mitarbeit an seiner Weltchronik (1493), in die der Mediziner zahlreiche Korrekturen einbrachte. 2. Werk: M.s Hauptwerk ist das lat. Itinerarium, in dem er seine Fahrt von 1494/95 beschreibt. M. reiste damals u¨ ber Perpignan, Montserrat, Valencia, Granada, Malaga, Sevilla, Lissabon nach Santiago de Compostela, schließlich u¨ ber Salamanca, Madrid, Saragossa und Pamplona zur¨uck nach Deutschland. Das Itinerarium wird bis heute nicht nur wegen seiner stilistischen Qualit¨aten gesch¨atzt, sondern gilt auch als bedeutende Quelle zur zeitgen¨ossischen Kulturgeschichte. So behandelt M.s Werk neben dem iberischen Rechts- und Bildungssystem auch Ph¨anomene des Alltagslebens. Weiterhin ist dem Itinerarium ein Bericht u¨ ber die Fahrten und Entdeckungen von Heinrich dem Seefahrer bis 1469 beigef¨ugt (De inventione Africae maritimae et occidentalis videlicet Guineae per Infantem Henricum Portugalliae). M. setzte auf Anregung Martin Behaims auch einen Brief an K¨onig Johann II. von Portugal auf. Die auf den 14.7.1493 datierte lat. Epistel wirbt f¨ur eine Asien-Expedition u¨ ber den atlantischen Seeweg. Der Text ist vollst¨andig nur in einer por¨ tugiesischen Ubersetzung des Hofpredigers Alvaro de Torre erhalten. Hartmann Schedel verfasste ein lat. Regest des Briefs. Außerdem schrieb M. mit Johannes → Finck und Hermann Schedel 1481 einen Lepraschaubrief und sp¨ater mit den beiden Schedels ein Pest-Konsilium f¨ur die Stadt N¨urnberg. Beide Texte sind als lat. Abschriften Hartmann Schedels u¨ berliefert. M. hinterließ weiterhin ein lat. Gutachten u¨ ber eine Verteidigungsschrift des J¨org Radendorfer. Erw¨ahnenswert ist auch M.s Arbeit als Kartograph. Er schuf f¨ur Schedels Weltchronik eine wohl an → Nikolaus von Kues angelehnte Karte Deutschlands. Diese z¨ahlt zu den fr¨uhesten gedruckten Deutschlandkarten. Auch wenn M. nicht die Prominenz anderer Humanisten erlangte, so war er doch ein wichtiges Mitglied von Hartmann Schedels Kreis. Seine weitgespannten Interessen und seine exzellente Bibliothek erlaubten ihm kenntnisreiche Beitr¨age zur Schedelschen Weltchronik. Gleichzeitig unterstreicht seine Arbeit als Reiseschriftsteller M.s eigenst¨andige Qualit¨aten als Stilist und Beobachter. In der heutigen Forschung zur mittelalterlichen Reiseliteratur ist M.s Werk von großer Bedeutung. 1057

2. H¨alfte 15. Jh. ¨ Uberlieferung: 1. Lepraschaubrief und PestKonsilium: M¨unchen, BSB, Clm 441, 51r–51v, 54r–54v (um 1494, Abschr. v. Hermann Schedel). – 2. Gutachten: Ebd., Clm 224, 312r–313r (1478). – 3. Itinerarium: Ebd., Clm 431, 96r–274v (um 1500, Abschr. v. Hartmann Schedel). – 4. Brief v. 1493: Ebd., Fragm. in 4° Inc. c. a. 424 (Schedelsches Regest des Briefs). – Kleinere autographische Notizen M.s in: Jaques Rosenthal: Hss. und Fr¨uhdr. in dt. Sprache. M¨unchen 1929, Nr. 375, 512, 513. Ausgaben: 1. Lepraschaubrief: Karl Sudhoff: Lepraschaubriefe aus dem 15. Jh. In: Sudhoffs Arch. 4 (1911) S. 370–378, hier S. 372 f. ¨ 2. Gutachten: K. Sudhoff: Kurpfuscher, Arzte und Stadtbeh¨orden am Ende des 15. Jhs. In: Sudhoffs Arch. 8 (1915) S. 98–124, hier S. 102–104. 3. Itinerarium: Hieronymus M¨unzer’s Bericht u¨ ber die Entdeckung der Guinea. Hg. v. Friedrich Kunstmann. In: Abh. der hist. Kl. der K¨oniglich Bay. Akad. der Wiss. 7,2 (1854) S. 289–346 (Teildr.). – Itinerarium hispanicum Hieronymi Monetarii (1494–1495). Hg. v. Ludwig Pfandl. In: Revue hispanique 48 (1920) S. 1–179. Sonderdr. New York u. a. 1920. Nachdr. Vaduz 1964. – J´erˆome Mu¨ nzer et son voyage dans le Midi de la France en 1494–1495. Hg. v. Eug`ene D´eprez. In: Annalles du Midi 48 (1936) S. 53–79 (Teildr.). – Ernst P. Goldschmidt: Le voyage de Hieronimus Monetarius a` travers la France. In: Humanisme et Renaissance 6 (1939) S. 55–75, 198–200, 324–348, 529–539 (Teildr.). – Ant´onio Brasio: Monumenta missionaria africana 2,1: 1342–1499. Lissabon 1958, S. 214–253 (Teildr.). – Itinerarium (1494/95) – Br¨ugge, Gent und Antwerpen. In: Quellen zur Geschichte des Reisens im Sp¨atMA. Hg. v. Folker Reichert. Darmstadt 2008, S. 148–154 (lat.-dt. Teildr.). – Eine MGH-Ausg. des Itinerarium ist in Vorbereitung. 4. Brief v. 1493 (Schedelsches Regest): Richard Stauber: Die Schedelsche Bibliothek. Ein Beitrag zur Gesch. der Ausbreitung der italienischen Renaissance, des dt. Humanismus und der medizinischen Lit. Freiburg i. Br. 1908 (Nachdr. Nieuwkoop 1969) S. 251. – Henry Vignaud: Histoire critique sur de la grande entreprise de Christophe Colomb 2. Paris 1911, S. 620–622. – Lu´ıs Mendon¸ca de Albuquerque: Os guias n´auticos de Munique e ´ Evora. Lissabon 1965, S. 185–187. ¨ Ubersetzungen: 1. Itinerarium: Viaje por Espa˜na y Portugal en los an˜ os 1494 y 1495. Hg. v. Julio Puyol. Madrid 1924. – Nach Santiago zogen sie. 1058

2. H¨alfte 15. Jh. Berichte von Pilgerfahrten ans ‹Ende der Welt›. Hg. v. Klaus Herbers/Robert Pl¨otz. M¨unchen 1996, S. 140–150. – Krochalis 1996 (s. Lit.). – Voyage a` travers la France (1494/95). Hg. v. Anne Berthelot. Greifswald 1996. – Voyage en Espagne et au Portugal (1494–1495). Hg. v. Michel Tarayre. Paris 2006. – De Alicante a Granada, pasando por Almeri´a. El viaje de Jer´onimo Mu¨ nzer, a˜no 1494. Hg. v. Pedro P. Molina. Almeri´a 2006. – Reichert 2008 (s. Ausg.). – De Nuremberg a` Grenade et Compostelle. Itin´eraire d’un m´edecin allemand. Aoˆut 1494 – avril 1495. Hg. v. Anne Berthelot und Denise P´ericard-M´ea. Biarritz u. a. 2009. 2. Brief v. 1493: Grauert 1908 (s. Lit.) S. 317–319. – Bensaude 1912 (s. Lit.) S. 194 f. – Terrae incognitae 4: Eine Zusammenstellung und kritische Bewertung der wichtigsten vorcolumbischen Entdeckungsreisen an Hand der dar¨uber vorliegenden Originalberichte. Hg. v. Richard Hennig. Leiden 21956, S. 236–239. Literatur: Gundolf Keil/Marianne Wlodarczyk, VL2 6 (1987) Sp. 800–804; 11 (2004) Sp. 1043. – De Boor/Newald 4/1 (21994) S. 692. – Ulrich Knefelkamp, NDB 18 (1997) S. 557 f. – Otto Hartig: Der Brief des Dr. H. M. vom 14. Juli 1493 u¨ ber die Westfahrt nach Kathay in portugiesischen Druckausg. In: Hist. Jb. 29 (1908) S. 334–337. – Hermann Grauert: Die Entdeckung eines Verstorbenen zur Gesch. der großen L¨anderentdeckungen. In: ebd., S. 304–333. – Joaquim Bensa´ude: L’astronomie nautique au Portugal a` l’Epoque des Grandes D´ecouvertes. Bern 1912 (Nachdr. Amsterdam 1967) S. 184–195. – Joseph Fischer: Der N¨urnberger Arzt H. M. († 1508) aus Feldkirch als Mensch und Gelehrter. In: Stimmen der Zeit 96 (1918) S. 149–168. – Adalbert H¨amel: H. M. und der Pseudo-Turpin. In: Zs. f¨ur romanische Philologie 54 (1934) S. 89–98. – E. P. Goldschmidt: H. M. und seine Bibl. London 1938. – Ferdinand Geldner: Dt. Drucker des 15. Jh. im Dienste der christlichen Mission in Spanien (Granada) und Afrika (Sao Tom´e). Nach dem Ber. des Hieronymus M¨unzer. Ein Nachtrag zu Konrad Haeblers ‹Die dt. Buchdrucker des 15. Jh. im Ausland›. In: Arch. f¨ur Gesch. des Buchwesens 7 (1957) S. 1533–1536. – F. Geldner: H. M. u¨ ber den fr¨uhesten Buchdruck. In: Gutenberg-Jb. 53 (1978) S. 67–69. – Elisabeth R¨ucker: N¨urnberger Fr¨uhhumanisten und ihre Besch¨aftigung mit Geographie. Zur Frage einer Mitarbeit v. H. M. 1059

Munzer ¨ und Conrad Celtis am Text der Schedelschen Weltchron. In: Humanismus und Naturwissenschaft. Hg. v. Rudolf Schmitz/Fritz Krafft. Boppard 1980, S. 181–192. – Hannes K¨astner: Der Arzt und die Kosmographie. Beobachtungen u¨ ber Aufnahme und Vermittlung neuer geographischer Kenntnisse in der dt. Fr¨uhrenaissance und der Reformationszeit. In: Lit. und Laienbildung im Sp¨atMA und in der Reformationszeit. Symposion Wolfenb¨uttel 1981. Hg. v. Ludger Grenzmann/Karl Stackmann. Stuttgart 1984, S. 504–531. – Ant´onio Henrique de Oliveira Marques: Dt. Reisende im Portugal des 15. Jh. In: Portugal und Deutschland auf dem Weg nach Europa. Hg. v. Ulrich Knefelkamp u. a. Pfaffenweiler 1995, S. 11–26. – Jeanne Krochalis: 1494: H. M., Compostela and the Codex Calixtinus. In: The Pilgrimage to Compostela in the Middle Ages. A Book of Essays. Hg. v. Maryjane Dunn/ Linda Davidson. New York u. a. 1996, S. 69–96. – Jean-Claude Faucon: H. M. traverse le Languedoc. In: Perspectives m´edi´evales 22, Suppl. (1996) S. 79–94. – Friedrich Wolfzettel: Enfer ou paradis – l’alt´erit´e de l’Espagne du XVe si`ecle vue par L´eon de Rozmital et H. M. In: Guerres, voyages et ˆ FS Jean-Claude Faucon. Hg. quˆetes au Moyen Age. v. Alain Labb´e u. a. Paris 2000, S. 439–448 (wieder in: Ders.: Reiseber. und mythische Struktur. Romanistische Aufsa"tze 1983–2002. Stuttgart 2003, S. 138–147). – Europ¨aische Reiseber. des sp¨aten MA 1. Eine analytische Bibliogr. Hg. v. Werner Paravicini. Bearb. v. Christian Halm. Frankfurt/M. u. a. 22001, S. 261–265. – Karl Heinz Burmeister: Die Br¨uder H. und Ludwig M. In: Montfort 53 (2001) S. 11–28. – Albrecht Classen: Die Iberische Halbinsel aus der Sicht eines humanistischen N¨urnberger Gelehrten. H. M.: ‹Itinerarium ¨ 111 (2003) Hispanicum› (1494–1495). In: MIOG S. 317–340. – K. Herbers: Die ‹ganze› Hispania. Der N¨urnberger H. M. unterwegs – seine Ziele und Wahrnehmung auf der Iberischen Halbinsel (1494–1495). In: Grand Tour. Adeliges Reisen und europ¨aische Kultur vom 14. bis zum 18. Jh. Akten der internationalen Kolloquien in der Villa Vigoni 1999 und im Dt. Hist. Inst. Paris 2000. Hg. v. Rainer Babel/Werner Paravicini. Ostfildern 2004, S. 293–308. – Hans G. R¨otzer: Kolumbus kam ihm zuvor. H. M. und der Seeweg westw¨arts. In: Montfort 57 (2005) S. 223–227. – Ren´e Hurtienne: Venedig als Maßstab f¨ur einen Spanienreisenden? Wirtschaftsnachrichten von der Iberische Halbinsel aus der Feder des N¨urnbergers H. M. 1060

Oehem (1494/95). In: Venezia, incrocio di culture. Percezioni di viaggiatori europei e non europei a confronto. Atti del convegno, Venezia, 26 –27 gennaio 2006. Hg. v. K. Herbers/Felicitas Schmieder. Rom 2008, S. 183–200. – K. Herbers: Humanismus, Reise und Politik. Der N¨urnberger Arzt H. M. bei europ¨aischen Herrschern am Ende des 15. Jh. In: Stud. zur politischen Kultur Alteuropas. FS Helmut Neuhaus. Hg. v. Axel Gotthard u. a. Berlin 2009, S. 207–220. – R. Hurtienne: Ein Gelehrter und sein Text. Zur Gesamtedition des Reiseber. v. H. M., 1494/95 (Clm431). In: Erlanger Editionen. Grundlagenforschung durch Quelleneditionen. Ber. und Stud. Hg. v. Helmut Neuhaus. Erlangen 2009, S. 255–272. – R. Hurtienne: Arzt auf Reisen. Medizinische Nachr. im Reiseber. des doctoris utriusque medicinae H. M. († 1508) aus N¨urnberg. In: Medizin, Jurisprudenz und Humanismus in N¨urnberg um 1500 [...]. Hg. v. Franz Fuchs. Wiesbaden 2010, S. 47–70. MM Oehem, Gallus (Oheim), * um 1445, † 1522 Freiburg i. Br. – Theologe, Chronist des Klosters Reichenau. O. war der uneheliche, erst 1464 legitimierte Sohn eines Stiftsherrn und kaiserlichen Notars. Er besuchte die Lateinschule in Ulm und studierte anschließend 1461–63 Theologie in Freiburg i. Br. sowie 1468/69 in Basel. Nach der Priesterweihe als Prediger in Innsbruck t¨atig, wurde O. 1473 Kaplan in Singen und 1480 in Radolfzell. 1492 verschaffte ihm Abt Martin von Weißenburg eine Pfr¨unde als Kaplan im Kloster Reichenau. Seit 1505 war O. Altarpfr¨undner am Mu¨ nster in Konstanz, wo er auch die Priesterbruderschaft des Domstifts repr¨asentierte. O. ist zuletzt 1514 in Konstanz nachweisbar und verbrachte seine letzten Lebensjahre wahrscheinlich in Freiburg. W¨ahrend seiner Zeit in Reichenau arbeitete O. auf Anregung von Abt Martin an einer Cronick des gotzhuses Rychenowe. Das Werk ist vollst¨andig in dt. Sprache geschrieben; auch lat. Quellen sind u¨ bersetzt wiedergegeben. Die Chronik reicht in ihrer nicht ganz fertiggestellten Form von der Gr¨undung Reichenaus bis 1453. Die drei Teile der Chronik behandeln chronologisch die mit dem Kloster ver¨ bundenen Stifter, Abte und Adeligen. Erw¨ahnenswert sind besonders die Vita des Klostergr¨unders Pirmins im ersten und das umfangreiche Wappenbuch im dritten Teil, das mehr als 500 Wappen 1061

2. H¨alfte 15. Jh. ¨ aller Abte und Adeligen aus dem Umfeld des Klosters versammelt. O.s Text wurde durch die Chronik Einsiedelns des Albrecht von Bonstetten beeinflusst und wirkte wiederum auf den sp¨ateren Reichenauer Chronisten Lazarus Lipp. O. gilt heute auch als Verfasser einer anonym u¨ berlieferten dt. Chronik des Bistums Konstanz. Das Werk weist neben methodischen und stilisti¨ ¨ schen Ubereinstimmungen auch textliche Uberschneidungen mit O.s Reichenauer Chronik auf, ¨ insbesondere bei Bisch¨ofen, die zuvor Abte in Reichenau gewesen waren. Auch kannte der Autor sowohl die Konstanzer wie die Reichenauer Verh¨altnisse gut, was exakt auf O. zutrifft. Inhaltlich enth¨alt der Text historische Nachrichten u¨ ber die Konstanzer Bisch¨ofe bis Friedrich III. von Zollern, der 1436 starb. Danach bricht die Chronik unvollendet ab. Das Werk ist stellenweise eine reine Quellensamm¨ lung, in weiten Teilen aber auch eine direkte Ubertragung des Casus s. Galli von → Ekkehard IV. Weitere Quellen waren → Hermann von Reichenau, → Burchard von Ursberg, Johann von Winterthur, Jakob → Twinger von K¨onigshofen und die Klingenberger Chronik. Die Bistumschronik selbst war Vorlage f¨ur Jakob Mennels Chronicon episcopatus Constantiensis (1519). Mennels Chronik u¨ berschattete lange O.s Werk. ¨ Uberlieferung: 1. Cronick des gotzhuses Rychenowe: Lindau, StB, cod. P I 24, 104 Bll. (Pap., 16. Jh.). – Freiburg i. Br., UB, Hs. 15, 182 Bll. (Pap., um 1505–08, s¨udalemannisch). – Stuttgart, LB, cod. Donaueschingen 622, 1r–98r (Pap., 1538, alemannisch). – Ebd., cod. HB V 55, 24r– 304v (Pap., nach 1590). – M¨unchen, BSB, Cgm 5630 (Pap., 17. Jh.). – Einsiedeln, Stiftsbibl., Cod. 417 (252) (1604). – Stuttgart, LB, cod. HB V 56, 1r–161r (Pap., 1604–07). – St. Paul im Lavanttal, Stiftsbibl., cod. 11/2, 156 S. – Vgl. auch Brandi 1893 (s. Ausg.) S. XXIII–XXVIII. 2. Chronik des Bistums Konstanz: St. Gallen, Stiftsarch., cod. 339 (1514–16). – Karlsruhe, Generallandesarch., cod. 65 / 1101 (fr¨uher 313 b), 119r–158v (Abschr. v. 1896/97). Ausgaben: Gallus Oheims Chronik von Reichenau. Hg. v. Karl August Barack. Stuttgart ¨ 1866. – Die Chronik des Gallus Ohem. Hg. v. Karl Brandi. Heidelberg 1893. – Das Wappenbuch ¨ des Gallus Ohem. Neu hg. nach der Hs. 15 der Universit¨atsbibl. Freiburg. Hg. v. Harald Dr¨os. Sigmaringen 1994. Literatur: ADB 24 (1887) S. 179–181. – Eugen Hillebrand, VL2 7 (1989) Sp. 28–32; 11 (2004) 1062

2. H¨alfte 15. Jh. Sp. 1080 f. – De Boor/Newald 4/1 (21994) S. 149. – Walter Berschin, NDB 19 (1999) S. 430. – Peter P. Albert: Zur Lebensgesch. des Reichenauer Chronisten G. O. In: Freiburger Di¨ozesanarch. 34 (1906) S. 259–265. – Ders.: Von G. O. aus Radolfzell, dem Chronisten der Abtei Reichenau 1445–1522. In: Ders.: Aus der Gesch. der Stadt Radolfzell. Allensbach 1954, S. 61–69. – Eugen Hillenbrand: G. O., Geschichtsschreiber der Abtei Reichenau und des Bistums Konstanz. In: Geschichtsschreibung und Geschichtsbewußtsein im sp¨aten MA. Hg. v. Hans Patze. Sigmaringen 1987, S. 727–755. – Klaus Graf: Aspekte zum Regionalismus in Schwaben und am Oberrhein im Sp¨atMA. In: Historiographie am Oberrhein im sp¨aten MA. Hg. v. Kurt Andermann. Sigmaringen 1988, S. 165–192. – Felix Heinzer: Die Reichenauer Inkunabeln der Badischen LB in Karlsruhe. Ein unbekanntes Kapitel Reichenauer Bibliotheksgesch. In: Bibl. und Wiss. 22 (1988) S. 1–132, hier S. 32–49. – Ders.: G. O., Chron. des Klosters Reichenau. In: ‹Unberechenbare Zinsen›. Bewahrtes Kulturerbe. Kat. zur Ausstellung der vom Land Baden-W¨urttemberg erworbenen Hss. der F¨urstlich F¨urstenbergischen Hofbibl. Hg. v. Felix Heinzer. Stuttgart 1993, S. 148 f. MM Edlibach, Gerold, * 24.9. oder 24.11.1454 Z¨urich, † 28.8.1530 Z¨urich. – Schweizer. Politiker, Chronist. E. war der Sohn des Vogts und Amtmanns Ulrich E. sowie Stiefsohn des Z¨uricher B¨urgermeisters Hans Waldmann. Wie sein Vater vor ihm war er Amtmann f¨ur Einsiedeln (1473–80), daneben auch Konstaffler. 1487 wurde E. Mitglied des Kleinen Rats der Stadt. Der Sturz Waldmanns 1489 zwang auch E. zum R¨ucktritt von diesem Mandat, das er aber 1493–99 und 1515–24 wieder ausu¨ bte. Auch wurde E. 1488 Obervogt in B¨ulach und 1492 Seckelmeister. Als Landvogt betreute er 1494–98 Gr¨uningen und 1505–07 Greifensee. Seit 1514 war er Spitalpfleger. Als bekennender Katholik lehnte E. die Z¨uricher Reformation ab und zog sich 1524 ¨ aus seinen Amtern zur¨uck. E. begann 1485 eine Chronik zur Geschichte Z¨urichs und der Schweiz. Das Werk reichte in seiner ersten Fassung vom Alten Z¨urichkrieg bis 1486, wurde von E. dann aber bis 1517 und schließlich bis 1530 erweitert. Allerdings nimmt die Ausf¨uhrlichkeit der sp¨ateren Eintr¨age stetig ab. E.s Stil gilt bei aller Ungeschliffenheit doch als lebensnah und volkst¨umlich. Als Quellen benutzt E. neben 1063

Edlibach chronikalischen Entw¨urfen Diebold → Schillings m¨oglicherweise auch Aufzeichnungen seines Vaters Ulrich u¨ ber die Jahre bis 1450. E.s Chronik ist als Autograph erhalten. Daneben hinterließ E. mehrere kleinere Werke. Erw¨ahnenswert sind seine Aufzeichnungen u¨ ber die Ereignisse der Reformation in Z¨urich zwischen 1520 und 1527, die das Geschehen aus der Perspektive eines erkl¨arten Reformationsgegners zeigen. Ein von E. um 1490 zusammengestelltes Rotwelsch-Vokabular mit 69 W¨ortern ist durch seinen Umfang und seine fr¨uhe Entstehung sprachhistorisch von Bedeutung. E., der seine Handschriften mit eigenh¨andigen Federzeichnungen illustrierte, schuf auch eine Wappensammlung: Das sog. Wappenbuch ist f¨ur zahlreiche Wappenfarben und Helmverzierungen die fr¨uheste Quelle. E.s S¨ohne Hans (1487–1559) und Ludwig (1492–1557) waren ebenfalls chronistisch t¨atig. Hans schrieb eine Geschichte der Kappelerkriege 1529 und 1531, w¨ahrend Ludwig die Chronik seines Vaters erweiterte und bis 1556 fortsetzte. ¨ Uberlieferung: Z¨urich, Staatsarch., cod. W I 3.21 (fr¨uher cod. AG 21), 157 Bll. (Pap., 1464, nordschweizerisch, enth¨alt die wichtigsten kleineren Werke E.s). – Ebd., cod. A 164, 176 Bll. (Pap., 1474–76, Fragm.). – Ebd., cod. A 75, S. 1–460, 467–484 (Pap., 1485/86 mit Zus¨atzen bis 1530, Autograph der Chron. E.s). – Ebd., cod. B 288, 107 Bll. (Pap., 1498, s¨udalemannisch). – Ebd., cod. L 104 (1498, Autograph v. E.s Aufzeichnungen zur Z¨uricher Reformation). – Ebd., Ms. A 77 (1506). Ausgaben: Gerold Edlibach’s Chron. Mit Sorgfalt nach dem Original copirt und mit einer gleichzeitig verfertigten Abschrift genau verglichen und aus derselben vermehrt und erg¨anzt (Mitth. der Antiquarischen Ges. Z¨urich 4). Hg. v. Johann Martin Usteri. Zu¨ rich 1846 (auch als Separatdr. ebd. 1847). – Friedrich Kluge: Rotwelsch 1. Quellen und Wortschatz der Gaunersprache und der verwandten Geheimsprachen. Straßburg 1901, S. 19 f. – Fl¨ueler 1995 (s. Lit.). ¨ Literatur: Altere Lit. bei Keller 1965 und Marchal 1980 (s. u.). – Georg v. Wyss, ADB 5 (1877) S. 646 f. – Fritz B¨usser, NDB 4 (1959) S. 315. – Oskar Vasella, LThK2 3 (1959) Sp. 661. – Guy P. Marchal, VL2 2 (1980) Sp. 357 f.; 11 (2004) Sp. 390. – De Boor/Newald 4/1 (21994) S. 143, 764. – Egon v. Berchem u. a.: Die Wappenb¨ucher des dt. MA. Basel 1928, S. 64–66. – Anton Largiad`er: Das Wappenbuch G. E.s. In: Schweizer. Arch. f¨ur Heraldik 1064

Peraudi 47 (1933) S. 1–6. – Anton Keller: Zur Sprache des Chronisten G. E. (1454–1530). Diss. Z¨urich 1965. – Richard Feller und Edgar Bonjour: Geschichtsschreibung der Schweiz vom Sp¨atMA zur Neuzeit. Basel 21979, S. 55 f. u. o¨ . – Peter Jezler: ‹Eines Laien Fr¨ommigkeit und Malkunst›. In: Turicum 1 (1989) S. 44–53. – Gesch. des Kantons Z¨urich 1. Hg. v. Niklaus Fl¨ueler/Marianne Fl¨ueler-Grauwiler. Z¨urich 1995, S. 354 (mit Teildr. des Rotwelsch-Vokabulars). – Barbara Helbling: Erasmus als Referenz bei Zwinglis Gegnern in Z¨urich. In: Erasmus in Z¨urich. Eine verschwiegene Autorit¨at. Hg. v. Christine Christ-von Wedel und Urs Leu. Zu¨ rich 2007, S. 53–76. MM Peraudi, Raimund, * 28.5.1435 Surg`eres, † 5.9. 1505 Viterbo. – Theologe. P. studierte an der Universit¨at Paris, wo er 1470 den Magistergrad erwarb und 1476 zum Dr. theol. promoviert wurde. Im selben Jahr wurde er Domdekan von Saintes, 1482 p¨apstlicher Protonotar und 1486 p¨apstlicher Ablasskommisssar sowie Generalkollektor, 1488 zudem Referendar. In den folgen¨ den Jahren stieg P. in hohe Amter auf. So war er seit 1491 Bischof von Gurk, seit 1492 o¨ sterr. Kanzler, seit 1493 Kardinal, seit 1496 Kardinalpriester von S. Vitale und seit 1499 von S. Maria Nuova. Seit 1500 war er als p¨apstlicher Legat f¨ur Deutschland und die Schweiz zust¨andig. 1503–1505 war er gleichzeitig Bischof von Saintes. P. unterhielt u. a. gute Kontakte zu den Kaisern Friedrich III. und Maximilian I., f¨ur die er auch diplomatisch aktiv war. Vor allem war P.s T¨atigkeit aber viele Jahre lang durch die Verk¨undung von Abl¨assen und die Werbung f¨ur einen Kreuzzug gegen die T¨urken bestimmt. Zu diesem Zweck reiste P. unerm¨udlich durch weite Teile Deutschlands, Frankreichs und der Schweiz. Zu den von ihm entsandten Ablasspredigern z¨ahlte Johann von Palz. Die von P. entscheidend gepr¨agte Ablasspraxis hatte im dt. Sprachraum große publizistische Auswirkungen. Hier verbreitete sich im sp¨aten 15. und fr¨uhen 16. Jh. besonders u¨ ber Einblattdrucke eine umfangreiche Ablassliteratur. So sind allein f¨ur Schriften P.s weit u¨ ber 200 dt. und lat. Drucke nachgewiesen, darunter prim¨ar seine Ablassbriefe. Verbreitet war auch P.s Erl¨auterung einer T¨urkenzug-Bulle Sixtus’ IV., Summaria declaratio bulle indulgenciarum... (um 1476/77). Ein Teil des Werks wurde auch in dt. Sprache gedruckt (Von der selen in dem fegfeuer, um 1495). Ebenfalls 1065

2. H¨alfte 15. Jh. als dt. Drucke aufgelegt wurden Sendschreiben P.s an N¨urnberg und die Eidgenossen (1502 gedruckt) sowie an Papst Alexander VI. (1503 gedruckt). Unter den lat. Publikationen sind P.s Ratschl¨age an Beichtv¨ater erw¨ahnenswert (Avisamenta seu statuta, um 1490 gedruckt), außerdem ein Modus promerendi indulgentias sacre cruciate quo ad tres facultates principales (um 1490). Gedruckt wurden auch von P. beauftragte Gutachten der franz¨osischen Theologen Johannes de Fabrica und Nicolaus Richardi. Zum erweiterten publizistischen Kontext der von P. gepr¨agten zeitgen¨ossischen Ablassliteratur z¨ahlen außerdem Drucke anderer Autoren mit dt. Zusammenfassungen p¨apstlicher Bullen und Abl¨asse. ¨ Uberlieferung: Haupt¨uberl. u¨ ber Drucke. Ansonsten nur einzelne hs. Abschriften von Drucken, so in Mu¨ nchen, BSB, Clm 18933, 113r–117r, 119r–121r. Drucke: Verz. der u¨ ber 200 dt. und lat. Drucke bis 1500 im GW ( http://gesamtkatalogderwiegendrucke.de/docs/PERARAI.htm). Weitere 39 Drucke des fr¨uhen 15. Jh. im VD16. Ausgaben: Ablaßbrief zum Besten des Kampfes gegen die T¨urken. Hg. v. Hartmut Harthausen. Speyer 1990 (Faks. des Drucks [Speyer: Peter Drach, 1490]). Literatur: Nigel F. Palmer, VL2 7 (1989) Sp. 398–401. – Claudia M¨artl, LThK3 8 (1999) Sp. 25 f. – Klaus-Bernward Springer, BBKL 20 (2002) Sp. 1154–1160. – Otto Clemen: Ein offener Brief R. P.s. In: Zs. f¨ur Kirchengesch. 20 (1900) S. 442–444. – Nikolaus Paulus: R. P. als Ablaßkommissar. In: Hist. Jb. 21 (1900) S. 645–682. – Rudolf Wackernagel: Mitt. u¨ ber R. P. und kirchliche Zust¨ande seiner Zeit in Basel. In: Basler Zs. f¨ur Gesch. und Altertumskunde 2 (1903) S. 171–273. – Gebhard Mehring: R. P. als Ablaßkommissar in Deutschland 1500–1504 und sein Verh¨altnis zu Maximilian I. In: Forschungen und Versuche zur Gesch. des Sp¨atMA und der Neuzeit. FS Dietrich Sch¨afer. Hg. v. Adolf Hofmeister. Jena 1915, S. 334–409. – Nikolaus Paulus: Gesch. des Ablasses im MA 3: Am Ausgang des MA. Darmstadt 1923, S. 211–219, 382–390. – Jakob Obersteiner: Der Gurker Bi¨ schof R. P. im Lichte neuer Urkunden. In: Osterr. Arch. f¨ur Kirchenrecht 5 (1954) S. 220–237. – Gedeon Borsa: Drei weitere unbekannte Ein¨ blattdrucke aus dem XV. Jh. in der ONB. In: Gutenberg-Jb. 35 (1960) S. 55–61. – Johann von Palz: Werke 1. Hg. v. Christoph Burger 1066

2. H¨alfte 15. Jh. u. a. Berlin 1983, S. 393–463; Bd. 2, ebd. 1983, S. 3–82. – Ursula Rautenberg: Der p¨apstliche Gesandte und Ablaßkommissar R. P. als Auftraggeber des Druckers Hermann Bungart – ein bisher unbeleuchtetes Kapitel K¨olner Legendendrucke der Fr¨uhdruckzeit. In: Dialog. FS Siegfried Grosse. Hg. v. Gert Rickheit/Sigurd Wichter. T¨ubingen 1990, S. 185–199. – Andreas R¨opcke: Geld und Gewissen. R. P. und die Ablaßverk¨undung in Norddeutschland am Ausgang des MA. In: Bremisches Jb. 71 (1992) S. 43–80. – Francis Rapp: Un contemporain d’Alexandre VI Borgia, le cardinal R. P´eraud (1434–1505). In: Comptes rendus des s´eances. Acad´emie des Inscriptions et Belles-Lettres 1994 (1994) H. 3, S. 665–677. – Thomas Vogtherr: Kardinal R. P. als Ablaßprediger in Braunschweig (1488 und 1503). In: Braunschweigisches Jb. f¨ur Landesgesch. 77 (1996) S. 151–180. – Christine Tropper: P., R. (1435–1505). 1491–1505 Bischof von Gurk. 1493 Kardinal. 1503–1505 Bischof von Saintes. In: Die Bisch¨ofe des Heiligen R¨omischen Reiches 1448 bis 1648. Ein biographisches Lex. Hg. v. Erwin Gatz mit Clemens Brodkorb. Berlin 1996, S. 523 f. – Gabriela Signori: Ein Ablaßprediger, ein Dorf und seine Legenden. R. P. und die Bauern des Dinkelbergs. In: Hagiographie im Kontext. Wirkungsweisen und Mo¨ glichkeiten hist. Auswertung. Hg. v. Dieter R. Bauer/Klaus Herbers. Stuttgart 2000, S. 155–200. – Anja Rutter/Gunda Gaus: Die Faszination des Ablasses. Kommissar R. P. in Westf. In: ‹Heiliges Westfalen›. Heilige, Reliquien, Wallfahrt und Wunder im MA. Hg. v. G. Signori. Bielefeld 2003, S. 195–210. MM Pirckheimer, Caritas (auch Charitas Pirkheimer; Taufname: Barbara), * 21.3.1467 Eichst¨att, † 19.8. 1532 N¨urnberg. – Klarisse, Verfasserin geistlicher Schriften und Briefe. 1. Leben: P.s Familie stammte urspr¨unglich aus dem Donauried und lebte seit dem 14. Jh. in N¨urnberg. P.s Vater Johannes (um 1440–1501) war Jurist und stand in herz¨oglichen Diensten unter Albrecht IV. und Sigmund von Tirol. Mit seiner Familie zog Johannes 1466 nach Eichst¨att, wo P. geboren wurde. Sie war die a¨lteste Schwester des Humanisten und Ratsherrn Willibald P. sowie der ¨ Klarisse und sp¨ateren Abtissin Klara P. 1475 zog P. zu Verwandten nach N¨urnberg, wo sie von einer Großtante unterrichtet wurde. 1479 trat P. in das N¨urnberger Klarissenkloster ein, wo sie schnell durch ihre Gelehrsamkeit auffiel. P. besaß fr¨uh 1067

Pirckheimer gute Lateinkenntnisse und las die Kirchenv¨ater, vor allem Hieronymus. Wahrscheinlich um 1483–85 legte P. die Profess ab, war dann Novizenmeiste¨ rin und seit 1503 Abtissin des Klosters. Als junge Nonne machte sich P. besonders um die Bibliothek ihres Klosters verdient, an deren Erhaltung und Ausbau sie mitwirkte. Geistige Einfl¨usse empfing P. von den Franziskanern Heinrich Vigilis und Stephan Fridolin, deren Predigten sie mitschrieb, sowie von dem Propst Sixtus Tucher, mit dem sie in Briefkontakt stand. Auch unterhielt sie ab etwa 1500 Verbindungen zu Willibalds Humanistenkreis, der ihr h¨ochsten Respekt entgegenbrachte. Conrad Celtis, Erasmus von Rotterdam, Albrecht D¨urer, Christoph Scheurl und Benedictus Chelidonius lobten in Widmungen P.s Intelligenz und Wissen in Verbindung mit ihrer Tugendhaftigkeit. Bekannt wurde besonders Celtis’ Ode an P. in ¨ den Amores (1502). Anerkennung fand die Abtissin auch in der katholischen Kirche: Seit 1962 wird P.s Seligsprechung betrieben. 2. Werk: P. war in dt. und lat. Sprache als Autorin, Chronistin und Nachschreiberin t¨atig. So arbeitete sie im letzten Jahrzehnt des 15. Jh. an der lat. Chronik ihres Klosters mit, wahrscheinlich auf Veranlassung Nikolaus → Glasbergers. Nachdem P. sich lange um die Klosterbibliothek gek¨ummert und so archivalische Kenntnisse erworben hatte, sammelte sie f¨ur die Chronik nun Quellen zur Klostergeschichte. Die dt. Fassung der Chronik (Cronica der schwestern Sanct Clarn ordens zu Nurinberg) d¨urfte unter Anleitung P.s entstanden sein. Jedenfalls korrigierte sie pers¨onlich das Konzept der ¨ Ubertragung. Weiterhin sind 75 Briefe P.s u¨ berliefert, die ne¨ ben offiziellen Schreiben der Abtissin P. auch private Korrespondenz umfassen. Die meist dt., in sechs F¨allen auch lat. Briefe waren u. a. an Willibald P., Papst Julius II., Conrad Celtis und Sixtus Tucher gerichtet. 27 Briefe gingen in einem weiteren Werk P.s auf, den sog. Denkw¨urdigkeiten (um 1530; Titel erst von H¨ofler 1852 etabliert, s. Ausgaben). Die Briefe sind darin durch eine Einleitung zur Sintflut-Prophezeiung f¨ur 1524 erg¨anzt und ¨ durch Uberleitungen verbunden. Inhaltlich dokumentiert die Schrift P.s Kampf um den Erhalt ihres Klosters in den Jahren 1524 bis 1528. Nachdem N¨urnberg sich der Reformation angeschlossen hatte, griff der Stadtrat massiv in die Regularien des Klosters ein, was zur Gegenwehr P.s und ihrer 1068

Pirckheimer Nonnen f¨uhrte. Der eskalierende Konflikt konnte erst durch Philipp Melanchthon beendet werden. ¨ Vor ihrer Wahl zur Abtissin fertigte P. außerdem wortgetreue Mitschriften der Predigten von Heinrich Vigilis und Stephan Fridolin an. Die u¨ berlieferten Reinschriften stammen von einer anderen Nonne, weisen aber teilweise Korrekturen P.s auf. Zu den so erhaltenen Texten z¨ahlen Predigten u¨ ber die Sonntagsevangelien und die Psalmen. Daneben ist eine dt. Ansprache P.s u¨ berliefert, die sie wohl zu Weihnachten 1515 vor ihrem Konvent hielt. P. galt bereits zu Lebzeiten als Muster einer gelehrten Frau – ein Bild, das sich den zeitgen¨ossischen Humanisten vor allem u¨ ber P.s Briefe vermittelte. Als eigenst¨andige Humanistin und Autorin wird P. in erster Linie seit den letzten Jahrzehnten des 20. Jh. wahrgenommen. Besonders P.s Denkw¨urdigkeiten sind seitdem in den Vordergrund getreten. Sie werden heute ebenso als historisches Dokument wie als literarisches Selbstzeugnis gew¨urdigt. Auch unterstreichen sie P.s Rolle als wichtige Akteurin der N¨urnberger Reformationsgeschichte. ¨ Uberlieferung: 1. Chronik: N¨urnberg, Staatsarch., Reichsstadt N¨urnberg, Kloster St. Klara, Akten und Bde. Nr. 2 (lat.). – Ebd., Akten und Bde. Nr. 1 (um 1490–1503, dt.). – M¨unchen, Bay. Nationalmus., cod. 1191 (Perg., nach 1503, dt.). 2. Denkw¨urdigkeiten: N¨urnberg, Staatsarch., Reichsstadt N¨urnberg, Kloster Sankt Klara, Akten und Bde. Nr. 5 Cod. A-D (Textstufen vom Konzept bis zu sp¨ateren Abschr. des 17. Jh.). 3. Predigtmitschriften: Bamberg, Bibl. des Metropolitankapitels, Ms. 29 (1494, Vigilis-Texte). – M¨unchen, Bayer. Nationalmus., Ms. 3801 (Pap., fr¨uhes 16. Jh., Fridolin-Texte mit P.s Korrekturen). 4. Weihnachtsansprache: M¨unchen, BSB, Cgm 4439, 57v–60r (Pap., Anfang 16. Jh.. n¨urnbergisch). Ausgaben: Der hochber¨uhmten Charitas Pirk¨ heimer, Abtissin von S. Clara in N¨urnberg, Denkw¨urdigkeiten aus dem Reformationszeitalter. Aus den Originalhandschriften zum ersten Male herausgegeben und mit einem urkundlichen Commentare versehen. Hg. v. Karl A. C. H¨ofler. Bamberg 1852. Nachdr. Osnabr¨uck 1984. – ¨ Denkw¨urdigkeiten der Abtissin Charitas Pirkheimer. Ein Beitrag zur Reformationsgeschichte. Hg. v. Hermann Josef Schmidt. D¨usseldorf 1926. – Aus dem Zeitalter des Humanismus und der Reformation. Hg. v. Marianne Beyer-Fr¨ohlich. Leipzig 1931 (Nachdr. Darmstadt 1970) S. 106–138. – Das 1069

2. H¨alfte 15. Jh. Gebetbuch der Caritas Pirckheimer. Hg. v. Josef Pfanner. [Landshut] 1961. – Die ‹Denkwu¨ rdigkeiten› der Caritas Pirckheimer (aus den Jahren 1524–1528). Hg. v. J. Pfanner. Landshut 1962. – Briefe von, an und u¨ ber Caritas Pirckheimer (aus den Jahren 1498–1530). Hg. v. J. Pfanner. Landshut ¨ 1966. – Die Denkw¨urdigkeiten der Abtissin Caritas Pirckheimer. Hg. v. Frumentius Renner. St. Ottilien 1982 (nach der Pfanner-Ausg. v. 1962). – Die ¨ ‹Denkw¨urdigkeiten› der Abtissin Caritas Pirckheimer des St. Klara-Klosters zu N¨urnberg. Hg. v. Georg Deichstetter. Sankt Ortilien 1983 (nach der Pfanner-Ausg. v. 1962). – Gebetbuch aus dem St. ¨ Klara-Kloster zu N¨urnberg. Zur Zeit d. Abtissin Caritas Pirckheimer 1467–1532. Hg. v. G. Deichstetter. St. Ottilien 1984 (nach der Pfanner-Ausg. ¨ v. 1961). – Briefe der Abtissin Caritas Pirckheimer des St. Klara-Klosters zu N¨urnberg. Hg. v. G. Deichstetter. St. Ottilien 1984 (nach der PfannerAusg. v. 1966). – Worte der Zuversicht. NovenenB¨uchlein Hg. v. G. Deichstetter. St. Ottilien 1985. 2 1988. – Von Bedeutung f¨ur das Gesamtverst¨andnis P.s ist auch die Korrespondenz ihres Bruders: Willibald Pirckheimer: Briefwechsel. Hg. v. Emil Reicke u. a. 7 Bde. M¨unchen 1940–2009. ¨ Ubersetzungen: Un couvent pers´ecut´e au temps de Luther. M´emoires de Charit´e Pirkheimer, abbesse du couvent de Sainte-Claire a` Nuremberg. Hg. v. Jules-Philippe Heuzey. Paris 1905. – Ain’ kron zu dem kindleyn von Betlehem zu laden. ¨ Aus dem Gebetbuch der Abtissin Caritas (Barbara) Pirckheimer an St. Claren zu N¨urnberg. 1467–1532. Hg. v. Georg Deichstetter/Irmgard Zanner. N¨urnberg 1959. – A Journal of the Reformation Years, 1524–1528. Hg. v. Paul A. MacKenzie. Cambridge 2006. Literatur: ADB 26 (1888) S. 817–819. – De Boor/Newald 4/2 (1973) S. 223. – Georg Deichstetter, Dict. Spir. 12 (1985) Sp. 1785–1788. – Lotte Kurras, VL2 7 (1989) Sp. 697–701. – Dieter Wuttke, LexMA 6 (1993) Sp. 2173 f. – G. Deichstetter/Walter Baier, MarLex 5 (1993) S. 235 f. – Gabriele Lautenschl¨ager, BBKL 7 (1994) Sp. 626–628. – Bernhard Ebneth, NDB 20 (1999) S. 474 f. – Franz Machilek, LThK3 8 (1999) Sp. 310 f. – Martin Jung, RGG4 6 (2003) Sp. 1357 f. – Dieter Wuttke, Killy2 9 (2010) S. 237–239. – Ottokar Bonmann: Eine unbekannte Weihnachtsansprache der C. P. In: Franziskanische Stud. 24 (1937) S. 182–189. – Gerta Krabbel: C. P. Ein Lebensbild aus der Zeit 1070

2. H¨alfte 15. Jh. der Reformation. M¨unster/Westf. 1940. 51982. – Johannes Kist: C. P. Ein Frauenleben im Zeitalter des Humanismus und der Reformation. Bamberg 1948. – Elisabeth Kawa: C. P., eine Vork¨ampferin f¨ur Glaubens- und Gewissensfreiheit. Berlin 1951. – J. Pfanner: C. P. In: Fr¨ankische Lebensbilder NF 2. Hg. v. Gerhard Pfeiffer/Alfred Wendehorst. W¨urzburg 1968, S. 193–216. – Walther von Loewenich: C. P. In: Jb. f¨ur fr¨ankische Landesforschung 31 (1971) S. 35–51. – Dieter Harmening: Eine unbekannte Hs. aus dem Klarakloster zu N¨urnberg mit einer brieflichen Notiz u¨ ber C. P. (1481). In: ebd. 32 (1972) S. 45–54. – Catherine B. Ryan: C. P. A Study of the Impact of the Clarine Tradition in the Process of Reformation in Nuremberg, 1525. Diss. Columbo/Ohio 1976. – C. P. 1467–1532. Hg. v. Lotte Kurras und Franz Machilek. Mu¨ nchen 1982 (wichtiger Kat., der eine Welle der P.Lit. ausl¨oste. Vgl. dazu Jean Wirth. In: Biblioth`eque d’Humanisme et Renaissance 46, 1984, S. 513 f.). – Adam Wienand: C. P., Ordensfrau und Humanistin. In: Willibald P. D¨urers Freund im Spiegel seines Lebens, seiner Werke und seiner Umwelt. Hg. v. Willehad Eckert/Christoph v. Imhoff. K¨oln 2 1982, S. 369–380. – C. P. Ordensfrau und Humani¨ stin, ein Vorbild f¨ur die Okumene. FS zum 450. Todestag. Hg. v. G. Deichstetter. K¨oln 1982. – Ursula Hess: Oratrix Humilis. Die Frau als Briefpartnerin von Humanisten, am Beispiel der C. P. In: Der Brief im Zeitalter der Renaissance. Hg. v. Franz Josef Worstbrock. Weinheim 1983, S. 173–203. – Gudrun Honke: C. P. 1467–1532. Ein Beitr. gegen die Heroisierung v. Frauen. In: Schwestern ber¨uhmter M¨anner. Zw¨olf biogr. Portr¨ats. Hg. v. Luise F. Pusch. Frankfurt/M. 1985, S. 9–47. – Gwendolyn Bryant: C. P. The Nuremberg Abbess. In: Women writers of the Renaissance and Reformation. Hg. v. Katharina Margit Wilson. Athens u. a. 1987, S. 287–303. – Stephen L. Wailes: The Literary Relationship of Conrad Celtis and C. P. In: Daphnis 17 (1988) H. 3, S. 423–440. – Hubertus Fischer: Grammatik der Sterne und Ende der Welt. Die Sintflutprognose v. 1524. In: Kultur und Alltag. Hg. v. Hans-Georg Soeffner. G¨ottingen 1988, S. 191–225. – U. Hess: Lat. Dialog und gelehrte Partnerschaft. Frauen als humanistische Leitbilder in Deutschland (1500–1550). In: Dt. Lit. v. Frauen 1. Hg. v. Gisela Brinker-Gabler. M¨unchen 1988, S. 113–148. – Irmintraut Hegele: Frauen zwischen ma. und neuzeitlicher Selbstinterpretation: C. P. In: Renaissance-Humanismus. Zug¨ange zur 1071

Pirckheimer Bildungstheorie der fr¨uhen Neuzeit. Hg. v. Jo¨ rg Ruhloff. Essen 1989, S. 316–351. – Paula Barker: C. P. A Female Humanist Confronts the Reformation. In: The Sixteenth-Century Journal 26 (1995) S. 259–272. – Ulrike Strasser: Brides of Christ, Daughters of Men. Nuremberg Poor Clares in Defense of Their Identity (1524–1529). In: Magistra 1 (1995) H. 2, S. 193–248. – Martin H. Jung: Die Begegnung Philipp Melanchthons mit C. P. im Nu¨ rnberger Klarissenkloster im November 1525. In: Jb. f¨ur fr¨ankische Landeskunde 56 (1996) S. 234–258. – Eva Lippe-Weißenfeld Hamer: Virgo docta, virgo sacra. Unters. zum Briefwechsel C. P.s. In: Wissen und Gesellsch. in N¨urnberg um 1500. Akten des interdisziplin¨aren Symposions vom 5. und 6. Juni 1998 im Tucherschloß in N¨urnberg. Hg. v. Martial Staub und Klaus A. Vogel. Wiesbaden 1999, S. 121–155. – U. Hess: C. P. (1467–1532). In: Dt. Frauen der fr¨uhen Neuzeit. Dichterinnen, Malerinnen, M¨azeninnen. Hg. v. Kerstin Merkel/Heide Wunder. Darmstadt 2000, S. 19–38. – Julia von Gr¨unberg: C. P. und das Zeitalter der Reformation. Weinheim u. a. 2001. – E. Lippe-Weissenfeld Hamer: C. P., das Klara-Kloster und die Einf¨uhrung der Reformation. In: Dt. Handwerker, K¨unstler und Gelehrte im Rom der Renaissance. Akten des interdisziplin¨aren Symposiums vom 27. und 28. Mai 1999 im DHI in Rom. Hg. v. Stephan F¨ussel/Klaus Anselm Vogel. Wiesbaden 2001, S. 238–275. – M. H. Jung: C. P. und Philipp Melanchthon. Eine denkw¨urdige Begegnung im N¨urnberger Klarissenkloster im November 1525. In: Nonnen, Prophetinnen, Kirchenm¨utter. Kirchenund fr¨ommigkeitsgeschichtliche Stud. zu Frauen der Reformationszeit. Hg. v. M. H. Jung. Leipzig 2002, S. 77–120. – Gisela Brandt: Stadtsprachliche, regionalsprachliche und uberregionalsprachli¨ che Elemente in den Schrifts¨atzen der Schreiberinnen der sog. ‹Denkw¨urdigkeiten der C. P.› (Klarakloster N¨urnberg, um 1530). In: ‹Was liegt dort hinterm Horizont?› Zu Forschungsaspekten in der (nieder)dt. Philologie. FS Irmtraud R¨osler. Hg. v. Ingmar Ten Venne. Rostock 2002, S. 17–35. – G. Brandt: Vertextung von Gesch. in den sog. ‹Denkw¨urdigkeiten› der C. P., um 1530. In: Bausteine zu einer Gesch. des weiblichen Sprachgebrauchs 5. Hg. v. G. Brandt. Stuttgart 2002, S. 27–45. – Susanne Knackmuß: ‹Fuit studiosissima collectrix insignis Bibliothecae›. Die B¨ucherlieb¨ haberin und Abtissin C. P. (1467–1532). In: Marginalien. Zs. f¨ur Buchkunst und Bibliophilie 169 1072

Wolf von Zulnhart ¨ (2003) S. 32–41. – G. Brandt: Textsorten weiblicher Chronistik. Beobachtungen an den chronikalischen Aufzeichnungen von Agnes Sampach (–1406/02), Elisabeth Kempf (um 1470), Ursula Pfaffinger (1494–1509) und C. P. In: Textsortentypologien und Textallianzen von der Mitte des 15. bis zur Mitte des 16. Jhs. Hg. v. Franz Simmler/Claudia Wich-Reif. Berlin 2004, S. 217–242. – Eva Cescutti: Quia convenit ea lingua foeminis – und warum C. P. dennoch lat. geschrieben hat. In: Nonne, K¨onigin und Kurtisane. Wissen, Bildung und Gelehrsamkeit von Frauen in der Fr¨uhen Neuzeit. Hg. v. Michaela Hohkamp/Gabriele Jancke. K¨onigstein/Ts. 2004, S. 202–224. – Andrea Christmann: Autorinnen der Fr¨uhen Neuzeit. Katharina Sch¨utz-Zell und C. P. Diss. Mannheim 2004. – Francis Rapp: La pi´et´e d’une maˆıtresse femme. La derni`ere abbesse des Clarisses de Nuremberg: C. P. (1467–1532). In: Femmes, art et religion au Moyen ˆ Age. Hg. v. Jean-Claude Schmitt. Strassburg 2004, S. 195–212. – Eva Schlotheuber: Humanistisches Wissen und geistliches Leben. C. P. und die Geschichtsschreibung im N¨urnberger Klarissenkonvent. In: Die P. Humanismus in einer N¨urnberger Patrizierfamilie. Akten des gemeinsam mit dem Ver. f¨ur Gesch. der Stadt N¨urnberg, dem Stadtarch. N¨urnberg und dem Bildungszentrum der Stadt N¨urnberg am 25.–26. Juni 2004 in N¨urnberg veranstalteten Symposions. Hg. v. Franz Fuchs. Wiesbaden 2006, S. 89–118. – Anna Scherbaum: C. P. und das Bild der heiligen Familie im ‹Marienleben› v. Albrecht D¨urer und Benedictus Chelidonius. In: Ebd., S. 119–159. – Claudia Spanily: Interiorit¨at und Selbstbewußtsein: Der Kampf der C. P. In: Außen und Innen. R¨aume und ihre Symbolik im MA. Hg. v. Nikolaus Staubach/Vera Johanterwage. Frankfurt/M. u. a. 2007, S. 385–395. – G. Brandt: Ursula Pfaffinger, Agnes Sampach, Elisabeth Kempf, Caritas Pirckheimer u. a. Chronistinnen von Amts wegen. Soziolinguistische Stud. zur Gesch. des Nhd. Stuttgart 2008. – Stefan Jansen: C. P. OSCI (1467–1532). Im Dienst der Wahrheit, in Treue zum Glauben. In: Im Glanz des Heiligen. Heilige, Seelige und verehrensw¨urdige Personen aus dem Bistum Eichst¨att. FS Johann Limbacher. Hg. v. Barbara Bagorski u. a. Eichst¨att 2010, S. 201–208. MM Wolf von Zulnhart, ¨ * um 1450 G¨oppingen, † 9.10.1519 Augsburg. – Theologe, Verfasser eines Reiseberichts. 1073

2. H¨alfte 15. Jh. Der aus einer Familie schw¨abischer Ritter stammende W. studierte seit 1465 Theologie in Freiburg i. Br., wo er im Kirchenrecht promoviert wurde. Er war seit 1475 Chorherr und sp¨ater Dekan im Stift Ellwangen, danach Propst in Oberhofen. 1477 ist er an der Universit¨at T¨ubingen nachgewiesen. Seit 1486 war er Domkapitular und 1501–1515 Domdekan in Augsburg. Als weitere Pfr¨unden erhielt er 1509 das Amt eines Dompropsts in Trient und 1513 die Kaplanei St. Wolfgang zu Rain. 1519 ist er noch als Stifter einer Marienstatue in Augsburg nachweisbar. Von M¨arz 1495 bis Juni 1496 unternahm W. eine Pal¨astinafahrt, u¨ ber die er einen Reisebericht verfasste. Der deutschsprachige Text ist als Autograph erhalten. W. reiste u¨ ber Venedig, Rhodos und Jaffa nach Jerusalem, von dort u¨ ber den Sinai, Kairo, Alexandrien, Rhodos und Kreta nach Konstantinopel. Zuletzt machte er wahrscheinlich auch Station in Rom, bevor er nach Augsburg zur¨uckkehrte. W.s Bericht vermerkt einerseits die unmittelbaren Erlebnisse des Verfassers, darunter seine Besteigung des Sinai oder seinen Ritterschlag am Heiligen Grab. Daneben listet er ab Jerusalem genau die heiligen St¨atten auf, deren lat. Bezeichnungen W.s volkssprachigen Beschreibungen erg¨anzen. Als Theologe zeigt W. besonderes Interesse an Reliquien, beschreibt aber auch die von ihm erlebten Feste in Venedig und Konstantinopel mit großer Lebendigkeit. Ansonsten ist W.s Sprache kunstlos. Zu kl¨aren bleibt, in welchem Maße sich W. Vorla¨ gen Dritter bediente (Hans → Tucher d. A.?). ¨ Uberlieferung: Augsburg, SUB, 4° cod. Aug. 93, 32 Bll. (Augsburg, Wende 15./16. Jh.). Ausgaben: Reinhold R¨ohricht/Heinrich Meisner (Hg.): Dt. Pilgerreisen nach dem Heiligen Lande. Berlin 1880, S. 309–314 (Teildruck). – Die Pilgerreise des Augsburger Domherrn W. v. Z. nach dem heiligen Lande 1495/96. Hg. v. Eduard Gebele. In: Zs. des Hist. Ver. f¨ur Schwaben 50 (1932/33) S. 51–126. – Hildebrand Dussler (Hg.): Reisen und Reisende in Bayerisch-Schwaben und seinen Randgebieten in Oberbayern, Franken, W¨urttemberg, Vorarlberg und Tirol 1. Reiseber. aus elf Jahrhunderten. Weißenhorn 1968, S. 42–45 (Teildruck). Literatur: De Boor/Newald 4,1 (21994) S. 162. – Randall Herz, VL2 10 (1999) Sp. 1307–1309. – Magdalena Buchholz: Die Anf¨ange der dt. Tagebuchschreibung. Beitr. zu ihrer Gesch. und Charakteristik. Mu¨ nster/Westf. 1074

2. H¨alfte 15. Jh. 1983, S. 76–78. – Europ¨aische Reiseber. des sp¨aten MA. Eine analytische Bibliogr. 1: Dt. Reiseber. Bearb. v. Christian Halm. Hg. v. Werner Paravicini. Frankfurt/M. u. a. 1994. 22001, S. 270 f. – Dietrich Huschenbett: Ber. u¨ ber Jerusalem-Pilgerfahrten v. Kaufleuten und adligen Kanonikern aus Augsburg im 15. Jh. In: Literarisches Leben in Augsburg w¨ahrend des 15. Jh. Hg. v. Johannes Janota/Werner Williams-Krapp. T¨ubingen 1995, S. 240–264. – Reinhard Seitz: Der Augsburger Domherr W. v. Z. und seine Pilgerreisen. In: Bayern, Schwaben und das Reich. FS Pankraz Fried. Hg. v. Peter Fassl. Augsburg 2007, S. 127–152. – R. Seitz: Die Familie v. Z. und ihre Pilgertraditionen. In: Augsburger Netzwerke zwischen MA und Neuzeit. Wirtschaft, Kultur und Pilgerfahrten. Hg. v. Klaus Herbers/Peter R¨uckert. T¨ubingen 2009, S. 119–146. MM Alexanders, Pfalzgraf bei Rhein, Jerusalemreise. – Pilgerreisebericht, sp¨ates 15. Jh. Pfalzgraf A., Herzog von Zweibr¨ucken (1462–1512), unternahm 1495/96 zusammen mit Johann Ludwig von Nassau, weiteren Adligen und 45 Begleitern eine Pilgerreise nach Pal¨astina an das Hl. Grab. Reue u¨ ber die (an sich berechtigte) Inhaftierung von A.s Bruder Kaspar k¨onnte ein m¨ogliches Motiv f¨ur die Pilgerfahrt gewesen sein. Die tagebuchartige und sehr sachliche, daf¨ur aber detailreiche Reisebeschreibung, die besonders Venedig ausgiebig schildert, hat A. nicht selbst verfasst. Ihr Autor ist vermutlich Johann Meisenheimer, der Geheimschreiber A.s. Ausgaben: In: Reyßbuch deß heyligen Lands. Johannes und Sigmund Feyerabend. Frankfurt/M. 1584 (Erstdruck [VD16 F 902]) S. 30–47. – Wieder in: Mitt. des hist. Ver. f¨ur die Saargegend 9 (1909). – Ausz¨uge: Das heilige Land. Organ des Vereins vom heiligen Grabe 7 (1863) S. 159–175. Literatur: Kurt Illing, VL2 1 (1978) Sp. 212. – Reinhold R¨ohricht/Heinrich Meisner: Dt. Pilgerreisen nach dem Heiligen Lande. Berlin 1880, S. 511 f. – R. R¨ohricht: Dt. Pilgerreisen nach dem Heiligen Lande. Neue Ausg. Innsbruck 1900. Neudr. Aalen 1967, S. 187–189. – Karl P¨ohlmann: Die Pilgerreise des Herzogs A. v. Zweibr¨ucken nach dem hl. Lande 1495–1496. In: Das Bayerland 24 (1912/13) S. 493 f., 503–505, 515 f., 547 f., 569–571, 579–582, 611–614. – Albert Ruppersberg: Eine Pfalzgrafenfahrt nach dem Hl. Lande. In: Kurpf¨alzer Jb. 1929, S. 81–88. – Hans-Joachim 1075

Alexanders, Pfalzgraf bei Rhein, Jerusalemreise Lepszy: Die Reiseberichte des MA und der Reformationszeit. Diss. Hamburg 1952, S. 88, 94. VZ Kunig ¨ van Vach, Hermann. – Servitenm¨onch, Autor eines Pilgerf¨uhrers. Der Servitenm¨onch aus Vacha ist nur durch seinen Pilgerf¨uhrer Sant Jacobs straß nachgewiesen. Er nennt sich im Kolophon der Schrift als Verfasser und gibt an, den Text am 26.7.1495 beendet zu haben. Wahrscheinlich hatte er vorher eine Pilgerreise nach Santiago de Compostela unternommen. K.s Werk beschreibt diese Reise in 652 dt. Verse mit Paarreimen. Die Sprache ist schlicht und der Inhalt rein praktischer Art. So macht K. etwa genaue Angaben u¨ ber vertrauensw¨urdige Wirte und m¨ogliche Strecken. Geographisch exakt unterscheidet K. zwischen einem oberen und einem unteren Pilgerweg. Ersterer f¨uhrt durch das Rhˆonetal, Su¨ dfrankreich und die Pyren¨aen, letzterer u¨ ber die Pyren¨aen nach Tours, Paris, Belgien und Aachen. K.s F¨uhrer wurde wahrscheinlich noch 1495, sp¨atestens aber 1496 gedruckt. Bis 1521 erlebte das Werk mehrere Auflagen. Eine Benutzung des F¨uhrers ist bei → Arnold von Harff nachweisbar. Drucke: Wallfahrt und Strass zu St. Jacob. [Strassburg: Mathis Hupfuff (?), nach 26.7.1495] (GW-Nr. M16476). – Wallfahrt nach St. Jacob. Strassburg: [nach 1500] (GW-Nr. M16477). – Sp¨atere Drucke s. VD16. Ausgabe: Konrad H¨abler: Das Wallfahrtsbuch des Hermannus K¨unig von Vach und die Pilgerreisen der Deutschen nach Santiago de Compostela. Strassburg 1899 (Faks.). – Die Straß zu Sankt Jakob. Der a¨lteste deutsche Pilgerf¨uhrer nach Compostela. Hg. v. Klaus Herbers/Robert Pl¨otz. Ostfildern 2004. ¨ Ubersetzungen: The Pilgrimage and Path to Saint James. Hg. v. John Durant. London 1993. – A peregrinaxe e o cami˜no a Santiago de Hermannus K¨ung de Vach, a ‹cl´asica› gu´ıa de peregrinos Alemana (1495). Hg. v. K. Herbers. Santiago de Compostela 1999. Literatur: Volker Honemann, VL2 5 (1985) Sp. 437 f. – Luis V´azquez de Parga u. a.: Las Peregrinaciones a Santiago de Compostela 1. Madrid 1948, S. 221–227. – Waldemar K¨uther: Vacha und sein Servitenkloster im MA. K¨oln u. a. 1971, S. 148–153 u. o¨ . – Klaus Herbers: Der erste dt. Pilgerf¨uhrer: H. K. v. V. In: Dt. Jakobspilger und ihre Ber. Hg. v. K. 1076

Arnold von Harff Herbers. T¨ubingen 1988, S. 29–49. – Othmar Lustenberger: Einsiedeln und ‹Die walfart und Straß zu sant Jacob› des H. K. v. V. In: Mitt. des Hist. Ver. des Kantons Schwyz 91 (1999) S. 49–66. – K. Herbers: Jakobsweg. Gesch. und Kultur einer Pilgerfahrt. M¨unchen 2006, S. 62–70 u. o¨ . MM Arnold von Harff, * 1471 Schloss Harff, Bedburg, † Januar 1505 vermutlich L¨ovenich/Kr. Erkelenz. – Verfasser eines Reiseberichts einer Reise ¨ nach Rom, Agypten, Mekka, Indien, Jerusalem und Santiago. Der niederrheinische Adlige A. v. H. ist 1484/85 in den Matrikeln der K¨olner Artistenfakult¨at nachgewiesen und stand vor seinem fr¨uhen Tod u. a. als Erbk¨ammerer des Herzogtums Geldern in landesherrlichen Diensten. Er unternahm nach eigenen Angaben vom 7.11.1496 bis zum 10.10.1499 eine Pilgerreise, deren Verlauf er in einem umfangreichen Reisebericht beschrieb. Wie er in der Widmungsvorrede an Herzog Wilhelm von J¨ulich und dessen Frau Sibylla von Brandenburg erkl¨art, sollte das Buch als Reisef¨uhrer Verwendung finden. Die Reiseroute folgt nicht den g¨angigen Pilgerwegen, da A. v. H. zumeist nicht im Verbund mit anderen Pilgern reist, sondern (sich selbst als Kaufmann ausgebend) mit Kaufleuten, auf Handelsschiffen und in Karawanen. Sie f¨uhrten von K¨oln u¨ ber Rom und Venedig nach Alexandria und von dort nach Kairo. Nach einem mehrw¨ochigen Aufenthalt in der Großstadt geht es uber ¨ das Katharinenkloster am Sinai zum Roten Meer. Von hier f¨uhrt die Reise nach Mekka, Ceylon, Indien (Grab des Hl. Thomas) und Madagaskar mit ¨ einem R¨uckweg u¨ ber Athiopien, die Nilquellen (mit Lokalisierung des Paradieses), weiter stromabw¨arts nach Kairo und u¨ ber Gaza wieder nach Pal¨astina. Von Jerusalem, dessen heilige St¨atten er ausf¨uhrlich besucht (Ritterschlag in der Grabeskirche) reist A. v. H. u¨ ber dem Landweg (Syrien, Kleinasien, Konstantinopel, Balkan) nach Venedig zur¨uck. Von hier f¨uhrt der Weg durch Oberitalien und S¨udfrankreich nach Santiago de Compostela. ¨ Uber den Mont St. Michel und Paris (erneuter Ritterschlag durch Ludwig XII.) kommt A. v. H. nach drei Jahren zur¨uck nach K¨oln. Der Bericht unterstreicht seinen Anspruch auf geographische Exaktheit und praktische Anwendbarkeit durch pr¨azise Entfernungsangaben und ein gesondertes Itinerar im Anhang. In der Darstellung der Reiseerlebnisse kombiniert A. v. H. aus 1077

