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German Pages [688] Year 1996
Deutsches Fremdwörterbuch Band l
Deutsches Fremdwörterbuch Begonnen von Hans Schulz, fortgeführt von Otto Basler 2. Auflage, völlig neubearbeitet im Institut für deutsche Sprache
Band 1: a-Präfix — Antike bearbeitet von Gerhard Strauß (Leitung), Elke Donalies, Heidrun Kämper-Jensen, Isolde Nortmeyer, Joachim Schildt, Rosemarie Schnerrer, Oda Vietze
W DE
G Walter de Gruyter · Berlin · New York 1995
l Gedruckt auf säurefreiem Papier, das die US-ANSI-Norm über Haltbarkeit erfüllt.
Die Deutsche Bibliothek — ClP-Einheitsaufnahme Deutsches Fremdwörterbuch / völlig neu bearb. im Institut für Deutsche Sprache. Begonnen von Hans Schulz. Fortgef. von Otto Basler. — Berlin ; New York : de Gruyter. Früher u.d.T.: Schulz, Hans: Deutsches Fremdwörterbuch NE: Schulz, Hans [Begr.]; Basler, Otto [Bearb.]; Institut für Deutsche Sprache < Mannheim > Bd. 1. -Präfix — Antike / Bearb. von Gerhard Strauss (Leitung) ... - 2. Aufl. - 1995 ISBN 3-11-012622-2 NE: Strauss, Gerhard [Bearb.]
© Copyright 1995 by Walter de Gruyter & Co., D-10785 Berlin Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany Einbandgestaltung: Sigurd Wendland, Berlin Datenkonvertierung und Druck: Arthur Collignon GmbH, Berlin Buchbinderische Verarbeitung: Th. Fuhrmann KG, Berlin
Vorwort Das „Deutsche Fremdwörterbuch" (DFWB) gilt als das Standardwerk der historischen Fremdwortlexikographie: Begründet von Hans Schulz, der die Buchstaben A — K bearbeitet hatte (Band I, 1913), weitergeführt von Otto Basler mit den Buchstaben L-P und Q (Band II, 1942; 1. Lieferung Band III, 1972) konnte es erst in den Jahren 1977—83 am Institut für deutsche Sprache (Mannheim) (Band III —VI: R —Z) fertiggestellt werden. Allerdings führten die über 70jährige Entstehungsgeschichte sowie die verschiedenen Bearbeitungsphasen in quantitativer wie in qualitativer Hinsicht zu einer gewissen Heterogenität des Werkes. Neben den Unausgewogenheiten des Umfangs sind besonders problematisch die Unterschiede in der Aktualität und Qualität der Darstellung. Daher erschien eine Wiederaufnahme der Arbeit am historischen deutschen Fremdwörterbuch dringend erforderlich, um mit der Beseitigung der starken Bearbeitungsunterschiede und der Anwendung moderner lexikographischer Prinzipien dem Werk die notwendige methodische Einheitlichkeit zu verleihen. Seit dem Jahre 1990 wird am IDS an der Neubearbeitung gearbeitet, die sich mit der Alphabetstrecke A —Q zunächst auf die ältesten Teile des DFWB erstreckt. Der erste Band des auf insgesamt zwölf Bände veranschlagten Werkes wird hiermit vorgelegt. Auch die Neubearbeitung, in der alle Wortartikel ausnahmslos neu geschrieben und nach einem vorgegebenen Artikelmuster systematisiert werden, bleibt der in den Bänden III —VI wesentlich verbesserten Grundkonzeption Schulz/Baslers um der Einheitlichkeit des Werkes willen weitgehend verpflichtet: Zentrale Aufgabe ist es daher, den Kernbereich der in der deutschen Standardsprache fest verankerten und geläufigen Fremdwörter und Fremdwortfamilien in ihrer historischen Entwicklung zu beschreiben und zu dokumentieren — das DFWB ist also weiterhin ein selektives historisches Bedeutungs- und Belegwörterbuch! Jeder Wörterbucheintrag enthält den besonderen Eigenschaften des Stichworts entsprechend Informationen zur Wortart und Morphologie, zur Etymologie mit sorgfältiger Bestimmung der Herkunfts- und Vermittlersprachen, zum Zeitpunkt der Übernahme in den deutschen Wortschatz, zu historischen Schreib- und Formvarianten, zur Syntagmatik und Phraseologie, zur Stilistik und Fachspezifik sowie zur wortbildungsmäßigen Produktivität. Das Kernstück jedes Artikels ist die chronologisch dargestellte Bedeutungsgeschichte, bei der insbesondere auch die Polysemie der Fremdwörter berücksichtigt und zwischen entlehnten und nichtentlehnten, also unabhängig von fremden Vorbildern innerhalb des Deutschen entwickelten Bedeutungen differenziert wird. (vgl. 3. der Lexikographischen Einführung). Die Verwendung der Fremdwörter wird außerdem durch eine reichhaltige Auswahl von Kontextbelegen aus repräsentativen Textsorten aller Jahrhunderte ausführlich dokumen-
VI
Vorwort
tiert und veranschaulicht; den Grundstock der Belegdokumentation bildet die Schulz/Baslersche Quellen- und Belegsammlung (vgl. 3.2.11. und 5. der Lexikographischen Einführung). Durch seine wortgeschichtliche Akzentuierung ermöglicht das DFWB ein tieferes Verständnis nicht nur gegenwärtiger, sondern auch historischer Texte und trägt wesentlich zur Erhellung sprach- und kulturgeschichtlicher Zusammenhänge bei. Wie der gesamte alphabetische Lexikonteil soll auch der abschließende Ergänzungsband der Dokumentation und Aufbereitung des deutschen Fremdwortschatzes dienen. Er enthält das aktualisierte Quellenverzeichnis mit den vollständigen bibliographischen Angaben zu allen im Wörterbuch selbst in verkürzter Form zitierten Titeln; darüber hinaus enthält er fünf Wortregister, die der systematischen Erschließung des Wörterbuchs (alphabetisch, rückläufig, chronologisch, nach Herkunft und Wortklassen) dienen und somit ein echtes Forschungsinstrument der diachronen und synchronen Lexikologie darstellen. Mit seiner bedeutungsgeschichtlichen Zielsetzung, seiner umfassenden Quellendokumentation sowie seiner allgemeinverständlichen Darstellungsweise wendet sich das DFWB nicht nur an Sprachgeschichtler, Germanisten, Linguisten, Lexikologen und Semantikforscher, sondern auch an Historiker aller Bereiche und nicht zuletzt an alle, die an sprachlichen Entwicklungen und kulturgeschichtlichen Wendepunkten sowie insbesondere an den Lebensläufen zentraler Begriffe der deutschen politischen und Geistesgeschichte interessiert sind. Das DFWB, das den deutschen Fremdwortschatz gleichsam vertikal in seinem Wandel vom 15. Jh. bis zur Gegenwart verzeichnet, wird so zur idealen Ergänzung aller anderen deutschen Wörterbücher, auch der Neubearbeitung des Deutschen Wörterbuchs der Brüder Grimm, des Hermann Paul, der etymologischen Wörterbücher von Kluge/Mitzka und Pfeifer, des Frühneuhochdeutschen Wörterbuchs ebenso wie des Goethewörterbuchs. Der beträchtliche Umfang der Quellennachweise und die eingehende Dokumentation der Verwendungsweisen durch Kontextbelege wäre jedoch mit Baslers Belegsammlung allein und ohne fremde Hilfe nicht möglich gewesen. Für die Mitbenutzung externer Corpora und Belegsammlungen haben wir folgenden Institutionen und Persönlichkeiten zu danken: An erster Stelle sind hier zu nennen die Berliner und die Göttinger Arbeitstelle der Neubearbeitung des Deutschen Wörterbuchs der Brüder Jacob und Wilhelm Grimm, die uns den Zugriff auf ihr Archiv gestatteten und damit oft wichtige Textzeugen, vor allem zahlreiche Früh- und Erstbelege, aber häufig auch Belege aus fachsprachlichen Bereichen, zur Verfügung stellen konnten. Sie wurden in die Belegdokumentation des DFWB übernommen, aber nicht eigens als Anleihen markiert, mit Ausnahme der Belege, die aus bereits gedruckt vorliegenden Publikationen der Neubearbeitung des Deutschen Wörterbuchs (Band l und von Band 2 die Lieferungen 1—3 von Ala bis AI-) zitiert wurden. Die entsprechenden Quellen des Berliner Archivs, aus denen die Belege jeweils stammen, werden in das Gesamtquellenverzeichnis des DFWB aufgenommen. Zu danken haben wir ferner der Arbeitstelle des Deutschen Rechtswörterbuchs in Heidelberg, insbesondere Herrn Speer, mit dessen freundlicher Unterstützung das veröffentlichte sowie auch das nicht zur Publikation vorgesehene Belegmaterial eingesehen und vor allem hinsichtlich früh bezeugter rechtssprachlicher terminologischer Ausdrücke ausgewertet werden konnte.
Vorwort
VII
Für die bereitwillige Unterstützung unserer Belegrecherchen, vor allem im Zusamenhang mit dem vom DFWB eingeführten sog. Kontext-Service (vgl. 5. der Lexikographischen Einführung), sind wir vor allem folgenden staatlichen und städtischen Bibliotheken zu großem Dank verpflichtet: Den Universitätsbibliotheken Freiburg, Erlangen-Nürnberg, Heidelberg, Leipzig, Tübingen, Berlin, der Humboldt-Universität zu Berlin, der Staatsbibliothek Berlin, der Bayerischen Staatsbibliothek und der Universitätsbibliothek München, der Deutschen Bibliothek Leipzig, der Staatlichen Bibliothek Regensburg, der Staatsund Stadtbibliothek Augsburg, den Stadtbibliotheken Nürnberg und Mönchengladbach, der Hessischen Landesbibliothek Wiesbaden, der Hessischen Landes- und Hochschulbibliothek Darmstadt, der Niedersächsischen Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen, der Württembergischen Landesbibliothek Stuttgart, der Sächsischen Landesbibliothek Dresden, der Wissenschaftlichen Allgemeinbibliothek Erfurt sowie dem Österreichischen Staatsarchiv Wien und der Österreichischen Nationalbibliothek Wien u.v.a. Unser Dank gebührt auch der Deutschen Forschungsgemeinschaft, die in den 80er Jahren die Mittel für die systematische Erschließung und Feinsortierung von Baslers Belegsammlung zur Verfügung stellte. Desgleichen danken wir der Fritz Thyssen-Stiftung in Köln für die großzügige finanzielle Unterstützung zur Beschaffung wichtiger Quellentexte (meist in Form von Nach- und Neudrucken). Besonderen Dank schulden wir den Mitgliedern unseres Wissenschaftlichen Beirates Oskar Reichmann (Vorsitzender, Heidelberg), Michael Schlaefer (Göttingen), Hartmut Schmidt (Berlin, bis Ende 1991) und Heino Speer (Heidelberg) für die wertvollen Anregungen, die wir vor allem in der Anfangsphase der Neubearbeitung von ihnen erhalten haben. Mannheim, September 1995 Für die Mitarbeiter
Gerhard Strauß
Inhaltsverzeichnis Vorwort
V
Verzeichnis der zitierten Zweitquellen
XI
Hinweise zur Benutzung
l*
Lexikographische Einführung
8*
1. 1.1. 1.2.
Grundlagen und Prinzipien der Neubearbeitung Ausgangslage und Rahmenbedingungen Gründe für die Neubearbeitung
8* 8* 9*
2. 2.1. 2.1.1. 2.1.2. 2.1.3. 2.2. 2.3.
Zur Makrostruktur des Fremdwörterbuchs Zum Fremdwortbegriff Wort- oder Bezeichnungsentlehnungen Rückwanderer Lehn-Wortbildungen Zur Stichwortauswahl Zur Anordnung der Stichwörter
14* 14* 15* 21* 21* 23* 26*
3. 3.1. 3.2. 3.2.1. 3.2.2. 3.2.3. 3.2.4. 3.2.5. 3.2.6. 3.2.7. 3.2.8. 3.2.9. 3.2.10. 3.2.11.
Zur MikroStruktur des Fremdwörterbuchs Zur Anlage der Artikel Zum Aufbau der Artikel Lemma Wortvarianten Grammatik Etymologie Historische Wortvarianten Wortpragmatik Bedeutung Semantische Relationen Syntagmatische Relationen Wortbildung Belege
27* 27* 28* 28* 29* 29* 29* 31* 31* 32* 33* 34* 35* 37*
4.
Die systematischen Wortregister
41
5. 5.1. 5.2.
Die Quellen des Fremdwörterbuchs Der Quellenbestand Die Quellentypen
42 42 44
X
5.3. 5.3.1. 5.3.2. 5.3.3. 5.3.4. 5.4.
Inhaltsverzeichnis
Ergänzung des Quellencorpus Die maschinenlesbaren Corpora des IDS Kontinuierliche Nachexzerption Der Kontext-Service Belege aus Fremdcorpora und Sekundärquellen Die Quellen des Fremdwörterbuchs und ihre textsortenspezifische Verteilung
Wörterbuch: Buchstabe A
47* 47* 47* 48* 49* 49* l
Verzeichnis der zitierten Zweitquellen Die in den Wörterbuchartikeln verwendeten Kurztitel erscheinen eingeklammert in Versalien jeweils am Ende der bibliographischen Angaben. Althochdeutsches Wörterbuch auf Grund der von Elias Steinmeyer hinterlassenen Sammlungen im Auftrag der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig bearb. u. hrsg. v. Elisabeth Karg-Gasterstädt und Theodor Frings, ab Bd. 2 hrsg. v. Rudolf Große. Bd. I f f . Berlin 1968 ff. (AHD.WB) Anderson, Robert R., Ulrich Goebel, Oskar Reichmann: Frühneuhochdeutsches Wörterbuch. Bd. I f f . Berlin/New York 1989ff. (FRNHD.WB) Anglizismenwörterbuch. Der Einfluß des Englischen auf den deutschen Wortschatz nach 1945, begr. v. Broder Carstensen, fortgeführt von Ulrich Busse. Bd. 1. Berlin/New York 1993 (AWB) Bartels, Karl: Veni Vidi Vici. Geflügelte Worte aus dem Griechischen und Lateinischen. Zürich/München 1989 (BARTELS) Benecke, Georg Friedrich, Wilhelm Müller, Friedrich Zarncke: Mittelhochdeutsches Wörterbuch. Reprograf. Nachdr. d. Ausg. Leipzig 1854. Bd. 1-3. Hildesheim 1963 (BENECKE/ MÜLLER/ZARNCKE) Bielfeldt, Hans Holm: Die slawischen Wörter im Deutschen. Leipzig 1982 (BIELFELDT) Brandenburg-Berlinisches Wörterbuch. Hrsg. von der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig. Begründet und angelegt von Anneliese Bretschneider unter Einschluß der Sammlungen von Hermann Teuchert, bearb. unter der Leitung von Gerhard Ising (ab Bd. 2, Lieferung 5 unter der Leitung von Joachim Wiese). Bd. l ff. Berlin 1976 ff. (BBWB) Brunner, Otto, Werner Conze, Reinhart Koselleck (Hrsg.): Geschichtliche Grundbegriffe — Historisches Lexikon zur politisch-sozialen Sprache in Deutschland. Stuttgart 1972 ff. (BRUNNER/CONZE/KOSELLECK) Brunt, Richard James: The Influence of the French Language on the German Vocabulary (1649-1735). (= Studia Linguistica Germanica 18). Berlin/New York 1983 (BRUNT) Büchmann, Georg: Geflügelte Worte. Berlin 1972 (BÜCHMANN) Campe, Joachim Heinrich: Wörterbuch zur Erklärung und Verdeutschung der unserer Sprache aufgedrungenen fremden Ausdrücke. Braunschweig 21813 (CAMPE) Carmesin, Dagmar: Das Fremdwort bei Johann Beer. Ein Beitrag zur deutschen Wort- und Sprachgeschichte. München 1992 (CARMESIN) Carstensen, Broder: „Babys" oder „Babies"? Zum Plural englischer Wörter im Deutschen. In: Muttersprache 92 (1982) 200-215 (CARSTENSEN, Babys) ders.: Englische Einflüsse auf die deutsche Sprache nach 1945. Heidelberg 1965 (CARSTENSEN) ders., Hans Galinsky: Amerikanismen der deutschen Gegenwartssprache. Entlehnungsvorgänge und ihre stilistischen Aspekte. Heidelberg 1963 (CARSTENSEN/GALINSKY)
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Verzeichnis der zitierten Zweitquellen
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Verzeichnis der zitierten Zweitquellen
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Verzeichnis der zitierten Zweitquellen
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Verzeichnis der zitierten Zweitquellen
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Müller, Johannes: Quellenschriften und Geschichte des deutschsprachigen Unterrichts bis Mitte 16. Jh. Gotha 1882 (MÜLLER 1882) Müller, Wolfgang: Leicht verwechselbare Wörter. (= Duden-Taschenbücher 17). Mannheim 1973 (MÜLLER) Nyström, Solmu: Die deutsche Schulterminologie in der Periode 1300—1740. Helsinki 1915 (NYSTRÖM) Öhmann, Emil: Der italienische Einfluß auf das Neuhochdeutsche. Eine Skizze. In: Neuphilolog. Mitteilungen 52 (1951) 15-29 (ÖHMANN) Osman, Nabil: Kleines Lexikon deutscher Wörter arabischer Herkunft. München 1982 (OSMAN) Palmer, Philip Motley: Der Einfluß der neuen Welt auf den deutschen Wortschatz. Heidelberg 1933 (PALMER) ders.: Neuweltwörter im Deutschen. Heidelberg 1939 (PALMER, Neuweltwörter) Paul, Hermann: Deutsches Wörterbuch. Vollständig neu bearb. Aufl. v. H. Henne und G. Oberjartel unter Mitarbeit von H. Kämper-Jensen. Tübingen 91992 (PAUL) Pfeifer, Wolfgang et al.: Etymologisches Wörterbuch des Deutschen. 2. Aufl. Berlin 1993 (PFEIFER) Pfister, Max: Contatti lessicali tra Venezia e la Germania nel Medioevo. In: Ling, e dialettologia veneta. Tübingen 1983, 253-58 (PFISTER) Pfitzner, Jürgen: Der Anglizismus im Deutschen. Ein Beitrag zur Bestimmung seiner stilistischen Funktion in der heutigen Presse. Stuttgart 1978 (PFITZNER) Philosophisches Wörterbuch. Begr. v. Heinrich Schmidt. Neu bearb. v. George Schischkoff. Stuttgart 201978 (PHILOS. WB) Pschyrembel, Willibald: Klinisches Wörterbuch. Berlin/New York 2531977, 2551986 (PSCHYREMBEL) Reallexikon zur deutschen Kunstgeschichte. Begonnen von Otto Schmitt. Hrsg. v. Institut für Kunstgeschichte München. Red.: Karl August Wirth. Bd. l ff. München 1985 ff. (REALLEX. KUNSTGESCH.) Deutsches Rechtswörterbuch. Wörterbuch der älteren deutschen Rechtssprache. Hrsg. v. d. Preußischen Akademie der Wissenschaften, 1939—51 hrsg. v. d. Deutschen Akademie der Wissenschaften, bearb. v. Richard Schröder u. Eberhard Freiherrn von Künßberg, ab Bd. V 1955 ff. in Verbindung mit der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin hrsg. v. d. Heidelberger Akademie der Wissenschaften. Unter Mitw. v. Hans Blesken bearb. v. Otto Gönnenwein u. Wilhelm Weizsäcker, ab Bd. VII bearb. v. Günther Dickel und Heino Speer. Weimar 1914 ff. (DRW) Reichel, Eugen: Gottsched-Wörterbuch. Ehrenstätte für alle Wörter, Redensarten und Redewendungen in den Schriften des Meisters. Bd. 1. Berlin 1909 (REICHEL) Rennert, Gustav: „Postbote, Postreuter, Postillion, Hinkender Bote und Kurier" im 16. u. 17. Jahrhundert. In: Deutsche Postgeschichte 2 (1939-40) 160-174 (RENNERT) Richter, Friedrich: Unser tägliches Griechisch. Deutsche Wörter griechischer Herkunft. Mainz 1981 (RICHTER) Ritter, Joachim (Hrsg.): Historisches Wörterbuch der Philosophie. Bd. 1 — 8. Darmstadt 1971-1992 (RITTER) Rosenquist, Arvid: Der französische Einfluß auf die mittelhochdeutsche Sprache der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts. Helsinki 1932 (ROSENQUIST) ders.: Über Wanderungen romanischer Fremdwörter im Deutschen. Helsinki 1942 (ROSENQUIST 1942)
XVI
Verzeichnis der zitierten Zweitquellen
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Verzeichnis der zitierten Zweitquellen
XVII
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A
I
I
I
I
3a 3b Adept M. (-en; -en), im früheren 16. Jh. vereinzelt, seit Ende 4b —
17. Jh. kontinuierlich nachgewiesen, zurückgehend auf lat. adeptus 'jmd., der etwas erreicht hat', Part.Perf. von adipisci
— 4d
'etwas, wonach man gestrebt hat, erlangen, erreichen [...]' (vgl. mlat. adepti Pl. 'in geheime Wissenschaften und bes. in die 4f
7a
7b 7d
'
'
;
4g
'
Kunst der Alchimie Eingeweihte'), bis ins 18. Jh. häufig in der lat. (flekt.) Form mit Pl. Adepti. -l 1 r1 ; ; a Zunächst meist auf historische Verhältnisse bezogen in1 der 1 Bed. 'in geheime Wissenschaften, Künste oder in die Mysterien
8b
- 7 b 7c
Eingeweihter; Kenner der Geheimnisse eines bestimmten Me; 1 1 tiers, Meister seine« Fachs', insbes. für 'jmd., der in der Kunst der Alchimie bewandert ist und vorgibt, den Stein der Weisen
8a-
6a
— 7e
gefunden zu haben; alchimistischer Goldmacher', weitgehend gleichbed. mit Alchimist, —> Alchimie (s. Belege 1727, 1811, ' ' ' ' 1924). 1
8c ,,
ob
1
b Seit späterem 18. Jh. vor allem im Bereich von Bildung, Wissenschaft u.a. verwendet in der Bed. 'beflissener, wißbegieriger 7g
Schüler, Anwärter, Anfänger, Neuling [...]', gelegentlich auch '—; ; ' ' T~*~. eher scherzhaft-ironisch gebraucht im Sinne von 'eifriger Jünger
7h
[...]', in Wendungen wie ein junger, (über)eifriger Adept der Wissenschaft, die jungen Adepten des großen Meisters; in neuester Zeit vereinzelt auf andere Lebensbereiche übertragen, vgl. lOa
i ta lld —
7i
die Zs. Eheadept (s. Beleg 1964). Dazu im früheren 20. Jh. die ' ' subst. Gelegenheitsableitung Adeptentum N. (-s; ohne Pl.) ·, 'Wesen eines/von Adepten'.
1iO
Adept a: Paracelsus 1530 S.W. / 8,66 sie werden geomantici sein, sie werden
1 11C,-
adepti sein, sie werden archei sein, .. sie werden mysteria haben, sie werden
1 1 n
L 1C
tincturam haben; [... Ettner 1697 Chymicus 833 der Medicus müsse ein Adeptus und ein Besitzer des Philosophischen Steins seyn; [...] Wiberg 1957 Stein 8 verstrickten sich .. die alchimistischen adepten in Widersprüche (DWB N.); |...|.
nf
llh
Adept b: 1771 Bibliothek d. Stuzer 203 Ein Adept von seinen Schülern liess ihm ,
n
[dem Lehrer] aus Erkenntlichkeit ein prächtiges Mausoleum aufrichten; Haym
l — lld
1859 Ges. Aufs. 91 Körner .., der ein eifriger Adept der neuen Kant'schen Philosophie war; [ . . . ] Partner 1964 Erben 311 Eheadepten im feierlichen Schwarz, Hg
junge Bräute mit dem obligaten Blumenstrauß im Arm; [...] 1991 Marie Ciaire ' ' IX 32 Man verschone uns endlich mit den tiefenpsychologischen archetypischen Deutereien von Freud, Jung und seinen Adepten.
llk
1
Adeptentum: 1939 SB München 23 frei von akademischem Adeptentum.
•lli
Hinweise zur Benutzung Das Deutsche Fremdwörterbuch versteht sich nicht nur als Nachschlagewerk, sondern will vor allem auch zum Lesen und Erfassen wort- und kulturgeschichtlicher Zusammenhänge anregen. Dennoch werden hier einige Hilfen angeboten, die den raschen Zugriff auf die einzelnen Informationen der Wortartikel erleichtern sollen. Die sicherste Methode für ein erfolgreiches punktuelles Nachschlagen ist eine gewisse Vertrautheit des Benutzers mit dem Aufbau der Artikel. Deshalb soll hier ein vom Umfang her kleinerer, jedoch mit Informationen auf fast allen Positionen ausgestatteter Artikel vorgestellt und im Hinblick auf seine Struktur erläutert und kommentiert werden. Er läßt sich zur besseren Übersicht vor dieser Seite ausklappen. Zu diesem Zweck werden die einzelnen, hier interessierenden Angaben in dem Artikel Adept jeweils mit einer Ziffer aufgerufen. Die am linken und rechten Seitenrand angegebenen Ziffern dienen also lediglich der Bezugnahme auf die Artikelpositionen bzw. auf bestimmte Elemente aus ihnen. Der hier abgedruckte Artikel enthält gegenüber dem Original einige Auslassungen, die durch [...] kenntlich gemacht sind. Im Unterschied zum zweispaltigen Beleganhang des Originals werden die Belege des Beispielartikels hier aus technischen Gründen ganzseitig gesetzt. Erläuterung der Ziffern: [1]
ist das Lemma in seiner heute gültigen Orthographie. Aus dem Lemmaansatz erfährt der Benutzer, daß das als Hauptstichwort angesetzte Fremdwort in den Wortschatz der gegenwärtigen Standardsprache integriert ist
[2]
entfällt, da es zu dem Stichwort Adept keine Schreibvarianten in der gegenwärtigen Standardsprache gibt
[3]
ist die grammatische Bestimmung:
[3a]
ist die Angabe der Wortart, die bei Substantiven in der Regel durch das Genus erfolgt
[3b] ist die Zuordnung zur Flexionsklasse durch Angabe der Genitivform des Singulars und der Form des Nominativs Plural [4]
sind die Hinweise zur Etymologie des Stichwortes, bei der die Angabe der Herkunfts- und/oder Vermittlersprache(n) und die Beschreibung des Entlehnungsweges im Zentrum stehen. Die in [4c — 4g] gegebenen Informationen stützen sich in der Regel auf etymologische und einschlägige fremdsprachliche (z. B. griechische, lateinische, französische usw.) Wörterbücher:
2"
[4a]
Hinweise zur Benutzung
gibt den Zeitpunkt der ersten Bezeugung des Lemmas in deutschen Texten an. Der Kommentarausdruck „vereinzelt" weist darauf hin, daß es sich um einen singulären Frühbeleg handelt. Die Angabe des (ungefähren) Entlehnungszeitpunktes im Artikelkopf korrespondiert dabei mit der Angabe des Bezeugungsjahres im Erstbeleg des Belegblocks zu Adept a
[4b] gibt den ungefähren Zeitpunkt an, von dem an das Stichwort kontinuierlich in deutschen Texten bezeugt ist. Auch diese Angabe korrespondiert direkt mit der Jahreszahl eines Belegs unter Adept a, nämlich „Ettner 1697 Chymicus 833" [4c]
gibt Auskunft über die Herkunftssprache des Stichworts und nennt das entsprechende Etymon der Ursprungssprache: „lat. adeptus"
[4d]
beschreibt ausführlich die Bedeutung(en) des Etymons in der Herkunftssprache
[4e]
enthält weitere Informationen zu den morphologischen, grammatischen, wortbildungsmäßigen und semantischen Verhältnissen in der Herkunftssprache
[4f]
gibt Auskunft über eine vermutete Vermittler- oder Vergleichssprache: „(vgl. mlat. adepti)"''. Auch diese Angabe erfolgt in Anlehnung an ein einschlägiges fremdsprachliches (hier: mittellateinisches) Wörterbuch
[4g]
gibt die Bedeutung des Wortes in der Vermittlersprache an, die die Bedeutung a des Stichworts zum Zeitpunkt der Entlehnung vermutlich beeinflußt hat: „in die Kunst der Alchimie Eingeweihte"
[5]
enthält den Hinweis, daß das Stichwort über zwei Jahrhunderte lang in deutschen Texten vor allem in der lateinischen Schreibung und Flexion (besonders in der Pluralform Adepti} begegnet und demnach erst relativ spät, nämlich zu Beginn des 19. Jhs., in das morphologische System des Deutschen integriert wurde
[6]
enthält Informationen zur Wortpragmatik oder zu den Symptomwerten, stets außerhalb, aber im engeren Umfeld der Bedeutungsangaben stehen. finden sich meist diskontinuierlich an verschiedenen Stellen [in 6a, 6b, und werden jeweils den einzelnen Bedeutungen oder Bedeutungsaspekten geordnet:
[6a]
in diesem Teilbaustein erfährt man durch einen pragmatischen Kommentar („historische Verhältnisse"), daß das Stichwort in der gerade behandelten Bedeutung vor allem Personen, Berufe und damit auch Sitten und Gebräuche der historischen Vergangenheit, d. h. der (vor)mittelalterlichen und frühen bürgerlichen Geschichte bezeichnet, die in diesem Rahmen auch heute noch verstanden werden
[6b]
hier besteht der pragmatische Kommentar aus der Angabe der Bezugs- oder Verwendungsbereiche des Stichworts, d. h. der Bereiche, in denen das Stichwort in der gerade behandelten Bedeutung usuell oder bevorzugt verwendet wird
die Sie 6c] zu-
Hinweise zur Benutzung
3""
[6c]
dieser pragmatische Kommentar enthält eine Angabe zur stilistischen Charakterisierung der Wortverwendung und bringt damit zum Ausdruck, daß diese Verwendung in bestimmten Kommunikationssituationen mit einer bestimmten Sprechereinstellung, "Wertung o.a. verbunden sein kann
[7]
enthält die Bedeutungserläuterungen zum Stichwort. Die Bedeutungserläuterung eines Wortes untergliedert sich in so viele Einzelpositionen, wie das Wort Bedeutungen hat. Die einzelnen Positionen sind in der Regel durch Ziffern und/oder Kleinbuchstaben markiert. In Verbindung mit der Bedeutungserläuterung stehen oft semantische Kommentare, in denen das Verhältnis der einzelnen Bedeutungen zueinander thematisiert wird oder dem Benutzer Verständnishilfen für den Zusammenhang der angesetzten Einzelbedeutungen, für übertragene Verwendungen oder metaphorische Verschiebungen gegeben werden können
[7a]
ist die Markierung der ersten Bedeutungsposition durch den halbfett gesetzten Kleinbuchstaben a
[7b]
die Erläuterung von Bedeutung a wird durch den Kommentar „in der Bed." eingeleitet. Andere Introduktionsformeln für semantische Informationen sind „im Sinne von" oder „für"
[7c]
ist die eigentliche Bedeutungserläuterung, die in Häkchen gesetzt ist. Sie besteht ausschließlich aus lexikalischen Paraphrasen. Die einzelnen Paraphrasen sind durch ein Semikolon voneinander getrennt und können jeweils verschiedene Aspekte oder Nuancen der Bedeutung betonen
[7d]
auf die mit a markierte erste Bedeutungsangabe folgt eine zwischengeschaltete, nicht markierte, mit dem Kommentarausdruck „insbes. für" eingeleitete Bedeutungsangabe zu einer speziellen (historischen) Teilbedeutung, die mit der für die Vermittlersprache in [4g] angegebenen Bedeutung weitgehend übereinstimmt
[7e]
die Erläuterung der zwischengeschalteten spezielleren Bedeutung besteht aus einer ausführlichen Umschreibung sowie aus einer teilsynonymischen Angabe: „Goldmacher"
[7f]
die Markierung von Bedeutungsposition b ist mit einer Angabe („seit späterem 18. Jh.") verbunden, die den ungefähren Zeitpunkt des Aufkommens von Adept b festhält. Wie bei Adept werden im Fremdwörterbuch grundsätzlich die einzelnen Bedeutungen der Stichwörter im zeitlichen Nacheinander fixiert und jeweils historisch-chronologisch angeordnet
[7g]
die Erläuterung von Bedeutung b besteht aus einer lexikalischen Paraphrase und einer Reihe von Teilsynonymen. Aus dem Kontrast zur Bedeutungsangabe beim lateinischen Etymon in [4d] bzw. beim Vermittlerwort in [4g] kann man erschließen, daß diese Bedeutung sich — im Unterschied zu Bedeutung a — unabhängig vom lateinischen bzw. mittellateinischen Vorbild innerhalb des Deutschen selbst herausgebildet hat. Im Fremdwörterbuch wird grundsätzlich versucht, zwischen entlehnten und nicht-entlehnten Bedeutungen zu unterscheiden
4"'
Hinweise zur Benutzung
[7h]
ist wieder eine zwischengeschaltete, nicht markierte Erläuterung zu einer speziellen Verwendung von Adept b, die hier durch den Kommentar „im Sinne von" eingeleitet wird und am Ende durch (hier nicht abgedruckte) Belegverweise gestützt wird, vgl. [8c]
[7i]
weist darauf hin, daß Adept b in neuester Zeit auch abweichend, d. h. metaphorisch verwendet wird, die Extension des Wortes sich demnach erweitert bzw. der Bezugsbereich sich verändert hat. Diese Veränderung oder Verschiebung des Gebrauchs durch den Wechsel der möglichen Bezugsobjekte wird mit Hilfe eines Belegverweises verifiziert: „(s. Beleg 1964)"
[8]
macht Angaben zu den semantischen Relationen, in denen das Stichwort steht:
[8a]
die Angabe „gleichbed. mit Alchimist" dient der onomasiologischen Vernetzung des Stichworts mit anderen bedeutungsverwandten Wörtern des Fremdwörterbuchs (Im DFWB werden prinzipiell alle erwähnten Wörter (z. B. Alchimist], mit Ausnahme der mit einem Verweispfeil (—>) gekennzeichneten Verweisstichwörter, jeweils durch Kursive markiert)
[8b] durch den Pfeil vor dem Verweislemma „—»Alchimie" erfährt der Benutzer, daß Alchimist im Wörterbuch behandelt und als Sublemma dem Hauptlemma Alchimie zugeordnet ist [8c]
der Verweis auf die drei Belege des Belegblocks zu Adept a erfolgt durch die Formel „s. Belege", mit der Angabe des jeweiligen Bezeugungsjahres. Er soll der semantischen Stützung der in [7e] gegebenen Bedeutungserläuterung sowie der in [8a] angegebenen Synonymenbeziehung dienen. Im Fremdwörterbuch erhalten zwischengeschaltete, nicht mit Ziffer oder Kleinbuchstabe markierte Bedeutungserläuterungen grundsätzlich solche Belegverweise, vgl. [7d] und [7h]. In diesen Fällen werden also die metasprachlichen (semantischen) Aussagen des Artikelkopfes direkt mit dem objektsprachlichen Material der Belegdokumentation verbunden und dadurch verifiziert
[9]
gibt einige syntagmatische Verbindungen an, die für die Verwendung des Stichworts in seiner Bedeutung b charakteristisch sind. Damit werden zugleich Aussagen über typische Eigenschaften von Personen gemacht, die als Adepten bezeichnet werden; solche Prädikationen enthalten natürlich meist auch die ausführlicheren Belegkontexte
[10]
enthält Hinweise zur Wortbildung:
[lOa] es wird eine mit dem Lemma als Grundwort gebildete (linkserweiternde) Zusammensetzung („Eheadept''''} genannt, die gegen das Alphabet steht. Im Fremdwörterbuch werden Zusammensetzungen innerhalb des erläuternden Artikeltextes prinzipiell vor anderen Wortbildungsmöglichkeiten, besonders den Ableitungen mit Suffixen und den Präfigierungen, angeführt
Hinweise zur Benutzung
5*
[10b] nennt eine mit dem deutschen Suffix -turn gebildete Ableitung des Stichworts bzw. eine sog. Lehn-Wortbildung: Adeptentum. Ableitungen werden prinzipiell mit dem Kommentarausdruck „dazu" eingeführt. Aus [lOa] und [lOb] erfährt man indirekt, daß die wortbildungsmäßige Produktivität von Adept insgesamt gering ist [11]
ist der Belegteil, bestehend aus drei Belegblöcken:
[lla] ist das dem Belegblock vorangestellte Stichwort in seiner Bedeutung a. Mit „Adept a:", „Adept b:" und „Adeptentum:" werden nicht nur die entsprechenden Belegblöcke eingeleitet, sondern es wird auch angezeigt, daß die Gliederung des Belegteils der Einteilung des Artikelkopfes (in die Bedeutungen a und b] entspricht [lib] ist die kursiv gesetzte Quellen- oder Belegstellenangabe, die den Artikel mit der Wörterbuchbasis, den Quellen, verknüpft. Von der verkürzten Zitierformel in den Artikeln kommt man zu den vollständigen bibliographischen Angaben im Quellenverzeichnis (vgl. unten 3.2.11.) [llc] ist die Datierung des Erstbeleges bzw. des frühesten auffindbaren Textzeugen für die Verwendung des Stichwortes [lld] ist der normal gesetzte Belegtext, der vom Lexikographen unter primär semantischen Gesichtspunkten aus einem größeren Textzusammenhang ausgewählt ist. Der Vorrang der semantischen Aspekte bei der Belegauswahl ergibt sich aus dem Charakter des Fremdwörterbuchs als Bedeutungswörterbuch [lie] kennzeichnet die Kürzung eines Beleges, den Belegschnitt, durch den Lexikographen [llfj enthält einen in eckigen Klammern stehenden Zusatzkommentar des Lexikographen zu dem betreffenden Belegtext, der dem besseren (syntaktischen oder semantischen) Verständnis des Textes dienen soll (vgl. unten 3.2.11.) [llg] bildet die Chronologie der Bezeugung ab. Die Belege innerhalb eines Belegblocks sind jeweils in chronologischer Reihenfolge geordnet [llh] zeigt an, daß der Beleg aus einer sekundären Quelle der Wörterbuchbasis stammt. In unserem Beispiel ist der mit „(DWB N.)" markierte Beleg aus einer bereits gedruckt vorliegenden Publikation der Neubearbeitung des Deutschen Wörterbuchs der Brüder Grimm übernommen [lli] demonstriert, daß Zusammensetzungen jeweils im Belegblock des betreffenden Stichworts bzw. unter dessen entsprechender Bedeutung belegt werden, wie z. B. Eheadept unter Adept b in Beleg 1964 [llk] Ableitungen, wie im Beispiel Adeptentum, werden im Unterschied zu den Zusammensetzungen jeweils eigens belegt und dem Belegblock des Hauptlemmas in der betreffenden Bedeutung zugeordnet. Der Beleg zu Adeptentum folgt daher unmittelbar auf den Belegblock zu Adept b.
6*
Hinweise zur Benutzung
Ist der Benutzer mit der Grundstruktur der Artikel und den einzelnen Informationspositionen einigermaßen vertraut, so dürfte ihm die Benutzung des DFWB keine besonderen Schwierigkeiten bereiten. Zudem wird das punktuelle Nachschlagen und erst recht die extensivere Lektüre über mehrere Artikel hinweg durch die Anwendung einiger lexikographischer Beschreibungstechniken wesentlich erleichtert: Die Artikel mit ihrem vielfältigen Datenangebot sind nicht im knappen Telegrammstil verfaßt, sondern um der besseren Lesbarkeit willen in der Regel ausformuliert. Mit Ausnahme der Verweispfeile (—»), die die Stichwörter in übergreifende (etymologische und semantische) Wortschatzbezüge einordnen, verzichtet das Fremdwörterbuch weitgehend auf Kommentarsymbole und Abkürzungen als spezifischen Mitteln der lexikographischen Beschreibungs- oder Kommentarsprache — im Unterschied zu den formal stark standardisierten Artikeln der allgemeinsprachlichen Gebrauchswörterbücher. Im Deutschen Fremdwörterbuch wird jede Artikelposition sprachlich explizit benannt und die jeweilige Art der Information expressis verbis eingeführt, und zwar u. a. mit folgenden Kommentarausdrücken: die etymologische Position mit „entlehnt aus", „zurückgehend auf" o.a.; die Bedeutungsangabe mit Formeln wie „in der Bed.", „im Sinne von", „für" oder auch „übertragen" und „bildlich verwendet im Sinne von" o.a.; die syntagmatische Position durch „in Wendungen wie" oder „z. B. in den Wendungen, Syntagmen, (festen) Verbindungen" o.a.; die Wortbildungsposition mit „dazu die...Ableitungen..." oder „vgl. auch die Zss. ..." o.a. Diese Kommentare sollen als Lesehilfen und artikelinterne Benutzungshinweise zugleich verstanden werden. Die Artikel erklären sich somit weitgehend aus sich selbst. Mit der sprachlich ausformulierten Einführung und Identifizierung der Artikelpositionen wird erreicht, daß ein einheitlicher lexikographischer Text entsteht, der trotz der fachlich-linguistischen Ausrichtung im Prinzip aller Informationsarten nur einen geringen Grad an fachlicher Textverdichtung aufweist. Zur Beschreibungsroutine des DFWB gehören einige Darstellungstechniken, die für den Typ des Fremdwörterbuchs spezifisch sind: 1. Die diachronisch zu treffende Differenzierung zwischen Wortentlehnung und Lehn-Wortbildung: Vgl. Position [4] als Beispiel für Wortentlehnung, vgl. Position [lOb] als Beispiel für Lehn-Wortbildung im Deutschen, also für eines der vielen Fremdwörter deutscher Herkunft. 2. Die ebenfalls unter diachronischen Gesichtspunkten von Fall zu Fall vorzunehmende Unterscheidung zwischen entlehnten und nicht-entlehnten Bedeutungen: Vgl. Position [7d] als Beispiel für eine aus der Vermittlersprache übernommene Bedeutung, vgl. Position [7g] als Beispiel für eine eigenständig innerhalb des Deutschen entwickelte Bedeutung. Feststellungen über das jeweilige Verhältnis von entlehnter und nichtentlehnter Bedeutung können meist schon über den Kontrast mit den jeweiligen etymologischen Bedeutungen bzw. Bedeutungsangaben getroffen werden. Jedenfalls ist nicht von vornherein anzunehmen, daß mit dem
Hinweise zur Benutzung
7""
Wort auch die oder alle Bedeutungen aus der Herkunftssprache übernommen werden. Wie von der Ausdrucksseite her (vgl. 1.) können Fremdwörter auch von ihrer Inhaltsseite her durchaus deutscher Herkunft sein. 3. Die synchron-gegenwartsbezogen zu treffende Zuordnung der Fremdwörter zur Struktur des heutigen Deutsch, und zwar vor allem unter stilistischen, semantischen, sprachsoziologischen Aspekten, womit die Geltung des jeweiligen Fremdworts in der gegenwärtigen Standardsprache aufgezeigt und bewertet werden soll. Diese Funktion wird u. a. auch von den Angaben zur onomasiologischen Vernetzung in der Position 'Semantische Relationen' sowie von den pragmatischstilistischen Kommentaren übernommen. Mit diesen Beschreibungstechniken will das Fremdwörterbuch ein Bild vermitteln von den ausdrucke- und inhaltsseitigen Herkunftsstrukturen des modernen deutschen Wortschatzes und den Blick öffnen für das Zusammenspiel von Einheimischem (Indigenem) und Fremdem sowie für das Zusammenwirken von Entlehnung und Lehn-Wortbildung beim Auf- und Ausbau von Fremdwortfamilien, das ein bedeutendes lexikalisches Charakteristikum des Deutschen darstellt.
Lexikographische Einführung 1.
Grundlagen und Prinzipien der Neubearbeitung
1.1. Ausgangslage und Rahmenbedingungen Die Neubearbeitung der Teile A—Q des Deutschen Fremdwörterbuchs (DFWB) folgt weitgehend den konzeptionellen Vorgaben des Begründers Hans Schulz (Band I: A-K, 1913), seines Nachfolgers Otto Basler (Band II: L-P, 1942; I.Lieferung zu Band III: Q, 1972) und adaptiert dabei — aus Gründen der Kontinuität und Homogenität des Werkes — die modernen lexikographischen Methoden und Prinzipien, die bereits für die Fertigstellung der Strecke R-Z (Band III-VI: 1977-83) richtungweisend waren. Damit hat die vierte und bislang letzte Phase in der langen, wechselvollen Geschichte dieses historischen Werkes begonnen. Die Neubearbeitung, deren ersten Band wir hier vorlegen, erstreckt sich zunächst auf die ältesten Teile des Fremdwörterbuchs, d. h. auf die von Schulz bzw. Basler selbst bearbeiteten, heute in mehr als einer Hinsicht veralteten Buchstaben A — K bzw. L—Q. Diese Alphabetstrecke soll — vor allem unter dem Gesichtspunkt der Aktualität und Qualität — auf den gleichen wissenschaftlichen Stand gebracht werden wie die am Institut für deutsche Sprache (IDS) bearbeiteten Restbuchstaben R—Z, mit dem Ziel, ein insgesamt komplettes und einheitliches Fremdwörterbuch mit ausgeprägter wort- und bedeutungsgeschichtlicher Komponente vorzulegen. Zentrale Aufgabe des DFWB bleibt es, den Kernbereich der geläufigen, in die deutsche Standardsprache der Gegenwart fest integrierten Fremdwörter und Fremdwortfamilien in ihrer historischen Entwicklung zu beschreiben und zu dokumentieren. Für eine Neubearbeitung der Alphabetstrecke A —Q sowie dafür, daß „hinter der aufgäbe .. das gelingen, hinter dem entwurf die ausführung" (Jacob Grimm) nicht allzu weit zurückbleiben möge, bestehen günstige Voraussetzungen: Die Neubearbeitung ist seit dem Jahre 1990 als wissenschaftliches Langzeitprojekt wesentlicher Bestandteil des Arbeitsplans des Instituts für deutsche Sprache. Seitdem wurde besonders an der Optimierung der sachlichen und konzeptionellen Rahmenbedingungen gearbeitet. Die personellen Voraussetzungen sind seit der Mitte des Jahres 1992 mit der Verstärkung der Arbeitsgruppe von 2 auf 5 Mitarbeiter/ innen weitgehend erfüllt. Auch für die Neubearbeitung bildet das Schulz/Baslersche Quellen- und Belegmaterial den Grundstock: Die Sammlung, die ca. 2 Mio. Belegzettel umfaßt, beruht in erster Linie auf einer systematischen Exzerption von mehr als 10 000 gedruckten Quellen, die sich auf den ganzen neuhochdeutschen Zeitraum von etwa 1450 bis 1970 und auf ein breit gefächertes Textsortenspektrum erstrecken. Dazu kommt die sehr große Zahl der zwischen 1920 und 1970 aus Zeitschriften und vor allem
Grundlagen und Prinzipien der Neubearbeitung
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Tageszeitungen gewonnenen Belege, die etwa ein Dreiviertel des Materials für das 20. Jh. ausmachen. Darüber hinaus wurde das gesamte Material Baslers (auch für die Buchstaben A—Q) systematisch erschlossen und feinsortiert. Das seit 1990 laufend ergänzte Quellenverzeichnis und besonders die systematischen Wortregister erleichtern die Weiterarbeit wesentlich. Für die notwendige Aktualisierung des Belegmaterials bis zur Gegenwart der 1990er Jahre stehen der Neubearbeitung außer den maschinenlesbaren Text- und besonders Zeitungscorpora des IDS (mit ca. 20 Mio. laufenden Wortformen) und den Belegen aus eigener, gezielter Nachexzerption auch externe Corpora und Belegsammlungen zur Verfügung, die im Bedarfsfall konsultiert werden können (vgl. zur Erweiterung des Quellen- und Belegmaterials unten Kap. 5.). Im Vorfeld der organisatorischen und planerischen Aktivitäten wurde im Herbst 1989 eine (Anfang 1991 noch einmal überarbeitete) ausführliche Expertise vorgelegt, in der der gesamte Wörterbuchplan und der konzeptionelle Rahmen der Neubearbeitung weitgehend verbindlich abgesteckt wurden. Die Expertise enthält eine detaillierte Bestandsaufnahme des zur Verfügung stehenden Quellen- und Belegmaterials mit Angaben zu seiner chronologischen, textsortenspezifischen und sachbereichsbezogenen Verteilung. Darüber hinaus werden in Form eines Überblicks über die Arbeitsverfahren und Prinzipien der Stichwortauswahl, der Lemmatisierung und des Artikelaufbaus die für die Neubearbeitung allgemein gültigen lexikographischen und redaktionellen Richtlinien, einschließlich der Konventionen der typographischen Auszeichnung sowie des Layouts, festgelegt. Es handelt sich im wesentlichen um Prinzipien, die während der Fertigstellung der Strecke R — Z entwickelt wurden und die auch für die Neubearbeitung verbindlich bleiben sollen. Bezogen auf die lexikographische Bearbeitungspraxis stellen diese Prinzipien einen geeigneten Struktur- und Orientierungsrahmen für die Neubearbeitung insgesamt wie für die Wörterbuchartikel im einzelnen dar. 1.2. Gründe für die Neubarbeitung Die Entscheidung für eine Neubearbeitung der Strecke A — Q ist vor allem mit der über 70jährigen Entstehungsgeschichte des DFWB und seinen unterschiedlichen Bearbeitungsphasen zu erklären: Das Fremdwörterbuch geht auf eine Anregung Friedrich Kluges zurück und war ursprünglich — mit ausdrücklicher Distanz zur Tradition und Praxis der „Verdeutschungswörterbücher" — als Ergänzung zum Grimmschen Wörterbuch konzipiert. Es ist diesem daher für den Bereich des Fremdworts durchaus zu vergleichen — ist es doch das einzige deutsche Fremdwörterbuch, das in dieser Ausführlichkeit deutsche Fremdwörter nicht nur hinsichtlich ihrer Bedeutungsgeschichte darstellt, sondern ihren Gebrauch auch aus unterschiedlichen Textsorten, einschließlich literarischen, dokumentiert. Hans Schulz, Bearbeiter des ersten, 1913 erschienenen Bandes (A —K), verstand sein Werk — im Unterschied zu den meist gegenwartsbezogenen Fremdwörterbüchern und puristischen VerdeutschungsWörterbüchern des 19. und frühen 20. Jhs. — als einen ersten Versuch, die innerdeutsche Geschichte der allgemein geläufigen Fremdwörter in verdichteter Darstellung historisch zu beschreiben: „Das .. Werk versucht eine lexikalische Behandlung der in die deutsche Sprache aufgenommenen Fremdwörter nach den Grundsätzen der historischen Wortforschung. .. Das Fremd-
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Wörterbuch behandelt die Fremdwörter im Rahmen der deutschen Sprachgeschichte" (Vorwort Band I). Seine Wortartikel enthalten knappe Informationen zu Form, Bedeutung, Gebrauch, zum Zeitpunkt des Aufkommens, zum geographischen Ausgangsgebiet und zum Sachbereich der alphabetisch angeordneten Lemmata sowie eine strenge Auswahl an Belegen und/oder Buchungen aus Wörterbüchern mit genauen Quellenangaben. Nach dem Tod von Schulz (1915) war das Werk vorübergehend verwaist. Erst im Jahre 1923 beginnt mit Otto Basler die zweite, über 50 Jahre dauernde Phase des Werkes. Er erweiterte unter grundsätzlicher Beibehaltung der ursprünglichen Konzeption einer historisch-entwicklungsbezogenen Wortbeschreibung nicht nur die Quellen- und Materialbasis beträchtlich, sondern auch die Zahl der (peripheren) Stichwörter, ihre lexikographische, insbesondere etymologische Beschreibung und vor allem die Dokumentation durch Belege. Auf das „jahrelange Sammeln" (Vorwort Band II) von Quellen und Belegen ist es vornehmlich zurückzuführen, daß er den zweiten Band (L—P) nur mit Mühe (1942) abschließen und erst 30 Jahre später noch eine Lieferung zu dem Buchstaben Q vorlegen konnte. Wenige Jahre vor seinem Tode (1975) übergab Basler dem IDS seine umfangreiche Belegsammlung und zahlreiche Arbeitsunterlagen in der Hoffnung, daß das IDS für die Weiterführung des Werkes Sorge tragen werde. In seiner dritten Phase wurde das DFWB mit dem restlichen Lexikonteil R — Z von einer Arbeitsgruppe des IDS in den Jahren 1974 bzw. 1977—83 (Band III—VI) dann endlich fertiggestellt; im Jahre 1988 erschien noch ein umfangreicher, von Alan Kirkness u. a. zusammengestellter Registerband (Band VII), der neben den Quellenverzeichnissen von Schulz und Basler und einem Nachwort vor allem fünf Wortregister enthält, die der weiteren Auswertung und systematischen Erschließung des DFWB (alphabetisch, rückläufig, chronologisch, nach Herkunft und Wortklassen) dienen sollen. Die Notwendigkeit einer Neubearbeitung der ersten beiden Bände (A—K und L—P bzw. Q) aber war im Grunde schon während und erst recht nach der Fertigstellung der Restbuchstaben R—Z sichtbar geworden: Denn jetzt trat die mangelnde Systematik und die Uneinheitlichkeit der ersten beiden Bände in aller Deutlichkeit hervor. Insbesondere ließen die auffällig veränderten Proportionen des Umfangs schon erkennen, daß die Fertigstellung zugleich eine Neubearbeitung war und das Werk in seinen Schlußbänden wesentliche Verbesserungen formaler und vor allem inhaltlicher Art erfahren hat. Hier seien nur folgende Aspekte hervorgehoben: Die Erweiterung der Belegsammlung, die Systematisierung der Stichwortauswahl und des Artikelaufbaus, die Vermehrung der Textbelege mit dem Ziel einer differenzierten Darstellung der Wort- und Bedeutungsgeschichte. Die starken Bearbeitungsunterschiede zwischen den beiden Anfangs- und den vier Schlußbänden lassen daher eine Neubearbeitung der Strecke A —Q gemäß dem qualitativen Standard von R —Z unbedingt wünschenswert, ja geradezu geboten erscheinen. In seinem derzeitigen heterogenen Zustand jedenfalls kann das Werk weder den allgemeineren Interessen oder spezielleren Fragebedürfnissen seiner Benutzer voll genügen noch modernen wissenschaftlichen Maßstäben Stand halten. Am augenfälligsten ist die Heterogenität der ersten Auflage in quantitativer Hinsicht: Etwa zwei Drittel der Alphabetstrecke (A—Q) machen nur ein Drittel des Werkes aus (Band I und II). Demgegenüber ist der proportional größere Umfang der
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Schlußbände III —VI, der nur einem Drittel der Alphabetstrecke (R —Z) gewidmet ist, sachlich begründet und durch eine Reihe formaler und inhaltlicher Neuerungen bei der praktischen Umsetzung des alten Konzepts und dessen Öffnung auf neuere wissenschaftliche Fragestellungen hin gerechtfertigt. Hier muß die Neubearbeitung bestrebt sein, durch ein ausgewogenes Verhältnis von prozentualem Anteil der Alphabetstrecke einerseits und der Anzahl der Bände andererseits dem Gesamtwerk ein in quantitativer Hinsicht homogenes Profil zu verleihen. Wird dabei der Umfang der Strecke R —Z zugrunde gelegt, müßten für A —Q bei gleichbleibender Publikationsform etwa acht Bände veranschlagt werden. Schwerwiegender sind die Unterschiede in der Aktualität: Nach dem Wörterbuchplan soll der geläufige Fremdwortschatz der Gegenwart das leitende Auswahlkriterium sein, wobei 'Gegenwart' in Relation zur jeweiligen Bearbeitungszeit zu definieren ist. Somit hat das DFWB wegen seiner drei verschiedenen Bearbeitungsphasen und der dadurch bedingten Verschiebung der „Gegenwarts"sprache mehrere 'Gegenwarte': Die Gegenwart von Band I (Monarchie, Zeit vor dem 1. Weltkrieg) ist eine andere als die von Band II (Epoche zwischen den beiden Weltkriegen) und beide gehören gemessen an der Gegenwart der Schlußbände III —VI (ca. 1950—1975), die sich mit der Gegenwart der Neubearbeitung (glücklicherweise) teilweise überlappt, schon wieder der jüngeren Vergangenheit an. Die zeitliche Heterogenität des Werkes manifestiert sich also in dem Nacheinander dreier, ein Dreivierteljahrhundert umspannender 'Gegenwarte'. In dieser langen Zeit ist vieles im deutschen Fremdwortschatz versunken und hinzugekommen. Dabei ist besonders zu bedenken, daß bei der für ein historisches Fremdwörterbuch unerläßlichen Auswahl, die erst die Aktualität des Stichwortbestandes verbürgt, auch die außerordentliche Fluktuation im Fremdwortbestand des Deutschen berücksichtigt werden muß. Man denke nur an den unverminderten Zustrom neuer Fremdwörter im Gefolge des immer enger werdenden kulturellen, politischen und wirtschaftlichen Kontakts mit anderen Völkern, der Zusammenarbeit über die Landesgrenzen hinweg und damit des zunehmenden internationalen Güter-, Ideen- und Sprachaustausches sowie im Gefolge der raschen Entwicklung von Wissenschaft, Kunst, Technik und im Bereich der Medien. Der Neubearbeitung fällt hier die schwierige Aufgabe zu, den Wortbestand der Strecke A —Q zeitgemäß zu revidieren, nach veraltetem, veraltendem und neuerem Wortgut zu sondieren und zu sortieren. Gemäß dem Prinzip der Gegenwartssprachlichkeit der Hauptstichwörter sind veraltete, d. h. in der zweiten Hälfte des 20. Jhs. nicht mehr geläufige Fremdwörter in der Regel aus dem Lemmabestand auszuschließen. Von diesem Ausschlußkriterium sind in Band I z. B. Fremdwörter betroffen wie ad notam, Affiche, Agio, Aktuar, al pari, antediluvianisch, appretieren, Äquilibrist, Äquinoktiallinie, Arrieregarde, Assiette, au fait, Avantageur, Aviatik, Avis. Nach dem gleichen Prinzip ist der Lemmabestand der Strecke A—Q etwa bis zur Gegenwart der 1990er Jahr mehr oder weniger grundlegend zu aktualisieren bzw. zu erweitern. Dies betrifft neben neueren, vor allem nach dem Z.Weltkrieg ins Deutsche entlehnten bzw. im Deutschen gebildeten Fremdwörtern auch solche Stichwörter, die in der Erstauflage nicht erfaßt wurden. So fehlen beispielsweise in Band I Wörter wie Adapt(at)ion, adaptieren, adäquat, Administration, Adoleszenz, Affinität, Aggression, Alchimie, Allianz, Amazone, Ambition, ambivalent, Aphorismus, Apokalypse, Apologie, apologetisch, arrangieren, Arrangement, Askese, assi-
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milieren, Assimilation, Assoziation, Aura usw. und in Band II vermißt man u. a. wichtige Wörter wie Phantasie, Politik, Prinzip, Produkt, Profit, Proletarier, Propaganda und Publikum. Dies betrifft aber insbesondere auch solche Stichwörter der Bände I und II, wo die lexikographische Darstellung der Wortgeschichten (scheinbar unmotiviert) häufig im frühen 20. Jh., oft auch schon im 19. Jh. oder zu einem noch früheren Zeitpunkt abrupt abbricht: So sind z. B. in Band I die Alliierten noch die 'Verbündeten' der Kriege des 17. und 18. Jhs., Aspecten (Plural!) sind nur 'Aussichten', obwohl die heute übliche Bedeutung 'Betrachtungsweise' bereits seit dem Ende des 18. Jhs. nachweisbar ist, Ambulanz ist noch das 'Feldlazarett', amortisieren hat nur die Bedeutung 'Schulden ratenweise tilgen', Amateur ist primär noch auf 'nicht berufsmäßige Photographen' eingeschränkt; neben etlichen anderen Stichwörtern bleiben der Applaus und das Atom semantisch unerläutert, das Automobil war noch jung und nur in dieser Langform üblich usw. Auch und gerade hier ist Aktualisierung dringend vonnöten, die neuere Entwicklungslinien an die Gegenwart heranholt und damit die abgebrochenen semantischen Lebensläufe vervollständigt. Bei der Aktualisierung des Lemmabestandes der Strecke A — Q wird sich die Neubearbeitung also nicht darauf beschränken dürfen, nur das in den Bänden I und II auf der lexikalischen Ebene Fehlende, also vor allem neuere oder bei Schulz bzw. Basler nicht erfaßte Fremdwörter, zu verzeichnen. Vielmehr versucht die Neubearbeitung bei der Auswahl ihrer Stichwörter vor allem auch wort- und bedeutungsgeschichtliche sowie stark wortbildungsbezogene Akzente zu setzen: Das besondere Augenmerk gilt daher — wie eben gesagt — neueren (in den Anfangsbänden nicht erfaßten) semantischen Entwicklungen, besonders den neuen Bedeutungen und metaphorischen Weiterentwicklungen. Darüber hinaus gilt es auch aktuellen Veränderungen im Bereich der Wortbildung, insbesondere den kompositioneilen Weiterbildungen von älteren, zu einem bestimmten historischen Zeitpunkt ins Deutsche aufgenommenen Fremdwörtern oder produktiv gewordenen Fremdwortstämmen und Fremdaffixen, vor allem den mit ihrer Hilfe konstituierten und in der Folge oft reichhaltig ausgebauten Fremdwortfamilien. Die hier angesprochene Wortbildungsproduktivität wird z. B. deutlich an der Entfaltung der besonders in der Reformationszeit thematisch wichtigen Wortfamilie von Sakrament: sakramental, sakramentalisch, sakramentarisch, sakramentlich, sakramentlos, Sakramenter, Sakramentierer, Sakramentist, Sakramentiererei, Sakramenten, sakramentieren, verSakramenten, Sakramentshäuschen, Sakramentstag, Sakramentsschwärmer, Sakramentslästerer, Taufsakrament, Bußsakrament, Sterbesakrament. So vermißt man z. B. in Band I von Schulz die (jeweils in Klammern stehenden) substantivischen, adjektivischen und verbalen Ableitungen bei Stichwörtern wie Archäologie (Archäologe, archäologisch), Archiv (Archivar, archivalisch, Archivalien, archivieren), Ästhetik (ästhetisch, Äthetiker, Ästhet, Ästhetizismus, ästhetizistisch, ästhetisieren], abstrakt (Abstraktion, Abstraktum), Allegorie (allegorisch, Allegoriker, Allegorist, allegorisieren, Allegorismus, Allegorese), animalisch (animal, animalisieren, Animalisation, Animalität, Animalismus) usw., in den Artikeln zu den Stichwörtern Artist und Asphalt fehlen (historisch) wichtige Zusammensetzungen wie Artistenfakultät bzw. Asphaltpresse, -literatur, produktive Präfixe wie Anti-/ anti- sind sparsam abgehandelt (auf 8 Zeilen, mit Antisemit als Sublemma !) und
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von den zahlreichen Kombinationen mit dem griech./lat. Wortbildungselement Aero-laero- ist nur Aeronaut verzeichnet. Hier interessieren also nun auch, was in den Bänden A —Q vernachlässigt wurde, Phänomene, die die Entfaltung des komplementären Systems der Lehnwortbildung im Deutschen betreffen. Diesen Entwicklungen, die in der deutschen Sprachgeschichte vielfach und vielfältig vorgeprägt sind, wird dadurch Rechnung getragen, daß der Neubearbeitung — wie schon der Fertigstellung von R —Z — insgesamt ein in seiner Extension erweiterter Fremdwortbegriff zugrunde gelegt wird (vgl. 2.1.). Gegenüber den Disproportionen des Umfangs und den zeitlichen Brüchen in der Bearbeitungspraxis bleiben in bezug auf den heterogenen Zustand des Werkes am bedenklichsten die Unterschiede in der Qualität der wissenschaftlichen Durchdringung und der Darstellungsform der Artikel. Die deutlichen Schwächen der ersten beiden Bände, an erster Stelle das Fehlen eines verbindlichen konzeptionellen Rahmens, die mangelnde Systematik der Makro- wie der MikroStruktur, können nur durch eine qualitative Angleichung an den mit den Schlußbänden III —VI erreichten wissenschaftlichen Standard behoben werden. Die eigens für die Buchstaben R — Z entwickelte Konzeption zeichnet sich vor allem durch folgende Aspekte aus: Die Differenziertheit der Fremdwortbeschreibung, die ausführliche Dokumentation der Bedeutungsentwicklung, besonders der Polysemie der Fremdwörter, die gründliche Bestimmung der Herkunfts- bzw. Vermittlersprachen, die fundierte Unterscheidung zwischen Entlehnung (ins Deutsche) und Lehnwortbildung (innerhalb des Deutschen) und deren Morphologie sowie die flexible und augenfällige Systematik der Artikel, wobei der Artikelkopf in weitgehend standardisierte Informationspositionen aufgegliedert und der Belegteil, jeweils der Gliederung des Kopfes entsprechend, übersichtlich strukturiert ist (vgl. 3.). Mit der Anwendung dieser Prinzipien auf die lexikographische Praxis haben die Schlußbände III —VI deutliche Maßstäbe gesetzt, die dem heutigen Stand germanistischer Wörterbucharbeit entsprechen und dem Anspruch eines wissenschaftlichen Dokumentationswörterbuchs gerecht zu werden vermögen: Hinsichtlich der Prinzipien der Bearbeitung können die Bände III —VI den Neubearbeitern daher als Vorbild dienen. Der hier vorgelegte erste Band der Neubearbeitung, der allein einer Teilstrecke des umfangreichen Buchstabens A gewidmet ist, mag dies bezeugen. Der beträchtliche Umfang dieses Bandes gründet auf der Einsicht der Bearbeiter, daß ein historisch konzipiertes Bedeutungs- und Belegwörterbuch wie das DFWB einen gewissen (großzügigen) Druckraum bei der Formulierung seiner semantischen Wortbiographien und bei der Dokumentation der differenzierten Wortgeschichten eben braucht. Damit stehen der Neubearbeitung für die praktische Umsetzung zwei grundsätzliche Bezugs- und Orientierungspunkte zur Verfügung: Einerseits ist durch die weitgehende Beibehaltung der Schulz/Baslerschen Grundkonzeption eines historischen Auswahlwörterbuchs der Fremdwörter im Deutschen ein allgemein gültiger Rahmen abgesteckt. Auch die Neubearbeitung nimmt ihren Ausgang in der Gegenwart und zeichnet die Bedeutungsgeschichte des fremdsprachlichen Wortschatzes entwicklungsbezogen, d. h. unter besonderer Berücksichtigung der wortgeschichtlich relevanten Anfangs- und Wendemarken, nach. Als historisches Bedeutungs- und Belegwörterbuch dokumentiert es corpus- und textgestützt, d. h. getragen von authentischen (bes. auch literarischen) Kontextbelegen, den Prozeß der fortschreitenden Integration der Fremdwörter und beschreibt
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ihren semantischen Wandel im neuhochdeutschen Zeitraum von etwa 1450 bis zur unmittelbaren Gegenwart. Andererseits fällt der Neubearbeitung die Aufgabe zu, besonders in mikrostruktureller Hinsicht möglichst nahtlos an den mit den Buchstaben R — Z erreichten Standard und die dabei entwickelten Bearbeitungsprinzipien anzuknüpfen. Dabei soll auch der Stand der hier einschlägigen Wissenschaftsdisziplinen (z. B. historische Fremdwortforschung, historische Semantik) in angemessener Weise reflektiert und deren Ergebnisse in die lexikographische Darstellung so weit wie möglich einbezogen werden. In der Anknüpfung an die Schlußbände liegt zugleich die Gewähr für die Kontinuität und Homogenität und nicht zuletzt für die Qualität des Gesamtwerkes. Auf die Praxis der Neubearbeitung bezogen heißt dies konkret: Die Auswahl der Stichwörter, der Lemmaansatz und vor allem der Aufbau der Artikel müssen weitgehend nach den in den Schlußbänden angewandten Prinzipien systematisiert und vereinheitlicht werden.
2. Zur Makrostruktur des Deutschen Fremdwörterbuchs 2.1. Zum Fremdwortbegriff Beschreibungsgegenstand des Fremdwörterbuchs ist der Fremdwortschatz im weitesten Sinn. Deshalb wird bei der Neubearbeitung hinsichtlich der Auswahl der Stichwörter nicht von der herkömmlichen Fremdwortdefinition ausgegangen. Nach dieser ist ein Fremdwort ein aus einer fremden Sprache übernommenes, in Schriftbild und/oder Lautung dem Deutschen nicht oder nur teilweise angeglichenes Wort. Als wesentliche Merkmale von Fremdwörtern gelten demnach zum einen die fremde Herkunft, zum anderen — im Unterschied zum traditionellen Lehnwort — der Mangel an formaler Assimilation. Dagegen wird der Stichwortaufnahme ein allgemeineres Fremdwortverständnis zugrunde gelegt, wie es sich etwa im Lemmabestand der gängigen Gebrauchsfremdwörterbücher und auch der modernen allgemeinsprachlichen Wörterbücher widerspiegelt. Demnach werden als Fremdwörter, und damit als Stichwortkandidaten, prinzipiell und primär Wortentlehnungen aus fremden Sprachen verzeichnet (vgl. 2.1.1.). Als Fremdwörter werden aber auch die sog. Lehnwortbildungen aufgefaßt, d. h. im Deutschen ganz oder teilweise mit Hilfe von entlehnten Wörtern/Wortstämmen und Affixen geprägte Wörter, die häufig keine Entsprechung, geschweige denn ein Vorbild in einer Fremdsprache haben; in älterer Terminologie wurden diese Lehnwortbildungen daher auch als „Teil- und Scheinentlehnungen" bezeichnet (vgl. 2.1.3.). Hierzu zählen auch Fremdwörter, die durch Polygenese auf übereinzelsprachlicher Grundlage entstanden sind (wie z. B. die zahllosen Bildungen mit dem Suffix -ismus). Sie finden sich wegen der starken Verbreitung vieler lateinischer oder griechischer Wortstämme und Affixe als produktiver Wortbildungsmittel im Deutschen ebenso wie in den anderen westeuropäischen Kultursprachen. Es sind vor allem die Internationalismen der Wissenschafts- und Fachsprachen sowie der Bildungssprache. Auf der Grundlage des erweiterten Fremdwortbegriffs wird damit nicht nur eine fundierte Unterscheidung zwischen Entlehnungen und Lehnwortbildungen als
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den beiden etymologisch begründeten Hauptkategorien deutscher Fremdwörter möglich, sondern auch eine differenzierte Beschreibung ihres Zusammenwirkens beim Ausbau von Fremdwortfamilien. Die Zuordnung zu einer dieser Fremdwortkategorien stützt sich vorwiegend auf den diachron-historischen Vergleich mit anderen europäischen Sprachen einschließlich des Neu- bzw. Gelehrtenlateins und Mittellateins, die als Herkunfts-, Vermittler- oder Vergleichssprachen in Frage kommen; sie stützt sich auch auf historische Kenntnisse über den Verlauf und Grad der Integration des betreffenden Wortbildungsmusters im Deutschen. 2.1.1. Wort- oder Bezeichnungsentlehnungen Dazu gehören lexikalische (nicht immer auch semantische) Übernahmen aus mindestens einer fremden Sprache: Aus anderen Sprachen in Geschichte und Gegenwart entlehnte Wörter waren und sind das Ergebnis des interkulturellen Kontaktes und des damit verbundenen Austausches von Kenntnissen und Erfahrungen. Sie sind die Folge der engeren oder nur losen kulturellen, politischen, wirtschaftlichen, militärischen und menschlichen Beziehungen, die sich zwischen zwei oder mehreren Völkern entwickelten. Mit der Übernahme von bisher unbekannten Gegenständen, Sachverhalten usw. und der Aneignung von neuen Lebensformen, Verhaltens- und Denkweisen, von neuen Techniken und Organisationsformen wurde mit der Sache meist auch das entsprechende Wort dafür übernommen, wenn nicht indigene Wörter, denen man einen neuen Sinngehalt zuschreiben konnte, sich dafür anboten. Wörter werden also in der Regel aus anderen Sprachen entlehnt, wenn ein Benennungsbedürfnis zu befriedigen bzw. eine Bezeichnungslücke im lexikalischen System der Sprache zu beheben ist, um für eine neue Sache einen adäquaten Ausdruck zur Verfügung zu haben. Oft sind diese Übernahmen allein durch die geistige Vormachtstellung oder die kulturelle Fortgeschrittenheit eines anderen Landes oder Kulturkreises bedingt, die vor allem in der Rezeption von literarischem Schrifttum und künstlerischen oder wissenschaftlichen Errungenschaften ihren Niederschlag finden. Viele dieser lexikalischen Anleihen konnten sich im Laufe der Sprachgeschichte als überflüssig erweisen und wieder verschwinden, so wie ja auch indigenes Wortgut im Wandel von Kultur und Geschichte untergegangen ist. Ebenso viele aber haben sich in der Sprache eingebürgert und bis heute gehalten. Nicht wenige von ihnen werden sogar bevorzugt benutzt, wenn sie — nach Einschätzung der Sprachgemeinschaft — einen Sachverhalt treffender und präziser benennen oder eine größere Ausdrucksschärfe besitzen als die entsprechenden indigenen Entsprechungen (Äquivalente). Zudem lassen sich viele Fremdwörter, vor allem Fachwörter, gar nicht oder nur schwer durch ein einziges deutsches Wort ersetzen und müßten umständlich umschrieben werden (z. B. Aggregat, Apperzeption, Archaismus, Automat, Elektrizität, Politik). Zu denken ist hier auch an Fremdwörter wie sozial, Soziologie, Sozialismus, Kommunismus, kommunal, Partei, Zirkel, Club, Team, Party: Man kann sich leicht vorstellen, was wir, würden wir sie nicht besitzen, mit unseren indigenen Wörtern Geschlecht ('Familie', 'Dynastie', 'Generation', 'Spezies', 'Genus', 'Sexus'), Verein, Gruppe, Gemeinschaft, Gemeinde in semantischer und wortbildungsmäßiger Hinsicht alles anstellen müßten! Umständliche Ableitungen und mehrglie-
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drige Zusammensetzungen wären die Folge, die alten Wortstämme würden dadurch und durch übertragenen Gebrauch mit immer neuen Bedeutungen bzw. Polysemien hoffnungslos überlastet. Keine moderne Kultursprache, also auch das Deutsche, kann sich daher bei der Weiterentwicklung ihres Wortschatzes mit dem traditionellen Vorrat an indigenen Grundwortstämmen begnügen. Bezeichnungslücken und -notstände sind wie die kulturellen Kontakte zwischen den Völkern bzw. Sprachgemeinschaften historisch bedingt. Zu jeweils unterschiedlichen historischen Epochen sind Bezeichnungslücken in jeweils unterschiedlichen kulturgeschichtlichen Bereichen zu schließen. Die Entlehnung von fremden Wörtern vollzieht sich auf der Folie historischer Ereignisse. Fremdwörter dokumentieren damit auch Kultur- und Sachgeschichte, sie sind Zeugnisse für den engen Zusammenhang zwischen Geistes-, Kultur-, Sozialgeschichte einerseits und Sprachgeschichte andererseits. Dies ist besonders augenfällig dann, wenn innerhalb eines bestimmten historischen Zeitraums ganze Gruppen oder Felder fremder Wörter aus einer anderen Sprache übernommen werden, oder auch dann, wenn solche sprachlichen Anleihen aus bestimmten Herkunftssprachen (besonders dem Lateinischen, Französischen) sich in mehreren Schüben über verschiedene Zeiträume hinweg vollziehen, ein Vorgang übrigens, der bis in unsere unmittelbare Gegenwart zu verfolgen ist. Nachfolgend werden in einem diachronen Längsschnitt durch die deutsche Sprachgeschichte exemplarisch Gruppen von Fremdwörtern mit ihren jeweiligen Herkunftssprachen aufgeführt, die für bestimmte historische Epochen und kulturgeschichtliche Bereiche charakteristisch sind. Dabei sind die Entlehnungen der Gruppen (a) und (b) in keinem Fall, und die von Gruppe (c) nur bedingt — vor allem auf Grund ihres Alters und ihres „Lehnwort"charakters — Stichwortkandidaten für das DFWB. (a) Den engen kulturellen Kontakt zwischen Römern und Germanen im Zeitraum vom 1. bis ins 5. Jahrhundert nach Christi dokumentieren Entlehnungen aus dem Römisch-Lateinischen, die verschiedenen Lebensbereichen entstammen wie Militär: Pfeil, Straße, Wall, Meile Recht/Verwaltung: Kaiser, Zöllner, Kerker, Pacht, Pfand Handel: Kaufmann, Pfund, Münze, Kelch Architektur: Ziegel, Mauer, Söller, Fenster, Pforte Landwirtschaft: Frucht, Wanne, Pferd, Käse, Käfig Handwerk/häusliches Leben: Mühle, Fackel, Kerze, Spiegel, Eimer, Kessel, Tisch, Küche, kochen, Löffel Diese Entlehnungen („Lehnwörter") sind längst eindeutscht und werden nicht mehr als Fremdwörter empfunden. (b) Mit der Christianisierung seit althochdeutscher Zeit dringen vor allem Entlehnungen aus dem Kirchenlatein bzw. Mittellatein ins Deutsche Mönch, Dechant, Pfründe, Almosen, Opfer, opfern und aus dem Griechischen (z. T. über das Lateinische vermittelt): Ketzer, Kirche, Papst, Pfaffe, Pfarrer, Pfingsten, Teufel, Engel, Christ, Samstag, taufen, Bischof, Apostel Auch Wörter des weltlichen Bereichs gehören hierher: Arzt, Balsam, Fieber, Pflaster
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(c) Insbesondere mit der Klosterkultur werden bis ins hohe Mittelalter weitere Entlehnungen aus dem Lateinischen bzw. Griechisch-Lateinischen und Mittellateinischen aufgenommen: Abt, Dom, Sakristei, Chor, Münster, Messe, Priester, Mette, Vesper, Kreuz, Psalter, Satan, Sakrament, Kloster, Klause, Orden, Zelle, Kruzifix, Kanzel, Orgel, Legende, Text, Patron, Pilger, keusch Im gleichen Zeitraum dokumentieren zahlreiche fachsprachliche Entlehnungen den Einfluß des Lateinischen auf das Bildungswesen und verschiedene andere Bereiche: Brief, dichten, Griffel, Kapitel, Laie, Latein, Linie, Meister, Pergament, schreiben, Schrift, Siegel, Schule, Tinte, Zettel, Vers Andere Bereiche: Butter, Muschel, Mörser Turm, Portal, Mörtel, Quader, Erker, Zement Kutte, Mantel, Pelz, Teppich, Seide Rente, Kanzlei, Vogt, Titel, Glosse, Bulle, regieren, Regiment (d) Für die Entwicklung des kulturellen Lebens, insbesondere für die mittelalterliche (Kirchen-)Musik, ist ebenfalls der Einfluß des Lateinischen dominierend: Melodie, Harmonie, Dissonanz, Resonanz, Note, Pause, Oktave, Quarte, Quinte, Takt, Tenor, Terz, komponieren, intonieren, Symphonie (griech./lat.) (Vorherrschend für die Fachsprache der Musik ist jedoch das Italienische, vgl. weiter unten). (e) Die Entfaltung der Wissenschaften im Spätmittelalter, bes. in Renaissance und Humanismus (14.-16. Jh.), reflektieren vor allem Entlehnungen aus dem Mittellateinischen bzw. Gelehrtenlatein (z. T. vom Griechischen her oder über Vermittlung des Altfranzösischen): Theologie/Philosophie: Theologie, Philosoph(ie), definieren, Definition, Logik, Disputation, disputieren, Glosse, Traktat, Text, Materie, Metaphysik, Antinomie, Apologie Rechtswesen: Advokat, Akte, Amnestie, appellieren, Argument, argumentieren, Arrest, Artikel, Faktum, Formel, Injurien, Justiz, Kaution, konfiszieren, legal, protestieren, Prozeß, Termin, Testament Politik/Verwaltung: Audienz, Deputation, Insignien, Konspiration, Legation, Monarch, Polizei, Potentat, Regent, Repressalien, Residenz, Tumult Bildung: absolvieren, Auditorium, Aula, Collegium, Dekan, Disziplin, Examen, Fakultät, immatrikulieren, Katheder, Kommilitone, Pensum, promovieren, religieren, Thema Dichtung: Dialog, fabulieren, Fragment, Kapitel, komisch, Komödie, Literatur, Mäzen, Poeterey, Tragödie Publizistik: Autor, Edition, Exemplar, Faksimile, Format, Kolumne, Korrektur, Makulatur, Orthographie, publizieren Alchimie: destillieren, fixieren, sublimieren, sterilisieren, experimentieren, Alkohol, Äther, Alchimie, Elixier, Essenz, Quintessenz, Extrakt, Element, Filter, Mixtur, Substanz, Tinktur, Ventil, hermetisch, aromatisch Medizin (vor allem Paracelsus): Abstinenz, Anatomie, Apotheke, Arterie, Chirurg, Diät, Pathologie, Embryo, Kolik, kurieren, Medizin, Medikament, Pestilenz, Pille, Puls, Pulver, Rezept, Epidemie, Infektion, narkotisch, Nerv, Pore
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Mathematik: Mathematik, addieren, dividieren, multiplizieren, subtrahieren, Exempel, Geometrie, Quadrat, Subtraktion, Zentrum, Zirkel, Differenz, Produkt, Proportion, Quotient, Summe, qualifizieren Astronomie/Geographie: Astronom(ie), Astrolog(ie), Aspekt, Firmament, Konstellation, Komet, Planet, Orient, Okzident Humanistisches Denken, insbesondere das Streben nach Erneuerung der klassischen Bildung, die Rezeption antiker Kulturgüter bezeugen Entlehnungen vor allem aus den klassischen Sprachen: Akademie, Bibliothek, Gymnasium, Pädagoge, Humanist, Humanität, Humaniora, Kollege, Universität, Professor, Pensum, Autor, Charakter, Familie, Konfession, Individuum, Psychologie, Tyrann, Tyrannei, tyrannisch, diskutieren, definieren, deklamieren, diktieren, dozieren, exemplifizieren, extemporieren, memorieren, präparieren, traktieren (f) Seit dem 15.716. Jahrhundert spiegelt sich die dominierende Rolle Italiens (zunächst besonders Venedigs) im Handelswesen und Kaufmännischen in Entlehnungen wie Avis, Bank, Bankerott, Bilanz, brutto, Debet, dito, Diskont, Faktor, Kassier, Kommission, Kredit, Konto, Journal, netto, Porto, Posten, Magazin, Million, Provision, Prozent, Risiko, Skonto, sortieren, Ultimo, Valuta (g) Ebenfalls dem Italienischen verdankt das Deutsche die bis heute gebräuchlichen Fachwörter aus dem Bereich der Musik, die seit etwa 1600, besonders aber im 17./ 18. Jahrhundert übernommen werden: accelerando, allegro, adagio, Allegro, Adagio, andante, Andante, Andantino, Arie, Bariton, Bratsche, Cello, Instrument, crescendo, decrescendo, Duett, Finale, forte, Fuge, Kapelle, Konservatorium, Konzert, Oper, Operette, Motette, Mandoline, Violine, Sonate, Sopran, Serenade, Spinett, Tarantella, Tremolo, vibrato, vivace, unisono, piano (h) Im 17. Jahrhundert, besonders während und nach dem Dreißigjährigen Krieg, geht ein starker Einfluß auf den Bereich des Heerwesens und auf die Soldatensprache sowohl vom Italienischen als auch vom Französischen (gelegentlich auch vom Spanischen) aus: Alarm, Armee, Armatur, Appell, Arsenal, Artillerie, Bajonett, Bataille, Brigade, Bandit, Defensive, defilieren, desertieren, Dragoner, Embargo, Eskalade, Etappe, Fiasko, Finte, Flottille, Guerilla, Junta, Liga, Galeere, Geschwader, Galopp, Garde, Grenadier, Kompanie, Kanone, Kasematte, Kasino, krepieren, Leutnant, Marketender, Major, Offizier, Parade, Pardon, Proviant, Patrone, Partisane, Rakete, Sergeant, Soldat, Spion, Stafette, Terzerol, Train, Avantgarde, Batterie, Taktik, Attacke, rekrutieren, postieren, Einquartierung, Revue (i) Eher peripher sind die Entlehnungen aus dem Spanischen und Portugiesischen (seit dem 16./17. Jh.): Adjutant, Armada, Eldorado, Galan, Gitarre, Infanterie, Kakao, Kannibale, Liga, Infant, Mestize, Mulatte, Pilot, Romanze, Sarabande, Siesta, Silo, Tabak, Tomate, Zigarette, Zigarre; Autodafe (port.), Fetisch (port.), Palaver (port.), Marmelade (port.)
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aus dem Arabischen (schon seit dem 14./15. Jh., gelegentlich vermittelt durch das Griechische, Italienische, Spanische): Admiral, Alchimie, Algebra, Alkohol, Alkoven, Atlas, Droge, Elixier, Fakir, Harem, Havarie, Islam, Kaffee, Kaliber, Kalif, Karaffe, massieren, Moschee, Mumie, Mokka, Razzia, Safari, Scheich, Sofa, Talisman, Tarif, Tasse, Zenit, Ziffer oder aus dem Slawischen bzw. Russischen: Apparatschik, Bolschewik, Dolch, Droschke, Haubitze, Jauche, Kolchose, Peitsche, Pogrom, Pope, Robot, Steppe, Zar, Tornister, Vampir und aus einigen anderen Sprachgemeinschaften bzw. Kulturkreisen. (k) Ganz vom Einfluß der französischen Kultur geprägt ist die sog. Alamode-Zeit, die kulturgeschichtlich in das 17. und teilweise noch das 18. Jahrhundert einzuordnen ist. Die Entlehnungen entstammen den verschiedensten (hier nur in Auswahl präsentierten) Lebensbereichen: Gesellschaft: Galan, Kavalier, Pläsier, Dame, Demoiselle, Mätresse, Kompliment, brav, nett, nobel Verwandtschaftsnamen: Mama, Papa, Onkel, Tante, Cousin(e) Wohnkultur: Balkon, Terrasse, Nische, Loge, Fassade, Galerie, Korridor, Etage, Kabinett, Garderobe, Hotel, Palais, Möbel, Schatulle, Büfett, Tasse, Karaffe, Gardine, Allee, Boskett, Fontaine, Bassin, Rabatte, Spalier Kleidung/Äußeres: Agraffe, Frisur, Toupet, Mode, Kostüm, Robe, Korsett, Puder, Pomade, Taille, garnieren, Teint Essen/Trinken: Delikatesse, Frikassee, Ragout, Kotelette, Serviette, Service, Omelette, marinieren, tranchieren, servieren, kandieren, Poularde, Biskuit, Bouillon, Gelee, Kompott, Konfitüre, Marmelade, Torte, Limonade Lebensart/Unterhaltung: Ballett, Ball, Menuett, Quadrille, Maske, Maskerade, Redoute, Karussell, Promenade, Kavalkade, Parforcejagd, Hasard, Solo, Billard, Scharade, amüsieren Handwerk/Kunst: Brokat, Gobelin, Karton, Barock, Rokoko, Kolorit, Skizze, Profil, Kontur, Porträt, Palette, Statue, Porzellan, Facette, Plüsch, Tapezierer, lackieren, gravieren, ziselieren (1) Das 18. Jahrhundert ist hinsichtlich seines Fremdwortschatzes u. a. geprägt durch aufklärerisches Denken, das sich vorwiegend in Entlehnungen aus dem Französischen spiegelt: Diskussion, systematisch, methodisch, theoretisieren, kritisch, Hypothese, abstrakt, konkret, klassifizieren, Essay, Emanzipation, Toleranz, Esprit, Grazie, Ideal, ideal, Idee, Idealist, Kritik, kritisch, Kultur, moralisch, Publikum, Symbolik, Transzendenz Hier finden sich auch Ausdrücke des engeren kulturellen und künstlerischen-literarischen Bereichs wie Ballade, Epos, Elegie, Idylle, Hymne Genre, Gemme, Antike, Dilettant, Dramaturgie, Akteur, Atelier, Regie, Regisseur, Kulisse, Nationaltheater, Statist, Stil(ist), soufflieren Entlehnungen aus dem Französischen dominieren auch im Umfeld der französischen Revolution, besonders im politisch-sozialen Wortschatzbereich: Aristokrat, Debatte, Despot, fraternisieren, Emigration, Bourgeoisie, Chauvinismus, Feudalismus, Kommune, Nation, Solidarität, Revolution, revolutionär, liberal, Re-
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aktion, Royalist, Propaganda, Initiative, Guillotine, Bürokratie, Agitator, Anarchist, Komitee, Demokrat, Konstitution, Koalition, Organisation (m) Im Vergleich zum Französischen oder Italienischen finden Wörter aus dem Englischen relativ spät Eingang ins Deutsche. Die Einwirkung des Englischen wurde erst im Laufe des 19. Jhs. zu einer bis heute andauernden auffälligen Erscheinung. Sie begann aber — wenn man von hanseatisch-spätmittelalterlichen Entlehnungen der Schiffahrt und einiger anderer Bereiche wie Boot, Lotse, Dock, Kabine, Toback usw. absieht — auf literarischer Ebene schon im 17. Jh. mit Entlehnungen wie Adresse, Akte, Debatte, Parlament, nonkonformistisch, Protektor. Seit dem 18. Jh. finden sich Entlehnungen vor allem auf folgenden Sachgebieten: Schöngeistig-Literarisches: ätherisch, Robinsonade, Egotismus, Originalität, sentimental, Sentimentalist, sentimentalisieren, Sentimentalität, Humor, Humorist, humoristisch, Nonsense, Pandämonium, Sensorium, Charakteristik, Travestie Philosophie: Deist, Deismus, Pantheist, Virtuose, Dämonismus, Materialist, Materialismus, Rationalist, Dualist, utopisch Politik: Agitator, Legislatur, Jury, Koalition, Nationalcharakter, Kolonisation, Kolonist, Kongreß, Korporation, Majorität, Minorität, Mob, Parlamentarier, parlamentarisch, Demonstration, radikal, lynchen, Streik, streiken, Imperialismus Naturwissenschaften/Technik: Zentrifugalkraft, Zentripetalkraft, Spektrum, Zirkulation, Barometer, Konduktor, negativ, positiv, Ventilator, Zelle, Patent Industrie/Handel: Budget, Export, exportieren, fundieren, Import, Note, Kartell, Trust, Partner, Standard, Merkantilsystem Verkehrswesen: Lokomotive, Viadukt, Tunnel, Waggon, Expreß Pressewesen: Faksimile, Intelligenzblatt, Magazin, Review, Leitartikel, Essay, Reporter, Interview Gesellschaft: Baby, Gentleman, Snob, Selfmademan, Dandy, allright, Smoking, tiptop, Club, fair, Beefsteak, Toast, Pudding, Whisky, Sherry, Sport, Tennis, Hockey, Picknick, Flirt, Spleen, Komfort, komfortabel, Manager, Meeting, Tourist Im 20. Jh. nimmt die Übernahme von Anglizismen bzw. Amerikanismen in die verschiedensten Sach- und Lebensbereiche bis heute weiterhin ständig zu: Film, Beststeller, Bluff, Jazz, Song, Foxtrott, Pullover, Tennager, Make-up, MusicBox, Bikini, Sex, Striptease, Callgirl, Playboy, Rocker, Backgrund, Comeback, Clinch, Clique, Establishment, Fan, Feature, Feedback, Festival, Folklore, Handikap, Happening, Hearing, Designer, Understatement, Thriller, Training, Trend, tricksen, Tip, tippen, Radar, Laser, Computer, Kybernetik, Input, Output, Test, Paper, Pattern, Sample, Banker, Model. (n) Von den hier genannten Herkunfts- bzw. Vermittlersprachen, die den deutschen Wortschatz bzw. unterschiedliche kulturgeschichtliche Bereiche seit Jahrhunderten kontinuierlich oder in periodischen Schüben mit sprachlichen Ausdrucksmitteln bereichern, haben sich bis heute neben dem Französischen und Englischen vor allem die alten klassischen Sprachen bewährt. Dies zeigt sich weniger an neueren Entlehnungen aus diesen als vielmehr im Rückgriff auf und am produktiven Umgang mit lateinischen oder griechischen Wortstämmen und Wortbildungsmitteln bei der Bildung neuer deutscher (Fach-)Wörter, bes. in den Bereichen Naturwissenschaft, Technik und Medizin, z. B. Allergie, Autismus, Schizophrenie,
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2.1.2. Rückwanderer Zu den Fremdwörtern gehören auch die sog. Rückwanderer oder Rückentlehnungen: Das sind Wörter, die in germanischer oder althochdeutscher/mittelhochdeutscher Zeit in die Nachbarsprachen oder ins Latein entlehnt und später, meist in fremdem Gewand, wieder ins Deutsche rückentlehnt wurden: Agraffe, Fauteuil, Baron, Biwak, Boulevard, Dollar, Emaille, Equipage, Etappe, Gage, Garant, Loge, Lotto, Pedell, Robe, Salon, Spion, Stafette, Waggon, blockieren, brünett, garnieren. 2.1.3. Lehn-Wortbildungen Zu den neoklassischen Kombinationen oder Lehnwortbildungen, also zu den Fremdwörtern indigener (deutscher) Herkunft, gehören u. a. folgende Klassen von z. T. hybriden Kombinationen: (a) Abgeleitete Kombinationen mit entlehntem Lexem als Basis und indigenem Affix (Suffix, Präfix): Absolutheit, Borniertheit, Demagogentum, Naivling, Regulierung, Raffiniertheit, risikoreich, temperamentvoll Mißkredit, Vorabsolutismus, durchorganisieren, abreagieren, verabsolutieren, verakkordieren, aufoktroyieren, austricksen, überstilisiert, übersensibel (b) Abgeleitete Kombinationen mit indigenem Lexem(stamm) als Basis und entlehntem Affix (Präfix, Suffix ): Antiheld, Antikörper, Antikunst, Exkönig, Exgattin, Extrablatt, Metasprache, prowestlich, neobraun, hyperklug, superfein Bummelant, Schwulität, Stellage, Futteral, Luftikus, Pfiffikus, Spielothek, Lappalie, gastieren, stolzieren, hausieren, buchstabieren, burschikos (c) Abgeleitete Kombinationen mit entlehntem Lexem(stamm) als Basis und entlehntem Affix (Suffix, Präfix): Akteuse, Blamage, Rasanz, rentabel, Materialismus, Raffinesse, Insektizid reorganisieren, transdisziplinär, interdisziplinär, intergruppal, Antistar, Mega-Star, Telekommunikation, atonal, Exjesuit, intervalutarisch (d) Abgeleitete Kombinationen mit (fremdem) Eigennamen als Basis und entlehntem (vgl. b) bzw. indigenem (vgl. a) Suffix: Marxismus, Platonismus, Draisine, kafkaesk, Donquichotterie adamisch, adonisch, platonisch, salomonisch (e) Zusammengesetzte Kombinationen mit entlehntem Lexem als Bestimmungswort und indigenem Lexem als Grundwort: Adaptionsvermögen, Advokateneid, Aktenkrämer, Kontaktmann, Reaktionszeit, Veloursleder (f) Zusammengesetzte Kombinationen mit indigenem Lexem als Bestimmungswort und entlehntem Lexem als Grundwort: Bühnenadaption, Geigenadagio, Jugendkriminalität, Rechtsradikalismus, Dirndllook, marktadäquat
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Lexikographische Einführung
(g) Zusammengesetzte Kombinationen mit entlehntem Lexem als Bestimmungswort und entlehntem Lexem als Grundwort, die im Deutschen (ohne nachweisliches Vorbild in einer fremden Sprache) gebildet sind: Einerseits mit Bestandteilen, die im Deutschen als Simplicia disponibel sind: Adaptionssyndrom, Abnormitätenkabinett, Parteiprogramm, Reaktionsmechanismus, medienadäquat Andererseits mit Bestandteilen, die im Deutschen nur z. T. als Simplicia oder nicht disponibel sind: Showman, Dressman, Oldtimer (h) Zusammengesetzte Kombinationen mit fremdem Eigennamen als Bestimmungswort und indigenem Lexem als Grundwort: Achillesferse, Argusaugen, argusäugig, Ariadnefaden, Augiasstall, Hiobsbotschaft, janusköpfig, Pyrrhussieg, Danaergeschenk, Sisyphusarbeit (i) Neoklassisch zusammengesetzte Kombinationen aus z. T. oder sämtlich aus dem Griechischen oder Lateinischen entlehnten Komponenten, von denen mindestens eine die Eigenschaft aufweist, daß sie (initial oder terminal) nur gebunden, andererseits aber auch wie ein Lexem als Basis von Ableitungen vorkommt; diese Kombinationen werden häufig mit Fugenvokal (o oder i) gebildet und haben kein nachweisliches Vorbild in einer Fremdsprache: Allergie, Asomnie, Neologie, Biotik, chromogen, thermisch, Diathermie, autark, Audion, Phonothek, Megaphon .. Autosuggestion, Abbreviologie, Anomaloskop, Politologie, Allergologie, Jazzophilie, Logorhythmus, Thermohose, Phonowagen .. Phonogramm, Grammophon, Aeronaut, Astronaut, Graphologie, Biologie .. Hier ist anzumerken, daß diese Klassifikation für die einzelnen Kombinationsklassen im DFWB bestimmte mikro- und makrostrukturelle Auswirkungen hat, nicht nur in bezug auf die Terminologie, die Anordnung, Reihenfolge, Beschreibungstiefe und den Umfang ihrer Präsentation, sondern vor allem auch auf ihre Behandlung im Belegteil sowie auf ihre Berücksichtigung als Hauptlemma: Die Kombinationen der Klassen (a) und (b), (d) bis (h) werden in der Regel im Artikelkopf als Sublemmata behandelt und im Belegteil beim Hauptlemma, bzw. bei der jeweiligen Bedeutung des Hauptlemmas, belegt. Die Kombinationen der Klasse (h) sind in der Regel Hauptlemmata, die eo ipso eigens belegt werden. Die Vertreter der Klassen (c) und vor allem (i) sind potentiell Hauptlemmata, großenteils jedoch Sublemmata, die aufgrund ihrer (von den Ableitungen im herkömmlichen Sinne abweichenden) Wortbildungsspezifik und des besonderen Verhältnisses ihrer einzelnen Komponenten zueinander im Belegteil jeweils eigens belegt werden. Diese Kombinationen können Fremdwörter aus den klassischen Sprachen sein (z. B. Philosophie, Kakophonie, Autonomie, Antinomie). In den meisten Fällen handelt es sich aber um gelehrtenlateinische Bildungen und Neuprägungen — das sind Internationalismen der Wissenschafts- und Fachsprachen, deren Status als Entlehnung aus einer modernen europäischen Sprache, insbesondere dem Englischen und Französischen, oder als deutsches Lehnwortbildungsprodukt (mit Entsprechungen, Parallelbildungen in den anderen Sprachen) nicht in allen Fällen festzustellen ist. Man vergleiche nur die zahlreichen (fachlichen) Bildungen mit den initialen Elementen Aero-/aero- oder Audio-/audio-.
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Charakteristisch für die Musterverankerung im Deutschen ist jedenfalls das reihenweise Auftreten von Neubildungen, Okkasionalismen mit selbständigen, häufig auch indigenen Lexikoneinheiten, die ab einem bestimmten Zeitpunkt im Deutschen einsetzen. 2.2. Zur Stichwortauswahl Unter Anknüpfung an die Schulz/Baslersche Grundkonzeption eines historisch-diachronen Auswahlwörterbuchs werden auch in der Neubearbeitung in erster Linie allgemein geläufige bzw. integrierte Fremdwörter der gegenwärtigen deutschen (geschriebenen) Standard- bzw. Gemeinsprache erfaßt und in ihrer historischen Entwicklung bis zur Gegenwart beschrieben, wobei der Gegenwartsbegriff als Zeitraum von ca. 1950 bis zur Bearbeitungsgegenwart relativ weit gefaßt werden soll. Als selektives historisches Fremdwörterbuch ist auch die Neubearbeitung auf weitgehend verbindliche Kriterien bei der systematischen Auswahl der Stichwörter angewiesen — im Unterschied etwa zu den gängigen Gebrauchswörterbüchern, die in kurzen Abständen aufgelegt werden und daher den jeweils jüngsten Stand des Fremdwortschatzes einschließlich peripherer Wortschatzbereiche erschöpfend erfassen. Außer den für Fremdwörter prinzipiell geltenden Kriterien, aus einer fremden Sprache entlehnt bzw. im Deutschen ganz oder teilweise mit entlehnten Mitteln gebildet zu sein (vgl. 2.1.), gilt für die Erfassung der Stichwörter folgende allgemeine Bedingung: Die im DFWB behandelten Stichwörter weisen eine relativ häufige und breitgestreute Belegung im Basismaterial auf, dessen Grundstock die Schulz/Baslersche Belegsammlung bildet. Diese muß jedoch in bestimmten Fällen durch gezielte Teilexzerptionen und Übernahmen aus externen Corpora, aus Sekundärquellen und Wortmonographien ergänzt werden (vgl. unten Kap. 5.). Bevorzugt aufgenommen werden in Geschichte und Gegenwart gleichermaßen bezeugte Fremdwörter: Solche Wörter haben eine über einen kürzeren oder längeren Gebrauchszeitraum nachweisbare Geschichte im Deutschen und weisen zugleich einen ausgeprägten Gegenwartsbezug auf, d. h. sie sind in der gegenwärtigen Gemeinsprache allgemein geläufig und können der Wortschatzstruktur des heutigen Deutsch nach semantischen, stilistischen, sprachsoziologischen u. a. Gesichtspunkten synchronisch zugeordnet werden. Aus dem leitenden Auswahlprinzip ergeben sich für den Ansatz der Hauptstichwörter einige Ausschlußkriterien, die vor allem folgende Gruppen des (peripheren) Fremdwortschatzes betreffen: (a) Lehnwörter im herkömmlichen Sinne, d. h. in alt- oder mittelhochdeutscher Zeit meist aus dem Lateinischen oder Griechischen entlehnte, also längst integrierte und formal an das Deutsche assimilierte Wörter wie Fenster, Keller, Mauer, Pfaffe, schreiben (vgl. 2.1.1.). Auf eine Einteilung der Wortentlehnungen in Lehn- und Fremdwörter wird also verzichtet. Das Kriterium der formalen Angleichung wird als gleitende Skala oder als Kontinuum betrachtet und Entlehnungen mit „Lehnwort"charakter werden ohne Rücksicht auf den Assimilationsgrad ab einem gewissen Zeitpunkt, etwa dem Frühneuhochdeutschen, ins Fremdwörterbuch aufgenommen. Dies sind z. B. stark assimilierte, eingedeutschte Wörter wie Foto, Film, Flöte, Front, Dose, Peitsche, Möbel, Bus, Doktor, fesch, Klasse, Note, Streik, boxen, parken; sie unterscheiden sich von
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solchen Wörtern, die, obwohl seit Jahrhunderten jedermann geläufig, ihre fremde Gestalt nicht oder kaum verändert haben, z. B. Apotheke, Restaurant, Volumen, Kaffee, Evangelium, Fabrik, Synagoge, Pokal, Phantasie, Engagement, Positivum, Fazit, Nuntius, Genius, Courage, Team, Atlas. (b) Veraltete Fremdwörter, d. h. Wörter, die in der zweiten Hälfte des 20. Jhs. nicht mehr gebräuchlich bzw. deren Denotate den meisten Sprechern des Deutschen nicht mehr bekannt sind und die nicht mehr zum aktiven, allenfalls zum passiven Wortschatz älterer Generationen gehören. Tendenziell wird jedoch dem historisch wichtigen, auch dem heute veraltenden oder nur noch historisierend gebrauchten Wortgut, besonders aus dem Bereich des Kulturwortschatzes, der Vorzug gegenüber Wortentlehnungen der allerjüngsten Zeit gegeben — was einem Fremdwörterbuch mit breiter historischer Dimension und kulturgeschichtlicher Perspektive durchaus zuzugestehen sein mag: Solche „archaischen" Fremdwörter werden im DFWB in der Regel ohnehin als Subeinträge unter dem jeweils zugehörigen Hauptstichwort behandelt, z. B. Artistenfakultät unter Artist, Äquatortaufe, Äquinoktiallinie unter Äquator, Assortiment unter assortiert, Alchimisterey unter Alchimie, antinomistischer Streit bei Antinomie usw. (c) Entlehnungen bzw. Lehnwortbildungen der allerjüngsten Zeit, d. h. Neologismen der 1980790er Jahre. Jedoch werden — im Unterschied zur Strecke R—Z — stärker neuere Entlehnungen vor allem aus dem angloamerikanischen Einflußbereich (zumindest als Sublemmata) berücksichtigt, z. B. Anglizismen wie Air-, Aerobic (im Artikel Aero-), arrogance of power (als Arroganz der Macht im Artikel Arroganz), Bestseller, Background, Comeback, Discount, Diskothek, Fan, Fitneß, Hearing, Party, Poster, oder auch neuere Weiterbildungen von älteren Anglizismen, z. B. die zahlreichen Wortbildungen mit Baby (z. B. Baby-Boom, Babyface, Babysitter, babysitten), das schon im 19. Jh. ins Deutsche entlehnt wurde. Aufgenommen werden in der Regel auch neuere Wörter bzw. Wortbildungen, die in jüngerer Zeit als Mode- oder Schlagwörter verwendet werden (z. B. Biotop, Ökosystem), zumal wenn sie einer größeren, letztlich auf das Gräkolateinische zurückgehenden Wortfamilie angehören (z. B. Asylant, Emission). Veraltete und neuere Ableitungen, Zusammensetzungen oder Syntagmen zu hauptlemmatisierten Fremdwörtern werden systematisch als Sublemmata angesetzt. (d) Reine Fachtermini, d. h. Wörter, die auf den Bereich der fachinternen Kommunikation beschränkt und in bildungs- oder gemeinsprachlichen, an ein breiteres Publikum gerichteten Texten nicht belegt sind, z. B. bei Schulz in Band I: Alexandriner, Äquilibrist oder bei Basler in Band II: Latus, Liquor, Lombard, parieren, pechös, Place, Poterne, Pourparler, Prävarikation, Prosopon. Ausgeschlossen werden beim Buchstaben A/a auch Fachwörter wie Abaton, Abdikation, Abduktion, Abiogenese, Ablution, Abrogation, abyssisch usw. (e) Bezeichnungsexotismen, d. h. fremde Wörter für fremde Sachen, Begriffe u.a., z. B. Wörter wie Abbe, Bagno, Garotte, Iglu, Kolchos, Samowar (vgl. bei Basler: Mandrill, Palankin, Piroge, Pisang, Pulque). Die Verwendung bestimmter Exotismen, z. B. im Bereich der Mode (Kimono, Mokassin), führt häufig zu einem hohen Bekanntheitsgrad, so daß eine Aufnahme dieser Wörter möglicherweise erwünscht sein kann. Der größte Teil dieser fremden Namen gehört aber vermutlich in den Sonderwortschatz von Fachleuten und Kennern und wird schon deswegen weitgehend ausgeklammert.
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(f) Mundartlich oder großregional beschränkte Fremdwörter sowie Spezifika der Schweiz und Österreichs. In Ausnahmefällen werden großregionale semantische Sonderentwicklungen als Teilbedeutungen jedoch erfaßt: vgl. das in der deutschen Standardsprache gebräuchliche Verb adaptieren, das neben den üblichen Bedeutungen nur im österreichischen Sprachraum auch die Bedeutung 'renovieren' erhalten hat. (g) Sog. Kunstwörter, insbesondere Warenzeichen wie z. B. Nylon (vgl. bei Basler: Maggi, Persil, Pommery) sowie Kurz- und Buchstabenwörter wie EFTA, NATO, Laser. Dagegen können von Fremdwörtern abgeleitete Kurzwörter in Subeinträgen berücksichtigt werden, z. B. Abo(nnement), Abi(tur), Akku(mulator), Kripo, Lok, Pulli, Sozi. (h) Eigennamen vor allem von Personen (bei Basler: Meduse, Morpheus, Pan, Proteus, Papageno, Quisisana) sowie Namen von Speisen, Krankheiten, Tieren, Pflanzen (bei Schulz: Anemone) u.a., die wie die Exotismen wohl eher ins Reallexikon gehören. Damit sind die wichtigsten Kategorien von Fremdwörtern identifiziert, die in der Regel als Hauptstichwörter aus dem Lemmabestand, also aus der ersten alphabetischen Ordnung, auszuschließen sind. Sie können aber durchaus in Form von Subeinträgen in der MikroStruktur der Artikel erfaßt, lexikographisch mehr oder weniger ausführlich beschrieben und dabei auf ihre Zugehörigkeit zum peripheren Wortschatz (z. B. mit Kommentaren wie 'veraltet', 'fachsprachlich') explizit markiert werden. Dies gilt insbesondere für veraltete und fachspezifische Wörter, wenn sie Mitglieder einer größeren Wortfamilie sind (z. B. Absolutorium bei absolvieren, Absentismus bei absent, Apolog bei Apologie), als wort- und/oder kulturgeschichtlich bedeutsam gelten oder Rückschlüsse auf die (historische) wortbildungsmäßige Produktivität des Hauptlemmas zulassen (vgl. Affekt, Äther, Apparat, Automat, autonom, Atom). Darüber hinaus werden Elemente der nach den Kriterien (d), (e) und (h) eigentlich auszuschließenden Kategorien von Fremdwörtern doch hauptlemmatisiert, wenn gewichtige Gründe für ihre Rolle in der Gemeinsprache oder im Gesamtsystem anzuführen sind: Dies ist gegeben bei Fachtermini und fremden Namen für Speisen, Krankheiten usw., die metaphorische Bedeutungen in der Gemeinsprache entwickelt haben, z. B. Fachwörter wie Abbreviatur, absorbieren, Absorption, Affinität, Akkumulation, Apperzeption, Axiom oder Krankheitsbezeichnungen wie Asthma, asthmatisch, Abszeß. Dies gilt auch für Eigennamen, die in appellativischer Verwendung — oft auch in Syntagmen oder Komposita — gebräuchlich sind, z. B. Adam (vgl. Adamsapfel, Adamskinder, Adamskostüm), adamisch, Abraham (in Abrahams Schoß), Adonis, Adonisfigur, adonisch, dionysisch, Mekka; vgl. auch metaphorisch verwendete Komposita wie Achillesferse, Argusaugen, Ariadnefaden, Augiasstall. Eigens lemmatisiert werden auch Bezeichnungsexotismen, die häufig in Vergleichen oder Bildern gebraucht werden, z. B. Pascha, Scheich, Bumerang, oder auf einheimische Einrichtungen übertragen werden, z. B. Basar, eventuell auch Kimono, Mokassin (vgl. aber oben (e)).
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2.3. Zur Anordnung der Stichwörter Bei der Lemmatisierung der als Stichwörter erfaßten Fremdwörter werden zwei unterschiedliche Verfahren angewandt, die miteinander kombinierbar sind: Primäres makrostrukturelles Anordnungsprinzip ist nach wie vor die alphabetisch-semasiologische Folge der artikelbildenden Hauptstichwörter. Als Hauptstichwörter werden — bezogen auf den Wortbildungstyp — vor allem abgeleitete und nicht abgeleitete Simplizia verzeichnet, nur selten dagegen Komposita (z. B. Achillesferse). Darüber hinaus werden in begrenztem Umfang lexikalische Einheiten oberhalb der Wortgrenze erfaßt, also fest integrierte Syntagmen wie ab ovo, ad acta, ad infinitum, sowie ausgewählte, im deutschen Wortbildungssystem produktive entlehnte Präfixe bzw. erste Bestandteile von Kombinationen wie a-, aero-, afro-, agro-, anti-, audio-, auto-. Bezogen auf die Wortartzugehörigkeit hauptlemmatisiert werden — in der Reihenfolge ihrer Häufigkeit — Substantive, Adjektive/Adverbien, Verben, seltener Präpositionen und Interjektionen. Sekundär ist die Anordnung jedoch nestalphabetisch insofern, als die Glieder sog. Wortfamilien, nämlich prä- und suffigierte Ableitungen, Komposita und syntagmatische Verbindungen, nicht an alphabetischer Stelle erscheinen, sondern häufig zu Nestern etymologisch verwandter Wörter zusammengruppiert und innerhalb des Artikels als Sublemmata dem als Hauptlemma angesetzten Stammwort zugeordnet werden. Dieses Verfahren der sog. Stammwortlemmatisierung wird vor allem angewandt, um die Ausdrucks- und Inhaltsrelationen, in denen die betreffenden Stichwörter stehen, deutlich herauszustellen, und ihre wortbildungsmäßige Produktivität durch ausführliche Dokumentation auch solcher Wortbildungen zu belegen, die nach dem Auswahlprinzip des heute geläufigen, gemeinsprachlichen Fremdwortschatzes überhaupt nicht erfaßt würden: Dies sind veraltete und/oder fachsprachlich gebrauchte Ableitungen, Zusammensetzungen oder Syntagmen, die z. B. als Indiz für die fortschreitende Integration des Hauptlemmas und der betreffenden Wortfamilie angeführt werden können. Damit sind einige der für die Hauptlemmata geltenden Ausschlußkriterien auf der Ebene der Sublemmata großenteils wieder außer Kraft gesetzt (vgl. 2.2.). Das Verfahren wird dort modifiziert, wo nach bestimmten (meist semantischen oder etymologischen) Kriterien Elemente, vor allem Ableitungen, aus der Wortfamilie herausgenommen und an alphabetischer Stelle eigens lemmatisiert werden. Der nach dem Verfahren der Stammwortlemmatisierung erfaßte Teil der Wortfamilie endet also dort, wo eine Wortbildung eine relativ selbständige Bedeutung entwickelt oder sich in anderer Hinsicht vom Hauptlemma entfernt hat. Die partielle Verlagerung der (alphabetischen) Makrostruktur in die (nestalphabetische) MikroStruktur der Artikel in Form von Nebeneinträgen hat — wie erwähnt — zur Folge, daß nicht alle behandelten Stichwörter in der streng alphabetischen Ordnung erscheinen. Dies betrifft vor allem die unter dem Hauptlemma eingeordneten linkserweiternden Wortbildungen (vgl. 3.2.10.). Unabhängig davon, ob sie in der alphabetischen Ordnung oder gegen das Alphabet stehen, folgt die Gruppierung der sublemmatisierten Wortverbindungen und Wortbildungen primär semantischen Kriterien, indem sie prinzipiell der Einzel- oder Teilbedeutung des Hauptlemmas, zu der sie inhaltlich gehören, zugeordnet werden.
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Innerhalb des einzelnen Bedeutungspunktes ist ihre Reihenfolge dann jeweils ausdrucksbezogen geregelt: Auf die Angabe typischer Syntagmen (vgl. 3.2.9.) folgen die verschiedenen Gruppen von Wortbildungen. Dabei werden die Zusammensetzungen, die das Lemma als Bestimmungs- und/oder Grundwort enthalten, jeweils vor den meist selbständigeren, das Lemma als Basis enthaltenden rechts- und linkserweiternden Ableitungen behandelt (vgl. 3.2.10.). Es ist offensichtlich, daß dieses Lemmatisierungsverfahren, bei dem ein großer Teil des kodifizierten Wortschatzes in der MikroStruktur erfaßt wird, mit der so erreichten Komprimierung der Information zugleich auch zu einer Verdichtung des Artikeltextes insgesamt führt und insofern auch im Dienst der Ökonomie und Systematisierung der Beschreibung steht.
3. Zur MikroStruktur des Deutschen Fremdwörterbuchs Der makrostrukturellen Modernisierung (vgl. Stichwortauswahl 2.2.) entspricht in mikrostruktureller Hinsicht eine durchgängige Systematisierung der Wörterbuchartikel. Die Aktualisierung des (primär alphabetisch geordneten) Lemmabestandes und seine sekundär nestalphabetische Aufbereitung in Wortfamilien ist verbunden mit einer prinzipiellen Vereinheitlichung in der Darstellungsform der Artikel vor allem durch semantische Straffung ihrer Struktur. Zu diesem Zweck wird eine übergreifende, für die unterschiedlichen lexikalischen Fremdwortphänomene geeignete, jedoch flexible Grundstruktur der Artikel eingerichtet, die den wortgeschichtlichen und semantischen Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalls Rechnung trägt. An dieser Stelle sei nachdrücklich auf den ersten Band des „Frühneuhochdeutschen Wörterbuchs" verwiesen, dessen 'Lexikographischer Einleitung' die nachfolgenden Ausführungen wertvolle Anregungen verdanken (vgl. S. 10—164 in: Anderson Robert R./Ulrich Goebel/Oskar Reichmann (Hrsg.): Frühneuhochdeutsches Wörterbuch. Bd. 1. Bearbeitet von Oskar Reichmann. Berlin/New York 1989). 3.1. Zur Anlage der Artikel Bei der Anlage der Artikel wird großer Wert auf eine einheitliche Gestaltung und systematische Gliederung gelegt, um eine optimale Übersichtlichkeit zu gewährleisten. Jeder Artikel besteht aus zwei typographisch deutlich voneinander getrennten Teilen: dem ausführlich informierenden (ganzseitig gesetzten) Artikelkopf und dem ebenso ausführlich dokumentierenden (petit und zweispaltig gesetzten) Belegteil. Für die Hauptgliederung beider Teile sind grundsätzlich die Wortbedeutungen in ihrer historischen Entwicklung maßgebend. Der Artikelkopf enthält eine entwicklungsbezogene Darstellung der Bedeutungsgeschichte des als Hauptstichwort aufgenommenen Fremdworts und eine kurze Beschreibung der zu Nestern gruppierten Nebenstichwörter (Sublemmata), die zur Wortfamilie des Hauptlemmas gehören, sowie corpus- bzw. textgestützte Angaben zu ihren wesentlichen Verwendungseigenschaften. Die Berücksichtigung dieser Eigenschaften in den einzelnen, in der Reihenfolge weitgehend festgelegten Artikelpositionen bestimmt den Aufbau der Artikel.
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Im Belegteil wird die Verwendungsgeschichte der Stichwörter bis in die Varietäten des Deutschen hinein vorwiegend anhand von authentischen Kontextbelegen dokumentiert und illustriert. Die Textbelege sind integraler, unentbehrlicher Bestandteil der Wortbeschreibung und -dokumentation. Die Gliederung des Belegteils entspricht im wesentlichen der Einteilung des Artikelkopfes (vgl. die Hinweise zur Benutzung). 3.2. Zum Aufbau der Artikel Die Wörterbuchartikel zu den Hauptlemmata enthalten in der Regel die nachfolgend kurz beschriebenen Informationspositionen. Dabei ist nach dem Plan des Wörterbuchs für jeden Informationstyp eine eigene Artikelposition vorgesehen. Um die Entwicklung und die zeitliche, stilistische, semantische o.a. Geltung der aufgenommenen Fremdwörter in Geschichte und Gegenwart angemessen zu beschreiben und zu dokumentieren, sind nach Möglichkeit alle Angaben in den einzelnen Informationspositionen historisch-diachron und komplementär synchron-gegenwartsbezogen ausgerichtet. Zur Veranschaulichung der Artikelstruktur und der einzelnen Positionen werden jeweils Artikel des ersten Bandes (zum Buchstaben A/a) und insbesondere der in den Hinweisen zur Benutzung abgedruckte Beispielartikel Adept herangezogen. Die Artikel enthalten folgende Informationspositionen: (1) (2) (3) (4) (5) (6) (7) (8) (9) (10) (11)
das Lemma Wortvarianten grammatische Angaben (Wortart, Morphologie) Hinweise zur Etymologie historische Schreib- und Formvarianten wortpragmatische Angaben die Bedeutungserläuterung, ggf. in Verbindung mit kulturgeschichtlicher Information Angaben zu den semantischen Relationen Angabe syntagmatischer Relationen Angaben zur Wortbildung Angabe von Belegen und Quellen
3.2.1. Lemma Das Hauptlemma (oder Hauptstichwort) ist halbfett gesetzt und typographisch leicht nach rechts eingezogen. Stichwörter, die auf der Ausdrucksseite zusammenfallen (sog. Homonyme), werden durch Hochzahlen gekennzeichnet und erhalten getrennte Einträge (z. B. Air1t Air2). Alle artikelbildenden Hauptlemmata stehen in der strikt alphabetischen Ordnung. Die Nebenstichwörter (Sublemmata) werden in den Artikeln zu Nestern zusammengruppiert: Nester werden in erster Linie von Zusammensetzungen (mit dem Hautplemma als Grund- und/oder Bestimmungswort) und Ableitungen sowie von syntagmatischen Verbindungen gebildet (vgl. 2.3.). Dabei wird die strikte alphabetische Ordnung bei bestimmten Sublemmata, nämlich den rechtserweiternden Bildungen, nicht grundsätzlich, bei den linkserweiternden Bil-
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düngen grundsätzlich nicht beachtet (vgl. die Zusammensetzung Eheadept im Beispielartikel Adept unter Bedeutungsposition b, oder die Präfixbildung verabsolutieren unter dem Hauptstichwort absolut, die gegen das Alphabet stehen). Zur Auffindung der vernesteten Nebenstichwörter, die ebenfalls halbfett gesetzt sind, ist daher die Durchsicht des gesamten Artikels notwendig. 3.2.2. Wortvarianten Im gegenwärtigen Sprachgebrauch miteinander konkurrierende Wortvarianten (vgl. Adlatus neben Adlat), movierte Formen (vgl. Abiturientin bei Abiturient) oder geläufige, speziell fachsprachliche, orthographische Varianten (vgl. Archetypus neben Archetyp, Attitüde neben Attitüde) erscheinen, ebenfalls halbfett gesetzt, direkt hinter dem Lemma und erhalten ggf. einen Hinweis auf die Varietät, in der sie vorwiegend begegnen, oder auch andere stilistische Bewertungen und pragmatische Kennzeichnungen (vgl. Abort, fachspr. auch Abortus). Wenn von der Lemmavariation Grapheme betroffen sind, die die alphabetische Ordnung betreffen (z. B. o/&-/z-Schreibung), werden beide Varianten an alphabetischer Stelle im Wörterbuch angeführt, mit dem Verweis bei der weniger gebräuchlichen auf die heute gültige Lesart und den dort zugeordneten Artikel. Auf diese Weise wird aber nur dann verfahren, wenn es sich um eine Variante handelt, die so gebräuchlich ist, daß man den Eintrag vermissen würde (z. B. Apartment). 3.2.3. Grammatik Die Hauptlemmata erhalten grundsätzlich Angaben zur Wortart und Flexionsmorphologie: Beim Substantiv werden das Genus (M., F., N.) und (in runden Klammern) die Genitivform des Singulars sowie (nach Semikolon) die Form des Nominativs Plural angegeben. Besonderheiten des Singular- und/oder Pluralgebrauchs werden ebenso notiert wie veraltete Genera und Flexionsformen oder sonstige regionale, fachsprachliche u. a. Beschränkungen (vgl. Abonnement, adieu, Adlatus, Akzidens, Aroma). Die anderen Wortarten werden durch entsprechende Siglen direkt markiert, also Verben durch V, Adjektive durch Adj. usw. Es wird jeweils nur soviel Information geboten, wie zur Erfassung der (historischen) morphologischen und syntaktischen Eigenheiten des Wortes, besonders seiner (historischen) Unregelmäßigkeiten und Normbeschränkungen, notwendig ist: So werden bei Verben der (in)transitive, reflexive Gebrauch, bei Adjektiven neben der attributiven, adverbialen und prädikativen Verwendung auch etwaige Normbeschränkungen (z. B. durch den Kommentar „ohne Steigerung") usw. notiert. Bei den Sublemmata erhalten die Ableitungen (außer den veralteten) in aller Regel, die Zusammensetzungen nur in Ausnahmefällen eine grammatische Bestimmung. 3.2.4. Etymologie Die Hinweise auf die Wortherkunft enthalten grundsätzlich Angaben zum frühesten (nachweisbaren) Zeitpunkt der Entlehnung ins Deutsche bzw. des Aufkommens im
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Deutschen, zur Bildungsweise oder zum Bildungsmuster, ggf. auch Sachinformationen, die der Erhellung der Benennungsmotivik dienen (vgl. ab ovo, Adam, Adonis, Achillesferse, Augiasstall). Dabei wird nach Möglichkeit auch geklärt, ob es sich um eine Wortentlehnung aus einer fremden Sprache oder um eine im Deutschen teilweise oder ganz mit entlehnten Mitteln geprägte Neubildung bzw. Lehnwortbildung handelt. Bei der Beschreibung des Entlehnungsweges stehen im Zentrum die ausdrucksbezogenen Angaben zur Herkunftssprache (im Beispiel: „lat. adeptus"), ggf. auch zur Vermittlersprache (im Beispiel: „vgl. mlat. adepti"), sowie die inhaltsbezogenen Angaben zur Bedeutung des Etymons (im Beispiel: „lat. adeptus f jmd., der etwas erreicht hat'"). In der Regel finden sich — oft in Klammern stehende — weitere Angaben zu den Wortbildungszusammenhängen in der Herkunftssprache, vgl. im Beispiel: „Part.Perf. von adipisci". Am Ende dieser Position können ggf. mit Verweis auf etymologisch verwandte bzw. etymologisch-semantisch zusammengehörige Wörter Wortbildungsbeziehungen oder übergreifende Wortfeldstrukturen herausgestellt werden. Dies geschieht insbesondere bei etymologisch verwandten Stichwörtern, die sonst in der alphabetischen Folge getrennt voneinander stünden: So wird z. B. bei Absolution und Absolvent auf absolvieren, bei action auf Aktion, bei Abusus auf Usus, bei Agent auf agieren oder bei Aktion auf Reaktion, bei Apperzeption auf Perzeption, bei Armee auf Armatur und Alarm, bei Automobil auf mobil, bei assoziieren auf Sozius und sozial usw. verwiesen. Die Angaben zur Etymologie beziehen sich in der Regel auf das Hauptlemma in allen seinen Bedeutungen. Sie werden aber auch einzelbedeutungsbezogen notiert, vor allem dann, wenn eine oder mehrere Bedeutungen des Stichworts auf verschiedene Phasen der vor- und außerdeutschen Sprachentwicklung, vor allem des Lateins und Mittellateins, oder auf verschiedene Herkunftssprachen bzw. Etyma zurückzuführen oder von verschiedenen Vermittlersprachen beeinflußt sind (vgl. Adresse 4, Absenz 3, Admiral b, Akademie 2, Artist b, Asyl b) oder wenn sie überhaupt nicht aus einer anderen Sprache übernommen sind, sondern sich innerhalb des Deutschen unabhängig vom fremden Etymon oder Vorbild herausgebildet haben (z. B. Adept b, Akkord 3, Akt 4, Album 2). Dabei wird prinzipiell bei den einzelnen Bedeutungen oder Teilbedeutungen auch der Zeitpunkt des Aufkommens im Deutschen notiert (in unserem Beispiel Adept unter Bedeutungsposition b: „Seit späterem 18. Jh. vor allem im Bereich von Bildung, Wissenschaft u.a. verwendet in der Bed..."). Die Datierung richtet sich grundsätzlich nach dem ältesten Beleg oder nach der ersten Kodifizierung in einem der systematisch herangezogenen Wörterbücher oder einer anderen Zweitquelle. Die Formulierung der Angaben zur Etymologie ist zwar weitgehend standardisiert, jedoch soll durch eine gewisse Flexibilität im Detail und durch Kommentare wie „wohl/eventuell entlehnt aus" oder „vermutlich unter Einfluß des Mlat., des Altfrz. aufgekommen" nicht nur die Vielfalt der Möglichkeiten fremdsprachlichen Einflusses abgebildet, sondern häufig auch explizit auf die Offenheit bzw. die Unsicherheit und Umstrittenheit der Herkunftsangaben hingewiesen werden (vgl. Abrakadabra, Adam, Admiral, ästimieren, Artillerie, Atrium, authentisch, Alchimie, Amalgam).
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3.2.5. Historische Wortvarianten Auf die Etymologie folgen ggf. ausdrucksseitig-formal orientierte Hinweise auf den historischen Prozeß der fortschreitenden (graphischen, flexivischen, morphologischen etc.) Integration des Stichworts in das Deutsche. Sie enthalten Angaben zu historischen und großregionalen Nebenformen und Schreibvarianten (vgl. Absolution, absolvieren, Akkord, adrett, akklimatisieren), zu Volksetymologien und entstellten oder mundartlich beeinflußten Formen (vgl. achselfieren bei absolvieren, vgl. auch die zahlreichen historischen Nebenformen bei Artillerie), zu konkurrierenden historischen und regionalen morphologischen Varianten sowie vor allem — häufig mit relativ exakten Datierungen versehene — Informationen zur Ablösung der lateinischen Flexion und Schreibung bei fortschreitender Assimilation an die Ausdrucksstruktur des Deutschen (im Beispiel: „bis ins 18. Jh. häufig in der lat. (flekt.) Form mit PL Adepti"). 3.2.6. Wortpragmatik In dieser Position, deren Stellung im Artikel nicht strikt festgelegt ist, werden zum Teil recht heterogene Arten der Information zusammengefaßt. Hier können ganz unterschiedliche Aspekte des Wortgebrauchs herausgestellt werden, z. B. durch Hinweise auf besondere Gebrauchsschwerpunkte, Verwendungsmotivationen oder auf den historisch-kulturellen Verwendungszusammenhang der Stichwörter. Angaben zur pragmatischen Markierung werden grundsätzlich bei allen Stichwörtern bzw. bei den einzelnen Bedeutungen der Stichwörter angeführt. Sie haben die Funktion, die Bedeutungsbeschreibung systematisch zu ergänzen und sind daher in der Regel durch ihre Stellung jeweils unmittelbar vor, seltener auch nach der Bedeutungserläuterung identifizierbar. Mit den pragmatischen Angaben werden Informationen vermittelt u. a. über die räumliche und zeitliche Gültigkeit sowie über die relative Häufigkeit des Wortes bzw. einer bestimmten Wortbedeutung (vgl. im Beispiel Adept unter Bedeutungsposition a: „Zunächst meist..." oder unter Position b: „Seit späterem 18. Jh. vor allem..."), über das Vorkommen in bestimmten Textsorten und fachlichen Varietäten, die Zugehörigkeit zu Sprach- und Stilschichten (im Beispiel Adept: „gelegentlich auch eher scherzhaft-ironisch gebraucht" unter Bedeutungsposition b), und insbesondere über die Kommunikations- und (fachlichen) Anwendungsbereiche, in denen die Stichwörter — auch unter historischer Perspektive — bevorzugt verwendet werden (vgl. im Beispiel Adept unter Bedeutungsposition b: „im Bereich von Bildung, Wissenschaft, u.a."; vgl. auch die Artikel absolut, adagio, Affinität, Akkumulation, Absorption, Akkord, Äquivalent, Artikel, assimilieren). Dabei sind — ebenfalls unter dem Aspekt des historischen Wandels — besonders bestimmte Formen des Transfers zwischen den in Anknüpfung an das (Mittel-)Lateinische entstandenen Wissenschafts- und Fachsprachen und der Gemeinsprache zu berücksichtigen, ebenso die oft durch politische Ereignisse von großer Tragweite eröffneten vielfältigen kulturellen Kontaktbereiche zwischen dem Deutschen und anderen Sprachen — man denke an den Kulturkontakt zwischen dem Deutschen und Französischen oder Italienischen im 17./18. Jh. (vgl. oben 2.1.1.) oder an die mannigfaltigen Berührungen mit anderen (west-)europäischen Völkern, vor allem während der industriellen und wis-
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senschaftlich-technischen Revolution im 19. Jh., die natürlich auch den Zustrom neuer Wörter und Wortbedeutungen begünstigt haben usw. In bestimmten Fällen dienen die pragmatischen Angaben auch der Beschreibung von Konnotationen, Gefühlswerten, Sprechereinstellungen und bewertenden Wortgebräuchen: Sind mit der Verwendung eines Wortes historisch oder systematisch Bewertungen verknüpft, so ist deren Angabe Bestandteil des semantisch-pragmatischen Kommentars. Grundsätzlich werden Bedeutungswandel und Bedeutungsveränderungen, die durch Ameliorisierung und Pejorisierung oder konnotative Wertsetzungen und gruppengebundenen Sprachgebrauch Zustandekommen, systematisch beschrieben und ggf. auch begründet (vgl. administrativ, Agitation, Advokat, Affirmation, Ägide, Akribie, Absolutismus, Arier, Assimilation, autonom). 3.2.7. Bedeutung In dieser Position wird die Wort- und Bedeutungsgeschichte nachgezeichnet, wobei der Schwerpunkt auf die Darstellung der historischen Entwicklung der lexikalischen Einzelbedeutungen gelegt wird. Die Bedeutungserläuterung untergliedert sich in so viele Einzelpositionen wie das Wort Bedeutungen hat. Die einzelnen Positionen sind bei klar abgrenzbaren Einzelbedeutungen durch arabische Zahlen, bei enger verwandten oder sich überschneidenden Bedeutungen durch lateinische Kleinbuchstaben markiert (vgl. im Beispiel Adept die mit a und b markierten Bedeutungen) und im Schriftbild jeweils durch neuen Zeilenbeginn gekennzeichnet. Bei der Darstellung der Bedeutungsgeschichte wird nicht strikt formal oder schematisch verfahren, sondern es wird versucht, flexibel, d. h. den semantischen Erfordernissen des jeweiligen Stichworts entsprechend, vorzugehen: Eine zu starke Untergliederung und damit Atomisierung der Bedeutungen widerspräche der Tatsache, daß häufig fließende Übergänge vorliegen. Ebenso würde sie semantischen Entwicklungssträngen, die ein Kontinuum bilden, nicht gerecht, oder auch der Nuancierung und Spezialisierung von einzelnen Bedeutungen. Im Gliederungsschema der Artikel sind die Aspekte der historischen Reihenfolge und der semantischen Rangordnung bzw. Gewichtung jeweils miteinander verbunden bzw. aufeinander abgebildet. Die Bedeutungserläuterungen werden meist eingeleitet durch Kommentare wie „in der Bed.", „im Sinne von" oder „für" und sind durch einfache Anführungszeichen aus allen anderen Informationsarten herausgehoben (vgl. im Beispiel Adept unter Bedeutungsposition b: „'beflissener, wißbegieriger Schüler' "). Für die Formulierung der Bedeutungserläuterung werden in der Regel lexikalische Paraphrasen verwendet, die zur Ergänzung oder Präzision auch wortsynonymische Angaben enthalten (vgl. im Beispiel Adept unter Bedeutung b, wo die Erläuterung aus einer lexikalischen Paraphrase und der Aufzählung mehrerer Wortsynonyme besteht: „'beflissener, wißbegieriger Schüler, Anwärter, Anfänger, Neuling...' "). Die Bedeutungserläuterung steht in bestimmten Fällen, besonders bei fachsprachlichem Wortgebrauch, in Verbindung mit zusätzlichen enzyklopädischen Sacherläuterungen, Sachbereichsangaben, begriffs- oder kulturgeschichtlicher Information oder anderen Gebrauchscharakteristika, mit denen (proto-)typische Eigenschaften der von den Stichwörtern bezeichneten Gegenstände oder Sachverhalte herausgestellt werden können (vgl. Absolution, Agraffe, Abbreviatur, Abitur, Affektion, Akademie, Air1,
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Apokalypse, Äquivalent, Ästhetik, Asyl, Autarkie, authentisch, autonom, Avantgarde). Innerhalb einer Bedeutungsstelle kann auf semantische Sonderaspekte wie z. B. Bedeutungsnuancen und auffällige Konnotationen oder fachliche Bedeutungsspezialisierungen ggf. durch zwischengeschaltete, aber nicht mit Ziffer oder Buchstabe markierte Interpretamente hingewiesen werden (vgl. im Beispiel Adept unter Bedeutung a: „insbes. für 'jmd., der in der Kunst der Alchimie bewandert ist..'"). Unmarkierte Bedeutungsangaben, die in den Artikeln sehr häufig begegnen, erhalten in aller Regel einen oder mehrere Belegverweise durch Angabe der Jahreszahl des betreffenden Belegs, vgl. im Beispiel Adept unter Bedeutungsposition a den Hinweis: „(s. Belege 1727, 1811, 1924)". Solche Verweise sollen die Interpretamente und semantischen Kommentare des Artikelkopfes mit einschlägigen, aussagekräftigen Belegkontexten zum Zweck der semantischen Stützung, Veranschaulichung und Dokumentation verbinden. Die Ordnung der Einzelbedeutungen ist historisch-diachron ausgerichtet und folgt dem Gliederungsprinzip vom entwicklungsgeschichtlich Älteren zum Neueren: Dabei werden, um semantische Entwicklungen aufzuzeigen, die differenzierten Einzelbedeutungen in der Abfolge ihrer historischen Bezeugung, also chronologisch, angeordnet und motivierend bis an die Gegenwart bzw. bis zum jeweiligen Zeitpunkt ihrer nachweislich letzten Belegung herangeführt. Der Zusammenhang der einzelnen Bedeutungen kann durch Kommentare zur semantischen Entwicklung wie z. B. „insbes.", „speziell", „allgemein", „übertragen" bzw. „metonymisch", „weiterentwickelt" kenntlich gemacht werden (vgl. im Beispiel Adept unter Bedeutungsposition b den Kommentar: „auf andere Lebensbereiche übertragen"; vgl. auch Abonnement, absorbieren, Absolution, adagio, Advokat, akademisch, Axiom). Mit diesem Typ des semantischen Kommentars, der meist in enger Verbindung mit der Bedeutungserläuterung steht, werden spezifische Formen von Bedeutungsveränderung, Bedeutungswandel oder Bedeutungsverschiebung gekennzeichnet. Solche Kommentare werden immer dann verwendet, wenn besondere Entwicklungen gezeigt oder Gewichtungen vorgenommen, die Offenheit der Positionen des Bedeutungsspektrums betont oder die Nähe bzw. Entfernung der Einzelbedeutungen untereinander unterstrichen und Zusammenhänge zwischen den angesetzten Einzelbedeutungen für den Benutzer motiviert werden sollen. Dabei wird auch besonderer Wert auf die Unterscheidung zwischen entlehnten und nichtentlehnten, also innerhalb des Deutschen entwickelten Bedeutungen gelegt, letztere können häufig allein schon aus dem Kontrast zur Bedeutungsangabe beim herkunftssprachlichen Etymon in der Position 'Etymologie' (vgl. 3.2.4.) identifiziert werden (z. B. Adept, Akzent, Album, Amphibie). 3.2.8. Semantische Relationen Hier finden sich — meist in runden Klammern stehende — Angaben zu Wortfeldbeziehungen und damit zur onomasiologischen Vernetzung des Stichworts bzw. seiner einzelnen Bedeutungen mit anderen Wörtern oder Wortbedeutungen. Dabei erhalten bedeutungsverwandte Wörter oder Teilsynonyme, die zum Lemmabestand des Wörterbuchs gehören, einen Verweispfeil auf die jeweilige alphabetische Stelle (im Beispiel Adept unter Bedeutungsposition a: „weitgehend gleichbed. mit Alchimist,
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—»Alchimie"); auf Teilsynonyme oder Wörter, die mit dem Stich wort in der behandelten Bedeutung konkurrieren, aber nicht zum Lemmabestand des Wörterbuchs gehören, wird lediglich mit „vgl." oder mit anderen beschreibungssprachlichen Mitteln hingewiesen (z. B. bei Absolution, Affekt, Attraktion, Azur}. In anderen Fällen können unter den Angaben zur onomasiologischen Wortvernetzung neben bedeutungsähnlichen Wörtern auch Gegensatzwörter bzw. Antonyme angeführt werden, meist eingeleitet durch die Kommentarformel „im Gegensatz zu" oder einfach durch die Sigle „Ggs." (vgl. absolut, Absolution, Absolutismus, Abundanz, addieren, Adhäsion, Aszendent). Die Angaben zu den semantischen Relationen, die auch in Form von wörterbuchinternen lemma- und bedeutungsbezogenen Verweisen notiert werden können, gehören zum semantischen Kommentar der Artikel und sollen die Bedeutungserläuterung systematisch ergänzen. Sie können weiterführende Aufschlüsse zur Identifikation, Präzisierung oder Abgrenzung der Einzelbedeutungen geben, indirekt auch Angaben über die Beziehung des behandelten Stichworts zu anderen Fremdwörtern und/oder indigenen Wörtern enthalten und damit auch zum semantisch-lexikalischen Stellenwert des Stichworts im gesamten Wortschatzzusammenhang. Insofern stellen sie Stützen bei der Bedeutungserschließung durch den Benutzer dar. 3.2.9. Syntagmatische Relationen Auf die Erläuterung der Bedeutung(en) folgen die Angaben zur syntagmatischen Verwendung des Stichworts. Dabei interessiert weniger die grammatische Konstruktion des Lemmas und seine Verwendung im Satz bzw. Text (die ja im Belegteil demonstriert wird) als das differenzierte Spektrum der semantischen Kombinationsmöglichkeiten. Dieses reicht von üblichen, typischen, relativ festen Verknüpfungen und Zweierverbindungen (Kollokationen) bis hin zu phraseologisch verfestigten, redensartlichen oder idiomatischen Wendungen, also vollständig lexikalisierten Einheiten. Die aus dem Textcorpus ausgewählten, halbfett gesetzten Syntagmen werden als Sublemmata behandelt und jeweils derjenigen Bedeutung des Stichwortes zugewiesen, zu der sie inhaltlich gehören. Da das Fremdwörterbuch sich zu allererst als Bedeutungswörterbuch versteht, beschreibt es die syntagmatische Verwendung der Wörter in der Regel nur so weit, wie dies dazu beiträgt, ihre Bedeutungen deutlicher voneinander zu differenzieren und besser zu verstehen. Daraus ergibt sich, daß die Auswahl typischer Syntagmen primär unter semantischen Aspekten erfolgt und die angegebenen Syntagmen unmittelbar in Verbindung mit der Erläuterung der entsprechenden Einzelbedeutung am Ende des Bedeutungspunktes stehen (im Beispiel Adept unter Bedeutungsposition b: „in Wendungen wie ein junger, (über)eifriger Adept..."). Sekundär werden die Syntagmen unter historisch-diachronen und synchrongegenwartsbezogenen Kriterien ausgewählt: Neben den heute geläufigen Wendungen werden also auch Wortverbindungen früherer Sprachstadien verzeichnet, vor allem die historisch wichtigen, z. B. fremdsprachliche und indigene Wendungen, die miteinander konkurrieren (vgl. im Artikel Abonnement das Nebeneinander der frz. Wendung abonnement suspendu und ihres deutschen Pendants aufgehobenes, ungültiges Abonnement, oder im Artikel Advokat die lat. Wendung advocatus diaboli
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und die Lehnübersetzung Advokat des Teufels usw.) oder auch veraltete fach- und/ oder fremdsprachliche Syntagmen sowie vorwiegend auch heute noch bildungsspr. verwendete lateinische oder latinisierende Wendungen wie ad absurdum im Artikel absurd, in absentia im Artikel Absenz, per abusum im Artikel Abusus, in abstracto im Artikel abstrakt, soweit diese selbst nicht hauptlemmatisiert sind (vgl. ab ovo, ad acta) usw. In bestimmten Fällen können die angegebenen Syntagmen auch pragmatisch markiert werden, z. B. nach ihrer Zugehörigkeit zu einer Sprach- oder Stilschicht oder zu einem Anwendungsbereich, auch Kommentare zu ihrer Häufigkeit und ihrem Festigkeitsgrad sind möglich (z. B. jmdm. Avancen machen im Artikel avancieren, den Augiasstall ausmisten bei Augiasstall). Syntagmen werden stets auch semantisch erläutert, entweder implizit durch die Zuweisung zu einer Teilbedeutung des Lemmas (vgl. im Beispiel Adept die Syntagmen unter Bedeutungsposition b) oder explizit durch eine Paraphrase. Letzteres ist vor allem erforderlich bei Wortverbindungen mit metaphorischer bzw. von der freien Bedeutung abweichender Verwendung des Lemmas (z. B. ein Attentat auf jmdn. vorhaben) oder bei Verbindungen mit einer Gesamtbedeutung, die nicht (mehr) aus den Bedeutungen der Bestandteile abgeleitet werden kann. Die ausgewählten Syntagmen sind in der Regel Ausschnitte aus den Quellentexten und Belegen. Syntagmen mit Belegstatus sind besser als konstruierte Beispiele des Lexikographen geeignet, bestimmte Prädikationen über den in der Bedeutungserläuterung abstrahiert gefaßten Gegenstand oder Sachverhalt zu machen. Sie demonstrieren also z. B. in direkter Weise, was über den vom Stichwort bezeichneten Gegenstand oder Sachverhalt ausgesagt werden kann. Die Beispielsyntagmen vermögen somit auch einen Beitrag zur semantischen Spezifizierung der Bedeutung und ihrer denotativen wie konnotativen Aspekte zu leisten. 3.2.10. Wortbildung Auf die Beschreibung des syntagmatischen Verwendungsspektrums folgen die Angaben zur Wortbildung, d. h. zur wortbildungsmäßigen Produktivität und zur primär ausdrucksseitig konstituierten Wortfamilie des Hauptstichworts, die wie alle anderen Angaben stark historisch-entwicklungsbezogen ausgerichtet sind. Hier werden hauptsächlich zusammengesetzte und abgeleitete bzw. aus klassischen oder modernen Sprachen entlehnte oder im Deutschen lehngebildete Wortprägungen als halbfett gesetzte Sublemmta zu Wortnestern zusammengruppiert, wobei die strikte alphabetische Ordnung vor allem durch die linkserweiternden Wortbildungen partiell durchbrochen wird: Dies ist der Fall bei Zusammensetzungen mit dem Lemma als Grundwort: z. B. im Artikel Advokat, wo auf rechtserweiternde Komposita wie Advokateneid, -Ordnung-, -rolle, -stand die gegen das Alphabet stehenden Linkserweiterungen folgen: Armen-, Dorf-, Gerichts- und Winkeladvokat; ebenso bei Präfixbildungen, vgl. linkserweiternde Wortbildungen wie verabsolutieren im Artikel absolut, verakkordieren im Artikel Akkord, Auto-, Heteroaggression im Artikel Aggression, neo-, postavantgardistisch im Artikel Avantgarde. Aber auch bei rechtserweiternden Wortbildungen, wie z. B. den im Artikel Affekt angeführten adjektivischen Ableitungen affektisch, affektiv, affektlos, affektuos,
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affektvoll, kann die alphabetische Folge — hier in Relation zu dem in der strikten alphabetischen Ordnung unmittelbar folgenden Hauptlemma affektiert — partiell aufgehoben werden. Die Kodifizierung der durch Wortbildungsprozesse erzeugten Sublemmata erfolgt primär nach dem Wortbildungstyp: Zuerst werden die Komposita, die das Lemma als Bestimmungswort enthalten, angeführt, dann folgen die linkserweiternden Komposita. In der Aufzählung der mit dem Lemma als Bestimmungs- und/oder Grundwort gebildeten Zusammensetzungen wird der sich jeweils wiederholende Teil eingespart und durch Spiegelstriche ersetzt (s.o. das Beispiel Advokat). Die Komposita, darunter besonders auch die hybriden, aus fremden und indigenen Komponenten bestehenden Mischbildungen, werden explizit als Beispiel typischer Wortkombinationen des Lemmas verzeichnet und immer dem Hauptlemma oder einer seiner Bedeutungen zugeordnet. Durch diese Zuweisung werden sie implizit erklärt, können aber auch explizit semantisch kommentiert werden, z. B. wenn sie kultur- oder sozialgeschichtlich bedeutsam sind (vgl. Abnormitätenkabinett bei abnorm, Affektenlehre bei Affekt, Akkordlehre bei Akkord, Akademiestück bei Akademie, Astrallampe bei astral) oder wenn sie — etwa auf Grund ihrer Fachsprachenzugehörigkeit — stark lexikalisiert sind (vgl. im Artikel Affekt fachsprachliche Komposita wie Affektstörung, Affektstau, Affektpsychose, im Artikel Aggression Komposita wie Aggressionsinversion, Aggressionstrieb oder auch Kombinationen wie Auto-, Heteroaggression). Die sublemmatisierten Ableitungen werden meist mit der Kommentarformel „dazu" eingeleitet und unmittelbar am Ende des entsprechenden Bedeutungspunktes gebracht (vgl. im Beispiel Adept unter Bedeutungsposition b: „Dazu .. die subst. .. Gelegenheitsableitung Adeptentum"). Dagegen werden die Ableitungen, bei denen alle Teilbedeutungen des Lemmas realisiert sind, en bloc am Ende des gesamten Artikels in chronologischer Folge angeführt und erhalten dabei einen Rückverweis auf die jeweiligen Bedeutungsstellen des Lemmas, zu denen sie semantisch gehören. Dieses Anordnungsprinzip gilt insbesondere auch dann, wenn zu einem Hauptlemma mehrere Ableitungen gebildet werden. Da der Beispielartikel Adept keine ausführlichen Angaben zu Ableitungen enthält, wird deren Anordnung und Beschreibung hier kurz an dem Artikel absolut gezeigt: „Dazu seit Ende 18. Jh. die subst. Ableitung Absolutheit F. (-; selten -en), zunächst für 'Losgelöstheit, Unabhängigkeit, Beziehungslosigkeit' (zu 3), seit Anfang 19. Jh. auch für 'Unbedingtheit, Uneingeschränktheit', gleichbed. mit —»Absolutismus l, bes. in der Zs. Absolutheitsanspruch 'Anspruch auf Alleingültigkeit (z. B. einer Religion) oder auf die absolute Richtigkeit (z. B. einer Theorie)' (zu l a), seit Mitte 19. Jh. seltener nachgewiesen für 'unumschränkte Herrschaft; Unumschränktheit' und im 20. Jh. vereinzelt für 'Unerbittlichkeit, Rücksichtslosigkeit' (s. Beleg 1919) (zu Ib). Seit späterem 19. Jh. die (1871 bei Sanders) gebuchte verbale Ableitung absolutieren V.trans., 'etwas absolut setzen', vereinzelt reflex, 'sich von Bedingungen, Beschränkungen u.a. frei machen', mit dem dazugehörigen Subst. Absolutierung F. (-; -en), speziell auch 'Entwässerung (von Alkohol)', und der seltenen, schon seit Anfang 19. Jh. bezeugten Nebenform Absolutisierung; gleichzeitig die häufigere, heute übliche Präfixbildung verabsolutieren V.trans., 'einer Erkenntnis o.a., die nur
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unter bestimmten Voraussetzungen gültig ist, allgemeine, uneingeschränkte Gültigkeit beimessen und daher auch auf anderes übertragen; etwas dogmatisch verallgemeinern', häufig in der Infinitiv- und Part.Präs.- bzw. Part.Perf.-Form und in Wendungen wie einen Standpunkt, eine Meinung verabsolutieren, alles immer gleich verabsolutieren wollen, mit dem dazugehörigen, seit Ende 19. Jh. nachgewiesenen Verbalsubst. Verabsolutierung F. (-; -en) 'das Verabsolutieren, Absolutsetzen' (alle zu la)." Aus der links- und rechtserweiterten Wortfamilie scheren stärker lexikalisierte Ableitungen, die sich von der Bedeutung des Lemmas entfernt haben, aus. Sie werden aus der Wortfamilie herausgenommen und an alphabetischer Stelle eigens lemmatisiert: so wurde z. B. Absolvent, das zur Wortfamilie von absolvieren gehört, als Hauptlemma angesetzt, weil es sich nicht um eine direkte Ableitung, sondern um eine mit dem lateinischen Etymon (absolvens, Gen. absolventis) von absolvieren geprägte Neubildung des 19. Jhs. handelt; vgl. auch das Partizipialadjektiv affektiert, das aus der Wortfamilie von Affekt ausgegliedert wurde oder das Adj. autogen und das Subst. Autosuggestion, die aus dem Sammelartikel auto- herausgenommen wurden. 3.2.11. Belege Bei den Stichwörtern ist die Beschreibung der Bedeutung — wie auch aller anderen in den verschiedenen Artikelpositionen beschriebenen Worteigenschaften — stark textdokumentativ ausgerichtet. Aus diesem Grund sind der Belegteil und die dort zitierten authentischen Textbelege, die Parole-Status haben, als unentbehrlicher, integraler Bestandteil der Wörterbuchartikel aufzufassen. Sie dienen der Dokumentation und Veranschaulichung, aber auch der Überprüfung aller im Artikelkopf gebotenen lexikographischen Informationen zur Grammatik, zur Stilistik, zur Semantik sowie insgesamt zur ausdrucke- und inhaltsseitig orientierten Wortgeschichte. Daher wird der Belegdokumentation im DFWB ein entsprechend großzügiger Druckraum eingeräumt. Die Angabe von Belegen und Belegstellen erfolgt prinzipiell in einem vom ganzseitig gesetzten Artikelkopf strikt abgetrennten Belegteil, der meist aus mehreren Belegblöcken besteht und graphisch durch Petitdruck sowie durch zweispaltige Anordnung gekennzeichnet ist. Diese vom üblichen (z. B. im Deutschen Wörterbuch der Brüder Grimm, im Frühneuhochdeutschen Wörterbuch oder auch im Deutschen Wörterbuch von H. Paul vorfindbaren) lexikographischen Schema abweichende Praxis der Trennung von Artikelkopf und Belegteil ist damit zu begründen, daß der erläuternde zusammenhängende Beschreibungstext des Kopfes nicht durch Angaben objektsprachlicher, dokumentierender Art unterbrochen und damit die Lektüre der dargestellten Wortgeschichte nicht erschwert werden sollte. Der Artikelkopf enthält daher nur an bestimmten markanten Stellen explizite Verweise auf den Belegteil (vgl. oben 3.2.7.). Makrostruktur des Belegteils: Die Einteilung des Belegteils in einen oder mehrere Belegblöcke und deren Anordnung entspricht im wesentlichen der Gliederung des Artikelkopfes: Zu diesem Zweck werden jeweils die untergliedernden Ziffern und/oder arabischen Kleinbuch-
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Stäben, die im Kopf zur Differenzierung der Bedeutungen verwendet werden, in den Belegteil übernommen. Auf diese Weise wird trotz der Trennung von Kopf und Belegteil erreicht, daß die Belegzuordnung jeweils einzelbedeutungsbezogen erfolgt. Das Hauptlemma wird natürlich immer eigens und an erster Stelle belegt. Die Zahl der ihm zugeordneten Belegblöcke richtet sich nach der Anzahl der im Kopf unterschiedenen einzelnen (Teil-)Bedeutungen. Einem als monosem beschriebenen Stichwort wird daher nur ein Belegblock, einem als polysem beschriebenen Stichwort werden dagegen mehrere, der Zahl seiner Bedeutungen entsprechende Belegblöcke zugeordnet, vgl. die Belegblöcke zu Adept a und Adept b oder zu Arabeske , b und c. Außer dem Hauptlemma werden von den im Artikel behandelten (halbfetten) Sublemmata auch die Ableitungen und die (in 2.1.3. aufgeführten) ableitungsartigen Kombinationen jeweils separat belegt und den entsprechenden Belegblöcken des Hauptlemmas zu- bzw. untergeordnet; vgl. z. B. den Artikel zu dem Stichwort Allegorie und die an den Belegblock zum Hauptlemma angeschlossenen Belegblöcke zu den Ableitungen Allegorese, Allegoriker, allegorisch, allegorisieren, Allegorisierung, Allegorismus. Dagegen werden die anderen im Kopf behandelten (ebenfalls halbfetten) Sublemmata — vor allem Zusammensetzungen und Syntagmen — stets innerhalb der Belegblöcke des Hauptlemmas bzw. der betreffenden Bedeutung aufgeführt (vgl. im Beispiel Adept Beleg 1964 mit der Zusammensetzung Eheadept). Prinzipiell wird in allen Fällen, in denen ein Stichwort mit mehreren Bedeutungen und/oder neben dem Stichwort auch ein oder mehrere Sublemmata zu belegen sind, das jeweilige Stichwort mit Ziffer und/oder Kleinbuchstabe dem entsprechenden Belegblock (in Halbfettdruck) vorangestellt, z. B. folgen im Artikel zu Arabeske auf den Belegblock zu Arabeske a die Belegblöcke zu den (semantisch zu Arabeske a gehörigen) Ableitungen arabesk, arabeskenartig, arabeskenhaft, daran schließen sich dann erst die Blöcke zu Arabeske b und Arabeske c an. MikroStruktur der Belege: Innerhalb des Belegteils bzw. innerhalb eines Belegblocks werden die Belege, um historische Entwicklungslinien deutlich zu machen, jeweils in chronologischer Folge angeführt und durch Semikola voneinander getrennt. Jeder Beleg ist intern gegliedert: Er besteht aus der Angabe der Belegstelle und dem Belegkontext selbst. Dieser ist in der Regel ein aus einem größeren Originaltext zitierter Satzkontext und muß daher — um „Gewähr" (Jacob Grimm) zu bieten — bibliographisch hinreichend genau identifizierbar sein. Die Angabe der kursiv gedruckten Belegstelle enthält folgende Daten: Der Nennung des Autors oder Herausgebers der Quelle, des Erscheinungsjahrs folgt die Nennung der Textquelle bzw. des Titels, in der Regel in sprechender Abkürzung, mit der Angabe ggf. von Bandnummer und/oder Seitenzahl, z. B. im Artikel zu Adept: Ettner 1697 Chymicus 833. Die Quellen, aus denen die Belege stammen, werden im Belegteil des Wörterbuchs in verkürzter Form — der sog. Zitierformel — zitiert. Die vollständigen bibliographischen Angaben sind dem Quellenverzeichnis zu entnehmen. Die Zitierformeln des Belegteils verknüpfen somit die Wortartikel mit der Wörterbuchbasis, den Quellen. Bezüglich unseres Beispiel Adept erhält man im Quellenverzeichnis von Schulz
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(DFWB VII 215) über die oben angegebene Zitierformel folgende genauere bibliographische Information: „Ettner von Eiteritz Joh. Christ., .. Des getr. Eckarts entlauffener Chymicus. Augsburg und Leipzig 1697". Die Angaben in der Zitierformel sollen jedoch nicht nur die bibliographische Identität sichern, sondern können den Benutzer indirekt auch über Symptomwerte wie Zeit, Raum, Textsorte und möglicherweise auch über die kommunikative Funktion des Belegtextes informieren. Bei Belegtexten, die nicht aus dem eigenen Corpus stammen, sondern aus anderen Belegwörterbüchern und weiteren sekundären Quellen übernommen sind, wird außer der primären Quelle die entsprechende Sekundärquelle abgekürzt in Versalien und runden Klammern jeweils am Ende des betreffenden Belegtextes genannt. Die Aufschlüsselung der Sekundärquellen wird dem Benutzer durch das jedem Band des DFWB beigegebene „Verzeichnis der zitierten Zweitquellen" ermöglicht. Der Belegtext selbst ist in Normalschrift gesetzt und so von der kursiven Zitierformel deutlich abgehoben. Er folgt buchstaben- und interpunktionsgetreu, also unter Wahrung der Groß-/Kleinschreibung, der Zusammen-/Getrenntschreibung, der Kürzel, der Virgeln usw. der Quellenvorlage. Lediglich bei Texten in Versform wird zur Kennzeichnung des Versendes der Schrägstrich (/) als beschreibungssprachliches Mittel verwendet. Auslassungen werden im Belegtext durch zwei Pünktchen gekennzeichnet. In vielen Fällen wird der bedeutungserläuternde bzw. -stützende Zweck des Belegs erst verständlich, wenn zu dem im Beleg stehenden Kontext zusätzliche Kommentare vom Bearbeiter gegeben werden. Notwendige, den Belegtext vervollständigende Zusätze werden in eckige Klammern gesetzt; sie werden stets, auch in ergänzungsbedürftigen historischen Textbelegen, in neuhochdeutscher Beschreibungssprache formuliert. Bei den lexikographischen Kommentaren handelt es sich meist um die Angabe eines aus dem weiteren Textzusammenhang oder Textsinn erschlossenen Bezugsausdrucks oder anderer syntaktischer Bezugsgrößen. In erster Linie dienen die Kommentare dazu, die nötige Verständlichkeit zu sichern, aber auch die Aussagekraft des Belegs zu verstärken oder die Aufmerksamkeit des Benutzers auf bestimmte Aspekte der Wortverwendung zu lenken. Insgesamt wirken sich diese Zusätze in den Belegen günstig auf einen rationellen Belegschnitt aus, indem sie dem Lexikographen die Zitierung längerer Textpassagen ersparen. Funktion der Belege: Der bereits angesprochene, für den Belegteil großzügig bereitgestellte Druckraum rechtfertigt sich letztlich aus den verschiedenen Funktionen der Belege: Zum einen hat der Belegteil die Funktion, für den Wörterbuchbenutzer die Entscheidungen des Lexikographen im Hinblick auf derr Lemmaansatz, die grammatischen, pragmatischen Angaben und insbesondere die Bedeutungserläuterung nachprüfbar zu machen. Der Benutzer kann so alle im Artikelkopf gebotenen lexikographischen (metasprachlichen) Informationen am objektsprachlichen Material selbst kritisch prüfen. Zweitens erfüllen die Belege insgesamt die Aufgabe, die Darstellung der Wortbedeutungen zu stützen und vor allem die semantischen Paraphrasen zu ergänzen, in besonderen Fällen auch sie zu ersetzen. Dies wird besonders evident bei dem
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Lexikographische Einführung
darstellungstechnischen Mittel der Belegverweise (vgl. 3.2.7.), durch die unmarkierte (d. h. nicht alphanumerisch markierte) Bedeutungsangaben (bes. bei Bedeutungsnuancen oder metaphorischen Verwendungen) des Artikelkopfes mit bestimmten Belegen des Belegteils als „Zeugen" korreliert werden. Neben der Verifizierung und semantischen Ergänzung dient der Belegteil drittens der Exemplifizierung, d. h. der Vorführung der Stichwörter in (historischen) Textzusammenhängen. Er illustriert somit die Gebrauchsregeln, wie sie vom Lexikographen in der Bedeutungserläuterung des Artikelkopfes für das Stichwort formuliert worden sind. Mit den Belegen gibt der Lexikograph dem Benutzer Beispiele für die ausdrucke- und inhaltsseitigen Verwendungsweisen der Wörter: Er bietet ihm die Möglichkeit, den Wortgebrauch vom objektsprachlichen Material her zu erfassen und zu verstehen, ohne dabei, z. B. über die Bedeutungserläuterung, kognitiv gesteuert zu werden. Bei der Anordnung der Belege wird die Belegspur jeweils vom Zeitpunkt des Aufkommens bzw. der Entlehnung des Stichworts mit seinen einzelnen Bedeutungen bis an die unmittelbare Gegenwart herangeführt und der historische Zusammenhang deutlich gemacht. Die Belege bzw. die Belegstellenangaben sollen möglichst exakt den Entlehnungszeitpunkt, den kulturellen Kontaktpunkt der Entlehnung sowie den über bestimmte (fachliche) Kommunikationsbereiche und (aus der Quellenangabe oft erschließbare) Textsorten nachweisbaren Entlehnungsweg innerhalb des Deutschen lemma- und einzelbedeutungsbezogen nachzeichnen. Durch eine lückenlose Abbildung der Bezeugungschronologie kann der Benutzer sich auch ein Bild machen vom Grad der formalen und inhaltlichen Integration der Stichwörter in das lexikalische System des Deutschen. Daher soll mit der Anzahl der Belege, der Belegdichte, weniger eine Aussage über die relative Häufigkeit des jeweiligen Wortgebrauchs gemacht als vielmehr seine Variationsbreite, sein Nuancenreichtum und sein Gewicht innerhalb der Wortgeschichte insgesamt veranschaulicht werden. Der Vorrang des semantischen Aspekts bei der Auswahl der Belege ergibt sich allein schon aus dem Charakter des Fremdwörterbuchs als Bedeutungswörterbuch und aus seiner bedeutungsgeschichtlichen Konzeption. Deshalb werden bevorzugt diejenigen Belege ausgewählt, von denen der Lexikograph meint, daß sie ihm vor allem bei der Erläuterung der Bedeutung, aber auch der anderen Worteigenschaften, von besonderem Nutzen waren, daß sie sich daher in besonderer Weise für die kritische Prüfung des Bedeutungsansatzes eignen und daß sie für das Verstehen besonders von historischen Texten sowie für die Erschließung historischer Wortbedeutungen einen besonderen Aussage- und Beispielwert haben. Favorisiert werden im DFWB daher: — sog. sprechende oder sprachreflexive Belege, die die Bedeutung des Stichworts explizit erklären bzw. seine Verwendungsweise(n) thematisieren. Bei diesen explizit definitionsartigen Belegen handelt es sich nicht um Definitionen aus Nachschlagewerken oder Lexika, sondern um authentische Äußerungen von Sprechern (z. B. Experten) in bestimmten Textsorten. Dazu gehören auch Belege, in denen schwierige Fremdwörter „verdeutscht" werden oder in denen die Bedeutung schwieriger Wörter durch satzgliedintern hinzugefügte allgemeinsprachliche Ausdrücke erläutert wird, z. B. durch Synonyme oder Antonyme, nachgestellte Appositionen usw.
Die systematischen Wortregister
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— sog. implizit definitionsartige Belege, die alle wesentlichen Aspekte der Wortbedeutung erkennen lassen, ohne explizit sprachreflexiv zu sein. Es sind vorwiegend Belege, die Prädikationen über den Bezugsbereich des Stichworts enthalten sowie über die Beschaffenheit der einzelnen Bezugsobjekte. Mit diesem Belegtyp werden vor allem die prototypischen Eigenschaften des Gegenstands oder Sachverhalts erkennbar, der mit dem jeweiligen Stichwort bezeichnet wird. Hierzu zählen auch Belege, in denen der Sach- und Weltzusammenhang, auf den man mit dem Stichwort Bezug nimmt, mit expliziten Prädikationen charakterisiert wird — Belege, in denen das zu belegende Wort in einer Reihe semantisch verwandter Wörter bzw. Gegensatzwörter oder in einer Mehrfachformel (z. B. Appetit und Lust, Autor und Skribent) steht, aus der Rückschlüsse auf die Zugehörigkeit des Wortes zu einem onomasiologischen Feld gezogen werden können — Belege, in denen durch stilistische Mittel (z. B. genitivus definitivus) Art-Gattungs-Zuordnungen geleistet oder andere semantische Über- bzw. Unterordnungsverhältnisse abgebildet werden — neben Belegen, die das Wort in phraseologischer Verwendung zeigen, auch Belege, in denen das Wort in Bildern und Vergleichen oder als Tropus (z. B. als Euphemismus, Metapher, Metonymie) gebraucht wird. Beim Zugriff auf die Belegsammlung stehen dabei an oberster Stelle die gar nicht so seltenen Belege, die sich durch eine mehrfache Illustrationskraft auszeichnen. Dies sind Belege, die ihre Erklärungs- und Dokumentationsfunktion mit Bezug auf mehrere Informationsarten zugleich erfüllen und z. B. neben morphologischen und grammatischen Aspekten das Zusammenwirken von Pragmatik und Semantik bei einem Stichwort beispielhaft vorzuführen imstande sind.
4. Die systematischen Wortregister Gleichzeitig mit der Bearbeitung des Lexikonteils A—Q werden die Band VII (S. 237 — 700) beigegebenen Wortregister revidiert und auf den neuesten Stand gebracht. Die Register dienen der systematischen Erschließung des im DFWB verzeichneten Fremdwortschatzes nach den Kriterien 'alphabetisch', 'rückläufig', 'chronologisch', 'Herkunft' und 'Wortklassen'. Es sind fünf Register, die die gleiche Information nach dem jeweiligen Ordnungskriterium umstellen: Stichwort, Bedeutungsstelle, Herkunfts- bzw. Vermittlersprache, Jahr der Erstbelegung, Wortklasse und Genus. Das alphabetische Register fungiert als Index zum Wörterbuch. Es dient vor allem der Auffindung der Subeinträge, also der vernesteten Sublemmata, aber auch der Differenzierung von Homonymen und Bedeutungsentwicklungen. Mit dem rückläufigen Register werden in erster Linie suffixale Wortbildungsstrukturen herausgestellt. Mit seiner Hilfe läßt sich feststellen, welche Wörter z. B. auf -ismus oder -ation wann, woher entlehnt, welche im Deutschen lehngebildet bzw. — in Verbindung mit dem chronologischen Register — welche Suffixe zunächst in Entlehnungen auftraten, dann in Lehnwortbildungen produktiv wurden. Das chronologische Register gibt in Verbindung mit dem alphabetischen bzw. rückläufigen Register Auskunft über zeitliche Schwerpunkte bei der Herausbildung
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Lexikographische Einführung
von präfixalen bzw. suffixalen Wortbildungsreihen, und in Verbindung mit dem Herkunftsregister über lateinische, französische, englische u. a. Entlehnungs- bzw. Lehnwortbildungsschübe. Das Herkunftsregister verzeichnet die Quellensprachen deutscher Fremdwörter, stellt die im DFWB erfaßten Gräzismen, Latinismen, Gallizismen, Anglizismen zusammen und gibt damit Aufschluß über die etymologische Struktur des deutschen Fremdwortschatzes. Mit der Rubrik 'Deutsch' erbringt es den Nachweis, daß eine beträchtliche Zahl von Fremdwörtern nicht aus anderen Sprachen entlehnt, sondern innerhalb des Deutschen teilweise oder ganz mit entlehnten Wortbildungsmitteln gebildet sind. Damit wird nicht nur der herkömmliche Fremdwortbegriff revidiert, sondern auch gezeigt, wie sich das komplementäre System der Lehnwortbildung nach und nach im Deutschen entfaltet hat. Das Wortklassenregister bietet mit der Zusammenstellung von Substantiven, Adjektiven und/oder Adverbien, Verben, Präpositionen sowie von hauptlemmatisierten Wortbildungsmitteln und Syntagmen einen Überblick über die Verteilung der Fremdwörter auf die Wortarten im Deutschen. Mit den Daten der Register und vor allem ihren zahlreichen Kombinationsmöglichkeiten werden nicht nur zusätzliche Zugänge zum Lexikonteil des Fremdwörterbuchs eröffnet. Vielmehr stellen sie, indem sie die gesamte Kerninformation der Artikel in jeweils unterschiedlicher Anordnung wiederholen, ein echtes Forschungsinstrument der diachronen und synchronen Lexikologie und damit auch der modernen Fremdwortlexikographie insgesamt dar.
5. Die Quellen des Deutschen Fremdwörterbuchs 5.1. Der Quellenbestand Das DFWB beruht, vor allem um der Darstellung seiner Wort- und Bedeutungsgeschichten ein tragfähiges Fundament zu geben, auf einer breiten Material- und Quellenbasis, es folgt also dem „Corpusprinzip". Den entsprechenden Grundstock für die Neubearbeitung bildet — wie schon für die Fertigstellung der Restalphabetstrecke R — Z (vgl. oben Kap. 1) — die Schulz/Baslersche Belegsammlung. Diese geht auf eine systematische Exzerption von mehr als 10.000 regelmäßig benutzten Quellen zurück und umfaßt etwa 2 Mio. Belegzettel. Die ausgewerteten Quellentexte erstrecken sich in weitgehend ausgewogener chronologischer Streuung auf den gesamten neuhochdeutschen Zeitraum von ca. 1450 bis 1980/90 und decken ein relativ breitgefächertes Textsortenspektrum ab. Eine Auswertung der mehr als 500 von Hans Schulz (für Band I, 1913) verzeichneten Quellen ergibt hinsichtlich der sachbereichs- und textsortenbezogenen Verteilung folgendes Bild (vgl. DFWB 1988, VII 213 ff.): Quellenzahl I. (Populär-)wissenschaftliche Literatur a) Sprache (Grammatiken, Lexika, Mundart-, Fach- und Autorenwörterbücher u. a.) 48 b) Naturwissenschaft Medizin 20 Physik, Chemie 4
Die Quellen des Deutschen Fremdwörterbuchs
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II. III. IV. V.
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Mathematik Geographie, Landeskunde Astronomie Geisteswissenschaften Philosophie, Theologie Recht Geschichte Wirtschaft, Handel, Bankwesen Politik, Kulturpolitik Soziales, Sittengeschichte, Pädagogik Kunst (Architektur, Theater, Musik) Technik (z. B. Kriegs-, Jagd-, Koch-, Gartentechnik)
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49 24 51 d) 12 e) 26 f) 37 g) 25 h) 32 (I insgesamt 337) Dichtung (schöngeistige Literatur und Literaturwissenschaft) 91 Trivialliteratur (u. a. Lustspiele, Schwanke, Fastnachtsspiele) 36 Memoiren (z. B. Reiseberichte, Briefe) 44 Periodika (u. a. Zeitschriften, Annalen) 15
Die von Otto Basler seit der Übernahme des DFWB von 1923 bis zum Jahre 1930 kontinuierlich erweiterte Quellensammlung umfaßte ca. 1700 neu exzerpierte Quellen. Die von Hans Schulz verzeichneten Werke sind darin nicht mehr enthalten, es sei denn, sie wurden von Basler noch einmal vollständig ausgewertet und verzettelt. Sie variieren im Umfang von mehrbändigen Werkausgaben bis zu einzelnen Flugschriften. Zu den ausgewerteten Textsorten(-gruppen) gehören Akten, Urkunden (-Sammlungen), Berichte, Chroniken, Aufsätze, Reden, Predigten, Streitschriften, Annalen, Tagebücher, Lieder, Sendschreiben, Almanache, Romane, Novellen u. a.m. Die Verteilung der Quellen auf die von Basler herausgestellten Großbereiche „Wissenschaft" (einschließlich der allgemeinen Nachschlagewerke und der spezielleren Fachliteratur), „Dichtung", „Trivialliteratur" und „Memoiren" ist — wie folgende Tabelle zeigt — in chronologischer Hinsicht nicht für alle Jahrhunderte (von ca. 1300 bis 1930) gleich dicht (vgl. DFWB 1988, VII 759):
vor 1300 1300-1400
1400-1500 1500-1550 1550-1600 1600-1650 1650-1700 1700-1750 1750-1800 1800-1850 1850-1900 1900-1930
Wissenschaft 3 8
21 46 48 71 61 61 75 47 71 138 650
Dichtung
Trivialliteratur
Memoiren
l 2
1
1
5 60 31 22 25 28 54 40 68 52 388
l 11 11 12 25 6 27 37 81 110 322
2 4 2 6 9 4 40 35 41 28 172
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Diese neuen Quellen Baslers verteilen sich auf Textsorten und Sachbereiche in folgender Weise (vgl. DFWB 1988, VII 805): Quellenzahl I. Wissenschaft 650 a) Nachschlagewerke wie Grammatiken, Lexika, Mundart-, Fremdund allgemeinsprachliche Wörterbücher, Etymologie und Wortgeschichte b) Sach- und Fachliteratur, darunter Philosophie, Pädagogik, Geschichte, Erdkunde, Rechts- und Staatswissenschaft, Statistik, Theologie, Medizin, Naturwissenschaften, Soziologie, Wirtschaft und Technik u. a.m. II. Dichtung 388 Klassiker, Belletristik seit 1670, Dramen, Prosa, Lyrik, Übersetzungen III. Trivialliteratur 322 Schwanke, Lust- und Fastnachtsspiele, in neuerer Zeit sog. „Romanund Dienstbotenliteratur" (Basler) IV. Memoiren 172 Autobiographien, Erinnerungen, Briefe, Reisebeschreibungen Bis zum Jahre 1972 wertete Basler an die 8000 weitere Quellen aus, so daß die Quellensammlung insgesamt ungefähr 10.000 Werke umfaßt. Die seit 1974 von den Bearbeitern der Strecke R —Z, seit 1990 von den Bearbeitern der Neubearbeitung bis heute exzerpierten Werke sowie die aus Fremdcorpora übernommenen Quellen werden in das Baslersche Quellenverzeichnis eingeordnet. Dabei wird das Quellenverzeichnis des DFWB mit mittlerweile weit über 11.000 Quellen im Zuge der Neubearbeitung insgesamt revidiert, ergänzt und aktualisiert. 5.2. Die Quellentypen Die folgende Übersicht über das Quellenmaterial, die wichtigsten Quellentypen und Textsorten(-gruppen) will nur eine grobe, vorläufige Orientierung vermitteln. Sie bedürfte hinsichtlich der räumlichen und zeitlichen Verteilung sowie hinsichtlich der Textsortenzugehörigkeit der Quellen der weiteren Aufschlüsselung, die hier jedoch nicht vollständig geleistet werden kann. Das DFWB hat idealiter das gesamte Varietätenspektrum aller für den Zeitraum von 1450 bis 1980 relevanten historischen Sprachstufen bzw. abgrenzbaren geistes- und kulturgeschichtlichen Epochen zum Gegenstand. Dieses Ziel ist in der Praxis — wie eine kritische Prüfung des Corpus zeigt bzw. aus einer Aufschlüsselung der Quellen nach den drei wichtigsten Heterogenitätsdimensionen 'Zeit', 'Raum', 'Textsorte' hervorgeht — bestenfalls annäherungsweise zu erreichen. Darüber hinaus ist nicht auszuschließen, daß die Proportionen, also das Mischungsverhältnis der Quellen insgesamt, unausgewogen sind: Viele historische, jeweils epochen- bzw. sachbereichsspezifische Textzeugen könnten entweder gar nicht oder nur am Rande erfaßt, andere unterrepräsentiert, andere dagegen überrepräsentiert sein. Ein wichtiger Faktor bei der Beurteilung der Qualität des Quellencorpus ist sicher in der Fluktuation der Textsorten zu sehen, also in der Tatsache, daß der
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Bestand an den jeweils gebräuchlichen und verbreiteten bzw. jeweils zeittypischen Textsorten einem Wandel unterworfen ist: Denn gerade hier kann man von erheblichen periodischen Zu- und Abgängen sowie von Umschichtungen ausgehen. Neben Textsorten, die über einen längeren Zeitraum gebräuchlich sind und in ihrem Verwendungszweck im ganzen stabil bleiben (z. B. Erzählungen, Biographien, Urkunden, Reiseführer, Gesetzestexte, Lehrtexte), gibt es Textsorten, die zeitbedingt an Bedeutung verlieren oder ganz aus der aktuellen Kommunikation verschwinden. Hierbei ist z. B. der Rückgang im Sektor der religiösen, kirchlichen Kommunikation deutlich, oder man denke an die Erbauungsliteratur, die im 15.716. Jahrhundert noch Massenliteratur war. Ganz offenkundig aber gibt es im Laufe der Geschichte einen starken Zuwachs und eine erhebliche Differenzierung der Texttypen: Die politischen, rechts- und wirtschaftsgeschichtlichen Texte, die den Bereich der Arbeitsund Sozialwelt betreffen, das Textsortenspektrum der Institutionen sowie die funktionalen Texttypen, die in Wissenschaft und Technik produziert werden, aber auch chronikalische, literarische und philosophische Texte, die der Information, Unterhaltung, Bildung und Lebensorientierung überhaupt dienen: Sie allesamt waren in früheren geschichtlichen Epochen nicht immer in gleicher Weise vorhanden. Das Quellencorpus besteht vorwiegend aus Primärquellen: Einerseits aus originalen mehrbändigen Werkausgaben (z. B. Paracelsus, Luther, Zwingli, Goethe, Schiller), wobei für einen Autor auch mehrere Werkausgaben herangezogen werden können (z. B. Schiller, Goethe, Jean Paul, G. Keller, S. Freud), andererseits aus Einzeldrucken (z. B. Murner 1512 Narrenbeschwörung, Opitz 1624 Buch von der deutschen Poeterey, Thomasius 1688 Monats-Gespräche, Chr. Wolff 1716 Math. Lexicon, Musäus 1781 Physiognomische Reisen, Freud 1911 — 24 metapsychologische Schriften), die oft in Form von Faksimiles, Kopien, Nach- oder Neudrucken zur Verfügung stehen. Des weiteren zählen zu den besonders in der Neubearbeitung regelmäßig herangezogenen Primärquellen die Ausgabenglossare und Indices verborum. Zu den Ausgabenglossaren gehören Glossare, Wortverzeichnisse, lexikologische Anmerkungsteile, Register aller Art im Anhang wissenschaftlicher Textausgaben bes. des 19. und 20. Jahrhunderts. Die Ausgabenglossare bieten brauchbares Material, da sie als Verständnishilfe bei der Lektüre des edierten Textes gedacht sind und dementsprechend nur diejenigen Wörter, vor allem auch Fremdwörter, enthalten, die dem Herausgeber als erläuterungsbedürftig erschienen. Leider fehlen z. B. mit Blick auf das weltgeschichtlich bedeutsame 16. Jahrhundert Glossare zum Gesamtwerk herausragender Persönlichkeiten wie Paracelsus, Luther, Murner, Brant, Zwingli u.v.a. Die Indices (jeweils mit den entsprechenden Texteditionen) enthalten im Unterschied zu den Ausgabenglossaren alle im Quellentext verwendeten Wörter, also neben Fremdwörtern auch indigene Wörter. Texteditionen, die durch angehängte Wortregister (Glossare, Indices) ihre lexikologische Erschließung und Auswertung bereits vorbereiten, sind für den Lexikographen von besonderem Erkenntniswert. Zu den sekundären Quellen zählen lexikologische Untersuchungen, Sekundärliteratur zum Fremdwort im Deutschen, Wörterbücher, Sachregister zu Texteditionen und Sachlexika, soweit sie Textbelege (mit exakten Belegangaben der edierten Quellen) zu Fremdwörtern für den Zeitraum von ca. 1450 bis zur Gegenwart enthalten. Den ergiebigsten Teil der Zweitquellen bilden die historischen Wörterbücher und
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Lexikographische Einführung
die Autoren Wörterbücher (z. B. Goethe-Wörterbuch), dann folgen die historischen Wortmonographien und lexikologischen Untersuchungen, z. B. zum lexikalischen (und semantischen) Einfluß einer fremden Sprache auf das Deutsche in einer bestimmten historischen Epoche (z. B. W. J. Jones „A Lexicon of French Borrowings in the German Vocabular (1575 — 1648)"). Die sekundären Quellen enthalten außer frühen Belegen oft auch wichtiges, im eigenen Corpus nicht vorhandenes oder auch durch den Zugang über die Glossare nicht erschlossenes Wortgut oder nicht erschlossene Bedeutungen. Die lexikologischen und lexikographischen Zweitquellen werden nicht in das Primärquellenverzeichnis aufgenommen. Sie werden jeweils zu Beginn jedes Bandes im „Verzeichnis der zitierten Zweitquellen" abgedruckt. Ebenfalls nicht in das Primärquellenverzeichnis aufgenommen werden Quellen, die nur sporadisch zitiert werden, und die Zeitungen, denen ein großer Teil des Belegmaterials für das 20. Jh. (ab etwa 1920) entstammt. Zu den regelmäßig exzerpierten Zeitungen und Zeitschriften gehören vor allem Dresdner Anzeiger, Kölner Zeitung (bes. 1914—1918), Vossische Zeitung und Berliner Illustrierte Nachtausgabe (20/30er Jahre), Berliner Lokal-Anzeiger und Deutsche Allgemeine Zeitung (30er Jahre), Völkischer Beobachter (30er und Anfang der 40er Jahre), Neue Zeitung Basel und Neue Zürcher Zeitung (40er Jahre), Münchner Stadtanzeiger und Münchner Neueste Nachrichten (40er Jahre), Süddeutsche Zeitung (40/50er Jahre, dann wieder seit Anfang der 90er Jahre), Stuttgarter Zeitung (50/60er Jahre), Badische Zeitung (60/70er Jahre), Offenburger Tageblatt (ab 1958), Frankfurter Allgemeine Zeitung (ab 1959), Die Welt und Neues Deutschland (der Jahre 1949, 1954, 1959, 1964, 1969, 1974), Mannheimer Morgen (ab 1985), Die Zeit (ab 1985), Spiegel (seit Anfang der 90er Jahre). Durch den beträchtlichen Umfang der Quellensammlung ist eine gewisse chronologische und textsortenspezifische Streuung zwar gewährleistet, jedoch zeigte sich schon bei der Bearbeitung der Bände III —VI (R —Z), daß das Belegmaterial trotz des breitgefächerten Repertoires z. T. ungleichmäßig verteilt und hinsichtlich bestimmter Zeiträume und/oder Textsorten, aus dem Bereich der schönen Literatur ebenso wie aus dem des Sachschrifttums und der Fachliteratur, unausgewogen und heterogen ist. Neben gewissen Verdichtungen finden sich im Corpus auch zahlreiche lichte Stellen. Die Frage, ob dies jeweils die sprachlichen Gegebenheiten, d. h. das seltene oder häufige Vorkommen von Wörtern (in einer bestimmten Epoche oder in einem bestimmten Kommunikationsbereich) abbildet oder durch Lücken in der Quellensammlung bzw. durch das Fehlen wichtiger Quellen selbst bedingt war, muß auch bei einem sorgfältigen Vergleich mit historischen (Fremd-)Wörterbüchern weitgehend offen bleiben. Im Vergleich jedoch mit Belegsammlungen anderer historischer Wörterbuchprojekte, bes. der Neubearbeitung des Deutschen Wörterbuchs der Brüder Grimm oder des Frühneuhochdeutschen Wörterbuchs, konnten für bestimmte Zeiträume, Fach- und Sachbereiche sowie Textsorten Beleglücken identifiziert werden. Es war und ist daher — während und neben der eigentlichen lexikographischen Arbeit — dringend erforderlich, die Schulz/Baslersche Belegsammlung durch eine systematische Quellenergänzung, Belegsuche und gezielte Nachexzerption wenigstens notdürftig zu ergänzen und zu erweitern, so daß die Lücken im vorhandenen Material so weit wie möglich behoben werden können.
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5.3. Ergänzung des Quellencorpus Zur Ergänzung und Erweiterung der Schulz/Baslerschen Quellen- und Belegsammlung werden folgende Möglichkeiten ausgeschöpft: 5.3.1. Die maschinenlesbaren Corpora des IDS Das IDS-eigene Gesamtcorpus besteht aus folgenden Einzelcorpora: Historische Corpora — Das Goethe-Corpus mit 3.500.000 Wortformen der maschinenlesbaren (Hamburger) Werkausgabe mit autobiographischen und naturwissenschaftlichen Schriften sowie Schriften zu Kunst und Literatur, Reiseberichten und Romanen — Das Marx/Engels-Corpus mit bisher 680.000, insgesamt projektierten 6.000.000 Wortformen — Das Thomas Mann-Corpus mit 3.400.000 Wortformen der maschinenlesbaren Werkausgabe von 1960 mit Romanen, Erzählungen, Reden und Aufsätzen (ohne Briefe) Gegenwartsbezogene Corpora — Das Mannheimer Corpus I und II mit zusammen 2.350.000 Wortformen verschiedenster Textsorten aus den Bereichen Belletristik, Trivialliteratur, Memoiren, populärwissenschaftliche Literatur sowie Zeitschriften, Gesetzestexten, Zeitungen und Magazinen — Die Handbuch-Corpora mit bislang 11.000.000 Wortformen aus Tages- und Wochenzeitungen (Mannheimer Morgen, Die Zeit) von 1985 — 88, die kontinuierlich weitergeführt werden sollen — Das Bonner Zeitungscorpus mit 3.000.000 Wortformen aus Tageszeitungen (Die Welt, Neues Deutschland und FAZ) aus den Jahren 1949, 1954, 1959, 1964, 1969 und 1974 — Das sog. Wende-Corpus, das auf ca. 4.000.000 Wortformen projektiert ist, jeweils zur Hälfte aus ost- und westdeutschen Zeitungstexten der Wendezeit ca. 1989-1991 — Das Freiburger Corpus mit 600.000 Wortformen der gesprochenen Sprache zwischen 1960 und 1974 — Das Limas-Corpus mit 1.000.000 Wortformen aus 500 Dokumenten der Jahre 1970/71, besonders aus (populär-) wissenschaftlichen Texten und unterschiedlichsten anderen Textsorten wie Medikamentenbeilagen, Kochrezepten, Horoskopen, Groschen-, Kriminalromanen, Zeitungsartikeln und Aufzeichnungen von Rundfunksendungen. 5.3.2. Kontinuierliche Nachexzerption Die in den Jahren 1990/91 begonnene Nachexzerption, die von den Artikelverfassern durchgeführt wird, erfolgt aus der konkreten Wörterbucharbeit heraus und dient der gezielten Schließung von Beleglücken. Zu diesem Zweck wird das Quellenmaterial fortlaufend ergänzt durch die Anschaffung von Textzeugen vor allem früherer Jahrhunderte. Dazu gehören in Faksimiles, Mikrofilmen, Mikrofiches, Nach-
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und Neudrucken sowie maschinenlesbaren Texteditionen rasch erreichbare Texte verschiedenster Autoren und Textsorten (z. B. die von Liliencron herausgegebenen historischen Volkslieder, die deutschen Handelsakten des Mittelalters und der Neuzeit, Einzel- und Gesamtausgaben der Werke von Paracelsus, Luther, Fischart, Chr. Freiherr v. Wolff, Kant, Beckmann, Schopenhauer, Nietzsche, Freud, Schnitzler, Hesse, Benn usw.). Die neu erworbenen Primärquellen werden durch die sog. „lineare Exzerption" ausgewertet. Dabei werden in einem Lesedurchgang durch den jeweiligen Text alle zu exzerpierenden Fremdwörter (von den Artikelbearbeitern) markiert und so für die Exzerption (durch studentische Hilfskräfte) vorbereitet. Die Titel der neu erfaßten Quellen werden in das Quellenverzeichnis aufgenommen, die exzerpierten Belege in die Schulz/Baslersche Belegsammlung eingeordnet. Zu den für die Nachexzerption vorgesehehen historischen und gegenwartssprachlichen Textzeugen gehören vor allem auch fachsprachliche (ebenso wie bildungssprachliche, populärwissenschaftliche) Texte unterschiedlichster Disziplinen (Sprache, Naturwissenschaft, technische Wissenschaften, Kunst, Geschichte/Kulturgeschichte, Politik, Philosophie/Psychologie/Soziologie/Pädagogik). Eine stärkere Berücksichtigung als bisher erfahren neben chronikalischen und berichtenden Texten einschließlich biographischen Texten (vor allem Briefen, Memoiren, Tagebüchern, Erinnerungen) und Periodika (Zeitschriften, Magazine, Illustrierte) vor allem nun auch literarische, dichtungstheoretische und philosophische Texte. Ausgewertet werden dabei (vor allem auch mit Hilfe von Glossaren und Indices) u. a. die gesamten Werke von Bodmer, Breitinger, Gottsched, Lessing, Lichtenberg, Herder, Fichte, Wieland, Fr.Schlegel, Jean Paul, Novalis, Lambert, Kant, Hegel, Schopenhauer, Keller, Treitschke, Bismarck, Nietzsche, Hesse, Döblin, Tucholsky, Bloch, Benjamin, Brecht, Benn, Eich, Bense, Adorno, Horkheimer. 5.3.3. Der Kontext-Service Viele der Belegzettel aus dem Schulz/Basler-Corpus sind entweder ganz ohne Satzkontext oder nur mit einem (ungenügenden) Minimaltext versehen, jedoch verzeichnen sie das Stichwort und die Zitierformel der Quelle, die das Stichwort enthält. Um diese Belege lexikographisch nutzen zu können, ist die Ermittlung des Kontextes unbedingt erforderlich. Zu diesem Zweck wurde bereits während der Fertigstellung der Buchstaben R —Z der Kontext-Service eingerichtet: Dabei werden jeweils die einzelnen Bibliotheken (vgl. Vorwort), in denen sich die ausgewerteten (und auf dem Belegzettel in der Zitierformel genannten) Quellen befinden, mit einem Formblatt routinemäßig angeschrieben und um die Kopie der betreffenden Seite(n), auf der/ denen das Stichwort laut Belegzettel steht, gebeten. In etwa 70% aller Fälle können auf diese Weise die fehlenden Satzkontexte ermittelt und Lücken im Belegmetarial geschlossen werden. Von der Möglichkeit des Kontext-Service wird häufig (ca. 100 mal pro Monat) Gebrauch gemacht; die Zahl der (Universitäts-)Bibliotheken, mit denen regelmäßig korrespondiert wird, hat sich mittlerweile auf ca. 25 erweitert. Um den Kontext-Service optimal auszuschöpfen, werden die das gesuchte Stichwort enthaltenden kopierten Seiten gleichzeitig auf weitere, für das Fremdwörterbuch relevante Stichwörter hin durchgesehen. Nicht selten finden sich dabei auf ein und derselben Seite zusätzlich bis zu 10 Fremdwörtern, die einen lexikographisch
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gut auswertbaren Satzkontext enthalten. Dadurch können vor allem bei häufig genutzten Quellen, bes. den frühen und oft schwer zugänglichen Textzeugen des 15./ 16. Jhs., zukünftige Kontextanfragen vermieden werden. 5.3.4. Belege aus Fremdcorpora und Sekundärquellen Belege, die sich in den Sekundärquellen (historischen, dokumentativen Wörterbüchern, Autorenwörterbüchern, lexikologischen Monographien, Begriffsgeschichten) befinden, werden auf ihre Relevanz für die jeweiligen Stichwortartikel hin überprüft und im Fall der Aufnahme im Fremdwörterbuch zitiert (vgl. Kap. 3.2.11., vgl. auch die jeweils am Anfang jeden Bandes befindliche „Liste der zitierten Zweitquellen"). Die in den betreffenden sekundären Quellen geleistete Exzerpierarbeit wird somit effizienterweise mehrfach genutzt. Mit freundlicher Genehmigung der Berliner und Göttinger Arbeitsstellen der Neubearbeitung des Deutschen Wörterbuchs der Brüder Grimm, des Frühneuhochdeutschen Wörterbuchs (Heidelberg/Mannheim) sowie des Deutschen Rechtswörterbuchs (Heidelberg) kann das dort archivierte, überaus reichhaltige Belegmaterial von den Mitarbeitern des Fremdwörterbuchs eingesehen und im Bedarfsfall auch genutzt und ausgewertet werden. 5.4. Die Quellen des deutschen Fremdwörterbuchs und ihre textsortenspezifische Verteilung Die folgende Übersicht dient in erster Linie der Aufschlüsselung der Quellen des DFWB nach den Dimensionen 'Kommunikations-/Sachbereich' bzw. 'Textsorten'. Dabei werden die Textsorten, sofern sie ähnliche kommunikative Funktion haben, zu Textgruppen zusammengefaßt; eine solche Textgruppe bilden z. B. die chronikalischen Texte mit Textsorten wie Chroniken, Zeitungen, Journale usw. Die Aufschlüsselung erfolgt jedoch ohne Gewichtung der einzelnen Quellentypen, des Umfangs der Quelle und ihrer Qualität, insbesondere ihres lexikographischen Erkenntniswerts. Auf wünschenswerte Aussagen über die zeitliche Verteilung der Quellen im einzelnen, d. h. die Zuordnung zu einem für einzelne Jahrhunderte oder für bestimmte sprach- oder literaturgeschichtliche Epochen jeweils typischen Textsortenspektrum, muß hier verzichtet werden. Auch zur sprachräumlichen Verteilung der Quellen, die für das DFWB eine nur periphere Dimension darstellt, wird an dieser Stelle nichts gesagt. Wichtiger wäre hier eine Aufschlüsselung der Quellen nach ihrer Ergiebigkeit hinsichtlich fremden Wortgutes; insbesondere die Klärung der Frage, in welchen Quellen vorwiegend welches fremde Wortgut (aus welchen Herkunftssprachen also) ins Deutsche transferiert wird (vgl. z. B. die Arbeit von Paul Möller „Fremdwörter aus dem Lateinischen im späteren Mittelhochdeutschen und Mittelniederdeutschen", die eine Fundgrube für Texte mit lateinischen Fremdwörtern darstellt, vgl. auch die Briefe von Liselotte von der Pfalz, in denen vorwiegend französisches Wortgut des 17./IS. Jahrhunderts ins Deutsche transportiert wird). In der folgenden Übersicht gehören zu den Primärquellen die Textgruppen (1) —(6), (7) und (8) sind die Sekundärquellen.
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(1)
(1.1) (1.2)
Lexikographische Einführung
Literarische Texte: Gattungen und Textsorten der schönen Literatur — Insbesondere Roman, Novelle/Erzählung, Drama, Lyrik, Märchen, Idyllen, Satiren, Fabeln (aus Werk-, Einzelausgaben, Anthologien u.a.) Deutsch verfaßte literarische Texte Ins Deutsche übersetzte literarische Texte
(2)
Unterhaltungs- und Gebrauchsliteratur mit unterschiedlicher dominanter Textfunktion (Unterhaltung, Belehrung, Aufklärung, Erbauung) (2.2.1) Unterhaltende Texte (Trivialliteratur) — Lustspiele, Schwanke, Fabeln, Spruchdichtungen, Fastnachtsspiele, Volksbücher, Visionenliteratur, Reisebilder, seit dem 17./18. Jh. vor allem Romane und prosaische Kleinformen usw. (2.2.2) Erbauliche Texte — Religiöse Lieder, Sermones, Spiegel, Summarien, Sterbebücher, Legenden, Trostbücher usw. (2.2.3) Religiöse/theologische Texte — Predigten, religiöse Lieder, exegetische Schriften, mystische Texte, liturgische Texte, theologische Fachprosa, Traktate, Dispute, Streitschriften, Dialoge, Flugschriften, geistliche Spiele, Legenden, Evangelistare, Katechismen, Bibelübersetzungen, Historienbibeln, Breviarien usw. (2.2.4) Didaktische/pädagogische Texte (vgl. 6.2.2) — Schulbücher, Traktate, Spiegel, Sprichwortsammlungen, Satiren, Flugschriften, Narrenliteratur usw. (3) (3.1)
(3.2) (4) (4.1) (4.2) (4.3) (5) (5.1)
Biographische Texte Briefe, Tagebücher, Erinnerungen, Memoiren, Lebensbeschreibungen, Briefwechsel, Autobiographien, autobiographische Reiseberichte, Bekenntnisschriften, Aufsätze, Reden, Vorträge usw. Biographien, biographische Sammelwerke (z. B. Allgemeine Deutsche Biographie 1875-1912) usw. Chronikalische und berichtende Texte Chroniken, Urkundenbücher, Reisebücher, Denkwürdigkeiten, Geschichtsdarstellungen usw. Periodische Texte (Periodika) wie Zeitschriften, Illustrierte, Magazine, Journale; Almanache, Annalen, Jahrbücher usw. Zeitungen („Relationen", „Avisen", bes. seit dem 17. Jh.) Wissenschaftliche Texte Naturwissenschaftliche Texte — Medizin, Pharmazie („Arzneikunde"), Gesundheitswesen — „Alchimie", Chemie — Mathematik, Physik, Astronomie, Astrologie — Biologie, Zoologie, Botanik, Anthropologie, Naturgeschichte, Naturphilosophie
Die Quellen des Deutschen Fremdwörterbuchs
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— Geographie, Geologie, Länder-, Völkerkunde — Technische Wissenschaften (moderne Technik, Technologien) (5.2) Geisteswissenschaftliche Texte — Philosophie, Metaphysik — Theologie, Religionswissenschaft, Mythenforschung — Literaturwissenschaft, -geschichte, Ästhetik, Dichtungstheorie („Poeterey") — Sprachwissenschaft (Linguistik), Sprachphilosophie, Philologien — Kulturgeschichte, Kunst(-geschichte), Architektur, Musik, Theater — Geschichtswissenschaft (5.3) Sozialwissenschaftliche Texte — Soziologie, Sozialgeschichte, Sittengeschichte („Sittengemälde"), soziale Utopie — Psychologie, Pädagogik (5.4) Wirtschaftswissenschaftliche Texte — Handel, Bankwesen/Geldverkehr; Ökonomie, Kameralwissenschaften (staatliche Verwaltungslehre: „Polizeiwissenschaft"), Kameralistik usw. (5.5) Texte aus Politik, Recht und Verwaltung (Textsorten der Institutionen) (5.5.1) (Historische) rechtspolitische Texte Rechtsquellen, Verfassungen, Gesetze, Verordnungen, Erlasse, Reichtagsakten, Landtagsakten, Handelsakten, Zollakten Kanzleitexte, Ordnungen (Gerichts-, Dorf-, Polizeiordnungen), Stadtrechte, Protokolle, Weistümer, Sendschreiben usw. (5.5.2) (Historische) verwaltungspolitische Texte Verwaltungstexte, Behördenakten (5.5.3) Texte der politischen Meinungsbildung (Parteien) politische Rede, persuasive Texte (5.5.4) Politikwissenschaftliche Texte politische Theorie, Politikwissenschaft, allgemeine Staatslehre, Staatskunde (5.5.5) Texte der Diplomatie (internationale Politik) Korrespondenzen, Allianzen, Verträge (5.5.6) Berichterstattende Texte über politische Ereignisse, soziale Verhältnisse im Ausland (6) (6.1)
Fachliche Texte Texte traditioneller Fachbereiche — Gewerbe, ältere Handwerke und Produktionstechniken (Bau-, Nahrungsmittel-, Textil-, Leder-Handwerk; Stellmacherei, eisen- und metallverarbeitendes Handwerk; holzverarbeitendes Handwerk; papierverarbeitendes Handwerk; chemisches, keramisches Handwerk usw.) — Landwirtschaft („Agrikultur"), Forstwissenschaft, Garten(bau)kunst — Jagd, Fischerei — Militär, Rüstungswesen, Kriegstechnik, Festungsbau („Architectura militaris") usw. („Soldatensprache", militärische Fachsprache)
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Lexikographische Einführung
— — — — (6.2) (6.2.1)
(6.2.2)
Handel, Kaufmannswesen („Kaufmannssprache") Seewesen, Schiffahrt („Seemannssprache") Bergbau („Bergmannssprache") ältere Technik (Maschinen, Dampf, Elektrizität, Verkehrswesen, Eisenbahn, Photographic, technische Erfindungen usw.)
Realientexte Allgemeine populärwissenschaftliche Texte — Texte aus Konversationslexika, Handwörterbüchern, Realenzyklopädien — Reiseführer, populäre Länder-, Völkerkunde, Reisebilder, -beschreibungen, Wanderungen Sachtexte mit anweisender Funktion (vgl. (2)) — Anleitungen, Praktiken, Ratgeber, Briefsteller, Poetiken, Rezept-, Koch-, Arznei-, Kräuterbücher, Gesundheitsregeln; Kriegsbücher; Kunstbüchlein, Traktate, Naturlehren, Astronomiebücher, Lehrbücher aller Art, Schulbücher, Lesebücher usw.
(7)
Sprachgeschichtliche lexikologische Abhandlungen — Sekundärliteratur zum Fremdwort im Deutschen — historische Wortmonographien, Untersuchungen zu kulturellen Kontakten, zu fremdsprachlichen Einflüssen — historische Wörterbücher, Autorenwörterbücher mit Belegdokumentationen usw.
(8)
Nachschlagewerke — Sprachwörterbücher, Dictionarien, Lexika, — Vokabularien, Glossare, Indices, — Reimwörterbücher, Synonymenwörterbücher, Fremdwörterbücher, Sprichwörterbücher — allgemeine ein- und mehrsprachige Wörterbücher — Fachwörterbücher, Sachbücher, Enzyklopädien, — etymologische/wortgeschichtliche Wörterbücher usw. — sonstige Wörterbücher
a-, auch in der erweiterten Form an- (vor Vokal, z. B. an-organisch, und h, das auf einen aspirierten Anfangsvokal griech. W rter zur ckgeht, z. B. an-hydrisch, im Unterschied z. B. zu α-human; vgl. die singul re Assimilationsform ar- in ar-rhythmisch}. Verneinendes Pr fix von fremdspr. Adj. und Subst., zur ckgehend auf gleichbed. griech. cc-, auch αν-, sog. Alpha privativum, urspr nglich nur verwendet bei Verbaladj. (z. B. griech. άναρχος 'f hrerlos', aus verneinendem αν- und άρχειν 'der erste sein, herrschen', —» Anarchie/anarchisch) und Bahuvrihibildungen bzw. Possessivkomposita (z. B. άθεος 'gottlos', als Possessivkompositum gebildet aus verneinendem ά- und θεός 'Gott', also eigentlich 'nicht Gott habend', —> Atheismus/atheistisch), dann auch allgemein zur Negierung von Adj. (z. B. άσοφος 'unklug', zu σοφός 'klug'), etymologisch verwandt mit dem schon seit ahd. Zeit produktiven Pr fix un- und dem aus dem Lat. stammenden Pr fix in-, Seit dem 15.716. Jh. im Dt. wie in anderen europ ischen Sprachen zun chst nachgewiesen in (h ufig ber das Lat. vermittelten) W rtern aus dem Griech.: Anfangs vor allem in entlehnten Subst. (z. B. —» A-sphalt, —» A-sbest, —» A-tom, —»· A-theismus, —» An-archie, —» An-ekdote, —» An-omalie, —> A-pathie, —» An-alphabet, An- mie s. u., An- sthesie s. u., Α-sepsis s. u., mit den entsprechenden, meist erst sp ter im Dt. gebildeten Adj. auf -isch wie a-th'eistisch, an-archisch, a-pathisch, an- misch usw.), dann auch in entlehnten Adj. (z. B. —* a-morph, —> an-omal(isch), —* an-onym, a-symmetrisch, mit den entsprechenden, im Dt. gebildeten Subst. A-morphie, An-onymit t, A-symmetrie usw.). Erst im Laufe des 19. Jhs., vermutlich gest tzt durch l ngst integrierte und gebr uchliche a(n)-Kombinationen wie a-th eistisch, an-archisch, a-pathisch, aus der Bindung in Wortentlehnungen abgel st und als Pr fix in im Dt. gebildeten neoklassischen Kombinationen aktiv werdend: Zun chst in Ableitungen mit adj. Basisw rtern, die auf das Griech. zur ckgehen (z. B. α-typisch, aus a- und typisch < griech. τυτπκός, ebenso α-methodisch, ar-rhythmisch, an-organisch, vgl. bes. 1), in neuerer Zeit zunehmend auch in Hybridbildungen mit adj. Grundw rtern, die aus dem Lat. stammen (z. B. α-sozial, aus a- und sozial < lat. socialis, ebenso α-normal, a-national, vgl. bes. 2). In der Bed. 'nicht, ohne, un-, -frei, -los' in Kombinationen verwendet, mit denen das Zutreffen der mit dem adj. Basiswort zugeschriebenen Eigenschaft bzw. des im subst. Basiswort genannten Zustands oder Sachverhalts prinzipiell ausgeschlossen oder verneint wird. Wo nach Abtrennung des Negationspr fixes keine positiven Entsprechungen im Dt. vorliegen, wie z. B. h ufig in der medizinischen Fachsprache bei bernahmen aus dem Griech. (vgl. An- mie/an- misch}, ist eine Bedeutungsherleitung oder Motivierung nur ber das griech. Etymon (z. B. aus griech. αν- 'nicht, ohne' und αίμα 'Blut') m glich.
a-
Vgl. ähnliche, innerhalb des Dt. nicht motivierte, fachspr. Bildungen wie a-morph/ A-morphie, an-omal/An-omalie, an-oxisch/An-oxie (bei l a), neben motivierten Kombinationen wie -toxisch, a-virulent, -typisch, a-zentrisch, -tonal, (bei l a, l b und l c) und bes. -moralisch, a-logisch, -politisch (bei 2) usw. l Bis heute vorwiegend in unterschiedlichen wissenschaftlichen Fachsprachen gebraucht: a Vor allem in der medizinischen Terminologie überaus produktiv in der speziellen Bed. 'das Fehlen, Nichtvorhandensein, die Abwesenheit von etwas, der Mangel an etwas' bzw. 'auf das Fehlen oder einen Mangel hinweisend, darauf beruhend oder dadurch bedingt; etwas nicht habend, ohne etwas, frei von etwas sein', z. B.: Im früheren 18. Jh. das (eventuell über frz. apathie auf lat. apathia/gnech. 'Unempfindlichkeit, Gelassenheit, Leidenschaftslosigkeit' zurückgehende) Subst. Apathie F., mit der seit Anfang 19. Jh. nachgewiesenen medizinischen Bed. 'krankhaft verminderte Ansprechbarkeit im Gefühlsbereich, Mangel an Gefühl; geistige Erschöpfung' und das im Dt. gebildete Adj. a-pathisch 'in krankhafter Weise unansprechbar, geistig erschöpft' (—» Apathie); im früheren 19. Jh. das über neulat. bzw. über das medizinische Lat. anaemia auf griech. 'Blutlosigkeit' zurückgehende Subst. An-ämie F. 'Verminderung der roten Blutkörperchen, Blutarmut, Blutmangel' mit der adj. Ableitung an-ämisch 'die Anämie betreffend, blutarm; blutleer', die in neuester Zeit auch übertragen und abwertend gebraucht wird im Sinne von 'blaß, farblos, monoton, ohne Leben, ohne (blutvolle) Lebendigkeit (bes. von literarischen Werken)', z. B. eine anämische Prosa schreiben; ebenfalls im früheren 19. Jh. das (über neulat. adynamia und älteres frz. adynamie aus gleichbed. griech. entlehnte) Subst. A-dynamie F. 'Kraftlosigkeit, Muskelschwäche' mit dem Adj. a-dynamisch 'kraftlos, schwach, ohne Dynamik; unvermögend', bes. adynamisches Fieber 'Fieber, das mit großer Körperschwäche verbunden ist' (vgl. dynamisch, —* Dynamik), und gleichzeitig das aus verneinendem a- und septisch ( Tonalität). Bei den fachspr. Verwendungen von l b, l c und bes. von l a besteht häufig eine Konkurrenz mit dem Präfix —* anti- (z. B. Ant-aphrodisiakum neben An-aphrodisiakum N. 'Mittel zur Herabsetzung des Geschlechtstriebs' (—» Aphrodisiakum), vgl. auch antiseptisch, Antiseptikum, antizyklisch, antimagnetisch, antistatisch); Konkurrenz besteht vereinzelt auch mit in- (z. B. In-somnie F. neben A-somnie F. 'Schlaflosigkeit, Schlafstörung'), mit dem nur fachspr. verwendeten Präfix dys- 'eine gestörte oder erschwerte Funktion anzeigend; krankhaft, miß-' (z. B. Dys-basie F. 'Gehstörung' neben A-basie F. 'Gehunfähigkeit'), mit de(s)- (z.B. des-axial neben an-axial) und mit dem indigenen Präfix un- (z. B. un-organisch neben an-organisch, —» Organ, organisch; un-symmetrisch neben a-symmetrisch, —* Symmetrie, symmetrisch). 2 Seit dem 17. Jh. selten, erst seit dem frühen 20. Jh. häufiger auch bildungsspr. im geistig-kulturellen und sozialen Bereich verwendet, mit (wie teilweise schon im fachspr. Bereich unter 1) reihenbildender Wirkung vor allem in adj. Kombinationen, die meist zur wertenden Charakterisierung von Verhaltensweisen und Handlungen gebraucht werden im Sinne von 'deutlich außerhalb des mit dem Basiswort als positiver Wert Zugeschriebenen oder im deutlichen Widerspruch dazu stehend; dem im Basiswort genannten Bereich in deutlich erkennbarer Weise fremd, beziehungslos, ohne Verständnis gegenüberstehend; eine gleichgültige, passive, an Ignoranz grenzende Einstellung, Haltung, Auffassung o. ä. ihm gegenüber erkennen lassend'. Neben —>· ahistorisch, —> amoralisch, —*· anormal, —» apolitisch und —* asozial gehören vor allem folgende Präfixbildungen (in der zeitlichen Reihenfolge) hierher: a-logisch (um 1850) 'nicht logisch, der Logik widersprechend, zuwiderlaufend, vernunftwidrig' (vgl. auch -Logik F. 'Unlogik' und veraltetes, aus lat./griech. alogia/ entlehntes A-logie F. 'Unvernunft, Vernunftlosigkeit, Widersinn'); a-musisch (um 1860) Ohne Kunstverständnis, einen Mangel an Kunstsinn erkennen lassend' (vgl. A-musie F. 'Unfähigkeit, Musisches zu verstehen', auch im medizinischen Sinn für 'krankhafte Störung des Singvermögens oder der Tonwahrnehmung', vgl. l a); a-national (nach 1950) 'nicht national (eingestellt); gleichgültig gegenüber der eigenen Nation oder nationalem Denken'; a-religiös (nach 1950) 'außerhalb der Religion, in Distanz zu allem Religiösen stehend', bes. ein areligiöser Mensch, areligiös leben, eine areligiöse Haltung zeigen; a-sexuell (nach 1950) Ohne Gefühl in bezug auf das Geschlechtsleben, auf Sexualität, sexuell gefühllos' (vgl. auch die medizini-
sehe Bed. 'geschlechtslos' bei l a); a-kritisch (nach 1950) Ohne kritisches Urteilsvermögen, unkritisch, kritiklos'; a-human (nach 1950) 'nicht human, gleichgültig gegenüber (dem Wert) der Menschenwürde, inhuman'; a-typisch (nach 1950) 'untypisch, vom Typischen, vom Normalfall abweichend; außerhalb des Normalen stehend, dem Üblichen widersprechend' (—»typisch), bes. atypische Berufe, Gruppen (vgl. auch die ältere medizinische Bed. bei l a). Auch bei Verwendungsweise 2 tritt das Präfix gelegentlich in Konkurrenz zu —* antiin seiner Bed. 'gegen (etwas/jmdn. eingestellt, gerichtet)' (vgl. aber oben 1), z. B. anti-sozial, -religiös, -moralisch 'sich ganz und gar ablehnend gegenüber dem Sozialen/Religiösen/Moralischen verhaltend, eine feindselige Haltung ihm gegenüber vertretend, einnehmend', selten auch zu dem (aus dem Lat. stammenden) Präfix in-, das mit der Negation zugleich eine radikalere gegnerische Haltung gegenüber dem im Basiswort Genannten zum Ausdruck bringt im Sinne von 'eine mit Ablehnung, Mißachtung oder Verletzung verbundene Opposition/Feindschaft/Gegnerschaft gegen tradierte ethische oder etablierte soziale Werte/Wertbegriffe zeigend', in Kombinationen wie ir-religiös, in-human 'die Würde des Menschen nicht achtend, rücksichtslos, unmenschlich' und im-moralisch 'bedenken- und rücksichtslos gegenüber allem Moralischen; überlieferte moralische Grundsätze ablehnend, mißachtend, verletzend, gegen sie verstoßend und sich unsittlich verhaltend', vereinzelt auch zu dem lat. Präfix ab- (—* ab-norm, ab-normal gegenüber —* a-normal, —* an-omal). Im Vergleich zur Negationsbildung mit der Partikel nicht (nach dem Muster nicht+ Adj., z. B. nicht-sozial, nicht-christlich) sowie zu den Negationspräfixen —» anti-, in- und bes. zu dem (vor allem im Bereich der wertenden Adj. auf -isch und -al) am stärksten konkurrierenden Präfix un- (mit entsprechenden Bildungen wie un-moralisch, un-sozial, un-politisch, un-religiös) wird a(n)- über den Ausdruck der Negation hinaus oft mit kritischer Absicht und stärkerer pejorativer Bewertungskomponente gebraucht. Dabei wird das mit der a(n)-Kombination Charakterisierte aus dem Bereich der mit dem Basiswort zugeschriebenen Wertkategorie völlig ausgegrenzt oder deren Anwendbarkeit auf es zumindest kritisch in Frage gestellt. Mit den a(n)-Bildungen des sozialen Bereichs können bestimmte, auf ethischen, geistigen, ästhetischen o. ä. Werten beruhende und allgemein als positiv eingeschätzte Eigenschaften und Sachverhalte oder Zustände offenbar nuancierter abgesprochen werden als mit den indigenen und den meisten anderen (um 1800) entlehnten Negationspräfixen, die im Dt. nicht nur in unterschiedlichen Fachsprachen, sondern auch in der Bildungs- bzw. Gemeinsprache produktiv geworden sind.
ä Präp., um die Mitte des 16. Jhs. entlehnt aus frz. ä (· Adam Ib). b Von daher Mitte 20. Jh. weiterentwickelt zu der Bed. Von vornherein, zunächst einmal, grundsätzlich' (—» a priori, —» per se), z. B. in bezug auf unterstellte, vermutete menschliche Eigenschaften, bes. in der Wendung jmdn. ab ovo für etwas halten. ab ovo a: Müller 1789 Emmerich VI 290 Friedrich berichtete also, indem er ab ouo anfieng, daß sein junger Herr gar zu herzensgut sey; Heine 1835 Romant. Schule 164 Die meisten Literaturhistoriker . . beginnen ab ovo wie der Geschichtsschreiber, der den trojanischen Krieg mit der Erzählung vom Ei der Leda eröffnet. Und wie dieser handeln sie töricht. Denn ich bin überzeugt, wenn man das Ei der Leda zu einer Omelette verwendet hätte, würden sich dennoch Hector und Achilles vor dem skäischen Tore begegnet und ritterlich gekämpft haben; Pückler 1835 Semilasso I 19 Doch will ich als guter Deutscher ab ovo beginnen; Th. Mann 1930 Reden u. Aufs. (W. IX 138) Denn meine epische Pedanterie, der Fanatismus des ab ovo hatte mich genötigt, die Vor- und Vätergeschichte mit einzubeziehen; ders. 1940 Nachtr. (W. X111127) Da
dürfen Sie sich nicht wundern, wenn ich die Aufgabe als Erzähler . . angreife: das heißt als ein Jünger der Muse, die die Gründlichkeit, das Weitausholen und Weitzurückgreifen, das ab ovo liebt und darauf dringt, mit dem Anfang aller Dinge anzufangen; Lämmert 1971 Romantheorie 28 Diese Bestimmung [der Romanschreiber solle ohne Umschweife erzählen] beruht auf der Forderung des Horaz . ., nicht ab ovo, sondern in medias res zu erzählen. ab ovo b: Grebe 1966 Sprachnorm 28 Zunächst wird man den Leiter der Dudenredaktion ab ovo für einen einseitigen Verteidiger der Sprachnorm halten; 1974 ZfPh 80 Deshalb ist jede Formalisierung ab ovo eine Idealisierung (DUDEN).
Abrahams Schoß, phraseologisch verwendetes Syntagma des Neuen Testaments aus dem Gleichnis vom armen Lazarus (Lucas 16,22ff.), der nach seinem Tode im Schoß des alttestamentlichen Urvaters Abraham geborgen wird, während der Reiche in die Hölle kommt. Von daher nach christlicher Auffassung im Sinne von 'Stätte, an der die Gerechten nach ihrem Tode das Jüngste Gericht erwarten, Ort der Seligen (als Vorstadium des Himmels)'. Seit spätem 18. Jh. (s. Beleg 1786) zunehmend auch übertragen verwendet in der Bed. 'geschützter, sicherer Ort', bes. in den Wendungen (sicher) wie in Abrahams Schoß (sein) 'sicher und geborgen, gut aufgehoben (sein)', überwiegend auf Personen, aber auch auf Gegenstände bezogen; im 19. Jh. auch militärspr. für 'außerhalb der Schußlinie liegender, sicherer Beobachtungsplatz in einem Gefecht' (s. Beleg 1857). 1350 Augsb. Bibelhs. (Donalies 1992 Augsb. Bibelhs. 181) vnd wart getragen von den engein in di schozz abrahe; Paracelsus 1537—38 S. W. I 12,381 gestalt unser verwarnen, die da sitzen in der schoß Abrahae; Luther 1545 Hl. Schrift U 2115 vnd ward getragen von den Engeln in Abrahams schos; Schalling 1571 Herzlich lieb (Evangel. Kirchengesangbuch 247) Ach Herr, laß dein lieb Engelein/ an meinem End die Seele mein/ in Abrahams Schoß tragen; Goethe 1786 Br. (WA IV 8,57) Auch dich . . muß ich aus Abrahams Schooße [Rom] besonders begrüßen; Schiller 1798-99 Gallensteins Lager 8. Auftr. (W. IV 33) Zu dem Prediger in der
Wüsten/ . . Kamen auch die Soldaten gelaufen,/ Taten Büß und ließen sich taufen,/ Fragten ihn: Quod faciemus nos?/ Wie machen wir's, daß wir kommen in Abrahams Schoß?; Langbein 1810 Sehr. XIV 159 hier [auf dem sofa] saß er nun wie in Abrahams schooße (DWB N.); 1857 Allg. Mil. Enc. l 32 Abrahamsschoss. Ein bei Belagerungen ausserhalb des Geschützbereichs liegender, gewöhnlich erhöhter Ort, von wo aus der Verlauf der Belagerung übersehen werden kann; Th. Mann 1909 Erz. (W. VIII 417) und dein Koffer ist aufgehoben wie in Abrahams Schoß; ders. 1933—43 Joseph (W. /V/V 661) Wo war Joseph? In Abrahams
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Abrakadabra
Schoß. Bei Gott, der ihn zu sich genommen; Zeit 10.4.1987 Gerald war dabei der Gleichmut selbst und bei jedem take so konzentriert, daß ich glaubte, mich in Abrahams Schoß zu schmiegen; MM 30.10.1987 Mancher Anleger wäre froh und
könnte ruhiger schlafen, wenn sein Geld statt auf schwankendem Boden in Aktien investiert, sicher wie in Abrahams Schoß auf einem Sparkonto liegen würde.
Abrakadabra N. (-s; Pl. ungebr.), im späten 16. Jh. entlehnt aus lat. abracadabra, einer um 200 n. Chr. bei dem Mediziner Q. Serenus Sammonicus erscheinenden Beschwörungsformel gegen Krankheiten (Herkunft ungeklärt, möglicherweise zurückgehend auf spätgriech. Abraxas, auch Abrasax, einen gnostischen Gottesnamen mit Wurzeln im Ägyptischen, auch für 'Zauberformel'; nach einer anderen Herleitung von den Anfangsbuchstaben der hebr. Bezeichnungen für die Dreieinigkeit, nämlich A(b) 'Vater', B(en) 'Sohn' und R(uach) 'Geist'; auch thrakische Herkunft aus „Schaum und Asche" wird vermutet; vgl. Wb. Aberglauben). a Zunächst in der Bed. 'Zauberwort, geheimnisvolle Zauber-, Beschwörungsformel', die (in bestimmter Anordnung auf einen Zettel geschrieben) als —>· Amulett gegen Fiebererkrankungen getragen wurde; daher in nicht mehr magisch orientierten Gesellschaften auch eher abwertend für 'fauler Zauber' (—»· Hokuspokus, Humbug). Dazu im 18. Jh. die seltene Personenbezeichnung Abrakadabr(a)ist M. (-en; -en) 'jmd., der einen faulen Zauber aufführt, Geheimnistuer' und im früheren 19. Jh. vereinzelt das V. abrakadabrisieren 'jmdn. mittels der Zauberformel Abrakadabra (vom Fieber) kurieren'. b Seit Mitte 18. Jh. zunehmend mit negativer Wertung verwendet in der heute dominierenden Bed. 'fremde, mystisch anmutende, unverständliche (Schrift-)Zeichen, unverständliches Reden, seltsames, unsinniges, sinnloses, ungereimtes, wirres, verwirrendes Geschwätz, Gerede'. Abrakadabra a: Thurneisser 1583 Onomast. II181 wie et wan Quintus Serenus das wort. . Abracadabra eben für solches Fieber . . gebraucht; 2593 Wagnerbuch 18 daß er dis wort Abracadabra vff ein zettel schriebe . . Vnd hernach einem Krancken so das Fieber oder kaltwehe hatte am hals hienge/ wie sich nun das Wort allgemechlich verleüret/ also solte die Kranckheit auch teglich abnemen; Lauremberg 1656 W. LVill 109 Wo se dat bruetbed könt mit sülkem vordeel leggen/ un vor de töverie abra katabra seggen; Amavero 1775 Untersuchung 22 Wer aber ein allgemeines Mittel wider alle Krankheiten, und besonders wider alle Gattungen von Fieber haben will, der schreibe auf ein Pergament oder Papier das Wort Abracadabra in einer dreyeckigen Figur und trage es wie ein Amulett auf der Brüste; Goethe 1781 Br. (WA IV 5,150) du bist ein größerer Hexenmeister als ie einer, der sich mit Abacadabra [!] gewafnet hat; Kleinpaul 1892 Sprache 103 Ich habe einer Vorstellung beigewohnt, wo ein Hypnotischer . . das Zauberwort Abrakadabra oder was ihm sonst für Hokuspokus vorgesagt ward, ebenso korrekt . . nachsprach; Kantorowicz 1959 Tagebücher 1499 Andere, die . . dem Abraka-
dabra der falschen Magier Glauben geschenkt hatten (DUDEN); Offenburger Tagebl. 10.5.1962 Abracadabra, ein Sprüchlein, mit dem heute noch mancher Zauberkünstler seine Vorstellung begleitet, stammt aus dem antiken Buchstabenzauber; Wickert 1985 Tempel 131 Sie sangen ihr Abrakadabra eintönig vor sich hin; MM 12.11.1992 Abrakadabra, Simsalabim, dreimal schwarzer Kater (Überschr. zu Artikel über Zauberkünstler). Abrakadabr(a)ist: Schönaich 1754 Ästhetik 164 Abracadabraist; 1781 Göttinger Magaz. d. Wiss. III 304 und wer mag den armen Teufel mit Recht darüber schelten, da des Herbannens und Begehrens so viel und mancherlei ist, daß sein Ranzen Raum, Fülle und Varietät des Inhalts seyn müste, wenn er jedem Abrakadabristen was neues und eigenes zutheilen wollte. abrakadabraisieren: Csaplot/ics 1829 Ungern I 236 Volkskuren [in Ungarn]. Mehr als der halbe Theil der Febricanten [Fieberkranken] wird abrakadabrisiert. Andere werden in Gottesnamen angesprochen — weiter nichts.
abrupt Abrakadabra b: 1755 Das Neueste aus d. anmuthigen Gelehrsamkeit V 811 wir theilen . . palmyrenische aufschriften . . mit; damit sich unsere leser üben können, dieses abracadabra . . selbst zu erathen (DWB N.); 1798 Merkur I 282 Das erste, was man zu thun hat, wenn man dem großen Haufen einen Ring durch die Nase ziehen will, ist, daß man dem Ding, das er sehen soll und nicht sieht, einen Nahmen schöpft, und ihm dann mit der unverschämtesten Dreistigkeit so lange versichert, er sehe das Ding, bis er es zuletzt wirklich zu sehen glaubt. Auf eben diese Weise kann man einem einfältigen Menschen weiß machen, er liebe oder hasse etwas, indem man ihm so lange und oft widerholt, er liebe oder hasse es . ., bis er endlich zu glauben anfängt, es müsse dem wohl so seyn .. und das sonderbarste ist, daß das Abrakadabra zuletzt seine Wirkung thut; Goethe 1809 Farbenlehre (WA 5,330) Compendien, in welchen sich die Newtonische Lehre, die doch anfangs wenigstens ein Abracadabra war, zu unzusammenhängenden Trivialitäten verschlechtert; ders. 1816 Br. (WA IV 26,290) daß die ganze physische Gilde in hergebrachten hohlen Chiffern zu sprechen gewohnt ist, deren Abracadabra ihnen die Geister der lebendigen Natur . . vom trocknen dogmatischen Leichnam abhält; Schopenhauer 1840 Moral 23 Daher eben auch nächst der Unsinnsschmiererei die Vornehmtuerei der Hauptkniff auch dieses Scharlatans
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war, so daß er, bei jeder Gelegenheit, nicht bloß auf fremde Philosopheme, sondern auch auf jede Wissenschaft und ihre Methode . . vornehm . . herabblickt von der Höhe seines Wortgebäudes, und dadurch auch wirklich von der in seinem Abrakadabra verschlossenen Weisheit eine hohe Meinung beim deutschen Publiko erregt hat; Raumer 1861 Lebenserinn. // 2 die Philosophen, welche . . mit ihrem Hexenabracadabra die ganze Welt zu beherrschen meinen; Schrack 1894 Erinn. I 93 Leere Phrasen, bei denen sich kein menschliches Hirn etwas Deutliches denken konnte, waren das Abrakadabra, durch das sie den Stein der Weisen finden zu können vorgaben; 1901 Stimmen d. Zeit LX 34 Übrigens sind Häckels Ausführungen . . oft genug in populären Schriftwerken breitgetreten worden, welche der Bildungslage und Fassungskraft der Arbeiterwelt weit besser angepaßt sind als Häckels Abracadabra; Mehring 1927 Paris 162 nun jagte der werte Kollege.. wie ein morphinistisches KongCharles-Hündchen durch die Journalistik, belästigte die Herren Pressevertreter .., erhorchte an Kabinentüren fachsimpelndes Abrakadabra; Müller-Thurau 1984 Köpfe 29 Diejenigen, die heute [mittels verschleiernder Wörter] ihr geheimnisvolles Abrakadabra inszenieren; Zeit 6.12.1985 Arabisches Abrakadabra ist diesem ägyptischen Präsidenten fremd; ebd. 14.11.1986 Da gibt es . . kein Abrakadabra und kein Klotzen mit geheimnisträchtigen Sprüchen.
abrupt Adj., häufig als Adv. verwendet, im 17. Jh. (HECHTENBERG) vereinzelt, erst seit späterem 18. Jh. häufiger nachgewiesene Entlehnung aus lat. abruptus (bzw. abrupte Adv.) 'abgerissen; zusammenhanglos; steil, jäh' (Part. Perf. von abrumpere 'ab-, weg-, losreißen, abbrechen', aus ab- 'ab, weg, los' und rumpere '(zer)brechen, (zer)reißen'), anfangs auch das selten nachgewiesene, bis ins 20. Jh. gebuchte lat. Syntagma ex abrupto 'plötzlich, unvermutet'. Zunächst in der Bed. Ohne (erkennbaren) Zusammenhang, zusammenhanglos, unmotiviert, abgerissen, schroff, abgebrochen, (von einem Gedanken zum anderen) sprunghaft (übergehend), von plötzlichen Brüchen und Unterbrechungen gekennzeichnet' (Ggs. —> kontinuierlich), vor allem bezogen auf menschliches Denken, Reden und Handeln, gelegentlich leicht abwertend gebraucht (s. Beleg 1810), z. B. in Syntagmen wie abrupt antworten, reden; eine abrupte Frage, Bemerkung; abrupte Übergänge, Unterbrechungen, Zäsuren, Gedanken; sich (z. B. in einem Gespräch) abrupt verhalten. Seit Mitte 19. Jh. zunehmend auch im Sinne von 'plötzlich und unvermittelt (eintretend, erfolgend); von einem Augenblick zum anderen (geschehend); jäh, unerwartet', bes. bezogen auf Handlungen, Reaktionen, Geschehnisse o.a. (s. Belege 1843, 1950), vor allem in Wendungen wie zu einem (etwas) abrupten Ende kommen, ein Gespräch abrupt abbrechen, ein abrupter Wechsel, Tod, abrupt reagieren, bremsen, eine abrupte Bewegung, Reaktion.
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absent
Dazu die vom 17. bis ins frühere 20. Jh. gebuchten Subst. Abruptio(n) F. (< gleichbed. lat. abruptio) 'plötzliches Abbrechen, Verstummen (der Musik, der Rede)' und Abrupta PL (subst. N. von abruptus, s. o.) 'plötzliche, aus dem Stegreif hervorgebrachte (witzige) Einfalle, spontane, unerwartete Bemerkungen'; im frühen 20. Jh. die subst. Gelegenheitsableitung Abruptheit F. (-; ohne PL) 'Unvermitteltheit, Plötzlichkeit'. abrupt: Gerstenberg 1768 Rezensionen 82 wenn es daher weiter heißt: . . Gedicht so ist dieß ohne Zweifel zu abrupt, oder wie wir Maler es nennen, zu hart; Cramer 1773 a. Bürger 1155 Denn Dialog, mit Erzählung abrupt verknüpft, kannst Du Dir doch auch nicht zueignen; Goethe um 1810 Farbenlehre (HA XIV 157) wir können uns . . keinen Begriff machen, wie abrupt und abstrus die Newtonsche Vorstellungsart in der wissenschaftlichen Welt erscheinen mußte; E. T. A. Hoffmann 1820 S.W. X 186 der biograph erschrickt . . über das total abrupte der nachrichten, aus denen er gegenwärtige geschichte zusammenstöppeln muß (DWB N.); Pückler 1840 Bildersaal l 226 des albernen Herrn von Müller Antrag in so abrupter Weise ist sonderbar; Grillparzer 1843 W. XX 161 reisegefährten . ., von denen wir etwas abrupt abgekommen waren (DWB N.); Fontäne 1897 Stechlin 83 bis Dubslav, ziemlich abrupt, ihn fragte; Th. Mann 1901 Buddenbrooks (W. l 649) denn nun wußte er nicht mehr zu nennen, und die ganze Antwort war wieder abrupt . . hervorgebracht; Böhmer 1915 Sklavinnen 149 Du stellst abrupte Fragen. . . Du überfällst einen nur so damit. Ist das Sitte bei euch unberechenbaren Künstlern?; Planck 1919 Rundblicke 145 das licht. . wird keineswegs . . ununterbrochen und gleichmäßig von dem atom [ausgestrahlt] . ., sondern die emission des lichtes erfolgt immer nur abrupt, stoßweise (DWB N.); Th. Mann 1924 Zauberberg (W. Ill 529) Ihr Abscheu ist logisch abrupt; Grogger 1926 Grimmingtor 443 hiermit endigte abrupt der Bericht; Münch. N.N. 12.3.1941 Der März liebt das verhalten Überraschende, die gelinde Erwärmung, alles abrupt Bestürzende ist ihm fremd; NZ.(Basel) 9.1.1950 Eine unerquickliche Episode . . der deutsch-französischen Beziehungen hat damit ein abruptes Ende gefunden; Stuttgarter Ztg. 6. 7.1960 Nicht ohne Eindruck ist es, wie er abrupt, ohne sichtbaren Anlaß die Adressaten wechselt. . . So kam er mitten in einer Werberede für die Koexistenz, die sich an westliche Ohren richtete . . noch einmal auf den ideologischen Streit mit den Chinesen zu sprechen; Grass 1962 Blechtrommel 296 ohne abrupt abzubrechen, beendete er die Trommelei; Stuttgarter Ztg. 30.3.1966 Bei dem abrupten Bremsvorgang
wurden die Bremsen zweier D-Zug-Wagen . . beschädigt; Welt 11.9.1974 Neuzugänge sind abrupt zurückgegangen; Strauß 1984 Mann 114 Die abrupten gesellschaftlichen Veränderungen, die wir binnen kurzem erlebt haben, der kulturelle Erdrutsch; Zeit 11.1.1985 es würde dann nicht eine schrittweise, allmähliche Anpassung erreicht, sondern eine Umstellung, die abrupt ausfiele; ebd. 15.2.1985 drei abrupt geschnittene Einstellungen auf das Reiterstandbild des römischen Kaisers; ebd. 15.3.1985 in Hotels folgt dem zwölften Stockwerk abrupt das Vierzehnte, als hätte man das dreizehnte lediglich vergessen; ebd. 18.4.1985 bereitete Sozialdemokrat Iven diesen Ansätzen abrupt ein Ende; MM 6.6.1986 sobald ein Männchen, das seinem Weib treu bleiben will, fest verpaart ist, ändert es abrupt sein Lied und trägt nur noch den abschreckenden Kriegsgesang vor; ebd. 25.6.1986 an unvermuteter Stelle, auf Seite 64 bei den Erläuterungen zum Jahresabschluß, abrupt hinter Position III . . erscheint eine Grafik; Zeit 4. 7.1986 denn sie fanden ein Muster von „Bruchstellen", an denen sich die Vorliebe für eine bestimmte Orientierung von einer Nervenzelle zur nächsten nicht allmählich, sondern abrupt ändert; ebd. 17.10.1986 er variiert damit sein Stilprinzip, die Geschichte unerwartet und abrupt zu wenden; ebd. 26.12.1986 ebenso abrupt wie entschlossen fügt er hinzu; ebd. 15.5.1987 manisch und abrupt — war das schon jener Vierzeiler, der sich liest, als habe Jakob von Hoddis ihn für den eigenen Grabstein geschrieben?; MM 29. 9.1987 die Erwerbsfähigkeit soll im Alter nicht abrupt, sondern kontinuierlich abnehmen; ebd. 26.3.1988 riß die Begeisterung über die musikalischen . . Leistungen abrupt ab und setzten wütende Publikumsproteste ein; Spiegel 11. 6.1990 Er möchte die Chancen der SPD auch für den Fall wahren, daß der abrupte Wechsel zur D-Mark gut verlaufen sollte. Abruptheit: Lettenbaur 1927 Morgen 67 Als . . auch für den Botschafter . . die Stunde schlug, die in diesem Zeitalter nicht mit feiner Schonung . . einem Diplomaten gesetzt war, der .. „im schwersten Wetter oben gestanden war", sondern mit üblicher Abruptheit.
absent Adj. (ohne Steigerung, nicht adv. verwendet), Anfang 15. Jh. entlehnt aus gleichbed. lat. absens, Gen. absentis (Part. Präs, von abesse 'abwesend sein, fehlen',
absent
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aus ab- 'weg von . .' und esse 'sein'), vereinzelt (s. Beleg 1727) auch in der lat. Form. Bildungsspr. in der Bed. 'abwesend, nicht zugegen, nicht erschienen, fern, fehlend' (im Ggs. zu anwesend, vorhanden, —* präsent), früher vereinzelt für 'unbesetzt, vakant' in bezug auf Ämter, deren bisherige Inhaber abwesend sind; seit dem 19. Jh. (s. Beleg 1827) überwiegend für 'geistesabwesend, gedanklich zerstreut, versonnen' (zu Absence, —>· Absenz 3). Dazu von Mitte 15. bis ins 19. Jh. die Personenbezeichnung Absent M. (-en; -en), gelegentlich auch mit dem lat. PL Absentes, in der Bed. 'Abwesender, Fehlender, nicht Erschienener', bes. in der Zs. Absentenliste 'Verzeichnis der Abwesenden, Fehlenden, Ausgebliebenen' (vgl. Absenzliste, —* Absenz 2), und die vereinzelt Mitte 16. Jh. belegte, bis ins 20. Jh. gebuchte, auf gleichbed. mlat. absentatio zurückgehende subst. Ableitung Absentation F. (-; -en) 'Abwesenheit, Flucht'. Vom früheren 19. bis ins 20. Jh. das aus gleichbed. engl. absentee entlehnte Subst. Absentee M. (-s; Absenties/Absentees), auch in der Nebenform Absenter, als historische Bezeichnung für einen Großgrundbesitzer, der seine Güter gegen Entgelt verwalten läßt und selbst nicht anwesend ist, z. B. im Ausland lebt, häufig auf irisch-englische, im 20. Jh. zunehmend auch auf deutsche Verhältnisse bezogen. Seit Mitte 19. Jh. das aus gleichbed. engl. absenteeism entlehnte Subst. Absentismus M. (-; Pl. ungebr.), zunächst vor allem in der anglisierenden Form Absenteeismus als historische Bezeichnung für das Fernbleiben, Sichfernhalten eines Großgrundbesitzers von seinen Gütern, die von Verwaltern bewirtschaftet werden (s. Beleg 1858), seit Anfang 20. Jh. in der heutigen Form auch allgemeiner in der Bed. 'wiederholtes, gewohnheitsmäßiges Fernbleiben vom Ausbildungsoder Arbeitsplatz' (—» Absenz 2). Seit Anfang 20. Jh. selten die subst. Ableitung Absentist M. (-en; -en) e jmd., der sich wiederholt oder dauerhaft von einem bestimmten Ort fernhält, der nicht wie erwartet erscheint, der seinem Arbeitsplatz gewohnheitsmäßig fernbleibt'. absent: Anfang 15. Jh. Chronik Zürich XV 4 Darnach über etwe vil jaren stund das rich assent, das kein römischer keiser noch kung nit was (FRNHD. WB); Brandts Anfang 17. Jh. Landeshauptleute 495 weil aber herr von Völls dauon absent gewest . . ist derselbe [Landtag] ohne frucht verstrichen (DWB N.); 1612 (Wrede, Altköln. Sprachschatz 42a) seine mitgesellen betten . . sich alßpalt absent gemacht; Sperander 1727 A la mod Sprach 5 es ist schon 4. monat, daß ich absens gewesen bin; Schwind 1827 Br. 52 Er war unterwegs etwas wortkarg oder absent, man sagte mir aber, das sei er immer, wenn er von der Arbeit geht; Werther 1861 Kl. Deutschland I 127 Der Baron von Honigsaim tänzelte indessen voll hastiger Unruhe wie absent in seinem Zimmer auf und ab und harrte der Auflösung der Dinge; Nelissen-H. 1958 Häuser 286 er versank ein paar augenblicke, zu lange für mich, in absente Betrachtung (DWB N.). Absent: Tucher 1464 Baumbuch 231 darvon so haben sie dann auch den putteln und einem Schreiber
der mit gegangen ist und die absentes angezeichet hat, ein trinckgelt geben; Ruff 1514 Etter Heini 378 sy nemend vil absenten in; Anfang 16. Jh. Nürnbg. Schulordn. (Siebenkees 1793 Materialien H 721) soll ein Jeder Schulmeister durch sich selbs oder seinen verweser alle seine schuller beschreiben und jeden tags vffs wenigst ein mal verlesen und vff die absentes vleissig acht und merckung haben; 1811 Nachr. Schulwesen t. Bayern IX 98 Absenten ta bellen. Absentation: Federmann 1557 Reisen 30 diser unversehenen absentation oder flucht. Absentee: Hailbronner 1837 Cartons l 285 unter die Zahl der mit dem Titel Absenties belegten irischen Grossen; Kohl 1844 brit. Inseln l 188 Die reichen Klassen der Gesellschaft, die sich in dem wilden . . Irland am meisten exponiert haben und am wenigsten wohl fühlen, haben die Fahne der Auswanderung zuerst entfaltet. Man nennt sie be-
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absentieren
kanntlich „Absentees"; Uhde 1849 Grundzüge I 151 Ich tadle nicht die Absentees. . . ich möchte selbst ein Absentee sein; Oppenheimer 1904 Ges. Reden l 358 Sehr oft wohnen sie nicht in dem Hause, leiden nicht unter seinen Schäden und lassen daher alle Schrecken des Absenteebesitzes einreißen; Müller-Ross 1939 Irland 48 eines in England von den Einkünften seines Gutes lebenden Großgrundbesitzers, eines „Absentees". Absent(ee)ismus: Höfken 1846 Englands Zustände II 167 Irland wird sich nimmer auß seiner allgemeinen Armuth erholen,. . so lange nicht dem Unwesen des Absentismus gesteuert . . wird; Röscher 1857 Gesch. 83 dass der Absenteeismus Irlands Armuth verschulde; 1858 Staats-Wb. Ill 342 Nicht selten, namentlich bei Gelegenheit des sogenannten irischen Absenteeismus, ist der Umstand, daß Inländer, die im Auslande leben, dorthin ihr Einkommen aus Vermögen beziehen, mit der Größe des Nationaleinkommens in dem Sinne in Verbindung gebracht worden, daß man gemeint hat, es werde das Einkommen desjenigen Theils der inländischen Producenten, deren Kundschaft die Abwesenden, wenn sie daheim lebten, bilden würden, und folglich das Nationaleinkommen um das Maß dieser nun ins Ausland gehenden Werthsummen vermindert; Polenz 1904 Land 166 Die neue Welt erlebt also den „Absentismus" der irischen und schottischen Lords in erneuter Auflage; Der Tag (Berlin) 11.1.1904 Das Schreckliche am Absentismus ist sein Name; Stiven 1936 Englands Einfluß 48 Absenteeismus oder Absentismus wurde als polit. Fachausdruck zuerst bezüglich der Irländer im engl. Parlament gebraucht, war aber schon 1861 auf dt. Verhältnisse übertragen worden; Höpker 1936 Rumänien 41 Die Volks-, Land- und Staatsfremdheit dieser altrumänischen Herrschaftsclique erhellt wohl am eindeutigsten ihr Absentismus: der
Bojar suchte seinen ländlichen Herrensitz . . nur zum Zwecke der Eintreibung der Kapitalrente auf und verausgabte im übrigen sein Geld in der Hauptstadt; Munch. N.N. 16. 7.1942 Geringe Arbeitswilligkeit der Arbeiter (Überschr.) Der „Absentismus", so wird betont, müsse nicht nur in den lebenswichtigen Rüstungswerken ausgerottet werden; 1943 Nachr. Okt. Nr. 959 Die britische und amerikanische Rüstungsproduktion müssen dauernd gegen eine Erscheinung kämpfen, die es in Deutschland überhaupt nicht gibt. Es handelt sich darum, dass Arbeiter und Arbeiterinnen unerlaubt ihren Arbeitsplatz verlassen und . . unentschuldigt fernbleiben. In Zeitungen . . der britisch-amerikanischen Länder wird sehr über diese Erscheinung geklagt, die man als „Absentismus" bezeichnet; NZ. (Basel) 25.1.1950 So hat die Verlängerung der Arbeitszeit und die Intensivierung der Arbeit nur den massenhaften „Absentismus" gestärkt, wodurch nicht nur die Arbeitsleistung verringert, sondern auch der kontinuierliche Gang der Produktion gestört wird; Arbeitgeber 18.12.1958 Der Absentismus im Kohlenbergbau war mit 13,8% im letzten Jahr grosser als je; 1973 Einheit XI 1288 Nicht die straffe Organisiertheit des Kampfes gegen den mächtigen Feind hilft demnach revolutionäre Haltungen und Charaktere prägen, sondern spontan-individueller „Absentismus", Arbeitsverweigerung auf eigene Faust; Pongratz 1978 Handb. d. Psych. V1I1 2,2810 Zunahme der Firmengewinne und eine Verringerung des Absentismus. Absentist: Der Tag (Berlin) 11.1.1904 wenn man einem Faulpelz seine Verachtung zeigen will, gibt es keine treffendere Bezeichnung für ihn als Absentist; 1911 Grenzboten l 213 Die für die Volkswirtschaft ebenso wie für die Pächter und die beteiligten Gemeinden unerwünschten Folgen des Absentismus werden hier noch umso bedenklicher, als die Absentisten Ausländer sind.
absentieren V. reflex., Ende 15. Jh. aufgekommen, vermutlich über gleichbed. frz. s'absenter zurückgehend auf lat. absentare 'entfernen, abwesend sein' (zu absens, —»· absent, —»· Absenz). In der heute überwiegend bildungsspr. Bed. 'sich entfernen, beiseite gehen, davonstehlen, fliehen, sich (in sich selbst) zurückziehen'; früher auch für 'fernbleiben, sich fernhalten' (s. Beleg 1564). Dazu seit Ende 16. Jh. selten das Verbalsubst. Absentierung E (-; PL ungebr.) 'das Sichzurückziehen, Entfernen, Abreisen', auch 'dienstliche Beurlaubung' (s. Beleg 1931). absentieren: 1491 Tübinger Urkunden 85 Ob aber einer .. sich ain kurtz zyt absentieren wurd, derselb sol erlobung haben von dem rector; Knebel
um 1531 Chronik Kaisheim 126 der dechant . . beclaget sich, wie durch sollichs absentieren deß munichs von Lindau im und seinen capitelbrüdern
Absenz nachtheil geschech; Federmann 1557 Reisen 30 hette sich der . . Herr, mit all seinem volck, weib und kind, bei nacht haimlich absentiert oder weg gethon; 1564 Zimmer. Chronik l 311 Sollich absentiren narr» her Hanns von Geroltzeck zu noch ainer gröser Verachtung uf; 1571 Kirchenordn. 82a sich auch von der Schul zu keiner zeit/ weder über feld/ noch sonsten one erlaubnuß des Pfarrhers/ vnnd verordneten Schul Superintendenten zu absentiern; Roth 1585 Kauffungen 88 ists an der Zeit/ Das wir uns wollen absentirn; 1598 Orientalisch Indien II l dass ich mich ein Zeitlang von meinem Vatterland, von meinen guten bekannten und verwandten absentiren vnd in frembde Land begeben wolt; 1600 Nürnb. Ratsverlässe II 286 das er nitt schulden halben sich von hinnen absentirt; Albertinus 1615 Gusman v. Alfarcbe 7 Die vrsach dessen war/ allweil er sich einsmalen schier ein gantz Jahrlang absentirte, vnsichtbar machte; Krafft 1616 Reisen 237 wollt sich wol Zuuor vor dem hauptman vnd Ändern Sclauen Absentiert haben; Fizon 1653 Cronica 206 Der Hertzog Ulerich alda .. / Vilmals gantz trauriglich sich hett/ Haimlich Absentirt und Versteckht; Hörl 1677 Bacchusia 50 dass dise vmbstehende Hof-Herren sich ein wenig absentiren wollen; 17 5 Krieges-Articul 3a muss sich jedweder Soldat von seiner Fahne nicht absentiren und dahinden bleiben; Schnabel 1731 Felsenburg I 37 da ich aber merckte, daß Canengo sich absentierte; Earth 1734 Tagebuch 181 welcher auf etliche Tage sich von der Armee absentirt; Boltz 1752 Amts-Actuarius 106 Dieweilen nun sowohl der Kapler als Grimm bey hinlänglichem Vermögen stehen, auch nicht zu vermuthen, daß der Kerl sich absentiren werde, so hat man die Caution . . angenommen; ebd. 178 wenn [ich] . . Schulden halben mich zu absentiren suchen solte; Musäus 1779 Physiognom. Reisen IV 104 Ich absentirte mich alsbald nach der Mahlzeit von der Gesellschaft; Burckardt 1843 Br. a. Schauenburg 20 es geht nicht an, dass ich mich jetzt auf 5 Tage absentiere; Holtet 1863 Letzte Komödiant 17 der Reichsbaron entließ gähnend seine Kauszburger Beam-
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tenschaft, welche sich unter Anwünschung „guten Appetits und underthäniger guter Nacht" absentierte und, ihre Schlafgelegenheiten, Jeder die seinigen, aufsuchend, gleichfalls gähnte, recht aus vollem Halse; Schnitzler 1909 W. II 4,40 Warum absentieren sich die Damen?; Hoche 1936 Weg 93 Was blieb mir, als die Hand vor die Augen zu halten und mich zu absentieren; ich habe das gründlich besorgt; als das Protokoll verlesen wurde, stellte ich fest, daß ganze lange Abschnitte der Sitzung an mir unbeachtet vorbeigerauscht waren; Zweig 1951 Beil 303 und dann absentieren wir uns in eine Ecke; Zuckmayer 1955 Licht 111 Es war mir nicht möglich, abzukommen.. . Es wäre aufgefallen, wenn ich mich absentiert hätte; Hauptmann 1956 Prosa III 245 Es war, als ob sich mein Schicksal bereits absentiert und von dem der Salzbrunner Scholle gelöst hätte; Wolf 1979 Ort 83 Wenn er es nicht für unschicklich fände, sich so lange von der übrigen Gesellschaft zu absentieren; MM 6.7.1985 Er bleibt der streitbare Marxist und absentiert sich nicht vom Zeitgeschehen; Zeit 31.1.1986 Bei manchen Arten absentieren sich die Männchen von ihren „langweiligen" Familienangehörigen und bilden mit ihresgleichen „Kohorten". Absentierung: 1599 fönt. rer. Austr. II 58,481 im fall diser verwiderung und von dem landtag I. F. Dt bevelch zuwider tentierte absentierung dem gemainen wesen ainicher schaden begegnen; Weise 1684 Regnerus 23 Es ist mir um die Königl. Fr. Mutter leid, welche sich schwerlich in die Absentierung so angenehmer Personen verstehen möchte: sonst wolte ich leicht zum Abreißen mein Votum geben; 765 Mauth-Ordnung 35 damit die Anklagen durch die Flucht, oder sonstige Absentierung der Schuldigen in Zukunft nicht so leicht mehr ist; Jentsch 1909 Partei 115 ihre Absentierung hätte dann offenbart, daß der Block die Entrechtung eines reichlichen Drittels der Reichsbürger bedeutete; Schoepflin 1931 Gesund 112 von der Front weg in Urlaub oder Absentierung bekommen; B. N. 23.10.1943 Absentierung der Balkanstaaten.
Absenz F. (-; -en), auch Absence F. (vgl. 2 und bes. 3), Mitte 15. Jh. entlehnt aus gleichbed. (m)lat. absentia (zu lat. absens, —» absent), früher auch in der vermutlich aus lat. absentia rückgebildeten Form Absent (vgl. bes. 1). l Zunächst bis ins 19. Jh. im juristischen Bereich in der Bed. 'Zahlung an einen Abwesenden', insbes. 'Entgeld des Verwalters einer Pfründe an den abwesenden Pfründeninhaber' (Ggs. —» Präsenz), bis ins 17. Jh. in der Nebenform Absent (s. Belege 1499, 1563, 1605), dafür auch die Zs. Absenzgeld. Dazu im 16. Jh. vereinzelt die Personenbezeichnung Absenzer 'Pfründeninhaber, der seine Pfründe gegen Entgelt verwalten läßt', gleichbed. mit Absentee (—* absent).
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Absenz
2 Seit spätem 16. Jh. in der Bed. 'Abwesenheit (z. B. von einer obligatorischen Veranstaltung, einem verabredeten Ort)' (Ggs. —»Präsenz), bes. in der Zs. Absenzgeld 'Bußgeld bei unzulässigem Aus-, Fernbleiben'; heute nur noch selten und eher bildungsspr. verwendet für 'das Fehlen, Nichtvorhandensein von etwas, Mangel' (s. Beleg 1963); selten (s. Belege 1633, 1727) in der Nebenform Absence (s. u. 3). Im 16. Jh. vereinzelt, seit 19. Jh. kontinuierlich belegt in der lat. Wendung in absentia 'in Abwesenheit (einer Person)', z. B. jmdn. in absentia (zum Tode) verurteilen. Regionalspr. (bes. österr. und Schweiz.) für 'ständiges Fernbleiben, Abwesenheit von der Schule o.a. Einrichtungen' (s. Belege 1899, 1949), bes. in den Zss. Absenzliste 'Liste, die die Abwesenheit einer Person (z. B. eines Schülers, eines Politikers) notiert' und Absenzsemester 'Semester, in dem der Studierende abwesend ist, Freisemester'. 3 Seit Anfang 19. Jh. zunächst vereinzelt in der (aus gleichbed. frz. absence d'esprit lehnübersetzten) Zs. Geistesabsenz, seit früherem 19. Jh. (1831 bei Oertel) gebucht auch als Simplex für 'Geistesabwesenheit' (Ggs. —»· Präsenz), im 20. Jh., vermutlich unter erneutem Einfluß von gleichbed. frz. absence, zunehmend konkurrierend mit Absence F. (-; -n), häufig im PL und fachspr. in der Medizin und Psychologie verwendet in der Bed. 'wenige Sekunden dauernde, anfallartige Bewußtseinstrübung' (als typisches Krankheitssymptom bes. bei Epilepsie); in neuerer Zeit auch eher bildungsspr. verwendet für ' (nicht durch Krankheit im eigentlichen Sinne bedingte) gedankliche Abwesenheit, kurzes Unkonzentriertsein, Zerstreutheit (bei einem Gespräch, einer Tätigkeit)', auch für 'Vorsichhinträumen, Zustand des Insichgekehrt-, Versponnenseins'; vor allem im Syntagma Absenzen/Absencen haben 'unter epilepsiebedingter Geistesabwesenheit leiden; vorübergehend unkonzentriert sein, vor sich hinträumen'. Absenz 1: Koller um 1440 Ref. Sigmunds 141 het einer ein kirchen, so nympt er ein absentz und besetzet sine kirche törlich und zühet in eine stat uf den nehsten altar (FRNHD. WB); 1463 Copeyb. Wienn 376 was pharer vnd altaristen sein, die sullen geben den drittentail absencz (DWB N.); 1478 Monumenta habs. II 552 die pharrer, die nicht auf iren pharren selbs sitzen, dy sullen geben den drittail von irer absent (LEXER); Volkslied 1486-92 (Liliencron // 189) von des tumtechants wegen: man solt im sein pfrund gen München absenz geben; Unrest 1499 Österr. Chronik 31 eyn pharrer, der hundert gülden in absennt hat; Gerstenberg vor 1506 Chroniken 468 her Johan Cassel enwulde keyne absencie, sunder presencie stifften; 1521 Pfrundt Marckt cclb da er kein absentz oder pension von im geb, dann es wider der seien heil ist, das von gotgaben vnd stifftung fromme menschen pension, absentzen vnd reseruat geben oder genummen sollen werden; Römer 1521 Dialog 85 Dann die pfaffen müssen vns gelt geben, das heist Comment, absent, Kathedraticum; Alberus 1550 Fabeln 25 Das stück fleisch fiel jhm ausz dem maul,/ . . Pfei der schand/ Sprach er darnach mit
großem zorn,/ Presentz vnd absentz ist verlern; Mathesius 1563 Ehestand 3a oder jerlich absent vnnd pension von seinem dienst geben; Petri 1605 Weiszheit 4b Absent vnd Pension muß gefallen/ wenn man wil förderung vnd platz haben; 1793 Enc. Wb. I 10 Absenzgelder sind solche, die einem Abwesenden zustehen, dessen Vermögen wegen seiner Abwesenheit durch einen Curatorem absentis verwaltet wird, wird aber auch besonders von den Einkünften einer Pfründe gebraucht; Dohm 1817 Denkw. Ill 242 Sogar wurde den schwäbischen Reichsprälaten die Entrichtung ansehnlicher Absenzgelder zugemuthet. Absenzer: 1524 Flugschr. Straßb. IX 8 Die kirchgnossen seind schuldig .. zu beschirmen die/ so inen das wort gottes .. lauter anzeygen/ hye gond zu grundt Cortisanen/ Pennsioner/ Jncorporierer/ Absentzer/ Lugender vnd traumenschwetzer (FRNHD. WB). Absenz 2: 1583 Amadis l 63a die [Bewohner] in der insel, so jetzt der zeit vmb ewer absentz willen
Absenz gantz leidig seyn (DWB N.); 1620 Schauspiele 178 daß er euch in meiner Absenz mit lieblichen Discoursen ergetze; Nicolai 1633 Br. a. Wechel (Sonden 340) in meiner absence (JONES); Schupp 1657 Freund i. d. Not 13 Wer mich lobt in praesentz, und schilt mich in absentz, den erwürg die Pestilentz; Böckler 1665 Schola militaris 49 Nimbt die Ordre von dem Feld-Herrn/ oder in dessen Absentz von dem General Feld-Marschalck; Gruber 1697 Kriegs-Disciplin l 26 so versiehe! in dessen [des Kommandanten] Absentz der ältiste Obriste der Garnison seiner Charge; 1716 Österr. Weist. HI 122 wann . . der gemaind zusamben zu komben angesagt wurde, daselbst aber ain oder der andere ungehorsamb außblibe, so sollen der oder dieselben der gemaindschaft iedes mals die zwölf kreizer absentgelt zu geben schuldig sein (DWB N.); Sperander 1727 A la mod Sprach 5 Absence, Absentz/ Abwesenheit/ z. E. ich kan euer Absence nicht vertragen; Ranke 1827 Br. 173 Es wäre gar zu traurig, wenn das Absenzsemester auch das letzte wäre, wo wir hätten zusammen sein können; Burckardt 1878 Br. a. Alioth 67 während meiner Absentz [von Basel]; Kraus 1899 Fackel III 21 eine umfangreiche absenzliste liegt vor uns, und sie wird mit jedem concordiaballe länger (DWB N.); Tb. Mann 1939 Lotte (W. 11 557) Als sie aber, genesen, mit jenem wieder in Gesellschaft zusammentraf, da schien er sie überhaupt nicht vermißt, ihre Absenz nicht bemerkt zu haben; NZ. (Basel) 16. 4.1949 Acht Jahre Schulbesuch ohne Absenz (Überschrift); Adorno 1963 Prismen 153 Solche Absenz aller von außen ins Werk eingelegten Vermittlungen (DUDEN); 1991 Wiener VI 70 700 Kulturschaffende . . drohten angesichts der Schnüffelaffäre den staatsoffiziellen 700-JahrFeiern mit demonstrativer Absenz. in absentia: Kiechel um 1589 Reisen 328 Als er gehn Vönedüg kommen, bracht er mich gleich wol in absentia meiner umb 20 ducaten in gold; ]. G. Hoffmann 1843 Kl. Sehr. 306f. es wurden in der philosophischen und mitunter auch in der medizinischen Fakultät Doktor-Diplome ohne vorgängige mündliche Prüfung und ohne Disputation auf den Grund eingesandter Probeschriften gegen die Gebühren ertheilt, und wenn auch solche in absentia promoti nicht zur Habilitierung als Privatdocenten zugelassen wurden, so geschah doch in ändern Lebensverhältnissen der herrschenden Sitte durch den erlangten Titel Genüge; Tb. Mann 1947 Faustus (W. VI 535) Sie dürfen mir nicht die Aufführung Ihrer Werke in absentia anheimgeben; Sloterdijk 1983 Kritik 383 es verspricht mir Hilfe beim Versuch, das „ich sterbe" zu verdrängen, um an seiner Stelle einen Man-Tod zu bekommen, einen Tod in absentia, einen Tod in politischer Uneigent-
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lichkeit und Betäubung; Zeit 10.1.1986 Ghaddafi hatte im Sommer 1980 die „Todesurteile" in absentia als unschicklich kritisiert. Absenz 3: Lavater 1802 Nachgelass. Sehr. V 77 Momente der völligsten Gedankenlosigkeit, Geistes-Absenz und eine unglaubliche Schwäche; Tb. Mann 1939 Lotte (W. II 735) Ein Zustand der Absenz, ein Verlorensein in schmerzlicher Grübelei trennte ihr Bewußtsein längere Zeit von dem Gespräch und hielt sie ab, seinen Associationen zu folgen; Doderer 1948 Strudelhofstiege 372 Thea, jetzt in fast vollkommener Absenz (Absenz wovon? vom Vakuum — also Absenz in der zweiten Potenz) und obendrein nah am Weinen, stürzte in die Situation ab und blieb . . hilflos liegen; 1955 Reader's Digest XI 104 Die Anamnese ergab, daß die Patientin oft Absenzen hatte; 1956 FAZ Nr. 210 Epilektiker, die kurzfristige Absenzen haben können, ohne daß es zu einem typischen Anfall zu kommen braucht. Absence: Breuer/Freud 1909 Hysterie 59 Es ist nicht ganz klar, ob dabei immer eine vollkommene momentane Absence eintrat; ebd. 62 Indem aber seit jener ersten halluzinatorischen Autohypnose sich die Absencen mit völliger Amnesie und begleitenden hysterischen Phänomenen häuften; Edschmidt 1928 Gagaly 10 Seine „absence" kam ihm dabei [um lässig zu scheinen] zu Hilfe; 1955 Reader's Digest XI 104 Französisch absence 'Abwesenheit'. Meist kurze Bewußtseinstrübung, z. B. bei Schwindel; häufige Absenzen sind ernste Symptome; Sloterdijk 1983 Kritik 108f. eine bis dahin unbekannte Manifestation, die der Schlafwandlerei ähnlich schien und daher den Namen „künstlicher Somnambulismus" erhielt. Es handelt sich um einen Zustand tiefer Absence, bei dem paradoxerweise bei den Patienten eine besondere Hellsichtigkeit . . zutage trat; Strauß 1984 Mann 57 Ich glaube, er leidet unter Absencen. So traumstarrend wie er dasitzt. Ich habe einen Neffen, der hat diese kleinen Anfälle, diese . . Petit mal; 1985 Packungsbeilagen f. Medikamente o. S. Als Adjuvans zu Medikamenten, welche für die spezifische Therapie der generalisierten Anfallsformen des Absence-Tvps (Petit mal) bestimmt sind; Fruttero 1986 Palio (Übers.) 111 Sogar der Historische Zug entgleitet ab und zu seiner Aufmerksamkeit, hier ein Stück, da ein Stück. Träge Pausen. Absencen, kaum berührt von Reflexionen über das Wetter; Zeitmagazin 15.6.1990 Vermutlich treten die ersten epileptischen Manifestationen bereits während seines Aufenthaltes in Paris auf. . . Es handelt sich um kurze Abwesenheitszustände, um sog. Absencen, in denen er nicht adäquat reagiert.
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absolut Adj. (Steigerung selten), auch Adv., im späten 15. Jh. entlehnt aus lat. absolutus (Adv. absolute) Ohne Einschränkung, unbedingt; in sich abgeschlossen, vollständig, vollkommen; losgelöst, abgelöst' (Part. Perf. von absolvere, —> absolvieren), bis ins frühe 19. Jh. selten auch in der lat. Adv.-Form absolute (vgl. bes. 2a) und bis heute gelegentlich in der lat. (flekt.) Form. 1 Zunächst in der Bed. 'losgelöst von jeder Einschränkung, Beschränkung, Bedingung': a Insbes. im geistig-kulturellen Bereich für 'uneingeschränkt (gültig, verbindlich), nicht bedingt; unwiderruflich, unumstößlich, unanfechtbar', z. B. in Syntagmen wie absolute (Glaubens-, Gewissens-)Freiheit, absoluter Wille, Gehorsam, etwas absolut setzen; absoluten Vorrang, absolute Priorität haben (vgl. 2b). b Seit Anfang 17. Jh. (eventuell unter Einwirkung von gleichbed. frz. absolu] vor allem im staatlichen Bereich in der Bed. 'die alleinige, unumschränkte politische Herrschaft betreffend; unumschränkt herrschend, regierend, unbeschränkt mit politischer Macht ausgestattet', meist attributiv verwendet, z. B. in Wendungen wie absoluter Staat, Thron, König, absolute Macht, Gewalt, Herrschaft und bes. absolute Monarchie 'Form der Monarchie, die durch die Alleinherrschaft des Monarchen gekennzeichnet ist' (—»· Absolutismus 2), schon seit dem 17. Jh. gelegentlich auch allgemeiner und übertragen gebraucht, z. B. in Wendungen wie absolute Herrschaft des Gesetzes/der Frauen, absolute Leitung, absolutes Kommando. 2 Seit späterem 17. Jh. meist zur Verstärkung von Aussagen verwendet: a Zunächst adv. als Gradpartikel vor allem bezogen auf Adj., Zahl- und Negationswörter, seltener auch auf Verben, in der Bed. 'ganz und gar, durchaus, auf jeden Fall; schlechthin, geradezu; unbedingt; überhaupt; hundertprozentig', überaus häufig in stereotypen phraseologischen Verbindungen wie absolut keine Schwierigkeiten mit etwas/jmdm. haben, etwas absolut nicht leiden können; absolut unmöglich, wahr; absolut keinen Ehrgeiz haben, etwas absolut nicht einsehen wollen, absolut nicht in Frage kommen; absolut recht haben wollen, mit absoluter Sicherheit, eine absolute Null und absolut nicht 'unter keinen Umständen'. b Seit Ende 17. Jh. auch attributiv und eher ugs. gebraucht im Sinne von 'vollkommen, völlig, vollständig, unbedingt, total' und 'äußerst, nicht mehr überbietbar, steigerbar, höchst-, letzt-', z. B. eine absolute Grenze erreichen, ein absoluter Rekord, absoluter Meister, der absolute Höhe-, Tiefpunkt, das absolute Minimum (vgl. 4a), gelegentlich auch im Sinne von 'in höchster Weise ideal, ohne Einschränkung, Trübung; ungetrübt, ungestört', z. B. absolute Einsamkeit, Ruhe, Stille, absoluter Frieden (vgl. 3). 3 Seit frühem 18. Jh., bes. im Bereich von Philosophie, Wissenschaftstheorie, Ästhetik u.a., im Unterschied zu l meist im Ggs. zu —> relativ (s. Beleg 1976), in der Bed. 'losgelöst, frei von jeder Abhängigkeit oder Beziehung, unabhängig, an und für sich'; seit früherem 19. Jh. speziell in der idealistischen Philosophie für 'durch nichts bedingt oder vermittelt als durch sich selbst; rein, beziehungslos, an sich (betrachtet)'; gelegentlich in der subst. Form das Absolute (s. Beleg 1976) bzw. lat. Absolutum (s. Belege 1929, 1976) als Terminus für den letzten Grund alles Seienden, das Wesen aller Dinge, für das Wahre, Ewige, immer Geltende oder für Gott (s. Belege 1971, 1976). Vor allem in Syntagmen wie absolutes Sein, Wesen, Denken, absolute Moral, Objektivität, die Philosophie des Absoluten, absoluter Geist, Wert, absolutes
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Ich, etwas absolut betrachten und bes. absolut gesehen/genommen (—» Absolutismus 1); im 20. Jh. selten auch allgemeiner verwendet (s. Beleg 1958). 4 Seit Anfang 18. Jh. zunehmend fachspr. und in festen Verbindungen gebraucht: a Meist im Ggs. zu —* relativ (vgl. 3) in der Bed. 'auf eine bestimmte, festgesetzte Grundeinheit bezogen, den Nullwert eines bestimmten Maßes ausdrückend', z. B. in Syntagmen wie absolute Höhe 'Höhe eines Punktes der Erdoberfläche über dem Meeresspiegel', absoluter Nullpunkt 'tiefstmögliche Temperatur' (vgl. 2b), gelegentlich übertragen gebraucht (s. Beleg 1964); absolute Temperatur 'die auf den absoluten Nullpunkt ( — 273,16 Grad Celsius) bezogene Temperatur' (vgl. 2b), in der Mathematik absolute Zahl Ohne Vorzeichen (+ oder —) betrachtete Zahl', vereinzelt übertragen verwendet, und bes. absolute Mehrheit 'Mehrheit von über 50% der Gesamtstimmenzahl (bei einer Abstimmung)' (Ggs. relative Mehrheit). b Seit Ende 18. Jh., oft im Ggs. zu —» konkret, gegenständlich oder unselbständig und häufig sinnverwandt mit —» autonom, rein, pur oder —> abstrakt (vgl. Ib und 3), in der Bed. 'in keinerlei Beziehung zu etwas Vergleichbarem stehend, beziehungslos, nicht abhängig von oder bestimmbar durch den Vergleich mit anderen Größen; für sich genommen, keiner näheren Bestimmung bedürftig; ohne Hilfsmittel auskommend', z. B. in der Grammatik für 'selbständig, für sich selbst stehend' in Syntagmen wie absoluter Nominativ 'außerhalb des Satzverbandes im Nominativ stehende Nominalgruppe (ohne Verbalgruppe)', absolutes Tempus 'Zeitform des Verbs außer den Perfekttempora', Ablativus absolutus bzw. lehnubersetzt absoluter Ablativ 'im Lateinischen eine selbständig im Satz stehende satzwertige Wortgruppe in Form einer Ablativkonstruktion', absolutes Adjektiv/Verb 'Adjektiv/Verb, das kein Objekt und kein Adverbial als Ergänzung, fordert'. Auch im Bereich der Kunst in Syntagmen wie absolute Dichtung/Poesie 'reine Wortkunst, die auf nichts außerhalb ihrer selbst verweisen und für sich stehen will', dafür oft auch autonome, reine, abstrakte Dichtung/Poesie (—* abstrakt 2, —» autonom), absolute Malerei 'Richtung der abstrakten Malerei, die das Bild aus rein geometrischen Formen aufbaut', absolute Musik 'Musik, die nicht an Zwecke gebunden oder von außermusikalischen Motivationen (z. B. Texten, Programmen, Sujets) abhängig ist und am reinsten als Instrumentalmusik in Erscheinung tritt' (Ggs. Programmusik), und absolutes Gehör 'Gehör, das ohne Vergleichstöne und andere Hilfsmittel die Tonhöhe und Tonart erkennt'; häufig auch in den Naturwissenschaften vor allem in Syntagmen wie absolute Flüssigkeit '100%ig reine Flüssigkeit' und bes. absoluter Alkohol 'reiner, wasserfreier Alkohol, der durch Entwässerung wasserhaltigen Alkohols gewonnen wird' (s. u. Absolutierung). Dazu seit Ende 18. Jh. die subst. Ableitung Absolutheit F. (-; selten -en), zunächst für 'Losgelöstheit, Unabhängigkeit, Beziehungslosigkeit' (zu 3); seit Anfang 19. Jh. auch für 'Unbedingtheit, Uneingeschränktheit', gleichbed. mit —* Absolutismus l, bes. in der Zs. Absolutheitsanspruch 'Anspruch auf Alleingültigkeit (z. B. einer Religion) oder auf die absolute Richtigkeit (z. B. einer Theorie)' (zu la); seit Mitte 19. Jh. seltener nachgewiesen für 'unumschränkte Herrschaft; Unumschränktheit' und im 20. Jh. vereinzelt für 'Unerbittlichkeit, Rücksichtslosigkeit' (s. Beleg 1919) (zu Ib). Seit späterem 19. Jh. die (1871 bei Sanders) gebuchte verbale Ableitung absolutieren V. trans., 'etwas absolut setzen', vereinzelt reflex, 'sich von Bedingungen, Beschränkungen u.a. frei machen', mit dem dazugehörigen Subst. Absolutierung
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F. (-; -en), speziell auch 'Entwässerung (von Alkohol)', und der seltenen, schon seit Anfang 19. Jh. bezeugten Nebenform Absolutisierung; gleichzeitig die häufigere, heute übliche Präfixbildung verabsolutieren V. trans., 'einer Erkenntnis o.a., die nur unter bestimmten Voraussetzungen gültig ist, allgemeine, uneingeschränkte Gültigkeit beimessen und daher auch auf anderes übertragen; etwas dogmatisch verallgemeinern', häufig in der Infinitiv- und Part. Präs.- bzw. Part. Perf.-Form und in Wendungen wie einen Standpunkt, eine Meinung verabsolutieren, alles immer gleich verabsolutieren wollen, mit dem dazugehörigen, seit Ende 19. Jh. nachgewiesenen Verbalsubst. Verabsolutierung F. (-; -en) 'das Verabsolutieren, Absolutsetzen' (alle zu la). absolut la: Melker 1481 Voc. o. S. Absolute, lediglichen, on ein zusacz; Franck 1558 Paradoxa 348b Er [Gott] wil es aber nicht schlecht absolute/ on ein nisi/ sondern mit geding und mittel/ die er vns darzu hat fürgschlagen/ Nemlich/ durch Christum; Paracelsus 1577 De generatione 24 Darum ist ein mensch absolute verstanden ein Kalb; Furttenbach 1635 Architectura 2a absolut; Arcuarius 1679 Ehstand 28 da war der absolute wille gottes, das keines das andere verlassen [sollte] (DWB N.); Gichtel 1710 Send-Schr. l 79 absolute; Fassmann 1729 Narr 135 absoluten; Schlettwein 1773 Ordnung II 83 die Natur, welche uns eine absolute Gerechtigkeit so laut und so ernstlich prediget; Schiller 1791 W. VIII 18 wenn dieser letzte versuch [die beiden Kirchen wieder zu vereinigen] mißlänge, sollte der religionsfriede eine absolute gültigkeit haben (DWB N.); Fülleborn 1797 Kl. Sehr. 1246 Humanität ist die innere Achtung für absolute Menschenwürde; Strauss 1837 Ausgew. Er. 49 absoluten Standpunkt in rebus eroticis; Engels 1846 Fragm. IV 451 Daher ist denn auch der deutsche „absolute Sozialismus" so erschrecklich pauvre; Rodenberg 1863 Strassensängerin II 45 bekannte sich zu dem Princip der absoluten Freiheit; Th. Mann 1921 Reden u. Aufs. (W. IX 156) daß absolute Freiheit alle Disziplin überflüssig mache; ders. 1939 Reden u. Aufs. (W. XI 965) das Absolutwerden der Politik .. das ist der Untergang der Freiheit; Münch. N.N. 6.17.3.1943 Der Russe sucht . . auch die „absolute" Gerechtigkeit und Wahrheit; Mosca 1950 Klasse 367 wird es niemals eine absolute Gerechtigkeit geben; Bamm 1956 Ex ovo 175 wie hätte man von Newton erwarten können, daß ihm Zweifel an der absoluten Gültigkeit seiner physikalischen Wahrheiten hätten kommen können; Jaspers 1958 Atombombe 410 diese können keine absolute Geltung für die reale Prognose beanspruchen; Zeit 4.1.1985 daß im Fernsehen die jüngste Geschichte absoluten Vorrang habe; MM 17.10.1986 absolute Priorität haben Starts für das Verteidigungsministerium; Ortheil 1987 Schwerenöter 371 wie leicht dem Körper Lehren beizubringen waren, die von ihm absoluten Gehorsam verlangten.