2. H¨alfte 15. Jh. anderen Berichten und Quellen (Bernhard von → Breidenbach, → Mirabilia Romae, dt., Hermann → K¨unig van Vach) ererbte Topoi und Informationen mit eigenen Beobachtungen zu einem kulturgeschichtlich bedeutsamen Dokument: In großer Ausf¨uhrlichkeit nennt er die am jeweiligen Ort vorhandenen Heilt¨umer, liefert Bestandsaufnahmen der politischen und gesellschaftlichen Verh¨altnisse, beschreibt zivile und milit¨arische Bauten und Verkehrswege (vor allem bei den Stadtbeschreibungen von Venedig, Kairo und Konstantinopel), Flora und Fauna. Ein Auseinandertreten von tradiertem Wissen und eigener Erfahrung wird dabei mehrfach benannt (u. a. im Bereich des Reliquienkultes), aber nicht eindeutig aufgel¨ost. Besonderes Interesse bringt A. v. H. dem kulturellen Leben (Brauchtum, Trachten) und religi¨osen Praktiken (Beschreibung des Islam und verschiedener Konfessionen) entgegen. Die Sprachen der durchreisten L¨ander dokumentiert er durch gespr¨achsb¨uchleinhafte Sprachproben (Vokabeln und Beispiels¨atze zu allen Pilgerbed¨urfnissen in Serbokroatisch, Albanisch, Griechisch, Arabisch, Hebr¨aisch, T¨urkisch, Ungarisch, Baskisch, Bretonisch) und durch die Abbildung der fremdartigen Alphabete (Griechisch, Arabisch, ¨ Chald¨aisch, Athiopisch, Koptisch, Hebr¨aisch, Armenisch). Auch andere Informationen werden durch zahlreiche, zur urspr¨unglichen Konzeption geh¨orende Illustrationen veranschaulicht. Dazu treten sieben ganzseitige Bilder, die A. v. H. im Pilgergewand zusammen mit den an den Eck- und Wendepunkten der Reise aufgesuchten ‹Hauptheiligen› (Drei K¨onige, Petrus, Katharina, Thomas, Christus, Jakobus, Michael) zeigen. Die Forschung hat fr¨uh auf Probleme der textimmanenten Chronologie hingewiesen (u. a. widerspr¨uchliche Angaben zum Zeitpunkt des Aufenthalts in Venedig). Inhaltlich unterscheidet sich der Reiseabschnitt Mekka-Indien-Nilquellen¨ Agypten von den anderen Teilen des Berichts durch unpr¨azisere, geographisch kaum nachzuvollziehende Angaben. Da zudem Urkunden aus dem Jahr 1499 eine R¨uckkehr A. v. H.s bereits im November 1498 nahelegen, geht die Forschung davon aus, dass die tats¨achliche Reisedauer nur zwei Jahre betrug und der Bericht von der Indienreise ein Einschub ist, der sich nicht auf eigene Erlebnisse, sondern allein auf literarische Quellen (Jean de → Mandeville, Marco → Polo, Odorico von Pordenone, gegebenenfalls auch eine Ptolem¨ausAusgabe) st¨utzt. Die Funktion dieser Fiktion ist unklar. Denkbar ist, dass sie kompositorische Gr¨unde 1078

2. H¨alfte 15. Jh. hatte (Verst¨arkung der Tendenz zur enzyklop¨adischen Summe durch den Besuch im dritten bekannten Erdteil; Verschleierung des l¨angeren Aufenthalts in Kairo; symmetrische Einrahmung von Jerusalem als zentrales Ziel der Reise). ¨ Die ausschließlich handschriftliche Uberlieferung – erhalten sind zw¨olf Hss. des 16. und 17. Jh. – konzentriert sich auf Kreise des rheinischen und westf¨alischen Adels. ¨ Uberlieferung: Drei Hss. aus Harffschem Familienbesitz, auf die sich noch die Textausgabe Grootes als Haupthandschriften A (Ende 15. Jh.), B (um 1550), C (um 1700) st¨utzen konnte, sind heute verschollen. Die gr¨oßte N¨ahe zum Original k¨onnte die Hs. in Maria Laach haben, da in ihr (Bl. 3r) angegeben wird, sie sei «vß dem principail buxh Her arntz van Harff Ritter selicher vollbrachter pilgrimatien halben geschrieben». Erhalten sind die Hss. Bonn, UB, Cod. S 447 (Pap., 1591). – Schloss Burgsteinfurt in Steinfurt/ Westf., F¨urstl. Bentheim-Steinfurtische Schlossbibl., Hs. 4 (Pap., fr¨uhes 17. Jh.). – Darmstadt, ULB, Hs. 138 (Pap., fr¨uhes 17. Jh.). – Schloss Erpernburg (bei B¨uren), Arch. der Freiherrn von und zu Brenken, Cod. 100 (Pap., um 1550). – Gießen, UB, Hs. 163, 2r–152v (Pap., zweite H¨alfte 16. Jh.). – K¨oln, Hist. Arch. der Stadt, Best 7020 (W*) 382 (Pap., erste H¨alfte 16. Jh.). – Maria Laach, Benediktinerabtei, cod. ms. 268 (Pap.,1554). – Mu¨ nchen, BSB, Cgm 2213/32, 451r–615v (Pap., 1554). – Oxford, Bodleian Library, Nr. 972 (Pap., um 1555). – Trier, StB, Hs. 1938/1469 8° (Pap., Mitte 16. Jh.). – Ebd., Hs. 2424/2387 2° (Pap., Mitte 16. Jh.). – Wolfenb¨uttel, HAB, Cod. 177 Helmst., 207r–258v (Pap., erstes Drittel 17. Jh.). – Identifizierbar, aber heute verschollen sind weiterhin die Hss. Privatbesitz J. J. Eschenburg; Privatbesitz der Freiherren von Guttenberg, Bad Neustadt a.d. Saale; Privatbesitz Bernard von Mallinckrodt, Mu¨ nster. Ausgaben: Die Pilgerfahrt des Ritters A. v. H. ¨ von C¨oln durch Italien, Syrien, Agypten, Ara¨ bien, Athiopien, Nubien, Pal¨astina, die Tu¨ rkei, Frankreich und Spanien, wie er sie in den Jahren 1496–99 vollendet, beschrieben und durch Zeichnungen erl¨autert hat. Nach den a¨ ltesten Hss. und mit deren 47 Bildern in Holzschnitt. Hg. v. Eberhard v. Groote. K¨oln 1860 (Nachdrucke Hildesheim 2004, Saarbr¨ucken 2007). – Quellen zur Gesch. des Reisens im Sp¨atMA. Ausgew¨ahlt und u¨ bers. v. Folker Reichert. Unter Mitarbeit v. Margit Stolberg-Vowinckel (Ausgew¨ahlte Quellen zur 1079

Arnold von Harff dt. Gesch. des MA. Freiherr-vom Stein-Ged¨achtnisausg. 46). Wiesbaden 2009, S. 38–45, 97–99, ¨ 190–194 (Ausz¨uge, Text nach Groote). – Ubersetzungen dieser Ausgabe liegen vor in: Pilgerbuch des Ritters A. v. H. In nhd. Sprache. Hg. v. Hermann Josef Schmidt (Religi¨ose Quellenschr. 67). D¨usseldorf 1930. – The Pilgrimage of A. v. H. From Cologne, through Italy, Syria, Egypt, Arabia, Ethiopia, Nubia, Palestine, Turkey, France and Spain, Which he Accomplished in the Years 1496 to 1499. Hg. v. Malcolm Letts. London 1946. – Helmut Brall-Tuchel/Folker E. Reichert: Rom – Jerusalem – Santiago. Das Pilgertagebuch des Ritters A. v. H. (1496–1498). K¨oln/Weimar/Wien 32009 ¨ (nhd. Ubersetzung). Literatur: Volker Honemann, VL2 1 (1978) Sp. 471 f. – Hartmut Beckers, LexMA 1 (1980) Sp. 1007. – E. v. Groote (s. Ausg.) S. V–XIX. – Leonard Korth: Die Reisen des Ritters A. v. H. in Arabien, Indien und Ost-Africa. In: Zs. des Aachener Geschichtsvereins 5 (1883) S. 191–218; 6 (1884) S. 339 f. – Wilhelm Heyd: Gesch. des Levantehandels im MA. 2 Bde. Stuttgart 1879. – Reinhardt Freiherr v. Seydlitz: Die Orientfahrt des A. v. H. In: Zs. f¨ur wissenschaftliche Geographie, Erg¨anzungsheft 2 (1890) S. 3–53. – Josef Fischer: Abessinien auf dem Globus des Martin Behaim von 1492 und in der Reisebeschreibung des Ritters A. v. H. In: Petermanns geographische Mitt. 86 (1940) S. 371 f. – Letts (s. Ausg.) S. XIII–XXXV. – Philippe Kohler: A. v. H. (1471–1505). Chevalier, p`elerin, e´ crivain. 2 Bde. [masch.] Bordeaux 1974. – ¨ Volker Honemann: Zur Uberl. der Reisebeschreibung des A. v. H. In: ZfdA 107 (1978) S. 165–178. – Hartmut Beckers: Zur Reisebeschreibung A.s v. H. Ber. u¨ ber zwei bisher unbekannte Hss. und Hinweise zur Gesch. dreier verschollener Codices. In: Annalen des Hist. Vereins f¨ur den Niederrhein 182 (1979) S. 89–98. – Gerhard Tellenbach: Glauben und Sehen im Romerlebnis dreier Deutscher des f¨unfzehnten Jh. (Nicolaus Muffel, Nicolaus Lanckmann, A. v. H.). In: R¨omische Kurie. Kirchliche Finanzen. Vatikanisches Archiv. Stud. zu Ehren v. Hermann Hoberg. Bd. 2. Rom 1979, S. 883–912. – Armin Hetzer: Wie ist A. v. H.s W¨orterverz. (1496) zu lesen? Ein Beispiel f¨ur das Ineinandergreifen von albanischer und dt. Sprachgeschichtsforschung. In: Balkan-Arch. NF 6 (1981) S. 229–262. – Claudia Zrenner: Die Berichte der europ¨aischen Jerusalempilger (1475–1500). Ein 1080

Lutsch literarischer Vergleich im hist. Kontext. Frank¨ furt/M. 1981. – Aleya Khattab: Das Agyptenbild in den deutschsprachigen Reisebeschreibungen der Zeit von 1285–1500. Frankfurt/M. 1982. – Hartmut Beckers: Neues zur Reisebeschreibung A.s v. H. Die Hs. Dietrichs V. v. M¨ullendonckDrachenfels vom Jahre 1554 und ihre Bedeutung ¨ f¨ur die Uberlieferungsund Rezeptionsgesch. In: RheinVjbl. 48 (1984) S. 102–111. – Robert Elsie: The Albanian Lexicon of A. v. H. 1497. In: Zs. f¨ur Vergleichende Sprachforschung 97 (1984) S 113–122. – H. Beckers: Zu den Fremdalphabeten und Fremdsprachenproben im Reiseber. A.s v. H. (1496–1498). In: Collectanea philologica. FS Helmut Gipper. Hg. v. G¨unter Heintz/Peter Schmitter (Saecula Spiritalia 14). Baden-Baden 1985, S. 73–86. – Ders.: Die Reisebeschreibung A.s v. H. Bemerkungen zu der ungew¨ohnlichen pylgrymmacie eines niederrheinischen Ritters nach Rom, zum Sinai, nach Jerusalem und Santiago de Compostela in den Jahren 1496–98. In: Dt. Jakobspilger und ihre Berichte. Hg. v. Klaus Herbers (Jakobus-Stud. 1). T¨ubingen 1988, S. 51–60. – Peter A. Jorgensen: Die Bodleian-Hs. der Reisebeschreibung des Ritters A. v. H. In: RheinVjbl. 52 (1988) S. 221–225. – Walter Delabar: A. v. H. Herr zu Nierhoven, Ritter v. Jerusalem. In: Aus der Gesch. des Erkelenzer Landes (Schr. des Heimatvereins der Erkelenzer Lande e. V. 9). Erkelenz 1989, S. 13–15. – Ders., BIDT GOT VUR DEN PYLGRUM WEECH WIJSER IND DICHTER. Notizen zu einigen Orientalia im Reiseber. des A. v. H. In: ebd., S. 113–122. – Paul Bleser: Le p`elerinage du chevalier A. v. H. In: Zum Bild ¨ Agyptens im MA und in der Renaissance. Com´ ˆ ment se repr´esente-t-on l’Egypte au Moyen Age et a` la Renaissance? Hg. v. Erik Hornung. Freiburg i. Ue. 1990, S. 59–141. – Peter A. Jorgensen/Barbara M. Ferr´e: Die hsl. Verh¨altnisse der sp¨atma. Pilgerfahrt des A. v. H. In: ZfdPh 110 (1991) S. 406–421. – Klaus Siewert: Das bretonische Glossar im Reiseber. des Ritters A. v. H. In: Zs. f¨ur celtische Philologie 44 (1991) S. 239–272. – H. Beckers/V. Honemann: Zu einer Neuausg. der Reisebeschreibung des A. v. H. In: ZfdPh 111 (1992) S. 392–396. – Annie Faug`ere: A. v. H., un homme du monde. In: Nouveaux mondes et monˆ (Wodan 20). Greifsdes nouveaux au Moyen Age wald 1994, S. 35–42. – Christian J Guyonvarc’h: Aux origines du Breton. Le glossaire vannetais du Chevalier A. v. H., voyageur allemand du XVe` me 1081

2. H¨alfte 15. Jh. si`ecle. In: Celtica 26 (1994) S. 1–128. – Heinrich Grotzfeld: A. v. H.s Aufenthalt in Kairo 1497 A.D. Wahrheit oder Dichtung? In: Law, Christianity and Modernism in Islamic Society. Hg. v. Urbain Vermeulen/J. M. F. van Reeth. Leuven 1998, S. 199–211. – Europ¨aische Reiseberichte des sp¨aten MA. Eine analytische Bibliogr. Hg. v. Werner Paravicini. Tl. 1 bearb. v. Christian Halm (Kieler Werkst¨ucke D: Beitr. zur europ¨aischen Gesch. des sp¨aten MA 5). Frankfurt/M. 22001, Nr. 111, S. 273–281. – Folker Reichert: Erfahrung der Welt. Reisen und Kulturbegegnung im sp¨aten MA. Stuttgart 2001. – Vincent Juhel: Itin´eraire d’A. v. H., p`elerin allemand au Mont-Saint-Michel a` la fin du XVe si`ecle. In: Revue de l’Avranchin et du pays de Granville 80 (2003) S. 189–210. – Paula Giersch/Wolfgang Schmid: Rheinland – Heiliges Land. Pilgerreisen und Kulturkontakte im MA (Armarium Trevirense 1). Trier 2004, S. 188–193. – V. Honemann: Die Heiligen des A. v. H. Zum Umgang mit den Heiligen in einem sp¨atma. Pilgerber. In: Fr¨ommigkeit, Theologie, Fr¨ommigkeitstheologie. FS Berndt Hamm. Hg. v. Gudrun Litz/Heidrun Munzert/Roland Liebenberg. Leiden 2005, S. 211–233. – F. Reichert: Ehre durch Demut? Wallfahrten des Adels im sp¨aten MA. In: Gelungene Anpassung? Adelige Antworten auf gesellschaftliche Wandlungsvorg¨ange vom 14. bis zum 16. Jh. Hg. v. Horst Carl/S¨onke Lorenz (Schr. zur s¨udwestdt. Landeskunde 53). Ostfildern 2005, S. 165–183. – Hartmut Kokott: Der Pilgerber. des A. v. H. In: Pilgerreisen in MA und Renaissance. Hg. v. Barbara Haupt/Wilhelm G. Busse. D¨usseldorf 2006, S. 93–112. – Korvin Knop: Die Pilgerfahrt des Ritters A. v. H. 1496–1499: Im Kontext sp¨atma. dt. Reiseberichte – Pilgern, wandeln und entdecken. Saarbr¨ucken 2008. – Brall-Tuchel/ Reichert (s. Ausg.) S. 7–32. – Albrecht Claassen: Constructed space in the late middle ages: A. v. H.’s incidental discovery of a new paradigm of urban space in Cairo. In: German Studies Review 33 (2010) S. 375–388. JK Lutsch, Matheus. – Liederdichter. L. war laut Eigennennung im Text der Autor von Ain lied vom herzog Sigmund von Oesterreich (1496). Das Werk in 18 meist sechs- oder siebenzeiligen Strophen berichtet u¨ ber den Tod des 1427 geborenen Herzogs Sigmund sowie u¨ ber die anschließenden Trauerfeiern. Die Schw¨achen und Unregelm¨aßigkeiten in Aufbau und Form des Liedes 1082

2. H¨alfte 15. Jh. sind m¨oglicherweise der Kurzfristigkeit geschuldet, in der L. nach eigenen Angaben den Text verfasste. Das Lied ist als Teil von Oswald Gabelkovers Miscellanea historica in einer Stuttgarter Handschrift u¨ berliefert und hat ansonsten keine Wirkungsspuren hinterlassen. ¨ Uberlieferung: Stuttgart, LB, cod. hist. 8° 16a, S. 47–50. Literatur: Iris Rilling-Schanze, VL2 5 (1985) Sp. 1087. MM Wintergerst, Erhard, † 28.11.1471. – Verfasser einer Stadtchronik von Memmingen. W. war B¨urger von Memmingen und 1451–66 als Vertreter der Tucherzunft auch Ratsmitglied. Seine Chronik, deren Text nur in der Bearbeitung durch seine Fortsetzer erhalten geblieben ist, wurde durch die beiden Geistlichen Johannes → Kimpel († 1474) und seinen gleichnamigen Neffen zun¨achst bis 1496 (vgl. Hs. b), dann von anderen Familienmitgliedern bis ins 17. Jh. fortgesetzt (Hs. a). F¨ur seine Fortsetzung der Chronik (Hss. c und d) richtete sich Heinrich L¨ohlein, ein Zunftgenosse W.s, nach dem Text der beiden Kimpel, ließ jedoch deren autobiographischen Notizen weg. Die von W. annalistisch angelegte Chronik setzt mit dem Jahr 288 ein, in dem die Stadt Memmingen zerst¨ort worden sei. 350 soll durch den einheimischen Adligen Ilg zu Kellm¨untz ein zweites Mal gegr¨undet worden sein (vgl. Thomas → Lirer). Die Chronik, die sich ab etwa 1430 ausf¨uhrlich den Memminger Verh¨altnissen widmet, fand Eingang in Christoph Schorers Memminger Chronik von 1660. ¨ Uberlieferung: a) Memmingen, Wiss. StB, Hs. 2, 19 2°, S. 1–136 (17. Jh.). – b) Paris, Bibl. Nationale, Ms. all. 92, 1r–37r (16. Jh.). – c) Memmingen, Wiss. StB, Hs. 2, 20 2°, S. 7–83 (1551). – d) Ebd., Hs. 2, 46 4°, 6r–29v (17. Jh.; als Teil der Aufzeichnungen des Michael Laminit). Literatur: Peter Johanek, VL2 10 (1999) Sp. 12131–1234. – Christoph Schorer: Memminger Chronick oder Kurtze Erzehlung vieler denckw¨urdigen Sachen, die sich [...] begeben un zugetragen von Ao 369 biss 1660. Samt einer kurczen Beschreibung der Statt neben ihrem Grundriss in Kupffer. Memmingen: K¨uhn 1660. Faksimilieausg. Kempten/Allg¨au 1964. – Die Geistlichkeit des Kapitels Ottobeuren. Von dessen Ursprung bis zur S¨akularisation. Nach hist. Quellen bearb. Martin Sontheimer. 5 Bde., Memmingen 1912–20. – A. Wintergerst: Die Chron. der 1083

Wintergerst Reichsstadt Memmingen im Zeitalter der Reformation. Diss. M¨unchen 1953, S. 9–11, 25–33. – Wolfram Arlart: Die Stadtentwicklung von Memmingen 1350–1400. In: Memminger Geschichtsbll. (1977/78) 125 f. – Joachim Jahn: Memminger Gr¨undungslegenden. In: Obd. St¨adte im Vergleich. MA und fr¨uhe Neuzeit. Hg. v. dems. u. a. Sigmaringendorf 1989, S. 7–15. – Rolf Kießling: Memmingen im Sp¨atMA (1347–1520). In: Die Gesch. der Stadt Memmingen. Von den Anf¨angen bis zum Ende der Reichsstadt. Hg. v. J. Jahn u. a. Stuttgart 1997, S. 163–245. – Ders.: Strukturen s¨udwestdt. St¨adtelandschaften zwischen Dominanz und Konkurrenz. Der Fall Oberschwaben. In: St¨adtelandschaft. St¨adte im regionalen Kontext in Sp¨atMA und Fr¨uher Neuzeit. Hg. v. Holger Th. Gr¨af (St¨adteforschung 62). K¨oln u. a. 2004, 65 ff., hier S. 65 f. BJ Oberrheinischer Revolution¨ar (Oberrheinischer Anonymus, Els¨assischer Anonymus), * um 1438, † nicht vor 1510. – Anonymer Verfasser einer Kaiser → Maximilian I. gewidmeten Reformschrift in els¨assischer Mundart. Der O. R., offensichtlich Jurist von Beruf, war Autor des Buchli der hundert capiteln, eines umfangreichen, 1490–1509 erarbeiteten zeitkritischen Werks, das in 100 Kapitel (90 u¨ berliefert) und 40 Statuten eingeteilt ist. Als Ursache aller Missst¨ande betrachtet der O. R., der die → Reformatio Sigismundi nachweislich kannte, die f¨unf S¨unden Ehebruch, Gottesl¨asterung, Wucher, Landfriedensbruch und Habgier der Geistlichkeit. Deren Beseitigung wird zun¨achst von Maximilian I., sp¨ater von einem k¨unftigen Friedensf¨ursten «Friedrich aus dem Schwarzwald» erwartet. Verschiedene Forderungen (u. a. Gemeineigentum, rechtliche Ver¨ besserungen) haben Ahnlichkeit mit des denen des Bundschuh. ¨ Uberlieferung: Colmar, Bibl. Municipale, Ms. 50, Pap. (1509/1510, Sammelhs. aus M¨unster im St. Gregoriental; Abschrift). Ausgabe: Annelore Franke (Hg.): Das Buch der hundert Kapitel und der vierzig Statuten des sog. O. R. Hist. Analyse v. Gerhard Zsch¨abitz. Berlin 1967. – Klaus H. Lauterbach (Hg.): Der O. R. (Buchli der hundert Capiteln mit XXXX Statuten). M¨unchen 2009. Literatur: Tilman Struve, VL2 7 (1989) Sp. 8–11; 11 (2004) Sp. 1080. – Sabine Schmolinsky/Red., Killy2 8 (2010) 672 f. – Klaus H. Lauterbach, LexMA 6 (1993) Sp. 1333 f. – Zsch¨abitz 1084

Maximilian I. (s. Ausg.). – Ferdinand Seibt: Utopica. Modelle totaler Sozialplanung. D¨usseldorf 1972. Aktualisierte Neuausg. Mu¨ nchen 2001. – Klaus Arnold: O. R. oder ‹Els¨assischer Anonymus›? Zur Frage nach dem Verfasser einer Reformschr. vom Vorabend des dt. Bauernkriegs. In: AfK 58 (1976) S. 410–431. – T. Struve: Utopie und gesellschaftliche Wirklichkeit. Zur Bedeutung des Friedenskaisers im sp¨aten MA. In: Hist. Zs. 225 (1977) S. 65–95, bes. S. 85 ff. – Erich Kraft: Reformschrift und Reichsreform. Stud. zum Wirklichkeitsverh¨altnis der dt. Reformschriften im Sp¨atMA insbesondere des sogenannten ‹O. R.s›. Diss. TH Darmstadt 1982. – K. H. Lauterbach: Geschichtsverst¨andnis, Zeitdidaxe und Reformgedanke an der Wende zum 16. Jh. Das oberrheinische ‹Buchli der hundert Capiteln› im Kontext des sp¨atma. Reformbiblizismus (Forschungen zur oberrheinischen Landesgesch. 33). Freiburg i. Br./M¨unchen 1985. – Ders., Der ‹O. R.› u. Mathias Wurm v. Geudertheim. Neue Unters. zur Verfasserfrage. In: DA 45 (1989) 109–172. – Ilse Haari-Oberg: Die Wirkungsgesch. der Trierer Gr¨undungssage vom 10. bis 15. Jh. (Europ¨aische Hochschulschr. 3,607). Bern u. a. 1994, S. 157–161. – Herbert A. Arnold: Time, History and Justice in the Book of 100 Chapters and 40 Statutes of the Revolutionary of the Upper Rhine. In: Fifteenth-Century Studies 23 (1997) S. 93–100. – Tom Scott: Der O. R. u. Vorder¨osterreich. Reformvorstellungen zwischen Reich und Territorium. In: Außenseiter zwischen MA und Neuzeit. FS Hans-J¨urgen Goertz. Hg. Norbert Fischer/Marion Kobolt-Groch. Amsterdam 1997, S. 47–63. – K. H. Lauterbach: Sendgericht, Missetat und Feme im Werk des sog. O. R. Mit einem Anhang zum Loskauf Gefangener. In: Zs. der Savigny-Stiftung f¨ur Rechtsgesch. GA 118 (2001) S. 185–221. – Volkhardt Huth: Der ‹O. R.›. Freigelegte Lebensspuren und Wirkungsfelder eines ‹theokratischen Terroristen›. In: Zs. f¨ur die Gesch. des Oberrheins 157 (2009) S. 79–100. BJ Maximilian I., * 22.3.1459 Wiener Neustadt, † 12.1.1519 Wels. – R¨om.-Dt. Kaiser, Historiograph, Epiker und M¨azen. Der Sohn Kaiser Friedrichs III. und Eleonores von Portugal war der einzige Erbe der habsburgischen L¨ander. 1477 heiratete er Maria von Burgund und wurde 1486 zum r¨omischen K¨onig gew¨ahlt. 1493 trat er die Nachfolge seines Vaters an. Die 1085

2. H¨alfte 15. Jh. Proklamation zum Kaiser erfolgte 1508 in Trient mit p¨apstlicher Zustimmung. M. erhielt eine zeittypische Ausbildung im Sinne des scholastischen Bildungssystems und der ritterlichen Lebensform. ¨ Neben milit¨arischen Ubungen und der Regierungsvorbereitung geh¨orte dazu auch ein elementarer Lateinunterricht. Die Fremdsprachenkenntnisse, deren sich M. sp¨ater r¨uhmte, sind eher im allt¨aglichen Umgang erworben. M.s Regentschaft war gepr¨agt von den einschneidenden politischen, religi¨osen, kulturellen und sozialen Entwicklungen der Gesellschaft des ausgehenden MA. Die religi¨osen Konflikte im Vorfeld der Reformation ver¨anderten das Reich ebenso wie die wirtschafliche Bl¨ute der obd. St¨adte mit ihren gewerblichtechnischen Neuerungen und dem Aufstieg des wohlhabenden B¨urgertums. Im Spannungsfeld der permanenten osmanischen Bedrohung und lebenslanger milit¨arischer Verwicklungen verwirklichte M. dennoch erste Schritte zur Reichsreform sowie eine Heeres- und Beh¨ordenneuorganisation und legte vor allem durch geschickte Heiratspolitik und Vertragsdiplomatie den Grundstein f¨ur die habsburgische Weltmachtstellung. Der epochale Umbruch, der die Zeit seiner Regierung begleitete, schlug sich im Wesen und Wirken des Kaisers nieder. Dabei zeigte M. sowohl restaurative als auch innovative Tendenzen. Die sp¨atromantische Stilisierung M.s als «letzten Ritter» greift daher zu kurz. So pflegte er zwar die feudal-h¨ofische Tradition, imitierte aber gleichzeitig die Renaissancekultur der italienischen H¨ofe. Er entsprang der scholastischen Bildungswelt und o¨ ffnete die Wiener und Freiburger Universit¨aten f¨ur humanistische Studien. Wissenschaftlichen und technischen Neuerungen war M. ebenso aufgeschlossen wie den kulturellen: Die bildenden K¨unstler und Musiker am kaiserlichen Hof z¨ahlten zu den hervorragendsten ihrer Zeit. Zur Durchsetzung und Bekanntmachung seiner politischen Ziele setzte M. in bisher nicht gekanntem Maße die Publizistik ein. Reichstagsausschreibungen und -ladungen, kaiserliche Patente oder Mandate mit Kriegsberichten oder Siegesnachrichten (zum Teil versifiziert als historisch-politische Lieder) wurden durch Anschl¨age, Verk¨undungen oder Flugbl¨atter in hohen Auflagen publik gemacht. Der sprachliche Usus der Reichs- und Hofkanzlei wirkte dabei pr¨agend auf eine u¨ berregionale fr¨uhnhd. Schriftsprache. Im Zentrum der literarischen Bestrebungen M.s – sei es als Verfasser, Auftraggeber oder M¨azen – steht 1086

2. H¨alfte 15. Jh. die Pflege der «ged¨achtnus» als besondere Verpflichtung des Herrschers. Unter dem Begriff sind hier die liturgische «memoria», die Glorifizierung der eigenen Taten f¨ur die Nachwelt, die Fixierung der Wissenbest¨ande in Inventaren oder Urkundensammlungen und die Sicherung sowie Er¨ neuerung der historischen Uberlieferung zu verstehen. Zum letzteren z¨ahlte M. auch die literarische Tradition. Er ordnete die Sammlung und Bewahrung hochma. Epik an (→ Ambraser Heldenbuch), um die Erinnerung an die nationale volksprachliche Literatur aufrechtzuerhalten. Aber auch in der Literatur lief sein Interesse in zwei Bahnen und so unterst¨utzte er ebenso die zeitgen¨ossische humanistische lat. Dichtung (Heinrich Bebel, Conrad Celtis, Jakob Locher neben anderen). M.s Buchprojekte und Programme sind so umfangreich wie heterogen und geben dabei Aufschluss u¨ ber die Interessen des Kaisers. Neben Historiographie, Kunst, Literatur und Musik behandeln sie Ethik und Religion, Politik, Kriegswesen, Gesch¨utzgießerei, M¨unzpr¨agung, Bergbau und Jagd. Das meiste ist Plan oder Torso geblieben. Umgesetzt wurden vor allem die geschichtlichen Werke, vornehmlich jene, die sich dem Leben und Wirken des Kaisers selbst widmen. Die episch-historische Dichtung Theuerdank und das Holzschnittwerk Ehrenpforte sind dabei als einzige zu M.s Lebszeiten vollst¨andig gedruckt worden. Nicht nur bei diesen zwei Beispielen r¨aumte M. neben der Schrift auch dem Bild eine hohen Stellenwert ein. Die von ihm initiierten Schriften sind in der Regel illustriert und oft gehen Bild und Bildthema dem Text voraus. Die Prunkhandschriften burgundischer Chroniken d¨urften hier (auch f¨ur den Druck) Vorbild gewesen sein. Die genaue Entstehung der einzelnen Werke und M.s jeweiliger Anteil daran ist schwer einzusch¨atzen. Eigenh¨andige Notizen und Korrekturen durchziehen die (Entwurfs-)Handschriften, daneben liegen Dispositionsskizzen und Hinweise f¨ur Holzschnitte vor. Die Entw¨urfe zur lat. Autobiographie und zum Weißkunig basieren auf Diktaten. Diese ersten Notate wurden von Sekret¨aren u¨ berarbeitet und kollationiert und anschließend von M. und seinen engen Mitarbeitern (Johannes Stabius, Konrad Peutinger, Ladislaus Suntheim, Jakob Mennel u. a.) u¨ berpr¨uft, evtl. redigiert. Mit Hinweisen zur neuerlichen Bearbeitung versehen wurden sie dann zur Publikation vorbereitet. Ein a¨hnliches Verfahren ist auch f¨ur die Bildprograme anzunehmen. Die 1087

Maximilian I. Werke entstanden also in einer von M. koordinierten Kollektivarbeit und wurden von Fachleuten in Schrift oder Bild kunstgerecht ausgef¨uhrt, die in der Publikation in der Regel als Autoren auftreten. Die einzelnen selbst¨andigen und oft auch r¨aumlich getrennten Arbeitsg¨ange f¨uhrten allerdings auch zu konzeptionellen Unstimmigkeiten. Ob und in welchem Ausmaß die fachkundig Ausf¨uhrenden in die Konzeption M.s eingegriffen haben, ist nicht immer zu ermitteln. Am Anfang des literarischen Schaffens des Kaisers steht die lat. Autobiographie, die er neben den Regierungsgesch¨aften um 1497–1501 in wenig elegantem «Reutterlatein» diktiert hat. Sekret¨are u¨ berf¨uhrten die Notate in eine hochwertige Schriftsprache, bevor M.s Historiograph Josef Gr¨unpeck sie ordnete und redaktionell u¨ berarbeitete ohne alle Unstimmigkeiten und sachlichhistorischen Irrt¨umer zu beseitigen. Auch der fehlende erz¨ahlerische Rahmen, chronologische L¨ucken und das mangelnde Konzept zeugen vom Fragmentcharakter der Autobiographie. Die Motivation M.s f¨ur die Abfassung ist strittig. Der gelehrten Historiographie wollte er wom¨oglich eine Materialsammlung zur Verf¨ugung stellen. Dass er zudem C¨asars Comentarii de Bello Gallico nacheifern wollte, ist hypothetisch. Ein m¨oglicher Adressat k¨onnte sein Thronfolger gewesen sein. Sp¨ater wurde die Notatsammlung noch zweimal von Gr¨unpeck u¨ berarbeitet (vgl. Lhotsky [s. Lit.] S. 458 f. und VL2 6 [1987] Sp. 214 f.), wobei die zweite Redaktion der zweiten Fassung nur in ei¨ ner dt. Ubersetzung u¨ berkommen ist (Ausgabe: Johann Jakob Moser: Joseph Gr¨unbecks Kaysers Maximiliani I. Geheimen Raths und Beicht-Vatters Lebens-Beschreibung Kayser Friederichs des III. (V.) Und Maximilians des I. T¨ubingen 1721). Der Plan zum Weißkunig Anfang des 16. Jh. ¨ d¨urfte der weiteren Uberarbeitung der Autobiographie ein Ende bereitet haben und M. hat Teile aus ihr in den Weißkunig u¨ berf¨uhrt. In genealogischer Anlage wird die Geschichte der Eltern des Helden im ersten, dessen Jugendgeschichte im zweiten und die Regierungsjahre im dritten Teil verschl¨usselt wiedergegeben. Ausf¨uhrungen zu M.s Sohn Philipp I. blieben im Planungsstadium. Die drei Teile sind thematisch deutlich differenziert und haben verschiedene Schwerpunkte: Zeremonielles (I), Ausbildung und hervorragende Eigenschaften des «weißen kunigs» (II) und milit¨arisches Geschehen (III). Komplexe historische Ereignisse werden 1088

Maximilian I. indes zumeist auf Turniere oder Kriege reduziert. Das «Weiß» der Titelfigur rekurriert in erster Linie auf die Farbe und nur selten auf Weisheit. Die ¨ Namen der auftretenden Personen sind in ONB, Cod. 3032 anagrammatisch oder durch heraldische Symbolik verschl¨usselt und werden in sp¨ateren Redaktionen zum Teil wieder aufgel¨ost. Der Text ging durch die H¨ande mehrerer Bearbeiter bis schließlich Marx → Treitzsaurwein die Notizen und Reinschriften kollationierte und zu einer stilistisch einheitlichen Erz¨ahlung formte. Nicht immer kam er mit dem Material zurecht und legte daher ein «Fragbuch» an, um Aufkl¨arung u¨ ber die chronologische Reihung und die Zuordnung der Holzschnitte (u. a. von Hans Burgkmair, Leonhard Beck, Hans Sch¨aufelein) zu erhalten. Chronologisch verl¨asslich oder stilistisch einheitlich ist auch ¨ Treitzsaurweins Uberarbeitung nicht, die er u. a. mit einer Schrift u¨ ber die Kr¨onung Friedrichs III. von Niklas → Lankmann und dem → Auszug von Teutschen landen erg¨anzte. Der Freydal (Freydalb, Freithart) ist als Sammlung von Ritterspielen und Maskenfesten («mummereyen») konzipiert und sollte das gesellschaftliche Leben am kaiserlichen Hofe repr¨asentieren. Offensichtlich ist der Text von vornherein als thematisches Gegenst¨uck («comedi») zum Theuerdank («tragedi») konzipiert gewesen. Die Prosaerz¨ahlung u¨ ber die Turnierfahrt des Protagonisten Freydal um der Liebe dreier Jungfrauen willen (insgesamt werden 64 Turnierh¨ofe verzeichnet) orientiert sich in der Einleitung zun¨achst am zeitgen¨ossischen Liebes- und Abenteuerroman. Dieser Einfluss ist auch angesichts des fragmentarischen Charakters des Werkes nicht strukturbildend. Deutlich ist zu erkennen, dass die Anlage des Werkes vom Bild ausgeht, dem der Text als Inventar nachsteht. Das Gegenst¨uck Theuerdank ist eine Reimpaardichtung, die verschl¨usselt M.s Brautwerbung um Maria von Burgund schildert. Erz¨ahlt wird von der Werbungsfahrt Theuerdanks (M.) zu Erenreich (Maria) und ihrem Vater Romreich (Karl der K¨uhne). 80 «geverlichkeiten», die seine Gegenspieler, die untreuen Hauptleute F¨urwittig, Unfallo und Neidelhart, inszeniert haben, und weitere K¨ampfe am Hof der K¨onigin hat der Protagonist dabei in Begleitung des Erz¨ahlers Ernhold zu u¨ berstehen. Die einzelnen aventiuren stehen dabei in nur lockerem Zusammenhang mit der historischen Brautwerbung, konstituieren keinen sinnvollen Erz¨ahlzusammenhang und sind nicht immer repr¨asentativ f¨ur ritterlich-heroisches Handeln. 1089

2. H¨alfte 15. Jh. Nachdem der Held alles gemeistert hat, wird die Hochzeit zun¨achst wegen eines Kreuzzugs zur Erringung der g¨ottlichen «hulde» verschoben (nicht im Text und nur als Holzschnitt). Im Schlusskapitel triumphiert Theuerdank/M. als siegreicher Held auf dem Schwerterkranz. Der erste Bearbeiter des Textes war Sigmund von Dietrichstein, eine Redaktion stammt von Treitzsaurwein und die schließlich gedruckte Fassung wurde von Melchior → Pfinzing metrisch und stilistisch gegl¨attet und um Vorreden, das Schlusskapitel, Disputationen und einen Anhang («clavis») erweitert. Letzterer entschl¨usselt (nicht immer widerspruchsfrei) die sprechenden Namen des Personals und die historischen Ereignisse, die sich hinter den stereotypen Schilderungen von Gefechten, Jagdabenteuern, Naturereignissen oder Krankheiten verbergen. Pfinzing bezeichnet den Text als Nachahmung der alten → Heldenb¨ucher, also der heroischen ritterlich-h¨ofischen Epik. Auch lassen sich Elemente der Dietrichsepik, des Artusromans und der sog. Spielmannsepik ausmachen, ohne dass eine dieser Gattungen pr¨agend f¨ur die Erz¨ahlstruktur ist. Vorbilder f¨ur das Personal entstammen den allegorischen Dichtungen des Burgunders Olivier de la Marche. Der aufwendige Erstdruck von 1517 in 40 Pergament- und 300 Papierexemplaren (mit Holzschnitten erneut u. a. von Burgkmair, Beck, Sch¨aufelein) scheint zur Verteilung an einen verdienten Personenkreis gedacht gewesen zu sein. Richardus Sbrulius u¨ bersetzte auf Veranlassung M.s den Theuerdank in ein lat. «carmen heroicum» in Hexametern («Magnanimus», unvollst¨andig). Triumphzug und Ehrenpforte (Triumphbogen) sind prim¨ar Bildwerke mit Holzschnitten und kommentierenden Versen. In ihrer Funktion sind sie Bilderchroniken vergleichbar. M. erteilte 1507 erste Auftr¨age f¨ur Skizzen zum Triumphzug an J¨org K¨olderer. M¨undliche Anweisungen an Treitzsaurwein f¨ur den Tenor der Begleittexte stammen von 1512. Der Triumphzug sollte das Andenken an M.s Hofstaat, sein Gefolge und seine Verwandten aufrecht erhalten, den Kaiser u¨ berh¨ohen und mit ihm die L¨ander seines Hauses sowie seine Dynastie. Auch sollten wichtige Staatsakte und Siege repr¨asentiert werden. In den handschriftlichen Miniaturen werden die Darstellungen auf Tafeln von Herolden getragen, in der Holzschnittausf¨uhrung, die aneinandergereiht 57 Meter lang ist, erscheinen die einzelnen Motive zu allegorischen Szenen verdichtet auf Festwagen. Deren H¨ohepunkt stellt der 1090

2. H¨alfte 15. Jh. große Triumphwagen Albrecht Du¨ rers dar, der M. in bildlicher Apotheose der kaiserlichen «maiestas» als Sonnenk¨onig apostrophiert. Ferner wirkten am Holzschnitt-Zyklus Burgkmair, Albrecht Altdorfer und Hans Springinklee mit. Ein Programm Willibald Pirckheimers zum großen Triumphwagen ist als Brief den Drucken beigef¨ugt. Die wichtigsten Mitarbeiter an der Ehrenpforte waren neben D¨urer auch K¨olderer (dazu Altdorfer, Springinklee und Wolf Traut) und f¨ur die Begleittexte Stabius. Die Ehrenpforte verbindet die Bildidee des antiken Triumphbogens mit dem sp¨atma. Wappenturm. In dem monumentalen auf 1515 datierten Bildwerk (3 x 3,5 Meter) verhalten sich die Schaufl¨achen mit Bild- und Schrifttafeln gegen¨uber den architektonischen Elementen dominant. Oberhalb der mittleren Pforte thront M. u¨ ber seinem Stammbaum, der von den Wappen der habsburgischburgundischen L¨ander eingerahmt ist. 24 Bildtafeln zeigen auf den Seitenpforten bedeutende Siege M.s, die seitlichen Rundt¨urme pr¨asentieren seine hervorragende Leistungen und Eigenschaften auf nicht-milit¨arischem Gebiet. Zahlreiche Hieroglyphen und allegorische Darstellungen komplettieren das Druckwerk. Eine Andachtpforte, die als Gegenst¨uck M.s geistliche Stiftungen darstellen sollte, war geplant, kam jedoch u¨ ber das Entwurfsstadium nicht hinaus. F¨ur M.s Plan einer umfassenden Genealogie des Hauses Habsburg einschließlich der ReichsLandes- und Lokalgeschichte trug ein Stab von Mitarbeitern das Material auf ausgedehnten Reisen zusammen (in erster Linie Mennel, daneben Konrad → T¨urst, Johannes Fuchsmagen, Ladislaus Sundheim, Celtis, Johannes → Trithemius, Stabius, Peutinger, Johannes Cuspinianus, Sbrulius). Ziel ist vor allem der Nachweis der hevorragenden Abkunft des habsburgischen Geschlechts. Der Grundriss war durch einen Stammbaum von Burgkmair von 1509 schon vorgegeben (77 Darstellungen der Ahnen M.s; der Kaiser ließ den Holzschnitt wohl wegen eines veralteten Forschungsstandes nicht publizieren). Vom Hof wurde die Abfassung der Genealogie gesteuert, die zum Teil auch in selbstst¨andige Werke der einzelnen Beteiligten m¨undete. Ermittelt wurde eine merowingischtrojanische Abstammung Habsburgs in Analogie zu franz¨osischen und brabantischen Abstammungssagen, was die Proklamierung einer urspr¨unglichen Relation der H¨auser Habsburg und Burgund erm¨oglichte. Mennel verband in seiner F¨urst1091

Maximilian I. lichen Chronik (vermutlich gleichsam nach brabantischen Vorbildern) die Stammchronik mit einer Zusammenstellung von Legenden u¨ ber die Heiligen aus dem habsburgischen Haus respektive nah verwandter Geschlechter. Die Legenden pr¨asentierte er in genealogischer Ordnung mit vorangestellten Stammb¨aumen. Hierzu hat Beck eine Holzschnittfolge gefertigt (1516/18) und auch aus K¨olderers Werkstatt sind Skizzenb¨ucher zu den Heiligen erhalten. Auf Geheiß M.s hat Mennel zudem eine nichtchronologische Neuordnung der Familienheiligen nach den Namenstagen f¨ur das Jahr erstellt (Habsburger Kalender). ¨ Eine Ubersicht u¨ ber M.s (verwirklichte und unverwirklichte) Buchprojekte geben die Gedenkb¨ucher, die auch in Rubriken gegliederte Materialsammlungen (von Rezepten bis zu Buchhinweisen) enthalten. In weiteren Handschriften wurden Hinweise zur G¨artnerei, Jagd, Falknerei und Kellerei fixiert, daneben Skizzen von Jagdabenteuern, die in den Weißkunig und Theuerkauf einflossen. Die planhafte Zusammenf¨uhrung der Sammlungen zu Jagd und Fischerei in B¨ucher ließ M. allerdings von berufenem Fachpersonal ausf¨uhren, namentlich von den J¨agermeistern Kaspar von Spaur und Wilhelm von Greiß, dem Fischereimeister Wolfgang Fritz und dem Jagdschreiber Wolfgang Hohenleitner. Diese Werke mit amtsm¨aßigen Charakter (u. a. Verzeichnisse von Wildbest¨anden und Revieren) sind an M. adressiert. Zeugb¨ucher (1512 oder 1515/17 vermutlich aufgrund von Vorarbeiten vom obersten Hauszeugmeister Bartholomaeus Freysleben unter der Leitung Michael Otts von Achterndingen angelegt) verzeichnen den Waffen- und Ausr¨ustungsbestand unterschiedlicher Zeugh¨auser nach Bilderinventaren K¨olderers und seiner Werkstatt von 1507. Entwurfshandschriften fußen auch auf a¨ lteren Inventaren. Die Zeugb¨ucher entstanden im Kontext der Heeresneuorganisation. Die illustrierten (Werkstatt K¨olderer [?], wohl nicht Wolfgang Reisacher) Prunkb¨ande der endg¨ultigen Fassung dienten nicht nur Verwaltungszwecken sondern auch der Demonstration milit¨arischer Macht. Der Nachwelt geben sie Informationen zum Stand des technischen Kriegswesens im fr¨uhen 16. Jh. Reimpaare (u. a. von Peutinger) geben Erl¨auterungen zu den einzelnen Waffen und Ger¨aten. Im Zusammenhang mit M.s Bem¨uhungen um liturgische «ged¨achtnus» (religi¨ose Stiftungen, Grabausschm¨uckung) in seinen letzten Lebensjahren ist 1092

Maximilian I. der Druck des j¨ungeren Gebetbuches von 1513 zu bewerten. M. hat insgesamt zwei Gebetb¨ucher erstellen lassen. Gegen¨uber dem a¨lteren (um 1486) ist beim j¨ungeren, das wom¨oglich anl¨asslich der Kaiserproklamation von 1508 geplant wurde, ein st¨arkerer Einfluss M.s auf die Textauswahl zu vermuten. Eine Prachtausgabe des j¨ungeren Buches entstand unter Mitwirkung Peutingers, deren Druck auf Pergament einer Prunkhandschrift m¨oglichst nahestehen sollte. Ein Exemplar, in Lagen aufgeteilt, wurde an D¨urer, Burgkmair, Altdorfer und Lukas Cranach gegeben, die es mit Randzeichnungen versahen. Ob diese reproduziert werden oder nur M.s Handexemplar schm¨ucken sollten, ist unklar. Die Vielfalt der Interessen M.s und die zahlreichen hinterbliebenen Pl¨ane und Fragmente zeugen von der Unrast und Sprunghaftigkeit des Kaisers, dessen Vielgesch¨aftigkeit und Anspruch an sich selbst sich im schlimmsten Fall auch in literarischen Dilettantismus kehren konnte. Dies vermag die literar-historische Stellung M.s als eine f¨ur die Kulturgeschichte des ausgehenden MA pr¨agende Pers¨onlichkeit indes nur bedingt zu schm¨alern. Die humanistischen Panegyriker r¨uhmten M. als neuen Augustus und «rex litteratus». ¨ Uberlieferung: Lat. Autobiographie: Wien, ¨ Osterr. Staatsarch., Abt. HHStA, Maximiliana 46 (vormals: fasc. 40a), Bl. 1–10, 23–56 (Originalno¨ tate, unvollst.). – Wien, ONB, Cod. 3302 (redi¨ gierende Reinschr. Gr¨unpecks). – Wien, Osterr. Staatsarch., Abt. HHStA, Hs. Blau 11 (= B¨ohm ¨ 26) (17./18. Jh.). – Wien, ONB, Cod. 7921 (Ende ¨ 18. Jh.). – Weißkunig: Wien, ONB, Cod. 3032, 578 Bll. (1514 von Treitzsaurwein geschrieben, mit Holzschnitten). – Ebd., Cod. 8145, 91r–121v (= Tl. III) (Entwurf Verm¨ahlung Friedrichs III., sp¨ates 16. Jh.). – Ebd., Cod. 2834, 3r–78r (1510/14, Entw¨urfe ohne Kriegsereignisse). – Ebd., Cod. 2892 (um 1510). – Ebd., Cod. 2832, 383 Bll. (Abschr. v. Cod. 3032, fr¨uhes 16. Jh.) – Ebd., Cod. 3034, 279 Bll. (1515, Fragbuch Treitzsaurweins). – Ebd., Cod. 7326, 20 Bll. (Anfang 16. Jh., Treitzsauerweins «Gedenkb¨uchel zum Weißkunig» mit Listen von Holzschnitten und Exzerpten). – Holzschnitte und Zeichnungen sind enthalten in: ebd., Cod. 3033. – Museum of Fine Arts in Boston, Massachusetts (vormals Vaduz, F¨urstensteinisch Liechtensteinische Slg.). – Handzeichnungen und Skizzen in: Rom, Bibl. Apostolica Vaticana, Vat. lat ¨ 8570. – Freydal: Wien, ONB, Cod. 2831*, 84 Bll. 1093

2. H¨alfte 15. Jh. (fr¨uhes 16. Jh.). – Ebd., Cod. 2835, 38r–39r (1512, geschrieben v. Treitzsauerwein, Verz. der ‹rennen› und ‹stechen›). – Wien, Kunsthist. Museum, Waffenslg. P 5073 (Miniaturencodex mit 225 TurnierMiniaturen). – Hinzu kommt ein von Dodgson (1926, s. Lit.) angezeigter unvollst. und zum Druck ¨ bestimmter Codex. – Theuerdank: Wien, ONB, Cod. 2867, 89 Bll. (1513/14, Reinschr. Einl. und aventiuren [F¨urwittig]). – Ebd., Cod. 2806, 48 Bll. (1513/14, Einl. und aventiuren). – Ebd., Cod. 2889, 59 Bll. (1513/14, aventiuren [Neidelhart]). – Ebd. Cod. 2833, 1r–168r (1517, Sammelbd. mit Anmerkungen zum «Theuerdank» und Probedruck der Holzschnitte). – Rostock, UB, Mss. philol. 91, 253 Bll. (zweites Viertel 16. Jh., Druckabschr.). – Drucke: N¨urnberg (Johann Sch¨onsper¨ 1517 (VD16 M 1649), 1519 (VD16 N ger d. A.) 1957). – Augsburg (Hainrich Stainer) 1537 (VD16 M 1652). – Bearbeitung v. Burkhard Waldis: Frank¨ [Erben]) 1553, furt/M. (Christian Egenolff d. A. 1563, 1589, 1596 (VD16 M 1653–1656). – Bearbeitung v. Matth¨aus Schultes: Ulm (Matth¨aus Wagner) 1679 (VD17 23:293152G); Augsburg (M. Schultes, verlegt in Ulm v. Daniel G¨orlins) 1685 ¨ (VD17 23:230073Q). – Magnanimus: Wien, ONB, Cod. 9976 (Ferdinand [I.] gewidmet). – Triumph¨ zug: Wien, ONB, Cod. 2835, 1r–25r, 31r–38r, (s. o., Entw¨urfe und Programm); Teilabschrift (3r–25r) in Cod. 8119. – Ebd., Cod. 2805, 19 Bll. (Mitte 16. Jh., Abschrift Programm und Verse). – Ebd., Cod. 8126, 10 Bll., (1560/70, Abschr. Programm und Verse). – Miniaturen: Wien, Albertina, Graphische Slg., Inv.-Nr. 25505 ff. – Ebd., Cod. Min. 77 (Vollst. Kopie, 16. Jh.). – Madrid, Bibl. Nacional, Res. 232 (Kopie 17. Jh.). – Ehrenpforte: Wien, ¨ ONB, Cod. 10259, 8 Bll. (Mitte 16. Jh., 23 Str.). – Ebd., Cod. 2835, 27r–30r (Textentw¨urfe zur «Andachtpforte»). – Drucke: Wien 1517/18; 1526/27; ¨ 1559. – Genealogie: Wien, ONB, Cod. 8237, 41b; Cod. 8018, 115 Bll.; Cod. 8048, 117 Bll. (Holzschnitte). – Ebd., Cod. 2857, 124 Bll.; Cod. Ser. nova 2627, 123 Bll.; Cod. Ser. nova 1598, 120 Bll. (1514/15) (Skizzen zu den Heiligen). – Ebd., Cod. Ser. nova 4711, 48 Bll. (1514/19, Miniatu¨ ren der Heiligen). – Gedenkb¨ucher: Wien, Osterr. Staatsarch., Abt. HHStA, Hs. B¨ohm Suppl. 13, ¨ Sign Blau 376 (ab 1502). – Wien, ONB, Cod. ser. nova 2645 (1505–08). – Ebd., Cod. ser. nova 2626 (1508–15). – Ebd., Cod. 2900 (Reinschr. v. Notizen zu 1509–13). – Ebd., Cod. 2835 (1512). – Cod. 10808 (1567, Diktatabschr.). – Jagd-/Fischereib¨ucher: 1094

2. H¨alfte 15. Jh. Ebd., Cod. 2834, 178r–187r («haimlich gejaidt puech»), 188r–190r («puech mit den wunderbarlichen waid geschichten»). – Br¨ussel, Kgl. Bibl., Cod. 5751–2 («Tiroler Jagdbuch»); Abschrift: Innsbruck, ¨ Statthalterei-Arch., Cod. 292. – Wien, ONB, Cod. 8103 (Jagdbuch des W. v. Greyss, Abschr. 1557). – Ebd., Cod. 5213 (Jagdbuch des Sebastian → Ranck, eine verk¨urzte Abschrift eines Jagdbuches Heinrich → Mu¨ nsingers). – Ebd., Cod. 8039 (Jagdbuch Wolfgang Edlingers). – Ebd., Cod. 7962 (→ Fischereibuch Kaiser Maximilians). – Zeugb¨ucher: Wien, Kunsthist. Mus. Slg. f¨ur Plastik und Kunstgewerbe, Cod. 5074–5076. – Entw¨urfe: Mu¨ nchen, ¨ BSB, Cod. icon. 222 (Fragm.). – Wien, ONB, Cod. 10824 (Verzeichnisse und Bildinventar f¨ur das Zeughaus Innsbruck). – Ebd., Cod. 10816 (Bildinventar Gesch¨utze Innsbruck); Kopie: Cod. ¨ 10815. – Alteres Gebetbuch: Wien, Cod. 1907, 88 Bll. (1486/88, ndl. und lat. Gebete). – J¨ungeres Ge¨ betbuch: Erstdruck Augsburg (J. Sch¨onsperger d. A.) 1513 (VD16 M 1657); Exemplar mit Randzeichnungen: u. a. M¨unchen, BSB, 2 L.impr.membr. 64. – Weitere Exemplare vgl. Strauss (s. Lit.) S. 334 f. Ausgaben: Lat. Autobiographie: Schultz: Der Weißkunig (1888, s. u.) S. 421–446 (nach Wien, Maximiliana 46). – Franziska Schmid: Eine neue Fassung der maximilianeischen Selbstbiographie. ¨ Diss. Wien 1950, S. 1–101 (nach ONB, Cod. 3032). – Weißkunig: Abb´e Hofst¨atter: Der Weiß Kunig. Eine Erzehlung von den Thaten Kaiser M. des Ersten [...]. Wien 1775, Nachdr. Weinheim 1985. Braunschweig 2006. – Alwin Schultz: ‹Der Weißkunig›. Nach den Dictaten und eigenh¨andigen Aufzeichnungen Kaiser M.s I. zusammengestellt von Marx Treitzsaurwein von Ehrentreitz (Jb. der Kunsthist. Slg. des Allerh¨ochsten Kaiserhauses 6). Wien 1888. – Heinrich Theodor Musper in Verbindung mit Rudolf Buchner u. a.: Kaiser M. I. ‹Weißkunig›. 2 Bde. Stuttgart 1956. – Freydal: Quirin v. Leitner: Freydal. Des Kaisers M. I. Turniere und Mummereien. Mit einer geschichtl. Einleitung, einem facsimilirten Namensverz. und 255 Heliogravuren. 2 Bde. Wien 1880–82. – Theuerdank: Carl Haltaus: Theuerdank. Hg. und mit einer krit. Einl. versehen (Bibl.dt.Nat.-Lit. 2). Quedlinburg/Leipzig 1836. – Karl Goedeke/Julius Tittmann: Teuerdank. (Dt. Dichter des 16. Jh. 10). Leipzig 1878. Nachdr. Mu¨ nchen 1968. Charleston, SC 2010. – Simon Laschitzer: Der Theuerdank. Durch photolithographische Hoch¨atzung 1095

Maximilian I. hergestellte Facs.-Reproduction nach der 1. Aufl. vom Jahre 1517 (Jb. der Kunsthist. Slg. des Allerh¨ochsten Kaiserhauses 8). Wien 1888. Nachdr. Graz 1966. – Kaiser M.s ‹Theuerdank›. Faks.-Ausg. der 1. Aufl. von 1517. Mit Beitr. v. Heinz Engels u. a. 2 Bde. Plochingen/Stuttgart 1968. – Helga Unger: Kaiser M. I. ‹Theuerdank› (Die Fundgrube 40). M¨unchen 1968. – M. I. Der Theuerdank. 1517. Mit einem Nachwort v. Horst Appuhn. Dortmund 1979. – Stephan F¨ussel: Die Abenteuer des Ritters Theuerdank. Kolorierter Nachdr. der Gesamtausg. v. 1517. K¨oln. u. a. 2003. – Magnanimus: Claudia Schubert: Richardus Sbrulius: Magnanimus. Die lat. Fassung des ‹Theuerdank› Kaiser M.s I. (Helfant-Texte 12). Remchingen 2002. – Triumphzug: Johann Adam Ritter v. Bartsch: Kaiser M.s I. Triumph. Le triomphe de l’empereur Maximilien I. Wien/London 1796. – Alfred Aspland: The Triumphs of the Emperor M. I. (Holbein Society’s Facs. Reprints). 3 Bde. Manchester 1873–75. – Franz Schestag: Kaiser M. I. Triumph. In: Jb. der Kunsthist. Slg. des Allerh¨ochsten Kaiserhauses 1 (1883) S. 155–172 (Text); ebd. 2 (1884): Tafelbd. – Stanley Appelbaum: The Triumph of M. I. New York 1964. – Franz Winzinger: Die Miniaturen zum Triumphzug Kaiser M.s I. (Ver¨off. der Albertina 5). 2 Bde. Graz 1969. – H. Appuhn: Der Triumphzug Kaiser M.s I. 1516–1518. Dortmund 1972. 21987. – Ehrenpforte: Eduard Chmelarz: Die Ehrenpforte des Kaisers M. des Ersten. In: Jb. der Kunsthistor. Slg. des Allerh¨ochsten Kaiserhauses 4 (1885/86) S. 289–319 und Tafelbd. Nachdr. Unterschneidheim 1972. – Genealogie: S. Laschitzer: Die Genealogie des Kaisers M. I. In: Jb. der Kunsthist. Slg. des Allerh¨ochsten Kaiserhauses 7 (1888) S. 1–199; Erg¨anzungen: Theodor v. Frimmel in ebd. 10 (1889) S. CCCXXV–CCCLII. – J. A. v. Bartsch: Images des Saints et Saintes issus de la famille de l’emp´ereur Maximilien I. Wien 1799. – S. Laschitzer: Die Heiligen aus der Sipp-, Mag- und Schw¨agerschaft des Kaisers M. I. In: Jb. der Kunsthist. Slg. des Allerh¨ochsten Kaiserhauses 4 (1886) S. 70–288; 5 (1887) S. 177–216. – Ge¨ denkb¨ucher: Alois Primisser: Uber des Kaisers M. I. Gedenkb¨ucher in der k.k. Ambraser Slg. (aus den Jahren 1515/16). In: Taschenbuch f¨ur die vaterl¨andische Gesch. 4 (1823) S. 163–176; 5 (1824) S. 39–81; 8 (1827) S. 186–216. – Joseph Chmel: Die Hss. der k.k. Hofbibl. in Wien. Bd. 2. Wien 1841, S. 458–464. – T. v. Frimmel: Gedenkbuch K¨onig M.s I. ca. 1506–1508. In: Jb. der kunsthist. Slg. des 1096

Maximilian I. Allerh¨ochsten Kaiserhauses 5 (1887) S. XVI–XIX (Ausz¨uge). – Theodor Gottlieb: B¨ucherslg. Kaiser M.s I. mit einer Einleitung u¨ ber a¨ lteren B¨ucherbesitz im Hause Habsburg (Die Ambraser Hss. Beitr. zur Gesch. der Wiener Hofbibl. 1). Leipzig 1900, S. 54–65 (Ausz¨uge). – Jagd-/Fischereib¨ucher: Theodor Georg v. Karajan: Kaiser M.’s I Geheimes Jagdbuch. Wien 1858, 21872. – Michael Mayr: Das Jagdbuch Kaiser M.s I. Innsbruck 1901. – Ders.: Das Fischereibuch M. I. Ebd. 1901. – Das Tiroler Fischereibuch M.s I. Eingeleitet, transkribiert und u¨ bers. v. Franz Unterkircher. 2 Bde. Graz u. a. 1967 (mit Faks.). – Karl Ausserer: Ein Ti¨ 56 (1948) roler ‹Jagdbuch› Kaiser M.s I. In: MIOG S. 399–417. – Joseph v. Hammer-Purgstall: Kaiser M. v. der Falknerey. In: Ders.: Falknerklee, bestehend in drey neugedruckten Werken u¨ ber die Falknerey. Pesth 1840. – Zeugb¨ucher: B¨oheim: Die Zeugb¨ucher des Kaisers M. I. In: Jb. der kunsthist. Slg. des Allerh¨ochsten Kaiserhauses 13 (1892) S. 94–201; 15 (1894) S. 295–391. – J¨ungeres Gebetbuch: Karl Giehlow: Kaiser M.s I. Gebetbuch. Mit Zeichnungen v. Albrecht D¨urer und anderen K¨unstlern. 2 Bde. (Geleitwort und Faks.). Wien 1907. – Hinrich Sieveking: Das Gebetbuch Kaiser M.s. Der M¨unchner Tl. mit den Randzeichnun¨ gen von Albrecht D¨urer und Lukas Cranach d. A. Rekonstruierte Wiedergabe. M¨unchen 1987. Bibliographie: G. Scholz Williams: An Annotated Bibliography with Introduction on M.’s I. Literary Activities and his Impact on the Intellectual History of the Late Middle Ages (Sixteenth Century Bibliography 21). St. Louis 1981. Literatur: Jan-Dirk Mu¨ ller, VL2 6 (1987) Sp. 204–236; 11 (2004) Sp. 981. – Peter Strohschneider, KNLL 11 (1990) S. 393–396. – Hermann Wiesflecker, NDB 16 (1990) S. 458–471. – Volker Press, TRE 22 (1992) S. 291–295. – H. Wiesflecker, LexMA 6 (1993) Sp. 420–424. – De Boor/Newald 4,1 (21994) S. 128–137, 911 (Reg.). – H. Wiesflecker, LThK3 7 (1998) Sp. 4 f. – Inge WiesfleckerFriedhuber, BBKL 18 (2001) Sp. 879–893. – Wilhelm Baum, RGG4 5 (2002) Sp. 932 f. – S. F¨ussel, Killy2 8 (2010) S. 57–59. – Allgemein: Heinrich Ullmann: Kaiser M. I. Auf urkundlicher Grundlage dargestellt. 2 Bde. Stuttgart 1884/91. – Theodor Gottlieb: B¨ucherslg. Kaiser M.s I. (Ambraser Hss. 1). Leipzig 1900. – Samuel Steinherz: Ein ¨ 27 (1906) Ber. u¨ ber die Werke M.s I. In: MIOG S. 152–155. – Joseph Strobl: Stud. u¨ ber die literar. T¨atigkeit Kaiser M.s I. Berlin 1913. – Anna Coreth: 1097

2. H¨alfte 15. Jh. Dynastisch-politische Ideen Kaiser M.s I. In: Mitt. des o¨ sterr. Staatsarch.3 (1950) S. 81–105. – Heinrich ¨ Fichtenau: Der junge M. (1459–1482) (OsterreichArch.). M¨unchen 1959. – Ders.: Die Lehrb¨ucher M.s I. und die Anf¨ange der Frakturschr. Hamburg 1961. – Alphons Lhotsky: Quellenkunde zur ma. ¨ ¨ Erg.bd. 19). Graz/K¨oln Gesch. Osterreichs (MIOG 1963, S. 456–464. – Ausstellung Maximilian I., Innsbruck. Kat. Hg. vom Land Tirol, Kulturreferat. Innsbruck 1969. – H. Wiesflecker: Kaiser M. I. Das ¨ Reich, Osterreich und Europa an der Wende zur Neuzeit. 5 Bde. Mu¨ nchen/Wien 1971–86. Neudr. Wien 2006. – William-Cecil MacDonald/Ulrich Goebel: German medieval literary patronage from Charlemagne to M. I. (Amsterdam Publ. zur Sprache und Lit. 10). Amsterdam 1973. – H. Fichtenau: Kaiser M. I. und die Sprache. In: Beitr. zur neue¨ ¨ ren Gesch. Osterreichs (Ver¨off. des Inst. f¨ur Osterr. Geschichtsforsch. 20). Hg. v. dems./Erich Zo¨ llner. Wien u. a. 1974, S. 32–46. – Dieter Mertens: M. I. und das Elsass. In: Die Humanisten in ihrer politischen und sozialen Umwelt (DFG Kommission f¨ur Humanismusforsch. Mitt. 3). Hg. v. Otto Herding/ Robert Stupperich. Boppard 1976, S. 177–210. – Hans Moser: Die Kanzlei Kaiser M.s I., Graphematik eines Schreibusus (Innsbrucker Beitr. zur Kulturwiss. Germanist. Reihe 5/1,2). Innsbruck 1977. – J.-D. Mu¨ ller: Dt.-lat. Panegyrik am Kaiserhof und die Entstehung eines neuen h¨ofischen Publikums in Deutschland. In: Europ¨aische Hofkultur im 16. und 17. Jh. Bd. 2 (Wolfenb¨utteler Arbeiten zur Barockforsch. 9). Hg. v. August Buck. Hamburg 1981, S. 133–140. – Ders.: Gedechtnus. Lit. und Hofgesellsch. um M. I. (Forsch. zur Gesch. der a¨ lteren dt. Lit. 2). Mu¨ nchen 1982. – F. Unterkircher: M. I. Ein kaiserlicher Auftraggeber illustrierter Hss. (Jahresgabe der M.-Ges. 1982/1983). Hamburg 1983. – S. Fu¨ ssel: Dichtung und Politik ¨ um 1500. Das ‹Haus Osterreich› in Selbstdarstellung, Volkslied und panegyrischen Carmina. In: ¨ Die Osterr. Lit. Ihr Profil v. den Anf¨angen im MA bis ins 18. Jh. (1050–1750) Bd. 2. Hg. v. Herbert Zeman, Graz 1986, S. 803–831. – S. F¨ussel: Riccardus Bartholinus Perusinus. Humanistische Panegyrik am Hofe Kaiser M.s I. (Saecula spiritalia 16). Baden-Baden 1987. – Georg Braungart: Mythos und Herrschaft: M. I. als Hercules Germanicus. In: Fortuna vitrea 5 (1991) S. 77–95. – I. Wiesflecker-Friedhuber: Quellen zur Gesch. M.s I. und seiner Zeit. Mit einer Einl. v. H. Wiesflecker 1098

2. H¨alfte 15. Jh. (Ausgew¨ahlte Quellen zur dt. Gesch. der Neuzeit. Freiherr v. Stein-Ged¨achtnisausg 14). Darmstadt 1996. – Der Aufstieg eines Kaisers: M. I. Von seiner Geburt bis zur Alleinherrschaft 1459–1493. Ausstellungskat. Wiener Neustadt. Hg. v. Christa Angermann. Wien 2000. – Sigrid-Maria Gr¨oßing: M. I. Kaiser – K¨unstler – K¨ampfer. Wien 2002. – Christina Lutter: M. I. (1486–1519). In: Die dt. Herrscher des MA. Hist. Portraits v. Heinrich I. bis M. I. (919–1519). Hg. v. Bernd Schneidm¨uller/ Stefan Weinfurtner. M¨unchen 2003, S. 518–542 ¨ (gute hist. Ubersichtsdarstellung). – I. WiesfleckerFriedhuber: Kaiser M. I. und seine Hofhistoriographie. In: Viatori per urbes castraque: FS Herwig Ebner (Schriftenreihe des Inst. f¨ur Gesch. 14). Hg. v. Helmut Br¨auer u. a. Graz 2003, S. 707–729. – Manfred Hollegger: M. I. (1459–1519). Herrscher und Mensch einer Zeitenwende (KohlhammerUrban-Tb. 442). Stuttgart 2005. – M. I. – Triumph eines Kaisers. Herrscher mit europ¨aischen Visionen. Austellungskat. Hofburg Innsbruck. Hg. ¨ v. der Burghauptmannschaft Osterreich. Innsbruck 2005. – Elke M. Renner: M. I. Kaiser und Literat. In: K¨unstler, Dichter, Gelehrte (Mittelaltermythen 4). Hg. v. Ulrich M¨uller/Werner Wunderlich. Konstanz 2005, S. 391–404. – Stephanie Altrock/ Gerald Kapfhammer: Herrscherruhm und Dichterw¨urde. Bilder der ‹poetae laureati› M.s I. In: Autorbilder. Zur Medialit¨at literarischer Kommunikation in MA und Fr¨uher Neuzeit (Tholos – Kunsthist. Stud. 2). Hg. v. G. Kapfhammer u. a. Mu¨ nster 2007, S. 245–268. – Sieglinde Hartmann/ Freimut L¨oser (Hg.): Kaiser M. I. (1459–1519) und die Hofkultur seiner Zeit (JOWG 17). Wiesbaden 2009 (zahlreiche Beitr. auch zu den einzelnen Werken). – D. Mertens: Sebastian Brant, Kaiser M., das Reich und der T¨urkenkrieg. In: Sebastian Brant und die Kommunikationskultur um 1500 (Wolfenb¨utteler Abh. zur Renaissanceforsch. 26). Hg. v. Klaus Bergdolt. Wolfenb¨uttel 2010, S. 173–218. – Zu den einzelnen Werken: K. Giehlow: Beitr. zur Entstehungsgesch. des Gebetbuches Kaiser M.s I. In: Jb. der Kunsthist. Slg. des Allerh¨ochsten Kaiserhauses 20 (1899) S. 36–111. – Ders.: Urkundenexegese zur ‹Ehrenpforte› M.s I. In: Beitr. zur Kunstgesch. FS Franz Wickhoff. Wien 1903, S. 91–110. – J. Strobl: Kaiser M.s I. Anteil am ‹Theuerdank›. Eine krit. Unters. Innsbruck 1907. – K. Giehlow: Hieroglyphenkunde des Humanismus in der Allegorie der Renaissance, besonders der ‹Ehrenpforte› Kaisers M.s I. In: Jb. 1099

Maximilian I. der Kunsthist. Slg. des Allerh¨ochsten Kaiserhauses 32 (1915) S. 1–232. – Georg Leidinger: Albrecht D¨urers und Lukas Cranachs Randzeichnungen zum Gebetbuch Kaiser M.s in der BSB M¨unchen. Mu¨ nchen 1922. – Campbell Dodgson: An unknown Ms. of Freydal. In: The Burlington Magazine 48 (1926) S. 235–242. – Clemens Biener: Die Fassungen des ‹Theuerdank›. In: ZfdA 67 (1930) S. 177–196. – Ders.: Entstehungsgesch. des ¨ 44 (1930) S. 83–102. – Weißkunigs. In: MIOG Georg Misch: Die Stilisierung des eigenen Lebens in dem Ruhmeswerk Kaiser M.s, des letzten Ritters. In: Nachr. v. der Ges. der Wiss. zu G¨ottingen, Phil.-hist. Kl. 1930, S. 435–459. – Karl Außerer: Ein Tiroler Jagdbuch des Kaisers M. I. In: ¨ 56 (1948) S. 385–418. – Hans Otto Burger: MIOG ‹Der Weißkunig›. Die Selbststilisierung des ‹letzten Ritters›. In: Musper (s. Ausg.) S. 1334 (wieder in: Ders.: ‹Dasein heißt eine Rolle spielen›. Stud. zur dt. Literaturgesch. Mu¨ nchen 1963, S. 15–55. – Paul Geissler: Hans Burgkmairs Genealogie Kaiser M.s I. In: Guttenberg-Jb. 40 (1965) S. 249–261. – Hans Christoph v. Tavel: Die Randzeichnungen Albrecht D¨urers zum Gebetbuch Kaiser M.s I. In: Jb. der bildenden Kunst 16 (1965) S. 59–120. – Franz Winziger: Albrecht Altdorfer und die Miniaturen des ‹Triumphzug› Kaiser M.s I. In: Jb. der Kunsthist. Slg. des Allerh¨ochsten Kaiserhauses 62 NF 26 (1966) S. 157–172. – Wolfgang Schweiger: Der Wert des ‹Weißkunig› als Geschichtsquelle. Untersucht nach dem 3. Tl. 1477–1498. Diss. Graz 1968. – Kurt Riedl: Der Wert des ‹Weißkunig› als Geschichtsquelle. Untersucht nach dem 3. Teil 1499–1514. Diss. Graz 1969. – H. Wiesflecker: Joseph Gr¨unpecks Redaktionen der lat. Autobiogr. ¨ 78 (1970) S. 416–431. – Elisabeth M.s I. In: MIOG Hirtl: Kaiser M.s Hand- und Gebrauchsb¨ucher als Geschichtsquellen. Diss. Graz 1971. – K. Riedl: Der Quellenwert des ‹Weißkunig› am Beispiel des Schweizerkriegs 1499. In: FS H. Wiesflecker. Hg. v. Alexander Novotny/Othmar Pockl. Graz 1973, S. 107–113. – Irtenkauf: Der ‹Habsburger Kalender› des Jacob Mennel (Urfassung) (Litterae 66). G¨oppingen 1979. – Karl Rudolf: ‹Das gem¨alt ist also recht›. Die Zeichnungen zum ‹Weisskunig› M.s I. des Vaticanus Latinus 8570. In: R¨omischHist. Mitt. 22 (1980) S. 167–207. – Gerhild Scholz Williams: The Arturian Model in Emperor M.’s Autobiographic Writings ‹Weißkunig› and ‹Theuerdank›. In: The Sixteenth Century Journal 11,4 1100

Maximilian I. (1980) S. 3–22. – Hans-Joachim Ziegeler: Der betrachtende Leser. Zum Verh¨altnis von Text und Illustration in Kaiser M.s I. ‹Teuerdank›. In: Lit. und bildende Kunst im Tiroler MA. Die Iwein-Fresken von Rodenegg und andere Zeugnisse der Wechselwirkung v. Lit. und bildender Kunst (Innsbrucker Beitr. zur Kulturwiss. Germ. Reihe 15). Hg. v. Egon K¨uhebacher. Innsbruck 1982, S. 67–110 (wieder in: Ders.: Orte der Lit. Schr. zur Kulturgesch. des sp¨aten MA und der Fr¨uhen Neuzeit [K¨olner germanistische Stud. NF 8]. Hg. v. G. Kapfhammer. K¨oln u. a. 2009, S. 133–176). – P. Strohschneider: Ritterromantische Versepik im ausgehenden MA. Stud. zu einer funktionsgeschichtl. Textinterpretation der ‹M¨orin› Hermanns v. Sachsenheim sowie Ulrich Fuetrers ‹Persibein› und M.s I. ‹Teuerdank› (Mikrokosmos 14). Frankfurt/M. u. a. 1986, S. 369–456. – Elaine C. Tennant: Understanding with the Eyes. The Visual Gloss to M.’s ‹Theuerdank›. In: Entzauberung der Welt. Dt. Lit. 1200–1500. Hg. v. James F. Poag/Thomas C. Fox. T¨ubingen 1989, S. 211–275. – Gerd Brinkhus: Ex bibliotheca Peutingeriana. Weitere Probedrucke zum ‹Theuerdank› M.s. In: FS Walter Haug/Burghart Wachinger Bd. 2. Hg. v. Johannes Janota u. a. T¨ubingen 1992, S. 1011–1020. – Eva Ramminger: Die Zeugb¨ucher Kaiser M.s I./Die Vorarbeiten zum ‹Triumphzug› Kaiser M.s I. – Die Entw¨urfe zur ‹Ehrenpforte› Kaiser M.s I. In: J¨org K¨olderer. Ausstellunggskat. Inzing. Innsbruck 1992, S. 51–55/65–71. – Neues vom Weisskunig. Gesch. und Selbstdarstellung Kaiser M.s I. in Holzschnitten. Ausstellungskat. Staatsgalerie Stuttgart. Bearb. v. Hans-Martin Kaulbach. Stuttgart 1994. – Folkhard Cremer: ‹Kindlichait, Junglichait, Mandlichait, Tewrlichait›. Eine Unters. zur TextBild-Redaktion des Autobiographieprojektes Kaiser M.s I. und zur Einordnung der Erziehungsgesch. des Weißkunig. (Dt. Hochschulschr. 1076). Frankfurt/M. u. a. 1995. – Erwin Koller: ‹O Portugal, o Portugal, wie gar ain guts kunigreich bist du!› Die Brautwerbungsbotschaft Friedrichs III. im ‹Weißkunig›. In: Lit. und Sprache in Tirol. Von den Anf¨angen bis zum 16. Jh. Hg. v. Michale Gebhardt/Max Siller. Innsbruck 1996, S. 293–321. – J.-D. Mu¨ ller: Zwischen Repr¨asentation und Regierungspraxis. Transformation des Wissens in M.s Weisskunig. In: Knowledge, Science, and Literature in Early Modern Germany. Hg. v. G. Scholz Williams/Stephan U. Schindler. Chapel Hill/London 1996, S. 49–70. – Gisela Goldberg: Das 1101

2. H¨alfte 15. Jh. Gebetbuch Kaiser M.s I. und der St. GeorgsRitterorden. In: Stud zur Gesch. v. Millstatt und K¨arnten (Arch. f¨ur vaterl¨andische Gesch. und Topographie 78). Hg. v. Franz Nikolasch. Klagenfurt 1997, S. 455–484. – Peter Kathol: Alles Erdreich ist Habsburg Untertan. Stud. zu den genealogischen Konzepten M.s I. unter besonderer Ber¨ucksichtigung der ‹F¨urstlichen Chron.› Jakob Men¨ 106 (1998) S. 365–376. – Sven nels. In: MIOG L¨uken: Kaiser M. und seine Ehrenpforte. In: Zs. f¨ur Kunstgesch. 61 (1998) S. 449–490. – Harald Tersch: M. I. Lat. Autobiogr., Freydal, Theuer¨ dank, Weißkunig. In: Ders.: Osterr. Selbstzeugnisse des Sp¨atMA und der fr¨uhen Neuzeit (1400–1650). Eine Darstellung in Einzelbeitr. Wien u. a. 1998, S. 111–149. – H. Tersch: Die schwerm¨utige Betrachtung des Kometen – Politik und Emotion im ‹Weißkunig›. In: Das dargestellte Ich. Stud. zu Selbstzeugnissen des sp¨aten MA und der fr¨uhen Neuzeit (Selbstzeugnisse des MA und der beginnenden Neuzeit 1). Hg. v. Arnold Klaus u. a. Bochum 1999, S. 63–91. – Thomas Ulrich Schauerte: Die Ehrenpforte f¨ur Kaiser Maximilian I. D¨urer und Altdorfer im Dienst des Herrschers (Kunstwissenschaftl. Stud. 95). M¨unchen/Berlin 2001. – S. F¨ussel: Kaiser M. und die Medien seiner Zeit. Der Theuerdank von 1517. Eine kulturhist. Einf¨uhrung (Die Abenteuer des Ritters Theuerdank 2). K¨oln u. a. 2003. – Jan C¨olln: Theuerdank in Rostock. Ein Fall der hsl. Rezeption des Buchdrucks im 16. Jh. In: PBB 126 (2004) S. 425–433. – Hubertus Schulte Herbr¨uggen: Unterschiedliche Fr¨ommigkeitsformen zwischen MA und Renaissance. Das Gebetbuch Kaiser M.s I. und Thomas More’s Prayer Book. In: Fr¨ommigkeitsformen in MA und Renaissance (Studia humaniora 37). Hg. v. Johannes Laudage. Du¨ sseldorf 2004, S. 361–390. – Helmut Z¨ah: Konrad Peutingers Exemplar des Gebetbuchs Kaiser Maximilians (Biblioteca Apostolica Vaticana, Ottob. lat. 577). In: PBB 126 (2004) S. 293–316. – Ders.: Ein unbekanntes Pap.exemplar des Gebetbuchs Kaiser M.s in der UB M¨unchen. In: Bibl.forum Bayern 32 (2004) S. 150–154. – Magdalena Bushart: Die Randzeichnungen im Gebetbuch Kaiser M.s I. In: Symposium zur Geschichte von Millstatt und K¨arnten 2006. Hg. v. F. Nikolasch. Millstatt 2006, S. 99–114. – Nine Robijntje Miedema: Das ‹Ambraser Heldenbuch› und der ‹Theuerdank›. Ma. Epik und ihre Wiederverwendung am Hof M.s I. In: Building the Past. Konstruktion der eigenen 1102

2. H¨alfte 15. Jh. Vergangenheit (Medieval to early modern culture 7). Hg. v. Rudolf Suntrup/Jan R. Veenstra. Frankfurt/M. u. a. 2006, S. 85–106. – Marianne Pollheimer: ‹Wie der jung weiß kunig die alten gedachtnus insonders lieb het›. Maximilian I., Jakob Mennel und die fr¨uhma. Gesch. der Habsburger in der ‹F¨urstlichen Chron.› In: Texts and Identities in the early Middle Ages (Forsch. zur Gesch. des MA 13). Hg. v. Richard Corradini u. a. Wien 2006, S. 165–176. – Barbara Schmid: Schreiben f¨ur Status und Herrschaft. Dt. Autobiographik in Sp¨atMA und Fr¨uher Neuzeit. Z¨urich 2006, S. 147–181 (zu lat. Autobiogr./‹Weisskunig›/‹Theuerdank›). – Beate Kellner: Genealogische Entw¨urfe am Hof Kaiser M.s I. (am Beispiel v. Jakob Mennels F¨urstlicher Chron.). In: Zs. f¨ur Lit.wiss. und Linguistik 37 (2007) S. 122–150. – Hans Rudolf Velten: Triumphzug und Ehrenpforte im Werk Kaiser M.s I. In: Medialit¨at der Prozession. Performanz ritueller Bewegung in Texten und Bildern der Vormoderne (GRM, Beih. 39). Hg. v. Katja Gvozdeva/H. R. Velten. Heidelberg 2011, S. 247–269. – Zur Publizistik: Peter Diederichs: Kaiser M. I. als politischer Publizist. Jena 1932. – Edeltraut H¨onig: Kaiser M. I. als politischer Publizist. Diss. Graz 1970. – Dieter Wuttke: Sebastian Brant und M. I. Eine Stud. zu Brants Donnerstein-Flugbl. des Jahres 1492. In: Die Humanisten in ihrer politischen und sozialen Umwelt (Mitt. der Kommission f¨ur Humanismusforschung 3). Hg. v. Otto Herding/Robert Stupperich. Boppard 1976, S. 141–176. – Eberhard ¨ Isenmann: Politik und Offentlichkeit im Zeitalter Friedrichs III. und M.s I. In: Europ¨aische Hofkultur im 16. und 17. Jh. Bd. 3 (Wolfenb¨utteler Arbeiten zur Barockforsch. 10). Hg. v. A. Buck. Hamburg 1981, S. 583–587. – Falk Eisermann: ‹Darnach wisset Euch zu richten›. M.s Einblattdruck vom Freiburger Reichstag. In: Der Kaiser in seiner Stadt. M. I. und der Reichstag zu Freiburg 1498 (Zs. des Freiburger Gesch.ver. Schau-ins-Land 117). Hg. v. Hans Schadek. Freiburg i. Br. 1998, S. 198–215. – Ders: Buchdr. und politische Kommunikation. Ein neuer Fund zur fr¨uhen Publizistik M.s I. In: Gutenberg Jb. 2002, S. 76–83. – J.-D. Mu¨ ller: Publizistik unter M. I. Zwischen Buchdruck und m¨undlicher Verk¨undigung. In: Sprachen des Politischen. Medien und Medialit¨at in der Gesch. Hg. v. Ute Frevert/Wolfgang Braungart. G¨ottingen 2004, S. 95–122. – S. F¨ussel: Die Funktionalisierung der T¨urkenfurcht in der Propaganda Kaiser Ms. I. In: Pirckheimer Jb. 2005, S. 9–31. VZ 1103

Bogislaw X., Herzog von Pommern Bogislaw X., Herzog von Pommern, * 29.5. oder 3.6.1454, † 5.10.1523 Stettin. – Unternahm im sp¨aten 15. Jh. eine Pilgerfahrt ins Heilige Land, u¨ ber die mehrere Berichte verfasst wurden. Nach dem Tod seines Vaters Erich II. u¨ bernahm B. 1474 die Regierung im hinterpommerschen Teil des Herzogtums Wolgast; seit 1478 (nach dem Tod Herzog Wratislaw X.) regierte er ganz Pommern. B. ist der Begr¨under des fr¨uhneuzeitlichen pommerschen Territorialstaats. Er erlangte dessen Unabh¨angigkeit von Brandenburg und die Reichsunmittelbarkeit Pommerns sowohl durch Beziehungen zum dt. als auch zum polnischen K¨onigshof sowie durch geschickte Außen- und Heiratspolitik. Den sp¨ateren Reformator von Pommern, Johannes Bugenhagen, beauftragte B. mit der Abfassung der ersten Landesgeschichte, der lat. Pomerania (1518). 1496 folgte B. einem Aufgebot K¨onig Maximilians zu einem R¨omerzug und begab sich zu diesem nach Innsbruck. Dort fasste er den Entschluss zu einer Pilgerfahrt ins Heilige Land. Im Juni 1497 trat er von Venedig aus als «Bruder Georg» die Reise ¨ an, wobei ein t¨urkischer Uberfall auf See das her¨ ausragende Ereignis der Uberfahrt darstellte. Nach Besuch der heiligen St¨atten kehrte er im November nach Venedig zur¨uck. In Rom wurde er von Alexander VI. empfangen und traf im April 1498 wieder in Stettin ein. ¨ Uberliefert sind drei Briefe von der Reise an seine Frau Anna und der Vertrag u¨ ber die Schiffspassage mit dem Patron Alvise Zorzi (Aloysio Giorgio). In den verschiedenen Berichten u¨ ber ¨ die Reise wird die Rolle B.s beim Uberfall der siegreichen T¨urken unterschiedlich bewertet und deren pl¨otzliche Kampfaufgabe entweder als Folge des pers¨onlichen Einsatzes B.s, eines Wunders oder der Verhandlungskunst des Patrons dargestellt. Insgesamt sind drei dt. und vier lat. Berichte u¨ ber B.s Pilgerfahrt verfasst worden. Im Einzelnen sind dies: dt.: 1) das Reisetagebuch des Notars Martin → Dalmar (Dalmer, Dalmert), des Schreibers B.s; 2) der Bericht des Hans → Sch¨urpff aus Luzern, der sich in Venedig der Reisegesellschaft anschloss. Die Aufzeichnungen wurden 1498 u¨ berarbeitet von Peter W¨achter; 3) ein anonymer Bericht (evtl. von Kitzscher [s. u.]), der in Sigmund Feyerabends Reyßbuch abgedruckt wurde. Lat.: 1) die Tragicocomedia des Johannes von Kit(z)scher von 1501, den B. erst auf der R¨uckreise – wie auch den Juristen Petrus von Ravenna – in Dienst nahm und der daher nicht an der Pilger1104

Naker reise teilgenommen hat; 2) der Bericht des Christianus Kahle von 1554; 3) Notizen zur Reise in den Tageb¨uchern des Venezianers Marino Sanudo (1466–1535); 4) die Reisebeschreibung in den Pomeraneidum libri quinque des Greifswalder Professors Johannes Seckerwitz (1582). Das Abh¨angigkeitsverh¨altnis der einzelnen Berichte ist unklar. Selbstst¨andige Sch¨opfungen d¨urften die Aufzeichnungen Dalmars und Sch¨urpffs sein. ¨ Uberlieferung: Vgl. VL2 1 (1978) Sp. 328 und die entsprechenden Ausgaben. Ausgaben: Briefe, Vertrag: Robert Klempin: Diplomatische Beitr. zur Gesch. Pommerns aus der Zeit Bogislafs X. Berlin 1859, S. 539–546. – Martin Dalmar: Beschreibung Herzog Bugslaffen des 10. Peregrination nach dem Heyligen Lande. In welcher, wie in einem Diario, alle des H. B. Acten vnd Reisen von einem orth zuhm andern fleissig verzeichnet sind. Durch Martin Dalmar, Notar, welcher allewege mit dabey gewesen. In: Wilhelm B¨ohmer: Thomas Kanzows Chron. v. Pommern in nd. Mundart. Stettin 1835, S. 300–326. – Hans Sch¨urpff: Jost Vinzenz Ostertag: Hans Sch¨urpfen des Raths zu Lucern, Pilgerfahrt nach Jerusalem 1497. In: Der Gechichtsfreund 8 (1852) S. 182–249. – Anon. dt. Ber.: Sigmund Feyerabend: Reyßbuch deß heyligen Lands. Frankfurt/M. 1584 (VD16 F 902) Bl. 47–49; dass., ebd. 1609 Tl. 1 (VD17 23:232176B) Bl. 87–90. – Johannes Kitzscher: Tragicocomedia de iherosolomitana profectione Jllustrissimi principis pomerani etc. Leipzig (Melchior ¨ 1501 (VD16 K 1099). – Christianus Lotter d.A.) Kahle: Historia de Profectione in Terram sanctam principis Bogislai X. ducis Pomerianiae. Wittenberg 1554. – Marino Sanudo: Julius M¨uller: Venetianische Aktenst¨ucke zur Gesch. v. Herzog Bogislavs X. Reise in den Orient im Jahre 1497. In: Baltische Stud. 29 (1879) S. 167–298. – Johannes Seckerwitz: Pomeraneidum Iohannis Seccervitii libri V. Greifswald 1582. Literatur: Gottfried v. B¨ulow, ADB 3 (1876) S. 48–55. – Roderich Schmitt, NDB 2 (1955) S. 417 f. – Dietrich Huschenbett, VL2 1 (1978) Sp. 927 f. – R. Schmitt, LexMA 2 (1983) Sp. 326–328. – Titus Tobler: Bibliographia geo¨ graphica Palaestinae. Krit. Ubersicht gedr. und ungedr. Beschreibungen der Reisen ins Heilige Land. Leipzig 1867 (Nachdr. Amsterdam 1964. Mansfield [CT] 1998. Charleston [SC] 2009) S. 61 f. – Reinhold R¨ohricht/Heinrich Meisner: Dt. Pilgerreisen nach dem Heiligen Lande. Berlin 1880, 1105

2. H¨alfte 15. Jh. S. 514–517. – Julius v. Bohlen Bohlendorff (Hg.): Hausbuch des Herrn Joachim v. Wedel auf Krempzow Schloß und Blumberg Erbgesessen (Bibl. des Literarischen Ver. in Stuttgart 161). Stuttgart/T¨ubingen 1882. – R. R¨ohricht: Bibliotheca geographica Palaestinae. Chronologisches Verz. der v. 333 bis 1878 verfaßten Lit. u¨ ber das Heilige Land. Berlin 1890. Verb. und verm. Neuausg. mit einem Vorw. v. David H. K. Amiran. Jerusalem 1963 (Nachdr. London 1989) S. 147 (Nr. 453–454). – Gustav Bauch: Dr. Johann v. Kitzscher. In: Neues Arch. f¨ur s¨achsische Gesch. und Altertumskunde 20 (1899) S. 286–321. – R. R¨ohricht: Ders.: Dt. Pilgerreisen nach dem Heiligen Lande. Neue Ausg. Innsbruck 1900 (Neudr. Aalen 1967) S. 191–195. – Hermann Freytag: Preußische Jerusalempilger vom 14. bis 16. Jh. In: Arch. f¨ur Kulturgeschich. 3 (1905) S. 129–154. – Wolfgang Stammler: Von der Mystik zum Barock. 1400–1600 (Epochen der dt. Lit. 2,1). Stuttgart 1927. 21950, S. 168. – Hans-Joachim Lepszy: Die Reiseberichte des MA und der Reformationszeit. Diss. Hamburg 1952, S. 90, 94 f. – Cordula Nolte: Erlebnis und Erinnerung. F¨urstliche Pilgerfahrten nach Jerusalem. In: Fremdheit und Reisen im MA. Hg. v. Irene Erfen/Karl-Heinz Spiess. Stuttgart 1997, S. 65–92, hier S. 80 f. – KarlOtto Konow: B.-Stud. Beitr. zur Gesch. Herzog B.s X. v. Pommern um die Wende vom 15. zum 16. Jh. (Schr. der Herder-Bibl. Siegerland 36). Siegen 2003. – Carola Fey: Wallfahrtserinnerungen an ma. F¨urstenh¨ofen in Bild und Kult. In: Ma. F¨urstenh¨ofe und ihre Erinnerungskulturen (Formen der Erinnerung 327). Hg. v. ders. u. a. G¨ottingen 2007, S. 141–167, hier S. 158 f. – Jyri Hasecker: Die Johanniter und die Wallfahrt nach Jerusalem (1480–1522) (Nova Mediaevalia 5). G¨ottingen 2008, bes. S. 63–65 und Reg. (S. 312). – Stefan Schr¨oder: Zwischen Christentum und Islam. Kulturelle Grenzen in den sp¨atma. Pilgerberichten des Felix Fabri (Orbis mediaevalis 11). Berlin 2009, S. 105, 132–134, 153–155, 238, 294, 316. VZ Naker, Liborius, * um 1440 Dommitsch/Sachsen, † nach 1501. N. studierte seit 1457 in Leipzig; 1469 wurde er Schreiber des Hochmeisterstatthalters des Dt. Ordens Heinrich Reuß von Plauen. Ende der 1470er Jahre stand er im Dienst der Stadt Thorn, seit 1480 wieder in Diensten des Dt. Ordens und begleitete 1497 als oberster Sekret¨ar den Hochmeister Hans von Tiefen auf seinem Feldzug gegen die T¨urken. 1106

2. H¨alfte 15. Jh. N. berichtete dar¨uber in einem nicht betitelten Tagebuch, das einen offiziellen Auftrag erf¨ullen sollte. Die erste Fassung war zur H¨alfte in lat. Sprache geschrieben; die zweite, eigenh¨andige Fassung liegt, mit Ausnahme der lat. Briefe, in dt. Sprache vor. N. legte u¨ ber die Verhandlungen zur Hochmeisterwahl zwischen Herzog Albrecht von Sachsen und dem Orden 1498 umfangreichere Aufzeichnungen in dt. Sprache an. Von einer 1498 begonnenen Ordensgeschichte zur Unterrichtung des neuen Meisters liegen nur Widmung und Anfang vor. ¨ Uberlieferung: a) Berlin, Geheimes Staatsarch. Preußischer Kulturbesitz (ehem. K¨onigsberg, Hist. Staatsarch.), OBA 17998 (Konzept [teils lat., teils dt.] und Original [dt.]). – b) Ebd., OBA 18080. – c) Ebd., OBA 18079. Ausgabe: Tagebuch: Max Toeppen, in: Scriptores rerum Prussicarum. Die Geschichtsquellen der preußischen Vorzeit bis zum Untergange der Ordensherrschaft. Hg. v. Theodor Hirsch u. a. Bd. 5. Leipzig 1874 (Nachdr. Frankfurt/M. 1965) S. 290–314. Literatur: Udo Arnold, VL2 6 (1987) Sp. 855 f. – Robert Toeppen: Zwei Briefe von L. N. und Lucas David. In: Altpreußische Monatsschr. 21 (1884) S. 512 f. – Thorner Denkw¨urdigkeiten von 1345–1547. Thorn 1904, S. 126. – Christain Krollmann: L. N. In: Altpreuß. Biograp. 2 (1967) S. 454 f. (mit Lit.). – Matthas Thumser: Private Briefkonzepte aus dem Nachlaß des Deutschordenssekret¨ars L. N. († 1502/03). In: Arch. f¨ur Diplomatik 43 (1997) S. 413–454. – Ders.: Schriftlichkeit in der Sp¨atzeit der preußischen Deutschordensherrschaft. Kanzleit¨atigkeit und Aufzeichnungen des hochmeisterlichen Sekret¨ars L. N. (1502/1503). In: Schriftkultur und Landesgesch. Stud. zum su¨ dlichen Ostseeraum vom 12. bis zum 16. Jahrhundert. Hg. v. dems. (Mitteldt. Forschungen 115). K¨oln u. a. 1997, S. 155–218. BJ Hug, Johannes (Hugo, Hugonis), * um 1450/60 Schlettstadt, † nach 1504. – Jurist, Theologe, Verfasser einer Schrift zum p¨apstlichen Primat. H. besuchte die Lateinschule in Schlettstadt, wo er von Ludwig Dringenberg unterrichtet wurde. Seit 1470 studierte H. in Erfurt Jura und Theologie und war sp¨atestens seit 1498 Pfarrer und Vikar an der Stephanskirche in Straßburg. H. schrieb 1498 das kirchenrechtliche Kompendium Quadruvium Ecclesiae, das er allerdings erst 1107

Hug 1504 publizierte. Der Text wurde zun¨achst in lat. Sprache gedruckt, w¨ahrend die wohl von H. selbst stammende dt. Fassung einen Monat sp¨ater erschien. Zwischen den zwei mit Holzschnitten illustrierten Fassungen bestehen keine nennenswerten Unterschiede. Die dt. Fassung gilt in ihrer Formulierung als etwas st¨arker zugespitzt. H.s Schrift wendet sich gegen ein von ihm konstatiertes Schwinden geistlicher Autorit¨at. Entsprechend konstruiert H. f¨ur die christliche Welt eine klare Hierarchie, die von vier Instanzen dominiert wird: Papst, Bisch¨ofe, Pfarrer und Kaiser. H. beschreibt im Quadruvium Ecclesiae die Rechte und Pflichten dieser Instanzen und ihrer jeweiligen Untertanen. Dem Papst weist H. dabei die h¨ochste Autorit¨at zu, auch u¨ ber den Kaiser, was H. u. a. mit der Konstantinischen Schenkung begr¨undet. Dem Kaiser gesteht H. nur die weltliche Vorherrschaft zu. Diese begr¨undet H. im Sinne der «translatio imperii»; das r¨omische Reich ist f¨ur ihn fest in der dt. Nation verankert. Neben rechtlichen Er¨orterungen enth¨alt der Text auch Widmungen an den Kardinal Raimund Peraudi, den Mainzer Erzbischof Berthold von Henneberg und K¨onig (sp¨ater Kaiser) Maximilian I. Als Anhang hat H. eine «protestatio» hinzugef¨ugt, in der er eventuell h¨aretische Aussagen im vorauseilenden Gehorsam widerruft. Als Quellen und Autorit¨aten benutzt das Quadruvium Ecclesiae prim¨ar die Bibel, das kanonische und das r¨omische Recht sowie Heinrich von Segusio und → Lupold von Bebenburg. Eine gr¨oßere Rezeption von H.s Werk ist heute nicht mehr nachweisbar. In der a¨ lteren Forschung galt H. verschiedentlich auch als Herausgeber von Michael Keinspecks Lilium musicae planae, was heute jedoch als widerlegt gilt. Drucke: Quadrivium Ecclesiae, Quatuor prelatorum officium quibus omnis status tum Secularis tum vero Ecclesiasticus subiicitur. Straßburg: Johann Gr¨uninger, 1504 (VD16 H 5804 f.). – Der heiligen Kirchen und des R¨omischen Reichs Wagen fur. Straßburg: Johann Gr¨uninger, 1504 (VD16 H 5806). Ausgaben: F¨ur vollst. Online-Ausg. der Straßburger Drucke s. VD16. – Teildr. der dt. Fassung bei Graf 2004 (s. Lit.) S. 185 f. Literatur: Jakob Frank, ADB 13 (1881) S. 328 f. – Ulrich Muhlack, NDB 10 (1974) S. 27. – Franz Josef Worstbrock, VL2 11 (2004) 1108

Nauclerus Sp. 694–698. – Klaus H. Lauterbach: Geschichtsverst¨andnis, Zeitdidaxe und Reformgedanke an der Wende zum 16. Jh. Das oberrheinische ‹Buchli der hundert Capiteln› im Kontext des sp¨atma. Reformbiblizismus. Freiburg i. Br. u. a. 1985, S. 31 f., 38 f., 71 f. u. o¨ . – Hubert Meyer: J. Hugonis. In: Nouveau dictionnaire de biographie alsacienne 18. Hg. v. Jean-Pierre Kintz. Straßburg 1991, S. 1699 f. – Klaus Graf: Der Straßburger Gelehrte J. H. und sein vergessenes Werk ‹Quadruvium ecclesiae› (Straßburg: Johann Gru¨ ninger 1504). In: Humanisten am Oberrhein. Neue Gelehrte im Dienst alter Herren. Hg. v. Sven Lembke/Markus Mu¨ ller. Leinfelden-Echterdingen 2004, S. 175–187 (hier auch a¨ltere Lit.). – Oliver Duntze: Ein Verleger sucht sein Publikum. Die Straßburger Offizin des Matthias Hupfuff (1497/98–1520). Mu¨ nchen 2007, S. 170. MM Nauclerus, Johannes (eig. Verge, Vergenhans), * um 1425, † 5.1.1510 T¨ubingen. – Jurist, Historiker. N. war der Sohn eines zum Ritter aufgestiegenen Dienstmanns. 1450–59 erzog er als Hofmeister den w¨urttembergischen Grafen und sp¨ateren Herzog Eberhard V. im Bart. Danach ging N. nach Italien, wo er als Gesandter des Hirsauer Abts 1459 am Kongress von Mantua teilnahm. 1461–64 war er Pfarrer in Weil der Stadt und wurde daneben um 1462 zum Dr. beider Rechte promoviert. 1464/65 lehrte er als a. o. Prof. Kirchenrecht an der Univ. Basel. 1466–72 hatte N. eine Propstei in Stuttgart inne, w¨ahrend er gleichzeitig diplomatische Missionen unternahm: 1466 nach Rom und 1467 zu Karl dem K¨uhnen nach P´eronne. 1472 u¨ bernahm N. eine Chorherrenpfr¨unde in Sindelfingen, 1476 die Pfarrei Brackenheim und 1477 eine weitere Chorherrenpfr¨unde in T¨ubingen, wo er 1482 auch Stiftspropst wurde. Tats¨achlich war T¨ubingen damals N.s wichtigste Wirkungsst¨atte. Er spielte eine maßgebliche Rolle bei der Gr¨undung der dortigen Universit¨at, deren Gr¨undungserlass und Verfassung er aufsetzte. N. war außerdem 1477/78 Gr¨undungsrektor und 1482–1509 Kanzler der Universit¨at, an der er auch lehrte. Zu N.s Verdiensten um die Universit¨at z¨ahlt etwa seine Rekrutierung bekannter Humanisten wie Johannes Reuchlin und Heinrich Bebel. Daneben blieb N. ein wichtiger Berater Eberhards V. und 1109

2. H¨alfte 15. Jh. reiste mit diesem 1482 nach Rom, 1488 zum Mainzer Reichstag und 1495 zur Erhebung W¨urttembergs zum Herzogtum nach Worms. Nach Eberhards Tod 1496 verlor N. seinen Einfluss bei Hofe. Um 1500–1502 war er Richter des Schw¨abischen Bunds. Nach dem Ende seiner Beratert¨atigkeit am w¨urttembergischen Hof begann N. um 1498 eine lat. Weltchronik, die von der Genesis bis 1501 reicht. Unter dem Titel Memorabilium omnis aetatis et omnium gentium chronici commentarii wurde das Werk aber erst 1516 von dem Hirsauer Benediktiner Nikolaus Basellius in Druck gegeben und erlebte bis 1675 mehrere Fortsetzungen und Neuauflagen. Obwohl durchaus noch der mittelalterlichen Historiographie verhaftet, wird das Werk heute als innovativ eingesch¨atzt. N.s Chronik wertet die traditionellen Gliederungen der Weltgeschichte (Weltreiche, Weltzeitalter) ab und teilt den behandelten Zeitraum vielmehr in Generationen ein: 63 Generationen von der Genesis bis Christus sowie weitere 51 Generationen bis in N.s Gegenwart. Auch war der quellenkritische Ansatz des Autors f¨ur seine Zeit bemerkenswert und nahm die moderne Einteilung in Quellen und Literatur vorweg. Als weiteres Werk N.s sei hier ein 1500 gedruckter lat. Traktat u¨ ber die Simonie erw¨ahnt, der juristische Meinungen zum Thema seit dem 13. Jh. kompiliert. Drucke: De simonia. [T¨ubingen: Johann Otmar], 1500 (GW-Nr. M25879; Online-Ausg. HAB Wolfenb¨uttel [o. J.]). – Memorabilivm Omnis Aetatis Et Omnivm Gentivm Chronici Commentarii [...]. 2 Bde. T¨ubingen: Thomas Anshelm, 1516 (VD16-Nr. N 167; Online-Ausg. BSB Mu¨ nchen [o. J.]). – Sp¨atere Drucke s. VD16. Ausgabe: Eine krit. Ausg. fehlt. Literatur: ADB 23 (1886) S. 296–298. – Achim Kr¨ummel, BBKL 6 (1993) Sp. 500–502. – De Boor/ Newald 4/1 (21994) S. 663 u. o¨ . – Hubertus Seibert, NDB 18 (1997) S. 760 f. – Heinz Sch¨utte, LThK3 7 (1998) Sp. 702 f. – Oliver Auge, RGG4 6 (2003) Sp. 155 f. – Joachim Erich: J. N. und seine Chronica. Ein Beitr. zur Kenntnis der Historiographie der Humanistenzeit. G¨ottingen 1874. – Paul Joachimsen: Geschichtsauffassung und Geschichtsschreibung in Deutschland unter dem Einfluß des Humanismus. Leipzig 1910 (Nachdr. Aalen 1968) S. 91–104. – Hermann Haering: J. Vergenhans gen. N. In: Schw¨abische Lebensbilder 5. Hg. v. Hermann Haering u. a. Stuttgart 1950, S. 1–25. – Werner Goez: Translatio Imperii. Ein Beitr. zur Gesch. 1110

2. H¨alfte 15. Jh. des Geschichtsdenkens und der politischen Theorien im MA und in der fr¨uhen Neuzeit. T¨ubingen 1958, S. 249–254. – Ders.: Die Anf¨ange der hist. Methoden-Reflexion im italienischen Humanismus. In: Gesch. in der Gegenwart. FS Kurt Kluxen. Hg. v. Ernst Heinen/Julius H. Schoeps. Paderborn 1972, S. 3–22 (wieder in: AfK 56, 1974, S. 25–48). – Werner K¨ogl: Stud. zur Reichsgeschichtsschreibung dt. Humanisten. Diss. Wien 1972, S. 100–133. – Karl Konrad Finke: Die T¨ubinger Juristenfakult¨at 1477–1534. Rechtslehrer und Rechtsunterricht von der Gr¨undung der Univ. bis zur Einf¨uhrung der Reformation. T¨ubingen 1972, S. 81–95 u. o. ¨ – Gerhard Theuerkauf: Soziale Bedingungen humanistischer Weltchron. Systemtheoretische Skizzen zur Chron. N. In: Landesgesch. und Geistesgesch. FS Otto Herding. Hg. v. Kaspar Elm. Stuttgart 1977, S. 317–340. – Ulrich Muhlack: Geschichtswiss. im Humanismus und in der Aufkl¨arung. Die Vorgesch. des Historismus. M¨unchen 1991, S. 104–108 u. o¨ . – Oliver Auge: Stiftsbiographien. Die Kleriker des Stuttgarter Heilig-Kreuz-Stifts (1250–1552). LeinfeldenEchterdingen 2002, S. 419–440. MM Fries, Hans, * um 1460 Freiburg/Schweiz, † 1518 Freiburg/Schweiz. – Stadtrat, Chronist. F. war der Sohn eines Tuchmachers und Vetter des gleichnamigen Malers. Als wohlhabender B¨urger u¨ bte F. in Freiburg verschiedene politische Ehren¨amter aus. Er war 1482–87 Mitglied des Rats der 200, 1487–97 und 1508 des Rats der 60 und 1498–1505 sowie 1507–18 des Kleinen Rats. Daneben scheint er sich als Chronist bet¨atigt zu haben: Peter Fruyo, Ratsherr in Freiburg und profilierter Sammler alter Chroniken, schrieb F. 1556 eine dt. Chronik zu. Das in zwei Handschriften erhaltene Werk beginnt 1339, behandelt aber vor allem die Zeit der Burgunderkriege bis 1482. Die Chronik wird von einem Nachtrag zum Schwabenkrieg (1499) beschlossen. Als Quellen benutzte F. neben dem Archiv der Stadt Freiburg und m¨undlichen Schilderungen auch Werke von Konrad → Justinger, Nicod du Chastel und Johann Greierz. Obwohl heute ihre inhaltliche Eigenst¨andigkeit gew¨urdigt wird, erfuhr F.s Chronik keine Rezeption durch sp¨atere Chronisten. ¨ Uberlieferung: Freiburg/Schweiz, Bisch¨ofliches Arch., Hs. 9 rayon 2, 39v–61r (Pap., Anfang 16. Jh.). – Freiburg/Schweiz, Kantons– und UB, 1111

Fries Ms. L 1152 (fr¨uher Privatbesitz Diesbach, Uebewil), S. 282–313 (um 1588–92). – Zwei weitere Hss. sind verschollen (vgl. B¨uchi 1901 in Ausg.). Ausgabe: Chron. v. H. F. Hg. v. Albert B¨uchi. In: Die Berner Chron. des Diebold Schilling 1468–1484 II. Hg. v. Gustav Tobler. Bern 1901, S. 391–441. Literatur: Klaus Klein, VL2 2 (1980) Sp. 968 f. – A. B¨uchi: Die Chron. und Chronisten von Freiburg im Uechtland. In: Jb. f¨ur Schweizer. Gesch. 30 (1905) S. 197–325. – Jean-Pierre Bodmer: Chron. und Chronisten im Sp¨atMA. Bern 1976. – Richard Feller und Edgar Bonjour: Geschichtsschreibung der Schweiz vom Sp¨atMA zur Neuzeit. Basel 2 1979, S. 95 f. MM Feer, Ludwig, * vor 1462 Luzern, † 6.9.1503 Luzern. – Theologe, Chronist. F. stammte aus einer Luzerner Patrizierfamilie und war der Sohn eines Schultheissen. 1462 ist er als Anw¨arter auf eine Chorherrenpfr¨unde in Berom¨unster nachgewiesen. 1472 zog F. sich von seinem Kanonikat zur¨uck und besuchte m¨oglicherweise die Klosterschule in St. Gallen. 1480–83 hatte er die Pfarrei Ettisweil inne, scheint dort aber selten anwesend gewesen zu sein. So studierte F. seit 1481 in Paris, wo er 1483 zum Dr. phil. promoviert wurde. Er war 1486 und 1490–92 Mitglied des Neunergerichts, 1487–89 Schlossvogt in Wikon, 1489–91 Vogtkinderrechner, 1491–93 Stadtrechner und geh¨orte 1492/93 dem Großen Rat an. 1493 folgte er Melchior → Russ als Luzerner Stadtschreiber. F. hinterließ das unvollendete Fragment einer dt. Chronik, die als Autograph in einer Luzerner Handschrift erhalten ist. Der 1499 entstandene Text ist heute als Ettliche chronickw¨urdige sachen bekannt. Diesen Titel erhielt das Werk aber erst nachtr¨aglich von dem Stadtschreiber Renward Cysat. Zeitlich deckt F.s Werk die Jahre 1462 sowie 1490 bis 1499 ab. Die Darstellung konzentriert sich auf Luzerner Kriegsz¨uge und darunter besonders auf die Zeit des Schwabenkriegs (1499). Von historischem Interesse sind F.s Listen der Luzerner Kriegsteilnehmer. ¨ Uberlieferung: Luzern, ZB, B¨urgerbibl. Ms. 126 fol. (Autograph). Ausgabe: Ettliche Chronickw¨urdige sachen durch Ludwig Feeren der Zytt Stattschrybern zu Lucern beschriben, Anno 1499. Hg. v. Jost 1112

Schradin V. Ostertag. In: Der Geschichtsfreund 2 (1845) S. 130–148. Literatur: Anton G¨ossi, VL2 (1980) Sp. 713 f. – Eduard Albert Feer: Die Familie F. in Luzern und im Aargau. Bd. 1. Berlin 1934, S. 64 f.; Bd. 2, Aarau 1964, S. 250–254. – Josef Kurmann: Die politische F¨uhrungsschicht in Luzern 1450–1500. Luzern 1976, S. 255 u. o¨ . – Richard Feller/Edgar Bonjour: Geschichtsschreibung der Schweiz vom Sp¨atMA zur Neuzeit. Basel 21979, S. 117. – Andre Gutmann: Die Schwabenkriegschronik des Kaspar Frey und ihre Stellung in der eidgen¨ossischen Historiographie des 16. Jh. Bd. 1. Stuttgart 2010, S. 222 f. u. o¨ . MM Schradin, Nikolaus, Allensbach am Bodensee, † zwischen 1506 und 1518 oder nach 1531 (?) Luzern. – Verfasser einer Reimchronik u¨ ber den Schwabenkrieg. S. war von 1491 bis April 1500 Schreiber im Dienst des Abts von St. Gallen und seit 1499 auch Notar. Vom April/Mai 1500 bis 1506 ist er als Schreiber in Luzern belegt, wo er das B¨urgerrecht erwarb. Eine Bezeugung S.s als Gastwirt 1531 ist unsicher. Wohl zwischen Oktober und Dezember 1499 verfasste er seine Chronik u¨ ber den Schwabenkrieg mit knapp 1929 Versen (mit einigen inserierten Prosast¨ucken), die im Herbst 1500 oder ¨ Anfang 1501 (s. Uberl.) in den Druck gelangte und als erstes in der Schweiz gedrucktes historiographisches Werk gilt. In der Vorrede widmet S. die Chronik den zehn Orten der Eidgenossenschaft. Mit zahlreichen Illustrationen steht sein Werk in der Tradition der Schweizer Bilderchroniken, deren Charakteristika in das Medium Buchdruck u¨ berf¨uhrt werden. Gleichzeitig – als gegenwartsbezogene historische Schrift – ist sie Werken wie der Burgundischen Historie Hans Erhard T¨uschs, der Histori des beleegs van Nuis Christian Wierstraats, der Schwabenkrieg-Chronik des Hans → Lenz oder der Schwabenkrieg-Flugschrift von Heinz von Bechwinden und Johann → Kurtz vergleichbar. Am Anfang des Textes stehen eine Zeitklage, die den Schwabenkrieg als Gottesstrafe deutet, und eine eidgen¨ossische Gr¨undungslegende, die eine schwedische Abkunft der Schweizer konstatiert (nach dem «Herkommen der Schwyzer und Oberhasler»). F¨ur die folgenden chronikalischen Schilderungen st¨utzt sich S. auf H¨orensagen, wertet Kenntnisse aus der Kanzleit¨atigkeit aus, nicht nur 1113

2. H¨alfte 15. Jh. zum Kriegsgeschehen selbst, sondern auch u¨ ber diplomatische Verhandlungen. Teilweise st¨utzt er sich auch auf die Chronik des St. Gallers Kaspar Frey. Abschließend kommentiert S. die Basler Stadtpolitik w¨ahrend des Krieges, verurteilt Konstanz f¨ur dessen Allianz mit Maximilian und lobt die kriegst¨uchtigen und gottesf¨urchtigen Eidgenossen. Eigenen Quellenwert besitzt die Chronik zwar nicht, doch ist sie Zeugnis des eidgen¨ossischen Geschichts- und Selbstbewusstsein. Der Luzerner Gerichtsschreiber Petermann → Etterlin hat S.s Werk in seine Kronica von der loblichen Eydtgenossenschaft f¨ur die Darstellung des Schwabenkriegs ausgewertet. Die aggressive proeidgen¨ossische Tendenz der Chronik blieb nicht ohne Widerspruch bei den oberrheinischen und schw¨abischen Humanisten: Jakob Wimpfeling und Heinrich Bebel polemisierten gegen sie. Dem Wolfenb¨uttler Druckexemplar der Chronik liegt eine Flugschrift auf zwei mit derselben Type wie das Buch gedruckten Bl¨attern bei, die gegen Berthold, Erzbischof und Kurf¨urst von Mainz sowie Erzkanzler des Reiches gerichtet ist. Dieser wird bezichtigt, den Schwabenkrieg aus pers¨onlichen Motiven angestiftet zu haben. Eine Verfasserschaft S.s. ist zumindest nicht auszuschließen. ¨ Uberlieferung: Drucke: Cronigk diß kiergs [sic!] gegen dem allerdurchl¨uchtigisten hernn Romschen konig: Sursee (Aargau), 14.1.1500 [?] (wohl eher 1.9.1500 oder 12.1.1501), 56 Bll. mit 42 zum Teil wiederholten Holzschnitten (GW M40897); da S. sich im Prolog schon als Schreiber in Luzern bezeichnet, ist die bisherige Datierung (14.1.1500) nicht aufrechtzuerhalten. Vgl. zu den neuen Datierungsvorschl¨agen GW und Gutmann (s. Lit.) S. 44–53. – Der bischoff von mentz genant Bechtold: Ebd., Ende 1499 (GW M4089610); in: Wolfenb¨uttel, HAB: 37.4 Poet [1]. – Hss.: St. Gallen, Kantonsbibl., VadSlg Ms. 214, 36r–78v (Ende 16. Jh. [1581?]; Auz¨uge). – Z¨urich, ZB, Cod. B 64 (erstes Viertel 16. Jh.; Ausz¨uge, vermischt mit Exzerpten aus Etterlins Chronik). – Ebd., Cod. U 20, Nr. 1 (Druckabschr.); Nr. 2 (Abschr. v. VadSlg Ms. 214); Abschr. v. Johann Martin Usteri (1763–1827). Ausgaben: Der Schwabenkrieg vom Jahre 1499, besungen in teutschen Reimen durch N. S., Schreiber zu Lucern. In: Der Geschichtsfreund. Mitt. des Hist. Ver. Zentralschweiz 4 (1847) S. 3–66. – Faks.: Ernst Weil: S., Stadtschreiber v. Luzern, Schweizer Chronik. M¨unchen 1927. Literatur: Georg v. Wyß, ADB 32 (1891) S. 440. – Frieder Schanze, VL2 8 (1992) 1114

2. H¨alfte 15. Jh. Sp. 841–844. – Regula Schmid, Encyclopedia of the Medieval Chronicle 2 (2010) S. 1343. – Andre Gutmann, HLS (online) www.hls-dhsdss.ch/textes/d/D14489. – August Bernoulli: Etterlins Chron. der Eidgenossenschaft, nach ihren Quellen untersucht. In: Jb. f¨ur Schweizerische Gesch. 1 (1876) S. 47–175, hier S. 162–165. – Wilhelm Joseph Meyer: Die erste illustrierte Schweizer Reimchron. In: Bll. f¨ur Bernische Gesch., Kunst und Altertum 16 (1920) S. 227–234. – Hans Kaufmann: Der Bischof von Mainz: Nachweis eines zweiten Inkunabeldruckes von Sursee? In: Der Geschichtsfreund. Mitt. des Hist. Ver. Zentralschweiz 120 (1967) S. 47–50. – Jean-Pierre Bodmer: Chron. und Chronisten im Sp¨atMA (Monographien zur Schweizer Gesch. 10). Bern 1976, S. 55–57. – Guy Paul Marchal: Die frommen Schweden in Schwyz. Das ‹Herkommen der Schwyzer und Oberhasler› als Quelle zum schwyzerischen Selbstverst¨andnis im 15. und 16. Jh. Basel 1976 (allg. zur Gr¨undungslegende). – Leo Zehnder: Volkskundliches in der a¨lteren Schweizer Chronistik (Schr. der Schweizerischen Ges. f¨ur Volkskunde 60). Basel 1976, S. 38* f. Anm. 124. – Richard Feller/Edgar Bonjour: Geschichtsschreibung der Schweiz vom Sp¨atMA zur Neuzeit. Basel/Stuttgart 21979, S. 115 f. – Bernhard Stettler (Hg.): Aegidius Tschudi. Chronicon Helveticum. Bd 3 (Quellen zur Schweizer Gesch. N F 1,7/3). Basel 1980, S. 76*–78*. – Dieter Mertens: Fr¨uher Buchdruck und Historiographie. In: Stud. zum st¨adtischen Bildungswesen des sp¨aten MA (Abh. der Akad. der Wiss. in G¨ottingen. Philol.Hist. Kl. 3, 137). Hg. v. Bernd Moeller u. a. G¨ottingen 1983, S. 83–111, hier S. 101. – Frank Hieronymus: Oberrheinische Buchillustration. Bd. 2: Basler Buchillustration 1500–1545 (Publ. der UB Basel 5). Basel 1984, S. 9 f. (Nr. 13). – G. P. Marchal: Die Antwort der Bauern. Elemente und Schichtungen des schweizerischen Gesch.bewußtseins am Ausgang des MA. In: Geschichtsschreibung und Gesch.bewußtsein im sp¨aten MA (Vortr¨age und Forsch. Konstanzer Arbeitskreis f¨ur Ma. Gesch. 31). Hg. v. Hans Patze. Sigmaringen 1987, S. 757–790, hier S. 771 f., 787 f. – Peter Johanek: Historiographie und Buchdruck im ausgehenden 15. Jh. In: Historiographie am Oberrhein im sp¨aten MA und in der fr¨uhen Neuzeit (Oberrheinische Stud. 7). Hg. v. Kurt Andermann. Sigmaringen 1988, S. 89–120, hier S. 108 f., 110. – Konrad Wanner: Schreiber, Chronisten und Fr¨uhhumanisten in der Luzerner Stadtkanzlei des 15. Jh. In: Jb. der Hist. 1115

Schurpff ¨ Ges. Luzern 18 (2000) S. 2–44, hier: S. 41 f. – Thomas Maissen: Weswegen die Eidgenossen Helvetier wurden. Die humanistische Definition einer ‹natio›. In: Diffusion des Humanismus. Stud. zur nationalen Geschichtsschreibung europ¨aischer Humanisten. Hg. v. Johannes Helmrath u. a. G¨ottingen 2002, S. 186–250, hier S. 215–218, 222. – Repertorium fontium historiae medii aevi 10,3 (2005) S. 316. – Matthias Oberli: Schlachtenbilder und Bilderschlachten. Kriegsillustrationen in den ersten gedruckten Chroniken der Schweiz. In: Kunst und Architektur in der Schweiz 57 (2006) S. 45–53. – A. Gutmann: Die Schwabenkriegschron. des Kaspar Frey und ihre Stellung in der eidgen¨ossischen Historiographie des 16. Jh. 2 Bde. (Ver¨off. der Kommission f¨ur geschichtl. Landeskunde in Baden-W¨urttemberg. B,176.). Stuttgart 2010, S. 44–58. VZ Schurpff, ¨ Hans, * um 1444. – Autor eines Pilgerberichts. S. ist urkundlich von 1460 bis 1500 belegt. Er stammte aus Willisau/Kt. Luzern und wurde 1462 B¨urger von Luzern. Er war Vogt verschiedener Orte der Innerschweiz; 1464 wurde er Mitglied des Großen, 1477 des Kleinen Rats in Luzern. An den Burgunderkriegen (1475/76) und am Schwabenkrieg nahm er als Hauptmann teil. S. begann am 1.4.1497 mit seinem Ratskollegen Hans von Meggen und dem Schwyzer Landesf¨ahnrich Hans Wagner eine Pilgerreise nach Jerusalem. Als das Pilgerschiff vor der griechischen K¨uste von t¨urkischen Patrouillenbooten angegriffen wurde, kam es zu einem Gefecht, bei dem Hans von Meggen ums Leben kam. S. kehrte als Ritter vom Hl. Grab am 19.1.1498 zur¨uck. Nach seinen Aufzeichnungen schrieb Peter W¨achter, Leutpriester in Tobelschwand, den Reisebericht nieder. ¨ Uberlieferung: Luzern, ZB, Abt. B¨urgerbibl., Ms. 110/4°, 1r–95v (Pap., 1498). Ausgaben: Jost Vinzenz Ostertag (Hg.): Hans Sch¨urpfen des Raths zu Lucern Pilgerfahrt nach Jerusalem 1497. In: Der Geschichtsfreund. Mitt. des Hist. Vereins der f¨unf Orte 8 (1852) S. 182–249. – Josef Schmid (Hg.): Luzerner und Innerschweizer Pilgerreisen zum Heiligen Grab in Jerusalem vom 15. bis 17. Jh. (Quellen und Forschgen zur Kulturgesch. von Luzern und der Innerschweiz 2). Luzern 1957, S. 3–34. Literatur: W. G¨unther Ganser, VL2 8 (1992) 880 f. – Reinhold R¨ohricht/Heinrich Meisner: 1116

Etterlin Dt. Pilgerreisen nach dem Heiligen Lande. Berlin 1880, S. 515, 517, 528. – Anna v. Liebenau: H. S., der Streiter von Yverdon und Pilger zum hl. Grabe. In: Dies.: Charakterbilder aus Luzern’s Vergangenheit [I]. Luzern 1884, S. 159–254. – Schmid (s. Ausg.) S. XIV–XXIII, LXXVIII. – R. R¨ohricht: Bibliotheca geographica Palaestinae. Chronologisches Verz. der v. 333 bis 1878 verfaßten Lit. u¨ ber das Heilige Land. Berlin 1890. Verb. und verm. Neuausg. mit einem Vorw. v. David H. K. Amiran. Jerusalem 1963 (Nachdr. London 1989) S. 147 Nr. 455. – Ursula Ganz-Bl¨attler: Andacht und Abenteuer. Ber. europ¨aischer Jerusalemund Santiago-Pilger (1320–1520) (Jakobus-Stud. 4). T¨ubingen 1990, S. 87 f., 399. – Arnold Esch: Anschauung und Begriff. Die Bew¨altigung fremder Wirklichkeit durch den Vergleich in Reiseber. des Sp¨aten MA. In: Hist. Zs. 253 (1991) S. 281–312. – Europ¨aische Reiseberichte des sp¨aten MA. Hg. v. Werner Paravicini. Tl. 1: Dt. Reiseberichte. Bearb. v. Christian Halm (Kieler Werkst¨ucke, Reihe D, Bd. 5). 2., durchges. und um einen Nachtr. erg. Aufl. Frankfurt/M. u. a. 2001, Nr. 113, S. 286 f. BJ

Etterlin, Petermann, * zwischen 1430 und 1440 Luzern, † Anfang 1509 Luzern. – Gerichtsschreiber, Verfasser der ersten gedruckten Chronik der Schweiz. E. war der Sohn des Stadtschreibers und Rats Egloff E. Seit 1464 zun¨achst Abschreiber in seiner Heimatstadt, verdingte sich E. seit 1468 als S¨oldner im Heer der Eidgenossen. Daneben war er um 1469 als Weinh¨andler t¨atig. 1475 vor¨ubergehend der Stadt verwiesen, nahm E. u. a. am Burgunderkrieg teil. Nach seiner R¨uckkehr nach Luzern 1477 wurde er Kanzleischreiber, 1492 Hilfsschreiber, 1493 Brotschauer und 1495 Gerichtsschreiber. Als Vertreter der franz¨osischen Partei in Luzern nahm er auch diplomatische Missionen wahr. E. z¨ahlte zu den Unterst¨utzern Ludwig Seilers (1440–1499), der als Schultheiß die damalige Luzerner Stadtpolitik pr¨agte. Wohl auf Anregung aus dem Umfeld des Luzerner Rats schrieb E. 1505 bis 1507 eine dt. Kronica von der loblichen Eydtgnoschaft Jr harkommen vnd sust seltzam strittenn vnd geschichten. Als Herausgeber fungierte ein Freund E.s, der Basler Amtmann und Jurist Rudolf Huseneck. Er redigierte und 1117

2. H¨alfte 15. Jh. korrigierte die Kronica auf Bitten E.s. Freilich ist der Umfang von Husenecks Eingriffen heute nicht mehr absch¨atzbar, da die Originalhandschrift fehlt. Die Kronica umfasst den Zeitraum von der legend¨aren Gr¨undung des Klosters Einsiedeln (861) bis zur sog. Bahrprobe von Ettiswil (1503). Ausf¨uhrlich schildert sie besonders kriegerische Auseinandersetzungen, die E. aus eigener S¨oldnererfahrung kannte, darunter die Waldshuter Belagerung von 1468 und den Breisacher Handel von 1474. Auch die Luzerner Geschichte spielt im Werk eine wichtige Rolle, was angesichts der Anregung der Chronik aus dem dortigen Rat nicht verwundert. Die politischen Ereignisse in Luzern zur Zeit von E.s eigenem Wirken sind jedoch zur¨uckhaltend geschildert, wahrscheinlich aus diplomatischer R¨ucksichtnahme. Jenseits von E.s Augenzeugenberichten ist die Kronica kompilatorisch. Zu ihren Quellen z¨ahlen Hartmann → Schedel, Jakob → Twinger von K¨onigshofen, Thomas → Lirer und Sebastian → Brant, f¨ur die Luzerner Geschichte auch Hans Fr¨und, Melchior Russ und Ludwig Feer. Als erste gedruckte Chronik der Schweiz u¨ bte die Kronica große Wirkung aus. Sie wurde erst 1548 von der Chronik des Johannes Stumpf abgel¨ost. E.s Werk gilt heute als Ausdruck des wachsenden Selbstbewusstseins der eidgen¨ossischen Eliten nach den Burgunderkriegen. ¨ Uberlieferung: Autograph nicht erhalten; Erstdruck: Kronica von der loblichen Eydtgnoschaft Jr harkommen vnd sust seltzam strittenn vnd geschichten. Hg. v. Rudolf Huseneck. Basel: Michael Furtter 1507 (Online-Ausg. BSB M¨unchen 2006). Ausgabe: Kronica von der loblichen Eydtgnoschaft, ir harkommen vnd sust seltzam Stritten vnd Geschichten. Hg. v. Johann J. Spreng. Basel 1752. Neudr. ebd. 1764 (Online-Ausg. BSB Mu¨ nchen [o. J.]). – Kronica von der loblichen Eydtgnoschaft, jr harkommen und sust seltzam strittenn und geschichten (Quellenwerk zur Entstehung der Schweizer. Eidgenossenschaft 3/3). Bearb. v. Eugen Gruber. Aarau 1965. – Kronica von der loblichen Eydtgenoschaft Ir harkomen vnd sust seltzam strittenn und geschichten. Hg. v. Rudolf v. Husenegk. [Winterthur 1978] (Faks.-Ausg. des Drucks v. 1507, vgl. Drucke). Literatur: G[eorg] v. Wyss: Peter E. In: ADB 6 (1877) S. 397 f. – Eugen Gruber, NDB 4 (1959) S. 665. – Guy P. Marchal, VL2 2 (1980) Sp. 636. – De Boor/Newald 4/1 (21994) S. 143, 763 f. – 1118

2. H¨alfte 15. Jh. E. Gruber: Die Chronik E.s. In: Zs. f¨ur Schweizerische Gesch. 27 (1947) S. 83–86. – Ders. 1965 (s. Ausg.). – Richard Feller/Edgar Bonjour: Geschichtsschreibung der Schweiz vom Sp¨atMA zur Neuzeit. Basel 21979, S. 63–68 u. o¨ . – Valentin Groebner: Gef¨ahrliche Geschenke. Ritual, Politik und die Sprache der Korruption in der Eidgenossenschaft im sp¨aten MA und am Beginn der Neuzeit. Konstanz 2000, S. 193 u. o¨ . – Romy G¨unthart: Deutschsprachige Lit. im fru¨ hen Basler Buchdruck (ca. 1470–1510). M¨unster u. a. 2007, S. 134 f. u. o¨ . MM Schilling, Diebold, d. J. (Dibold), * vor 1460 vermutlich Hagenau/Elsass, † 3.11.1515 (?) Luzern. S. war der Sohn des Luzerner Unterschreibers Hans S., des a¨ lteren Bruders von Diebold → S. ¨ Seine erste Schulbildung erhielt S. wohl in d. A. Hagenau, wo sein Vater noch 1467 t¨atig war, und studierte vermutlich in Pavia (Theologie und Kanonisches Recht). 1476/77 machte er den Kriegszug nach Nancy mit. S., der sp¨atestens 1481 Priester wurde, ist auch als o¨ ffentlicher Notar bezeugt. Als Begleiter seines Vaters nahm er an der Stanser Tagsatzung von 1481 teil. 1483 und 1496 wurden S. Pfr¨unden an der Peterskapelle und 1483 die Laienpfr¨unde am Stift im Hof u¨ bertragen. 1487 im Zusammenhang mit einem nicht n¨aher bezeichneten Vergehen verhaftet, wurde er 1489 begnadigt. Eine Anklage wegen eines nicht eindeutig gekl¨arten Totschlags 1490 endete mit einem Vergleich. S. betrieb als Notar auch einen Weinhandel (1494–97). Seit 1497 war er Dolmetscher, dann Agent und Geheimberichterstatter des Mail¨ander Herzogs Ludovico Sforza, f¨ur den er 1512–15 erneut t¨atig war. S. war ein Parteig¨anger Kaiser → Maximilians I. Vermutlich in amtlichem Auftrag verfasste S. eine mit 443 Bildern ausgestattete Schweizer Chronik (auch Luzerner Chronik), die er 1513 dem Luzerner Rat u¨ berreichte. Das Werk bietet die Luzerner Fr¨uhgeschichte und vom Sempacherkrieg (1386) an die Bundesgeschichte bis 1509. Neben eigener Erfahrung st¨utzte sich S. vor allem auf die Kronica von der loblichen Eydtgnoschaft des Petermann → Etterlin und ben¨utzte daneben Werke u. a. von Hartmann → Schedel und Heinrich → Gundelfingen. Die Herkunft der kulturhistorisch informativen Illustrationen (u. a. Hans von Arx ?) und S.s Anteil daran ist nicht sicher gekl¨art. ¨ Uberlieferung: Luzern, ZB, Diebold-SchillingChronik 1513. 1119