Absolutheit: Görres 1810 Ges. Sehr. IV 255 noch eine andere macht [England] hat. . zu gleicher absolutheit des willens sich erhoben (DWB N.}; Th. Mann 1942 Reden u. Aufs. (W. XI 666) in Joseph mündet das Ich aus übermütiger Absolutheit zurück ins Kollektive; Dülmen 1977 Reformation 99 Jede Richtung trat mit gleichem Absolutheitsanspruch auf; Zeit 25.1.1985 sie ist auch eine emotionale Wende mit ihrem eigenen Absolutheitsanspruch; ebd. 27.9.1985 woher kommt der Absolutheitsanspruch, mit dem hier eine begründete Vermutung verworfen wird, bevor man sich der Mühe unterzogen hat, ihren . . Wahrheitsgehalt zu überprüfen?; Sloterdijk 1985 Zauberbaum 52 f. Zur alleinigen Herrlichkeit Gottes habe man diese Bauwerke aufgestellt, Majestätstürme, . . Absolutheitstürme, Unendlichkeitstürme; Zeit 7.3.1986 in beiden Fällen zeigt sich ein Absolutheitsanspruch, durch keine Erfahrung getrübt; MM 31.8.1987 denn Absolutheit überwältigt immer und befreit nie. (ver)absolutieren: vor 1871 Dtsch. Museum XVI 2,197 In einer solchen Zeit, wo das Ich sich absolutiert hatte, entstand der „Faust"; Rosenkranz vor 1871 Poesie Gesch. 45 Daß eine solche verabsolutierte Sittlichkeit in ihr Gegentheil . . umschlägt (beide SANDERS 1871); Meinecke 1924 Idee 175 Gegensatz von absolutierender und relativierender Denkweise; Noack 1928 Friedenspolitik 498 wenn er . . in unmotivierter Weise . . vor dem Staat halt machte, um ihn zu verabsolutieren, ohne sich dessen bewußt zu sein, daß auch dies eine willensmäßige Wertung ist; Simmel 1930 Geld 235 Umfangs, in dem sich das Geld für das Wertbewußtsein verabsolutiert; Blei 1930 Männer 51 zu jenem verabsolutierten Glück; 1933 Geopolitik X 280 absolutierenden; Th. Mann 1940 Nachtr. (W. XIII 146) wendet sich in „Fiorenza" der asketisch gewordene, ins Nichts verabsolutierte Geist gegen die . . Kunst; 1943 Schulpforte 68 Wer über ältere wissenschaftliche Leistungen zu Gericht sitzt, wird stets den gegenwärtigen Forschungsstand verabsolutieren müssen; Jaspers 1958 Atombombe 290 abstraktes Denken wird unwahres Denken, wenn ein
absolut endlich Bestimmtes den Anspruch erhebt, beziehungslos an sich wahr zu sein, das heißt, wenn es verabsolutiert wird; ebd. 373 man verabsolutierte, was für Max Weber die relative Erkenntnis war; ebd. 385 es ist die Widervernunft verabsolutierten Verstandes in Verbindung mit der durch nichts eingeschränkten . . Gewalt; Adorno 1958 Noten l 86 das lyrische Subjekt zu verabsolutieren; Diesel 1963 Menschheit 308 die Wissenschaft beging .. den gleichen Fehler, den Philosophie und Religion vor ihr begangen hatten: Ereignisse, Einsichten, Erlebnisse, Intuitionen . . zu verabsolutieren, sie starr dogmatisch als endgültige .. Wahrheiten zu inthronisieren; Glaser 1964 Spießer 104 Ein verabsolutierter Irrationalismus, der nichts neben sich duldete; Partner 1964 Erben 112 Auffassung, .. die nicht die Darstellung des historischen Kreuzigungsvorgangs .. anstrebt.., sondern die verabsolutierende Weise der Darstellung vorzieht; Haffner 1965 Todsünden 138 Die kaiserlich-deutsche Politik verabsolutierte und ideologisierte den damaligen Gegensatz Deutschlands zu den Weltmächten; Gülich 1977 Textmodelle 19 Man sollte . . die axiomatisch-deduktive Art der Modellbildung nicht verabsolutieren. Gegen eine solche Verabsolutierung sprechen . . drei Gründe; Zeit 11.1.1985 erwächst aus der Neigung, die Rüstungskontrolle zu verabsolutieren; Habermas 1985 Unübersichtlichkeit 91 haben Thoreau und Martin Luther King . . nicht ihre privaten Überzeugungen verabsolutiert; Zeit 20. 9.1985 all dies gibt es an der Laborschule; nichts ist verabsolutiert; wir haben ein gemischtes System; Zimmer 1986 Redens Arten 135 Eine Teilwahrheit also wird verabsolutiert; Zeit 3.10.1986 Olson und seine Gemeinde verabsolutieren Produktion und Wachstum. (Ver)Absolutierung: Diltey — Yorck v. Wartenburg 1884 Briefw. 251 Verabsolutierung Platons; Tröltsch 1907 Zusatz /V 833 Verabsolutierung des Staates; Kanehl 1913 junge Goethe EM. 9 Rüge . . protestiert gegen die Verabsolutierung politischen Lebens; Benjamin 1918 Br. I 173 habe ich . . die Betrachtung der modernen Malerei beiseite gelassen, obwohl ursprünglich diese Überlegung durch eine falsche Verabsolutierung derselben veranlaßt worden war; Erdmann 1924 Kunst 15 Absolutierung relativer Begriffe; Rohden 1925 polit. Denken 77 Verabsolutierung des Selbstbestimmungsrechts der Völker; 1925 Zeitwende 495 das Christentum wird . . gegen die Verabsolutierung der Wirtschaft . . zu kämpfen haben; Grisebach 1928 Gegenwart 17 Verabsolutierung des eigenen Wesens; Bäumler 1934 Männerbund 156 Verabsolutierung der Tradition; Th. Mann 1936 Reden u. Aufs. (W. X 758) man mag etwas Unkritisch-Primitives in dieser Verabsolutierung des Augenblicks finden; ders.
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1937 Reden u. Aufs. (W. XII 815) der Verabsolutierung des Machtgedankens und die Verleugnung der Kultur; Süddtscb. Ztg. 20.1.1952 die universale Wertordnung, . . zerbrochen ist an der Verabsolutierung sogenannter Partialsysteme wie des Staates; ND 29.4.1954 damit soll und kann in keinem Falle einer Verabsolutierung das Wort geredet werden; Hofer 1956 Gesch. 26 Radikalisierung und Verabsolutierung der nationalen Idee; Jaspers 1958 Atombombe 51 die Verabsolutierung der Politik führt zum Versagen selbst den politischen Aufgaben gegenüber; ebd. 428 Demokratie als Weg der Vernunft entzieht sich den Verabsolutierungen; Bollnow 1962 Mass 94 wenn . . die Tendenz zu einer Verabsolutierung des konstruktiv rationalen Denkens besteht; Bouman 1962 Kultur (Übers.) 197 Verabsolutierung von Erfahrungen, die spezifisch zum 19. Jahrhundert gehörig sind; Fügen 1962 Hauptrichtungen 31 Anm. Neigung Strich's zur Verabsolutierung und Metaphysizierung; ND 10.5.1969 setzte sich mit einigen Tendenzen der Vereinseitigung und Verabsolutierung einzelner Unterrichtsmethoden auseinander; Hocke 1976 Tagebücher 119 Der Protest aus der Verabsolutierung des Erotischen; Zeit 3.5.1985 problematisch wird der Ansatz erst, wenn er zu einer emotionsgeladenen Idealisierung und bizarren Verabsolutierung führt; ebd. 19.9.1986 Schmidt wehrte sich gegen Verabsolutierungen zugunsten oder zu Lasten von Kohle, Öl oder Kernenergie. Absolutisierung: Novalis vor 1801 (Seckinger 1960 Europa 58) Absolutisierung — Universalisierung, — Klassifikation des individuellen Moments . . ist das eigentliche Wesen des Romantisierens; Prager Bohemia 14.2.1936 Absolutisierung, Neigung zu einer überspitzten Abstraktion; 1961 Häresien 64 mit der „Absolutisierung", „Universalisierung" des Industriellen. absolut Ib: Meteren 1614 Niderlend. Krieg 268a daß man . . die landten . . vnter einen vnbezirckten gehorsam oder absolut regiment deß Königs . . zwingen würde (DWB N.); Ens 1630 Postreiter 5 doch soll für dißmal die Regierung so wol die Justitiam, als Polizey belangend, in hohen vnd nidern Emptern, absolut vnnd nach ihrem Belieben versehen werden; Herman 1633 Bedencken A3a absolut Gewalt; 1668 Ratio Status 38 Wir erkennen sie [Grafen] aber vor keine absolute Monarchen, die nur von allen Gesezen entbunden ihres Gefallens leben mögen; Leibniz 1670 W. I 158 ein absoluter Monarch; 1685 Türk. Schaubühne 8 in mehrer Betrachtung sind die Türkische Kaiser absolut, vnd keinen Gesetzen . . vnterworffen; 1689 Polit. Fliegenwedel I 70 Als er aber vom König . . mittelst der ihme eingeräumten absoluten Regierungs-Ge-
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wait zu noch höheren Ehren erhoben; 1692 Novellen 44 er als ein absoluter Potentat; 1707 Auserlesene Anm. IV 128 absolute regieren; 1707 LebensSpiegel 86 Cäsar hätte nichts anders in seinem Vorhaben, als .. sich vor einen völlig, absolut, und freyen Regenten über das Römische Reich zu machen; Fassmann 1729 Narr 135 wann ich mich nicht der höchsten und absoluten Gewalt unterziehen . . solte; Schröder 1737 Schatz-Kammer 5 das absolute gouvernement der Fürsten; Schiller 1791 Dreißigjähr. Krieg Vlll 6 In dem Zeitalter . . regierte in Europa kein Fürst so absolut; Goethe 1795-96 Lehrjahre (HA VII 573) außer dem Unsinn der Abgeschmacktheit, die denn ganz absolut regiert; 1802 Revolutions-Almanach 139 Absolute Gewalt; Fichte 1804 Zeitalter VII 144 der absolute Staat; 1829 Jahrb. d.Gesch. l 14 es lebe der absolute König; 1836 ebd. II 297 Der absolute Monarch, wenn er wirklich regieren . . will, bedarf gewisser Ordnungen und Gesetze; Stahl 1856 Staatslehre 261 In Preußen sind gewichtige Gründe für die absolute Monarchie; Nordau 1881 Paris I 266 absolute Herrschaft; Lange 1894 Arbeiterfrage 23 Für den absoluten Monarchen ist die Statistik gleichsam nur ein Massstab für seine Macht; Treitschke 1897 Politik I 83 Diese Erweiterung der Staatsthätigkeit ist nun aber keine absolute; Meinecke 1924 Idee 162 das absolute Fürstentum; Lokal-Anz. 15.8.1933 ein Beleg für die Geschlossenheit der Anschauung, die dem neuen absoluten Staat zugrunde liegt; Glasenapp 1948 Welt 87 eine absolute Monarchie; Jaspers 1958 Atombombe 399 das Menschendasein wird im Apparat der einen absoluten Herrschaft zu einer Nivellierung bloßer Funktionen gebracht; MM 5.1.1985 obwohl eine nach unserem Verständnis absolute Monarchie — es gibt weder ein Parlament, noch Parteien, Wahlen oder Gewerkschaften — ist der saudische König keineswegs das islamische Pendant zu den absoluten Fürsten Europas des 17. und 18. Jahrhunderts . . der saudi-arabische König . . sitzt auf dem Thron einer absoluten Monarchie. Absolutheit: Rietschel 1857 Briefw. II 566 solche rohheit, solche gewissenlosigkeit . . und welche talente und kräfte sind dort unter dem drucke schwanthalerscher absolutheit im schach gehalten worden; Seidl 1919 Tondichter I 368 daß M. . . mit rücksichtslosigkeit, schärfe, . . diktatorischer absolutheit . . eine gegenströmung heraufbeschworen hat (beide DWB N.); Th. Mann 1940 Reden u. Aufs. (W. XII 890) einem Bunde, dem alle Staaten Opfer an Absolutheit und Selbstbestimmungsrecht zu bringen hätten; Zeit 20.9.1985 die Aufforderung zum „Selbstdenken", wie sie vor allem von den Verfechtern der Aufklärung vorgetragen
wurde, sprengte den Absolutheitsanspruch der Kirche. absolut 2a: 1667 Bericht Leipz. medizin. Fakultät (Zittmann 153) ob die bei dem Entleibten befundene Wunde absolut vor tödlichen zu halten sey; Leibniz 1668—76 Briefw. I 46 welches man doch nicht absolute sondern limitate . . begehret; Lebenwaldt 1680 Teufels List 111 129 wollten absolute den Glauben benehmen; Brulig 1683 Wien 292 vnndt [solle] absolute kein orth-, oder Landtss Inwohner davon eximiret bleiben; Schurtz 1695 Kaufmannschaft 56 das Ja-Wort, welches er zur Bezahlung absolute und freywillig von sich gegeben; 1700 Sendschr. a. Herrn B. 47 absolut unmöglich; 1705 Auserlesene Anm. II 203 So können auch solche die Apostel nicht absolute vor gut gehalten . . haben; Musig 1718 Licht d. Weisheit II 322 sind . . die Menschen . . absolut verbunden; Fleming 1726 Soldat 93 Gesetze, . . wornach sich diese [Soldaten] absolut richten müssen; Belemnon 1728 Bauernlex. 3 Absolut, Schlechter Dings hin/ durchaus/ kurtzum/ ohne Ausnahm; 1741 Begebenheiten 79 wolte im Anfang absolute nicht darein willigen; Gleim 1752 a. Ramler I 348 er muß absolut noch ein bisgen Geduld haben; Goethe 1773 Götz VIII 49 Da wollte er absolut den Berlichingen vertagt haben; Dressler 1777 TheaterSchule 152 müssen und sollen absolut nicht gelitten werden; Müller 1778 Fausts Leben 9 wo der . . beste Kerl . . absolut über sich selbst hinaus begehrt; Schiller 1781 Kabale l 2 Ich geb meinen Konsenz absolut nicht; Kant 1798 Anthropologie (Ges. Sehr. VII 144) Im Leben (absolut) zufrieden zu sein, wäre thatlose Ruhe; Goethe um 1810 Farbenlehre (HA XIV 242) weil nichts, was uns in der Erfahrung erscheint, absolut angesprochen und ausgesprochen werden kann; 1819 Teutschland 72 die Einführung der neuen Steuern als absolut unmöglich zu erklären; Laube 1836 Reisenovellen III 58 es ist aber absolut unmöglich; Holtet 1860 Eselsfresser II 64 was ist absolut sittlich oder unsittlich?; Nordau 1885 Paradoxe 24 das absolut Unmögliche; Th. Mann 1912 Reden u. Aufs. (W. X 844) Sie erwiesen sich als gewissenhafter, absolut zuverlässiger Kaufmann; ebd. X 895 Vorspiel ist etwas absolut Zauberhaftes; Dtsch. AZ. 15.1.1935 der Schlitz war auch noch mit Papier und Siegeln absolut einwandfrei abgedichtet; Th. Mann 1949 Reden u. Aufs. (W. XI 251) dennoch finden sich absolut großartige .. Intuitionen in diesem . . Erzählwerk des Todes; Bamm 1956 Ex ovo 215 Einstein machte die Lichtgeschwindigkeit absolut konstant; Jaspers 1958 Atombombe 102 die Spannung solcher Augenblicke wiederholt sich, und nie ist man absolut sicher, daß das totale Unheil nicht einbricht; ND 1.4.1959 das bisherige Tempo . . ist ab-
absolut solut unzureichend; Pinkwart 1963 Mord 27 der nächtliche Unfall war schrecklich, aber nach einem Mord sah er absolut nicht aus; Welt 2.8.1969 es handelt sich um die absolut beste Geschäftslage; ebd. 1.6.1974 absolut neuwert., bildschönes Garagenfahrz. (Anzeige); MM 14.2.1985 wie absolut unökonomisch mangelhafte ökologische Konzeptionen sind; ebd. 5. 6.1985 Willi . . verschafft sich schon mit seiner kräftigen Statur den nötigen Respekt, wenn einer absolut nicht bezahlen will; Zeit 10.5.1985 daß . . Besuche in der Nervenheilanstalt mehr als einmal pro Jahr „absolut unüblich" seien; ebd. 2.2.1987 ihre Strahlung ist absolut tödlich; MM 3.4.1988 der Fußgänger hat absolut Vorrang auf dem Fußweg; Lukoschik 1990 In u. Out 7 Auf diesen Seiten gehts um so etwas absolut Zwingendes wie eine ironische Zeit- und Konsumkritik. absolut 2b: Ziegler 1695 Schauplatz 959a ein absoluter meister der freyen künste; Abr. a S. Clara 1719 Kramer-Laden III 374 die heiligkeit [des Kaisers] .. [in] vielen .. particulair-tugenden wäre absolut (beide DBW N.); Moltke 1827 Freunde l 96 absolute Unmöglichkeit; Eckstein 1876 Satir. Zeitbilder 67 absolute Gewissheit; Hoffmann 1894 Stolpenburg 33 absoluter Aberwitz; CroissantRust 1896 Feierabend 39 sie .. überlegt - was sie gesehen, gibt ihr keine absolute Sicherheit; Th. Mann 1906 Erz. (W. VIH 388) die Leistung ist absolut; Starosson 1912 Tutenhusen 142 die anderen Herren sind . . absolute Laien; Th. Mann 1924 Zauberberg (W. Ill 953) die absolute Unmöglichkeit . ., daß Herr Kasimir . . noch satisfaktionsfähig wäre; ders. 1933-43 Joseph (W. IV/V 1588) daß kein Grund zum Erschrecken vorhanden, sondern einzig absolute Ruhe am Platze ist; Süddtsch. Ztg. 11.12.1945 um einen Stand zu erreichen, der sich als absoluter Bedarf bezeichnen läßt; Gail 1958 Weltraumfahrt 37 aber 4320 km über der Erdoberfläche bedeuteten . . immerhin den absoluten Weltrekord; Jaspers 1958 Atombombe 476 aber vergeblich ist eine absolute Stabilisierung der Menschen weit; Pinkwart 1963 Mord 58 da frohlocke ich schon . ., daß Sie mich zu Ihrem Kurschatten ausersehen haben, und dabei ist das offenbar eine absolute Fehlkalkulation; Staiger 1966 Grundbegriffe 182 ein Weg wird beschrieben, auf dem der Mensch dieses Ziel mit absoluter Gewißheit erreichen muß; Bild 13.2.1967 die Braunschweiger haben nicht nur einen Ulsaß (sein Alleingang in der 13. Minute . . war absolute Weltklasse); ebd. 22.3.1967 „Gundi" .. ist der absolute Star der bulgarischen Fußball-Nationalelf; ND 4.11.1969 Auswahlmannschaft der Georgischen SSR, die zur absoluten Weltspitze gehört; Zeit 17.5.1985 ein . . relativ geringes Tempo als absolute Höchstgeschwindigkeit; ebd. 27.9.1985
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absolute Sicherheit ist oft verbunden mit Paranoia; MM 14.11.1985 manches sei sinnvoll, vieles überflüssig, einiges „absoluter Stus"; ebd. 5.3.1986 für die CDU gebe es eine absolute Verschuldungsgrenze; Zeit 23.5.1986 der letzte und absolute Höhepunkt der Pressekampagne; MM 15.9.1986 hatte die Börse .. ihren absoluten Höchststand erreicht; Zeit 19.6.1987 die Zahl der Versuche auf ein absolutes Minimum zu beschränken; MM 9. 7.1987 nach Abzug der Sozialhilfeempfänger . . verbleibt immer noch ein harter Kern .. an der absoluten Untergrenze; ebd. 7.2.1988 auf einer Piste gibt es keine absolute Verkehrssicherheit; Zeit 13.6.1988 zu den absoluten Höhepunkten beim Tanz zählt die . . Festivaldirektorin . . zwei deutsche Truppen. absolut 3: Amaranthes 1715 Frauenzimmerlex. 1758 [es] kan . . der Schönheit wegen nichts gewisses und absolutes determiniret werden, angesehen . . eines dieses, der andere . . etwas anders schöne .. heist (DWB N.); Laukhard 1797 Leben IV 2,308 die verschiedenen Vorstellungsarten der Menschen über übersinnliche Dinge und deren absolute und relative Beschaffenheit aufzufinden; Hufeland 1797 Kunst 211 Die Fähigkeit, so lange zu existiren, liegt in der menschlichen Natur, absolute genommen; Stiedenroth 1819 Theorie 123 Der Begriff des Absoluten ist in der neuesten Philosophie so gang und gäbe . . Das Wort ist ausländisch, und deshalb recht geeignet, alles hineinzuwerfen, was man nur irgend will; Goethe 1823 Br. (WA IV 37,122) damit ich mich nicht in's Abstracte und oder wohl gar Absolute verliere; 1829 Jahrb. d. Gesch. l 14 Wir kennen nur Ein Wesen, das absolut ist . . und das ist Gott; Ancillon 1831 Vermittlung II 283 Über das Absolute und das Relative; Hoffmann v. Fallersieben 1841 Unpolit. Lieder 31 Das Absolute zu ergründen,/ Hatt' er sich selbst der Welt entrückt; 1842 Naturgesch. d. dtsch. Studenten 142 Goethe aber allein zur reinen, vollkommenen absoluten Objectivität vorgedrungen [ist]; Hettner 1844 Sehr. V 4 Das Absolute, das Unendliche, d. h. Gott, kann nicht sein ohne das Endliche. . . Hegel ist .. der Schlußpunkt dieser Philosophie des Absoluten; Schopenhauer 1859 Welt 11 206 ein Urwesen, Absolutum; Euck.cn 1904 Strömungen 102 Das Überzeitliche und Übermenschliche, mit einem Worte, das Absolute, herauszuarbeiten; Schmilz 1911 Brevier 116 denn die Frauen suchen niemals das Absolute, sondern immer das Relative; Th. Mann 1924 Zauberberg (W. III 52) sie war das Prinzip, vor dem man bestand oder nicht bestand, das Absolutum der Zeit; ebd. Ill 971 das Abstrakte, das Gereinigte, das Ideelle ist zugleich auch das Absolute; ders. 1929 Reden u. Aufs. (W. X 713) da die Idee der Freiheit selbst zur altbacke-
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nen Ware geworden ist und die absolute Bindung des Ich an der Tagesordnung ist (es handelt sich nur darum, das bindende Absolutum zu finden . .); 1935 „Duden"-Sammlung o. S. Der Faschismus mußte sich . . einen Staat konstruieren, der als etwas Abstraktes und Absolutewiges der Quell aller Macht . . ist; Tb. Mann 1945 Reden u. Aufs. (W. XII 208) denn sind das nicht nur Namen — sind alle höchsten Wörter, auch Freiheit und Schönheit, nicht nur Namen für das Eine, das Göttliche, das Absolute?; Heuss 1951 Qualität 55 Die Kunst in ihrem Sinnenhaften ist nie ein Absolutum; Cramer 1958 Kunstfigur 21 den Beweis „absoluter Liebe" verlangten; Jaspers 1958 Atombombe 299 durch Vernunft sind wir davor bewahrt, uns zu verfangen in . . Endlichkeiten, die fälschlicherweise zum unendlichen Absoluten werden; Staiger 1966 Grundbegriffe 210 die Welt, das geistige Selbst, wird „absolut", das bedeutet „abgelöst" und in der Ablösung „schlechthin gültig"; Amery 1971 Widersprüche 20 daß wir dem Terror der Aktualität nicht entrinnen, wenn wir uns dem Konter-Terror des allemal falschen „Ewigen" oder „Absoluten" beugen; Brenk 1975 Metaphysik des einen absoluten Seins (Titel); Hocke 1976 Tagebücher 393 Lebenserfahrungen großer einzelner, die immer Schnittpunkte des Diesseitigen und des Ewigen sind, des Relativen und des Absoluten; ebd. 432 Ihre [Sartres, Genets] . . Dialektik bleibt . . wenngleich nicht auf ein ontisches Absolutum, so doch . . auf das Bild des leidenden Menschensohnes bezogen; Hildesheimer 1977 Mozart 18 Den Maßstab des Absoluten hätte er in Worten kaum anzuwenden gewußt; MM 30.10.1986 in dieser Roman-Trilogie gab er einen Aufriß vom „Zerfall der Werte" und vom „Verlust des Absoluten"; Zeit 14.11.1986 Liebe, die sich bis in die . . Höhen einer eisigen, erstarrten Welt des Absoluten aufschwingt; MM 10.3.1987 weniges gibt es in der modernen Kunst, was noch die Kraft hätte, sich dem absolut Schönen zu verschreiben; Zeit 20.3.1987 da es ums Letzte, ums Absolute des Heils oder Unheils geht. Absolutheit: Fichte 1798 System 28 jene absolutheit des reellen handelns wird . . wesen einer Intelligenz; Ritschi 1870 Rechtfertigung l 409 die absolutheit eines sittengesetzlichen maaßstabes (beide DWB N.); 1926 Volkelt-Festschr. 29 Absolutheit des Jetzt; Tillich 1926 religiöse Lage 71 Absolutheitsbewußtsein; Th. Mann 1933-43 Joseph (W. /V/V 1287) Absolutheit des vor- und außerweltlichen Gottes; Kelsen 1934 Rechtslehre 153 er [der Staat] stellt. . die Einheit des universalen Rechtssystems her . . in ihrem Gefüge wird der Einzelstaat als Rechtswesen aus der Absolutheit gelöst; Jaspers 1958 Atombombe 394 die Bilder der Geschichte prägen unser Bewußtsein in zwei entge-
gengesetzte Grundhaltungen: entweder verfestigen sie sich in einem Totalwissen und verwandeln sich in geglaubte Absolutheiten; Zeit 14.11.1986 verliebt in die erlösende Absolutheit der Liebe; MM 6.11.1987 er trifft auf einen Gott, von Absolutheit besessen. absolut 4a: Scheuchzer 1708 Natur-Gesch. I 3,175 nicht die absolute völlige höhe der berg-spitzen über das meer, sondern nur die relativhöhe gegen dem benachbarten flachen lande; Klügel 1803 Math. Wb. I 8 absolute zahl oder große . . ist diejenige, bey welcher . . nur auf die quantität gesehen wird, ohne eine beziehung auf andere; Laband 1876 Staatsrecht l 531 ob diese Stimmzettel . . bei der berechnung der absoluten majorität mit in ansatz zu bringen sind; Du Mois-R. 1895 Reden II 551 daß die weit . . als ein eisklumpen von einer nur unendlich wenig über dem absoluten nullpunkt erhabenen temperatur enden werde (alle DWB N.); 8 Uhr-Blatt 7. 5.1936 Der absolute Gefrierpunkt und tiefste Kältepunkt .. liegt auf 273 Grad; 1947 Orion 4b selbst im „internebularen" Raum herrschen noch 0,7 Grad absolute Temperatur; Bamm 1956 Ex ovo 181 zeichnete man .. eine Linie der Temperatur vom absoluten Nullpunkt bis zu den höchsten im Kosmos vorkommenden Temperaturen; Gail 1958 Weltraumfahrt 46 in unmittelbarer Nähe des absoluten Nullpunktes (minus 273 Grad C) halten sich freie Radikale jahrelang frisch; Welt 27.10.1959 wird der Verlust in absoluten Zahlen voraussichtlich noch für eine Reihe von Jahren wachsen; Partner 1964 Erben 434 erreichte die europäische Verkehrswirtschaft und mit ihr das Städtewesen in der karolingischen Zeit so etwas wie seinen absoluten Nullpunkt; Welt 3.12.1964 anhand absoluter und relativer Förder- und Umsatzziffern gegenüber dem Vorjahr folgt eine recht günstige Prognose; FAZ 4.12.1965 wenn keiner der sechs Kandidaten .. die absolute Mehrheit der abgegebenen Stimmen erhält, findet . . eine Stichwahl statt; 1966 Studium Generale XII 738 um die absolute Zeit, die nach Tagen, Jahren, Jahrhunderten oder Jahrtausenden gemessen werden kann, und . . um die relative, d. h. kulturbezogene Zeit; ebd. XU 749 haben die altorientalischen Völker sozusagen einen absoluten Nullpunkt gefunden, von dem aus gezählt wurde?; 1967 Bild d. Wiss. III 219 hier gelang es . . Temperaturen zu erreichen, die dem absoluten Nullpunkt . . bis auf etwa ein Grad nahekommen; ND 2.8.1969 ebensowenig braucht ihn die absolute Mehrheit der Menschheit; ebd. 4.4.1974 im ersten Wahlgang ist die absolute Mehrheit der abgegebenen Stimmen erforderlich; Welt 7.10.1974 wenn auch das Analphabetentum . . zurückgegangen sei, habe sich die absolute Zahl der Analphabeten in der Welt im gleichen Zeit-
Absolution räum vergrößert; "Leit 1.11.1985 die Professoren erhalten absolute Mehrheiten, die zum Teil weit über 51 Prozent hinausgehen; MM 6.11.1985 die absolute Arbeitslosenzahl. . ist die höchste seit Beginn der statistischen Erhebung; Zeit 8.11.1985 nichts ist so relativ wie absolute Zahlen; ebd. 26.9.1986 die Partei braucht allerdings die absolute Mehrheit im Parlament; ebd. 17.10.1986 mit diesem Bremsstrick wird der Strahl auf eine Temperatur abgekühlt, die nahe beim absoluten Nullpunkt liegt; MM 18.3.1988 allein aus diesem Grund dürfte die CDU bei Verlust der absoluten Mehrheit auf Späth Druck in Richtung einer kleinen Koalititon ausüben. absolut 4b: Adelung 1781 Sprachlehre 244 die concreten possessiva . . sind . . absolut, wenn sie ohne hauptwort stehen; Wagner 1851 W. Ill 233 hat man geglaubt, .. auf der basis der absoluten musik das wirkliche drama zu stände zu bringen (beide DWB N.); 1890 Burckhardt (1944 Concinnitas 111) absolute Kunst; Th. Mann 1904 Nachtr. (W. XIII 391) während du nichts gemacht zu haben glaubst als ein wenig absolute Musik; ders. 1908 Reden u. Aufs. (W. X 43) die absolute Dichtkunst usurpierte das Schauspiel; Friedeil 1931 Kulturgesch. HI 393 Anfänge einer absoluten Malerei; ebd. Ill 523 „absolute Poesie"; Th. Mann 1933 Reden u. Aufs. (W. IX 382) Partien aus der Venus-
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berg-Bearbeitung der Tristan-Zeit — das sind Eingebungen, vor denen die absolute Musik selbst vor Neid erblassen . . könnte; Wellek 1939 Das absolute Gehör und seine Typen (Titel); Th. Mann 1939 Hoheit (W. II 439) es ist der Blick der Kunst, der absoluten Kunst, welche zugleich die absolute Liebe . . ist; ders. 1946 Reden u. Aufs. (W. X 508) das absolute Gehör?; Der Standpunkt 10.3.1950 sogenannte absolute Malerei; Sedlmayr 1955 Revolution 10 die sogen, abstrakte (absolute) Malerei und Plastik; Welt 4. 7.1964 dafür aber haben wir römische Geschichte gelernt, . . Cäsars Angriffe im Konjunktiv gefeiert, mit Livius im ablativus absolutus die damalige Welt regiert; Schmidt 1965 Grundfragen 131 beim absoluten Nominativ handelt es sich um . . Konstruktionen im Nominativ, die sich an einen Satz anlehnen; Jung 1973 Gramm. 176 bedeutungsgesättigte oder absolute Verben, die ohne Objekt oder Umstandsergänzung stehen; Zeit 7.6.1985 zwar kann man die Obertöne . . physikalisch messen, aber zum Stimmen gehört mehr als dies: ein absolutes Gehör; MM 14.6.1985 er strebte nach einer reinen, absoluten Musik; ebd. 12.8.1985 gehört .. zu jenen literarischen Arbeiten .., die auf dem Weg sind nach dem unerreichbaren Ziel einer absoluten Prosa; Zeit 29.5.1987 ein absolutes Gehör gibt es nicht; MM 11.1.1988 seine absolute Malerei weiß nichts von der Mechanik der Struktur, von der Kälte und Härte systematischer Ausformungen.
Absolution F. (-; selten -en), im früheren 14. Jh. über gleichbed. mlat. absolutio entlehnt aus (flekt. Form von) lat. absolutio, Terminus der Gerichtssprache für 'Los-, Freisprechung vor Gericht', auch 'Trennung, Scheidung; Befreiung; Abmachung, Abfertigung, Erledigung; Vollendung' (zu absolvere, —> absolvieren 1), früher häufig in Schreibformen wie Absolutie, Absolucie, Absolu(t)z(e), Absolution und bis ins 16. Jh. gelegentlich in der lat. (flekt.) Form. a Zunächst im politischen und (kirchen-) rechtlichen Bereich in der heute veralteten Bed. 'Freisprechung, bes. von Acht und Bann (und damit vom Ausschluß aus der weltlichen und kirchlichen Gemeinschaft)', bes. in der Zs. Absolutionsbrief 'Freisprechungsurkunde', dann auch allgemeiner für 'Lossprechung von gerichtlicher Anklage, Schuld, Strafe, u.a.; Freispruch, Straferlaß, Begnadigung' (—» absolvieren l a, —» Amnestie, —* Dispens; im Ggs. zu veraltetem Condemnation 'Verurteilung, Verdammung'), seit früherem 19. Jh. (1838 bei Heyse) gebucht in den rechtsspr. lat. Syntagmen absolutio ab instantia 'vorläufige, einstweilige Freisprechung', absolutio plenana 'völlige Freisprechung'. Daneben vom 15. bis ins 18. Jh. selten auch für 'Entbindung, Befreiung, Freispruch von einem Eid oder Gelübde, einer Verpflichtung' (s. Belege 1463, 1690, 1784). b Etwa gleichzeitig im religiösen Bereich, bes. der katholischen Kirche, in der Bed. '(im Rahmen des Bußsakramentes erfolgende) Freisprechung von Sünden; Sündenvergebung, Sündenerlaß nach der Beichte' (—* absolvieren Ib), vor allem im Reformationszeitalter sehr geläufig, gelegentlich auch eher pejorativ gebraucht (s. Belege
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Absolution
1525, 1783, 1818) und konkurrierend mit älterem Ablaß (s. Beleg 1571). Bes. in Wendungen wie jmdm. (die) Absolution erteilen, verweigern, von jmdm. (die) Absolution erbitten, erhalten, empfangen, selten als Bestimmungs- und Grundwort in den Zss. Absolutionsformel 'Formel, die bei der Sündenvergebung vom Priester gesprochen wird' und Generalabsolution Vollkommener Ablaß in Verbindung mit den Sakramenten der Buße und des Abendmahls (für Sterbende oder Ordensmitglieder)' (s. Beleg 1865), auch 'einem oder mehreren Gläubigen in bestimmten Notsituationen (z. B. im Krieg) erteilte sakramentale Lossprechung von allen Sünden ohne vorhergehendes persönliches Schuldbekenntnis' (s. Beleg 1990). Seit späterem 18. Jh. auch auf andere Lebensbereiche übertragen für 'Verzeihung, Vergebung, Nachsicht, Entschuldigung', (s. Belege 1762, 1856, 1939), z. B. in Wendungen wie jmdn. (z. B. einen Freund) um (seine) Absolution bitten, sich bei jmdm. (z. B. bei seiner Frau) Absolution holen, gelegentlich leicht ironisch oder scherzhaft gebraucht (s. Belege 1990, 1991). Absolution a: 1338 Urkundenb. Wittelsbach 300 mit dehainer dispensation, absolucion; 1377 Urkundenb. NdRhein III 792 absolucien geyren (beide MÖLLER); Volkslied 1397-1400 (Liliencron l 190) do sprach er in ein absoluzien,/ si solden nietner wider trutzen/ im und sinen nachkumen; Königshofen 1400 Chronik 612 Also überkoment die drige erzebischofe .. und vil bi alle geistliche und weltliche herren und prelaten in dütschen landen . ., das sü beder bebeste gebot und briefe die poenen hettent oder iemanne schaden möhtent, nüt me woltent halten noch nemen oder gestatten zu nemende. aber briefe die niemanne geschaden möhtent . ., also absoluciones, dispensieren und bichtebriefe, die möhte men wol halten . ., untz das es würde usgetrage in dem vorgeschriben concilio der cardinalen; um 1435 Ordnung Hofger. Rottweil 67 absolutionsbrief; 1451 Urkundenb. Quedlinbg. 405 absolucien des achtebreves; ebd. 413 ir absolution und entledigung; 1457 Urkundenb. Leipzig 324 das yre quitancie unde absolucio sehet; 1463 Urkundenb. NdRhein IV 397 noch geynre hande absolutien .. deser vurschreuen geloeffden ind eyde; vor 1466 Stretling. Chronik 95 nemen ir absolucion und entledegung von einem stuol zuo Rom; Arnpeck vor 1495 Chronik 605 zu dem musten umb absolucion komen alle, di umb di sach in den pan komen waren (FRNHD. WB); Pauli 1522 Schimpf I 343 du darffest keiner Absolutz; wan du bist in keinem Ban; Emser 1525 Annotat. E2a absolutz vnd aufflosung; 1542 Vnterricht Blb bis zu austrag der Sachen [eines Rechtsstreites] absolution haben; 1555 Reichskammergerichtsord. Mainz 259 obgemeltermassen absolutionem von instantz, dem gerichtstandt oder außgangner ladung zu bitten; Happel 1690 academ. Roman 522 bin ich bereit, nach Rom zu gehen und absolution meines gethanen geliibdes zu erlangen (DWB N.); 1769 CCTher. l 37 $3 absolu-
tion vnnd ledigsprechung, verurtheilung zu der ordentlichen straffe oder ledigsprechung des beschuldigten (DRW); Blumauer 1784-94 Virgils Aeneis (l 212) Suspensionen/, Nebst all' den Eidentbindungen/ Und Absolutionen/, Mit welchen man vom Vatican/ Aus oft den treuen Unterthan/ Mit seinem Herrn entzweite; Laukhard 1797 Leben IV 2 Indessen konnte ich mich vor der völligen Absolution doch nicht beruhigen, und das geringste, was ich mir zur Strafe vorstellte, war Einsperrung bis auf den Frieden; Savigny 1814 Beruf 157 ein Richtercollegium .. ist .. möglich, weil über Condemnation oder Absolution in jedem einzelnen Fall die Stimmen abgegeben . . werden können; Koeniger 1926 Kirchenrecht 446 kann Straferlaß . . gewährt werden. Man spricht dann bei den Zensuren von Absolution. Absolution b: um 1340 Dt. Mystiker l 92 so wirkit di absoluzie und di bichte . . und vergibet vil der buze und der sunde und des vegevures; 14. Jh. (Beigabe z. Klarissen-Regel CLX 67) Nach dem und die peyht gemainchleich von den swestern mit gepogen knyen an iren steten ist beschehen und die absolucion von dem priester ist beschehen; um 1400 Volkslied 40 sprach er ein absoluzien; Folz um 1460 Meisterlieder 100 brengt mir die absolucion und gnad; 15. Jh. Fastnachtsp. 14 Des bringt die absolutzen mir! Doch wer ist, der mich absolvir?; Arnpeck vor 1495 Chronik 579 aus der klaynen ursach hüben sy wider an zu singen . . und gebarteten nit der absulucion vom babst; Murner 1512 Schelmenzunft 47 und wirt dir geben dynen Ion zuo syner zyt absolution; 1525 Wegspruch gen Regenspurg (Schade, Satiren III 164) Es ist, so ein priester ein kind macht, so wirt er irregularis, das ist ungeschickt mess halten, muß sich darnach absolvieren laßen und umb die absoluz muß er dem fiscal III oder IIII, V guldin geben; Luther 1528
Absolution Wiedertaufe (W. XXVI155) beichten . . eine Absolution nach der ander; 1530 Augsb. Konfession 88 privatam absolutionem erhalten; Melanchthon 1536 Ep. (Hl 191) dass Vergebung der Sünden nicht allein durch die Privat Absolutio erlangt werde; Mathesius 1559 Leychpr. l 56 Tauffe, Absolution vnd Abendmahl; 1561 Enchiridion 48 das man die Absolutio oder Vergebung vom Beichtiger empfahe; Spangenberg 1565 Geistlich Bad B2a die Absolution, die tröstliche Zusage Christi aus dem Evangelio; Rot 1571 Diet. 285 Absolution . . Ledig sprechung/ .. Ablaß; Henisch 1616 Teutsche Sprach 8 Absolution/ ledig sprechung von Sünden. . . Auff solche Beicht gehört solche Absolution; Lassenius 1661 Tischreden 334 so offt gebrauchen wir uns der Beicht und Absolution; Gritnmelshausen 1672 Vogelnest (111 426) lasse die Sünde durch die Absolution vertilgen; Gottsched 1752 Reineke Fuchs 34 Damit sich aber nun mein Gewissen auch erleichtern möge: so bitte ich sehr um Absolution, und Auflegung e i n e r . . Buße; Hamann 1762 Briefw. H 150 wenn. . nachläßigkeiten in der Schreibart bleiben sollten, . . so bitt ich zum voraus um absolution (DWB N.); Nicolai 1783 Reise I 109 Den Pilgern wird geholfen, daß sie nun müßig gehen, zum Theil betteln, schwelgen, huren und buben können, aber doch dabey, nach abgelegter Beichte, eine recht kräftige Absolution erhalten; Goethe 1796 Br. (WA IV 11,108) Lesen Sie das Manuskript . . mit Prüfung und sprechen Sie mich los. . . Meine ganze Zuversicht ruht auf Ihren Forderungen und Ihrer Absolution; ders. 1811 Dichtung u. Wahrh. (HA IX 293) ich empfing die Absolution und entfernte mich weder warm noch kalt . . und betrug mich ein paar Tage, wie es sich nach einer so heiligen Handlung wohl ziemte; ebd. ich setzte die hergebrachte poetische Beichte wieder fort, um durch diese selbstquälerische Büßung einer innern Absolution würdig zu werden; Fries 1818 Philos. l 108 Aus diesen Irrungen geht aller Aberglaube, alle Thorheit und alle Priestergaukeley des Absolutionscultus hervor; Heine 1835 Romant. Schule 125 Vergebens gewährten ihre Beichtiger die freundlichsten Absolutionen; Szarvady 1852 Paris I 59 Absolution für alle Sünden; Bechstein 1854 Hexen 142 Er . . hörte ihm förmlich Beichte und ertheilte ihm Absolution; Auerbach 1856 B. 305 Kätherle umarmte und küßte ihn und er genoß im voraus die seligste Absolution, wie sie eigentlich das wahrhaft reuige Gemüt . . für sich empfinden muß; Meißner 1865 Novellen U 198 Sie bat den Papst um die große General-Absolution (SANDERS 1871); Burckhardt 1880 Br. a. Preen 136 demütig um Absolution bitten [wegen Nichtschreibens]; Th. Mann 1901 Buddenbrooks (W. I 653) dem Höchsten und Letzten gegenüber gab es keinen Beistand von außen, keine Vermittlung, Abso-
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lution, Betäubung und Tröstung; Böhmer 1915 Sklavinnen 269 Für kleine und große Vergehen war ihr von einem gütigen Priester Absolution gewährt worden; Th. Mann 1939 Hoheit (W. II 586) die glücklichste Handhabe, mit dem Beschwerlichen für die eigene Person fertig zu werden und es zur Absolution zu bringen, bietet . . das dichterische Talent, die poetische Beichte; Süddtsch. Zig. 29.12.1950 die Absolution an der Bahre, die nur den hohen Geistlichen vom Bischof aufwärts zuteil wird; ebd. 23.1.1951 würde eine Absolutionserklärung wenig Wert haben, selbst wenn man sie einer so makellosen Armee wie der Schweizer erteilen würde; Th. Mann 1954 Reden u. Aufs. (W. IX 836) wird er auf Anordnung des Papstes ohne Absolution gehenkt; Grass 1962 Blechtrommel 36 jenes Geräusch, welches zwischen Falter und Glühbirne laut wurde: . . als wäre das Zwiegespräch zwischen Falter und Glühbirne .. des Falters letzte Beichte und nach jener Art von Absolution, die Glühbirnen austeilen, keine Gelegenheit mehr für Sünde und Schwärmerei; ebd. 116 erhielt ich von jenem [Vikar] nachträglich, weil ich die Beichte unterbrochen hatte, die Absolution; auch Oskar bekam etwas Segen ab; Böll 1963 Clown 225 er bat mich um Verzeihung, kniete sogar nieder, um mich um eine, wie er es nannte, „säkularisierte Absolution" zu bitten; Zeit 8.3.1985 nur wer mit ordnungsgemäß eingestelltem Vergaser unterwegs ist, kriegt Absolution: das „grüne Picked"; ebd. 20. 9.1985 öffentlich sollten dort . . die einen ihre Sünden bekennen („ich liebe euch!"), die anderen ihre Absolution erteilen („ich verzeihe euch!"); ebd. 26.9.1986 während der Juristenstand selbst für die schlimmsten Mörder in der Robe sich erst jüngst selbst die Absolution erteilte; ebd. 20.3.1987 daß hier nicht einer Absolution männlicher Gewalt gegenüber Frauen das Wort geredet werden soll; MM 22.2.1988 ein Frustrierter, der sich und seinesgleichen die philosophische Absolution erteilte; Ohler 1990 Sterben 62 Wegen der geringen Zahl von Militärkaplänen konnte auf einem Feldzug nicht jeder Krieger einem Geistlichen seine Sünden bekennen. Deshalb sprach der ranghöchste Priester, im Rolandslied Erzbischof Turpin, die Generalabsolution aus; 3990 Petra XI 220 Die BtxBeichte (Sünden ms System einspeichern, der Computer gewährt umgehend Absolution) ist aber auch künftig nicht geplant; 1991 Cosmopolitan IV 40 Die Absolution der listigen Prediger entpuppte sich bald als Täuschungsmanöver, als Reklametrick; MM 13.2.1991 Auch zur Fastenzeit darf der hohe Gottesmann [Bischof von Trier] dieser Leidenschaft frönen. „Gerade für Karfreitag sind Struwen im Münsterland ein traditionelles Mittagessen", erteilt ihm die Köchin dann ihre Art von Absolution.
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Absolutismus
Absolutismus M. (-; selten Absolutismen), im späten 18. Jh. vereinzelt, seit früherem 19. Jh. kontinuierlich nachgewiesene subst. Ableitung von —> absolut mit dem Suffix -ismus 'Herrschaftssystem, Lehre, Richtung, Auffassung', bes. in den Bereichen Politik, Philosophie, Wissenschaft und Kunst. 1 Zunächst im geistig-kulturellen Bereich verwendet in der Bed. 'Unbedingtheit, Uneingeschränktheit; allgemeine Verbindlichkeit', vor allem in bezug auf die Anerkennung oder Gültigkeit moralischer, ästhetischer oder wissenschaftlicher Prinzipien, Werte, Normen u.a., meist gleichbed. mit Absolutheit (—» absolut la), dabei gelegentlich auch leicht abwertend gebraucht für 'beharrliches, starres Festhalten an Grundsätzen, Meinungen, Anschauungen; unbeugsame, einseitige Haltung oder Denkweise, die moralische u. a. Werte verabsolutiert, absolut setzt' (s. Belege 1838, 1925, 1986; —* absolut la), gleichbed. mit —» Dogmatismus und —> Rigorismus, z. B. in Wendungen wie Absolutismus des Glaubens, des Urteils, des Standpunktes. Seit früherem 19. Jh. speziell in der idealistischen Philosophie als Bezeichnung für die Lehre und Auffassung vom Absoluten (—*· absolut 3), nach der eine allgemeingültige, objektive Erkenntnis des Wesens aller Dinge möglich ist, weil Erkenntnis als vom erkennenden Subjekt und damit von einer relativen Wahrheitsnorm unabhängig aufgefaßt wird, bes. im Ggs. zu —> Relativismus. Daneben im 19. und früheren 20. Jh. (gebucht 1870 bei Heyse und 1933 bei Genius) in der Theologie mit Bezug auf die Lehre des Calvinismus in der Bed. 'Glaube an die unbedingte Prädestination, d. h. an die göttliche Vorherbestimmung hinsichtlich der Seligkeit oder Verdammung des einzelnen Menschen' (—> Prädestination). 2 Seit früherem 19. Jh., vermutlich unter Einwirkung von gleichbed. frz. absolutisme, im politischen Bereich in der Bed. 'unumschränkte Herrschaft eines Monarchen, der die oberste staatliche Gewalt beansprucht und in seiner Machtausübung weder durch eine Verfassung gebunden noch durch die Kontrollbefugnisse anderer Organe beschränkt ist; Allein-, Willkürherrschaft', von daher dann auch als (historische) Bezeichnung für die vor allem im Europa des 17./18. Jhs. vorherrschende monarchische Staats- und Regierungsform (vgl. absolute Monarchie, —» absolut Ib), nach der auch die entsprechende geschichtliche Epoche benannt ist, vgl. Syntagmen wie Zeitalter des Absolutismus und bes. aufgeklärter Absolutismus als historische Bezeichnung für eine in der zweiten Hälfte des 18. Jhs. (vor allem in Preußen und Österreich) entstehende Form des Absolutismus, die durch die Anpassung an die humanitäre Staatsidee der Aufklärung und die Unterordnung des Monarchen (als „erstem Diener des Staates") unter das Gemeinwohl gekennzeichnet ist; als Grundwort in Zss. wie Fürsten-, Feudal-, Staatsabsolutismus und selten in den Präfixbildungen Vor- und Neuabsolutismus. Meist im Ggs. zu —»· Republikanismus, —» Parlamentarismus und in ähnlichem Sinne verwendet wie —»· Cäsarismus, —»· Despotismus, —>· Diktatur, —> Totalitarismus und —> Tyrannei, wobei für den Absolutismus im Unterschied zum Despotismus und Totalitarismus die Bindung der Staatsgewalt an die Gebote der Religion, das Naturrecht und Sittengesetz als spezifische Kennzeichen geltend gemacht werden. Seit Ende 19./Anfang 20. Jh. auch allgemeiner und gelegentlich übertragen verwendet, bes. bezogen auf Denk-, Verhaltens- und Handlungsweisen von Individuen, Gruppen oder Institutionen, z. B. in Syntagmen wie väterlicher, bürokratischer, kirchlicher Absolutismus.
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Dazu seit früherem 19. Jh. die seltene subst. Ableitung Absolutist M. (-en; -en), im politischen Bereich in der Bed. 'Vertreter, Verfechter, Anhänger des Absolutismus als politische Herrschaftsform', vereinzelt für 'Herrscher mit unumschränkter Macht, Alleinherrscher' (zu 2), gleichzeitig auch, bes. im philosophischen, künstlerischen, moralischen Bereich, für 'jmd., dem es um das Absolute geht; jmd., der davon überzeugt ist, daß absolute Erkenntnis möglich ist' (Ggs. Relativist), gelegentlich leicht pejorativ für 'jmd., der starr, unerbittlich an etwas (z. B. an strengen sittlichen Grundsätzen) festhält, seine Meinung unnachgiebig und kompromißlos vertritt', gleichbed. mit Rigorist, —»· Rigorismus (zu 1) (vgl. auch verabsolutieren, —> absolut la). Ebenfalls seit früherem 19. Jh. die adj. Ableitung absolutistisch (ohne Steigerung), im politischen Bereich in der Bed. 'den Absolutismus als Herrschaftsform betreffend, von ihm geprägt, für ihn eintretend; für einen Absolutisten charakteristisch; unumschränkt, willkürlich (herrschend)', bes. in Syntagmen wie absolutistischer Staat, Herrscher, Fürst, absolutistisches Regime, Zeitalter, absolutistische Tendenzen, Parteien, absolutistisch regieren (zu 2); selten auch für 'den philosophischen Absolutismus, die Lehre vom Absoluten betreffend, vertretend' (Ggs. relativistisch, —> Relativismus), in Wendungen wie absolutistische Gedanken, Ideen, Spekulationen, gelegentlich auch übertragen und eher abwertend gebraucht für 'starr, unbeugsam an etwas festhaltend' (zu 1). Daneben im 19.720. Jh. das seltene, wohl in Analogie zu —» Despotie geprägte Subst. Absolutie F. (-; selten -n) 'absolute, absolutistische Herrschaft, Staatsform', z. B. in Wendungen wie cäsarische Absolutie, Absolutie und Oligarchie (zu 2). Absolutismus 1: Herder 1775 S. W. V/i 390 Wer wars auch, wenn wir, . . irgend einen Begrif vom Entwurf Gottes oder dem Werk der Erlösung haben, der die Menschen zu Gott versöhnen . . konnte, als Der, den die Schrift nennet? Kein Mensch! kein Engel! . . Nichts wird uns alsdenn aber auch thörichter dünken, als der fatale Absolutismus, den man, wie überall, so auch hier beim höchsten Werke [der Erlösung], in das Engel zu schauen gelüstet, angebracht hat; Krause 1828 System d. Philos. 27 kann das System der Wissenschaft: Absolutismus heißen oder: Erkenntniß des Absoluten, Wissenschaft des Absoluten; da aber das Absolute nur das Unbedingte heißt, und da Unbedingtheit nur eine Eigenschaft des Princips ist, so ist diese Benennung zwar richtig, aber einseitig; Ancillon 1831 Extreme 303 System des reinen Absolutismus; Laßberg 1838 (in: Br. Nachlaß Wackernagel 119) welch ein unbegränztes Selbstvertrauen, welcher absolutismus im absprechen und manchmal, welche einseitigkeit in ansieht und urteil! (DWB N.); Prutz 1862 Menschen 29 dem humanen Absolutismus, dem Absolutismus, der selbst kein Absolutismus mehr sein will; ihm entspricht die sog. pragmatische Auffassung der Geschichte sowie die . . ästhetische Auffassung der Literatur; Kürnberger 1877 Herzenssachen 339 Absolutismus der Phrase; Schmid 1909 Mönch. 99
Erkenntnisabsolutismus; Gottl-Ottilienfeld 1925 W. 623 Absolutismus des Standpunktes. . . Der „Absolutismus" im Urteil, wie er die „klassische Schule . . kennzeichnet; Friedeil 1928 Kulturgesch. HI 263 Absolutismus des Stoffs; Bergmann 1943 Weltbild 58 wenn gerade Planck, dem wir die quantentheorie danken, als vater dieser theorie für die moderne physik erkenntnisse fand, welche den absolutismus der objektivierbaren realen außenweit erschüttert haben (DWB N.); Th. Mann 1947 Faustus (W. VI 79) warum er sie vernachlässigt hatte, ob aus Absolutismus oder weil er mit ihr nicht fertig geworden war, blieb eine Streitfrage; MM 18. 9.1986 das klingt schon menschlicher als der Absolutismus eines Alleswissers. Absolutist: Goethe um 1827 Epigrammatisch (WA I 3,152) Dem Absolutisten (Gedichttitel). Wir streben nach dem Absoluten/ Als nach dem allerhöchsten Guten; Goltz 1852 Jugendleben II 351 als ein absolutist und rigorist . . und was seinen geschmack in schönen künsten . . betraf, als ein starrer classiker (DWB N.); Sloterdijk 1983 Kritik 59 Das Recht der Ideologiekritik, zur Person zu argumentieren, hat indirekt sogar der strengste Vernunftabsolutist, J. G. Fichte, . . anerkannt, wenn er sagt, was für eine Philosophie man wähle, hänge davon ab, was für ein Mensch man sei; Zeit
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11.10.1985 ich kann die Meinung der Absolutisten nicht akzeptieren, daß das menschliche Leben schon mit der Befruchtung beginnt. absolutistisch: Reichenbach 1930 Atom 59 streit um die relativität der bewegung . .; er [Leibniz] hat ihn [den Relativitätsgedanken] vertreten in einem Briefwechsel mit dem theologen Clarke, einem freund Newtons, der gegen Leibniz den absolutistischen gedanken vertrat (DWB N.). Absolutismus 2: 1829 Jahrb. d. Gesch. l 607 der Absolutismus und der Liberalismus, wie wir die feindlichen Elemente nennen wollen; 1832 ebd. l 452 Staatsrechtlich läßt sich nichts einwenden gegen die absolute Monarchie, sobald der Absolutismus nicht Sultanismus wird, d. h. an die Stelle der Anerkennung der Menschen- und Bürgerrechte die unbeschränkte Willkühr setzt; Dingelstedt 183943 Wanderbuch V 5 der starre, trotzige Absolutismus . . des hessischen Herrscherhauses; Stahl 1847 Phil. Recht l Vorr. XII die beiden Extreme Absolutismus und Republikanismus; 1848 Grenzboten l 2,202 Der Grundbau unseres bisherigen deutschen Staatswesens war purer Absolutismus, bunt verlarvt .. mit Patriarchalismus, Feudalthum; 1851 Antiquar. Br. 158 In unseren Tagen verwirren die Worte „Absolutismus und Revolution"; Stahr 1851 Paris l 178 Napoleon war das Genie des bewussten . . für sein Prinzip kämpfenden Absolutismus; 1852 Prutz' Museum l 377 giebt es eine Lyrik, ein Drama, einen Roman, welche es sich zur Aufgabe machen, in der Politik den patriarchalischen und soldatischen Absolutismus . . zu vertreten; 1852 ebd. H 286 auf welcher Seite die . . Masse steht, auf Seiten des reagierenden Absolutismus, des vermittelnden Constitutionalismus oder des revolutionierenden Republikanismus; Stahl 1856 Staatslehre 37 der Verfall des Glaubens führt darum in seinem letzten Ergebnisse zum Staatsabsolutismus; Treitschke 1859 Geseüschaftswiss. 24 der patriarchalische Absolutismus der deutschen Kleinstaaten; Salomon 1861 Parteiprogr. I 51 bürokratischen Absolutismus; Prutz 1862 Menschen 25 dem aufgeklärten Absolutismus, der wohlmeinenden, humanisierenden Tyrannei; Hundt v. Hafften 1863 Rechte I 10 Der theologische Glaube hat kirchlich den Dogmatismus, staatlich den Absolutismus erzeugt; 1867 Grenzboten HI 10 den in Norddeutschland verkörperten Absolutismus, Cäsarismus, Militarismus, Corporalismus; Röscher 1888 Ackerbau (System II 417) der „aufgeklärte" Absolutismus des 18. Jahrhunderts; 1895 (Heyse 1924 Ges. W. II 2,132) ich werde . . meinen väterlichen absolutismus so weise und wohltätig ausüben (DWB
N.); Berolzheimer 1905 System II 185 der erste Vertreter jener Regierungsform, die man wenig glücklich als aufgeklärten Despotismus . . oder auch als aufgeklärten Absolutismus bezeichnet; ders. 1914 Moral 191 dass hier wohlwollender Fürstenabsolutismus verlieh, was dort das Gesetz garantiert; Salomon 1922 Mittelalter 121 Nach dem Zusammenbrechen des Absolutismus . . greift der französische Traditionalismus auf den Vorabsolutismus und Feudalismus zurück; Meinecke 1924 Idee 268 Vorliebe für den monarchischen Absolutismus; ebd. 515 Zeitalter des . . Absolutismus durch die Begründung des stehenden Heeres; Rohden 1925 polit. Denken 70 „Absolutismus der Demagogen" oder eines „Absolutismus der Offizianten"; Friedeil 1928 Kulturgesch. II 192 der wahre Sinn des „aufgeklärten Absolutismus", des Modeschlagwortes jener Zeit; 1930 Die Zeit 205 Von Bismarcks Schöpfung ist nichts geblieben. Der monarchistische Halbabsolutismus verschlang zuerst ihn; Musil 1930 Mann I 34 wenn alles sich schon über den Absolutismus freute, ordnete die Krone an, daß nun doch wieder parlamentarisch regiert werden müsse; Oberhummer 1937 Wiener Polizei l 312 Anm. Die österreichische Verfassung ist Absolutismus, gemildert durch Schlamperei; Th. Mann 1945 Reden u. Aufs. (W. XII 280) wenn aber Organisation . . Knechtung des Individuums durch den Staat, Staatsabsolutismus also, bedeuten soll. . dann nieder mit ihm; ebd. XII398 oder wird die Menschheit unter dem Absolutismus, der Tyrannei der Vernunft, der Tugend und des Glückes leben?; Röpke 1946 Civitas 117 zum Unglück Frankreichs der jahrhundertelange Zentralismus und Absolutismus der französischen Monarchie; T/7. Mann 1948 Reden u. Aufs. (W. IX 740) von diesem Absolutismus und persönlichem Imperialismus hatte Goethe's majestätisches Alter viel; 1949 Die Gegenwart IV 9 hat Dostojewski den „totalen" Staat vorausgeschaut. Verglichen mit ihm, würden sich die Absolutismen früherer Epochen wie Popanze ausnehmen; Süddtsch. Ztg. 2.1.1951 sei ein Gesellschaftsideal Wirklichkeit geworden, das zwei Wurzeln habe: den Materialismus und den Staatsabsolutismus; Jaspers 1958 Atombombe 426 der Wille des Volkes gilt wie der Wille jener souveränen Fürsten im Zeitalter des Absolutismus als inappellabel; Auerbach 1959 Mimesis 367 Der Hof Ludwigs XIV ist der Höhepunkt in der Entwicklung des Absolutismus; Salomon-Delatour 1959 Soz. 23 Der Demokratismus ist ursprünglich transzendent begründet wie der Absolutismus. Volkesstimme ist Gottesstimme; 1961 Histor. Jahrb. LXXX 159 Etikette „Deutscher Spätabsolutismus"; Bad. Aug. Ztg. 12.3.1971 Rückfall in kirchlichen Absolutismus ? (Überschr.); Hildesheimer 1977 Mozart 22 Gewiß, wir haben keinen Absolu-
Absolutismus tismus mehr, . . keine Erzbischöfe als Feudalherren; MM 21.3.1985 hier kam Bach mit dem deutschen aufgeklärten Absolutismus in Berührung; Zeit 1.8.1986 die Erziehung zum mündigen Bürger in einer Atmosphäre des aufgeklärten Absolutismus; ebd. 21.11.1986 Müller stellt sich einen sechzigjährigen Mann vor, der Feudalismus, Demokratie, Absolutismus, Bonapartismus . . erlebt hat; MM 2.1.1988 Operette . . ihr Text, einst zeitbezogen und voller Anspielungen auf den Machtmißbrauch des Absolutismus. Neuabsolutismus: Redlich 1920 Österr. Staatsproblem I 670 Die . . nach Etablierung des Neuabsolutismus vollkommen zurückgedrängten konservativen Adelspolitiker entwickeln hierauf als Oppositionelle gegen das siegreiche zentralistische System . . ein Programm der Autonomie; Winter 1943 Josefinismus 483 der seit Herbst 1848 durch die Militärdiktatur zum Neuabsolutismus gewandelte österreichische Neubarock. Vorabsolutismus: Salomon 1922 Mittelalter 121 Nach dem Zusammenbrechen des Absolutismus .. greift der französische Traditionalismus auf den Vorabsolutismus und Feudalismus zurück. Absolutie: 1832 Magazin d. Ausld. XXXVI 677b Während die Nachbarvölker . . aus dem Feudalismus zur modernen Absolutie emporstreben (SANDERS 1871); Riehl 1866-71 Vortr. l 297 cäsarische Absolutie; 1867 Staats-Wb. X 159 eine gemässigte Absolutie; Hillebrand 1874 Frankreich XII als die Nation . . die aufgeklärte, täglich mehr gemäßigte und gemilderte Absolutie als die ihr natürlich zukommende Staatsform annahm; Rathenau 1917 v. kommenden Dingen 296 oligarchic und absolutie (DWB N.). Absolutist: 1832 Jahrb. d. Gesch. 429 Absolutisten in der Politik; 1852 Anm. Lit. Reaktion 2 Abneigung gegen ein so complicirtes Verfassungswesen . .: er ist durch und durch Absolutist; Holtet 1860 Eselsfresser U 230 er sei ein recht verstockter Royalist, vielmehr Absolutist, der sich den liberalen Ideen hartnäckig verschließe; Hillebrand 1874 Frankreich 276 Die strengen Royalisten waren nicht mehr die Absolutisten der chambre introuvable; Kaufmann 1888 Gesch. d.d. Univ. I 87 Die Monarchomachen wie die Absolutisten und die sozialistischen Utopisten . . standen auf den Schultern scholastischer Vorgänger; Hertling 1897 Kl. Sehr. 113 Absolutisten der altern Zeit, wie Bossuet. . . Aber Bossuet irrte .., wenn er glaubte, daß moralische Erwägungen . . ausreichen könnten, Fürsten, in deren Hand alle Machtmittel vereinigt
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sind, an der Uebertretung jenes Gesetzes zu hindern; Berolzheimer 1905 System II 185 Absolutist im Interesse des Volkswohls; Redlich 1920 Österr. Staatsproblem l 386 Die Wiener „Absolutisten" . . fürchteten . . den Einfluß, den seit Stadions Abgang die bürgerlichen Minister . . auf den Premier ausübten. absolutistisch: 1837 ZKrieges XL 127 in einem monarchischen, sogenannt absolutistischen Reiche; 1852 Prutz'Museum I 36 eine absolutistische Partei; 1853 ebd. I 368 Der Widerstand gegen die „absolutistischen" Tendenzen; Burckhardt 1872 Er. a. Preen 61 absolutistische Regierung; Schaffte 1885 Aussichtslosigkeit 41 die heutige Ehe ist kein absolutistisches, sondern ein konstitutionelles Verhältniss, vielfach sog. „parlamentarische" Herrschaft der Frau; Hertling 1897 Kl. Sehr. 69 in den absolutistischen Theorien war die Würde der königlichen Person masslos überspannt; Th. Mann 1921 Reden u. Aufs. (W. IX 136) er stellt ihn also vor die Wahl, entweder dies zu tun und damit seine absolutistische Eifersucht offen zu bekunden; de Man 1932 Massen 25 absolutistischen Könige; Abendroth 1935 Pfitzner 25 während Wagners werk im reiche des musikalischen theaters eine geradezu absolutistische alleinherrschaft antrat (DWB N.); v. Wahlendorf 1936 Erinn. 90 Schwerin wie Strelitz . . waren . . offiziell absolutistisch regierte Länder und wurden wegen ihrer Verfassungslosigkeit im Reichstag oft angegriffen; Th. Mann 1949 Reden u. Aufs. (W. X 374) wo Größe nicht Knechtschaft auf der einen Seite und ein Überwuchern absolutistischen Ich-Gefühls auf der anderen schafft; ders. 1954 Reden u. Aufs. (W. IX 848) auf dem Lande lastete das absolutistisch-konservative Regierungssystem Alexander III.; Jaspers 1958 Atombombe 399 diesem Vorgang entspricht in der Staatsverwaltung die Entwicklung zu Zentralisation, Bürokratie, Apparat, begonnen in den Staaten der absolutistischen Herrschaft; 1961 Histor. Jahrb. LXXX 158 Rückfall in hochabsolutistische Allüren bei dem letzten deutschen Kaiser, Wilhelm II.; Bollnow 1962 Mass 102 aber noch im aufgeklärten Zeitalter haben absolutistische Fürsten ihre Untertanen als Soldaten an eine fremde Macht nicht anders als eine Ware verkauft; Hocke 1976 Tagebücher 212 im Spiegelsaal von Versailles, anläßlich des ersten spät-absolutistischen Hofballs in Paris; Zeit 8.2.1985 einstweilen gleicht das Land mehr einem Staat im absolutistischen Zeitalter Europas; ebd. 10.4.1987 die Figuren im Roman bewegen sich in einem von den realen Verhältnissen völlig abgelösten Raum — im „kläglichen Pseudorenaissance-Hof" des modernen absolutistischen Fürsten.
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Absolvent
Absolvent M. (-en; -en), auch Absolventin F. (-; -nen), seit früherem 19. Jh. (1831 bei Oertel) gebucht, seit Ende 19. Jh. kontinuierlich nachgewiesene Bildung zu lat. absolvens. Gen. absolvenüs (Part. Präs, von absolvere, —>· absolvieren 2). Als Personenbezeichnung vor allem im Bildungsbereich verwendet in der Bed. 'jmd., der eine Ausbildung an einer Lehranstalt, ein Studium, einen Lehrgang o.a. zum Abschluß bringt oder mit einer Prüfung bereits erfolgreich abgeschlossen hat; Schulabgänger mit Abschlußprüfung' (—* absolvieren 2b); als Grund- und Bestimmungswort häufig in Zss. wie Hochschul-, Fachschul-, Universitätsabsolvent(in); Absolventenzahl, -Jahrgang, -treffen und Absolventenberg, bildlich für 'übergroße Anzahl von Absolventen eines Jahrgangs innerhalb einer Ausbildungs-, Fachrichtung oder eines Bildungsweges' (s. Beleg 1985). Selten auch nachgewiesen im Sinne einer Ableitung von —»· absolvieren 2a für 'jmd., der eine vorgeschriebene Zeit (z. B. beim Militär) ableistet bzw. abgeleistet hat' (s. Belege 1900, 1925). Jodl 1898 vom Lebenswege U 559 daß .. selbst die besten Absolventen des Gymnasiums vom Sachund Idealgehalt des Altertums nicht dasjenige wissen, was sie nach dem heutigen Stande unserer Kenntnis wissen könnten; Kraus 1900 Fackel XXX 10 absolventen eines einjährig-freiwilligen) ahres (DWB N.); Kisch 1925 Reporter 100 er empfindet sie [Freundlichkeit] zweifellos als einen akt des respekts, der ihm, dem absolventen [des Zuchthauses] von rechts wegen zukommt (DWB N.); Voss. Ztg. 2.2.1930 Eine schulwissenschaftliche Vorprüfung findet für Absolventinnen eines Lyzeums . . nicht statt; Dtsch. AZ. 15.3.1936 Absolventinnen der im Reichsfachschulverzeichnis geführten Kolonialen Frauenschule; Wiener Neueste Nachr. 21.2.1937 wurde auf das Mißverhältnis hingewiesen, das zwischen der Zahl der Absolventen der Hochschulen und der der frei werdenden Stellen besteht und das zur Verelendung der erwähnten Absolventen führt; Welt 11.12.1954 junger Klarinettist . . Absolvent einer Musikhochschule; Heimpel 1956 Kapitulation 107 Klagen von Unternehmerseite über die mangelnde Kraft der Hochschulabsolventen zu selbständiger Entscheidung; ND 17.1.1959 Verbesserung des Absolventeneinsatzes und der Betreuung der Absolventen in den sozialistischen Betrieben; Böll 1965 Irisches Tagebuch 89 Dreißig Absolventinnen eines Internats trafen sich fünfzehn Jahre nach dem Examen; 1967 Urania l 34 die ersten Absolventen verlassen 1967 die Schule; Welt 5.6.1969 den Hochschulabsolventen, die sich . . noch nicht Architekten nennen dürfen,
die Wettbewerbe zu öffnen; Brungs 1970 Weinfreund o. S. wir sind alle Absolventen von staatlichen Weinbauschulen und führen den Titel Kelleringenieur oder Weinbau-Inspektor; Welt 22.4. 1974 Absolvent der Film- und Fernsehakademie; Schwelbusch 1983 Lichtblicke 27 Philippe Lebon, ein Absolvent der Ecole des ponts et chaussees; Zeit 28.12.1984 der Absolvent der Militärakademie für Panzer- und mechanisierte Truppen . . war im Zweiten Weltkrieg nicht auf den bedeutenden . . Schlachtfeldern eingesetzt; MM 19.1.1985 seien weibliche Absolventen stärker von Arbeitslosigkeit betroffen als ihre männlichen Studienkollegen; Zeit 26.4.1985 das Team aus Hannover, das einen repräsentativen Schnitt frisch examinierter Absolventen befragte; MM 18. 7.1985 zehn Absolventen haben mit dem Hauptschulabschluß gleich eine Anstellung gefunden; Zeit 13.9.1985 ob der beste Testabsolvent Blut sehen kann; ebd. 4.10.1985 der Absolventenberg von derzeit rund 150000 jungen Akademikern wird . . weiterwachsen; ebd. 10.1.1986 gemessen an den Taten der Absolventen von Ghaddafis Terror-Ausbildung haben die Lager in der Wüste für den weltweiten Terror keine Rolle gespielt; MM 17.3.1987 mit einer Feier verabschiedeten die Ausbilder den zwölften Absolventenjahrgang des Instituts; ebd. 5.9.1987 vielfach hätten die Absolventen des zweiten Bildungsweges als „Pioniere" neue Berufsfelder für Hochschulabsolventen erschlossen; ebd. 18.3. 1988 hinzu kommt, daß Absolventen der Universitäten und Fachhochschulen . . in artfremde Berufe gehen.
absolvieren V. trans., schon im Mhd. (LEXER, DIEFENBACH) entlehnt aus lat. absolvere 'ablösen, loslösen, befreien; los-, freisprechen (bes. vor Gericht); jmdn. loslassen, entlassen, abfertigen, bezahlen; etwas fertig machen, erledigen, vollenden'
absolvieren
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(aus ab- 'weg, los, ab' und solvere 'lösen, aufheben, befreien'), anfangs auch in Schreibformen wie absolveren, absolui(e)ren, und im 16. Jh. (nur in Bed. Ib) selten in mundartlich beeinflußten Formen wie atzelfieren, achselvieren. 1 In der allgemeinen Bed. 'jmdn. (von etwas) lossprechen, befreien' (vgl. amnestieren, —> Amnestie). a Zunächst im politischen und (kirchen-)rechtlichen Bereich bis ins 19. Jh. nachgewiesen in der Bed. 'jmdn. von Acht und Bann oder von einer gerichtlichen Anklage, Strafe o.a. juristisch frei-, lossprechen, begnadigen' (—» Absolution a; Ggs. verdammen, verurteilen, kondemnieren), früher in den rechtsspr. lat. Syntagmen absolvere a citatione 'von der Vorladung lossprechen', absolvere ab instantia 'wegen nicht erwiesener Schuld oder Unschuld freisprechen'; daneben seltener auch für 'jmdn. von einem Gelübde, Eid, Versprechen, einer Pflicht, vertraglichen Verplichtung o.a. entbinden, entlasten, freistellen' (s. Beleg 1555), vereinzelt auch 'jmdn. von einem Amt dispensieren, daraus entlassen'; gelegentlich auch ohne Bezug auf den juristischen Kontext verwendet im Sinne von 'jmdn. von etwas, z. B. von Angst, frei machen, befreien, erlösen' (s. Belege 1723, 1917). b Gleichzeitig im kirchlich-religiösen Bereich, bes. im 16. Jh. (Reformationszeitalter) überaus häufig, in der bis heute gebräuchlichen Bed. 'jmdn. von Sünden freisprechen, lossprechen, jmdm. (seine) Sünden vergeben, erlassen, Sündenerlaß gewähren, Absolution erteilen' (—»· Absolution b), z. B. in Wendungen wie jmdn. von (seinen) Sünden absolvieren, sich (von einem Geistlichen) absolvieren lassen, von allen Sünden absolviert werden. Seit früherem 18. Jh. gelegentlich auch übertragen und eher scherzhaft oder ironisch verwendet für 'jmdm. etwas (das man als eine Art Sünde empfindet, z. B. einen Fehler, ein Verschulden, Versagen, Versäumnis oder eine Nachlässigkeit) verzeihen, vergeben, nachsehen; ihn dafür entschuldigen' (s. Beleg 1731). 2 Seit früherem 16. Jh. in der heute dominanten Bed. 'etwas von Anfang bis zum Ende durchführen, zum Abschluß bringen, zuende, zu Stande bringen, mit etwas fertig werden'. a Insbes. im geistig-kulturellen Bereich für 'etwas erledigen, abschließen, beenden, fertigstellen, vollenden, verrichten, durchführen, bewältigen, erfüllen', häufig in Wendungen wie ein Kapitel, Buch, einen Band absolvieren (s. Beleg 1816 — 17) und bes. sein (Arbeits-, Lehr-)Pensum absolvieren, ein anstrengendes Programm, Training absolvieren (s. Belege 1756, 1963), gelegentlich auch im Sinne von 'eine vorgeschriebene Zeit ableisten und dabei etwas (oft als unangenehm Empfundenes) hinter sich bringen', bes. die Dienstzeit, Wehrpflicht absolvieren (s. Belege 1898, 1985), eine Krankheit, medizinische Therapie absolvieren (s. Beleg 1987). In neuerer Zeit auch für 'etwas durch-, ausführen, unternehmen', z. B. ein bestimmtes Vorhaben, eine Tournee, Vortragsreise absolvieren (s. Belege 1935, 1986) oder 'etwas vorführen, spielen, vortragen', z. B. eine Rolle, Partie (im Theater) absolvieren (s. Belege 1987, 1988) und vereinzelt für 'etwas aufführen, geben', z. B. ein Stück, ein Gastspiel absolvieren (s. Beleg 1901). b Seit früherem 17. Jh. vor allem im Bildungsbereich in der Bed. 'eine Ausbildung an einer bestimmten Institution bis zum Abschluß durchlaufen, erfolgreich (mit einer Prüfung) beenden, abschließen', zunächst bes. in den Wendungen das Gymnasium, die Schule, Universität absolvieren, dann auch einen Lehrgang, Kurs, die Lehrzeit, das Studium, seine Studien, das Konservatorium, ein Praktikum absolvieren; seit
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absolvieren
späterem 19. Jh. speziell auch in der Bed. 'eine Prüfung ablegen, bestehen', z. B. das Examen absolvieren, dabei gelegentlich in der adj. verwendeten Part. Perf.-Form absolviert 'mit bestandener Prüfung, mit erfolgreich abgeschlossener Ausbildung', z. B. ein absolvierter Kunsthistoriker, absolvierte Musikstudenten. Dazu das ebenfalls schon seit mhd. Zeit (LEXER) nachgewiesene Verbalsubst. Absolvierung F. (-; PL ungebr.), zunächst in der Bed. 'Los-, Freisprechung von Sünden', gleichbed. mit —» Absolution b (zu Ib), dann vereinzelt für 'Entbindung von einem Eid o.a.', gleichbed. mit —» Absolution a (zu la); seit spätem 16. Jh. (im Unterschied zu —» Absolution) auch in der Bed. 'Beendigung, Vollendung, Erledigung, Aus-, Durchführung' (zu 2a), seit dem 19. Jh. auch im Bildungsbereich für '(erfolgreicher) Abschluß einer Ausbildung' und 'Ablegung einer Prüfung' (zu 2b). Im 16. Jh. die vereinzelten Personenbezeichnungen Absolvent 'Beichtvater' (vgl. aber —» Absolvent), Absolvant 'Ablaßkrämer' und Absolvierer, auch in der mundartlich beeinflußten Form Achselvierer, 'jmd., der einer Person Absolution erteilt', gleichbed. mit im 17. Jh. ebenfalls nur vereinzelt bezeugtem (auf gleichbed. lat. absolutor zurückgehendem) Absoluter (alle zu Ib). Daneben seit späterem 18. Jh. das seltene (auf lat. absolutorium 'Lossprechungs-, Befreiungsmittel', subst. N. von absolutorius 'zur Lossprechung, Befreiung gehörig', zurückgehende) Subst. Absolutorium N. (-s; Absolutorien), zunächst nachgewiesen im Bildungsbereich in den veralteten Bed. 'Entlassungsurkunde eines Studenten, Abschlußzeugnis' (s. Beleg 1769) und 'Abschluß-, Reifeprüfung' (s. Belege 1901, 1953), dafür im 19.720. Jh. gelegentlich die Zss. Absolutorialprüfung, -Zeugnis, heute (nur noch österr.) als Bezeichnung für die Bestätigung einer Hochschule, daß ein Student die vorgeschriebene Anzahl von Semestern, Übungen u.a. belegt hat und deshalb während der noch ausstehenden Abschlußprüfungen nicht mehr inskribieren muß (zu 2b). Im 19. Jh. selten auch in der rechtsspr. Bed. 'von der zuständigen Stelle, Instanz angeordnete Befreiung einer Person (bes. eines Beamten) von einer Verpflichtung, Verantwortung, Verbindlichkeit oder von Ansprüchen; Freisprechungsurteil', dafür vom 18. Jh. (gebucht 1727 bei Sperander) bis ins frühere 20. Jh. auch das lat. Syntagma absolutoria sententia (zu la). absolvieren la: 13. Jh. Klarissen-Regel CLX 24 Der visitator [des Klosters] sol . . daz insigel enphahen von der abbatissen. und die abbatissen ist dar zu gebunden, daz sie ez im uf gebe, und daz sie bite vrilich. und einvalteclichen daz si der abbatissen ampt werde erlazen. Diu abbatissen. enmal sie oder enwil sie niht gemeinez leben halten, so sol sie von dem selben visitatore absolvirit werden von der abtei. ez were danne daz ir beliben an dem ampt niht schedelich dem kloster were sunder notduftge. oder daz dar an schine offenber nuz. Sie sol oh von dem selben visitatore. absolviert werden ob sie anders niht gevellik ist; 1263 Corpus altdt. Originalurk. l 119 dat he si vzer deme banne du inde absoluiere (DWB N.); 1333 Wtttelsb. Urkundenb. 290 absolvieren; 1376 Urkundenb. NdRhein /// 781 absolvieren (MÖLLER); Königshofen 1400 Chronik 436 wart do absolvieret von den bebestlichen bennen; um 1405 Pilgerf. träum. Mönch
9591 wurden sij bekant, Sij wurden absolviert vom konnige zu hant (FRNHD. WB); um 1435 Hofger. Rottweil 75 wer also uf ain aucht ze ban kompt, den sol der gaistlich richter uß dem ban nit lassen noch in absolviern; 2457 Urkundenb. Leipzig 324 gequitirth unde absolviret sin; Artzt nach 1471 Chronik 198 liess sich da absoluiren von des babsts legaten, . . sambt allen synen helffern, die des begerten, ußgenomen der pfaltzgraue, derselb wardt hindan gestelt mit synen helffern, der blieb alleyn im banne; Volkslied 1486—92 (Liliencron U 189) Aber von dem aid hat er sich laßen absolviren; 1499 Bellerode, Beitr. Schles. RG l 63 herczog K. ließ biten und begerth zu absolvierth und loßgesagt werden (DRW); Nazarei 1521 Gott 23 der heylig vatter .. absoluiert den Pipinum von allen dargeben eydtrüwen .., so er dem alten kUnig Hilderico geben vnnd versprochen hatt; Waldis 1555 Päpstlich Reich C2a Ir vndersassen absoluiert von
absolvieren eid vnd pflicht; Frischlin 1579 W. 12 Mit allen Frewden Absoluiert [von einem Gelübde]; 1584 Preußen/Sehling, EVKO IV 136 soll das klagende theil . . von dem treulosen verlaufenen theil absolviret und losgezählet . . werden (DRW); Sattler 1607 Orthographie 84 absoluieren, entledigen, ledig sprechen; Henisch 1616 Teutsche Sprach 8 Einen von dem Aid absoluieren; Ritter 1723 Fl. Illyricus 33 so ihn abermahls von eitelem Ehrgeitz absolvirte und losspräche; Schöttgen 1747 PennalWesen 16 Absolud [Namen von Studenten], weil sie von denen Pennal-Verrichtungen absolviret oder los gesprochen waren; Goethe 1794 Reineke Fuchs Vlll 288 mich hindert am meisten, daß ich im Banne des Papstes/ Leider noch bin . . Exequiren lass' ich das Urtheil, ihr werdet mir sicher/ Absolvirt, ich bring' es euch mit (GWB); Heine 1835 Rotnant. Schule 86 Herder saß nicht wie ein literarischer Großinquisitor zu Gericht über die verschiedenen Nationen, und verdammte oder absolvierte sie nach dem Grade ihres Glaubens; Mügge 1862 Romane III 4,121 Ihr Eigenthum, das ich bisher verwaltete, habe ich in ihre Hände gegeben, Rechenschaft abgelegt und mich absolvieren lassen (SANDERS 1871); Flake 1917 Horns Ring 64 Er hatte gehofft, daß sie ihn von der Niedrigkeit dieses Mittels absolvierte und ihm dann zuredete, es zu benutzen, aber sie schwieg. „Fürchten Sie, daß ich von ihm nicht mehr frei käme?" begann er von neuem. Absolutorium: Campe 1813 Fremdwb. 76 Absolutorium, ein Entbindungsurteil oder Entbindungsspruch, wodurch Jemand von einer Verpflichtung, Verantwortung oder Schuld losgesprochen wird; Goethe 1825 Gespr. Kanzler Müller o. S. Geschäfte müssen abstract . . behandelt werden . . keine Recriminationen, keine Vorwürfe über Vergangenes . . wie könnte Man leben, wenn Man nicht jeden Abend sich und Ändern ein Absolutorium ertheilte? (GWB). Absolvierung: Nazarei 1521 Gott 23 in absoluierung vnd vfflosung des gelobten eyds vnd dargebene trüw. absolvieren Ib: um 1285 Bruder Hermann 1191 ich wil dun absolvyren dich ../ ich sol dich wol entladen/ van sunden und van schaden (DWB N.); 1331— 35 Parz. 128 der Einsidelle absolvierte in; 1334-39 Oberrhein. Chronik 40 unser heiliger vatter der Babist gab sinen gewalt allen prister, das si mochten absolveren a peccato et a culpa die da stürben von der vergift; Closener 1362 Chronik 138 do mustern die vicarien alle sine gnode körnen unde wurdent von ime absolvieret; Justinger um 1420 Berner Chronik 242 Der babst hat gesetzet
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penitencier, die bichte horten und die lüte absolvirten umb all Sachen, totsleger, ir herren töder, verreter. Der henker von bern wart absolvieret; und tet jederman sin buss in der kilchen; 5. Jh. Fastnachtsp. 14 Da got dann spricht: Ich han geschworn/ Auf Israhel in meinem zorn./ Des bringt die absolutzen mir! Doch wer ist, der mich absolvir?; vor 1466 Stretling. Chronik 58 die mönschen ze entligen und ze absolvieren von iren Sünden; um 1490 Reformation Sigmundi B3a Seyd daz sy absoluiert haben; Murner 1512 Narrenbeschw. 95 Herr, legt mir die finger uff den Kopff/ Vnd atzelfier mich; Morsheim 1515 Spiegel 36 haben wir ein Beichtvatter gut, Von allem Mutwilln absoluiren thut Unz; Güthel 1522 Dialogus (Vom Christenmenschen) H4a absoluiert vnd gewisslich entpunden; Zwingli 1523 Auslegen U 17 absolvieren von den Sünden; Luther 1524 Geschieht (W. XV 90) kundt mich auch keyn Bapst noch Bisschoff darvon absolvirn; 1527 Weissagung C3b sitzt, höret Beicht, vnd absoluirt, Das ist erteylet Ablas, vnnd Vergebung der Sund; Luther 1533 Winkelmesse 64 Absoluirt odder Sunde vergibt; Waldis 1555 Päpstlich Reich Blb wird absoluirt von seinen Sünden; Frey 1556 Gartenges. 24 ich will euch alle drüber als meine pfarrkinder atzelfieren; 1582 Ambraser Liederb. 299 die Fraw ward absolviert; 1617 (1926 Mitt. VG Nürnbergs XXVI 325) absolviret, loss und ledig gesprochen . . von allen seinen Sünden; Mengering 1639 Quartiermeister Vorr. o. S. Der Jüngste Tag wird zum wenigsten alle trewe Lehrer vnd Prediger absolvieren; Schupp 1659 Kalender Dia als der Spanier dieses zu thun versprochen hatte ihn der Münch absolvirt; Ertinger 1697 Reisebeschr. 70 bey dem beicht stuel wird ein Jete person in Sonderheit absolviert; Callenbach 1715 Q 58 Ich absolvire sie aber nicht, den sie hat keinen Vorsatz sich zu bessern; Schnabel 1731 Felsenburg l Vorr. 10 von den vermuthlich mit einschleichenden Druck-Fehlern wird man mich gütigst absolviren; Goethe 1775 Erw. u. Elm. (WA I 38,85) Wenn Sie von mir [von Ihren Fehlern] nicht absolvirt sein wollen, so nehmen Sie Ihre Zuflucht zu einem Beichtiger, zu dem Sie mehr Vertrauen haben (GWB); Schollenberg 1778 Anm. A2b ich versichere, dass sie kein Capuciner oder Franciscaner, viel weniger ein Weltpriester, welche in der Absolvierkunst ohnehin viel schwächer sind, von dieser Sünde lossprechen können; Schiller 1800 S.W. (H. XV 372) Ich bin dein Papst und absolviere dich; Goethe 1821 Wanderjahre (HA Vlll 134) Sie haben mich absolviert, und wir wollen zugleich zu den Meinigen, die mich ohnehin länger, als billig ist, erwarten; Werther 1861 Kl. Deutschland l 120 Ein Kammerherrnschlüssel absolvirt das Gewissen mit eben so viel Grund, als St. Petri Schlüssel zu Rom; Reichenbach 1880 Roman e. Bauernjungen 145 ab-
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absolvieren
splvieren; Hammerstein 1916 Februar 39 Wenn man's auf wahre Besserung absieht, kann man sich doch nur selber beichten, in der Einsamkeit, und sich selbst absolvieren, durch die Tat; Hurst 1917 Mannequin 36 absolviert; Böll 1953 Wort 107 Ich war sehr traurig, weil er [der Priester] mich nicht absolvieren wollte. Absoluter: Albertinus 1615 Gusman v. Alfarche 420 absoluteres, Ablasssprecher. Absolvant: Nigrinus 1587 Schlüssel Büchlein 23b nicht allein die alten Absoluanten, vnd Ablasskremer, sondern auch die newen, als D. Hollius vnd andere. Absolvent: Guttel 1522 New iar H2a des absoluenten, oder beychtuatters frummikeyt. Absolvierer: Zwingli um 1525 W. II 2 Achselvierer. Absolvierung: um 1380 Meister Altswert 233 funff brüeder . . horten unns zu bicht./ die absolvirung licht — was in der penitentz; 1671 Pomey o. S. Absolvirung. absolvieren 2a: Fuchsberger 1534 Dialektik 30b ains yeglichen fürschlags natur vnd aigenschafft nach bemelten fragstucken ergrunden vnnd absolvieren; Aventin 1541 Dtsch. Chronik I 372 denn es nicht aller teutschen König Historien beschleusset und absolviret; 1569 Braunschw, Schulordn. II 37 die praeceptores sollen die erst comoediam Terentii . . und so solche absolviert, libellum Ciceronis de amicitia lesen; Fayser 1573 Bericht ü. d. Pferdt 104 absoluirn oder volbringen; Schwartzkopfl593 Herodot (Übers.) Vorr. 4a Denn nachdem ich eine Historien absoluiret, habe ich am Ende derselbigen befunden, dass noch etwas folgen würde; 1600 Urkundenb. d. Univ. Heidelberg l 342 daß er in den zwei Jahren doctrinam elementorum etc. absolviert; Hainhofer 1610 Corr. 15 täglich wird ain schön dergleichen voglhauß für den Churfürsten von Cölln absoluiert; Henisch 1616 Teutsche Sprach 8 Absoluieren/ ein buch außmachen, finire; 1623 Apocalypsis a2b Der Savoyer . . hat .. mit Glück vnd Ehr den Krieg absoluirt; Leibniz 1668—76 Briefw. I 11 Dieses Compendium . . soll verhoffentlich im Frühling in substantialibus absolviret seyn; Gichtel 1722 Theosophia Practica Vorr. a2b nachdem man das Werk zum ersten mal absolviret; 1756 Braunschw. Schulordn. H 429 So oft ein capitel oder pensum absolviret ist, wiederholet der Lehrer; Müller 1787 Emmerich III 136 ein bestimmtes Pensum im Wollespinnen zu absolviren; Goethe 1783 Br. (WA IV 6,213) Pensa zu
absolviren; ders. 1795-96 Lehrjahre (HA VII 48) hatten die Gerichte ihre Zeremonien absolviert; ders. 1816-17 Italien. Reise (HA XI 517) da der fünfte Band absolviert ist, will ich nur einige Kunststudien durcharbeiten, dann gleich an den sechsten gehn; Ranke 1838 Briefwerk 299 wenn wir die früheren [Zeiten des Papsttums] absolviert [durchgearbeitet] hätten; Latz 1869 Alchemie 18 Liquor hepatis ist die Lösung von Schwefel in Öl. Damit war die Sache aber nicht absolviert. Jegliches flüssige Alkali ist ein Öl; Teuber 1881 Jugendleben I 6 wir absolvirten gemeinsam, Paar um Paar, den obligaten Vor- und Nachmittagsspaziergang; Wilhelm II. 1890 Kaiserworte 161 Pensum absolviert; Fontäne 1898 Zwanzig 209 um bei dem . . Regiment mein Dienstjahr zu absolvieren; Th. Mann 1901 Buddenbrooks (W. I 735) der . . ein Gastspiel auf Engagement absolvierte; ders. 1924 Zauberberg (W. Ill 569) Sie absolvierten eben die Bettruhe nach erfolgter Aufnahme; Colerus 1929 Kaufherr 67 Die Damen erwarten uns erst um zehn, wir müssen zu Abend essen und dabei kann man eine Sehenswürdigkeit absolvieren. Nämlich die besten Beefsteaks der Welt; 1930 Abenteuer Märzh. o. S. Mein Einjähriges absolvierte ich bei den fünften Jägern in Hirschberg in Schlesien; Berl. Illustr. Nachtausg. 19.6.1933 Der Künstler wurde eingeladen, den gleichen Zyklus in Amsterdam . . zu absolvieren; Th. Mann 1935 Nachtr. (W. XIII 629) eine Vortragsreise wie die, welche ich gerade absolvierte; Hülsen 1947 Zwillings-Seele II 115 eine Vorlesung . . vor . . Kranken absolviert; Süddtsch. Ztg. 15.1.1949 wie erwartet, wurden die 50 km des Mannschaftsrennens . . in schärfster Pace absolviert; ND 22.10.1949 ihren zweiten Start absolvieren die Hamburger dann . . in Spandau; Heimpel 1956 Kapitulation 102 daß er Korrekturen für Fremde lesen und 16 Wochenstunden am Gymnasium . . absolvieren mußte; Böll 1963 Clown 174 ich hatte nicht einmal das wichtigste Training in den letzten Wochen absolviert; Pinkwart 1963 Mord 31 wenn ich die ärztlich verordnete Bettruhe erst absolviere; Welt 13.4.1964 ein lästiges Freundschaftsspiel [Fußball] zu absolvieren; ebd. 13. 7.1974 Jemand . . sucht Damenbegleitung, um notwend. gesellschaftl. Verpflichtungen besser absolvieren zu können; MM 3.1.1985 absolviert er in Uniform oft mehr als eine 60-Stunden-Woche; Zeit 1.2.1985 wer seinen fünfzehnmonatigen Grundwehrdienst absolviert hat; ebd. 10.5.1985 mit Würde absolvieren sie das bedrükkende Programm; ebd. 20.12.1985 zur Collage aus Pomp und Pop . . absolvieren die Tänzer ihre feschen Leibesübungen; ebd. man . . hofft . . auf die . . drei Parteitage, die man 1986 noch absolvieren will; ebd. 20.2.1986 [Orchester], das 1979 unter Maazel seine letzte Europa-Tournee absolviert
absolvieren hatte; MM 8.7.1986 soll jeder zwei bemannte Flüge absolvieren; ebd. 1.10.1986 ein außerordentlich wortverständlicher Sopran, kristallen und nahezu schwindelfrei noch die Gipfelwanderungen absolvierend; ebd. 7.11.1986 absolvierte der . . fleißige SPD-Spitzenkandidat ein mörderisches Extra-Programm; ebd. 10. 4.1987 was für ein Pensum er in 24 Stunden zu absolvieren hat; ebd. 25. 7.1987 seitdem sie die medikamentöse Therapie im Kreise der Familie absolvieren kann, fühlt sie sich .. erstaunlich gut; Zeit 8.5.1987 die . . mit müder Verruchtheit ihre Songs absolviert; MM 11.2.1988 als Zirkuspferd, das seine Kunststückchen absolviert; ebd. 14.5.1988 als er 1958 in die Bundesrepublik zurückkehrte und seine ersten Auftritte auf dem Bildschirm absolvierte, war er ein Star; Spiegel 30. 7.1990 Der einstige Oberstadtdirektor . . absolviert seine 13. Arbeitsstunde an diesem Tag. Absolvierung: 1584 fönt. rer. Austr. 60 iren nach Wittenberg zu absolvierung berürts . . biblthrucks abgeordenten personen; 1903 (Königsberger 1902 Heltnholtz III S3) nach absolvirung der dringendsten amtsgeschäfte (beide DWB N.); Th. Mann 1934 Nachtr. (W. Xlll 96) nach Absolvierung meiner Vorträge in den genannten Städten; ders. 1939 Hoheit (W. U 716) [er] wandte sich nach Absolvierung der anderen [Personen] dem Geognostiker auch gleich wieder angelegentlich zu; Welt 12. 2.1949 kann dies für die erfolgreiche Absolvierung des Festes von allergrößtem Nutzen sein; FAZ 24.4.1971 Englischkenntnisse für die Absolvierung des Trainings sind erwünscht. absolvieren 2b: 1631 Ann. Ingolstad. Acad. IV 398 welche nach absolvierten Studiis sich von hie begeben; Becher 1668 Methodus didactica D4a ich studirte die Theology, als ich diese absolvirt, die Mathesin; 1684 (Nyström, Schulterm. 192) Studenten, die in einer oder ändern lateinischen Schule der Städten absolvirt haben; 1692 Novellen 7 absolviret mancher sein triennium; Rohr 1718 Staatsklugheit 369 ihre Studia mit Reputation absolviren; Schnabel 1731 Felsenburg l 2 das galante Leipzig zu besuchen, und meine studia daselbst zu absolviren; 1738 Etwas v. Rostockschen Sachen 72 Absolviret heisst so viel als die Pennal-Zeit überstanden haben; Wieland 1776 Jugendgesch. XV 161 nachdem er [sein Studium] absolvirt und in patriam zurückgekommen war; Schubart 1791 Leben l 45 in Jena den Kurs der Wissenschaften zu absolviren; Goethe 1811 Dichtung u. Wahrh. (HA IX 450) das Juristische trieb ich mit so viel Fleiß, als nötig war, um die Promotion mit einigen Ehren zu absolvieren; ders. 1816-17 Italien. Reise (HA XI 542) ersterer muß noch einige Studien absolvieren; Pipitz
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1839 Fragmente 80 Man hat das Gymnasium absolvirt und tritt in die philosophischen Studien ein; 1888 Grenzboten I 564 absolvirten Hochschülern; Th. Mann 1894 Erz. (W. VIII 14) der Held meiner Geschichte . . hatte in seinem . . Heimatort das Gymnasium absolviert; Fontäne 1898 Zwanzig 431 ging bald nach absolviertem Studium nach Frankreich; Th. Mann 1901 Buddenbrooks (W. I 119) Moritz hat . . die Schule glänzend absolviert; ders. 1924 Zauberberg (W. Ill 656) er hat das Noviziat absolviert; Brod 1928 Zauberreich 115 aber für einen absolvierten Kunsthistoriker, jungen Doktor ist in seiner brotlosen Kunst auch schon ein wenig Geld sehr viel; Colerus 1929 Kaufherr 264 Über den Vertrag werden wir gleich sprechen, sobald der Ingenieur absolviert ist; Berl. lllustr. Nachtausg. 28.2.1933 die Kinder die höhere Schule absolvieren zu lassen; Th. Mann 1947 Faustus (W. VI 223) man hatte ihn das Gymnasium absolvieren lassen; ND 3. 9.1959 konnte er .. eine Spezialschule für die Ausbildung von Meistern für Mechanik absolvieren; Grass 1962 Blechtrommel 403 Pflegerinnen, mit denen sie gemeinsam den Schwesternlehrgang absolviert hatte; Welt 28.12.1974 die ersten zehn . . haben ihren Kurs absolviert; MM 7.5.1985 rund 2000 [Ärzte] haben entsprechende Prüfungen absolviert; Zeit 13.12.1985 als Naturwissenschaftler mit einem in Biologie, Biochemie oder Biophysik absolvierten Studium; ebd. 28.2.1986 wer in Deutschland einen Magister oder das Staatsexamen absolvieren will, kommt kaum unter fünf Jahren davon; MM 2.12.1987 1942 absolvierte Baldwin sein High-School-Examen; ebd. 25.2. 1988 er absolvierte . . den Vorkurs im Bauhaus in Weimar. Absolutorial-: 1827 Satzungen Univ. München 9 Semestral- und Absolutorialprüfungen; 1828 Baier. Int'Bl. (Isar) 547 Bekanntmachungen. GymnasialAbsolutorial-Prüfung betreffend; Rethwisch 1893 Deutschlands höheres Schulwesen 44 Die Absolutorialprüfung behufs Erlangung eines Reifezeugnisses; Munch. N.N. 15.4.1904 Sämtliche Teilnehmer der Absolutorialprüfung am hiesigen Gymnasium haben . . dieselbe bestanden; 1914 ZDSpr. V. 1XXX 322 Absolutorialzeugnis. Absolutorium: 1769 Ann. Ingolstad. Acad. IV 464 Soll keinem Studenten ein Absolutorium unter der Facultet Insigel ertheilet werden; 1807 Verordn. Studien Univ. Landshut 12 Absolutorium; Mayr 1809 Gen.-Index Baiern 2 Absolutorien der Rechtskandidaten; 1814 Gesetze Univ. Landshut 7 Erlangung eines Universitäts-Absolutoriums; Gegenbaur 1901 Erlebtes 27 So trafen manche Dinge zusammen, um den Wunsch nach dem Absolutorium zur Sehnsucht zu steigern, und so erfolgte
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denn glücklich der Abschluss der . . Prüfung; Gumppenberg 1929 Lebenserinn. 89 Gymnasia1-Absolutoriutn; Süddtsch. Ztg. 27.4.1953 Zum erstenmal wird heuer in Bayern eine größere Anzahl von jungen Damen sich dem Gymnasialabsolutorium unterziehen. Absolvierung: 2863 Schulbl. Brandenb. XXV11I 123 nach absolvirung der heimathskunde (DWB N.); Wittich 1901 Vineta 26 während dem Fräulein Tochter kurz nach Absolvierung des Kochkursus
sämtliche Festtagskuchen sitzen blieben; Neue freie Presse 26.5.1936 Referenten, denen die Beamtenschaft nach Absolvierung des Kurses zugeteilt worden war; Welt 6. 7.1954 ob er sich seine Kenntnisse selbst oder durch die Absolvierung einer Fahrschule erwirbt; ebd. 4.7.1964 Abschlußzeugnis, das die erfolgreiche Absolvierung eines Gymnasiums bestätigt; Zeit 14.5.1985 [er] wollte nach Absolvierung der Schule zunächst alles studieren; MM 12.9.1987 Unterstützung zur Absolvierung eines Teils des Studiums im Ausland wird in der Regel bis zu einem Jahr gewährt.
absorbieren V. trans., im späten 17. Jh. entlehnt aus lat. absorbere 'hinunterschlürfen, verschlucken, verschlingen; aufsaugen; in Anspruch nehmen' (aus ab'weg, fort' und sorbere 'zu sich nehmen, schlürfen, verschlucken'). a Nur mit unpersönlichem Objekt verwendet, zunächst fachspr. in der Medizin und im naturwissenschaftlichen Bereich (bes. Chemie, Physik) für 'aufsaugen, einsaugen, (ver)schlucken', vor allem bezogen auf die Aufnahme von Gasen, Flüssigkeiten durch die Haut (bei Mensch und Tier), die Auflösung von Dämpfen, Gasen in Flüssigkeiten oder Feststoffen, z. B. Sauerstoff wird von Wasser absorbiert, oder die Schwächung von Wellenstrahlungen beim Durchgang durch die Materie, wobei Energie an die festen, flüssigen, gasförmigen Körper abgegeben und umgesetzt wird, z. B. Lichtstrahlen werden absorbiert; häufig adj. verwendet in der Part. Präs.-Form absorbierend, z. B. in Wendungen wie absorbierendes Pulver, absorbierende Mittel (s. u. Absorbentien) und in Zss. wie licht-, schallabsorbierend. Dazu seit früherem 18. Jh. das (aus lat. absorbens, Gen. absorbentis, dem Part. Präs, von absorbere, gebildete) meist plur. verwendete Subst. Absorbens N. (-; Absorbentia, auch Absorbentien) als fachspr. Bezeichnung für aufsaugende Stoffe oder Mittel, bes. Arzneimittel, die im Magen-Darm-Kanal befindliche Flüssigkeiten und Gase an sich binden und dadurch unschädlich machen, z. B. Kohle-Präparate; Ende 19. Jh. vereinzelt, seit Mitte 20. Jh. eventuell unter engl. Einfluß die seltene subst. Ableitung Absorber M. (-s; -) als Bezeichnung für ein Gerät zur Absorption von Gasen (—» Absorption a), speziell für eine mechanische Vorrichtung, in der das Lösungsvermögen von Gasen in Flüssigkeiten für technische Zwecke (z. B. in einer Kältemaschine, in einem Reaktor) ausgenutzt wird, bes. in den Zss. Absorberstäbe (in einem Atomreaktor) und Neutronenabsorber. b Etwa gleichzeitig, vorwiegend mit unpersönlichem Objekt, auch allgemeiner und häufig bildlich verwendet, bes. im Sinne von ' (in sich) aufnehmen, sich einverleiben, in seinen Einflußbereich bringen', z. B. ein Land, eine Provinz, ein Volk absorbieren (s. Belege 1850, 1910, 1938), gelegentlich auch für 'verzehren, verschlingen, aufzehren, (ver)schlucken', z. B. hohe Summen absorbieren, die wirtschaftlichen Reserven, Finanzen absorbieren, die Wählerstimmen einer Partei absorbieren (s. Belege 1985, 1986). Dazu im 19.720. Jh. das seltene Verbalsubst. Absorbierung F. (-; -en) 'das In-Sich-Aufnehmen, Einverleibung' (—» Absorption b). c Von daher seit spätem 18. Jh. meist mit persönlichem Objekt verwendet in der übertragenen Bed. 'jmdn. voll, ganz, stark in Anspruch nehmen, beanspruchen, ganz besetzen, vereinnahmnen, auslasten; ganz mit Beschlag belegen', z. B. von seinem
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Beruf absorbiert werden, von der Arbeit ganz absorbiert sein; eine große Aufgabe, Anstrengung, die alle seine Kräfte absorbiert, jmds. Aufmerksamkeit völlig absorbieren. Dazu Mitte 19. Jh. die subst. Gelegenheitsableitung Absorbierer 'Person, die jmds. Kräfte und Zeit (über die Maßen) beansprucht'. absorbieren a: Liebe 1678 Wörter-Büchlein H 8a Absorbiren verschlingen, verzehren; Zwinger 1703 Arzt 231 von einem absorbierenden Pulver, so die sauren und rauhen Feuchtigkeiten des Geblüts verschlucken mag, eine dosin einnehmen; Sperander 1727 A la mod Sprach 6 Absorbiren/ verschlingen/ verschlucken/ verthun/ verzehren/ hinwegnehmen; Weißbach 1732 Kur 79 die außdünstung des leibs befördere mit denen absorbirenden pulvern; Sehr 1748 Mat. Med. 79 Absorbir- und VersüssungsMittel; 1772 Frankf. gel. Anz. 135 wird eine sehr große Quantität Hitze absorbirt, ehe das Eis zu schmelzen anfängt; Hufeland 1795 Pathogenie 33 der absorbirenden Gefässe; ders. 1797 Kunst 225 Diese wichtige Operation der Assimilation . . ist das Geschäft zuerst des absorbirenden und Drüsensystems; Pfeil 1829 Waldbäume 12 da die feuchtigkeit der luft die wärme absorbirt (DWB N.); 1882 Brockhaus l 77 Absorbieren, aufsaugen, aufzehren, verbrauchen; Zischka 1936 Monopole 106 Holzkohle .., ihre bekannte Eigenschaft, Gase, Gerüche und Unreinigkeiten zu absorbieren, technisch auszuwerten; ND 31.10.1954 die Regulierung des Brennprozesses erfolgt dadurch, daß man die Stäbe aus dem Neutronen absorbierenden Material . . mehr oder weniger weit in den Meiler hineinschickt; Gail 1958 Weltraumfahrt 111 700 Gramm davon genügen, um die täglich ausgeatmete Menge von einem Kilogramm Kohlendioxyd pro Mann zu absorbieren; 1967 Urania l 43 er absorbiert keine Feuchtigkeit und ist gegen Öl, Lösungsmittel und Pilzbefall beständig; 1967 Bild d. W/'ss. / 44 daß viele biochemische Verfahren durch . . Umwandlungen . . im sichtbaren Bereich lichtabsorbierende Verbindungen erzeugen; MM 19.4. 1985 es gehe . . wohl zweifellos mehr Schwefel in den Wäldern nieder als diese absorbieren könnten; ebd. 1.6.1985 wenn die schallabsorbierende Wand installiert wird; ebd. 7.11.1985 daß Grünlilien angeblich erhebliche Mengen des schädlichen Formaldehyds absorbieren; ebd. 3.9.1986 sie absorbieren die infrarote Strahlung, sie halten die Wärme in den unteren Luftschichten zurück; ebd. das Ozon wirkt wie eine Sonnenbrille, deren Glas die Augen schützt, indem es die kurzwelligen ultravioletten Sonnenstrahlen absorbiert und in Wärme umsetzt; Zeit 5.9.1986 wenn die Ärzte mit dem Laserstrahl von außen ins Patientenauge schießen, bleiben Linse und Glaskörper völlig „unberührt": nur in undurchsichtigem Gewebe, das das Licht „verschluckt" (absorbiert), .. wird dessen Energie
in Wärme umgewandelt; MM 16.12.1987 zum Zeitpunkt des Unfalls sei das Unternehmen davon ausgegangen, daß das Pflanzenschutzmittel in der Kläranlage absorbiert werden könne; ebd. 5.1.1988 offenbar, so erklärt Prof. Wenker von der Hamburger Sternwarte, absorbiert der Pluto . . mehr Energie, als er abstrahlt. Absorbens/Absorbentien: Sperander 1727 A la mod Sprach 5 Absorbentia, werden diejenige Medicamenta genannt/ welche mit ihrer irdischen Truckene die Schärffe und Säure in den Säfften unseres Leibes verzehren; Behr 1748 Mat. Med. 78 Es sind aber die Absorbentia solche Mittel, welche vermög ihren erdigten Theilgen, die sauren, scharffen und gallichten Feuchtigkeiten massigen, und gleichsam in sich schlucken; Hess 1797 Durchflüge d. Deutschland IV 155 Diese Gypsart [Strahlgyps] ist die theuerste. . . Der Bauer giebt es dem Vieh ein, wenn es nicht fressen mag. Auch in den Apotheken wird es als ein Absorbens verkauft, und als Streusand nach Nürnberg, ja nach Holland versendet; Rousseau 1840 Emile (Übers.) l 58 der ganze Kram von Säure verzehrenden Mitteln (Absorbentien). Absorber: Lueger 1895-98 Lex. d. Techn. V 363 gelangen die ammoniakdämpfe . . in den absorber, . . woselbst sie unter abgäbe der wärme . . gelöst werden [Kälteerzeugungsmaschine] (DWB N.}; 1966 Urania XI 8 die Spaltzone . . enthält 312 Brennstoffkassetten und 37 bewegliche Steuerkassetten mit Neutronenabsorber im Oberteil und Kernbrennstoff im Unterteil .. Antriebe für den Absorber; Zeit 17.10.1986 nun müßten alle Absorber- und Kontrollstäbe voll in den Kern eintauchen, um den Reaktor sofort abzustellen. absorbieren b: Leibniz 1684 W. I 4,42 köndte man . . das große fuhrlohn erspahren, so den Überschuß der armen erze sehr absorbiret; 1751 Cod. ]ur. Bavar. Criminalis 10 werden von einer person mehr uebelthaten . . begangen, so ist . . die regul, daß die schärffere straff allzeit die gelindere absorbire (beide DWB N.); Marx 1843 Debatten ü. Preßfreiheit (MEW I 41) so hatten die Stände des Mittelalters alle Rechte des Landes in sich absorbirt und wendeten sie als Vorrechte gegen das Land; Goltz 1847 Buch d. Kindheit 47 denn diese werden bekanntlich durch die neuerdings immer schwieri-
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gern Staatssorgen so ganz vom Ernst absorbirt und allem Spaß abwendig gemacht; Huber 1850 Berlin 13 entweder Preußen absorbirt und mediatisirt allmählig die kleineren Staaten, oder es geht selbst in dem Bundesstaat auf; Latz 1868 Alchemie 201 daß einmal der Tag kommen würde, wo die jüdische Alchemie ihre [der Griechen] Alchemie absorbieren würde; Faucher 1877 Culturbilder 193 die Alles absorbirende Hauptader der Stadt, auf welcher sich das große Leben bewegt; Nordau 1881 Paris 156 Das Land ist viel zu sehr von seinen materiellen Interessen, . . von der Abwehr reaktionärer Versuche absorbirt, als daß es seine Aufmerksamkeit ästhetischen Fragen zuwenden könnte; Rose 1884 Revanche 93 die Clubs absorbiren die Spielwelt; Treitschke 1897 Politik l 83 daß die wachsende Thätigkeit des Staates das ganze Menschenleben absorbirt; Busch 1899 Tagebuchbl. (1870-71) U l [das deutsche Belagerungsfeuer] bald gewöhnte man sich daran, niemals absorbierte es die Beobachtung von Kleinigkeiten; Birt 1910 Provence 12 Frankreich hat seine Provinzen viel früher und energischer absorbiert und nivelliert, als Preußen die seinigen; Th. Mann 1917 Reden u. Aufs. (W. XI 340) als dieser verdammte Freischütz, den Weber seiner erdrückenden und absorbierenden Popularität wegen beinahe hassen lernte; Walther 1919 Wege dtsch. Geistes 9 Die stürmische Entwicklung unseres materiellen Aufschwunges kam hinzu, um den Kampf der Interessen alles absorbierend zu verschärfen; Th. Mann 1929 Reden u. Aufs. (W. X 292) daß diese Humanität das Geistige . . als ein selbstverständliches Zubehör des Lebens mit umschließt und absorbiert; Berl. lllustr. Nachtausg. 10.3.1933 daß diese mit den geistlosesten und zum Teil schlüpfrigen Texten versehenen [musikalischen] Gebilde einen großen Teil unseres Volkes . . absorbierte; Th. Mann 1938 Reden u. Aufs. (W. XI 950) dem deutschen Geist in diesem Lande, das so viel unterschiedliches Volkstum absorbiert und zur Nation erhoben hat, eine Freistatt zu bereiten; ders. 1946 Reden u. Aufs. (W. XU 762) wieder handelt es sich um Niederschlagung eines Sozialismus . ., den Rohm verkörpert, welcher den Staat von der Partei absorbieren lassen will; Welt 14. 7.1949 die derzeitige Industriebeschäftigung müßte um mehr als 13 v. H. ansteigen, wenn auch nur die Hälfte der gegenwärtig Arbeitslosen der Bizone von der Industrie absorbiert werden sollte; Partner 1964 Erben 65 das . . Geld lief zwar um, hatte als Edelmetall aber einen so hohen Eigenwert, daß es, soweit es nicht . . vom Fernhandel mit Luxusgütern absorbiert wurde, höchstens bei Kauf und Verkauf hochwertiger Güter als Zahlungsmittel diente; Welt 25.11.1964 daß der höhere Diskont voll absorbiert wird; Zeit 26.4.1985 daß . . etwa dreiviertel
der NPD-Stimmen von den Unionsparteien absorbiert wurden; ebd. 9.8.1985 man müsse nun einmal Atem schöpfen, um die neue Technik zu absorbieren; MM 18.6.1986 signalisiert die . . schwache Leistung der Grünen bei der Landtagswahl . . etwas ganz anderes: ein Teil des grünen Wählerpotentials kann von der SPD absorbiert werden; Zeit 5.12.1986 daß . . die Schäden .. durch natürliche Regeneration absorbiert werden könnten; ebd. 10.4.1987 solange das Bildungssystem die Ausgebildeten so gut wie die Nichtausgebildeten nicht zu absorbieren vermag; MM 26.6.1987 führte mehr Bildungsnachfrage dazu, daß weitere 60 000 Jugendliche durch den Besuch von Vollzeitschulen vom Arbeitsmarkt absorbiert wurden. Absorbierung: 1855 Prutz'Museum l 436 Wir haben bei der Verfassungsfrage eine Agitation erlebt, die man in unserer orientalischen Absorbirung aller häuslichen Interessen und nach so erfolgreicher Erschlaffung aller Theilnahme am Staats- und Gemeindewesen kaum mehr möglich geachtet hätte; Obst 1921 Vernichtung Voriv. o. S. Absorbierung der afrikanischen Lebensräume durch eine stetig geringer werdende Anzahl europäischer Kolonialstaaten. absorbieren c: 1776 (Stöber 1842 Lenz 83) Göthe hab' ich . . lang nicht gesehen; er ist so von Geschäften absorbirt, dass er den Herzog nicht einmal hat begleiten können; Elise v. Türckheim 1791 Br. 43 daß wir in der Ewigkeit, in der Anbethung Gottes so vertieft, daß unser Staunen, u die Bewunderung der Mannigfaltigkeit seiner Werke uns so ganz absorbieren würde; Schiller 1795 Br. IV 116 weil meine jetzigen Arbeiten mich ganz absorbieren; 1813 — 15 Prinzenbr. 97 aber schöne Kirchen die absorbiren einen ganz und gar so daß man gar keine Zeit hat, an seinen Schulcameraden zu schreiben; Goethe 1817 Br. (WA IV 28,225) Weil jene Beschäftigung meine ganze Zeit absorbirt; Pückler-Muskau 1834 Tutti V 306 Die guten Leute waren von den prinzlichen Herrschaften so absorbirt, daß sie die übrigen Gäste gar nicht zu berücksichtigen . . schienen; 1864 Briefw. Roon-Perthes 8 Die Politik .. absorbiert mich neben meinen ressortmäßigen Geschäften so völlig, dass ich für Privatinteressen . . nur Augenblicke . . behalte; Rose 1884 Revanche 132 Die [Pariser] Salons absorbiren [die Kraft des Künstlers], was die Reisen in die Provinz .. nicht in Anspruch nehmen; Th. Mann 1901 Buddenbrooks (W. I 522) hätte er wenigstens die Musik unterdrücken . . können, die den Jungen dem praktischen Leben entfremdete . . und seine Geisteskräfte absorbierte; Windelband 1909 Philos. 103 So absorbierte das praktische Leben . . eine . . Menge gerade der besten Kraft; Bierbaum
Absorption 1910 Reife Früchte 58 der hübsche, leider von Korpsinteressen völlig absorbierte Kurt von Kantern; Freud 1911-24 metapsychol. Sehr. 107 Bei der Trauer fanden wir Hemmung und Interesselosigkeit durch die das Ich absorbierende Trauerarbeit restlos aufgeklärt; 1916 Franzosen 259 Teilnahme am politischen Leben . . die ganze Zeit und Arbeitskraft eines Mannes absorbiert; Th. Mann 1929 Reden u. Aufs. (W. X 727) im absorbierenden Trubel der kritischen Tagesansprüche; Benjamin 1929 Br. U 511 Es ist ja evident, daß von der Dich jetzt absorbierenden Problemstellung aus Du wiederum zu anderen [Meinungen] kommen wirst; Kesten 1952 Casanova 8 Neben seinen aufregenden, scheinbar absorbierenden Liebesabenteuern
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hat Casanova ein volles tätiges und ein volles müßiges Leben geführt; Welt 28. 8.1969 die EWG absorbiert zunehmend die Kräfte unserer Wissenschaftler; Pro u. Contra 26.3.1970 denn so sind wir absorbiert von unserer Arbeit; Zeit 25.10.1985 weil das Weiße Haus . . von den Bemühungen um die Ergreifung des PLF-Chefs . . so vollkommen absorbiert war; ebd. 6.12.1985 da die Bildinhalte allzu leicht die ganze Aufmerksamkeit absorbieren. Absorbierer: 1847 Briefw. Fontane-Lepel l 37 daß Du Dich mit Deinem Zeit- und Kraftabsorbierer [seiner Braut] wieder ausgesöhnt hast, freut mich.
Absorption F. (-; selten -en), im frühen 18. Jh. entlehnt aus spätlat. absorptio, Gen. absorptionis, 'das Verschlingen, Gefräßigkeit' (zu lat. absorbere, —» absorbieren), anfangs vereinzelt in der lat. Form. a Fachspr. in der Medizin und im naturwissenschaftlichen Bereich (bes. in der Physik und Chemie) verwendet in der Bed. 'das Aufsaugen, Einsaugen, (Ver)Schlucken', meist bezogen auf die Aufnahme von Gasen oder Dämpfen durch feste Körper, die Auflösung von Gasen in Flüssigkeiten und Feststoffen oder die Abgabe von Energie an feste, flüssige, gasförmige Stoffe, z. B. in Wendungen wie die Absorption von Wärme, Licht, die Absorption von Wasser durch pflanzliche Gewebe, die Absorption der Atmosphäre; häufig als Bestimmungs- und Grundwort in Zss. wie Absorptionsfähigkeit, -mittel, -spektrum, -Verlust, -vermögen, -Vorgang, -wärme; Strahlen-, Staub-, Nikotinabsorption (—> absorbieren a). Dazu die seit späterem 19. Jh. (1863 bei Kaltschmidt) gebuchte, eventuell auf mlat. absorptivus 'verschlingend' zurückgehende adj. Ableitung absorptiv 'zur Absorption fähig, auf Absorption beruhend, aufsaugend', vereinzelt bildlich verwendet (vgl. b), mit dem dazugehörigen, erst in neuester Zeit nachgewiesenen Subst. Absorptiv N. (-s; -e) 'Stoff, der bei der Absorption von einem anderen Stoff aufgenommen wird, absorbierter Stoff. b Seit Anfang 19. Jh. auch allgemeiner und gelegentlich übertragen verwendet im Sinne von 'das In-Sich-Aufnehmen von etwas, Einverleibung, Eingliederung', z. B. die Absorption kleiner Staaten durch große Nationen, die Absorption unterschiedlicher Volksstämme (s. Belege 1850, 1940; —» absorbieren b), selten auch für '(völlige) Vereinnahmung, Beanspruchung, Inanspruchnahme', z. B. die Absorption des gesellschaftlichen Lebens durch den Staat, die Absorption seiner Kräfte (s. Beleg 1906; —» absorbieren c). Absorption a: Sonntag 1714 Voc. pseudomyst. 7 Absorptio; i 772 Frankf. gel. Am. J35 die Absorption der verborgenen Hitze sieht man auch bey dem Übergang eines soliden Körpers in einen flüßigen, wie Eis zu Wasser; Humboldt 1845—50 Kosmos l 341 Gesteinschichten, welche gleiches Absorptionsvermögen für die Sonnenstrahlen besäßen (KEHREIN); Valentin 1847-51 Physiologie (Reg.) Absorption der Gase; Sendtner 1854 Veg'-
verh. Südbayerns 142 Absorptionsfähigkeit des Bodens; ebd. 363 Der Boden erwärmt sich . . durch die Absorption von Sonnenstrahlen; Liebig 1862 Feldbau 69 Absorptionsvermögen für Ackererde; Boruttau 1898 Physiologie 90 Diejenige Zahl, welche angibt, wie viel von einem bestimmten Gas in der Volumeneinheit einer . . Flüssigkeit. . sich löst, heisst der „Absorptionscoefficient"; Verwarn 1907 Physiolog. Prakt. 81 entstehen auf dem Spektrum
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abstinent
bestimmte Absorptionsstreifen, indem von dieser Lösung Strahlen bestimmter Wellenlänge nicht hindurchgelassen, sondern absorbiert werden (Absorptionsspektrum); Bamnt 1956 Ex ovo 144 Bunsen blieb ruhig liegen und entwickelte . . in klaren Worten die Gesetze der Emission und Absorption des Lichtes; Gail 1958 Weltraumfahrt 116 er braucht Sauerstoffbehälter, Absorptionsmittel für Kohlendioxyd und Luftfeuchtigkeit; Welt 4.8. 1959 Die Cigarette mit über 50% Nikotinabsorption; 1966 Urania XI 73 die Absorption von Funkwellen beim Einfall hochenergetischer Elektronen; 1966 ebd. XI 74 der dadurch hervorgerufene, durch langanhaltende starke Funkwellenabsorptionen im Langwellenbereich gekennzeichnete .. Nachwirkungseffekt starker geomagnetischer Stürme; 1967 Bild d. Wiss. III 178 wobei die Verdunstung des Äthers durch eine Luftpumpe bewirkt wird, die des Ammoniaks jedoch durch Absorption mit Wasser; Welt 22.4.1974 durch den Einsatz eines modernen . . Milchanalysengeräts, das auf der Grundlage der Infrarotabsorption arbeitet, wurden täglich bis zu 1500 Milchproben analysiert; Zeit 11.1.1985 die Ionisierung des Atomstrahls fand bei einer Frequenz statt, die nichts mit den bekannten Absorptionsfrequenzen des Wasserstoffatoms zu tun hatte; ebd. 18.10.1985 Reinlichkeit, Akribie und Staubabsorption sind oberstes Gebot bei Betrieb und Instandhaltung von Klimaanlagen; MM 29.1.1987 es ist nicht so, daß im Augenblick der Strahlenabsorption alles schon abgeschlossen wäre; ebd. 18.3.1987 denn normalerweise erwärmt das Ozon durch die Absorption der energiereichen Ultraviolett-Strahlung die Stratosphäre; ebd. 15. 7.1987 im Jahr 1814 entdeckte er die nach ihm benannten Absorptionslinien im Sonnenspektrum. absorptiv: Munichsdorfer 149 absorptive Bindung.
1932 Bayerns Boden I
Absorption b: Görres um 1805 W. II 504 Der Blick der Augen, mit dem Ausdruck der tiefsten Absorption in die Höhe gerichtet (KEHREIN); Huber 1850 Berlin 13 entweder Preußen absorbirt . . die
kleineren Staaten . . oder es geht selbst in dem Bundesstaat auf; . . im ersten [Fall] handelt es sich nicht etwa bloß um die Gefahren des bösen Exempels solcher Absorptionsprocesse; Görtz 1852 Reise l 156 dieses Indianerdorf wird so wenig eine Zukunft haben wie die ganze Race, wenn auch dieser Weg ihrer [der Indianer] Absorption der . . christlichere ist; Hartmann 1869 Philosophie 284 Die Mystiker .. unterschieden . . eine grössere oder geringere Anzahl von Stufen; die letzte ist immer Absorption. . . Es wird gesagt, dass in der Absorption der Mensch nichts mehr von seinem Leibe fühlt; Faucher 1877 Culturbilder 178 ob es [München] der millionenstädtischen Absorption einen . . Widerstand wird zu leisten vermögen; Lamprecht 1906 Americana 31 Absorption der Kräfte; Onkken 1914 Aufs, l 115 dass das Deutschamerikanertum als sichtbarer Bestandteil in einem Absorptionsprocess ohne gleichen allmählich verschwindet; 1932 -33 Schweizer. Rundsch. XXXII 2,844 Absorptionskraft der Wirtschaft; ebd. 2,845 Absorptionsfähigkeit des Volkes; Th. Mann 1940 Reden u. Aufs. (W. XII 890) wenn sie [schwache Nationen] der herrenrechtlichen Absorption durch das Großreich Widerstand leisten; Haushofer um 1940 Kolonialgedanke 40 die Absorption (Aufsaugung) der vorangegangenen Kolonialstadien der Phöniker, Kreter, Ägypter . . durch Rom; Zeit 21. 6.1985 ebenso gewiß ist, daß Systemopposition und chronische Übertribunalisierung . . der politischen Absorptionsfähigkeit der Grünen an den Rändern des politischen Spektrums zugute kommen; ebd. 19. 7.1985 die Alternative ist die multikulturelle Gesellschaft .. Integration nicht mehr durch Absorption, sondern durch das Nebeneinander gleichgestellter Gruppen in einem Volk der Völker; Spiegel 11.6.1990 Die haben die Absorption der Öffentlichkeit durch die deutschdeutsche Diskussion genutzt, um einfach durchzumarschieren. absorptiv: Radotvitz 1851 Neue Gespr. I 52 Haben Sie Unionsgedanken? Sind es dann temperative oder absorptive? . . — ich will weder das Eine noch das Andere, sondern eine conservative Union.
abstinent Adj. (ohne Steigerung), seit früherem 16. Jh. nachgewiesene Entlehnung aus gleichbed. lat. abstinens, Gen. absünentis (Part. Präs, von abstinere 'abhalten, sich enthalten, fasten', aus ab(s) 'weg von . .' und tenere 'halten, festhalten'), anfangs in der Nebenform absünentis eh. Überwiegend fach- und bildungsspr. verwendet in der Bed. 'sich von verbotenem Genuß zurückhaltend, enthaltsam, maßvoll, züchtig, tugendhaft lebend' (vgl. asketisch, —» Asket), meist bezogen auf Genußmittel (vor allem Alkohol, Fleisch) und Sexualität; im 20. Jh. gelegentlich auch übertragen verwendet in bezug auf Pflichten
abstinent
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und Aufgaben im Sinne von 'sich abwartend, passiv, untätig verhaltend, sich verweigernd', z. B. politisch abstinent (sein). Dazu schon seit frühem 13. Jh. die auf (fielet. Form von) lat. Adj. abstinens (s. o.) zurückgehende seltene Personenbezeichnung Abstinent M. (-en; -en), anfangs auch mit lat. PL Abstinentes, als historische Bezeichnung für eine christliche Sekte des 3. Jhs. n. Chr., deren Anhänger sich der Ehe und des Fleischgenusses enthielten, in der Bed. 'Fastender, enthaltsam Lebender, Tugendhafter', bes. in bezug auf Genuß und Genußmittel, seit Ende 19. Jh. von Abstinenzler verdrängt (—» Abstinenz). Vom späteren 15. bis Anfang 20. Jh. das aus gleichbed. lat. abstinere (s. o.) entlehnte V. abstinieren 'sich enthalten, enthaltsam sein, fasten, hungern, keinen Alkohol trinken; sich (einer Sache, Angelegenheit) entziehen, sich passiv verhalten, sich heraushalten'; dazu das im 15. Jh. vereinzelt nachgewiesene Verbalsubst. Abstinierung 'das Sichenthalten', gleichbed. mit —>· Abstinenz. abstinent: Paracelsus 1529 S. W. I 7,131 domit die natur inwendig von der abstinentischen impostur nit herter verderbt werde; Albertinus 1599 Spiegel 460 ein munch . . der gar zu abstinent vnd abgesondert seyn wolte; 1824 Allg. Dt. Sach-Wb. I 53b abstinent mäßig oder enthaltsam (DWB N.); Kisch 1914 Ges. W. / 124 er habe bis zum einundzwanzigsten lebensjahre ganz abstinent gelebt, dann habe er mit einer gouvernante angebandelt (DWB N.); Frankf. Ztg. 4. 6.1943 Ihr verdanken übrigens auch die politisch abstinenten protestantischen Kirchen vielfach die wirksame Mitvertretung ihres Eigenlebens; Th. Mann 1952 Erz. (W. V1H 805) Und doch ist nichts eindrucksvoller . . als die geistgewollten geistbewirkten vitalen Zuströme, die . . aus dem schmalen und bläßlichen, wohl etwas brustkranken, sektiererisch abstinenten Jüngling von einst den breiten und stämmigen, lebensstolzen Mann, den rüstigen Zecher und starken Esser, den Eichbaum und den königlichen Greis machten; Grass 1962 Blechtrommel 150 Im Fotoalbum blätterte er, . . sprach dann Hitler oder den Beethoven . . an und schien auch vom Genie, das ja taub war, Antwort zu bekommen, während der abstinente Führer schwieg, weil Matzerath, ein kleiner betrunkener Zellenleiter, der Vorsehung unwürdig war; MM 28. 2.1985 Danach sind 56,3 Prozent der Patienten dieser Heidelberger Klinik nach 18 Monaten (bei halbjähriger Therapie) „trocken", während in der Gesamtstichprobe 55,2 Prozent abstinent leben; Zeit 18.10.1985 Also sind wir potentiell alle bedroht, wenn wir nicht sexuell abstinent oder in exklusiven Paarbeziehungen leben; ebd. 31.10.1986 Selbst wenn die Kommission bei den Sicherheitsnormen weiter abstinent bleibt und sich nur auf ihre Strahlenschutzbefugnisse beschränkt, dürfte sie einiges zu tun haben, um ihre Versäumnisse der vergangenen Jahre auszubügeln; MM 7.3.1987 Im Laufe der Jahre verfiel der Mann dem Alkohol und blieb auch im Dienst nicht abstinent.
Abstinent: um 1225 Lancelot l 348 hett man all geistlich lut geheißen abstinenten das ist als viel als die sich vor sunden hüten (DWB N.}; Albertinus 1599 Spiegel 460 ich rede . . nit von den verständigen bussern, sondern von den narrischen abstinenten; Hesse 1904 Camenzind 133 Mit desto größerem Vergnügen sah ich ein kleines drolliges Mißgeschick mit an, das bei einer Abstinentenfestlichkeit passierte; 12 Uhr Blatt 22.1.1935 Wer wiederholt unter Alkoholeinwirkung Gesetzesverletzungen begangen hat, dem wird für einen bestimmten Zeitraum der Genuß von Spiritus unter Strafandrohung für jede Zuwiderhandlung verboten. Der Hafenarbeiter Möller .. war einer dieser Zwangs-Abstinenten; Heuss 1963 Erinn. 61 Aber er soff, während Naumann, durch eine Reihe von Jahren unter ärztlichen Bedrohungen totaler Abstinent, eine Flasche Selterswasser neben sich stehen hatte; Frisch 1964 Gantenbein 75 ein gesunder und friedlicher Mann, Witwer, Abstinent (DUDEN); Zeit 8.2. 1985 Kein Wort über Leberwerte, aber die Information, daß Abstinente früher sterben als andere; MM 14.1.1988 Wer über 20 Zigaretten pro Tag rauche und einen Liter Wein täglich trinke, steigere das Risiko eines Speiseröhrenkrebses im Verhältnis zu den Abstinenten um das 44fache. abstinieren: Folz um 1460 Meisterlieder XXV 57 het er dar von nit abstinirt unss zu hoeren gewin (MÖLLER); Paracelsus 1536 S. W. l 10,369 abstinken . . in den offen scheden kein cur ist; Albertinus 1599 Spiegel 380 so halte ich das abstinieren vnd messig seyn für gantz schwer; 1677 Schaubühne 18 hernach abstinierte er sich von der Gesellschaft seiner Frauen, . . weil er zuvor geistlich gewesen; 3705 Auserlesene Anm. U 200 daß sie von Fleisch essen dazu sie von Kindes Beinen an waren gewehnet worden/ hätten abstiniren sollen; Messerschmidt 1725 Sibirien III 245 ich ließe ihn noch ohne medikamenten . . und befahle ihm, ab
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Abstinenz
omni cibo [von aller Nahrung] zu abstiniren und bloßes wasser .. zu trinken (DWB N.); Schön 1859 Geistesgestörte 308 unter den mittein, sich ums leben zu bringen, wählen sie [Kranke] manchmal den hungertod. mit den abstinirenden hat wohl jede irrenanstalt ihr schweres kreuz (DWB N.); BreuerlFreud 1909 Hysterie 48 die Kranke .. hatte die ganze Zeit vollständig abstiniert, war voll
Angstgefühlen, ihre halluzinatorischen Absencen erfüllt von Schreckgestalten, Totenköpfen und Gerippen. Abstinierung: um 1440 Rosenplüt 1156, 19 das regiment und die regierung stet nymmer in abstinirung (MÖLLER).
Abstinenz F. (-; ohne PL), schon im Mhd. (DIEFENBACH) entlehnt aus gleichbed. lat. abstinentia (zu abstinens, —> abstinent), anfangs selten in der lat. (flekt.) Form und in den Schreibformen Abstinencia, Abstinencie(n). Bis ins 19. Jh. vor allem medizinischer und kirchenspr. Fachausdruck, dann auch allgemeiner verwendet in der Bed. 'Enthaltsamkeit, Verzicht, Entbehrung, Entsagung, Einschränkung', zunächst bezogen auf Essen und Trinken, daher auch im Sinne von 'Fasten' verwendet (s. Beleg 1361), im Zusammenhang mit der Kardinaltugend der Temperantia 'Selbstbeherrschung, Mäßigung' vor allem im Mittelalter als allegorische Figur die Abstinentia geläufig (s. Beleg 1959). Bes. in der Zs. Abstinenzgebot als Bezeichnung für eine Regel der katholischen Kirche, nach der an bestimmten Tagen (Abstinenztagen) das Fleisch warmblütiger Tiere nicht gegessen werden darf. Seit Mitte 19. Jh., eventuell unter Einfluß von gleichbed. engl. (total) abstinence (s. Beleg 1871), zunehmend auch in bezug auf Sexualität, Genußmittel, Drogen und vor allem Alkoholgenuß, bes. in der Zs. Abstinenzbewegung als Bezeichnung für eine von England und den Vereinigten Staaten ausgehende, vom Guttemplerorden auch in Deutschland verbreitete Bewegung zur Bekämpfung des Alkoholismus, vgl. die Zs. Abstinenzverein 'Verein, der seine Mitglieder zur Enthaltung gegenüber Alkohol und Tabak verpflichtet'; in bezug auf Drogenkonsum auch in der Medizin in den Zss. Abstinenzerscheinung(en), -symptom für 'Folgen der Enthaltsamkeit, physische und psychische Reaktionen auf den Entzug von Suchtmitteln bei Suchtabhängigkeit' (z. B. vegetative Störungen, Depressionen, Delirien, Kollaps); in jüngster Zeit im Jugendjargon in bezug auf Drogen in Wendungen wie die Abstinenz bekommen 'Abstinenzerscheinungen zeigen' (s. Beleg 1971). Seit früherem 19. Jh. zunehmend übertragen verwendet, zunächst vor allem im politischen Bereich für 'Enthaltung, Zurückhaltung, ausweichendes, passives Verhalten', z. B. politische Abstinenz (—> abstinent), im 20. Jh. dann auch auf andere Bereiche ausgedehnt, bes. als Grundwort in Zss. wie Bühnen-, Fernseh-, Milch-, Machtabstinenz und als Bestimmungswort in der Zs. Abstinenztheorie als Bezeichnung für eine bes. im 19. Jh. vertretene Zinstheorie, die im Zins die Entschädigung für den Verzicht des Kapitalbesitzers auf unmittelbaren Konsum sieht; in der Rechtswissenschaft das lat. Syntagma abstinendi jus 'Recht, auf eine Erbschaft zu verzichten', dafür seit späterem 19. Jh. auch das (1870 bei Heyse) gebuchte, veraltete Subst. Abstention. Dazu seit spätem 19. Jh. die subst. Ableitung Abstinenzler M. (-s; -) 'enthaltsam lebender Mensch' (—»· Asket), gleichbed. mit früherem Abstinent (—» abstinent), gelegentlich negativ konnotiert mit „sektiererisch, verschroben, fanatisch", häufig in bezug auf —> Alkohol für 'überzeugter Antialkoholiker, entschiedener Alkoholgegner', bes. in der Zs. Abstinenzlerverein.
Abstinenz Abstinenz: 13. ]h. Klarissenregel 11 Von den suestern vasten unde ir abstinencia; Jeroschin um 1350 Kronike 25643 unde prempzte alle zit das vleisch mit abstinenzien vil (MÖLLER); Tauler 1361 Predigten 18,29 ez si in penitencien oder in abstinencien oder si gebet oder andaht; um 1490 Lanzelot 360 ein grosser dienär gottes mit grosser abstinencz des leibs (MÖLLER); Murner 1519 Guaiacum 10, § 4 mit hunger oder abstinentz (EKKEL); Emser 1520 Streitschr. l 108 mit gebothen der abstinentz; Paracelsus 1528 S. W. l 6,242 so ir etwas durch den hunger und abstinenz heilen, in hunger und abstinenz behalten muß werden; ders. um 1534 S. W. II 2,196 darauf wissent, daß alle die, so keuschheit halten und abstinenz wie Paulus, nit weniger seindt dann Paulus; Begardi 1539 Index Sanitatis 4a durch eyn nützliche abstinentz, oder abbruch essens und trinckens; Franck 1550 Krieg Büchlin 158u mit . . artzney/ abstinentz/ . . vnd grundt suppen/ der selben auß dem leyb purgiert; Paracelsus 1562 Spitatbuch H 2b Also auch mit der abstinentia daz du vnderstehest durch dasselbig zuuerzeren, dess stand ab . . lass sy baden, essen vnd trincken, darzu, so wird das alles, mit freuden vnd lust vollend; 1587 Faust 49 wolle er so weit kommen/ daß er einmal zur Besserung/ Rew vnd Abstinentz gerathen möhte; Albertinus 1618 Hirnschleiffer 486 drittens wirdt das feuer gelöscht durch die abstinenz, messig- und nüchterkeit; Drexel 1625 Weckuhr 270 die Abstinentz vnd gebürende Massigkeit; Callenbach 1714 E(clipses) 54 daß man die Cur-Gäste von der Abstinentz auf Freytag und Samstag absolviert; Hufeland 1797 Kunst 28 Denn nicht jedem ist es heilsam, die Abstinenz so weit zu treiben; Heine 1835 Romant. Schule 25 christliche Abstinenz und Entsinnlichung; Boas 1839-40 Nachtr. Schiller II 220 Es gibt eine Linie in den verworrenen und traurigen Verhältnissen der Höfe, über welche Furcht und Gewissensfeigheit sich nicht hinaus wagen, so wenig moralischen Werth eine solche Abstinenz von Verbrechen auch hat (KEHREIN); Heine 1849 W. VII 38 Borne nämlich war, wenn auch nicht in seinen Gedanken, doch desto mehr in seinen Gefühlen, ein Sklave der nazarenischen Abstinenz; vor 1871 Gartenlaube XVI 171a Total-Abstinence-Verein (SANDERS 1871); Nordau 1881 Paris I 286 Das Cölibat .. bedeutet zugleich die vollkommene Abstinenz; Fontäne 1887 Ges. W. I 2,201 Die bourgeoisie, die nie tief aus dem becher der humanität trank, war gerade damals von einer besonderen abstinenz (DWB N.); Henne-am Rhyn 1897 Kulturgesch. VII 244 Auf dem europäischen Festlande hat die Abstinenzbewegung in Schweden (hier seltsamer Weise „Absolutismus" genannt) zuerst Erfolge; Bunge 1904 Alkoholvergiftung 20 Forderung der totalen Abstinenz; Hegeler 1908 Ärgernis 253
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Es stellte sich heraus, daß er vom „Blauen Kreuz" war und außer der Abstinenz auch noch den Vegetarismus empfahl; Friedländer 1913 Morph. 11 Abstinenzsymptome [bei Morphinismus]; 1918 Deutschland 23 „Männer, die den Krieg nicht wollen, gleichen Frauen, die keine Kinder haben wollen." . . Mag ein Fünkchen Wahrheit auch in diesem Satze liegen, die Vernunft entdeckt doch leicht .., daß die Empfängnisabstinenz lebentötend ist wie der Krieg; Süddtsch. Ztg. 10.2.1954 Ob aber die politische Abstinenz in dieser Sache nicht doch andere Gründe hat; ND 18.1.1959 Auch die „militärische Abstinenz" wäre sehr gut; Welt 15.6.1959 Unter den Freskendarstellungen allegorischer Damen namens Abstinentia und Patientia („ausgerechnet" kicherte jemand) begab sich der Kanzler in bester Verfassung gewissermaßen „hinunter ins Volk"; Stuttgarter Ztg. 20.6.1969 Wegen der bestehenden Informationslücken hätte man sich die Kapitel über Geschichte und Kultur ausführlicher und detaillierter, die politische Abstinenz weniger ausgeprägt gewünscht; Stern 21.3.1971 und dann weiß ich, jetzt hast du nur noch für drei Stunden Stoff: Wenn du dir nicht bald was beschaffen kannst, dann bekommst du die Abstinenz. Das bedeutet Schweißausbrüche, Schüttelfrost, Magenkrämpfe und fürchterliche Halluzinationen; Hildesheimer 1977 Mozart 116 Im neunzehnten Jahrhundert glaubte man, den 'großen Meistern' alle Eigenschaften andichten zu müssen, die man für Tugenden hielt, vor allem die Abstinenz in jedem Sinne; MM 11.1.1985 Einzige Hilfe bei Alkoholismus: „Lebensumstellung mit völliger Abstinenz"; Zeit 18.1.1985 Nancy DeSalvo gewann die Unterstützung von Schuldirektoren und Elternbeiräten und begann, für die Fernsehabstinenz zu werben; MM 2.3.1985 Auch dieser Fall zeigt, daß der Gesetzgeber, der . . auf dem Felde des Arbeitskampfrechtes . . totale Abstinenz übt und das Gelände den Richtern überläßt, offenkundig seine Pflichten verletzt und Rechtsunsicherheiten fördert; Zeit 3.5.1985 Für den Regisseur Hans Neuenfels waren sie nach zweijähriger Abstinenz vom Theater Anlaß zur Rückkehr; ebd. 10.5.1985 Die Abstinenz, die Enthaltsamkeit des Bundes, hat nach zweijähriger Regierungstätigkeit dazu geführt, daß die Länder stärker, der Bund schwächer geworden ist; ebd. 2.8.1985 die Abstinenz von traditionellen Unionswählern; MM 12.9.1985 friedenspolitische Abstinenz; Zeit 4.4.1986 Die Abstinenz der Regierung in dieser Richtung ist fehl am Platze; ebd. 3.10.1986 Gefordert wird nicht die Abstinenz des Staates, sondern die aktive Steuerung; ebd. 8.5.1987 Bei Ferenczi galt das Tabu der körperlichen Berührung nicht, er war (im Gegensatz zu Freuds Ideal der Abstinenz) ein sehr aktiver Therapeut; MM 27. 5.1988 Nach Jahren der Bühnenab-
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Abstract
stinenz präsentierte sich Frank Zappa nun wieder dem Publikum; Spiegel 9.7.1990 Unter Mißachtung des Abstinenzgebots habe der Seelenarzt engste persönliche Beziehungen zu seiner Patientin aufgenommen; Stern 19.10.1990 bei der vom Elternhaus verordneten Fußball-Abstinenz; 1991 Wiener VI 16 Ich stelle nach langer Abstinenz wieder einen Draht zur Gesellschaft her. Abstinenzler: Liliencron 1896 Poggfred (W. XI 37) Ich werde, täuscht nicht Alles, Abstinenzler; Heinroth 1906 Enttäuschungen l SO „Gnädiges Fräulein sind hier Stammgast?" „Ja, weil ich hier nichts zu trinken brauche." . . „Gnädiges Fräulein sind Abstinenzlerin?"; Hegeler 1908 Ärgernis 253 Meine Firma ist wohl allgemein bekannt. Das heißt — zur Sicherheit für die Herren Abstinenzler — ich heiße Theodor Schnüttgen und führe die Weinstube am Markt; Munch. N.N. 6.6.1938 nur haben sie in ihren Augen nicht das magische Geglühe, das beispielsweise aus den Pupillen des seligen „Mister Roixroix" brach .. und in den Mädchen- und Memmenherzen von 15 bis 75 unter Miedern und Westen Verwirrung anrichtete wie eine Bouteille Korn in einer Abstinenzlerversammlung; Süddtsch.
Ztg. 30.7.1956 Ehren-Abstinenzler (Überschr.) Der Weltbund für alkoholfreie Kultur . . hat Salzuflens Bürgermeister Wilhelm Bünemann zum Dank für die freundliche Aufnahme in der Stadt zum Ehrenmitglied ernannt; MM 11.1.1985 „Abstinenzler galten bei uns als Outsider", bedauert Dr. Paul Erwin Odenbach, geschäftsführender Arzt der Bundesärztekammer in Köln, die künftig stärker als bisher auf die Gefahren des Alkoholmißbrauchs aufmerksam machen will; Zeit 8.2.1985 Ist der „Arbeitskreis Alkohol" so etwas wie ein Dachverband der „Anonymen Alkoholiker" und „Alkohol aktuell" eine warnende Abstinenzlerpostille?; MM 17.7.1986 Die Hauptarbeit leisteten dabei neben den Suchtberatungsstellen die mehr als 4500 Selbsthilfe- und Abstinenzlergruppen; Zeit 13.2.1987 „Kohlrabiapostel" hießen sie im Volksmund — die Vegetarier und Abstinenzler, die begeistert und beharrlich, oft genug auch mit fanatischem Sendungsbewußtsein für Milch und Müsli, gegen Fisch und Fleisch, Bier und Schnaps zu Felde zogen; Altner 1991 Naturvergessenheit 252 Aber sehr wohl ist von den konsequenten Tierversuchsgegnern zu erwarten, daß sie Vegetarier sind und im Blick auf die Pharma-Mogel eine vorbildliche Abstinenz an den Tag legen.
Abstract M., auch N. (-s; -s), auch abstract, im frühen 20. Jh. entlehnt aus gleichbed. engl. abstract (zu mlat. abstractus, —» abstrakt). Meist fachspr. verwendet vor allem im Bereich der Wissenschaftspublikation in der Bed. 'kurze, zusammenfassende Inhaltsangabe eines Artikels oder Buches; komprimierte Inhaltsübersicht; kurzer Abriß' (—> Abbreviatur Ib). Voss. Ztg. 19.4.1929 Social Science Abstracts (Überschr.) Diese neue amerikanische Zeitschrift macht es sich zur Aufgabe, ihre Leser in kurzen Zusammenfassungen (abstracts) über den Inhalt aller periodischen Veröffentlichungen . . [zu informieren]; f. Potenz 1985 Satzsemantik 4 Die Kapitel sind in der Regel leseökonomisch aufgebaut: Am Anfang steht meist eine Abstract-ähnliche komprimierte Übersicht über wesentliche Probleme und Ergebnisse, die im weiteren Verlauf detailliert ab-
gehandelt werden; Zeit 31.10.1986 eine Dokumentationsstelle, die die gesamte technische Fachliteratur . . sichtet und zu Abstracts verarbeitet; FAZ 10.1.1990 Der Übergang vom Buch zum Zeitschriftenartikel, von dort dann weiter zur Kurzfassung, zur Summary oder zum Abstract, sind die bekanntesten Beispiele für den verzweifelten Versuch, die Masse des Gedruckten einzudampfen (AWB).
abstrahieren V. (in)trans., seit spätem 16. Jh. nachgewiesen, über mlat. abstrahere in seiner Bed. 'begrifflich absondern, ableiten, abziehen (im philosophischen Sinn)' zurückgehend auf lat. abstrahere 'wegziehen, fortschleppen; gewaltsam trennen, abziehen, abhalten' (aus ab- "weg, fort' und trahere 'ziehen, schleppen'). l Zunächst als (zwei- oder dreistelliges) V. trans, verwendet: a Mit dem Akk. der Sache, meist mit der Präp. aus, seltener auch von, vor allem im Bereich von "Wissenschaft und Kunst in der Bed. 'das Allgemeine, Wesentliche aus dem Besonderen, Einzelnen herleiten, etwas gedanklich verallgemeinern, zum Begriff
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erheben; eine Erkenntnis ableiten, entwickeln', vor allem auf die Tätigkeit in wissenschaftlichen Denk- und Erkenntnisprozessen bezogen, z. B. allgemeine Regeln, Gesetze, Prinzipien, charakteristische Merkmale aus/von etwas abstrahieren, abstrahierendes Denken, Erkennen, selten auch ohne Präp. gebraucht, z. B. im Bereich der darstellenden Künste in der Wendung etwas (einen künstlerischen Gegenstand) bis zum Äußersten abstrahieren, gelegentlich gleichbed. mit —+ stilisieren b und —* typisieren l (s. Beleg 1985; vgl. aber 2); häufig auch adj. verwendet in der Part. Präs.-Form abstrahierend, z. B. abstrahierende Darstellung, Malerei, Formen (s. Belege 1964, 1985) und in der Part. Perf.-Form abstrahiert für 'undinglich', gleichbed. mit —» abstrakt l (s. Beleg 1986). Im 18.719. Jh. häufiger mit dem reflex. Dat. gebraucht sich etwas (aus etwas) abstrahieren (s. Belege 1782, 1869) und vereinzelt die scherzhafte Präfixbildung verabstrahieren. b Seit Anfang 18. Jh. fachspr. in der Chemie für 'etwas voneinander trennen, abtrennen, abscheiden', z. B. bezogen auf chemische Lösungen, auch 'etwas (z. B. einzelne Bestandteile aus einem Stoffgemisch) herauslösen, ausziehen' (gleichbed. mit —·· extrahieren). Vgl. daneben das vom frühen 18. Jh. (1727 bei Sperander) bis ins frühere 20. Jh. gebuchte fachspr. Subst. Abstraktiv(um) N. 'Saftauszug, -extrakt; Spiritus' (—» Extrakt). c Seit Mitte 18. Jh., meist mit der Präp. von, in der heute veralteten Bed. 'loslösen, absondern', selten auch reflex, gebraucht und auf Personen bezogen im Sinne von 'sich absondern, zurückziehen, isolieren' (—» absentieren), z. B. sich von seiner Umgebung abstrahieren. 2 Seit spätem 17. Jh. als V. intrans., meist mit der Präp. von, zunächst in der veralteten Bed. 'von etwas Abstand nehmen, abstehen, ablassen, auf etwas verzichten', z. B. in Wendungen wie von alltäglichen Dingen, von seiner Arbeit abstrahieren (s. Belege 1727, 1776). Gleichzeitig bes. im Bereich von Kunst und Wissenschaft weiterentwickelt zu der Bed. 'von etwas absehen, etwas außer acht/beiseite lassen, nicht in Betracht ziehen, nicht berücksichtigen', z. B. vom Konkreten, von zufälligen Einzelheiten abstrahieren, von der Form zugunsten des gedanklichen Gehaltes abstrahieren, seine Theorie abstrahiert von den realen Bedingungen; in neuerer Zeit gelegentlich auch ohne präp. Objekt verwendet, z. B. in der Wendung stark abstrahieren '(bei einer künstlerischen Tätigkeit) sehr abstrakt vorgehen und dabei von unwesentlichen Einzelheiten absehen' (s. Beleg 1969; vgl. aber la). Dazu seit Anfang 18. Jh. das seltene Verbalsubst. Abstrahierung F. (-; -en), zunächst in der Bed. 'das Absehen, Außerachtlassen von etwas' (zu 2; —> Abstraktion 3), im 18. Jh. vereinzelt in der Chemie für 'Absonderung, Trennung' (zu Ib; —» Abstraktion 2) und im 20. Jh. häufiger für 'das Ableiten des Allgemeinen aus dem Besonderen; Verallgemeinerung' (zu la), weitgehend gleichbed. mit —» Abstraktion 1. abstrahieren la: Fischart 1582 Garg. 248 Also pracht er Heimduckisch mit seim Supponiren vnnd abstrahiren den Plunder heim [nach der Disputationsszene]; 1705 Auserlesene Anm. // 187 abstrahiren; Wolff 1719 Gedanken d. menschl. Verstandes 30 Wenn man nun von dem abstrahiret/ wodurch die Sache ausser ihr determinirt wird, das übrige aber alles behält; so habe ich einen solchen Begriff/ der nichts als eintzelne Dinge unter sich begreiffet; Zedler 1732 Universallex. l 204 Damit
man aber nicht auf die Scholastischen Thorheiten verfallen möge, und weiter hinaus abstrahlte, als es in der Sache selbst seinen Grund habe, wie sie zum Exempel Albetudinem noch von der Albedine abstrahiret, welches sie abstractiones ultimatas nennen; Meier 1749 Anfangsgründe 114 von dem Vermögen zu abstrahiren. Wir abstrahiren von einer Sache, wenn wir uns dieselbe dunkelet vorstellen als etwas anders, und das Vermögen zu abstrahiren heist die Abstraction (abstractio).
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Wenn wir von einer Sache abstrahiren, so wird die Vorstellung derselben entweder ganz verdunkelt, dergestalt, daß wir uns derselben gar nicht mehr bewußt sein, oder der Grad der Klarheit wird nur vermindert; Mendelssohn 1757 Betr. l 173 Denen also, die nicht Genie genug haben, das idealische Schöne aus den Werken der Natur zu abstrahiren, kann die fleissige Beobachtung der Antiken wichtiger seyn, als die Betrachtung der Natur; Kinderling 1765 Br. 3 daß Artistoteles seine poetischen Regeln von den Gedichten seiner Zeit abstrahirt habe; 1782 Leipz. Intelligenz-Bl. 429a mann .. kann sich den getreusten Wegweiser aus dieser charte abstrahiren (DWB N.); Weinlig 1784 Br. II 11 setzte die Baumeister in Stand, Regeln zu abstrahiren; Schiller 1789 Universalg. (H. VI 259) denn nur der abstrahirende Verstand hat jene Errungenschaft, hat jene Wissenschaften voneinander geschieden; 1790 Origines Backet l 91 wie unsre Leser aus dem Verfolg der Geschichte selbst abstrahiren werden; Dalberg 1791 Ästhetik 45 Jede Wissenschaft entsteht auf folgende Weise: Erstlich wird der Begriff ihres Gegenstandes abgezogen (abstrahirt); Laukhard 1792 Leben II 363 Ich hatte desgleichen gelesen, gehört und mir es auch durch Reflexion abstrahirt; Goethe um 1810 Farbenlehre (HA XIV 254) wie wenig sich irgendeine Maxime aus der Färbung, welche neuere Künstler in ihren Gemälden angebracht, abstrahieren lasse; Hahnemann 1824 Organon 152 [kann] abgezogen (abstrahirt) und entnommen werden; Marx/Engels 1845 heil. Familie (MEW II 60) das Wesentliche an diesen Dingen sei nicht ihr wirkliches, sinnlich anschaubares Dasein, sondern das von mir aus ihnen abstrahierte . . Wesen; Reuter 1869 Br. 748 wie der arzt aus dem kranken körper sich den gesunden abstrahiert und rekonstruiert (DWB N.); Nürnberger 1877 Herzenssachen 278 Definition des Classischen, wie wir sie . . von dem Vorbilde der Griechen abstrahiren; Dilthey 1883 Einl. l 27 das abstrahierende Erkennen; 1928 Handb. d.Englandkunde I 245 das Danaergeschenk des abstrahierenden und mathematisierenden gefühlsfeindlichen Denkens des 18. Jahrhunderts; Partner 1964 Erben 99 in seiner abstrahierenden, geometrischen Formensprache .. ein kleines Meisterwerk; 1967 Urania l 77 des Mutes zum abstrahierenden und dialektischen Denken; MM 8.1.1985 seine Bleistiftzeichnungen . . gehen von der Grundform des menschlichen Torsos aus, der bis zum Äußersten abstrahiert wird; ebd. 14.8.1985 hat .. einen ornamentfreudigen .. Jugendstil in abstrahierender und stilisierender Wirklichkeit gemalt; Zeit 21.2.1986 es ist faszinierend, das abstrahierte Kulissenbild aus Pappe und Lattenholz vor den roten Rängen des TheaterTheaters selbst in Bilder zu verwandeln; MM 25.4.1986 ein stilisiertes Schlachtengetümmel, ab-
strahierende Historienmalerei; ebd. 28.3.1987 diese abstrahierende Mythologisierung rückte die Charaktere völlig in den Hintergrund, konzentrierte sich völlig auf die Musik; ebd. 10.6.1988 Neyers [Kunstmaler] abstrahierende, reduzierte Formen [Malerei]. verabstrahieren: Schlegel 1769 Fabeln 178 Wenn es [das Leben] der Wuchrer veraddiret,/ Der Philosoph verabstrahiret, Der Kritikus verdisputiret. Abstrahierung: Fränkel 1964 Deutschland 38 Die Tendenz zur Abstrahierung, Dogmatisierung und Systematisierung; Zeit 27.2.1987 die Hoffnung auf eine plötzliche Sinnerkenntnis, auf eine spontane Einsehbarkeit der Welt ohne Systematisierung und Abstrahierung; Meier 1988 Im Anfang 50 Die Abstrahierungsfähigkeit ist ebenso wie die Sprache eine Errungenschaft des menschlichen Bewußtseins. abstrahieren Ib: Ettner 1700 Apotecker 443 die solutiones geuß alle zusammen und filtrir sie, schütte sie in einen kolben und abstrahire den acetum (DWB N.); Zedler 1732 Universallex. I 205 Abstrahiren, heist in der Medicin abziehen, e. g. einen Spiritum . . abziehen; Oligomerisierung von Aethylen (Vortr. Freibg. 26.2.1971) daß . . ein tertiärer Wasserstoff vorliegt, der . . sehr viel leichter zu abstrahieren ist als der sekundäre Wasserstoff. Abstrahierung: Chomel 1750 Lex. l 624 das bleyertz, welches durch abstrahirung eines saltzes in einen . . flüssigen . . calcem gebracht worden (DWB N.). abstrahieren Ic: Möser 1756 W. IX 7 man kann dem verstände die mystische pflicht auflegen, an gott ohne den vorteil eines Vergnügens zu denken, .. so wird sich auch .. ein metaphysicus finden, welcher das gefühl des schönen von seiner wirkung abstrahiren kann; Bunsen 1929 Welt 168 ich könnte mich sehr gut von meiner Umgebung abstrahieren, und merkte sie kaum (beide DWB N.). abstrahieren 2: Thomasius 1688 Monats-Gespräche 31 habe aber stets einen Abscheu für deren darinnen [in Romanen] enthaltenen Scurrilitäten vnd Saupossen gehabt/ auch von denen selben iederzeit abstrahiret; 1693 (Moser, StaatsR 30, 285) daß von dem matricular-anschlag abstrahiret und die contingentien nach anzahl der innlaendisch-eigenen mannschafft repartirt werden moechten (DRW); Leibniz 1699 Br. a. Gabel II 23 Es wird aber darinnen nöthig seyn, nicht nur von den Rutoribus des von mir Communicirten zu abstrahi-
abstrakt ren; Wening 1701 Bayern I cb abstrahiert!; Wahl 1723 Poesie 9 und bey Leuten, so nicht Studiret haben, abstrahiret man billig von allen gelehrten Grillen; Sperander 1727 A la mod Sprach 6 Abstrahiren, von etwas abstehen/ nichts mit zu thun haben wollen; Belemnon 1728 Bauernlex. 3 Abstrahlten, Abziehen . . ablassen; Schnabel 1731 Felsenburg I 38 ob ich meiner hefftigen Liebe ferner nachhängen . . oder wegen der damit verknüpfften . . Gefährlichkeiten gantz und gar davon abstrahiren wolte; Lichtenberg 1764 Aphorismen l l Um eine allgemeine Charackteristick zu Stande zu bringen müssen wir erst von der Ordnung in der Sprache abstrahiren; ebd. 111 wenn wir allgemeine Regeln zu einem . . vergnügten Leben geben wollen, so müssen wir .. von dem abstrahiren, was eine gar zu große Verschiedenheit in die Betrachtungen bringt; Kinderling 1765 Br. 315 Aber in dieser Fortsetzung (ich abstrahire von der Poesie) wird man beinahe repirt; Lessing 1776 Br. (S. Sehr. XV111 145) hieraus werden Sie schon abnehmen, daß ich von allen Projekten auf hier abstrahire, besonders da man mir von Braunschweig aus die besten Versicherungen machen lassen; Schiller vor 1805 Br. III 81 Wenn von dem empirischen Begriff der Komödie und des komischen Heldengedichts ganz abstrahirt wird (KEHREIN); Goethe 1812 Dichtung u. Wahrh. (HA IX 383) betrachten wir sie [Fassade] bei Tage und abstrahieren durch Kraft unseres Geistes vom Einzelnen; Marx/Engels 1843 Verbot d. „Leipz. Allg. Ztg." (MEW I 162) daß man bei der Volksvertretung von den wirklich vorhandenen Unterschieden abstrahire; dies. 1845 heil. Familie (MEW11190) schon Plato hat die Einsicht besessen, daß das Gesetz einseitig sein und
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von der Individualität abstrahieren muß; Ranke 1845 Briefwerk 332 Ich abstrahiere von allen persönlichen Beziehungen: keine Bitterkeit komme in mir auf; Landsteiner 1860 Leben 115 Sprechen Sie mit dem nächst besten und abstrahiren Sie von Ihrem Aeußern; Th. Mann 1936 Reden u. Aufs. (W. X 341) von dieser abstrahierend, würden wir sie nicht kennen und nicht verstehen; 1967 Urania I 14 bei der Preisgestaltung . . darf man nicht von dem . . materiellen Interesse abstrahieren; MM 28.6.1969 Hans Jaenisch und Heinrich Klumbies . . abstrahieren dagegen in ihren kultivierten Arbeiten stark (DUDEN); Schwimmeisterschaften (Reportage SWF l, 9.8.1970) wenn wir abstrahieren von diesen sportlich recht belanglosen Staffelmeisterschaften und zurückblicken auf die gesamten Meisterschaften, dann können wir sagen, daß es doch Lichtblicke für die Europameisterschaft . . gibt; Zeit 4.10.1985 quantitatives Wachstum . ., das . . in von der konkreten Stofflichkeit abstrahierenden Geldsummen gemessen wird; MM 25.5.1987 wie vom Konkreten abstrahieren und doch gleichzeitig Konkretes bringen?; Keller 1990 Sprachwandel 154 sollen Linguisten Sprache in erster Linie vom Sprecher abstrahierend als . . autonomes Gebilde betrachten? Abstrahierung: 1711 Gesch. Kees II 501 habe ich . . ersehen, wie derselbe nach Inhalt des . . befehls . . mit abstrahirung von allen dilatoriis sich in mentis nicht eingelassen; Zinzendorf 1732 Socrates 207 klügere leute, die mit abstrahirung von allen äusserlichen gottesdienst . ., denjenigen für einen christen halten, welcher ein unsträfliches leben führet (beide DWB N.).
abstrakt Adj., seit spätem 15. Jh. nachgewiesene Entlehnung aus gleichbed. mlat. abstractus (Part. Perf. von lat. abstrahere, —> abstrahieren), im 18. Jh. vereinzelt die Nebenform abstraktisch (s. Beleg 1758). l In der allgemeinen Bed. 'vom Konkreten (als dem sinnlich erfaßten Gegenständlichen, Besonderen) gedanklich abgezogen, aus ihm ausgegliedert und (systematisch) als allgemein, charakteristisch, typisch herausgestellt, verallgemeinert; rein begrifflich, an und für sich, als Begriff gedacht', auch 'auf Abstraktion beruhend, gerichtet, darin vertieft' (—» Abstraktion 1; Ggs. —* konkret). a Zunächst bes. in der Philosophie, dann auch allgemein in Wissenschaft und Kunst vor allem auf die Tätigkeit des Abstrahierens (—» abstrahieren l a) und deren Ergebnis bezogen für 'die wesentlichen, gesetzmäßigen, charakteristischen o.a. Züge, Merkmale aus etwas Konkretem, sinnlich Wahrnehmbarem (z. B. aus Phänomenen der realen Welt) ableitend', früher häufig im lat. Syntagma in abstracto 'im allgemeinen, rein gedanklich, von der konkreten Situation abgesehen, an sich (betrachtet)' (Ggs. in concreto 'im Besonderen, in Wirklichkeit, tatsächlich'), bes. in Wen-
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düngen wie abstrakt denken, sich im Abstrakten bewegen, abstrakte Begriffe, Theorien, Vorstellungen, Größen, bes. abstrakte Wissenschaften als Bezeichnung für die sog. reinen Wissenschaften (z. B. Logik, Mathematik, im Unterschied zu den angewandten Wissenschaften) und abstraktes Substantiv, auch Abstraktsubstantiv, gleichbed. mit —» Abstraktum 2; gelegentlich auch für "tiefsinnig', z. B. ein abstrakter Kopf, Denker, eine abstrakte Erörterung, Diskussion. Von daher seit späterem 18. Jh. eingeschränkt auf die Bed. 'sich nur im Gedanklichen, Theoretischen bewegend und keinen unmittelbar feststellbaren Bezug zur Wirklichkeit aufweisend; nicht sinnlich, unkörperlich; nur gedacht, vorgestellt, angenommen, gesetzt; nicht wirklich, rein theoretisch' (s. Belege 1798, 1823, 1917); häufig auch eher leicht abwertend verwendet im Sinne von 'zu theoretisch; geistig, gedanklich zu hoch und daher unscharf, unzugänglich, fremd, un-, schwerverständlich' (s. Belege 1765, 1810, 1984), z. B. diese Antwort, dieser Text ist mir zu abstrakt, sich im Abstrakten verlieren, sich abstrakt ausdrücken, abstrakt daherreden. b Seit Ende 19. Jh. zunehmend auf künstlerische Darstellungsweisen, Techniken und Produkte bezogen in der Bed. 'in bewußter (künstlerischer) Absicht von der konkreten Wirklichkeit absehend oder diese reduzierend und daher nicht etwas sinnlich Wahrnehmbares, Gegenständliches, sondern den gedanklichen Gehalt, das Allgemeingültige, die wesentlichen Grundstrukturen von etwas darstellend' (—> abstrahieren 2), bes. in Wendungen wie abstrakte Kunst (etwa seit 1910) als Bezeichnung für eine von jeder gegenständlichen Darstellung losgelöste Kunstrichtung bes. in Malerei und Plastik, die keine Vorstellungen von der äußeren Wirklichkeit vermitteln, sondern den geistigen Kern eines Objektes erfassen will, dafür gelegentlich auch gegenstandslose, absolute Kunst, vgl. auch abstrakte Dichtung, abstrakter Expressionismus, abstrakt malen und bes. abstrakter Maler, dafür auch die Personenbezeichnung Abstrakter M., meist im PL die Abstrakten (s. Belege 1956, 1992), als Name für eine Gruppe expressionistischer Maler, die zu Beginn des 20. Jhs. mit der Abwendung von gegenständlicher Darstellung eine bestimmte Richtung der abstrakten Kunst begründeten (s. Beleg 1986); in neuerer Zeit gelegentlich auch eher abwertend gebraucht im Sinne von 'unanschaulich, ausdrucksarm; leblos; wirklichkeitsfremd'. 2 Seit Mitte 18. Jh., vor allem bezogen auf Denken, Fühlen, Verhalten und Handeln von Personen in der Bed. '(vom lebendigen, gesellschaftlichen Ganzen) losgelöst, abgetrennt, herausgelöst aus einem Zusammenhang, für sich allein stehend, auf nichts bezogen, beziehungslos, abgesondert'. Dazu seit Mitte 19. Jh. die subst. Ableitung Abstraktheit E (-; -en ungebr.) 'das Abstraktsein; Allgemeinheit; Unanschaulichkeit' (zu la); im früheren 20. Jh. das seltene Subst. Abstraktismus M. (-; ohne PL) 'abstrakte Kunstrichtung; Neigung, Tendenz zur abstrakten künstlerischen Darstellung' (zu Ib). Daneben das Ende 17. Jh. vereinzelt, erst seit dem 19.720. Jh. häufiger nachgewiesene, auf mlat. abstractivus, abstractive (Adv.) 'absondernd, allgemein (im philosophischen Sinn)' zurückgehende Adj. abstraktiv, anfangs in der Adv.-Form abstraktive, in der Bed. '(etwas) durch Abstraktion herausstellend, ausgliedernd, ableitend, verallgemeinernd; abstrahierend (gewonnen); Abstraktes ausdrückend'; im früheren 20. Jh. die verbale Gelegenheitsableitung abstraktifizieren 'etwas zu einem Abstrak-
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turn machen, als Abstraktum behandeln' (- Abstraktum 1) mit dem Verbalsubst. Abstraktifizierung (alle zu l a). abstrakt la: Hueber 1477 (Müller, QuSchr. 369) die abstract wortter; Melker 1481 Voc. o. S. Abstractum, abgezogen in sinem wesen; Lüttichau 1669 Pansophia 55 diese . . Schönheit in ihrer abstracten und universalen essentz (DWB N.); Weise 1673 Erznarren 188 Die Welt will sich lieber in abstracto, anreden lassen, und es scheint annehmlicher tua serenitas, als tu, ob man gleich nicht leugnen kan, daß viel Redens-Arten bey solchen weitläufftigen abstractis zu schänden werden; Wagner 1724 Soldatenbibl. 126 darunter viele [Leute] nicht geschickt sind solchen abstracten Materien nachzuhängen und . . nicht das geringste davon verstehen; Philippi 1743 Witz u. Geschmack 194 abstracte Ideen; Geliert 1747 Schwestern (S. Sehr. 111 27) Denn wenn man mit Ungelehrten zu thun hat, die nicht abstrakt denken können; Mendelssohn 1755 Gespr. I 13 die abstracten Grundwahrheiten; 1757 Leipziger Sammlungen XII 270 in abgezogenen (Abstracten) Begriffen; Gottsched um 1758 Gedichte 593 Über diese Wörter (concretisch und abstract) ist vormals ein so heftiger Streit unter den Königsbergischen Schriftgelehrten entstanden, dass auch die Ungelehrten Theil daran genommen, und sogar die Mägde auf dem Fischmarkte, wen sie sich gezanket, einander concretische oder abstractische Huren gescholten haben (REICHEL); Rabener 1759 Satiren l 57 Spuren einer abstracten Gelehrsamkeit; 1761 Geheimnisse 49 als sich den Kopf mit solchen abstracten Schulfuchsereyen zu zerbrechen; Meier 1762 Vernunftlehre (Reg.) abstracte Begriffe; Winckelmann 1764 Empf. d. Schönen I 263 das Abstracte oder blos Schöne; Basedow 1764 Philatelie l 147 Von abstracten Wahrheiten und Irrthümern; Dusch 1765 Br. 11 337 allen abstracten Gedanken Leben zu geben; 1765 Allg. dt. Bibl. 11,174 die Büchersprache, die zu abstrakt ist; Lichtenberg 1766 Aphorismen I 23 in Abstracto; Lenz 1772 (Stöber 1842 Lenz 871) die Schönheit in abstracto; Abel 1786 Seelenlehre 76 nicht blos individuelle Ideen, sondern auch alle übrigen, die abstrakten, die unsinnlichen; Smith 1794 Nationalreichtum (Übers.) l 50 die Natur des Gegenstandes, der an sich äusserst abstract ist; Goethe 1795-96 Lehrjahre (HA VIII 197) daß er das schöne flektierte Verbum: dum fierunt, in ein traurig abstraktes Substantivum verändert habe; ebd. VW 296 alles Abstrakte wird durch Anwendung dem Menschenverstand genähert, und so gelangt der Menschenverstand durch Handeln und Beobachten zur Abstraktion; Weikard 1798 Arzt I 98 Erkenntniß, wo der Inhalt weder mittelbar noch unmittelbar durch die Sinne gegeben ist, sondern durch die Vernunft selbst . . ist abstractes Hirnge-
spinnst oder Unsinn; Schiller vor 1805 Br. l 145 Viele klagen über die abstracten Materien (KEHREIN); Goethe um 1810 Farbenlehre (HA XIV 184) ja manches Abstrakte, Abstruse läßt sich in die gewöhnliche Sprache nicht übersetzen; ders. 1823 Br. (WA IV 37,122) damit ich mich nicht in's Abstracte oder wohl gar Absolute verliere; Wackernagel 1836 Poetik 440 das Wort abstrakt . . Sagt man . . wie zuerst Leibniz hat wollen, zu deutsch abgezogen, so muß jeden Unbefangenen die Willkür verletzen, die man hier der Sprache antut, und er wird eher sinnlicherweise an .. abgezogene Tiere denken als an abstrakte Begriffe; Schopenhauer 1840 Moral 80 allein diese [Motive] sind meistens nicht anschauliche, sondern abstrakte Vorstellungen, d. h. Begriffe, Gedanken; ebd. 126 keine absolute Gesetzgebung für alle vernünftige Wesen in abstracto enthaltend; Herbart 1841 Vorlesungen 148 abstrakte Sprache; Thümmel 1853 Reise l 42 Die abstrakteste Wissenschaft war jetzt sein Spielwerk; Hartmann 1869 Philosophie 182 kann sich wohl das bewusste Denken in abstracto, aber schwerlich der bewusste Wille in concrete losreissen; Hillebrand 1881 Jahrh. d.Revol. 69 Shakespeare . ., den eine Zeit, die nur an Darstellung der Leidenschaften in abstracto Gefallen fand, nicht hatte verstehen können; Tönnies 1906 Term. 31 Bildung „abgezogener" (wie man im 18. Jh. „abstrakt" ins Deutsche übersetzte) Begriffe; Wildenbruch 1917 Neid 84 Was ein guter Jurist sein will, das muss denken können wie ein Mathematiker, ganz unkörperlich, was man so abstrakt nennt; Th. Mann 1924 Zauberberg (W. Ill 93) das humanistische Gymnasium — nennen Sie mich rückschrittlich, . . aber grundsätzlich, in abstracto, . . bleibe ich sein Anhänger; ebd. Ill 283 immerfort wirkt er berichtigend auf dich ein, abwechselnd in Form von Geschichten und in abstrakter Form; ebd. Ill 971 das Abstrakte, das . . Ideelle ist zugleich auch das Absolute; ders. 1925 Reden u. Aufs. (W. IX 177) als Poet nach der Verkörperung von etwas Abstraktem zu streben; 1930 Nord u. Süd LIH 374 der Tatmensch flüchtet sich zuweilen ins Abstrakte und Idyllische; Lokal-Anz. 24.2.1933 Wertvoller als alles Debattieren, als Zank um abstrakte Doktrinen sei . . das Bestreben, Typen in Wesen,. . Raum und Volk zu erforschen; Th. Mann 1947 Faustus (W. VI 354) Größenordnungen .., die sich im Theoretischen und Abstrakten, im völlig Unsinnlichen . . verlieren; Hellpach 1951 Sozialpsych. 76 Diskursiv . . „abstrakt", begrifflich; Bollnow 1962 Mass 67 handelt es sich um die Übersetzung abstrakter lateinischer Ausdrücke, wie Hochheit als Wiedergabe von altitudo; 1967 Urania l 75 das
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Denken, das vom Konkreten zum Abstrakten aufsteigt; FAZ 11.2.1971 Wie diese . . abstrakten Formulierungen . . in die Praxis umgesetzt werden; Sloterdijk 1983 Kritik 153 Die Lohnarbeit schafft abstrakten Wert. Sie ist produktiv, ohne kreativ zu sein; Strauß 1984 Mann 42 Vielleicht habe ich zu abstrakt geredet, zu weit ausgeholt; Zeit 29.3.1985 unermüdlich wird das Besondere aufgeboten gegen das Abstrakte und Allgemeine; MM 13.4.1985 Abstrakt betrachtet sind solche Daten für Arbeitgeber und Arbeitnehmer gleichermaßen interessant; Zeit 26.4.1985 „Texterfassungsplätze" stehen da, in deren Speichern viele hundert Schriften . . im elektronischen Schlummer liegen, körperlos, unsichtbar, abstrakt, allein durch elektrische Impulse abzurufen; ebd. 17.5.1985 man schätze viele soziale Ideen Johannes Pauls II., andere seien zu abstrakt, verschwommen, einseitig; ebd. 31.5.1985 Arbeitslosigkeit ist ein abstrakter Begriff; ebd. 13.9.1985 gemeinsam war beiden das Bemühen, Einstellungen . . zu verändern und nicht abstraktes Wissen zu vermitteln; MM 8.2.1986 Die Figuren, die Gertrude Stein auf die Bühne bringt, wirken eigentümlich abstrakt und unscharf; Zeit 11.4.1986 bleiben viele interessante Entwürfe abstrakt, fremd, unzugänglich; Zimtner 1986 Redens Arten 107 Zuweilen ist er [Jargon] überhaupt das Abstrakteste vom Abstrakten; Keller 1990 Sprachwandel 78 Chomsky ist der Meinung, daß das, was wir landläufig „die Sprache" nennen, ein abstraktes Phantasma ist. Abstraktheit: Reuter 1848 B. VII 532 die deutsche Wissenschaft in ihrer unergründlichen gründlichkeit, in ihrer geisterhaften abstraktheit (DWB N.); Benjamin 1913 Br. I 93 Dies ständig vibrierende Gefühl für die Abstraktheit des reinen Geistes möchte ich Jugend nennen; Th. Mann 1930 Reden u. Aufs. (W. XI 782) wenn nachher der Eindruck fast unheimlicher Abstraktheit zurückblieb, so blieb auch derjenige .. des intellektuellen Edelmutes; 1931 Mitt. Geogr. Ges. Wien LXXIV 19 lange schon hat uns die Statistik geärgert mit ihrer Abstraktheit und Landfremdheit; Th. Mann 1933-43 Joseph (W. /V/V 1288) an ein . . Fadheitsgefühl beschämender Abstraktheit und Allgemeinheit zu appellieren; ders. 1947 Faitstus (W. VI 95) das ist eine Art von Abstraktheit, ungefähr wie der entkleidete Körper abstrakt ist; ebd. VI 580 fürchte mich vor der Abstraktheit eines solchen Briefwechsels; Heisenberg 1955 Naturbild 10 brachte ein Element von Abstraktheit und Unanschaulichkeit in das sonst scheinbar so einleuchtende Weltbild; Zeit 11.1.1985 im Zustandsraum eines chaotischen Systems glauben die Theoretiker ein Gebilde zu sehen, das wegen seiner Abstraktheit zum Sinnbild für die gesamte Chaosforschung geworden ist: ei-
nen „seltsamen Attraktor"; MM 22.10.1986 so steht jede Wissenschaft, selbst wenn sie sich wegen der Abstraktheit ihrer Gedankengänge . . über eine Risikodiskussion erhaben wähnt, stets auf dem Prüfstand der Gesellschaft. abstraktiv: 1692 Novellen 256 muss in seiner Natur, und wie man in Schulen redet, abstractive verstanden werden; Görres 1836—42 Mystik 376 Es folgt nun der vierte Grad höherer Anschauung, hier die abstractive genannt, auch wohl die mittelbare (KEHREIN); Th. Mann 1908 Reden u. Aufs. (W. X 39) [beruht] auf einer abstraktiven Leistung; Litt 1919 Individuum 128 abstraktion aus der Vielheit des wirklichen und denkbaren .. und erhebung des abstraktiv gewonnenen zur allgemeingültigen norm, das ist die aufgäbe des gesetzgebers (DWB N.); Th. Mann 1938 Reden u. Aufs. (W. IX 552) sie handelt von dieser Erkenntnis . ., aber sie lehrt sie nicht, kann sie nicht lehren, denn sowenig je abstraktive Ästhetik einen Künstler gemacht hat, sowenig lehrst oder lernst du die Tugend; Conrad-M. 1938 Ursprung 333 es bedarf nur eines einzigen exemplars eines gliedertiers oder Wirbeltiers .., um an ihm . . die typische anatomische grundkonstruktion abstraktiv zu erfassen (DWB N.); Leib fried 1970 Identität o. S. die Betrachtung eines humoristischen Textes z. B. auf das hin, was abstraktiv an ihm herauszuheben ist, was sich also bei einer Reihe von humoristischen Texten . . als identisch erweist; . . dieses Textstück zeichnet sich also durch zwei poetologisch relevante Konstituenten aus: durch das Anekdotische und durch das Witzige, man könnte auch noch andere konstitutive Momente abstraktiv aufweisen; . . abstraktiv sind diese Momente (anekdotisch, witzig, elitär), weil sie am Konkreten selbst nicht anzutreffen sind; Utz 1970 Ethik o. S. [als] die letztgültige, konkrete Norm für das abstraktive Erkenntnisvermögen ist zur Erkenntnis eines konkreten Objekts die sinnliche Erkenntnis notwendig; Fleischer 1978 Geschichtsprozeß 178 Prozeßmodalitäten, die sich zwischen abstraktiv fixierten Instanzen abspielen, nicht unmittelbar im Handlungsraum der Menschen als der „Subjekte" des Prozesses. abstraktifizieren: Reinhardt 1937 Vermächtnis 12 Anm. als dämonisches Wesen gedeutet . ., das zum Abstractum hinterher sich erst entwickelt, sich „abstraktifiziert" hätte. Abstraktifizierung: Reinhardt 1937 Vermächtnis 12 Anm. Seine Formel für Eros, Phobos, Nemesis . . lautet: „Nicht Personifizierung von Abstrakten, sondern Abstraktifizierung von Daemonen".
abstrakt abstrakt lb: 1899 Die Insel l 73 was verdient bei uns ästhetische beachtung, wenn man von der ganz abstrakten kunst absieht? (DWB N.); 1929 Dtsch. Rundsch. LVl 268 [der] abstrakte Film; Lokal-Anz. 7.7.1933 Man kann heute abstrakt malen, und man kann nach der Natur malen; Th. Mann 1945 Reden u. Aufs. (W. XII 392) die großen Abstrakten in der Phrygiermütze: dem Ästheten erschien das ein geistiger Unfug; Süddtsch. Ztg. 2.4.1950 Sie ist nicht jedermanns Sache, die sogenannte abstrakte Malerei, die in der Schweiz „konkrete" genannt wird und in Amerika „non figurative" . . die Welt der Vorstellung . . drängte zur Sichtbarkeit, am reichsten bei Paul Klee, der jedoch nur wenige rein abstrakte Bilder gemalt hat; Näf 1954 Bilder 159 abstrakt und konkret ist alle Kunst als solche, indem sie den Dingen zunächst ein Geistiges absieht, welches sie alsdann den Sinnen darstellt; 1954 Begegnungen 141 Ausstellung abstrakter Kunst; Sedlmayr 1955 Revolution 10 die sogen, abstrakte (absolute) Malerei und Plastik; Biermann-Ratjen 1955 Kultur 155 ein sogenannter „Abstrakter" [Künstler]; Süddtsch. Ztg. 6.4.1955 Streitgespräch über die Abstrakten; ebd. 18.8.1956 Es ergibt sich . ., daß die Gegensätze innerhalb der Malerei der einzelnen Länder geringer sind als die Gemeinsamkeiten. Das gilt besonders für die „Abstrakten"; Jünger 1956 Sprache 23 Falsch ist es, von abstrakter Kunst zu reden. Eine solche hat es nie gegeben. Abstrakt und gegenstandslos sind Begriffe, die auf ganz verschiedenen Ebenen liegen; Süddtsch. Ztg. 25.1.1957 Vor abstrakten Bildern fallen die Hühner nicht mehr in Ohnmacht, . . wie es ironisch auf dem Plakat einer Pariser Ausstellung von Gegnern der Abstraktion dargestellt war; ebd. 27.10.1962 Vor einer Baisse der abstrakten Kunst? (Überschr.) Man mache sich . . keine Sorgen darüber, daß die „abstrakte" Kunst grundsätzlich unverständlich sei. Sie ist es nur für Menschen, die „unmusikalisch auf den Augen" sind; 1963 Definitionen 157 Gibt es abstrakte Dichtung?; Hochgesang 1965 Mythos 72 Was die gegenwärtige Kunstdiskussion am meisten verwirrt, ist der vielseitige Gebrauch des Wortes abstrakt; Zeit 12.4.1985 nicht erst die Abstrakten nutzen die Lizenz der Doppelbödigkeit; ebd. 26. 9.1986 das Fest der Abstrakten hat viele Züge . .: Picasso und Braque, Mondrian und Kandinsky .., Gontscharowa und Larionow, andere russische und weniger bekannte . . Abstrakte — eine . . Versammlung von Kostbarkeiten; MM 1.12.1986 das Abstrakte dominiert, Figürliches bleibt in der Minderzahl; ebd. 28.3.1987 unter dem Eindruck des Kubismus und des Werkes von .. Kandinsky schuf er 1915 seine ersten gegenstandsfreien Bilder: einerseits lyrischabstrakten Prinzipien folgend; ebd. 30.3.1987 wieder mehr Farbe, größere Dichte, im ganzen jedoch
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noch abstrakter, ganz auf einen künstlerischen Kerngehalt reduziert; Zeit 17.4.1987 abstrakter Expressionismus, Pop-, Minimal-, Concept-art, neuer Expressionismus; Ortheil 1987 Schwerenöter 99 Theo liebte alles Abstrakte, das er auf Teppichen, Tapeten, ja selbst auf Vorhängen wiederfand; MM 28.6.1988 die Gruppe verstand sich als Unterabteilung der Berliner Künstlergruppe „die Abstrakten"; ebd. 3.3.1992 Als herausragender Vertreter der figurativen Malerei wehrte er [Hofer] sich gegen die scharfen Attacken der „Abstrakten" um Willi Baumeister, Fritz Winter und Ernst Wilhelm Nay. Abstraktismus: 1930 Volkstum u. Kultur d. Romanen 111 279 Abstraktismus des 18. Jahrhunderts; Brach 1938 Br. X 367 Verbindung zwischen Naturalismus und Abstraktismus. abstrakt 2: Ramler 1746 Briefw. 1 50 ich habe den büchersaal heute in der kirche durchgelesen, und habe recht gethan, denn ich wäre doch nicht so abstract gewesen, daß ich bey lauter lächerlichem gewäsche etwas gottesdienstliches hätte dencken können; Varnhagen 1811 Briefw. 88 halb träumend ging ich so umher; mir sagend, es ist besser, daß du hier gehst, als einen einsamen abstrakten spaziergang zu machen mit denen, die nicht die rechten sind (beide DWB N.}; Goethe 1825 Gespr. Kanzler Müller o. S. Die Geschäfte müssen abstract, nicht menschlich mit Neigung oder Abneigung .. behandelt werden (GWB); Marx/Engels 1845 heil. Familie (ME W // 106) [er] trennt . . die Feder vom schreibenden Subjekt und das schreibende Subjekt als abstrakter Schreiber von dem lebendigen geschichtlichen Menschen, welcher schrieb; Eisenhart 1881 Gesch. Nationalökonomik 217 den anlagen und bedürfnissen des abstrakten und individuelllen menschen statt des geschichtlichen und gesellschaftlichen (DWB N.); Welt 10.3. 1954 den Marxismus-Leninismus nicht mehr als eine abstrakte, weitabgewandte Sammlung von Dogmen darzustellen; Gail 1958 Weltraumfahrt 132 ganz abstrakte und scheinbar abseits liegende Forschungsergebnisse; Jaspers 1958 Atombombe 290 abstraktes Denken wird unwahres Denken, wenn ein endlich Bestimmtes den Anspruch erhebt, beziehungslos an sich wahr zu sein, daß heißt wenn es verabsolutiert wird; ebd. 292 diese stolze, abstrakte Selbständigkeit zahlte den Preis, im Bunde mit Rußland gegen England vorzugehen; . . die Selbstbehauptung ist konkret mit der anderen, wird abstrakt in ihrer Isolierung; . . so wird die amerikanische Politik, die konkret das Ganze der freien Welt vertritt, abstrakt, wenn sie die anderen nicht als Partner . . ansieht; Zeit 5.4.1985 als den
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Abstraktion
unsichtbaren, abstrakt gewordenen Monarch schildert letzteren Hermann Broch, als den Inhaber einer bloß noch symbolischen Funktion; MM 5.7.1985 in ihnen haben die Etrusker eine ab-
strakte Existenz bewahrt, einen unterirdischen, nie eroberten Lebensraum, den ihnen Rom durch ihre .. Unterwerfung oberirdisch streitig gemacht hatte.
Abstraktion F. (-; -en), seit spätem 16. Jh. selten, seit Anfang 18. Jh. kontinuierlich nachgewiesene Entlehnung aus spätlat. abstractio, Gen. abstractions (zu lat. abstrahere, —* abstrahieren), im 18. Jh. auch in der lat. (flekt.) Form. 1 Vor allem im Bereich von Philosophie, Wissenschaft und Kunst, dann auch allgemeiner und eher bildungsspr. verwendet: Zunächst als nomen actionis zur Charakterisierung der Tätigkeit des Abstrahierens in Denkprozessen (—» abstrahieren la) im Sinne von 'Verallgemeinerung (zum Begriff), Begriffsbildung', insbes. 'das systematische Heraussondern, Ausgliedern charakteristischer Merkmale, um das Konstante, Identische oder Typische von etwas zu erkennen und so zu immer allgemeineren Begriffen und Gesetzen zu kommen', gelegentlich gleichbed. mit Generalisierung, z. B. in Wendungen wie zu keiner Abstraktion fähig sein, Abstraktion des Denkens, Geist der Abstraktion und als Bestimmungswort in Zss. wie Abstraktionsmethode, -prozeß, -verfahren und bes. Abstraktionskraft, -vermögen 'geistige Fähigkeit zu abstrahieren'. Seit dem späteren 18. Jh. (s. Belege 1757, 1764, 1773, 1796) zunehmend auch als nomen acti das Ergebnis, Produkt des Abstrahierens charakterisierend in der Bed. 'verallgemeinerter Begriff, Erkenntnisinhalt' (—»· Abstraktum 1), in Wendungen wie eine Abstraktion aus etwas gewinnen, eine philosophische, mathematische, logische Abstraktion, als Bestimmungswort in Zss., mit denen verschiedene Grade von Abstraktheit bezeichnet werden, wie Abstraktionsgrad, -höhe, -ebene, -stufe; gelegentlich auch leicht abwertend gebraucht und mit „unanschaulich, körper- und seelenlos, ausdruckslos" konnotiert (s. Beleg 1985), bes. in Wendungen wie eine (blut-)leere, kraftlose, tote, dürre, graue, kalte Abstraktion (s. Belege 1817, 1938). Im 20. Jh. speziell im Bereich der darstellenden Künste als Bezeichnung für eine auf zufällige Einzelheiten verzichtende, nur die wesentlichen Grundstrukturen symbolisch oder stilisierend herausstellende künstlerische Darstellung(sweise) sowie, bes. im PL, für die entsprechenden, im Stil der abstrakten Kunst geschaffenen Produkte selbst, z. B. in Zss. wie Färb-, Landschaftsabstraktionen, in neuester Zeit vereinzelt als Sammelbezeichnung für die abstrakte Kunst, bes. eine Richtung der modernen Malerei (s. Beleg 17.7.1987). 2 Im 16./17. Jh. vereinzelt fachspr. in der Chemie nur in der Wendung in der Abstraktion für 'Abscheidung, Trennung von Lösungen; das Herausziehen eines Stoffes, Extrahierung' (—»· abstrahieren Ib, —> Extraktion). 3 Seit späterem 18. Jh., meist mit der Präp. von gebraucht, in der Bed. 'das Absehen, Außerachtlassen, Nichtberücksichtigen von etwas' (—» abstrahieren 2). 4 Seit spätem 18. Jh., ebenfalls mit der Präp. von, vor allem bezogen auf Verhaltensweisen o.a. von Personen in der Bed. 'Absonderung, Loslösung, Abwendung, Distanzierung (meist von unangenehmen Dingen)' (—»· abstrahieren Ic). Abstraktion 1: Thomasius 1701 Kl. Sehr. 20 weil sich sehr viel von denen unsrigen [Wissenschaftler] auff die Abstractiones Metaphysicas derer Schullehrer befleißigen; 1704 Auserlesene Anm. I 127
welches nicht eine Systematische Wissenschafft/ welche mit nichtsbedeutenden terminis und abstractionen pralet; Gottsched 1730 Dichtkunst 383 Sie machen Vernunftschlüsse, aber von metaphysi-
Abstraktion sehen Abstraction«! wissen sie nichts; Zedler 1732 Universallex. l 204 Ersterer Ort derer Abstractionen, wird Abstractio Physica oder Realis, auch, . . Separatio genennet. . . Diese letztere wiederum eine Abstractio substantiarum. . . Eine bessere . . Eintheilung giebt uns das Object derer Abstractionen an die Hand; Meier 1749 Anfangsgründe II 114 das Vermögen zu abstrahiren heist die Abstraction (abstractio); 1749 Vergnügte Abendstunden II 283 Sie nennen die Abstraktion eine Absonderung einiger Begriffe von denen, welche zugleich in der Sele [!] gegenwärtig sind; Gottsched 1757 Sprachkunst 416 der Braunschweiger Suer, für Eßig, ist gewiß keine Abstraction; Basedow 1764 Philatelie 31 welche bey den Gelehrten die Abstraction heisst; Hamann 1764 S.W. IV 271 weil . . alle Eigenschaften, die man Gott zueignet, . . entweder auf sinnliche Erscheinungen oder willkührliche Abstractionen . . hinauslaufen; Schlettwein 1773 Ordnung 70 Dies sind weder Speculationen, noch Abstractionen, sondern lauter Empfindungen, welche ein jeder Mensch zu allen Zeiten, in sich unwiderstehlich fühlet; Behrisch 1776 Buch Vorr. XIX Die Abstraktion bildet sich gewisse vollkommene Ideale aus, die sich nirgends in der wirklichen Welt finden; Dalberg 1791 Ästhetik 46 Abziehung (Abstraction) des ästhetischen Begriffs; Hippel 1793 Kreuz- u. Querzüge II 59 wie schon Dichter in ihren hohen Abstraktionen sich aus ihrem eigenen in einen wildfremden Zustand versetzen können; ebd. II 194 Gang von der Sinnlichkeit zur Abstraktion; Herder 1796 S. W. XVIII 55 [die frz. Sprache] giebt, was sie in so großer Menge hat, ins Ohr fallende Worte, gemein gewordne Abstractionen; Hegel 1801 Differenz I 65 Das Denken ist . . eine Abstraktion; Lavater 1802 Physiognom. Regeln (Nachgelass. Sehr. I 17) Stirnen, . . deren untere Hälfte flach . . ist, sind ganz zuverlässig dumm, und aller Abstraktionen beynahe unfähig; Fichte 1805 Wesen VI 367 in den Gesetzen der philosophischen Abstraction, durch welche eine Sittenlehre zu Stande kommt; Schlegel 1805 — 06 Prop. XIII 235 Die . . Arten und Weisen, wie Vorstellungen bestimmt . . werden können, lassen sich . . angeben: 1. durch Kombination, 2. durch Reflexion, 3. durch Abstraktion; Meyer 1808 Sehr. 47 Bei der Statue . . bedarf es . . einer gewissen Abstraction, um auf die Kunst derselben überzugehen; Goethe um 1810 Farbenlehre (HA XIII 476) farbloses Licht, farblose Flächen sind gewissermaßen Abstraktionen; in der Erfahrung werden wir sie kaum gewahr; Steffens 1817 gegenwärtige Zeit l 258 jene . . in tödtenden Abstraktionen versunkene Philosophie; Goethe 1821 Wanderjahre (HA VIII 296) gelangt der Menschenverstand durch Handeln und Beobachten zur Abstraktion; Athenstädt 1823 Eur. II 229 so müssen wir durch An-
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schauung zu der begreiflichen Abstraction gelangen; Huber 1828 Spanien Vorr. VIII Von einem Volke, . . von einer Zeit einen Gesammteindruck, gleichsam eine Abstraction zu geben, ist kaum möglich; Hegel 1835 Ästhetik (X 1,80) Es muss Schillern das grosse Verdienst zugestanden werden, die kantische Subjectivität und Abstraction des Denkens durchbrochen . . zu haben; Steffens 1840 Was ich erlebte II 132 Der Deutsche hat eine überwiegende Neigung zur Abstraction; Riehl 1861 Ges. 269 studirte Leute . . von ihrer eigenen Abstraction geblendet; Nordau 1884 Lügen 57 Nur bei höchster Geisteskultur gelangt man mit Hilfe zahlreicher . . Abstractionen und Analogien . . zu einer Idee; Simmel 1895 Philos. 12 Poussin und Claude Lorrain haben an der Landschaft den Abstraktions- und Idealisierungsprozess vorgenommen; 1904 (Ostwald 1910 Forderung 104) das Abstraktionsverfahren der reinen Wissenschaft; Th. Mann 1921 Reden u. Aufs. (W. IX 132) ein Unglaube daran, daß von der Abstraktion aus das Einzelne . . gebessert werden könne; Tillich 1926 religiöse Lage 34 daß die Methode der naturwissenschaftlichen Abstraktion an einer Seite des Wirklichen vorbeigehen mußte; Diederichs 1927 Leben 59 den dürren Abstraktionen des politischen Denkens; Brod 1928 Zauberreich 403 in graue Abstraktionen aufgelöst; 1931 Die Umschau XXXV 229 die Schrift [setzt] ein starkes Abstraktionsvermögen, eine starke Phantasie voraus; Voss. Ztg. 2.8.1931 Das Ornament als eine Spannung zwischen Natur und Abstraktion vermag die Konflikte seiner Begabung am trefflichsten zu spiegeln; Hauptmann 1932 Volk (W. XVII 239) von der so billigen und gefährlichen Flucht in die Abstraktion; Lokal-Anz. 25.9.1934 malt er ein Bild „Ernte", ein Werk, wie es alle Quälerei, alle Abstraktion bis heute nicht wieder geschaffen hat; Possony 1938 Wehrwirtschaft 127 blutleere Abstraktion; Th. Mann 1939 Reden u. Aufs. (W. IX 545) daß es in der Kunst nicht intellektuell . . zuging, daß nicht das Denken, die Abstraktion, der Verstand den glückseligen Zustand herbeiführte; i942 ZfDtsch. Kulturphilos. VIH 194 erweist sich diese ewig stillstehende Vergangenheit als eine Abstraktionsleistung des Verstandes; Süddtsch. Ztg. 1.4.1954 Walter Bodmer - Ritter der Abstraktion (Überschr.) Innerhalb der . . Gilde der Abstrakten gibt es echte und falsche Ritter; ebd. 15.6.1957 Wege der Abstraktion (Überschr.) Der Geist der Abstraktion breitet sich noch immer weiter aus; Bamm 1956 Ex ovo 106 daß auch die Lebendigkeit der Biologie in keiner Wirklichkeit vorkommt, daß auch sie nur eine Abstraktion ist; Jaspers 1958 Atombombe 108 die Idee der Gleichheit aller Menschen .. wird zur Abstraktion, wenn sie als bestehend vorausgesetzt wird; ebd. 290 jeder Begriff
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Abstraktion
vollzieht eine Abstraktion; Schelsky 1959 Ortsbestimmung 74 Notwendigkeit der Wissenschaft zur „Abstraktion"; Partner 1964 Erben 291 seine Vitalität und sein Wirklichkeitssinn wären stärker als der allen Gesetzesvätern eigene Zug zu Abstraktion und papierener Selbstgenügsamkeit; Münch. Merkur 31.12.1965 Entfaltung abstrakter Strukturen. Was ist Abstraktion? Was geschieht, wenn die Wissenschaft stets von einer Abstraktionsstufe zur nächsthöheren aufsteigt? (Überschr.) . . soll der Versuch gemacht werden, den Vorgang der Abstraktion in der Entwicklung der Wissenschaft selbst unter die Lupe zu nehmen; ND 21.2.1974 nach vielen . . Bemühungen, der Symbolik von Musik und Text durch szenische Abstraktion, durch szenische Symbolisierung beizukommen; Sloterdijk 1983 Kritik 28 Zur „nackten Wahrheit" wollen ist ein Motiv der verzweifelten Sinnlichkeit, die den Schleier der Konventionen, Abstraktionen und Diskretionen zerreißen will; MM 21.3.1985 Epoche, in der sich Handwerk, Wissenschaft und künstlerisches Abstraktionsvermögen verbunden hatten; ebd. 25.5.1985 bei den zur Abstraktion neigenden Malern sind Klee und Malewitsch präsent; Zeit 19.7.1985 die Dinge verlieren unter wuchtigen Pinselhieben an Gegenständlichkeit, stoßen weit in Grenzbezirke der Abstraktion vor; MM 24.10.1985 die brachliegenden Fähigkeiten der Kinder wie Logik, Abstraktion, Deduktion, Überlegung und Gedächtnis; Zeit 8.11.1985 droht in Hilbigs Texten der Diskurs in eine Isolation zu geraten, an Abstraktion und Körperlosigkeit zu leiden; MM 22.3.1986 Moreaus späte Farbabstraktionen als tachistische Vorläufer . . zu werten; Zeit 4.4.1986 diese Art der Abstraktion, das Zusammenfassen von unzähligen Individuen zu Merkmalklassen, ist charakteristisch für die Mathematik; ebd. 5.9.1986 daß Brancusi und . . Hans Arp den Prozeß der Abstraktion viel radikaler . . durchgeführt haben; Zimmer 1986 Redens Arten 132 Ein . . Kennzeichen der Hauptvokabeln des kritischen Idioms ist ihr hoher Abstraktionsgrad; MM 16.10.1986 tendiert die Lithographie zur Entmaterialisierung, zur stofflichen Abstraktion und Vergeistigung; ebd. 20. l .1987 ein hoher Abstraktionsgrad bis hin zur Formelhaftigkeit der abgebildeten Dinge; ebd. 10.3.1987 sind seine Mischtechniken Farbkompositionen, die mit dem Terminus „lyrische Landschaftsabstraktionen" zu umschreiben sind; Zeit 17.4.1987 nicht irgendein Vater taucht auf, sondern ein ganz bestimmter, nicht eine Abstraktion, ein Archetyp; MM 27. 7.1987 es waren die Vertreter des Expressionismus, der Abstraktion, des Dadaismus, des Kritischen Realismus oder der Neuen Sachlichkeit; ebd. 23.4.1988 Mondrian, der in den zwanziger Jahren die äußerste Abstraktion der klassischen modernen
Malerei schuf; ebd. man erwartet geometrische Abstraktionen — und steht vor düsteren akademischen Landschaften. Abstraktion 2: Fischart 1581 Dämonomania 160 daß . . vil schöne Geheymnuß der Natur/ gleichsam wie Schätz hin vnd her verborgen stecken/ welche täglich herfür gesucht werden/ fürnemlich durchs Feur inn der Abstraction der fünften Essentz; Glauber 1655 Op. Min. l 25 Wann du aber mit spiritu salis einen rothen Talck/ .. Granaten/ Schmirgel . . extrahirt hast/ so mustu in der abstraction zu der solution etwas Eysen legen/ daran sich das flüchtige Gold halten und figiren kan. Abstraktion 3: Lessing 1768 S. Sehr. X 83 wenn der ernst das lachen, die traurigkeit die freude . . so unmittelbar erzeugt, daß uns die abstraction des einen oder des ändern unmöglich fällt; Gutsmuths 1796 Sp. 49 die abstraction von allen eindrücken, die nicht zur sache gehören (beide DWB N.); Marx/Engels 1845 heil. Familie (MEW II 38) weil die Abstraktion von aller Menschlichkeit .. im . . Proletariat. . vollendet ist; ebd. II191 sinnlose Abstraktion von der Wirklichkeit; Rathenau 1917 v. kommenden Dingen 141 überblicken wir die große Zahl . . vorbildlicher Unternehmungen, und zwar unter völliger Abstraktion vom historisch Gewordenen, lediglich auf das Seiende . . den Blick gerichtet; Staiger 1966 Grundbegriffe 138 nur die sorgfältigste Abstraktion von allem, womit der Tag eines Menschen . . unübersehbar verflochten ist, erlaubt eine klassizistische Epik; Keller 1990 Sprachwandel 152 Die synchronisers Perspektive ist die Betrachtungsweise eines Sprachzustandes unter Abstraktion des Wandels. Abstraktion 4: Lenz 1778 Br. H 125 tausend Grüsse . . und viel Lebensgenuß und Abstracktion von dummen Zeuge das gar nicht die Ehre verdient, dir einen sauren Augenblick zu machen; Hufeland 1797 Leben 159 unter den Eremiten und Klostergeistlichen, die bey der strengsten Diät, Selbstverleugnung und Abstraction, gleichsam entbunden von allen menschlichen Leidenschaften . . ein contemplatives Leben . . führten; C. Schlegel 1801 Br. II 120 ich habe alle meine Kraft und Abstrakzion nöthig gehabt . ., um mich von dem Gedanken zu wenden; Goethe um 1810 Naturwiss. Sehr. (WA II 9,273) Betrachtung der . . intentionellen . . Wirkung. Abstraktion von der Schwere; Welt 15.5. 1964 mit seiner Neigung zur Abstraktion, zur Distanz von den nationalen Interessen.
Abstraktum
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Abstraktum N. (-s; Abstrakta, vereinzelt Abstrakten), seit spätem 16. Jh. selten, seit Mitte 18. Jh. häufiger nachgewiesene Entlehnung aus gleichbed. mlat. abstractum (subst. N. Sing, von abstractus, —> abstrakt), im 17.718. Jh. auch in der lat. (flekt.) Form. 1 Vor allem im Bereich von Philosophie, Kunst und Wissenschaft in der Bed. 'durch Abstrahieren/Abstraktion gewonnener allgemeiner Begriff, Erkenntnisinhalt; etwas Abstraktes, abstrakte, reine Idee, abstrakter Sachverhalt' (—> Abstraktion l, —> Universalien a), gelegentlich auch eher abwertend für 'Konstrukt; fixe Idee, Hirngespinst' (s. Belege 1890, 1965, 1985), früher bes. im lat. Syntagma abstractum pro concreto 'der allgemeine Begriff (steht) für den konkreten' (z. B. steht die Eigenschaft 'Frömmigkeit' als Abstraktum für das Konkretum die fromme Person). Dazu seit späterem 18. Jh. wohl im Sinne einer Rückbildung das seltene, gleichbed. Subst. Abstrakt N. (-(e)s; -e). 2 Seit Ende 17. Jh. als Fachausdruck der Sprachwissenschaft zur Bezeichnung eines Substantivs, mit dem man etwas sinnlich Nichtwahrnehmbares oder Nichtgegenständliches bezeichnet (im Ggs. zu —»•Konkretum), dafür früher gelegentlich auch das lat. Syntagma verbum abstractum oder abstraktes Substantiv (—> abstrakt l a), in Zss. wie Nominalabstraktum (z. B. Kindheit), Adjektivabstraktum (z. B. Heiterkeit) und Verbalabstraktum (z. B. Siebt von sehen). Abstraktum 1: Fischart 1575 Geschichtklitterung 248 ob du schon die bratwuerst traegst, ist doch dasselb das concretum, das ist, die wurst mein, aber das abstractum, das ist, das vbergezogen lederle dein (DWB N.); Weise 1673 Erznarren 188 daß viel Redens-Arten bey solchen weitläufftigen abstractis zu schänden werden; Zedler 1732 Universallex. l 204 so müssen wir uns angelegen seyn lassen, alle unsere Abstracta zu den Sinnen wiederum zurück zu führen. . . Denn da alle Abstracta von einem concreto oder sinnlichem objecto hergekommen, so müssen sie sich auch wiederum dadurch probiren lassen, wenn sie in dem Sinne gegründet; Kinderling 1765 Br. 21 sind es imaginaire Begriffe, und behalten nur den Schein der abstractorum; Lessing vor 1781 W. VI 87 Wenn der Dichter Abstracta personificirt, so sind sie durch den Namen .. genugsam charakterisirt. Dem Künstler fehlen diese Mittel. Er muß also seinen personificirten Abstractis Sinnbilder zugeben, durch welche sie kenntlich werden (KEHREIN); Ramdohr 1787 Malerei III 220 allegorischen Bilder . ., welche unter menschlichen Figuren die Abstrakta gewisser Tugenden oder moralischer Vollkommenheiten darstellen; Herder 1793-95 Br. (S. W. XVII 356) Abstractum ihrer Tugend; Klinger 1803 Betr. XII 45 Der Debitor ist ein philosophisches Abstraktum; man bürdet ihm alles auf; Herder vor 1803 W. XX 122 Personificirte Abstracta (KEHREIN); Goethe-Schiller vor 1805 Briefw. III 54 daß in den Gestalten der alten Dichtkunst, wie in der Bildhauerkunst, ein Abstractum erscheint, das seine Höhe nur durch das, was man Styl nennt, errei-
chen kann. Es gibt auch Abstracta durch Manier, wie bei den Franzosen (KEHREIN); Goethe um 1810 Farbenlehre (HA XIII 411) man hat bisher das Licht als eine Art von Abstraktum, als ein für sich bestehendes und wirkendes, gewissermaßen sich selbst bedingendes . . Wesen gesehen; Schopenhauer 1840 Moral 84 Da erkannte sie nun lauter reine Abstrakta, Universalia, angeborene Begriffe; Marx/Engels 1845 heil. Familie (MEW U 42) wenn die Spekulation sonst von dem Menschen redet, so meint sie nicht das Konkretum, sondern das Abstraktum, die Idee, den Geist; Eichendorff 1854 Drama 59 Es kommt nur auf die künstlerische Vermittlung, d. h. darauf an, daß das Ewige nicht als metaphysisches Abstractum . . erscheine (KEHREIN); 1890 (Ströbel in: Freie Bühne I 1170) das abstraktum „Staat" an und für sich ist gar nichts, ist eine fixe idee (DWB N.); Th. Mann 1945 Reden u. Aufs. (W. XII 383) überall, wo Literatur und Politik einander durchdringen . ., indem alle großen Abstrakta: Wahrheit, Freiheit, Gerechtigkeit, Menschlichkeit aufhören, moral-philosophische Probleme letzter und höchster Art zu sein; Heimpel 1956 Kapitulation 98 dieses Abstraktum entstand zusammen mit dem auch die Gelehrten zu dem Abstraktum „die Wirtschaft" einenden Vorgang der Auflösung der ständischen Gesellschaft seit dem 18. Jahrhundert; ebd. 110 wie wir zur Wiedervereinigung stehen, wie weit wir uns wirklich interessieren nicht für das Abstraktum „Wiedervereinigung", sondern für die Menschen; Jaspers 1958 Atombombe 134 wenn . . die Einsicht uns zwingt, von der Solidarität freier Völker auszu-
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abstrus
gehen und nicht vom Abstraktum einer Gesamtheit aller menschlichen Staatsgebilde; Bollnow 1962 Mass 69 mögen im einzelnen die Übergänge vom wesensbestimmenden Abstraktum zum Kollektivum oft fließend sein; Becher 1965 Prosa 163 daß der Begriff einer „reinen, interesselosen" Kunst ein . . Abstraktum ist (DUDEN); Brückner 1971 Protokolle o. S. wenn wir . . als unseren spezifischen Gegenstandsbereich den „Menschen und seine Kultur" bezeichnen, ergibt sich als Abstraktum des Erkenntnisziels die Bedeutungs-Interdependenz von Mensch und Kultur; Röd 1971 Descartes o. S. faßte er auch „cogitatio" nicht als Abstraktum, sondern als einfache Natur auf, die durch Intuition, nicht durch Abstraktion erfaßt wird; Hildesheimer 1977 Mozart 162 Keine der Figuren . . spielt die Hauptrolle, das Stück wird von Abstrakta getragen: von Behauptung und Beweis; Zeit 19.4.1985 schwarze Striche, die krakenähnlich über den weißen Grund greifen, sind „der Feind", ein zeit- und gestaltloses Abstraktum; ebd. 16.5.1986 Kinder, Schwangere, Mütter, Bauern — für viele ist das Abstraktum erstmals zum konkreten Gesichtspunkt ihres eigenen Verhaltens geworden; ebd. 27.3.1987 manchmal wird, unter sperrigen Abstrakta, eine eigentümliche Schönheit sichtbar, „der Glanz einer Pfütze". Abstrakt: Lessing 1769 S. Sehr. X 150 wird es nicht blos dieser charakter seyn, der ihn [Vertreter eines Standes im Schauspiel] aus der klasse metaphysischer abstrakte heraushebt, und eine wirkliche person aus ihm macht (DWB N.); Herder vor 1803 W. XX 120 [die Götter als] personificirte Abstracte (KEHREIN); Schiller vor 1805 W. XVIII 25 So wird denn allmählich das einzelne konkrete Leben vertilgt, damit das Abstract des Ganzen sein dürfti-
ges Dasein friste (KEHREIN); 1936 (Feuchtwanger 1947 Nero 155) daß uns sogar das üppigste leben nicht mehr lebenswert erscheint, wenn wir auf gewisse abstrakte verzichten müssen (DWB N.). Abstraktum 2: Stieler 1691 Sprachkunst 102 Abzugswörter oder Abstracta . . als: Büberey . ., Kuplerey; Bodmer 1741 Crit. Betrachtungen 118 In dem deutschen Sylbenmasse haben die Abstracta den besonderen Nutzen, daß sie sich wegen ihrer Kürtze in den engen Raum desselben geschickt bequemen; Campe 1794 Reinigung Einl. Abstrakta (Wörter für abgezogene Begriffe); Goethe 1826 Br. (WA IV 41,371) y ist zu schreiben . . in den Endungen der fremden und deutschen abstracta auf ey, wie Abtey, Melodey, Reiterey, Mahlerey usw.; Tucholsky 1914 W. l 133 er rast in abstrakten, er wühlt sich und andere in phrasen ein (DWB N.); Porzig 1934 Wunder 373 Wir nennen solche Substantive, die einen Satzinhalt vom Prädikat aus vergegenständlichen, Abstrakta. Es gibt .. Verbalabstrakta und Adjektivabstrakta. . . Wichtig ist. ., dass das abstrakte Substantivum in der Lage ist, alle Bestimmungen des Satzes als eigene Bestimmungen aufzunehmen; Zeit 21.6.1985 die einleuchtende Wahl des Wortes „zugetan", das immer Ergebenheit ausdrückt, sich aus dem Kanzleistil fortentwickelt hat zur Bestimmung eines . . Bekenntnisses, wird zerstört durch Substantivierung: im Abstraktum gehen Nähe, Wärme verloren; v. Polenz 1985 Satzsemantik 165 Die Bedeutungsklassen der Substantive können zu den Prädikatsklassen in der Weise in Beziehung gesetzt werden, daß . . die sog. Abstrakta den Prädikatsklassen Handlung, Vorgang, Zustand, Eigenschaft zugeordnet werden und die sog. Konkreta als Ausdrücke für Gattungsprädikate untergliedert werden.
abstrus Adj., im späteren 17. Jh. entlehnt aus lat. abstrusus 'verborgen, versteckt' (Part. Perf. von abstrudere 'verbergen, verstecken; wegstoßen', aus ab- 'weg von . .' und trudere 'stoßen, verdrängen'). Eher bildungsspr. in der Bed. 'verborgen, dunkel, unklar', von daher zunehmend abwertend verwendet im Sinne von 'unerklärlich, verworren, ungereimt, schwer verständlich, eigenartig, absonderlich, töricht, unsinnig, abwegig, aberwitzig' (—»· absurd, —·· obskur), im Ggs. zu vernünftig, klar, —*· logisch, —+ transparent b; vor allem bezogen auf Denk- und Betrachtungsweisen, Auffassungen und Meinungen in Wendungen wie eine abstruse Idee haben, abstruse Behauptungen aufstellen. Dazu seit spätem 19. Jh. die subst. Ableitung Abstrusität F. (-; -en) 'Unklarheit, Verworrenheit, Absonderlichkeit, Ungereimtheit'. abstrus: Hirsch 1662 Kirchers Musurgia 360 was Anaxagoras abstrus und verborgen angedeutet, hat Pythagoras klärer ausgeführt; 1708 (Brunnemann
1727 Zauberey 127) in dergleichen abstrusen sachen mit der größten behutsamkeit zu urtheilen (DWB N.); Goethe 1810 Materialien (HA XIV 34)
absurd Hierauf entstand der Trieb, das Äußere mit dem Innern in Betrachtung zu vereinen; welches freilich mitunter auf eine Weise geschah, die uns wunderlich, abstrus und unbegreiflich vorkommen muß; Heine 1835 Romant. Schule 169 Deutschland . . hat sich der abstrusen Verworrenheit, der barokken Darstellungsart und des ungenießbaren Stils der Jean-Paulschen Schriften zu enthalten gewußt; Wassermann 1910 Masken 236 wenn auch deine Bilder bisweilen ins Abstruse oder Krampfhafte fallen; Freud 1911-24 metapsychol. Sehr. 80 Diese Frage kann abstrus erscheinen, muß aber aufgeworfen werden; Berl. Tagebl. 25.8.1929 Da kam dem abstrus denkenden Manne eine ausgezeichnete Idee; Friedeil 1931 Kulturgesch. Ill 122 Goethe, der . . sich in abstruseste Mystik verloren hatte; Pinkwart 1963 Mord 27 Bernie fand den Gedanken an Mord auch zu abstrus, um sich länger mit ihm zu beschäftigen; Stuttgarter Ztg. 2. 8.1967 Ein Mann verbringt seinen Urlaub damit, für eine Idee zu arbeiten, nicht für irgendeine abstruse Idee, sondern für einen Plan; Hocke 1976 Tagebücher 437 das abstrus falsch vorgezeichnete Nibelungenschicksal des Deutschen Theodor Haecker; Zeit 8.8.1986 Südafrika ist die abstruse Kombination einer hochentwickelten Industriegesellschaft mit einem höchst primitiven, sehr armen Entwicklungsland; MM 17. 9.1987 Diese ganz vernünftige Anschauung wurde im Mittelalter wieder von ab-
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strusen Ideen abgelöst; ebd. 14.5.1988 Erschrekkend banal wirken manchmal diese Dinge in ihrer lapidaren Häßlichkeit und zugleich auch wieder schön, wenn man sich Geschichten zu diesem abstrusen Bodensatz einer Konsumgesellschaft erfindet. Abstrusität: Rutenberg 1877 Zinne 85 Es ist nicht zu leugnen, daß das Propos dieser Novelle . . einen stark ausgeprägten Charakter der Abstrusität hat; Wernle 1901 Anfänge 255 vor gar keinen abstrusitäten schreckte man zurück [bei Auslegung des Alten Testaments] (DWB N.); Th. Mann 1930 Reden u. Aufs. (W. IX 276) Wir denken eher an die Abstrusität gewisser Sätze, die von la Mancha in alten Ritterbüchern las und die den Armen in des Wortes genauer Bedeutung in Harnisch jagten; Benjamin 1931 Br. II 545 Die Ungereimtheit und Abstrusität der materialistischen Analyse der jüdischen Religion . . ist ja auch mir schließlich evident; Zeit 28.12.1984 Andere befanden - nicht ohne warnenden Unterton — hier zeige sich mit erschreckender Deutlichkeit, zu welch perversen Abstrusitäten die für unsere Zeit so typische Technikgläubigkeit führen könne; MM 18.2.1987 Es ist ein sperriger Klotz, der neben metaphysischen Abstrusitäten auch viele Splitter gedanklicher Schärfe enthält.
absurd Adj., im 16. Jh. vereinzelt, seit frühem 17. Jh. kontinuierlich nachgewiesene Entlehnung aus gleichbed. lat. absurdus, eigentlich 'mißtönend, unrein klingend, grell' (zu surdus 'taub, unempfindlich, dumpf tönend'), anfangs im fachspr. Syntagma absurde Zahl 'relative Zahl', im 16./17. Jh. vereinzelt in der lat. (flekt.) Superlativform absurdissimus, bis ins 20. Jh. gelegentlich in der lat. (flekt.) Form (s. u. ad absurdum). Zunächst in der Philosophie und Logik für 'der Vernunft, Logik widersprechend, widerspruchsvoll, widersinnig', häufig im lat. Syntagma ad absurdum 'bis zum Widersinnigen', z. B. in der lat. Wendung demonstratio/reductio ad absurdum als Bezeichnung für ein indirektes Beweisverfahren in der Logik, bei dem eine These mittelbar durch die Unhaltbarkeit ihrer Gegenthese verifiziert wird; seit spätem 17. Jh. bes. in der festen Verbindung ad absurdum führen 'beweisen, daß etwas (z. B. eine Theorie) widersinnig ist, etwas widerlegen, falsifizieren, den inneren Widerspruch, die Nichthaltbarkeit von etwas (z. B. einer Behauptung) nachweisen und dadurch unglaubwürdig, lächerlich machen', auch etwas führt sich selbst ad absurdum 'etwas widerlegt sich selbst, aus sich selbst heraus'; im 19./20. Jh. bildungsspr. in der (vermutlich auf Tertullian zurückgehenden) lat. Redewendung Credo quia absurdum 'Ich glaube es, (gerade) weil es widersinnig ist', bezogen auf theologische Aussagen, die sich nicht beweisen, sondern nur glauben lassen (s. Beleg 1940). Seit dem 18. Jh. auch allgemein verwendet in der Bed. 'ungereimt, abwegig, sinnlos, unsinnig, dem gesunden Menschenverstand widersprechend, paradox, inkonse-
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absurd
quent', bezogen auf Gedanken und Denkstrukturen, Pläne, Vorstellungen oder Ideen, gelegentlich auch auf (Eigenschaften oder die äußere Erscheinung von) Personen und Sachen, häufig negativ konnotiert mit „unvernünftig, verrückt, seltsam, eigentümlich, närrisch, lächerlich, kurios", bes. in Wendungen wie ein absurder Einfalt, Gedanke, absurde Behauptungen aufstellen, etwas für absurd halten, etwas absurd finden, ein absurder Charakter. Seit Mitte 20. Jh. auch eher wertneutral verwendet, bes. in der Existenzphilosophie in der subst. Form das Absurde und im Bereich von Literatur- und Theaterwissenschaft in Syntagmen wie absurdes Drama, absurder Held und bes. absurdes Theater/Theater des Absurden als Bezeichnung für eine moderne, dem Surrealismus verwandte Form des Theaters, das nicht gesellschaftliche Wirklichkeit abbilden, sondern das Widersinnige, Sinnlose oder Verkehrte der Welt und des menschlichen Seins darstellen will, in neuester Zeit auch übertragen gebraucht (s. Belege 1990, 1992). Dazu schon seit spätem 15. Jh. das (aus der flekt. Form von lat. absurdus gebildete) Subst. Absurdum N. (-; Absurda), ursprünglich als Fachausdruck der Scholastik, dann auch allgemeiner in der Bed. 'logisch Widersinniges, Sinnloses, Ungereimtheit, Fehlschluß, Irrtum'. Seit Mitte 16. Jh. das aus spätlat. absurditas 'Mißklang, Ungereimtheit' entlehnte Subst. Absurdität F. (-;-en) 'Ungereimtheit, Sinnlosigkeit, Widersprüchlichkeit, Paradoxie, Unvernunft, Abwegigkeit', in neuerer Zeit (s. Beleg 1966) in der Zs. Absurditätenkabinett 'Ansammlung von Absurditäten, absurden Erscheinungen, Gegenständen' (vgl. Abnormitätenkabinett, —»abnorm). absurd: Stifel Anfang 16. ]h. (Kirchner, Wb. Philosophie 13) absurde zahlen heißen bei Michael Stifel (1486-1567) die negativen zahlen (DWB N.); Nigrinus 1587 Schlüssel Büchlein 21b absurdissima absurda vnnd vngereumte dinge; 'Wallhausen 1616 Kriegsmanual (Gl.) absurd vngereumbt; Schorer 1644 Sprachverderber Ib Absurd vngereimbd, vnartig, vnbesonnen; Greflinger 1647 Complementier-Büchlein 10 Ey das war ein absurdissimum; Thomasius 1691 Vernunftlehre II 263 weil er sieht, daß die Sätze seines Gegners so einfältig und absurd seyn; 1705 Auserlesene Anm. II 200 Und wenn Christus hätte wollen wider das Fleisch essen predigen/ so wuerden die Pharisäer grossen praetext bekommen haben/ seine Lehre bey dem Volck vor absurd auszuschreyen; Sturm 1714 Anw. (Architektur) 9b als hätte ich die absurdeste Sache von der Welt vorgebracht; Löber 1723 Studente 98 über dem allen giebt es keinen solchen absurden theologum, welcher die Jugend zu solcher einfalt [Vernachlässigung des Äußeren] verleitete (DWB N.); Sperander 1727 A la mod Sprach 6 Absurder Mensch/ ist ein ungeschickter/ verdrießlicher Mensch; Winckelmann 1750 Br. I 33 Comedien, die bey aller Pracht so absurde sind, dass ich mich wundern muss, wie der Geschmack so verderbt ist; Laukhard 1796 Leben III 168 solche absurde abergläubige Idee; Westenrieder 1817 Neue Beyträge II 331 Wenn unsere jungen Männer ihre [abgeschmackten] Augenbrillen und ihre absurden Ta-
bakspfeifen weglegen würden; Kurtz 1837 Gentzianen 286 war mir immer widerwärtig mit seinem absurdsarkastischen Gesicht; Heyse 1887 Ges. W. / 2,73 plötzlich kam es ihm so absurd und wahnsinnig vor, wie einsam er hier herumging . ., daß er laut auflachen mußte; Walloth 1886 Seelenrätsel 70 auf den absurden Gedanken verfallen; Th. Mann 1902 Erz. (W. VIII 210) Er steht still vor der absurden Tatsache, daß ein Mensch durch die dumme und zuversichtliche Entfaltung seiner tierischen Triebe auf Erden zu höchstem Ruhme gelangen könne; Freud 1911—24 metapsychol. Sehr. 172 absurd und durch bloße Logik abweisbar; Benjamin 1918 Br. I 175 Die Idee von einem endlichen Weltraum ist absurd; Scheler 1929 Weltanschauung 8 eben das, was Hegel einmal sehr plastisch „Fenster ins Absurde" genannt hat; Berl. Hlustr. Ztg. 1929 Nr. 10 Immer hat irgendein ganz Schlauer durch eine absurde Idee bewiesen, daß die eben gemachte Erfindung gar nicht die gewünschte Besserung . . bringen würde; 1930 Handb. der Frankreich künde H 199 Bei Indern und Frühgriechen geht der Monismus geradezu ins Absurde; Th. Mann 1935 Reden u. Aufs. (W. XU 774) der Boden war bereitet für den absurdesten und schimpflichsten Massenaberglauben; Münch. N.N. 8.11.1939 was der Duce vor kurzem den „absurden Krieg" nannte, absurd nicht allein wegen seines bisherigen Verlaufes, sondern ebensosehr wegen der Ziele, um derentwillen ihn der Westen vom
absurd Zaune gebrochen hat; Tb. Mann 1940 Reden u. Aufs. (W. XII 876) Die Wahrheit durfte nicht wahr sein, man mußte sie verleugnen, das Credo quia absurdum sprechen und so handeln, als ob das Regime durch Zugeständnisse zu gewinnen, herüberzuziehen, zu beschwichtigen, zu normalisieren gewesen wäre; Kesten 1952 Casanova 120 Der sehr gelehrte Herr machte hundert tiefe und absurde Reflexionen über diese Ehe; Frisch 1957 Homo faber 213 Ich frage mich, ob meine Nase sympathischer ist, und komme zum Schluß, daß Nasen nie sympathisch sind, eher absurd, geradezu obszön; Bollnow 1962 Mass 51 Aus diesem Geist heraus hatte Camus den „absurden Helden" verherrlicht, der wie Sisyphos in der ewig erfolglosen Bemühung als solcher die eigentlich menschliche Größe sieht; Fischer 1966 Kunst 8 In West und Ost ist es Mode, die grosse Dichtung Samuel Becketts als absurdes Theater zu katalogisieren; Bild 1. 7.1967 Es ist absurd, annehmen zu wollen, daß jeder Mensch, der jünger als 21 Jahre alt ist, noch vom Geld seiner Eltern lebt; Hildesheimer 1977 Mozart 123 in einem Zustand verzweifelter Müdigkeit, die sich in grimmiger Lust am Absurden niederschlägt; Hilsenrath 1977 Nazi 33 Itzig Finkelsteins Gedichte waren . . vernünftig, meine unvernünftig, seine reell und normal, meine absurd und pervers; Fuchs 1986 Schinderhannes 206 Die Anschuldigungen gegen ihn und David waren absurd, willkürlich zusammengeschustert; Keller 1990 Sprachwandel 127 Diese Aussage ist nicht völlig absurd; Spiegel 28.5.1990 ohne daß internationalen Beobachtern wirklich massive Wahlfälschungen auffielen. Dabei war alles längst absurdes Theater — und alles stand schon lange vorher fest. Minutiös wurde seit Monaten manipuliert, um die Revolution zu verraten, die eigentlich nie hätte stattfinden sollen; ebd. 11.6.1990 Bütikofer beispielsweise findet ein Koalitionsprojekt vorerst „völlig absurd"; 1990 Vogue deutsch XU 112 Der Autor, dessen Drama Lulu auch heute noch zu Skandalen taugt, kann immer wieder neu entdeckt werden. . . Absurdes Theater vor seiner Zeit; 3992 Tempo III 3 weshalb das Stasi-Spektakel in den Medien nichts anderes ist als absurdes Theater. Absurdität: 1560 Kath. Katechismen 535 ein gewachsender mißbrauch [der Krankensalbung] und weiß nicht was absurditet (DWB N.); Fischart 1581 Dämonomania 53 Absurditet oder diss vngereimt stück; Keppler 1604 Von einem neuen Stern Ib Derhalben vnd zur Vermeidung vieler grosser Absurditeten wir bekennen müssen/ das er auch gleich den zwaeyen jetzvermeldeten/ am eussersten Himmel vnd firmament .. angehefftet; Weise 1673 Erznarren 136 ich habs gesagt, setzt immer dieses Final darzu, ob es gleich nicht accurat eintrifft,
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was bei den Lateinern dixi geheissen hat, solche kleine Absurditäten gehen wohl hin; Titius 1701 Probe 516 Es sollen nur diejenigen, so solche Kirchen-Disciplin loben, einmahl selbige erfahren, so würden sie deren Absurdität und Unbilligkeit leichte mercken; Wahl 1723 Poesie 127 Ich wolte mehr dergleichen abgeschmackte Dinge aus Kirchen-Gesängen und sonst ziemlichen Poeten anführen, wenn ich nicht die Nahmen derer Autorum schonete. Die Absurdität ist aus diesen schon sattsam abzunehmen; Belemnon 1728 Bauernlex. 3 Absurd. Ungereimt/ ungeschickt. Dahero absurditaeten/ ungeschickte/ unvernünftige Reden oder Thaten; Baumgarten 1766 Religionspartheyen 28 ob es möglich sey, daß sich ein vernünftiger Mensch solcher Absurdität überreden könne; Nicolai 1790 Anekdoten l 326 Es ist hier Unverschämtheit auf Unverschämtheit, Unwahrheit auf Unwahrheit, und Absurdität auf Absurdität gehäuft; Goethe 1811 Dichtung u. Wahrh. (HA XXVIII 77) Die Absurditäten der Clowns machten besonders unsere ganze Glückseligkeit; Schopenhauer 1840 Moral 22 aus einer so reichen Auswahl von Absurditäten jeder Art, wie die Werke des summi philosophi darbieten; Schwarzenberg 1844 W. l 7 Es gibt keine durch die Erfahrung mehr widersprochene Absurdität, als den Satz „Der Mann macht das Kleid"; das Kleid macht den Mann; Kürnberger 1874 Siegelringe 219 dass Österreich das Land der Unwahrscheinlichkeiten, der Unbegreiflichkeiten, der Absurditäten ist; Th. Mann 1913 Reden u. Aufs. (W. X 69) der Literat ist anständig bis zur Absurdität, er ist ehrenhaft bis zur Heiligkeit; Berl. Illustr. Nachtausg. 18.5.1933 wird . . seine Zuschauer zweifellos mit einem Hamlet in Frack, Zylinder und Glacehandschuhen und all den Absurditäten erfreuen, die wir von den einstigen Berliner Aufführungen noch in so peinlicher Erinnerung haben; Böll 1963 Clown 123 Am besten gelingt mir die Darstellung alltäglicher Absurditäten; Frankf. Rundsch. 4.5.1966 Über Saul Steinberg und sein Absurditätenkabinett (Untertitel); FAZ 11.12.1970 weil die öffentliche Meinung von „der Absurdität des Krieges, der um seiner selbst Willen geführt wird", überzeugt sei; Hocke 1976 Tagebücher 242 Absurde Hoffnung, neue Hoffnung in das Absurde, daß es einmal nicht so geschehen werde wie in der Absurdität bisheriger Geschichte; Köhlmeier 1988 Helden 17 Absurdität gibt es nicht, das ist eine Frage der Wahrnehmung; 1991 Cosmopolitan V 10 Franz Kafka . ., der Chronist beklemmender Absurditäten und Abgründe des Alltags; 1991 Wiener VI 15 die Absurdität des Lebens war und ist seine Passion. Absurdum: Metber 1481 Voc. o. S. Absurdum weder menschlich vernunfft vnd gewonlich ding zu
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Abszeß
hören, ain vngehort ding das da vnchristlich laut vnd wee thut in oren; Hzg. Christoph v. Wirtemberg 1551 Briefw. I 326 das von den unsern wollte eine fürgeschriebene doctrin gegeben werden .., welches gar ein absurdum wäre; Nigrinus 1587 Schlüssel Büchlein 21b absurdissima absurda vnnd vngereumte dinge; Gutmar 1603 Gemerck 13 Vnd dieses Absurdum, disen Fehlschluss, disen . . groben Irrthumb; Thomasius 1701 Kl. Sehr. 696 es sey aber hierauff bald dieses absurdum Politicum erfolget; Falckenstein 1738 Thüring. Chronik H 1,449 Wer mag solche gegen einander lauffende Absurda glauben, viel weniger sich einbilden; Goethe 1805 Br. (WA IV 19,20) Das Frankfurter Absurdum lege ich bey. Man setzt in die Zeitung: er [Schiller] sey nicht reich gestorben; Schmeller 1825 Tagebücher I 545 daß jedesmal wo er sich zutraute, selber anzuordnen oder zu entscheiden, ein Absurdum herauskam; Nietzsche 1884-88 W. IX 328 diesem Absurdum von Identitätslehre; Wiechert 1939 Leben 381 ebenso könnte der mittelpunkt eines kreises über die peripherie hinausgeschleudert werden, was doch ein absurdum sei (DWB N.). ad absurdum: Thomasius 1688 Monats-Gespräche I 400 um dieser Ursachen willen wären auch keine stärckeren demonstrationes, als die ad absurdum führeten; 1744 (Reichel 1909 Gottsched-Wb. I 56b) wenn man den Verteidiger ad absurdum bringet (DWB N.); Kosegarten 1790 Rhapsodien I 23 Definitionen des Sophisten . . reducirt er auf sokrati-
sche Manier ad absurdum; Herbart 1813 Philosophie 183 seinen Gegner gesucht hat ad absurdum zu führen; Dronke 1846 Berl. l 72 dies den übrigen gasten keineswegs sehr willkommene auftreten wurde zuletzt auf eine treffende weise ad absurdum geführt (DWB N.}; Hartmann 1869 Philosophie 267 Letzteres ist aber ebenfalls leicht ad absurdum zu führen; Bahr 1893 Liebe 55 um sich selber recht deutlich ad absurdum zu führen; Brachvogel 1919 Glück 267 Sie war einen Augenblick betreten, daß ihre Philosophie . . ad absurdum geführt wurde; Th. Mann 1926 Reden u. Aufs. (W. XI 374) hegemoniale Träume .., die in zahlreichen blutigen Versuchen sich ad absurdum geführt haben; ders. 1941 Reden u. Aufs. (W. IX 649) man kann wohl nicht zugeben, daß die christliche Kultur ad absurdum geführt ist; Andres 1953 Hochzeit 31 Man kann an einem einzigen Tag die Vernunft eines ganzen Lebens aufbrauchen, ad absurdum führen; Heimpel 1956 Kapitulation 65 mag nun .. das Zeitalter des Nationalismus zu Ende sein, weil es sich ad absurdum geführt hat; FAZ 4.12.1965 Die Praxis der staatlich gesteuerten Massenmedien, Oppositionspolitiker nur am Rande zu Wort kommen zu lassen, . . ist drastisch ad absurdum geführt worden; Hildesheimer 1977 Mozart 87 zwölf Seiten, in denen er, mit grimmiger Genauigkeit, als wolle er die Anamnese ad absurdum führen, auf die kleinsten Einzelheiten der dreiwöchigen Leidensgeschichte eingeht; MM 5.4.1991 daß dieser Text gewohnte Raum- und Zeitstrukturen ad absurdum führt.
Abszeß M. (Abszesses; Abszesse), im späten 16. Jh. entlehnt aus gleichbed. lat. abscessus, eigentlich 'Weg-, Fortgang, Rück-, Abzug (z. B. von Truppen), Absonderung' (Part. Perf. von abscedere 'weggehen, sich entfernen, sich absondern, sich ablagern (von Körpersäften)', aus ab- 'weg von . .' und cedere 'sich zurückziehen, weichen'). Als Fachausdruck der Medizin in der Bed. 'Eiteransammlung in einem neu gebildeten Gewebshohlraum, Eitergeschwür, Eiterbeule'; häufig in fachspr. Syntagmen, die Verlauf oder Ursache der Erkrankung nennen, z. B. hepatitischer Abszeß 'Leberabszeß', und in der aus lat. abscessus frigidus lehnübersetzten Wendung kalter Abszeß 'nicht mit Fieber verbundener Abszeß', im Unterschied zu akuter, heißer Abszeß (—>· akut). Selten auch übertragen verwendet (s. Beleg 1855). Dazu das nur fachspr. V. abszedieren (< lat. abscedere, s. o.) 'Eiter absondern, eitern, schwären'. Thurneisser 1583 Onomast. II 56 Arosboth: Jst erin Viscus oder Brey/ . . vnd bedeut . . ein solchs Geschwer/ das do in einer membrana/ . . etwas zewhen [zähen] schleimigen humors samlet. . . Derhalben auch dieser Abscess bey den Griechen Atheroma . . genandt wird; Stampferin 1679 Haus-
büchl 101 Dann aber ist ihr ein Abszeß gewachsen und der Eiter ist beim Maul her geronnen; Zwinger 1703 Arzt 795 Nieren-Geschwär: Dieser Zufall komt von einer Entzündung und darauff erfolgtem Absceß der Nieren her; Marperger 1712 Naturlex. 7 Abscessus, eine Geschwulst, in welcher die
Abundanz zusammengezogene Materie endlich zu Eyter wird; Weißbach 1732 Kur 87 wenn der absceß aufbricht; Schaarschmidt 1742 Med. Nachr. II 24 ein Apostema, Abscessus, eine Eyter-Beule, oder ein ulcus purulentum; Jowiris 1800 Studententeuffel 91 das ist der über alle Maßen widerliche Tintendurchfall . . befället Männlein und Weiblein, doch die letzteren besonders absonderlich, hefftig und ekelerregend, da er bei jhnen nit nur in eynem scheußlichen abscessus bestehet, nein, auch den Leib gewaltig mitnimpt; Keil 1811 Ges. kl. Sehr, l 91 Abscesse in der Leber; Keller 1855 W. IX 18 aus nichts hat gott die weit geschaffen! sie ist ein krankhafter abszeß dieses nichts (DWB N.); Scheffel 1857 Glück (Br.) 48 ein kleiner Abscess auf der Stirn; Trakt vor 1914 W. 143 in goldnen Wolken wogt ein Schlachtgewühle/ von Fliegen über Fäulnis und Abszessen; Ziegler 1921 Br. 174 der kalte abszeß an der erkrankten stelle (DWB N.); Th.
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Mann 1949 Reden u. Aufs. (W. XI 254) Er verlangte die Zuziehung eines Spezialisten, der . . den Befund durch Untersuchung bestätigte und die bronchoskopische Feststellung des Abszesses beantragte; 1955 Almanach Aufbau 542 Von den Schlachtfeldern . . trug der Wind den Verwesungsgeruch über die Stadt hin und brachte seltsame Erkrankungen mit, .. eitrige Entzündungen, Abszesse unter den Nägeln und unerforschte Formen von Ausschlägen; 1956 Wiss. u. Fortschr. Ill 75 Lungenabzesse und alle chronischen Lungenentzündungen, die mit Eiterbildung einhergehen; Zeit 2.8.1985 Krankheiten wie der Amöbenleberabszeß können sogar noch Jahre nach dem Tropenurlaub zum Ausbruch kommen; MM 10.4.1986 Es erkrankt am Abszeß und stirbt vier oder fünf Tage später daran; ebd. 13.5.1988 Aber auch gewöhnliche Eitererreger können in die Haut eindringen und zu langwierigen Abszessen führen.
Abundanz F. (-; ohne PL), Ende 16. Jh. entlehnt aus gleichbed. lat. abundantia (zu abundare 'im Überfluß vorhanden sein, überfließen', aus ab- 'über-' und undare 'fließen', zu unda 'Welle, Woge, Strudel, Flut'); anfangs auch in der lat. Form, im 18.719. Jh. unter frz. Einwirkung häufig in den Formen Abondance, Abondanz und im frz. Syntagma en abondance 'im Überfluß'. Vor allem bildungsspr. in der Bed. 'Überfluß, (Über-)Fülle, Menge, Reichtum, reichliches Vorkommen, Überschuß, Überangebot', z. B. in bezug auf (kostbare) Materialien, Speisen, Getränke oder auch menschliche Eigenschaften (im Ggs. zu Mangel, Armut, Insuffizienz), früher bes. in der Wendung (etwas) in Abundanz (vorfinden); seit dem 18. Jh. (s. Belege 1772, 1909) gelegentlich in der lat. Form Abundantia als Bezeichnung für die spätrömische, vor allem auf Münzen als weibliche Figur mit umgestülptem Füllhorn dargestellte Personifikation eines genußreichen Zustandes von Reichtum und Überfluß (dafür im Mittelalter auch Domina Abundia, vgl. altfrz. Dame Habonde, eigentlich 'Herrin des Überflusses'). Im 20. Jh. zunehmend auch fachspr. verwendet, z. B. in der Medizin für 'störendes Übermaß' (z. B. der Gewebe), in der Biologie und Geologie für 'Auftretenshäufigkeit, Dichte des Vorkommens; Individuendichte, d. h. durchschnittliche Anzahl der Individuen einer Tier- oder Pflanzenart auf einer definierten Fläche', bes. in der Zs. Abundanzregel als Fachausdruck für eine Regel, nach der in einem Biotop mit vielseitigen Lebensbedingungen die Arten mit großer Reaktionsbreite, in einem Biotop mit extremen Bedingungen die spezialisierten Arten stärker vertreten sind (vgl. Redundanz 'Überfluß durch mehrfache Wiederholung'), und in der Literaturwissenschaft für 'Fülle des Ausdrucks, Wiedergabe desselben Gedankens durch bedeutungsgleiche, -ähnliche Ausdrücke, Formulierungen'. Seit Ende 17. Jh. das aus gleichbed. lat. abundans, Gen. abundantis (Part. Präs, von abundare, s. o.) entlehnte Adj. abundant (Steigerung schon im Lat. nur durch Präfigierung, z. B. superabundans), im 18.719. Jh. unter frz. Einfluß gelegentlich auch in der Form abondant gebucht, bildungsspr. in der Bed. 'überquellend, übervoll, reich, im Überfluß, reichlich (vorhanden), (über)genug, luxuriös', auch 'häufig
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Abundanz
vorkommend, dicht'. Seit dem 19. Jh., zunächst vereinzelt in der lat. Form, auch fachspr. verwendet, z. B. in der Mathematik im Syntagma abundante Zahl für 'natürliche Zahl, deren Summe ihrer Teiler größer als ihr Doppeltes ist' (z. B. 12 mit den Teilern 1+2 + 3 + 4 + 6 + 1 2 = 28) und in der Logik in den Syntagmen abundante Merkmale 'Aspekte einer Definition, die nicht notwendig sind' und abundante Definition 'zu weitgefaßte Definition', auch als Börsenausdruck in bezug auf Aktien und Papiere für 'viel, reichlich angeboten' (vgl. redundant 'mehrfach, überreichlich vorhanden'). Dazu schon seit früherem 16. Jh. das seltene, auf gleichbed. lat. abundare (s. o.) zurückgehende intrans. V. abundieren, im 19. Jh. unter frz. Einfluß auch abondieren, bildungsspr. für 'überfließen, überquellen, überschäumen, im Überfluß, reichlich vorhanden sein, häufig vorkommen'. Abundanz: Albertinus 1599 Sendtschreiben III 75b vnd daher ist erfolgt, daß die Abundantz der Sünden ist vertilgt worden von der Abundantz der Gnaden durch die verzeyhung der Sund; Kiechel um 1600 Reisen 245 abondantia von wein; ebd. 276 abondantia des .. wassers; 1692 (1732 Policey-Ordnung 12) daß .. aller Pracht und Übermuth in Kleidung . . gesteuret, und also vielmehr . . zur Mäßigkeit, als zur abundantz gefaßte Geflissenheit würcklich verspüret werden möge; Stieler 1695 Zeitungs Lust 484 Abundantz, Hülle und Fülle, Überfluß, Menge; Olearius 1696 Reisebescbr. II 87 Alles was an Landes-Früchten zur Leibes-Nahrung vonnöhten/ ist hier in grosser Abundantz; Carlowitz 1713 Baum-Zucht 50 solchergestalt will die Natur nicht mehr die Bäume umsonst geben/ die doch zuvor in so grosser Abundantz/ Zierlichkeit und Schönheit von sich selbst gewachsen; Marperger 1716 Kücbendict. 426 das Geflügel-Werck ist in Abondantz; 1723 Gundlingiana XXXI 66 dass gleichwohl einige Völcker Silber und Gold in abundantz gehabt; Sperander 1727 A la mod Sprach 6 Abundantz/ der Überfluß/ z. E. in Abundantz mit etwas versehen seyn; 1736 Karlsbad 88 in grosser Abundanz heraus gebohret; Wieland 1758 Ges. Sehr. I 4,572 Die Erde war anfangs so erschaffen worden, daß sie dem Menschen . . alles in der größten Mannigfaltigkeit und Abondanz hervorbrachte; Goethe 1772 Sehr. 185 Roma's Büste voran, Juno, die Verleiherin, der Pfau besonders, Abundantien mit Fruchthorn und Blumenkorb, sie schwanken über fliegenden Wimpeln und schwebenden Tafeln; 1804 Churpfalzbaier 60 Mädeln hätte ich in Abundanz; denn welche wil nicht gerne eine Frau werden?; Blücher 1819 Er. 343 Abondance; Nestroy 1838 W. VI 494 Ich brauch . ./ Eine Ausstaffierung ganz komplett./ . . Nach'n Dutzend all's in Abundanz; Sass 1846 Berlin 256 die Abundantz des Gewerbebetriebes in Berlin; Justi 1867 Br. aus Italien 94 in einer gewissen Abundanz der Rede, in welcher er helldunkle
Ideen zum Ausdruck zu bringen sich bemüht; Müller 1877 Archäol. Wb. 115b Abundantia . . war bei den Römern ein Beiname der Ceres. In Anlehnung hieran belegten die Cinquecentisten mit diesem Namen die damals so beliebten allegorischen Darstellungen der vier Jahreszeiten, als deren Hauptfigur . . eine weibliche Gestalt erscheint, die in ihrer üppigen Fülle . . an jene Ceres erinnert; Nietzsche 1887 Br. a. Peter Gast 244 ich empfinde eine Abundanz von Symbolik und Sinn in dieser physiologischen Niederträchtigkeit; Stilgebauer 1907 Börsenkönig 78 die prächtige Abundantia, die den schönen Saal als Deckengemälde zierte; Halke 1909 Handwb. Münzk. 5b Abundantia, römische Personifikation des Überflusses; 1916 Lit. Echo IXX 117 So leidet das groß konzipierte und gedachte Werk an einer Abundanz der Ereignisse und Menschen; Tb. Mann 1932 Reden u. Aufs. (W. X 467) eine Aufgabe, freudig und schwer wie die Kunst selbst und in ihrer durch die Form nur fragmentarisch bezwingbaren Abundanz ein verkleinertes Abbild der Aufgabe Ihres Dichterlebens; 1984 Forstwiss. X 314f. Abweichend davon zeigen unsere Beobachtungen, daß unter den Bedingungen der Massenvermehrung bei höheren Abundanzen der Nonne [Insekt] auch starke Flüge männlicher Falter bei vollem Tageslicht stattfinden. abundant: Dibbern 1692 Gl. abundant, überflüssig, voll, häuffig, reichlich (SCHIRMER, Mathematik); Klügel 1803 Math. Wb. 110 Abundans numerus, überschließende Zahl, ist diejenige, deren ganze Theile mit Ausschluß ihrer selbst, die Einheit aber mit genommen, zusammen größer sind als die Zahl selbst; Beurmann 1836 Hansestädte 130 Man feierte den Frieden abundant mit einer kostbaren Fastenmahlzeit; Schliemann 1887 Br. II 263 dass in den Pyramiden von Gizeh . . alle Blöcke mit abundantem Kalk verbunden sind; 1904 Österr. Rundsch. I 208 abundantes Gebackenes, darunter wiederholt Schober und tellergroße Krapfen; Niebel-
Abusus schütz 1949 Bürgerin 15 er machte sich kein Gewissen, den Bürger zu höhnen, indem er weiß-silbern auf abundantem Tragbett, mitten durch die Straßen der Hauptstadt, dem gänzlich ergrauten Linienschiffe entgegenschwebte. abundieren: Paracelsus 1530-31 S. W. 113,177 die selbigen [Sterne] sind widersinns der sonnen, und darumb das sie widersinns seind der sonnen, so die
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sonne von irer exaltation kompt, als im winter, so abundiren die wintersternen; 1824 Allg. dt. SachWb. I 61b abundiren, Ueberfluß haben; Th. Mann 1947 Paustus (W. VI 478) eines der in ihrer Plastik gewaltigen Themen in seinem Geist, von denen das apokalyptische Werk abundiert; ders. 1948 Reden u. Aufs. (W. IX 750) es ist an jeder Stelle so vorzüglich, so geistvoll, so herrlich wortgenau und abundierend an Weisheit und Witz, so kunstfroh, heiter und leicht im Tiefsinn und in der Größe.
Abusus M. (-; ohne PL, im 17./18. Jh. vereinzelt Abusus und Abusen), im früheren 16. Jh. entlehnt aus gleichbed. mlat. abusus (zu lat. abusus, subst. Part. Perf. von abuti '(etwas) aufbrauchen, vollständig verbrauchen; im Übermaß gebrauchen, mißbrauchen, übel anwenden'; —» Usus), früher vereinzelt in der lat. (flekt.) Form. Nur selten und eher bildungsspr. verwendet in der Bed. 'übermäßiger Gebrauch, Mißbrauch', heute speziell in der Medizin vor allem auf Arznei- und Genußmittel bezogen, z. B. in der Wendung fortgesetzter Abusus führt zur Sucht und als Grundwort in Zss. wie Medikamenten-, Tabletten-, Drogen-, Alkohol-, Nikotinabusus; seit dem 18. Jh. selten das lat. Syntagma per abusum 'durch Mißbrauch, mißbräuchlich' und vom 19. bis ins frühere 20. Jh. nur gebucht das latinisierende Sprichwort abusus non tollit usum 'Mißbrauch hebt den (rechten) Gebrauch nicht auf. Dazu seit Ende 17. Jh. das aus gleichbed. mlat. abusivus (abusive Adv.) entlehnte Adj. abusiv (ohne Steigerung), eher bildungsspr. in der Bed. 'mißbräuchlich; zu Unrecht, unrechtmäßig; uneigentlich, falsch', z. B. im (tautologischen) Syntagma abusiver Gebrauch 'Mißbrauch', auch 'uneigentlicher, sprachwidriger, widerrechtlicher Gebrauch', im 18.719. Jh. gelegentlich auch das Adv. abusive 'mißbräuchlich; zu Unrecht', bes. in der Wendung jmdn. abusive als jmdn. (z. B. als Bürger) bezeichnen 'jmdn. zu Unrecht, fälschlicherweise (z. B. als Bürger statt als Dorfbewohner) bezeichnen' (s. Beleg 1825). Im 17./18. Jh. das aus gleichbed. frz. (5') abuser entlehnte Verb abusieren, in trans. Verwendung für 'jmdn./etwas mißbrauchen; täuschen, betrügen, im Stich lassen' (s. Belege 1632, 1715) und reflex, in der Bed. 'sich irren, täuschen' (s. Belege 1642, 1705), bis ins frühere 20. Jh. (1933 bei Genius) selten auch in der französisierenden Form abüsieren gebucht. Vgl. daneben das Ende 17. Jh. aus gleichbed. frz. abus übernommene, nur selten nachgewiesene Subst. Abus, auch Abüs M., für 'Irrtum, Fehler, Versehen'. Abusus: Luther 1531 W. XXXI11 327 dan kein schedlicher abusus oder Greuel je gewest ist dan der Messe; Becher 1668 Discurs 188 umb solcher abusen . . wegen; Ettner 1719 Medicin. Maulaffe 662 per abusum; Maria Theresia 1750 Polit. Testament 42 Zwei Ursachen sind, woraus sotane Abusus ihren wahren Ursprung leiten; Hamann 1774 Briefw. Ill 124 daß er den kleinen abusum Ihrer Freundschaft mir selbst nicht zur Last legt; Wit v. Dörring 1828 Fragmente III 19 Jene Regierungen, die den Freimaurerorden aufheben wollen haben den abusum vor Augen, diese den usum; Blümner 1910 Sturm 179c weil er [Harden] einen wirklich bei uns bestehenden abusus [Homosexualität] aus-
posaunt hat (DWB N.); Musil 1930 Mann 1644 Eines meiner Prinzipien: es kommt nicht darauf an, was, sondern wie man darstellt. Das wird mit dem Psychologiekapitel bis zum Abusus getrieben; Münch. Stadtanz. Nov. 1953 den Kollaps des Kreislaufes in jedem Falle allzu vorschnell mit einem „Abusus" (Alkohol-, Nikotinmißbrauch u.a.) in Zusammenhang zu bringen; J959 Urania 111 116 Nicht Alkohol-, sondern KopfschmerztablettenAbusus lautete die Diagnose; 1959 Forsch, u. Fortschr. VIII 229 Auch er entschied sich für eine Polyätiologie des Bronchialkarzinoms, wobei aber der Zigarettenabusus in vorderster Stellung rangiert.
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Accessoires
Abus: Stieler 1695 Zeitungs Lust 484 abus, Misbrauch, Irrtum, Unrichtigkeit; Hamann 1774 Briefw. Ill 129 ist es gut ihnen von diesen abus [Irrtümern der Post] Nachricht zu geben, um sich darnach richten zu können. abusiv(e): Stieler 1695 Zeitungs Lust 484 abusiv, betrieglich, misbreuchlich, scheinwahr; Köhler 1710 Schles. Kern-Chronik l 64 Der Thür-schlüsser . . wird zimlich abusiv der cantzler genennet; 1711 Volck v. 'Wertheim o. S. ein Hacken an einen Juwel/ daher dieselben abusive Aggraffen genennet werden (BRUNT); 1714 (Fatthauer 1936 D. brem. Metallgewerbe 129) so kam es, daß der Rat erklärte, [die Knopfadler seien] bisher nicht als nur abusive ein Ambt genannt worden; Sperander 1727 A la mod Sprach 6 Abusive, aus Mißbrauch/ durch Irrthum/ mißbräuchlich; Falck 1825 Handb. Privatrecht I 33 die Einwohner in den Flecken werden abusive bisweilen selbst in den Gesetzen Bürger genannt, obgleich Fleckenseinwohner die gewöhnliche Bezeichnung ist; Goethe 1827 Amtl. Sehr. (Vogel 347) wogegen aber alle sonstigen Universitätsferien, die städtischen Jahrmärkte und früher sonst
abusive eingeschlichene Tage nie als Ferien betrachtet werden dürfen (GWB); 1887 (Mommsen 1935 Briefw. 317) Daß die Ritter trotz Sulla gracchisch bleiben, erkläre ich mir ein bischen aus dem Census von 684, vor allem aber wie Du, aus dem abusiven Gebrauch und namentlich der Publikaneninstitution. abusieren: Wallhausen 1616 Manuale (Gl.) o. S. Abousiren. Mißbrauchen; Nicolai 1632 Br. a. Schwarzenberg (Sonden 49) wie stattlich man von dieser Seiten dazu geholffen hatt, und sich endtlich abusirt befunden; Harsdörffer 1642 Frauenzimmergespr. 29 wan ich mich in meiner opinion abusire (alle JONES); Londorp 1691 Acta publica XVII 382b Hat er meine leibliche Mutter . . abusiret (BRUNT); Leib 1705 Erste Probe V Wie sehr aber diese sich hierinnen abusiren/ solches kan daraus gar leichte erwiesen werden (BRUNT); Elis. Charl. 1715 Br. II 625 Man hatt ihm [König] alß weiß gemacht, seine Seeligkeit bestehe drauff [auf Anordnungen] undt Ihr wist, liebe Louisse, wen man davon persuadirt ist, ist man nicht zu abussiren.
Accessoires PL, selten auch im Sing. Accessoire N. (-s; -s), Mitte 19. Jh. entlehnt aus frz. accessories 'Nebensachen, unbedeutende Einzelheiten; Zubehör', speziell 'nebensächliche Bestandteile eines Kunstwerks (z. B. von Gemälden), Beiwerk; für die Ausstattung einer künstlerischen Darbietung (bes. Theateraufführung) zwar nur sekundäre, aber unentbehrliche Gegenstände (z. B. Dekoration, Kostüme u.a.), Requisiten", auch 'Nebenrollen' (zu frz. accessoire 'nebensächlich, unwesentlich; untergeordnet' < mlat. accessorius 'zusätzlich, hinzukommend', zu lat. accessus, Part. Perf. von accedere 'hinzukommen, hinzutreten', aus ad- 'hinzu' und cedere 'kommen'). l Im 19. Jh. selten nachgewiesen in der eher fachspr. Bed. 'für ein Kunstwerk nur in zweiter Linie wichtige oder notwendige Bestandteile, Zutaten; (künstlerisches, darstellungstechnisches) Beiwerk, Ausstattungsgegenstände, Dekorationen; Nebenfiguren, Statisten', bes. im Bereich von Malerei, Bildhauerei und Literatur (vgl. 2b und —* Requisit b). 2a Seit Mitte 20. Jh., vermutlich unter erneuter Einwirkung von gleichbed. frz. accessoire(s), zunächst im Bereich der Mode in der Bed. '(aus ästhetischen Gründen ausgewähltes, in geschmacklicher Hinsicht passendes, schickes oder extravagantes) modisches Zubehör zur harmonischen Ergänzung der Kleidung, Garderobe', wie z. B. Gürtel, Handschuhe, Handtasche, Hut, (Sonnen-)Brille oder (Mode-)Schmuck, bes. in Syntagmen wie modische, passende, harmonische Accessoires, b In neuerer Zeit zunehmend auch übertragen verwendet, wobei in den Kontexten meist auch die zugrunde liegenden Bedeutungskomponenten 'Zubehör(-teil)' (vgl. 2a) und '(bloßes) Beiwerk' (vgl. 1) assoziiert werden; vor allem bezogen auf alltägliche Bedürfnisse in der Bed. 'das Leben erleichternde, für den normalen Lebensstandard notwendige, unentbehrliche oder schon unentbehrlich gewordene technische
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Gegenstände, Geräte' (z. B. Telephon, Waschmaschine, Kühlschrank, Auto, Fernseher, Videogerät usw.; s. Beleg 1986); im Bereich der Werbung gelegentlich für '(das Bedürfnis nach Bequemlichkeit, Komfort oder Luxus befriedigende) Extras, technische Sonderausstattungen oder zusätzliche Serviceleistungen' (s. Belege 1965, 1968); häufig auch in bezug auf bestimmte Berufsbilder, Genres oder Milieus für 'klischeehafte, stereotype äußerliche Attribute, typische Gegenstände, Utensilien, Ingredienzien, allgemein bekannte, vertraute Zutaten (wie man sie erwartet)' (s. Belege 1985, 1987, 1990), bes. in Syntagmen wie die traditionellen, typischen, üblichen, bekannten Accessoires; selten im künstlerischen Bereich (Literatur, Theater, Malerei) in der Bed. 'Versatzstücke, Requisiten' (s. Belege 1986, 1987; vgl. 1) und vereinzelt auch eher abwertend gebraucht für 'bloß dekorativen oder ornamentalen Zwecken bzw. dem Prestige dienende (künstlerische) Ausstattungsgegenstände (mit bestimmter ästhetischer Wirkung, Ausstrahlung)' (s. Beleg 1985). Accessoires 1: Burckhardt 1852 Br. a. Bremer-Kron 30 die Situationen und Accessoires, in welchen Sie in Ihrem dichterischen Werk auf das Geratewohl herumgreifen, müssen ruhig und schön werden; Müller/M. 1877 Archäolog. Wb. l 17 accessoires . . das nebenwerk, beiwerk, die nebenfiguren, decorationen (DWB N.). Accessoire(s) 2a: Süddtsch. Ztg. 2.12.1949 Couturier der Accessoires, die so wichtig geworden sind. Handtaschen wie Köfferchen, . . Schirme; 1951 Schweizer Theater-Jahrb. 163 Die Frau benötigt die Accessoires, die der Kleidung erst den richtigen Schick geben; Süddtsch. Ztg. 16.1.1953 Sie will mit ein paar frechen Accessoires — einem spitzen Zaubererhut, . . grellbunten Schleiern . . — die Idee andeuten; Stuttgarter Ztg. 3.12.1962 Sie hatten es verstanden, ihrer Garderobe durch auffälligen Modeschmuck . . und andere Accessoires einen .. festlichen Anstrich zu geben; ebd. 29. 9.1967 Schnittkleider sind Accessoires-Liebhaber; Offenburger Tagebl. 9.3.1968 der Modeschmuck ist .. zum wichtigsten Accessoires der Mode avanciert; Frau 10.3.1968 Das einfachste Badezimmer wird zum Paradies, wenn die „Accessoires" aus demselben Frotteedessin sind; 1970 Freiburg. Wochenber. VI 13 die vielen hundert Accessoires zur Ausschmükkung der Kleider; Textil-Mitt. 6.4.1971 vertrat .. die Meinung, daß die Accessoires und alle anderen Artikel, wie Gürtel und Ketten . . mehr und mehr an Publikumsinteresse finden; ebd. 6.4.1971 Das Taschentuch als modisches Accessoire; Welt 1.3.1974 wer den kritischen 6. Sinn der Europäerin in puncto Accessoires befriedigen will, muß .. erspüren, welches Gefühl für die Mehrzahl der Frauen Mode werden wird — 1974 mit Sicherheit die „Sehnsucht nach Harmonie"; ebd. ein neuer Mantel-Typ . . zu dem sich leicht „harmonische Accessoires" finden lassen; MM 8.1.1985 nicht nur Kleidung und modische Accessoires kauft
man in Paris ein; ebd. 7.9.1985 die Verwandlungsmöglichkeiten der neuen Mode durch farblich abgestimmte oder kontrastierende Accessoires; ebd. 26.6.1986 Ohrschmuck schädigt Ansehen der Polizei (Überschr.) . . gesetzlich geregelt sei — so die Richter — auch die Pflicht, im Dienst keine ungewöhnlichen Accessoires zu tragen; Zeit 29.8.1986 Konfektion aus Stoffen sowie Strickmoden, Lederbekleidung, Schuhe und Accessoires; ebd. 29.5.1987 sie brauchen keine virilen Dreitagebärte, keine Weichzeichner-Kopulationen, keine Teuer-auf-billig-Requisiten unserer Accessoires-Dekade; MM 4.7.1987 Sonnenbrille . . als modisches Accessoire; Spiegel 11.6.1990 Der Schlips ist von zeitlosem Blau. Festgehalten wird das matt schimmernde Accessoire von einer goldenen Krawattennadel; 1990 Cosmopolitan XI 322 Die Söhne und Töchter aus gutem Haus, die so lässig die Accessoires des Dazugehörens am Handgelenk tragen. Accessoire(s) 2b: 1965 Durch d. schöne Welt Junih. o. S. TEE mit . . vielen anderen „Accessoires" das bequeme Reisen mit der Bahn noch bequemer zu machen; Stuttgarter Ztg. 13.4.1968 Manche Accessoires zeigen, daß die Branche versucht, das Fahrrad zum modischen Artikel zu machen; Zeit 18.1.1985 sie beschäftigten sich liebevoll mit dem Lapidaren, dem von ihm bevorzugten lakonischen Material dinglicher Poesie, sozusagen mit den poetischen Accessoires seines vermutlich wichtigsten literarischen Vorbildes: der Brille, dem Zimmer, dem Schreibtisch, der Lampe; ebd. 19.7.1985 die Kulturbürger betrachten . . Gemälde nur „als Accessoires der Wohnkultur"; ebd. 13.9.1985 der lange Tisch mit grünem Filzbelag, die Bündel .. spitzer Bleistifte und die Batterien von Mineralwasserflaschen gehören zu den weltweit bekannten Accessoires von Spitzenbegegnungen im Regierungszentrum der östlichen Supermacht; ebd.
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Achillesferse
18.10.1985 Nippsachen, Bauhausstühle, ein Kristalldetektor mit Kopfhörern — Accessoires, Momente, die eine ganze Welt von Erinnerungen bergen; ebd. 20.12.1985 Reaktionsgefäße, Meßzylinder, Pipetten und andere traditionelle Accessoires des Chemikers; ebd. 3.1.1986 seine Familie bewohnt eine rund 90 Quadratmeter große Wohnung .. im Stil eher altdeutsch-rustikal und mit allen lebenserleichternden Accessoires ausgestattet (Telephon, Kühlschrank, Waschmaschine, Auto, Fernseher); ebd. 31.1.1986 mit diesen 1680 Mark muß nun unser „Herr Jedermann" sich und seine Familie ernähren, kleiden, auch alle „lebenserleichternden Accessoires", die er ja alle besitzt, .. finanzieren; MM 7.5. 1986 Godard läßt das klassische Erzählkino explodieren — leise, in . . einem Klima des Irrealen, ausgestattet mit den Accessoires der Realität; ebd. 28.5.1986 Denglers Menschen, zumeist Frauen, wirken wie Accessoires im Bild, wie unpassende Randerscheinungen; Zeit 18.7.1986 die Kamera zeigt nur die Wände einer Gefängniszelle, Spind, Accessoires und Gitterstäbe; MM
9.10.1987 diese Porträts sind alle rätselhaft im Gestus .. im Vordergrund zumeist ein beziehungsreiches Accessoire, das den Philosophen, die Sängerin, den Soldaten identifizierbar macht; ebd. 17.10.1987 beherrschen Mnouchkine und ihre Truppe die bereits aus den Shakespeare-Inszenierungen bekannte Choreographie auf dieser . . Bühne (Dekor: Guy-Claude Francois) mit ihren spärlichen Accessoires; ebd. 5.1.1988 die typische Atmosphäre und die typischen Accessoires des Boulevard werden gesucht und . . parodiert; 1990 Elle X 364 Schalen. Aus transparentem Plastik. Schrilles Accessoire für die Wohnung im Stil der Sixties; ebd. X 406 Die Farben d e r . . Couches, der Tische, Stühle und Wohnaccessoires: leuchtendes Türkis; Zeitmagazin 5.10.1990 Johannes Rau . . gibt sich staatsmännisch am Schreibtisch: .. neben ihm die Fahne des Landes und vor ihm ein großer Schreibtisch mit den notwendigen Accessoires und Familienphotos; 1992 Vogue IV 142 Laborzubehör sowie Möbel und Wohnaccessoires fürs Haus wie fürs Büro.
Achillesferse F. (-; selten -n), seit Anfang 19. Jh. nachgewiesene, phraseologisch verwendete Zs. (nach einem griechischen Sagenmotiv, demzufolge der Held Achilles nur an einer einzigen Stelle seines Körpers, der Ferse, verwundbar war, an der ihn seine Mutter Thetis beim Eintauchen in den unverwundbar machenden Styx festgehalten hatte; durch einen Pfeilschuß in die Ferse wurde Achilles getötet), früher häufig auch in der Schreibung Achillesverse. Eher bildungsspr. verwendet in der übertragenen Bed. 'verwundbare, empfindliche Stelle, heikler, wunder, schwacher Punkt; schwache Seite', bes. von Personen, häufig aber auch von Gegenständen oder Sachverhalten, z. B. in Wendungen wie das ist seine Achillesferse, die Achillesferse von jmdm./etwas treffen, berühren, die Achillesferse des Militarismus; in neuerer Zeit selten auch im Sinne von 'Fehler, Manko; Schwäche, Blöße' gebraucht (s. Beleg 1963). Jean Paul 1805 Flegeljahre (W. IV 880) Selbstschätzung, wodurch jeder Akteur leicht der Münzmeister seiner Preismedaillen . . war, und jede Aktrice leicht ihre Dekorationsmalerin . . das Gefühl, daß der Sokkus oder der Kothurn ihre Achilles-Fersen beschütze; Laube 1836 Reisenovellen IV 144 Das ist die schwächste Seite Berlins, seine Achillesferse; Hallbauer 1849 (1929 Frankf. Pari. 305) Diese Note wird . . unter großer Spannung vorgelesen. Gagern gibt eine geharnischte Erklärung, wo er diese Note an der Achillesferse packt; Radowitz 1851 Neue Gespr. II 39 Im eigenen Lande? Hier, lieber Büchner, berühren Sie die Achillesferse!; Kossack 1855 Stereoskopen 264 Dieses unvollständige, rumpelkammerartige Waarenlager ist die Ergänzung zu dem hochmüthigen Paris; es ist seine Achillesverse ill, aber der Stolz der Mouffetard-
straße; Steinmann 1857 Rothschild l 129 Diese Staatsschuldenmasse ist die Achillesferse [von Europas Staaten]; 1857 (Matschoss 1916 Siemens l 153} Im Beamtenpersonal liegt unsere Achillesferse; Lindenberg 1883 Berlin 29 seine [des Berliners] Achilles-Verse [!] ist sein scharf ausgebildetes Selbstgefühl als „Spreeathener"; Hartmann 1891 Pessimismus 96 die Achillesferse seines [Schopenhauers] Pessimismus; Fischer 1891 Beitr. I 236 Daher ist die Lyrik die Achillesferse unserer Dialektdichtung; Kleinpaul 1892 Sprache 173 Die Sinnlichkeit, die . . um ihn flutet, bliebe ihm verschlossen, bekannt und doch fremd, sie gliche einer Gottheit, die er bewundern und doch nicht besitzen dürfte, unnahbar, unverwundbar, bis auf die Achillesferse; 1895 Naturwiss. Wochenschr. X 256 Eine Art von Achillesferse in Bezug auf Infektionsgefahr
Action sind die Rachentonsillen oder Mandeln; Flake 1897 Sie war reizend 75 Sie hatte meine Achillesverse [!] berührt; Mirandoli 1901 Automobilen (Übers.) 7 Die Achillesferse des Automobils ist der Transmissionsmechanismus; Wendt 1904 Gesch. d. Bergwerksgesellschaft 27 war die Geldwirthschaft die „Achillesferse" des Familiengeschäfts; Bresnitz v. Sydacoff 1907 Die Irredenta — die Achillesferse des Dreibundes (Titel); Benjamin 1912 Br. I 41 Ich habe von jeher eine moralische Achillesferse besessen — und aus reiner Not, um nicht tödlicher getroffen zu werden, bedecke ich sie mit einer 5 Pf. Postkarte; Th. Mann 1915 Reden u. Aufs. (W. X 96) England an seiner kontinentalen Achillesferse, nämlich in Hannover, anzugreifen; Johnston 1917 Menschenverst. 91 Portugal die Achillesferse des Napoleonischen Reiches; Shaw 1919 Menschenverstand (Übers.) I 68 Achillesferse des Militarismus; Knörzer 1922 Wärmeinsel 273 Die „Achillesferse" des oberelsässischen Klimas ist es, welche im Vogesenvorlande die Kultur [der Zypresse] so gut wie ausschließt; Kunkel 1929 Einführung 39 ein Kind, das diese Achillesferse bei Erwachsenen einmal entdeckt hat; Würzb. Generalanz. 22.9.1930 Als Achillesverse [!] des Stückes sehe ich den Schluß an; Friedeil 1931 Kulturgesch. Ill 75 Lord Byron hatte seine Achillesferse: wir denken dabei nicht an seinen Klumpfuß. Die verwundbare Stelle; Reichert 1935 Standortfragen 9 die Achillesferse der italienischen Eisenindustrie; Schäffer 1936 Cara 123 denn das Einprägen von Achillesferse blieb einmal deine Achillesferse; Drascher 1937 Vorherr-
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schaft 277 Russlands kontinentale Lage ist . . seine Achillesferse; 1940 USA. 89 dass die Philippinen die Achillesferse Amerikas seien; N.Z.Z. 5.3. 1943 Extreme Parteien . . sind die Achillesferse in unserer Abwehrfront; 1948 Duttweiler. Festg. 140 Achillesferse des Sozialismus; Süddtsch. Ztg. 2.7.1950 Die „Achilles-Ferse" der bayerischen Schulpolitik; ebd. 21.5.1953 Die Ausfuhr ist die Achillesferse der britischen Wirtschaft; ebd. 21.9.1959 der Bierpreis, die Achillesferse der Gemütlichkeit; Habe 1963 Namen 386 Wer in die geheimen Dienste tritt . ., der muß seine Blößen, verwundbaren Stellen, Achillesfersen . . sorgfältig verbergen (DUDEN); FAZ 10.6.1967 Die Achillesferse bei der Schuhentwicklung ist die Achillessehne; FAZ 15.9.1971 Die Achillesferse dieses Etats seien die Personalkosten; Welt 5. 2.1974 sehe Ost-Berlin in den Transitwegen eine Achillesferse der Bundesrepublik . . und des . . Westens; Zeit 20.12.1985 geblieben sind ein paar Sprüche, Gemeinplätze, Metaphern; ein Kainsmal, . . ein Goldenes Kalb, abgegriffen wie die Achillesferse oder der Augiasstall; ebd. 13. 3.1987 die Pole seien die Achillesfersen der Atmosphäre; ebd. 3.4.1987 suchen die Molekularbiologen nach weiteren Achillesfersen des Aids-Erregers; MM 14.1.1988 die „Achillesferse" bei jugendlichen Fußballspielern ist das Knie; ebd. 3.3.1988 vor allem im Non-FoodBereich . . liegt die Achillesferse der Branche; 1990 Elle X 286 Der amerikanische Sozialpsychologe .. vertritt beruhigenderweise die Ansicht, daß jeder . . eine Achillesferse hat und daß folglich jeder — taktisch und faktisch — manipuliert werden kann.