Schilling Ausgaben: Franz Josef Schiffmann (Hg.): D. S.s Schweizerchron. Luzern 1862. – Robert Durrer/ Paul Hilber (Bearb.): D. S.s Luzerner Bilderchron. Genf 1932 (Textausg. und zahlreiche Bildreproduktionen). – Alfred A. Schmid (Hg.): Die Schweizer Bilderchron. des Luzerners D. S., 1513. Luzern 1977 (Faks.) und 1981 (Komm.). Literatur: Wilhelm Baum, VL2 8 (1992) Sp. 673–675. – Norbert H. Ott, NDB 22 (2005) S. 771 f. – Fritz Glauser, HLS Online. – Gerold Meyer v. Knonau: Zur Kritik des Luzerner Chronikschreibers D. S. In: Anz. f¨ur Schweizerische Gesch. (1867) S. 28 ff. – Theodor v. Liebenau: Chronikschreiber D. S. v. Luzern. In: Monatsrosen des Schweizerischen Katholischen Studentenvereins 15 (1871). – Georg v. Wyss: Gesch. der Historiographie in der Schweiz. Z¨urich 1895, S. 141–143. – Josef Zemp: Die Schweizerischen Bilderchron. und ihre Architektur-Darstellungen. Z¨urich 1897, S. 99–127. – Albert B¨uchi: Ein politisches Gedicht des Luzerners D. S. In: Anz. f¨ur Schweizerische Geschichte (1906) 50 f. – Robert Durrer: Bruder Klaus. 2 Bde. Sarnen 1917 und 1921, Bd. 1, S. 157–170, 596 f. – Paul Hilber: Des Luzerners D. S. Bilderchron. (Die Schweiz im dt. Geistesleben 13). Frauenfeld 1928. – R. Durrer/P. Hilber: Einleitung zur Ausg. (s. o.) S. 1–24. – E[duard] A. Gessler: Die Schweizer Bilderchron. des 15. u. 16. Jh. Z¨urich 1941, S. 181–183. – Carl Pfaff/Th. Ottinger: Die Luzerner Chron. des D. S. aus dem Jahre 1513 (Luzern im Wandel der Zeiten). Luzern 1972. – Richard Feller/Edgar Bonjour: Geschichtsschreibung der Schweiz. Vom Sp¨atMA zur Neuzeit. 2., durchges. und erw. Aufl. Basel/Stuttgart. Bd. 1, 1979, S. 66–71. – W. Baum: Sigmund der M¨unzreiche. Zur Gesch. Tirols und der habsburgischen L¨ander im Sp¨atMA (Schriftenreihe des S¨udtiroler Kulturinst. 14). Bozen 1987, passim. – Peter R¨uck: Kanzlei und Chronistik in der sp¨atma. Schweiz. In: Cancelleria e cultura nel Medio Evo. Hg. v. Germano Gualdo. Citt´a del Vaticano 1990, S. 129–136. – Konrad Wanner: Schreiber, Chronisten und Fr¨uhhumanisten in der Luzerner Stadtkanzlei des 15. Jh. In Jb. der Hist. Ges. Luzern 18 (2000) S. 2–44. – Jeannette Rauschert: Trust and visualization: Illustrated chronicles in the late middle ages. The Swiss illustrated chronicle by D. S. from Luzern, 1513. In: Strategies of writing. Studies on text and trust in the Middle Ages. Hg. v. Petra Schulte u. a. Turnhout 2008, S. 165–182. BJ 1120

Koelhoffsche Chronik Hermann von Weißenburg (Bojar H¨arman, Herman porkolab). – Burggraf, m¨oglicher Verfasser einer dt. Chronik. H. stammte aus Bistritz, ist zuerst 1463 nachgewiesen und war 1475–99 Burggraf im rum¨anischen Weissenburg (Alba Iulia). Er verfasste m¨oglicherweise Dy Cronycke des Stephan Voyvoda auß der Wallachey, eine hochdt. Chronik u¨ ber die Herrschaft des moldauischen Woiwoden Stephan der Große (um 1433–1504). Der Text behandelt die Jahre von 1457 bis 1499 und bricht dann ab. Das Werk beruhte wohl auf einer kirchenslawischen Vorlage und ist nur noch als Abschrift Hartmann → Schedels von 1502 erhalten. Die neuere Forschung hat H.s Deutschkenntnisse und damit seine Autorschaft der Chronik angezweifelt. Stattdessen wurde ein Udalricus als Verfasser vorgeschlagen, der 1502 als Gesandter Stephans in N¨urnberg weilte, wo Schedel lebte. Bei diesem Udalricus handelte es sich m¨oglicherweise um Ulrich Pergawer aus Suceava. Dort wiederum war die Kanzlei Stephans angesiedelt, in deren Umfeld die Chronik entstanden sein k¨onnte. Unabh¨angig von der Verfasserfrage ist der Text als fr¨uhe Quelle zur rum¨anischen Geschichte von Bedeutung. ¨ Uberlieferung: Mu¨ nchen, BSB, Clm 952, 1r–12r (1502, Abschr. des Hartmann Schedel). Ausgabe: Richard Huß: Die dt. Chron. eines Bistritzers aus dem Jahre 1499 (bzw. 1502) und die Bistritzer Kanzleisprache des 15./16. Jh. In: Siebenb¨urgische Vierteljahrsschr. 56 (1933) S. 122–164. Literatur: Christine St¨ollinger-L¨oser, VL2 3 (1981) Sp. 1115 f. – De Boor/Newald 4/1 (21994) S. 157, 769. – C. St¨ollinger-L¨oser: Udalricus. In: VL2 9 (1995) Sp. 1212 f. – Huß 1933 (s. Ausg.). – Ion Chitimia: Cronica lui Stefan cel Mare. Bukarest 1942, S. 219–293. – Fritz Valjavec: Gesch. der dt. Kulturbeziehungen zu S¨udosteuropa. Bd. 1. Mu¨ nchen 21953, S. 223 f., 244–246 u. o¨ . – Hugo Weczerka: Das ma. und fr¨uhneuzeitliche Deutschtum im F¨urstentum Moldau v. seinen Anf¨angen bis zu seinem Untergang (13.–18. Jh.). Mu¨ nchen 1960, S. 157–159, 239–241. – Bal´azs J. Nemes: Ma. dt. Lit. auf dem Gebiet des heutigen Rum¨anien. Pl¨adoyer f¨ur eine u¨ berlieferungsorientierte, regional perspektivierte und interdisziplin¨are Literaturgesch. In: Publicationes Universitatis Miskolcinensis. Sectio philosophica 15 (2010) H. 3, S. 325–340. MM 1121

2. H¨alfte 15. Jh. Koelhoffsche Chronik («De cronica von der hilliger stat van Coellen»). – K¨olner Stadtchronik, 1499. Die nach dem K¨olner Drucker Johann Koelhoff d. J. benannte Chronik, deren unbekannter Verfasser vermutlich dem Augustinerorden angeh¨orte, umfasst 355 beidseitig bedruckte Bl¨atter sowie 368 Holzschnitte, darunter zahlreiche Wiederholungen. Sie gilt als erstes Druckerzeugnis einer kompletten K¨olner Stadtgeschichte, erschienen in einer geringen Auflagenh¨ohe von gesch¨atzt 250 Exemplaren. In einem universalhistorischen Rahmen wird die 1500-j¨ahrige Geschichte K¨olns (und der Umgegend) dargestellt. In Anlage und vielfach auch im Wortlaut griff der Verfasser auf mehrere Quellen zur¨uck. Die Hauptquellen sind die Reimchronik Gottfried → Hagens und die um 1470 entstandene Agrippina des → Heinrich von Beeck. Zentral sind der Stolz auf die Einzigartigkeit K¨olns und eine deutliche reichs- und kaisertreue Haltung. Zielpublikum d¨urfte die patrizische Oberschicht der Stadt gewesen sein. Ein ausf¨uhrlicher Bericht gilt der Erfindung des Buchdrucks (Bl. 311v–312r). Drei Monate nach Erscheinen fiel das Werk unter die Zensur, wohl vor allem wegen der freim¨utigen Klerus-Kritik. 1526 verfasste ein namentlich ebenfalls unbekannter Autor eine k¨urzende Bearbeitung: Klein cronica van Collen (Darmstadt, ULB, Hs. 131). ¨ Uberlieferung: Inkunabeldruck K¨oln, J. Koelhoff d. J. 1499 (GW 6688). Ausgabe: Hermann Cardauns: Die Chron. der niederrheinischen St¨adte. C¨oln. Bd. 3 (Chron.dt.St. 13). Leipzig 1876 (Nachdr. G¨ottingen 1968) S. 209–636; Bd. 4 (Chron.dt.St. 14). Leipzig 1877 (Nachdr. G¨ottingen 1968) S. 641–918. Literatur: Hartmut Beckers, VL2 5 (1985) ¨ 7–10. – Severin Corsten: Johann Koelhoff d. A. In: LexMA 5 (1991) Sp. 1247. – Gudrun Gleba, Killy2 6 (2009) S. 547. – Ferdinand Geldner: Neue Aspekte des Berichts der K¨olner Chron. v. 1499 u¨ ber die Erfindung der Buchdruckerkunst und das Coster-Problem. In: Archiv f¨ur Geschichte des Buchwesens 15 (1975) Sp. 435–468. – Corsten Severin: Die K¨olnische Chron. v. 1499. Hamburg 1982. – Volker Henn: ‹Dye historie is ouch als eyn Spiegell zo underwijsen dye mynschen ...›. Zum Welt- und Geschichtsbild des unbekannten Verfassers der K. C. In: RheinVjbl. 51 (1987) S. 224–249. – Ilse Haari-Oberg: Die Wirkungsgesch. der Trierer Gr¨undungssage vom 10. bis 15. Jh. (Europ¨aische Hochschulschr. 3,607). Bern 1122

2. H¨alfte 15. Jh. u. a. 1994, S. 144–149. – Wolfgang Schmitz: 500 Jahre Buchtradition in K¨oln. Von der K. C. bis zu den Neuen Medien. K¨oln 1999. – Georg M¨olich u. a. (Hg.): Sp¨atma. st¨adtische Geschichtsschreibung in K¨oln und im Reich. Die ‹K.› C. und ihr hist. Umfeld (Ver¨off. des K¨olnischen Geschichtsvereins e.V. 43). K¨oln 2001. – Klaus Gantert: K. ¨ C. In: Aderlaß und Seelentrost. Die Uberl. dt. Texte im Spiegel Berliner Hss. und Inkunabeln. Hg. v. Peter J¨org Becker/Eef Overgaauw. Mainz 2003, S. 440 f. – Danielle Buschinger: Die ‹Cronica van der hilliger Stat van Coellen› oder ‹K. C.›. In: Strukturen und Funktionen in Gegenwart und Gesch. FS Franz Simmler. Hg. v. Claudia WichReif. Berlin 2007, S. 465–486. BJ Meister Bernart. – Verfasser eines Ablassverzeichnisses. «Unser selicher meister bernart» wird in einem Gebetbuch des 16. Jh. der Urheber einer Aufz¨ahlung von Abl¨assen genannt, die in r¨omischen Stationskirchen zur Fasten- und Adventszeit sowie an bestimmten Feiertagen gewonnen werden k¨onnen. Eine Identifikation mit Bernhard von Luxemburg († 1535), dem damaligen Prior des Dominikanerkonventes in K¨oln, der als hochproduktiver geistlicher Schriftsteller auch Schriften zum Ablass verfasst hat, ist nicht auszuschließen. ¨ Uberlieferung: K¨oln, Hist. Arch. der Stadt, Best. 7008 (GB 8°) 153, 19r–24v (Pap., um 1525, aus dem Dominikanerinnenkloster St. Gertrud in K¨oln, ripuarisch). Literatur: Egino Weidenhiller, VL2 1 (1978) Sp. 744; 11 (2004) Sp. 239. – Wolfgang Stammler: Ma. Prosa in dt. Sprache. In: Dt. Philologie im Aufriß Bd. 2,2. Hg. v. dems. Berlin 21960, Sp. 749–1102, hier Sp. 822. VZ Ulrich von Bulow, ¨ † 5.10.1516 Medingen bei L¨uneburg. – Propst, Verfasser von Bildunterschriften. Der aus Bleckede stammende U. begann 1468 in Rostock ein Studium, wahrscheinlich der K¨unste, und wurde 1469 zum Baccalaureus promoviert. Danach war er unter Herzog Heinrich dem Mittleren von Braunschweig-L¨uneburg als Rat t¨atig. Mit Heinrichs Unterst¨utzung wurde U. 1494 Propst im Zisterzienserinnenkloster Medingen. Als das Klos1123

Meister Bernart ter 1499 reformiert wurde, wurden im Haus der ¨ Abtissin farbige Tafelbilder aufgeh¨angt. W¨ahrend die Bilder selbst m¨oglicherweise aus der L¨uneburger Malergilde stammten, wurden die begleitenden Texte unter den Bildern von U. verfasst. Es handelte sich um lat. und dt. Bildunterschriften, die jedoch nicht v¨ollig korrespondierten. Heute werden die Tafelbilder und ihre Unterschriften in f¨unf Gruppen mit jeweils drei Bildern eingeteilt, die verschiedene Abschnitte der Geschichte des Klosters behandeln. Diese beginnen mit der Klostergr¨undung, reichen u¨ ber die versuchten Ansiedlungen in Restorf, Plate und Bohndorf sowie u¨ ber die Zwischenstation Altenmedingen und die Verlegung nach Medingen bis zu den Klosterreformen im 15. Jh. Die Originale der Bilder und ihrer Unterschriften verbrannten 1781 und sind heute nur durch Nachzeichnungen Johann Ludolf Lyssmanns von 1772 bekannt. ¨ Uberlieferung: Der Autograph U.s ist verschollen. Ausgaben: Johann Ludolf Lyssmann: Hist. Nachricht von dem Ursprunge, Anwachs und Schicksalen des im L¨uneburgischen Herzogthume belegenen Closters Meding, dessen Pr¨obsten, Priorinnen und Abbatißinnen. Halle/Saale 1772 (Online-Ausg. BSB M¨unchen). – Joachim Homeyer: 750 Jahre Kloster Medingen. Uelzen 1978, Anhang. Literatur: J. Homeyer, VL2 9 (1995) Sp. 1250 f. – Otto v. Dassel: Verschwundener Grabstein des Probstes im Kloster Medingen U. v. B. In: Familiengeschichtliche Bll. 2 (1906/07) S. 156. – Martin Mercker: Aus der Gesch. Medingens und seines Klosters. In: Gesch. v. Bevensen und Kloster Medingen unter Ber¨ucksichtigung des alten Amtes Medingen. Hg. v. Friedrich Brohmann. Bad Bevensen 1928 (Nachdr. ebd. 1988) S. 303–318. – Karl Meyer: Heimatkunde des Kreises Uelzen. Uelzen 1931, S. 332–345. – J. Homeyer: Kloster Medingen. Die Gr¨undungslegende und ihre hist. Elemente. Ein Beitr. zur Entstehungsgesch. des Konvents vor 750 Jahren (1228). In: Jb. der Ges. f¨ur nds. Kirchengesch. 79 (1981) S. 9–60. – Ders.: U. v. B., Propst des Klosters Medingen. In: Ders.: Kloster Medingen 1788–1988. 200 Jahre Neubau. Kleine Beitr. zum Jubil¨aum. Uelzen 1988, S. 39–46. – Ders.: Fragen zur Gesch. Wolmirstedts aus der Sicht des Klosters Medingen. In: Wolmirstedter Beitr. 16 (1992) ¨ S. 22–38. – Ders.: 500 Jahre Abtissinnen in Medin1124

Lenz gen. Uelzen 1994, passim. – Ders.: Einleitung. In: Urkundenbuch des Klosters Medingen. Bearb. v. J. Homeyer u. a. Hannover 2006, S. 11–66. MM Lenz, Hans (Johann L., «bruoder hanß ym finsteren tan»), * vor 1475 Heilbronn (?), † 1541 Brugg/Kt. Aargau. – P¨adagoge, Stadtschreiber, Chronist, Liederdichter. L. studierte seit 1478 in Heidelberg die K¨unste und erwarb 1481 den Grad des Baccalaureus. Seit etwa 1488 in der Schweiz lebend, war er seit 1491 Lehrer in Fribourg und sp¨ater in Saanen. 1500–1502 war er Stadtschreiber in Brugg, ehe er wohl wieder in den Lehrdienst zur¨uckkehrte. L. verfasste zwei dt. Lieder und eine Chronik. Das erste Lied entstand 1499 und ist L. durch Eigennennung im Text zuzuordnen. Die 31 Strophen zu jeweils acht Zeilen sind gegen den Schw¨abischen Bund gerichtet und loben die Qualit¨aten schweizerischer S¨oldner. L. reagierte damit auf ein Landsknechtlied von 1495, das entsprechende Vorw¨urfe gegen die Schweizer enthielt. L.s Lied wurde als heute verlorene Flugschrift gedruckt, wohingegen L. das zweite Lied in seine Chronik einf¨ugte. Die heute noch erhaltenen 57 Strophen im Lindenschmidt-Ton besingen die Schlacht bei Dorneck vom Juli 1499. Damals belagerten dt. Truppen erfolglos die eidgen¨ossische Burg Dorneck und wurden schließlich zur¨uckgeschlagen. Vom Fribourger Rat beauftragt, verfasste L. 1499/1500 eine Reimchronik in rund 12.000 Versen. Als Dialog mit einem Eremiten gestaltet, behandelt das Werk in einer Mischung aus historischer und religi¨oser Dichtung den Schwabenkrieg. Historisch ist dabei die Anlehnung an existierende Schlachtlieder, religi¨os die Verbindung der Kriegsereignisse mit Wunderzeichen. Auch werden die Eidgenossen in der Chronik von Gott und Maria besch¨utzt. Die historischen Anteile der Chronik gehen nach L.s Angaben stark auf Augenzeugenberichte zur¨uck; man hat aber speziell f¨ur Basler und els¨assische Ereignisse auch Flugschriften des Sebastian → Brant als Quellen ver¨ mutet. In den Außerungen des Eremiten finden sich außerdem Bez¨uge auf Cato und Valerius Maximus. Erw¨ahnenswert ist auch L.s der Chronik hinzugef¨ugte Sammlung von Liedern u¨ ber den Schwabenkrieg, da sie St¨ucke von Anh¨angern beider Kriegsparteien enth¨alt. Obwohl L. selbst Parteig¨anger der Eidgenossen war, besitzt die Chronik 1125

2. H¨alfte 15. Jh. somit als Textsammlung zum Schwabenkrieg einen gewissen Wert. ¨ Uberlieferung: Eine Straßburger LiederFlugschrift («Eyn new lied») ist verbrannt. Die Chronik und das Dorneck-Lied sind als Abschrift Ludwig Sterners erhalten. Diese entstand vor 1524 auf Grundlage eines 1501 angelegten Sammelbandes. Die Hs. ist heute im Privatbesitz. Ausgaben: 1. Lieder: Diesbach (s. u.) S. 148–153. – Liliencron 2 (1866) Nr. 197, 207. – Cramer 2 (1979) S. 162–177, 512. – 2. Chronik: Der Schwabenkrieg besungen von einem Zeitgenossen Johann L., B¨urger von Freiburg. Hg. v. Heinrich v. Diessbach. Z¨urich 1849. – Ludwig Sterners Hs. der Burgunderkriegschron. des Peter v. Molsheim und der Schwabenkriegschron. des Johann L. mit den v. Sterner beigef¨ugten Anh¨angen 1. Hg. v. Frieder Schanze. Ramsen 2001 (Teilfaks.; vgl. dazu Ren´e Wetzel. In: ZfdA 137, 2008, S. 408–413). Literatur: Jeanne Niquille, HBLS 4 (1927) S. 655. – Hans Tr¨umpy, VL2 5 (1985) Sp. 709–712; 11 (2004) Sp. 918. – Albert B¨uchi: Die Chron. und Chronisten von Freiburg im Uechtland. In: Jb. f¨ur Schweizerische Gesch. 30 (1905) S. 197–325. – Ders.: Ein Schreiben v. H. L. an Schultheiß und Rat v. Freiburg. In: Freiburger Geschichtsbll. 13 (1906) S. 168 f. – Moritz v. Rauch: Der Reimchronist Johann L. aus Heilbronn. In: W¨urttembergische Vierteljahrshefte f¨ur Landesgesch. NF 20 (1911) S. 68–70. – Leo Zehnder: Volkskundliches in der a¨ lteren schweizerischen Chronistik. Basel 1976, S. 37* f. – Richard Feller/Edgar Bonjour: Geschichtsschreibung der Schweiz vom Sp¨atMA zur Neuzeit. Basel/Stuttgart 21979, S. 143 f. – Ursula Peters: Lit. in der Stadt. Stud. zu den sozialen Voraussetzungen und kulturellen Organisationsformen st¨adtischer Lit. im 13. und 14. Jh. Tu¨ bingen 1983, S. 282 f. – Ren´e Wetzel: ‹Man s¨olts all zu ritter schlagen!.› Die Freiburger Reimchron. des H. L. zum Schwabenkrieg (1499). Deutung und Verkl¨arung von Zeitgesch. und Ges. durch Lit. In: Text im Kontext. Anleitung zur Lekt¨ure dt. Texte der fr¨uhen Neuzeit. Hg. v. Alexander Schwarz/ Laure Ablanalp. Bern 1997, S. 319–332. – Karina Kellermann: Abschied vom ‹hist. Volkslied›. Stud. ¨ zu Funktion, Asthetik und Publizit¨at der Gattung hist.-politische Ereignisdichtung. T¨ubingen 2000, S. 222–224. – F. Schanze: Ludwig Sterners Chronikhs. v. 1501. Eine Kompilation als hist. Monument. In: Librarium 45 (2002) S. 2–16. – Schweizer Literaturgesch. Hg. v. Peter Rusterholz. Stuttgart 2007, S. 42. MM 1126

2. H¨alfte 15. Jh. Wiler Chronik des Schwabenkrieges. Die im a¨ btischen Wil (Kt. St. Gallen) entstandenen Aufzeichnungen in dt. Sprache, die wahrscheinlich von Ulrich Huber gen. R¨uegger, Schreiber des Abtes von St. Gallen, stammen, beginnen am 27.1.1499 und berichten von jedem Tag bis zum 4.4.1499. Die ohne ersichtlichen Grund abbrechende Chronik – die Kampfhandlungen dauerten bis September 1499 –, das auch amtliche Schreiben enth¨alt, berichtet anschaulich vor allem u¨ ber die Auswirkungen des Krieges auf die Bev¨olkerung. ¨ Uberlieferung: a) St. Gallen, Stiftsarch., Hs. 114, 126v–149v, 162r–188r. – b) Ebd., Rubrik XIII, Fasc. 10 (Red. von gleicher Hand, Fragm.). Ausgabe: B¨utler (s. Lit.) S. 141–237. Literatur: Frieder Schanze, VL2 10 (1999) Sp. 1080 f. – Johannes H¨ane: Zur Gesch. des Schwabenkriegs. Schr. des Vereins f¨ur Gesch. des Bodensees 27 (1898) S. 7–19. – Placid B¨utler (Hg.): Geschichte und Akten des Varnb¨ulerProzesses. Wiler Chron. des Schwabenkriegs (Mitt. zur vaterl¨andischen Gesch. 34). St. Gallen 1914, S. 259–270. – Richard Feller/Edgar Bonjour: Geschichtsschreibung der Schweiz vom Sp¨atMA zur Neuzeit. Bd. 1. 2., durchgesehene und erw. Aufl. Basel/Stuttgart 1979, S. 112 f. – Horst Carl: ‹Schwabenkrieg› oder ‹Schweizerkrieg›? Der Schw¨abische Bund als Gegner der Eidgenossenschaft. In: Jb. f¨ur solothurnische Gesch. 72 (1999) S. 97–130. – Alois Niederst¨atter: Der ‹Schweizer-› oder ‹Schwabenkrieg› von 1499. Ursachen, Verlauf und Auswirkungen. In: Jb. des Hist. Vereins f¨ur das F¨urstentum Liechtenstein 99 (1999) S. 139–158. BJ Baumgartner, Stefan (Paumgartner, Paungartner), * 24.12.1462 N¨urnberg, † 4.2.1525 ebd. – N¨urnberger Patrizier, Verfasser eines Pilgerreiseberichts. Der Kaufmannssohn entstammte einem seit dem 13./14. Jh. in N¨urnberg ans¨assigem Patriziergeschlecht. Als versierter Turnierk¨ampfer wurde er fr¨uh Lehnsmann Kaiser Friedrichs III. 1498 unternahm er im Gefolge Herzog Heinrichs des Frommen von Sachsen eine Pilgerreise ins Hl. Land. Nach seiner Heirat 1506 wurde er N¨urnberger Ratsherr; 1513–23 war er Stadtrichter. Seine Freundschaft mit Albrecht Du¨ rer ist durch Briefe D¨urers an Willibald Pirckheimer belegt. Auf dem linken Fl¨ugel des von der Familie gestifteten Paumgartner-Altars ist B. als hl. Georg darge¨ stellt. Uber seine Pilgerfahrt verfasste B. einen (in 1127

Wiler Chronik des Schwabenkrieges der u¨ berliefernden Handschrift) illustrierten Bericht, bei dem er sich streckenweise an Hans (VI.) → Tucher anlehnt. ¨ Uberlieferung: N¨urnberg, Germ. Nationalmus., Hs. 369, 38 Bll. (Pap., zweite H¨alfte 16. Jh.) mit acht Abbildungen. Ausgabe: Reinhold R¨ohricht: Die Jerusalemfahrt des Herzogs Heinrichs des Frommen v. Sachsen 1498. In: Zs. des dt. Pal¨astina-Vereins 24 (1901) 1–25. – Thomas R. Kraus: S. B. Reise zum Heiligen Grab 1498 mit Herzog Heinrich dem Frommen v. Sachsen (GAG 445). G¨oppingen 1986. Literatur: Dietrich Huschenbett, VL2 1 (1978) Sp. 647. – Lotte Kurras, VL2 11 (2004) Sp. 226. – Titus Tobler: Bibliographia geographica Palaesti¨ nae. Krit. Ubersicht gedr. und ungedr. Beschreibungen der Reisen ins Heilige Land. Leipzig 1867 (Nachdr. Amsterdam 1964. Mansfield [CT] 1998. Charleston [SC] 2009) S. 62. – Reinhold R¨ohricht/Heinrich Meisner: Dt. Pilgerreisen nach dem Heiligen Lande. Berlin 1880, S. 518–521. – R. R¨ohricht: Bibliotheca geographica Palaestinae. Chronologisches Verz. der v. 333 bis 1878 verfaßten Lit. u¨ ber das Heilige Land. Berlin 1890. Nachdr. Charleston (SC) 2009. Verb. und verm. Neuausg. mit einem Vorw. v. David H. K. Amiran. Jerusalem 1963 (Nachdr. London 1989) Nr. 457. – Ders.: Dt. Pilgerreisen nach dem Heiligen Lande. Neue Ausg. Innsbruck 1900 (Neudr. Aalen 1967) S. 195–199. – Valmar Cramer/Gustav Meinertz (Hg.): Das Heilige Land in Vergangenheit und Gegenwart. Gesammelte Beitr. und Ber. zur Pal¨astinaforschung. Bd. 2 (Pal¨astinahefte des Dt. Ver. vom Hl. Lande 24/27). K¨oln 1940, S. 137–199. – L. Kurras: Der N¨urnberger Patrizier S. B. (1462–1525). In: Kraus (s. Ausg.) S. 3–8. – Andres Betschart: Zwischen zwei Welten. Illustrationen in Ber. westeurop¨aischer Jerusalemreisender des 15. und 16. Jh. (W¨urzburger Beitr. zur dt. Philol. 15). W¨urzburg 1996, S. 51 f., 109 f., 113–115, 124 f., 191, 199, 320 f. VZ Deichsler, Heinrich, * um 1430 N¨urnberg, † 1506 oder 1507 N¨urnberg. – Chronist. D. war Bierbrauer in N¨urnberg und seit 1486 st¨adtischer Bettelvogt. Als historiografischer Autodidakt sammelte er seit den fr¨uhen 1460er Jahren stadtgeschichtliche Manuskripte. Seit etwa 1470 bis kurz vor seinem Tod verfasste er nach dem annalistischen Prinzip eine volkst¨umliche Stadtchronik, welche die Zeit von 730 (Tod des hl. Sebaldus) 1128

Glasberger bis zum 15.11.1506 (letzter Eintrag) umfasst. Fu¨ r die a¨ ltere Zeit st¨utzte er sich auf verschiedene Geschichtswerke, von 1487 an wurden nur noch selbst erlebte oder von Gew¨ahrsleuten berichtete Ereignisse notiert. Seine stadtgeschichtliche Materialsammlung hatte zuletzt einen Umfang von mehr als 2400 Seiten. ¨ Uberlieferung: N¨urnberg, Staatsarch., Nu¨ rnberger Hss. Nr. 12–14 (fr¨uher: Manuskriptensammlung Nr. 89–91) (Autograph). Ausgaben (nur ab 1470 weitgehend vollst¨andig): Jbb. des 15. Jh. (mit Chron. v. H. D. bis 1487). H. D.’s Chronik (Forts.) 1488–1506. Bearb. v. Theodor v. Kern. In: Die Chronik. der fr¨ankischen St¨adte. Hg. Karl Hegel. N¨urnberg Bd. 4 (Chron.dt.St. 10). Leipzig 1872 (Nachdr. G¨ottingen 1961) S. 118–386 (Bd. 4); Bd. 5 (Chron.dt.St. 11). Leipzig 1874 (Nachdr. G¨ottingen 1961) S. 535–544 (Einleitung), 545–706 (Text). – Hermann Maschek (Hg.): Dt. Chron. (Dt. Lit. Reihe Realistik des Sp¨atMA 5). Leipzig 1936 (Nachdr. Darmstadt 1964) S.194–211 (Ausz¨uge). Literatur: C[arl] Hegel, ADB 5 (1877) S. 28. – Helmgard Ulmschneider, VL2 2 (1980) Sp. 61–63. – Die Chron. der fr¨ankischen St¨adte. N¨urnberg. Bd. 4 (Chron.dt.St. 10.). Leipizg 1872 (Nachdr. G¨ottingen 1961) S. 77–386. – Joachim Schneider, Killy2 (2008) S. 581 f. – Erich Straßner: Graphemsystem und Wortkonstituenz. Schreibsprachliche Entwicklungstendenzen vom Fr¨uhneuhochdeutschen zum Neuhochdeutschen untersucht an N¨urnberger Chroniktexten. Mit 4 Mikrofiches (Hermaea NF 39). T¨ubingen 1977. – Jo¨ rg Kohlhase: Die Entwicklung von ‹ward› zu ‹wurde› beim N¨urnberger Chronisten H. D. [...]. In: Exakte Sprachwandelforschung. Theoretische Beitr., statistische Analysen und Arbeitsberichte. Hg. v. KarlHeinz Best/J. K. (G¨ottinger Schr. zur Sprach- und Literaturwiss. 2). G¨ottingen 1983, S. 103–106. – J. Schneider: H. D. und die N¨urnberger Chronistik des 15. Jh. (Wissenslit. im MA 5). Wiesbaden 1991. – Mechthild Habermann: Verbale Wortbildung um 1500. Eine historisch-synchrone Unters. anhand v. Texten Albrecht D¨urers, H. D.s und Veit Dietrichs (Wortbildung des N¨urnberger Fr¨uhneuhochdeutsch 2). Berlin/New York 1994, hier bes. S. 18–21. – J. Schneider: Typologie der N¨urnberger Stadtchronistik um 1500. Gegenwart und Gesch. in einer sp¨atma. Stadt. In: St¨adtische Geschichtsschreibung im Sp¨atMA und in der Fr¨uhen Neuzeit. Hg. v. Peter Johanek. K¨oln u. a. 1129

um 1500 2000, S. 181–203. – Barbara Thomas: Adjektivderivation im N¨urnberger Fr¨uhneuhochdeutsch um 1500. Eine historisch-synchrone Analyse anhand von Texten Albrecht D¨urers, Veit Dietrichs und H. D.s (Wortbildung des N¨urnberger Fr¨uhneuhochdeutsch 3). Berlin/New York 2002. – Danielle Buschinger: La ‹Chronique de Nuremberg› de H. D. (1488–1506): Quelques catastrophes naturelles. In: ´ Etudes m´edi´evales. Revue 8 (2006) S. 1–4. BJ Glasberger, Nikolaus (Glass/ßberg[er]; Nicolaus de Moravia), * um 1450 B¨ohmen, † 1508 N¨urnberg. G. wuchs in Moravia (Olm¨utz [?]) auf. Er studierte 1456–58 in Leipzig (?) und 1475/76 in Basel. 1472 trat er in Amberg in den Franziskanerobservanten-Orden ein. Seit 1483 wirkte er als Beichtvater im N¨urnberger Klarissenkloster. G. stand in Verbindung zum N¨urnberger Humanistenkreis um Conrad Celtis und Hartmann → Schedel. Neben einigen vermischten Arbeiten widmete sich G. als Historiograph vor allem der Geschichte des Franzikanerordens und von dessen oberdt. Provinz. Das fr¨uheste Werk, das G. zugeschrieben wird, ist der N¨urnberger Einblattdruck Rosarium beati Francisci von 1484, der a¨ lteste im Druck erschienene franziskanische «Ordensbaum». Er stellt die Heiligen und Seligen des Ordens dar, versehen mit Spruchb¨andern. 1491 beendete B. eine Sammlung von Abschriften von Ordensgeschichtswerken, darunter die Chronica XXIV generalium Ordinis Fratrum Minorum, welche auch die Hauptquelle f¨ur B.s eigene Ordenschronik darstellte. 1498 gab B. auf Bitten Paulins von Lemberg das Trilogium anime des → Ludwig (Wohlgemuth) von Preußen heraus, das er mit einem Traktat erg¨anzte (innerhalb des pars III c. 6; N¨urnberg, Anton Koberger [GW M29841]). Auf Anregung von Celtis verfasste G. um 1508 f¨ur Kaiser → Maximilian einen dt. Kaiser- und K¨onigStammbaum (Stemma imperatorum Romanorum et imperatorum a Carolo Magno usque ad Maximilianum I.), in dem er das dt. Kaisertum von den Griechen ableitet. Von G.s beiden gr¨oßeren Geschichtswerken ist zun¨achst die Maior Chronica Bohemorum moderna zu nennen, die G. f¨ur den Markgrafen Johann von Mantua verfasst hat. Um 1500 begonnen, blieb sie unvollendet. Hauptquelle ist die b¨ohmische Chronik des Pˇrib´ık → Pulkava von Raden´ın. Daneben 1130

um 1500 zog G. f¨ur das kompilatorische Werk u. a. die Historia Bohemiae des Aeneas Silvius → Piccolomini, die Vita der → Agnes von B¨ohmen (die auch Quelle der Ordenschronik G.s ist) und diverses von Schedel gesammeltes Material zur b¨ohmischen und zur Reichsgeschichte heran. G.s Magnum Opus, die Chronica Ordinis Minorum Observantium, entstand nach Aufforderung des N¨urnberger Guardians Bartholom¨aus Wyer in G.s letzten Lebensjahren 1506–1508. Diese Ordens- und Provinzialgeschichte f¨ur die Jahre 1206–1508 wurde anonym bis 1517 fortgef¨uhrt und ist nicht nur f¨ur die franziskanische Ordensgeschichte, sondern auch f¨ur die gesamte dt. Kirchengeschichte von Bedeutung. Sie ist die einzige bekannte und erhaltene dt. franziskanische Chronik f¨ur die ersten drei Jh. des Ordens und den Beginn der oberdt. Observantenbewegung. Ein besonderes Interesse G.s galt dabei dem Streit zwischen Ludwig dem Bayern und dem heiligen Stuhl so¨ wie dem Papstschisma und seiner Uberwindung. Als Einleitung fungiert eine Aufstellung der obd. Observantenkonvente und Klarissenkl¨oster, an die Tafeln der Provinz- und Generalkapitel angef¨ugt sind. Im großen Umfang hat G. Dokumente aus Ordensarchiven eingearbeitet (darunter z. B. ein Brief Johannes von Capestrano an den N¨urnberger Guardian), die oft nur hier erhalten sind. Weitere identifizierte Quellen sind (neben der Chronica XXIV als Hauptvorlage): eine (verschollene) Chronik des Peregrin von Bologna, die DreiGef¨ahrten-Legende, Franziskus-Biographien (von Thomas von Celano, → Bonaventura, Jordanus von Giano, → Bernardus a Bessa und Bartholom¨aus von Pisa), die → Flores temporum, → Andreas von Regensburg und das Speculum Minorum des Jacob Oddi von Perugia. Dokumente aus der Ordenschronik G.s haben Eingang gefunden in die anonyme Cronica der schwester Sanct Clarn ordens zu Nurinberg. Diese wurde wom¨oglich von den N¨urnberger Klarissen aufgezeichnet, angeregt durch G. (Seegets [s. Lit.] S. 152, Anm. 43). Im Textzeugen gehen der Cronica ins Deutsche u¨ bersetzte Exzerpte bis 1500 aus der Chronica Ordinis voran (vgl. Caritas → Pirckheimer). ¨ Uberlieferung: Historiographische Abschr.: Hall (Tirol), Franzikanerkloster, Ms. I 4, 236 S (Auto¨ graph). – Stammbaum: Wien, ONB, Cod. 12919. – ‹Maior Chronica›: Br¨unn, Landesarch., Fond G 12 (= Slg. Ceroni), II 292. – ‹Chronica Ordinis›: 1131

Glasberger Mu¨ nchen, Bibl. des Franziskanerklosters, Cod 8° Cmm 7. – ‹Cronica der schwester Sanct Clarn ordens› und dt. ‹Chronica Ordinis›-Exzerpte: Mu¨ nchen, Nationalmus., Cod. 1191, 1ra–10rb (Exzerpte), 11ra–83vb (‹Cronica›) (fr¨uhes 16. Jh.). Die Exzerpte beginne mit dem Vermerk: «ein kleiner außzug auß der Cronica des heilligen ordens der e myndern Bruder». Ausgaben: Rosarium: Franz Martin Haberditzl: Die Einblattdruck des XV. Jh. in der Kupferstichslg. der Hofbibl. zu Wien. Bd. 1: Die Holzschnitte. Wien 1920, Nr. 161. – Maior Chronica: Seton 1923 (s. Lit.) S. 1–109 (Teilausg., Zeit ab 1200); zum ersten Tl. der Chron. vgl. die Textabdrucke in den Anmerkungen der Pulkava-Ausg. v. Josef Emler: Pˇrib´ıka z Raden´ına ˇreˇcen´eho Pulkavy kronika cˇ esk´a (Fontes rerum bohemicarum 5). Prag 1893. – Chronica Ordinis: G. F. Carolus Evers: Fr. Nicolai Glasbergeri Narratio de origine et propagatione ordinis e cod. ms. primum edita et illustrata. In: Ders.: Analecta ad Fratrum Minorum historiam. Leipzig 1882, S. 4–72 (Teilausg. 1206–1262). – Ders.: Chronica fratris Nicolai Glassberger ordinis minorum observantium edita a patribus collegii S. Bonaventurae. In: Analecta Franciscana 2 (1887) S. 1–579 (vollst.). ¨ Ubersetzung (einzelne Abschnitte der ‹Chronica Ordinis›): Johannes B¨uhler: Klosterleben im dt. MA. nach zeitgen¨ossischen Aufzeichnungen (Memoiren und Chroniken 7). Leipzig 1921, 21923 (Neuaufl. Frankfurt/M. 1989, 41996 [Insel-Tb. 1135]) S. 402–411. Literatur: Palmatius S¨ager, VL2 3 (1981) Sp. 49–52; 11 (2004) Sp. 528 f. – Heinz-Dieter Heimann, LThK3 4 (1995) Sp. 655. – V´aclav Bok, Encyclopedia of the Medieval Chronicle 1 (2010) S. 715. – Evers 1887 (s. Ausg.) S. V–XIV. – Parthenius Minges: Das Trilogium animae des Ludwig von Preußen. In: Franziskanische Stud. 1 (1914) S. 291–311. – Patricius Schlager: Necrologium Provinciae Argentinae Fratrum Minorum Observantiae 1426–1541. In: Analecta Franciscana 6 (1917) S. 257–306. – Walter Warren Seton: Some New Sources for the Life of Blessed Agnes of Bohemia (British Society of Franciscan Studies 7). Aberdeen 1915 (Nachdr. Cambridge 2010) S. 35–44. – Livarius Oliger: De quibusdam operibus fr. Nicolao Glassberger recens attributis. In: Archivum Franciscanum Historicum 13 (1920) S. 388–402. – W. Seton: Nicholas Glassberger and His Works. With the Text of His Maior Cronica Bohemorum 1132

Bruder Dietrich moderna (British Society of Franciscan Studies 11). Manchester 1923. – Bonaventura Kruitwagen: Biobibliogr. zu Ludovicus de Prussia und seinem Trilogium animae. In: Franziskanische Stud. 12 (1925) S. 347–363. – Ders.: Der N¨urnberger Einblattdruck: ‹Rosarium beati Francisci› (1484), eine Arbeit N. Glaßbergers. In: ebd. 13 (1926) S. 54–82. – W. Seton: Nicolas Glassberger et sa Chronique de Bohˆeme. In: Revue d’Histoire franciscaine 2 (1926) S. 411–417. – Herman Maschek: Zur Gesch. des Humanismus im Franziskanerorden. In: Archivum Franciscanum Historicum 28 (1935) S. 574–579, hier S. 576. – Michael Bihl: Tabulae Capitulares Observantium Argentinensium 1454–1574. In: Analecta Franciscana 8 (1946) S. 667–896, hier S. 802–805. – Franz Machilek: Klosterhumanismus in N¨urnberg um 1500. In: Mitt. des Ver. f¨ur Gesch. der Stadt N¨urnberg 64 (1977) S. 10–45, hier S. 19, 27–30. – Lotte Kurras/F. Machilek: Caritas Pirckheimer. 1467–1532. Austellung der Kath. Stadtkirche N¨urnberg. Kat. Mu¨ nchen 1982, S. 98. – Repertorium fontium historiae medii aevi 5 (1984) S. 162. – Petra Seegets: Passionstheologie und Passionsfr¨ommigkeit im ausgehenden MA. Der N¨urnberger Franziskaner Stephan Fridolin (gest. 1498) zwischen Kloster und Stadt (Sp¨atMA und Reformation Neue Reihe 10). T¨ubingen 1998, S. 334 (Reg.). – Eva Schlotheuber: B¨ucher und Bildung in den Frauengemeinschaften der Bettelorden. In: Nonnen, Kanonissen und Mystikerinnen. Religi¨ose Frauengemeinschaften in S¨uddeutschland (Ver¨off. des Max-PlanckInst. f¨ur Gesch. 235 / Stud. zur Germania Sacra 31). Hg. v. ders. u. a. G¨ottingen 2008, S. 241–262, hier S. 251 f. VZ Brus, Andreas (Bruss, Bruß, Brues), † 1532. – Verfasser eines historisch-politischen Ereignisliedes, um 1500. Laut Mitteilung der Dithmarscher Chronik des Johann Adolf K¨oster, genannt Neocorus (um 1550–1630), war B. 1500 Vikar in B¨usum und unternahm zwei Pilgerreisen nach Rom. Neocorus nennt ihn als Verfasser von Versen auf die B¨usumer Kirche und wom¨oglich eines 24strophigen Lieds u¨ ber die → Schlacht bei Hemmingstedt (17.2.1500), bei der die Garde des d¨anischen K¨onigs Johann I. samt der ihr verb¨undeten Truppen von den Dithmarschern vernichtend geschlagen wurde. Es sind neben dem Abdruck bei 1133

um 1500 Neocorus zwei weitere Fassungen bekannt (beim Dithmarscher Chronisten Hans Detleff und eine weitere in der Rostocker Sammelhandschrift UB, Mss. Meckl.O 55 [St¨uck 16]), die aber vermutlich beide Abschriften aus Neocorus sind. Ausgaben: Friedrich Christoph Dahlmann: Johann Adolfi’s, genannt Neocorus, Chron. des Landes Dithmarschen. Bd. 1. Kiel 1827 (Nachdr. Leipzig 1927) S. 523–525. – Oskar Ludwig Bernhard Wolff: Slg. hist. Volkslieder und Gedichte der Deutschen. Aus Chron., fliegenden Bll. und Hss. zusammengetragen. Stuttgart/Tu¨ bingen 1830, S. 355–359. – Liliencron 2 (1866) S. 449 f. (Nr. 217). – Fassung des Hans Detleff in: Dithmarsische hist. Relation von erer Ankunft, Religion, Seeden und Kriegesshandelungen uth glofw¨urdigen Historicis, olden geschrevenen Chronicis, olden Brefen, Privilegien, Vordregen und andern eigentligen Vortekenissen und Monumenten thosamen gedragen ok einssdehls nu erstlich angemerkett. o. O. 1643. Literatur: Karl Ernst Hermann Krause, ADB 3 (1876) S. 453. – Ulrich M¨uller, VL2 1 (1978) Sp. 1076. – Friedrich Christoph Dahlmann (s. Ausg.) S. 226, 493 f.; Bd. 2, S. 72 f., 77–79, 572. – Karina Kellermann: Abschied vom ‹hist. Volkslied›. ¨ Stud. zu Funktion, Asthetik und Publizit¨at der Gattung hist.-politische Ereignisdichtung. T¨ubingen 2000, S. 225. – Enno B¨unz: Ein Dithmarscher Pfarrherr um 1500. A. B. und die St. Clemens Kirche in B¨usum. In: Nordelbingen 74 (2005) S. 7–46. VZ

Bruder Dietrich (von Zengg) (Theodoricus Croata) OFM. – Verfasser einer Prophezeiung. Um 1500 erschien in Augsburg als Einblattdruck eine auch handschriftlich u¨ berlieferte Practica mit Weissagungen von Ereignissen, die nach 1501 eintreten sollen. Die Verfasserangabe des Druckes lautet: «[...] ain bruder sant Franciscus orden, hat geheyssen mit namen Dietrich. Beschehen z˚u Zenng in Krauatten [Senj, Kroatien]. Nach der gepurt Christi tausent vierhundert und zwaintzig iar». Sp¨atere Drucke enthalten zudem die (fragw¨urdige) Angabe «Bischof zu Zug». Bei diesem Bruder Dietrich handelt es sich um den auch anderweitig bezeugten Theodoricus Croata. Die Handschriften aus dem 15. Jh. f¨uhren hingegen keinen Autornamen. Die Practica ist eine joachimitisch gepr¨agte 1134

um 1500 Vorhersage politischer und kriegerischer Ereignisse. Prophezeit wird auch das Erstarken der kaiserlichen Macht und die Beseitigung kirchlicher Missst¨ande. ¨ Uberlieferung: Hss. ohne Autornennung: Cambridge (Mass.), Harvard College Library/Houghton Library, MS Ger 74, 42r–46r (Pap., Sammelhs. aus 4 Tln., Abschnitt mit der ‹Practica›: 1458–76, ostschw¨abisch). – Graz, UB, Ms. 1748 (vormals Dresden, LB, Mscr. M 63), 239v–242v (alte Z¨ahlung: 218v–222r) (Pap., 1469, Steiermark, Hs. des Ulrich → Klenegker). – Mu¨ nchen, UB, 2° Cod. ms. 684, 103v–106r (Pap., 1465, mittelbair.). – Erstdruck: Augsburg (Johann Froschauer) vor 1503 (GW 7 Sp.414a). – Hss. mit Autornennung und Datierung auf 1420 (Druckabschr. [?]): M¨unchen, BSB, Clm 14668, 41v–43v (Perg. und Pap., um ¨ 1510). – Wien, ONB, Cod. 13932, 1r–6r (Pap., um 1534, bair.-o¨ sterr.). – Weitere Drucke: M¨unchen 1512 und 1520, Augsburg 1520 und 1530, K¨oln 1520, Straßburg 1520, N¨urnberg, 1536, o. O. 1542 (VD 16 T 732–738, ZV 21002). – Zusammen mit einer Weissagung Johannes Carions: N¨urnberg 1546 (VD16 T 739 / C 953), Darmstadt 1612 und 1619, o. O. um 1621 (u. d. T. Vaticinia postremi seculi Duo; VD17 1:063153A, 7:707451Q, 23:327852S). – Auch in: Wolfgang Lazius: Fragmentum vaticinii cuiusdam ut coniicitur Methodii episcopi [...]. Wien 1547, Bl. 50v (VD16 ZV 9507). Ausgabe: Friedrich Lauchert: Materialien zur Gesch. der Kaiserprophetie im MA. In: Hist. Jb. 19 (1898) S. 844–872, hier S. 868–870 (nach Graz Ms. 1748 mit Erg¨anzung aus Lazius 1547). Literatur: Wolfram Schmitt, VL2 2 (1980) Sp. 102; 11 (2004) Sp. 352 f. – Ulysse Chevalier: ˆ R´epertoire des sources historiques du Moyen Age. Bio-bibliogr. Bd. 2. Paris 1907, Nr. 4458. – Einblattdr. des f¨unfzehnten Jh. Ein bibliogr. Verz. Hg. v. der Kommision f¨ur den Gesamtkat. der Wiegendr. Halle 1914 (Nachdr. Wiesbaden 1968) S. 130 (Nr. 516). – Jo. Hyacinthii Sbaraleae: Supplementum et castigatio ad scriptores trium ordinum S. Francisci a Waddingo, aliisve descriptos: cum adnotationibus ad syllabum martyrum eorundem ordinum. Bd. 3. Rom 21936 (Nachdr. Bologna 1978) S. 699. – Ekkehard Simon: Eine neu aufgefundene Sammelhs. mit Rosenpl¨ut-Dichtungen aus dem 15. Jh. In: ZfdA 102 (1973) S. 115–133, hier S. 128 f. VZ 1135

Walther Walther, Ulrich, * um 1418 Augsburg, † 1505 Augsburg. – Kaufmann, Chronist. W. stammte aus einer Donauw¨orther B¨urgerfamilie, geh¨orte als Mitglied der Kaufleutezunft dem Augsburger Stadtrat an und war mehrmals Baumeister. Aus der Ehe (1437) mit Barbara Ridler gingen 22 Kinder hervor (Marx → W.). W. verfasste eine Art Familienchronik in dt. Prosa. Diese Nachrichten f¨ugte Marx W. (mit Erg¨anzungen) in sein Turnierbuch ein. ¨ Uberlieferung: Mu¨ nchen, BSB, Cgm 1930, 21r–22r (Abschrift Marx W.s). Ausgabe: Matthias v. Lexer/Friedrich Roth, in: Die Chron. der schw¨abischen St¨adte. Augsburg. Bd. 3 (Chron.dt.St. 22). Leipzig 1892 (Nachdr. G¨ottingen 1965) S. 383–390, 390–395. Literatur: Karl Schnith, VL2 10 (1999) 664 f. – Roth (s. Ausg.) S. XXXIV. – Johannes Wilhelm: Augsburger Wandmalerei 1368–1530. K¨unstler, Handwerker und Zunft (Abh. zur Gesch. der Stadt Augsburg 29). Augsburg 1983, S. 53, 257 f. – Augsburger Stadtlex. 2., v¨ollig neu bearb. und erw. Aufl. Hg. v. G¨unther Gr¨unsteudel u. a. Augsburg 1998. BJ ¨ Johannes von Haren. – Ubersetzer einer Chronik, um 1500. J., der als Komtur der Johanniter-Kommende Bredehorn bezeugt ist, vollendete am 13.9.1506 ¨ eine k¨urzende Ubersetzung der Chronica archicomitum Oldenburgensium des Johannes → Schiphower ins Nd., die seit dem sp¨ateren 16. Jh. h¨aufig abgeschrieben und bearbeitet wurde. ¨ Uberlieferung: Gotha, Forschungsbibl., Cod. Chart. B 60, 1r–78r (1506, nordnd.; Autograph). Literatur: Thomas Frenz, VL2 4 (1983) 637; 11 (2004) Sp. 772. – Hermann Oncken: Zur Kritik der Oldenburgischen Geschichtsquellen im MA. Diss. Berlin 1891, S. 116–124. – Egbert Koolman/Udo Elerd (Hg.): Johanniter im Nordwesten. Zur Gesch. des Johanniterordens im nordwestlichen Niedersachsen (Ver¨off. des Stadtmuseums Oldenburg 35 / Schr. der LB Oldenburg 34). Oldenburg 1999, S. 25, 31. SF Kerkhorde, ¨ Reinhold (Reinold), † nach 1503. – Nd. Chronist. Der Dortmunder Priester R. K. war ein Enkel des Johann → Kerkh¨orde. Er verfasste eine nd. Prosachronik und eine inhaltlich verwandte, k¨urzere 1136

Kurtz nd. Reimchronik, die beide mit dem Jahr 1491 beginnen und vor allem lokale Ereignisse schildern. Auf R. K. gehen Teile der Dortmunder Chronik von Dietrich Westhoff zur¨uck. Erhalten ist ferner ein 16-zeiliges lat. Gedicht, das die Belagerung der Stadt Neuß durch Herzog Karl den K¨uhnen beschreibt (vgl. → Karl der K¨uhne und die Burgunderkriege). ¨ Uberlieferung: Prosachronik: Berlin, SBB, Ms. Boruss. fol. 574, 80r–82r. – Ebd., Ms. Boruss. oct. 29, 172r–176v. – Dortmund, Stadtarch., Best. 202, XIII 2, 44v–45v. – Ebd., Best. 202, XIII 8, S. 145–153 (Abschr. des 19. Jh. nach den Berliner Hss.). – Reimchronik: Berlin, SBB, Ms. Boruss. oct. 29, 176v–185r. – Dortmund, Stadtarch., Best. 202, XIII 2, 46r–47v. – Ebd., Best. 202, XIII 8, S. 153–155 (Abschr. des 19. Jh. nach der Berliner Hs.). – Paderborn, Erzbisch¨ofliche Bibl., Cod. Pa 102, 354v–356v (Eintrag des 17. Jh. in der Dortmunder Chron. des Dietrich Westhoff [1548/51]). – Lat. Gedicht: Berlin, SBB, Ms. Boruss. oct. 29, 150v–151v. – Dortmund, Stadtarch., Best. 202, XIII 2, 39r. – Paderborn, Erzbisch¨ofl. Bibl., Cod. Pa 102, 339v. Ausgaben: August Christian Borheck: Arch. f¨ur die Gesch., Erdbeschreibung, Statskunde und Alterth¨umer der Dt. Nieder-Rheinlande. Bd. 1. Elberfeld 1800, S. 5–20. – Friedrich Woeste, in: Zs. des Bergischen Geschichtsver. 10 (1874) S. 1–26, 267 f. – Johannes Franck/Joseph Hansen (Hg.): Chron. des J. K. von 1405–1465 (Die Chron. der dt. St¨adte vom 14. bis ins 16. Jh. 20). Leipzig 1887 (Nachdr. G¨ottingen 1969) S. XXI, 355–388. Literatur: Hubert Herkommer, VL2 4 (1983) Sp. 1134. – De Boor/Newald 4/1 (21994) S. 152. – Karl R¨ubel: Die Chron. des R. K. In: Beitr. zur Gesch. Dortmunds und der Grafschaft Mark 1 (1875) S. 64 f. – Franck/Hansen (s. Ausg.) S. XX ¨ f., 167, 170. – Franz-Josef Schmale: Uberl., Erforschung und Darstellung der Landesgesch. Westfalens im MA. In: Westf¨alische Gesch. Von den Anf¨angen bis zum Ende des alten Reiches. Hg. v. Wilhelm Kohl (Ver¨off. der Hist. Kommission f¨ur Westfalen 43). D¨usseldorf 1983, S. 1–14, hier S. 10. SF Kurtz, Johannes, * Mitte 15. Jh. Ebersbach bei Kaufbeuren, † nach 1512. – Kleriker und Dichter. J. K. (= Johannes Curtus) wird erstmals 1489 in Kaufbeuren urkundlich erw¨ahnt. Da er sich am Schluss seiner Dichtungen selbst nennt (z. B. «Hans 1137

um 1500 Kurcz», «Joann Kurcz», «Hans Kurtz», «Johann Kurtz»), lassen sich u¨ ber seine Texte biographische Daten rekonstruieren. Der Zusatz «von Eberspach» verortet «Johannes Kurtz» im Dorf Ebersbach bei Kaufbeuren. 1492 ist er in Freiburg, 1497 in T¨ubingen immatrikuliert (vgl. P¨otzl), wo er dem Humanisten Heinrich Bebel begegnet, mit dem er 1499/1500 eine Flugschrift ver¨offentlicht. Die Bezeichnung «Johannes Curti’ Monacensis poeta» l¨asst vermuten, dass K. um 1500 Leiter der M¨unchener Lateinschule gewesen ist. W¨ahrend des Schwabenkrieges 1499 hielt er sich in Konstanz auf, danach in der N¨ahe des Klosters Irsee; er pilgerte 1500 nach Rom und zog w¨ahrend des Landshuter Erbfolgekrieges 1504 mit dem w¨urttembergischen Heer – bis sich seine Spuren nach 1512 verlieren. ¨ Uberliefert sind zwei Chroniken und mehrere Drucke politischen, religi¨osen und moraldidaktischen Inhalts. Als Publizist stand K. im Dienst Maximilians I. Seine Gedichte sind in Inhalt, Form und Stil anderen Werken der Zeit vergleichbar; er verwendet zur Darstellung u. a. die Form des Dialogs, gelehrte Anspielungen und humanistische Inhalte. 1. Spr¨uche von Schlachten und Kriegen. Die zweigeteilte Flugschrift mit der Reimchronik u¨ ber den Schwabenkrieg 1499 (604 Verse) ist eine Zusammenstellung der Polemik gegen die Eidgenossenschaft von «Haintz von Bechwinden» (Heinrich Bebel) und der tendenzi¨os geschilderten und K. zugeschriebenen Chronik Von disem k[r]ieg / wie der angefangen hat / was sich darinn verloffen hat / wie er ain end genommen hat / zeletst ain gut gebet von frid vnd son. ¨ Uberlieferung: [T¨ubingen: J. Otmar, nach 22. Sept. 1499], Ex. Heidelberg, UB, B 18568, hier Bl. b 4v–c 6r (Digitalisat online) GW 03755. – Hs. M¨unchen, Clm 14053, 137v–140v (nur K.s Chronik in der Abschrift des Regensburger Augustinereremiten Hieronymus Streitel); zum Teil w¨ortliche Wiedergabe der Flugschrift in Sebastian Francks Germaniae Chronicon (zuerst 1538). Der wahrscheinlich im Mai 1504 entstandene und kurz darauf gedruckte, dem Herzog von W¨urttemberg verpflichtete Spruch u¨ ber den Landshuter Erbfolgekrieg (234 Verse) endet im selben Gebet wie die Schwabenkrieg-Chronik, was Schanze die Zuweisung der Chronik erm¨oglichte. ¨ Uberlieferung: Hs. Hamburg, StuUB, Cod. hist. 31e, 387r–389v (Abschrift Hieronymus 1138

um 1500 Streitels, wahrscheinlich von einem anonym ver¨offentlichten Druck; Abdruck: Lorentzen 1913, S. 209–218). Ebenfalls 1504 wird der anonyme Einblattdruck ¨ mit einem Holzschnitt von Hans Burgkmair d. A. u¨ ber Die behemsch schlacht (132 Verse) bei Regensburg am 11.9.1504 entstanden sein, der den Sieg K¨onig Maximilians u¨ ber ein b¨ohmisches S¨oldnerheer im Kontext des Kampfes der Christenheit gegen T¨urken, B¨ohmen und Schweizer schildert. ¨ Uberlieferung: Augsburg: [J. Otmar, 1504], Ex. M¨unchen, BSB, Einbl. I,13 (Digitalisat online); Ex. Halle, Graphische Sammlung der Staatlichen Galerie Moritzburg). 2. Drucke u¨ ber den Konflikt mit Venedig. Ende 1507 erschien als Aufruf zum Feldzug gegen Venedig der Einblattdruck mit Holzschnitt Wol umb wol hin (138 Verse). Der Text gleicht zum Teil dem des Spruchs u¨ ber den Landshuter Erbfolgekrieg. ¨ Uberlieferung: [Ulm: Hans Hochspringer d. J., 1507], je ein Ex. von zwei verschiedenen Auflagen: Mu¨ nchen, BSB, Einbl. I,19 [mit Signatur] und I, 19b [ohne Signatur] (Digitalisate online). 1509 wurde das Gedicht von einer uralten Jungfrau, genannt Venesia (78 Verse) u¨ ber die Niederlage Venedigs in der Schlacht bei Agnadello am 14.5.1509 mit Autorsignatur im Text gedruckt. ¨ Uberlieferung: [Straßburg, M. Hupfuff 1509], Bl. 5r–6r (VD16 ZV 9264), Ex. Berlin, SBB, Flugschrift 1509/2.; Ex. London, British Library, 9167.bb.3 (Abdruck: Bertram 1931, Nr. II). Die vollst¨andige Wiedergabe des eben genannten Textes findet sich in der Schlusspartie des ebenfalls aus dem Jahr 1509 stammenden, signierten Einblattdruckes mit Holzschnitt Wie Babst Kayser und kunig von Franckreich och Arragon der mer iunckfraw ir fenln zerreyssen (208 Verse), eine moralisierende Anklage der Venediger. ¨ Uberlieferung: [N¨urnberg: Adam Dyon, 1509], Mu¨ nchen, BSB, Einbl. I,19 m, aus Clm 22004 herausgel¨ost (Digitalisat online; Abbildung: Ecker 1981, Abb. 12). Nach August 1509 schließt Ein n¨uwes gedicht von einer alten krancken sterbenden frauwen, Madunna Venesia genannt (39 Verse) an das «von einer uralten Jungfrau» an. ¨ Uberlieferung: [Straßburg, M. Hupfuff 1509], Bl. 4r–5r (Abdruck: Bertram 1931, Nr. I). Zudem verfasste K. DIs b¨uchlin saget von d’ Venediger krieg vnd v¯o irem verlust viler // Stett Clausen 1139

Kurtz e

vnd Schlosser die sie all in irem ge // walt haben gehabt/ welche n˚un z˚umol hat gewun // nen vnd ingenom¯e die Keiserliche maiestat Maxi // milianus mit sampt anderen F¨ursten vnd herren /// das da] die rechte lauter warheit ist / vnd nit ein sa // ge oder ein gediecht dar e an man zweifelen moge. [Straßburg, Matthias Hupfuff] 1509, 4 Bl. (VD16 K 2598), Ex. Mu¨ nchen, BSB, Res/4 Eur. 330,24 a (Digitalisat online). 3. Spr¨uche im humanistischen Kontext. In Freiburg verfasste K. 1493 die Nova rhetorica Marci Tullii Ciceronis mit Brief von Leonhard Clemens, Zwiefalten 13.8.1493, und vom Autor an Leonhard Clemens, Freiburg 30.7.1493. Mit Lobgedicht an die Jugend ‹Dum sol eois ...› – eine geraffte, stichwortartige und in eine Folge von 20 Schemata («figurae») gebrachte Schulbuchversion der ps.-ciceronischen Rhetorica nova. ¨ Uberlieferung: 10 Bll. 2°, [Reutlingen: Johann Otmar, nach dem 13. Aug.]; → Rhetorica ad Herenium, GW 07882 (Digitalisat: M¨unchen, BSB). 1499 verantwortete K. die Herausgabe der Comoediae des Publius Terentius Afer, kommentiert von Aelius Donatus, Guido Juvenalis und Jodocus Badius Ascensius, mit einer Beigabe von Jacobus Locher Philomusus und Heinrich Bebel. ¨ Uberlieferung: 2°, Druck Straßburg: Johann Gr¨uninger, 11.2.1499. GW M 45485 (Digitalisate: Darmstadt, ULB; Madrid; Acad.Hist.). 4. Spr¨uche in religi¨osem bzw. moraldidaktischem Kontext. Ein Exemplar des illustrierten Einblattholzschnittes Die vier christlichen Zeitalter und die Laster und Tugenden (ca. 1490/1500) mit xylographischem lat. Text nannte «Joannes Curti[us] Monacensis poeta». ¨ Uberlieferung: Wien, Graph. Sammlung Albertina, cod. 3301, eine der Sammlungen Hieronymus Streitels; weitere Ex. ohne Signatur in Basel, Berlin und London. Im Auftrag des Abtes Otmar entstand 1500 die mit «Johannes Kurtz von Eberspach» signierte Reimchronik des Klosters Irsee (1031 Verse) unter Zuhilfenahme a¨ lterer Klosterchroniken und Urkunden wie aus der Erinnerung. ¨ Uberlieferung: Augsburg, SuStB, 4° cod. 107 (Perg., vermutlich Originalhs., mit Freiraum f¨ur Illustration). – Zwei Abschriften in M¨unchen, Hauptstaatsarch., KL. Irsee Nr. 205 (a) und Nr. 207 (308 b). Zwischen 1500 und 1530 entstandene xylographische Einblattdrucke mit Holzschnitten und 1140