Action, auch action F. (-; ohne PL), in den 60er Jahren des 20. Jhs. entlehnt aus gleichbed. engl. action (über frz. action zurückgehend auf lat. actio, Gen. actionis, 'Bewegung; (theatralische) Aufführung, Darstellung; Handlung, Tätigkeit, Tat', —> Aktion). Meist ohne Artikel in der Bed. 'spannende, fesselnde, heftig bewegte, turbulente, szenenreiche dramatische Handlung', bes. in bezug auf Filme, Romane oder Darbietungen auf der Bühne für 'von Spannung, Dramatik, Nervenkitzel u.a. geprägtes, meist in einer raschen Abfolge von Szenen, Bildern dargestelltes Geschehen', z. B. in Syntagmen wie brutale, knallharte, pralle, rasante Action, eine actionreiche Komödie; häufig in (oft auch mit Bindestrich geschriebenen) Zss., die im Engl. teilweise kein nachweisliches Vorbild haben, wie Actionheld, -stück, -comic, -theater, -kino, -szene, -thriller und bes. Actionfilm 'Spielfilm mit spannungs- und abwechslungsreicher Handlung, in dem der Dialog meist auf ein Minimum beschränkt ist' (s. Belege 1974, 1986); speziell im Bereich der Filmproduktion (bei den Dreharbeiten) in der Wendung action bitte! als Aufforderung des Regisseurs an die Akteure, schauspielerisch in Aktion zu treten, zu agieren (s. Beleg 1988; —* agieren 2b, —»· Akteur a). Auch eher ugs. und bes. im Jugendjargon übertragen verwendet für ein ereignisund handlungsreiches, lebendiges, dramatisches, mit Dynamik, Bewegung und Be-
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Action
trieb(samkeit) erfülltes Geschehen (im Ggs. zu Langeweile, öde Zeit, Nichtstun), in Wendungen wie Action machen 'Schwung, Leben, Spannung usw. erzeugen, etwas entfesseln', auch 'Krawall machen, Unruhe stiften', auf Action stehen oder Action wollen 'wollen, daß etwas (ab)läuft, los ist, passiert; etwas Neues erleben, nach Erlebnissen dürsten, in aufregender Weise unterhalten werden wollen' (—> Aktionismus). Daneben der schon seit Anfang der 60er Jahre nachgewiesene, von dem Kunstkritiker Harold Rosenberg (aus engl. action und painting 'Malerei', zu paint 'malen') geprägte fachspr. Ausdruck Action(-)Painting N., vereinzelt auch F. (-; ohne PL), als Bezeichnung für eine in den USA entstandene moderne Richtung der expressionistischen Malerei bzw. für eine entsprechende Malweise, die mit unkonventionellen, handlungsreichen Techniken wie Schmieren, Spritzen oder Tropfen (von Farbe) besondere Effekte der Improvisation erzeugt und somit das Erlebnis entfesselter Aktion im Malvorgang unmittelbar sichtbar werden läßt, dafür gelegentlich auch die teillehnübersetzte Zs. Actionmalerei, auch Action(-)Malerei, und vor allem die Lehnübersetzung Aktionsmalerei (—+ Aktion 3d); etwa gleichzeitig die Personenbezeichnung Action-Painter M. (s;-) 'Künstler, der Action painting ausübt'. Action: Welt 24.8.1963 daß man . . alle Stimmen mit jenen Klischee-Sprechern besetzt findet, die man aus .. mittelmäßig synchronisierten „Action"Filmen kennt; Stave 1964 Leute 245 welche Rolle im Filmgewerbe seit langem die sogenannten „action-Filme" spielen, in denen der Tatendrang Halbwüchsiger in der rohen Machart von Comicstrips befriedigt wird; Offenburger Tagebl. 12.3.1969 Für den großen Teil der „Filmemacher", die . . ihre Streifen zeigten, ist das „Action-Kino" gestorben. Für sie gibt es nur das „andere Kino": das „AntiKino"; 1973 Hörz« XVL 20 Wir haben gerade diesen Stoff gewählt, weil er . . Action und Spannung bietet; Welt 8.5.1974 brutale Action schob sich in den Vordergrund und ließ Gabin kaum eine Chance, die Rolle des rächenden Kommissars psychologisch zu durchdringen und mit Leben auszufüllen; 1985 Filmspiegel XVI 18 [im Film] ist ein internationaler Verbrecherring in Aktion. . . Um ihm das Handwerk zu legen, braucht es natürlich einen Superhelden und: action, action, action; Zeit 18.1.1985 ohne Fernsehen wird das Leben teurer — die Familie will action, will ständig ein neues Erlebnis; 1985 Trommel XXX 11 Im Kino läuft 'n Spielfilm, da ist Action und Amore drin; Zeit 8.2.1985 im halbleeren Zug während der Mittagszeit war müde Stimmung, nichts los, was ihren Hunger nach Action befriedigen konnte; ebd. 8.3.1985 den in Herero-, Owambo- und NamaGeschichte weniger Bewanderten verflacht die Parabel dann doch flugs zur „action" mit meditativen Durchhängern; ebd. 3.5.1985 das ist genau das Gegenteil von Action-Kino und dennoch fesselnd, weil es uns die Anatomie unserer eigenen unbewußten Alltagsrituale offenbart; ebd. 24.5.1985
am Ende ereignet sich ein blutiger Showdown, der inszeniert ist, als ginge es darum, die versäumte Action in der letzten Viertelstunde nachzuholen; ebd. 7.6.1985 Das Massaker im Stadion (Überschr.) Organisierte Fans hängen nicht mehr nur an, sie nehmen das Heft in die Hand, handeln selber, machen „Action"; MM 5. 7.1985 ein knallharter Action-Thriller, eine rührende Liebesromanze, ein Aussteiger-Epos?; Zeit 15.11.1985 der „Smaragdwald" ist ein malerischer Actionfilm, hinter dem, wie bei jeder gutklassigen Abenteuerfabel, das .. Können und Wissen eines reifen erwachsenen Mannes steht; MM 12.12.1985 zu den deutlichen Brüchen in „Enemy mine" gehört, daß der Film plötzlich zu einem brutalen Actionszenario wird; Zeit 21.2.1986 je tiefer das Herzeleid, desto radikaler die Rache: desto rasanter die Action; ebd. 4.4.1986 keine Symbole mehr und keine Metaphern: action, Punk; ebd. 3.10.1986 Gangsterfilm und Romanze, Liebes- und Actionszenen folgen einem einzigen vollautomatischen Programm; ebd. 24.10.1986 die Situationen wurden kaum klar, der um die Hälfte gestrichene Dialog wurde unsinnig und beiläufig, an die Stelle beziehungsvoller Äußerungen trat beziehungsloses Action-Theater; Zimmer 1986 RedensArten 35 Wir warten darauf, daß .. wieder Action angesagt ist; MM 14.11.1986 wenn dich der Unterricht mal wieder so richtig anödet, wenn du denkst, du hältst das im Kopf nicht aus, dann hilft echt nur Action, ein volles Programm gegen die Langeweile; ebd. 16.12.1986 Killer-Spiele in den Kinderzimmern (Überschr.) Wolfram von Eichborn von ariola soft, einem der bundesdeutschen Marktführer, bestätigt: es gibt eine große Zielgruppe, die auf action steht; ebd.
ad acta 20. 32. 3986 eine actionreiche, gaggeladene Komödie; ebd. 26.2.1987 von der Inspiration der legendären „serie noire", den amerikanischen Gangsterfilmen der vierziger Jahre, die nicht nur Action, sondern auch Sozialkritik boten; ebd. 25.4.1987 die Sinnlosigkeit und die Inhumanität eines barbarischen Krieges werden nur zu augenfällig, doch die Dramaturgie des Horrors gehorcht auch sehr den Stereotypen des Action-Kinos; ebd. 26. 5.1988 höhnisches Lachen erklingt: der Computer hat gesiegt und stachelt seinen menschlichen Gegenspieler zu einem weiteren Fight auf: Action per Elektronic-Flip; 1987 Filmspiegel XV 29 Das alles vollzieht sich nicht als pointiertes Action-Drama in Western-Manier; Jugendwart 9.3.1988 Seine Schultern, Hüften, Beine zucken — Dave macht action; Berl. Ztg. 29./30.10.1988 Auf die Frage, warum sie sich dort treffen, die immer gleichen Antworten: „Weil hier'n bißchen action is, Berlin is immer was los"; 1988 Jetzt 356 Nur beim Drehen dann, etwas mehr action, bitte. Die Kamera surrte. Action, brüllte der Regisseur; Berl. Ztg. 1988 Nr. 206 Er zeigte mit diesem Polizeiruf, der den Schauspielern nicht vorrangig Action, sondern vor allem innere Aktion abverlangte, eine sehr in sich geschlossene Arbeit; Probst 1989 Amideutsch 15 action . . spannende Handlung, lebendiges Geschehen, Betrieb usw. . . Das Entscheidende an einem Reißer ist die Action, sonst ist er keiner. „Action-Reißer" ist also sowieso Blödsinn; Spiegel 11.6.1990 Jenseits des Atlantik wird das Werk darum unter dem eher nach action klingenden Titel „Last Call for Passenger Faber" laufen; 399 Elle U 71 Wann immer eine Prärie-Episode langatmig zu werden droht, peitscht Action dazwischen; 3991 Wiener VI 26 Harald Zindler, . . der ActionMann der Umweltschützer [Greenpeace]; 3993 Esquire XI 136 als ob der stahlharte Actionheld auf der Leinwand auch im richtigen Leben ein kantiger Macho ist. . . Aber eines steht fest: Der Unsterbliche braucht Action; 3992 Vogue IV 124 Steve Martin in der Rolle eines zynischen Actionfilmproduzenten.
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Action(-)Painting: Süddtsch. Ztg. 22.5.1963 Tuschzeichnungen, in denen zwischen Ballungszentren des Action-painting viel Weiß . . geschichtet ist; Spiegel 17.7.1963 Gleich den Werken des amerikanischen Jackson Pollock, des Hauptvertreters der sogenannten Aktions-Malerei („action painting") (CARSTENSEN); Welt 25.8.1964 so gesehen, sind Böttchers beste Arbeiten ein . . Arrangement von expressionistischer Verve, Kunstgewerbe und .. action painting; MM 30.5.1985 deutlich wird in der Analyse .., daß nicht nur der Expressionismus, sondern auch die „action painting" in den USA nach dem Zweiten Weltkrieg als Inspirationsquelle wichtig war; ebd. 12.7.1985 Dada, Informel, Action Painting, Pop und Op und Concept Art bis hin zu Video-Installationen; Zeit 27.3.1987 vom flächendeckenden Action Painting zur 'Farbfeldmalerei', die das Flächige betont; Kultermann 1987 Kunsttbeorie 271 der . . von Harold Rosenberg geprägte Begriff „Action Painting" ist eine logische Anwendung der Ideen Deweys; MM 37.3.1988 zu den spontanen Farbklecksen des Action painting, später ist nicht mehr der Pinsel der Bildinhalt, sondern dessen Funktion zur abstrakten Darstellung von Figuren und Landschaften; ebd. 5.4.1991 gibt es . . nicht nur eine Reihe von Berührungspunkten zu dem, was der Westen als Action-Painting, Tachismus oder Informel bezeichnet, sondern die Künstlerinnen und Künstler des Gutai entwickelten . . schon vor Mitte der fünfziger Jahre etliche Aktionsformen, die durchaus als Vorgriffe auf Fluxus, Happening . . oder Arte povera gelten können. Action-Painter: Süddtsch. Ztg. 24.8.1963 Wo die Explosion über die Grenzen hinaustreibt, läßt der action-painter .. den Rahmen weg; Spiegel 20.10. 1969 Dan Christensen . . spritzt mit einer Farbpistole bunte Linienarrangements, deren spontaner Schwung den Farbwirbeln des amerikanischen Action-Painters Jackson Pollock (1912 bis 1956) nahesteht; ebd. 22.8.1988 [der] die Photos . . so heftig übermalt, daß man denken könnte, der amerikanische Action-Painter . . sei am Werk gewesen.
ad acta, im früheren 17. Jh. gebildet aus lat. ad 'zu, an, hin(zu), heran, herbei' und acta "Verhandlungen, Verhandlungsschriften, Ausführungen' (PL von actum "das Geschehene', —»· Akt, —»· Akte), anfangs vereinzelt auch im Sing, ad actum (s. Beleg 1730). In der Bed. 'zu den Akten' nur in Wendungen vorkommend wie etwas ad acta nehmen, bringen, etwas kommt ad acta, überwiegend und heute ausschließlich in der festen Verbindung etwas ad acta legen (vgl. gleichbed. etwas zu den Akten legen, —»· Akte); zunächst fachspr. im juristischen Bereich als Formel für 'etwas aktenkun-
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adagio
dig, durch eine Akte belegbar, beweisbar machen, einen Vorgang, Vorfall aktenmäßig dokumentieren; ein Schriftstück in den Akten abheften, als erledigt, bearbeitet zu den Akten legen, ablegen'; von daher zunehmend bildungsspr. verwendet in der übertragenen Bed. 'etwas nicht weiter berücksichtigen, sich nicht länger mit etwas (z. B. einem Plan) beschäftigen oder für etwas (z. B. eine Idee) engagieren, von etwas Abstand nehmen' und bes. 'eine (unangenehme, lästige) Angelegenheit, Sache als erledigt betrachten, ein für allemal abhaken' (s. Beleg 1949). Micraelius 1639 Pommer-Land IV/V1 356 die brieffe aber, so an den königlichen legatum vnd feldmarschall gegeben waren, sandten si wider zurücke, als die in der schwedischen cantzeley nicht möchten verwahret noch ad acta geleget werden (DWB N.); Schönberg 1693 Berginformation I 217 denen Partheyen richtig zu insinuiren, und wie die Insinuation geschehen/ allemahl ad Acta zu registrieren; um 1730 Lebens-Beschreibung Derer Dienst-Mägde 36 biss es endlich ad actum kam; Richter 1748 Kriminalprozeß (Addit.) 38 wovon umständliche Nachricht ad Acta gebracht werden muß; Michaelis 1770 Räsonnement 415 an ändern Orten ist dis Vorschlagen eine bloße Ceremonie, auf die niemals vom Hofe einige Rücksicht genommen, sondern der Bericht ad Acta gelegt wird; Sonnenfels 1785 Geschäftsstil 180 Solche Anzeigen werden zuweilen zurückbehalten mit dem kurzen: Aufzubehalten: oder Beizulegen (ad acta); Schiller 1794 Br. (W. IV 31) ich habe von jedem eine schriftliche Einwilligung erhalten, die ich ad Acta gelegt habe; ders. vor 1805 Br. (W. II 294) Daß es in der Geschichte des deutschen Geschmacks ad acta kann gelegt werden (KEHREIN); Lang 1817 Reise l 59 Man versprach mir meinen Vorschlag ad Acta zu nehmen; Schuselka 1849 Dt. Fahrten H 269 so wäre es [Gesetz] mit den ändern Reichstagsarbeiten ad acta gelegt; Morgenstern 1894 Leben
53 Meine Gedichte von dazumal sind schon meist ad acta gelegt; 1910 Stimmen d. Zeit LXXVIU 90 soll er die Schrift nicht zum so und so vielten Mal als „abscheuliches Machwerk" mit einem Seufzer der Erleichterung ad acta legen; Th. Mann 1940 Nachtr. (W. 166) Da ich mich aber nicht einsperren lassen wollte, beschloß ich, den Joseph für die Feriendauer ad acta zu legen und eine kleine Arbeit zu beginnen, die sich im Strandkorb schreiben .. ließe; Welt 22.7.1949 daß es am besten wäre, das ganze Entnazifizierungsverfahren so, wie es betrieben wird, ad acta zu legen; v. Brandt 1958 Werkzeug d. Historikers 111 Irgendwann wird der Augenblick kommen, wo es [Schriftstück] „abgelegt" werden kann; im neuzeitlichen Behördenbetrieb geschieht das durch Verfügung „ad acta" (zu den Akten); ND 9.1.1959 Abgesehen davon ist die bequeme Art, die ungenügende Planerfüllung ad acta zu legen, . . gefährlich; Zeit 24.4.1987 Diese wurden — jahrelang als Jahrhundertprojekte gefeiert und im Sommer 1983 auch vom Politbüro abgesegnet — im vorigen Jahr ad acta gelegt; MM 9.3.1988 Es gab im vergangenen Jahr 97 Raubüberfälle, zwei mehr als im Vorjahr, diese wurden zu fast 61 Prozent als erledigt ad acta gelegt; i 994 Elle IV 126 Unsere Probleme begannen mit einem Seitensprung, den ich mir geleistet hatte. Ein Onenight stand, zwei Tage später schon ad acta gelegt.
adagio Adv., auch in der Superlativform adagissimo, im frühen 17. Jh. entlehnt aus ital. adagio 'langsam, gemächlich' (zusammengezogen aus dem Syntagma ad agio 'in Gemächlichkeit, auf langsame, bequeme Weise', zu agio 'Bequemlichkeit, Ruhe', zurückgehend auf spätlat. adiacens, Part. Präs, von lat. adiacere 'danebenliegen, bequem zur Hand sein'). Als Tempo- und Vortragsbezeichnung in der Musik in der Bed. 'langsam, ruhig, gemäßigt, sanft (zu spielen, vorzutragen)' (vgl. verwandte Tempobezeichnungen wie —> andante, —* allegro), z. B. in den fachspr. ital. Syntagmen adagio assai und adagio dt wo/ 'ziemlich/sehr langsam' und in Wendungen wie etwas adagio spielen, vortragen, gelegentlich auch in der subst. Form für 'langsames, ruhiges Tempo', z. B. im Adagio schwelgen, ins Adagio wechseln, übergehen und als Bestimmungswort bes. in der Zs. Adagio-Tempo; seit dem 19. Jh. selten auch übertragen verwendet (s. Beleg 1802).
adagio
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Dazu seit früherem 18. Jh. das Subst. Adagio N. (-s; -s) 'sehr langsam, sanft und gefühlvoll zu spielendes Musikstück, insbes. der langsame Satz einer Sonate, Sinfonie o.a.' (im Unterschied zu Satzformbezeichnungen wie —»Fuge, —> Rondo und —* Scherzo), im 19. Jh. gelegentlich mit den Ausdrücken Gefühl-, Schmermut(s)oder Trauerstück verdeutscht; bes. in Wendungen wie ein schwermütiges, gefühlvolles, trauriges Adagio (spielen) und in Zss. wie Adagiosatz, -thema, -stück und Geigenadagio; schon seit dem 18. Jh. häufiger auch übertragen verwendet, z. B. Adagio der Seele, der Empfindsamkeit (s. Belege 1732, 1931). Vgl. daneben das seit früherem 19. Jh. (1838 bei Heyse) gebuchte, selten bezeugte Subst. Adagietto N. (-s; -s) 'kurzes Adagio'. adagio: Praetorius 1619 Syntagma mus. III51 Darvmb denn gar ein nötig inventum, daß bißweilen die Vocabula von den Wälschen adagio presto h. e. tarde, Velociter in den Stimmen darbey notiret vnd vnterzeichnet werden; Speer 1687 Unterr. v. d. musikal. Kunst 39 Adagio heisst langsam; Sperander 1727 A la mod Sprach 12 Adagio, dieses Wort wird offt in der Music gebraucht/ und bedeutet langsam zu spielen; Trichter 1742 Ritterlex. 20 Adagio, Ein in der Music gebräuchliches Italienisches Wort, so gemächlich oder langsam bedeutet; Gottsched 1754 Auszug a. Batteux' Schöne Künste 200 so haben sie [Komponisten] eine Art der Compositionen erwählet, die unter den beliebten Ueberschriften, von Largo, Adagio, Andante, Moderato, Allegro, Presto und Prestissimo, oder Veloce, gar nichts bedeuten, und ein bloßes Geklingel vorstellen, das einem weder kalt noch warm machet; Sulzer 1771 — 74 Theorie I 13 Adagio . . wird den Tonstücken vorgesetzt, welche mit schmachtendem und zärtlichem Affekt sollen gespielt oder gesungen werden; Wolf 1793 Dulder l 51 O wie schmilzt die Seele beim klagenden Adagio, wie stimmt das muntre Allegro zur Frölichkeit; 1802 Revolutions-Almanack 148 Adagio. Durch dieß italienische Wort bezeichnet man in der Musik die Bewegung einer zärtlichen, empfindsamen, ausdrucksvollen Arie. In unsern politischen Bewegungen haben wir nie Adagio gehabt; Goethe 1816-17 halten. Reise (HA XI 522) nun will ich gerade nicht behaupten, daß mir jene sehnsüchtigen Töne, die man im Adagio und Largo hinzuziehen pflegt, jemals seien zuwider gewesen; Landsteiner 1860 Leben 121 Klänge . . Vom heftigsten Allegro gingen sie allmählich über in ein sanftes Adagio, bis sie endlich in leise, schwärmerische Molltöne verschwammen; 1910 (Röntgen 1935 Er. a.Zehnder 127) wir können also im großen und ganzen recht dankbar sein, alles geht gut, wenn auch gegen früher adagio! (DWB N.); Zeit 11.1.1985 heroisch wirkt der Film schon durch seine Aufforderung, sich auf den Andante- und Adagio-Rhythmus dieser Geschichte , . einzulassen; ebd. 15.11.1985 Haydn und Mozart — das ist
für mich der Gegensatz von instrumental und vokal, Motiv und Melodie, . . Adagio und Andante; MM 26.9.1986 daß Giacanti Scelsis sich gleichsam einbohrende .. Meditationshaltung (Quartett Nr. 2), daß das Kürzest-"adagissimo" von Brian Ferneyhough Eindruck machen würden, war ja sowieso anzunehmen; Zeit 12.12.1986 sie kennt . . nicht die Regieanweisungen des Librettos und von der Partitur im großen und ganzen die Tempi — und die bewegen sich zumeist zwischen Lento und Andante, Adagio und Moderate; Stern 3.6.1987 in der Partitur steht „Adagio" (langsam, gemessen), er spielt statt dessen ein singendes, manchmal swingendes „Andante"; MM 13.2.1988 mit einem Adagio beginnt er und mündet in eine . . heitere Ländler-Bewegung, die aber so heiter nicht ist, weil sie immer wieder von Generalpausen und Adagio-Einschüben unterbrochen wird; ebd. 16.3. 1988 Zimmermanns Adagio-Szenen sind gediegene musikalische Kurzprosa, aparte Bebilderung von Seelenzuständen. Adagio: 1732 (Henrici 1727 Ged. 111 232) die zeit . . spielt uns ein adagio (DWB N.}; Mattheson 1739 Kapellmeister 208 Da z. E. ein Adagio die Betrübniß zum Abzeichen führt. . . Es wird bekannt seyn, daß diese Beiwörter, welche die sonderbare Bewegungen in den Melodien anzeigen offt als Nennwörter gebraucht werden, um die Sätze zu unterscheiden; Scheibe 1745 Musikus 677 in einem solchen Adagio; Sulzer 1771 — 74 Theorie I 13 Ein solches Stück wird auch selbst ein Adagio genennt; Bretzner 1787 Leben I 94 die Chöre der kleinen beflügelten Waldbewohner, unter welchen die Nachtigall mit einem sanften rührenden Adagio . . Wilhelmen in sanfte Melancholie versetzte; Nicolai 1790 Anekdoten I 247 Ich . . habe niemand auf diesem Instrumente das Adagio schöner vortragen hören; Jean Paul 1805 Flegel/ahre (W. IV 1078) Da jetzt der zweite Teil der Musik in jene sehnsüchtige Überfülle .. einsank, welche gewaltsamer als alle Adagios den innersten Boden der Sehnsucht heiß aus tiefem Meer aufhebt; Clauren 1816 Mimili (Ndr.) 91 bald ergoß sich das Gemüth des sanften
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Adam
Mädchens in einem weichen Adagio; Thümmel 1853 Reise 1172 das natürliche Adagio der kleinen Virtuosin; Tb. Mann 1901 Buddenbrooks (W. I 427) ein Geigenadagio tönte tremulierend aus der ersten Etage herab; Baum 1926 Feme 188 Er gab sich der verzweifelten Lustigkeit des Scherzo hin, sein Herz, das eben noch den Trost der Adagiovariationen empfangen hatte, war weich . . gemacht; Strauch 1931 Einl. z. Grisardis XV111 „Adagio der Seele"; Münch. N.N. 15.5.1944 Es war ein Verdienst . . Mennerichs, dieses herrliche Werk als . . Schlußstein der Volkskonzerte zu bringen und besonders durch die Deutung des überirdisch schönen Adagios die Hörer . . in . . Tiefen des Erlebens zu führen; Th. Mann 1947 Faustus (W. VI 577) wieder einmal die zehnte Symphonie? „nun, freue dich, im Adagio hast zu schmeichelhafte Dinge zu sagen"; ebd. VI 605 ausdrücklich Phantasie heißt der erste Satz, der zweite ist ein .. Adagio; ebd. VI 649 rein orchestral ist der Schluß: ein symphonischer Adagiosatz; MM 26.1.1985 kantable Innigkeit hatte er für ein Adagio von Benedetto Marcello parat; ebd. 6.3.1986 vielleicht war das Ada-
gio dieses barocken Werks sogar der Gipfelpunkt des ganzen Abends; Zeit 29.8.1986 kein irrer Slapstick ist dieser Schlußakt, sondern noch einmal ein großes Adagio; MM 6.2.1987 Carl Maria von Webers Adagio und Rondo für Klarinetten, Hörner und Fagotte ermunterte jedoch wieder; ebd. 11.2.1987 daß dieses Werk nichts mehr mit dem . . leichten Ton der . . früheren Streichquintette Mozarts gemein hat, machte sich natürlich vor allem im Adagio bemerkbar; ebd. 1. 7.1987 in reizvollem Gegensatz hierzu stand das delikat musizierte Adagio Des-Dur von Liszt; ebd. 11.11.1987 Steinberg hielt die Allegro-Sätze und das Scherzo . . in vorwärtsdrängendem Fluß . . und ließ das Orchester . . die ganze Seligkeit. . des Adagios . . aussingen; ebd. 5.5.1988 eindrucksvoll zeigt sich dieses Verfahren in . . Bachs „Toccata, Adagio und Fuge C-Dur". Adagietto: MM 27.3.1985 wenn er .. vom Scherzo zu dieser Stimmungswelt . . des Adagietto wechselt, in der vom machtvollen Klangkörper nur die Streicher und die Harfe übrigbleiben.
Adam, aus der Bibel (1. Mose, 1—4) übernommener Name (< hebr. adam 'Mensch, Mann', zu adamä 'Erde', also eigentlich 'Erdensohn' oder 'Mensch aus Erde (geformt)', eventuell auch zu hebr. dam 'Blut', also eigentlich 'Mensch aus Fleisch und Blut') (vgl. 1), häufig auch als Gattungsbezeichnung Adam M. (-s; selten -s) (vgl. 2). la Eigenname des nach der Schöpfungsgeschichte von Gott erschaffenen ersten Menschen, des biblischen Ur- oder Stammvaters (vgl. die häufige, internationale Verwendung als Vor- oder Zuname, z. B. ital. Adamo, anglo-amerikan. Adams), vgl. —» Eva. b Als Name überwiegend übertragen verwendet, etwa seit 17. Jh. in festen Wendungen wie seit Adam und Eva, auch seit Adams Zeiten/Tagen, von Adam(s Zeiten) her 'seit den ersten Tagen der Welt, seit urdenklichen Zeiten, von jeher, schon ewig, immer, schon sehr lange', zu Adams Zeit(en) 'vor sehr langer Zeit, vor Ewigkeiten', bei/ mit Adam und Eva anfangen/beginnen (20. Jh.) 'eine Erzählung, einen Bericht bei den Ursprüngen, bei den Wurzeln, ganz von vorne anfangen, in seinen Ausführungen sehr weit ausholen, weitschweifig erzählen' (gleichbed. mit —> ab ovo), von Adam und Eva abstammen (20. Jh.), meist scherzhaft auf Sachen bezogen für 'schon sehr alt sein'. Schon seit dem 15.716. Jh. häufig als Bestimmungswort in Zss. wie Adamsapfel, zunächst als Bezeichnung für eine zitrusartige Frucht, deren äußere Schale scheinbar Bißspuren zeigt, daher in der volkstümlichen Vorstellung diejenige Frucht, in die Adam im Paradies gebissen haben soll (auch Granat- oder Paradiesapfel genannt), seit Anfang 18. Jh., wohl in Anlehnung an die biblische Geschichte vom Sündenfall, nach der Adam beim Genuß der verbotenen Frucht (Apfel) vom Baum der Erkenntnis das abgebissene Stück im Hals stecken geblieben sei, in der Bed. 'durch den Schildknorpel bedingter Hautvorsprung am Hals des Mannes', dafür selten auch Adamsbiß; vgl. auch Adamsrippe, Bezeichnung für —> Eva, entsprechend der altte-
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stamentlichen Legende, nach der Eva aus der Rippe Adams erschaffen wurde, meist übertragen und pejorativ verwendet für 'Weib' (s. Beleg 1525), Adamsgerte und Adamsrute 'Penis, Phallus' (s. Beleg 1512); die meist plur. verwendeten Zss. Adamssohn 'Nachkomme Adams', auch übertragen für 'Mann' (s. Beleg 1929; vgl. 2b), Adamstochter 'Frau' (vgl. Evastochter, —* Eva) und bes. Adamskind 'Nachkomme Adams', meist pejorativ für 'sündiger Mensch, Mensch in seiner Verfallenheit an die Erbsünde' (vgl. 2a); im 20. Jh. die Zs. Adamskostüm, meist auf Männer bezogen und scherzhaft gebraucht in der ugs. Wendung im Adamskostüm 'nackt, unbekleidet', vgl. auch die veraltende Wendung Adam und Eva spielen 'sich nackt ausziehen'. Dazu seit früherem 16. Jh. die adj. Ableitung adamisch, gleichbed. mit seit Ende 17. Jh. nachgewiesenem, von Adamit abgeleitetem adamitisch 'den Stammvater Adam betreffend, ihm entsprechend, ihm gemäß', vor allem in Syntagmen wie adamisches Leben, adam(it)ischer Mensch 'erster Mensch, Urmensch', adamitisches Kostüm 'Blöße, Nacktheit' (s. o. Adamskostüm), adamitischer Fluch '(nach biblischer Überlieferung) der Fluch, mit dem Adam und seine Nachfahren nach der Vertreibung aus dem Paradies dazu verdammt werden, ihr Brot im Schweiße ihres Angesichts zu essen', auch in den Wendungen adamitische Weisheit und adamitische Sprache, beide eher positiv konnotiert mit „Ursprünglichkeit, Natürlichkeit". Seit dem 17.718. Jh. die Personenbezeichnung Adamit M. (-en; -en) 'Mensch, der lebt oder anstrebt zu leben wie der biblische Adam im Paradies, Nachfolger, Imitator Adams', von daher, wohl vor allem in bezug auf das Nacktsein Adams, gelegentlich spöttisch für 'Mensch, Mann im Adamskostüm, nackter Mensch' (s. Beleg 1920) und (meist im PL) als historische Sammelbezeichnung für verschiedene religiöse Sekten bes. des Mittelalters (z. B. Waldenser, Katharer, Fratizellen, Wiedertäufer), deren Lehre sich nach der Vorstellung ihrer Gegner auf ein paradiesisches Leben in Nacktheit und Naivität konzentrierte, dafür auch Adamianer; selten speziell für 'Urmensch' (s. Belege 1922, 1933—43), vereinzelt gleichbed. mit Adamskinder (s. Beleg 1672). 2 Seit früherem 16. Jh. auch appellativisch gebraucht, meist in archaisch-typisierenden Formeln. a Bes. in bezug auf Adam als Urbild menschlicher Schwäche in der Bed. 'der Mensch schlechthin mit all seinen Schwächen, so wie er eben ist', bes. in formelhaften Redewendungen, die unmittelbar auf Bibelstellen zurückgehen und vor allem seit Luthers Bibelverdeutschung geläufig sind, wie der alte Adam (nach Römer 6,6) 'sündiger, sündhafter Mensch', auch 'die dem Menschen angeborene sündige Natur' und gelegentlich metonymisch für 'das Böse, die Erbsünde', auch säkularisiert für 'die Schwächen, Fehler, Gewohnheiten des Menschen'; vgl. auch das (nach Kol. 3,9 geprägte) Syntagma den alten Adam ausziehen/ablegen/abstreifen/austreiben 'sich von der Sündhaftigkeit befreien' und allgemeiner 'seine alten Fehler ablegen, ein neuer, anderer Mensch werden', häufig in Opposition zu der neue Adam als Umschreibung für 'Christus, Erlöser, Gottessohn', der die Welt von der Erbsünde befreit hat (vor allem in der mittelalterlichen Kunst ist die Überwindung des alten Adam, dargestellt als Totenkopf zu Füßen des Kreuzes, durch den neuen Adam, dargestellt als Gekreuzigter, verbreitetes Motiv), daher allgemein für den guten Menschen bzw. das Gute, die gute Natur im Menschen mit der entsprechenden Wendung den neuen Adam anziehen 'ein neues, besseres (christliches) Leben anfangen', wohl assoziativ dazu
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Syntagmen wie der zivile Adam 'das Zivile, die zivile Natur, das zivile Element in jmdm.' b Seit früherem 18. Jh., in Bezug auf Adam als Urbild oder Prototyp des Mannes, des Verführbaren, selten in der Bed. 'der Mann als geschlechtliches Wesen, der sinnliche Mann' (vgl. —»· Eva als Urbild der verführerischen Frau); in jüngerer Zeit ugs. und eher ironisch verwendet für 'Mann' in Wendungen wie der moderne Adam 'der moderne, heutige Mann, der supermoderne, betont modische Mann'. Adam Ib: Eschenbach um 1210 Parzival 82 wan si sint mir alle sippe/ von dem Adames rippe; i5. Jh. Fastnachtssp. 354 Das er mich dörst pfeffern mit Adams gerten (FRNHD. WB); 1400-08 Wittenw. Ring 7223 War aus sein die fürsten gmacht/ Von wannen chümpt die herschaft?/ Sein seu [sie] nicht als wol sam [wie] wir/ Adams kinder? (FRNHD. WB); Murner 1512 Schelmenzunft 36 Wolt er sich den do von dir klagen/ So sprich: O munch, du hörst in wagen !/ Wißt meyn frouw deyn adams rut,/ So dett sy mir doch nymmer gut; Luther 1523 Briefw. XII 46 da er [der Mensch] sich wie alle Adamskinder seines Angesichts Schweis erneren wil mit Gott; Eberlin v. Giinzburg 1525 Ges. Sehr. II 134 sonderlich wann adamsrippen vmbherstond oder knienn, so gaffen die ölgötzen mer denselbigen dorffgensen zu, dann dem todten auff der bar; 1529 Haushaltungsbüchlein 167 „Ich hab alle meine feinde vberwunden." Meinstu, das der Teuffei oder adams kinder tod seyen; Schaidenreisser 1537 Od. 118 das auß dem see die aller fruchtbarsten beüm herauß wachsen, die das edelst und lustbarlichst wolriechendes obs tragen, Als nämlich Margaranten, Pomerantzen, Adams öpffel und dergleichen; 1582 Ambrasser Liederbuch 141 viel tausent list/ trifft jetzund Adams kind; Petri 1605 Weissheit H4b Adams Kinder . . große Sünder; Sommer 1605 Empl. Corn. 5b mit Adams quast . . steupen; Grammann 1621 Wildschützen-Latein 40 auff das alte Adams Recht zu beruffen; Besnella 1656 Gott 7 sündhaffte Adams-Kinder; Gnmmelshausen 1672 Vogelnest (III 339) der Welt Seligmacher, durch den wir arme Adams=Kinder wieder zurecht gebracht worden; Marperger 1712 Naturlex. 297 adamsapffel, weil der gemeine mann davor hält, daß ein stück von dem apffel dem Adam in der kehle stecken blieben, und solches aus straffe des Ungehorsams in den nachkommen fortgepflantzet wäre (DWB N.); Goethe 1765 Br. (WA IV 1,8) seit der Zeit da Adams Kinder auf die Universität gehen; Halle 1772 Werkstäte d. Künste V 246 Der Baum der Adamsäpfel hat die Blätter von Limonen, die Blüte von Zitronen, und die Frucht von grossen Pomeranzen; Stubenrausch 1779 Recht 37 weil das . . von Adamszeiten her sich immer erhält; Fulda 1788 Versuch 139 grobs, grobschel, Sachs. Kernhaus, Adamsbuzen; Goethe um 1790 Naturwiss. Sehr. (WA II 6,16) der Begriff von
Präformation, von successiver Entwickelung des von Adams Zeiten her schon Vorhandenen; Niceus 1799 Schnupfen 56 der luftröhre oder kehlkopf ist diejenige hervorragung vorne am halse, die man im gemeinen leben den adamsbiß nennt (DWB N.}; Goethe 1817 Br. (WA IV 28,68) Ein lustiges Adamskind; C. F. Meyer 1891 W. XIV 51 mit . . Wortspielen, welche seit Adams Zeiten das Ergötzen unser edeln Menschheit sind; Hegeler 1908 Ärgernis 13f. .. als wenn sie in ein falsches Hotelzimmer geraten wäre und dessen Inhaber im Adamskostüm überrascht hätte; Th. Mann 1912 Erz. (W. VIII 446) Erhobenen Hauptes, so daß an seinem hager dem losen Sporthemd entwachsenden Halse der Adamsapfel stark und nackt hervortrat, blickte er . . scharf spähend ins Weite; Harden 1927 Versailles 81 Zukunft des Planeten, der dem eng begrenzten Auge der Adamsenkel als Kosmos dient; Voss. Ztg. 21.4.1929 Auch die elegantesten und mit allen Finessen des mondänen Lebens vertrauten Adamssöhne brauchen mitunter einen Leitfaden für manche etwas komplizierte Situation; Kasack 1947 Stadt 95 Wenn einmal von unserer Erde nichts mehr übrig sein wird, dann wird an ihrer Statt noch lange ein Nebelfleck im Weltraum kreisen: der Dunst aller menschlichen Dummheit — von Adam an; ebd. 246 Tausende und aber Tausende, die seit Adams Tagen Fronarbeit verrichten; Süddtsch. Ztg. 9.6.1960 Zwangs-Einkleidung in Nigeria (Überschr.) . . Vom I.August an darf kein Wawa mehr im traditionellen Adamskostüm herumspazieren; Strittmatter 1963 Öle Bienkopp 24 Ihre Adamsäpfel hüpfen im Trinktakt; Partner 1964 Erben 38 Gründlich, wie er war, ließ er seine Zehn Bücher freilich mit Adam und Eva beginnen; Jung 1965 Magd vom Zellerhof 26 Gespannt lauschte er Sepps Schilderungen, der in seiner Rede ein wenig weitschweifig war und für die Ungeduld des Toni bei Adam und Eva anfing, statt gleich bei der Burgi; Stuttgarter Ztg. 1.3.1968 das Adamszum Faschingskostüm erhoben; Zeit 18.10.1985 Böll: Nun, ich tue das ja, indem ich hin und wieder Bücher bespreche, und zwar meistens ausführlich, mit Adam und Eva anfangend; MM 9.4.1988 Daß die Woche sieben Tage hat, ist bekanntlich seit Adam und Eva so. adam(it)isch: Witzel 1536 Betbüchlein A 2a Haben sich derhalb auß dem schlaff der grossen Worhayt
Adam ermundert, die alt Adamische tragheit abgelegt; Franck 1538 Die gülden Arch 64 Fleisch nennt Paulus das ganze adamische Wesen; Beilin 1657 Rechtschr. 20 Die beiständigen nänwörter so von den eigenen nänwörtern herkommen/ als: Adamisch/ Paulisch; Leibniz 1682 Ermahnung 261 Diese Leute sind ohne erregung und feuer: es scheint, sie seyen zwar aus der Adamischen erde gemacht, allein der Geist des lebens sey ihnen nicht eingeblasen worden; Arndt 1807 Geist d. Zeit l 106 die Kriege . . haben zuerst den adamitischen Fluch zur Wirklichkeit gebracht: im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot essen; Max. v. Mex. 1851 Leben l 22 in ihren adamitischen Kostümen; Wachenhusen 1861 Freisch. 154 Taumelnd schwankte er in seinem adamitischen Kostüm von einer Häuserwand zur ändern; Teuber 1881 Jugendleben II 157 angestarrt von der ungewaschenen, adamitisch costümierten Jugend des magyarischen Dorfes; Dinkier 1934 Anthropologie Augustinus 60 Der adamitische Mensch, seine paradiesische Idealität und sein Fall (Überschr.) Am Anfang der augustinischen Anthropologie .. muß der adamitische Mensch stehen. Adam . . als imperfektische Größe, die den praehistorischen Ausgangspunkt alles Seins der Welt darstellt; Wachsmuth 1953 Werdegang 142 In Mittel- und Nordafrika hatte sich aber über jenen ersten „adamitischen" Menschen dann die Auswanderungsströmung aus der Lemuria ergossen; Zimmer 1986 Redens Arten l H es gäbe eine gute, unschuldige, die quasi adamitische Sprechweise. Adamit: Grimmeishausen 1672 Vogelnest (I 53) was gehen sie [die Präadamiten] uns Adamiten an?; Herrliberger 1746 Ceremonien I 17 Die adamiten wurden so genennet, weil sie sich in den Kopf setzten durch ihre freiwillige Entblössung die Unschuld unserer ersten Eltern in dem Paradiese .. nachzuahmen; 1793 Enc. Wb. I 22 Adamiten, eine besondere Sekte unter den Gnostikern; Jäger 1835 F. Schnabel 186 Die leidige Erbsünde erstrecke sich über alle Adamiten, sollte sie gerade unsern Bierhahn verschonen; Hahn 1847 Ketzer 523 Die Sekte der Adamiten fand sich vornehmlich im Anfang des vierzehnten Jahrhunderts in Oestreich; Scherr 1865 Blücher III 101 bei den von der Komödiantin D... veranstalteten „Adamitenbällen"; Zobeltitz um 1920 Gross-Quirlitz 105 Um die sechste Morgenstunde durfte keiner der Domestiken den Park betreten, weil Rabenau dann sein Luftbad nahm. Aber Pollock kümmerte sich nicht darum, es war ihm gleichgültig, ob er Herrn von Rabenau als Adamiten oder im Kostüm des zwanzigsten Jahrhunderts begegnete; Barth 1922 Philos. d. Gesch. 559 Der Urmensch, den er [Gobineau]
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„Adamite" nennt, ist uns ganz unbekannt; 1931 Monatsh. d. rhein. Kirchengesch. 161 Sucht man in theologischen Nachschlagwerken Belehrung über die Sekte der Adamiten, so erfährt man, daß es zuletzt im 16.Jahrhundert Anhänger dieser Sekte unter den Wiedertäufern gab; Th. Mann 1933—43 Joseph (W. IV 38) denn den Urmenschen, den Adamiten, sucht die erdgeschichtliche Altertumskunde in Zeiten und Räumen, deren Untergang vor der Besiedlung von Atlantic liegt; Zeit 20.12.1985 Vergessen zum Beispiel die gnostische und manichäische Tradition, diese Heilslehren, die sich vom Vorderen Orient aus nach Osten und Westen verbreiteten und ein Jahrtausend lang immer neue Anhänger fanden, von den Adamiten bis zu den Katharern, ja bis zu den utopischen Sozialisten. Adam 2a: Stifel 1522 Lehre Luthers 303 Aber der Glaub ist ein reinigung der natur oder des alten Adams; Karlstadt 1523-25 Sehr. H 66 Von der tödtung des fleyschs und des Alten Adams; Wakkernagel um 1524 K. L. III 575 der alt Adam der hilfft nit mer/ er muss in vns vss sterben; Emser 1525 Annotationes 3a den alten Adam begraben; Luther 1526 Kriegsleute (W. XIX 658) Wie wol solchs [Ermahnungen, gut zu sein] der alte adam nicht gerne höret; Franck 1550 Krieg Büchlin 239r Dann das fleysch weil es arg ist/ sollen wir es im zäum . . haltenn/ nicht lassenn auffkommen/ den faulenn Adam; Reissner 1569 lervsalem III 29a der newe Adam, der Herr vom Himmel, hat im Kampf am Creutz vberwunden; Mengering 1642 Gewissensrüge 84 Diese Unart des alten Adams bedencke an deinen Kindern; 1677 Machiauell, Hokuspokus 711 Ich bekenne es selbst: Mein alter Adam hat zu thun/ und mühe genung; Elis. Charl. 1703 Br. l 314 Der alte Adam muß sich finden in waß bös ist, aber waß zum guten leyten kan, da verspürt sich der alte Adam nicht; Marperger 1717 Verheiratung 10 da doch indessen der alte Adam, sonderlich bey delicater Pflegung des Leibs, sich stündlich in ihnen reget; Weißbach 1732 Kur 56 dein commoder alter Adam ist dergleichen rauhe tractamente nicht gewohnt; Basedow 1764 Meth. Unterricht 179 Der alte Adam, der alte Mensch, bedeutet bald die Erbsünde, bald überhaupt den Stand der Sünden vor der Wiedergeburt. Der neue Adam oder der neue Mensch ist die Gesinnung eines bekehrten oder wiedergebohrnen Christen; Goethe 1776 Br. (WA IV 3,117) Da bin ich noch in's Wasser gestiegen und habe den Alten Adam der Phantaseyen ersäuft; 1798 Berlin. Archiv d. Zeit l 374 das nehmliche Zimmer . ., wo ihn sein alter Adam so garstig überrumpelt hatte; Jean Paul 1805 Flegeljahre (W. IV 1053) Ein anderes, Bruder, sind
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Spitzbübereien der Liebe — bloße schlimme Streiche — Wiegenfeste des alten Adams; Goethe 1811 Dichtung u. Wahrh. (HA IX 293) Ich war mir wohl mancher Gebrechen, aber doch keiner großen Fehler bewußt, und gerade das Bewußtsein verringerte sie, weil es mich auf die moralische Kraft wies, die in mir lag und die mit Vorsatz und Beharrlichkeit doch wohl zuletzt über den alten Adam Herr werden sollte; Jäger 1835 F. Schnabel 164 soll der alte Adam abgelegt und ein neuer Mensch angezogen werden; Latz 1869 Alchemie 103 Dieser Adam ist generell „Mensch". Er ist das Genus Homo; Freidank 1872 Rubikon 9 der das verirrte Schäflein solange mit Gebeten, Kasteiungen und seelischen Vergewaltigungen bearbeitet, bis der alte Adam abgestorben und nun der himmlische Embryo des neuen Heiligkeitsmenschen zu pulsieren beginnt; Holz 1884 Er. 55 ziehe einen neuen Adam an; Kaiser 1911 Lebenserinn. 289 einen neuen . . Menschen anziehen und den alten Adam austreiben; Federer 1925 Regina Lob (Einl.) o. S. Aber schließlich bleiben wir doch, so neu wir uns auch geberden mögen, in eben jenem alten Adam stecken; Baum 1929 Menschen 212 Rohna, der Portier, sämtliche Boys und sogar der einarmige Liftmensch bemerkten die Verwandlung seines Äußeren . . „Der neue Adam", sagte Otternschlag . . „Der Schmetterling ist ausgekrochen . ."; Fröhling 1940 Feldgraue Wanderschaft 11 während du dann deinen Zivilanzug in den Koffer legst und langsam und nachdenklich in die weissen neuen knisternden Drillichhosen steigst, klopfst du deinem zivilen Adam noch einmal auf die Schulter und bittest ihn, dass er sich für vorläufig erst einmal zum Teufel scheren möge; Th. Mann 1947 Faustus (W. VI 399) ein Opfergang . ., durch den der alte Adam abgestreift und in Einigkeit ein
neues, höheres Leben errungen werden soll; St. Zweig 1952 Heilung 294 Selbst in dieser privaten Scheinwelt hat der ewige Adam im Menschen das Paradies der Unbefangenheit verloren; Th. Mann 1954 Krull (W. VII 528) Nein, die Veränderung und Erneuerung meines abgetragenen Ich überhaupt, daß ich den alten Adam hatte ausziehen und in einen anderen hatte schlüpfen können, dies eigentlich war es, was mich erfüllte und beglückte; Welt 22.4.1974 In Hoimar von Ditfurths Wissenschaftsmagazin wird es um den „alten Adam" gehen, das heißt, Ditfurth will den aus dem Tierreich auf uns Menschen überkommenen Instinkten nachgehen. Adam 2b: 1732 (Henna 1727 Ged. 11 536) daß dir [Bräutigam] der Adam aufgewacht; Marholm 1890 (in: Freie Bühne l 262) „die brunst muß weg!" . . man . . arbeitete sich halb todt, um des rebellischen Adams herr zu werden (beide DWB N.); 1966 Durch d. schöne Welt o. S. Modische Sportund Freizeitmode freilich ist keineswegs eine Domäne der Damenwelt . . langsam möge nun der konservativste Adam seinen Aberglauben, daß das Lederfett des Sattelzeugs, ein bißchen Teer aus der Bootshütte, die Spuren frischen Grases vom Angelplatz nur durch eine empfindlich dunkelgraue Ausstattung bewältigt werden können, zugunsten der jugendlichen Modelle überwinden; MM 25.3. 1966 Schon seit Jahrhunderten haben . . die Wiener Adams eine besondere Schwäche für fesche Böhminnen (DUDEN); Zeit 10.4.1987 Man möchte dem „Adam" aus dem Jahr 1987 gern mehr davon wünschen; 1990 Esquire X 199 In ihrer neuen Kollektion führt sie für den modernen Adam schmale Armreifen aus Platin.
Adaptation F. (-; -en), Mitte 19. Jh. aufgekommen, zurückgehend auf mlat. adaptatio, Gen. adaptations, 'Anpassung, (passende) Anwendung; Übereinstimmung' (zu lat. adaptatus, Part. Perf. von adaptare, —> adaptieren). a Meist fachspr. verwendet, zunächst in der Biologie und Botanik für 'auf die jeweiligen Umweltbedingungen abgestimmtes Anpassungsvermögen von Organismen; Anpassung, Gewöhnung' (weitgehend gleichbed. mit —» Adaption a, —» Akkommodation b, vgl. auch Akklimatisation, —* akklimatisieren), z. B. Adaptation einer Pflanzenart an die Bodenverhältnisse, und in der Medizin/Physiologie für 'Anpassung der Sinnesorgane an äußere Reizeinwirkungen', z. B. Adaptation des Auges, bes. in der Zs. Adaptationssyndrom als Bezeichnung für die Gesamtheit aller unspezifischen Abwehrreaktionen des Organismus auf einen psychischen Druck oder Streß; seit Anfang 20. Jh. dann auch in der Psychologie und Soziologie für c Anpassung(svermögen) des Menschen an seine soziale Umwelt, insbes. an veränderte, neue Lebensum-
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stände; Integration, Eingewöhnung' (s. Beleg 1962), z. B. in der Wendung soziale Adaptation und in den Zss. Adaptationsvermögen, -fähigkeit; in neuester Zeit in der Kybernetik als Bezeichnung für die Fähigkeit von technischen Systemen, ihre Selbstregulierungs- und Selbststeuerungsprozesse auch bei veränderten oder unterschiedlichen Umwelteinflüssen aufrechtzuerhalten. Dazu die seit späterem 19. Jh. (1863 bei Kaltschmidt) gebuchte, auf gleichbed. mlat. adaptabilis zurückgehende adj. Ableitung adaptabel 'anpaßbar, anwendbar' mit dem dazugehörigen Subst. Adaptabilität F. (-; ohne Pl.) 'Anpassungsfähigkeit, Anwendbarkeit'. b Seit spätem 19. Jh. im kulturellen Bereich in der Bed. 'Bearbeitung, Umarbeitung von (meist literarischen) Kunstwerken entsprechend den Bedingungen und Erfordernissen einer anderen Kunstform oder eines anderen Mediums' (gleichbed. mit —+ Adaption b); vereinzelt auch im Sinne von 'schlechtbearbeitete Nachahmung, Kopie; Plagiat' (s. Belege 1881, 1904).
Adaptation a: Valentin 1855 Physiologie 616 unsere Gesichtswerkzeuge [besitzen] ein Einrichtungs-, Anpassungs-, Adaptations- oder Accommodationsvermögen für verschiedene Distanzen; 1870 Geograph. Jahrb. 174 Adaptation [der Pflanzen] an das Klima; ebd. 175 klimatische Adaptation; Hallier 1889 Kulturgesch. 312 Bei manchen Pflanzen tritt eine so starke Gewöhnung (Adaptation) an geschlechtslose Fortpflanzung ein, dass die geschlechtliche ganz aufhört; 1894 Real-Enc. Heilkunde i 244 adaptation . . bedeutet anpassung . . des Organismus an seine wechselnde Umgebung. . . beim sehen [bezeichnet] die adaptation das weiter- und engerwerden der pupille bei wechselnder Intensität des einfallenden lichtes (DWB N.); Frey 1904 Physiologie 372 Adaptation des Auges; Babo u. Mach 1909 Weinbau l 1,309 Adaptation (Anpassung) [der Reben] an den Boden; Lewin 1924 Phantastica 25 Die Adaptation ist die erworbene Unfähigkeit, auf eine bestimmte Summe von Reiz in normaler Weise zu reagieren; Süddtsch. Ztg. 1.8.1952 Auffassung vom Krankheitsgeschehen . . Lehre vom sogenannten allgemeinen Adaptations-Syndrom; ebd. 17.8.1957 da man es mit einer Masseneinwanderung . . zu tun hat, ist die Adaptation des einzelnen natürlich weit schwieriger, besonders aber in Fällen, in denen damit ein Übergang vom städtischen Leben zu Landberufen verbunden ist; Behrendt 1962 Mensch 26 die Sozialgebilde, welche die Träger dieser Prozesse der Adaptation und Integration sind; Hofstätter 1965 Sozialpsychol. 127 man spricht hier [in der Psychologie] vielfach von einer Theorie des „Adaptations-Niveaus"; Schwelbusch 1983 Lichtblicke 116 Von einer mit Bogenlicht erhellten Straße in eine gasbeleuchtete zu treten, erforderte die volle Dunkel-Adaptation des Auges; Zeit 15.11.1985 Anpassung (Adapta-
tion, Adaption); 1985 Spectrum VI 26 Die Evolution . . beruht auf Wechselwirkungen zwischen dem genetischen Material und der natürlichen und sozialen Umwelt bzw. auf Adaptationen des genetischen Materials an die Umwelt; Zeit 13.6.1986 Mitarbeit bei unseren Forschungsprojekten (vorzugsweise über Reiz-Erregungs-Transduktion und Adaptation) (Anzeige); Haubrichs 1988 Volkssprachige Adaptation von Artes und Philosophie (Titel). Adaptation b: Nordau 1881 Kreml U 116 Unter den Entlehnungen sind . . die ehrlichen Übersetzungen mit Angabe des Ursprungs und Nennung des Verfassers eine seltene Ausnahme, die Regel sind sogenannte „Adaptationen", eine gewissenlose Heuchelei und litterarische Diebshehlerei, die darin besteht, daß man das erstbeste, in der Regel französische Stück nimmt, . . es ohne nach der Zustimmung des Verfassers zu fragen mit etwas Rührseligkeit, einigen derbkomischen Prügelscenen und einer frischen . . Mordthat für den niedrigsten Geschmack aufspickt und durchwürzt und so dem Londoner Publikum auftischt; Chamberlain 1904 Br. I 149 groß war mein Erstaunen, als ich . . vernahm, diese meine „Theorie" sei nichts weiter als eine Adaptation und geschickt verdeckte Ausnützung der Lehren Gobineaus; Neumann 1943 (Dt. Lit. im Exil 229) eine neue adaptation meines alten „patriot" zu schreiben (DWB N.); NZ.(Basel) 16./17.4.1949 Diese wohlgelungene Adaptation wird in den beiden Theatern des Dramatic Workshop . . gespielt; Scheer 1955 Spieler 202 den „Jasager" nach Bertold Brecht in der adaptation und unter der gastspielregie eines kollektive höherer kommissare (DWB N.).
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adaptieren
adaptieren V. trans., selten auch reflex., im frühen 18. Jh. entlehnt aus lat. adaptare 'gehörig anpassen, passend herrichten' (aus ad- c hinzu' und aptare 'anpassen, anfügen; passend für etwas einrichten', einer Intensivbildung zu apere 'anpassen', vgl. aptus 'passend, geeignet, angemessen'). a Eher bildungsspr. in unterschiedlichen Bereichen verwendet, zunächst als zweistelliges Verb in Verbindung mit Konkreta in der Bed. 'etwas zu einem bestimmten Zweck umarbeiten, an etwas anpassen, passend machen', z. B. einen Anzug adaptieren (s. Beleg 1954; —» akkommodieren 2b), vereinzelt auch für 'etwas auf etwas anderes passend, in entsprechender Weise anwenden' (s. Beleg 1913), auch in Verbindung mit Abstrakta für 'sich an etwas anpassen, es akzeptieren und übernehmen, sich zu eigen machen', z. B. Normen, eine Weltanschauung adaptieren; seltener als dreistelliges Verb etwas an etwas adaptieren, auch reflex, sich an etwas adaptieren oder mit Dativ (anstelle der Präp. an) sich einer bestimmten Lebensform adaptieren. Im Unterschied zu den Subst. —»· Adaptation a und —» Adaption a nur gelegentlich fachspr. gebraucht für 'sich an etwas gewöhnen, sich in etwas eingewöhnen, sich auf etwas einstellen', z. B. in der Physiologie und Medizin bezogen auf das Verhalten einzelner Sinnesorgane gegenüber äußeren Reizeinwirkungen, in der Biologie in bezug auf die Anpassung von Organismen an eine fremde Umgebung, und in der Soziologie von Menschen in ihrem Verhältnis zu neuen oder veränderten Umweltund Lebensbedingungen (—> akklimatisieren, —* akkommodieren); häufig in der Part. Perf.-Form adaptiert mit der in neuester Zeit vereinzelt nachgewiesenen subst. Ableitung Adaptiertheit F. (-; ohne Pl.) 'Angepaßtheit'. Dazu Anfang 20. Jh. das aus gleichbed. engl. adapter (zu adapt 'anpassen' < lat. adaptare, s. o.) übernommene Subst. Adapter M. (-s; -), vor allem im technischen Bereich als Bezeichnung für eine Vorrichtung zur Verbindung und damit zur Anpassung eines (mechanischen, elektrischen o.a.) Systems an ein anderes, bes. für ein Zusatz- oder Verbindungsteil, mit dem mehrere Geräte oder Maschinen an einem Prozeß gleichzeitig beteiligt werden, z. B. beim Anschluß eines Gerätes oder Geräteteils an ein Hauptgerät. b Seit spätem 19. Jh. (bes. österr.) als zweistelliges Verb in der Bed. 'Räumlichkeiten bestimmten Zwecken oder Bedürfnissen entsprechend umgestalten, passend herrichten (und nutzen), sie einer neuen Funktion o.a. anpassen', und bes. 'etwas herrichten, umbauen, neu einrichten, renovieren', z. B. ein Gebäude, eine Wohnung adaptieren. c Seit frühem 20. Jh. zunehmend auch im kulturellen Bereich als zweistelliges (häufig auch dreistelliges) Verb in der Bed. '(literarische) Kunstwerke bestimmten Bedürfnissen entsprechend bearbeiten bzw. umarbeiten und den Bedingungen, Erfordernissen einer anderen Kunstgattung, eines anderen Mediums anpassen, entsprechend umgestalten', z. B. einen Roman (für die Bühne, den Film) adaptieren (—» Adaptation b, —» Adaption b); im früheren 20. Jh. vereinzelt die französisierende subst. Ableitung Adapteur M. (-s; -e) 'schriftstellerisch tätiger, künstlerischer Bearbeiter (von literarischen Stoffen)'. Dazu seit dem frühen 18. Jh. das Verbalsubst. Adaptierung F. (-; -en), zunächst in der Bed. 'Herrichtung, Umgestaltung, Renovierung von Räumlichkeiten' (zu b), seit spätem 19. Jh. auch für 'Anpassung' (zu a) und seit frühem 20. Jh. im Sinne von 'Bearbeitung, Umarbeitung, Umgestaltung eines künstlerischen Werkes' (Film-, Fernsehadaptierung) (zu c).
adaptieren adaptieren a: Sperander 1727 A la mod Sprach 12 adaptiren, zu rechte machen, artlich anfügen; Küchelbecker 1730 Rom. Kayserl. Hof 741 in demselben [Zylinder] ist ein kolben von metall adaptiret . ., so mit leder umgeben ist, und in einer minute 15. mahl auf- und abgezogen wird (DWB N.); Schiller 1769 Ökonom. Beytr. I 499 und in Ansehung des ändern lasse sich eine besonders hierzu adaptirende Wald-Sägen, eben sowohl in die Schräge als nach der Fläche gebrauchen; Ramdohr 1787 Malerei U 13 schon in alten Zeiten hatte man sie [Statue] zur Büste adaptiret; ebd. III 319 weil die Gruppe [auf Gemälde] so sehr ein ihr eigen adaptirtes Licht erhält, . . daß man sie . . mit stillstehendem Blicke aus einem bestimmten Gesichtspunkte anschauen kann; 1884 (Wilamowitz-M. 1935 Briefw. 225) die obmacht Athens mochte fallen, Persiens Oberhoheit wieder eintreten, . . diese . . adaptierte sich . . immer mehr dem griechentum (DWB N.); Molisch 1913 Mikrochemie 173 Treub . . hat das verdienst, diese probe [Berlinerblauprobe] für den nachweis der blausäure in den geweben der pflanze herangezogen und adaptiert zu haben (DWB N.); Kesten 1952 Casanova 167 er schreibe eine Musik, der jeder Poet sehr leicht seine Verse adaptieren könne; Th. Mann 1954 Krull (W. VII 497) der Gesellschaftsanzug mit seinen Atlasrevers war nicht gerade nach Maß gemacht, er war von der Stange weg gekauft und nur ein wenig adaptiert, saß aber meiner Figur so vollkommen, daß ich den Kenner hätte sehen mögen, der nicht geschworen hätte, er sei mir vom teuersten Schneider angemessen worden; Welt 6.1.1969 vernünftig der Vorschlag, im Schüler schon frühzeitig das Sensorium für die Zwänge der Industriegesellschaft zu wecken, für die Gefahren, ungeprüft Leistungsnormen zu adaptieren, die bloß vollzogen, nicht aber begriffen werden; Luhmann 1978 Evolution 439 Der Begriff der Entwicklung wird . . fortgeführt und adaptiert, vor allem historisiert im Hinblick auf das neuartige Zeitbewußtsein; 1984 Ernährungsforscher II 36 Die verbleibenden Darmabschnitte müssen sich dementsprechend adaptieren; MM 1.3.1985 aber von all diesen .. Themen spricht er nicht in einer eigenen poetischen Sprache, sondern in einer adaptierten lyrischen Manier, in der die Nachahmung großer Vorbilder . . in die unfreiwillige Parodie führt; Zeit 15.3.1985 wir können andere Weltanschauungen nicht einfach adaptieren, weil unsere Lebensform anders ist; 1985 Spektrum VI 27 Je mehr dieser [Phänotypus] an die Umwelt adaptiert ist; Zeit 19.4.1985 ein neues Spielzeug, eine neue Schreiberfahrung — mit dem Gerät, das sekundenschnell jede Korrektur adaptiert; MM 1.9.1986 ein Symptom des utopischen Gesundheitsbegriffs seien auch die Auswüchse des Kurwesens, wenn die Befindensstörung an ein medizinisches Kriterium adaptiert und
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durch den Aufenthalt in der Geborgenheit eines Kurortes belohnt wird; Zeit 23.1.1987 daß ein Chemiekonzern eher dazu neigt, die Umwelt an seine Produkte zu adaptieren, als völlig neue Konzepte zu übernehmen. Adapter: 1904 Jugend 213a zu plattenaufnahmen ist ein extra adapter nicht notwendig (DWB N.); 1956 Wirk. Wort VI 368 man braucht [zum Abspielen der Platten] ein Zusatzgerät (Adapter); FAZ 3.8.1963 können mit jeweils verschiedenen Adapter-Teilen für praktisch alle Automobilmodelle benutzbar gemacht werden; 1968 Rundf. u. Fernsehen 53 Die meisten Kindersitze werden mit. . Adaptern festgemacht; 1984 Fertigungstechnik XII 755 Für rotierende Werkzeuge mit innerer Kühlmittelzuführung wurden Adapter für den automatischen Werkzeugwechsel angeboten; MM 3. 9.1985 bei den meisten [Firmen] wird es . . bei neueren Geräten möglich sein, entweder mit einem externen Adapter oder einem zusätzlich ins Gerät eingebauten Teil. . . Dabei werden entweder normale VHS-Kassetten verwendet oder kleinere, die per Adapter auch im VHS-Standgerät abgespielt werden können; ebd. 27.3.1986 über verschiedene Adapter-Gewinderinge können praktisch alle gängigen Thermostatventilköpfe verwendet werden; Köhlmeier 1988 Helden 66 Ich zog den Stecker meines Recorders aus der Steckdose, legte den.italienischen Adapter auf die Kommode und begann die Kassetten zu numerieren. Adaptiertheit: Anders 1956 Antiquiertheit 55 selbst die Sozialpsychologen und -ethiker haben ja nichts Wichtigeres zu tun als „Adaptiertheit" und „Unauffälligkeit" zu idealisieren. Adaptierung: Hellwald 1878 Orient 15 [er] erklärt jetzt die Behauptung für unstatthaft, daß der Islam seinem inneren Wesen nach viel schwerer einer Umgestaltung, Verjüngerung oder einer Adaptirung an durch Zeit und Umstände geschaffene Bedürfnisse fähig wäre, als jede andere Religion; 1884 (Wilamowitz-M. 1935 Briefw. 225) eine . . adaptierung der ionischen kultur an das volkstum der jüngeren rasse (DWB N.); Freud 1911-24 metapsychol. Sehr. 17 über die psychischen Folgen der Adaptierung an das Realitätsprinzip; Th. Mann 1949 Reden u. Aufs. (W. IX 772) als sei der Protestantismus nur eine Adaptierung des Christentums an das germanische Heidentum; Süddtsch. Ztg. 5.3.1951 die Adaptierung des Podiums als Bühne; Schmid 1962 Seelenleben 70 hat es den anschein, als ob die gefühlsvorgänge [der sprungbereiten Katze] die konzentrierte Aufmerksamkeit, ausgedrückt durch eine adaptierung von äuge und ohr, verdrängen wollten (DWB N.); Görlitz 1967
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Gesch. Generalstab 309 geistige Adaptierung der neuen Waffengattungen. adaptieren b: 1881 (Ebner-Eschenbach 1905 W. Ill 380) jeden vom dache gefallenen ziegel, jede gestohlene latte, herr graf, sie finden sie wieder — im Wirtschaftsjournal, aber jedoch adaptiert, restauriert darf nichts werden; Kisch 1930 Ges. W. l 265 die alte festung, die noch vor kurzem als powidl[Pflaumenmus]fabrik adaptiert war, ist nun wieder befestigt worden (beide DWB N.); Hülsen 1947 Zwillings-Seele H 123 in einer hübschen Villa . . die, für ganz andren Lebenszuschnitt gebaut, von ihm für seine persönlichen Ansprüche bescheiden adaptiert worden war; i 955 Natur u. Heimat VII 207 stellte sich . . heraus, daß renovierte Bürgerhäuser für öffentliche Zwecke gut geeignet sind. Manche dieser Bauten wurden daher schon im Laufe der Aktion für Museen, Galerien, Büchereien und ähnliche Institutionen adaptiert; Baur 1956 Schriftspr. i. Österr. 80 Anstelle des gemeindeutschen Fremdwortes „renovieren" (Häuser oder Räume neu herrichten) tritt in Österreich öfters der Fachausdruck des Baugewerbes, „adaptieren"; FAZ 25.4.1968 Faustschlößl, neu adaptiertes Gastschloß i. Ober-Österreich (Anzeige); Welt 5.6.1969 das Wohnpalais .. stammt aus dem Jahre 1781 und wurde 1804 für seinen Zweck als Hort der Sammlung von dem bekannten Wiener Architekten Kornhäusel adaptiert (Anzeige); ebd. 25.10.1969 kleines Barockschloß in Kärnten schönste Lage . . innen und außen völlig neu bzw. modernst adaptiert (Anzeige). Adaptierung: Stieve 1715 Hoffceremoniel 522 umb das alldortige hauß, wie weit man in dessen adaptirung kommen, . . zu besehen; 1878 Beschlüsse Schles. Landtag I 62a ob es sich empfiehlt noch einen versuch mit der adaptierung der bisherigen direktors-wohnung zu machen; Wildgans 1923 Br. 398 die verschiedenen Reinhardt-projekte, die adaptierung des redoutensaals als einer filialbühne des burgtheaters (alle DWB N.); Baur 1956 Schriftspr. i. Österr. 80 Fachausdruck des Baugewerbes, „adaptieren" (dazu „Adaptierung . ."). adaptieren c: 1917 Lit. Echo XIX 971 die Schreibart des herrn Karl Busse ist so brüderlich ähnlich wie die meine, daß ich eine große freude gehabt habe, die erzählung zu adaptieren (DWB N.); T/7. Mann 1949 Reden u. Aufs. (W. XI 291) für Echo's
Abendgebete, von denen niemand weiß, woher er sie hat, benutzte ich Sprüche aus Freidanks Bescheidenheit (13. Jahrhundert), die ich meist durch Umdichtung ihrer dritten und vierten Verse als Gebete adaptierte; 1984 Film u. Fernsehen V 26 wurden die Werke der neuen realistischen Kriminalliteratur direkt für die Leinwand adaptiert; 1985 Theater d. Zeit I 26 Puppentheater . . adaptiert . . für das Musiktheater (vor allem das Ballett) und für das Konzert bestimmte Werke; Zeit 18.1.1985 es hätte Fassbinder gelangweilt, Ibsens Erfahrungen . . zu erforschen; statt dessen liest er das Stück und den Charakter im Blick auf seine eigenen Neigungen . . und adaptiert alles in einer Weise, daß schließlich ein Stück daraus wird, das er selber hätte geschrieben haben können; ebd. 10.10.1986 der junge Mann ist 1933 geboren, aber er schreibt, als wolle er Novalis für den „Monat" adaptieren; ebd. 6.3.1987 sein erster Roman „Maschenka" wurde jetzt .. für die Leinwand adaptiert; MM 6.4.1987 die Kraft dieser Prosatexte zeigt sich auch darin, daß sie sich vollkommen mühelos für die Bühne adaptieren ließen; Berl. Ztg. 1989 Nr. 253 Noch einmal gibt es adaptiertes Theater: In Anlehnung an das Stück . . „Der Drache" . . schuf Mark Sacharow „Den Drachen töten". Adapteur: friedeil 1931 Kulturgesch. III 378 Paul Lindaus . ., des findigen Exploiteurs und Adapteurs der Sardouwelt. Adaptierung: Hofmannsthal 1911 Briefw. 166 nicht 10 pferde bringen mich dazu, die adaptierung des Moliere . . zu machen; 1927 Weltbühne XX1H 1,632 werke . . werden durch geschickte Verschleppung der tempi, durch schlaue dynamische adaptierung soweit umgebogen, daß der musikhörige gegen den willen des autors auf seine kosten kommt (beide DWB N.); Süddtseh. Ztg. 26.10.1965 In der vergangenen Woche hatte . . sein „Boheme"-Film Premiere. Es ist die farbige, von Wilhelm Semmelroth besorgte Film- und Fernseh-Adaptierung der bekannten Zeffirelli-Inszenierung; Welt 15.10.1974 den Machern sei gesagt, daß sie mit dieser nicht optimalen, aber akzeptablen Adaptierung die prinzipielle Frage, ob und wie eine für die Bühne erdachte Musik und Handlung ins Fernsehen transponiert werden kann, noch nicht gelöst haben; Zeit 29.3.1985 Literatenmalerei . . wie sie uns durch die Adaptierung großer Geister längst vertraut ist.
Adaption F. (-; -en), im frühen 19. Jh. aufgekommene Ableitung zu —»· adaptieren, a Meist fachspr. in der Bed. 'Anpassung' (gleichbed. mit —» Adaptation a, —* Akkommodation b), vor allem in der Biologie, Physiologie und im technischen Bereich
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verwendet, bes. in der Zs. Adaptionsstrecke 'Strecke im Untergrund-Verkehrsbau, die durch besondere Beleuchtungstechniken dem Autofahrer bei der Einfahrt in einen Tunnel die Anpassung der Augen an die veränderten Lichtverhältnisse erleichtern soll'; selten auch für 'Anwendung von etwas auf einen anderen Sachverhalt, einem bestimmten Zweck angepaßte Einrichtung' (s. Belege 1823, 1985). Dazu seit späterem 19. Jh. die seltene adj. Ableitung adaptiv (ohne Steigerung, nicht adv. verwendet), fachspr. in der Bed. 'auf Anpassung beruhend, anpassungsbedingt, durch Anpassung erworben, angepaßt', meist auf Prozesse in der Biologie o.a. und gelegentlich auf technische Systeme bezogen, in neuester Zeit vereinzelt die subst. Ableitung Adaptivität F. (-; ohne PL) 'Anpaßbarkeit'; im frühen 20. Jh. die subst. Gelegenheitsableitung Adaptionismus 'Lehre, Auffassung vom Anpassungsverhalten (der Völker)'. b Seit frühem 20. Jh. im kulturellen Bereich in der Bed. 'Umarbeitung von (meist literarischen) Kunstwerken nach den Erfordernissen einer anderen Kunstform oder Gattung' (gleichbed. mit —»Adaptation b), als Grundwort in Zss. wie Kino-, Bühnen-, Fernsehadaption. Adaption a: Goethe 1823 Gespr. Kanzler Müller o. S. Das Ausland müsse durchaus an Bestechung glauben, um die Adaption dieses Gesetzes [das die Heirat zwischen Juden und Christen gestattet] begreiflich zu finden (GWB); Haeckel 1866 Generelle Morphologie l 152 Die Anpassung oder Adaption ist diejenige formbildende Function der Naturkörper; 1894 Real-Enc. Heilkunde I 244 adaptation . . auch adaption bedeutet anpassung (DWB N.); Frey 1904 Physiologie 287 Adaption des Auges; Chamberlain 1904 Er. l 149 Adaption; Eckhardt 1911 Landbauzonen I 451 Adaption oder Akkommodation an geänderte klimatische Bedingungen; Eisenhans 1912 Psych. 193 „Adaption" des Sehapparats; Clemen 1941 Lob 20 Die Psychologie kennt den Begriff der Adaption; Th. Mann 1949 Reden u. Aufs. (W. XI 483) verbunden und verschränkt . . mit der durchaus auch physiologischen Anstrengung des Sichumsteilens und der Adaption; Hofstätter 1956 Sozialpsych. 127 „Adaptions-Niveau"; Mühlmann 1962 Homo 226 „Ersatzadaption"; Winter 1970 Untergrund-Verkehrsbauten o. S. eine Übergangsbeleuchtung, welche die Adaption unterstützen soll, ist besonders sorgfältig zu planen; ebd. ist das nicht möglich, dann muß die Tunnelbeleuchtung im Bereich der Adaptionsstrecke auf höhere Beleuchtungsstärken geschaltet werden; ebd. daß Schneefall und Vereisung die Funktionstüchtigkeit einer Adaptionsstrecke herabzusetzen vermögen; Endreß 1971 Unternehmer o. S. können ohne Unterstützung von unten und Adaption der von oben gesetzten Ordnung durch weite Teile der Bevölkerung unerwünschte . . 'Wirtschaftsstrukturen nur unter Zwang aufrechterhalten werden; 1977 Spektrum VII 11 Die hier geschilderte Praxis erspart uns eine gesonderte Adaptionsperiode für Nachwuchskräfte; Zeit 4.4.1985 die angestrebte
Adaption britischer Pop-Coolness; ebd. 3.5.1985 für ihren . . Undefinierten, amorphen Alltag hat die Alltagsgeschichte bisher keine eigenen wissenschaftlichen Begriffe entwickelt, vielmehr auf Anleihe und Adaption zurückgegriffen; MM 19.8. 1985 der Strudel dieser Wahrnehmungsfunktion ist indes kanalisiert und lenkt durch Adaption filmischer Techniken die Aufmerksamkeit des Lesers auf die desolaten Seelenzustände der Figuren; ebd. 23.5.1986 die Frage einer christlichen Adaption von Yoga oder Yoga-Elementen soll kritisch geprüft werden; Lukoschik 1990 In u. Out 153 Sascha Hehn. Ach Gottchen, die smarte Jung-Doktor-Adaption mit dem Wörthersee-Charme. Adaptionismus: Spann 1914 System 78 den sogenannten Adaptionismus, welcher Anpassung mythischer Anschauungen und Kulte von fremden Völkern in den Vordergrund stellt. adaptiv: Darwin 1871 Abstammung l 132 die adaptiven Veränderungen des körperbaus; 1912 Wb. Biol. 20a manche Schnecken [haben] die kiemen ihrer vorfahren verloren und dafür adaptive kiemen erworben (beide DWB N.); 1959 Forsch, u. Fortschr. X 295 Aus der Erkenntnis der begrenzten Fähigkeit der Umprägung der Organismen durch Mutation setzt sich bei einer Reihe von Biologen . . die Meinung durch, daß in der Evolution adaptive Faktoren wirken, die . . zum Erblichwerden der erworbenen Eigenschaften führen müssen; i960 Mitt. bl. VI 243 adaptive Maschinen, die nicht ein starres Programm absolvieren, sondern die ihr Verhalten nach den jeweils vorangegangenen Ergebnissen einrichten; 1984 Fertigungstechnik XII 754 Der komplexe Robotereinsatz führt .. zum adapti-
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adäquat
ven Verhalten der IR-Technik; Zeit 28.6.1985 Forschung auf dem Gebiet des systematischen Logikentwurfs .. Untersuchung von adaptiven digitalen Kommunikationssystemen; ebd. 15.11.1985 adaptive Veränderungen dieser Art werden nicht im Genom aufgezeichnet und sind daher nicht vererbbar. Adaptivität: Weltner 1971 Fortschritte o. S. da die Bildplatte ansteuerbar ist, stellt sie eine . . Grundlage für einen audiovisuellen Lehrautomaten dar, der . . die Möglichkeit der Verzweigungstechnik und damit der Adaptivität an das Adressatenverhalten nutzen kann. Adaption b: 1917 Lit. Echo XIX 971 eine novelle „Nina" von dem französischen schriftsteiler Georges Verdene . ., die . . eine „adaption" der vor 15 Jahren von Carl Busse geschriebenen novelle „Seffa" ist; Fr. Wolf 1933 Briefw. 261 hier ist also eine adaption [des Mamlock für eine Übersetzung ins Englische] notwendig (beide DWB N.); Tb. Mann 1949 Faustus (W. VI 194) sehr merkwürdig war mir schon bei zweiter Durchsicht, daß die Stilgebung, die Travestie oder persönliche Adaption des Kumpf'schen Altdeutsch nur vorhält, bis jenes Abenteuer erzählt ist, danach aber achtlos fallengelassen wird, so daß die Schlußseiten ganz davon entfärbt sind und eine rein moderne sprachliche Haltung zeigen; ND 24.12.1969 war das Stück von Schwarz vor allem gegen den Faschismus gerichtet, so geht die Adaption von Müller und Des-
sau aus heutiger Sicht weiter; 1984 Theater XI 12 Einer Umwälzung, einem Bruch mit der gängigen Brecht-Adaption, kam die Inszenierung von „Die Rundköpfe und die Spitzköpfe" im Deutschen Theater gleich; Zeit 25.1.1985 „the Bostonians" gibt es neuerdings als Film — eine nicht gerade kongeniale Adaption von James Ivory, die in Boston mit großem Erfolg lief; ebd. 29.3.1985 wenn auch manche seiner Thesen — vor allem zur recht leichtfertigen Abqualifizierung der ästhetischen Theorie Adornos und dessen Adaption durch Enzensberger — Widerspruch herausfordern; ebd. 1.1.1986 Kinderbuch-"Klassiker" Janosch beweist mit zwei witzigen Adaptionen von Märchen und Fabel, wie leicht ihm hübsche Faxen aus der Feder fließen; MM 23.1.1986 seine Adaption der Erzählung „der schwarze Tanner" .. konfrontiert im zweiten Weltkrieg den Eigensinn eines Bergbauern mit dem Interesse des Staates; ebd. 24. 2.1987 nur seine Adaptionen von Leonardos „Abendmahl", die zur Zeit in Mailand ausgestellt werden, ließen noch einmal aufhorchen; Berl. Ztg. 1987 Nr. 280 Den 1970 nach dem gleichnamigen Roman entstandenen „II Conformista" . . von . . Bertolucci hält er für die bisher beste filmische Adaption seiner Werke; MM 24.6.1988 beim Festival trat ihr Ensemble vom Cultural Centre Madras auf; sie selbst zeigte als Solistin eine Adaption von Franz Xaver Kroetz' „Wunschkonzert"; 1992 Cosmopolitan IV 20 Auch eine „Carmen"-Adaption haben sie [Prager Tänzer] auf der Palette — Rhythmus der Zeit auf tschechisch.
adäquat Adj. (Steigerung selten), seit spätem 17. Jh. nachgewiesene Entlehnung aus gleichbed. lat. adaequatus, eigentlich 'angeglichen' (Part. Perf. von adaequare 'gleichmachen, angleichen, gleichkommen', zu aequus 'gleich, eben'). a Eher bildungsspr. verwendet, zunächst im Bereich von Wissenschaft und Kunst, dann auch allgemeiner in der Bed. '(einer Sache) vollkommen entsprechend, angemessen', häufig auf die Zuordnung ungleichartiger Größen bezogen, z. B. auf Ursache und Wirkung oder auf ein Problem und seine Lösung (Ggs. inadäquat, auch unadäquat, unangemessen), bes. von Gedanken, Äußerungen oder (künstlerischen, wissenschaftlichen) Darstellungsweisen in Wendungen wie den adäquaten Ausdruck, die adäquate Form für etwas finden; etwas adäquat widerspiegeln, etwas für die einzig adäquate Lösung halten; als Grundwort in Zss. wie zeit-, problem-, markt-, medienadäquat, dabei teilweise konkurrierend mit -gerecht als zweitem Bestandteil von adj. Zss. wie markt-, mediengerecht·, auch fachspr. im juristischen Bereich in der festen Wendung adäquate Ursache 'Ursache, die zur Hervorbringung einer bestimmten Wirkung unter normalen Umständen vollständig hinreichend ist und aus der deshalb allein die Wirkung (z. B. ein Ereignis) angemessen erklärt werden kann' (s. Belege 1925, 1950). Dazu seit späterem 19. Jh. die seltene subst. Ableitung Ad-
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äquatheit F. (-; ohne Pl.) 'das Adäquatsein, Angemessenheit' (Ggs. Inadäquatheit, Unangemessenheit). b Seit Mitte 18. Jh. (öfter mit Übergängen zu a) auch in der Bed. 'gleichgeartet, der Natur, dem Wesen nach gleich oder sehr ähnlich; (miteinander) vergleichbar, (untereinander) übereinstimmend, korrespondierend; (einander) ebenbürtig, (zueinander) passend', häufig auf die Zuordnung gleichartiger Größen bezogen, wobei eine der beiden Größen nicht immer ausdrücklich benannt ist (Ggs. ungleich, unpassend, ungemäß, —» heterogen); z. B. in den Wendungen jmd./etwas ist jmdm./etwas adäquat, ein adäquater Nachfolger 'Nachfolger mit gleicher Qualifikation, ebenbürtiger Nachfolger (was die Leistung anbelangt)'; in neuerer Zeit häufig als Modewort, bes. mit der Nuance 'standesgemäß', vor allem in Heiratsanzeigen in stereotypen Wendungen wie ein adäquater Lebensgefährte; gesucht wird Partner aus adäquaten Kreisen, mit adäquater Bildung, adäquatem Niveau. adäquat a: Leibniz 1684 W. l 4,64 wan nicht ein adaeqvater wind . . sich eben herfür thut, so wird die windkunst wenig operation thun (DWB N.); 1689 Polit, Fliegenwedel I 111 wann Sie zu einem adaeqvatem Unterhalt einer Königlichen Wittib/ erkleckliche Mittel alljährlich contribuiren sollen; Gerstenberg 1767 Merkwürdigkeiten 225 ist aber nicht das, was sie bildlich denken nennen, eben das, was in unsern aesthetiken die Vollkommenheit des sinnlichen ausdrucke heißt? „keineswegs! — die erstere bedeutung ist adäquat, die letztere nicht. ." (DWB N.); Goethe 1786 Br. (WA IV 7,214) so geben mir diese .. Worte Muth, mein ganzes Leben der Betrachtung der Dinge zu widmen . . von deren essentia formali ich mir eine adäquate Idee zu bilden hoffen kann; Schiller 1793 Anmut (H. IX 201) einem Vernunftbegriff adäquat; ders. vor 1805 Br. IV 22 Überhaupt kann eine Erscheinung oder Factum, die etwas durchgängig vielfach Bestimmtes ist, nie einer Regel, die bloß bestimmend ist, adäquat sein (KEHREIN); Niebuhr 1809 Br. l 534 es gibt kein adäquates Wort; Hegel 183S Ästhetik (X 1,99) wenn sich . . die Idee, welche keine andere Wirklichkeit zu ihrem Ausdruck hat, in allen diesen Gestalten ergeht, .. aber sie dennoch nicht adäquat findet; 1841 Briefw. Droste u. Schücking 30 den kleinen Schriftzügen, die Ihrer elfenhaften kleinen Hand . . adäquat sind; Stahl 1845 Princip Vorr. Ill eine wohlgeordnete, ihrer ständischen Gliederung und ihren sächlichen Zuständen adäquate Vertretung, ist ein Ziel, auf welches die neuere Staatenbildung . . hinausstrebt; Bucher 1855 Palamentarismus 39 Ein Volk ist frei, wenn seine Gesetze seinen Bedürfnissen adäquat sind; Schopenhauer 1859 Welt l 206 da allein die Idee seine [des Willens] adäquate Objektität [!] ist; Sybel 1859-61 (1940 HZ CLXII 88) Wenn jedes Unrecht seine adäquate Nemesis hat; Oppenheim 1866 Verm. Sehr. 19 den möglichst adäquaten, den annähernd adäquaten Ausdruck der öffentlichen
Meinung; Hartmann 1869 Philosophie 8 eine mystische Conception in eine adäquat-wissenschaftliche Form zu giessen; Boruttau 1898 Physiologie 225 Adäquater Reiz; Ziegler 1903 Kultur 5 der immer mehr adäquaten Verwirklichung der Gattungsidee; ebd. 93 in ihrem meist adäquaten Ausdruck; Below 1925 Periodisierungen 25 adäquates Verhältnis von Ursache und Wirkung; 1928 ZfPolitik 370 der Krieg [als] die adäquate Form . ., in der das imperialistische System sich durchsetzte; 1931 Die Umschau XXXV 185 fand hierin die mir adäquate Weltanschauung; Th. Mann 1939 Lotte (W. 436) es scheint nutzlos und inadäquat, vom Großen nur immer zu sagen groß!; Dtsch. AZ. 24.2.1944 daß das Publikum von heute die harmlosen Geschichten von gestern mit adäquat harmlosem Vergnügen aufnimmt; Th. Mann 1947 Faustus (W. VI 213) du findest keine adäquate Bezeichnung für den Geist, die Haltung, die Gebärde dieses Themas; ND 19.1.1949 für preiswürdig werden uns die Werke gelten, in denen die gesellschaftliche Wirklichkeit ihre adäquate Form gefunden hat; 1950 ZGOberrhein XCI1 317 die Lehre des Tübinger Juristen Max von Rümelin von der „adäquaten Verursachung"; Weizsäcker 1955 Natur 15 der von Kries der Rechtswissenschaft geschenkte Begriff der „adaequaten Ursache"; Bamm 1956 Ex ovo 257 die „Ganzheit" des Patienten . . ist nicht nur ein schauderhaftes Wort der deutschen Sprache, sie ist durchaus die adäquate Charakterisierung für den Zustand des Objekts der modernen naturwissenschaftlichen Medizin; Borst 1957 Turmbau 12 Wir werden mit diesem Maßstab die genialen Geister . . nicht adäquat messen können; Jaspers 1958 Atombombe 76 Grundtatsache aller Geschichte ist, daß das schließliche Resultat politischen Handelns . . in völlig unadäquatem, oft geradezu paradoxem Verhältnis zu seinem ursprünglichen Sinn steht; 1963 Natur-Ordnung 287 kann das „adäquate Familieneinkommen" nicht
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durch eine Lohngesetzgebung erzielt werden; Flach 1977 Chance 41 der bequeme Ausweg, anstelle einer dem Menschen adäquaten Theorie den Theorien adäquate Menschen zu schaffen, führte noch niemals zum Ziel; MM 20.2.19X5 für nahezu jeden Anleger bietet sich die Investmentanlage heute mehr denn je als adäquate . . Sparform an; ebd. 5.4.1985 die Waffe als . . einzig adäquates Mittel zur Veränderung gesellschaftlicher Zustände zu begreifen; Zeit 19.4.1985 daß die Revier-Stahlkonzerne schon sehr weit gekommen sind auf ihrem Wege zu einer marktadäquaten Struktur; ebd. wenn das Revier seine problemadäquate Größe im Stahl und in der Kohle gefunden hat; ebd. 3.5.1985 zu einer Zeit, in der das .. moralische Selbstverständnis inadäquat erscheint, menschliche Verhaltensweisen zu formen; ebd. 21.6.1985 in der Serie der . . Eiffelturm-Bilder . . hat er das für sein Temperament, seine Theorie, sein Kunst- und Lebensgefühl adäquate Thema gefunden; ebd. erschien für ein so großes, heikles Thema Botho Strauß das Gedicht die adäquate literarische Form; MM 1.3.1986 ein Film, der eine seinem Gegenstand adäquate Form gefunden hat; Zeit 4. 4.1986 diese Entwicklung war eine adäquate Antwort auf die zu beobachtende Entartung des kapitalistischen Geistes; MM 4.4.1986 das Bühnenbild . . gibt . . der Handlung einen adäquaten Rahmen; Zeit 3.10.1986 wäre das eine adäquate Formel für die Johanna-Waiser-Figur?; MM 9. l 0.1986 „Noise Music" ist. . der adäquate Ausdruck unserer Zeit; Zeit 6.3.1987 kein Photo gibt einen adäquaten Eindruck davon; Zimmer 1986 Redens Arten 16 Eßwaren, die ihr medienadäquat angeboten worden waren; MM 2.4.1987 packende Szenen gelingen den jugendlichen Akteuren, in denen sie Endes poetische Sprache in adäquate Bilder übersetzten; Zeit 22.5.1987 eine Form, . . in der sich sein . . Denk- und Schreibtemperament . . am adäquatesten entfalten konnte; MM 8.4.1988 er hatte mit ihm sein adäquates Ausdrucksmittel gefunden, dem er sein ganzes Künstlerleben lang huldigte; Borst 1988 Barbaren 58 Platon habe . . behauptet, daß die Namen der adäquate Ausdruck der Dinge seien; Haubrichs 1988 Geschichte 136 nicht weniger problematisch für eine zeitadäquate Deutung der Heldensage ist die . . Redeweise von der „Personalisierung"; 1991 Cosmopolitan V 66 In anderen Kulturen ist es den Menschen erlaubt, diesem
schier unerträglichen Schmerz adäquat Ausdruck zu verleihen. Adäquatheit: Ritschi 1870 Rechtfertigung I 59 vollkommene genugthuung .. deren adäquatheit mit der beleidigung in der sache begründet wäre (DWB N.); Ziegler 1905 Rationalismus 188 daß Hegel als das Ziel seiner Phänomenologie die Adäquatheit von Gegenstand und Begriff bezeichnete; 1930 Handb. d.Frankreichkunde II 198 die Adäquatheit an die geistige Struktur des Denkers; 1970 Forschungsber. d. IDS V 167 die Wortstellungsregeln, . . deren Adäquatheit anhand des Codes geprüft werden soll. adäquat b: Geliert 1747 Schwestern (S. Sehr. Ill 60) Uebereinstimmung zweener Willen zu gleichen Zwecken. Mich deucht, dieß ist sehr adaequat; Goethe 1757-75 Jugendwerke III 141 sie [Natur] härtet . . ihre ächten Kinder . . ab . . dem Übel zu entgegnen. Das ist . . einem großen Theil der Menschen zu beschwerlich. .. daher retiriren . . sich die meisten, sonderlich die Philosophen, deßwegen sie denn auch überhaupt so adäquat disputiren (GWB); Major 1910 Sorgenkind 318 die Störungen der schrift sind denen der spräche durchaus adäquat (DWB N.}; Tucholsky 1927 W. II 773 die gruppe wählt sich hinzu, wer sich dem gruppengeist anpaßt — immer adäquate, niemals heterogene elemente (DWB N.); 1930 Geograph. Zschr. XXXVI 535 daß die Farbwahrnehmung oben nicht der am Boden adäquat ist; Schröder 1932 Racine 39 [Übersetzungen ins Deutsche] ohne ein adäquates Sprachgewand; FAZ 7.5.1960 Witwe . . wünscht . . Idealehe mit adäquater Persönlichkeit (Anzeige); ebd. 31.12.1964 Unternehmertyp wünscht Lebensgefährtin aus adäquaten Kreisen (Anzeige); ebd. 6.12.1969 suche ich wieder einen adäquaten Lebenspartner (Anzeige); Welt 24.12. 1969 Chef eines Großhandelsunternehmens . . sucht adäquate Ehepartnerin, die repräsentieren und schaffen kann (Anzeige); ebd. 2.10.1970 Akademiker . . kommt erst richtig in Einklang mit adäquatem Gegenstück (Anzeige); MM 25.4.1986 solange wir keinen adäquaten Nachfolger haben, gehen wir nicht aus dem Vertrag; ebd. 2.5.1987 eine adäquate Partnerin hat Georg Kreisler in Barbara Peters gefunden.
addieren V. trans., Mitte 15. Jh. entlehnt aus lat. addere 'beigeben, hinzufügen; zusammenzählen' (aus ad- 'zu, an, hin(zu), herbei' und dare 'geben'). l Zunächst fachspr. in der Mathematik für 'rechnerische Größen zu einer Summe zusammenzählen, eine Zahl zu einer anderen hinzuzählen' (—» summieren l, Ggs. —> subtrahieren), gelegentlich auch auf konkrete Dinge wie Waren, Geldbeträge, Per-
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sonen u.a. bezogen; vereinzelt gleichbed. mit den Präfixbildungen auf-, hinzu- und scherzhaft gebrauchtem veraddieren, als Grundwort in der verdeutlichenden (eigentlich tautologischen) Zs. zusammenaddieren (vgl. entsprechendes zusammenzählen) und als Bestimmungswort in der Zs. Addiermaschine (19. Jh.) zur Bezeichnung einer Rechenmaschine, die Zahlen addiert und subtrahiert; daneben im 16.717. Jh. wohl in Anlehnung an die Bed. des lat. Etymons vereinzelt für '(etwas als Zusatz) beigeben, hinzufügen' (s. Beleg 1525—26, s. u. Addendum). Seit Mitte 17. Jh. auch übertragen und eher bildungsspr. verwendet in der Bed. 'etwas aneinanderreihen, -fügen', meist in bezug auf Ideen, Vorstellungen, Gefühle, Ereignisse u.a. (s. Belege 1645,1822). Seit der 2.Hälfte des 19. Jhs. auch als V. reflex., meist unpersönlich und mit den Präp. auf und zu verwendet in der Fügung etwas addiert sich auf/zu etwas 'etwas summiert sich, beläuft sich, sammelt sich an, reiht sich aneinander', z. B. Gehälter addieren sich auf hohe Summen, Ereignisse addieren sich zu einer Geschichte (s. Belege 1869,1986), —· summieren 2. Dazu das im späten 15. Jh. vereinzelt nachgewiesene Verbalsubst. Addierung, gleichbed. mit häufigerem —» Addition l, und im 20. Jh. die pejorativ gebrauchte Gelegenheitsableitung Addiererei 'unsinnige Herumrechnerei'. Seit Anfang 19. Jh. das auf spätlat. additivus 'hinzufügbar' zurückgehende Adj. additiv (ohne Steigerung) 'durch Addition entstanden, auf Addition beruhend' (Ggs. subtraktiv, —» Subtraktion), zunächst bezogen auf mathematische Größen und verschiedenste konkrete Dinge, seit Mitte 20. Jh. zunehmend auch übertragen verwendet im Sinne von 'hinzufügend, aneinanderreihend, hinzukommend, ergänzend' (vgl. additional, —> Addition 1), dabei selten eher negativ konnotiert mit „unstrukturiertes Anhäufen, bloßes Aneinanderreihen", z. B. von Gedanken oder Systemen. Seit Mitte 20. Jh. der eventuell unter Einfluß von gleichbed. engl. additive aufgekommene Fachausdruck Additiv N. (-s;-e) als Bezeichnung für einen chemischen Stoff, der Mineralölprodukten zur Verbesserung erwünschter bzw. zur Abschwächung unerwünschter Eigenschaften hinzugefügt wird. Im 18. Jh. selten das aus gleichbed. lat. addendum (dem Gerundivum von addere s. o., also eigentlich 'was hinzugefügt werden muß') übernommene Subst. Addendum N. (-s; Addenda), überwiegend im Pl. verwendet für 'Hinzugefügtes, Nachtrag, Ergänzung', speziell im Verlagswesen für 'Anhang zu einem Buch mit Ergänzungen und Korrekturen'. 2 Im 16. Jh. in der Bed. 'etwas verbessern, anheben' (—» Addition 2). addieren 1: um 1445 deutscher Algorithmus (Zschr. f. Math, und Phys. XXXIII 127) waneer ghy wilt adderen enen numer tot enen anderen (SCHIRMER, Mathematik); um 1450 Pract. Algorismus 183 Machß also: addir 10 et 12, erit 22; Widman 1508 Rechensch. 2b nach den drei species die da gemert werden in irer übung als ist/ addirn oder summirn/ dupli[c]irn oder zwiualtigen/ multiplicirn oder manchualtigen; Paracelsus 1525—26 S. W. / 2,30 in des salz administration ist nicht von nöten, das mans alterirt oder in etwas addirt; Rudolff 1532 Künstliche Rechnung a 3b Addirn oder Summirn. Heist zusammen thun, das ist aus vil zalen ein zal oder summe machen; Hulsius 1604 Tractat I 26 ADditio lehret addirn, ein Zahl zur
ändern thun: alß 2 vnd 3 sind 5; Harsdörffer 1645 Gesprächsspiele V 363 Ich wolte auch in mathematicis etwas verstehen und lernete . . der liebe addiren, das geld subtrahiren, meine gedanken dividiren (DWB N.); Crusius 1722 Porträt aller Wiss. 65 Addiren oder zusammen setzen lehret viel unterschiedene Zahlen in eine bringen, die allen den vorigen gleich sey; Beyer 1785 Bergbau 310 Man suche den Inhalt aller Seitenflächen,/ Und addire dazu den Inhalt beyder Grundflächen; 1793 (Hippel 1827 W. V/// 374) ein Vogelnest, das dem ganzen reichsfreiherrlichen hause, den pastor und heraldicus dazu addiert, verborgen war (DWB N.}; Goethe 1816-17 Italien. Reise (HA XI48) Sie zählen nur von Abend die Stunden, wie sie schlagen,
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am Tag addieren sie die Zahl zu der ihnen bekannten abwechselnden Mittagszahl; ders. 1822 Br. (WA IV 35,248) Der Gedanke, die Crystallisation statt durch Addiren sich durch Subtrahiren begreiflich zu machen, leuchtete mir gleich ein; Herbart 1841 Vorlesungen 161 So läßt sich der Taylorsche Satz aus der Einschaltungsformel . . ableiten, wozu nichts als Addieren, Subtrahieren und Kenntnis der Zahlen für Permutationen nötig ist; Hartmann 1869 Philosophie 21 Addieren sich mehrere gleichartige, einzeln nicht wahrnehmbare Reize, so entstehen bewußte Empfindungen; 1926 Meggendorffer Blätter MDCCCXLV111 114 Zwitscherlich will seinen Betrieb modernisieren und begibt sich in ein Geschäft für modernen Bürobedarf. „Ich möchte Addiermaschinen sehen. Solche, die einen addierten Kupon liefern. Das haben die Kunden gern"; M. A. Abendztg. 22. 7.1944 Der „addierte" Schlaf (Überschrift) . . Wenn die Summe der Schlafstücke einigermaßen dem natürlichen Schlafbedürfnis entspricht, dann besteht keine Gefahr für Gesundheit und Leistungsfähigkeit; Th. Mann 1945 Reden u. Aufs. (W. XI1096) Und dann möge man addieren, was der widrige Irrwisch, von dem unser Buch erzählt, die Welt gekostet haben wird; Welt 13.2.1959 Schon gibt es Zähler in Wohnhäusern, die Kilowattstunden für ein neues Licht aus Kernenergie addieren; Böll 1963 Clown 123 Ich beobachte, addiere diese Beobachtungen, potenziere sie und ziehe aus ihnen die Wurzel; Zeit 14.11.1986 Solche Schäden addieren sich dann rasch zu Millionen; MM 25. 7.1987 eine lochkartengesteuerte Addiermaschine; ebd. Die addierten Steuermeßbeträge ergeben den einheitlichen Gewerbesteuermeßbetrag. aufaddieren: 1970 ADAC-Motorwelt IX 23 einen Zinsgewinn . ., der sich bei den zusammenkommenden Millionenbeträgen ganz schön aufaddiert; Tränkle 1985 Statist. Methoden 45 Um zu einem zusammenfassenden Abweichungsmaß als Kennwert für die Dispersion zu gelangen, liegt es nahe, diese Abweichungen (arithmetisch) zu mittein, d. h. aufzuaddieren und durch ihre Anzahl zu dividieren. hinzuaddieren: Paracelsus 1525-26 S. W. / 2,30 das man dem salz etwas mag hinzu addiren, als kümich, fenchel, zimmet, muscat etc.; Freud 1911—24 metapsychol. Sehr. 213 Es ergibt dann den sekundären Masochismus, der sich zum ursprünglichen hinzuaddiert; Th. Mann 1940 Reden u. Aufs. (W. XII 891) Ihre Unterwerfung und Einverleibung bedeutet nur insofern die Aufnahme in die große Herrenvolksgemeinschaft, als diese sie zu ihrer Zahl hinzuaddiert; MM 2.5.1988 eine
Wandgestaltung im Vortragssaal muß hinzuaddiert werden. veraddieren: Schlegel 1769 Fabeln 178 Wenn es [das Leben] der Wuchrer veraddiret,/ Der Philosoph verabstrahiret,/ der Kritikus verdisputiret. zusammenaddieren: Bechstein 1854 Hexen 14 Ich selbst kann mir aus selbigem Casus nichts zusammen addieren; 1896 Kirchenpolit. Br. 3 Addiert man diese Summen zusammen, so ergibt sich als Durchschnittesgehalt der italienischen Bischöfe 14,800 Lire. Addierung: Widmann 1489 Rechenung b 4a addirung der subtrahirten zalen zu samen (SCHIRMER, Mathematik). Addiererei: MM 3.2.1987 in der Fachrechnungsabteilung des Kriegsministeriums ist er bald der stumpfsinnigen Zahlenaddiererei überdrüssig. additiv: Klügel 1803 Math. Wh. I 14 Additiv ist eine Größe, die zu einer ändern . . zu addiren ist (SCHIRMER, Mathematik); Zeit 3.5.1985 eine kokettierende Beliebigkeit in der additiven Häufung von Berichten über Kabylen und Neufundländer, über philippinische Kopfjäger und provencalische Bauern; ebd. 13.12.1985 In Wahrheit, so Senghas bedauernd, komme das neue Projekt zu den alten Waffen und Politikern nur „additiv" hinzu — und zu den alten Problemen; ebd. 10.10.1986 Im additiven Nebeneinander der Erinnerungsbilder überlagern sich indiviuelle und kollektive Geschichte; ebd. 15.5.1987 In den additiven (nicht integrierten, sondern drei Schulzweige unter einem Dach bergenden) Gesamtschulen. Additiv: Süddtsch. Ztg. 10.6.1950 Gegen Säuretraß (Korrosion) bietet nur ein Motoröl wirksamen Schutz, das durch Spezialzusätze (Additive) die auftretende Säure neutralisiert, ehe sie Schaden anrichten kann; Welt 9.11.1954 Additive, chemische Zusätze, die eine bessere Ausnutzung des Treibstoffes gewährleisten, werden seit zwei Jahren auch auf den deutschen Seeschiffen in immer stärkerem Maße verwandt. In Amerika kennt man sie bereits seit 1938, und in England zum Beispiel setzen 80 Prozent der Handelsflotte den Heizölen und Dieselkraftstoffen Additive zu; Zeit 28.2.1986 Läßt man das Blei weg, müssen dem Benzin andere Additive zugesetzt werden, um die Oktanzahl zu erhöhen und das Klopfen des Motors zu vermeiden. Addendum: Goethe 1793 Naturwiss. Sehr. (WA II 5,43) Addenda zu den dioptrischen Farben der er-
Addition sten Klasse (Titel); Lachmann 1821 Briefw. l 303 Eine Bitte hätt' ich aber bei der Grammatik: lassen Sie die Addenda wo möglich bis ans Ende des Buches; 1955 Altertum l 139 ein indexband, der auch in den addenda die inschriftenfunde der letzten jähre bringen wird (DWB N.).
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addieren 2: Paracelsus 1537-38 S.W. l 12,413 damit das der mensch nicht in die hellen durch zu viel geschiklikeit körne, die dan vom teufel addirt wird; Rot 1571 Diet. 286 Er hat jm zu seiner Condition addirt/ das ist er hat jm sein standt bessert.
Addition F. (-; -en), Mitte 15. Jh. entlehnt aus gleichbed. lat. additio, Gen. additionis (zu addere, —» addieren); im 16. Jh. auch in der lat. (fielet.) Form. 1 Zunächst als Fachwort der Mathematik zur Bezeichnung einer der vier Grundrechenarten in der Bed. 'das Zusammenzählen von rechnerischen Größen und dessen Ergebnis, Bildung der Summe aus zwei Zahlen' (—* Summe, Ggs. —» Subtraktion), seit früherem 16. Jh. auch für das Zusammenzählen konkreter Dinge wie Waren, Personen, Geldbeträge (daher z. B. auch für 'Rechnung im Restaurant'); bes. in Zss. wie Additionszeichen 'mathematisches Symbol, das den Vorgang der Addition anzeigt, Pluszeichen', Additionsresultat 'Ergebnis des Zusammenzählens, Summe'; daneben im 16.717. Jh. vereinzelt für 'Hinzufügung, Zusetzen (z. B. von chemischen Stoffen)' (s. Beleg 1525—26), auch 'das Hinzugefügte, Zusatz (z. B. in Büchern)' (s. Belege 1525 — 26, 1660). Seit Anfang 20. Jh. auch übertragen und bildungsspr. verwendet im Sinne von 'Summierung, Aneinanderreihung gleichartiger oder ungleichartiger Größen', überwiegend bezogen auf Ideen, Vorstellungen, Eigenschaften, Ereignisse u.a. (s. Belege 1957, 1966). Dazu seit Ende 16. Jh. das Adj. additional (ohne Steigerung) in der Bed. 'ergänzend, zusätzlich, nachträglich', zunächst nur als Bestimmungswort, bes. in der (aus lat. articuli additionales Pl. lehnübersetzten) rechtsspr. Zs. Additionalartikel 'Zusatzartikel, zusätzlich gestellte Frage bei Gericht' und in der Ende 18. Jh. (in Analogie zu frz. acte additionnel) gebildeten Zs. Additionalakte 'Zusatzakte, nachträglich einem amtlichen Schriftstück hinzugefügte Bestimmung', vgl. auch Zss. wie Additionaldekret, -gesetz, -vertrag. Seit Anfang 19. Jh. (CAMPE) zunehmend auch in der freien Form und bis heute eher bildungsspr. verwendet, dabei bis ins frühe 20. Jh. konkurrierend mit dem ebenfalls Anfang 19. Jh. unter Einfluß von gleichbed. frz. additionnel aufgekommenen, heute veralteten Adj. additioneil, zunächst bes. in Syntagmen wie additioneller Artikel, additionelle Zusatznote, Anfang 20. Jh. vereinzelt (s. Beleg 1912) auch für 'auf Addition beruhend, zusammengezählt' (vgl. additiv, —» addieren 1). 2 Im 16.717. Jh. selten für 'Vergünstigung, vor allem materieller Art, die eine Person einer anderen gewährt' (—> addieren 2). Addition 1: um 1450 Pract. Algorismus 291 addicio; Paracelsus 1525-26 S.W. l 2,30 Additio Theophrasti (Kapitelüberschr.); ebd. 2,31 und nachdem und du dise addition [verschiedener Stoffe] dester baß kanst zusamen fügen, dester größer ist die operation; ebd. 2,33 Also hat mich für gut angesehen, das salz mit seinen fügenden zubeschreiben und correctionibus und additionibus, von welchen die herbarii und scribenten der selbigen dingen nichts gedacht haben; 1537 Urkunden Tübingen 202 Dieweil auch befunden, das durch ain vermainte vnd nit endlich beschlossne addition der besoldungen
der Vniversitet seckel etwas beschwert; Heiden 1660 Grundfeste 209 und sonsten die angeregte letztere wahl-capitulation am verschiedenen orten noch etwas erleuterung und addition bedürfftig (DWB N.); Duez 1664 Diet, l 12a Addition die Zusammensetzung oder Summirung in der Rechenkunst; Wächtler 1709 Manual 28 Addition, Zusatz/ ist in der Arithmetica bekandt; Sturm 1737 Wahre Vauban 18 Addition; Abel 1786 Seelenlehre 198 Multiplication der unfruchtbaren Fälle des ersten in die fruchtbaren des zweyten und Addition der Wahrscheinlichkeit des ersten Wurfs
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Addition
zu dem Product aus jenen drückt nun die Wahrscheinlichkeit des Gewinns aus; Jenisch 1800 Geist u. Charakter I 96 daß das allgemeine Wohl nichts für sich bestehendes, sondern gleichsam nur die runde Summe des einzelnen Bürgerwohls, als eben so vieler Posten in einem Addizionsexempel, ist; Riehl 1866-71 Vortr. I 309 Es gibt noch eine gewichtigere Volksstimme, als jene, welche durch die Addition von Stimmzetteln gefunden wird; Schneider 1898 Paris 12 „die Addition", wie jener für Carte a payer gewählte, bürgerlich geschäftsmäßige Ausdruck eben lautet; Th. Mann 1901 Buddenbrooks (W. l 519) Es gab da lange Rechenaufgaben zu lösen, die, nachdem man beide Seiten der Schiefertafel mit Additionen, Subtraktionen, Multiplikationen und Divisionen bedeckt hat, am Ende und als Resultat ganz einfach Null ergeben mußten; Heyck 1928 Aussenseiter 146 Sie kurbelt lange bleiche Zungen von Additionszetteln aus dem Rasselschlund einer Rechenmaschine hervor; Th. Mann 1933 Reden u. Aufs. (W. IX 373) Was sollte ich anfangen mit dieser Addition von Musik, Wort, Malerei und Gebärde; Münch. N.N. 5.1.1940 Und mit allen zehn Fingern schreibt sie ebenfalls gleichzeitig zehn verschiedene Zahlen, deren Additionsresultat sie dann wiederum gleichzeitig auf der großen Tafel mit Kreide hinschreibt; Th. Mann 1945 Reden u. Aufs. (W. XU 252) Die demokratische Addition des Menschlichen ist nicht sowohl eine Addition des Guten als des Schlechten im Menschen, und je größer die Summe ist, desto mehr nähert sie sich dem Bestialischen; Frisch 1957 Homo faber 212 Du behandelst das Leben nicht als Gestalt, sondern als bloße Addition, daher kein Verhältnis zur Zeit, weil kein Verhältnis zum Tod; Arbeitgeber 20.7.1961 Addition der Belastungen (Überschr.) . . Ein körperlich arbeitender Mensch wird eine zusätzliche, relativ niedrige geistige Belastung ohne Schwierigkeiten auf sich nehmen können, eine hohe geistige Belastung aber unbedingt ablehnen; Welt 9.11.1964 eine Addition von Unvereinbarkeiten; Staiger 1966 Grundbegriffe 117 Das wahrhaft epische Kompositionsprinzip ist die einfache Addition; Lengsfeld 1970 Mischehe o. S. Es soll nicht der Eindruck entstehen, als käme es durch Addition der Riten (bei gleichzeitigem Handeln der Geistlichkeit) zu einer Art christlicher Superkonfession; Zeit 11,1.1985 bei ihm entsteht ein mit den kubistischen Absichten vergleichbarer Eindruck aus der Addition aller Ansichten, die der Betrachter beim Drumherumgehen wahrnimmt; ebd. 24.5.1985 In der puren Addition oft unleserlicher Forderungskataloge und Einschätzungen der verschiedenen Lobbys .. geht unter, was die Grünen wirklich wollen; ebd.
28.6.1985 mit „farbiger Feldanzeige für Minuten- und Sekundenaddition" (Werbeprospekt für Uhren); ebd. 8.11.1985 Die beiden Verfassernamen sind Signaturen einer konstanten Kooperation, nicht einer ärmlichen Addition; ebd. 9.1.1987 Fast immer werden Reihung und Addition mit individualisierenden Baufiguren durchbrochen. Additional(-): Ayrer 1597 Processus 297 so alsdann solches geschehen, vnnd wir keine additional artickel einzubringen haben, so kommen wir bald auß der Sachen (DWB N.); 1616 Bayer. Landrecht 30 Additional Articul sein/ wann der Kläger oder Beklagte in ihren ersten Klag: oder Schirmm Articuln etwas/ ohne mittel zu der Klag/ oder dem Schirmm Articul gehörig/ außgelassen; Siebenkees 1792 Von letzten Willen 32 so ist in einem späteren Additional-Decret .. diese Art zu testiren ausdrücklich auf die Einwohner und Unterthanen im Nürnbergischen Gebiet ausgedehnt worden; Prokesch v. Osten 1850 Er. 146 Additionalartikel; Fischer 1907 Eibschiffahrt 12f Nachdem über die Vorarbeiten und Beratungen über 20 Monate verflossen waren, erschien als Resultat die sog. „Additionalakte vom 13. April 1844"; Granfeld 1924 Dreibundsystem l 303 Italiens neuer Vorschlag eines besonderen Additionalvertrages wird angenommen. additioneil: 1814 D. n. Dtld. 434 der gegenwärtige additionelle artikel soll dieselbe kraft und gültigkeit haben, als wenn er von wort zu wort dem haupt-traktate vom heutigen tage einverleibt wäre; Grabbe 1831 W. Ill 240 da tritt ein herr vor, die additionelle zusatznote zu lesen; Rathenau 1912 Kritik d. Zeit 193 man . . gewahrt . . ein volk von . . enormer physischer expansion, achthunderttausend neue Deutsche jährlich! jedes lustrum eine additionelle bevölkerung nahezu gleich der von Skandinavien (alle DWB N.). Addition 2: Paracelsus 1537-38 S. W. / 12,413 Lucas beschreibt, wie die seind, die in der addition des teufels leben, . . darumb sie verdampf werden; 1687 Ei>. Schulordn. Ill 309 wann sie [Schulmeister] in den dörffern vom meßner-amt, schul- und holtzgeld nicht mögen erhalten werden, mögen die gemeinden .. supplicieren, daß ihnen von der flecken heiligen gutem oder armen-kasten ein addition geschehe (DWB N.).
Adept
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Adept M. (-en; -en), im früheren 16. Jh. vereinzelt, seit Ende 17. Jh. kontinuierlich nachgewiesen, zurückgehend auf lat. adeptus 'jmd., der etwas erreicht hat', Part. Perf. von adipisci 'etwas, wonach man gestrebt hat, erlangen, erreichen, erringen, gewinnen; zu etwas gelangen' (vgl. mlat. adepti PL 'in geheime Wissenschaften und bes. in die Kunst der Alchimie Eingeweihte'), bis ins 18. Jh. häufig in der lat. (flekt.) Form mit PL Adepti. a Zunächst meist auf historische Verhältnisse bezogen in der Bed. 'in geheime Wissenschaften, Künste oder in die Mysterien Eingeweihter; Kenner der Geheimnisse eines bestimmten Metiers, Meister seines Fachs', insbes. für 'jmd., der in der Kunst der Alchimie bewandert ist und vorgibt, den Stein der Weisen gefunden zu haben; alchimistischer Goldmacher', weitgehend gleichbed. mit Alchimist, —» Alchimie (s. Belege 1727, 1811, 1924). b Seit späterem 18. Jh. vor allem im Bereich von Bildung, Wissenschaft u.a. verwendet in der Bed. 'beflissener, wißbegieriger Schüler, Anwärter, Anfänger, Neuling, der die Gründe und Geheimnisse einer Wissenschaft oder Kunst (wie ein Eingeweihter, vgl. a) zu erfassen sucht', gelegentlich auch eher scherzhaft-ironisch gebraucht im Sinne von 'eifriger Jünger, Gehilfe eines berühmten Meisters, der auf einem bestimmten Gebiet als Autorität gilt; junger, naiver Anhänger einer (oft zwielichtigen, abstrusen) Lehre' (s. Belege 1859, 1986, 1991; —» Adlatus), in Wendungen wie ein junger, (über)eifriger Adept der Wissenschaft, die jungen Adepten des großen Meisters, in neuester Zeit vereinzelt auf andere Lebensbereiche übertragen, vgl. die Zs. Eheadept (s. Beleg 1964). Dazu im früheren 20. Jh. die subst. Gelegenheitsableitung Adeptentum N. (-s; ohne PL) 'Wesen eines/von Adepten'. Adept a: Paracelsus 1530 S. W. l 8,66 sie werden geomantici sein, sie werden adepti sein, sie werden archei sein, sie werden spagiri sein, . . sie werden arcana haben, sie werden mysteria haben, sie werden tincturam haben; ders. 1537-38 S. W. / 12,189 Paulus ist ein theologus adeptus, dan er hat im selbigen ort gelernt da die theologia iren Ursprung hat; ebd. 12,193f. als wie kan mich ein mensch lernen . ., der selbst terrenus ist und nichts gelernet hat dan das terrenisch ist. darumb so muß ich ihe ein ändern suchen von dem ich lerne, der adeptus sei . . wollen wir nun lernen und erfaren, was himlisch das ist firmamentalisch ist in den irdischen corporibus, . . so müssen wir das lernen von dem philosopho adepto . . nun ist von nöten das wir wissen, was der philosophus adeptus sei, damit wir von im lernen; Ettner 1697 Chymicus 833 der Medicus müsse ein Adeptus und ein Besitzer des Philosophischen Steins seyn; Vischer 1709 Informator 108 obligirt gar in manchen Schulen die Jugend zu Übersetzung eines Pensi aus den Zeitungen, welches doch offt Erwachsenen und die sich längst für adeptos halten, zu schaffen macht; Sonntag 1714 Voc. pseudomyst. 8 Adeptorum Theologia; 1714 (1885 Alemannia XIII 132) Man nennt mich den wahren Doctor Adeptum, ich logier in der Schmiergassen im Kalbskopff; Sperander 1727 A la mod Sprach 13 Adepti, werden diejenigen Gold-
macher genennet/ so da sich einbilden/ den Stein der Weisen erlangt zu haben; Moser 1761 Beherzigungen 79 Die uns das Christenthum verächtlich machen und eine gemahlte Tugend davor anpreisen wollen, . . warum behalten diese Adepten ihr Geheimniß nicht vor sich; Michaelis 1773 Raisonnement III 123 weil ich in der Auslegungskunst kein Adeptus bin; Wekhrlin 1777 Denkwürdigkeiten 121 In diesem Augenblick war die . . Stadt von der Wirklichkeit der Goldtinctur überzeugt; die Laboranten kauften neue Blasbälge. . . Die Habseligkeiten des Adepten wurden im Wettstreiche als Reliquien verkauft; ebd. 125 Wenn die Policey die sogenannten Adepten mit dem Arm der Gewalt verfolgt, . . die Goldkünstlerey ist eine Ausschweifung des Genie; Wigleb 1777 Alchemie 206 ein vortrefliches . . Beyspiel von den ersten alchemischen Künstlern aus dem Alterthum, . . worauf doch unsere heutigen eingebildeten Adepten die Wirklichkeit ihrer vorgeblichen Kunst mit gründen; Bretzner 1778 Leben III 403 Ich bin ein berühmter Adept, großer Chymist und noch größerer Alchymist; Schlözer 1781 Briefw. histor. Inh. IX 88 Klettenberg, ein Adept, enthauptet in KurSachsen 1720. . . Man darf es ja wol bedauren, daß noch in unsern Zeiten das Phantom der GoldmacherKunst hin und wieder . . hervorkriecht; Matthison 1787 Schweiz U 182 Adeptenträumereyen; Köhler
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Adept
1788 Anweisung II 918 Man nennt das Geheimniß, Gold zu machen, das Magisterium, das chymische Gold selbst Lapis Philosophorum, und diejenigen, die ihn gefunden haben wollen, geben sich den Namen Adepti; Archenholz 1791 England l 230 Wenn er gleich diesen theologischen Stein der Weisen nicht fand, so bewies er sich doch als kein gemeiner Adept, und eine größere Moralität . . verbreitete sich unter Tausenden; Kant 1793 Religion (Ges. Sehr, l 6,53) Verstandeserleuchtung in Ansehung des Übernatürlichen (Geheimnisse) Illumination, Adeptenwahn; 'Wieland 1797 Stein (Ges. Sehr. XXX 277) der wahre Weise. Er allein verdient den hohen Nahmen eines Adepten. Ihm ist nichts unmöglich, denn er gebietet der Natur. .. Er kann die geringen Metalle in höhere verwandeln; ebd. XXX 279 Ägyptischer Adept aus der ächten und geheimen Schule des grossen Hermes; Weikard 1798 Arzt II 69 der arme Goldmacher, der Adept; Laukhard 1802 Leben V 123 Ich bin ein Adeptus . . und habe durch lange Erfahrungen, große Reisen . . endlich die Geheimnisse der Natur entdeckt; Goethe 1811 Dichtung u. Wahrh. (HA IX 344) so wollte ich mir im allgemeinen davon einen Begriff machen, ob ich gleich als Halbadept vor den Apothekern und allen denjenigen, die mit dem gemeinen Feuer operierten, sehr wenig Respekt hatte; ders. 1822 Sehr. z. Kunst (HA XII 73) Die orientalische mystische Poesie hat deswegen den großen Vorzug, daß der Reichtum der Welt, den der Adepte wegweis't, ihm noch jederzeit zu Gebote steht; Szarvady 1852 Paris I 49 Die Frauen sind geborne Diplomaten und sie bewahren ihr Arcanum eifersüchtiger als die ägyptischen Priester das Monopol ihrer Wissenschaft. Sie sind wahre Adeptinnen, sie sterben mit ihrem Geheimnisse; Wassermann 1910 Masken 112 „War das eins von Ihren okkultistischen Kunststücken?".. Palesters Augen schimmerten plötzlich grün. . . Es sind Deuteraugen, Adeptenaugen, die Augen des Letztgeborenen; Scholz 1924 Unkenbrenner 9 In der Zeit, als die Goldmacherkunst in den Köpfen der Menschen ein mystisches Dasein führte und . . ein jeder Adept vom ändern glaubte, der habe das Geheimnis; Werfel 1928 Abituriententag 80 Dieser Ewald Ressl behauptete ein Adept der geheimen Weltkräfte zu sein; Th. Mann 1936 Reden u. Aufs. (W. XI 450) der Planetenstand war günstig, wie Adepten der Astrologie mir später oft versicherten, indem sie mir auf Grund meines Horoskops ein langes . . Leben . . verhießen; ders. 1944 Nachtr. (W. XIII 859) ich . . war immer glücklich, wenn Adepten und Meister dieser wunderbaren Kunst [Musik] ein affinitives Gefallen an meiner Arbeit fanden; ders. 1945 Reden u. Aufs. (W. XII 942) nun, er war es: ein geborener Adept der Politik, die man die Kunst des Möglichen genannt hat, und die ja in der Tat
eine kunstähnliche Sphäre ist; Maass 1955 Gebeimwiss. 19 dem Adepten der Heilkunde; Wiberg 1957 Stein 8 verstrickten sich . . die alchimistischen Adepten in Widersprüche; Zeit 25.7.1986 nach dieser Ouvertüre folgen die Werke . . zweistimmig . .: links die Adepten der Natur, rechts die der Kultur; Haubrichs 1988 Geschichte 226 Sie [Zöglinge des Klosters] sollen . . aus Muttersprachlern zu Adepten der Vatersprache des mittelalterlichen Europa gemacht werden. Adept b: 1771 Bibliothek d. Stuzer 203 Ein Adept von seinen Schülern Hess ihm [dem Lehrer] aus Erkenntlichkeit ein prächtiges Mausoleum aufrichten; Haym 1859 Ges. Aufs. 91 Körner . ., der ein eifriger Adept der neuen Kant'schen Philosophie war; Reichensperger 1872 Phrasen 75 Für nicht wenige seiner Adepten ist der Liberalismus sogar eine Art Religion; 1916 Franzosen 115 Adeptinnen dieser Untugend; Th. Mann 1919 Reden u. Aufs. (W. X 849) das Geheimnis des Stils, . . hier offenbart es sich mit einer . . Kraft, von der mancher junge Adept, der sich dem Zauber nicht wieder zu entringen wußte, ein Lied zu singen weiß; ders. 1924 Zauberberg (W. III 396) für einen im Zentrum etwas beschwipsten jungen Adepten von abnormer Hautbeschaffenheit . . war das eine . . höchst einleuchtende Spekulation; ders. 1929 Reden u. Aufs. (W. X 274) kraft des ausbauenden und anwendenden Eifers von Adepten; 1930 Nord u. Süd Llll 375 Auseinandersetzung mit dieser Ansicht, die sich als fruchtbar für die Wissenschaft, aber auch, zumal bei übereifrigen Adepten, als Quelle des plattesten Materialismus [erwiesen hat]; Th. Mann 1947 Faustus (W. VI 240) ein Lehrer ist das personifizierte Gewissen des Adepten; Hofmannsthal 1950 Prosa I 237 ein . . Adept des Spinozismus (WDG); Jens 1955 Mann 79 der junge Adept der Wissenschaft und Künste (DUDEN); Rychner 1962 Vorw. z.Korrodi, Aufs. 9 war ein Semester im kaiserlichen Berlin bei Erich Schmidt, der den Adepten überprovinzielle Maßstäbe hatte sehen lassen; Hilpert 1963 Liebe 88 Dies kleine Büchlein enthält . . keine Gebrauchsanweisungen für junge Schauspieler. . . Aber wenn der Adept aus dem Wechselspiel zwischen Erfahrung und Erkenntnis [lernen will]; Partner 1964 Erben 234 dabei lernte er seinen jüngeren Landsmann als einen tüchtigen und begabten Adepten aldhelmischer Gelehrsamkeit und Formfreude kennen; ebd. 311 Eheadepten im feierlichen Schwarz, junge Bräute mit dem obligaten Blumenstrauß im Arm; Karthaus 1970 Zauberberg o. S. der junge Adept des Zauberbergs bleibt . . sieben Jahre dort, vergißt gänzlich den Kalender; Zeit 1.2.1985 „Dioptics"Trainer schärfen ihren Adepten ein, keine Frau unter achtzehn Jahren zu verarzten; ebd. 16.8.1985
Adhäsion er fand Adepten, die es ihm mit Fleiß nachtaten und die nun ins Blickfeld der Staatsanwälte geraten sind; ebd. 3.10.1986 er ist umlagert von einem Hof voller Anwärter und Adepten; ebd. 17.10. 1986 so redete .. der berühmte . . Professor Fritz Schumacher seinen Adepten ins Gewissen; Borst 1988 Barbaren 361 was aber nutzte die Vorsicht des Meisters, wenn die Adepten seine Thesen in
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alle Welt trugen?; 1991 Marie Ciaire IX 32 Man verschone uns endlich mit den tiefenpsychologischen archetypischen Deutereien von Freud, Jung und seinen Adepten. Adeptentum: 1939 SB München 23 frei von akademischem Adeptentum.
Adhäsion F. (-; Pl. ungebr.), im späten 14. Jh. entlehnt aus lat. adhaesio, Gen. adhaesionis, 'das Anhängen, Anschließen' (zu adhaerere 'an-, festhängen, kleben, sich anschließen'), anfangs in der Nebenform Adhesie. In der Bed. 'das Anhängen, An(einander)haften', vor allem fachspr. verwendet; zunächst im politischen Bereich im Sinne von 'Anhänglichkeit, das Gefolgschaftleisten' (s. Beleg 1582); seit frühem 18. Jh. auch in der Rechtswissenschaft für 'Anhängen, Anschluß an ein Rechtsbegehren', bes. in den Zss. Adhäsionsverfahren, -prozeß 'an ein Strafverfahren angehängtes Verfahren, das dem durch eine Straftat Verletzten erlaubt, einen aus ihr erwachsenen (Schadensersatz-)Anspruch in einem Straf-, statt, wie eigentlich vorgesehen, in einem Zivilprozeß geltend zu machen'; seit Ende 18. Jh. in der Medizin für 'durch Entzündungen oder schlecht heilende Operationswunden verursachte Gewebsverwachsungen verschiedener Organe' (z. B. von Lunge und Rippenfell), in der Biologie für 'Verkleben von Blutplättchen aneinander oder an fremden Oberflächen als Vorphase der Blutgerinnung' (s. Beleg 1985), bes. in der Zs. Zelladhäsion 'Aneinanderhaften von Zellen', dafür auch Zelladhäsivität (s. u. adhäsiv); gleichzeitig vor allem in der Physik für 'das Anhaften' (s. Beleg 1790), bes. 'Aneinanderhaften verschiedenartiger flüssiger oder fester Stoffe' (Ggs. Kohäsion), auch 'Haftwirkung von Molekülen an Grenzflächen, beruhend auf Molekularkräften' (bei Vorgängen des Leimens und Kittens, beim Auftragen von Farben u.a.), vgl. die Zss. Adhäsionsenergie 'die Haftwirkung messende Energieeinheit' und Adhäsionskraft; in der Technik für 'Haftreibung (z. B. bei Schienenfahrzeugen)' (s. Beleg 1907), bes. in der Zs. Adhäsionsbahn 'Schienenfahrzeug, das die Oberflächenhaftung des Schienenspur- und Radmaterials zur Überwindung steiler Strecken nutzt'. Seit dem 19. Jh. bildungsspr. auch übertragen verwendet (s. Belege 1855, 1923). Dazu ebenfalls seit spätem 14. Jh. das aus lat. adhaerere (s. o.) entlehnte intrans. V. adhärieren, überwiegend fachspr., zunächst im politischen Bereich für 'Gefolgschaft leisten, sich jmdm. (z. B. einem Führer, einem Fürsten) anschließen', seit spätem 16. Jh. auch im juristischen Bereich für 'sich einem Rechtsbegehren anschließen' (s. o. Adhäsionsverfahren), seit frühem 18. Jh. in den Naturwissenschaften für 'anhaften', bes. in bezug auf verschiedene feste oder flüssige Stoffe; selten auch übertragen verwendet für 'an etwas hängen, haften' (s. Beleg 1964). Seit spätem 15. Jh. das aus mlat. adhaerentia (zu lat. adhaerere, s. o.) entlehnte, heute veraltete Subst. Adhärenz F. (-; Pl. ungebr.) 'Anhängerschaft; Anhänglichkeit, das Gefolgschaftleisten', seit Mitte 19. Jh. gelegentlich auch sachbezogen für 'Verklebung, Anhaftung, das Verwachsensein mit etwas' (im Ggs. zu Kohärenz) und im 20. Jh. vereinzelt im Sinne von 'Bindung, Gebundenheit' (s. Beleg 1925). Gleichzeitig die bes. im 17. Jh. nachgewiesene, bis ins 20. Jh. gebuchte, auf (flekt. Form von) mlat. adhaerens (subst. Part. Präs, von adhaerere, s. o.) zurückgehende Personenbezeichnung Adhärent M. (-en;-en) 'Anhänger, Nachfolger', häufig im Pl.
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Adhäsion
für 'Anhängerschaft, Gefolge' (z. B. einer Lehre, einer Person), rechtsspr. auch für 'Mitankläger' (s. o. Adhäsionsverfahreri); selten die adj. Ableitung adhärent 'Adhärenz zeigend; anhaftend, anhängend', auch 'verwachsen, verklebt' (Ggs. kohärent). Seit frühem 19. Jh. das ebenfalls seltene Adj. adhäsiv (ohne Steigerung) 'auf Adhäsion beruhend; anhaftend, anklebend' (Ggs. kohäsiv), bes. in der Medizin in den Zss. Adhäsivpflaster 'Klebe-, Heftpflaster' und Adhäsiventzündung, mit der nur gebuchten subst. Ableitung Adhäsivität F. (-; ohne Pl.), bes. in der Zs. Zelladhäsivität 'Aneinanderheften von Zellen' (s. o. Zelladhäsion). Adhäsion: 1385 Urkundenb. Worms II 863 und der adhesien gnug tun; 1441 Urkundenb. Quedlingburg 370 unde don bylligunge, vulbord und adhesien (beide MÖLLER); 1582-1612 Chronik d. dtsch. Städte XVUl 1,28 wie undt uff was weiß sie solche Adhesion undt anhang an den abgesetzten Bischof gethan; Döhler 1723 Mäuse-Fallen 221 Leuterungs-Adhaesiones sind nicht . . rathsam, . . wenn man nur wegen übergangener Unkosten einer gegenseitigen Leuterung adherieren will; Goethe um 1790 Naturwiss. Sehr. (WA II 12,199) Klopfen an's Barometer. Adhäsion [das Anhaften des Quecksilbers an der Glaswand der Barometerröhre]; Görres 1805 Sehr. III 37 adhäsion der flächen, die im magnetism des eisens in polarität sich äussert (DWB N.); Nürnberger 1855 Amerikamüde 152 Schien es doch jetzt schon, daß Benthal's Adhäsion an Kleindeutschland eigentlich auf einer verhängnisvollen Verwandtschaft der Extreme beruhe; Haeckel 1866 Generelle Morphologie l 277 Adhäsions-Verwandtschaft der Eiweiss-Moleküle; Berlepsch 1885 Alpen 375 Die dritte und letzte Kategorie der Bergbahnen ist jene der Adhäsionsbahnen, d. h. solche, welche ohne Zuhülfenahme außerordentlicher Vorrichtungen nach dem gewöhnlichen System der Thalbahnen betrieben werden, in ihren Steigungsverhältnissen aber bis an die äußere Grenze des Möglichen innerhalb gewöhnlicher Anlagen vorgehen; Scholz 1907 Bodensee 115 Bergbahn mit Zahnrad und Adhäsion, die Höhenzüge überwindet; Kes 1914 Kraftwagenlinien 4 Adhäsionsdruck, d. i. der Druck auf die Antriebsräder; Frobenius 1923 Kulturreich 162 der lebenssaft der höheren kulturen ist ausgezeichnet durch streben zur kohäsion, der der fossilen kulturen zur adhäsion (DWB N.); Schmidt 1937 Ethnologie 55 dass er Tylors Adhäsionsregel den „Eckstein" aller . . Theorien nennt; Piccard 1954 Wolken 202 Dieser Kitt hat eine merkwürdig große Kleb- und Adhäsionskraft; Emblik 1971 Kälteanwendung o. S. Die Haftfestigkeit senkrecht zur Oberfläche ist geringer als die tangentiale Adhäsion; 1985 Pakkungsbeilage f. Medikamente o. S. Colfarit hemmt nicht nur die Aggregation (Zusammenballung), sondern auch die Adhäsion (Verklebung) der Blutplättchen; Zeit 8.11.1985 Denn es ist das Pro-
prium der Blue jeans, daß sie die lumbal-sakrale Region unter Druck setzen und sich nicht durch Suspension, sondern durch Adhäsion halten; FAZMagazin 28.3.1991 Man nehme einen Frühstücksteller mit breitem Rand, der mit etwas Wasser zu benetzen ist. Dann lege man eine halbe Eierschale auf den Rand und mache mit dem Handgelenk kreisende Bewegungen. Die Eierschale rotiert um die eigene Achse und um die Mittelachse. Dank der Adhäsion durch die Wasserschicht fällt die Schale nicht zu Boden. Adhärenz: Sattler 1476 Gesch. d. Herzogthum Württ. IV 2,108 daz du vnsern Keiserlichen geboten . . gehorsamlich nachvolgest. ., auch Ludwigen von Weiberg dheinerlei heimlicher noch ofennlicher hilff noch Adherentz tust; 1607 Urkundenb. NdRhein IV 2,755 das .. graff A. durch sich und sein adharentz von adel . . ein . . praedicanten [in jetzgemeltes Johan Ingenhoue hauss] . . gebracht; 1620 Acta publica III 196 mit einziger verbündnisse, adhaerenz; Bmlig 1683 Wien 405 von der türckischen adhaerentz abstehen; A. v. Humboldt 1845 Kosmos II 430 die Adhärenz des Eies mit dem Uterus in einer der beiden im Mittelmeer lebenden Arten; Latz 1869 Alchemie 820 dies Zeichen adhäriert sich selbst schwieriger, es deckt sich in sich selbst, und das ist eine uneigentliche, eine schwierige Adhärenz; 1890 Freie Bühne I 546 [nicht daß] wir .. die Kirche um derartige Gefolgschaft beneideten. . . Auch der Kirche müssen derartige Adhärenzen an sich bedeutungslos sein; Josephy 1925 Wirtschaft 104 zu den absoluten sozialen Gütern gehört das Geld, dessen mögliche Adhärenz an einen Stoff mit Warencharakter für seinen Begriff ohne Bedeutung ist. Adhärent: 1488 Urkundenb. NdRhein 4 Gendt, Brügge unde anderen hueren adherenten toebehoerende (MÖLLER); Christoph v. Wirtt. 1554 Briefw. Ill 9 sich .. wider den antechrist und adherenten zu schützen (DWB N.); 1589 Frz. Ztg. 8 der von Guise, vnd seine Adherenten; Meurer 1600 Rel. Cont. II 5 Usim Bassa und seine adhärenten grausam gemartert; 1642 Hauptsprache o. S. mit Monsieur Spavento und desselben adhaerenten
ad hoc
(SCHRAMM); Bürster 1647 Schwed. Krieg 234 königs in Schweden und königs in Frankreich, sampt confoederierten und protestierenden Völkern und adherenten stark versamblet; 1684 Getrost. Europa E 3a die Türcken und ihre Adhaerenten; 1691 Pfalz (Anhang: Türkei) 101 Beampte, Diener, Adhaerenten; Sperander 1727 A la mod Sprach 13 Adhaerenten/ Anhänger/ die einem anhangen/ oder eines Parthie halten; Ritter 1723 Fl. Illyricus 94 die Adhaerenten und Nachfolger Flacii. adhärieren: 1375 Erfurter Urkundenb. II 759 und dem capitel . . adheriren; 1385 Wormser Urkundenb. II 863 der selben ire appelacion sullen wir adheriren (beide MÖLLER); 1446 Frankf. Reichscorr. II 1,88 obe sie [kurfürsten] . . dem selben babste [wie der könig] myde adhereren wullen (DWB N.); 1478 Aktenstücke u. Br. U 381 wider den genanten Freiberger und seinen anhanng zu adheriren und hilff und beistand zu beweisen; 1582-1612 Chronik d. dtsch. Städte XVIII 1,32 des Erzbischoffs . . Appellation adheriren undt anhangen; Sperander 1727 A la mod Sprach 13 Ad-
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haeriren/ anhangen/ ankleben; Kant 1790 Ges. Sehr. V 230 die Schönheit eines Pferdes, eines Gebäudes . . setzt einen Begriff vom Zwecke voraus, . . und ist also bloß adhärirende Schönheit; Goethe 1805-06 Gespr. (LA II 3,15) Chemische [Farben], die fest adherirenden (GWB); 1822 Naturphilos. 559 Massen, an denen sie [die Flüssigkeiten] nur adhärieren, ohne eindringen . . zu können; Latz 1869 Alchemie 820 dies Zeichen adhäriert sich selbst schwieriger, es deckt sich in sich selbst, und das ist eine uneigentliche, eine schwierige Adhärenz; Wiesner 1892 Elementarstructur 160 Die betreffenden Fasern oder Gewebe werden . . 24 Stunden in der Flüssigkeit belassen und nach Beseitigung der adhärierenden Flüssigkeit . . erhitzt; Deschner 1964 Talente 140 ohne die magische Valenz, die aller Dichtung adhäriert (DUDEN). adhäsiv: Puchelt 1826 System d. Med. I 495 die sogenannte adhäsive (d. h. ein geringer Grad der) Entzündung; ebd. II 2 durch Adhäsiventzündung wird sehr häufig das Lumen des Gefässes geschlossen; 1961 Theorie u. Praxis 33 Trennung von adhäsiven und kohäsiven Hilfswissenschaften.
ad hoc, seit spätem 19. Jh. (1879 bei Petri) gebuchtes, erst seit frühem 20. Jh. kontinuierlich belegtes Syntagma (zurückgehend auf lat. ad hoc, aus ad 'zu' und hoc, dem Akk. N. von hie 'dieser', also eigentlich 'zu diesem Zweck, Punkt o.a., für diesen Fall'). Vor allem bildungsspr. in der Bed. 'eigens zu diesem besonderen Zweck, speziell für die vorliegende Sache, nur kurzfristig für diese Angelegenheit (gebildet, gemacht), eigens, extra dafür', in Wendungen wie einen Ausdruck ad hoc bilden, prägen und in Zss. wie ad-hoc-Büdung (s. Belege 1980,1988), ad-hoc-Ausschuß/-Kommission 'Kommission, die zu einem bestimmten (aktuellen oder brisanten) Thema, Problem gebildet wird, (parlamentarischer) Untersuchungsausschuß', ad-hoc-Gruppe 'zu einem konkreten Anlaß oder für eine bestimmte Aktion gebildete Gruppe Gleichgesinnter (z. B. politisch aktiver Studenten)' und ad-hoc-Hypothese 'eigens auf einen bestimmten Einzelfall zugeschnittene Hypothese' (z. B. Erklärung eines Phänomens aus sich selbst). Von daher weiterentwickelt zu der Bed. 'auf der Stelle, in einer gegenwärtigen, gegebenen Situation, jetzt, sofort, aus dem Augenblick, Moment heraus, aus dem Stegreif (entstanden), improvisiert, spontan, unvorbereitet' (im Ggs. zu gründlich, langfristig geplant, präzise ausgeklügelt, vollkommen ausgearbeitet); bes. in Wendungen wie etwas nicht ad hoc entscheiden können, zu etwas ad hoc Stellung nehmen, etwas (z. B. eine Rede) ad hoc formulieren, eine Improvisation ad hoc (z. B. eine musikalische Stegreifdarbietung). Spranger 1927 Lebensformen 125 Die notwendige Folge ist, daß der rein theoretisch gerichtete Mensch den praktischen Aufgaben des Lebens gegenüber hilflos ist. Er hat nicht gelernt, seine Überlegungen auf besondere praktische Situationen und
die in ihnen erforderlichen Zweck-Mittel-Erwägungen „ad hoc" einzustellen; Th. Mann 1945 Reden u. Aufs. (W. X 168) Zweifellos halten Sie meine Antithese von Kultur und Zivilisation für eine Improvisation ad hoc, auf die ich früher nie-
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adieu
mals verfallen wäre; Welt 22.10.1954 der Ministerrat soll jährlich einer neu zu schaffenden Adhoc-Versammlung Bericht erstatten; Weizsäcker 1955 Soziale Krankheit 52 man muß die Proportion zwischen Anziehungskraft der besonderen Handlung „Arbeit" und der Willenintensität, sie zu tun, jeweils ad hoc bestimmen; 1958 Forsch, u. Fortschr. Ill 86 Die große Zahl der Komposita, nicht gerechnet die praktisch unbegrenzte Menge der Ad-hoc-Bildungen; Heuss 1963 Erinn. 121 Als das Semester zu Ende ging, gab es ein schönes Abschiedsfest mit albernen, ad hoc gedichteten Liedern; 1973 Völkerrecht U 61 eine Reihe von Adhoc-Komitees; Gülich 1977 Textmodelle 263 Van Dijks Anliegen .. ist es, diese Konzepte nicht ad hoc in die Erzähltexte einzuführen; Althaus/ Henne/ Wiegand 1980 Lex. d. germ. Linguistik 178 Obwohl . . ein politischer Werbetext genauso viele W[ort]B[ildungen]en enthalten kann wie andere, kann er sich . . von ihnen darin unterscheiden, daß er vor allem ad-hoc-WBen für analytisches kritisches Argumentieren . . verwendet; Zeit 29.3.1985 Die Aufgaben der Abteilung und die Prüfungsgebiete werden im Geschäftsplan des
Rechnungshofes jährlich festgelegt, so daß die Prüfer nicht ad hoc für ein Gebiet bestimmt werden, sondern von vornherein feststehen; ebd. 4.10.1985 Die meisten beflügelte die Zusammenarbeit in ad hoc gebildeten Gruppen; Zimmer 1986 Redens Arten 14 Die meisten Leimwörter sind Ad-hoc-Erfindungen, zum einmaligen Gebrauch bestimmt: Wegwerfwörter . . Ex-und-hopp-Begriffe. . . Seltener werden ad hoc Verben improvisiert; Zeit 27.12.1986 Da werden auch Computersprachen der sogenannten vierten Generation zur Verfügung gestellt, mit denen sich einzelne Mitarbeiter ad hoc kleine Auswertungsprogramme basteln können, um sie nach Gebrauch wieder zu löschen; MM 22.8.1987 Danach spielen Wolfgang Robert und Inge Andersen auf einem ad hoc errichteten Podium die erste Begegnung Nathans mit seiner Tochter Recha bewegend aus; Rössing-Hager 1988 Wortverwendung 280 so daß die Vermutung naheliegt, daß es sich um ad-hoc-Bildungen handelt; MM 13.5.3988 Festgefügte Bläsersätze, auf den Punkt präzise, wechseln mit lockeren Riff-Sequenzen, die manchmal ad hoc von der Bläsergruppe verabredet werden.
adieu, Grußformel, Anfang 17. Jh. entlehnt aus gleichbed. frz. adieu (zu dem (alt)frz. Syntagma ä dieu/deu 'zu Gott, Gott befohlen', zurückgehend auf gleichbed. lat. ad deum, aus ad 'hin zu . .' und deus 'Gott'; zum gleichen Etymon gehört gleichbed., schon in mhd. Zeit aus altfrz. ade, auch a de, der Kurzform von ä dieu/deu, übernommenes ade, das seit dem 17. Jh. zunehmend in die Mundarten zurückgedrängt und als Grußformel vor allem durch das Volkslied bis heute bewahrt wird), anfangs auch a dieu. Im Laufe des 17.718. Jhs. rasch verbreitet in unterschiedlichen regionalen Formen wie atje, adje, (a)tschö, im Zusammenhang mit der antifranzösischen Stimmung während des 1. Weltkrieges vorübergehend in stark eingeschränkter Verwendung (s. Belege 1915, 1970); daneben seit dem frühen 18. Jh. unter Einfluß von (vermutlich auf span, adios zurückgehendem) niederdt. adjuus, adjüs auch Formvarianten mit -s wie adjis, adjes, atschüs und heute bes. die weitverbreitete ugs. Kurzform tschüs, die vorwiegend als mündliche Grußformel gebraucht wird (s. Belege 1959, 1963). Zunächst als Grußformel für den letzten, endgültigen oder den bei längerer Trennung genommenen Abschied im Sinne von 'Gott befohlen, gehab dich wohl, lebe wohl', dann bald auch allgemeiner als alltagsspr. Verabschiedungsformel für 'auf Wiedersehen'; schon seit früherem 17. Jh. (s. Beleg 1642) auch übertragen (in Verbindung mit subst. Bezeichnungen für personifizierte Objekte) verwendet, z. B. adieu Rom, adieu Leben und bes. adieu Welt als Formel für die Absage an das Leben, die Abkehr von der Welt; gelegentlich im Sinne von 'endlich ausgestanden, vorbei mit', in bezug auf glücklich beendete (unangenehme) Zustände, Krankheiten u.a., z. B. adieu Melancholie, Husten adieu, und für 'auf alle Zeit dahin, verloren, perdu, passe (sein)', auch im Sinne von 'etwas verloren geben (müssen)' (s. Beleg 1787), vor allem in bezug auf nicht erreichte Ziele, z. B. adieu Führerschein, Abitur, Freiheit.
adieu
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Häufig in der Wendung jmdm./etwas adieu sagen 'von jmdm./etwas Abschied nehmen', auch übertragen für 'jmdm./ etwas den Rücken kehren, verlassen, etwas abschreiben, in den Wind schreiben', z. B. der Kunst, der Schule, seinem Beruf adieu sagen; selten auch das Syntagma etwas ist adieu 'etwas ist zu Ende' (s. Beleg 1605); im 18.IV). Jh. das französisierende Syntagma adieu partie 'das Spiel (des Lebens) ist aus' (s. Belege 1796, 1900). Dazu schon seit spätem 16. Jh. das entsprechende Subst. Adieu N. (-s; selten -s) 'das Lebewohl, das Scheiden, der Abschied(sgruß)', gelegentlich im Sinne von 'Trennung, Verlassen, Fortgehen, Schluß', in Wendungen wie jmdm. ein Adieu zurufen, -winken, das Adieu sagen, zum Adieu und früher auch Adieu nehmen 'Lebwohl sagen, sich trennen'. Daneben seit Anfang 17. Jh. die aus gleichbed. ital. addio (< a D/o 'zu Gott') übernommene, selten nachgewiesene Grußformel addio 'lebe wohl' mit dem dazugehörigen Subst. Addio N. (-s; selten -s), bes. im Syntagma Addio nehmen 'Abschied nehmen'. adieu: Lorch 1605 Relation 20 Vnnd damit war es Adieu; Messerschmid 1618 Garzoni's Narrenspital 195 A Dieu, dich wohl gehab; Spar 1642 Hohentwielsche Belagerung 2b Adieu, HohnTwyel. Ich reiß davon; Hilarius 2.Hälfte 17. Jh. Lieder-Buechlein 29 Adieu Amoris Pein!/ die ich gelitten hab im Hertzen mein; Grimmeishausen 1669 Simpl. 457 Adjeu Welt; Riemer 1684 Polit. Passagier 322 sie hörete, dass er in Türcken-Krieg gehen, und also ihrer Liebe adieu sagen wolte; 1719 abentheuerl. Welt III 12 Wann er zuletzte dann adjeu hat sagen müssen/ Der lieben Stadt Paris und heimwärts drauf sich macht; Goethe 1775 Stella (WA l 11,129) (Postilion) Sie gehn nicht weiter? (Stella) Wir bleiben für dießmal hier. (Postilion) Adies!; Müller 1778 Fausts Leben 49 Adies; 1779 Zuschauer in Bayern l 5 Alsdann adieu guter Geschmack; Goethe 1787 Br. (WA IV 13,153) Die meisten denen hier [in Rom] Fremde in die Hände laufen haben Absichten und dann Adieu wahrer Untericht und treue Leitung; Laukhard 1796 Reichsarmee 11 adieu partie; Wolff 1823 Cäsario I 297 Adieu, mein Freund, und behalte mich lieb; Mahler 1860 Milit. Bilderbuch 14 Adieu hatte ich meinen Hoffnungen und meinen Aussichten zugerufen, adieu dem auf mich wartenden General-Inspecteurposten; Schmid 1861 Schwalberl IV 76 ich sag Dir Adje für Lebenszeit; Mauthner 1878 Nach berühmten Mustern 10 Jetzt ergriff Walpurga ihr Bündel und das Wort: „Lebt wohl, ihr Lieben, Guten! Und ich möchte es, was mein Herz so voll macht, noch anders ausdrücken. Also: auf Wiedersehen. Oder noch anders: Behüt' euch Gott. Oder noch anders: Adje"; 1595 Der neue Kurs IV 48 sagt der Isarstadt mit einer gewissen Wehmut Adieu; Kraus 1900 Tagebücher 746 Wird es [das Magengeschwür] ein perforierendes sein? Dann Adieu partie; Georgy 1900 Berliner Range IV 13 Ein kur-
zes: Tschö, Grete! - Tschö, Lotte; Böhme 1905 Tagebuch 15 Deine liebe Mutter will in den Himmel gehen und möchte dir gern Adieu sagen; Grabein 1911 Tolle Hans 58 Adieu und viel Vergnügen; Liebenwerder Kreisblatt 29.10.1915 Aufrufe ermahnen den Deutschen zu grüßen: Grüß Gott! Guten Tag! Lebwohl! Auf Wiedersehn! Fort mit dem französischen: „Adieu"; Tägl. Rundsch. Berlin 22. 7.1918 Statt „Adieu" sollen wir „Auf Wiedersehen" sagen. Einen schöneren Abschiedsgruß können wir uns gar nicht denken. Er macht unserer Übersetzungskunst alle Ehre; Weise 1919 Muttersprache 159 Statt Adieu hört man jetzt allgemein Lebewohl oder Auf Wiedersehen; Gläser 1929 Jahrgang 214 [bei Kriegserklärung 1914] Fort mit dem welschen Gruss Adieu, grüss deutsch 'Auf Wiedersehen'; Uhu 17.2.1930 Die Zumutung einer Frau „adieu" zu sagen, die sich noch geliebt, die noch glücklich zu sein glaubt; Hauptmann 1936 Wirbel 159 „Adieu mitsam!", so sagt man in Köln zu einer Schwangeren; Th. Mann 1954 Krull (W. VII 658) Ich habe unten Ihrem verehrten Papa Adieu gesagt; Zuckmayer 1959 Fastnachtsbeichte 101 „Tschüss, und machs gut"; Revue 4.6.1960 Deshalb will Marina der Welt, in der sie groß geworden ist, adieu sagen, wenn sie demnächst den wohlhabenden Sohn einer algerischen Industriellenfamilie heiratet; Böll 1963 Clown 294 „Tschüs". Ich legte [den Telefonhörer] auf; Pinkwart 1963 Mord 36 „Ich sage Ihnen noch Bescheid, wo es mir gefällt. Tschüs!" Und damit mogelte er sich so schnell zur Tür hinaus, daß sie es nicht mehr schaffte, auch nur ein Wort zu erwidern; Pieper 1970 Überlieferung 64f. In meiner Kinderzeit sagte niemand beim Abschied „Auf Wiedersehen"; dieser inzwischen völlig traditionell gewordene . . Gruss wurde erst durch eine nationale Propaganda in den Jahren 1914/15 an die Stelle des bis dahin
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ad infinitum
unumstrittenen „Adieu" gesetzt; MM 15.6.1985 Für Schüler, die ihrer Schule mit der „mittleren Reife" adieu sagen, soll „eine größere Gerechtigkeit" .. gewährleistet werden; ebd. 19.11.1987 Mit Kleist dem Abendland Adieu gesagt. Adieu: Weinsberg 1576 Denkw. II 340 mach Conrat Eck . . hinwech geritten sin sonder adiu siner frunde (DWB N.); Londorp 1620 Acta publica 846a bey dem Adieu; Moscherosch 1642 Visiones 9 nach beschehenem adieu; 7692 Novellen 37 vnd nahmen ein freundlich Adjeu; Menantes 1709 Satir. Roman l 28 So sagte ich ihr das Adjeu auf ewig, und ritte sonder genommenen Abschied . . fort; Trenck 1745 Leben 8 nachdem er meinem Vater, welcher . . zu diesem Unglücke noch zu rechte kam, das letzte Lebens- und Adjeuzeichen mit offenen Augen gäbe, aber kein Wort mehr redete, sondern gleich darauf verschiede; Sincero 1747 Leben d. schönen Österreicherin 149 Durch solches unvermuthete Unglück befreyete sich der Herr von Breitenfels von der Obristin, indem er ihr das Adieu sagte, und sich eiligst nach Hause verfügte; Goethe 1774 Werther (HA VI 37) Sein Herz sagte ihr tausend Adieu; Kaufmann 1851 Bilder 271 [in Ischl] war . . zum adjes [der Sommergäste] ein dienerschaftsball (DWB N.); Th. Mann 1901 Buddenbrooks (W. l 635) Hanno hatte frühmorgens der See und dem Strande sein adieu gesagt; Niebelschütz 1949 Bürgerin 37 Von ewigem Adieu war ausnahmsweise keine Rede; ebd. 208 Ich kann
nicht fortreiten, so ohne Adieu. Vielleicht auf ewig: ä Dieu; Welt 23.5.1964 wer weiß jedoch, welche Absicht hinter diesem angedeuteten Adieu steckt. addio: Hock 1601 Blumenfeld 68 Adio ich scheid mit wissen; Abr. a S. Clara 1688 Judas I 134 A Dio! so behüt euch Gott; 1714 Neueröffnetes Weinwirtshaus 60 da sich endlich der Academicus gehebt und unter einem freundlichen adio den Abmarsch genommen; Goethe 1777 Br. (WA IV 3,168) Sag Kaysern dass ich ihm das verlangte schicken werde. Adio; Blücher 1813 Br. 183 nun Adio Herrendienst; Scheffel 1854 Br. 13 aller Tinte Adio zu sagen und wieder zu Bleistift und Pinsel zu greifen; Liliencron 1896 Poggfred (W. XI 187) Und sinkt, Addio! zu den ändern Leichen; Federer 1915 Sisto 69 Wir sagen einander Addio; Weberitsch 1924 Leben 127 addio Latein; Stuttgarter Ztg. 17.9.1960 In diesem Augenblick fuhr der Zug an. Theresa rief leise: „Addio, addio, du Unbekannter, der vielleicht meine große Liebe hätte sein können"; Welt 2.3.1964 und winkte mit großer Geste addio, addio, als führe sie in den Tod und nicht nur zweihundert Meter weiter zum Haus von Freunden. Addio: Klinger 1780 Plimplamplasko 167 macht er sich morgensfrüh auf, und thät sich begeben zu seinen Gönnern, . . um Adio zu nehmen; Jean Paul 1805 Flegeljahre (W. IV 683) dein liebliches Nein und Addio.
ad infinitum, im späteren 17. Jh. aufgekommenes Syntagma aus lat. ad 'bis zu . .' und infinitum 'das Endlose, Grenzenlose, Unermeßliche' (zu infinitus 'endlos, grenzenlos, unermeßlich', aus in- 'un-, nicht' und finire 'begrenzen', zu finis 'Grenze, Begrenzung, Ende', —* Infinitiv), gleichzeitig auch in der häufigen Nebenform in infinitum. Bildungsspr. in der Bed. 'räumlich oder zeitlich bis ins Unendliche, immer so weiter (gehend), fortfahrend, unaufhörlich, endlos, ohne aufzuhören' (vgl. etcetera), meist in bezug auf Handlungen und Ereignisse; bes. im 19. Jh. im Zusammenhang mit der aus ital. congrazie 'mit Anmut' (—> Grazie) übernommenen musikalischen Vortragsanweisung in übertragen gebrauchten Wendungen wie mit Grazie in infinitum; Mitte 19. Jh. selten auch in den latinisierenden Redewendungen et ita in infinitum und et sie in infinitum 'und so, auf diese Weise immer weiter' (s. Belege 1846, 1857). Grimmeishausen 1669 Simpl. 215 Um dieselbige Zeit wird sich Pluto gewaltig hintern Ohren kratzen, weil er alsdan die Schmälerung seines Reichs besorgen wird, ja er wird allerley Fund und List erdenken, . . die Sache wo nicht gar zuhintertreiben, jedoch solche adinfinitum oder indefinitum zubringen, sich gewaltig bemühen; Leibniz 1669 Briefw. I. 39 es würden so viele extracte wieder-
umb neuer extracten in infinitum von nöthen haben; Becher 1682 Glücks-Hafen 48 eine wahrhafftige Tinctur . ./ welche in infinitum multiplicirt werden könne; Baumgarten 1766 Religionspartheyen 124 darüber man mit einem scharfen Gegner in infintum streiten könte; Goethe 1802 Frühlingsorakel (Beutler 1961 Gedenkausg. i 80) Könnte das [treue Lieben] zu Ende gehn,/ War
Adjutant doch alles nicht mehr schön./ [Vogelruf] . . Cou, Cou, Cou, Cou, Cou. Mit Grazie in infinitum; Dingelstedt 1839 Wanderbuch V 129 Die universellen Beinkleider et caetera streifen sich und ihren Karalcter ab, sobald das Individuum aus dem Bewußtsein des Individuums in das allgemeine Gesammtbewußtsein tritt, oder umgekehrt. Senza Grazia . . in infinitum; Lewald 1843 Mappe 187 Diesem ersten Zusammenseyn [der Liebenden] folgte bald das zweite — das dritte — das vierte — und so mit Grazie in infinitum; Burckhardt 1846 Er. a. Schauenburg 64 Mir ahnt, ich werde noch einmal Redaktor werden und Geld verdienen wer weiß wo, und das Geld wieder verreisen et sie in infinitum, bis ich ein lebensmüder alter Tor bin; Schreiber 1857 GUFr. I 34 und so fort in's Unendliche („et ita in infinitum"); 1866 Grenzboten HI 307 die Melodie von „Freiheit und Verrath" mit Grazie in infinitum variirten; Bayer 1880 Skizzenbuch 9 Und so geht es weiter fort mit Grazie in infinitum; 1888 Grenzboten I 409 Und so weiter mit Grazie in infinitum; Oombrowski 1919 System l 97 Mitglied der Deutschen Vaterlandspartei . ., die bekanntlich einen Krieg ad infinitum predigte; Th. Mann 1924 Zauberberg (W. III 394) der Begriff der Einheit umschloß ad infinitum den Mitbegriff der untergeordnet-aufbauenden Einheit; Lokesch 1927 Fortf. von Scherr, Kulturgeschichte 701 in Variation des bekannten Sprichwortes vom dargereichten Finger und der geforderten ganzen Hand, kann
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man heute sagen: zeigen sie [Frauen] uns das Knie, so wollen wir [Männer] gleich den Oberschenkel sehen und dann immer so weiter ad infinitum; Th. Mann 1933 Nachtr. (W. XIII 83) von dem orthodoxen Gewäsch jener Wagner-Literatur, die Nietzsche mit der Formel „Nohl, Pohl, Kohl mit Grazie in infinitum" abgefertigt hat; ders. 1939 Reden u. Aufs. (W. XI 606) Nur unter jenen Verhältnissen war es möglich, daß die Patienten auf Kosten ihrer Familien jahrelang oder auch ad infinitum dies Leben führen konnten; Hülsen 1947 Zwillings-Seele II 259 Und soll das alles nun mit Grazie in infinitum so weitergehen: Reisen, Eindrücke, Anekdoten; Hocke 1976 Tagebücher 373 Wie der introspektive Diarist sich in seinen Ichanalysen nicht verlieren darf, so muß sich allerdings auch der „existentielle" Journalschreiber vor einer falschverstandenen existentiellen Freiheit ad infinitum hüten. Sonst wiederholt er in seinem Schicksal das entsetzliche Schauspiel des Sisyphos, der als Gefangener seiner Freiheit für immer und ewig den stumpfen Felsen seines Ungenügens auf- und abschleppen mußte; Zeit 26. 7.1985 Es gab doch Ansätze zur Einsicht, daß eine Minderheit nicht ad infinitum die Mehrheit unterdrücken und ihr alle Rechte vorenthalten kann; ebd. 9.5.1986 Die Kernkraftenergie kann nicht ad infinitum ausgebaut werden; MM 19.12.1986 Allerdings könne ein Überschießen des Planziels nicht „ad infinitum" hingenommen werden.
Adjutant M. (-en; -en), im frühen 17. Jh. im Zusammenhang mit dem Dreißigjährigen Krieg aufgekommene Entlehnung aus gleichbed. span, ayudante (subst. Part. Präs, von ayudar 'helfen, beistehen' < lat. adiutare 'unterstützen, fördern', einer Intensivbildung von adiuvare, zu dessen subst. Part. Präs, adjuvans das heute ungebräuchliche Subst. Adjuvant 'Hilfskraft im schulischen/ kirchlichen Bereich, Hilfslehrer' gebildet ist; vgl. auch das veraltete Subst. Adjutor 'Helfer' < gleichbed. lat. adiutor), früher unter span., eventuell auch unter Einfluß von frz. adjudant selten in der Schreibform Adjudant. a Zunächst im militärischen Bereich als Bezeichnung für den (Verbindungs-)Offizier, der einem Kommandeur zur Unterstützung zugeordnet ist, auch Ordonnanzoffizier', bes. im Syntagma persönlicher Adjutant 'einem Kommandeur persönlich beigegebener Offizier' und als Grundwort in der Zs. Flügeladjutant 'dem Stabsoffizier zugeordneter Offizier, der für die Übermittlung der Befehle an die Flügel des Heeres verantwortlich ist', auch als Bestimmungswort in Zss. wie Adjutantenzimmer, -dienst. Dazu seit Ende 18. Jh. die latinisierende subst. Ableitung Adjutantur F. (-; PL ungebr.), zunächst in der heute veralteten Bed. 'Adjutantenkorps', seit früherem 19. Jh. (gebucht 1838 bei Heyse) für 'Dienst-, Meldestelle eines Adjutanten'. b Seit Anfang 18. Jh. im zivilen Bereich auch allgemeiner verwendet in der Bed. 'Gehilfe, Helfer, Beistand' (— Adlatus).
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Adjutant
Adjutant a: Ostein 1617 Klaglied XI 4 was ist . . capitan ../ was ist cornet? ../ was seynd denari für commissari?/ wer ist ihr adjutant? (DWB N.); um 1638 Teutscher Michel 205 Was seind denari für Commissari? Was ist jhr adiutant? der Jud im Landt?; Gruber 1697 KriegsDisciplin I 31 Adjutant (Überschr.) Hat eine mühesamen Charge, und ist gleichsam das Perpetuum mobile bey einem Regiment. .. Dem Obrist-Wachtmeister ist er express zugegeben/ davon er auch seinen Nahmen Adjutant, ein MitGehülffe/ führet; Schnabel 1731 Felsenburg l 30f. Der auf dem Cap unter dem Holländischn Gouverneur in Diensten stehende Adjutant . . hätte sich bereits in ihrem 12ten Jahre in sie verliebt; Schiller vor 1805 Br. VI 30 Mein junger Vetter, der Adjutant bei der holländisch-französischen Armee ist (KEHREIN); Brentano 1813 Valeria 74 Jetzt, lieber schwarzer Adjutant, stehe eine wenig hier auf der Wache; Rüstow vor 1860 gK. 261 Generaladjutanten oder Flügeladjutanten (SANDERS DWB); 1862 Hausblätter IV 47 Ordonnanz beim Platzadjutanten [dazu Anm.:] In größeren Garnisonen, die unter einem Gouverneur stehen, wird der Kommandant mit obigem Titel genannt; Kretschman 1870-71 Kriegsbr. 344 Ich wünschte sehr, die kronprinzliche Neigung brächte Otto die definitive Adjutantenstelle ein; Meerheimb 1888 Psychodramen l 58 Adjutantchen, bitte dem Wirt im Kasino wissen zu lassen, daß er heut Abend bei der Bowle nicht wieder wie neulich, für die Ananas — Sellerie substituiere; Derblich 1889 Militärarzt l 91 Grüne Federbüsche, Offiziere vom Generalstab und dem damals bestandenen sehr mächtigen AdjutantenCorps pflegten in der Regel bei dieser Direktion in hohem Ansehen zu stehen; Eckstein 1898 Camilla 45 Lieutnant Graf Röder stand vor ihr — in der Haltung eines schneidigen Adjutanten, der sich beim Kommandeur gehorsamst zur Stelle meldet; Th. Mann 1909 Hoheit (W. 11 14) Ein wenig später fanden sich noch . . ein paar Herren mit Hof- und Oberhofchargen und ein noch jugendlicher Adjutant, Hauptmann von Lichterloh, auf dem Stammschloß ein; ebd. der Generaladjutant General der Infanterie Graf Schmettern; ebd. II 25 Der Flügeladjutant klirrte aufs neue mit seinen Sporen und zog sich zurück; Lokal-Anz. 21.1.1933 Er geht in das Adjutantenzimmer und ordnet an, daß Waffen .. gebracht werden; Th. Mann 1939 Lotte (W. U 546) Nach der Schlacht bei Leipzig hatte er einige Wochen lang als Adjutant des preußischen Befehlshabers in unserer Stadt Dienst getan; ebd. II 539 eine Woche nach ihrem Abmarsch gen Flandern kehrte er zurück, um sich zum Adjutantendienst beim Prinzen zu melden; Welt 7.5.1949 Erst im September 1944
trat er als Korvettenkapitän seinen Dienst als Adjutant des Oberbefehlshabers der Kriegsmarine an; Kesten 1952 Casanova 58 Am ändern Tag sprang er mit dem zwölfjährigen Sohn des Adjutanten Zen eine Bastion hinab; Welt 5.6.1953 der frühere Adjutant des Inspekteurs der Luftwaffe; Schädlich 1977 Nähe 115 der Flügeladjutant des Kaisers Oberst von Moltke; Zeit 8.8.1986 Hitlers persönlicher Adjutant bei der Luftwaffe. Adjutantur: Nicolai 1790 Anekdoten 83 Dies ist derjenige Saal, wo jetzt die Adjutantur speiset; Iffland 1798 Theatral. Laufbahn 117 Ein Mitglied der Adjutantur machte mir darüber Vorwürfe; Blücher 1813 Br. 167 Ich schlug Deinen Sohn als Offizier vor. . . dann wird Dein [Sohn] in die Adjutantur versetzt, wodurch ihm eine gute Karriere im Militär eröffnet wird; Grabowski 1863 Off. 41 Unserm Helden fiel es, nachdem die Gefahr vorüber war, auch gar nicht mehr ein, das Geständniß der vollen Wahrheit abzulegen und um seine Entlassung von der Adjutantur zu bitten; Lokal-Anz. 24. 7.1934 Wie der Chef des Stabes, Lutze, bekanntgibt, ist die Dienststelle Adjutantur des Chefs des Stabes nach Berlin . . verlegt worden. Adjutant b: Marperger 1712 Naturlex. 22 Was seynd die Handwercksgesellen wol anders als ihrer Meister Adjutanten oder Gehülffen?; Heinrici 1729 Ged. II 289 Im Lieben brauchet ihr doch keinen Adjutanten,/ Weil noch in beyder Brust der Kern der Jugend steckt; Jean Paul 1795 Fixlein (W. VII 119) Der Konrektor hätte die ganze Sekunda beim Kopfe nehmen und abherzen mögen; aber er tats nur seinem Adjutanten, dem Quartaner; Goethe 1795-96 Lehrjahre (HA VII 599) Jarno machte sogleich den Adjutanten des Grafen, verschaffte ihm alle nötigen Notizen und hatte nach seiner Art den größten Spaß, wenn er den alten Herren mitunter irremachen konnte; Laube 1836 Schauspielerin 135 Aber einen Adjutanten, Clärchen, hat er [italienischer Fürst], der ist wunderhübsch, ein Cäsarskopf; Freytag 1846 Valentine l 182 Sie wären ein niedliches Talent und würden zum Adjutanten des Hofmarschalls von Gurten während unserer Feste passen; Zobeltitz um 1920 Gross-Quirlitz 237 Ich brauche einen Adjutanten, einen Berater, eine zuverlässige Hilfskraft; 1922 Türmer XXIV 2, 65 Mit „Adjutanterl" redete Beethoven in genialer Laune Haslingen an; Strittmatter 1963 Öle Bienkopp 217 Bienkopp war dabei, mit seinem Adjutanten, Wilm Holten, Fallennester für den Hühnerstall zu zimmern; Heuer 1971 Genie o. S. als Adjutant des französischen Gesandten.
Adlatus
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Adlatus M. (-; Adlaten, früher vereinzelt Adlatusse), selten auch in der verkürzten Form Adlat M. (-en; -en) (s. Belege 1933-43, 1939, 1949), Mitte 19. Jh. aufgekommene latinisierende Subst.-Bildung zu dem seit Anfang 19. Jh. (CAMPE) nachgewiesenen lat. Syntagma ad latus 'zur Hilfe, zum Beistand (gegeben)', eigentlich 'zur Seite (stehend)' (aus lat. ad 'zu' und latus 'Seite, nächste Umgebung (der Vertrauten und Freunde)', also eigentlich 'zur Seite Stehender'), ohne Vorbild oder Entsprechung in anderen modernen europäischen Sprachen. Eher bildungsspr. als Personenbezeichnung verwendet vor allem im administrativen und politisch-diplomatischen, seltener auch im militärischen Bereich für 'jmd., der einer (nach Dienstgrad oder gesellschaftlichem Rang) übergeordneten Person aus Verpflichtung oder Loyalität zur Seite steht, ihr ergeben ist, alle möglichen Dienste für sie verrichtet und meist zum engsten Vertrautenkreis gehört; enger Vertrauter, Intimus, Gefolgsmann; Privatsekretär, Beistand, Beigeordneter mit beratender Funktion', gelegentlich auch leicht scherzhaft-ironisch verwendet im Sinne von 'jüngerer, serviler, beflissener Untergebener, untergeordneter Helfer, Amtsgehilfe' (s. Belege 1873, 1966, 1986; —» Adept b) und vereinzelt eher abschätzig für '(kritikloses) Sprachrohr' (s. Beleg 1933 — 43), z. B. in Wendungen wie sein (persönlicher) Adlatus, der Adlatus des Ministers und häufig in Verbindung mit Eigennamen. Nestroy 1852 S. W. VII 536 Pauline: Ich erkenne Sie als den Schutzgeist, den meine Mutter mir gesandt. Kampl: (sich verneigend zu Paulinen). Substituierender Qua-Vice-Interims-Adlatus nur!; Marx 1857 Er. a. Engels (MEW XXIX 112) Apropos Bangya. Dieser selbe Bangya ist seit 1855 der Adlatus von Sefer Pascha; vor 1871 Nat. B. XVIII 600 Der Civil-Adlatus des Feldmarschalls (SANDERS 1871); Bruges 1873 Reiseskizzen 162 Auf dem hohen Bock sitzt der Kutscher mit seinem Adlatus und auch für Personen ist ein . . luftiger Platz dort oben vorhanden; Teuber 1881 Jugendleben // 46 Adlatus; Sybel 1889 Begründung II 504 wurde Graf Berg zum militärischen Adlatus des Großfürsten . . ernannt; Rabenstein 1891 Dtsch. Soldatengesch. 15 Adlatusse; Eckstein 1892 Dombrowsky l 152 Auf Doktor Lucius folgte dann Edda; hiernach selbstverständlicherweise Burdach mit seinem Adlatus, dem Hof rath Kern, dessen eigenthümlicher Kopf . . an die Schablone eines Indianerhäuptlings erinnerte; Fontäne 1894 Kinderjahre 83 Eduard . . wirkte wie ein Adlatus des erheblich älteren Bruders; ders. 1897 Ges. W. V 30 Man verneigte sich gegenseitig, worauf Woldemar aber, als Adlatus seines Vaters, zwischen Czako und Katzler eine Verbindung herzustellen suchte; 1904 Österr. Rundsch. I 477 Ganz anderer Natur war sein Adlatus und späterer Nachfolger Tietze; Stratz 1912 Dienst 38 der Adlatus des Landrats; Dombrowski 1920 System II 91 Aber sein Adlatus, ein schmächtiger Jüngling, Herr Rosenberg, nahm sich meiner an und plauderte, mit der Geste des gewiegten Diplomaten, über hohe Politik; ebd. 293 Neunzehnhundertzwölf wollte ihn Hertling
auf Anregung Schädlers gern zu sich als persönlichen Adlatus in das neue bayrische Zentrumskabinett nehmen; Th. Mann 1933-43 Joseph (W. IV/ V 1337) ich komme im guten, denn ich bin des Hauptmanns Mund und Adlat, von ihm betraut mit dem Überblick; ders. 1939 Lotte (W. H 456) Kestner kam gleich zu Beginn der KammergerichtsVisitationen . . zu uns nach Wetzlar, . . als Falcke's Adlat; ebd. II 594 die Riemer und Meyer bilden sich zwar das Erdenkliche ein und wissen sich dies und das vor der Welt mit ihren Weihegraden, allein mit einem Sohn ist es denn doch immer noch ein ander Ding als mit solchen Zufallsadlaten — man ist von Natur und Stand zum Gehilfen und Repräsentanten berufen; ders. 1949 Reden u. Aufs. (W. XI 502) der russische Stadtkommandant . . neigte sein Ohr zu dem deutschkundigen Adlaten zu seiner Rechten, um sich das Gesagte übersetzen zu lassen; Fallada 1953 Wolf 371 ein Adlatus des Croupiers hielt schon weitere Jetons für ihn bereit; Bronnen 1956 Deutschland 69 Mansfeld erzählt mir von Barlachs Lebensgefährtin . .; von Friedrich Schult, dem treuen Adlatus, der Bariach-Haus und Bariach-Museum . . weiter betreut; 1958 Weltbühne XXXH1 1055 da lächelte der Adlatus des Kanzlers mitleidig; Böll 1963 Clown 130 für ihn war Züpfner, was Fredebeul für Kinkel war: eine Art Adlatus, auch „geistiger Erbe"; Habe 1963 Namen 39 schlug ich meine Zelte als dessen [Stahlindustriellen] Privatsekretär, Adlatus, Berater und Mädchen für alles in .. Köln auf (DUDEN); Selbmann 1966 Söhne 556 So also ist Habakuk beschaffen, der kindlich-dumm und etwas komisch aussehende, aber gar nicht so harmlose Adlatus
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Administration
und allzeit ergebene und gehorsame Gefolgsmann des Sheriffs; Görlitz 1967 Gesch. Generalstab 257 [Seeckts] politischer Adlatus Schleicher; Kaiser 1970 Klaviersonaten 15 vier weitere Aufführungen folgten innerhalb eines Jahres, und noch 1825 notierte Beethovens Adlatus Karl Holz in ein Konversationsheft, daß der „Christus bis dahin immer volle Häuser gemacht" habe; Schädlich 1977 Nähe 178 nach einer längeren Tätigkeit als Adlatus des Ministers des Innern vertrat er den russischen Staat ab 1878 wieder in Konstantinopel; Zeit 18.1.1985 ihr Exponent ist . . Paefgen, ein Adlatus des alten Flick, der bis an die Konzernspitze emporstieg; ebd. 15.2.1985 sagte er mit deutlicher Stoßrich-
tung auf Breschnjew und dessen damaligen Adlatus Tschernjenko; ebd. 5.4.1985 beeindruckt rief der amerikanische Verteidigungsminister aus einem Armeezelt einen Adlatus in Washington an; ebd. 19.4.1985 überdies, so schlecht, wie Bangemann und sein Adlatus die Tarifpolitik machen, ist sie gar nicht; ebd. 6.9.1985 des Kanzlers Pressesekretär und Adlatus Pusch; ebd. 20.9.1985 eine Gruppe — angeführt vom Verteidigungsminister Weinberger und seinem Adlatus Richard Perle; MM 2.10.1986 der . . Franziskanermönch William von Baskerville trifft in . . der Abtei ein, zusammen mit seinem etwas einfältigen jungen Adlatus Adson; Zeit 20.2.1987 Blüms Adlatus Karl Jung sieht die Lage . . richtig.
Administration F. (-; selten -en), im späten 15. Jh. entlehnt aus (fielet. Form von) lat. administratio 'Handreichung, Dienstleistung; Verwaltung, Leitung, Führung, Regierung' (zu administrare, —* administrieren), anfangs vereinzelt in der Schreibform Administratie und gelegentlich in der lat. (flekt.) Form. 1 In der Bed. 'das Verwalten; Verwaltung, Leitung, Beaufsichtigung', vor allem bezogen auf (kirchliche/staatliche) Ämter, Bistümer, Vermögen, Güter, Grundbesitz und bes. auf Länder und Staaten (z. B. Administration des Reichs), selten auch für die entsprechende Verwaltungsbehörde und deren Gebäude (s. Beleg 1951). Früher speziell auch im juristischen Bereich im Sinne von 'Zwangsverwaltung, Vormundschaft, Kuratel' (s. Belege 1644, 1804) und 'Verwaltung und Ausübung der Gerichtsbarkeit, Rechtsprechung' (s. Belege 1585, 1719), bes. im Syntagma Administration der Justiz (vgl. Administrativjustiz·, —> administrativ). In neuerer Zeit, vermutlich unter Einwirkung von gleichbed. engl.-amerikan. administration, auch als Bezeichnung für die Exekutive und den Verwaltungsapparat einer Regierung, zunächst auf amerikan. Verhältnisse bezogen in Zss. mit dem Namen des jeweiligen Regierungschefs, z. B. Kennedy-, Carter-, Reagan-Administration (s. Belege 1962, 1988), dann auch allgemeiner in Zss. und Wendungen wie die Brandt-Administration; die französische, die Bonner Administration; die neue, gegenwärtige, politische Administration; selten auch eher abwertend verwendet (s. Belege 1964, 1985; -+ administrieren 2). 2 Seit dem 16. Jh. in der veralteten Bed. 'Ausführung; Darreichung': a Bis ins 18. Jh. im kirchlichen Bereich für 'Ausübung, Vollzug geistlicher Handlungen, bes. Austeilung der Sakramente', auch im lat. Syntagma administratio sacrorum 'Ausspendung der Sakramente' (—» administrieren la). b Im 16. Jh., speziell bei Paracelsus, in der Medizin gelegentlich auch für 'Anwendung, Verabreichung von etwas, bes. Arznei' (—»· administrieren Ib). Administration 1: 1477 Urkundenb. NdRhein IV 392 off de administrate lantgreve Hermans (MÖLLER); 1512 Hl. röm. Reichsordnung 80b im anfang vnserer regierung vnd angenommener administration des heyligen reichs (DWB N.); 1521 Pfründt marckt bb3a mögen doch by iren bistummen, ouch administrationen vnd commenden, die sy haben, nit grünen; 1524—25 Bauernkrieg a.
Oberrhein (Mone, QuS. II 38) dan der Bruchain und die gantz lautschafft darzu gehörig stunden dieser zyt nit in seiner gnaden verwalthung und administration sonder in myns gnedigsten herren . . handen; 1551 (Staatspapiere Karl V. 473) die administration vnnd regierung aller hispanischen konigreiche; Frey 1556 Gartenges. 149 also auch der regierung und administration des gemeinen nutz,
Administration statt, land und leuth; 1569 (Nyström, Schulterm. 72) Verwaltung und administration . . der clöster; 1580 (Kentenich 1915 Trier 423) Burgermeister, Scheffen und Rath, ihrer bisshero unbefugten Administration, Rathsgang und Sess gäntzlich erlassen; 1585 brandenb. Schöppenstuhlsakten H 53 belangendt die administration und execution der justitien (DWB N.); 1589 französische Zeittung 8 die administration vnnd Verwaltung; Sattler 1607 Orthographia 185 zu versehung vnd administration discs Gottshauses; ebd. 339 Administrationen! vnd Verwaltung vbergeben vnd befehlen; Carolus 1614 Relation 21b die Administration de Toillon bewilligt; Werndle 1644 Pupillen schilt 55 sobald jemandt zu ainem . . pflegvatter erkießt worden vnd er in die administration vnnd vormundschafft eintretten will (DWB N.); Zeiller 1653 Niedersachsen 16 Administration; Weise 1673 Erznarren 9 Nun wollen wir die ändern zu Hause, und absonderlich die Ubelauffseher, bei ihrer Administration lassen; 1691 Pfalz 2a die Administration und Landes-Fürstliches Regiment der Lülchischen Lande anvertrauet; Sturm 1714 Anw. Architektur Bb von der Administration Fürstlicher Lande, so weit sie durch die Amts- oder Finantzien-Cammer geschiehet; Abr. a S. Clara 1719 Kramer-Laden HI 235 durch administration der heiligen Justiz, durch ausreutung der laster (DWB N.); Marperger um 1720 Reisen 24 welche Leute [Diener] . . ihre Nase aus denen Chargen, Officiis und Administrationibus .. wohl weglassen müssen; Marsellus 1741 Kriegs-Staat 19 Administration; Zincke 1751—52 Camer. Bibl. 853 Administration der CammerGüter; Boltz 1752 Amts-Actuarius 163 nach meiner nunmehro erlangten Majorennität aber, anheute zu nachgesetztem dato, in Gegenwart N. und N. als nächster Verwandten, wegen geführter Administration, gute, richtige und ohnmangelhaffte Rechnung abgeleget; Smollet 1772 Klinkers Reisen (Übers.) III 53 Um . . die Macht der Clanschaften zu verringern, hat die Administration . . die Staatsmaxime befolgt: Divide et impera; Schröckh 1786 Friedrich . i. Elysium 69 Eine klügere Administration in Ostindien, und die Aufhebung der Compagnie, könnte England bald wieder erheben; Berenhorst 1798 Kriegskunst II 113 Die Administrazion des Geschützwesens . . ist bey ihnen ungleich besser; Balte 1804 Geschäftsgang i. Preussen 201 Pyritz, Greifenhagen . . stehen unter der HauptTorfadministration in Berlin; ebd. 286 nimmt die Administration des dem Pflegling zugefallenen Vermögens den Anfang; Hüllmann 1805 Finanzgesch. 36 Administration ist. . die allgemeine Methode der Benutzung landesherrlicher Güter gewesen; Behr 1810 Staatslehre I 10 Staatsverwaltungslehre (Administrationspolitik); Steffens 1821 Caricaturen II 350 Administration oder einseitiges Re-
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giment der Beamten und der stehenden Heere; ebd. II 595 die zweite Richtung der ausübenden Gewalt die wir die erhaltende nennen (die Administration); Athenstädt 1823 Eur. II 213 die den Administrations-Behörden übertragene Verwaltung; Stahl 1845 Princip 14 welches Gebäude aus dem Landbauetat bestritten, wieviel vom Militairetat . . verwendet werden solle. Das ist Administration; Szarvady 1852 Paris l 404 während Louis Bonaparte sich mit Hülfe der Armee und der Administration eine gegliederte Partei schaffen konnte; Stahl 1856 Staatslehre 211 beruht das monarchische Prinzip darauf, daß der Fürst allein die Abfassung der Gesetze hat . . daß er allein die Administration hat; Ranke 1877 Erhebung Preussens 40 In dem russischen Kriegsheere, um das er als Kriegsminister durch schärfer eingreifende Administration sich Verdienste erworben hatte; ebd. 108 darin [im Herzogtum Warschau] eine preußische Administration eingerichtet . . werde; Brandt 1901 OstAsien I 303 nachdem er bei dem Wechsel der Administration abberufen worden; Th. Mann 1909 Hoheit (W. // 19) die Administration ist in der freien Ausnutzung geschäftlicher Konjunkturen streng gehindert; 1916 Franzosen 51 der Beamte, das Mitglied der „administration", die doch eigentlich nur für die Bürger . . da ist; Passow 1922 Aktiengesellschaft 347 Der Administrationsrat besteht aus 24 . . Mitgliedern; Th. Mann 1922 Reden u. Aufs. (W. XIII 190) so nötig . . eine solche maschinistische Administration zur .. Stärkung . . des Staates sein mag; ders. 1924 Zauberberg (W. III 193) russischer Administrationsbeamter, in einem ganz entlegenen Gouvernement; Gläser 1932 Gut 38 Da kommen sie mit ihren Verordnungen und Administrationen, ihren Affichen; Kimmel 1936 Ost. Staatsbürgerb. 35 man unterscheidet heute die Selbstbewirtschaftung, die administration und die pacht (DWB N.); Th. Mann 1948 Reden u. Aufs. (W. X11I 838) wer sich mit der Administration abgibt, ohne regierender Herr zu sein; Welt 13.12.1949 die russische Administration erkannte sofort die Bedeutung dieser Bühnen; Weinert 1951 Camaradas 77 in der administration sind die dikken kirchenbücher aus den regalen gestürzt (DWB N.); Offenburger Tagebl. 25.3.1959 Der Staatsanwalt vertrat . . die Auffassung, daß Angehörige der Administration sich nicht, wie Parlamentarier, an politischen Machtkämpfen beteiligen dürfen; Spiegel 23.5.1962 wußte auch der letzte Texaner, daß hohe Beamte der im konservativen Texas ohnehin unpopulären Kennedy-Administration an den Estes-Dollars partizipiert hatten; Welt 24.10.1962 Unfroh las die Brandt-Administration daher einen Bericht der Londoner „Times" aus Washington; Partner 1964 Erben 293 es gab eine Art ständiger Administration, die in der jeweiligen Pfalz . . ihre
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administrativ
. . Funktionen ausübte; ND 25.11.1964 der Willkür und Administration in der Wissenschaft; Welt 14.1.1969 daß die Bundesregierung von der Administration oder der Umgebung des neuen amerikanischen Präsidenten Nixon ein Votum gegen Berlin erhalten habe; Spiegel 11.7.1977 Der Krach kommt. . Und schon richtet sich die Brandt-Administration . . darauf ein; Zeit 4.1.1985 dies gilt für sämtliche Ressorts der Administration, . . die Administration in Washington; ebd. 18.1.1985 es waren Kabinettsmitglieder da, und in der Regel war die Administration hochrangig vertreten; ebd. 22.2.1985 das alles spricht gegen eine Administration, der es nicht gelungen ist, den Gesamthochschulen ein eigenes, gleichwertiges Personal zu schaffen; ebd. 26.4.1985 nie bis zum offenen Konflikt mit den Administrationen Nixon, Ford oder Carter; ebd. 17.5.1985 seit die Washingtoner Administration . . Genscher mit einer gewissen Reserve beobachtet; MM 18.5.1985 die Regierung Kohl . . setze an die Stelle einer . . deutsch-amerikanischen Freundschaft eine vasallenhafte Orientierung auf die gegenwärtige Administration Ronald Reagans; Zeit 24.5.1985 Kritik an Äußerungen .. der gegenwärtigen amerikanischen Administration ist noch lange kein Antiamerikanismus; ebd. 13. 9.1985 Imprimatur der Apostolischen Administration Innsbruck; ebd. 20.9.1985 ich habe ja bisher mehr in der Exekutive, in der Administration, in der Regierung gearbeitet; ebd. 20.12.1985 was Kindern . . frommt, verstehen Parlamente und Administrationen gewiß weniger als Lehrende und Lernende; ebd. 14.2.1986 seit die Grünen der staatlichen Administration . . in die Parade fuhren; ebd. 3.10.1986 Unbekümmertheit, mit der er bisher die Ostpolitik seiner Administration betrieb; ebd. 17.10.1986 die amerikanische Administra-
tion unter Präsident Ronald Reagan; ebd. 14.11.1986 nicht anti-amerikanisch sind viele bei uns, nur gegen Reagans Administration; Zimmer 1986 Redens Arten 27 wenn sie sich um ein Amt bewerben. Um ein Amt in der Administration. Die war früher nichts als eine „Verwaltungsbehörde"; FAZ 23. 7.1988 Zugleich wollen sie, daß die Fehler der Reagan-Administration . . korrigiert und daß soziale Gesichtspunkte stärker berücksichtigt werden; Probst 1989 Amideutsch 15f. administration . . Verwaltung; amerik. auch: Regierung, Kabinett. Administration 2a: Murner 1520 Luthers Lehren B4 Sag an mag ein priester nit vmb seine geistliche arbeit vnd administration zeitlich gelt oder gut vmb seine narung nemen; Hocker 1568 Gevatterschafft C7a so müssen die auch beten können, so zur administration der Tauffe solten gefordert werden; Micraelius 1639 Pommerland I 3,619 vnd wie so gar vnordentlich er mit der administration des heiligen sacraments aus lauter rachgier vmbgangen (DWB N.); Köhler 1710 Schles. Kern-Chronik I 459 die administration des h. sacraments bey krancken von auswärtigen pfarrern könte der kayser nicht erlauben (DWB N.). Administration 2b: Paracelsus 1525-26 S. W. l 2,30 in des salz administration ist nicht von nöten, das mans alterirt oder im etwas addirt; ders. 1527 S. W. I 4, 512 so sol die dosis in die administration genomen werden aus der kraft und sterk der arznei, so in der speis ist; ders. 1529 S. W. l 7, 283 dan in al weg mit der administration der arznei werden verstanden die recht herkomenheit der krankheit, ir zeit, ir wesen und ir art; ders. 1536 Wundartzney II XLVIb Von der Administration der Tinctur.
administrativ Adj. (ohne Steigerung), Anfang 19. Jh. unter Einwirkung von gleichbed. frz. administratif aufgekommen, zurückgehend auf lat. administrativus 'zum Ausführen geeignet, praktisch' (zu administrare, —> administrieren). In der Bed. 'die Verwaltung betreffend, zu ihr gehörend; auf dem Verwaltungsweg (erfolgend), verwaltungsmäßig, behördlich, Verwaltungs-' (im Unterschied bes. zu —» exekutiv, —> legislativ und —* judikativ), häufig in Wendungen wie administrative Maßnahmen, Mittel, Verfügungen; etwas auf administrativem Wege/administrativ entscheiden; über etwas administrativ befinden, eine administrative Reform, früher auch in den Syntagmen administrative Verbannung/Verschickung Ohne gerichtliche Verhandlung von der Verwaltungsbehörde angeordnete Verbannung (einer Person)' (s. Beleg 1957), administrative Strafen Von der Verwaltungsbehörde ohne gerichtliche Untersuchung verhängte Ordnungs-, Exekutivstrafen'; als Bestimmungswort in Zss. wie Administrativkollegium 'Verwaltungsbehörde' und Administrativjustiz 'Rechtsprechung durch ein Administrativkollegium, nicht durch die Gerichte'. In neuerer Zeit gelegentlich abwertend verwendet für 'von oben her bestimmt, verfügt,
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diktiert', meist konnotiert mit „bürokratisch, engstirnig, seelenlos", z. B. in Wendungen wie administrative Bevormundung, Gängelung, Beschränkung, Zwänge; administrativ ('am grünen Tisch') erarbeitete Pläne, Lösungen (s. Belege 1954, 1964, 1985, 1988, 1990). 1807 (Berg 1807 Handb. Policeyrecht VII 719) die directoren werden völlige administrative gewalt erhalten (DWB N.); Schleiermacher 1808 Gedanken (IV 629) [in] gewissen administrativen Kollegien; Behr 1810 Staatslehre 106 Verwaltungsabtheilungen (Administrativdepartments); 1818 Die Wage I 322 Ich glaubte mich auf dem lachenden Blumenwege der hohen und administrativen Polizei zu befinden; Cancrin 1820 Militärökonomie I 290 Administrative Ansichten; Steffens 1821 Caricaturen H 419 dass das administrative System durch die Beamten eine grosse Anstrengung erfordert; 1829 Jahrb. d. Gesch. U 127 sogenannte Administrativjustiz; Kolb 1831 Rheinbayern I Einl. XU ein auch an sich bemerkenswerthes Administrativ-Polizeisystem; Detmold 1844 Aufgabe 101 administratives Talent; Szarvady 1852 Paris I 340 Die finanzielle Politik war eine eben so unheilvolle, wie die administrative und auswärtige; Knies 1857 Telegraph 98 in Frankreich, wo die administrative Seite des Postwesens . . in sehr gutem Zustand ist; Toqueville 1857 Staatswesen (Übers.) 48 Administrative Vormundschaft; Suckow 1862 Sold'leben 125 lautete die Schreckensbotschaft eines . . Administrativ-Beamten; Oppenheim 1866 Verm. Sehr. 65 Administrativ-Justiz; Stieler 1886 Krieg 70/71 45 Das administrative Element der Preussen; Henne-am Rhyn 1897 Kulturgesch. VII 108 Verbannung auf administrativem Wege; Huet 1906 Holzsäbel (Übers.) 3 die administrative Leitung seiner Kompanie; Lokal-Anz. 24.10.1934 verschwanden auf „administrativem Wege" die deutschen Geschäftsschilder aus dem Stadtbild; Benjamin 1935 Er. II 690 den Beitritt zur Presse Etrangere, den man mir aus administrativen Gründen nahegelegt hat; Münch. N.N. 15.10.1938 um die administrativen Voraussetzungen für die gewaltigen Aufgaben zu schaffen; Münch. N.N. 23. 6.1942 Meistens waren wir nicht der Meinung, die . . in administrativer Kürze uns aus dem Munde des Schloßführers entgegenklang; N.Z.Z. 1954 Nr. 1034 Es ist zur Mode geworden, gegen seine Anwendung mit dem Argument der bösen „Administrativjustiz" zu Felde zu ziehen; ND 10.6.1954 sie unterlassen es oft, sich . . mit den Arbeitern zu beraten und ziehen es vor, statt dessen administrative Anweisungen zu erteilen; Heimpel 1956 Kapitulation 18 als die Lautsprecher der Regierung die Rücknahme der administrativen Normen verkündeten; Süddtsch. Ztg. 13.8.1957 Volksdeutsche aus der Sowjetunion .. sogenannte Administrativ-Umsiedler;
Fraenkel 1957 Staat 289 Mißachtung rechtsstaatlicher Prinzipien . . in Gestalt der administrativen Verschickungen (DUDEN); ND 7.11.1964 die Methode der Überzeugung durch administrative Maßnahmen zu ersetzen; FAZ 14.2.1966 den mit administrativen Aufgaben befaßten Kanzler; Welt 21.3.1969 doch die eigentlich interessanten inneren Zusammenhänge, der politisch-administrative Hintergrund blieben im Schatten; Offenburger Tagebl. 27.8.1969 Während .. vier Fünftel der Verteuerung der Lebenshaltung auf „administrative Preise" zurückzuführen gewesen sei; Welt 9.10.1969 daß sie es mit dem Mittel des Wettbewerbs tut und nicht . . mit administrativen Beschränkungen; ebd. 28.1.1974 daß eine Normalisierung nicht nur administrativen institutionellen Charakter haben könne; Zeit 11.1.1985 der Ruf der Schule ist — zum Glück — administrativ nicht steuerbar; ebd. 18.1.1985 nur ein freies . . Beratungsgremium könne, ohne administrative Zwänge, mutige und neue Impulse geben; ebd. 22.2.1985 die Gesamthochschulen brauchen .. nicht ständig neue Daumenschrauben, seien es nun Prüfungsordnungen oder administrative Auflagen bei Berufungen; ebd. 26.4.1985 in keinem anderen Ostblockstaat ist die katholische Kirche administrativ so unbehelligt, kann der Vatikan so beliebig Bischöfe ernennen; ebd. 1.11.1985 im Gerangel zwischen den Parteien . . besteht allein der Stadtbaurat, der die administrativen Kniffe beherrscht; ebd. 3.12.1985 ein Deutscher Bildungsrat, der ohne administrative Gängelung und parteipolitische Scheuklappen weiter denkt, fehlt; ebd. 6.12.1985 das ist nicht befristeter Aufenthalt in Woronesch, administrative Verbannung usw.; ebd. 7.2.1986 wird das Werkgymnasium fest am administrativen Gängelband gehalten; ebd. 14.2.1986 es wurden Koordinationssysteme geschaffen, die zwar nicht mit Weisung und Gehorsam, sondern mit Argumenten und Konsens eine Abstimmung politisch-administrativer Maßnahmen vornahmen; MM 25.2.1986 Europas Industrie wartet . . darauf, daß die Politiker über den administrativ immer noch stark behinderten Freihandel hinaus den Rahmen für einen echten europäischen Investitionsraum .. schaffen; Zeit 7.3.1986 sie ist ihm zwar nicht administrativ vorgesetzt, aber Herrmann sieht in ihr eine verbindliche theologische Autorität; MM 25.4.1986 als Opernchef obliegt ihm auch administrative Arbeit; ebd. 23.5.1986
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die Grünen . . fordern die Abschaffung aller gesetzlichen und administrativen Maßnahmen, die die Wahrnehmung des Grundrechts auf Asyl verhindern; Zeit 29. 8.1986 dabei handelt es sich nicht um eine rein administrative Dezentralisation; ebd. 7,11.1986 geübt nur im Abfassen oder Diktieren administrativer Texte; MM 14.5.1987 die Krankheit [Aids] eigne sich nicht für administrative Mus-
kelspiele; Stern 16.6.1987 dennoch geht die Regierung das Problem bislang vornehmlich administrativ an, bekämpft mehr die Folgen des Alkoholmißbrauchs als deren Ursachen; MM 10.5.1988 die Summe entstehe aus dem Abbau technischer und administrativer Schranken; Spiegel 30.7.1990 Es geht weniger um administrative Restriktionen, um Autofahrverbote oder Eisenbahnzwang.
administrieren V. trans., im späten 15. Jh. entlehnt aus lat. administrate e hilfreich zur Hand gehen, beistehen; darreichen; leiten, verwalten; verrichten' (aus lat. ad'hinzu' und ministrare 'bedienen, aufwarten, besorgen, handhaben', zu minister 'Gehilfe, Diener'; —* Minister, —»· Ministerium). 1 Zunächst bis ins 19. Jh. in der Bed. 'etwas ausführen, verrichten, darreichen': a Im kirchlich-liturgischen Bereich für 'geistliche, sakrale Handlungen vollziehen, bes. das Sakrament austeilen', auch im Syntagma sacra administrieren 'heilige Werke, Dienste (z. B. bei der Taufe) verrichten' (vgl. heute noch gebräuchliches —> Ministrant; —* Administration 2a). b Seit frühem 16. Jh. auch für 'etwas verordnen, verabreichen', bes. (Paracelsus) in der Medizin 'Arznei, Medikamente eingeben' (—* Administration 2b). 2 Ebenfalls seit frühem 16. Jh., zunächst in der Kanzleisprache, dann auch allgemeiner im Verwaltungsbereich in der heute üblichen Bed. 'von Amts wegen für etwas/jmdn. Sorge tragen, verantwortlich sein; etwas (eine Funktion, ein Amt) ausüben, etwas versorgen, leiten, verwalten', bes. bezogen auf Vermögen, Güter, Ämter, auch Länder (s. Belege 1697, 1805, 1817). Daneben vom 16. bis ins 19. Jh. speziell im juristischen Bereich für 'die Gerichtsbarkeit verwalten, Rechtsprechung ausüben', bes. in den Wendungen justitiam/die Justiz, Recht und Gerechtigkeit administrieren (s. Belege 1570, 1650, 1816), auch 'jmdn. als Vormund vertreten' (s. Beleg 1752). In neuerer Zeit gelegentlich auch eher abwertend verwendet im Sinne von 'etwas (nicht aus Vernunft- oder praktischen Gründen, sondern nur) bürokratisch anordnen, verfügen; von oben her regeln' (s. Beleg 1964), auch adj. verwendet in der Part. Perf.-Form administriert '(nur) auf dem Verwaltungsweg angeordnet, verfügt, von oben (z. B. von der Regierung) vorgeschrieben, diktiert' (—» administrativ), bes. in der Wendung administrierte Preise (—» Administration 1). Dazu schon seit späterem 14. Jh. das aus (m)lat. administrator 'Verwalter, Leiter, Statthalter' entlehnte Subst. Administrator M. (-s; -en), bis ins 18.719. Jh. auch in der lat. (flekt.) Form, in der Bed. 'Verwalter, Verweser; Bevollmächtigter; geistliches Oberhaupt eines Stiftes, Bistumsverweser' (z. B. apostolischer Administrator) und 'Gutsverwalter' (s. Beleg 1933); in neuerer Zeit, vermutlich unter Einwirkung von gleichbed. engl.-amerikan. administrator, auch für 'politisch leitender Verwaltungsbeamter, der für bestimmte öffentliche Aufgaben, Ressorts oder Fragen der Staatsverwaltung (Exekutive) zuständig ist; mit Sonderaufgaben betrautes Mitglied der Regierung eines Landes', bes. in der auf politische Verhältnisse in den ehemaligen Kolonialländern bezogenen Zs. Generaladministrator 'Statthalter, Gouverneur' (s. Beleg 1985) (zu 2). Vom früheren 16. bis ins 18. Jh. das Verbalsubst. Administrierung F. (-; -en), zunächst selten in der Bed. 'Anwendung von Arznei, medizinische Behandlung', auch
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'schriftliche Anweisung zur Arzneianwendung' (s. Beleg 1529) (zu Ib), seit späterem 16. Jh. häufiger für 'Verwaltung, Leitung', auch 'Rechtsprechung' (s. Beleg 1727) (zu 2) und im 17.718. Jh. selten für 'Austeilung der Sakramente' (zu la). Seit Anfang 18. Jh. das seltene latinisierende, heute veraltete Subst. Administrator 'Verwaltung, Verwaltungsstelle, -behörde', im kirchlichen Bereich bes. bezogen auf Bistümer, Klöster (zu 2). administrieren la: 1478 Man. Habsburg, l 2,363 ir priesterlich ambt ze hanndeln und zu administrieren verpoten; Murner 1520 W. VI 60 darumb ich hie ein priester oder pfaffen nen, der an stat Christi der vbung des sacramentz sich gebruchet vnd administriert, das sich keinem leyen gebüret (beide DWB N.); Spener 1685 Klagen 166 due H. Sacramenten/ aufs wenigste nach deren eigentlichen wesentlichen stucken/ der Ordnung Christi gemäß administrirt; Ertinger 1697 Reisebeschr. 67 [Männer, die] die sacramenta nach christ catholischem Gebrauch administrieren; Carsted 1762 Atzendorfer Chronik. 155 inspector T. war sein confessionarius und half ihm . . fast alle sontage den kelch administrieren, wenn er communion hatte (DWB N.); Görres 1836-42 Mystik 11 324 Der Priester, der die Communion administrirte (KEHREIN); 1847 Hofdamen-Br. 129 Sie ward administriert und empfing die letzte Ölung; Gutzkoiv 1851 Zauberer V 13 hielt. . der Archipresbyter . . das Hochamt zu Sanct-Libori und Müllenhoff administrirte . . und mußte sich dem Domherrn unterordnen; Achelis 1890 Theologie I 521 jedem Kranken das hl. Mahl zu administrieren. Administrierung: Albertinus 1612 Tummel-Platz 184 beichthören vnd administrirung der heiligen sacramenten; Köhler 1710 Schles. Kern-Chronik l 378 [die Evangelischen behielten] einen grossen theil derer päbstlichen ceremonien bey administrirung derer sacramente begräbnissen und ändern kirchensachen [bei] (beide DWB N.). administrieren Ib: Paracelsus um 1525 S. W. l 2,30 ist das von nöten das elixir tartareum administrirt werd . ., damit das die angesessenen apostemata und . . putrefactiones im leib resolvirt; ebd. 2,130 dise sulphura . . den kranken zu administriren . . und appliciren von außen her oder von innen; ders. 1527 S. W. / 4,513 wie man die arznei sol administriren, zu welchen Zeiten und wie stark . . der arzt sol acht haben auf die .. zeit der natur zu administriren. von solichem redet Hipocrates; ders. 1536 S. W. l 10,140 das die selben geeder damit gesalbt werden und darbei, soweit und die selb region begreift, mit fleißiger aufwartung administrirt werde; Schneller 1815 Tagebuch I 312 Morell schickte ihn als Arrestanten zu Grüner, Grüner zum Stab, wo
demselben 15 ad posteriora administrirt wurden; Görres 1829 Ges. Sehr. XV 137 die zarte Complexion der Zeit, die . . das Manna einzig den Kindern zur Abführung des alten Kindspechs administrirt. Administrierung: Paracelsus 1529 S. W. l 7,283 Nun weiter gebürt sich nach fürgehaltenen dingen auch von der administrirung zu schreiben, dan in derselbigen wird erfunden und ergrünt die kunst und der verstand des arzets . . die administrirung beweist offenbar, das ein irrung und ein mißbrauch ist; ebd. 7,302 also sol auch die administrirung der krankheiten dermaßen verstanden und erkent werden; Becher 1682 Glücks-Hafen 118 Chemischer Concordantz und Collection Erster Theil (Überschr.) Solche Augmentation aber kan ohne den Zusatz der Güldischen Principien nicht geschehen. . . Allwo dann die Kunst durch proportionirte Administrirung der äusserlichen Wärme, den ignem naturae mineralem viel höher/ als in den Bergwergen geschieht/ excitiren. administrieren 2: Nazarei 1521 Gott 22 als der Pipinus starb, ward Karolus syn sunn Administrator . . ich weiß nit wie trüwlich Karolus administriert; Zorn 1570 Wormser Chronik 123 daß vermögs des eids der rathspersonen weder recht noch gerechtigkeit der gebühr nach durch sie konnte administriert werden; Ernslinger 1579—1610 Raisbuch 50 haben [die Räte] eben den gwalt mit den vorigen und administriern solch ambt mit ainander; Wedel um 1600 Hausbuch 58 daß gerichte und recht wol administriret, die unterthanen in ihrem anliegen gehöret; Albertinus 1615 Gusman v. Alfarche 326 Weil auch nit Könige vnderlassen haben die lustici zu administriren; Moscherosch 1642 Visiones 182f. Vor zeitten war ein Corpus Juris, vermittels dessen/ die Gerechtigkeit einem jeden .. war administriret worden; Olearius 1647 Reisebeschr. NL XXV111 231 Es wurde die Justiz also administriret; Maximilian v. Bayern 1650 Decretum A2b die Justiti nach jetztergelten Regeln vnd Absätzen . . vnpartheyisch administrirn; 1689 Polit. Fliegenwedel l 79 Am meisten aber machte der König considerabel, weil er auf diejenigen/ welche die Justiz administriren sollen/ scharffe Achtung gäbe; ebd. l 96 Unterweisung . ., ohne welche das hohe LandesObrigkeitliche Amt nicht administriret werden
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administrieren
mag; 1697 (CCHolsat H 263) wann jemand wegen der . . communen guether und geldert administriret hat, und davon rechnung abstatten will (DRW); Boltz 1727 Amtsredner 17 wer ist nun derjenige so uns künfftighin beschützen, schirmen, Recht und Gerechtigkeit administriren . . solle?; ders. 1752 Amts-Actuarius 22 da Er nun zu seiner Verlassenschafft, welche bißhero durch N. N. als Vormund, administriret worden, . . keine nähere Erben .. hinterlassen; Müller 1751 Behauptungen 25 ein Mann [Pilatus], dem . . die jüdische Landschafft, so dem Römischen Reiche unterworfen war, zu administriren von dem Kayser Tiberio war anvertrauet worden; 1784 Berlin. Monatsschr. Ill 156 von wohlthätigen und gut administrirten Stiftungen; Jean Paul 1805 Flegeljahre (W. IV 632) allen denjenigen, so Landgüter haben, oder dieselben zu administrieren haben; Goethe 1811 Dichtung u. Wahrh. (HA IX 329) so hatten wir schon Ritt und Fahrt nach Dessau verabredet, wo wir in einer schönen . . Gegend, in einem wohl administrierten und zugleich äußerlich geschmücktem Lande [waren]; List 1816 Kl. Sehr, l 48 Justiz und polizei auf dem lande wird von den Schultheißen administriert (DWB N.); Blücher 1817 Br. 329 habe ich alle [Landhäuser] verpachtet, nur Krieblowitz, als das Hauptgut, lasse ich administrieren; Szarvady 1852 Paris l 79 Letzterer [Raum] ist durch . . Thüren mit dem großen Saale in Verbindung, durch welche die administrierenden Leviten, die Börsendiener ein- und ausgelassen werden; Süddtsch. Ztg. 20. 7.1957 Um die Wirtschaft aus den engen Fesseln des „Administrierens" zu befreien, sollen Vereinigungen volkseigener Betriebe .. gebildet . . werden; ND 16.5.1964 nehmen wir das Beispiel des Bürokratismus, des seelenlosen Administrierens und der Mißachtung der Vorschläge und Gedanken der Werktätigen; Offenburger Tagebl. 19.12.1969 da es sich . . um bedeutsame Versorgungs- und Dienstleistungsbereiche handelt, für die die administrierten Preise gelten; Spiegel 1970 Nr. 21 einige administrierte Preiserhöhungen bei der Post und bei den Bauern müssen wir hinnehmen; FAZ 30.6.1970 Da die Haftpflichtprämien zu den sogenannten administrierten Preisen gehören, wird diese spürbare Preiserhöhung . . hingenommen werden; Offenburger Tagebl. 12.12.1970 Damit wird dem Regierungsentschluß zur Konjunkturpolitik Rechnung getragen, die sogenannten administrierten Preise nur maßvoll und zeitlich gestaffelt ansteigen zu lassen; Zeit 8.3.1985 jeder, der den gegenwärtigen Weltzustand nur beschriebe, wüßte unendlich viel vom wahren Schrekken als unsere regierenden und administrierenden Dauer-Erklärer; ebd. 16.8.1985 mache ich keinen Hehl aus meiner Skepsis gegenüber jedem An-
spruch, den Prozeß der Begabung zu normieren, ihn durch . . Erfassungssysteme zu steuern und zu administrieren. Administrator: 1371 (Wrede, Altköln. Sprachschatz 71 b) her Cune ertzbischoff zu Trier administrator und momper des gestiechtes van Colne (DWB N.); 1477 Urkundenb. NdRhein IV 281 bisschof zu Munster und administrator zu Ochsenbrugge (MÖLLER); 15. ]h. (Grossmann, Unrest. Ost. Chronik 158) der . . schrayb sich nun administrator der kirchen (FRNHD. WB); Volkslied 1504 (Liliencron 11 534) Babenberg, Würzburg und Eistet/ Vil baser in gezimet het, daß sie als administratores/ dir hülfen allzeit ad honores, auch dar zu zehandhabn das recht. . . Si sind gemacht fürsten und glider, noch dann dir und dem reiche wider, mit deiner straf thu zu in gahen; Murner 1520 Adel 4 administratores; Nazarei 1521 Gott 22 als der Pipinus starb, ward Karolus syn sunn administrator; Zweifel 1527 Chronik 3 administrator des Stifts Halberstat; 1547 (Staatspapiere Karl V. 415) der administrator des Gotzhaus zu Sant Petter im Schwarzwald; 1548 Kriegsrüstung a2b Teutschmeister vnnd Administrator des Landts Preussen; 1563 (1846 MittOsterland II 199; wir Wolfgang administrator des hohen meisterthumbs in Preussen, deutschen ordens in deutschen und welschen landen (DRW); Zorn 1570 Wormser Chronik 141 administrator des stiffts Hildesheim; Simon z. Lippe 1591-92 Tagebuch (1906 Mitt. lipp. Gesch. IV 66) hertzog Johan Casimir, administrator der churfurstlichen Pfaltz; Mengering 1642 Quartiermeister Vorr. o. S. Administratores; Elis. Charl. 1699 Br. l 129 den kleinen printzen von Anspach undt ein printz von Württenberg, deß administrators söhn; Zincke 1751-52 Camer. Bibl. 239 Administratores; Buchholtz 1753 Mecklenb. 667 fiel die völlige regierung an dessen . . bruder, . . bisherigen administrator (DWB N.); Galler 1785 Bad. Oberland 46 Die Anzahl der Klosterherren . . die . . sind auf dem Lande als Seelsorger oder sogenannte Administratores, welche die Revenuen der Gotteshäuser besorgen, hie und da angestellet; Hess 1796 Durch flüge d. Deutschland 1118 Administratoren eines Armenhauses; Laukhard 1797 Leben IV 2,87 Der Regent oder die Regenten .. sind . . gar nichts anders, als Administratoren der Gesetze zum Besten der Nation; Berenhorst 1798 Kriegskunst 112 Der Administrator hatte französische Einrichtungen zum Muster gewählt; Garve 1800 Ges. II 101 In den jetzt bestehenden Europäischen Reichen war . . der Regent alles,— Heerführer, Richter, Administrator; und er verwaltete alle diese Geschäfte in Person; Mayr 1909 Gen.-Index Baiern 5 Administratoren der Kirchen; Gneisenau
Admiral 1814 Br. 87 ich stelle es . . in deinen willen, ob . . du den pächter als administrator der wirthschaft . . einsetzen willst (DWB N.); Barnum 1855 Leben 78 ward er einmal mit Herrn Coach . . zum Administrator ernannt, und hatte vor dem Waisen-Richter in Danbury den Eid zu leisten; Mensel 1903 Lebensbild 169 So hieß der Würdenträger hier, der in Pommern Statthalter, in Dahme Vogt, in Kunzendorf Meier genannt wurde. Ich stellte mich ihr als der neue Administrator . . vor; Voss. Ztg. 24.9.1929 Bischof Schreiber Administrator von Berlin (Überseht.) .. ist heute vom Papst zum Administrator der Diözese Berlin . . ernannt worden; Cibura 1933 M. G. 147 wollte ich auch wieder einige Tage [auf dem Rittergut] mitarbeiten, aber der Administrator meinte, ich solle mich ausruhen; Herzog 1959 Diana 28 hätte der für den Jagdablauf verantwortliche administrator nicht ernstlich zum aufbruch gemahnt (DWB N.); Spiegel 22.11.1961 Zuvor hatten apostolische Administratoren in den verwaisten Bischofssitzen residiert (CARSTENSEN); FAZ 29.12.1965 die Zeitung sprach von zwei Kanälen, über die der Vatikan . . Kontakt zu Nordvietnam aufgenommen habe: über den apostolischen Administrator Endre Hamvas in Ungarn; Eberhard 1971 China o. S. man nannte den Kaiser kuanchia (Administrator); Zeit 28.12.1984 unter seinem Vorgänger, Verteidigungsminister Gretschko, war er Administrator jenes Rüstungsprogramms, das Moskau . . mit Washington nahezu gleichziehen ließ; ebd. 11.1.1985 die . . Praxis der . . Ausweisung durch die Bundesrepublik . . ist den für Menschen und auch für Einwanderungsfragen zuständigen Administratoren und Politikern in den USA .. unverständlich; MM 26.1.1985 Mitglieder einer elitären Führungsschicht aus intellektuellen Beamten, Administratoren und Aristokraten; Zeit 1.2.1985 gibt es weder eine Regierung noch ein Parlament und schon gar keine Verfassung, sondern nur einen von Südafrika eingesetzten Generaladministrator, der das Land aus eigener Machtvollkommenheit regiert; ebd. es gibt . . nur numerierte Verordnungen des Generaladministrators W. A. van Niekerk, der . . als Statthalter
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empfunden wird; ebd. 29.3.1985 das Bildungswesen erscheine dem Benutzer — Eltern wie Schülern, aber auch Lehrern und Administratoren — immer stärker wie eine Regelungsmaschine; ebd. l .11. 1985 die Politiker akzeptieren allenfalls diesen Erfüllungsgehilfen, den Administrator; MM 7.8. 1986 zieht mit Barco ein Politiker ganz ohne Charisma, aber mit dem Ruf eines soliden Administrators ins Präsidentenpalais von Bogota ein; ebd. 17.11.1986 während die Briten vorwiegend als Administratoren und Großkaufleute in die Kolonien gingen. Administratur: Leuckfeld 1705 Walckenried l 451 biß der letzte graff von Hohnstein Ernst die administratur von dem Closter überkommen; 1934 (Kimmel 1936 Ost. Staats bürgerb. 148) daß die apostolische administratur „Innsbruck-Feldkirch" zur diözese „Innsbruck-Feldkirch" mit dem sitz in Innsbruck erhoben wird (beide DWB N.). Administrierung: 1563 (Siegl 1927 Alt-Eger 110) wie das allhier . . den witbin vnd waisen irer person, auch hab vnd guter halber, . . mit . . Verwaltung vnd administrirung derselben wolfart, nutz vnd nottdurfft zum pesten . . nit versehen (DWB N.); 1560 (1906 JbOldenb. XV 206) sollen sie in administrierung der justicien und sunst in ihrem bevolen ampt nachfolgende maß und bescheidenheit halten (DRW); Albertinus 1615 Gusman v. Alfarche 326 Die . . gerechte vnnd vnpartheyische administrirung der Justici erhelt ein Landt in Friden; Maximilian v. Bayern 1650 Decretum Ala mit administrirung der Justitii; Butschky 1677 Pathmos 491 Administrirung des Reiches; 1691 Pfalz 23b in Erheb- und Administrirung; Thomasius 1701 Kl. Sehr. 236 meines Großmächtigsten Chur-Fürsten/ . . mir in Administrirung heilsamer Gerechtigkeit erwiesen; Boltz 1727 Amtsredner 47 Administrirung der Gerichte, der heilsamen Justiz; 1789 Westpreuß. Feuer-Societäts-Reglement 17 die bei administrirung der feuer-societäts-kasse vorfallenden arbeiten (DWB N.).
Admiral M. (-s; -e, selten Admiräle), schon im Mhd. nachgewiesen (vgl. a), seit dem 14.715. Jh. als Neuentlehnung aus dem Frz. in der heutigen Form (vgl. b). a Vom Mhd. (BENECKE/MÜLLER/ZARNCKE, LEXER) bis etwa Anfang 16. Jh. nachgewiesen in Formen wie amira(i)l, ameral, etneral, a(d)mirat, a(d)miraldus, über gleichbed. altfrz. amirail, a(d)miral bzw. mlat. admiratus, amirallus zurückgehend auf arab. amir 'Fürst, oberster Befehlshaber' und dem bestimmten Artikel al, wobei amir al als Kompositum aufgefaßt wurde; bezogen auf politische Verhältnisse im Orient als Bezeichnung für den Kalifen, den Emir und allgemeiner für 'bedeutender, nicht-christlicher Herrscher, sarazenischer, orientalischer Potentat, Sultan'.
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Admiral
b Ende 14. Jh. vermutlich neuentlehnt aus gleichbed. frz. amirail, a(d)miral, über mlat. adtniratus, ammirallus und andere romanische Formen eventuell zurückgehend auf arab. amir-ar-rahl 'Befehlshaber der (Transport-)Flotte' (unter Wegfall des mittleren Bestandteiles, des Artikels ar; LOKOTSCH, OSMAN) oder auf die arab. Zss. amir-al-bahr 'Herrscher des Meeres', amir-al-ma 'Herrscher des Wassers' u.a. (unter Wegfall der jeweiligen Genitivattribute; KLUGE, Seemannssprache) oder gebildet aus dem arab. Simplex amir und dem mlat. und romanisch verbreiteten Suffix -a(i)l (PFEIFER); anfangs in zahlreichen von frz. und anderen romanischen Formen beeinflußten Varianten wie Amiral, Admirant(e), seit dem 17. Jh. zunehmend in der heutigen Form. Daneben sind Formen mit eingeschobenem -d- wie Admiral, Admirante (vgl. b), mhd. admiral (vgl. a), mlat. adtniratus (vgl. a und b) u.a. wohl zurückzuführen auf ein remotivierendes, auf die hohe Stellung des Titelinhabers anspielendes Hineindeuten von lat. admirari 'bewundern'. In der Bed. Oberster Befehlshaber, Kommandant der Flotte, Marineminister', heute als Dienstgradbezeichnung bei der Marine für einen Offizier im Range des Generals; als Grundwort in Zss. zur Bezeichnung anderer Dienstgrade wie Vizeadmiral 'dem Admiral unmittelbar nachgeordneter Offizier im Range des Generalleutnants, Stellvertreter des Admirals', Konteradmiral Offizier im Range des Generalmajors' und Flottillenadmiral Offizier im Range des Brigadegenerals', vom frühen 18. Jh. bis 1945 auch Großadmiral Offizier im Range des Generalfeldmarschalls'; als Bestimmungswort in Zss. (mit oder ohne Fugen-s) wie Admiralstab 'Führungsstab der Marine mit besonderen kriegstechnischen Aufgaben', Admiralstabsoffizier, -arzt als Dienstgradbezeichnung und bes. Admiralsschiff 'Hauptschiff einer Flotte', dafür seit Ende 16. Jh. gelegentlich auch verkürzt Admiral (s. Beleg 1902). Dazu seit Anfang 17. Jh. die über gleichbed. frz. a(d)mirau(l)te auf mlat. admiralitas (Gen. admiralitatis] zurückgehende subst. Ableitung Admiralität F. (-; PL ungebr.) in der Bed. 'Gesamtheit der Admiräle, oberste Kommandostelle und Verwaltungsbehörde der Kriegsmarine', auch als Bezeichnung für das Gebäude, in dem die Admiralität arbeitet, und für die Personen selbst; häufig in Zss. wie Admiralitätskarte 'von der Admiralität herausgegebene Seekarte' oder Admiralitätsformel 'Formel zur Berechnung der Antriebsleistung bei Schiffen' und in Zss., die die einzelnen Funktionen der Admiralität bezeichnen, wie Admiralitätsgericht, -rat. Anfang 17. Jh. die seltene, veraltete subst. Ableitung Admiralschaft 'Würde eines Admirals'. Admiral a: Konrad um 1170 Rolandslied 7298 Paligan ad-mirate/ ist also uz chomen (DWB N.); Türheim um 1250 Rennewart 189d werder atmerat (SUOLAHTI); Rothe 1421 Dur. Chronik 307 Do was ynne des koniges ssonn Darsiani unde vier mechtige grosse admiralden das synt landisfursten (FRNHD. WB); 1509 Fortunatus 80 vnnd schanckten dem admiraldo [von Alexandria], das ist der oberost im land on den künig grosse schanckung (DWB N.). Admiral b: 1388 Hans. Urkundenb. IV 936 Die schifsherren werden geladen vor den ammiral (DWB N.); 1406-76 Speier. Chronik l 517 Der
admiral hat erschlagen by drudusent vnd fünfhundert Burgündischer; ebd. Item . . hat der ammeral vor Arras . . nidergeworffen diß nach genempten; 1418 Hans. Urkundenb. VI 191 des Koninges ammeral; um 1436 HanseRez. 2, 65 der amirail us Engeland (DRW-Archiv); 1507 Wilwolt 118 Mit denselben Schiffern und leuten zugen haubtman und amerall von Flußingen aus gegen den Schleuß; Golius 1579 Onomasticon 185 der Amiral, der oberste über die Armada; Meurer 1599 Relatio 15 der Cardinal de Austria vnnd Admirante; Perez 1626—27 Landstörtzerin 229 ich geb euch vmm euer grossen fügend willen gute vnd freundliche
Adoleszenz wort/ vnd wil euch zu einer Ammiralin machen; Treuer 1660 Dädalus Vorr. o. S. Admirahl oder besser Amirahl, ist ein General zur See; Baldaeus 1672 Ostind. Küsten 38a also hatte es dann der Feind sonderlich auf den Admiral [das Schiff] gesetzet, der auf den Klippen fest saß (KLUGE, Seemannssprache); 1685 Turk. Schaubuehne 208 Der Admiral oder Generalissimo der Türkischen Schiffs-Armada heisset Capitain Bassa; Lünig 1720 Theatrum cerem. o. S. derer Canonen auf dem Admiral-Schiff und darneben vor Ancker liegenden Kriegs-Schiffe; Fleming 1726 Soldat 9 Gross-Admiral; Bürger 1786 Münchhausen H 183 Er [Großsultan] hatte daher gleich dem Grossadmiral befohlen, mit der ganzen Flotte hinter mir her zu eilen und mir zu insinuieren, daß wir so nicht gewettet hätten; Brommy 1878 Marine 328 Der Admiral, welcher den Rang des Generals der Infanterie oder Feldzeugmeisters . . hat, ist der Oberbefehlshaber einer Flotte; Goedel 1902 Seemannssprache 13 der admiral wird .. gesagt, wenn man das admiralsschiff . . meint (DWB N.); Liliencron 1903 Bunte Beute (W. X 132) Viele Admirale und Generale; Birt 1910 Provence 151 Admiralsschiff; Dtsch. AZ. 2.11.1935 Der Affe kam bei den sechs Schüssen zu seinem Glücke heil davon, während das Kaiserbild von zwei Schüssen durchlöchert wurde und die vier anderen Schüsse in dem „Admiralslikörspind" saßen, aus dem der edle Benedektiner, Kognak und Chartreuse jetzt in hellen Strahlen sich auf das bezogene Ledersofa ergossen; Miinch. N.N. 17.4.1944 Großadmiral Raeder, Admiralsinspekteur der deutschen Kriegsmarine, beging am 16.April die Feier des 50jährigen Militärjubiläums; Welt 7.5.1949 Großadmiral Dönitz ging nach Erhalt der Nachricht für etwa eine halbe Stunde ins Freie; ND 20.5.1959 Die Gäste wurden empfangen und begleitet vom Chef der Seekräfte, Vizeadmiral Waldemar Verner, dem Chef des Stabes, Konteradmiral Neukirchen, und weiteren hohen Offizieren; Johnson 1961 Buch 312 der seine Armee versah mit Generalen Offizieren Admiralen, die die Hand gehoben hatten vor einem Hitler und ihm dienten länger als er lebte; Heuss 1963 Erinn. 336 Er war einer der bekannt, ja berühmt gewordenen alten Beamten, Admirale, Generäle, mit denen Stresemann seine Fraktion dekorierte; FAZ
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7.2.1966 der amerikanische Oberbefehlshaber im Pazifik, Admiral Sharp; Zeit 30.8.1985 der Chef für die Nuklearversuche im Pazifik, Admiral Pages. Admiralität: 1609 Relation 4a Admiralitet; Hulsius 1626 Schiffart 49 ward ich zur Admiralität gefordert; Chemnitz 1653 Schwed. Krieg l 8 eine neue Admiralitet in der Ost See auffzurichten bemühet; Nehring 1717 Lex. 44 admiralität. . oder admiralitäts-collegium, worunter der admiral, lieutnantadmiral, vice-admiral, schout bey nacht und andere hohe befehlshaber, räthe und beysitzer begriffen werden (DWB N.); Bruce 1784 Nachrichten 157 ET gab auch der Admiralität Befehl, gegen den folgenden Frühling 50 Schiffe von der Linie und eben so viele Galeeren und andere Schiffe in Bereitschaft zu halten; 1794 PreußALR. H 8 S 1425 die schiffspässe . . sollen von keiner kraft seyn, wenn sie nicht bey der königlichen admiralität, oder bey der licent-cammer . . in glaubwürdiger form ausgefertigt werden (DRW); Lindner 1814 Australien 26 Eine solche [See]Charte kann aber nicht ohne Unterstützung eines Admiralitätsbureaus . . zu Stande kommen; Ludwig 1862 Sehr. VI 454 vor ihrer Straße der Hafenplatz und hinter derselben die admiralität (DWB N.); Niebelschütz 1949 Bürgerin 212 .. der weiter in der Admiralität residiert; Welt 11.1.1949 Ein Sprecher der britischen Admiralität gab bekannt, daß bereits mehrere Flotteneinheiten ins Mittelmeer unterwegs seien; Weisenborn 1956 Theater l 14 in der Admiralität gibt es ein Büro, das alles Strandgut .. registriert; MM 9.8.1986 Als eines der ersten Gebäude entstand die Admiralität, die neben dem Winterpalais das südliche Newa-Ufer beherrscht. Admiralschaft: Meteren 1614 Niderlend. Krieg 14b er [Philipp von Kleve] solte die statt Schluys . . in gleichem die admiralschafft auff dem meer behalten biß der römische könig ins land käme (DWB N.); Wallhausen 1616 Manuale (Gl.) Ammiralitet. Admiraute. Amiralschafft oder das Ampt vber die Schiff (JONES); Eggers 1857 N. Kriegslex. l 34 admiralschaft heißt bey dem Seewesen, wenn viele kauffahrteyschiffe entweder unter sich, oder unter einer convoy und flotte sich verbinden (DWB N.).
Adoleszenz F. (-; ohne PL) seit Anfang 19. Jh. (CAMPE) gebuchte, seit frühem 20. Jh. kontinuierlich nachgewiesene Entlehnung aus gleichbed. lat. adolescentia (zu adolescens, Part. Präs, von adolescere 'auf-, heranwachsen', zu alere '(er)nähren, auf-, großziehen'), häufig in der lat. (fielet.) Form. Überwiegend fachspr., vor allem in der Medizin, Psychologie, Pädagogik und Soziologie, für eine je nach Einteilung der Altersstufen zeitlich unterschiedlich definierte
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Adonis
Entwicklungsphase des Menschen, "Lebensabschnitt zwischen Pubertätsbeginn und Erwachsenenalter (etwa vom siebzehnten bis zum zwanzigsten Lebensjahr), Jünglingsalter, nachpubertäres Lebensstadium', bes. in Zss. wie Postadoleszenz 'Phase nach der Adoleszenz' und Adoleszenzkrise. Dazu das seit späterem 16. Jh. (ROT) selten, erst seit Ende 19. Jh. häufiger nachgewiesene, aus gleichbed. lat. adolescens (zu adolescere, s. o.) entlehnte Subst. Adoleszent M. (-en; -en) 'junger Mann, Heranwachsender', im Pl. auch im Sinne eines Kollektivums für 'die Jugend, junge Leute an der Schwelle zum Erwachsenenalter', bes. in der Zs. Adoleszentenball 'Tanzveranstaltung zur Einführung Heranwachsender in die Gesellschaft'; heute vorwiegend fachspr., meist in der lat. (flekt.) Form Adolescens verwendet, vor allem in der Medizin, Pädagogik, Psychologie und Soziologie, in Zss. wie Adoleszentenkyphose 'adoleszentenspezifische Verbiegung der Brustwirbelsäule' und Adoleszentenstruma 'adoleszentenspezifische Vergrößerung der Schilddrüse'. Dazu in jüngster Zeit das gebuchte fachspr. Adj. adoleszent (ohne Steigerung) 'heranwachsend, in der Adoleszentenphase (sein)'. Adoleszenz: Schleich 1922 Alltäglichkeiten 75 die Jugend im Stadium des definitiven reifens, dem der adoleszenz oder keimenden pubertät (DWB N.); Ehrler 1935 Begegnungen 14 Zu jener Zeit gab es in Deutschland noch das, was man seine Adoleszenz nennnen könnte; 1953 Bildungsfragen 72 am Ende der zweiten Phase der Pubertätszeit, die man jetzt die Adoleszenz nennt; MM 31.3.1966 Die Mädchen treten dann mit fünfzehn . . in die Phase der Adoleszenz (DUDEN); Schwendter 1973 Subkultur 22 Lipset führt als Ursache [der Subkultur] die Ungewißheit der Studenten über ihre Zukunft an, . . Myers die lange, relativ ungestörte Adoleszenz der Jugend; Zeit 27.9.1985 Nach wie vor stimmt die „Postadoleszenz-Theorie" — verschiebt sich das Alter, in dem Jugendliche tradierte Rollen übernehmen; ebd. 4.4.1986 In Studentenzimmern sitzen auch heute ganz normale Jeansträger . . und bringen ungeschminkt ihre Adoleszenzkrisen hinter sich; ebd. 3.10.1986 Ein Mädchen im Niemandsland zwischen Kindheit und Adoleszenz, eine kindliche Erwachsene, erzählt die Geschichte eines erwachsenen Kindes; ebd. 13.3.1987 In der Adoleszenz sucht man sich Vorbilder und eifere ihnen dann sein Leben lang nach.
Adoleszent: Rot 1571 Diet. 287 Adolescent. Ein Jüngling/ ein Junger auffgeschoßner mensch/ sprüssel/ schweimling/ vngefehrlich von zwoelff Jaren/ biß auff das ein vnnd zweintzigest/ wirt gleichsam für wolgezogen genommen; 1617 Gesch. Kronstadt V 577 dem herrn pfarr [sollen] 3 dukaten [zukommen] . . den Studenten fl. 12, den adolescenten fl. 6 (DWB N.}; Goethe 1784 Zwischenkieferknochen (WA 11 8,110) Über die vel quasi Spur eines rudimenti ossis intermaxillaris bei Foetibus . . Zuweilen erhalten sich die Vestigia am Gaurn auch noch bei Adolescentibus; Hanslick 1894 Lebend. 225 Nichts Hübscheres, als wenn dieses Elternpaar vergnügt im Kreise seiner Kinder mittanzte, auf den zwanglosen Tanzabenden, die dort unter dem Titel „Adoleszentenbälle" hauptsächlich der reiferen Jugend gewidmet . . wurden; Berolzheimer 1910 Deutschland 412 sexuelle Aufklärung der Adoleszenten; Thieß 1929 Erziehung 146 zum erstenmal . . hatten junge menschen . . eine bestimmte lebensform errichtet, diese form hatte nur sinn für den adoleszenten und auch nur für den, der ein feurig werdender war, ein junger . . im sinne des freiheitsbegehrens (DWB N.).
Adonis, im 18. Jh. übernommener Name eines jugendlichen Helden der griechischen Mythologie, der von der Göttin Aphrodite seiner außergewöhnlich schönen Gestalt wegen geliebt wurde. Der Name wurde schon in der Antike appellativisch für den Typus männlicher Schönheit, insbes. des schönen Jünglings oder Liebhabers, gebraucht. l Seit Mitte 18. Jh. als Gattungsbezeichnung Adonis M. (-; selten Adonisse) eher bildungsspr. verwendet in der Bed. 'schöner, junger Mann, hübscher Jüngling' (—»· Beau), auch 'jmd., der auf sein Äußeres viel Sorgfalt verwendet', gelegentlich
Adonis
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scherzhaft oder ironisch gebraucht, bes. in den Wendungen schöner als Adonis, kein Adonis/nicht gerade ein Adonis sein 'nicht gerade besonders schön (eher ein wenig häßlich) sein' und als Bestimmungswort in Zss. wie Adonisfigur, -gestalt 'besonders schöne, hübsche Erscheinung'; seit dem 18. Jh. (s. Beleg 1789) selten auch für 'Liebhaber, Geliebter' (—* Galan). Dazu seit spätem 18. Jh. das trans, und meist reflex, verwendete V. jmdn./sich adonisieren 'jmdn./sich in einen Adonis verwandeln, schön machen, herausputzen', häufig in der Part. Perf.-Form adonisiert; vereinzelt das Verbalsubst. Adonisierung; im 19. Jh. die adj. Gelegenheitsableitung adonismäßig und das seit späterem 19. Jh. (1871 bei Sanders) gebuchte Adj. adonisch 'auf Adonis bezogen; schön wie Adonis'. Vgl. daneben das bereits seit dem 17. Jh. nachgewiesene, aus lat. versus adonius übernommene fachspr. Syntagma adonischer Vers als Bezeichnung für einen aus Daktylus und Trochäus bestehenden Kurzvers der antiken Lyrik, dafür auch das Subst. Adonius M. (-; -). 2 Schon seit Anfang 18. Jh. gebucht in der Botanik (wohl im Anschluß an das antike Sagenmotiv, demzufolge Adonis nach seinem Tod von Aphrodite in eine Blume verwandelt worden sein soll) auch als F. (-; -) zur Bezeichnung einer zu den Hahnenfußgewächsen gehörenden Blume, dafür auch Zss. wie Adonisröschen, -blume. Adonis 1: Zachariä 1754 Phaeton l 325 Willst du den holden Adonis; so lock ihn mit süßen Gesängen; Lessing 1760 Literaturbr. (VIH 265) Was weiß ich, ob Herr Geliert ein Adonis ist; Wieland 1767 Agathon (IV 140) ein Jüngling — schöner als Adonis; Müller 1789 Emmerich VI 232 der Homme de Chambre war der Adonis der ersten Kammerjungfer; 1802 Revolutions-Almanack 149 Wenn man das adonisiren heißt . . dann kann man nicht in Abrede seyn, daß unsere modernen Adonisse nichts weniger sind als eine Reminiscens des alten Adonis der Fabel; Kotzebue 1812 Pachter Feldkrümmel (W. XXVII 170) Ihr Nebenbuhler ist ja kein Adonis; Pückler 1841 Bildersaal III 372 Dieser Adonis hatte sich sehr an mich attachirt; Gutzkow 1855 Diakonissin 36 Diese forcierten, jugendlichen Adonisse; Grabowski 1863 Off. 105 und umhüllte seine Adonisgestalt mit dem grauen, rothgefütterten Schlafrock; Kürnberger 1876 Haustyrann 35 Er hatte röthliche Haare und Sommersprossen, die so stark waren, daß sie wie Flecke aussahen. Sein Auge war starr und ausdruckslos . . seine Handwurzeln grob, seine Füße breit. Er sprach wenig. . . Kurz, es war ein Jüngling „fürs practische Leben", wie die Leute sich ausdrückten; Ideelles war nämlich nichts an ihm. Dieser Adonis machte an einem der regnerischen Maitage . . dem Fenderhause seinen Besuch; Th. Mann 1927 Reden u. Aufs. (W. X 892) die Berliner Bilder . . mit den höchst niederträchtigen Schiebervisagen, dem üblen Kahlkopf, der mit dem ondulierten Adonis flirtet; Lokal-Anz. 17. 6.1934 Der Besitzer dieser Konditorei war . . ein stadtbekanntes Original, ein eingefleischter Junggeselle, dem die jungen Mäd-
chen seines galanten Wesens wegen den Namen „Zuckeradonis" gegeben hatten; Th. Mann 1954 Kruü (W. VII 605) was für einen Adonis bringen Sie mir da heute; Offenburger Tagebl. 8.7.1970 Endlich auch einmal ein nackter Mann auf dem Bildschirm. Ein Adonis ist Matthias Althuck zwar nicht, aber immerhin ein echter Naturwissenschaftler, der sich als Versuchsmensch für dieses Film-Experiment zur Verfügung stellte; Fruttero 1986 Palio (Übers.) 9 jetzt dreht sie sich gerade kokett zu dem (wie sie findet) umwerfenden Adonis an ihrer Seite. Hellblaues Hemd und Seidenschal (Gucci?), edle Denkerstirn, vom Segeln gebräunt; Zeit 6.3.1987 Das große Bett in Nolas Loft müssen drei Männer miteinander teilen: der romantische Möchtegern-Familienvater Jamie Overstreet, der selbstverliebte Adonis mit dickem Schlitten und Bizeps aus dem Fitneßstudio Greer Childs und der kleine intellektuelle Spinner Mars Blackmon; MM 27. 8.1987 Christopher Reeves . . schlüpfte in das blau-rote Kostüm und kam mit seiner muskulösen Adonisfigur dem gezeichneten Helden erstaunlich nah; 1990 Marie Ciaire X 108 Marlon Brando . . Der sich vom knackigen Adonis in den fünfziger Jahren zum 150 Kilogramm schweren Koloß heraussoff und -fraß; 1990 Cosmopolitan XI 68 Leider entpuppte sich dieser wundervolle Adonis in Sachen Haushalt als Pascha; 1994 Max XI 295 Wolf von Waldow, Hamburger Objektkünstler, hat sich Gedanken über Männerschmuck gemacht. Siegelringe, Panzerarmbänder und Goldkettchen waren allerdings nicht seine Sache, denn der Industrie-Designer und gelernte Goldschmied sieht den Mann weniger als Macho denn als Adonis mit angeborenem Spieltrieb.
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adonisch: Bartsch 1919 Heidentum 314 Ich empfinde den entsagungsmahnenden, adonisch schönen September wie eine Strahlenkrone um meine Schläfen, wie einen Erntekranz und wie einen Totenkranz. adonisieren: 1771 Bibliothek 197 wenn er aus einer galanten Zusammenkunft unter vier Augen entwischt war, stieg er auf die Kanzel der Wahrheit, er hatte das Aussehen eines adonisierten Cherubins; 1800 Journal d. Moden XV 204 unsere entadonisierten Marsgesellen; 1802 Revolutions-Almanach 149 Wenn man das adonisieren heißt. . dann kann man nicht in Abrede seyn, daß unsere modernen Adonisse nichts weniger sind als eine Reminiscens des alten Adonis der Fabel; Weber 1823 Ritter II 145 Es ist merkwürdig, daß noch heute der Teufel in abgelegenen Dörfern erscheint, adonisiert in ei-
nem rothgekleideten Cavalier, grünen Jäger oder wenigstens im Reitermantel; Dincklage 1870 Gesch. l 215 Ich bemerkte, daß Gert sich sehr adonisiert hatte; seine wunderlichen Locken waren gekämmt, er trug ein rothes Halstuch mit langen Enden; Bäumer 1928 Studien 24 vergebens legt der Herr Superintendent die Perücke ab und erscheint adonisiert und um zehn Jahre verjüngt. Adonisierung: Wezel 1790 H. u. U. H 421 Den größten Theil des folgenden Morgens brachte Herrmann mit seiner Adonisirung zu, und um elf war er schon völlig mit seinem neuen Staate angethan. adonismäßig: Wilbrandt 1889 Meister 67 du hast nie so — wie soll ich sagen — so verklärt, so adonismäßig ausgesehen.
adoptieren V. trans., Anfang 16. Jh. entlehnt aus lat. adoptare 'hinzuwünschen, hinzuwählen; an Kindes Statt annehmen, in die eigene Verwandtschaft aufnehmen', auch 'aufpfropfen' in Bezug auf Züchtung und Veredelung von Pflanzen (aus ad'hinzu' und optare 'wünschen, wählen, erwählen, aussuchen'). a Vor allem im Bereich des bürgerlichen Rechts in der Bed. 'jmdn. an Kindes Statt annehmen, mit allen Rechten und Pflichten des leiblichen Kindes versehen', daneben aber auch ohne juristische Komponente in bezug auf zwei Parteien, die sich in ähnlicher Weise nahestehen wie Eltern und Kinder, für 'sich jmds. annehmen, sich um jmdn. wie um ein eigenes Kind kümmern', seit dem 19. Jh. gelegentlich übertragen verwendet, z. B. in bezug auf Tiere. b Seit früherem 16. Jh. auch mit dem Akk. der Sache etwas adoptieren für 'etwas annehmen, etwas, das sich als plausibel oder nützlich erwiesen hat, von einem anderen übernehmen, sich etwas aneignen, zueigen machen', bes. bezogen auf Ideen, Vorstellungen, Gedankengut u.a., z. B. eine Maxime, eine Lebensform, einen Namen adoptieren. c Im 18. Jh. vereinzelt nachgewiesen in bezug auf das Züchten und Veredeln von Pflanzen in der Bed. 'aufpfropfen'. Dazu seit spätem 18. Jh. das Verbalsubst. Adoptierung F. (-; -en), meist in der Bed. 'Übernahme, Aneignung', z. B. von Ideen, Vorstellungen u.a. (zu b), im 20. Jh. vereinzelt auch für 'das Annehmen an Kindes Statt' (zu a), dafür meist—» Adoption a. Daneben das im früheren 16. Jh. selten, nur im Syntagma films adoptwus, erst seit Ende 18. Jh. häufiger nachgewiesene, auf lat. adoptwus 'zur Adoption gehörig, Adoptiv-' zurückgehende Adj. adoptiv, zunächst in der Bed. 'durch Adoptieren erlangt, zugesprochen, angenommen', z. B. in attributiven Wendungen wie adoptive Tochter, adoptiver Vater (zu a), dann auch für 'auserwählt, ausersehen, ausgewählt, sich (zu etwas) zugehörig, (mit etwas) verbunden fühlend', im 16. Jh. vereinzelt im lat. Syntagma filius adoptwus 'jmd., der zu etwas ausersehen, auserwählt ist' (s. Beleg 1537—38) und im 19. Jh. selten in Wendungen wie adoptive Vaterstadt (zu b). Seit dem 19. Jh. zunehmend nur noch als Bestimmungswort Adoptiv- in Zss. zur Bezeichnung solcher Verwandtschaftsgrade, die durch Adoption eines Kindes entste-
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hen — im Ggs. zu Verwandtschaftsgraden durch Geburt oder Heirat — so z. B. Adoptivkind 'adoptiertes Kind' (Adoptivsohn und -tochter), Adoptiveltern 'ein Kind adoptierendes Ehepaar' (Adoptivvater und -mutter), vgl. auch Adoptivbruder, -Schwester 'jmd., der per Adoption in das Verwandtschaftsverhältnis des Bruders/ der Schwester getreten ist', gelegentlich (s. Beleg 1850) auch übertragen verwendet (zu a); in der Geschichtswissenschaft die Zs. Adoptivkaiser als historische Bezeichnung für einen Herrscher der römischen Kaiserzeit (96 bis 192 n. Chr.), der nicht durch Geburt, sondern durch Adoption zur Macht gelangte (s. Beleg 1960), mit der dazugehörigen Ableitung Adoptivkaisertum als Kollektivbezeichnung für das entsprechende Phänomen, im Ggs. zu Dynastieprinzip (zu a); bes. im 19. und frühen 20. Jh. auch in Zss. wie Adoptivvaterland, -heimat 'Vaterland, in das man nicht hineingeboren wird, sondern das man sich selbst aussucht, dem man sich verbunden fühlt, Wahlheimat' (zu b). adoptieren a: 1511 (Tengler 1514 Leyenspiegel 31b) wie die selben adoptierten oder arrogierten kinder erben oder mitt der ee zugelassen, mag bey den recht gelerten ersucht . . werden (DWB N.); Carton 1532 Chronica 76a Julius halt diesen Octavium Augustum adoptirt, daher hat er den namen Caesar gehabt; Kirchhof 1563 Wendunmut 375 Darnach, wann solche kindlein ein wenig erwachsen, kommen reiche burger, die auch wol heimlich ire vätter seyn und nemmen zun zeyten etliche herauß, die an kindsstatt zu adoptieren und zu behalten; 1599 NölREntw. V 66 seind die kinder, so adoptirt vnd an kindstatt auferzogen werden, nicht lehenßerbfähig (DRW); Dalhover 1689 Gartenbeetlein II 47a der obigen königlichen Tochter vngleich, als welche den hospes, erst lang darnach adoptiert, allzeit erkennet; Lessing 1780 Mätresse 110 Wissen Sie, was adoptieren heißt, gnädige Frau? An Kindesstatt annehmen; Heynatz 1797 Antibarbarus II 608 adoptirtes Kind; Latz 1869 Alchemie 408 Das Licht des ersten Schöpfungstages adoptiert Sonne, Mond und Sterne, wirft sich als deren Adoptivvater, kurz als Vater auf; 1909 (Rosegger 1914 Ges. W. V 380) dieser [junger Kuckuck] war . . vom schwalbenpaar längst adoptiert (DWB N.); Berl. lllustr. Nachtausg. 13.3.1933 Es wird dann erörtert, wie es aus den Beziehungen Hintzes zu Frau Bindernagel zur Geburt der kleinen Erika kam, die Hintze dann später adoptierte; Bild 31.1.1967 seitdem Anita weiß, daß sie kein Baby bekommen kann, möchte sie für sich und Ehemann Rick van Nutter (37) ein Kind adoptieren; Becker 1969 Jakob 82 adoptieren soll nicht so einfach sein; MM 28.12.1985 Aus verschiedenen Bemerkungen der älteren Dame haben wir nun den Eindruck gewonnen, daß sie sich mit dem Gedanken trägt, den jungen Mann zu adoptieren, um ihm die Rückkehr in sein von Krisen geschütteltes Land zu ersparen; Spiegel 30.7.1990 Fritzchen entwikkelt unterm Zuschauen echtes Interesse am Beruf seines adoptierten Opas.
Adoptierung: Berl. lllustr. Nachtausg. 19.1.1933 Eheschließungen, Scheidungen oder Adoptierungen. adoptiv: Luther-Emser 1521 Str. I 30 wie wyr nicht rechte oder naturliche kinder gotes seyen, sonnder allein filii adoptiui; Garve 1798 Fragm. I 66 daß Marc-Aurel . . mit diesem seinem adoptiven vater in einem hause wohnen . . konnte (DWB N.); Mozin 1856 Wb. HI 48c adoptiver söhn . . adoptive mutter (DWB N.). Adoptiv-: 1798 RepRecht l 284 adoptivkinder . . der rechte meistersöhne nicht teilhaftig sind (DRW-Archiv); Wagner 1850 W. III 47 die großen . . irrthümer des volkes . . haben sich in diesen Wissenschaften [Theologie und Philosophie], namentlich vermittelst ihrer adoptivschwester, der staatsweisheit, zu mächten erhoben (DWB N.); Holtet 1860 Eselsfresser 39 Clara, der alten halbverrückten, wenigstens etwas verdrehten Gräfin Schlossing Adoptivtochter; Rodenberg 1860 Insel d. Heiligen I 117 gegen meinen Londoner Adoptivbruder; 1897 Sie war reizend W Sie hatte einen Stiftzahn, einen Fremdling, ein Adoptivkind in der langen, glänzenden Reihe ihrer niedlichen Perlzähne; Barsch 1905 Von einem, der auszog 400 Am merkwürdigsten war eine Geschichte, in der ich ein Adoptivsohn Rothschilds wurde und auf diese Weise so unermeßliche Reichthümer gewann; Voss. Ztg. 26.9.1929 Die Frau seines im Kriege gefallenen Adoptivvaters war an Flecktyphus gestorben; Welt 22.2.1954 Die Polizei in Montreal ist einem großen Schmugglerring auf die Spur gekommen, der illegal Kinder an Adoptiveltern in den USA verkaufte; Ploetz 1960 Gesch. 290f. Die Vollendung der Monarchie: die Adoptivkaiser . ., daß der Beste unter den führenden Bürgern Kaiser wird durch Adoption; Welt 17.10.1969 Auch von seiner Adoptivtochter gibt es Bilder, ebenfalls von seiner
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Frau; MM 15.11.1985 Erziehungsgeld gibt es auch für Adoptiv- und Stiefkinder; ebd. 28.3.1987 Vor einigen Jahren haben wir einen Großteil unseres Vermögens unserem Adoptivsohn geschenkt; Spiegel 30.7.1990 Die Adoptivmutter schlug Kleiderbügel an ihm kaputt; FAZ 22. 9.1990 Denn weder werden Kinder, die zur Adoption freigegeben sind, von ihren leiblichen Eltern „verloren" oder „verschenkt", noch so ohne weiteres von den Adoptiveltern „gefunden". adoptieren b: Paracelsus 1537-38 S. W. l 12,123 das buch der Offenbarung, das wird nimer keiner auslegen, er sei dan ein magus geborn oder adopirt . . nicht aber das diser magus von den natürlichen stern geboren werde, sonder von dem übernatürlichen himel, da entspringen die magi aus; Mencke 1710 vermischte gedickte, darinnen, so wol allerhand ehrengedichte . . als auch einige adoptirte gedickte . . enthalten (Titel) (DWB N.); Gleim 1755 Br. a. Ramler (W. U 219) man müßte sie [die Veränderungen] wohl nur der Musick zu gefallen gemacht haben, wenigstens mögte er sie nicht gern durchgehends adoptiren; 3766—67 Merkwürdigkeiten 369 die aus unsern altern Dichtern adoptieren; Schiller 1792 Dreißigjähriger Krieg (W. VIII 413) ET hatte die Maxime seines Vorgängers adoptirt; Schopenhauer 1844 Sprache (Nachlass 121) Kaum bin ich über eine neue grammatische und orthographische Eselei erschrocken, so sehe ich auch schon andere Schreiber sie eifrig adoptieren und nachschreiben; Mahler 1860 Milit. Bilderbuch 172 Hierbei möchte ich erwähnen, daß . . auch schon zur Zeit, als dieses Genrebild Wirklichkeit war, von Honoratiorentöchtern eine männliche Tracht, nur etwas verändert und Spitzen daran, adoptirt worden war; ders. 1864 Ueber die Eider 179 Dergleichen Schuhwerk hatte er . . für Winterreisen adoptiert; Roggenbach 1866 Br. 53 die andere Ansicht adoptieren; Rutenberg 1877 Zinne 182 ich adoptire Ihre Sprechweise; 1898 ]bb. für dt. Armee C/X 39 Unsere Nachbarn haben eine längere Dienstzeit adoptiert, viele eine zwanzigjährige Dienstzeit; Eckstein 1898 Camilla 222 Schweigen, schweigen, wie ein sechsfach versiegeltes Grab — das war von jetzt ab die feierlich adoptirte Losung des Schwergeprüften; Th. Mann 1916 Reden u. Aufs. (W. X 571) die Weigerung, „Unglaubliches zu glauben, feierlichen Trug zu adoptieren oder angeblich von geistlichem Mondschein zu leben"; Voss. Ztg. 8.6.1930 viele Einfalle, die ich hatte auch die bescheidensten — sind kurz darauf von ändern liebreich adoptiert worden; Knemeyer 1970 Regierungs- u. Vertvaltungsreformen o. S. Eine Empfehlung des Präfekten Keverberg, das westphälische System insgesamt zu adoptieren .., wurde von der Kommission zurückgewiesen; MM
3.8.1985 Franzosen müssen eine Fremdsprache als zweite Muttersprache adoptieren. Adoptierung: Wieland 1782 Gespr. (XX 350) sollte uns Katholiken in Adoptirung eurer [protestantischen] Grundsätze über diesen Punkt ein wenig behutsam machen; Stein 1808 Sehr. III 904 von denen, die sich durch adoptierung dieses systems beliebt und wichtig zu machen gedenken (DWB N.); Szarvady 1852 Paris I 406 dies war die Adoptirung des allgemeinen Stimmrechts; Holstein 1905 Papiere IV 313 daß er nicht einsieht, wie er durch die adoptierung des declasseprogrammes dem declasse selber . . wieder auf die beine hilft (DWB N.). adoptiv: Paracelsus 1537-38 S. W. l 12, 109f. also soll ir auch wissen von der inclination auf die viert species, das das gestirn etwan ein doctrin zuricht, die sie durch den menschen offenbar machen wil, so eligirt sie einen, durch welchen sie es volende. also ist in der doctrin filius adoptivus gewesen Albertus Magnus . . also auch bereit das gestirn ein besondere kunst oder ein besondere geschiklikeit in kaufmannschaft. und so sie kein gebornen son hat, durch den sie es volende, so eligirt sie einen, also ist filius adoptivus zur kunst gewesen Albertus Durer von Nürnberg, zur kaufmannschaft ist filius adoptivus der Fucker von Augspurg; Goethe 1813 Br. (WA IV 23,417) Seit vierzehn Tagen hat sich leider meine adoptive rechte Hand kranckheitshalber in's Bette gelegt und meine angebohrne Rechte ist so faul als ungeschickt; Bluntschli 1881 Denkwürdiges III 237 er [Wackernagel] war ein grosser gelehrter als germanist. . ein warmer freund seiner adoptiven Vaterstadt Basel (DWB N.). Adoptiv-: vor 1871 Nat. B. XXI 190 Die Naturalisation des Adoptiv-Bürgers (SANDERS 1871); Dingelstedt 1879 Bilderbogen 130 Dies sein Adoptiv-Vaterland liebte Dönniges wirklich und warm; er glaubte an eine hohe Sendung, eine schöne Zukunft Bayerns; Morfl896 Dichtung I 397 Adoptivheimat; Voss 1905 Ges. Reden 52 Mag es nun aber auch Meinungsverschiedenheiten . . unter den verschiedenen Völkerstämmen geben, denen Amerika zur zweiten Heimat geworden ist, in einem Punkte sind sich alle ohne Ausnahme einig, in der Liebe zu ihrem Adoptiv-Vaterland; Chamberlain 1910 Br. l 236 wenn nicht bezichtigt, so doch verdächtigt, des Verrates gegen mein Adoptivvaterland, wo ich Gastrecht genieße; 1915-16 Polit.-anthropol. Monatsschr. XIV 464 wenn er anders sein Mutterland weniger und sein Adoptiv-Vaterland dafür mehr liebte. adoptieren c: Schiller 1769 Ökonom. Beyträge I 259 Die Baumzucht ist eine Wissenschaft vom
Adoption Pflanzen, Versezen, adoptiren ausbuzen und sonstigem Handthieren; ebd. I 321 das Pfropfen oder
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überhaupt das adoptiren der zahmen Obst-Gattungen.
Adoption F. (-; -en), Anfang 16. Jh. entlehnt aus lat. adoptio, Gen. adoptionis, 'Annahme an Kindes Statt; (in der Pflanzenveredelung und -zucht) Einpfropfen' (zu adoptare, —»· adoptieren); vom späten 16. bis ins 19. Jh. (1863 bei Kaltschmidt) selten gebucht in der auf lat. adoptatio, Gen. adoptationis, zurückgehenden Nebenform Adaptation. a Vor allem im Bereich des bürgerlichen Rechts in der Bed. 'Annahme an Kindes Statt, juristischer Akt der Annahme eines nicht eigenen, aber durch die Annahme mit allen Rechten und Pflichten des leiblichen Kindes versehenen Kindes'; dabei ist neben der Annahme einer minderjährigen auch die einer erwachsenen Person möglich sowie in neuester Zeit die Adoption von fremden befruchteten Eizellen, die die adoptierende Mutter selbst austrägt, vgl. das fachspr. Syntagma pränatale Adoption (s. Beleg 1985); häufig in der Wendung jmdn. zur Adoption freigeben 'in die Adoption einwilligen' und in Zss. wie Adoptionsrecht, adoptionsberechtigt, -willig, Ersatzadoption (s. Beleg 1962); gelegentlich übertragen verwendet im Sinne von 'Fürsorge für etwas, Patenschaft' (s. Beleg 1949); —» adoptieren a. Dazu seit frühem 19. Jh. nur gebucht die subst. Ableitung Adoptianer als historische Bezeichnung für einen Sektierer (vor allem des 8. Jhs. in Spanien), nach dessen Vorstellung Christus ein Mensch gewesen und erst seiner Außerordentlichkeit wegen von Gott adoptiert worden sei, also erst durch Adoption göttlichen Status erreicht habe, in neuester Zeit dafür auch Adoptianist M. (-en; -en); seit späterem 19. Jh. (gebucht 1871 bei Sanders) die dazugehörige subst. Ableitung Adoptianismus, auch Adoptionismus M. (-; ohne PL) 'Lehre, Bewegung der Adoptianer'. b Seit Ende 18. Jh. auch allgemeiner verwendet in der Bed. 'Annahme, Übernahme, Anerkennung, Billigung, Genehmigung', in bezug auf Ideen, Vorstellungen, Systeme u.a., mit den im 18./19. Jh. nachgewiesenen Zss. Adoptionsmaurerei als Bezeichnung für die von der eigentlich allein männerbündlerischen Freimaurerei anerkannte (adoptierte) Freimaurerei der Frauen, und entsprechend Adoptionsloge; —» adoptieren b. c Im 18. Jh. vereinzelt nachgewiesen für 'Einpfropfen' in bezug auf Pflanzen, vor allem Bäume, die den eingepfropften Reiser sozusagen adoptieren sollen, d. h. wie etwas Eigenes mit lebensnotwendigen Stoffen versorgen; —> adoptieren c. Adoption a: 1511 (Tengler 1514 N. Leyenspiegel 19b) durch rechtlich adoption oder arrogation ains kindes on die natur (DWB N.); Sacerius 1559 Pastorale 146a Adoption. Diese tregt sich zu wenn ein frembt Kind zum Son oder Tochter adoptieret oder auffgenommen wird; Lessing vor 1781 W. VIII 242 Ich weiß nicht anders, als daß die Adoption auch unter uns, auch jetzt noch gebräuchlich, und vollkommen auf den nämlichen Fuß gebräuchlich ist, wie sie es bei den Römern war (KEHREIN); Schiller vor 1805 W. XVII177 Die Schönheit ist . . als die Bürgerin zweier Welten anzusehen, deren einer sie durch Geburt, der ändern durch Adoption angehört (KEHREIN); Bergk 1806 Ver-
stehen 23 Napoleon hat durch die Ausfindigmachung der Adoption [seiner Verwandten] .. das leichteste Mittel zur unmittelbaren Herrschaft über ganz Europa entdeckt; Schmalz 1818 Privatrecht 241 Adoptionen und Arrogationen sind in Teutschland sehr selten; Th. Mann 1923 Nachtr. (W. XIII 279) Der junge Tolstoj ist, wie man hört, zu seinem großen Familiennamen nur durch Adoption gelangt; Tempo 19.3.1932 . . sagte meine Frau wie im Scherz: „Dann bist du ja adoptionsberechtigt." Ich fühlte, es war mehr als ein Scherz, es war das heiße Verlangen von ihr, daß ich mich nach einem Adoptivkind umsehen sollte; Süddtsch. Ztg. 5.2.1949 Auf Anregung eines ausgewanderten
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Adressat
Mellrichstädters wurde auf einer Bürgermeisterversammlung in St. Cloud (Minnesota) die Adoption von Mellrichstadt beschlossen. In einem Schreiben des Bürgermeisters von St. Cloud an die Stadt Mellrichstadt wurde die Patenschaft . . bestätigt; Mühlmann 1962 Homo 327 Ein anderer Typus der Adoption ist die Eingliederung eines Fremden als Ersatz für einen verlorenen Genossen. Von dieser „Ersatzadoption" gibt es verschiedene Varianten; Welt 16.5.1974 vom Familienrecht über das Adoptionsrecht, Strafvollzugsrecht, Mietrecht, Verbraucherschutz bis hin zum Sexualstrafrecht; Zeit 11.1.1985 Und in den Familien gibt es kein Versteckspiel um die Adoption, keine ängstliche Verlegenheit, ob die Bekannten ein Kind als 'angenommenes' erkennen oder nicht; ebd. 24. S. 1985 die pränatale Adoption, also eine Chance für ein Ehepaar, das keine gesunden Ei- und Samenzellen hat, dennoch zu einem Kind zu kommen (das dann aber genetisch nicht mit den „Adoptiveltern" verwandt wäre); ebd. 19.7.1985 Drei Parteien sind jeweils an der Adoption beteiligt: das Kind, die Adoptiveltern und die dritte, die dunkle Seite — die abgebenden Mütter, wie es so schön heißt im Zungenschlag der Ämter; Fruttero 1986 Palio (Übers.) 150 die abnorme Wucherung der Familie . . mit ihren Tentakeln an Vettern, Schwestern, Schwägern, . . Abtreibungen, Adoptionen; MM 13.6.1986 Die Kleinen waren in den ersten vier Lebensjahren zur Adoption freigegeben worden; ebd. 4.7.1986 Freigabe zur Adoption; ebd. 1.10.1987 Der Ministeriumssprecher verwies außerdem darauf, daß Verträge zwischen Vermittlern, Leihmüttern und adoptionswilligen Eltern in der Bundesrepublik sittenwidrig seien; ebd. 11.4.1988 Von 35 zur Adoption freigegebenen Sprößlingen konnte das Jugendamt im vergangenen Jahr 26 endgültig mit einer Familie zusammen-
bringen; ebd. 9.10.1990 Das Gesetz schreibt vor, daß die Vermittlung von Adoptionen nur durch amtlich zugelassene Stellen möglich ist. Adoptianismus: Reuter 1877 Rel. Aufklärung 12 Durch sie war auch in Italien . . der durch die Doctrinen Abälards und Gilberts begründete Adoptianismus verbreitet; 1939 Bilder Frankfurt 12 Der Adoptianismus . . behauptete eigentlich eine doppelte Sohnschaft, die Sohnschaft der göttlichen Person, des natürlichen Sohnes Gottes, und die Sohnschaft der menschlichen Natur, eine Adoptivsohnschaft; Partner 1964 Erben 401 In diesen Bauten hat wahrscheinlich das berühmtgewordene Konzil gegen Bildverehrung und Adoptianismus des Jahres 794 Obdach gefunden. Adoptianist: Borst 1988 Barbaren 60 Wenn die spanischen Adoptianisten Christus für einen Adoptivsohn Gottes erklären, so wollen diese Frevler Christus einen neuen Namen auferlegen. Adoption b: Reinhard 1797 Gesellschaft. Mensch 12 ein gegebenes, welches . . erst durch annähme, adoption, billigung, mein wird; Ludwig 1862 Sehr. VI 452 welchen aufschwung wird die diplomatische politik durch die adoption . . [von] ideen nehmen (beide DWB N.); Stuttgarter Ztg. 29.10.1962 An einigen Vergleichen demonstrierte er, daß man auf den verschiedensten Niveaustufen seine Meinung „adoptieren" könne. Jeder aber sei bestrebt, seine Adoptionsquellen zu verbergen — beispielsweise hinter der „angeborenen Überzeugung". Adoption c: Schiller 1795 Baumzucht 54 Am allerdeutlichsten aber zeigt sich die Kraft des ersten Keims in allen Theilen seiner Ausgeburt an den Baumgewächsen, bey der Adoption.
Adressat M. (-en; -en), im späteren 18. Jh. mit dem lat. Suffix -at gebildete subst. Ableitung zu —*· Adresse 3 a 'Anschrift des Empfängers (auf) einer Postsendung'. In der Bed. 'jmd., an den eine Postsendung gerichtet wird, Empfänger einer Postsendung, Brief-, Paketempfänger'; häufig auch übertragen gebraucht im Sinne von 'jmd., an den eine Botschaft, Mitteilung, Warnung, Bitte, Kritik-, Lob-, Hoffnungsäußerung gerichtet ist', bezogen auf Personen(-gruppen), Institutionen o.a., bes. in den wertenden Wendungen der richtige/falsche Adressat sein (s. Beleg 1988). Daher seit Anfang 20. Jh. zunehmend auch in der Bed. 'intendierter Zuschauer, Zuhörer, Zielperson', bes. im Pl. für 'anvisierte Zielgruppe, angesprochene Zuhörerschaft, intendiertes Publikum', z. B. die Adressaten einer (demonstrativen) Handlung, einer Kunstausstellung, eines Romans, Films, Wörterbuchs (s. Beleg 1985). Dazu die seit früherem 19. Jh. nur gebuchte, mit dem lat. Suffix -ant (ebenfalls zu —>· Adresse 3a) gebildete subst. Ableitung Adressant M. (-en; -en) 'Absendender, Brief Schreiber', heute verdrängt von Absender.
Adresse Faulhaber 1761 Gesch. Postwesen 166 die Eröffnung .. eines angekommenen Fässeis mit Geld im Beisein des Adressaten Werner und Hassel vorzunemen (SCHIRMER, Kaufmannssprache); Tb. Mann 1896 Erz. (W. VM 52) Ich erhielt eine Adresse in Südtirol, und mein Brief, der dorthin abging, gelangte an mich zurück mit der Bemerkung, der Adressat habe, ohne ein Reiseziel anzugeben, den Ort schon wieder verlassen; ders. 1901 Buddenbrooks (W. I 695) Sobald seine Verehelichung ruchbar wurde, richtete Frau Permaneder an Frau Aline Buddenbrook zu Hamburg einen langen feindseligen Brief, der . . in sorgfältig vergifteten Worten die Erklärung enthielt, daß Frau Permaneder weder die Adressatin noch ihre Kinder jemals als Verwandte anzuerkennen gesonnen sei; Barsch 1905 Von einem der auszog II 381 Ich schilderte in Kürze meinen Lebensgang und richtete zum Schluß an den Adressaten die inständige Bitte, mir zu helfen; Hammerstein 1916 Februar 16 Sie erhob sich mühsam, nahm den Brief, trat zum Schreibtisch und legte ihn zu anderen Korrespondenzen, die dort bereits ihres Adressaten harrten; Tb. Mann 1948 Reden u. Aufs. (W. IX 726) Ausrufe, die er an viele Adressaten, darunter auch an die ohne Abschied verlassene Charlotte richtete; Süddtsch. Zig. 30.4.1957 Denn während die vielen . . Warnbriefe und -noten an Norwegen, an Dänemark, an Macmillan, an Griechenland, zuletzt an die Bundesregierung immer nur an einen einzelnen Adressaten gerichtet waren, . . geht Mikojans Erklärung unmittelbar an den Gesamt-Adressaten. Sie geht .. an die NATO-Minister; 1963 Probleme der Kunstwiss. I 51 Adressat der Kunstwissenschaft; Welt 4.6.1974 Helmut Schmidt ist offen-
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kundig der Adressat dieser Botschaft des SED—Sekretärs; MM 2.3.1985 Der Adressat dieser Proteste — die CDU/CSU-Fraktion im Bundestag — erklärt, daß es sich zunächst um einen Vorstoß einzelner Abgeordneter handele; ebd. 17.5.1985 Mit diesem gefälschten Schreiben wollen die anonymen Absender mit den Adressaten ins Geschäft kommen, und zwar auf simple Weise; Zeit 6.4.1985 An Adressaten jedenfalls ist kein Mangel: Buchhersteller und Graphik-Designer, alle, die mit Schrift Umgang haben, und Buchhändler sollten sich aufgerufen fühlen, Lehrer an Berufs- sowie an Höheren Fachschulen, aber auch Leser, die am sinnlichen Gebrauch von Schrift ein Vergnügen haben; MM 9. 5.1985 Mit ihrem vielbeachteten Bändchen „Milena antwortet" gelang Ria Endres 1982 der reizvolle Versuch einer literarischen Annäherung an jene Frau, die lediglich als Adressatin von Kafkas „Briefen an Milena" berühmt geworden ist; ebd. 27.12.1985 Als Adressat der Retrospektive im Haus der Kunst muß das breite Publikum gelten, das nach seinen Lieblingsbildern sucht und sie auch findet; Zeit 10.1.1986 George Sand hat die Geschichte zuerst ihren Enkelinnen erzählt, und oft ist der kindliche Adressat noch erkennbar; ebd. 10.1.1986 Die Deutsche Bank .. mag der falsche Adressat für die Entschädigungsmahnung gewesen sein; ebd. 30.5.1986 Dennoch ist die EVUs der falsche Adressat für den jetzt wieder auflebenden Widerstand; ebd. 10.4.1987 Ziel von Heines Angriffen war Madame Wohl, die Adressatin und Muse Bornes; MM 10.9.1987 Werbeprospekte belästigen den Adressaten ebenso stark wie individuell gestaltetet Briefwerbung; ebd. 24.6.1988 Der zweite Preis fand dagegen in dem Tschechen Jan Sverak den richtigen Adressaten.
Adresse F. (-; -n), im frühen 17. Jh. entlehnt aus gleichbed. frz. adresse (< altfrz. adrece 'Richtung, Richtweg, richtige Gelegenheit', zu adrec(i)er, —* adressieren), anfangs unter engl. Einfluß (vgl. 4) gelegentlich auch in der Schreibform Address(e). 1 Zunächst bis Anfang 19. Jh. in der Bed. 'Geschicklichkeit, Gewandtheit, Wendigkeit, Anstelligkeit, Tüchtigkeit' (vgl. frz. adroit 'geschickt, gewandt', —> adrett a). 2 Im 17.718. Jh. in der Bed. 'Zugang, Zutritt, Gelegenheit', oft in den Wendungen Adresse suchen, finden, geben und jmdm. Adresse machen 'jmdm. Zugang (zu jmdm.) verschaffen', z. B. zu den der Karriere förderlichen Persönlichkeiten, zu höheren Gesellschaftskreisen, zur Dame des Herzens. Von daher selten im 18. Jh. auch für 'Empfehlungsschreiben', mit dem der Schreibende den Briefüberbringer dem Adressaten empfiehlt (s. Belege 1782, 1795-96), dafür vereinzelt die Zs. Adreßbrief (s. Beleg 1790). 3a Seit früherem 17. Jh. zunächst in der Kaufmannssprache, dann bald auch allgemeiner in der heute üblichen Bed. 'Angabe des dauerhaften oder vorübergehenden Aufenthaltsortes einer Person; Wohnungsangabe, Anschrift', z. B. des Empfängers auf einer Postsendung (vgl. die Zs. Adressenfenster 'durchsichtiger Teil eines Brief-
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Umschlags, in den die Postadresse geschoben wird'), bes. in Wendungen wie sich jmds. Adresse geben lassen, notieren, jmdm. seine Adresse hinterlassen und als Vermerk auf Briefsendungen per Adresse 'an die Anschrift (einer dritten Person), zu erreichen über'. Als Bestimmungswort in Zss. wie Adreßbrief (18. Jh.) 'Begleitbrief mit der Anschrift des Empfängers einer Frachtsendung', Adreßkontor (18. Jh.), dafür zunehmend seit dem 19. Jh. die aus gleichbed. frz. bureau d'adresses lehnübersetzte Zs. Adreßbüro, heute meist Adressenbüro 'Betrieb, der Adressen (z. B. von Firmen, Berufssparten, Geschäftszweigen) zusammenstellt und an Interessenten (z.B. Stellungssuchende) verkauft, Auskunftsbüro'; Adreßkalender (18. Jh.), zunächst für 'Verzeichnis des zum Hof-, Zivil- und Militäretat gehörenden Personals in Rangordnung mit Titel, gelegentlich mit Anschriften; Hof-, Staatskalender' (s. Beleg 1759), dafür seit Mitte 19. Jh. zunehmend Adreßbuch '(alphabetisches) Verzeichnis der Einwohner, Firmen, Behörden, Einrichtungen usw. einer Stadt oder einer bestimmten Region, eines Landes', dafür auch die Zs. Adressenverzeichnis; im 20. Jh. die Berufsbezeichnung Adressenschreiber für jmdn., der gegen Lohn (z. B. für eine Firma) Umschläge mit Adressen versieht, mit der vereinzelten Ableitung Adressenschreiberei. Auch als Grundwort in Zss. wie Heimat-, Privatadresse, Deckadresse 'falsche, fingierte Anschrift, die jmds. wahre Identität verbergen soll', Anlaufadresse 'Anschrift einer (öffentlichen) Stelle, an die man sich zunächst mit einem bestimmten Anliegen richten kann'. Seit dem 18.719. Jh. auch übertragen (z. B. auch im Sinne von —* Adressat) verwendet in Syntagmen wie (eine) gute, feine Adresse, (die) beste, (die) erste Adresse 'eine vornehme Wohngegend, ein exklusiver Wohnort' (s. Beleg 1985), auch bezogen auf Personen, Institutionen, Firmen oder Ladengeschäfte für 'eine führende, renommierte Persönlichkeit, ein exklusives, empfehlenswertes Geschäft' (s. Beleg 1796); sich an die richtige Adresse wenden 'sich an die zuständige Stelle wenden'; bei jmdm. an die falsche Adresse kommen/geraten 'an den in bezug auf das jeweilige Anliegen nicht zuständigen, nicht verantwortlichen Ansprechpartner geraten, an den Unrechten kommen (und abgewiesen werden)'; in neuerer Zeit zunehmend im Zusammenhang mit appellierender Rede gebräuchlich in der Wendung etwas an jmds. Adresse richten, z. B. eine deutliche Warnung an die Adresse eines Ministers richten 'mit einer deutlichen, öffentlich vorgebrachten Warnung einen Minister persönlich ansprechen' (s. Beleg 1967), dabei selten auch generalisierend verwendet, z. B. etwas an die Adresse Washingtons, an die Adresse des Nationalsozialismus richten (s. Beleg 1985). Daneben die im 18.719. Jh. selten nachgewiesenen speziellen Verwendungen 'Anschrift des Schuldners in einem Wechselgeschäft, Zahlungsort eines Wechsels' (s. Beleg 1698), im 19. Jh. 'Namenszug des Verlegers unter einem Kupferstich' (s. Beleg 1827) sowie 'Begleitzettel bei der Spedition von Postsendungen, der die Anschrift enthält' (s. o. Adreßbrief). b In neuester Zeit auch im Bereich der elektronischen Datenverarbeitung in bezug auf das Speichern und Abrufen von Informationen in der Bed. 'Kennzeichen oder Symbol für eine bestimmten Speicherzelle in einer Rechenanlage', bes. in Zss. wie Speicheradresse 'Name/Nummer des Speichers, in dem sich eine Information befindet' und Adressendatei, sowie in der Wendung an die Adresse des Rechenwerks richten (—» adressieren 3b).