Kurtz Reimgebeten an Jesus, Maria, Johannes und das hl. Kreuz in lat. (a) und dt. (b) zu je 4–6 Versen unterzeichnen mit Johannes Curtius Eberspachius bzw. Johannes kurtz von Eberspach. ¨ Uberlieferung: (a) London, British Library. – (b) Eichst¨att, F¨urstbisch¨ofl. Hofbibl., 13/1 Einbl. I (vom Einband 13/1 D II 554 abgel¨ost; Abbildung: Weis-Liebersdorf 1910, Tf. 7, vgl. Schreiber 1927, Nr. 469 [?]. Auf die Zeit um 1515/30 datiert in: Gr¨unewald und seine Zeit. Abdruck: Bertram 1931, Nr. VI [a und b]). Auf ca. 1510 ist der Einblattdruck Ein narr gab seinem herren ain gute[n] rat was guts / auß frid und u¨ bels auß krieg erstat zu datieren. M¨unchen, BSB, Einbl. I,46. Aus der Zeit 1510/20 stammt ein Einblattholzschnitt mit Zierleisten an den R¨andern, xylographischem, paargereimtem Text (18 Verse) und einem Neujahrsgruß. Das urspr¨ungliche Mementomori-Klappbild zeigt im Spiegel eine Frauengestalt mit Totenkopf, zu der die Klappe mit der in den Spiegel schauenden Frau samt zugeh¨origem Text verloren ist. Signatur «Hans Kurcz» am Gewandsaum der Frauenfigur. ¨ Uberlieferung: London, British Library (Abbildung: Schreiber 1893, Tf. 15. Vgl. Dodgson 1903, S. 117 f.; Schreiber 1927, Nr. 1893; Abdruck: Bertram 1931, Nr. VII). Ein Einblattdruck mit dem den Herrscher lobenden und ihm gewidmeten Spruch Von vnnsers herren Jesu Christi Rock (90 Verse) u¨ ber die Erhebung der Trierer Heilt¨umer durch Kaiser Maximilian I. im April 1512 zeigt sechs Holzschnitte und die Best¨atigung des signierenden Hans Kurtz, der der Wahrhaftigkeit der Berichterstattung wegen selbst in Trier gewesen sein will. ¨ Uberlieferung: [N¨urnberg: Adam Dyon, 1512] (Bamberg, SB, VI, A. a. 47; Abbildung: Pfeiffer 1911, Tf. 16; Abdruck: Bertram 1931, Nr. V). Der ABC-Einblattdruck mit dem moraldidaktischen Reimpaarspruch (53 Verse) Ein yeder Schuler Christi sol Dis a b c lernen Wol / Ir haußveter kauffends ins hauß / Lernet euwer kind unds gsind darauß / In hailiger gschrift man gschriben findet / Was das a b c verkindt. // Am ersten solt du Gots forcht han / So wirt auß dir ain weiser man ... wurde in Augsburg bei Matth¨aus Elchinger [um 1535] gedruckt und durch «Johann K.» signiert (Mu¨ nchen BSB Einbl. I,52); er ist vielleicht Nachdruck einer a¨lteren Ausgabe. Schanze (1984) weist nach, dass der bei Bertram 1931, Nr. III, abgedruckte und bei Ecker 1981, 1141

um 1500 Abb. 16, abgebildete, mit «J. K.» signierte satirische Spruch nicht von K. stammt und wahrscheinlich ein gef¨alschtes Impressum tr¨agt. Literatur: Karl Bertram, VL1 2 (1936) Sp. 998–1000. – Frieder Schanze, VL2 5 (1985) Sp. 463–467; 11 (2004) Sp. 469. – Emil Weller: Repertorium typographicum. Die dt. Lit. im ersten Viertel des sechzehnten Jh. Im Anschluss an Hains Repertorium und Panzers dt. Annalen. N¨ordlingen 1864. – Franz Ludwig Baumann: Irseer Reimkronik des J. K. In: Alemannia 11 (1883) S. 220–246. – Campell Dodgson: Catalogue of Early German and Flemish Woodcuts. Bd. 1. London 1903 (Nachdr. von 1886) S. 113–115. – Wilhelm Ludwig Schreiber: Manuel de l’amateur de la gravure sur bois et sur m´etal au XVe si`ecle. Bd. 4. Leipzig 1893. – Wolfgang Golther: Reimchron. u¨ ber den Schwabenkrieg. In: Anz. f¨ur Schweizerische Gesch. NF 6 (1890/93) S. 11–18 (Schwabenkrieg b). – Inkunabeln des Formschnitts in den Bibliotheken zu Eichst¨att. Hg. v. Johannes Evangelist Weis-Liebersdorf (Einblattdrucke des 15. Jh., hg. v. Paul Heitz, Bd. 20). Straßburg 1910. – Einzelformschnitte des 15. Jh. in der Kgl. Bibl. Bamberg. Bd 2. Hg. v. Maximilian Pfeiffer (Einblattdrucke des 15. Jh., hg. v. Paul Heitz, Bd. 24). Straßburg 1911. – Formschnitte und Einblattdrucke aus o¨ ffentlichen und privaten Bibliotheken und Sammlungen in Amberg, Colmar, Darmstadt, Dillingen, Hamburg, Mainz, Metten, M¨unchen, Schlettstadt, Schwabach, Straßburg, Wiesbaden. Hg. v. Wilhelm Ludwig Schreiber (Einblattdrucke des 15. Jh., hg. v. Paul Heitz, Bd. 38). Straßburg 1913. – Theodor Lorenzen: Zwei Flugschriften aus der Zeit Maximilians I. In: Neue Heidelberger Jbb. 17 (1913) S. 139–218 (Chronik). – Die Einblattdrucke des XV. Jh. in der Kupferstichsammlung der Hofbibl. zu Wien. Hg. v. Franz Martin Haberditzl. Wien 1920 (christl. Zeitalter). – Alfred Stern: Die Sage vom Herkommen der Schweizer nach der Reimchron. Haintz von Bechwinden. In: Alfred Stern: Abh. und Aktenst¨ucke zur Gesch. der Schweiz. Aarau 1926, S. 1–12. – Wilhelm Ludwig Schreiber: Hb. der Holz- und Metallschnitte des 15. Jh. Bd. 4. Leipzig 1927. – Johannes Haller: Heinrich Bebel als dt. Dichter. In: ZfdA 66 (1929) S. 51–54. – K. Bertram: J. K. Ein Beitr. zur Literaturgesch. des Sp¨atMA. Greifswald 1931. – Christa Pieske: Die Mementomori-Klappbilder. In: Philobiblon NF 4 (1960) S. 127–143. – Rochus von Liliencron: Die hist. Volkslieder der Deutschen 1142

um 1500 vom 13. bis 16. Jh. Bd. 2. Leipzig 1966. – Walter P¨otzl: Gesch. des Klosters Irsee. Stud. und Mitt. zur Gesch. des Benediktiner-Ordens 19. Erg.Bd. Ottobeuren 1969, S. 16–18. – Tilman Falk: Hans Burgkmair. Das graphische Werk. Stuttgart 1973 (Holzschnitt der ‹behemsch schlacht›). – Max Geisberg/Walter L. Strauss: The German Single-leaf Woodcut 1500–1550. New York 1974. – Rolf Wilhelm Brednich: Die Liedpublizistik im Flugblatt des 15. bis 17. Jh. Baden-Baden 1974/75. – Gisela Ecker: Einblattdrucke von den Anf¨angen bis 1555 (GAG 314). 2 Bde. G¨oppingen 1981. – F. Schanze: Neues zu dem Reimpublizisten J. K. In: ZfdA 111 (1983) S. 292–296. – Ders.: Einblattdrucke von Hans Hochspringer d. J., Jakob K¨obel und Adam Dyon. In: Gutenberg Jb. 59 (1984) S. 151–156. – Gr¨unewald und seine Zeit. Große Landesausstellung Baden-Wu¨ rttemberg. Staatliche Kunsthalle Karlsruhe. Hg. v. Jessica Mack-Andrick u. a. M¨unchen/Berlin 2007, S. 364, Nr. 129. CK Streitel, Hieronymus (Streitl; Pr[o]eliolinus) OESA, † um 1532 (?). – Prior, Humanist, historiographischer Sammler und Autor, Hagiograph. S. ist 1502–27 als Bibliothekar und 1515–18 als Prior des Augustinereremiten-Konvents in Regensburg bezeugt. Er geh¨orte dem Regensburger Humanistenkreis um Christophorus Hoffmann (Ostrofrancus) aus St. Emmeram an. Dessen Schrift De Ratisbona metropoli Boiariae et subita ibidem Iudaeorum proscriptione (Augsburg [Silvan Otmar] 1519 [VD16 H 4132]) ist S. gewidmet, der ein ausgepr¨agtes historiographisches Interesse hatte. ¨ Uberliefert sind von S. neben einer Legende vor allem Kollektaneen zur Ordensgeschichte, der Stadtgeschichte Regensburgs und der bayerischen Kirchengeschichte. In seinen hinterlassenen Sammelb¨anden werden ohne stringente Ordnung unterschiedliche literarische und historische Materialien kompiliert wie etwa Regesten, Urkunden, Briefe, Verzeichnisse, Kataloge und Ausz¨uge aus historiographischen Autoren. Darunter finden sich: → Hermann von Niederaltaich, → Konrad von Megenberg, Thomas → Lirer, Aeneas Silvius → Piccolomini, dt. historische Verswerke von Johann → Kurtz und Hans → Schneider sowie der → Landshuter Erbfolgekrieg, → Regensburg, Bayern und das Reich oder das → Regensburger Dollingerlied. Auch hagiographische Beitr¨age, Anekdoten und humanistische Dichtung sind zu finden 1143

Streitel (u. a. Sebastian → Brant, Conrad Celtis, Johannes Reuchlin), ferner inserierte Einblattdrucke oder Einblattholzschnitte. Dazu gesellen sich eigene Notizen, unterschiedliche kurze dt. und lat. Texte und historische Abrisse, die zum gr¨oßten Teil aus der Zeit vor 1520 stammen. Charakteristisch f¨ur die Texte S.s ist der u¨ bergangslose Wechsel der Schreibsprachen. F¨ur 1494 ist S.s erste historiographische T¨atigkeit nachgewiesen, eine Fortsetzung der Chronica de principibus terrae Bavarorum des → Andreas von Regensburg. Diese eigene historiographisch-schriftstellerische Produktion tritt aber hinter die Sammlert¨atigkeit deutlich zur¨uck. S.s benutzte neben Quellen aus Regensburg auch Material aus N¨urnberg oder anderer bayerischer Provenienz. Andreas’ chronikalisches Werk rezipierte und kopierte er auch in der ¨ Ubersetzung Leonhard → Heffs. M¨oglicherweise handelt es sich bei den Kollektaneen um die Vorarbeiten zu einer verlorenen dt. Regensburger Chronik. Der Regensburg Kart¨auser Jeremias Gr¨unewald († 1626) bezeugt, dass S. um 1512–28 eine solche verfasst habe. Erhalten ist aber eine Legende Bruder Friedrichs von Regensburg. Die Vita des 1329 verstorbenen Laienbruders aus dem Regensburger Augustinerkloster schrieb S. in einer lat. und einer dt. Fassung. Beide stimmen bis auf die Prologe inhaltlich und kompositorisch u¨ berein. Der lat. Prolog f¨uhrt u¨ ber einen Abriss der Regensburger Geschichte an Friedrich heran, w¨ahrend der Prolog der dt. Fassung die Lebensbeschreibung als narrative Wiedergabe eines Gem¨aldes vorstellt, das Szenen aus Friedrichs Leben pr¨asentiert und im Regensburger Kloster hing. Da am Ende der lat. Vita das Fehlen von schriftlichen Quellen beklagt wird, ist es denkbar, dass dieses Bild tats¨achlich S.s einzige Quelle war. ¨ Uberlieferung: Hamburg, SUB, Cod. hist 31e, 436 Bll. (begonnen vor 1500, Aufzeichnungen bis 1532). – Mu¨ nchen, BSB, Clm 14053, 216 Bll. ¨ (um 1497–1524), Autograph. – Wien, ONB, Cod. 3301, 402 Bll. (1510/19 und 28 [Nachtrag]), u¨ berwiegend Autograph; eingebunden ist ein Druck der Chron. des Petermann → Etterlin (Basel [Michael Furter] 1507 [VD16 ZV 19913]). – Eine Abschrift des Cod. 3301 ist M¨unchen, BSB, Clm 167, 240 Bll. (16. Jh.). Nach dieser Abschrift hat Andreas Felix v. Oefele die Auswahl Anonymi Ratisbonensis farrago historica rerum Ratisponensium ab anno Christi 508 usque ad annum Christ 1519 herausgegeben (In: Rerum Boicarum Scriptores Nusquam Antehac 1144

Udalricus Editi. Bd. 1. Augsburg 1763, S. 499–523). – Wien, ¨ ONB, Cod. 13710, 44 Bll. (15./16. Jh.). – Prag, Arch. der Prager Burg/Bibl. des Metropolitankapitels, I 2 Inc., Sammelbd. mit vier Inkunabeln (→ Thomas von Kempen, → Bernhard von Breidenbach, Werner → Rolevinck, → Lupold von Bebenburg) und einem hsl. Schlussteil (32 Bll., Autograph), der neben den beiden Fassungen der Friedrich-Legende u. a. ein dt. Reimgebet, eine dt. Reim¨ubersetzung der Str. 1 und 2 des Hymnus Magne pater Augustine, die Augustinerregel mit ¨ dt. Ubersetzung und eine dt. Reimparaphrase des Wortes «Bonum est nos hic esse» des → Bernhard von Clairvaux enth¨alt. Ausgaben: Kollektaneen, hist. Aufzeichnungen: T¨uchle (s. Lit.) S. 462–467 (Ausz¨uge). – Joachim Schneider: Die Fortsetzung des H. Streitl bis 1531 zur ‹Chronica de principibus terrae Bavarorum› des Andreas v. Regensburg. In: Zweisprachige Geschichtsschreibung im sp¨atma. Deutschland (Wissenslit. im MA 14). Hg. v. Rolf Sprandel. Wiesbaden 1993, S. 462–467. – Legende: Anton´ın Podlaha: Zwei Legenden uber ¨ das Leben des Laienbruders Friedrich v. Regensburg (Editiones Archivii et Bibliothecae S. F. Metropolitani Capituli Pragensis 3). Prag 1905. Literatur: Joachim Schneider/Franz-Josef Worstbrock, VL2 (1995) Sp. 403–406. – Adolar Zumkeller, BBKL 11 (1996) Sp. 51 f. – Wilhelm R¨ugamer: Der Augustinereremit H. S. und seine literarische T¨atigkeit. Eine hist.-krit. Studie (Humanistisches Gymnasium Mu¨ nnerstadt, Programm 1910/11). W¨urzburg 1911. – Helmut Ibach: Leben und Schr. des Konrad v. Megenberg (Neue dt. Forschungen 210, Abt. ma. Gesch. 7). Berlin 1938, S. 132–138. – A. Zumkeller: Mss. v. Werken der Autoren des Augustiner-Eremitenordens in mitteleurop¨aischen Bibl. (Cassiciacum 20). W¨urzburg 1966, Nr. 402–410. – Hermann T¨uchle: Zur Gesch. der bayerischen Provinz der Augustinereremiten im Jh. vor der Reformation. Mitt. aus dem Kollektaneenbuch des P. H. S. In: Scientia Augustiana. Stud. u¨ ber Augustinus, den Augustinismus und den Augustinerorden. FS A. Zumkeller (Cassiacium 30). Hg. v. Cornelius Petrus Mayer/Willigis Eckermann. W¨urzburg 1975, S. 630–640. – G¨unter Glauche: Die Regensburger Sodalitas litteraris um Christophorus Hoffmann und seine Emmeramer Geb¨aude-Inschrift. In: Scire litteras. Forschungen zum ma. Geistesleben. FS Bernard Bischoff (Bayerische Akad. der Wiss. Phil.-Hist. Kl. 1145

um 1500 Abh. NF 99). Hg. v. Sigrid Kr¨amer/Marianne Bernhard. M¨unchen 1988, S. 187–200. – J. Schneider: Vermittlungsprobleme einer dt. Weltchronik¨ubers. In: Sprandel 1993 (s. Ausg.) S. 173–226, hier S. 184–187. – Christian Kiening unter Mitwirkung von Florian Eichberger: Contemptus mundi in Vers und Bild am Ende des MA. In: ZfdA 123 (1994) S. 409–457, 482. – Sabine Griese: Samm¨ ler und Abschreiber von Einblattdrucken. Uberlegungen zu einer Rezeptionsform am Ende des 15. und Anfang des 16. Jh. In: Humanismus und fr¨uher Buchdruck (Pirckheimer-Jb. 11). Hg. v. Stephan F¨ussel/Volker Honemann. N¨urnberg 1997, S. 43–69. – Stefan Dicker: Landesbewusstsein und Zeitgeschehen. Stud. zur bayerischen Chronistik des 15. Jh. (Norm und Struktur 30). K¨oln u. a. 2009, S. 266, 306, 309, 352–356. VZ ¨ Udalricus. – M¨oglicher Verfasser oder Ubersetzer einer dt. Chronik u¨ ber die Zeit Stefans des Großen. Der vielleicht mit einem 1504 bezeugten Ulrich Pergawer aus Suczawa identische U. (vgl. Valjavec, S. 245) geh¨orte zu einer deutschsprachigen Gesandtschaft, die von F¨urst Stefan dem Großen von Moldavien 1501 nach N¨urnberg geschickt wurde, um sich von dort einen Arzt zur Behandlung seines paralytischen Leidens holen las¨ sen. Als Verfasser bzw. Ubersetzer wurden auch → Hermann von Weißenburg (G´orka) und Hartmann → Schedel (Chi¸timia) vermutet. Dy Cronycke des Stephan Voyvoda auß der Wallachey, die als a¨ lteste erhaltene Chronik aus Rum¨anien gilt, berichtet u¨ ber die Zeit von 1457 bis 1499, insbesondere u¨ ber den moldavisch-ungarischen Krieg von 1467, die Auseinandersetzungen Stefans mit den F¨ursten der Wallachei, seinen Widerstand gegen die osmanische Expansion und seinen Sieg u¨ ber Polen 1497. ¨ Uberlieferung: Mu¨ nchen, BSB, Clm 952, 1r–12r (1502). Ausgabe: Olgierd G´orka: Kronika czas´ow Stefana Wiełkiego Moldawskiego [Chronik der Epoche Stephans d. Gr. von Moldavien]. Krakau 1931 (mit poln. Einleitung und Komm.); Wiederabdruck mit rum¨anischer Einleitung und Komm. u. d. T. «Cronica epocei lui S¸ tefan cel Mare» in: Revista Istorica Romˆan˘a 4 (Bukarest 1934) S. 215–279; 5–6 (1935–1936) 1–85, Text S. 43–84. Literatur: De Boor/Newald 4,1 (21994) S. 157. – Christine St¨ollinger-L¨oser, VL2 9 (1995) Sp. 1212 f. – Richard Huß: Die dt. Chron. eines Bistritzers aus dem Jahr 1499 (bzw. 1502) 1146

um 1500 und die Bistritzer Kanzleisprache des 15./16. Jh. In: Siebenb¨urgische Vierteljahrsschr. 56 (1933) S. 122–164. – Ion Const[antin Chi¸timia: Cronica lui Stefan cel Mare, Cercet˘ari Literare III. Bukarest 1939, S. 219–289 (frz. Zusammenfassung S. 290–292). – Fritz Valjavec: Gesch. der dt. Kulturbeziehungen zu S¨udosteuropa. Bd. 1: MA. 2., wesentlich erw. Aufl. (Su¨ dosteurop¨aische Arbeiten 41). M¨unchen 1953, S. 213, 222–224, 244–246. – Hugo Weczerka: Das ma. und fr¨uhneuzeitliche Deutschtum im F¨urstentum Moldau von seinen Anf¨angen bis zu seinem Untergang (13.–18. Jh.) (Buchreihe der S¨udostdt. Hist. Kommission 4). Mu¨ nchen 1960, 157–159, 239–241. – Edda Binder Iijima/Vasile Dumbrava (Hg.): Stefan der Große – F¨urst der Moldau. Symbolfunktion und Bedeutungswandel eines ma. Herrschers. Leipzig 2005. BJ Sterner, Ludwig (Steger), * um 1470 Racconigi (Piemont) (?), † um 1540/41 Biel/Schweiz. – Stadtschreiber, Chronist des Schwabenkrieges, Sammler historiographischer Texte. S. erste urkundliche Bezeugung stammt von 1496. In diesem Jahr stand er in Biel vor Gericht und floh nach Freiburg/Schweiz, wo er Urfehde schw¨oren musste. Vielleicht wurde er dort zum Notar ausgebildet. W¨ahrend des Schwabenkrieges nahm er als Feldschreiber an Unternehmungen der Freiburger (Z¨uge in den Hegau und Thurgau) teil. Von 1503/1506 bis 1510 war S. in Freiburg als Notar und geschworener Schreiber t¨atig. 1505 erhielt er das Freiburger B¨urgerrecht, das er 1510 wieder verlor (wie auch seine Schreiberstelle und das Notariat), weil er sich strafbar gemacht hatte (Verletzung des Reislaufverbots). Erneut musste S. Urfehde schw¨oren und am 23. Januar die Stadt verlassen. Noch im selben Jahr und kaum einen Monat sp¨ater wurde er f¨ur zehn Jahre zum Stadtschreiber von Biel gew¨ahlt. Er trat die Stelle im Sommer an und blieb bis zu seinem Tod im Amt. 1519 erhielt S. das B¨urgerrecht von Biel und trat 1526 zum reformierten Glauben u¨ ber, nachdem er als Altgl¨aubiger 1524/25 Biel verlassen hatte m¨ussen. S. hinterließ eine (heute verstreute) Bibliothek mit rund 120/30 B¨anden, denn er war nicht nur selbst als Chronist t¨atig, sondern sammelte auch chronikalische und verwandte Texte. 1500/1501 fertigte er eine Abschrift der Burgunderkriegschro¨ in der Freiburger nik Diebold → Schillings d. A. 1147

Sterner Bearbeitung → Peters von Molsheim an. Die Kurzchronik Konrad → Pfettisheims stellte er zusammen mit drei Liedern (→ Ursprung der Eidgenossenschaft, → Scherer von Ilau und eines von Balthasar → Wenck) voran. Bald darauf (vor 1509) schloss er eine Abschrift der Schwabenkriegschronik des Hans → Lenz an und f¨ugte auch dort in Erg¨anzung zu den bereits von Lenz inserierten Liedern zus¨atzliche als Anhang ein (Liliencron 2 [1866] Nr. 199, 198, 210 [Peter → M¨uller], 208, 206A). Ein weiteres Autograph stellt eine kleine Sammelhandschrift von 1518 dar mit vier Verstexten auf Grundlage von (Abschriften von) Einblattdrucken. Ein Text ist in franz¨osischer Sprache, Gegenstand ist in drei F¨allen die eidgen¨ossische Politik. Zum vierten Text (Streitgespr¨ach zwischen Seele und Leib) vgl. → Hentz von den Eichen. Die Schwabenkrieg-Chronik, die S. zugewiesen wird (B¨uchi 1901 [s. Lit.] S. XXXIV–XLI), ist anonym u¨ berliefert. Im Gegensatz zu den Vergleichstexten von Hans Lenz und Nikolaus → Schradin ist sie in Prosa abgefasst. Die Chronik d¨urfte bald nach Kriegsende (September 1499) entstanden sein. Sie beruht auf Augenzeugenberichten und eigener Anschauung und hat gegen¨uber anderen Darstellungen einen eigenst¨andigen Quellenwert. Allerdings endet der Text noch vor den letzten Kriegshandlungen, auf die zuvor schon angespielt worden ¨ ist. Ob S. selbst vorzeitig abbrach oder ein Uberlieferungsverlust vorliegt, ist ungekl¨art. Ein gedrucktes Buch aus der Sammlung S.s, das heute in Pruntrut (Porrentruy) aufbewahrt wird, enth¨alt auf einem beigelegten handschriftlichen Blatt ein kurzes gereimtes Exempel unter dem Namen von S.: «So volget aber harnach ein ware geschicht, so ich L. S. zu lob und eere aller erlichen fromen frowen geschriben hab». Am Pruntruter Hof des Bischofs von Basel hatte sich S. w¨ahrend seines religionsbedingten Exils 1524/25 aufgehalten. Der l¨uckenhafte und daher nicht abschließend zu bewertende Text bezieht sich auf Freiburg und ermahnt Ehefrauen (ironisch [?]), nicht mehr als einen Liebhaber zu haben («Ein b˚uler und nitt mer / ist allen frowen ein er»). Ob S., der offensichtliche Schreiber des Blattes, auch als Verfasser gelten kann, ist offen. ¨ Uberlieferung: Chronik: Vier Abschriften ab 1530/40 (B¨uchi 1901 [s. Lit.] S. XVIII–XXVI). – Drei davon offensichtlich noch in Privatbesitz. – Jetzt zug¨angliches Exemplar: Freiburg/Schweiz, 1148

Vom Ursprung der Eidgenossenschaft Kantons- und UB, Ms. L 1152 (vormals Privatbesitz Fam. Diesbach, Uebewil), um 1590. – Exempel «ware geschicht»: Porrentruy, Biblioth`eque cantonale jurasienne, Inc. 417, 349rv, beigelegtes Blatt in einen Druck von «Der → Heiligen Leben» [Bl. 8–276] und «Der Ritter von Turn von den Exempeln der gotsforcht und erberkeit» des Geoffroy IV. de La Tour Landry [Bl. 277–349] (Druck: erstes Viertel 16. Jh.), ex libris: «Diß b˚uch ist L. S.». – Chroniksammelband: Privatbesitz Antiquariat Biberm¨uhle, Heribert Tenschert, Ramsen (Schweiz) (vormals Privatbesitz Fam. Diesbach, Uebewil), Autograph v. 1501. – Kleine Sammelhs.: London, British Library, Ms. Add. 32447, 11 Bll., darin: «Fl¨ußli-Spiel der politischen M¨achte», «Ein ander Nuw Spyl», «Le reuers du Jeu des Suysses», «Streitgespr¨ach» (s. o.), Autograph v. 1518. – Freiburger/Bieler Gesch¨afts- und Urkundenb¨ucher von der Hand S.s: Staatsarch. Freiburg/Schweiz, Notariatsreg. – Stadtarch. Biel, Urkundenb¨ucher, Akten und Missiven. Ausgabe: Chronik: B¨uchi (s. Lit.) S. 522–618. – Chroniksammelband: Frieder Schanze: L. S.s Hs. der Burgunderkriegschron. des Peter v. Molsheim und der Schwabenkriegschron. des Johann Lenz mit den v. S. beigef¨ugten Anh¨angen. 3 Bde. (Bd. 1: Teilfaks.; Bd. 2: Interimskomm. zum Faks.; Bd. 3: Beschreibung der Hs. und Edition der Schwabenkriegschron. [Illuminationen 7]). Ramsen 2001–2006. Literatur: Georg von Wyß, ADB 36 (1893) S. 119 f. – Albert B¨uchi, HBLS 6 (1931) S. 544. – F. Schanze, VL2 9 (1995) Sp. 308–310; 11 (2004) Sp. 1459. – Kathrin Utz Tremp, HLS (Online) http://www.hls-dhsdss.ch/textes/d/D14774. – Alexandre Daguet: Ludovic S. Greffier a` Fribourg en Uechtland et Secr´etaire de Ville a` Bienne (1496–1440). In: Anz. f¨ur Schweizerische Gesch. NF 3 (1878/81) S. 221 f., 248–252, 289–296. – Ferdinand Vetter: Die Quellen zur Gesch. der Schlacht an den Kalven. In: ebd. NF 4 (1882/85) S. 258–278, hier S. 269–276. – Robert Priebsch: ‹Der krieg zwischen dem lyb vnd der seel›. In: ZfdPh 29 (1897) S. 87–98, hier S. 87–90. – Ders.: Dt. Hss. in England. Bd. 2. Erlangen 1901, S. 263–265 (Nr. 305) (mit Abdruck v. ‹Ein ander Nuw Spyl›). – A. B¨uchi (Hg.): Aktenst¨ucke zur Gesch. des Schwabenkrieges nebst einer Freiburger Chron. u¨ ber die Ereignisse von 1499 (Quellen zur Schweizer Gesch. 20). Basel 1901. – Emil Schmid: Bestellungsbrief L. S.s als Stadtschreiber v. Biel. In: 1149

um 1500 Anz. f¨ur Schweizerische Gesch. (1902) S. 100 f. – A. B¨uchi: Die Chron. und Chronisten v. Freiburg im Uechtland. In: Jb. f¨ur schweizerische Gesch. 30 (1905) S. 197–326, hier S. 243–247, 252–261, 323 f. – Max Wehrli: Das Lied v. der Entstehung der Eidgenossenschaft. Das Urner Tellenspiel (Quellenwerk zur Entstehung der Schweizerischen Eidgenossenschaft 3,2/1). Aarau 1952, S. 5 f. – Richard Feller/Edgar Bonjour: Geschichtsschreibung der Schweiz vom Sp¨atMA zur Neuzeit. Basel/Stuttgart 2 1979, S. 116 f. – F. Schanze: Zu drei N¨urnberger Einblattdrucke des fr¨uhen 16. Jh. In: GutenbergJb. (1992) S. 134–145, hier S. 143–145. – Werner und Marcus Bourquin: Biel – stadtgeschichtl. Lex. Von der R¨omerzeit (Petinesca) bis Ende der 1930er Jahre. Historisch, biographisch, topographisch. Mit Erg. f¨ur den Zeitraum bis 1999. Biel 1999, S. 430 f. – Rudolf Gamper/Romain Jurot: Catalogue des manuscrits m´edi´evaux conserv´es a` Porrentruy et dans le canton du Jura. DietikonZ¨urich 1999, S. 125 f. – F. Schanze: L. S.s Chronikhs. v. 1501. Eine Kompilation als hist. Monument. In: Librarium 45 (2001) S. 2–16. – Ders. 2001–2006 (s. Ausg.) Bd. 2/3. VZ Vom Ursprung der Eidgenossenschaft. – Lied nach der siegreichen Beendigung des Burgunderkriegs 1477. Das Loblied auf die Eidgenossenschaft nach dem Sieg im Krieg gegen Karl den K¨uhnen (1477; → Karl der K¨uhne und die Burgunderkriege) umfasst zwischen 18 und 35 Schweifreimstrophen; es ist in mehreren Varianten u¨ berliefert. Die Entstehungsgeschichte des sich in drei Teile gliedernden Liedes ist nicht gekl¨art. Angenommen wird, dass dem Anfangsteil, der sich auch formal (H¨aufung unreiner Reime) vom Rest abhebt, ein a¨ lteres Lied zugrunde liegt. Eine im Lied enthaltene Darstellung der eidgen¨ossischen Befreiungstradition gilt als fr¨uhes Zeugnis f¨ur die Sage von Wilhelm Tell. Nach der Prologstrophe wird vom Ursprung des eidgen¨ossischen Bundes erz¨ahlt (Str. 1–9), wobei die Rolle des Landes Uri besonders hervorgehoben wird. Nach einer knappen Schilderung der Taten der habsburgischen Landv¨ogte und deren Vertreibung sowie der Erw¨ahnung des Bundesschwurs werden in einem zweiten Teil (Str. 10–18) die Eidgenossen und ihre Verb¨undeten aufgez¨ahlt. Der dritte Teil (Str. 19–29) schildert die Feldz¨uge und Schlachten des Burgunderkriegs sowie das Ende Karls des K¨uhnen in der Schlacht 1150

um 1500 bei Nancy. In Version ‹Mu¨ › folgen zwei Strophen u¨ ber die Gefallenen und eine Strophe zum Lob der wehrhaften Eidgenossenschaft; die mit eine Gebetsstrope endende Version ‹B› erweitert die Tellengeschichte um Zusatzstrophen. ¨ Uberlieferung: a) Ludwig → Sterners Chronik im Privatbesitz Antiquariat Biberm¨uhle, Heribert Tenschert, Ramsen/Schweiz (vormals Privatbesitz Fam. Diesbach auf Balterswil/Fribourg), 149r–152v (Autograph, 1501; 30 Str.; bei Wehrli Version A). – b) Mu¨ nchen, BSB, Clm 14668, 137r–139v (um 1510; 34 Str.) (M¨u). – c) Luzern, ZB, Abt. B¨urgerbibl., Ms. 382.4, S. 43–48 (Werner Steiners «Liederchronik», Z¨urich 1532; Autograph; Abschriften in Z¨urich, ZB, Ms. A 158, 24r–26v [16. Jh.], Bern, Burgerbibl., Mss. h. h. V 57 und V 79 [17. Jh.]; nur Str. 1–18) (C). – d) Zahlreiche Drucke von ca. 1545–1765, zuerst in Z¨urich bei Augustin Fries [um 1545] (35 Str.) (B); vgl. Wehrli, S. 8–10. Ausgaben: Ernst Ludwig Rochholz: Eidgen¨ossische Lieder-Chron. Bern 21842, S. 206–209 (16 Str.). – Philipp Max K¨orner (Hg.): Hist. Volkslieder aus dem sechzehnten und siebenzehnten Jh. Stuttgart 1840. Nachdr. Walluf 1973, S. 1–8 (d). – Liliencron 2 (1866) Nr. 147. – Ludwig Tobler (Hg.): Schweizerische Volkslieder. 2 Bde. (Bibl. a¨lterer Schriftwerke der dt. Schweiz 4.5). Frauenfeld 1882–84, Bd. 1, S. 3–5 (Strophen 1–9). – Adalbert Jeitteles: Lied vom U. d. E. In: Germania 30 (1885) S. 323 f. (Ausz¨uge nach a). – Wolfgang Golther: Das Lied vom U. d. E. In: Anz. f¨ur Schweizerische Gesch. NF 5 (1886–89) S. 387–392 (a). – Max Wehrli (Hg.): Das Lied von der Entstehung der Eidgenossenschaft. Das Urner Tellenspiel (Quellenwerk zur Entstehung der Schweizerischen Eidgenossenschaft 3,2). Aarau 1952 (Paralleldruck aller Versionen). Literatur: Liliencron 2 (1866) 109–115. – Frieder Schanze, VL2 10 (1999) 125–128; 11 (2004) Sp. 1594. – Wilhelm Vischer: Die Sage von der Befreiung der Waldst¨atte. Leipzig 1867, S. 45–53, 80 f. – Tobler (s. Ausg.) Bd. 1, S. XV–XVIII, XXX. – Karl Meyer: Die Urschweizer Befreiungs¨ tradition in ihrer Einheit, Uberl. und Stoffwahl. Z¨urich 1927, S. 26–29. – Wehrli (s. Ausg.). – B. Meyer: Weißes Buch und Wilhelm Tell. Weinfelden 1963, S. 51–73. – Hans Tr¨umpy: Bemerkungen zum alten Tellenlied. In: Basler Zs. f¨ur Gesch. und Altertumskunde 65 (1965) S. 113–132. – Peter Stadler: Epochen der Schweizergeschichte. Orell 1151

Sternberger Hostiensch¨andung F¨ussli, Z¨urich 2003, – Bernhard Stettler: Die Eidgenossenschaft im 15. Jh. Die Suche nach einem gemeinsamen Nenner. Menziken 2004. – Guy P. Marchal: Schweizer Gebrauchsgeschichte. Geschichtsbilder, Mythenbildung und nationale Identit¨at. Basel 2006. BJ Sternberger Hostiensch¨andung. – Komplex sp¨atma. Ereignisdichtungen und Prosaberichte. Im Jahr 1492 wurde in Sternberg (Mecklenburg) der Vorwurf der «Hostiensch¨andung» erhoben. Der Vikar am Allerheiligen-Altar der Kirche St. Marien und St. Nikolaus, Peter D¨ane (Petrus Dacus), soll, da er Schulden beim Juden Eleasar hatte, den Juden zwei Hostien beschafft haben. Daraufhin sollen die Juden die Hostien mit Nadeln traktiert haben, bis das Blut Christi austrat; nachdem sie sie entsorgt hatten, habe der Vikar sie gefunden und vergraben. Der Vorwurf zog, wie andernorts auch, die Vernichtung der Gemeinde nach sich. Ein Gutachten der Universit¨at Rostock diente als Grundlage f¨ur Inhaftierung und Folterung von 65 Personen, von denen schließlich 27 auf dem Scheiterhaufen endeten. Peter D¨ane wurde, nachdem er sich unter der Folter gest¨andig zeigte und die Juden verleumdete, 1493 hingerichtet. – Die von Anfang an publizistisch begleiteten Vorg¨ange erregten weithin Aufsehen. Sie wurden verschiedentlich auch in Chroniken aufgenommen (u. a. Hartmann → Schedel, Petermann → Etterlin, Diebold → Schilling d.J.). Als wesentlich k¨onnen die folgenden Texte gelten: 1. Urgicht der Juden. Das weitgehend aus gattungsspezifischen Versatzst¨ucken kompilierte Gest¨andnis diente den meisten Folgetexten (un-) mittelbar als Referenztext. ¨ Uberlieferung: Kopenhagen, KB, cod. Gl. Kgl. S. 8° 3401, 987r–992r. 2. Nd. Einblattdruck, der bald nach dem Tag der Hinrichtung (24.10.) erschienen sein d¨urfte. Er reproduziert in der Hauptsache das Gest¨andnis der Juden. ¨ Uberlieferung: [Magdeburg, Simon Koch], 1492. Ausgabe: Hermann Maschek (Hg.): Dt. Chron. Leipzig 1936, S. 134–138. 3. Nd. Flugschrift (4 Bl., 1 Holzschnitt). Inc.: «Van den bosen ioden volget hyr eyn gheschicht». Der Text folgt k¨urzend Nr. 1. ¨ Uberlieferung: Druck [L¨ubeck, Matthaeus Brandis] (1492). 4. Lat.-nd. Gedicht. Inc.: «Humana mens confunditur. dorch greselike geschefte». Im Anschluss 1152

Wilsnacker Wunderblut an Nr. 3 gedrucktes Preisgedicht auf die Herz¨oge von Mecklenburg. ¨ Uberlieferung: Druck [L¨ubeck, Matthaeus Brandis] (1492), Bl. 4a-b. Hs.: Kopenhagen, KB, cod. Gl. Kgl. S. 8° 3401, 990v–992r. 5. Nd. Flugschrift. Inc.: «Uan der mysehandelinge des hiligen Sacramentes». Der Text folgt Nr. 2, deren Protokollcharakter zur¨uckdr¨angend. Im Unterschied zu Nr. 3 wird die Anwesenheit der Herz¨oge erw¨ahnt. ¨ Uberlieferung: Druck [Magdeburg, Simon Koch] (1492). 6. Hd. Flugschrift. Eine hd. Version von Nr. 5. ¨ Uberlieferung: [Bamberg, mit Typen von Johann Sensenschmidt, nicht vor 1492]. 7. Auf 5. beruht eine in zwei verschiedenen Drucken vorliegende weitere Flugschrift, die die Nachricht von der Anwesenheit der Herz¨oge wegl¨asst, sonst aber bis auf kleinere Abweichungen mit 5. zusammengeht. ¨ Uberlieferung: Drucke. a) [K¨oln, Ludwig van Renchen] (1492) (GW Nachtr. 338). – b) [Basel? 1492?]. 8. Heinrich Boger, Carmen de hostia Sternbergensi. Lat. Carmen des Wanderhumanisten aus H¨oxter (gest. 1506) u¨ ber die «vermaledeite Schar der Beschnittenen». Der Text d¨urfte zeitnah zum Ereignis entstanden sein. Boger ließ bereits 1493 eine «oratio» auf die Verbrennung des Peter D¨ane folgen. ¨ Uberlieferung: H. B., Etherologium. Rostock, Hermann Barckhusen, 1506, 26r–34r. 9. Nikolaus Marschalk, Mons stellarum. Der mit antij¨udischer Polemik (auch aus der Bibel) durchsetzte Bericht des Rostocker Humanisten (gest. 1525) d¨urfte anl¨asslich des 20. bzw. 30. Jahrestags zur F¨orderung des Pilgerwesens publiziert worden sein. Marschalk kritisiert die Geistlichkeit und akzentuiert die Verdienste der F¨ursten um die Aufdeckung des Skandals. Eine dt. Fassung (1510), die gelegentlich kolportiert wird, l¨asst sich nicht mehr nachweisen. ¨ Uberlieferung: Drucke: a) [Rostock, Ludwig Dietz, 1512] (VD16, ZV 10417). – b) Rostock, Ludwig Dietz, 31.7.1512 (VD16, ZV 10419). – c) Rostock, Nikolaus Marschalk, 1522 (VD16, ZV 18229). Ausgabe: Johann H¨ubner (Hg.): Nicolai Marescalci Thurii Mons Stellarum sive Historia de Hostia Sternbergensi. Hamburg 1730. Literatur: Volker Honemann, VL2 9 (1995) Sp. 306–308. – C. Fasbender, VL-Hum 1 (2005) 1153

um 1500 Sp. 221. – Gerlinde Huber-Rebenich, VL-Hum 2 (2009) Sp. 183 f. – Georg Christian Friedrich Lisch: Gesch. der Buchdruckerkunst in Mecklenburg. In: Jbb. des Ver. f¨ur mecklenburgische Gesch. und Altertumskunde 4 (1839) S. 86–91, 130 f. – Ders.: Hauptbegebenheiten in der a¨ lteren Gesch. der Stadt Sternberg. In: ebd. 12 (1847) S. 187–306, bes. S. 207–235, 256–269. – Friedrich Bachmann: Die landeskundliche Lit. u¨ ber die Großherzogt¨umer Mecklenburg. Bibliographische Zusammenstellung. G¨ustrow 1889, S. 341 f. – Wilhelm Heess: Geschichtliche Bibliogr. v. Mecklenburg. 2. Tl. Rostock 1944, Nr. 12719–12735. – Fritz Backhaus: Die Hostiensch¨andungsprozesse von Sternberg (1492) und Berlin (1510) und die Ausweisung der Juden aus Mecklenburg und der Mark Brandenburg. In: Jb. f¨ur brandenburgische Landesgesch. 39 (1988) S. 7–26. – Volker Honemann: Die S. H. und ihre Quellen. In: Kirche und Ges. im Heiligen R¨omischen Reich des 15. und 16. Jh. Hg. v. Hartmut Boockmann (Abh. der Akad. der Wiss. in G¨ottingen, hist.-philol. Kl. 3/206). G¨ottingen 1994, S. 75–102 (wieder in: Literaturlandschaften. Schr. zur deutschsprachigen Lit. im Osten des Reiches. Hg. v. Rudolf Suntrup u. a. [Medieval to Early Modern Culture 11]. Frankfurt/M. 2008, S. 187–216). CF Wilsnacker Wunderblut. – Hostienwunder im brandenburgischen Ort Wilsnack 1383; wurde im 15./16. Jh. vielerorts in Chroniken, theologischen Traktaten, Einblattdrucken u. a. m. thematisiert. Nachdem die Pfarrkirche des kleinen Orts Wilsnack im Bistum Havelberg am Bartholom¨austag (24.8.) 1383 durch Heinrich von B¨ulow, der zu dieser Zeit mit dem Havelberger Bischof in Fehde lag, zerst¨ort worden war, wurde berichtet, der Gemeindepfarrer habe aus der Asche drei unversehrte konsekrierte Hostien geborgen, die am Rand leicht ger¨otet und mit einem Blutstropfen gezeichnet waren. Der Havelberger Bischof griff diesen Bericht auf, inszenierte das Wunder und etablierte eine gewinntr¨achtige Wallfahrt nach Wilsnack. Bald pilgerten Wallfahrer aus vielen Teilen des christlichen Europa nach Wilsnack, das im Hinterland der Hanse lag. Der Kernbereich des Einzugsgebiets erstreckte sich von Schleswig bis Hessen und von den Niederlanden bis Preußen. Dar¨uber hinaus lassen sich Pilger aus B¨ohmen und Ungarn, Kleinpolen (Krakau), Lettland (Riga) und Skandinavien nachweisen. Der große Erfolg des Wunderbluts zog 1154

um 1500 bald den Argwohn der benachbarten Geistlichkeit auf sich. Ein heftiger theologischer Disput u¨ ber die Wahrhaftigkeit des W. W.s in der Mitte des 15. Jh. f¨uhrte allerdings nicht zur Einstellung der Wallfahrt. Erst die Zerst¨orung der Wunderhostien durch den ersten lutherischen Ortspfarrer leitete den allm¨ahlichen Niedergang der Wallfahrt nach Wilsnack und der damit verbundenen Publizistik ein. Die Voraussetzungen und Gr¨unde f¨ur den enormen Erfolg des W. W.s lagen in der 1215 auf dem 4. Laterankonzil verabschiedeten Transsubstantiationslehre. Sie besagt, dass sich Brot und Wein durch die Konsekration des Priesters bei Wahrung von Aussehen und Geschmack in den Leib und das Blut Jesu Christi verwandeln w¨urden. Infolgedessen kamen Berichte von Wundererscheinungen auf, die diesen Vorgang best¨atigten. Nachdem Papst Urban IV. 1264 das Fronleichnamsfest f¨ur die r¨omische Kirche eingef¨uhrt hatte, setzte es sich im ersten Drittel des 14. Jh. im mittel- und norddt. Raum unter dem Namen «Heiligblutstag» durch. An diesem Tag wurde die hl. Hostie in einer Monstranz (Schaugef¨aß) pr¨asentiert und meist feierlichen Prozessionen vorangetragen; die erste dt. Wallfahrt in diesem Zusammenhang f¨uhrte 1331 nach Gottsb¨uren in Hessen. Die Transsubstantition hatte mehrere einflussreiche Kritiker auf den Plan gerufen, die sich nicht nur an der Lehre selbst st¨orten, sondern auch an den Begleitumst¨anden. Das W. W. nahm innerhalb dieses theologischen Disputs eine herausragende Stellung ein: Zwei heftige Kontroversen schlugen sich schriftenreich in Synodalbeschl¨ussen, Traktaten, Gutachten und Korrespondenzen nieder. In der ersten hatte der Prager Erzbischof Zbynko von Hasenburg eine Kommission bestellt, die verschiedene neuere Wallfahrten begutachten sollte, bestehend aus dem bekannten Kirchenreformer und sp¨ater verurteilten H¨aretiker Jan Hus u. a. Nachdem der Erzbischof zuvor bereits zwei andere Wallfahrten verboten hatte, unterstellte er 1405 dem W. W. auf Grundlage des kommissarischen Gutachtens, dass es sich hierbei nur um eine Schurkerei der o¨ rtlichen Geistlichen zur Erh¨ohung ihres materiellen Gewinns handele. Hus begr¨undete seine grunds¨atzliche Ablehnung von Bluthostien damit, dass Christus auf seiner Himmelfahrt alles mit sich genommen habe, daher k¨onne weder Blut noch Leib auf der Erde zur¨uckgeblieben sein (Quaestio 1155

Wilsnacker Wunderblut de sanguine Christi, 1405/1407). Der Erzbischof verbot daraufhin jedem, der seiner Kirchenprovinz angeh¨orte, nach Wilsnack zu pilgern. Die zweite theologische Kontroverse, insbesondere gef¨uhrt von Vertretern des Franziskanerund Dominikanerordens, erreichte ihren H¨ohepunkt in den Jahren von 1443 bis 1453: aufseiten der Franziskaner standen u. a. Matthias D¨oring, s¨achsischer Ordensprovinzial, Johann Kannemann aus Magdeburg, Nikolaus Lackmann aus Erfurt und der brandenburgische Kurf¨urst Friedrich II.; aufseiten der Dominikaner agierten u. a. Heinrich Toke aus Magdeburg, Johann Hagen aus Erfurt und der Kart¨auser Jakob von Paradies. Die Magdeburger Erzbisch¨ofe G¨unther von Schwarzburg (1403–1445) und Friedrich von Beichlingen (1445–1464) unterst¨utzen engagiert die Kritik der Dominikaner. 1446 verfassten Toke und Heinrich Zolter die Articuli oblati, 30 Artikel gegen Wilsnack: Sie warfen dem o¨ rtlichen Klerus G¨otzendienst, gef¨alschte Wunder und Habgier vor. Darauf reagierten Kannemann und D¨oring, die sich u. a. auch deshalb von Toke und dem Erzbischof angegriffen f¨uhlten, weil diese die Franziskaner im Erzbistum Magdeburg gegen ihren Willen zu reformieren suchten. In ihrer Antwort warfen sie Toke vor, die gleichen Argumente wie der H¨aretiker Jan Hus gegen das W. W. zu verwenden (Hic quidem determinans singulari odio, 1446). D¨oring brachte die Wunderhostie nicht mit dem hl. Sakrament in Verbindung, sondern verstand sie als Reliquie, deren Pr¨asentation erw¨unscht sei. Toke und Zolter legten noch im selben Jahr eine Gegenschrift an der Universit¨at Erfurt zur Begutachtung vor (Dubia circa sacramentum quod dicitur esse in Welsnack, 1446); das Gutachten fiel gem¨aßigt kritisch aus. Der sich daran anschließende Streit mit Schwerpunkten an den Universit¨aten Erfurt und Leipzig sowie dem Braunschweiger St. ¨ Agidienkloster (im Besitz einer Blutreliquie) wurde grunds¨atzlicher: Die Gegner kritisierten nicht nur Wilsnack, sondern die Reliquienverehrung und ihr Verm¨ogen der Heilsvermittlung insgesamt. Damit wurde an die a¨ltere Diskussion um Jan Hus angekn¨upft. Bereits 1446 hatte Kurf¨urst Friedrich II. von Brandenburg sich in diese Auseinandersetzungen eingeschaltet. Da er im Streit des Papstes mit dem Baseler Konzil (1431–49) auf die Seite Eugens IV. getreten war, erlangte er die Anerkennung der Hostien, einen erneuten Ablass und das Recht, u¨ ber 1156

Wilsnacker Wunderblut die Bluthostie neue konsekrierte Hostien zu legen, um der «Abnutzung» der Wunderhostien zu begegnen. Nachdem jedoch durch den p¨apstlichen Legaten → Nikolaus von Kues am 5.4.1451 ein generelles Verbot, Bluthostien zu zeigen, ihre angeblichen Wunder zu verk¨unden und Bleizeichen in Hostienform zu verkaufen, erlassen worden war, kam es zur gegenseitigen Exkommunikation des betroffenen Magdeburger Erzbischofs und des Havelberger Bischofs. Der Erlass des Legaten wurde aber 1453 von Papst Nikolaus V. w¨ahrend einer Romreise Friedrichs II. kassiert. Der fast ausschließlich in lat. Sprache gef¨uhrte Gelehrtendisput beeintr¨achtigte den Pilgerstrom nach Wilsnack nicht. Im Gegenteil: Chronisten insbesondere aus der zweiten H¨alfte des 15. Jh. berichten von (spontanen) Massenwallfahrten, dem «Wilsnacklaufen». W¨ahrend aus dem 14. Jh. nur ein Laufen schlesischer Pilger f¨ur das Jahr 1397 (Ludolf von Sagan: Catalogus abbatum Saganensium) bekannt ist, berichten mehrere mitteldt. Chroniken von Massenwallfahrten vor allem junger Leute und Kinder, die sich – vielleicht gen¨otigt durch Armut und bevorstehende Hungersn¨ote oder im Zusammenhang mit anderen Wallfahrten wie ein Reliquienfest in der Aachener Marienkirche – auf die Reise nach Wilsnack begaben: 1475 Pilger aus ¨ Th¨uringen, Franken, Hessen, Meißen, Osterreich und Ungarn (Magdeburger Bischofschronik, Konrad → Stolle: Erfurter Chronik), 1476 Pilger aus Th¨uringen und Franken (Markus Spittendorf aus Halle: Denkw¨urdigkeiten), 1487 Pilger aus Kursachsen und Meißen (Weltchronik des Dietrich → Engelhus, fortgef¨uhrt von Matthias D¨oring), 1488 Pilger aus Braunschweig (Anonymus: Braunschweiger Stadtfehde 1492/93), 1516 Pilger aus Rinteln an der Weser (Cyriakus Spangenberg: Chronicon [...] der [...] graffen z¨u Holstein). Das Laufen wurde vor allem von Erfurter Theologen wie Johannes (Bauer) von Dorsten und dessen Sch¨uler Johannes von Paltz kritisiert: Es st¨ore die Ordnung, die nach der Kirche das h¨ochste Gut Christi sei; das Laufen sei eine Form betr¨ugerischer Wallfahrt. Neben diesen Beispielen existieren in bisher nicht u¨ berschaubarer Zahl Hinweise und Berichte zum W. W. in historiografischen Schriften, von denen folgende in der historischen Forschung bereits diskutiert werden: Limburger Chronik des Tilemann → Elhen (um 1400), Hermann → Korner: Chronica novella (um 1435), Eberhart → Windeck: 1157

um 1500 Denkw¨urdigkeiten (um 1438/39), Johannes Cochlaeus: Brevis Germanie descriptio (N¨urnb. 1512) sowie weitere Chroniken aus Braunschweig, L¨ubeck und N¨urnberg (siehe Ausgaben). Bis zur Mitte des 15. Jh. hatte Wilsnack sich als bedeutendster Wallfahrtsort im norddt. Raum etabliert, zu dem Pilger jeglichen Standes reisten. In o¨ ffentlich ausliegenden Mirakelb¨uchern verzeichneten die Wilsnacker Geistlichen jedes Wunder, das mit ihren Hostien in Verbindungen stand; diese B¨ucher gingen allerdings wie die ebenfalls in Wilsnack gef¨uhrten B¨ucher von Bruderschaften, die dort Stiftungen eingerichtet hatten, schon im 16. Jh. verloren. Von der Verbreitung zeugen hingegen noch Testamente mit reichen Legaten (aus L¨uneburg 1398, 1417, 1429; aus Braunschweig 1428, 1490; aus Holland eine Stiftung von 80 bemalten und 14 Blankglasfenstern, 1459 gestiftet von Frank van Borselen), Gerichtsb¨ucher, in denen Strafwallfahrten zum W. W. angewiesen wurden (z. B. 196 Strafwallfahrten in Antwerpen, 66 in Br¨ussel, 60 in Gouda, 40 in Mecheln, eine in Stralsund), Rechnungsb¨ucher (Wallfahrt Landgraf Ludwigs I. von Hessen 1431), Viatica (Schutzbriefe f¨ur Wallfahrer, z. B. vom Osloer Bischof Jens Jakobssøn, vom L¨ubecker Domdechanten Nikolaus van der Molen) und Grafitti in der Wilsnacker Kirche (Ritzzeichnungen um 1500). Das Wilsnacker Pilgerzeichen zeigt auf drei durch ein Dreieck verbundenen Hostien die Geißelung, Kreuzigung und Auferstehung Jesu Christi (www.pilgerzeichen.de). Aus dem fr¨uhen 16. Jh. sind vier Drucke zum W. W. bekannt, die u¨ ber den Kirchenbrand von 1383 und die anschließenden Wunder anschaulich berichten: ein achtseitiges Heftchen in Niederdeutsch (Magdeburg bei Jacob Winter 1509), ein Bilderbogen mit 15 Einzelszenen (De hystorie unde erfindinghe des hillighen sacraments tho der Wilssnagk, um 1510), die Historia inventionis et ostensionis viuifici sacramenti in Wilsnack (L¨ubeck bei Stephan Arndes ¨ 1520) und ihre nd. Ubertragung (Rostock bei Ludwig Dietz 1521). Zu den Funktionen der Drucke gibt es unterschiedliche Vorschl¨age: zur Erinnerung nach vollzogener Wahlfahrt, zur Bewerbung des W. W. aufgrund sinkender Pilgerzahlen oder zur Deckung des gesteigerten Bedarfs privater Andachtsst¨ucke. Am Beginn des Reformationszeitalters wurde das W. W. abermals Ziel namhafter kritischer Theologen, ohne dass bekannt ist, ob sich daraus eine 1158

um 1500 gr¨oßere Diskussion entwickelte. Martin Luther polemisierte in seiner Schrift An den christlichen Adel deutscher Nation von des christlichen Standes Besserung (1520) gegen die Wallfahrtsorte Wilsnack, Sternberg in Mecklenburg, Trier, Regensburg u. a. m. Er richtete seine Kritik gegen die betreffenden Bisch¨ofe als Nutznießer der Einnahmen, die solch ein «Teufelsgespenst» zuließen; desgleichen warnte Philipp Melanchthon in seinen Articuli Torgavienses (1530) vor den Verfehlungen dieser Pilgerreisen. Eine intensive Auseinandersetzung mit dem W. W. setzte erst wieder nach dem Versiegen der Pilgerstr¨ome mit Matth¨aus Ludecus, dem Dekan des evangelischen Domstifts zu Havelberg, ein. Seine Historia von der erfindung, wunderwercken und zerst¨orung des vermeinten heiligen bluts zur Wilssnagk (1586) ist die erste und wichtigste Quellensammlung mit insgesamt 63 Stu¨ cken, die heute zum Teil verschollen sind. Er lehnt die Bluthostien mit der Begr¨undung ab, dass Wunderzeichen nicht immer Zeichen des Heils seien, sondern auch der Teufel, der «bose Geist», k¨onne Wunder bewirken. Nach z¨ogerlichem Einzug der Reformen im Kurf¨urstentum Brandenburg und damit auch in Wilsnack (seit 1538) setzte der Rat der Stadt im Streit um das Patronatsrecht an der Wallfahrtskirche gegen den Willen des protestierenden Havelberger Domkapitels den ersten evangelischen Pfarrer, den aus Pritzwalk stammenden Joachim Ellefeld, ein, der nur predigen, nicht aber die Sakramente, Reliquien und Wunderhostien zu verwalten hatte. Ellefeld f¨uhlte sich an diese Absprache nicht gebunden: Er verbrannte am 28.5.1552 die Bluthostien und wurde daraufhin im Auftrag des brandenburgischen Kurf¨ursten Joachim II. festgesetzt, jedoch nach zahlreichen Petitionen und Suppliken, die durch Ludecus u¨ berliefert sind, wieder freigelassen. ¨ Uberlieferung: Aufgrund der u¨ berregionalen Bedeutung des W. W. sind die Textzeugen sehr ¨ verstreut u¨ berliefert und ein vollst¨andiger Uberblick, der wohl kaum zu leisten ist, existiert nicht. Jedoch wurden bereits Verzeichnisse publiziert, die den jeweiligen Forschungsstand widerspiegeln bzw. a¨ltere Studien erg¨anzen. Dazu z¨ahlen: Die Kunstdenkm¨aler der Provinz Brandenburg. Bd. I/1: Die Kunstdenkm¨aler des Kreises Westprignitz. Bearb. v. Paul Eichholz u. a. Berlin 1909, S. 305–334. – Gustav Abb/Gottfried Wentz: Germania Sacra I/1: Das Bistum Brandenburg (Tl. 1). Berlin/Leipzig 1929. – Gottfried Wentz: Germania Sacra I/2: Das 1159

Wilsnacker Wunderblut Bistum Havelberg. Berlin/Leipzig 1933, S. 62–65, 116–121. – Fritz B¨unger/Gottfried Wentz: Germania Sacra I/3: Das Bistum Brandenburg (Tl. 2). Berlin/Leipzig 1941. – Repertorium Germanicum IV/3 (1958) Sp. 9730; V/1.2 (2004) Nr. 3044, 3163, 5094; VIII/1 (1993) Nr. 1520. – Gottfried Wentz/Berent Schwinek¨oper: Germania Sacra I/4: Das Erzbistum Magdeburg (Tle. 1–2). Berlin u. a. 1972. – Jutta Fliege (Bearb.): Die Hss. der ehemaligen Stifts- und Gymnasialbibl. Quedlinburg in Halle. Halle 1982, S. 92–102, 114–116, 172–175. – Anne-Katrin Ziesak: ‹Multa habeo vobis dicere›. Eine Bestandsaufnahme zur publizistischen Auseinandersetzung um das Heilige Blut v. Wilsnack. In: Jb. f¨ur Berlin-Brandenburg. Kirchengesch. 59 (1993) S. 208–248. – Volker Honemann: W. W. In: VL (s. Lit.). – Ines Herrmann: Findbuch des Pfarrarch. Bad Wilsnack. In: Mitt. des Vereins f¨ur Gesch. der Prignitz 3 (2003) S. 108–155. – Uwe Czubatynski: Bibliogr. zur Gesch. der Stadt Bad Wilsnack. In: ebd. 4 (2004) S. 78–87. – Ders.: Papsturkunden in Wilsnack. Ein Verz. aus dem 15. Jh. In: ebd. 10 (2010) S. 97–103. – Jan Hrdina/Hartmut K¨uhne: Pilgerziel Wilsnack: Anf¨ange eines europ¨aischen Wallfahrtsortes. In: Im Dialog mit Raubrittern und Sch¨onen Madonnen. Die Mark Brandenburg im sp¨aten MA. Hg. v. Clemens Bergstedt u. a. Berlin 2011, S. 194–205 (mit neuen Hinweisen auf die ¨ archivalische Uberlieferung). Einschl¨agig f¨ur die Erforschung des W. W. ist: Matth¨aus Ludecus: Historia von der erfindung, wunderwercken und zerst¨orung des vermeinten heiligen bluts zur Wilssnagk. Wittenberg 1586 (VD16 L 3181). Weitere a¨ ltere Drucke: Johann Wolf: Lectionum memorabilium et reconditarum, tom. II. Lauingen 1600 (u. a. Abb. der Wilsnacker S¨undenwaage). – Cyriakus Spangenberg: Chronicon in welchem der hochgebornen uhralten graffen z¨u Holstein, Schau¨ mb¨urgk, Ster[n]berg und Gehmen ank¨unfft. Stadthagen 1614 (Online-Ausg. http://nbnresolving.org/urn:nbn:de:gbv:3:1–22843). – Samuel Walther: Foeda et plus quam barbara superstitio Wilsnacensis. Magdeburg 1725. Ausgaben: Josephus Hartzheim: Concilia Germaniae. Bd. 5, K¨oln 1763. – Augustin Zifte: Vermischte Schr. des M. Jan Hus v. Hussinecz. Aus dem Lateinischen. Leipzig/Prag 1784 (S. 173–241: De sanguine Christi glorificatio). – Ferdinand H. Grautuff (Hg.): Chron. des Franciscaner Lesemeisters Detmar. 2 Bde. Hamburg 1929/30. – Ludolf 1160

Wilsnacker Wunderblut v. Sagan: Catalogus abbatum Saganensium, incipit catalogus abbatum. In: Scriptores rerum Silesiacarum. Bd. 1. Hg. v. Gustav A. Stenzel. Breslau 1835, S. 173–528. – Adolph F. Riedel: Codex diplomaticus Brandenburgensis. Bd. A 2. Berlin 1842, S. 121–184 (Abl¨asse, Korrespondenzen etc.) und Bd. D 1, S. 209–256, hier S. 248 (Weltchron. des Dietrich Engelhus und Matthias D¨oring). – Philippi Melanthonis opera quae supersunt omnia. Hg. v. Karl G. Bretschneider (Corpus reformatorum, 26). Braunschweig 1858 (Nachdr. New York u. a. 1963) Sp. 161–200, hier Sp. 197: Articuli Torgavienses. – Die Chron. der dt. St¨adte 14.–16. Jh. Bd. 1: N¨urnberg. Bd. 1. Leipzig 1862 (Nachdr. G¨ottingen 1961) S. 379. – Urkundenbuch der Univ. Leipzig 1409–1555. Hg. v. Bruno St¨ubel. Leipzig 1879 (Nr. 88, 100–101: Korrespondenzen). – Carl H¨ofler (Hg.): Concilia Pragensia. Prag 1862 (S. 46 f.: Contra peregrinacionem in Welssenag). – Dyt ys dy erfindunge und wunderwerke des hilligen sacramentes tho der Wilsnagk. Hg. v. Gustav Schmidt. In: NdJb 3 (1877) S. 57–60. – Denkw¨urdigkeiten des Hallischen Rathsmeisters Spittendorff. Bearb. v. Julius Opel. Halle 1880. – Ernst Breest: Das Wunderblut v. Wilsnack (1383–1552). Quellenm¨aßige Darstellung seiner Gesch. In: M¨arkische Forschungen 16 (1881) S. 131–302 (S. 195 f.: Notiz Tokes’; S. 296–301: Articuli Ottoni, Articuli oblati, Tokes Schrift an die Erfurter Univ.). – Synodalrede des Domherrn Dr. Heinrich Toke v. Magdeburg (1451). Hg. v. Ernst Breest. In: Bll. f¨ur Handel, Gewerbe und sociales Leben (Beibl. zur Magdeburgischen Zeitung) 34 (1882) S. 167 f., 174–180. – Die Chron. der dt. St¨adte 14.–16. Jh. Bd. 19: L¨ubeck. Bd. 1. Leipzig 1884 (Nachdr. G¨ottingen 1967) S. 579 f. – Die Limburger Chron. des Tilemann Elhen v. Wolfhagen. Hg. v. Arthur Wyss (MGH, Dt. Chron. IV/1). Hannover 1883. – Martin Luther: An den christlichen Adel dt. Nation v. des christlichen Standes Besserung. In: Ders.: Werke. Krit. Gesammtausg. Bd. 6. Weimar 1888, S. 381–469, hier S. 447. – Eberhart Windeckes Denkw¨urdigkeiten zur Gesch. des Zeitalters Kaiser Sigmunds. Hg. v. Wilhelm Altmann. Berlin 1893, S. 315. – Die Chronica novella des Hermann Korner. Hg. v. Jakob Schwalm. G¨ottingen 1898, S. 77, 315. – Die Chron. der dt. St¨adte 14.–16. Jh. Bd. 26: L¨ubeck. Bd. 2. Leipzig 1899 (Nachdr. G¨ottingen 1967) S. 48. – Jan Fijalek: Mistrz Jakub z Paradyza 1161

um 1500 i Uniwersytet Krakowski w okresie soboru bazylejskiego. Bd. 2. Krak´ow 1900 (S. 291–294: De concertatione super cruore de Wilsnack). – Konrad Stolle: Memoriale-th¨uringisch-erfurt. Chronik. Bearb. v. Richard Thiele. Halle 1900. – Johann Hus: De sanguine Christi. In: Ders.: Opera omnia. Bd. 1. Fasc. 1. Hg. v. V´aclav Flajˇshans. Prag 1903. Nachdr. Osnabr¨uck 1966. – Das Wunderblut zur Wilsnack, nd. Einblattdruck mit 15 Holzschnitten aus der Zeit v. 1510–1520. Hg. v. Paul Heitz/Wilhelm Ludwig Schreiber. Straßburg 1904. – Bruno Hennig: Kurf¨urst Friedrich II. und das W. zu W. In: Forschungen zur brandenburgischen und preußischen Gesch. 19 (1906) S. 391–422 (S. 412: p¨apstliche Bulle v. 1447). – Die Chron. der dt. St¨adte 14.–16. Jh. Bd. 30: L¨ubeck. Bd. 4. Leipzig 1910 (Nachdr. G¨ottingen 1968) S. 54–56. – Die Chron. der dt. St¨adte 14.–16. Jh. Bd. 35: Braunschweig. Bd. 3/I. Stuttgart/Gotha 1928 (Nachdr. Stuttgart 1969) S. 79 (Braunschweiger Stadtfehde 1492/93). – Die brandenburgischen Kirchenvisitations-Abschiede. Bd. 1. Hg. v. Victor Herold. Berlin 1931, S. 611–639. – Gerd Tellenbach: Repertorium Germanicum. Verz. der in den p¨apstlichen Registern und Kameralakten vorkommenden Personen, Kirchen und Orte des Dt. Reiches, seiner Di¨ozesen und Territorien vom Beginn des Schismas bis zur Reformation. Bd. 2. Hg. vom Preußisches Hist. Inst. in Rom. Rom 1933. – Ludger Meier: Christianus de Hiddestorf OFM Scholae Erfordiensis columna. In: Antonianum 14 (1939) S. 52–57 (Sermo synodalis oder Tractatus contra cruorem). – Johannes Cochlaeus: Brevis Germanie descriptio. Hg. v. Karl Langosch. Darmstadt 1959. – Joseph Klapper: Der Erfurter Karth¨auser Johannes Hagen. Verz. seiner Schr. mit Ausz¨ugen. Leipzig 1961 (S. 119–124: Verteidigung des Eberhard Waltmann, 1453). – Rudolf Damerau: Das Gutachten der Theologischen Fakult¨at Erfurt 1452 u¨ ber ‹Das heilige Blut v. Wilsnack›. Marburg 1976 (S. 14–57: De adoratione et contra cruores; Octo articuli de illicita et mala in Wilsnack). – Jutta Fliege: Nikolaus v. Kues und der Kampf gegen das W. W. In: Das Buch als Quelle hist. Forschung. FS Fritz Juntke. Hg. v. Joachim Dietze u. a. M¨unchen 1978, S. 62–70 (S. 66–68: Korrespondenz). – Jakub z Paradyza: Wyb´or tekst´ow dotyczacychreformy Kosciola. Hg. v. Stanislaw A. Porebski. Warszawa 1978 (S. 275–359: De erroribus et moribus christianorum modernorum). – Werner Witzke: 1162

um 1500 Das Heilige Blut v. Wilsnack. 460 Jahre alte Rintelner Inschrift erinnert daran. In: Schaumburger Heimatkalender 51 (1979) S. 24–26. – Rita Buchholz/Klaus-Dieter Gralow: De hystorie unde erfindinghe des hillighen Sacraments tho der wilsnagk. Unter Verwendung eines v. Paul Heitz im Jahre 1904 hg. nd. Einblattdrucks aus der Zeit zwischen 1510 und 1520. Bad Wilsnack 1992. – Magdeburger Bischofschron. Hg. v. Eckhart W. Peters. D¨oßel 2006. Literatur: Georg Landau: Zwei Reisen des Landgrafen Ludwig I. v. Hessen im Jahr 1431. In: Zs. des Vereins f¨ur hessische Gesch. und Landeskunde 5 (1850) S. 77–85. – Karl Wilhelm Fidejustus Walther: Das Wunderblut zu Wilsnack. Frankfurt/O. 1869. – Breest 1881 (s. Ausg.). – Heinrich Weber: Die S¨undenwage zu Wilsnack. Eine hist.krit. Studie. Frankfurt/M. u. a. 1888. – Das Wunderblut zu Wilsnack, nach a¨lteren Aufzeichnungen bearb. v. Otto Brell. 2 Tle. Pritzwalk 1911. – Martin Storch: Wilsnack und seine WunderblutKirche. Pritzwalk 1911. – Livarius Oliger: Johannes Kannemann. Ein dt. Franziskaner aus dem 15. Jh. In: Franziskanische Stud. 5 (1918) S. 39–67. – Alfred Scheel: Vom Wunderblut zu Wilsnack, bearb. nach alten Aufzeichnungen. Wilsnack 1924. – August Cors: Chron. der Stadt Bad Wilsnack. Berlin 1930. – Ludger Meier: Wilsnack als Spiegel dt. Vorreformation. In: Zs. f¨ur Religions- und Geistesgesch. 3 (1951) S. 53–69. – Otto-Friedrich Gandert: Das heilige Blut v. Wilsnack und seine Pilgerzeichen. In: Brandenburgische Jahrhunderte. FS Johannes Schultze. Hg. v. Gerd Heinrich u. a. Berlin 1971, S. 73–90. – Renate Krause: Die Nikolauskirche zu Wilsnack. Berlin 1974 (21979). – Dieter Mertens: Iacobus Carthusiensis. Unters. zur Rezeption der Werke des Karth¨ausers Jakob v. Paradies. G¨ottingen 1976. – Hartmut Boockmann: Der Streit um das Wilsnacker Blut. In: Zs. f¨ur Hist. Forschung 9 (1982) S. 385–408. – Der Wallfahrtsweg u¨ ber Heiligensee zum Wunderblut von Wilsnack um 1400. Kat. zur Ausstellung im Heimatmuseum Reinickendorf [Red. Gerd Koischwitz]. Berlin 1989. – Claudia Lichte: Die Inszenierung einer Wallfahrt. Der Lettner im Havelberger Dom und das Wilsnacker Wunderblut. Worms 1990. – Angela Nickel: Wilsnack als europ¨aischer Wallfahrtsort (1383–1552) und seine Kunstwerke. In: Die ma. Plastik in der Mark Brandenburg. Hg. v. Lothar Lambacher und Frank 1163