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4 Seit spätem 17. Jh. unter Einwirkung von engl. address (Parlamentssprache) 'vom Parlament an den König gerichtete offizielle Note, Bittschrift' (< frz. adresse in seiner schon früh veralteten Bed. 'Anrede, Hinwendung'), anfangs vereinzelt mit engl. Pl.-s. Zunächst im politischen Bereich in der Bed. 'an eine hochgestellte Persönlichkeit oder Institution, an ein Gremium o.a. gerichtete, offizielle schriftliche Mitteilung, Botschaft, Willensbekundung, Meinungsäußerung, Denkschrift, Eingabe, Note' (—»Petition, —»Resolution), bes. in Zss. wie Adreßdeputation 'Abordnung zur Überreichung einer politischen Adresse'; seit dem 19. Jh. auch allgemeiner und eher bildungsspr. verwendet als Bezeichnung für verschiedenste, meist offizielle Schreiben feierlichen Charakters, je nach Inhalt im Sinne von 'Bittgesuch, Grußschrift, Glückwunsch-, Dankschreiben', bes. als Grundwort in verdeutlichenden Zss. wie Dank-, Gruß-, Glückwunsch-, Huldigungs-, Ergebenheitsadresse. Adresse 1: Wallhausen 1617 Corpus milit. 66 Die Hurtigkeit und adresse in den Waffen/ ist ein sehr nothwendiges stück an einem Kriegsman; Leibniz 1670 Sec. publ. H (Guhrauer l 227) und hat man im teutschen Kriege der italiänischen Tapferkeit oder auch Addresse in Kriegssachen wenig Proben gespüret (BRUNT); 1689 Polit. Fliegenwedel i 73 Es wäre doch eine sonderbare Adresse und Geschicklichkeit viel zu begehren/ und dadurch zu machen/ daß/ wenn der andere etwas Ansehentliches gibet/ solches ihn nicht eben schwär oder verdrießlich ankomme; 1706 Hazards LebensGesch. 32 worauff er sich niederlassen solte/ mit Befehl seine adresse und Glück im Spiel gegen die gnädige Herrschafft zu versuchen; Nicolai 1779 Berlin 722 Einem Francken, der Gesellschaftlichen Umgang liebt, wird es, wenn er nur einige Adresse hat, aber nicht schwer werden in Familien bekannt zu werden und an den Vergnügungen derselben Theil zu nehmen; 1803 Europa l 2,134 der sieg, den . . die französischen Chirurgen durch körperliche addresse davon tragen (DWB N.). Adresse 2: Schupp 1657 Freund i. d. Not 62 Ich will dir mit Gottes Hülff adresse machen, so lang ich lebe. Trachte darnach, daß du für allen Dingen die vornehmste grosse Reichs- und Ansee-Stadt wol besehest; Weise 1673 Erznarren 192 Mops. Ihr möcht wol selbst ein Eulenspiegel seyn. Euryl. Ich wolle viel schuldig seyn, daß ichs wäre, so hätte ich ohne Zweiffei bey dem Herren bessere addresse als itzund; Riemer 1684 Polit. Passagier 241 Tribellius wolte inzwischen sich auch gerne bey denen Frantzösischen Damen adresse machen, umb zuweilen einigen Zeitvertreib zu haben; Weise 1693 Näicher 96 und wolt sich an einem unbekannten Orte als einer von Adel aufführen, und absonderlich bey dem Frauen-Zimmer alle mögliche Adresse suchen; Menantes 1709 Satir. Roman II 120 Haben Sie Plaisier an einer halben Affection, . . so können Sie gleich Adresse finden; 1711 gelehrte Fama 364 Der Verleger dazu war Joh. Chri-
stian Marchand/ an welchen die Liebhaber der Medaillen . . ihre adresse machen müssen; Schiller 1782 Br. I 78 so habe ich gute Adressen an große Gelehrte, an Fürsten; Bahrdt 1790 Leben III 201 ich . . wüste mir . . keine wirksamen Adreßbriefe zu verschaffen, weil ich gerade an den Adel und die Kaufmannschaft empfohlen seyn mußte; Goethe 1795-96 Lehrjahre (HA VII 238) Zuerst wollte er die hülfreiche Herrschaft aufsuchen, . . zugleich die Handelsfreunde, an die er mit Adressen versehen war, besuchen und die ihm aufgetragenen Geschäfte verrichten. Adresse 3a: Nicolai 1633 Br. a. Erskein (Sonden 366) auch ihme die sichere addresse der mitt folgenden briefen lassen zum besten befohlen sein (JONES); Schultze 1678 Br. H 367 Meine adresse in Leipzig ist in der Grimmischen Gaßen in H. Caspar Schambergers Hoffe (BRUNT); Ettner 1698 Chirurgus 945 er habe in Lyon einen Wechsel, aber niemand wüste, an wem die adresse war (DWB N.); Marperger 1711 M] l 390 ein sogenanntes MeßAdreß-Contoir (SCHIRMER, Kaufmannssprache); ders. 1716 Küchendict. 1023 Hand= und Reisebücher, Adress-Calender; Maser 1759 Herr u. Diener 146 Wann man aber in einem fürstlichen Adresscalender 30. Kammerherren findet; Schubart 1774 Dtsch. Chronik 148 Der Verfasser soll sich melden, und Nahmen, Aufenthalt und Addresse bekannt machen; Schlözer 1777 ReiseCollegium 19 Von Adreß-Briefen: Sie sind unentbehrlich, und doch zum Hauptzwecke an und für sich meist unbrauchbar; Schiller 1783 Br. I 95 Ich schicke diesen Brief auf die Post, und unter Ihrer addresse nach Bamberg; Lichtenberg 1795 Hogarth II 25 Der Alte ließt die Addresse eines Empfehlungs-Schreibens; Goethe 1796 Br. (WA IV 11,266) In Frankfurth habe ich wegen der Lotterie eine recht gute Adresse; Heynatz 1797 Antibarbarus I 420 Fragamt oder Frageamt ist der Oberdeutsche Name eines Intelligenz- oder Adreßkomtoirs; Goethe 1811 Dichtung u. Wahrh. (HA IX 570) Zu
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den allergottlosesten Schaubildern aber erkor man die obersten Chargen und Stellen des Hof- und Ziviletats im Adreßkalender, in welcher vornehmen Gesellschaft denn doch die Justiziarien, als Bösewichter der ersten Instanz, ihren Platz fanden; ders. 1827 Br. (WA IV 42,49) Von dem Morbetto ist ein löblicher Abdruck angekommen, freylich ein schon späterer, aber doch vor der Retouche und der Adresse, wo die innern Verdienste dieses Blattes noch vollkommen zu schauen sind; Bruckbräu 1828 München 36 Das . . Adress-Bureau gibt gegen Entrichtung einer Gebühr . . Rath und Aufschluss; Schlössing 1832 KaufmWB. 204 leih-bank, lehn-bank, addreßhaus, pfandhaus . . ist diejenige öffentliche anstatt, wo gelder gegen eingelegte pfändet auf kurze oder lange zeit für bestimmte zinsen geliehen werden (DRW); 1845 Serapeum VI 233 Adressbücher sind das Erzeugnis einer allgemeineren, lebhafteren Geschäftsverbindung der Menschen unter sich, ein Hülfsmittel zur Beschleunigung des Geschäftsganges im Staate oder in einer einzelnen Stadt; Voit 1881 M.-G. 7 Die Adresse an die Behörde beginnt mit dem Worte „An" in erster Reihe, dann folgt die Bezeichnung der Adressbehörde unter Vorsatz der Bezeichnung „Königlich", „k."; Eckstein 1889 Camilla 14 Huldigung an die Adresse ihrer Millionen; Th. Mann 1901 Buddenbrooks (W. l 687) Es galt die Liste derjenigen Leute zusammenzustellen, die Todesanzeigen bekommen mußten, und die Adressen auf die Briefumschläge zu schreiben; Bücher 1921 Volkswirtschaft 303 Die meisten Unternehmungen, welche sich dieser Reklame bedienen, pflegen . . es einer der zu diesem Zwecke bestehenden Vermittlungsanstalten (Annoncenexpeditionen, Reklameanwälte, Plakatinstitute, Adressenbureaux) zu überlassen, Art und Umfang der damit möglichen Werbung zu bestimmen; Höhne 1928 Reportage 53 Als er den neuen Bericht, mit einer Deckadresse versehen, in den Briefkasten am Tor geworfen hatte, kaufte er einige Abendzeitungen; Musil 1930 Mann I 141 Er ließ im Adreßbuch nachschlagen, aber Ulrich war darin noch nicht enthalten; Winnig 1932 Weg 193 Nun war es mit meiner Adressenschreiberei aus, es wurde ein Hilfsarbeiter dafür eingestellt; Dtsch. AZ. 21. 8.1935 so lag der stärkste Akzent auf den folgenden Ausführungen, die an die Adresse des Auslandes gerichtet waren; Lokal-Anz. 28.10.1935 Der Name der Familie ist selten, er ging also zunächst daran, die Adreßbücher der großen deutschen Städte zu durchsuchen; 2935 Sammlung Weinbender o. S. Adressenschreiber; Süddtsch. Ztg. 13.8.1958 Für die dort einziehende Firma wird es in München kaum eine repräsentativere „Adresse" geben: gegenüber der Residenz, . . in nächster Nähe einer der schönsten Kirchen; Böll 1963 Clown 99 „Die
Briefe", sagte ich schließlich mühsam, „die Briefe, die ich Marie an Ihre Adresse schickte?"; Welt 2.3.1964 mit einer warnenden Bemerkung an die Adresse Hanois und Pekings; jung 1965 Magd vom Zellerhof 37 Der blaue Briefumschlag mit der schwungvollen Adressenaufschrift lag unberührt zwischen ihnen; FAZ 7.1.1966 als Maier sich nochmals an die Adresse des Bundespräsidenten wandte; Bild 9.1.1967 Eine deutliche Warnung vor jedem „Abenteuer" wird an die Adresse Maos gerichtet; Welt 30.1.1969 Eine richtige Adresse für viele Wünsche ist der Anzeigenteil der Welt; ebd. 13.2.1974 Im Auslandsgeschäft wurde die Bank dank Lipferts dynamischer Leitung rasch eine führende Adresse; MM 17.1.1985 Der gerechtfertigte Hinweis des DGB-Vorsitzenden Breit, die Adresse für Klagen und Trauer über dieses Elend sei letztlich der Nationalsozialismus, ändert vermutlich nichts an den unterschiedlichen Gefühlen, die der „Zusammenbruch" und die Erinnerung daran in den Menschen hervorruft; Zeit 15.2.1985 Interessenten für das fünfstöckige Gebäude waren rasch gefunden, denn die Wittelsbacherstraße gilt als erste Adresse; ebd. 12.4.1985 Man öffnet dann den Umschlag, und bevor man dessen Inhalt vor sich ausbreitet, fällt der Blick durch das nunmehr leere Adressenfenster; ebd. 6.12.1985 Im Münchner Adreßbuch war jedoch nie eine Spitzwegsche Apotheke verzeichnet; ebd. 26.9.1986 Hilfreich ist eine umfangreiche Adressenliste verschiedenster Umwelt-Einrichtungen; ebd. 10.10.1986 Graz ist keine erste Adresse mehr; MM 11.10.1986 Für alle Ratsuchenden ist das chemische Untersuchungsamt Speyer die richtige Adresse; Zeit 20.3.1987 das „spirituelle Adreßbuch 86/87" nennt für den deutschsprachigen Raum mehr als tausend Anschriften verschiedenster esoterischer Zentren; MM 1.4.1987 Die in Chicago erscheinende „Sun Times" berichtete, allein in den USA gebe es bereits in mehr als 40 Städten einschlägige Adressen, wo Aidskranke hausgemachte Mittel kaufen können; ebd. 7.1.1988 die Leute melden sich korrekt mit Namen und Adresse; ebd. 30. 6.1988 Das Cafe du Dome in Paris war für die deutschen Kunstjünger gewissermaßen eine Anlaufadresse. Adresse 3b: Bauer 1971 Informatik o. S. Die Verarbeitungsbreite, d. h. die Anzahl der Bits, die in einem einzigen Befehl verarbeitet ist, entspricht normalerweise der Wortlänge, insbesondere wenn das Wort verarbeitet wird, das Inhalt der durch die Adresse bezeichneten Zelle ist; Liebetrau 1988 TurboPascal 4 Addr [Steuerbefehl] . . Ermittelt die Speicher-Adresse einer Variablen; Duncan 1990 Programmierhandbuch 274 Die Interruptvektorentabelle belegt die untersten 1024 Bytes (Adressen
adressieren 00000-003FFH); Adresse und Länge sind vom Prozessor vorgegeben (hard-wired) und nicht veränderbar. Adresse 4: Happel 1689 Fortuna Brittanica 191 das Ober-Hauß resolvirte eine Adresse an Sr. Hoheit zu praesentiren; Benthem 1694 Schulen-Staat 669 Nichts destoweniger verursachete diese Declaration, daß dem König eine große Menge Adresses und Dancksagungen einkamen (beide GANZ); 2702 Europ. Fama 84 Zum Beweisthum dessen wil ich aus ihren neulich dem König von Engelland übergebenen Addressen einige harte Redens-Arten mitteilen; Sperander 1727 A la mod Sprach 14 Addresse . . In Engelland heist Addresse ein BittSchreiben, welches das versammlete Parlament dem König über ein und andere Materie überreichet; Rohr 1729 Zeremoniellwiss. II 2 So lauffen . . von allen Innungen und Communen so viel Glückwunschadressen ein, daß ihrer wegen der grossen Menge fast nicht mehr angenommen werden können; Hippel 1793 Kreuz- u. Querzüge I 230 Der Junker setzte sein Licht nicht unter den Scheffel, sondern ließ es leuchten vor der gnädigen Mama, die . . die Dedicationsgebühren nicht schuldig blieb, wenn gleich keine Dankadresse folgte; Schaller 1804 Stuziade 176 Kein Gau war, der ihr ehrfurchtsvoll/ Nicht Dankadressen sandte; Ambrosch 1849 Frankf. Pari. 70 die Demokraten aber, größtenteils junges Volk, scheuen weder Kälte noch sonst was . . trotz aller Dankadressen für Schlesien; 1857 Staats-Wb. l 70 Die Petition enthält eine Bitte, ein Begehren; die Adresse dagegen will nur eine Gesinnung aussprechen; Treitschke 1866 Jahre 76 Und welche Unklugheit verrät sich in diesen friedensseligen Adressen; Boy-Ed 1892 M. 287 Bei einem Verwandten meines verstorbenen Gatten feiert man ein Jubiläum. Denken Sie, fünfzig Jahre Verdienste, sehr viel Orden und ein halbes Dutzend Adressen; Sohle 1900 Musikanten 127 Zuletzt . . beschloß man, positiv vorzugehen und Zwillichen hohe Ehrungen zu erweisen. . . Das Schützenkomitee trat zusammen und richtete eine Vertrauensadresse an Zwillich; Schickele 1920 Mädchen 15 Doch fand eine Studentenversammlung statt, es wurde eine Adresse aufgesetzt, die . . in die Zeitungen kam; Berl. Illustr. Nachtausg.
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26.8.1933 Nach der Aufstellung der Teilnehmer im Innenraum des Denkmales werden von 9 Uhr an die Huldigungsadressen an den Oberpräsidenten der Provinz Ostpreußen übergeben werden; 1936 Meyers Nachrichten XI o. S. Das von den Gratulanten Mitgebrachte welkte in Gestalt von Blumen dahin, in der Form der Adresse verschwand es in irgendeinem Schrank; ND 13.4.1949 Weiter eine Adresse an das Internationale Verbindungs-Komitee des Weltfriedenskongresses in Paris am 20.April, und ein besonders herzlich gehaltener Dank an den Vorsitzenden der DWK; ebd. 20.2.1954 Während der in herzlicher Atmosphäre geführten Unterhaltung übergab Dr. Wiese im Namen des Kulturbundes dem Nationalrat eine Adresse, in der alle 600 Delegierten und Gäste des 4.Bundestages des Kulturbundes in Dresden sich durch ihre Unterschrift für den Kampf um die Verwirklichung der Vorschläge W. M. Molotows auf der Berliner Konferenz verpflichteten; Heuss 1963 Erinn. 77 Wir waren sehr unglücklich, daß die Versuche von Naumann und Haussmann, in der Form einer „Adresse" die Auffassung der Volksvertretung dem Kaiser unmittelbar zum Vortrag zu bringen, scheiterten; Partner 1964 Erben 23 Als väterlicher und wohlmeinender Berater sandte er bald den Vandalen, bald den Westgoten oder Burgunden Freundschaftsadressen; Welt 2. 9.1964 Angesichts der Eiseskälte, die seit einigen Wochen aus dem Elysee-Palast in Richtung Bonn und damit auf das deutsch-französische Verhältnis ausströmt, muß de Gaulles Dankadresse jedoch in einem anderen Licht erscheinen; ND 6.10.64 Der Vorsitzende des Ministerrates dankte den Überbringern der Grußadresse in herzlichen Worten; Zeit 6.9.1985 mit ihm und durch ihn war es dem Präsidenten des Kongresses möglich geworden, seine Begrüßungsadresse zu richten an Eminenzen, um die ihn jeder Veranstalter welcher Veranstaltung auch immer nur beneiden könnte; MM 12.9.1985 Furtwängler war ihnen, allen Ergebenheitsadressen zum Trotz, mit seinem „Querulantentum" eher ein Dorn im Fleisch als eine geliebte Stütze; Zeit 24.4.1987 Bei den Solidaritätsadressen, die bei solchen Anlässen immer fällig sind, haben sich nur Jandl, Achleitner und Eisendle auf ihre Seite gestellt.
adressieren V. (als V. trans, zweistellig, häufig auch dreistellig verwendet, früher auch als V. reflex.), Ende 16. Jh. entlehnt aus gleichbed. frz. adresser (< mittelfrz. adrescer, altfrz. adrec(t)er "richten an, ausrichten auf, in eine bestimmte Richtung, Ordnung bringen, ordnen, verbessern, ausstaffieren, helfen' < spätlat. addirectiare 'ausrichten, in eine gerade Richtung bringen', zu lat. directus 'gerade (ausgerichtet', Part. Perf. von airigere 'richten auf, hinlenken zu', —»· dirigieren), anfangs auch in den Schreibformen addressieren, attressieren.
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1 Als V. reflex, in der veralteten Bed. 'sich an jmdn. wenden, jmds. Aufmerksamkeit auf sich lenken', z. B. indem man eine Bitte vorträgt, sich erklärt, eine Rede hält, Anweisungen erteilt, Rat sucht; im 18.719. Jh. vor allem mit den Präp. an und bei verwendet und in der Wendung sich übel/falsch bei jmdm. adressieren 'bei jmdm. übel ankommen'. 2 Gleichzeitig als (zwei- bzw. dreistelliges) V. trans, bis ins 19. Jh. für 'jmdn. einer anderen Person schriftlich (weiter) empfehlen' (—> Adresse 2 und 4). 3a Gleichzeitig als V. trans., zunächst in der Kaufmannssprache, bald auch allgemeiner in der heute dominierenden Bed. 'etwas an jmdn. abschicken, eine Postsendung an jmds. Adresse richten, eine Postsendung zum Verschicken mit einer Anschrift versehen' (—* Adresse 3a), meist mit der Präp. an, früher auch mit den Präp. in (mit Akk.) und nach; seit spätem 19. Jh. in der aus engl. addressing-machine lehnübersetzten Zs. Adressiermaschine 'Büromaschine, die häufig wiederkehrende Anschriften oder auch kurze Brieftexte automatisch abdruckt', heute auch als Bezeichnung für eine computergesteuerte Apparatur zur Strichkodierung von Adressen auf Briefumschlägen. Seit dem 18. Jh. auch übertragen verwendet im Sinne von 'etwas an jmdn. richten, jmdm. etwas widmen, jmdn. gezielt ansprechen, jmdm. etwas zurufen, ans Herz legen; etwas für jmdn. bestimmen', in bezug auf Äußerungen, Botschaften, Mitteilungen, Warnungen, Bitten, Aktionen, demonstrative Handlungen u.a., z. B. seine Worte waren an dich adressiert 'seine Worte waren an dich gerichtet, für dich bestimmt' (s. Beleg 1959); —» Adressat. Dazu seit früherem 17. Jh. das seltene Verbalsubst. Adressierung E (-; -en) 'das Richten an jmdn., Abschicken einer Postsendung, Beschriften einer Postsendung mit einer Adresse'; Mitte 20. Jh. vereinzelt das Subst. Adressiertheit 'Gerichtetsein an jmdn.'. b In neuester Zeit auch im Bereich der elektronischen Datenverarbeitung für 'eine Position im Speicher bestimmen, in die eine Information geschrieben werden soll, um sie später ansprechen, d. h. aufrufen zu können' (—» Adresse 3b). adressieren 1: Breuning 1595 Relation 12 das man sich zu yemandt anderem . . addressierte; Westphal 1624 Br. a. Elisabeth (Hist. Zs. XXIII (1870) 326) daß ich mich bey dem Hern Graffen von Thurn . . adressiren solte (beide JONES); Elis. Chart. 1676 Br, I 97 Daß memoire . . muß sich ahn den könig adressiren undt gar respecteux geschrieben sein; Spener 1685 Klagen 114 daß [ich] an niemand mich billicher mit einem Christlichen anspruch/ als an denselben/ adressiren solte; 1709 Neue Bibliothek I 53 könne ohne Gefahr betrogen zu werden/ an diesen Ort sich adressiren; Marperger um 1720 Reisen 48 euren dergestalt an sie adresirten Fremden; Rohr 1728 Zeremoniellwiss. l 369 Dem Wohlstande nach muß man sich an diejenige adressieren, die in der Gesellschaft die vornehmste, und wenn sie im übrigen noch so alt und häßlich aussehe; Fassmann 1729 Narr 156 Sobald die Philister solches höreten, addressirten sie sich an dieses Weib; Sincero 1747 Leben d. schönen Österreicherin 60 so suchte er Gelegenheit sich an Charman-
ten zu addreßiren; Klemm 1767 Hut 8 und da müssen sie sich an mich addressiren; Heinse 1780—83 Tagebücher VII 236 Addressierte sich . . an einen seiner Bedienten; Grecourt 1787 W. II 144 doch gab sie drum die Sache nicht verlohren./ Im Eifer adressirte sie/ An Jupiter sich selbst, hielt ihm nach allen Regeln/ Der Redekunst den herrlichsten Sermon; Bretzner 1788 Leben I 261 Die wohlbeleibte und freundliche Wirtin, an die er sich deshalb addreßirte; Nicolai 1790 Anekdoten I 295 Gottskowski, welcher die Bilder gerne verkaufen wollte, addressierte sich ein paar Jahre nachher an den Marquis d'Argens; Holtet 1854 Schneider II 140 Nur waren sie [mit ihren Belästigungen] schlecht angekommen und hatten sich falsch adressiert. adressieren 2: Breuning 1595 Relation 49 alß ich nhun von könniglicher mt. ein paß port erlangt, hab ich getracht, . . von allen denen herren, an die ich schreiben gehabt vnnd von e. f.g. adressirt wor-
adrett den, meinen gebürenten abschiedt zu nemmen (DWB N.); Overheide 1657 Schreibkunst 245 So der Herr . . Belieben daran hätte, . . mir gute Käuffer zu addressieren; Jablonski 1700 Dt. Sehr. II168 indessen adressire hiemit an meinen hochgeehrten Herrn geheimten rath (DWB N.); Uhland 1810 Briefw. I 173 beim depot der manuscipte der kaiserlichen bibliothek ist ein Sachse, namens Hase . . angestellt, an welchen Pregizer adressirt war (DWB N.); Goethe 1828 Tagebücher (WA 111 11,274) Eine landstreichende Künstlerin, ungeschickter Weise an mich adressirt, von Schnepfenthal her, mit einem Viaticum kurz abgefertigt; Villers 1874 Er. e. Unbekannten I 210 eine näherin ward mir adressiert (DWB N.). adressieren 3a: Breuning 1595 Relation 69 die brieff aber sollten ahn ihnne Fontaine adressirt werden (DWB N.); 1643 Sprachuerderber 4 da brauchen sie (auch wol die Schneider) das Adi, Attreßieren, datum, passato, vnd so fort an; Ettner 1697 Doktor 485 wann er [der Brief] nicht an ihn addressiert ist; Kuhnau 1700 Quacksalber 94 nach dem Paquet, das an ihn . . addressiret war; Menantes 1709 Satir. Roman I 176 Sobald ich an einen Ort komme . . und ich was schönes finde, werde [ich] solches an mein allerliebstes Kind zu addressieren suchen; 1721 — 22 Chronik d. Ges. d. Mahler 42 die Kühnheit, die wir brauchen, denselben einen Brieff zu adressieren; Miller 1776 Siegwart I 211 alle Briefe, die vom Kloster geschrieben, oder dahin adressiert sind, müssen erst vom Prior gelesen werden; Goethe 1809 Br. (WA IV 21,152) Die Wahlverwandtschaften schickte ich . . an meine Freunde . . Ich weiß zu wem ich eigentlich gesprochen habe, und wo ich nicht mißverstanden werde. Mit dieser Überzeugung war auch Ihnen das Büchlein adressirt; ders. 1811 Br. (WA IV 22,391) adressire deinen Brief nur ins Lager bey Marienborn; ders. 1812 Dichtung u. Wahrh. (HA X 9) dieses phantastische Werk, das schon sauber abgeschrieben, mit einem Briefe begleitet, kuvertiert und förmlich adressiert war; Laube 1847 Karlsschüler 46 Und Streicher, an den er [Brief] adressiert ist, ist nicht zu finden. Und meine ganzes Leben hängt an dem Briefe; Eger 1884 Techn. Wb. l 26a adressirmaschine . . adressing-machine (for adressing newspapers) (DWB N.); Barsch 1905 Von einem, der auszog II 148 Der Brief beleidigte mich nicht; doch ich faltete ihn zusammen, adressierte ihn und warf ihn in den Briefkasten; Welt 21.4.1954 Diese Beamten durchleuchteten alle Briefe und Pakete, die an die Königin
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adressiert waren; Lenz 1959 Brot 120 Die Viktorianer merkten sofort, daß mein Artikel an sie adressiert war; Grass 1962 Blechtrommel 45 Einen gewellten, kunstvoll gerissenen Rand hat die Postkarte, deren Rückseite fürs Adressieren liniert, wahrscheinlich in größerer Auflage abgezogen wurde; 1970 Forschungsber. d. IDS V 5 Die selektive Adressiermaschine, der Scriptomatic SA, Genf, liest in Bruchteilen von Sekunden elektrooptisch einfache, mit einem Filzstift von Hand angebrachte Markierungen auf den Adreßträger; MM 1.3.1985 Ruth Leuze adressierte nun ihre Vorstellungen zum verbesserten Schutz personenbezogener Daten direkt an den Landtag; ebd. 25. 7.1985 So reden die Frauen ihre Männer nicht mit ihrem Namen an, sondern adressieren sie nur als Vater ihrer Kinder; ebd. 15.8.1988 Renfranz hat versucht, den Monolog Tellers aufzubrechen, hat ein paar Nebenfiguren um ihn drapiert: eine Ehefrau, einen Assistenten . . und die mysteriöse Figur eines immerzu schweigenden Russen, an den Teller seine Wortfluten hauptsächlich adressiert. Adressierung: Micrealius 1639 Pommerland II 314 wird die Direction dem Reichs Cantzler zu adressirung des Nothleidenden gemeinen Wesens .. gegeben; Hederich 1729 Promt. 97 addressirung inscriptio; Pestalozzi 1807 Br. V 214 Adressirung dieser Ankündigung; Zechlin 1935 Diplomatie 138 die anrede und adressierung ist daher für die deutschen diplomaten „herr botschafter", „herr gesandter" (DWB N.); Diesel 1949 Jahrhundertwende 297 In der Biographie habe ich geschildert, wie ein .. zwei Tage vor dem Tode meines Vaters in Gent an meine Mutter geschriebener Brief durch ein Versehen in der Adressierung irre lief. Adressiertheit: Schelsky 1959 Ortsbestimmung 11 Dem Leser können einige Hinweise auf die Entstehungsgründe dieser Betrachtungen zum Verständnis ihrer inneren Adressiertheit dienlich sein. addressieren 3b: Zeit 8.3.1985 Damit adressieren sie ihr System — und das heißt nicht etwa, daß sie ihm Adressen aufkleben, sondern daß sie es „ansprechen" (um 1960 war „beanschriften" noch die einzige Bedeutung von adressieren; nun hat es auch noch die des englischen „to address" übernommen); Zimmer 1986 Redens Arten 27 Was machen diese Hacker? Sie haben das Paßwort . . Damit adressiren sie ihr System — und das heißt, . . daß sie es „ansprechen"; Christ 1989 Unix 257 Dieses Zeichen adressiert die aktuelle Zeile.
adrett Adj. (Steigerung selten, häufig adv. verwendet), im späteren 17. Jh. entlehnt aus frz. adroit, älter auch adroict, 'gerade, richtig; ordentlich; geschickt, gewandt',
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adrett
älter auch 'wohlgestaltet' (über vulgärlat. ''ad-directus 'ausgerichtet, wohlgeführt, wohlgelenkt' zurückgehend auf lat. ad- 'zu' und directus, Part. Perf. von dirigere 'gerade richten, ausrichten, leiten', zu regere 'lenken, leiten'; —> dirigieren, —» Adresse 1), anfangs häufig in der frz. Form und vereinzelt in der Schreibung addroict, schon seit frühem 18. Jh. mit Annäherung an die damalige frz. Aussprache (a'dre, a'dret) in der heutigen Form, die von der späteren frz. Ausspracheneuerung (adrua) unbeeinflußt blieb. a Meist auf jüngere Personen bezogen in der heute ungebräuchlichen Bed. '(gerade, gesund gewachsen und) in den Bewegungen gewandt, sicher und geschickt; körperlich (oft auch geistig) beweglich, flink, wendig; natürlich im Verhalten, Benehmen, Auftreten u.a., tüchtig und anstellig' ( —» agil), anfangs vereinzelt für 'bequem, zweckmäßig' von Kleidungsstücken, die eine solche körperliche Beweglichkeit und Gewandtheit begünstigen (s. Beleg 1664); bes. im 19. und frühen 20. Jh. gelegentlich auch für 'von gefälligem Wuchs, schöner Gestalt und guter Körperhaltung', in Wendungen wie adrett geformt, eine adrette Gestalt, Form, von adrettem Wuchs, vereinzelt übertragen gebraucht (s. Beleg 1919). b Von daher seit früherem 19. Jh. in der heute dominanten Bed. 'vom Äußeren, vom gesamten Habitus her in ansprechender Weise wirkend; sauber, ordentlich, frisch, gepflegt in der äußeren Erscheinung und so einen gefälligen, angenehmen, netten Eindruck machend; nett, hübsch, appetitlich (anzusehen)', vor allem auf Personen bezogen, oft auch auf eine entsprechende Haltung, Ausdrucksweise oder auf das Auftreten; vor allem in den Syntagmen adrett gekleidet, angezogen sein, jmdn. adrett finden, ein adrettes Mädchen, eine adrette Erscheinung; häufig von uniformierten Personen auch für 'akkurat, exakt, mustergültig; schneidig, schmuck, proper' (s. Belege 1848, 1910, 1985; —»· akkurat), z. B. adrett uniformiert, adrett im Blau (der Polizeiuniform), das adrette Militär; dabei auch leicht abschätzig oder mit ironischem Unterton gebraucht im Sinne von 'übertrieben korrekt, nach den jeweils geltenden gesellschaftlichen Normen (gekleidet); betont sorgfältig zurechtgemacht, herausgeputzt, feingemacht, fast wie geleckt (aussehend), wie aus dem Ei (gepellt)' (s. Belege 1963, 1987), z. B. adrett und gutbürgerlich, adrette Boys. In neuerer Zeit zunehmend auch z. B. auf das äußere Erscheinungsbild von Städten, Gebäuden bezogen (s. Belege 1964, 1985, 1987), in Wendungen wie eine adrette Stadt, adrette Villen, Gärten, und vereinzelt übertragen verwendet, z. B. ein adrett geordnetes Weltbild (haben) (s. Beleg 1963). Dazu seit späterem 19. Jh. die subst. Ableitung Adrettheit F. (-; ohne PL) 'Gepflegtheit, Ordentlichkeit, Sorgfalt (bes. der äußeren Erscheinung, meist von Frauen)' (zu b). adrett a: 1664 Unterredung e. Ungarn u. Deutschen Ela dass die Alten euch Teutschen der kurzen und addroicten Kleidung wegen gerühmt: ward ich sehr unwillig . . auf die heutige Alamode Schneider so . . die Hosen der Cavallier in Weiber Röcke schier verwandelt; Mahrenholtz 1678 Unterredungen CXllr ob sie [junge Leute] schon nach ihrem Alter fein Studiret/ und sonsten adroits seyn (BRUNT); 1700 Kemarques V 37 Allein so starck und adroit er ist/ so hat er sich doch etwas gefunden/ das noch stärker als er (BRUNT); Wächtler
1709 Manual 30 adroit (adröt) geschickt . . adroit im Leib; Callenbach 1714 Wurmland 77 Sie ist so addrett, daß sie sich in aller Menschen Lieb und Estime kann einpracticieren; Marperger um 1720 Reisen 29 daß er . . einen viel adroitern Leib, als ein Teutscher Cavalier oder Frauenzimmer, . . haben solte; Sperander 1727 A la mod Sprach 17 Adroit/ bequem, hurtig, sinnreich, geschickt, z. E. er ist ein adroites Pürschgen; ]usti 1741 Memoires l 679 davon sie [Falschspieler] allezeit beyde Sorten [Würfel] bey der hand haben, und solche ganz
adrett adroit und geschwinde . . vertauschen und wechseln (DWB N.); 1743 Reglement Preuss. Cav. 34 adroit; 1786 Journal d. Moden l 294 ein elegantes leichtes und adroites Ansehn; Bürger 1789 Br. Ill 277 er [der Rock] ist gut gerathen; der junge sieht wie ein engel drin aus, besonders sagt alle weit, er sah' dir .. an adrettem wüchse so ähnlich drin (DWB N.); Foote 1798 Batherin. (Übers.) IV 154 Er ein hübscher, netter, adretter, flinker [Junge]; Goethe 1811 Dichtung u. Wahrh. (HA IX 402) er hatte etwas Weiches in seinem Betragen, das sehr schicklich und anständig war, ohne daß es eigentlich adrett gewesen wäre; Bechstein 1832 Novellen l 212 ein freundlicher, lieber Bursche, sehr artig und adrett; Mahler 1860 Milit. Bilderbuch 19 Ich glaube, daß meine Stellung bald eine weniger adrette wurde, als die des Trompeters; Nieborowski 1908 Gold 221 weil er den adretten jungen Mann zur Bedienung der Gäste brauchte; Th. Mann 1919 Erz. (W. VIII 564) die Gegend kennt ihn [den Birkenbaum] als silbernes Stengelchen .. als lieblich herangewachsene, adrett geformte Jungfrau; Grogger 1926 Grimmingtor 40 Frau C. trat hocherrötet, doch mit einer sehr adretten Haltung auf die Straße. adrett b: Gutzkow 1838 Blasedow U 411 Es könne . . den , . Truppen zur Ehre gereichen, daß sie in ihren Manoeuvres adretter wären; Immermann 1838-39 W. /// 198 sie brachte .. alles . . so recht adrett heraus, daß man ihr glauben mußte (DWB N.); Keller 1848 Leben II 174 denn ich sah . . das adrette militär (DWB N.); Rodenberg I860 Insel d. Heiligen II 141 Nichts von jenem schmucken, adretten Äussern, wie man es bei jungen Dirnen und jungen Städtern so gern sieht; Raabe 1864 Hungerpastor 84 adrett; Stahr 1870 Jugendzeit l 136 das, was er „adrette" Haltung nannte; Michelis 1872 Reiseschule 9 Alles stellt sich knapp gehalten dar, nüchtern, . . „adrett" wie ein Militärrapport; Fontäne 1895 Effi Briest 140 ein sehr adretter Mann; Th. Mann 1901 Buddenbrooks (W. I 280) bemerkte die Konsulin Buddenbrook, die sich ihrer zuweilen ein bißchen schämte, Gott sieht ins Herze, aber Ihre Kleider sind wenig adrett; H. Mann 1905 Unrat 23 Als Hilfslehrer war er noch 'n ganz adretter Mensch (DUDEN); Scholz 1907 Bodensee 91 [ein Bodenseeschiff] mit adretter Bemannung; Bebel 1910 Leben l 18 er war . . ein außerordentlich gewissenhafter, pünktlicher und adretter militär — ein sogenannter mustersoldat (DWB N.); Sudermann 1917 Gesch. 122 [ein Mädchen] adrett und fix niedlich; Karwath 1917 Schles. Fräulein 9 Er sah die Schwadronen . . auf der Exerzierwiese versammelt. Kerl für Kerl so adroit wie nur je in fritzischen Zeiten; Werfet 1920 Mörder 55 [er] sieht adretter aus als Sie; Brod 1928
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Zauberreich 38 Zu den Adretten mit der Gesichtsbügelfalte gehört als Gegenstück das Girl; Th. Mann 1933-43 Joseph (W. /V/V 1097) denn zwar war sein Kopf sehr sorgfältig hergerichtet, und besonders adrett wirkte es, wie neben seinem kleinen Ohr . . ein Eckchen der weißen Leinenkappe hervorschaute; ders. 1939 Hoheit (W. // 651) am adrettesten war's doch in der Frühzeit, mit Cadogan und Haarbeutel; Pecher 1940 Komp. i. Polen 24 Einmal möchte ich wieder richtig baden und mich sauber und adrett kleiden können; Welt 7.5.1954 so etwas Adrettes und Gepflegtes gibt es wohl in der Welt nicht wieder; 1955 Festschr. a.Fechter 25 ein junges, adrettes Ding mit ihrem weissem Häubchen und der weissen Schürze; Süddtsch. Ztg. 1.4.1959 ein adrettes Kocherl engagiert; Grass 1962 Blechtrommel 261 die beiden obersten Knöpfe und den Gurt hatte er nicht schließen können, was seiner sonst adretten Aufmachung einen peinlichen Beigeschmack gab; Pinkurart 1963 Mord 130 auch die adrette, uniformähnliche Einheitskleidung des 'Aurora' vermochte ihr keinen Schick zu verleihen; Lynen 1963 Kentaurenfährte 290 Ihre adrett geordnete und am Faden aufgereihte Welt (DUDEN); Strittmatter 1963 Öle Bienkopp 240 Mampe beschreibt ihm die neue Geflügelzüchterin: adrett, beleckt, fast wie die Dame von der Kreiskultur; Partner 1964 Erben 382 auch die umliegenden Wohnsiedlungen mit ihren adretten Vorgärten, Rasenflächen und Spielplätzen können ihre Herkunft aus der Retorte neuzeitlicher Wohnarchitektur nicht verleugnen; Offenburger Tagebl. 6.2.1970 Es versteht sich, daß sie in ihren adretten Kostümen einen durchschlagenden Erfolg hatten; Zeit 4.1.1985 man denkt an ein zackiges „Kameraden — antreten zur Bescherung" und an stolze Väter und Mütter, die ihren Sohn in Uniform richtig adrett finden; ebd. heute ist Heidelberg eine saubere, adrette, schöne Stadt mit fleißigen Studenten; ebd. 11.1.1985 Nastassja Kinski aber hockt scheinbar adrett und lebendig hinter der Einwegscheibe eines Peepshow-Etablissements, eine junge Frau, proper wie in der Klarsichtpackung; ebd. 8.2.1985 für einen Hamlet ist er nicht raffiniert genug, für Bleichenwang noch zu adrett; ebd. 15.2.1985 sie ist 29 Jahre alt, zierlich adrett; MM 13.3.1985 eine adrett gekleidete Abordnung aus fünf Ländern; Zeit 17.5.1985 Horden von Photographen hasten im Abgasqualm hinterher, und die französische Polizei, adrett in Dunkelblau, mit schneidigem Käppi . . schafft freie Bahn; MM 1.8.1985 im adretten Hintergarten taucht ein unscheinbares Nebengebäude auf; ebd. 9.10.1985 eine schicke Frisur, gewinnendes Lächeln und eine adrette Kleidung; Zeit 14.2.1986 klein, zierlich . . im adretten braunen Anzug, den Staubmantel ordentlich gefaltet; MM 19.4.1986
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adsorbieren
glattrasiert . . adrett gekleidet und frisiert; ebd. 21.7.1986 gleich am Eingang neben dem Grafischen Kabinett steht ein .. adrett anmutender Iglu; Zeit 5.12.1986 wir Frauen sind nicht die besseren Menschen, obwohl wir uns gemeinhin ziemlich nett, adrett und friedfertig geben; MM 26.1.1987 daß er rast vor Liebe . . möchte man ihm bei solch adretter Distinguiertheit nun wirklich nicht abnehmen; Zeit 27.3.1987 inmitten des Trubels sitzt ein adretter junger Mann, ganz unpassend in einen Büroanzug gezwängt; MM 20.7.1987 die geleckten Bilder mit den adretten Boys in meist tadellosen Paradeuniformen; ebd. 17.10.1987 Gerhard Jax hat die unpersönlich adretten Räumlichkeiten des Westminster-Hotels . . auf Wagen gebaut; 1991 Wiener VI 77 Das Haar fließt sehr adrett nach links, die Finger würgen speckig einen Bleistift.
Adrettheit: Fontäne 1871 Kriegsgef. 170 mit einer gewissen Adrettheit; Göhre 1891 Fabrikarb. 21 Familien, die bei aller Beschränktheit der Lebenshaltung und Wohnung so gut als möglich auf Adrettheit und Anstand zu halten versuchten; Schmitz 1911 Brevier 90 in der Öffentlichkeit verhüllt sich die Frau durch Eleganz oder, wenn ihr dazu die Mittel fehlen, durch Adrettheit; Th. Mann 1947 Fausttts (W. VI 437) denn es kamen Kinder, und mit welcher Adrettheit . . wurden sie gehegt und herangezogen; NZ.(Basel) 31.5.1949 Der Hauptreiz der Amerikanerin, ihre ausserordentliche Gepflegtheit und Adrettheit; Zeit 18.4.1986 als einer .. aus dem Publikum heraus in die Podiumsdiskussion eingreift, evaporiert sich eine Dame von hinten und kreischt, all ihre Adrettheit verlierend, immer wieder ein energisches „Aufhören".
adsorbieren V. trans., seit Ende 19. Jh. nachgewiesen, vermutlich in Analogie zu —»· absorbieren gebildet (zurückgehend auf lat. ad- 'zu' und sorbere 'etwas Flüssiges zu sich nehmen, hinunterschlucken, schlürfen'). Nur fachspr. in Chemie und Physik verwendet in der Bed. 'Gase, Dämpfe oder gelöste Stoffe auf der Oberfläche fester, poröser Körper anlagern, binden', mit der vereinzelten adj. Ableitung adsorbierbar 'zum Adsorbieren fähig, geeignet'. Dazu ebenfalls seit Ende 19. Jh. das in Analogie zu —»· Absorption gebildete Subst. Adsorption F. (-; -en) 'Vorgang des Adsorbierens; Aufnahme von Gasen, Dämpfen oder gelösten Stoffen an der Oberfläche fester Körper', als Bestimmungswort in Zss. wie Adsorptionsgesetz, -kältemaschine, -kohle, -vermögen, -Vorgang, -wärme 'die bei der Adsorption freiwewrdende Energie'. Seit früherem 19. Jh. die subst. Ableitung Adsorbens N. (-; Adsorbenzien, auch Adsorbentia) 'Mittel, das eine Adsorption bewirkt', die anglisierende Neubildung Adsorber M. (-s; -) als Bezeichnung für das Bauteil einer Adsorptionskältemaschine, die das Adsorbens enthält, und das Adj. adsorptiv 'zur Adsorption fähig, nach Art einer Adsorption' mit dem dazugehörigen Subst. Adsorptiv N. (-s; -e) 'der bei der Adsorption aufgenommene, angelagerte, adsorbierte Stoff, gleichbed. mit Adsorbat N. (-s, -e). adsorbieren: 1894 Real-Enc. Heilkunde 1142 bringt man einen .. festen körper, der gas adsorbirt enthält, unter die glocke der luftpumpe, so gewinnt man einen theil des adsorbirten gases wieder; Reichenbach 1930 Atom 212 Wirkungen von . . unsauberkeiten der teilchen, von adsorbierten gasschichten; 1947 Orion 116b das sind winzige kohlekörnchen, die . . imstande sind, gelöste Stoffe an sich zu reißen, zu „adsorbieren"; 3955 Urania VII 260 ein teil des kaliums wird von tonkolloiden des bodens adsorbiert (alle DWB N.); Seiffert 1970 Grenzflächenvorgänge o. S. das Verhalten eines Dipols, als ein adsorbiertes Ion oder Molekül vorgestellt. adsorbierbar: MM 19.12.1986 im einzelnen leitet die BASF demnach pro Stunde folgende Stofffrach-
ten in den Rhein: . . 0,04 Tonnen adsorbierbare organische Halogenverbindungen (AOX), 0.02 Tonnen Schwermetalle. Adsorption: 1894 Brockhaus 1160b adsorption der gase ist aufnähme von gasen durch poröse Substanzen (DWB N.); 1931 Die Umschau XXXV 244 Die .. Vermutung, daß beim türkischen Kaffee die Adsorption eine Rolle spiele, steht mit meinen Angaben in Einklang, da durch stärkeres Brennen die Adsorptionswirkung vergrößert wird; 1947 Orion 399a hierbei findet eine adsorption, eine oberflächenbindung .. des fluors durch den Zahnschmelz statt (DWB N.); Seiffert 1970 Grenzflächenvorgänge o. S. Die Adsorption der kleinräumigen
Advertising Wasserdipole mit großem Dipolmoment; Zeit 31.5.1985 Prüfmethoden zur Bestimmung der Adsorption von Stoffen an Textilien. .. Bei der Abschätzung des Expositionsrisikos sind . . sowohl das Adsorptionsvermögen von Textilien und insbesondere Baumwolle als auch die Renetration der Haut zu berücksichtigen; ebd. 28.2.1986 Aufgabengebiet: Durchführung einer wiss. Arbeit . . zur Thematik „Adsorption und Reaktion kleiner Mo-
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leküle an Metall/ Metalloxid-Metallkatalysatoren" (Anzeige); MM 22.4.1986 Adsorption an Aktivkohle zur Entfernung von organischen Substanzen. adsorptiv: Munichsdorfer 1932 Bayerns Boden l 149 adsorptive Bindung: Bindung durch physikalische Kräfte, welche bei kleinster Zerteilung von Stoffen in Lösungen und Aufschwemmungen auftreten.
Advertising N. (-s; selten -s), in den 50er Jahren des 20. Jhs. entlehnt aus gleichbed. engl.-amerikan. advertising (zu advertise 'ankündigen, werben' < frz. avertir 'benachrichtigen; einen Wink geben, aufmerksam machen' < lat. advertere 'hinwenden, die Aufmerksamkeit auf etwas lenken'), vereinzelt in der Schreibung advertizing. Vor allem im wirtschaftlichen Bereich in der Bed. 'das Inserieren durch Anzeigen in Zeitungen u.a., um etwas anzukündigen', von daher für 'Werbung durch Inserieren, Anzeigenwerbung', auch ganz allgemein für '(Öffentlichkeits-)Werbung, Reklame'; im Unterschied zu —»· Marketing wohl (noch) nicht fest ins Deutsche integriert; selten auch im engl.-amerikan. Syntagma Advertising Agency 'Anzeigenannahmestelle; Werbeagentur' und gelegentlich in engl.-amerikan. Bezeichnungen für Werbegesellschaften und -fachzeitschriften; in jüngster Zeit das aus dem Engl.-Amerikan. übernommene counter advertising 'Gegenwerbung' als Bezeichnung für eine zuerst in Amerika geforderte Art der Öffentlichkeitsaufklärung über die Gefahren der Produkte, die in der Werbung, insbes. der Zigaretten, Alkohol- und Drogenwerbung, angepriesen werden. Korn 1959 Welt 42 Die Werbung oder, wie es amerikanisch heißt, das Advertising . . hat eine Branchen- und Funktionsdifferenzierung erzeugt, die wie Generalstabsarbeit anmutet; Welt 28.11.1959 Top „European Advertising Media"; Stuttgarter Ztg. 11.6.1960 „marketing" . . neben dem „advertizing" einer nervenstärkenden Wunderdroge; Welt 19.12.1964 top european advertising media . . jedes T.E. A.M.-Mitglied gibt gern Auskunft über die
Möglichkeiten der Insertion in allen T.E.A.M.Blättern; Böll 1966 Ende 39 ich sehe in der art, wie der angeklagte hier seine dienste öffentlich anbiete, eine art . . advertising betreibe, den neuen beweis von dessen frivoler heiterkeit (DWB N.); Zeit 25.1.1985 Advertising Age, ein Fachblatt der Werbebranche, feierte die Einführung als „die große Innovation des Jahres 1984".
Advokat M. (-en; -en), seit dem Spätmhd. nachgewiesene Entlehnung aus gleichbed. lat. advocatus, eigentlich 'der (in einem Rechtsstreit zur Hilfe/zur Beratung) Herbeigerufene' (subst. Part. Perf. von advocare 'herbeirufen; einen Rechtsgelehrten vor Gericht berufen, beiziehen; einen Rechtsbeistand suchen, annehmen', aus ad'hinzu' und vocare 'rufen'; vgl. das zum gleichen Etymon gehörige, schon seit ahd. Zeit nachgewiesene Vogt, s. u. Advokat 2), bis ins 18./19. Jh. vor allem in rechtsspr. Texten auch in der lat. (flekt.) Form Advocatus und bis heute bes. im lat. Syntagma advocatus diaboli (s. u. Advokat i). l Zunächst für den juristischen Sachwalter oder Rechtsvertreter einer Stadt, einer Institution o.a. (s. Beleg 1486), seit dem 15. Jh. zunehmend als Berufsbezeichnung und Titel des zur Führung von Rechtsangelegenheiten bevollmächtigten Juristen in der Bed. 'jmd., der einem Mandanten gegen Gebühren Rechtshilfe und Rechtsbera-
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tung leistet; Rechtsberater, Rechtsbeistand, Rechtsanwalt', früher gelegentlich konkurrierend mit Fürsprech, Anwalt oder Notar und im Unterschied zu —* Prokurator anfangs vor allem noch bezogen auf die Rechtsberatung außerhalb der Gerichtsverhandlung sowie auf das Abfassen von Schriftsätzen (schriftliche Verteidigung, Bittschriften, s. Beleg 1565), erst allmählich gehen die Befugnisse der beiden Ämter ineinander über und der Advokat wird zum Berater und Vertreter in allen Rechtsfragen unmittelbar vor Gericht und im gerichtlichen Prozeß. Bes. als Bestimmungswort in Zss. wie Advokateneid 'Amtseid des Advokaten', -gebühr 'Anwaltskosten', -kammer 'Rechtsanwaltskammer', -Ordnung 'durch das Gesetz festgelegte Arbeitsbedingungen der Advokaten', -stand 'die Gesamtheit der Advokaten als soziale Schicht; Beruf, Status des Advokaten', -zwang 'Vorschrift, Auflage, sich vor Gericht durch einen Anwalt vertreten zu lassen' und Advokatenregierung 'Herrschaft der Advokaten; Regierung, die sich mehrheitlich aus Juristen zusammensetzt' (dafür im 19. Jh. vereinzelt die neoklassische Bildung Advokatokratie); auch als Grundwort in Zss. wie Dorf-, Gerichts-, Armenadvokat. Von Anfang an, bes. aber seit dem 18./19. Jh. (s. Belege 1683, 1700, 1775) häufig auch negativ konnotiert mit „falsch, gewissenlos, schlau, gerissen, verschlagen, geldgierig, egoistisch", bes. in pejorativen Zss. wie Advokatenkniff, -kunst, -ranke, -streich, -trick und Winkeladvokat 'Anwalt, der ohne rechtliche Befugnis oder mit fragwürdigen, unsauberen Mitteln, oft auch ohne die erforderlichen Sachkenntnisse arbeitet', vgl. die scherzhafte Bildung Schadvokat (s. Belege 1574, 1649). Seit dem 19. Jh. im Zuge des Übergangs vom römischen zum deutschen (bürgerlichen) Recht (s. Belege 1845, 1899) kraft amtlicher Sprachregelung als offizielle Berufsbezeichnung zunehmend durch die Ausdrücke Rechtsanwalt oder Anwalt abgelöst (so seit 1804 in bayrischen, seit 1849 in preußischen Verordnungen, 1877 in der Strafprozeßordnung des Deutschen Reichs und bes. 1878 in der Rechtsanwaltsordnung; im Unterschied zum Schweiz, und österr. amtlichen Sprachgebrauch, wo sich die Ablösung bedeutend langsamer vollzogen hat und bis heute noch nicht völlig abgeschlossen ist). Schon seit dem 15.716. Jh. (s. Beleg 1522) daneben und heute vorwiegend übertragen verwendet, zunächst vor allem im religiösen, dann im geistig-kulturellen und politisch-sozialen Bereich im Sinne von 'Beschirmer, Beschützer; Fürsprecher, Befürworter, Verteidiger, Anwalt (einer nicht-juristischen Sache)', in Wendungen wie sich zum Advokaten von etwas/jmdm. machen, die Advokatenrolle übernehmen; Advokat einer Idee, Advokat des Friedens, der Gerechtigkeit, der Freiheit, Advokat der Armen und bes. in dem lat. Syntagma advocatus diaboli 'Anwalt des Teufels', ursprünglich (s. Beleg 1864) im Bereich der katholischen Kirche als Bezeichnung für den Geistlichen, der bei Selig- und Heiligsprechungen die Einwände vorträgt (im Ggs. zu advocatus deilcoeli 'Anwalt Gottes/des Himmels', dem Vertreter des positiven Antrags), seit Ende 18. Jh. vor allem übertragen und eher abwertend verwendet als Bezeichnung für eine Person, die sich zum Sprecher einer fragwürdigen oder schlechten Sache macht, häufiger aber auch mit eher positiver Wertung gebraucht für jmdn., der z. B. in einer Diskussion bewußt überspitzte Gegenargumente vorbringt, um die Diskussion anzuregen, der allein um der Sache willen mit seinen Argumenten die Gegenseite vertritt, ohne ihr selbst wirklich anzugehören (s. Beleg 1896), bes. in Wendungen wie den Advocatus diaboli spielen, die Rolle des Advocatus diaboli übernehmen, seit dem 19. Jh. auch lehnübersetzt mit Advokat/Anwalt des Teufels und Teufelsadvokat.
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Dazu seit späterem 15. Jh. das seltene, aus gleichbed. mlat. advocire entlehnte, nur noch historisierend verwendete Verb advozieren 'jmdm. Rechtsbeistand, Rechtshilfe (vor Gericht) leisten; den Beruf eines Advokaten ausüben' mit dem vereinzelten Verbalsubst. Advozierung. Seit Anfang 17. Jh. die subst. Ableitung Advokatin F. (-; -nen), anfangs (entsprechend gleichbed. mlat. advocata] vereinzelt als Beiname Mariens verwendet für 'Schutzherrin, Beschützerin, Patronin' (s. Belege 1602, 1627), auch allgemeiner im Sinne von 'Fürsprecherin, Verteidigerin' (s. Belege 1775, 1895), selten auch für 'Frau eines Advokaten' (s. Beleg 1637) und im 20. Jh. gelegentlich als Berufsbezeichnung in der Bed. 'Rechtsanwältin' (s. Beleg 1911). Seit Mitte 17. Jh. die adj. Ableitung advokatisch (ohne Steigerung) 'den Advokaten (und seine Tätigkeit) betreffend, nach Art des Advokaten, ihm gemäß', bes. in der Wendung etwas advokatisch machen 'etwas dem Advokaten zur Klärung und gerichtlichen Verfolgung übergeben', gelegentlich negativ konnotiert mit „unehrlich, spitzfindig, schlau, verschlagen" (s. Belege 1837, 1848) und in neuester Zeit vereinzelt auch übertragen gebraucht im Sinne von 'trocken, nüchtern, formell' (s. Beleg 1966); im 18./19. Jh. die ebenfalls eher abwertend verwendete adj. Ableitung advokatenmäßig 'dem Advokaten gemäß', weitgehend gleichbed. mit dem im 20. Jh. selten nachgewiesenen Adj. advokatenhaft; seit späterem 19. Jh. die adj. Ableitung advokatorisch 'in der Art des Advokaten, Advokaten-', gelegentlich auch eher pejorativ gebraucht, z. B. in der Zs. winkeladvokatorisch; im 18./19. Jh. vereinzelt die Gelegenheitsableitung Advokaterei 'Tätigkeit, Beruf des Advokaten' und im 19./ 20. Jh. die subst. Ableitung Advokatentum N. (-s; ohne PL) 'Wesen eines/der Advokaten; Gesamtheit der Advokaten'. 2 Vom 16. bis ins 19. Jh. unter Einwirkung von gleichbed. mlat. advocatus selten auch in der Bed. 'kaiserlicher, königlicher (Reichs-, Land-, Stadt-)Vogt, Schutz-, Schirmherr', bes. in den lat. Syntagmen advocatus ecclesiae/patriae 'Schirmherr der Kirche/des Landes' (vgl. Vogt). Dazu seit frühem 16. Jh. das auf flekt. Form von (m)lat. advocatio zurückgehende, veraltete Subst. Advokation F. 'Tätigkeit als Rechtsanwalt, Vertretung vor Gericht, Verteidigung' (zu 1) und, meist in der lat. Form, für 'Schirm-, Schutzherrschaft', z. B. in der lat. Wendung advocatio ecclesiae 'kirchliche Schirmherrschaft' (zu 2); gleichzeitig das aus mlat. advocatia 'Gesamtheit der Rechte eines Vogts, Schutzherrschaft' entlehnte, mit häufigerem Vogtei konkurrierende, heute veraltete Subst. Advokatie F. (-; -n), anfangs auch in den Formen Advocatia, Advocatei/Advocacei, bes. für 'Schutzherrschaft eines weltlichen Herrschers über die Kirche' (zu 2), selten auch im Sinne von 'Advokatur, Amt des Advokaten' (zu 1). Seit früherem 17. Jh. die latinisierende subst. Ableitung Advokatur F. (-; -en), zunächst ohne Pl. für 'Amt, Stand, Beruf und Wirkungskreis des Rechtsanwalts', auch 'Anwaltschaft' (s. Beleg 1867), im 20. Jh., auch mit PL, bes. für 'Kanzlei, Büro eines Advokaten', gleichbed. mit den Zss. Advokaturbüro, Advokaturskanzlei, und speziell österr. Advokaturskonzipient 'Angestellter in einer Advokaturskanzlei' (zu 1); daneben im 18. Jh. unter Einwirkung von gleichbed. mlat. advocatura selten auch für 'Amt eines Vogts, Schutzherrschaft' (zu 2). Advokat 1: 1375 Chronik d. dt. Städte (Straßbg.) IX 1045 advocat; 3392 (Modern lang. Notes 36 (1921) 484) der selbe advocate in des ordins sache gar getruwelich arbeitet; 14./15. ]h. Schausp. M.
U 379 richter und advocad (MÖLLER); um 1400 Montfort XXXIX 106 du advocad und fursprecherinne (MÖLLER); Tünger 1486 Fazetien 135 doctor Johannes Lib, advocat des hofs zu Costenutz;
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Brant 1494 Narrenschiff 40b wer vnwor seyt sym aduocat wann er will nemen by im ratt; Güthel 1522 Dialogus ]lb Christum meinen (zwischen got vnd meinen Sünden) mitler vnd aduocaten vor seinem vatter; Stumpf 1541 Beschreybung Bl. lila des Müssen Aduocaten .. Huss vnd seine Anwalter; Frank 1550 KriegBüchlin 44r Das ich der Aduocaten/ Juristen/ Redner/ Fuersprecher/ vnd aller deren so vor gericht kriegen/ geschweyg; 1553 (1738 Etwas v. Rostockschen Sachen 717) Stadt-Aduocatus (Syndicus); Termineus 1565 Processus 6 Ein aduocat ist der den parteihen in ihren Sachen rath gibet, ihnen dieselben fürt, doch nicht mündlich, sondern schrifftlich; Zorn 1570 Wormser Chronik 109 beide parteien mit ihren freunden und gewaltigen beistand der advocaten und Juristen ihre sach aufs best lassen fürbringen; Lautenbach 1573 Cat. text. ver. (Übers.) 217b Der Aduocaten vnd Fürsprechen art; Fischart 1574 Practick 586 Schadvocaten, die jhr Gut für arme Leut versetzen; ebd. 594 Die Advocaten werden bey dieser badersichtigen Welt dapffer Advocieren und Procurieren das Gelt; Fabricius 1588 Surius' Chronik 229a aduocaten oder beysitzer; ebd. 239a aduocaten und beschirmer; Sattler 1607 Orthographie 369 Aduocati, sind Doctores oder sonst erfahrene im Rechten, die den rechthengigen Partheyen in jhren Sachen jhr recht vnd hilff mittheilen; Albertinus 1615 Gusman v. Alfarche 414 Etliche Juristen/ Aduocaten vnd Procuratores bemuehen sich jhr gantzes lebenlang mit frembden Haendlen; Perez 1626—27 Landstörtzerin 16 sind solche Advocaten welche für ein einzig Secretum oder geheime Sache/ so man ihnen in den Munde gibt/ einen gantzen hauffen stinckende Hasen darfür lassen herauß fallen; ebd. 110 Denn du hast jhn zum getrewen Advocaten/ dessen Räch vnd listige Rencke ich dir in dem nächst folgenden Capittel/ beschreiben will; Comenius 1644 Sprachen-thür 660 Der advocat/ beystandt vnnd vorsprecher soll seinen part oder dienten . . nicht verlassen; Winckelmann 1649 Bed. 126 Mancher ist kein sonderlicher Jurista oder Advocatus, sondern ein Ignorista, Nequista oder Schadvocatus; Leibniz 1668—76 Briefw. l 57 der . . überall geltenden Römischen Rechte, als der allgemeinen Kirchen Advocat und Handhaber seyn; Weise 1673 Erznarren 154 er [der Richter] verdoppelt die Gerichts-Gebühren, und spielt die Sachen, welche man in einem Termin debattiren könte, in die lange Banck hinauß. . . Item, er hält etliche Advocaten auf der Streu, die müssen ihm jährlich etliche hundert Gülden geben; Abr. a S. Clara 1683 Auf, auf ihr Christen 94 Ein Tochter . . hat gehaissen der Geitz, die hat er einem Kauffmann verheyrat; mehr hat eine gehaissen der Betrug, die hat er einem Advocaten angehenckt; Schock um 1700 Phantasten 44 Process-Narr (Überschr.) Ich führ
Proceß schon lange Jahr/ Davon mir wachsen graue Haar!/ Der Richter, nimmt sein deputat/ Das Recht verkehrt mein Advocat; Reuter 1700 Ehrenfried 2 ein versoffener Advocate; Abr. a S. Clara 1714 Kramer-Laden 450 er . . seye ein grosser Patron, ein Advocat .. aller büssenden Sünder; 1716 Württemberg. Land-Recht 95 Von Advokaten, Fürsprechen und Rednern; Elis. Charl. 1721 Br. VI 303 Es ist ein advocatten-fraw hir, so nicht weitt vom Palais-Royal wohnt; Richter 1738 Kriminalprozeß 152 Advocaten-Streiche; 1750 CST Holstat 132 muß jede parthey . . 2 oder 4 rthl. erlegen, davon der marschhauptmann die haelfte, die andere aber die beyden adcvocati bekommen (DRW); Reinhard 1769 Sehr. VIII1153 Die Advocaten Wissenschaft ist einem Teutschen Minister oftmahl nüzlich und zu Zeiten nöthig; 1775 (Dinter 1829 Leben 65) Vor Advokat'n und Bettelbrod/ Behüt uns lieber Herre Gott; Lessing 1778 AntiGoeze (S. Sehr. XIII 7) daß ich mich . . (weil es doch einmal Advocat heissen soll) als den Advocaten der Religion .. erweise; K. G. Lessing 1780 Mätresse 84 die ihm erlaßne Advokatengebühren und andere Kosten; Bretzner 1787 Leben I 183 Advokaten disponirten unter dem rauschenden Getümmel einer Janitscharenmusik; ebd. I 300 sie könne schon Advokatensfrau seyn, wenn der liebe Gott nicht einen Spuck in die Hochzeit gemacht; Goethe 1795-96 Lehrjahre (HA VII 404) nicht immer wie der Advocat des bösen Geistes nur auf die Blößen und Schwächen unserer Natur zu sehen; 1797 Belehrungsbuch 3 in sog. Advokatenstreichen; F. Schlegel 1798 (C. Schlegel, Br. I 222) hier betrachtet man mich als advocatum diaboli. ueberhaupt ist das geschrey groß über uns, und unsre frechheit (DWB N.); Kortum 1799 Jobsiade 122 oder was der Hausadvokat bekommen, oder der Richter etxra genommen; ebd. Mein Vater war dort Advokate, welcher viele Processe zu führen hatte; Heinzmann 1800 Fruehst. 118 Ihre Kniffe können sie nicht verlieren; ihre Advokaten-Ränke nicht ablegen; ihre Falschheit tritt überall hervor; Fülleborn 1802 Rhetorik 36 Advokat, Anwalt, Sachführer; Goethe-Schiller vor 1805 Eriefw. II 284 Gleich nach dem Tode sitzt der Advocat des Teufels neben dem Leichnam (KEHREIN); Goethe 1821 Wanderfahre (HA VIII 308) ein durchgreifender Advokat in einer gerechten Sache; PücklerMuskau 1834 Tutti II 40 Winkel-Advocaten; Schopenhauer 1840 Moral 103 da tritt .. in meinem Innern der Ankläger auf und auch ihm gegenüber der Advokat, welcher meine übereilte Verbürgung . . zu beschönigen sucht; ebd. 151 wo der bestellte Wächter . . zum Mörder, der betraute Hüter zum Dieb wird, der Vormund die Mündel um ihr Eigentum bringt, der Advokat prävariziert, der Richter sich bestechen läßt; 1843 Komet 480 Ein Berüch-
Advokat tigter aus Berlin in der „Deutschen Allgemeinen" spricht. . von einer „Winkelbroschüre"? Was heißt das, Herr Hof- oder Geheimrath? Man kann von Winkeladvocaten, Winkelscribenten, Winkeldiplomaten, Winkelpolizisten . . sprechen; aber eine Broschüre, die für alle Welt gedruckt . . ist, gehört der ganzen Öffentlichkeit; da gibt es keine Winkel; Marx/Engels 1845 heil. Familie (MEW II 31) dort spricht er nach römischer Weise von „Advokaten", hier in deutscher Weise von „Rechtsgelehrten"; ebd. II 202 die französische Gesetzgebung fehlt nur darin, daß sie den Armenadvokaten nicht besoldet; Burckhardt 1846 Br. H 198 die Advokateneitelkeit; Häuser 1851 Denkw. 115 Jener Advocatenradikalismus, der nun in Baden zur Herrschaft kam, hatte in Hecker seinen bezeichnendsten Vertreter; Alexis 1852 Ruhe IV 30 von advocaten des teufels hab" ich wohl gehört . . nur weiß ich nicht, wer sie bezahlt (DWB N.); Willkomm 1857 Ammer 117 Advocaten bringen, wenn sie ungerufen kommen, selten Vergnügen; Müller 1861 Wartesalon 29 Advokatenbeutelschneiderei; Ranke 1863 Lebenserinn. (Dtsch. Rundsch. Ll 43) Eine andere Classe bildeten die Juristen. . . Sie verwalteten die Patrimonialgerichte in der Nachbarschaft . . oder widmeten sich auch der Advocatur. Der Advocat schlechthin so genannt hiess Ockart; Schlözer 1864 Rom. Br. 84 Gründlichkeit, mit der solche Beatifikations- oder gar Kanonisationsprozesse [in Rom] geführt werden. .. Die Hauptfigur dabei ist der sogenannte offiziell bestellte Advocatus diaboli, dessen Aufgabe es ist, alles aufzusuchen, was gegen Beatifikation oder Canonisation der betreffenden Person sich einwenden läßt, um dann letztere so schlecht wie möglich zu machen; Gervinus 1872 Hinterlass. Sehr. 34 producirt sich der neue Gil Blas als advocatus diaboli; Schaible 1885 Stichworte 14 Teufelsadvokat, ein Spottname der oft schlauen Advocaten gegeben wird, welche Alles verdrehen . ., wurde ehemals zu Rom dem Theologen gegeben, der bei jeder Heiligsprechung formell gegen die zu canonisierenden Candidaten aufzutreten und zu opponieren, also gewissermassen des Teufels Anrecht an sie geltend zu machen hatte; Gottschall 1885 Totenkl. 238 Denn hier fehlt der Teufel, und nicht einmal der Dichter erscheint als advocatus diaboli; Wolff 1887 Hagestolze 202 wenn Du die Bedingungen annimmst, die ich Dir zu stellen habe. — Du sprichst ja, als wärst Du ihr advocatus; 1896 Cosmopolis U 557 Er hat die nützliche Rolle des advocatus diaboli gespielt. Er hat . . durch seinen .. sachverständigen Tadel bewirkt, dass viele Verbesserungen vorgenommen worden sind. Er hat sich dadurch Dank verdient, und man trägt ihm diesen Dank dadurch ab, dass man lächelnd zusieht, wenn er die Rolle des advocatus diaboli noch heute fortsetzt; Bamberger 1899
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Erinn. 20 trat ich bei einem Rechtsanwalt, oder wie es damals hieß, Advokat-Anwalt, zu weiterer Ausbildung ein; Th. Mann 1901 Buddenbrooks (W. 1526) wäre es klug gewesen, wenn Weinschenk einen hier ansässigen Advokaten genommen hätte; Diefenbach 1904 Dingskirchener Chronik 32 ein schmächtiges Winkeladvokätchen; Lissauer 1913 Aufs. I 91 bestreitet, dass Hebbel der Kritiker ein Advokat Hebbels des Dichters sei; 1916 Franzosen 77 der . . große, in Frankreich überreiche Anteil, den der Advokatenstand am politischen Leben . . nimmt; 1918 Deutschtand 334 politischer Advokatenkunst; Th. Mann 1918 Reden u. Aufs. (W. XII 100) das ist die radikale Republik, die Advokatenund Literatenrepublik, wie der Zivilisationsrat sie im Haupte und Herzen hegt; ders. 1922 Reden u. Aufs. (W. Xll 622) in Deutschland gibt es das wenig bekannte humanistische Sprichwort: „Advokaten - Teufelsbraten"; Meinecke 1924 Idee 299 ohne Advokatentendenz, ohne Richterabsicht; 1925 Sachs. Dorfgesch. 219 Die einfältigen Leute nannten ihn . . einen Stöckeladvokat und wollten damit sagen, dass er so eine Art Gerechtigkeitspfuscher sei; Colerus 1929 Kaufherr 67 Die Konferenz beim Advokaten war in einer halben Stunde abgetan; ebd. 190 Sei es auch nur . . die Tätigkeit des advocatus diaboli, zu der ich ausersehen war; 1930 Handb. d. Frankreichkunde II 136 Der Advokat als Redner und Gesetzgeber; 1936 „Duden"Sammlung o. S. ein Landmann, der sich in einer Prozeßangelegenheit nicht von einem fachkundigen Anwalt, sondern von einem dunklen Winkeladvokaten beraten ließ und den Prozeß verlor; Benjamin 1938 Br. II 807 Daumier . . nimmt in den Köpfen der Politiker, Minister und Advokaten das gleiche wahr: die Gemeinheit und Mediokrität der Bürgerklasse; Th. Mann 1939 Lotte (W. II 670) an Euch ist ja ein pathetisch listenreicher Advocat verloren gegangen; Vegesack 1947 Weltgericht 30 Der Advocatus Diaboli (Überschr.) Wie der Spaßmacher als Advocatus Diaboli den Teufel verteidigt; Welt 6. 7.1954 Donna Vitoria hatte den besten Advokaten genommen, um sich . . zu verteidigen; Bamm 1956 Ex ovo 99 hätte unter den Festrednern an Virchows achtzigstem Geburtstag der advocatus coeli solche Gedanken vorgetragen, wäre er wohl hinausgeworfen worden; ebd. 103 betrachtet man zwischen dem Advocatus coeli auf der einen und dem Advocatus diaboli auf der anderen Seite den Mann am Mikroskop, liegt die Versuchung nahe, ihn lächerlich zu finden; Jaspers 1958 Atombombe 42 wie auch die Wahrheit. . ihren Advokaten braucht, so braucht das Recht Macht; ebd. 484 weil der Erfolg der beste Advokat ist; Nossack 1959 Beweisaufnahme 8 hätte sein Mandant.. bedeutet, auf jede Rechthaberei zu verzichten, oder um den Ausdruck seines Mandanten zu gebrau-
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chen: auf jeden Advokatentrick; ND 22.10.1959 mit diesem peinlichen Advokatentrick soll der unbequeme Mahner mundtot gemacht werden; Hunke 1960 Erbe 173 als Advokat der verknöcherten Säfte- und Temperamentenlehre hatte er sich von der Anschauung, vom kranken Individuum weit entfernt; FAZ 3.11.1962 Anwalt (aber kein trockener Advokat) (Anzeige); Bernhard 1967 Verstörung 14 ein erfolgreicher Advokat in Grundstücksangelegenheiten; Schwelbusch 1983 Lichtblicke 33 der österreichische Advokat der Thermolampe, Andreas Zacharias Winzler; Zeit 25.2. 1985 statt seiner übernahm Unterstaatssekretär Perle . . als „alter ego" die Advokatenrolle; ebd. 29.3.1985 wer als Advokat, wo es um gemeinen Mord geht, so redet, entlarvt sich und sein Klientel; ebd. 20.9.1985 nun sind Sie nicht irgendein Advokat der Reform gewesen; ebd. 25.11.1985 Reagan hat sich zu sehr zum Advokaten der ehrgeizigen SDI-Visionen gemacht; MM 30.9.1986 spitzfindig wie ein Advokat liest Sciasia aus der Anklageschrift; ebd. 6.2.1987 gleichzeitig herrscht ein ungetrübtes Kritiker-Winkeladvokatenwesen; Spiegel 9. 7.1990 beauftragte sie einen Freund ihres Vaters mit ihrer Vertretung im Westen, den Hamburger Advokaten Hajo Wandschneider; 1991 Marie Ciaire II178 Ich betrachte mich als Advokat meiner Lieder. advokatenhaft: 1928-29 ZfMenschenkunde IV 410 das . . advokatenhafte corriger la fortune; Th. Mann 1945 Reden u. Aufs. (W. XII 229) wird . . sein sonderbar lockeres Verhältnis zum Intellektuellen ihm leicht einen Anflug des scheinbar Gewissenlosen, Leichtfertigen, Dialektischen, Advokatenhaften verleihen. advokatenmäßig: 1772 Frankf. gel. Anz. 197 Das Vertheidigen ist so advocatenmässig; und der beste Advocat denkt vornehmlich an seinen dienten; Lucian 1788 W. I 15 das nenn' ich einen langen und advocatenmäßigen Traum!; Hebbel 1844 S.W. II 375 nur das nüchterne vergleichen und rechnen . . widert an, eben so das advocatenmäßige sichselbst-entschuldigen (DWB N.). Advokatentum: Hackländer 1855 Hausblätter IV 391 Auf diese Weise wird die Herrschaft des kanonisirenden Advokatenthums, des Rechtspfaffenthums recht gründlich gebrochen; Th. Mann 1918 Reden u. Aufs. (W. XU 11) ein Rest von Rolle, Advokatentum, Spiel, Artisterei, Über-der-SacheStehen, ein Rest von Überzeugungslosigkeit und jener dichterischen Sophistik, welche den Recht haben läßt, der eben redet, und der in diesem Falle ich selbst war.
Advokaterei: /. E.Schlegel 1743 W. II 51 ich weis nicht, warum ihr beständig so viel Sachen hinnen [in der Stube] habt, die zu eurer advocaterey doch gewiß nicht gehören können; Heine 1845 Br. Ill 8 ich verstehe, obgleich dr. juris, verflucht wenig von der advocaterey (beide DWB N.). Advokatie: 1663 (Wrede, Altköln. Sprachschatz 74b) ob ihm nit wissig, daß ein erb . . rhatt hiebevorn allen ingraduirten persohnen die advocacei verpotten?; 1913 Europas Advokaten Handb. 288 die advocatie ist in Kroazien nicht frei, wie in Ungarn; aber für ernannte advokaten besteht bezüglich der ausübung ihrer pflichten freizügigkeit im ganzen lande (beide DWB N.). Advokatin: Albertinus 1602 Haußpolicey 116b Die andere vrsach, warum Maria ein Aduocatin ist der Keuscheit, ist dise, allweil sie allein gewest ist die erste, welche . . jhre Rainigkeit hat vnbefleckt erhalten; Perez 1627 Landstörtzerin H 117 so ist die Angerona ein Mutter deß Stillschweigens/ vnnd ein Advocatin der Stummen gewesen/ derowegen sie allezeit einen Finger auff dem Munde gehabt; Martin 1637 Pari. 370 Was begehrt die Frau Advocatin zu haben; Abr. a S. Clara 1685 Gack 215 dise himmlische Advokatin [Maria] ist bey vns; Rädlein 1711 Spr.-Schatz l 48b eine Advokatin . . eine Advokaten-Frau; Lenz 1775 Br. l 121 [Wieland] hat eine vortrefliche advocatin an ihnen [Sophie de La Röche] (DWB N.); Kortutn 1799 Jobsiade I 158 die Frau Advokatin bekam,/ Was etwa der Herr Advokate nicht nahm; Buchner 1844 Advokat 25 ich ward Advokat, warb und heirathete. Daß ein Advokat, und sogar eine Advokatin, die gewöhnlichen materiellen Dinge nicht entbehren könne, . . wußte ich allerdings; Alexis 1846 Hosen I 83 Agnes Bredow trat. . als seine Advokatin auf; Menzel 1871 Roms Unrecht 128 Man machte die Madonna förmlich zur Advokatin der Sünde; Heyse 1895 Ges. W. H 2,326 während der Glückliche, der die Braut heimgeführt hatte, . . jetzt aufstand, der beredten Advocatin ein Glas zuzutrinken; Braun 1911 Mem. II 363 ich erinnerte mich vor allem jener Advocatin, die neben ihrer großen Praxis sechs Kinder . . erzogen haben sollte. Advokation: vor 1542 (Franck 1551 Zeitb. II 115a) kein geweichter soll inn einicher weltlichen Sachen vor weltlichen richtern aduociern, dann allein inn eygen Sachen . . oder für armselig personen, die kein aduocation vermögen vmb gottes willen (DWB N.); Rot 1571 Diet. 287 Aduocation, Beystandt in Rechts Sachen. advokatisch: Schottel 1641 Sprachkunst 307 advocatische deductionsschrifft; Stranitzky 1711 Allo-
Advokat patrida 118 nach der advokatischen regul: qui cedit in locum, cedit in jus (beide DWB N.); Wolf 1793 Dulder l 83 Advocatisch - wie der Bauer spricht [Bezeichnung des juristischen Studiums]; Laukhard um 1800 Wolfstein I 290 nannte ihn einen Schurken, advocatischen Esel und Buben; Goethe 1831 Gespr. Eckermann o. S. Courier . . sagte Goethe . . h a t . . von Beaumarchais die große advocatische Gewandtheit (GWB); K. O. Müller 1837 Br. I 308 eine advocatische unehrlichkeit und eine studierte scheinheiligkeit, berechnet auf die unkenntniß und zum theil die Charakterlosigkeit der mehrzahl (DWB N.); 1848 Grenzboten I 2,32 Herwegh und Bornstedt sind minder fein, aber auch weniger advokatisch; Laube 1849 Pari. I 282 Die trockene advokatische Logik dieses Mannes; Bismarck vor 1898 Ged. u. Erinn. (Anhang II 74) Es ist dabei die Absicht, zu vermeiden, dass wir nicht durch Beantwortung unserer letzten Erklärung in einen advocatischen Schriftwechsel hinein kommen; Berdau 1903 Yankeedoodle-Dolly 187 advokatischer; 1966 Mutterspr. XI 335 aber die Sprache wird so seltsam blaß, formelhaft, advokatisch davon (DUDEN).
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advokatorisch: 1869 (Dietzgen 1911 S. Sehr, l 42) spekulative produkte als wissenschaftliche Tatsachen advokatorisch geltend machen (DWB N.); 1916 Deutschland 11 688 advokatorischen Künste; 1929 Preuss. ]ahrb. CCXVH1 384 advokatorische Beredsamkeit; Jaspers 1958 Atombombe 205 die Herrschaft hat in dem Verhandlungsgeschehen entweder die freche Lüge oder in feinerer Form das advokatorische Denken; Zeit 6.2.1987 in irgendwelchen Ecken von Cafehäusern . . werden winkeladvokatorische Beratungen abgehalten, aus Redaktionen winkeladvokatorische, gegenseitig vereinnahmende Telephongespräche geführt.
gen drucken lassen: den schein und das seyn der Advocatur, oder einen kurzen . . Unterricht, was es vor eine Beschaffenheit um die Advocatur habe?; Gichtel 1722 Theosophica Practica 70 Advocatur; Lessing vor 1781 W. IX 286 Die Advocatur ist die Befugniß, vor gewissen Gerichten gewisse Rechtshändel führen zu dürfen (KEHREIN); Goethe 1811 Dichtung u. Wahrh. (HA IX 161) Hof rat Hüsgen . ., reformierter Religion und deswegen keiner öffentlichen Stelle noch auch der Advokatur fähig, die er jedoch, weil man ihm als vortrefflichem Juristen viel Vertrauen schenkte, unter fremder Signatur .. zu führen wußte; ebd. IX 266 mein Landsmann . . Schlosser hatte . . sich . . auf den gewöhnlichen Weg der Advokatur begeben; ebd. IX 565 verwendete ich eine gute Zeit des Tages . . auf die Advokatur, zu deren Ausübung ich zufälligerweise die beste Gelegenheit fand; 1857 Staats-Wb. l 71 Advokatur (Überschr.) Bei allen Völkern . . macht sich das Bedürfniß der . . Vertretung in gerichtlichen Angelegenheiten — Advokatur und Prokuratur — frühzeitig geltend; Ranke 1863 Lebenserinn. (Dtsch. Rundsch. Ll 43) die Juristen . . widmeten sich der Advocatur; Gneist 1867 Advocatur 77 woher soll denn aber ein rechtskundiges personal der Volksvertretung anders kommen als aus der nicht beamteten advocatur? (DWB N.); Katscher 1886 Nebelland 259 sich für die Advokatur vorbereitet; Kacztany 1891 ö-u Montur (Übers.) 36 „Was ist Ihre Zivilbeschäftigung?" fragte mich zornig der Hauptmann. — „Ich bin Advokaturs-Kandidat"; 1906 (Heyse 1924 Ges. W. III 4,427) er [der junge Advokat] . . blieb . . in seinem junggesellenstübchen neben der advokatur und schien nur für seinen beruf interesse zu haben (DWB N.); Th. Mann 1918 Reden u. Aufs. (W. XII 117) Storms Heimatgefühl, sein . . Widerstand gegen das okkupierende Dänentum, das Opfer seiner Husumer Advokatur; 1923 Polit. Handwb. l 12 Advokatur; federer 1925 Regina Lob 47 Advokatur; Voss. Ztg. 17.6.1930 In der Kammer verbreitete sich . ., als gerade ein Gesetzentwurf über die Advokatur beraten wurde, die Nachricht von Carlos Rückkehr; Th. Mann 1930 Reden u. Aufs. (W. X 738) nach Friedensschluß war er kurze Zeit Advokatur-Konzipient; ebd. X 739 Advokatur- und Bankkollegen kannten ihn als durchschnittlichen Kaffeehausbesucher; N. Z.Z. 30.8.1959 dr. jur. Rudolf Vetter, rechtsanwalt, eröffnet . . ein advokaturbureau (DWB N.).
Advokatur: Micraelius 1639 Pommer-Land IV/V1 333 Pauli ein tieffgelarter jurist, welcher erstlich die advocatur in den fürstlichen hoff-gerichten gefuhret (DWB N.); Leibniz 1668^76 Briefw. l 226 verrichtet seine Oberhofgerichts Advocatur alhier Hr. Husanus, welcher auch zu Altdorff Doctor worden; 1716 Fama LV111 768 Zu Eisenach .. hat der Fürstl. Rath und Hoff-Advocat in 4. Octav-Bo-
advozieren: 1463 Urkundenb. NdRhein IV 325 die Sachen . . nyet advociert noch upgeschort werden; um 1475 Nürnbg. V 803 allen burgern advocirn dorfen (beide MÖLLER); 1542 Vnterricht Blb [hat] an jre Kay. vnd Kö.Mai. berufft vnd aduocirt; Perneder 1544 Process 2b Aduocirt; Fischart 1572 Aller Praktik 10 Die Aduocaten werden dapffer das gelt aduocieren und procuriern; Privatus 1598
Advokatokratie: Hackländer 1855 Hausblätter IV 391 Auf die Advokaten hat der Lindenmüller überhaupt einen Zahn; er will von der „Advokatokratie" nichts wissen; Hillebrand 1882 Zeitgenossen 247 Dank auch dem Doctrinarismus der Männer, die glaubten, sie richteten englisches Selfgovernment ein, indem sie die Verwaltung überall in die Hände des Kleinbürgerthums und der Advokatokratie, des Schulmeisters und des Apothekers auslieferten.
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Remigius Daemonolatria 458 für Gericht gleich aduocieren; Zinkgref 1628 Apophthegmata 310 Als er gefragt ward/ warumb er nicht advocire? antwortete er: Ich mag vor mich selbst nicht zankken/ wie soll ichs dann erst vor ander Leut thun?; Moscberosch 1642 Visiones 257 Nach diesem kam ein Advocat ein stattlicher Rhetor, ein beschwätzter . . Mann/ dessen finis vnd zweck in seinem Advociren . . allein war: persuadere, die Leut vberreden; Lassenius 1661 Tischreden 358 wie nun der Sohn zu Hause kommet/ übergibt der Vatter ihm . . auch diese Sache/ vor Gericht zu führen . . der Vatter antwortet: Also wird es dir gehen/ im Fall du also wirst fortfahren/ zu advociren/ wie du angefangen; Weise 1673 Erznarren 125 wie viel sind Juristen, die ihren Volckmann nicht eher auffgeschlagen, als biß sie keine Bratwurst im Hause gehabt, und auß Noth advociren müssen?; Belemnon 1728 Bauernlex. 11 Advociren, Einen Advocaten abgeben; Goethe 1774 Br. (WA IV 2,157) Sonst bin ich sehr emsig . . advozire scharf zu; Westenrieder 1782 Mü. 321 advociren; Laukhard 1800 Erz. l 360 hatte . . seine Advokatur aufgeben müssen, und legte sich hernach aufs Winkel-advociren; Jean Paul 1805 Flegeljahre (W. IV 645) das Notarienwesen treiben . . das Advozieren kann nun wohl wegbleiben; Heine 1823 Br. I 109 ich muß mein jus mit mehr fleiß als jeder andere studiren, da ich .. nirgend angestellt werde und mich aufs advociren legen muß (DWB N.); 1927 Advokatenkniffe 9 wer als advokat rechtshändel führt, advoziert; der winkeladvokat advoziert ohne berechtigung im geheimen (DWB N.). Advozierung: 1542 Vnterricht 81 mit aduocirung derselbigen Acht vnd friedebruchs Sachen. Advokat 2: Murner 1522 Kl. Sehr. VIII 37 Er [der Kaiser] schreibt sich ein aduocaten der kirchen (FRNHD. WB); Nignnus 1587 Schlüssel Büchlein 69a Auss dieser Vrsach nennen die Bäpst die Weltliche Potentaten, jhre liebe Söhne, Aduocaten, Patronen vnnd Schutzherren der Römischen Kirchen; Mechtel 1612 Limb. Chronik 10 ob aber die advocati und vogte derzeit [in Limburg] angesetztet oder vorlangs gewesen, haben ich nit befunden (DWB N.); Schiller 1790 W. IX 233 ein erzbischoff, bischoff oder abt war daher in seinem distrikte, was der könig dem ganzen Staat, er hatte advokaten oder vögte, beamte und lehenträger, tribunale und einen fiskus (DWB N.); Landau 1854 Territorien 345 Advocatus ecclesiae (Kirchenvogt); Thu-
dichum 1860 Gegenverf. 61 Stellvertreter des Landgrafen . . advocati, advocati provinciates, landvögte; Jähns 1885 Heeresverf. 365 Justus Möser . . jener echte Advocatus patriae; Suess 1916 Erinn. 318 Einen Reichskanzler werde Ungarn nicht dulden, aber sicher bestehe das Bedürfnis nach einer Persönlichkeit, die .. diese Beziehungen, gleichsam ein Advocatus imperii, im Auge halte. Advokatie: i>. Watt um 1530 (Dt. hist. Sehr. I 210) so habend wir [König] obgemelten abt und sein nachkomend äbte diss zusag geton, daß wir gedacht advocacei von dem reich nit entwenden wellind, weder lehens- noch verpfändungsweise (DWB N.); Estor 1762 neue kl. Sehr. VI 650 Advocatie bedeutet auch einen strich landes; Kreittmayr 1769 Grundriss l (Reg) VI 650 Advocatia ecclesiastica suprema im Reich ob es ein keiser; Ritschi 1870 Rechtfertigung I 131 ein uebergewicht des Staates über die kirche . ., welches auf dem allgemein geltenden rechte der advocatie des Staates für die kirche beruhte (DWB N.}; Srbik 1904 Staat u. Kirche 3 der allmähliche Übergang der Advocatia ecclesiae vom Kaiser auf die Fürsten mit der . . Verselbständigung der Landesgewalten; Maybaum 1926 Gutsherrschaft i. Mecklenburg 87 Der Uebergang . . staatlicher Hoheitsrechte an Grundherren (Überschr.) Die advocatia. Die Immunitätsurkunden geistlicher Grundherrschaften enthalten in der Regel eine Eximierung von der advocatia; Zedinek 1929 klösterl. Kirchen 26 advocatia, Vogtei. Advokation: Murner 1522 Kl. Sehr. VIII 37 das im [Kaiser] solch ampt der aduocation in krafft meins ewangeliums zuhör vnd gebür; 1552—58 B. Walther 152 solliche Lehenschaft im Rechten auch Advocatio, das ist ein Vogtey genent wirdt (beide FRNHD. WB); Perthes 1845 Staatsleben 7 Das Papstthum suchte, um das Christenthum zu sichern und zu verbreiten, nach einem weltlichen Schutz, welchen man im Mittelalter advocatio ecclesia nannte; Mitteis 1955 Staat (Reg.) advocatio. Advokatur: Leuckfeld 1705 Walckenried I 157 die advokatur von dieser kirchen haben . . auf begehren derer walckenredischen aebte die . . graffen von Werningeroda gehabt; vor 1733 Geschichtsqu. Münster III 301 anno 1221 hat Fridericus graf . . unter dem titul der advocatur sich einer grossen freyheit über die geistliche guther angemasset (beide DWB N.).
Aero-, aero-, nur gebunden vorkommendes Anfangselement von meist fachspr. verwendeten Subst. und davon abgeleiteten Adj.; seit Anfang 18. Jh. nachgewiesen
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in teilweise ber das Lat. bzw. Gelehrtenlat. (z. B. Aeromantia) oder Frz. (z. B. Aerologie) vermittelten, gleichzeitig aber auch schon selbst ndig im Dt. gebildeten neoklassischen Kombinationen (z. B. Aerometrie), deren Bestandteile nahezu ausschlie lich auf das Griech. zur ckgehen. Im Laufe des 18. Jhs. als Wortbildungselement (mit entsprechenden Wortbildungsmustern, s. ganz unten) international rasch verbreitet, daher zahlreiche, in den modernen Kultursprachen (bes. im Frz., Engl. und Dt.) etwa gleichzeitig aufkommende neoklassische Bildungen (vgl. die Polygenese z. B. bei Aeronaut, Aerostatik, Aerolith). Seit dem 19. Jh. voll im Dt. integriert und bis heute, bes. in den Fachsprachen, unvermindert aktiv (zur ckgehend auf die griech. Kompositionsform άερο -, zu αήρ, Gen. αέρος, 'Luft(schicht), Dunstkreis, Atmosph re, Nebel, Gew lk', die bereits im Griech. als Bestimmungswort zur Bildung von Zss. diente, z. B. άεροσκοττία 'Beobachtung der Luft (zur Weissagung)', άερομετρέειν 'die Luft messen'; vgl. gleichbed., weitaus weniger aktives lat. ero-, aus er, Gen. eris, mit aus dem Griech. bernommenen Bildungen wie aeromantia 'Luftwahrsagerei', aerophobus 'luftscheu', auch in der Nebenform aeri-, z. B. aerivagus 'in der Luft umherschweifend', die heute nur noch in wenigen gelehrten Bildungen auftritt, z. B. Aerial 'freier Luftraum als Lebensbereich f r Landtiere' oder aeril, aerisch 'durch Luft-, Windeinwirkung entstanden'). In der Bed. 'Luft-', seltener auch 'Gas-' (vgl. 1), bzw. 'Luft-' und bes. 'Flug-' (vgl. 2), vorwiegend im Bereich von Technik und Wissenschaft verwendet: la Zun chst im Bereich der Meteorologie und der wissenschaftlichen Erforschung (von physikalischen Ph nomenen) der Atmosph re sowie der Beschaffenheit von Luft und str menden Gasen in Kombinationen gebraucht, mit denen vor allem die hier einschl gigen Wissenschaftszweige und damit verbundene Sachverhalte, Verfahrensweisen, Instrumente o.a. bezeichnet werden, z. B. das (1709) von dem Mathematiker Chr. Wolff gebildete Subst. Aerometrie F., anfangs auch in der gelehrtenlat. Form Aerometria, 'mathematische Lehre von den Eigenschaften der Luft; (Wissenschaft von der) Luftmessung' (aus Aero- und griech. -μετρία 'Messung; Ma ', vgl. griech. άερομετρέειν 'die Luft messen'), mit der subst. Ableitung Aerometer N., anfangs auch M., als Bezeichnung f r ein Me ger t zur Bestimmung der Luftbeschaffenheit, und dem Adj. aerometrisch; seit fr hem 18. Jh. (gebucht 1727 bei Sperander) das Subst. Aeromantie F., anfangs auch gelehrtenlat. Aeromantia, 'das Wahrsagen aus Lufterscheinungen (z. B. aus Wind, Wolken, Blitz); Luftdeutung; Wetterprophezeiung' (eventuell ber gleichbed. lteres frz. aeromancie zur ckgehend auf (m)lat. aeromantia, aus griech. άερο- und μαντεία 'Prophezeiung'). Seit dem sp ten 18. Jh. zunehmend in Bezeichnungen f r moderne Wissenschaftsbereiche, die aus der Meteorologie hervorgegangen sind, wie z. B. Aerologie F. 'mit der Erforschung der oberen Luftschichten (z. B. durch Ballone, Sonden, Satelliten) befa ter Wissenschaftszweig der Meteorologie' (aus Aero- und griech. -λογία 'wissenschaftliche Abhandlung, Rede', zu λόγος 'Wort; Rede; Lehre', vgl. gleichbed., deutlich lteres frz. aerologie), mit der dazugeh rigen adj. Ableitung aerologisch 'die Aerologie betreffend, mit ihr befa t'; Anfang 19. Jh. das (1808 bei Adelung) in seiner physikalischen Bed. gebuchte Subst. Aerostatik F. 'Wissenschaft, die sich mit den Gleichgewichtszust nden ruhender Gase, insbes. der (atmosph rischen) Luft unter Einwirkung der Schwerkraft, befa t' (aus Aero- und griech. στατική (τέχνη) 'das Gleichgewicht der Kr fte betreffend(e Kunst)'), mit dem Adj. aerostatisch 'die
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Aerostatik betreffend, nach ihren Methoden verfahrend'; seit fr hem 19. Jh. das h ufig nachgewiesene Subst. Aerodynamik F. 'Lehre/Wissenschaft von der Bewegung und Str mung gasf rmiger Stoffe, bes. der Luft' (aus Aero- und griech. δυναμική (τέχνη), vgl. etwa gleichzeitig aufkommendes —>· Dynamik) und das dazugeh rige Adj. aerodynamisch 'zur Aerodynamik geh rend; ihren Gesetzen unterliegend', in Syntagmen wie aerodynamische Waage 'Waage zum Messen des Str mungswiderstandes, der an Flugzeugmodellen, Tragfl gelprofilen u.a. auftritt' und aerodynamischer Widerstand 'Widerstand, den ein bewegter K rper durch die ihn umstr mende Luft erf hrt', von daher dann bes. bezogen auf die Konstruktion von Fahrzeugen f r 'stromlinienf rmig gebaut (und deshalb den Luftwiderstand verringernd), windschnittig' (s. Beleg 1935), und im 20. Jh. die Personenbezeichnung Aerodynamiker M. 'Wissenschaftler auf dem Gebiet der Aerodynamik'; seit fr herem 19. Jh. das (1838 bei Heyse) gebuchte, aus Aero- und —>· Mechanik gebildete Subst. Aeromechanik F. als Bezeichnung f r die Wissenschaft von den Gleichgewichtszust nden (vgl. Aerostatik) und den Bewegungen und Kr ften in Gasen, insbes. der Luft (vgl. Aerodynamik, Pneumatik). Gleichzeitig die Subst. Aerographie F. 'wissenschaftliche Beschreibung der Luft(schichten), der Atmosph re' (aus Aero- und vermutlich im Dt. bereits verf gbarem -graphic, aus griech. -γραφιά 'Beschreibung', zu γράφειν 'schreiben'; vgl. lteres —»· Stenographie, —» Telegraphic) und Aeroskopie F. 'Beobachtung der Luft, um aus ihr zu weissagen' (aus gleichbed. griech. άεροσκοπία, aus άερο- und σκοπεΐν 'aus der Ferne auf ein bestimmtes Ziel/Objekt hinsehen; betrachten'), s. o. Aeromantie. Seit etwa Mitte 20. Jh. die subst. Kombination Aeronomie F. 'mit der Erforschung der (im Unterschied zur Aerologie) obersten Schichten der Atmosph re befa te Wissenschaft (als Teilgebiet der Physik)' z.B. in der Zs. Aeronomiesatellit (analog —»· Astronomie gebildet aus Aero- und im Dt. bereits verf gbarem -nomie 'Fachgebiet, Fachwissenschaft' < griech. -νομία 'Wissensgebiet', zu -νόμος 'Fachmann, Sachkenner'). Gleichzeitig zunehmend in nach dem Muster /Aero- + freies Lexem/ zusammengesetzten Bildungen wie Aerobiologie F. 'Zweig der Biologie, der sich mit der Erforschung der lebenden Mikroorganismen in der Atmosph re befa t', Aerophysik F. 'Teilgebiet der Geophysik, die die Atmosph re mit fliegenden Me stationen (Satelliten) erforscht' und Aeroklimatologie F. 'Wissenschaft von den klimatischen Erscheinungen in der freien Atmosph re'. Daneben auch in Kombinationen, mit denen vor allem (physikalische, geologische u. a.) Erscheinungen der Atmosph re bezeichnet werden, z. B. das seit 1800 bezeugte (aus Aero- und griech. λίθος 'Stein, Felsst ck' gebildete) Subst. Aerolith M. 'in die Erdatmosph re eindringender, kosmischer K rper, Meteorstein', eigentlich 'aus der Luft, Atmosph re herabgefallener Stein', heute veraltet und durch den astronomischen Fachausdruck Meteorit ersetzt; seit fr herem 20. Jh. (gebucht 1933 bei Genius) das aus Aero- und —» Sph re zusammengesetzte Subst. Aerosph re F. 'Lufth lle um den Erdball' (vgl. schon seit dem 17. Jh. bezeugtes —* Atmosph re), und seit Mitte 20. Jh. analog (aus Aero- und —> Sonde) gepr gtes Aerosonde F. 'an einem Ballon h ngendes Me ger t, das w hrend des Aufstiegs Me werte ber Temperatur, Luftdruck und Feuchtigkeit zur Erde sendet; Radiosonde'. b Seit Anfang 19. Jh. auch im naturwissenschaftlich-medizinischen Bereich verwendet, zun chst in der Medizin in der Bed. 'durch Luft(-einwirkung) hervorgerufen, entstanden, ausgel st', z. B. in Krankheitsbezeichnungen wie (bei CAMPE gebuch-
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tern) Aerophobie F. '(krankhafte) Angst vor frischer Luft' (aus Aero- und griech. , zu 'Angst, Furcht, Scheu', vgl. gleichbed. älteres frz. aerophobie, engl. aerophoby) und Anfang 20. Jh. (aus Aero- und griech. 'essen, schlucken' gebildetem) Aerophagie F. '(krankhaftes) Schlucken von Luft, bes. bei psychischer Labilität oder bei Magenerkrankungen'; vgl. dazu auch das in neuerer Zeit (aus aero- und griech. 'verursachend, erzeugend; verursacht', zu '(er)zeugen') gebildete Adj. aerogen 'durch die Luft übertragen', bes. von Infektionen, auch für 'gasbildend', z. B. von Bakterien. Ebenfalls im medizinischen Bereich das seit Anfang 20. Jh. (1911 bei Petri) nachgewiesene, aus Aero- und —> Therapie gebildete Subst. Aerotherapie F. 'Heilverfahren, das (bes. bei Erkrankungen der oberen Luftwege) im Einatmen künstlich verdichteter oder verdünnter Luft oder Aerosolen besteht; Aerosoltherapie' und in neuerer Zeit (aus Aero- und lat. solutio 'Lösung' gebildetes) Aerosol N. 'zur Einatmung bestimmtes, flüssige Stoffe in feinstverteilter Form enthaltendes Arzneimittel (in Form von Sprühnebeln)' (vgl. die Zs. Aerosoltherapie), auch in der Chemie als Bezeichnung für ein Gas (bes. Luft), das feste oder flüssige Stoffe in feinstverteilter Form enthält, mit der verbalen Ableitung aerosolieren V. trans, 'etwas (z. B. Arzneimittel) in den Zustand eines Aerosols überführen', insbes. auch 'Aerosole, z. B. Pflanzenschutz- oder Arzneimittel, versprühen'. Seit dem früheren 20. Jh. auch im Bereich der Biologie in der Bed. 'auf Luftsauerstoff angewiesen, ihn benötigend', bes. in einer Reihe von Fachwörtern, die aus Aero- und griech. 'Leben' gebildet sind, wie z. B. das Adj. aerob, bezogen auf Organismen für 'Sauerstoff zum Leben brauchend' (gleichbed. mit veraltetem, aus aero- und griech. 'lebendes Wesen' geprägtem aerozoisch, Ggs. anaerob), mit dem dazugehörigen Subst. Aerobier M. Organismus, der nur mit Sauerstoff leben kann' (Ggs. Anaerobier), gleichbed. mit Aerobiont M. (aus Aero- und griech. ßiöv, Part. Präs, von ßioüv Meben'); das Subst. Aerobiose F. 'nur bei Luft- bzw. Sauerstoffzufuhr möglicher Lebensvorgang' (Ggs. Anaerobiose) und in jüngster Zeit das aus gleichbed. engl.-amerikan. aerobics (zu aerobic 'unter Einfluß von Sauerstoff stattfindend') übernommene Subst. Aerobic(s) N., auch F. (meist ohne Artikel und selten mit PL -s) für 'Fitneßtraining, bei dem durch tänzerische und gymnastische Übungen die Umsetzung von Sauerstoff im Körper angeregt und verstärkt werden soll' mit dem aus gleichbed. engl. aerobic übernommenen Adj. aerobisch 'Aerobic(s) betreffend'. Daneben in neuester Zeit gelegentlich im Bereich der Werbung (z. B. Textilbranche) im Sinne von 'Luft, Sauerstoff durchlassend, luftdurchlässig' in mehrgliedrigen Kombinationen wie Aerofit-Sohle und Aero-Jet-Hose (s. Belege 1985, 1986). c Seit der zweiten Hälfte des 19. Jhs. selten auch im technischen Bereich nachgewiesen in der Bed. 'durch Luft erzeugt, mit Hilfe von Luft', bes. das (1863 bei Kaltschmidt gebuchte, aus gleichbed. griech. übernommene) Adj. aerophon(isch) 'in der Luft tönend, sie durchtönend; laut schallend' mit dem dazugehörigen Subst. Aerophon N., zunächst als Bezeichnung für ein von Edison (um 1880) erfundenes Instrument, mit dem die menschliche Stimme verstärkt wird (und bis zu 9 km weit gehört werden kann), seit Anfang 20. Jh. dann für ein durch Lufteinwirkung zum Tönen gebrachtes Blasinstrument, eigentlich 'Lufttöner, -klinger'; seit früherem 20. Jh. (gebucht 1933 bei Genius) das veraltete Subst. Aerotherm 'mit erwärmter Luft heizender Ofen' und in neuerer Zeit bes. das dazugehörige (aus aero- und
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griech. θερμός 'warm, hei ' gebildete) Adj. aerotherm(isch) 'mit hei er Luft behandelt, hergestellt; aus hei er Luft', z. B. in der Wendung aerothermer ('im Hei luftstrom ger steter') Kaffee. 2 Seit dem sp ten 18. Jh. im Zusammenhang mit der Erfindung des Warmluftballons (1783 durch die Br der Montgolfier) und den ersten Flugversuchen mit Freiballons und Luftschiffen im Bereich des Flugwesens, der Luft- und Raumfahrt(-technik), in Kombinationen wie (heute veraltetem) Aeronaut M. 'Ballonfahrer, Luftschiffer, Flieger', vereinzelt auch bertragen gebraucht im Sinne von 'Aufsteiger; Mensch, der in h heren Sph ren lebt' (s. Beleg 1897) (aus Aero- und griech. ναύτης 'Schiffer'), gleichzeitig Aeronautik F. '(Lehre, Wissenschaft von der) Luft(schiff)fahrt' (aus Aero- und griech. ναυτική τέχνη 'Schiffahrtskunde', —> Nautik) mit dem Adj. aeronautisch 'die Aeronautik betreffend; luftfahrttechnisch'; das heute veraltete Subst. Aerostat M. f r 'Luftballon, Luftschiff, im 19. Jh. selten auch f r 'Luftfahrer, Luftschiffer' (s. Beleg 1825; vgl. Aeronaut) (aus Aero- und griech. στατός '(fest-)stehend'), gleichzeitig Aerostatik F. f r 'Luftfahrt mit Aerostaten; Wissenschaft vom Schweben in der Luft, von den Luftschiffen' (s. Beleg 1820; s. o. Aeronautik) und das Adj. aerostatisch 'die Luftschiffe betreffend, mit ihnen befa t', bes. in dem (nach gelehrtenlat. machina aerostatica gebildeten) Syntagma aerostatische Maschine 'Aerostat' (aus aero- und griech. στατικός 'stehend'), dann seit Anfang 19. Jh. (ebenso wie Aerostatik) nur noch als moderner Fachausdruck der Physik (vgl. oben l a) verwendet. Vgl. daneben etwa gleichzeitig die von Wieland gepr gten Bildungen Aerostatomanie, Aeropetomanie (aus griech. άεροττέτης 'in der Luft fliegend' und — μανία 'Raserei, Wahnsinn', —» Manie) f r 'Manie, Mode des Fliegens in der Luft; Luftfliegerei' als zeitgen ssischer Reflex auf das Neuartige und zugleich Modische der Luftschiffahrt. Seit fr hem 19. Jh. das veraltete Subst. Aerodrom N., zun chst f r 'Flugobjekt, Flugzeug' (s. Beleg 1822), im 20. Jh. dann 'Flugplatz' (s. Beleg 1933; zur ckgehend auf griech. άεροδρόμος 'die Luft durchlaufend', zu δρόμος 'Lauf; Rennbahn, bungsplatz'); Ende 19. Jh. das (vermutlich aus gleichbed. lterem frz. aeroplane bernommene) veraltete Subst. Aeroplan M. 'Flugzeug (in der Anfangsphase der Flugtechnik)', vereinzelt auch f r 'Drachenflieger' (s. Belege 1910, 1931) (aus Aeround griech. πλάνος 'umherschweifend'). Im fr hen 20. Jh. das aus gleichbed. engl. aerobatics (einer Analogiebildung zu acrobatics^ vgl. Akrobatik, —> Akrobat) bernommene, auf griech. άεροβατέειν 'luftwandeln' zur ckgehende Subst. Aerobatik F. 'Kunstflug(-vorf hrung)', in neuester Zeit bes. in der Zs. Aerobatik-Team 'Kunstfluggruppe'; vgl. aber die schon seit dem fr hen 19. Jh. (s. Beleg 1824) bezeugte, auf griech. άεροβάτης 'Luftwandler' zur ckgehende, eher bildungsspr. verwendete Personenbezeichnung Acrobat M. '(in der Luft agierender) Seilt nzer', auch bertragen und scherzhaft f r 'Tr umer, Gr bler, ideologischer Schw rmer', und das dazugeh rige Adj. aerobatisch 'seilt nzerisch, luftwandlerisch', vor allem bertragen f r 'schw rmerisch, sich geistig in schwindelnden H hen bewegend (z. B. von Philosophen)' (s. Beleg 1840). In neuerer Zeit — deutlich dem Muster von Zss. folgend (vgl. Aeromechanik, -biologie usw. bei l a) — z. B. in Bildungen wie Aerophotographie F. 'das Photographieren aus Luftfahrzeugen, bes. f r kartographische Zwecke', auch 'Luftbild, -aufn hme', Aeromedizin F. 'Teilgebiet der Luft- und Raumfahrtmedizin, die sich mit den physischen Auswirkungen der Luftfahrt auf den menschlichen Organismus befa t', Aero-
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salon M. 'Ausstellung von Fahrzeugen und Maschinen aus der Luft- und Raumfahrttechnik' und Aeroclub M. 'Luftsportverein'. Häufig auch in Bezeichnungen für Luftverkehrsmittel, wie z. B. Aerotaxi N. 'kleines Mietflugzeug (für Kurzstrecken)', Aerobus M. 'Hubschrauber im Zubringerdienst', auch 'Großraumflugzeug (zur Personenbeförderung)', dafür (nach gleichbed. engl. air bus) auch Airbus (—* Air-); vgl. vereinzelt schon Anfang des 20. Jhs. aufgekommene Gelegenheitsbildungen wie Aeromobil, -car (s. Beleg 1910); in jüngster Zeit das vermutlich aus gleichbed. frz. aerotrain übernommene Aerotrain M. 'Luftkissenzug' und das Kurzwort Aerotel N. 'Flughafenhotel' (aus Aero- und —+ Hotel). Vgl. daneben auch neuere Gelegenheitsbildungen wie Aeropolitik, Aeroimperialismus, vor allem bezogen auf Fluggesellschaften für 'Beherrschung des Luftraums, Herrschaft über den gesamten Luftraum (durch Einrichtung von immer neuen Fluglinien, durch weltweite Ausdehnung des Flugnetzes)' (s. Beleg 1941) oder Aerophantom als metaphorischer Ausdruck für Kampf-, Kriegsflugzeug (im Angriffskrieg) (s. Beleg 1944). Die Wortbildungsmuster von Aero-, aero-: Als initiales Element tritt Aero-/aero- im wesentlichen in zwei Wortbildungsmustern auf, die eng miteinander verwandt sind. Dabei liegt der Unterschied zwischen beiden Mustern weniger am Status des Elementes selbst, als vielmehr an den anderen Elementen, mit denen es jeweils verbunden wird: Das ältere Muster realisiert sich vor allem in den früher bezeugten neoklassischen Kombinationen Aerometrie, -logie, -stat, -naut, -phobic, -lith, -mantie, -drom, -plan, bei denen auch das zweite Element (z. B. -logie, -phobie, -plan) immer gebunden (z. B. als Suffix) vorkommt; dieses Muster hat demnach die Struktur /Aero-, aero- + terminales Element —> Kombination/. Im jüngeren Bildungsmuster (vereinzelt schon im 19. Jh., vgl. Aeromechanik, vor allem aber im 20. Jh.) erhält Aero-/aero- deutlicher den Charakter eines Bestimmungswortes. In dieser Funktion wird es in der Regel mit im Dt. längst integrierten (aus dem Griech. oder über das Lat., Frz., Engl. entlehnten) Fremdwörtern als selbständigen, auch in freier Form vorkommenden Basiswörtern verbunden, z. B. im Bereich der Wissenschaftsbezeichnungen in Kombinationen wie Aerobiologie, -physik, -klimatologie (vgl. la), oder im Bereich der Luftfahrt in Bildungen wie Aerobus, -taxi, -salon (vgl. 2). Dieses Muster mit der Struktur /Aero-, aero- + Lexem (Subst./Adj.) —> Kombination/ dominiert heute tendenziell. Daneben ist aber auch das ältere Muster durchaus noch aktiv, wie z. B. die in neuerer Zeit im naturwissenschaftlichen Bereich (vgl. Ib) entstandenen Kombinationen aerob, aerogen, Aerobiose, Aerosol deutlich zeigen. Aero-, aero- la: 1709 (Chr. Wolff 1716 Math. Lex. 29) Aerometria, die Aerometrie ist eine Wissenschafft die Lufft zu messen; Fleming 1726 Soldat 33 Die Aerometrie lehret wie die Eigenschafften der Lufft, der Trockne und Feuchtigkeit, der Schwere und Leichtigkeit, der Wärme und Kälte durch allerhand . . Instrumenta abzumessen; Sperander 1727 A la mod Sprach 20 Aeromantie, die Weissagung aus der Lufft; Zedler 1732 Universallex, l 681 Aeromantia, die Wahrsagung aus der Lufft; ebd. Aerometria, die Aerometrie, ist eine Wissenschafft, die Lufft zu messen . . Wolffius hat diese Wissenschafft zuerst in eine Form gebracht, und unter die Zahl derer mathematischen Disciplinen sowol in den Teutschen Anfangs-Gründen, als denen Lateinischen Elementis Matheseos universae gesetzet, nachdem er sie vorhero an. 1709 beson-
ders zu Leipzig herausgegeben, Ihr Nutzen zeiget sich nicht allein vielfältig in der Physic; Stigler 1757 mathemat. Wiss. 95 Aerometrie oder LuftMess-Kunst; Denis 1795 Einl. l 286 die Aerometrie oder Luftmessung; Campe 1801 Verdeutschungswb. l 135 Aerometer, der Luftmesser; Goethe 1801 Tagebücher (WA /// 13,314) Bey Blumenbach . . Ein Stückchen Steinregen. Aerolith, eine Art von feinkornigen grauem Tuff mit wenigem Eisen und Eisenkies; Adelung 1808 Dt. Wb. 172 Aerostatik, . . derjenige Theil der Aerometrie, welcher von dem Gleichgewichte der Luft .. handelt; Goethe 1811 Dichtung u. Wahrh. (HA IX 497) In Ensisheim sahen wir den ungeheuren Aerolithen in der Kirche aufgehangen; Fries 1822 Naturphilos. 542 Stereodynamik, hydrodynamik, aerodynamik und optik [als Teilbereiche der Mechanik] (DWB
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N.); 1848 Handb. d. Seefahrtskunde 1229 Aerographie oder Luftbeschreibung; Görtz 1852 Reise 1205 nach aerostatischen Gesetzen; Haeckel 1866 Generelle Morphologie 118 Die anorganische oder abiologische Formenlehre (Abiostatik) umfasst die Krystallographie, die Lehre von der Form der tropfbaren und elastischen Flüssigkeiten im Gleichgewicht (Hydrostatik, Aerostatik etc); Quenstedt 1856 Sonst 260 Meteorsteine (Aerolithen, Uranolithen); 1861 Mem. Humboldts 3 Aerolithen oder Meteorsteine; Gehler vor 1871 W. I 54 Aerometrische und pneumatische Untersuchungen (SANDERS 1871); vor 1871 Natur XVI 191a Man neigte sich der Meinung zu, daß sich die Meteorsteine in der Atmosphäre bildeten und nannte sie daher Aerolithen (SANDERS 1871); 1909 Wir Luftschiffer 117 Das .. Aspirationsthermometer, das den Temperaturbeobachtungen im Luftballon die bei allen früheren Luftfahrten fehlende Zuverlässigkeit verlieh, dürfte . . als der Ausgangspunkt der modernen wissenschaftlichen Luftschiffahrt, die wir jetzt „Aerologie" nennen, anzusehen sein; Nimführ 1910 Luftschiffahrt 369 Aerodynamik; 1930 Geograph. Zschr. XXXVI 533 so ausgezeichnet die Maschine auch aerodynamisch durchgebildet sein mag; 1932 Wegeners letzte Grönlandfahrt 20 [er] übernahm die Leitung der zentralen Firnstation als Meteorologe und Aerologe; Lokal-Anz. 9. 9.1934 den Einfluß der Alpenkette auf die Wetterverhältnisse mittels besonderer serologischer Aufstiege zu erforschen; Königsberg. Aug. Ztg. 30.3.1935 Man liest jetzt öfter von einer aerodynamischen Gestaltung oder Verkleidung von Fahrzeugen, die auch Stromlinienform genannt wird; Keil 1938 Ueher Meteorographen für aerologische Zwecke (Titel); Weinig 1938 Aerodynamik der Luftschraube (Titel); Flohn 1942 Witterung 27 Die Einbeziehung aerologischer Beobachtungen (Bergerons „dreidimensionale Wetteranalyse" mittels indirekter Aerologie, Schinzes „aerologische Synoptik" durch wirkliche Messungen) erlaubte nun, dieses erst lockere System auszubauen; NZ.(Basel) 19.4.1950 Das Aerologische Observatorium ist kürzlich nach Friedrichshafen .. zurückgekehrt; Süddtsch. Ztg. 17./IB. 5.1950 Da ist etwa die Aerodynamik. Es hat sich herausgestellt, daß man Versuche im Windkanal auch für die zivile Forschung benötigt; ebd. 2.3.1951 Toni Brutscher segelte beim letzten Versuch [Skispringen] aerodynamisch ideal hinaus; N D 8. 7.1959 die aerodynamische Aufheizung des Flugkörpers; Stuttgarter Ztg. 7.5.1962 Der . . Aerodynamiker, der bei der Flugzeugfirma de Havilland arbeitet; Zeit 5. 7.1985 wodurch die Aerodynamik des Tragflügels . . verbessert wurde; MM 8.7.1986 da die aerodynamischen Größen sehr viel komplizierter als beim US-Raumschiff sein werden; Zeitmagazin 5.10.1990 außen bietet der Previa (Toyota) erst recht ein ungewohn-
tes Bild: aerodynamisch, avantgardistisch, auffallend aufregend. Aero-, aero- Ib: Kubner 1900 Hygiene 840 Die Spaltpilze bedürfen zum Theil unbedingt des Luftzutrittes — obligate Aerobien — wie z. B. einige im Wasser vorkommende Keime . ., andere gedeihen bei Luftzutritt wie Abschluss — facultative Anaerobien — . ., endlich gibt es auch Keime, die ausschließlich bei Luftabschluss leben — obligatorische Anaerobien; 7930 Geograph. Zschr. XXXVI 34 Begründung einer Aerolimnologischen Zentrale; 1956 Wiss. Annalen 119 eine lungentuberkulose . ., die sich in ihrer weiteren entwicklung nicht von einer aerogenen infektion unterscheide (DWB N.); Welt 17.2.1969 Jeder Fünfte sprayt sich Aerosole auf das Haar; Klaunick 1970 Zahnpastenbestandteile o. S. dadurch wird die Substratmenge, die den Bakterien . . zur Verfügung steht, unter aeroben Bedingungen . . verringert; Gärtner 1971 Der Jungbauer o. S. Milchsäurebakterien . ., die ohne Luftsauerstoff (anaerob) leben; Süddtsch. Ztg. 25.8.1980 Kenneth H. Cooper gründete 1977 in Dallas (Texas) das Aerobics Center; ebd. Professor Cooper erarbeitete mit seinem Team die aerobischen Punkte. Faustregel: Wer gesund bleiben will, muß es pro Woche auf 30 Punkte bringen; Spiegel 10.1.1983 Drahtig, ohne Rundungen und Polster soll das weibliche Schönheitsideal der 80er Jahre sein, nicht zuletzt dank „Aerobic", der jüngsten Trimm-dich-Masche aus den USA; ebd. 21.3.1983 In den „Studios" dauert eine aerobische Lektion gewöhnlich 60 Minuten; FAZ 9.5.1984 „Aerobics", „Aerobic Dancing", „Aerobic Gamnastik" — was ist daraus geworden?; Brigitte 6.2.1985 Gerne sähe ich einmal das Airluftfitsystem im Schuh, aber es ist voll im Innenschuh integriert . . Damit sich Günther Sachs oder Prinz Albert von Monaco wenigstens einmal nach Gisela G. aus M. umdrehten, brauchte sie mindestens die Aero-Jet-Hose und die Happy-TaifunJacke; 1986 Werbeprospekt (Schuhaus Fritz, Mannh.) o. S. „Aerofit" die neue Lauf-Dimension. Von Sioux. . Die neue stoßdämpfende, unverwüstliche Aerofit-Sohle „schluckt" alles und fördert die natürliche Abroll-Bewegung; MM 5.5. 986 Aerosol ist der Teil der Luft, der aus Staubpartikeln aller Art zusammengesetzt ist und mit dem Atmen direkt in den Körper gelangt; Zeit 15.8.1986 bei vulkanischen Eruptionen schießt ein Aerosol, bestehend aus Asche, Wasserdampf, Schwefelgasen und Schwefelsäure in die Höhe; MM 3.12.1986 die als Kondensationskeime wirkenden Aerosole sind kleine Schwebepartikel in der Luft; Zeit 19.12.1986 verfallen die Tänzer in eine Art von dramatischem Aerobic, Gruppengymnastik im Stil des Expressionismus; Zimmer 1986 Redens Arten 105 den Zeremonien jener Psychoaerobic; Zeit 13.3.1987 als . . die
Aero-, aerovulkanische Aerosolwolke vom großen letzten Ausbruch des mexikanischen El Chichon die Stratosphäre erreichte; MM 17.9.1987 am einfachsten seien noch Verbote von Aerosol-Sprühdosen; ebd. 21.10.1987 das Programm reichte vom Wiener Walzer bis zur Aerobic auf Skiern; ebd. 12.2.1988 mit diesem sportlichen Programm für alle Altersund Gewichtsklassen, einer Weiterentwicklung des Aerobics und ohne dessen Extrembelastung, begleitet sie die „MM"-Frühjahrskur während der gesamten Zeit; 1990 Vogue 16 seit vielen Jahren arbeitet sie als Fitneßberaterin und Aerobiclehrerin; MM 4.6.1991 Die Deutsche Aerobic-Meisterin .. demonstrierte mit ihrer Gruppe Kraft, Ausdauer und Beweglichkeit; 1992 Vogue Deutsch IV 92 den Kalorienverbrauch mit aeroben Übungen . . steigern. Aero-, aero- Ic: 1934 AfdA L1H 125 Aerophone: zur Gattung der Hörner gehören: das Hornelin, eine vom Mundstück bis zum Schallende konische Hornform; Burger 1979 Diabelli 19 wenn wir bei der Sachs-Hornbostelschen Einteilung bleiben wollen, die freilich umstrittener ist denn je, Idiophonen, Membranophonen, Chordophonen und Aerophonen dergestalt wieder aufleben zu lassen; ND 7.7.1987 In der sozialistischen Landwirtschaft stellen wir uns . . die Aufgabe, in diesem Jahr weitere Aerothermgewächshäuser zu bauen und . . weitere Sekundärenergie aus den Betrieben der Industrie und Landwirtschaft zu nutzen. Die Treibgemüseproduktion soll dadurch um weitere 200 Tonnen erhöht werden. Aero-, aero- 2: Wieland 1783 Aeropetomanie (Ges. Sehr. XXX 1) Aeropetomanie oder die neuesten Schritte der Franzosen zur Kunst zu fliegen; ebd. XXX 36 Allbereits ist schon ein ziemlicher Teil der brennbaren Luft, womit diese ohnehin so leichten Köpfe .. geladen waren, wieder verflogen, und ein leichtfertiger Brief, der . . im Journal des Paris erschien, scheint von böser Vorbedeutung für die Aerostatomanie zu seyn; ebd. XXX 69 aerostatische Maschine; Drugulin 18. ]h. Bibliopolae o. S. Wolberufener und vielbeschreiter Aeronauta; Wieland 1784 Aeronauten (Ges. Sehr. XXX 97) die grosse aerostatische Reise von Lyon nach Paris, in dem Ungeheuern Luftschiffe der Flesselles (am 16.1. 1784); ebd. XXX 109 da die blosse Empirie hier noch weniger . . zureichte, . . den theoretischen Theil der Aeronautik so zu bearbeiten, daß der praktische den möglichen Grad von leichter Ausführbarkeit .. erhalten möchte; ebd. XXX 111 [die Brüder Robert] bedienten sich . . eines mit brennbarer Luft angefüllten Aerostats; 1786 Journal d. Moden l 71 Aerostaten; ebd. l 387 die Subscription zu einem der ersten aerostatischen Versuche; 1788 ebd. Ill 330 Große Luftjagd mit aerostatischen Fi-
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guren (Überschr.) Mit allerhöchster Erlaubniß wird . . Herr Enslen die Ehre haben, seinen zweyten Versuch mit Auffliegung seiner aerostatischen Figuren im Prater zu machen; Köhler 1788 Anweisung II 900 Anm. Daß sich aber Becher geirret habe, lehren die neueren aerostatischen Maschinen und Aeronauten; ebd. H 902 Geschichte und Praxis der Aerostatik durch Tiberius Cavallo. Aus dem Englischen übersetzt. Leipz. 1786; 7790 Der Beobachter 908 aerostatische Ballonen; Knigge 1792 Reise 212 aerostatische Schauspiel; Jean Paul 1795 Fixlein (W. VII 74) hau' er das Glück, . . durch das Fenster des Auditoriums eine wie der betende Ignazius von Loyola . . mitten in die Luft fixierte Zinshenne wahrzunehmen; — er ging der unbegreiflichen geraden Aszension des äronautischen Tiers nach und sah endlich oben den Hebungsbedienten mit seinem tierischen Magnetismus stehen; 1801 Allg. geograph. Ephemeriden VII139 Die aerostatische Schule zu Meudon; Lipowski 1809 Bürger-Militär-Altnanach 48 Aerostatik; 1820 Real-Enz. l 77 Aerostatik Lehre von Aerostaten; Wieland 1822 W. XXXH1 414 Er nennt sein [lenkbares Luft-] Schiff Aerodrom (Luftwagen) (KEHREIN); ders. 1824 W. XXXVHl 67 Der große Acrobat Plato (KEHREIN); Friederich 1825 Ebrard 219 die besten Aerostaten müßten ihre Ballons zu Luftspazierfahrten so lange in Bereitschaft halten, bis die neue Erfindung des Herrn Professors Erb zu Heidelberg im Gange wäre; Borne 1828 Ges. Sehr, l 392 ein Luftballon, . . der in einer gewissen Höhe platzt und mit dem Aeronauten herabfällt; Bauer 1836 Ueberschw. l 119 Dampfaeronauten; Schopenhauer 1840 Moral 21 Beiläufig legt obiger Ausspruch dieses Hegels recht naiv an den Tag, welcher Altenweiber- und Rocken-Philosophie so ein sublimer, hyper-transzendenter, aerobatischer und bodenlos tiefer Philosoph eigentlich . . kindlich zugetan ist; La Röche 1840 Taktik II 304 Bericht des Deputirten Fourcroy . . über die Aeronautik; Humboldt 1845—50 Kosmos l 360 In seiner aerostatischen Ascension (KEHREIN); Schopenhauer 1851 Parerga V 552 hochtrabenden, aufgedunsenen, pretiösen, hyperbolischen und aerobatischen Stile; 1868 Magazin d. Ausld. 407 Einige Gefahr, grosse Aufregung und noch grössere Erschöpfung dürften als Endziel dieses Aeroplanis . . aufgestellt werden . . unter den vielen jetzt auftauchenden Aeronauten; ebd. Ein . . Gebilde zu aeronautischen Zwekken; 1871 Vier Monate vor Paris 15 aerostatische Ungethüm [Pariser Ballon]; ebd. 39 aeronautische Post [mittels·Luftballon aus dem belagerten Paris]; 1887 (Böcklin 1909 Kunst 145) Aeronautik; Stavenhagen 1896 Verkehrs-Mittet 131 Militär-Luftschifffahrt (Aeronautik); Fontäne 1897 Stechlin 199 als einen Aeronauten kann ich ihn [Pastor Lorenzenl Ihnen beinahe vorstellen, er ist so recht . .
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Aero-, aero-
ein Aufsteigemensch, einer aus der .. Obersphäre (DWB N.); Hinterstoisser 1904 Luftschiffertagebuch 25 dass die unglückliche Aeronautin nicht mehr im Stande war, sich fest zu halten und aus ungefähr 50 m . . in den Weissensee . . fiel; Stavenhagen 1905 Verkehrs-Mittel 160 Luftballon (Aerostaten); Huet 1906 Holzsäbel (Übers.) 22 mein System aerostatischer Lenkbarkeit; 1909 Vier Luftschiffer 140 [das] aeronautische Observatorium bei Lindenberg; Jacobins 1909 Luftschiff 92 Auf den schon erwähnten „Aeropetomanie" überschriebenen Artikel des Jahres 1783 folgte schon im nächsten Jahre ein Aufsatz unter dem Titel die „Aeronauten"; Kretzer 1910 Stehe auf 195 ohne irgendwelchen Mechanismus ging es nicht weiter, weil Apparat und Mensch schwerer als die verdrängte Luft waren. . . Es wäre denn, man müßte einen Riesenaeroplan bauen, auf dem der Mensch sich gleich einem Samenkorn ausnähme . . Nagel machte sich aus dünnem Papier und Rohrstäbchen einen sogenannten Drachenflieger; Linke um 1910 Luftschiffahrt 372 In der modernen Flugtechnik beschränkt man sich . . allein auf Drachenflieger (Aeroplane); Holten um 1910 Das Aeromobil. Eine Erzählung für die reifere Jugend (Titel); 1910 Buch d. Sports Nr. 787 Aerostatische Luftschiffe besitzen wir bereits in mannigfachen Ausführungen und das Luftschiff des Grafen v. Zeppelin kann schon 20 Personen tragen; Giehrl 1911 Feldherr Napoleon 84 Abneigung [Napoleons] gegen die Aeronautik; Kempe 1911 Aviatik 11 aerostatische Luftschiffahrt; Happel 1912 Roman 82 sieht einem . . Salto mortale als erster und letzter Hauptvorstellung im Gebiet der allerneuesten Aera(!)nautik entgegen; 1915 ZfdU XXIX 163 aerobatisch; Hennig 1918 Beiträge zur Frühgeschichte der Aeronautik (Titel); Bogeng 1926 Gesch. d. Sports 768 Die Geschichte eines besonderen Luftsports aus der der Aeronautik und Aviatik hervorzuheben, ist nahezu unmöglich; 1929 (1935 Tappolet-Festschr. 22) aeropostal. . Luftpost-; 1933 ZDSpV. XLVJ175 Ärobus. Vor kurzem meldeten die Zeitungen, daß ein allstündlich zwischen Frankfurt a. M. und Köln verkehrender Flieger „Aerobus" heißen solle; Schickele 1931 Freundin 33 Hier standen die zwei metallenen Schuppen der lenkbaren Luftschiffe und zahlreiche, zur Aufnahme von Aeroplanen bestimmte Bretterbuden; Frankf. Ztg. 30.4.1933 Dem sehr regen Verkehr zwischen Frankfurt — Köln dient der Aerobusdienst, der neben den internationalen Durchgangslinien dreimal täglich vorgesehen ist; 3933 Beckmanns Sportlex. 38 aerodrom . . wird jetzt für flugplatz gebraucht (DWB N.); Lokal-Anz. 27.9.1934 Gegen den Bau von großen Ozeandampfern . . wendet sich der amerikanische Ausschuß für Aeronautik; ebd. 18.11. 1934 Das, was der Technik bisher unmöglich war,
hat er, Gerhard Jahnke, zuwege gebracht. Der Traum der Menschheit ist zur Wirklichkeit geworden: Aeromobil CD III, Jahnkes größte Erfindung! Es ist ein Fahrzeug das zu Wasser und zu Lande ungeahnte Schnelligkeitsrekorde entwickeln kann; 3935 „Duden"-Sammlung o. S. Zwischen Berlin und Hamburg wird .. ein Aerobus-Verkehr mit He-70-Schnellflugzeugen eingerichtet; Münch. N.N. 8.1.1938 daß die Ausbildung stark durch die Verknappung gewisser aeronautischer Instrumente beeinträchtigt werde, die für den Nacht- und Schlechtwetterflug einfach notwendig seien; Bley 1940 Sie waren die Ersten 9 Der Aerostat (Überschr.) Der Franzose behauptet . . folgendes: „Fast alle Schriftsteller, die sich mit dem Aerostaten beschäftigt haben, führen seinen Ursprung erst auf das Ende des 18. Jahrhunderts zurück. Ohne den Ruhm der Brüder Montgolfier zu schmähen, . . sollte man nicht vergessen, daß sie gegen Ende des 17. Jahrhunderts in dem Portugiesen Girasmo einen Vorläufer hatten; Münch. N.N. 20.5.1941 „Aero-Imperialismus" (Überschr.). Der Anlaß für die neue amerikanische Ausdehnungspolitik sind die weitreichenden Pläne der amerikanischen Fluggesellschaft Pan America Airways. . . Gegenwärtig ist sie dabei, von Hawai eine Zweiglinie nach Neuseeland ins Leben zu rufen und plant . . für die Zukunft eine weitere Hawai-Australien. Zusammen mit der bereits beflogenen Linie USA-Südamerika . . würden damit die Vereinigten Staaten . . den ganzen Luftraum über dem Pazifik beherrschen; Th. Mann 1942 Reden u. Aufs. (W. XI 471) hatte sie gewünscht, es zu erleben, daß der Mensch fliegen könnte, — und sie erlebte den Aeroplan, das Luftschiff des Grafen Zeppelin; 3943 Lex. Verm'kde 13 Der Aerokartograph ist ein photogrammetrisches Auswertgerät. . . Das Instrument erlaubt die stereoskopische Auswertung von terrestrischen und Luftbildpaaren; 3944 Wehr u. Wissen 219 Aus der Aeropolitik der Gegenwart (Überschr.); ebd. 220 Die Straßen der Luft, die Wege der politischen Energie kennzeichnen in klarster Form den Imperialismus der USA, deren Streben nach Weltherrschaft durch Erwerbung der wichtigsten Rohstoffe dieser Welt. . . Wir stehen im weltumspannenden Ausmaße des aeropolitischen Imperialismus der USA; Dtsch. AZ. 23.7.1944 Wenn sie irgend etwas den deutschen Aero-Phantomen entgegenstellen könnten, . . würden sich die Engländer nicht auf das dünne Eis der Erörterungen über das Erlaubte und Unerlaubte im Kriege wagen; Süddtsch. Ztg. 27.2.1951 Durch einen glücklichen Zufall war ich Augenzeuge, als das Flugzeug der Gebrüder Wright zum erstenmal in Berlin startete . , Das ist noch nicht fünfzig Jahr her. Aeroplan sagte man damals; Offenburger Tagebl. 29.11.1958 Fliegendes Auto für 15000 Dollar
Affäre (Überschr.) Mit dem Flugsicherheitszertifikat .. wurde eine . . Neukonstruktion zum Serienbau freigegeben: Das zweisitzige Lycoming-Autoflugzeug. . . Die Umwandlung vom Auto zur flugfertigen Maschine . . dauert ganze zehn Minuten. . . In der Luft sich selbst überlassen, fliegt der „aerocar" eine Dauerkurve. . . Das Autoflugzeug besteht aus zwei Teilen; Welt 15. 9.1959 was die aeronautische Entwicklung anbetrifft, . . befindet sich die Erde immer noch im Steinzeitalter; Süddtsch. Ztg. 1.10.1965 Nachdem bisher schon zahlreiche Wasserfahrzeuge über den Wellen auf Luft schweben, geht man .. daran, auch die gute alte Eisenbahn umzurüsten. Die D-Züge „Aerotrain" und „Aerobus" sollen nicht mehr auf Rädern, sondern auf Luft von Bahnhof zu Bahnhof jagen; Zeit 5. 9.1986 die Aeronautiker des Jahres 1987 werden sich wundern, wie der Vogel damals überhaupt in die Luft gekommen ist; ebd. 23.1.1987 er lebte zwischen 1685 und 1724 und er erfand tatsächlich ei-
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nen Aerostat, den er passarola nannte, und mit diesem „großen Vogel" hat er . . 1709 das erste Flugexperiment unternommen, siebzig Jahre vor den Brüdern Montgolfier; Süddtsch. Ztg. 7.10. 1988 Am Beispiel der Katastrophe von Ramstein . . wird dies deutlich. Der tödliche Kunstflug der „Frecce Tricolori" . . wäre ohne den schrecklichen Unfall gefeierter Höhepunkt der Ramsteiner AirShow gewesen. Der Auftritt von Aerobatik-Teams also ist Wahnsinn, hatte aber . . auf solchen Flugtagen Methode. . . Natürlich sind Kunstflüge noch ein Quentchen gefährlicher als „normale" Demonstrationsflüge; MM 4.11.1991 Ein Riesentraum vom Fliegen. Panamarenkos „Aeromodeller" in der Orangerie Hannover zu sehen (Überschr.) Er hat die Gestalt eines 27,5 Meter langen Ballons aus durchsichtiger PVC-Folie mit allem Drum und Dran, einschließlich hölzerner Propeller, elektrischer Motoren und handgeflochtener Rotan-Kabine. 1972 krönte er im Kasseler Fridericianum die 5. „documenta".
Affäre F. (-; -n), im frühen 17. Jh. entlehnt aus gleichbed. frz. affaire (zusammengezogen aus dem Syntagma (avoir) a faire 'zu tun (haben)', zu faire 'machen, tun', zurückgehend auf gleichbed. lat. facere), anfangs häufig, heute nur noch regionalspr. (bes. österr.) mit der Schreibung Affaire, im 17./l8. Jh. mit frz. Pl. -s, im 19.720. Jh. gelegentlich in der Diminutivform Affärchen (vgl. 2 und 3). la Zunächst im militärischen Bereich in der veralteten Bed. 'kleines Gefecht, Kampfgeschehen, Schlacht, Scharmützel' (vgl. gleichbed. frz. affaire de guerre), bes. in der Zs. Kriegsaffäre. b Im 18./19. Jh., häufig im PL, für 'Streit(-fall, -sache), Prozeß, Rechts-, Ehrenhandel' (vgl. gleichbed. frz. affaire d'honneur), insbes. auch für 'Duell' (—» Aktion 3b). 2a Seit früherem 17. Jh. vorwiegend im Pl. verwendet in der allgemeinen Bed. 'Sache, Angelegenheit; Geschäft, Aufgabe, Verpflichtung, Pflicht', bis ins 19. Jh. mit eher positiver Wertung für 'große, wichtige Sache, Angelegenheit von großer Bedeutung, Wichtigkeit', häufig in Verbindung mit verdeutlichenden Attributen wie groß, hoch, höher, wichtig (s. Belege 1630, 1705), insbes. in den Syntagmen auswärtige Affären 'auswärtige Staatsangelegenheiten' (nach gleichbed. frz. affaires etrangeres; vgl. engl. foreign affairs), publike Affären 'öffentliche Angelegenheiten' (nach gleichbed. frz. affaires publiques], kaufmännische Affären 'Geschäfte einzelner Personen oder Verbände' und in der nach frz. affaires d'Etat (Pl.) gebildeten Zs. Staatsaffäre 'Staatsangelegenheit'; im 18.719. Jh. bes. in den frz. Syntagmen Charge d'affaires und Homme d'affaires 'Interessenvertreter, Geschäftsträger' (gleichbed. mit —·· Agent la) und das aus frz. affaire übernommene Adj. affäriert 'vielbeschäftigt, geschäftig'. Seit dem späten 18. Jh. gelegentlich auch eher abgeflacht verwendet in der heute nur noch ugs., ausschließlich in Verbindung mit Mengen- und Zeitangaben gebräuchlichen festen Wendung das ist eine Affäre von .., z. B. das ist eine Affäre von höchstens einer Stunde/von nur hundert Mark 'die Sache dauert höchstens eine Stunde, kostet nur hundert Mark'. b Seit Anfang 18. Jh. meist in pejorativem Sinne in der heute dominanten Bed. 'unangenehme, schwierige, delikate Angelegenheit, peinliche, dumme Sache, Ge-
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Affäre
schichte, unerfreulicher, skandalträchtiger Vor-, Zwischenfall, unglücklich verlaufende Geschichte, Aufmerksamkeit erregendes Vorkommnis, Ereignis', bes. im öffentlich-politischen Bereich und im Kontext mit —* Skandal (vgl. Skandalaffäre, skandalöse Affäre, s. Beleg 1911), häufig in Verbindung mit verdeutlichenden Attributen, z. B. abscheuliche, schmierige, dunkle, böse, leidige Affäre und in festen Wendungen wie der aus frz. se tirer d'affaire lehnübersetzten Wendung sich (geschickt) aus der Affäre ziehen 'sich (geschickt) aus einer peinlichen, mißlichen Lage befreien, aus einer unangenehmen Sache herauswinden, den Hals aus der Schlinge ziehen', in eine (dumme) Affäre verwickelt sein, eine Affäre aus der Welt schaffen 'eine Affäre beilegen', eine (große) Affäre aus etwas machen 'etwas zu einer skandalträchtigen Affäre aufbauschen, etwas dramatisieren, etwas wichtiger nehmen als es in Wirklichkeit ist', in neuester Zeit mit der Präp. um, z. B. eine/die Affäre um jmdn./etwas (s. Belege 1985, 1986). Häufig als Grundwort in Zss. wie Schmiergeld-, Rauschgift-, Spionage-, Mord-, Bestechungs-, Betrugsaffäre. 3 Seit späterem 18. Jh. unter Einfluß von frz. affaire d'amour 'Liebesaffäre' und affaire de coeur 'Herzensaffäre' (s. Belege 1773, 1800) in der Bed. 'Herzensangelegenheit, amouröses, erotisches Abenteuer, Liebesverhältnis, Liebschaft' (—» Amouren), bes. in der verdeutlichenden Zs. Liebesaffäre und in der Wendung eine (leidenschaftliche, kurze) Affäre mit jmdm. haben, gelegentlich übertragen (s. Belege 1985, 1986). Affäre la: Wallhausen 1617 Corpus militare 193 die affaires vnd haendel; Wagner 1724 Soldatenbibl. 19 Krieges-Affairen; Goethe 1793 Er. (WA IV 10,62) als heut Nacht die Franzosen sich erfrechten auf das Hauptquatier Marienborn einen Ausfall zu thun und mir also das Schauspiel . . einer nächtlichen sehr lebhaften Affaire gewährt ward; Böttiger 1804 Literar. Zustände l 264 Indessen fielen die Affairen bei Saalfeld und zwischen Jena und Kahla vor, von denen wir nur so viel erfuhren, daß die Franzosen immer näher kamen, obgleich die Preußen, ihrem Vorgeben nach, immer gesiegt hatten; 1857 Allg. Mil. Enc. I 145 Affaire. Hierunter versteht man im Allgem. jeden Zusammenstoss mit dem Feinde, . . ein Gefecht von geringer Bedeutung; Rindfleisch 1870 Feldbr. 145 Unser Anteil an der Affäre war, wie Du siehst, nur klein. Dennoch ist man froh, wenn man wieder einmal aus der Kugelschmeißerei heraus ist; Ruland 1914 Eis. Lothringen 27 die „Affären" von Grafenstaden und Zabern; Werfel 1928 Abituriententag i IS der ich mir auf dem heißen Boden Bosniens in der Affäre von Maglaj eine allerhöchste Dekoration erworben habe. Affäre Ib: Earth 1734 Tagebuch 177 Weil aber dermalen wegen der Gefahr des Prinzen diese Affaire jetzt jedermann bekannt wird, also füge ich hiemit an, wie daß sich erstgemeldeter Prinz an der Tafel mit einem Major entzweite; 1785 Journal 1486 Die sogenannten Ehrenhändel (affaires d'honneur) sind
auch noch in unserem aufgeklärten Jahrhundert eine Pest; Pückler 1835 Semilasso 122 um zu der bevorstehenden Affaire einen Secundanten zu finden. Affäre 2a: Gustav Adolf 1630 (Kretzschmar 374) sondern dieselben in allweg höheren Affairen reserviert zu haben scheint (JONES); Böckler 1644 (Harsdörffer Gesprächspiele IV 440) Man redete nicht mehr von Sachen und Geschichten, von affairen ging es discutirlich her; Schupp 1659 Antwort l ich bitte, wan es einmahl ihre grosse affairen leiden wollen, sie wollen sie würdigen zu lesen; Leibniz 1669 Briefw. l 46 der arbeit, zeitversäumung und abhaltung von ändern affairen . . zu geschweigen (DWB N.); Elis. Charl. 1700 Er. l 190 der due de Chonburg hatt mir geschrieben; ich erwarte nur sein homme d'affaire, so die papiren hatt, umb dem könig davon zu sprechen; Chilemont 1705 Kriegs- u. Staatsrat 55 wegen wichtiger Affairen; 1705 Von der Herrschaft 22 Was aber die Hauß Affairen betrifft/ so negire ich/ daß der Mann hierinn das prae habe; 1715 Quasi 17 Adieu, Ich hab andere Affairen; Marperger 1716 Küch- u. KellerDiet. 609 wie dann in grossen Handels-Städten viel Arbitragen, Schiffer-Rechnungen und andere die Commercia angehende Contracten mehr/ durchgehende aber viel Affairen, und darunter viel EhePackten in solchen Wein-Kellern und bei einem guten Glas Wein/ unter vertrauten Freunden abgehandelt werden; Lessing 1756 Br. I 55 Nunmehr zu
Affäre unseren Affairen; Goethe 1780 Er. (WA IV 4,161) Interessante Personae dramatis wären . . Ein Hofcavalier .. Ein Charge d'affaires bürgerlich; Bürger 1781 Briefw. 128 In kaufmännischen Affären kommt der Gelehrte gemeiniglich zu kurz; Schlözer 1793 Staats-Recht 28 dass Theoretiker, keine hommes d'affaires, von Staatskunst sprächen; Foote 1796 Kunstgeschmack l 43 eine Affäre von zwanzig Guineen; ders. 1796 Ritter I 270 's ist 'ne Affäre von zwölf oder 'nem Duzend Jahren; Bouterwerk 1810 Gesch. Vlll 421 versah . . auch als Charge d'affaires die Geschäfte des Gesandten selbst; Groethuysen 1930 Entstehung H 283 homme d'affaires. affäriert: Schlegel 1797 Br. l 360 Unger ist ein unglaublich affairierter Mann; Alexis 1852 Ruhe I 225 darum drängt man sich in alle gesellschaften, macht den affairierten (beide DWB N.). Affäre 2b: Elis. Charl. 1707 Br. U 8 waß uns alle hier serieux macht, seindt hundert intriguen: den man kan nicht reden, ohne daß einem affaire drüber kommen; Ayrenhoff 1771 Postzug 76 Madame! ich dächte, Sie wollten nicht viel aus der Affaire machen. Geschehen ist es; Bretzner 1787 Leben II 166 sich mit gutem Anstände aus der Affaire ziehen; Goethe 1829 Gespr. Eckermann o. S. Der Architekt Sanatrelli zog sich aus der Affaire [Veruntreuung von Geldern] und schob alles auf den zweiten Architekten, welcher gestorben ist (GWB); Walloth 1887 Praxis 57 und berichtet, durch welche Lüge er sich aus der Affaire gezogen; Böhme 1905 Tagebuch 114 Er kam sofort und war sehr alteriert über die Sensationsaffäre, die die Abendund Morgenzeitungen gebracht hatten; Grabein 1911 Hans 140 bald würde es die ganze Stadt wissen, was geschehen war, und der Klatsch würde es zu einer Skandalaffäre machen; Th. Mann 1927 Reden u. Aufs. (W. IX 215) Und dann, um sich aus der Affäre zu ziehen, lallt sie wie ein kleines Kind; Voss. Ztg. 30.3.1930 die aus diesem Einzelfall eine „Affäre" von allgemeiner Bedeutung machten; v. Wahlendorf 1936 Erinn. 88 wegen einer total versoffenen Prügelaffaire zu einigen Monaten Gefängnis verurteilt; Welt 22.2.1954 Neue Verdachtsmomente in der „Wormser Giftaffäre"; Heuss 1963 Erinn. 105 die Affäre mit der Petroleumlampe war vergessen und verziehen; Süddtsch. Ztg. 1.3.1963 Durch „Affärchen", hören wir aus dem Munde Hermann Höcherls, gerate die Bundesrepublik nicht in Gefahr; FAZ 20.1.1966 deren öffentliche Wirkung die Affäre Ben Barka zu einem der folgenschwersten politischen Skandale der neueren französischen Geschichte zu machen drohen; ebd. 14.2.1966 Damit findet die Kölner Spionageaffäre ein bereits von manchen befürchtetes Nachspiel;
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Welt 8.5.1974 Im übrigen bestehe jetzt erst recht die Notwendigkeit, die Affäre um den „DDR"Spion Guillaume schonungslos aufzuklären; Zeit 25.1.1985 Mit einer Pflichtübung irgendwo an der Peripherie könnte sich die Stadt auch nicht aus der Affäre ziehen; ebd. 12.4.1985 „Ein Wort gab das andere wie man so schön sagt" — und nun hat Österreich, was Österreich am meisten liebt: eine Affäre, beinahe einen Skandal; MM 20.8.1985 In der Affäre um verunreinigtes Flüssigei ist es gestern zu scharfen Kontroversen zwischen den badenwürttembergischen Behörden und den Teigwarenherstellern gekommen; Zeit 30.8.1985 Steuer- und Schmiergeldaffäre; MM 19.9.1985 der Weinskandal und die Nudelaffäre; Zeit 4.10.1985 andererseits scheint sich die Politik auch in viele Affären und Affärchen zu verheddern; ebd. 7.3.1986 Weder Behörden noch Kirchenapparat sind daran interessiert, daß die peinliche Affäre öffentliches Aufsehen erregt; Ortheil 1987 Schwerenöter 254 „Eine Affäre", sagte mein Bruder, „ist das nicht. Eine Affäre ist eine Anbändelei, ein Abenteuer, nichts als eine Kleinigkeit. Adenauer aber hat einen Staatsstreich geplant"; ebd. 337 Ich meine die Bundesrepublik, und ich denke beim Stichwort Demokratie an die Spiegel-Affäre; MM 31.12.1987 Mit Blick auf die Kieler Affäre forderte er eine generelle Neubesinnung; ebd. die affärenbelastete Hanauer Firma Transnuklear; ebd. 16.1.1988 eine Formulierung, die sie heute nach den sich häufenden Skandalen, Affären, Störfällen, Pannen und permanenten Täuschungen sowie Verharmlosungen . . nur noch als Belastung empfindet. Affäre 3: Nicolai 1773 Nothanker I 168 damit die fräulein bey zeiten lernen, wie eine affaire de coeur geführet wird (DWB N.); Jenisch 1800 Geist 403 Keine Frau von Welt — ohne einen oder mehrere Liebhaber; kein Mann von Welt — ohne eine affaire du coeur; Wolff 1823 Cäsario I 226 O, ich kenne die Liebe, ich habe selbst so manches kleine Affärchen erlebt; Liliencron 1896 Poggfred (W. XI 88) Einfacher hat nie/ sich so ein Affairchen eingeleitet; Zobeltitz 1902 papierene Macht II 68 eine affaire d'amour; Bierbaum 1907 Musenkrieg 144 Sind alles nur Affaires d'amour; Th. Mann 1918 Reden u. Aufs. (W. XII 37) geistsprühende Affären zwischen Säbel und Weihwedel einerseits und der Gerechtigkeit andererseits; Schauwecken 1937 Kasematte 93 Ich habe Verständnis für delikate Angelegenheiten, aber nicht für Ehrenwörter in derlei Affären mit unbekannten Frauen, die sich sofort in den Arm nehmen lassen; Niebelschütz 1949 Bürgerin 98 da sinkt man dann einer Affaire in den Schoß; Welt 10. 9.1954 in welchem Bella die Rolle eines Dienstmädchens spielte, die hinter dem Rükken der Frau des Hauses eine „Affäre" mit ihrem
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Affekt
Herrn unterhält; Hocke 1976 Tagebücher 28 „skandalöse" Berichte von amourösen Affären; Sloterdijk 1983 Kritik 71 In polytheistischen Religionen findet man verwickelte, oft recht frivole Familienromane und Zeugungsaffären der Gottheiten; Zeit 29.3.1985 Die französische Aufmerksamkeit scheint sich nach der leidenschaftlichen Affäre mit Bonn nun dem langfristigen, langwierigen Aufbau der Europäischen Gemeinschaft zuzuwenden; ebd. 4.4.1986 Mit der verheirateten Schriftstelle-
rin Louise Colet. . ist er in eine ebenso nachhaltige wie quälende Liebesaffäre verstrickt; ebd. 19.12. 1986 eine andere, nicht minder ästhetische Affäre zwischen Eisen und Sauerstoff; ebd. 6.3.1987 die Dreiecksaffäre mit Franziska Reventlow und ihrem Freund schien sich zu wiederholen; ebd. 27.3.1987 Nach einer stürmischen Affäre heirateten sie; ebd. 8. S. 1987 Denn Fausts Affäre mit dem Teufel hatte ebensowenig Spannung, Eros und Gefahr wie seine rüde Romanze mit dem Bürgermädchen.
Affekt M. (-(e)s; -e, anfangs selten - und bis ins 18. Jh. auch -en), im späten 15. Jh. entlehnt aus lat. affectus 'körperlicher/seelischer Zustand, Verfassung; Gemütsbewegung, Leidenschaft, Verlangen, Neigung' (Part. Perf. von afficere 'auf jmdn./etwas einwirken, jmdn. in eine Stimmung versetzen, anregen', aus ad- 'zu, an, (hin)zu, heran, herbei' und facere 'machen, tun, bewirken'; —» affizieren, —»· Affektion), bis ins 20. Jh. selten auch in der lat. (flekt.) Form. la Häufig plur. verwendet in der Bed. 'Verlangen, Wunsch, etwas zu besitzen; sinnliche Begierde, Leidenschaft, Lustgefühl, Trieb', oft formelhaft in der Verbindung Affekte und Begier(den) und in Wendungen wie rohe Affekte, jmds. Affekte aufrühren, seine Affekte bezwingen, (be)zähmen, dämpfen; gleichzeitig auch für 'Hang, Neigung, Zuneigung, Vorliebe', bes. in Wendungen wie Neigung und Affekt (s. Belege 1582, 1625), keinen Affekt zeigen (s. Beleg 1795), keinen Affekt (gegen jmdn./ etwas) haben (s. Belege 1622, 1647, 1972). b Seit frühem 16. Jh. selten, seit dem 18. Jh. häufiger in der heute dominanten Bed. '(meist als Reaktion auf äußere Einflüsse, Eindrücke o.a. entstehende) lebhafte, heftige, innere Erregung, Aufregung, Erregteit; starke, intensive, meist nur kurz dauernde Gemütsbewegung (wie Begeisterung, Freude, Leid, Wut, Trauer, Angst u.a.), Gefühlsaufwallung', auch 'Zustand einer außergewöhnlichen seelischen Anspannung, Angespanntheit', häufig konkurrierend mit Gefühl, —* Emotion und Erregung und gelegentlich eher negativ konnotiert mit „irrational, ohne Urteilskraft, enthemmt, undiszipliniert, ohne Selbstbeherrschung" (—> Temperament b). Zunächst in Wendungen wie in (einen) Affekt kommen, versetzt werden, Affekte und Gebärden/Bewegungen; seit dem 18./19. Jh. bes. etwas im Affekt tun, begehen, im Affekt handeln 'spontan und unbeherrscht, ohne Besinnung auf (üble) Folgen handeln', einen Affekt auslösen, hervorrufen, Affekte ausdrücken, jmds. Affekte erregen, aggressive, seelische Affekte. Seit der 2. Hälfte des 19. Jhs. häufig als Bestimmungswort produktiv in subst. und adj. Zss. wie Affekttat, -delikt, -handlung 'im Affekt begangene (strafbare) Handlung; unbesonnene, unbedachte, unüberlegte, unbeherrschte Handlung', Affektmensch 'zum Affekt, zu Affekthandlungen neigender Mensch, von Affekten beherrschter, leicht reizbarer Mensch', Affektsprache 'vom Affekt bestimmte Ausdrucksweise', affektbetont 'von Affekten geprägt, gefühlsbetont', affektgeladen 'erregt, gereizt, expressiv'. Auch fachspr. verwendet, bes. in der Psychologie in Zss. wie Affektausbruch 'plötzlich eintretender Zustand der Gefühlserregung' (vgl. Temperamentsausbruch, —* Temperament b), Affektentladung, -reaktion 'das Abreagieren des Affekts', Af-
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fektstörung 'krankhafte Veränderung des Gemüts-, Gefühlslebens', Affektsperre, -Blockierung, -stau, Affektverdrängung 'Verlagerung von Affekten in andere Erlebnisbereiche oder ins Unbewußte, wenn der Entladung von Affekten Hemmungen entgegenstehen' (gleichbed. mit Affektverlagerung), Affektprojektion 'Übertragung eigener Affekte auf Lebewesen oder Gegenstände der Außenwelt, so daß diese als Träger der Affekte erscheinen' und Affektpsychose 'Psychose, die sich vor allem im krankhaft veränderten Gefühlsleben äußert'. Häufig im künstlerischen Bereich (bes. Theater, Musik und bildende Kunst, s. Belege 1787, 1792, 1818, 1880, 1985, 1987) verwendet für '(der im künstlerischen Medium ausdrückbare/ausgedrückte) Gefühlsgehalt; Gefühlsausdruck' (vgl. Affektgehalt), bes. in der Zs. Affekt(en)lehre 'Lehre von den Affekten (und ihrer Darstellung in Kunst und Literatur)', insbes. in der (Barock-)Musik als Bezeichnung für eine Lehre, nach der die Musik verschiedene Gemütsbewegungen, Leidenschaften, Temperamente u.a. auszudrücken hat (vgl. Temperamentenlehre, —> Temperament b), z. B. in der Zs. Affektarie, und in der Rhetorik/Stilistik für die Lehre von den Möglichkeiten der emotionalen Beeinflussung anderer durch rednerische Künste oder Techniken. 2 Daneben im 16.717. Jh. selten in der speziellen Bed. 'Krankheit, Gebrechen, Leiden, Beschwerden' (vgl. jüngeres —» Affektion b; —»· Infekt). Dazu seit spätem 15. Jh. das seltene (über mlat. affectuosus 'geneigt; eifrig, heftig; Gemütsbewegungen fördernd' auf lat. affectuosus 'voll Neigung, liebevoll, zärtlich' zurückgehende) Adj. affektuos, unter frz. Einwirkung früher gelegentlich auch affektuös, in der Bed. 'heftig, leidenschaftlich' (zu la) und 'durch Gemütsbewegungen bestimmt, gefühlvoll; etwas (z. B. seine Ergriffenheit) mit Wärme und Gefühl zum Ausdruck bringend, mit emotionaler Wärme, pathetisch' (zu Ib). Seit dem 16. Jh. die seltene adj. Ableitung affekt(en)los Ohne Begierde, ohne Leidenschaften' (zu la) und Ohne Erregung, Gemütsbeteiligung' (zu Ib) mit dem dazugehörigen Subst. Affektlosigkeit F. (-; ohne PL), seit Mitte 18. Jh. die adj. Ableitungen affektreich, -voll, -haft, -frei und affektmäßig (zu Ib). Seit Ende 18. Jh. das (auf lat. affectivus 'ergreifend, rührend' zurückgehende) Adj. affektiv 'durch Affekt bedingt, von Affekten geleitet, bestimmt, durch heftige Gefühlsäußerungen gekennzeichnet; affekt-, gefühlsbetont, emotional', in Wendungen wie affektive Erregung, Befindlichkeit, Disposition, affektiver Zustand und bes. in der Musik affektiver Stil 'Kompositionsstil, der Gemütsbewegungen, Leidenschaften und Temperamente auszudrücken versucht' (auch Affektenstil), mit der subst. Ableitung Affektivität F. (-; ohne PL) 'Gesamtheit der menschlichen Stimmungen, Gefühle und Affekte; Gefühls-, Gemütsleben; gefühlsmäßige Ansprechbarkeit; Neigung, emotional bis affektiv auf Umweltreize zu reagieren' (zu Ib). Um 1800 die subst. Gelegenheitsbildung Affektibilität 'gefühlsmäßige Erregbarkeit' (zu Ib) und im früheren 20. Jh. die adj. Ableitung affektisch 'durch Affekte hervorgerufen, bedingt; gefühlsmäßig', in bezug auf sprachliche Äußerungen auch für 'auf Grund von Affekten gebildet', z. B. affektische Namensbildungen, Rede(-formen) (zu Ib). Affekt la: Melker 1481 Voc. o. S. Affectus, begird, liebe, begirlichkeit; Luther 1520 Sermon v. d. Geburt Christi (W. VII 190) Das ist von dem affect und begir gesagt, wie man sich des kindes sol ahn-
nemen im hertzen; Sturm 1526 Polit. Corresp. 263 mit iren begirden und affecten; Wicel 1535 Vom Beten 3a So vil es die laster vnd affect belanget, sol man gentzlych sich enthalten; Sleidan 1551
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Briefw. 190 allen affect hindan setzen; Sachs 1552—53 Fastnachtsp. Ill 80 weil sie vol begiert vnd affekt erblindt; Franck 1558 Paradoxa 41 b accidentia, affect vnd zufäll; Spangenberg 1565 Geistlich Bad B3a können wir der zufelligen gedancken, worte, Affect, begird vnd Zuneigung, nicht gantz vnd gar los werden; Fischart 1582 Garg. 457 von fleischlichen Affecten und neigungen . . ungetrübt; Wasserleiter 1590 Logica 3b die, so aus eigenen schwachen Affecten, vnd Gutdünkken, offt zürnen; i 599 Orientalisch Indien III 31 Affecten vnd Zuneygungen; Albertinus 1615 Gusman v. Alfarche 210 Frey aber kanstu nicht sein/ wofern deine affecten vnd begierlichkeiten dich beherrschen; Ulsheitner 1622 Reisen (Alemannia VI 119) ein verstendiger gelehrter und ein vleissiger Naturkindiger Medicus oder Chirurgus, wan er diesen Sachen recht und ohne widerigen Affect nachdenckhet; Doverinus 1623 Propheceyung 5 [wenn] die Rechtgelehrten auch etwan auss affecten rathen vnnd sprechen; Drexel 1625 Weckuhr 50 Traw Gott, vnd traw jhm mit . . Naigung vnd affect; Abr. a S. Clara 1637 Bescheid-Essen 588 Affect oder Lieb; Greflinger 1647 ComplementierBüchlein C3a [Beratungen der Ärzte] wenn sie . . ohn affecten angestellet werden; Hirsch 1662 Kirchers Musurgia 65 Wie aber hieraus die Passionen und Affecten der Menschen . . können geschlossen werden; Butschky 1677 Pathmos 3 [wir werden] wider mancherley unordentliche Ansprünge der Affecten geharnischt; Spener 1685 Klagen 130 das gifft der fleischlichen affecten verderbet die an sich unläugbare Wahrheit; Thomasius um 1700 (1903 Preuss. Jahrb. CX/V 437) Wie nun in diesen Puncten die Menschen nach ihren affecten handelten; ders. 1701 Kl. Sehr. 369 affecten und Begierden; Vischer 1709 Informator 57 zu den Moral-Tugenden, das ist zu Bezähmung ihrer Affecten etc. anzuführen; Wolff 1720 Gedanken v. Gott 485 Ein Affect ist ein mercklicher Grad der sinnlichen Begierde und des sinnlichen Abscheues; Sperander 1727 A la mod Sprach 20 Nach Affecten gehen ist/ wann ein Richter oder Oberer einem ändern/ dem er gewogen/ gelinde ist/ und ihm durchhilfft; hingegen wider den anderen/ dem er gehäßig ist/ allzuharte verfähret; Beust 1743 Consiliarius 167 das Land nur nach ihrem Sinn und Affecten gouverniren; 1750 Nacheiferungen i. d. zierlichen Wiss. 21 lassen doch selbst den Affekten die Zügel schiessen; ebd. 26 zur Unterdrückung der Leidenschaften . . zur Dämpfung der Affekten; Shaftesbury 1768 Char. (Übers.) 102 Das einzige Gift gegen Vernunft ist Affect; Eberhard 1776 Theorie 38f. Passionen, Affekten (von afficere), Leidenschaften; Dressler 1777 Theater-Schule 21 dass die Musik die Affecten besänftiget; Feder 1789 Grundlehren 58 Einige [Menschen sind] zu Affecten aufgelegt, andere ge-
mässigter in ihren Begierden; Schiller 1793 Anmut (H. IX 236) den Willen durch die blinde Gewalt des Affekts überraschen; Klettenberg 1795 Bekenntnisse 71 was für ein schwacher Schutz die . . Tugend gegen die Aufforderungen eines Affekts [ist]; Jean Paul 1795 Fixlein (W. VII 220) Unsere Affekten sind überhaupt gleichsam Verkörperungen des sittlichen Triebes; Goethe 1795 — 96 Lehrjahre (WA I 22,272) daß Narciß . . Liebe oder Zärtlichkeit gegen mich geäußert hätte. Er blieb artig und verbindlich, aber zeigte keinen Affect; Schiller 1796 Nutzen (H. XII 157) Dieser Sieg des Geschmackes über den rohen Affekt ist aber . . keine sittliche Handlung; Hess 1798 Durchflüge d. Deutschland VI 9 Affecten der Leidenschaften; Fülleborn 1802 Rhetorik 35 Affect, Neigung, Leidenschaft; Schopenhauer 1840 Moral 146 keiner Selbstbeherrschung fähig, sondern dem Eindruck und Affekt wehrlos hingegeben; Freud 1911—24 metapsychol. Sehr. 66 es entspricht dem Triebe, insofern er sich von der Vorstellung abgelöst hat und einen seiner Quantität gemäßen Ausdruck in Vorgängen findet, welche als Affekte der Empfindung bemerkbar werden; . . die Umsetzung der psychischen Energien der Triebe in Affekte; Dinkier 1934 Anthropologie Augustins 73 Welche Stellung nehmen . . die Affekte im Menschen ein? . . Sind sie identisch mit den „Trieben" der modernen Psychoanalyse? . . Der Affekt ist keineswegs identisch mit der cupiditas carnis; . . es gibt positive und negative Affekte: Dem affectus rectus steht der affectus perversus entgegen; Treinen 1955 Studien 142 Die Vernunft soll .. die Affekte beherrschen. . . Zunächst fällt die Antithetik von „Vernunft (ratio)" und „Leidenschaften (affectus, vitia, cupiditates)" auf. Leidenschaft, als dominierendes agens des Menschen, tritt immer zusammen mit Unwissenheit auf; 1967 Bild d. Wiss. II 119 von der .. Antike bis ins 17. Jahrhundert galt die Lehre, das Herz sei . . der Sitz von Affekten und Leidenschaften; König 1970 Macht o. S. so gilt in der Berufswelt für die meisten noch immer die alte puritanische Uniform mit ihrem Affekt gegen alles Modische, das als unsolide und unseriös angesehen wird; J972 Wohngruppe 19 keine Affekte [Abneigung] gegen die Übernahme öffentlicher Verantwortung (DUDEN); Hocke 1976 Tagebücher 413 müssen, nach Hermes Trismegistos, zwölf Grundaffekte überwunden werden, zwölf „Plagegeister", um im Medium des Ichs Gott „schauen" zu können: Unwissenheit, Zügellosigkeit, Begierde; Hildesheimer 1977 Mozart 73 Ob er uns gefällt oder nicht, es ist sinnlos ihn mit Affekt zu betrachten und für oder gegen ihn Partei zu nehmen; ebd. 225 irgendwo erscheint denn auch meist versteckt, aber deutlich, der antisemitische Affekt; Zeit 30.5.1986 die neue Generation ist über den . . antitechnischen
Affekt Affekt längst hinausgelangt; Fest 1988 Im Gegenlicht 330 Er mokierte sich über die „Manie für das Grüne". . . Sie sei .. ein Affekt von Waldbauern, in denen das Mißtrauen gegen die urbane Lebensform noch immer vorherrsche (DUDEN 1993). affekt(en)los: Franck 1558 Paradoxa 45b willoss, affectloss, begirdloss. affektuos: Melber 1481 Voc. o. S. Affectuosa passio, begirlich liden; Kirchhof 1602 Wendunmuth III 87 biß . . seine affectuos lieb so starck zuname, daß er sich als ein krancker mensch zu belt must legen (DWB N.}. Affekt Ib: Luther 1527 Pred. (W. XXVIII 527) das einer kan übereilt werden durch seine Affecten als mit zorn, neid, hoffart; 1539 Bad u. Arznei, den Bruch zu heilen Bla Du solt auch . . nit mitt traurigkeyt, zorn, neid, vnnd ander dergleichen affect betrübt sein; Brunner 1566 Jacob 5 allerley Affectus vnd bewegungen, beide zu leid vnd freud; Fischart 1577 Pod. Trostb. (Kl. X 767) das ich vnnötig halt, vil affectus zu moviren, oder mit kläglichen geberden euch das herz abzugewinnen (RÜTTER); Dannhauer 1667 Scheid-Brieff l affect vnd Zustand; Frisius 1707—34 Ceremoniel (Tischler 1712) 100 ihre [der Lehrlinge] Gemüthsneigungen und Affecten bei allerhand Begebenheiten kennen lernen; Musig 1718 Licht d. Weisheit U 59 die Sympathie und die Antipathie . . für Affecte ausgeben; Weißbach 1732 Kur 69 Also ist der Zorn ein plötzlicher Affect, . . daß sie nur ein vatter unser lang an sich hielten, so sey es [Zorn] gleich vorüber, und sähen sie die Sache alsdenn gantz anders an, als sie dieselbe vorher im Affect angesehen hätten; Geliert 1746 Fabeln 216 Und ich kann keine Worte finden. So leicht man im Affekt sie sonst finden kann; Bodmer 1747 Crit. Br. 19 haben die Affekte der Nebenpersonen am meisten Nachdruck, die Zuhörer in Bewegung zu setzen, massen unsre Gemüther gleich übereingestimmten Sayten zusammen stimmen; 1754 Braunschweig. Schulordn. l 288 in der ersten Hitze des Affects; Gottsched 1754 Auszug a. Batteux Schöne Künste 200 Es ist kein Ton in der Kunst, der nicht sein Muster in der Natur habe; und der nicht wenigstens ein Anfang zu einem Ausdrucke des Affectes sey; Zachariae 1757 Tageszeiten 117 O! wer könnte das Schrecken, den Kummer, die schwarze Verzweiflung/, Und die Affekten alle beschreiben, die Silvius Seele/ Tödlich durchstürmten; Sulzer 1771 — 74 Theorie l 13 Der Spieler [eines Adagios], welcher sich nicht in einen sanften zärtlichen Affekt setzen kann; Goethe 1775 (DjG V 218) Freylich werde ich und er nicht ohne Gemütsbewegung dabey erscheinen . . vor seinen Affekten ist mir's
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nicht bange. Die Gegenwart eines hochansehnlichen Richters sichert mich genugsam (GWB); 1781 Literar. Pamphlete 100 bey Erzählungen eines Menschen im Affekte wird man wohl nicht leicht lange Sätze brauchen können; Sintenis 1784 Hallo 13 So geschehe denn dein Wille! sprach er im stärksten Affekt; Moritz 1785 Reiser l 92 er gerieth in heftigen Affekt; Ramdohr 1787 Malerei II 297 Welche Quelle neuer und der Mahlerei eigenthümlicher Schönheiten in der gleichzeitigen Beäugung der Ursach und der Aeußerung der Affekten liege; Maimon 1791 Philos. Wb. 8 Affekten (Gemütsbewegungen) sind durch Gewohnheit verstärkte Empfindungen; 1792 Wiener Musenalmanach 19 Ein Theatergespräch. X: Nicht wahr? recht göttlich spielt Babet? Die weiss Affekte zu erwecken? — Y: Gewiss — denn jedermann fühlt, wenn sie auftritt, Schrecken, Mitleiden, wenn sie spielt, — und Freude, wenn sie geht; Laukhard 1792 Leben 13 ein so grosser Affekt, wie die Liebe ist; Hippel 1793 Kreuz- u. Querzüge I 32 der Pfarrer . ., der bei der heiligen Taufhandlung seinen Affekten so freien Zügel schießen ließ; Feder 1793 Untersuchungen IV 76 Leidenschaften sind Neigungen und Triebe, die mit Affect sich äussern, mit einer solchen Heftigkeit der Gemüthsbewegungen, dass sie sich nicht verbergen lassen; Kant 1798 Anthropologie (Ges. Sehr. VII 144) In diesem Abschnitte sollte nun auch von Affecten, als Gefühlen der Lust und Unlust, welche die Schranken der inneren Freiheit im Menschen überschreiten, gehandelt werden. Allein da diese mit den Leidenschaften . . oft vermengt zu werden pflegen, und doch auch damit in naher Verwandtschaft stehen, so werde ich ihre Erörterung bei Gelegenheit dieses dritten Abschnittes vornehmen; 1805 Galls Lehre 130 Anm. mit den sogenannten Affecten (wofür die Deutschen kein eigenes Wort haben), z. B. Schrekken, Freude, Sehnsucht, Eifersucht; 1812 Keils Beyträge II 307 Anm. Affekt ist immer ein Zustand des Gefühlvermögens . . der Affekt kann ohne Leidenschaft seyn, wie in dem Staunen und der uns überraschenden Freude; 1818 Die Wage I 230 Die Temperatur der Affekte wechselt aber so oft und schnell, daß ein Schauspieler der alles getreulich nachmachen wollte, unvermeidlich des Todes seyn müßte. . . Eine kleine Sammlung von Affektmustern, die im Lorbeerkranze, nur allein der Prinz und Amalia, auszukramen haben, ist vielleicht willkommen, zur beliebigen Auswahl; Vico 1822 Grundzüge (Übers.) 307 dass in grossen Affecten die Menschen in Gesang ausbrechen; Wackernagel 1836 Poetik 397 Den Griechen heißt auch jede vorübergehende Empfindung, auch jede nur momentane Erregung und Stimmung des Gefühles, kurz alles was die Lateiner affectus und auch wir Affekt nennen, Pathos; Schopenhauer 1840 Moral 101
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Nämlich in jedem, auch dem besten Menschen steigen, auf äußern Anlaß, erregten Affekt, oder aus innerer Verstimmung, unreine, niedrige, boshafte Gedanken und Wünsche auf; Wagner 1858 briefl. a. M.. Wesendonk 40 Entwicklung ihres rapid wechselnden Affectenspielens; Holtet 1860 Eselsfresser l 148 seinen Spott durch irgend einen zärtlichen Affect zu erregen; Hartmann 1869 Philosophie 40 Zwei Merkmale sind es . ., an denen man den Willen von den Reflexwirkungen unterscheiden kann, erstens der Affect, und zweitens die Consequenz in Ausführung eines Vorsatzes; Nordau um 1880 K. I I 1 3 1 wenn er [auf der Bühne] Affekte ausdrücken soll, so thut er dies durch Grimassen; Kraszewski 1884 Hetmanssünden (Übers.) 152 Irgend eine Affect- oder eine Gefühlsäusserung . . war nicht zu erwarten; 1888 Grenzboten l 303 zur Erregung der „Affekte"; Jolly 1898 Irrtum 10 Affekt: Angst, Freude, Erwartung, Zorn; ebd. 24 der krankhaften Affektzustände; Moll 1902 ärztl. Ethik 61 Affektausbruch des Mitleids; Th. Mann 1910 Reden u. Aufs. (W. IX 33) der Held ist ihm „die denkbar interessanteste Figur"; aber vom Interesse, diesem eigentlichen Schriftsteller- und Psychologenaffekt, ist nicht weit mehr zu allen Naturalismen, Bosheiten und Ironien der Erkenntnis; 1911 ZgErz'gesch. I 9 Affektleben des Menschen; Franken 1913 Schneide 25 lag . . der Revolver zur Hand, gefährliches Spielzeug für Temperamentsmenschen. Bei Hunold war es eine Affekthandlung, wie bei den meisten, die freiwillig den unwiderruflichen Sprung ins Dunkle tun; Münsterberg 1914 Psychotechnik 239 Reichtum der körperlichen Affektsprache; Zobeltitz um 1920 Gross-Q. 173 Bei Wiborg brach oft mit jäher Plötzlichkeit die Weichheit seiner Natur durch das Affektbeherrschende seines Sichgebens; 1920 Imago VI 3 eine . . rätselhaft begründete Affektreaktion der Massen; Dilthey 1924 Kunst 287 Eine zweite antike Quelle von Reflexion über menschliche Charaktere fließt in der Affektenlehre. Diese wurde durch die stoischen Philosophen . . zu einer außerordentlichen Feinheit der Klassifikation durchgebildet. . . Eine dritte . . Quelle für die . . Beschreibung menschlicher Typen ist die Lehre von den vier Temperamenten; 1925 ZfMenschenkunde l 50 erscheint die Affektpersönlichkeit als etwas Minderwertiges. . . Da die Zugehörigkeit des Affektzustandes zum Ich unmöglich geleugnet werden kann, so ist das Ich sowohl im Affekt wie im . . „eigentlichen" Zustand dasselbe. . . Im Affekt ist es unfrei, getrieben; Grosser 1926 Mann 151 daß Mr. Kollegg die Tat in sinnloser Wut, oder besser gesagt, im Affekt begangen hat. Das ist ein Milderungsgrund, den man . . wird berücksichtigen müssen; Frank 1926 Liebesleben 20 Unterschied zwischen einer Psychoneurose (einer Affektstörung . .) und einer Geistes-
krankheit; Th. Mann 1926 Reden u. Aufs. (W. X 647) nimmt er im Affekt eine „orientalische Ausdrucksweise" an und bekommt einen Kehlton; l 928 Krisis d. Psychoanalyse 117 Affekt-Lehre von Hobbes; 1928 Handb. d. Frankreichkunde I 93 affektbetonte Modewörter, z. B. exzellent, .. colossal; Werfet 1928 Abituriententag 157 Affektmord aus Eifersucht; 1929 Der Junggeselle Nr. 11 o. S. Friedländer ist kein Verbrecher; seine Tat ist eine Affekthandlung; Th. Mann 1931 Reden u. Aufs. (W. XU 657) daß wir einen Mord als Affekthandlung aus unterbewußten Motiven verstehen können, bedeutet noch nicht, daß er damit auch ethisch gerechtfertigt wäre; Lokal-Anz. 2.2.1933 Mag er tatsächlich unter seiner Ehe gelitten und die Tat im höchsten Affekt begangen haben; Rohrbacher 1934 Charakterkunde 18 Fehlen oder Lahmheit des Affektlebens; Heidenhain 1938 Psychiatrie 33 bei reizbaren Affektmenschen; Th. Mann 1939 Reden u. Aufs. XII 846 Liebe und Haß sind große Affekte; ders. 1947 Faustus (W. VI 95) hältst du die Liebe für den stärksten Affekt?; Bamm 1956 Ex ovo 154 solche Versuche wurden mit affektgeladener Erbitterung bekämpft; Bauer 1957 Verbrechen 79 Affekte und Neurosen; Bollnow 1962 Mass 30 das ist ein Mensch, der von seinem Affekt überwältigt und nur noch ein Spielball der irrationalen Mächte . . ist; ebd. 78 man besänftigt einen Menschen im Affekt, beispielsweise seinen Zornausbruch, seinen Rachedurst, indem man ihn durch guten Zuspruch zur inneren Ruhe zurückführt; Stuttgarter Ztg. 28.10.1963 Die Frage eines „Affektsturms" wurde vom Gericht verneint; Glaser 1964 Spießer 103 Hitler schätzte die seit Jahrzehnten genährten antidemokratischen und antiparlamentarischen Affekte der meisten Deutschen richtig ein; Stuttgarter Ztg. 13.4.1968 Die durch die Trunksucht seiner Frau erlittenen Qualen . . hätten einen Affektstau bewirkt, der bei dem bestürzenden Anblick des fremden Mannes im Bett seiner Frau zum Ausbruch gekommen sei; Offenburger Tagebl. 18.7.1970 Bei den Tätern . . war keine ungesteuerte Handlung zu erkennen, die auf eine Affekttat schließen ließe; Delay/Pichot 1971 Medizin. Psychologie 103f. Die klassische introspektive Psychologie . . unterscheidet Affekte, Gefühle i. e. S. und Leidenschaften. . . Die Gefühle . . unterscheiden sich von den Affekten durch größere Stabilität und Dauerhaftigkeit. . . Von diesen beiden Zuständen sind die Leidenschaften zu unterscheiden. Bei ihnen handelt es sich wie bei den Affekten um Gemütszustände von großer, gegenüber der Wirklichkeit blind machender Intensität, die im Gegensatz zu den Affekten relativ lange anhalten .. 1. Die primäre Affektreaktion . ., die von kurzer Dauer ist; Tugendhat 1981 Selbstbewußtsein 205 Die Stimmungen unter-
Affekt scheiden sich dadurch von den Affekten, daß sie keinen intentionalen Gegenstand haben. .. Da die Emotionen — also die Affekte — durch einen jeweiligen Gegenstandsbezug definiert sind, muß die Möglichkeit von objektlosen Emotionen . . abgelehnt werden, aber eine Stimmung ist eben überhaupt nicht ein Affekt, wenngleich sie ein effektiver Zustand ist; Sloterdijk 1983 Kritik 239 so handelte es sich um unbeschreibliche Affektstürme, die die Massen erfaßten; MM 7.10.1985 in einem dramatischen Klanggeschehen, das den „Affekt", den Gefühlsgehalt eines Textes, spiegelte; Zeit 9.8. 1985 die . . böse Seite seiner Affektwelt; ebd. 20. 9.1985 Nachkriegsaffekte und -einsichten wurden auf den Reim gebracht, das literarische Vorbild kam aus der weiland ersten deutschen Nachkriegszeit; Schipperges 1985 Garten 221 nicht zuletzt aber im Umgang mit unseren seelischen Affekten; Zeit 5.12.1986 was immer wir heute von der barocken Affektenlehre halten mögen - Pogorelich macht sich zu ihrem Anwalt, und so begreifen wir etwas von jener pathetischen Mischung aus Weltschmerz und irdischer Größe; ebd. 12.12. 1986 eine opera seria . ., mit riesigen Secco-Rezitativen und eineinhalb Dutzend Affekt-Arien im Da-capo-Format; ebd. 16.1.1987 Affektstörungen sprechen oft auch auf Plazebos an; ebd. 17. 4.1987 „daß die Kirche in manchen Bereichen gar zu weit vorangegangen ist" — und dies habe „zu einem Affektstau geführt, vor allem bei den einfachen Leuten auf dem Land"; MM 28.9.1987 Komma hat da . . nicht nur mit Versatzstücken alter Musik gearbeitet, sondern barocken Affekt und barocke Motorik musikantisch ins Moderne übersetzt; ebd. 14.11.1987 die Rezitative als Handlungsträger fungierten als Motivationen des Ariengesangs und seines Affektgehalts; ebd. W. 6.1988 die Beamten möchten vorgewarnt werden, um auf ungünstige Wetterlagen mit meist schwül-warmem Wetter vorbereitet zu sein, bei denen es . . zu einer Zunahme von Affektverbrechen und Selbstmorden kommt; Spiegel 30. 7.1990 zur Beurteilung von Affektdelikten und Persönlichkeitsstörungen. affektfrei: Tb. Mann 1932 Br. 1321 in philosophisch affektfreien werten (DWB N.); Tugendhat 1981 Selbstbewußtsein 203 Das Mitleid unterscheidet sich . . von der affektfreien Feststellung des Leidens des anderen dadurch, daß ich nun vom Leiden des anderen in meinem eigenen Sein betroffen bin. affekthaft: Th. Mann 1921 Reden u. Aufs. (W. X 610) darf ich mich als Urteilender für zuständig halten, wobei ich .. die Gefahr einer affekthaften Trübung meines Urteils keineswegs außer acht lasse; der s. 1924 Zauberberg (W. Ill 191) daß . . eine gewisse affekthafte Beziehung des jungen
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Tischnachbarn zu der Russin entstanden war; Benjamin 1931 Br. U 530 Wie er [Brief] überhaupt keine expansive oder affekthafte Reaktion bei mir zur Folge haben kann; Th. Mann 1938 Reden u. Aufs. (W. IX 270) ein Element des Intuitiven, des Gefühlsmäßigen, um nicht zu sagen: des Affekthaften. Affektibilität: Schiller vor 1805 W. XVII 365 Es [das Angenehme] ist bloß dadurch angenehm, daß es empfunden wird, sobald wir uns die Affektibilität der Sinne hinwegdenken, oder sie auch nur verändern (KEHREIN). affektisch: Gröber 1888 Grundriss 11,217 „affektische" Rede; 1928 Handb. d.Frankreichkunde I 81 „affektischer". affektiv: Rousseau 1789 Emile (Übers.) l 211 die ersten Sensationen der kinder sind bloß affective; sie nehmen nichts wahr, als vergnügen oder schmerz (DWB N.}; BreuerlFreud 1909 Hysterie 64 kamen sie [Symptome] auch in den hypnotischen Analysen nie vor und wurden sie nicht auf affektive oder phantastische Anlässe zurückgeführt; Freud 1911-24 metapsychol. Sehr. 70 Das Mißglücken in der Verdrängung des . . affektiven Faktors bringt denselben Mechanismus der Flucht durch Vermeidungen und Verbote ins Spiel; Keyserling 1926 Welt 91 weil die antike Einstellung des psychischen Organismus dessen affektive Seite in Verdrängung gehalten hatte; Th. Mann 1929 Reden u. Aufs. (W. X 275) „als Psychoanalytiker", erklärt Freud .., „muß ich mich mehr für affektive als für intellektuelle Vorgänge, mehr für das unbewußte als für das bewußte Seelenleben interessieren"; ebd. X 276 fragt sich zum Beispiel, ob ein vorwaltendes Interesse fürs Affektive selbst effektiver Natur ist oder von intellektueller Art; Bollnow 1962 Mass 103 Reaktionen . . mit Hilfe der Kenntnis psychologischer Gesetze, insbesondere durch die Aktivierung unbewußter affektiver Tendenzen, in eine bestimmte . . Richtung zu leiten; 1967 Bild d. W/ÄS. // 119 zwar empfinde der Mensch in affektiver Erregung Veränderungen am Herzen, aber bewirkt würden diese Gemütsbewegungen vom Gehirn aus; Bernett 1970 Veränderung o. S. durch den Gruppen-Wetteifer ergibt sich eine affektive Situation: eine Affektsteigerung, die zu einer . . Wetteifer-"Hysterie" entarten kann; Lüscher 1971 Lüscher-Test o. S. für den Arzt ist die Diagnose der affektiven uznd psychomotorischen Stimmungslage . . von besonderer Bedeutung; Tugendhat 1981 Selbstbewußtsein 206 Man kann . . auf die Frage „Wie ist dir?" mit einem schlichten Affektausdruck antworten, z. B. „ich bin zornig auf dich"; dann heißt das aber, daß dieser Affekt so dominant ist,
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Affekt
daß er meine affektive Befindlichkeit im ganzen bestimmt; Sloterdijk 1983 Kritik 207 ein Klima satirischer Lockerungen, in dem sich auch die Mächtigen mitsamt ihren Herrschaftsideoiogen affektiv enthemmen; Zeit 12. 4.1985 seine „Theorie der Irrationalität" widmet sich . . diesem Befund und unterscheidet sich darin von all jenen Sozialerklärungen, die den affektiven Urgrund aller Politik nicht wahrnehmen; Habermas 1985 Unübersichtlichkeit 12 In einem affektiv aufgeladenen, geradezu politischen Schlachtruf verwandelt sich der „Postmodernismus" erst, seitdem sich . . zwei konträre Lager des Ausdrucks bemächtigt haben; Zeit 15.11.1985 da die Analyse aber nicht nur aus affektivem Wiedererleben, sondern zur anderen Hälfte auch aus intellektueller Einsicht besteht; ebd. 22.8.1986 der Hippokampus ist Teil des limbischen Systems, das für emotionale Reaktionen, für die „affektive Tönung" des Gesamtverhaltens . . eine Rolle spielt; Hoyos 1987 Wirtschaftspsychologie 539 Andere Autoren . . haben affektive Gründe für das Nichtanlegen des Sicherheitsgurtes gefunden. Affektivität: Freud 1911-24 metapsychol. Sehr. 83 Sie [Verdrängung] zeigt uns, daß das System . . normalerweise die Affektivität wie den Zugang zur Motilität beherrscht; Keyserling 1926 Welt 94 In bezug auf alle anderen Geistes- und Seelenfunktionen entbehrt er [Intellekt] direkt des Sinns, weshalb zu Zeiten dominierender Spiritualität wie Affektivität von ihm nie die Rede war; Frank 1926 Liebesleben 20 Am wertvollsten für mich für das Erkennen dieser Patienten ist das Erfassen ihrer Affektivität. Bei all diesen Störungen handelt es sich bald um Steifigkeit der Affekte, bald um deren Introversion; Musil 1933 W. V III 1433 Das Fühlen und Wollen, die Affektivität, determiniert im Einzelnen das Denken direkt. . . Möglichste Ausschaltung der Affektivität ist Wissenschaft; Häring 1956 Macht 136 In beiden Fällen zeigt sich eine gesteigerte Gemütserregung (Affektivität), die Vereinfachung und Vergröberung des Denkens; FAZ 1.3.1971 Der Angeklagte verfüge über „Ehrlichkeit in der Affektivität"; Lüscher 1971 LüscherTest o. S. verschiedene Bereiche des psychischen Zustandes, des seelischen Gleichgewichtes, der Affektivität, die Neurosentendenz, die Art und der Grad von Störungen sind darin ablesbar; Tugendhat 1981 Selbstbewußtsein 203 Aristoteles zählt auch Liebe bzw. Freundschaft. . unter die Affekte. . . Wen wir mögen, entscheidet sich daran, ob wir gerne mit ihm zusammen sind; . . es ist unsere Affektivität, die den anderen als jemanden, den wir mögen, erkennt; Zeit 9.8.1985 größere Verfügbarkeit des Ichs, der Vernunft, über die Affektivität; ebd. 1.11.1985 bei schizophrenen Menschen sind Denken, Affektivität und Antrieb gestört.
affektlos: 1761 Karschin-Gleim-Uz Briefw. 655 Das Herz ist voll, und Sie bleiben zurückgehalten diese Thränen .., nicht die affectlose Miß, und nicht Ihr kalter Liebhaber rührte mich, Ihre Abreise mein Liebster und noch mehr Ihre Zurückzitterung; Knigge 1789 Umgang l 79 bey unbedeutenden, affectlosen Unterredungen; Gaudy 1839 W. V 134 der Graf hatte . . in dem leichten, affektlosen Ton gesprochen; Hartmann 1869 Philosophie 40 Die Reflexe vollziehen sich mechanisch und affectlos; Th. Mann 1924 Reden u. Aufs. (W. X 178) seine Lehre, kalt-wissenschaftlich, affektlos, erhaben über alle menschlichen Parteiungen; ders. 1927 Reden u. Aufs. (W. IX 187) wenn wir andere mit geschäftsmäßiger und affektlos selbstverständlicher Einsicht über den Gegenstand unserer innigsten Neigung sprechen hören. Affektlosigkeit: Kant 1798 Anthropologie (Ges. Sehr. VII 165) Die Affectlosigkeit .. ist das Phlegma im guten Verstande; Kloss 1808 Idiot. d.Burschenspr. 30 Pomade, Gemütsruhe, Affectlosigkeit; Spranger 1927 Lebensformen 124 Affektlosigkeit ist der Zustand des Forschers, sofern er erkennen will. affektmäßig: Th. Mann 1931 Reden u. Aufs. (W. XII 657) daß die wissenschaftliche Entdeckung . . der großen Rolle des affektmäßigen, prälogischen und symbolischen Denkens zu einer vulgärwissenschaftlichen Vergötterung des neumodisch Instinktiven . . geführt hat. affektreich: Milton 1754 Verl. Paradies (Übers.) // 214 Anm. affectreich; MM 6.2.1985 die Musik des Florentiners Peri, dessen „Euridice" als erste erhaltene Oper überhaupt gilt, findet zu affektreichen harmonischen Rückungen. affektuos, affektuös: Nicolai 1632 a. Schwallenberg 1146 nach einer affectueusen gratulation (JONES); 1750 (Behrendt 1942 Reise 30) Ein sehr affectueuser Brief . . und . . wohl nur für die Augen der Verlobten; Goethe um 1831 Reise Schweiz (WA I 34.1,232) Affectuose sentimentale Liebhaberinnen . . Cora in der Sonnnenjungfrau [von Kotzebue], Ophelia in Hamlet (GWB); Wähle 1906 Mechanismus 255 affektuose . . Funktion der Intelligenz; MM 22.10.1973 ein Plus an affektuos geprägter, satter Tonfülle (DUDEN). affektvoll: Beust 1743 Consiliarius 240 Affectenvolle Proceduren; Herder 1764 S. W. l l so strömt auch sein brausender Mund eine hizzige und affektvolle Sprache fort; 1765 Allg. dt. Bibl. l 1,107 feurige affektvolle Ton; Wezel 1773 Tob. Knaut I
affektiert S3 Diese affecktenvolle Sprache; Dressler 1777 Theater-Schule 150 in starken affectvollen Rollen; 1781 Literar. Pamphlete 10 in den lebhaften und affektvollen Reden kommen Überhüpfungen . . vor, welche freylich verwerflich sind, wenn sie dunkel sind; Sturz 1782 Chr. H 60 wenn uns die Macht der Liebe beherrscht und zu affectvollen Gesängen auffordert; Goethe 1795—96 Lehrjahre (HA VII 303) niemand hält wie er die zarte Grenzlinie zwischen Deklamation und affektvoller Rezitation; ebd. VII 380 gedrängt von seinem Verstande, brach ich in die affectvollsten Vorstellungen aus; Matthison 1802 Evian V 371 in reinem, natürlichem und effektvollem Tönen; Marx/Engels 1843 Rechtfertigung d. Korrespondenten v. d. Mosel (MEW l 190) ihre [der Presse] Sprache ist daher nicht nur die kluge Sprache der Beurtheilung, die über den Verhältnissen schwebt, sondern zugleich die affektvolle Sprache der Verhältnisse
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selbst, eine Sprache, die in amtlichen Berichten weder gefordert werden kann, noch darf; Th. Mann 1955 Reden u. Aufs. (W. IX 933) das große Abenteuer seines Lebens, seine Erfahrung der Passion, . . der dauernden affektvollen Spannung. Affekt 2: Paracelsus 1536 Wundartzney //, XXUb affectus; Fischart 1577 Pod. Trostb. (Kl. X 693) krankhaiten . . Jtem: Pestilenzische Fiber, . . und andere dergleichen Affect (RÜTTER); Federer 1607 Rothe Ruhr Vorr. A2a Erschrecklich ist . . diser Affectus/ . . die Genaden und Gaaben/ so der liebe Gott wider disen Affectum [Epidemie] erschaffen; Harsdorffer 1643 Gesprächsp. Ill 342 das wort affectus .. heist . . bißweilen ein gebrechen; (er hat, sagt man, diesen oder jenen affectum an sich) (DWB N.); 1668 Reformation 7 In contagiosund ansteckenden affectibus.
affektiert Adj., im frühen 17. Jh. aufgekommen (gebildet aus dem Part. Perf. von heute veraltetem affektieren, s. u.). Eher bildungsspr. verwendet in der Bed. 'geziert, gekünstelt, unnatürlich, künstlich, gezwungen, übertrieben', auch 'manieriert, prätentiös' und bes. '(sich) theatralisch, gestelzt, gespreizt, überspannt, überdreht (gebärdend)' (Ggs. unaffektiert), häufig auf Verhalten, Benehmen, Auftreten u.a. von Personen bezogen sowie auf die Art, sich auszudrücken und gelegentlich auch auf Gegenstände (z. B. Kleidung, Schmuck), in Syntagmen wie eine affektierte Person, sich affektiert benehmen, affektiert lachen, reden, ein affektiertes Deutsch schreiben, affektierter Stil. Dazu seit spätem 19. Jh. die subst. Ableitung Affektiertheit F. (-; -en) 'affektiertes Benehmen, Wesen; Geziertheit, Gekünsteltheit, Getue, Verstellung; Übertreibung', selten auch plur. gebraucht für 'affektierte Handlung, Äußerung'; weitgehend gleichbed. mit dem heute veraltenden, schon im frühen 17. Jh. aus lat. affectatio 'eifriges Streben; Ziererei, das Erkünstelte, die Sucht, originell zu sein' entlehnten Subst. Affektation F. (-; -en), bes. in Wendungen wie ohne/frei von Affektation. Vgl. daneben das zugrundeliegende, bereits im früheren 16. Jh. aus lat. affectare 'nach etwas streben; etwas erkünsteln, erheucheln' entlehnte V. affektieren in seiner Bed. 'etwas vortäuschen, erkünsteln, zur Schau tragen; sich zieren, gekünstelt verhalten, verstellen, sich den Anschein von etwas geben, eine Empfindung oder Haltung nur vorspiegeln', mit der im 18. Jh. bezeugten Gelegenheitsableitung Affektiererei. affektiert: Wallhausen 1616 Kriegsmanual (Gl.) Affectirt; 1626 Theatrum amoris 251 die affectirte Verstellungen mehren bey heßlichen Persohnen gemeiniglich die Vngestalt noch mehr; Mengering 1642 Gewissensrüge 1208 lauter simulation vnd affectirtes Werck; Zeiller 1653 Dialogi 723 wann man sich affectirter Wort, so für eine Anzeigung einer Leichtfertigkeit aussgelegt worden, gebraucht hat; Weise 1673 Erznarren 188 eine affectirte Art
zu schreiben; Hör! 1677 Bacchusia 142 er beschwört mit seiner vnmenschlichen affectirten Stimm, in lateinischer Sprach den Teuffel; Pickelhäring 1685 Kleideraffe 191 [eine] affectirte weibliche Zärtligkeit; 1699 Schulordn. a4b das HauptStück . . langsam und ohne einen affectirten Thon herbeten; Menantes 1709 Satir. Roman I 52 sich an ihren lustigen Discoursen . . mehr als an der ändern affectirten Bezeugungen ergetzen konnten;
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affektiert
Musig 1718 Licht d. Weisheit II 604 Gewöhne dich an, deutlich und unaffectirt zu reden . . man gewöhnet sich an eine ungewöhnliche und affectirte pronunctiation; Rohr 1728 Zeremoniellwiss. l 26 man verfällt in ein affectirtes Wesen; Neukirch 1746 Anweisung 510 Affectirter stylus; Zachariä 1754 Phaeton I 319 Mit gezwungenem Ton und affectirtem Gesichte; Lessing 1767-68 Dramaturgie (S. Sehr. X 138) Wo er aber rührend und edel seyn will, ist er frostig und affectirt; Kinderling 1771 Grundsätze I 159 das Unnatürliche oder Affektirte; Wieland 1773 Agathon (I 241) [eine] unaffektirte Zurückhaltung; Schubart 1774 Dtsch. Chronik 477 Französinnen, die affektirte Närrinen aus euren Töchtern machen; Moritz 1786 Reiser II (LD XXIll 417) das Lächerliche einer affektirten Emfindsamkeit; 1788 Journal d. Moden HI 11 affektirte Ziererey, mit Unentschlossenheit, Steiffigkeit und Ungeschick verbunden; Schiller 1793 Anmut (H. IX 240) bei affektierten Personen und schlechten Komödianten; Hess 1796 Durchflüge d. Deutschland III 168 mit affektirter Kälte . . erzählen; 1808 (Fessler 1851 Rückblicke 218) affectirte Griechheit; Goethe 1811 Dichtung u. Wahrh. (HA IX 297) alles, was er tat, mußte mit Langsamkeit und . . Anstand geschehen, den man affektiert hätte nennen können, wenn Behrisch nicht schon von Natur aus etwas Affektiertes in seiner Art gehabt hätte; Grabbe 1827 Shakespearo-Manie III 410 Der Shakespearische Stil ist oft . . wegen gesuchter kurzer Wendungen affektiert; Heine 1835 Romant. Schule 185 hier [in ihren eigenen Stücken] fanden sie [Schauspieler] ihre Flittergold-Redensarten, ihr ganzes affektiertes Kunstzigeunertum; 1860 ZfVPs. I 478 das Theatralische der Franzosen ist aber auch nicht. . schlechthin etwas Affectirtes; Noe 1865 Verhalten 27 weil der gemeine Mann . . viel wahre, das heisst, nicht carikirte oder affectirte, Lebensart besitzt; Falke 1866 Gesch. d. mod. Geschmacks 343 die affectirte Lebenswelt [des Rokoko]; Walloth 1887 Praxis 185 dies ein wenig affektierte und doch innige Lächeln; Potenz 1898 Grabenhäger I 169 mit affektiert gedehnter Sprache; 1910 Stimmen d. Zeit 78 Dieses affektierte Haschen nach abstoßenden . . und das an rhythmischen Wohlklang gewöhnte Ohr verletzenden Wendungen; 1910-11 Lit. Echo 1026 die literarische affektierte und snobistische Lyrik; Th. Mann 1924 Zauberberg (W. Ill 325) seine affektierte Redseligkeit; 1931 S. Fischer-Korrespondenz Nr. 4 Der ganze Ton der offiziellen Begrüßungen kam ihm nachgeahmt, affektiert vor,. . deklamatorisch, sentimental und falsch; Bertololy 1934 Dora 118 kam er daher, mit kurzen, affektierten Schritten krampfhaft auf den Randsteinen balancierend; Th. Mann 1945 Reden u. Aufs. (W. VI 412) ist es vollkommen unmöglich, jenen Wunsch als unerträg-
lich affektiert und diese Redensart als ziemlich abgeschmackt zu empfinden und dabei dennoch ein Ästhet reinsten Wassers zu sein; ders. 1947 Faustus (W. VI 218) die Verspottung affektierter Askese; Sloterdijk 1983 Kritik 142 Auch Heinrich Heine hat gesehen, was gerade am deutschen Patriotismus . . widerwärtig und affektiert war; Zeit 4.1.1985 unaffektiert und vergnügt sitzt sie vor mir in einem Bremer Hotel; ebd. 4.4.1986 wenn das Wort „affektiert" mal irgendwo richtig hingepaßt hat, dann auf dieses 200-Seiten-Getue um eine geschlechtslose Kunstfigur; MM 13.6.1987 Wernicke zeigt darin, wie „Oper" gemacht wird, wie künstlich ihre Gattungen — Tragödie, Idylle, Komödie —, wie affektiert die Gesten, wie gestelzt die Typen sind; ebd. 30. 9.1987 wirkten die überdreht interpretierten Lieder über . . verlassene Liebchen . . affektiert und überspannt, künstlich eben und ganz und gar nicht lebendig; ebd. 3.10.1987 Sabine Sommer, die gekonnt nervös das affektierte Heimchen mimt; ebd. 6.10.1987 stimmlich prägnant und unaffektiert im Spiel .. als ein noch junger „alter Trottel" . . Taddeo. affektieren: Fuchsberger 1534 Dialektik 20a Da etlich seind ainer habituirten gschwindigkait/ die ändern einer affektuierten naigligkait/ vnd die dritten synlicher aygenschafft; Mitte 16. Jh. Zimmer. Chronik (Steinhausen, Kaufmann 79) Sie hassen von Natur und langem hergebrachten Herkommen allen Adel und affectieren doch alle, sobald einer in Nahrung kommt, den Adel; Quad 1609 Herligkeit 316 Antwerp wirdt von den Niderlendern so das hog teutsch affectiren wollen Antorff genant (DWB N.); Schorer 1644 Sprachverderber Jlb Affectiren; Grimmeishausen 1669 Simpl. 430 Wann ich die Gesundheit so sehr affectire; Thomasius 1688 Monats-Gespräche l 523 daß die Königin etwas hochmütig war, und eine galante Dame zu seyn affectirte; ders. 1691 Vernunftlehre l 15 daß man die Mittel-Strasse gehe und weder allzusehr affectire, ausländische Wörter in eine Sprache mische; ebd. II 90 einen hohen und ansehnlichen Spanischen Stylum zu affectiren; Linde 1706 Ged. a4a den Nahmen eines Gelehrten affectiren; Philo 1722 Ruhm d. Tobacks 60 Mädgens, die einen Eckel affectiren können; Fleischer 1734 Herr v. Lydio III 24 sie affectirte .. eine ungemeine Scheinheiligkeit; Wieland 1773 Agathon (III 297) die ungeheure Leidenschaft, die er für sie affektierte; Rabiosus 1778 Reise II 5 um eine altmodische Tugend zu affectiren; 1786 Journal d. Moden I 273 Männer und junge Herren, die gern den bon-ton affecktiren; 1801 Eunomia I 174 Nie werden sie etwas zu seyn affectiren, was sie nicht wirklich sind; Feuerbach 1828 Merkw. Verbrechen 1158 er affektirte Lustigkeit; Schopenhauer 1840 Moral 26 in den nichtssa-
affektiert genden . . Aussprüchen dieses . . Scharlatans [Hegel] wundertiefe Weisheit zu finden affektieren; Steinmann 1843 Mefistofeles III 315 Gutzkow hat sich eine geschmeidige . . Sprachweise gebildet, zuweilen affektirend und oft anmassend; Walloth 1887 Praxis 5 „Ich bin durchaus gesund", fuhr die Dame fort, nun einen kühlen, imponierenden Ton affektierend; Schnitzler 1905 Kate 97 unterbrach ich sie, ein bisschen Verletztsein affektierend; Brandt 1936 Inn 91 An das Parlament affektierte man zu glauben, weil es so in den Zeitungen stand; Süddtsch. Ztg. 1.3.1949 Affektieren wir unsere Ergriffenheit?. Affektiererei: Smollet 1772 Klinkers Reisen (Übers.) l 195 sie seufzet, tändelt, liebäugelt, und treibt mit ihrer scheußlichen Affektirerey . . den armen Hofschranzen bis zum . . Rande seiner Gefälligkeit. Affektiertheit: Nordau 1881 Paris II 136 Er hat keinen Sinn für die unausstehliche Affectirtheit all dieser kleinen Manieren und Künste; Walloth 1886 Seelenrätsel 38 Es war kein übler Kopf, jedoch entstellte ihn ein Zug von Affektirtheit, der sich . . über den vornehm zusammengepressten Mund ausdehnte; Janitschek 1919 Mimikry 103 er hatte unbewusst schon etwas von der Affektiertheit der anderen angenommen; Th. Mann 1922 Reden u. Aufs. (W. X 628) es ist schrecklich, das Bild Gogols vom Jahre 1884 in seiner dämonischen Affektiertheit anzuschauen; Bahr 1923 Porträts 94 mit einer Würde, die keine Spur von Affektiertheit trug, trat er aus dem öffentlichen Leben; Schmilz 1926 Dämon 193 Affektiertheit gewisser deutscher Französlinge; NZ.(Basel) 30.5.1949 Wenn das Eichhörnchen reden könnte, würde es französisch sprechen. Es hat die . . Behendigkeit einer Französin, aber auch ihre Affektiertheit; MM 25.4.1988 die Kniffe [in einem Theaterstück] bleiben oft . . in aufgesetzt wirkenden Gags stecken, ja, verraten in ihrer geradezu laienspielhaften Affektiertheit ein erschreckendes Unvermögen, Ironie von Posse zu trennen. Affektation: 1619 (Garzoni 1641 Scbawplatz 68h) dieser strecket den halß auß, wie ein ganß, wann er einen grüsset, der ander neyget sich wie ein camel: . . die alten vnter allen völckern, haben auch . . jhre höfflichkeit gehabt, solche affectation aber ist nicht vnter jhnen gewesen (DWB N.); Morhof 1682 Unterricht 587 Es siehet aber ein jeder/ daß die vorgehende Exempla mehr affectation als Verstandes haben/ und vielmehr eine Bemühung müssiger als rechtschaffener gelehrter Leute sein; ebd. 669 daß die Sprachen . . durch die affectation verdorben werden/ welche mehrentheils in den meta-
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phoris bestehet; 1684 Der Hof 15 dass er [König] dapffer vnd Heldenmüthig wäre, ohne Ruhm-Rede vnd Affectation vor den Menschen; Elis. Charl. 1699 Br. I 158 Zu meiner zeit war es schon der brauch, daß man frantzösische Wörter mitt den teütschen mischte; . . allein waß mich verdrießen kan ist, wen es auß affectation geschieht; Vischer 1709 Informator 93 wenn ein Prediger rein Deutsch vorträgt, und nicht aus ungeschickter Mund- und Lands-Art, oder gar verdriesslicher Affectation die Sprache verschändet; Fleming 1726 Soldat 25 Das Gesicht muß frey und ungezwungen, auch etwas ernsthafft, iedoch ohne Affectation aussehen; Rohr 1728 Zeremoniellwiss. I 185 die höchsten und vollkommensten Eigenschaften verliehren ihren Werth, wenn sie mit Affectation verbunden; Sturz 1768 Br. l 96 Im Leben ist er [Schauspieler] schon Affektation, und ein Grad mehr in der Nachahmung macht ihn zur unleidlichen Karikatur; 1772 Allg. dt. Bibl. XVII l Affektation läßt sich in den wenigsten Fällen mit einem hinlänglichen deutschen Ausdrucke geben, und ist schon so gut wie naturalisirt; Schubart 1780 Originalien 51 Affektation und Hofsitte macht widerlich; Forster 1791 Ansichten IX 330 Höflichkeit, ohne die mindeste Affektation oder Ziererei; Schiller 1793 Anmut (H. IX 252) So wie aus der Affektation des Erhabnen Schwulst . . entsteht, so wird aus der affektierten Anmut Ziererei; Goethe 1795 — 96 Lehrjahre (HA Vll 31) wir suchten uns der Höhe des Standes, der Vortrefflichkeit der Charaktere [einer Tragödie] durch Steifheit und Affektation zu nähern; 1804 Merkur I 143 Affectation und Geckerey; Tieck 1823 Novellen II 61 der leeren Afectation, Heuchelei und fortwährenden kleinen Lüge; Schopenhauer 1840 Moral 156 Kants . . Abscheu gegen die Lüge beruhte entweder auf Affektation, oder auf Vorurteil; 2#40 Urania 8 Abscheulich! diese Zartheit, diese Affectation, dieses in Ohnmachtfallen, diese Prüderie und Sentimentalität; Strauss 1849 Br. 235 [Auerbachs] Dorfgeschichten . . sind ohne Affectation erzählt; 1858 Preuss. Jahrb. I 165 seine Sprache ist . . frei von stilistischer Manier, . . ohne die Affectation eines übermässig gedrängten Ausdrucks; Falke 1866 Gesch. d. mod. Geschmacks 196 Darstellung der Affekte oder vielmehr der Affectation [in der Malerei]; Fiedler 1881 Sehr, l 143 Affektation ist jenes gesamte öffentliche und private Kunststreiben, jene künstlich . . hergestellte künstlerische Maske; Burckhardt 1882 Br. a. Alioth 189 Affektation im Dramatischen; Hornberger 1885 Nachlass 81 Erhabenheitsaffektation bei Liszt; Heyse 1892 Dorfromantik (Ges. W. /// 2,362) [zeigte] keine Spur einer unreifen Sentimentalität oder romanhafter Affektation; Hopfen 1893 Elend I 100 Es war eine . . Bewegung ohne alle Affektation, ohne . . theatrali-
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Affektion
sehen Nachdruck; Wätzold 1921 Kunsthistoriker / 112 Schon Reynolds hatte von „Affektation" bei Correggio gesprochen; Sydow 1922 Kultur 73 eine Affektation des Blasierten; Th. Mann 1924 Zauberberg (W. 111 624) er sei selber krank, . . aber ohne Affektation sei er eher geneigt, sich dessen zu schämen; Schiveinitz 1927 Denkw. I 124 Ihr liebenswürdiges Wesen, frei von . . Affektation; Frankf. Ztg. 5.2.1930 Alle Machenschaften, alles Tun-alsob, alle Affektationen waren mir zeitlebens verhaßt; Th. Mann 1933-43 Joseph (W. /V/V
1434) Joseph lauschte ohne Affektation, in anständiger Haltung; Münch. N.N. 14.11.1939 Briefe mit dem lebendigsten Ton der Romantik, . . mit ihrer anmutig geistreichen Affektation; Th. Mann 1949 Reden u. Aufs. (W. IX 746) über seinen Mangel an Scharfsinn, an gutem Geschmack, seine Affektationen .. ist das Pädagogische vom Rankünösen . . schwer zu unterscheiden; ders. 1954 Krull (W. VII 386) stumm . . und ohne Ausdruck, das heißt: mit dem Ausdruck beinahe erstorbener und bis zur Affektation gehender Gleichgültigkeit.
Affektion F. (-; -en), im frühen 16. Jh. entlehnt aus (fielet. Form von) lat. affectio 'Einwirkung, Eindruck auf; (dadurch bewirkter) Zustand, Beschaffenheit; Stimmung, Verfassung, Veranlagung (des Körpers oder Geistes); Gesinnung, Gemütsbewegung, Affekt; Neigung, Zuneigung, Liebe' (zu afficere, —-» affizieren), bis ins 20. Jh. selten in der lat. (flekt.) Form. 1 Zunächst in der seltenen, heute veraltenden Bed. 'Gesinnung, Sinnesart, Stimmung, Gemütsbewegung, -erregung, lebhaftes Gefühl, Disposition für etwas' (—» Affekt 1); seit späterem 16. Jh. zunehmend für 'freundliche/freundschaftliche Gesinnung, Wohlwollen, Gewogenheit, heftige Zuneigung, Gunst, Liebe' sowie für die öffentliche Bezeugung dieser Gefühle und gelegentlich (metonymisch) für den Gegenstand der Liebe selbst (s. Beleg 1748); seit dem späten 18. Jh. auch im Sinne von 'Liebhaberei', bes. in den heute noch gebräuchlichen Zss. Affektionspreis, -wert, gleichbed. mit dem selten nachgewiesenen, latinisierenden Syntagma pretium affectionis 'der in der Gefühlsbeteiligung begründete Wert, Liebhaberpreis (eines Gegenstandes)' (Ggs. Markt-, Gebrauchswert}; im 18.719. Jh. häufig in dem (aus gleichbed. frz. prendre quelquun en affection lehnübersetzten) Syntagma jmdn./etwas in Affektion nehmen 'an jmdn./etwas hängen, jmdn./ etwas liebgewinnen, eine starke Zuneigung zu jmdm. fassen, jmdn. in seine Gunst nehmen' (s. Belege 1790, 1859). Dazu Mitte 16. Jh. das nur vereinzelt bezeugte, veraltete Verb affektionieren 'sich für etwas einsetzen, engagieren; jmdn. lieben', bis ins 19. Jh. ausschließlich in der adj. verwendeten Part. Perf.-Form affektioniert, vereinzelt im Sinne von 'Affektion habend, Gemütsbewegungen zeigend' (s. Belege 1793, 1805), meist jedoch in der Bed. 'wohlwollend, wohlgesinnt, geneigt, gewogen, ergeben, herzlich zugetan (sein)', bald auch in neutralem Sinne gebraucht für 'gesinnt, eingestellt (sein)' (s. Beleg 1600) und daher meist durch (adv. oder adj.) Zusätze wie wohl, übel oder schlecht o.a. differenziert, bes. (eventuell in Anlehnung an frz. Votre affectionne serviteur] in der Verbindung wohl affektioniert, auch zusammengeschrieben wohlaffektioniert, vor allem im 18./19. Jh. formelhaft am Schluß von Briefen meist hochgestellter Persönlichkeiten verwendet (s. Belege 1673, 1718, 1801). 2 Seit Anfang 19. Jh. überwiegend fachspr. in der Bed. 'Einwirkung, Wirkung, Eindruck, Einfluß auf, meist bezogen auf die Sinnesorgane, dann zunehmend im medizinischen Bereich für 'nachhaltige, schädigende Einwirkung auf den Körper; krankhafte Reizung, Erregung; (durch äußere Einwirkung bedingte) Veränderung des körperlichen oder geistigen Zustandes; Befall eines Organs mit Krankheitserregern; Erkrankung' (—»· affizieren 2a; —* Infektion), in Wendungen wie eine leichte, rheumati-
Affektion
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sehe Affektion und bes. als Grundwort in Zss. wie Magen-, Darm-, Gehirn-, Gemüts-, Sinnesaffektion. Affektion 1: Luther-Emser 1521 Str. l 59 Die Römer mit messigung yrs prachts, vnnutz hoffgesind, officia, annata, pallia, reseruation, commendation, affection; Sleidan 1544 Reden 119 die grosse affection zur Kirchen; Wolder 1558 Türkenbüchlein 3b [wovon sich keiner] mit gutem gewissen außschliessen, noch einicher Affection halben absondern kann; Schweinichen 1581 Denkwürdigkeiten 247 Derowegen ich denn auch sonderlich Affection, Lust und Liebe zu der Frauen Tochter hatte und trug; Wasserleiter 1590 Logica 47b Eigenschafft oder Affection [eines Dinges]; 1591 Akten Gegenref. l 38 Irer K. M. wolmainende . . affection gegen uns; Rathgeb 1592 von Kriegssachen 596 Affection vnd fleiss; Heinr. Jul. Herzog v. Braunschw. 1593 Susanna 9 So kan ich doch aus sonderlicher Affection, die ich zu dir trage, . . nicht vnterlassen; ebd. 104 Sage ich mit hindansetzung aller weitleufftigkeit, Auch one einige Affection, Groll, Hass, Neid, Widerwillen, vnd wie solches möchte Namen haben; Hulsius 1606 7. Schiffart 18 Dann so jhm das Weib nicht sonderlich lieb were, oder ein schlechte Affection zu jhr hätte; Albertinus 1615 Gusman v. Alfarche 326 weder die macht/ noch die Forcht . . versichern den stand eines Königs nit so sehr/ als eben die gute affection vnnd Lieb der Vnderthanen; Wallhausen 1616 Ritterkunst 14 sein natur vnd affection; 1631 (Ann. Ingolstad. Acad. IV 398) aus sonderbarer gegen einen Ehrsamben Rath, und ganzer Burgerschaft tragender gueter Affection; Moscherosch 1642 Visiones 66 eine grosse affecktion vnd Liebe zu euch; Winckelmann 1649 Bed. 79 auss treuhertziger Landsfürstlicher Affection und Liebe gegen dero Landen und Leuten; Leibniz 1668 — 76 Brieftv, l 43 im überigen in dero fernere affection befolchen haben; Weise 1673 Erznarren 97 Eure Edle Wohl-Ehrenveste Herrligkeit ist mir iederzeit mit guter Affection zugethan gewesen; Elis. Charl. 1676 Br. l l daß ich jederzeit Ewer affection, freündin verbleibe; Beer 1682 Winternächte 31 weil ich keine Unkosten ersparte, ihre affection zu gewinnen; Menantes 1709 Satir. Roman l 21 dabey, Salander . . die Affection ausbat, ihr in ihrem Zimmer aufzuwarten; ebd. I 125 welcher ein Affections-Band, so seine Maitresse am Strumpff getragen, immer küste; Sturm 1717 Mathesis 2b affectiones; Ettner 1719 Median. Maulaffe 59 wannhero dieser Passagier eine sonderliche Affection auff mich warff; Wahl 1723 Poesie 6 Sage ich also . . lieber Wohlgewogenheit, als Affection; Verdion 1748 Begebenheit l 67 bekam ich von meiner gewesenen Affection einen .. Brief; Nicolai 1775 Nothanker 11 53 in Affektion genommen; Goethe 1790 Lila (WA l
12,43) Mich hat er besonders in Affection genommen; Busch 1797 Hamburg. Handlung 164 Pretium affectionis; Seume 1803 Spaziergang U 130 mein Nachbar schien die Deutschen etwas in Affektion genommen zu haben; Schleiermacher 1805-06 Brouillon II 121 Anm. Schönheit . . ein unendliches punctum affectionis; Goethe um 1810 Farbenlehre (HA XIV 24) denn so wie das Durchsichtige für die Farbe eine gemeinschaftliche Affektion des Wassers und der Luft ist, so gibt es eine andre gemeinschaftliche Affektion in beiden, dem Wasser und der Luft, für das Riechende; Steffens 1821 Caricaturen U 352 Empfindungen und Affectionen des Ichs; Goethe 1827 Br. (WA IV 42,86) wir erinnerten uns dabey manches ländlichen Aufenthaltes. .. Gedachte Blätter, welche eigentlich keinen künstlerischen Wert haben, auf die man nur ein pretium affectionis legen kann; Schleiermacher 1832 Ästhetik 52 daß die Produkte der Musik und Mimik aus einer einzelnen Affektion, einem einzelnen Gefühl hervorgehen; Krimer 1833 Erinn. I 213 Berneck nahm die Schöne, wie man zu sagen pflegt, sogleich in Affektion; Hegel 1835 Ästhetik (X 1,44) Die Empfindung als solche ist eine durchaus leere Form der subjektiven Affektion; Bauer 1836 Überschw. H 55 „Habt Ihr nicht mitgeklatscht?" .. „Der Schicklichkeit wegen", sagte Herr von Sauberschwarz, „aber keineswegs mit solcher Affektion wie Ihr"; Müller 1859 Stadtschultheiss 164 Hatten die Eltern den Sonderling wirklich in Affektion genommen?; Rodenberg 1863 Strassensängerin II 184 dieses . . Herz, diesen rebellierenden Sitz der Affection; Meissner 1866 Schwarzgelb 22 Es ist wirklich keine Affection von mir, wenn ich sage, daß ich das· Mädchen nur im Fluge .. gesehen habe; Hermann 1870 Staatswirthschaftl. U. 108 Nach der Verbreitung des Bedürfnisses hat das ihm entsprechende Gut allgemeinen oder besonderen Gebrauchswerth; ist es nur von Einem begehrt, so hat es Affectionswerth; Hertling 1893 Naturrecht 39 unter dem Namen des Affectionswerthes; Heinroth 1906 Enttäuschungen II 53 Affektionspreise; Kjellen 1917 Studien (Übers.) 65 So sammelt das „Neue Russland" derartig viele Affectionswerte auf sich, dass ein Zweifel an seiner Herrlichkeit . . beleidigend wirken muss; 1933 Melle-Festschr. 197 Denn der Affektionswert der Geschichte ist für den einzelnen Romantiker ein ganz persönlicher; Th. Mann 1954 Krull (W. VII 503) ich sah wohl, daß er meine Art zu essen beobachtete, und verlieh ihr, unter Vermeidung aller Affektion, eine gewisse wohlerzogene Strenge; Treinen 1955 Studien 141 gibt Erasmus als „einzigen Weg der Seligkeit" an, man müsse sich selbst er-
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Affektion
kennen und nichts aus Affekten (affectionibus) . . tun; Fest 1973 Hitler 50 mit dem Tod der Mutter endete . ., was er an Affektion zu den Menschen je besessen hat; Welt 13.7.1974 Ordnung bestimmt sein Wesen. . . Affektionen sind ihm fremd geblieben. affektionieren: Mitte 16. Jh. Zimmer. Chronik 11 258 Es muest der keiser, wie hoch er in dieser sach affectioniert war, selbs lachen (FRNHD. WB); Hilarius Lustig v. Freudenthal 2. H. 17. Jh. LiederBüchlein 143,6 Melinda macht mich sterbend gar,/ Sylvia hilfft mir aus der Gfahr,/ weil sie euch mehr thut affectioniren. affektioniert: Chr. v.Wirtemberg 1555 Briefw. Ill 176 doch wollend ir [Räte] euch in votando kaldsinnig und nit zu vil affectioniert. . erhalten (DWB N.); Rathgeb 1592 von Kriegssachen 14 affectioniert; Friedensberg 1597 Discurs 33a wie es darmit zugegangen, kan der ohn Affectionierte Leser aus nachfolgender kurtzen erzelunge leicht fassen; Wedel um 1600 Hausbuch 42 der Churfüst zu Brandenburg Joachim, der gegen Pommern übel affectioniret [war]; Spangenberg 1607 Gans-König (Vorr.) 3 schwägerlich vnnd freundlich affectionirt . . befunden; ders. 1608 Ajax (Übers.) 4 der Jugend mit Rat und Tat das beste zu suchen trewlich geneigt und affectionirt; 1614 (Aretin 1839 Bayerns auswärt. Verb, l Urk. Bd. 24) Fridthessigen, . . ybel affectionierten Leüthen; 1626 (Aretin 1839 Bayerns auswärt. Verh. l Urk. Bd. 167) vnd ändern . . gemainen wesen wol affectionirten stenden; 1633 (1922 Zfschweizer. Gesch. U 242) die Schweitzer, so . . unser party wohl affectionirt [sind]; Mengering 1638 Soldatenteufel 5 bey rechtschaffenen eifferigen Christen vnd wol affectionirten Patrioten; Furttenbach 1649 Kirchen-Gebäw C7a mit Epitaphien oder Wappen den jenigen Personen, welche dem Gottesdienst, den Kirchen vnd Schulen wol affectionirt gewesen, zu Ehren behengen; um 1650 Polit. Heiratsgedanken 26 Woraus doch zuersehen, dass er ihr gleichwohl affectionirt gewesen; Grimmelshausen 1669 Simpl. 353 ich gedachte bald wieder unter die Kaiserl. zukommen, als deren Parley ich besser affectioniret war; Becher 1670 Bericht a2b dass alle di jenige so von diesem Indischen Werck böses reden, keinen Lust darzu haben, und dem Werck nicht affectionirt seyn; Elis. Chart. 1673 Br. VI 491 ihre affectionirte freündin; Riemer 1679 Maulaffe Vorr. o. S. der hochgeehrte und rein affectionirte Leser; Weise 1693 Näscher 96 dem Menschen so gewogen und affectionirt; Reuter 1696 Schelmuffsky 17 wohl affectionirte Dame; Pastorius 1700 Beschr. Pensylvaniae 39 von dem Herrn . . William Penn, mit sehr
affectionirter Freundligkeit empfangen; Prambhofer 1712 Traum-Ges. 231 da wird er Wunder sehen/ wie .. die Erden so voller Regenbogen steht; wie alles so gut/ so affectionirt/ so annemlich/ so dienstlich seye; Friedr. Wilh. L 1718 briefl. (Klepper, In tormentis 77) Euer Lieben sehr wohlaffectionierter freundt und Vetter; Musig 1718 Licht d. Weisheit II 398 Weil wir uns auch andere Leute affectionirt machen; Lessing 1763 Minna II253 Ich bin euer wohlaffektionierter König; Wezel 1790 H. u. U. IV 387 wohl affektionirte Tante; Schiller 1793 Anmut (H. IX 233) Selten wird sich der weibliche Charakter zu der höchsten Idee sittlicher Reinheit erheben, und es selten weiter als zu affektionirten Handlungen bringen; Laukhard 1798 Annalen I 49 versicherte er ihm . . er sey sein wohlaffektionirter Fürst; 1801 Wessenberg-Briefiv. 4 Ihr wohlaffektionierter Freund; Schiller-Körner vor 1805 Briefw. Ill 72 Daher rührt es, daß uns oft bloß affectionirte Handlungen mehr gefallen, als rein moralische (KEHREIN); Frey 1869 Versprechen 79 Bis dahin Sein wohl affectionierter; Thoma 1901 Br. 26 meinen wohl affektionierten Berlinern; Wassermann 1910 Masken 237 sei gegrüßt von deinem wohlaffektionierten Onkel. Affektion 2: Fichte 1802 Grundlage 158 Wechselwirkung der Selbstaffektion des Anschauenden, und einer Affektion von außen ist die Bedingung, unter der das Anschauende ein Anschauendes ist; Schiller vor 1805 W. XVII 281 Etwas ist in uns, was an den Affektionen der sinnlichen Natur keinen Theil nimmt (KEHREIN); Goethe um 1810 Farbenlehre (HA XIII 356) wir sprechen nunmehr von krankhaften sowohl als allen widernatürlichen . . Affektionen der Retina; Bauer 1836 Überschw. I 82 „Helfen Sie mir!" sagte er. „Innerlicher Schreck und gewaltsame Affektionen von außen haben mich dermaßen aufgeregt, daß ich wohl einiger Aderlässe bedürfen werde und auch wohl eines und des ändern Pflasters"; Rodenberg 1863 Strassensängerin II 236 Schonung, die man einem Patienten . . schuldig war, . . ob irgend eine Ursache . . die Schuld dieser beklagenswerthen Affection [Körpererschütterung] sei; 1867 Beschr. OA. Gmünd 78 pneumatische Affectionen katarrhischer und entzündlicher Natur; Hartmann 1869 Philosophie 70 was kann im Bewusstsein des Thieres die durch die gegenwärtige Witterung erzeugte Affection des Gemeingefühls mit der Vorstellung des zukünftigen Wetters zu schaffen haben?; 1875 Beschr. OA. Rottweil 98 Affectionen des Nervensystems; Bucher 1881 Parlamentarismus 15 Gemüthsaffektionen; Meurer 1892 Bergsteiger 14 Das Hauptübel der Gegenwart .. äussert sich in einer . . Affektion, im weiteren Verlauf Zerrüttung des
affinieren Nervensystems; Senden 1900 Tänzerin 83 Gehirnaffektion; Th. Mann 1901 Buddenbrooks (W. l 423) das Kind lag in tiefster Erschöpfung, und der stiere Seitenblick der . . Augen deutete auf eine Gehirnaffektion; Freud 1911—24 metapsychol. Sehr. 24 die . . Annahme eines Gegensatzes von Ich- und Sexualtrieben . . konsequent fortzuführen, ob sie sich widerspruchsfrei . . entwickeln und auch auf andere Affektionen, z. B. die Schizophrenie, anwenden läßt; Weidenbach 1923 Weltanschauung 145 Wiederum ist nicht eine solche schon bestimmte Haecceitas gemeint, wie etwa, daß sie „Wahrnehmung", daß sie eine „Sinnesaffektion" . . sein müsse. Haecceitas ist nichts anderes als der
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Ausgangspunkt der Erfahrung; Th. Mann 1926 Reden u. Aufs. (W. XI 9) es ist die Grippe . . mit niedrigen Übertemperaturen, langwierigen Affektionen der Luftwege; ders. 1933 — 43 Joseph (W. IV7V 1116) die . . mit Bitten in sie drangen, ihnen doch den Grund ihrer Gemütsaffektion zu vertrauen; ders. 1947 Faustus (W. XI 285) es ist bekannt, wie schwer diesen halb nervösen .. Affektionen ärztlich beizukommen ist; 1966 Urania XI 62 Pest, Lungenschwindsucht, Milzbrand, Skabies (bedeutet nicht nur Krätze, sicher auch Eiterflechten und andere Hautaffektionen); Spiegel 1980 Nr. 15 Bei der .. Durchseuchung der Bevölkerung mit gonorrhoischen Affektionen (DUDEN 1993).
affinieren V. trans., Anfang 16. Jh. aufgekommen, vermutlich zu gleichbed. frz. affiner (aus a und fin 'fein', vgl. aber auch gleichbed. mlat. und ital. affinare). Fachspr. in bezug auf Edelmetalle und Rohstoffe (z. B. Rohrzucker und Rohöl) in der Bed. 'verfeinern, läutern, reinigen und dadurch veredeln'; dafür (und mit Ausnahme der Zuckergewinnung auch für die entsprechenden Ableitungen) heute überwiegend —» raffinieren gebräuchlich; bes. im Syntagma affinierter Zucker, gleichbed. mit Affinade (s. u.); als Bestimmungswort in Zss. wie Affinierverfahren 'spezielles Verfahren zur Verfeinerung von Rohstoffen', Affinieranstalt, gleichbed. mit Affinerie (s. u.). Dazu seit 19. Jh. gebucht das Verbalsubst. Affinierung F. (-; Pl. ungebr.) 'Verfeinerung, Läuterung', dafür auch das aus gleichbed. frz. affinage entlehnte Subst. Affinage F. (-; Pl. ungebr.), das aus gleichbed. lat. affinatio, Gen. affinationis, entlehnte Subst. Affination F. (-; Pl. ungebr.) und das Subst. Affinade F. (-; Pl. ungebr.) 'Endprodukt des Affinierverfahrens', bes. in bezug auf die Zuckergewinnung (vgl. Raffinade, —» raffinieren); vgl. auch die Personenbezeichnungen Affineur (zu gleichbed. frz. affineur) und Affinator (zu gleichbed. ital. affinatore) 'Metallarbeiter'; als Bezeichnung für den Ort des Verfeinerungsprozesses das Subst. Affinerie (—»· Raffinerie). affinieren: i506 (Schulte 1923 Handelsakten Mittelalter, Neuzeit V 159) gat unkost darauf für affinieren (des rohen kupfers) bis ins scheff 7 due. (DWB N.); 1765 Schauplatz d. Künste IV 327 Affiniren des Silbers; Beck 1896 Leonische Drahtindustrie 8 ein einfaches Affinir-Verfahren zur Wiedergewinnung des Goldes und Silbers aus den Fabrikationsabfällen; Hoffmann 1861 Wb. I 92b affiniranstalt . . eine anstalt, worin unverarbeitetes gold und silber von allen fremdartigen metallen geschieden, geläutert werden (DWB N.). Affinator: Müller 1506 Welthandelsbr. 190 damit die afinadori die obern zwen sort kupfer halb und annemen zu afinirn (FRNHD. WB). Affineur: Liebig 1851 Chem. Br. 197 So tritt denn der sonderbare fall ein, daß wir dem Affineur roh-
silber geben, für welches er uns den durch die Probe genau ausgemittelten Gehalt an feinem Silber, so wie das Kupfer wieder liefert, ohne daß wir ihm für seine Arbeit scheinbar etwas bezahlen; er ist bezahlt durch den Goldgehalt unseres Silbers, den er zurückbehält. Affinerie: MM 13.2.1985 Der Hauptverursacher der Arsenbelastung im Osten von Hamburg, die Kupferhütte Norddeutsche Affinerie, soll nach dem Willen von Bürgermeister Klaus von Dohnanyi (SPD) den Arsenausstoß auf zwei Tonnen pro Jahr halbieren; Zeit 15.2.1985 Jetzt hat Thea den Blick frei auf die „Affi", wie die Norddeutsche Affinerie, Europas größte Kupferhütte, von Umweltschützern ganz ohne Verharmlosungsabsichten kurz genannt wird.
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Affinität
Affinität F. (-; selten -en), im frühen 17. Jh. entlehnt aus lat. affinitas, Gen. affinitatis, 'Nachbarschaft, (Grenz-)Nähe; Verwandtschaft, Verschwägerung; Ähnlichkeit' (aus ad "nahe bei' und finis 'Grenze'). Meist bildungsspr. in der Bed. 'Verwandtschaft, Zusammengehörigkeit, enger Zusammenhang, Ähnlichkeit und dadurch bewirkte gegenseitige Anziehung, Hinneigung, Neigung, miteinander eine Verbindung einzugehen', bes. 'Wesens-, Seelen-, Wahlverwandtschaft, Sympathie, Vorliebe, Zuneigung; Anziehungskraft', bezogen auf das Verhältnis zwischen Personen(-gruppen) und übertragen in bezug auf Sachen und Sachverhalte; häufig mit den Präp. für, mit, zwischen und zu in Syntagmen wie zu jmdm./etwas eine Affinität fühlen, haben, eine Affinität für/mit etwas zeigen, die Affinität zwischen zwei Epochen, Generationen, Völkern und in attributiven Wendungen wie tiefe, geheimnisvolle, natürliche, seelische Affinität. Daher häufig auch fachspr. (vor allem in den Naturwissenschaften) verwendet, z. B. in der Chemie für 'Bestreben zweier Reinstoffe, unter Bildung einer neuen Verbindung miteinander chemisch zu reagieren, sich zu vereinigen'; in der Biologie 'Neigung zum Zusammenschluß der lebenden Substanz (des Plasmas) in Zellen, der Zellen selbst und des Bildungsgewebes' und 'Verträglichkeit zwischen zwei Veredlungspartnern' (s. Beleg 1909); in der Genetik 'Befruchtungshäufigkeit genetisch verschiedener Geschlechtszellensorten als Ausdruck unterschiedlichen Anziehungsvermögens'; in der Medizin 'Neigung zweier Elemente (z. B. Antikörper), sich miteinander zu verbinden'; in der Mathematik als Bezeichnung für die bei einer affinen Abbildung (s. u.) gleichbleibende Eigenschaft geometrischer Figuren; vgl. auch veraltet in der Rechtswissenschaft für 'Verhältnis, das durch die Ehe zwischen einem Ehegatten und den Verwandten des anderen entsteht, Schwägerschaft, Heiratsverwandtschaft' (im Ggs. zur Blutsverwandtschaft, Verwandtschaft durch Geburt). Dazu seit Ende 18. Jh. das auf lat. affinis 'angrenzend, benachbart, ähnlich' zurückgehende, überwiegend fachspr. verwendete Adj. affin 'verwandt', zunächst vereinzelt in der Chemie für 'reaktionsfähig' (s. Beleg 1793), dann bes. in der Mathematik bezogen auf geometrische Figuren für 'durch eine affine Abbildung, d. h. durch Parallelprojektion einer Ebene auf eine zweite, auseinander hervorgehend', bes. in den Syntagmen affine Geometrie und affine Abbildung 'Abbildung, bei der Geraden in Geraden überführt werden und Parallelen in Parallelen übergehen' (z. B. Spiegelungen, Drehungen, Streckungen); im 20. Jh. vereinzelt übertragen gebraucht im Sinne von 'mit etwas wesensmäßig verwandt, wesensverwandt (sein)'; dafür seit Mitte 20. Jh. das eventuell aus engl. affinitive entlehnte Adj. affinitiv. Affinität: Albertinus 1615 Gusman v. Alfarche 171 was ich von der Jgnorantz halte/ daß nemblich sie eben so loeblich vnnd nutzlich ist/ als die afinitet; Praetorius 1669 Glückstopf 44 daß sie . . [Metalle] . . von der ruthen . . mögen anzeiget werden: aber wie kombt das andere damit überein; als welches keine affinität mit selbigen heget? nemlich wie man schätze suchete, da hat die ruthe auch auff . . find steine geschlegen (DWB N.); Lenz 1772 Br. I 58 Genug, ich fühle eine Affinität zu Ihnen, die ganz erschrecklich ist; Schiller vor 1805 W. XVIII 114 Indessen verlieren sich diese Affinitäten mit jedem höheren Grade, den ein Kunstwerk aus diesen drei
Gattungen erreicht (KEHREIN); Goethe 1828 Pflanzenbildung (WA U 7,165) daß hier [in der Botanik] . . alle diese Erscheinungen einer besonderen Kraft, einem Bildungstrieb sich unterwerfen, deren Gesetze viel dunkler, viel schwerer zu studiren sind als die der Affinität und Attraktion; Borne 1833 Ges. Sehr. VI 318 christlicher adel und jüdisches blut haben eine unglaubliche affinität gegen einander (DWB N.); Pönitz 1843 Milit. Br. U 109 Minerva bedeutete mich aber, daß hier die Affinität der Begriffe entscheide; Liebig 1851 Chem. Br. 110 Ganz dem gewöhnlichen Sprachgebrauche und der Bedeutung des Wortes entgegen, hat man die ehe-
affirmativ mische Kraft Verwandtschaft, Affinität genannt; Babo/Mach 1909 Weinbau 1,1 323 Unter Affinität wollen wir das Anpassungsvermögen der Unterlage zur Edelrebe verstehen; Chamberlain 1910 Er. I 195 aber die Sache liegt nun einmal so, daß mich mit diesen Eseln und diesen Stümpern eine Geistesaffinität verbindet, so daß mir einzig in ihrer Gesellschaft wohl zumute ist; Mauthner 1910 Wb. d. Philos. 14 Affinität, das Wort bezeichnet im Lateinischen deutlich die Nachbarschaft, in der juristischen Gemeinsprache die Verwandtschaft durch Heirat; Th. Mann 1925 Reden u. Aufs. (W. IX 184) Das Naturwissenschaftliche kam später hinzu: die Idee, den Begriff Wahlverwandtschaft, der chemische Affinitäten ins Menschlich-Soziale zu übertragen; Benjamin 1925 Br. l 398 die Affinität von Lewy zu seinem Lieblingsautor; Th. Mann 1933 Nachtr. (W. XIII 84) Die „Wagner-Stadt München" . . ist sich wenig bewußt, daß . . in der geistigen und musikalischen Welt allerlei vor sich gegangen ist und unterdessen Geschlechter heraufgekommen sind, deren seelische Affinität mit der Welt Wagners so gering ist, daß man wünschte, ihr Verhältnis zu seinem Werk feindselig nennen zu dürfen, statt es apathisch nennen zu müssen; ders. 1947 Faustus (W. VI 12) Ich breche aufs neue ab, indem ich daran erinnere, daß ich auf das Genie und seine jedenfalls dämonisch beeinflußte Natur nur zu sprechen kam, um meinen Zweifel zu erläutern, ob ich zu meiner Aufgabe die nötige Affinität besitze; Glaser 1964 Spießer 176 Auf die Affinität von Konservativismus und Antisemitismus hat unter anderem Th. W. Adorno hingewiesen; Welt 14.10. 1964 Demgegenüber läßt sich nicht verkennen, daß es gerade bestimmte französische Teilnehmer waren, deren Vokabular deutliche Affinitäten zum sowjetischen Lehrbuch der Politökonomie aufwies; ebd. 9.10.1969 für 600 bis 960 Mark sollen sogenannte Affinitätsgruppen wie Vereine, Klubs, Firmengruppen von Frankfurt. . nach New York und zurückfliegen können; Hildesheimer 1977 Mozart 40 Die Erste [Sinfonie] steht in EsDur, was für eine frühe Affinität zu dieser Tonart spricht; MM
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24.12.1985 Eine geheime Affinität zwischen Weihnachtsbaum und dem Buch auf dem Gabentisch scheint zu bestehen; Fruttero 1986 Palio (Übers.) 185 Ein dunkles Gefühl von Affinität zuckt wie ein matter Stromstoß zwischen den beiden auf; Zeit 17.1.1986 daß Helprings Yuppie-Leser manchmal auch Juden sind, ist Zufall, nicht natürliche Affinität; ebd. 7.11.1986 Ihr Hämoglobin ist polymorph, das heißt: das Blut eines Individuums enthält entweder nur einen Typ von zwei in ihrer Sauerstoffaffinität unterschiedlichen Hämoglobinen oder beide Typen in gleicher Menge; ebd. 31.2.1987 Aufgrund der Affinität der Substanzen wird das Lösungsmittel nun zum gelösten Stoff; MM 23.4.1987 er hat eine Affinität zu diesem Genre; ebd. 16.10.1987 die . . Froschperspektive, aus der Grass hier die Welt betrachtete, erwies sich als geeigneter Blickwinkel, um die Lebenswelt des Kleinbürgertums und dessen Affinität zum Faschismus zu beschreiben; Lukoschik 1990 In u. Out 67 mit einer eindeutigen Affinität zu Magengeschwüren; ebd. 68 Der sport-o-phile Wildleder-Freak mit Tweed-Affinität . . wird bei Joseph A. fündig. affin: Goethe 1793 Naturwiss. Sehr. (WA II 5,106) Lehre von der Färberey. Erhöhung durch affine Körper. Verminderung durch contraire; Mauthner 1910 Wb. d. Philos. 14 affine Begriffe vereinigten Vorstellungen durch ein zufällig gemeinsames Merkmal; 1970 Mitt. I 38 weil die Ideologie jener Germanisten der NS-Ideologie affin war (DUDEN); Ganzer 1970 Untersuchungen o. S. die untersuchten Rechteckflügel waren unverwölbt und hatten affine Querschnittsflächenverteilung; . . die Anwendung dieser Ähnlichkeitsregel setzt voraus, daß die betrachteten Flugkörper alle affine Grundrißform und affine Dickenverteilung besitzen. affinitiv: Th. Mann 1944 Nachtr. (W. XIII 859) wenn Adepten und Meister dieser wunderbaren Kunst ein affinitives Gefallen an meiner Arbeit fanden.
affirmativ Adj. (Steigerung ungebr.), Ende 16. Jh. entlehnt aus gleichbed. lat. affirmativus, affirmative Adv. (zu affirmare, s. u. affirmieren], bis ins 18. Jh. auch in der lat. Adv.-Form affirmative. In der Bed. 'bestätigend, zustimmend, bejahend, versichernd, ohne Zweifel, positiv, positivistisch' (im Ggs. zu —* negativ), in neuerer Zeit gelegentlich auch eher negativ konnotiert mit „unkritisch, leichtgläubig positiv, opportunistisch sein Mäntelchen nach dem Wind hängend" (s. Beleg 1985); vor allem bildungs- und fachspr. (bes. in Philosophie und Sprachwissenschaft) in Syntagmen wie affirmative Aussage, affirmativer Satz 'Aussagesatz, der etwas positiv formuliert' (z. B. „das Haus ist hoch" gegenüber „das Haus ist nicht niedrig"), affirmative Kritik 'zustimmende, positive,
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affirmativ
produktive, konstruktive Kritik' und affirmative Antwort 'zustimmende, bejahende Antwort', dafür im 18./19. Jh. selten das vermutlich aus gleichbed. frz. affirmative (< mlat. affirmaüva 'positive Aussage, Schlußfolgerung') entlehnte Subst. Affirmative F. (-; -n). Dazu das seit früherem 16. Jh. belegte V. trans affirmieren (< gleichbed. lat. affirmare, aus ad- und firmare 'festmachen, (be)festigen, versichern, stärken'), in der Bed. 'etwas (z. B. eine Meinung oder Tatsache) bestätigen, bekräftigen, jmdm. zustimmen, beipflichten, etwas bejahen, positiv gestimmt auftreten, positive Stimmung verbreiten', im Ggs. zu bezweifeln, verneinen, —> negieren, widersprechen, —» opponieren, ablehnen. Seit späterem 16. Jh. (ROT) das aus (flekt. Form von) lat. affirntatio entlehnte Subst. Affirmation F. (-; selten -en), vor allem in der Philosophie in der Bed. 'Bestätigung, Bejahung, Bekräftigung, Versicherung, Zustimmung, Beifall, positives Urteil, das Bejahen, Beipflichten', im Ggs. zu Zweifel, kritische, skeptische Haltung, Verneinung, —» Negation, Ablehnung, —»· Aversion. Seit späterem 19. Jh. (gebucht 1863 bei Kaltschmidt) die im 20. Jh. vereinzelt belegte (zu affirmans, Gen. affirmantis, Part. Präs, von affirmare gebildete) subst. Gelegenheitsableitung Affirmant M. (-en; -en) 'Zeuge, Vertreter, Anhänger', z. B. einer These, einer Vorstellung, einer Lehre. affirmativ: Ayrer 1597 Processus 69 [Belial] sagte dieselbige [Anklage vor Salomon als Richter] ja vnd wahr vnnd befestiget hierauff den krieg rechtens affirmatiue (DWB N.); Bengel 1751 Brüdergemeine (Zinzendorf, Materialien Reihe II 246) Der erste Theil [des Textes] ist: Um was die Boten des Lamms sich nicht zu bekümmern haben, remotive. Der Andere betrifft ihr eigentliches Geschaffte, affirmative; 1801 Parole-Buch 21 affirmative Antwort; 1801 Ztg. f. Naturforscher 111 44 auf eine affirmative Art; Goethe um 1810 Maximen u. Reflex. (HA XII o. S.) Ich verfluche allen negativen Purismus, daß man ein Wort nicht brauchen soll. . . Meine Sache ist der affirmative Purismus, der produktiv ist und nur davon ausgeht: wo müssen wir umschreiben; Hegel 1835 Ästhetik (W. X l, 485) eine affirmative Beziehung auf Gott; Stahr 1857 Nach 5 Jahren I 271 Schon weil dieser sich gegen den Katholizismus negativ verhält, erscheint er ihm als „affirmativer Denker", der durch seine freie geistige Auffassungsweise der biblischen und geschichtlichen Tradition der Hegeischen Philosophie und der Doctrin des Fortschritts angehört; Vischer 1861 Krit. Gänge N. F. II 155 Allein dieß affirmative Verhältniß des wirklichen und doch fiktiven Theaters zum Theater . . dreht sich ebenso sehr zur entgegengesetzten Bedeutung um; Blatz 1896 Nhd. Gramm. II 640 der affirmative satz ist ein solcher, in welchem dem vollsubjekt der inhalt des vollprädikats zugesprochen wird (DWB N.); Marcuse 1937 Kultur I 82 in der kunst hat die affirmative kultur die vergessenen Wahrheiten gezeigt, über die im alltag die realitätsgerechtigkeit triumphiert (DWB N.); Wohmann 1970 Absicht
316 mit der letzten Unterschrift deines komischen Daseins .. wird das Formular es irgendeinem affirmativen Chirurgen gestatten (DUDEN); Schwendter 1973 Subkultur 11 Subkultur ist also ein allgemeiner Begriff, der auch in der affirmativen Soziologie seit längerer Zeit verwendet wird; Hildesheimer 1977 Mozart 51 Von je erschien er [Beethoven] als der Phänotyp des Künstlers, der einer verständnisärmeren Mitwelt . . seine . . chaotische, dennoch immer wieder affirmative Antwort entgegenhält; Sloterdijk 1983 Kritik 26 Das ist kein zynischer Positivismus, keine „affirmative" Gesinnung; MM 23.2.1985 Handels mit schwerer Würde kadenzierende Musik scheint den Charakter des Affirmativen in Permanenz zu tragen: Harmonie einer Welt der Sinnlichkeit, des Diesseits, des Glanzes; Zeit 25.1.1985 Die amerikanische Schule ist insgesamt affirmativ, hat kein kritisches Bewußtsein hervorgebracht; ebd. 8.2.1985 Alles Folklore, alles affirmativ, alles eng; einfach niedlich; ebd. 3.1.1986 Vor fünfzehn Jahren genügte es, jemandem vorzuwerfen, er verhalte sich affirmativ, und der Mann war erledigt; ebd. 10.4.1987 Das hölzerne Eisen einer affirmativen Kritik führt zu einem neuen Maßstab für kritische Kritik; MM 19.10.1987 der Büchnerpreis sei nichts für „affirmative Schönredner . .", sondern solle „einsame Unabhängigkeit" auszeichnen; Nadolny 1990 Selim 239 Vorläufig opponierte er und behauptete, Jura sei „affirmativ". Affirmative: Dannhauer 1667 Scheid-Brieff 56 die affirmativa oder ja sagende folg fehlt nicht; die negativa oder verneinde Folg trifft nicht allezeit zu;
affizieren Wieland 1757 Ges. Sehr, l 4,329 um diese [Wahrheit] war es ihnen [Sophisten] so wenig zu thun, daß sie ihren größten rühm darin suchten, paradoxe sätze zu behaupten und über alle und jede materien mit gleicher geschicklichkeit die affirmative und negative zu soutenieren (DWB N.); Goethe 1802 Br. (WA IV 16,159) Sollten Ew. Wohlgeb. einigermaßen für die Affirmative seyn und in dem jungen Menschen eine Brauchbarkeit für das Theater vermuthen; Pücklervor 1871 Südöstl. Ill 509 [Er] antwortete in der Affirmative (SANDERS 1871). affirmieren: Franck 1531 Zeitb. II 6a so klaget sich Platina [Geschichtsschreiber] an vil orten selbs der vngleichen zusagung der histori .., das er nicht darff affirmieren in vil dingen (DWB N.); Volkslied 1546 (Liliencron IV 325) zu Trient, da beschießen in summ,/ daß jartag, vigili und seelmessen/ gar keins wegs soln sein vergeßen;/ solchs vermeint er [Papst] zu affirmiren/ durchs keisers schwert zu confirmiren; 1599 Orientalisch. Indien III 181 Doch kan gleichwol diss so gewiss nicht gesagt vnd affirmirt werden, als ob wir an diesen orten selbs gewesen; Sattler 1607 Ortografia 134 Bestetigen, affirmiren; Becher 1682 Glücks-Hafen 11 Aus diesen Ursachen/ . . darff ich schier affirmiren/ vnd bestättigen/ daß das Argentum vivum anders nichts sey/ dann Argentum & Aurum crudem; 1718 Fama LXI/LXU 74 Grotius negire besser/ daß ein Feind die Unterthanen zum Abfall . . solliciren könne, als daß es Pufendorff affirmire; Augustin 1795 Idiotikon 40 ein affirmierendes Wort; Goethe 1821 Br. (WA IV 25,98) es wird Sie freuen . ., dieses affirmirende Individuum kennen zu lernen. Sein Büchlein über Homer . . setzt mich in Erstaunen; Nietzsche 1884-88 W. IX 194 die gläubigsten können . . sich der logik der ungläubigsten bedienen, um sich ein recht zu schaffen, gewisse dinge als unleugbar zu affirmiren (DWB N.); Spinnen 1993 Bildlich gesprochen 113 Offenkundig benutzt
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der Rezensent diese kleine Dichtungs-Allegorie, um die vorangegangenen Analysen implizite zu bewerten: im affirmierten Bild verschmelzen Darstellung und Wertung. Affirmation: 1629 (Wrede, Altköln. Sprachschatz 75b) Ch. aber pleibt bei ihrer affirmation; Fichte 1794 Grundlage 145 das setzen eines etwas als nicht gesezt, durch das setzen eines ändern als gesezt: negation durch affirmation (DWB N.); Pückler-Muskau 1834 Tutti III 55 Wenn nach der Grammatik zwei Negationen bejahen, so möchte man glauben, daß zwei Affirmationen solcher Art [Ablegen eines Eides sowohl vor dem Patriarchen als auch vor dem König] ebensogut verneinen könnten; Kürnberger 1877 Herzenssachen 275 Es ist eine Affirmation durch die Negation, ein argumentum e contrario, wie die Gesundheit durch's Kranksein zu einem Begriff wird; Horkheimer/ Adorno 1947 Dialektik 6 Die Metamorphosen von Kritik in Affirmation lassen auch den theoretischen Gehalt nicht unberücksichtigt; Zimmer 1986 RedensArten 134 Die Negation versteht sie [die Dialektik] als Affirmation. Das Nein wird zum Ja. Das Ja zum Nein; Zeit 3.1.1986 An die Stelle der Affirmationskritik ist die Suche nach Vergewisserung, sind konservierende Neigungen getreten; ebd. 18.4.1986 Kritik im ursprünglichen Sinn des Wortes findet nicht statt, sondern frohgemute Affirmation; 1991 Elle l 55 Suggestion (auch Affirmation genannt) sind Gedanken, die durch ihre ständige Wiederholung eine richtungsgebende Kraft erzeugen; Spinnen 1993 Bildlich gesprochen 112 Metapher als Affirmation. Affirmant: Zeit 12.12.1986 Hegel - z. B. mit der These, daß jene Kultur die Revolution nicht braucht, die die Reformation hat — war allerdings der letzte geschichtsphilosophische Gegenwartsaffirmant.
affizieren V. trans., Mitte 16. Jh. entlehnt aus lat. afficere c jmdm. etwas antun, verschaffen, zukommen lassen; auf etwas/jmdn. (positiv oder negativ) einwirken, auf jmdn. Eindruck machen, jmdn. in eine Stimmung versetzen, ergreifen, anregen' (aus ad- '(hin)zu' und facere 'machen, tun, bewirken', also eigentlich 'etwas hinzutun'). l Zunächst selten in der veralteten Bed. 'jmdm. etwas antun, erweisen; jmdn./etwas mit etwas versehen'. 2a Seit späterem 16. Jh., bes. von Einflüssen auf den seelischen oder geistigen Zustand, in der heute nur noch bildungsspr. verwendeten Bed. 'auf jmds. Gefühle, Gemüt, Stimmung o.a. (positiv oder negativ) einwirken; jmdn. rühren, innerlich bewegen, ergreifen; jmdn./etwas beeinflussen, betreffen', z. B. jmds. Gemüt affizieren, von etwas angenehm affiziert sein; seit dem 18. Jh. bes. auch von Einwirkungen auf die Sinne(sorgane) für '(physisch) auf etwas einwirken, etwas reizen, erregen',
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affizieren
z. B. das Auge, das Gehör, die Sinne affizieren (s. Beleg 1810), von daher speziell im medizinischen Bereich in der Bed. 'etwas (z. B. ein Organ) angreifen, reizen, befallen, krankhaft verändern, schädigen', z. B. die Gesundheit affizieren, ein affizierter Magen, affizierte Nerven (s. Belege 1901, 1954, 1986; —»· Affektion 2). Häufig in der Part. Perf.-Form affiziert 'berührt, bewegt, alteriert, betroffen; (krankhaft) gereizt, von einer Krankheit befallen', mit dem vereinzelten Subst. Affiziertheit F. (-; ohne Pl.) und im 19. Jh. die seltene Präfixbildung mit affizieren. b Seit dem 19. Jh. fachspr. in Grammatik und Phonetik in der Bed. 'etwas direkt, unmittelbar (be)treffen', häufig in der Part. Perf.-Form affiziert, bes. im Syntagma affiziertes Objekt Objekt, das von der mit dem Verb ausgedrückten Handlung unmittelbar betroffen wird' (Ggs. effiziertes Objekt Objekt, das durch die mit dem Verb ausgedrückte Handlung hervorgerufen oder bewirkt wird'). Dazu seit Anfang 19. Jh. das seltene Verbalsubst. Affizierung F. (-; -en) (zu 2a und 2b), gleichzeitig (CAMPE) die adj. Ableitung affizierbar 'reizbar, empfindlich' mit dem dazugehörigen Subst. Affizierbarkeit F. (-; ohne Pl.) 'Reizbarkeit, Empfindlichkeit' (zu 2a). affizieren 1: 1558 (Pegius 1559 Dienstbarkhaiten 18a) es werden die dienstbarkaiten auff ainem grundt. . auffgericht, dardurch . . der gantz grundt mit der dienstbarkait afficiert vnnd beladen wirdet (DWB N.); Rot 1571 Diet. 288 Afficirn, . . nachstellen, anfechten, anthun; Leibniz 1701 Dtsch. Sehr. 305 werden die Fürsten . . von den mit sonderbarer Qualität afficirten Fürsten, als Land-, Pfalz-, Markgrafen . . unterschieden. affizieren 2a: Rot 1571 Diet. 288 Afficirn, .. das hertz vast bewegen; Thomasius 1688 Monats-Gespräche 26 ob ich gleich in denen Romans theils honnete Liebes-Geschichten/ theils auch scheltens würdige Galanterien antreffe: so afficiret mich doch keines von beyden; Francke 1702 Waisenhaus II 22 solches afficirte mich so sehr und zeigte mir eben so durchdringlich die Spur der treuen Vorsorge Gottes; Weißbach 1732 Kur 75 da die äussere objecta die sensoria berühren und afficiren; Eberhard 1776 Theorie 106f. daß der nämliche Gegenstand nicht allein verschiedene Menschen, sondern auch eben dieselbigen Menschen zu verschiedenen Zeiten und in verschiedenen Zuständen verschieden afficirte; Goethe um 1784 Zwischenkieferknochen (WA U 8,109) begreift man, wie es [das os intermaxillare bei der Hasenschartenoperation] . . herausgekneipt werden kann, ohne daß die obere Kinnlade beschädigt, zersplittert oder krankhaft afficirt werde; Abel 1786 Seelenlehre 5 Die Willensthätigkeiten unterscheiden sich .. nur durch den Gegenstand, auf den sie hingerichtet sind . . Art und Grad, wie die Seele afficirt ist, gleicht sich hier noch vielmehr; Goethe 1795 — 96 Lehrjahre (HA VH 369) ich war unbeschreiblich alteriert und affiziert, oder wie soll ich es ausdrücken; der Af-
fekt . . war auf einmal losgebrochen wie eine Flamme; Kant 1798 Anthropologie (Ges. Sehr. VII 144) Dagegen ist Empfindelei eine Schwäche, durch Theilnehmung an dem Zustande Anderer, die gleichsam auf dem Organ des Empfindelnden nach Belieben spielen können, sich auch wider Willen afficiren zu lassen; Schiller vor 1805 Br. III 290 Daß die Furcht, daß etwas geschehen sein möchte, das Gemüth ganz anders afficirt als die Furcht, daß etwas geschehen möchte (KEHREIN); Goethe um 1810 Farbenlehre (HA XIII 349) die Retina muß von der fordernden Farbe erst recht affiziert sein, ehe die geforderte lebhaft bemerklich wird; ebd. 1 358 es mögen . . die Sinne durch den ungewohnten Zustand dergestalt affiziert sein, daß der ganze Körper . . in eine Art von . . Unreizbarkeit verfällt; Carus 1831 Landschaftsmalerei 56 das kranke Gemüt kann von allem verkehrt affiziert werden, vom Frühlingsmorgen sich niedergedrückt . . finden; Schleiermacher 1832 Ästhetik 52 Jedes Gefühl ist ein unmittelbar Vergängliches, und so bringt es nur das Kunstlose hervor, das Kunstwerk nur, sofern es ein . . Permanentes ist, und das ist es nur durch das beständige Affiziertsein-Wollen; Heine 1835 Romant. Schule 127 In seiner Periode wurde er [E. T. A. Hoffmann] viel gelesen, aber nur von Menschen, deren Nerven zu stark oder zu schwach waren, als daß sie von gelinden Akkorden affiziert werden konnten; Mahler 1860 Milit. Bilderbuch 111 Junge Freiwillige legten die Daumen beider Hände unter die Tornisterriemen, damit die Schultern weniger afficirt würden; Feuchtersieben 1865 Diätetik a. Seele 82 Affekt ist, was unsern Körper dergestalt afficirt, daß seine Kraft zu wirken dadurch erweitert oder beschränkt wird; Hartmann 1869 Philosophie 261 [der] Geschmack, wenn er einen kleineren oder grösseren
Affront Theil der Zunge und des Gaumens afficirt; Th. Mann 1901 Buddenbrooks (W. l 556) man muß sich wohl mit der . . Tatsache abfinden, daß die Lunge ein bißchen affiziert ist; 1929 Nord u. Süd LI1 458 Immer „affiziert" von Dingen und Menschen, die um den einzelnen herum sich bewegen; Benjamin 1938 Br. II 786 Das Aussparen der Theorie affiziert die Empirie; Th. Mann 1947 Faustus (W. VI 85) ihre mächtigste . . Verwirklichung finde sie als orchestrale Instrumentalmusik, wo sie denn, durch das Ohr, alle Sinne zu affizieren scheint; ebd. VI 496 ich will ein Beispiel anführen, das meine humane Ängstlichkeit immer besonders affiziert hat; Süddtsch. Ztg. 29.6.1951 [Künstler] lebt primär von Reizen, die ihn auch seelisch affizieren; Th. Mann 1954 Krull (W. VII 625) wenn Du nun . . zu Schiffe gehst, so werden unsere Gebete um eine glatte, Deinen Magen nicht einen Tag affizierende Überfahrt für Dich zum Himmel steigen; Bernhard 1967 Verstörung 45 Die einzige Beschäftigung des Industriellen . . sei die . . ihn mehr und mehr affizierende Lust, Schüsse abzugeben auf eine . . riesige hölzerne Zielscheibe; Tugendhat 1981 Selbstbewußtsein 203 Solange ich die Geringschätzung, die mir ein anderer entgegenbringt, nur konstatiere, bin ich von ihr nicht in meinem Sein affiziert. Erst auf Grund meiner Disposition zum Zorn erfahre ich mich . . als von der Geringschätzung betroffen; ebd. 204 daß es die Person selbst ist, die im Affekt sich durch den ihr Wohl affizierenden Sachverhalt betroffen fühlt; Zeit 27.9.1985 er scheut vor der Konsequenz zurück, daß auch noch der Akt der aufklärenden Erkenntnis selber vom diagnostizierten Selbstzerstörungsprozeß der Aufklärung affiziert und um seine befreiende Wirkung gebracht werden könnte; ebd. 29.8.1986 was bleibt, ist der medizinische Befund eines hysterischen Liebhabers: . . Eifersucht, . . verklemmte Synapsen und ewig affizierte Nerven; ebd. 10.4.1987 die attraktive Doktorandin, die „Ästhetikerin", wie sie der von ihr erotisch affizierte Insektenforscher liebevoll nennt.
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mitaffizieren: Wackernagel 1847 Dtsch. Lesebuch IV 725 Eine heimliche Pein, von der seine Frau nur zu sehr mitafficiert schien; Meißner 1855 Sansara III 99 Weil diese Verwundung andre Organe mitafficiert (beide SANDERS 1871). affizierbar: Oken 1805 Biol. 171 das arsenik . . zerstört den blossen körper als eine chymisch afficirbare materie; Hartmann 1879 Phänomenologie 84 heilige pflicht aller ethisch afficirbaren naturen (beide DWB N.). Affizierbarkeit: Ehemann 1950 Erbe 112 seelische Affizierbarkeit. Affiziertheit: Gieß 1971 Phänomenologie XVII o. S. der genießerische Laie nämlich nimmt das Kunstwerk zum Anlaß, seine eigene Affiziertheit, nicht aber das Kunstwerk als Wertträger zu erleben. Affizierung: Schmeller 1802 Tagebuch I 54 Affizirung unsrer höhern oder niedern Sinnlichkeit; Görres 1836-42 Mystik IV 14 Jene Region nicht mehr affizirend. .. Der Heilschlaf und jede Art von mondsüchtiger Affizirung (KEHREIN). affizieren 2b: W. v. Humboldt 1829 Briefw. 228 wenn der endbuchstabe des Wortes nicht durch einen folgenden anfangsbuchstaben eines ändern afficirt wird (DWB N.); v. Potenz 1985 Satzsemantik 170 Affiziertes Objekt ..: Person oder Sache, die von einer Handlung oder einem Vorgang betroffen wird. Affizierung: Schweikle 1964 (in: PBB LXXXVI 229) daß ihre [der Konsonanten] affizierung als selbständiger akt vom gesamten assimilationsvorgang losgelöst wurde (DWB N.).
Affront M. (-s; -s, Schweiz, auch -e), im 15. Jh. vereinzelt, seit frühem 17. Jh. kontinuierlich belegte Entlehnung aus gleichbed. frz. affront (deverbatives Subst. von frz. affronter 'frontal attackieren, die Stirn bieten, vor den Kopf stoßen, trotzen, beschimpfen, beleidigen' < altfrz. afronter, mlat. affrontare 'mit Schande bedecken, beschämen', eigentlich 'auf die Stirn schlagen, mit der Stirn stoßen', zu (alt)frz. front 'Stirn, Stirnseite, Vorderseite, vordere Linie' < gleichbed. lat. frons, Gen. frontis, —> Front). Überwiegend bildungsspr. in der Bed. 'Herausforderung, Attacke, Provokation, Anschlag, grober Verstoß gegen die guten Sitten, Unverfrorenheit, freche Beschimpfung, Beleidigung, Kränkung, unverschämte Verhöhnung', meist negativ, vereinzelt auch eher positiv konnotiert mit „mutig, die Konfrontation nicht scheuend" (s. Beleg
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Affront
1929); häufig mit der Präp. gegen in verstärkenden attributiven Wendungen wie ein unerhörter, fürchterlicher, skandalöser Affront gegen jmdn./etwas; in besonderem Maße wertungsabhängig, daher oft mit Verben der Einschätzung verbunden, z. B. etwas als Affront ansehen, verstehen, empfinden, auffassen. Dazu im früheren 17. Jh. das aus gleichbed. frz. affronter entlehnte, bes. im 17. und 18. Jh. belegte, heute ungebräuchliche V. affrontieren 'vor den Kopf stoßen, offen attackieren, herausfordern, provozieren, schmähen, beschimpfen, beleidigen, kränken, verhöhnen', häufig in der Wendung von jmdm./etwas affrontiert sein 'sich von jmdm./etwas herausgefordert und irritiert fühlen'. Dazu vereinzelte, heute ungebräuchliche Ableitungen wie das Verbalsubst. Affrontierung 'Herausforderung, Provokation, Angriff (17. Jh.) und das Adj. affrontierlich Schimpflich, provokativ, beleidigend, betrügerisch' (18. Jh.). Affront: 1450 Weistümer V 365 und die besserungen wegen der vershmächten (oder wegen des affronts) beshickt, die seind allein des probstes (DWB N.); Wallhausen 1617 Manuale Gl. Vnd Affront. Ein Schimpff oder Vnehr; 1633 Konstanzer Belagerung 32 die sach für die Handnemmen, vnd den erwisenen Affront reparieren helffen; Weise 1673 Erznarren 21 Es komme nur einer und klage über einen affront, die er sonst mit dem Degen außführen solte; 1677 Schaubühne 26 wegen unterschiedlichen ihme angethanen Affronts; Dalhover 1689 Gartenbeetlein II 935b Sehet nur, wie diser vnd dise einen schlechten Affront, ein geringes Schmach-Wort erdulden; Seihammer 1699 Tuba I 429 diesen Affront empfand so hart der Fürst, daß er drob einen großen Zorn gefast; Prambhofer 1712 Traum-Ges. 40 Ein Affront verstöhret seine Ehr; das Essen schmeckt ihm nicht; 1741 Begebenheiten 84 dass ihm von gewissen Menschen . . ein Affront geschehen wäre; Laukhard 1798 Annalen l 60 diesen fürchterlichen Affront rächen; Gotter 1802 Nachlaß 358 Untersuchung eines . . Affronts; Goethe 1811 Br. (WA IV 22,42) daß ich den Affront nicht ertragen würde, wenn dieser Mensch nochmals unsere Bühne betreten würde; Devrient 1846 Sehr. III 204 Mir so einen Affront anzuthun! Wo bleibt da der künftige Respekt, wenn ich mir so etwas gefallen lasse; Horix 1895 Erl. 53 In jeder ändern Stelle konnte und mußte ich den Unverschämten am Platz maßregeln, der mir, dem an Lebens- und Dienstjahren bedeutend älteren und an Erfahrungen und Ehrungen . . reichen Offizier, solchen Affront geboten hätte; Der Junggeselle 8.3.1929 Heute existiert er für mich nicht mehr; Sie werden das begreiflich finden nach dem Affront; Th. Mann 1929 Reden u. Aufs. (W. X 275) Wirklich macht man sich heute kaum noch eine Vorstellung davon, welch revolutionärer Affront für alle Schulpsychologie . . beim ersten Auftreten der Psychoanalyse in dieser Wortkoppelung lag; ders. 1932 Reden u. Aufs. (W. X 330) ein eigen-
tümlicher Affront gegen die einseitig schöngeistigphilosophische Zeitrichtung; ders. 1947 Faustus (W. VI 487) Das Groteske war der gewaltige Apparat wissenschaftlicher Zeugenschaft, den man aufgeboten hatte, um den Humbug als Humbug, als skandalösen Affront gegen die Wahrheit zu erweisen; ebd. VI 208 Affronts und Dissonanzen genug; Stuttgarter Ztg. 13.10.1959 Eine Politisierung der EWG im jetzigen Stadium würde die Situation „noch explosiver" machen und von den sieben Staaten der „kleinen Freihandelszone" und den fünf übrigen westeuropäischen Staaten als „Affront" angesehen werden müssen; Heuss 1963 Erinn. 346 Aber das müßte er spüren,. . daß diese so deutliche Abwertung der amtlichen Farben . . staatlich schwer erträglich war, geradezu ein Affront gegen die Parteien; Süddtsch. Ztg. 7.10.1965 Die britischen Maßnahmen müßten als Affront gegen die Vereinten Nationen . . angesehen werden; Welt 5.2.1974 Es ist unvermeidlich, daß Schließungen diplomatischer Vertretungen als politischer Affront verstanden werden; Sloterdiik 1983 Kritik 206 Er zeigt, daß der Kopf nicht nur Ohren zum Hören und Gehorchen hat, sondern auch eine Stirn, um sie dem Stärkeren zu bieten: Fronde, Affront, Effronterie; Zeit 15.2.1985 die Entscheidung des Bundeskanzlers stellt einen Affront gegenüber Georg Meistermann und der künstlerischen Tradition dar; ebd. 8.11.1985 Eher ist er der Anti-Lessing: kein Autor der Vernunft, der Versöhnung, sondern einer des Affronts, der Aggression, auch gegen sich selber; ebd. 19.12.1986 Der nicht als Affront gemeinte Akt kritischer Befragung eines Kunstwerks durch Tanz . . gelingt zwei schöne Stunden lang; FAZ 24.1.1991 Lackmann als Jude Barabas ist im radikalen Affront zum klassischen Kanon weder edel, hilfreich noch gut, sondern das feindliche Muster. affrontieren: Nicolai 1631 (Irtner l 88) daß er einen cavallier affrontired hab (JONES); 1652 Manifest
Afro-, afrola das Parlament zu affrontieren; Riemer 1684 Polit. Passagier 267 weiln sie in Gegenwart der Dame wären affrontiert worden; Heidegger 1698 Mythoscopia 74 sie liegen nicht allein/ sonder affrontieren auch höchlich die unschuldige Wahrheit (FRNHD. WB); Schock um 1700 Phantasien 41 Mich dünckt es sey dein eig'ne Schand/ Dann ehrlich Leuthe nur schimpfieren/ Und Stands-Personen affrontieren; 1741 Begebenheiten 183 da man sich in L. ungemein vor Händeln und also auch einen zu affrontiren hütet; Burckardt 1881 Br. 173 In dieser Weise affrontiert mich von den grossen Meistern niemand als etwa Rembrandt.
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Affrontierung: Kiemer 1684 Polit. Passagier 281 affrontierungen. affrontierlich: 1721 —22 Discourse d. Mahlern 9 Er stehet nicht in der affrontirlichen Meinung daß es uncapabel zum lesen, und von den Büchern nur verderbet wird; Schwabe 1745 Tintenfäßl 32 daß keine einige übeltournierte expreßion die lesern mit affrontirlichen meinungen inficiret (DWB N.); 1812 (Wrede, Altköln. Sprachschatz 76a) man . . hielt es sogar für afgruntierlich [!], zimmer zu vermiethen (DWB N); Stroh 1928 Mundartforschung 3 afrontirlich 'heimlich, genierlich'.
Afro-, afro-, um die Mitte des 20. Jhs. aufgekommenes Anfangsselement von adj. und subst. Kombinationen (eventuell über gleichbed. engl.-amerikan. afro- zurückgehend auf lat. afer, Gen. afri, 'afrikanischen Ursprung anzeigend, afrikanisch'). In der Bed. 'Afrika betreffend, zu ihm gehörig, afrikanisch': 1 Zunächst in (meist mit Bindestrich geschriebenen) adj. Kopulativ-Komposita vor allem des politischen Bereichs wie afro-asiatisch (ohne Steigerung) 'Afrika und Asien betreffend, zu ihnen gehörig, aus ihnen stammend, mit afrikanischen und asiatischen Komponenten (versehen); etwas, das sich aus politischer Sicht gemeinsam auf Afrika und Asien bezieht', z. B. in Wendungen afro-asiatische Staaten, Länder, Sprachen, Studenten, die afro-asiatische Welt, vgl. analoge Bildungen wie afro-amerikanisch (ohne Steigerung) 'Afrika und Amerika betreffend, mit afrikanischen und amerikanischen Komponenten (versehen)', z. B. afro-amerikanische Beziehungen und afro-kubanisch '(West-)Afrika und Kuba betreffend'. 2 Gleichzeitig häufiger in der Funktion als Bestimmungswort vor allem des ethnischen-kulturellen Bereichs verwendet: a Bes. auf Volksgruppen o.a. mit afrikanischem Ursprung bezogen, in subst. und adj. Bildungen wie Afroamerikaner 'Amerikaner, der in Amerika, bes. den USA, geboren ist, dessen Vorfahren aber afrikanischer Herkunft sind; Amerikaner schwarzafrikanischer Abstammung', mit dem dazugehörigen Adj. afroamerikanisch 'die schwarze Bevölkerung Amerikas, bes. der USA, betreffend, zu ihr gehörig', bes. in Syntagmen wie afroamerikanische Literatur, Religionen, afroamerikanische Rhythmen, Tänze und bes. afroamerikanische Musik als Sammelbezeichnung für die musikalische Tradition der Nachkommen der vom 16. bis ins 19. Jh. nach Amerika deportierten Angehörigen afrikanischer Kulturen. Vgl. analoge Bildungen wie Afrobrasilianer, afrobrasilianisch, Afrokubaner und afrokubanisch, bes. in dem aus engl.-amerikan. Afro-cuban Jazz lehnübersetzten Syntagma afrokubanischer Jazz als Bezeichnung für eine Jazzströmung Ende der 40er Jahre des 20. Jhs. b Daneben seltener auch in Bildungen, die einen stärkeren Bezug zu Afrika selbst, seinen Bewohnern sowie seinen kulturellen, politischen, geographischen u.a. Eigenheiten zum Ausdruck bringen, wie z. B. Afro-Pop, -Rhythmen, -Rock-Musik, (im Unterschied zu Syntagmen wie afroamerikanische Rhythmen, vgl. 2a) stärker auf international verbreitete, musikalische Formen bezogen, die in dominanter Weise ursprüngliche Elemente der afrikanischen Musiktradition aufweisen bzw. wieder aufgreifen; afroalpin 'die oberhalb der Waldgrenze tropischer afrikanischer Hochge-
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Afro-, afro-
birge gelegenen Bereiche betreffend', Afro-Marxismus 'Variante des Marxismus in Afrika, eine für Afrika typische Form des Kommunismus', Afro-Look (aus Afround engl. look 'Aussehen') als Bezeichnung für eine Frisur, bei der das Haar (nach afrikanischer Manier) in stark gekrausten, dichten Locken nach allen Seiten hin absteht, und in der eventuell in Analogie zu franko-, anglophil gebildeten Kombination afrophil (aus afro- und dem Suffix -phil 'für etwas eingenommen, ihm freundlich gesinnt, zugetan, es liebend') in der Bed. 'Afrika, seinen Bewohnern, seiner Kultur besonders aufgeschlossen gegenüberstehend, afrikafreundlich'. Afro-, afro- 1: Offenburger Tagebl. 11.3.1959 Der Widerstand in den jungen Völkern der afroasiatischen Welt gegenüber dem Vorgehen Moskaus; Welt 8.12.1959 nicht nach Lateinamerika und den afroasiatischen Ländern; Ploetz I960 Gesch. 1287 [im Jahre 1958] Konferenz der Handelskammern der afroasiatischen Staaten in Kairo mit 200 Delegierten aus 39 Ländern; Welt 21.4.1964 Walter Görlitz kennt die afro-asiatischen Studenten sehr schlecht, wenn er behauptet, diese gehen nicht in ihre Heimat zurück; ebd. 28.9.1964 haben die acht asiatischen und sechs afrikanischen Entwicklungsländer, die auf der Industrieausstellung in der afro-asiatischen Verkaufsschau vertreten sind, bereits Waren im Wert von mehr als 100000 D-Mark an die Besucher verkauft. Afro-, afro- 2a: Offenburger Tagebl. 20.10.1960 ET versicherte, daß die zwanzig Millionen Amerikaner schwarzafrikanischer Abstammung das stärkste Band zwischen den USA und Afrika seien. „Man hat mir versichert, daß die Führer dieses Landes begreifen, welche großen außenpolitischen Möglichkeiten ihnen diese Afro-Amerikaner bescheren"; FAZ 11.3.1961 Besonders aggressiv sind die Afroasiaten, während es . . um die Euroafrikaner stiller geworden ist; 1971 Evangel. Kommentare I 45 betroffen sind . . die Ureinwohner Australiens, die Maori in Neuseeland, die schwarzen Mehrheiten in Südafrika, die Indianer, die Afroamerikaner und Hispoamerikaner in den USA; ND 15.10.1974 demonstrierende afro-amerikanische Bauarbeiter . . fordern das gleiche Recht auf Arbeitsplätze; ebd. ist die Zahl der entlassenen Afro-Amerikaner doppelt so groß wie die der weißen Bevölkerung; Welt 31.10.1974 Verhaltensweisen in unserer Zivilisation mit denen afroamerikanischer Stämme zu konfrontieren; Berghahn 1976 Kontinuität und Wandel des Afrikabildes in der afroamerikanischen Literatur (Titel); MM 23.1.1985 die afro-kubanischen Elemente bleiben auf das Rhythmische beschränkt; Zeit 22.2.1985 Black English hat eine korrekte afro-amerikanische Grammatik, strenge Gesetze, die lehr- und lernbar sind; ebd. Meridian ist eine
junge Schwarze aus dem tiefen Süden der USA, . . wo es noch immer Baumwollplantagen gibt, auf denen die Vorfahren der Afro-Amerikaner als Sklaven geschunden wurden; MM 15. 5.1985 Synthese von verschiedenen Spielarten afro-amerikanischer Populärmusik und Elementen des New Jazz; ebd. 6.11.1987 die Musik von Miles Davis stellt sich heute . . als Schmelztiegel dar, in dem alle Formen afro-amerikanischer Ausdrucksarten zusammenfließen — vom Blues über Bebop und Modal-Jazz bis hin zu Funk, Disco- und elektronischer PopMusik; ebd. 25.5.1988 eine riesige Vielfalt an afro-amerikanischen Rhythmen; Eco 1989 Pendel (Übers.) 194 konnten sie [europäische Marxisten] vom „brasilianischen Kannibalismus" sprechen oder von der . . Rolle der afro-brasilianischen Kulte; Zeit 23.2.1990 Das Mißtrauen gegenüber der herrschenden weißen Schicht ist geblieben, und bewußt suchen Gruppen wie He Aiye Kontakte zu afro-amerikanischen und afrikanischen Organisationen; MM 11.4.1990 Hermlin trat .. mit Nachdichtungen . . lateinamerikanischer und afroamerikanischer Dichtungen hervor; ebd. 10.8. 1990 Tanzen als elementarer Ausdruck von Lebensfreude — das rührt an die Wurzeln afro-amerikanischer Musik; ebd. 18.10.1990 Er [Blakey] hat in den fünfziger Jahren . . den Weg zurück zu den heißen Quellen afroamerikanischer Musik gewiesen: zum Gospel und zum Blues; Spiegel 7.1.1991 Der New Yorker Aids-Experte . . bestätigt, daß nicht nur „Schwarze mit bescheidenen Einkommen, sondern die Mittelklasse, die Bessergestellten — alle" den Verdacht hegen, die afroamerikanische Minderheit sei gezielt mit dem Immunschwäche-Virus infiziert worden; ebd. 7.10.1991 die „erotischen Klangfarben" der afrokubanischen Musik; 1992 Vogue IV 126 in der auf der afro-amerikanischen Tradition . . basierenden Rap-Musik. Afro-, afro- 2b: Zeit 11.10.1968 der in der amerikanischen Öffentlichkeit exotisch wirkende Afro-Look findet täglich neue Anhänger; 1974 Brigitte VII 125 Cornelia Herding (blonder Afro-Look über einem bleichen Kindergesicht) studiert Sozialpädagogik (DUDEN); MM 6.5.1985
Agens pulsierende Afro-Rhythmen, synthetische Tierstimmen-Imitationen; das musikalische Dschungelabenteuer beginnt; ebd. 3.2.1986 ein . . Repertoire, das erdigen Rock-Klängen, sonnigen Calypso-Melodien, sanften Pop-Balladen und mitreißenden Afro-Rhythmen Platz bot; ebd. 4.6.1987 ihr Afro-Pop, der stark mit folkloristischen Anklängen durchsetzt ist; ebd. 25.5.1988 Afro-Jazz-Dance voller schwarzer Ursprünglichkeit; ebd. die polyphone Afro-Jazz- und Afro-Rock-Musik von Francois Kokelaere; Edenhof er 1991 Rock u. Pop 355 Es war wieder ein Album voller Ethno-Pop-Songs in pulsierenden Afro-Rhythmen; Scholl-Latour 1991 Leben m. Frankreich 94 Drei Jahre lang . .
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war der Archipel dem Experiment, dem gottesfeindlichen Afro-Marxismus des schwarzen Volkstribunen Ali Soilih, ausgeliefert gewesen; Spiegel 7.1.1991 Das klassische Griechenland, so dozierte . . der schwarze Nationalist Wade Nobles vor begeisterten Zuschauern auf einem Kongreß afrozentrischer Enthusiasten in Atlanta, habe nur „ausgekotzt", was eigentlich aus Afrika überliefert worden sei; MM 25726.4.1992 Nina im Glasperlenbestickten Afro-Minikleid am Premierenabend. afrophil: Zeit 18.10.1985 er berichtet von einem Seminar, das afrophile Europäer unter dem Thema „Afrika sucht seine Identität" veranstaltet haben.
Agens N., selten M. (-; Agenzien, Agentien, fachspr. auch Agentia), Ende 16. Jh. entlehnt aus mlat. agens 'der/das Wirkende, treibende Kraft, Ursache' (subst. Part. Präs, von lat. agere, —»· agieren). a Zunächst in der (spätscholastischen) Philosophie für 'wirkendes, handelndes, tätiges Wesen, Prinzip' (Ggs. Pattens, —» Patient), dann auch allgemeiner und meist bildungsspr. verwendet in der Bed. 'Triebkraft, wirkende Ursache, treibende, bewegende Kraft, Energie, auslösendes, verursachendes Moment, Motor', gleichbed. mit —» Agent 3 und —* Movens, bes. in Wendungen wie das Agens einer politischen Bewegung (sein), geheimnisvolles, göttliches, dämonisches Agens und in dem aus gelehrtenlat. agens naturale (vgl. frz. Pi. agents naturels) lehnübersetzten Syntagma natürliches Agens 'eines der natürlichen, als Triebkraft fungierenden Elemente, Feuer, Wasser und Luft'. b Seit früherem 18. Jh. als Fachausdruck im naturwissenschaftlichen Bereich verwendet in der Bed. 'chemische, biologische u.a. Prozesse auslösende, steuernde oder auf sie einwirkende Substanz, Wirkstoff (—> Reagenz), häufig im Pl. Agenzien 'wirkende Mittel', bes. in Wendungen wie chemische, atmosphärische Agenzien und früher (s. Beleg 1732) im lat. Syntagma agens universale (—* universal); seit dem 19. Jh. auch fachspr. in der Medizin für 'therapeutisch wirksamer Stoff und in neuester Zeit für 'eine Krankheit auslösender Faktor', z. B. gefährliche Agenzien (s. Beleg 1986). c Seit spätem 19. Jh., auch als M., fachspr. in der Grammatik für 'Verursacher, Träger einer durch das Verb (im Satz) ausgedrückten Aktion, Handlung; Urheber, Täter' (Ggs. Patiens, —» Patient). Agens a: Privatus 1598 Remigius' Daetnonolatria 26 Denn es sich je anders nicht schicken wil, als das agens vnnd patiens sich zusammen etlicher massen reimen müssen; Ettner 1697 Chymicus 640 Es muß probirt werden/ das ein Vacuum in der Welt sey. Die zusammen gezogene Kessel und andere Instrumenta machen mir dies nicht glaubend: Wann dieses das Vacuum thaete/ so mueste mir es gar kein agens contrarium zu lassen/ sondern das Glaß ein Mahl wie das andere springend machen; Dippet 1734 Analysis 55 daß es ihnen ohnmöglich
sey, eine Maschine zu machen, wo nicht zuvor ein Agens naturale bey der Hand ist; Eaader 1786 Wärmestoff 52f. Ein Fluidum ist es nämlich, was all' diese Wunder bewirkt . ., als erstes Agens in der todten Natur diese überall rege macht und belebt. [Anm.:] Agens und Patiens der Alten: beiläufig dasselbe, was Buffon force expansive &c force attractive [nennt]; Goethe 1797 Br. (WA IV 12,101) Im Epos ist es grade umgekehrt, blos der Verstand, wie in der Odyssee, oder eine zweckmäßige Leidenschaft, wie in der Ilias, sind epische
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Agens
Agenden; Schopenhauer 1819 W. 58 wenn von leidenschaft geredet wird, kann man diese . . unter dem begriff der größten kraft, des mächtigsten agens in der weit subsumiren (DWB N.); 1832ff. Magazin d. Ausld. XXXVI 455a Die Gironde ist nicht mehr das treibende Agens (SANDERS 1871); Görtz 1854 Reise III 71 und nur ein mächtiges Agens vermag jene Erstarrung zu lösen; Goltz 1869 Weltklugheit I 42 sie sind nur die Gegensätze und das Agens seiner Persönlichkeit; Kretschman 1870-71 Kriegsbr. 333 wenn man ihr Pflichtgefühl mit allen Mitteln .. fördert, so tritt dies als ein sehr modifizierendes Agens daneben; Lenormant 1875 Anf. d. Kultur l 57 Auch ist [in der Volksvorstellung] fast immer der vorgebliche Erfinder [der Metallverarbeitung] .. die mythologische Personification des Feuers, welches das natürliche Agens bei dieser Art Arbeit ist; Nürnberger 1877 Herzenssachen 14 Der Journalismus dringt wie der Sauerstoff in der Luft, zerstörend, zersetzend, auflösend und freilich auch neubildend auf das feste Gebilde der Büchersprache ein, er allein reagiert thätiger auf sie als alle übrigen Sprach-Agentien; Conradi 1884 Liebesbr. 32 Und ein Mann gesteht Ihnen unverzagt diese Liebe, offen und gerade, kühn und vorurteilsfrei, weil er eben als Künstler nun die Weihe, das göttliche Agens und Movens gefunden, den Sonnengarten, in dem seine Früchte reifen dürfen; Waldstein 1892 Erst wägen 50 Heldensinn . ., Vaterlandsliebe, . . Gottesfurcht und Treue ist das siegbringende Agens in jedem Heere; Ludwig 1922 Goethe l 144 Natur als Agens des menschlichen Herzens; Rehm 1929 Dichter 37 Die Renaissance . . i s t . . als positives Agens eingestellt in einen allgemeinen Vorgang; Th. Mann 1933 Reden u. Aufs. (W, IX 415) aufwiegelnd-demagogische Elemente sind enthalten in dieser Kunst des Theaters [bei Wagner] . ., die auf Ehrgeiz, ungeheuren cäsarischen Machtwillen als auf ihr eigentliches Agens schließen lassen; B. N. 17.4.1943 Das politische Agens, aus dem das Habsburgerreich erwuchs; Treinen 1955 Studien 142 Leidenschaft, als dominierendes agens des Menschen, tritt immer zusammen mit Unwissenheit auf; Bamm 1956 Ex ovo 101 Krankheit ist hier ein dämonisches Agens; Welt 28.8.1969 die Kamera, in deutschen Massenmedien zum Registrator gezähmt, bezog hier eine neue Stellung: als Agens, als heiße Mitbeteiligung; sie trieb, was andere nur notieren, voran; Hocke 1976 Tagebücher 440 Doch werden wir . . auf ein weiteres diaristische Agens kontemplativer Methoden stoßen; Hildesheimer 1977 Mozart 194 ein unbewußtes Agens, wahrscheinlich schon lange latent, wurde wach; Sloterdijk 1983 Kritik 110 Schon Puysegur wußte . ., daß seine Persönlichkeit bei den hypnotischen Heilungen das eigentliche Agens bildete; Zeit 6.3.1987 Begeisterung ist . .
noch immer vorzüglichstes Agens für einen großen ernsthaften Essay. Agens b: Zedler 1732 Universallex. l 709 Agens universale, darunter wird von den Chymicis das Olcum Vitrioli, oder Sal Vitrioli sulphurcum verstanden; Hufeland 1795 Pathogenie 140 Es würde daher besser seyn, wenn man statt des Wortes Reiz (welches immer jenen Naturbegriff involviert) lieber den Ausdruck Agens oder Impression brauchte; ders. 1797 Kunst 225 Allerdings haben wir auch jene chemische Agenzien und Kräfte in uns, und ihre Kenntnis ist uns unentbehrlich; Cotta 1842 Geognosie 360 Uebrigens sind die Kräfte der sogenannten Imponderabilien fast bei allen zuvor angeführten Umbildungsprozessen thätig und vielleicht die versteckten Grundagentien der meisten; 1861 Brockhaus I 298 Agens, .. in der Chemie und Physik versteht man darunter eine in der Körperwelt wirksame . . Kraft, z. B. die chemische Verwandtschaft; ebd. Agens, .. In der Heilkunde braucht man das Wort A. von Allem, was in der Natur auf den Organismus und das Leben einwirkt; Roentgen 1895 Strahlen 88 Die Berechtigung für das von der Wand des Entladungsapparates ausgehende Agens den Namen „Strahlen" zu verwenden, leite ich zum Theil von der ganz regelmäßigen Schattenbildung her; Bamm 1956 Ex ovo 239 Wir kennen schon aus der gewöhnlichen Chemie Vorgänge, bei denen ein Agens einen chemischen Vorgang steuert, ohne selbst in ihn einzugehen; Matting 1970 Kunststoffe o. S. Die organischen Kunststoffe sind beständig gegenüber aggressiven Medien, bzw. verhalten sich praktisch unempfindlich bei Angriff durch chemische Agenzien; Gottschalk 1971 Genmutation o. S. sei . . noch eine Erbsenmutante erwähnt, die Sidorova et al. (1969) nach Anwendung mutagener Agenden erhalten haben; MM 22.2.1986 Diese Tatsache, daß die nichtsahnenden Bienen zu einem frappanten Spiegel menschlichen Treibens, zumindest auf dem Umweltsektor geworden sind, ist vermutlich auf die Berührung mit diesen Agenzien während des Fluges, beim Bestäuben oder gar im Bienenstock zurückzuführen; Zeit 4.7.1986 Das Forschungsprogramm sollte sich unter Verwendung molekularbiologischer Methoden auf Pathogenitätsfaktoren infektiöser Agenzien, deren Interaktionsmechanismen mit Histokompatibilitäts- und Zellmembran-Antigenen sowie arthritisinduzierenden Mechanismen konzentrieren. Agens c: Winkler 1887 Sprachgesch. 75 dass das agens nicht als das abhängige im adnominalverhältnis, sondern als das, wovon die handlung ihren ausgangspunct nimmt, also instrumental erscheint (DWB N.); 1970 Faschingsbrauchtum 142 Die No-
Agent minalisierung von Akkussativsätzen ermöglicht die Aussparung nicht nur des Agens (des Subjekts im aktivischen Verbalssatz), sondern auch des im Verbalsatz obligatorischen Akkusativobjekts; Gülich
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1977 Textmodelle 208 Im Modell von Bremond erscheint im Unterschied zu anderen Modellen der Patiens somit mindestens ebenso wichtig wie der Agens.
Agent M. (-en; -en), auch Agentin F. (-; -nen), Mitte 16. Jh. entlehnt aus ital. agente, frz. agent 'Vertreter, Vermittler, Geschäftsträger, Geschäftsführer' (< flekt. Form von lat. agens 'Sachwalter, Anwalt, Beauftragter', dem subst. Part. Präs, von agere, —> agieren). l Als Personenbezeichnung in der allgemeinen Bed. 'jmd., der im Auftrag oder Interesse einer anderen Person, einer Institution o.a. handelt, tätig ist': a Zunächst im politisch-diplomatischen Bereich für 'Unterhändler einer offiziellen Stelle, Vertreter, Bevollmächtigter eines Regenten, eines Staates, mit einer politischen Mission Beauftragter, Gesandter'; seit Ende 16. Jh. auch im kommerziellen Bereich für 'Handelsvertreter, -reisender, Geschäftsträger, -Vermittler, (reisender) Kaufmann, Kommissionär, Makler', bes. als Grundwort in Zss. wie Versicherungs-, Reise-, Handels-, Milchagent 'Vertreter einer Versicherung, einer Handelsgesellschaft bzw. Molkerei', vgl. auch Heiratsagent 'Heiratsvermittler'; seit spätem 19. Jh. vor allem für 'jmd., der Künstler geschäftlich (bes. beim Abschluß von Verträgen) vertritt, berufsmäßig Engagements für Künstler vermittelt, Manager eines Künstlers' (—» Manager), ebenfalls häufig als Grundwort in Zss. wie Bühnen-, Theater-, Opern-, Literatur-, Künstler-, Kulturagent. Seit dem 18.719. Jh. auch allgemeiner für 'Vertreter, Vermittler in Privatangelegenheiten, Vertrauter' (s. Beleg 1798), gleichzeitig selten für 'Rechtsvertreter, Anwalt' (s. Beleg 1750, —» Advokat 1) und im 20. Jh. gelegentlich übertragen verwendet im Sinne von 'jmd., der eine Sache, eine Weltanschauung, eine Idee vertritt, der für eine Sache wirbt, sich zum Anwalt einer Sache macht' (s. Belege 1932, 1954, 1977). Dazu im 18.719. Jh. die subst. Ableitung Agentschaft F. (-; -en), gleichbed. mit dem Mitte 18. Jh. aus ital. agenzia (vgl. gleichbed. frz. agence, engl. agency) entlehnten, Subst. Agende F. (-; -n) 'Vertretung, Besorgung, Auftrag, Amt eines Agenten, Vermittlungsstelle, Büro eines Agenten', im 19. Jh. von —* Agentur verdrängt, heute nur noch regionalspr. (österr.) als Bezeichnung für die Geschäftsstelle der DonauDampfschiffahrtsgesellschaft; seit frühem 20. Jh. das seltene V. trans, agentieren 'mit etwas handeln, etwas vermitteln, verkaufen, Kunden, Käufer werben'. b Seit Ende 18. Jh., vermutlich in Anknüpfung an die politische Verwendung (s. o. l a), in der dominanten Bed. 'im Auftrag einer Regierung, einer militärischen oder politischen Organisation, eines Geheimdienstes (oft unter einem Decknamen) Handelnder, Mitarbeiter eines Geheimdienstes, Nachrichtenübermittler, Geheimdienstler, Spitzel' (—> Spion), in Wendungen wie als Agent arbeiten, Agenten einschleusen, unschädlich machen, auf jmdn. einen Agenten ansetzen, bes. als Grundwort in den Zss. Geheim (-dienst)-, Polizei-, Doppelagent 'Spion, der für zwei gegnerische Geheimdienste arbeitet', auch als Bestimmungswort in Zss. wie Agentenring, -netz Organisierte Gruppe von Geheimagenten', Agentenaustausch 'Austausch von Agenten, die jeweils auf der gegnerischen Seite enttarnt wurden', Agentenfilm, auch -thriller 'Filmgenre, in dem die Agententätigkeit als Abenteuer stilisiert wird'. Vgl. bes. die im früheren 19. Jh. aus gleichbed. frz. agent provocateur (eigentlich 'Unru-
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Agent
hestifter') übernommene Personenbezeichnung Agent provocateur M. (-; Agents provocateurs) für 'Geheimagent, der durch vorgetäuschte Komplizenschaft, bei der auch er selbst kriminelle Taten begeht, das Vertrauen verdächtiger Personen gewinnt, um deren Überführung und Verhaftung zu ermöglichen, Lockspitzel', in neuester Zeit (s. Belege 1985, 1992) auch übertragen für 'Provokateur, Advocatus diaboli' (—» Advokat 1). 2 Vom späten 16. bis ins frühe 18. Jh. für 'Handelnder auf einer Bühne, Schauspieler' (—» agieren 2b, —> Akteur a). 3 Im 18./19. Jh. für 'Handelnder' im Sinne von 'wirkende, treibende, bewegende Kraft' (—» Agens a). Agent la: 1546 Urk. u. Akten Straßb. U 3,711 Balthasar Alterius zu einem agenten zu Venedig angenommen und im furschrift gegeben an h. zu Venedig und ein procuratorium (DWB N.); Gebhardt 1597 Fürstl. Tischreden 25 Es hatte der letzte Hertzog von Meyland einen Frantzösischen Agenten zu Meyland heimlich richten lassen; 1610 Lercie U A2b Factorn vnnd agenten; Carolus 1614 Relation 6d der kayserliche Agent; ebd. 26c Wegen vorstehender versamblung ist allen Agenten vnd den jenigen so nicht bey Raht/ oder wirkliche Diener seind/ geborten worden in vmbligenden Stätten jhre Losament zusuchen; 1620 Londorp 1659a Ist nun dieses nicht ein feiner und löblicher Agent deß Pfaltzgraffen; Frachetta 1681 Printzen-Staat 103 Von den Abgesandten, Agenten, oder ändern Bedienten, so von einem Regenten zu ändern Freunden oder Feinden geschickt werden; Schurtz 1695 Kaufmannschaft 74 Von Ausländischen Negotien, Handlungen und Lagern, so Agenten, Factoren etc. anderer Orten verwalten; Kirchner 1704 Grundlagen U 100 Agent von Haus aus, mit allerhand curieusen Missionen, Brieffen, Memoralien, Staffeten; Marperger um 1720 Reisen 34 wie auch der kostbaren Gesandtschafften, Residenten, Agenten und Correspondenten zu geschweigen, welche die Hohe Lands-Herrschafft und andere Stands-Personen ausserhalb des Lands halten und bezahlen müssen; Hederich 1743 Antiqu.-Lex. 128 Agentes hiessen allen die, denen was zu verrichten aufgetragen wurde, besonders aber doch die Königlichen oder Kayserlichen wircklichen Bedienten; Moser 1750 Völcker-Recht 341 Agenten seynd Personen, welche . . die Judicialia bey gewissen Gerichten . . zu besorgen haben; Nicolai 1759 Literaturbr. IV 315 Er erzählte, Grothausens Agenten hätten von einem englischen Kaufmanne zu fünfzig Procent aufborgen müssen; Basedow 1777 Pract. Phil, l 328 Wer von mir abgeschickt ist, in meinem Namen mit ändern Contracte zu schliessen, der heist mein Agent, und ich sein Principal; Goethe 1798 Br. (WA IV 13,17) Du hast in Ilmenau an dem Bergrath einen gar guten Nachbar und Agenten; Heinzmann 1800 Fruehst. Beil. 193 ein Heer von Advo-
katen und Landagenten mästete sich von dieser Unordnung; 1810 Fahnenbergs Magazin l 10 die Handels-Börsen, Wechselagenten und Mäkler betreffend; Buchholz 1821 Taschenbuch 178 eine größere Zahl von diplomatischen Agenten war . . für das Großherzogtum nicht nöthig; Raumer 1839 Bilder a. Paris l l Feuerversicherungs-Agent; 1841 Europa I 575 Agenten dieser Gesellschaft [Gothaer Feuerversicherungsbank]; Freytag 1855 Soll u. Haben l 58 Wo jeder Kaufmann aus den Seestädten durch seine Agenten die Waaren tief im Lande verkaufen läßt; 1880 Volksschauspiel 326 Es geht an oagna Milch-Agent/ Der hetzt die Andan auf; Perfall 1887 Verhältnis 151 eine simpler Handelsagent; Eckstein 1889 Camilla 220 er war ein Dämon, dieser Heiratsagent; Zapp 1896 Offizierstöchter 155 die Thätigkeit eines Versicherungsagenten; Blume 1899 Wehrkraft 88 die Sehnsucht nach Veränderung ihrer Lage, die oft gerade die Tüchtigsten in die Stadt oder in die Arme der Auswanderungsagenten treibt; Wassermann 1908 Hauser 167 Er wurde Emissär des Papstes und bezahlter Agent Metternichs; Brachvogel 1919 Glück 239 jedes Stück Dettmanns war, noch ehe es der Bühnenagent in Händen hielt, an so und so vielen Theatern angenommen; Asch 1929 Firma 120 Cooper und Whittings . ., typische Versicherungsagenten, machten noch immer einen korrekten Eindruck; Kesten 1932 Scharlatan 131 Eine großartige Zivilisation, und ich will ihr Agent sein; Eberhardt 1933 Provisionsanspruch 9 Agent ist wer, ohne als Handlungsgehilfe angestellt zu sein, ständig damit betraut ist, für das Handelsgewerbe eines anderen Geschäfte zu vermitteln oder im Namen des ändern abzuschließen; Th. Mann 1949 Reden u. Aufs. (W. XI 280) den ehemals in Paris tätigen Literatur- und Theateragenten; ders. 1954 Reden u. Aufs. (W. IX 820) gegen das konservative Preußentum, dessen Verkünder, ja dessen Agent er doch einmal war; Bamm 1956 Ex ovo 135 Man stelle sich vor, was wohl Hiob zu einem Versicherungsagenten gesagt hätte, welcher ihn aufgefordert hätte, Kassenbeiträge zu zahlen; Dülmen 1977 Reformation 266 Weil Tilbeck sich vom Argument
Agent der Täufer überzeugen ließ und bald selber Täufer wurde, verurteilte ihn Kerssenbrock als Verräter und heimlichen Agenten der Täufer; Zeit 24.10.1986 Um sich gegen den Ansturm der Drehbücher und Projekte zu wehren, sah sie sich schließlich gezwungen, das zu tun, was alle in Amerika tun, sie legte sich eine New Yorker Agentin zu; Ortheil 1987 Schwerenöter 424 er vermied jene Arroganz, die so manchem voreiligen Kulturagenten eigen war. Agentschaft: Ludwig 1716 Teutsch-engl. Lex. 69 agentschafft. . the agency (DWB N.); Goethe 1811 Dichtung u. Wahrh. (HA X 112) In solchen Städten wie Frankfurt gibt es kollektive Stellen, Residentschaften, Agentschaften, die sich durch Tätigkeit grenzenlos erweitern lassen. Agentie: 1761 fönt. rer. Austr. H 71 wasmassen zufolge des . . anno 1759 dero secretario und agenten bey dem päpstlichen stuhl . . verliehenen amts eines k. k. spedizioniere . . die agentie und expedirung der bullen an den clerum in den deutschen erblanden demselben .. eingeräumet . . worden (DWB N.); Goethe 1773 Br. (WA IV 2,123) Dass meine Agentcie so langsam geht ist das Hurry burry schuld das seit acht Tagen um mich summt; 1810 Fahnenbergs Magazin l 35 jede Geschäftsführung im Handel, d. h. jede Uebernahme einer Besorgung von Handelsangelegenheiten an einem dritten Orte als Agentien, Factorien, Correspondenz-, Comptoir-, Addreßbüros u. dgl.; 1828 Baier. Int. Bl. (har) 198 der Winkel-Agentie schuldig; 1861 Brockhaus I 298 Der gesammte Geschäftskomplex eines Agenten heißt Agentur (in Oesterreich auch Agentie); 1931 Marine-Rundsch. XXVI 305 so bedingt doch die Unterhaltung vieler kostspieliger Agenturen („Agentien") erhebliche Unkosten. agentieren: Kisch 1914 Ges. W. / 127 er [Zuhälter] hat außer mir noch mehrere leute, die für ihn agentieren [Mädchen anheuern], aber ich bin seine rechte hand (DWB N.); Baum 1929 Menschen 61 Er war ein Zwischending zwischen Börsenmakler und Bankier, er agentierte auch sonst zuweilen, er saß außerdem sogar im Aufsichtsrat von diesem und jenem kleinen Unternehmen. Agent lb: Garve 1798 Fragmente U 171 daß der könig sehr genau und sehr schnell von allem, was in fremden Staaten . . vorgieng, unterrichtet gewesen sey, ob er gleich auf seine accreditirten bevollmächtigten wenig wandte . . aber er hatte neben ihnen noch subalterne agenten und nachrichtentheiler (DWB N.); Wit v. Dörring 1827 Fragmente
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H 45 als seine geheimen Agenten mit einer nicht unwichtigen Mission; Varnhagen van Ense 1837 Tagebücher l 49 daß der in der Schweiz ermordete Lessing wirklich ein von Tzschoppe gebrauchter agent-provocateur war; Riehl 1848 Eisele 227 daß ein geheimer Polizeiagent mich anhielt; Rasch 1865 Häuser 38 hielt man mich für einen Agent provocateur; 1867 Gartenlaube 832 ein solcher Agent .. darf jeden Verbrecher verhaften, der auf frischer That ertappt wird. Sein ganz besonderes Amt ist es aber, die Prostitution zu überwachen. . . Diese Agenten heißen auch „Agents de mouers". Sie sind auf allen öffentlichen Tanzplätzen . . und in allen Anstalten zu finden, wo die weibliche Verdorbenheit nach Beute sucht; Bucher 1881 Parlamentarismus 139 die Agentin einer auswärtigen Macht; Suess 1916 Erinn. 33 aber wir hielten damals Schütte für einen Leimspindel, oder wie man heute sagt, für einen agent provocateur; Benjamin 1924 Br. l 353 man . . erzählt sich, daß er von 6000 Geheimagenten in Neapel umgeben sei; Voss. Ztg. 12.12.1930 Der Burgerkrieg in China, der übrigens von Moskau durch geschickte agents provocateurs dauernd geschürt wird, hat die Kaufkraft auch dieses ausgedehnten Gebietes fortwährend vermindert; Lokal-Anz. 23.8.1934 Wie erinnerlich, waren die jetzt Verurteilten vor einigen Wochen unter Vorspiegelung falscher Tatsachen über die lothringische Grenze gelockt und dort verhaftet worden. Ein gewisser Litzenburger diente dabei offensichtlich als Agent provocateur und wurde auch heute für diese Bemühungen freigesprochen; ND 20.2.1954 Gleichzeitig müssen wir diese junge Saat vor den Angriffen der frechen Spatzen und schwarzen Raben, gemeint sind hier Spione, Gerüchtemacher, Saboteure und Agenten, schützen, indem wir sie entlarven; Welt 22.10.1954 Die CIA, die ebenfalls über ein eigenes Agentennetz verfügt, dient als Koordinierungsbehörde für alle amerikanischen Nachrichtendienste; ND 26.1.1959 Einblick in das Spinnennetz der Spionage- und Agentenorganisationen; Offenburger Tagebl. 5.11.1960 sollten wir uns davor hüten, nun allesamt Spionenriecher werden zu wollen und in jedem .. einen verkappten oder wenigstens potentiellen Agenten zu sehen; Grass 1962 Blechtrommel 491 Auch mußte ich mir . . eingestehen, daß das ungenierte Liebespaar über mir, die alte murmelnde Frau unter mir simple Polizeiagenten waren; Welt 20.1.1966 Präsident de Gaulle hat am Mittwoch den französischen Geheimdienstchef . . wegen der Mithilfe von Geheimdienstagenten an der Entführung des marokkanischen Oppositionspolitikers Ben Barka entlassen; Offenburger Tagebl. 6.8. 1966 Ein mehrtägiger Prozeß gegen drei angebliche „Agenten und Grenzprovokateure" begann am Freitagvormittag im Berliner Sowjetsektor; Bild
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Agentur
18.2.1967 ganz nebenbei horchten die Agentinnen Offiziere aus; ebd. 10.4.1967 knallharte Agentenfilme; Offenburger Tagebl. 6. 5.1969 Was für Menschen werden Agenten? Auf sie trifft vielleicht im geringeren Maße das zu, was der Laie unter Spion versteht; Welt 16.8.1974 Bei dieser Gelegenheit soll Genscher laut Auskunft der Bundesregierung empfohlen haben, Guillaume wegen des noch vagen Verdachts und wegen der beabsichtigten Aufdeckung des kompletten Agentenringes weiterzubeschäftigen; Zeit 30.8.1985 Aufträge und Ziele der gegnerischen Agenten sind klar umrissen: die Ausspähung politischer, militärischer, wirtschaftlicher und wissenschaftlicher Geheimnisse sowie die Rekrutierung neuer Spione; MM 31.10.1985 Doch sollte auch nur in Ausnahmefällen das Fernsehen in die Rolle des Agent provocateur durch gezielte Interpretationen moralisch-poetischer Begriffe schlüpfen, wie es das Theater der Gegenwart sich anmaßt; Zeit 2.5.1986 Der Untersuchungsausschuß . . mühte sich umsonst, Mauss über seine zwielichtige Rolle als möglicher „agent provocateur" zu befragen; MM 19.3.1987 Wie immer geht es um mysteriöse Verwicklungen zwischen Ost und
West, die von Geheimagenten beider Seiten an Schauplätzen in Wien, Tanger, Gibraltar und am Reschensee in Südtirol inszeniert waren; Ortheil 1992 Agenten 170 wir schicken den agent provocateur, andere reinzulegen. Agent 2: 1576 Meinrad 2 damit ander lüth mögend gsen vnd losen/ was hüt werde fürgetragen/ vnd die agenten thüen sagen (DWB N.); Spangenberg 1605 Hecuba LVCCXH 166 Unnd damit der Junge Agent neben meiner Alcestis auch etwas newes zu agiren hatte; Ettner 1719 Maul-Affe 465 Man spielet Comoedien wann das Kleid ausgezogen .. ist, so ist der Agent wieder der er vor dem Spiel gewesen. Agent 3: Hamann 1780 W. Ill 259 D. macht den einwurf, wie materie bewegung ohne willkürlichen agenten und ersten beweger (DWB N.); Henneam Rhyn 1897 Kulturgesch. 440 Gurney nennt die Personen, die in telepathische Beziehung zueinander treten, „Agent" (die aktive) und „Percipient" (die passive).
Agentur F. (-; -en), seit späterem 18. Jh. (1774 bei Adelung) gebuchte, seit Mitte 19. Jh. kontinuierlich nachgewiesene, latinisierende Ableitung von —> Agent 1. Älteres Agentschaft und Agentie (—» Agent l a) verdrängend in der Bed. 'Amt, Funktion, Auftrag eines Agenten, Vertretung, Vermittlung' und 'Geschäftstelle, Büro eines Agenten, Vermittlungs-, Werbebüro', bes. als Grundwort in verdeutlichenden Zss. wie Versicherungs-, Handels-, Reise-, Werbe-, Künstler-, Theater-, Konzert-, Filmagentur. Im 20. Jh. speziell auch für 'Institution, die Nachrichten, Bildmaterial u.a. Informationen aus aller Welt sammelt und an Presseorgane weitergibt, Nachrichtenzentrale', bes. in den verdeutlichenden Zss. Nachrichten-, Presseagentur, früher auch Depeschenagentur, vgl. auch Agenturbericht 'Bericht, der von einem Nachrichtenbüro an Presseorgane verkauft wird', entsprechend auch Agenturmeldung; in neuerer Zeit vereinzelt für 'Vertretung einer Nation im Ausland' (s. Beleg 1945) und als Ableitung von —» Agent Ib für 'Spionagezentrale, Geheimdienstbüro'. Seit dem 19. Jh. gelegentlich übertragen verwendet für 'Vermittlerstelle, Vetretungsinstanz, gesellschaftliche Institution als Vermittler von Denkrichtungen, Bewegungen, Ideen u.a.' (s. Belege 1868, 1963, 1970). Brugger 1847 Urbild d. deutschen Reinspr. 255 In der Neuzeit kommt besonders bei den vielen Feuer-, Lebens-, Gerätheschaften-, Häuser- u.s.w. Versicherungsanstalten das Wort Agent und Agentur sehr oft vor; Wuttke 1866 Zeitschriften 126 Dennoch that sich ihm gegenüber eine zweite Agentur telegrafischer Nachrichten auf, die Agence continentale; Eichhoff 1868 Arbeiterassoc. 40 seine [Belgiens] Regierung [ist] eine die Kapitalherrschaft vertretende Agentur der Bourgeoisie;
Nordau 1881 Paris U 221 die Auskunftsbureaux, Fremdenagenturen, Vermittler und wie sie alle heißen, die sich nur kleinere Geschöpfe zum Opfer ausersehen; Gottschall 1885 Totenkl. 282 In der That wird sie seine notorische Maitresse, und er macht sie zur Gräfin von Spoleto. .. Diese Gräfin aus dem Agenturbureau ist auch die Armida, welche den Rinaldo von kühnen Thaten abhält; 1889 Unsere Zeit 447 wurde auch insofern eine Verbesserung herbeigeführt, als die Briefe u.s.w. nicht
Agglomeration mehr an Bord der Dampfer vertheilt, sondern im Dienstraume der Postagentur ausgegeben werden; Tb. Mann 1901 Buddenbrooks (W. l 663) hatte er sich genötigt gesehen, seine letzte kaufmännische Tätigkeit, die Champagner- und Kognacagentur, fahrenzulassen; Nordegg 1907 Berl. Gesellschaft 140 als das Deutsche Reich seine Zustimmung zur Errichtung einer bulgarischen diplomatischen Repräsentation in Berlin gab, die ihrer Zusammensetzung nach eine richtige Gesandtschaft ist, sich aber . . mit dem bescheidenen Titel einer diplomatischen Agentur begnügen muß; 1914 Technik u. Wirtschaft VII 168 das eine ist jedenfalls wichtig, daß kleinere Depeschen-Agenturen in Spanien z. B. finanziell von Havas [Nachrichtenagentur] ebenso abhängig sind, wie die Bulgarische Agentur von Reuter, und daß etwa die vier Weltdepeschenbureaus: Wolff, Reuter, Havas und Associated Press, seit vielen Jahren ein Kartell eingegangen sind, das zum Zwecke der Kostenersparnis die Erde gleichsam in Einflußsphären aufgeteilt hat, in denen je eine Agentur unbedingt zur Nachrichtensammlung und Nachrichtenverbreitung herrscht; Nora 1932 Am Färbergraben 245 seine Agentur- und anderen Geschäfte besorgt; 1932 Stecowa 27 Er suchte das Büro des österreichischen Lloyd a u f . . sicherte sich . . die nötigen Plätze und verließ die Agentur; Th. Mann 1945 Reden u. Aufs. (W. XI1005) weil diese Agenturen [Konsulate in den USA] in der Tat seit langem nichts anderes mehr gewesen waren als Nester der Spionage und Sabotage; Welt 16.4.1959 wo Reiseagenturen kostspielige Safaris mit Privatküche, Badezelten und waffenstarrenden Eingeborenenkarawanen organisieren; Hupert 1961 Land 125 gegen den westberlinischen spionage-dschungel mit seinen hundert agenturen [Vertretungen] (DWB N.); FAZ 20.6.1961 Die Namen oder Abkürzungen der großen Welt-Nachrichtenagenturen wie Deutsche Presse-Agentur (dpa), die amerikanischen Associated Press (AP) und United Press (UPI) findet auch der Leser der Frankfurter Allgemeinen Zeitung auf den Nachrichtenseiten; auch Reuter, Agence France Press (AFP), Telegrafnoje Agentstwo Sowjetskowo Sojusa (TASS) und andere Quellen werden genannt. Die Berichte der ei-
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genen Korrespondenten der F.A.Z. werden mit den Diensten der Nachrichtenagenturen ergänzt; Grass 1962 Blechtrommel 463 Die Konzertagentur verpflichtete sich, meine Tourneen vorzubereiten, erst einmal auf die Werbetrommel zu schlagen, bevor „Oskar der Trommler" mit seinem Blech auftrat; Adorno 1963 Prismen 96 Alle Vorstellungen einer bloß äußerlichen und durch Agenturen wie Familie und Psychologie vermittelten Einwirkung der Gesellschaft auf den Einzelnen sind als überholt durchschaut (DUDEN); Heuss 1963 Erinn. 210 Die Depeschenagentur meldete, daß sein Nachfolger Georg Michaelis hieß; 1966 Urania XI 52 wenn nicht ein Sonderkorrespondent entsandt wurde — wird die Meldung über den Dienst einer der großen Nachrichtenagenturen oder über die nationale Agentur des betreffenden Landes empfangen; ND 21.6.1969 westlichen Agenturberichten zufolge; FAZ 19.3.1970 Der Zionismus wird zum Sündenbock und Prügelknaben gestempelt, zur direkten Agentur des westlichen Imperialismus; Süßkind 1981 Kontrabaß 55 weil er seine eigne Konzertagentur hat; Zeit 18.1.1985 Agenturen zur Vermittlung von Mietmutterschaften; ebd. 26.4.1985 Ebenso subtil wie die Abkürzung ist der von findigen Köpfen im Elysee und im Außenministerium . . ausgeheckte Plan einer „Europäischen Agentur für die Koordination der Forschung". . . Die Agentur sollte namentlich auf sechs 'high tech'-Gebieten die europäische Forschung koordinieren; ebd. 10.5.1985 Werbeagenturen stylen Kandidaten [Politiker] wie Mannequins, vermarkten sie wie Suppenwürfel, stellen ihnen Kinder und Tiere an die Seite; ebd. 14.3.1986 Das Institut vermittelt Aufführungen und verhilft jungen Truppen zu guten Engangements — hier versteht man sich durchaus auch als Agentur; ebd. 21.3.1986 Nicht alles läßt sich auf die knackige Kurzform einer Agenturmeldung bringen; MM 15.8.1986 Lokalredakteur Jan Cerny erläuterte den Unterschied einer Agenturmeldung und dem eigenen Bericht, der zur Exklusivität einer Zeitung beiträgt; Zeit 6.1.1987 bei Verhandlungen mit Künstlern und Agenturen; MM 8.1.1988 Nach Informationen der Nachrichtenagentur dpa könnten unter Umständen Frauen für den Sanitätsdienst eingestellt werden.
Agglomeration F. (-; -en), im frühen 19. Jh. (CAMPE) aufgekommen, zurückgehend auf mlat. agglomeratio, Gen. agglomerationis, 'Anhäufung' (zu (m)lat. agglotnerare, s. u. agglomerieren). Ausschließlich bildungs- und fachspr. als nomen acti in der Bed. 'An-, Aufhäufung, Ansammlung, Zusammenballung' (weitgehend gleichbed. mit —> Akkumulation), überwiegend in bezug auf Siedlungsformationen für 'Zusammendrängung der Bevölkerung', z. B. großstädtische Agglomeration, vgl. auch Konglomeration, —» Konglomerat.
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Agglomeration
Im früheren 19. Jh. gleichbed. das seltene (vermutlich unter Rückgriff auf agglomeratus, Part. Perf. von agglomerare, s. u.) aufgekommene Subst. Agglomerat N. (-(e)s; -e), in der Geologie speziell auch 'Anhäufung loser Gesteinstrümmer aus vulkanischem Auswurf' und in der Metallurgie 'aus feinkörnigem Material hergestellte stükkige Masse'; vgl. auch Akkumulat, —»· Akkumulation. Gleichzeitig (CAMPE) das aus (m)lat. agglomerare '(sich) anschließen, aneinanderdrängen, anhängen, aufhäufen, zusammenballen, versammeln' (aus ad- 'hin(zu)' und glomerare 'zu einem Knäuel aufwickeln, ballen', zu glomus, Gen. glomeris, 'Knäuel, Kloß') übernommene trans, und selten reflex, verwendete Vorgangsverb agglomerieren, ausschließlich bildungs- und fachspr. in der Bed. '(sich) an-, aufhäufen, zusammenballen'. Dazu im 20. Jh. vereinzelt das Verbalsubst. Agglomerierung. Im 20. Jh. selten das (von dem Soziologen A. Weber in bezug auf wirtschaftlich relevante Gruppen geprägte) Adj. agglomerativ 'angehäuft, zusammengeballt'. Agglomeration: Buss 1843 Armenpflege 1 XXXII In der Landwirtschaft sehen wir . . die Agglomeration der Güter; Hahn-Hahn 1844 Oriental. Br. // 29 eine unregelmäßige Agglomeration von viereckigen Lehmhütten; Gildemeister 1870 Bismarck 44 seine Theorie von den großen nationalen „Agglomerationen"; Rümelin 1875 Reden I 349 die größte Agglomeration der Welt, London; Kraus 1896 Br. 202 die Agglomeration großer Bevölkerungsmassen auf einem Punkt; Gomperz 1905 Weltanschauungslehre I 182 eine agglomeration von konkreten objekten und prozessen (DWB N.); Schott 1912 Die großstädtische Agglomeration des Deutschen Reiches (Titel); Müller 1931 Breslau 16 großstädtische Agglomeration; Heilauer 1933 Europäisierung 5 die Zusammenballung, die Agglomeration nach der Terminologie Alfred Webers, von Kaufleuten auf überseeischen Plätzen; NZ. (Basel) 4.5.1949 Grossagglomeration von Straßburg; Hook 1954 Mannheim 16 Die Siedlungsagglomeration Mannheim kann also nicht als eine natürliche bezeichnet werden; Stuttgarter Ztg. 20.1.1959 bei Städten, die praktisch nur noch eine einzige Agglomeration darstellen; Schweitzer 1960 Kultur 24 dass das Erwerbsleben immer mehr Menschen in grossen Agglomerationen vereinigt; 1969 Durch d. schöne Welt 4 unterdessen allerdings nennen sich über acht Millionen Menschen Angehörige der „Agglomeration" Paris; 1970 Raumforschung o. S. ein auslaufendes Verflechtungsgebiet mit einer gewissen gewerblichen Orientierung am Rande eines großstädtischen Agglomerationsraumes; Habermas 1985 Unübersichtlichkeit 26 Die städtischen Agglomerationen sind dem alten Konzept der Stadt . . entwachsen; Zeit 29.8.1986 Zur selben Zeit nämlich hatte der Architekt Wilhelm Holzbauer kritische Gedanken zur Salzburger Stadtplanung niedergeschrieben . . Salzburg, die Häßliche, die „Agglomeration von ungegliederten Bauten, ohne
jede Beziehung zueinander"; Lukoschik 1990 In u. Out 175 Venedig . . ist die größte kollektive Abzocker-Agglomeration südlich der Alpen; Zeitmagazin 19.10.1990 jetzt, wo die Stadt sich wieder herausarbeitet aus der grauen Agglomeration. Agglomerat: Schwab 1837 Schwaben 17 ein Agglomerat von Häusern; Petersen 1870 Genrebilder 58 Das gewaltige Agglomerat von gesellschaftlichen Elementen, die in einer großen Stadt wie Paris der Arbeit und dem Nichtstun, dem Studium und dem Vergnügen leben; Hellwald 1878 Orient 14 ebenso kann man auch die islamitische Cultur als Agglomerat der Bildung jener Völker bezeichnen, welche die Araber in so erstaunend kurzer Zeit . . unterworfen haben; 1924 Deutschlands Erneuerung 273 Preußen war ein Agglomerat von Provinzen und Provinzsplittern; 1933 Verd. techn. Frw. o. S. Agglomerat Sinter, . . Sintererzeugnis, Anhäufung, Ballung; GregorYF'atalas 1965 Film 102 es bleibt ein Agglomerat von Szenen, in denen das Grauen stets aufs Neue sich manifestiert (DUDEN); Zeit 30. 5.1986 Auch die Werke Albertis bleiben unverstanden, die Rembrandts ein bloßes Agglomerat brauner Sauce ohne die Anstrengung . . des gebildeten Betrachters, der sie nach den Regeln der Kunst zu würdigen weiß. agglomerativ: Weber 1909 Industrien l 23 in jedem solchen Produktions- und Absatzprozeß müssen alle generellen Standortfaktoren, soweit sie nicht . . agglomerativ bez. deglomerativ sind, . . aufzufinden sein; ebd. 123 Ein Agglomerativfaktor im Sinne unserer Erörterung ist ein „Vorteil", also eine Verbilligung der Produktion oder des Absatzes, die sich daraus ergibt, daß die Produktion in einer bestimmten Masse an einem Platz vereinigt vorgenommen wird; 1949 Synopsis 408 Das Zusammenschlußbedürfnis der Spezialisten führt nicht nur zu örtlichem Zusammenrücken, Zusammensiedeln,
Aggregat Zusammenwohnen, sondern auch zu organisatorischem Zusammenschluß in Zünften, Gilden, Berufsvereinen. . . Das, was Alfred Weber in seiner Theorie des Industriellen Standorts als „Agglomerativtendenz" bezeichnet, ist ja nicht nur eine rein wirtschaftlich-rationale Erscheinung, sondern sie ist in nicht unerheblicher Weise durch das hier aufgewiesene soziologisch-triebmäßige Motiv bedingt. agglomerieren: Reumont 1862 Zeitgenossen I 48 das Länder agglomerierende, gewissenlos-arbiträre System; Mayr 1877 Gesetzmässigkeit 155 Gemeinden mit einem Hauptorte von mehr als 2000 Einwohnern unter dem Begriffe der agglomerirten Bevölkerung; Weber 1909 Industrien I 196 Die Ma-
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schinenfabrikation geht dorthin, wo die Hauptindustrie sich agglomeriert; 1933 Verd. techn. Frw. o. S. Agglomerieranlage Sinteranlage; 1970 Raumforschung o. S. Auf der anderen Seite darf aber nicht verkannt werden, daß die agrarische Tätigkeit nach wie vor flächenproduktiv bleiben muß, sich daher niemals wirklich verdichten und die landwirtschaftliche Bevölkerung sich auch nicht im wesentlichen Maße agglomerieren kann. Agglomerierung: 1934 Volk u. Reich 606 Die südwestliche [Gruppe] ist aus . . polygenen Völkern gebildet, die letztlich durch Agglomerierung um kleine Kerne zu Großzusammenballungen geworden sind.
Aggregat N. (-s; -e), im späten 15. Jh. entlehnt aus lat. aggregatum (subst. N. des Part. Perf. von aggregare 'anhäufen, hinzu-, zusammenfügen, beigesellen, dazuzählen, addieren, vereinigen', aus ad- 'hinzu' und gregare 'zu einer Herde scharen', zu grex, Gen. gregis, 'Herde, Schar, Gruppe, Truppe, Bande'), früher vereinzelt in der lat. (fielet.) Form. a Zunächst fachspr. in der Mathematik in der bis ins 20. Jh. gebuchten Bed. 'Summe mehrerer, durch Plus- bzw. Minuszeichen verknüpfter mathematischer Größen'. b Seit spätem 17. Jh. zunehmend bildungsspr. verwendet in der allgemeinen Bed. 'Vereinigung, Anhäufung, quantitative Verknüpfung von Elementen, Personen, Phänomenen, Umständen u.a. zu einem heterogenen Ganzen, Ansammlung, Kollektion', häufig auf gesellschaftspolitische Verhältnisse bezogen (s. Belege 1821, 1897, 1956); bes. in der seit Ende 18. Jh. nachgewiesenen Zs. Aggregatzustand, zunächst fachspr. in der Chemie für 'Zustandsform eines Stoffes, die durch die unterschiedliche Zusammenhäufung der Moleküle, Atome oder Ionen erreicht wird', vor allem in den Syntagmen fester, flüssiger, gasförmiger Aggregatzustand; im 20. Jh. auch übertragen verwendet, z. B. seelischer, gesellschaftlicher Aggregatzustand (s. Belege 1927, 1938, 1950). c Seit Mitte 19. Jh. fachspr. produktiv, z. B. in der Technik für 'aus verschiedenen Einzelmaschinen zusammengestellter Maschinensatz' (z. B. Koppelung von Arbeitsund Kraftmaschinen, zu einer Produktionsstraße zusammengestellte Maschinen), bes. in Zss. wie Notstrom-, Pump-, Kühlaggregat, und in der Mineralogie als Bezeichnung für eine aus verschiedenen Kristalliten zusammengesetzte Gesteinsverwachsung (s. Beleg 1855). Dazu seit spätem 17. Jh. das aus gleichbed. lat. aggregare (s. o.) entlehnte V. trans. aggregieren, in der Bed. 'jmdn./etwas hinzufügen, beigesellen, dazuzählen, anhäufen, addieren, zu einem Ganzen vereinigen'; im 18./19. Jh. im militärischen Bereich (s. Beleg 1764) für 'jmdn. als dessen Anwärter an jmds. Seite stellen, jmdn. außerplanmäßig einer Truppeneinheit zuteilen' (zu b); auch fachspr., z. B. in der Mineralogie (zu c). Seit Mitte 18. Jh. das aus flekt. Form von gleichbed. lat. aggregatio entlehnte Subst. Aggregation F. (-; Pl. ungebr.) 'das Hinzufügen, Beigesellen, Addieren von Einzelnem, Verschiedenem zu einem Ganzen'; überwiegend fachspr., z. B. in der Chemie für 'lockere Zusammenfügung von Molekülen oder Ionen' und in
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Aggregat
der Biologie, bes. in der Zs. Aggregationsverband 'Zellzusammenschluß aus zuvor freien Einzelzellen', selten auch übertragen verwendet (s. Beleg 1780) (zu b); speziell in der Mineralogie für 'Aneinanderhäufen von Kristallinen' (zu c). Aggregat a: Widmann 1489 Rechenung 8b Du solt mir suchen eyn zal wenn ich 2/3 der selbenn zal dar zu addir. vnnd dar nach das aggregat in 4 l/ 2 partir (SCHIRMER, Mathematik); Rudolf-Stifel 1553 Coss 95b So du nun solt addiren/ so addir zum ersten deyne zwo zalen .. vnd diss aggregat multiplicir schlechtlich mit der grösten mensur; Fleming 1726 Soldat 17 Das Addiren heisset eine Zahl finden, welche verschiedenen Zahlen zusammen genommen gleich ist. Die gegebene[n] Zahlen werden die Summirenden, die gefundene aber wird die Summe oder das Aggregat genennt. Aggregat b: Schilling 1677 Predigten 6 [Der Mensch ist] ein Aggregatum und zusammen getragener Hausrath von Haut und Bein, von Fell und Fleisch; Schiller 1789 W. IX 95 So würde denn unsre Weltgeschichte nie etwas andres als ein Aggregat von Bruchstücken werden; Goethe 1799 Br. (WA IV 14,156) aus einem Aggregat von Puncten entsteht keine Form; 1799 Att. Museum III 273 wofern wir anders etwas mehr als ein bloßes Aggregat von Zufälligkeiten sind; Klaproth 1807 Chem. Wh. I 80 Aggregat. Aggregatum. Agregat. Agregation. Agreges. Man nennt eine Menge von Theilen, die so miteinander in Verbindung stehen, daß der Zusammenhang stets unterbrochen ist, wie z. B. bei einem Mauerwerk, ein Aggregat; Steffens 1821 Caricaturen II 371 dass der Staat nicht durch ein Aggregat von Privatverträgen entstanden sein kann; Schieiden 1842 Bot. l 9 aus dem Aggregat der Wissenschaften ein System der Thatsachen zu machen; Haym 1859 Ges. Aufs. 50 ein so respektables Aggregat von Richtigem [gesagt], dass es der Wahrheit mindestens sehr nahe kömmt; Haeckel 1866 Generelle Morphologie l 122 Aggregatzustand der Naturkörper; Frantz 1870 Naturlehre 48 wonach die Bevölkerung wesentlich als ein Aggregat selbständiger Elemente gilt; Ratzel 1897 Polit. Geogr. 19 In einem Aggregat-Organismus aus so gleichartigen Elementen wie der Staat der Menschen kommt die Korrelation der Teile stärker zur Geltung als in Organismen mit bestimmten Organen; Lettenbaur 1927 Morgen 360 Mag man weiter sehen, wohin das Flämmchen der Vernunft, einmal angefacht, die Völker führt, die im Aggregatzustand immer wandelbarer Beziehungen zueinander stehen; Heilborn 1929 Revolutionen II 297 Das Bergsteigen, der Sonnenaufgang, die Höhle stellen sich ein, wenn der philosophische Gedankengang ihrer bedarf; sie sind seelische Ag-
gregat-Zustände; Gebauer 1932 Kulturgesch. 339 Vor der französischen Revolution war die katholische Kirche ein „Aggregat von Staatskirchen"; Benjamin 1935 Br. H 664 Sie müssen mir erlauben in diesem Umstand eine besonders bedeutsame Bestätigung des Umschmelzungsprozesses zu sehen, der die ganze, ursprünglich metaphysisch bewegte Gedankenmasse einem Aggregatszustand entgegengeführt hat, in dem die Welt der dialektischen Bilder gegen alle Einreden gesichert ist; Freyer 1938 Geschieht!. Selbstbewußtsein 21 ein neuer Aggregatzustand des geschichtlichen Geschehens; Fendrich 1950 Land 239 der seelische Aggregatzustand der meisten Menschen; Thienemann 1956 Umwelt 124 Die Lebensgemeinschaft ist nicht nur ein Aggregat, eine Summe von . . Organismen, sondern eine . . Ganzheit (DUDEN); Jaspers 1958 Atombombe 54 Der Tatbestand der Atombombe ist so ungeheuerlich, daß von ihm her die Politik in einen anderen Aggregatzustand versetzt wird; Welt 26. l. 1976 Ein außenstehender Theatermann versucht, einen Roman in den Aggregatzustand des Theatralischen zu zwingen; Fleischer 1978 Geschichtsprozeß 168 Alles verweist darauf, daß wir es hier [bei der Organisation von Gesellschaften] mit einem Bedingungsaggregat von hoher Kontingenz [zu tun haben]. aggregieren: Francisci 1676 Lust-Haus 821 und wenn wir gleich zugäben, die lufft sey ein theil deß erdreichs, ob darum eben nothwendig alle theile eines aggregirten oder auch mancherley dingen zusammengesetzten baues einerley bewegungen haben müssen (DWB N.); Maria Theresia 1764 (Wolf 1858 Hofleben Maria Theresias 341) ich mögte die liste haben von beeden armeen was bey selben vor aggregirte stabsofficier bey und ohne bey denen reg. angestellt zu sein sich befinden, dem Grechtler 800 fl. zu geben; Schleiermacher 1819 Leben in Br. 358 daß er .. als aggregierter hauptmann nach Posen versezt ist (DWB N.); 1857 Aug. Mil. Enc. l 206 Aggregieren. Offiziere einer Partei solange als überzählig zutheilen, bis Stellen für sie offen werden; Werther 1861 Kl. Deutschland 11 130 damit sein Glanz Alles überstrahlen möge, wurde ihm der Reichsgardeinfanterist und der Hofklappentrompeter aggregirt; 1969 Wh. Ökonom. Sozialismus 15 Im Prozeß der A. [Aggregation] werden die Einzeldaten zusammengefaßt und aus den aggregierten Größen allgemeinere und umfassendere Aussagen gewonnen; Zinn 1971 Planwirtschaftstheorie o. S.
Aggregat die aggregierten Konsumentenwünsche; Luhmann 1978 Evolution 415 Es würde diese Einsichten zu stark raffen und zu hoch aggregieren, wollte man weiterhin von „Ungleichzeitigkeit des Gleichzeitigen" sprechen; Habermas 1985 Unübersichtlichkeit 95 vielmehr aggregieren sich in dieser Bewegung viele Neins: das Nein zu Atomwaffen mit dem Nein zu Atomraketen, zur Großtechnologie überhaupt, zur chemischen Umweltverschmutzung; Zeit 26.4.1987 dann macht es technisch keine Probleme, die jeweils gewünschten Daten zu aggregieren, also zu anonymen Paketen zusammenzufassen. Aggregation: Rüdiger 1756 Chemie 593 die Schmelzung . ., in so weit dieselbe die cörper in ihrer aggregation, figur, große u.s.w. ändert, oder auf dem trockenen wege auflöset und in eine neue mischung setzet (DWB N.); Goethe 1780 Tagebücher (WA III 1,109) dass ich mir [beim Zeichnen] vergebne Mühe gebe, vom Detail ins ganze zu lernen, ich habe immer nur mich aus dem ganzen ins Detail herausarbeiten und entwickeln können, durch Aggregation begreife ich nichts, aber wenn ich recht lang Holz und Stroh zusammengeschleppt habe und immer mich vergebens zu wärmen suche, wenn auch schon Kohlen drunter liegen . . so schlägt denn doch endlich die Flamme in Einem Winde übers ganze zusammen; ders. nach 1790 Naturwiss. Sehr. (WA H 13,52) Vor allem also sollte der Analytiker untersuchen .., ob er denn wirklich mit einer geheimnisvollen Synthese zu tun habe, oder ob das, womit er sich beschäftigt, nur eine Aggregation sei, ein Nebeneinander, ein Miteinander; Haller 1820 Restauration II 7 Das untergebene Volk . . bildet und erweitert sich durch succesive Aggregation, d. h. durch Anschließung einzelner Menschen, die mit den Ihrigen in seine [des Fürsten] Dienste treten; Haeckel 1866 Generelle Morphologie I 289 Gesetze der Aggregation oder Gemeindebildung; 1948 Beiträge z. Kulturphilosophie 7 Alles psychophysische Dasein .. muss . . als . . Aggregation von Stoffen aufgefasst werden; 1966 Kulturanthropologie 370 Ein Wandel der politischen Verfassung . . wirkt sich auf die Lebensweise aus, auf die Art des Verhaltens und der Aggregation; Luhmann 1978 Evolution 413 Die Einheit des Seienden und/oder seiner Aggregationsweise garantiert die Einheit seiner Geschichte. Die Weltgeschichte ist zum Beispiel die Geschichte der aggregation corporum; Zeit 4.10.1985 Was Altvater „quantitatives Wachstum" nennt, die Zunahme des Bruttosozialprodukts, ergibt sich statistisch aus der Aggregation von Marktumsätzen, welche ihrerseits das Produkt von Mengen und Preisen sind, also aus einer Mengen- und einer Wertkomponente bestehen.
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Aggregat c: Valentin 1855 Physiologie 378 Man findet regelwidrige Ablagerungen körniger und kugeliger Gebilde, die man mit dem Namen der Körnchenzellen, der zusammengesetzten Entzündungskugeln, der Aggregatskörper oder der Körnerhaufen bezeichnet hat; 1901 Ztg. f. Naturforscher II 219 Aggregat von Quarzkörnern; Colerus 1929 Kaufherr 235 Die erzeugten Revolverbänke und Fräsaggregate .. seien gute und preiswerte Präzisionsarbeit moderner Bauart; Münch. N.N. 9.10.1940 Beispielsweise haben zwei junge Leute . . ein Sägewerk regelrecht zusammengebastelt. Dampfmaschine, Gatter und andere Bestandteile dieses sehenswerten „Aggregats" sind ehrwürdige Museumsstücke, einzelne Teile laufen nur dann, wenn regelmäßig nachgeholfen oder geflickt wird; ND 1.1.1954 Seit diesem Jahr gehören auch Aggregate für Walzwerke und riesige Verladebrücken bis zu 200 Meter Länge und 30 Meter Höhe sowie andere Stahlkonstruktionen zu unserem Programm; ebd. 21.12.1964 Ein Notstromaggregat garantiert, daß die Besucher [der Schwebebahn] bei eventuellem Stromausfall nicht in der Luft hängen bleiben; 1967 Urania I 22 Das Kernstück des Maschinensystems für die komplette Mechanisierung der Kartoffelproduktion ist das neue Modell des Kartoffelvollernteaggregats E 665; Strübel 1971 Mineralogie o. S. Als kryptokristallin bezeichnet man Kristallaggregate, bei denen die einzelnen Kristalle, z. B. bei der Bildung vieler Keime und bei überstürzter Kristallisation, sehr klein geworden sind, so daß man sie mit dem Auge nicht mehr einzeln erkennen kann; MM 12.10.1985 Damit wurde ermöglicht, das ABS [Anti-BlockierSystem] so kompakt einzuordnen, daß das gesamte Aggregat nicht mehr Platz [im Auto] beansprucht als ein herkömmlicher Bremskraftverstärker; Zeit 16.5.1986 Achtzig Jahre wird er am Pfingstmontag, Gerd Bucerius: doppelt so alt wie die 'Zeit', die er 1946 gegründet hat und deren zentrales Antriebsaggregat er bis heute geblieben ist; MM 16.1.1987 Nach unvorhergesehenen und schweren Komplikationen habe sich das Team um den Berliner Herzchirurgen, Professor Emil Sebastian Bücherl, dazu entschlossen, die lebenserhaltenden Aggregate abzustellen, teilte Bücherl gestern mit; ebd. 30.4.1988 Als erste Stadt im Rhein-Neckar-Raum hat Ludwigshafen vor vier Wochen eine Einrichtung zur Entsorgung von Kühlmitteln und Verdichterölen aus Kühlaggregaten in Betrieb genommen. aggregieren: Saussure 1781 Reisen durch d. Alpen (Übers.) I 157 Aggregirte Felsarten. Sandstein. Abgerundete Kiesel dieser Art (Überschr.); Schlaf 1910 Individuum 126 wir sehen also, dass das atom die fähigkeit besitzt, sich mit seinesgleichen zu aggregieren (DWB N.).
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Aggression
Aggregation: Sendtner 1854 Veg'verh. Südbayerns 418 [Einteilung der Pflanzen nach] der Aggregationsform des Bodens. Die wichtigsten Verschiedenheiten derselben sind tropfbar flüssig und fest. Das Flüssige offenbart sich als Wasser, das Feste als Land; Hochstetter-Bisching 1898 MG. 2 Eine
vollständige Ausbildung der Krystallform ist bei den Mineral-Individuen selten, gewöhnlich sind dieselben in großer Anzahl eng aneinander entwikkelt. In diesem Falle spricht man von Aggregation (Aneinanderhäufen).
Aggression F. (-; -en), seit frühem 18. Jh. nachgewiesene Entlehnung aus (flekt. Form von) lat. aggressio 'Anfall, Angriff (zu aggredi 'auf jmdn./etwas zugehen, losgehen; jmdn. angreifen, überfallen', aus ad- 'zu, hinzu, heran' und grctdi '(heran)schreiten, -gehen'), gelegentlich in der Schreibung Aggression. 1 Im Bereich der internationalen Politik bezogen auf das Handeln von Staaten und politischen Machthabern in der Bed. 'militärischer Angriff, bewaffneter Überfall auf ein fremdes Staatsgebiet; Gewaltanwendung gegen andere Völker; Angriffskrieg' (—»Invasion, —»Intervention, —»· Expansion, —> Okkupation), auch 'kriegerische Haltung, Angriffsverhalten', z. B. in Wendungen wie eine drohende, direkte, militärische Aggression, eine Politik der Aggression betreiben, eine Aggression verurteilen und als Bestimmungswort in Zss. wie Aggressionsabsichten, -gelüste, -krieg, -truppen, -akte, -politik. Seit der Zeit nach dem ersten Weltkrieg gelten Aggressionen als Verstoß gegen das internationale Völkerrecht. 2 Seit Mitte 19. Jh. auch auf nicht-militärische Zusammenhänge ausgedehnt (—* aggressiv 2): a Zunächst selten von gesellschaftspolitischen, ideologischen o. a. Auseinandersetzungen in der Bed. 'kämpferische, gegnerische Haltung, Gegnerschaft, Anfeindung, Angriff (ohne Waffengewalt)' (—»· aggressiv 2a). b Seit Ende 19. Jh. als Fachwort der Psychologie vor allem auf menschliche Verhaltens- und Handlungsweisen bezogen, dann auch allgemeiner verwendet in der dominanten Bed. 'emotionales, affektbedingtes Angriffsverhalten des Menschen, das sich gegen andere Menschen, Institutionen, Gegenstände oder gegen das eigene Ich richten kann; Angriffslust, Streitsucht', auch 'ablehnende, schroffe, feindselige Haltung; herausfordernde, provozierende Handlung', gelegentlich gleichbed. mit Aggressivität (—* aggressiv 2b); z. B. in Wendungen wie gegenüber jmdm. Aggressionen haben, entwickeln, voller Aggressionen sein, angestaute Aggressionen abbauen, abreagieren und als Bestimmungswort in (zum Teil fachspr.) Zss. wie Aggressionshandlung, -delikt, -trieb 'der nach Freud jedem Menschen in unterschiedlicher Stärke innewohnende Trieb zu aggressivem Verhalten; Ursache von Aggressionen', Aggressionsinversion 'nach innen gerichtete Aggression (als Form des Masochismus)' und bes. in den fachspr. Kombinationen Auto-/Heteroaggression 'gegen die eigene Person/gegen fremde Personen gerichtete Aggression'. In neuester Zeit gelegentlich auch stärker pejorativ verwendet für 'mit Gewaltakten und Ausschreitungen verbundener Angriff (z. B. auf Institutionen), gewalttätige Handlung, Tätlichkeit, Terrorakt; Zerstörungslust', bes. von den Aktionen radikaler politischer Gruppen (vgl. l und —· Affront; s. Belege 1985, 1986, 1987). Dazu in jüngster Zeit die adj. Ableitung aggressionsfrei Ohne Aggressionen', c Seit früherem 20. Jh. selten im künstlerischen Bereich für 'primär auf die Sinne gerichtete Aufreizung, sinnliche Aufdringlichkeit', weitgehend gleichbed. mit Aggressivität (—» aggressiv 2c).
Aggression Aggression 1: Sperander 1727 A la mod Sprach 22 Aggression, Angriff, Anfall; 1758 Abhandlung (Acta Publica XVI 25) im Preussischen Aggressionsfall; ebd. XVI 37 die Preussische . . Aggression; Cogniaczo 1794 Gestaendn. l 173 Der Pöbel, der . . denjenigen als angreifenden Theil betrachtet, der . . zuerst ausschlägt, und die Aggression unter seines Gleichen nach erstem Faustschlage bestimmt; 1866 Grenzboten III 513 Die äußere Politik muß also wesentlich conservativ sein, . . jeder Intervention, jeder Aggression entschieden entsagen; Reichensperger 1872 Phrasen 4 Agression. S. Uebergriff; 1882 Monatsschr. (Nathusius) I 33 keine Aggression!; Holstein 1900 Papiere IV 183 die fremdenfeindliche Politik der letzten Monate . . als eine . . notwendige Abwehr gegen fremde Aggression; Manch. N.N. 26.7. 1941 Japan wurde der „Aggression" beschuldigt; N.Z.Z. 25.3.1943 [nach dem Krieg] eine Art von weltumfassender Aktion . ., die jeder „Aggression" ein Ende machen . . soll; ß. N. 27.12.1943 Ausschaltung Japans als Aggressionsmacht; V. ß. 4. 7.1944 Wenn all das auf ein Land zutrifft, was jene Heuchler unter „Aggression" und „Aggressor" verstehen, dann ist es die Sowjetunion; Welt 5.4.1949 die Völker des Atlantikpaktes verherrlichen nicht den Krieg, aber sie werden im Falle einer drohenden Aggression nicht vor ihm zurückschrecken; ebd. 14.10.1949 der indische Ministerpräsident . . versicherte .., daß sein Land im Falle einer „Weltaggression" oder der Bedrohung der Freiheit nicht neutral bleiben kann; NZ. (Basel) 4.2.1950 Wenn diese [Sympathien für Deutschland] durch die Musketierstiefel einer sturen Aggressionspolitik der Aera Hitler zertrampelt wurden; Süddtsch. Ztg. 24.4.1950 Zur Aggression gehöre nicht nur ein militärischer Angriff, sondern auch der Propagandakrieg; ebd. 30.7.1950 die Verschlechterung der internationalen Lage durch den unprovozierten Aggressionsakt in Korea; Welt 28.6.1954 die Beschuldigungen Guatemalas . ., das Land sei das Opfer einer ausländischen Aggression; Tritsch 1954 Erben 331 Weltaggression des Abendlandes; Süddtsch. Ztg. 29.8.1957 Sammlung von Spionagematerial zur Vorbereitung eines Aggressionskrieges; Offenburger Tagebl. 16.8.1958 Der Begriff der indirekten Aggression soll dem Westen rechtliche Deckung geben, um, . . diesem [dem Bolschewismus] an den Bürgerkriegsfronten entgegentreten zu können; Jaspers 1958 Atombombe 211 wie groß muß die Truppenmenge sein, um nicht mehr von Grenzzwischenfall, sondern von Aggression reden zu müssen? . . wie sollen die territorialen Grenzen, deren Überschreitung allein als Aggression gelten soll, festgelegt werden?; Offenburger Tagebl. 11.9.1959 Solange es keine Einigung
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zwischen China und Indien über die Grenzziehung gebe, würden die gegenseitigen Aggressionsbeschuldigungen nicht aufhören; Partner 1964 Erben 356 die Sachsen .. nutzten die Gelegenheit zu einem Rachefeldzug, der alle vorherigen Aggressionen an Wildheit und Härte übertraf; ND 10.3.1964 Prinzipien sind .. die Sicherung des Friedens, das Aggressionsverbot; Offenburger Tagebl. 6.8.1964 Radio Moskau bezeichnete den amerikanischen Vergeltungsschlag . . als „Aggressionsakt" und „Piratenüberfall"; Stuttgarter Ztg. 15.7.1967 müsse Bonn die „Alleinvertretungsanmaßung", die eine „brutale juristische Aggression" darstelle, aufgeben; ebd. 21.4.1969 erklärte der . . Außenminister . .: „Auf Aggression werden wir mit Aggression antworten"; Welt 27.10.1969 den bedingungslosen Abzug aller amerikanischen Aggressionstruppen [in Vietnam]; FAZ 2.1.1970 die Sowjetunion .. habe im eigenen Land die „faschistische Diktatur" errichtet, im Ausland stoße ihre „Aggression und Expansion" auf wachsenden Widerstand; Offenburger Tagebl. 6.3.1970 Israels UNO-Botschafter . . protestierte beim Weltsicherheitsrat . . gegen die „täglichen Aggressionsakte" arabischer Freischärler; FAZ 20.3.1970 Wer nur erklärt, er wolle bei der Änderung der Grenzen keine Gewalt anwenden . . [verfolge] eine Taktik, mit der bereits Hitler seine Aggressionen vorbereitete; Zeit 2.8.1985 gerade weil es nun die absolute Waffe gebe, müßten die Staaten hinfort ihre Aggressionsgelüste zügeln; ebd. 11.4.1986 Österreich hat sich bis zuletzt als Opfer der Hitlerschen Aggression empfunden; MM 17.4.1986 ist die Definition des Begriffs „Aggression" von besonderer Bedeutung, auf die sich die UN-Generalversammlung 1974 geeinigt hat . . demnach stellt „die Entsendung bewaffneter Banden, Gruppen, Freischärler oder Söldner durch einen Staat oder in seinem Namen" eine Aggression dar; Zeit 20.3.1987 alle Formen der territorialen Aggression; Borst 1988 Barbaren 23 Die Aggression der Völkerwanderung setzte sich verwandelt fort in der Ausbreitung des katholischen Glaubens. Aggression 2a: Alexis 1852 Ruhe l 244 von seinem finanz-castell aus wird er [Stein] invectiven, aggressionen, blitze nach allen selten schleudern; Ritschi 1870 Rechtfertigung l 549 deshalb trägt sie [Brüdergemeinde] unumgänglich den typus der secte an sich, den sie . . in der aggression gegen die kirche bewährt hat (beide DWB N.); Heuss 1963 Erinn. 269 Erzberger machte eben die bald sichtbare Erfolglosigkeit zur Grundlage seiner Aggression gegen die Regierung; MM 9.5.1987 in den Bildern der Futuristen sind der Kult der Maschine
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und Aggression gegen alles Vergangene nicht in der Schärfe zu finden wie in den Manifesten. Aggression 2b: Achelis 1890 Theologie I 515 Die Schüchternheit des Seelsorgers . . wird oft dadurch zu überwinden sein, daß er auf jede Aggression verzichtet; Freud 1911-24 metapsychol. Sehr. 205 Die gefährlichen Todestriebe werden im Individuum . . teils als Aggression nach außen abgelenkt, zum großen Teil setzen sie . . ihre innere Arbeit fort; Meisel-H. 1917 Monogamie 186 diese manner sind mit aggressionen krankhafter art . . förmlich geladen, sie haben meist . . ein verbildetes, labiles nervensystem, es sind hysteriker (DWB N.); Brach 1931—32 Schlafwandler 7 heroischen Aggression [des Mannes im Sexualbereich]; 1949 Synopsis 295 Es gibt keinen Trieb ohne Aggression; und es gibt keine Aggression ohne Störung und Zerstörung; Süddtsch. Ztg. 18./19.3.1950 die „Aggression" des Zuspät- und Zukurzgekommenen gegen die Erfolgreichen; Stuttgarter Ztg. 24.9.1962 das Auto sei das Mittel der „motorischen Aggression des Individuums" geworden; ebd. 5.7.1966 Die Tiefenpsychologie weiß heute, in wie vielen Fällen die .. Forderung der Selbstdisziplin zur Unterdrükkung des auch von Lorenz heute überwiegend positiv gedeuteten Aggressionstriebes führt; Offenburger Tagebl. 8.5.1970 Im Aggressions- und Destruktionstrieb des Menschen . . sah Freud den tieferen Grund der Kriege; ebd. 25.1.1971 Polizeifahrzeuge habe er deswegen als Ziel seiner Anschläge ausgesucht, weil .. er auf diese Weise seine „Aggressionen abreagieren" wollte; Bad. Ztg. 21.12.1972 Ministerpräsident Filbinger und Oberbürgermeister Keidel bauten angestaute Aggressionen ab (Überschr.); Zeit 28.12.1984 Ärger, Wut, Aggression werden in Worte und Taten umgesetzt, und wertvolle Tiere müssen für die Tat herhalten: das Schwein, die Sau, das Ferkel . ., der Esel, die Kuh, das Schaf, das Kamel . ., oft sogar das Mensch; ebd. 4.1.1985 der Computer als Spielpartner könne auch keine Aggressionen abbauen; ebd. 22.2.1985 die Berliner Zeitungen berichteten immer wieder über Aggressionen der Szene gegen bürgerliche Nachbarn; ebd. 19.4.1985 antwortet, ganz brav, lieb, ohne jede Aggression; ebd. 7.6.1985 Das Massaker im Stadion (Überschr.) . . offensichtlich vermag er das Aggressionspotential, das er mobilisiert, nicht zu kontrollieren; MM
9.8.1985 Terror auf Rhein-Main (Überschr.) .. diesmal richtete sich die Aggression gegen die amerikanische Luftwaffenbasis auf Rhein-Main; Zeit 23.8.1985 voller Aggression engagierte Frau Winkler einen Detektiv; ebd. 6.9.1985 sehen wir einen Prozeß der Unruhe, Aggression und Anarchie durch Kräfte in Gang gesetzt, die gewalttätige Revolution wollen; ebd. 8.11.1985 kein Autor der Vernunft, . . sondern einer des Affronts, der Aggression, auch gegen sich selber; ebd. 11.4.1986 warum moderne, funktionale Bauten . . so häufig Aggression und Zerstörungslust wecken; ebd. 23.5.1986 Jugendprobleme, darunter Aggressionen und Vandalismus, Alkoholismus; Konflikte zwischen deutschen und ausländischen Bewohnern; ebd. 29.8.1986 Aggression . . [, die] sich auf den Schulen . . zur Gewalttätigkeit entfalte; ebd. 20.3.1987 ich verstehe unter Aggression jedenfalls den tätlichen Angriff auf einen anderen Menschen. Zurufe: wenn ich jemanden mit dem Auto anfahre, ist das auch ein tätlicher Angriff, aber keine Aggression; Stern 16.6.1987 Zeitungen führen Aufklärungskampagnen über „das Gift, das die Hirnzelle angreift und Aggressionen provoziert"; MM 14. 6.1988 von ihren Aggressionen können sie sich nur durch einen Akt der Gewalt befreien. aggressionsfrei: Zeit 7.6.1985 aggressionsfrei ist Fußball nicht denkbar; MM 12.9.1985 aber ist die Frau deshalb friedlicher als der Mann, ist sie womöglich von Natur aus friedfertiger und aggressionsfreier?; ebd. 16.9.19 87 daß Kunst . . noch lange keinen aggressionsfreien Zeitgenossen zu erschaffen vermag. Aggression 2c: Th. Mann 1933 Reden u. Aufs. (W. IX 374) es wäre kindliche Barbarei, zu glauben, Höhe und Intensität der Kunstwirkung ergäben sich aus dem gehäuften Maß ihrer sinnlichen Aggression; MM 23.5.1987 das gibt der Musik ihre geforderte Raumwirkung, nimmt ihr aber dafür die Aggression der Lautstärke; ebd. 24.11.1987 Wolfgang Hofmanns Klänge meiden die harte Aggression, streifen nur manchmal mit schärferen Orgel-Rhythmen . . die äußeren Bedeutsamkeiten des Todesgeschehens auf Golgatha; ebd. 14.12.1987 anhand zweier bedeutender Sequenzen übermalter Fotos, bei denen die spirituelle Aggression des Lichts formuliert wird, läßt sich Ueckers Denken zumindest teilweise aufschlüsseln.
aggressiv Adj., im frühen 19. Jh. (eventuell unter Einwirkung von gleichbed. frz. agressif) aufgekommene, mit dem (auf lat. -ivus zurückgehenden) Suffix -iv gebildete Ableitung zu —» Aggression. l Zunächst im politisch-militärischen und völkerrechtlichen Bereich, bes. von politischen Machthabern und Staaten in der Bed. 'auf bewaffneten Angriff gerichtet, einen
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Angriffskrieg planend, durchführend; mit Waffengewalt gegen einen anderen Staat, fremde Völker vorgehend, eine expansive, offensive Außenpolitik (mit militärischen Mitteln) betreibend, fremdes Territorium überfallend, erobernd; kriegerisch, kriegslüstern, kriegshetzerisch', z. B. in Wendungen wie eine aggressive (Kriegs-, Kolonial-) Politik betreiben, aggressive Kriegsparolen, Absichten, Pläne, eine aggressive Militär-, Supermacht, aggressiver Militarismus, Nationalismus (s. Belege 1947, 1985, 1987; -» Aggression 1). 2 Von daher seit Mitte 19. Jh. zunehmend auch auf nicht-militärische Bereiche ausgedehnt: a Zunächst im politischen und geistig-kulturellen Bereich, bes. bezogen auf gesellschaftliche, ideologische, philosophische, künstlerische o.a. Auseinandersetzungen, Bestrebungen und Produkte für '(in engagierter und offensiver Weise) eine gegnerische Haltung gegenüber jmdm./etwas bekundend; streitbar, angriffslustig; stets bereit, sich mit etwas/jmdm. kritisch auseinanderzusetzen; kämpferisch, militant, offensiv, polemisch, bissig, scharf und unsachlich', insbes. auch 'jmdn. (in geistiger, intellektueller, kritischer Absicht zu etwas) herausfordernd, zum Kampf, zur Auseinandersetzung auffordernd; zum Widerspruch reizend' (—» provokativ), z. B. eine aggressive Gesinnung, Stimmung, Skepsis, ein aggressives Programm, aggressive Ideen, Thesen, Argumente, ein aggressives Pathos (s. Belege 1929, 1933, 1936, 1945, 1987), auch aggressive Töne anschlagen, ein aggressiv gemachter Film, eine aggressive Rede, ein aggressives Buch, Theaterstück, aggressive Songs vortragen (s. Belege 1911, 1959, 1974, 1985, 1986; vgl. auch 2b und 2c). b Seit späterem 19. Jh. zunehmend zur Charakterisierung vor allem von Verhaltensund Handlungsweisen verwendet in der Bed. 'stets geneigt oder bereit, jmdn. anzugreifen, zu attackieren, sich mit jmdm. zu streiten; auf Angriff gerichtet, gereizt, streitsüchtig; sich ablehnend, feindselig verhaltend' (s. Belege 1926, 1985), z. B. ein aggressiver Mensch, Charakter, aggressive Manieren, aggressiv reagieren; speziell in der Psychologie in Syntagmen wie aggressive Triebe, Reaktionen, Verhaltensmuster (—» Aggression 2b); auch stärker pejorativ für 'zu Gewalttätigkeiten neigend, sich gegen jmdn./etwas gewalttätig verhaltend, jmdn. tätlich angreifend, (schnell) handgreiflich, rabiat (werdend)', z. B. aggressiv gegen jmdn. vorgehen, eine aggressive Affekthandlung (s. Belege 1896, 1958, 1959, 1987) und gelegentlich für 'durch sein Verhalten andere gefährdend, frech, rücksichtslos (handelnd)', z. B. aggressiv Auto fahren, eine aggressive Spielweise (im Sport) (s. Belege 1966, 1967, 1987); selten auch eher in positivem Sinne verwendet für 'sich (z. B. im Sport) dynamisch, energisch, aktiv, energiegeladen zeigend, verhaltend' (s. Belege 1969, 1974, 1986, 1988) und vereinzelt 'sich gezielt und intensiv auf jmdn./etwas richtend', z. B. eine aggressive Zuneigung, Liebe (s. Belege 1898, 1973). c Seit früherem 20. Jh. vor allem im Bereich von Kunst, Mode und Werbung bezogen auf verschiedenste Gegenstände in der Bed. 'sich in betont auffälliger, aufdringlicher, aufreizender und auf Effekte bedachter Weise an jmdn. richtend (um Eindruck zu machen oder sich Aufmerksamkeit und Geltung zu verschaffen); die Sinne, bes. Auge und Ohr, in aufreizender Weise ansprechend, (sinnlich) aufdringlich, zudringlich, penetrant' (s. Belege 1967, 1985, 1986, 1991), bes. in Wendungen wie aggressive Farben, farblich aggressiv(e Bilder), aggressive Malerei, Musik; ein aggressiver Duft; eine aggressive Reklame, Werbung, Mode, vereinzelt auch eher mit positiver Wertung, z. B. aggressive Frische (s. Beleg 1987).
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d Im früheren 20. Jh. vereinzelt, erst in neuester Zeit häufiger vor allem auf chemische Prozesse bezogen in der Bed. '(Materialien) chemisch angreifend, in schädigender Weise auf etwas einwirkend, zersetzend, zerstörend, ätzend', z. B. aggressive chemische Substanzen, Säuren, Seifen, aggressives Wasser, aggressiver Sauerstoff, chemisch aggressiv (sein) (s. Belege 1967, 1986, 1992), seltener auch von Krankheiten oder Krankheitserregern für 'bösartig (wirkend), zerstörerisch', z. B. aggressive Viren, eine chronisch aggressive Krankheit/Hepatitis, ein aggressiver Tumor (s. Belege 1985, 1986, 1987, 1990), gelegentlich auch von Medikamenten, z. B. Impfstoffen o.a., für 'gezielt gegen etwas (z. B. eine Krankheit) gerichtet', bes. eine aggressive Therapie (s. Belege 1986, 1987). e Im frühen 20. Jh. vereinzelt, erst in neuester Zeit auch auf wirtschaftliche Vorgänge und Maßnahmen bezogen im Sinne von 'den Konkurrenten auf dem Markt angreifend, herausfordernd und ihn vor allem durch niedrige Preiskalkulation oder durch Billigpreise unterbietend', z. B. in Syntagmen wie eine aggressive Dividenden-, Preis-, Prämienpolitik (betreiben), aggressive (Niedrig-/Billig-)Preise (machen), von daher auch sachbezogen gebraucht bes. in der Zs. preisaggressiv in Wendungen wie ein preisaggressives Unternehmen, Sortiment, ein preisaggressiver Anbieter. Dazu Ende 19. Jh. vereinzelt die subst. Ableitung Aggressive F. (-; -n), im gesellschaftspolitischen Bereich für 'Angriff(sverhalten)', weitgehend gleichbed. mit —» Aggression 2a und —» Offensive (zu 2a). Seit Anfang 20. Jh. häufig die subst. Ableitung Aggressivität F. (-; ohne PL), zunächst für 'Neigung, andere anzugreifen, zu attackieren, mit anderen zu streiten; Angriffslust, Streitsucht, Gereiztheit, Schroffheit', vereinzelt eher positiv für 'Angriffsfreude, angriffsfreudige Spielweise (im Sport)' (s. Beleg 1969); speziell in der Psychologie in der Bed. 'meist unbewußte, sich nicht offen zeigende, habituell gewordene aggressive Haltung eines Individuums (bes. als Ausgleich von Minderwertigkeitsgefühlen oder Frustrationen)' (s. Beleg 1971) (zu 2b); seit frühem 20. Jh. auch im politisch-militärischen Bereich für 'Kriegs-, Angriffsbereitschaft, kriegerische Haltung' (zu 1); seit Mitte 20. Jh. häufig im geistig-kulturellen und gesellschaftspolitischen Bereich für 'Streitbarkeit, Bereitschaft, sich mit jmdm./etwas kämpferisch auseinanderzusetzen, sich gegen etwas aufzulehnen; (kritische, intellektuelle) Herausforderung', z. B. in Wendungen wie etwas mit Aggressivität inszenieren, vortragen, geistige, spontane Aggressivität (zu 2a); in neuester Zeit im Bereich von Kunst und Werbung für 'auf Effekt bedachte, sinnliche Aufreizung, Aufdringlichkeit' (zu 2c); etwa gleichzeitig von chemischen Substanzen, Krankheitserregern o.a. in der Bed. 'bösartige, zersetzende, zerstörerische Wirkung' (zu 2d) und im finanzwirtschaftlichen Bereich vor allem bezogen auf das Kalkulieren von Preisen auf dem Konkurrenzmarkt, bes. in der Zs. Preisaggressivität (zu 2e). In neuester Zeit vereinzelt die verbale Ableitung aggressivieren '(jmdn.) aggressiv machen' mit dem Verbalsubst. Aggressivierung F. (-; -en) (zu 2b). aggressiv 1: Huber 1828 Spanien l Vorr. XLII die Selbständigkeit der untern Classen hat in Spanien niemals den trotzigen, aggressiven, frechen Anstrich, den man oft in Frankreich und England findet; Prokesch v. Osten 1852 Br. 288 die Solidarität der vier Mächte gegenüber territorialen Angriffen und gegen jede auf andere Weise aggressive Politik;
Frantz 1862 Kritik 139 will vielmehr den Demos zu einer aggressiven Macht ausbilden; Schlägel 1868 Soldat 186 aggressive; Roggenbach 1884 Br. 227 indem bis dahin die Verbindung zwischen England und seinen Kolonien wohl ganz gelöst und letztere auf ihre eigenen Hilfsmittel und bis dahin entwikkelten Aggressivkräfte angewiesen sein werden;
aggressiv Stieler 1886 Krieg (70-71) 57 Und in der That, sieht keine Truppe aggressiver aus, als die französische; 1896 Grenzboten l 11 aggressive Kolonialpolitik; 1916 Schwed. Stimmen 73 England wechselte seine Taktik gegen Deutschland. Die Tage der Angebote zu einem Bündnis . . waren vorüber; man fing an, zu aggressiven Methoden zu greifen. Diese bestanden teils in Flottenrüstungen, teils in der beginnenden Einkreisungspolitik gegen Deutschland; Bülow 1916 D. Politik 91 Frankreich ist nach jeder Erstarkung seiner nationalen Macht aggressiv nach außen aufgetreten; Lettenbaur 1927 Morgen 140 Der aggressivste Genius, den die Geschichte kennt, Napoleon Bonaparte, stumpfte zuletzt ab nicht am russischen Winter allein, sondern auch an der russischen Masse; Scheler 1931 Idee 24 die Wandlung vom Aggressiv- respektive Präventivkrieg zum Verteidigungskrieg; Berl. Illustr. Nachtausg. 24. l. 1933 welche ungeheure Bedrohung des Friedens seine [Frankreichs] fieberhaften, . . aggressiven Kriegsvorbereitungen . . in Europa darstellen; Tb. Mann 1938 Reden u. Aufs,. (W. XI 930) ist der Nationalismus ein durchaus aggressiver, nach außen gerichteter Impuls; Münch. N.N. 5.1.1939 Die Jahresbotschaft Präsident Roosevelts . . war unter das . . Zeichen eines .. Amerika von Seiten der „Diktaturen" drohenden Kampfes um die Erhaltung demokratischer Freiheit gestellt. Diesen „aggressiven Absichten" gegenüber ruft er nun Amerika zu nationaler Einigkeit auf; Tb. Mann 1945 Reden u. Aufs. (W. XII 183) daß gerade dieser Anspruch .. seinen Träger . . aggressiv und kriegerisch macht, aggressiv gegen alle Völker; ders. 1947 Nachtr. (W. XIII 786) daß Deutschland jemals wieder eine aggressive Militärmacht werde; Welt 12.2.1949 was das Vordringen des Reiches auf seinen expansionistischen und aggressiven Wegen gehindert hat; Süddtsch. Ztg. 4.9.1950 Aggressiv- und Präventivkrieg; Borst 1957 Turmbau 27 Aggressive, missionierende Hochkulturen sind in diese Welt rasch eingebrochen; Jaspers 1958 Atombombe 211 die Beschränkung des Begriffs der Gewalt auf den Akt der Grenzüberschreitung läßt uns fragen: ist es aggressive Gewalt, wenn der Staat auf seinem Boden die Büros eines Unternehmens mit Polizei besetzt . . durch Thirring wird die Antwort gegeben: erst die Überschreitung der territorialen Grenzen bedeutet aggressive Gewalt; Stuttgarter Ztg. 12.5.1960 Nach internationalem Recht sei das Eindringen der amerikanischen Maschine in sowjetisches Gebiet ein „aggressiver Akt"; ebd. 19.3.1963 erhielt er . . Kenntnis von aggressiven Kriegsvorhaben Nassers gegen den Staat Israel; Süddtsch. Ztg. 4.10.1965 wenn in der Bundesrepublik jene „aggressive Außenpolitik" betrieben werde, die in Deutschland seit Bismarcks erzwungenem Rücktritt . . angewandt werde; Gör-
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litz 1967 Gesch. Generalstab 261 Hitler dachte . . in militärischem Sinne aggressiv; Offenburger Tagebl. 12.6.1970 begründete er [Podgorny] diesen Stand . . mit dem „aggressiven Kurs der USA und ihrem Bestreben, sich in die Angelegenheiten anderer Völker einzumischen und ihnen ihre Herrschaft aufzuzwingen"; Zeit 22.2.1985 daraus erwuchs ein Geist des aggressiven Militarismus mit Heinrich von Treitschke; ebd. 4.10.1985 daß die Mitglieder der New Yorker Gruppe . . einer aggressiven Außenpolitik und Aufrüstung das Wort geredet hätten; MM 13.2.1986 die aggressive sowjetische Außen- und Rüstungspolitik; Zeit 19.6.1987 er hält aggressiven Nationalismus ä la Falkland für ehrenwert. Aggressivität: Kjellen 1917 Studien (Übers.) 109 nicht unsere Meinung, der deutschen Politik im Jahre 1914 irgendeine bewusste Aggressivität zuzuschreiben; Walther 1919 Wege dtsch. Geistes 14 war schon lange vor dem Kriege das angelsächsische Glaubensbekenntnis voll Aggressivität gegen unsere . . deutsche Art, und es bedurfte nur des Anstoßes, um den Kulturkrieg gegen uns zu entfesseln; Th. Mann 1945 Reden u. Aufs. (W. XI 1087) Vorkehrungen . ., die notwendig sind, um jede weitere Aggressivität dauernd unmöglich zu machen, — dies Erlebnis darf und wird euch Deutschen nicht erspart bleiben; Weizsäcker 1950 Erinn. 117 Hitlers Aggressivität; Th. Mann 1953 Reden u. Aufs. (W. XU 976) ist sich der unlösbaren Verflechtung von Verteidigung und Aggressivität bewußt, die immer . . das Bild der ideologisch geschmückten Machtkämpfe bestimmt; ND 16.3.1959 die Aggressivität des deutschen Imperialismus und Militarismus; FAZ 15.12.1965 Warnungen vor der fortdauernden Aggressivität der Sowjetunion; MM 2.1.1987 die Aggressivität des Islam wird auf der sowjetischen Seite mit . . Wachsamkeit verfolgt. aggressiv 2a: Ambrosch 1848-49 Frankf. Pari. 31 die neu gebildete aggressive Rechte [Partei], unter v. Vinckes Führung, hervorgegangen teils aus dem . . Steinerschen Hause; vor 1864 (Lasalle 1891 Reden u. Sehr, l 521) diese absieht nimmt dem, was ich nun über den zustand der Sittlichkeit . . sage, jeden aggressiven charakter, jeden animus der provokation und aufreizung (DWB N.); Mommsen 1893 Reden u. Aufs. 473 Das jetzige politische Leben hat zu rechnen mit der aggressiven katholischen Partei, die den Protestantenhass und die Protestantenbekehrung auf ihre Fahne schreibt; vor 1898 (Bismarck 1919 Ged. u. Erinn. III 77) daß ein aggressives Vorgehen gegen den Socialismus Charakter-Eigenschaften erfordere, welche nicht Alle besaßen; 1911 Grenzboten IV 146 eine höchst aggressive Rede; Brod 1928 Zauberreich 218 Aggres-
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aggressiv
siv dagegen Frowein: „Und Ihr Prozeß?"; Voss. Ztg. 19. 9.1929 zeigen sich von dieser aggressiven Abwehrstimmung die Bürgerkreise der kleinen Städte erfaßt; Baum 1929 Menschen 174 stenographierte die Gute die aggressiven Worte . . in ihren Block; Colerus 1929 Kaufherr 13 Weltverbesserer und aggressiver Ethiker; Schoenberner 1933 (Dtsch. Lit. im Exil 59) ein Leitartikel, aggressiv, ohne bedeutend zu sein (DWB N.); v. Wahlendorf 1936 Erinn. 280 Ich zwinge mich .. zur peinlichsten Unterdrückung aller .. aggressiven Tendenzen, wie auch mein ganzes Buch sich ausdrücklich auf Zurückweisung des Antisemitismus beschränkt; Th. Mann 1944 Nachtr. (W. XIII 199) hatte sein Denken eine stark säkulare Richtung angenommen; aggressive antireligiöse Ideen beherrschten ihn eine Weile; ders. 1945 Reden u. Aufs. (W. XII182) die Ideen und Idole Frankreichs sind nicht aggressiv; ders. 1954 Reden u. Aufs. (W. IX 820) seine aggressive Skepsis läßt das Religiöse und abgeschmackte Restaurationsversuche . . nicht aus; Süddtsch. Ztg. 8.6.1955 daß . . in gewissen aggressiven Kreisen . . Pläne ausgeheckt werden, die darauf gerichtet sind, die Sowjetunion und Westdeutschland gegeneinander auszuspielen; Welt 10.1.1959 der Film, bewußt aggressiv gemacht, sollte zur Diskussion herausfordern; Offenburger Tagebl. 13.3.1959 handelt es sich dabei nicht um ein mildtätiges Erbauungsstück, sondern um eine recht handfeste Geschichte mit aggressivem Charakter; Heuss 1963 Erinn. 355 ich habe damals einen heftigen Aufsatz im „Österreichischen Volkswirt" losgelassen, mit dem aggressiven Titel „Geschäftsprospekt des Diktators"; Stuttgarter Ztg. 30.3.1965 Von dem sozialkritischen Ton dieser aggressiven Familiengeschichte; Welt 30.4.1974 je aggressiver, je unbequemer ein Stück ist, je ungewöhnlicher in der Form, um so mehr spiele ich für das Publikum; Zeit 21. 6.1985 herrschte in Hannover eine aggressive, ressentimentgeladene Stimmung; ebd. 10. 9.1985 der aggressive Ton soll Depressionen bannen; ebd. 13.9.1985 dieses Bild ist wie das ganze, betont pazifistische, aggressive Buch; ebd. 6.12.1985 Paul Ernst .. ein trotziger Eigenbrötler, eine aggressive Kämpfernatur, eben ein „Haudegen des Geistes"; ebd. 21.11.1986 auch aggressive Kirchengegner und ihre oft nicht sehr geschmackvoll kämpfenden Anhänger müssen die Kirchen aushallen; MM 13.12.1986 der Ton ist aggressiver, die Debatten sind radikaler geworden; Zeit 19.12.1986 erzählt ihre Leidensgeschichte in einem irritierend hohen Ton, riskiert ein aggressives Pathos; MM 20.1.1987 der Kanzler meidet aggressive Töne .. seine rund 80 Minuten lange Standard-Rede .. verzichtet auf alle aggressiven und polemischen Töne; Zeit 29.5.1987 eine aggressive, attackierende Musik, die einen Diktator bei seinem
Staatsbegräbnis begleitet; MM 4.6.1987 bissig und böse ist sie, dazu aggressiv und provozierend, wie es sich für Kabarett geziemt; ebd. 20.6.1987 die Sexualwissenschaftler forderten . . aggressive Aufklärungskampagnen; ebd. 24.6.1987 das teils naiv, teils aggressiv vorgetragene Straßentheater; ebd. 1.9.1987 er spielte ihn [im Theater] kämpferisch, aggressiv, dann wieder mit Distanz; ebd. 4.11.1987 er malte 1911 eines der aggressiven Programmbilder der futuristischen Bewegung . ., in dem sich . . Aufruhr zu rhythmisch rotierenden Bewegungsmustern steigert; Borst 1988 Barbaren 20 die aggressive Neugier, die alles Fremde zu definieren und sich intellektuell anzueignen sucht; MM 25.3.1988 unsachliche, undifferenzierte und zunehmend aggressive Naturschutz-Thesen. Aggressive: Gildemeister 1888 Aus d. Tagen Bismarcks 198 Nachdem der Ultramontanismus in der Defensive fast auf jedem Punkt gesiegt hat, . . geht er zur Aggressive über. Das Ziel . . ist hoch, von gewaltiger Bedeutung für die Kulturgeschichte. Aggressivität: Th. Mann 1926 Reden u. Aufs. (W. X 884) hier haben Sie eine Begabung von ganz anderer Aggressivität, ein ehrgeizig weit ausgreifendes Künstlertum; ders. 1932 Reden M. Aufs. (W. X 753) aber es liegt in .. der Richtung ihrer Anteilnahme, daß ihr jede Aggressivität gegen den Glauben, jede zersetzende Absicht fehlt; Münch. Merkur 14.2.1951 die ihm eigene erregende Mischung von mathematischer Exaktheit und schöpferischer Aggressivität; Welt 2.1.1959 Jean Vilar hat diese aktualisierte . . Fassung der Tragödie von Sophokles mit scharfem Sinn für Gides Aggressivität inszeniert; FAZ 6.4.1968 Dr. jur. . . eine komplizierte Mischung aus Freundlichkeit, . . intellektueller Aggressivität und beruflichem Engagement; Stuttgarter Ztg. 3.1.1970 eine der Komödien Molieres . ., ein Angriffslustspiel, das Aggressivität nicht nur vortäuscht; Koebner 1971 Entfremdung o. S. Satire und Melancholie gehören zusammen wie Auflehnung und Zerknirschung, nach außen und nach innen gewendete Aggressivität, Gesellschafts- und Ich-Analyse; Dülmen 1977 Reformation 32 Trotz seine Rebellentunis und seiner Aggressivität gegen die alte Kirche; MM 13.3.1985 der . . Künstler .. gibt seinen Werken eine gute Portion spontaner Aggressivität; Zeit 24.5.1985 im Laufe der Jahre hat sich die antikulturelle Aggressivität seiner Darstellungen abgeschliffen; ebd. 6.6.1986 in diesem Text ist wenig von der Aggressivität zu spüren, die die Frauenliteratur während der ersten Jahre hierzulande prägte; ebd. 13.2.1987 Tempo gegen falsche Seriosität, aufstörende Aggressivität gegen liberale Lauheit.
aggressiv aggressiv 2b: vor 1867 (Kügelgen 1870 Jugenderinn. 162) in der that, wenn die mädchen nicht aggressiver [aktiver] wären als wir, so achte ich dafür, es sei unmöglich, daß jemals ein paar zu stände käme (DWB N.); Proelss 1891 Modelle 50 seine aggressive „Tugendprobe" hatte ihm zwar ein paar geraubte Küsse . . aber auch eine kräftige Ohrfeige eingetragen; Bierbaum 1896 Schlangendame 35 als das publikum miene machte, aggressiv gegen Stilpe vorzugehen (DWB N.); vor 1898 (Bismarck 1919 Ged. u. Erinn. III 145) aggressive Liebenswürdigkeit; 1902 Grenzboten II 5 Die Menschen sind . . klein und aggressiv; Grabein 1911 tolle Hans 24 Rössel, leicht reizbar . . wurde aggressiv; Freud 1911-24 metapsychol. Sehr. 204 daß der Mensch, je mehr er seine Aggression nach außen einschränkt, desto strenger, also aggressiver in seinem Ichideal wird; Th. Mann 1914 Reden u. Aufs. (W. X 73) und er rückt näher, er verteidigt nicht mehr nur seinen eigenen Entschluß, er wird aggressiv; Meisel-H. 1917 Monogamie 186 gibt es manner, deren erotisches empfinden so eigentümlich ist, daß sich ihre liebe — hinter negativen, ja aggressiven Strömungen verbirgt (DWB N.); Th. Mann 1926 Reden u. Aufs. (W. X 224) durch das Leiden hat seine Harmlosigkeit aufgehört, gemütlich zu sein; sie ist aggressiv, feindselig, unwirtlich geworden; Lettenbaur 1927 Morgen 140 aggressivste; 1930 Dtsch. Rundsch. CCXXIV 169 Bei Suderman ist das Mädchen der aggressive Teil, die Verführerin; Berl. Illustr. Ztg. 1930 Nr. 33 Elisabeth zärtlich und zart verträumt, und Kola Persenthein mit dem aggressiven Fanatismus, der alle seine Gefühle bestimmte; 1935 „Duden"-Sammlung o. S. [in der] Verordnung von 1919 [wurde] verboten, beliebige Körperteile der Untergebenen mit Fäusten oder anderen aggressiven Mitteln zu berühren; Mühlmann 1940 Krieg 58 „aggressiven" oder „nicht-aggressiven" Veranlagung der frühesten Menschheit; Jaspers 1958 Atombombe 352 daß die anderen aggressiv und gewaltsam erscheinen, liegt nicht nur an ihnen; Offenburger Tagebl. 27.1.1959 Man braucht nicht fremdes Eigentum zu demolieren und unbeteiligte Personen anzugreifen, wenn man zu seinem Recht kommen will. Solche aggressiven Methoden müssen im Interesse der öffentlichen Ruhe . . abgelehnt werden; Süddtsch. Ztg. 24.9.1959 daß eine Erhöhung der Fleisch, Butterund Eiererzeugung das sowjetische Volk aggressiver machen werde; Kolb 1960 Memento 46 Er äusserte sich erregt, fast aggressiv; Welt 11.12.1964 er ist leicht erregbar, aggressiv und geltungsbedürftig; Offenburger Tagebl. 22.3.1966 wurde er [der Autofahrer] auf der Brücke über die Kinzigtal-Umgehungsstraße . . aggressiv; Bild 21.3.1967 unsere heutigen Autos machen die Fahrer aggressiv und fördern ihren Machtkomplex; Welt 15.9.1969 die
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Stürmer, allen voran Uwe Seeler, waren aggressiv, einfallsreich .. und lauffreudig; FAZ 7.8.1970 Wann werden wir aggressiv? (Überschr.) Die Autoren legen eine Theorie der Aggression vor, die sich in dem Satz zusammenfassen läßt: „Aggression ist immer eine Folge der Frustration"; Delay/Pichot 1971 Medizin. Psychol. 87 Die . . dem Lustprinzip widersprechende Auto-Aggression, d. h. die Aggression gegen sich selbst, wie wir sie beim Selbstmord . . finden, wird von Freud als das Ergebnis einer Wendung der Aggression gegen das Subjekt selbst gedeutet, wobei er diese Wendung wesentlich durch die Furcht vor Bestrafung wegen heteroaggressiver Neigungen erklärt; FAZ 24.3.1971 daß das aggressive Überholen der dicken Brummer mehr und mehr an Seltenheitswert gewinnt; 1973 Hörzu XVI 141 Ich bin nicht für Geduld, sondern für eine aggressive Zuneigung (DUDEN); Welt 5. 7.1974 dies war nicht mehr das hochgemute, aggressive deutsche Team vorausgegangener Spiele; Zeit 18.1.1985 die Frauen erleben sich vor der Regel als nervös, reizbar, aggressiv; MM 8. 2.1985 sie ärgern sich ungewöhnlich oft und sind bis zur Feindseligkeit aggressiv; Zeit 7.5.1985 eine Höchstgeschwindigkeit wirkt offensichtlich einer aggressiven, risikoreichen Fahrweise generell entgegen; ebd. 2. 8.1985 wenn Hunde bei einer derart negativen Sozialisierungsphase . . verhaltensgestört seien, aggressiv und unberechenbar werden; ebd. 11.10.1985 unsere Haltung ist nicht nur gegenüber unseren Mitmenschen, sondern auch gegenüber der uns umgebenden Natur aggressiv; ebd. 1.11.1985 in manchen Arten von Triebverhalten gibt es wohl aggressive Elemente; ebd. das Argument, Kriege zwischen den Völkern seien das unausweichliche Ergebnis von Aggressionstrieben, da der Mensch „nun einmal ein aggressives Tier sei" . ., ist ohne jeden Halt; ebd. 3.6.1986 aggressive Ausfälle kennt er nicht; MM 14.11.1986 diese Öde macht mich echt aggressiv; . . aggressiv reagieren die meisten Lehrer . . laut Schüleraussage nur selten; Zeit 28.11.1986 die traditionelle Definition des weiblichen „naturhaft, . . passiv" und die korrespondierende männliche „rational, logisch, aktiv, aggressiv" ist für ihn desto zutreffender, je näher der Mensch noch seiner Körperlichkeit steht; MM 12. 2.1957 die Polizei agiere . . provozierend, aggressiv, nicht selten rechtswidrig, werfen ihr die Grünen .. vor; Zeit 20.3.1987 wenn ein Organismus längere Zeit nicht aggressiv war, staut sich sein Aggressionstrieb und erzeugt eine wachsende Appetenz auf aggressive Akte; ebd. daß sie [Erwachsene] in der Kindheit zu stark . . frustriert wurden und sich auf diese Weise aggressive Verhaltensmuster überstark entwickelten; MM 27.6.1987 spektakuläre Massenunfälle auf Autobahnen mit dem Polizei-Kommentar: „zu
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aggressiv
schnell — zu dicht aufgefahren" sprechen für etwas anderes, nämlich zu aggressives Fahren; ebd. 14.12.1987 der Nagel ist und bleibt auch bei ihm Werkzeug brutaler Verletzungen, zumindest aber einer bewußten, aggressiven Handlung; ebd. 30.12.1987 flüchtet sich der 37 jährige in Alkohol, versucht damit Mitleid zu erregen und wird, wenn das nichts hilft, aggressiv und gewalttätig; ebd. 4.3.1988 stets sind es Gruppen, die sich als aggressive Störenfriede aufspielen; ebd. 31.3.1988 da wäre der energiegeladene, aggressive AltpapierEntsorger vor der neumodischen Müllstation. aggressivieren: Hacker 1971 Aggression 405 zumal wenn . . der Angreifer erst .. aggressiviert wird (DUDEN). Aggressivität: Th. Mann 1910 Reden u. Aufs. (W. XI 724) woher aber nimmt dieser benachteiligte Zwerg, der froh sein sollte, daß ihn die Sonne bescheint, die Lust, das innere Recht zur Aggressivität; Schmilz 1914 Land 126 männliche Aggressivität; Brod 1928 Zauberreich 121 um . . ihre Aggressivität austoben zu können; Colerus 1929 Kaufherr 205 daß er gegen ihren Angriff gefeit war und ihre sichtbare Aggressivität über sich ergehen ließ; Münch. N.N. 29.5.1941 Die plumpe Aggressivität des Tons ist man bei Roosevelt längst gewöhnt; Jaspers 1947 Rechenschaft 53 Atmosphäre der Aggressivität; 1949 Synopsis 295 dass auch die Aggressivität, wie die Libido, durch die Regeln des Zusammenlebens . . gehemmt werden kann; Jaspers 1958 Atombombe 343 gegeben ist die Natur menschlicher Durchschnittseigenschaften, sind die Menschen mit ihren Antrieben, ihrer Aggressivität, ihrer Angst und Feigheit; Welt 13.9.1969 so verließ man sich beim Deutschen Meister auf die Aggressivität von Schmidt und Puhm, der .. ein Eckball-Zuspiel . . zum 1:0 verwandelte; Delay/Pichot 1971 Medizin. Psychol. 88 Die Frustration ist in der Lage, eine Reihe von Reaktionstypen hervorzurufen, unter denen immer irgendeine Form von Aggressivität zu finden ist; Offenburger Tagebl. 28.9.1971 Die Aggressivität des Menschen nimmt weltweit zu; Zeit 22.2.1985 Feindschaft bricht heute nicht offen aus in Kreuzberg; die Aggressivität aber ist geblieben; MM 16.12.1985 Depressionen, Eßstörungen bis hin zur Magersucht und Aggressivität sind längst nicht mehr die Ausnahme; Fruttero 1986 Palio (Übers.) 127 Seine Schroffheit und Aggressivität .. kamen sicher aus einer verständlichen Eifersucht; Zeit 20.3.1987 daß es unter den Tieren Aggressivität gebe, sei keine boshafte Laune der Natur . . die menschliche Aggressivität ist kein bestialischer Trieb. aggressiv 2c: Höhne 1928 Reportage 118 das helle, aggressive Grünweißrot Italiens; Baum 1929 Men-
schen 101 einen kleinen dunkelblauen Mann zu sehen, der im Rücken dieser aggressiven Lichtbündel im schwarzen Schatten seinen Weg nahm; Thümmler 1936 Gefangen 29 In den Kasematten liegt aggressiver Gestank und ein Jauchedunst, dass viele brechen müssen; 1966 Petra X 89 Ein Duft von strahlender, fast aggressiver Fülle aus kostbaren Blütenölen (DUDEN); 1967 Urania II 7l Rot als aggressive, das Augenmerk auf sich lenkende . . Farbe; MM 20.2.1985 dem Bedürfnis der multimedial orientierten Jugend, akustische Reize optisch zu verstärken, kommen Video-Clips als aggressive Illustrationen nach; Zeit 10.5.1985 keine zackigen, geometrischen Figuren, keine aggressiven Farben; ebd. 24.1.1986 nachdenkliche Bürger fragen, wem zuckt es bei dem aggressiv ausgestellten Kram [Konsumgütern] denn nicht in den Fingern?; ebd. 14.2.1986 wieder hat der Münchner Komponist . . eine aggressive, drohende, dröhnende Musik komponiert; ebd. 4.4.1986 Schönheitsbilder, aggressiv inszeniert; ebd. 18.7.1986 aggressiv nicht durch die kriegerischen Inhalte, sondern durch die Eigenart des Mediums Videospiel; MM 12.1.1987 ein . . Farbauftrag in aggressivem Rot; ebd. 30.3,1987 die Liste der verwendeten Instrumente ist ellenlang und zu Pia Lunds . . Gesang gesellen sich scharfe, aggressive Gitarren; ebd. 10.4.1987 [dem Orchesterklang], dem man . . etwas mehr aggressive Frische und Schärfe gewünscht hätte; Zeit 10. 4.1987 aggressive Schulterpartien sind passe; MM 21. 7.1987 die FranzosenSchau bietet großformatige, farblich aggressive und comichafte Bilder; ebd. 6.10.1987 natürlich wäre Rihm nicht er selbst, würde nicht auch die Gewalt der Tragödie mit reichlich Schlagwerk-Gewittern hervorgekehrt, hätten nicht die Gesten der Klänge jenen zwingenden Sog, der den Hörer aggressiv überrollt; ebd. 17.10.1987 einer .. Dokumentationsreihe der AOK . ., die die aggressive Medikamentenwerbung anprangert; ebd. 23.2. 1988 aggressiv . . das monumentale . . Frauenbild; ebd. 25.2.1988 vor einigen Jahren hat Grewenig, dessen Farben nie grell und aggressiv waren, das Pastell entdeckt; Zeitmagazin 1.11.1991 Eine grelle, unbekümmerte Kauflust und Kreditmentalität ist angesagt, befeuert von Plastikgeld, Cash-Automaten und immer aggressiverer Werbung. Aggressivität: Zeit 8.11.1985 das .. melodisch recht differenzierte Material, das sich am Jazz allerdings nur entfernt orientiert, bekam man mit einer Aggressivität vorgeworfen, die in merkwürdigem Gegensatz zu der weichen .. Tenor-Stimme . . stand; MM 26. 7. 3986 da ist von deutlich hörbarer Schärfe und Aggressivität die Rede, die Kontrabässe klingen körperhaft, trocken und substanzreich; ebd. 15. 7.1987 die Klangexperimente des
aggressiv Psychedelic-Rock, die Aggressivität des Punk und die Raffinesse des Wave-Rock. aggressiv 2d: 1927 Natur XVIII 16b die freie, namentlich die sogenannte „aggressive" kohlensaure, welche zur lösung von blei führt (DWB N.); 1967 Bild d. Wiss. U 152 kann man Filter für chemisch aggressive Substanzgemische . . daraus fertigen; MM 1. 3.1985 die Chemotherapie . . ist als ausgesprochen aggressiv anzusehen; ebd. 18.3.1985 das hochkonzentrierte aggressive Wasser . . bereitete der Geschäftsleitung . . Kummer; ebd. 23.4.1985 die Westfassade der Klosterkirche . . wird von aggressiver Luft und saurem Regen weiter zerfressen; ebd. 29.5.1985 der hohe Wasserverbrauch und . . aggressives Wasser führen . . zu einer enormen Schadenhäufung; ebd. 11.7.1985 auf welche Weise Chlorkohlenwasserstoffe . . reagieren und ob sie eventuell aggressiv werden, wenn sie in die Atmosphäre gelangen; Zeit 4.10.1985 um komplizierte Farbstoffe abzubauen, brauche man . . auch recht aggressive Chemikalien; MM 6.11.1985 nicht bedacht werde, wie aggressiv diese Mittel auf die menschliche Haut wirken; ebd. 9.11.1985 vor aggressiven Sanitär-Reinigern . . wird gewarnt; Zeit 15.11.1985 die Vermehrung eines Krebs-Gens mit der Bezeichnung N-myc spielt. . eine Schlüsselrolle bei rasch wachsenden („aggressiven") Hirntumoren; . . Kranke mit vielen Krebsgen-Kopien müssen aggressiver behandelt werden; MM 11.6.1986 die oftmals sehr aggressive Tumortherapie; Zeit 5.9.1986 dieser aggressive Sauerstoff zerstört die Membranen aller Krebszellen; MM 22.10.1986 Mikroorganismen, die als aggressive „Superviren" aus den Labors in die Umwelt . . entweichen können; ebd. 28.2.1987 der aggressive Winzling von Virus . . rührt . . am Mythos moderner Medizin; ebd. 23.7.1987 einen Impfstoff gegen Lymphknotenkrebs, der als besonders aggressiv gilt; ebd. bei Menschen mit trockener Haut können sich durch Waschen mit etwas aggressiveren Seifen auch leicht Ekzeme bilden; ebd. 20.1.1988 dieser Wert liegt gar nicht mehr weit über dem . . Säuregrad der aggressiven Magensäure; Spiegel 28.5.1990 in den fünfziger Jahren wurde das Fiebervirus aggressiv. Vor allem bei Kindern . . führt die Erkrankung (Dengue-Fieber) nun zu Blutungen aus Nase und Ohren, viele sterben im Schock; 1992 Marie Ciaire IV 168 als Shampoos noch aggressiv waren. Heute reinigt ein gutes Shampoo nicht nur schonend, sondern pflegt das Haar. Aggressivität: 1958 Schule u. Produktion 220a die aggressivität mancher Substanzen macht schutzauskleidungen notwendig (DWB N.); MM 10.12. 1985 es haben sich Erreger, die nur unter bestimmten Voraussetzungen aktiv werden, in der Aggressi-
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vität gegenüber den Menschen verstärkt; ebd. 15.8.1987 die Produktion des körpereigenen Heilstoffes Interferon werde angeregt, . . die Aggressivität der Immunzellen gegen Eindringlinge nehme zu; Zeit 13.3.1987 dieser Aggressivität wegen ist Ozon in unserer unmittelbaren Umgebung alles andere als willkommen. aggressiv 2e: Schmilz 1914 Land 208 Unter einer solchen Regierung blicken die Engländer über den Kanal und sehen zu, wie der junge Nebenbuhler weiter Schiffe baut, seine Industrie durch Zölle schützt, teilweise sogar „aggressive Zollpolitik" treibt, indem er die Märkte mit billigen Waren unter dem Inlandpreis überschwemmt; FAZ 25.2.1971 Die Japaner sichern sich mit einer aggressiven Preispolitik . . eine möglichst breite Ausgangsbasis für das Geschäft von morgen; Welt 5.7.1974 die Herstatt-Pleite wird den GerlingKonzern . . nicht zwingen, seine aggressive Prämienpolitik zu ändern; ebd. 27.9.1974 die . . dominierende Stellung auf einigen überseeischen Märkten und die Aktivitäten über eigene Einzelhandelsgeschäfte auf dem Markt für Haushaltsanstrich und Dekorationsmaterial in Großbritannien sind . . die Folge und die Voraussetzung für eine aggressive Absatz- und Preispolitik; Zeit 25. l. 1985 bietet Frankreich aggressiv bei einem dicken Rüstungsgeschäft mit; ebd. 12.4.1985 würden die preisaggressiven Anbieter zu Lasten des kleinen und mittleren Fachhandels noch mehr an Boden gewinnen; ebd. 17.5.1985 sie nehmen dem Marktführer die ihm liebgewordene Möglichkeit, sein Patent unbehelligt von aggressiven Konkurrenten zu verwerten und den Adalat-Preis in einsamer Höhe zu halten; ebd. 9.8.1985 dürften die aggressiven Preissenkungen von IBM sowohl die eigenen Umsätze und Gewinne als auch die der Konkurrenz geschmälert haben; ebd. 31.1.1986 Newcomer am Pharmamarkt werden dadurch künftig nicht mehr so leicht mit aggressiven Niedrigpreisen gegen die etablierten Großkonzerne antreten können; ebd. 20.3.1986 Anfang April wird ein erstes „Preisland City SB" im ehemaligen Hertie sein preisaggressives Sortiment dem Verbraucher präsentieren; ebd. 26.12.1986 die Ausländer könnten ja auf die Idee kommen, wesentlich aggressiver zu akquirieren, als das unter den deutschen Bankfachleuten üblich ist; ebd. 2.1.1987 nur Börsenprofis können eine derart aggressive Anlagestrategie ohne zu große Aufregung überstehen; ebd. 16.1.1987 statt offensiv den Wechselkursvorteil zu einer aggressiveren Preispolitik zu nutzen; MM 22.8.1987 in die Pleite rutschte das Unternehmen . . durch preisaggressives Auftreten am Leasingmarkt, sprich durch Dumpingpreise; ebd. 21.11.1987 die japanischen
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Aggressor
Hersteller gingen mit ihren Kostenvorteilen und aggressiven Preisen voll in den Markt. Aggressivität: Zeit 12.6.1987 die für uns richtige Anlagephilosophie ist internationales Investment . ., aber immer mit einem Schuß Aggressivi-
tät; MM 28.12.1987 zwar profitiere Brother noch durch die europäische Fertigung und der Abkopplung von der Yen-Währung, doch stehe man . . der Situation fassungslos gegenüber, mit welcher Preisaggressivität die DDR auf den bundesdeutschen Markt komme.
Aggressor M. (-s; -en), Mitte 17. Jh. entlehnt aus spätlat. aggressor 'Angreifer, Räuber' (zu lat. aggredi, —» Aggression), im 17. Jh. vereinzelt die frz. beeinflußte Form Agresseur (vgl. b), bis Anfang 19. Jh. gelegentlich in der Schreibung Agressor. a Im 17./18. Jh., vermutlich in Anlehnung an die Bed. des lat. Vorbildes, zunächst auf Einzelpersonen bezogen für 'jmd., der das Leben anderer bedroht, sie tätlich angreift und schlägt'. b Seit späterem 17. Jh., zunächst unter frz. Einwirkung vereinzelt in der Form Agresseur mit frz. PL, vor allem im politischen Bereich in der erst seit dem I.Weltkrieg häufiger nachgewiesenen Bed. 'politischer Machthaber, Staat, der einen anderen Staat militärisch angreift, einen Angriffskrieg gegen ihn plant oder durchführt und dabei fremdes Territorium überfällt; Kriegstreiber, -hetzer' (—» Aggression 1). In neuerer Zeit im Bereich des Völkerrechts und der Diplomatie als umstrittener Terminus verwendet (s. Belege 1952, 1958), aber häufig auch als parteiisches Schlagwort mit negativer Wertung auf den jeweiligen politischen Gegner bezogen (s. Belege 1958, 1967). Bes. in Wendungen wie einen Staat, politischen Machthaber als Aggressor verurteilen, zum Widerstand gegen Aggressoren aufrufen, internationale Maßnahmen gegen Aggressoren fordern, der Aggressor Hitler. In jüngster Zeit vereinzelt auch wieder auf Privatpersonen oder Gruppen, aber auch Länder mit aggressiver Wirtschaftspolitik, bezogen (s. Belege 1971, 1985, 1986; vgl. a). Aggressor a: Abele 1654 Gerichtshändel 157daß die leibesfrucht ein aggressor, oder erste angreiffer seye [wenn sie einen lebensbedrohenden Zustand der Mutter bewirkt]; 1682 (Frauenholz 1935 Heerwesen IV 400) [Notwehr] worzu einer. . genöthiget würde, und . . von dem agressore den ersten streich zu erwarten, nicht schuldig ist (beide DWB N.); Sperander 1727 A la mod Sprach 22 Aggressor, der so den Angriff thut/ . . ein Strassenrauber; Lessing 1747 Junge Gelehrte 319 Aggressor? Was ist das für ein Ding? — So heißt der, welcher ausschlägt . . Nun versteh ichs. . . Ihnen mein Herr stüße wieder einmal eine kleine gelehrte Raserey zu, die sich meinem Buckel durch eine Tracht Schläge empfindlich machte; so wären Sie . . der Aggressor. Aggressor b: Sperander 1727 A la mod Sprach 22 Aggressor, der so den Angriff thut/ ein Feind; 1758 Abhandlung (Acta Publica XVI25) Aggressor; 1759 Krieg i. Teutschld. D3a Dass Preussen strafbar sey, Feind und Aggressor heisse, Und Teutschlands Sicherheit .. zerreisse; Deidier 1762 Ingenieur (Übers.) 100 Agressors; Cogniaczo 1794 Gestaend.
/ #7 um nur nicht Aggressor zu scheinen, das Vaterland den ersten Anfällen der Feinde Preiß gegeben, und zum Schauplatze des Krieges gemacht hatte; Görres 1798 Blatt l 175 Agressoren; Berenhorst 1798 Kriegskunst II 438 Dasjenige, was mit den Waffen selbst etwa nicht ausgerichtet werden könnte, soll durch die kunstreiche, schlaue Manier ausgerichtet werden, mit welcher man sie seinem Feinde entgegen trägt; er soll übereilet, umzingelt. . werden. . . Mandvrist denkt fast immer, als Agressor [!], einen geduldigen schaafartigen Gegner zu bearbeiten; Rühle v. Lilienstern 1809 Bericht 166 Agressor; Heyse 1870 Fremdwb. 24 Aggressor, der Angreifer od. angreifende Theil; Münch. N.N. 28.8.1939 Sowjetrußland dazu zu bringen, die Einkreisung der „Aggressoren" zu vervollständigen; Frankf. Ztg. 5. 7.1941 wird damit eine so systematische . . Vorbereitung auf den Angriffskrieg gegen das Reich sichtbar, daß vor der Sprache dieser Tatsachen alle Anklagen aus Moskau gegen den deutschen „Aggressor" verstummen müssen; 1942 Reichsoffizierbl. 322 Roosevelt, der Weltaggressor; V.ß. 27.6.3944 Landungsboote der Aggressoren an
Ägide der Kanalküste, deren Besatzungen .. vernichtet.. werden; Dtsch. AZ. 29.6.1944 die große Rede in Chikago . ., in der der Präsident in . . scharfer Form gegen die „Epidemie der Weltanarchie" zum Kampf aufrief und den „Aggressoren" mit „Quarantäne" drohte; Süddtsch. Ztg. 29.3.1949 Das Gerassel mit der Atombombe bedeutet auch für den Aggressor ein gewisses Risiko; ebd. 4.9.1950 wenn die „kommunistischen Imperialisten" nicht weitere Armeen und Völker in den „Kampf der Aggressoren" gegen die Vereinten Nationen hineinzögen; ebd. 20.10.1952 Wer „Aggressor" ist, haben bisher weder die Alliierten noch die Bundesregierung klären können; Jaspers 1958 Atombombe 209 schon der Genfer Völkerbund behandelte den Begriff des Aggressors; ebd. 210 wenn die UNO mit dem Begriff des Aggressors operiert, so ist seine Anwendung doch immer parteiisch gewesen; . . ein Aggressorstaat ist derjenige, der als erster seine Kriegsmaschine . . zu militärischen Operationen jenseits der eigenen Grenzen in Bewegung setzt; ebd. 2/2 in keinem dieser Fälle hat der Aggressor sich jemals als solcher bekannt; immer haben nur die anderen ihn für einen solchen erklärt; FAZ 16. 5.1959 Jeder Aggressor müsse gezwungen werden, .. die gesamten Risiken eines Krieges einzukalkulieren; Welt 10.1.1964 wir werden nicht als Aggressoren auftreten, aber auch keine Aggression dulden; 1967 Urania l 47 der Aggressor ist in diesem Falle eindeutig die Bundeswehr bzw. die Bundesrepublik; Offenburger Tagebl. 27.6.1967 Die Nation [USA] nannte Kossygin wenig später in New York unverändert
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„Aggressor", und eigentlich kann es kein schlimmeres Schimpfwort im politischen Raum geben; Brügge 1971 Wir wollen o. S. Schreier, Apo-Aggressoren, Terroristen und Mode-Maoisten sollten .. erfahren, wie man . . Revolution mit sich selber macht; Offenburger Tagebl. 15.5.1971 Er [Breschnjew] forderte die Konferenzteilnehmer auf, nicht die „ungeheuerlichen Verbrechen der imperialistischen Aggressoren" in Indochina und das Nahost-Problem zu vergessen; Welt 18.11.1974 seine Streitkräfte würden jedoch mit Macht zurückgeschlagen, wenn Israel der Aggressor sei; Zeit 11.1.1985 Abschreckung kann nur wirksam sein, wenn sie . . den potentiellen Aggressor mit einem Existenzrisiko konfrontiert; ebd. 8.2.1985 Bernhard Bruno Goetz, Brillenträger, .. schmal, ein Mann, der für die vier geradezu nach Opfer riecht, wächst in Sekundenschnelle zum Aggressor; ebd. 18.4.1986 er fand es angebracht, an die Folgen der Beschwichtigungspolitik [gegenüber Hitler] zu erinnern, um den Europäern zu erklären, daß Nachgeben gegenüber einem Aggressor nur zu weiteren Aggressionen führt; Spiegel 19.5.1986 Die Japaner, über Jahrzehnte hinweg die Aggressoren auf allen Weltmärkten. Agresseur: 1667 Nordischer Mercurius 307 so wollen wir den Rest der Staten . . gegen alle agresseurs zu beschirmen/ allzeit faehrtig seyn; 1682 Preußen Briefe (Schück 130) daß sie sich solcher Agresseurs mit Gewalt bemächtigen .. mögen (beide BRUNT).
Ägide F. (-; ohne PL), im späteren 18. Jh. entlehnt aus gleichbed. lat. aegis, Gen. aegidis (< griech. 'Schild des Zeus und der Athene', vermutlich zu 'Ziege, Ziegenfeir, also eigentlich 'der mit dem Ziegenfell überzogene Schild'), anfangs unter Einfluß von gleichbed. frz. egide auch in der Schreibform Egide. a Selten als Bezeichnung für den Schutzschild griechischer und römischer Gottheiten, auch bildlich für 'Schutzwehr' verwendet (s. Belege 1799, 1813). b Daher gleichzeitig übertragen verwendet in der bildungsspr. Bed. 'Schirmherrschaft, wohlwollendes Protektorat, Obhut, Leitung, Verantwortung, schützende Hand, Schutz, der etwas Positives fördert, unterstützt' (s. Belege 1824, 1932); gelegentlich auch eher abwertend für 'Schutz, der etwas Negatives fördert und verbirgt, Deckmantel, Vorwand' (s. Beleg 1766); meist in der phraseologischen Verbindung unter der Ägide von jmdm./etwas, in neuester Zeit auch in der Ägide von jmdm./ etwas (s. Beleg 1985), überwiegend in bezug auf Personen, Institutionen, Instanzen u.a., häufig auch bezogen auf abstrakte (moralische) Begriffe, z. B. unter der Ägide der Wahrheit, Tugend, Barbarei. Ägide a: 1788 Lucian l 57 Aegis, oder wie wir mit den Franzosen zu schreiben pflegen Ägide, heist der Schild des Jupiter. . . Doch führte diesen Namen auch der Brustharnisch der Minerva; Goethe
um 1790 Naturwiss. Sehr. (WA U 11,95) so möge denn zur Entschuldigung, ja zur Berechtigung des Gesagten das Motto dienen, womit der vorzügliche Mann . . im wissenschaftlichen Felde vorangeht . .
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sich in seinem Thun und Lassen wie mit einer Ägide beschirmt; ders. 1799 Sammler (WA 112,85) Es ist die Art der Herren Philosophen, daß sie sich hinter sonderbaren Worten, wie hinter einer Ägide, im Streite einherbewegen; 1813 Gränze 26 Das feste Helvetien, der Schild, die Ägide von Deutschland. Ägide b: Wieland 1766 Agathon (IV 137) Demungeachtet scheute sich, unter der Aegide der Gleichgültigkeit, worin ihn damals ordentlicher Weise auch die schönsten Figuren zu lassen pflegten, der weise Hippias nicht, seine Tugend öfters dieser Gefahr auszusetzen; Tekete 1780 Beytrag 11 unter der Egide der Wahrheit; Meister 1783 Flieg. Blätter 117 desto sorgfältiger wird er sich mit der Egide der Schamhaftigkeit decken; Müller 1801 Staatenveränderungen 51 unter der Ägide des ihm immer holden Glücks; Ranke 1824 Briefiv. 70 unter der Ägide des preussischen Adlers und Ihres Namens; 1838 Konservationslex. d. Gegenwart 1132 der unter des Ministers von Stein kräftiger Ägide entworfene Plan; Bismarck 1851 Br. 278 Lynar ist hier als Attache unter meiner Aegide; Köhler 1862 Erinn. I 45 Da er sich unter der Ägide des [katholischen] Pfarrers nicht wohl fühlte; Goltz 1869 Weltklugheit I 230 unter der Aegide einer sanktionirten Autorität; Rose 1884 Revanche 94 unter der Ägide der schönen Künste; Gebauer 1932 Kulturgesch. 174 Der Pietismus . . gab Anlaß zur Gründung der Universität Halle (1693), die übrigens unter seiner Ägide einen hohen Ruf in Theologenkreisen erlangte; Dtsch. AZ. 16.1.1935 Ich hoffe bestimmt, daß . . alle Fragen, die zwischen Frankreich und Deutschland Reibungen hätten hervorrufen kön-
nen, unter der Aegide des Völkerbundes leicht geregelt werden; Th. Mann 1945 Reden u. Aufs. (W. XII 941) So sehe ich ihn, so kannte, bewunderte, liebte ich ihn und war stolz, unter seiner Ägide ein civis romanus zu werden; Partner 1964 Erben 248 eine fränkische Reformpartei .., die unter der Ägide des Bischofs Chrodegang von Metz und des späteren Abtes Fulrad von St. Denis genauso an der „Kanonisierung" der fränkischen Reichskirche arbeitete wie Bonifatius selbst; FAZ 4.3.1970 unter der Ägide einer supernationalen Behörde; Hildesheimer 1977 Mozart 135 die Entfaltung eines Sängers oder eines Schülers unter seiner Aegide wurde ihm schließlich zum Maßstab; Fleischer 1978 Geschichtsprozeß 183 Es konnte zumal nicht der Gedanke aufkommen, alle großen sozialgeschichtlichen Epochen seien die Überwindung einer niederen durch eine höhere Produktionsweise unter der Ägide einer bis dahin unterdrückten revolutionären Klasse gewesen; Zeit 12.4.1985 Das ganze werde doch nur ein Medienspektakel, mosern die Sozialdemokraten, als ob sie das in ihrer Ägide hätten verhindern können; ebd. 31.5.1985 Wenn die Rede darauf kommt, daß ich unter seiner Ägide im Literaturblatt der 'FAZ' gearbeitet habe, dann fragen die Leute: Wie war das denn mit Reich-Ranicki?; ebd. 26.7.1985 Natürlich sind in der Ägide Kohls in Rheinland-Pfalz wie anderswo diverse Institute und Gesellschaften unter falschen Auspizien gegründet worden; MM 21.11.1987 die konsequente Beseitigung von Schwachstellen unter der Ägide des Vorstandsvorsitzenden Carl Horst Hahn; ebd. 11.2.1988 die DSA wird unter der Ägide des Chefs vom Zentralinstitut für Röntgendiagnostik dann in Betrieb genommen.
agieren V. (in)trans., Ende 14. Jh. entlehnt aus lat. agere 'treiben, antreiben, in Bewegung setzen, bewirken, handeln, ein Geschäft betreiben, wirksam sein, eine Sache öffentlich (vor dem Volk oder Senat) betreiben, erörtern, verhandeln, vereinbaren, einklagen, einen Prozeß führen, verwalten, regieren, verordnen; veranstalten, feiern, ein Stück aufführen, eine Rolle spielen, deklamieren'; Etymon zahlreicher Fremdwörter wie —* Action, —» Agent, —» agil, —» agitieren, —» Agitator, —» Akt, —» Akteur, —» Aktion, —» aktiv, —> Aktivismus, —*· aktuell, —» Axiom, —» exakt, —» Examen, —> reagieren, —+ Reaktion, —·* redigieren, —> Redaktion. 1 Zunächst vereinzelt als V. trans, jmdn. agieren in der Bed. 'jmdn. (auf eine bestimmte Weise) behandeln, mit jmdm. (übel) umgehen' (—* traktieren 4a). 2 Seit Mitte 15. Jh. als V. intrans. in der allgemeinen Bed. 'handeln, tätig sein' (—»· Action, —» Akteur b, —» aktiv lb): a Zunächst in der bis ins 19. Jh. belegten, im 20. Jh. nur noch gebuchten, bes. rechtsspr. Bed. 'jmdn. gerichtlich belangen, gegen jmdn. prozessieren', auch 'gegen jmdn. mit Gewalt vorgehen, jmdm. entgegenwirken', bes. in der festen Wendung gegen/wider jmdn. agieren.
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b Seit früherem 16. Jh. häufig im Bereich des Theaterwesens in der Bed. 'als Schauspieler auf der Bühne handeln, auftreten, Theater spielen, schauspiele(r)n' (—» Agent 2, —> Akteur a; vgl. auch 3a), im Ggs. zu deklamieren, nur vorlesen, singen; gelegentlich näher bestimmt durch Präpositionalgefüge wie mit den Händen, Armen, Beinen agieren 'beim Theaterspielen bes. Hände, Arme und Beine gestisch einsetzen, die Worte mit Gesten begleiten, untermalen, gestenreich deklamieren'; in neuester Zeit die Präfixbildung ausagieren 'beim Schauspielern alles aus einem Stück herausholen' (s. Beleg 1988; vgl. auch 2c). c Seit späterem 16. Jh. (ROT) auch allgemeiner verwendet und auf alle Lebensbereiche bezogen in der Bed. 'handeln, tätig, aktiv sein, wirken', auch 'auf ein Ziel hin arbeiten, aktiv werden, sich engagieren' (—* Aktivismus 2, —* Aktivist 2), im Ggs. zu —»· reagieren, —»· passiv sein, auf etwas beharren, —> statisch sein (s. Beleg 1909); häufig adv. erweitert in Syntagmen wie frei agieren (können) Ohne Beschränkungen von außen nach eigenen Vorstellungen handeln, vorgehen, operieren (dürfen)', ungeschickt, vorsichtig, erfolgreich agieren; in neuester Zeit die Präfixbildung ausagieren 'etwas ausleben' (s. Beleg 1986), auch reflex, für 'sich ausleben, austoben' (vgl. auch 2b). d Seit früherem 18. Jh. selten auch in der festen Wendung als jmd./etwas agieren 'eine bestimmte Rolle spielen, als jmd./etwas auftreten, fungieren, eine Funktion erfüllen, übernehmen' (vgl. auch 3a). 3a Seit früherem 16. Jh. als V. trans, vor allem im Theaterwesen (vgl. 2b) etwas agieren 'etwas (z. B. ein Theater-, Musikstück) aufführen, darbieten, inszenieren' (s. Belege 1541, 1626); seit spätem 16. Jh. auch jmdn. agieren 'jmdn. (z. B. eine literarische Figur) auf dem Theater in Szene setzen, darstellen, eine Person auf der Bühne verkörpern, mimen' (s. Beleg 1582), auch übertragen verwendet für '(außerhalb der Bühne) jmdn. spielen, vorstellen, etwas (vor)spielen, vortäuschen', z. B. einen Atheisten, Narren agieren (s. Belege 1729, 1912; vgl. 2d). b Von daher vom 17. bis ins 19. Jh. speziell für 'jmdn. spielen, imitieren, nachmachen, karikierend nachäffen und damit verhöhnen, verspotten, zum besten haben'. Dazu seit späterem 17. Jh. das veraltete Verbalsubst. Agierung F. (-; ohne PL), zunächst selten für 'Aufführung eines Theaterstückes' (zu 3a), im 18./19. Jh. (gebucht bis ins 20. Jh.) für 'gestenreiche Deklamation' (zu 2b). agieren 1: 1395 Zollern 332 sol ir keiner den anderen umb-treyben noch vexiren noch agieren umb kein vergangen sache (MÖLLER). agieren 2a: um 1454 Chr. d. dt. Städte XXXV/ 370 dat dar weren etliche, de jegen den radt agerden (DWB N.); Waldis 1557 Esopus IV l Die vmb Prebenden litigirn/ Zu Roma in Rota Agirn (FRNHD. WB); Grimmeishausen 1670 Springinsfeld (III 247) und fiengen an, gegen uns zu agirn und sich zu verschanzen; 1684 Getröstete Europa a2r dieweil sie [die Ritter des Malteser Ordens] immerdar gegen den Erbfeinfd] agiren; Carl August 1792 Br. 108 agiren; Ranke 1877 Erhebung Preussens 156 in Verbindung mit den Russen gegen den gemeinschaftlichen Feind zu agieren.
agieren 2b: Binder 1535 Acolastus l 183 eeren biderb lüt, die es gesähen spylen oder agieren; Knaust 1541 Geburt Christi 22 Das selbige Spiel wollen wir/ . . Agiren in allen massen; 1569 (Wrede, Altköln. Sprachschatz 79a) den deutzschen kynd [sei erlaubt] etlich mal . . hie binnen der Stadt zu agiren (DWB N.); Kiechel um 1600 Reisen 29 wann der königen comedianten agiren; Hippel 1793 Kreuz- u. Querzüge l 306 Daß die Großmutter und die ändern agirenden Personen nur ein ausführliches Scenarium vor sich hatten und in vielen Stellen improvisirten; Schütze 1800 Handwb. f. Schauspieler 9 sich, seinen Stand, seine Würde und Vorzüge beim Publikum auf wie außer der Bühne geltend zu machen, auch sich über das gemeine agierende Volk der Komödianten zum Rang geachteter Schauspieler zu erheben; Goethe
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1803 Sehr. z. Literatur (HA XII 258) [Schauspieleranweisung] Wer auf der rechten Seiten steht, agiere mit der linken Hand, und umgekehrt, wer auf der linken Seite steht, mit der rechten, damit die Brust so wenig als möglich durch den Arm verdeckt wird; Tieck 1826 Redensarten (Krit. Sehr. IV 96) Er agirt gut, sagte man vor fünfzig Jahren, er spielt, hieß es dann; Laube 1847 Karlsschüler 32 eine epouvantable Tragedie, in welcher lauter Spitzbuben agieren; Holtet 1863 Letzte Komödiant I 160 dal? unsere jungen Burschen, so lange ich im Namen unseres gnädigen Gebieters hier Oberverwalter bin, nicht mehr in Räuber und Mörder vermaskiert mitagiren werden. Das ganze Statistenwesen hat schon nachtheilig gewirkt; Schmidt vor 1871 Devr. 131 Was er dem Volk hier eben voragiert hat (SANDERS 1871); Th. Mann 1929 Reden u. Aufs. (W. X 284) wenn hübsche junge Leute auf der Bühne agieren; ders. 1947 Faustus (W. VI 422) Dabei war nach Adrians Willen den Sängern, welche den agierenden Puppen ihre Stimme leihen, ihr Platz unter den Instrumenten, im Orchester .. angewiesen; Welt 12.11.1969 Vier Männer und drei Mädchen . . agieren in diesem Szenenmosaik von Gefangenschaft, Marterung und Mord; Andermann 1970 Gesicht o. S. Ich agierte wie ein Schauspieler, der eine auswendig gelernte Rolle nicht gedankenlos hersagt, sondern Wort für Wort, statt aus dem Gedächtnis, aus dem eigenen Innern herausholt; Zeit 10.4.1985 Von Kleists Text, den Schoeck passagenweise rhythmisch deklamieren läßt, werden bei nahezu makelloser Verständlichkeit große Teile gerettet, und unbehindert durch szenisches Agieren können die Sänger dem hochexpressiven Gehalt . . nachspüren; ebd. 19. 7.1985 Sofort nämlich geraten die Schauspieler aussichtslos ins Hintertreffen gegen den gewaltigen Raum, in dem sie agieren sollen; ebd. 6.3.1987 Die Schauspieler agieren nicht, sie betonen die Verse nur zögernd, unterkühlt, mit einer zurückhaltenden Anteilnahme, die den Entzug jeglichen Geschehens erst recht spürbar macht; MM 16.4.1988 auch altgediente Bayreuthianer werden dieses Zueinanderfinden lange nicht so atemberaubend gut gesungen gehört, so liebevoll ausagiert gesehen haben. Agierung: vor 1783 (Bayer.-österr. WB I l,lllb) d' agierung machts ä so, wie's jeden wart [Wort] ist aigen; Nestroy 1835 W. IX 109 [N.:] ich werd's [Gedicht] gleich fertig deklamieren. [S:] . . und nur schön mit agierung (beide DWB N.). agieren 2c: Rot 1571 Diet. 288 Agirn, Arbaiten/ etwas thun; 1620 Aeta Publica III 280 [Gesindel], welches mit anklopfen, rufen, vnzimblichen agiren . . sich vor vnserm losament vnruhig erzeiget;
Grimmeishausen 1670 Courasche 123 und daß ich unter dem Schatten seiner Person in meiner Handelsschaft agirte; Becher 1682 Glücks-Hafen 67 Die Schwärtze .. entstehet auß einem ändern Fundament . . nemblich sie kommt her auß der Reaction des Mercurii . ., welcher innerliche Wärme anfangt zu agiren; Sperander 1727 A la mod Sprach 22 Agiren/ handeln, verrichten/ thun; Laukhard 1792 Leben 1121 Der Pastor Neuner, statt für mich zu agieren, fing nun an, gerade entgegengesetzte Maaßregeln zu ergreifen; ders. 1797 Leben IV 1,89 Überall fodert man, dass die Armeen agiren sollen, aber überall ist der Soldat passives Geschöpf, welches sich weder bewegen noch handeln kann; Wieland 1824 W. XLII1 227 Jener [ist] also der agirende, dieser der leidende Theil (KEHREIN); Mahler 1864 Ueher die Eider 35 Die Garde agirte bekanntlich in Jutland; Th. Mann 1909 Hoheit (W. II 51) dieser Schauplatz [eines Traumes] war von überaus zahlreichen und farbigen Erscheinungen, statierenden und agierenden, bevölkert, flüchtig auftauchenden und solchen, die beharrten; Huhn 1971 Verhältnis o. S. Während Keats nachzeichnet, wie der Ritter seine selbständige Aktivität mehr und mehr einbüßt, läßt Yeats Oisin zunehmend zum agierenden und Niamh immer mehr zum passiv reagierenden Teil werden; Welt 11.9.1974 Beide Länder wollen flexibel am Weltmarkt agieren können; Zeit 24.5.1985 Je freier Bildungsinstitutionen agieren können, je ungebundener, utopischer ihre Forschung, . . desto gravierendere Schwierigkeiten handeln sie sich ein; MM 3.1.1986 Die erste Eigenschaft, die einem in den Sinn kommt, wenn ein Verhalten als „instinktiv" bezeichnet wird, ist vielleicht die, daß es nicht gelernt wurde, daß es anscheinend um ein Ausagieren eines angeborenen oder ererbten Handlungsschemas geht; ebd. 11.7.1986 „Die Rebellen reagieren mehr, als daß sie agieren", heißt es in der Hauptstadt; Zeit 15.8.1986 Eurotel, so der Name der europäischen Dachgesellschaft, wird auf einem der zukunftsträchtigsten Märkte agieren; ebd. 16.1.1987 Die Polizei agiere unverhältnismäßig, provozierend, aggressiv, nicht selten rechtswidrig, werfen ihr die Grünen, Friedensbewegten oder Linksliberale vor; MM 11.6.1988 Die Drahtzieher agierten fast ausschließlich im Hintergrund. agieren 2d: Schnabel 1731 Felsenburg I 113 ob wir etwa als See-Räuber agiren wolten; Ranke 1877 Erhebung Preussens 140 . . daß Napoleon Österreich aufgefordert hatte, als Hauptmacht zu agieren; Niekisch 1953 Reich 171 der erste bühneneffekt des Dritten Reiches glückte, als die Staatsstreiche vom frühjahr 1933 als „nationale revolution" in szene gesetzt wurden . . Hindenburg agierte als komischer alter (DWB N.); Zeit 18.1.1985 „Ich
agil habe ständig das Gefühl, als seine Stellvertreterin zu agieren", sagte Margit Carstensen; ebd. 8.11.1985 neutrale Intellektuelle, die sich verantwortungsbewußt den gesellschaftlichen Problemen stellten, ohne gleich als Berufspolitiker agieren zu wollen; MM 9.12.1985 Aber im Grunde agiert die Bank nur als Makler; ebd. 7.11.1986 Der fleißige Wahlkämpfer agiert für die Hamburger SPD sozusagen als personifizierte Hoffnung. agieren 3a: 1530 Sachs U 3 Tragedia, mit 24 personen zu agiren; Gnapbäus 1537 Acolastus A 2r spylen oder agieren; Knaust 1541 Spiel 22 Das selbige Spiel wollen wir Agiren in allen massen; Hayneccius 1582 Hans Pfriem 7 Gedencke, wie in einem Spiel, das du die Person wol agirst, die man dir geben hat; Heinr. Julius Herzog v. Braunschweig 1593 Susanna (Epilog) 166 Dieweil aber vor alters alle fürneme Tragedien aus denen vrsachen geschriben vnnd agieret worden sein; Hollonius 1605 Somnium 1484 diese nütze kunst,/ Zu agirn woll erdacht spiell; Platter 1612 (Ausg. Boos) 145 Mein Vatter hat ein Teutsch spil componiert . . alß ers agieren wolt, reiß der sterben in, also daß eß ingestelt wardt; Perez 1626 Landstörtzerin l 258 daß sie .. ein Heroische und sonderbahre Geschieht der alten Griechen wolten agieren; Schupp 1657 Freund t. d. Not 44 Da agirte er nun einen rechten Poetischen und Ovidianischen Aufschneider; Gryphius 1663 Peter Squenz 12 Wir müssen [für die Theateraufführung] eine Thisbe haben, wo wollen wir die her nehmen? — Das kann Klotz-Georg agieren, er hat. . die Susanna gespielet; Elis. Charl. 1705 Br. i 427 Die commedianten übel recittiren, wen sie sprechen, wie man list. Einerley posituren sollen sie auch nicht machen, sondern die mouvement agiren, wie man die passionen fühlt; Stranitzky 1717 Reisebeschr. 41 daß er eben heut mü-
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ste einen Scaramuz agieren; Fassmann 1729 Narr 80 als er einen weitgereiseten Mann agieren wolte; Sincero 1747 Leben d. schönen Österreicherin 117 Dieweil man dazumahl in selbiger Stadt Comödien agirte; Goethe 1787 Br. (WA IV 8,118) Heute habe ich . . die Messe nach griechischem Ritus lesen und agieren sehn; Freiligrath 1851 Neuere polit. Ged. 111 182 Die Bettleroper, die zur Zeit ihr plump noch zu agieren wißt; 1852 Briefw. MommsenJahn 104 auf dem besten Wege den Siebenkäs zu agieren oder zu tragieren; Schnitzler 1912 Bernhardt 59 [die] jungen Herren, die es ihrer wissenschaftlichen Würde schuldig zu sein glauben, die Atheisten zu agieren; Neue Zeit 6.9.1984 ihn [Miller] agiert Wolfgang Jakob mit überzeugender Wärme (DWB N.). Agierung: 1569 fZFDW XV 175b) in agirung diser fabulen oder spiels wollen wir einr jedem person in svnderheyt für vnns nemen (DWB N.); Albertinus 1615 Landstörtzer 488 wir .. versahen vns mit allem deme was zu Agierung aller schönen vnnd kurtzweiligen comedien gehörte. agieren 3b: 1649 Wurm 47 Da sieht man unsere [Gecken] . . einen Schneider, dann ein Schuster, dann ein Weber, dann ein Schmid, dann andere Handwercksleute so artlich agiren und nachmachen, dass man vermeynen solte, sie weren bey solchen Handwercken aufferzogen; Stoppe 1735 Parnaß 520 weis der undankbare guckguck vor muthwillen nicht, wie er seine wohlthäter . . gnug scheren und agiren soll (DWB N.); Goethe 1811 Dichtung u. Wahrh. (HA IX 300) Er sprach hierauf mit großer Verachtung von der Buchdruckerei, agierte den Setzer, spottete über dessen Gebärden, über das eilige Hin- und Widergreifen.
agil Adj., im späteren 17. Jh. (eventuell über gleichbed. frz. agile) entlehnt aus lat. agilis 'leicht zu bewegen, zu lenken; hurtig, rasch; behend, rührig, regsam, lebendig' (zu agere 'treiben, in Bewegung setzen, handeln'; —»agieren, —* Agens, —»· Agent, —» Akt, —» Aktion). Eher bildungsspr. verwendet in der Bed. 'flink, gewandt, behend, regsam und wendig', bes. auch '(körperlich und vor allem geistig) beweglich, nicht an eine bestimmte Haltung, Auffassung, Verhaltensnorm o.a. gebunden; lebhaft, rührig, geschäftig, mit Tatkraft und Unternehmungsgeist (ausgestattet), dynamisch' (—» aktiv, —> mobil, —+ vital, —»· fit; im Ggs. zu schwerfällig, untätig, unaktiv, träge, undynamisch), häufig auf Charakter, Temperament oder Verhalten von Personen bezogen, z. B. in Wendungen wie trotz hohen Alters körperlich und geistig noch sehr agil sein, ein agiler Geschäftsmann, in neuester Zeit auch allgemeiner verwendet, z. B. mit Bezug auf Institutionen o.a. (s. Belege 1964, 1987).
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Agitation
Dazu das um 1600 vereinzelt, erst seit Ende 18. Jh. häufiger nachgewiesene, (eventuell über gleichbed. frz. agilita, s. Beleg 1822), auf lat. agilitas, Gen. agilitatis, 'Beweglichkeit, Raschheit, Schnelligkeit' zurückgehende Subst. Agilität F. (-; ohne Pl.) 'agiles Wesen, agile Art, (körperliche, aber vor allem geistige) Beweglichkeit, (im persönlichen Temperament begründete) Lebendigkeit, Regsamkeit, Wendigkeit, Flexibilität, (jugendliche) Tatkraft; Geschäftigkeit' (—>· Mobilität). agil: 1664 Unterr. wesen Mecklenbg. H 118 ritterliche Übungen . ., die . . den leib zu disponiren und agil zu machen, . . gebraucht werden (DWB N.); Wagner 1724 Soldatenbibl. 140 Der Leib derer, so den Waffen sich ergeben, muß starck, hurtig und agil seyn; Laukhard 1796 Leben III 5 Anm. weil man [bei der Armee] nur Ledige, als agilere, ausgehoben; Robert 1825 Überbildeten (Jahrb. D. Bühnenspiele V 231) Der Fried' ist Tod, der Krieg nur ist das Leben, ein ewiges agiles Chaos; Berlepsch 1875 Schweizerkunde 587 Der Züricher ist agiler und zugänglicher als der Berner; Liliencron 1896 Poggfred (W. XII 84) Welch ein agiles, reizendes Persönchen; Dombrowski 1920 System II 232 agil; Carossa 1926 Tagebuch 26 Seine Natur ist mehr agil als aktiv; ruhende Menschen zu sehen macht ihm Pein; H. Mann 1936 Mephisto 26 neben dem agilen, aber krüppelhaften Reklamezwerg; Bamm 1956 Ex ovo 58 der vagen Umwelt des Patienten, in welcher er von immer noch äußerst agilen Dämonen geplagt wird; Welt 10.1.1959 agiler Chef des Unternehmens; FAZ 13.4.1963 Aristokrat .. Ende 50, groß, schlank, gesund, solide, sehr agil, weltgewandt (Anzeige); ebd. 21.11.1964 temperamentvolle Frau . . ledig, agil, vital, ersehnt .. Lebensgefährten (Anzeige); Welt 2.6.1964 die Staatsbank . . ist von Haus aus konservativ, gilt aber in geschäftlichen Dingen als besonders agil und unbürokratisch; Offenburger Tagebl. 20.4.1970 Einer der agilsten Offenbacher Stürmer . . erzielte .. das Siegestor; Fest 1973 Hitler 216 Agile Geschäftemacher kamen binnen weniger Monate zu märchenhaften Vermögen; Zeit 15. 2.1985 die Melancholie, die dieser erstaunlich agil und optimistisch erscheinende Mann [Gorbatschow] zu überwinden verspricht; ebd. 27.3.1985 Castelli, mit 80 noch agil und feinnervig; ebd. 31.5.1985 der wortgewandte, agile Generalsekretär; ebd. 3.10.1986 daß er politisch so agile Hochschullehrer wie Klaus Stürmer . . mit dem behäbigen Andreas Hillgruber . . in einen Topf warf; MM 25.4.1987 bei der im Wert-
papiergeschäft traditionell sehr agilen Dresdner Bank; ebd. 1. 6.1987 seit Jahren kümmert sich ein agiler Förderkreis um die finanziellen Belange; ebd. 23.12.1987 wirkt der Wagen mit 4WS agiler als das Vergleichsmodell ohne die hinteren SteuerRäder; ebd. 31.5.1988 er hatte sich . . als agiler und ausdrucksvoller Darsteller erwiesen. Agilität: Wedel um 1600 Hausbuch 95 ein Knabe ohne Hände .., und einer sonderlichen Agilität und Geschicklichkeit; F. Schlegel 1798 W. l 2,234 [menschliche] energie i s t . . mehr als bloße agilität, es ist wirkende .. kraft (DWB N.); Meyer 1808 Sehr. 53 woraus ein Charakter, eine sinnliche Darstellung von roher Agilität und Kraft entstanden [ist]; Spaun 1822 Santini II 239 ein Mann von sehr einnehmender Bildung, der mit der Agilite und Nervenkraft des Wieners die Grazie des Franzosen verband; Holtet 1863 Letzte Komödiant II 133 sie [Marionetten] wurden von oben geleitet gleich leblosen Puppen und übertrafen . . an . . Agilität Alles, was man jemals von den besten französischen und italienischen Marionettenführern gesehen zu haben sich erinnerte; ßi'rt 1910 Provence 61 in Vaucluse wird man nicht zum Träumer, der haltlos untätig sich selbst verliert. Dafür sorgt schon der Wasserfall in seiner hellen Kraftfülle. Agilität, ein pulsierendes Leben, Rausch des Daseins; Schuster 1936 Nachbar i. Westen 152 Agilität im Denken; NZ.(Basel) 3.2.1950 [machte] durch sein zufriedenes Lächeln und die Agilität seiner gestrafften Bewegungen einen sehr sympathischen Eindruck; Ganzborn 1971 Wandlungen o. S. gewinnt dafür die geistige Agilität ständig an Bedeutung, sowie die Fähigkeit, auch im Berufsleben ununterbrochen weiter zu lernen; MM 2.4.1988 Karajan, seit einigen Jahren von schweren Rückenoperationen in seiner Agilität merklich reduziert, hat auch mit 80 noch Zukunftspläne; ebd. 18.6.1988 Suzanne Calabro gestaltet ihren Jano-Auftritt mit pointierter Agilität.
Agitation F. (-; -en), im späteren 16. Jh. vereinzelt, erst seit dem 18. Jh. häufiger belegte Entlehnung aus (flekt. Form von) lat. agitatio 'das In-Bewegung-Setzen; Bewegung; Tätigkeit, Regsamkeit' (zu agitare, —* agitieren), im 18. Jh. selten in der lat. Form.
Agitation
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la Zunächst selten in der Bed. 'das In-Bewegung-Setzen, Bewegen, Betreiben (von etwas), das Tätigsein; Bewegung, Schwingung, Anregung, Antrieb' (—» Vibration, —»· Turbulenz b), bes. von physischen Prozessen, Vorgängen, Handlungen o.a., z. B. Agitation der Luft, des Wassers. b Gleichzeitig in bezug auf subjektive körperlich-seelische Zustände für 'Aufregung, Erregung, Gemütsbewegung; Beunruhigung, Ängstigung, innere Unruhe' (vgl. den bis heute gebräuchlichen medizinischen Fachausdruck Agitatio 'körperliche Unruhe, Erregtheit eines Kranken'; —» Affekt Ib, —» Affektion 1). Vor allem im 19. Jh. auch auf Erscheinungen des gesellschaftlichen Lebens bezogen in der Bed. 'kollektive Bewegung (von Personengruppen, Menschenmassen); öffentliche Aufregung, Verwirrung, Unruhe(n), Krawall, Empörung, Aufruhr' (s. Belege 1836, 1852), selten auch für 'aufregende Begebenheit' (s. Beleg 1824). 2 Seit früherem 19. Jh. unter Einwirkung von gleichbed. engl. agitation als Schlagwort in der dominierenden Bed. 'lebhafte politische Wirksamkeit, Tätigkeit; politisches Einwirken auf die öffentliche Meinung, auf Bewußtsein und Stimmung der Massen; (oft im Auftrag einer Gruppe, Partei betriebene) intensive Werbung für meist politische, aber auch soziale und künstlerische Ideen, Anschauungen oder Ziele', gelegentlich auch mit negativer Wertung verwendet für 'offensive, aggressive politische Propaganda, aufrührerische Hetze, Diffamierung, Kampagne, Aufwiegelung, Wühlerei' (s. Belege 1984, 1986; —» Propaganda, —» Demagogie); seit früherem 20. Jh. (Lenin) speziell im kommunistischen Sprachgebrauch in der heute ungebräuchlichen Bed. 'politische Aufklärungstätigkeit, die im Dienste der Erziehung und Entwicklung des gesellschaftlichen Bewußtseins steht' (s. Belege 1933, 1974). Häufig mit den Präp. für und gegen gebraucht in Wendungen wie Agitation für/ gegen eine Partei, Idee, Richtung betreiben, radikale, verbale, politische Agitation, eine Agitation anstiften, Agitation in Wort und Schrift und (bes. im kommunistischen Sprachgebrauch) in der festen Verbindung Agitation und Propaganda (s. u. Agitprop}; als Grund- und Bestimmungswort in Zss. wie Volks-, Wahl-, Massenagitation; Agitationsarbeit, -feldzug, -mittel, -rede, -reise, -schrift, -stück, -theater. Dazu seit früherem 20. Jh. das aus Agitation und Propaganda gebildete Kurzwort Agitprop F. (-; ohne PL), als historische Bezeichnung für die mit propagandistischen und insbes. künstlerischen Mitteln betriebene politisch-ideologische Schulungs-, Erziehungs- und Aufklärungsarbeit kommunistischer Parteien, gelegentlich auch für deren Repräsentanten (s. Beleg 1950); meist als erstes Glied von Zss. wie Agitpropgruppe, -stück, -theater und in neuester Zeit die adj. Gelegenheitsableitungen agitprophaft und agitproppig. Dazu das im 19. Jh. (1863 bei Kaltschmidt) gebuchte, in neuester Zeit vereinzelt belegte Adj. agitativ (vgl. mlat. agitativus 'schüttelnd') in der Bed. 'bewegend, Agitation betreibend' (zu 2). Agitation la: Rot 1571 Diet. 288 Agitation, bewegung . ., treibung; Zedler 1732 Universallex. l 784 Agitatio, . . Bewegung und Vibratio; Hederich 1743 Antiqu.-Lex. 136f. Agitatio; Hamann um 1755 Sehr. IV 108 denn dieser philosoph [Descartes] lehrte, . . daß die wärme eine bloße agitation der durch die feine materie . . in bewegung gesetzten lufttheile wäre (DWB N.); Kleuker 1777 Gedanken Paskais 493 der drang, der die menschliche
natur zu beständiger agitation treibt, gehört unter die wohlthätigsten einrichtungen unsers baumeisters [Gott] . . denn ohne jene agitation hätte die menschliche vis inertiae keinen widerstand (DWB N.); Heinzmann 1800 Fruehst. Beil. 107 die ewige Bewegung (Agitation) der Revolution; Goethe um 1810 Farbenlehre (HA XIII 311) so wird denn diesem wirksamen Wesen [dem Licht] ein Fließen (fluidatio), ein Wogen (undulatio, undatio), ein Re-
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Agitation
gen und Bewegen (agitatio), ein Wälzen (volutatio) zugeschrieben; 1844 Histor.-polit. Blätter XIH 599 [sind] die materiellen oder höheren moralischen Interessen der Gesellschaft durch diese revolutionirende Agitationskraft des Dampfes gefährdet. Agitation Ib: Rot 1571 Diet. 288 Agitation . ., ängstigung; Goethe 1811 Dichtung u. Wahrh. (HA IX 46) alles andere Interesse mußte diesem weichen, und wir brachten den Überrest des Jahres in beständiger Agitation zu; ebd. X 181 Ich .. schrieb, wenn auch nicht ohne innere Agitation, am Egmont rüstig fort; Pückler-M. 1822 Briefw. V 313 die agitationen, welche bei meinem . . zu zarten gemüth mit allem öffentlichen auftreten verbunden sind, untergraben meine gesundheit (DWB N.); Goethe 1824 Br. (WA IV 38,32) Wahrscheinlich gibt dir Ulrike von den Agitationen Nachricht die unser kleines Wesen, wo nicht groß, doch interessant machen. Händel auf Händel erzeugt die Maskerade; Schlesier 1836 Obd. Staaten 141 lehnte sich in Francken, Schwaben und am Rheine eine neue politische Agitation des bisher unterdrückten und rechtlosen Bauernstandes [auf]; Kohl 1844 brit. Inseln 189 ist dieser Absenteeismus in neuerer Zeit noch immer im Wachsen gewesen, . . in den Jahren des Whiteboyismus, der Emancipations-Aufregung und der Repeal-Agitation ist er höchst wahrscheinlich noch mehr gestiegen; ders. 1844 England II 266 eine „Agitation" oder ein „Movement" (eine Bewegung der Gemüter) in der Richtung des ihnen vorschwebenden Zieles hervorzubringen; Häusser 1851 Denkw. 114 noch hatte die Bewegung die beiden Großstaaten Deutschlands nicht ergriffen und selbst als sie dieselben berührte, blieb, .. „das Volk vor den Thronen stehen". Die ungeheure Agitation, die ein dreißigfach getheiltes Volk gleichmäßig durchschüttert hatte, hielt sich im Bette der Reformbewegung; Schlesinger 1852 London I 221 eine grosse Agitation [in London] zur Herstellung wohlfeileren Brenngases; Riehl 1861 Ges. 262 die satyrischen verboten der großen bewegung [Reformation], Sebastian Brandt . . Thomas Murner u. a., stellen eine ganz entschieden sociale agitation aus dem schooße des bürgerthumes dar (DWB N.); Ranke 1864 Briefwerk 457 In München war . . jede Stunde mit Beratungen und Debatten, in der Sitzung oder zu Hause, und mannigfaltigen Agitationen erfüllt; Hartmann 1866 Erlebnisse 259 Diese Agitation bewirkte eine innerliche Trennung der Offiziere; Gutzkow 1872 Reiseeindrücke XI 293 Wie man wenig vom „Socialismus" in Holland findet, so auch keine „Frauenloos"-Agitation; Rose 1884 Revanche 126 Agitation; Hertling 1919 Erinn. I 45 Agitation [Aufregung, Nervosität].
Agitation 2: 1839 Die Eisenbahn 472 Der berühmte ungarische Redner Vesselenyi, der in Folge vorhergegangener Volks-Agitation zu mehrjähriger Gefängnisstrafe verurtheilt wurde; Goldmann 1839 Pentarchie 113 Propaganda und Agitation; 1552 Prutz'Museum U 959 Die Agitation für Wiederherstellung der Kornzölle; 1854 ebd. II 647 politisches Agitationsmittel; Prutz 1854 Neue Sehr. II 8 hatte Ulrich von Hütten für seine deutschthümelnde Agitation (wenn dieser zweideutige Ausdruck verstattet ist für eine so ernste und tüchtige Sache . .) endlich nur das Mittel der Literatur übrig behalten; 1855 Prutz'Museum II 519 daß die ganze gegenwärtige Wahlagitation .. bei unserm Publicum . . nicht halb das Interesse erregt . . als z. B. der Arbeiterkrawall; Stahl 1856 Staatslehre 297 Schutz gegen die Agitation und gegen den Angriff auf die Fundamente der bestehenden Ordnung; Schneller 1866 waelscbtirol. Frage W diese rastlose und friedenslose Agitationspartei; Wuttke 1866 Zeitschriften 145 [eine] organisirte Agitation; Strauss 1872 Glaube 292 Unter die Zeichen der Gewalt anmasslicher Schlagwörter und Mode gewordener Vorurtheile rechne ich . . auch die Agitation gegen die Todesstrafe; Heyse 1873 Kinder d. Welt I 337 Es würde mich unsäglich beunruhigen, wenn du nur zwei Jahre lang alle „Agitation" unterlassen wolltest; 1878 Preuss. Jahrb. XLII 100 Das Geheimniss der ungeheuren Macht der Sozialdemokratie liegt in ihrer Agitation; Kretzer 1880 Genossen 71 [die] Lasalle'schen Agitationsschriften; ebd. 87 der . . auf seinen Agitationsreisen tausendmal dieses neue Evangelium gepredigt hatte; Braun 1881 Bilder IV 297 daß die Religion stets gelitten hat, wenn sie .. Hofintriguen, Volksagitationen und überhaupt der Tagespolitik gedient hat; Rose 1884 Revanche Einl. X weil das Agitationsgewerbe in Frankreich noch immer seinen Mann nährt; Stieler 1885 Kulturbilder 207 [eine] politische Agitation; Riehl 1885 Vortr. II 71 Erst durch den großen Geisterkampf, der von Wittenberg ausging, ward sie [Buchdruckerkunst] das allgemeine Mittel des Austausches der öffentlichen Meinung, des Streites, der Agitation; Göhre 1891 Fabrikarb. 97 erfüllt solch Sommerfest im besondren Sinne Pionier- und Agitationsarbeit; Wilhelm II. 1895 Kaiserworte 141 Agitation in Wort und Schrift; 1897 Preuss. Jahrb. XL 433 Agitation für die Befreiung des Weibes; vor 1898 (Bismarck 1919 Ged. u. Erinn. Ill 6) Daß aber Stöcker und seine Agitation eine erhebliche Zahl von Socialdemokraten bekehrt hätten, sei eine Täuschung; Blume 1899 Wehrkraft 84 auf dem Wege der politischen und sozialen Agitation; Th. Mann 1901 Buddenbrooks (W. l 411) die Agitation, die Beratungen, die Kämpfe der Meinungen nahmen ihren Fortgang; Hölzke 1902 Hässliche 25 Anklage- und Agita-
Agitation tionsliteratur; Hegeler 1908 Ärgernis 16 ein eifriger Kämpfer zur Hebung der Sittlichkeit, war . . von einer Agitationsreise zurückgekehrt; 1918 Deutschland 393 Agitationsmittel der Entente; Plenge 1921 Propaganda 11 Ich brauche nur daran zu erinnern, was die „Agitation" als innerpolitische Propaganda bedeutet; Bab 1928 Befreiungsschlacht 108 Ein politisches Agitationsdrama, hinter dem kein positiver Glaube steht; Voss. Ztg. 11.1,1931 die Agitationsreden von Goebbels sind ihm bekannt; Lokal-Am. 30.1.1933 Versuche, diese Kabinettsbildung durch .. Agitationsmanöver zu stören; ebd. 28.2.1933 ein .. fanatischer Kommunist . . ist .. zusammen mit anderen 20 bis 30 holländischen Kommunisten in einer Agitationsschule ausgebildet worden; ebd. 4.3.1933 wie lange unter der nationalen Regierung solch kommunistisches Agitationstheater geduldet werde; Stapel 1939 Stapeleien 191 Agitations- und Sensationsliteratur; Th. Mann 1941 Reden u. Aufs. (W. XII 910) von der Anklage, die Kanzel zu politischer Agitation mißbraucht . . zu haben, freigesprochen; Dtsch. AZ. 30.6.1944 ihre Bundesgenossen im Stich ließen, wenn diese statt Agitationsphrasen auch militärische Hilfe gebraucht hätten; Welt 3.12.1949 soll eine Massenagitation auf dem Lande einsetzen, um das geplante „Bündnis der Arbeiterklasse mit der Bauernschaft" zu verwirklichen; Neue Ztg. 12.5.1950 Das SED-Kreissekretariat Dresden hat beschlossen, den 20. Mai zum „Tag der Agitation für das Deutschlandtreffen" auszurufen; Rosenberg 1962 Demokratie 89 Ledru-Rollin hatte nach seinem Ausscheiden aus der Regierung seine Schlagwortagitation so fortgesetzt, als ob nichts geschehen wäre. Seine Freunde mißbrauchten den Namen der Bergpartei, indem sie ihn für sich annektierten; Strittmatter 1963 Öle Bienkopp 81 offensive Agitation treiben; Offenburger Tagebl. 14.11.1967 Was wir zur Völkerverständigung und Entspannung nötig haben, ist mehr Information und weniger Agitation; ND 3. 9.1974 sie müssen sich . . die Leninsche Kunst der politischen Aufklärung . . der Massen aneignen, müssen beweiskräftig und verständlich Agitations- und Propagandaarbeit leisten; Dülmen 1977 Reformation 24 Der Erfolg von Luthers Ablaßagitation ist nicht primär in ihrem theologischen Inhalt . . zu suchen: was die Massen für Luther einnahm . . war seine totale Herausforderung der römischen Kirche; MM 5.7.1984 Der Beitrag habe .. nichts mehr mit Argumentation, aber alles mit Agitation zu tun; ebd. 14.1.1986 Ursachen für die Frankfurter Ereignisse waren .. Falschinformationen und Lügen und Agitation; . . das politische Klima in der Bundesrepublik nicht durch „Agitation und Hetze" zu vergiften; ebd. 24.4.1986 sprach sich der Mannheimer Arbeiter-Bildungs-Verein . . für
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die Wahlrechtsagitation aus und setzte damit ein deutlicheres Zeichen seiner zunehmenden Politisierung; ebd. 20.9.1986 hatte sie . . miterlebt, was Menschenmassen, durch entsprechende Agitation aufgepeitscht, auf der Straße ins Rollen zu bringen vermögen; Zeit 12.12.1986 bei Hoechst wird er [Film] indes als „Agitation gegen ein Medikament und gegen Hoechst" gewertet; MM 18.4.1987 Führung ist da vonnöten, das Agieren der Politik, nicht Agitation. agitativ: MM 11.6.1988 die Abwehr vom agitativpolitisierenden Stil der früheren Jahre und die Hinwendung zu den „zarten Tönen des innersten Lebens", wie es Nono sagte. Agitprop(-): 1930 (1956 Aufbau 226) daß die agitprop-bühnen der fruchtbarste keimboden des proletarischen theaters sind; (DWB N.); 1936 Das Volk 259 Dieses System umfaßt eine . . Reihe von Kampfhandlungen, die mit der Agitprop beginnend, über den Streik . . und den bewaffneten Aufstand in den Bürgerkrieg einmünden; Süddtsch. Ztg. 30.5.1950 Selbst die „Agitprops", die vielen geschulten Agit-Propagandatruppen der FDJ, beschränkten sich auf Ostberlin; ebd. 19.6.1951 sah sich das Informationsamt genötigt, einen der besten Propagandaredner dort einzusetzen. Gewählt wurde der Agitprop-Mann . . aus Sachsen-Anhalt; ND 26.4.1959 wie oft greifen herzhaftere Kumpel zur Feder, wenn für die Agitpropgruppe oder das Betriebsensemble die richtigen Stücke fehlen; Hermand 1971 Pop o. S. gegen jene revoluzzerhaften Stürmer und Dränger, die nur noch das Zauberwort „Agitprop" anerkennen und von der . . Kunst nichts mehr wissen wollen; ND 1.6.1974 erinnert sei an die Agitprop-Gruppen der kommunistischen Partei; Zeit 22.2.1985 als .. Lietzau das Collagenstück . . inszenierte, ließ er sich von der Agit-PropKunst. . Piscators inspirieren; MM 21.6.1985 tendenziöses Schrifttum, Agitprop, die Nähe zum terroristischen Umfeld unübersehbar; ebd. 14.11. 1985 Becker war noch nie ein Agitprop-Künstler, auch in Liedern mit . . politischem Einschlag .. wich er dem plakativen Statement . . aus; ebd. 25.1.1988 befreit vom revolutionären Agitprop, zum reinen Spiel umfunktioniert, verwässert das Stück [von Brecht] zur politischen Harmlosigkeit. agitprophaft: MM 2.4.1988 Ute Richter hat in ihrer Inszenierung das Agitprophafte der Vorlage eher gedämpft, sich mehr auf die zwischenmenschliche Beziehung . . konzentriert. agitproppig: Zeit 8.3.1985 so agitproppig geht es dann im Film [„Morenga"] nicht zu.
Agitator die Fuhrleute im Circus ..; c) Unter Cromwell Bezeichnung der unruhigen Soldaten; d) Beiname O'Connells in Irland; Riehl 1865-71 Vortr. l 315 die politischen Agitatoren hatten ihn [Begriff „öffentliche Meinung"] längst in Curs gesetzt, bevor die staatsgelehrten Forscher Werth und Währung prüften; ebd. l 358 wer durchaus nur in einer organisirten Partei sich selber findet, der ist vielleicht ein gewaltiger Agitator, wahrscheinlich aber ein beschränkter Mensch; Scherr 1868 Vor 48 U 1,49 Fickler, ein geborener „Wühler", der, falls seine Anschläge gelungen wären, jetzt ein großer Mann heißen und von denselben .. Propheten der richtigen Mittelmäßigkeit, welche jetzo von ihm nur wegwerfend als von einem „Wirtshausagitator" reden, als ein großer Mann gepriesen würde; 1867 Gartenlaube 376 Die letzten Tage eines Agitators [Lasalle] von einem Augenzeugen; 1874 Dtsch. Rundsch. l 133 dennoch hat dieser . . so gewaltig „agitirende" Schriftsteller in seinem Wesen nichts von einem „Agitator" gehabt; Nürnberger 1874 Siegelringe 35 der republikanische Volksagitator [Garibaldi]; Blumenthal 1880 Aus heiterm Himmel 95 Der Agitator an den Arbeiter (Titel e. Epigramms); 1890 Unsere Zeit I 441 waren die Männer, welche . . legislative Probleme erörterten . ., Juristen, aber ihr Ideenkreis war der . . eines politischen Schriftstellers, oder eines thätigen Agitators; Th. Mann 1904 Nachtr. (W. Xlll 392) findet er die sittliche Genugtuung, die dem Agitator die begeisterte Hingabe an eine reformatorische Idee zu gewähren vermag; Bülow 1916 D. Politik Xlll ob . . feindliche Agitatoren in diesen Staaten die Volksstimmung während des Krieges gegen uns einnahmen; Curtius 1921 Barres Vorw. IV den journalistischen und parlamentarischen Agitator der französischen Rheinpolitik; Th. Mann 1924 Zauberberg (W. Ill 214) Zettembrini sprach von seinem Großvater, der . . etwas wie einen politischen Agitator, Redner und Zeitschriften-Mitarbeiter vorgestellt hatte; Brauer 1929 Sozialismus 145 ebensowenig wie man die Revolution der Böswilligkeit von Agitatoren zuschreiben darf; de Man 1932 Massen 34 gewissenlose Agitatoren; Berl. lllustr. Nachtausg. 15.1.1933 Noch niemals hat . . ein Land . . einen derartigen Massenansturm von Rednern und Agitatoren erlebt und eine derartige Fülle von Flugblättern über sich ergehen lassen müssen; ebd. 4.3.1933 Er beherrschte die deutsche Sprache . . und war auch schon vorher als kommunistischer Agitator in Deutschland tätig; Lokal-Anz. 24. 7. 1934 wenn die Regierung . . den Entschluß aufbringt, gegen die kommunistisch-marxistischen Agitatoren . . vorzugehen; Th. Mann 1941 Reden u. Aufs. (W. XII 911) es wird . . jeder, der ein Menschenherz in der Brust hat, zum politischen Agitator, wenn eine Kreatur wie Hitler an die Macht
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gelangt; Süddtsch. Ztg. 18.1.1951 [Er] erzählt im Tonfall und mit Gesten eines politisch geschulten Agitators seine Geschichte; Hartmann 1954 Begegnung 139 [hat] den Typus des „Agitators" geschildert, der die Werbung für eine Sache über diese selbst stellt; ND 4.4.1954 es gelang ihr . . die Aufgabe zu erfüllen, die Lenin der revolutionären Arbeiterklasse gestellt hat, nämlich ein kollektiver Propagandist, kollektiver Agitator und kollektiver Organisator zu werden; Welt 28.6,1954 Hauptstadt Taschkent Schulungsort kommunistischer Agitatoren; Partner 1964 Erben 321 Agenten und Agitatoren bearbeiteten . . den bayerischen Adel; Stuttgarter Ztg. 22.4.1969 Wo . . politische Agitatoren am Werk sind, deren Ziel der Umsturz ist, sind die Parteien aufgerufen, den demokratischen Staat . . zu verteidigen; Schädlich 1977 Nähe 154 von solchen Agitatoren dürft Ihr Euch nicht verleiten lassen; Zeit 6.5.1986 er war ein Polemiker und Agitator; MM 12.6.1986 hier fand ihn Tito .. und machte den jungen Agitator zu einem seiner engsten Mitarbeiter; Stern 16.6.1987 ich bin ein Agitator im Informations-Krieg. Agitatorentum: Kretzer 1880 Genossen 19 aus den glücklichen Tagen des bezahlten Agitatorenthums; Th. Mann 1938 Nachtr. (W. XIII 676) die Aufwiegelung der Interessen . . unterminiert die letzten Winkel der Welt mit Geld, Bestechung, betäubender Beschwatzung, unendlichem Spitzel- und Agitatorentum. agitatorisch: Heine 1831 Br. I 471 das buch [Heines Nachträge zu den „Reisebildern"] ist stärker im ausdruck als im ausgedrückten, es ist nur agitatorisch (DWB N.); 1855 Prutz' Museum II 477 agitatorisches Talent; Andree 1874 Wendische Wanderstudien 53 Ist das nicht der reine Panslawismus? Liegt hierin nicht ein agitatorisches Prinzip?; Reinhold 1884 Volkstum 218 Die Einführung des allgemeinen Wahlrechts war allerdings agitatorische Politik; Gottschall 1885 Totenkl. 286 daß das agitatorische Demagogenthum sich auf dieser rechten Seite ebenso geltend macht wie sonst auf der linken; Gildemeister 1890 Aus d. Tagen Bismarcks 232 daß die Unwahrheit „agitatorisch" . . gewesen sei!; Th. Mann 1904 Nachtr. (W. XIII 393) dieses . . sehnsüchtige und hochmütige Geschöpf, es war eine Künstlerin und als solche ohne jede positive Verbindlichkeit, ohne jeden agitatorischen Wert; Dombrowski 1920 System II 38 Nur beim Sprechen, beim agitatorischen Reden vor einer Versammlung huscht ein Strahl des Geistigen über ihr Antlitz; Voss. Ztg. 24.1.1931 ob diese Vorwürfe . . berechtigt sind oder ob nicht auch hier große agitatorische Uebertreibungen vorliegen; Dtsch. AZ. 4.5.1944 mag er neben der agitatorischen
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agitieren
Wirkung nach außen auch an die Beeinflussung der Stimmung in Amerika selbst vor den Wahlen gedacht haben; Hartmann 1954 Begegnung 139 Agitatorisch für etwas einzutreten; ND 3.4.1954 allein durch agitatorische und propagandistische Arbeit kann der Bevölkerung niemals ein sozialistisches Bewußtsein anerzogen werden; Strittmatter 1963 Öle Bienkopp 82 Öle versucht's mit einem
agitatorischen Kniff; Zeit 15.2.1985 mit strafrechtlichen Mitteln gegen verletzende, beleidigende, agitatorische Äußerungen .. vorzugehen; ebd. 27.9.1985 die Kritik an Springer entzündet sich .. an dem manipulativen Gebrauch von Fakten und dem oft agitatorischen Mißbrauch von Nachrichten; ebd. 10.5.1986 mehrmals zitiert sie Agitatorisches aus Kaiserreden an die Arbeiter.
agitieren V.(in)trans., seit frühem 16. Jh. selten, erst seit dem 18. Jh. häufiger nachgewiesene Entlehnung aus lat. agitare 'in Bewegung setzen, an-, auf-, erregen, verwirren; etwas heftig betreiben, bewegen, antreiben, beunruhigen; schüren, aufpeitschen, aufwiegeln, aufhetzen' (einer Intensivbildung zu agere; —> agieren, —> Agens, —»· Agent). 1 Vorwiegend als trans. Verb, vereinzelt auch reflex, gebraucht: a Zunächst selten in der Bed. 'bewegen, anregen, in Bewegung setzen', z. B. von Abläufen im menschlichen Körper (—* Agitation l a). b Im 18.719. Jh. in der Bed. 'stark auf-, erregen, beunruhigen, durcheinander bringen, ängstigen', vor allem in bezug auf die körperlich-seelische Verfassung von Personen, selten von gesellschaftlichen Zuständen; speziell in der Psychologie in der adj. verwendeten Part. Perf.-Form agitiert für 'erregt, unruhig', mit der subst. Ableitung Agitiertheit 'innere und äußere Unruhe' (—» Agitation Ib). 2 Seit früherem 19. Jh. unter Einwirkung von gleichbed. engl. agitate (< lat. agitare, s. o.) zunächst als V. intrans. in der dominanten Bed. 'lebhaft für oder gegen etwas/ jmdn. tätig sein, wirken; politische Agitation betreiben, politisch werben, die Massen in politischer Hinsicht beeinflussen, für etwas einnehmen, gewinnen', gelegentlich auch abwertend für 'im Untergrund wühlen, politische Hetze betreiben, die Massen gegen den politischen Gegner aufwiegeln, aufreizen, aufhetzen' (—> propagieren); daneben speziell im kommunistischen Sprachgebrauch in der veralteten Bed. 'die Bevölkerung politisch-ideologisch aufklären'. Häufig in Wendungen wie für/ gegen etwas oder jmdn. agitieren, im Untergrund agitieren, agitieren und propagieren (—> Agitation 2). In neuerer Zeit selten auch als V. trans, verwendet jmdn. agitieren 'jmdn. durch Agitation beeinflussen, zu etwas zu bewegen suchen', z. B. die Massen agitieren (s. Belege 1983, 1985). agitieren la: Paracelsus 1526-27 S. W. / 3,449 Dis fieber kompt, so die febrilischen Spiritus verirren und aus der materi komen und agitiren sich wider iren lauf und Ordnung und werden geursacht durch die zurbrechung . . der materien und das accidens; Hirsch 1662 Kirchers Musurgia 306 so wird durch die pulsus der gantze Leib agitirt; Lebenwaldt 1681 Teufels List VIII 320 Die humores [Körperflüssigkeiten] zu agitieren; Kant 1798 Ges. Sehr. VII 106 [im Schlaf,] in welchem . . der körper für die animalischen bewegungen abgespannt, für die vitalbewegung aber innigst agitirt wird (DWB N.). agitieren Ib: Sperander 1727 A la mod Sprach 23 Agitiren/ hin und wiedertreiben/ ängstigen/ peini-
gen; Zedler 1732 Universallex. I 784 agitiren, . . ängstigen, peinigen, verfolgen; Maria Theresia 1755-56 Polit. Testament 88 wäre ich . . bekümmert und agitiert in dieser als allen gefährlichen gelegenheiten (DWB N.); Goethe 1789 Br. (WA IV 9,113) agitirt von so vielen Gegenständen; Sack 1807 (Stein Briefw., Denkschr. II 208) das publicum ist über Danzigs nachricht höchst agitirt (DWB N.); Goethe 1810 Br. (WA IV 21,263) ich habe schon öfters üble Folgen erlebt, wenn ich mich kurz nach einer großen Veränderung fatiguirt und agitirt habe; Pückler-Muskau 1831 Br. e. Verstorbenen IV 22 er [Wellington] mußte . . sich wie ein Angeklagter vor seinen Richtern vertheidigen. Er war sehr agitiert; Hofmannsthal 1921 D.
Agnostiker Schwierige 133 ich kann mich nicht setzen, ich bin zu agitiert (DWB N.). agitiert: Gutzkow 1858 Zauberer 111 41 Der unruhigen, ewig agitierten Frau (SANDERS 1871); 1881 (Bismarck 1919 Ged. u. Erinn. II 222) der böse Traum, aus dem Eure Majestät nervös und agitiert erwachten; Simonis 1970 Ecdesia visibilis o. S. spezielle Symptome und Syndrombilder, ängstlich-agitiertes Gepräge, langdauernde Schlafstörungen, Affekt- und Aggressionsstauungen; l985 Packungsbeilagen f. Medikamente o. S. Recatol: darf nicht angewendet werden bei erhöhtem Blutdruck, . . psychiatrischen Erkrankungen, insbesondere agitierten Psychosen. agitieren 2: Kohl 1844 England II 266 [nach der Erzählung englischer Wahlmanipulationen] Sie nennen diese Art von Thätigkeit „Agitiren" und der Zweck dieses Agitirens ist, eine „Agitation"; 1857 Allg. Mtl. Enc. I 208 Agitiren, in Unruhe setzen, aufwiegeln; 1874 Dtsch. Rundsch. I 133 [David Friedrich] Strauss hat unsere Zeit und unser Volk vielleicht tiefer . . angeregt, als irgend ein Zeitgenosse. . . Und dennoch hat dieser so tief und so gewaltig „agitirende" Schriftsteller in seinem Wesen nichts von einem „Agitator" gehabt; Bahr 1893 Liebe 119 ein Ideal, für das er kämpfen und agitieren und werben konnte; Bismarck 1893 (Klemm I 18) „Man wirft mir vor, dal? ich der Regierung Opposition mache. Ich fürchte diesen Vorwurf nicht. Wenn ich agitiren wollte, so brauchte ich nur eine Rundreise in Deutschland zu machen"; Potenz 1898 Grabenhäger II 243 der bei den Leuten herumgeht und gegen die Herrschaft agitiert; Bin 1910 Provence 130 Sie fordern es laut und agitieren lebhaft; ebd. 139 Für eine Kriegsflotte zu agitieren ist allerdings nur in Deutschland nötig; T/7. Mann 1918 Reden u. Aufs. (W. XU 56) nicht
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also von jenem schreibenden, agitierenden, die internationale Zivilisation propagierenden Lumpenpack; Berl. Illustr. Nachtausg. 27.4.1933 Es handelt sich um einen Heizer, einen Schlosser und eine Wäscherin, die bis in die letzte Zeit hinein regelmäßig Flugblätter verteilt und agitiert haben; LokalAnz. 14.8.1934 Er braucht nicht zu trommeln, zu werben und zu agitieren; Th. Mann 1938 Reden u. Aufs. (W. XI 913) er agitiert für diese Partei; Welt 2. 6.1949 in diesem Wahlkampf hatte die DP unter Schwarz-Weiß-Rot agitiert; Strittmatter 1963 Öle Bienkopp 69 am schwersten war's für Öle, bei sich selber, das heißt bei Anngret, für die gerechte Sache zu agitieren; Hermand 1971 Pop o. S. das soll nicht heißen, daß man nicht agitieren oder nicht dafür sorgen soll, daß die richtigen Leute an die richtige Stelle kommen; Welt 31.10.1974 er ging ins Volk agitieren; Schwamborn 1983 Scbwulenbuch 54 Winfried agitierte mich nicht mehr mit seinen Ansprüchen (DUDEN 1993); Zeit 11.1. 1985 er flitzt fürs Volksbegehren durch die Lande, agitierend und propagierend; ebd. 3.5.1985 sie kommt, . . um die Familie des Lumpensammlers zu „agitieren"; ebd. 17.5.1985 er läßt sich nicht provozieren und wird auch nicht für seine Partei agitieren; ebd. 11.10.1985 er hat Frankreich und den angeschlagenen, blassen Mitterrand . . hofieren, .. aber nicht agitieren können; ebd. 8.11.1985 er argumentierte, agitierte, deklamierte; ein Demagoge, doch einer mit Herzlichkeit; ebd. 13.12.1985 von der USPD wechselt er zur KPD, verdingt sich als Bauhilfsarbeiter und agitiert von 1933 an im Untergrund; MM 20.11.1986 einige wild entschlossene Revolutionäre agitieren und konspirieren, sammeln Gleichgesinnte und unterwandern; Zeit 30.1.1987 war es eigentlich noch nötig, gegen die SPD und die bei ihr vermutete Tendenz zum Staatskapitalismus .. zu agitieren?; ebd. 1.5.1987 wer samt den Grünen für den Boykott agitiert, der will . . dem Staat .. eine Niederlage beibringen.
Agnostiker M. (-s; -), im späten 19. Jh. entlehnt aus gleichbed. engl. agnostic (1869 von dem Zoologen und Anatomen Thomas H. Huxley gebildet aus dem Negationspräfix a-, —* a-, und gnostic 'an die Möglichkeit transzendentalen Erkennens glaubend', auch als Subst. 'Gnostiker, Kenner göttlicher Geheimnisse', zurückgehend auf griech. 'zum Erkennen geschickt, erkennntnisfähig, mit der Möglichkeit des Erkennens ausgestattet (sein)', zu yvo- 'wissen', dem Etymon von , auch , 'erkennen, kennenlernen'); vgl. älteres Gnostiker (—» Gnostizismus). In der Bed. 'jmd., der die völlige Erkenntnis der objektiven Realität leugnet' als Bezeichnung für die Anhänger einer theologisch-philosophisch ausgerichteten Lehre, nach der das wahre Sein, das Göttliche oder das Übersinnliche nicht rational erkennbar, gedanklich nicht durchdringbar sind; in neuerer Zeit häufig auch abwertend für 'Ungläubiger' (vgl. Atheist, —> Atheismus, —» Skeptiker).
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Agnostiker
Dazu Ende 19. Jh. das aus (ebenfalls von Huxley eingeführtem) gleichbed. engl. agnosticism entlehnte Subst. Agnostizismus M. (-; ohne PL) als Sammelbezeichnung für die Weltanschauung der Agnostiker (—> Skeptizismus), dafür im 20. Jh. vereinzelt auch Agnostik F. (-; ohne PL). Im 20. Jh. vereinzelt die mit Agnostiker gleichbed. Personenbezeichnung Agnostizist M. (-en; -en) und das Adj. agnostizistisch, gleichbed. mit in neuerer Zeit aufgekommenem Adj. agnostisch '(entsprechend der Lehre der Agnostiker) Erkenntnismöglichkeiten leugnend', auch pejorativ für 'ungläubig, ketzerisch'. Vgl. das aus gleichbed. griech. entlehnte Subst. Agnosie F. (-; -n), in der Philosophie (ohne PL) für 'Unwissenheit, Nichtkennen', in der Medizin für 'Unfähigkeit, sinnlich Wahrgenommenes (trotz intakter Sinnesorgane) als solches zu erkennen'. Agnostiker: Engels 1886 W. XXI 276 wenn . . die neubelebung der kantschen auffassung in Deutschland durch die neukantianer und der humeschen in England . . durch die agnostiker versucht wird, so ist das.. wissenschaftlich ein rückschritt (DWB N.); Wilde 1908 De profundis 24 Lehre der Agnostiker; Mauthner 1910 Wb. d. Philos. 15 wo [in England] die freiesten Menschen sich Agnostiker nennen, um das unschickliche Wort Atheist zu vermeiden. . . Und 1500 Jahre später führen Spencer und Huxley . . das Schlagwort Agnostiker ein; Wolf 1961 Menetekel 83 Diese These der Agnostiker, daß wir im Grunde nichts wissen können (DUDEN); Böll 1963 Clown 160 Sie sagte, sie fände es „irgenwie pervers", daß ein Agnostiker wie ich dem heiligen Vater zujubeln möchte; Zeit 25.10.1985 da muß auch die Donaueschinger Gemeinde sich spalten in Gläubige und Agnostiker; ebd. 21.11.1986 Kirchen und Kirchenleute dürfen nicht beleidigt und beschimpft werden, ebensowenig wie die Gärtner, die Universitäten und etwa die Agnostiker oder Atheisten; Wuketits 1987 Darwin 111 Was Religion im Sinne einer Metaphysik betrifft — als Frage nach den „letzten Dingen" — so ist Darwin am ehesten als Agnostiker treffend charakterisiert. Agnosie: Mauthner 1910 Wb. d. Philos. 15 Die altchristlichen Agnoeten hießen nicht so, weil sie sich selbst zur Agnosie, zum Nichtwissen bekannten, sondern aus rein theologischen Gründen. Agnostik: Sloterdijk 1983 Kritik 545 Beim Zyniker hat dies einer durchgehenden Aufweichung und Agnostik (Erkenntnisleugnung) Platz gemacht. agnostisch: Seyppel 1967 Columbus 294 seine prophetischen Apokalypsen sagen ihm den eschatologischen Landsieg über den agnostischen Materialismus . . voraus; Zeit 5. 9.1986 Ganz gleich, wie gläubig oder ungläubig, wie agnostisch oder ketzerisch wir auch sein mögen, das ist ein fundamentales Wort Gottes; ebd. 12.12.1986 Architekten
suchten aus dem Korsett der Stile . . auszubrechen, während Maler dem akademischen System entflohen und ihrer Gegenwart sowie in agnostischer Zeit vergöttlichten Natur auf den Grund gingen; Altner 1991 Naturvergessenheit 41 wo gegenüber . . übergreifenden Sinndeutungen ein dezidiert agnostischer Standpunkt eingenommen wird. Agnostizismus: Henne-am Rhyn 1897 Kulturgesch. VII 368 Er erfand den Namen „Agnostizismus", d. h. Ungewißheit des Glaubens, für die freidenkerische Weltanschauung; Ziegler 1905 Rationalismus 116 der Agnostizismus und die Verzweiflung des Geistes an sich selber; Mauthner 1910 Wb. d. Philos. 15 Agnostizismus. So uralt das Wort anklingt, ist es doch erst vor wenigen Jahrzehnten aus England herübergekommen; 1918 Deutschland u. Katholizismus l 79 Mit der religiösen Skepsis der positivistischen Richtungen berührt sich aufs engste der moderne Agnostizismus, in dem die Neukantianer und Modernisten ein Erbstück der Philosophie Kants, das negative, skeptische Dogma seines Systems, hüten; 1933 Melle-Festschr. 193 zu einer Art historischem Agnostizismus und Nihilismus; 1935 Gelbe Hefte 228 wollte man sich mit dem Agnostizismus abfinden: Ignoramus et ignorabimus; Röpke 1948 Gesellschaftskrise 20 Der Relativismus und Agnostizismus der Wirtschaft müsste um so gefährlichere Wirkungen haben; Hofer 1956 Gesch. 181 Ein ehrgeiziger Agnostizismus i s t . . die Haltung .. gegenüber der Sinnfrage . . der Geschichte; Berl. Ztg. 27.11.1966 Die sozialistische Kunst ist eine Kunst der Alternativen: .. gegen den Krieg, gegen den Agnostizismus. Agnostizist: Pfeiffer 1959 Gedicht 73 Ist Gottfried Benn ein skeptischer Agnostizist, so Bertholt Brecht ein rechtgläubiger Anhänger der kommunistischen Ideologie. agnostizistisch: Haler 1950 Köpfe 193 allerhand agnostizistischen Delikatessen.
mit
Agonie
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Agonie F. (-; selten -n), im frühen 16. Jh. entlehnt aus kirchenlat. agonia 'heftige innere Anspannung, Furcht, seelische Not', auch 'Todeskampf' (< griech. 'Wettkampf, Anstrengung, Furcht' < ' Wettkampf (platz), Wettstreit, Diskurs, Rechtsstreit', eigentlich 'Versammlung', zu 'leiten, (an)treiben, (hin)führen', vgl. auch —» agieren); bereits im 16. Jh. in der griech.-lat. Form Agonia in dt. Texten bezeugt. Im 17.718. Jh. gelegentlich in der aus lat. agon 'Wettkampf, Kampfspiel' (< griech. , s. o.) übernommenen Nebenform Agon, bes. in dem (bis ins 20. Jh. gebuchten) Syntagma in Agone liegen (s. Belege 1670, 1698, 1794), seit dem 18. Jh. vermutlich unter Einfluß von gleichbed. frz. agonie in der heutigen Form. Überwiegend bildungsspr. verwendet in der Bed. 'verzweifelter Todeskampf, qualvolles, verzehrendes Hinsterben, letztes Dahinsiechen, Vorstadium des Todes', bes. in Wendungen wie in Agonie liegen, (ver)fallen, versinken 'im Sterben, in den letzten Zügen, auf den Tod liegen, mit dem Tode ringen, sterben, hinscheiden, hinfällig sein', bes. als Grundwort in Zss. wie Leidens-, Fieberagonie, in bezug auf Lebewesen, meist Personen, sehr häufig aber auch übertragen verwendet, wobei das Bild des Lebens und Absterbens eines Organismus bezogen wird z. B. auf Länder und Städte, Institutionen, Verbände, Parteien, Gedanken, Vorstellungen, Lehren, Religionen u.a., z. B. Deutschlands Agonie, die Agonie einer Armee, des Kommunismus; fachspr. in der Medizin für 'Gesamtheit der dem klinischen Tod charakteristischerweise vorausgehenden Erscheinungen' (z. B. Bewußtseinstrübung, Röcheln, niedriger Puls, Koma). Dazu gleichzeitig das aus gleichbed. frz. agoniser entlehnte intrans. V. agonisieren 'in Agonie liegen, mit dem Tode ringen', gelegentlich auch übertragen verwendet (s. Belege 1664,1807); dafür selten literarisch agonieren, vereinzelt agonirieren. Im 20. Jh. das nur fachspr. in der Medizin verwendete Adj. agonal (ohne Steigerung) 'die Agonie betreffend, durch sie bedingt'. Agonie: Paracelsus 1528 S. W. i 6,294 dermaßen auch was die selbigen Löcher sind, ut in peste, ut in agone mortis etc. dieselbigen Löcher wil ich hie nit begriffen haben; Reissner 1563 Jerusalem III 201 a agonia; Albertinus 1603 Sendtschreiben U 205a agonia; Leibniz 1670 Denkschr. 61 in agone; Nehring 1684 Manuale 112 Agon 'die Todes-Noth'. Also wird gesaget, dieser liegt in agone, das ist in den letzten Zügen, oder ringet mit dem Tode; Ettner 1698 Chirurgus H 206 als er in Agone lag; Elis. Charl. 1721 Br. VI 92 den herbst kan ich nicht leyden, haße ihn mehr, alß den winter selber, er gleicht ahn eine continuirliche agonie; Forster 1791 Ansichten III 506 Percy liegt und stirbt und blickt auf zum Sieger in seiner Agonie; Cogniasczo 1794 Gestaendnisse II 422 da sein [Friedrich des II.] Waffenglück gleichsam in Agone lag; Schaller 1804 Stuziade U 120 Bis endlich aus der Agonie/ Drei neue Hiobsboten sie/ Trompetend außerweiten; Steffens 1817 gegenwärtige Zeit 351 Seit . . die holländische Marine durch die Agonie der Nation verfiel; Heine 1835 Romant. Schule 18 hier wie dort ward die römische Geschichte ein langsames Dahinsterben, eine Agonie, die Jahrhunderte
dauerte; Pückler 1840 Bildersaal H 7 in rastloser Leidensagonie; Barnum 1855 Leben 66 Erregungen des Schreckens, innerer Agonie und Verzweiflung; Passarge 1860 Fragmente 292 Venedig stirbt nicht und ist auch nicht todt. Es ist das Sterben selber, die Agonie des Todes, in der es sich auf dem Lager herumwälzt; Treitschke 1866 Jahre 184 Agonie dieser gedemüthigten Grossmacht; Kürnberger 1874 Siegelringe 168 Agonie des Romanismus; Hermann 1896 Physiologie 170 dyspnoische Zustände (bei Erstickung und in der Agonie); Dessauer 1922 Ausländerrätsel 40 Es sind . . Ungerechtigkeiten, die zugleich die gewaltigen Torheiten sind, die man in erregten Stunden mit vergifteten Gemütern gemacht hat und die wir gebilligt haben in der Stunde unserer tiefsten Fieber-Agonie im schrecklichsten Dokument aller Zeiten, im Vertrag zu Versailles; Diederichs 1923 Br. 395 Agonie in unserem Wirtschaftsleben; Th. Mann 1933 Reden u. Aufs. (W. IX 373) er habe noch in der Agonie, in der Lähmung und halben Verblödung seiner letzten Tage, vor Freude gelächelt, wenn der Name Wagners genannt wurde; Curtius 1944 Torso 92 Agonie der Stadt [Rom] durch die Erschütterung der Völkerwanderung; Th. Mann 1945 Reden u.
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Agraffe
Aufs. (W. XI1022) In Griechenland sterben täglich zweihundert Menschen Hungers — das ist nur ein Einzelbeispiel für das zum Himmel schreiende Elend, das Völkersterben, die Menschenschändung, die Agonien des Leibes und der Seele rings um euch her; ders. 1949 Reden u. Aufs. (W. XI 214) die Agonie Deutschlands; Heimpel 1956 Kapitulation 5 Denn zu verschiedenen Zeiten wurden die Agonien eines Krieges erlebt, der Soldaten und Bürger erst recht an sein Gesetz band, als er längst verloren war; Bernhard 1967 Verstörung 97 Alles liegt doch in einer gleichmäßig stumpfsinnigen Agonie. . . Alles, nur nicht die Wissenschaft; ND 2.8.1969 Die Administration unterbreitet dem Kongreß eine total verwässerte Neuauflage des Wahlrechtsgesetzes und eine faktisch zu deren Agonie führende Neufassung der 'Richtlinien über die Beseitigung der Rassentrennung in Bundesschulen'; Andersch 1971 Kirschen 18 Er versank in eine zwei Jahre dauernde Agonie aus Morphiumräuschen und Schmerzanfällen; Hocke 1976 Tagebücher 505 Die Spätdekadenz der epigonalen Assoziationskünste, jetzt endgültig in Agonie getreten, konnte dieses Nichtfertigwerden . . nur deutlicher machen; Hilsenrath 1977 Friseur 193 die Klagemauer, die für uns alles symbolisiert . . Freiheit . . Exil . . Agonie .. Scheintod . . und den Willen zur Wiedergeburt; Sloterdijk 1983 Kritik 7 Seit Jahrhunderten liegt die Philosophie im Sterben, . . schleppt sie sich dahin in glitzernder Agonie; Zeit 11.1.1985 Entweder gelingt es ihr, die Agonie der letzten Jahre zu überwinden, oder die FDP geht unter; ebd. 16.8.1985 dieser Stadt der Städte, die in ihrer Rastlosigkeit und Agonie jeden aufnahm; ebd. 8.11.1985 von dem uralten Mann, der das Stück in der „Endzeit" („Agonie") Athens verfaßt hat; Fruttero 1986 Palio (Übers.) 86 Ein Schrei. Ein verzweifelter Todesschrei. Eine gellende Agonie inmitten der Nacht; Ohler 1990 Sterben 69 Über ein etwaiges Aufbäumen [gegen das Sterben] gehen sie [Chronisten des Mittelalters] mit dem knappen agonizans, agonizare cepit (im Todeskampf liegend, anfangend mit dem Tod zu ringen) hinweg. Einzelheiten zur Agonie oder Bekundungen der Verzweiflung werden vorzugsweise aus den letzten Minuten von Feinden, Verrätern, vermeintlich verdammten wiedergeben; Zeitmagazin 19.10.1990 Die Stadt der Agonie und der fieberhaften Suche nach einem Ausweg ist schmutzig und leuchtet doch in ungewohnten Farben. Die Stadt läßt sich
gehen; 1991 Wiener V 50 Seine [Peymanns] Tiraden gegen Kollegen und Dichter brachten die in Agonie dahindösenden Feuilletonküchen zum Dampfen; 1991 Cosmopolitan VI 188 Die Großfamilie ist reif fürs Volkskundemuseum, die Kleinfamilie liegt trotz aller Gesundbeterei in Agonie. agonal: Siebeck 1949 Med. 264 in . . sicher letalen oder gar agonalen fällen ist es sinnlos, die quäl möglichst lange hinauszuzögern; Zetkin/Schaldach 1964 Med. Wb. 19b agonale ausschwemmung: kurz vor dem tode oft eintretende Unfähigkeit des knochenmarks, die leukozyten zurückzuhalten (beide DWB N.). agonieren: Th. Mann 1901 Buddenbrooks (W. l 685) Und dann war in der Stille nichts als das agonierende Gurgeln Thomas Buddenbrooks zu vernehmen; ders. 1933 Reden u. Aufs. (W. IX 420) das agonierende Paris; Böckl 1989 Erdbeermund 53 Über Nacht war Madeleine zu einem ausgebrannten Wrack geworden. Sie agonierte bereits. agonirieren: Marsellus 1741 Kriegs-Staat 55 dass das Teutsche Reich, wann es solle in euserste Gefahr gerathen, und agoniriren, nicht würde seufftzen. agonisieren: Weinsberg 1561 Denkw. I 318 von mines fatters . . krankheit und doit. . min fatter redt mit mir, agonizeirt (DWB N.); 1664 Memorial von Gleichheit 2b Es bleibt viel auf den ledigen Häusern/ so nicht bewohnt werden/ stehend/ die ändern Nachbaren und Bürger/ derer Vermögen ohn daß gleichsam agoniziret, müssen sie mit euserster Ungleichheit übertragen; Dannhauser 1667 ScheidBr. 132 vnd man noch heutigen Tags exempla hat melancholischer/ träumender oder agonizirender Personen; 1748 Journal v. u. f. Deutschland II 228 dass der Kranke in Gefahr sey, oder gar dem letzten Augenblicke des Lebens nahe komme .. Agonisirt der Kranke würklich . .; Kortum 1799 Jobsiade 211 Herr von Ohnewitz, den ihr Betragen sehr rührte,/ Besonders als er sah, daß sie agonicirte,/ Drückte ihr persönlich die Augen zu/ Und wünschte ihr eine angenehme ewige Ruh; Schlichtegroll 1807 (Schütz 1834 Leben l 432) Die dortige Oberd. Hist. Zeit, wird als agonisirend angesehen; Dtsch. AZ. 13.4.1944 als Vertreter der Freimaurer in allen Kabinetten der agonisierenden 3.Republik.
Agraffe F. (-; -n), Ende 17. Jh. entlehnt aus gleichbed. frz. agrafe (zu agrafer 'miteinander verhaken, verklammern, mit einem Haken verschließen, zuhaken', zu (alt)frz. graf(f)e 'Haken, spitzes Instrument', vermutlich zurückgehend auf gleichbed. mhd. krapfe, ahd. krapho).
Agrar-, agrar-
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In der Bed. 'schmückende, mitunter sehr reich verzierte, aus Öse und Haken gebildete Gewandschließe, Vorrichtung zum Raffen von Kleidern', auch allgemeiner als Bezeichnung für unterschiedlichste, der Klammerung dienende Vorrichtungen, z. B. in der Medizin für 'Wundklammer' und in der Architektur für eine optisch klammernde Verzierung am Schlußstein eines Rundbogens; seit Mitte 19. Jh. auch übertragen verwendet im Sinne von 'Zierde, prächtiges Schmuck-, Glanz-, Paradestück, Kleinod' (s. Belege 1855, 1977). Sinold 1698 Passagier l 87 Der bahnete sich den Weg zum Schaff-Stall durch eine geschenckte Agraffe von 100 Thalern (BRUNT); Amaranthes 1715 Frauenzimmerlex. 40 Agraffe. Heisset eigentlich ein Häcklein an einem Juwel; dem Frauenzimmer aber ein . . Zierstück; Wieland vor 1781 W. 1XX 55 Gürtel, den eine Agraffe von Smaragden schloß (KEHREIN); Heynatz 1797 Antibarbarus U 86 Die Hakenspange schlägt Campe nebst Spangenhake . . für Agraffe vor; Hauff 1827 Mann im Mond 170 Agraffe; Seyffarth 1855 Paris 256 Anm.
[die Pariser] Agraffe: der blitzende Mont Valerien; Sommerfeld 1894 Wetter 88 Die Agraffe in Deinen Flechten/ Glänzt wie vom magischen Licht; Th. Mann 1933-43 Joseph (W. V 1098) der lange und offene Mantel aus weißer Wolle, den sie . . mit einer Agraffe über dem breiten Halsschmuck geschlossen um die Schultern trug; ders. 1939 Lotte (W. U 706) in dem weißen, fließenden, aber nur knöchellangen, vor der Brust von einer Agraffe faltig gerafften Kleide; Neumann 1977 Tagebuch 12 unter uns eine glitzernde agraffe: Warschau (DWB N.).
Agrar-, agrar-, im frühen 19. Jh. als Anfangselement von meist subst. Kombinationen aufgekommen (zurückgehend auf lat. agrarius, —» agrarisch, —* Agro-). In der Bed. 'Acker-, Land-, Boden-, Landwirtschafts-, landwirtschaftlich' überaus produktiv in meist fachspr. Kombinationen: Zunächst im Bereich von Politik und Gesellschaft in Bildungen wie Agrarpolitik 'politische Maßnahmen, mit denen Institutionen wie der Staat oder Interessenverbände auf die Entwicklung der Landwirtschaft, die landwirtschaftliche Produktion einwirken', mit dem dazugehörigen Adj. agrarpolitisch 'die Landwirtschaftspolitik betreffend'; Agrarprotektionismus 'besondere Förderung der Agrarwirtschaft auf politischer Ebene'; Agrarverfassung 'Gesetzgebung zur rechtlichen Ordnung des landwirtschaftlichen Eigentums und zur Regelung der Bodennutzung und -Verteilung'; Agrarreform 'politisch-juristische Veränderung der Agrarverfassung, z. B. Reform der gesellschaftlichen Besitzverhältnisse auf dem Lande, Neuordnung der Bodenverteilung, Bodenreform' und Agrarrevolution 'gewaltsame Veränderung der Agrarverfassung'; Agrarstaat 'Staat, dessen bedeutendster Wirtschaftszweig die Landwirtschaft ist' (im Ggs. zu Industriestaat, —»Industrie) und entsprechend Agrargebiet, -land, -gesellschaft, -Bevölkerung u.a.; Agrarkommunismus 'auf dem Gemeineigentum an landwirtschaftlich genutztem Boden basierende Agrarverfassung', vgl. entsprechend Agrarsozialismus, -bolschewismus, -feudalismus usw. Im 20. Jh. dann auch zunehmend im Bereich von Wirtschaft und Handel in Kombinationen wie Agrarwirtschaft 'Landwirtschaft', Agrarprodukt 'Erzeugnis des Ackerbaus, landwirtschaftliches Erzeugnis', Agrarindustrie 'industrielle Produktion von agrarischen Erzeugnissen'; Agrarkrise 'entscheidender Höhepunkt einer angespannten Marktlage durch landwirtschaftliche Unter- bzw. Überproduktion', dafür auch Agrardepression; Agrarüberschuß 'Produktüberschuß auf dem Agrarmarkt', Agrarmarkt 'Warenverkehr für agrarische Handelsgüter', Agrarpreis 'auf dem Agrarmarkt ausgehandelter Preis'; Agrarexport und -import 'Ausfuhr bzw. Einfuhr von
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Agrar-, agrar-
agrarischen Produkten' und Agrarzoll, meist mit PL, 'auf dem agrarischen Exportbzw. Importmarkt zu entrichtender Zoll'. In neuerer Zeit häufig konkurrierend mit jüngerem —* Agro-, bes. in Bezeichnungen für moderne Wissenschaftsdisziplinen wie Agrarwissenschaft(en) (vgl. Agronomie, —> Agronom), Agrarbiologie (auch Agrobiologie], Agrarchemie (früher auch Agrikulturchemie, —»· Agrikultur, heute überwiegend Agrochemie], Agrartechnik (heute meist Agrotechnik], Agrargeschichte, -geographic, -metereologie, -Soziologie; vgl. auch vereinzelt nachgewiesenes Agrarkultur (s. Beleg 1935), dafür meist —> Agrikultur und Agrokultur. Haxthausen 1829 über die agrarverfassung in dem fürstentum Paderborn (Titel) (DWB N.); Berlepsch 1846 Eigenthum 166 Stein fing an mit dem Anfang, mit der Agrargesezgebung, die zehnmal wichtiger ist als die Merkantilgesezgebung; Riimelin 1875 Reden 1291 Die günstigsten Bedingungen [zur Heirat] sind, wo fruchtbarer Boden noch im Überfluß vorhanden .. wie in Rußland, den Agrarstaaten des mittleren Unionsgebietes, Canada, Australien; 1883 Conservative Monatsschr. I 555 Agrarrevolution; Sombroso 1894 Antisemitismus 66 der in der Bibel geschilderte Agrarkommunismus; Ehrenberger 1905 Fugger-Rothschild 172 Deutschland war durch den 30jährigen Krieg wieder ein „Agrarstaat" geworden; 1910 Technik u. Wirtschaft 186 um die Stelle der sinkenden Agrararistokratie einzunehmen; Naumann 1911 Geist 204 Übergang vom Agrarstaat zum Industriestaat; 1914 Stimmen d. Zeit LXXXV1 406 Aber wie Kautsky und Bebel stecken die heutigen Agrarmarxisten noch tief in den alten Anschauungen und vermögen sich nicht zu einer unbefangenen Anerkennung der heute klar zu Tage liegenden Entwicklungstendenzen in der Landwirtschaft emporzuringen; 1915 Dtsch. Reden I 277 agrarkommunistische Ordnung; Tillich 1926 religiöse Lage 83 Agrarfeudalismus und Kapitalfeudalismus verbinden und verschmelzen sich und bewirken statt eines ständischen Aufbaus notwendig eine Vertiefung des Klassenkampfes; Voss. Ztg. 21.7.1929 Moderne Agrarchemie (Überseht.) . . Neben der wissenschaftlichen Erforschung der Bodenfruchtbarkeit will die Gesellschaft dem praktischen Landwirt, dem Forstwirt und Gärtner die Nutzanwendung der neuesten Forschungsergebnisse vermitteln und durch chemische Untersuchungen der Bodenbeschaffenheit die Basis für eine rationelle Düngung schaffen; Berl. Tagebl. 19.12. 1929 Einigung auch über die Vieh- und Fleischzölle. Die Agrarzölle im Ausschuss angenommen (Überschr.); Vos5. Ztg. 5.1.1931 Parallel hierzu aber wird Asien von einer ungeheuren Agrarkrise erschüttert, die aus der Auflockerung des bäuerlichen Bodens durch den weißen Industrialismus, ein unhaltbares Pachtsystem, die Ueberschuldung des ländlichen Besitzes und den Preissturz der Agrar-
stoffe resultiert; ebd. 2.8.1931 Eine Agrarreform ordnet die Bodenverteilung; Lokal-Anz. 10.2.1933 Agrar-Bolschewismus in der Waldheimat (Überschr.); Berl. Illustr. Nachtausg. 27.2.1933 Eine zielbewußte Agrarpolitik, die den Absatz der deutschen Erzeugnisse sichert, gehöre zu den besten Kampfmitteln gegen die großstädtische Arbeitslosigkeit; Lokal-Anz. 9.7.1933 in konsequenter Fortführung der bisherigen nationalen Agrarpolitik; Berl. Illustr. Nachtausg. 25.8.1933 Bulgarien besitzt eine besondere Spielart des Marxismus, den sogenannten „Agrarkommunismus", der unter der Bauernschaft seine Anhänger hat; Laueuen 1934 Agrarrevolution 87 In den dichtbevölkerten und hochentwickelten böhmischen Ländern mußte sich eine radikalere Agrarumwälzung mit balkanisch unsauberen Methoden sehr viel empfindlicher auswirken, als in den dünnbesiedelten Ostgebieten; 1934 Volk u. Reich 324 Agrarerzeugnisse (hauptsächlich Butter, Käse, Eier und Vieh); Schmidt 1935 Rasse (Reg.) Agrar-Kultur; Dtsch. AZ. 26. 8.1935 Es ist wirtschaftlich gesehen wenig vernünftig, aus natürlich gegebenen Agrar- und Rohstoffgebieten künstlich Industrieländer zu machen; Brtnkmann 1936 Weltpol. 103 bei der inzwischen vollzogenen Abrundung des tschechischen Agrarindustriestaates; Münch. N.N. 26.3.1936 Die Agrargeographie hat naturgemäß die Untersuchung und Darstellung der Bodenkultur als einer „räumlichen Erscheinung der Erdoberfläche" zum Gegenstand; Possony 1938 Wehrwirtschaft 108 Der wehrwirtschaftliche Nutzen des Agrarprotektionismus ist und bleibt zweifelhaft, da die Ernte leicht vernichtet werden kann und die Ernteerträgnisse bei der Arbeitsknappheit auf alle Fälle zurückgehen; Haushof er 1939 Weltbild 74 Das Bild der Weltwirtschaft wird zurzeit übereinstimmend so gezeichnet, daß die Sättigungsgrenze der Welt an pflanzlichen Nahrungsmitteln (hauptsächlich Getreide) ungefähr erreicht sei; Münch. N.N. 5.4.1941 Agrarproduktion steigt auch im Kriege (Überschr.); ebd. 22.3.1944 in Zusammenarbeit mit dem Agrarmetereologischen Institut; N.Z.Z. 16. 5.1944 dabei hätte der Landwirtschaft die baldige Schaffung eines verfassungsmäßigen Funda-
agrarisch ments für die „neue Agrarpolitik" um so erwünschter sein müssen, als zwar die gesetzlichen Grundlagen für den angestrebten agrarpolitischen Kurs heute ziemlich weitgehend bestehen, aber zum größten Teil im Dringlichkeits- und Notrecht verankert sind und außerdem in der geltenden Verfassung keine rechtliche Stütze finden; Münch. N.N. 29. 9.1944 Aus einem Bericht des kommunistischen Blattes „Nya Dagheter" erfährt man weiter, daß in Italien eine Art Agrarrevolution ausgebrochen ist, bei der die Bauern von sich aus die Aufteilung der Großgrundbesitzungen vornehmen, daß also die Bolschewisierung . . stetig Fortschritte macht; Röpke 1946 Civitas 317 Unter der Billigung der Landwirte . . ist nämlich die Landwirtschaft fast aller Länder . . in den letzten zwei Jahrzehnten mit reißender Geschwindigkeit einem Wirtschaftsregime unterstellt worden, das man nicht mehr als Agrarschutz, sondern nur noch als Agrarplanwirtschaft, Agrarmonopolismus oder Agrarkollektivismus bezeichnen kann; Süddtsch. Ztg. 26.1.1951 Dr. Baumgartner forderte eine Agrarpolitik, die die Unterbewertung der landwirtschaftlichen Arbeit beseitigt und dem Bauern gerechte Preise bringt; Brügelmann 1956 Polit. Ökonomie 164 Dabei war gestern der vorherrschende Eindruck, es seien hier [im Saal] lauter Agrarkapitalisten versammelt, und heute tritt alles für die Siedlung ein, d. h. es sind lauter „Agrarbolschewisten" hier vereinigt; 1961 Natur-Ordnung 335 als Agrarbolschewist verleumdet; Offenburger Tagebl. 30.6.1961 Agrarpolitische Aussprache (Überschr.); Hobsbawn 1962 Sozialrebellen 41 Der Bandit ist ein vorpolitisches
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Phänomen und seine Stärke ist der eines organisierten Agrarrevolutionismus (bzw. Sozialismus oder Kommunismus) umgekehrt proportional; Mühlmann 1966 Weber 5 „agrarkapitalistische" Gesellschaft mit falschen aristokratischen Ansprüchen; Gumpel 1971 Energiepolitik 441 die Politik der forcierten Industrialisierung formte den einstigen Agrarstaat [Sowjetunion] zum Industriestaat moderner Prägung; Dülmen 1977 Reformation 11 die spätmittelalterliche Agrarkrise . . sowie der langsame, aber konstante Aufstieg neuer sozialer Kräfte erschütterten die mittelalterliche Sozialordnung in einer bisher nicht gekannten Weise; Zeit 3.5.1985 Hier ist das Fluchtgebiet für unzählige Arten, die von einer Agrarindustrie, die profitversprechende Monokulturen bevorzugt, konsequent verdrängt werden; ebd. 6. 9.1985 Experiment eines archaischen Agrarkommunismus; MM 18.9.1985 Mit größter Wahrscheinlichkeit werde das Gift in Form von Fleisch und Agrarprodukten importiert; Zeit 11.4.1986 Wie ist, nach britischen Worten, zu verstehen, daß der Schwanz (deutsche Agrarlobby) mit dem Hund (Bundesregierung) wedelt; ebd. 2.5.1986 Die Agrarchemie hat mit der Herbizidspritze dieser blauen Herrlichkeit den Garaus gemacht; 1990 Geo V 45 Vielmehr plädiert der Tropenwald-Experte dafür, daß überall Agrarforste eingerichtet, das heißt früchtetragende oder medizinisch nutzbare Tropenbäume .. gezielt angepflanzt und vermehrt werden; J99i Madame H 266 Zunächst hat es die Agrarlobby der EG auch geschafft, . . die sogenannte Uruguay-Runde . . zum Scheitern zu bringen.
agrarisch Adj. (Steigerung ungebr.), Anfang 19. Jh. im Zusammenhang mit den Steinschen Reformen aufgekommen, unter Einwirkung von gleichbed. frz. agraire (zurückgehend auf gleichbed. lat. agrarius, zu ager, Gen. agri, 'Acker, Feld'), im 20. Jh. selten die Nebenform agrar (—»· Agrar-). In der Bed. 'zum Ackerland, zum Feldbau, zur Landwirtschaft gehörig, die Äcker, den Feldbau, die Landwirtschaft betreffend, auf ihr beruhend, bäuerlich, landwirtschaftlich', bes. in dem (aus lat. leges agrariae, Sing, lex agraria) lehnübersetzten Syntagma agrarische Gesetze, zunächst als historische Bezeichnung für die römischen Gesetze zur Regelung der Landverteilung, dann auch (möglicherweise unter Einfluß von frz. loi agraire) allgemeiner für 'Gesetze zugunsten der Land- und Forstwirtschaft'; auch in attributiven Wendungen wie agrarische Verfassung, Produkte, Reform, agrarisches Land, die im Laufe des 19. Jhs. zunehmend von Kombinationen mit —> Agrar- (z. B. Agrarverfassung) abgelöst werden. Dazu seit späterem 19. Jh. das (aus lat. agrarii PL 'Anhänger der Ackergesetze und -Verteilung, Partei, die durch die Ackergesetze den Besitz von Ländereien anstrebte' entlehnte) meist plur. verwendete Subst. Agrarier M. (-s; -), zunächst als positiv wertendes Schlagwort für die politische Partei, die die Interessen der Großgrundbe-
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agrarisch
sitzer vertrat, im 20. Jh. gelegentlich auch eher negativ konnotiert mit „profitgierig, rückschrittlich, reaktionär" (s. Belege 1897,1985); selten im Sing, für 'Grundbesitzer, Bauer, Landwirt', dabei konkurrierend mit geläufigerem —> Agronom und —»· Ökonom; bes. in den Zss. Großagrarier e Großgrund-, Gutsbesitzer' und Großstadtagrarier, scherzhaft für 'Kleingärtner (in der Großstadt)'; dazu Ende 19. Jh. die seltene subst. Ableitung Agrariertum N. (-s; ohne PL) 'Gesamtheit der Großgrundbesitzer'. Im 20. Jh. vereinzelt das V. trans, agrarisieren 'ein Land bzw. dessen Bevölkerung zur Agrarwirtschaft führen' (Ggs. —* industrialisieren), vor allem nachgewiesen in dem Verbalsubst. Agrarisierung F. (-; Pl. ungebr.), bes. in den gleichbed. Präfixbildungen Rück- und Reagrarisierung 'Rückführung eines Industriestaats zur Agrarwirtschaft, Umstellung eines Industriestaats auf Agrarwirtschaft'; in der ersten Hälfte des 20. Jhs. die seltene subst. Ableitung Agrarismus M. (-; ohne Pl.) 'sozialwirtschaftliche Lehre, die der Landwirtschaft und der bäuerlichen Gesellschaft große Bedeutung beimißt; weltanschauliche Grundlagen der agrarischen Bewegung', vereinzelt 'Herrschaft des Agrariertums'. agrarisch: Thaer 1810 Landwirtschaft III 188 daß eine bessere agrarische gesetzgebung die hindernisse .. räumen werde; Steffens 1821 Caricaturen H 404 Ungereimtheit der agrarischen Gesetze; Fontäne 1871 Jenny Treibel 34 Rittergutsbesitzer sind agrarisch, Professoren sind nationale Mittelpartei; Polenz 1899 Wald 354 Ihr Urteil über Welt und Leben bildete sich das junge Mädchen aus Sportblättern und agrarischen Zeitungen, die ihr Vater erhielt; Huret 1909 Berlin 162 Die agrarische Frage hat seit vier Jahren, seitdem das Gesetz über die landwirtschaftlichen Schutzzölle angenommen wurde, in Deutschland einstweilen ihre Lösung gefunden; Brandt 1910 Ost-Asien II 159 in unseren agrarischen Kämpfen; 1918 Deutschland 511 Der Weltkrieg hat das agrarische Problem Deutschlands wie niemals zuvor in den Vordergrund gerückt. Dabei handelt es sich um die beiden wichtigsten Lebensfragen unseres Volkes, um die Ernährung und Vermehrung, also um wirtschaftliche und soziale Fragen; Tillich 1926 religiöse Lage 132 es ist verständlich, wenn das Lebensgefühl weiter großagrarischer, bäuerlicher und handwerklicher Kreise den sich gemäßen Ausdruck findet; LokalAnz. 19.8.1933 daß man uns als agrarische Versuchsstation betrachten muß. Sehen Sie — an sich war es doch ein ziemlich gewagter Versuch, in diesem teuer erkämpften Stück Land Leute anzusiedeln, die vorher nie einen Pflug geführt .. haben, sondern Arbeiter, Handwerker usw., also Stadtmenschen waren; Th. Mann 1933—43 Joseph (W. /V/V 1501J Es ist nicht richtig, zu sagen, daß die eigentümlichen agrarischen Verhältnisse des sogenannten neuen Reiches, die anderen Völkern so auffällige Erscheinung also, daß im Nillande aller Grund und Boden .. dem König gehörte, durch die Maßregeln des Sohnes Jaakobs geschaffen worden seien; Frankf. Ztg. 9.4.1939 Wie das gesamte ehe-
malige deutsche Ordensgebiet trägt auch das Memelgebiet vorwiegend agrarischen Charakter. 76 Prozent der Bodenfläche werden von der Landund Forstwirtschaft nutzbar gemacht; Welt 26.3.1954 Der syrische Außenhandel ist durch hohe Ausfuhren agrarischer Rohstoffe gekennzeichnet, denen auf der Einfuhrseite in erster Linie Industrieerzeugnisse gegenüberstehen; Heimpel 1956 Kapitulation 54 Völker Asiens und Afrikas, die noch in der Jugendzeit jetzt lebender Menschen auf früheren Stufen agrarischer oder gar nomadischer Zivilisation lebten, modernisieren, nämlich industrialisieren sich; Heuss 1963 Erinn. 71 Es war uns unbehaglich dabei, . . einen unvergleichlichen Machttechniker der konservativ-agrarischen Innenpolitik, den derben Oldenburg-Januschau aus Ostpreußen, der so wunderbar die Not des großen Agrarbesitzes darstellen konnte und ein so tüchtiger Landwirt war, daß er den seinen immer erweitern konnte, als politische Weggefährten zu begreifen; Zeit 5. l. 1986 Man kann nicht annehmen, daß die CDU sich als Nachfolgerin der großagrarischen Interessen betrachten wird, die nach 1918 von einem nicht angesprochenen, tatsächlich aber bedeutendem Machteinfluß gewesen sind. agrar: N.Z.Z. 28.12.1943 Die moderne agrare Kolonisation; Ritter 1955 Agrarwirtschaft l 231 agrare zustände (DWB N.). Agrarier: 1876 Grenzboten l 441 Die Agrarier wollten den Kongreß zu ihrem Organ machen; damit wurde aber alles bisher Getane in Frage gestellt, der Charakter der landwirtschaftlichen Interessenvertretung total geändert (LADENDORF); Röscher 1888 Ackerbau (System II 708) Die finanzielle Verwaltung der Staats- und die polizeiliche
agrarisch Oberaufsicht der Privatforsten wird am zweckmäßigsten derselben Centralbehörde unterstellt. Ob dieß nun das Finanzministerium ist, oder, wie die „Agrarier" wünschen, das Ministerium der Landwirthschaft, halte ich für ziemlich gleichgültig; 1897 Bismarck-Jahrb. V 272f. Schon der Name „Agrarier" bietet die Möglichkeit, darunter eine Sorte von Verschwörern gegen den Staat zu verstehen, denen man alle möglichen üblen Ansichten schuld geben kann, ohne den Nachweis dafür anzutreten. Was ist ein „Agrarier"? Setzt man statt „Agrarier" Landwirt und statt „Agrariertum" Landwirtschaft, so entfällt die Möglichkeit, diesem Hauptgewerbe unserer Landsleute eine besondere Gemeinschädlichkeit beizulegen (LADENDORF); 1908 Zukunft LXIl l die Regierung habe sich „mit den Agrariern geeinigt"; Wassermann 1910 Masken 183 seine Zunge .. hatte seit neun Uhr gerade so einsichtig und tief mit den Medizinern über Medizin, mit den Agrariern über die Landwirthschaft, mit den Fabrikanten über Zölle und Rohprodukte, mit den Frauen über Erziehung und Lebenskunst gesprochen; 1916 Schwed. Stimmen 187 tyrannische Schornsteinbarone und profitgierige Agrarier in Deutschland; Flake 1917 Horns Ring 161 Der ältere war gewiß Militär gewesen, jetzt trug er in einem fleischigen und gesunden Agrariergesicht ein Monokel; Walther 1919 Wege dtsch. Geistes 13 Zwischen dem deutschen Großagrarier oder seinen Schwägern in der Regierung und im Offizierskorps und dem Industrierarbeiter gab es keinerlei Berührung noch Verständigungsmöglichkeit; MüllerFreienfels 1922 Psych. 159 Nirgends ist die Gegensätzlichkeit zwischen „Agrariern" und „Schlotjunkern" so schroff wie bei uns, und doch erwächst Deutschlands Stärke gerade aus dieser Doppelheit; Lettenbaur 1927 Morgen 252 Etwas war ein bißchen fremd an seinem Klang. Aquilin nahm ihn zunächst . . für einen Agrarier aus dem deutschen Osten; Voss. Ztg. 18.12.1930 Wenn heute Industriefirmen ohne Erfahrung, aber auch ohne Vorurteile auf neuen Wegen in die praktische Landwirtschaft vorstoßen, deren konservativer Beharrungswille nicht ohne Schuld an der Agrarkrise ist, sollte der Berufs-Agrarier seine skeptische Geringschätzung zügeln; Hülsen 1947 Zwiüings-Seele U 151 ein Agrarier strengster Observanz, der über seinen Mieter ein ebenso despotisches Regiment zu führen versuchte wie über seine ländlichen Angestellten; ND 9.11.1949 das reaktionäre Organ ostelbischer Großagrarier; Süddtsch. Ztg. 2.4.1950 „Heuer wolPn ma wieder einen blühenden Garten", sagen uns die meisten „Großstadtagrarier"; Süddtsch. Ztg. 12.9.1950 Mit zufriedener Miene überblickt Herr W., seit 29 Jahren „Großstadtagrarier", seinen üppigen Heimgarten; ND 4.4.1954 mit NaziGroßagrariern und Junkern; Welt 20.1.1964 Seit
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einem Jahrzehnt muß die Existenz landwirtschaftlicher Kümmerbetriebe dazu herhalten, eine den Wettbewerb verhöhnende Gewinnexpansion der leistungsfähigen Großagrarier staatlich zu garantieren; Zeit 17.5.1985 Hans Grimms Buch „Volk ohne Raum" war ein Bestseller, und die Blut-undBoden-Ideologie war lebendig in der Literatur, im Kreis der Agrarier; MM 15.4.1988 Außerdem werden dem Mann der Praxis — sei es dem Agrarier oder dem kleinen Hobbygärtner — „Sicherheitshinweise" zu jedem Mittel an die Hand gegeben. Agrariertum: Kohl (Bismarck 1893 Reden VIII 32) die extravaganten ansprüche des agrarierthums (DWB N.); 1903 Preuss. Jahrb. 113 das exklusive Agrarierthum, der Bund der Landwirthe, der nicht Politik, sondern eine intransingente Interessenwirthschaft treiben wollte; 1938 Deutschland 621 Nach unten wie nach oben gegen die Herrschaft der Masse wie gegen die des Großkapitals und des ihm vielfach wesensverwandten und verbündeten Grossagrariertums (das man nicht ohne weiteres mit dem Adel gleichsetzen darf) soll das Bündnis von deutscher Demokratie und Monarchie den unübersteigbaren Wall bilden; Kircher 1926 Engländer 61 Lord Derby ist dabei ein äußerst wichtiges Bindeglied zwischen Agrariertum und Industrie; Th. Mann 1945 Reden u. Aufs. (W. XII 434) Auch macht die Tatsache, daß die links-liberale . . Presse . . von den schönen Künsten meist mehr versteht als die konservative, mich nicht blind gegen die andere Tatsache, daß solche Verfeinerung diese Presse nicht hindert, ihren Interessenkampf gegen das Agrariertum mit der plumpsten Perfidie . . zu führen. agrarisieren: Winter 1989 Ami 11 der „Morgenthau-Plan" sollte Deutschland agrarisieren. . . Ziel war ein verarmtes, entmündigtes Deutschland als Kartoffellieferant. Agrarisierung: Wilbrandt 1919 Sozialismus 295 wird die reagrarisierung nicht zerschellen am agrariertum selbst (DWB N.); 1934 Weiße Blätter 237 dass an eine „Rückagrarisierung" der städtischen Bevölkerung zu denken wäre; N.Z.Z. 31.5.1943 Agrarisierung der Industrieländer. Agrarismus: 1903 Preuss. Jahrb. CXlll 168 Statt der Drohung: „wer nicht stramm agrarisch stimmt, fliegt bei der nächsten Wahl hinaus", wird jetzt in den geheimen konservativen Fraktionssitzungen die Warnung Trumpf sein: „wer den Agrarismus überspannt, riskiert sein Mandat"; 1928 Beiträge
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Agreement
G. Bauernbeivegung 53 Die Tschechen haben den Begriff „Agrarismus" geprägt und verstehen darunter den Gesamtkomplex der Ideen, die der agrarischen Bewegung zu Grunde liegen; 1929 Nation u. Staat 678 so daß man tatsächlich in Anbetracht der zahlenmäßigen und wirtschaftlichen Stärke des hiesigen Bauerntums von einem Agrarismus als einer politischen Machtgruppe . . sprechen kann; Solger 1930 Gott u. Staat 72 Du
kannst das Imperialismus oder Agrarismus nennen. Das sind die Schlagworte des Minderbegabten oder Feigen; 1932 Volk u. Reich 852 Rückkehr in einen Eden-Agrarismus; Laueuen 1934 Agrarrevolution 109 Als dritte Form gegenüber Sozialismus und Liberalismus wurde . . ein sogenannter „Agrarismus" unter den kleinen Slawenvölkern propagiert.
Agreement N. (-s; -s), Anfang 20. Jh. entlehnt aus gleichbed. engl. agreement, älter auch agrement (< mittel-, altfrz. agreement, agrement 'Zustimmung', —» Agrement, vgl. auch engl. agree 'übereinstimmen, sich einigen'). In der Bed. 'Übereinstimmung, Einvernehmen, Übereinkunft, Vereinbarung, Absprache' (weitgehend gleichbed. mit —>Akkord 1), zunächst im kaufmännischen Bereich für 'Absprache zwischen Geschäftspartnern', dann vor allem auch in der Politik für 'weniger bedeutsame diplomatische Übereinkunft zwischen Staatsmännern ohne formalen Vertrag'; seit frühem 20. Jh. häufig in der aus dem Amerikan.-Engl. übernommenen Wendung Gentlemen('s) Agreement, selten auch mit Sing. Gentleman('s) Agreement (—» Gentleman), anfangs in der Geschäfts-, dann bes. in der Diplomaten- und Journalistensprache für 'interne Absprache, an die die beteiligten Parteien nicht durch einen juristisch abgesicherten Vertrag, sondern allein durch ihr Ehrgefühl gebunden sind, Übereinkunft auf Treu und Glauben, auf gegenseitigem Vertrauen basierende geschäftliche oder politische Vereinbarung'. Im 20. Jh. selten gleichbed. mit — Agrement l (s. Belege 1941,1950). 1903 Preuss. Jahrb. CX/V 81 Wenn wir uns nicht täuschen, erzielten die Carnegie und die Federal Steel Company im dritten Viertel des Jahres 1899 neuerdings ein Einvernehmen über die Schienenpreise. Dieses bildete den Grundstock zu dem heute noch geltenden Agreement; Th. Mann 1921 Reden u. Aufs. (W. IX 169) und es heißt, die Stellung derjenigen aufs tölpelhafteste kompromittieren, . . denen es um Frieden, Verständigung, Ausgleich, ein gentlemen's agreement mit Deutschland zu tun ist; Wilhelm I. 1922 Ereignisse 97 das anglo-russische Agreement; Berl. Tagebl. 18.1.1930 Das deutsch-französische Gentlemen's Agreement ist zu dem geworden, was ein wirkliches Gentlemen's Agreement sein soll: zu einer Lösung, die für beide Teile befriedigend ist; Voss. Ztg. 20.4.1930 ein deutsch-englisches „Agreement", eine Verständigung über das Programm der Schiffsbauten; Frankf. Ztg. 11.8.1933 Durch Sektion V a des „National Industrial Recovery Act" . . wurde der Präsident ermächtigt, „Agreements", Vereinbarungen, abzuschließen mit Personen und Verbänden des Wirtschaftslebens; 1937 Dtsch. Volkswirt 301 mit Hilfe eines gentlemen's agreement zwischen Nationalbank und Banken; Voss. Ztg. 20.3.1938 wenn die hier arbeitenden Industrien der verschiedenen Staaten durch ein Abkommen oder auch nur
durch ein Gentleman Agreement eine gewisse einheitliche Haltung im russischen Geschäft einnähmen; Schönemann 1939 Demokratie 44 Ein gut Teil der amerikanischen großen Politik besteht aus einfachen sogenannten executive agreements. Die interessanten Beispiele sind die Einigung mit China über die Boxerschäden (1900), verschiedene Gentlemen's Agreements mit Japan, auch die Friedenspräliminarien mit Deutschland 1918; Münch. N.N. 26. 7.1941 Washington . . hat die [paraguayische] Regierung, die bereit war, das Agreement für die deutschen Gesandten zu erteilen, . . dazu gezwungen, diese Erteilung hinauszuschieben; NZ. (Basel) 18.5.1949 Die Russen würden versuchen, zu einem Agreement mit den Westmächten zu gelangen; Süddtsch. Ztg. 29.12.1950 Die schwedische Regierung hat in Madrid um das Agreement für den Gesandten Otto Wilhelm Winther nachgesucht. Man nimmt an, daß er in der nächsten Woche zum Gesandten ernannt wird. Zugleich dürfte die Regierung das Agreement für den neuen spanischen Gesandten Manuele Allen de Salazar erteilen; Reiners 1954 Europa 68 Wie wäre es, wenn wir auch so ein 'little agreement' machten?; Welt 15.9.1969 Das ist ein stillschweigendes Agreement, eine Spielregel; ebd. 30.12.1974 das ungeschriebene Agreement zwischen dem greisen
Agrement Kaiser und dem französischen Präsidenten; MM 29.8.1985 Es handelt sich sozusagen um ein Gentleman's Agreement, aber auch unter Gentlemen gibt es schwarze Schafe; Zeit 27.12.1985 nur bei den Unionisten in Ulster traf das Hillsborough Agreement auf . . stärkere Ablehnung, als es die Vertragspartner vorausgesehen hatten; MM 4.9.
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1986 rechtlich sind sie jetzt in der Lage, ihre Kredite . . zu kündigen, und außerdem brauchen sie sich auch nicht mehr an ein Gentlemen Agreement zu halten; 2992 Marie Ciaire IV 92 Deshalb das Gentlemen's Agreement zwischen Presse und Politik, über zwischenmenschliche Intimitäten den Mantel des Schweigens zu decken.
Agrement, auch Agrement N. (-s; -s), im späten 17. Jh. entlehnt aus gleichbed. frz. agrement (< mittel-, altfrz. agrement, agreement 'Billigung, Zustimmung', einem Deverbativum von altfrz. agreer, s. u. agreieren). 1 Im 17.718. Jh. vereinzelt nachgewiesen, im 19./20. Jh. gebucht, erst seit früherem 20. Jh. kontinuierlich belegt in der Bed. 'Erlaubnis, Genehmigung, Zustimmung', speziell im politischen Bereich für 'Zustimmung der Regierung zur Ernennung eines ausländischen diplomatischen Vertreters in ihrem Land', bes. in den Wendungen jmdm. ein Agrement erteilen 'der Berufung eines ausländischen Gesandten ins eigene Land zustimmen' (—» akkreditieren) und ein Agrement erhalten 'die Zustimmung eines Empfangslandes zur Gesandtschaft erhalten'. In den 40er und 50er Jahren des 20. Jhs. gelegentlich dafür auch —> Agreement. 2 Seit früherem 18. Jh. in der Bed. 'Verzierung, kunstvolle Ausstattung, Ausschmükkung, Schmuck, Zierrat', heute (meist im Pl.) nur noch fachspr. in der Musik gebräuchlich für 'musikalische Schnörkel, Verzierungen, Triller'; fachspr. auch in der frz. Pl.-Form (s. Belege 1928, 1979). 3 Im 18.719. Jh. selten für 'Annehmlichkeit, Bequemlichkeit, Vergnügen, Anmut, Zerstreuung'. Dazu schon seit früherem 17. Jh. das seltene, aus gleichbed. (alt)frz. agreer (zu (alt)frz. gre 'Wille, Wunsch, Wohlgefallen, Neigung', zurückgehend auf lat. gratum 'das Angenehme, Willkommene', subst. N. von gratus 'anmutig, angenehm, geneigt, erwünscht, willkommen, dankbar') entlehnte V. trans, agreieren 'etwas erlauben, genehmigen, für gut befinden' (zu 1). Agrement 1: Mahrenholtz 1678 Unterredungen Axi verlöhr sich das aggrement mit der Blüte des Alters; 1714 Berl. geschriebene Ztg. (Friedländer 166) der König hat . . das Reglement gemachet, wie die hiesigen Ministri sich gegen die fremde Gesandten verhalten sollen, wobey beyderseits wenig aggrement finden (beide BRUNT); Lokal-Anz. 8.8.1934 Der Ministerrat hat am Dienstagabend, wie von maßgebender Seite mitgeteilt wird, das Agrement für Herrn v. Papen erteilt; Süddtsch. Ztg. 18.7.1952 Die spanische Regierung hat dem Prinzen . . das Agrement als Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in Madrid erteilt; Offenburger Tagebl. 1.7.1959 Wie am Dienstag in Bonn bekannt wurde, hat das Bundeskabinett .. bereits der Ernennung Dr. Stracks zum Botschafter zugestimmt. Für welche Botschaft Dr. Stracks vorgesehen ist, kann nach Angaben des Auswärtigen Amtes nicht gesagt werden, solange das Agrement der Regierung des betreffenden Landes nicht vorliegt;
Stuttgarter Ztg. 14. 9.1962 das Agrement als neuer Botschafter; Welt 8. 9.1970 Beschließen zwei unabhängige Staaten, einander völkerrechtlich durch Aufnahme diplomatischer Beziehungen, das heißt durch Austausch von Botschaftern, anzuerkennen, so besteht der nächste Schritt darin, das Einverständnis (Agrement) des Empfangsstaates zur Person des bei ihm zu beglaubigenden Diplomaten einzuholen; ebd. 8.5.1974 Noch kein Agrement gibt es für den Bonner Vertreter in Ost-Berlin, Staatssekretär Günter Gaus. agreieren: Nicolai 1632 Br. a. Schwallenberg o. S die conditiones, welche die ke[i]serische . . aggreirt; ders. 1633 Br. a.Wechel o. S. Da man die polnische interposition aggreirte (beide JONES); Friedrich l. 1711 Br. 247 da man meinen söhn zum unterhandlet aggreiret solches anzufangen (BRUNT); Fichte 1791 Briefw. l 206 madame . . agreirte ich nicht: ich sollte ein Franzose sein, u.
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Agrikultur
war Deutscher (DWB N.); 1893 Brockhaus / 221 Agreieren (frz.), genehmigen, annehmen. Agrement 2: Zedler 1732 Universallex. I 815 Agrement, überhaupt bedeutet dieses Wort in der Music eine Manier, bey einem Organist aus Franckreich aber heist es insonderheit ein Tremblement, oder Trillo, bey ändern ein Pincement; Haller 1732 Reisen 86 das ist ein zeichen des gothischen geschmackes der Teutschen, die ein feines agrement nicht fühlen [von der Theaterkunst] (DWB N.); Raumer 1849 Br. Frankf.-Paris /I 223 Die Agrements, Solfeggien, Gurgeleien, Carillons sind in übermäßiger Weise aufgetischt; welch ein Unterschied, wenn ich diesen Figaro mit dem Mozart's vergleiche; 1928 Handb. d. Frankreichkunde I 220 Le Begue . . erweiterte den traditionellen Grundriß der Suite durch Einführung freier Charakterstücke . ., d'Anglebert streute besonders
hübsche „Agrements" (Verzierungen) darüber; Brockhaus-Riemann 1979 Musiklex. I 651 agrements, s. Verzierungen [Ausschmückungen einer Melodie]. Agrement 3: Elis. Chart. 1715 Br. U 683 Ich habe woll zum vorauß gesehen, daß Ewere englische reiße Euch mehr Verdruß, alß agrement, geben würde, drumb hatte ich Euch . . so starck widerrahten, nicht hinzugehen; Philo 1722 Ruhm d. Tobacks 75 man vermeide den Excess; so behält der Tobac in alle Wege sein Agrement; Goethe 1807 Br. (WA IV 19,449) Mein freundschaftliches Verhältniß zu den Chefs der Departements würde ihm, wenn auch keine ökonomischen Vortheile, doch wenigstens einige andre Agrements verschaffen können; Kügelgen 1870 Jugenderinn. 8 endlich mochte auch meine jugendliche Wenigkeit nicht allzuviel zu den agrements der reise beitragen, da ich viel schrie und weinte (DWB N.).
Agrikultur F. (-; ohne PL), im frühen 17. Jh. vereinzelt, seit späterem 18. Jh. kontinuierlich nachgewiesene Entlehnung aus gleichbed. lat. agricultura (aus ager, Gen. agri, 'Grundstück, Feld, Acker' und cultura 'Pflege, Bearbeitung, Anbau', zu colere 'etwas pflegen, bearbeiten, anbauen', —> Kultur), anfangs vereinzelt in der lat. (flekt.) Form. In der Bed. 'Bodenkultivierung, Ackerbau', auch allgemeiner für 'Landwirtschaft, Ackerbau und Viehzucht' (im Ggs. zu —+ Manufaktur und —* Industrie), bes. in der seit Anfang 19. Jh. (s. Beleg 1808) nachgewiesenen Zs. Agrikulturchemie als Bezeichnung für ein Teilgebiet der angewandten Chemie, das sich mit den chemischen Einflüssen auf die Pflanzen- und Tierernährung, Bodenbeschaffenheit u.a. befaßt und seine Ergebnisse der Landwirtschaft nutzbar macht, dafür auch Agrarchemie (—» Agrar-) und heute zunehmend Agrochemie (—»Agro-), auch als Bestimmungswort in Zss. wie Agrikulturphysik als Bezeichnung für einen entsprechenden Teilbereich der auf die Landwirtschaft angewandten Physik, und Agrikulturstaat 'Staat, dessen wichtigster Wirtschaftszweig die Landwirtschaft ist', gleichbed. mit Agrarstaat (im Ggs. zu Industriestaat, —> Industrie). Dazu seit früherem 19. Jh. (gebucht 1838 bei Heyse) die aus engl. agricultural system (Adam Smith 1776) lehnübersetzte Zs. Agrikultursystem als historische Bezeichnung für eine Wirtschaftstheorie, nach der der Wohlstand eines Landes allein oder vorwiegend auf dem Bodenertrag beruht und die Landwirtschaft daher vor Handel und Industrie zu bevorzugen ist, bald von dem geläufigeren, gleichbed. Syntagma physiokratisches System verdrängt. Bereits seit Anfang 19. Jh. die seltene, heute veraltete, aus engl. agriculturist übernommene Personenbezeichnung Agrikulturist 'Landwirt, Ökonom', im PL (vereinzelt mit engl. Pl.-s) auch als Parteiname für die Anhänger des Agrikultursystems (s. Beleg 1805); seit späterem 19. Jh. das (1863 bei Kaltschmidt) gebuchte, veraltete Subst. Agrikulturismus 'Landwirtschafts-, Ökonomiewesen', auch 'das Streben der Agrikulturisten als Partei'; Anfang 20. Jh. vereinzelt das Adj. agrikultureil 'die Agrikultur betreffend, landwirtschaftlich'.
Agro-, agroAgrikultur: Doverinus 1623 Polit. Geheimnussen 97 dass .. im gemein die agricultura mit allem ernst vnd eyffer getrieben werde; Schlettwein 1773 Ordnung II 31 Nun glaube ich sonnenklar gezeigt zu haben, daß die Naturalfrohndienste in einem Lande einem blühenden Nahrungsstande der Bauern, dem Wachsthum der Agricultur, und folglich dem wahren Besten des ganzen Staates schlechterdings zuwider sind; ]acobi 1779 Rhapsodie VI 348 jene künstliche Bearbeitung der Erde, welche wir Agrikultur nennen; 1794 Neues Götting. histor. Magazin III 63 Daß die Agricultur-Arbeit alleinproducirende Arbeit sey, wird demnach mit Recht geläugnet; 1808 Archiv der Agrikulturchemie (Titel); Gebhard 1817 Güter-Arrondirung 39 aufblühende Agrikultur; 1823 Eos 303 Die Regel des Hl. Benedikt lautete: Orare et laborare. Handarbeit — Feldbau (Agrikultur) war des Benedektiner Beruf; Schübler 1837 Agrikulturchemie 4 Die angewandte Chemie wendet die Lehren der reinen Chemie auf alle Gegenstände des praktischen Lebens . . an, welche mit der Chemie in irgendeiner Beziehung stehen. . . Man unterscheidet daher näher die physisch-metereologische Chemie, die ökonomische und Agrikulturchemie, technische Chemie, medizinische Chemie; Liebig 1851 Chem. Br. 25 Die Chemie ist die Grundlage der Agrikultur; 1862 StaatsWb. VIII 495 dass Österreich ein Agrikulturstaat genannt werden muß; 1863 Bilder a. Paris l 295 einer Umwälzung in der gesammten europäischen Agricultur; Peetz 1879 Kiemseeklöster 15 Bayern sei ein Agrikulturstaat; Münsterberg 1904 Amerikaner I 428 Wandlung vom Agrikulturstaat zum Industriestaat; Joel 1915 'Weltkultur 6 die Kultur wurzelt in der „Agrikultur" und ihren „Kultur-
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pflanzen"; Brauer 1929 Sozialismus 70 In der Agrikultur ist die Wirkung der Industrie die revolutionärste überhaupt: sie vernichtet das Bollwerk der alten Gesellschaft, den „Bauer", dem sie den Lohnarbeiter unterschiebt; Munichsdorfer 1932 Bayerns Boden l 27 unter dem Einflüsse der neueren agrikulturchemischen Lehre; Zischka 1936 Monopole 260 Wie Liebig die Agrikulturchemie revolutionierte, so revolutionierte er allmählich auch die Medizin; Haselhoff 1941 Die landwirtschaftlichen Versuchsstationen als Werkstätten der agrikulturchemischen Forschung (Titel); Partner 1964 Erben 422 Nach Kaiser Karls berühmter Verordnung über die Arbeit auf den aquitanischen Krongütern, die sinngemäß auch auf die klösterliche Agrikultur zu beziehen ist, standen . . außer den gängigen Getreidearten auch Mohren und Spinat, Bohnen und Erbsen . . auf dem Anbauprogramm; Bäumler 1971 Zauberkugel o. S. Dieser in der Ukraine geborene Wissenschaftler hatte zunächst Agrikulturwissenschaft studiert und gegen Ende des ersten Weltkrieges . . an amerikanischen Arsenpräparaten gearbeitet; Sloterdijk 1983 Kritik 387 von den Regulierungen des Lebens im Rahmen von Natur, Agrikultur und Ökologie. Agrikulturist: Koch-Sternfeld 1805 Nahrung 363 der Züchtler und Pflüger — Agrikulturists — als Brennpunkte für alle Branchen der Landwirtschaft; Riehl 1861 Ges. 255 [stellt] den „Manufakturisten" und den „Agriculturisten" in schneidend scharfen Gegensätzen neben einander. agrikultureil: Peters 1904 England 117 in einem wesentlich agrikulturellen Lande wie Deutschland.
Agro-, agro-, seit früherem 20. Jh. nachgewiesenes Anfangselement von meist subst. Kombinationen (zurückgehend auf die griech. Kompositionsform -, zu $ 'Acker, Feld', die in gelehrten Entlehnungen seit dem 18.719. Jh. bezeugt ist, z. B. —» Agronom, Agromanie 'leidenschaftliche Liebe zum Ackerbau' < gleichbed. griech. , Agronometrie 'Feldvermessung' < gleichbed. griech. ). In der Bed. 'Landwirtschafts-, landwirtschaftlich' neben —» Agrar- und —* Agrikultur bes. seit Mitte 20. Jh. unter russ. Einfluß zunehmend produktiv in überwiegend fachspr. Kombinationen wie Agrotechnik 'Lehre von der Technisierung der Landwirtschaft, Gesamtheit der technischen Methoden der Landkultivierung' (vgl. gleichbed. russ. agrotechnika), Agrobiologie 'Wissenschaft von den biologischen Gesetzmäßigkeiten in der Landwirtschaft' (vgl. gleichbed. russ. agrobiologija), und Agrochemie 'mit der Landkultivierung beschäftigter Zweig der Chemie, auf die landwirtschaftliche Produktion angewandte Chemie' (vgl. gleichbed. russ. agrochimia). Dazu entsprechende Berufsbezeichnungen wie Agrotechniker, -biologe, -chemiker und Adj. wie agrotechnisch, -biologisch, -chemisch.
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Agronom
Vgl. auch die Kombination Agrokultur, gleichbed. mit häufigerem —> Agrikultur und seltenem Agrarkultur (—> Agrar-), und bes. das aus russ. agrogorod (aus agro- 'Akker, Feld' und gorod 'Stadt') lehnübersetzte Subst. Agrostadt als spezifisch auf russische Verhältnisse bezogene Bezeichnung für die zentrale Stadtsiedlung eines landwirtschaftlichen Großbetriebes, daneben auch für 'Stadt, deren Bewohner im wesentlichen Ackerbauern sind'. Voss. Ztg. 5.6.1930 Schwer ist es, zu jeder Kampagne hochqualifizierte Agro-Techniker und Agro-Ingenieure zu bekommen; Süddtseh. Ztg. 28.4.1951 Den Höhepunkt dieser Aktion bildete die Verkündigung eines Zukunftideals: Agrogorod. Das ist die Agro-Stadt, in der sämtliche Mitglieder dieser Großkolchosen demnächst wohnen und von der aus sie in vergrößerten Brigaden zur Arbeit gehen sollen; ebd. 4.7.1953 es entstanden . . ländliche Großsiedlungen („Agrostädte"); Stuttgarter Ztg. 27.12.1956 Ablehnung des Chruschtschow-Programms für die Agrostädte; ND 29.2.1964 Erkenntnisse der Agrobiologie und Agrotechnik; ebd. 8.12.1969 Junge Agrochemiker aus Maschnow . ., die eine komplexe Technologie zum Ausbringen von anorganischem und organischem Dünger entwickelten, standen Pate bei der Bildung von zwei weiteren Jugendbrigaden in den agrochemischen Zentren Bad Freienwalde und Groß Pinnow; ebd. 18.1.1974 Die Herbstarbeiten erfolgten im wesentlichen zu agrotechnisch günstigen Terminen; Berl. Ztg. 11.3.1975 modernes agrochemisches Zentrum; Zeit 9.8.1985 der gesamte Umweltbereich, die Entwicklung rohstoffschonender Technologien und der agro-industrielle Sektor; ebd.
21.2.1986 Von den großen Agrofirmen sind auf diesem Gebiet [Umweltentlastung] keine hohen Investitionen zu erwarten, denn durch pathogenresistente Pflanzen könnten die Umsätze an Schädlingsbekämpfungsmitteln ja sinken; ebd. 28.11.1986 Löschwasser spült einen üblen GiftCocktail in den Strom: Agrochemikalien mit Quecksilberverbindungen; ebd. 5.12.1986 Der zunehmende Einsatz von Maschinen, Kunstdünger, Herbiziden und Insektiziden der sogenannten Agroindustrie hat . . zu weiträumigen Zerstörungen der Landschaft („Flurbereinigung") und zur Verdichtung, Vergiftung und Verödung der Böden geführt; ebd. 23.1.1987 die Vision einer Superpflanze, die resistent ist gegen alle Widrigkeiten der Umwelt (und der agrochemischen Industrie selbst); MM 7.1.1988 Gewissenlose Verkäufer bagatellisierten das Risiko mancher Agro-Chemikalien; Altner 1991 Naturvergessenheit 213 Natur hat auch dort, wo wir sie überformen (z. B. Agroökosysteme, Wälder, Gewässer) eine zu beachtende Eigenpotenz; ebd. 268 die unkontrolliert-intensive Ausbringung der Agro-Chemikalien; MM 31.8.1991 Bauernland um Dingolfing und Landau probt den „Agrotourismus" (Überschr.).
Agronom M. (-en; -en), in neuerer Zeit auch Agronomin F. (-; -nen), seit spätem 18. Jh. nachgewiesen, (eventuell über gleichbed. frz. agronome zurückgehend auf griech. 'Aufseher über die Stadtländereien', aus aypos 'Feld, Acker', —» Agro-, und 'von Amts wegen verteilender, verwaltender Fachmann', zu Ordnungsgemäß zuteilen, lenken, leiten, verwalten'). In der Bed. 'akademisch ausgebildeter Landwirt, Diplomlandwirt, Sachverständiger, Wissenschaftler auf dem Gebiet der Landwirtschaft', seit Mitte 20. Jh. (s. Belege 1954, 1958) unter Einfluß von gleichbed. russ. agronom bes. in sozialistischen Staaten als amtliche Berufsbezeichnung gebräuchlich, weitgehend gleichbed. mit Agrarwissenschaftler (—» Agrar-). Dazu gleichzeitig das auf griech. 'Verwaltung, Verteilung der Stadtäkker' zurückgehende Subst. Agronomie F. (-; ohne Pl.) 'Lehre vom Ackerbau, Wissenschaft von der Kultivierung des Ackerbodens' (vgl. Agrarwissenschaft, —»· Agrar-); seit Anfang 19. Jh. das dazugehörige Adj. agronomisch 'landwirtschaftlich, bodenkultivierend; die Wissenschaft von der Kultivierung des Ackerbodens betreffend'.
ahistorisch Agronom: l 778 Ephemenden d. Menschheit IV 109 die tausendkünste unserer. . agronomen (DWB N.); Soden 1805 Nationalökonomie I 258 Wolke man sie [Kinder der Landleute] zu gelehrten Agronomen ausstatten, wollte man . . sie in allen Hülfs-Wissenschaften des Ackerbaus, als der Chemie, Physik etc. förmlich einweihen; Massenbach 1809 Unterredungen 68 Kurzsichtige Agronomen kämpfen gegen den Geist, der den Erwerberfleiß belebt; Bauer 1942 Kraniche 68 Der Mann, der mit Getreide umgeht, wird Agronom oder Agrotechniker genannt, weil das Erzeugen des Getreides vom Bearbeiten des Bodens bis zur Ernte mit dem Mähdrescher ein technischer gesetzmässiger Vorgang ist; Brecht 1953 Stücke X 139 Kato Wachtang, unsere Agronomin; ND27.1.1954 Agronomen und Zootechniker; Süddtsch. Ztg. 18.8.1958 Frau Miskowicz — sie ist verheiratet, ihr Mann ist Bezirksagronom — ist zum ersten Male im [westlichen] Ausland; Strittmatter 1963 Öle Bienkopp 282 Wunschgetreu [Eigenname] beriet sich mit erfahrenen Agronomen über die Bodenverbesserung in seinem Kreisgebiet; ND 29.2.1964 Jeder Landarbeiter, Viehpfleger, Agronom und Techniker, das gesamte Betriebskollektiv der volkseigenen Güter, trägt für die richtige Nutzung der dem Volke gehörenden Produktionsmittel, insbesondere des Bodens, zur Erfüllung der Volkswirtschaftspläne, zur Mehrung des gesellschaftlichen Eigentums . . eine hohe Verantwortung; Fries 1974 Luft-Schiff 375 Sie möchten längst nicht mehr das sein, was sie sind, nämlich Schüler . ., sondern wollen angekommen sein. Bob als Weltraumforscher, Micha als Kulissenmaler, Lena als Agronomin; ND 11.9.1974 Das freie Chile werde Lehrer, Agronomen, Ärzte und viele andere Hochschulkader brauchen; Zeit 21.2.1986 Nach dem Kriege begann er. . als Agronom in einem der landwirtschaftlichen Staatsbetriebe unweit von Moskau zu arbeiten; ebd. 14.11.1986 Der russische Genetiker und Agronom N. J.Wawilow hatte in den zwanziger Jahren ausgedehnte Expeditionen in alle Teile der Erde unternommen, um möglichst viele Pflanzen für sein Leningrader Institut zu sammeln. Agronomie: Süssmilch 1771 — 76 Ordnung II 5 Unter dem Ackerbau verstehe ich aber nicht bloß allein die Wissenschaft, das Land auf die vortheilhafteste und beste Weise zu bestellen, sondern auch und fast vornehmlich die der Bevölkerung der Aek-
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ker, welche beyde Stücke man unter dem Worte Agronomie kann zusammenfassen; Thaer 1809 Landwirthschaft l IV die Agronomie oder die Lehre von der Kenntniß und Würdigung des Bodens nach seinen chemischen und physischen Eigenschaften, rücksichtlich auf dessen zweckmäßigste Benutzung; Schübler 1831 Agrikulturchemie 3 Die Lehre von den einfacheren Erdarten und ihren chemischen Beziehungen zu einander gehört in die allgemeinere Chemie der Haus- und Landwirtschaft; die Art wie die einzelnen Bodenarten zerlegt werden, gehört schon in die Agronomie; Bebel 1870 Arbeiterbewegung I 582 Gesetze der Agronomie-wissenschaftlichen Bewirtschaftung des Bodens; Ebner-Eschenbach 1881 Ges. Sehr. Ill 308 Nach absolvierter Universität ging er nach England, um dort Agronomie zu studieren; Heuss 1947 Gestalten 103 Die Agronomie in ihrer Gesamtheit verdankt niemandem stärkere Impulse als ihm [Liebig]; Zeit 15.3.1985 Zwar setzten sie modernste Maschinen ein und nutzten Erkenntnisse der Agronomie und Biologie, aber in der wüstenähnlichen Landschaft verdorrte das Getreide. agronomisch: Stein 1809 Briefw. Ill 136 geben sie alle agronomische ideen auf (DWB N.); Lotz 1822 Staatswirthschaftslehre II 25 . . hält man den großen Grundeigenthumsbesitzer für fähiger, als den kleinen Ackerwirth, große agronomische Unternehmungen auszuführen, landwirtschaftliche Versuche zu machen, neue Entdeckungen im Gebiete seines Gewerbes zu benutzen; Kohl 1844 brit. Inseln I 25 mit Aufbietung aller agronomischen Kunst den höchstmöglichen Gewinn aus der Pachtung zu ziehen; Humboldt 1845-50 Kosmos II 259 Befriedigung religiöser oder agronomischer Bedürfnisse (KEHREIN); Dittmann 1858 Landw. l 81 Bestandtheile der Ackerkrume und Mittel, deren fehlerhafte Mischung zu verbessern (Kapitelüberschr.) Man erwarte in diesem Abschnitte keine weitläufige agronomische Beschreibung der verschiedenen Substanzen, welche in der Oberfläche der Erde enthalten sind, sondern nur eine kurze Erwähnung derselben; Meysenburg 1876 Mem. I 58 agronomische Vorstudien, um nachher bei einem tüchtigen Landwirt zu lernen; ND 22.2.1949 Die Konferenz hat sich auch eingehend mit allen Fragen der Entwicklung der MAS zu führenden technisch-agronomischen und kulturellen Zentren auf dem Lande beschäftigt.
ahistorisch Adj. (ohne Steigerung), um die Mitte des 20. Jhs. aufgekommene Kombination aus dem Negationspräfix —» a- 2 und —» historisch. Vorwiegend im geisteswissenschaftlichen Bereich verwendet in der Bed. 'nicht historisch, von der Historic, vom geschichtlichen Wandel nicht beeinflußt, außerhalb
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Air
der Historic stehend', speziell auch bezogen auf wissenschaftliche Tätigkeiten oder Arbeiten eher leicht abwertend für 'von der Geschichte absehend, geschichtliche Gesichtspunkte außer acht lassend, historischem Denken zuwiderlaufend', bes. in Wendungen wie ahistorisch denken, vorgehen, eine ahistorische Darstellung, Betrachtungsweise. Dazu in neuerer Zeit die als Antonym zu Historizität gebildete seltene subst. Ableitung Ahistorizität F. (-; ohne PL) 'Mangel an Geschichtsbewußtsein, Geschichtlichkeit; fehlende geschichtliche Tiefe, Bedeutung'. ahistorisch: Heimpel 1956 Kapitulation 50 nun aber war die Technik von 1881 noch nicht konsequent genug, um ahistorisch und antihistorisch zu wirken; 1956-57 Wirk. Wort V 310 Entgegen der verwirrenden Vermengung von historisch veränderlichen Besonderungen und ahistorisch konstanten Sachgesetzlichkeiten gilt es, den Blick .. auf die formalen Bedingungen zu richten, die allen . . Werken der Erzählkunst zugrunde liegen; 1958 Neue Dtsch. Lit. IX 114 entsteht aus der Perspektivenlosigkeit der niedergehenden Bourgeoisie das Weltbild der Dekadenz. Es ist vor alllem ahistorisch und irrationalistisch; 1959 Mitteil, d. Dtsch. Germanisten-Verb. U 15 Dieser ahistorische Zug geht nach einer Sprachbetrachtung, die nur danach fragt, wie eine sprachliche Erscheinung im System einer Sprache steht; Solle 1971 Polit. Theologie o. S. diese Denkmethode sei dem Neuen Testament unangemessen, weil sie ahistorisch-systematisierend verfährt; Zeit 19.4.1985 Bangemanns Schwadronieren, Wörners Fehleinschätzungen, Kohls ahistorisches Bewußtsein — das läßt sich alles auf einen gemeinsamen Nenner bringen; ebd. 15.8.1986 dies ist ein so ahistorischer Zustand, daß ihm keine Dauer beschieden sein kann; MM 12.8.1987 in die Umweltgestaltung .. wurde wieder etwas von dem
hereingeholt, was die ahistorischen, emotionsfeindlichen, puristischen Ulmer aus ihnen exmittiert hatten; Kultermann 1987 Kunsttheorie 39 gibt es . . entwicklungsgeschichtliche neue Auffassungen selbst in dem Zeitalter [Mittelalter], das man als generell ahistorisch bezeichnet hat; Wuketits 1987 Darwin 39 ist es für . . Darwin charakteristisch, daß er seinen Vorläufern nicht allzu viel Platz in seinen Werken einräumt; in gewissem Sinne arbeitet Darwin ahistorisch; Seel 1989 Moderne 41 Die nachklassische Konzeption der Moderne verwirft die ahistorische und versöhnungstheoretische Auslegung ihrer Vorgängerin, jedoch hält sie an ihren Leitbegriffen fest; Simek 1992 Erde 153 Diese Vorgangsweise . . ist insofern ahistorisch, als die Schichtung bei der Entstehung einer mittelalterlichen Karte keineswegs nach den uns heute relevant erscheinenden topographischen Merkmalen wie Gewässern, Gebirgen . . erfolgte, sondern vielmehr durch Überlagerung verschiedener Quellenschriften. Ahistorizität: Kunert 1973 Bibliothek 130 Fundgrube für Archäologen, die niemals sich herverirren, der Ahistorizität ihrer Gegenwart zu gewiß.