Wilsnacker Wunderblut M. Kammel. Berlin 1990, S. 153–160 (Kircheninventar). – Folkhard Cremer: Die St. Nikolausund Heiligblut-Kirche zu Wilsnack (1383–1552). 2 Bde. Mu¨ nchen 1996. – Jan Peters: Wilsnack nach dem Wunderblut. Nachreformatorisches Kirchenleben in einer m¨arkischen Mediatstadt. In: Jb. f¨ur Berlin-Brandenburgische Kirchengesch. 61 (1997) S. 124–150. – Hartmut K¨uhne: ‹Ich ging durch Feuer und Wasser ...›. Bemerkungen zur Wilsnacker Heilig Blut-Legende. In: Theologie und Kultur. Geschichten einer Wechselbeziehung. Hg. v. Gerlinde Strohmaier-Wiederanders. Halle 1999, S. 51–84. – Morichimi Watanabe: The German church shortly before the Reformation. Nicolaus Cusanus and the veneration of the bleeding hosts at Wilsnack. In: Reform and Renewal in the Middle Ages and the Renaissance. Hg. v. Thomas Izbicki. Leiden 2000, S. 210–223. – Petra Weigl: Matthias D¨oring. Provinzialminister v. 1427 bis 1461. In: Management und Minoritas. Lebensbilder s¨achsischer Franziskanerprovinziale vom 13. bis zum 20. Jh. Hg. v. Dieter Berg. Kevelaar 2003, S. 21–61. – Cornelia Aman: Die Glasmalereien der Wilsnacker Nikolaikirche. In: Mitt. des Vereins f¨ur Gesch. der Prignitz 4 (2004) S. 5–77. – Kirsten van Ausdall: Doubt and authority in the host-maracle shrines of Orvieto and Wilsnack. In: Art and Architecture of Late Medieval Pilgrimage in Northern Europe and England. Hg. v. Sarah Blick/Rita Tekippe. Leiden 2004, S. 513–538. – Hartmut K¨uhne/Anne-Katrin Ziesak (Hg.): Wunder, Wallfahrt, Widersacher. Die Wilsnackfahrt. Regensburg 2005. – Thomas Willich: Wege zur Pfr¨unde. Die Besetzung der Magdeburger Domkanoniker zwischen ordentlicher Kollatur und p¨apstlicher Provision 1295–1464. T¨ubingen 2005. – Felix Escher/Hartmut K¨uhne (Hg.): Die Wilsnackfahrt. Ein Wallfahrts- und Kommunikationszentrum Nord- und Mitteleuropas im Sp¨atMA. Frankfurt/M. u. a. 2006. – Caroline Walker Bynum: Wonderful blood. Theology and practice in late medieval northern Germany and beyond. Philadelphia 2007. – Helmut Naumann: Wettiner-Wappen in der Prignitz. Datierung der Wilsnacker Glasmalereien und Identifizierung ihrer Stifter. In: Der Herold 50 (2007) S. 193–209. – Jan Peters: M¨arkische Lebenswelten. Gesellschaftsgesch. der Herrschaft Plattenburg-Wilsnack, Prignitz 1500–1800. Berlin 2007. – Andrea Rottloff: St¨arker als M¨anner und tapferer als Ritter. Pilgerinnen in Sp¨atantike und MA. Darmstadt 2007. – Felix Escher: 1164

Schlacht bei Hemmingstedt ‹Sie sagen, dass sie nicht wissen, warum sie laufen›. Gedanken zum Wilsnacklaufen. In: Kirche – Kunst – Kultur. FS Gerlinde StrohmaierWiederanders. Hg. v. Hartmut K¨uhne/Erdmute Nieke. Frankfurt/M. u. a. 2008, S. 73–82. – Markus Leo Mock: Die f¨urstlichen Wappenstiftungen in der Wilsnacker Nikolaikirche. In: Der Herold 51 (2008) S. 365–386. MMu¨ Zayner, Andreas, † 1509/11. – Stadtschreiber in Ingolstadt, Chronist. Der vermutlich aus Lauingen/Donau stammende Z. war 1491–1509 als Stadtschreiber in Ingolstadt t¨atig. Zu den erhaltenen Handschriften von Z.s Hand z¨ahlen ein Kammerbuch (1494 ff.) ein Eid- und Besoldungsbuch (1502) und eine Blauf¨arberordnung (1502). In das Zentrum seiner sich durch sachliche Darstellung auszeichnenden Chronik zum Landshuter Erbfolgekrieg 1503–1505 (Buch der cronicken [...]) stellt Z., der sich als entschiedener Anh¨anger der oberbayerischen Herz¨oge zu erkennen gibt, die Vorgeschichte des Konflikts und den Beginn der kriegerischen Auseinandersetzungen. Zahlreiche Urkunden, Briefe und Ausz¨uge aus Landtagsverhandlungen sind inseriert. Zitate von Aristoteles, Vergil, Seneca, Strabo und der Bibel lassen auf eine klassische Bildung Z.s schließen. ¨ Uberlieferung: M¨unchen, BSB, Cgm 1598, 270 Bll. (Pap., erstes Viertel 16. Jh., bair.; unvollst. Abschrift von der Hand Z.s, Abbruch vor Juli 1505; mit vier ganzseitigen Miniaturen). – Berlin, SBB, Mgf 478, 172 Bll. (Perg., erste H¨alfte 16. Jh.; mit vollst. Text samt Anh¨angen bis M¨arz 1509). Druck: Andreae Zayneri de Bello Bavarico Liber memorialis. In: Rerum Boicarum Scriptores. Hg. v. Andreas Felix Oefele. Bd. 2. Augsburg 1763, S. 347–468 (nach Cgm 1598). Ausgabe: Helgard Ulmschneider: ‹B˚uch der cronicken vnd seltzamen vnd unerhorlichen geschichten im loblichen hawss Bairn entsprungen nach absterben hertzog Georgen in Bairn›. Des Ingoldst¨adter Stadtschreibers A. Z. Chron. zum Landshuter Erbfolgekrieg 1504–1505 und ihre Fortsetzung bis 1509. In: Lit. – Gesch. – Literaturgesch. Beitr. zur medi¨avistischen Literaturwiss. FS Volker Honemann. Hg. v. Nine Miedema/Rudolf Suntrup. Frankfurt/M. u. a. 2003, S. 585–606. Literatur: Helgard Ulmschneider, VL2 10 (1999) Sp. 1482 f.; 11 (2004) Sp. 1695. – Adolf Stempfle: A. Z.s Buch u¨ ber den Bayernkrieg von 1165

um 1500 1503 bis 1505. In: Programm zum Jahresber. der vierk. K. Realschule Rosenheim 1887/88. Rosenheim 1888, S. 3–21. – Sigmund v. Riezler: Gesch. Baierns. Bd. 3: 1347 bis 1508. Gotha 1889 (Nachdr. Aalen 1964) S. 924 f. – Georg R¨uckert: Lauinger Urkunden aus der Zeit nach 1500. In: Jb. des Hist. Vereins Dillingen 19 (1906) S. 27, Nr. 672. – Hanns Kuhn: Kleine Beitr. zur Stadtgesch. 3: Die Erbauungszeit der Sebastianskirche. In: Sammelbl. des Hist. Vereins Ingolstadt 58 (1940) S. 18–20. – K. Leinfelder: Der bayerische Landtag in der Stadt Aichach Anno 1504. In: Aichacher Heimatbll. 2 (1954) 9 f., 17–22, 25–30. – S. Hofmann: A. Zainer und das Ingolst¨adter Privilegienbuch v. 1493. In: Ingolst¨adter Heimatbll. 23 (1960) Nr. 11, S. 46 f. – Erika S. Dorrer: Angelus Rumpler, Abt v. Formbach (1501–1513) als Geschichtsschreiber. Ein Beitr. zur kl¨osterlichen Geschichtsschreibung in Bayern am Ausgang des MA (Mu¨ nchener Universit¨atsschr. Philosophische Fakult¨at. Mu¨ nchener hist. Stud. Abt. Bayerische Gesch. 1). Kallm¨unz/Opf. 1965, S. 97. – Karin Schneider: Die dt. Hss. der Bayerischen Staatsbibl. M¨unchen. Die ma. Hss. aus Cgm 888–4000 (Catalogus codicum manu scriptorum Bibliothecae Monacensis V,6). Wiesbaden 1991, S. 282–284. BJ Schlacht bei Hemmingstedt. – Komplex politischer Ereignisdichtungen. Am 17.2.1500 kam es zwischen den in jeder Hinsicht u¨ berlegenen Truppen K¨onig Johanns von D¨anemark und einem Heer des Landes Dithmarschen s¨udlich von Hemmingstedt zu einer Schlacht, die mit einer vernichtenden Niederlage der D¨anen endete. Die ortskundigen Dithmarscher hatten, hinter einer eigens aufgeworfenen Schanze verborgen, die auf durchweichter Straße heranziehenden k¨oniglichen Truppen unter Feuer genommen. Gefangene wurden keine gemacht. Der K¨onig entkam mit knapper Not. Der unverhoffte Triumph des seit je erfolgreich um seine Unabh¨angigkeit ringenden Gemeinwesens zog rasch ein B¨undel von Ereignisdichtungen nach sich. Die gew¨ahlten Medien, Sprachen, Formen, Schwerpunkte und Standorte lassen den gesamten Komplex repr¨asentativ f¨ur das breite Spektrum politischer Publizistik der Fr¨uhen Neuzeit erscheinen. Der Erfolg des Sujets bis hin zu Theodor Fontanes Ballade (1851) und dar¨uber hinaus beruhte nicht zuletzt im erfolgreichen Aufbegehren 1166

um 1500 des Volkes gegen die Staatsgewalt. Im Einzelnen sind folgende Texte zu unterscheiden: 1. Heinrich Boger, Elegia precipitata super novissima strage in Theomarcia. Inc.: «Perculso grauitate rei vox faucibus heret» (136 bzw. 140 Verse). Der westf¨alische, seit 1499 in Rostock ans¨assige Wanderhumanist (gest. 1506/08) berichtet mit klagendem Unterton, doch weitgehend neutral. ¨ Uberlieferung: VE 15, B-62, B-63. – Wolfenb¨uttel, HAB, 15. 8. Aug. 4°, 49v–52r. Ausgabe: Karl Ernst Hermann Krause: Zur Dithmarschenschlacht von 1500. In: Zs. der Ges. f¨ur Schleswig-Holstein-Lauenburgische Gesch. 11 (1881) S. 10–15. 2. Hermann von dem Busche, Carmen de quedam virgine, que apud Theomarcios patriam armis tegentes, in acie pro pudicicia et libertate vexillum tenuit. Inc.: «Res nova sed lepido Musarum digna relatu» (50 Verse). R¨uhrst¨uck des K¨olner Wanderhumanisten u¨ ber eine aus Freiheitsliebe die Standarte tragende Frau, in K¨oln als Beigabe zu Bogers Elegia (1.) gedruckt. ¨ Uberlieferung: VE 15, B-63. 3. Bearbeitung der Elegia Bogers (1.) im Anhang zur Chronik → Ernsts von Kirchberg (212 Verse, Kreuzreim). F¨ur den Rostocker Tilman Heverling ¨ als Ubersetzer gibt es keine zureichenden Beweise. ¨ Uberlieferung: Schwerin, LHA, 1198 Chroniken, Mecklenburgische Reimchronik des Ernst von Kirchberg, Anhang 4v–6r. Ausgabe: Krause, Zur Dithmarschenschlacht von 1500, S. 15–24. 4. Reimpaargedicht (98 Verse), das vor allem Kriegsbeute und gefallene D¨anen auflistet. ¨ Uberlieferung: Bremen, UB, C. S. 70, Nr. 7, 27r–30v. Ausgabe: Bruno Claussen: Ein nd. Gedicht auf die S. b. H. In: Zs. der Ges. f¨ur SchleswigHolsteinische Gesch. 41 (1911) S. 273–285. 5. Reimpaargedicht Van den detmerschen ist dyt ghedicht (262 Verse und 4 Str.) wohl eines Geistlichen, der vor Ort recherchiert haben will und der vor allem die Fr¨ommigkeit der Dithmarscher hervorhebt. ¨ Uberlieferung: Druck: [L¨ubeck, Mohnkopfdruckerei, 1500]. – Hsl.: Kopenhagen, KB, Th. 4° 1802. Ausgabe: Friedrich Prien: Van den Detmerschen is dyt ghedicht. In: NdJb 10 (1884) S. 89–102. 6. Lied Alse men schref dusent verhundert unde ver (84 Vierzeiler-Str.), das zun¨achst den Triumph 1167

Schlacht bei Hemmingstedt der Dithmarscher u¨ ber Herzog Gerhard VI. von Schleswig-Holstein von 1404 hevorhebt, dann den Einmarsch der D¨anen, schließlich die Schlacht, u¨ ber die er Genaueres aus Bogers Elegia (1.) wusste. Liliencron nahm metri causa Reste eines alten Liedes auf die Schlacht von Hamme (1404) in den Str. 1–14 an. ¨ Uberlieferung: Drucke: [L¨ubeck, Steffen Arndes, 1500]; [dass., ebd.]. – [Hamburg, Drucker des Jegher, 1500?]. Ausgabe: Liliencron 2 (1866) Nr. 213. 7. Lied De Dytmarschen vasteden unde deden ere bicht (10 F¨unfzeiler-Str.), vor allem Schlachtschilderung eines «ghesellen». ¨ Uberlieferung: Kopenhagen, KB, Th. 4° 1802. Ausgaben: Liliencron 2 (1866) Nr. 215. – Ludwig Weiland: Beitr. zu den Dithmarscher Volksliedern auf die S. b. H. In: Jb. f¨ur die Landeskunde der Herzogt¨umer Schleswig, Holstein und Lauenburg 9 (1867) S. 108 f. 8. Lied An einem mandage na sunte Valentin (23 F¨unfzeiler-Str.); Schlachtschilderung des «ghesellen» (gleiche Schluss-Str. wie 7.), von der Liliencron nur 19 Str. druckt. ¨ Uberlieferung: Kopenhagen, KB, Th. 4° 1802. Ausgaben: Liliencron 2 (1866) Nr. 216. – L. Weiland: Beitrag (s. o.) S. 110 f. (Erg¨anzung zu Liliencron). 9. Lied (17 F¨unfzeiler-Str.). ¨ Uberlieferung: Kopenhagen, KB, Th. 4° 1802. Ausgabe: L. Weiland: Beitrag (s. o.) S. 111–113. 10. Lied Wille gi h¨oren ein nien sang (33 Zweizeiler-Str.), in der Chronik des Neocorus als Tanzlied bezeichnet. Eingeschaltet ist ein l¨angerer Dialog zwischen dem d¨anischen K¨onig und einem Einheimischen. ¨ Uberlieferung: Kiel, UB, cod. ms. SH 187. Ausgabe: Liliencron 2 (1866) Nr. 220. 11. Lied De wolgebarne k¨onig ut Dennemarken red (12 Vierzeiler-Str.). Am Schluss befragt die d¨anische K¨onigin erfolglos die Zur¨uckkehrenden nach dem Verbleib ihres Mannes. ¨ Uberlieferung: Kiel, UB, cod. ms. SH 187. Ausgabe: Liliencron 2 (1866) Nr. 219. 12. Lied Dre dage vor sunte Valentin (Fragment). ¨ Uberlieferung: Kiel, UB, cod. ms. SH 187. Ausgabe: Liliencron 2 (1866) Nr. 214. 13. Lied Der herr heft sik erbarmet (24 F¨unfzeilerStr.), in dem das Geschehen von 1500 hinter den Triumph von Hamme (1404) zur¨ucktritt. Als Ver1168

Schofferlin ¨ fasser gilt der B¨usumer Vikar Andreas Brus (gest. 1532). Ausgabe: Liliencron 2 (1866) Nr. 217. 14. Lied De k¨onig wol to dem hertogen sprak (16. Str.), in der Chronik des Hans Detlef als Tanzlied ausgewiesen. Ausgaben: Liliencron 2 (1866) Nr. 218. – Karl Ernst Hermann Krause: Nachtrag zu den Dithmarschen-Liedern auf die S. v. H. 1500. In: Zs. der Ges. f¨ur Schleswig-Holstein-Lauenburgische Gesch. 5 (1875) S. 368–371. 15. Lied (Kurzfassung von 14.), wie Nr. 14 in der Chronik des Neocorus. Ausgabe: Friedrich Christoph Dahlmann: Johann Adolfi’s, genannt Neocorus, Chron. des Landes Dithmarschen. 2 Bde. Kiel 1827, S. 563–565. 16. Lied (Kurzfassung von 14.) aus der Chronik des Petrus Saxe aus dem 17. Jh. Ausgabe: F. C. Dahlmann: Chronik des Landes Dithmarschen (s. o.) S. 563–565. 17. Fastnachtspiel woe de adel vorleydet wart van den schelken ueth der garden (nicht erhalten), in dem die L¨ubecker die unterlegenen D¨anen verspotteten (vgl. Walther, S. 18). 18. Lied (d¨an.). Ausgabe: Svend Grundtvig: Danmarks gamle Folkewiser. Tl. 3. Kopenhagen 1862, Nr. 169. 19. Lied (d¨an.). Ausgabe: S. Grundtvig: Danmarks gamle Folkewiser (s. o.) Nr. 170. Literatur: Frieder Schanze, VL2 8 (1992) Sp. 690–696. – C. Fasbender, VL-Hum 1 (2005) Sp. 217–225. – J¨urgen Wolf, Killy2 5 ¨ (2009) S. 257–259. – Christoph Walther: Uber die L¨ubeker Fastnachtspiele. In: NdJb 6 (1880) S. 6–31. – Carl Michael Wiechmann: Meklenburgs altnieders¨achsische Lit. 3. Tl. Schwerin 1885, S. 104–106. – Walther Lammers: Die S. b. H. Neum¨unster 1953. – Erich Hoffmann: Sp¨atMA und Reformationszeit (Gesch. Schleswig-Holsteins IV.2). Neum¨unster 1990, S. 309–321. – F. Schanze: Inkunabeln oder Postinkunabeln? In: Einblattdrucke des 15. und fr¨uhen 16. Jh. Hg. v. Volker Honemann u. a. T¨ubingen 2000, S. 45–122, bes. S. 66 f. – Nil¨ufer Kr¨uger: Die Inkunabeln der UB Rostock. Wiesbaden 2003, S. 165. – Falk Eisermann: Verz. der typographischen Einblattdrucke des 15. Jh. im Heiligen R¨omischen Reich Dt. Nation (VE 15). Bd. 2. Wiesbaden 2004, S. 313 f. CF 1169

um 1500 Schofferlin, ¨ Bernhard, * 1436/38 Esslingen/ Neckar, † vor 16.12.1501 (22. 9.[?]) Esslingen. – Jurist, Verfasser einer deutschsprachigen Darstellung der r¨omischen Geschichte. S. entstammte einer der f¨uhrenden Esslinger Patrizierfamilien. Seine erste Ausbildung erhielt er vermutlich in der Privatschule des Stadtschreibers → Niklas von Wyle. Das Universit¨atsstudium nahm er zum Wintersemester 1454/55 in Heidelberg auf (1456 Baccalaureus artium viae modernae). Magister artium war S. sp¨atestens 1461, denn als solcher wurde er im Dezember 1461 von Niklas dem Speyrer Domkapitel f¨ur eine Bepfr¨undung empfohlen. Seine Jurastudien setzte S. in Italien fort, zun¨achst (1464) in Pavia. In Ferrara erfolgte 1468 die Promotion zum Dr. iur. civilis utriusque. Nachdem S. zuvor bereits als Notar in w¨urttembergischen Diensten gestanden hatte, wurde er 1466 Kanzler des jungen Grafen Heinrich von W¨urttemberg. Als Koadjutor begleitete S. nach seiner Promotion den Grafen f¨ur zwei Jahre auf dessen Studienreisen nach Italien und Frankreich. 1472 trat S. als Rat in den Dienst des Grafen Eberhard im Bart von W¨urttemberg und war 1475 Beisitzer am w¨urttembergischen Hofgericht. 1476 wechselte als Prokurator, Kanzler und Testamentszeuge in den Dienst der Mut¨ ter Eberhards, Erzherzogin Mechthild von Osterreich. Nach deren Tod (1482) wirkte er wieder f¨ur Eberhard, der ihn 1488 zum Rat auf Lebenszeit ernannte. 1495 nahm S. wie der befreundete Johannes Reuchlin und Dietrich von Plieningen am Wormser Reichstag im Gefolge Eberhards teil, wo der Graf zum Herzog erhoben wurde. Im selben Jahr wurde S. zum Beisitzer beim Reichskammergericht abgeordnet, dem auch Dietrich und Ivo → Wittich beisaßen. An den Gerichtssitzungen in Frankfurt und Worms nahm S. 1496–99 teil. 1497 partizipierte er zudem mit Dietrich und Wittich an der Reichsversammlung in Worms. Nach dem Tod des Herzogs (1496) wurde S.s Ratsstelle vom Nachfolger Eberhard II. zun¨achst nicht erneuert, und erst Herzog Ulrich von W¨urttemberg nahm ihn 1499 wieder in den Dienst. Neben Johannes Reuchlin und Johannes → Nauclerus u¨ bernahm S. 1500 als Vertreter der Reichsst¨adte eine der drei Richterstellen am Bundesgericht des Schw¨abischen Bundes. S.s einziges bekanntes Werk, die R¨omische Historie, mit deren Abfassung er 1493 begann, ist von Eberhard vielleicht angeregt, zumindest jedoch gef¨ordert worden. Konzipiert war die Schrift 1170

um 1500 als moderne Beschreibung der Vorgeschichte des Hl. R¨omischen Reiches dt. Nation und h¨atte von den Urspr¨ungen Roms bis zur Herrschaft des Augustus reichen sollen, doch konnte S. sie nicht mehr vollenden. Der Text bricht mit dem Ende des 2. Punischen Krieges ab, womit er aber immerhin 380 gedruckte Folioseiten f¨ullt. Zwar st¨utzt S. sich prim¨ar auf Livius (Ab urbe condita, libri I–XXX), doch ist seine Historie mehr als eine reine ¨ Ubersetzung und als selbstst¨andiges historiographisches Werk zu w¨urdigen. Weitere direkt oder indirekt ausgewertete Quellen sind Florus, Eutropius, Paulus Orosius, Plutarch, Valerius Maximus und vor allem Dionysius von Halikarnassos (in der lat. ¨ Ubersetzung des Lapus Biragos). Auch ma. und humanistische Geschichtsschreiber wurden von S. konsultiert, darunter Hartmann → Schedel. In einer Vorrede, die in der humanistischen Traditon steht, a¨ ußert sich S. zu seiner Stoffauswahl und zum individuellen wie gemeinschaftlichen Wert der Historiographie. Seine fortlaufende historische Erz¨ahlung des Haupttextes wird von S. kommentiert. Ihm ging es vor allem darum, auf die eigene Zeit u¨ bertragbare Einsichten aus der r¨omischen Verfassungs- und Kriegsgeschichte zu gewinnen. Ivo Wittich steuerte f¨ur die Drucklegung eine eigene Vorrede und ein zus¨atzliches drittes Buch als Fortsetzung der Historie bei. Dieses ist indes eine ¨ bloße Ubersetzung der Livius-B¨ucher 31–40, soweit sie damals bekannt waren. Der R¨omischen Historie war ein außerordentlicher Erfolg beschieden. Als Druckwerk ist sie nicht nur eines der am weitesten verbreiteten dt. B¨ucher ihrer Zeit, sondern war auch Modell und Vorlage f¨ur spanische (1520), ndl. (1541) und schwedische ¨ (1626) Livius-Ubersetzungen. Neuere Darstellungen des von S. behandelten Gegenstandes erschienen in Deutschland erst ab 1776 in Form reiner dt. ¨ Livius-Ubersetzungen. ¨ Drucke (keine hsl. Uberl.): Erstdr.: ROmische Historie vß Tito Liuio gezogen. Mainz (Johann Sch¨offer) 1505 (VD16 L 2102), 410 Foliobll.; mit 236 Holzschnitten; 3. Tl. Wittichs ab. Bl. CXCIIr. – 2. Aufl.: Straßburg (Johann Gru¨ ninger) 1507 (VD16 L 2103). – 10 weitere Mainzer Drucke v. Johann (sp¨ater Ivo) Sch¨offer bis 1557 (VD 16 L 2104–2112 und VD16 ZV 9789), ab 1523 im Wittich Teil vermehrt v. Nikolaus Karbach, ab 1533 ¨ erg¨anzt durch die Ubersetzung der neu entdeckten Livius B¨ucher 41–45 v. Karbach und Jakob Micyllus. – In u¨ berarbeiteter Form wurde S.s Historie 1171

Schofferlin ¨ weiter gedruckt in: Titus Liuius Vnd: Lucius Floe rus. Von Ankunfft vnd Vrsprung deß Romischen Reichs [...] in den Truck verfertiget Durch Zae [...]. Frankfurt/M. (Georg Rab chariam Muntzer ¨ d.A./Sigmund Feyrabend/Weygand Han [Erben]) 1568 (VD16 L 2115); Erstdruck, weitere Aufl. folgten. – Vgl. zu weiteren [vor allem Straßburger] Drucken VD 16/17; insgesamt 30 illustrierte FolioAusg. bis weit ins 17. Jh. – Keine moderne Ausg.; Ausz¨uge bei Ludwig 1987 (s. Lit.). Literatur: Walter R¨oll, VL2 8 (1992) Sp. 810–814. – Walther Ludwig, NDB 23 (2007) S. 360 f. – Uta Goerlitz, Encyclopedia of the Medieval Chronicle 2 (2010) S. 1342 f. – Dies., Killy2 10 (2011) S. 519 f. – Else Thorm¨ahlen: Die Holzschnittmeister der Mainzer Livius-Illustrationen. In: Gutenberg-Jb. (1934) S. 137–154. – Erhard Kl¨oss: Der Frankfurter Drucker-Verleger Weigand Han und seine Erben (1555–1581). Ein Beitr. zur Gesch. des Frankfurter Buchgewerbes im 16. Jh. In: Arch. f¨ur Gesch. des Buchwesens 2 (1960) Sp. 309–374, hier Sp. 359, 366 (Nr. 176, 271). – R¨udiger Landfester: Historia magistra vitae. Unters. zur humanistischen Geschichtstheorie des 14. bis 16. Jh. (Travaux d’humanisme et renaissance 123). Genf 1972, S. 190 (Reg.). – Otto Borst: Buch und Presse in Esslingen am Neckar. Stud. zur st¨adtischen Geistes- und Sozialgesch. von der Fr¨uhrenaissance bis zur Gegenwart (Esslinger Stud. Schriftenreihe 4). Esslingen/Neckar 1975, S. 72 f. u. o¨ . – Franz-Josef Worstbrock: Dt. Antikerezeption, 1450–1550. Bd. 1: Verz. der dt. ¨ Ubersetzer antiker Autoren. Mit einer Bibliogr. (Ver¨off. zur Humanismusforschung 1). Boppard 1976, Nr. 245–253. – O. Borst: Gesch. der Stadt Esslingen am Neckar. Ebd. 21977, S. 220. – Rolf Schwenk: Vorarbeiten zu einer Biogr. des Niklas v. Wyle und zu einer krit. Ausg. seiner ersten Translatze (GAG 227). G¨oppingen 1978. – W. Ludwig: Burgermeister und S. Unters. zur Adelsbest¨atigung der Br¨uder Paul und Johann Stephan Burgermeister von Deizisau. In: Esslinger Stud. 25 (1986) S. 69–131. – Jean Muller: Bibliogr. strasbourgeoise. Bibliogr. des ouvrages imprim´es a` Strasbourg (BasRhin) au XVIe si`ecle. Bd. 3 (Bibliotheca bibliographica Aureliana 105). Baden-Baden 1986. – W. Ludwig: R¨omische Historie im dt. Humanismus. ¨ Uber einen verkannten Mainzer Druck v. 1505 und den angeblich ersten dt. Geschichtsprofessor (Ber. aus den Sitzungen der Joachim-Jungius-Ges. der Wiss. 5,1). Hamburg 1987. – Ders.: Der Sohn des 1172

Probst Grafen Eberhard im Bart v. W¨urttemberg heiratete eine Sch¨offerlin. In: Esslinger Stud. 26 (1987) S. 37–45. – W. R¨oll: B. S.s Vorrede zum ersten Tl. der ‹R¨omischen Historie› (1505). In: ZfdA 117 (1988) S. 210–223. – Erwin Pokorny: Der Beginn der dt. Livius-Illustration. Diss. Wien 1990. – W. R¨oll: Die Mainzer Offizin Sch¨offer und die Drucklegung der ‹R¨omischen Historie› 1505. In: Gutenberg-Jb. 65 (1990) S. 89–117. – W. Ludwig: Erasmus und S. Vom Nutzen der Historie bei den Humanisten. In: Humanismus und Historiographie. Rundgespr¨ache und Kolloquien. Hg. v. August Buck. Weinheim 1991, S. 61–88 (¨uberarb. wieder in: Ders.: Miscella neolatina. Ausgew¨ahlte Aufs¨atze 1989–2003. Hg. v. Astrid Steiner-Weber. Hildesheim u. a. Bd. 2 [Noctes Neolatinae 2,2]. 2004, S. 489–522). – W. R¨oll: Die Druckgesch. der ‹R¨omischen Historie› B. S.s in Umrissen. In: ‹Von wyssheit w¨urt der Mensch geert ...›. FS Manfred Lemmer. Hg. v. Ingrid K¨uhn/Gotthard Lerchner. Frankfurt/M. 1993, S. 205–225. – Carla Winter: Humanistische Historiographie in der Volkssprache: B. S.s ‹R¨omische Historie› (Arbeiten und Editionen zur mittleren dt. Lit. NF 6). Stuttgart-Bad Cannstatt 1999 (Rezension: U. Goerlitz in: PBB 125 (2003) S. 185–188). – C. Winter: ‹weipplich brust – manlich hertz›. Lucretia in der ‹R¨omischen Historie›. In: PBB 122 (2000) S. 279–291. VZ Schrautenbach, Balthasar, † 20.5.1529 Ziegenhain. S. stammte aus W¨urzburg. 1481 wurde er an der Universit¨at Heidelberg immatrikuliert. Er war als kaiserlicher Notar t¨atig, hatte 1491–1508 in hessischen Diensten in Gießen das Amt eines Rentmeisters inne und wurde 1510 Amtmann. 1498 reiste er in diplomatischer Mission f¨ur den Landgrafen Wilhelm III. von Oberhessen nach Rom. Seit 1507 ist S. als Rat am Hof Landgraf Wilhelms II. von Hessen bezeugt und nennt sich seit 1515 «von Weitolshausen, gen. Schrautenbach». 1523 nahm er am Feldzug gegen Sickingen, 1525 als Befehlshaber am Bauernkrieg teil. S. starb auf einer Reise zum N¨urnberger Reichstag. ¨ Uber seine Reise nach Rom verfasste S. eine Reisekostenabrechnung («Inname unnd ußgieft uf dem wege gein Rome unnd herwieder anno etc. xcviijo»), die – u. a. f¨ur die historische Straßenforschung interessant – die rund 120 Etappen (insgesamt mehr als 3000 km) exakt dokumentiert. Daneben bietet der Bericht einige wenige 1173

1. H¨alfte 16. Jh. kulturgeschichtliche Notizen sowie Aufzeichnungen u¨ ber die Zeit des viereinhalbmonatigen Aufenthalts in Rom (u. a. Anschaffung von Kleidern, Schreiberkosten, Arzt- und Apothekerbetr¨age wegen einmonatiger Krankheit). ¨ Uberlieferung: Marburg, Hess. Staatsarch., Polit. Akten vor Landgraf Philipp: 2d Staatenabt. Papst (Reinschrift des Originals). Ausgabe: Helmut Weigel: Des Gießener Rentmeisters B. S. Rechenschaftsber. u¨ ber seine Romreise v. 1498. In: Mitt. des Oberhessischen Geschichtsvereins Ser. NF 41 (1956) S. 5–21. Literatur: Helgard Ulmschneider, VL2 8 (1992) Sp. 845 f. – Weigel (s. Ausg.) S. 5 f. – Herbert Kr¨uger: Itinerarstudien zu B. S.s Romreise von 1498. In: ebd., S. 22–45. BJ Probst, Hans. – Liederdichter. P. stammte nach eigenen Angaben aus Schwaz/ Tirol und war vielleicht Landsknecht unter Kaiser → Maximilian I. Von ihm sind zwei dt. Lieder in jeweils einer Handschrift u¨ berliefert. Das sog. Lied vom Romzug entstand nach dem 20.4.1508. Es umfasst 21 Strophen in Schweifreimen, die im Ton eines Lieds u¨ ber die B¨ohmenschlacht von 1504 geschrieben sind. Gegenstand des Lieds sind Maximilians Auseinandersetzungen mit Venedig, das ihm auf seinem Weg zur Kaiserkr¨onung in Rom die Durchreise verweigerte, weshalb die Kr¨onung in Trient erfolgen musste. P. ergreift im Text deutlich f¨ur Maximilian Partei, w¨ahrend er die Republik Venedig polemisch kritisiert. Daher kann das Lied durchaus als politische Propaganda bezeichnet werden. Eine Eigennennung am Ende erm¨oglicht die Zuschreibung des Texts an P. Er verfasste außerdem ein geistliches Lied mit zehn Strophen im Hildebrandston. Der Text ist eine Wehklage u¨ ber ein gescheitertes Leben und Ausdruck tiefer Furcht vor Tod und Gericht. Entsprechend bittet der Sprecher Gott um Barmherzigkeit und Maria um F¨ursprache. ¨ Uberlieferung: Mu¨ nchen, BSB, Cgm 809, 71r–72r (Pap., Tegernsee, 1490–1524, bair.). – Berlin, SBB, Mgq 659, 8r–9r (Pap., 16. Jh.). Ausgaben: Ain hipsches lied von dem Rom zuog in der bechemer schlacht. Hg. v. Franz Pfeiffer. In: Anz. f¨ur Kunde der dt. Vorzeit 8 (1839) Sp. 479–481. – Deutsche historische Volkslieder. 2. Hundert. Hg. v. Heinrich Rudolf Hildebrand nach Friedrich von Soltau. Leipzig 1856, Nr. 10. – Die historischen Volkslieder der Deutschen vom 13. bis 1174

1. H¨alfte 16. Jh. 16. Jahrhundert 3. Hg. v. Rochus von Liliencron. Leipzig 1867 (Nachdr. Hildesheim 1966) Nr. 257. – Das dt. Kirchenlied von der a¨ ltesten Zeit bis zu Anfang des XVII. Jh. II. Mit Ber¨ucksichtigung der dt. kirchlichen Liederdichtung im weiteren Sinne und der lat. von Hilarius bis Georg Fabricius und Wolfgang Ammonius. Hg. v. Philipp Wackernagel. Leipzig 1867 (Nachdr. Hildesheim 1964) Nr. 1286. Literatur: Frieder Schanze, VL2 7 (1989) Sp. 856 f. – De Boor/Newald 4/1 (21994) S. 187. – Georg Wagner: Maximilian I. und die politische Propaganda. In: Maximilian–Kat. Ausstellung Maximilian I. Innsbruck. Hg. Kulturreferat des Landes Tirol. Innsbruck 1969, S. 33–46. – Michael Curschmann: Texte und Melodien zur Wirkungsgesch. eines sp¨atma. Liedes. Bern 1970, S. 112 f. – Jan-Dirk M¨uller: Publizistik unter Maximilian I. Zwischen Buchdruck und m¨undlicher Verk¨undigung. In: Sprachen des Politischen. Medien und Medialit¨at in der Gesch. Hg. v. Ute Frevert/Wolfgang Braungart. G¨ottingen 2004, S. 95–122. MM Kirchweih zu Affalterbach. – Gegenstand mehrerer fr¨uhnhd. Lieder. W¨ahrend der Herrschaftszeit von Friedrich V. (1460–1536), Markgraf von Brandenburg-Ansbach und Brandenburg-Kulmbach, spitzten sich dessen schon l¨anger g¨arende Konflikte mit der Reichsstadt N¨urnberg zu. In den Disputen ging es u. a. um Gerichtsbarkeiten und Patronate, darunter auch das Patronat der K. im Weiler Affalterbach. Beide Parteien beanspruchten das Patronat f¨ur sich und bef¨orderten mit ihrer harten Haltung die Eskalation der Auseinandersetzungen im Juni 1502. Einen Milit¨arschlag des Markgrafen f¨urchtend, postierten die N¨urnberger damals eine von Ulman → Stromer gef¨uhrte Truppe bei Affalterbach. Am 19. Juni trafen Stromer und seine Soldaten dann auf ein markgr¨afliches Heer, das von Friedrichs Sohn Kasimir (1481–1527) gef¨uhrt wurde. Obwohl sie den brandenburgischen Truppen hohe Verluste beibrachten, unterlagen die N¨urnberger im Kampf. Die Schlacht um die K. zu A. wurde bald danach Gegenstand von sieben volkssprachigen Liedern und Reimpaarreden, die u¨ berwiegend anonym u¨ berliefert sind. Vier von ihnen ergreifen f¨ur N¨urnberg Partei: Ein Knecht, der zwar nicht die Schlacht, aber die Kirchweih selbst erlebt hat, besingt den Kampf in 34 Vierzeilern, aus denen ebenso seine Unterst¨utzung f¨ur N¨urnberg wie 1175

Kirchweih zu Affalterbach seine Kritik an der Kampff¨uhrung Stromers sprechen. Ein B¨ackergeselle (vielleicht Hans Peck) stellt in seinem 16 Lindenschmidt-Strophen umfassenden Lied die N¨urnberger Niederlage als Sieg dar. Eine dem N¨urnberger Rat gewidmete Reimpaarrede in 200 Versen denunziert den fr¨ankischen Adel als Kriegstreiber und heroisiert zugleich Stromer als Feldherrn. Ebenfalls die N¨urnberger Sicht vertritt das Lied eines Peter Hasenstaud. Aus der Perspektive des markgr¨aflichen Heeres ist das Lied eines an der Schlacht beteiligten Landsknechts geschrieben. Die zw¨olf LindenschmidtStrophen sind sachlich gehalten und bieten u. a. Informationen u¨ ber die vom Heer gemachte Beute. Das Landsknecht-Lied war dann Vorlage f¨ur die 15 Lindenschmidt-Strophen eines nicht am Geschehen beteiligten Brandenburgers. Weitaus polemischer als seine Vorlage, stellt dieses Lied Stromer als eidbr¨uchig und feige dar. In a¨hnlicher Weise a¨ ussert sich eine Reimpaarrede von 276 Versen (inklusive Anhang). Der seinen Namen bewusst nicht nennende Autor verurteilt Stromer und den N¨urnberger Rat als feige, m¨orderisch und brutal. Entsprechend wurde diese Reimpaarrede in N¨urnberg verboten. Die Ereignisse der K. zu A. wurden weiterhin von zahlreichen Chronisten aufgegriffen. Genannt seien hier Valerius Anshelm, Sebastian Franck, Kilian Leib, Sebaldus Bamberger, Anton Kreuzer, Heinrich → Deichsler und Pangraz Bernhaupt. Die K. zu A. findet auch in der Autobiographie des G¨otz von Berlichingen und in Briefen des Willibald Pirckheimer Erw¨ahnung. ¨ ¨ Uberlieferung: Verz. der umfangreichen Uberl. in Hss. und Fragm. bei Schanze 2004. Ausgaben: Franz v. Soden: Gesch. des ehemaligen Weilers Affalterbach, Landgerichts Altdorf in Mittelfranken des K¨onigreichs Bayern. Beitr. zur Kriegs- und Sittengesch. des MA [...]. N¨urnberg 1841, S. 146–166 (Teildr.). – Die hist. Volkslieder der Deutschen vom 13. bis 16. Jh. 2. Hg. v. Rochus v. Liliencron. Leipzig 1866 (Nachdr. Hildesheim 1966) Nr. 224–230 (Ausg. aller sieben Lieder und Reimpaarreden). Literatur: Frieder Schanze, VL2 11 (2004) Sp. XIV, 839–844. – Mario M¨uller, Killy2 6 (2009) S. 429 f. – Erich Straßner: Politische Relevanz ‹hist. Volkslieder›. Die Auseinandersetzungen zwischen der Reichsstadt N¨urnberg und den Markgrafen v. Brandenburg-Ansbach und BrandenburgKulmbach im Spiegel von Liedern und Spr¨uchen. 1176

Vespucci In: Formen ma. Lit. FS Siegfried Beyschlag (GAG 25). Hg. v. Otmar Werner/Bernd Naumann. G¨oppingen 1970, S. 229–246. – Hermann Dallhammer: Gefallen 1502 bei A. In: Ansbach gestern und heute 47 (1990) S. 1135–1144. – Ursula Timann: Unters. zu N¨urnberger Holzschnitt und Briefmalerei in der ersten H¨alfte des 16. Jh. mit besonderer Ber¨ucksichtigung von Hans Guldenmund und Niclas Meldeman. M¨unster u. a. 1993, S. 71. – Sonja Kerth: ‹Der Landsfrid ist zerbrochen›. Das Bild des Krieges in den politischen Ereignisdichtungen des 13. bis 16. Jh. Wiesbaden 1997, S. 16 f. u. o¨ . MM Vespucci, Amerigo, * 9.3.1452 oder 1454 Florenz, † 22.2.1512 Sevilla. – Kaufmann, Entdecker, Verfasser von Reiseberichten. V. war der Sohn eines Notars und erhielt von seinem Onkel Giorgio Antonio V. eine sorgf¨altige Erziehung. Seit 1478 zun¨achst in Paris Privatsekret¨ar eines anderen Onkels, Guidantonio V., war er seit 1482 in der Medici-Bank in Florenz t¨atig. 1492 wechselte er in die Berardi-Bank in Sevilla, wo er 1495 Filialleiter wurde. Daneben war er von 1492 bis 1495 mit Gianotto Berardi und Christoph Columbus an der Gesellschaft beteiligt, die Columbus’ Entdeckungsfahrten finanzierte. V. selbst bestritt m¨oglicherweise von Mai bis Oktober 1497 seine erste Entdeckungsreise in die Karibik. Von Mai 1499 bis Juni 1500 fuhr er mit Alonso de Hojeda und Juan de la Cosa nach S¨udamerika, wo sie die Amazonas-M¨undung, Venezuela und die Bahamas erkundeten. Von Mai 1501 bis September 1502 segelte er an Brasilien und den s¨udlicheren K¨ustengebieten entlang. Vom Mai 1503 bis Juni oder August 1504 folgte eine weitere Reise nach Brasilien. V. wirkte an diesen Fahrten wohl prim¨ar als wissenschaftlicher Beobachter mit; nur auf der letzten Reise f¨uhrte er das Kommando. Seit 1505 spanischer B¨urger, wurde V. 1508 von K¨onigin Juana de Castilla zum «Piloto Mayor» ernannt. In diesem Amt war er f¨ur die Organisation der Entdeckungsfahrten und das offizielle Kartenwerk Spaniens zust¨andig. Er hatte damit eine Schl¨usselstellung im See-Erkundungswesen seiner Zeit inne und starb als angesehener Mann. Noch zu Lebzeiten V.s benannte der Kartograph Martin Waldseem¨uller in seiner Cosmographiae Introductio (1507) S¨udamerika nach A.s Vornamen «America». 1177

1. H¨alfte 16. Jh. Sp¨ater wurde V. als Entdecker freilich von Columbus u¨ berschattet. V. werden zwei urspr¨unglich italienische Briefe mit Berichten u¨ ber seine Reisen zugeschrieben. Vier weitere Briefe an Lorenzo di Pierfrancesco de’ Medici sind als Privatkorrespondenz ohne literarische Bedeutung. Ein von V. selbst erw¨ahntes, umfassenderes Werk (Le quattro giornate) ist nicht u¨ berliefert. Der als Mundus Novus bekannte Brief vom ¨ 18.7.1500 ist nur in einer lat. Ubersetzung erhalten, ¨ deren Ubersetzer nicht eindeutig identifiziert werden kann. Der in Lissabon entstandene Brief ist an Lorenzo di Pierfrancesco de’ Medici gerichtet und wurde 1503 oder 1504 erstmals gedruckt. Inhaltlich ist er V.s S¨udamerika-Fahrt von 1501/1502 gewidmet. Er berichtet vom Verlauf der Reise unter Hinzuf¨ugung nautischer, astronomischer, ethnographischer und klimatischer Details. Charakteristisch f¨ur den Brief ist die darin enthaltene Absetzung V.s von den wissenschaftlichen Annahmen der Antike. Bekanntestes Beispiel ist V.s genuine Erkenntnis, nicht nur verstreute Inseln entdeckt zu haben, sondern einen neuen, den antiken Geographen unbekannten Kontinent. Der Brief Lettere delle isole nuovamente retrovati in quattro viaggi (auch Quattuor navigationes, «SoderiniBrief») wurde laut Datierung am 4.9.1504 in Lissabon geschrieben. Obwohl im Text urspr¨unglich kein Adressat benannt war, wurde dieser sp¨ater als der Florentiner Gonfaloniere Piero Soderini identifiziert. Italienische Drucke des Briefs entstanden ab 1505/06 und lat. Drucke ab 1507. Verbreitet war vor allem eine Herzog Ren´e II. von Lothringen gewidmete lat. Fassung, die erstmals in dem erw¨ahnten Werk Waldseem¨ullers publiziert wurde und in manchen Details (u. a. Daten) von der italienischen Urfassung abweicht. Inhaltlich beschreibt der Soderini-Brief alle vier Reisen V.s von 1497 bis 1504. Die Schilderung ist stark ethnographisch orientiert, enth¨alt aber auch Informationen zu Geographie und Astronomie. Seit 1505 wurde der Brief Mundus Novus in dt. Sprache gedruckt, unter Titeln wie Von der neu gefunden Region die wol ain welt genent mag werden durch den Cristenlichen k¨unig von Portugal. In illustrierter Form an mehreren Orten verlegt, erlangte der Text große Verbreitung. Es sind zwei dt. Grundfassungen zu unterscheiden: ein Basler Druck von 1505 sowie ein Strassburger Druck von 1505 (s. Drucke). 1178

1. H¨alfte 16. Jh. Letzterer beruht vielleicht auf einer Vorlage Matthias Ringmanns. Noch 1508 folgte eine weitere dt. Fassung von Jobstein Ruchamer, die wiederum nd. u¨ bersetzt wurde. In dt. Sprache erschien der Brief außerdem in Die New welt (1534), einer No¨ vus Orbis-Ubersetzung von Michael Herr. Der Soderini-Brief wurde 1509 in Straßburg dt. gedruckt (Diß b¨uchlin saget Wie die zwen durchl¨uchtigsten herren her Fernandus K. zu Castilien unnd herr Emanuel K. zu Portugal haben das weyte m¨or ers¨uchet unnd funden vil Insulen unnd ein n¨uwe welt von wilden nackenden Le¨uten, vormals unbekant). Vorlage und ¨ Ubersetzung stammten vielleicht von Ringmann. Der dt. Text ist eng an der lat. Vorlage orientiert. Auch dieser Brief ging in Herrs New welt ein. In j¨ungerer Zeit wurden mehrere Versuche unternommen, Leben und Werk V.s neu zu bewerten. Diese Versuche reichten bis zu der These, V. habe nie an den geschilderten Fahrten teilgenommen und die Briefe nicht verfasst. Eine abschließende Bewertung ist hier noch nicht erfolgt. Sie ist zur Einordnung der Briefe als Werke der Literatur auch nur bedingt notwendig, denn die große Verbreitung und tiefe Wirkung der beiden Reiseberichte stehen außer Zweifel. Besonders im ersten Viertel des 15. Jh. pr¨agten sie die Literatur u¨ ber die «Neue Welt». Sie beeinflussten auch jene Kartographen, die sp¨ater selbst ein neues Bild der Welt pr¨agen sollten. ¨ ¨ Uberlieferung: Die Uberl. v. V.s Werk erfolgte meist u¨ ber Drucke. Nur zum Brief Quattuor navigationes (1504) sind drei Hss. erhalten; vgl. St¨ollingerL¨oser 2004 (s. Lit.) Sp. 1621. Drucke: Lat. Drucke des Mundus Novus ab 1503/04, italienische Drucke des Soderini-Briefs ab 1505/06 und lat. Drucke ab 1507. – Dt. Drucke des Mundus Novus ab 1505 u. d. T. Von der neu gefunden Region die wol ain welt genent mag werden durch den Cristenlichen k¨unig von Portugal u. a¨ .; gedruckt in Augsburg (VD16 V 922), Straßburg (VD16 V 926), N¨urnberg (VD16 V 929), Leipzig (VD16 V 924), M¨unchen (VD16 V 925) und Basel (VD16 V 923). – Dt. Druck des Soderini-Briefs: Diß b¨uchlin saget Wie die zwen durchl¨uchtigsten herren her Fernandus K. zu Castilien unnd herr Emanuel K. zu Portugal haben das weyte m¨or ers¨uchet unnd funden vil Insulen unnd ein n¨uwe welt von wilden nackenden Le¨uten, vormals unbekant. Strassburg: Johann Gr¨uninger, 1509 (VD16 ZV 19177, ZV 15199). – Verz. der lat. und dt. Drucke im VD16. Weitere Verz. v. Drucken bei St¨ollinger-L¨oser 2004 (s. Lit.). 1179

Vespucci Ausgaben: Tre Lettere di Cristoforo Colombo ed A. V. Hg. v. Augusto Zeri. 2 Bde. Rom 1881. – Mundus novus. Ein Ber. A. V.’s an Lorenzo de Medici u¨ ber seine Reise nach Brasilien in den Jahren 1501/1502, nach einem Exemplare der zu Rostock v. Hermann Barckhusen gedruckten Folioausgabe im Besitze der Stadtbibliothek zu Frankfurt a. M. Hg. v. Emil Sarnow/Kurt Tr¨ubenbach. Straßburg 1903 (Faks.-Ausg.). – Il mondo nuovo di A. V. V. autentico e apocrifo. Hg. v. Mario Pozzi. Mailand 1984. Alessandria 21993. – Lettere di viaggio. Hg. v. Luciano Formisano. Mailand 1985. – Mundus Novus. Einleitung, Text und Komm. zu A. V.s Schreiben. Hg. v. Johannes Klowski. In: Der altsprachliche Unterricht 30 (1987) S. 47–64. – Letters of the Four Voyages to the New World. Lettera delle isole nuovamente trovate in quattro suoi viaggi. Hg. v. Bernard Quaritch. Hamburg 1992 (dt.-italienisch). – A. V. 1: Documenti. Hg. v. Ilaria Luzzana Caraci. Rom 1996. – Der Mundus ¨ novus des A. V. (Text, Ubersetzung und Komm.). Hg. v. Robert Wallisch. Wien 2002 (lat.-dt.). – Mundus Novus. A. V.s Brief u¨ ber die Entdeckung der ‹Neuen Welt›. Hg. v. J. Klowski. Leipzig u. a. 2002. Ebd. 22006. – Mundus novus. Hg. v. Norbert Schulz. Butjadingen-Burhave 2007 (dt.-lat.). – Mundus Novus. Hg. v. Cristiano Spila. Troina 2007. ¨ Ubersetzungen: A. V. The Letters and Other Documents Illustrative of His Career. Hg. v. Clements R. Markham. London 1894. Nachdr. New York [1963]. – La Fortune d’un Nom: America. Le Baptˆeme du Nouveau Monde a` SaintDi´e-des-Vosges. Hg. v. Albert Ronsin. Grenoble 1991. – Letters from a New World. A. V.’s Discovery of America. Hg. v. L. Formisano. New York 1992. – Quaritch 1992 (s. Ausg.). – Wallisch 2002 (s. Ausg.). – Le Nouveau Monde. Les Voyages d’A. V. (1497–1504). Hg. v. Jean-Paul Duviols. Paris 2005. – Schulz 2007 (s. Ausg.). Literatur: Horst Pietschmann, LexMA 8 (1997) Sp. 1602 f. – Christine St¨ollinger-L¨oser, VL2 11 (2004) Sp. 1617–1626. – A. V. Hg. v. Alberto Magnaghi. 2 Bde. Rom 1924. – Charles E. Nowell: Bibliographical Section. A Reported New Manuscript of A. V. In: Hispanic American Historical Review 18 (1938) S. 109 f. – Boies Penrose: V. the Discoverer in the Light of Recent Research. In: Italica. Journal of the American Association of Teachers of Italian 32 (1955) S. 1–13. – David Beers Quinn: New Geographical Horizons: Literature. 1180

Baumgartner In: The First Images of America 2. Hg. v. Fredi Chiapelli. Berkeley/Kalif. u. a. 1976, S. 635–658. – L. Formisano: V. in America. Recuperi Testimoniali per una Edizione. In: Studi di Filologia Italiana 41 (1983) S. 37–43. – Luisa D’Arienzo: Nuovi documenti su A. V. In: FS Paolo Emilio Taviani 3. Genua 1986, S. 121–173. – Frauke Gewecke: Wie die neue Welt in die alte kam. Stuttgart 1986, S. 98–113 u. o¨ . – Giuseppe Caraci: Problemi vespucciani. Rom 1987. – Dies.: Un documento sul primo arrivo di A. V. a Siviglia. In: Anuario de estudios medievales 19 (1989) S. 717–729. – L. Formisano: A. V. La vita e i viaggi. [Florenz] 1991. – Wolfgang Neuber: Fremde Welt im europ¨aischen Horizont. Zur Topik der dt. Amerika-Reiseber. der fr¨uhen Neuzeit. Berlin 1991, S. 235–242 u. o¨ . – Urs Bitterli: Die Entdeckung Amerikas v. Kolumbus bis Alexander v. Humboldt. Mu¨ nchen 1991, S. 112–117 u. o¨ . – Klaus A. Vogel: A. V. und die Humanisten in Wien. Die Rezeption der geographischen Entdeckungen und der Streit zwischen Joachim Vadian und Johannes Camers u¨ ber die Irrt¨umer der Klassiker. In: Pirckheimer-Jb. 7 (1992) S. 53–104. – Dieter Wuttke: Humanismus in den deutschsprachigen L¨andern und Entdeckungsgesch. 1493–1534. In: ebd. 7 (1992) S. 9–52. – Nicola Bottiglieri: Colombo, V. e le prime immagini del nuovo mondo. In: Dimensioni e problemi della ricerca storica 2 (1992) S. 105–127. – Theodore J. Cachey: First Fragrances of America. On the Literary Relationship between Christopher Columbus and A. V. In: Forma e Parola. FS Fredi Chiappelli. Hg. v. Dennis Dutschke u. a. Rom 1992, S. 223–234. – Angela Delgado G´omez: The Earliest European Views of the New World Natives. In: Early Images of the Americas. Transfer and Invention. Hg. v. Jerry Williams/Robert Lewis. Tucson 1993, S. 3–20. – Bernhard Jahn: Raumkonzepte in der fr¨uhen Neuzeit. Zur Konstruktion v. Wirklichkeit in Pilgerber., Amerikareisebeschreibungen und Prosaerz¨ahlungen. Frankfurt/M. u. a. 1993, S. 182–198 u. o¨ . – Hans-Joachim K¨onig: Vielfalt der Kulturen oder europ¨aisches Muster? Amerika und Indios in fr¨uhen dt. Schriftzeugnissen. In: Die neue Welt im Bewußtsein der Italiener und Deutschen des 16. Jh. Hg. v. Adriano Prosperi und Wolfgang Reinhard. Berlin 1993, S. 175–213. – ˆ et Renaissance. Le Jean Lacroix: Entre Moyen Age ‹Mundus Novus› et les lettres d’A. V. R´ealit´es et magie de la ‹nouveaut´e›. In: Nouveaux mondes et 1181

1. H¨alfte 16. Jh. ˆ mondes nouveaux au Moyen Age. Actes du Colloque du Centre d’Etudes M´edi´evales de l’Universit´e de Picardie Jules Verne, Amiens, mars 1992. Hg. v. Danielle Buschinger/Wolfgang Spiewok. Greifswald 1994, S. 43–71. – Klaus A. Vogel: ‹America›. Begriff, geographische Konzeption und fr¨uhe Entdeckungsgesch. in der Perspektive der dt. Humanisten. In: Von der Weltkarte zum Kuriosit¨atenkabinett. Amerika im dt. Humanismus und Barock. Hg. v. Karl Kohut. Frankfurt/M. 1995, S. 11–43. – A. V. 2. Hg. v. I. L. Caraci. Rom 1999. – Cristi´an Roe-de-ka-Carrera: El Nuevo Mundo como problema de conocimiento. Am´erico V. y el discurso geogr´afico del siglo XVI. In: Hispanic Review 70 (2002) S. 557–580. – A. V. e la scoperta dell’America negli studi di Gustavo Uzielli. Mostra biblio-cartografica. Vinci, Palazzina Uzielli del Museo Leonardiano, 18 ottobre–30 novembre 2003. Hg. v. Romano Nanni/Monica Taddei. Mailand 2003. – Dietrich Briesemeister: Las cartas de A. V. sobre el nuevo mundo. In: Limes 16 (2004) S. 105–120. – Mundus Novus. A. V. e i metodi della ricerca storico-geografica. Atti del convegno internazionale di studi, Roma-Firenze, 27–30 novembre 2002. Hg. v. Annalisa D’Ascenzo. Rom 2004. – I. L. Caraci: Per lasciare di me qualche fama. Vita e viaggi di Amerigo Vespucci. Rom 2007. – Consuelo Varela: A. V. e i mondi iberici. In: Scoperta e conquista di un mondo nuovo. Hg. v. Francesca Cant`u. Rom 2007, S. 49–82. – Sarah Wendel: Eroberer blicken auf Ureinwohner. Juan Gin´es de Sep´ulveda, A. V. und Cornelius Tacitus. M¨unchen 2008. – David Boyle: Toward the Setting Sun. Columbus, Cabot, V. , and the Race for America. New York 2008. – Charles L. Edwards: A. V. Middlesex 2009. – Maurizio Maggini: A. V., il ‹battista› del Mundus Novus. In: I Navigatori Toscani 1 (2010) S. 30–37. – Alessandro Del Meglio: A. V., celebre navigatore e perito cosmografo. In: Ebd. 1 (2010) S. 143–153. MM Baumgartner, Wolfgang (Paumgartner), Wasserburg am Inn, † 1517 (?). – Rentmeister, Verfasser eines Berichts u¨ ber den Landshuter Erbfolgekrieg. Der Sohn des verm¨ogenden Getreideh¨andlers Peter B. stammt aus einem angesehenen Wasserburger Geschlecht, das 1491 in den Adelsstand erhoben wurde. B. immatrikulierte sich im September 1481 an der Universit¨at Ingolstadt. 1497 ist er als Rat Herzog Georgs des Reichen von BayernLandshut belegt, sp¨ater als bayerischer Rat unter 1182

1. H¨alfte 16. Jh. Herzog Wolfgang. Seit 1500 ist er in der Nachfolge seines im selben Jahr verstorbenen Bruders Hans B. als Rentmeister in Wasserburg nachgewiesen. Sp¨ater wurde er auch Rentmeister von Burghausen. Seinem anderen Bruder Peter B., 1478–82 Rechtsprofessor in Ingolstadt, wird die Fortsetzung der Bayerischen Chronik Ulrich → F¨uetrers bis 1511 zugeschrieben (M¨unchen, BSB, Cgm 565). Nach dem Landshuter Erbfolgekrieg erwarben die beiden Br¨uder die Herrschaften Fraunstein und Ering von Herzog Albrecht IV. von Bayern. ¨ Uber eine Episode der bayerischen Fehde verfasste B. seine Nachrichten zum Landshuter Erbfolgekrieg. Er berichtet u¨ ber die Ereignisse vom 23.–28.5.1504, als «h¨orzog Rueprecht pfalzgraff am Rhein und h¨orzog in Bayrn die statt Wasserburg erobert, auch wie sich etlich handlung dazumahlen zuegetragen und begeben haben». Als Rentmeister hatte der bayerisch gesinnte B. selbst mit Pfalzgraf Ruprecht verhandelt, wor¨uber er detailliert berichtet (z. B. u¨ ber einen Bestechungsversuch der Pf¨alzischen Partei [4000 Gulden] zur dauerhaften Gewinnung Wasserburgs). B. spricht zumeist von sich in der dritten Person und die Aufzeichnungen haben eine deutliche apologetische Tendenz. Die ¨ Schuld an der Ubergabe der Stadt wird im letzten Teil der Nachrichten dem Stadtpfleger und Pf¨alzer Parteig¨anger Georg von Preysing angelastet. ¨ Uberlieferung: Wasserburg am Inn, Stadtarch., o. S. (4), Autograph. Ausgabe: Lorenz v. Westenrieder: Hist. Schr. Bd. 1. Mu¨ nchen 1824, S. 181–206 (‹Gleichzeitige Wasserburgische Nachrichten, betreffend die Begebenheiten in der Stadt Wasserburg w¨ahrend der traurigen Jahre 1504, 1505, 1506, 1507›). Literatur: Helgard Ulmschneider, VL2 11 (2004) Sp. 226–228. – Sigmund v. Riezler: Gesch. Baierns Bd. 3: Von 1347 bis 1508. Gotha u. a. 1889, S. 595, 599, 917 f. – Reinhold Spiller (Hg.): Ulrich F¨uetrer. Bayer. Chron. (Quellen und Er¨orterungen zur bayer. und dt. Gesch. NF. 2,2). Mu¨ nchen 1909, S. LXXVI–LXXIX. – Wilhelm Krag: Die Paumgartner v. N¨urnberg und Augsburg. Ein Beitr. zur Handelsgesch. des 15. und 16. Jh. Mit einem Anhang: Die bayer. Baumgartner v. Kufstein und Wasserburg (Schw¨abische Geschichtsquellen und Forsch. 1). M¨unchen 1919, S. 130–132. – Heinz Lieberich: Landherren und Landleute. Zur politischen F¨uhrungsschicht Baierns im Sp¨atMA (Schriftenreihe zur bayer. Landesgesch. 63). Mu¨ nchen 1964, S. 114. – Ders.: Die gelehrten R¨ate. 1183

Glaser Staat und Juristen in Baiern in der Fr¨uhzeit der Rezeption. In: Zs. f¨ur bayer. Landesgesch. 27 (1964) S.120–189, hier S. 157. VZ Glaser, Hans. – Verfasser eines Reimgedichts zum Landshuter Erbfolgekrieg. Der nur durch eine Eigennennung im Werk greifbare G. stammte aus Urach. Er k¨ampfte 1504 als Gesch¨utzmeister im Landshuter Erbfolgekrieg. Nach eigenen Angaben nahm er damals am Feldzug des Herzogs Ulrich von W¨urttemberg (1487–1550) gegen Pfalzgraf Philipp den Auf¨ richtigen (1448–1508) teil. Uber seine Erlebnisse w¨ahrend dieser Zeit schrieb er ein dt. Gedicht mit 341 Versen in Paarreimen. Es listet penibel die Stationen des Feldzugs mit den ortlichen ¨ Kampfhandlungen auf. G. erweist sich im Text als Parteig¨anger Ulrichs, der als positive F¨uhrungsfigur dargestellt wird. Philipp erscheint hingegen als respektlos und aufr¨uhrerisch, sogar gegen¨uber dem Papst. Sprachlich und stilistisch ist der Text nur durchschnittlich. Das Werk wurde um 1504 prim¨ar in Drucken verbreitet, ist aber auch in zwei sp¨ateren Handschriften u¨ berliefert. ¨ Uberlieferung: N¨urnberg, Germ. Nationalmus., Hs. Merkel 2° 966, 109r–110r (Pap., Augsburg, 1524–26). – Stuttgart, LB, cod. hist. O. 16a, S. 35–47 (Sammelhs. v. 1539–1616). Drucke: A: [M¨unchen: Hans Ostndorfer und Mathias Zayssinger, um 1504]. – B: [1504?]. – Zus¨atzliche, heute verlorene Drucke bei Liliencron 1866 (s. Ausg.). Ausgaben: Die hist. Volkslieder der Deutschen vom 13. bis 16. Jh. Bd. 2. Hg. v. Rochus v. Liliencron. Leipzig 1866 (Nachdr. Hildesheim 1966) S. 516–522 (Nr. 237). – Geschichtliche Lieder und Spr¨uche W¨urttembergs. Hg. v. Karl Steiff/Gebhard Mehring. Stuttgart 1912, S. 78–86. Literatur: Goedeke 1 (1884) S. 281. – Ulrich MM Mu¨ ller, VL2 3 (1981) Sp. 53. Widmann, J¨org. – Handwerker (?), Lieddichter. Der vermutlich aus dem Schw¨abischen (Augsburg?) stammende W. dichtete Ende 1504 ein Lied (21 Str.; ohne Hinweis auf Bericht aus eigener Anschauung) u¨ ber die vergebliche Belagerung von Vilshofen durch die Pf¨alzer unter J¨org Wisbeck im Landshuter Erbfolgekrieg (Dezember 1504). Wegen seiner Strophenform nimmt es unter den politischen Liedern der Zeit eine Sonderstellung ein. ¨ Uberlieferung: a) Einblattdruck: [Augsburg, J. Otmar 1505], Ex. Mu¨ nchen, BSB, Einbl. I, 17. – 1184