Air1 N. (-s; selten -s), im 18. Jh. gelegentlich F., Ende 17. Jh. entlehnt aus gleichbed. frz. air (wohl über mittelfrz. air in seiner Bed. 'Atmosphäre, Umgebung, Milieu', vgl. l'air de la cour 'die Atmosphäre, Stimmung bei Hofe', also eigentlich 'die Luft am Hofe (des Königs)', zurückgehend auf altfrz. air 'Luft' < lat. aer, griech. 'Luft(-schicht), Dunstkreis, Atmosphäre', —·· Aero-). Eher bildungsspr. und heute selten verwendet in der meist auf Personen bezogenen Bed. 'äußere Erscheinung, Aussehen, Miene, Physiognomie; die Art, sich zu geben, Haltung, Auftreten, Benehmen, Anstand, Manieren', gelegentlich auch in eher negativem oder ironischem Sinne für 'Getue, Gehabe, Ziererei, Affektation' (s. Belege 1781, 1916; —» affektiert), früher häufig in modischen frz. Wendungen wie air de qualite, grand air, air de grandeur, air bourgeois, le bei air 'die Umgangsformen, Sitten der aristokratischen Gesellschaft' und seit Anfang 18. Jh. häufig in dem aus gleichbed. frz. se donner des airs/un air (de grandeur) lehnübersetzten Syntagma sich ein (z. B. ein adliges, gelehrtes oder vornehmes) Air geben 'sich einen besonderen Anstrich, den Anschein von etwas oder jmdm. geben, sich wichtig machen, sich affektiert verhalten, vornehm tun, angeben'. Von daher in neuerer Zeit (s. Beleg
Air
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1964) zunehmend auch mit nur positiver Wertung in der Bed. 'Ansehen, Ausstrahlung(skraft), persönliche Wirkung, Hauch, Note', gelegentlich konkurrierend mit —» Aura, —» Charisma, —» Flair und —* Fluidum (s. Belege 1922, 1963); bes. in den Wendungen von einem Air umgeben sein, ein Air ausstrahlen. Stieler 1695 Zeitungs Lust 492 Air . . die Stellung des Angesichts; Menantes 1702 Adalie 342 weil seine trefliche Air und gantzes Wesen mehrere Hoheit bezeichneten, als er es erstens vor gegeben; ders. 1706 Satir. Roman 21 Sie gab sich eine Air, die dasjenige noch mehr exprimirte was sie mit gleichgültigen Worten sagte; ebd. 60 von einem sittsamen Wesen, welches man Air de Qualite nennet; Rohr 1718 Staatsklugheit 827 wodurch sich ein Beamter bey denen ihm anvertrauten Unterthanen eine Air geben und viel gutes stifften kan; Fabricius 1724 Oratorie 8 es werden . . zu einem Redner folgende Dinge erfordert, . . daß er . . über seine Minen Air und Gestus ohne Affectation disponieren könne; Rohr 1728 Zeremoniellwiss. 1181 Hat mancher junge Mensch, der im Kriege avanciren will, nicht ein recht finster Soldaten-Air, so ist es jhm bißweilen an seinem Avancement hinderlich; 1741 Begebenheiten 96 lehrte er ihr diejenige Airs, welche ihr . . zukämen; Philipp! 1743 Reimschmiedekunst 134 Was wissen sie sich nicht. . für ein grand air zu geben; Nicolai 1755 Br. (Ndr. Hl 2,123) in einem gewissen Air von Gelehrsamkeit; Lessing 1760 Literaturbr. (S. Sehr. VW 229) So ein grosses Air hat Herr Cramer gewiß nicht affectiren wollen; Sonnenfels 1768 Br. 783 ein Weib, das sich airs giebt und vielleicht dadurch ihr Haus in Unordnung stürzt; Lessing 1772 Br. II 56 Air der grossen Welt; 1772 Allg. dt. Bibl. XVII 1,303 Das air etranger . . scheint [in einem Text] mit Fleiß, und zum Spotte, französisch gesetzt zu seyn; 1772 (Michaelis 1791 W. // 189) Gleich gibt sie [die Grille] sich ein grämlich Air, Schwirrt wieder weg; Wezel 1777 Erz. l 191 air de qualite; Hermes 1778 Sophiens Reise I 460 jenes Airgeben, durch welches ein Weib die Unzufriedenheit über ihre Abhängigkeit verbergen will; Hase 1779 Aldermann l 261 Air bagatelle; Schummel 1781 Spitzbart 270 das kalte, hochherabschauende Air der Vornehmen; Wezel 1781 Sprache 200 Weltmann par air; Musäus 1781 Physiognom. Reisen II 78 War ein Kaiserair, wenn's ein Privatmann annehmen wollte, nicht höchst missständig und lächerlich?; Henselt 1784 Afterwerther 50 sein ganzes adliches Air; Wall 1786 Bagatellen I 223 das LegationsrathsMädchen wüsste sich recht gut in die Airs einer Dame zu finden; 1787 Journal d. Moden H 183 sich über all diess [Chemie, Physik] ein Kenner-Air zu geben; Bretzner 1787 Leben I 214 Air de protection; Laukhard 1792 Leben l 299 gab ich mir ein sehr gelehrtes Air; ebd. 213 dass ich in der feinen
Monde niemals mein Fortune machen würde, weil mir das bei air fehlte; Gotter 1795 Schauspiele 201 ein feiner . . Mensch, der ein air comme il faut . . hat; Goethe 1795-96 Lehrjahre (HA VII 155) die Erlaubnis hatte, das Air eines Hofmannes anzunehmen; Mutius 1811 Br. 335 er wünschte dem Hause . . mehr Air de grandeur; Gaudy 1836 Tagebuch l 214 Im Cafe kommandirte ich, um mir ein Air zu geben, die französische Zeitung; Pückler 1840 Bildersaal H 152 er erregt wegen des Airs, das er sich . . gibt, die Eifersucht aller Uebrigen; Burckhardt 1842 Br. l 235 Die Philologie ist jetzt nur noch eine Wissenschaft zweiten Ranges, so grosse Airs sie sich auch gibt; Steinmann 1843 Mefistofeles III 135 wenn . . einige . . Familien . . ein gewisses Air . . annehmen; ebd. Ill 138 geht ihnen . . das preussische Air ab; Kohl 1844 brit. Inseln U 120 Die Bürgerlichen haben von Geburt an ein erbliches „air bourgeois"; Freytag 1855 Soll u. Haben l 196 sie gaben sich das Air, älter zu sein, als die Braunen; Werther 1861 Kl. Deutschland I 31 Air von Grazie; Kürnberger 1974 Siegelringe 41 spiritualistische Airs; Gutzkow 1875 Säkularbilder VIII 197 dass man allen Beamten . . ein gewisses Air anzunehmen erlaubte; Pecht 1876 Glaspalast 62 die Airs der vornehmen Welt des Rokoko; 1879 Preuss. Jahrb. XL/// 106 Sie geben sich das Air, mich zu belehren; Dahn 1882 Bausteine III 240 jene vornehme und graciöse Haltung . ., jenes 'air distingue', welches die Italiener . . 'Gentilezza' nennen; Lubliner 1896 Riviera 47 Sie . . hatten so ganz das Air, als ob sie die hohe Schule in Paris durchgemacht hätten; 1900 Dtsch. Revue XXV 3,19 sich ein pikantes Air geben; 1909 (Gothein 1931 E. 159) sich ein Air gibt, indem er andere, vermeintlich höher Gestellte, nachäfft; Bierbaum 1910 Reife Früchte 176 In Blick, Bewegung, Haltung das distinkte Erobererair, das jeder haben soll, der Frauen gefallen will; Lilienfein 1916 Spiel 155 Was ein Air, bis sie sich gnädig herabliess; Ludwig 1922 Goethe I 109 das Air des Fremden; Winterstein 1944 Leben 1114 daß er bei den „Meiningern" gewesen war, gab ihm ein gewisses Air; Becher 1957 Sp. // 253 sein auftreten ist von so todsicher gelassen-gerissener Überlegenheit, daß sie ein air von blasiertheit ausstrahlt (DWB N.); Maass 1963 Gouffe 156 ein Air des Legendären wob sich um dieses junge Weib (DUDEN); Deschner 1964 Talente 143 er eilt, vom Air des Vielgereisten umgeben, von Kontinent zu Kontinent; Strittmatter 1969 Dienstag 204 es gibt den Landfilmen
238 das „gewisse Air. Soll die Romantik passe sein?"; Zeit 28.12.1984 damit hatten die Maschinen der Uhrmacher und Bastler ihr magisches Air verloren; ebd. 8.11.1985 mit Papierarbeiten aus China .. gewinnt das Museum das Air einer versöhnlichen UN-Versammlung; ebd. 28.2.1986 es ist der Ton, der Stil, der die Geschichte macht, ein bestimmtes „Gefühl", das entsteht, ein „Air", ein „feeling" . .,
Air
das dem Leser das Herz zusammenzieht; ebd. 14.3.1986 die Moderne - dem Wort haftet das Air gestriger Moden an; ebd. 18.7.1986 Thorvaldsens „drei Grazien" . . versuchen noch einmal, das Air der heiteren Harmonie zu etablieren; ebd. 17.4.1987 im .. schönsten . . Raum der Ausstellung, der das Air jener Wunderkammern atmet, die sich . . Rudolf II. in Prag [anlegte].
Air2 N. (-s; -(s)), vereinzelt auch F., seit frühem 17. Jh. nachgewiesene Entlehnung aus frz. air 'Melodie, Weise, Arie, Lied' (< ital. aria 'Weise, Melodie', ursprünglich 'Erscheinungsform, Weise (des Auftretens)'; —+ Air1, —>· Arie). Meist fachspr. in der Bed. 'liedartiges Musikstück' zur Bezeichnung einer vorwiegend für den vokalen, aber auch instrumentalen musikalischen Vortrag bestimmte einfache Komposition ohne formale Bindung, dafür anfangs auch Aria (—> Arie); speziell auch für 'melodischer Satz der Suite' (bes. in der Barockmusik), z. B. das Air aus der Suite D-Dur von Bach. Prätorius 1619 Syntagma mus. III 17 Aria vel Air. Ist eine hübsche Weise oder Melodey, welche einer aus seinem eignen Kopffe also singet; Stieler 1695 Zeitungs Lust 492 Air . . die Gesangsweise eines Liedes; Sperander 1727 A la mod Sprach 23f. .. ist air eine Aria, Liedlein/ ein Gesang oder auch der Thon und die Weise eines Gesangs; Walther 1732 Musical. Lex. 18b die frantzösischen Airs bestehen aus einer kurtz gefasten . . mit wenigen Passagen versehenen Melodie; Zedler 1732 Unwersallex. I 886 Air, heißt in der Music ein Lied, Melodie;
Heyse 1838 Fremdwb. l 8 Air . . ein Lied, Gesang; 1928 Handb. d.Frankreichkunde l 187 der musikalische, das heißt sangbare Vers, der durchgeht von den Anfängen bis zur Gegenwart, ist der Achtsilbner in seiner . . Verbindung zur Chanson oder zu „Stances", zu „Airs"; Zeit 15.2.1985 die „Air" aus der Dritten Orchester-Suite . . haben ähnlich zahlreiche Mutationen durchgemacht; ebd. nicht viel anders als . . Schönberg 200 Jahre später schreibt Bach selbst in Schlagern wie der „Air" eine rhythmisch unregelmäßig wie harmonisch dissonante Prosa.
Air-, Mitte 20. Jh. aus engl. air 'Luft' entlehntes Anfangselement von meist subst. Kombinationen (< gleichbed. frz. air, —*· Air1, —» Aero-). a Zunächst in der Bed. 'Luft-' (—* Aero- 1), z. B. in Kombinationen wie dem aus engl. air und fresh 'frisch' gebildeten Subst. Airfresh N. (-; ohne Pl.) 'Luftverbesserungsmittel, Luftauf frischer'; gleichzeitig das Subst. Air-Condition N. (-s; -s) (verkürzt aus gleichbed. engl. air-conditioning bzw. air-conditioner, zu condition 'in den richtigen Zustand bringen', —* Kondition), dafür häufiger auch Air-Conditioning N. (-s; -s) und Air-Conditioner M. (-s; -) 'Klimaanlage, die die Luftbeschaffenheit in Innenräumen unabhängig von der Außentemperatur regelt', gleichbed. mit Klimagerät, Klimaregler, Luftkühlung, dazu gelegentlich das Adj. air-conditioned '(voll-)klimatisiert, luftgekühlt'; seit den 70er Jahren das aus gleichbed. engl. air-bag übernommene Subst. Airbag M. (-s; -s) als Bezeichnung für einen am Lenkrad eines Autos angebrachten Luftsack, der sich bei Unfällen automatisch aufbläst und dadurch die vorderen Autoinsassen vor Verletzungen schützt, dafür selten auch Luftkissen, Gassack, Prallsack. b Seit Anfang der 60er Jahre bes. im Luftverkehrswesen in der Bed. 'Flug-, Luft-' (—» Aero- 2), z. B. in Kombinationen wie Airbus M. (-ses, auch —; -se) (< gleichbed. engl. air-bus) 'regelmäßig verkehrendes Passagierflugzeug für Kurz- und Mittelstrek-
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ken mit großer Sitzkapazität, Luftbus', vgl. Aerobus (—+ Aero- 2), bes. in der Zs. Airbus-Dienst 'Pendelflugverkehr zwischen Großstädten'; Airport M. (-s; -s) ( Aero- 2), weitgehend gleichbed. mit (dem aus engl. air terminal übernommenen) Airterminal M., vereinzelt N. (-s; -s), auch 'Abfertigungshalle für Fluggäste* (—> Terminal 1), und aus gleichbed. engl. air-show übernommenes Airshow F. (-; -s) 'Flugschau, Kunstflugdarbietung', vgl. Aerobatik (—* Aero- 2). Air- a: NZ. (Basel) 22.12.1949 Ungetrübte Festfreuden «durch „air-fresh (Überschr.) Ein Fläschchen „air-fresh" im Haus, und es gibt keine unangenehmen Gerüche, keine muffige Luft; . . Millionen, darunter auch Zehntausende von Schweizer Familien, sind . . von „air-fresh" begeistert; de Man 1951 Vermassung 125 Der ideale Wohnungsbau unserer Epoche müßte, wie zur Zeit der Höhlenbewohner, unterirdisch sein — mit airconditioning wie im Titel der Satire von Henry Miller; Miller, der das total amerikanische Leben als air conditioned . . beschreibt; Frisch 1957 Homo faber 42 unser Zug . . war besser als erwartet: eine Dieselmaschine und vier Wagen mit air-condition, so daß wir die Hitze vergaßen; Sternberger 1958 Gefühl 85 die Bar, sie ist air-conditioned, da drin ists kühl; Spiegel 22.4.1964 er zahlt . . einen hohen Preis . . für einen Platz mit air conditioning (CARSTENSEN); Welt 10.5.1969 alle Fahrzeuge mit einmaliger Komfortausstattung, . . Air-Condition, ServoLenkung und -Bremsen; Neue Westf. 26.10.1976 Der Airbag oder Luftsack ist . . ein Abfallprodukt der Raumfahrt (CARSTENSEN); FAZ 11.4.1979 Autos mit eingebauten Luftsäcken (Airbags), die ihren Insassen . . Sicherheit bieten wollen (CARSTENSEN); MM 16.2.1985 ein Auto, das nicht nur für den Fahrer, sondern rundum mit Airbags ausgerüstet ist; Zeit 9.5.1986 luxuriös eingerichtete Bungalows, viele mit Air-condition; MM 19. 9.1986 der Airbag, der sich bei einem Unfall automatisch aufblasende Luftsack.
Air- b: Stuttgarter Ztg. 11.1.1963 wenn man den Hin- und Rückflug hinzurechnet, so ist der Air-Bus . . billiger als der superkomfortable TEE-Zug; Offenburger Tagebl. 29.3.1963 Lufthansa eröffnet. . den Airbus-Dienst Hamburg-Frankfurt; Welt 11.4. 1964 Nähe Airport Dublin, altersh. sofort zu verkaufen (Anzeige); ebd. 26.1.1966 deutscher Airbus für 300 Passagiere geplant; FAZ 20.3.1971 Die DC-10 . . ist ein Mittelstrecken-"Airbus" für 300 bis 600 Passagiere; Welt 4.4.1974 Eden-HotelWolf 300 Betten — ein führendes Haus in zentraler Lage .. — gegenüber Air-Bus-Terminal; ebd. 22.4.1974 Frankfurt Sheraton Hotel ab Anfang 75 am Airport; MM 19.3.1985 obwohl verkleinert werde der Airport weiterhin die größte Kapazität aller deutschen Verkehrsflughäfen aufweisen; Zeit 5. 7.1985 hatten die Airbus-Manager schon lange auf die Entscheidung der Lufthansa gewartet; MM 9.11.1985 seien Bonn und Paris übereingekommen, Nachfolgemodelle des Airbus für die 90er Jahre zu entwickeln und die Palette dieses Flugzeugtyps zu erweitern; Stern 10.6.1987 wir wollen den Airbus nicht abstürzen lassen, aber die Subventionen müssen auf ein vernünftiges Maß zurückgeführt werden; MM 13.8.1987 wegen seiner Stadt-Lage . . soll er [Flughafen] 1991 stillgelegt werden, nachdem ein neuer Airport im Erdinger Moos außerhalb der Stadt fertiggestellt worden ist; Probst 1989 Amideutsch 17 die „Vikings", Marineflieger aus Eggebek, die mit ihren Tornados schon auf Airshows auftraten.
Akademie F. (-; -n), im früheren 16. Jh. im Zusammenhang mit der humanistischen Bewegung über mlat. academia 'Schule, Lehre' entlehnt aus lat. Academia, griech. (dem Namen der Lehrstätte des griech. Philosophen Plato, die sich in einem vermutlich dem Heros Akademos geweihten Hain bei Athen befand, von daher metonymisch auch als Bezeichnung für die Lehre Platos und die platonische Philosophenschule; im Lat. speziell als Bezeichnung für das nach der athenischen Akademie benannte Gymnasium auf Ciceros tuskulanischem Landgut sowie für Ciceros Landgut in Campanien), von daher auch als historische Bezeichnung verwendet; bis ins 19. Jh. gelegentlich in der lat. (flekt.) Form. la Zunächst in der Bed. 'Hochschule' als Bezeichnung für die Institution, deren Körperschaft und Gebäude (s. Beleg 1635), auch in Namen verwendet (s. Beleg
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1536); seit dem 19. Jh. zunehmend verdrängt von —> Universität (vgl. dagegen die Entwicklung von —* akademisch la). b Seit späterem 17. Jh. allgemein zur Bezeichnung unterschiedlicher universitätsähnlicher Studien- und Ausbildungseinrichtungen für einen bestimmten Personenkreis (z. B. Ritterakademie), für bestimmte Künste (z. B. Kunst-, Maler-, Musik-, Film-, Tanzakademie), für Wissens- und Fachgebiete bzw. Berufe (z. B. Bau-, Berg-, Forst-, Verwaltungs-, Flieger-, Handelsakademie) und in neuester Zeit auch für weiterführende Kurse und Lehrgänge (z. B. Sommerakademie 'Hochschulkurse während der Sommersemesterferien', Abendakademie 'abendliche Weiterbildungskurse für Berufstätige'); als Bestimmungswort in Zss. wie Akademiesemester, -reife, bes. auch Akademiestück 'Probestück (meist eine Zeichnung) zur Aufnahme in eine Kunstakademie' (vgl. 4). 2 Von daher seit Mitte 17. Jh. unter Einfluß von gleichbed. frz. academie in der Bed. 'gelehrte Gesellschaft, Gelehrtenbund, zentrale Einrichtung zur Förderung von Wissenschaft und Forschung', anfangs konkurrierend mit —»· Sozietät (s. Beleg 1749), bes. im Syntagma Akademie der Wissenschaften (nach frz. academie des sciences), auch für 'Zusammenschluß von Künstlern, Literaten u.a. zur Pflege und Förderung der Künste', bes. im Syntagma Akademie der Künste (nach frz. academie des beauxarts); als Grundwort bes. in der Zs. Musikakademie (vgl. Ib) als Bezeichnung für eine Gesellschaft von Musikfreunden zur Pflege und Ausübung der Musik, vgl. entsprechend auch Singakademie 'Gesellschaft zur Pflege und Ausübung des Gesangs, Gesangverein'; als Bestimmungswort bes. in Zss. wie Akademieschrift, -ausgäbe 'durch eine Akademie herausgegebene Schrift, Schriftenreihe, Zeitschrift, Edition' und Akademievortrag. 3 Seit späterem 18. Jh. (unter Einfluß von gleichbed. frz. academie, ital. academia) auch in der Bed. 'kulturelle Veranstaltung', früher bes. im Syntagma musikalische Akademie 'musikalische Darbietung, Opernaufführung, Konzert u.a.' (vgl. Musikakademie Ib und 2), häufig in der Wendung eine Akademie veranstalten; gelegentlich auch für 'Amüsement, Glücksspiel, Tanzvergnügen'. 4 Im 18.719. Jh. im Sinne einer Verkürzung aus gleichbed. Akademiestück (vgl. Ib) auch in der Bed. 'Aktbild, Akt' (—> Akt 4). Akademie la: I533 Urkunden Tübingen 180 Man solle auch dise knaben alle halb Jar in irn Classibus examiniern .. Vnd allweg die geschicktesten in die Academiam oder Purß schicken; ebd. Die dritt schule genannt academia oder hohe schule; Paracelsus 1536 S. W. I 10,510 verwunder sich nicht gloriosa academia Viennensium, noch der alt Ryff von ingolstat, noch ir alten scholastici; Fabricius 1568 Surius' Chronik 26b Academia oder hohe Schule; Ernstinger 1579-1610 Raisbuch 140 Weiter hat es auch ein academiam alda von Philippo 4, der schön zugenambt, anno 1312 fundiert; Fischart 1582 Garg. 268 Es haben heut die newen Academien . . jhr Muster daher genommen (RÜTTER); 1597 Kronn aller Wegweiser 105 eine new Academia vnnd Collegium . . gebawet; Albenmus 1598 Sendschreiben l 143b in den Academien vnd Ho-
henschulen; Wedel um 1600 Hausbuch 224 Die berühmt schola zu Strasburg wird etwa reformiret und zur academiam gemacht; 1605 Sachs.-Cob.Goth. SO Vormb. lla eine Land-Schule, vnd gleichsam ein medium oder Mittel zwischen ändern gemeinen trivial und hohen Schulen oder Academien (NYSTRÖM); Furttenbach 1635 Architect. Univ. Vorr 2a Wie im Statt-Gebäw die schulen/ Academien, Wohnhäuser/ Herbergen/ Gefangnussen vnd Lazaretten/ neben ändern nothwendigen Civilischen Gebäwen zuverfertigen seyen; Lauretnberg 1652 Scherzged. 56 mögen wohl gahr ein Bakelaers wesen/ Vnd in der Akadem[i]e den Studenten vor lesen; Lassenius 1661 Tischreden 225 wo findet man das meiste Sauffen, als auf unsern teutschen Academien; Lucae 1711 Helicon . . Die Academien Oder Hohe Schulen (Titel); Haller 1723-27 Tage-
Akademie bücher 102 Die Academic [von Leyden], ein gross, eben nicht gar schön gebaut Hauss; Weber 1734 Enc. 25 Academic, hohe Schule; 1758 Modeztg* l 158 Die königlichen Reitschulen zu Paris werden auch Academien genennet; es bedeutet also daselbst dieses Wort etwas anders, als in Deutschland, allwo man die Wörter Academic und Vniversität vor gleichgeltende Wörter nimmt; Goethe 1774 Werther (HA VI 12) Er kommt erst von Akademien, dünkt sich eben nicht weise, aber glaubt doch, er wisse mehr als andere; Klinger 1780 Plimplamplasko 177 thät ziehen auf die Academiam; Goethe 1792 Autobiogr. Sehr. (HA X 333) er konnte vielmehr für einen jungen Mann gelten, der sich in der Stille auf Schulen und Akademien zu Kanzel und Lehrstuhl vorbereitet hatte; Kortum 1799 Jobsiade 33 ich ziehe/ Gleich itzo nach der Akademie/ Um zu studiren spät und früh/ Die Wissenschaft der Theologie; Humboldt 1809 Gedenkschr. l 198 versteht man unter höheren wissenschaftlichen Anstalten die Universitäten oder Akademien; Pfister 1814 Criminalfälle I VII auf unsern Akademien; 1843 Brockhaus 1165 wie man denn auch in Deutschland die Universitäten Akademien nennt; Vischer 1860 Krit. Gänge N. F. J 133 Nicht einmal in die Akademie nöthigte ich ihn mich zu begleiten. Akademie Ib: Praetorius 1669 Glückstopf 466 ein sehr künstlicher mahler und bildhauer . ., welcher . . eine academic . . allhier auffthun wird, in welcher . . in die 40. junge Frantzosen unterrichtet werden sollen (DWB N.); Horneck 1684 Oesterreich 276 für die sonsten allzulang in der fremde umschweiffende Jugend, Fürsten- und Ritterschulen oder Academien im Land selbsten aufzuthun; Marperger 1710 Beschr. Preussens 11 Academic der Mahler und Künstler; Lucae 1711 Helicon 713 Academia, Oder Fürsten- und Ritter-Schule, in Cassel; Volckanter 1714 Nürnberger Hesperiden II V Anno 1701 hat man eine Ritter-Academie dahin [nach Erlangen] geleget; v. Richtenfels 1724 Mitteil. XVII 94 einen gelegenen Platz umb Dresden zur Errichtung einer Ritterakademie oder Lycei illustris (NYSTRÖM); Gundling 1735 Hist. d. Gelehrtheit III 3165 so annectiren wir Deme billig annoch einen kurtzen Bericht, von denen so genannten Ritter-Academien oder Fürsten- und RitterSchulen (NYSTRÖM); Sulzer 1771 Theorie I 8a Sie werden insgemein Mahleracademien genennet, obgleich nicht das eigentliche Mahlen, sondern das Zeichnen darin fürnehmlich gelehrt wird; Ramdohr 1787 Malerei HI 135 Seitdem Academien, Kunstschulen, errichtet worden, sagt man, sind keine großen Künstler mehr gezogen; 1799 Propyläen II 2,22 Die Lehranstalten für zeichnende Künste müssen, wenn sie ihre Absicht nicht verfehlen
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sollen, von zweyerley Art seyn, welche beyde nie mit einander vermischt werden dürfen. Die einen nennen wir hohe Schulen der Kunst, oder Academien, wo Künstler erzogen, wo die bildenden Künste alle . . gelehrt werden. Die ändern sind Zeichenschulen, wo die Jugend überhaupt . . das Nothwendige und Nützliche . , erlernen kann; Balte 1804 Geschäftsgang i. Preußen 433 Für die höhere und wissenschaftliche Baukunst, nach allen ihren Zweigen, ist eine besondre Bauakademie bestimmt; Müller 1817 Sehr. I 276 Alle dergleichen Anstalten sind . . wieder eingegangen: Forst- und Bergakademien etwa ausgenommen, weil diese in beständiger, unmittelbarer Beziehung auf den Staat stehen, und die beiden Gewerbe, deren Ausbildung sie beabsichtigen, . . die isolirtesten sind; Schwind 1825 Br. 49 Rieder ist an der Ingenieurs-Akademie als Professor . . angestellt; Devrient 1840 Theaterschule IV 326 Dem Landwirthe, dem Forstmanne, dem Offizier gewähren eigne Academien wissenschaftliche Fachbildung; Böhtnert um 1850 Br. zweier Handwerker 143 die zur Begründung einer deutschen Bekleidungs-Akademie in Dresden versammelt gewesenen Schneidermeister; Proelss 1891 Modelle 121 Es war aber aus Versehen die „Eva" Cäsar Niedecks, welche die Jury zurückgewiesen hatte, von den Akademiedienern in die Kiste Karls verpackt worden; Bittmann 1907 Hausindustrie i. Baden 766 . . hat der Schneider in einer Akademie das Zuschneiden gelernt, . . so übernimmt er auch die Anfertigung neuer Anzüge; i9J9 Geist d. Volksgemeinschaft 113 Zur Ergänzung des Vortragswesens, das „Akademie für jedermann" oder ähnlich heißen kann, sind sogenannte didaktische (lehrhafte) Ausstellungen zu veranstalten; Th. Mann 1924 Zauberberg (W. Ill 615) Das Institut war zugleich Pensionat, Mustergut, Sportakademie, Gelehrtenschule und Musentempel; Süddtsch. Ztg. 5. 2.1949 Die Akademie der Arbeit in Frankfurt hat die Aufgabe, aktive Gewerkschafter für ihre spätere Tätigkeit auszubilden; Welt 28.1.1959 Die weitere Ausbildung im Reiten erhalten die Fünfkämpfer in der deutschen Reitschule in Warendorf oder in der Reiterakademie München; ND 19. 2.1959 engere Zusammenarbeit von Bauakademien und anderer Bauinstitutionen; Süddtsch. Ztg. 8.6.1960 Die Umwandlung der Ingenieurschulen in Akademien, die in Bayern fast vollständig durchgeführt ist (so heißt die Staatsbauschule seit einigen Jahren „Akademie für Bautechnik" und das Oskar-von-Miller-Polytechnikum „Akademie der angewandten Technik"), ist ein Schritt zu einem „höheren Niveau"; Grass 1962 Blechtrommel 440 Aber auch Studenten der Kunstakademie, vor allen Dingen diejenigen, die später Zeichenlehrer werden wollten, gaben einen Teil ihrer Stipendiengelder für Zwiebeln aus; Stuttgarter Ztg. 22.10.
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1964 Aerztliche Akademie geplant — Eigene Fortbildungsstätte in Baden-Württemberg (Überschrift); 1966 Urania XI 80 Der sowjetische Kosmonaut Pawel Beljajew .. wird in Kürze an der Fliegerakademie seine Dissertation verteidigen; Offenburger Tagebl. 14.1.1966 Für das I. Trimester der Akademie für Führungskräfte der Wirtschaft in Bad Harzburg 1966 liegt ein eingehender Seminarführer vor, der 200 Ausbildungsprogramme und Speziallehrgänge enthält; 1967 Bild der Wiss. I 10 Seit 1955 ist er Ordinarius für Psychiatrie an der Universität — früher Medizinische Akademie - Düsseldorf; Welt 14.1.1969 Akademie für höhere Polizeikräfte; Riedel 1970 Clausthal o. S. Die Bergakademie dagegen sollte eine Spezialschule sein, die nicht der allgemeinen Ausbildung der Schüler, sondern „der wissenschaftlichen Belehrung zu bestimmten Zwecken der Ausübung gewidmet" war; MM 21.2.19S5 In dieser [Theater]Akademie sollen, möglichst bundesweit, alle Theaterberufe erfaßt sein, für die es gegenwärtig keine ausreichende Ausbildung gibt; Zeit 18.10. 1985 Erst auf der Sommerakademie habe ich erfahren, was Studium wirklich heißt; ebd. 8.11. 1985 Die Akademie Remscheid für musische Bildung und Medienerziehung ist ein bundeszentrales Fortbildungsinstitut für kulturelle Jugendbildung; MM 14.2.1986 Sie berichtete von Plänen der Regierung, eine Musik- und Theaterakademie einzurichten; ebd. 23.4.1986 Ein Viertel aller vorgestellten Arbeiten waren Hochschulproduktionen (davon allein sechs von der Film- und Fernsehakademie West-Berlin); ebd. 4. 7.1987 auf einer Jazzakademie; ebd. 9.11.1987 Praktische und theoretische Kenntnisse rund ums Alt-werden vermittelt eine Informationsbörse in den Räumen der Abendakademie; ebd. 13.11.1987 Bundesakademie für Wehrverwaltung und Wehrtechnik; ebd. 2.4.1988 berufliche Bildungsmaßnahmen (etwa in einem Berufsförderungswerk der Gewerkschaften, bei der Handwerkskammer oder in der Industrie- und Handelskammer bzw. in einer Verwaltungs- und Wirtschaftsakademie). Akademie 2: Zeiller 1643 Episteln III 453 von den Academien oder Genossschafften; Leibniz 1700 Dt. Sehr. U 155 es wäre künftig der name der societal besser als der: academic, denn in Teutschland „academic" mehr von lehr- und lernenden verstanden zu werden pfleget (DWB N.); Brucker 1734 Fragen V 1428 Academiam oder Gesellschaft der Gelehrten; Florin 1749 Hausvater 26b die Societäten der Künste welche man auch Academien zu nennen pflegt; 1744 Philosoph. Untersuchungen 77 [der] Preiß, welchen die königliche Akademie der Wissenschaften zu Berlin auf das Jahr 1745 ausgesetzt; Wieland 1757 Gesch. d. Gelehrtheit 19 Die
Ptolomei . . legten eine Academic der Wissenschaften und eine Bibliothec an; Büsching 1760 Neue Erdbeschr. 136 und endlich beschloß die Akademie der Wissenschaften zu Paris . . auf königl. Unkosten geschickte Männer nach dem nordlichen Polarzirkel . . zu senden; 1768 Br. ü. d. Geschmack 60 wir haben kleine Akademien der schönen Geister; lassen Sie uns diesen gelehrten Winkeln ihren unterscheidenden Namen beylegen, wir haben Caffeehäuser; Springer 1769 Raissonement 238 Man sehe die grösten gelehrten Gesellschaften, sie heisen Akademien, Societäten, Collegien; Michaelis 1770 Raissonement 11 148 Academien der Wissenschaften, die eigentlich zum Zweck haben, neue Entwicklungen zu machen; Bretzner 1787 Leben l 279 die Versammlung irgend einer berühmten Akademie der schönen Wissenschaften; Stieglitz 1792 Baukunst 117 Akademie der Baukunst. Eine solche Gesellschaft, die aus gelehrten Männern und aus geschmackvollen Künstlern bestehen müßte, würde zu der Verbesserung der Baukunst sehr viel beytragen; Schleiermacher 1805—06 Brouillon (W. II 239) doppelte Gestalt der Akademie, Arbeitstheilung und gemeinschaftliches Practiciren, wobei einer Organ des Ändern ist; ders. 1808 Gedanken (W. IV 549) Unter Akademien werden hier, was man gelehrte Gesellschaft nennt von aller Art, verstanden; Goethe um 1810 Farbenlehre (WA U 14,201) im November des Jahres 1749 trägt er der Akademie ein umständliches Memoire vor, worin er sowohl gegen Newton polemisiert als auch das, was er theoretisch für wahr hält, niederlegt; Schopenhauer 1840 Moral 189 erstlich spreche ich hier nicht zu Kindern, noch zum Volke, sondern zu einer erleuchteten Akademie, . . die auf eine höchst ernsthafte Frage auch eine ernste Antwort erwartet; 1843 Brockhaus I 165 Akademie nennt man in seiner gewöhnlichsten Bedeutung einen Verein von Gelehrten oder Künstlern, die gemeinschaftlich die höhere Ausbildung der Wissenschaft und Kunst sich zum Zwecke gesetzt haben; Holtzendorff1869 Principien 271 Ideengemeinschaften in wissenschaftlichen Korporationen und Academien; 1872 Monatsber. d. Akad. d. Wiss. Berlin 231 gelehrte Societät als Vorform der Berliner Akademie der Wissenschaften; Th. Mann 1915 Reden u. Aufs. (W. XI 741) Unter dem Namen deutsche Akademie soll eine Vereinigung hervorragender Künstler deutscher Zunge geschaffen werden, die den Zweck hat, vor dem deutschen Volke, seinen Regierungen und dem Ausland die deutsche Kunst (Dichtung, Musik, Bildende Kunst und künstlerisches Leben) sichtbar und maßgebend zu vertreten; ders. 1920 Reden u. Aufs. (W. X 861) ein deutscher Fürst war von der Gelehrtenakademie seines Landes zum Ehrenmitglied ernannt worden; Kommerell 1928 Dichter 13 hatten etwas vom Gebaren
Akademiker der französischen Literatursalons und Dichterakadetnien bei uns eingeführt; V B 3.10.1936 Deshalb sei die geplante Gründung einer „Deutschen Forschungsakademie" besonders zu begrüßen. In dieser Akademie werde jede naturwissenschaftliche Fachsparte ihre Vertreter entsenden, in ihr kämen Wissenschaft und Behörden zusammen mit dem Ziele systematischer Austauschmöglichkeiten; Münch. N.N. 27.11.1941 Aufgabe der Deutschen Akademie ist nach dem Erlaß in erster Linie die Erforschung und Pflege der deutschen Sprache im Inland und ihre Förderung und Verbreitung im Ausland; ND 30.10.1959 Akademiemitglied Nemejanow wies darauf hin, daß die wissenschaftlichen Beziehungen zwischen den sowjetischen und den kanadischen Gelehrten immer lebendiger werden; 1967 Urania l 50 künstliches Eiweiß aus Erdöl herzustellen, das zu Viehfutter weiter verarbeitet werden kann, gelang Wissenschaftlern des Mikrobiologischen Instituts der Akademie der Wissenschaften der CSSR; Zeit 19.7.1985 Die Akademie ist als eine Art „Brain Trust" gedacht, in der Hochschulmitglieder und Externe über wissenschaftliche Fragen debattieren; MM 17.7.1986 In ihrer Akademie der Wissenschaften konzentrierte die DDR wie die Ostblockverbündeten in entsprechenden Einrichtungen die wissenschaftliche Elite des Landes; Altner 1991 Naturvergessenheit 170 Die Einrichtung etwa eines Science Court und einer Akademie zur Erforschung der Lebensbedingungen in der wissenschaftlich-technischen Welt .. wäre erwägenswert; MM 26.2.1992 Fragen wird man ja wohl noch dürfen: Was eigentlich ist eine Akademie der Künste? Eine Institution, die ästhetische und moralische Maßstäbe setzt? Ein Gremium von Künstlern, in das berufen zu werden einem Ritterschlag oder einem Adelsbrief gleichkommt? Oder nur ein priviligierter Prominentenzirkel, in dem Eitelkeit, Mißgunst, Publicity-Sucht und ideologische Rechthaberei sich . . relativ ungestört spreizen können? Akademie 3: Drechßler 1777 Theaterschule 136 die musikalische Academic, das Concert oder die Oper zu eröfnen und anzufangen; 1800 Wiener
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Programm o. S. Herr L. v.Beethoven wird die Ehre haben, eine grosse musikalische Akademie zu seinem Vorteile zu geben; Gentz 1814 Br. a. Pilat. l 103 quälte mich sehr, mit ihm in eine sog. Academic zu gehen, worunter eine halbmaskierte HofAssemblee im Hof-Theater verstanden wird; Schwind 1824 Br. 24 Jetzt denkt er auf eine musikalische Akademie oder öffentliche Schubertiad'; Waiblinger um 1830 Britten 200 Sie hat im Carneval mehrere Akademien gegeben und zu Harfenbegleitung improvisirt; Bukowsky 1835 Tagebuch 34 grosse musikalische Akademie im Refektorio. Man gab Schillers „Glocke" in Musik gesetzt; Freytag 1855 Soll u. Haben l 533 es ist heut große musikalische Akademie, die Rosalie wird auf dem Flügel spielen; Kufahl um 1910 Fechtsport 133 Das Turnier endet mit einer Schlussakademie, an der die Sieger und die von der Jury bestimmten Fechter teilnehmen; Werfel 1939 Himmel 12 Livias geburtstag, der jedes jähr spaßhaft-festlich mit einer art akademie begangen wurde (DWB N.); Süddtsch. Ztg. 2.2.1951 Ihr Programm sieht u. a. eine Festakademie mit Begrüßung der Ehrengäste . . vor; ebd. 11.6.1955 15 Münchner katholische Korporationen und Gemeinschaften . . veranstalten heute um 11 Uhr im Herkulessaal der Residenz eine Fest-Akademie; Bodamer 1962 Mann 124 auf Tagungen . . und Akademien — wo meistens aneinander vorbeigeredet wird (DUDEN). Akademie 4: Wieland 1770 Ges. Sehr. V// 352 [ein mahler würde mit dem kältesten blut einen haarscharfen umriß] var.: eine academic [von der schlafenden Mexikanerin genommen haben] (DWB N.); Forster 1791 Ansichten 1220 Die Figur ist eine gute Akademie, ziemlich warm koloriert und weiter Nichts; 1843 Brockhaus l 167 Akademien oder Akademiestücke nennt man auch Zeichnungen auf den Kunstschulen; 1882 ebd. l 288 Akademiestücke oder bloß Akademien heißen auf den Kunstschulen Zeichnungen der Schüler, welche in der Regel Köpfe, Füße, Hände und andere Körperteile sowie den menschlichen Körper in verschiedenen Lagen und Stellungen darstellen und teils nach lebenden Modellen (Akten), teils nach in Gips geformten Vorbildern . . entworfen sind.
Akademiker M. (-s; -), im 20. Jh. auch Akademikerin F. (-; -nen), im späteren 16. Jh. über mlat. academicus 'Philosoph, Gelehrter' entlehnt aus lat. Academicus 'jmd., der zur Akademie Platos bzw. Ciceros gehört' (—»Akademie), von daher auch als historische Bezeichnung verwendet; anfangs ausschließlich, bis ins 20. Jh. gelegentlich in der lat. (flekt.) Form, seit Ende 18. Jh. zunehmend in der heutigen Form. la Zunächst als Kollektivbezeichnung für die Mitglieder einer Hochschule (—> Akademie la), bes. im 18./19. Jh. für 'Student' (s. Belege 1752, 1820) und 'Universitäts-
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Akademiker
dozent' (s. Belege 1718, 1792); von daher seit Ende 19. Jh. zunehmend in der heute dominanten Bed. 'an einer Universität Ausgebildeter, Studierter, jmd. mit Universitätsexamen, akademisch Gebildeter'; bes. in Zss. wie Akademikerproletariat, dafür auch akademisches Proletariat (—>· akademisch la), Akademikerverbindung "organisierter Studentenbund, Burschenschaft', Akademikerschwemme 'Überangebot von Akademikern auf dem Arbeitsmarkt', Vollakademiker 'Akademiker, der ein Universitätsstudium absolviert hat', häufig Jungakademiker 'Student, akademischer Berufsanfänger', Nichtakademiker 'Nichtstudierter'. b Seit Anfang 20. Jh. auch für 'Mitglied einer höheren Bildungseinrichtung' (—»· Akademie Ib), bes. 'Mitglied einer Kunstakademie'. 2 Seit Ende 17. Jh. auch in der Bed. 'Mitglied einer gelehrten Gesellschaft', dafür im 20. Jh. zunehmend die Zs. Akademiemitglied (—» Akademie 2). Dazu im 20. Jh. selten die Subst. Akademikerschaft F. (-; ohne Pl.) 'Gesamtheit der Akademiker' und Akademikertum N. (-s; ohne Pl.) 'das Akademikerwesen, das Akademischsein', auch für 'Akademikerschaft' (zu la). Seit frühem 17. Jh. die aus gleichbed. frz. academiste entlehnte, heute ungebräuchliche Personenbezeichnung Akademist M. (-en;-en), zunächst für 'Zögling einer Ritterschule oder Militärakademie' (zu Ib), dann auch für 'Student' bzw. 'Universitätslehrer' (zu la), seit Mitte 18. Jh. auch in der Bed. 'Mitglied einer gelehrten Gesellschaft' (zu 2); im 18. Jh. vereinzelt das Adj. akademistisch 'den Akademisten zueigen' (zu la). Akademiker la: Paracelsus 1562 Spitalbuch A 2b nach der Academicus brauch; Platter 1612 Sittengesch. 309 der ludt die heupter, deputaten, academicos und vil meiner guten frinden; Schupp 1657 Freund i. d. Not 61 Die Ohren thun mir wehe, wann gelahrte Leute sagen: Dieser ist ein alter Academicus. Ergo, Eben als wann einer, der ein Jahr oder zehen auf Universitäten gesoffen hat, sich nothwendig müsse zu einem Doctor sauffen; um 1670 Gepflückte Finken 5 Meine Mutter dauchte sich dessen gross zu seyn, dass sie einen Sohn hatte, der Lust und das Hertz hatte, ein Academicus zu werden; Kirsch 1718 CornvCopiae W Academicus, . . der zur hohen Schul gehöret, . . der sich auf der hohen Schul aufhält; Spener 1675 Pia desideria 338 dann die Tochter muß bald Jungfer, und der Sohn Student oder Academicus seyn und heissen; Sperander 1727 A la mod Sprach 6 Academicus, einer der sich auf hohen Schulen übet/ und daselbst aufhält/ ein Student; Edelmann 1752 Selbstbiographie 33 mir, als einem kaum halbjährigen Academico; 1789 Akadem. Gesetze Ingolstadt 11 Um aber zu unangenehmen Begebenheiten keinen Anlaß zu geben, haben sich die Akademiker eines stillen, friedlich-freundschaftlich-höflichen Betragens sowohl unter sich gegeneinander, als gegen Jedermann, und insonderheit gegen ihre Hausleute, und Kostgeber sorgfältigst zu befleißigen; Goethe 1792 Br. (WA IV 9,301) Es würde dadurch ein fast allgemein gewordner Wunsch der Academiker [des botanischen Instituts] erfüllt werden; Kortutn 1799 Jobsiade 43 Folglich war unser Hie-
ronimus/ Nunmehro ein Academicus; Hugo 1820 Jurist. Enz. l 447 Die Studierenden (Bursche in einem bestimmten Sinne, in catholischen Ländern auch wohl Academiker oder Candidaten, auch wohl Juristen); Jäger 1835 F. Schnabel 186 Ohne sonstige erhebliche Vorfälle verfloß dieses Semester; Einer wurde im Duell erstochen, Mehrere Zeitlebens gelähmt, einige Akademiker wurden consiliert; Kaiser 1848 Memoiren 29 Akademikerkorps; Carus 1866 Lebenserinn. IV 177 ein genialer heiterer alter Akademikus; Schlicht 1875 BayerLand 414 Der Ortsakademikus: „Halten zugunsten, Herr Kommissär, lesen, das vermag er ohne Brille nicht"; Mommsen 1887 Reden 155 Gewiß wird . . alles Größte und Beste nicht von der Akademie geleistet werden, sondern von Männern, seien sie Akademiker oder Nichtakademiker; Voss. Ztg. 3.12.1930 Was der Minister, was die Rektoren, was die Professoren, was die Alt-Akademiker und was schließlich die gesamte Oeffentlichkeit will, das ist, daß der Student die akademische Würde . . wahrt; Lokal-Anz. 25.2.1933 das Heer der arbeitslosen Jungakademiker; Dtsch. AZ. 15.1.1935 die Arbeit der einzigen polnischen Akademikerverbindung „Silesia Superior" in Breslau; v. 'Wahlendorf 1936 Erinn. 35 So . . erzog er uns zum künftigen Akademiker; Dittmer 1938 Deutscher 242 Bildet ihr Akademikers Euch bloß nicht ein, daß Ihr was vor uns voraus habt! Wir Arbeiter kämpfen für die Zukunft wie Ihr; Th. Mann 1939 Reden u. Aufs. (W. IX 616) Es gehört so recht dem „Studentenstück" an, .. der typischen Liebesge-
Akademiker schichte zwischen dem studierten Mann, dem Akademiker, dem Herrn Doktor und dem kleinen Mädchen aus dem Volk; Münch. N.N. 27.5.1939 Schwierigkeiten in der Frage der Akademikerverbände; Süddtsch. Ztg. 22.8.1951 Ettikettierung und Überbewertung des „Akademikus"; Welt 4.7.1964 Ohne rigorose Abkürzung der Ausbildungszeit und ohne umfangreiche Zulassung von Nichtakademikern zum Lehrerberuf kommen wir aus der Schulmisere nicht heraus; Zeit 19.4.1985 Die Akademikerschwemme hat solche Grundwerte wieder mühelos an den Rand bildungspolitischer Erwägungen gespült; ebd. Ob diese Hochschulinflation ein Segen ist oder ob sie letztlich nur ein neues Akademiker-Proletariat produziert, wird auch von der weiteren Entwicklung NordrheinWestfalens abhängen; ebd. 4.10.1985 Der Absolventenberg von derzeit rund 150 000 jungen Akademikern wird bis in die neunziger Jahre hinein weiterwachsen; ebd. 24.4.1987 Universität tot — Studenten aktiv: während die Hochschulen in sanften Schlummer sinken, proben die Jungakademiker ihren Aufstand anderswo; MM 26.2.1992 Gebildete Akademiker zitieren in sochen Fällen gelegentlich aus Juvenal: Difficile est satiriam non scribere. Akademikerschaft: 1908 Freistudent Beil. Ib die aufgäbe der studentischen Selbsterziehung ist ein kulturproblem, von dem leben und sterben unserer akademikerschaft abhängt (DWB N.); Frankf. Ztg. 10.5.1931 Die deutsche Abordnung richtet die Aufforderung an alle die Kreise der Jungakademikerschaft, die dieser Arbeit bisher noch fernstehen; Welt 30.12.1974 Lehrpläne, die die Sprache der Gosse und den Fäkaljargon, die heute von der jungen Akademikerschaft gerne benutzt werden, zur Umgangssprache erheben wollen, haben mit SoziaIismus nichts zu tun. Akademikertum: Th. Mann 1926 Reden u. Aufs. (W. XI 71) Aber dem Akademikertum des deutschen Schriftstellers wird immer ein gut Teil Ironie beigemischt sein; 1930 Süddtsch. Monatsh. XXVII 523 Später sind die Kriegsstudenten als reaktionär .. hingestellt worden. Dabei gab es selten in der deutschen Geschichte ein Akademikertum, das mit so offenen Sinnen . . der Wunder harrte, welche die Volksherrschaft dem zerbrochenen deutschen Volke bescheren sollte; Gebauer 1932 Kulturgesch. 262 Ein Nachteil für die bildenden Künste war die Verstärkung des Akademikertums und die durch die Anbetung der antiken Muster bedingte Abkehr von der unmittelbaren Beobachtung der Natur; Münch. N.N. 27.5.1939 daß es .. darum gehe, .. dem deutschen Akademikertum die Augen zu öffnen für die einmalige Situation; Heitnpel 1956 Ka-
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pitulation 103 Der andere, unser Leben beherrschende und auch unser Thema eigentlich erst ganz betreffende Vorgang ist die Entstehung der Akademiker als einer in der Wirtschaft verbrauchten Schicht, das Akademikertum als Massenerscheinung. Akademist: Meyfart 1636 Erinn. 473 so sind die Gottlosen Academisten nicht, sondern wie Sprew, die der Wind zerstrewet; Leibniz 1673 W. II 17 daß ihm [dem in Paris Studierenden] versprechen gegeben war, mehr freiheit zu haben, als insgemein die jungen academisten . . haben (DWB N.); Semler 1782 Lebensbeschr. II 383 Dass . . viele Academisten, die 15 Jahre lang auf Schulen Latein getrieben haben, noch keinen lateinischen Brief ohne Fe[h]ler schreiben können; Laube 1847 Karlsschüler 59 Diese unerlaubten Versammlungen stammen noch aus der Zeit, da ich die Ehre hatte, Eleve der Akademie zu sein. Die gegenwärtigen Akademisten sind also dazu wie zu etwas Herkömmlichem verleitet worden; Mohl 1849—74 Lebenserinn. l 18 Akademisten sei der eigentliche Name der Zöglinge der Hohen Carls-Schule gewesen; Bäte 1927 Gang 51 Akademisten ziehen lärmend nach Weende. akademistisch: Goethe 1766 Er. (WA IV 1,46) Gewöhnet euch keine akademistischen Sitten an. Akademiker Ib: Potenz 1900 Liebe 309 Sie wohnten auf demselben Flur, der Kunstakademiker und die Volksschullehrerin; Th. Mann 1930 Reden u. Aufs. (W. XI 107) Paul, der ebenfalls Maler war, Akademiker damals und Schüler des berühmten Tiermalers Zügel; Zeit 19. 7.1985 die in der Sowjetunion akkreditierten Künstler, Akademiker oder Nachfolger der einst gegen die Akademie revoltierenden „Wanderausstellungskünstler"; Spiegel 28.5.1990 Der italienische Neo-Akademiker Carlo Maria Mariani gibt glatten Aktfiguren Attribute vom Dürer-Hasen bis zum Duchamp-Pinkelbecken bei. Akademist: 1664 Ordn. d. Ritterakad. zu Güstrow M. G. P. XLJV 122 Von Schuldigkeit der Akademisten (NYSTRÖM); 16S7 Ordn. d. Ritter-akad. von Wolfenbüttel M. G. P. VIII 204 INsonderheit müssen die academisten ihren professoren . . mit bescheidenheit begegnen (NYSTRÖM); Vischer 1709 Informator 45 allen angehenden Academisten; Lucae 1711 Helicon 746 Es sollen auch die Academisten über das/ daß sie in der Reit-Kunst wol informiret/ . . gnugsame Anweisungen . . bekommen; Marperger um 1720 Reisen 16 da sie sich als Academisten in derselben [Ritter-Academie] auffhiel-
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ten; Sperander 1727 A la mod Sprach 6 Academist, heist in besonderm Verstand derjenige/ so die Kriegs-Exercitien lernet; Weber 1734 Enc. 25 Academist, so fechten lernt, .. so reuten lernt; Musäus 1781 Physiognom. Reisen U 80 Wenn doch unsere Malerakademisten, deren wir jetzt viel haben, physiognomische und unphysiognomische, nicht so früh, ehe sie den Pinsel zu führen wissen, sich an so schwere Köpfe wagen , . wollten; Goethe 1791 Br. (WA IV 9,261) Unsern jungen Künstlern werden wir doch die Vortheile der Academisten zugestehen, wenn wir unsre Anstalt gleich auch nur bescheiden eine Schule nennen. Akademiker 2: Happel 1690 academ. Rom. 76 academici, oder [gelehrte] gesellschaffter (DWB N.); Seyfart 1784 Friedrich l 473 Alle Akademiker so-
wohl Ehrenmitglieder als ordentliche sollen durch Mehrheit der Stimmen aller anwesenden Glieder erwählet werden; Schleiermacher 1808 Gedanken (W. IV 561) Akademiker; 1855 Prutz' Museum I 82 der neu ernannte Akademiker; Hornberger 1875 Essays 280 Wohl hatte er als neuer Akademiker seine Pflicht erfüllen müssen. Akademist: Kant 1756 Ges. Sehr. I 7,210 der schon mehrmals angeführte französische akademist hr. Bouguer, führt in seiner reise nach Peru an, daß . . (DWB N.}; 1784 Berlin. Monatsschr. III 560 Die hiesige Academic . ., sagt man, hätte manche sehr vortrefliche Mitglieder, die auch hin und wieder einzeln ihre Talente zum Besten der Wissenschaft zeigten. Als Akademisten brächten sie nichts wichtiges hervor.
akademisch Adj., im früheren 16. Jh. entlehnt aus lat. Academicus 'zur Akademie Platos bzw. Ciceros gehörig' (< gleichbed. griech. , —» Akademie), von daher auch als historische Bezeichnung verwendet. la Zunächst in der dominanten Bed. e zu einer Hochschule gehörig, in der Art einer Hochschule', dabei (anders als —» Akademie la, das in dieser Bed. bereits um 1800 von Universität verdrängt wird) bis heute gelegentlich konkurrierend mit universitär (—» Universität), z. B. in festen Verbindungen wie akademische Freiheit 'universitäre Freizügigkeit', heute bes. 'Freiheit der Lehre und Forschung an Hochschulen', akademischer Grad, auch akademische Würde(n) 'durch eine Hochschule verliehener Titel' (z. B. Magister, Doktor), akademisches Proletariat 'stellungslose bzw. nicht ihrer Hochschulausbildung gemäß beschäftigte und daher in der sozialen Hierarchie unten stehende Akademiker', akademisches Viertel 'Viertelstunde, mit der eine Hochschulstunde später als angegeben anfängt', veraltet auch akademischer Bürger 'Mitglied einer Universität mit entsprechenden Rechten und Verpflichtungen' (s. Belege 1723—27, 1858, —»Akademiker la); gelegentlich auch konkurrierend mit studentisch (—»· Student), z. B. in der festen Verbindung akademische Jugend 'Studentenschaft'. Seit etwa 1700 auch in der Bed. 'wissenschaftlich, auf wissenschaftlicher Erkenntnis beruhend', bes. in den Syntagmen akademisch gebildet 'wissenschaftlich, zum Wissenschaftler ausgebildet' (s. Belege 1868, 1901, 1930), eine akademische Studie, akademisch denken; seit Ende 19. Jh. (s. Belege 1895, 1897) zunehmend eher abwertend verwendet im Sinne von 'verwissenschaftlicht, ein hohes wissenschaftliches Niveau vortäuschend, pseudogelehrt, weit- und wirklichkeitsfremd, im Elfenbeinturm, abgehoben, rein theoretisch', von daher auch für 'allein um des Denkens und Redens, nicht um der Sache willen, ohne praktischen Nutzen, unsinnig, ergebnislos, überflüssig' (s. Beleg 1929), im Ggs. zu —* praktisch, an der Wirklichkeit orientiert, auf dem Boden der Tatsachen stehend, z. B. von Gedanken, Gesprächen, Geistesprodukten in Syntagmen wie eine akademische Diskussion, Abhandlung, eine rein akademische Frage(-stellung). b Seit spätem 18. Jh. zunächst ausschließlich auf Kunst- und Musikakademien bezogen, seit Mitte 20. Jh. gelegentlich auch allgemeiner in der Bed. 'zu einer Ausbil-
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dungsstätte, einem Lehrgang u. ä. gehörig, in der Art einer Fachhochschule' (—» Akademie Ib); gleichzeitig auch eher abwertend auf den Stil, die Produkte o. ä. dieser Akademien bezogen, bes. im Bereich der Kunst, für 'übermäßig korrekt, schulgemäß, im Dogmatischen verharrend, verwissenschaftlicht phantasielos, formal perfekt, aber nicht originell, in herkömmlicher Manier, traditionell, langweilig' (s. Belege 1787, 1987). 2 Seit späterem 18. Jh. in der Bed. e zu einer gelehrten Gesellschaft gehörig, von ihr beeinflußt, in der Art eines Gelehrtenbundes' (—» Akademie 2). Dazu im späten 18. Jh. vereinzelt, seit späterem 19. Jh. häufiger das Subst. Akademismus M. (-; Akademismen), zunächst für 'akademischer Habitus, Verbundenheit mit den Auffassungen einer Akademie', dann meist bezogen auf Kunst- oder Musikakademien für 'Verbundenheit mit deren Kunstauffassungen, Stilrichtungen', häufig negativ konnotiert mit „trocken theoretisch, erstarrt im Dogmatischen" (zu Ib); im 20. Jh. dafür selten auch Akademik F. (-; ohne PL). Dazu seit spätem 19. Jh. selten das trans. V. akademisieren 'etwas (z. B. eine Ausbildung) einer Hochschule nachbilden, in der Art einer Hochschule, Universität betreiben' (—»· Akademie la), auch pejorativ für 'etwas der trocken theoretischen Vorgehensweise einer Hochschule anpassen, verwissenschaftlichen', z. B. den Lehrerberuf, die Gesellschaft akademisieren; im 20. Jh. häufig das Verbalsubst. Akademisierung F. (-; -en) 'Verwissenschaftlichung, das Aufoktroyieren der (theoretischen, aufgesetzten) Art einer akademischen Ausbildung' (zu l a). akademisch la: Paracelsus 1530 S. W. l 8,55 welcher wolt der sein bei allen gelerten, der nicht einer profession felsen wolt besser dan ein sand achten, als allein die gehürnten academischen bachanten; Schweighart 1617 Pandora 14 kein Academisch disputiren/ kein Oratorisch plaudern; 1631 Ann. Ingolstad. Acad. IV 398 denen academischen Statutis gemess; Meyfart 1636 Erinn. 9 an der wunderbaren Menge der Academischen Bürgerschaft; ebd. 415 die gantze Academische Jugend wird von mir nicht verdammet; Dürer 1668 Lauf d. Welt 5 Nachdem ich . . nun gesonnen war, . . den verhasten schulzwang mit der Academischen freyheit einmahl zu vertauschen; Weise 1697 Vertr. Gespr. 328 ein alter Academischer Freund; Thomasius 1701 Kl. Sehr. 406 Ich könte ja wohl diserwegen für mich die Academische Freyheit und sein eigenes Exempel anführen; Gundling 1707 Otia III Vorr. a 4a Es gehöret zur Academischen Freyheit seine Gedancken vor dess ändern Arbeit ohne Furcht zu entdecken; 1711 Gelehrte Fama 715 Academische Ehren; Zipffel 1721 Händel 165 zu den feyerlichen oder symbolischen küssen gehöret zuvörderst der akademische küß, der, wie noch auf einigen Universitäten gebräuchlich ist, dem doctoranden bey öffentlicher promotion vom decano . . gereicht wird (DRW); Haller 1723-27 Tagebücher 34 wurde ich zum Academischen Bürger; Glafey 1736 Anleitung 443 die Academischen Würden;
Reichard 1747 Historie 290 Nach vollendeten Schul- und Academischen Studien ward er Prediger zu Parstein in der Mark; Pütter 1765 Versuch l 276 Einstellung der academischen Vorlesungen; Michaelis 1770 Raissonement 397 von den sogenannten academischen Würden Doctor und Magister; Geliert 1770 Moralische Vorlesungen (S. Sehr. VI 303) Fliehen und hassen Sie . . den jugendlichen Leichtsinn, die Ausgelassenheit und Wildheit, die man ehedem mit dem Namen der akademischen Freyheit beehret hat, die schreckliche Begierde, ein Held beym Trunke zu seyn; Michaelis 1773 Raissonement III 334 academisches Viertel; Hippel 1778 Lebensläufe I 204 beynahe könnte man sagen: die Deutschen wären universitäts- oder akademische köpfe (DWB N.); 1784 Leben d. Eulenspiegels l 245 Es stehen . . die akademischen Würden beym .. gemeinen Wesen nicht mehr in Achtung; Goethe 1811 Dichtung u. Wahrh. (HA IX 157) Nach seinen akademischen Studien hatte er sich in Hofund Staatsgeschäften umgetan, und seine Reisen auch zu diesem Zwecke eingeleitet; Diesterweg 1836 Lebensfrage III 66 Hier [nach Schleiermachers Vorlesung] war das akademische Viertel einmal eine Wohltat; J. G. Hoffmann 1843 Kl. Sehr. 305 [So] kann akademische Grade jetzt Jeder erwerben, der vom Gymnasium reif für Universitäten entlassen, dieselben nun mit dem gewöhnlichen Masse von Fähigkeiten und Fleiss benutzte; Ehrlich
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1858 Abenteuer l 47 Der ärmere „akademische" Bürger, der nicht in ein Corps eintreten kann; Burckardt 1868 Weltgesch. Betrachtungen 16 Unseren Maßstab entnehmen wir hier von derjenigen Fähigkeit, welche jeder akademisch Gebildete bis zu einem gewissen Grade entwickeln sollte; Riehl 1885 Vortr. II 532 welch eine schöne Heimat Sie durch das akademische Bürgerrecht gewonnen haben; Wasservogel 1888 Klinghart 51 Er hat Frau und eine Menge Kinder. Wir können uns unmöglich so ein akademisches Proletariat hier großziehen; Ziegler 1895 Student 181 jene oft schon konstatierte Entfremdung unserer Hochschulen vom Strome des Lebens, die dem Wort „akademisch" seine mißliebige Nebenbedeutung zugezogen hat; Fontäne 1897 Stechlin 487 Und darüber hab ich seit lange mit Ihnen sprechen wollen, nicht akademisch, sondern märkisch-praktisch; Th. Mann 1901 Buddenbrooks (W. I 611) Bürgermeister aber konnte Thomas Buddenbrook nicht werden, denn er war Kaufmann und nicht Gelehrter, er hatte kein Gymnasium absolviert, war nicht Jurist und überhaupt nicht akademisch ausgebildet; Hilty 1906 Neue Br. 186 Wir wollen nicht einen solchen akademischen Glauben haben, der bald auf dieser, bald auf jener Hochschule „zeitgemäß" gelehrt, und dann wieder von einem neuen Zeitbild „überwunden" wird; Th. Mann 1919 Reden u. Aufs. (W. XI 351) Mit meinem tiefempfundenen Dank für die mir anläßlich der Jahrhundertfeier der Universität Bonn verliehene akademische Auszeichnung darf ich mich an Sie wenden als den Dekan der Fakultät, deren Doktor ich mich nun nenne, und als Unterzeichner der schönen Urkunde, die mir meine Würde bestätigt; Curtius 1921 Barres 94 Bildung . . erzeugt ein neues Proletariat: das akademische Proletariat der Großstädte; Frank 1926 Liebesleben 84 den akademischen Kreisen angehört, bei denen der Mensch erst mit einem Doktortitel anfängt; Voss. Ztg. 26.10.1929 Aber die Erörterungen haben nur noch akademischen Wert. Es bleibt beim Verbot; Th. Mann 1930 Reden u. Aufs. (W. XI 878) Dazu gehört eine gewisse PhilologenIdeologie, Germanisten-Romantik und Nordgläubigkeit aus akademisch-professoraler Sphäre, die in einem Idiom von mystischen Biedersinn und verstiegener Abgeschmacktheit mit Vokabeln wie rassisch, völkisch, bündisch, heldisch auf die Deutschen von 1930 einredet; Voss. Ztg. 29.1.1931 wie frei und unakademisch dort gearbeitet wird; Benjamin 1930 Br. 518 Ihre Haltung soll, formal, eher wissenschaftlich, ja akademisch als journalistisch sein; Frankf. Ztg. 8.1.1939 Parität also namentlich zwischem dem „Praktischen" und dem — cum grano salis — „Akademischen"; Th. Mann 1952 Reden u. Aufs. (W. X 527) Der akademisch Graduierte wählte den Beruf des Buchhändlers, des
Verlegers, weil er im Buch ein starkes Kampfmittel sah für das Gute; Heimpel 1956 Kapitulation 73 Eine solche Eintönigkeit der Wiederholung ist nicht allein begründet durch ein Harmonisierungsbedürfnis, das von Musik und von Blumen garniert in der Atmosphäre gelockerter Steifheit und gutem Willen sich befriedigt fühlt, die eine akademische Veranstaltung erst so recht akademisch macht; ebd. 75 die zu fördernde akademische Jugend; Welt 2. 9.1964 Er war aber kein Arzt mit akademisch-medizinischer Ausbildung, sondern ein Barbier, der auch Verbände anlegte und Zähne zog; Hocke 1976 Tagebücher 286 Er findet sie, mit einem allerdings etwas steifen akademischen Groll, unerträglich; Dülmen 1977 Reformation 70 Müntzer war kein „akademischer", theoretisch-spekulativer Theologe; Zeit 10.5.1985 Zweifellos ist richtig, was die Bundesbildungsministerin immer wieder betont, daß akademische und berufliche Bildung gleichwertig sein sollten; ebd. 11.4.1986 Das Unbehagen an Wallmanns schönen Reden blieb, weil er sich allzu geflissentlich und akademischangestrengt an die eigene Brust klopfte; ebd. 8.8.1986 Frau Professor also — die leicht ironisch hervorgebrachte akademisch-steife Anrede belächelt sie; ebd. 23.4.1987 Doch vor dem Hintergrund einer nie dagewesenen Bildungsexpansion mit steigenden Facharbeiterzahlen und einem wachsenden akademischen Proletariat klaffen angebotene und nachgefragte Qualifikationen zunehmend auseinander; MM 1.7.1987 Anders konnte sich mit der akademischen Philosophie nicht befreunden, sein Stil war zu anschaulich, seine Fragen zu weltnah; Lukoschik 1991 In u. Out 53 Die alljährlichen [Mode-]Shows in Paris und Mailand sind zu dem geworden, was sie eigentlich schon immer waren . .: ein akademischer Wettstreit für die diversen Fashion-Seilschaften; Altner 1991 Naturvergessenheit 231 Dabei geht es nicht nur um akademische Fragen, sondern um den Vollzug eines Bewußtseins; Frankf. Allg. Magazin 9.8.1991 Akademischer Jargon und Spiegelfechterei gibt es bei ihm nicht. Er argumentiert klar und übersichtlich; MM 26.2.1992 Was die Besserwessi-Maler von ihren Ossi-Kollegen halten, hat Georg Baselitz schon vor eineinhalb Jahren ganz unakademisch rüde auf den Punkt gebracht: „Keine Künstler, keine Maler, . . ganz einfach Arschlöcher." akademisieren: Vischer 1878 Auch Einer II 266 abgeflacht, leer . . wie die italienisierten, akademisierten Niederländer, denen Rubens und noch viel gröber Rembrandt die Faust entgegenballte; Zeit 20.9.1985 Tatsache ist, daß wir Grund- und Hauptschullehrerbildung — gelegentlich bis zur Unbrauchbarkeit — akademisiert und die Gymna-
akademisch siallehrerausbildung nicht pädagogisch gemacht haben. Akademisierung: 1930 Geograph. Zschr. XXXVI 452 Akademisierung des Volksschullehrerberufes; M.-A. Abendztg. 10.5.1931 die unsinnige Akademisierung so vieler Berufe; 1937 Bayern 192 „Akademisierung" der Lehrerbildung; Süddtsch. Ztg. 21.3.1950 Akademisierung der Lehrerbildung; Arbeitgeber 5.3.1959 Er zog auch sehr klar die Konsequenzen aus der bisherigen Entwicklung der Ausbildung an Hohen Schulen, die zu einer unnötigen Akademisierung des gesellschaftlichen Lebens geführt habe; Stuttgarter Ztg. 24.3.1959 Mit Sorge müsse ferner die uferlose Akademisierung betrachtet werden, die in einem geradezu beängstigenden Anschwellen der Hörerzahlen vor allem an den juristischen und wirtschaftswissenschaftlichen Fakultäten ihren Ausdruck findet. akademisch Ib: Kamdohr 1787 Malerei l 17 Ariadne . . kehrte ihm den Rücken zu, um den [!] Mahler eine schöne academische Figur im Contrapost darzubieten; ebd. l 18 Der Körper des Polyphems ist eine vortreffliche academische Figur. Künstler können die Verkürzung des einen Knies nicht genug bewundern; Bntn 1801 Sehr. IV 163 Jede [Skizze] ist ein akademisches Meisterstück; 1803 Badische SO M. G. P. XXIV 305 Lycäen oder akademische Gymnasien (NYSTRÖM); FrankeSchievelbein 1894 Rotdorn 19 eine Technik [des Klavierspiels], die von den verpöntesten Fehlern strotzte und Hans Herbert, dem unfehlbaren Meister eines akademisch-tadellosen Spiels, gelinde Schauer des Entsetzens über die Haut jagte; Fährmann 1894 Kunstgeschichte 172 Die Feindin, die seiner gesunden Entwicklung mit der Geschichtsmalerei wiederholt in den Weg trat, war die „akademische Pose"; Gilly 1896 Fesseln 44 Jetzt kamen sie [Skizzen] ihm steif, unnatürlich vor, wie die Formensprache einer in vergangenen Anschauungen befangenen Welt. Ohne akademisch zu sein — denn dazu fehlte ihnen die Korrektheit; Trübner 1898 Personalien 46 Das Monumentale entsteht ja durch die Vereinigung des rein künstlerischen Könnens mit dem Gegenständlich-Interessanten; ist aber dieses Gegenständlich-Interessante nur mit der akademischen Darstellungsweise verbunden, so kann daraus immer nur das Dekorative (Akademische, Populäre und Konventionelle) entstehen; 1919 Geist d. Volksgemeinschaft 106 Wenn schon die Bezeichnung „akademisch" auf künstlerischem Gebiete zu einem gebräuchlichen Ausdruck abweisender Kritik geworden ist; ND 17.8.1949 die akademische Prüfung zum Diplomkaufmann; Welt 25.8.1964 Maler der älteren Generation, geübt in einem akademisch-expressiven Stil, greifen plötz-
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lich — wer weiß, welcher Bewußtseinsfunke da überspringt — ins volle, ungegenständliche Leinwandleben hinein; FAZ 9.10.1965 Die technische Hochschule Aachen bereitet eine zweijährige nachakademische Ausbildung für künftige Luft- und Raumfahrtingenieure vor; Bernhard 1983 Untergeher 156 .. nennen sich akademische Musikpädagogen; Zeit 12.2.1985 Nicht nur Sirenen gegen klassische Musik, sondern auch futuristische Skulpturen, konstruktivische und suprematische Malerei gegen verdorrten akademischen Naturalismus; ebd. 23.8.1985 Hockneys Arbeit auf dem Theater, die praktische Erfahrung von Raum und Perspektive, haben seinen Blick ebenso verändert wie .. die Entdeckung der Photo-Collage, durch die er sich von den strengen Gesetzen der Perspektive (nach denen er seine akademischen Bilder der späten sechziger Jahre konstruierte) befreit hat; MM 26.5.1987 Und so „akademisch erstarrt", wie es Stefan Szcesny in seinem Katalogbeitrag forsch provokant beklagt, ist die zeitgenössische Bildhauerei ja nun auch wieder nicht; ebd. 3.11.1987 Die in verschiedener Dichte gestrichelten Binnenstrukturen von Linds geometrischen Feldern verleihen seinen Arbeiten der letzten Jahre eine unakademische, beschwingte Leichtigkeit, die Raum für sensible Töne schafft; Zeit 24.11.1987 Er ist Anfang 30, lebt in London, schreibt und fertigt einfache Strichzeichnungen, unbehelligt von jedweder kunstakademischen Bildung; MM 2.1.1988 Beispiele einer zwar noch romantischen, aber antiakademischen, die Wirklichkeit des Landes entdeckenden Malerei; ebd. 13.5.1988 Daß „Alte Musik" nicht unbedingt akademisch und langweilig sein muß, wurde erneut in Stuttgart bewiesen. Akademik: Benjamin 1923 Br. I 297 Dann werde ich . . eines Tages weder um Publizistik noch Akademik mich kümmern; Lokal-Anz. 1.7.1933 Vor allem aber komme es gerade heute darauf an, die revolutionäre Gesinnung nicht in blasser und banaler Akademik erkalten zu lassen. Akademismus: Westenrieder 1784 Bair. Akademie I 222 höhn und beschimpfung waren die pfeile, mit denen der gemeine häufen jeden, der sich des akademismus verdächtig machte, überschüttete (DWB N.); Vischer 1860 Krit. Gänge N. F. 143 Im Uebrigen hängt die moderne Sculptur Italiens noch einseitig im Akademismus und Classicismus; Hillebrand 1878 Profile 324 hier sieht man erst, was die französische Literatur jenem siebzehnten Jahrhundert schuldet, über dessen Pedantismus und Akademismus heutzutage so viel gejammert wird; Lichtwark 1894 Wege 25 die Zeiten des Akademismus, wo die Schüler angeleitet werden,. . den Lehrer zu kopieren und es ganz genau so zu machen
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Akklamation
wie der Lehrer; Jessen 1906 Prärafaeliten 55 Wir wollen keinen leeren Akademismus und keine sklavische Naturabschrift, aber wir brauchen die Künstler und bewegten Seelen; Brieger 1921 Pastell 17 das Pastell . . ist ein Kind des trockenen Akademismus und der äußerlichen Wirkung, von welcher Ehe nur ein Schritt zur Süßlichkeit ist; Münch. N.N. 22.3.1944 Wie wurde Akademie und Akademismus jahrzehntelang verfemt und verflucht; Th. Mann 1945 Reden u. Aufs. (W. XI 1144) die Romantik lehrte es einer Welt, die im tugendhaften Akademismus vor Langerweile umkam; Sedlmayr 1948 Verlust 230 die Verwechslung der Kunst mit der Wissenschaft, das Virtuosentum und der „Akademismus"; Süddtsch. Ztg. 3.7.1952 Was hebt sich aus dem im Ganzen ermüdend einförmigen Gesamtbild eines fleißigen modernen Akademismus, zumeist auf Zwölftonbasis, hervor; Näf 1954 Bilder 99 als totgeborne Akademismen denunziert; Welt 2.1.1959 Der Galerie-Inhaber Cordier betrachtet diese Manifestation als eine gesunde Reaktion auf den abstrakten Akademismus; ebd. 20.8.1959 Statt des konventionellen Akademismus, den sie bis dahin gezeigt hatten, stellten sie junge, moderne, ja radikale Künstler vor; MM 6. 7.1985 Es sind die ersten Schritte auf dem Weg zu einem „menschlichen Sozialismus"; sprachgewaltig, ungestüm und so ganz verschieden von einem verknöcherten Akademismus; Zeit 10.10.
1986 Solange Politik vor diesen Türmen abgedankt hat oder überflüssig geworden ist, kann der Akademismus des Spielplans walten, ob nun Oklahoma, Racine, Maugham oder Arnold und Bach gegeben werden; Zeitmagazin 26.10.1990 Den jungen französischen Architekten erlaubten die grands projets des Präsidenten den ersehnten Abschied vom Akademismus der französischen Schule. akademisch 2: Herder 1768 S. W. // 68 ich folge .. in der neuern zeit einem akademischen und einem jüdischen weltweisen: Maupertuis und Moses Mendelsohn (DWB N.); Goethe um 1790 Naturwiss. Sehr. (HA XH1 249) Gegenwärtige Zeitung und andere öffentliche Blätter hatten die Neuigkeit verbreitet, jene zwischen Herrn Cuvier und mir entsponnene Streitigkeit sollte in der nächsten akademischen Sitzung wiederaufgenommen werden; ders. 1807 Br. (WA IV 19,409) Wir sind dir alle . . Dank schuldig, daß du . . dich zu der Großmeisterstelle deines akademischen Ordens durch einen Kampf mit den schlimmsten Ungeheuern legitimieren wolltest; Th. Mann 1943 Reden u. Aufs. (W. X 492) Wir jungen Leute in München, Mitglieder eines akademisch-dramatischen Vereins, denen die Reinhardt-Leute ihre Don-Carlos-Parodie eines Nachts in irgendeiner Kneipe ohne Bühne vorspielen, lachten Tränen.
Akklamation F. (-; -en), im früheren 16. Jh. entlehnt aus lat. acclamatio, Gen. acclamationis, 'das Zurufen, beifälliger Zuruf (zu acclamare, —» akklamieren), anfangs auch in der lat. (flekt.) Form. a Zunächst bildungsspr. in der allgemeinen Bed. 'zustimmender, wohlwollender Zuruf des Publikums, gemeinschaftliche freudige Zustimmung, Anerkennung, Beifall' (vgl. Applaus, —> applaudieren), im Ggs. zu Ablehnung, Widerspruch; speziell in der Kirchenliturgie für 'formelhaftes Ausrufen von Segenswünschen und Fürbitten, Deklamierung bestätigender Formeln' (s. Belege 1604, 1965, 1971). b Seit Ende 18. Jh. in der speziellen Bed. 'Wahl durch zustimmenden Zuruf, direkte, mündliche Abstimmung', häufig in der (aus den anfangs vereinzelt belegten, gleichbed. Syntagmen (lat.) per acclamationem bzw. (frz.) par acclamation) lehnübersetzten festen Verbindung per/durch Akklamation, meist in Wendungen wie jmdn. per/ durch Akklamation wählen, bestimmen, bestätigen, ein Programm, Gesetz per/ durch Akklamation verabschieden. Akklamation a: Franck 1536 Zeitb. H 108a mit grossen frewden vnd acclamation, das ist glück wünschen vnd zuschreien (DWB N.); Lettner 1604 Chronica 7b Diese Laudes Regales, oder Königliche Lobsprüche, waren die Acclamationes oder fröliche Glückwünschung, die von Babst, Bischoffen .. mit lauter stim ausgeruffen wurden; Dann-
hauer 1667 Scheid-Brieff 329 Darauff ist bei allem Volck ein grosses Frolocken erfolgt. . . Diese acclamation haben Sie Demetrio und seinen Mitarbeitern zu Epheso abgelernet; Sperander 1727 A la mod Sprach 8 Acclamation, glückwünschendes Zuruffen/ Freuden-Geschrey; Görres 1800 Sendung n. Paris l 72 Angenommen durch die Accla-
akklamieren mation des Kleinmuths; Goethe 1803 Br. (WA IV 16,205) Hätte man diesen Zuruf [Vivat auf Schiller nach Uraufführung der 'Braut v. Messina'] als reine Ergießung des guten Willens . . ansehen können; so ließe sich allenfalls darüber hinausgehen; auffallend mußte dagegen seyn, daß die Veranlassung dieser Acclamation vom Balkon ausgegangen; 1821 Europa 335 autorisirt durch die Acclamation der ganzen gesitteten Welt; Lang 1842 Memoiren l 75 so wurde ich unter großer Acclamation [der Kameraden] gegen eine jeweilige unbestimmte Weinpflicht, von aller weitern Bierfrohn freigesprochen; Wickede 1854 Soldat III 227 Und wie trügerischen Werth haben alle Acclamationen der Menge; Grabowski 1863 Off. 31 Die Schlittenpartie wurde also mit Acclamation beschlossen; 1863 Bilder a. Paris I 301 Die Acclamationen waren auch dieses Mal wieder sehr getheilt; in einzelnen Gegenden lauter, enthusiastischer Zuruf, auf anderen Plätzen nur hie und da ein sparsames vive l'Empereur; Benjamin 1921 Br. l 284 vorliegender Glückwunschbrief wird .. unter lauter Akklamation der unterworfenen Völkerschaften . . begonnen; Süddtsch. Ztg. 9.1.1951 Ihr [der Wiener Philharmoniker] erstes Auftreten im Auslande erhielt sofort jene Akklamation einer begeisterten Welt, um die sich unsere Politiker nicht immer mit Erfolg bemühen; FAZ 9.12.1965 Nach der Verlesung des Schlußdekrets traten fünf Bischöfe aus den verschiedenen Kontinenten vor den Papst und sangen die sogenannten „Akklamationen", kurze Fürbittgebete in Form litaneiartiger Anrufungen; 1971 Allg. Einf. in d. Rom. Meßbuch o. S. Der Altardiener spricht abschließend die Akklamation „Amen"; Welt 8.11.1974 so aber gab es deutlich akzentuierten Beifall [für das Theaterensemble] mit Bravorufen und Akklamationen des Einverständnisses; MM 3.5.1985 man reagierte auf die Vorführung deutlich mit Akklamation oder Ablehnung; ebd. 15.5.1985 Aber gerade deshalb schulden wir diesem großen Land nicht vorauseilenden Gehorsam und beflissene Akklamation, sondern Aufrichtigkeit und, so notwendig, auch Widerspruch; ebd. 7.3.1986 Besonders lesenswert sind . . zwei Aufsätze über Michel Foucault, die jenseits modischer Akklamation oder wütender Ablehnung sich mit diesem „Gegen-Aufklärer" . . auseinandersetzen; Haubrichs 1988 Geschichte 180 Man könnte sich das 'Ludwigslied' gut neben anderweitig bezeugten Akklamationsrufen vorstellen;
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MM 5.4.1988 Erst die — wenn auch noch so begrenzte — Möglichkeit des Weggehens deckt jene Bedingungen auf, unter denen die Identifizierung des DDR-Bürgers mit seinem Land mehr ist als eine erwartete Akklamation; 1991 Wiener VI 28 Der Greenpeace-Vorstand ist ohnehin nur als Akklamationsclub erwünscht. Akklamation b: Mueller 1798 Briefw. 189 Unsere zunfft hat dich par acclamation wieder zum Rathsherrn erwählt; Goethe 1815 Br. (WA IV 26,32) wenn es auf die Stimmen der Landesbewohner ankäme; so würde unser Fürst zum Herrn des Ganzen, per acclamationem berufen werden; Lang 1817 Reise I 3 In derselben akademischen GeneralVersammlung, in welcher dem Erfinder der Eisenbahnen der große Triumphzug, dreimal um den Beißenberg, mittels allgemeiner Akklamation zuerkannt wurde, erhielt auch ich . . die Auszeichnung einer Ehrenmeldung; Görres 1836—42 Mystik V 205 In allgemeiner Acclamation riefen sie die Neuaufgenommene zur Fürstin des Sabbaths aus (KEHREIN); Detmold 1844 Aufgabe 100 „Keine Abstimmung!", rief der Assessor Demeyer. „Keine Abstimmung! Der Vorschlag wird durch Akklamation genehmigt!"; Köhler 1862 Erinn. l 400 Alle Cardinäle vereinigten sich nach diesem Resultat zur allgemeinen Acclamation; Heuss 1927 Polit. Wb. 5 Akklamation bedeutet Zuruf und wird verwendet als Charakterisierung eines Wahlvorgangs, bei dem Stimmenauszählung mit Mehrheitsfeststellung vermieden wird; Welt 7. 9.1959 „Nostitz, Nostitz", riefen alle durcheinander, und der so durch Akklamation Gewählte nahm auf einem ausgebuchteten Gartenstuhl Platz; ebd. 10.2.1966 Wo steht geschrieben, daß Parteivorsitzende durch eine Art Akklamation ohne Gegenkandidaten gewählt werden sollen; ebd. 4.6.1974 Parteichef Tito ist auf Lebenszeit wiedergewählt worden, der Parteitag in Belgrad hat die letzten Akklamationen hinter sich; MM 13.5.1985 die Rednerin, die bei der anstehenden Wahl einstimmig per Akklamation in ihrem Amt bestätigt wurde; Zeit 21.6.1985 Akklamation der gegenwärtigen Führung; MM 3.6.1986 Auf bestimmte Geldbeträge ließen sich die Delegierten allerdings nicht festlegen, als sie am späten Sonntag abend das „Aktionsprogramm der UNO für die wirtschaftliche Gesundung und Entwicklung Afrikas 1986-1990" per Akklamation verabschiedeten.
akklamieren V. trans., im früheren 19. Jh. entlehnt aus lat. acclamare 'zurufen, laut nennen' (aus ad- 'hin, zu' und clamare 'rufen, schreien'). a Eher bildungsspr. verwendet, zunächst in der Bed. 'jmdn./etwas mit laut geäußerter Zustimmung bedenken, jmdm. beipflichten, zustimmen, etwas beifällig aufneh-
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men, gutheißen, billigen', z. B. eine Äußerung akklamieren (s. Beleg 1833), seit früherem 20. Jh. auch für 'jmdn./etwas durch Zurufe loben, jmdm./etwas Beifall spenden' (—»· applaudieren), z. B. eine Szene, einen Schauspieler lebhaft, heftig akklamieren (—» Akklamation a). b Seit spätem 19. Jh. selten in der speziellen Bed. e jmdn. in einer Versammlung durch Zuruf wählen, ausrufen, zu etwas bestimmen' (—» Akklamation b). akklamieren a: Heine 1833 W. V 248 indem er .. von dem publikum . . akklamiert wurde, begründete er seine alleinherrschaft in der deutschen litteratur (DWB N.); Szarvady 1852 Paris I 390 Er acclamirte Cavaignac's Dictatur, er acclamirte die republikanische Constitution; Hillebrand 1875 Wälsches 269 acclamirt von denen, die er einst am Meisten verachtet; Nordau 1881 Paris l 239 Die Idee wird mit Begeisterung acclamirt; Th. Mann 1905 Nachtr. (W. XIII 247) ein Versuch, der gewiß aufs wärmste akklamiert werden muß; ders. 1909 Hoheit (W. H 339) „Und das alles will also sagen, daß das Publikum die Schritte des Prinzen billigt?" - "Daß es sie akklamiert, Königliche Hoheit, daß es die innigsten Hoffnungen darauf setzt"; ders. 1921 Nachtr. (W. XIII 463) was ich in den Betrachtungen, die Sie akklamierten, „die Demokratie" genannt habe; N Z. (Basel) 29.4.1949 Glanznummern [eines Liederabends], die denn auch entsprechenden Beifall auslösten, der wiederum nur mit neu akklamierten Zugaben zu stillen war; Th. Mann 1954 Reden u. Aufs. (W. X 543) ein Eigenwerk . ., dessen einzelne Etappen aber einst von den Besten der Zeit aufmerksam verfolgt und herzlich akklamiert wurden; FAZ 11.12.1970 Es täte
seinem Ansehen [des Gesetzes] nicht einmal gut, wenn nun die eine oder andere Gruppe, Arbeitgeber oder Gewerkschaften, lauthals akklamierten. Zu lauter Beifall einer Seite müßte skeptisch machen; Zeit 20.3.1987 In München wollte dieser Geist jedenfalls seine alte Stadt wiederhaben und stellte die Ludwigstraße Haus für Haus wieder her, während derselbe Geist in Berlin die ja nur ausgeglühten Fassaden des Kurfürstendamms zwischen Gedächtniskirche und Halensee abriß und sich das auch noch, von den Wortführern des Zeitgeistes akklamiert, hoch anrechnete. akklamieren b: Villers 1868-1880 Br. e. Unbekannten I 266 in einer Generalversammlung einstimmig zum Verwaltungsrat akklamiert zu werden; Th. Mann 1904 Nachtr. (W. XIII 391) und setztest du dich nicht ausdrücklich zur Wehr, so akklamiert er dich unversehens vor allem Volk als Vorkämpfer der Regenerationsbewegung oder der Schulreform; Werfel 1929 Barbara 612 die wähl ging blitzschnell vor sich, „genösse Weiß", donnerte es von allen sehen, dann akklamierten die leute ein paar andere reserveoffiziere (DWB N.).
akklimatisieren V. reflex, und trans., um 1800 aufgekommen, mit dem erweiterten Suffix -isieren gebildet in Anlehnung an gleichbed. frz. acclimater (einer Verbalableitung aus dem Präfix ac- (< lat. ad- 'zu, an, hin(zu), heran, herbei', vor c assimiliert zu ac-} und frz. climat 'Klima, Gegend' < lat. clima; —* Klima), im 19. Jh. häufig in der Schreibung acclimatisieren. Vorwiegend als reflex., selten auch als trans. Verb (s. Belege 1825, 1901, 1930) verwendet, zunächst fachspr. (bes. in der Botanik und Zoologie) in der Bed. 'jmdn./ sich oder etwas an ein anderes, fremdes Klima gewöhnen, an veränderte klimatische Verhältnisse, Umweltbedingungen anpassen' (—»adaptieren a, —»· akkommodieren b); schon seit Anfang 19. Jh. (s. Beleg 1805) zunehmend auch übertragen gebraucht für 'jmdn./sich oder etwas an veränderte oder fremde Lebensumstände gewöhnen, an ein ungewohntes Milieu, eine fremdartige Atmosphäre anpassen oder darauf einstellen; jmdn./sich oder etwas nach und nach eingewöhnen, vertraut machen (mit etwas)', bes. in Wendungen wie jmdn./sich oder etwas leicht, mühelos, schnell, nur langsam an/in etwas akklimatisieren. Dazu etwa gleichzeitig (CAMPE) die subst. Ableitung Akklimatisation F. (-; selten -en) 'Gewöhnung eines Organismus, Lebewesens an veränderte Klima- und Umweltbedingungen', als Bestimmungswort in Zss. wie Akklimatisationsvermögen,
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-prozeß, -krankheiten und bes. in der aus gleichbed. frz. jardin d'acclimatisation lehnübersetzten Zs. Akklimatisationsgarten 'zoologischer Garten, Zoo, in dem überwiegend exotische Tierarten leben und tropische Pflanzen gezogen werden' (vgl. Zoo, —> Zoologie); gelegentlich auch übertragen verwendet für 'Anpassung an andere Verhältnisse oder veränderte Lebensumstände; Eingewöhnung'; seit frühem 19. Jh. das gleichbed. Verbalsubst. Akklimatisierung F. (-; selten -en), bes. in der Zs. Akklimatisierungsprozeß. akklimatisieren: um 1800 (Campe 1813 Fremdwb. 79) Dieses . . Wort . . acclimatisiren . . hat Friedrike Bruns, ob zuerst, weiß ich nicht, für: an den Himmelsstrich gewöhnen, gebraucht; Görres 1805 Ges. Sehr. Ill 111 alle poetischen gemüther werden sich ergötzen, wenn ihnen neue südliche aclimatisirte [!] dichtungen entgegen duften (DWB N.}; Cannabich 1820 Frankreich 62 sich akklimatisiren [von Tieren]; Lotz 1821 Staatswirtschaftslehre I 285 Anm. das akklimatisirte fremde Getraide; Goethe 1825 ßr. (WA IV 40,388) indem ich . . die geeigneten Pflanzen zu acclimatisiren bemüht bin; Reider 1827 Blumisterei I 22 das Acclimatisiren der Gewächse; ders. 1833 Blumenpflanzen 96 Das Acclimatisiren der Pflanzen; KochSternfeld 1833 Beytr. Ill 23 der eingeborne, gleichsam acclimatisirte Land- und Hauswirth ist jedem Eroberer .. unentbehrlich; Menzel 1835 Geist 56 fünf grosse Racen, die [den 5 Erdteilen] entsprungen und sich daselbst akklimatisirt haben; Glassbrenner 1836 Bilder l 18 du musst dich auch geistig acclimatisiren, wenn du [in einer fremden Stadt] alle Dinge richtig anschauen willst; Gaudy 1839 Der Stumme V 49 Die jedesmalige Anrede war junger Herr, und als solcher fing ich an, mich zu acclimatisiren; 1844 Beschr. OA. Göppingen 62 [Schweizer Nutztiere] acclimatisirten sich bei gehöriger Pflege und Wartung sehr leicht; Waldau 1850 Natur II 71 die Merinoherden, die der Fleiß eines Jahrhunderts acclimatisirt hat (SANDERS 1871); Gutzkow 1852 Ritter V 316 R. hat sich sogar an das Zarenthum acclimatisiert; 1855 Prutz'Museum II 81 deutsche Künstler, die in Paris acclimatisirt sind; 1861 Hausblätter l 310 Die Thiergärten sind auch Versuchsanstalten zum Eingewöhnen (Acclimatisiren) ausländischer Geschöpfe; R. Koch um 1870 briefl. (Heymann 1932 Koch I 97) [von Krankheiten] verschont zu bleiben, nachdem ich mich gewissermassen akklimatisirt habe; Dingelstedt 1879 Bilderbogen 116 Weder Cornelius noch Rückert hat sich in demselben [Berlin] acclimatisirt, und selbst echte Berliner Pflanzen, Meyerbeer und Mendelssohn, gediehen besser in der Fremde als daheim; Hansjakob 1879-1909 Jugendzeit I 80 Der Stelker war . . zwar ein Kinzigtäler, doch kein geborener Haslacher, hatte sich aber gut akklimatisiert; 1883 Beschr. O A. Künzelsau 187 italienische Hühner, die sich aber nicht gut akklimatisi-
ren; Burkhardt 1884 Br. a.Alioth 233 sich [als Künstler] dort [in Paris] bestmöglichst zu akklimatisieren; 1885 ZfEthnologie XVII 475 dass . . Europäer bis jetzt nicht im Stande waren, sich in den Tropen zu acclimatisiren; Reumont 1886 Charakterbilder 277 Man mag sich in einem Lande acclimatisiren, dem man nicht durch Geburt angehört; Rolef 1887 Reisebr. 32 Es scheint, daß unsere Landsleute sich überall schnell akklimatisiren; Reichenbach 1891 Ehre U 144 Hoffentlich akklimatisirst Du Dich bei uns; Hoffmann 1898 Gelehrte 201 so weit war er schon sprachlich acclimatisirt [, daß er italienisch fluchen konnte]; T/7. Mann 1901 Buddenbrooks (W. I 388) bei solchen Leuten kann ich mich nicht akklimatisieren; Brandt 1901 Ost-Asien I 319 Puten und Hammel gab es damals in Japan nicht, und alle Versuche, sie dort zu akklimatisieren, mißlangen; 1908 Zukunft LXIII 321 bis sich das Preussenthum in Deutschland völlig akklimatisirt hat; Queri 1912 Kraftbayrisch 157 die Verse des nun in Hamburg akklimatisirten Tölzer Sängers; 1912 ZDÖAlpenver. 291 Die Exposition ist hier [im Gebirge] so ungewöhnlich, daß man sich .. etwas „akklimatisieren" muß, bis man die nötige Unbefangenheit wieder hat; Alfieri 1924 Leben 395 eine soziale Stellung .. zu erringen, dass er sich an eine höhere Schicht . . akklimatisierte; Gumppenberg 1929 Lebenserinn, 240 den deutsch akklimatisierten polnischen Dichter; 1929 Handb. d. Englandkunde II 161 wie rasch sich Ausländer in England „akklimatisieren"; Th. Mann 1930 Reden u. Aufs. (W. XI 406) was mich schon . . früh zu einem ändern in Paris akklimatisierten Slawen, zu Iwan Turgenjew, hinzog; Berl. lllustr. Nachtausg. 10. 6.1933 daß sich jetzt . . alle unsere Berliner Seelöwen richtig akklimatisiert haben; Münch. N.N. 21.11.1939 Die britische Armee habe sich in ein paar Wochen „wunderbar akklimatisiert und organisiert"; Lutz 1950 Bayrisch 174 [der Fremde hatte sich an Bayern] ein bisschen akklimatisiert und dann einen richtigen bayrischen Föhn erlebt; Süddtsch. Ztg. 26. 7.1951 der Entwerfer [als anderes Wort für Konstrukteur] (das Wort muss sich erst akklimatisieren); Borst 1957 Turmbau 40 Die hellenischen Gelehrten befaßten sich kaum mit der ägyptischen Sprache, aber die Ägypter akklimatisierten sich; Münch. Stadtanz. 9.2.1962 Gut akklimatisiert hat sich der Heimatkreis Ratibor in Mün-
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chen; ND 28.9.1964 wird die Mannschaft .. schon ihr erstes Spiel gegen eine japanische Mannschaft bestreiten, um sich in jeder Hinsicht zu akklimatisieren; MM 5.7.1986 Bergsteiger im Höhenrausch (Überschr.) .. daß alle Achttausender innerhalb eines Jahres zu besteigen, nichts anderes bedeutet, als sich einmal zu akklimatisieren. Akklimatisation: Campe 1813 Fremdwb. 79 Acclimatisation (wofür ich sogar den Doppelzwitter Anclimatisirung gefunden habe), die Einheimung oder Einheimigung, die Gewöhnung an den Himmelsstrich; Finkelmann 1841 Wildbauernzucht 21 Der Ausdruck Abhärtung, Akklimatisation, ist bisher absichtlich vermieden worden, aber der Gehölzzüchter kann die Frage über die Möglichkeit einer Akklimatisation nicht umgehen; Görtz 1854 Reise III 331 ein tüchtiges Akklimatisationsfieber [bei Tropenaufenthalt]; 1865 Herr Vetter 135 Akklimatisationsversuche; Haeckel 1866 Generelle Morphologie II 214 Akklimatisation der Thiere und Pflanzen; 1866 Geograph. Jahrb. 392 Akklimatisation in dem Sinne . ., dass eine Art in ein anderes Klima versetzt [wird]; J869 Gartenlaube 331 In Berlin besteht seit Jahren ein „Akklimatisationsverein"; derselbe . . unterhält Schriftwechsel und Austausch mit Sachverständigen in aller Herren Länder und hat sich um Ackerbau, Forstpflege, Seidenzucht.. [verdient gemacht]; vor 1871 Magazin d. Ausld. XXXVI 427a Der Kirchhof der in Mexiko gestorbenen Franzosen. . . Der französische Witz hat ihm den Namen AkklimatisationsGarten (jardin d'acclimatation) gegeben (SANDERS 1871); Faucher 1877 Culturbilder 297 der Acclimatisationsgarten [in Paris], gegen Eintrittsgeld geöffnet, mit der Anlockung von Concerten im Freien, also ungefähr dem entsprechend, wozu wir in Deutschland unsere zoologischen Gärten benutzt haben. Solche Pflanzen, welche sich nicht acclimatisiren lassen oder welche zu acclimatisiren kein Interesse vorliegt, . . fehlen hier ganz; 1885 ZfEthnologie XVII 473 Acclimatisationsfähigkeit der weissen Race [bedeutet] die Fähigkeit eines Europäers mit einer Europäerin in den Tropen gesunde . . Kinder zu erzeugen; Schack 1894 Erinn. I 380 Die Umgegend prangt in reicher südlicher Vegetation, und im Akklimatisationsgarten glaubt man sich in die Wunder der Tropenwelt versetzt; Mosso 1899 Mensch 383 Dasjenige Höhenklima ist das beste . ., welches ein Minimum von Acclimatisationsbeschwerden zeigt; Kühner 1900 Hygiene 840 Die Acclimatisation an Wärme beobachtet man häufig bei im Laboratorium gezüchteten Keimen; Weltmann 1903 Anthrop. 251 Akklimatisationsfähigkeit der einzelnen Rassen; Th. Mann 1924 Zauberberg (W. Ill 190) daß die blamable Erscheinung, mit der er kämpfte, nicht nur körperli-
cher Herkunft, nicht nur auf die hiesige Luft und die Anstrengung der Akklimatisation zurückzuführen war; Gumppenberg 1929 Lebenserinn. 229 in barbarischer Akklimatisation; Gruber 1936 Die Akklimatisation. Untersuchung über ihre Bedingungen (Titel); Hellpach 1939 Geopsyche 135 Psychologische Akklimatisationslehre (Überschr.); 1943 Afrika 234 das [Leben in den Tropen] fordert eine allmähliche Anpassung des Körpers, seiner Organfunktionen .. wie auch eine Umstellung der Lebensweise. Diese „individuelle Akklimatisation" fordert Zeit; Th. Mann 1948 Reden u. Aufs. (W. XI 676) Lotte in Weimar wurde unter Akklimatisationsschwierigkeiten an neuer Arbeitsstätte weitergeführt; Oltner Tagbl. 26. 7.1984 daß die stärksten Reizwirkungen von subtropischen feuchtwarmen Luftmassen ausgehen. Sie zwingen den Organismus . . zur Anpassung oder Akklimatisation (DUDEN 1993); MM 5.7.1986 leichte und optimale Ausrüstung ermöglichen bei entsprechender Kondition und Akklimatisation, einen Achttausender im Schnellgang zu erobern. Akklimatisierung: Csaplovics 1829 Ungern I 14 Acclimatisirung der Seiden Würmer; Schwind 1867 (Zentner, München 104) Die Akklimatisierung scheint vorüber zu sein. Die ganze Gesellschaft hustete und fieberte. . . Ich hatte anfangs viel von Schwindel zu leiden; Ihering 1852 Br. 14 [ich bin] in meinem Acclimatisirungsprocess so viel vorgerückt, das ich mich hier wohl . . fühle; Lotze 1869 Mikrokosmos II 69 Fähigkeit der Acclimatisirung [der Tiere]; Röscher 1888 Ackerbau (System II 663) Acclimatisirung .. von Hausthieren; ebd. II 680 Acclimatisirung fremder Baumarten; Fulda 1914 Kultur 11 Wir haben sie [die Ferne] uns nahe gebracht, indem wir ihr Bestes durch eine Akklimatisierungskunst ohnegleichen bei uns heimatfähig und heimatberechtigt werden ließen; Schlegel 1922 Kulturgrotesken 57 Ihre eigene Akklimatisierung an den neuen Leib war in den paar Monaten so fortgeschritten, daß sie gar keine Sehnsucht mehr nach ihrem früherem Dasein empfanden; Th. Mann 1924 Zauberberg (W. III 336) wie weit ist . . der Akklimatisierungsprozeß gediehen?; LokalAnz. 6.8.1933 nach Hermannstadt . ., dem Bollwerk des Deutschtums von Rumänien, der ehernen Feste Siebenbürgens, an der sich durch Jahrhunderte hindurch die Wellen fremden Einflusses brachen, an der alle „Akklimatisierungsversuche" zerschellten; Haushofer 1939 Weltbild 39 kein Zufall, dass der Pariser Garten „jardin d'acclimatisation" heisst. „Garten der Akklimatisierung" deutet noch heute den ernsthaften Hintergrund an, dem er seine Entstehung verdankt; N.Z.Z. 10.8.1943 während des letzten Krieges machten die amerikanischen Truppen nach ihrer Landung in Frankreich
Akkommodation ein sogenanntes „Akklimatisierungsstadium" durch; NZ. (Basel) 8.5.1949 Wer nach vierjähriger Abwesenheit heute in die Vereinigten Staaten zurückkehrt, trifft, nach einigen Wochen der Akklimatisierung, die folgende Feststellung; 1967 Urania I 67 ertragen viele Vögel und Säuger der Tropenzone beträchtliche Kältegrade, wenn sie in unseren . . zoologischen Gärten . . eine ausreichende Akklimatisierung erfahren haben; Bildztg. 6.4.1967 acht Mannschaften . . müssen nach vier Wochen „Akklimatisierung" wieder in die Hallen-Bundes-
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liga; Offenburger Tagebl. 10.3.1970 Mexiko-Akklimatisierung im Labor (Überschr.) Die Terminnot ist schuld, wenn die deutsche Fußball-Nationalmannschaft nicht akklimatisiert zur Weltmeisterschaft nach Mexiko fahren kann. Wie .. Professor . . Hollmann erklärte, ist es möglich, einen Hochleistungssportler . . im Labor auf die Höhe Mexiko (2240) „einzustellen". . . Nach drei Wochen ist die Akklimatisierung zu 85 Prozent . . erreicht; Welt 16.5.1974 offenbar hat sich Ehmke in .. [einer] Akklimatisierungsphase an die neue Situation gewöhnt.
Akkommodation F. (-; -en), im frühen 17. Jh. (eventuell unter Einfluß von gleichbed. frz. accommodation) entlehnt aus (flekt. Form von) lat. accommodatio 'das Sichanpassen, Anpassung, Rücksichtnahme; Einrichtung, Ausschmückung' (zu accommodare, —»· akkommodieren), häufig in der Schreibung Akkomodation. 1 Meist fach- und gelegentlich bildungsspr. verwendet: a Zunächst bis ins 19. Jh. in der Theologie für 'interpretierende Anwendung, Übertragung eines Sachverhaltes des Alten Testaments auf einen ähnlichen Sachverhalt des Neuen Testaments' (—» akkomodieren 2b, —» Applikation). b Gleichzeitig, zunächst vereinzelt im Bereich der Politik für 'Vergleich, das Einlenken, das Sich-Anbequemen' (—* Akkord 2), seit der 2. Hälfte des 18. Jhs. auch allgemeiner in der Bed. 'Anpassung, Angleichung', z. B. der Lebensweise an die jeweiligen Umstände, Verhältnisse oder Bedingungen (—» akkommodieren 2a, —* Adaption a, vgl. Assimilation, —» assimilieren, vgl. auch Akklimatisation, —» akklimatisieren), speziell für 'Angleichung einer Religion an die Ideen und Werke einer anderen (meist unter missionarischen Gesichtspunkten)' (s. Belege 1928, 1962, 1988). c Seit früherem 19. Jh. in der Physiologie in bezug auf das Auge für 'Einstellung auf ein in bestimmter Entfernung befindliches Objekt, Anpassung an Entfernungsveränderungen', bes. in der Zs. Akkommodationsfähigkeit 'Fähigkeit (des Auges), sich auf unterschiedlich weit entfernte Objekte einzustellen, Anpassungsfähigkeit' und dem entsprechenden Adj. akkommodationsfähig 'anpassungsfähig'. 2 Vom späten 17. bis ins 19. Jh. in der Bed. 'Versorgung, Verpflegung, Bedienung, Unterhalt, Einquartierung, Unterbringung' (—» akkommodieren 1). Seit früherem 17. Jh. das aus gleichbed. frz. accommodement entlehnte Subst. Akkommodement N. (-s; -s), zunächst 'Angleichung, Vergleich (im Streitfall), Einigung, Abmachung' (zu Ib), dann auch für 'Versorgung, Unterhalt, Quartier', daher für 'bequeme Einrichtung, Bequemlichkeit, Annehmlichkeit' (s. Beleg 1954), weitgehend gleichbed. mit dem im 17. Jh. vereinzelt nachgewiesenen Subst. Akkommodität F. (-; -en) (zu 2). Etwa gleichzeitig das seltene, aus gleichbed. frz. accommodant entlehnte Adj. akkommodant 'angepaßt, fügsam, gefällig' (zu Ib); vom späten 17. bis ins 19. Jh. das ebenfalls seltene, aus gleichbed. frz. accommodable entlehnte Adj. akkommodabel 'anpassungsfähig, gefällig, brauchbar, nützlich', zunächst auch in der frz. Form, dazu die nur gebuchte subst. Ableitung Akkommodabilität (zu Ib). Akkommodation la: Perez 1628 Landstörtzerin l 25 Accommodation der [Dinten-JFlecken auff die Histori; Spener 1685 Klagen 213 applicationen oder accomodationen; ebd. 215 Auff gleichen
schlag wird von einigen auch das lammshörnichte thier/ Offenb. Joh. 13/11 außgedähnet/ und auff das verfallene Christenthum unserer Evangelischen kirchen appliciret: wo wir nicht läugnen/ daß sich
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Akkommodation
einige accommodationen machen lassen/ aber es ist gleichwol dasselbe thier gar ein anders; Hamann 1762 W, // 213 ich habe diese [Luther]stelle durch eine sogenannte accommodation hier angeführt (DWB N.); Campe 1813 Fremdwb. 79 Denn was geschieht bei einer solchen Accommodation? Es werden Worte des A. T. . . von den Verfassern des N. T. so angeführt, als wenn sie von spätem Umständen, und von Personen gesagt würden, die zu ihren Zeiten lebten. Jene Worte werden also auf diese Umstände und Worte angewandt, diesen Umständen und Personen angepaßt und anbequemt; Herder 1820-29 W. XXXXHl 64 Das ganze neue Testament ist voll Accommodationen (KEHREIN); Gotthelf 1846 Uli II 218 Mit der Accommodation wird ein gar schmählich Spiel getrieben; Christus wird aus dem Christenthum herausaccommodiert; Strauss 1849 Br. 251 Auch Märklin . . zeigt sich in seinem Pietismus und den Vertheidigungsschriften in diesem Gewebe von Accommodationen und Reticenzen, Ausdeutungen und Umdeutungen, auf eine keineswegs erfreuliche Weise befangen. Insofern, die faktische Richtigkeit der exegetischen und dogmatischen Behauptungen betreffend, sind die Pietisten gegen ihn großentheils im Recht. Akkommodation Ib: 1629 Bayer. Memorandum (Albrecht 1962 Politik 229) dass dahero der fride im h. röm. reich leichter erhebt, auch der proscribirte sambt seinen adhaerenten desto eher zur accomodation bewegt werden; Schubart 1780 Originalien 159 Stärke der Gesinnungen, Sprachgewalt, . . Leichtigkeit, Weltaccommodation, männlicher Witz; Schiller 1794 Br. l 57 Die Kantische Philosophie trägt einen viel zu rigoristischen Charakter, als daß eine Accommodation mit ihr möglich wäre; Goethe 1811 Dichtung u. Wabrh. (HA XXVII 119) Es werde nun das Sacrament . . mit mehr oder weniger Accommodation an das, was verständlich ist, genossen; Hartmann 1869 Philosophie 120 Versetzung in ein fremdes Clima fordert Accommodation des Körpers; Braun 1881 Bilder IV 295 In Betreff dieser Accommodationsfähigkeit könnte die norddeutsche Presse von der altbayerischen Mancherlei lernen; Köttschau 1890 Irrthümer II 10 Das Accommodationsvermögen der Körper ist nach dieser Richtung [Beschaffenheit des Schlafplatzes] ausserordentlich verschieden; Peetz 1892 Chiemgauer Volk I 75 einer planmassigen Accomodation an Sitte und Brauch des Volkes; Eckardt 1911 Landbauzonen 451 Adaption oder Akkomodation an geänderte klimatische Bedingungen; 1902 Preuss. Jahrb. CIX 357 er [der Journalist] ist in der Regel auch nicht so federgewandt, noch auch so akkommodationsfähig wie jener vielgestaltige Patriot, aber er würde um keinen Preis eine Unwahrheit schreiben; Händcke
1906 Dtsch. Kultur 451 akkommodationsfähig; 1928 Zges. Staatswiss. LXXXIV 201 Die Gesellschaft Jesu . . hat in Paraguay ein Missionswerk geschaffen . . im Sinne der jesuitischen „Akkomodation"; Künneth 1962 Glauben 65 damit aber war . . die akkommodation an den modernen anthropozentrismus zum geheimen generalthema der christologie proklamiert (DWB N.); Kuczynski 1969 Gestalten 91 Hegels gedankliche akkomodation an die nachthermidorianische Wirklichkeit (DWB N.); Haubrichs 1988 Geschichte 83 Solche speziell angelsächsischer missionarischer Akkomodation entsprungenen Bemühungen wurden jedoch von der Kirche offiziell bekämpft. akkommodabel: Lucae 1689 Chronica 815 Dieser Strohm ist der Stadt sehr accommodabel, also daß man auff demselben mit Schiffen hinein fahren kan (BRUNT); Philo 1722 Ruhm d. Tobacks 19 accomodable; Sperander 1727 A la mod Sprach 8 accomodable, das sich wohl schickt/ füglich/ verträglich/ bequemlich; Goltz 1864 Typen I 92 das weib, welches vermöge seines praktischen sinnes und seiner akkomodabeln natur alle extreme zu vermitteln . . versteht (DWB N.). akkommodant: 162#—29 Bilderbogen o. S. Schau, wie der Gürtel steht so fein accomodat/ Schau, wie der Degen auff dem Miltz zur selten staht (SCHRAMM); Elis. Charl. 1716 Br. III 5 pfaffen . . seindt accomodant undt politisch, wen sie hoffen, in credit zu kommen können; Rilke 1917 Br. a. s. Verleger 267 dieses akkommodante geschöpf, das der familialen Verständigung so nachgiebig . . entgegenkommt (DWB N). Akkommodement: Nicolai 1632 Br. a. Schwallenberg (Irmer I 277) accommodement mit dem kaiser; Maximilian v. Bayern 1633 Br. a. Richel (Irmer HI 74) mit . . Sachsen und Brandenburg ein particular accomodament getroffen (beide JONES); 3646 Urk. Brandenburg I 208 zu dem gesuchten Accommodement zu bewegen; 2651 Ordentliche Wöchentliche Postztg. XL/V 2 so ist jedoch die Hoffnung zu einem guten accommodement bey den friedliebenden Gemüthern noch nicht gar erloschen (BRUNT); 1658 (Dtsch. Ztg. 17. Jh. 187) Mann redet von eurem accommodement mit dem Hof; Brulig 1683 Wien 448 sintemahlen man auch mit dem Teckely ein accomodament zu fünden trachtet; Elis. Charl. 1700 Br. l 195 Ich glaube, er wirdt forchten, daß daß exempel zu Paris ihm unglück zu Wetzlar bringen mögte, und jetzt ernstlicher ahn dem accomodement gedencken; 1706 Hazards Lebens-Gesch. 7 ob nicht zwischen beeden streitenden Partheyen einig accommodement zu
akkommodieren treffen; Sperander 1727 A la mod Sprach 8 Accommodement, ein Vertrag/ Vergleich/ Versöhnung. Akkommodation Ic: Pouillet 1843 Lehrb. d. Phys. II 178 Warum Gegenstände, die sich in einer Entfernung befinden, für welche das Auge nicht gerade accomodiert ist, undeutlich erscheinen. Das Accomodations-Vermögen hat aber seine Grenzen (SANDERS 1871); Valentin 1855 Physiologie 616 Accommodation des Auges; Hartmann 1869 Philosophie 92 Beim Tasten entsteht ein Hin- und Herbewegen der Finger, . . beim Sehen Stellung beider Augencentra nach der Stelle des grössten Reizes, Accommodation der Linse zur Entfernung und der Iris zur Lichtstärke; Hermann 1896 Physiologie 545 Die objectiven Veränderungen bei der Accommodation bestehen in einer Vorwölbung der vorderen Linsenfläche . . und in einer Verengung der Pupille; 1947 Orion 286 anpassungs- oder akkomodationsfähigkeit des auges (DWB N.); Zetkin/ Schaldach 1974 Wb. d. Med. l 31 Akkommodation . . Anpassung des dioptr. Apparates an wechselnde Entfernungen im Objektraum; 1983 Lex. d. Biologie I 86 Akkommodation .. Einstellung des Auges auf verschiedene Einstellungsweiten. Akkommodation 2: Beer 1683 Sommer-Tage 399 weil ich nun weiß, daß du zu seiner accomodation genügsame gelegenheit an der hand hast (DWB N.); Wening 1723 Bayern HI 15 Das Schloss an sich selbst ist klein, vnnd mit schlechter Accommodation versehen; Kohl 1844 Reisen U 143 fand ich
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darin [Gasthaus] sehr schlechte „accommodation"; Nordau um 1880 K. U 117 Ein Zelt, daß nur eine Person darin Platz hat, keinerley Geräth, überhaupt kein Inhalt, was kann das für „Accomodation" sein. Akkommodement: 1689 Polit. Fliegenwedel l 12 Fürstenberg als ein armer Herr . . habe am Keyserlichen Hof kein Accommodoment gefunden/ von dem König in Frankreich aber all sein hohes Aufkommen; Weise 1702 Gedancken II 15 da manch Gelehrter sein schlechtes accommodement gefunden hat; Sperander 1727 A la mod Sprach 8 Accommodement . . Bewirthung/ Bequemung/ Bedienung; 1768 (Löffler, Verkehr 485) wann sie nicht mit eigner Wohnung und Stallung versehen seynd, jederzeit das nötige Quartier oder Accomodement . . erfolget wurde; Schiller 1769 Ökonom. Beyiräge l 388 muss man auch in Wirthshäusern gutes Accommodement, Höflichkeit und Billigkeit antreffen; Th. Mann 1954 Krull (W. VII 602) Ein Besuch auf dem Reisebureau lehrte mich, daß das nächstfolgende Schiff der gleichen Linie schon stark besetzt sei und, der Cap Arcona nicht ebenbürtig, mir kein recht standesgemäßes Accomodement bieten würde. Akkommodität: Grimmeishausen 1672 Vogelnest (III 377) daß sich weder ein geruhiges Gewissen, noch ein gute accomodität darzu schicken . . wolte. Dann ob ich gleich in den Augen der Menschen und Thier unsichtbar war, so fanden mich doch die Läuse.
akkommodieren V. trans., auch reflex., Anfang 16. Jh. entlehnt aus gleichbed. frz. (s') accomtnoder (< lat. accommodare 'jmdn./etwas/sich jmdm./etwas anpassen, jmdm. etwas angedeihen, zukommen lassen, jmdn. versorgen', aus ad- '(hin)zu' und comntodare 'zurechtmachen, einrichten, angedeihen lassen, gelegen kommen'). 1 Zunächst bis ins 19. Jh. in der Bed. 'jmdm. etwas angedeihen, zukommen lassen, jmdn. mit etwas versorgen, finanziell unterhalten, jmdn. einquartieren, unterbringen, bedienen' (—» Akkommodation 2). 2 Seit früherem 16. Jh., auch als V. reflex., in verschiedenen Fachbereichen und gelegentlich eher bildungsspr. verwendet: a Zunächst allgemein in der dominierenden Bed. 'jmdn./sich/etwas an jmdn. oder etwas anpassen, angleichen' (—> Akkommodation Ib, —> adaptieren a, —» akklimatisieren, —> assimilieren), auch 'sich fügen, sich anbequemen, sich nach etwas richten, einfügen' (s. Belege 1621, 1709), von daher auch 'sich einigen, einen Vergleich schließen, eine Vereinbarung treffen, eine Unstimmigkeit, einen Streit beilegen, schlichten' (s. Belege 1609, 1638). b Vom späten 17. bis ins 19. Jh. speziell für 'einen Sachverhalt (z. B. des Alten Testaments) auf einen anderen, ähnlichen Sachverhalt (z. B. des Neuen Testaments) interpretierend anwenden, übertragen' (—* Akkommodation la, —* applizieren).
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akkommodieren
c Seit Ende 18. Jh. in der Physiologie in Bezug auf das Auge für 'sich an Entfernungsveränderungen anpassen, auf ein in bestimmter Entfernung befindliches Objekt einstellen' (—»· Akkommodation Ic). 3 Vom späteren 16. bis ins 18. Jh. auch in der Bed. 'etwas herrichten, einrichten, jmdn./sich zurechtmachen, ausstaffieren, (aus)schmücken'. Dazu vom 17. bis ins 19. Jh. selten das Verbalsubst. Akkommodierung E (-; -en), zunächst für 'Versorgung, Bedienung, Unterbringung' (zu 1), im 18. Jh. vereinzelt 'das Herrichten, Zurechtmachen, (Aus)Schmücken' (zu 3) und im 19. Jh. auch für 'Angleichung, Anpassung' (zu 2a), dafür häufiger gleichbed. —»Akkommodation Ib. Im 17.718. Jh. die adj. Ableitung akkommodierlich 'hergerichtet, geschmückt' (zu 3). akkommodieren 1: Anfang 16. }h. Frankf. Zunfturk. II 223 soll derjenig, so eines [gesellen] bedurfftig, von ändern damit accomodirt werden (DWB N.); Spangenberg 1571 Luther 53 die Lehren und Exempel, so er aus der Schrift zu Häuf getragen und herfürgebracht, ihm selbst accomodiren, zueignen und nützlich in seinem Stande gebrauchen; Albertinus 1601 Weckuhr 206 damit die arme . . Soldaten .. wol losiert vnd accomodiert werden (JONES); Perez 1626 Landstörtzerin IS ward bey derselben vbel accommodiert; Mandelslo 1645 (1639?) Schreiben 3 Caravansern . . darinnen ein reisender ziemblich kan accommodieret seyn (JONES); Schupp 1657 Freund i. d. Not 36 ich erreichte dasz er ihn . . mit einem Pferd und anderer Nothdurft accommodirte; Birken 1669 Ulysses 137 und reiseten . . biß in das Dorf Cascano, woselbst sie über alle massen schlecht accomodirt waren (BRUNT); Weise 1673 Erznarren 186 solte er nach Befindung seiner meriten accomodirt werden; Schlegel 1800 Shakespeare VI 282 ein soldat ist besser akkommodirt ohne frau (DWB N.). Akkommodierung: Rist 1630 Irenaromachia (W. I 40) schlechte accomodirung wegen derselben [wiederwertigen Elementen] (JONES); I656 (Frauenholz 1935 Heerwesen IV 145) so wird jeder orth, so lange die mannschaft nicht abgeführet . . wird, selbst auf die accomodirung der seinen bedacht seyn (DWB N.); Eleonora Sophia 1670 Er. (zit. 1893 Mitt. G. Erz. gesch. III 190) Wo derselbe orth, so zu solchen ende angebauet werden soll, gelegen, vnd wie die accomodirung darbey eines oder des ändern theils zugewarthen; Thomasius 1701 Kl. Sehr. 328 wenn sie/ durch das äusserliche Thun/ nach Neigungen der geliebten Person sich accommodiret; Vischer 1720 Robinson Crusoe I 29 worauf . . alles zur accomodirung seiner gaste fertig war (DWB N.). akkommodieren 2a: Luther 1539 Tischreden (W. IV 447) man sol sich aldohin accommodiren ad
auditores (DWB N.); Thurneisser 1583 Onomast. II 172 sich nach des Menschen glück oder vnglück accommodirt; Waltersstveyl 1608 Reiss 36a Es mag sich derhalben ein jeder Pilger nach seinem Gefallen, Gelegenheit des Ohrts vnnd der Zeit accomodiren; Carolus 1609 Relation 7 verhoffen also das noch alles gütlich möcht accommodirt werden (JONES); Guarinonius 1610 Greuel 719 wie sehr wol du die Schrifft lästern, vnd .. treflich wol zwingen vnd richten (oder nach jetzigem Cantzley Teutsch) accomodirn kanst; Wallhausen 1616 Kriegsmanual (Gl.) Accommodirn, Sich schikken da es gehört; Goepner 1621 Bayer. Feldzug Ib sich gehorsamlich zu accommodirn; Zinkgref 1631 Apophthegmeta II 84 Einer ward gefragt, warumb er sich nicht accomodiren wolte (so heist mans heutiges tags: Catholisch werden); Londorp 1633 Acta publica IV 389b wie die Zeit und Läufften sich . . nicht alle mahl den gefasten consiliis zufügen und accomodiren (BRUNT); 1638 (Westenrieder 1817 Neue Beitr. II 10) die Differenzien und Streits . . accomodirt; 1644 (Schöttgen 1747 PennalWesen 32) diejenigen, so sich irem Willen nach nicht accommodiren, vor untüchtig zu halten; Bürster 1647 Schwed. Krieg 132 Darumben mier mit der vöstung Hohentwiel miesten unß vergleichen . . und accomodieren; 664 Ordn. d. Gymn. zu Bayreuth Vormb. II 6 sich ad captum Auditorium accomodiret (NYSTRÖM); Leibnitz 1670 Securitas publica U (Guhrauer I 237) so wird Frankreich an Mitteln nicht mangeln, . . sich zu accomodiren (BRUNT); Lebenwaldt 1681 Teufels List VI 36 vnd der Natur accomodiren; 1692 Novellen 236 der Landes-Art sich nicht accomodiren; um 1700 (1903 Preuss. Jahrb. CXIV 445) Also müsse sich ein jeder . . accommodiren, wann er fortkommen wolte in der Welt; Wächtler 1709 Manual 27 Accommodiren/ . . sich richten/ z. E. sich nach dem humeur der galanten Welt zu accommodiren wissen; Prambhofer 1712 Traum-Ges. 323 Wie müssen sie sich nicht einem jeden accommodiren/ schmeichlen und fuchsschwäntzen; Musig 1726 Licht d. Weisheit I 255 dass ein Lehrer sich danach
Akkord accomodire und sein Leben nach dem Begriff der Lernenden einrichte; Goethe 1797 Br. (WA IV 12,361) Jetzt aber bleibt dem Theaterdichter fast nichts übrig als sich zu accommodiren, und in diesem Sinne konnte man Ihnen nicht verargen wenn Sie Ihren Wallenstein in Prosa schreiben wollten; Athenstädt 1823 Eur. II 281 mehr nach dem Beyfall der aufmerksam zuhörenden Menge streben, sich deren Meinungen und Vorurtheilen bisweilen accomodiren; Bruges 1873 Reiseskizzen 201 sich so viel als möglich der Lebensweise der Einwohner zu akkomodieren; Berlepsch 1875 Schweizerkunde 586 fremden Influenzen kann er sich nicht gut akkomodieren; Schaffte 1875 Bau 21 Der Körper wird so den neuen Lebensbedingungen accommodirt; Meinecke 1924 Idee 296 den „Stil zu akkomodieren", um eine einheitliche literarische Leistung zu erzielen; Waldeyer 1926 Sportmädel 89 Wenn du erst über die 70 hinaus bist [wie deine Großmutter], so leicht akkomodiert man sich dann nicht mehr; Kainz 1956 Psychol. IV 121 die ausführungsmotorik hat sich den „vorgeschriebenen" Zügen [der Schrift] . . akkommodiert (DWB N.). Akkommodierung: Ihering 1872 Kampf 85 das [Interesse] der rein unbefangenen historischen erkenntnis und das der praktischen accommodirung und fortbildung des rechts (DWB N.). akkommodieren 2b: Spener 1685 Klagen 215 So können nit weniger die dinge/ die von den unterschiedlichen thieren in solcher Offenbarung gemeldet werden/ auff einige weise auch accomodiret werden/ auff die verdorbene art unserer alten geburt. akkommodieren 2c: Richter 1790 Wundarzneykunst III 494 das Auge hat blos die Kraft, sich zu nahen Gegenständen zu accommodiren; Pouillet 1843 Physik U 178 Das Auge muß die Fähigkeit haben, sich den versch. Entfernungen zu akkomo-
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dieren (SANDERS 1871); Kainz 1956 Psychol. IV 201 das akkommodierende äuge kann daher gegenstände in um so größerer nähe scharf sehen (DWB N.). akkommodieren 3: Holtzmann 1571 Spiegel A3a mit disem buch . . darinnen alle . . art vnd tugendt . . sampt . . beweisung von allen lästern vnd vntugenden sehr fürträglich accomodiert vnnd gericht ist (DWB N.); Zeiller 1628 Theatrum 5 Vorhäng . . accommodiret vnd zugerichtet; Ammann 1630 Reise 42 ein wol accomodiert Losament; Moscherosch 1642 Gesichte I 52f. jhre Haar vnd Baerte mit schwartzer färbe vnd Bleyinen Straehlen accommodiren; ebd. l 319 wie sie euch erstlich als Printzen accommodirt (JONES); Furttenbach 1655 Hospittals-Gebäw 5 ein dergleichen wol accomodirtes Gottshauss; Grimmeishausen 1670 Courasche 25 ich wüste . . sein weiß leinen Zeug so nett zu accommodirn; ders. 1672 Vogelnest (III 348) über alle massen lustig accommodirt; ebd. III 354 accommodirt und zugericht; Wagner 1724 Soldatenbibl. 317 Daher haben jederzeit die Souverainen für die Artillerie Sorge getragen . . eigene Trouppen darzu gewidmet/ . . um Krieges-Machinen zu verfertigen oder zu accommodiren; Schropfius 1728 Robinson 48 dieser accomodirte sich alle Morgen seine schönen Haare (BRUNT); Beckmann 1783 Erfindungen I 129 wenn nur wie sonsten gebräuchlich die Seiden oder das Garn recht accomodirt und gelegt gewesen. akkommodierlich: Furttenbach 1649 Kirchen Gebäw 2b das Kindlein gar füglich vnd wol accommodirlich zu der heiligen Tauff praesentiren; Wening 1723 Bayern 111 89 mit schönen vnd accommodierlichen Wohn-Zimmern . . versehen. Akkommodierung: Zinzendorf 1732 Socrates 52 seine schönen haare brauchten morgens u. abends eine accomodirung von zweyen stunden (DWB N.).
Akkord M. (-(e)s; -e), im 13./14. Jh. vereinzelt, seit dem 15. Jh. kontinuierlich belegte Entlehnung aus frz. accord, älter acort, ital. accordo 'Übereinstimmung; Übereinkunft, Abkommen, Vertrag; Vergleich', auch 'Zusammenklang (von Tönen)' (< altfrz. acorder, mlat./ital. accordare 'in Übereinstimmung bringen; gewähren, bewilligen; sich vergleichen, einigen', unter Einwirkung von altfrz. corde (< lat. chorda/griech. 'Saite') im musikalischen Bereich speziell für 'die Saiten, Instrumente stimmen', zurückgehend auf gleichbed. spätlat. accordare, einer Analogiebildung (mit dem lat. Präfix ad-) zu lat. concordare 'in Einklang stehen, harmonieren', zu lat. cor, Gen. cordis, 'Herz, Geist, Gemüt, Verstand, Stimmung, Gestimmtheit', s. u. akkordieren), bis ins 18. Jh. gelegentlich in der frz., im 15.716. Jh. selten in der ital. Form.
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Akkord
la Zunächst in der bis heute nur selten bezeugten Bed. 'Übereinstimmung, Gleichklang, Einklang (z. B. der Gefühle, Gedanken, Meinungen); Einmütigkeit, Eintracht' (—» Harmonie, —»· Konformität, —> Konsens, —>· Agreement), seit dem 19. Jh. bes. in dem frz. Syntagma a'accord 'einer Meinung, einig, einverstanden (sein)', z. B. mit jmdm./mit einem Vorschlag d'accord sein. b Von daher seit frühem 15. Jh. auf den Bereich der Musik übertragen in der Bed. 'harmonischer Zusammenklang mehrerer Töne verschiedener Tonhöhe, Einklang', anfangs gleichbed. mit —» Sinfonie 1; daneben im 17./18. Jh. (s. o. altfrz. acorder in seiner Bed. 'die Saiten, Instrumente stimmen') selten auch für 'Stimmung der Saiten eines Instruments, Zusammenstimmung verschiedener Instrumente', auch 'Gestimmtheit eines Instruments' (s. Belege 1619, 1640, 1727, 1741). Bes. in Wendungen wie sanfte, harmonische, dissonante, volle, schrille, anschwellende Akkorde, einen Akkord (auf dem Klavier) anschlagen, greifen. Häufig als Grund- und Bestimmungswort in fachspr. Zss. wie Anfangs-, Haupt-, Dur-, Moll-, Dominant-, Bläser-, Schlußakkord; Akkorddissonanz, -folge, -passage 'schneller Gang durch die Töne eines Akkords', -lehre (gleichbed. mit Harmonielehre, —» Harmonie) und Akkordflöte 'in der Volksmusik verwendete Doppelblockflöte'. Schon seit spätem 18. Jh. auch bildlich und übertragen gebraucht, z. B. in Zss. wie Licht-, Himmels-, Sturm-, Donner-, Trauer- und bes. Schlußakkord 'harmonischer, würdiger Abschluß, letzter Höhepunkt (einer Veranstaltung o.a.); (s. Belege 1986, 1987), auch 'Schlußpunkt, Schlußstrich' (s. Beleg 1880), Mißakkord 'Mißklang, Störung der Harmonie, Verstimmung, Unstimmigkeit' (—» Dissonanz, —> Disharmonie), dann insbes. auch auf Gegenstände bezogen, die ein harmonisches Ganzes, eine Einheit oder ein Ensemble bilden, bes. in der Malerei (s. Belege um 1810, 1811), z. B. in der Zs. Farb(en)-akkord 'harmonisches oder kontrastreiches Zusammenspiel, Harmonie der Farben (auf einem Gemälde)', vgl. auch Wendungen wie ein Akkord aus verschiedenen Farben, Düften, Bewegungen (s. Belege 1797, 1904, 1927, 1966, 1971, 1986, 1991; teilweise gleichbed. mit —» Sinfonie 3). Dazu seit spätem 19. Jh. die seltenen adj. Ableitungen akkordlich 'Akkorde betreffend', akkordisch 'in/mit Akkorden, wie Akkorde', vereinzelt übertragen verwendet, und seit Mitte 20. Jh. die subst. Ableitung Akkordik F. (-; ohne Pl.) 'besondere Art, Eigenart der Verwendung von Akkorden im musikalischen Satz'. Seit früherem 19. Jh. das von dem österreichischen Instrumentenbauer C. Demian 1829 geprägte Subst. Akkordeon N. (-s; -s), anfangs und im 19./20. Jh. selten auch (vermutlich analog zu älterem Orchestrion, ca. 1785) in der Form Akkordion, als Bezeichnung für ein Harmonikainstrument mit gleichem Ton bei Zug und Druck, dessen Bässe in Akkorden angeordnet sind, gleichbed. mit Ziehharmonika, Handharmonika, Schifferklavier·, in neuerer Zeit die Personenbezeichnung Akkordeonist M. (-en; -en) 'Akkordeonspieler' und die gebuchte adj. Ableitung akkordeonistisch 'das Akkordeon betreffend; im Stil des Akkordeons'. 2 Seit Ende 14. Jh. in der allgemeinen Bed. 'Übereinkunft, Vereinbarung, Vertrag', vor allem als Bezeichnung für den formalen Akt, mit dem die Übereinstimmung (vgl. la), Einigung oder Versöhnung der jeweiligen Vertragspartner besiegelt und dokumentiert wird, bes. in Wendungen wie mit jmdm. einen Akkord haben, machen, eingehen, treffen, einen Akkord herbeiführen, finden, zu einem Akkord gelangen, einen Akkord unterschreiben:
Akkord
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a Im 17. Jh. überaus häufig, dann bis heute seltener im politischen Bereich in der Bed. 'durch Verhandeln zustandegekommene Abmachung, gütlicher Ausgleich zwischen gegensätzlichen Interessen; Vertrag, Abkommen, Bündnis' (—»Entente, —» Pakt), speziell vom 16. bis ins 18. Jh. in der militärischen Fachsprache für 'friedliche Einigung, meist nach vorangegangener Kapitulation', insbes. 'Vertrag, der die freiwillige Übergabe einer belagerten Stadt, Festung o.a. an den Feind regelt' (s. Belege 1613, 1632, 1638, 1709, 1727, 1741, 1812), z. B. in Wendungen wie sich im Akkord ergeben, eine Festung mit/im Akkord einnehmen und (nach gleichbed. frz. par accord) eine Stadt par accord, auch per accord erobern 'sich einer Stadt ohne Gewalt bemächtigen', und in Zss. wie akkordbrüchig, Akkordshandlung, -punkt 'Artikel eines Vertrages' (s. Beleg 1727). b Seit spätem 15. Jh. unter Einwirkung von ital. accordo im Handelswesen für 'kaufmännische, geschäftliche Abmachung, Vereinbarung', insbes. in der bis heute im Konkurs- und Vergleichsrecht gebräuchlichen Bed. 'außergerichtlicher Vergleich zwischen Schuldner und Gläubigern (zur Abwendung oder Beendigung des Konkurses)'. 3 Seit dem 17. Jh. im wirtschaftlichen Bereich in der Bed. 'Vertrag über eine zu leistende Arbeit (und deren Entlohnung)': a Zunächst vor allem im Bereich des Handwerks, bezogen auf Arbeits- und Dienstverhältnisse, jedoch noch nicht ausdrücklich unter dem Aspekt der Entlohnung (vgl. 3b), in der Bed. 'Arbeits-, Dienst-, Werkvertrag', bes. in der Zs. Dienstakkord (s. Belege 1613, 1780, 1821, 1893) und in den Wendungen etwas in Akkord geben, nehmen 'in Auftrag geben, nehmen' (s. Beleg 1825); seit spätem 18. Jh. auch allgemeiner für 'private Absprache, Verabredung, vertragliche Übereinkunft zwischen Privatpersonen' (vgl. 3b), z. B. ein Akkord zwischen Schriftsteller und Verleger (s. Belege 1798, 1807), auch in den präp. Verbindungen im, in Akkord 'im Vertrag, vereinbarungsgemäß' (s. Beleg 1822), gleichbed. mit der im 19. Jh. selten nachgewiesenen adj. Ableitung akkordgemäß. b Von daher seit Anfang 19. Jh. zunehmend als Bezeichnung für die vertragliche Vereinbarung (vgl. 2) zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, insbes. für die Arbeitsleistung und die dafür vereinbarte Entlohnung (für den sog. Stücklohnvertrag oder die Arbeit im Leistungslohn), in der nur im Dt. entwickelten speziellen Bed. 'nach der Menge der geleisteten Arbeit bemessener Lohn, Bezahlung nach der Stückzahl, insbes. nach der Menge der in einer bestimmten Zeit hergestellten Produkte oder Einzelteile; vereinbarter Stücklohn, Leistungslohn' (im Ggs. zu Stunden-, Tageund Zeitlohn), häufig auch kurz für 'Akkordarbeit' und 'Akkordlohn' gebraucht, z. B. die Akkorde ('Löhne') herabsetzen, drücken, auch in Wendungen wie im (seltener in, auf) Akkord arbeiten, einen schlechten Akkord haben, vgl. auch die ugs. Redensarten Akkord(-lohn) ist Mord(-lohn); gelegentlich auch übertragen verwendet, bes. in den Verbindungen wie im, auf Akkord zur Charakterisierung von bes. intensiver, schneller Tätigkeit, z. B. wie im Akkord beten (s. Beleg 1970). Als Bestimmungswort in Zss. wie Akkordarbeit, anfangs für 'vereinbarungsgemäß übernommene Arbeit', gleichzeitig bes. in der Bed. 'Arbeit im Stücklohn' (dafür früher auch Stück-, Gedingearbeit), Akkordarbeiter 'nach Akkord bezahlter Arbeiter' (beide Anfang 19. Jh.), Akkordlohn (Mitte 19. Jh.) 'Lohn, der nach der Anzahl der in einer vereinbarten Zeiteinheit hergestellten Produkte gezahlt wird, Stück-, Leistungslohn' (Ggs. Zeitlohn), Akkordsatz (20. Jh.) 'tariflich festgeigte Bezahlung,
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Lohnsumme für eine bestimmte Arbeitsleistung', Akkordschere (20. Jh.), meist abwertend für 'vom Arbeitgeber vorgenommene Beschneidung der Stückpreise, um den über den Zeitlohn hinausgehenden Mehrverdienst möglichst niedrig zu halten', Akkordzuschlag (20. Jh.) "Geldbetrag, um den der normale Akkordlohn den einer entsprechenden Leistung zukommenden Zeitlohn übersteigt'; selten auch als Grundwort in Zss. wie Einzelakkord und bes. Kolonnen- oder Gruppenakkord (20. Jh.) 'zwischen Arbeitgeber und Kolonnen- oder Gruppenführer abgeschlossener Vertrag, bei dem letzterer den gesamten Lohn erhält und ihn an die Mitglieder der Gruppe verteilt'. Dazu das im späten 15. Jh. aus altfrz. acorder (s. o.) entlehnte, heute nur noch seltene (in)trans. Verb akkordieren, zunächst im kaufmännischen und juristischen Bereich in der Bed. 'einen Verleich abschließen', gelegentlich auch reflex, 'sich mit jmdm. vergleichen, arrangieren', z. B. sich mit seinen Gläubigern akkordieren (zu 2b). Seit früherem 16. Jh. zunächst im politischen Bereich, dann auch allgemeiner für 'mit jmdm. eine Vereinbarung über etwas treffen, etwas vereinbaren, übereinkommen, einen Vertrag schließen', auch 'mit jmdm. etwas aus-, verhandeln', z. B. den Arbeitslohn, ein Geschäft akkordieren, dafür vom 17. bis ins 19. Jh. selten die Präfixbildung verakkordieren, im 18. Jh. gelegentlich auch als V. trans, für 'etwas (vertraglich) bewilligen, genehmigen, zugestehen, gewähren' (s. Belege 1713, 1813) (zu 2a). Seit spätem 15. Jh. häufiger in der Bed. 'übereinstimmen, harmonieren, zueinander passen', auch 'etwas miteinander in Einklang bringen, aufeinander abstimmen' (zu la) und seit frühem 17. Jh. in der Musik in der Bed. 'harmonisch zusammenklingen', vereinzelt auch übertragen gebraucht, z. B. akkordierende Farben (zu Ib). Akkord la: Volkslied 1298 (Liliencron I 13) si truogen per acort gelich/ [durch Übereinstimmung] und namen den von Osterrich, herzogen Albrechten, getriwen und gesiechten [bei der Königswahl]; Henisch 1616 Teutsche Sprach 9 Accord / consensus; Schorer 1644 Sittenverderber Jv Accord, vergleichung/ vbereinstimmung (JONES); Hunold 1702 (Dtsch. Lit. Ill 437) die denen Frantzösischen Cavallieren ohne diß eigenthümliche Schmeicheley wurde also auch von Renarden nicht gesparet/ und seine verliebten Anfälle überwunden die zum Accord geneigte Louyse ohne Mühe/ daß sie sich auch selber zur Vergnügung ihrer Liebe so willfährig erbothe/ ihm diese Nacht . . zu schenkken; Sperander 1727 A la mod Sprach 8 Accord, . . Eintracht/ Einigkeit; Augstein 1964 Spiegelungen 78 Ein Akkord der beiden . . Atommächte, wie ihn der . . Überfall . . herbeizwingt (DUDEN 1993); Welt 6.1.1969 man fragt sich deshalb in Kairo, zu welchem „Akkord" man eigentlich gelangen wolle, wenn ohnehin eine Reihe von Staaten unterschiedliche Meinungen über Lösungsmöglichkeiten des Nahostkonflikts haben; Schmidt 1970 Börsenorganisation 80 soll eine Börse als Organisation von Effektenhändlern zur Kostensenkung im Effektengeschäft Bestand haben, müssen diese Effektenhändler einen Akkord mit ihrer Um-
welt finden — heute insbesondere mit den Anlegern und den ihre Interessen vertretenden Institutionen . . diesen Akkord immer wieder herbeizuführen, ist Sache des Bösenmanagements . . als Mittel, diesen Akkord herbeizuführen, nennen Thompson und McEwen Wettbewerb, Koalition, Aushandeln und Kooptation; Zeit 24.5.1985 wenn über SDI . . keine klaren Übereinkünfte getroffen werden können, wenn die Kluft in der Währungspolitik sich nicht schließt, wenn bei Gatt ein Akkord zuschanden wird, . . dann gerät der Zusammenhalt in Gefahr; MM 5.8.1985 wenn es dabei den einen oder anderen Akkord gegeben haben sollte, wird er durch neue Dissonanzen übertönt; Zeit 27.9.1985 aber ein gewisser Akkord mit wichtigen Partnern ist schon gewollt. akkordieren: 1480 (Schulte 1923 Handelsakten Mittelalter, Neuzeit 111 424) Doch so ier da ietz rechnand, so luogend selb, . . ob eß sich mit minem schriben achordieren will; um 1550 Pilgerreisen 413 wann ich anderer pilgerum bucher gesechen hab, hat kains mit dem ändern accordiert, hat alweg ainer mer gehapt, der ander minder; Schock 1668 Studentenleben 131 wenn ich mir Hesse ein Tobinen Koller machen/ und weise Corrubanische Hosen darzu; solt es nicht wol accordiren?; Kiemer
Akkord 1679 Maulaffe 317 diese Nachricht accordirte mit dem Gange; 1706 (1905 Archiv f. Kulturgesch. Ill 203) das die von zwey Zimmer zu sammen Accordirente spigel einen gar schenn Prospect machen, Menantes 1709 Satir. Roman 88 Damit nun alles mit einander wohl accordire, hatte man eine lustreiche . . Tragödie zur Materia dieser Opera genommen; Beter 1710 Von Höfe-Handwerkern I 41 Es müsse alles fein zusammen accordiren; 1786 Journal d. Moden l 352 Es muß alles [Kleidung, Umgang] akkordiren, sonst nimmt sichs nicht aus; Stieglitz 1798 Bau-Kunst 627 die Oefen und Camine . . müssen, in Absicht ihrer Formen . . mit dem Zimmer accordiren; Schiller vor 1805 W. XVIII 414 Alles [auf dem Bild] akkordirt zu einer schönen Gruppe (KEHREIN); Boas 1839-40 Nachtr. z. Schiller II 371 Die Herren akkordirten nur auf eine Zeitlang (KEHREIN); Selbmann 1965 Söhne 535 daß die beiden Männer .. besser miteinander akkordieren, als im Betrieb und sonstwo bekannt ist; Zeit 4.4.1986 die Interessen genau zu definieren und zu akkordieren. Akkord Ib: um 1425 Minner. II 26 sy leert menich vruntlich woirt/ dichten, singen mit goeden acoert (FRNHD. WB); 1599 Orientalisch Indien III 93 sangen sie mit sehr gutem accord; Henisch 1616 Teutsche Sprach 9 Accord vom geleuth/ Symphonia, harmonia; Praetorius 1619 Syntagma mus. II 12 Ein Accort ist ein gantz Stimmwerck von Pfeiffen/ Fagotten und anderen Instrumenten; ebd. II 151 je näher man es aber mit dem einstimmen zur reinigkeit vnd accort bringt; Albert 1640 Ged. 35 die jenigen Accorden, so von einer zur ändern Note sich schicken, ebenmessig zu behalten; Hilarius Lustig v. Freudenthal 2.H.17. Jh. Lieder-Büchlein 29 Man hat vielmal gehört,/ dz manch Jungfräulein wird verführt,/ durch freundliche Worte,/ lieblich Accorde; Duez 1664 Diet. II lla Accord, composition; Sperander 1727 A la mod Sprach 8 Accord, in der Music heist es Zusammenstimmung/ Übereinstimmung der Seiten/ ein Gesang/ der wohl zusammen stimmt; Walther 1732 Musical. Lex. 6b Accord oder Zusammenstimmung bestehet aus drei unterschiedenen und doch zusammenklingenden Tonis; Frisch 1741 Teutsch-Lat. Wb. 5 Accord, in der Music: Die zusammen klingende Claves. Der Zusammenklang, Harmonia, Symphonia. Der zusammen klingende Tohn, . . sonderlich auf Pfeiffen und Saiten-Instrumenten. Accord, ist bey den Orgel-Machern ein gantzes Stimm-Werck von Pfeiffen. . . Accord bey den Musicanten, wenn man von den Pfeiffen redet, ist ein Chor von Pfeiffen, ein gantzes Stimm-Werck von Flöten, Schalmeyen oder ändern; Sonnenfels 1768 Br. 33 der Übersetzer hätte ganz leicht Wörter gefunden, die accords, accents, Modulation, Harmo-
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nie u. d.g. zu verdeutschen: allein er glaubte sich verbunden, um der Deutlichkeit willen diese mehr geläufigen Kunstwörter beyzubehalten; Sulzer 1771 Theorie 111 Ein Accord ist vollständig, wenn alle Töne, die seinem Ursprung nach dazu gehören, sich darin finden; Schubart 1774 Dtsch. Chronik 159 Unsterblicher Geist des . . Sebastian Bachs . . setzest die Mitgenoßen deiner Seeligkeit durch Himmelsakkorde in Erstaunen; ebd. 463 die Zauberakkorde deiner Geister-Musik; Lenz 1776 Waldbruder (NL LXXX 193) Accorde des Schicksals; Schiller 1786 Br. Ill 59 alle Akkorde in einer Harmonie ineinander fliessen [im philos. Sinn]; Matthison 1786 Rheinfahrt II57 seiner Stralentöne Dissonanzen lösen in reine Lichtakkorde sanft sich auf; Hölderlin 1797-99 Hyperion II 137 alle Töne in uns erwachten zu des Lebens vollen Akkorden; ebd. II 200 in wandelnde Melodien teilen wir die großen Akkorde der Freude; Chladni 1802 Akustik 8 Ein Accord, der lauter Intervalle enthält, . . ist ein consonirender Accord; Goethe um 1810 Farbenlehre (WA II 4,260) dieses wird denn in seinen letzten Kapiteln recht kraus, indem er den motus rectus und contrarius, Intervalle, Konsonanzen und Dissonanzen, . . Accord und Disharmonie, aneinandergereihte Oktaven und was noch alles sonst der Musik eigen ist, auch in der Farbenlehre und der sie anwendenden Mahlerkunst finden will; ders. 1811 Hackens Kunstcharakter (WA I 46,353) Hackens Colorit ist . . nur in einzelnen Theilen vortrefflich. . . In Gemählden, wo er die Aufgabe zu lösen hatte, Morgenbeleuchtung darzustellen, findet sich mehr Accord, das Verhältniß der Tinten ist mehr kunstgerecht; Rariscus 1832 Blätter 165 daß durch keinen ändern Schlußaccord sich das Cres- und Descrescendo . . so trefflich ausdrücken lasse; Lenau 1832 Ged. I 127 Donnerakkorde; Heine 1835 Romant. Schule 127 daß sie von gelinden Akkorden affiziert werden konnten; Kurz 1843 Schillers Heimatjahre l 96 Spiel, in welchem feurige und schmelzende Akkorde abwechselten; Willkomm 1857 Ammer 201 Man hörte den Widerhall singender Stimmen, dazwischen Harfenakkorde; Müller 1859 Stadtschultheiss 57 Akkorde des späteren Lebens; Rodenberg 1860 Insel d. Heiligen I 157 der sterbende Akkord einer schönen, grossen Symphonie; Helmholtz 1863 Tonempfindungen 320 Der verminderte Septimenaccord z. B., der in der neuesten Musik so viel gebraucht wird, streift bei reiner Stimmung der übrigen Accorde fast an die Grenze des Unerträglichen; Holtet 1863 Letzte Komödiant III 153 die Schlußakkorde der Symphonie ertönten; Marlitt 1868 Geheimnis 119 Klänge des Beethovenschen Trauermarsches . ., aber schon nach wenigen Akkorden hob Felicitas erschreckt den . . Kopf; Hartmann 1869 Philosophie 49f. dass ich . . denjenigen Akkord auf der
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Claviatur des Gehirns mit dem Willen anschlage, dessen einzelne Tasten die..Muskeln in Bewegung setzen; Reichenbach 1880 Roman e. Bauernjungen 142 Franz, dem es nur darum zu thun gewesen war, .. einen wehmütigen Schlußakkord hinter seine Erinnerungen an Elisabeth zu setzen; Rose 1884 Revanche 221 Das Lilienweiß der Haut, die goldigen Reflexe des Haars, das mattgrüne Schilf und die grauen Dünste . . verschmelzen sich zu einem reizvollen Farbenaccord; Walloth 1887 Praxis 65 um auf dem Flügel einige Akkorde anzuschlagen; Kleinpaul 1892 Sprache 23 dass . . die Planeten in sieben Kreisen, gleichsam im Akkord um die Sonne wandern; Sommerfeld 1894 Wetter 48 in wiegenden Trauerakkorden hat ein Walzer von Leid geklagt; Proelss 1895 Hell u. Dunkel 87 Mit einem schrillen Accord brach der Sänger ab; Th. Mann 1897 Erz. (W. Vlll 119) dem Instrumente getragene Akkorde zu entlocken; Minor 1901 Faust II 63 Verbindung der Einzelheiten zum „Akkorde"; Th. Mann 1901 Buddenbrooks (W. I 537) Hanno griff einen Akkord; Hesse 1904 Camenzind 107 Sie sprachen . . von musikalischen Linien, Farbenakkorden und ähnlichem; zur Megede 1911 Quitt 194 so endete . . der . . Feiertag mit einem vollen Missaccord; Zobeltitz 1914 Frau 62 wenn ein lebhafter Akkord in der Unterhaltung aufklang, brach sie jäh ab; Dessauer 1927 Technik 169 Bewegungen .., welche die Maschine . . vollführt, ein Akkord von hundert sinnvoll geformten Teilen und Bewegungen; Lokal-Anz. 4.11.1934 Den größten Erfolg . . erzielte ich . . auf einer AkkordZither; Benjamin 1936 Br. II 709 habe ich mich über den Zusammenhang gefreut, in dem Sie Bergs Satz über den Blechbläseraccord eitleren; Bertololy 1941 Heimkehr 29 an den Wänden schien das Echo des noch aufgeschlagenen Flügels in leisen Akkorden weiterzuklingen; Th. Mann 1947 Faustus (W. VI 101) aber mit dem eigentlichen, aus mehreren Tönen bestehenden Akkord ist es doch etwas anderes . . der Akkord ist kein harmonisches Genußmittel, sondern er ist Polyphonic in sich selbst, und die Töne, die ihn bilden, sind Stimmen; Grünberg 1948 Schattenquartett l 59 bei den wenigsten schwang dabei [bei der Annahme, daß es Krieg gibt] ein Akkord der Besorgnis mit; Süddtsch. Ztg. 29.7.1951 Zehelein . . lebt primär von . . Reizen der musikalischen Mittel, der Klangfarbe, Akkordspannungen, Heterophonie; Welt 3.12.1954 setzen am . . Wochenende die Meisterschaftsspiele der deutschen Fußball-Oberligen wieder mit vollen Akkorden ein; Koeppen 1961 Frankreich 113 auf dem Platz Concorde . . wird der Besucher den schönen Akkord vernehmen, den großen Glokkenschlag Paris; Heuss 1963 Erinn. 287 in . . landesüblichen Schnäpsen wurde die Verstimmung über den mißglückten Schlußakkord ertränkt; Strittmatter
1963 Öle Bienkopp 97 Herta fingert einen Akkord aus der Ziehharmonika; Partner 1964 Erben 162 [Gemälde] eine Festmusik in Farben und optischen Akkorden, in der sich die schwellende Kraft der Barockkunst überschwenglich auslebt; Staiger 1966 Grundbegriffe 77 solche Silben aber ergeben nie und nimmer ein Gedicht, sowenig wie eine Folge von Akkorden schon eine Symphonie; 1966 Petra X 101 ein Akkord aus 45 verschiedenen Düften (DUDEN); Sportecho 10.2.1967 mit vier [Ski]langlaufentscheidungen gab es einen auftakt mit vollen akkorden (DWB N.); Andersch 1971 Kirschen 125 die Symphonie der Unmenschlichkeit hatte in sein Gesicht die Akkorde ihres Anfangs geschlagen; 1971 Musterring international o. S. blau oder rot gebeizte Seiten geben den Ton; alles übrige für den richtigen Farb-Akkord finden Sie bei uns (Prospekt); Zeit 28.12.1984 in die pralle Lust . . mischen sich bald dunklere Akkorde; MM 3.1.1985 Schlußakkord im siebenjährigen Streit; Zeit 23.5.1985 da darf sie ausspielen, was sie kann, . . in bravourösen Akkordbrechungen; ebd. 9.5.1986 mit einem hochgestimmten Schlußakkord wurden in Tokio gefährliche Dissonanzen überspielt . . ein solches Entgegenkommen paßte auch zum politischen Schlußakkord in Tokio; ebd. 6.6.1986 die Gitarristen kennen gerade drei Akkorde; MM 12.6.1986 wählten er und Nelson auch den knappen Akkord-Schluß der „Holländer"-Urfassung; Zeit 22.8.1986 der .. Akkord stellt eine der zahlreichen . . Permutationen jenes Grundakkords her, auf dem sich die ganze Oper Pendereckis aufbaut; MM 13. 9.1986 er scheut die schrillen Klänge und orchestriert seine Bilder mit zarten Akkorden; ebd. 31.1.1987 damit sind auch schon die zwei Themenakkorde angeschlagen, denen sich der . . Jubilar hauptsächlich verpflichtet weiß; Zeit 13.2.1987 jedes Blatt und jeder Grashalm wimmelt von Leben, die Erde lebt und regt sich, alles tönt in einem Akkord zusammen; ebd. die Hochnäsigkeit der Art-Rock-Fans gründete sich auf die Gewißheit, von der Musik viel mehr zu verstehen als die tumben Akkordeschrubber; MM 25. 3.1987 durch den Zusammenklang von Posaunenton und Singstimme erzeugt er Mehrstimmigkeit und ist damit in der Lage, sein Spiel fast wie ein Pianist zu strukturieren, kann zwischen Akkorden und Einzeltönen wechseln; ebd. 25. 4.1987 den markanten Schlußakkord bildete der gesamte „Ring" von Richard Wagner; Stern 3. 6.1987 greift hinein wie der alte Donnergott: Akkordpassagen, Oktaven, rasante Läufe; MM 12.6.1987 was am Ende der Farbspur zu einem impressionistischen Akkord verschmilzt, konkretisiert sich im Vordergrund; ebd. 11.1.1988 seine Farben sammeln sich zu Akkorden, steigen wie Tonleitern in die Höhe und errichten „Farbtürme" auf der Leinwand;
Akkord Zeitmagazin 23.8.1991 So vereinzelt aber erreichen uns Nachrichten nicht, sie bilden eher Akkorde, einen Zusammenklang der Tageswirklichkeit als Einheit aus Kriegsopfern, Gewerkschaftsverhandlungen, einer Messe-Eröffnung, einem Vulkanausbruch. akkordieren: Henisch 1616 Teutsche Sprach 9 Accordiren/ stimmen; Praetorius 1619 Syntagma mus. II 37 wenn man aber das fünffte instrument in der tieffe oder höhe auch noch darzu brauchen wil, so ist es fast mühsam zusammen zu accordiren; ebd. II 104 accordiren und stimmen; ebd. III 5 accordiren, vnd in amuthiger Symphonia mit einander zusammen stimmen; Friederich 1636 Clytie II 215 nach dem Laut vnd Thon jhrer . . Seufftzen zu accordirn (JONES); Weise 1673 Erznarren 32 Auf den Ermein . . war ein gantzer Kram von allerhand liederlichen Bändergen aufgehefft, welche, weil sie Accordirende Farben hatten, sich ansehen Hessen, als wären sie von bändersüchtigen Personen zum Almosen spendiret worden; Jacobsson 1793 Technol. Wb. V 19b accordiren . . heißt, wenn Sänger und Instrumentalisten sich in guter und richtiger Zusammenstimmung hören lassen; Herder vor 1803 S. W. IV 38 beweisen, daß alles in der natur ein chaos von einzelnen disharmonischen Stimmungen sey, die nicht zu akkordiren wären (DWB N.). Akkordik: Th. Mann 1947 Faustus (W. VI 65) es war die [Entdeckung] seiner autodidaktischen . . Auskundschaftung der Klaviatur, der Akkordik, der Windrose der Tonarten; MM 28.5.1985 in „parce domine" von . . Nowowiejski, dessen breite Akkordik die große Spannweite vom mehrfachen Piano bis zum dreifachen Forte präsentierte; Zeit 5.6.1987 brillante Läufe, wie gestochen markierte Akkordik, höchste Akkuratesse in der Finger-Mechanik. akkordisch: Engel 1884 Tonkunst 24 in den . . Grenzen akkordischer Gestaltung . . sind kleine Tonstücke von Bedeutung zu verzeichnen; ebd. 112 Das Leiterartige [der Töne] ist, weil es das melodisch Vermittelnde ist, reicher, das Akkordische fester, entschiedener; Sternheim 1926 Schule v. Uznach 44 Darin liegt Deines Wesens Akkordisches, daß Du . . die Zusammenschwünge des gleichzeitigen Liebes- und Haßempfindens herausreißest, als gesetzgebenden Grundrahmenrhythmus bewahrst; Th. Mann 1933-43 Joseph (W. IV/V 142) dröhnte die Weite der Weltenrampe von akkordisch tönendem Schwall; ders. 1947 Faustus (W. VI 101) in einer akkordischen Verbindung von Tönen; MM 9.5.1988 wie rein und klangvoll er Stimmlinien akkordisch bündelt.
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akkordlich: 1872 Musikbr. a. Kuczynski 31 die . . akkordlichen begleitungen der linken hand etwas lichten; Scherchen 1929 Dirigieren 157 die Sauberkeit des ersten akkordlichen zusammenklanges hat entscheidende bedeutung (beide DWB N.). Akkordeon: 1834 accordion, Unterricht dasselbe spielen zu lernen (Titel) (DWB N.); Grillparzer 1836 S. W. XX 68 Kamen .. eben zurecht, um eine Mile. Reisner auf der Blasbalgharmonika (accordeon) recht hübsch spielen zu hören; 1851 Alsatia 61 hörte ich dieses Lied, mit Begleitung eines Akkordeons, . . singen; 1855 (1930 Ostasiat. Rundsch. XI 745) ein Accordion — eine vervollkommnete Ziehharmonika; 1863 Bilder a. Paris I 235 man horchte auf die Musik und sah . . auf das Accordeon; 1875 (Biedermann, Ziehharmonika-Industrie 6) „Wiener Akkordeon"; Schilpp 1915 Die württembergische Akkordeon- und Harmonikaindustrie (Titel); Berl. Illustr. Nachtausg. 9.3.1934 hört man den Pianisten und Akkordionkünstler; Münch. N.N. 24.12.1939 Ein Meister des Akkordeons erntete brausenden Beifall für sein virtuoses Spiel; ebd. 7.3.1944 Das Akkordion als Konzertinstrument; ND 19.1.1949 10 Minuten mit dem Akkordeon-Trio; NZ. (Basel) 3.2.1950 die sechs Brox . ., die aus Holland mit Akkordeon und viel guter Laune zu uns gekommen sind; Süddtsch. Ztg. 19.4.1958 Zur bayerischen Akkordeonmeisterschaft . . treffen sich . . die Ziehhharmonikaspieler des Deutschen Handharmonika-Verbandes in Nürnberg; ND 19.1.1954 hatten wir allein an Instrumenten ein Akkordeon, drei Mandolinen, eine Trompete; Schneider 1970 Belegschaft o. S. Herr Wüst . . eröffnete den gemütlichen Teil mit einem Musikstück auf dem Akkordeon; Zeit 8.1.1985 Akkordeonpapst Walter Hohner; MM 31.5.1985 die instrumentalen Einschübe mit Balalaika, Laute und Akkordeon taten atmosphärisch ihr gut Teil; ebd. 2.2.1987 spielt sich das Akkordeon mit einer volkstümlichen Melodie in den Vordergrund; ebd. 9.5.1987 Begleitband, bei der ein Akkordeonspieler natürlich nicht fehlen durfte; ebd. 7.6.1988 Michael Avery leitet die Akkordeongruppe. Akkordeonist: MM 12.4.1985 ein Mandolinenorchester mit einem Akkordeonisten; ebd. 16.5. 1988 „Live" war der Akkordeonist Jefim Jurist zu hören. Akkord 2a: Volkslied 1388 (Liliencron I 152) Valerie bei der port/ 's mußten sich alle schicken, zu treffen den accord; Weinsberg 1586 Denkw. III 327 dieweil. . der von Parma eitz Venloe stark umbcingelt hat und samen in gespreich und accort stunden, . . es wurde alsbalde uff Neuss gelden; 1607 Urkundenb. NdRhein II 757 die capitein accort be-
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Akkord
gert; Mallinger 1613—30 Tagebücher (Mone, QuS. 11 536) [ist] ein Accord getroffen [wegen Übergabe Freiburgs]; 1610-12 Limbg. Chronik 172 [der Räuber] begert accord und Versicherung . ., so wolte er sich mit seinen gesellen ergeben; 1614 (Aretin, Bayerns auswärt. Verh. I Urkd. Bd. 27) hoffnung eines khonfftigen gueten, vnnd bestenndigen acords vorhanden; Carolus 1614 Relation 23b Der Accord zwischen dem König vnd Printzen erfolgt noch; 1615 (Dtsch. Ztg. 17. }h. 4) dass selbiger König den Accordt . . ratificirt vnd angenommen .. habe; Wallhausen 1616 Kriegsmanual o. S. Accord, Vergleichung oder Friedens Tractation; Neumayr 1624 Bündtnisse 86 Daß man durch Pacta, Capitulationes, Accord vnd Vertraege verbunden ist; Zeiller 1628 Theatrum 33 Der Accord wurdt beschlossen/ vnd kompt der Teuffei alle Nacht zu jhr/ vnd treibt mit jhr Vnzucht; Nicolai 1632 Br. a. Schwallenberg (Sonden 49) Zwickau ist par accord erobert (JONES); 1638 (Dtsch. Ztg. 17. Jh. 71) ist die Schwedische Besatzung .. mit Accord . . abgezogen; 1638 Soldatenteufel 25 Für die Belagerung einer Stadt soll er jhr erst Fried vnd accord bieten; Bürster 1647 Schwed. Krieg 56 den steifen vorsaz . . gefaßt, lieber zue sterben, dan mit ainem accordbrüchigen feind in vergebenliche accordshandlung sich einzuelaßen; Hilarius Lustig v. Freudenthal 2. H. 17. Jh. Lieder-Büchlein 137 die Vestung ist curirt, mit Accord erobert; Grimmelshausen 1670 Springinsfeld (Hl 243) säuberten wir Höchst per Accord; ebd. Ill 247 dass er sich ihnen nicht mit accord, sondern auf Gnad und Ungnad ergeben muste; 1699 Allg. Schau-Bühne 64 Basta eroberte Solmes . . mit Accord bald wieder; Goulon 1709 Belagerung (Übers.) 80 damit man nicht durch die Vielheit der Feinde überwältiget werde/ und einen Vortheilhafften Accort schliessen könne; Fassmann 1719 Kriegs-u. Soldatenständ 70 [Einnahme einer Festung] par Accord; Sperander 1727 A la mod Sprach 8 Accords-Puncten/ werden . . diejenigen Artickel geheissen/ welche bey der Übergabe einer Stadt zwischen den Belagerern und Belagerten geschlossen worden; Frisch 1741 Teutsch-Lat. Wh. 5 Accord im Krieg . . Der Vertrag wegen der Übergab; Edelmann 1752 Selbstbiographie 57 den Accord [mit dem Teufel] geschlossen; Kessler 1783 Leben Widerholds 84 Ratification des getroffenen Accords; Niebuhr 1812 Rom. Gesch. II 516 den Kampanern, welche . . dem Sieger bald nach der Schlacht auf leidlichen Accord ihre Stadt übergaben; Dtsch. AZ. 17.8.1935 Das „Oeuvre" spricht heute . . von einer Reise Lavais und Edens nach Rom, um Mussolini doch noch zu einem Akkord zu bewegen; Kisch 1942 Marktplatz 335 im letzten augenblick kam es .. am russischen hof zu einem akkord [mit Österreich] (DWB N.); Welt 20.11.1959 schade, daß dieser Akkord nicht schon
beim ersten Anlauf zustande kam; Zeit 1.8.1986 geht der Akkord über die Bühne, dann wird der US-Marktanteil . . ausgeweitet werden müssen. akkordieren: 153S Chronica (Augsbg.) a3b Desselben jars ist ein anstand deß kriegs und auffhörung der waffen accordiert; Kiechel 1586 Reisen 105 accordirten . . mütt 2 Tartaren, unns dohün zu füehren; Carolus 1609 Relation lie die Sachen mit den Oesterreichischen Landstenden vnd dem könig zu accordiren vnd vereinbaren; 1632 (Dtsch. Ztg. 17. Jh. 157) begehrten sie Quartier, war der wegen accordirt, dass sie mussten die . . Munition hinterlassen; Moscherosch 1642 Visiones 248 laßt vns accordiren, vnnd mit einander handien; Grimmelshausen 1670 Springinsfeld (111 134) mit mir accordirte er, daß ich dessen Lebens-Beschreibung schrifftlich auffsetzen sollte; Thomasius 1688 Monats-Gespräche 67 habe ich mit einem guten Freunde accordirt/ daß er mir allemahl zu Ende des Jahrs die Zeitungen/ . . umb ein geringes zu kommen Hesse; 1713 (Buchner 1925 Religionen 19) gemelter König sol denen reformirten 2 kirchen in Sachsen zu bauen accordiret haben (DWB N.); 1719 abentheuerl. Welt VI 4 Mit Geld kan ich beym Feynd nach Willen accordiren; Barth 1734 Tagebuch 145 hat man . . die weiße Fahne ausgesteckt und zu akkordiren angefangen; Knigge 1789 Umgang 11 232 Es ist eine Regel der Klugheit, vorher mit Handwerksleuten auf das Genaueste zu accordiren, bevor man etwas ausbessern läßt; Wolf 1793 Dulder 207 Diesmal sah er sich . . genöthigt, mit ihnen . . zu accordiren; Goethe 1795 — 96 Lehrjahre (HA VII 221) Melina, der . . auf dem nächsten Wege, auf den er accordirt hatte, viel zu sparen hoffte; Christ um 1800 Schauspielerleben 249 eine Wohnung, die mir gefiel und die ich .. für zehn Gulden akkordirte; Blücher 1813 Br. 167 Ich schlug Deinen Sohn zum Offizier vor. Der König akkordierte es; 1929 Querschnitt 711 Reinhold . . akkordierte inzwischen für uns beide mit einem Führer; Bauer 1931 Kapitalismus 1112 der Akkord wird nicht mehr „akkordiert", sondern diktiert; 1933 Verd. techn. Frw. o. S. akkordieren, vereinbaren; Schneidewind 1937 Leistungswirtsch. 10 Dies selbsttrügerische Akkordieren zwischen Lohn und Preis; Heuss 1963 Erinn. 205 mit den Franzosen [hatte er] sich . . akkordiert, gegen Tirpitz ein Arrangement zu England zu erreichen versucht; Spiegel 1971 Nr. 25 beide scheinen bereit, Verhandlungen über Truppenabzug . . mit ihren Berlin-Gesprächen und den Bonner Ostverträgen zu akkordieren. verakkordieren: Weise 1673 Erznarren 62 habe er eine Schuld auf dem Hause stehen, die also veraccordirt worden, daß er sie abfressen müste; 1676
Akkord Corp. iur. metallici 658 der ertzfuhren und des davon nach den jährlich verrichtenden schmelzen veraccordirten lohns halber (DWB N.); Christ um 1800 Schauspielerleben 299 die .. dem Fuhrmann verakkordierten .. Friedrichsdor; Kinkel 1849 Erz. 90 Ich hab mich zum Essen hier beim Wirth veraccordiert (SANDERS 1871); König 1857 Clubisten l 158 Bauereien für nächstes Frühjahr veraccordieren. Akkord 2b: 1479 (Schulte 1923 Handelsakten Mittelalter, Neuzeit III 154) das ir mit alia schulda di acord sigind und iettlich guot schuld in sunder setzen (DWB N.); 1506 Welthandelsbräuche 179 wan ainer guter dar will senden und for pacto macht mit den zollern, so bekompt ainer gut acordo mit in [den Zöllnern]; 1527 Fuggerinventur 79 Kunig von Portugal ain acordo (SCHIRMER, Kaufmannssprache); 1597 Messgedichte 361 Kanst da besser rahten dein Sachen, Für dich ein gut Accordi [mit den Gläubigern] machen; Krafft 1616 Reisen 216 mitt meinen Widersachern [Gläubigern] einen güetlichen acordo treffen; 1619 Von der Bonorum Cession 20 Wenn einer mit seinen Gläubigern einen richtigen Pact oder Accord trifft, dass sie etwas von der Schuldt remittiren vnd schwinden lassen; Becher 1663 Discurs 142 [die Notare fertigen] Vergleich, und Accorden; Sperander 1727 A la mod Sprach 8 Accord, . . ein Vergleich; Engels 1865 MEW XXXI 107 wer zahlungsunfähig wird, geht zu seinen gläubigem .. zeigt es ihnen an und offeriert ihnen soundso viel . . solcher stillen akkorde sollen hunderte vorgekommen sein (DWB N.); Stammler 1932 Rechtsleben 146 boten den Gläubigern einen Akkord an; Creifelds 1988 Rechtswb. 26 Akkord . . bezeichnet . . die gütliche Einigung bei widerstreitenden Interessen oder Ansprüchen. akkordieren: 1479 (Handelsakten Mittelalter, Neuzeit HI 154) das ir .. anfingind . . mit alia künden uch zuo acordierind und mit iederman ab rechna, so man den schuldig ist; 1564 Zimmer. Chronik I 523 waver er, Bajazet, sich mit inen einlassen und accordiren wolle; 1588 Gründl. Bericht a. Leon A2b haben sie sich mit dem König von Franckreich accordirt oder verglichen; Mangold 1596 MarckschiffDla mit den Gleubigern zu accordieren; Moscherosch 1642 Visiones I 261 weil sie [Bankrotteure] sahen, das allenthalebn eine menge der Creditorum vff sie zuj trangen, erbotten sie sich zu accordiren vnd in vergleich einzulassen; Schurtz 1672 Materialienkammer 18 Inzwischen geschieh« die Handlung von freyer hand, wie beyde Theil mit einander accordiren können; Sperander 1727 A la mod Sprach 9 Accordiren, .. sich in gewissen Sachen vergleichen; 17S6 Journal d. Moden l 352
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kommt es oft unvermuthet . . zum Akkordiren — mit den Gläubigern. Akkord 3a: 1613 (Wrede, Altköln. Sprachschatz 84a) ehr sei einmal da gewest wegen eins accordtz, so der steinmetzer mit seinem neffen gemacht; 1676 Corp. iur. metallici 658 der ertzfuhren und des davon nach den jährlich verrichtenden schmelzen veraccordirten lohns halber bleibt es billig bey dem accord (beide DWB N.); 1752 Ludovici I 197f. accordiren, heisst auch über eine Arbeit, oder eine Handwerkswaare in Ansehung des Lohns, oder der Sache und des Preises, einig zu werden suchen, und folglich tractiren, hernach wirklich schliessen: als welcher Schluss der Accord heisst (SCHIRMER, Kaufmannssprache); Schubart 1780 Originalien 78 Sie dörfte wol mit einem Lakirer einen Akkord eingehen, dass er sie alle Tage übertünchte; Müller 1787 Emmerich HI 64 Er verachtete es, durch einen Akkord eine halbe Million zu gewinnen; Hermes 1789 für Eltern II 257 dass ich über den Bau einen Vertrag [Anm. Accord] . . machte; Wezel 1790 H. u. U. II 230 den Accord mit dem Kaufmanne habe ich bereits geschlossen; Fichte 1798 (Runze, Neue Fichte-Funde 85) Er stützt sich . . auf unsern schon in Leipzig gemachten Accord; Wolf 1793 Dulder 207 daß die . . niemanden . . einen Pfennig übern längstvergessenen Accord zahlen dürfen; Schiller 1795 Baumzucht 16 Akkord .. Akkordsmänner; Goethe 1795-96 Lehrjahre (HA VIII 410) Baumeister und Techniker bereiten alles vor; . . die Absicht ist, größere und kleinere Akkorde abzuschließen und so mit genauer Kontrolle die bereitliegenden Geldsummen . . zu verwenden; Iffland 1798 Laufbahn 61 Schröder erbot sich dagegen zu einem ehrenvollen Akkord für meine Manuskripte; Goethe 1807 Er. (WA IV 19,383) Der arme Mann [Dürer], wie er sich in Venedig verrechnet und mit den Pfaffen einen Accord macht, bei dem er Wochen und Monate verliert; ders. 1812 Br. (WA IV 23,142) Hufbeschläge [dem Schmied] in Accord gibt; Obernberg 1815 Reisen, Isarkreis I 226 ist das Alpenleben das vorzüglichste, wonach sich die Mädchen des nahen Hügellandes sehnen, welches sie oft zur Bedingung machen, wenn sie Dienst-Accorde schliessen; 1821 (Reyscher, Ges. XVIII 173) akkords über kleine ausbesserungen . . hat der weginspektor . . abzuschließen (DRW); Goethe 1822 Br. (WA IV 36,424) unsere gewöhnliche [Botenfrau], die im Accord steht, ist die Vollbracht; ders. 1825 Br. (Wahl III 213) Es erklärte .. der Hofmaurer Timmler, den Bau einer neuen Gärtnerwohnung . . in Accord nehmen . . zu wollen (GWB); L. Richter 1879 Lebenserinn. 117 daß er [Maler] die Kirche zu malen in Akkord genommen habe; Ebner-Eschenbach 1893-1911 Ges. Sehr. V 3 Gleich am ersten Tage hatte der Mann seinen
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Akkord
Akkord mit der Gutsverwaltung abgeschlossen (WOG). akkordgemäß: Goethe 1818 Br. (WA IV 29,319) Die Angelegenheit mit Timmler wäre dergestalt in Ordnung zu bringen, daß man auseinandersetzte, was er accordgemäß geleistet; ders. 1820 Br. (WA IV 32,239) Baurath Steiner hat die accordgemäßen Ansätze dem Hofamt übergeben. Akkord 3b: Tuest 1809 Land-Baukunst II Vorr. IV Accord (Verdung); Thaer 1809 Grundsätze I 146 Stück- oder Akkord-Arbeiter erfordern weniger Aufsicht, und es braucht nur die gemachte Arbeit selbst geprüft werden; Aster 1812 Angriff! 53 Aus der eben angegebenen Zeit zu Herstellung einer Faschine, (wenn nicht Accordarbeit gegeben wird), ferner aus der erhaltenen Menge Faschinen, .. und aus der Anzahl der Bänke, läßt sich demnach leicht ein Ueberschlag machen, in welcher Zeit eine bestimmte Menge Faschinen gebunden werden kann, und wie viel Reiß dazu erforderlich ist; ebd. I 61 Sind die Arbeiter im Flechten der Körbe geübt, und wird nicht Accord-Arbeit gegeben, so kann ein . . Korb von Fichtenholz in 1/2 Stunde . . geflochten werden; Goethe 1820 Br. (WA IV 33,11) zugleich arbeiten Tüncher . . im Accord gar fleissig; 1823 ZfForsttn. I 3,6 Accordpreissen; Schinkel 1824 Nachlaß 1187 dass ein Kutscher, den wir .. gemiethet, nicht fahren will, weil ihm der Accord zu gering erschienen ist; Hartmann 1825 Handwb. Mineralogie 18 Accordarbeit, eine .. Gedingearbeit, wobei nach dem Gewicht des gewonnenen Erzes das Lohn bestimmt wird; Steinsdorf 1845 Darstellung d. Baupolizei-Vorschr. 61 eine Bauarbeit im Akkord (Fürgeding) übernehmen; Stein 1852 System l 394 die Arbeitverdingung oder die gemeinschaftliche Akkordarbeit; Stöber 1853 Sabina 76 sie arbeiteten schon seit längerer Zeit auf Akkord an einem neuen Canal; 1854 Beschr. O A. Aalen 69 Die Arbeiten [im Erzbau] geschehen alle im Geding (Accord); Dittmann 1858 Landw. I 41 daß die vorstehende Berechnung, insofern sie die Tagelöhner mit umfaßt, eigentlich nicht ganz richtig ist: denn abgesehen von Accordarbeiten . . giebt es noch manche andere Arbeiten . ., bei welchen die Tagelöhner . . stets zur bestimmten Stunde anfangen und aufhören; ebd. I 50 Die Betriebskosten dieses Hofes können .. folgendermaßen veranschlagt werden: Tagelohn und landw. Accordarbeit . . 1400 Mrk. Hb. Ert.; 1863 Viertelj'schr. f. Volkswirtsch. III 131 der Stück- oder Accord-Arbeiter leistet mehr als der Tage-Arbeiter, und nur weil er mehr leistet, wird auch sein Lohn höher sein; Kretzner 1887 Timpe 179 Ich werde nicht länger bei Ihnen arbeiten, wenn Sie mir nicht den Akkordpreis um ein Drittel herabsetzen; Proskowetz
1889 Newastrand 140 Taglohn: . . Die Arbeiter erhalten .. 50R. Lohn und die Kost . . Accordlöhne: Schnitter für die ökonomische Dessjatine 4 Rubel; Göhre 1891 Fabrikarb. 59 Akkordmeister für die Herstellung einer Maschine; Becker 1897 Walchensee 157 Die Fällung, Aufarbeitung .. und die Anlieferung des geschlagenen Holzes an den Walchensee . . erfolgt im Accord; Polenz 1899 Wald 52 um höhere Akkordlöhne zu erzielen; Wolff 1905 Spessart 416 Der „wilde Akkord", unter dem die Arbeiter leiden; A. Weber 1910 Kampf 95 Man kennt ja das Schlagwort: „Akkordlohn ist Mordlohn"; Kemmerich 1910 Dinge 105 Man sollte . . meinen, alle diese jungen Leute seien Aktionäre von Brauereien oder sie seien für den Akkordsuff angestellt; Lamprecht 1912 DG/V. / 472 die Massen, die in Fabriken und sonstwo Arbeitsgelegenheit suchten, die die Akkordarbeit nicht liebten, da sie nur unqualifiziert arbeiten; Berolzheimer 1914 Moral 254 die für Hunger-Akkordlöhne tätigen Heimarbeiterinnen; 1920-21 Süddtsch. Monatsh. XVIH 1,19 Die vorgestern als verflucht erklärte Akkordarbeit wird gestern wieder eingeführt; 1923 Polit. Handwb. I 28 Der Gegensatz zwischen Akkordlohn und Zeitlohn ist . . darin begründet, daß im ersten Falle eine sehr viel engere Verbindung zwischen Leistung und Lohn stattfindet. . . Akkordarbeit — Mordarbeit. Diese Gleichsetzung mag in früherer Zeit, in der es am elementarsten Arbeiterschutz . . fehlte, . . berechtigt gewesen sein; Baum 1926 Feme 134 ausgepreßt von der Akkordarbeit; 1929 Nord u. Süd LII 645 Auf die Monotonie der Arbeit, auf wirtschaftlichen Druck . ., Akkordsklaverei . . führt er sämtliche Berufskrankheiten .. zurück; Berl. Illustr. Ztg. 1930 Nr. 37 daß in Obanger die Akkordlöhne gedrückt worden waren; Zorn 1931 Handelsgesch. 275 sog. Accordjuden; Hoppe 1931 Kleinautoindustrie (Diss. für. Würzbg.) 25 dass . . eine grössere Akkordarbeitsleistung mit einer Herabsetzung des Akkordsatzes beantwortet wird; 1933 Verd. techn. Prw. o. S. Akkord, Stückzeit, Stücklohn, Stücklohnsatz, Gedingelohn; Goltz 1938 Steinbruch 30 [Straßenarbeit] im Akkord; Münch. N.N. 1942 Nr. 32 Um die Lohn- und Akkordgerechtigkeit wieder herzustellen; ebd. 28.11.1942 dann erscheint vor ihm das Schreckgespenst der sogenannten Akkordschere, die ihn für seine erhöhte Leistung . . bestraft. Aus Selbsthilfe ist er dann geneigt, den Akkord zu verschleiern, d. h. sein Arbeitstempo zu verlangsamen oder den Akkordzettel in die Schublade zurückzulegen; ND 2.6.1954 Lohnsenkung durch Akkordabbau; ebd. 3.12.1954 in den nächsten Tagen wird der Akkord gedrückt; Süddtsch. Ztg. 7.5.1955 Komplizierter liegen die Verhältnisse beim Akkordlohn. Der dem Ausführenden bei Akkordarbeit auszuhändigende Akkordlohnzettel (im Tarifvertrag geregelte Ab-
akkreditieren weichungen sind möglich) stellt einen Vertrag dar zwischen Arbeitgeber .. und Arbeitnehmer; ebd. 5.4. I960 Man holt in der Akkordarbeit alles aus sich heraus ohne Rücksicht darauf, ob die Kollegin nebenan mitkommt und das Tempo durchhält; Offenburger Tagebl. 22.2.1961 Ausnahmebedingungen für Akkord- und Fließarbeit; Süddtsch. Ztg. 24.2.1961 Akkord- und Fließbandarbeiten von Jugendlichen; ebd. 4.3.1961 Akkordpartie für ca. 25000 qm Innenputz und . . Außenputz für Baustelle in München gesucht (Anzeige); Arbeitgeber 20.3.1961 wenn man die . . Akkordrevision einfach als „Akkordschere" bezeichnet . . die widerrechtliche, plumpe Beschneidung der Akkordverdienste; Stuttgarter Ztg. 24.5.1963 Für interessante Bauvorhaben suchen wir mehrere tüchtige Akkordmaurer, die alle . . Maurerarbeiten im Leistungslohn übernehmen; ND 22.10.1964 die Kleine, die . . wie eine 14- bis 15jährige aussieht, steht bereits voll im Akkord; Offenburger Tagebl.
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12.10.1967 Zwei „Akkordeinbrechern" hat die Kriminalpolizei . . das Handwerk gelegt; 2970 Sternsinger l 2 du meine Güte, ihr betet wohl im Akkord?; Martell 1971 Einzelakkord o. S. wir haben Einzelakkord, jeder ist nur für seinen Arbeitsgang verantwortlich; ebd. Gruppenakkord oder Fließbandarbeit gibt es bei uns nicht; 1972 Unsere Zeit XXV 2 das Weiterwühlen am Band wäre in diesem Zustand und bei dem Akkord einfach Mord; MM 21.2.1985 eifrige Hände schaffen im Akkord; Zeit 17.5.1985 „wenn wir das im Akkord machen", sagt der Vormann, „dann geht das in einer Stunde"; MM 27.3.1986 Akkordarbeiter klagen vor dem Arbeitsgericht; Zeit 27.2.1987 wir bedauerten .. die Prostituierten, die jetzt wieder für ein paar Mark Akkordarbeit in den Nähereien machen müssen, nix mehr Chinchilla und Flambiertes; MM 26.22. 2987 die Frauen . . sitzen noch recht locker an ihren Montageplätzen; sie scheinen noch nicht im Akkord-Streß zu sein.
akkreditieren V. trans., Ende 17. Jh. entlehnt aus frz. accrediter 'in Ansehen bringen, empfehlen; beglaubigen' (einer denominativen Präfixbildung zu credit 'Ansehen, Vertrauen'; —» Kredit, —» diskreditieren). a Zunächst selten in der Bed. 'in Ansehen bringen, Ansehen verschaffen, empfehlen', meist adj. verwendet in der Part. Perf.-Form akkreditiert für 'angesehen, empfohlen, eingeführt, zugelassen, anerkannt' (vgl. renommiert, —+ renommieren), bes. in der Wendung bei jmdm. akkreditiert sein 'bei jmdm. gut angeschrieben sein, etwas gelten, in Ansehen stehen'. b Seit früherem 18. Jh. vor allem in der Diplomatie in der dominierenden Bed. 'jmdn., insbes. ausländische diplomatische Vertreter oder Journalisten, bei der Regierung eines Landes mit einem Beglaubigungsschreiben einführen und damit bevollmächtigen', bes. in der Wendung einen Botschafter, Diplomaten akkreditieren, häufig auch in der Part. Perf.-Form akkreditiert, z. B. akkreditierter Journalist; seit etwa Anfang 19. Jh. (s. Beleg 1802) gelegentlich auch allgemeiner verwendet für 'etwas (z. B. ein Dokument, eine Amtshandlung) beglaubigen, beurkunden, als richtig, wahr bestätigen; jmdm. etwas bescheinigen, zusprechen', (s. Belege 1838, 1911). c Seit spätem 18. Jh. in Wirtschaft und Bankwesen in der Bed. 'jmdm. Kredit einräumen, verschaffen, gewähren, Kredit eröffnen; jmdm. ein Akkreditiv stellen'. Dazu seit früherem 19. Jh. (vgl. jüngeres frz. accreditif) das Subst. Akkreditiv N. (-s; -e), älteres Kreditiv (—>· Kredit) verdrängend in der Bed. 'Auftrag an eine Bank, einem Dritten (dem Akkreditierten) innerhalb einer bestimmten Frist einen bestimmten Betrag zur Verfügung zu stellen oder Kredit zu gewähren, Krediteinräumung; Kredit-, Bürgschaftsbrief', z. B. ein Akkreditiv stellen, eröffnen (zu c); etwa gleichzeitig auch für 'Beglaubigungsschreiben eines Diplomaten' (zu b). Im 20. Jh. das seltene Verbalsubst. Akkreditierung F. (-; -en), zunächst 'Gewährung eines Kredits' (zu c), dann auch 'Bevollmächtigung eines Diplomaten o. ä.' (zu b); Mitte 20. Jh. vereinzelt die subst. Ableitung Akkreditiertheit 'das Akkreditiertsein als Diplomat' (zu b).
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akkreditieren a: 1699 Leipz. B-O 1,§1 (Marperger 1716 BdB 269) redliche, accreditirte und angesessene Leute (SCHIRMER, Kaufmannssprache); Moser 1759 Herr u. Diener 401 Ein Herr von dieser Gesinnung hat an einem ändern Hofe vier accreditirte Personen: der eine dient noch zwölf ändern Herren, der zweyte nährt sich von Proceßen, der dritte handelt mit Servelatwürsten . ., und der vierte macht im Taglohne Zeitungen; Rebmann 1795 Ludwig l ein Schriftsteller, dessen Name nicht seine Arbeit hinlänglich akkreditirt; Foote 1796 Ritter. (Übers.) I 263 Herr Hartop ist sehr akkreditirt bei Hofe; Schiller-Körner vor 1805 Briefw. l 186 Gelegentlich auch dich als einen solchen [Geschäftsmann] zu accreditiren (KEHREIN); Burckhardt 1841 Br. I 176 und hätte ich mich nicht beim Bibliotheks-Diener .. durch ein Zehngroschenstück accreditirt, so würde ich wohl noch weniger Bücher kriegen; 1900 Dtsch. Revue XXV // 346 So gut accreditiert bei den weitesten Schichten der Menschheit ist keine Wissenschaft wie die Physik und die Chemie; Kisch 1926 Hetzjagd 357 des in dieser branche bestens akkreditierten dienstmanns (DWB N.); Zeit 19.7.1985 der Galerist . . ist Armenier und stellt aus dem Osten stammende oder dort noch ansässige Künstler . . aus: erstens die in der Sowjetunion akkreditierten Künstler, Akademiker oder Nachfolger der einst gegen die Akademie revoltierenden Wanderausstellungskünstler. akkreditieren b: Sperander 1727 A la mod Sprach 9 accreditirter ministre, heist derjenige, welcher mit einer Vollmacht oder Creditiv-Schreiben von seinem hohen Principaln versehen ist, um an einem ändern Orte oder Hofe etwas in seinem Nahmen zu verrichten; Busch 1797 Hamburg, Handlung 45 seinen an den Niedersächsischen Kreis accreditirten Gesandten in Hamburg; Pütter 1798 Selbstbiogr. 159 Manche Höfe accreditiren selbst eigene Gesandte . . als Residenten am Reichshofrathe; Kant 1802 Ges. Sehr. IX 321 beim beschälen [der arabischen Pferde] ist der secretär des emirs, der ein untersiegeltes zeugniß giebt, und das füllen wird auch durch ein diplom accreditirt (DWB N.); Dohne 1814 Denkw. l 62 der österreichische Gesandte, . . welcher . . bey dem Herzoge accreditirt war; Heine 1838 Br. II 276 dieser mensch . . giebt nur die eselsmiene her, die von fuchsen benutzt wird, um allerley fatales gerede über mich desto sicherer zu akkreditiren (DWB N.); 1844 Schleier 11 [eine] accreditirte Copie; Nordegg 1907 Berl. Gesellschaft 151 die Chefs sämtlicher beim Deutschen Reiche akkreditierten auswärtigen Missionen; Eulenberg 1911 (Die Aktion 620) lieber A. Kerr, soll ich dir akkreditieren, daß du scherz, geist, ironie und tiefere bedeutung hast? (DWB
N.); Voss. Ztg. 19.7.1929 hielt Bundespräsident Haab in Anwesenheit der meisten in Bern akkreditierten diplomatischen Vertreter eine . . Rede; Friedell 1931 Kulturgesch. HI 71 bei den „Düsseldorfern". .. Für das allein Vornehme galt jedoch die „Historic", die novellistisch und womöglich tendenziöse Darstellung irgendeines akkreditierten geschichtlichen Vorganges; Dtsch. AZ. 2.12.1938 des neu akkreditierten französischen Botschafters in Rom; Münch. N.N. 27.9.1944 Nachrichtensperre für die noch in Helsinki akkreditierten diplomatischen Vertretungen; Welt 6.10.1949 die bei den Bundesorganen akkreditierten deutschen und ausländischen Journalisten; ND 2.3.1954 Besprechung amerikanischer Botschafter . ., die bei den Regierungen der Länder Westeuropas akkreditiert sind; FAZ 5.1.1966 die bei der Bundesregierung akkreditierten Missionschefs; Welt 12.12.1974 das geht aus dem Originaltext hervor, der dem in Warschau akkreditierten Auslandskorrespondenten zugänglich gemacht wurde; MM 13.1.1986 beim Neujahrsempfang für die beim Vatikan akkreditierten Diplomaten; FAZ 11.10.1991 einen akkreditierten japanischen Botschafter. Akkreditiertheit: Tb. Mann 1954 Krull (W. VII 603) führte er mich in seinem Wagen von meinem Hotel zum Königlichen Schloß, dessen äußere und innere Bewachung wir dank seiner Akkreditiertheit und der Amts- und Hofuniform, die er angelegt hatte, ohne Umstände . . passierten. Akkreditierung: Voss. Ztg. 18.12.1930 weil seine [des Gesandten] Akkreditierung vor Abschluß des Versailler Friedens . . als eine Gefährdung . . erschien; ND 12.5.1959 der erste Weg führte uns ins Akkreditierungsbüro, das für nahezu 3000 Journalisten aus aller Herren Länder Presseausweise bereithält; Welt 24.5.1974 daß Gaus und Nier . . in Ost-Berlin auch über den Amtsantritt der Leiter beider Vertretungen und die Übergabe ihrer Akkreditierungsschreiben . . gesprochen haben. Akkreditiv: Reuter 1836 Br. 97 daß du . . den brief nicht für ein herkömmliches akkreditiv nehmen wirst, dafür bürgt mir deine liebe zu mir; Bismarck 1867 Reden III 372 wir haben . . nicht bloß an einzelnen stellen . . gesandte accreditirt, sondern das ganze gebiet des norddeutschen bundes ist durch accreditive . . gedeckt (beide DWB N.); Schlözer 1869 Amerikan. Br. 21 Akkreditiv [eines Gesandten]; 1923 Polit. Handwb. I 29 Akkreditiv. akkreditieren c: Sinapius 1782 Br. 56 Unsere Freunde . . werden mich bey Ihnen um circa 15000
Akkumulation Gulden Banco accredicirt haben; 1796 Berghaus l 11 accreditiren . . irgend einem . . einen gewissen . . Credit verschaffen (beide SCHIRMER, Kaufmannssprache); Cotta 1814 Briefw. 89 die gewünschte summe soll auf die bemerkte zeit bereit stehen, und ich will sie [Anrede] bei herrn von Halder darauf accreditiren (DWB N.); Schliemann 1842 Br. l 30 bei . . mir . . accredit!«; Th. Mann 1954 Krull (W. VII 554) die Bureaus der Bank .., bei der ich akkreditiert war. Akkreditierung: Wewer 1912 Geschäftsmann 386 dieses guthaben kann sowohl durch bare einzahlungen, als . . durch akkreditierung des ausstellers beim bezogenen durch einen dritten . . entstanden sein (DWB N.).
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Akkreditiv: 3833 Schiebe 3 Accreditiv . . das Credit; 1846 Sammig. Verordng. Bremen 98 solche accreditive, wodurch der aussteller dem inhaber verantwortlich wird (DWB N.); Schmidt 1928 Das Akkreditiv- und Remboursgeschäft (Titel); Meyer 1929 Klauseln 85 Dokumenten- oder Warenakkreditiv; Süddtsch. Ztg. 24.8.1951 Exporte nach Abessinien sollen nur vorgenommen werden, wenn ein unwiderrufliches Akkreditiv eröffnet wurde; Welt 2.1.1954 eingehende Kenntnisse des Zollund Akkreditiv-Verfahrens sind unerläßl. Voraussetzung (Anzeige); ebd. 26. 3.1954 bei Eingang des Gegenwertes des Ausfuhrkontraktes bei der Bank deutscher Länder kann das eröffnete Akkreditiv zugunsten des Exporteurs ausgezahlt werden.
Akkumulation F. (-; selten -en), im früheren 18. Jh. (ZEDLER) vereinzelt, seit frühem 19. Jh. kontinuierlich belegte Entlehnung aus (flekt. Form von) lat. accumulatio 'Auf-, Anhäufung' (zu accumulate, —> akkumulieren), anfangs vereinzelt in der lat. (flekt.) Form. a Zunächst eher bildungsspr. in der allgemeinen Bed. 'Anhäufung, Ansammlung, Speicherung, Zusammengetragenes', z. B. eine Akkumulation der Gefahren, Krisen, die Akkumulation von Schadstoffen im Organismus (—» akkumulieren a). b Seit frühem 19. Jh., unter Einfluß von gleichbed. engl. accumulation, fachspr. in der Ökonomie in der Bed. 'Anhäufung von Kapital, Reichtum, bes. von Produktionsmitteln', speziell für 'Rückverwandlung eines Teils des Mehrwertes in Realkapital' (Marx), verdeutlichend auch in den aus gleichbed. engl. accumulation of capital (1776 A. Smith) lehnübersetzten Wendungen Akkumulation des Kapitals, kapitalistische Akkumulation und als Grundwort in Zss. wie Kapital-, Profit-, Vermögensakkumulation (—»· akkumulieren b). c Im 20. Jh. fachspr. verwendet, bes. in der Geologie für 'mechanische Anhäufung, Aufschüttung von Gesteinsmaterial durch Flüsse, Meer, Wind u.a., Sedimentation' (—* Agglomeration, —·· Sediment); daneben auch in der Sprachwissenschaft (Stilistik) im Sinne von 'Worthäufung' als Bezeichnung für eine Redefigur, bei der ein zusammenfassender Begriff (z. B. Krieg) durch die Aneinanderreihung mehrerer Unterbegriffe (z. B. Feuer, Schwert, Blut) zum Zwecke stärkerer Bildwirkung spezifiziert wird. Dazu seit Mitte 19. Jh. das aus lat. accumulator 'Anhäufer' entlehnte Subst. Akkumulator M. (-s; -en), im 20. Jh. häufig in der Kurzform Akku, überwiegend fachspr. in verschiedenen technischen Bereichen verwendet in der allgemeinen Bed. 'Sammler, Energiespeicher', speziell als Bezeichnung für einen Mitte 19. Jh. erfundenen hydraulischen Druckspeicher, dann bes. für einen auf elektro-chemischer Basis arbeitenden Stromspeicher, bes. in Wendungen wie der Akku(mulator) ist leer, aufgeladen; gelegentlich auch auf Personen übertragen, z. B. seinen Akku(mulator) wieder aufladen 'neue Kräfte, Energien sammeln, sich erholen' (s. Belege 1928, 1953, 1992); in neuester Zeit im Bereich der Datenverarbeitung für 'Speicherzelle einer Rechenanlage'. Ebenfalls seit Mitte 19. Jh. das seltene Adj. akkumulativ (ohne Steigerung) 'die Akkumulation betreffend, auf sie zurückgehend, anhäufend, vermehrend'.
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Akkumulation
Akkumulation a: Zedler 1732 Universallex. l 286 accumulation, die Vermehr- Auff- Uberhäuffung; Görres 1831 Ges. Sehr. XV 384 accumulation der kräfte (DWB N.); Schaffte 1906 Soziologie 122 Bevölkerung als Akkumulation; Vogel 1925 Hegels Gesellschaftsbegriff 233 Akkumulation von Elend; 1932 Geopolitik IX 289 keine kolonialen Reserveräume, schnelle Industrialisierung, Landflucht und Bevölkerungsakkumulation; Th. Mann 1937 Reden u. Aufs. (W. X 484) Sie schlugen Festlärm richtig auf den Tag, aber ein Jährchen zu früh — . . schade um das vorzeitig festliche Verpuffen eines Teiles der öffentlichen Sympathie und Dankbarkeit, die zu ihrer Akkumulation und Vertiefung noch ein Jahr Zeit hätte; Fechter 1948 Menschen 186 Akkumulation dichterischer Veranlagungen und Temperamente; Fischer 1966 Kunst 86 Die Akkumulation der Dinge . . hat . . den Menschen so sehr zermalmt, dass er .. kaum noch zu atmen vermag; 1966 Kulturanthropologie 389 „Evolution" soll hier die Verbindung zwischen zwei Kulturen heißen, von denen die eine in bezug auf den Akkumulationsprozeß mit fortschrittlicheren Gegenständen ausgestattet ist als die andere; Zeit 1.11.1985 die Akkumulation von Schäden im Wald; Wuketits 1987 Darwin 15 Demnach vollzieht sich der Fortschritt in der Wissenschaft nicht durch kontinuierliche Prozesse, nicht durch bloße Akkumulation von Erkenntnissen, sondern durch revolutionäre Entdeckungen.
1925 Hegels Gesellschaftsbegriff 233 kapitalistische Akkumulation; Brauer 1929 Sozialismus 38 Akkumulation des Kapitals; Spann 1932 Haupttheorien 139 Das wichtigste Gesetz der kapitalistischen Erzeugungsweise, zugleich ein Entwicklungsgesetz, liegt in der auf der „Akkumulation von Mehrwert" (d. h. Anhäufung von Kapital) beruhenden Konzentration des Kapitals bzw. der Betriebe. . . Der „Akkumulation von Kapital" entspricht die „Akkumulation von Elend" (Verelendungstheorie); Laum 1933 Wirtschaft 62 Akkumulation von Vermögen; Brinkmann 1940 Liberalismus 10 die „Akkumulation" des Arbeitsertrages; Berl. Nachr. 17.3.1943 Akkumulation . . des Profits bei den Besitzenden; Münch. N.N. 10.2.1945 Rom hat die erkennbar größten Vermögens- und Machtverschiebungen zustandegebracht und über die größte Vermögensakkumulation verfügt; Mosca 1950 Klasse 281 Akkumulation von Kapital in Form von Lebensmittellagern; Süddtsch. Ztg. 9.4.1958 in einem Stadium der „ursprünglichen Akkumulation" von Industriekapital; ND 7.3. 1959 Dumping — das bedeutet, dem Land die Möglichkeit zur Akkumulation von Mitteln für die Weiterentwicklung zu nehmen; Mayer 1963 Studien 464 der marxistischen Lehre von der Grundrentenakkumulation als der Grundlage des Kapitalismus; ND 18.1.1974 Im Ergebnis der gewachsenen Akkumulationskraft der Volkswirtschaft war das Investitionsvolumen des Jahres 1973 mehr als doppelt so hoch wie das des Jahres 1963.
Akkumulation b: Ricardo 1821 Grundsätze 401 von den Wirkungen der Accumulation (Capitalanhäufung) auf Gewinn; Buss 1843—46 Armenpflege (Übers.) l Vorr. XXXIII die Accumulation und Ansammlung der Kapitale; Lange 1894 Arbeiterfrage 243 über die „ursprüngliche Accumulation" . ., d. h. über die Frage, wie jener erste Kapitalstock entstanden sei, welcher zur ursprünglichen Begründung jenes Verhältnisses zwischen Kapital und Arbeit dienen mußte; Marx/Engels 1894 Kapital (MEW XXV 274) daß die wachsende Akkumulation des Kapitals eine wachsende Konzentration des selben einschlißet; Schulze-Graevenitz 1909 Marx 25 I. die Akkumulationstheorie: „Ein Kapitalist schlägt den ändern tot"; Liefmann 1910 Kartelle 208 sog. Akkumulations- und Konzentrationstheorie, wonach die kleinen Kapitalisten . . immer mehr durch die großen verdrängt werden; Renner 1917 Marxismus 77 Vermögensakkumulation; 1914 Stimmen d. Zeit LXXXV1 406 Nirgends hat sich die Unhaltbarkeit der marxistischen Dogmen von Konzentration und Akkumulation eklatanter erwiesen als im Agrarwesen; Sombart 1919 Soz. 93 Die Akkumulationstheorie, wie ich sie nenne, gipfelt in der bekannten Behauptung, daß die Zahl der Kapitalmagnaten beständig abnehme; Vogel
Akkumulation c: Schmidt 1921 Geol. Mineralog. Wb. 4 Akkumulation .. die Wiederablagerung der durch Regen, Eis, Wind .. fortgeführten Stoffe; Rathjens 1971 Geomorphologie o. S. Bei einzelnen Klimaelementen, wie Temperatur, Niederschlag, Wind . . usw. ist der direkte Zusammenhang mit geomorphologischen Prozessen der Verwitterung, Abtragung, des Materialtransportes und der Akkumulation ohne weiteres deutlich; ebd. o. S. die Tätigkeit des ständig fließenden Wassers gestaltet mit linienhafter Erosion und Talbildung oder mit fluviatiler Akkumulation die Erdoberfläche. Akkumulator: Kaltschmidt 1843 fremdwb. 8 Accumulator, der (1) An-, Aufhäufer, Vergrößerer; 1882 Brockhaus I 97 Accumulatoren . . nennt man in der Maschinentechnik die von Armstrong erfundenen Vorrichtungen zur Aufsammlung mechan. Arbeit; 1884 Gala 109 Bekanntlich spielt in diesen Elektricitäts-Ansammlern . . das in elektronegativem Sinne ungemein kräftig wirkende . . Bleisuperoxyd die Hauptrolle. Es ist im Akkumulator gemeiniglich durch vorausgegangene Anwendung irgend einer magnet-elektrischen Maschine, die gleichgerichtete Ströme liefert, auf elektrolytischem Wege hergestellt; Voss. Ztg. 24.2.1897 zei-
akkumulieren gen sich stets große Unzuträglichkeiten auf den Strecken der Straßenbahnen mit unterirdischer Stromzuführung. . . Die auf der Linie Schlesisches Thor-Lindenstraße eingestellten neuen amerikanischen Akkumulatorwagen haben den Erwartungen auch nicht entsprochen; Zobeltitz 1902 papierene Macht II 26 Da war der Saal für die Haupttransmission . ., da die Keller für die Dynamos und den Accumulatorbetrieb; Kesser 1928 Musik 140 Daß eben dieselbe Tochter . . auf einer Autotour unterwegs ist, . . wird ihm zum Anlaß, sich wie ein Akkumulator, der mit gewaltigen Strömen des Unwillens gefüllt ist, in zischenden Funken zu entladen; Der Tag 15.6.1931 Nach stundenlanger, fieberhafter Arbeit ist es der Besatzung der „Nautilus" gelungen, einen Teil der Akkumulatorenbatterien zu reparieren und die Funkanlage wieder in Betrieb zu setzen; Berl. Illustr. Nachtausg. 12.3.1934 Motoren und Dynamomaschine waren außer Betrieb. Glücklicherweise hatte die Akkumulatorenbatterie nicht gelitten, aber ihre Leistung war begrenzt; Lokal- Anz. 23.8.1934 Das ist gewiß nichts im Vergleich zu den 35 und 36 Grad, die uns vor noch nicht allzulanger Zeit das Leben so schwer machten, aber es sind immerhin Grade, die uns jetzt, im Häusergewirr und in den wie Akkumulatoren wirkenden Steinmassen der Weltstadt, die Illusion ausgewachsener Hundstage vorgaukeln; Krecke 1937 Energiewirtschaft 11 Auch in dem an Schienen nicht gebundenen Verkehrswesen . . sind sowohl die Elektrizität — vorwiegend durch Verwendung von Akkumulatorenfahrzeugen — als auch Gas als Treibstoff berufen; Manch. N.N. 1.1.1944 Das gleiche gilt für ein Gerät, dessen Name seit der Erfindung des Autos und erst recht des Radios in aller Munde ist: den Akkumulator, den Armstrong vor 100 Jahren erfunden hat. . . Was Armstrong erfand war eine Vorrichtung zur Speicherung mechanischer Arbeit, die auf starker Kompression atmosphärischer Luft beruhte und kleine Maschinen befähigte, plötzlich erforderliche große Leistungen zu bewältigen; ND 25.11.1949 Ob bei Elektrokarren, Elektroautos, bei Zugbeleuchtungen, Grubenlokomotiven oder im Post- und Fernmeldewesen, überall werden Akkumulatoren gebraucht; Süddtsch. Ztg. 18. 7.1953 Reinhold Meier ist seit ein paar Tagen dabei, wie alljährlich in Arosa den „Akkumulator aufzuladen"; Welt 22.7.1954 mit einer Akkumulatorenbatterie verbunden . ., die den Strom speichert, um ihn auch bei Nacht und bei schlechtem Wetter liefern zu können; 1967 Bild d. Wiss. I 66 Chemikern und
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Physikern des wissenschaftlichen Forschungslaboratoriums der Ford Company in Dearborn, Massachusetts, scheint die seit mindestens 50 Jahren überfällige Erfindung des leichten Akkumulators gelungen zu sein; Zeit 15.2.1985 .. produziert die Akkumulatorenfabrik Sonnenschein . . Bleibatterien, vor allem für Kraftfahrzeuge; MM 15.4.19X7 die Entwicklung neuer Akkumulatorentypen, die Verwertung der Gezeitenenergie und endlich die Erschließung der Wärmevorräte in den Tiefen der Erde. Akku: Distelbarth 1936 Frankreich 365 der automobilist . . probierte den starter, bis der akku leer war (DWB N.); Münch. N.N. 1.1.1944 es handelt sich dabei nicht um den elektrischen „Akku" — der ist. . erst 1860 von dem Franzosen Plante konstruiert worden; Hülsen 1947 Zwillings-Seele U 98 der Akkumulator des Radios ist erschöpft, er wird neu aufgeladen und morgen wieder abgeliefert, inzwischen ein Ersatz-Akku gestellt; ND 25.11.1949 entstehen Akkus am laufenden Band; MM 15.7.1987 Strom beginnt zu fließen, der über hauchzarte Drähte abgeleitet und in einem Akku gespeichert werden kann; Stern 27.7.1987 wenn Akkus und Batterien schwach auf der Brust sind; MM 30. 9.1987 In der Tat ist die kalte Jahreszeit für die meisten Akkus die entscheidende Prüfung; ebd. voll geladene Akkus; Köhlmeier 1988 Helden 171 Ich . . nahm das Gerät [Kassettenrecorder] heraus, legte eine Kassette ein und drückte auf den Aufnahmeknopf. Der Akku war geladen; 992 Tempo V 22 Viele Japaner verbringen bis zu 16 Stunden täglich mit Arbeit. . . Doch auch die fleißigsten Asiaten wissen: Irgendwann ist der Akku leer und die Kreativität erschöpft. akkumulativ: Dahlmann 1844 Engl. Rev. 193 der graf . . that dar . . daß die von seinen anklägern aufgestellte lehre des accumulativen verrathes ein unding sey (DWB N.); 1966 Kulturanthropologie 360 der als „akkumulativ" bezeichnete Aufbauprozeß; Brückner 1971 Protokolle o. S. Sowohl die Theorien als auch die Forschungstechniken innerhalb eines Faches ändern sich (oder sollten sich ändern) durch den akkumulativen Prozeß der intraund interdisziplinären Erfahrungsanreicherung; Hocke 1976 Tagebücher 396 ideologische Selbsterhöhung, akkumulative Erbauung; Zeit 2.5.1986 Nun wurde DDT das bekannteste Beispiel für weltweite, akkumulative Pestizidbelastung.
akkumulieren V. trans., selten auch als V. reflex., Mitte 16. Jh. entlehnt aus lat. accumulare 'anhäufen, auftürmen' (aus ad- 'hinzu, auf und cumulare 'häufen, türmen', zu cumulus 'Haufen, aufgetürmte Masse', vgl. kumulieren).
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akkumulieren
a Zunächst eher bildungsspr. in der allgemeinen Bed. 'etwas zusammentragen, anhäufen, ansammeln, auftürmen, speichern' (—»Akkumulation a), vorwiegend auf Abstraktes (wie Wissen, Erfahrung, Macht, Kraft u. ä.) bezogen, selten auf Konkretes (s. Beleg 1986). b Seit Mitte 19. Jh. unter Einfluß von gleichbed. engl. accumulate fachspr. in der Ökonomie für 'Kapital, Geld, Arbeit im Produktionsprozeß anhäufen, zusammentragen', speziell für 'Mehrwert in Kapital rückverwandeln' (Marx 1844), in verdeutlichenden Wendungen wie Geld akkumulieren, akkumulierte Arbeit, akkumuliertes Kapital (—* Akkumulation b). Dazu seit frühem 19. Jh. das gegenüber gleichbed. —» Akkumulation selten nachgewiesene Verbalsubst. Akkumulierung F. (-; -en), zunächst speziell für 'das Anhäufen' in bezug auf Kapital (zu b), im 20. Jh. vereinzelt auch allgemein für 'das Zusammentragen, Speichern, Sichanhäufen' (zu a). akkumulieren a: Schertlin v. Burtenbach 1547 Er. 237 vnnd mir mein gegenwurtige obligen .. vnd widerwertigkait durch solche . . suchung, aufzug vnd Verhinderung nit accumuliert noch beschwerlicher, jrriger vnd zweyfelhaftiger gemacht haben; 1618 Acta Publica l 340 derer vnß . . accumulirten Religions- vnd Gewißensbeschwerden; Sperander 1727 la mod Sprach 9 Accumuliren/ häuffen/ überhäuffen/ auf einen Haufen sammlen/ aufschütten; Kohl 1844 brit. Inseln I 173 so accumulieren sich keine . . Kräfte, die dem Ganzen nützen könnten; 1908 Zukunft LXHI 238 Im Eid ist ungeheure Wucht akkumulirt; 1920 Imago VI 3 daß auch diese stürmische Affektreaktion .. sich im Unbewußten akkumuliert; Th. Mann 1924 Zauberberg (W. Ill 665) daß in den Seelengründen eines jungen Menschen . . manches sich ansammelt, oder wie Hans Castorp, der Ingenieur, gesagt haben würde, akkumuliert; ders. 1926 Reden u. Aufs. (W. XI 11) Heiterkeit muß sich akkumulieren; Pieper 1953 Begriff 48 akkumulierende Kraft der fachlichen Erkenntnisse; Th. Mann 1954 Krull (W. VII 603) Es ist . . nicht viel anders als bei einem vielgesuchten Arzt, der immer mit seinen Ordinationen in wachsenden Rückstand gerät, weil die Verzögerungen sich akkumulieren und der Patient weit über die Stunde der Bestellung hinaus zu warten hat; FAZ 27.4.1971 Politische Gefahren glaubt er für die Zukunft zu erkennen, weil „sich . . ernste Probleme und Krisen akkumulieren"; Schwendter 1973 Subkultur 73 Wer eine Institution unterwandert, beabsichtigt, . . Schalthebel in die Hand zu bekommen, Macht zu akkumulieren; Sloterdijk 1983 Kritik 35 Hier wie dort akkumuliert sich in weltläufigen intelligenten Köpfen ein mondänes Wissen; Zeit 18.10.1985 scheinen sich die Qualitäten des Malers und des Graphikers zu akkumulieren zu Geschichten von selbstverständlicher Schicksalshaftigkeit; MM 16.11.1985 Ern-
ster zu nehmen ist schon die These, in drei Jahren könne das Rektorat nicht so viele Informationen akkumulieren, daß es die anstehenden Probleme lösen könnte; Zeit 16.5.1986 All die Jahre akkumulierter Erfahrung sind bei ihm nicht vom Alter ausgelöscht worden; ebd. 24.10.1986 Ebenso wie viele Heilkräuter haben auch Pilze eine außergewöhnliche Fähigkeit, Cäsium zu akkumulieren; Haubrichs 1988 Geschichte 313 Seit der Karolingerzeit ist bezeugt, wie der herrschaftstragende Reichsadel selbst Reliquienschätze ansammelt, Heil akkumuliert. Akkumulierung: FAZ 25.3.1970 Akkumulierung von Erfahrungen. akkumulieren b: Marx/Engels 1845 heil. Familie (MEW II 50) es gibt in ihm einen freien Arbeiter und ein akkumuliertes gesellschaftliches Kapital; Lenz 1922 Staat 24 Trägern des „akkumulierten Finanzkapitals"; ebd. 61 Ausfuhr akkumulierter Kapitalien; Brauer 1929 Sozialismus 45 akkumuliertes Kapital; 1932 Geopolitik IX 115 wäre ein Teil des neuakkumulierten Kapitals . . zur Erhöhung der Kaufkraft und Verringerung der Arbeitslosigkeit verwandt worden, die prosperity wäre weniger schnell zusammmengebrochen; Zeit 22.3.1985 gefragt ist .., welche Mittel akkumuliert werden müssen, um im Wettbewerb bestehen zu können. Akkumulierung : Müller 1817 Sehr. / 335 Accumulierung und Anlegung des Kapitals; Voss. Ztg. 6.1.1931 Die englische Presse beschuldigt Frankreich, durch seine Politik der Goldakkumulierung die internationale Wirtschaftskrise zu verschärfen; Stuttgarter Ztg. 14.11.1961 Akkumulierung von Dollars.
akkurat
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akkurat Adj., auch Adv., im späten 15. Jh. vereinzelt, seit spätem 16. Jh. kontinuierlich belegte Entlehnung aus lat. accuratus, Adv. accurate 'sorgfältig, genau' (Part. Perf. von accurare 'etwas mit Sorgfalt, genau ausführen, pünktlich besorgen, jmdn. mit Umsicht pflegen', einer Präfixbildung zu curare 'sich bekümmern, sorgen, pflegen', zu cura 'Sorgfalt, Fürsorge, Pflege', —> Kur), in neuester Zeit vereinzelt in der Schreibung akurat (s. Beleg 1990, s. u. Akuratesse}. a Zunächst vor allem in bezug auf Produkte in der Bed. 'mit Sorgfalt, sorgfältig, sehr ordentlich, sauber (angefertigt)', z. B. eine akkurate Stickerei, Auflistung, Handschrift, selten auch für 'exakt, genau, absolut', z. B. eine akkurate Harmonie (s. Belege 1716, 1725, vgl. b); schon seit Ende 17. Jh. zunehmend auch von Personen und bes. deren Art, etwas zu tun, in der (vom Lat. abweichenden) Bed. '(Pflichten, Arbeiten, Aufgaben o. ä.) gewissenhaft (ausführend), ordnungsliebend, beflissen, penibel' (vgl. akribisch, —> Akribie), z. B. eine akkurate Hausfrau, ein akkurater Buchhalter (s. Belege 1689, 1716, 1796). Von Anfang an häufig adv. verwendet, z. B. in Wendungen wie akkurat arbeiten, eine mathematische Aufgabe akkurat lösen, akkurat gekleidet sein (s. Belege 1481, 1673, 1980). Dazu seit Anfang 18. Jh. das eventuell unter Einfluß von gleichbed. ital. accuratezza aufgekommene, zunächst auch mit entsprechender Endung bezeugte, seit frühem 18. Jh. aber nur noch in der französisierenden Form nachgewiesene Subst. Akkuratesse F. (-; selten -n), im 20. Jh. vereinzelt auch Akuratesse (s. Beleg 1968, s.o. akurat), eher bildungsspr. in der Bed. 'Sorgfalt, Ordnungsliebe, Beflissenheit, Präzision', z. B. mit peinlicher, höchster Akkuratesse (—» Akribie); vereinzelt die subst. Gelegenheitsableitungen Überakkuratist 'jmd., der übermäßig, übertrieben akkurat ist' (Ende 18. Jh.) und Akkuratheit F. (-; ohne Pl.) 'das Akkuratsein, die Genauigkeit' (Mitte 20. Jh.). b Seit späterem 17. Jh. als Adv. in der allein im Deutschen entwickelten Bed. 'genau (so), gerade (so), ganz und gar (so)', z. B. akkurat auf die Minute, akkurat so laufen wie ein Pinguin, überwiegend ugs., teilweise mit mundartlichen Nebenformen (s. Belege 1787, 1950), heute bes. in der festen Wendung es ist akkurat so 'genauso ist es akkurat a: Melker 1481 Voc. o. S. Accurate . . flizziglich mit grosser kunst vnd flisz; 1587 Faustbuch 13 In seinen Calendern fände man alle Jahr ein neues Werck, welches in der Witterung sonderlich accurat; Leibniz 1668—76 Briefw. l 51 durch nützliche specima, accurate catalogos . . die gemüther zu encouragiren; Weise 1673 Erznarren 7 Nun war gedachtes Verzeichniß so accurat eingerichtet, daß fast nicht ein Balcken vergessen war; 1684 Curiös Staatsgespr. 4a Er würde accurater reden, so er sagete, dass der König ein Mann ist, der sein Wort hält; Tentzel 1689 Unterredungen 251 ein Setzer, er möchte auch so accurat sein, als er immer könnte; Thomasius 1691 Vernunftlehre 11 109 diese accurate Methode; 1705 Auserlesene Anm. 11 90 daß z. E. die Holländischen Kupffer-Stecher alle einerley Schrifft machen/ so accurat/ als ob sie gedruckt wäre; Vischer 1709 Informator 139 mit recht säubern und accuraten Kupffern; Marperger 1716
Küch- u. Keller-Dict. 4156 eine accurate HaußMutter erlernet insonderheit fleißig das Stadt- und Lands-Gewichte/ weil in denen Koch-Büchern viel nach dem Gewichte zu verfertigen vorgeschrieben wird; 1716 neuaufgest. Fama 9 eine accurate und vollkomene Gleichheit; 3725 Badische Gymnasiums-Ordn. M. P. G. XXIV 395 in accurater harmonie (NYSTRÖM); Weißbach 1732 Kur 136 aus der accuraten beobachtung der zeit und stunden; Glafey 1736 Anleitung 86 von accuraten Leuten; 1741 Begebenheiten 88 einen so weitläufigen und accuraten Bericht; Eberhard 1765 Kriegsbaukunst Vorr. 3b Ein sauberer und accurater Ris macht . . das Wesen eines Ingenieurs nicht aus; Goethe 1795-96 Lehrjahre (HA VII 445) da lag das Brennholz so akkurat gesägt, gespalten und geschränkt, als wenn es ein Teil des Gebäudes wäre und immer so liegenbleiben sollte; Schiller 1796 Br. V 72 Die Paketierung geschieht in meinem Hause
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akkurat
durch einen sehr accuraten Menschen; Kortum 1799 Jobsiade 244 Die vornehmsten [in einem Atlaswerk] . . verzeichneten Länder/ Haben zierlich und accurat punktierte Ränder; Goethe 1808 Faust l 3114 muß kochen, fegen, stricken/ Und nähn, und laufen früh und spat/ Und meine Mutter ist in allen Stücken/ So akkurat (GWB); Villers 1871 Er. e. Unbekannten 1115 die Wohnung ist äußerst sauber, alles sehr akkurat und elegant; Goltz 1888 Paradoxen 7 gleichmässig und accurat; Zapp 1896 Offizierstöchter I 78 Ja, ein paar Mal hatte man ihr die Arbeit überhaupt nicht bezahlt, da die Stikkerei nicht akkurat genug gewesen; Th. Mann 1909 Hoheit (W. II 106) mit Hilfe des Kammerlakaien Neumann, eines stillen und akkuraten Menschen; Brandl 1936 Inn 253 den akkuraten Herrn aus der Biedermeierzeit; Th. Mann 1954 Krull (W. VII 480) äußerst akkurat gekleidet; Welt 28.9.1964 Zierlich und akkurat setzten die Ballerinen die Füße; Strauß 1980 Rumor 232 Unverzüglich steht der Vater auf und beginnt, . . die Kleidungsstücke zu ordnen und akkurat in den Schrank zu hängen oder zu legen; Zeit 29.3.1985 Das hat ihn fasziniert: spielerisch etwas entwerfen und dann akkurat ausführen, die Mischung aus bunter Kreativität und sauberster Ordnung; ebd. dieses akkurat und schön gemachte Buch; ebd. Es hat allerdings auch Langhoffs Inszeniereung den Charakter (und den Charme) einer peniblen Rechnung: etwas Trist-Krämerisches liegt wie ein grauer Schatten über all den sorgfältig bedachten, wunderbar akkurat einstudierten Szenen; Stern 1986 Erinn. 186 in dieser Zucht- und Korrektionsanstalt ziehen Männer Fäden .. kleben Tüten und auch Briefumschläge — akkurat: einen nach dem ändern; Zeit 8.8.1986 hier zeigt sich Dada mit akkurat geschnittenen Papierbildern; MM 28.8.1988 Die Originale sind um so verführerischer, als sie durch feine Unregelmäßigkeiten bezaubern — hier durch eine nicht akkurat gezogene Fuge, dort durch den kaum merklich gekrümmten Fuß eines Pfeilers; Zeitmagazin 26.10.1990 Damen sitzen akurat und prall in Strumpfhosen, steife Herren bewegen akurate Damen über die Tanzfläche; Hang 1990 Weh dem 8 Viermal zwölf Fenster, akkurat neben- und übereinander geordnet, gliedern die mächtige Vorderfront in einen Flächenaufriß aus lauter Rechtecken; 1990 Elle X 192 Für einen extrem niedrigen Lohn versehen die Stickerinnen meterlange Stoffbahnen akkurat mit winzigen Glasperlen. Akkuratesse: Sturm 1702 Arch. mil. 14 Sie untersuchen die Dinge mit wundersamer accuratezze; 1704 Auserlesene Anm. I 140 Niedersächsisches Chronicon . ., welches dem angeführten Mainischen Sachsen-Chronico so wohl am Alterthum als
auch an accuratesse und Vollkommenheit gar weit überlegen ist; 1708 Leopold d. Gr. 1114 der Kayser hat allzeit darinnen eine solche accuratesse spüren lassen; Berckenmeyer 1712 Antiquarius 2a daß man von allen und jeden Dingen unmöglich eine untriegliche Accuratesse im Berichten versprechen könne; Marperger 1712 Naturlex. 750 in solchen Arbeiten, die nicht eine allzu große accuratezza bedürffen; Rohr 1718 Staatsklugheit 51 es werden auch dadurch die Räthe in Collegiis zu einem mehrern Fleiß und Accuratesse in ihren Aemtern angetrieben; Wegelin 1719 Wechsel-Recht 87 accuratezza; Gessner 1743 Lehr-Junge Von. b 4a Lass dich ferner die Gottseeligkeit zum unermüdeten Fleisse, Treue . . und Accuratesse antreiben; Michaelis 1773 Raissonement 278 Accuratesse in der Arbeit; Laukhard 1792 Leben II 251 diese grosse Kunst [des Exerzierens], welche hauptsächlich in der gleichmäßgen Fertigkeit und Akkuratesse besteht; ders. 1797 Leben IV 2,308 der Fleiss, die Akkuratesse und die Gelehrsamkeit der Theologen; Gotter 1802 Nachlass 128 Anlage zur Akkuratesse hab' ich, und Akkuratesse fängt bei Kleinigkeiten an; Goethe 1829 Italien. Reise (HA XI 231) Mein Künstler, den ich bei mir hatte, ist ein munterer, treuer, guter Mensch, der mit der größten Akkuratesse zeichnet; Gutzkow 1838 Blasedow I 100 sie wählt den Solidesten; gut, das ist dann ein Duckmäuser, ein Accuratessenmeister; Eckstein 1889 Camilla 218 An dem eisernen Gitterthor Numero 12a parirte der Kutscher mit der schneidigen Accuratesse eines ehemaligen Kavalleristen; Th. Mann 1901 Buddenbrooks (W. I 117) mit Akkuratesse in blaugraues Tuch gekleidet; Langwarth v. Simmern 1906 Engl. Nationalcharakter 13 Die deutsche Akkuratesse ist dem Engländer unbekannt. Man weiss in den Städten häufig nicht, an wen man sich wenden soll, wenn es irgendwo an Ordnung und Reinlichkeit fehlt; Hauptmann 1918 Ketzer V 527 Francesco . . mit seinem gewissenhaften, äusseren und inneren Ordnungssinn und seinem Bedürfnis nach übersichtlicher Akkuratesse und Sauberkeit; Dtsch. AZ. 2.2.1935 Den Solopart in Schumanns Klavierkonzert spielte Wilhelm Backhaus — auch er mit großer Kraft und der überlegenen technischen Akkuratesse, die ihn auszeichnen; NZ. (Basel) 28.4.1941 Aquarelle . ., in denen sich graphische Akkuratesse mit einem stark dekorativen Ausdrucksbedürfnis, und phantasievolle Erfindung mit kritisch messender Anschauung verbinden; Th. Mann 1947 Faustus (W. VI 435) Die Akkuratesse, mit der sie seinem Hauswesen vorstand, seine Empfänge vorbereitete, war schon mehr leidende Pedanterie zu nennen — und das unter ökonomischen Umständen, die die Aufrechterhaltung bürgerlicher Korrektheit von Jahr zu Jahr mehr erschwerten; Simpson 1951 Enkel 26 . . faltete mit
akquirieren peinlicher Akkuratesse ihre Serviette; Stuttgarter Ztg. 2.6.1968 daß . . einige Berichte des Wehrbeauftragten nicht mit der nötigen Klarheit und Akuratesse behandelt worden seien; MM 14.5.1987 Überaus elegant und mit behutsamer Akkuratesse streichelte Anne-Sophie Mutter die virtuosen Partien des Mozart-Konzerts aus dem Instrument; Lukoschik 1990 In u. Out 55 mit der peinlichen Accuratesse englischer Schneiderzunft. (Über-)Akkuratist: Berenhorst 1798 Kriegskunst II 191 Man grübelte und künstelte über alle glaubliche Beschreibung, und stieg bis zu den letzten Haarfeinigkeiten. Einige Ueberakkuratisten suchten die längst verworfne Aushülfe, den Exerzierplatz mit Linien zu bezeichnen. Akkuratheit: Bergengruen 1950 Tempelchen 44 Aber freilich, ich hatte damals ja für nichts Sinn als für diese alberne Brücke, aus der ich ein Wunderwerk an Akkuratheit und gutem Bau machen wollte, als ob das nun eine Wichtigkeit gewesen wäre. akkurat b: Weise 1673 Erznarren 136 Setzt immer dieses Final darzu, ob es gleich nicht accurat eintrifft, was bey den Lateinern Dixi geheissen hat; Reuter 1696 Schelmuffsky 49 und alles auch so accurat eintraff; 171« abentheuerl. Welt III 19 Wann ihr so accurat in schneller Eil nicht wisst; Fleischer 1730 Herr v. Lydio I 147 und ist heute accurat der sechste Tag; Griesbach 1756 Von d. Fingern 266 wie man spricht: accurat, auf ein Haar, auf den
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Nagel gerecht; Goethe 1776 Br. (WA IV 3,119) Akkurat 20 Minuten brauch ich von Ihrer Stube in meine; Müller 1787 Emmerich l 2,176 der Junge schlägt ackerat meinem Bruder Niklas nach!; Schall 1824 Kinderspiel 304 Sie sehen also, wie Sie sich auch in dem Major geirrt haben. — Akkurat wie in Dir; Bauer 1828 Maluff 126 ich bin, weiss Gott, vollkommen wiederhergestellt, ohne Fehl und Schaden, akkurat wie vor der Schlacht; Schmid 1869 Habermeister (Ndr.) 16 Der Sechser von dem armen Menschen ist akkurat so viel wert, als der von jemand anderen; Croissant-Rust 1896 Feierabend 84 Siehgst, so hat er ausg'schaut . . akrat a so wia der; Stemplinger 1905 Horaz 39 Akkrat so guat g'fallt mir der Sepp; Jegerlehner 1919 Bergluft 49 ich sag's akkurat, wie es meine Mutter und auch der Vater oft berichtet haben; Brey 1924 Kreuzhof 82 [sie ist] akkrat wie ich!; Greinz 1930 Golgatha d. Ehe 144 „Akkurat so lustig sind wir damals auch beisammen gewesen"; Th. Mann 1933-1943 Joseph (W. /V/V 1317) also daß sich mir auf akkurat dieselbe Weise die Eingeweide aufhoben vor Freude bei ihrem Anblick; Süddtsch. Ztg. 10.11.1950 Agrat da, wo de neue Straß' ang'legt is, war der grosse Tanzsaal und de Restauration; Münch. Stadtanz. 13.6.1952 aber a Motor is akkrat so g'scheit oder so bleed wia der, wo'n fahrt; Waiser 1962 Gehülfe 107 akkurat wie eine Baronin, sagte er lachend; Pinkwart 1963 Mord 40 Nehmen wir an, Herr Neuberg wäre akkurat in diesem Augenblick gestorben; Welt 7.10.1974 jede einzelne Szene und jeder Protagonist sind akkurat so ausstaffiert, wie es das dramatische Klima gerade erfordert.
akquirieren V. trans., selten auch reflex, (s. Beleg 1847), im späten 16. Jh. (ROT) entlehnt aus lat. acquirere 'dazu erwerben, gewinnen, verschaffen' (aus ad- '(hin)zu' und quaerere 'zu erwerben suchen, erwerben, gewinnen, sich verschaffen, verdienen', —> requirieren), im 19. Jh. vereinzelt in der Nebenform adquirieren (s. Beleg 1811). a Zunächst vor allem in bezug auf Sachwerte in der Bed. 'etwas hinzuerwerben, erlangen, erhalten, hinzugewinnen, anschaffen, aufkaufen, in Besitz nehmen', z. B. ein Buch, Wohnräume akquirieren, dabei selten mit negativer Wertung verwendet für 'sich etwas (widerrechtlich) aneignen, einverleiben', z. B. Spendengelder, ein Land akquirieren; vereinzelt auch von Abstrakta, z. B. Weisheit akquirieren (s. Beleg 1787). Seit Ende 18. Jh. (s. Belege 1792, 1816, 1898) auch auf Personen bezogen in der Bed. 'jmdn. für eine Sache, Tätigkeit gewinnen, in den Dienst nehmen' (—* Akquisition a.) Dazu im frühen 19. Jh. vereinzelt das Verbalsubst. Akquirierung 'das Erwerben; der Erwerb'. b Im 20. Jh. selten speziell in der Wirtschaft in der Bed. 'ein-, anwerben', bes. in Wendungen wie Aufträge, Kunden, Anzeigen akquirieren (—»· Akquisition b).
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akquirieren a: Rot 1571 Diet. 286 Acquiring vberkommen/ erlangen/ zuwegen bringen/ gewinnen; Purttenbach 1627 Halinitro-Pyrobolia Vorr. nicht aus den Büchern/ hinder dem eingewärmten Ofen .. Sondern mit eygner Experientz in namhafften Feldzügen vor der Faust acquirirt; Thomasius 1688 Monats-Gespräche l 461 im übrigen sich eine gute notitiam von denen Autoribus, derer Schriften Hände und Füsse haben/ acquiriren; Marperger 1717 Beschr. d. Banken 19 da. hingegen eine schöne Gelegenheit, dieses oder jenes zu acquiriren aus den Händen gelassen werden muß; 1718 Fama LXI/LXI1 74 Es hätte das Jus civile den Schatz dem Fisco vindiciren, oder auch den Armen acquiriren können; Göiz v. Berlichingen 1731 Lebensbeschr. 39 Ist eine Schwäbische dem Ertz-Hauß Oesterreich zugehörige Herrschaft, so Kayser Maximilianus I. titulo oneroso acquirirt; Boltz 1752 AmtsActuarius 141 meiner in der Feder acquirirten Experientz; 1787 Journal d. Moden II 119 doktoralische Weisheit akquiriert; Laukhard 1792 Leben I 107 eine geheime Giessener Studenten-Gesellschaft . ., die nun glaubte, ein sehr respektables Mitglied in meiner Person zu akquirieren; Kortutn 1799 jobsiade 202 Esther hätte zwar extra was können acquiriren/ Denn viele junge Herren suchten sie zu verführen/ Allein wir kamen damit nicht weit/ In dieser so hoch schwer theuern Zeit; 1811 Nachrichten Schulwesen i. Bayern 17 in den neu-adquirirten Landen; 1814 Sachsens Verwüstung 7 Man trieb Menschen nicht allein aus dem ganzen alten Frankreich zusammen, sondern mit jedem neu acquirirten, einverleibten, gewaltsam weggenommenen Landstriche; Goethe 1816 Er. (WA IV 56,214) wegen des Orientalisten . . wünschte, daß . . eine angenehme Persönlichkeit . . akquiriert würde; Weiller 1825 Bericht 155 Einbinden der neu acquirirten Werke; Goethe 1829 Zweiter röm. Aufenthalt (HA XI 529) Der Fürst Doria hat sie [Raffaels Villa] akquiriert; Goltz 1847 Buch d. Kindheit 135 und somit auch alle regelmäßigen und ordent-
lichen Wege, auf denen heute jeder noch so kleine Junge sich das zu acquirieren weiß; 1849 Hofdamen-Br. 256 welche grosse, einträgliche Besitzung sie akquiriert haben; Mahler 1864 Ueber die Eider 103 Herr W, der hinter uns pilgerte, hatte sich meuchlings eine von den in Arnis acquirirten Cigarren angezündet; Röntgen 1898 Er. a. Zehnder 69 er wollte meinen assistenten dr. Stern für sein geschäft in Paris eventuell akquirieren (DWB N.); Th. Mann 1947 Faustus (W. VI 11) selbst dann nicht, wenn es sich um lauteres und genuines, von Gott geschenktes oder auch verhängtes Genie handelt und nicht um ein akquiriertes und verderbliches, um den sünd- und krankhaften Brand natürlicher Gaben, die Ausübung eines gräßlichen Kaufvertrages; Zeit 28.12.1984 „Das Handwerk jedenfalls", resümiert der Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft in Ludwigshafen, Werner Braun, „ist nicht in der Lage, größere Objekte zu akquirieren"; ebd. 18.1.1985 Strafbar können sich jedoch nur die Empfänger gemacht haben, welche die [Partei]Spenden zuvor selber akquiriert und aus steuerlichen Gründen über die Fördergesellschaft geleitet hatten; MM 2. 7.1986 Darüber hinaus will die FDP Ausbildungsplätze in der Wirtschaft akquirieren; Spiegel 9.7.1990 Die Aktivisten . . zogen schon im März los, um Büroflächen . . zu akquirieren. Akquirierung: Herder 1822 (Herder-Jahrb. 5) Ich sammelte mir hiezu in Frankreich . . die erforderlichen Vorkenntnisse durch üekannschaften mit Künstlern und Acquirirung von Studien. akquirieren b: Baur 1956 Schriftspr. i. Ost. 72 als etwas angestaubt gelten heute auch in Österreich die Wendungen „künden akquirieren" (DWB N.); Zeit 8. 2.1985 So akquirierte sie im letzten Quartal 1984 statt der erhofften 100 nur noch durchschnittlich 462 Anträge auf Kabel-Anschluß für die neuen Programme im Monat.
Akquisition F. (-; -en), seit spätem 15. Jh. selten, seit dem 17. Jh. kontinuierlich nachgewiesene Entlehnung aus flekt. Form von gleichbed. lat. acquisitio (zu acquirere, —> akquirieren, —> Requisition). a Zunächst auf Sachwerte bezogen in der Bed. 'Erwerbung, Erlangung, Zugewinn, Zuwachs', auch 'das Erworbene selbst, Anschaffung, Errungenschaft' (s. u. Akquisitum), bes. im Bereich des Kunsthandels und Bibliothekswesens in bezug auf Kunstwerke und Bücher, im Bereich der Politik auf Länder (s. Belege 1783, 1844); seit späterem 18. Jh. zunehmend auch auf Personen bezogen, anfangs bes. im Bereich der Universität und des Theaters (s. Belege 1769, 1788, 1798), dann auch allgemeiner für 'Gewinnung, Anwerbung jmds. für eine Tätigkeit, ein Amt, Neuerwerbung eines Mitarbeiters', auch als Bezeichnung für die angeworbene Person selbst, bes. in Wen-
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düngen wie für eine Firma eine günstige Akquisition sein, in/an jmdm. eine gute, erfreuliche Akquisition machen. b Seit früherem 20. Jh. speziell in der Wirtschaft in der Bed. 'Kunden-, Anzeigenwerbung'. Dazu im 18. Jh. selten das aus gleichbed. lat. acquisitum (subst. Part. Perf. N. von acquirere, —» akquirieren) entlehnte Subst. Akquisitum N. (Akquisiti; Akquisita) 'Hinzuerworbenes, in den Besitz Übergegangenes, neu erworbenes Eigentum' (zu a); das im 19. Jh. nur vereinzelt belegte, bis ins frühere 20. Jh. gebuchte, auf gleichbed. lat. acquisitivus zurückgehende Adj. akquisitiv 'dem Erwerb dienlich, den Erwerb betreffend, erworben' (zu a). Speziell in der Wirtschaft die vom früheren 19. Jh. (1838 bei Heyse) bis ins frühere 20. Jh. (1933 bei Genius) nur gebuchte, auf lat. akquisitor 'Erwerber' zurückgehende Berufsbezeichnung Akquisitor M. (-s; -en), dafür seit Ende 19. Jh. die französisierende Neubildung Akquisiteur M. (-s; -e) 'Kunden-, Anzeigenwerber, Werbevertreter', bes. in der Zs. Annoncenakquisiteur 'jmd., der Annoncen für eine Zeitung einwirbt' (zu b); in neuerer Zeit das seltene Adj. akquisitorisch 'den Akquisitor betreffend, auf Akquisition beruhend, zu ihr gehörend' (zu b). Akquisition a: Melber 1481 Voc. o. S. Acquisitio/ . . daz zu gefallen ist. vber kummen ist; Rot 1571 Diet. 286 Acquisition erlangung/ gewin/ vberkommung; 1626 Theatrum Amoris 386 anlangend die acquisition der hertzen vnd guter affection der menschen (DWB N.); Elis. Charl. 1709 Er. II 71 aber die faulheit undt unhofflichkeit seindt neue acquisitionen, so sie woll unterlaßen können undt waß beßers davor lehrnen; Sperander 1727 A la mod Sprach 9 Acquisition, Erkauffung/ Erwerbung; Ramler 1753 Br. a. Gleim H 50 daß ich mich über ihre neue Acquisition ungemein freue; 1769 Hallische gel. Ztg. 536 Herr Magister Schirach ist als Professor Philosophiae nach Helmstadt berufen worden, zu welcher Acquisition wir der Universität nicht anders als Glück wünschen können; 1783 Berlin. Monatsschr. I 127 die Acquisition der Lausitz; Joseph U 1787 Br. 106 Vortheile, welche Russland aus der Acquisition dieser Provinz hat; Goethe 1788 Sehr. z. Kunst (HA XII 193) indem .. Geldmangel dem König dergleichen Akquisitionen untersagte; ders. 1788 Br. (WA IV 9,65) ob man selbigen nicht in Jena fixieren könne. . . der Gedancke ist durchgängig gebilligt worden, besonders da diese Acquisition ohne Aufwand zu machen ist; Iffland 1798 Theatral. Laufbahn 57 Nach dem Tode von Karolina Beck machte diese Bühne die unschätzbare Akquisition der Demoiselle Witthöft; Heinzmann 1800 Fruehst. Beil. 95 die politischen Ereignisse haben nur noch vollendet und in Ausführung gebracht, wovon der Stoff seit einem halben Jahrhundert, durch zahllose Geistes-Aquisitionen zubereitet worden; Niemeyer 1801 Paedagogik 79 Ausserdem hat die Anstalt eine doppelte schätzbare Acquisition in zweyen Lehrern der Ma-
thematik gemacht; Goethe 1813 Br. (WA IV 23,293) Die neuen Akquisitionen [von Mineralien] sind schön und bedeutend; Droste u. Schücking 1844 Briefw. 252 [Annette von Droste-Hülshoff] sei eben für seinen [des Verlegers Cotta] Geldbeutel eine miserable Acquisition; Kohl 1844 brit. Inseln I 341 fast jede neue Thronrede des englischen Souveräns verkündigt eine neue Acquisition [von Land]; Großmann 1847 Gesellschaft 180 daß eine reiche Frau für einen armen Lieutenant eine schätzenswerthe Acquisition sein dürfte; Ranke 1877 Erhebung Preussens 108 die Macht . . durch Akquisition in Norddeutschland verstärkt; Burckhardt 1884 Br. a. Alioth 231 Akquisition kunsthistorischer Vorzeigeblätter; Böhme 1905 Tagebuch 188 Sie weiß auch fesselnd und unterhaltend zu erzählen, aber für mich ist sie doch nicht die richtige Akquisition; Gumppenberg 1929 Lebenserinn. 231 galt ich der Firma . . für eine sehr günstige Acquisition; Th. Mann 1930 Reden u. Aufs. (W. XI 119) Später besaß sie Gift ..: eine phantastisch-spielerische Akquisition wohl auch dies; MM 15.5.1985 Der deal in den Vereinigten Staaten, mit dem sich der Chemieriese die ImontGruppe einverleibt hat, ist nach Angaben eines BASF-Sprechers die größte Akquisition in der Firmengeschichte des Konzerns; ebd. 23.4.1986 Mit dem Erwerb von Triumph-Adler setzte Olivetti seine langfristige gezielte Akquisitionspolitik weiter fort; Süddtsch. Ztg. 12.113.12.1992 [der] dann noch ja zur kostspieligen Unternehmensakquisition sagte. akquisitiv: Schmalz 1818 Privatrecht 121 Akquisitive Erbverträge sind endlich solche, wodurch Je-
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mand ein Erbrecht erst erwirbt, welches er sonst nicht hat. Akquisitum: Marsellus 1741 Kriegs-Staat 57 wie man es mit dem acquisito halten könte; Schulze 1771 Hausgesetze I 296 Unsere eigene nova Acquisita sowol Mobilia als Immobila frey . . disponiren. Akquisition b: Gabelentz 1930 in: Dt. Berufskunde 220 der außendienst bringt drei getrennte aufgaben: akquisition, Verwaltung des Versicherungsbestandes . . und Schadensregulierung (DWB N.); Stuttgarter Ztg. 30.5.1969 Dabei konstatierte die Verwaltung eine wachsende Inlandsnachfrage, die mit den Ergebnissen der forcierten Auslandsakquisition zusammentraf; Zeit 18.1.1985 Der Widerspruch zwischen Innen- und Außenwelt der Spendenvereine machte die Akquisition neuer Mitglieder zu einem Balanceakt zwischen Werbung und Täuschung; MM 10. 9.1985 Der für die Akquisition eingestellte Kaufmann bemühte sich nicht nur bei Krankenhäusern in der Region . ., er schrieb auch Firmen und Heime an; ebd. 22.10.1986 Deshalb lag nahe, den strafrechtlichen Schutz in den Zeitraum vorzuverlegen, in dem die Akquisition von Kapitalanlegern beginnt; ebd. 3.1.1987 RTL plus hatte bisher gegenüber SAT l den Vorteil eines durch den Hörfunk eingespielten Teams bei der Werbeakquisition; ebd. 21.1.1988 Insbesondere solle auch „in partnerschaftlicher Zusammenarbeit mit den Sparkassen" die Kundenakquisition und Kundenbetreuung weiter intensiviert werden. Akquisiteur: Eitzen 1894 Handelsprache 4 Acquisiteur 'Kundenwerber, Stadtreisender' (SCHIRMER, Kaufmannssprache); Nelken 1926 Bewachungsgewerbe 405 Erfolgreiche Akquisiteure gehören zu den Seltenheiten; Welt 17.6.1954 Füh-
rendes internationales Speditionsunternehmen sucht befähigten Sammelladungsakquisiteur für interessante, selbständige Tätigkeit (Anzeige); FAZ 19.10.1967 Ich bin Außenhandelskaufmann AfW und Betriebswirt BWA . . mit allen Exportfragen bestens vertraut und zur Zeit in ungekündigter Stellung als erfolgreicher Auslandsakquisiteur im Anlagenexport (Anzeige); Zeit 30.8.1985 betreffen den allgemeinen Parteispenden-Skandal in der Person zweier prominenter Akquisiteure — Friedrichs und Lambsdorff hatten vor ihrer Ministerzeit Spenden für die FDP gesammelt - und ihres besonderen Gönners Brauchitsch; ebd. 25.4.1986 Zwar hat die Gemeinschaft mit ihrer Venedig-Resolution von 1980 schon einmal einen Rahmen zur Befriedigung der krisengeschüttelten Region abgesteckt, aber seither sind die Emissäre aus den europäischen Hauptstädten dort weniger als Friedensstifter denn als Handelsvertreter und Akquisiteure für Waffenbestellungen aufgetreten; ebd. 16.5. 1986 obwohl er andererseits oft genug mit seiner Frau als Anzeigenakquisiteur auf Reisen ging — „Klinken putzen", wie er sagte; dafür war er sich nie zu schade; MM 25726.4.1992 Als eines der führenden Unternehmen der Automatisierungstechnik suchen wir einen Akquisiteur. Zu Ihren Aufgaben gehört der Vertrieb von Automatisierungsgeräten und -Systemen; Sie erkennen und verfolgen die vielfältigen Kundenanforderungen (Anzeige). akquisitorisch: Welt 14.7.1954 Derselbe soll unsere verschiedenen Auslandsvertretungen technisch und akquisitorisch unterstützen (Anzeige); Büschgen 1971 Universalbankensystem 44 Die Parole „alles unter einem Dach" hat für die Universalbank akquisitorische Bedeutung, ermöglicht jedoch auch „Sortimentskalkulation" mit rentabilitätsausgleichenden . , Effekten.
Akribie F. (-; ohne Pl.), im frühen 18. Jh. vereinzelt, erst seit dem 19. Jh. häufiger nachgewiesene Entlehnung aus gleichbed. kirchenlat. acribia (< gleichbed. griech. , zu 'genau, sorgfältig'), anfangs vereinzelt in der lat. (fielet.) Form und im 19. Jh. selten auch in der griech. Schreibform. Eher bildungsspr. verwendet in der Bed. 'peinliche Genauigkeit, äußerste Sorgfalt, Gründlichkeit', bes. auf die Aus- und Durchführung wissenschaftlicher oder künstlerischer Arbeiten bezogen, auch allgemeiner verwendet, meist positiv konnotiert mit „gewissenhaft", „zuverlässig", „systematisch", „korrekt", aber auch negativ mit „pedantisch", „detailsüchtig", „umständlich", vereinzelt gleichbed. mit Akkuratesse (—> akkurat), Exaktheit (—»· exakt); häufig in Wendungen wie wissenschaftliche, philologische Akribie; etwas mit höchster, größter, peinlicher Akribie durchführen, untersuchen; die Akribie des Forschers, Wissenschaftlers.
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Dazu in neuerer Zeit die adj. Ableitung akribisch 'äußerst sorgfältig, gründlich; peinlich genau, mit Akribie (ausgeführt)', bes. in Wendungen wie akribische Sorgfalt, Ordnung, Fein-, Detailarbeit; etwas akribisch erforschen, aufzeigen, erläutern, prüfen, mit den schon im früheren 20. Jh. vereinzelt nachgewiesenen Nebenformen akrib und akribistisch. Akribie: Sturm 1717 Mathesis 55b Es vermehret auch die Schönheit derer Glieder, . . wenn sie mit Fleiß nach dem Winckelmaaß, Linial und Circkul ausgearbeitet sind. . . Und solches nennet man Acribiam; Humboldt 1829 a. Schlegel (Briefw. 224) Jene Methode ist für praktische Zwecke, wo man nur mit einer Sprache zu thun hat, und es auf keine wissenschaftliche akribeia ankommt, gewiss sehr brauchbar; Haym 1850 Nationalvers. Ill 190 ein Mann ohne Akribie der Principien; 1853 Prutz'Museum II 248 den mit peinlicher Akribie verfassten Anmerkungen; 1871 ZfdPhil. Ill 226 philologische Akribie; E. v.Hartmann 1876 Ges. Stud. 563 von der ameisenartig kribbelnden Akribie und der scheinbar systematischen Schematik angeheimelt; Schmidt 1886 Charakteristiken l 118 Extravaganzen „philologischer Akribie" oder Kärrnerarbeiten, die . . nur dem Vergnügen des Karrens dienen, sind u n s . . ärgerlich; 1895 (Bonjour 1956 Schwiz i 437) Winkelmann - nach Geizers Ansicht ein außerordentlich peinlicher, auf und Methode das größte Gewicht legender Forscher; Suolahti 1901 frz. Einfluß XII. Jh. 6 die acribie in der Arbeit; Th. Mann 1909 Hoheit (W. II 48) Herr von Bühl .., ein höfischer Ritualist von höchster Umsicht und Akribie; ders. 1910 Reden u. Aufs. (W. XI 570) daß die Detailmenge, die zu arrangieren ich mich nicht verdrießen ließ, daß die Akribie eines Schriftstellers, der durch die naturalistische Schule gegangen ist, über die innere Natur des Buches täuschen konnte; 1911 Grenzboten II 273 Arbeit „voll gelehrter Akribie"; Wätzold 1921 Kunsthistoriker I 303 Die Akribie dieser Forschungen; Feuchtwanger 1930 Erfolg I 34 tapfere Verse . ., den gegner mit photographischer akribie treffend (DWB N.); 1931 HZ CXLIV 549 [die] Akribie der Grabung; LokalArn. 26.8.1934 Die Beweisaufnahme hat sich mit der peinlichen Akribie vollzogen, wie sie notwendig ist in Prozessen um die Echtheit von Urkunden; Th. Mann 1945 Reden u. Aufs. (W. XII 443) die wissenschaftliche Akribie und ärztlich pflegsame Gewissenhaftigkeit; Stuttgarter Ztg. 9.4.1959 das merkt man an der Akribie und Zuverlässigkeit, mit der die Fülle des Materials geordnet . . ist; Offenburger Tagebl. 9.4.1960 ob es noch andere Institutionen gebe, die mit ähnlicher „wissenschaftlicher Akribie" Anleitungen für Putzfrauen verfassen; Partner 1964 Erben 181 in dem [Buch] er mit höchster Akribie die Schenkungsurkunden des Bistums zusammenstellte; ebd. 298 mit der Akribie eines
preußischen Beamten suchte er . . nach dem verschollenen Grabe Karls des Großen; Süddtsch. Ztg. 11.11.1968 Mit Akribie führten die Mörder über ihre Opfer Buch; Welt 6.1.1969 der mit buchhalterischer Akribie formulierte Vorwurf; Stuttgarter Ztg. 17.4.1969 Dieses Neben- und Miteinander von äußerster Akribie im Formaufbau, von Exaktheit in der Befolgung der Zeichen der Partitur; Hocke 1976 Tagebücher 320 Aus so manchem Tagebuch . . kann man die Intensität . . des dichterischen . . Schaffens ermessen, auch im Sinne der Akribie; gleichsam des Käfersammlers und Sprachforschers. Genauigkeit und Gründlichkeit . . begegnet uns in . . noblem Sinne; Zeit 18.10.1985 Reinlichkeit, Akribie bei der Keimtötung . . sind oberstes Gebot bei Betrieb . . von Klimaanlagen; ebd. 15.11.1985 angetrieben von jener Akribie im Detail, die . . all ihre Stücke kennzeichnet; ebd. er eröffnet dem Leser sein Thema mit nüchterner Akribie; ebd. 27.12.1986 daß der Vorsitzende Richter . . Manthei, ohnehin die Akribie und Korrektheit in Person, doppelt vorsichtig ist; ebd. 10.4.2987 der . . rhapsodisch-folklorische Charakter von Kodalys Kammermusik wird mit Akribie und formaler Klarheit hervorgekehrt; MM 1.6.1988 wurden . . diese strukturellen Ingredienzien überaus deutlich, ja, mit einer geradewegs hingebungsvollen Akribie im Detail nachgezeichnet; Altner 1991 Naturvergessenheit 7 Eine mit wissenschaftlicher Akribie um den gesunden Menschenverstand gebrachte Gesellschaft würde nicht daran zu hindern sein, unter dem Vorzeichen einer solchen Eugenik die schwächsten Glieder der Gesellschaft . . abermals der Euthanasie auszuliefern; 1992 Esquire I 30 ein Pariser elsässischer Herkunft . . hat mit Akribie die frankophilen Eßgewohnheiten der Münchener studiert. akrib: Brach 1932 Schlafwandler III 49 ein akriber und korrekter Mensch. akribisch: Welt 17.10.1969 die Bilder, die Werner Knaupp mit Kugelschreiber und Feder akribisch auf die Leinwand „schreibt"; ebd. 31.10.1974 Fichtes Assoziationstechnik und akribisches Formbewußtsein; Zeit 29.3.1985 daß diese die TextEntstehung . . detektivisch nachzeichnende, akribisch rekonstruierende Edition . . so fragmentarisch .. bleiben muß wie das Werk; ebd. 6.9.1985
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Akrobat
akribisch an den Dialogen, Gedichten, Balladen und Chansons zu feilen; MM 2.11.1985 was nicht zuletzt der akribischen Feinarbeit von . . sieben Buchprüfern . . zu verdanken ist; Zeit 8.11.1985 seiner akribisch durchgeführten historisch-philologischen Recherche; MM 9.5.1986 daß der Wirtschaftskontrolldienst an jedem Markttag mit dem Geigerzähler akribisch die Obst- und Gemüsestände untersucht; Zeit 8.8.1986 in seinem Tagebuch hatte er akribisch Buch geführt über seine Aktivitäten; ebd. 6.2.1987 dann beginnt die Arbeit, peinlich genau, akribisch, Pinselstrich neben
Pinselstrich; MM 3.3.1987 dem Archiv kommen Kempowskis manische Sammelwut, akribische Ordnung und pedantische Detailgenauigkeit . . zugute; ebd. 23.5.1987 allzu weit weg begibt sich das Regieteam . . von der Partitur, die ja mit akribischer Detailwut das Bühnengeschehen beschreibt. akribistisch: Voss. Ztg. 1930 Ende Febr. Auch die stattliche Zahl von Waetzolds Publikationen beweist, daß hier ein Mann am Werke war, der sich frei hielt von akribistischen Einseitigkeiten.
Akrobat M. (-en; -en), auch Akrobatin F. (-; -nen), Anfang 19. Jh. (gebucht 1806 bei Heuberger), vermutlich unter Einfluß von gleichbed. frz. acrobate, aufgekommene Entlehnung aus griech. 'jmd., der auf Zehenspitzen läuft; jmd., der in die Höhe steigt' (zu dem Verbaladj. 'auf Fußspitzen, in die Höhe gehend', aus 'äußerst, oberst, höchst, an der Spitze, in der Höhe befindlich, spitz' und 'gehen, schreiten'). Zunächst für 'Seiltänzer', seit Mitte 19. Jh. im Zusammenhang mit dem Aufkommen des Zirkuswesens (—» Zirkus) und —» Varietes zunehmend in der heutigen Bed. 'Zirkus-, Varietekünstler, der Kunststücke vorführt, die außerordentliches Geschick oder außerordentliche Körperbeherrschung, Gelenkigkeit und Kraft verlangen, Verrenkungskünstler', häufig gleichbed. mit —» Artist; als Grundwort bes. in der Zs. Akrobaten(kunst)stück 'mit technischer Vollendung, virtuos ausgeführter Teil einer Akrobatenvorführung' und als Bestimmungswort in Zss. wie Luftakrobat 'Trapezkünstler', auch für 'Pilot, der mit seinem Flugzeug Kunststücke vorführt, Kunstflieger, Flugartist' (vgl. Aerobat, —> Aero- 2). Seit Anfang 20. Jh. zunehmend übertragen verwendet für 'jmd., der etwas überaus geschickt zu tun versteht', bes. im intellektuellen Bereich als Bestimmungswort in Zss. wie Gehirn-, Geistesakrobat 'jmd., dessen Gehirn, Geist akrobatische intellektuelle Leistungen vollbringt', Wortakrobat 'jmd., der äußerst geschickt, spielerisch mit Worten umgeht, eloquenter Redner', gelegentlich auch für 'jmd., der in abenteuerlich halsbrecherischer Weise mit widersprüchlichsten Gedanken, Ideen, Worten jongliert, Wortverdreher', dabei negativ konnotiert mit „spitzfindig, wortklauberisch, rabulistisch" (vgl. Zahlenjongleur, —»Jongleur), bes. in Zss. wie Finanzakrobat und Wendungen wie juristisches Akrobaten(kunst)stück 'juristische Spitzfindigkeit, spitzfindige Auslegung eines Gesetzestextes' (s. Beleg 1930). Dazu seit früherem 19. Jh. die adj. Ableitung akrobatisch (Steigerung ungebr.) 'den Akrobaten, die Akrobatik betreffend; (etwas) in überaus geschickter Weise, virtuos (ausübend), körperlich besonders gewandt, geschickt', häufig konnotiert mit „wagemutig, gewagt, abenteuerlich halsbrecherisch", z. B. akrobatische Tollkühnheit; gelegentlich übertragen gebraucht in Wendungen wie akrobatische Denkleistung 'Denkleistung, die einiger geistiger Verrenkungen bedarf, in neuester Zeit auch in Zss. wie gehirn-, sprachakrobatisch (s. Belege 1991, 1992). Dazu seit Ende 19. Jh. die subst. Ableitung Akrobatik F. (-; Pl. ungebr.) 'akrobatische Übung; Geschicklichkeit, Kunstfertigkeit, Technik des Akrobaten', dafür im 19.720. Jh. selten das vermutlich unter Einfluß von gleichbed. frz. acrobatie
Akrobat
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entlehnte Subst. Akrobatie F. (-; Pl. ungebr.); häufig übertragen verwendet, gelegentlich bezogen auf andere Künste und Kunstfertigkeiten, z. B. stimmliche Akrobatik 'virtuose Stimmbeherrschung' (s. Beleg 1992), bes. im intellektuellen Bereich in Zss. wie Gedanken-, Geistes-, Begriffs-, Wort-, Zahlenakrobatik; dazu im 20. Jh. die Gelegenheitsableitung Akrobatiker 'jmd., der Akrobatik betreibt, Akrobat'. Im 20. Jh. selten die subst. Ableitung Akrobatentum N. (-s; ohne Pl.) 'akrobatisches Sein, Verhalten'. Akrobat: 1838 Die Eisenbahn 259 Herr Pietro Bono, der bekannte Akrobat; Heine 1841 W. VI 257 Das ist ein Krümmen und Winden des Rückgrads, wie es selbst dem besten Akrobaten schwer fiele; Reichensperger 1872 Phrasen 81 Fast alle Akrobaten des Liberalismus fallen nämlich vom Seile; Bruges 1873 Reiseskizzen 71 producieren sich japanesische Akrobaten mit grosser Virtuosität; Wickede 1878 Leutnant 249 Eine SeiltänzerGesellschaft und die schöne Seiltänzerin Apollina (Überschr.) Die Akrobaten- und Tänzer-Gesellschaft des weltberühmten Signors Pamphili; Fontäne 1898 Zwanzig 452 Alles, was sich an der Peripherie der Kunst herumtummelt: Akrobaten, Clowns, Monsieur Herkules, Zauberer und Taschenspieler; 1900 Mitt. Touring-Club München l Wer sich einmal aufs Rad gewagt, fand, dass diese Balancierkunst gar kein halsbrecherisches Akrobatenstück sei; Keller 1907 Schwaben 163 Der Sprachakrobat Fischart; Spann 1914 System Vorw. VII sowohl Kant wie den historischen Materialismus zu predigen . . [ist] ein trauriges Akrobatenstück widerspruchsvollen Denkens; Heyck 1928 Aussenseiter 47 und hast dir glücklich den Magen verdorben, am Schlagrahm der Sentimentalen und an den Mixedpikles der GehirnAkrobaten; 1928 Süddtsch. Monatsb. XXVI 234 wenn ich abends in einem deutschen Dorf auf tschechischem Boden einkehrte, so fand ich im Gasthof internationale Sprachakrobaten als Kellner, und fast nur tschechische Laute drangen von den Gästen an mein Ohr; Musil 1930 Mann I 111 er hatte die Vorhänge zugezogen und arbeitete im gedämpften Licht wie ein Akrobat, der in einem halbdunklen Zirkus, ehe noch die Zuschauer zugelassen sind, einem Parkett von Kennern gefährliche neue Sprünge vorführt; Vbss. Ztg. 7.12.1930 Hanussen . . war Schauspieler, . . Impresario von Kraftakrobatinnen, lebenden Gasometern und Hungerkünstlerinnen; 1930 Fesig, f. Frank I 397 Es ist kaum zu glauben, welche juristischen Akrobatenkunststücke versucht wurden, um die Straflösigkeit der Perforation zu begründen; Tranum 1935 Leben 16 einem der großen Flieger und Luftakrobaten; Masur 1937 Psycholog. Gesichtspunkte 11 dass es dem Heer nicht daran liegen kann, „Geistesakrobaten" heranzubilden; Miinch. N.N. 8.5.1938 Nun fand er Unterkunft bei einem
Wanderzirkus und ließ sich als Luftakrobat ausbilden. Die wachsende Arbeitslosigkeit warf ihn aus seiner Zirkuslaufbahn, und der junge Artist, der eben noch im grellen Licht der Scheinwerfer . . als Fänger am fliegenden Trapez atemberaubende Sensationen vorgeführt hatte, zog nun von Haus zu Haus; N D 3.2.1959 In Bonn braucht man nicht zu schwitzen, man braucht dort auch keinerlei Akrobatenkunststücke zu lernen, wenn man sich auf den Boden der Realitäten stellt; Grass 1962 Blechtrommel 452 Felix und Kitty, die beiden Akrobaten, verknoteten, entknoteten sich auf dem Bunker; Zeit 16.8.1985 Auch der geschickteste Akrobat in Bonn wird nicht mit der Brust zur DDR, mit dem Rücken zu Polen und mit der Seite seines Körpers zur Sowjetunion stehen können; ebd. 14.3.1986 Sein Patient wird der 15jährige Seiltänzer A. Geissler, der „bei einer Vorstellung aus etwa Zimmerhöhe" abgestürzt war, 245 Tage nach dem Unfall starb der Akrobat; MM 13.3.1987 Tiefenschürfer und Deutungsakrobaten; Zeit 20.3.1987 Nicht nur für viele Laien, sondern häufig auch für den Profi ist es schon erstaunlich, welche Phantasie die Finanzakrobaten in den Banketagen auf der Suche nach neuen Finanzierungsformen entwickeln; MM 15.2.1988 die Muskelprotzerei des Akrobaten Rodrigo; Lukoschik 1991 In u. Out 117 Queue-Akrobaten . . reizt der Snooker-Sportsgeist. Drum stößt er die Kugel nur noch ganz snooker-lich; 1991 Wiener VI 27 Er . . gilt als professioneller Finanz-Akrobat der Regenbogenkrieger [Mitglieder der Greenpeace-Organisation]; Zeitmagazin 3.10.1991 Bisher existiert eine solche Luxuseinkaufsstraße in Berlin nicht, denn in der westlichen Hälfte, deren Society sich vor allem aus Baulöwen, Subventionsakrobaten und anderen Neureichen rekrutiert, fehlt das Publikum mit dem nötigen Kleingeld. Akrobatentum: Däubler 1916 Sichel 36 Kunstgerechtes Akrobatentum ist Höchstmöglichkeit, das Rad zu erbringen; Berl. Illustr. Nachtausg. 13.1.1932 Die unerhörte Schnelligkeit der Bahn habe die Fahrer zu einem sportlichen Akrobatentum gezwungen. Akrobatie: Scheiben 1879 Offizier-Br. 70 wo auf einen schnittigen militairischen Vortrag Vorstellungen in der Akrobatie, in der Taschenspielerei . .
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Akt
und andere Schaustellungen folgten; Holz 1924 Blechschmiede l 52 Ach, wenn es immer so bliebe, mehr Akrobatie, als Liebe; Stuttgarter Ztg. 15.1. 1963 Das Ausbildungsprogramm wird neben den Uebungen in Pantomimik körperliche Schulung in Akrobatie und Fechten sowie Kurse über Theatergeschichte enthalten. Akrobatik: Fontäne 1898 Zwanzig 396 es ist damit [noch einmal neu anzufangen und „etwas Reelles zu lernen"], wie mit der Akrobatik oder dem Klavierspielen, alle Gelenke müssen noch gelenk sein, wenn die Schule durchgemacht werden soll; Darre 1929 Bauerntum 470 Seelenakrobatik; Tempo 5.5.1930 Verbot der Flug-Akrobatik (Überschr.); Huch 1937 Zeitalter 11 Die Humanisten widersetzten sich den Scholastikern, die im Laufe des letzten Jahrhunderts mit ihrer Begriffsspaltung und Begriffsakrobatik die Erde ganz verlassen und von den Gedanken alles lebendige Fleisch abgeschabt hatten; Böll 1963 Clown 139 Vielleicht gab es eine Artistengruppe, die jemand wie mich brauchte, ich war nicht schwer, schwindelfrei und konnte nach einigem Training ganz gut ein bißchen Akrobatik mitmachen; Süddtsch. Ztg. 20.4.1951 Die stadträtlichen Urteile über den neuen Haushaltsplan sind nicht gerade schmeichelhaft. Er wird eine „Fiktion", eine „Konstruktion" und „Zahlenakrobatik" genannt; Offenburger Tagebl. 3.6.1966 Wenn die Gruselgeschichte doch von Edgar Allan Poe — oder wenigstens von Hitchcock wäre, dann brauchte man sich solcher Geistesakrobatik nicht zu unterziehen; Süddtsch. Ztg. 28.3.1970 Zwei junge Artisten . . kommen uns mit moderner Luftakrobatik am Trapez und an Ringen; 3990 Petra XII 252 Ohne Küchenakrobatik . . propagiert sie [Buchautorin] .. gesunde, vegetarische Küche; Zeit 9.1.1987 Die angeführte intellektuelle Deutungsakrobatik ist leicht zu erlernen und eignet sich hervorragend zu destruktivem Gesellschaftsspiel; MM 12. 6.1987 Doch der Protestsänger setzt seine Agitationsmittel (zu denen eine brillante Wortakrobatik zählt) weitaus subtiler ein als so manche seiner Kollegen aus der Liedermacherzunft; Ortheil 1992 Agenten 82 Ich beriet Kunden bei der Aufgabe ihrer Kleinanzeigen und versuchte, ihre Wortakrobatik . . zu entschärfen; 1992 Cosmopolitan X 16 Vokal-Akrobatik ist das Markenzeichen von Carmel McCourt. Die Chanteuse aus Manchester zwitschert, flötet und läßt ihre Stimme Achterbahn fahren in faszinierend schrägen Kurven.
Akrobatiker: Lukoschik 1990 In u. Out 31 die anglomanen Sprach-Akrobatiker. akrobatisch: Nestroy 1838 W. VI 573 nie gesehene gymnastisch-athletisch-äquilibrisrisch-herkulisch-plastisch-akrobatische aszensionsvorstellung (DWB N.); Berl. Illustr. Nachtausg. 16.8.1933 Eine Bombenrolle für den akrobatisch-kühnen, logisch-klugen Meisterdetektiv. Hans Albers ist ganz in seinem Element: ein Muskel-Heros, Zyniker in allen Sätteln des Spottes, ein Kämpfer, ein Held; Lokal- Anz. 30.5.1934 Im Verlauf der Unterhaltung erboten sich die Gäste, ihrem Wohltäter allerlei akrobatische Kunststücke vorzuführen; Welt 21.4.1954 Der Verwalter der Freiheitsstatue im New Yorker Hafen hat dem österreichischen Turner Franz Furtner die Genehmigung zur Vorführung einiger akrobatischer Kunststücke auf der Spitze der Statue verweigert; Gail 1958 Weltraumfahrt 122 In Gestalt fliegender Untertassen gaukeln sie den verblüfften Zuschauern ein akrobatisches Luftspiel vor, gegen das die schneidigsten Düsenjäger nur lahme Enten sind; Süddtsch. Ztg. 13. 3.1963 In der Trainingsmanege üben sechs mongolische Parkettakrobaten, ein Jongleur aus Ghana und drei junge Mädchen aus Birma, die noch in den akrobatischen Kinderschuhen stecken; Zeit 18.1.1985 beim dritten deutungsakrobatischen Versuch, die Geschichte vom Hasen und dem Igel auszulegen; MM 20.6.1985 eine geradezu turbulente, akrobatische Tollkühnheit; Fruttero 1986 Palio (Übers.) 165 Mit einer akrobatischen Drehung der rechten Schulter und des ganzen Armes gelingt es dem Anwalt, das Fernglas zu ergattern; Zimmer 1986 RedensArten 137 Darum ist die Kritik, die akrobatisch nach Gesichtspunkten sucht, unter denen sich etwas abwerten läßt, . . auf die Dauer sehr unbefriedigend; Ortheil 1987 Schwerenöter 177 daher schätze ich gerade jene Pianisten am meisten, die über ihren teilweise akrobatischen Fingertänzen eine gewisse gleichgültige Gelassenheit verloren; MM 23.2.1987 Das Spektakel mit Hüllen, Verkleidungen, Tanz und Beleuchtungseffekten ist ein Spiel mit der Wahrnehmungs- und Vorstellungskraft, das allzu leicht vergessen machen könnte, welche körperliche Kraft und akrobatische Leistung von den Darstellern erbracht wird; Stern 16.5.1991 Der Kleine [Mozart] brilliert . . mit schier unbegreiflichen gehirn-akrobatischen Fähigkeiten: In Rom notiert er, nach einmaligem Hören, die neunstimmige „Miserere" des Giovanni Allegri; 992 Wiener V10 Seine Texte sind . . intelligent,. . herrlich witzig, sprachakrobatisch.
Akt M. (-es; -e), Mitte 15. Jh. entlehnt aus lat. actus 'Handlung, Bewegung, Tätigkeit, Tat, Werk; Vortrag, schauspielerische Darbietung; Abschnitt; Teil, Aufzug (ei-
Akt
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nes Theaterstückes); Flächenmaß' (subst. Part. Perf. von agere, —+ agieren), bis Ende 19. Jh. auch in der lat. (fielet.) Form, seit Ende 18. Jh. bildungs- und fachspr. (im juristischen Bereich) selten auch in der relatinisierten Nebenform Aktus. 1 In der allgemeinen Bed. 'einzelne Handlung' (—»· Aktion 2), im Ggs. zu fortgesetzte, prozeduale Aktivität (—+ aktiv 1): a Zunächst für 'herausgehobene, einzelne Handlung, Tat, besondere, konzentrierte psychische, physische, intellektuelle Anstrengung', auch für 'gerichtliche Handlung, Verhandlung, Prozeß, Verfahren'; bes. in Wendungen wie ein eigenmächtiger, barmherziger, selbstloser Akt, etwas als einen niederträchtigen Akt empfinden, und, wohl zunächst als Terminus der Diplomatensprache, die aus gleichbed. engl. unfriendly act (s. Beleg 1900) lehnübersetzte Wendung unfreundlicher Akt (s. Beleg 1917); als Grundwort in Zss. wie Befreiungs-, Willensakt, Verzweiflungs-, Racheakt (s. Belege 1927, 1946); mit negativer Wertung für 'Untat' in Zss. wie Gewalt-, Zerstörungs-, Sabotage-, Willkürakt (s. Belege 1929, 1958), mit positiver Wertung für 'Tat von strahlender Größe' in Zss. wie Reinigungs-, Schöpfungsakt (s. Beleg 1933). Auch für 'Koitus', bes. in den verdeutlichenden Zss. Geschlechts-, Zeugungsakt, und für 'Darbietung, Nummer', bes. in den verdeutlichenden Zss. Balance-, Drahtseilakt, auch übertragen verwendet (s. Beleg 1969). b Seit früherem 16. Jh. auch für 'bedeutsame, öffentliche, feierliche Handlung zu besonderen Anlässen, Feierlichkeit' (—» Zeremonie), bes. in Zss. wie Krönungs-, Wahl-, Gnaden-, Weiheakt; häufig attribuiert mit Zusätzen, die den Aspekt des Bedeutsamen, Öffentlichen und Feierlichen verdeutlichen, z. B. herrschaftlicher, spektakulärer, repräsentativer Akt, offizieller Staatsakt, ein besonderer Festakt, ein symbolischer, symbolträchtiger Akt (s. Beleg 1988); gelegentlich im Syntagma einen Akt vollziehen 'eine feierliche Handlung ausführen, etwas zelebrieren' (s. Beleg 1723). 2 Seit späterem 16. Jh. in der Bed. 'Abschnitt eines Theaterstückes, Aufzug', bes. als Grundwort in den Zss. Zwischenakt 'Partie zwischen den Aufzügen eines Theaterstückes' und Schlußakt 'letzter Akt eines Stückes'; gelegentlich auch übertragen verwendet (s. Beleg 1862); dazu die subst. Ableitung Einakter M (-; -) 'Theaterstück mit einem Aufzug'. 3 Seit dem 17. Jh. (vermutlich als Rückbildung aus PL Akten] selten, gleichbed. mit —»· Akte l, bes. in der Wendung Akt von etwas nehmen 'etwas protokollieren, notieren, zur Kenntnis nehmen' und in Zss. wie Kranken-, Gerichtsakt. 4 Im 18. Jh. selten, seit früherem 19. Jh. kontinuierlich belegt in der bildenden Kunst in der nur im Dt. (unabhängig vom lat. Etymon) entwickelten Bed. 'lebender, nackter Mensch in einer zur künstlerischen Abbildung gewählten Pose', dann auch für die davon angefertigte künstlerische Abbildung selbst (—»· Akademie 4); bes. im Syntagma jmdm. Akt stehen 'jmdm. Modell stehen, als Aktvorwurf dienen'; häufig in Zss. und Syntagmen, die auf die Technik der Darstellung, z. B. Aktzeichnung, -gemälde, -photo, oder auf das Objekt Bezug nehmen, z. B. männlicher Akt, Frauen-, Helena-Akt; vgl. auch Aktmodell 'für eine künstlerische Darstellung Akt stehender nackter Mensch' und Halbakt 'Abbild eines teilweise nackten Menschen'. 5 In neuester Zeit fachspr. verwendet, bes. in der Philosophie und Psychologie gebucht für 'einzelner, zeitlich begrenzter, qualitativ bestimmter, funktionsabhängiger Teilvorgang im Strom des Erlebens', bes. als Grundwort in Zss. wie Wahrnehmungs-, Willens-, Denk-, Vorstellungs-, Erinnerungsakt, vgl. auch den Terminus Aktbewußtheit 'Wissen vom seelischen Erlebnis als solchem'. In der Philosophie
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Akt
auch für 'Wirklichkeit' (—» Aktualität 1), im Ggs. zu —* Potenz, Möglichkeit. In der Linguistik in der aus gleichbed. engl. speech act lehnübersetzten Zs. Sprechakt (vgl. frz. acte de parole, russ. recevoj akt] 'bestimmte Ausformung kommunikativer Handlung', bes. in den Syntagmen lokutionärer, illokutionärer und perlokutionärer Akt. Akt la: 1453 Sachsenheim 5584 Ich will noch hint ain actum tun/ Zu dienst der edel küngin zart (FRNHD. WB); Reckenhofer 1524 Artickel B 3b Vnd das ain mensch mög ain werck thun, daz weder gut noch boss sey, vnd dergleichen wie jre acta aussweisen; 1525 glaubwürdiger bericbt c 4b dann das ich in seinen actis vnd handlung befindt/ die dann dem Moro fürgehalten werden; Rot 1571 Diet. 286 Acta Handlung/ . . Jtem geschienten in besondern handlungen; Platter 1612 Sittengeschichte 309 der [pedello] ludt die heupter deputaten, academicos und vil meiner guten frinden, darunder auch mein zukunftiger schwecher ad actum uf den zukünftigen mentag; Kindleben 1781 Studentenlex. 102 bei dem Akt des ersten Bey schlaf s; Rodenberg 1863 Strassensängerin II59 Act der Roheit; Spielhagen 1866 In Reih u. Glied I 237 Was dem Vater ein Act traurigster Notwehr gewesen; Kretzer 1880 Genossen 154 es war ein Verzweiflungsakt, den er begehen mußte; 1900 Dtsch. Revue XXV 4,187 ein „unfriendly act"; Ziegler 1903 Kultur 22 Das Überschreiten und Verlassen des Naturparadieses ist in Wahrheit ein intellektueller Vorgang, ein Erkenntnisakt; Johnston 1917 Menschenverst. (Übers.) 119 auf alle Fälle wäre es ein unfreundlicher Akt gegen Großbritannien; Hoek 1920 Berge 40 Akt der Besteigung; Th. Mann 1921 Reden u. Aufs. (W. IX 111) Maupassant nennt den Zeugungsakt einmal „schmutzig und lächerlich"; Ponten 1924 Urwald 49 einen kleinen aufmunternden oder hemmenden Willensakt; Th. Mann 1924 Reden u. Aufs. (W. X 152) Etwas Mystisches . . gewinnt die Situation allein durch das ringend arbeitende, unter Stößen sich hin und her werfende, flüsternde, rasch keuchende und stöhnende Medium, . . dessen Zustand und Tätigkeit auffallend, unzweideutig und entscheidend an den Gebärakt erinnert; Lettenbaur 1927 Morgen 290 Es nahte die zwölfte Stunde, in der man sich entscheiden mußte in der Schicksalsfrage. .. Es galt also nichts anderes, als das äußerste, den letzten Schritt zu vermeiden oder zu verhindern, wonach sie alle schrien — den Verzweiflungsakt; Colerus 1929 Kaufherr 286 ein vandalischer Zerstörungsakt; Man 1932 Massen 41 bei jedem geistigen Akt, besonders bei dem geistigen Schöpfungsakt, gibt es immer einen Moment der Freiheit; Lokal-Anz. 27.2.1933 nochmals alle Kraft einsetzen, um alle noch unschlüssigen und zögernden Volksgenossen mitzureißen zu dem großen Reinigungsakt im Reich, im Staate, den
Kommunalverbänden und den Gemeinden; Th. Mann 1933-43 Joseph (W. IV/V 1309) Kurzum „ich bin's" war eine Formel, weither klingend, altvertraut und von populärem Appell — die Formel des Sich-zu-erkennen-Gebens, eines Aktus, urbeliebt in kündender Erzählung und Götterspiel, mit welchen die Vorstellung eine Reihe gleichartiger Wirkungen und Folgehandlungen . . selbsttätig verbindet; ders. 1946 Reden u. Aufs. (W. XII 736) die scheußliche Ermordung des alten Kahr in München, die einen politisch völlig unnötigen Racheakt für Verjährtes darstellte; ND 25.5.1949 Sabotageakte gegen die S-Bahn; Jaspers 1958 Atombombe 311 Die Akte der Zensur aber sind Gewaltakte; Stuttgarter Ztg. 25.3.1959 Mit der Vorlage ihres vorher mit keiner Partei besprochenen Deutschland-Plans haben sie einen Verzweiflungsakt unternommen, um zu retten, was zu retten ist; Welt 6.1.1969 Der Balanceakt mit dem chronischen Zahlungsbilanzdefizit erlaubt keine Fehltritte; FAZ 4.1.1971 Obwohl der finanzielle „Kraftakt" des Weihnachtsfestes knapp zehn Tage zurück lag . ., klingelten die Ladenkassen am ersten verkaufsoffenen Samstag 1971 . . unerwartet laut; Sloterdijk 1983 Kritik 164 In einem Akt patriarchalischer Demut .. vollzog die Monarchie das Geständnis, daß sie lernbedürftig sei; Duerr 1985 Traumzeit 74 Der Akt dieser Erkenntnis war zugleich ein Akt der Liebe, der einen Inzest mit der Mutter dargestellt hätte; Schipperges 1985 Garten 45 Auch für Albertus Magnus .. ist der Geschlechtsakt nicht nur ein sinnenhafter Akt der Natur (actus naturae), sondern immer auch ein . . spezifisch menschlicher Akt personaler und auch sozialer Hingabe; Zeit 29.3.1985 Akte des zivilen Ungehorsams; MM 14. 8.1986 eigenmächtige Akte der Verweigerung; Spiegel 11.6.1990 wobei die umständlich herbeigesuchte Begründung einen sehr viel schwierigeren geistigen Akt darstellte, als die Abrundung des angefangenen Satzes selber; FAZ 28.8.1990 die Rebellion verstand sich als sexueller Akt der Befreiung; 1992 Marie Claire IV 30 die PKK [kurdische Untergrundorganisation] führt Krieg gegen den türkischen Staat — Krieg mit Terrorakten und Überfällen. Akt Ib: 1524 Flugschr. Ref. l 204 also ist der löbliche actus zugangen (DWB N.); Corvinus 1544 Briefw. 177 er [Ratsherr] hette nie keinen herrlicheren actum gesehen; Staphylus 1565 Abfall 35b das
Akt ain jede stund als ainen besundern actum den H. Passion zubetrachten fürgestellt; Spangenberg 1607 Ganskönig 39 Darauff die Vögel alsobalt/ Die Ganß zu eim König erklährten/ Vnd sie auch der gebür nach ehrten./ Inn solchem Act der Han ersach/ Daß ytzt der helle Tag anbrach; Neumayr v. Ramssla 1620 Reise i. Frankreich 196 Wann vornehme Actus gehalten werden, tregt ein jeder Ritter dergleichen Habit in Sammet; Spener 1685 Klagen 270 bey solchem heyligen actu [des Abendmahles]; Kirchmair 1698 Bergtverck 456 Es [Bischofsweihe] was ain schöner actus; Zschackwiz 1723 Karl VI. 663 Nachdem also der Actus der Crönung vollzogen; 1790 Journal d. Luxus V 417 um die Nation . . durch einen großen feyerlichen Actum [Bundesfest] zu erschüttern; Lavater 1793 Nachgelass. Sehr. H 120 Keiner sich beyfallen ließ, einen Huldigungs-Akt anzunehmen. .. keiner durfte und wollte sich, seine Person, zu einem Mittelpunkt-Zweck, Fundamentstein . . Anderer machen; Goethe 1826 Tagebücher (WA 111 10,244) Verabredung mit meinem Sohn wegen des heutigen Actes; Th. Mann 1924 Zauberberg (W. III 93) Aber was er nachher von der menschlichen Würde sagte, klang doch famos, ganz wie bei einem Festakt; Berl. lllustr. Nachtausg. 24.1.1933 Der Eröffnungsakt der Olympischen Spiele soll übrigens ein besonders weihevolles Gepräge erhalten; ebd. 21.3.1933 Gegenüber der Garnisonskirche erhalten die anderen Besucher der Kirche ihren Platz für das militärische Schauspiel, das den Weiheakt abschließt; ebd. Der feierliche Staatsakt am Grabe der großen Könige Preußens beginnt; Lokal-Anz. 22. 3.1933 Es handelt sich nicht nur um ein nationalistisches Fest, das gestern in Potsdam gefeiert wurde, sondern um einen nationalen Akt, der dazu berufen ist, eine neue Aera in den Geschicken Deutschlands zu eröffnen; M. A. Abendztg. 13.6. 1944 Heute Trauerakt — Feierliche Beisetzung der Terroropfer (Überschr.); Süddtsch. Ztg. 1.8.1957 Washington bezeichnet die vorgeschlagene Rückgabe als einen „Gnadenakt" (Act of Grace); ND 4. 7.1964 Die Wahl . . sowie der Ort dieses Wahlaktes, die Ostpreußenhalle, symbolisierten eindeutig die Provokations- und Aggressionsabsichten der westdeutschen Regierungskreise; Haubrichs 1988 Geschichte 19 In einem spektakulären, aber auch umstrittenen Akt erwirbt Karl am Weihnachtstage des Jahres 800 das nomen imperatoris; ebd. 161 Die Verleihung des Schwertes an den Jüngling etwa blieb auch in karolingischer Zeit ein repräsentativer symbolischer Akt. Akt 2: Sachs 1559 W. 119 Tragedia von Schöpfung, fal und außtreibung Ade auß dem paradeyß hat xj person und iij actus (FRNHD. WB); Rot 1571 Diet. 288 Actus vnterschied in den Comedijs oder
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spylen/ deren hat ye ein spyl drey/ als die alten im brauch gehabt/ etlich aber vnd gemeinklich fünff; Dilich 1598 Histor. Beschr. 24 Endtlich beschloß diesen Actum oder Aufzug die neidig/ gehessig vnd verleumdende Invidia; Spangenberg 1606 Saul 250 Im ersten Act werdet Ihr sehen/ Wie David will ins Lager gehen; Andreae 1616 (Killy, Dt. Lit. Ill 264) dvrch den gantzen ersten Act mit viel feiner vnd löblicher kurtzweil; Elis. Charl. 1701 Er. l 216 Ich bin heütte nach dem 3ten acten auß dem opera gangen, umb dießen brieff außzuschreiben; Christ um 1800 Schauspielerleben 79 Es war eben Aktus, als ich in die Loge trat; Mutius 1811 Br. 133 damit die so lang projektierten Schlittenpartien nebst alle den verliebten Szenen, Zwischenakten und kleinen Romanen endlich zustande kommen; Goethe 1816 Italien. Reise (HA XI 300) und es bleibt dem guten Mädchen nichts übrig, als im fünften Akte den Tod zu suchen; Borne 1829 Br. I 289 denn es müsse angenommen werden, daß die Schauspieler die Zwischenakte . . benutzen, um ihre nöthigen Reisen hinter dem Vorhange zu machen; Vischer 1860 Krit. Gänge N. F. I 173 Ich habe nur einen Act im Drama und nicht, wie man gewöhnlich meint, den entscheidenden erzählt; Suckow 1862 Soldatenleben 173 Der frühe Morgen weckte uns durch Kanonendonner, und erwartungsvoll traten wir ins Gewehr, welche Rolle unserm kleinen Häuflein beim heutigen Schlußakt des Dramas zugetheilt werden möge; Rodenberg 1863 Strassensängerin I 54 wir lassen für einen Augenblick die Zwischenaktsgardine in unserm kleinen Schauspiel fallen; Gottschall 1885 Totenkl. 234 Die streng gegliederte Architektonik des Dramas mit den feststehenden Einschnitten der Actschlüsse muß aufrecht erhalten werden; Th. Mann 1908 Reden u. Aufs. (W. X 30) Jeder kennt Hoffmanns Erzählungen von Offenbach, dieses musikalische Drama, dessen drei Akte, Zwischen-, Vor- und Nachspiel, die Erzählungen seines Helden leibhaftig vorführen; Uhu 1929 Febrh. o. S. O Gott, ich dachte, der letzte Akt würde niemals enden; Münch. N.N. 3. 7.1944 Das Spiel gehört zu jenem Genre, darin der Autor das bis zum klärenden Ende bei guter Laune gehaltene Publikum an einem gefällig gespannten Seilchen aktauf, aktab hinter sich herzieht; Welt 9.8.1949 Zwei Akte lang wartet der Theaterbesucher auf den Giftmord; Th. Mayn 1955 Reden u. Aufs. (W. IX 912) dazu in den Piccolomini der große Bankett-Akt; Welt 16.8.1974 Erstens fiel die naturgemäße Vermittlerrolle in Zypern den Briten zu, zweitens dürften vor allem die Türken davon ausgegangen sein, daß Washington im Schlußakt des Watergate-Nixon-Dramas ganz mit sich selbst beschäftigt war; Zeit 6.12.1985 Statt dessen zeigt er, drei Akte lang, eine ganz undeutsche Verbindung von Drastik und Strenge, Tempo und Tiefsinn;
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ebd. 5.12.1986 Brays Ende ist wie das des klassischen Helden inszeniert: in einem grandiosen, fünf Akte umfassenden Drama; MM 27.3.1987 gegliedert in die fünf Akte der klassischen Tragödie; 1990 Marie Ciaire X 106 Tatsächlich aber war der tödliche Schuß nur ein Akt in einem Drama, das sich in allen Kulturen und zu allen Zeiten wiederholt: das Drama des Erstgeborenen. Akt 3: 1626 (Frauenholz 1935 Heerwesen III 1,257) vor iedem blatt bewilligter copien des acten zuschreiben [erhält der Gerichtsschreiber] 1/4 kopfstückh; Moscherosch um 1640 Gesichte l 221 ob nicht irgend ein notarius oder Schreiber vorhanden were, der mir einen act wider sie auffrichten möchte? (beide DWB N.); Radowitz 1851 Neue Gespr. II 31 mit sehr ruhmvollen Ausnahmen, von denen die Geschichte gleichfalls Act nehmen wird; Rodenberg 1863 Strassensängerin III 231 [wir] glauben im Interesse unserer Leser, Akt von demselben nehmen zu müssen; Th. Mann 1924 Zauberberg (W. Ill 249) Am doppelten Schreibtisch vorm Fenster saß Dr. Krokowski, in der einen Hand die Feder, die andere am Bart, vor sich Papiere, wahrscheinlich den Krankenakt; Werfet 1928 Abituriententag 8 In der Zwischenzeit blätterte er den Akt an: „Mord an der Prostituierten Klementine Feichtinger"; 2965 Spiegel XLV1I1 65 ein Akt mit dem Zeichen 2JS . . wurde angelegt (DUDEN). Akt 4: Geßner 1787 Briefw. 258 zeichneten sich . . einige gemahlte ackten aus, an denen die färbe und einzelne parthien sehr schön sind (DWB N.); Lewald 1836 Aquarelle II 204 die widerwärtigen Zugaben eines Malerateliers: eine Suite von Todtenköpfen, Todtenmasken, ferner Puppen und Acte, Theaterkostüme; Springer 1868 Berlin 66 Ein Mädchen begiebt sich nach dem Atelier, um Akt zu stehen; Arber 1894 Pereat 69 Einmal kam ich dazu, wie er eine Photographie betrachtete, die er bei meinem Eintreten sofort in der Brusttasche verbarg und auf meinem Befragen für eine Aktstudie,
die nicht für meine Augen geeignet sei, erklärte; Neresheimer 1899 Komödie 10 Der Künstler hatte an jenem Tag/ Ein Weib auf seiner Bude,/ Die saß nur Halbakt, war überhaupt/ ein ganz geriebenes Luder; Meerheimb 1910 Modell 73 Jetzt warf er mit keckem Pinsel weibliche Aktstudien und sensationelle Skizzen des Pariser Straßenlebens hin; Erfurter Aug. Anz. 26.11.1915 Ferner ist die Uebertragung von „Akt" in „Nacktstück" zwar ungewohnt, dabei aber zutreffend und deutsch; 8-UhrAbendbl. 14.9.1936 wo bei einer Akademie-Ausstellung ein Gemälde Schracks, das einen weiblichen Akt darstellt, besonderes Aufsehen in den Kunstkreisen erregt; Münch. N.N. 17.12.1939 Junges schlankes Aktmodell gesucht (Anzeige); Th. Mann 1945 Reden u. Aufs. (W. XI 650) eine Exposition zum Helena-Akt; Süddtsch. Ztg. 8.5.1950 Auch um das Erfassen der Schönheit des unbekleideten weiblichen Körpers wird immer wieder gerungen, aber trotz aller Zurückhaltung wird die Problematik des Aktphotos deutlich; Münch. Merkur 23.7.1951 Akt-Krawatten sind anstößig (Überseht.) Herrenkrawatten mit handgemalten Frauenakten sind anstößig und widersprechen dem Empfinden normaler Menschen, sagte das Amtsgericht Fürth; Welt 11.4.1964 Greco schuf auch Aktfiguren, Wesen, die durch die teigige Pinselführung des Künstlers etwas fast Amorphes erhalten haben; ebd. 7. W. 1974 Neben dramatisch bewegten männlichen Akten . . finden sich neuerdings in zunehmendem Maße lyrische Mädchenfiguren; Zeit 22.2.1985 Die in den unterschiedlichen Posen abgelichteten Akte — überwiegend weibliche, natürlich — machen die Schaulustigen . . unsicher; MM 11.4.1986 Immer wieder, variantenreich und technisch raffiniert veredelt, streift sein Strich die selben Themen und Motive: Akte, Badende, Tanzende, Eros und nackte Gewalt, oftmals vor der endlosen Kulisse des Mittelmeers; Stern 10. 6.1987 Der Bottroper Fotograf Peter Maria Schäfer hat mit einem Teil des Ensembles Akte inszeniert, kunstvoll arrangierte, abstrakt beleuchtete Leibes-Visionen; MM 28.3.1988 Seine ersten „richtigen" Bilder in den frühen sechziger Jahren waren Stilleben, Akte und Interieurs.
Akte F. (-; -n), überwiegend im Pl. Akten, im frühen 15. Jh. entlehnt aus lat. acta 'Verhandlungen, Vorgänge, Ausführungen' (subst. N.Pl. des Part. Perf. von agere, —»· agieren), häufig in der lat. Pl.-Form, selten auch in der Nebenform Akt (—* Akt 3). l Vor allem gerichts- und verwaltungsspr. in der Bed. 'Schriftstück über einen amtlichen juristischen Vorgang', daher anfangs selten auch für den Vorgang selbst im Sinne von 'Verhandlung, Gerichtsverfahren' (s. Belege 1522, 1610); häufig allgemein verwendet für 'Unterlagen, schriftliche Dokumentation eines Geschehens, geordnete Sammlung schriftlichen Materials' (z. B. Korrespondenzen, Protokolle, Berichte, An-
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träge, Zeugnisse); bes. in Wendungen wie eine Akte anlegen 'ungeordnetes schriftliches Material über einen Vorgang zu einer Akte zusammenstellen', Einsicht in eine Akte nehmen 'Zugang zu einem amtlichen, vertraulichen, eventuell geheimen Schriftstück haben', zu den Akten legen/nehmen, früher dafür auch zu den Akten schreiben (s. Beleg 1851) 'ein Schriftstück in einer Akte abheften, etwas dokumentieren', häufig übertragen gebraucht (s. Belege 1937, 1987) für 'etwas (z. B. eine Idee, einen Plan, eine Hoffnung) als erledigt betrachten, abtun, beiseite legen' (—»· ad acta), über etwas die Akten schließen 'einen Vorgang abschließen, etwas für abgeschlossen erklären', gelegentlich auch übertragen für 'das Urteil über jmdn. gefällt haben'. Häufig als Grund- und Bestimmungswort in Zss. wie Gerichts-, Prozeß-, Verwaltungs-, Kranken-, Ermittlungs-, Berufungs-, Personal-, Steuer-, Kongreßakte; Aktennotiz, -vermerk, Aktenmappe, -tasche, -koffer, -ordner, Aktenberg 'große Menge sich ansammelnder, unerledigter Akten', Aktenmensch, auch -mann (s. Beleg 1790), Aktenmappenträger, Aktendrescher, -krämer, (wohl nach dem Vorbild Pfennigfuchser) auch Aktenfuchser 'jmd., der nur für seine Akten lebt, Bürokrat, sturer Beamter', wie überhaupt die Akte auch staubiges Symbol für amtliche Sturheit und graue Langeweile ist (s. Beleg 1954); Aktenstück 'Schriftstück, Akte', Aktenzeichen 'Aktensignatur', Aktenlage 'Situation, wie sie sich in den Akten darstellt', bes. in der Wendung nach Aktenlage entscheiden; aktenkundig 'in den Akten vermerkt, den Behörden bekannt, dokumentiert sein', bes. in der Wendung jmd./etwas ist aktenkundig, selten auch für 'Kenntnisse aus dem Aktenstudium erworben habend', z. B. aktenkundige Geschichtsforschung (s. Beleg 1935). 2 Seit Mitte 17. Jh. unter Einfluß von gleichbed. engl. act in der Bed. 'Beschluß, Abkommen, Erlaß, Edikt', z. B. Parlaments-, Tauf-, Heiratsakte, in neuester Zeit bes. Schlußakte (von Helsinki). Akte 1: 1423 lur. Municipalis Bohemiae IV 1,342 mit der ackte . . beweisen (DWB N.); 1446 (Wrede, Altköln. Sprachschatz 85a) die ackten der . . schuldungen; 1509 FrankfRef. 35r es sol auch ein jeglicher . . anwalt . . sein beuelh vnd mandat fürbrengen vnd in die acta schryben lassen (DRW); Planitz 1521 Berichte 15 das . . die acta . . alher gebracht sein; 1522 Flugschr. d. Reformation I 71 Verhör vnd acta vor dem Byschoff; Steinberg 1541 Chronik 138 wie die acta zceugen; 1546 Notariat u. Rhetorik 139b Deßgleichen die Gerichts Acta, was in dieser Sachen vor euch eingebracht/ dem Appellierenden theyl auff zimlichen kosten mitteylen; 1564 Breslauer Hs. (1926 Neuph. Min. XXVII 8) Beide Teil aus beweglichen Ursachen so in acten befindlich; Siegel 1585 Salzb. Taid. 162 da nun der appellant von der zeit an als er die acta empfangen . . sein appellation vor dem fürstlichen hofgericht nit erledigt (FRNHD. WB); 1610 Geschichtsb. d. Wiedertäufer 37 samt der gantzen acta vnd handlung (DWB N.); Henisch 1616 Teutsche Sprach 19 Die Rathsacten/ darinnen alle decreta zusamen geschriben werden; Pomay 1671 Falcknerey o. S. Acten fertigen; Seckendorf 1691 Reden 39 Acten; 1737 ]üd. Baldober 109 die completen Acta; Bodmer 1746 Mahler l 24 Er hat mich die Acta . . lesen
lassen, in welchen er alle Umstände . . fleissig aufgezeichnet; Gleim 1767 Br. a. Klotz I 107 sage ich mit dieser störrischen Mine eines Actendreschers; Beckmann 1783 Erfindungen I 282 InquisitionsActen; Westenrieder 1790 Beitr. Ill 376 Ein sogenannter Aktenmann, der nichts ist, der mit Geist und Neigung nichts weiter seyn will, noch kann, als dieses, welch ein dürres, enges, ödes Geschöpf ist er fast immer; Gutzkow 1838 Blasedow III 49 Wären die Bäder überhaupt mehr durch die Zerstreung heilsam, welche sie den Kurgästen gewährten, würden Acten- und Berufsmenschen schon dadurch gesund, daß sie eine Zeitlang ihre Geschäfte verlassen; Unruh 1851 Erfahrungen 46 Kammern, welche . . ein Recht nach dem ändern opfern, ihre eigenen Abstimmungen desavouieren und sich selbst „zu den Acten" schreiben; Knies 1857 Telegraph 208 der umschweifigen Sprache von Aktenstücken; Holtet 1860 Eselsfresser II133 Undankbarer Aktenmensch!; Wassermann 1908 Hauser 13 Die aufzunehmende Akte wird dann . . der Kreisregierung überschickt; Weise 1919 Muttersprache 74 Man meint, ein Aktenmensch fühle sich nicht wohl, wenn er nicht ein ganzes gerichtliches Urteil in einen einzigen Satz bringen könnte; 1922—23 Schweizer. Monatsh. II 628 Geist der Aktenmap-
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penträger; Bäte 1927 Gang o. S. Und wie der Staub auf den Aktengebirgen sich immer höher häuft, scheint er auch langsam die Menschen anzufressen, sie auszutrocknen und fühllos zu machen; Frankf. Ztg. 26.10.1927 Da kommt ein Nachzügler. Symphatischer Kopf. Scharfgeschnittenes Profil. Unter dem Arm eine Tasche. Versteht sich, eine Aktentasche. Die unvermeidliche Aktentasche, ohne die sich ein wahrhaft beschäftigter Mann des Intellekts in der Oeffentlichkeit kaum sehen läßt; Berl. IIlustr. Ztg. 1930 Er war ja nicht gefragt worden, als seine Frau diesen durch und durch trockenen Beamten, diesen ledernen Aktenmenschen mit Gewalt ins Haus zog; Lokal-Anz. 27.1.1933 Darüber hinaus untersuchen die Behörden, mehrere Jahre zurückgehend, die Handakten des Anwalts, um festzustellen, wieweit er sich noch anderer Straftaten schuldig gemacht hat; ebd. 25. 9.1934 Statt einer Antwort warf Sprit-Weber dem Beamten eine Aktenmappe vor die Füße; Dtsch. AZ. 3.2.1935 Daneben zeigt die aktenkundige Geschichtsforschung Giordano Bruno als einen recht wenig heroischen und wenig reifen Menschen; Schenzinger 1937 Jahr 6 die alten revolutionären Forderungen zu den Akten gelegt; M. A.Abendztg. 1.11.1944 eine wichtige Akte, die er unbedingt bei der Tagung brauchte, liegt noch zu Hause auf dem Schreibtisch; Th. Mann 1947 Faustus (W. VI 78) daß man danach die Akten über die Unfähigkeit des Mannes zum strengen Stil schließen könne; Bergengruen 1950 Tempelchen 24 Es wurden da irgendwelche Akten verwahrt, Rechnungspapiere, was weiß ich; Süddtsch. Ztg. 26. 9.1951 Dann beginnt die Tätigkeit der sogenannten „Aktenflitzer", die den Richtern die notwendigen Unterlagen zur Prüfung der vorliegenden Verfassungsbeschwerden ins Haus bringen sollen; Remarque 1954 Zeit 342 Die Gänge rochen nach Akten, ungelüfteten Büros und Kaserne; Frisch 1957 Homo faber 8 Später nahm ich meine Akten aus der Mappe, um zu arbeiten; Grass 1962 Blechtrommel 30 Gregor . . heiratete nach Jahresfrist, nachdem alles Komplizierte, wie die Ehe mit dem falschen Wranka, geklärt und zu den Akten gelegt worden war; Welt 17.6.1964 Dieses Gerücht schlängelt sich . . „wie ein roter Faden" durch den dicken Aktenberg; ebd. 19.4.1969 Man kann Anträge . . an die Bundesfraktion überweisen oder an den Bundesvorstand, was manchmal auf ein würdiges Begräbnis unter Aktenbergen hinausläuft; FAZ 20.12.1969 Dies war dem Gericht vor der Verhandlung von den Beklagten bereits aktenkundig gemacht worden; Welt 16.8.1974 Darüber heißt es in einem Aktenvermerk, eine gezielte Einschleusung des Ehepaares Guilleaume als Agenten Ost-Berlins bei ihrer angeblichen Flucht im Jahre 1956 müsse angenommen werden; Zeit 11.1.1985 Er war ein Akten-
fuchser; MM 13.7.1985 Auch die Beschwerde des Studenten gegen einen negativen Beschluß der ersten Instanz wurde zurückgewiesen (Aktenzeichen 9 S 96/85); Zeit 2.8.1985 Die Ermittlungsakte besteht zuweilen nur aus einem einzigen Blatt mit dem Festnahmeprotokoll; MM 28.10.1985 Sechs dicke, prall gefüllte Aktenordner zeugen von dem aufwendigen Schriftverkehr; Zeit 1.12.1985 auch bei den Soldaten und Reservisten sei in der Regel nach Aktenlage zu entscheiden; MM 9.1.1986 Aktenkundig werden nur jene Kinder und Jugendliche, die auffallen, weil sie Passanten belästigen oder bewußtlos gefunden werden; ebd. 3.1.1987 Danach kann ein Arzt die Akteneinsicht verweigern, wenn das „Interesse der Patienten an einer Einsicht deutlich überwogen wird von anderen Interessen seiner selbst oder anderer"; ebd. 6. 3.1987 Seit Jahren transportiert sie das Aktenköfferchen tragende Pendlerheer in komfortablen S-Bahnzügen unter den Freudenhäusern hindurch, direkt in die Büros der Frankfurter City; ebd. 8.4.1987 Gleichwohl: über dem „Fall Hindemith" können die Akten nicht geschlossen werden; Zeit 15.5.1987 Die Idee der Sanierung legten sie aber bald zu den Akten: undurchführbar; MM 29. 6. 1988 Mit dieser Entscheidung wird wohl auch ein Verfahren zu den Akten genommen, .. mit dem sich Hoffnungen auf eine ebenso elegante wie einträgliche Beseitigung des Klärschlamms verbunden hatten; Spiegel 11.6.1990 Welche Akten das Gericht erhält und welche Dossiers ihm vorenthalten werden, entscheidet allein der Staatsanwalt. Akte 2: 1649 Vollst. Eng/. Memorial 6 alle Statuten und Acten vom Parlament; Happel 1688 Mundus 1l 328 Und so ist keine Schrift/ Acte/ Ordenantz/ oder Parlaments-Edict kräfftig; Apinus 1728 Gl. 13 Acte, ein Parlaments-Schluß in England; Schiller 1800 Maria Stuart XII 434 Es ist erkannt, . . daß Ihr die Akte vom vergangnen Jahr gebrochen (alle GANZ); Gülich 1830 Handel I 53 die unter Eduard I. erlassene acte (DWB N.); Voss. Ztg. 17.12.1929 Als Ergebnis der Konferenz kam schließlich eine Empfehlung an sämtliche europäische Regierungen heraus, die man dann wegen des besseren Eindrucks in die etwas feierlichere Form einer diplomatischen „Schlußakte" brachte; Zeit 26. 7.1985 Wer je von der Helsinki-Schlußakte einen Durchbruch zur ungestörten Zusammenarbeit zwischen Ost und West erhofft hatte, ist von den letzen zehn Jahren eines Besseren belehrt worden; MM 16.10.1985 Als vor knapp 13 Jahren . . die ersten Umrisse der späteren KSZE-Schlußakte sichtbar wurden; ebd. 20.12.1986 Einstimmig billigte der Bundesrat das Ratifizierungsgesetz zur
Akteur Europäischen Akte, mit der die Gemeinschaft weiterentwickelt werden soll . . Kernpunkte der Akte sind unter anderem die Schaffung eines gemeinsa-
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men Binnenmarktes der EG bis 1992 und die Verlagerung weiterer Kompetenzen auf die Gemeinschaft.
Akteur M. (-s; -e, bis ins 20. Jh. auch mit frz. Pl. -s), im frühen 18. Jh. entlehnt aus gleichbed. frz. acteur (< lat. actor 'Handelnder, Schauspieler, Redner, Agent, Rechtsvertreter', einem nomen agentis zu agere, —» agieren; vgl. das im 16. Jh. aus dem gleichen Etymon entlehnte, heute veraltete Subst. Actor). a Zunächst in der Bed. 'Handelnder auf einer Bühne, Bühnenschauspieler', seit Anfang 19. Jh. zunehmend auch übertragen verwendet im Zusammenhang mit metaphorischem Gebrauch von Bühne, Drama, Theater, Schauspiel u.a., z. B. Akteur auf der Bühne des öffentlichen Lebens, Akteure im Ehescheidungsdrama (s. Belege 1889, 1963); bes. in den Zss. Hauptakteur 'handelnde Hauptperson, Mittelpunktsfigur, Held in einem Theaterstück' (—» Protagonist, Ggs. —» Statist 2), und Mitakteur 'Schauspieler in einer Nebenrolle'. Seit früherem 18. Jh. das aus gleichbed. frz. actrice (< spätlat. actrix) entlehnte Subst. Aktrice F. (-; -n), vereinzelt auch in der Nebenform Actrise (s. Beleg 1778) 'Handelnde auf der Bühne, Schaupielerin', gleichbed. mit der im 20. Jh. vereinzelt belegten Personenbezeichnung Akteurin F. (-; -nen). b Seit späterem 18. Jh. in der allgemeinen Bed. 'Handelnder, Agierender, aktiv Gestaltender, sich Engagierender', vor allem in den Bereichen Politik und Sport in Zss. wie Hauptakteur 'handelnde Hauptperson; jmd., der ein Geschehen maßgeblich beeinflußt, ein Geschehen dominiert' und Mitakteur 'aktiv Mitgestaltender'. Dazu im 20. Jh. vereinzelt das französisierende Subst. Akteuse F. (-; -n) 'Handelnde, Agierende'. Akteur a: Offenbach 1728 Tagebuch 16 ein neues artiges Theatrum und recht gute Acteurs; Gottsched 1732 Sterbender Cato 25 Alle dreye wurden mit ziemlichen Beyfalle aufgeführet, so daß man dergestalt schon acht regelmäßige Tragödien in Versen auf unserer Schaubühne sehen konnte. Ich schweige, was wir der geschickten Feder Hrn. Kochs, eines der geschicktesten Acteurs, hierinn zu danken haben; Meier 1757 Betrachtungen 39 ein Acteur auf dem Theater; Blutnauer 1782—87 Ged. (11 147) Als wenn die Welt, dieß Narrenhauß,/ Nur ein Theater wäre,/ Und wir für ihn Akteure; Engel 1785 Mimik l 143 so gilt dieß von dem Stande der Schauspieler, wenigstens in Deutschland, ganz vorzüglich. Man wird Akteur, wie man Soldat wird; insgemein aus Unbedacht oder Noth, selten aus Beruf oder Neigung; Richter 1781 Reise Wien-Paris 74 Ribout, ein ganz guter Akteur, debütierte in Versailles; Becker 1784-86 Reise 79 Man hatte uns sehr viel von seiner ausserordentlichen Deklamation gesagt; ich finde sie nicht nach meinem Geschmacke, sie ist zu heftig, man sieht mehr den Akteur als den Vorleser; ebd. 203 predigt wie ein Akteur und braucht seine Hände so notwendig, als seine Zunge; Tieck 1797 Kater (W. l 110) Viele
Stimmen: . . Also kommt doch ein Kater vor? . . Fischer: Wer spielt ihn denn? Leutner: Je, der fremde Akteur, der große Mann; Goethe 1821 Wanderjahre (HA VIII 514) Er hatte nicht nur keine Eigenschaften des Akteurs, sondern er hatte auch alle Fehler, die einen Schauspieler verwerflich machen; 1871 Preuss. Jahrb. XXVII 581 Friedrich und Voltaire sind die beiden Acteurs auf der Bühne des öffentlichen Lebens ihrer Epoche; Steinbeck 1889 Metz 15 damit betraten wir die Bühne des grossen Kriegstheaters als handelnde Akteurs in der weltgeschichtlichen Tragödie von 1870; Lettenbaur 1927 Morgen 360 Die großen Akteure; Offenburger Tagebl. 4.10.1963 denn er [Adenauer] will weiterhin Akteur auf der Bonner Bühne bleiben; MM 10.1.1985 Vincent . . möchte einen Vergleich zwischen französischen Akteuren und deutschsprachigen Stadt- oder Staatstheater-Schauspielern aber nicht in diese Perspektive ziehen; Zeit 23.8.1985 Hauptakteure in diesem Drama sind geschiedene Väter und Mütter, ein Verein, Ermittlungsbehörden, Staatsanwaltschaft und Kinder; MM 9.10.1987 dieses Mobiliar [Bett] ist nicht selten Hauptakteur und keineswegs bloß Kulisse für seine Bilder; ebd. 16.2.1988 Danach sollen die Ak-
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Aktie
teure zum Beispiel erst zwei Wochen vor Ablauf einer Spielzeit erfahren, ob sie für weitere sechs Monate engagiert werden. Akteurin: Partner 1964 Erben 28 Die Hauptakteurin der Tragödie war die Königin Brunhilde. Actrice: Trichter 1742 Ritterlex. 19 Actrice, Eine agierende Weibs-Person in einem Schau-Spiele; 1747 Gleim-Ramler I 74 Anton kommt sehr späte und will die Actrice nach Hause führen; 766—67 Merkwürdigkeiten 487 den Acteurs und Actrizen zu sagen, daß sie noch etwas zu lernen haben; Dressler 1777 Theater-Schule 39 Sänger und Sängerinnen, als Acteurs und Actricen; Schlözer 1777 Reise-Collegium 13 weltberühmte Acteurs und Actricen; Schink 1778 Marionettentheater 92 wie 'ne französische Actrise; Goethe 1795 — 96 Lehrjahre (HA VII 14) .. hat unter der Truppe . . ein Actrischen, mit dem er vertraut ist; ebd. VII 163 Junge Offiziere gingen aus und ein, spaßten nicht eben auf das feinste mit den Aktricen, hatten die Akteure zum besten und vernichteten die ganze kleine Polizeiverordnung, noch ehe sie Wurzel fassen konnten; Jean Paul 1805 Flegeljahre (W. IV 747) Meist waren alte, dürftige, einfältige Frauen die Actricen des Trauerspiels; 1813 — 15 Prinzenbr. 18 die Akteurs und Aktricen sind ziemlich gut; Jäger 1835 F. Schnabel 202 Actricen; Kompert 1887 Verstreute Gesch. 296 in jenem Anzüge, wie er vagirenden Actricen eigen zu sein pflegt; K. Mann 1936 Mephisto 201 Eine Actrice namens Lotte Lindenthal; Th. Mann 1939 Lotte (W. // 399) drei namhaftere Actricen des Hoftheaters; Welt 2.1.1959 Käthe Braun, ansonsten doch eine Actrice von freundlich beachtetem Namen, konnte auf gar nicht charmante Art überhaupt nicht singen; Andersch 1960 Die Rote 79 sie kannte die Art des Umgangs von Akteuren untereinander . ., ihr leicht durchschaubares, kindliches Raffinement, ihren Kavalierskult, den sie mit den Aktricen betrieben; MM 6.12.1985 Oben auf der Bühne eine Aktrice; Stern 14.5,1987 Besonders schwer hatte es dabei Italiens schönste Aktrice Ornella Muti; Lukoschik 1990 In u. Out 41 Dabei besteht ihr Auftritt aus
drei Akten: Den ersten (sprich: „Business-Akt") absolviert sie bravourös als erfolgreiche Akt-rice in den klassisch-eleganten Textil-Hanseatismen von Jil Sander; 1991 Cosmopolitan VI 8 ein Stoff, von dem etablierte Actricen, wie zum Beispiel Angelina Molina, lieber die Finger ließen; 1994 Max IX 142 ihr Privatleben schützt die medienscheue Aktrice [Bridget Fonda] so gut sie eben kann. Akteur b: Herder 1767 S. W. / 501 wenn der politische redner kein akteur an rührung seyn kann; Grosse 1896 Ursachen 238 die historischen acteurs der nächsten Zeitgeschichte (beide DWB N.); Colerus 1929 Kaufherr 427 Hella, Inez, Margit und ich gingen also rasch in den halbdunklen Vorraum des Verhandlungszimmers hinaus, um auf die eigentlichen Akteure zu warten, die noch einige Formalitäten erledigen mußten; Lokal-Anz. 17.10.1934 Das internationale Berufstennisspiel bedarf einer Belebung, einer Zufuhr frischen Blutes und neuer Könner. Die sich ständig wiederholenden Spiele zwischen denselben Akteuren .. ziehen anscheinend nicht mehr genügend; Th. Mann 1935 Reden u. Aufs. (W. XI 447) Lassen Sie mich also danken, so gut ich kann: Ihnen allen, die gekommen sind, . . vor allem aber natürlich den Initiatoren und Akteuren der schönen Feier, die man mir heute bereitet; Haffner 1965 Todsünden 8 Wenn es darum geht, die Akteure von damals . . anzuklagen oder zu entlasten; Zeit 10.5.1985 Und dieser Hitler, dieser Goebbels, das sollen die Akteure gewesen sein, die den Weltbrand entfachten; ebd. 29.8.1986 Richard Perle, inzwischen der einflußreichste Akteur in der Rüstungskontroll-Politik Washingtons; Haubrichs 1988 Geschichte 361 Überhaupt ist .. bei Otfried die aristokratische Zeichnung der Hauptakteure des Heilsgeschehens nicht zu übersehen; Keller 1990 Sprachwandel 183 Max Müllers Wörter und Formen, die ums Dasein kämpfen, . . werden zu Akteuren stilisiert. Akteuse: Zeit 18.9.1992 Seit die politischen Akteure und Akteusen zuvörderst nach Profilierung streben, hat die Zahl der politischen Profile eher abgenommen.
Aktie F. (-; -n), Mitte 17. Jh. entlehnt aus niederl. actie (älter action) 'Rechtsanspruch auf Unternehmensgewinn', dann auch 'diesen Rechtsanspruch belegender Anteilschein, Wertpapier' (< lat. actio in seiner Bed. 'einklagbarer Anspruch, Anteilrecht', —» Aktion 1), im 17.718. Jh. unter frz. Einfluß auch in der Form Aktion (—> Aktion 4). Überwiegend fachspr. im Bereich der Finanzwirtschaft für 'Wertpapier, Anteilschein an einer Aktiengesellschaft'; bes. in Wendungen wie eine (neue) Aktie emittieren 'Wertpapier an der Börse neu einführen' (s. u. Aktienemission}; (börsen-)notierte
Aktie
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Aktie 'an der Börse eingetragene, angebotene Aktie'; junge Aktie, auch neue Aktie 'am Börsenmarkt neu eingeführte, emittierte Aktie' im Ggs. zu alte Aktie; die Aktien steigen, fallen (im Wert), stehen gut, schlecht, hoch (im Kurs), von daher seit dem 18. Jh. häufig auch übertragen in redensartlichen Wendungen wie jmds. Aktien stehen gut 'jmdm. geht es gut, jmd. hat Erfolg', Wie stehen die Aktien? 'Wie geht's?', jmds. Aktien steigen, fallen 'jmds. Aussichten auf Erfolg werden besser, schlechter' (s. Belege 1787, 1849, 1908, 1986). Als Bestimmungswort in Zss. wie Aktienbrief, -schein, -zettel 'Anteilschein, Aktie', Aktienkurs 'Wert einer Aktie an der Börse', Aktienemission 'Einführung neuer Aktien an der Börse', Aktienindex 'aus dem Durchschnitt aller Aktienwerte ermittelter, die Kursentwicklung anzeigender statistischer Meßwert', Aktiengesellschaft, häufig (bes. hinter Firmennamen) als AG abgekürzt (s. Belege 1932, 1985), im 19. Jh. auch Aktienverein 'handelsrechtliches Unternehmen, dessen Grundkapital in Aktien(-pakete) zerlegt, also auf die Aktieninhaber verteilt ist', Aktienpaket 'Summe mehrerer Aktien', Aktienrecht 'rechtliche Regelung des Aktienwesens', auch in der adj. Gelegenheitsableitung aktienrechtlich (s. Belege 1971, 1988), Aktieninhaber 'Besitzer von Wertpapieren', gleichbed. mit Aktionär (s. u.). Als Grundwort in Zss. wie Namensaktie 'auf den Namen des Inhabers eingetragenes Wertpapier', auch als Nominativ-Aktie (1933 bei Genius) gebucht, Stammaktie 'dem Aktieninhaber Vermögens- und Mitverwaltungsrechte garantierendes Wertpapier', Kaufhaus-, Industrieaktie 'Anteilschein an einem Kaufhaus bzw. einem Industrieunternehmen'. Dazu das Mitte 18. Jh. aus gleichbed. frz. actionnaire übernommene Subst. Aktionär (-s; -e), bis ins 19. Jh. auch in der frz. (flekt.) Form (s. Belege 1832, 1878), für 'Besitzer von Wertpapieren, Teilhaber einer Aktiengesellschaft', gleichbed. mit veraltetem —» Aktionist 1. Aktie: 1647 (Schück II 3) dieser Brandenburgischer Compagnien actien (SCHIRMER, Kaufmannssprache); Kaule 1680 Denkschr. a. d. Geh. Rat (Gombert, AfdA IV 162) Obligationen oder Actien; Marperger 1717 Beschr. d. Banka 40 die Einführung der 5000 Actien; ders. 1726 Anleitung 33 einiger in grossen See-Wechsel- und Actien-Commerciis begriffener Kauff-Leute; Schnabel 1731 Felsenburg i 4 so wisset, daß . . zu completirung meines Ruins der Verfall der Actien mich allein um 50000 Thl. spec, bringet; Philippi 1743 Witz 255 Lotterie- und Actienkrämer; Gebaur 1749 GrundRiss 204 Die Actien werden herunter gesetzt; Justi 1758 Staatswirtschaft 158 Durch Actien versteht man diejenigen Antheile, die eine große priviligierte Handlungsgesellschaft bey ihrer Errichtung um einen festgesetzten Preis verkaufet, um vermittels derselben die bestimmte Summe, die in den Handel der Gesellschaft verwendet werden soll, zusammen zu bringen; 1769 (Sonnenfels 1828 Polizey II 495) Der Gewinn, den die Gesellschaft mit ihrem Fond macht, ist gemeinschaftliches Gut der Aktieninhaber; Müller 1787 Emmerich I 75 Der Kirchenpatron folgte mit seiner Jagdgesellschaft in einiger Entfernung nach. So standen die Aktien; Kortum 1799 Jobsiade 111 Sie hatte schon viele
ausgeschlagen,/ Welche sich, sie zu freien angetragen,/ Als sich noch ihr Vater im Wohlstand/ Und bei gutem Vermögen befand./ Jedoch als sich die Actien verschlimmert,/ Hat sich keiner mehr um sie bekümmert; Bechstein 1836 Reisetage l 182 das Theater wird durch eine Actiengesellschaft unterhalten; Scheffel 1847 Br. a. Eggers 64 und laß mich ebenfalls recht ausführlich hören, wie es dir seitdem ergangen und wie Deine Aktien in Gegenwart und Zukunft stehen; Raumer 1849 Br. Frankf.-Paris l 374 Als gute Folge der frankfurter (von den Anarchisten übereilt herbeigeführten) Ereignisse betrachte ich den daselbst gesteigerten Muth, sie zu bekämpfen, und eine Art Versöhnung zwischen den Freunden der Einheit und der Mannigfaltigkeit Deutschlands. Die Actien Frankfurts, welche hier äußerst gesunken waren, steigen durch den bewiesenen, bisher siegreichen Ernst; Szarvady 1852 Paris I 78 Ludwig Philipp, der Napoleon des Friedens und der hohen Actiencurse, machte sich durch das Pariser Börsegebäude unsterblich; Grabowski 1863 Off. 217 er tanzte mit Clärchen regelmäßig den ersten und letzten Tanz auf jedem Balle, fuhr sie zuweilen im Schlitten, kurz, er war der dieses Mal bis auf Weiteres von ihr zugelassene und begünstigte Anbeter geworden. Soweit standen seine Ak-
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Aktie
tien ganz gut; Zapp 1896 Offizierstöchter l 137 Und nun gab er ihr eine ziemlich weitschweifige Erklärung des Wesens einer Aktiengesellschaft; Hermann 1908 Henriette 149 Sie können das gar nicht so begreifen. Aber, Kößling, je tiefer die Köln-Aachener [Aktien des Nebenbuhlers] fallen, je höher steigen Ihre Aktien [in der Familie der zukünftigen Braut]; Liliencron 1908 Bunte Beute (W. X 69) Brennscheren, Uhren, ein Aktienschein; Th. Mann 1909 Hoheit (W. II 187) Samuel hatte den Palast in der Fünften Avenue von Neuyork, die Schlösser auf dem Lande und alle Aktien, Treuhandscheine und Gewinnanteile seines Vaters geerbt; Passow 1922 Aktiengesellschaft 471 dass sich eine Kapitalvereinigung unter der Form der Aktiengesellschaft bildet; B. Z. am Mittag 26.11. 1929 Der beleibte Herr war Heinrich George, der seinen Generaldirektor amüsant leise karikiert, ein lebendes Aktienpaket; Arnholds Wochenber. 13.12.1930 Um jedoch bei den notwendigen Kapitalbeschaffungen den Stammaktionär nicht zu übergehen, ihm aber gleichzeitig eine Garantie für Verzinsung seines neu investierten Kapitals zu geben, haben sich verschiedene Gesellschaften entschlossen, Vorzugsaktien, die mit einer festen 8% igen Verzinsung vorrechtlich ausgestattet und nachzahlungspflichtig sind, zu emittieren; Kesten 1932 Scharlatan 184 die Firma Konzentra AG; Lokal- Anz. 7.2.1933 Zur Frage der Aktienerwerbungen durch die Stadt erklärte der Zeuge, daß die Stadt allerdings das Bestreben hatte, ein größeres Paket Bemag-Aktien zu erwerben; Dtsch. AZ. 12.2.1935 Für die Namensaktien gilt die Eintragung in das Aktienbuch am Tage der Generalversammlung als Ausweis; ebd. 28.7.1935 Andererseits beobachtete man vor einigen Tagen erhebliche Käufe in Sachwertaktien; Münch. N.N. ebd. 25./ 26. 7.1942 Umstellung von Inhaberaktien auf Namensaktien; T/7. Mann 1954 Krull (W. VII 320) tatsächlich besaß er die Unschuld, sich einer am Orte ansässigen Aktiengesellschaft zur Erzeugung von Schaumwein als Direktor anzubieten; Welt 14.10.1954 Körperschaftssteuer zur Förderung der Aktie; Offenburger Tagebl. 9.1.1959 Die ersten Kleinaktien aus Bundesbesitz sollen in wenigen Wochen ausgegeben werden; Welt 20.8.1959 Stahlaktien im Vordergrund der Aufwärtsbewegung; ebd. 15.9.1959 An den deutschen Wertpapierbörsen haben sich die Aktienkurse weiter gefestigt; ebd. 27.10.1959 Dabei stand den Aktionären das Recht zu, anstelle der Barausschüttungen auf zwei alte Aktien eine neue Aktie zu beziehen und hierbei den entsprechenden Gewinnanteilschein als Teilgegenwart in Zahlung zu geben; Böll 1963 Clown 230 meine Mutter war . ., als ihr ein Präsident von irgendwas klar machte, daß eine konsequente Anti-Atom-Politik einen radikalen Aktien-
sturz herbeiführen würde, sofort . . zum Telefon gelaufen, hatte das Komitee angerufen und sich distanziert; Welt 24.12.1969 Kaufhausaktien wurden in Erwartung eines guten Weihnachtsgeschäftes höher bewertet; Heuer 1971 Genie o. S. Als Fabrikbesitzer, Lotteriedirektor, Aktienhändler und Scharlatan verdiente er die Millionen fast so schnell, wie er sie verschwendete; Rothe 1971 Sparkassengesetz o. S. Die Vereinigung der Sparkassen .. beruht ganz offensichtlich auf einer Anlehnung an die Grundgedanken der aktienrechtlichen Verschmelzung; Welt 20.4.1974 Etwas höher zur Notiz gelangten daneben Bau- und Baustoffaktien; Zeit 28.12.1984 neben den Stammaktien für die Mitarbeiter wird die Gesellschaft Stimmrechtslose Vorzugsaktien an jederman ausgeben; ebd. 4.1.1985 Die Aktien werden weiter steigen und die Zinsen nochmals sinken — das ist das Fazit der meisten Expertenvoraussagen; MM 23.2.1985 Aktienkäufern wurde empfohlen, sich angesichts der derzeit hohen Notierungen nur sehr gezielt zu engagieren; ebd. 26.3.1985 Die jungen Aktien werden den Aktionären im Verhältnis 8:1 zum Kurs von 180 DM angeboten; Zeit 19.4.1985 Emission neuer Aktien; MM 6.12.1985 die größte Aktienemission in der Nachkriegsgeschichte; ebd. 7.12.1985 Das Wirtschaftsministerium habe ebenso wie das Bundeskartellamt keinen Grund, an den Erklärungen der beteiligten Unternehmen zu zweifeln, daß nach der Umwandlung der Firma Flick in eine AG die Aktien des Unternehmens breit gestreut an der Börse plaziert würden; ebd. 25.3.1986 In der Tat kann die BW-Bank auf ein prächtiges Jahr 1985 zurückblicken, und auch für das gerade begonnene Jahr stehen die Aktien im wahrsten Sinne des Wortes nicht schlecht; Zeit 6.6.1986 Während der Dow Jones, gebräuchlichster Aktienindex in den USA, immer neuen Gipfeln entgegenstrebt, sind die deutschen Aktienkurse in dieser Woche unter ihren Stand vom Jahresende zurückgefallen; ebd. 8.8.1986 Schon dieser kleine Überblick zeigt, auch bei Neulingen ist vom Supergewinn bis zum Flop alles drin — nicht anders als bei allen „alten" Aktien; ebd. 22.8.1986 Es gibt zwei Arten von Aktienbesitzern — Spekulanten und langfristig denkende Anleger; ebd. 12. 9.1986 Denn die Aktienkurse haben . . astronomische Höhen erreicht; MM 8.1.1987 Sie gehen davon aus, daß die Aktie nach wie vor eine Favoritenstellung unter den Anlageinstrumenten einnimmt; Zeit 29. 5.1987 Der gesamte Marktwert der an der Tokioter Börse notierten Aktien übersteigt den aller in New York notierten Aktien und macht die Tokioter Börse damit zur größten der Welt; MM 13.6.1987 Erhöht eine Aktiengesellschaft ihr Grundkapital aus Fremdmitteln, muß sie neue Aktien emittieren, auch „junge" Aktien genannt; ebd.
Aktion 19.10.1987 Das führende Aktienbarometer „Dow Jones" stürzte mehr als 235 Zähler auf 2246,73; ebd. 27.2.1988 Dies sei von der offiziellen Energiepolitik nicht gedeckt und entspreche im ausgeübten Rahmen auch nicht den aktienrechtlichen Mitgestaltungsrechten. Aktionär: 1752 Ludovici l 236 Actioniste oder Actionaire; Simon 1772 Bilanzen 27 die Vertheilung des Gewinns unter die Actionairs (beide SCHIRMER, Kaufmannssprache); Lotz 1822 Staatswirthscbaft II164 dass die Regierung . . als Aktionär an gewissen Gewerbeunternehmen Theil nimmt; Saphir 1832 Sehr. I 147 Die Aktionäre der Eisenbahn werden zu Hause sitzen; ebd. Die Aktionärs und die Diktionärs sind darin gleich; Steinmann 1843 Mefistofeles III 272 gegen das Interesse ihrer Actionaire; Bucher 1855 Parlamentarismus 43 Kampf der Aktionäre gegen die „Tyrannei" der Direktoren; Reichensperger 1872 Phrasen 159 die simplen Aktionäre; ebd. als Mandatare der durch sie beglückten Actionaire handelnd; Poschinger 1878 Bankwesen I 358 Die Actionairs haben das unbedingte Recht, an der ganzen Geschäftsführung durch einen unter sich zu wählenden Ausschuß Theil zu nehmen; ebd. ein Bevollmächtigter der Actionärs; Kemmerich 1910 Dinge 105 Man sollte meinen, alle diese jungen Leute seien Aktionäre von Brauereien oder sie seien für den Akkordsuff angestellt; Baum 1929 Menschen 144 ein ganzes Theater voll von Verdienern . . und Aktionären; Berl. lllustr. Nachtausg. 30.3.1933 Die Ausplün-
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derung der Gesellschaft durch ihren Großaktionär Schapiro zu dessen Privatzwecken sei eine fast vollständige gewesen; Lokal-Anz. 9. 7.1933 Kleinaktionäre der Charlottenburger Wasser- und Industriewerke; Dtsch. AZ. 31.8.1935 Da erhebt sich der Vorstand und lädt die Herren Aktionäre zu einem kleinen Frühstück ein; ebd. 24.6.1944 Wenn es sich also nicht nur darum handelt, ein Aktienpaket in Publikumsbesitz möglichst fein zu verteilen, sondern zugleich daraus einen befriedeten, in sich einigen Aktionärkreis zu schaffen; Offenburger Tagebl. 9.10.1959 Arbeiter als Aktionäre (Überschr.); Welt 29.12.1964 Auffallend ist, daß der Vorstand in der Aktionärszeitschrift sehr ausführlich das in der letzten HV [Hauptversammlung] diskutierte Thema der Rücklagendotierung wieder aufgreift; ebd. 27.6.1974 Warum gehen nicht viel mehr Aktionäre selbst in die Hauptversammlungen oder warum beauftragen sie nicht Aktionärsvereinigungen mit ihrer Vertretung; MM 29.5.1985 Der Vorstand soll auch in Zukunft . . zumindest im Prinzip einen ihm nicht passenden Aktionär ablehnen können und seine Rechte gegenüber Aktionären und Aufsichtsrat werden so weit als möglich ausgedehnt; ebd. 29.11.1986 Mit Scheinaktionären sind Leute gemeint, die sich mit dem Kauf einer einzigen Aktie die formelle Legitimation zur Teilnahme an der Hauptversammlung und das Rederecht erwerben; Zeit 8.5.1987 Das Unternehmen mußte vergangenes Jahr einen herben Verlust von 2,71 Dollar je Aktie hinnehmen, und für die Aktionäre fiel gar erstmals seit 1922 die Zahlung einer Dividende aus.
Aktion F. (-; -en), im späteren 15. Jh. entlehnt aus lat. actio, Gen. actionis, 'Bewegung, Handlung, theatralischer Vortrag, Amtshandlung, Verteidigung vor Gericht' (zu actus, Part. Perf. von agere 'streben, wirken, handeln', —> agieren, —* Akt, —*· Reaktion), anfangs auch in der Schreibung Aczion und in der lat. (flekt.) Form. 1 Zunächst bis ins 18. Jh. im juristischen Bereich in der Bed. 'Gerichtsverhandlung, Prozeß', auch 'Klageanspruch, -recht'. 2 Seit früherem 16. Jh., überwiegend im Sing., in der Bed. 'Tätigkeit, Handlung, Tun, Aktivität, Geschäftigkeit, Wirkung'; seit Ende 17. Jh. bes. in den Wendungen in Aktion treten 'anfangen, etwas zu tun, zu (be)wirken, wirksam werden, einschreiten' und in Aktion sein 'tätig, aktiv, in Betrieb sein' (im Ggs. zu außer Aktion sein), in Zss. wie Aktionsbereich, -feld, -radius 'möglicher Bereich, auf den sich einzelne Aktivitäten erstrecken, Wirkungsbereich, Reichweite', speziell in der Technik in bezug auf Flugzeuge, Schiffe u. ä. (s. Belege 1914, 1959), Aktionsfreiheit 'Freiheit des uneingeschränkten Agierens' und aktionsfähig 'handlungsfähig' (s. Belege 1880, 1932, 1967); im Bereich des Theaterwesens für 'Handeln, Agieren des Schauspielers', daher auch selten für 'Handlung, handlungsreiche Passagen, Handlungsabläufe in einem Schauspiel, Roman, Film o. ä., dramatisches Geschehen', bes. in der (in neuerer Zeit aus Actionfilm, —» Action) teillehnübersetzten Zs. Aktionsfilm
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Aktion
'handlungsreicher, auf Handlung aufgebauter, von Handlung bestimmter Film'. Auch fachspr. produktiv, z. B. in der Chemie in bezug auf chemische Wirkstoffe für 'Wirksamkeit' (—» Aktivität 4), in der Medizin die Zs. Aktionsstrom 'durch Spannungsänderungen an den Membranen lebender Zellen (Muskeln u. ä.) hervorgerufener elektrischer Strom im Körper' (s. Belege 1904, 1959, 1987), in der Sprachwissenschaft die Zs. Aktionsart 'Handlungsart beim Verb'. 3a Etwa gleichzeitig in der bes. seit dem 19. Jh. dominierenden Bed. 'geplante, zielorientierte, herausgehobene Einzelhandlung, einzelne Tat' (—» Akt 1), im Ggs. zu —·· Prozeß; im 20. Jh. zunehmend für 'koordinierte, gemeinschaftliche Unternehmung, Maßnahme, gezieltes Vorgehen, Veranstaltung', bes. in den Wendungen eine Aktion planen, starten, durchführen und in dem (1967 von Bundeswirtschaftsminister Karl Schiller eingeführten) Syntagma konzertierte Aktion als Bezeichnung für ein zunächst von Arbeitnehmern und -gebern, dann auch allgemeiner für ein von verschiedensten Verhandlungspartnern ausgehandeltes, gemeinschaftliches Vorgehen. Seit Ende 18. Jh. in zahlreichen Zss. des politischen Bereichs: Als Grundwort in Staatsaktion 'einschneidende Maßnahme der Regierung eines Staates', auch übertragen für 'besonders wichtige, herausgehobene, zentrale Angelegenheit' (s. Beleg 1916), bes. in der Verbindung Haupt- und Staatsaktion (s. u. 3b, vgl. auch 3c), auch übertragen verwendet in der Wendung aus etwas (k)eine Staatsaktion machen 'etwas Belangloses (nicht) unnötig aufbauschen' (s. Beleg 1930), Befreiungs-, Such-, Rettungsaktion 'koordinierte, organisierte Handlung, die jmdn./etwas befreien, finden, retten soll', z. B. eine dramatische Suchaktion für ein vermißtes Kind, eine Rettungsaktion für ein baufälliges Haus starten, Polizeiaktion 'geplantes, organisiertes Handeln, Einschreiten der Polizei zur Verbrechensbekämpfung', Nacht- und Nebelaktion, eigentlich 'von Nacht und Nebel verborgenes Vorgehen', übertragen für 'geheimgehaltenes, unangekündigtes, überrumpelndes Vorgehen', Blitzaktion 'überstürztes, hastiges Agieren' und Protestaktion 'koordiniertes Handeln, das Protest zum Ausdruck bringen soll, Demonstration'. Seltener als Bestimmungswort in Zss. wie Aktionstag, -woche 'Zeitraum, in dem eine Aktion durchgeführt wird' und vor allem im Sprachgebrauch kommunistischer Länder vorkommendes Aktionsgemeinschaft, auch -einheit, -komitee 'Zusammenschluß von Personen, Personengruppen, Parteien, Regierungen u. ä. zur Organisation und Durchführung einer gemeinsamen Aktion' (s. Belege 1959, 1985); in neuester Zeit häufig mit charakterisierenden Adhoc-Namen, z. B. Aktion „Fernsehfreier Sonntag" 'Zusammenspiel verschiedener organisierter, koordinierter Alternativangebote zum Fernsehen, die einen fernsehfreien Sonntag attraktiv machen sollen', und im Sinne einer institutionalisierten Tätigkeit in Fügungen wie Aktion Sorgenkind 'charitative Einrichtung, die sich die Verbesserung der Situation Behinderter zum Ziel gesetzt hat', vgl. entsprechend Aktion Sühnezeichen. b Seit spätem 16. Jh. im Theaterwesen für 'Schauspiel, Theaterstück, Aufführung', bes. in der von Gottsched (s. Beleg 1732) geprägten Wendung Haupt- und Staatsaktion (s. o. 3a, vgl. auch 3c) als Bezeichnung für ein Theaterstück deutscher Wanderbühnen des 17.718. Jhs. mit sensationell aufgemachtem, historischem Inhalt, bald auch negativ konnotiert mit „pompös, übertrieben, überladen", c Vom 17. bis 20. Jh. im militärischen Bereich für 'Gefecht, einzelne Kampfhandlung, Schlacht', auch 'Duell, Streit, Händel' (—> Affäre 1), bes. in der Zs. Hauptaktion (s. Belege 1670, 1719).
Aktion
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d Seit Mitte 20. Jh. im Bereich der Kunst für 'einzelne künstlerisch gestaltete Handlung, improvisiertes Kunstereignis, Performance, Happening', vgl. die aus Action(-) Painting 'Kunstschaffen mit besonders handlungsreichen Techniken' (—» Action) lehnübersetzte Zs. Aktionsmalerei, gleichbed. mit Aktionskunst 'aus einzelnen Aktionen entstehendes Kunstschaffen', daher die Personenbezeichnungen Aktionsmaler, -künstler 'bildender Künstler, der sich künstlerisch in einzelnen Aktionen ausdrückt', gleichbed. mit —* Aktionist 2b. 4 Im 17./l8. Jh. unter Einfluß von gleichbed. frz. action selten auch für 'Wertpapier', dafür meist —» Aktie. Dazu vom späten 17. bis ins 19. Jh. das trans. V. aktionieren 'prozessieren, jmdn. verklagen' (zu 1), vereinzelt auch 'im Schauspiel tätig sein, schauspielern' (zu 3b). Aktion 1: 1474 Mo«. Habsburg. I 2,155 das der von Trient als wol als die widerparthey sein action vnd klag auf entwerung gesetzt (DWB N.); 1523 Dialogus von F. von Sickingen (Schade 55) dann ich mein warlich daß kein seel in der hell von den teufein harter geplagt mög werden, dann wann ein armer den procurator, advocaten und den selbigen rostigen häufen zu teil wird, dann da sint so vil action, exception, replik .., also daß kein entledigung ist; Gilhausen 1597 Grammatica 195 Darwidr nicht han ein Action/ De inofficioso testamento zwar./ Darinnen liegt der Haß fürwar; Goethe 1774 Rechtsanwaltsschr. (DjG V 483) Sie stellte Actionem servitutis negatoriam [Verneinungsklage der Dienstbarkeit] an (GWB). aktionieren: 1683 (Schück 164) daß weder er noch seine frau . . actioniret oder belanget werden sollen (DWB N.); Marperger 1712 Naturlex. 17 Daher sagt man, einen actioniren, d. i. einen verklagen; Boltz 1752 Amts-Actuarius 68 actioniren. Aktion 2: Binder 1537 Gnaphäus' Acolastus 2a Ich hab nun etwann vil hie zu Zürich mit meinenn knaben vil der Lateinischen vnd Griechischen Comedien . . gespilet, darmit die jugendt geübt erlernte der red .. ein wesen vnnd leben geben mit der action vnnd aussprechen, nit nur das die gedächtnuss gesterckt.. würdend; Fischart 1581 Dämonomania 754 das thun oder die Actiones; Furttenbach 1655 Hospittals-Gebäw 11 damit jhre [Kranker] ungeberdete Action ändern Personen kein Beschwernuss erwecken; Eisenhuet 1700 Ehre IV 8 des abgeleiteten Actiones, Thun und Lassen; Winckelmann 1762 Sendschr. 34 Sie [weibliche Statuen] sind bekleidet und ohne viel Action, auch ohne beygelegte Zeichen; Lessing 1767—68 Dramaturgie (S.Schr. IX 22) in Action zu setzen; Goethe 1795-96 Lehrjahre (HA VII 311) Besonders überzeugten sie unsre Schauspieler, daß man bei der Probe Stellung und Aktion, wie man bei der Aufführung zu zeigen gedenke, immerfort mit der
Rede verbinden . . müsse; Reichenbach 1880 Roman e. Bauernjungen 129 Vorläufig sei diese [Theatergesellschaft] nicht aktionsfähig; Braun 1881 Bilder 290 Sie haben das Thaten-Fieber, das Aktions-Fieber. Es beherrscht sie bis zum Wahnsinn; Fontäne 1898 Zwanzig 612 Das Volk hat [bei Aufständen] von Moment zu Moment das Spiel in der Hand, hat Aktionsfreiheit; Frey 1904 Physiologie 272 Die Registrierung des Aktionsstromes ergibt, daß es sich [beim einmaligen Zusammenziehen eines Muskels] um eine Zuckung handelt; Stavenhagen 1910 Verkehrsmittel 119 Je nachdem mehr die Kampfkraft . . oder die Geschwindigkeit und der Aktionsradius überwiegen, . . wird die Aufgabe des vielseitigen Kreuzers eine verschiedene sein; Freud 1911—24 metapsychol. Sehr. 45 sich durch eine Muskelaktion (Flucht) entziehen; Kes 1914 Kraftwagenlinien 4 Der Aktionsradius bei Dampfwagen dieser Art ist 15 bis 20 km; Th. Mann 1918 Reden u. Aufs. (W. XII 112) Er ist in voller Aktion, in politischer Rage; Boruttau 1922 du Bois-Reymond 63 daß die elektrische Platte, deren „Aktionsstrom" das wesentliche des durch Hintereinanderschaltung verstärkten einzelnen Zitterfischschlages ist; Jerusalem 1925 Soziologie I 121 Auch die wissenschaftliche Methode als Form des Erkenntnisprozesses ist eine gesetzmäßige Aktionsform, die den Drang zur Selbstverwirklichung . . zeigt; 1926 Sport u. Sonne XII 847 setzte das Gladiatorenrennen fort, das allerdings den nach dem Saint Leger zur Disposition gestellten Ferro nicht mehr in Aktion sieht; Voss. Ztg. 1.5.1930 Wenn man bedenkt, daß die Flugzeuge . . noch einen Aktionsradius haben, so weit wie von London oder Paris oder Moskau bis zur Ostsee und zurück, dann fragt man sich, welchen Wert denn unsere Panzerkreuzer A und B heute noch haben; Berl. lllustr. Nachtausg. 24.5.1932 daß sein Kabinett, politisch gesehen, nicht mehr aktionsfähig ist; R.T.A. 25. 9.1935 Wir lesen jetzt häufig, ein Flugzeug oder ein Luftschiff habe einen Aktionsradius von soundsoviel tausend Kilometern. Da wir Deutsche sind, wollen wir dafür Fahrbereich, Fahr-
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strecke oder Reichweite sagen. Auch in der Bedeutung von Wirkungskreis oder Gesamtwirkungskreis wird das Wort Aktionsradius verwendet; Münch. N.N. 24.12.1939 wir, die wir alle den wundervollen Mechanismus der deutschen Armee erst eben in Polen wieder in Aktion gesehen haben; Th. Mann 1945 Reden u. Aufs. (W. XII 185) was mich in Aktion versetzte, war die Empörung meines Gerechtigkeitsgefühls; Welt 7.5.1949 Er war von Hitler abgeschnitten, hörte die Meldung über die Einschließung Berlins, glaubte ihn bereits außer Aktion und sich selbst daher für verpflichtet, nach der nicht aufgehobenen Reichsttagserklärung handeln zu müssen; ebd. 12.9.1949 Die Falz- und Heftmaschinen treten in Aktion; Gail 1958 Weltraumfahrt 103 Ihr Aktionsbereich hängt wesentlich davon ab, ob man unterwegs — etwa auf dem Mars oder einem Jupitermonde — geeignete Treibsubstanz nachtanken kann; ND 8.7.1959 EKG = Elektrokardiogramm = indirekte Ableitung der bei der Tätigkeit des Herzens entstehenden Aktionsströme; ebd. Düsenflugzeuge mit großem Aktionsradius; 1967 Bild d. Wiss. I 66 mit Insulinspritzen, Medikamenten und Diätvorschriften können Zuckerkranke heute voll aktionsfähig das gleiche Alter erreichen wie Gesunde; Welt 8.4.1969 Schön wartet die Bundesligaspiele am Dienstag und Mittwoch ab, in denen ein Teil der von ihm benannten Akteure in Aktion tritt; ebd. 9.10.1969 Dabei traten folgende Instrumente in Aktion: sieben Modelle von Pistolen, je drei Typen von Gewehren und Schrotflinten, ein halbes Dutzend Dolche und Stiletts; ebd. 10.1.1974 das hat es noch nicht gegeben, daß sich der Verkehrsfunk um eines Kindes willen in Aktion setzte, mit Notruf und dringender Anempfehlung einer fürsorglichen Fahrt; Hildesheimer 1977 Mozart 247 ein Regie-Konzept in unserem Sinne gab es nicht, Aktion, Gestik und Mimik waren kaum aufeinander abgestimmt; Zeit 5.4.1985 Das Bild der deutschen Sektion prägten in den siebziger Jahren alternativ gestimmte junge Leute, Studenten zumeist, die ein politisches Aktionsfeld außerhalb der herkömmlichen .. Organisationen suchten; MM 24.4.1985 PCs . . in Aktion; ebd. 15.11.1985 Als persönlichen Erfolg sieht es der 47jährige Braasch, . . wenn er den Senioren, deren Seh- und Hörkraft sowie Beweglichkeiten nachgelassen haben, die Ängste vor dem Straßenverkehr nimmt, und diese daraufhin ihren Aktionsradius vergrößern können; ebd. 26.11.1985 Wird die unspezifische Abwehr mit eingedrungenen Fremdkörpern, Bakterien oder Viren nicht mehr fertig, dann tritt die spezifische Immunabwehr in Aktion; Stern 1986 Erinn. 80 Die meisten sind Arbeiter, wenig interessiert an Ideologie, eher aktionslüsterne Draufgänger, die rasch und aktiv handeln; Zeit 3.10.1986 Untersuchun-
gen zur elektromikroskopischen Darstellung von Genen in Aktion; ebd. 7.11.1986 „Du weißt . ., daß ich mein Leben gern wie einen Roman einrichte und mich mit großem Vergnügen in die Lage jener tatendurstigen und entschlossenen Helden versetze, die um sich . . dramatisches Geschehen, Verwicklungen, Interesse, in einem Wort Aktion brauchen", läßt Nerval seinen Helden einem Freund erklären; MM 1.2.1987 da trat von den mitgebrachten Blockflöten eine nach der anderen in Aktion; Zeit 7.2.1987 Dazwischen führt der Regisseur die Figuren mit schlichter Zurückhaltung in Gestik und Aktion; ebd. 5. 6.1987 „Einen modernen Western mit stark melodramtischem Touch und viel Aktion", nennt Hill seinen Film; MM 4.12.1987 Die meisten Fälle lassen sich im Elektrokardiogramm erkennen — einer Aufzeichnung der Aktionsströme des Herzens; Borst 1988 Barbaren 539 Konrad [von Megenberg] nahm die Geschichte als Aktionsfeld der Eliten, nicht der Massen. Aktion 3a: Zwingli 1525 W. IV 13 Action oder bruch [Brauch] des nachtmals, gedechtnus oder dancksagung Christi, wie sy uff osteren zu Zürich angehebt wirt im jar, als man zalt 1525; Kirchhof 1563 Wendunmuth I 553 daß sie in der osternacht mit grossem gepreng . . ein höltzern crucifix auß dem grab namen, dasselbig umbher trügen und ein thür . . darmit auffstiessen. in solcher action . . (DWB N.); um 1670 Gepflückte Fincken 224 erzehlte ihm die gantze Action; Weise 1673 Erznarren 26 und meynte Florido, er würde bey seinem Hoffmeister grossen Danck verdienen, wenn er ihm früh Morgens die artige Action erzehlen würde; Riemer 1684 Polit. Passagier 166 Nun hatten etliche . . Nachricht von dessen action, wo er sich vor einen Schneiders-Gesellen, umb das er sich nicht wehren dürffe, ausgeben; Heinse 1794 H. v. Hohenthal V 126 Staatsactionen; Gutzkow 1838 Blasedow III 167 einer wichtigen Staatsaction beiwohnen; Knies 1857 Telegraph 64 die örtliche Concentration der Staatsactionen in Paris; Gottschall 1885 Totenkl. 275 parlamentarische Hauptund Staatsaction; Richter 1893 Jugend-Erinn. 29 war überhaupt die Anwesenheit in der Hauptstadt, die unmittelbare Nähe, in der hier vor aller Augen sich die Haupt- und Staatsaktionen vollziehen, geeignet, das politische Interesse mächtig zu steigern; Eckstein 1897 Roland 135 Nirgends gab es für sie einen Punkt, wo sie den Hebel einer Gegenaktion hätte einsetzen können; 1916 Franzosen 45 Verkäufe der Viehhäupter, des Weins und des Getreides, als Haupt- und Staatsaktion des ganzen Jahres, werden allerdings zumeist auf dem nächsten Großmarkt, in der Kreishauptstadt, von dem Haupte der Familie mit der erforderlichen Feierlichkeit vorgenommen; Th. Mann 1921 Reden u.
Aktion Aufs. (W. X 609) Es . . gibt nicht eine einzige wirkliche Tat (Aktion), zu deren Hervorbringung nicht alle Kräfte des Lebens, die guten wie die bösen, sich vereinigt hätten; Wilhelm 1. 1922 Ereignisse 71 die [sog. Emser] Depesche . . sei eine „StaateAktion", für die der Kanzler und er selbst die volle Verantwortung trügen; Musil 1930 Mann l 87 Die wahrhaft treibende Kraft der großen patriotischen Aktion . . war . . Se. Erlaucht Graf Leinsdorf; Voss. Ztg. 13.3.1930 die ökonomische Entwicklung .. entriß der Frau die Erfüllung des Berufs und verführte den Mann, aus seinen Kindern eine Staatsaktion zu machen; T/7. Mann 1931 Reden u. Aufs. (W. XU 660) Nun hatte die Rede aber gar keine politische „Seite", sondern sie war eine vom brennenden Augenblick diktierte Aktion und nichts weiter; eine nach ihren praktischen Absichten sehr klar umgrenzte Aktion: sie wollte dem Bürgertum die Ursprünge der nationalsozialistischen Welle erläutern; ders. 1933 Nachtr. (W. 1 78) Aktion zur Diffamierung eines deutschen Schriftstellers durch Radio und Presse; Lokal-Anz. 2.3.1933 Die großen Aktionen gegen die Kommunistische Partei Deutschland und ihre . . Helfershelfer sind auch im ganzen Reich fortgeführt worden; Berl. lllustr. Nachtausg. 11.5.1933 Die Reichsaktion gegen das Vermögen der Sozialdemokratischen Partei und ihrer Unterorganisationen wurde heute auch im Lande Braunschweig durchgeführt; ebd. 7.8.1933 in schneidig und klug durchgeführten Aktionen; Lokal-Anz. 5. 7.1934 Diese gewaltige Werbeaktion [Görings] . . ist lediglich ein Appell an Herz und Hirn, freiwillig und selbstlos sich zu stellen in den gemeinsamen Kampf, der Gesamtheit zu helfen durch die Opfertat unzähliger Ichs; 1935 höhere Schule 391 Vom 26. bis 28.April wendet sich die gesamte sächsische Hitlerjugend .. mit einer großen Werbeaktion an alle die deutschen Jungen und Mädel, die noch nicht in ihren Reihen stehen; Dtsch. AZ. 24.8.1935 „Polizeiliche Schutzaktion" — Die neueste Formel für den Krieg in Abessinien (Überschr.); ebd. 28.2. 1944 Heimkehreraktion für Auslandsdeutsche; Süddtsch. Ztg. 9.11.1945 In dieser Zeit wird an die Mitarbeit jeden Mannes und jeder Frau — man denke nur an die augenblickliche Holzsammelaktion — appelliert; ND 10.1.1954 Dieser Lastkraftwagen wurde in freiwilliger Arbeitsleistung, in solidarischer Aktion mit den Arbeitern von über 300 Zubringerbetrieben, produziert; ebd. 10.9.1954 ein wichtiger Schritt zur Herstellung der Aktionseinheit der gesamten deutschen Arbeiterklasse; ebd. 8.3.1959 Die deutsche Arbeiterklasse kann diese großen Aufgaben lösen, wenn sie sich verständigt und zu einer festen Aktionsgemeinschaft zusammenschließt; ebd. 3.9.1959 Aktionseinheit der Arbeiterklasse; Welt 17.10.1959 Schweigemärsche,
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Massendemonstrationen und Protestaktionen; ebd. 25.11.1964 Angesichts dieser Drohungen sei ein Aufschub der militärischen Aktion im Interesse der Geiseln nicht zu verantworten gewesen; ND 3.12.1964 daß die Aktionen für den Frieden verstärkt und verdoppelt werden müssen; Welt 11.12.1964 Erneut kündigen Polizei und Verkehrssenator Aktionen zum Schutz der Fußgänger auf den Zebrastreifen an; FAZ 26.1.1966 Bundeskanzler Ludwig Ehrhardt hat am Dienstag nachdrücklich erklärt, daß es für die Bundesrepublik kein „Hineinschlittern" in eine halbmilitärische Aktion in Vietnam gebe; Offenburger Tagebl. 13.3.1968 konzertierte Hygiene-Aktion; ND 13.6.1969 Aktionseinheit der kommunistischen Parteien; Welt 9.10.1969 In einer dramatischen Rettungsaktion konnte das Kleinst-U-Boot „Nekton" mit einem mechanischen Greifarm die Plastiktrosse kappen, die sich um eine der Heckschrauben der „Deep Quest" gewickelt hatte; 1971 Der Angestellte o. S. Das Stabilitätsgesetz aus dem Jahre 1967 sieht als konjunkturpolitisches Instrument der Bundesregierung unter anderem vor, daß bei Gefährdung des wirtschaftlichen Gleichgewichts die Bundesregierung Orientierungsdaten für ein gleichzeitig aufeinander abgestimmtes Verhalten (Konzertierte Aktion) der Gebietskörperschaften, Gewerkschaften und Unternehmerverbände zur Verfügung stellt; Welt 10.1.1974 militärische Aktion der Nordvietnamesen; ND 13.2.1974 die koordinierten Aktionen der sozialistischen Länder; Welt 11.9.1974 Auch außerhalb der konzertierten Aktion seien die Arbeitgeber jederzeit zu einem Spitzengespräch mit dem DGB bereit; Hilsenrath 1977 Friseur 357 Nach seiner ersten Aktion hatte der Massenmörder Max Schulz an sechs weiteren Aktionen teilgenommen: eine Brücke gesprengt, einen Zug zum Entgleisen gebracht, eine Bank ausgeraubt . .; MM 5.1.1985 die Vorsorge-Experten der Aktion Sorgenkind; ebd. 11.9.1985 Aktion „Sicherer Schulweg"; Zeit 27.9.1985 Das war in der vergangenen Woche, als die ceylonesische Armee in einer großangelegten Militäraktion die tamilischen Extremisten . . zurückzudrängen begann; MM 26.10.1985 Mit einer bundesweiten Aktion wollen Umweltverbände, SPD und Grüne heute vor der wachsenden Umweltbelastung durch „Ex-und-Hopp"-Einwegverpackungen warnen und für den Kauf von Mehrwegbehältern werben; ebd. 1.2.1986 Parallel dazu sollen in der Bundesrepublik gewerkschaftliche Protestaktionen — verlängerte Arbeitspausen, Demonstrationen und Sternmärsche — stattfinden; ebd. 21.2.1986 Ein Sprecher der Gemeinde Biebesheim, auf deren Gebiet die blockierte Zufahrt der AK Chemie liegt, erklärte zudem, die einstweilige Verfügung könnte unter Umständen auch die Bürgermeister bestär-
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ken, nun von sich aus eine Polizeiaktion gegen die Blockierer zu verfügen; ebd. 21.3.1986 Das sollten jene bedenken, die im Kampf gegen die Bundesregierung eine Aktionsgemeinschaft mit Kommunisten nicht scheuten; Zeit 4.4.1986 Die Polit-Verhaltensforscher jeder Couleur messen das Gewicht der Protestbewegung kühl an der Personenzahl und an den Sitten bei den Aktionen, Kundgebungen und Sternmärschen; MM 6.6.1986 TelefonAktion zur Studienplatzvergabe; ebd. 5.7.1986 Die Geschichte der Palatina [Bibliothek], ihr Transport von Heidelberg nach Rom vor 363 Jahren und der politische Hintergrund dieser Aktion sind abenteuerlich; ebd. 4.9.1986 Zahlreiche Demonstranten [gegen das Atomkraftwerk Cattenom] legten sich in einer Aktion „Symbolisches Sterben" auf die Straßen im Grenzland und blokkierten stellenweise den Verkehr; Zeit 13.3.1987 In einer Nacht- und Nebelaktion sind sie am 2. September des letzten Jahres von der Prager Geheimpolizei verhaftet worden; MM 21.10.1987 Schon gleich die erste Blitzaktion der Carabinieri, die im ganzen Land überraschend in und vor Schulen auftauchten, hatte Erfolg; ebd. 6.11.1987 In einer konzertierten Aktion bemühten sich gestern europäische Zentralbanken, die turbulenten Devisen- und Wertpapiermärkte zu beruhigen; ebd. 24.11.1987 Unüberlegte Aktionen einzelner [PolizeijBeamter gilt es unbedingt zu vermeiden; ebd. 4.1.1988 Aktion „Medikamente für Polen"; ebd. 19.4.1988 Erst allmählich verwebt Szcypiorski die individuellen Schicksale miteinander, um sie mit der Aktion, die polnische Jüdin Irma Seidenman zu retten, in einen Zusammenhang zu bringen; ebd. 30.4.1988 Umweltminister Töpfer (CDU) hat gestern eine konzertierte Aktion gefordert, um die Müllberge in der Bundesrepublik abzubauen; Spiegel 11.6.1990 Als der Lauschangriff publik wurde, bemühte sich Maihofer, die Aktion als einen „einmaligen Fall . ." zu rechtfertigen; 1994 Max IX 156 Jahre bevor Kollegen ihre Popsongs mit afrikanischen Trommeln garnierten oder westliche Rockmusiker sich unter dem „Live Aid"Banner zum Spendenchor formierten, riskierte er mit gewagten Konzertprojekten und politischen Aktionen sein Vermögen und die Karriere als Musiker. Aktion 3b: Brunner 1566 Jacob 8 Das nit die Action lang werdt/ Vnd mehr als einen tag begerdt./ Doch wird der Leser sehen wol/ Wo er das Spiel recht lesen sol; Hollontus 1605 Somniutn 1479 Das dieselben eigner person/ Habn angeschawt dieß' Action; Spangenberg 1613 Wie gewonnen 2a Diese Action zu verachten/ . . Ob schon das Spiel kurzweilig ist; Rinckhart 1618 Jubel-Comödie Von·. 3 Welcher alten, guten gewonheit zufolge . . die für-
nehmste Puncte, so bey angehender Evangelischen Reformation sich . . daher ereignet, in eine kurtze Action fassen vnd öffentlich spielen; ebd. 10 Vnd schleust sich vnser Actio/ Also endlich in Jubilo; Gottsched 1732 Sterbender Cato Vorr. 22 Hauptund Staatsactionen; Dusch 1764 Br. l 21 Sie haben gesehen, welch ein seltsames Gemisch von Komischen, und Tragischen damals das Trauerspiel ausmachte: ungefähr ein gleicher ungereimter Mischmasch von groben Spaß und ernsthaften Gedanken, wie vor verschiedenen Jahren unsere Heldenund Staatsactionen; Wieland 1773 Agathon (111 48) Haupt- und Staatsactionen; Herder 1791 Ideen (S.W. IV 465) die Helden- und Staatsaction . . mit ihren 5 oder 7 Acren; Heinse 1794 H. f. Hohenthal V 126 Kanonenstücke und Staatsactionen kann manches Publikum besser fassen, als einen Tartüffe oder Misanthrop; Schütze 1800 Handwb. f. Schauspieler 12 Action, Haupt- und Staatsaction, hieß in vorigen Zeiten eine Gattung Schauspiel als Nachahmung des Trauerspiels gebildet und beliebt; Tieck 1827 Krit. Sehr. IV 195 Diese merkwürdigen Versuche, die sich bis auf unsre Tage noch immer in den Manuskripten mancher umziehenden Marionettenspieler erhalten haben, sind die Vorfahren jener Darstellungen, die späterhin .. unter dem Namen der Haupt- und Staatsactionen zu voreilig verdammt . . wurden; Hornberger 1889 Nachlaß 201 [Schillers Wallenstein] eignete sich mehr dazu, episch als dramatisch behandelt zu werden. Er hat zu sehr den Charakter einer Haupt- und Staatsaktion; Ompteda 1913 Haus 86 die Haupt- und Staatsaktion im Thunsaal. aktionieren: 1800 Journal d. Moden XV 539 Der zwischen den älteren actionirenden Mitgliedern des Französ. Theaters und den neuengagierten herrschende Streit ist noch nicht beigelegt. Aktion 3c: Wallhausen 1616 Kriegsmanual l Die Action geschihet entweder in offenem Feldt oder in Festungen; Grimmeishausen 1670 Springinsfeld (III 258) in die aller letzte Haupt-Action, in deren die Unsrige[n] zwar oben lagen, ich aber mein vortrefflich Pferd durch einen Schuß verlohr; um 1670 Gepflückte Fincken 125 Der Französ, der nur Action an ihm suchte; Reuter 1696 Schelmuffsky 20 Es geschähe auch hernach keine Action, wo ich nicht mit darbey war, und entweder secundirete, oder die streitenden Partheyen in Güte auseinander brachte; Menantes 1709 Satir. Roman I 202 und in einer scharfen Action erschossen; Vischer 1709 Informator 42 wanns zur Action oder Sturm kommt; Fassmann 1719 Kriegs- und Soldatenstand 26 Es fielen auch zwey blutige Haupt-Actiones, die eine bey Carpi [!], die andere bey Chiarir; Wagner 1724 Soldatenbibl. 47 Zudem ist es schwer alle
Aktionismus Umstände einer Action oder Schlacht zu erkennen; Fleming 1726 Soldat 94 bey Krieges Exercitiis und allerley ändern Actionen; Götz v. Berlichingen 1731 Lebensbescbr. 50 Dieser war bey der nun folgenden Action Fürst!. Brandenburgischer FeldHauptmann, daß er aber in solcher nicht, wie einige Nachricht geben, .. geblieben, wird aus der Folge dieser Memoire erhellen; Barth 1734 Tagebuch 181 daß S. D. der Prinz von Württemberg bei der neuestens letzthin vorgegangenen Aktion in Italien todt geblieben sei; Montecuculi 1736 Kriegs-Nachrichten 308 Die Action soll abgemessen seyn und sich richten nach der vornehmlichen Stärcke, theils der Jnfanterie, . . theils der Cavallerie; Sturm 1737 Vauban 126 Soldaten bey einer Action; 1743 Reglement Preuss. Cav. 197 Am Tage einer Action muß die Bagage von dem Wagen-Meister . . in sehr strenger Ordnung gehalten werden; Laukhard 1796 Leben III 277 Bey dieser Aktion haben wir einen Kanonier und vier Mann eingebüßt; Berenhorst 1798 Kriegskunst / 162 In den beyden siegreichen schlesischen Kriegen, hatte jedes preußische Battaillon . . zwey ihm eigne dreypfündige Feldstücke geführet, welche bey der Akzion, nach schwedischer Methode, von Menschen gezogen wurden; 1857 Aug. Mil. Enc. 217 Aktion. Dieses in der Militairsprache nicht mehr gebräuchliche Wort, bezeichnet jedes Gefecht von geringer Bedeutung; Mahler 1864 Heber die Eider 11 Der kommandierende General wird sich während der Aktion auf den Höhen nordöstlich von Broacker aufhalten; Kretschman 1870-71 Kriegsbr. 81 Werner kam nicht zur Aktion, es geht ihm gut; Horix 1895 Erl. 127 Lieber Feldwebel, thun Sie mir den einzigen Gefallen und setzen Sie sich keiner Gefahr aus! pflegte Hauptmann A. vor jeder scharfen Aktion sein alter ego zu warnen; Brinkmann 1914 Doktor-Ehe 5 jede Kriegs- und Staatsaktion - / Wupps! Eins — zwei — drei — ihr habt sie schon,/ Ob sie nun punisch, ob messenisch,/ Ob persisch, ob peloponnesisch! Aktion 3d: Spiegel 17.7.1963 Gleich den Werken des Amerikaners Jackson Pollock, des Hauptvertreters der sogenannten Aktions-Malerei („action painting") (CARSTENSEN); Bad. Ztg. 7.4.1971
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„Aktion" war ein etwas hochtrabendes und leicht mißverständliches Wort, denn in den vier Stunden geschah im wesentlichen Meditatives, das sich schlecht mit der Gemein-Vorstellung von Aktion verband; MM 9.9.1985 Überreste einer Aktion, wie sie auch im Rahmen der laufenden Ausstellung stattfinden wird, lösen einen leichten Schauder aus: halbverkohlte Gipsabgüsse menschlicher Körper, Blut des Künstlers, Teile von Skeletten; ebd. 25.11.1985 Nach Galerie- und Lehrtätigkeit, Aktionskunst und architekturbezogenen Projekten ist er 1975 in das Land seiner Herkunft, den Westerwald, zurückgekehrt; ebd. 25A. 1986 Putzfrauen „reinigten" eine von ihm [Beuys] während einer Kunstaktion verwendete Badewanne und verursachten eine schnöde Rück-Profanisierung; ebd. 25.5.1986 Der Künstler, eher durch Installationen und Aktionen bekannt, ist hier mit Arbeiten aus einer Zeit vertreten, als er selbst noch Schüler von Ewald Matare in Düsseldorf war; ebd. 8.8.1986 Nachdem HA Schult zuletzt einen Teil der Berliner Mauer täuschend echt vor der Skyline der Wallstreet . . errichtet und . . das Bild auf die wirkliche Mauer in Berlin projeziert hat (Schult: „Damit gelang es, das Problem der deutschen Teilung in neue Dimensionen der Aktionskunst einzubringen") heckt der Künstler bereits neue, aber für die Öffentlichkeit noch geheime Aktionen aus; ebd. 14. 3.1987 „Berg der höchsten Harmonie" soll das neueste Werk des in Essen und New York wohnenden Aktionskünstlers HA Schult heißen, das der quirlige „Macher" Mitte Mai in der chinesischen Hauptstadt Peking verwirklichen will; ebd. 25.2.1987 Das ist nun ein anderer Beuys als der mit Filz- und Fettecken, mit tropfenden Wasserhähnen und einer Axt neben dem Konzertflügel aufwartende Objekt- und Aktions-Künstler, der die Gesellschaft in eine soziale Plastik ummodeln wollte. Aktion 4: 1609 Aviso 32 ob woln die actiones dieser schiff . . vmb 25 par. c. verkaufft (DWB N.); E/IS. Charl. 1719 Er. IV 343 Ich werde es Euch nicht außlegen, waß die banque undt actionen sein; den ich verstehe es eben so wenig alß grichisch oder hebreisch; Auerbach 1861 GesellSchaftswesen 216 action.
Aktionismus M. (-; ohne PL), in neuerer Zeit aufgekommene Ableitung von —> Aktion 2, vgl. auch älteres —> Aktionist. Bildungsspr. zunächst im Zusammenhang mit der Studentenbewegung der 60er Jahre als Bezeichnung für deren charakteristisches, durch Aktivität und (Protest-) Aktionen gekennzeichnetes politisches Vorgehen; heute auch allgemeiner verwendet in der Bed. 'übergroße Entfaltung von Tätigkeiten, besonderer Eifer, umtriebiges Verhalten'; häufig negativ konnotiert mit „unüberlegt, desorganisiert, sinn- und
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konzeptlos", bes. im Syntagma blinder Aktionismus 'blinder Eifer' und in der Wendung in Aktionismus verfallen Ohne Vorüberlegung und Plan tätig werden, unvorbereitete, daher unsinnige Aktionen starten, panisch unbedacht zu handeln beginnen - Aktivismus 2. Dazu in neuester Zeit die adj. Ableitung aktionistisch 'überaus tätig, aktiv, eifrig', ebenfalls negativ konnotiert; vgl. aktivistisch (—* Aktivismus 2). Aktionismus: Offenburger Tagebl. 23.3.1970 Auch ließ die Methode der gewaltsamen Provokation und der fortschreitende blinde Aktionismus besonders die linken Studentengruppen in den Augen der breiten Öffentlichkeit zum Bürgerschreck werden; Sloterdijk 1983 Kritik 24 nach dem Debakel des „linken" Aktionismus; MM 31.5.1985 Begleitet von Warnungen der Wirtschaft und der FDP vor beschäftigungspolitischem Aktionismus hat gestern nachmittag das CDU-Präsidium rund sechs Stunden lang im Bonner Kanzleramt über Maßnahmen zur Schaffung von Arbeitsplätzen beraten; Zeit 31.5.1985 Hätte es noch eines Beweises bedurft, wie plan- und ziellos Rentenpolitik in der Bundesrepublik betrieben wird, dann könnte es der Aktionismus sein, mit dem sich die Bundesregierung nach der verlorenen Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen der Rentenfrage angenommen hat; ebd. 21.6.1985 Für viele psychosoziale „Grenzgänger" sind die Grünen das letzte Frustschutzmittel vor dem Abgleiten in den individuellen Verzweiflungsaktionismus; ebd. 4. 7. 1986 Der Aktionismus in französischen und britischen Betrieben ist für manchen arrivierten deutschen Betriebsrat schlicht der Beginn der Anarchie; MM 16.1.1987 Bundesfinanzminister Gerhard Stoltenberg (CDU) hat gestern bei der Vorlage der Ergebnisse für den Bundehaushalt 1986 vor konjunkturpolitischem Aktionismus gewarnt; ebd. 14.2.1987 Kern des Vorwurfs der Industrie an die Politiker ist, daß sie aus vordergründigen politi-
schen Gründen und ohne sachgerechte Prüfung tatsächlicher Gefahren in Aktionismus verfallen; Zeit 3.4.1987 ein ungeahntes Maß an Verlegenheit und schlechten Kompromissen, an Inkonsequenzen und totem Aktionismus, an Ideenlosigkeit und wirrer Narretei; MM 12. 6.1987 Karl Hochreither gestaltete dann in Carl Philipp Emanuel Bachs Sonate G-Moll die Läufe frisch und durchsichtig, setzte die Akkorde knackig und energisch und formulierte das Präludium D-Dur nach dem ouvertüreartigen Eingangsteil keck und schlank; er entwickelte mit seinem straffen Zug einen gesunden Aktionismus, der den ruhigen Akkorden gegenüberstand; ebd. 1.6.1988 Doch keineswegs verfiel Peryt bei der Inszenierung der gewaltigen Requiem-Partitur auf opernhaften Aktionismus, sondern schuf statt dessen die spirituelle Erhabenheit mittelalterlicher Mysterienspiele; Stern 31.5.1990 Bush .. konferiert, empfängt und telefoniert in rastlosem Aktionismus; MM 30.1.1991 Statt Tragisches herauszuarbeiten, läßt er es krakeelend überspielen, treibt die Schauspieler zu oberflächlichem Aktionismus
aktionistisch: Zeit 20.2.1987 Ein Kampfbund, dessen aktionistische Programme sich im Rückblick wie Frühformen der Fluxus-Bewegung ausnehmen; ebd. 22.5.1987 Sie zeigen den Politikern wünschenswerte und realistische Handlungsmöglichkeiten jenseits eines blinden und aktionistischen Alternativradikalismus.
Aktionist M. (-en; -en), Ende 17. Jh. unter Einfluß von gleichbed. niederl. actionist aufgekommene subst. Ableitung von —» Aktion 4. l Zunächst bis ins 19. Jh. für 'Besitzer von Wertpapier, Teilhaber einer Aktiengesellschaft', seit Mitte 18. Jh. zunehmend von gleichbed. Aktionär (—»· Aktie) verdrängt. 2a Im früheren 20. Jh. zunächst wohl als Ableitung von —»· Aktion l, in neuester Zeit zu —* Aktionismus gebildet in der Bed. c jmd., der mit spektakulären Taten hervortritt, der Aktionen initiiert, sie durchführt, sich an ihnen beteiligt, aktionistischer Mensch', häufig negativ konnotiert mit „konzeptlos, unüberlegt" u. ä., bes. die Wendung blinder Aktionist 'jmd., der unüberlegt, blind für Gegebenheiten und Möglichkeiten agiert'; —» Aktivist 2. b In neuester Zeit als Ableitung von —> Aktion 3d häufig im Bereich der Kunst für 'Künstler, dessen Kunst in der Aufführung von Aktionen besteht, Aktionskünstler'.
aktiv Aktionist 1: 1692 (Schück U 427) ein Haupt-Actioniste (SCHIRMER, Kaufmannssprache); Gebauer 1749 Grund-Riss 204 Und die grossen Actionisten müssen ein gut Theil ihres erworbenen Gutes wieder heraus geben; Schütze 1800 Handwb. f, Schauspieler 11 Actionisten übernehmen entweder selbst die ökonomischen und litterarischen Geschäfte, oder sie besolden Oekonomisten, Controlleure, Regisseure, Intendedanten etc. Aktionist 2a: Haecker 1922 Satiren 250 der radius der so . . wirbelnden aktionskreise aller dieser aktiven, aktivisten und aktionisten (DWB N.}; FAZ 25.2.1971 Mit umgeworfenen Autos, mit Brandsätzen, mit eingeworfenen Schaufenstern und was das öde Repertoire der sogenannten „Aktionisten" aller extremen Schattierungen sonst noch enthält, ist in zivilisierten Gesellschaften der Sukkurs von Mehrheiten gesitteter Bürger, auf den es in der Demokratie nach wie vor ankommt, nicht zu gewinnen; Ortheil 1987 Schwerenöter 435 Hielten ihn nicht manche Studenten noch immer für einen
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blinden Aktionisten, der immer im Mittelpunkt stehen wollte. Aktionist 2b: MM 8.8.1986 In der durch „Pillenknick" überflüssig gewordenen Schule entsteht Deutschlands erstes „Museum für Aktionskunst", bestückt mit einer opulenten Sammlung des quirligen Aktionisten HA Schult; ebd. 14.3.1987 Der Baum .. und der Strommast, zum besseren Transport zersägt, stehen für „Natur" und „Energie", sind damit „Symbole, die über alle Grenzen hinweg jede politische Dimension sprengen, erläutert der Aktionist; ebd. 11.6.1987 Der bürgerschrekkende Aktionist Daniel Spoerri hat die Toiletten mit einer Monumentalfassade im Nazistil verblendet und auf die Säulen zu beiden Seiten statt der Flammenschalen unverkennbare, goldbraune Häufchen gesetzt; 1987 Art XI 17 Der Schweizer Aktionist Roman Signer schickte zum documentaKehraus per Sprengladung 290.000 Blatt Papier in die Luft — als Schlußvorhang des Vergessene senkte sich Signers Makulatur auf ein vielkritisiertes Ereignis.
aktiv Adj., seit spätem 16. Jh. selten, seit frühem 18. Jh., eventuell unter Einfluß von gleichbed. frz. actif, kontinuierlich belegte Entlehnung aus lat. activus 'tätig, handelnd, wirksam' (zu actus, Part. Perf. von agere, —> agieren), bis ins 18. Jh. dem Lat. entsprechend häufig in der adv. Form aktive, seit Ende 18. Jh. zunehmend als Adj., im 18.719. Jh. gelegentlich in der dem Frz. entsprechenden Nebenform (s. Belege 1709, 1778, 1802 bei 1). l Zunächst selten, seit Anfang 20. Jh. häufiger verwendet zur Charakterisierung menschlicher Handlungen und Eigenschaften in der Bed. 'tätig, engagiert, forsch, zupackend, produktiv, lebendig, beweglich, energisch, initiativ, rührig, fleißig' (—» agil, —> alert, —> dynamisch, —> vital 3), z. B. aktive Teilnahme, Mitarbeit, Außenpolitik, aktiver Alpinismus, eine aktive Frau; auch als Verstärkungsadv, zu Handlungsverben in Syntagmen wie etwas aktiv betreiben, für etwas/jmdn. aktiv eintreten, kämpfen, an etwas aktiv teilnehmen 'sich besonders, mit aller Kraft, kühn, entschlossen, mit großem persönlichen Einsatz für etwas/jmdn. engagieren; sich für etwas/jmdn. ins Zeug werfen' und in festen attributiven Verbindungen, die sich aus der obligatorischen Opposition zu —»· passiv erklären, z. B. aktiver Wortschatz 'vom Sprecher selbst (aktiv) angewandter Wortschatz', aktiver Teilhaber 'Mitarbeiter in einer Firma, in die er investiert hat, bei der er Teilhaber ist', aktives Wahlrecht 'Rechtsanspruch, jmdn. zu wählen', aktive Sterbehilfe als Bezeichnung für eine Art der Sterbehilfe, bei der der Helfer den Tod des Sterbewilligen tätig (z. B. durch Medikamentierung) herbeiführt. Im DDR-Wortschatz speziell verwendet (s. Belege 1949, 1954, 1969) in Anlehnung an gleichbed. russ. aktivnyj 'stark engagiert, entschlossen', das schon Anfang des 20. Jhs. im Wortschatz sozialistischer Parteien produktiv war, u. a. auch zur Kennzeichnung besonderer Verdienste um den sozialistischen Staat; häufig im Syntagma aktiver Kampf. Dazu das unter Einfluß von russ. aktiv aufgekommene Subst. Aktiv
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aktiv
N. (-s; meist -s, auch -e) 'kleinere Arbeitsgruppe, Interessengemeinschaft, Gruppe von Aktivisten' (—» Aktivist 2), bes. in Zss. wie Parteiaktiv 'Arbeitsgruppe von Funktionären zur Beratung in Parteiangelegenheiten' (russ. partijnyj aktiv) und Elternaktiv 'Elternbeirat'. 2 Seit Mitte 19. Jh., ohne Steigerung verwendet, auch in der Bed. 'diensttuend, im Dienst befindlich, amtierend, ein Amt ausübend', zunächst vor allem im militärischen Bereich, z. B. aktiver Soldat (Ggs. Reservist, —>· Reserve); dann auch erweitert auf andere Bereiche, z. B. aktiver Student 'Mitglied einer Studentenverbindung', im Ggs. zu alter Herr (s. Belege 1910, 1936) und aktiver Sportler 'den Sport aktuell, praktisch Ausübender', gelegentlich übertragen verwendet (s. Beleg 1967). Dazu seit Anfang 20. Jh. die subst. Ableitung Aktiver M. (Aktiven; Aktiven) 'jmd., der aktiv beim Militär, in einer Studentenverbindung, beim Sport ist', im Ggs. zu Inaktiver. 3 Seit früherem 18. Jh. in der Ökonomie in bezug auf Bilanzen, Vermögenswerte für 'tatsächlich vorhanden, jederzeit einsetzbar'. Dazu gleichzeitig aus gleichbed. lat. PL debita activa verkürztes Subst. Aktiva, auch Aktiven 'Guthaben, ausstehende Forderungen', gelegentlich auch als Sing. Aktivum N., im übertragenen Sinne für 'Vorzug, Positivum, Pluspunkt', bes. in der Wendung etwas als Aktivum buchen 'etwas als Plus verzeichnen', als Bestimmungswort in Zss. wie Aktivschulden 'Schulden, die ein anderer bei jmdm. hat, die also zum Guthaben gehören' (Ggs. Passivschulden, —» passiv), Aktivvermögen 'wirklich vorhandenes Vermögen', Aktivmasse 'wirklich vorhandenes Vermögen bei Konkursverfahren', Aktivhandel 'Ausfuhr-, Exporthandel' (Ggs. Einfuhr-, Importhandel) und bes. Aktivposten 'Einnahmeseite', seit frühem 20. Jh. häufig allgemein gebraucht für 'Gewinn, Plus, Vorteil einer Angelegenheit'. 4 Seit Mitte 18. Jh. gebucht in der Sprachwissenschaft in bezug auf Verben zunächst für 'transitiv, mit einer Ergänzung im Akkusativ' (in neuester Zeit von der Nebenform aktivisch verdrängt), heute für 'das Aktiv betreffend, im Aktiv stehend'. Dazu seit Mitte 17. Jh. das aus gelehrtenlat. verbum bzw. genus activum gebildete Subst. Aktiv N. (-s; ohne PL), älter und bis heute auch Aktivum, zunächst für 'Transitivum', dann für 'Tätigkeitsform, Teilkategorie des genus verbi' (Ggs. —» Passiv). 5 Seit Ende 18. Jh. gebucht in verschiedenen naturwissenschaftlichen und technischen Disziplinen, zunächst in der Optik (bes. der Farbenlehre Goethes), seit dem 19. Jh. zunehmend auch in anderen Bereichen, bes. der Biologie und Chemie, in der Bed. 'hochgradig wirksam, außergewöhnlich reaktionsfähig, mit besonderer Reaktionbereitschaft ausgestattet', z. B. aktiver Sauerstoff, Aktivchlor; seit Anfang 20. Jh. speziell in der Kernphysik in der Zs. radioaktiv (zu lat. radius 'Strahl', —> Radio 3), dafür auch strahlungsaktiv bzw. verkürzendes aktiv mit den Graden hoch(radio)-, mittel(radio)- und leicht- bzw. niedrig- oder schwach(radio)aktiv; in der Medizin für 'fortschreitend' in bezug auf Krankheiten und deren Verlauf, z. B. aktive Tbc 'galoppierende Tuberculose'; in der Psychotherapie für 'in besonderem Maße eigenbeteiligt', z. B. aktive Therapie 'Therapie, mit der der Patient aktiviert werden soll und an der er sich selbst beteiligt' (z. B. Arbeitstherapie und Gruppentherapie) und in der Zs. Aktivhypnose 'Form der Selbsthypnose'. 6 Von daher im 20. Jh. zahlreiche werbespr. Zss., in denen die positive Konnotation des Wortes genutzt wird, z. B. waschaktiv 'besonders gut reinigend', in bezug auf Waschmittel, atmungsaktiv 'diffusionsfähig, luftdurchlässig', in bezug auf Stoffe
aktiv
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(wie Leder, Baumwolle, Wolle) und Preisaktiv 'preisflexibel, deshalb mit dem jeweils günstigsten Preis zu kaufen', in bezug auf das Warenangebot. aktiv 1: Spangenberg 1563 Formularbüchlein 21 er ist zum Guten erstorben, darum er auch nicht activ in der Bekehrung sich kann halten, sondern pure passive, als ein todter, der lebendig solle gemacht werden; Borne 1641 Consultatio 2a es seye ein . . durchtriebener mensch, der . . activ sey, vnd sich in die weit wol zu schicken wisse; Uhse 1709 Redner 171 Einer ist stets traurig und melancholisch, und kan in tiefsinnigen Sachen etwas gutes praestiren; Ein anderer ist allezeit lustig und activ, und weiss alles lebhaft vor zu stellen; 'Wächtler 1709 Manual 28 ein actifer Mensch; Musig 1718 Licht d. Weisheit 86 Am Verstande . . activ, subtil, verschlagen; dem Willen nach hochmütig; Lavater 1778 Physiognom. Fragmente IV 51 von einem lebhaften, aktifen, leicht beweglichen Charakter; ders. 1802 Physiognom. Regeln (Nachgelass. Sehr. V 54) bey schlauen, aktifen, industriosen, kalten, harten, schmeichelnden . . Geizhälsen; Goethe 1822 Br. (WA IV 36,84) Dein Brief . . meldet mir nun Feste und Lustbarkeiten mit aktiver Theilnahme; Heine 1854 W. VI 155 dabei sind hier die kleinen leute so aktiv, so geschickt, so unermüdlich in ihrem kämpf gegen die grossen (DWB N.); Skowronnek 1895 Fels XIV 305a daß man bei einiger Energie Aktivsein und Arbeiten ganz gut mit einander vereinigen könne; Th. Mann 1913 Reden u. Aufs. (W. X 68) Dazu gehörten passive und aktive Eigenschaften, ein Maß von durchhaltender Geduld und von erfinderisch-tätiger Energie; 1916 Deutschland II 647 aktivmilitärische Maßnahmen; Hoek 1920 Berge 46 aktiver Alpinismus; Bogeng 1926 Gesch. d. Sports 76 aktive Hygiene; Berl. Morgenpost 29.1.1931 In Bourdets ironischem Spiegelbild ist die normale Welt umgekehrt: die jungen Mädchen sind tätig, verdienen, sind energisch, aktiv — die Jünglinge sind schlappe Genießer; Man 1932 Massen 46 das Aktivwerden der Massen in der Demokratie; Dtsch. AZ. 28.8.1935 Das Bedürfnis nach weiterem aktiven Eingreifen scheint auch im übrigen abzunehmen; Münch. N.N. 10.3.1944 Wir Deutsche befinden uns jetzt in dem Zustand einer aktiven Wachsamkeit allem gegenüber; ND 7. 5.1949 wenn sich die werktätige Bevölkerung in breitester Form aktiv für dieses Ziel einsetzt; Süddtsch. Ztg. 22.2.1949 daß die Kommunisten in den Städten Westdeutschlands „Aktivgruppen" aufgebaut hätten; ND 10.1.1954 In den Betrieben, in denen unsere Arbeiter aktiv gegen feindliche Propaganda und Agententätigkeit kämpfen; ebd. 26.3.1954 Aber in der aktiven Parteiarbeit treten sie noch nicht genügend hervor; Welt 3.4.1954 Über 60 Jahre bestehender solventer Straßenbaubetrieb mit großem Maschinenpark sucht versier-
ten Straßenbau-Fachmann mit entsprechender Kapitaleinlage und Fachkräften als aktiven Teilhaber, evtl. als Geschäftsführer; Jaspers 1958 Atombombe 331 er brauchte für die Weise seiner Macht Schwärmer, Verbrechernaturen und Vernunftlose, aber solche, die intelligent, aktiv, vital und fleißig waren; ND 22.6.1959 Im Aufzeigen menschlicher Verkommenheit liegt die Stärke des Romans, wobei der Verzicht auf den aktiven Kampf gegen diese Gesellschaftsordnung und das Verharren auf die Position des bemitleidenden Beobachters einen mystischen Charakter tragen; Partner 1964 Erben 279 Tag und Nacht aktiv zu sein, niemals müde zu werden; Welt 24.1.1966 Sie erklärten darüber hinaus, daß sich für den Vertreter Italiens . . keinerlei Schwierigkeiten ergeben würden, aktiv und mit der erforderlichen Autorität an diesen Beratungen .. teilzunehmen; FAZ 5.2.1966 Immerhin wird auf der französischen Seite stets gesagt, daß Paris . . die Sache der Wiedervereinigung aktiv betreibe; ND 25.2.1969 Jetzt gelte es, ausgehend von der Prognose der gesellschaftlichen Entwicklung aktiv und schöpferisch an der Gestaltung des Teilsystems Land, Nahrungsgüter- und Forstwirtschaft. . mitzuwirken; ebd. 13.6.1969 Wir sind davon überzeugt, daß, solange der Imperialismus besteht, die allererste Pflicht jeden Kommunisten in der aktiven und entschlossenen Unterstützung der Sowjetunion . . bestehe; Welt 8.12.1969 Das Grundgesetz dieser Welt ist immer noch der „Kampf ums Dasein", in dem die Schwachen, Inaktiven, Feigen und Pessimisten weniger Chancen haben als die aktiven, kämpferischen Optimisten; Zeit 12.4. 1985 Wir fühlen uns beide gesund, geistig aktiv und wendig, auch von unseren Fertigkeiten und Qualifikationen überzeugt; MM 24.8.1985 Frauen, die aktiv sind, Interessen haben, ihre Familienrolle als zeitlich begrenzt ansehen, altern wesentlich langsamer; Zeit 25.11.1985 Ferner müsse vor einer solchen Entscheidung geklärt werden, ob eine weitere Ausdehnung des Lebens für die Familie zumutbar sei, und ob die Gesellschaft aktive Sterbehilfe akzeptiere; ebd. 18.4.1986 . . sind die jungen Männer aus dem „Sozialen Friedensdienst" viel eher als die meisten anderen Zivildienstleistler bereit, gegen Militarisierung, Auf- und Nachrüstung aktiv zu werden; MM 17.10.1986 Er konnte glaubhaft machen, daß er als Studentenvertreter in Erlangen . . gegen die Braunen aktiv war; Zeit 29.5.1987 wenn immer weniger aktive und „dynamische" Menschen zur Verfügung stehen; MM 27.11.1987 Er ist aktiv wie eh und je, unbequem, wenn nötig; ebd. 27.11.1987 Er ist aktiv wie eh und je, unbequem, wenn nötig; Borst 1988 Barba-
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aktiv
ren 52 Sie waren alle aktive Naturen, nicht eigentlich Schreibtischgelehrte; Haubrichs 1988 Geschichte 83 daß sich im späteren 9Jahrhundert ein aktiveres Bemühen des Klerus um die volkssprachliche Dichtung anbahnt; MM 16.3.1988 Gesunde Kinder sind in der Regel fröhlich, aufgeweckt, bewegungsfreudig und aktiv; Keller 1990 Sprachwandel 127 Je weniger Leute dieses Wort in ihrem (aktiven) Wortschatz haben, desto weniger können es verwenden. Aktiv: ND 22.9.1949 Sein Aktiv hat eine gewaltige Aufgabe auf sich genommen; ebd. 20.2.1954 Frauen und Mütter, helft durch Eure Mitarbeit in den Aktivs; ebd. 21.2.1954 ein breites Aktiv von Helfern; ebd. 22.7.1954 Kreisgewerkschaftsaktiv; ebd. 17.8.1954 daß mit solchen Methoden die Erziehung der Genossen zu verantwortungsbewußten Parteiaktivisten und die Erhöhung der Kampffähigkeit der Parteiaktivs unmöglich ist; ebd. 9.1.1959 hatten zahlreiche Arbeiter und Ingenieure auf einer Parteiaktivtagung dargelegt, daß eine solche Erhöhung der Produktion möglich sein müsse; Strittmatter 1963 Öle Bienkopp 279 eine bewegte Aktivsitzung; ND 25.11.1964 neue Aktivs sollen brennende Fragen aufgreifen; ebd. 28.11.1969 Lehrgänge für Elternaktive; ebd. 13.7.1974 Junge Bestarbeiter wurden in Leningrad für ihre hervorragenden Leistungen im sozialistischen Wettbewerb vom Komsomolaktiv der Newa-Metropole ausgezeichnet; ebd. 7.7.1987 Parteiaktiv des Bezirkes Suhl: Einsatz von Schlüsseltechnologien wird beschleunigt (Überschr.). aktiv 2: Stein 1808 Sehr. HI 707 nominalbestand der aktiven armee (DWB N.); Holtet 1854 Schneider II 165 im aktiven Dienst; Hartmann 1866 Erlebnisse 247 daß ich den Wunsch hege, in die Königliche Preußische Armee als aktiver Offizier einzutreten; 1910 Pan I 359 abgeraten, „aktiv" zu werden, wie er es nennt, und in ein Korps einzutreten; Stratz 1929 Lill 192 als aktiver nicht unbekannter Sportsmann; v. Wahlendorf 1936 Erinn. 40 In der schönen Mainstadt Würzburg besuchte ich zunächst den Baron Joseph von Hirsch, einen famosen, jovialen, alten Herrn aus der bekannten Familie, der als Jude Ehrenmitglied des Corps „Nassovia" war und an den ich empfohlen war, um ihn zu befragen, ob ich Chancen hätte, dort aktiv zu werden; Münch. N.N. 23. 7.1942 und heute noch ist er aktiver Sänger; Welt 29.4.1954 Oberst Hunt ist aktiver Offizier; Bild 18. 7.1967 Für den aktiven Dienst ist das U-Boot nicht mehr tauglich; FAZ 6.12.1965 Im nächsten Jahr wird die Territorialreserve auch von aktiven Soldaten ausgebildet werden; Welt 12.5.1969 1963 mußte er wegen eines Ohrenleidens . . aus dem aktiven Astronauten-
dienst ausscheiden; ND 16.8.1974 Der vierte Titelträger von Barcelona, der Dresdner Lothar Matthes (Turmspringen), ist nicht mehr aktiv; Zeit 15.2.1985 Zunächst muß sichergestellt werden, daß die Rentenlast gerecht und gleich auf Aktive und Ruheständler verteilt wird; ebd. 3.5.1985 Doch Salk, 70 Jahre alt und weiterhin aktiv in seinem Forschungsinstitut im kalifornischen La Jolla, hat noch immer keine Zeit für müßige Argumente; MM 7.11.1985 Es ist eine positive Nachricht für aktiv im Berufsleben Stehende wie für Rentner; ebd. 27.8.1986 Denn viele Frauen mit Familie wollen heute wieder beruflich aktiv sein; ebd. 13.2.1987 Bei „renitenten Prostituierten", die trotz Tätigkeitsverbot weiter aktiv wären, sei dies notwendig. Aktiver: Johnston 1917 Menschenverst. 45 die afrikanische Armee mit 50 000 „Aktiven" und ebensovielen Reservisten; 1925 Dt. Corps-Ztg. III 76 daß es der würde eines alten alten herrn abträglich ist, wenn er sich mit den aktiven auf einen vertrauten Fuß stellt (DWB N.); Berl. Ztg. 4.3.1975 die aktiven [sportier] haben vor allem mit der trockenen höhenluft . . zu kämpfen (DWB N.). aktiv 3: 1737 Jüd. Baldober 21 Activa; Bürger 1773 Er. 1160 Ich verzeichnete sowohl meine Passiv- als Activ-Schulden; 1783 FrankfRef. 2329 mandatenbuch, für die in das depositum generale gehörenden baaren gelder vnd activa (DRW); 1786 Holland. Staats-Anzeigen V 33 Unser Activ-Handel dagegen ist unbedeutend; Engel 1795 Lorenz Stark 412 ob die Activa der Wittwe ihre Passiva wenigstens balancierten; Brunner 1816 Maut-Anstalten 75 Ausfuhrhandel (sehr unschicklich mit dem Namen Aktivhandel bezeichnet); 1820 HdbSchweizStaatsR. 389 das aktivbürgerrecht in stimmen und mehren über landessachen fängt mit dem eintritt in das siebzehnte jähr des alters an (DRW); Lotz 1821 Staatswirtscb. I 439 Aber mir scheinen die Vortheile, welche man dem Aktivhandel vor dem Passivhandel beilegt, nicht ausreichend; Dombrowski 1919 System l 264 Herr von Payer wurde Vorsitzender dieses Infraktionellen Ausschusses, der de jure keine Aktivlegitimation besaß; Böhmer 1928 Erbe 178 Daß die deutsche Eingeborenenpolitik trotz der Anwendung englisch-burischer Methoden wesentlich größere Aktivposten als die englische und noch mehr als die burische aufweist; 1929 Preuss. Jahrb. CXV 376 Indem der Vatikan . . in China eine bodenständige Hierarchie zu begründen anfängt, baut er . . mit einem neuen Aufschwung fort auf Traditionen. . . Das sind die Aktivposten, die sich der Papst als Ergebnis der politischen Umwälzungen des 20. Jahrhunderts buchen darf; 1931 Arbeitsausschuss 51 daß wir eine Aktiv-
aktivieren legitimation für die Geschichte zur Fortführung der Revisionsbewegung nur dann haben werden, wenn es uns gelingt, zunächst einmal die Widerstandskraft des verbliebenen Landes im Osten sicherzustellen; Lokal-Anz. 4.6.1932 Ein „Aktivposten" .. ist für die drei Gemeinden der sonntägliche Ausflugsverkehr; Berl. Illustr. Nachtausg. 22. 8.1933 Funkausstellung — ein wichtiger Aktivposten; Lokal-Anz. 12.8.1933 die Jugend hatte keine Aktivlegitimation in diesem Staate; Berl. Börse 30.7.1935 Der Außenhandel ist damit mit etwa 29 Mill. Dinar aktiv geworden, gegenüber einem Passivum von rund 161 Millionen Dinar im Vergleichszeitraum des Vorjahres; Weinreich 1939 Deutschlands Jugend 17 So ist das deutsche Museum im Laufe der Jahre zu einem Aktivposten unserer Weltgeltung geworden, der gefeit ist gegen das Gift der Verleumdung; Munch. N.N. 20.11.1939 Jedoch der größte Aktivposten ist die Tatsache: Der Führer lebt; Süddtsch. Ztg. 1.6.1950 Ein bedeutender . . Aktivposten der bayerischen Wirtschaft ist der Fremdenverkehr; FAZ 3.1.1966 daß im Außenhandel ein Einfuhrüberschuß von 109 Millionen Mark zu verzeichnen war gegenüber einem Aktivsaldo von 66 Millionen Mark im Vormonat; Welt 21.3.1969 Die Vergangenheit kann man . . nicht mit den Aktiva allein übernehmen, auch die Passiva der Geschichte gehörten dazu; ebd. 25.7.1969 Der sprichwörtliche Fleiß der Chinesen ist einer der großen Aktivposten für die Industriealisierung des Landes; ebd.
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20.11.1969 Aktive Terminals nutzen die großen Möglichkeiten des großen Computers optimal aus — und machen ihn so zum Aktivposten auch im Kunden-Service. aktiv 6: Welt 17.5.1954 Denken Sie auch an AktivPuder zur Pflege der gesunden und kranken Haut (Anzeige); Münch. Stadtanz. 10.7.1959 Leder besitzt drei wertvolle Eigenschaften: Es ist außerordentlich zäh und reißfest, ungewöhnlich geschmeidig und außerdem noch atmungsaktiv. Das bedeutet, daß es für Luft und Wasserdampf durchlässig ist; Welt 17.10.1959 vom „atmungsaktiven", federleichten und farbigen Blumentopf; Stuttgarter Ztg. 2.4.1964 Tengelmann immer Preisaktiv! Hier lohnt sich eine kleine Vorratsbildung (Anzeige); Offenburger Tagebl. 16.2.1968 seit Bestehen Preisaktiv (Anzeige); Welt 18.2.1969 Wandern, reiten, golfen, Meerwasserbaden, radfahren, herumtollen, fröhlich sein, . . aktiv Urlaub machen, mit der ganzen Familie (Anzeige); FAZ 19.3.1970 Samum bringt trocknungsaktives Papier (Anzeige); Zeit 16.8.1985 „Aktivurlaub" heißt das in der Fachsprache des Fremdenverkehrs; ebd. 20.3.1987 Wer Selbsterfahrung als Aktivurlaub bucht, wer sein aufgewühltes Gefühl von einem Berufenen besänftigen will, der muß dafür genauso bezahlen wie der Sportler für den Tenniskurs; Stern 27.9.1990 Zum sportlichen Erfolg gehört professionelle Sportswear, die gegen Wind und Regen schützt. Und atmungsaktiv ist. Und die sich auch leicht und angenehm trägt (Anzeige).
aktivieren V. trans., selten (s. Belege 1930, 1937) reflex., im früheren 19. Jh. unter Einfluß von gleichbed. frz. activer aufgekommene Ableitung von —»· aktiv. In der Bed. 'jmdn. zum Handeln anregen, anstoßen, aufrütteln, motivieren; zu einer Tat bewegen, für eine Sache gewinnen, mobilisieren; etwas in Gang setzen, in Schwung bringen, bewegen' (—> alarmieren 2, —» animieren Ib, —» stimulieren), in Wendungen wie die Wähler, Öffentlichkeit, Zuschauer aktivieren, den Nationalstolz, die Vorstellungskraft aktivieren, intellektuelle Fähigkeiten aktivieren, Maschinen und Mechanismen aktivieren; häufig in der Wendung jmdn./etwas wieder aktivieren 'jmdn. (z. B. einen pensionierten Lehrer) erneut einsetzen, jmdn. aus der Reserve holen; etwas (z. B. einen stillgelegten Kernreaktor) erneut in Gang setzen, etwas (z. B. Feindbilder) wiederbeleben' (—» reaktivieren). Fachspr., vor allem in der Medizin, Chemie und Biologie, für 'wirksam(er), reaktionsfähig(er) machen, zu gesteigerter Wirksamkeit verhelfen', z. B. Insulin, Enzyme aktivieren, aktivierte Essigsäure, im Ggs. zu passivieren (—» passiv) und inaktivieren (—» aktiv 5); in der Radiochemie für 'radioaktiv machen', z. B. aktivierter Beton 'verstrahlter Beton'. Dazu seit früherem 19. Jh. das Verbalsubst. Aktivierung F. (-; -en) 'Belebung, das In-Kraft-Setzen, (Wieder-)Einsetzen (in ein Amt, eine Funktion), Anregung zum Handeln'; fachspr. in der Medizin, Biologie und Chemie für 'Überführung in eine
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aktivieren
wirksame Form; Prozeß, bei dem ein Stoff in einen Zustand versetzt wird, der weitere Reaktionen ermöglicht' (im Ggs. zu Inaktivierung, Passivierung), bes. in den Zss. Aktivierungsanalyse 'Meßmethode der Elementkonzentration', Aktivierungsenergie, auch -wärme, 'die für die Einleitung gehemmter Reaktionen notwendige Energiemenge, thermische Energie, die einem atomaren System zugeführt wird'; finanzwirtschaftlich für 'Erfassung von Vermögensposten, sog. Aktiva' (—»· aktiv 3), im Ggs. zu Passivierung, dazu die Zss. Aktivierungspflicht 'Pflicht der Erfassung sämtlicher Vermögenswerte der Aktivseite' , Aktivierungsrecht 'Recht zur Aktivierung von Sachen, Rechten und immateriellen Werten' und im Syntagma aktivierte Werte, gleichbed. mit Aktiva (—» aktiv 3). Dazu seit früherem 20. Jh. selten die subst. Ableitung Aktivator M. (-s; -en), überwiegend fachspr. (in der Chemie) für 'Stoffreaktionen initiierender oder beschleunigender Stoff, daher auch allgemeiner für 'etwas, das Bewegung provoziert, Initiator', in neuester Zeit vereinzelt auch auf Personen bezogen für 'jrnd., der andere anregt, aktiv zu werden, der die Dinge in Gang hält'. Seit Mitte 20. Jh. die seltene adj. Ableitung aktivierbar (ohne Steigerung) 'motivierbar, bewegbar'. aktivieren: Görres 1836 Mystik l 44 die galvanische Strömung hat hier, den Stoff ergreifend, ihn activiert und mobilisiert; 1866 Beseht, schles. Landtag l 17a der landtag spricht sich dahin aus, daß es wünschenswert sei, daß vor durchführung der beabsichtigten neuen politischen organisation die bezirksvertretungen im herzogthum . . nicht aktiviert werden (beide DWB N.); Baum 1928 Willfüer 273 Ich habe gefunden, daß die entgiftete Substanz wieder aktiviert, auf ihre volle Wirksamkeit gebracht werden kann, indem man sie einem gewissen Bestrahlungsverfahren unterzieht; Voss. Ztg. 22.8.1928 Andere Bemühungen . . gehen dahin, das Insulin zu „aktivieren", d. h. durch verschiedene Zusätze in seiner pharmakologischen Wirksamkeit zu verstärken; Th. Mann 1930 Reden u. Aufs. (W. X 740) Reiz ist ein biologischer Begriff und geheimnisvoll doppeldeutig in bezug auf das Leben, zu dem er wahrscheinlich nicht erst in einem aufrufenden und aktivierenden, sondern zugleich in einem hervorrufenden, organerzeugenden, schöpferischen Verhältnis steht; Mimra 1930 Batterie 9 Er wird Fähnrich, wird Offizier, wird Oberleutnant. Man macht ihm den Antrag, sich aktivieren zu lassen; Voss. Zig. 4.5.1930 Es kommt darauf an, diese Kräfte zu aktivieren und dann diese radikale Bürgerpartei zu schaffen; 1931 Volk u. Reich 213 Nach Wochen des Zweifels . . fanden führende Persönlichkeiten Verständnis für die weitgehende Forderung, das Gebot des Reiches zu „aktivieren". Aber — wie immer im deutschen Vaterland, der Zwiespalt der Meinungen und Willensrichtungen ließ es auch jetzt nicht zu einer einheitlichen Gesamtaktion des deutschen Volkes
kommen; Voss. Ztg. 6.1.1931 werden in den abbaureifen Zellstoffen gewisse Wasserstoffgruppierungen „aktiviert", d. h. reaktionsbereit und geneigt, sich an andere Stoffe anzulagern; Kaiser 1934 Zeitung 17 das gleiche innere Feuer des Aktivierenwollens; Dtsch. AZ. 16.1.1935 mit dem untauglichen Mittel eines nicht geeinten, national nicht aktivierten Volkes; Zischka 1936 Monopole 106 Nachdem die modernste Verwendung der Holzkohle lange die gewesen war, sie in Bügeleisen zum Wäscheplätten zu verwenden, begann man endlich ihre bekannte Eigenschaft, Gase, Gerüche und Unreinigkeiten zu absorbieren, technisch auszuwerten, sie nicht nur zu Filtern und Reinigungsanlagen zu benutzen, sondern sie zu „aktivieren"; Dtsch. AZ. 15.3.1936 die Rettung des Unternehmertums vor Untätigkeit, Kleinmut und Verfall — das ist eine der großen aktivierenden Leistungen des Nationalsozialismus; Th. Mann 1937 Reden u. Aufs. (W. X 485) es ist menschlich lehrreich zu sehen, wie eine Gesinnung, die in Friedenszeiten ästhetisch gebunden bleibt, nur in der heiteren Humanität der künstlerischen Linie hervortritt, sich, wenn es ernst — so bitterernst wird wie jetzt, moralisch aktiviert und eine Streitbarkeit im Behaupten und Verachten gewinnt, die man ihrer Liebenswürdigkeit nicht zugetraut hätte; 485 Berl. Börsenztg. 15.3.1937 Das laufende Geschäftsjahr beginnt demzufolge wieder ohne irgendwelche aktivierten Zinsrückstände; Th. Mann 1938 Nachtr. (W. XIII 666) Der nationalsozialistische Antisemitismus ist zugleich Antichristlichkeit, und er hat das eine Verdienst, . . unser, mag sein, etwas lässig gewordenes Verhältnis zum Christentum zu erneu-
aktivieren ern und zu aktivieren; Munch. N.N. 22.8.1944 Aktiviert Keuchhusten die Tuberkulose?; Th. Mann 1949 Reden u. Aufs. (W. XI 254) Andererseits ist sicher der schreckliche Roman zusammen mit den deutschen Ärgernissen an der durch Grippe aktivierten Krankheit schuld; Süddtsch. Ztg. 13.1.1951 Es sei die Absicht des Kabinetts, den Obersten Rechnungshof künftig auch für betriebswirtschaftliche Prüfungen zu aktivieren; ND 24.7.1959 Da die politische Aktivität in der Brigade noch schwach entwickelt ist, sahen wir unsere Aufgabe darin, das Leben der Partei- und FDJ-Gruppen zu aktivieren; Welt 17.8.1954 Er will jedoch die geistliche Gemeinschaft der in ihm vereinigten 161 Kirchen aus 48 Ländern der Erde vertiefen und aktivieren; ebd. 8.12.1959 Die Posten der Rechnungsabgrenzung (Passiva) enthalten im wesentlichen die Aufschläge für noch nicht fällige Raten des -Geschäfts, die unter „Sonstige Forderungen" aktiviert sind; FAZ 15.8.1964 Er möchte seine Abteilung entsprechend den gesteigerten Anforderungen aktivieren; Staiger 1966 Grundbegriffe 154 sie aktiviert die pathetische Kraft; Welt 28.11.1969 Deshalb aktivieren, erfrischen, beleben Sie Ihre Haut, umschmeicheln und entspannen Sie Ihre Haut; Ri«« 1970 Bergwirtschaft o. S. Geeignete Abstimmung der Reagenzien ermöglicht es, passivierte Minerale wieder zu aktivieren; Offenburger Tagebl. 19.4.1971 müsse nun die Westpolitik aktiviert werden; Dülmen 1977 Reformation 22 Fritz gehörte zu den begabtesten Bauernführern .. und verstand es unter den verschiedensten Bedingungen, die soziale Unzufriedenheit und politische Enttäuschung von Bauern und Bürgern zu aktivieren und für sein revolutionäres Programm zu nutzen; MM 13.4.1985 Mit dem Verlassen der Ladebucht wird zugleich auch ein Zeitschaltmechanismus aktiviert, der das Triebwerk des Satelliten nach genau 45 Minuten zündet; ebd. 31.5.1985 Die NRC gab dem Betreiber der Anlage . . die Erlaubnis, den Reaktor Nummer eins, der bei dem schweren Unglück in Three Mile Island vor sechs Jahren nicht beschädigt worden war, wieder zu aktivieren; Zeit 9.8.1985 Es ist unsere Hoffnung, daß wir das Immunsystem dergestalt aktivieren können, daß der Tumor abgestoßen wird; MM 12.8.1985 Problematisch sind vor allem die über 1000 Tonnen an radioaktiven Anlageteilen, aktiviertem Beton und anderem strahlenden Abfall; ebd. 28.2.1986 daß seit 1982 die alten „Feindbilder wieder aktiviert werden und die Nazis aus ihren Ecken hervorkommen"; Zeit 20.6.1986 Vielleicht könnte auch ein Teil der 70000 arbeitslosen Lehrer wieder aktiviert werden; MM 20.11.1986 Um eine geschädigte, aber noch schlafende Krebszelle zu aktivieren, genügt
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mitunter eine einfache Schnittwunde; Zeit 3.4.1987 Diese Bereitschaft zu sozialen Dienstleistungen muß aktiviert und umgesetzt werden. Aktivierung: Görres 1836-42 Mystik II 334 Der Ausdruck dieser Activirung (KEHREIN); 1869 Beschl. schles. Landtag I 18b Die Aktivierung der Bezirksvertretungen wird bis auf Weiteres verschoben; Sybel 1889 Begründung l 365 die erneute Activierung des am 12.Juli 1848 inactiv gewordenen Bundestages; 1927 Sittengesch. d. Lasters 310 eine zeitweise Aktivierung der homosexuellen Masse; 1928 ZfPolitik 368 Drang zur politischen Emanzipation und Aktivierung; Voss. Ztg. 1.3.1930 Aktivierung des Reichsrats; ebd. 28. 9.1930 wo die indische Gedankenwelt auch für uns fruchtbar werden und als „Wesens-Aktivierung" zu einer durchaus europäischen Lebensweisheit umgedeutet werden kann; 1933 Geopolitik X 152 die starke Aktivierung der nördlichen und nordöstlichen Grenze der Sowjetunion, die in der wissenschaftlichen Forschung (Polarexpedition, ständige Stationen und Institute) sowie in der wirtschaftlichen Durchdringung (Nordischer Seeweg!) in Erscheinung tritt; Lokal-Anz. 26.2.1933 „Aktivierung" von Herstellungsaufwand; ebd. 6.8.1933 Man übertreibt nicht, wenn man sagt, daß mit dem Volksliedsingen ein Erfolg . . erzielt wurde: die Aktivierung des Hörers; Dtsch. AZ. 3.12.1935 Aktivierung der Studentenschaft; Wagemann 1940 Geld 103 Aktivierung der wirtschaflichen Kräfte; Frankf. Ztg. 17. 8.1943 Es ist deshalb, auch wegen der Aktivierung der argentinischen Außenpolitik, durchaus verständlich, daß Buenos Aires . . inzwischen zur häufigen und gern besuchten Anfangsund Durchgangsstation geworden ist; Dtsch. AZ. 8.5.1944 Aktivierung der Bauindustrie; Süddtsch. Ztg. 21.4.1951 Notwendigkeit einer solchen universalen Aktivierung katholischer Laien; Hartmann 1954 Begegnung 14 Aktivierung und Verlebendigung der christlichen Liebe, auch, ja gerade im täglichen Leben; Bollnow 1962 Mass 17 dann gibt es schlechterdings kein anderes Mittel als die Aktivierung aller Kräfte der Vernunft; Stuttgarter Ztg. 8.2.1962 die längst fällige Aktivierung der CDU; ND 6.12.1969 Aktivierung der neonazistischen Kräfte; FAZ 1.3.1971 In der SPD kommt es jetzt darauf an, mit Mitgliederaktivierung und Mitgliederwerbung die linke Volkspartei zu stärken; Zeit 13.9.1985 die ungewöhnliche Aktivierung der beiden Gehirnhälften; MM 15.1.1986 Aktivierung der Widerstandskraft; ebd. 10.10. 1986 Der „Kapitalvernichtung" bei der Kernenergie stünde ja die Kapitalaktivierung bei stillstehenden Anlagen gegenüber, die nun auch die Abschreibung der Atomkraftwerke übernehmen würden;
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Aktivismus
ebd. 21.3.1987 Bei den meisten krebserregenden Chemikalien ist, so Lutz, der „Aktivierungsmechanismus" bekannt.
Härter (Aktivator) bestehen; ebd. 15.10.1987 Sein Kommentar: „Ich war Krisenmanager, Mutter-Vater-Ersatz und Aktivator."
Aktivator: Andresen 1939 Inhaltsverz. o. S. Einleitung — Konstruktion, Herstellung und Handhabung der biomechanischen Apparaturen (Aktivatoren) — Wesen der Funktions-Kieferorthopädie; MM 2.2.1985 Die lösungsmittelfreien Zweikomponentenkleber sind sogenannte Reaktionskleber, die aus einem Binder (Epoxidharze) . . und einem
aktivierbar: Süddtsch. Ztg. 27.1.1950 Da andere Kapitalquellen nicht „aktivierbar" sind, wird man sich von jedem Telephonbesitzer ein Zwangsdarlehen in Höhe von 200 Mark .. geben lassen; Zeit 21.3.1986 Klaus-Dieter Kibat, Altpapier-Experte des VDP, schätzt das in Zukunft noch aktivierbare Potential in den privaten Haushalten auf 700 000 bis 800 000 Tonnen Altpapier jährlich.
Aktivismus M. (-; Pl. ungebr.), Anfang 20. Jh. aufgekommene subst. Ableitung von —» aktiv 1. 1 Zunächst als Bezeichnung für eine philosophische Anschauung, nach der beim Menschen die aktive Gestaltung seiner Welt, das Vitale, Praktische dominiert (—» Pragmatismus), im Ggs. zu einer an der Theorie orientierten oder kontemplativen, dabei wirklichkeitsfernen, weltfremden Betrachtung; vor allem im politischen Bereich gebräuchlich im Sinne einer Betonung des Handelns und Entscheidens, im Extrem auch im Ggs. zu allem Intellektuellen, jeder Auseinandersetzung mit Andersdenkenden, daher als Kriterium für nichtdemokratische, autoritäre Staatsgebilde; speziell im Bereich der Literatur für eine von K. Hiller (1915) initiierte Strömung des Expressionismus, bei der dem Schriftsteller eine aktive gesellschaftliche Führungsfunktion zufiel. 2 Gleichzeitig auch allgemeiner verwendet in der Bed. 'besonders ausgeprägte Aktivität' (—» Aktivität 2), zunächst positiv gewertet im Sinne von 'besonderer persönlicher Einsatz, zielbewußtes, willensstarkes Handeln', seit 1945 meist negativ konnotiert mit „übertrieben, blind, fanatisch, nicht um einer sinnvollen Sache willen" (—» Aktionismus). Dazu seit frühem 20. Jh. das Adj. aktivistisch, zunächst 'den Aktivismus vertretend, dem Aktivismus anhängend' (zu 1), seit früherem 20. Jh. auch 'besonders aktiv, besonders zielbewußt handelnd' bzw. 'übertrieben eifrig, in blinden Aktivismus ausbrechend, fanatisch' (zu 2). Aktivismus 1: 1910 Stimmen d. Zeit LXX1X 277 sein „Aktivismus" ist eine vollständig haltlose Grundlage für ein philosophisches Lehrgebäude; Kjellen 1917 Studien 31 Eine Anschauung, der man zum Gebrauch für jedermann den politischen Giftnamen „Aktivismus" gegeben hat; Thiess 1923 Gesicht 80 dass der Aktivismus alle Menschen glücklich machen will; 1930 Süddtsch. Monatsh. XXVII 529 Der Aktivismus der jüngsten Generation ist gewissermaßen ein Ersatzaktivismus. Er wendet sich nicht mit aller Tatkraft realen Zielen zu, sondern läßt sich von radikalen Gesten blenden; Weisweiler 1943 Heimat 5 der politische und religiöse Aktivismus der keltischen Völker. aktivistisch: 1917 Beifried l 523 da nun die Flamen sich für ihre aktivistische Bewegung den politi-
schen Kernpunkt geschaffen haben, werden sie die notwendige politische Übung schon lernen. . . Keine lebenslosen Einrichtungen, sondern ein neuer, lebensweckender Geist muß geschaffen werden; Thiess 1923 Gesicht 76 Die Aufgaben des Aktivismus waren, solange sein Ideengehalt von einem Bunde getragen wurde, andere, als sie sein werden, wenn sich eine aktivistische Partei im Reichstag konstituiert hat; Bahr 1925 Liebe l 94 „Was Tätiges an mir ist", schreibt er verzückt an Herder, „lebt auf, da ich Adel fühle und Zweck kenne." Herrlich, wie dieser eine Satz eigentlich den ganzen Pindar gedrängt enthält, seine Wirkung: das „Aktivistische" dieser ermannenden, beherzenden, heroisierenden Hymnen; Voss. Ztg. 16.10.1926 Namens sämtlicher deutschen aktivi-
Aktivist stischen Parteien sprach der deutsche Agrarier Windirsch; Wust 1936 Ungewissheit IV 113 Eine gewisse positive Bedeutung aber kann sogar dieser Quietismus des Naturmenschen erhalten, nämlich als retardierendes Moment gegenüber jenem übersteigerten Heroismus, der einem überaktivistischen Lebensideal nachjagt; 1937 Bücherkunde 635 Diese aktivistische Form des Dramas kann für eine Weltanschauung, wie sie für den Nationalsozialismus maßgebend ist, auch die einzig mögliche Form des Dramas sein; Münch. N.N. 20.4.1939 wobei freilich zu bedenken ist, daß es sich dabei um eine besonders aktivistische Richtung innerhalb der japanischen politischen Strömungen handelt. Aktivismus 2: Eucken 1907 Grundlinien 210 nur in unablässiger tätigkeit kann das leben die errungene höhe wahren. . . bei solchem vorantreten der tätigkeit, solcher aktivität, darf dies lebenssystem wohl das des aktivismus heißen (DWB N.); 2935 „Duden"-Sammlung o. S. Diesem Jugend-Aktivismus muß sich der deutsche Film verschreiben, von diesem jugendlichen und kämpferischen Wollen und Streben muß er sich erfüllen lassen; Münch. N.N. 20.2.1941 ein jüngerer, durch seinen Aktivismus bekannter Pfarrer; Th. Mann 1945 Reden u. Aufs. (W. XII 394) Hier kann ich den Anblick eines durch nichts gehemmten, von keines Zweifels Blässe angekränkelten Aktivismus bestaunen, der bald, mit weitester Gebärde, die Augen im Himmel, deklamierend vor seinem Volke steht, bald mit eingestemmten Fäusten und zischenden Atems umherspringt, hetzend, aufwiegelnd; Bad. Ztg. 21.5.1948 Hier war ein „Aktivismus" am Werk, der sich in das Vakuum einer Ohnmacht stürzte, um es, wenn auch tatsächlich nur zum Schein, mit Betrieb auszufüllen; Zeit 4.10.1985 Mit eher verächtlichem und scheinheiligem Dulden beobachten nicht wenige Mütter die kurzen Versuche der Männer, als Papas in Aktivismus zu verfallen: Hoch-
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werfen, Herumschleudern und ähnliches Rauhsein als die Anstrengung, etwas Eigenes in der Beziehung zu dem Kind anzubieten; 1992 Vogue deutsch IV 116 Zu dieser Aktivität. . gehört auch der organisierte außerkünstlerische Aktivismus. Die Liste von Speros [Künstlerin] Einsätzen im Widerstand ist lang. aktivistisch: 1931 Schwarzburg 95 Diese Gefahr [des Mißbrauchs jugendlicher Kräfte] steigert sich noch dadurch, daß die „intellektuelle" Einstellung der Hochschule eben sehr häufig diesem Aktivismus [der Studenten] keine anfeuernden und den Menschen als solchen beanspruchenden Ziele zu bieten weiß. Hier wird es wiederum Aufgabe der Gemeinschaften sein, die Stätten wahrer Menschenbildung sein wollen, daß sie an jenen aktivistischen Zug anzuknüpfen und ihm irgendwie Wege zu zeigen wissen; 1932 Magazin 8 Heute ist die Szene der Zeit ausgefüllt mit Dröhnen, mit gespenstischer Unruhe, so schön „Aktivität" genannt, mit einem Überfluß von Menschen und damit auch von arbeits- und lebensgierigen Kräften, mit Nöten tausenderlei Art und Schärfe, die aus diesem aktivistischen Wirrwarr entspringen; Bahr 1933 Volk 77 Die Litauer . . sind in jener ersten Siedlungsepoche unzweifelhaft die Aktivistischeren; Eranal 1936 Inn 216 Er gehörte offenbar zu den beschaulichen Geistern, . . während Coleridge vielmehr aktivistisch die Anbahnung eines Reiches Christi zugunsten seines Volkes erstrebte; Hocke 1976 Tagebücher 200 von Rousseau wird man in bezug auf „wahre", „offene", nicht ideologisch-aktivistische Zeugenberichte ausgehen müssen; Sloterdijk 1983 Kritik 394 und so ließ er sich von der aktivistischen, dezisionistischen und heroischen Phrasenhülle der Hitlerbewegung täuschen; 1992 Vogue deutsch IV 116 ein perfektes Paar, das im aktivistischen Zweierverbund international um die Erhaltung der Menschenrechte . . kämpft.
Aktivist M. (-en; -en), auch Aktivistin F. (-; -nen), Anfang 20. Jh. aufgekommene Ableitung von —» aktiv, —» Aktivismus. l Zunächst als Bezeichnung für einen Vertreter der Anfang 20. Jh. entstandenen Denkrichtung des —* Aktivismus 1. 2a In den 20er und 30er Jahren in der Bed. 'jmd., der sich in besonderem Maße, besonders aktiv, mit seiner ganzen Persönlichkeit für etwas einsetzt' (—» Aktivismus 2), vor allem in bezug auf Ideen und Ideologien, Parteien und deren Programme. Bes. seit dem Ende der sozialistischen Regierung (1989) wieder (vgl. 2b und 2c) in diesem allgemeinen Sinne, dabei aber eher negativ konnotiert mit „übereifrig, übertrieben engagiert, fanatisch". b Seit 1933 im nationalsozialistischen Wortschatz mit ausschließlich positiver Konnotation; daher in Westdeutschland nach 1945 im Zusammenhang mit der Entnazifi-
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Aktivist
zierung pejorativ verwendet im Sinne einer juristischen Einstufung einer Person, die sich in besonderem Maße für den NS-Staat engagiert und die nationalsozialistischen Lehren aktiv vertreten hat, bes. in der verdeutlichenden Zs. Naziaktivist, c Seit Mitte 20. Jh. in der DDR unter Einfluß von russ. aktivist 'Mitglied eines Aktivs' (—» aktiv 1) mit positiver Wertung in der Bed. 'Werktätiger, der sich in besonderem Maße um den Staat verdient macht, der sich bei der Planerfüllung im sozialistischen Wettbewerb durch herausragende Leistungen auszeichnet'; häufig als Ehrenbezeichnung, z. B. in der Verbindung Aktivist der ersten Stunde 'jmd., der sich in besonderem Maße für den Aufbau des sozialistischen Staates der DDR eingesetzt hat', oder als staatlicher Ehrentitel für vorbildliche Arbeitsleistungen, z. B. seit 1950 Verdienter Aktivist, seit 1969 Aktivist der sozialistischen Arbeit; als Bestimmungswort in Zss. wie Aktivistenabzeichen und -nadel 'die mit der Verleihung des Ehrentitels verbundenen Ehrenmedaillen', Aktivistendissertation 'ausführliche Denkschrift zur Verbesserung der Arbeitsverfahren' und Aktivistenschule 'Lehrgang zur Verbesserung der Arbeitsmethoden', Aktivistenbewegung 'Massenbewegung zur höchstmöglichen Produktionssteigerung'; in der BRD bis Mitte der 80er Jahre des 20. Jhs. überwiegend in der DDR-spezifischen Bed. in bezug auf DDR-Verhältnisse verwendet. Aktivist 1: 1915-16 Polit. anthropolog. Monatsschr. XIV 327 Die eine Strömung — einstweilen die schwächere — ist in der letzten Zeit immer deutlicher unter dem Namen der „Aktivisten" hervorgetreten; Lissauer 1920 Aufs, l 47 Das Wort „Aktivist" hat für uns den Nebenklang des Polemischen und Rationalistischen; Thiess 1927 Gesicht 153 zur Zeit der Gründung des Aktivistenbundes 1917 geschrieben; Voss. Ztg. 12.9.1929 Zum Salingerschen Kreis gehören ferner die Aktivisten Ernst Jünger und Schauwecker; Stuttgarter Ztg. 28.1.1965 Aktivistinnen der Dirnen; Sloterdijk 1983 Kritik 305 Alexander, den der Machthunger bis an die Grenzen Indiens trieb, fand seinen Meister in einem äußerlich unscheinbaren . . Philosophen. Das Leben ist in Wirklichkeit nicht bei den Aktivisten; Zeit 10.10.1986 Beobachter und Aktivisten der grünen Partei; ebd. 5.12.1986 Gillberg und andere Umweltaktivisten beschlossen, mit dem gesammelten Geld ein unabhängiges Umweltzentrum aufzubauen; MM 20. 5.1987 230 Aktivisten der rechtsextremen Szene, davon knapp 19 Prozent Neonazis, sind als militant einzustufen; Spiegel 31.5.1990 Noch tanzen, hoffen und trommeln die Vertriebenen-Aktivisten zwischen Rhein und Neiße; ebd. 2.7.1990 So, mit lautem Mißklang und den Buhrufen der Aids-Aktivisten .. ging vorletzten Sonntag die 6.Internationale AidsKonferenz zu Ende; ebd. 9.7.1990 Nach einigen Bierchen weiß es der Berlin-Aktivist [der Berlinzur-Hauptstadt-Aktion] genauer; ebd. 30.7.1990 Der CDU-Abgeordnete Paul Hoffacker, als katholischer Aktivist strikt gegen Abtreibung, findet trotzdem Gefallen am Schäuble-Entwurf.
Aktivist 2a: Stählin 1922 Grundschr. Jugendbewegung 421 diese beiden arten, sich der „weit" zu entziehen, . . feiern ihre moderne . . auferstehung in den beiden typen [nämlich einerseits dem] des aktivisten, dem seine berufsarbeit nicht genug ist, sondern der irgendetwas besonderes tun möchte, und [andererseits] des predigers der Innerlichkeit (DWB N.); Munch. N.N. 14.12.1938 Propaganda der sogenannten Woldemaras-Aktivisten, die sich für die Rückkehr des zur Zeit in Paris lebenden Politikers Woldemaras und für eine Regierung Woldemaras einsetzen. Aktivist 2b: Münch. N.N. 1.10.1940 Die Technische Hochschule Hannover sei stolz, einen der stärksten Aktivisten des neuen Italiens, den Revolutionär und aufbauenden Staatsmann Roberto Farinacci von nun an als einen der ihrigen zu bezeichnen; Dtsch. AZ. 3.6.1944 Gauleiter Paul Wegener verlieh den .. Ehrenpreis für schöpferische bäuerliche Leistung zum erstenmal an einen sowohl als Bauern als auch als nationalsozialistischen Aktivisten bewährten Erbhofbauern; Süddtsch. Ztg. 26.2.1949 Die Hauptspruchkammer Nürnberg hat den ehemaligen SS-General Dr. Jacobsen, den Herausgeber der germanischen SS-Leithefte, als „Aktivist" eingestuft; ND 14.10.1959 Naziaktivisten aus Staats- und Wirtschaftsfunktionen. Aktivist 2c: ND 20.2.1954 Seit nunmehr 18 Jahren bin ich als Zeitungsausträgerin tätig und wurde auf Grund guter Leistungen am I.Mai 1953 als Aktivistin ausgezeichnet; ebd. 29.4.1954 ob er fleißig oder faul, erfinderisch oder träge, begeister-
Aktivität ter Aktivist oder Bummelant ist; 956 Wiss. Annalen V 425 Menschen starken Willens . . haben als Aktivisten der ersten Stunde das Trümmerchaos beseitigt; ND 26.4.1959 Sepp Zach, 56 Jahre alt, siebenfacher Aktivist; ebd. Bei uns in der Steinkohlegrube „Karl Liebknecht" entwickelte sich die Aktivistenbewegung, an deren Spitze sich Adolf Hennekke stellte; Süddtsch. Ztg. 30.6.1959 Sie gaben der Diplomarbeit, die den Titel 'Aktivisten der ersten Stunde bei der Dresdener Straßenbahn' trug, das Prädikat gut; FAZ 19. 9.1959 Der Vorarbeiterin im ausgebleichten aktivistenroten Flatterkittel riß es vor Pflichteifer die vom Betelnuß-Kauen völlig ruinierten Zahnreihen auseinander; ND
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7.11.1959 vor allem bewährte Neuerer und Aktivisten aus den Brigaden; Strittmatter 1963 Öle Bienkopp 192 Öle Bienkopp war Aktivist geworden; ND 17.7.1969 Zwei der besten wurden am Mittwochvormittag mit dem Ehrentitel „Verdienter Aktivist" ausgezeichnet; ebd. 17.10.1969 Auszeichnung zehn bewährter Propagandisten mit der Medaille „Aktivist der sozialistischen Arbeit"; ebd. 11.6.1974 Er wird vor Parteiaktivisten und Propagandisten Vorträge zur politischen und ökonomischen Situation in Dänemark . . halten; Zeit 6.9.1985 der umtriebige Aktivist vom Schlag Tiedge; ebd. 6.3.1987 Marianne Fritzen, 62jährige Aktivistin der ersten Stunde.
Aktivität F. (-; -en), im späten 17. Jh. entlehnt aus lat. activitas, Gen. activitatis, 'Tätigkeit, Tun, Wirksamkeit' (—> aktiv, —» aktivieren). 1 Zunächst, meist im PL, für 'Unternehmungen, Taten, Handlungen, engagiertes Eingreifen, Sicheinsetzen, Aktionen aller Art', z. B. sportliche, kulturelle, musische, politische Aktivitäten, europäische, weltweite Aktivitäten, Aktivitäten im Weltraum, Aktivitäten der Neonazis; bes. in Zss. wie Forschungs-, Freizeit-, Manöver-, Reise-, Regierungsaktivitäten, Aktivitäten des Landesmuseums, der Aluminiumindustrie; häufig in Wendungen wie Aktivitäten entfalten, entwickeln (—> aktiv 1); im 18. Jh. in Aktivität setzen 'in Bewegung setzen, in Gang bringen, aktivieren' (s. Beleg 1792). 2 Seit früherem 18. Jh. unter Einfluß von gleichbed. frz. activite, ohne PL, für 'Tatkraft, Energie, Lebendigkeit, Vitalität' (—> aktiv 1). 3 Im 18.719. Jh., ohne PL, in der speziellen Bed. 'Dienstfähigkeit, das Amtieren, praktische Ausübung eines Amtes, einer Verpflichtung' (—* aktiv 2). 4 Bes. im 20. Jh. in den Naturwissenschaften produktiv, z. B. Aktivitäten der Enzyme, der Erdkruste, Genaktivitäten, Aktivität der Handelsbilanz; bes. in der Zs. Radioaktivität, dafür seltener Strahlungsaktivität (—» aktiv 5). 5 Von daher in der Werbesprache, nur im Sing., selten in zu den Adj. (z. B. atmungsaktiv, —> aktiv 6) gebildeten Zss. wie Atmungsaktivität 'Diffusionsfähigkeit, Luftdurchlässigkeit'. Aktivität 1: Francisci 1677 Trauer-Saal ill 203 [der Schreiber] war ihm durch seine Activitet oder Thätigkeit so vertraut . ., daß der König ihn niemals ein Fehlbitte thun, noch sein Begehren leer abziehen ließ; Thomasius 1701 Kl. Sehr. 56 wie auch das Ansehen unter Tugendhafften und Verständigen uns in viele activitäten stecket/ die uns an unserer Selbsterkänntniß hindern; 1736 Fama 1 / XVlll 358 wenn alle Stände der Republic in völliger Activität seyn würden; Goethe 1774 Werther (HA V/ 40) Meine Mutter möchte mich gern in Aktivität haben, sagst du, das hat mich zu lachen gemacht; Laukhard 1792 Leben I 327 Doch fuhr ich fort, den Pfarrer . . zu unterstützen, um alles, was ich vermochte, wider den unwissenden intriganten Wagner in Aktivität zu setzen; Krause 1828 System d. Philos. 140 dieß Wort ist insofern recht gut, um anzudeuten, daß die Empfindung nicht
bloß ein Aufnehmen ist, nicht bloß Leiden (nicht Receptivität), sondern daß sie auch eine Thätigkeit ist, eine Neigung, ein Streben (auch Spontanität und Activität); Hebbel 1831 S.W. 111 1,13 zwingen sie mich in Activität zu treten, so werde ich sie zerhacken .., wie den Prometheus am Felsen der Geier; Hillebrand 1885 Culturgesch. 312 da er sich in seinem sonnenlosen Vaterland ohne Activität nicht glücklich fühlen kann; Göhre 1917 Front 13 der Zwang zur Aktivität, die Pflicht zum Handeln; T/7. Mann 1927 Reden u. Aufs. (W. XI 765) gesellschaftliche Aktivität in die Nacht hinein, Soiree, Theater, Musik, Licht, Wein, Gespräch bedeutet . . eine künstliche und überschuldende Aufpulverung; 1929 Nord u. Süd LI1 391 religiösen Aktivitäten; Voss. Ztg. 31.3.1932 Die evangelische Kirche und die ihr nahestehenden Gruppen haben in den letz-
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Aktivität
ten Wochen lebhafte Aktivität entfaltet; LokalAnz. 4.1.1933 Ihre Hauptaktivität entfalten sie in den privaten Trainingskursen; 1934 Volk u. Reich 320 stärkere politische Aktivität; 1938 Geopolitik 755 die neue durch die innere Krisenlage hervorgerufene Aktivität des amerikanischen Aussenhandels; Th. Mann 1954 Krull (W. VII 554) Ohnehin etwas unausgeschlafen, beschloß ich, für heute meine Aktivität auf einige Umschau in der Stadt zu beschränken; Süddtsch. Ztg. 25.4.1955 Wien steht im Zeichen lebhafter diplomatischer Aktivität; Jaspers 1958 Atombombe 282 Lenkt man sich nicht ab durch besinnungslose Aktivität in gegenwärtigen Unternehmungen; Stuttgarter Ztg. 22. 3.1963 Nur dann und wann entfaltet sich noch Aktivität, aber es ist nicht selten die Aktivität der Winkelzüge und Korrekturen; Offenburger Tagebl. 20.1.1968 bestimmte Aktivitäten der Bundesrepublik; Welt 25. 7.1969 um angesichts des Strukturwandels im Einzelhandel (Verbrauchermärkte) auf eigene Faust und im großen Stil neue Aktivitäten zu entfalten; FAZ 2.1.1970 wird nicht das Fundament gelegt für weitere Aktivitäten; Welt 22.4.1974 Das vom Europarat ausgerufene Denkmalschutzjahr hat in der Bundesrepublik eine Fülle von Aktivitäten ausgelöst; ND 15.10.1974 NATO will mit militärischen Aktivitäten Spannungen schüren; MM 29.1.1985 astronautische Aktivitäten; ebd. 6. 9.1985 Lehlbach warnte auch vor den Aktivitäten der Neonazis; Zimmer 1986 Redens Arten 27 Der gewählte Politiker entwickelt Aktivität oder, mit unserer Vorliebe für den Plural, Aktivitäten; MM 3.3.1988 wegen seiner rechtsradikalen Aktivitäten; Spiegel 11.6.1990 Nach der Nominierung . . müsse der Kandidat auch die politische Verantwortung für seine politischen Aktivitäten übernehmen; Ortheil 1992 Agenten 8 all diese zielstrebig angegangenen Aktivitäten. Aktivität 2: Humbert 1744 Vaubans Angriff! 95 Activität oder Kraft; Müller 1778 Fausts Leben 42 überm Geschwätz verliert man endlich alle Activität; Gutzkow 1838 Blasedow 153 Auch lag Jean Pauls Gefühl nicht in jener Activität, die Entschlüsse fassen will und ermattet in Ohnmacht zurücksinkt, sondern in einer ununterbrochenen Passivität, die nicht selber fühlt, die nur mitfühlt; Th. Mann 1901 Buddenbrooks (W. I 612) Sein Tätigkeitstrieb aber, die Unfähigkeit seine Kopfes, zu ruhen, seine Aktivität, die stets etwas gründlich anderes gewesen war als die natürliche und durable Arbeitslust seiner Väter; Lokal-Anz. 22.2.1933 gute geistige Begabung, wache Intelligenz, Aktivität, zähes und starkes Willensleben; Dtsch. A.Z. 20.2.1945 um den Aufbau und Ausbau der Landesmusikschule durchzuführen, den er mit großer Aktivität in Angriff nahm; 1954 Begegnungen 125 Th. Heuss war an der Ent-
trümmerung des öffentlichen Lebens . . von Anfang an mit temperamentvoller Aktivität beteiligt; Stuttgarter Ztg. 31.3.1959 Der britische Ministerpräsident .. hat in die stagnierende und in Lethargie versinkende westliche Politik neues Leben und neue Aktivität gebracht; 1966 Urania XI 4 Er ist zielbewußt, berstend vor Aktivität, fortschrittlich; ND 24.12.1969 Mit ihrer Frische und Aktivität hat sie das Publikum sofort auf ihrer Seite; Zeit 15.3.1985 George Kennan, der Altmeister der amerikanischen Sowjet-Diplomatie, erwartet von Gorbatschow den Einzug größerer Aktivität, Flexibilität und Intelligenz in die Führungspositionen des Apparats. Aktivität 3: Schubart 1774 Chronik 266 daß die leichten Truppen in Aktivität erhalten bleiben; Niebuhr 1807 Br. 27 die Hoffnung einiger gutgesinnten das Hardenberg wider in Activität gesezt werden würde; Hartmann 1866 Erlebnisse 39 und war dann viele Jahre außer Dienst gewesen, bis der König Friedrich Wilhelm IV. ihn wider in die Aktivität berief; 1857 Allg. Mil. Enc. I 217 Aktivität bedeutet die wirkliche Dienstfähigkeit oder Verwendung zum Dienste. Aktivität 4: Berl. Börsenztg. 17.5.1935 So hat sich die Aktivität unserer Handelsbilanz gegenüber Ungarn und Jugoslawien in eine Passivität von nicht unerheblichem Ausmaß verwandelt; Jaspers 1958 Atombombe 17 Es wurde .. geschätzt, daß zehn Wasserstoffbomben, mit viel Kobalt umkleidet, eine so große, viele Jahre wirksame Aktivität an Kobalt 60 ergeben würde, daß das Fortbestehen der Menschheit ernstlich gefährdet würde; MM 23.5.1985 Überaktivität, unangepaßtes Verhaken, Konzentrationsschwächen und Lernschwierigkeiten — diese „Störungen" können Eltern und Pädagogen bei einer Vielzahl von Kindern und Jugendlichen feststellen; Zeit 13.9.1985 Diese Lämpchen sind mit der Meßapparatur so verschaltet, daß sie von der langsamen Gehirnaktivität oder von den schnellen epileptischen Aktivitätsspitzen („Spikes") aktiviert werden; MM 23.9. 1985 In diesem Fall muß die Restaktivität abklingen können; Zeit 6.6.1986 Die Kontrollgeräte zeigten einen erhöhten Radioaktivitätswert; MM 22.8.1987 Obwohl die Strahlungsaktivität bei drei Milliarden Becquerel pro Liter liege, seien die Transporte nicht besonders gesichert; Geo 30. 4.1990 Mont St. Helens hat eine lange Geschichte sporadisch explosiver Aktivität hinter sich; Spiegel 11.6.1990 Zusammenhang zwischen Radioaktivität und Krebserkrankungen. Aktivität 5: 1982 Abschr. z. Bereich Umwelt 103 Bei Rauhfasertapeten o. ä. bestimmt der Anstrich, wie gut oder schlecht die Atmungsaktivität und die Feuchtigkeitsregulierung sind.
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aktualisieren V. trans., selten auch reflex., seit Mitte 19. Jh. gebuchte (MOZIN), seit spätem 19. Jh. nachgewiesene Entlehnung aus gleichbed. frz. actualiser (zu actuel, —» aktuell). l Zunächst bildungs- und fachspr. (bes. in der Philosophie) für 'etwas verwirklichen, umsetzen' (—» konkretisieren, —»· realisieren la), von daher auch in der Sprachwissenschaft für 'etwas in Sprache umsetzen, etwas äußern' (vgl. verbalisieren, —> verbal 2); —» Aktualität l, —> aktuell 1. 2a Seit Anfang 20. Jh. in der heute dominanten Bed. 'etwas (z. B. ein Theaterstück, einen Roman, eine Oper) so umarbeiten, daß die Relevanz für die Gegenwart deutlich wird; etwas so adaptieren, daß es modern wirkt; den Anstrich des Aktuellen verleihen' (—» modernisieren); im Ggs. zu —»· historisieren, vereinzelt auch zur Präfixbildung entaktualisieren 'etwas des aktuellen Gehalts, seiner Aktualität entkleiden, die Brisanz nehmen'. b In neuester Zeit auch in der Bed. 'etwas (z. B. ein Gesetz, eine Statistik, ein Wörterbuch) auf den neuesten Stand bringen, indem etwas Neues hinzugefügt wird', auch 'etwas (z. B. eine Gehaltszahlung) dem neuesten Stand, den gegenwärtigen Verhältnissen anpassen'; —» Aktualität 2, —» aktuell 2. Dazu gleichzeitig häufig das Verbalsubst. Aktualisierung F. (-; -en) 'Verwirklichung, Realisierung', bes. fachspr. für 'verbale Äußerung, Verbalisierung' (zu 1) und 'Erneuerung, Modernisierung; Anpassung an den aktuellen Kenntnisstand, die Gegenwart' (zu 2a und 2b). aktualisieren 1: Hartmann 1879 Phänomenologie 320 wenn das ziel der ethik gleichfalls das wiederunbewusstwerden der pflicht ist, so doch nur in dem sinne, dass das bewusstsein von derselben ein potientieller besitz bleibt, von dem man weiss, dass man ihn jeden augenblick actualisiren kann (DWB N.); Sperber 1923 Bedeutungslehre 14 dass ihm die Vorstellung . . aktualisiert wurde; Jolles 1930 Formen 53 Die Haltung jener Gelehrten . ., die in gierigem Wissendurst und überheblichem Wissenstolz alles ergründen wollen, . . verdichtet sich zur Gestalt des Doktor Faust, und aktualisiert sich mit der sprachlichen Gebärde; Baden 1953 Grenzen 11 Die Vergeudung an Kraft, Zeit und Idealismus, die hier betrieben wird, ist unvorstellbar. Man wird traurig, wenn man bedenkt, welches Maß an Gegenwart daran gehindert wurde, sich jemals zu aktualisieren; Leibfried 1970 Identität o. S. Sofern ich das Eidos „Gebäude zum Aufenthalt von Menschen" verbalisieren (aktualisieren) will, kann ich sagen: Wohnhaus, aber auch: Eigenheim, Bungalow, Villa. Aktualisierung: Hartmann 1879 Phänomenologie 824 während . . das religiöse bewusstsein . . alle übrigen moralischen triebfedern und ideen nur als hilfsmittel zu seiner actualisierung verwendet (DWB N.); 1903 Preuss. Jahrb. CX7V 220 Der Weltprozeß muß nothwendig mit der ersten Aktualisierung des göttlichen Willens beginnen, da nach
alter kirchlicher Lehre Wollen und Schaffen Gottes eines und dasselbe ist; Stavenhagen 1939 Heimat 31 die freundliche Gesinnung, deren Äußerungsformen (Aktualisierungen) einseitig erlebte Mitfreude . . ist; Hallig 1970 Spracherlebnis o. S. Diesmal ist aber nicht von dessen Sprachbesitz in seiner Gesamheit die Rede, sondern von der Nutzbarmachung, der Aktualisierung dieses Sprachbesitzes im Sprachakt, sei es als .. Mitteilung, sei es schriftlich oder mündlich; Gülich 1977 Textmodelle 35 Gleichzeitig ist natürlich die beständige Aktualisierung des virtuellen Systems durch Sprecher und Hörer im Kommunikationsakt Voraussetzung für die Existenz der Langue; Fleischer 1978 Geschichtsprozeß 164 Es sind Aktualisierungen der traditionell vernunftsphilosophischen Disjunktionen von Autonomie und Heteronomie, Selbstzweck und Mittelhaftigkeit, Anerkennung und Mißachtung, Brüderlichkeit und Kampf auf Leben und Tod. aktualisieren 2a: Zobeltitz 1902 papierene Macht II 38 „Kaufen Sie sich den Boccaccio und den Casanova, da finden Sie Stoffe in Hülle und Fülle, die Sie nur zu aktualisieren brauchen . ."; Voss. Ztg. 12.11.1930 Aktualisierend fehlt im Texte nicht der Lichtstrahl, den „Zyankali" als „Klassenstück" braucht: der Hinweis auf die Wahlerfolge der deutschen Kommunisten; Süddtsch. Ztg. 5.12.1950 ein .. in den zeitkritischen Bezügen allzu eindeutig ak-
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Aktualität
tualisierter Nestroy („Mädel aus der Vorstadt" . .); MM 23.6.1956 Für die Volksbühne am Luxemburgplatz bearbeiteten Ernstgeorg Hering und Helmut Straßburger . . „Die Vögel" von Aristophanes in der Absicht, die antike Komödie zu aktualisieren; ebd. 29.6.1987 In Zusammenarbeit mit Robert Auletta, der den Text aktualisierte, verwandelt er die griechischen Helden in amerikanische Generäle; ebd. 4.6.1988 Schönes, magisches, traumhaftes Theater, das Shakespeares Tragödie von gestern überzeugend für das Heute aktualisiert; Spiegel 15.2.1993 Hilberg hat sein großes Werk mehrfach überarbeitet und aktualisiert. Aktualisierung: Th. Mann 1925 Reden u. Aufs. (W. IX 174) Die äußere Neugestaltung und zwanglose Wiederauflegung eines Werkes der großen Literatur bedeutet immer eine glückliche Erfrischung und Aktualisierung solchen Besitzes: . . das unbefangen moderne Gewand . . schafft die Möglichkeit, ihn jugendlich unmittelbaren und unhistorischen Auges zu betrachten, . . vom Duft des Museums befreit, wird das Meisterwerk wieder Natur und Leben; Münch. N.N. 18.7.1940 Alle Kunstwerke sind gesetzlich geschützt. . . Und doch werden immer wieder in aller Oeffentlichkeit bekannte Werke weitgehend geändert, durch Striche, Zusätze, „Aktualisierungen", was alles in der Fachsprache mit „Bearbeitung" bezeichnet wird; Süddtsch. Ztg. 20.6.1951 Die Aktualisierung wurde mit modernen, die Schiller-Konventionen überwindenden Theatermittel erreicht; Welt 5.6.1969 es gibt Stücke, bei denen Aktualisierungsprozesse unnötig sind, weil deren Zeitbezogenheit über das historische Ambiente hinaus Charakteristiken aufweist, die sich zunehmend als zeitlos bewahrheiten; Dülmen 1977 Reformation 59 Der Theologe und Revolutionär Thomas Müntzer hat in jüngster Zeit eine Aktualisierung erfahren, wie sie im Vergleich dazu der Täuferbewegung und anderen Vertretern der radikalen Reformation nicht zuteil wurde; MM 17.2.1987 Der Aktualisierung bedarf
es nicht Büchner, der Radikale bleibt stets aktuell; ebd. 20. 7.1987 Der Clown, der als musiktreibender Geist der Geschichte herumspukt,.. ist ein Aktualisierungsversuch, wie ihn das Stück und das Publikum wahrlich nicht nötig haben; ebd. 10.11.1987 Bis das Regietheater mit frechem Aktualisierungsgebaren die Oper aus dem Museum ins feindliche Leben lotste, gehörten die „Entführung" und „Cosi fan tutte" zu den am meisten verkannten Werken Mozarts; ebd. 8.1.1988 eine allzu penetrante Aktualisierung des Stoffes. entaktualisieren: MM 23.6.1986 Brandt in einem Interview: „Ich will mir darüber reden lassen, ob nicht den Passagen gehört, die man noch tualisieren müßte."
Dazu sagte durchaus mit auch dies zu etwas entak-
aktualisieren 2b: Zeit 22.3.1985 Die jährliche Rentenerhöhung wird aktualisiert; MM 4.11.1985 so solle der statistische Mietenbegriff neu definiert und die Erfassung der Mietenentwicklung aktualisiert werden; ebd. 11.1.1986 eine aktualisierte Kurzfassung der Rahmenplanung; ebd. 13.1.1986 Der aktualisierte „Neue Brockhaus" besteht aus fünf Bänden und einem Atlas; ebd. 23. 7.1986 Genaue Informationen . . kann der Interessierte . . der aktualisierten Liste der Automodelle, die unverbleites Benzin vertragen, entnehmen. Aktualisierung: Süddtsch. Ztg. 5.3.1970 in einer Neuauflage des aufschlußreichen Buches bedürfte dieser Bericht aus der Zeit vor dem Sechstagekrieg einer Aktualisierung; Zeit 22.3.1985 Aktualisierung der Rentenerhöhung; MM 15.6.1985 Die Notwendigkeit einer Aktualisierung der verkehrsplanerischen Grundlagen ergibt sich vor allem im Rhein-Neckar-Raum, da hier die regionalen Verkehrserhebungen und -Untersuchungen bereits 15 Jahre zurückliegen; ebd. 21.4.1987 Aktualisierung von Lärmdaten.
Aktualität F. (-; -en), im früheren 19. Jh. (1843 bei Kaltschmidt) gebuchte, seit Mitte 19. Jh. belegte Entlehnung aus gleichbed. frz. actualite (< mlat. actualitas 'tätige Energie, Wirksamkeit; Wirklichkeit', zu actualis, —* aktuell). 1 Zunächst, ohne PL, bildungs- und fachspr. (vor allem in der Philosophie) selten in der Bed. 'Wirklichkeit, Tatsächlichkeit' (—»Akt 5, —> Realität 1), im Ggs. zu Potentialität (—» potentiell); —> aktuell l, —»· aktualisieren 1. 2 Seit späterem 19. Jh., selten im PL (s. Beleg 1963), in der heute dominierenden Bed. 'Relevanz für die Gegenwart, Gegenwartsbezogenheit, aktuelle, augenblickliche Bedeutsamkeit, Brisanz' (vgl. Akutheit, —*· akut); bes. in Wendungen wie Aktualität gewinnen, verlieren, besitzen, von brennender Aktualität sein und in der
Aktualität
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Zs. Tagesaktualität 'Relevanz für die unmittelbare Gegenwart des aktuellen Tages'; —> aktualisieren 2, —>· aktuell 2. 3 Seit Ende 19. Jh., häufig im PL, in der Bed. 'aktuelles Ereignis, in der unmittelbaren Gegenwart, gerade Geschehenes', bes. in der Wendung Aktualitäten des Tages bzw. in der Zs. Tagesaktualitäten 'Ereignisse des aktuellen Tages, heute relevante, vielbeachtete (vielleicht morgen schon vergessene) Geschehnisse'. Aktualität 1: Delitzsch 1855 Psychol. 126 das ich des menschen . ., welches . . unvermögend ist, mit gänzlicher niederwältigung der sünde das gewollte gute zur alleinigen actualität zu bringen (DWB N.); Hartmann 1879 Phänomenologie 546 die Form der Entäusserung der Idee an die Realität ist nun aber der Zweck. Der Zweck ist das Logische in seiner Sollicitation durch das Unlogische, oder die Idee in ihrer Actualität als Inhalt eines sie blind realisierenden Willens; Windelband 1909 Phil. 100 ein Reich von Willensaktualitäten; Sotnbart 1930 Nationalök. 187 Ideen der Aktualität und Potenzialität. Aktualität 2: 1863 Bilder a. Paris U 357 obwohl die einzelnen dramatischen Episoden vor zehn und zwanzig Jahren spielten, so haben diesselben leider doch ihre volle Actualität, wie wenn sie sich gestern zugetragen hätten; Gutzkow 1875 Rückblicke 28 die Heinrich Heinesche Actualität; 1890-91 Klasings Monatsh. V l in steter Berührung mit der „Actualität" des großstädtischen Tageslebens; Dahn 1895 Erinn. IV 2,668 Fragen von „brennender Actualität"; Hessen 1895 Dramat. Handwerkslehre 37 Das wichtigste Handwerksgeheimnis . . nennt man mit einem unschönen Namen „Aktualität"; d. h. jedes Stück hat seine greifbare, Jedermann auffällige Beziehung zur Zeitgeschichte, zum gesellschaftlichen Leben; Franke 1913 Das „Artifizielle" 14 Verlegung der Handlung, die so fern wie möglich von aller „Aktualität" im alten Ägypten spielt; Th. Mann 1918 Reden u. Aufs. (W. XU 94) Das Problem des literarischen Geistes hat mich mein Leben lang beschäftigt, . . weil ich sah, daß es . . täglich zu größerer Wichtigkeit und Aktualität für Deutschland heranund heraufwuchs; ders. 1924 Zauberberg (W. Ill 839) Sie sind vorübergehend unpäßlich, Mynheer Peeperkorn — eine akute Unpäßlichkeit, eine Unpäßlichkeit von Aktualität; Voss. Ztg. 25.8.1931 Wirtschaftsfragen von brennender Aktualität; Th. Mann 1934 Reden u. Aufs. (W. IX 462) Zum guten Teil ist der Inhalt des Blattes im voraus gedruckt, besonders die Annoncen und Bilder, und besitzt also keinen Aktualitätswert; ders. 1939 Reden u. Aufs. (W. XI 960) diese Einsicht in die Unsterblichkeit des Christentums . . ist. . von stärkster Aktualität für uns Heutige; ders. 1945 Reden u. Aufs.
(W. XU 522) Alle Dinge waren abstrakter, geistiger, ferner, sie waren nur interessant, sie brannten nicht auf den Nägeln, es gab im Grunde keine Aktualität vor dieser Zeit; Süddtsch. Ztg. 31.8. 1954 Er hat dabei . . keine Mühe gescheut — weder die der literarhistorischen Schürfarbeit, noch der smarten Aktualitätshascherei; Heimpel 1956 Kapitulation 47 Aktualität und Kontinuität; Heuss 1963 Erinn. 152 Es war nicht die erste, aber eine frühe Erfahrung, wie das Schnelligkeitsbedürfnis der Diktatoren, sich in pompöser Bauwut zu verewigen, die Ewigkeit kränkt und peinliche Aktualitäten mit historischer Attitüde erzeugt; Offenburger Tagebl. 3.6.1966 immer wieder verblüfft die Aktualität, die unter der Staubschicht des sarkastischen Salonstücks hervorblitzt; Stuttgarter Ztg. 8.4.1969 Glück für die Fernsehleute, unversehens brennende Aktualität eingefangen zu haben; ND 17.10.1969 die Lebenskraft und Aktualität des Leninismus; Welt 26.8.1974 Den Sowjetkommunismus mögen die meisten von ihnen als Gefahr betrachten, aber sie ist nicht von brennender Aktualität; Amery 1971 Widersprüche 7 Was ist im augenblicklich sprachüblichen Sinne Aktualität, beziehungsweise: was ist aktuell; Sloterdi/k 1983 Kritik 9 Wir spüren eine zweite Aktualität Nietzsches, nachdem die erste, die faschistische Nietzschewelle verebbt ist; MM 15.3.1986 „eine Annäherung von Alt und Neu"; und zwar in dem Sinne, daß ältere Forschungsergebnisse im Licht der neueren Forschung wieder an Aktualität gewinnen und umgekehrt; Zeit 9.5.1986 die Wechselbäder von Aktualität und Historizität; ebd. 15.8.1986 .. möchte ich auf ein Thema von brennender Aktualität zurückkommen: Tschernobyl; MM 25.9.1986 Mehr Tagesaktualität hätte sich der Leiter des Planetariums . . für seine Sternenshow im Kuppelsaal nicht wünschen können; Zeit 13.2.1987 dahinter steht . . die Weisheit eines Dichters, der nicht länger darauf aus ist, originell sein zu wollen: mit interessanten Sujets, eigenwilliger Sprache, trendbewußter Aktualität; MM 2. 7.1987 die brennende Aktualität des Minderheitenproblems; ebd. 22.8.1987 Er scheint auf seiner Theaterwanderung von der unverminderten Aktualität und Anwendbarkeit des Stückes überzeugt worden zu sein. Aktualität 3: Kraus 1899 Fackel XXVI 22 mit einem gewissen sinn für locale actualitäten begabt
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aktuell
(DWB N.); Meyer 1911 Aufs, l 54 In den Jahren 1844 bis 1846 muß die erste Auflage des noch heute weit verbreiteten Büchleins . . erschienen sein. .. Aktualitäten wie das bekannte Lied „Freifrau von Droste-Vischering", das sich auf die Ausstellung des heiligen Rockes in Trier 1844 bezieht, . . lassen keinen Zweifel; Colerus 1929 Kaufherr 357 Außerdem war ich mit Aktualitäten belastet; Der Angriff 22.4.1932 diese mit neuesten Aktualitäten reichlich versehene Inszenierung; Jerusalem 1935 Staat 147 Im Gegensatz dazu ist die Öffentliche Meinung ein immer wieder neu entstehender Gemeingeist, der sich an den „Aktualitäten des Tages" entzündet; Th. Mann 1945 Reden u. Aufs. (W. XI 637) Ich weiß nicht, wie Sie, der Gelehrte, sich
zu den Aktualitäten des Tages, den politischen Vorgängen, der sogenannten Weltgeschichte verhalten; Guggenheim 1959 Sandkorn 219 Kinoleute .. als Aktualitätenjäger für die Wochenschau; Zeit 24.5.1985 Wäre es nach der Allparteien-Koalition im Auswärtigen Amt gegangen, so hätte der Bundestag an diesem Donnerstag seinen Blick über den Tellerrand unmittelbarer Aktualitäten gerichtet; ebd. 24. 4.1987 letztlich scheinen auch Tagesaktualitäten auf, einige von ihnen muten fast als längst verflossene Episoden an; Stern 14.5.1987 Für die Politiker hieße das, einen Blick über die sogenannten Sachzwänge der Tagesaktualitäten hinaus zu tun, und für die Wirtschaft nicht nur an kurzfristigen Rentabilitätskriterien zu orientieren.
aktuell Adj., im frühen 18. Jh. entlehnt aus gleichbed. frz. actuel (< (m)lat. actualis 'tätig, wirksam, praktisch, wirklich, tatsächlich', zu actus, Part. Perf. von agere 'handeln, tun, betreiben', —> agieren). 1 Zunächst bildungs- und fachspr. (vor allem in der Philosophie) für 'wirklich, tatsächlich, wahrhaftig', im Ggs. zu —» eventuell, —» potentiell, —» virtuell, —»imaginiert, eingebildet, z. B. eine aktuelle Krankheit; weitgehend gleichbed. mit im früheren 19. Jh. aus mlat. actualis (s. o.) entlehntem aktual, im 20. Jh. bes. in der Sprachwissenschaft für 'in einer Äußerung realisiert' und in der Psychiatrie die Zs. Aktualneurose e durch tatsächliche Affekterlebnisse ausgelöste Neurose'; —»· Aktualität l, —» aktualisieren 1. 2 Anfang 19. Jh. (CAMPE) vereinzelt, kontinuierlich nachgewiesen seit späterem 19. Jh. in der heute dominanten, allgemeinspr. Bed. 'gegenwärtig, augenblicklich, momentan von Bedeutung, interessant, relevant, zeitgemäß, die jeweiligen Zeitgenossen unmittelbar betreffend; heutig, modern, a la mode, in, up to date, modisch, im Trend, trendy; derzeitig, jetzig, auf dem neuesten Stand, jüngeren Datums; neu', häufig im Ggs. zu —* historisch, auch zu —> klassisch (s. Beleg 1987), —>· traditionell a, vergangen, —* passe (s. Beleg 1962), überholt, totgesagt (s. Beleg 1987), veraltet, alt (s. Beleg 1912); bes. in durch Präfigierung intensivierten Kombinationen wie hochaktuell (s. Belege 1925, 1959, 1985, 1986), topaktuell (s. Beleg 1986), brandaktuell (s. Belege 1970, 1985), spritzaktuell (s. Beleg 1929) und in Syntagmen wie aktuelle Kunst 'moderne Kunst', aktuelle Fragen, Probleme 'im Augenblick wichtige, zentrale, akut anstehende Fragen, Probleme', aktuelle Tendenz, Strömung 'jetzige, heutige Tendenz, Strömung, Modeströmung', aktuelle Daten 'auf dem neuesten Stand befindliche, gerade ermittelte Daten', aktuelle Bedrohung, Gefahr 'akute Bedrohung, Gefahr' (—* akut), aus aktuellem Anlaß 'aus einem unmittelbar vorangehenden, relevanten Anlaß', vgl. auch Aktuelle Stunde des Bundes-, Landtages u. ä. als Bezeichnung für eine parlamentarische Form der Diskussion zu einem aktuellen, wichtigen, vordringlichen Thema; —» aktualisieren 2, —» Aktualität 2. aktuell 1: Sperander 1727 A la mod Sprach 12 eine actuelle und keine eingebildete Kranckheit; Lavater 1778 Fragmente IV 4 die geheimsten seiner actuellen Gedanken; Böcklin 1790 Beitr. 81 actuel
hörbar; Laube 1837 Reisenoveüen VI 196 Freiligrath der kühnschweifende ist ein aktueller Heerführer dieses Kreises; Hartmann 1869 Philosophie 84 Das Wollen ist existentiell oder actuell; Haeckel
aktuell 1913 LW. 421 Mißverhältnis zwischen der Zahl der potentiellen Individuen (Keime) und der actuellen Individuen, die reif werden und die Art fortpflanzen; Burckhardt 1927 Rechtsgemeinschaft 222 die actuelle Souveränität des Bundes und die virtuelle der gliedstaaten (DWB N.); 1975 Philos. Wb. l Slb entsteht das werdende weder aus dem nichts noch aus dem aktuell seienden, sondern aus dem nur potentiell seienden (DWB N.). aktual: Görres 1829 Ges. Sehr. XV 193 diese allgegenwart [Gottes] . . muß . . nothwendig, wie eine aktuale, so auch eine stets wirksame seyn (DWB N.); 1853 Herrigs Archiv XU 361 Actual in der Bedeutung „dermalig, gegenwärtig" (Überschr.); Freud 1911 -1924 metapsychol. Sehr. 27 die Hypochondrie als dritte Aktualneurose neben der Neurasthenie und der Angstneurose; Benjamin 1924 Br. l 368 die aktualen und politischen Momente in meinen Gedanken; Zeit 7.11.1986 Daß wir die Brettl-Texte . . heute noch goutieren, hat mit den Aktualanlässen gewiß nichts zu schaffen, es geht allein um Sprachwitz, Formulierfähigkeit, stilistische Virtuosität. aktuell 2: Kiirnberger 1877 Herzenssachen Vorr. o. S. Spürsinn für ein actuelles Bedürfnis; Nordau 1881 Paris U 293 . . daß Parodi in antikem Gewände aktuelle, brennende Gefühle dargestellt habe; Stinde 1884 Farn. Buchholz l 172 ziemlich neu und aktuell; Spielhagen 1890 Finder I 74 das ich mit einem Worte als den Duft des Modernen, des Aktuellen bezeichnen möchte; Hegeler 1908 Ärgernis 78 ein sehr aktuelles Thema; Graf 1912 Schülerjahre 66 Sehr gern lernte ich die alten, schönen Lieder, die wir sangen; auch „Aktuelles" war dabei; Th. Mann 1919 Reden u. Aufs. (W. X 421) eine solche Kunst ist die aktuellste, modernste und lebensunmittelbarste, die Nation wird ihr lauschen; 3920 Eiserne Blätter l 669 So las und studierte man ziel- und wahllos durcheinander, was gerade . . „aktuell" und „modern" war; Schlosser 1921 Präludien 304 keines jener Themata, das mit einem unleidlich gewordenen Mißwort unserer Zeitungen als „aktuell" bezeichnet werden könnte; Graf 1925 Gesicht 43 besonders für uns Artilleristen hochaktuell; Th. Mann 1929 Reden u. Aufs. (W. XI 150) in gar keinem Zusammenhang mit meiner aktuellen Beschäftigung; Voss. Ztg. 5.9. 1929 Der Inhalt seiner Komödie i s t . . spritzaktuell; Th. Mann 1932 Reden u. Aufs. (W. XI 784) Der Mann ohne Eigenschaften ist ein im bedeutendsten Sinn aktuelles Buch; Voss. Ztg. 3.10.1933 Die Ufa-Wochenschau bringt auch diesmal ein sehr reiches und aktuelles Bildmaterial; Lokal-Anz. 22.8.1933 aktuelle politische Fragen; Berl. lllustr. Nachtausg. 9.3.1933 Sie spielte — aus aktuellem
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Anlaß — Richard Wagners „Walküre"; Münch. N.N. 20.4.1944 Der Krieg . . besitzt neben seiner aktuellen auch eine geschichtliche Entwicklung; Th. Mann 1945 Reden u. Aufs. (W. XU 275) solche Forderungen . . sind heute von der stärksten Aktualität, und sie haben im stillen nie aufgehört, aktuell zu sein; ders. 1949 Reden u. Aufs. (W. XII 711) Staatlich gesehen ist sie [Einheit der Nation] so verspätet, überholt, überflüssig, unaktuell, daß jedes Aufheben lächerlich wirkt; ND 24.11.1959 Die Konferenz . . wird zu so wissenschaftlich und politisch hochaktuellen Themen Stellung nehmen, wie der weltgeschichtlichen Bedeutung der Niederlage des deutschen Imperialismus im zweiten Weltkrieg; Grass 1962 Blechtrommel 454 Er pflegt die Welt in aktuell und passe einzuteilen; Welt 20.5.1969 In der Entwicklung links- und rechtsextremistischer Gruppen sieht Rosenberg die aktuelle politische Gefahr; ebd. 30.6.1969 ein umfassendes und aktuelles Nachschlagewerk mit dem Wissen unserer Zeit; FAZ 20. 5.1970 Nach kurzer Zeit hat der Kunde seinen Anlagevorschlag in der Hand: individuell, umfassend, brandaktuell (Anzeige); Offenburger Tagebl. 24.7.1970 Beim Süddeutschen Rundfunk ist eine „brandaktuelle Information" über ein historisches Ereignis entstanden; Amery 1971 Widersprüche 19 In dem Beitrag über die Utopie beispielsweise war ich vergleichsweise inaktuell, indem ich darauf verzichtete, mich über den damals allerjüngsten Stand der Utopie-Diskussion zu informieren, und den Versuch unternahm, das Problem an einigen . . durch die Aktualität nicht bedingten Punkten anzugehen; Welt 1.3.1974 Was der Jesuitenpater Friedrich von Spee in seiner . . Schrift . . schrieb, scheint heute so aktuell wie im 17. Jahrhundert; MM 5.2.1985 anhand der aktuellen Daten; Zeit 8.2.1985 fünf aktuelle Bedrohungen des heute lebenden Bundesbürgers; MM 26.2.1985 aktuelles und verläßliches Zahlenmaterial; ebd. 1.4.1985 die Schadstoffe sind nicht mehr zu verkraften, unsere Böden sind heute aktuell gefährdet; ebd. 3.4.1985 keine wesentliche Verbesserung der aktuellen Situation; Zeit 26.4.1985 mit den aktuellen Tendenzen, mit Kubismus und Futurismus konfrontiert; MM 16.5.19X5 in einer Aktuellen Stunde zur Deutschlandpolitik im Bundestag; Zeit 24.5.1985 eine Vielzahl von neuen und aktuellen biologischen Themen; MM 10. 7.1985 beim derzeit hochaktuellen Problem der Betonsanierung; Zeit 2.8.1985 Und er verschweigt nicht, daß sein Traumszenario entschlossener sozio-politischer Reformen . . nicht . mehr aktuell ist: „von der Tagesordnung weggerutscht"; MM 7.9.1985 Ganz aktuell dazu sind farblich abgestimmte Kniestrümpfe; ebd. auch eng geschnittene Keilhosen sind in diesem Winter hochaktuell; Zeit 25.10.1985 danach sah Zadeks
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Akustik
aktuelles Theater ziemlich alt aus; ebd. 1.11,1985 brandaktuelle Inszenierungen; ebd. 24.1.1986 daß Furtwänglers ingeniöses Ausdrucksvermögen . . auch nach seinem Tode im Jahre 1954 hochaktuell, ja zeitlos blieb; MM 23.3.1986 der aktuelle Sternenhimmel; Zeit 14.3.1986 in ihrer historischen und auch aktuellen Bedeutung; ebd. 14.3.1986 topaktuelle Informationen aus der Finanzwelt; MM 15.3.1986 Gleichzeitig mit der Neuentdeckung der Tradition läßt sich eine skeptische Haltung gegenüber aktuellen Modeströmungen feststellen; ebd. 16.4.1986 eines der dringlichsten und aktuellsten Probleme; ebd. 6.6.1986 Die Vorgänge um den Austritt radioaktiver Teilchen aus dem Hochtemperaturreaktor Hamm-Uentrop führten gestern zu einem heftigen Schlagabtausch zwischen Koalition und Opposition in einer von den Grünen beantragten Aktuellen Stunde; Zeit 22.8.1986 die Parole im Stall haben sie aus aktuellem Anlaß an die Wand gemalt, Ende Mai, nach Tschernobyl; MM 15.9.1986 Gleich zwei Ereignisse, nämlich ein historisches und ein aktuelles, feierte die Abendakademie; Zeit 10.10.1986 Der Satz klingt heute auf fatale Weise aktuell und überholt zugleich; ebd. 17.10.1986 Um .. dem aktuellen politischen Thema historische Tiefe zu geben, hat der Autor die Biographie des Burschenschafters . . als zweite Ebene in den Roman eingefügt; MM 8.11.1986
angesichts der stets aktuellen Seuchengefahr; ebd. 24.2.1987 daß die unselige Teilanrechnung der Gewerbesteuer auf die Einkommensteuer, die schon wiederholt totgesagt wurde, wieder aktuell ist; ebd. 4.5.1987 einfache, alltägliche Gedichte, die auf ihre Art nun wiederum quer stehen zu den aktuellen Trends und Moden; ebd. 1.7.1987 Was gerade noch aktuell erschien, . . hitzig diskutiert wurde, ist bereits Geschichte; ebd. 8.7.1987 Kunstwerke, die der klassischen und nicht der aktuellen Moderne zugerechnet werden; ebd. 21.10.1987 Aktuelle Gefahren für die Preisstabilität seien nicht erkennbar; Borst 1988 Barbaren 22 Dadurch wurde für tausend Jahre Mittelalter noch einmal das Freund-FeindSchema aktuell; MM 11.1.1988 haben die Sozialdemokraten noch für diese Woche eine Aktuelle Stunde im Bundestag beantragt, um Stoltenberg zu zwingen, „endlich die Wahrheit über den Zustand der Bundesfinanzen zu sagen"; ebd. 7.4.1988 eine künstlerische Qualität, die manche aktuelle westliche Kunst als recht oberflächlich erscheinen läßt; ebd. 13.5.1988 Das klang so frisch, so aktuell, als wäre die Komposition erst tags zuvor geschrieben worden; Spiegel 30. 7.1990 Die aktuelle Situation ist nicht minder bedrohlich; FAZ 11.12.1991 Die aktuelle Behauptung einer besonderen . . „Identität"; Spiegel 7.12.1992 die aktuellen Zahlen von vergrippten und hustenden Patienten.
Akustik F. (-; ohne PL), im frühen 18. Jh. aufgekommen, eventuell über gleichbed. engl. acoustic(s) (älter acoustick), frz. acoustique, zurückgehend auf gleichbed. griech. ( ), eigentlich '(die) das Hören (betreffende Wissenschaft)' (subst. F. von 'das Gehör betreffend', zu 'hören'). la Zunächst als Teilgebiet der Physik in der Bed. 'Lehre vom Schall, Wissenschaft, die die Wirkung, Bewegung und Ausbreitung des Schalls erforscht', sog. physikalische Akustik; speziell für 'Wissenschaft, die die Wirkung der Klänge und Töne untersucht', sog. musikalische Akustik, und für 'Wissenschaft, die sich mit der Wirkung akustischer Reize auf den Menschen befaßt', sog. psychologische Akustik, b Dann auch als Teilgebiet der Medizin bzw. Biologie in der Bed. 'Wissenschaft, die Funktionsweise und Aufbau des Gehörs untersucht', sog. physiologische Akustik; vor allem fachspr. verwendet; —»· Akustiker 2, —> akustisch 1. 2 Seit frühem 19. Jh. auch in der Bed. 'Wirkung der Töne, Klangverhältnisse im Raum, klangliche Beschaffenheit eines Raumes', bes. bezogen auf Räume, die musikalischen, theatralischen u. ä. Darbietungen dienen, z. B. Akustik des Opernsaales, des Amphitheaters; im 20. Jh. (möglicherweise in Anlehnung an einen Witz, ähnlich Beleg 1962) scherzhaft euphemistisch für 'Gestank (in einem Raum)' (s. Belege 1926, 1936); -* akustisch 2. Akustik la: Wolff 1716 Math. Lex. 8 auch führet in der acustick die austheilung des schalles . . diesen nahmen (DWB N.); Sulzer 1774 Theorie II 579« Darum muß der Baumeister den Chor nach
den Regeln der Akustik oder der Wissenschaft [von] der besten Verbreitung des Schalles einrichten; Denis 1795 Bücherkunde I 287 die Akustik, die von den Eigenschaften des Schalles handelt;
Akustiker Chladni 1802 Akustik 4 Die Akustik untersucht 1) die Zeitverhältnisse der schwingenden Bewegungen überhaupt . . dieser Theil wird die Tonlehre genannt. 2) die Schwingungsgesetze eines jeden elastischen Körpers, 3) die Verbreitung des Schalls, 4) die Empfindung desselben vermittels der Gehörwerkzeuge; Borne 1823 Schilderungen a. Paris (Ges. Sehr. II 144) Die Franzosen sind zu loben, daß ihnen die Optik die erste Wissenschaft ist, und die Akustik die zweite; Helmholtz 1857 Vortr. u. Reden l 122 die physikalische akustik (DWB N.); Pohl 1930 Mechanik 170 das sondergebiet der „akustik oder hörlehre" (DWB N.); Welt 31.7. 1974 Militärische Versuchsanstalten für Elektronik, Hydroakustik und Sperrwaffentechnik entschlüsseln das Geheimnis des delphinischen Sonars, das sich als vollendeter erweist als die technische Ausstattung, die der wasserungeübte Mensch seinen Untersee-Apparaten bisher mitgeben konnte; Zeit 18.10.1985 Ihre Aufgabe wird es sein, in der Abteilung Technische Akustik vielseitige Forschungs- und Entwicklungsvorhaben zur Lärmminderung an Maschinen und Anlagen durchzuführen (Anzeige). Akustik Ib: 1843 Brockhaus l 172 Akustik, . . 4) Die Lehre . . von dem Bau und den Verrichtungen der Gehörwerkzeuge bei Menschen und Thieren; Helmholtz 1863 Tonempfindungen 5 Neben der physikalischen besteht eine physiologische Akustik, welche die Vorgänge im Ohre selbst zu untersuchen hat; 1971 Meyer Enz. l 578 Forschungsgegenstand der physiologischen Akustik ist die Funktionsweise und der Aufbau des menschlichen Gehör- und Sprachorgans. Akustik 2: Goethe 1817 Gespr. (Bi II 410) Gespräche über den Bau des Theaters .. Forderungen und Bedingungen [Goethes] .. Die Logen und Gallerie nicht stark hintereinander zurücktretend, damit der Saal oben nicht viel weiter werde, welches der Akustik nachteilig ist (GWB); Stinde 1885 Farn. Buchholz II 16 Ich verstand leider kein Wort, weil die Akustik im Wintergarten verworren ist und ich ziemlich weit von der Arena entfernt war; Th. Mann 1901 Buddenbrooks (W. I 421) die Aussicht auf ein großes Musikzimmer mit guter Akustik stimmte sie glücklich; Balla 1926 Im Vorckschen
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Geist 66 die Einwohner [eines unter Beschüß liegenden Dorfes] . . sammelten sich in einer Kapelle und erwarteten dort . . den Weltuntergang . . bis zuletzt alles in sinnloser Angst platt auf dem Boden lag. In dem Raum war keine gute „Akkustik"; 1936 Mil. Wochenbl. 2106 Verbrennungsgase von Motor und Pulver, durchdringender Geruch der Kupplungen und Bremsbänder, schließlich menschliche Ausdünstungen ergeben [in einem Militärwagen] eine „Akkustik", die nicht jeder verträgt; Münch. N.N. 5.7.1938 Es ist [beim Theaterumbau] zu wünschen, daß vor allem auf die .. Akustik und die Sichtbarkeit des Bühnenbildes auf allen Plätzen Bedacht genommen wird; Th. Mann 1949 Reden u. Aufs. (W. XI 242) Es gab Rezitationen, Vorlesungen geschulter Sprecher, die dennoch mit gewissen Unbilden der Akustik nicht fertig wurden und die das entfernter sitzende Publikum mit dem schrecklichen Zuruf „Lauter!" verärgerte; Johnson 1961 Buch 185 Karsch . . hob seine langen Beine vorsichtig aus der wirbelnden Akustik des durchdrängten Foyers; Süddtsch. Ztg. 6.3.1962 „'s Theater is schön, gell — nur d'Akustik is net guat", flüstert Frau Maier ihrer Nachbarin zu, während Aida eingemauert wird. „Ja", antwortet die Huberin, „jetzt, wo Sie's sagn, riach i's aa!"; Welt 25.5.1964 die noch immer nicht unproblematische Akustik der Philharmonie; MM 24.4.1985 gelungene Akustik im Konzertsaal; Bernhard 1983 Untergeher 112 die herumstehenden Plastiken störten uns nicht [während des Klavierspiels], sie waren der Akustik förderlich; MM 15.6.1985 Die Akustik der Dreifaltigkeitskirche verträgt durchaus ein Allegro; ebd. 16.12.1985 Die Raumakustik ist nicht immer optimal, aber die Leistungen der Klangkörper und der Solisten sind hervorragend; ebd. 12.7.1986 Wisse man beispielsweise genug über die Akustik eines norwegischen Fjords, so könne man möglicherweise auch ein dort ganz still liegendes U-Boot als Fremdkörper ausmachen; ebd. 16. 7.1987 die Akustik im vollbesetzten Wiesbadener Staatstheater; ebd. 23.5.1987 Dank für die einfühlsame Orchesterleistung, die in der berühmten Akustik des Moskauer Hauses wundervoll zur Geltung kam; ebd. 12.10.1987 die Akustik des Speyerer Doms; Zeitmagazin 11.10.1991 Das einfache Dach .. ruinierte die Akustik so sehr, daß der König bei der Einweihung laut von einer Dorfkirche sprach.
Akustiker M. (-s; -), im späteren 18. Jh. aufgekommene Personalableitung zu —»· Akustik. 1 Selten und nur im 18. Jh. belegt (vermutlich in Anlehnung an gleichbed. griech. ) in der Bed. 'Zuhörer an einer Universität, Student'. 2 Seit Ende 18. Jh. in der dominierenden Bed. 'jrndn., der sich mit der Wissenschaft vom Hören, vom Schall beschäftigt, Akustikwissenschaftler, -fachmann' (—»· Akustik 1).
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akustisch
3 Seit Anfang 19. Jh. speziell in der psychologischen Akustik (—>· Akustik l a) für 'jmd., dessen Sinneswahrnehmung überwiegend durch den Schall, also vom Gehör bestimmt wird', gleichbed. mit akustischer Typ(us) (—» akustisch 1), auch auditiver Typ(us) (vgl. auditiv, —»· Auditorium), im Ggs. z. B. zu —> Optiker. Akustiker 1: Gerstenberg 1770 Rezensionen 341 [Riedel] untersuche also mit seinen akustikern (so heißen ihm die Studenten, die ein collegium hören), ob .. (DWB N.); Herder 1799 W. XII 222 Er ist Professor, d. i. Ausredner der Wissenschaften, sie sind Akustiker, die hören, was er professorirt (KEHREIN). Akustiker 2: Schubart vor 1791 Tonkunst 371 ein wahrer capellmeister und musikdirector . . muss endlich acustiker seyn, und hundert und mehrere köpfe . . so . . zu lenken wissen, dass dadurch ein grosses, allwirkendes ganzes gebildet wird; Helmholtz 1863 Tonempfindungen 106 es sind den berühmtesten musikern und akustikern dergleichen irrtümer zugestoßen; Lindau 1916 Erinn. I 344 beim ausatmen spitzte sich sein mund und gab ein flötenartiges pfeifen von sich . . wie es der kühnste akustiker sich kaum vorzustellen vermag (alle
DWB N.); Zeit 5.10.1985 Die Fraunhofer-Gesellschaft sucht für ihr Institut für Bauphysik/ Bereich Akustik . . einen Diplom-Ingenieur/ Diplom-Physiker/ Akustiker (Anzeige); MM 16. 9.1986 als man noch ohne Akustiker gearbeitet hat, da sei alles prima gegangen [in der Philharmonie]; Zeit 19.9.1986 Das Publikum dämpft den Nachhall, den die Akustiker im leeren Saal für vorzüglich halten; MM 15.8.1988 Hörgeräteakustiker; FAZMagazin 9.8.1991 In Dallas ließ er, um die von den Akustikern vorgegebene Schuhschachtel des Morton H. Meyerson Symphony Center herum, ein festliches, beschwingtes . . Konzerthaus tanzen. Akustiker 3: Herder vor 1803 S. W. IV 38 als ob der akustiker und der optiker nicht jeder gleichsam die weit seines gefühls innig geniessen (DWB N.); 1971 Meyer Enz. I 579 akustischer Typus (Akustiker, auditiver Typ).
akustisch Adj. (ohne Steigerung), im früheren 18. Jh. entlehnt aus griech. 'das Gehör betreffend', —» Akustik. 1 Zunächst in der Bed. 'das Gehör, den Schall (die Schallerzeugung und Schall Wahrnehmung) betreffend, mittels Schall, durch Schall erzeugt, hervorgerufen, bestimmt' (—» Akustik 1), häufig im Ggs. zu —> optisch bzw. —» visuell, seltener auch haptisch 'den Tastsinn betreffend' bzw. taktil (—»· Takt 1) u. ä. Adj. der Sinneswahrnehmung, bes. in Wendungen wie eine Maschine akustisch steuern 'eine Maschine durch Schall (Stimme, Geräusche o. ä.) betreiben', jmdn. akustisch überwachen 'jmdn. mittels Aufzeichnung des Schalls (der Stimme, der Geräusche) überwachen', und in Syntagmen wie akustisches Signal 'Schall-, Lautsignal', akustischer Reiz 'durch Schall erzeugter Reiz', akustischer Typ(us) 'jmd., dessen Wahrnehmung überwiegend vom Schall, also vom Gehörten, nicht vom Gesehenen, Geschmeckten, Erfühlten u. ä. bestimmt wird' (gleichbed. mit —»· Akustiker 3). 2 Seit Ende 18. Jh. auch in bezug auf Raumgegebenheiten in der Bed. 'die Ausbreitung der Klänge und Töne betreffend' (—* Akustik 2), in Wendungen wie ein akustisch (un)günstiger Vortragssaal, ein akustisch unvorteilhaft plazierter Sänger, selten auch für 'bezüglich der Raumakustik günstig, klanglich gut ausgerichtet' (s. Belege 1882, 1907). akustisch 1: Scheibe 1737 Crit. Musicus 90 in den acustischen ausrechnungen (DWB N.); Chladni 1802 Akustik 296 Wenn das eine Ohr verstopft ist, . . so scheint der Schall . . immer von der Seite des offenen Ohres herzukommen, und zwar von dem Orte, welcher dem Ohre gerade gegenüber liegt,
oder mit anderen Worten, in der akustischen Axe des Ohres; Gutzkow 1851 Ritter VI 200 daß der schall der unten gesprochenen Worte durch die Wölbung in das enge kreuz hinauf dringt wie durch die klügste akustische Vorrichtung (DWB N.); Kleinpaul 1892 Sprache 394 ein akustisches Kabi-
akut nett, eine Stube voller Glocken; Benjamin 1918 Er. l 197 Ruhe ist nämlich die Abwesenheit zunächst und vor allem jeglicher akustischen Sensation; Friedell 1928 Kulturgesch. II 475 ist .. in Goethe auf extreme Weise der optische Typus verkörpert . ., in Schiller der akustische; Dtsch. AZ. 22.8.1935 Die Sendung war anregend und wirksam aufgeteilt, doch das Wichtigtse des Bergtheaters, Landschaft, Atmosphäre, kamen akustisch nicht hinreichend zur Geltung; Th. Mann 1940 Nachtr. (W. XIII 154) irgendwie sickern die optischen und akustischen Wahrnehmungen in mich ein; 1958 Gedächtnisschr. 96 [durch Flauberts Schilderungen] erleben wir die Revolution optisch, akustisch, olfatisch; Heuss 1963 Erinn. 88 Da ich viel mehr visuell begabt bin als akustisch, kann ich mir noch nach Jahrzehnten einzelne Bilder der Gestik im Bewußtsein wieder herstellen; 1967 Bild d. Wiss. II 120 akustische und Temperaturreize; N D 25. 2.1969 Zu häufig tauchen noch Kinokurzfilme auf, die im Grunde nicht mehr darstellen als einen recht und schlecht bebilderten, akustisch garnierten Aufsatz; Welt 4.8.1969 sinnvolle Verknüpfung von Akustischem und Visuellem [im Fernsehen]; 1973 Unfallverhütung 5 Die akustische Kontrolle der Anlage macht aber hier ebenso eine Gewöhnung an den veränderten Lärmpegel erforderlich; Tränkte 1985 Statist. Methoden 138 zu untersuchen, ob sich Lernleistungen in Abhängigkeit von zwei verschiedenen Formen der Stoffdarbietung (visuell, visuell und akustisch) unterscheiden; MM 10.1.1985 Lampenausfälle wurden . . optisch und akustisch angezeigt; ebd. 20.2.1985 Dem Bedürfnis der multimedial orientierten Jugend, akustische Reize optisch zu verstärken, kommen Video-Clips als aggressive Illustrationen nach; ebd. 5.3.1985 Vielbestaunt war der in einem speziellen Wagen installierte Computer, der auf die Stimme des Fahrzeuglenkers reagiert und auf einen akustischen Befehl hin den Motor startet, die Scheibenwischer einschaltet und die Automatik bedient; Zeit 4.10.1985 die Glocken der Kirchturmuhr als akustisches Folterwerk; MM 6.12.1985 akustische „Bebilderung" Hugoscher Worte; Zeit 28.12.1985 Formen der akustischen und optischen Überwachungstechnik; ebd. 18.4.1986 Tetraplegiker etwa, die durch Halswirbelbruch an Armen und Beinen gelähmt sind, . . können sich neuerdings in akustisch gesteuerten Rollstühlen ohne jede fremde Hilfe bewegen; ebd. 23.1.1987 Franz Liszt, dessen phänomenales Können leider nicht akustisch doku-
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mentiert ist; ebd. 8.5.1987 Ziel des Modellversuchs ist zum Beispiel, die taktile Ausgabe der Blindenschrift und der Graphiken mit einer akustischen Ausgabe zu kombinieren; ebd. 22.5.1987 Merkwürdigerweise blieb der Eindruck von akustisch-visueller Kongruenz meistens da am schwächsten, wo die Bilder besonder; deutlich sein wollten; MM 20.5.1988 Becce hat später Louis Trenkers Bergfilme akustisch begleitet; ebd. 26.5.1988 Akustischer und optischer Alarm wird ausgelöst bei ungewöhnlichen Kühlwasserabläufen in den Rhein; Spiegel 11.6.1990 Künftig soll es Fahndern gestattet sein, selbst Unverdächtige Tag und Nacht akustisch und optisch zu überwachen. akustisch 2: Matthisson 1795 Italien IV 156 Das geräumige Theater . . verdient, besonders in akustischer Hinsicht, mehr Bewunderung . ., als man bisher ihm vielleicht widerfahren ließ. Ein leises . . Wort . . wird nicht nur im Parterre, sondern auch in den Logen vollkommen deutlich verstanden; ebd. IV 221 Akustisch, wahrscheinlich nur durch Zufall, gebaut, gibt die Wölbung einen so starken Widerhall zurück, daß aufgeschlagene Bänke . . in der Wirkung auf das Gehör den Knall eines Musketschusses hervorbringen; Goethe 1829 Tagebücher (WA III 12,47) fand den neuen Saal sehr lobenswerth; auch in acustischer Hinsicht; 1882 Brockhaus I 309 Akustisch gebaut nennt man einen für rednerische oder musikalische Vorträge bestimmten Raum, wenn man in ihm den Vortrag überall mit gleicher Deutlichkeit hören kann; Rosegger 1907 Ges. W. X 182 es scheine der saal nicht besonders akustisch zu sein (DWB N.); Welt 14.10.1954 in einem akustisch ungünstigen Plenarsaal; 1970 Wohnen mit Metall o. S. Verbesserung der akustischen Eigenschaften des Raumes; Zeit 15.2.1985 er ließ es zu, daß seine Sänger so unvorteilhaft postiert und akustisch so vernachlässigt wurden, daß nicht einer . . das hören zu lassen in der Lage war, was er kann; MM 28. 5.1985 die akustischen Bedingungen des großen Kirchenraumes; Zeit 3.10.1986 die akustischen Verhältnisse in der neuen Kölner Philharmonie; MM 3.7.1987 in einem akustisch problematischen Schloßinnenhof; ebd. 4.7.1987 Obwohl die Hauptrollen Schauspielern anvertraut wurden, hapert es in der akustisch tückischen Felsenreitschule mit der Textverständlichkeit; ebd. 18.4.1988 Akustisch dürfte der Saal vor allem für die Sänger Probleme bergen.
akut Adj., selten im späten 15. und frühen 16. Jh., erst seit Ende 18. Jh. kontinuierlich nachgewiesen, entlehnt aus lat. acutus 'scharf, schneidend, spitz; schrill, durchdringend im Klang, scharfbetont; scharfsinnig; auf den ganzen Körper wir-
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akut
kend' (Part. Perf. von acuere 'schärfen, zuspitzen; scharf betonen; den Verstand schärfen; sich vervollkommnen'). a Zunächst fachspr. in der Medizin in Bezug auf Krankheiten in der Bed. 'anfallartig, unvermittelt auftretend, heftig, intensiv, rasch verlaufend'; anfangs auch in der lat. (flekt.) Form im Syntagma morbus acutus 'heftig, intensiv verlaufende Krankheit' (im Ggs. zu morbus longus oder morbus chronicus) und in der Nebenform akutisch (s. Beleg 1520); häufig im Ggs. zu —> chronisch, auch zu schleichend, unterschwellig, —> latent, z. B. akute Bronchitis, akut malariakrank, akute Krise; bes. in der Zs. Akutkranker 'jmd., der an einer akut verlaufenden Krankheit leidet' (s. Belege 1966, 1971). b Daher seit früherem 19. Jh. auch allgemeinspr. in der übertragenen Bed. 'plötzlich auftretend, sich vehement aufdrängend', auch 'unmittelbar anstehend, vordringlich, (brand-)aktuell (sein), augenblicklich, momentan', bes. in Syntagmen wie akute Krise, Gefahr, akut gefährdet, bedroht (sein), akute Fragen, Probleme, Schwierigkeiten, akuter Mangel; häufig im Ggs. zu —> chronisch, auch zu —»latent, langfristig (s. Beleg 1970), andauernd (s. Beleg 1952), anhaltend, dauerhaft, ewig (s. Beleg 1987). akut a: Melber 1481 Voc. o. S. Acutus morbus ein große mechtig kranckheit; Paracelsus 1520 S. W. / 1,50 der krankheit eigenschaft ist also mit disen zufellen . . etwan schnei, etwan langsam, etwan acutisch, etwan chronisch; ders. 1528 S. W. /. 6,131 so ein acutus morbus infiele; ders. 1537 S. W. / 10,533 und wo es sich begeb, das etwan einem acuto morbo ein solch apostema mit lief, so urteil die färben alein, die geben das leben oder den tot; Hufeland 1795 Pathogenie 250 Diese Krankheiten nennt man acute oder hitzige Krankheiten; Richter 1814 Epedemie 28 [die] wahre acute Ruhr; Hahnemann 1824 Organon 224 oder eine andere hitzige (acute) Krankheit; ebd. 248 in den schnell entstandenen (acuten) Krankheiten; Puchelt 1826 System d. Med. l 77 . . heisst die Krankheit acut (morbus acutus); 1862 Beschr. O A. Nagold 47 unter den acuten (schnellverlaufenden, hitzigen) Krankheiten; Holtet 1863 Letzte Komödiant HI 289 eine akute Auflösung des Rückenmarkes, die binnen sehr kurzer Zeit das Ende herbeiführen muß; Billroth 1891 Br. 422 ich bin schon wieder einmal von einem ziemlich acuten catarrh der luftwege . . befallen (DWB N.); Th. Mann 1930 Reden u. Aufs. (W. X 739) Zur Zeit seiner akuten Erkrankung befand sich seine Mutter, schwer augenleidend, in derselben Klinik, in der er operiert wurde; Kesten 1952 Casanova 62 trotz einer akuten Geschlechtskrankheit; Hunke 1960 Erbe 146 Als erster unterscheidet er die infektiöse Gehirnhautentzündung von anderen akuten Infektionen; Welt 5.2.1964 Eine akute Blinddarmentzündung zwang am Dienstag zu einer sofortigen Operation; 1966 Urania XI 79 der Akutkranke [wird] in einen dämmerartigen Schlaf versetzt und im Rollbett. . im sogen.
Ruhebereich untergebracht; 1971 Gesundheit o. S. Es ist daher eine einschneidende Erhöhung des Bettenanteils für geriatrisch Akutkranke notwendig; 1971 Pflanzenschutz o. S. Wir kennen vor allem akute und subakute, durch längere Einwirkung hervorgerufene Vergiftungen; MM 16.1.1985 Bei einer akuten Bronchitis, die nicht ausheilt, besteht. . die Gefahr, daß sie . . chronisch wird; ebd. 3.8.1985 akut an Aids erkrankt; ebd. 9.8.1985 Vier Fünftel der Schlaganfallspatienten sind nach einer sogenannten Akutphase auf fremde Hilfe angewiesen; ebd. 22.10.1985 erste akute Vergiftungserscheinungen; Zeit 27.6.1986 akute Entzündung; MM 11.7.1986 akut oder chronisch malariakrank; Zeit 31.10.1986 Kopfweh, akut oder chronisch; MM 30.9.1987 akute und chronische Rückenschmerzen. akut b: Laube 1837 Reisenovellen VI 42 der akute Zustand des Romanenjammers tritt nicht mehr ein, sondern die klägliche Nebelatmosphäre, daß man verliert, was man .. gewollt; Kaufmann 1851 Oestreich 160 Der Despotismus des Fürsten übt so lang er auf dem Thron sitzt, einen chronischen, der Despotismus des Volkes übt in der kurzen Stunde seiner Erhebung einen acuten Terrorismus; Schmidt 1871 Bilder II 199 Es ist nicht in Abrede zu stellen, daß vieles Große in der Geschichte durch Revolutionen bewirkt ist; aber nur wenn sie eine acute Krisis darstellten; sobald sie chronisch wurden, haben sie die sittliche Gesundheit des Volckes regelmäßig untergraben; Stieler 1886 Krieg 15 nun aber war er mit einemmale provociert, er mußte Stellung gegen einen räuberischen Gegner nehmen, und darin lag das Akute der Situation;
Akzeleration Th. Mann 1918 Reden u. Aufs. (W. X/J 33) der Gegensatz zwischen uns wurde im Drange der Zeit akut; Hertling 1919 Jahr 172 akute Krisis für die Regierung; Voss. Ztg. 30.12.1929 Betonung .. aller akuten Tagesfragen; Arnholds Wochenber. 6.12.1930 die Maßnahmen zur Behebung akuter Haushaltsschwierigkeiten; Voss. Ztg. 29.8.1931 daß die akute Lebensgefahr für Deutschland im Moment gebannt zu sein scheint; M. A. Abendztg. 6.4.1945 Das Signal „Akute Luftgefahr" ist mit sofortiger Wirkung auch im Gau München-Oberbayern eingeführt worden; ND 2.9.1949 die Aufklärung beginnt meist zu spät, in den meisten Fällen nämlich erst in den Wochen, wo die Frage der Berufswahl akut wird; Kesten 1952 Casanova 76 Es ist kurios, daß Casanova am schlechtesten schreibt, wenn er die Liebe schildert, den akuten Genuß oder die (einige Zeit) andauernde Liebe; Welt 29.12.1954 infolge des akuten Wassermangels; Borst 1957 Turmbau 231 Um 180 wurde die historische Frage auch anderswo akut; Jaspers 1958 Atombombe 445 akut zum Bewußtsein gekommen durch eine plötzlich sich zeigende (im Schrecken übertriebene) Überlegenheit Rußlands; Welt 2.3.1964 akute politische Fragen; 1967 Bild d. Wiss. i 32 So ist das Problem der Überbevölkerung für alle gegeben, nur ist die „Explosionsgefahr" für uns weniger akut; 1970 Freizeit o. S. Den akuten wie vor allem auch den langfristigen Anforderungen des Freizeitbereiches kann häufig nur durch überörtliche Planung entsprochen werden;
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Welt 15.7.1974 Vordringlicher für die Papierhersteller und daher auch akuter ist die Lösung des Rohstoffproblems; MM 6.2.1985 mehr oder weniger akut von den Folgen der Umweltkatastrophe betroffen; Zeit 8.2.1985 der akute Notstand des Rechtssystems bringt die New Yorker am meisten auf; ebd. 15.2.1985 akute Trinkwassergefahr; ebd. 29.3.1985 Der Kanzler wünscht sich eine Politik mit langem Atem, die sich durch akute Probleme nicht aus dem Tritt bringen läßt; ebd. 26.4.1985 Akuter, jedenfalls aktueller scheint den Franzosen die neue „amerikanische Herausforderung" auf wirtschaftlichem Gebiet; ebd. 3.5.1985 ein akutes Gefühl persönlicher Bedrohung macht die Leute für neue religiöse Appelle empfänglich; ebd. 14.2.1986 akute Finanznöte; ebd. 6.3.1986 die . . akut Obdachlosen; MM 30. 8.1986 Das Grundwasser der Stadt sei durch die Altdeponien der Chemiefirma . . nicht akut gefährdet; Zeit 19.9.1986 Probleme der Endlagerung werden erst in Milliarden Jahren akut; MM 22.9.19#6 Ein Jahr darauf herrschte erstmals kein akuter Raummangel; Zeit 7.11.1986 hinsichtlich dieser akutesten aller momentanen Zeitgeist-Quatschigkeiten; ebd. 30.1.1987 alle solche Programme und programmatischen Sätze haben keinen Ewigkeitswert, sondern sollen sich mit den Dingen beschäftigen, die jetzt akut sind; ebd. 27.4.1987 sowohl akute als auch mittel- bis langfristig programmierte soziale Probleme; MM 7.4.1988 akute Überflutungsgefahr; Spiegel 11.6.1990 Mindestens 30.000 Arbeitsplätze sind akut gefährdet.
Akzeleration F. (-; -en), Mitte 18. Jh. entlehnt aus gleichbed. lat. acceleratio, Gen. accelerations (zu accelerare, s. u. akzelerieren), bis heute auch in der Schreibung Acceleration. Ausschließlich bildungs- und fachspr. für 'Erhöhung der Geschwindigkeit, Beschleunigung', im Ggs. zu —* Retardation; bes. in der Anthropologie (1935 von dem Mediziner E. W. Koch eingeführt) für "(im Vergleich zu früheren Generationen) beschleunigte, schneller voranschreitende, vorgezogene Entwicklung bei Jugendlichen, Vorverlegung des Reifeprozesses', auch übertragen verwendet (s. Beleg 1968); in der Volkswirtschaftslehre in der Zs. Akzelerationsprinzip als Bezeichnung für ein Konjunkturmodell, nach dem Investitionen aus einer Steigerung der Nachfrage nach Konsumgütern resultieren; auch in der Uhrentechnik für 'durch Beschleunigung bewirkte Änderung des Uhrenganges' und in der Astronomie für 'zunehmende Geschwindigkeit der Himmelskörper', z. B. Akzeleration der Fixsterne (s. Beleg 1842). Dazu schon Ende 16. Jh. das zugrundeliegende (in)trans. V. akzelerieren (< lat. accelerare 'beschleunigen, vorantreiben; sich sputen, beeilen', zu celer 'schnell, rasch, eilend'), ausschließlich bildungs- und fachspr. für 'die Geschwindigkeit erhöhen, steigern, etwas beschleunigen, an-, vorantreiben', im Ggs. zu —» retardieren;
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Akzeleration
bes. in der Anthropologie für '(im Vergleich zu früheren Generationen) beschleunigt wachsen, rascher reifen'. Im 20. Jh. das auf mlat. accelerator 'Antreiber, Beschleuniger' zurückgehende Subst. Akzelerator M. (-s; -en), bes. fachspr. in der Technik für 'Gashebel (eines Autos)', in der Volkswirtschaftslehre für 'Rechengröße bei Wachstumsberechnungen, Akzelerationskoeffizient' (s. o. Akzelerationsprinzip}. Seit spätem 19. Jh. in der Musik die aus dem Ital. übernommene Tempobezeichnung accelerando 'an Tempo zunehmend, allmählich schneller werdend, eilend' (Ggs. ritardando). Im 19.720. Jh. das nur gebuchte latinisierende Adj. akzelerativ 'beschleunigend'. Akzeleration: Lessing 1754 S. Sehr. V 382 die acceleration eines fallenden körpers (DWB N.); Goethe 1828 Tagebücher (WA III 2,240) Gespräch über Acceleration und Retardation der Wissenschaften und Einsichten; Littroiv 1842 Wunder d. Himmels 203 Acceleration der Fixsterne (KEHREIN); Eylert 1846 Charakter-Züge Fr. W. HI 2,513 der König wollte diese Acceleration nicht hemmen; Stenzel 1904 Seemann. Wb. lOb akzeleration . . zeitmaß, um das der Sonnentag in sternstunden ausgedrückt, größer ist, als der sterntag (DWB N.); Bauer 1957 Verbrechen 47 die möglichen Varianten der Sexualkonstitution und die Reifungsvorgänge in Form von Maskulinismus, Feminismus, Infantilismus, Akzeleration, Retardierung; ebd. 50 Die als Akzeleration bezeichnete und in allen zivilisierten Ländern beobachtete Reifungsbeschleunigung der jungen Generation ist noch immer nicht zum Abschluß gekommen. Ein Mißverhältnis zwischen seelich-geistiger Reife und körperlicher, auch sexueller Frühreife führt zu Spannungen, die noch nicht verarbeitet werden können; Offenburger Tagebl. 31.12.1958 Unter Acceleration verstehen wir die beschleunigte Entwicklung, die seit einiger Zeit an unserer Jugend zu beobachten ist. Diese Acceleration äußert sich vor allem an einem verstärkten Längenwachstum, sie zeigt sich aber auch an einer Beschleunigung der körperlichen Reife; 1963 Hoffnungen 172 Wie ratlos stehen wir in unserer Zeit etwa vor so auffälligen Erscheinungen, die man „Acceleration des Wachstums" nennt, Größensteigerung sowohl wie Vorverlegung der Geschlechtsreife; Süddtsch. Ztg. 30.11.1968 Unser einziges Leiden heißt Akzeleration. Wir [Verlag] sind zu schnell in die Höhe geschossen; Amery 1971 Widersprüche 12 Man hat für das Phänomen den Begriff der geschichtlichen Beschleunigung oder „Akzeleration" geprägt; Welt 4.6.1974 Damals wurde .. viel zugunsten der Herabsetzung der Ziffer [Alter der Mündigkeit] gesagt, von Akzeleration des Wachstums war die Rede und vom Altersstarrsinn mancher Eltern; Hermand 1978 Weim. Rep. 23 daß die alleinige Lösung der sozialen Frage in der Akzeleration des technischen Fortschrits
liege; MM 36.4.1986 Heftig kritisierte er die fehlende Wachstumsstatistik und die Nichtbeachtung der „Akzeleration" (Beschleunigung der Entwicklung); ebd. 9.9.1987 Ende des l S.Jahrhunderts gab es — wie Skelettuntersuchungen beweisen — bereits eine „Akzelerationsperiode", also eine Beschleunigung der Reife. accelerando: Riehl 1885 Vortr. U 451 Der Lesende würde da kein mezza voce des erzählenden Tones anbringen können, kein accelerando und ritardando; Neue Ztg. 4.2.1953 wo das fast atemlose Accelerando [eines Musikstückes] unmerklich in das müde Hämmern der ausgemergelten Motoren überging. Akzelerator: 1933 Verd. techn. frw. o. S. Akzelerator .. Gashebel (Kraftwagen); FAZ 2.10.1970 Durch diese gegenläufige Verhaltensweise im Investitions- und Verbrauchsgüterbereich wird der „Akzeleratoreffekt" des Konjunkturmodells wesentlich abgeschwächt. akzelerieren: 1598 fönt. rer. Austr. II 58,408 dass . . das verderben dieser . . lande so unbesonnen .. acceleriert (DWB N.); Leibniz 1670 Denkschr. Reich II 61 akzeleriert; Goethe 1808 Br. (WA IV 30,272) Wird hier der Fall [der Terzen in einem Musikstück] accelerirt . . oder wird er retardirt; Hartmann 1876 Ges. Stud. 627 der streit dreht sich nur noch um das schneller oder langsamer . . des accelerirenden und des retardirenden elements der entwicklung (DWB N.); Welt 4. 7.1964 Ich glaube nicht, daß unsere Jugend überfordert ist, auch wenn sie akzeleriert oder vergleichsweise stärkere Party-Verpflichtungen hat; 1977 Meyer Enz. l 581 beim männlichen Geschlecht ist die sexuelle Entwicklung akzeleriert. . . Auch der Stimmbruch ist vorverlagert; Mulot 1987 Keventlow 378 die akzelerierte Lebenserfahrung, der mutige Sprung nach einem Anlauf.
Akzent
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Akzent M. (-(e)s; -e), im späten 15. Jh. entlehnt aus lat. accentus 'das Antonen, Blasen; Klang, Ton', eigentlich 'das Beitönen' (zu accinere 'dazu singen, dazu tönen', aus ad- 'zu, an, hin(zu), heran, herbei' und canere 'singen, ertönen', dem Etymon von —» Kantate und —» Kantor; lat. accentus im Sinne des grammatischen Terminus ist lehnübersetzt aus griech. 'Wortbetonung', wörtlich 'Zugesang', vgl. Prosodie und —» Ode), bis ins 17. Jh. auch in der lat. (flekt.) Form und bis ins 19.720. Jh. vorwiegend in der Schreibung Accent. la Zunächst meist plur. verwendet in der bis ins 19./20. Jh. nachgewiesenen (direkt an lat. accentus anschließenden) Bed. 'Klang, Laut, Ton (der Stimme); Melodie, Gesang', z. B. Akzente von sich geben; holde, rührende, wunderbare, unverständliche Akzente hören; lebhafte Akzente anschlagen. Daneben selten auch für 'Ausdruck, Art sich auszudrücken' (vgl. b; s. Belege 1722, 1856, 1940), z. B. etwas mit dem Akzent der Wahrhaftigkeit, Liebe, mit herzlichem Akzent aus sprechen. b Seit späterem 16. Jh., ohne PL verwendet, in der Bed. 'bestimmte Art der Aussprache, charakteristischer Tonfall (einer Sprache, einer Gegend oder eines bestimmten Milieus), Sprachfärbung, -melodie', bes. in Wendungen wie eine fremde Sprache ohne Akzent sprechen, mit ausländischem, fremdem, englischem Akzent sprechen, mit echtem Berliner Akzent. 2a Seit frühem 16. Jh. (in Anlehnung an die grammatische Bed. des lat. Etymons, s. o.) in der Sprachwissenschaft für 'Betonung, Hervorhebung von Wort- und Redeteilen (bes. durch Lautstärke, Tonhöhe, Dehnung oder Rhythmus)', auch in der Musik 'Hervorhebung eines Tons oder einer Tongruppe', im 16.717. Jh. gelegentlich verdeutscht mit Bei-, Haupt-, 'Wortton, bes. in Wendungen wie den Akzent tragen, der Akzent Hegt auf der ersten Silbe, dynamischer, musikalischer Akzent, als Grundwort in fachspr. Zss. wie Haupt-, Neben-, Satz-, Vers-, Wortakzent, seltener als Bestimmungswort in Zss. wie Akzentträger, -Wechsel, -Verschiebung 'Verschiebung des Akzentes innerhalb eines Wortes oder Satzes'. Seit Mitte 16. Jh. dann auch als Bezeichnung für das Schriftzeichen selbst, das zur Kennzeichnung der Aussprache, Intonation und bes. der Betonung dient (s. Belege 1553, 1970), z. B. ein Wort mit einem Akzent versehen; Akzentzeichen, -buchstabe; im 20. Jh. vereinzelt auch bildlich gebraucht (s. Beleg 1938). b Seit früherem 18. Jh. zunehmend auch allgemeiner und übertragen gebraucht in der (vom Lat. abweichenden) Bed. 'Betonung, Hervorhebung, Nachdruck, Gewicht, Schwerpunkt, Bedeutsamkeit', bes. in Wendungen wie einen besonderen Akzent auf etwas legen, politische, künstlerische, modische, dramatische Akzente setzen und bes. (neue) Akzente setzen 'zeigen, worauf es (in Zukunft) ankommt, worauf (zukünftig) das besondere Gewicht zu legen ist, eine (neue) Richtung, einen (neuen) Weg zeigen', auch 'Anregungen, Hinweise, Winke für etwas geben' und bes. in der Zs. Akzentverschiebung 'Verlagerung des Gewichts, der Bedeutung (meist einer Sache)'. Im 20. Jh. gelegentlich bes. im kulturellen Bereich auch für 'das Typische von etwas oder jmdm. betonendes Merkmal, deutlich herausragender, hervortretender Wesenszug, besondere Art, Manier, Gepräge, Note, Aspekt' (s. Belege 1921, 1924, 1949, 1987, 1991). Dazu seit frühem 19. Jh. die seltene adj. Ableitung akzentlos Ohne Betonung, monoton' (zu 2a), im 20. Jh. auch Ohne fremden Akzent' (zu Ib), mit dem dazugehörigen
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Akzent
Subst. Akzentlosigkeit R (-; ohne Pl.) (zu 2a), und in neuerer Zeit vereinzelt die adj. Ableitung akzentfrei 'ohne fremden Tonfall' (zu Ib). Akzent la: 2475 Voc. ex quo A4 accentus id est sonus proprie don oder laut; Nazarei 1521 Gott 40 wann wir [im Gottesdienst] singen so senfft das wir gemeinlich in eyner prim zwei oder drymal den accent vmb ein quart wyder in der hoehe der stimm richten muessen; Luther 1528 Bekenntnis (W. XXVI 364) klang oder dohn, welches die Latinischen accent nennen; Werder 1626 Jerusalem 211a Woher der Menschen Chor, der da sang .., herkam, kont man nicht wissen/ er sah nicht wer da macht der Menschen jhr Accent; 1628 (Wrede, Altköln. Sprachschatz 86a) [die als Hexe Angeklagte] habe nichts gesprochen, sondern nur allein einen accentum oder thon von sich geben (DWB N.); 1722 Discourse U 115 derjenige ist in der That bescheiden, der . . in seinen Gebehrden, in seiner Minen, in der Rede, in dem Accente . . nichts grosses, das er nicht besitzt, vorleuget; Gesner vor 1761 (Adelung 1774 Dt. Wb. 1125) Die Nachtigall schwieg und horchte die zärtlichen Accente; Wieland 1766 Agathon l 28 hört' ich würklich den rührenden Accent ihrer süssen Stimme?; Sturz 1767 Julie II 232 Ihr [der Mädchen] Gewimmer ist weiter nichts als ein höherer Accent ihrer Sprache; Lichtenberg 1775 Aphorismen III103 mit der Mine des unschuldigen Lamms und mit [dem] Accent der Wahrheitsliebe; Heinse 1794 H. v. Hohenthal V 35 Accenten hoher Grazie; Tieck 1796 W. XIV 132 er . . horchte . . auf das gesäusel der baumwipfel über sich, um sich aus den unverständlichen accenten eine süße antwort herauszuhören (DWB N.); Lavater 1798 Nachgelass. Sehr. IV 275 Ist es euch nicht möglich — o, saget es ihnen mit dem unverkennbaren Tone gerührter, teilnehmender Wehmuth, und mit dem herlichsten Accente brüderlichen Mitleidens; Goethe 1805 Kameaus Neffe (WA I 45,115) die Accente der Wuth, des Hasses, der Eifersucht; E.T.A. Hoffmann 1814 Berganza I 80 in kläglichen Accenten; Grimm 1856 Kind 286 antwortete er lächelnd, aber mit einem Accente von Wehmuth; Walloth 1886 Seelenrätsel 99 Als diese drei Wörter über die Schwelle seines Denkens traten, tönten sie mit weichem Accent in seiner Seele wieder; ebd. 162 O Gott! mein Leben hängt an einem Wort, an einem Accent — wie mag sich Frau von York ausgedrückt haben! Wenn sie nur die passenden Worte gewählt [hat]; Wunderlich 1892 Satzbau Vorw. Ill in deren [der Irrtümer] Verurteilung die nachfolgenden um so lebhaftere accente anschlagen, je mehr sie selbst blössen zu bedecken hatten (DWB N.); Ebner-Eschenbach 1901 Ges. Sehr. VII 322 sie hatte mit dem vollen Accent der Wahrhaftigkeit gesprochen; Th. Mann 1911 Erz. (W. VIII 439) „das ist nichts", sagte Johnny
mit seinem lieblichen Akzent; Kommereil 1940 Geist 27 es kann nicht geleugnet werden, . . daß dem teufel eine fülle der geistreichsten . . sprüche . . anvertraut sind, daß also Goethe mit lebensechtem akzent aus ihm redet (DWB N.). Akzent Ib: 1564 Zimmer. Chronik II 573 Der hab in oberlendischer sprach verstendtlich und in dem accent, wie weilunt graf Endres sellig in seinem leben geredt hat, geantwort; 1684 Teutschland ü. Frankreich 18 alle unsere Gesandten zu Paris müssen Französisch reden, und hat er den rechten accent nicht, heisset man ihn einen Gasconier; Abr. a S. Clara 1704 Gemisch 34 es ist ein kleine Sach umb einen Accent, oder Ausspruch, ein klein Unterschied, wann ein Schwab sagt Vatter, und ein Bayr sagt Vater; Wächtler 1722 Manual 28 er redet gut Frantzösisch, hat einen guten Accent; Stoppe 1728 Ged. l 128 Wenn ich noch so nette reden will: Fehlt mir der Accent und das Geschicke; Rohr 1728 Zeremoniellwiss. I 289 diesemnach muß er den Accent, der sein Vaterland vermuth, weglassen und sich einen ändern angewöhnen; 1737 Jüd. Baldober 198 [warum sie] auch gar keinen Holländischen, wohl aber den Westphälischen Accent habe; Michaelis 1773 Räsonnement III 77 so lernt er doch den Accent der Sprache nicht; Wezel 1781 Sprache 51 der hessische . . Accent; Hermes 1789 für Eltern I 16 nachdem er .. einen Sprachmeister besucht und den Accent desselben vollkommen gehascht hatte; Foote 1796 Schriftsteller (Übers.) II 48 Sie haben eine Art von fremdem Akzent; 2802 Humania I 309 [Sie] sind Ausländerin? fragte sie wieder. Woher wissen sie das? fragte ich. Ich höre es am Accent; 1808 Er. v. d. Univ. 419 dass ich für einen Franzosen gelte . . alle versichern mich, ich hätte [frz.] Accent; Gutzkow 1861 Zauberer IX 156 sein wienerisch gemüthlicher Accent; Suckow 1862 Sold'leben 287 Ich höre an Ihrem Accent, daß Sie ein Deutscher sind; Hillebrand 1882 Zeitgenossen 100 er sprach . . englisch, deutsch, italienisch fließend, wenn auch mit starkem Akzent; Gottschall 1885 Totenkl. 287 Sein Accent, dies schreckliche Schnarren und Anstoßen mit der Zunge; Perfall 1890 Liebe 69 sprach er fliessendes Deutsch mit dem üblichen polnischen Accent; Th. Mann 1924 Zauberberg (W. HI 83) er sprach ohne fremden Akzent; Lettenbaur 1927 Morgen 252 die Akzente dieser Herren waren dem Süddeutschen nicht so vertraut; Berl. lllustr. Nachtausg. 31.8.1933 Er sprach mit einem fremden Akzent; Feist 1933 Sprache 19 Sorben . . beherrschen .. das Deutsche, das sie freilich mit slawischem „Akzent" sprechen;
Akzent 1935 „Duden"-Sammlung o. S. ein junger .. Herr, der mit heftig amerikanischem Akzent. . nach dem Zahlmeister verlangte; Th. Mann 1947 Faustus (W. VI 558) ihr Deutsch war mühelos, mit leichtem, reizendem Fremdakzent; ND 22.10.1949 ihr kam der fremde Mensch mit dem slawischen Akzent .. äußerst gefährlich vor; Pinkwart 1963 Mord 96 er sprach mit amerikanischem Akzent; Welt 6.1.1969 er spricht den arrogant-näselnden Akzent der britischen Aristokratie; Zeit 28.12.1984 der Mann mit dem kräftigen Südstaatenakzent; ebd. 10.5.1985 erschien . . eine attraktive Negerin hinter der Vitrine und fragte mich in rheinischem Akzent nach meinem Wunsch; ebd. 24.5.1985 der allzu gewollte Akzent, dem anzuhören ist, daß deutsche Synchronsprecher einen Engländer oder Franzosen imitieren; MM 27.5.1986 „wir stürmen das Gebäude", empört sich ein Aufmüpfiger mit ausländischem Akzent. akzentfrei: Welt 13.6.1959 als er bei der Zahl 100 angekommen war, holte er tief Luft und sagte in akzentfreiem Deutsch „Donnerwetter"; Zeit 3.1.1986 im Idealfall des „akzentfreien Kochens" erkennt ein Einheimischer die unverwechselbare Delikatesse — den Dialekt — seiner Küche wieder. akzentlos: Langgässer 1950 Argonautenfahrt 242 das akzentlose Sprechen einer Tochter aus gutem Haus; Welt 12.12.1974 er sprach akzentlos deutsch. Akzent 2a: Eberlin 1521 Bundesgenossen l 60 im läsen oder außsprechen wissen si [alte Männer in Klöstern] nit den rechten accent auch gemeiner wort; Emser 1525 Annotat. Bb3a nach rechter art des kriechischen accents wol penultima longa pronunciirt werden; Fugger 1553 Formular 138 Die Hebrayer haben . . jr schriefft on einiche Accenten geschrieben; Thurneisser 1583 Onomast. Vorr. o. S. die Accent vnd Punct, vnter oder vber jedem sonderlichen Wort; 1597 Bericht v. Aussprach Latein. Wörtern B5a Was den Accent oder aufzug der Sylben in den Wörtern betrifft, ist er in der lesten Sylben; Praetorius 1619 Syntagma mus. Ill 147 mit langen Gruppen, Trillern und Accenten zu rechter Zeit gebraucht; Opitz 1621 Poeterei 41 Wiewol die Frantzosen vnd andere, in den eigentlichen namen sonderlich, die accente so genawe nicht in acht nemen; Buchner vor 1661 Poeterey 119 Eine Weibliche Endung wird genennet, wo die letzte [Silbe] kurtz ist, die vorhergehende aber lang und einen Accent hat; Printz 1676 Phrynis A2a zu singen angefangen und die Vocales mit einem wunderschönen Accent herauß gestossen; Happel 1690 academ. Roman 850 Accentus, Puncta, form und figur der buchstaben; Ettner 1715 Hebamme 97 des He-
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bräischen ABC über- und unterzeichnete Pünctlein, Strichlein, Accente und andere Zeichnungen; Hederich 1746 Anleitung 165 wo die . . üblichen Accente auf einem Worte stehen sollen. .. Die noch üblichen Lateinischen Accente sind der Acutus . . Gravis und Circumflexus; Reichard 1747 Historie 43 Auf die Orthographie folgt nun der erste Fall der Prosodie, der die Lehre von den Accenten und der Aussprache begreift; Ramler 1752 a. Gleim l 357 sie hat sie den lieben Gleim, mit dem Accent auf das Wort lieben, genennt; Wieland 1757 Gesch. d. Gelehrtheit 9 Vor Zeiten pflegte man im Schreiben weder Abschnitte noch Unterscheidungszeichen noch Accente zu machen; Abet 1786 Seelenlehre 181 die Lehre von Prosodie, Accenten und Rhythmus; Hippel 1793 Kreuz- u. Querzüge I 29 legte einen so besonderen Akzent auf dieses Teufels-Ja; Chamisso 1821 W. // 95 der Accent fällt meist auf die letzte Sylbe; Mahler 1860 Milit. Bilderbuch 51 Wir erwarteten nach „Abtheilung" (der Accent liegt auf der dritten Silbe) das landesübliche „Gewehr auf" zu vernehmen; Th. Mann 1924 Zauberberg (W. HI 212) sprach das Wort italienisch aus, mit dem Akzent auf der vierten Silbe; Strich 1928 Dichtung 10 Urgesetz des Akzents . . Betonung des Worts nur auf der bedeutungstragenden . . Silbe; 1938 (Wolf 1950 Grenze 41) euer Oberhäuptling, ein Musterexemplar, ganz Kehlkopf, die Bürste unter der Nase ist der Akzent zu dem Lautsprecher [Mund] darunter; Th. Mann 1947 Faustus (W. VI 91) die Silben eines Textes . ., auf denen der Akzent lag; Welt 28.9.1964 ging der Flötenklang in fast groben Akzentsetzungen verloren; FAZ 21.8.1965 Ein Akzent ist selber entweder ein Zeichen oder eine Weise der Betonung; 1970 Forschungsber. d. IDS V 90 solche Art der Vorfeldbesetzung, bei der immer der Hauptakzent (und oft der melische Gipfel) auf dem Erstglied ruht; Hinz 1970 Persisch o. S. ist in diesem Sprachführer zur Sicherheit der Wortton jedesmal ausdrücklich vermerkt, und zwar durch einen Akzent; Zeit 26.4.1985 Schriften-Garnitur mit allen Ziffern, Interpunktionen, Akzentbuchstaben; MM 11.5. 1985 stimmt sowohl die Balance zwischen Artikulation und Klangstrom als auch das Verhältnis von melodischem Gestus und sprachlichem Akzent; Zeit 16.5.1986 Schumanns „Kreisleriana" beginnt er etwas flächig, . . setzt die gegenrhythmischen Akkordakzente sehr betont; MM 37.3.1987 dazu genügt . . ein wenig Akzent für ausgehaltene Baßtöne . . oder taufrische Eleganz für Ornamentik. akzentlos: Arndt 1814 Ansichten l 454 das Accentlose und Bedeutungslose in der Rede, was an Höfen sein muß; Goltz 1847 Kindheit 404 sagte sie in einem ganz aczentlosen und unbelebten Tone.
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Akzentlosigkeit: Hillebrand 1882 Zeitgenossen 100 er sprach . . mit starker Accentlosigkeit, wie die Franzosen unsere accentuirten Sprachen zu reden pflegen; 1924 Kunstwissenschaft 61 In der Kunstgeschichte . . sieht man . . ein, daß in allem Geschichtlichen schon die Auswahl eine Wertung enthält, und möchte, um dem zu entgehen, mancherorts die Geschichte nur als Aufgabe ungebrochener („cäsurloser") kausaler Kontinuität behandeln, bei welcher Akzentlosigkeit die geheimen Willens- und Wertungsmomente . . sich verbergen. Akzent 2b: Zinzendorf 1738 Berl. Reden 143 sobald .. der accent auf unser eigenes glauben mögen recht gelegt wird, so ist des heilands ausspruch klar: wer nicht glaubet, der ist schon gerichtet; C. Schlegel 1795 Br. l 161 er legt sehr großen accent aufs wißen (beide DWB N.); Vilmar 1855 Literaturgeich. o. S. Auf Ausmalung und Schilderung legt das Volkslied auch nicht den geringsten Accent (KEHREIN); Vischer 1861 Knt. Gänge N. F. II139 Das Schicksal gibt Hamlet darin Recht, daß der König nicht im Dunkeln, nicht ohne besonderen, in das Bewußtsein von versammelten Personen fallenden Accent vernichtet werden soll; Gutzkow 1875 Säkularbilder VIII 419 dass all' unsere moderne Kunst einen speciellen Accent hat; Ihering 1884 Zweck i. Recht II 336 Sie [Sprache] .. legt den Accent auf den Umgang; Grimm 1897 Beitr. 110 Accente von Hoffnung; Freud 1911—24 metapsychol. Sehr. 35 der Akzent ruht . . auf der Ablenkung vom Sexuellen; Th. Mann 1921 Reden u. Aufs. (W. IX 111) seine Gehässigkeit gegen das Organische trägt einen Akzent subjektiver Qual; ders. 1924 Zauberberg (W. III 544) dies Schaustück verlieh dem seidenen Zimmer .. einen besonderen Akzent; Keyserling 1926 Welt 100 Akzent auf das Unbewusste zu legen; Thiess 1927 Gesicht 45 er . . verlegt den Akzent seines Lebens aus dem unsichtbaren Land der Seele in die übersichtliche Bahn außer ihm; Voss. Ztg. 15.7.1929 Mitunter scheut sich Tessenow auch nicht, einen historischen Akzent einzustreuen; 1930 Handb. d. Frankreichkunde II 325 Corneilles antithesen- und akzentstarke Plaidoyerform; 1931 Nordland-Illustr. o. S. So geht die erste Hälfte des Tages, so schließt sich, mit einer kleinen Verschiebung der Akzente, die zweite an; Berl. lllus.tr. Nachtausg. 20.1.1933 um diese besonderen Akzente seines Schaffens hervorzuheben; Bahr 1933 Volk 12 in dramatischer Bewegtheit und wuchtigen Akzenten; Benjamin 1935
Br. II 639 Die Umarbeitung wird . . den vierten Teil zu betreffen haben, . . trotz des großen . . Akzents, der auf ihm liegt; Münch. N.N. 28.1.1938 besaß es [Berlin] keine größeren städtebaulichen Akzente; ebd. 26.6.1940 daß die Einstellung der Feindseligkeiten . . für Deutschland einen anderen Akzent trägt als für Italien; Welt 22.2.1949 das Publikum würdigte die überzeugenden menschlichen Akzente des Films; Armbruster 1952 Lux 29 nun mit desto frischerem Auftrieb, dem ein Gläschen Himbeergeist den Akzent setzte; Süddtsch. Ztg. 8. 8.1953 Angesichts der . . angeführten Berichte . ., bekommt diese Freude allerdings manchmal einen unangenehmen Akzent; ebd. 1.12.1958 Noch sei der Augenblick nicht gekommen, diesen dramatischen Akzent zu setzen; 1959 Studien z. Geistesgesch. 156 wesentliche Akzent- und Wertverschiebung im Verhältnis zum Gesamtablauf der italienischen Geschichte; Heuss 1963 Erinn. 97 dieser Pionierversuch gibt der Gründung . . doch etwas wie einen kulturgeschichtlichen Akzent; Glaser 1964 Spießer 78 Sache des Künstlers sei es dagegen, dem Leben die schweren, todernsten Akzente zu erhalten; Welt 13.3.1969 in Bonn wolle man jetzt Akzente in der Wettbewerbspolitik setzen; Offenburger Tagebl. 16.6.1970 Ahlers kündigte „neue Akzente" auf dem Gebiet der inneren Reformen an; FAZ 22.4.1971 waren solche Lohnrunden im Bergbau immer reich an dramatischen Akzenten; MM 31.1.1985 der Bundesrepublik dürfte es . . schwerfallen, dem Gesamtprogramm einen spezifisch deutschen Akzent zu geben; Zeit 19. 7.1985 die nordische Universität setzt neue Akzente in der Hochschul-Ausbildung; ebd. 23.8.1985 der Kriminalroman mit zeitkritischen Akzenten; MM 13.3.1986 Mannheim darf stolz darauf sein, daß sein reichhaltiges Schulangebot diesen . . pädagogischen Akzent erhält; ebd. 30. 7.1986 Erik Mortensen entwirft für schlanke Hüften und zierliche Taillen, setzt seine Akzente an Ärmeln, Schultern, Hals; ebd. 25.11.1987 Peter Gross spielt Papst Pius XII. ohne tragischen Akzent; Borst 1988 Barbaren 522 Ein paar chronologische Akzente sind freilich zu setzen; MM 14. 6.1988 drei Alphornbläser setzten . . einen kräftig folkloristischen Akzent; Altner 1991 Naturuergessenheit 271 ist zwar auch von Umweltschutz die Rede, aber der entscheidende Akzent sitzt auf der Beschleunigung des Wirtschaftswachstums; Zeitmagazin 11.10.1991 die Römischen Bäder . ., die der Havellandschaft südliche Akzente geben.
akzentuieren V. trans., auch reflex., im frühen 18. Jh. entlehnt aus mlat. accentuare 'betonen' (zu (m)lat. accentus, —» Akzent), bis ins 19./20. Jh. vorwiegend in der Schreibung accentuieren.
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la Zunächst in der Grammatik in der Bed. 'Buchstaben, Silben, Wörter mit Aussprache- oder Betonungszeichen versehen' (s. Belege 1714, 1900), insbes. für "Wortund Redeteile betonen, die betonten Silben beim Sprechen hervorheben; abgemessen, genau, scharf aussprechen', auch in der Musik für 'einen Ton oder eine Tongruppe hervorheben' (—»· Akzent 2a), z. B. deutlich und akzentuiert sprechen, scharf akzentuiert klingende Worte; häufig auch allgemeiner gebraucht im Sinne von 'in der Rede, im Gespräch o. ä. etwas mit Nachdruck aussprechen, betonen, unterstreichen' (s. Belege 1786, 1872), häufig adj. verwendet in der Part. Perf.-Form akzentuiert 'nachdrücklich', z. B. sich akzentuiert zu etwas äußern, akzentuiert reden, b Seit Ende 18. Jh. auch übertragen verwendet in der Bed. 'hervorheben, deutlich zeigen', insbes. auch 'etwas besonders kennzeichnen, besonderen Wert auf etwas legen; einer Sache besondere Bedeutung geben, besonderes Gewicht beimessen; etwas profilieren', ebenfalls häufig adj. in der Part. Perf.-Form akzentuiert 'profiliert, eine besondere Note, Prägung aufweisend' (—» Akzent 2b). Seit dem 19. Jh. selten auch reflex, sich akzentuieren 'deutlich werden, sich nachdrücklich zeigen, sich abzeichnen, sich offenbaren, sich hervorheben' (s. Belege 1857, 1954, 1959). 2 Ebenfalls seit Ende 18. Jh. selten in der Bed. 'mit einem besonderen Tonfall, einer charakteristischen Art der Aussprache sprechen', meist in der Part. Perf.-Form akzentuiert, z. B. ein akzentuiertes Deutsch sprechen (—» Akzent Ib). Dazu seit frühem 19. Jh. das Verbalsubst. Akzentuierung F. (-; -en) 'Betonung von Wörtern u. ä.' (zu la), Mitte 19. Jh. vereinzelt für 'besondere Aussprache' (zu 2) und seit spätem 19. Jh. auch für 'besondere Betonung, Gewichtung, Hervorhebung' (zu Ib), weitgehend gleichbed. mit Akzentsetzung (—> Akzent 2b); daneben das vereinzelt schon Ende 16. Jh., erst seit Anfang 18. Jh. eventuell unter frz. Einfluß häufiger nachgewiesene, auf gleichbed. mlat. accentuatio zurückgehende Subst. Akzentuation F. (-; -en), meist fachspr. in der Grammatik für 'Betonung' und seltener 'Aussprache-, Betonungszeichen' (zu la), vereinzelt auch übertragen verwendet (zu Ib). akzentuieren la: Schudt 1714 Merckwürdigkeiten l 358 sie [hebräische Bibel] ist.. mit grossen Buchstaben . . geschrieben und völlig punctiret und accentuiret; Sperander 1727 A la mod Sprach 7 accentuiren, einer Sylben den Wort-Laut geben oder im Reden denselben mercken lassen; Hederich 1729 Promt. 87 Accentuieren, einen Accent auf etwas setzen; Scheibe 1745 Musicus 699 die zweyte Note ist aber accentuiret; Lessing 1767 S. Sehr. IX 215 in ihrer Deklamation accentuirt sie [Schauspielerin] richtig; . . der . . Mangel intensiver Accente verursacht Monotonie; 1786 (Engel 1801 W. VII 63) sowie der Schauspieler . . nicht alle [Gedanken] mit gleicher Kraft accentuiren . . soll; ]ean Paul 1805 Flegeljahre (W. IV 954) wie er . . beide Worte zu accentuieren und zu prononcieren habe; Spaun 1822 Zilia l 106 eine richtig accentuirende Silberstimme; 1852 Prutz'Museum 160 [sprachlich] accentuiren; Bismarck 1872 Reden V 255 ich habe . . das Verlangen der königlichen Regierung accentuirt, in confessionellen Sachen zum vollen Frieden
zu kommen; Berlepsch 1875 Schweizerkunde 393 Alpenbauern . . wenn sie dem Gaste ein accentuirtes „bene" anthun wollen; Hillebrand 1882 Zeitgenossen 100 mit starker Accentlosigkeit [sprechen], wie die Franzosen unsere accentuirten Sprachen zu reden pflegen; Roberts 1891 Mitleid 5 stoßweise kam die accentuirte Musik einer nahen Festlichkeit hergehuscht; Franke-Schievelbein 1894 Rotdorn 22 seine scharf accentuierte langsame Sprache; Klenz 1900 Druckerspr. 6 accentuierte . . Buchstaben heißen . . alle Buchstaben, über oder unter welchen irgend ein Hilfszeichen angebracht ist; Th. Mann 1901 Buddenbrooks (W. l 397) Redeweise . . mit langen und dunklen oder jäh akzentuierten Vokalen; ders. 1930 Erz. (W. VIII 665) „fuggiero!" ich habe den Ruf noch heute im Ohr, . . in heiserer Ungedecktheit, gräßlich akzentuiert, mit grell offenem e, hervorgestoßen von einer Art mechanisch gewordenen Verzweiflung; Heuss 1963 Erinn. 45 eine die Konsonanten akzentuierende versuchsweise Annäherung an das Schriftdeutsche; ND
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19.6.1974 Koch sorgte mit dem ungemein plastisch und dramatisch akzentuierend spielenden Kammerorcherster Berlin . . für eine stilvolle .. Interpretation; MM 27.3.1985 die Sarabande gravitätisch, Ton für Ton akzentuiert; ebd. 14.5.1987 leider etwas verwaschen der Beginn des dritten [Satzes], da hätten die tiefen Streicher genauer und trockener akzentuieren müssen; Meier 1988 Im Anfang 17 Gebärden verdeutlichen und akzentuieren noch heute das gesprochene Wort, Tonfall und Tonschnelligkeit geben . . dem gesprochenen Wort seine Nuancierung. Akzentuation: 1597 Bericht v. Aussprach Latein. Wörtern A3a Der Sprach verstendige muess discs, wie auch die Accentuation zuzeiten aus dem sinn der Red vnterscheiden; 1702 Ev. Schulordn. Ill 78 [man] liest. . die schweren Bücher, tractiret die Accentuation mit, und was aus dem Chaldäischen nöthig ist; Löber 1723 Studente 406 ein Collegium über die hebräische Accentuation: denn . . ohne diese Beihülffe das Hebräische nicht kan verstanden werden; Hederich 1747 Philolog. Wiss. 164 Die Accentuation ist eines der delicaten Stücke von der gantzen Pronunciation der Lateinischen Sprache; Schubart vor 1791 Tonkunst 160 einer der besten Clavierspieler Deutschlands. Seine Accentuation ist neu, und tief eindringend; Goethe 1811 Dichtung u. Wahrh. (HA IX 479) von . . jungen und alten Schauspielern, theatralischen Liebhabern . . hatte ich mir die Redensarten, sowie die Akzentuationen gemerkt; Pockels 1813 Gesellschaft II 124 in ihrem Vortrage und ihrer Accentuation; /. Grimm 1822 Gramm. I 4 andere [Handschriften] brauchen den Acutus neben dem dehnenden Circumflex oder auch allein zur wirklichen Accentuation, die von der Dehnung völlig verschieden ist; Reissmann 1861 Lied 278 Was in der Vocalmusik . . dadurch herbeigeführt wurde, daß in der Poesie an Stelle der Quantitätsmessung die Accentuation tritt; Paul 1880 Principien 81 wo die Veränderung durch die umgebenden Laute oder durch die Accentuation bedingt ist. Akzentuierung:;. Grimm 1819 Kl. Sehr. IV 102 da die meisten bisher serbisch gedruckten Bücher sich der lateinischen Schrift, jedoch ohne die im Polnischen und Böhmischen zu Hülfe genommene Accentuierung . . bedienten; ders. 1826 Gramm. II 922 dies begründet einen Unterschied in der Accentuierung derselben Partickeln, je nachdem sie mit einem nomen oder verbum componiert sind; Rutenberg 1877 Zinne 14 seine Stimme, selbst wenn sie nur geringen Umfang in der Accentuirung der Affekte besitzt; Kainz 1907 Er. 141 daß „aus" ohnehin in der Hebung steht und überdieß noch eine lange Silbe ist, also ganz von selber ohne besondere
Accentuierung herausfällt; Berger 1966 Nettesheim 482 zur Akzentuierung der Verse schlug er ihren Takt mit Macht auf den Tisch; MM 28.5.1988 daß diese Musik im ersten Satz, mit entsprechender Geschwindigkeit und Akzentuierung gespielt, abheben wird wie ein Flugzeug nach dem Start. akzentuieren Ib: Jean Paul 1794 S. W. I 3,163 Gesicht [der Italiener], dessen feste Theile ein Hautrelief waren . .; — V[iktor] sah unter so vielen akcentuierten Augenknochen die Zeichen seiner eignen Wehmuth vervielfältigt; Varnhagen 1819 Buch II 576 Man accentuirt jetzt in der Welt . . zu stark auf Trauerfälle, und Ehe, und Moral; Hebbel 1847 S.W. II 3,280 [ein Theaterstück,] in dem die Situation stärker accentuirt ist, wie die Character-Entwicklung; Vischer 1857 Briefw. U 129 daß sich ihm .. täglich die Frage accentuiert, warum die Mutter nicht auch komme; Herzogenberg 1888 Briefw. // 199 etwas, was die Natur stärker akzentuierte; Simmel 1913 Brücke 9 Ereignisse, . . die einzelne Punkte . . akzentuieren; Th. Mann 1921 Reden u. Aufs. (W. IX 141) die geschlechtliche Lust war also in seinem Falle nicht humanistisch-antik akzentuiert; Voss. Ztg. 19.7.1931 Dieser Ausnahmezustand war stets . . militärisch akzentuiert; Benjamin 1935 Br. II 653 Es trat mit der Übersiedlung nach Paris wieder eine höchst kritische Periode ein, akzentuiert durch äußere Mißerfolge; N.Z.Z. 30.6.1943 hat der Dom . . die Silhouette des Stadtbildes . . entscheidend akzentuiert; Münch. Stadtanz. 11.4.1952 kritisierte die Einteilung der Arbeitszeit. . . Dabei akzentuierte er, daß man nach wie vor zwei freie Samstage habe; Welt 29.12.1954 das chronische Defizit des Außenhandels hat sich also akzentuiert; 1959 Wiss. u. Fortschr. 69 wo die Canyons ihre größte Tiefe erreichen, akzentuiert sich immer schärfer ihr Relief; Noack 1961 Prozesse 222 Der Unterschied in der Argumentation . . akzentuiert sich .. in den Plädoyers der Verteidiger (DUDEN); Süddtsch. Ztg. 27.4.1961 Das . . internationale Panorama in den Konzerten akzentuierte besonders drei Länder; Offenburger Tagebl. 14.4.1971 die von kleinen Tälern akzentuierte Rebberg-Landschaft; Zeit 28.12.1984 dem Kunstmuseum . . gelingt dies in einer sehenswerten Ausstellung, die ihr Thema akzentuiert und nie ermüdend belegt; ebd. 27.9.1985 die Ärztin redet noch bestimmter und akzentuierter, wenn sie die „Hetze" gegen die extrakorporale Befruchtung attackiert; MM 25.11.1985 Farbmarkierungen akzentuieren die Oberfläche; N.Z.Z. 29.8.1986 auf längere Sicht akzentuiert sich die Frage nach der Tragbarkeit; Zeit 11.7.1986 daß die Fachhochschule anders akzentuierte Studiengänge anbietet; ebd. 5.6.1987 half er mit Studenten den Bürgern der kleinen Stadt Jackson, ihr
akzeptabel Zentrum neu zu akzentuieren, das durch eine Umgehungsstraße ins Abseits geraten war; ebd. den Western akzentuiert er, indem er seinen Helden, einen sturen Provinzbullen, ganz ausdruckslos inszeniert; MM 4.7.1987 ungleich schärfer ist sein bildhauerisches Werk akzentuiert; ebd. 16.1.1988 das geräucherte Eichenholz des rhythmisch akzentuierten Kastengehäuses zeigt . . Anklänge an die Tönung des Wandputzes; ebd. 18.5.1988 wenn Trommeln und Gongs kriegerische Episoden akzentuieren. Akzentuation: Gaudig 1909 Präludien 180 Unterschiede in der Stoffauswahl, in der Stoffanordnung, in der Akzentuation . . werden zur Aufstellung der Probleme führen. Akzentuierung: Rose 1884 Revanche 191 geht mit virtuoser Keckheit in der Accentuirung der Äusserlichkeiten [in seinen Gemälden] voran; Ihering 1886 Zweck i. Recht 270 es handelt sich dabei nicht bloss um Accentuirung ihrer gesellschaftlichen Stellung; 1898 (Bismarck 1919 Ged. u. Erinn. II 248) Betrachtungen analog denen . . standen . . einer stärkeren Accentuirung der russischen Freundschaft ohne Oestreich entgegen; Peters 1904 England 185 Akzentuierung des gewöhnlichen Lebensganges; Schmitz 1911 Brevier 121 falsche Akzentuierung der Werte; 1919 (Beurmann 1942 Von Leuten 82) alles, was nicht der Akzentuierung des Persönlichen, des Seelischen dient; Voss. Ztg. 21.11.1926 Mit bedeutsamer geistiger Akzentuierung hat. . Everth das .. zeitungswissenschaftliche Lehramt .. angetreten; 1929 Sittengesch. d. Intimsten 79 Akzentuierung der weiblichen Geschlechtsmerkmale; Der Tag 3. 5.1933 Diese Akzentuierung der „Wirtschaft" durchzieht das ganze Bändchen; Lützeler 1934 Grundstile 131 Drei werthafte Akzentuierungen der Reihe „tektonisch-plastisch-malerisch" lassen sich denken; Dtsch. AZ. 17.1.1935 in der Accentuierung des außenpolitischen Komplexes innerhalb der Gesamtprobleme des Rätebundes; Münch. N.N. 22.3.1944 Einige streben zu
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frischeren Akzentuierungen und größerer Naturnähe; Süddtsch. Ztg. 15.7.1967 Er gab lediglich eine Verschiedenheit in der Akzentuierung zu; Stuttgarter Ztg. 16.1.1968 Probleme einer abstrakten, farblichen und formalen Akzentuierung; ND 24.12.1969 als wichtigste .. Abweichungen fallen der Beginn . . und die stärkere Akzentuierung des Bündnisses zwischen dem Drachentöter und den Massen der Unterdrückten auf; FAZ 1.9.1971 So eindrucksvoll dieser Artikel auch ist, so erscheint uns doch die Akzentuierung falsch gewählt; Zeit 1. 2.1985 Umbau der Formen und Methoden des Wirtschaftens . . durch stärkere Akzentuierung von Gruppeninteressen; MM 14.4.1987 seine Arbeiten, . . in zarten, zurückhaltenden Farben, ergeben sehr stille, konzentrierte Akzentuierungen auf der Wand und strahlen intensiv in den Raum aus; Althoff 1990 Verw. 66 eine besondere Akzentuierung bestimmter Ereignisse; Altner 1991 Naturvergessenheit 272 Ökologische Akzentuierung und Verstärkung der Entwicklungspolitik. akzentuieren 2: Jean Paul 1792 S. W. / 2,81 [das Kind] akzentuierte das Deutsche italienisch; Goethe 1821 Wahlverwandtschaften (HA VI 431) was ihm dort widerfahren, . . in seinem eigens akzentuierten Französisch . . mitzuteilen; Gutzkotv 1850 Ritter III 332 in gutem, gewandtem, sonderbarerweise etwas polnisch accentuirtem Deutsch; Mahler 1861 Milit. Bilderbuch 31 „Ich nicht haben Ihres Truddel", antwortete der Angeredete in hartaccentuirtem Deutsch; Queri 1912 Kraftbayrisch 180 [der] akzentuiert Norddeutsch Sprechende; Th. Mann 1932 Reden u. Aufs. (W. XI 434) das lieblich akzentuierte Deutsch der Norwegerin; Kaul 1972 Robe 164 bemerkt ein ausländischer Korrespondent in englisch-guttural akzentuiertem Deutsch. Akzentuierung: 1852 Prutz'Museum I 778 Engländer, Spanier, Deutsche, Polen ließen sich an der verschiedenen Accentuirung leicht unterscheiden und sprachen ein wahrhaft babylonisches Französisch durcheinander.
akzeptabel Adj., Mitte 17. Jh. entlehnt aus gleichbed. frz. acceptable (< gleichbed. (m)lat. acceptabilis, zu acceptare, —> akzeptieren), im 18. Jh. auch in der frz. Form, bis ins 19. Jh. überwiegend in der Schreibung acceptabel. In der Bed. 'annehmbar, vertretbar, in Ordnung (sein)', auch 'hinnehmbar, erträglich' (—» akzeptieren b); häufig mit den Negationspräfixen in- (s. Belege 1985, 1988) und un- (s. Belege 1964, 1985, 1987); bes. in Wendungen wie gesellschaftlich, ethisch, rechtsstaatlich akzeptable Vorschläge, Meinungen, Problemlösungen 'im Hinblick auf gesellschaftliche Bedingungen, die Ethik, den Rechtsstaat vertretbare Vorschläge, Meinungen, Problemlösungen'; im Zusammenhang mit dem Aufkommen des Subst. —»· Akzeptanz in der 2. Hälfte des 20. Jhs. zunehmend häufiger ver-
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akzeptabel
wendet; selten auch im Bankwesen (—* akzeptieren c) in Bezug auf Wechsel für 'annehmbar, weil mit guten Konditionen versehen' (s. Belege 1692, 1885). Dazu die im 19.720. Jh. nur gebuchte, aus gleichbed. frz. acceptabilite entlehnte subst. Ableitung Akzeptabilität 'Annehmbarkeit'; im 20. Jh. speziell fachspr. (aufgekommen zu dem von dem amerikanischen Sprachwissenschaftler Chomsky geprägten gleichbed. engl.-amerikan. acceptability] als Bezeichnung für die Annehmbarkeit von verbalen Äußerungen, die mit dem Sprachgefühl eines Sprechers übereinstimmen. Rist 1642 Kettung E 6v einen acceptablen paix; Klaj-Birken 1645 Fortsetzung 92 was den Buhler macht bey Damen acceptabel (beide JONES); Leibniz 1668—76 Briefw. l 237 ich kan wol leiden, daß man sage ich hätte sie [Entschuldigungsschrift] aufgesetzt, denn sie [ist] unverfänglich und acceptabel; Dibbern 1692 Gloss, o. S. acceptabel, annehmlich . . wird sonderlich von guten WechselBrieffen verstanden (SCHIRMER, Kaufmannssprache); Marperger 1717 Beschr. d. Banken 37 es würde jederzeit ein solcher Vorschlag auch denen reichsten Potentaten acceptable seyn; Glafey 1736 Anleitung 152 gleichsam eine Bitte, dass der andere was vor Dienste ihm lieb und angenehm (das ist acceptable) seyn, uns anzeigen solle; Weisse 1769 W. V 345 eine acceptable Parthie anzutragen; Goethe 1782 Br. (WA IV 5,316) was der Herzog von Gfotha] Tischbeinen in Rom offerirt ist gar nicht acceptabel; Christ um 1800 Schauspielerleben 300 machte mir einen Antrag, der mir bei meinen jetzigen [misslichen] Umständen sehr akzeptabel schien; Nestroy 1843 W. XII 56 sein neveu . . war' allerdings eine akzeptable partie (DWB N.); Bismarck 1873 Reden VI 97 der entwurf der preußischen regierung sei nicht acceptabel und werde im hause nicht angenommen werden (DWB N.); Fontäne 1881 Br. II 51 die beiden Sätze, mit denen Wagner operiert, sind zwar keineswegs neu, aber doch durchaus akzeptabel. Unakzeptabel wurden sie erst durch ihre Verschmelzung; Schaffte 1885 Aussichtslosigkeit 15 Um die eigenen Wechsel auf den „Zukunftsstaat" den Proletarieren acceptabel zu machen; Th. Mann 1901 Buddenbrooks (W. I 253) die Position in Wismar ist ganz akzeptabel; Offenburger Tagebl. 14.1.1959 Bundesaußenminister Dr. von Brentano erklärte nunmehr gestern ebenfalls: „Kein Paragraph des sowjetischen Entwurfs für einen Friedensvertrag ist akzeptabel"; Welt 1.10.1959 daß man die Zukunft Berlins mit unerschöpflicher Geduld verhandeln will, um eine Lösung zu sichern, die für alle akzeptabel ist; Welt 3.4.1964 Der mit deftigen Argotausdrücken gespickte Text läßt manchmal an Celine denken: doch aus der jeweiligen Situation heraus wird auch der übelste Landserausdruck akzeptabel; Offenburger Tagebl. 20.5.1964 Gerstenmaier betonte
mit Nachdruck, daß eine Zweiteilung der NATO . . unakzeptabel ist; Bernhard 1967 Verstörung 125 die Leute von akzeptabler Intelligenz; Welt 17.7.1969 Mansholt .. bezeichnete jedoch einen australischen Vorschlag, die Märkte aufzugliedern, als nicht akzeptabel; FAZ 12.3.1970 Als akzeptabel wird Brandts Vorschlag angesehen, sich notfalls an einem neutralen Ort zu treffen; Welt 15.10.1974 Den Machern sei gesagt, daß sie mit dieser nicht optimalen, aber akzeptablen Adaptierung die prinzipielle Frage, ob und wie eine für die Bühne erdachte Musik und Handlung ins Fernsehen transportiert werden kann, noch nicht gelöst haben; MM 5.1.1985 so daß gewöhnlich immer akzeptabel belichtete Fotos gelingen; Zeit 11.1. 1985 Das Verständnis vom nuklearen Winter macht den Atomkrieg nicht plötzlich unakzeptabel; er war es schon; ebd. 22.3.1985 was künftig als gesellschaftlich normal, also als akzeptabel gelte; MM 26.4.1985 Hier gelte es gemeinsam zu einer akzeptablen Lösung zu kommen; Zeit 16.8.1985 Die neue Verfassung mit ihrem Dreikammerparlament unter Ausschuß der Schwarzen ist völlig inakzeptabel; ebd. 6.9.1985 Die Tiere müssen dazu mit dem zu bekämpfenden Schadstoff oder Erreger geimpft werden, ein Vorgang, der beim Menschen ethisch nicht akzeptabel ist; MM 16.10.1985 Inakzeptabel ist dagegen, daß der Wichtigste, der Komponist, nur wenig zählt im großen Konzertgeschäft; Zeit 22.11.1985 Dennoch ist die Evolutionstheorie wissenschaftlich akzeptabel, und sie wird in der Tat weithin akzeptiert; ebd. 17.1.1986 Als Nörgler bekannte Kollegen erleben, wie schwer es im konkreten Fall sein kann, für ein Problem eine sinnvolle, rasche und für alle Betroffenen akzeptable Lösung zu finden; MM 27.1.1986 Es sei völlig unakzeptabel, daß die Gewerkschaften zur Sanierung des Unternehmens nichts beitragen; Zeit 2.5.1986 Deshalb müssen die Turnierregeln auch für beide Seiten akzeptabel sein; ebd. 30.5.1986 ein Maximum an gesellschaftlich akzeptablen Beschäftigungsgründen; MM 3.1.1987 Doppelte Buchführung in den Krankenakten hält Riis allein schon deshalb für unakzeptabel, weil sie gesetzeswidrig ist; ebd. 26.6.1987 In diesem Zusammenhang bezeichnete
Akzeptanz der Vorstandsvorsitzende den mit dem Klinikum ausgehandelten Kompromiß . . als „akzeptabel"; ebd. 22.3.1988 Die belgische Umweltministerin
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Miet Smet bezeichnete die britische Haltung als „völlig inakzeptabel"; ebd. 2.4.1988 eine ökologisch akzeptable Wasserqualität.