Veit von Ebersberg b) Oktavdruck: [Mu¨ nchen, J. Schobser 1505], Ex. St. Paul/Lavanttal, Benediktinerstift (Faks. und Transkription bei Pascher [s. Lit.]). Abdrucke: Hormayrs Taschenbuch f¨ur die vaterl¨andische Gesch. Mu¨ nchen 1833, S. 323–326. – Friedrich Leonhard v. Soltau: Ein Hundert dt. hist. Volkslieder. Leipzig 21845, Nr. 31. – Liliencron 2 (1866) Nr. 247. Literatur: Hermann Arthur Lier, ADB 42 (1897) S. 344 f. – Frieder Schanze, VL2 10 (1999) Sp. 998 f. – Peter Hans Pascher: J. Widmans Lied v. Vilshofen. In: Buchkunde 1 (1984) S. 113–127. BJ Trymann, Christoph (Triermann). – Verfasser einer Reimchronik zum → Landshuter Erbfolgekrieg 1504/1505. T. lebte im F¨urstentum Sulzbach. Christoph Vogel, Pfarrer in Regenstauf, nahm T.s vermutlich zwischen 1513 und 1520 entstandene Chronik (1438 Verse) in seine Beschreibung des f¨urstlich Pfalzgr¨avischen Landgerichts Sulzbach auf dem Nortgau auf. T. berichtet von Anlass des Krieges und den Kriegsparteien, als Augenzeuge und Parteig¨anger Bayerns vom Kriegsgeschehen in der Oberpfalz, besonders von den Ereignissen in und um Sulzbach. ¨ Uberlieferung: Original nicht erhalten; Christoph Vogels Beschreibung [...] in zwei Hss. des 17. Jh. im Schlossarchiv der Freiherren von Brand, Neidstein (Oberpfalz). Ausgabe: Hubert v. Gumppenberg: Der bayerische Krieg vom Jahr 1504. Reimchron. eines Zeitgenossen. In: Verhandlungen des hist. Vereins von Oberpfalz und Regensburg 34 [NF 26] (1879) S. 75–151. Literatur: Helgard Ulmschneider, VL2 9 (1995) 1112 f. – Gumppenberg (s. Ausg.) S. 77. – Sigmund v. Riezler: Gesch. Baierns. Bd. 3. Gotha 1889 (Nachdr. Aalen 1964) S. 596 f. (Quellen), 612. – Rudolf Ebneth/Peter Schmid (Hg.): Der Landshuter Erbfolgekrieg. An der Wende vom MA zur Neuzeit. Regensburg 2004. – P. Schmid: Der Landshuter Erbfolgekrieg. In: Von Kaisers Gnaden. 500 Jahre Pfalz-Neuburg. Hg. Susanne B¨aumler u. a. Augsburg 2005, S. 75–108. BJ Veit von Ebersberg (Vitus; Familienname: Stopfer) OSB, Wessobrunn (?), † 15.3.1512 Ebersberg/ Bayern. – Chronist. Der wohl aus Wessobrunn stammende V. wurde sp¨atestens 1501 Prior des Klosters Ebersberg und 1185

1. H¨alfte 16. Jh. war dort 1509–12 Abt. Noch w¨ahrend seiner Zeit als Prior wurde er von Herzog Albrecht IV. mit der Abfassung einer bayerischen Chronik beauftragt. Dieses Chronicon Bavarorum entstand 1504–1506 als lat. Werk in einer Einleitung und vier B¨uchern. Buch I (28 Kap.) reicht von Julius Caesar bis Kaiser Anastasius; Buch II (48 Kap.) weiter bis Kaiser Arnulf, Buch III (59 Kap.) bis zu Kaiser Ludwig dem Bayern und Buch IV (74 Kap.) bis zu Kaiser Maximilian I. V.s Chronik vermischt die bayerische Geschichte mit der Kaiser- und Papstgeschichte. So beginnt jedes Buch mit einem Kaiser, dessen Amtszeit auch f¨ur Bayern relevant war. Neben diesem Versuch, die Landesgeschichte durch Einordnung in die Universalgeschichte aufzuwerten, ist V.s Chronik auch durch einen moralisch-p¨adagogischen Impetus gepr¨agt. Die Herrschergestalten der Geschichte dienen bei bei ihm als gute oder schlechte Beispiele f¨ur sp¨atere Monarchen. Als Quellen benutzte V. u. a. Werke von → Vinzenz von Beauvais (Speculum historiale), Antonius von Florenz (Weltchronik), Ulrich → F¨uetrer (Bayerische Chronik, Hartmann → Schedel (Weltchronik), Veit → Arnpeck (Chronica Baioariorum) und Hans Ebran von Wildenberg (Chronik von den F¨ursten aus Baiern). Eine Rezeption von V.s Werk durch andere Chronisten ist nicht nachweisbar. Daher ist der Text nur im h¨ofischen Kontext seiner Entstehung von Interesse. ¨ Uberlieferung: Mu¨ nchen, BSB, Clm 1230 (fr¨uhes 16. Jh., wohl Autograph V.s). – Ebd., Clm ¨ 1229 (wohl Reinschrift). – Wien, ONB, MS 9234 (Ende 16./Anfang 17. Jh.). Ausgaben: Chronicon Bavarorum. Hg. v. Andreas Felix Oefele. In: Rerum Boicarum Scriptores Nusquam Antehac Editi 2. Augsburg 1763, S. 706–739 (Teildruck). Literatur: Jean-Marie Moeglin: Les ancˆetres du prince. Propagande politique et naissance d’une ˆ histoire nationale en Bavi`ere au Moyen Age (1180–1500). Genf 1985, passim. – Claudia Willibald: Das ‹Chronicon Bavarorum› des V. v. E. Geschichtsschreibung an der Schwelle zur Neuzeit. In: Zs. f¨ur bayerische Landesgesch. 50 (1987) S. 493–541. – Helga Czerny: Der Tod der bayerischen Herz¨oge im Sp¨atMA und in der fr¨uhen Neuzeit 1347–1579. Vorbereitungen, Sterben, Trauerfeierlichkeiten, Grablegen, Memoria. M¨unchen 2005, S. 23 f. u. o¨ . – Stefan Dicker: Landesbewusstsein und Zeitgeschehen. Stud. zur bayerischen Chronistik des 15. Jh. K¨oln u. a. 2009, S. 186–217. MM 1186

1. H¨alfte 16. Jh. Pf¨affinger, Ursula OSB, * 7.9.1463 Schloss Wildenheim (Kr. Erding), † 28.10.1528 Kloster ¨ Frauenchiemsee. – Abstitissin von Frauenchiemsee. Die Tochter des bayerischen Erbmarschalls Gentiflor P. trat fr¨uh in das Kloster Frauenchiemsee ein, ¨ dem sie 1494–1528 als Abtissin vorstand. Sie hinterließ in einem Gschicht-Buech des Klosters im Anschluss an Notizen ihrer Vorg¨angerin Magdalena → Auer tagebuch¨ahnliche Aufzeichnungen u¨ ber den Landshuter Erbfolgekrieg, die mit dem Tod Herzog Georgs des Reichen in Ingolstadt (1503) beginnen und bis zum 10.9.1505 reichen. Danach (Bl. 47 f.) geht es um klosterinterne Angelegenheiten bis 1519. ¨ Uberlieferung: M¨unchen, Hauptstaatsarch., Klosterliteralien Frauenchiemsee 88, 32v–48r. Ausgabe: Ernst Geiß: Relation der Aebtissin Ursula der Pf¨affingerin von Frauen-Chiemsee u¨ ber den pf¨alzisch-bayerischen Erbfolge-Krieg (in: Oberbayerisches Arch. f¨ur vaterl¨andische Gesch. 8) 1847, S. 224–236 (Auszug). Literatur: Georg Westermayer, ADB 25 (1887) S. 596. – Helgard Ulmschneider, VL2 7 (1989) Sp. 551 f. – E. Geiß: Gesch. des BenedictinerNonnenklosters Frauen-Chiemsee. In: Beytr¨age zur Gesch., Topographie und Statistik des Erzbisthums M¨unchen und Freysing. Bd. 1. M¨unchen 1850, S. 269–480, hier S. 362–377. – Dominik Dorfner: Kloster Frauenchiemsee im 14. und 15. Jh. In: Kloster Frauenchiemsee 782–2003. Gesch., Kunst, Wirtschaft und Kultur einer altbayerischen Benediktinerinnenabtei. Hg. v. Walter Brugger/Manfred Weitlauff. Weißenhorn 2003, S. 247–290. – Heike Uffmann: Wie in einem Rosengarten. Monastische Reformen des sp¨aten MA in den Vorstellungen von Klosterfrauen (Religion in der Gesch. 14). Bielefeld 2008, S. 329 f. BJ Hinrik von Glandorp (Heinrich Glandorp). – Stadtschreiber, Chronist. H. ist 1470–1521 als Vikar an Sankt Silvester in Quakenbr¨uck nachweisbar, wo er seit 1506 auch Stadtschreiber war. Mit seinem Amtsantritt 1506 begann er eine Reihe nd. Aufzeichnungen zur Geschichte der Stadt. Diese chronikalischen Notizen setzen 1470 an und wurden von H. bis zum Ende seines Lebens fortgef¨uhrt. Als Quellen dienten ihn neben a¨lteren Aufzeichnungen auch eigene Erlebnisse. Ausgabe: Die Stadtbuch-Chron. von Quakenbr¨uck. Hg. v. Richard Bindel. Quakenbr¨uck 1187

Pf¨affinger 1902 (vgl. dazu: Robert Sprenger, in: Korrespondenzbl. des Ver. f¨ur nd. Sprachforschung 23, 1902, S. 14 f.). Literatur: Karl Schulte-Kemminghausen, VL2 4 (1983) Sp. 45. MM Chronik vom Pfaffenkrieg. – Erml¨andische Chronik, 16. Jh. Die Chronik schildert die Umst¨ande des sog. Pfaffenkriegs in den Jahren 1467 bis 1489, mit kurzen Nachtr¨agen f¨ur 1497 bis 1501. Der Pfaffenkrieg entbrannte um die Besetzung des Bischofsstuhls von Ermland, nachdem das dortig Domkapitel 1467 den Dekan Nikolaus von Tu¨ ngen zum Bischof gew¨ahlt hatte, die polnische Krone aber einen eigenen Kandidaten durchsetzen wollte. Der unbekannte Verfasser der Chronik war vielleicht ein Danziger B¨urger, der das Werk zu Anfang des 16. Jh. verfasste. Der Urtext der Chronik ist verloren und nur aus sp¨ateren Abschriften und Kompilationen notd¨urftig zu rekonstruieren. Bis heute ist ungekl¨art, ob es sich bei der Chronik um ein selbstst¨andiges Werk oder um den Teil einer gr¨oßeren Chronik handelt, etwa des Ebert-FerberBuchs. Ausgabe: Die Danziger Chron. vom Pfaffenkrieg. Hg. v. Theodor Hirsch. In: Scriptores Rerum Prussicarum. Die Geschichtsquellen der preußischen Vorzeit 4. Hg. v. Max Toeppen u. a. Leipzig 1870 (Nachdr. Frankfurt/M. 1965) S. 679–689. Literatur: Udo Arnold, VL2 1 (1978) Sp. 1253 f. – De Boor/Newald 4/1 (21994) S. 156, 769. – Hirsch 1870 (s. Ausg.) S. 676–679. – Paul Gehrke: Das Ebert Ferber-Buch und seine Bedeutung f¨ur die Danziger Tradition der Ordensgesch. Danzig 1891, S. 76–91. – Hans Schmauch: Der Kampf zwischen dem erml¨andischen Bischof Nikolaus v. T¨ungen und Polen oder der Pfaffenkrieg (1467–79). In: Zs. f¨ur die Gesch. und Altertumskunde Ermlands 25 (1933) S. 69–186. – Jolanta Dworzaczkowa: Dziejopisarstwo gdanskie do polowy XVI wieku. Danzig 1962. – Repertorium fontium historiae medii aevi 3 (1970) S. 343. MM Liegnitzer Chronik (Chronik der alten F¨ursten und Herren von Polen). – Dt. Piaristen-Chronik. Die lat. Chronica principum Polonie entstand um 1385. Verfasser war wohl Peter Bitschien (von Pitschen), ein Kanoniker am Hedwig-Stift in Brieg. 1188

Ringmann ¨ 1506 wurde das Werk um eine dt. Ubersetzung und Fortsetzung f¨ur die Jahre 1385 bis 1506 er¨ weitert, die sog. L. C. Die Ubertragung wurde wohl in Liegnitz durch ein unbekanntes Mitglied des dortigen Kollegiatstifts zum Heiligen Grab verfasst. Gewidmet ist die L. C. den Piasten-F¨ursten von Liegnitz-Brieg, die auch im Mittelpunkt des Texts stehen. Der Autor konzentriert sich dabei auf genealogische und biographische Details. Zur st¨arkeren Betonung der Piaristen-Geschichte sind die Kapitel u¨ ber die Mazowier und Kujawier vom Schlussteil der lat. Vorlage in den Anfangsteil der Fortsetzung verschoben. Allerdings sind Aussagen u¨ ber die Textgestalt nur bedingt m¨oglich, da die ¨ Uberlieferung der L. C. aufgrund verschollener Handschriften unvollst¨andig ist. ¨ Uberlieferung: Breslau, UB, B 1692, 1r–110v (16. Jh.). – M¨unchen, BSB, Cgm 1225 (1564). – ¨ Wien, ONB, cod. 8761, 1r–97r (Fragm.). – Breslau, UB, IV F 122, 1r–6v (Fragm.). – Zwei weitere Hss. sind verschollen. Ausgaben (dt.): Geschichtschreiber Schlesiens des XV. Jh. (Scriptores rerum Silesiacarum 12). Hg. v. Franz Wachter. Breslau 1883, S. 93–106. – Santifaller 1947 (s. Lit.) S. 85–87 (Teildruck des Prologs). – Zu den lat. Ausg. vgl. Repertorium fontium 1970 (s. Lit.). Literatur: Joachim Schneider, VL2 11 (2004) Sp. 923 f. – Leo Santifaller: Liebentals Kopialb¨ucher des Pr¨amonstratenserstiftes zum Hl. Vinzenz in Breslau. Innsbruck 1947, S. 88–104. – Repertorium fontium historiae medii aevi 3. Hg. Istituto Storico Italiano per il Medio Evo. Rom 1970, S. 415. – J. Schneider: Zweiprachigkeit als eine Chance der Chronisten im Sp¨atMA. In: Die Geschichtsschreibung in Mitteleuropa. Projekte und Forschungsprobleme. Hg. v. Jarosław Wenta. Toru´n 1999, S. 249–276. MM Ringmann, Matthias (seit 1503 auch Philesius, Beiname Vogesigena), * 1481/82 Reichsfeld/Elsass (?), † 1511 Straßburg (?). Nachdem er wohl in Schlettstadt die Schule besucht hatte, war R. 1498–1501 zun¨achst Student in Heidelberg. Wahrscheinlich studierte er zudem in Freiburg i. Br. und lernte dort Gregor Reisch kennen. 1501 h¨orte er in Paris Faustus Andrelinus und Faber Stapulensis. Einen akademischen Abschluss erwarb R. jedoch nicht. Um 1503 besuchte er den ihm aus Heidelberg bekannten Jakob Wimpfeling 1189

1. H¨alfte 16. Jh. in Straßburg. Dort trat er auch in Kontakt mit Thomas Wolf und Walter Lud. Weiterhin unterhielt R. Verbindungen zu Konrad Peutinger, Heinrich Bebel, Jean Basin de Sandaucourt und Pierre de Blarru. 1503 verdingte sich R. zuerst als Korrektor f¨ur ¨ Anschließend unden Drucker Johann Pr¨uss d. A. terrichtete er in Colmar und er¨offnete 1504 eine eigene Schule in Straßburg. 1505 reiste er nach Italien zu Pico della Mirandola, 1508 zu Lilio Gregorio Giraldi. Als Korrektor arbeitete er 1506/1507 f¨ur Johann Gr¨uninger und Johann Knobloch, ehe er 1507 nach St.-Di´e ging. Walter Lud hatte R. eingeladen, dort an einer geplanten Ptolem¨aus-Ausgabe mitzuwirken. 1508 hielt sich R. bei Christoph von Utenheim in Basel auf, wo er an der Universit¨at vortrug. In den n¨achsten Jahren an zunehmend schlechter Gesundheit leidend, starb R. bereits mit 29 Jahren. Trotz seines fr¨uhen Todes hinterließ R. zahlreiche Werke, die er entweder als Herausgeber, ¨ Ubersetzer oder Verfasser verantwortete. Er gab ¨ 1505 die lat. Ubersetzung des Reiseberichts Mundus Novus von Amerigo → Vespucci heraus. Der Druck enth¨alt auch ein lat. Gedicht R.s in elf Distichen u¨ ber die geographischen Entdeckungen der Zeit. Mit den Hemistichia Poetarum (1505) stellte R. ein Sentenzen-Lesebuch in Halbversen zusammen. Darin sind u¨ berwiegend antike Dichter vertreten, doch f¨ugte R. auch eigene Widmungsgedichte hinzu. Wahrscheinlich 1506 gab er die Passionis Christi des Johann Geiler von Kaysersberg heraus, wohl auch die im selben Jahr erschienene ¨ dt. Ubersetzung des Werks (Der text des passions oder lydens christi). ¨ Als wichtiges Ubersetzungswerk R.s gilt Julius der erst R¨omisch Keiser (1507). Der Band enth¨alt Julius Caesars Werke u¨ ber den Gallischen Krieg und den B¨urgerkrieg (mit apokryphen Fortsetzungen), außerdem Plutarchs Caesar-Vita und Lukians zw¨olftes Totengespr¨ach nach Aurispan. R. erg¨anzte das Kaiser → Maximilian gewidmete Werk durch eine Einf¨uhrung und Erl¨auterungen. Neben Stellenkommentaren, Namens- und Kaiserlisten besteht R.s redaktioneller Teil auch aus Abrissen u¨ ber die Geschichte und das Milit¨ar Roms sowie ¨ ¨ aus allgemeinen Uberlegungen zur Ubersetzungskunst und zur Besch¨aftigung mit Geschichte. Als ¨ Ubersetzer pocht R. hier auf Eigenst¨andigkeit und ¨ das Recht, lat. Schriften durch deren Ubersetzung auch Laien zu erschließen. 1190

1. H¨alfte 16. Jh. 1507 erschien nicht nur Wimpfelings von R. herausgegebene Rede Oratio de sancto spiritu, sondern auch die Cosmographie introductio. Diese Einf¨uhrung in die Geographie in acht Kapiteln hatte R. mit Martin Waldseem¨uller in St.-Di´e erarbeitet. R. d¨urfte die Einleitung des Werks verantwortet haben, Waldseem¨uller die dazugeh¨orige Weltkarte und den Globus. Die Cosmographie intro¨ ductio enth¨alt im Anhang auch die lat. Ubersetzung Jean Basins von Amerigo Vespuccis sog. SoderiniBrief. Bemerkenswert ist die Schrift wegen der in ihr vorgenommenen Namensgebung S¨udamerikas. Der Kontinent wird in Text und Karte der Cosmographie erstmals als «America» bezeichnet. Von R.s p¨adagogischer T¨atigkeit d¨urfte die Grammatica Figurata (1509) angeregt worden sein. Gegenstand ist die Einpr¨agung der Elementargrammatik Donats in Form eines Kartenspiels aus 130 Karten, jeweils mit Abbildungen zu je einer Wortart. Vorbilder des Werks waren wohl Faber Stapulensis und Thomas Murner. In R.s Todesjahr 1511 erschien neben einer von ihm herausgegebenen lat. Plautus-Ausgabe die Instructio manuductionem praestans in cartam itinerariam. Dieser Druck enth¨alt Erl¨auterungen zu einer Europakarte Waldseem¨ullers mit geographischen und politischen Beschreibungen Europas nach meist antiken Quellen. Erst nach R.s Tod erschien die Neuausgabe der Geographia des Ptolem¨aus. Das Buch wurde 1513 von Straßburger Herausgebern publiziert, die R. erw¨ahnten, die Mitarbeit Luds und Waldseem¨ullers aber verschwiegen. R. verfasste auch rund 35 lat. Gelegenheitsgedichte. Diese sind oft humorvoll oder in ungew¨ohnlichen Versmaßen geschrieben und begleiteten meist R.s Drucke. Ungekl¨art ist ¨ R.s Verfasserschaft zweier dt. Vespucci-Ubersetzungen von 1505 und 1509. In der Forschung wird R. bis heute vor allem wegen seiner geographischen Arbeiten gesch¨atzt. Aber auch das interessante mnemotechnische Konzept der Grammatica Figurata wird weiterhin gew¨urdigt. ¨ Drucke: Reiche Uberl. mit u¨ ber 80 Drucken. ¨ Sichere Drucke als Verfasser, Bearb. und Ubersetzer: Hemistichia Poetarum. Straßburg: Johann ¨ 1505 (VD16 ZV 13281). – Der Knobloch d. A., text des passions oder lydens christi. Straßburg: ¨ 1506 (VD16 B 4754, B Johann Knobloch d. A., 4755, B 4758). – Julius der erst R¨omisch Keiser. Straßburg: Johann Gru¨ ninger, 1507 (VD16 C 54). – Erclarnis und usslegung der Figur und Spiegels 1191

Ringmann der Welt. Straßburg: Johann Gru¨ ninger, 1507. – Cosmographie introductio. St. Di´e: Walter Lud u. a., 1507. Nachdr. Straßburg: Johann Gr¨uninger, 1509 (VD16 W 1159, V 938). – Grammatica Figurata. St. Di´e: Walter Lud und Ringmann Philesius, 1509. – Instructio Manuductionem. Straßburg: Johann Gr¨uninger, 1511 (VD16 W 1162, R 2453, R 2454). – Claudii Ptolemei, viri Alexandrini, Mathematice discipline Philosophi doctissimi Geographie. Straßburg: Johann Schott, 1513 (V16 P 5207). – Speculum Donati. [Straßburg]: Johann Gr¨uninger, [o. J.]. – Weitere lat. Drucke als Hg.: VD16 V 937, W 3392, P 3401, G 2111, M 6450. Vgl. auch Worstbrock 2004 (s. Lit.). Ausgaben: Die grammatica figurata des Mathias R. (Philesius Vogesigena) in Faksimiledruck. Hg. v. Franz v. Wieser. Straßburg 1905. – Die Cosmographiae introductio des Martin Waldseem¨uller (Hacomilus) in Faksimiledruck. Hg. v. F. v. Wieser. Straßburg 1907. – Hans Rupprich: Humanismus und Renaissance in den dt. St¨adten und an den Universit¨aten. Leipzig 1935 (Nachdr. Darmstadt 1964) S. 78 f., 316 f. (Ged.). – Lat. Gedichte dt. Humanisten, lat. und dt. Hg. v. Harry C. Schnur. Stuttgart 1967, S. 334–337. Literatur: Wilhelm K¨uhlmann, Killy1 9 (1991) S. 476 f. – De Boor/Newald 4/1 (21994) S. 500. – W. K¨uhlmann, NDB 21 (2003) S. 635 f. – Franz Josef Worstbrock, VL2 11 (2004) Sp. 1310–1326. – Joseph Knepper: Jakob Wimpfeling (1450–1528), sein Leben und seine Werke. Freiburg i. Br. 1902 (Nachdr. 1965) passim. – Theodor Vulpinus: M. R. 1482–1511. In: Jb. f¨ur Gesch., Sprache und Lit. Elsaß-Lothringens 18 (1902) S. 127–130. – Karl Klement: Neue Belege f¨ur das Lebensbild des Philesius Vogesigena. In: ebd. 20 (1904) S. 298–301. – J. Knepper: Das Schul- und Unterrichtswesen im Elsass v. den Anf¨angen bis gegen das Jahr 1530. Straßburg 1905, S. 233 f., 377–392, 446 f. u. o¨ . – Josef Fischer: Die Straßburger Ptolemaus-Ausg. vom Jahre 1513. In: Stimmen aus Maria-Laach 86 (1914 ) S. 359 f. – Ludwig Volkmann: Ars memorativa. In: Jb. des Kunsthist. Slg. in Wien NF 3 (1929) S. 111–200. – Albert Ohl de Marais: M. R. dit ‹Philesius›, Graveur en Bois. In: Bulletin de la soci´et´e philomatique Vosgienne 59 (1933) S. 27–42. – F. J. Heitz: Quelques Alsatiques anciens rapatri´es en Alsace (R., Murner, Wimpheling, Guebwiller, K¨onigshoven). In: Revue d’Alsace 83 (1936) S. 3–25, 142–160, hier S. 9–18. – G¨unther Ha¨ mann: Ein Uberblick u¨ ber Entstehung und Quel¨ 63 (1955) len des Namens ‹Amerika›. In: MIOG 1192

Springer S. 298–311. – Franz Laubenberger: R. oder Waldseem¨uller. Eine krit. Unters. u¨ ber den Urheber des Namens Amerika. In: Erdkunde. Arch. f¨ur wiss. Geographie 13 (1959) S. 163–179. – Richard Newald: Probleme und Gestalten des dt. Humanismus. Hg. v. Hans-Gert Roloff. Berlin 1963, S. 443–457. – Charles Schmidt: Histoire litt´eraire de l’Alsace a` la fin du XVe et au commencement du XVIe si`ecle. Paris 1879 (Nachdr. Hildesheim 1966) S. 87–132, 398–401 (Werkverz.). – Albert Ronsin: L’imprimerie humaniste a` Saint-Die au XVIe si`ecle. In: Refugium animae hibliotheca. FS Albert Kolb. Hg. v. Emile van der Vekene. Wiesbaden 1969, S. 382–425. – Jean-Claude Margolin: Le symbolisme dans la Grammatica Figurata de Mathias R. (1509). In: Bulletin de l’Association Guillaume Bud´e 97 (1979) S. 72–87. – F. Laubenberger: The Naming of America. In: Sixteenth-Century Journal 13 (1982) S. 91–113. – Freya StephanK¨uhn: Ludus Latinus. Ein lat. Kartenspiel aus dem Jahre 1509. In: Altsprachlicher Unterricht 29 (1986) S. 75–87. – Jakob Wimpfeling: Opera Selecta 3: Briefwechsel. Hg. v. Otto Herding/Dieter Mertens. 2 Teilbde. M¨unchen 1990, passim. – Maurice Kubler: M. R. nomme l’Am´erique. Le trait de g´enie d’un humaniste alsacien. In: Saisons d’Alsace 115 (1992) S. 9–19. – Michael Herkenhoff: Vom langsamen Wandel des Weltbildes. Die Entwicklung v. Kartographie und Geographie im 15. Jh. In: Focus Behaim-Globus 1. Germ. Nationalmuseum, N¨urnberg, 2. Dezember 1992 bis 28. Februar 1993. Hg. v. Gerhard Bott. N¨urnberg 1992, S. 143–155; Bd. 2, S. 665–668. – Klaus A. Vogel: ‹America›. Begriff, geographische Konzeption und fr¨uhe Entdeckungsgesch. in der Perspektive der dt. Humanisten. In: Von der Weltkarte zum Kuriosit¨atenkabinett. Amerika im dt. Humanismus und Barock. Hg. v. Karl Kohut. Frankfurt/M. 1995, S. 11–43. – Jan Follak: Grammatik und Ged¨achtniskunst im ‹Speculum Donati› und in der ‹Grammatica Figurata› des M. R. In: Neulat. Jb. 9 (2007) S. 147–173. – Gerhard F. Strasser: Wissensvermittlung durch Bilder in der Fr¨uhen Neuzeit. Vorstufen des ‹p¨adagogischen Realismus›. In: Evidentia. Reichweiten visueller Wahrnehmung in der Fr¨uhen Neuzeit. Hg. v. Gabriele Wimb¨ock u. a. M¨unster/Westf. 2007, S. 191–216. – Martin Lehmann: Die ‹Cosmographiae Introductio› M. R.s und die Weltkarte Martin Waldseem¨ullers aus dem Jahre 1507. Ein Meilenstein fr¨uhneuzeitlicher Kartographie. M¨unchen 2010. – Hermann Baumeister: Gauthier Lud, Martin Waldseem¨uller und M. 1193

1. H¨alfte 16. Jh. R., die Urheber der ersten modernen Ptolem¨ausAusg. mit einem Weltatlas und Taufpaten Amerikas. In: Zs. f¨ur die Gesch. des Oberrheins 158 (2010) S. 175–191. MM Springer, Balthasar (Sprenger), * zweite H¨alfte 15. Jh. Vils bei F¨ussen/Tirol, † um 1509/11. – Kaufmann, Verfasser einer Reisebeschreibung. ¨ Uber Herkunft und Leben S.s ist wenig bekannt. Sein Vater Hans (?) war um 1482/87 habsburgischer Pfleger auf Burg Fargenstein bei Zirl. S., der vermutlich bei den Welsern in Augsburg zum Kaufmann ausgebildet wurde, nahm in deren Auftrag an der ersten Handelsreise dt. Kaufleute nach Ostindien teil. Drei von Augsburger und N¨urnberger Handelsh¨ausern (u. a. Fugger, Welser, H¨ochstetter, Imhof, Hirschvogel) ausger¨ustete Schiffe («Hieronymus», «Raphael», «Leonhard») eines dt.-italienischen Handelssyndikats verließen in einem Flottenverband von insgesamt 20 Schiffen unter der Leitung des designierten portugiesischen Vizek¨onigs von Indien, Francisco d’Almeida, am 25.3.1505 Rastello vor Lissabon, nachdem es dem Faktor der Welser in Lissabon, Lucas Rem, 1504 gelungen war, vom portugiesischen K¨onig Manuel I. ein Privileg f¨ur die Beteiligung am Indienhandel zu erwerben. S. reiste auf der «Leonhard». Die Fahrt f¨uhrte am Kap der Guten Hoffnung vorbei u¨ ber Ostafrika nach Indien. Nach einer 602 Tage dauernden Reise traf S. am 15.11.1506 wieder in Lissabon ein. Seine Tagebuchaufzeichnungen fasste S. 1506–1508 (?) in einem lat. Rechenschaftsbericht zusammen (Hs. Gießen, gedruckt 1724). Er stattete einen 1508 gedruckten ‹Bilderfries› von sechs aneinandergereihten Holzschnitten Hans Burgk¨ mit erl¨auterndem dt. Text aus und mairs d. A. ver¨offentlichte im folgenden Jahr eine zweite, erweiterte Fassung seines Berichts (Merfart) mit einem ver¨anderten Bildprogramm. S.s Reisebericht bietet detaillierte geographische und ethnographi¨ sche Angaben. Uber diese Handelsreise berichten auch eine auf dem Schiff «Raphael» entstandene, fr¨uher dem Faktoreischreiber Hans Mayr zuschriebene Darstellung in portugiesischer Sprache und knappe Notizen eines weiteren Deutschen aus Lissabon. ¨ Uberlieferung: Lat. Hs.: Gießen, UB, Hs. 219, f. 36–45. – Drei zeitgen¨ossische Drucke: B. Springer [u¨ ber Wappen]. Dise nachuolgenden figuren des wandels vnnd gebrauchs der kunigreich [...]. 1194

1. H¨alfte 16. Jh. [Speyer: Peter Drach d. J. ?] 1508 (‹Bilderfries›; ein Exemplar mit f¨unf Holzschnitten im Besitz der Freiherrlich von Welserschen Familienstiftung in Neunhof; vgl. Stielau [s. Lit.] S. 65 f.). – Die Merfart vnd erfarung n¨uwer Schiffung vnd Wege z˚u viln onerkanten Inseln vnd K¨unigreichen [...] [Oppenheim, Jakob K¨obel] 1509 (mit 15 Holzschnitten, darunter Wappen S.s; VD16 S 8379; f¨unf Exemplare, vgl. Stielau [s. Lit.] S. 66 f.). – Die reyse van Lissebone om te varen na dat eylandt Naguaria in groot Indien gheleghen [...]. Antwerpen: Jan van Doesborch 1508 (fl¨amisch, mit acht Holzschnitten; zwei Exemplare, vgl. Borowka-Clausberg [s. Lit.] S. 30 f.). – Zur Rezeption des sich rasch verbreitenden Textes s. Ulmschneider (s. Lit.) Sp. 1446 f. Ausgaben: Die Merfart vnd erfarung n¨uwer Schiffung vnd Wege z˚u viln onerkanten Inseln vnd K¨unigreichen [...], wie ich B. S. sollichs selbs in kurtzuerschynen zeiten gesehen vnd erfaren habe [Oppenheim] 1509. Internet-Ed. in: VD 16. – Dass. Neudr. mit Einf. v. Franz Schulze (Drucke und Holzschnitte des XV. und XVI. Jh. in getreuer Nachbildung 8). Straßburg 1902. – Dass. in: Erhard/Ramminger 1998 (s. Lit.). – Iter indicum [...]. In: Voyage litt´eraire de deux religieux B´en´edictins de la congr´egation de S. Maur. Hg. v. Edmond Mart`ene u. a. Bd. 2. Paris 1724 (Nachdr. Farnborough 1969) S. 361–378. Literatur: Friedrich Ratzel, ADB 35 (1893) S. 301 f. – Helgard Ulmschneider, VL2 11 (2004) Sp. 1443–1448. – Reinhard Jakob, NDB 24 (2010) S. 761 f. – Horst Wenzel/Red., Killy2 11 (2011) S. 148 f. – Friedrich Kunstmann: Die Fahrt der ersten Deutschen nach dem portugiesischen Indien. M¨unchen 1861. – Schulze (s. Ausg.). – Franz H¨ummerich: Quellen und Unters. zur Fahrt der ersten Deutschen nach dem portugiesischen Indien 1505/1506. M¨unchen 1918. – Ders.: Die erste dt. Handelsfahrt nach Indien (1505/1506). Mu¨ nchen/ Berlin 1922. – Hildegard Stielau: B. S.s ‹Meerfahrt› v. 1509. In: Acta Germanica 12 (1980) S. 61–114. – Christoph v. Imhoff: N¨urnbergs Indienpioniere [...]. In: Pirckheimer-Jb. 2 (1986) S. 11–44. – Gerhard Wolf: Das Individuum auf dem Weg zu sich selbst? Fr¨uhneuzeitliche Reisen nach Osten: Hans Dernschwam, B. S. und Fortunatus. In: Reisen und Welterfahrung. Anglo-German Colloquium in Liverpool 1989. Hg. v. Dietrich Huschenbett/John Margetts (W¨urzburger Beitr. zur dt. Philologie 7). W¨urzburg 1991, S. 196–214. – Winfried Frey: B. 1195

Soester Chronikalien S.s ‹Merfahrt›. In: ebd., S. 277–289. – Danielle Buschinger: B. S., un t´emoin occulaire allemand des voyages portugais de d´ecouvertes (1505–1506). In: Jbb. der Reineke-Ges. 6 (1995) S. 11–24. – Andreas Erhard/Eva Ramminger: Die Meerfahrt. B. S.s Reise zur Pfefferk¨uste. Mit einem Faks. des Buches v. 1509. Innsbruck 1998. – Beate BorowkaClausberg: B. S. und der fr¨uhneuzeitliche Reisebericht. M¨unchen 1999. – Anne-Sophie Germain: Sens du r´eel ou regard politique? Ambigu¨ıt´es des realia dans la s´erie iconographique ornant le r´ecit de voyage aux Indes de Balthasar Springer, 1505–1506. In: Les ‹Realia› dans la litt´erature de fiction au moyen aˆ ge. Actes du colloque du Centre d’Etudes M´edi´evales de l’Universit´e de Picardie-Jules Verne Saint-Valery-sur-Somme, 25–28 Mars 1999. Hg. v. ders. (M´edi´evales 9). Amiens 2000, S. 62–70. – J¨urgen Pohle: Deutschland und die u¨ berseeische Expansion Portugals im 15. und 16. Jh. (Historia profana et ecclesiastica 2). Mu¨ nster 2000. – D. Buschinger: Le r´ecit de voyage d’un banquier augsbourgeois au d´ebut du XVIe si`ecle (1505–1506). In: R´ecits de p`elerinage et r´ecits de voyage a` travers les si`ecles. Hg. dies. Amiens 2002, S. 6–17. – Dietmar Henze: Enzyklop¨adie der Entdecker und Erforscher der Erde. Bd. 5. Graz 2004, S. 201 f. – G. Wolf: B. S.s ‹Merfahrt› (1509). Die Entdeckung des literarischen Reiseberichts. In: Austriaca 62 (2006) S. 11–28. BJ Soester Chronikalien. – Sammlung historischer Aufzeichnungen. Die sog. S. C. sind als Teil der st¨adtischen Archivalien Soests in zwei B¨anden u¨ berliefert. Das sog. Stadtbuch I reicht von 1417 bis 1509, Stadtbuch II von 1510 bis 1548. Die darin enthaltenen Aufzeichnungen in dt. Sprache umfassen historische Einzelnotizen, die jedoch keine chronikalische Gesamtdarstellung konstituieren. Die S. C. wurden von dem Kleriker Petrus Emmerici von Heimersheim begonnen, der 1417 Stadtsekret¨ar wurde. Er legte nach Sachthemen geordnete Amtsb¨ucher an, die im Stadtbuch I gesammelt sind. Sp¨atere, namentlich meist unbekannte Sekret¨are setzten die S. C. dann in chronologischer Reihung fort. Ordnungsprinzip sind jeweils die Amtsperioden des Stadtrats. Die S. C. dienen einmal der Mitteilung von Daten der Stadtgeschichte, vor allem der Amtszeiten von B¨urgermeistern, Prokonsuln und K¨ammerern. Eine wichtige Rolle spielen aber auch die K¨olner Erzbisch¨ofe und die klevischen Herz¨oge, 1196

Mengin denn im Rahmen der Soester Fehde hatte sich die Stadt 1444 von der bisch¨oflichen Herrschaft gel¨ost und sich dem Herzog unterstellt. Die eigentlichen Ereignisse der Fehde sind in den S. C. jedoch nicht dargestellt, da sie wohl von Bartholom¨aus van der Lake gesondert behandelt worden waren. Auch Konflikte zwischen der Stadt und dem Patroklus-Stift sind in den S. C. erw¨ahnt, in denen es um st¨adtische bzw. geistliche Gerichtsbarkeiten und Eink¨unfte ging. Neben Naturereignissen und Epidemien sind in den S. C. weiterhin kulturhistorisch interessante Details vermerkt, die etwa Prozessionen, Kirchweihfeste und Huldigungszermonien betreffen, aber auch Preisvorschriften und Polizeimaßnahmen. Ereignisse außerhalb Soests erscheinen nur vereinzelt in den S. C., u. a. der Brand Erfurts 1472, die Belagerung von Neuss 1474 oder der sacco di Roma von 1527. Quellen der S. C. waren das Liber de rebus memorabilioribus des → Heinrich von Herford sowie zeitgen¨ossische Zeitungen. Jenseits ihrer Relevanz f¨ur die Soester Stadtgeschichte sind die S. C. als Ausdruck eines st¨adtischpatrizischen Historiographie-Verst¨andnisses von Bedeutung, das historische Aufzeichnungen prim¨ar als Handreichungen f¨ur die politische Praxis verstand. ¨ Uberlieferung: Soest, Stadtarch., cod. 3086 (fr¨uher LII,1) und 3037 (fr¨uher LII,15). Ausgaben: Ausz¨uge aus den Soester Stadtb¨uchern. Hg. v. Theodor Ilgen. In: Die Chron. der westf¨alischen und niederrheinischen St¨adte 3: Soest und Duisburg. Hg. Bayerische Akad. der Wiss. (Chron.dt.St. 24). Leipzig 1895 (Nachdr. G¨ottingen 1969) S. 1–175. – Daniel v. Soest, ein westf¨alischer Satiriker des 16. Jh. Hg. v. Franz Jostes. Paderborn 1902 (Nachdr. Walluf 1972) S. 5–50 (Teildruck). Literatur: Birgit Studt, VL2 9 (1993) Sp. 10–13. – Heinrich Schmidt: Die dt. St¨adtechron. als Spiegel des b¨urgerlichen Selbstverst¨andnisses im Sp¨atMA. G¨ottingen 1958, S. 17. – Edith Ennen: Geschichtsbewußtsein und Geschichtsschreibung des st¨adtischen B¨urgertums in seinen hist. Wandlungen bis zur Gegenwart. In: Soest. Stadt, Territorium, Reich. FS zum 100j¨ahrigen Bestehen des Ver. f¨ur Gesch. und Heimatpflege Soest. Hg. v. Gerhard K¨ohn. Soest 1981, S. 9–34. – Volker Honemann: Die Stadtschreiber und die dt. Lit. im Sp¨atMA und der fr¨uhen Neuzeit. In: Zur dt. Lit. und Sprache des 14. Jh. Hg. v. Walter Haug u. a. Heidelberg 1983, S. 320–353. MM 1197

1. H¨alfte 16. Jh. Johanns von Kleve Pilgerfahrt. – In einer heute verschollenen Abschrift des 16. Jh. anonym u¨ berlieferter Reisebericht. Der Bericht handelt von einer Reise des Herzogs Johann I. v. K., die ihn in den Jahren 1450 und 1451 von Br¨ussel u¨ ber Venedig und Candia nach Jerusalem f¨uhrte, wo er die Ritterw¨urde empfing. Vgl. auch den Parallelbericht im Rahmen der Klever Chronik des → Gert van der Sch¨uren. ¨ Uberlieferung: D¨usseldorf, Hauptstaatsarch., Kleve-Mark Familiensachen 12 (Pap., 16. Jh.; verschollen). Ausgabe: Woldemar Harleß: Ber. u¨ ber die Pilgerfahrt Herzogs Johann I. v. Cleve nach dem heiligen Lande (1450–51). In: Zs. des Bergischen Geschichtsver. 35 (1900/1901) S. 125–145. Literatur: Wilhelm Janssen: Johann I. In: NDB 10 (1974) S. 492 f. – Dietrich Huschenbett, VL2 4 (1983) Sp. 658 f. – Reinhold R¨ohricht: Dt. Pilgerreisen nach dem Heiligen Lande. Innsbruck 1900 (Nachdr. Aalen 1967) S. 120 f. – Harleß (s. Ausg.). – Matthias B¨ock: Zur Jerusalemfahrt des geldrischen Herzogs Arnold v. Egmont (1450–1452). In: FS Dieter Geuenich. Hg. v. Thomas Schilp/Uwe Ludwig (Stud. zur Gesch. und Kultur Nordwesteuropas 8). M¨unster u. a. 2004, S. 173–189, hier S. 173, Anm. 2. SF ¨ Mengin, Nikolaus. – Ubersetzer von La l´egende des v´enitiens des Jean Le Maire de Belges. Bei dem von M. aus dem Franz¨osischen ins Deutsche u¨ bersetzten Werk des Jean Le Maire de Belges (1473–ca. 1525; 1504–12 Historiograph ¨ der Erzherzogin Margarethe von Osterreich, Statthalterin der habsburgischen Niederlande) handelt es sich um ein Pamphlet, das aus Anlass der am 10.12.1508 zwischen Kaiser Maximilian, dem Papst und den K¨onigen von Frankreich und Spanien geschlossenen Liga von Cambrai verfasst wurde. In drei Kapiteln werden «Verfehlungen» der Venezianer geschildert, deren Folge der bereits mehrmals prophezeite Untergang Venedigs als Strafe Gottes sein werde. ¨ Uberlieferung: Drei Drucke des 16. Jh.: a) Ue¨ nediger Chronica [...]. Augsburg, Oglin, 1514 (VD16 L 1089) (digital: BSB Mu¨ nchen). – b) Wenediger Chronica, mit angez¨oigten Ursachen des sch¨adlichen Kryegs, do mit sye bitz h¨ar von r¨omischer Keyserlichen Maiest¨at so schw¨arlich gestrafft seind. Straßburg, J. Schott, um 1516 (VD16 L 1090) (digital: BSB Mu¨ nchen). – c) Venedische Chronica 1198

1. H¨alfte 16. Jh. [...]. Frankfurt/M., C. Jacob, um 1550 (VD16 L 1091) (digital: BSB M¨unchen). ¨ Ausgabe: Die dt. Ubersetzung ist unediert. Der frz. Text (nach der Folio-Werkausgabe Lyon 1549) ist gedruckt bei Stecher (s. Lit.) Bd. 3, S. 361–409. Literatur: Frieder Schanze, VL2 11 (2004) Sp. 989–991. – Jean Lemaire de Belges: Œuvres. Hg. v. J. Stecher. 4 Bde., Louvain 1882–91. – Philipp August Becker: Jean Lemaire, der erste humanistische Dichter Frankreichs. Straßburg 1893. BJ ¨ Wernher, Peter Kaufmann (?), Ubersetzer, * Mitte 15. Jh. N¨urnberg (?), † nach 1515 N¨urnberg (?). ¨ Unter W.s Namen wurden 1514/15 zwei Ubersetzungen italienischer Schriften ver¨offentlicht: ein Bericht u¨ ber eine t¨urkisch-persische Schlacht von 1514 und eine Variante des Stoffes von der Sch¨onen ¨ Magelone. Vermutlich ist der als Ubersetzer Genannte identisch mit dem N¨urnberger Kaufmann W., der in Italien t¨atig war (bezeugt 1484/1493 in Florenz/Bologna) und seit 1503 wieder in N¨urnberg urkundlich nachgewiesen ist. ¨ Uberlieferung: Von der groszen Schlacht: Drucke: ¨ H. H¨oltzel, N¨urnberg 1514/15. – E. Oglin, Augsburg 1514/15. – H. Schobser, M¨unchen 1515. – hystoria: Zwei Drucke: J. Gutknecht, N¨urnberg 1515. Ausgabe: Microficheausg. Druck H. H¨oltzel: Flugschriftenslg. Gustav Freytag. 2 Lfg. M¨unchen u. a. 1980/81, Nr. 1630. ¨ Ubersetzungen: Von der groszen Schlacht geschehen dem T¨urcken von dem grossen Sophi jn Calimania der Prouintz nach bey Lepo dem Castell. Vnd von dem todt des grossen Tu¨ rcken vnd des Sophi. Vnnd von den Schlachtungen geschehen auff dem Meer vnd auff dem Landt. [...] (Geteutscht auß welsch durch W.) 1514 (Vorlage unbek.). – Eyn fast senliche vnd erbermliche mitleydende hystoria von Phyloconio des Kunigs sun auß Portugal vnd von der sch¨onen Eugenia des Kunigs Tochter auß Engelandt. (Geteutscht auß welscher zungen in Teutsche), 1515 (Vorlage aus der Novellenslg. ‹Le Porretane› des Giovanni Sabadino degli Arienti, 1478). Literatur: Frieder Schanze, VL2 11 (2004) Sp. 1652–1654. – Johannes Bolte (Hg.): Valentin Schuhmanns Nachtb¨uchlein (Bibl. des Literarischen Vereins in Stuttgart). T¨ubingen 1893 1199

Wernher (Nachdr. Hildesheim/New York 1976) S. 3499 f. – H. Ullmann: Das Volksbuch v. Philoconio und Eugenia. In: Euph. 14 (1907) S. 689–695. – Carl G¨ollner: Turcica. Die europ¨aischen T¨urkendrucke des 16. Jh. 1 (1961) S. 56 f. – Peter Zahn: Die Endabrechnung u¨ ber den Druck der Schedelschen Weltchron. (1493) vom 22. Juni 1509. In: Gutenberg-Jb. 66 (1991) S. 177–213, hier S. 197. VZ Wanckel, Nikolaus OFM. – Verfasser eines Pal¨astina-F¨uhrers. Der außerhalb seines Werks nicht nachweisbare W. war ein s¨uddt. Franziskaner und lebte sechs Jahre lang in Pal¨astina. Aus dieser Lebensphase ging der dt. F¨uhrer Ein kurtze vermerckung der heyligen Stet des heyligen landts hervor, der 1517 gedruckt und wohl auch geschrieben wurde. Das als Pilgerf¨uhrer intendierte Werk umfasst zehn Kapitel mit einer Vorrede. Enthalten sind neben einer Liste der heiligen St¨atten in Jerusalem und Pal¨astina auch die sog. r¨omischen Stationen der franziskanischen Pilger in Jerusalem und Bethlehem sowie die Ordensregeln der Ritter vom Heiligen Grab. Außerdem berichtet W. u¨ ber seine Erlebnisse in Pal¨astina. So war er dort nach eigenen Angaben Paterkustos und wohnte f¨ur ein Jahr in der Grabeskirche. Er wurde schließlich in Jerusalem verhaftet und nach Kairo verschleppt, bevor er als diplomatischer Abgesandter des Sultans zum Papst nach Rom reisen durfte. Neben W.s eigenen Kenntnissen floss in die Vermerckung auch das Jerusalemlob aus Bernhards Predigt an die Templerritter ein, das W. zitiert. Man hat W. verschiedentlich auch die Flugschrift Geystlich straß (VD16 G 979) zugeschrieben, die sich mit der Kreuzwegsandacht in N¨urnberg besch¨aftigt. W.s Verfasserschaft ist jedoch nicht sicher nachzuweisen. Druck: Ein kurtze vermerckung der heyligen Stet des heyligen landts, in vnd vmb Jerusalem, mit verzeychnung der mercklichsten ding in den selbigen geschehen. Auch wie nahent vnnd verre ein Stat von der andern sey. N¨urnberg: Jobst Gutknecht, 1517 (VD16 W 1169). Literatur: De Boor/Newald 4/1 (21994) S. 162. – Randall Herz, VL2 10 (1999) Sp. 703 f. – Reinhold R¨ohricht: Bibliotheca geographica Palaestinae. Berlin 1890 (Jerusalem 21963) Nr. 587. – Leonhard Lemmens: Die Franziskaner im Hl. Lande 1: Die Franziskaner auf dem Sion (1336–1551). M¨unster/Westf. 1916, S. 140. – Ernst Kramer: Kreuzweg und Kalvarienberg. Hist. und 1200

Kienast baugeschichtliche Unters. Kehl u. a. 1957, S. 20 f. – Europ¨aische Reiseber. des sp¨aten MA. Eine analytische Bibliogr. 1: Dt. Reiseber. Bearb. v. Christian Halm. Hg. v. Werner Paravicini. Frankfurt/M. u. a. 1994. 22001, Nr. 124. MM Wassenberch, Johann, * 12.9.1458, † 1517 (?) Duisburg (?). – Johanniter, Chronist. W., der in seiner Duisburger Chronik neben dem Geburtsdatum auch den Zeitpunkt seines Eintritts in das Johanniterkloster in Duisburg nennt (22.10.1474), ist identisch mit dem 1495 bezeugten Johannes Tynenmecher (Zinnmacher). Seine in dt. Sprache verfasste Chronik zu den Jahren 1474–1517 bietet in Episodentechnik aneinandergereihte Nachrichten. Bevorzugt behandelt werden Ereignisse des Nordwestens, insbesondere das Klever Herzoghaus, die Stadt Duisburg und das eigene Kloster. Quellen waren Urkunden, Protokolle, eigene Beobachtungen und vor allem Zeitungen, Einblattdrucke und historische Lieder. ¨ Uberlieferung: Senden (Westfalen), Bibl. Haus Ruhr, cod. 99, 182r–225v. In dem Quartband (325 Bll.) sind elf von W. selbst geschriebene lat. und dt. Geschichtsquellen zusammengebunden. Ausgaben: Theodor Ilgen: Chron. des J. W. von 1474–1517. In: Die Chron. der westf¨alischen und niederrheinischen St¨adte. 3. Soest und Duisburg (Chron.dt.St. 24). Leipzig 1895 (Nachdr. G¨ottingen 1969) S. 179–266. – Die Chron. des J. W. Aufzeichnungen eines Duisburger Geistlichen u¨ ber lokale und weltweite Ereignisse vor 500 Jahren. Nach der Originalhs. hg., ins Neuhochdeutsche u¨ bertragen und kommentiert v. Arend Mihm. Duisburg 1981. Literatur: Arend Mihm, VL2 10 (1999) Sp. 772–774. – Ilgen (s. Ausg.) S. 179–192. – Bart H. Van’t Hooft: Honderd jaar geldersche geschiedenis in historieliederen. Arnhem 1948, S. 67–79. – Walter G. R¨odel: Das Großpriorat Deutschland des Johanniter-Ordens. Diss. Mainz 1966, S. 360–364. – Mihm (s. Ausg.) S. 7–9, 24–28. – Ders.: J. W. und die Anf¨ange der Lit. in Duisburg. In: Lit. im Kontext. FS Helmut Schrey. Hg. v. Renate Haas/Christine Klein-Braley. St. Augustin 1985, S. 133–145. – Ders.: Die kulturelle Ausrichtung des Niederrheins im 16. Jh. In: wortes anst, verbi gratia. Donum natalicium Gilbert A. R. de Smet. Hg. v. Heinrich L. Cox u. a. Leuven u. a. 1986, S. 331–340. – Robert Peters: Zur Sprache der Duisburger Chron. des J. W. In: ebd., S. 381–386. BJ 1201

1. H¨alfte 16. Jh. ¨ Helmich, Gerdt. – Bearbeiter oder Ubersetzer eines Reiseberichts. ¨ H. war um 1504 Altermann an der JacobiBr¨uderschaft der Andreaskirche in Hildesheim. 1519 ist er zuletzt als Hildesheimer B¨urger nachgewiesen. Weniger deutlich nachweisbar ist hingegen H.s Rolle bei der Publikation von De overen vnde meddelen Straten van Brunswyg tho Suente Jacob in Galicien. Das 1518 gedruckte nd. Werk berichtet u¨ ber eine Pilgerfahrt von Braunschweig nach Santiago de Compostela. Der Druck nennt H. nicht als Verfasser des gesamten Texts, sondern als Autor von Korrekturen und Zus¨atzen. Mo¨ glicher¨ weise agierte er aber auch als Ubersetzer, denn es ¨ k¨onnte sich bei dem Druck um die nd. Ubertragung eines Reiseberichts des Hermann → K¨unig van Vach gehandelt haben. Wahrscheinlich erweiterte H. Vachs Text um die Reiseroute von Braunschweig bis S¨uddeutschland. Drucke: De overen vnde meddelen Straten van Brunswygk tho Suente Jacob in Galicien / tho Compostella / Anderwerff gecorregeret / vnde mit mehr thogesatten. Braunschweig: Hans Dorn, 1518 (VD16 H 1787, verschollen). Literatur: Volker Honemann, VL2 3 (1981) Sp. 975 f. – Konrad Haebler: Das Wallfahrtsbuch des Hermannus K¨unig von Vach und die Pilgerreisen der Deutschen nach Santiago de Compostela. Straßburg 1899, S. 40, 47, 59. – Urkundenbuch der Stadt Hildesheim 8. Hg. v. Richard Doebner. Hildesheim 1901 (Neudr. Aalen 1980) S. 411 f., 507. – Europ¨aische Reiseber. des sp¨aten MA. Eine analytische Bibliogr. Bd. 1: Dt. Reiseber. Bearb. v. Christian Halm. Hg. v. Werner Paravicini. Frankfurt/M. u. a. 1994. 22001, Nr. 116. MM Kienast, J¨org (K¨unnast). – Lieddichter, erste H¨alfte 16. Jh. Der aus Freiburg i. Br. stammende K., der 1518 in Straßburg drei von ihm gedichtete Lieder druckte, verdingte sich m¨oglicherweise als fahrender Meistersinger und Buchdrucker, wobei von ihm außer den genannten Liedern keine weiteren Druckerzeugnisse bekannt sind. Die umfangreichen Lieder K.s dienen ausschließlich dem Lob Straßburgs, zwei davon handeln speziell von der st¨adtischen Sozialf¨ursorge. 1. Dis is das lied von der gilgen: Das in 43 Siebenzeilerstrophen gegliederte Lied im Ton → Ich stund an einem morgen preist die Lilien im Wappen der Landgrafschaft Elsass zum Lob der Stadt Straßburg 1202

1. H¨alfte 16. Jh. und Mariens im Rahmen einer ausf¨uhrlichen Gartenallegorie. H¨aufig finden sich Bitten an Maria als Schirmherrin Straßburgs und Ermahnungen an die Stadt. ¨ Uberlieferung: Quart-Druck Straßburg, J. Kienast, Pfingsten 1518, Ex. Berlin, SB, Ye 2571/2. Abdruck: Gosche (s. Lit.) S. 151–158. 2. Dis lied ist wie man den Burgern von der stat Staßburg in den t¨uren iaren k¨orn vnd meel mitgeteilt hat ist in 19 Strophen in Jo¨ rg → Schillers Hofton gehalten. Es stellt einen Lobpreis der Stadt Straßburg f¨ur die Armenf¨ursorge in den Teuerungsjahren 1517/18 dar. ¨ Uberlieferung: Quart-Druck Straßburg, J. Kienast 1518, Ex. Berlin, SB, Ye 2571/1. Abdruck: Gosche (s. Lit.) S. 138–144. 3. Ein lobgesang von der statt Strasburg / Erzalt die g˚utat, so armen l¨uten da beschehen ist / in den t¨uren iaren weist 23 Strophen in Schillers Hofton auf und schildert die Wohlt¨atigkeit der Stadt Straßburg in der Notzeit den Bettlern und Armen gegen¨uber. Detailliert geht der Verfasser auf die Verh¨altnisse im Spital sowie auf die Waisenf¨ursorge ein. ¨ Uberlieferung: Quart-Druck mit Titelholzschnitt Straßburg, J. Kienast 1518, Ex. Berlin, SB, Ye 2572. Abdrucke: Rodolphe Reuss: Loblied auf Straßburg [...]. In: Alsatia 9 (1868/72) S. 151–165. – Gosche (s. Lit.) S. 144–151. Literatur: RSM 4 (1988) S. 180 f. – De Boor/ Newald (21994) S. 234. – Frieder Schanze, VL2 11 (2004) Sp. 837–839. – Richard Gosche: Die Lieder und Reime auf Straßburg. In: AfK 2 (1872) S. 94–158, hier S. 128–131. SF Ruchamer, Jodocus (Rucheimer, Rochomer, ¨ Rukhamer; Jobst). – N¨urnberger Arzt, Ubersetzer einer italienischen Reiseberichtskompilation, fr¨uhes 16. Jh. Der Sohn eines N¨urnberger F¨arbers gleichen Namens ist 1485 als Student in Ingolstadt nachgewiesen. 1489 wurde ihm (bereits Baccalaureus der Artes) vom Rat der Stadt N¨urnberg ein Stipendium f¨ur ein medizinisches Studium gew¨ahrt gegen die Verpflichtung, sp¨ater in den st¨adtischen Dienst zu treten. R. studierte in Pavia (Dr. med. 1494) und ist als geschworener Arzt 1495 und 1510 beurkundet. Sp¨ater ist er nur noch einmal durch einen Brief an Willibald Pirckheimer von 1515 bezeugt. Sein Wappen ist im Geschlechterbuch Laza¨ u¨ berliefert. rus → Holzschuhers d. A. 1203

Ruchamer 1508 u¨ bersetzte R. f¨ur einen unbekannten Freund die erst im Jahr zuvor erschienene Kompilation Paesi novamente retrovati des Antonio Fracanzano de Montalboddo aus dem Italienischen ins Deutsche. Dabei folgte R., der selbst u¨ ber keine nennenswerten geographischen Kenntnisse verf¨ugte, dem Original sehr getreu und verdeutschte auch Personen- und Ortsnamen (Columbus z. B. erscheint als «Christoffel Dawber»). Das Sammelwerk Fracanzanos diente prim¨ar dazu, Kaufleute mit Informationen zu den neu erkundeten Gebieten im Osten und Westen der bisher bekannten Welt zu versorgen und diese neuen R¨aume in das christliche Weltbild einzuordnen. Es enth¨alt in sechs B¨uchern mit insgesamt 142 Kapiteln portugiesische und spanische Berichte von Entdeckungs- und Handelsreisen aus der Mitte des 15. Jh. bis um 1504. Die Texte sind teils mit Autornennung, teils anonym. Enthalten sind u. a. Berichte des venezianischen Kaufmanns in portugiesischem Dienst Alvise da Mosto (Westk¨uste Afrikas, 1455 und 1461), u¨ ber die Fahrt Vasco da Gamas (Indien 1497–99), u¨ ber die Reise unter Pedro Alvarez Cabral (Brasilien [ungewollt], Indien, 1500–1502), u¨ ber die transatlantischen Fahrten des Columbus (1492/93, 1493–95, 1498–1500) und der Mundus novus des Amerigo → Vespucci (Brasilien, 1501/1502). Das letzte Buch enth¨alt diverse anonyme Berichte von portugiesischen Fahrten, darunter auch eine zum Eismeer (1501). Ein abschließender Text u¨ ber den indischen Priester Joseph informiert u¨ ber die Gebr¨auche der indischen Christen. Der Druck der dt. Fassung enth¨alt als zus¨atzli¨ ches 143. Kapitel (vermutlich Ubernahme aus der lat. Fassung der Paesi) einen Brief K¨onig Manuels I. von Portugal an Papst Julius II. von 1508, in dem um die theologische Rechtfertigung portugiesischer Eroberungen ersucht wird. Ferner ist in diesem Kapitel ein Bericht eines dt. Kaufmanns in Lissabon u¨ ber weitere Expeditionen von 1508 enthalten. In einer Handelsstadt wie N¨urnberg d¨urfte R.s ¨ Ubersetzung auf reges Interesse gestoßen sein. Erstmals war ein dt. umfassendes Werk mit sachlich dokumentierten Entdeckungsfahrten aus einem hal¨ ben Jahrhundert verf¨ugbar. Ubersetzungen einzelner Berichte lagen indes schon fr¨uher vor (vgl. → Kolumbusbrief, Balthasar → Springer, Vespucci). Noch 1508 erstellte der L¨ubecker Henning Ghete¨ len eine nd. Fassung. Unabh¨angig von R.s Ubersetzung aus dem Italienischen ist Fracanzanos Kom1204

Ruchamer pilationswerk u¨ ber die lat. Fassung (Itinerarium Portugallensium et Lusitania in Indiam et inde in occidentem et demum ad aquilonem, Erstdruck Mailand 1508) in den dt. Sprachraum gelangt: Das Itinerarium wurde von Johann Huttich in seinen Novus orbis regionum ac insularum veteribus incognitarum [...] (Erstdruck Basel ¨ 1532 [VD16 G 3827]) [Johannes Herwagen d. A.] aufgenommen und dieser wiederum von Michael Herr ins Deutsche u¨ bersetzt unter dem Titel Die New welt, der landschaftten vnnd Jnsulen, so bis hie her allen Altweltbeschrybern vnbekant [...] (Erstdruck Straßburg [Georg Ulricher] 1534 [VD16 G 3830]). Drucke: Italienischer Erstdruck: Paesi novamente retrovati. Et nouo Mondo Da Alberico Vesputio Florentino intitulato. Vicenza 1507. – Obd.: Newe vnbekanthe landte Und ein newe weldte in kurtz verganger zeythe erfunden (auß wellischer sprach in die dewtschen gebrachte [...] durch [...] Jobe vnd artzenneien sten Ruchamer der freyen kunste Doctor¯e. N¨urnberg (Georg Stuchs) 1508 (VD16 C 21). – Nd.: Nye vnbekande lande. Unde eine nye Werldt in korter vorgangener tyd gefunden. dœrch Henning¯u Ghetelen [...] in desse sine Moderliken Sprake vorwandelt. N¨urnberg (G. Stuchs) 1508 (VD16 C 22). Ausgabe: Uta Sadij: Cadomostos Beschreibung von Westafrika. Der Druck der dt. Ausg. von 1508 (Newe unbekanthe landte [...], Buch 1/2) / Entdeckungsreisen nach Indien und Amerika. Der Druck der dt. Ausg. von 1508 (Newe unbekanthe landte [...], Buch 3–6) (Litterae 77/83). G¨oppingen 1980–83 (Faks.). Literatur: Christine St¨ollinger-L¨oser, VL2 11 (2004) Sp. 1334–1338. – Joseph Sabin u. a.: Bibliotheca Americana. A dictionary of books relating to America, from its discovery to the present time. Bd. 12. New York 1880 (Nachdr. Amsterdam 1961) S. 297–301. – Max B¨ohme: Die großen Reiseslg. des 16. Jh. und ihre Bedeutung. Straßburg 1904 (Nachdr. Amsterdam 1962) S. 15–47. – Rudolf Hirsch: Printed Reports on the Early Discoveries and their Reception. In: First Images of America. The Impact of the New World on the Old. Bd. 2. Hg. v. Fredi Chiappelli. Berkeley/Los Angeles 1976, S. 537–558 (wieder in: R. Hirsch:

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1. H¨alfte 16. Jh. The printed word. Its impact and diffusion. Primarily in the 15.–16. centuries (Variorum Collected Studies Series 81). London 1978, S. 537–562. – John Alden: European Americana. A Chronological Guide to Works Printed in Europe Relating to the Americas, 1493–1650. Bd. 1: 1493–1600. New York 1980, Reg. (s. Fracanzano de Montalboddo). – Sadij 1980 (s. Ausg.) S. I–XIV; 1983, S. I–VIII. – Hannes K¨astner: Der Arzt und die Kosmographie. Beobachtungen u¨ ber Aufnahme und Vermittlung neuer geographischer Kenntnisse in der dt. Fr¨uhrenaissance und der Reformationszeit. In: Lit. und Laienbildung im Sp¨atMA und in der Reformationszeit. Symposion Wolfenb¨uttel 1981 (Germanistische Symposien. Berichtsb¨ande 5). Hg. v. Ludger Grenzmann/Karl Stackmann. Stuttgart 1984, S. 504–531, hier S. 513 f. – Ulrich Knefelkampf/Hans-Joachim K¨onig: Die neuen Welten in alten B¨uchern. Entdeckung und Eroberung in fr¨uhen dt. Schr.- und Bildzeugnissen. Ausstellung in der SB Bamberg. Bamberg 1988, S. 273–275. – Wolfgang Neuber: Fremde Welt im europ¨aischen Horizont. Zur Topik der dt. Amerika-Reiseber. der fr¨uhen Neuzeit (Philol. Stud. und Quellen 121). Berlin 1991 (s. Reg.). – Ders.: Die erste Kolumbusreise und ihre narrative Tradierung in Deutschland bis zum Jahr 1600. In: Die neue Welt im Bewußtsein der Italiener und Deutschen des 16. Jh. (Schr. des Italienisch-Dt. Hist. Inst. in Trient 6). Hg. v. Adriano Prosperi/ Wolfgang Reinhard. Berlin 1993, S. 135–155, hier S. 147–149. – Beate Borowka-Clausberg: Balthasar Sprenger und der fr¨uhneuzeitliche Reiseber. M¨unchen 1999, S. 151–153. – Dietrich Brisemeister: ‹Presillg Landt›. Die Vorstellung v. Brasilien im dt. kosmographischen Schrifttum. des fr¨uhen 16. Jh. In: Pasajes. FS Christian Wentzlaff-Eggebert (Univ. Sevilla. Serie Literatura 63). Hg. v. Susanne Grunwald u. a. Sevilla 2004, S. 729–744, hier S. 737. – Norbert Ankenbauer: ‹das ich mochte meer newer dyng erfaren›. Die Versprachlichung des Neuen in den Paesi novamente retrovati (Vicenza, 1507) und ¨ in ihrer dt. Ubers. (N¨urnberg, 1508) (Romanistik 3). Berlin 2010. VZ

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Register der Personennamen und Werktitel Aachener Chronik 1015 Aachener Vita Karls des Großen 160–162 Abaelard, Petrus 135, 166, 204 Abbo von Fleury 15 Abl¨asse und Heiltumer ¨ der Stadt Koln ¨ 317, 1013 f. Ablaßverzeichnisse 317–319 Ackermann, Jacob 846 Acta silvestri 198 Adalbero, Bischof von Augsburg 38 Adalbero, Pfalzgraf 54 Adalbert I., Erzbischof von Bremen-Hamburg 83 Adam von Bremen 30, 83–88, 163 Adelperga, Tochter des langobardischen K¨onigs Desiderius 6 Adilbert von Augsburg 620, 719 Admonter Liebesgruß 125 Ado von Vienne 166 Adolf I., dt. K¨onig (von Nassau) 288, 315, 322 Adolf IV., Graf von Holstein 514 Adolf II. Erzbischof von Mainz 787 Adolf II., Graf von der Mark 420 Adorno, Antonio 417 Adso von Montier-en-Der 171, 331, 374, 671, 673 ¨ Altere Hochmeisterchronik 236, 342, 687, 707–709 Agnellus von Ravenna 15 Agricola, Rudolf 882 Agst, Konrad 719 Alanus ab Insulis 204, 597 Alan de la Zouche 232 Albero II., Erzbischof von Trier 153 Albert von Aachen 110–113, 410 Albert d’Aix → Albert von Aachen Albertus de Constancia 526 f. Albert von Dießen 474 Albertus de Krummendick 200 Albertus Magnus 290, 757 Albert von Stade 15, 85, 248, 455, 514 Alberti, Leander 757 ¨ Albrecht I., dt. Ko¨ nig, Herzog von Osterreich 288, 315, 322 Albrecht von Bardewik 314 Albrecht von Bonstetten 336, 449, 630, 826–830, 842

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Albrecht Achilles, Kurfu¨ rst von Brandenburg 837 ¨ Albrecht III., Herzog von Osterreich 435 f., 439, 448 Albuinus Eremita 669, 671 Albuin von Hersfeld 73 Alexander III., Papst 156, 166 Alexander IV., Papst 253 Alexander VI., Papst 1066 Alexander der Große 98, 273 Alexander Minorita 44 Alexanders, Pfalzgraf bei Rhein, Jerusalemreise 1075 f. Alexander von Roes 198, 276, 363, 418, 601 Alkuin 19, 26 Altdorfer, Albrecht 1091 Althochdeutsche Predigtsammlungen A–C 1 Alts¨achsische Homilie Bedas 1 Ambraser Heldenbuch 1087 Anaklet II., Gegenpapst (Pietro Pierleone) 14 Anastasius II., Papst 16 And¨achtige Prozession 566 f. Andechser Chronik 548–550 Andreas von Regensburg 211, 255, 302, 320, 474, 547, 550–554, 599, 773 f., 840, 891, 1131, 1144 Andreas III., Ko¨ nig von Ungarn 429 Angilbert von St-Riquier 12 Angilram, Bishof von Metz 6 Anna von Munzingen 757 Anna von der Pfalz 389 Anna von Sissach 755 Annales Argentinenses fratrum Praedicatorum 290 Annales Aulae regiae 350 Annales Fuldenses 9, 29 Annales Hamburgenses 956 Annales Hildeshemensis 52, 71, 135 Annales hospitalis Argentinenses 290 Annales Magdeburgensis 44 Annales Palidenses (P¨ohlder Annalen) 98, 105, 248, 304 Annales Ryenses 956 Annales Xantenses 9 Anno II., Erzbischof von K¨oln 80, 88–90, 101 Annolied 79, 81, 88–93, 101, 145 f. Anonymus Bambergensis 197–200

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Register Anonymus Leobiensis 272, 363–365 Anonymus Melleicensis → Wolfger von Pr¨ufening Anonymus de musica 98 Anselm von Eyb 566, 568, 836–838 Anselm von Marsico 540 Vom Antichrist 670–672 Antichrist-Bildertext 668–670 Von dem Anticriste 330 f. Appenzeller Reimchronik 519 f. Appolonius von Tyrus (vor Tyrland) 180, 467 Aribo, Erzbischof von Mainz 65 Aristoteles 485, 510, 738, 1165 Arnald von Villanova 198 Arndes, Steffen 55 Arnold von Berge und Nienberg 44, 81, 85, 98, 105 Arnold von Harff 127, 935, 1076, 1077–1082 Arnold von Lubeck ¨ 163, 200-203, 442 Arnold von Quedlinburg 212, 240 f. Arnpeck, Veit 19, 320, 449, 774, 891, 1037–1040, 1186 Arnulf, Kaiser, ostfr¨ankischer K¨onig, Markgraf von K¨arnten 208 Artzt, Eikhart 640 Astronomus 9 Auer, Hans 657 Auer, Magdalena 1016 f., 1187 Augsburger Liederbuch 658 Augsburger Stadtchroniken des 15. Jh. 615–619 Augustinus 67, 135, 166, 168, 198, 287, 331, 391, 560, 1056 Auszug von Teutschen Landen 676–678 Aventinus (Johannes Turmair) 320, 891, 1037 Ayrer, Heinrich 963 Ayrer, Marcus 743, 963–966, 986 Bacon, Roger 198 B¨amler, Johann 107, 549, 617, 874–877 Balderich von Trier 153 f. Balduin von Steinfurt, Bischof von Paderborn 383 Bartholom¨aus Anglicus 848 Bartholom¨aus van der Lake 660, 662 f., 763 f. Bartholom¨aus von Lucca 167, 180, 425 Basler Annalen 527 f. Bassenhaimer, Johannes 130 Bauernfeind 666 f. Baumgartner, Stefan 699, 1127 f. Baumgartner, Wolfgang 1182–1184 Bebel, Heinrich 1087, 1137 Beck, Konrad 912, 923, 937 f.

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Beda Venerabilis 1-5, 6, 15, 81, 166, 198, 233, 287 Behaim, Albert 320 Beheim, Michel 217, 437, 599, 669, 744, 772, 778–783 Bellum Waltherianum 290 Benedict Biscop, Abt von Wearmouth 1 Benedikt XII., Papst (Jacques Fournier) 398 Benedikt von St. Peter (Rom), Kanoniker 126 Benno II., Bischof von Osnabr¨uck 96 Beno¨ıt de Sainte-Maure 266 Berchtold von Kremsmunster ¨ 319–322, 502, 891 Bereith, Johann 516, 664 f. Bern von Reichenau 98 Bernardus Silvestris 156 Bernart, Meister 1123 Bernauer, Agnes 695 Bernd 765 f. Bernhard I., Graf von Bentheim 981 Bernhard von Breidenbach 282, 912, 915–922, 935 f. Bernhard von Clairvaux 2, 187, 198, 350, 485, 698, 1078 Bernhard von Luxemburg 1123 Bernhard von Uissigheim 499–502 Bernward, Bischof von Hildesheim 50–52, 54–56, 72 Berthold von Buchegg, Bischof von Straßburg 401 Bertholdus Capellanus 224 f., 326 Berthold von Chiemsee 418 Berthold von Regensburg 263, 334 Berthold von Zwiefalten 119 Bevergern, Arnd 575, 683–685 Birk, Johannes 841–844 Biondo, Flavio 631 f., 720 Bitschin, Konrad 340 Blaubirer, Johann 617 Blumenau, Laurentius 711, 717, 726 f. Boccaccio, Giovanni 616, 718 Bodo, Heinrich, von Clus 104 Boethius (Anicius Manlius Severinus B.) 98, 184, 665 Bogislaw X., Herzog von Pommern 1104–1106 Bolesław I. Chrobry, Ko¨ nig von Polen 59 Bollstatter, Konrad 107, 616 Bonaventura 266, 976 Bonifatius 28 f., 82 Bonifatius VIII., Papst 301 Bonifatius IX., Papst 451, 454, 599 Bornbach, Stenzel 641

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Register Boso, Kardinal 14 Bote, Konrad 577, 998–1000 Bozner Chronik 369 f. Bracht, Johann 788, 791 f. Brambeck, Otto 813 Brambeck, Peter 813 f. Sankt Brandans Reise 190–193 Brandis, Lukas 858 Brant, Sebastian 1118, 1125, 1144 Braunschweiger Fehde 406 f., 1051, 1052 f. Braunschweiger Stadtfehde (1492–94) 1051 f. Braunschweigische Reimchronik 209, 295 f., 999 f. Breisacher Reimchronik 899, 902–904 Breitinger, Johann Jacob 345 Brief an die Frauen von Plauen 695 Bromes, Dirk 487 f., 530 Brunner ¨ Weltchronik 736 f. Brunner, Johannes 700 Brunner, Ulrich 830 f., 837 f., 878 Brunswigk, Hans 730 f. Brus, Andreas 1133 f. Brusch(ius), Caspar 294 Das Buch der Konige ¨ alter eˆ und niuwer eˆ 169, 262–265, 372 Bucheler, Hans 585, 887 f. Burn, ¨ Johannes, de Mohausen 679 Bugenhagen, Johannes 376 Burchardus de Monte Sion 282–284, 344 Burchard von Ursberg 98, 105, 155, 225–228, 1062 Burgundische Legende 896–899, 903 Butzbach, Johannes 752 Caesar, Caius Julius 59, 145 Caesarius von Speyer 250 Canonicus Sambiensis 354 f. Cantilena de rege Bohemiae 277 f. Caoursin, Guillaume 904–906 Caper, Heinrich 641 Carmen de Timone Comite 18 f. Carmina Burana 48 Carmina Cantabrigiensia 75–78 Catalogus episcoporum Argentiniensum usque ad a. 1299 290 Cato 356, 1125 Celtis, Konrad 184, 1087, 1091, 1130, 1144 Christherre-Chronik 242–247, 274, 371, 376, 507, 904 Christian von Geren 788, 790 f. Christoph, Herzog von Bayern-Munchen ¨ 1040–1042

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Chronica auff Closternewburg, der lantsfurstlichen ¨ statt 608 f. ¨ Chronica minor des Braunschweiger Agidienklosters 295 Chronica regia Coloniensis 98, 105, 433 Chronicon Anianense 160 Chronicon rhythmicum Austriacum 271 f. Chronicon Sclavicum/Wendesche Kroneke 978 f. Chronicon Wirziburgense 98 Chronik von den 95 Herrschaften 328, 398, 440, 448-450, 1038 Chronik des Anonymus vom Pr¨alatenkrieg 530, 702, 880 f. Chronik der Burgunderkriege 904 Chronik des St. Clarenklosters zu Weißenfels 368 f. Chronik des Gotzhaus St. Gallen 1007 Chronik der Grafen von Bentheim 981 Die Chronik im Weißen Buch von Sarnen 833–835, 961 Chronik der Kaiser, Konige ¨ und P¨apste, sowie der Grafen von Wurttemberg ¨ 877 f. Chronik aus Kaiser Sigmunds Zeit 445, 653 f., 658 Chronik der nortelvischen Sassen, der Ditmarschen, Stormarn unde Holsten 956 f. Chronik vom Pfaffenkrieg 708, 1188 Chronik von Rapperswil 520 Chronik des Stiftes S.S. Simon und Judas in Goslar 303 f. Chronik der Straßburger Franziskanerprovinz 554 Chronik der vier Orden von Jerusalem 1007 f. Chronik der Zeiten Albrechts II. und Friedrichs III. 746 Chronikalien der Ratsbucher ¨ von Basel 406 f., 527 Chronikalische Notizen eines Wiener Burgers ¨ 652 f. Cicero, Marcus Tullius 184, 634, 859, 882 Cisioianus 793 Claretus de Solencia 390 Clemens III., Papst 96 Clemens VI., Papst 404 Closener, Fritsche 290, 292, 294, 424, 460 f. Coelestin V., Papst 540 Colmarer Chronik 288, 516–518, 642 Colmarer Dominikanerchronist 287–289, 517 Columban, Hl. 32 Columbus, Christoph 1045 f., 1177

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Register Constantius von Lyon 29 Continuatio Francisci Pragensis 350 Corippus, Flavius Cresconius 12 Cosmas von Prag 113–116, 331, 396, 398 Cronica der graffen von Cilli 747–749 Cronica Reinhardsbrunnensis 326 Cronica des koninks Sigmunds zu Ungern 524 f. Cuspinian, Johannes 292, 1091 Dacher, Gebhard 509, 570, 799–801 Dalimil 331–333, 359, 365, 396 Dalmar, Martin 1104 Damasus I., Papst 13 Daniel 169 Dante Alighieri 16 Danziger Ordenschronik 640 f. Darmst¨adter Gedicht uber ¨ das Weltende 333 David von Augsburg 263, 334 Deichsler, Heinrich 445, 653, 685, 1128–1130, 1176 Denham, John 12 Denscke Kroneke 954 f. Detmar von Lubeck ¨ 339, 367, 458-460, 600, 791 f. Diepold III., Markgraf von Vohurg 212 Diether von Isenburg 787, 868, 915 Dietrich (von Zengg), Bruder 1134 f. Dietrich von Altenberg 341 Dietrich von Apolda 224 f., 326, 560, 1019 Dietrich I., Bischof von Metz 75 Dietrich II., Abt von St. Michael in Hildesheim 196 Dietrich von Nieheim 450–453 Dietrich von Schachten 1017 f. Dinckmuth, Konrad 825, 835 Ditleb von Alnpeke 297 Dittlinger, Heinrich 555, 589, 804–807 Długosz, Jan 253, 342, 376, 396, 483, 793 D¨oring, Dirick 530 Dominikus 229 Donatus, Aelius 6 Dornenkranz von K¨oln 1014 Durandus, Wilhelm 440, 677 Ebendorfer, Thomas 320, 363, 418, 449, 540, 609, 673, 698, 737–741, 743 Eber, Valentin 624 Eberhard von Gandersheim 208–210, 211, 295 Eberhard von Grumbach 830 Eberhard I., Graf von Katzenelnbogen 315 Eberhard III., Graf von Nellenburg 215 f. Eberhard und Itha von Nellenburg 215 f.

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Eberwin von Trier 56–58 Ebo, Erzbischof von Reims 26 Ebran, Hans, von Wildenberg 320, 449, 890–892, 1038, 1186 Edgith 43 Edlibach, Gerold 802, 899, 1063–1065 Egen, Lorenz 464 f., 280, 467 Eggestein, Heinrich 874 Eigil von Fulda 29, 81 Eike von Repgow 247, 256 Die Einbecker Fehde 892 f. Einhard 9, 12, 19–26, 29, 44, 51, 71, 81, 98, 155, 160, 256, 263 Einhart, Vater des Einhard 19 Eisenberg, Jakob 1000 f. Eisenhard, Michael 653 Ekbert, Bischof von Mu¨ nster 124 Ekkehard von Aura 97, 102–105, 135, 159, 163, 226, 248, 433, 461, 550, 773 Ekkehart IV. von St. Gallen 32, 65–71, 117, 345, 381, 1062 Elhen, Tilemann, von Wolfhagen 484–487, 1019, 1157 Elias von Cortona 251 Elisabeth, K¨onigin von B¨ohmen, Tochter Ko¨ nig Wenzels II., Mutter von Karl IV. 396 Elisabeth von Orlamu¨ nde 369 Elisabeth von Th¨uringen 224, 326 Ellenhard 289–292, 294 Emerich, Georg 809 f. Enenkel, Kaspar 676, 678 Engelhart von Ebrach 568 Engelhus, Dietrich 299, 521, 543–546, 597, 1019 Engilfrit, Mutter des Einhard 19 Epp, Georg 757 Erasmus von Rotterdam 882, 1068 Erchanbert von Freising 18 Erhardus 888 f. Erhard von Appenwiler 517, 641 f. Erkanbert von Fulda 28 f. Erkembert, Abt von Corvey 105 Ermenrich von Ellwangen 28 Ermoldus Nigellus 12 Ernst von Kirchberg 339, 442 f., 1167 Ertman, Ertwin 521, 952 f. Erweiterte Christherre-Chronik 242, 264, 371–374 Eschenloer, Peter 106, 749–751 Eticho 120 Etterlin, Petermann 407, 461, 1117–1119, 1152 Eugen III., Papst 177

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Register Eugen IV., Papst 15, 603, 630 Eusebius von Caesarea 13, 155 Eutrop 6 Everwin II., Graf von Bentheim 981 Eygil von Sassen 525 Eyselsaner, Johann 538 Fabri, Felix 127, 280, 384, 411, 427, 592, 719, 719, 912, 916, 922–935, 936 f., 998 Fasbender, Peter 1053 f. Feer, Ludwig 1112 f. Fegfeuer des hl. Patricius 216–218 Felix IV., Papst 14 Felix V., Papst 630, 641 Fellhainer, Fritz 889 f. Ferdinand II., K¨onig von Aragon 1045 Festus, Sextus Pompeius 6 Feyerabend, Sigmund 106 f., 384, 912, 918, 925, 930, 936, 1075, 1104 f. Finck, Johannes 1057 Fistenport, Johannes 301 Flacius Illyricus, Matthias 599 Flavianus 6 Flavius Josephus → Josephus Flavius Flemming, J¨org 652 Floreke, Nikolaus 431 f. Flores temporum 255, 301–303, 423, 448, 550, 577, 597, 607, 615, 687, 713, 732 Florenz von Wevelinghoven 370, 575, 683, 952, 1029 Floris V., Graf von Holland 266 Folkmar, Abt von Corvey 43 Folz, Hans 588, 964, 969 Foucher von Chartres 166 Francesco da Barberino 350 Frank, Johannes 705 f. Franko von L¨uttich 113 Franz von Prag 350, 389 Frauenburg, Johann 516 Frauenzucht, genannt Bernkopf 620 f. Frechulf, Bischof von Lisieux 98 Fredegar 8 Freidank 287, 288, 356 Frey, Kaspar 1114 Fridolin, Stephan 911 Friedrich I. Barbarossa, Kaiser, r¨om.-dt. Ko¨ nig 135 f., 154 f., 160, 166, 176 f., 180, 193, 195, 271 Friedrich II., Kaiser, r¨om.-dt. Ko¨ nig, Ko¨ nig von Sizilien 220, 222, 226, 271, 273, 354 Friedrich III., Kaiser, r¨om.-dt. Ko¨ nig, Herzog von ¨ Osterreich (Friedrich V.) 302, 417, 612, 691, 693, 746, 841 Friedrich von Aich, Abt von Kremsm¨unster 320

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Friedrich von Saarburg 374 f. Friedrich von Sonnenburg 275 Friedrichs des Weisen Jerusalemfahrt 1042 f. Fries, Hans 899, 1111 f. Fries, Lorenz 621 Frisch, Bartholom¨aus 668 Frund, ¨ Hans 589 f., 801 f., 805 Frutolf von Michelsberg 30, 97–101, 102, 135, 159, 226, 248, 381, 433, 550, 773 Fryger, Clevi 428, 651 f. Fu¨ nfzehn Vorzeichen des J¨ungsten Gerichts 169, 668 Furstenau, ¨ Christoph 728, 818 f. Fu¨ rstenspiegel nach Aegidius Romanus 383, 440 Fuetrer, Ulrich 263, 320, 607, 1183, 1186 Fulbert, Bischof von Chartres 76 Fulcher von Chartres 220 Fundatio ecclesiae Hildeshemensis 51 Fundationes monasteriorum Bavariae 474–475 Fust, Johann 874 Fyner, Konrad 633 Gabelkover, Oswald 1083 Gallus, Hl. 32 Gallus von Ko¨ nigsaal 350 f. Gallus von Prag 695 Gaufrid 187 Gebhard, Bischof von Prag 113 Geiler von Kayersberg, Johann 976 Geldernsche Chronik 610 f. Gelre (Beyeren) 436, 548 Gemeine Eiderstedtische Chronik 767 f. Genealogia Welforum 120 f., 226 Georg von Egloffstein 709–711 Georgenberger Chronik 706 f. ¨ Gerberg(a) II., Abtissin von Gandersheim 209 Gerhard von Augsburg 59 Gerhard von Braunswalde 375–377 Gerhard II., Abt von Echternach 173 Gerhard von Stederburg 295 Gerlach, Abt von Mu¨ hlhausen (B¨ohmen) 193 Gerold 828 Gerold, Bischof von Oldenburg/L¨ubeck 163 Gerson, Johann 965 Gerstenberg, Wigand 485, 559, 1018–1021 ¨ Gertraud, Abtissin von Quedlinburg 240 Gertrud von Admont 125 Gerung, Nicolaus 521 Gervasius von Tilbury 255 Geschichte von wegen eines Bundes 711–713

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Register Geschrift und Weisung fur ¨ die Fahrt zum Hl. Grab 579–581 Gesner, Konrad 599 Gesselen, Konrad 342, 376, 483, 793 f. Gesta Alberti regis 290 Gesta Francorum 105, 111 Gesta Treverorum 78–80, 682 Gilbert von Poitiers (Porretanus) 135, 204 Gilbertus Romanus 254 Gilgenschein 783 f. Giovanni di Marignolli → Johannes de Marignolis Girnant von Schwalbach 642 f., 644, 646, 831 Glasberger, Nikolaus 396, 1068, 1130–1133 Glaser, Hans 1184 Gmunder ¨ Kaiserchronik 498 f., 825, 835 Godehard, Bischof von Hildesheim 72 f. G¨ottweiger Trojanerkrieg 372 G¨otze, Nikolaus, von Mu¨ hlhausen 326 Goldene Bulle 393, 767 Golser, Georg, Bischof von Brixen 996 Gossembrot, Sigismund 615, 717 f. Gottfried von Bouillon, Herzog von Niederlothringen 111 Gottfried, Graf von Cappenberg 124 Gottfried, Abt von Echternach 173 Gottfried von Ensmingen 290, 292–294 Gottfried von Heimburg 341 Gottfried von Lichtenberg, Bischof von Straßburg 292, 401 Gottfried von Straßburg 183 Gottfried von Viterbo 15, 176–183, 242, 255, 299, 325, 495, 551, 561 Gozwin, Pfarrer von Haseldorf 196 Graphia aurae urbis Romae 126 Die Graserin 579 Gregor I., der Große, Papst 6, 198 Gregor VII., Papst 94, 96, 179 Gregor VIII., Papst 179 Gregor XI., Papst 450 f. Gregor XII., Papst 541 Gregor, Bischof von Tours 6, 57 Gregrorius Catinensis 15 Grevenstein, Hermann 598 Grießenpeckh, Ulrich 832 Grill, Nikolaus 502 f., 797 Groningen, Rainer 1022–1024 Gruber, Wenzel 992 f. Gr¨ubel, Johann, Abt von Waldsassen (Johann IV.) 211 Grunemberg, ¨ Konrad 449, 570, 935, 958–960 Gr¨unewald, Jeremias 1144

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Gr¨uninger, Johann 1140 Grunsleder, ¨ Ulrich 547 f. Grunau, Simon 376 Gunther ¨ von Mosbach 969–972 Guntzel, ¨ Nickel 516 Guibert von Gembloux 174 Guido von Arezzo 98, 336 Guido de Columnis 467, 475 Gundekar II., Bischof von Eichst¨att 15 Gundelfingen, Heinrich (von) 429, 448, 589, 961, 973–975, 1119 Gunther (von) Nordhausen 751–753 Gunther von Pairis 155, 184–187 Gutevrunt, Heinrich 612 Gutkorn, Hans 766 Hadlaub, Johannes 323 H¨achinger, Johann 336 Hagen, Godefrit 260 f., 489, 820, 1122 Hagen, Henning 1021 f. Halbsuter 469, 472 Haller, Heinrich 217 Hans von Anwil 655 Hans von Eptingen 762 f. Hans von der Gruben 644, 645–647 Hans von Mergenthal 878 f. Hans von Redwitz 815 Hans von Waltheym 860–862 Hartbern, Abt von Deutz 159 Hartlieb, Johann 362, 511, 616 Hartmann von Aue 200, 579 Hartmann von Heldrungen 238, 261 f., 340 Has, Kunz 964 Hathagat 44 Haug, Hans 980 Heff, Leonhard 552, 839–841, 1144 Heidelberger Liederhandschrift C 305, 323 Der Heiligen Leben 55, 191, 828, 1149 Heimo von Bamberg 198 Heinrich I., Ko¨ nig des ostfr¨ankisch-dt. Reiches 44, 59 Heinrich II., Kaiser, dt. K¨onig 51, 55, 59, 76 Heinrich III., Kaiser, r¨om.-dt. Ko¨ nig 76, 81 Heinrich IV., Kaiser, r¨om.-dt. Ko¨ nig 81, 94, 96, 102, 135 Heinrich V., Kaiser, r¨om.-dt. Ko¨ nig 89, 102 f. Heinrich VI., Kaiser, r¨om.-dt. Ko¨ nig, Ko¨ nig von Sizilien 173, 177–179 Heinrich, Bruder 768 f. Heinrich von Basel 288 Heinrich van Beeck 819–821, 1122 Heinrich von Brakel 220 Heinrich I. Mirabilis, Herzog von BraunschweigGrubenhagen 299

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Register Heinrich von Diessenhofen, Truchsess 425–428, 495 Heinrich, Bischof von Eichst¨att 423 Heinrich II., Ko¨ nig von England 167 Heinrich III., Ko¨ nig von England 232 Heinrich von Herford 73, 81, 163, 348, 380–382, 421, 454, 692, 1197 Heinrich von Hohenlohe 237 f., 262 Heinrich von Klingenberg 322–324 Heinrich von Lammespringe 457, 515 Heinrich von Langenstein 307, 350, 418, 698 Heinrich von Lettland 238–240, 297 Heinrich III. von Meißen 242 Heinrich von Melk 2 Heinrich von Memmingen 668 Heinrich von Mu¨ geln 300, 467, 670 Heinrich von Munchen ¨ 169, 274, 372, 377–380, 528, 649 Heinrich der L¨owe, Herzog von Sachsen und Bayern 120, 200, 295 Heinrich von Segusio 1108 Heinrich, Graf zu Stolberg 768 Heinrich der Teichner 435–437 Heinrich Raspe IV., Landgraf von Th¨uringen, dt. Gegenk¨onig 242 Heinrich von Vianden 284 Heinrich II., Vogt von Weida 212 Heinrich II. von Wolnzach (H. Preisinger) 338 Heinrich von Zedlitz 1043 f., 1054 De Heinrico 48–50, 75 Helewegh, Hermann 728 f., 819 Heliand 2 Helmich, Gerdt 1202 Helmold von Bosau 85, 98, 105, 163–166, 196, 200, 442, 455, 459, 956, 1029 Hemmerli, Felix 336, 587–589, 833 Heribert von Eichst¨att 76 Hermann, Graf von Salm, dt. Gegenk¨onig 89 Hermann I, Bruder 284–286 Hermann II, Bruder 257 Hermann von Bruychoyfen 893 f. Hermann der Jude 124 f. Hermann von Lerbeck 163, 454–457, 952 Hermann von Niederaltaich 98, 105, 180, 320, 1143 Hermann von Reichenau 9, 15, 98, 355, 597, 1062 Hermann von Schildesche 356 Hermann von Tournai 133 f. Hermann von Wartberg 297, 707 Hermann von Weißenburg 1121, 1146 Herr, Michael 1179 Hertze, Johann 788, 790 f.

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Herzklosterallegorie 755 Herzog Ernst 191 Heseloher, Hans 894 Hester 297 Hezilo, Bischof von Hildesheim 73 Hieronymus (Sophronius Eusebius H.) 13 f., 98, 168, 178, 404, 755, 1068 Hildegard von Bingen 174, 307 Hildemar von Corbie 6 Hildesheimer Nonnengebetbuch 55 Hinrik von Glandorp 1187 f. Hinrik van den Ronen 515 Hirzelin 315 f. Histori von einem großen Wuterich ¨ genannt Dracule Wayda 741–746, 964 Historia de expeditione Friderici imperatoris 193–195 Historia Peregrinorum 193, 195 f. Historia Treverorum 79 Historia Welforum 120–124, 226 Historien der alden E 169, 508 Historienbibel 243, 274, 649 Hochmut, Jorg ¨ 885 Honeke, ¨ Bartholom¨aus 387 f., 296 Hoest, Stefan 772 Hofer 608 Hollen, Gottschalk 521 Holsteinische Reimchronik 514 f. ¨ 1203 Holzschuher, Lazarus, d. A. Honorius II., Papst 14 Honorius III., Papst 220, 236 Honorius Augustodunensis 248, 273, 290, 356, 671 Horaz (Quintus Horatius Flaccus) 59, 76, 184, 198 f., 616, 859 Hoyer, Bartholom¨aus 212, 785 f. Hrabanus Maurus 15, 20, 28–30 Hug, Johannes 1107–1109 Hugo von Fleury 161 Hugo von Montfort 437 Hugo Ripelin von Straßburg 374, 668 Hugo, Erzbischof von Trier 57 Hugo von Trimberg 198, 355 Hugo von St. Viktor 135, 166, 254 Huguccio von Pisa 286 Humbert von Mailand 204 Humbert von Roman 755 Hus, Jan 536, 547, 1056 Imma 21 Immo (Ymmo), Abt von Mu¨ nster im Gregoriental 66 Indulgentiae ecclesiarum urbis Romae 125, 129–131, 317, 567, 1013

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Register Innozenz III., Papst (Lothar Segni) 219, 226, 236, 504 Innozenz IV., Papst 271 Institoris, Heinrich 995–997 Isidor von Sevilla 81, 166, 302 Iso von St. Gallen 32 Itha (Ida), Gr¨afin von Nellenburg 215 f. Jacobellus von Mies 536 Jacob van Maerlant 169, 265–271 Jacobus de Verona 344 f. Jacobus a Voragine 51, 217, 255, 376, 404, 461, 517, 561, 577, 669, 856, 875, 1019 Jacques de Vitry → Jakob von Vitry J¨ager, Clemens 677 Jakob von Ratingen 700 f. Jakob von Soest 130 Jakob von Vitry (Jacques de Vitry, Jacobus de Vitriaco), Bischof von Akkon 409, 1008 Jakobslied 1044 f. Jan de Langhe (Jean de Long) 410 Jan(s) von Wien (Jans[en] Enikel 243, 264, 272–277, 371, 448, 504, 508, 607 Jean de Bourgogne 409 Jean d’Outremeuse 409 Jerusalems Zerstorung ¨ 649, 938 f. Joachim von Fiore 418, 540 Johannes, Priesterk¨onig 309, 410, 481, 506 Johannes XXII., Papst 15, 354, 425 f., 540 Johannes XXIII., Papst 541, 570 Johann I., Herzog von Brabant 304 Johannes von Brakel 382 f. Johannes von Capestrano 1131 Johannes von Dorsten 811 Johann von Essen 454 Johann von Habsburg 407 f. Johannes von Haren 1136 Johannes von Hildesheim 348, 370 Johannes von Indersdorf 695 Johann von Lunen ¨ 663 f. Johannes von Mailly 255 Johannes de Marignolis 300, 398–400, 448 Johann von Nyenhusen 348 Johannes von Parma 306 f. Johann von Posilge 465 f., 1055 Johann II., Bischof von Regensburg 550 Johannes de Rupecissa 418 Johannes de Sacrobosco 410 Johann von Schwanden, Abt von Einsiedeln 336 Johann von Solms(-Lich), Graf 936 f. Johannes von Thurocz 979 f. Johann I., Erzbischof von Trier 173 f. Johannes de Utino 398, 528 f. Johann von Viktring 363

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Johannes von Winterthur 429, 524 Johann von Wunschelburg ¨ 598–600 Johannes von Wurzburg ¨ 162 f. Johanns von Kleve Pilgerfahrt 1198 Jonas, Bischof von Orl´eans 32 Jordan von Giano 250–252 Jordan von Osnabruck ¨ 278 f., 620 Jordan von Sachsen 228–231 Jordanes 44, 155, 631 Josephus Flavius 155, 166, 266 Judas 560 Judenfint, Hans 821 f., 900 Jungere ¨ Hochmeisterchronik 238, 342, 387, 1055 Justinger, Konrad 461, 478, 555 f., 570, 802, 805, 833, 1111 Justinian I., ostr¨omischer Kaiser 6 Juvenal (Decimus Iunius Iuvenalis) 184, 634 Kaiser Friedrichs Meerfahrt 612 f. Kaiserchronik 145–153, 256, 273, 526 Kalixt II., Papst 119 al-K¯amil, al-Malik, ayubid. Sultan 220 Kammermeister, Hartung 559, 771, 808 f. Kapfman, Steffan 1024 f. Karl I., der Gr., Kaiser, Ko¨ nig der Franken 6, 8, 12, 19 f., 29, 98, 135, 145, 160 f., 163, 451 Karl III. der Dicke, Kaiser, ostfr¨ankischer K¨onig 32 Karl IV. 388–396, 397 f., 401, 426, 457, 485 Karl der Kuhne ¨ und die Burgunderkriege 870, 897, 899–902, 1137, 1150 Karl VIII., Ko¨ nig von Frankreich 1025 Karl, Herzog von Niederlothringen 73 Karl Martell 8, 38 Karlmeinet 333 De Karolo rege et Leone papa 12 f. Kastorp, Heinrich 792 f. Katharina von Alexandrien 218 Katzmair, Jorg ¨ 518 f. Keiperin, Klara 699 Kempensen 432 f. Kerkhorde, ¨ Johann 764 f., 1136 Kerkhorde, ¨ Reinhold 1136 f. Ketzel, Martin 837, 879 f. Keyser, Johann 314 Kiburger, Elogius 855–857 Kienast, Jorg ¨ 1202 f. Kienast, Konrad 478 Kimpel, Johannes 853, 1083 Kipfenberger 746 f. Kirchweih zu Affalterbach 1175–1177 Kleine Stamser Chronik 614 f. Kleine Toggenburger Chronik 801 f.

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Register Kleriker und Nonne 75 f. Klingenberger Chronik 323, 461, 1062 Klosener, Fritsche → Closener, Fritsche Klostergrundungsgeschichten ¨ 210–214, 474, 504 Knebel, Johannes 798 f., 899, 904 Koebel, Jacob 302 Koditz, ¨ Friedrich 225, 326 f. Ko¨ lderer, J¨org 1090 Koelhoffsche Chronik 260, 461, 488 f., 820, 872, 1013, 1122 f. Kolner ¨ Memoriale des 15. Jahrhunderts 490 f., 660 Kolner ¨ Prosa-Kaiserchronik 433 K¨onig vom Odenwald 356 Die Konigin ¨ von Frankreich, Cronica 466 f. Konigsfeldener ¨ Chronik 288, 428–430, 449, 651 Kolumbusbrief 1045–1047 Konrad II., Kaiser, dt. K¨onig 76 Konrad III., Kaiser, dt. K¨onig 135, 145, 177, 262 Konrad von Bondorf 976 f. Konrad von Eberbach 188–190 Konrad von Lichtenau 98, 105, 225 Konrad von Megenberg 1143 Konrad, Markgraf von Montferrat 177 Konrad von Mure 478 Konrad von Soest 599 Konrad I., Erzbischof von Trier 79 Konrad von W¨urzburg 280, 288, 356, 372, 435 f., 476 Konstantin I. der Gr., r¨om. Kaiser 126 Konstanzer Weltchronik 256, 427, 495 f., 668, 687 Kopl¨ar, Hans 768, 769 Korner, Hermann 163, 200, 236, 381, 384, 531-533, 540, 597, 788, 790, 977, 1157 Krabice von Weitmile 300 Kraus, Johannes 301 Kremerin, Magdalena 1015 f. Kreuzensteiner Legendar 16 Kr¨oßner, Alexius 212, 241 Krop, Just 709 Kublai Khan 308 f. Kuchimaister, Christian 32, 345 f. Kuchlin ¨ 615, 619 f. Kunig, ¨ Hermann, van Vach 1076 f., 1078, 1202 Kuno, Abt von Siegburg 146 Kurtz, Johannes 1113, 1137–1143 Die kurze Bibel 906–909 Kurze preußische Reimchronik 388 Ladislaus Postumus 528, 631, 634, 704, 732, 832

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Lampert von Hersfeld 30, 80–83, 101, 1019 Lando, Piero 924 Landshuter Ratschronik 796–798, 790 f., 795 Landulfus Sagax 6 Lang, Andreas 969–972 Lange, Dietrich 299 Lange, Gottfried 680 Lange, Hinrik 530 Langen, Rudolf von 881–884 Langenmantel, Hans 985 Lankmann von Falkenstein, Niklas 1001–1004, 1089 Latini, Brunetto 410 Das Leben der heiligen Elisabeth 560 Leipziger Schluss der Christherre-Chronik 169, 242, 371, 507 f. Leman, Ulrich 844 f. Lenz, Hans 1113, 1125 f., 1148 Leo III., Papst 12, 20 Leonhard von Chios 679–681 Leopold III. der Heilige, Markgraf von ¨ Osterreich 503–506 ¨ Leopold III., Herzog von Osterreich 467–469 Leopold von Wien 127, 439–442, 429, 448, 506, 631, 974 Levold von Northof 420–423, 682 Liber fundatorum et benefactorum 211 Liber pontificalis 6, 13–18 Lichtenberger, Johannes 418, 673 Lied von Dole 894 f. Liegnitzer Chronik 1188 f. Liemar, Erzbischof von Bremen 84, 96 Lindau, Johannes 792, 814 f. Der Linzer Entecrist 2, 171 f. Lioba, Hl. 28 f. Lirer, Thomas 498, 835 f., 842, 923, 959, 1083, 1118, 1143 Liutprand, K¨onig der Langobarden 6 Liutprand von Cremona 155 Livius, Titus 166, 1171 Livl¨andische Reimchronik 296–299, 340, 376, 1055 Locher, Jakob 1087 Lochner, Johann 837 Lodewijk van Velthem 266 L¨offelholz, Wilhelm 699 Lohengrin 256 Lothar I., Kaiser, fr¨ankischer K¨onig 20, 26 Lothar III., Kaiser, dt. K¨onig, Herzog von Sachsen 176 Lubbe, Jakob 939 Lubens, Hermann, Abt von Kastl 211 Lucan(us), Marcus Annaeus 59

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Register Luder von Braunschweig 169 Luder, Peter 772 Ludwig von Elichshausen 709 Ludwig von Greiffenstein 1026, 1954 Luder von Ramesloh 314 f. Ludolf von Sudheim 348, 383–387, 665 Ludwig I. der Fromme, Kaiser, fr¨ankischer Ko¨ nig 19 f., 26 Ludwig II. der Deutsche, ostfr¨ankischer K¨onig 18, 26 Ludwig III., ostf¨ankischer Ko¨ nig 34 Ludwig IV. der Bayer, Kaiser, r¨om.-dt. Ko¨ nig, Herzog von Bayern, Pfalzgraf bei Rhein 389 Ludwig, Abt von Echternach 173 ¨ 127 Ludwig von Eyb d. A. Ludwig von Eyb d. J. 879, 1011 Ludwig VII., Ko¨ nig von Frankreich 177 Ludwig XI., K¨onig von Frankreich 828, 885, 897, 903 Ludwig IV., Landgraf von Th¨uringen 224 f., 326 Ludwigslied 34–38 Lubecker ¨ Ratschronik von 1401–1482 787–790 Luneburger ¨ Chronik bis 1414 (1421) 487, 530 f. Luneburger ¨ Pr¨alatenkrieg 530, 701–703 Lul, Erzbischof von Mainz, Abt von Hersfeld 81 Lupold von Bebenburg 356, 357–359, 602, 1108 Lupus von Ferri`eres 20, 81 Lurlebat 884 f., 901 Luther, Martin 541 Lutsch, Matheus 1082 f. Magdeburger Schoppenchronik ¨ 44, 457 f., 574, 602, 999 f. Mager, Berthold 972 Magnerich, Bischof von Trier 56 Mago, Fuldaer Priestermo¨ nch 29 Mainzer Belagerung / Eroberung von Mainz 1462 787 Mainzer Chronik 766 Mair von Nordlingen, ¨ Hans 475–477, 767 Mandeville, Jean de 106, 348, 361 f., 408–417, 479, 491, 493, 594, 936, 1078 Manfred, Ko¨ nig von Sizilien und Apulien 328 Manegold 117 Mangold, Peter 536 Marcellinus und Petrus, Hll. 20 Marcellus von St. Gallen 32 Margareta Ursula von Masmu¨ nster 757 Margarete von Courtenay 284 Markward, Abt von Pr¨um 26 Martianus Capella 184

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Martin V., Papst (Oddo[ne] di Colonna) 15 Martin von Bartenstein 478, 977 f. Martin von Bolkenhain 647–649 Martin von Tours, Bischof 12 Martin von Troppau 15, 125, 167, 180, 252–260, 295, 301, 340, 402, 404, 421, 433, 439, 460 f., 495, 517, 528, 550, 577, 597, 603, 682, 706, 732, 734, 767, 773, 856, 1029 ¨ Mathilde, Abtissin von Quedlinburg 43, 71 Matth¨aus Parisiensis 231–236 Matth¨aus von Vendˆome 336, 597 Matthias Corvinus 742, 750 Matthias von Kemnat 772–778, 866 Matthias von Neuenburg 288, 401–404 Maximilian I., Kaiser, r¨om.-dt. Ko¨ nig 323, 617, 885, 1002, 1030, 1040, 1048 f., 1056, 1084, 1085–1103, 1119, 1130, 1137, 1174, 1190 ¨ Mechthild I., Abtissin von Gandersheim 208 f. Meginhart von Fulda 28 f. Mehmet II., Sultan 741 Meichelbeck, Karl 1037 Meinhard von Bamberg 80, 101 Meinhard, Bischof von Livland 297 Meininger Reimbibel 169 Meißnische Chronik 584–586 Meisterlin, Sigismund 517, 616, 620, 717–726, 733, 735, 857 Melzer, Bernhardin 1055 f. Mendel, Johann 772 Menestrina, Giuseppe 864 Mengin, Nikolaus 1198 f. Mennel, Jakob 323, 1087 Merigarto 108–110 Merswin, Cuntz 601–603 Merswin, Rulman 601 Metellus von Tegernsee 106 Methodius, Pseudo- 610, 672–676 Meyer, Bertold 729 f. Meyer, Johannes 288, 754–762 Michael de Leone 355–357, 358 Mirabilia Romae 125–129, 131, 255, 280, 439, 567, 1078 Mittelniederdeutsche Weltchronik 256, 404 f. Modoin 12 Modus Liebinc 76 Modus Ottinc 76 Montigel, Rudolf 853–855 Mormann, Friedrich 882 Mornauer, Alexander 795 f. Mornauer, Paul 795 f. Mostl, Ulrich 986 Motz, Jakob 1001, 1004 f.

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Register Muhlwanger, ¨ Koloman 479, 506 f. Mulich, ¨ Hektor 616, 857 f., 1013 Mulich, ¨ Jorg ¨ 616, 858 Muller, ¨ Bernhard 1008 f. Mu¨ llner, Johannes 653 Mu¨ nchner Ratsprotokolle 797 Munsterische ¨ Chroniken 575 f. Munzer, ¨ Hieronymus 1056–1061 Muffel, Gabriel 400 Muffel, Nikolaus 127, 691–693 Murmellius 882 Murner, Thomas 1191 Naker, Liborius 1106 f. Narratio de primordiis Ordinis Theutonici 236 f. Nauclerus, Johannes 203, 570, 863, 1109–1111, 1170 Nederhoff, Johannes 421, 454, 681–683 Neidhart 500 Niccolo` da Poggibonsi 400 f., 591 Nider, Johannes 545 Niederdeutsche Croninck aller konnige tho Dennemarken 954, 955 f. Niederrheinischer Orientbericht 370 f., 384 Nigri, Petrus 888 Niklas von Wyle 588, 630, 633, 636, 1170 Nikolaus I., Papst 15 Nikolaus III., Papst 540 Nikolaus V., Papst 679 Nikolaus von Dinkelsb¨uhl 545 Nikolaus von Fl¨ue 861 Nikolaus von Jeroschin 341–243, 355, 376, 388, 707, 793 Nikolaus von Kues 549, 635, 726, 1157 Nikolaus von Lyra 169 Nikolaus von N¨urnberg 1 Nikolaus von Popplau 993–996 Noltz, Reinhard 1047–1049 Notker I. von St. Gallen 9, 32, 188 Notker III. von St. Gallen 65 Notker, Abt von St. Gallen (971–975) 66 Nurnberger ¨ Jahrbucher ¨ des 15. Jahrhunderts 445, 685–689, 911 Nuhn, Johannes 981–984 Oberrheinische Chronik 353 f. Oberrheinischer Revolution¨ar 786, 1084 f. Odoricus von Pordenone 409 Oehem, Gallus 842, 1061–1063 ¨ Osterreichische Chronik der Jahre 1454 bis 1467 832 f. ¨ Ottinger, Konrad 556 f. Offenburg, Henman 655 f. Ogier von D¨anemark 412, 491

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Oliver von Paderborn 219–222 Orosius, Paulus 135, 155, 255 Ortenstein, Hans 1025 Ortlieb von Zwiefalten 118–120 Osdag, Bischof von Hildesheim 51 Osiander, Andreas 541 Ostman(n), Ott 605 Otfrid von Weißenburg 2, 1031 Otloh von St. Emmeram 81 Otmar, Hl. 32 Otte I, Verfasser des dt. ‹Eraclius› 376 Otto I., der Große, Kaiser, dt. K¨onig 43 f., 48, 59 Otto II., Kaiser, dt. K¨onig 59 Otto III., Kaiser, dt. K¨onig 48, 51, 55, 59 Otto IV. Kaiser, Kaiser, dt. Ko¨ nig 204, 222 Otto I., Bischof von Bamberg 102, 117 Otto von St. Blasien 135, 203–205 Otto von Diemeringen 411, 491–495 Otto (I.) von Freising 98, 105, 134–145, 154 f., 179, 184, 204, 226, 363, 551, 630 f., 718 Otto II. von Liechtenstein 328 Otto II., Herzog von Pfalz-Mosbach 762 Ottokar II., Ko¨ nig von B¨ohmen 272, 275 Ottokar von Steiermark 288, 327–330, 449 Overstolz, Werner 490, 659 f. Ovid (Publius Ovidius Naso) 59, 184, 200, 266, 300, 859 Pandulf 14 Pantaleon, Heinrich 599 Papst-Kaiser-Rotulus 603 f. Parler, Peter 390 Pariser Pestgutachten 695 Passauer Anonymus 671 Passio Pragensium 972 f. Passional 856 Paul II., Papst 993 Paulus Diaconus 5–8, 15, 43, 156, 255 Paulus von Theben 43 ¨ 689–691 Paumgartner, Konrad d. A. Pegauer Annalen 98, 105 Pehemische Cronica dewcz 365 f. Peraudi, Raimund 317, 886, 1065–1067 Persius Flaccus, Aulus 59 Person, Gobelin(us) 44, 521–523 Peter von Andlau 673 Peter von Dusburg 236, 297, 340 f., 342, 388, 1008, 1055 Peter von Molsheim 899, 909 f., 802, 1147 Peter von Neumagen 1009 f. Peter von Straßburg 294 f. Peter von Straßburg (II) 784 f.

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Register Peter von Uniˇcov 536–538 Peter von Zittau 348, 349–353, 396 Petrarca, Francesco 390 f., 634, 698 Petrus, Apostel 15 Petrus Boherius 14 Petrus Cantor 204 Petrus Comestor 168–171, 178, 204, 220, 242, 254, 256, 266, 325, 372, 410, 449, 461, 507, 528, 597, 673, 859, 891, 907 Petrus Damianus 171 Petrus Guillermus 14 Petrus Lombardus 156, 168, 204 Petrus Pictaviensis 168, 204, 528, 907 Petrus von Rosenheim 907 Peuntner, Thomas 545 Peutinger, Konrad 1087 Pf¨affinger, Ursula 1017, 1187 Pfaffenfeind 604 f. Pfettisheim, Konrad 896, 899, 903, 1148 Pfinzing, Georg 591, 613 f., 646, 837, 879, 1090 Philipp, Bruder 376 Philipp von Hanau-Munzenberg ¨ 984 f. Philipp von Schwaben, r¨om.-dt. Ko¨ nig 204, 226 Piccolomini, Aeneas Silvius 107, 156, 396, 449, 629–639, 718-720, 736, 749, 773, 1056, Pilatus 404, 560 Pilgerfahrt des Konrad von Parsberg und Reinhard von Bemelberg 1026–1028, 1054 Pilgerreiseberichte uber ¨ Pal¨astina 279–282, 317 Pilgrim, Abt von St. Burchard (W¨urzburg) 105 Pipino, Francesco 309 Pirckheimer, Caritas 1067–1073, 1131 Pirckheimer, Willibald 1099, 1127, 1176 Pittinger, Heinrich 858 Pius II., Papst → Piccolomini, Aeneas Silvius Platina, Bartolomeo 15 Plenarien 875 Platterberger, Johannes d. J. 121, 256, 511, 732, 734–736 Pleydenwurff, Wilhelm 943 Pluntsch, Tilemann 666 f. P¨ohlder Annalen → Annales Palidenses Poeta Saxo 9, 71 Polo, Marco 308–314, 362, 410, 665 Polo, Maffeo 308 Polo, Niccol`o 308 Porner, Hans 533 f. Pratus, Thomas 865 Prepositinus von Cremona 204 Prischuch, Thomas 540 Probst, Hans 1174 f.

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Propheten-Auszug 169 Prosper Tito 98 Prudentius 882 Pr¨uß, Johannes 772 Puchhauser, Berthold 547 P¨uterich von Reichertshausen 409 Pulkava, Pˇrib´ık, von Raden´ın 390, 396–398, 467 Quedlinburger Annalen 59, 71 f. Rabanus Anglicus 540 Rahewin 136, 154–159, 179, 184, 204 Raimund von Aguilers 166 Rasche, Tilman 1051 f. Ratbod, Erzbischof von Trier 38 Ratmund, Abt von Niederaltaich 72 f. Ratpert von St. Gallen 32–34, 66, 345 Rechwein, Hans 832 Reformatio Sigismundi 602, 624–629, 786 Reginbert, Abt von Echternach 109 Reginbert von Hagenau und Heide 109 Reginhard von Siegburg 101 f. Regino von Prum ¨ 9, 38–43, 57, 81, 113, 160 Reicher von Pirchenwart, Peter 609 f. 673 Reicholf, Oswald 701 Reichsannalen 8–12 Reimverse der Kremser Ketzer 334 f. Reinhard III., Graf von Hanau 984 Reisacher, Wolfgang 1092 Reise, Nikolaus 703 f. Reisetagebuch uber ¨ die Kronung ¨ Friedrichs III. 654 f. Renner, Johannes 297, 387 Reuchlin, Johannes 1030, 1144, 1170 Rheinfr¨ankischer Anonymus 650 f. Richard von Cornwall, dt. K¨onig 232 Richard I. L¨owenherz, Ko¨ nig von England 193 Richard von Cluny 166–168, 255 Richental, Ulrich 478, 569–574, 799, 959 Rickenmann, Matth¨aus 520 Rieter, Peter 591–593 ¨ 566, 591–593 Rieter, Sebald d. A. Rieter, Sebald d. J. 566, 591–593 Rindfleisch, Peter 693 f. Rinesberch, Gert 459, 496 f. Ringmann, Matthias 1189–1194 Robert de Boron 265 Robert Grosseteste, Bischof von Lincoln 233 Robertus Monachus 105–108 Rode, Johannes 368, 458, 495, 600 Rotteler ¨ Chronik 593 f. Rolevinck, Johann Schulte 847 Rolevinck, Werner 256, 820, 847–853, 859, 863

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Register Roselli, Antonio 997 Roselli, Niccolo, Kardinal 14 Rosenbusch, Johann 694–696 Rosla, Heinrich 299–301 Rostocker Chronik 339 Rot, Hans 642, 643–645, 646 Rot, Peter 643–645 Rothe, Johannes 325, 485, 557–565, 808, 1019 Roˇzmital, Leo von 816 Ruchamer, Jobst 1203–1206 Rudimentum noviciorum 858–860 Rudolf I. (von Habsburg), dt. Ko¨ nig 280, 288, 292, 322, 353, 401 f., 429 Rudolf, Abt von Deutz 159 Rudolf von Ems 169, 180, 231, 242, 264, 266, 371, 376, 507, 673, 982 Rudolf von Fulda 28–31, 81 ¨ Rudolf IV., Herzog von Osterreich 448 Rudolf von Radegg 335-337 Rudolf von Rheinfelden, Herzog von Schwaben, dt. Ko¨ nig 89 Rudolf von Schlettstadt 287 Rusch, ¨ Nikolaus 798, 855, 899 Rufinus von Aquileia 13 Rufus-Chronik 532, 600 f. Ruodlieb 125 Ruotger von K¨oln 59 Rupert von Deutz 116 Russ, Melchior, der Jungere ¨ 960–962, 1112 Rustichello da Pisa 309 Sachs, Hans, 466, 541 S¨achsische Weltchronik 169, 247–250, 256, 295, 304, 404, 433, 442, 455, 457, 459, 514, 597, 615, 649, 840, 999 f. Sallust (Caius Sallustius Crispus) 44, 81, 155 Schamdocher, Georg 895 f. Schaper, Dietrich 702 Schedel, Hartmann 256, 396, 445, 552, 617, 630, 653, 695, 717 f., 726, 733, 774, 863, 940–951, 974, 1030, 1057, 1118 f., 1121, 1130, 1146, 1152 Scheffel, Joseph Viktor von 66 Schene, Herbord 497, 459, 495 Scheneck, Wilhelm, de Rockenhusen 731 Scherer von Ilau 1005–1007 Scherl, Johannes 962 f. Scheyrer Fu¨ rstentafel 823 Von der Schickung vnd gestalt des heyligen grabs 566, 567–569 ¨ 478, 555, 570, 589, Schilling, Diebold, d. A. 802–804, 1147 Schilling, Diebold, d. J. 909, 1119 f. Schiltberger, Hans 362, 411, 594–596

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Schiphower, Johannes 1028–1030, 1136 Schlacht von Gollheim ¨ 315 f. Schlacht bei Hemmingstedt 1133, 1166–1169 Schlacht bei N¨afels 471–474, 509 Schlacht bei Sempach 468–471, 509, 961 Schlick, Kaspar 633 Schlitpacher, Johannes 673 Schmid, Johannes 713 f. Schneider, Hans 437, 985–992, 1040 f., 1143 Schodoler, Werner 469 Sch¨offer, Peter 1000 Schofferlin, ¨ Bernhard 1170–1173 Sch¨onsperger, Johann 617 Schorer, Christoph 1083 Schradin, Nikolaus 1113–1116, 1148 Schrautenbach, Balthasar 1173 f. Schreyer, Sebald 718 Schriber, Hans 833 Sch¨uren, Gert van der 421, 763 f., 1198 Schurpff, ¨ Hans 1104, 1116 f. Sch¨ußler, Johann 617 Schumann, Johannes 767 Schwerzenpeck, Ambrosius 888 Scotus, Johannes Eriugena 90 Scotus, Michael 218 Scriver, Dirk 767 Sebald 719 Der Seelen Wurzgarten 217 Seelentrost 217 Seffner, Johann 448 Seifrit 511 Sensenschmidt, Johann 963, 1153 Seuse, Heinrich 922 Sextus Amaricus 76 Sibilla von Bondorf 976 Sicard von Cremona 180, 255 Sido von Neumunster ¨ 196 f. Sidonius Apollinaris 155 Sieben Schl¨afer 404 Siegfried von Bacharach 951 f. Siegfried von Balnhausen 180, 324 f. Siegfried von Gelnhausen 611 f., 868 Siegfried II., Bischof von Hildesheim 51 Siegfried, Erzbischof von Mainz 81 Siegmund (Sigismund), Kaiser, r¨om.-dt. Ko¨ nig 307, 525, 593 f., 603 Sigebert von Gembloux 44, 105, 734 Sigmar, Cellerar von Kremsmu¨ nster 320 Sigwalt, Bruder 420 Simeon, Diakon 57 Simon von Trient 862–868, 888, 996 Sinn der h¨ochsten Meister von Prag 695 Sixtus IV., Papst 848

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Register Slecht, Reinbold 713 Sobeslav II., Herzog von B¨ohmen 360 Soester Chronikalien 1196 f. ¨ Sophia I., Abtissin von Gandersheim 209 Sorg, Anton 617 Spangenberg, Cyriacus 771 Sparnau, Peter 467 f. Spaun, Claus 986 Sperrer, Hans 659 Speyrer Chronik 821, 822–825, 866 Spiegel aller deutschen Leute 264 Sprenger, Jakob 996 Springintgud, Johann 880 Springer, Balthasar 1194–1196, 1204 Stabius, Johannes 1087, 1091 Stadeschronik 367 f., 458 f. Stadtbucher ¨ 205–208 Stadtregimentslehren 401 Stagel, Elsbeth 755 Stahel, Rudolf 958 f. Staind(e)l, Johann 1010 Stationes ecclesiarum urbis Romae 125, 129, 131–133 Statius, Publius Papinius 76, 184, 201, 266 Statwech, Johann 576–579 Steckel, Konrad 361–363, 409 Steigerwalder, Friedrich 838 f. Steiner, Werner 469, 472 Steinh¨owel, Heinrich 106 f., 180, 301, 607, 719, 877, 938 Steinhuser, Toni ¨ 807 f. Steinruck, ¨ Heinrich 606 Stephan Langton, Erzbischof von Canterbury 232 Stephans von Gumpenberg Pilgerreise 537–540 Sternberger Hostiensch¨andung 1152–1154 Sterner, Ludwig 1147–1150, 1151 Stetter, Johannes 508–510, 800 Stodewescher, Silvester 728 Stolle, Konrad 559, 771, 886 f., 899 Stoßelin, Jacob 703 Stralsunder Chroniken 697 Streit der vier T¨ochter Gottes 906 Streitel, Hieronymus 1143–1146 Der Stricker 273, 356, 607 Stromer, Ulman 443–448, 653, 687, 1175 Stuler, J¨org 217 Stuttgarter Stiftschronik vom Hause Wurt¨ temberg 825 f. Suchenwirt, Peter 434–438, 548 Sudermann, Hilbrant 524

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Sueton (Caius Suetonius Tranquillus) 20, 166, 718 Suho, Albert 597 f. Suntheim, Ladislaus 1087 Tageno 193, 195 Talleyrand, Elias, Kardinal 348 Tannh¨auser 275 Tassilo III., bayer. Herzog 320 Taube, Heinrich, von Selbach 423 f. Teim, Niklas 608 Telesforus von Cosenza 307, 417–420, 540 Tempelfeld, Nikolaus 749 Tetzel, Gabriel 816–818 Teuffenbeck, Heinrich 434 Thangmar von Hildesheim 50–54, 55, 73 Thegan 26–28, 160, 842 Thekla von Ikonium 43 Theodericus 172 f. Theodericus von Echternach 173–176 Theodericus von Fleury 55 Theoderich, Bischof von Verdun 94 Theophanu, Kaiserin 55 Theophilus 156 Terhoernen, Arnold 847 Theudelinda, Mutter des Paulus Diaconus 5 Thietmar(us), Magister 218 f., 370 Thietmar von Merseburg 44, 58–65, 370 Thiodericus von Deutz 159 f. Thomas von Aquin 597 Thomas Becket 232 Thomas von Cantimpr´e 266, 755 Thomas von Celano 250 f. Thomas von Laa 579 Tiberinus, Johannes Matthias 864 Tiroler Chronik 369 T¨omlinger, Jordan 588 Toke, Heinrich 1156 Tolner, Karl Ludwig 823 Tolomeo von Lucca 253 Totenklage auf Engelhart von Hirschhorn 430 f. Totenklage auf Graf Wernher von Hohenberg 337 f. Totenklage auf Graf Wilhelm III. von Holland 346 f. Totenklage auf Graf Wilhelm IV. von Holland 366 Totenklage auf Heinrich von Eschweiler 548 Totenklage auf Heinrich Preisinger von Wolnzach 338 f. Totenklage auf Herzog Johann I. von Limburg und Brabant 304–306 Tr¨ankle, Ulrich 523 f.

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Register Trainer, Erasmus 839 Translatio s. Viti 44 Treitzsaurwein, Marx 1002, 1089 f., 1093–1095 Trithemius, Johannes 752, 847, 969, 1030–1037, 1091 Troyer, Ferdiand von 369 Truchseß, Dietrich 121, 256, 511, 732–734 Trymann, Christoph 1185 Tschachtlan, Bendicht 555, 589, 804–807 ¨ Tschudi, Agidius 469, 472, 657 Tschudi, Ludwig 592 ¨ 690 Tucher, Endres d. A. Tucher, Hans VI. 384, 566, 591, 685, 910–915, 937, 1027 f. T¨urst, Konrad 1091 T¨usch, Hans Erhart 896, 899, 903, 1113 Tundalus 567 Turmair, Johannes → Aventinus Turnierchronik 1010–1012 Turpin, Pseudo- 160, 842 Di tutsch kronik von Behem lant 359–361 Twinger, Jakob, von Konigshofen ¨ 130, 169, 263, 280, 290, 292, 294, 460–464, 478, 593, 602, 615, 640, 799, 820, 877, 891, 1019, 1062, 1118 Tylich, Johannes 584 Tynenmacher, Johannes 1201 Udalricus 1146 f. Ugolino Verino 12 Ulmer Annalen / Ulmer Chronik 998 Ulrich von Bamberg 96 Ulrich von Bulow ¨ 1123–1125 Ulrich von Etzenbach 275, 376 Ulrich von Liechtenstein 328 Ulrich von Zell 117 Unni, Erzbischof von Bremen 84 Unrest, Jakob 966–969, 980 Upschlacht, Niclaus 534 f. Urban II., Papst 119 Urban VI., Papst 439, 451, 521 Vom Ursprung der Eidgenossenschaft 961, 1148, 1150–1152 Vom Ursprung der Stadt Mainz 480 f. Utenbroeke, Philip 266 V¨aterbuch 297, 673 Valentin und Namelos 467 Varnb¨uhler, Angela 962 Vaticinia de summis pontificibus 540–543 Vavˇrincem z Bˇrezov´e (Laurentius von Brezowa) 491 Veit von Ebersberg 1185–1187 Velser, Michel 361 f., 411, 493–495 Venantius Fortunatus 12, 57, 76

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Vergil (Publius Vergilius Maro) 12, 51, 59, 76, 184, 200 f., 266, 300, 859, 1165 Verne, Ulrich 421 Vespucci, Amerigo 1177–1182 Vetter, Hans 795 Vetter, Jakob 704 Vicelin 196 Viktor IV., Gegenpapst 166 Vinzenz von Beauvais 254, 266, 409, 421, 455, 459 f., 673, 682, 732, 734, 847 f., 935, 1186 Viol, Hans 901 Vischel, Nikolaus 334 Vision auf das Jahr 1401 306–308 Vita Altmanni episcopi Pataviensis 44 Vita Beatae virginis Mariae et salvatoris rhythmica 169 Vita Gaugerici 57 Vita Ludowici 326 Vita Maximiliani 747 Vitus, Hl. 44 Vogel, Christoph 1185 Vrischemei 660–662, 663f. W¨achter, Peter 1116 Wagner, Peter 964 Wahraus, Erhard 617, 658 f. Walahfrid Strabo 26 Waldau, Hieronymus 957 f. Waldauf, Florian, von Waldenstein 1049–1051 Walram II. von Monschau und Arrancy 284 Waltbert, s¨achsischer Graf 29 Walther von Chˆatillon 597 Walter von Gerolseck, Bischof von Straßburg 289, 294 Walther von Meisenburg, Prior in Trier 284 Walther von der Vogelweide 356 Walther, Marx 1012 f., 1136 Walther, Paul 916, 935 f. Walther, Ulrich 1136 Wameshafft, Erhard 611, 868–870 Wanckel, Nikolaus 1200 Warnefrit, Vater des Paulus Diaconus 5 Wartburgkrieg 191 Wassenberch, Johann 1201 Watt, Joachim 345 Die Weberschlacht 488–490 Weihenstephaner Chronik 301, 606–608 Weingartner Liederhandschrift 323, 959 Weinreich, Caspar 940 Weißenburger, Johann 989 Welf IV. 102 Welf VI. 120 Welf VII. 120

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Register Welf I., Herzog von Bayern → Welf IV. Wenzel II., Ko¨ nig von B¨ohmen 350, 500 Weriand von Saldenhofen 286 f. Werkmann, Johann 586 f. Werler Reimchronik der Soester Fehde 763 f. Werner von Orseln, Hochmeister 340 Wernher von Birkendorf 408 Wernher von Hohenberg 337 Wernher von Oberwesel 581–584 Wernher, Peter 1199 f. Westhoff, Dietrich 421 Wichmann d. J., s¨achsischer Graf 43 Wichwolt, Meister 510–514 Widmann, Jorg ¨ 118 f. Wido von Osnabruck ¨ 96 f. Widukind, Sachsenf¨uhrer 29, 295 Widukind von Corvey 9, 43–47, 59, 98 Wiener Bilderchronik 706 Wierstraet, Christian 870 f. Wiest, Ulrich 667 f. Wigand von Marburg 376, 387, 482–484, 793 Wilbrand von Oldenburg 222–224 Wiler Chronik des Schwabenkrieges 1127 Wilhelm von Auvergne 599 Wilhelm von Boldensele 348 f., 350, 384, 409 Wilhelm von Gennep, Erzbischof von K¨oln 421 Wilhelm II., Landgraf von Hessen 1173 Wilhelm von Hirsau 98, 119 Wilhelm IV., Graf von Holland 366 Wilhelm, Herzog von L¨uneburg 200 Wilhelm von Malmesbury 15, 233 Wilhelm von Modena 238 Wilhelm von Rubruk 410 Wilhelms III. von Thuringen ¨ Pilgerfahrt ins Hl. Land 768 f., 770–772 Wilhelm von Tyrus 111, 220 William von Norwich 581 Willibald von Mainz 81 Willibrord 174 Williram von Ebersberg 1031 Wilsnacker Wunderblut 1154–1165 Wimpfeling, Jakob 290, 602 Winand von Steeg 581 f.

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Windeck, Eberhard 420, 480, 541, 566, 620, 621–624, 703, 822, 1157 Winkelried, Arnold 469 Winrich von Trier 93–95 Wintergerst, Erhard 853, 1084 f. Wipo 76 Wirsberger-Prophezeiungen 811–813 Wispeck, Hans 731 f. Witkind 346 Witte, Johannes 481 f., 506 Wittenwiler, Heinrich 519 Wittich, Ivo 1170 f. Wolgemut, Michael 943 Wolf von Zulnhart ¨ 1073–1075 Wolfgang von Steyr (W. Suppan) 697–699, 738 Wolfger von Prufening ¨ und Anonymus Melleicensis 116-118 Wolfhard, Johannes 639 Wolfhere von Hildesheim 51, 72–75 Wolfram von Eschenbach 316, 346, 376, 436, 671 Wormser Briefsammlung 75 Wratislaw X., Herzog von Pommern 1104 Wusterwitz, Engelbert 515, 535, 574 f. Wyrffel, Georg, d. J. 964 Wyssenbach, Rudolph 472 Ymmo → Immo Yolanda von Vianden 284 Zainer, Gu¨ nther 617 Zainer, Johannes 922 Zayner, Andreas 1040, 1165 f. Zeissenmair, Lukas 107 Zerbster Ratschronik 696 f. Zerstorung ¨ Jerusalems 649 f. Zetler, Conrad 871 f. Zilies von Sayn 315 Zimmern, Froben Christoph von 429 Zink, Burkhard 617, 714–717 Zipfer, Antonius 786 f. Zittard, Conrad 757 Zollner, Mathis 872–874, 901 Z¨urcher Buch vom heiligen Karl 839, 885 Zurcher ¨ Stadtchroniken 477–480, 977

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