Akzeptanz F. (-; ohne PL), in neuerer Zeit entlehnt aus gleichbed. engl.-amerikan. acceptance (< gleichbed. frz. acceptance, zu accepter, —» akzeptieren b). Vor allem fachspr. (in den Sozialwissenschaften) und bildungsspr. als Modewort in der Bed. 'annehmende, anerkennende, positive Haltung, Einstellung einer Person, Personengruppe oder Bevölkerung eines Staates gegenüber anderen Personen(-gruppen), Sachen und Sachverhalten, vor allem technischen Neuerungen, neuen Produkten, aber auch politischen Entscheidungen u. ä.; Anerkennung, Annahme, Einverständnis, Zustimmung; das Dulden, Hinnehmen' (—» Toleranz 1), bes. in den Syntagmen soziale, öffentliche, allgemeine Akzeptanz haben 'der bejahenden Einstellung eines Großteils der Bevölkerung sicher sein', steigende Akzeptanz 'zunehmend positive Haltung' und entsprechend fallende, hohe, niedrige Akzeptanz, sowie in der fachspr. Zs. Selbstakzeptanz; —» akzeptabel. Behrendt 1977 Verkehrssicherheit 328 mit diesem Vertrauen und der Glaubwürdigkeit der Einrichtung steht und fällt die Akzeptanz der gesamten Maßnahme; Benesch 1985 Sozialpsychologie 21 Genau dieselben Kräfte der Sozilisation und Erziehung, die zur Akzeptanz des abstrakten Konzepts führen, produzieren auch die Ablehnung (oder Akzeptanz) bestimmter spezifischer Fälle; Zeit 4.1.1985 die Akzeptanz der Atomenergie; ebd. 15.2.1985 Das macht klar, was gemeint ist, auch wenn wir heute eher von gesellschaftlichen Wertvorstellungen oder von sozialer Akzeptanz sprechen würden; ebd. 12.4.1985 keine hinreichend zuverlässige Methode zur Analyse der sozialen Akzeptanz von Neuerungen; MM 1.6.1985 die Akzeptanz der Kommunisten in den Gewerkschaften; ebd. 25.7.1985 Akzeptanz des technischen Wandels; Zeit 30.8.1985 eine große Akzeptanz des vollautomatischen Auto-Mobils; ebd. 8.11.1985 Die Bundeswehr hat sich ja lange Jahre beklagt über, wie man heute sagen würde, mangelnde Akzeptanz; Zimmer 1986 RedensArten 31 Bis zur allgemeinen Akzeptanz eines Wortes wie Akzeptanz braucht es Jahre; Zeit 3.1.1986 Die Akzeptanz des Computers ist enorm gewachsen; ebd. 23.5.1986 Denn spätestens bei einem Kraftwerksunfall in der Bundesrepublik werden wir bei der Bevölkerung eine Nullakzeptanz haben; ebd. 12.9.1986 Im Wissenschaftsministerium beobachtet man gleichwohl eine zunehmende Akzeptanz des Denkmalschutzes; ebd. 19. 9.1986 die Folgen der fehlenden
Akzeptanz; ebd. 24. W. 1986 wie gelangt man vom politischen Konsens zur öffentlichen Akzeptanz; ebd. Verantwortung für die öffentliche Akzeptanz der politischen Entscheidung; ebd. 20.2.1987 Schaden wird mit Sicherheit jene Bereitschaft der Bürger nehmen, die im Politik-Jargon „Akzeptanz" heißt — also die Bereitwilligkeit, den Personen-, Haushaltsmantel-, Wohnungs- und Arbeitsstättenbogen [der Volksbefragung] mit der Sorgfalt und Korrektheit auszufüllen, die selbst eine Bußgeldandrohung nicht erzwingen kann; ebd. 29.5.1987 Am wenigsten Verständnis und Akzeptanz findet der Hausvater bei Männern jenseits der Fünfzig; Haubrichs 1988 Geschichte 135 Für eine solche Welt besaß die Brutalität der epischen Motive eine ganz andere Akzeptanz; Lösel 1988 Psychologie 66 In neuester Zeit hat sich in der politischen Diskussion in diesem Zusammenhang der Begriff der „Akzeptanz" etabliert, der Erwartungen an und Reaktionen auf politische Entscheidungen aus der Bevölkerung umfaßt; MM i5.1.1988 Es geht also auch um die Akzeptanz hochmoderner technischer Systeme und Dienste; ebd. 17. 3.1988 Manche Imitatprodukte sind in verarbeitetem Zustand geschmacklich nicht mehr von den „echten" zu unterscheiden, z. B. Käse auf einer Pizza verbacken, ein weiterer Grund für die Akzeptanz; Hoyos 1990 Ingenieurpsychol. 6 Fragen der Einführung und Akzeptanz neuer Technologien; Zeit 18.9.1992 Wie gefährlich für die Politik diese Rolle des „Akzeptanzbeschaffers" ist, zeigt die Geschichte der Wiederaufbereitung in Wackersdorf.
akzeptieren V. trans., vereinzelt Anfang 15. Jh., kontinuierlich nachgewiesen seit Mitte 16. Jh., eventuell unter Einfluß von gleichbed. frz. accepter über gleichbed.
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akzeptieren
mlat. acceptare entlehnt aus lat. acceptare (einer Intensivbildung zu gleichbed. accipere 'etwas annehmen, empfangen, sich gefallen lassen', zu capere 'nehmen, ergreifen, empfangen'), bis ins 19. Jh. überwiegend in der Schreibform acceptiren. In der allgemeinen Bed. 'etwas/jmdn. annehmen': a Zunächst bis Anfang 20. Jh. für 'etwas (z. B. ein Geschenk, eine Ehrung, ein Angebot, ein Versprechen, eine Zusage) zustimmend annehmen, etwas entgegennehmen, empfangen'. b Seit Mitte 16. Jh. in der heute dominanten Bed. 'etwas (z. B. eine Forderung, Prämisse, Lehre, einen Vorschlag) annehmen, anerkennen, sich mit etwas einverstanden zeigen, seine Zustimmung geben, etwas genehmigen' (—»· respektieren, —»tolerieren), bes. in den Syntagmen etwas sozial, allgemein, politisch akzeptieren; auch für 'etwas resignierend hinnehmen, dulden, sich gefallen lassen', in Wendungen wie ein Unglück akzeptieren, eine Meinung akzeptieren, aber nicht billigen; gelegentlich auch ohne Objekt verwendet (s. Belege 1901, 1969, 1986); im Ggs. zu ablehnen, von sich weisen, Anstoß nehmen, widersprechen; gleichzeitig auch in der Bed. 'jmdn. (z. B. einen Bewerber) für eine bestimmte Aufgabe, zu einem bestimmten Zweck annehmen, jmdn. zu einem Amt, einer Funktion zulassen', anfangs meist mit zu in Wendungen wie jmdn. zum Ratsherrn akzeptieren, heute überwiegend mit als in Wendungen wie jmdn. als Volontär akzeptieren, daher in neuerer Zeit auch allgemein für 'jmdn. als Persönlichkeit, mit bestimmten Eigenschaften, in seinem Sosein annehmen, anerkennen, ernst nehmen, integrieren', im Ggs. zu ablehnen, ausgrenzen, —* desavouieren. c Etwa gleichzeitig speziell im Bereich des Bankwesens einen Wechsel akzeptieren 'einen Wechsel annehmen' (—» respektieren), heute auch 'etwas (z. B. Kreditkarten, Schecks, Coupons) als Zahlungsmittel annehmen, anerkennen'. Dazu seit spätem 16. Jh. selten das Verbalsubst. Akzeptierung F. (-; -en), zunächst kaufmannsspr. für 'das Annehmen (eines Wechsels)' (zu c), vereinzelt im 17. Jh., kontinuierlich seit Mitte 20. Jh. auch allgemein verwendet für 'Anerkennung, Duldung von etwas/jmdm.' (zu b); in neuester Zeit selten die adj. Ableitung akzeptierbar 'annehmbar, erträglich' (zu b), dafür sonst —> akzeptabel. Seit spätem 16. Jh. das aus (flekt. Form von) lat. acceptio 'An-, Entgegennahme' entlehnte Subst. Akzeption F. (-; -en), gleichbed. mit Akzeptierung (s. o.); Anfang 17. Jh. das aus lat. acceptatio 'Annahme, Anerkennung, Würdigung' entlehnte Subst. Akzeptation F. (-; -en), zunächst im Bankwesen für 'Annahme eines Wechsels' (zu c), seit spätem 17. Jh. auch allgemein verwendet wie Akzeptierung (s. o.) (zu b). Im Bereich des Bankwesens zahlreiche Subst. wie die im 16. Jh. aus flekt. Form von lat. acceptans (Part. Präs, zu acceptare, s. o.) entlehnte Personenbezeichnung Akzeptant M. (-en; -en) 'Empfänger eines Wechsels', im 18. Jh. vereinzelt in der Nebenform Acceptans (s. Beleg 1716), dafür gebucht auch Akzeptor (vgl. lat. acceptor) und Akzepteur (vgl. frz. accepteur); seit 17. Jh. das zu lat. acceptum 'das Angenommene' gebildete Akzept N. (-s; -e), zunächst 'Annahme-, Zustimmungsvermerk, Unterschrift des Akzeptanten auf einem Wechsel', dann auch als Bezeichnung für den angenommenen Wechsel selbst, bes. in den Zss. Akzeptkredit 'durch ein Kreditinstitut akzeptierter Wechsel' und Bankakzept 'Wechsel, bei dem eine Bank Akzeptant ist' (alle zu c). akzeptieren a: 1403 Frankf. Reichscorresp. l 739 darüber auch derselbe Jacobus ein pfrunde .. acceptiret (DWB N.); Carolus 1614 Relation 4a vmb
das praesentirte gelt zu acceptiren; Heidegger 1698 Mythoscopia l a acceptiret diesen Discours als . . Versicherung verharrender Zugethanheit; Elis.
akzeptieren Chart. 1705 Er. I 369 Ach, liebe Louisse, ich acceptire die offre gern, daß Ihr mir fleißig schreiben mögt; Glafey 1736 Anleitung 58 Ich acceptire das gütige Anerbieten; Kortum 1799 Jobsiade 372 Acceptierte übrigens utiliter/ Die vorliegende Donation ohnschwer; Burckhardt 1880 Br. a. Preen 142 Zigarren . . als kleines Nebengeschenk zu akzeptieren; Th. Mann 1901 Buddenbrooks (W. 1594) Endlich erklärte Thomas Buddenbrook, daß er . . jedenfalls mit seinen Geschwistern Rücksprache nehmen müsse, bevor er die achtundzwanzigtausend Taler akzeptiere. akzeptieren b: 1558 (Wrede, Altköln. Sprachschatz 86a) derhalb zum Rathsmanne acceptirt (DWB N.); Albertinus 1615 Gusman v. Alfarche 433 daß er mich auff prob vnd Versuchung acceptirte vnd einnam; Brulig 1683 Wien 402 den kayserl. Pardon acceptiren; Elis. Charl. 1702 Br. l 264 Ich lobe Euch, die sache [Heiratsantrag) nicht acceptirt gehabt zu haben, so lang deß graffen eitern gelebt undt keine charge gehabt hatt; 1725 Faustbuch christl. Meyn. 7 Faust acceptirte solches ganz willig; Marsellus 1741 Kriegs-Staat 32 das Governo über einer allzuschwachen Armee zu acceptiren und anzutreten; Jung-Stilling 1784 Theobald 1121 er wird gleich acceptirt werden, . . denn der R. hat mir selbst gesagt, wenn ich jemand wüßte, der einen söhn wollte studieren lassen, den möchte ich ihm schicken (DWB N.); Nestroy 1837 W. X 92 wegen deinem söhn, daß ich ihn nicht zum Schwiegersohn akzeptiere? (DWB N.); Virchow 1877 Freiheit d. W/ss. 30 acceptirte Thatsache; Rose 1884 Revanche 122 Man acceptirt gewisse Verhältnisse als selbstverständlich; Th. Mann 1901 Buddenbrooks (W. I 254) Und dann habe ich mit Onkel Gotthold gesprochen; er freute sich und akzeptierte; ebd. l 733 Man anerkannte und akzeptierte seinen Fall ebenso widerstandslos, wie man Timms und Buddenbrooks Erfolge und das Unglück des armen Mumme anerkannt und akzeptiert hatte; ders. 1909 Hoheit (W. // 176) Diese Auffassung ist vielfach akzeptiert, ich sage nichts Neues; Lokesch 1927 Kulturgesch. 695 Die erotische Wirkung und das erotische Element.. sind vom Theaterspiel untrennbar, aber wie die bürgerliche Zeit sie als Vorzug bei dem Mädchen anerkennt, das sich durch diese Tugenden einen Mann einzuholen vermag, akzeptiert es auch die körperliche Preisgabe um praktischer Vorteile willen; Lokal-Anz. 16.9.1934 Paul Heidemann in der etwas knapp gehaltenen Rolle des trotz Rosensträußen nicht akzeptierten feudalen Liebhabers; Münch. Stadtanz. 5.5.1961 Der Tarifvorschlag ist in seiner Gesamtheit ja akzeptiert worden; Welt 23.9.1969 Regisseure und Intendanten lösten den Disput, indem sie akzeptierten; Andersch 1971 Kirschen 96 Im Gegensatz
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zu den Feldherren hatten die Soldaten die Niederlage bereits akzeptiert; Benesch 1985 Sozialpsychologie 46 Dann muß die Zielperson die neue Einstellung akzeptieren (das heißt, sie glauben); MM 11.1.1985 In der Bundesrepublik ist es gesellschaftlich eher akzeptiert, täglich eine Flasche Wein als gar nichts zu trinken; Zeit 1.2.1985 In der nordbayerischen Provinz wurde Shlomo Lewin akzeptiert als Repräsentant der vertriebenen und ermordeten Opfer; ebd. 8.2.1985 die Forderung . ., daß diese [nationalsozialistische] Vergangenheit als eine im großen und ganzen akzeptable und akzeptierte Vergangenheit hingenommen wird; ebd. 22.2.1985 In Freiburg ging es ja . . darum, den Kapitalismus so zu reformieren, daß er von der Gesellschaft akzeptiert werden konnte; ebd. 12.4.1985 Entscheidend ist, daß jede Arbeitskraft frei ist, Verbesserungen der Arbeitsbedingungen zu akzeptieren und Verschlechterungen abzulehnen; ebd. 26.4.1985 Man muß den Kranken nicht als Belastung, sondern als Menschen, der eben so ist, annehmen und akzeptieren; MM 30. 7.1985 Die Charta-Anhänger dulden und akzeptieren die Existenz von nationalen Gruppen innerhalb Südafrikas; Zeit 16.8.1985 Darin besteht doch die Essenz der Demokratie und Freiheit, daß Menschen mit unterschiedlichen Meinungen übereinkommen, sich gegenseitig zu akzeptieren und respektieren; ebd. 8.11.1985 Das Stadttheater verlangte von den Juden ja nicht bloß, das Stück zu tolerieren: sie sollten es obendrein als Beitrag zur Versöhnung akzeptieren; MM 13.12.1985 Die Berufung auf lebenslange Professuren blieb aus . ., weil konservative Professoren die Seiteneinsteiger nicht als vollwertige Kollegen akzeptieren mochten; Fruttero 1986 Palio (Übers.) 77 Die alte Valeria hätte nie akzeptiert. Errötend und stammelnd hätte sie irgendwelche durchsichtigen Entschuldigungen und Ausreden vorgebracht.. . Die neue Valeria akzeptierte sofort; Zeit 10.1.1986 eine Lösung, die ich akzeptiere; ebd. 28.3.1986 Und statt Unbegreiflichkeiten auszuhalten und zu akzeptieren, werden sie nichts begreifen; ebd. 27.6.1986 Dennoch ist SDI in Washington wahrscheinlich auf Dauer etabliert — solange wenigstens, wie die Amerikaner . . nicht, wie die Abschreckungsdoktrin es will, ihre Verwundbarkeit als unabänderlich akzeptieren; ebd. 7.11.1986 Er akzeptiert den Darwinismus und definiert ihn als Gesetz; ebd. 17.4.1987 Kurse mit politischen Inhalten werden ebenso akzeptiert wie solche mit berufsbezogenen Schwerpunkten, nur Hobby- und Freizeitthemen werden nicht genehmigt; ebd. 29.5.1987 Nach langem Zögern akzeptieren die Milchkäufer die Wiederkehr des Pfandsystems; ebd. 12.6.1987 Die gesellschaftlich akzeptierte ideale Kinderzahl von höchstens zwei Kindern .. beeinflußt natürlich die
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akzeptieren
individuellen Vorstellungen; MM 18.7.1987 Daraus resultierende Einkommenseinbußen hätte die unterhaltsberechtigte Tochter grundsätzlich akzeptieren und hinnnehmen müssen; ebd. 1.9.1987 Das Kind akzeptieren und tolerieren, das ist das Wichtigste; ebd. 7.11.1987 der Betroffene reagiert verbittert auf die Tatsache, daß man ihn nicht als krank akzeptiert und anerkennt; ebd. 24.3.1988 „Normale" Bürger sind hier ebenso beheimatet wie Ausländer und gesellschaftliche Randgruppen, die auf St. Pauli, in einem zwar rauhen, aber toleranten Klima, akzeptiert werden; Spiegel 7.12.1992 Mir hat mal ein Lehrer gesagt: Ich akzeptiere deine Meinung, aber ich toleriere sie nicht. Akzeptation: 1681 Heerwesen (Frauenholz 1935 IV 379) die acceptation und annehmung der . . repartition (DRW); 1722 Gundlingiana 327 EWer Hoch-Edl. haben auch meine Antwort von der Acceptation in den Schenckungen nach dem natürlichen Recht gebilliget; Goethe 1785 Amtl. Sehr. (I 400) Danck für die willfährige Erklärung und Acceptation der ienseitigen Zusicherung (GWB); Görres 1836-42 Mystik III 491 Es ist um die Erklärung der Thatsachen wieder eben so, wie um ihre Acceptation beschaffen (KEHREIN); Buber 1923 Ich u. Du 92 die vollkommene akzeptation der gegen wart (DWB N.). akzeptierbar: MM 21.1.1985 Der Film „In einem Jahr mit 13 Monden" erzählt von den Begegnungen eines Menschen während der letzten fünf Tage seines Lebens und versucht . . herauszufinden, ob die Entscheidung dieses einen Menschen, dem letzten dieser Tage . . keinen weiteren folgen zu lassen, abzulehnen, zu verstehen wenigstens oder vielleicht gar akzeptierbar ist; ebd. 29.1.1985 Eine von beiden Seiten akzeptierbare Lösung könnte dann erreicht werden, wenn die DDR genauer erläutert, was sie unter dem von ihr in letzter Zeit aufgenommenen Begriff der „Respektierung" ihrer Staatsbürgerschaft versteht; Hoyos 1987 Wirtschaftspsychol, 519 Ein neues Risiko, das nach Schätzungen unter das ethisch vertretbare Kriterium für maximales Risiko fällt, muß nicht unbedingt von der Öffentlichkeit akzeptiert werden. Risiken über diesem Niveau sind andererseits für die Behörde nicht akzeptierbar; Zeit 9.1.1987 Sie müssen begreifen, daß politische und gesellschaftliche Kontrolle der Wissenschaft nur insoweit akzeptierbar ist, als damit die kreativen Wurzeln .. nicht zugeschüttet oder abgewürgt werden. Akzeptierung: 1633 (Gaedeke 1885 Gallensteins Verh. 206) solcher Vorschläge acceptirung; Welt 13.6.1959 Die Sowjets glauben, daß diese Formulierung die Akzeptierung unserer Idee über die
Wiedervereinigung Berlins implizieren würde; MM 17.2.1986 Landwirtschaftsminister Flessner hat dazu erklärt, es handele sich lediglich um „Überlegungen" der DDR, über deren Akzeptierung in Bonn noch nicht entschieden sei; ebd. 23.9.1986 Akzeptierung von Lehrplanauflagen; Zeit 8.5. 1987 der Versuch, unter Akzeptierung der Aufklärung voraufgeklärte Lebenszustände für das Bildungswesen fruchtbar zu machen. Akzeption: Rot 1571 Diet. 286 Acception, annemung/ empfahung; Sperander 1727 A la mod Sprach 7 Acception, der Empfang/ die Annehmung; Kunert 1977 K. 35 in aller ehrfurcht lehne ich es ab, für meine kleinen präsente einen preis zu fordern und bitte nur um gnädige akzeption (DWB N.). akzeptieren c: 1535-50 Welthandelsbräuche 323 so ainer ain Wechselbrief acceptirt (FRNHD. WB); Meder 1558 Handel Buch 69a der die [Wechsel]Brieff acceptiert, dass er auff denselben brieff bezalung thu; 1611 Weiserfaktor 8 das mein Wexelbriefflein behördlich geaceptieret und bezalt werden möge (SCHIRMER, Kaufmannssprache); Schurtz 1695 Kaufmannschaft 14 zur lincken Hand die Wechsel, so sie einzunehmen und ihnen acceptirt worden, hingegen zur rechten die Wechsel, so sie acceptirt und auszuzahlen haben; Stoppe 1745 N. F. H 41 Leute .., die für ihre acceptirte Tratten [Wechsel]/ Viel tausend Thaler Geld hier zu erheben hatten; Moritz 1793 Grammat. Wb. I 28 Acceptiren. In der Kaufmannssprache möchte dieser Ausdruck wohl so leicht nicht abgeschaltet werden, . . indes würde einen Wechsel anerkennen und annehmen, wohl eben so viel bezeichnen, als einen Wechsel acceptiren; Busch 1808 Handlung I 61 der, welcher das Geld zahlen muß, aber vor der auf Zeit gestellten Zahlung durch das Wort: acceptirt, und durch die Unterschrift seines Namens sich dazu bereit und schuldig erkennt; Eckstein 1885 Hartwig 379 Der Schneidermeister .. acceptirte die beiden Wechsel, obgleich der eine sehr bald schon fällig war; Hannsson 1897 Jugend 62 ich möchte nachhören, ob mein Wechsel acceptirt ist; Kesten 1952 Casanova 172 Ein Bankrott und andere Zufälle brachten ihn in Geldschwierigkeiten. Casanova könne ihm eine große Gefälligkeit erweisen und drei Wechsel akzeptieren; MM 26.2.1986 Der Handel . . der New Yorker Warenbörse ist heute der mit Abstand bedeutendste Terminmarkt für Gold, wobei hier allerdings auch Kilogramm-Barren akzeptiert werden; ebd. 10.10.1987 Bekannte .. meinten, daß der Taxifahrer verpflichtet gewesen wäre, auch einen Scheck zu akzeptieren; ebd. 22.10.1987 Bisher haben sich im Einzelhandel 4256 Unternehmen einverstanden erklärt, die [Kre-
Akzidens dit-]Karte als Zahlungsmittel zu akzeptieren; ebd. 4.3.1988 Der Kaufmann und Unternehmer stellt sich, wenn er Kreditkarten akzeptiert, in Fällen der Leistungsstörung schlechter als bei Barzahlung. Akzept: 1699 (Wrede, Altköln. Sprachschatz 86a) wahr [ist], daß . . [ich] conditionirten accept keines wegs zu zhalen schuldigh [bin]; Busch 1808 Handlung 122 seine Accepten zu bezahlen; Bauernfeld 1851 Kategor. Imperativ VII 31 Sie werden Geld brauchen, junger Mann? Gehen Sie morgen zu meinem Kassier — der Baron wird Ihnen eine Summe anweisen lassen — gegen Ihr Accept, verstehen Sie?; 1882 (Däbritz 1922 Essener Credit-Anstalt 103) daß die Privatbanquiers und die Geldinstitute in viel höherem Maße als anderswo ihrer Kundschaft Akzeptkredit gewähren; Röscher 1899 Handel (System III 350) Eine andere Art des Wechselkredits erscheint in dem Acceptkredit, den nicht alle Banken bewilligen; 1908 Zukunft LXU 35 Auswüchse des Acceptkredites; Rehm 1914 Bilanzen (Reg.) Wechselakzept; Berl. Illustr. Nachtausg. 6.1.1933 kaum war die Untersuchung im Gange, als sich bei der Behörde zahlreiche Gläubiger des Oberregierungsrates meldeten. Sie legten Akzepte in Höhe von etwa 100.000 RM vor, die die Unterschrift Dr. Maiers trugen; Ottel 1937 Bankpolitik 14 das Bankakzept, welches eine Zeitlang als Zeichengeld umläuft, um bei Fälligkeit in Noten- oder Giralgeld eingelöst zu werden. Akzeptant: Neumann 1577 Wechsel 208 den acceptanten [des Wechsels] (SCHIRMER, Kaufmannssprache); Marperger 1712 Naturlex. 11 Acceptant
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oder Acceptor, der den Wechsel-Brief f annimmet und mit dem Worte acceptiret nebst seinem Namen unterzeichnet; 1716 Fama 1115 Acceptans, auf den der Wechsel gezogen wird; 1785 Handlungsbibliothek 399 Acceptant; Busch 1808 Handlung l 61 der, welcher das Geld zahlen muß, aber vor der auf Zeit gestellten Zahlung durch das Wort: acceptirt, und durch die Unterschrift seines Namens sich dazu bereit und schuldig erkennt. Dieser heißt daher auch allgemein der Acceptant; Dombrowski 1920 System III 249 Als der große Fusionär, Akzeptant, Debitor und Pläneschmieder lange Zeit der Schrecken der Bankwelt; Landvogt 1970 Fälschung o. S. Auch der Akzeptant kann sich dem gutgläubigen Vorleger gegenüber nicht auf die Fälschung der Ausstellerunterschrift berufen. Akzeptation: Neumann 1605 Wechsel 184 dieselbe dritte Persone ist in Krafft der Acceptation schuldig, den Wechselbrieff zu bezahlen (SCHIRMER, Kaufmannssprache); Gotzkowsky 1769 patriot. Kaufmann I 70 so wollte ich ihm sofort einen Wechsel . . ausstellen, welchen er durch eine Staffette nach Hamburg zur Acceptation senden könnte; Beckmann 1795-99 Erfindungen IV 300 eine Verordnung wegen der Acceptation der Wechsel; Busch 1808 Handlung I 61 den empfangenen Wechsel. . zur Acceptation präsentieren; 1810 Fahnenbergers Magazin I 39 Acceptationen und Indossirungen von Handelspapieren. Akzeptierung: Neumann 1577 Wechsel 211 acceptirunge des wechselbrieffes (SCHIRMER, Kaufmannssprache).
Akzidens, auch in der Schreibung Akzidenz, N. (-; Akzidentien, Akzidenzien, früher häufig im lat. Pl. Akzidentia), im frühen 16. Jh. entlehnt aus lat. accidens 'das Zufällige, Unwesentliche, Äußere an einer Sache, zufälliger Umstand; Zufall; Krankheitserscheinung, -umstand, Symptom; unglückliches Ereignis, Unfall', mlat. auch 'Eigenschaft, Merkmal' (subst. Part. Präs, von accidere 'auf etwas niederfallen; zu etwas hindringen; zufällig vorfallen, vorkommen, eintreten, sich ereignen; widerfahren, zustoßen', aus ad- 'zu, an, hinzu, herbei, heran' und cadere 'fallen'), bis ins 19.720. Jh. in Bed. l, 3 und 4 konkurrierend mit dem zum gleichen Etymon gehörenden, schon seit spätem 15. Jh. nachgewiesenen Subst. Akzidenz E (-; -en, früher auch-) (< lat. accidentia 'Zufall, zufälliges Begebnis, Erlebnis; Unfall', zu accidens, Gen. accidentis, flekt. Form des Part. Präs, von accidere, s. o.). In der allgemeinen Bed. 'das Zufällige; das (zufällig) Hinzutretende, sich Ereignende, Vorfallende, Geschehende': l Zunächst vorwiegend als Fachausdruck der scholastischen Philosophie, häufig im Ggs. zu —» Substanz, dann auch allgemeiner verwendet in der Bed. 'das Zufällige, Unwesentliche, Nichtsubstantielle, Veränderliche, nicht notwendig einem Gegen-
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Akzidens
stand Zukommende oder nicht unbedingt zum Wesen einer Sache Gehörende; Zufall, Zufälligkeit, zufälliger Begleitumstand', vor allem in Bezug auf Eigenschaften, natürliche Phänomene oder Umstände, früher (bes. 16. Jh.) speziell in den Naturwissenschaften für 'die Stoffe unterscheidende Eigenschaft'; seit dem 17. Jh. selten auch für 'glücklicher Zufall, Umstand, Glucksfall' (s. Belege 1673, 1919, 1985); häufig in Doppelformeln gebraucht wie Akzidens und Eigenschaft/Attribut/Qualität/Substanz/Zufall und selten im lat. Syntagma per accidens 'durch Zufall, zufälligerweise'; daneben speziell in der Grammatik als meist plur. verwendete Bezeichnung für die formalen Kennzeichen (z. B. Genus, Numerus, Tempus) eines sprachlichen Ausdrucks bei jeweils unverändertem Bedeutungsgehalt (s. Belege 1530, 1983). Bis ins frühe 20. Jh. konkurrierend mit der älteren, seltener nachgewiesenen, gleichbed. fern. Form Akzidenz (s. o.). 2a Ebenfalls seit frühem 16. Jh. vorwiegend im allgemein-medizinischen Bereich, vor allem bezogen auf die gesundheitliche Verfassung, in der Bed. 'Begleitumstände einer Krankheit, zu einer Krankheit hinzutretende Komplikation, von außen kommende krankhafte Störung, Krankheitserscheinung, -anfall; Krankheitsanzeichen' (gleichbed. mit —» Symptom). b Von daher seit dem 17. Jh. selten in der Bed. 'zufälliges, unvorhergesehenes (meist unerfreuliches) Ereignis, Geschehen, Vorkommnis', auch '(peinlicher) Zwischenfall, Vorfall', gleichbed. mit häufigerem Akzident (s. u.). 3 Seit Mitte 16. Jh., meist plur. verwendet, in der Bed. 'Nebenverdienst, Nebeneinnahme, zusätzliche Einkünfte; Vergünstigung, die jmdm. neben den festen Einkünften aus gelegenheitsgebundenen Dienstleistungen, Amtshandlungen o. ä. zuteil wird, ihm also eher zufällig zugutekommt', auch 'Gerichtsgebühren, Steuern, die außer der Reihe anfallen' (s. Belege 1695, 1700, 1762, 1793). Dafür vom späten 15. bis etwa Mitte 19. Jh. auch die gleichbed. fern. Form Akzidenz, früher bes. in der Zs. Akzidenzhaus 'Leihhaus'. 4 Seit Anfang 18. Jh., ebenfalls meist im PL, im Druckereiwesen zunächst für 'zufällig anfallender, kleinerer Druckauftrag, Gelegenheitsauftrag', dann auch im Sinne von 'nicht zum Buch- und Zeitschriftendruck gehörendes, durch aktuelle Erfordernisse bedingtes Druckerzeugnis (bes. Plakate, Prospekte, Formulare, Rechnungen, Anzeigen)'. Dafür seit Mitte 19. Jh. die häufiger nachgewiesene, gleichbed. fern. Form Akzidenz, bes. als Bestimmungswort in Zss. wie Akzidenzdruck 'individuelles Druckverfahren für Akzidenzen sowie dessen Produkt', Akzidenzsatz 'Schriftsatz für Akzidenzen', Akzidenzschrift 'Schrifttype für Akzidenzen, Zierschrift' und in den Berufsbezeichnungen Akzidenzdrucker, -setzet. 5 Seit früherem 18. Jh. unter Einwirkung von ital. accidenti (musicali) PL 'zufällige Vorzeichnungen, Nebentöne' in der Musik für 'Vorzeichen, Versetzungszeichen, das innerhalb eines Taktes zu den Noten hinzutritt' (im Unterschied zu den Zeichen in der Vorzeichnung des gesamten Musikstücks), anfangs auch in der ital. Form. Dazu seit frühem 16. Jh. das unter Einfluß von gleichbed. frz. accident aufgekommene und auf flekt. Form von lat. accidens (s. o.) zurückgehende, veraltete Subst. Akzident N. (-s; -s, auch -en), zunächst in der bis Anfang 19. Jh. bezeugten Bed. 'das Zufällige, Hinzutretende, Begleitumstand', auch 'zufällige Nebenerscheinung' (s. Beleg 1810), selten im frz. Syntagma par accident 'zufällig' (zu 1). Seit späterem 16. Jh. in der Bed. 'unglücklicher Zufall, unglückliches Ereignis, Unglück', auch
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'unvorhergesehener Zwischenfall, Mißgeschick' (s. Belege 1770, 1864, 1969), seit Mitte 19. Jh. (s. Belege 1843, 1860) unter Einfluß von gleichbed. engl. accident bes. im Bereich des Pferdesports für 'Unfall', gelegentlich auch als M. verwendet (s. Belege 1860, 1929) (zu 2b). Im 17./18. Jh. selten gleichbed. mit Akzidens 2a. Daneben seit Anfang 16. Jh. das aus mlat. accidentalia 'das Äußere, Zufällige; Symptom' (subst. N.Pl. von accidentalis 'zum Wesen hinzukommend, äußerlich; zufällig, unvorhergesehen; nicht natürlich, sekundär', zu flekt. Form von (m)lat. accidens, s. o.) entlehnte Subst. Akzidentalien PL, anfangs auch mit lat. PL Akzidentalia und selten in den Nebenformen Akzidentialia, Akzidentialien (s. Belege 1546, 1580); zunächst bis ins 18. Jh. in der Bed. 'Nebenverdienst, zusätzliche Einkünfte' (zu 3). Im frühen 16. Jh. (Paracelsus) vereinzelt für 'Erscheinungsformen, Symptome einer Krankheit', auch übertragen für 'gegen eine Krankheit angewandte Arzneien' (zu 2a). Seit späterem 18. Jh. selten für 'Zufälligkeiten, äußere Umstände', bes. im juristischen Bereich für 'unwesentliche Einzelheiten, Nebenpunkte, Nebenabreden bei einem Rechtsgeschäft' (vgl. 1). Etwa gleichzeitig das aus mlat. accidentalis (s. o.) entlehnte Adj. akzidental, auch in der Nebenform akzidentalisch, im 18. Jh. von —» akzident(i)ell verdrängt, in der Bed. 'vom Zufall bestimmt, zufällig, nichtwesentlich, nichtsubstantiell; nebensächlich, sekundär, bloß äußerlich' (zu 1). Seit dem 16. Jh. im medizinischen Bereich selten für 'zufällig, unvorhergesehen, untypisch hinzutretend, nicht zum normalen, typischen Zustand gehörend, anfallartig auftretend', bes. in bezug auf zufällige, zu einer Krankheit hinzutretende Begleiterscheinungen, Symptome oder Komplikationen, vereinzelt auch für 'nicht natürlich', z. B. eine akzidentalische Hitze (des Körpers), ein akzidentaler Tod (zu 2a). Akzidens 1: Zwingli 1525 Antwort IV 115 zuo Cana hatt er [Jesus] uss wasser win gemacht. Es bleyb aber nit wasser und win mit einandren, und ist denocht dasselb nun [nur] ein accidens der matery: win sin und wasser sin; 1528 B. v. Chiemsee 66 Nit daz der leib oder pluoet christi, des prots oder weins färb, geschmach, form, gestallt oder sonst andere zuoefallende ding (genennt accidentia) an jme habe, sonder dieselben accidentia beleiben do wunderlich on alle substantz (FRNHD. WB); Ickelsamer um 1530 Grammatica o. S. der muß auch . . trachten nach dem grund vnd vrsprung der acht hauptwörter der rede teyl/ vnd jrer Accidentien .. zuofelligkeiten vnd zuogehoerungen/ welches die lateiner Accidentia heissen; Paracelsus 1531 S. W. / 9,98 was über den grad ist, das ist nit ein complexion sonder ein accidens; Luns 1556 Comet A3b geschieht doch solchs per accidens; Franck 1558 Paradoxa 41b accidentia, affect vnd zufäll; Sarcerius 1559 Pastora b5a nach dem [Lehre der Dialectici] der Glaube ein accidens, das ist, ein zufellig ding ist; Fischart 1581 Dämonomania 774 per accidens; ders. 1582 Bienenkorb 76 accidentien oder eusserliche aigenschafften des brodts, nämlich die weisse; ebd. 179 eitel accidentien oder zufällige aigenschafften; 1626 Theatrutn amoris 363 ja wer erst gar genaw betrachten solt
die accidentien vnnd zufäll, sol solcher affection [Liebe] ersten anfang vervrsacht (DWB N.); 1652 Manifest B2b nur ein blosses Accidentz und lauter zufällige, und ganz von ungefehr beschehene Sache; Leibniz 1668-76 Briefw. l 49 ob gleich des Commissarii officium auf Franckfurt gerichtet, so geschieht doch solches per accidens; Weise 1673 Erznarren 47 muste ich mit einem geringen Verwalterdienstgen vorlieb nehmen, von welchem diß accidens [glücklicher Zufall, Umstand] war, daß ich die Mahlzeit bey Hofe mit haben solte; Doebelius 1707 Collegium mnemon. 17 Wörter, welche Accidentia bedeuten; Wieland 1757 Ges. Sehr. I 4,293 die erbsünde sey nicht ein bloßes accidens, sondern eine wesentliche eigenschaft (DWB N.); Hagedorn 1762 Mahlerey II 673 Den zufälligen Beleuchtungen oder Beschattungen hat man in der Mahlerey den Namen der Zufälle (accidens) gegeben; Meier 1768 Weltweisheit I 12 Die Weltweisen behaupten, dass alle möglichen Dinge ein Wesen haben, . . alle Dinge in der Welt sind entweder Accidenzien, oder Substanzen; Mendelssohn 1785 Morgenstunden l 114 Accidenzien der Seele; Knigge 1796 Eigennutz 315 ist die Würkung, die eine Arzeney auf den Körper äußert . . etwa auch ein Accidenz, das nicht zu ihrem Wesen gehört?; Schiller vor 1805 Br. IV 106 ist die Farbe nur ein
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Accidens vom Licht und mithin nichts Substantielles? (KEHREIN); Krause 1828 System d. Philos. 284 Wesenheit (Eigenschaft accidens, inhaerens); Görres 1830 Ges. Sehr. XV 249 aber diese form [der Weltordnung], sie ist nur das zufällig der substanz [dem Chaos] beigetretene accidens (DWB N.); Schleiermacher 1832 Ästhetik 15 ist Kunst überall bei menschlichen Hervorbringungen das Accidens; Schopenhauer 1840 Moral 21 das Prädikat absolut kann . . der Materie beigelegt werden, indem es besagt, daß ihr Dasein ganz außerhalb des Gebietes der Kausalität liegt, und nicht mit eingeht in die endlose Kette von Ursachen und Wirkungen, als welche nur ihre Akzidenzien, Zustände, Formen betrifft; ders. 1859 Welt 188 Indem ferner wir selbst Theile, Modi, Attribute oder Accidenzien einer solchen absoluten Substanz wären; 1885 Salon l 464 Die Signatur des Abenteuerlichen am Mann ist im Salon immer ein Accidenz, das Relief verleiht; Benjamin 1912 Br. l 43 Unter Vermeidung einiger wirklich ungalanter Akzidentien der Liebe; Th. Mann 1919 Reden u. Aufs. (W. XI 352) wenn trotzdem mein . . Schreiben . . bildende . . Wirkungen gezeitigt hat, so ist das ein Akzidens, das mich in demselben Grade überrascht, wie es mich beglückt; ders. 1928 Reden u. Aufs. (W. X 704) die fünfhundert Auflagen und die Jacht im Mittelmeer sind Ausnahme und Glücksakzidens; Wolfskehl 1940 Jahre 71 die geheimnisvolle scholastische distinctio identitarum von Accidentien und Substanz; Adorno 1961 Noten 13 wie wenn das Äußerste, wonach die Dichtung tastet, zum Streben nur als ergänzendes Akzidens hinzukäme; Staiger 1966 Grundbegriffe 43 es gibt für den Lyriker keine Substanz, nur Akzidenzien, nichts Dauerndes, nur Vergängliches; Heller 1970 Physik o. S. dieser Raum ist weder Substanz noch Akzidenz, sondern — wie die Zeit — eine besondere Art des Seins; 1970 Forschungsber. d. IDS V 64 es ist aber zu betonen, daß in unserer Darstellung Hervorhebung einzig durch die Stellung angezeigt wurde; Intonation ist dann allenfalls nichtdistinktives Akzidens, überdies ja nur in der gesprochenen Sprache; Rössing-Hager 1983 'Wortverwendung 283 den Ausdruckswechsel mit Hilfe von Wortbildungsmitteln behandelt Erasmus . . unter den Überschriften „Species" und „Figura", den beiden Akzidentien, die sich in der Grammatiktradition seit der Antike mit Erscheinungen der Wortbildung .. befassen; Zeit 8.3.1985 seine Freundschaft mit dem Kaiser ist ein Akzidenz; ebd. 25.10.1985 da wird ein Material umfunktioniert zum Träger einer Form — . ., wenn sich Klänge in Figuren, Figuren in Klänge verwandeln — die Substanz und das Akzidenz; ebd. 6.12.1985 ihm fällt immer wieder etwas Scharfsinniges ein zu den unübersichtlichen Akzidenzien unseres täglichen
Aufs und Abs, die wir für trivial zu halten belieben; MM 1.2.1988 vor die Polarität von Substanz und Akzidenz gestellt, streifte Rotho jeden Kompromiß mit den akzidentiellen Erscheinungen ab . . und stellte die reine Substanz dar. Akzident: Pauli 1520 Narrenschiff 213a wie got mensch worden sei, vnd wie dy accidenten da seient on ir subiecto (DWB N.); Paracelsus 1525-26 S. W. I 2,400 etlich ist, die nach irem hinweg gehen nimer wider kompt, etlich nach dem mon zufellig ist, etlich nach den eußern accidenten sich bewegen, so ist der manien zwei geschlecht; Wallhausen 1617 Corpus militare 18 Accidenten; Francisci 1681 Trauer-Saal IV 557 da denn solches Accident [unvermuteter Umstand] zwar seiner Kranckheit einen Anfang machte; doch nicht eigendlich Ursach daran wäre; Hamann um 1755 Sehr. IV 115 er [Aristoteles] erklärt. ., was die substantz ist, als das erste unter allen wesen, was sie eigenthümlich an sich hat und worinn sie vom accident verschieden ist (DWB N.); Goethe 1810 Br. (WA IV 21,286) Die versteinten Hölzer sind merckwürdig und das Accident [zufällige Nebenerscheinung] mit den Gesichtern einzig artig, es bedarf keiner Imagination um sie zu erkennen. akzidental(isch): 1499 Ref. Wormbs 59 Ist ein accidental terminy (FRNHD. WB); Lencker 1571 Perspectiva H3a im Horizont als im accidental punct; Fischart 1581 Dämonomania 771 accidentalische Alteration; Glauber 1655 Op. Min. H 35 Vnd gleich wie die allererste Gebährung der vegetabilen vnd animalien viel mächtiger vnd größer zu achten, als die noch tägliche accidentalische, also auch die mineralische; Bachmeyer 1666 Sonnenfinsternis 5 accidental-Werck; Praetorius 1666 Anthropodemus II 264 [die Annahme tierischer Eigenschaften bei wild aufgewachsenen Menschen erfolgt] nicht durch eine substantialische verwandelung, sondern durch eine accidentalische alterirung (DWB N.); Becher 1682 Glücks-Hafen 164 die Faces deß äusserlichen und accidentalischen verbrennlichen Sulphuris sich Selbsten davon scheiden; Ettner 1700 Apotecker 889 ich statuire die entzückte Seelen der Menschen, werden vom Satan mit einem aerischen Leib . . umgeben, dannhero dergleichen accidentalische Enderung vor keine Verwandelung aus einem Cörper in den ändern zu achten ist; Rembold 1710 Perspectiva 12a Von den zufälligen oder Accidental-Puncten; Goethe um 1790 Naturwiss. Sehr. (WA II 8, 212) die Knochen, welche die Gehörwerkzeuge enthalten . . Foramina . . Inferius, constans . . Superius, accidentale. Akzidentalien: Ludovict 1767 Kaufmanns-Lex. l 182 accidentalia cambii, heißen in Wechselsachen
Akzidens solche Zufälle, welche . . nur die äußerlichen Umstände desselben angehen; Oertel 1831 Frentdwb. 15 Accidentalien, zufällige Arbeiten, Zufallsgeschäfte; Heyse 1838 Fremdwb. 9 Accidentalia, pl. Zufälligkeiten; W. Hoffmann 1861 Wb. l 75b acc(identalien) eines lehns, unregelmäßige, nicht ständige eigenschaften eines lehens, die nur von den lehnspersonen verabredet sind (DWB N.); Greifelds 1988 Rechtswb. 31 Akzidentalien sind Nebenabreden bei einem Rechtsgeschäft. Akzidenz: Folz um 1480 Meisterlieder 233 ein jungfraw dar/ ir kint. . enpfangen hat gancz rein/ an alles megetlich verseren/ und an all hillff menlicher steur/ noch prenung leiplichs lustes fewr/ welch accidencz ir waren tewr; 2. H. 15. Jh. Beheim 13 van dem accidentz des protz sagt es allein/ und chainer ändern furm und speci sunste (FRNHD. WB); Franck 1538 Arch. 38b hat er [Gott] keyn qualitet, genus, species, differentz oder accidentz (DWB N.); Albertinus 1615 Gusman v. Alfarche 70 die Vnreinigkeiten/ welche in dergleichen accidentiis vnd Zustaenden gefeilt . . werden; Durangel 1722 Wegweiser 2 [der Ausgang einer Sache ist] ändern unerforschlichen accidentiis beyzumessen; Eberhard 1776 Theorie 22 wenn eine Grundkraft dasjenige in einem Dinge seyn muß, was den hinreichenden Grund aller Accidenzen des Dinges in sich hat: so kann sie nichts anders als eine Substanz seyn; Kant 1781 Kritik d. reinen Vernunft 351 eine iede zusammengesetzte Substanz . . ist ein aggregat vieler handlungen oder accidenzen, welche unter der menge der Substanzen vertheilt ist (DWB N.); Görres 1836-42 Mystik V 19 Sie [Verhältnisglieder] sind nicht wie Accidenzen in ihrer Substanz (KEHREIN); Schopenhauer 1859 Welt III 223 [der Wille, der] sich zum Bewußtseyn, d. h. zur Erkenntniß verhält wie Substanz zu Accidenz; Hartmann 1869 Philosophie 227 aus Subject und Prädicat wurden die Kategorien der Substanz und Accidenz . . herausgezogen; Bauch 1923 Wahrheit 396 die Wiederholbarkeit ist also gar nicht eine solche von dingen und Vorgängen .., sondern eine solche von akzidenzen an dingen und Vorgängen (DWB N.). Akzidens 2a: Paracelsus 1527-28 S. W. l 5,380 so aber die accidentia komment, hautpwehe aus dem luft, weintrinken . . signa sunt malae curae; ders. 1528 S. W. l 6,236 Sehend wie mit der zeit die eußeren elementen aus dem eisen den vitrio ziehen, das ist der rost des eisens, das gibt in zuerkennen nach der separation, welche aus dem lauf geursachet ist, das darvor im eisen gewesen ist. also ursachet im leib derselbig lauf auch, so ein solchs accidens anstost, das nimmer heraus zeucht, und ißt den leib wie im noli me tangere; Brunfels 1529
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Wundarzney A4a das [beim Heilen einer Wunde] ein bös Accidens darzu schlug, als von Verwandlung der lufft, also das sie eytert; Paracelsus 1530 S. W. l 8,389 die accidentia geben jren sondern tot, als einer der sich zu tot schlafet, den der krampf tötet; Begardi 1539 Index Sanitatis 31a [Arzt fragt den Kranken nach Krankheitserscheinungen] mit sampt jren vrsachen vnd anhangen sinthomatis [Symptomen] oder accidentibus; Bartisch 1583 Augendienst 73b vnd sind solches die fuerfallende accidentia vnd zufelle in der cur des stares (DWB N.); Kirchhof 1602 Wendunmuth 111 87 sie . . vermercket so viel, das ein sonderlich Accidens ihm ein Schwermut und melancholiam verursacht; Grassaeus 1618 d. kleine Baur 115 wie dann auch der Lufft rein, vnd von allerley Accidentien inferiert ist; Abr. a S. Clara vor 1709 (ZFDW VIII 251) bei der nacht aber . . befällt ihn [reichen Prasser] ein gählinger Steckkatarrh und dabei ein accidenz von einem schlag, der hat ihm geschwind den garaus gemacht (DWB N.); Obermayr 1784 Bildergalerie 98 Unverdaulichkeitsaccidenzien; Rathschky 1785 Ged. 29 Allein im Lenz . . ist allerdings ein solches Akzidenz [Fieber, Krankheit] der tollste Streich, den man . . zum Tartarus hinunter wünschen möchte; Hoffmann 1891 Ruhm 14 dann wird die . . Fieberkrankheit, wahrscheinlich Typhus, nur als zufälliges Accidens zu betrachten sein [für vorhandenen Wahnsinn]. Akzident: Rist 1647 friedewünschende Teutschland 74 aber die Schüsse [Wunden] pflegen dennoch bißweilen gefährlich zu sein, und kan leicht der kalte Brand oder ein anderes dergleichen Accident dazu schlagen; Elis. Charl. 1709 Br. II 148 ihr soltet nicht mitt eygener handt schreiben, biß ihr ewere äugen gantz wider recht fühlen mögt undt ohne die accidenten, so euch ordinarie zu kommen pflegen. akzidental(isch): Paracelsus 1530 S. W. l 8,389 der tot der pestis laßt sich nit austreiben mit ändern accidentalischen arzneien, noch der accidentalisch tot mit den pestilenzischen; ebd. 8,390f. nun aber das accidentalisch regimen ist, das da nit speis ist noch trank, sonder das du außerthalb demselbigen der accidentalischen krankheiten eigenschaft merkest; . . dan der wille kompt aus den accidentibus, derselbig wille . . fordert die arznei mit im einzugeben, dieser will . . durchgehet die arznei. dan sonst haben die accidentales morbi kein directorium als seinen eigenen . . willen; . . also werden die morbi accidentales auch erkennet; Stranitzky 1711 Ollapatrida 207 Die Hitze ist zweyerley: Eine heist Naturalis, durch diese wird das Leben erhalten, die andere heist Accidentalis, und hierdurch wird das Lebens-Liecht ausgelöschet. . . Die Zunge ist trok-
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ken, weil die accidentalische Hitze die Feuchtigkeit derselben verzehret; 1921 Mitt. d. Universitätsbundes Marburg Nr. 2,8 Erfolgt dieser [Tod] vor dem normalen Abschluss des Lebens, so sprechen wir von einem accidentalen Tode, dessen Ursache Krankheit, Unfall usw. sein kann. Akzidentalien: Paracelsus 1530 S. W. I 8,389 darumb ich das anzeige, ist die ursach, das gescheiden werden die zwo krankheiten von einandern, und ein cura gefürt werde in einer ieden sonderlich, auf das das die accidentalia eingenommen werden; ebd. in den accidentalibus sind mancherlei tot, dan mancherlei seind auch der zufell. Akzidens 2b: Becher 1668 Discurs 142 die accidentien und Zufälle, so einem . . begegnen können, als da seynd Krieg, Pest, Unglück zu Wasser und Land; Scheffel 1852 Italien (Br.) 41 die kleinen accidentes einer Eselscavalcade; Voss. Ztg. 7.3.1930 Bei dem Besuche im Hause Sir Felix Semons passierte ein direkt reizendes, kleines Akzidens. Akzident: 1569 Amadis 138 besonder wil begnügt seyn, daß einig accident [Unglück u. Tod] vnd widerfarung des vnbescheidnen Dardans hie für den Spiegel zusetzen, damit die junge vom adel vnd andere .. jnen fürnemmen, dem tugenthafften [Amadis] nachzufolgen (DWB N,); Hainhofer 1610 Br. 14 hat also Frankhreich selzame tragedische accident, man mag sonst wol sagen, dass diser künig peractum incoronationis, vor seim tod das testament gemacht habe; Elis. Charl. 1700 Br. l 210 Ich habe heütte noch 3 brieff nach Lotteringen zu schreiben. Mein tochter ist ein klein accident geschehen; im schlaff hatt sie sich die brüst auff ein holtz gelegt, so ihr eine böße brüst geben, ist doch, gott lob, wider gantz woll; Sperander 1727 A la mod Sprach 7 Accident, ein zufälliges Ding/ so entweder dem Leib oder Gemüth begegnet/ ein ungefährer Fall/ Begebenheit/ . . Unglück/ Widerwärtigkeit/ Unfall; Lindenborn 1741 Diogenes II 252 solte auch gleich meinem beutel das gröste accident zustossen, so derselbe jemal erlitten (DWB N.); Goethe 1770 Br. (WA IV 1,227) Zuerst nach Strasburg. . . Von da marschire ich (salvis accidentibus) nach Paris; ders. 1783 Br. (WA IV 6,230) hoffe auf die Montgolfiers Art eine ungeheure Kugel gewiß in die Lufft zu jagen. Freylich sind viel Accidents zu befürchten; Kohl 1843 England II192 Der merkwürdigste Zug dieses Krankenhauses ist die ungeheure Anzahl von Körperverstümmelungen (accidents), die in das Reich seiner Wirksamkeit kommt (SANDERS 1871); Puckler-Musk.au 1860 Briefw. IV 53 ist . . mein Accident mit dem Pferde sehr fataler Natur. Ich habe . . eine schmerzliche Ausdehnung einiger Flechsen und Sehnen;
Raabe 1864 Hungerpastor 304 Ein paar kalte Worte der Geheimen Rätin, einige Anspielungen auf die vielen Unannehmlichkeiten, welche durch diesen „accident" im Hauswesen hervorgerufen worden waren; vor 1871 Zukunft I 21 Wo der A(ccident) stattfand (SANDERS 1871); Bauer 1901 Rennsport 53 so wird doch [in den Pferdekoppeln] möglichst dafür gesorgt, Accidents fernzuhalten; ebd. 226 Accident — allgemein üblicher Ausdruck für Unfall jeder Art im Rennen; ß. Z. am Mittag 7.6.1929 Kerngesund, strotzend vor Kraft und Wohlbefinden ging der Derbyfavorit ins Rennen, stocklahm, von einem schweren Accident betroffen, kehrte er zurück; Stuttgarter Ztg. 11.6.1969 wird .. Joseph Loseys Farbfilm „Accident — Zwischenfall in Oxford" in unseren Kinos erstaufgeführt. Akzidens 3: Corvinus 1544 Briefw. 164 Das ander fuder Kornsz vnd die gefelle vnd accidentien der pfar zum Heinholtz soll hinfüro der pfarher auf der Nienstadt für Hannover haben, auflösen und gebrauchen; Mecklembg. SO 1602 M. G. P. XXXVIII 215 so sol inen [Schuldienern] neben irer stehenden hebung nicht allein das . . gewönliche quartalgelt neben ändern accidentien .. entrichtet werden (NYSTRÖM); Schweinichen vor 1616 Denkw. 493 er wollte . . mir neben allen Accidentien, so er vom Hofe in seiner Bestallung hätte, auch ein Kostgeld geben; Huhn 1650 hl. Geist-Spital München 154 Die Accidentia, welche sich bei Absterbung der .. mittleren Pfründen ergeben; 1672 Interims-Ordinantz B7a dem Magistrat zustehenden Gefallen, und Accidentien; Weise 1673 Erznarren 154 nimmt er [Richter] alle accidentia mit Recht ein, denn er verdoppelt die Gerichtsgebühren; Veroander 1684 Lasterprob 53 von grossen Einkünfften und Accidentien; 16X5 Kiev. Rheinzollw. 643 wieviel die dabey bestellete bediente, . . an gehalt oder accidentzien dabey genoßen?; Stieler 1695 Auditeur 63 die gewöhnliche Gerichts und andere accidentien; Reuter 1700 Ehrenfried 69 wenn ich mir durch Stehlen manchmahl nicht ein Accidens gemacht hätte, so würde ich wohl schmale Bissen bey ihn haben fressen müssen; Marperger 1717 Verheiratung 21 vom armen Dienst- und Bürgers-Volck Accidentia [Steuern] zu nehmen; Gichtel 1722 Theosophica Practica 82 es ist bey den Städten zwar richtige Bezahlung, aber kleiner Sold, wo nicht Accidentien fallen, daß man meist mit Scholaren seinen Unterhalt muß suchen; Estor 1762 neue kl. Sehr. VI 685 gebühren oder accidentien; 1765 Mauth-Ordnung 10 Accidentien in Geld, und in Natur; Wieland 1776 Jugendgesch. (Ges. Sehr. XV 148) [ein Beamter] bezog mit der äussersten Genauigkeit seine Gefalle und Akzidenzien; Bretzner 1787 Leben 148 das Aemtchen
Akzidens konnte mit allen Accidenzien ihn und seine zahlreiche Familie kaum vor dem Verhungern schuetzen; 1790 Journal d. Moden V 605 Sporteln-Accidenz; Moritz 1793 Grammat. Wb. I 29 Accidenzien. Zufällige Amtsgebühren .. es kommt darauf an, ob man den Ausdruck Nebeneinkünfte dafür etwa will gelten lassen; Kortum 1799 Jobsiade I 133 außer dreißig Thaler Fixum trug dies Dienstchen dem Herren Schulmeister noch manches Gewinnstchen an Eiern, Butter . . und manchem ähnlichen Accidens; Goethe 1815 Br. (WA IV 25,392) Bey uns ist dieser Verkauf des Büchelchen kein Accidens eines Subalternen; 1836 Jahrb. d. Gesch. H 305 zufälligen Einnahmen, Sportein und Accidenzien; Stöber 1853 Sabina 170 waren solche Einnahmen . . gleichsam nur Accidenzien, wie sie der eine oder andere Beamte neben seinem ständigen Gehalt bezieht; Kürnberger 1855 Amerikamüde 54 ein nicht zu verachtendes Accidenz sind auch die Pferde, die sie hier umsonst haben können; Allmers 1858 Marschenbuch 384 diese [Braut-]Krone muß der Prediger des Orts halten und die Miehte dafür .. gehört zu seinen Accidentien; Nyström 1915 Schulterm. 176 Der heute übliche Ausdruck Akzidenzien sowie die lat. Form accidentia, Part. Präs, von accidere 'zufallen', begegnen als Bezeichnung der Nebenbezüge des Schulmeisters in den . . Quellen seit dem 17. Jh. Im 16. Jh. verwendete man statt derselben die Form Akzidenz nebst dem Plural Akzidenzen; Ehmann 1950 Erben 67 sie [Stadtpfeifer] konnten blasen und streichen und mußten auch ihre Hochzeitsarie zu singen verstehen, die ihnen gar die meisten „Accidentien" einbrachte. Akzidentalien: Ingolst. Schulmeistereid 1502 M. G. P. XL/ 197 vnd für alle Accedentalia vndd zu feil so bisher gehallten beczalt werden sol (NYSTRÖM); 1536 Chronik Augsb. IV 187 Jacob ist . . zuo ainem gesellenseelsorger angenommen worden, .. hat im alle jar 70 fl versprochen zuo sold und dazuo accidentalia; Rostock 1541 M. G. P. XXXVIII 124 dat ick eyn seer geringe Stipendium hebbe, und neue accidentalia mer (NYSTRÖM); Luther vor 1546 Tischreden (W. V 680) viel Altaristen haben jährlich kaum 60 Groschen, und haben sich gleichwol reichlich erhalten können von den accidentialien und Kretzschmerei, Vigilien, Seel- und Opfermessen; 1580 (1672 Corp. jur. saxon. 99) von gebuehr der kirchendiener, von etlichen stuecken ihres ampts, so man accidentialia nennet (DWB N.); Ordn. Aschersieb. 1589 Vormb. I 646 Und haben die Gelegen sembtliche ihre sonderbaren Accidentalia (NYSTRÖM); Frischlin 1591 Christoffel 185 Das seind kellers Furalia,/ Oder Accidentalia; Darmst. Urk. 1626 M. G.P. XXVII 19 Die andere accidentalia als Leich: oder Begräbnusgeldt (NYSTRÖM); 1.H.17. Jh. Steir. Taid. 68 das er rich-
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ter . . bisheer kain besoldung gehabt, sonder sich mit dem . . behelfen miessen was ime fra[g] und fertiggelt der prieflichen Urkunden, auch ändern schlechten accidentalien gefallen (FRNHD. WB); 1667 Von d. Rechten Kirchen-gehen 33 die Accidentalia oder den zufälligen Beyschlag; Estor 1762 neue kl. Sehr. VI 687 Von der Theilung der Accidentalien. Akzidenz: Nürnb. Urkunden 1485 M. 104 vnd über das sol ir kainer geben noch zu geben schuldig sein eynich ander accidentz weder liechtgelt, . . korngelt, kirchtaggelt; MarkBrandenb. 1541 KO III 242 Darüber soll der Schulmeister und der gesell noch haben die accidents der schule (beide NYSTRÖM); Sperander 1727 A la mod Sprach 351 Lombart, ein Leyh- Pfand- oder Accidentz-Hauß/ in welchem die Geld-Bedürfftigen auf Pfand nach dessen Werth viel oder wenig Geld auf gewisse Zeit bekommen können; Lichtenberg 1772 Br. Ill 231 diese Leute selten also ändern ihre kleine Accidenzen und Sportein . . nicht mißgönnen; Behlen 1840 Real-Lex. Forstkde. 118 accidenzen machten in der vorzeit bei förstern und Jägern großentheils die besoldungen aus und bestanden und bestehen mehrfach noch in s. g. holz-, stamm-, anweise- und triftgeldern (DWB N.); 1845 Beschr. O A. Welzheim 80 Der Flachs ist meist Accidenz der Bäuerinnen auf dem Walde. Akzidens 4: 1710 (Klenz 1900 Druckerspr. 6) Accidentia (Disputationes, Theses, Programmata, Streit-Schriften, Carmina u. dgl.); Jacobsson 1793 Technol. Wb. V 19a Accidenzsetzer . . heißt derjenige Setzer, der die sogenannten Accidenzien zu setzen bekömmt; Täubet 1805 Wb. Buchdruckerkunst l 49 solche Accidenzarbeiten . ., die sowohl zu setzen viel Zeit und Mühe kosten, als auch beym Drucken mehr als gewöhnlich, Zeit wegnehmen; ebd. ein solcher Acciedenzdrucker muß besonders von der Formatlehre Kenntnisse besitzen; 1895 Brockhaus XIV 564a mußte den Anforderungen an schnelle, einfache und billige Herstellung der sog. Accidenzen oder Accidenzien . . Rechnung getragen werden; Klenz 1900 Druckerspr. 6 Accidenziensatz. Akzidenz: Franke 1856 Kat. 113 Bei Accidenzen wird die Zurichtung schwieriger. .. Zum Druck der Accidenzen ist ein eigner Drucker, der Accidenzdrucker, angestellt (SANDERS 1871); Fabian 1894 kaufmänn. Fachwb. 3b accidenzen (lat.), in den buchdruckereien im gegensatz zum werk- und Zeitungsdruck alle kleineren („zufälligen") auftrage, wie zirkulare, plakate etc. (DWB N.); Zobeltitz 1902 papierene Macht I 5 Accidenz- und Buchdruckerei; 1916 Typogr. Mitt. 63 50 Jahre Akzi-
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akzidentell
denzsatz; 1936 Meyers Nachr. Nr. 11 o. S. In der Druckerei arbeiten außer den . . Formenschließern Werk- und Platten-, Akzidenz-, Illustrations-, Farben- und Rotationsdrucker; Münch. Stadtanz. 11.9.1959 Gutgeschulte Mitarbeiter in der Setzerei . . geben die Gewähr, daß alle anfallenden Akzidenzdrucksachen, Formulare, Werke, Zeitschriften und Mehrfarbendrucke in . . kürzester Lieferzeit erledigt werden; Süddtsch. Ztg. 30.11.1968 Zur Verlagsgruppe Bauer gehören bedeutende Druckereien — Tiefdruck und Akzidenz — sowie zwei Zeitschriftenverlage.
Akzidens 5: Walther 1732 Musical. Lex. 6b Accidenti musicali (ital.) also nennet Gasparini im dritten Capitel seines Armonio Pratico al Cimbalo das b [als Vorzeichen]; Campe 1813 Fremdwb. 78 Accidenti . . musicali, zufällige Vorzeichnungen; Hirsch 1979 Wb. Musik 438 Versetzungszeichen, Akzidentien: die einer Note vorangestellten und in der Regel innerhalb eines ganzen Taktes für weitere Töne gleicher Tonhöhe in demselben Sinne geltenden Erhöhungs-, Erniedrigungs- und Auflösungszeichen.
akzidentell, auch akzidentiell Adj. (ohne Steigerung), im frühen 18. Jh. entlehnt aus gleichbed. frz. accidentel, älter accidental (< mlat. accidentalis 'zum Wesen hinzukommend, äußerlich; nicht natürlich; zufällig', zu lat. accidens 'sich zufällig ereignend', Part. Präs, von accidere, —» Akzidens; vgl. die ältere, direkt aus dem Mlat. übernommene Nebenform akzidental(isch), —»· Akzidens). a In Philosophie, Kunst, Wissenschaft und auch allgemeiner in der Bed. 'zufällig, unvorhergesehen (eintretend, hinzutretend)', auch 'unwesentlich, nichtsubstantiell, nebensächlich, sekundär' (Ggs. essentiell, substantiell, —* Akzidens 1); seit Ende 18. Jh. das aus gleichbed. frz. couleurs accidentelles lehnübersetzte fachspr. Syntagma akzidentelle Farben 'zufällige Farbeffekte, die sich bei subjektiver Wahrnehmung aus dem Zusammentreffen real vorhandener Farben ergeben, Nebenfarbtöne'. b Im 20. Jh. fachspr. in der Medizin für 'zufällig auftretend, anfallend, einen Zufallsbefund betreffend, nicht unbedingt zum Krankheitsbild gehörend', z. B. akzidentelle Herztöne (vgl. akzidental(isch), —> Akzidens 2a). akzident(i)ell a: Stieve 1715 Hoff-Ceremoniel Za denn dieser [guter Absatz] ist ein blosses Accidentel-Wesen eines Buches; massen die Herren Verleger der allerschlimsten Schrifften, solche öffters .. für ändern guten Büchern loß werden; 1716 Geomantia 65 Accidentelle und zufällige Bedeutungen [der Figuren in der Geometrie]; Sperander 1727 A la mod Sprach 7 Accidentel, . . das darzu kommt/ das nicht eigentlich zu einer Sache gehört; 1772 Frankf. gel. Anz. II 600 so bemerken wir den Unterschied der Idee, die durch den wahren Gegenstand, und derjenigen, die durch eine accidentelle Bewegung der Organen hervorgebracht worden; Lichtenberg 1788 Br. 329 ich rede hier nicht von accidentellen Zusammenkünfften; Goethe um 1790 Natunviss. Sehr. (WA II 13,65) Gemme [Knopse] behält accidentelle Eigenschaften. Die Frucht nur essentielle; ders. um 1793 Br. (WA IV 1,17) diese [physiologischen] Farben . . wurden bisher als außerwesentlich, zufällig, als Täuschung und Gebrechen betrachtet. . . Also heißen sie colores adventicii nach Bolyle, imaginarii und phantastici nach Rizetti, nach Buffon couleurs accidentelles, nach Scherffer Scheinfarben; Novalis um 1797 W. Ill 280 Tätigkeit ist Urkraft des Akzidens -
es ist das unendliche Akzidentielle. Zustand und Gegenstand sind das unendlich Substantielle; Schiller vor 1805 Br. IV 34 So können seine Wahrnehmungen ohne irgend eine Gefahr immer einzeln und accidentell sein (KEHREIN); Soden 1811 National-Ökonomie V 257 Die Nazional-Oekonomie kann diesen akzidentellen Verhältnissen keinen weitern Einfluß gestatten; Görres 1836—42 Mystik V 19 Dadurch wird der Dualismus als ein historischer, im Gebiete des Accidentellen sich beschließen (KEHREIN); Schopenhauer 1840 Moral 131 aber der dadurch verursachte Schaden und Schmerz anderer ist ihm [Egoismus] bloß Mittel, nicht Zweck, tritt also nur akzidentell dabei ein; ebd. 135 als sekundäres und akzidentelles äußeres Merkmal; 1852 Prutz'Museum l 354 accidentell; Valentin 1855 Physiologie 643 accidentelle Farben; Ritschi 1870 Rechtfertigung l 636 daß die Bedeutung Christi für das gesammte Christentum keine äußerliche und accidentelle, sondern eine innerliche und bleibende ist; Hartmann 1879 Phänomenologie 33 dieser kleinere Theil vernünftiger Theologen . . möchte . . die jenseitige Vergeltung als accidentielle Folge des sittlichen oder unsittlichen Handelns conserviren; Spielhagen 1890 Finder I
ä la mode 141 Was große Künstler neben ihrer Kunst noch getrieben haben, war entweder etwas rein Accidentielles, ihr inneres Sein nicht oder doch nur oberflächlich Berührendes; Rathenau 1912 Kritik d. Zeit 71 so handelt es sich darum, festzustellen, welche Funktionen ihm [dem Staat] akzidentell, welche Funktionen ihm notwendig zufallen; Krieg 1946 Vortr. 58 jene [Keimzellen] . ., die als ersatzzellen in den gonaden bleiben, verfallen mit dem Organismus dem physiologischen oder akzidentellen tode (DWB N.); 1947 Hölderlin-)ahrb. 7 „Ac-
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cidentelle"; Kultermann 1987 Kunsttheorie 3 der Künstler hat eine nur akzidentielle Funktion in der Hervorbringung dieses künstlerischen Lebens; MM 1.2.1988 vor die Polarität von Substanz und Akzidenz gestellt, streifte Rotho jeden Kompromiß mit den akzidentiellen Erscheinungen ab, aus denen ja unser aller Leben . . besteht. akzident(i)ell b: Pschyrembel 1942 Klinisches Wb. 20 Akzidentell . . nicht z. gewöhnl. Krankheitsbilde gehörend.
ä la mode s. a Präp. Alarm M. (-s; -e, selten Alarme), selten auch N. (-s; -e), im frühen 15. Jh. unter Einfluß von gleichbed. frz. alarme entlehnt aus ital. allarme (zusammengezogen aus dem militärischen Weckruf all'arme 'Auf, zu den Waffen! Hab acht! Achtung!', aus alia 'hin zu . .' und arme 'Waffen' < gleichbed. spätlat. arma < lat. arma 'Rüstung, Waffen'; —» Armee), anfangs in den vom Ital. bzw. Frz. beeinflußten Nebenformen Allarm, Al(l)erm, Al(l)arme, Al(l)arma, Al(l)erma; vgl. das bereits im Frnhd. daraus entwickelte, bis ins 20. Jh. gleichbed., heute nur noch in Bed. 3 verwendete Subst. Lärm. l Als Interjektion zunächst im militärischen Bereich (—»· alert), dann auch allgemein verwendet im Sinne eines Warnrufes für 'Achtung! Aufgepaßt! Vorsicht! Hilfe!'. 2a Seit Anfang 16. Jh. für 'akustisches oder optisches Notsignal, das auf akut drohende Gefahr aufmerksam machen und (die Soldaten) zu erhöhter Wachsamkeit aufrufen soll', seit 17. Jh. häufig auch allgemein verwendet in der Bed. 'Aktion oder Äußerung, die die Aufmerksamkeit anderer auf etwas (z. B. Gefahren, drohende Katastrophen, Mißstände) lenken soll'; bes. in Wendungen wie Alarm schlagen, blasen, auslösen, geben 'Warnsignale geben, jmdn. alarmieren, die Aufmerksamkeit anderer auf etwas Bedrohliches lenken, Besorgnis und Empörung über etwas Skandalöses laut werden lassen, etwas allgemein publik machen', falscher, blinder Alarm Ohne Grund, irrtümlich, versehentlich ausgelöster Alarm, unnötige Aufregung'; als Grundwort in Zss. wie Großalarm 'Alarmsignal bei einer Gefährdung großen Ausmaßes', vgl. entsprechend Kleinalarm (s. Beleg 1945), und als Bestimmungswort in Zss. wie Alarmglocke, -sirene 'akustisches Alarmzeichen', Alarmfeuer Optisches Alarmzeichen', Alarmeinheit, -truppe, -abteilung '(militärische) Einheit, die besonders rasch einsatzbereit, innerhalb kürzester Zeit alarmiert ist', Alarmbereitschaft 'Einsatz-, Abrufbereitschaft (z. B. der Feuerwehr oder Polizei)', Alarmanlage 'bei Gefahr (Feuer, Überfall, Einbruch u. ä.) Alarm auslösende SicherheitsVorkehrung'; —>· alarmieren c. b Seit früherem 17. Jh. in der Bed. 'Zustand akuter Gefahr (der mit einem Alarmsignal angezeigt wird), Zustand höchster Wachsamkeit', seit spätem 17. Jh. (s. Beleg 1665) auch allgemein verwendet für 'Zustand großer Besorgnis, höchster Aufmerksamkeit, Aufregung, Beunruhigung', bes. in Wendungen wie Alarm verhängen, anordnen, abblasen, wieder aufheben; bes. als Grundwort in Zss. wie Bomben-, Fliegeralarm 'Zustand akuter Gefährdung durch Bomben bzw. Bomben abwerfende
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Alarm
feindliche Flugzeuge, auf den die Bevölkerung durch Alarmsirenen aufmerksam gemacht wird', Giftgas-, Smogalarm 'Zustand akuter Gesundheits- und Umweltgefährdung durch Giftgas oder Smog, auf den die Öffentlichkeit durch ein Signal bzw. eine Meldung aufmerksam gemacht wird, damit bestimmte Verhaltensregeln eingehalten werden können'; häufig als Grundwort in den verdeutlichenden Zss. Alarmzustand, -Stimmung, bes. in Wendungen wie sich im Alarmzustand befinden, jmdn. in Alarmstimmung versetzen. 3 Seit Anfang 16. Jh., vereinzelt bis ins 20. Jh., in der Bed. 'Krach, großes Getöse, Aufregung, Unruhe, lautstarker Aufruhr, Lärm, Krawall, Geschrei, aufgeladene Stimmung' (—> Tumult), bes. in der Wendung Alarm machen. Alarm 1: 1420 (1921 Modern Lang. Notes XXXVI 484) die frömden bogner . . schruwen alerm; Waldis 1557 Esopus I 77 In dem hüb sich im Landt ein Strauß,/ Das man alarma thet ruffen auß (FRNHD. WB); Fischart 1572 Eulensp. II 121 Da fieng er an zu ruffen weit:/ „Alarme, Alarme, Feindio!"/ Vnd bließ sehr starck: „der Feind ist do!"; Albertinus 1601 Der Kriegsleut Weckuhr U 47b Alcibiades . . hörte sein Kriegßvolck schreyen Alarma, Alarma; Harsdörffer 1649 Gesprechsspiele VIII 6 Die Trompeten . . blasen! Alarmen! alarmen! die Waffen erwarmen; Wallenborn 1929 Westfront 38 „Alarm!"; Berl. lllustr. Nachtausg. 2.1.1933 „Alarm!" ruft einem der Wachvorsteher zu; MM 7.1.1988 Alarm! Ein rotes Lämpchen leuchtet auf. Alarm 2a: 1507 Gesch. Wiwolts v. Schaumburg 92 den allerma schlagen; 1584 Braunschw. u. lüneb. Chronik 1133 die braunschweigischen fürsten aber rüsteten sich wider zum stürm, Hessen allerm blasen (DWB N.}; 1616 Braunschw. Kriegshandlung Ib nach dem man in der Statt den Alarme . . vernommen; Pachelbel 1716 Fichtel-Berg 89 eine wacht mit einem Allarm-Feuer angeordnet; 1743 Reglement 211 alle Posten zusammen ziehen, und die Feld-Wachten zu dem Ort, wo der Alarm entstanden ist, hin marchiren muß; 1796 (Frauenholz 1935 Heerwesen IV 83) sobald der compagniecommandant den tambour allarm schlagen läßt (DWB N.); Raabe 1864 Hungerpastor 171 die Base Schlotterbeck organisierte zuletzt einen förmlichen Wachtdienst, und mehr als ein Kind der Kröppelstraße war beauftragt, ein warnendes Zeichen zu geben, wenn der Meister Grünebaum um die Ecke bog. Erschallte der Alarmruf, so stand auch jedesmal die Base an der Tür, um den Oheim . . heimzuschicken; Springer 1868 Berlin 201 Alarmglocken; Lubliner 1896 Riviera 149 durch falschen Alarm und sinnlose Verhetzung aufgeschreckt; 1908 Zukunft LXII 369 kamen aus London Alarmdepeschen; Voss. Ztg. 31.12.1929 In den letzten Tagen wurden die Berliner Papageienbesitzer durch stark übertriebene Meldungen über ein Massenauftreten . . der sogenannten Papageienkrankheit beunru-
higt. . . Daß es sich . . um eine durch die Alarmmeldungen veranlaßte Psychose bei der Bevölkerung handelt, wird durch die Erklärung von Dr. Arensee . . bestätigt; Berl. lllustr. Nachtausg. 2.1.1933 „An die Fahrzeuge!", hinaus, wer weiß wohin?; in den Kampf mit Rauch und Feuersglut, zu einem Weihnachtsbaumbrand oder mal wieder blinder Alarm?; Lokal-Anz. 25.10.1934 Die gut ausgebildeten Soldaten sollen bei der Alarmabteilung Dienst machen und eine besonders rasch einsetzbare Truppe bilden; Dtsch. AZ. 31.7.1935 Bei dieser Alarmnachricht handelt es sich ganz offensichtlich um einen gemeinen Versuch der politischen Brunnenvergiftung; ebd. 5.8.1935 „Rapide Verringerung der französischen Geburten" — Alarmruf der Pariser Presse infolge der letzten Bevölkerungsstatistik (Überschr.); Münch. N.N. 21.3.1944 Alarmeinheiten und eigene Gefechtskompanien; ebd. 2.3.1945 Kleinalarm (Überschr.) Das Wort ist vorgestern zum erstenmal offiziell gefallen, im Rundfunk: „Für unsere Stadt wurde soeben Klein-Alarm gegeben"; ebd. 7. 4.1945 „Kleinalarm" ist die neue Bezeichnung für die frühere „Oeffentliche Luftwarnung". Kleinalarm wird gegeben, wenn nur wenige Flugzeuge eingeflogen sind und mit einem größeren Angriff nicht zu rechnen ist; Süddtsch. Ztg. 17.3.1951 Steigende Preise sind aber erst recht ein Alarmsignal, einzukaufen; ebd. 14.6.1951 Alarmtrompeten sind laut, aber auch betäubend. Wenn sie wieder schweigen, überhört man gern die leiseren Warnungen vor einer nur vorübergehend beschwichtigten Gefahr; Stuttgarter Ztg. 9.11.1967 Diese Zahlen müssen . . als Alarmzeichen für einen rückläufigen Fremdenverkehr gelten; Welt 15.10.1974 Die Sitzung wurde zeitweilig durch einen blinden Bombenalarm unterbrochen; Zeit 28.12.1984 Das Orchester in Florenz spielte zur Abwechslung auf den Alarmglokken und trat in den Streik; ebd. 5.4.1985 Es ist ein schrilles Alarmsignal, mit dem auf die vielfältigen Probleme aufmerksam gemacht wird, die mit den neuen Techniken auf Gedeih und Verderb auf uns zukommen; MM 9.5.1985 Alarm schlägt der Gewerkschaftsboß gegen den allgemeinen Abbau der Beschäftigten im öffentlichen Dienst; Zeit 18.10.
alarmieren 1985 Der mittelständische Unternehmer hat sein Geld mit Banktresoren, Sicherheitssystemen und Alarmanlagen verdient; Fruttero 1986 Palio (Übers.) 54 Aber kann der Anwalt ehrlicherweise behaupten, daß es Baravelle . . war, der das erste Alarmsignal in ihm ausgelöst hatte, den ersten Verdacht oder besser die erste konfuse Ahnung, daß hier etwas nicht stimmte; MM 31.1.1986 Alarmanlagen und Diebstahls-Sicherungen; Zeit 16.1.1987 im Unterschied vielleicht zu dem aufund abschwellenden Geheul der Fliegeralarmsirenen, das uns, ein neues Bombardement ankündigend, nächtlich aus dem Schlaf weckte; MM 22.8.1987 in den südanatolischen Urlaubsregionen, wo die Regierung allerdings wegen mangelnder gesundheitlicher Versorgung bereits höchste Alarmbereitschaft mit Urlaubs- und Versetzungssperren für Ärzte und Krankenhauspersonal angeordnet hat; ebd. 7.1.1988 Weitere Fehlalarme werden von Bürgern ausgelöst, die meinen, einen Brand zu sehen und die Feuerwehr herbeirufen; ebd. 26.5.1988 Akustischer und optischer Alarm wird ausgelöst bei ungewöhnlichen Kühlwasserabläufen in den Rhein oder wenn das Toximeter im Zulauf zur Kläranlage eine erhöhte Schadstofffracht anzeigt; ebd. 29.6.1988 Ein Blick auf einige Titel im Bücherschrank rufen fast vergessene Alarm-Meldungen in Erinnerung, die uns noch vor fünf, sechs Jahren aufgeschreckt haben: „Rettet den Wald", „Tempo 100 - Soforthilfe für den Wald"; Spiegel 11.6.1990 Vor allem die FDP schlägt, wenn auch verspätet, Alarm. Alarm 2b: Hoppe 1636 Schwed.-Poln. Krieg 76 dannenhero in der Stadt Dantzigk ein solch schrekken . . entstünde, dass sie sich in dieses alarm fast übel zu schicken . . wussten; Karl L. v. d. Pfalz 1665 Schreiben 157 mein schätz muß nicht leicht alarm nehmen . . wegen ein wenig sharmutziren; Fulling 1758 Chr. 15 in dieser woche sind die Franzosen in großem alarm gewesen; Stein 1806 Briefw. II102 weil er [Bonaparte Preußen] nur einschläfern und durch mehrere alärme ermüden, erschöpfen . . will (alle DWB N.); Polenz 1899 Wald 125 Die ganze Jägerei befand sich in Alarmzustand; Dtsch. AZ. 8.1.1936 In der Treptower Sternwarte herrscht heute „Alarmzustand", da . . in den ersten Abendstunden die einzige Mondfinsternis des Jahres 1936 beobachtet werden soll; Münch. N.N.
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23.5.1938 Die tschechische Regierung . . hält es offenbar für zweckmäßig, den durch ihre Politik hervorgerufenen Alarmzustand aufrecht zu erhalten; FAZ 7.12.1963 Es ist höchste Alarmstufe zu geben, um den sich in bestürzender Schnelligkeit steigernden Verfall der vitalen Kräfte des Volkes noch aufzuhalten; Offenburger Tagebl. 4.3.1969 In informierten Kreisen in Brüssel hieß es, das Nato-Hauptquartier beobachte die Entwicklung der Situation in Berlin mit wachem Interesse, aber ohne Dramatik. Für einen „Alarmzustand" habe es bisher keinen Anlaß gegeben; MM 9. L 1985 Wegen der hohen Schadstoffbelastung war am Montagvormittag Smogalarm der Stufe eins ausgelöst worden; ebd. 4.4.1985 Auch für Chalampe im Oberelsaß war in der Nacht Giftgasalarm ausgelöst, am Morgen aber wieder zurückgenommen worden; ebd. 3.5.1986 In Rumänien wurde wegen der erhöhten radioaktiven Belastung der Alarmzustand verhängt; ebd. 3.11.1986 Für die gesamte Basler Region wurde stundenlang Katastrophenalarm ausgelöst, der am Samstag morgen um 7 Uhr wieder aufgehoben wurde; ebd. 21.1.1987 Sollte die [Smog-]Situation weitere 72 Stunden andauern, ist mit der zweiten Alarmstufe zu rechnen, die hier dann auch den privaten Autoverkehr verbietet; ebd. 13. 2.1987 Der Ölfilm löste sich im Laufe des Tages auf und der Alarm wurde gegen Mittag wieder aufgehoben. Alarm 3:1507 Gesch. Wilivolts v. Schaumburg 114 kam deshalben ein ganz hitziger Allerma in die knecht; Sleidan 1544 Reden 116 im Concili . . einen plotzigen Alarmen subtilig zurichtent, damit die versamlung zerrüttet . . würdt; Wallhausen 1621 Kriegskunst 2 Tumult und Alarm; Bürster 1647 Schwed. Krieg 125 da würd wiederumb von newem alarma oder lerma; Ertinger 1697 Reisebeschreibung 63 Eine Mihl die nacht vorhero abgebrandt, dahero großer allarm Entstanden; Boltz 1752 Atnts-Actuarius 683 Allarm und Troublen; Kortum 1799 Jobsiade 119 Bis da plötzlich der ganze Schwärm/ Herinebrach mit großem Alarm; Raumer 1807 Leben I 219 In dem allgemeinen Alarm sucht jedes Individuum und der Staat selber sein Plätzchen, sich wieder niederzulassen; Schröder 1923 (N. dt. Beitr. 12) verscheucht noch einmal deines rohrs alarm/ geschwätziger fresser flügelfrechen schwärm (DWB N.).
alarmieren V. trans., auch V. intrans. (vgl. c), im späten 17. Jh. entlehnt aus gleichbed. frz. alarmer (zu alärme < ital. allarme, —» Alarm), selten auch (wohl unter ital. Einfluß) in der Schreibweise allarmieren. In der allgemeinen Bed. 'jmdm. Gefahr signalisieren und ihn dadurch wecken, aufrütteln, aufschrecken, in Bewegung setzen':
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alarmieren
a Zunächst im politisch-militärischen Bereich, dann auch bald allgemein für 'jmdn./ sich beunruhigen, aufregen, ängstigen; jmdn. vehement in Besorgnis, in Unruhe, in den Alarmzustand, in Furcht und Schrecken versetzen'; in der Part. Präs.-Form häufig adj. verwendet, z. B. alarmierende Nachrichten, Gerüchte (—» Alarm 2a). Dazu seit Ende 18. Jh. die selten belegte, häufig gebuchte, aus gleichbed. frz. alartniste entlehnte Personenbezeichnung Alarmist M. (-en; -en) 'pessimistischer Alarmrufer, Unruhestifter, notorischer Schwarzseher'. b Seit Ende 17. Jh. selten auch für 'jmdn. anregen, anstoßen, motivieren, erheitern, aufmöbeln' (—» aktivieren, —> animieren Ib). c Seit Anfang 18. Jh. für 'Alarm geben, bei akuter Gefahr jmdn. zu Hilfe rufen, jmds. tätigen Beistand anfordern', vor allem im militärischen Bereich und in bezug auf institutionalisierte Hilfs- und Rettungsorganisationen, z. B. die Polizei, Feuerwehr, den Rettungsdienst alarmieren; selten auch als V. intrans. (s. Belege 1876, 1910); seit Mitte 19. Jh. (s. Beleg 1847) häufig übertragen verwendet für 'jmds. Aufmerksamkeit (bes. durch publizistische Mittel) auf etwas (drohende Gefahren, Katastrophen, Mißstände u. ä.) lenken, um dessen Beistand zu erbitten', z. B. die Öffentlichkeit, die Parteifreunde, die Gewerkschaft alarmieren (vgl. a; —» Alarm 2a). Dazu seit Ende 18. Jh. das Verbalsubst. Alarmierung F. (-; -en) 'das Zuhilferufen'. alarmieren a: Leibniz 1670 Dtsch. Sehr, l ISO sollte nun eine neue ruptur zwischen England und Holland entstehen, . . würde man wohl der tripel-allianz gute nacht sagen müssen. Holland hat zu land der einige bischof von Münster allarmiren, ja . . zwacken können; Ziegler 1695 Schauplatz 1038a den 17. wurde die bombardirung mit 30. canonen und 15. mörsern continuirt, so den feind sehr allarmirte (beide DWB N.); Bodmer 1746 Mahler 1174 [diese] unglückseligen, die . . sich von Gespenstern allarmiren . . lassen; Bretzner 1788 Leben III 47 Diese schreckliche Neuigkeit allarmirte das Gewissen unsers Helden aufs heftigste; Goethe 1822 Belagerung v. Mainz (WA l 33,287) die alarmierten Linien beruhigten sich wieder mit dem Einbruch des Tages; Holtet 1863 Letzte Komödiant l 228 Die Dienerschaft war sehr alarmiert. Der Kammerdiener und der Küchenmeister vor allen. Dieser, weil er für einen Komödianten anrichten, jener, weil er einem solchen servieren sollte; Versen 1872 Reisen i. Amerika 83 Zusammenstellung aller .. angelangten alarmierenden Nachrichten über den drohenden Ausbruch eines Krieges; Kretschman 1866 Kriegsbr. 29 Über die Zeitungen bin ich empört. Es ist nichtswürdig, die Welt durch Gerüchte bloß des Gelderwerbes wegen zu alarmieren; Breuer/Freud 1909 Hysterie 58 Patientin . . kam in einen schlimmen Aufregungszustand, der das ganze Haus alarmierte; Th. Mann 1924 Zauberberg (W. Ill 617) Ein Blutsturz, den er erlitt, alarmierte seine Oberen; Friedell 1931 Kulturgesch. 111 347 den alarmierenden Titel „Krieg in Sicht"; Lokal-Anz. 4.2.1933 alarmierende Gerüchte; Münch. N.N. 9.1.1945 ernste Sorgen oder
alarmierende Anzeichen für ein Nachlassen der Leistungskraft oder ein Absinken der Volksgesundheit; Borst 1957 Turmbau 13 wenn wir eines Nebensatzes . . wegen die ganze Weltgeschichte und -literatur alarmieren; Süddtsch. Ztg. 2.11.1959 Besonders alarmierende Werte ergaben die Untersuchungen darüber, wie groß . . die zeitliche Belastung der Schüler ist; ND 20.8.1969 alarmierende Zeichen für das Anwachsen der nazistischen Gefahr; Hocke 1976 Tagebücher 223 Hinter uns liegen auch die . . alarmierenden politischen Darstellungen der Hofdame Hildegard von Spitzemberg; MM 3.5.1985 Alarmierender Bevölkerungsrückgang bereitet Politikern Kopfzerbrechen; ebd. 4. 9.1986 Übertrieben alarmiert braucht man nicht zu sein, aber Grund zur Beruhigung gibt es auch nicht; Zeit 20. 7.1987 die Aufgabe einer Aids-Aufklärungskampagne wäre es, im gleichen Maße zu alarmieren und wachzurütteln wie zu beruhigen und Hysterien .. entgegenzuwirken; MM 17.8. 1987 Kontrollmessungen an 25 Orten in Schweden hätten ebenfalls keine alarmierenden Werte ergeben; ebd. 13.10.1987 Höchster Pro-Kopf-Verbrauch an Alkohol alarmiert die SED; ebd. 29.6.1988 Um so alarmierender ist das Seensterben. Alarmist: Kant 1798 Ges. Sehr, l 7,65 wiewohl . . auf das geschrei der alarmisten (das reich ist in gefahr) nicht zu achten ist (DWB N.); Welt 11.3.1974 Mit seinem Buch hat sich der 48jährige Kriminalist den Vorwurf zugezogen, ein Alarmist zu sein, denn er behauptet, bis 1980 werde die Kri-
Albino minalität in der Bundesrepublik sprunghaft ansteigen. alarmieren b: Ettner 1697 Doctor 578 wird dieses [Bier] den menschen ganz erleichtern und alarmiren; der wirth gab vor daß ihm noch nie ein bier so wohl als dises bekommen; Rietschel 1842 Briefw. II 68 ihr brief alarmirte mich so, daß ich in der stube herumtanzte; K. Mann 1939 Vulkan 182 jeder gedanke, wenn man ihn nur bis zu letzten konsequenz zu ende dachte, bedeutete Verpflichtung, alarmierendes programm, aufforderung zur tat; Fries 1974 Luft-Schiff 279 wie eine alarmierte meute (alle DWB N.). alarmieren c: Ludwig 1716 Teutsch-Engl. Lex. 72 allarmiren; 1762 Atzendorf er Chr. 297 im kriege wird man, sonderlich wenn der feind in dernahe, ofte umsonst allarmirt (DWB N.); Bahrdt 1791 Lebensbeschr. IV 48 die katholische Partei . . zu alarmieren; Moltke 1827 Freunde I 54 das Thor des Städtchens, dessen Besatzung, durch die Schüsse alarmiert, bereits unter den Waffen war; Bauer 1847 Parteikämpfe I 225 der Berliner .. wurde . . politisch, besonders war es das ehegesetz, welches den burger allarmirte und in die „theilnahme am Staat" hineinzog (DWB N.); Fischer 1876 Preußen 128 man [Bürgerwehr] exercirte, hielt paraden ab, alarmirte und brachte die nachte auf der wache zu (DWB N.); Kleinpaul 1892 Sprache 410 bereit, sowie sich etwas Verdächtiges zeigt, zu schreien und damit . . die Truppe zu alarmieren; Kretzer um 1910 Stehe auf 69 „I hab'scho alarmiert. Glei bios' i no amol"; Voss. Ztg. 2.12.1930 Warum aber ist im Falle des Amtsvorstehers Fren-
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zel die Öffentlichkeit alarmiert worden und hat mit Leidenschaft Partei ergriffen; Lokal-Anz. 14.2.1933 Hausbewohner alarmierten auf ihre verzweifelten Hilferufe die Feuerwehr; ND 21.4.1954 die Feuerwehr grundlos alarmiert; Pinkwart 1963 Mord 27 Vermutlich diente diese Vorrichtung dazu, Hilfe zu alarmieren, wenn einem Gast im Bade schlecht wurde; ND 7.8.1964 Bei Blitzschlag mit Brandfolge sogleich Feuerwehr alarmieren; MM 22.1.1985 Anwohner sahen Qualm aus dem Schuppen steigen und alarmierten Feuerwehr und Polizei; ebd. 22.8.1985 Dennoch dauerte es fast 20 Minuten, bis die Öffentlichkiet alarmiert wurde, als vor eineinhalb Jahren giftiges Adicarboxime frei wurde und 142 Menschen erkrankten; ebd. 16.4.1988 Mit letzter Kraft konnte sie sich gerade noch zum Telefon schleppen und die Polizei alarmieren. Alarmierung: Valentin 1799 Kl. Krieg 229 wenn man die truppen . . den Unannehmlichkeiten aussetzt, welche mit einer unnützen allarmirung verbunden sind; Schmeller 1815 Ged. u. Br. 13 bis jetzt ist mit ausnahme einiger allarmirungen bei Landau, alles ruhig (beide DWB N.); Springer 1868 Berlin 197 Alarmierung der Feuerwehr; Wallenborn 1929 Westfront 223 Nach Beendigung solcher Alarmierungen mußten wir die empfangenen Handgranaten und Verpflegungsportionen wieder abgeben; Lokal-Anz. 10.8.1933 Besonders verwerflich ist die böswillige Alarmierung der Feuerwehr; ebd. 11.11.1934 Alarmierung eines Arztes; MM 20.5.1985 Nach wie vor bestünden in der Bevölkerung Unsicherheiten, über welchen Alarmierungsweg am schnellsten notfallmedizinische Versorgung herbeigerufen werden könnte.
Albino M. (-s; -s, selten auch Albinen), im frühen 18. Jh. aufgekommene gelehrte Entlehnung aus gleichbed. span, albino, eigentlich 'der Weißliche', Subst. von albino 'weißlich' (vgl. span, negros albinos 'hellhäutige, anomal weißliche Neger'), zu albo 'weiß' (< gleichbed. lat. albus, —> Album). Zunächst nur bezogen auf —»· Neger, seit früherem 19. Jh. auch allgemein gebräuchlich als überwiegend fachspr. Bezeichnung für nicht oder schwach in Haut, Haar und Augen pigmentierte, daher weißlich wirkende Menschen oder Tiere. Dazu fachspr. die seit Ende 19. Jh. belegte adj. Ableitung albinotisch (ohne Steigerung) 'mit Albinismus behaftet, ohne Körperfarbstoffe, Pigmente (sein), den Albino, den Albinismus betreffend', überwiegend bezogen auf Tiere. Seit frühem 19. Jh. die anfangs in der Nebenform Albinoismus (eventuell über gleichbed. span, albinismo) aufkommende subst. Bildung Albinismus M. (-; Pl. ungebr.) als fachspr. Bezeichnung für die bei Albinos auftretende Pigmentanomalie, die mangelnde Farbstoffbildung in Haut, Haar und Augen als charakteristisches Erscheinungsbild des Albinos, dafür gelegentlich auch Leukismus (s. Belege 1896, 1929), überwiegend bezogen auf Tiere.
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Albino: Apinus 1728 Gl. 25 albinos .. aethiopis albicantes (DWB N.); Gatterer 1771 Einl. i. d. Universalhistorie I 1,64 Albinos; 1780 Götting, Magazin d. Wiss. I 439 Albinos; Metners 1786 Grundriß 46 die Albinos oder Negros Blancos unter den Afrikanischen Negern; Kant 1802 phys. Geogr. II 5 Weiße Mohren oder Albinen (SANDERS 1871); Pückler 1831 Br. e. Verstorbenen III 236 Sie ist in ihrer Blüthe dargestellt, ziemlich widerlich weiß, mit sehr blaßröthlichen Haaren. Die Augen etwas albinoartig, fast ohne Augenbraunen; Görtz 1854 Reise HI 197 Albino's, die in Java häufig sind; 1880 Beschr. OA Mergentheim 61 Maulwürfe, weiße und gelblichweiße, kamen mir schon mehrmals, leider aber zum Ausstopfen nicht mehr tauglich, zu. Von Vögeln erhielt ich einen vollständigen Albino; Henne-am Rhyn 1897 Kulturgesch. VII 393 „Albinos"; Diezel 1907 Niederjagd 3 rein albinotische Exemplare [Rehwild] tragen die Kennzeichen des echten Albinos: rote Lichter und hellgelbe Schalen; Freud 1916 Vorlesungen 111 der mann hatte selbst ungewöhnlich helle färben, in den gesprächen der kür hatte ich ihn wiederholt scherzhaft einen albino genannt (DWB N.}; Nachtsheim 1936 Wildtier 15 wird zu einem Weissling, einem Albino mit „roten" Augen; Süddtsch. Zig. 15.1. 1949 Für lichtempfindliche Albinos hat die amerikanische optische Gesellschaft eine neue Brille mit schwarzen Gläsern konstruiert; Bamm 1956 Ex ovo 32 Für sie ist der weiße Mann eine merkwürdige Art von Albino; Stuttgarter Ztg. 22.3.1962 Spatzen- und Amsel-Albinos; MM 27.4.1988 Pascoal, ein langmähniger Albino, der ausschaut wie ein Medizinmann aus dem Urwald.
albinotisch: 1897 Realenc. Heilkunde XIII 476 daß bei einem albinotischen Kinde die rothe Farbe der Iris . . abgenommen habe; 1900 Naturwiss. Wochenschr. 58 eine albinotische . . Spielart der . . Hausmaus; Diezel 1907 Niederjagd 3 albinotische Exemplare [Rehwild]; Nachtsheim 1936 Wildtier 15 das albinotische Wildtier. Albinismus: Mansfeld 1822 Über das Wesen der Leukopathie oder des Albinoismus (Titel); Schweinfurt 1874 Im Herzen von Afrika II 107 Besonders hellfarbige Individuen verriethen in ihren Augen fast immer etwas Krankhaftes und gaben manche Merkmale von ausgesprochenem Albinismus zu erkennen; Hahn 1896 Haustiere 2 Unter allen Veränderungen, die die Haustiere zeigen, ist keine so verbreitet wie der Albinismus oder wie ich lieber sage, Leucismus; Diezel 1907 Nieder jagd 3 Albinismus . . beim Rehwild; Willner 1917 Höhlenkunde 75 Verlust der natürlichen Hautfarbe (Albinismus) [bei in Höhlen Lebenden]; 1929 Preuss. Jahrb. CCXIIX 88 Es ist uns heute bekannt, daß der durch Verringerung des Pigmentes, also durch die Aufgabe der natürlichen Schutzfarbe, bewirkte Albinismus oder Leukismus keineswegs selten ist; Nachtsheim 1936 Wildtier 15 Man hat den Albinismus als „Domestikationserscheinung" bezeichnet; Stuttgarter Ztg. 22.3.1962 Seit einigen Jahren beobachten wir ein Amselmännchen mit schneeweißem Kopfputz, mit einer ebensolchen Halskrause und zahlreichen weißen Sternchen auf dem sonst tiefschwarzen Gefieder. Der Zoologe nennt so etwas partiellen Albinismus, im Gegensatz zu den Weißlingen, bei denen es nicht nur die sprichwörtlich gewordenen Raben . . gibt.
Album N. (-s; Alben, selten auch Albums und vereinzelt Albume), im früheren 16. Jh. über mlat. album 'Buch des Lebens, Verzeichnis' entlehnt aus lat. album 'weiße Tafel zur Aufzeichnung öffentlicher Bekanntmachungen, Namenliste', eigentlich 'das Weiß, weiße Farbe' (subst. N. von albus 'weiß'; —>· Albino), anfangs selten in lat. Syntagmen und bis ins 18. Jh. auch in der lat. (flekt.) Form. 1 Bis ins 19. Jh. historisierend auf die Verhältnisse im antiken Rom bezogen in der seltenen Bed. '(weiße) Schreibtafel zum Eintragen öffentlicher Verordnungen, Namenlisten'. 2 Seit spätem 16. Jh. in der allgemeinen Bed. 'Buch mit leeren Seiten für handschriftliche Aufzeichnungen, Eintragungen o. ä.': a Zunächst bis ins 19. Jh. nachgewiesen für 'Matrikel, Aufnahmeverzeichnis, bes. für Studierende an der Universität, auch für Gymnasiasten an der Schule', z. B. sich in das Album der Universität eintragen lassen, gelegentlich auch für 'Namenliste in Buchform'. b Etwa gleichzeitig in der (zuerst im Dt. entwickelten, von dort in andere Sprachen übernommenen) dominanten Bed. 'Buch, in das sich Gäste, Freunde oder Bekannte
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mit Gedenkversen, kleinen Zeichnungen, Porträts o. ä. eintragen, Erinnerungs-, Gedenk-, Stammbuch', z. B. in einem Album blättern, Gedichte in ein Poesiealbum schreiben, seit dem 19. Jh. zunehmend auch für 'eine Art Buch mit stärkeren Seiten oder Blättern, auf die Fotografien, Briefmarken, Ansichtskarten o. ä. zur Aufbewahrung geklebt werden, Sammelbuch', z. B. Bilder in ein Album kleben, seit frühem 20. Jh. (s. Beleg 1924) auch 'eine Art Buch mit einzelnen Hüllen, in die Schallplatten gesteckt werden', auch kurz für Plattenalbum. Bes. als Grundwort in Verbindung mit Bestimmungswörtern, die häufig den Verwendungszweck näher charakterisieren, wie Briefmarken-, Foto-, Poesie-, Lieder-, Musik-, Schallplattenalbum, vgl. auch Familienalbum 'Album mit Familienbildern' und Verbrecheralbum 'der polizeilichen Fahndung dienendes Album mit Lichtbildern und Fingerabdrücken von Personen, die Verbrechen begangen haben, Verbrecherkartei'; selten als Bestimmungswort in Zss. wie Albumblatt 'Seite aus einem Album, Erinnerungsblatt mit Text oder Bild' und Albumvers 'für ein Poesiealbum geeigneter Vers'. Seit dem 19. Jh. gelegentlich auch übertragen verwendet, z. B. Album des Lebens, der Geschichte (s. Belege 1839, 1877, 1985). 3 In neuerer Zeit, vermutlich unter Einfluß von gleichbed. engl. album, als Bezeichnung für eine oder mehrere (zusammengehörige) Langspielplatten (in zusammenhängenden Hüllen) mit einem vollständigen Musikstück, z. B. das Album enthält die Sinfonien von Brahms, oder für eine Langspielplatte mit einzelnen, thematisch zusammengehörigen Stücken, z. B. ein neues Album herausbringen, machen, produzieren, in Zss. wie Hit-, Studioalbum. Album 1: Dasypodius 1536 Diet. I 7 Album,. . Ein weysse tafel/ darin die namen der richtet geschriben wurden/ ein yetlich register; Lauterbeck 1556 Regentenbuch 9b must er dieselben geschieht alle lassen auff ein Tafel bringen, welche man Album geheissen, damit sie von den Bürgermeistern . . mochten abgeschrieben vnd nicht an einem/ sondern vielen . . Orten . . auffgehaben worden; Nehring 1684 Manuale 112 Album . . weisse Tafel; 1793 Enz. Wb. I 46 Album war bei den Römern eine weiße Tafel, darauf schreiben zu können; 1884 Buch d, Erfindungen 1403 die Holztafeln [der Römer] waren . . mit weißer Farbe überzogen, in welchem Falle sie Albums hiessen. Album 2a: Golius 1579 Onomasticon 115 Album curiae, das buch darin die Rhatsherren seind verzeichnet; ebd. 147 Album, namenbuch; Corvinus 1623 fons tat. 36 Esse in albo Studiosorum, eingeschrieben seyn beim Rectore, ein Student seyn .. Albo eradi, aus der Matricul außgelescht . . werden; Nehring 1684 Manuale 112 Album, die Matricul, ein Namen-Buch . . ein Register, Ingleichen ein Gerichts-Buch, Protocoll, Urtheils-Buch; Abr. a S. Clara vor 1709 Kramer-Laden II 70 Ferdinandus . ., welcher seinen . . Nahmen in dem so genannten albo, oder Studenten-Buch erwehnter Universität . . eingetragen; Sperander 1727 A la mod
Sprach 24 Album, . . Matricul, Patent, Register/ Protokoll und Gerichts-Buch; Müller 1786 Emmerich I/H 343 Er . . holte das Album der Schule; Tholuck 1853 Vorgesch. I 1,11 in Herborn werden Studirende vor Einschreibung ins Album auf die Bibel .. verpflichtet; vor 1871 N. Vitav. XXXVI 26 Er hat im Schul-Album die Bemerkung über ihn gemacht (SANDERS 1871); 1882 (Zarncke 1897 Kl. Sehr. II 114) ließ er [Theodor Körner] sich in das Album der Universität Berlin eintragen. Album 2b: Corvinus 1623 fons lat. 36 Album amicorum, ein Stammbuch; Praetorius 1666 Anthropodemus I 244 ein .. kunstreichere ist es, daß man mit . . subtilen Messergen . . Bilder hineinschneiden kan . . wie davon mein Album zeuget; Nehring 1684 Manuale 112 Album . . ein Stammbuch; Sperander 1727 A la mod Sprach 24 Album, ein Stamm-Buch; Lessing 1775 S. Sehr. XXI 67 schenken sie [Anrede] mir ein gütiges andenken auf dem beygelegten papeyr. ich will es . . in meinem album einrücken (DWB N.);, Goethe 1811 Dichtung u. Wahrh. (HA X 30) wie wir nun fürder nach Köln zogen, schrieb ich in irgend ein Album; Gaudy 1839 W. XU 78 daß er . . sich gefalle, das Album seines Lebens zu durchblättern; Gutzkow 1852 Ritter II 187 Malt es in die Albums kunstliebender Salondamen (SANDERS 1871); Schücking 1859
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Erz. I 41 auf welchem Albums und reich gebundene Werke lagen; Raumer 1861 Leben l 21 In mein Stammbuch (jetzt zu deutsch Album genannt) schrieb Meieretto: „Contentus paucis judicibus"; Rodenberg 1863 Strassensängerin HI 152 Ich kann mir nicht einbilden, daß ein Mann interessant sei, dessen Jugend gleich dem Blatt im Album eines jungen Mädchen ist — entweder weiß oder beschrieben mit irgend einem sentimentalen Verse. Es giebt nichts Langweiligeres auf der Welt, als solch ein Albumblatt; Gregorovius 1863 Wanderjahre IV 28 photographisches Album; Mahler 1864 Über die Eider, Vorw. o. S. Nicht eine Feldzugs-Geschichte .., sondern ein Erinnerungs-Album an den ersten Theil des . . schleswig-holsteinschen Krieges; Fontäne 1871 Kriegsgef. 205 solche Album-Versler; Rutenberg 1877 Zinne 77 Diese Wahrheit, welche wir in dem grossen MenschheitsAlbum der Philosophie verzeichnet finden; Walloth 1887 Praxis l blätterte .. in dem grossen, zum allgemeinen Gebrauch niedergelegten Album; Sommerfeld 1894 Wetter 19 In's Album der Zeit (Gedichttitel); 1900 Dtsch. Revue IV 209 Lektüre von Indianergeschichten und Töchteralbums; Th. Mann 1901 Buddenbrooks (W. I 212) er sitzt im Penseezimmer und besieht das Album; Hesse 1910 Rosshalde 71 Als die beiden Männer . . über Indien plauderten, zog er immer neue Albume und Mappen mit Photographien aus seinem Koffer; Schrönghamer-Heimdall 1924 Kronawitter o. S. einen zierlichen Vers aus einem Liebesalbum abzuschreiben; Th. Mann 1924 Zauberberg (W. III 891) Hans Castorp war es, der den Plattenschatz in Ordnung hielt, den Inhalt der Alben auf die Innenseite der Deckel schrieb, so daß ein jegliches Stück auf Wunsch . . sofort zur Hand war; Stenger 1929 Gesch. d. Photographie 28 Ein Steckbrief mit photographischem Bilde hatte .. Erfolg. Verbrecheralben gibt es in den Landeshauptstädten etwa seit gleicher Zeit; in Danzig bestand das Album bereits 1864; Berl. lllustr. Nachtausg. 9.8.1933 auch junge Männer standen in der Nähe, alle mit Heften der „Filmwelt" oder mit großen feierlich eingebundenen'Alben bewaffnet; Lokal-Anz. 24.4.1934 in Schränken und Vitrinen türmten sich die dicken Alben; Th. Mann 1939 Lotte (W. 11 489) wenn ich ein Gedicht in mein Album schreibe; ders. 1952 Reden u. Aufs. (W. IX 813) Autogrammjäger drängten herein und umlagerten ihn mit Albums und Papierblättern; ders. 1954 Krull (W. VII 634) im Wartezimmer eines Zahnarztes . . habe ich ein Album gesehen, ein Bilderbuch mit dem Titel „la beauta humaine"; Johnson 1961 Buch 330 weil der in der vordersten Reihe ihm so ähnlich ist wie der aus dem Familienalbum; Grass 1962 Blechtrommel 37 der liebe Gott, der uns als fleißiger Amateur jeden Sonntag von oben herab, also schrecklich
verkürzt fotografiert und mehr oder weniger gut belichtet in sein Album klebt; Strittmatter 1963 Öle Bienkopp 342 Bienkopp . . kauft ihr ein Bilderalbum von Weimar; Welt 22. 7.1964 M. wurde ermittelt, weil der Gastwirt ihn im Verbrecheralbum der Kriminalpolizei wiedererkannte; 16.2.1966 im Speisesaal sind die Wände mit Gemälden gepflastert wie ein Briefmarkenalbum mit Marken; Birkel 1971 Sachkunde o. S. wenig später kann er schon die ersten getrockneten Marken ins Album stecken; Hocke 1976 Tagebücher 45 Das diaristische Erinnern . . entwickelte sich zunächst als chronologische Sammlung, als datiertes Register, als diaristisches Taten- und Ereignis-Album — Gefäß und Aufbewahrungsmittel für beachtetes Weltund Zeitgeschehen; Zeit 8.3.1985 das Album (wörtlich „das Weiße") war nichts als ein Sammelbuch; ebd. 29.3.1985 Malerei enthalte ein höchstes Prinzip, das sich nicht in der äußeren Hülle manifestiere, heißt es in zarter Kalligraphie auf einem Albumblatt; ebd. 10.5.1985 Szenen wie für das Album der Geschichte; 4.4.1986 Maxime du Camp veröffentlichte über die Orientreise 1852 ein Album mit 125 .. „photographischen Zeichnungen"; MM 3.3.1987 rund 2000 Lebensläufe .. schlummern schon in den numerierten Aktenordnern, gebundenen Papieren, Karteikästen, 600 Fotoalben; Zeit 17.4.1987 lauter Sätze fürs Poesiealbum. Album 3: 1979 Hörzu XXVII 84 Lennon plant .. ein Comeback mit einem neuen Album; Zeit 15.2.1985 beide Fassungen, die vokale und instrumentale, fallen uns heute aus allen Plattenregalen entgegen, ob als Solo von Rudolf Schock oder für Trompete, ob im Album „die schönsten Melodien der Welt", „das Sonntagskonzert", „o Tannenbaum"; ebd. 10.5.1985 natürlich ist das ultrakommerzielle Popmusik, die Dolly Parton auf ihrem neuen Album singt; MM 15.5.1985 „Georgia Blue", das Album wurde beim letztjährigen Jazzfestival in Willisau . . aufgenommen; Zeit 31.5.1985 wer von diesem fünften Studioalbum der Dire Straits Popklassiker . . erwartet, wird . . enttäuscht sein; Stern 21.5.1987 dauerte es .. drei Jahre, bis sie die Lieder für ihre zweite LP „true colors" fertig hatte, ein Album, das . . davon überzeugte, daß sie eine der besten Rocksängerinnen ist; MM 27. 5.1988 Frank Zappa möchte seine Dissonanzen humoristisch verstanden wissen, nicht umsonst fragt er auf einem seiner bislang fünfzig Alben, ob Humor denn in die Musik gehöre; ebd. 20.6.1988 der Sound der siebziger Jahre, angefangen mit dem Hitalbum; 1988 Popcorn X 3 Robby Rosa, der gerade an seinem ersten .. Album arbeitet (DUDEN 1993).
Alchimie
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Alchimie F. (-; ohne PL), selten auch Alchemic, seit dem Spätmhd. nachgewiesen, über gleichbed. mlat. alchimia, altfrz. alchimie, alquimie, span, alquimia zurückgehend auf gleichbed. arab. al-kimiya (aus arab. al 'die' und griech. 'Metallurgie, Metall Veredelung', eventuell auch griech. 'Mischung von Flüssigkeiten, Melange'); anfangs häufig, bis ins 19. Jh. selten in Formen wie Alchumie, Alchamie, Alchymie, Alchimia, Archimie, Alchimei, im 17. Jh. vereinzelt lat. flektiert; als kulturelles Wanderwort mit (vermutlich) ägyptischen Wurzeln und durch Vermittlung vor allem des Arab., Span, und Frz. in den europäischen und außereuropäischen Sprachen verbreitet. Als historische Bezeichnung für die im frühneuzeitlichen Europa verbreitete, universalwissenschaftliche, magische Kunst der Veredelung von Stoffen (vor allem Metallen); die Alchimie diente u. a. medizinischen Zwecken (z. B. Herstellung des sog. aurum potabile 'Trinkgold' zur Verlängerung des Lebens oder Heilung von Krankheiten, Entdeckung verschiedener Therapeutica wie Quecksilber) und lieferte einige Grundsteine für die moderne empirische Chemie (z. B. Entwicklung des Destillationsverfahrens), meist verbunden mit geheimnisvoll anmutenden und von der Zunft, den Adepten (—» Adept a), gegenüber den Nicht-Eingeweihten mystifizierten Verfahren (z. B. Beschwörung der Naturgewalten mittels Zauberformeln, Beachtung bestimmter Gestirnskonstellationen während des alchimistischen Prozesses), daher schon immer, bes. aber seit dem 17. Jh., nachdem sich neben der Alchimie eine empirisch naturwissenschaftliche Richtung als Frühform der modernen Chemie (—* Chemie) zu entwickeln begann, konnotiert mit „mysteriös, mystisch, unheimlich" und abwertend gebraucht für 'Goldmacherkunst, schwarze Kunst, Hexerei, Quacksalberei, Hokuspokus, Scharlatanerie' (—»· Scharlatan); dafür im 16.717. Jh. verballhornend die Form Altkumistika (eventuell auch Alckumistika zu lesen) für 'Kunst, aus (Kuh-)Mist Gold herzustellen'. Seit dem 19.720. Jh. häufig übertragen gebraucht in bezug auf Methoden und Verfahren namentlich der Wissenschaften, die dem Laien mysteriös bzw. banal (als „fauler Zauber") erscheinen, oder überhaupt auf seltsame, unerklärliche, mysteriöse Veränderungen bezogen (Läuterung, geistige, seelische Verwandlung); in neuester Zeit im Zusammenhang mit der Welle esoterischer Literatur eine Art Renaissance der Alchimie. Dazu seit früherem 16. Jh. die heute veraltete adj. Ableitung alchimisch, auch alchemisch, 'nach Art, mit den Mitteln der Alchimie', auch übertragen gebraucht. Ebenfalls schon seit dem Spätmhd. das aus gleichbed. mlat. alchimista, frz. alchimiste, alkemiste übernommene Subst. Alchimist M. (-en; -en), auch Alchemist, mit Schreibvarianten wie Alchumist, Alchamist (vgl. span, alquemista, engl. alchemist, franz. alchimiste, ital. alchimista), vereinzelt auch Alchameyer, in der Bed. 'jmd., der sich mit der Alchimie beschäftigt, in die Alchimie Eingeweihter, Adept' bzw. im Zusammenhang mit der Abwertung der Alchimie (s. o.) zunehmend auch für 'Goldmacher, Schwarzkünstler, Zauberer, Quacksalber, Scharlatan', in Zss. wie Alchimistentiegel 'Gefäß zur Umwandlung, Transmutation der Stoffe', Alchimistenlehrbuch und seit Anfang 20. Jh. bes. die Zs. Alchimistenküche 'Arbeitsplatz des Alchimisten, Labor(atorium)', häufig übertragen verwendet und auf solche Orte bezogen, an denen mysteriöse, unerklärliche Prozeduren vorgenommen werden, auch im Sinne von 'Hexenküche'. Seit Mitte 16. Jh. die seltene subst. Ableitung Alchimisterei F. (-, selten -en), meist negativ wertend und ironisch gebraucht für 'Treiben der Alchimisten, alchimistisches Dilettieren', verballhornend dafür im
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Alchimie
17. Jh. auch Alkumisterei 'Versuch, aus (Kuh-)Mist Gold herzustellen'; seit früherem 16. Jh. die adj. Ableitung alchimistisch, auch alchemistisch, in der Bed. c mit den Mitteln der Alchimie produziert, künstlich erzeugt' (alchimistisches Gold) sowie c die Alchimie betreffend, in der Weise der Alchimie, der Alchimisten', und im 16. Jh. vereinzelt die trans. Verben alchimizieren und alchimeien 'Stoffe (vor allem Metalle) umwandeln, transmutieren'. Alchimie: Etzenbach 1271—86 Alexander 908 von der alchimeien vil/ si [Bürger der Stadt] haben guotes unde richeit,/ von der astronomien wisheit (DWB N.); um 1375 Mügeln 569 die zende alchimia hiess (MÖLLER); um 1400 Ackermann 32 Alchimia mit der metalle seltsamer verwandelung; 1453 H. v. Sachsenh. Z. 4396 Ain kunst die haisset alchimy/ Du bringet golt und ouch lasur; Beheim 1462 Buch v. d. Wienern 2 ich het wol darffst der alchamei/ daz ich het kupfer und plei/ golt und silber gewerket/ und daz metal gesterket; M. v. Kemnat 1470-75 Chronik 118 die natürlichen meister der alchamei; Brant 1494 Narrenschiff 97 Man spüert wol jn der alchemy/ Vnd jnn des wynes artzeny/ Was falsch, vnd bschiss vff erden sy; Paracelsus 1528 S. W. / 6,421 da suchten ir noch subtiler werk und tratten in die alchimei, waren als geschickt darin als ein esel auf einer sackpfeifen; Schwarzenberg 1535 Teutsch Cicero 120b Dj entlich kunst der Alchamei/ Jst Stelen liegen triegung./ Vnd allweg fält es ümb ein har/ Diweil du legest silber dar; Paracelsus 1536 Wundartzney I 12b ich rüm die kunst Alchimia, dann sie gibt die haymlichayt der Artzney/ vnd gibt hylff inn allen verzweyfleten kranckhayten; Joh. Clajus 1586 (zit. nach Meyer 1884 Aberglaube 45) Altkumistika, das ist: die Kunst, aus Mist durch seine Wirkung Gold zu machen; Fioravanti 1604 Krön d. Artzney 379 DJe Alchimy vber die metallische Cörper ist anders nichts/ als daß ein Metall für das ander angesehen vnd gehalten wirdt; Ammann 1630 Reise ins Hl. Land 35 die edle Kunst Alchimiam und Philosophiam; Glauber 1653 Mirac. Mundi 9 die Thür zur wahren Medicin und Alchymei; Sperander 1727 A la mod Sprach 24 Alchymie, wird offt in einer weitern Bedeutung/ vor die Chymiam oder Scheide-Kunst genommen/ in einem genauem Verstande aber heisset es die Kunst die Metallen zu verwandeln .. mit einem Wort Gold zu machen; Muratori 1772 Krit. Abhandlung 175 die Bosheit jener Betrüger, welche die sonst edle und sehr nützliche Chymie oder Schmelzkunst in Miscredit gesetzt, und noch in ihrem Haupttheile , den wir Alchymie nennen, heruntersetzen; Semler 1781 Lebensbeschr. I 68 Ich hatte sogar schon historische Kenntnisse von so genannter Alchymie, oder Verwandlung schlechter Metalle in Gold; Vulpius 1788 Glossar 13 Alchimie, ist eine Wissenschaft der Finanzminister [nämlich aus Nichts Geld zu
machen]; Goethe um 1790 Naturwiss. Sehr. (WA II 5,261) Er [Verulam] kommt in eine noch halb dunkle Zeit, wo die Medizin, die Alchimie, die Magie, selbst die Technik sich noch gern ins Geheimniß hüllt; Bucher 1855 Parlamentarismus 22f. ein Ereigniss der scholastischen Denkweise, . . der intellektuellen Alchymie, die das Größte zu leisten meint, wenn sie die lebendigen Dinge in die Retorte wirft und einige farblose Tropfen daraus destilliert; Höpfner 1866 Reformbestrebungen 18 Altkumistika des Clajus; Müller-Freienfels 1922 Psych. 47. . psychologische Alchimie, ein . . Hokuspokus; Tb. Mann 1924 Zauberberg (W. III 705) Alchimie, das ist also Goldmacherei, Stein der Weisen, Aurum potabile; 1928 Querschnitt 855 Mysteriöse Alchimie des Blutes! Konnte man sie verantwortlich machen für die Wirrnisse der Rassen und hinter der Rasse für die Leidenschaften, die diese Legierung, dieses finstre Werk in den Krypten der Haut bewirkt hatten; Benjamin 1935 Br. II 687 das konstruktive Moment bedeutet für dieses Buch, was für die Alchimie der Stein der Weisen bedeutet; Welt 27.1.1949 Auch Nylon ist ein Kind der modernen Alchimie; Th. Mann 1951 Erwählte (W. VII 234) Wie sehr bewundr' ich sie, deine heilige Alchimie, die des Fleisches Schmach und Leid läutert in die Geistigkeit; Klemm 1983 Technik 85 Die alte Alchimie hob er [Paracelsus] heraus aus der Enge bloßen Goldmachertums; Zeit 11.7.1986 die gängigen Schulbücher haben uns eingepaukt, daß zwischen Renaissance und Barock ein unüberbrückbarer Graben klaffe, der die neuen exakten und quantifizierenden Wissenschaften von den alten qualifizierenden trenne, von Alchimie, Hermetik, natürlicher und übernatürlicher Magie; 1991 Elle II 54 Alchimie ist eine mystische Form der frühen Naturwissenschaft, die nach dem „Stein des Weisen" suchte. alchimisch: Paracelsus 1529 S. W. l 7,90 (Überschr.) Die neunt impostur, die mich aus der quinta essentia und alchimeischen griffen wil überwinden; Erimetheus 1582 Pandora 263 Albertus Magnus spricht daz diß die best Alchymisch wirckung seye/ vnder allen Alchymischen wirckungen; Abele 1654 Gerichtshändel 259 die fürtrefflichkeit der alchymischen kunst (DWB N.); Wiegleb 1777 Alchemie 206 ein vortrefliches erläuterndes beyspil von den
Alchimie ersten alchemischen künstlern aus dem althertum, . . worauf doch unsere heutigen eingebildeten adepten die Wirklichkeit ihrer vorgeblichen kunst mit gründen (DWB N.); Goethe um 1790 Naturwiss. Sehr. (WA II 3,208) Wie diese [jungfräuliche Erde] zu finden, wie sie zu bearbeiten, dieses ist die ewige Ausführung alchymischer Schriften; ders. 1811 Dichtung u. Wahrh. (WA l 27,396) die unorganischen Wesen, mit denen ich mich mehr alchymisch als chymisch beschäftigte. Alchimist: Trimberg um 1300 Renner Z.16552 Wir vinden Judisten vnd alchimisten/ vnd andere kvnste vil böse kristen; Gereke 1466 Seifrits Alex. Z. 6503 sein weis archemysten/ die machten im mit listen/ ein hübsches gleseins vas (FRNHD. WB); 1515 Eulenspiegel 38f. der her fragt waz er künt . . dan er meint er wer ein artist vnd künt mit der archamy . . also fragt er ob er ein archamist wer; Pauli 1522 Schimpf 202f. Das Wasser die Alchameyer suchen, damit sie Gold machen nach ihrer Kunst; Paracelsus 1536 Wunderartzney II 2h Wie die Alchimisten inn die Artzney kommen sind, vnnd wie Alchimia zuerkennen gibt, mit zorn oder gut die schaden zu haylenn; Roi 1571 Diet. 288 Alchumist Ein verwandler der Metall/ der auß küpffer gold kan machen/ deren man wol vil findt/ die sich drumb annemen/ aber jr wenig dadurch zu reichthumb kommen; Fischart 1581 Dämonomania 141 den falschen Müntzern oder Alchymisten gefolgt; Albertinus 1615 Gusman v. Alfarche 393 Andere Archimisten vnnd Erznarren verzehren jhre zeit . . in erforschung deß wahren Philosophischen lapidis vnd der quinten ezzentz; Harsdörffer 1644 Gesprechspiele I 89 die Alchymisten oder gern Goldmacher; Kirchmaier 1698 Bergwerck 13 nach denen verständigen Alchymisten; Ettner 1719 Medicin. Maulaffe 281 Zuweilen finden sich unter ihnen [Medizinern] Alkumisten, wie sie sich nennen, die wollen ihre Artzeneyen in den Monden zurichten, und in der Sonne destilliren; Henrici 1727 Ged. 547 Man schreibt von Portugal, daß kürzlich viel Galeere von Alchymisten voll zur See gegangen wären; Gottsched 1752 Reinecke 242 .. Alchymisten . . Diese unterstehen sich, mit neuen und verborgenen Künsten, die Naturen der Dinge zu verwandeln; aus Bley, Silber, aus Kupfer Gold zu machen; und jagen der Quintessenz oder dem fünften Wesen auf dem Erdreiche und im Meere nach; Bretzner 1788 Leben III 403 Ich bin ein berühmter Adept, großer Chymist und noch größerer Alchymist; stamme in gerader Linie von dem berühmten Baron Böttcher ab, der das schönste, lauterste Gold machte und nebenher das Meißner Porzellan erfand; Hess 1796 Durchflüge d. Deutschland I 112 ein Einsiedler, Alchymist, Teufelsbanner; Goethe 1817 Br. (WA IV 28,90) Eine . . Alchy-
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misten Familie hält es [eine magische Handschrift] im Geheim seit mehreren Jahren für den größten Schatz; Latz 1869 Alchemie 14 Eine ganz besondere Weise, die Schwefelsäure zu bereiten, kommt erst bei dem abendländischen Alchemisten vor; Gutzkow 1875 Säkularbilder V 150 Die Alchymisten der neuen Zeit sind Watt, Fulton, Lavoisier, Wallaston, Liebig; Wassermann 1908 Hauser 45 Theorien, die mit der Seele des Menschen hantieren wie ein Alchimist mit dem Inhalt einer Retorte; Scholz 1924 Unkenbrenner 17 es gab Beispiele bedeutender Alchimisten, die in stiller, kleiner Zelle ihr Laboratorium eingerichtet hatten und, von den Konventsbrüdern umhegt, ihrer Forscherarbeit lebten; Heilborn 1929 Revolutionen l 286 Wohl lebt die Vergangenheit inmitten der Gegenwart der Stadt, aber in fortgeschrittenen Abenteuervisagen, in seßhaft angesiedeltem Alchimistenpack; Voss. Ztg. 21.8.1931 Dort haben nämlich die verschiedenen Fernseh-Firmen ihr Alchimisten-Quartier aufgeschlagen; NZ. (Basel) 7.5.1949 Im übrigen werden auf allen Gebieten die Messebesucher viel Neues vorfinden. Es wurde nicht nur gearbeitet in den Fabriken, auch in den „Alchimistenbuden" der Erfinder; Stuttgarter Ztg. 10.11.1959 Schon der erste Blick auf die zahlreichen bunten Ausstellungsstände läßt die Gäste erkennen, daß zwischen der Alchimistenküche von Anno dazumal und einem chemischen Laboratorium von heute eine kaum noch faßbare Entwicklungsspanne liegt; Hunke 1960 Erbe 133 Er war der nüchterne Wissenschaftler, der das mystische Brimborium der Alchemisten, die Goldmacherkunst, in den Tiegel warf und mit Hilfe des echten, methodisch veranstalteten Experiments die Chemie . . herausdestillierte; Hocke 1976 Tagebücher 337 Wie ein Alchimist experimentiert [der Kunstmaler] Beckmann in der Einsamkeit seines Ateliers; Sloterdijk 1985 Zauberbaum 37 die Alchimistenküche, in der gegen die Gesetze der Logik aus einem Nichts etwas wird; MM 15.8.1987 Seit jeher wandten Menschen — ob Alchimisten des Mittelalters oder Schamanen der Naturvölker — Zeit und Phantasie auf, um dem ehernen Schicksal von Tod und Altern einen Aufschub abzulisten; 1990 Elle X 73 (Hautcreme-Werbung) Wie mache ich aus einer Orange einen Pfirsich ? Es klingt wie der Titel eines verstaubten Lehrbuches für Alchimisten; 1991 Marie Ciaire II 100 (Bericht über Vorbereitung einer Modenschau) Eine Stunde später hält Kaiser Karl bereits in seinem Lagerfeld-Büro Hof: das Labor eines Mode-Alchimisten; 1991 Essen u. Trinken IV 45 Er [Cognacproduzent] ist Einkäufer, Kellermeister, Buchhalter und Alchimist in einem; 1992 Vogue deutsch IV 32 Nur Insider wissen, daß der moderne Modejournalismus aus New York kam. Sein Erfinder hieß Conde Nast, ein Alchimist, der die
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alert
Zauberformel fand, die, was vorher nichts als Information über Damenoberbekleidung war, in große Kunst verwandelte. Alchimisterei: Petrarca 1551 Zwei Trostb. 98a alchimisterey ist kein kunst, sonder ein lautere triegerey vnd liegerey (DWB N.); 2578 Nostitz 216 das die bufenstugke mit der zeit aller an tag kommen von seinem montzen und alchimisterey (FRNHD. WB); Albertinus 1615 Gusman v. Alfarche 431 weil ich obgehörter massen durch die Alchimisterey vnnd Alchimisten betrogen vnd verderbt war worden; Schupp 1657 Lehrreiche Sehr. 133 ich halt die leut für klug, welche sich gegeben auff die alkühmisterey und auß kühmist gold machen (DWB N.); Köhler 1710 Schles. Kernchr. I 247 woselbst er [Herzog Johann II.] sein leben mit der alchimisterey zugebracht und beschlossen anno 1504 (DWB N.); Rathenau 1912 Kritik d. Zeit 150 was kümmern uns die salben der Ägypter, . . die auspizien der Römer, die alchymistereien der scholasten (DWB N.); Süddtsch. Ztg. 2.1.1959 Jedermann weiß, daß viele Apotheker zaubern können. Bei aller Alchimisterei, Dosierungskunst, im Umgang mit den Tiegeln, Mörsern und Retorten ist auch Magie im Spiel. alchimistisch: Paracelsus 1537-38 S. W. / 12,98 dan was da firmamentisch ist, das leßt sich auf alchimistisch nicht tarctirn; Toxites 1574 Onomastica 5 Geschlagen Silber/ Werksilber/ Bruchsilber/ gemacht oder Alchimistisch Silber (Überschr.); Thurneisser 1583 Onomast. II 4 Distillate vel descender/ Jst ein Alchimistisch wort/ vnd bedeut die Krafft/ oder den Geruch eines dings vntersich treiben; Spangenberg 1613 Wie gewonnen 7 Ich will dir darneben/ Ein übergülte Ketten geben/ Diesselb ist lauter Messing zwar/ Doch mit Goldt überzogen gar./ Vnd übergültet mit fleiss:/ Vff rechte Alchimistisch weiss; Henisch 1616 Teutsche Sprach 40 Alchymistisch silber/ falsch silber; Becher 1682
Glücks-Hafen 3 Die Alchimistische Authores; Zimmermann 1785 Einsamkeit III 59 Obereit wartete immer in froher Hoffnung auf einen neuen alchymistischen Sonnenaufgang; Goethe 1809 Tagebücher (WA III 4,6) aus einem alchymistischen Buche; Lenau 1836 Faust 36 Seht nur, da liegen noch die Splitter/ Vom alchymistischen Apparat,/ Den er im Zorn zerschlug; Latz 1869 Alchemie 15 Alchemistisch, das ist weniger therapeutisch-alchemistisch als chemisch-alchemistisch; Leitner 1880 Novellen 209 unter den bestaubten Resten seiner alchymistischen Scharteken-Sammlung; Scholz 1924 Unkenbrenner 23 Da hatte die Verwandlung begonnen aus dem alchimistischen Träumer und verschlossenen Ehemann in den alten unsteten, heimatlosen Gesellen; Gebauer 1932 Kulturgesch. 233 Der Hang der Zeit zum Mystizismus begünstigte das dunkle Treiben der Geisterseher. Betrüger und betrogene Narren äfften die sensationslüsterne Menge . . in geheimen Sitzungen durch Geisterbeschwörungen, alchimistische Spielereien und anderen Humbug; Hunke 1960 Erbe 189 Sie alle blendete der alchimistische Glaube an die golderzeugende Kraft des Steins der Weisen; Zeit 17.5.1985 Vom Park führte eine Treppe hinunter in ein Gewölbe, zur Bibliothek des Philosophen (man könnte sich auch vorstellen: zu einer Folterkammer oder einem alchimistischen Laboratorium); MM 12.3.1987 Die Pyramide ist das alchimistische Symbol für die vier Elemente, sie gilt zugleich als Ort der Weisheit in den Geheimwissenschaften. alchimizieren: Fischart 1575 Gera 36 Alchimizirt vnd verschmidt. alchimeien: Begardi 1539 Index Sanitatis 20 Vermeynten auch darnach alßbald zu wissen vnd erlernen probieren/ . . wie die ertz zu scheyden weren etc. Darnach auß grossem fürwitz Hessen das Bergwerck ligen/ fiengen an zu Alchimeien/ liessen jnen allerley gattung von öfen auff setzen/ vnd was sie darzu bedorfften/ zurichten.
alert Adj., Anfang 17. Jh. unter Einfluß von gleichbed. frz. alerte entlehnt aus der ital. Interjektion all'erta 'Achtung! Hab acht!', eigentlich 'auf die Anhöhe (von der aus man Ausschau hält)!' (aus alia Präp. e zu, hin zu, nach' und erta 'Steigung, Anhöhe', zu ergere 'emporheben, aufrichten' < gleichbed. lat. engere), anfangs in der ital., dann auch in der frz. Form und in Schreibungen wie allert, allart, alard; —* Alarm. Zunächst nur im militärischen Bereich in bezug auf Soldaten für 'in (Alarm-, Abmarsch-, Gefechtsbereitschaft, auf dem Posten, bereit, aufmerksam, wachsam'; seit spätem 17. Jh. auch allgemein verwendet, bes. bildungsspr., häufig auch mundartlich (s. Belege 1700, 1876, 1918); im 17. Jh. selten für 'wach, auf (sein)' (s. Beleg 1672), seit Anfang 18. Jh. in der heute dominanten Bed. 'geistig wach (sein), rege,
Algebra
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aufgeweckt, auf dem Quivive, gewitzt, (gesund und) munter, lebhaft, quicklebendig, jugendlich beschwingt, eifrig, beweglich, wendig, flexibel, flink, smart' (—» agil, —»· vital), bes. in Wendungen wie ein alerter Jungmanager, eine Sache alert in Angriff nehmen. um 1600 (Brandts, Landeshauptleute 438) darüber herr von Völs die beuelch, sich all'erta zu halten ausgefertigt (DWB N.); 1631 Magdeburg A 3v allen gemacht werden (JONES); Chemnitz 1653 Schwed. Krieg H 392 nachdem er . . des Feindes gantze Armee alert gemachet; Grimmeishausen 1672 Vogelnest (III 369) wann etwan jemand im Haus wider ihr [der Diebe] Verhoffen alert würde; Riemer 1684 Polit. Passagier 165 in Frantzösischen Diensten, wo der Soldat immer müsse allart seyn und zu Felde gehen; um 1700 (ZFDW Vlll 201) he is des morgens goot tydig allord (DWB N.); Wächtler 1709 Manual 33 Alert, frisch, hurtig, munter, z. E. man muß hierinn alert seyn; Stranitzky 1711 Ollapatrida 56 Die brünetten [Mädchen] aber sind frisch, allart, und hitzig; Podagra 1721 Apothekertod 42 Recipe edlen Thee, der wird dich alart erhalten; Sperander 1727 A la mod Sprach 25 Alerte, geschwind/ hurtig und rüstig; 1743 Reglement Preuss. Cav. 71 Die Officiers und unter-Officiers müssen allezeit alerte auf ihren Wachten seyn; Küster 1792 Lehensrettungen Friedrichs 11 Der Monarch befahl indess, dass die Armee wieder allart seyn sollte, sich auf den ersten Wink in Schlachtordnung zu stellen; Goethe 1821 Wander jähre (WA l 25.1,202) Gar schnell bemerkte ich . . die allgemeine Verwunderung, mich so alert und das Haus zu ihrem Empfang so bereit zu finden; Raabe 1864 Hungerpastor 205 bis auf einmal alles [Soldatenkameraden] auffährt und
alert in die Höhe springt; Reich 1876 Hier 190 seid doch au e Bisle lustig und alert!; Th. Mann 1898 Erz. (W. Vlll 145) das alert mit dem Schwänze wedelnde Hündchen; Raithel 1909 Annamaig 45 Wenn sie [Bäuerin] nicht gesund ist und wief und alert und gefreudig; Rose 1918 Mutterhof 45 Ne fröhliche, alerte Familie ist das, ni wohr?; Bamm 1956 Ex ovo 39 Auf der einen Seite klettern die mit allen Gebresten dieser Erde Behafteten mühsam in das zauberkräftige Wasser, auf der anderen Seite kommen sie verjüngt und alerten Schrittes wieder heraus; Süddtsch. Ztg. 17.2.1959 Im grauen Zweireiher . . spielt der 51jährige Hubert Vergossen auch vor Gericht noch den alerten Behördenchef; Welt 20.12.1974 Biedenkopf gar, dieser alerte Liebling des Zeitgeistes, rafft sich zu einer Rechtfertigung auf; Hildesheimer 1977 Mozart 39 Man könnte sich vorstellen, daß für ein Kind . . solche Abende, an denen seine dauernde alerte Präsenz gefordert wurde, Anlaß zu manchem Trauma gewesen wäre; Zeit 16.8.1985 Nach einer Weile erscheint der Doktor, jung und alert; ebd. 18.10.1985 jeder alerte Havard-Typ in fashionabler Kleidung; ebd. IB. 7.1986 Was anderswo bemüht, gelehrt, teutonisch-tiefsinnig wirkt, . . das nimmt sich bei Koeppen biegsam, alert und blitzend aus; MM 14.2.1991 [in] den Gesprächen zwischen der Richterin und dem alerten Rechtsreferendar; Ortheil 1992 Agenten 61 ein schlanker, alerter Boy, der sich außerdem noch zu behaupten wußte.
Algebra F. (-; ohne PL), im späteren 15. Jh. entlehnt aus gleichbed. mlat. algebra (zurückgehend auf gleichbed. arab. al-gabr, eigentlich 'Wiederherstellung, Einrenkung getrennter, gebrochener Teile', im mathematischen Sinne die Umwandlung eines negativen Wertes in einen positiven dadurch, daß er auf die andere Seite einer Gleichung gebracht wird, so enthalten in dem Titel „ilm al-gabr wa 1-muqabala", d. h. 'Wissenschaft von den Wiederherstellungen und von den Vergleichungen', eines von dem pers.-arab. Mathematiker Al-Hwarizmi um 825 verfaßten Werkes), bis ins 18. Jh. auch in der lat. (flekt.) Form und bis ins 19./frühere 20. Jh. in den (z. T. frz. beeinflußten) Nebenformen Algebre, Algobre, Algeber. Als Fachausdruck der Mathematik in der Bed. 'Lehre von den mathematischen Gleichungen, Buchstabenrechnung', gelegentlich übertragen verwendet (s. Belege 1789, 1875, 1892, 1985), im 20. Jh. vereinzelt für 'Lehrbuch der Algebra'(s. Beleg 1909). Dazu vom 16. bis ins 20. Jh. die subst. Ableitung Algebr(a)ist M.(-en; -en) 'jmd., der sich mit Algebra beschäftigt', gleichbed. mit dem erst seit späterem 19. Jh. nach-
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Algebra
gewiesenen Subst. Algebraiker M.(-s; -); seit etwa 1600 die adj. Ableitung algebraisch (ohne Steigerung) 'in die Algebra gehörend, sie betreffend', in Wendungen wie algebraische Formeln, Gleichungen und bes. algebraische Struktur 'eine Menge von Elementen (Rechenobjekten) mit den zwischen ihnen definierten Verknüpfungen', selten auch übertragen verwendet (s. Belege 1769, 1928). Algebra: 1461 (1871 Monatsber. Preuss. Akad. d. Wiss. 142) Machmet in dem puech algebra un almalcobula hat gepruchet disc wort census, radix, numerus; Widmann 1489 Rechenung die Regel Algobre ader Gosse genant (SCHIRMER, Mathematik); Holtzmann 1562 Euclides 119 inn der sinnreichen regel algebre oder coß; Helmreich 1588 Rechenbuch Vorr. blb die Regula Coss oder Algebra, Regula Detri und Welsche Practika; Albertinus 1615 Gustnan v. Alfarche 172 Die Arithmetic! vertief fen sich in jhrer algebra dermassen/ daß der Compaß jhres verstandts allerdings verruckt wirdt; Schwenter 1636 Delitiae phys.-mathem. 26 die edle Algebra . . ausser solcher aber durch gemeines Rechnen den Grund zu finden ist das vornembste, daß man wisse, warumb man mit 9 müsse dividirn; Leibniz 1696 Unvorgreifl. Gedanken 329 Es haben die Wiss-Künstler (wie man die so mit der Mathematik beschäfftiget, nach der Holländer Beyspiel gar füglich nennen kan) eine Erfindung der Zeichen-Kunst, davon die so genandte Algebra nur ein Theil; Thomasius 1701 Kl. Sehr. 486 Es ist . . an dem/ daß viele von denen gelehrtesten Ingeniis unsere Zeit viel Wesens von denen Wissenschafften erster Gattung / absonderlich aber von der fast zu dem höchsten Grad gebrachten Algebra machen; Kirsch 1718 Cornvcopiae 17b algebre art der arithmetique; Crusius 1722 Porträt aller Wiss. 70 Die Algebra eine besondre Rechen-Kunst, durch welche alle und jede Aufgaben in der Mathematik, wenn sie auflösslich sind, aufgelöset werden; Fleming 1726 Soldat 17 die Algebram oder die Kunst mit Buchstaben zu rechnen; Philippi 1743 Witz u. Geschmack 253 Die Algebra ist die Wissenschaft aller Verhältnisse und Größen gegen einander, bis sie ins Unendliche laufen; Kant 1781 Kritik ä. reinen Vernunft (Ges. Sehr, l 3,734) das Verfaren der Algeber mit ihren Gleichungen; Abel 1786 Seelenlehre 184 Einen neuen Vortheil giebt die oft dadurch gemachte Abkürzung, durch deren Hülfe wir das Ganze leichter überschauen wie z. E. in der Algebra; Herder 1789 Urspr. d. Spr. (S. W. V 104) So wird der Eine Mensch für die Gesellschaft gleichsam ganz Algebra, ganz Vernunft; Heynatz 1797 Antibarbarus 11 659 die Zeichenrechnung für Algebra ist eben so wenig passend als Buchstabenrechnung; Poppe 1837 Erfindungen 403 Bald nach Lukas Zeiten wurde die Algebra oft Regel de Cos genannt, weil Cosa so viel als unbekannte Größe heißt, die man nämlich durch die Gleichung finden
will; Lenormant 1875 Anf. d. Kultur l 227 die vergleichende Philologie, die man sehr bezeichnend die Algebra der Geschichtswissenschaften nannte; Kleinpaul 1892 Sprache 509 Unsere Rede ist, von einem gewissen Punkte ab, eine Algebra, einzig und allein für die Entwicklungsgeschichte des menschlichen Denkens interessant; Th. Mann 1909 Hoheit (W. // 203) Imma Spölmann schob zornig den heiseren Unteroffizier beiseite, ging ganz allein, ihre Algebra unterm Arm, durch die Gasse der großen, blonden Grenadiere; 1923 Bausteine 166 durch die gesamte Mathematik hindurch, durch Geometrie, Algebra und Analysis; Th. Mann 1947 Faustus (W. VI 66) er hatte erhitzte Wangen, wie er sie bei Schulaufgaben niemals, auch bei der Algebra nicht bekam; FAZ 3.4.1971 Mengenalgebra auf Tonkassette mit Begleittext ist für den Stoff der Mittelstufe zugeschnitten; Zeit 5.4.1985 diese juristische Algebra hat etwas so Lächerliches und Monströses, daß ich sie nicht einmal mit den Taten eines KZ-Verbrechers in Beziehung setzen könnte; ebd. 9.8.1985 natürlich bemüht er sich ganz sachlich, den Leser für seine Gedanken über den Unterricht von Knaben in der höheren Algebra zu interessieren; ebd. 17.4.1987 in dem Band „Algebra der Geheimnisse" . . hat Lind die Vita . . des „vervielfachten Dichters" nachgezeichnet. Algebraiker: Marx/Engels 1870 Kapital (MEW XXIV 286) So sattelfest Marx [nach Meinung von Engels] als Algebraiker war, so ungeläufig blieb ihm das Rechnen mit Zahlen; Müller 1900 Math. Vok. 138 Algebraiker .. Algebriste (SCHIRMER, Mathematik); Königsberger 1919 Leben 73 Gordan, den wir zu unsern bedeutendsten Algebraikern zählten; Königsdorf 1978 Träume 18 man hatte der Universität . . einen habilitierten Algebraiker zum Tausch bieten müssen. algebraisch: Schey 1600 Arithmetica 182 den hohen Sinnreichischen Coßsischen oder Algebreischen Regulis (SCHIRMER, Mathematik); Faulhaber 1613 Magica C4a dergestalt außrechnen/daß die Algebraische Aquation . . Reguliert gefunden; Keyher 1619 Euklid (Titelbl.) mit Algebraischen .. Zeichen (SCHIRMER, Mathematik); Philippi 1743 Witz u. Geschmack 253 Man . . erfordert gar subtile Köpfe, die algebraischen Ausrechnungen zu verstehen; Herder 1769 S. W. IV 132 denen, die
alias nicht die Energie des Hauptworts [„Sinn"] wissen, ist sie eine algebraische Wortformel, die sie nicht verstehen; Goethe 1790 Metamorphose (WA II 6, 79) nur wird freilich . . erfordert, daß man mit jenen oben festgestellten Begriffen der Ausdehnung und Zusammenziehung . . wie mit Algebraischen Formeln bequem zu operiren, und sie da, wo sie hingehören, anzuwenden wisse; Lichtenberg 1791 Aphorismen IV 98 es giebt so genannte Mathematiker, die .. das Volck mit algebraischem Geschwätz . . hintergehen; 1843 Brockhaus l 227 Algebraische Gleichung ist eine solche Gleichung, die keine sogenannten transcendenten Größen . . enthält; Hartmann 1869 Philosophie 22 Darum weist er den Seitenblick . . zurück, und verbietet, aus positiven und negativen 's eine algebraische Summe zu ziehen; Engels 1873—83 Dialektik d. Natur (MEW XX 435) aus der algebraischen Summe dieser Spannungen soll sich dann die elektromotorische Kraft des Elements zusammensetzen; Th. Mann 1924 Zauberberg (W. Hl 875) er bedeckte Unmassen von Papier mit Figuren, Buchstaben, Zahlen, algebraischen Symbolen; Brod 1928 Zauberreich 175 Musil seine Gewissenhaftigkeit hatte nichts Algebraisches, war nicht vernünftiger Bodensatz einer Liebe; Musil 1930 Mann l 214 Es war darin von algebraischen Reihen die Rede und von Benzolringen; Zeit 28.12.1984 arithmetische und algebraische Berechnungen sind ihrem Wesen nach
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bestimmt; ebd. immerhin basieren auf ihr viele Methoden für das Lösen algebraischer Gleichungen. Algebr(a)ist: Erhart v. Ellenbogen 1537 Buchhalten Hla die Practici, welche Algebristen oder Cossisten genant wollen werden (SCHIRMER, Mathematik); Meier 1748 Anfangsgründe I 29 Ein Frauenzimmer ist, Vergleichungsweise zu reden, nirgends sicherer für aller Gefahr, als wenn es mit einem Algebraisten und Metaphysicus umgeht; Möser 1761 Harlequin IX 75 nach der Rechnung einiger Algebraisten; Lichtenberg 1766 Aphorismen l 30 Der Krämer der etwas abwiegt schafft so gut die unbekannten Größen auf die eine Seite und die bekanten auf die andere als der Algebraist; 1772 Frankf. gel. Anz. 206 ein Journal . ., welches eine gute Portion monatliches Futter, für alle lesende und redende Geschöpfe, vom Zeitungspolitiker an, bis zum Algebraisten, aus allen Theilen der Welt zusammen trägt; A. v. Humboldt 1845 Kosmos II 217 Der arithmetische Algebrist Diophantus (SANDERS 1871); Bense 1939 Math. 43 die ersten Algebraisten nannten noch die negativen Wurzeln der Gleichungen falsche Wurzeln; 1966 Brockhaus I 323 algebraische Kurve, eine im allg. gekrümmte ebene Kurve (Kreis, Parabel) mit speziellen algebraischen Eigenschaften.
alias Adv., im früheren 15. Jh. entlehnt aus lat. alias 'ein anderes Mal, in eine andere Richtung, in einer anderen Situation, sonst, außerdem' (zu alius 'ein anderer * Alibi). In der Bed. 'auch mit . . benannt, anders, außerdem, früher, eigentlich genannt, identisch mit, wohinter sich eigentlich . . verbirgt', überwiegend in bezug auf Personen- (z. B. Künstler-, Bei-, Spitz- oder Deck-)Namen oder -Bezeichnungen, z. B. Trinkgelder-Hyänen alias Kellner, Sympathisant alias Deutschenfeind alias Volksverräter, in neuester Zeit auch in bezug auf geographische, ethnologische Namen u. ä. (s. Belege 1985, 1986), selten in bezug auf Bezeichnungen für Institutionen, Sachen und Sachverhalte u. a., z. B. Volksbüros alias diplomatische Vertretungen, eine Schuhsohle alias Steak; häufig in amtlicher Funktion (s. Beleg 1934); im Bereich von Theater und Film für 'dargestellt, verkörpert von Im 20. Jh. selten das Subst. alias M. (-; -se) als Bezeichnung für Personen oder Gegenstände, die eine andere als die augenscheinliche Identität haben, eigentlich etwas anderes sind. alias Adv.: 1440 (Wrede, Altköln. Sprachschatz 94a) Johanni Zobbe alias Gryper; 1475 Man. Habburg i 2,78 Item drew tausent tierspiess (alias sweinspiess); Schöpper 1550 Synonyma 45 Alias; 1566 (Wrede, Altköln. Sprachschatz 94a) des convents zur bussen alias poenitentia; 1626 (Wrede, Altköln. Sprachschatz 94a) die verhaffte Lysbeth
von Colln alias die Klocken Lysbeth genandt; 1646 (Wrede, Altköln. Sprachschatz 94a) Johan von Welstein alias der Katz gnandt; Goltz 1847 Buch d. Kindheit 398 Somit ward ich denn wieder einem alten Hausdiener der Madame Bannewitz, alias Gerlein, übergeben; Dincklage 1870 Gesch. I 5 „Wie war's denn ?" erkundigte sich eine ruhige
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Stimme, die bis jetzt geschwiegen hatte und „dem Schildknappen" alias Veit Rosendanz angehörte; Lindenberg 1893 Berlin 14 die Trinkgelder=Hyänen, alias Kellner schleichen in ihren Fracks . . wie schemenhafte Gestalten umher; Böhme 1905 Tagebuch 63 Das merkte der Herr V. v.V., alias Liesmann, wohl; Mehring 1927 Paris 152 Antoinette verfaßte daher ein pathetisches Flugblatt gegen: Louis Gorin alias M. de Saint Amour, weiland Rector der Universität Paris, Verfasser des berüchtigten „Journal", alias Lügenpeter und Beutelschneider; Lokal-Anz. 22.9.1934 Der in Verbindung mit der Entführung und der Ermordung des Lindenbergh-Kindes verhaftete Hauptmann alias Pellmeyer schweigt noch immer; ND 19.1.1949 Im Laufe der Unterhaltung hat Biel alias Bielschowsky Swolinzky wiederum mehrere Bündel Banknoten übergeben; Welt 22.2.1954 Die Kölner Polizei teilte mit, daß sie die Akten über die Untersuchung im Falle John Donald Milner alias Chesney alias Merret der Staatsanwaltschaft in Köln übergeben habe; Pinkwart 1963 Mord 169 Sie, Melzow alias Schneider, waren nicht in Niederleschen, sondern in Altöls beschäftigt; Spiegel 3.10.1977 Unter dem Stichwort Sympathisant alias Deutschenfeind alias Volksverräter alias vaterlandsloser Geselle gedeiht wieder einmal deutscher Aberwitz, wie er im Geschichtsbuch steht; Zeit 3.6.1983 Alias Adolf (Überschr.) Nun hat er gestanden, der famose Konrad Kujau, alias Dr. Fischer, alias Adolf Hitler; ebd. 26.7.1985 das „Hamburger Steak", alias Tartar; MM 27.8.1985
Eile war für die GBW alias Fachvermittlung geboten; Zeit 4.10.1985 Soldaten hat der Rhein zu genüge gesehen, Alemannen, Vandalen, Burgunder (alias Nibelungen), Hunnen, Spanier, Schweden, Franzosen, Deutsche; ebd. 2.5.1986 Im BKA war Haupt zuvor V-Mann-Führer des mysteriösen Privatdetektivs Werner Mauss alias „Claude"; MM 13.5.1986 So leitete die Pariser Jakobinerherrschaft den Sklavenaufstand, den Untergang der weißen Siedler und die Konfrontation zwischen Negern und Mulatten auf Saint-Domingue alias Haiti zur gleichen Zeit ein; ebd. 3.6.1983 die „Volksbüros" alias diplomatische Vertretungen; Fruttero 1986 Palio (Übers.) 143 nur daß sie dann zwei Minuten später zu einem anderen überging: zu Guidobaldo, alias dem Mann ihres Schicksals, alias ihrem Märchenprinzen, alias O' solo mio; Zeit 13.2.1987 Ponographie alias Maulhurerei; MM 25.2.1988 Karl-Gerhard Froeber alias Gert Froebe wurde 1913 in Planitz bei Zwickau als Sohn eines Seilermeisters geboren; ebd. 2.3.1992 Mit seinem leicht debilen Partner Emmanuel Ravelli alias Chico Marx . . stürzt er sich in den Kampf gegen stockschwingende Ordnungshüter. alias Subst.: Fruttero 1986 Palio (Übers.) 137 Hier dagegen war alles Glatte verschwunden, die Villa . . war doppelbödig, ein alias wie alles in Siena; Ortheil 1987 Schwerenöter 228 Ein alias - das ist so eine Art Hochstapler, einer, der nur vorgibt, das zu sein, was er ist; ein alias ist ein Betrüger,. . auch wir sind jetzt aliasse, Menschen, über die man am besten hinwegsieht.
Alibi N. (-(s); -s), im späten 18. Jh. entlehnt aus gleichbed. frz. alibi (subst. Bildung zu lat. Adv. alibi 'anderswo, an einem anderen Ort', zusammengesetzt aus dem Stamm des Pronominaladj. alius 'ein anderer' und ibi 'da, dort'). a In der juristischen Fachsprache in der Bed. 'Abwesenheit vom Tatort zur Tatzeit', z. B. sein Alibi beweisen, nachweisen, in speziellerem Sinne für 'Beweis, Nachweis eines Tatverdächtigen, daß er sich zur Tatzeit anderswo als am Tatort befand, Unschuldsbeweis', bes. in den Wendungen ein/kein Alibi haben, jmdm. oder sich ein lückenloses, glaubhaftes, gutes, sicheres Alibi verschaffen, ein einwandfreies, hiebund stichfestes Alibi erbringen, haben und als Bestimmungswort in den Zss. Alibizeuge, -Überprüfung, -beweis 'Unschuldsbeweis auf Grund eines Alibis'. b Seit frühem 20. Jh. auch übertragen verwendet im Sinne von 'Ausrede, Vorwand, Entschuldigung, Rechtfertigung', bes. in Wendungen wie ein moralisches Alibi für etwas finden und als Bestimmungswort Alibi-, das in subst. Bildungen zum Ausdruck bringt, daß jmd. oder etwas nur als Alibi, als Ausrede dient und keine wirkliche Funktion oder Bedeutung hat, z. B. Alibibeitrag, -Charakter und bes. Alibifrau 'Frau, der vom Arbeitgeber, einem Gremium o. ä. eine höhere, gewöhnlich Männern vorbehaltene Position oder Funktion vor allem deshalb eingeräumt wird, um den Verdacht der Frauenfeindlichkeit zu vermeiden und zu beweisen, daß man sich für
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Chancengleichheit einsetzt' (s. Belege 1984, 1987) und Alibifunktion 'jmdm. oder einer Sache zugeteilte Funktion, die nur den Zweck hat, einen offenkundigen Mißstand zu verschleiern oder von ihm abzulenken'. Alibi a: Musäus 1781 Physiognom. Reisen IV 253 dieses närrische alibi; Meister 1783 Blätter 75 Dieses kann der Zustand des geschwächten Mädchens, besonders auch beym Angeklagten die Unerweislichkeit des Alibi zeigen; Schlözer 1785 Staats-Anzeiger VII 221 Beweise über ein falsches alibi; Pfister 1814 Criminalfälle I 93 indem er, weil er in der fraglichen Nacht zu Hause war, der That nicht verdächtig war, also nicht nöthig gehabt hätte, ein Alibi zu behaupten; Krause 1820 Briefw. II 547 wenn man auch hinsichts mehrer Personen, die angeblich dort unterschrieben stehen, ein Alibi nachweisen könnte; Görres 1829 Dramaturg. Blätter II 372 so lange mag das Talent des Verfassers die Ausflucht des Alibi für sich geltend machen; 1835 Europa 1158 Dieß Alibi wird stark in Zweifel gezogen; Raumer 1839 Bilder a. Paris I 21 Der Beweis meines Alibi's kam aber leider zu spät; Rochlitz 1846 Gauner 16 um das Alibi nachzuweisen; Halm 1856 Marzipanliese IV 295 ein Alibi standhältig nachweisen; Faucher 1877 Culturbilder 385 so wird, wenn auf dem Lande etwas vorfällt, durch deren Londoner Alibi der Kreis derjenigen, die verdächtig bleiben, . . schon beträchtlich kleiner; 1886 Verbrecherwelt 13 daß seine Alibibeweise [vor Gericht] gänzlich mißlangen; Sudermann 1905 Stein 62 Ja sehn Sie mal, was'n wirklich reeller Aal-ibi is — der kost't nich unter fünfzig Mark; Halbe 1906 Insel 154 er kann sich ein Alibi schaffen; Sudermann 1917 Gesch. 84 ein leidliches Alibi beibringen; Werfet 1928 Abituriententag 269 ein lükkenloses Alibi; Voss. Ztg. 3.8.1931 leugnete er die Tat entschieden, verwickelte sich aber bei der Angabe seines Alibis stark in Widersprüche und konnte die gegen ihn vorliegenden Indizien nicht entkräften; Lokal-Anz. 25.10.1934 Bezahlter Alibibeweis für Hauptmann. Falsche Angaben des Entlastungszeugen (Überschr.J; Süddtsch. Ztg. 22.l 23. 4.1950 konnten . . unschuldig in Verdacht Geratene durch Vorweisen des Hotelscheines ihr Alibi nachweisen; Zuckmayer 1959 Fastnachtsbeichte 104 haben Sie für den Zeitpunkt der Tat [eines Mordes] kein Alibi; FAZ 5.11.1964 Alibi heißt lateinisch anderswo. Wer verdächtigt ist, verschafft sich also ein Alibi, um zu beweisen, daß er „anderswo" war; ebd. 29.7.1970 Vor allem dessen Alibi — zur Tatzeit daheim gewesen zu sein — hält Schmitt für wenig glaubhaft, anders als das Alibi, das die Eltern Wenzels für ihren Sohn zu geben wußten; Zeit 24. 5.1985 hatte keiner der drei angeklagten Bulgaren auch nur für ein brauchbares Alibi vorgesorgt; ebd. 10.4.1987 wissen die Ver-
nehmer, daß Gensmer beim Zahnarzt und beim Friseur, also den beiden Alibizeugen, gewesen ist; ebd. die Mordkommission entschloß sich . . sofort zu einer sogenannten „Alibi-Überprüfung" bei allen auffällig gewordenen oder vorbestraften Sexualtätern; MM 18. 5.1987 „die Schwarze Witwe" in Bob Rafelsons . . Film . . hat immer ein hiebund stichfestes Alibi; Spiegel 30.11.1992 Daß der Todeszeitpunkt ausgerechnet in der kurzen Zeitspanne lag, für die beide Brüder kein Alibi haben. Alibi b: Erzberger 1918 Völkerbund 43 um ihnen in den Augen der Kulturwelt . . ein moralisches Alibi für einen . . Krieg zu verschaffen; Voss. Ztg. 31.3.1932 Dokument auf Dokument kam ans Licht. Poincares Kriegsschuldthese und Alibi gefährdend. Jetzt begann sein Kampf mit den Dokumenten, — ein strategischer Rückzug vor der Wahrheit, den man an der Gerichtsschranke, nicht in historischen Seminaren lehrt; Münch. N.N. 8. 5.1941 Washington versuche ein Alibi zu finden, um seinen Angriffsgelüsten freien Lauf zu lassen; Schwab. Landesztg. 12.7.1946 Er [Nationalsozialismus] hat sich . . das Alibi der Legalität verschafft; Th. Mann 1946 Reden u. Aufs. (W. XII 725) Pazifimus, mit dem das moralische Alibi für den „heiligen Notfall" vorbereitet wird; Stuttgarter Ztg. 26.1.1959 Der Segen des Wirtschaftsministertiums wurde . . zuweilen auch zum willkommenen Alibi ratloser, weil nicht sachkundiger Stadtväter, die sich . . mit einem Hinweis auf die Meinung allerhöchster Stellen aus der Affäre ziehen konnten; Böll 1966 Vorlesungen 18 ein wissenschaftliches Alibi suchen, was ihnen nicht zukommt; Flechtheim 1970 Futurologie o. S. die Zukunft dient uns als eine Art „Alibi" — die brennendsten Fragen der Gegenwart werden zu Zukunftsproblemen gestempelt; FAZ 28. 7.1971 warnte der DVRPräsident vor dem „Alibi-Charakter" solcher staatlicher Reglementierungen; ebd. 13.10.1971 die Bremer Liberalen sollten sich zu schade sein, eine solche Alibifunktion zu übernehmen; Welt 13.2.1974 der Soziologieprofessor .. nennt den Bildungsurlaub ein gefährliches Alibi für die Trägheit vieler; Sloterdijk 1983 Kritik 20 es gibt eine Allgemeinheit von „Wahrheit", die ein Alibi der Verständnislosigkeit ist; Zeit 28.12.1984 Machterhaltungsstrukturen, die . . für uns als Frauen nur kleine Nischen lassen: als Proporzfrau, als Alibifrauen und manchmal als . . schmückendes Beiwerk; ebd. 8.11.1985 war der Großversuch lediglich eine kostspielige, publicityträchtige Alibiver-
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anstaltung; MM 27.11.1985 daß die Zahl der von harten Drogen abhängigen Personen nicht zuzunehmen scheint, dürfe . . nicht als Alibi benutzt werden, um vom Problem abzulenken; ebd. 28.12.1985 angeblich, so Marktteilnehmer in Frankfurt, hat das jetzige Zeichnungsangebot nur noch eine reine Alibifunktion; ebd. 8.2.1986 weil die Bayerische Unionspartei bei ihren Alibi-Exporten in den Bundestag (drei Frauen unter 51 Männern) sonst nur wenig von Köpfchen, dafür mehr von typisch weiblichen Attributen hält; ebd. 21.5.1986 Bombenexplosionen, Landminen und Sabotageakte werden als Alibi für den jüngsten Überfall angeführt; Zeit 19.9.1986 der Terrorismus dürfe kein Alibi für Tatenlosigkeit sein; ebd.
8.5.1987 das spricht nicht gegen die Klassiker, wohl aber gegen ein Volk, das deren Werke als Feigenblatt und Alibi der Barbarei benutzt; MM 16. 7.1987 daß hier inmitten einer meist trostlosen Architektur das Schöpferische nur eine Alibi-Funktion hat; ebd. 30.10.1987 Eine Firma sagte schließlich zu, von nun an war sie dort „die Alibifrau"; Altner 1991 Naturvergessenheit 19 ist der so modisch gewordene Ethik-Boom eine reine Alibiveranstaltung; Spiegel 30.11.1992 Ein Ex-DDRler will für solche Alibis nicht zur Verfügung stehen; ebd. 15.2.1993 Untergang des Kommunismus . ., der jahrzehntelang das Alibi für die abenteuerliche Vermischung von Politik, Geschäft und Gangstertum in Italien geliefert hatte.
Alimente PL, im späten 15. Jh. entlehnt aus lat. alimenta (PL von alimentum) 'Nahrungsmittel, Nahrung, Unterhalt, Unterhaltskosten' (zu alere 'ernähren, unterhalten, großziehen'), anfangs in der lat. (fielet.) Form, seit der 2. Hälfte des 16. Jhs. zunehmend in der eingedeutschten Form. a Zunächst meist im Sing. Aliment N. in der veralteten Bed. 'Nahrungsmittel, Kost, Kleider', auch übertragen gebraucht (s. Belege 1676, 1707, 1769). b Seit Anfang 16. Jh. nur plur. verwendet in der Bed. 'das zum Lebensunterhalt Notwendige, das jmdm. zu entrichten ist, Lebensunterhaltskosten; vom Staat geleistete Versorgung hilfsbedürftiger Personen' (s. Beleg 1622); von daher dann seit 1. Hälfte 18. Jh. in der Rechtssprache in der heutigen Bed. 'gesetzlich festgelegte, regelmäßig (vom Vater) aufzubringende Unterhaltsleistung für ein nichteheliches Kind' (gleichbed. Alimentation, s. u., verdrängend), in Wendungen wie Alimente zahlen, jmdn. auf Alimente verklagen, häufig als Bestimmungswort in Zss. wie Alimentenforderung, -gelder, -klage, -rückstand; in neuester Zeit bes. im politischen Bereich auch 'finanzielle Hilfe, Unterstützung (für einen Staat)' (s. Beleg 1992). Dazu seit spätem 16. Jh. das aus (flekt. Form von) gleichbed. mlat. alimentatio entlehnte Subst. Alimentation F. (-; selten -en), meist rechtsspr. für 'Versorgung, Verpflegung; (Gewährung von) Lebensunterhalt, Unterhaltsleistung (für nichteheliche Kinder)', als Bestimmungswort in Zss. wie Alimentationsanspruch, -klage, -pflicht, heute vereinzelt auch allgemeiner für 'finanzielle Unterstützung, Hilfe' (s. Belege 1954, 1985) (zu b). Seit späterem 16. Jh. das aus mlat. alimentare 'jmdn. ernähren, versorgen' entlehnte V. trans, alimentieren, zunächst meist rechtsspr. für 'jmdn. ernähren, versorgen, für jmdn. (bes. nichteheliche Kinder) Unterhalt leisten', seit spätem 18. Jh. bes. im politischen Bereich in der Bed. 'für etwas aufkommen, jmdn. versorgen, (eine Bevölkerungsgruppe, Institution o. ä. mit finanziellen Mitteln) unterstützen' (s. Belege 1795, 1876, 1916, 1961, 1970, 1993) mit dem Verbalsubst. Alimentierung F. (-; -en), ebenfalls zunächst rechtsspr. 'Ernährung, Versorgung, Unterhaltsleistung', dann allgemeiner 'Hilfe, Unterstützung durch finanzielle Mittel' (s. Beleg 1897) (zu b). Seit Ende 19. Jh. das auf lat. alimentarius 'zur Nahrung, zum Unterhalt gehörig' zurückgehende Adj. alimentär (ohne Steigerung), meist im medizinischen Bereich für 'die Ernährung betreffend, mit der Ernährung, dem Lebensunterhalt zusammenhängend,
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ernährungsbedingt, Nahrungs-' (zu a), im 20. Jh. vereinzelt auch 'Unterhaltszahlungen für nichteheliche Kinder betreffend', in Syntagmen wie alimentäre Verpflichtungen (zu b). Aliment(e) a: Melber 1481 Voc. o. S. Alimentum spisung; Hippodamus 1600 Irrwege 119 eine sonderliche krafft in den lebendigen dingen . . welche das aliment oder narung in die substantz vnnd wesen dessen so ernehret wird, verwandelt, damit es solchs in seinem wesen erhalte (DWB N.); Henisch 1616 Teutsche Sprach 41 Alimenta allerley leibserhaltung/ als kleider/ essen/ trinken; 1616 Bayer. Landrecht 77 die alimenta oder Nahrung; Francisco 1676 Lust-Haus 908 [dem Feuer wird] Speise und Zunder zugeführt. Wenn aber der ausgebrochenen, und hochaufgestiegenen feurigen Dünste Ruß endlich wiederum herunterfällt; so entstehet daraus ein neues Aliment verbrennlicher Materi; Nehring 1684 Manuale 113 Alimentum, der Unterhalt/ Nahrung/ allerley Leibeserhaltung/ als Wohnung/ Essen/ Trincken/ Kleider/ Schuh; j. G. Schmidt 1707 Speculationes 598 weil . . alles elementarische feuer, dergleichen auch die unter-irrdischen feuer sind,. . viel zum aliment bedürften (DWB N.); Sperander 1727 A la mod Sprach 25 Aliment/ Nahrung an Speiß und Trank/ die Kost/ Unterhalt/ Atzung/ so denen Gefangenen geleistet wird; Hamann 1769 Brieftv. U 443 ich habe die Bibel mit einem fame canina verschlungen und laß tägl. darinn. Sie war mein Element und Aliment; Hahnemann 1805 med. Sehr. U 21 Die bis zur Stillung des Hungers eingenommenen reinen Alimente, Speisen und Getränke, unterhalten unsere Kräfte; Nestroy 1841 W. XI 57 geschwind nachg'schaut, was von alimenten [für ein Souper] in haus is und was fehlt (DWB N.). alimentär: 1897 Realenc. Heilkunde XII 527 dass die kinder auf dem lande im verhältniss zu ihren altersgenossen in der Stadt ein höheres körpergewicht aufweisen, nimmt nicht wunder; sind doch die hygienischen und alimentären Verhältnisse dort im allgemeinen bessere als hier; Siebeck 1949 Medizin 188 die akuten gastroenteritiden . . treten als alimentäre infekte bzw. Intoxikationen . . auf (beide DWB N.). Alimente b: Tengler 1511 N. Leyenspiegel 40a das die alimenta, schlechte verlassen, sollen gereicht werden; 1564 Urk. Samml. Universität Marburg 92 das er [Vater des nichtehelichen Kindes] dem kindt notturfftige alimenta verschaffe; 1572 Qu. Privatrechtsgesch. Dtlds. l 2,262 [soll] bezalt werden . . alles, was zu milden Sachen und zu alimenten gehörig; 1620 brandenb. Schöppenstuhlsakten III 197 das ihr [Anrede] .. ändern kindern aber den
ändern halben teil von bemelten alimentgeldern zu adjudiciren wol befuget; 1622 Corp. jur. saxon. 836 was zu milden Sachen und alimenten gehörig und nicht kirchen, schulen und hospital belanget (alle DWB N.); Thomasius 1688 Monats-Gespräche 732 wenn ich einen Armen dürfftigen Menschen das jenige/ so ich ihm nicht schuldig gewesen/ aus Irrthum gezahlet hätte/ ich mein Geld per conditionem indebiti nicht wieder fordern könte/ weil dafür gehalten würde/ daß ich aus Christlicher Müdigkeit ihme das Geld schencken wollen/ zu mahl/ wenn ich reich wäre/ und der das Geld empfangen/ solches zu seinen alimenten angewendet hätte; Titius 1701 Probe 120 wenn wegen der erbfolge, mitgäbe, rechtmäßigen stände der kinder, alimenten, u. d. g. von der ehe gehandelt wird, so gehöret solches vor das weltliche gerichte (DWB N.); 1712 Fama XVI 292 f. Daß denen Kindern die ex damnato oder incestuoso coitu gezeuget, die alimenta könten versaget werden; 1736 Brandenb. Schöppenstuhlsakten III 210 [daß der Vater] dem unehligen kinde nur bis in das 12. jähr die alimenta zu reichen schuldig (DWB N.); Eisenhart 1768 Erz. II 301 daß er [Beklagte] denen klägern die verlangten alimentsgelder zu bezahlen sich nicht verweigern konnte, durch seine fahrlässigkeit hatte er eine ehegattin ihres mannes, und unerzogene kinder ihres vaters beraubet [Unglücksfall] (DWB N.); Goethe 1773 Rechtsanwaltschr. (DjG III 392) ich solle noch eins weilen . . die Alimenten in Geld reichen (GWB); Christ um 1800 Schauspielerleben 216 die Alimenta erfolgten augenblicklich; Freytag 1846 Valentine I 170 Das Vermögen meines gesammten Regiments würde nicht hinreichen, auch nur die Alimente zu zahlen, die du zu geben hast; 1880 entscheid. Strafsachen I 155 eine klage gegen den haushalter M. auf alimente für ein uneheliches kind (DWB N.); Bahr 1893 Liebe 30 Ob sie denn eine Erbschaft gemacht hätten? Nein, aber die Alimente — sie hat jetzt schon das vierte Kind; Hermann 1906 Gebert 58 ob nicht wieder die langen briefe mit den alimentenklagen daliegen (DWB N.); Lauckner 1928 Krisis 25 Der Junge — nebenbei höchstwahrscheinlich nicht einmal seiner, er ist nur auf die Alimente reingefallen; Dörfler 1938 Gesicht 51 Alimente nachfordern; Stuttgarter Ztg. 6.3.1965 Solange .. eine Frau Alimente bezieht, kann sie alles tun, was sie will, nur eines nicht — wieder heiraten; Hirsch 1979 Leute 58 dein richtiger Vater zahlt ja nicht einmal Alimente; Zeit 13.12.1985 junge Unternehmer können auch ohne staatliche Alimente gedeihen; ebd. 17.4.1987
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schlecht werde es die Verlassene nicht haben; sie bekomme ja die Alimente, und er werde schon für sie sorgen; Spiegel 30.11.1992 Gern wird auch verschwiegen, daß es sich bei den Transferleistungen keineswegs . . um großzügige westliche Alimente für den Aufbau Ost handelt. alimentär: Thiess 1929 Erziehung 116 daß ehe nicht nötig wäre, falls liebe und geschlechtslust zusammenfielen, weil dann nur staatliche gesetze zum schütze der kinderaufzucht erlassen zu werden brauchten, damit die manner sich nicht ihren alimentären Verpflichtungen entzögen (DWB N.). Alimentation: 1585 brandenb. Schöppenstuhlsakten H 64 es sollen . . die kinder, bis ein jeder sechszehen jhar erreichet, nach der mudter tode . . alimentiret und erhalten werden, .. die zeit der alimentation (DWB N.); Eyzinger 1590 Relationen l 28 Alimentation oder vnderhalt für ihre Predicanten; 1620 brandenb. Schöppenstuhlsakten 111 195 die alimentation, so dem kinde vermacht (DWB N.); Mengering 1661 Gewissensrecht 945 So haben auch die Rechte solchen unehelichen Kindern ihrer Vater Erbe versaget, und sie mit einer geringen alimentation abgewiesen; Döpler 1693 Schau-Platz t 504 da wird . . kein Gefangener loßgelassen, wenn er nicht zuvor seine Alimentation refundiret; Gomolcke 1736 Zion 56 die horas b. Mariae virgin . ., welche noch heutiges tages von denen choralisten gesungen werden, und daher auch ihre alimentation haben (DWB N.); Boltz 1752 Amts-Actuarius 178 .. zumahlen obgedachtes Geld nicht zu überflüßigen, sondern meinem Stande gemäßen Alimentations- und Studier-Kosten auf hiesiger Universität . . aufgenommen und angewendet worden; Goethe 1773 Rechtsanwaltschr. (DjG III 391) daß . . die künftige Alimentation des Vaters festgesetzt werden sollte (GWB); Bahrdt 1790 Rindvigius I 238 Letztere bat um ebenfalsige Alimentation ihres Kindes, damit der Herr Magister in Ochsenhausen sie beehrt hatte; 1807 Miscellen f. d. neueste 'Weltkunde I 76 Alimentation von Seiten des Schwängerers; Goethe 1831 Testament (WA I 53,331) für jedes meiner Enkel jährlich fünfhundert Thaler Sachs. Alimentations- und Erziehungsgeld bis zur Volljährigkeit; Wetzel 1841 Dresdener Parnass 44 . . einigen vaterlosen Kindern zur Alimentation allmonatlich einige blanke Thaler zufliessen lässt; Meisel-H. 1917 Monogamie 127 die mutter, die von keinem der drei verschiedenen väter eine alimentation erhielt (DWB N.); K. Schmidt 1920 Gutsübergabe l 23 Unterhaltsverhältnis . ., das für die zeit der gutsuntertänigkeit . . kein ausgedinge, sondern nur ein zeitlicher alimentationsanspruch . . war (DWB N.); Schwabe 1954 Ent-
wicklung 101 andauernde neue Alimentation der Basler Rheinhäfen zum Nutzen der schweizerischen Wirtschaft; Zeit 26.4.1985 das neue Scheidungsrecht sei eher auf die Ängste der Noch-Hausfrauen von heute zugeschnitten, mit der Folge, daß auch deren emanzipierte Töchter und Enkelinnen mit dem Alimentationsgedanken in die Ehe gehen; ebd. 1.5.1985 was einschneidende Konsequenzen betrifft, so sprach nur noch Professor . . von Arnim .. über die Parteienfinanzierung und Abgeordnetenalimentation. alimentieren: Luther 1566 Tischreden VI 269 daß die Ehe .. nicht . . zu dulden. Derwegen . . sollen solche Personen . . gefänglich eingezogen . . und das erzeugte Kind von beider Aeltern alimentiret und ernähret werden; Säur 1583 Strafbuch 154 so ist auff erforderung der B. schuldig, sie die K. zu dotiren, das Kind, so eins deßhalben vorhanden ist, zu alimentiren; 1587 brandenb. Schöppenstuhlsakten II 244 sollen die kindere . . im guette alimentiret . . und . . erzogen werden (DWB N.); 1607 Thommendorfsche Chronik 113 welche alle 85 Soldaten die pawern haben gratis alimentiren müssen; Mengering 1642 Gewissensrüge 902 Wer eine Jungfrau zu Falle bringt, und ehelicht sie nicht, wil sie auch nicht ehelich begaben, wil auch etwan ein in der Hurerey erzeugtes Kind nicht alimentiren; Nehring 1684 Manuale 113 Alimentare, alimentiren/ ernehren/ erhalten/ verpflegen/ versorgen/ Unterhalt verschaffen; Döpler 1693 Schau-Platz I 152 wenn sich begebe, daß eine lose dirn ihr kind hinlegte und davon gienge, welches alsdann der obrigkeit . . zu alimentiren und auferziehen zu lassen gebühret (DWB N.); Sperander 1727 A la mod Sprach 26 Alimentiren/ ernähren/ Unterhalt verschaffen/ verpflegen; Musäus 1782-87 Volksmärchen III 155 bis . . F. . . versprach, den Schwiegervater aus der Erbschaftsmasse zu alimentiren; Paalzow 1795 Ausartung I 314 nicht um die faulheit einiger unnützen hofschranzen zu alimentieren . . , opfern die bürger einen theil ihres Vermögens (DWB N.); Regis 1832 Gargantua I 286 er nahm zu Paris ein hundert junge schmucke bürschlein,. . ließ sie acht tag lang aufs best verpflegen und alimentiren (DWB N.); Laband 1876 Staatsrecht I 465 die besoldung ist vielmehr eine mit der Verwaltung eines amtes verbundene rente, mittelst deren der Staat den beamten alimentirt (DWB N.); Suess 1916 Erinn. 320 um die Bahnen durch die transitierenden Frachten, wie man damals sagte, zu alimentieren; Bahr 1933 Volk 36 von den Ritterschaften alimentierten Wochenblättern in Riga; 1961 Natur-Ordnung 678 Ersparnisse alimentierten Kapitalmarkts; FAZ 16.12.1970 In der Vergangenheit . . sei der Effek-
Alkohol tenbereich von den übrigen Zweigen des Bankgeschäftes alimentiert worden; MM 19. 9.1985 die Grünen .. stehen überdies in Verdacht, zusätzlich vom libyschen Staatschef Gaddafi alimentiert zu werden; Zeit 25.4.1986 mit über zwei Milliarden Dollar alimentiert Amerika jährlich Kairos Haushalt; ebd. 20.2.1987 es sollte Hilfe zur Selbsthilfe geleistet werden, eine alimentierte Gesellschaft verhindert werden; MM 2.5.1988 schon jetzt alimentieren ja die erfolgreichen südlichen Bundesländer über den Finanzausgleich ihre weniger glücklichen nördlichen Nachbarn mit Millionenzahlungen; Stern 4.4.1991 Der Vater hat den Wolf über die schwierigen Jahre in Berlin hinweggepäppelt und alimentiert; Spiegel 30.11.1992 ob der reiche Norden den armen Süden alimentiert; Süddtsch. Ztg. 24.3.1993 Immer mehr schlechtqualifizierte ..
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Menschen . . müssen sich auf Dauer vom Sozialamt alimentieren lassen. Alimentierung: 1781 Corp. Jur. Fridericianum l 2,147 wegen der alimentirung des ausser der ehe gezeugten kindes; Laband 1876 Staatsrecht l 466 daß die besoldung . . eine standesgemäße alimentirung des beamten ist (beide DWB N.); Poschinger 1897 Bundes-Rat I 188 das Recht des Präsidiums, sie [Regierungen] zur Alimentierung des Bundes zu verpflichten; Frankf. Ztg. 20.10.1927 Die Alimentierungsansprüche des Ehemanns; FAZ 5.3.1969 In vielen Bundes- und Gemeindeunternehmen wird das Prinzip der internen Alimentierung . . seit Jahrzehnten praktiziert; Spiegel 28.6.1993 Deren [Politbüromitglieder] Alimentierung mit Fernsehern, Computern..und anderen im Osten kaum erschwinglichen Westgütern.
Alkohol M. (-s; selten -e), im frühen 16. Jh. übernommen aus alchimistenlat. alcohol 'feines Pulver', mlat. alcohol, alcofol 'Antimonpulver als Augenschminke 5 (über gleichbed. span, alcohol zurückgehend auf (mit Artikel al gebildetes) hispano-arab. al-kuhul 'Antimon, als feines Pulver zum Schminken der Augenbrauen und -lider verwendet; durch Destillation gewonnene Substanz, Essenz' < gleichbed. arab. kühl), anfangs auch in Schreibungen wie alcul, alcool. 1 Zunächst, selten auch als N., bis ins 19. Jh. in der Bed. 'feines trockenes Pulver, reine, feinste Substanz, Essenz'. 2 Von daher, ohne Pl. verwendet, zunächst im lat. Syntagma alcool/alcohol vini 'Essenz des Weines, Weingeist' (zuerst bei Paracelsus, s. Beleg 1528), dann vor allem in bezug auf die feine Stofflichkeit und hohe Flüchtigkeit (des Alkohols) in der Bed. 'Spiritus, Äthylalkohol; farblose, brennbare, brennend schmeckende, desinfizierende Flüssigkeit', bes. in Wendungen wie absoluter, reiner Alkohol, eine Wunde mit Alkohol desinfizieren; etwa seit Mitte 19. Jh. (s. Belege 1842, 1852) in der dominierenden Bed. 'Weingeist enthaltendes Getränk' (—» Spirituosen), bes. 'wirksamer, berauschender Bestandteil von Getränken', in Wendungen wie viel, wenig, keinen Alkohol trinken, den Alkohol nicht vertragen, dem Alkohol verfallen sein, unter Alkohol stehen 'unter Alkoholeinfluß stehen, betrunken sein', jmdn. unter Alkohol setzen 'jmdn. betrunken machen', etwas (z. B. den Kummer) in Alkohol ertränken 'etwas durch Alkoholgenuß vergessen machen', gelegentlich mit Namencharakter König, Teufel Alkohol. Häufig als Bestimmungswort in adj. und subst. Zss. wie alkoholarm, -frei Ohne Alkoholgehalt (von Getränken)', alkoholhaltig, -süchtig; Alkoholfahne, -gehalt, -genuß, -konsum, -pegel, -Spiegel, -Sünder, -verbot, -Vergiftung und Alkoholgegner 'Antialkoholiker' (vgl. Abstinenzler, —* Abstinenz). 3 Seit spätem 19. Jh. fachspr. in der Chemie als meist plur. Bezeichnung für organische Verbindungen mit Hydroxylgruppen, z. B. primärer, mehrwertiger Alkohol. Dazu das im frühen 16. Jh. vereinzelt in der Form alkoholieren nachgewiesene, erst seit Mitte 18. Jh. unter Einwirkung von frz. alcoholiser häufiger bezeugte V. trans. alkoholisieren 'zu feinem Pulver zerstoßen, zerreiben; zu Alkohol machen, zu Weingeist läutern', auch übertragen für 'verfeinern, läutern' (s. Belege 1777, 1790) (zu 1);
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seit dem 19. Jh. auch 'mit Alkohol versetzen', dann bes. für 'durch Alkohol berauschen, betrunken machen', meist adj. verwendet in der Part. Perf.-Form alkoholisiert 'unter Alkoholeinfluß stehend, betrunken' (zu 2); etwa gleichzeitig das seltene Verbalsubst. Alkoholisierung F.(-; -en) (zu l und 2). Seit Mitte 19. Jh. die subst. Ableitung Alkoholismus M.(-; ohne PL) 'Trunksucht, (krankhafte) Alkoholabhängigkeit, fortgesetzter Alkoholmißbrauch' (Ggs. Antialkoholismus) (zu 2); seit spätem 19. Jh. heute veraltetes Alkoholist, gleichbed. mit der gleichzeitig aufgekommenen Personenbezeichnung Alkoholiker M.(-s; -) 'alkoholabhängiger, -süchtiger Mensch, Gewohnheitstrinker' (Ggs. Antialkoholiker) (zu 2). Ebenfalls seit spätem 19. Jh. die subst. Ableitung Alkoholika PL, Sammelbezeichnung für alkoholische Getränke, fachspr. auch im Sing. Alkoholikum N., in neuerer Zeit dafür vereinzelt auch Alkoholitäten. Seit spätem 19. Jh. die adj. Ableitung alkoholisch (ohne Steigerung) 'Alkohol enthaltend, alkoholhaltig', z. B. alkoholische Getränke, und bes. 'durch Alkohol(-genuß) hervorgerufen, bedingt, gekennzeichnet' (Ggs. antialkoholisch), z. B. alkoholische Störungen, Exzesse, Genüsse (zu 2), fachspr. auch 'Alkohole bildend' (zu 3). Alkohol 1: Paracelsus 1525 S. W. / 2,339 dan das pulver ist der stein art und das wasser der gewülk art, . . das es der namen hie teilet, das tut die form und nicht die natur und eigenschaft . . dan ein leglichs gibt sein alkool; ders. 1530-31 S. W. I 13,171 mancherlei regen, . . die an tropfen mögen erkennet werden; etlich gar subtil wie alcohol, etlich noch ein wenig größer, und also bis auf die größesten; ders. 1536 S. W. 110,358 Erstlich so das geschehen sol, geschieht das sein corpus gestoßen werde in ein subtils alcool, darnach die färben ausgezogen durch den spiritum vini; Henisch 1616 Teutsche Sprach 40 Alcool das subtilest eines jeden dings vnd ein jedes Puluer oder staub; Marperger 1712 Naturlex. 39 alcohol, alcul, vel alcool, ist die von ihrer unreinigkeit abgesonderte reine substantz, oder eine (!) durch chymische arbeit zuweg gebrachtes subtiles und gleichsam unbegreiffliches pulver (DWB N.}; Falke 1842-43 Thierarzneikunde I 35a Alcohol . . wird . . eigentlich Alkohol oder vielmehr Alkool geschrieben, bedeutet jede in das allerfeinste Pulver umgewandelte Substanz. alkoholisieren: Paracelsus 1530 S. W. l 8,301 Die bereitung des golts nach findung der nigromancei ist, das du es nemest durch den spißglas am höchsten gefinirt und als in laminas reducirt, dieselbigen cementir, mit laminis saturni verdeckt, auf vierzehen stunt und darnach gescheiden und in brantenwein, der wol alcolirt sei; Chomel 1750 Lex. l 285 alkalisiren, . . wenn man . . Materialien in sehr subtile und unbegreifliche oder unfühlbare Pulver bringet, und die Geister von dem Unreinen absondert; daher kommt es, daß man den rectificirten Wein-Geist alcohol vini nennet, bey einigen heist solches auch alkolisiren [!]; Wieland 1777 Ab-
nahme (Ges. Sehr. XIV 374) Denn unsre alkoholisirte und so oft nur affektirte Empfindsamkeit . . ist nur ein schwaches Surrogat für die lebendigen, starken, voll strömenden Gefühle der Natur; Kosegarten 1790 Rhapsodien I 56 jener . . verkünstelten, überfeinerten, alcahalisirten [!] . . Empfindsamkeit; Heinsius 1818 Wb. I 85a alcoholisiren, ganz fein reiben, pulvern, den stärksten Spiritus machen. Alkoholisierung: 1826 engl. Goldgrube l/U 353 und eben hierauf gründet sich ihre anwendung zur höchsten entwässerung oder alkoholisirung des Weingeistes (DWB N.). Alkohol 2: Paracelsus 1526-27 S. W. l 3,312 alcool vini kist unum; ders. 1528 S. W. l 6,137 darnach so schütt, sovil ir beider ist, alcohol vini, laß aber digerirn auf acht tag; Toxites 1574 Onomastica 388 Das subtilest pulver/ so man machen kan/ Sezt man aber darzu Alcohol vini/ ist es ein rectificirter distillirter wein, der sauber ausbrent/ wan er angezint wird; Henisch 1616 Teutsche Sprach 40 Alcool . . als alcool vini der brantwein; Chomel 1750 Lex. l 278 alcohol vini, hochrectificirter Branntewein; foppe 1837 Technol. Universal-Handb. l 34 Am leichtesten beraubt man den Weingeist des Wassers, wenn man ihn über gröblich zerstoßenen salzsauren Kalk . . destillirt. Dadurch kann er völlig wasserfrey oder als absoluter Alkohol dargestellt werden; Kirchhof 1842 Con.-Lex. I 250 alle , . Alkohol haltenden Flüssigkeiten, wie Weine, Branntweine usw.; Huss 1852 Alkoholskrankheit 397 dass man . . alle bei Säufern . . vorkommenden . . Leiden . . für directe Folgen des Missbrauchs des Alkohols halten soll;
Alkohol Schlegel 1922 Kulturgrotesken 33 Gleichzeitig merkte er mit Befriedigung, wie der Alkoholgenuß wesentlich zur Verbesserung seiner Stimmung beitrug; Welt 6. 7.1949 der Ausschuß „Lebensmittelchemie" .. hat Gütevorschriften für alkoholfreie Getränke . . ausgearbeitet; ebd. 3.3.1959 nur 15,3 Prozent hatten einen Alkoholspiegel unter ein Promille; ND 21.4.1964 allein bei fünf Verkehrsunfällen, die unter Alkoholeinfluß stehende Kradfahrer verursachten, wurden drei Personen getötet; Bildztg. 31.1. 1967 sie kauften sich dafür Alkohol und ließen sich in der Scheune des Hofes nieder; FAZ 12.10.1970 insgesamt 409 Fahrer mußten zum Alkoholtest gebeten werden; ebd. 8.9.1971 allein durch die Unfallursache „Alkohol am Steuer" werde jährlich die Bevölkerung einer größeren Gemeinde ausgerottet; Welt 30.12.1974 die Sucht nach Rauschgift, Alkohol und Nikotin verbreitet sich; MM 28. 2.1985 seit den 50er Jahren hat sich der Alkoholkonsum mehr als verdreifacht; ebd. 3.4.1985 strikt untersagt ist zum Beispiel Alkohol angesichts der Tatsache, daß 70 Prozent der „Klienten" alkoholabhängig sind; ebd. 23.5.1985 in diesem Zusammenhang wies Schork auf den hohen Anteil alkoholbedingter Unfälle hin; Zeit 24.5. 1985 neun von zehn Störungen der öffentlichen Ordnung geschehen nach sowjetischen Angaben im Alkoholrausch; MM 1.7.1985 Mißbildungen als Folge von Alkoholmißbrauch . . nehmen zu; Zeit 22.8.1986 in der Salemer Oberstufe läßt man neuerdings begrenzt Alkoholgenuß . . zu; MM 8.11.1986 mit Zustimmung des Betriebsrates .. kann der Arbeitgeber ein absolutes Alkoholverbot im Unternehmen anordnen; ebd. 7.3. 1987 im Laufe der Jahre verfiel der Mann dem Alkohol; Zeit 24.4.1987 so kommen in der Bundesrepublik Deutschland jährlich 1800 Säuglinge mit alkoholbedingten Mißbildungen zur Welt; Stern 16.6.1987 vier Prozent der erwachsenen DDRBürger gelten als alkoholkrank; MM 13. 7.1987 1990 soll es wieder einen Tag lang auf dem Paradeplatz alkoholfrei zugehen; ebd. 13.10.1987 beängstigend ist in diesem Zusammenhang auch der Alkoholmißbrauch von Jugendlichen; ebd. 24.11. 1987 sein Alptraum ist wahr geworden, denn ihr wurde nach einer Krankheit ein alkoholhaltiges Medikament verschrieben; ebd. 19.4.1988 wie der Gesamtverband .. mitteilte, ist jeder zehnte Beschäftigte in bundesdeutschen Betrieben alkoholabhängig oder medikamentenabhängig; ebd. 18. 6.1988 Trinken in Maßen fördert die Geselligkeit; manche kommen ohne einen Schuß Alkohol nicht in Stimmung. Alkoholika: Nietzsche 1884-88 W. IX 42 aus der widrigen reizung und Überreizung durch alkoholika (DWB N.); Gruber 1916 Aufgaben 33 Eine
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englische Versicherungsgesellschaft hat festgestellt, daß die Abstinenten im Durchschnitt um fünf Jahre länger leben als die übrigen Versicherten im gleichen Alter zwischen 40 und 60 Jahren, welche Alkoholika genossen; Berndt 1939 l PS 95 der Umsatz in Bier und anderen Alkoholika stieg . . ins Maßlose; Stuttgarter Ztg. 30.12.1958 In der Sowjetunion ist jetzt zum ersten Mal versucht worden, den Wodkakonsum durch die Rationierung der hochprozentigen Alkoholika in Moskauer Gaststätten einzudämmen; Steinberg 1971 Ikebana 168 eine kleine auswahl deutlicher alkoholika, die . . dezent in einem Wandschrank versteckt waren (DWB N.); Zeit 19.7.1985 auf Tabakwaren und Alkoholika sollten zusätzliche Steuern erhoben werden. Alkoholiker: Paulsen 1889 System 395 mag man den des willens beraubten alkoholiker . . in obhut und kür nehmen (DWB N.); Harden 1892 Apostata N. F. 196 nachdem er den Altreichskanzler bereits als Alkoholiker entlarvt . . hatte; Moreck 1928 Liebe Diese Schönen des Hospitals, Alkoholikerinnen und Syphilitikerinnen, tragen im Verkehr mit dem Publikum schöne Namen; Eggerath 1975 Beichte 143 jener notorische alkoholiker (DWB N.); MM 24.4.I9S5 Alkoholiker und Medikamentensüchtige unter den Belegschaften bedeuten gewöhnlich Fernbleiben und mehr Personalwechsel; ebd. 24.11.1987 gemeinsam kämpfen die Anonymen Alkoholiker gegen ihre Sucht. Antialkoholiker: Bruckner 1928 (Dramat. W. I 31) Marie ist Antialkoholikerin; Bad. Ztg. 29.10.1971 Zu ihrem Bericht . . möchte ich anmerken, daß jemand, der sich als Alkoholiker bekennt, niemals Antialkoholiker sein wird; 1988 Wochenpost III11 Ein einflußreicher Verband von Antialkoholikern erklärte, eine Ausdehnung der Schankzeiten würde zu höherer Kriminalität .. führen. alkoholisch: Peschel 1874 Völkerkunde 170 die Wirkungen alcoholischer und narcotischer genussmittel (DWB N.); G. Hauptmann 1893 Ausgew. Dr. II 29 seine Nase zeigt alkoholische Rötung; Th. Mann 1901 Buddenbrooks (W. I 376) aber der stark alkoholische Geruch, den er im Zimmer verbreitet, hatte ihre Exaltation zum Gipfel gebracht; ders. 1924 Zauberberg (W. Ill 954) Kasimir Japoll, der in Gesellschaft des Herrn Janusz Teofil Lenart und zweier unbekannter Mädchen in der American Bar hiesigen Kurhauses bei alkoholischen Getränken saß; Lehmann 1935 Infanterie 168 etwas alkoholische Geselligkeit; K. Mann 1936 Mephisto 65 das Herz ruiniert von Chininspritzen und von alkoholischen Exzessen; Th. Mann 1947 Faustus (W. VI 124) eine so radikale Fragestellung wäre
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allenfalls bei alkoholisch enthemmten Gemütern, im Verlauf einer Kneiperei, am Platze und aussichtsvoll gewesen; Welt 6.10.1954 die energische Frau „Ernährungsminister" Fumiko Funada schlägt vor, den Genuß alkoholischer Getränke nur in der Zeit zwischen 18 und 22 Uhr zu gestatten; FAZ 8.12.1965 jetzt brauchen sie nur 20 Prozent des in der Bundesrepublik erhobenen Branntweinsteuersatzes abzuführen und können dadurch die alkoholischen Getränke erheblich billiger anbieten; Bildztg. 20. 5.1967 ich führe alle hierfür erforderlichen alkoholischen Getränke zu soliden Preisen; MM 20.9.1985 der Trend zum Verzicht auf alkoholische Getränke hält in der Bundesrepublik an; Zeit 8.5.1987 ich darf nur ein paar Wochen nichts Alkoholisches trinken. antialkoholisch: Reger 1912 Briefw. 127 Auch macht sich eine starke antialkoholische Bewegung bemerkbar, die ich nach Kräften unterstütze. alkoholisieren: Karmarsch/H. 1876 Techn. Wb. l 110 alkoholisiren . . die herstellung geistiger flüssigkeiten durch zusatz von alkohol zu flüssigkeiten anderer art; Eger 1884 Technol. Wb. I 30a alkoholisiren, mit sprit versetzen; Berl. Ztg. 25.12.1966 ein guter wodka .. kann auch sanfte cocktails angenehm alkoholisieren (alle DWB N.). alkoholisiert: Vischer 1847 Altes u. Neues N. F. 6 Hier ist alles alkoholisiert, selbst das Hausgesinde Sigfrieds ist fuselhaft anbrüchig und verdorben; Hertwig 1916 Werden 589 dagegen ergaben 42 paarungen alkoholisierter meerschweinchen nur 18 lebende junge (DWB N.); Dublin 1922 Vertreibung 325 der vater, ein armer, alkoholisierter mann (DWB N.); Heidenhain 1938 Psychiatrie 44 Verminderung der Gesamtleistung allzu stark alkoholisierter Truppen; Middendorf 1959 Soziologie 46 eine strenge und umfassende Razzia auf alkoholisierte Verkehrsteilnehmer; Offenburger Tagebl. 13.1.1967 Straffällig wird bei uns jeder, der alkoholisiert am Lenkrad eines Fahrzeuges angetroffen wird; FAZ 9.12.1970 Alkoholisiert ohne Alkohol (Überschr.); Zeit 24.5.1985 1979 waren 96 Prozent aller Bürger, die durch Brände ums Leben kamen, alkoholisiert; MM 23. 4.1988 es ist eigentlich unbegreiflich, daß noch immer so viele Leute sich alkoholisiert ans Steuer setzen. Alkoholisierung: Gruber 1916 Aufgaben 38 starke Alkoholisierung der Muttertiere; Colerus 1929 Kaufherr 178 es trug dem armen, redlichen Enthusiasten sogar den Verdacht vorgerückter Alkoholisierung ein; Stuttgarter Ztg. 20.12.1967 als Schuldtatbestand, also so gefaßt, daß Vorsatz oder
Fahrlässigkeit des Täters sich über den Grad seiner Alkoholisierung erstrecken müssen, sei ein solcher Tatbestand unbrauchbar. Alkoholismus: Huss 1852 Alkoholskrankheit 2 ich habe dieser Krankheit einen neuen Namen, nämlich alcoholismus chronicus, beigelegt, . . um ihren Platz unter den Vergiftungskrankheiten zu bezeichnen; Nordau 1881 Paris 1190 In einem Lande, das von der Geisel des Alkoholismus so schwer leidet, sind freiwillige Vereine, in denen die Tonkunst gepflegt wird, sehr löblich; Bismarck 1886 Reden XI 317 die zahl der in den allgemeinen krankenhäusern wegen chronischen alkoholismus und Säuferwahnsinns neu aufgenommenen kranken (DWB N.); Jodl 1893 vom Lebenswege II 199 Das unvermeidliche Ergebnis solcher Zustände aber ist eine gleichmäßige Verschlechterung des persönlichen Charakters . . dort Verkommenheit in Genußsucht . . hier Verkommenheit in zerreibender Arbeit, Stumpfsinn, Brutalität und Alkoholismus; Henne-am Rhyn 1897 Kulturgesch. VII 245 der Berliner Gefängnisarzt Dr. Baer . ., welcher dem Alkoholismus eingehende Studien zuwandte; Schallmayer 1903 Vererbung 153 Auch der Alkoholismus ist eine Errungenschaft der Kultur; Blascbko 1914 Geburtenrückgang 25 einen ständigen Begleiter wirtschaftlicher Not, den Alkoholismus; Th. Mann 1926 Reden u. Aufs. (W. XI 45) ein gutes Glas Wein . . ist Gottesgabe, und dabei von Alkohol und Alkoholismus zu schwatzen heilloser Purismus und sanitäre Frömmelei; 2939 Tatsachen z. Alkoholfrage 32 das Gesetz nimmt keinen Bezug auf die Menge des verbrauchten Alkohols oder auf die Dauer des Alkoholismus; FAZ 26.1.1970 Die Sowjetunion will gegen Alkoholismus vorgehen; Hirsch 1979 Leute 133 wir kennen auch die Gefahr des krankhaften Alkoholismus; MM 11.1.1985 Ärzte nennen Alkoholismus gefährlicher als an dere Süchte; Zeit 23.1.1987 Selbstmordgedanken, blinde Aggressionen, Alkoholismus, Verwahrlosung — nichts ist neu von diesen Folgekrankheiten der „Neuen Armut". Antialkoholismus: Götsch 1928 (Grundschr. Jugendbewegung 496) Es ist die freideutsche und kulturkämpferische Schicht, die .. für Siedlung, Antialkoholismus, Bodenreform, Vegetarismus . . eintrat. Alkoholist: Liszt 1882 Aufs. I 167 Bettler und Vagabunden, Prostituierte . . und Alkoholisten, Gauner und Halbweltmenschen . . sie alle bilden das Heer der grundsätzlichen Gegner der Gesellschaftsordnung; Hansson 1890 (Freie Bühne l 501) der Schauspieler hatte eine art, seine beine zu ziehen . ., die man an alkoholisten findet (DWB N.);
Alkoven Moll 1902 ärztl. Ethik 618 Niemals darf der Lehrer über einen Kranken einen Scherz machen, der die Studenten zum Lachen reizt. Mag es sich um einen Alkoholisten oder um einen Mann handeln, der durch den Geschlechtsverkehr erkrankt ist; Friedländer 1913 Morph. 36 der Alkoholist ist .. ein willensschwacher Mensch; Lewin 1924 Phantastica 153 Eine solche zeitliche, erworbene Artung umfaßt den Begriff des Säufertums, und der ihm verfallene Mensch ist ein Alkoholist. Antialkoholist: Morgenstern 1898 Leben 106 Das Neueste ist, daß ich auf einen Aufsatz August Fords in der „Zukunft" hin nahe dran bin, AntiAlkoholist zu werden; Levenstein 1912 Arbeiterfrage 249 Ich [Grubenarbeiter] bin ein geborener Antiealkoholist [!]; Wiegler 1916 Figuren 212 Dann verliebte Miß Chaterine Memford, eine Antialkoholistin, sich in ihn. Alkoholitäten: Stuttgarter Ztg. 2.2.1961 in der Faschingszeit müßten die Eltern darauf achten, das
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bei Veranstaltungen . . kein Weinzwang bestehe oder sonstige Alkoholitäten vorgeschrieben seien. Alkohol 3: Karmarsch/H. 1876 Techn. Wb. l 94 mit dem namen alkohole bezeichnet man eine gruppe organischer körper, die neutral reagieren, mit säuren unter austritt von wasser sogenannte aether geben; Kwasnick 1941 Chemiker 66 ein alkohol ist eine organische Verbindung, die die OH-gruppe an eine organische molekülgruppe gebunden hält (beide DWB N.); 1952 Brockhaus I 149 je nach Anzahl der Hydroxylgruppen unterscheidet man ein-, zwei-, drei- und mehrwertige Alkohole. alkoholisch: 1894 Real-Enc. Heilkunde l 440 dass die alkoholische gährung in saurer lösung vor sich gehe; Oppenheimer 1933 Grundlagen 238 erscheinungsformen alkoholischer gärung (beide DWB N.).
Alkoven M., vereinzelt N. (-s; -), bes. im 18. Jh. auch in den Nebenformen Alkove M. und F. (-; -n) und Alkov M. (-s; -en), um 1700 entlehnt aus gleichbed. frz. alcove (vermutlich über gleichbed. span, alcoba zurückgehend auf (mit Artikel al und qobbah/qubbah gebildetes) arab. al-qobbah/al-qubbah 'Gewölbe, Kuppel, Zelt, gewölbte Bettnische, kleines, zum Schlafen bestimmtes Nebengemach, abgetrennter Schlafraum', —>· Kuppel; als europäisches Kulturwort gebräuchlich, vgl. gleichbed. ital. alcova, niederl. alkoof, engl. alcove, russ. al'kov), gelegentlich auch in der Schreibung Alkofen (s. Belege 1776, 1814). Bildungs- und fachspr. in der Bed. 'von einem größeren Raum abgetrennte, meist fensterlose Bettnische, baulich abgegrenzte Bettstatt', daher auch für 'intimer, verschwiegener Ort', bes. in der Zs. Alkovengeheimnis 'Geheimnis, das eigentlich nicht in die Öffentlichkeit, sondern nur in die Intimität des Schlafgemachs gehört, durch Indiskretion sozusagen über den Rand des Alkovens hinausgetragene, ausgeplauderte Vertraulichkeit' (s. Belege 1901, 1910, 1928, 1932); auch übertragen in Zss. wie Gehirn-, Herzalkoven im Sinne von 'Kammer, Stübchen' (s. Beleg 1939); in neuester Zeit nur noch als historische Bezeichnung verwendet. Goldmann 1699 Civil-Bau-Kunst 155 Die schönste und bequemste Emtheilung der Schlaf-Gemächer ist, wenn sie mit Alcoven gemacht werden; Wening 1701 Beschr. Bayerns I 5 Die so genannte Alcova oder Schlafkammer; Wächtler 1709 Manual 33 Alcove, ein Ort eines Zimmers/ da ein Bette stehet; E/IS. Charl. 1714 Br. II 479 eine große schlaffkammer, auch eine kleine mitt einem alcove, wo ich vor dießem in schlieff; Sperander 1727 A la mod Sprach 25 Alcove, Alckove/ eine Gattung eines Betts/ . . Eigentlich das Theil eines Zimmers/ so um einen Auftritt erhöhet/ und von demselben mit einer zierlichen Oeffnung unterschieden/ wohin
man ein Bett zu stellen pflegt; Zedler 1732 Universallex. I 1088 Alcove, wird genennet ein Platz, der von einem Zimmer durch eine Verzierung vor die Schlaff-Stätte abgesondert worden; Winckelmann 1762 Baukunst 121 man schließt aus solchen Zimmern des zweiten Gestocks in der Villa Hadriani, daß sie zum Schlafen gedient haben, aus einer großen Nische in denselben, welche anstatt des Alkoven gewesen, wo das Bett gestanden; Goeckingk 1776 a. Bürger l 333 was im Alcofen passirt; 1786 Journal d. Moden I 106 in der Schlafkammer, In einer Art Alkoven steht da ein Bette; Stieglitz 1792 Baukunst I 17 Alcove, ist ein von den Zimmern
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Allee
abgesonderter Platz zu den Betten, der bisweilen etwas erhöhter als der Fußboden des Zimmers angelegt ist. . . Der Eingang in den Alcoven wird entweder mit Vorhängen bedeckt, oder mit Glasthüren versehen; Jean Paul 1795 Fixlein (W. VII 85) Dieses Mückenhospital hatte .. besonders viele Alkoven und drei Erker; Pfister 1814 Criminalfälle l 116 des Alkofs; Goethe 1816-17 Italien. Reise (WA I 31,88) Über die Lage unseres Zimmers höchst vergnügt, bemerkten wir kaum, daß im Grunde desselben ein erhöhter Alkoven hinter Vorhängen versteckt sei, wo sich das weitläufigste Bett ausbreitete; Picard 1826 Minard I 5 in dem schönen Alkovzimmer seiner Eltern; Gutzkow 1835 Charaktere I 46 die herrschaft des beichtstuhls wurde durch die des alkovens zerstört (DWB N.); Bauernfeld 1851 Kategor. Imperativ VII 117 ein charmantes Zimmer bleibt übrig, mit Alkoven für's Bett; Hillebrand 1874 Frankreich 13 Uns Deutschen will es bedünken, daß es weniger indecent wäre uns zu Courtisanen zu führen, als uns so von den Geheimnissen des ehelichen Alcoven den Vorhang wegzuziehen; Thurau 1901 Refrain 265 Alkovengeheimnisse Ludwigs XIV; Hermann 1908 Henriette 255 Jettchen weckte die taube Minna, die da unten in irgendeiner dunklen und luftlosen Alkovenecke bei der Küche schlief; Wassermann 1910 Masken 218 plötzlich war sein Gedächtnis angefüllt mit pikanten Histörchen, heiteren Schwanken und den Alkovengeheimnisse aller Paläste und Bürgerhäuser der ganzen Stadt; Hauptmann 1918 Ketzer V 530 Diese Arbeiten [drei Mädchengestalten] trugen ihre Nacktheit nicht, wie die Griechen, als natürlichen Adel und Ebenbild der Gottheit zur Schau, sondern man empfand sie als Indiskretion, aus dem Alkoven; Benjamin
1925 Er. l 385 Der Moment, .. da Sigismund im Saale vor dem Alkoven seiner Mutter zurückschauert; Kalkschmidt 1928 Freiheit 77 die Biedermeierzeit liebte ja derlei verschwiegene Alkovengeheimnisse [als erotische Karikaturen] auf der Schnupftabakdose; Voss. Ztg. 28.12.1929 Matronen, . . die .. in den verschwiegenen Alkoven den großen Roman ihres Herzens erlebt haben mögen; Stegemann 1930 Tage 6 wie der Sänger seine Stimme in die Höhe schraubt und säuselnd ins Falsett steigt, als war's ein Alkovenliedchen; Nora 1932 Am Färbergraben 179 Einen Prozeß auf schwachen Füßen führen, denn wer beweist Alkovengeheimnisse?; Th. Mann 1933—43 Joseph (W. V 1566) Den Alkovenspäher zu machen ist unter der Würde dieses Erzählers; Bader 1939 Befehl 35 Aber da hatte mich doch wieder . . ein Blick getroffen und war hineingerutscht bis ins verborgenste Herzalkoven; Th. Mann 1947 Faustus (W. VI 125) Adrian hatte in einem gegiebelten Bürgerhause am Marktplatz ein Zimmer mit Alkoven gefunden; NZ. (Basel) 22.5.1949 Eine wunderbare Glanzleistung der Taktlosigkeit, die durch die bloße Erwähnung solcher Mißdeutungsmöglichkeiten aufs gröbste gegen Anstand und Delikatesse verstößt und, indem sie sich besonders rücksichtsvoll diskret gibt, gerade die unappetitliche Alkovenneugier solcher Art von Berichterstattung verrät; Th. Mann 1953 Erz. (W. VIII 946) Stufen gingen da von hinab vor den offenen Rundbogen einer Tür, hinter der getrübtes Oberlicht in einen Alkoven fiel, dessen Tapeten mit schnäbelnden Taubenpaaren durchwirkt waren; MM 14.9.1987 Hier war Söller nämlich nicht „im Alkoven" versteckt, sondern beobachtete das Geschehen in Alcestes Zimmer im Vordergrund der Bühne als Schattenriß.
Allee F. (-; -n), Anfang 16. Jh. als Wort der Gartenbaukunst entlehnt aus gleichbed. frz. allee (< mittelfrz. allee 'Gartenweg, breiter, seitlich von Rasen, Steinen oder Bäumen begrenzter Spazierweg' < altfrz. alee 'das Gehen, Gang, Korridor, Weg', subst. Part. Perf. von der 'gehen' < gleichbed. vulgärlat. *alare (vgl. mlat. alare), gekürzt aus lat. ambulare 'zwanglos umhergehen, spazieren, wandeln'; —>· ambulant, —* Allüren). Zunächst als Bezeichnung für schattige Gänge, Wege in Gartenanlagen und Parks (—»Promenade), dann allgemeiner in der Bed. 'beidseitig von Bäumen gesäumter Weg (z. B. als Zugang zu einem herrschaftlichen Anwesen)' (—* Avenue), dann vor allem für '(gerade) breite Straße (innerhalb einer Stadt), die auf beiden Seiten gleichmäßig von hohen Bäumen eingefaßt ist', häufig als Grundwort in Zss. mit Namen von Bäumen wie Birken-, Buchen-, Kastanien-, Linden-, Pappelallee, auch Haupt-, Park-, Siegesallee und in Verbindung mit Straßennamen; im 18./19. Jh. auch bildlich verwendet (s. Belege 1724, 1816—17, 1851). Früher gelegentlich auch für 'doppelte Baumreihe, Doppelreihe von Bäumen' (s. Belege 1710, 1797, 1815, 1904) und selten
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fachspr. in der Forstwirtschaft für 'geradlinig im Wald ausgehauener Stellweg' (s. Belege 1713, 1796). Anfang 16. Jh. Oberrhein. Stadtrechte 2,214 ob . . sich auch zutregt, das gestinen [Überschwemmungen] körnen und iemands sein erd oder buw uf den garten, an die aleen, bawweg oder strassen fiesen (DWB N.); Ernstinger 1579-1610 Kaisbuch 98 hats auch ain lustigen garten von schönen alleen und zeilen mit pomeranzen, granat und ändern fruchtbäumen auch alten statuis oder Bildern von marml; Stevini 1608 Festung 28 Die erste Form ist die Grundzeichnung einer gantzen Festung. Deren Erklärung hält sich also .. so, ist der Vnterlauff/ Allee; Neumayr v. Ramssla 1620 Reise i. Frankreich 87 Hinten am Schloß ist ein schöner Lustgarten, vnnd nahe dabey eine allee zwischen doppelten Bäwmen; Dalhover 1687 Gartenbeetlein l b3a mit jhren nach wol in Acht genommener GartensArchitectur angerichteten comportamenten, Blumen-Schulen, Bethen, Gängen, Alleen; Ettner 1697 Chymicus 617 S. und G. giengen einen ändern Weg, in die herrlichen aleen; Menantes 1702 Verliebte Welt 137 er ging auff eine dick belaubte Allee zu; Elis. Charl. 1710 Br. // 183 [Schloß] L'estoille . . ist ein recht ahngenehmer ort, auff einer seytten ist es ein parterre mitt 2 boulingrin [Rasenflächen], alles voller Blumen, mitt alleen von maronie d'Inde umbringt; Carlowitz 1713 Baum-Zucht 192 schöne gerade .. Alleen und Stellwege zum Wildpreth jagen; 1724 D. Neueste v. gestern II 128 von beyden Seiten dieses triumpfbogens ging wiederum eine allee von lauter fackeln nach dem gezelt (DWB N.); Riedel 1751 GartenLex. 35 Alleen in denen Gärten, sind wie Strassen in denen Städten; Geliert u. a. 1759 Br. (S. Sehr. IX 465) ob ich gleich, indem ich dieses schreibe, die Allee, den Berg mit seinem Getraide, den Himmel mit seiner Sonne ganz offen vor mir sehe; 1796 Handb. Forstkunde l 52 Allee . . heißt ein gerader, . . die Wälder durchschneidender Weg, auch Stellweg genannt; Goethe 1797 Tagebücher (WA III 2,96) Allee . . aus Linden und Kastanien, die als Gewölbe gehauen und gezogen sind; ders. 1809
Wahlverwandtschaften (WA I 20,294) als er an einem schönen Tage . . die hohen Lindenalleen . . bewundert hatte; Eichendorff 1815 W. II 14 hart am Ufer war eine Promenade mit Alleen; Goethe 1816-17 Italien. Reise (WA l 31,145 f.) ich glaubte die Kinder Israel zu sehen, denen durch Moor und Moder . . ein trockner Pfad bereitet wurde, und veredelte mir in diesem Gleichnisse den unerträglichen Anblick, so viel andächtige und anständige Menschen durch eine Allee von feuchten Kothhaufen [in den Straßen von Palermo] durchbeten und durchprunken zu sehen; Burmeister 1851 Gesch. 20 Alleen von Sphinxkolossen (SANDERS 1871); Th. Mann 1897 Erz. (W. VIII 103) die Bank, auf der sie sich niederließen, lehnte sich sechs Schritte seitwärts von der Allee an den Park; ders. 1901 Buddenbrooks (W. l 120) in einer Allee von jungen Buchen fuhren sie eine Strecke ganz dicht am Meer entlang; Rilke 1904 Br. I 173 an einer Allee aus Riesenkastanienbäumen; Th. Mann 1909 Hoheit (W. U 133) es ging am Rande unbebauten Geländes eine Birkenallee entlang; Niebelschütz 1949 Bürgerin 36 Die Allee, schnurgerade in ungebrochener Linie, tauchte geschmeidig hügelauf, hügelab; Johnson 1961 Buch 195 es war ein Tag im grauen März, Wind sauste näßlich durch die Parkallee heran; Grass 1962 Blechtrommel 134 beide gaben acht, daß der Markus, der rückwärts ging, nicht über Gräbereinfassungen stolperte, schoben ihn auf die Hauptallee; Schädlich 1977 Nähe 165 den Gebäuden zu beiden Seiten der Allee sind breite Trottoirs vorgelagert, Zeit 7. 6.1985 dazwischen stand einst die Siegessäule, hier begann auch die Siegesallee; Fruttero 1986 Palio (Übers.) 28 da war das niedrige Mäuerchen einer Brücke und gleich danach die Einfahrt in eine schmale Allee zwischen Bäumen; Zeit 22.5.1987 am Allee-Ende öffnet sich der menschenleere Park; MM 18.1.1988 inzwischen hatte sich der offizielle Zug in der Frankfurter Allee in Bewegung gesetzt; ebd. 10. 7.1993 Jeder Spaziergang führt hier durch schattige Alleen zu charmanten Entdeckungen.
Allegorie F. (-; -n), seit spätem 14. Jh. selten, seit frühem 16. Jh. kontinuierlich nachgewiesene Entlehnung aus gleichbed. lat. allegoria/gnech. , eigentlich 'das Anderssagen' (zu griech. 'anders sprechen, als man meint, in Bildern, bildlich sprechen', aus 'ein anderer, anders' und 'öffentlich reden, sprechen, verkünden, kundtun'), früher auch in der lat. (flekt.) Form, vereinzelt im lat. Syntagma per allegoriatn 'in allegorischer Bedeutung, allegorisch, übertragen' und selten in Schreibungen wie Allegori, Allegorey.
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Allegorie
Zunächst bes. in der Theologie für 'sinnbildlich zu verstehende und zu deutende Darstellung', vor allem auf die Auslegung biblischer Texte bezogen, dann gelegentlich auch von (religiösen) Ereignissen, Vorgängen und Gegenständen, die sinnbildlich zu deuten sind (s. Belege 1758, 1890, 1903), z. B. etwas (z. B. einen Baum) als Allegorie für etwas anderes (z. B. für den Menschen) betrachten, auffassen; seit dem 16.717. Jh. zunehmend in Literatur, Ästhetik und bildender Kunst in der dominanten Bed. 'anschauliche Darstellung eines abstrakten, begrifflichen Inhalts oder einer allgemeinen Wahrheit durch konventionelle sprachliche oder nicht-sprachliche Zeichen, meist in einem Bild oder (bes. in der bildenden Kunst) in einer Personifikation', häufig gleichbed. mit Sinnbild, Gleichnis, konkurrierend mit —» Parabel und —»· Symbol; bes. in Wendungen wie etwas in einer Allegorie ausdrücken, darstellen, eine Frauengestalt als Allegorie der Gerechtigkeit, eine Idee durch eine Allegorie veranschaulichen, eine Allegorie der Weisheit, des Friedens, eine Allegorie für/auf etwas; vom 16. bis ins frühe 20. Jh. speziell im literarischen Bereich zur Bezeichnung einer rhetorischen Stilfigur, die für allegorische Texte charakteristisch ist, im Sinne von 'bildlicher Ausdruck, bildliche, verblümte Rede, Gleichnisrede', meist gleichbed. mit -^Metapher (s. Belege 1581, 1709, 1710, 1727, 1746, 1822, 1916) und bis heute selten auch für eine kleinere literarische Kunstform, die vorwiegend mit allegorischen Darstellungen arbeitet (s. Belege 1742, 1747, 1766-67, 1855, 1985). Dazu seit spätem 15. Jh. das auf gleichbed. kirchenlat. allegoricus, auch allegorice Adv. (< griech. ) zurückgehende, zunächst im lat. Syntagma sensus allegoricus 'der (hintergründige) allegorische Sinn' und in der lat. (flekt.) Form nachgewiesene Adj. allegorisch (ohne Steigerung), bis ins 18. Jh. auch die lat. Adv.-Form allegorice, anfangs vor allem in der Bibelexegese, dann auch in Literatur und Kunst in der Bed. 'sinnbildlich, gleichnishaft, in der Art einer Allegorie', bes. in Wendungen wie (aus lat. sensus allegoricus lehnübersetztem, s. o.) der allegorische Sinn, eine allegorische Darstellung, ein allegorisches Bild, allegorische Figuren, Szenen; früher auch in bezug auf den poetischen Stil für 'bildlich, verblümt, übertragen, figürlich', weitgehend gleichbed. mit metaphorisch (—> Metapher) (s. Belege 1686, 1783). Seit frühem 16. Jh. das aus gleichbed. kirchenlat. allegorizare übernommene trans. Verb allegorisieren, bes. in der Bibelauslegung für 'etwas allegorisch deuten und dadurch den Sinn suchen' (s. Belege 1525, 1855, 1962), dann auch in der Bed. 'als Allegorie, durch eine Allegorie darstellen, gleichnishaft verdeutlichen, versinnbildlichen; in Bildern und Gleichnissen reden, sich bildlich ausdrücken', z. B. das allegorisierende Erzählen (s. Belege 1679, 1770, 1908), mit der im 19. Jh. vereinzelt belegten Präfixbildung verallegorisieren; seit Mitte 18. Jh. das Verbalsubst. Allegorisierung F. (-; -en), als nomen actionis 'das Allegorisieren', auch als nomen acti 'das Allegorisierte'. Seit etwa Mitte 19. Jh. die seltene subst. Ableitung Allegorik F. (-; ohne PL) 'Technik der allegorischen Darstellung; Gesamtheit der Allegorien (in einer Darstellung); Sinnbildlichkeit' mit der schon seit früherem 19. Jh. nachgewiesenen Personenbezeichnung Allegoriker M. (-s; -) 'Künstler, insbes. Dichter, der häufig Allegorien verwendet', vgl. die im 18.719. Jh. vereinzelt nachgewiesene, auf kirchenlat. allegorista 'Erklärer von Allegorien' zurückgehende subst. Ableitung Allegorist M. (-en; -en) 'Ausleger, Deuter von Bibeltexten', auch 'Schöpfer von Allegorien', mit der gleichzeitig bezeugten Gelegenheitsableitung Allegoristerei 'Sucht, zu allegorisieren',
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und seit späterem 19. Jh. (gebucht 1863 bei Kaltschmidt) die seltene subst. Ableitung Allegorismus M. (-; ohne Pl.) 'der Gebrauch von Allegorien, das Anwenden der Allegorie', auch im Sinne von 'bildlicher Ausdruck'. Seit Anfang 20. Jh. das fachspr. verwendete Subst. Allegorese F. (-; -n) 'Textauslegung, die hinter dem Wortlaut einen verborgenen Sinn sucht; Gleichnisauslegung', insbes. 'allegorische Deutung religiöser Überlieferungen oder Mythen'. Allegorie: 1384 Durandus' Rationale 144 Etwenn nach der allegori, sam daz man list zu unser frawn schidung (FRNHD. WB); Melker 1481 Voc. o. S. Allegoria, die fremd geistlich sinne, erkantnuss, für Allegoricus sensus; Lutber-Emser 1521 Str. II 88 Darumb es gar ein grob vnvorstand ist, das man die allegorien, tropologien vnnd der gleychen will geyst heyssen; Luther 1525 W. XVI 275 Wenn aber jemand lust hat zu heimlichen auslegungen, wil eine Historien deuten und in eine Allegoriam zihen (FRNHD. WB); 1529 Vorr. z. d. Züricher Propheten o. S. Allegorey ist ein red, in der man vns etwas anders fürtreyt, vnd anzeigen wil, dann die wort lautend vnd gestaltet sind; Paracelsus 1531 S. W. I 9,221 Christus sagt dise allegori, das ein guter bäum gute frucht trage; 1543 Sehern Hamphoras 03a Was nu etliche Veter in diesem Spruch spielen, mit Allegorien, lassen wir faren; Franck 1558 Paradoxa 72 Das sol man per allegoriam verstehen/ das alle ding gespalten seind/ vnnd zwey ansehen haben/ Eines nach den menschen/ das ander nach Gott; Kirchhof 1563 Wendunmuth l 206 Dise fabel gibt ein feine allegoriam, das ist, geistliche Deutung; Fischart 1581 Dätnonomania 112 mit vnblümten reden vnd Allegorien; ebd. 135 Allegorias oder gleichnussen; ders. 1582 Garg. 459 Jhr möcht die wichtigsten und ernsthaffsten Allegorien drüber zu Marckt bringen; Mathesius 1566 Luther 77a Ob wir aber wol die vergangene jar, auch wol nach grosser leut Exempel, vmb dise zeyt allegorien vnd lustige materien gehandelt; Mengering 1642 Gewissensrüge 1458 daher kommen seltzame Gedanken vnd allegorien, heimlich vngereimbte Deutung, vnd wunderliche Außlegung der Schrifft; Dannhauer 1642 Katechismusmilch I 432 die den Text erbärmlich martern, radbrechen, . . aus jedem Ding allerley machen mit ungegründten gezwungenen Allegorien, überflüssigem Anziehen heydnischer Schrifften; Weise 1673 Erznarren 58 sind das nicht Worte, und wird die angefangene allegoric nicht schön außgeführt; 1704 Auserlesene Anm. I 416 Daß .. der . . Poet eine Vergleichung zwischen der Himmlischen und irrdischen Hoffstatt macht/ so verbleibt er nicht uneben bey der einmal beliebten Allegorie, und will der Himmlischen . . Magnificenz durch den sichtbaren Pracht der irrdischen verstaendlich machen; Uhse 1709 Redner 22 Was ist die Metaphora? (Überschr.) . . Hierher gehöret: Allegoria, welche darinnen bestehet/ daß man das
Gleichniß in der Rede fortsetze; ebd. 243 Sollte ich einer Jungfer parentiren/ könnte ich die Allegorie von Sternen/ Pflantzen/ Bäumen/ Blumen/ Früchten . . und ändern Sachen herholen; Mencke 1710 Verm. Ged. 307 so wird es ihm hernach bey Ausfertigung eines Gedichtes an artigen Gleichnissen und Allegorien nicht mangeln; Büttner 1714 Bruno 63 mit den abgeschmacktesten Allegorien und ändern Gewäsche; Sperander 1727 A la mod Sprach 26 Allegorie, eine Rede/ so eine heimliche Deutung hat/ eine Gleichnus-Rede/verbluemte Rede; Weber 1734 Enc. I 63 Allegoria . . verblümte Rede, heimliche Deutung; Bodmer 1736 Briefw. Geschmack 54 da sie Beschreibungen aller Dinge in der Natur, Character der Menschen, Geister, Voelcker; Gleichnisse, Allegorien, und dergleichen hevorbringet; 1742 Freydenker 50 Seine Reden waren ganz mit der alten Mythologie durchwirket, und sein ganzer Witz gründete sich auf lauter Anspielungen, auf gewissen Fabeln, oder Allegorien, in den alten Schriftstellern; Bodmer 1746 Mahler l 37 Wenn ich ein Liebhaber derer wunderlichen Vergleichungen und Allegorien wäre; ders. 1746 Crit. Er. 40 die langen Allegorien, die gekünstelten Gleichnisse, der zierliche Putz der Rede; ebd. 63 Die Allegorien, . . der starke Gebrauch der Umschreibungen, . . der Ueberfluß unnützlicher Beywörter; Geliert 1747 Schwestern (S. Sehr. Ill 60) die Fabel ist freylich nicht so schwer zu verstehen, als eine Causaldefinition. Sie ist kurz, und sie scheint mir mehr eine Allegorie, als eine Fabel zu seyn; Hamann 1758 Sehr, l 37 das leben der patriarchen ist voller allegorien der jüdischen geschichte (DWB N.); Winckelmann 1766 Versuch l Die Allegorie ist . . eine Andeutung der Begriffe durch Bilder, und also eine allgemeine Sprache, vornehmlich der Künstler, für welche ich schreibe; 1766—67 Merkwürdigkeiten 318 seine Schreibart ist edel . . und blumenreich; und seine Allegorie so schön und unterhaltend. . . Ich müßte dieß Stück ganz abschreiben, wenn ich Ihnen einen hinlänglichen Begriff davon beybringen sollte; Sonnenfels 1768 Br. 39 Einheit der Allegorie; Büsching 1771 Grundriss 14 Man nennet die Beziehung der Gedanken durch sinnliche Bilder, mit welchen sie eine Ähnlichkeit haben, Allegorie; Sulzer 1771 Theorie I 34a Allegorie in zeichnenden Künsten; Heinse 1784-1800 Tagebücher VII 337 Der Farnesische Herkules auf dem Weissen Stein ist . . eine der
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glücklichsten Allegorien; Beckmann 1790—92 Erfindungen III 364 Heraclides sagt in seinen Allegorien . ., Mars werde mit Recht für das Eisen gehalten; Goethe 1795-96 Lehrjahre (HA VII 166) ich fürchte sehr, die Allegorien würden, bei unserer Garderobe, zu manchen Zweideutigkeiten und Spaßen Anlaß geben; 1796 Journal d. Moden XI 230 modernisirte Kunstallegorie; Herder 1801 Adrastea II (S. W. XXIII 324) Allegorie[n] auf Münzen, in Triumphbögen figurirten sie überschwänglich; Bouteru/ek 1809 Ästhetik 222 symbolische Allegorie; Goethe um 1809 Farbenlehre (HA XIV 68) Symbolik, Allegorie, Rätsel, Attrappe, Chiffrieren wurden in Übung gesetzt; Vico 1822 Grundzüge (Übers.) 289 die Zeichen, in welchen die Heroen schrieben, und welches folglich seyn mußten Metaphern oder Bilder oder Allegorien oder Gleichnisse, welche .. den ganzen Ausdrucksvorrath der poetischen Sprache bilden; Rumohr 1832 Reisen 49 dass man . . in Allegorie und Symbolik den eigentlichen Kunstwerth versetzt habe; Heine 1835 Romant. Schule 212f. ein künftiger Ballanche sieht vielleicht in ihm [Märtyrer] eine Allegorie seiner Zeit; Niendorfl854 Paris 157 Ich habe nie diese Colonnade besucht, ohne daß vor ihr Knaben Papier-Drachen aufschwirren ließen zu der Ruhmeshalle. Unartige Angewöhnung, daß mein Blick überall Allegorien begegnet; Freytag 1855 Aufs. II 279 eine . . schöne und poetisch ausgeführte Allegorie; Schopenhauer 1859 Welt II 186 unter dem Schleier der Allegorie; 1863 Bilder a. Paris II 305 Ein stetes Kreisen um die goldene Sonne, die der Hofmaler Lebrun in seinen Allegorieen [!] nie anders als mit dem Gesichte Ludwig's XIV. darzustellen wagte; Burckhardt 1887 Vortr. XIV 419 Die Allegorie in den Künsten; 1890 Dtsch. Rundsch. LXIII 400 sowohl die Juden als die Araber betrachten diesen bäum [Palme] als eine mystische allegoric des menschen (DWB N.); Schiele (1903 Preuss. Jahrb. CX/V 442) ist seine typische Deutungsweise [der Bibel] von der üblichen Allegorie entfernt; Th. Mann 1911 Reden u. Aufs. (W. IX 54) der Schlehmihl ist keine Allegorie, und Chamisso war nicht der Mann, dem . . eine Idee jemals das Primäre bei seiner Produktion gewesen wäre; Tucholsky 1916 W. I 227 eine Allegorie .. eine rednerische Form des Vergleichs; Th. Mann 1920 Reden u. Aufs. (W. XII 600) das Konservative ist die Allegorie des Zeitlosen; Schuy 1921 Die Begründung der romantischen Allegorie durch Friedrich Schlegel (Titel); Th. Mann 1923 Nachtr. (W. XIII 277) das große Welttheater, diese innige Lebensallegorie, dies fromme Spiel von heiterer Unerbittlichkeit; Reinhardt 1937 Vermächtnis 7 Personifikation und Allegorie; Th. Mann 1940 Nachtr. (W. XIII 146) der junge Prinz, in seiner melancholisch-repräsentativen .. Existenz eine
Allegorie des Künstlers; Welt 17.11.1964 vor dem bunten Glasfenster mit Allegorien aus Afrika in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft; ebd. 9.2.1966 abgesehen von ihren Trinksprüchen .. haben sich General und Kanzler diesmal der großen Worte und Allegorien enthalten; Schwendter 1973 Subkultur 128 Der „Bürger" . . figuriert als Allegorie der Normativität und Stabilität; Schwelbusch 1983 Lichtblicke 126 Eine Monumentalstatue, die die Allegorie des Genies der Wissenschaft vorstellte, krönte das Werk; MM 6.2.1985 es ist ein Allegorienspiel um die Versuchung der reinen Seele durch die Sinnlichkeit; Zeit 29.3.1985 der unheimliche Eindringling ist natürlich nicht der Gärtner, sondern eine Allegorie: der Tod; ebd. 3.5.1985 Kurzgeschichten, Dialoge, Gedichte, Allegorien, weise und skurrile Vierzeiler und . . Limericks; MM 11.9.1985 die große Arbeit von Beuys: . . 44 am Boden liegende Basaltbrocken als Allegorie auf unser Jahrhundert; Zeit 25.7.1986 Momos, so nannten die alten Griechen ihre Allegorie für die Warnung und den Tadel; ebd. 7.11.1986 das Vorher und Nachher verschwindet in einer Momentaufnahme, die Geschichte gerinnt zur Allegorie, deren Embleme es zu entziffern gilt; Fruttero 1986 Palio (Übers.) 52 die Freskendecke mit verblichenen Allegorien; Zeit 16.3.1987 die häufigen Allegorien und Metaphern, nicht zuletzt die von Bubuel beeinflußten surrealistischen Szenen, zeigen die Wirklichkeit des Personenkultes; MM 25.5.1987 die „Zauberflöte" mit ihren Allegorien, in denen so viel westlich humanistisches Gedankengut verarbeitet ist; ebd. 16.4.1988 da sind Akte und Landschaften, . . eine Fülle religiöser Motive und schließlich die Allegorien des Todes, die . . bei Rohlfs zu erschütternder Darstellung gelangten; ebd. 25.4.1988 ist doch die Handlung . . eine historisierende Allegorie auf den Zwiespalt zwischen Pflicht und Gefühl; Süddtsch. Ztg. 12. 8.1993 Dargestellt war [auf einer Wandtafel] eine Allegorie auf Klassenkampf und sozialistische Lebensfreude. Allegorese: Kerenyi 1904 Mythologie 568 Allegorese; Benjamin 1924 Br. I 372 das goldne Vließ der barocken Allegorese; 1928 Handb. d. Frankreichkunde I 197 Bei Formeigentümlichkeiten französischer Dichtung wäre .. auch noch an bestimmte Arten . . von spezieller Metaphorik und Allegorese, von besonderer Anpassung gedanklicher Dichtung an bestimmte Schemata . . zu erinnern; 1952 Festg. a. Reinhardt 261 dass der Bildungsroman sich .. in ein Amalgam von Abenteuer und Allegorese aufzulösen droht; Borst 1957 Turmbau 239 an die Stelle der origenistischen Allegorese trat die wörtliche Deutung; Adorno 1958 Noten I 59 Homer-Allegoresen von der Art der berühmten Schelling-
Allegorie sehen Formel von der Odyssee des Geistes; Mühlmann 1962 Homo 417 die spezifische Methode, mit der die östliche Geistesverfassung alle . . Ideen und Verfahren traditionell zu begreifen versucht, ist die Allegorese, „die es gestattet, jeden neuen Wein in die alten Schläuche zu gießen". allegorice: Luther 1529 W. VII 655 denn es leidet sich nicht, das wirs wollen Allegorice deuten: aus Egypten, das ist: aus der sünden (FRNHD. WB); Spangenberg 1571 Luther als Treckejunge 48 Weil nun daher die Prediger Träger heissen, so können ihre Predigten und Schriften . . auch wohl allegorice Trecketroge genannt werden; Thomasius um 1700 (1903 Preuss. Jahrb. CX/V 442) Man vergleiche doch nicht Christum und den teufel, wann man ja etwas allegorice expliciren will; Sperander 1727 A la mod Sprach 26 Allegorice, verbluemter Weise; 'Weber 1734 Enc. l 63 Allegorice, . . verblümter Weise. Allegorik: Burckhardt 1860 Ges. W. /// 285 die Glücksgöttin war nach derselben unerbittlichen Allegorik, welcher sich damals auch die Künstler bisweilen fügten, nur am Vorderhaupt behaart, hinten kahl; Th. Mann 1938 Reden u. Aufs. (W. IX 569) er ehrt die Allegorik des Christentums als einer pessimistischen Erlösungsreligion; Hankamer 1947 Gegenref. 28 in hoher und spintisierender Allegorik; Zeit 8.11.1985 es stehen seine ironischen Monologe gegen die Hymnik, es steht lakonische Chronistik gegen pompöse Allegorik, Report gegen Idylle. Allegoriker: Gervinus 1835-42 Dtsch. Dichtung II 127 er steht mit diesem gedichte . . neben den allegorikern und visionsmännern; 1917 Lit. Echo XIX 502 wenn Goethe . . unser größter allegoriker wäre (beide DWB N.); Zeit 13.12.1985 der Blick des Allegorikers hält sie auf der Stelle fest. allegorisch: Melber 1481 Voc. o. S. Allegoria für Allegoricus sensus; Luther-Emser 1521 Str. II 173 Vorwurfft der alten veter regel vnnd leer, die viererley syn darauß getzogen haben, nämlich litteralem, allegoricum, tropologicum, vnnd anagogicum; Zwingli 1523 W. II 419 denn .. die allegorischen sinn [der Gleichnisse], die habend nit krafft ützid ze bewären, es sye dann sust in der gschrifft hall uß getruckt (DWB N.); 1529 Vorr. z. d. Züricher Propheten o. S. so ist die Allegorische red allweg der maß gestaltet, das man durch sy die wahrheyt, gleich als ein gstalt in einem Spiegel glaß, oder etwas durch ein glaß sieht; Franck 1558 Paradoxa 3a Allegorisch verwendte red; ebd. 4a Allegorischen sinn; Fischart 1581 Dämonomania 229 in
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Allegorischem oder Figürlichem verstand; ebd. 246 Allegorischen Auslegens; Meyfart 1636 V. d. Hochschulen 356 Leute/ welche mit allegorischen . . Dingen sich butzen/ vnd die Predigten beschweren; Pufendorf 1686 Einl. 5 von denen alten Dichtern oder Scaldern auf verblümte und allegorische Art ausgezieret; Thomasius um 1700 (1903 Preuss. Jahrb. CXIV 442) Die Fabeln Aesopi hätten wohl sensum allegoricum, aber nicht Pentateuchus. . . Wer sensum allegoricum recht verstehen will, muß erst desselbigen guter Freund seyn, der es geredet, und sein gemüht erkennen; Leibniz 1703 Dtsch. Sehr. II 387 daß er die Schrift an vielen Orten allegorisch ausleget, welches einem Prediger zwar zu vergeben, in einer Streitschrift aber nicht zu erdulden stehet; Menantes 1709 Satir. Roman U 116 allegorisch; Weber 1734 Enc. I 63 Allegoricus, verblümt; Brucker 1737 Zusätze 100 [Geschichte berühmter Männer] nach der bey den Alten gewöhnlichen allegorischen Lehr-Art in Bildern und Gleichnissen vorgestellet; Bodmer/Breitinger 1746 Crit. Br. WO die allegorischen Personen der Poeten, welche etwann die Gemüthsbewegungen, die Begierden . . in sichtbaren Gestalten einkleiden und mit Körpern versehen; ebd. 123 Wenn die Engel essen, trinken, . . so soll dies alles nur in der allegorischen Sprache geredet seyn; Winckelmanmn 1755 Gedanken 32 Er sucht sich als einen Dichter zu zeigen und Figuren durch Bilder, das ist allegorisch, zu malen; Mendelssohn 1757 Betr. l 180 Winkelmann . . ein grosser Verehrer der allegorischen Malerey; Baumgarten 1766 Religionspartheyen 72 diese geheime mystische allegorische Deutung des alten Testaments; Moritz 1783 Reisen 94 allegorischer Ausdruck; 1788 Götting. Histor. Magazin III 356 kurze Geschichte der allegorischen Gottheiten; Meyer 1798 Sehr. 18 Ein anderes trefliches Werk ist die Fortuna des Guido Rheni. Sie ist aber schon mehr Zeichen; Zepter, Krone und Palme, die sie hält; der Erdball, über welchem sie schwebt, lassen sogleich einen allegorischen Sinn vermuthen; Fernow 1806 Studien I 60 die allegorischen Gestalten der Tageszeiten auf den Grabmälern der Medici; Goethe 1811 Dichtung u. Wahrh. (HA IX 278) weil die zierlichen Begebenheiten, die man in diesem Kreise [der Natur] gewahr wird, an und für sich wenig vorstellen, so gewöhnte ich mich, in ihnen eine Bedeutung zu sehen, die sich bald gegen die symbolische, bald gegen die allegorische Seite hinneigte, je nachdem Anschauung, Gefühl oder Reflexion das Übergewicht behielt; ders. 1821 Wanderjahre (HA VW 161) ihre nachherigen Schicksale waren auf eine kluge Weise allegorisch vorgestellt, da eine historische, eine reale Darstellung derselben außer den Grenzen der edlen Kunst liegt; Heine 1835 Romant. Schule 213 Was nun wirklich die Gefangen-
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Schaftsgeschichte des Herren Cousin betrifft, so ist sie keineswegs ganz allegorischen Ursprungs; Schopenhauer 1859 Welt II 183 Symptom dieser allegorischen Natur der Religionen; ebd. sensu allegorico; Mahler I860 Miiit. Bilderbuch 233 Ich hatte ein kleines allegorisches Drama geschrieben; Hillebrand 1878 Profile 324 daß neben den allegorisch allgemeinen Figuren eines Ponokrates, eines Epistemon . . sich die lebensvollen Porträts der . . Hauptfiguren . . von der Leinwand abheben; Lindenberg 1883 Berlin 73 Reiterstandbild .. mit schönen allegorischen Sockelfiguren; ebd. 83 stellen die Entstehung des Weltalls allegorisch dar; Schiele (1903 Preuss. Jahrb. CX/V 442) Das erste Stück zeigt Thomas als Gegner der allegorischen Bibelauslegung; Tb. Mann 1910 Reden u. Aufs. (W. XI 567) daß er alltäglich in mitten der eigenartigen Wirklichkeit lebt, die mir als allegorisches Kleid für mancherlei ideelle Absichten dienen mußte; der s. 1926 Reden u. Aufs. (W. XI 50) es äußerte sich .. allegorisch in dem Aphorismus, den Baeumler anzuführen unvorsichtig genug ist; ders. 1939 Lotte (W. II 691) mir ist es nur darum zu tun, die spendende und verschwendende Poesie zum Reichtum in allegorische Beziehung zu bringen; ders. 1947 Faustus (W. VI 185) der Jago [war] jung, intelligent, doch nicht geschaffen zur fast schon allegorisch lachhaften Inkarnation des absolut Bösen; Welt 14.7.1949 an sich verletzt diese Hinzufügung einer allegorischen Figur die dramaturgischen Gesetze; Borst 1957 Turmbau 236 als . . Origines mit seiner allegorischen Exegese über die wörtlich-historische Auslegung hinaus zu einem zeitlosen System vorzudringen suchte; Welt 15.6.1959 unter den Freskendarstellungen allegorischer Damen namens Abstinentia und Patientia . . begab sich der Kanzler . . „hinunter ins Volk"; Partner 1964 Erben 258 nur der werde den allegorischen Sinn der heiligen Schriften begreifen, der wissenschaftlich entsprechend vorgebildet sei; Zeit 20.12.1985 seit Philon von Alexandria .. den Pentateuch und . . die Genesis allegorisch erläutert hatte; ebd. 3.10.1986 die Nacktheit muß nur allegorisch verklärt, die Blöße mythisch verbrämt. . sein; MM 4.10.1986 in allegorisch überhöhten Bildern vollzieht sich, gleichsam in sinfonisch anschwellenden Akkorden, vor dem blutverfärbten Moselfluß der Opfergang von Bürgern und Soldaten; ebd. 3.6.1987 Trost spendet allein die Elbe, allegorisch dargestellt von Marlene Achtermann; ebd. 22, 7.1987 eins ist allen Plastiken gemeinsam, nämlich die radikale Abkehr von jener allegorischen Heldenpose, mit der einst Staatsmännern und Diktatoren Denkmäler errichtet wurden; Fischer 1988 Hugenotten 8 war dem Turm die neue Kuppel mit der bekrönenden Figur der „triumphierenden Religion" aufgesetzt worden, einer allegorischen
Frauengestalt; Simek 1992 Erde 124 da man natürliche Vorgänge von der Antike bis in die frühe Neuzeit nicht nur „natürlich", sondern auch allegorisch deutete, nämlich als schlechtes Omen; Süddtsch. Ztg. 12./13.12.1992 Ein Film aus einer inzwischen untergegangenen Arche Noah, der Ex-USSR. Eine surreal-allegorische Abrechnung aus der Provinz, aus Georgien, mit Stalin und dem Stalinismus. allegorisieren: Luther 1525 W. XVIII 179 wo er uns den selben [Bibeltext] liesse unverseert bleiben, wollt ich zwar geschehen lassen, das er allegorisirt und geystlich deutet; Riemer 1679 Maulaffe 174 ob aber in öffentlicher Gemeine so gar frech zu allegorisiren, will ich noch zur Zeit nicht bejahen; 1707 Leyr Tyri 187 dass sie auch auss der Histori Melchisedechs darauf allegorisierten; Bodmer/ Breitinger 1746 Crit. Br. 120 Zu des Tasso Zeiten war der Geschmack am Allegorisiren in solcher Hochachtung, daß er vor nöthig gehalten, eine solche emblematische Erklärung vor sein Gedichte drucken zu lassen; Goethe 1769 Br. (WA IV 1,205) wenn . . ein Mensch in seltsamem Aufzug über die Brücke getrabt kömmt, so binn ich's, der irrende Ritter. . . Ich scherze und allegorisire, und habe schon meine Freude daran; Batteux 1770 Künste 69 Sie [Poesie] hat allegorisiren, schematisiren, witzeln, Sinnbilder malen, . . Reime und Sprüchwörter einmischen, alles mit hebraeischer und griechischer Gelehrsamkeit wohl durchkneten müssen, wie es nur die Mode verlanget hat; Bouterwek 1809 Gesch. V 41 Kunst des allgemeinen Allegorisirens; Goethe 1816-17 Italien. Reise (HA XI 416) laßt mich ein wenig weiter allegorisieren, und Herder wird meine Allegorie am besten erklären; Delitzsch 1855 Psychol. 22 bei seiner zuchtlosen allegorisirenden Exegese; Hartmann 1869 Philosophie 275 sehen wir in den mystischen Schriften . . eine Masse von allegorisirenden, willkürlich spielenden Deuteleien mit Worten der Bibel; Holzapfel 1898-1929 Sehr. 214 Allegorisieren; Brod 1908 Nornepygge 154 dass man auf solchen Exlibris oft den Namen des Besitzers allegorisiert; Künneth 1962 Glauben 155 diese Auferstehung ist. . allegorisiert und verflüchtigt worden; Haubrichs 1988 Geschichte 168 Im „Waltharius" werden die Helden . . als Verkörperungen bestimmter Tugenden und Laster begriffen, ihre Zweikämpfe damit allegorisiert. verallegorisieren: Waldau 1850 Nat. Ill 354 Man hat den Menschen so verallegorisiert, er kennt sich fast nur im übertragenen Sinn (SANDERS 1871). Allegorisierung: Bodmer 1746 Crit. Br. (Reg.) Der sechste Brief. Von der Allegorisierung der epischen Geschichte; Strauss 1857 Br. 378 daß uns Luther,
allegro wären wir mit solcher Auslegung seiner Lehre gekommen, in die Hölle verflucht haben würde — so kommen wir doch mit solcher Allegorisirung ganz ins Bodenlose; Dülmen 1977 Reformation 329 Durch Spiritualisierung und Allegorisierung der jeweiligen Ansichten gelang ihm . . ein oberflächliches Übereinkommen der gegensätzlichen Parteien. Die Wiedertaufe wurde eingestellt. Allegorismus: Kerenyi Allegorismus.
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Allegorist: Herder 1769 S. W. Ill 397 [die Griechen) erbten von diesen allegoristen [den Ägyptern] auch die . . bedeutendste bildersprache, die auf der weit gewesen; Keller 1854 W. XV111 136 wenn romantiker und allegoristen aller art den ganzen tag schreiben, dichten, malen (beide DWB N.). Allegoristerei: vor 1781 (Lessing 1838-40 W. XI 140) Allegoristerei (SANDERS 1871); Schmidt 1887 EM. z. Urfaust-S. XVI Die Don Quixotes der Allegoristerei.
allegro Adv., früher auch Adj., im späteren 17. Jh. entlehnt aus gleichbed. ital. allegro, eigentlich 'munter, heiter, lustig' (< gleichbed. mittelfrz. allegre < altfrz. haliegre, (h)alegre < vulgärlat. *alicer, Gen. alecris, einer Umbildung von lat. alacer, Gen. alacris 'aufgeregt, freudig erregt, munter, lustig'). 1 Zunächst adj. verwendet in der Bed. 'munter, frisch, lustig, fidel', auch als Interjektion 'vorwärts! nur lustig!'. 2 Seit spätem 17. Jh. adv. verwendet als Tempo- und Vortragsbezeichnung in der Musik für 'schnell, lebhaft (zu spielen), heiter, munter, fröhlich (vorzutragen)' (vgl. verwandte Tempobezeichnungen wie —* adagio, —» andante), oft durch Zusätze näher bestimmt, z. B. in den fachspr. ital. Syntagmen allegro moderate 'mäßig schnell', allegro molto 'sehr lebhaft', allegro con spirito 'lehaft, schnell mit Feuer', häufig in der subst. Form für 'schnelles, lebhaftes Tempo; munterer Vortrag', z. B. ins Allegro wechseln, übergehen usw. und als Bestimmungswort in Zss. wie Allegroteil, -tempo; vereinzelt übertragen verwendet (s. Beleg 1805). Seit früherem 18. Jh. das Subst. Allegro N. (-s; -s, auch Allegri) 'musikalischer Satz (einer Sonate oder Sinfonie) in lebhaftem, schnellem Tempo, munteres Stück', in Zss. wie Allegrosatz, -thema; seit dem 18. Jh. selten übertragen verwendet, z. B. ein sprudelndes Allegro (s. Belege 1793, 1885). Vgl. daneben aus gleichbed. ital. allegretto im 18. Jh. übernommenes Adv. allegretto, in der Musik für 'mäßig schnell' mit dem dazugehörigen Subst. Allegretto N. (-s; -s, auch Allegretti) 'kleinerer, mäßig schneller Musiksatz'. allegro I: Rachel 1664-67 Satyr. Ged. 120 Wer wolte nicht viel ehr des Wahlen Wort verstehen,/ „Paur, hale mir die Pferd, last ju der Schuch besehen,/ Allegro macht ju fort. Bezahl die Pinkkebank,/ Geh', Moder, in die Stall, der Kuh' sein Kind ist krank"; Abr. a S. Clara 1686-95 Judas (Auserles. W. X 845) Einen sammeten Rock her, . . einen goldenen Ring her, Spielleute her, allegro!; ders. 1704 Gemisch 372 [er] war gantz allegro und wohl auf; ders. 1737 Bescheid-Essen 28 er förchtete nichts, . . nichts kunte ihn erschrocken, der ist allezeit lustig! Allegro!; ebd. 39 der lacht und spielt, der ist allzeit lustig, frölich, Allegro, nolite timere!; 1744 N. crit. Sack-Allmanach 15 Nur lustig! nur allegro!; Wagner 1776 Kindermörderin (OLD XHI 13) die Mama aber leert ihr Glas, so
ist hübsch die Proportion ghalten. — Allegro! ins Gewehr! — (Er reicht jeder ihr Glas, nimmt seines, stößt an, sie trinken); Blücher 1814 Br. 246 Monsieur Peter ist recht allegro; Nestroy 1835 Geist 51 immer allegro und fidel [sein]; Bauer 1836 Überschw. II 203 „Allegro!" rief der Zopfmeister, „aber fein behutsam!"; Fussenegger 1951 Haus 491 Du bist doch sonst immer so allegro; 1963 (Hacks 1965 Stücke 169) allegro, ms gewehr! (DWB N.). allegro 2: Speer 1687 Unterr. f. d. mus. Kunst 33 zu dem jetzt überschriebenen (Ala breve, presto und Allegro); ebd. 39 Allegro, presto, ala breve heisst frisch/ hurtig/ geschwind; Walther 1708 Praecepta 40 allegro . . frisch, hurtig, geschwinde; ders. 1732 Musical. Lex. 27b allegro . . bedeutet:
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allegro
frisch, lustig, wohl belebt; Trichter 1742 Ritterlex. 36 allegro, belebt, freudig, lustig, hurtig und muthig; (nicht allein in der Music); Quantz 1752 Flöte 264 im Dreiviertheiltacte, kann man, wenn das Stück allegro geht, . . in einem Tacte, mit dem Pulsschlage kein gewisses Tempo fest setzen; Goethe 1773 Concerto dramat. (WA I 38,3) Allegro con furia/ Weh! weh! Schrecken und Todt; ebd. 38,5 Allegro con spirito/ Nirgends eine Welt von Nichts/ Nirgend Menschen ohne Lieb; Nicoali 1755 schön. Wiss. 29 Allegro; Sulzer 1771 Theorie l 43 Allegro (Musik.) Bedeutet hurtig, und wird den Tonkünsten vorgesetzt, welche etwas geschwinde und mit Munterkeit sollen vorgetragen werden; 1781 Hausball 14 Dieser geigete allegro, der Biano, der nahm eine 8tel Note; Jean Paul 1805 Flegeljahre (W. IV 650) er hatte Aussichten, durch des Kleppers Allegro ma non troppo den haltenden Fuhrleuten ziemlich vorzusprengen; Kurz 1843 Schillers Heimatjahre I 96 begab sich in das Speisezimmer, aus welchem ihm .. der Ton eines Klaviers entgegenschallte. Er trat ein und wurde von einem rauschenden Allegro empfangen; Landsteiner 1860 Leben 121 Allegro, Adagio, Molltöne; Dingelstedt 1879 Bilderbogen 176 Zankduett, allegro furioso; Engel 1884 Tonkunst 335 denken wir uns . . innerhalb . . einer Sonate .. in vier Sätzen . . den ersten allegro moderate; Riehl 1885 Vortr. II 289 Allegro; Th. Mann 1947 Faustus (W. VI 606) in dem Allegro con fuoco endlich lebt sich die Polyphonic in langen Linien aus; MM 11.1.1985 im Mittelteil der Arie werden diese Töne noch bestimmender, . . und sie dominierten endgültig im Allegrofinale; ebd. 6.3.1985 wenn er . . mit festlichem Eingangs-Andante ein lockendes Tor öffnet und dem schon gespannt Lauschenden die Sicht freigibt auf ein Allegro molto vivace; ebd. 12.3.1985 polyphon-akzentuiert im Allegro; ebd. 15.6.1985 die Akustik der Dreifaltigkeitskirche verträgt durchaus ein Allegro; Zeit 16. 9.1986 die Polonaise verleitet zur Reise in die Vergangenheit, mit der Geschwindigkeit eines Allegros entfernt sich der Alltag; MM 11.2.1987 im Allegro-Teil des ersten Satzes verliehen die . . Piano-Forte-Akzente der Wiedergabe doch eine schöne Straffheit; ebd. 18.4.1987 führte Drengemann .. von dem kahlen Trauermarsch . . zu einem jauchzenden Allegro-Gipfel hin. Allegro: Mattheson 1739 Kapellmeister 208 da z. E. ein Adagio die Betrübniß; . . ein Lento die Erleichterung; . . ein Andante die Hoffnung; . . ein Allegro den Trost . . zum Abzeichen führen; Bach 1753 Clavier I 113 die Fermaten über Pausen kommen mehrentheils im Allegro vor; Sulzer 1771 Theorie l 43 Allegro . . Man braucht dieses Wort auch als ein Hauptwort, indem man ein Stük, das
in hurtiger Bewegung soll gespielt werden, ein Allegro nennt; Schiller 1782 Fiesko (W. II 79) Julia tritt zornig zu einem Flügel und spielt ein Allegro; Nicolai 1783 Reise I 129 Nachdem die Arie geendigt war, . . kam eine beynahe komische Sinfonie, .. darauf kam ein Andante, .. endlich wieder ein Schlendrians-Allegro; Wolf 1793 Dulder I 51 wie schmilzt die Seele beim klagenden Adagio, wie stimmt sie das muntre Allegro zur Frölichkeit!; Hippel 1793 Kreuz- u. Querzüge I 225 Das Angstgeschrei der Wittwen ist den herren Kriegsknechten ein Allegro; Goethe um 1805 Rameaus Neffe (WA l 45,36) Er summt mit der Stimme ein Allegro von Locatelli; . . die Sonate auf der Violine hatte ihn ganz in Wasser gesetzt; ders. 1829 Gespr. m. Eckermann o. S. Napoleon behandelte die Welt wie Hummel seinen Flügel . . so wie es Hummeln gleichviel ist, ob er ein Adagio oder ein Allegro . . spielt (GWB); Engel 1884 Tonkunst 331 die Anfänge .. des Allegrosatzes in dem Terzett aus dem „Barbier von Sevilla"; Riehl 1885 Vortr. II 289 „Aber ein rasches, sprudelndes Allegro gestattet wohl den Schluß auf einen fesselnden und unterhaltenden Vortrag?" — „Keineswegs! Man kann auch in der größten Geschwindigkeit furchtbar langweilig sein"; Berker 1911 Beethoven 124 welch ein Gegensatz zu den Allegri der A-Dur- und CDur-Sonate; v. Wahlendorf 1936 Erinn. 135 während des letzten, eines Allegro-Satzes eines Konzertes; 1965 Aspekte 102 der Russe Ciurlionis [Maler u. Musiker] in seinen abstrakten Formspielen, denen er auch Titel wie „Andante" oder „Allegro" gab und sie zu Bilderreihen ordnete, die er dann Sonnensonate oder Schlangensonate nannte; ND 25.2.1969 im Allegro aus seiner Sinfonie in E gab es abschließend Passagen, bei denen die Augen der jungen Musiker zu leuchten begannen; Zeit 15. 2.1985 da Händel dies . . Chorstück als Allegro im Dreivierteltakt komponierte; MM 8.11.1985 schon im Allegro kündigte sich die gesangliche Linie von Violoine und Cello an, die dann dem gehaltvollen Andante-Satz die lyrische Stimmung verlieh; ebd. [Solisten] verliehen dem einleitenden Allegro-Satz neben blühendem Ton eine vitale Dynamik; ebd. 6.3.1986 das Allegro zu Anfang des Konzerts D-Dur für vier Violoinen . . versprühte den Goldglanz, den man vor Augen hat, wenn man von venezianischen Festen spricht; ebd. 2.1.1987 die Wechsel zwischen Orchestertutti und den Soli des Geigers . . im Allegro des „Frühlings" der „Vier Jahreszeiten"; ebd. 16.1.1987 eingerahmt wird das ganze Werk von straffen Allegro-Sätzen; ebd. 7.8.1987 rokokohafte Verspieltheit las er gleich eingangs aus dem Allegro der D-Dur-Sonate. allegretto: Walther 1732 Musical. Lex. 27a allegretto .. ein wenig munter, oder frölich, aber
Allergie doch auf angenehme, artige und liebliche Art; Goethe 1773 Concerto dramat. (WA l 38,3) Allegretto 3/8: [Langeweile] Machst Jungfrau zur Frauen/ Gesellen zum Mann; 1886 Dt. Enc. l 423 allegretto . . Tempobezeichnung, . . gemäßigt, lebhaft, etwas schnell; Th. Mann 1934 Reden u. Aufs. (W. IX 427) alles mögliche „undeutsch" zu schelten,. . wie zum Beispiel das Allegretto, Scherzando und Spirituoso; MM 25.3.1987 beeindruckte . . mit mühelosem Spiel . ., souverän in den raschen Allegretto-Passagen mit Lagewechseln und Doppelgriffen. Allegretto: Quantz 1752 Flöte 264 so kömmt . . in einem Allegretto, auf jeden halben Tact ein Pulsschlag; Billroth 1878 Briefw. U 262 das Allegretto
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in h-Moll ist von allerliebster Grazie und spielender Anmut; Scherchen 1929 Dirigieren 24 des Allegretto der VII. Sinfonie; Th. Mann 1947 Faustus (W. VI 78) im Trauermarsch der Eroica und im Allegretto der A-Dur-Symponie; Welt 25.5.1964 der gelöst-graziöse Charakter des Allegretto; Hildesheimer 1977 Mozart 31 sieht man keine preußische Prinzessin die Sechzehntelläufe des Allegretto mit der linken Hand .. spielen; Zeit 14.11.1986 dann das abschließende Allegretto con Variazioni; MM 13.2.1988 wie sie sich im zweiten Satz den Klangraum polyphon erschließen, . . wie sich im Allegretto die kontrapunktischen Figurationen mit dem melodieführenden Instrument verbinden.
Allergie F. (-; -n), Anfang 20. Jh. von dem österreichischen Mediziner Clemens von Pirquet eingeführte gelehrte Bildung aus griech. 'ein anderer' und 'Werk, Tätigkeit', mit formaler Anlehnung an griech. 'Wirksamkeit', also eigentlich im Sinne von 'Tätigkeit fremder Stoffe, Fremdeinwirkung'; —»· Energie. In der Medizin in der Bed. 'krankhafte Reaktion des menschlichen Organismus auf bestimmte körperfremde Stoffe; krankhafte Überempfindlichkeit', bes. in der Wendung an einer Allergie leiden, häufig als Grundwort in Zss. wie Lebensmittelallergie 'durch bestimmte Lebensmittel hervorgerufene Allergie', Pollenallergie 'durch Pollen hervorgerufene Allergie'; in jüngster Zeit häufig auch übertragen für 'stark ausgeprägte Empfindlichkeit, Sensibilität; Überempfindlichkeit, Reizbarkeit; Abneigung', z. B. eine Allergie gegen etwas haben (s. Belege 1964, 1969, 1987). Dazu gleichzeitig die adj. Ableitung allergisch 'von einer Allergie herrührend; an einer Allergie leidend', z. B. auf Fremdstoffe allergisch reagieren; allergische Menschen; auch übertragen für 'überempfindlich, reizbar' (s. Belege 1961, 1977), in Wendungen wie auf jmdn., etwas allergisch reagieren, gegenüber jmdm., etwas allergisch sein. Dazu Mitte 20. Jh. die subst. Ableitung Allergiker M. (-s; -) 'jmd, der an Allergien leidet, auf bestimmte Stoffe überempfindlich reagiert' und in jüngster Zeit die neulat. Kombination Allergologie F. (-; ohne PL) 'wissenschaftliche Erforschung der Allergien, Lehre von den Allergien' mit der Berufsbezeichnung Allergologe M. (-n; -n) 'Wissenschaftler, Arzt, der in der Allergieforschung bzw. -behandlung tätig ist'. Allergie: Pirquet 1906 (Mitnch. med. Wochenschr. Llll 1458 b) Für diesen allgemeinen Begriff der veränderten Reaktionsfähigkeit schlage ich den Ausdruck Allergie vor; ders. 1907 Studien 131 ich habe . . vorgeschlagen, . . den Ausdruck Allergie zu gebrauchen, der von allos und ergeia gebildet ist und nichts besagt als veränderte Reaktionsfähigkeit; Münch. N. N. 24.5.1938 Entstehung der Allergie noch rätselhaft; FAZ 10.10.1964 Die Allergie, die seit der Erhöhung der Telefongebühren jeden Griff nach dem Hörer begleitet, ist offenbar noch längst nicht abgeklungen; 1967 Fotomagazin XII 17
Allergie gegenüber abgerundeten Bildecken (DUDEN); Welt 12.5.1969 Hiroshima und Nagasaki galten lange Zeit als Symbol für die nukleare Allergie Japans; Zeit 24.1.1985 weil die Lebensmittelallergie nicht ins bekannte Schema paßt, wird sie von vielen Ärzten immer noch ignoriert; MM 25. 9.1985 maßgebend für die Entstehung einer Allergie seien nicht die Mikroorganismen, sondern die angeborene Neigung, auf solche Substanzen überempfindlich zu reagieren, meinen Fachleute; Zeit 27.3.1987 er hatte eine Allergie gegen die großen wichtigtuerischen Ideen; MM 24.2.
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1988 mit einem lachenden und einem weinenden Auge sehen Menschen mit einer Pollenallergie dem Frühjahr entgegen; ebd. 27.5.1988 der Stich einer einzigen Biene kann, wenn eine Allergie gegen Bienengift besteht, so heftige Reaktionen hervorrufen, daß sich der Kehlkopf verschließt und der Betroffene erstickt; Süddtsch. Ztg. 18.12.1992 Die Zunahme von Lebensmittelallergien führen die Wissenschaftler auch auf das erweiterte Nahrungsangebot durch exotische Früchte zurück. Es sei auch zu vermuten, daß es wegen des vermehrten Verzehrs von Rohgetreide zu mehr Getreideallergien gekommen ist; Spiegel 15.2.1993 Der Leiter des Emstaler Instituts für Umweltkrankheiten . . registrierte bei Allergietests mit Palladiumchlorid auf der Haut von Probanden mitunter die „heftigsten Reaktionen". Allergiker: Siebeck 1949 Medizin 124 Wenn auch vielleicht .. jeder überempfindlich sensibilisiert werden kann,. . so bestehen doch so große quantitative Unterschiede, daß Allergiker meist deutlich gekennzeichnet sind; Stuttgarter Nachr. 15.5.1954 Die meisten Vertreter der letzteren Gruppe sind Allergiker, sie neigen zu allergischen Zuständen wie Asthma, Heufieber, Nesselausschlag, Migräne, Föhnkrankheit, Ekzemen; MM 20.4.1985 von den 20 bis 25 Millionen Allergikern in der Bundesrepublik leiden .. etwa drei Millionen an Heuschnupfen und Pollenasthma durch Blutenstaub; ebd. 14.10.1987 mit Injektionen, die die Empfindlichkeit gegen Blutenstaub oder anderen Staub herabsetzen, hat man vielen an Kopfschmerzen leidenden Allergikern helfen können. allergisch: Firquet 1906 (Münch. med. Wochenschr. LIH 1458 b) der Geimpfte, . . der mit Serum Injizierte werden den respektiven Fremd-
körpern gegenüber allergisch; Stuttgarter Ztg. 15.12.1961 Aber es ist nicht einzusehen, warum es unter 4000 Münchner Ärzten nicht auch einen exzentrischen Menschen geben soll, der ein guter Mediziner sein kann, aber gegen Uniformen allergisch ist; Welt 12.8.1969 auf nichts pflegt man im deutschen Rudersport so allergisch zu reagieren, als wenn der Achter im internationalen Leistungstest „unter ferner liefen" rangiert; Hildesheimer 1977 Mozart 162 er war allergisch gegen das, was er für Frivolität hielt; MM 16.1.1985 nahezu 50 Prozent der Asthmaerkrankungen sind allergisch bedingt, führte Professor . . Fabel.. weiter aus; ebd. 14.10.1987 allergisch bedingte Kopfschmerzen bleiben häufig jahrelang unerkannt, weil sie sich nach Art und Herd von anderen Kopfschmerzen nicht unterscheiden; ebd. 27.1.1988 die Übertragung tierischer Eiweiße auf den Menschen könne zu schweren allergischen Reaktionen führen, meinte der Arzt. Allergologe: MM 20.6.1985 mit Pollen werden wir hier sehr gut bedient, stellte auch eine andere Allergologin ironisch fest; Zeit 6.12.1985 nach Angaben des Hamburger Allergologen Professor Heinz Schulz sind viele Kontaktallergien auf Kosmetika, Textilien, Haushaltschemikalien zurückzuführen; MM 12.5.1987 Heuschnupfen gilt nach den Worten des Allergologen heute bereits vielfach nur als „Einstieg" für andere allergische Krankheiten. Allergologie: Zeit 6.12.1985 ich bin erstaunt, sagte vergangene Woche in Berlin der Präsident der internationalen Gesellschaft für Allergologie .., daß die meisten meiner deutschen Kollegen immer noch bezweifeln, wie sehr Allergien in Industriestaaten zunehmen.
Allianz F. (-; -en), im frühen 17. Jh. entlehnt aus gleichbed. frz. alliance (zu (s'}allier, altfrz. (soi) aliier '(sich) verbünden, vereinigen, (durch Heirat) verbinden', zurückgehend auf lat. alligare 'an-, festbinden, verbinden', aus ad- 'an, zu, heran, herbei' und ligare 'binden'; —»legieren), anfangs in Schreibungen wie Alliancie, Alliantz und bis heute selten Alliance. a Zunächst vor allem im politischen und militärischen Bereich in der Bed. 'Bündnis zwischen Staaten, Bündnisvertrag; Staatenbund, Vertragsgemeinschaft', bes. in der Zs. Allianzvertrag, seit frühem 19. Jh. häufig in der festen Verbindung Heilige Allianz als Bezeichnung für das 1815 zwischen Preußen, Österreich und Rußland geschlossene Bündnis, gelegentlich auch auf andere politische Bündnisse übertragen. Schon seit Mitte 17. Jh. auch allgemeiner verwendet für 'Verbindung, Beziehung' (s. Belege 1647, 1717, 1730, 1835, 1885, 1951, 1988, 1992). Dazu seit frühem 17. Jh. das aus gleichbed. frz. (s')allier (s. o.) entlehnte, meist reflex, verwendete Verb alliieren '(sich) verbünden, vereinigen, (mit jmdm.) ein
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Bündnis schließen', anfangs und bis heute häufig adj. verwendet in der Part. Perf.-Form alliiert , zunächst in der Bed. 'mit jmdm., miteinander verbunden, im Bündnis befindlich, verbündet' z. B. die alliierten Mächte, Truppen, dann (s. Belege 1919, 1949) auch für 'zu den Alliierten (s. u.) gehörend, von ihnen ausgehend, durchgeführt, durch sie bewirkt, eingerichtet', z. B. die alliierten Beschlüsse, alliierte Luftangriffe, Alliierter Kontrollrat. Etwa gleichzeitig das unter Einfluß von gleichbed. frz. allie aufgekommene Subst. Alliierter M. (Alliierten; Alliierten), anfangs vereinzelt in der frz. Form, bes. auf politische Bündnisse bezogen in der Bed. 'jmds., eines Staates o. ä. Verbündeter, Bündnispartner, Bundesgenosse', gelegentlich auch allgemeiner verwendet (s. Belege 1822, 1910); häufig plur. und mit dem bestimmten Artikel gebraucht die Alliierten für 'Gruppe von Verbündeten, durch eine Allianz miteinander verbündete Staaten (bes. im Krieg)' (s. Beleg 1796), insbes. im 20. Jh. als Bezeichnung für die im 1. und 2. Weltkrieg gegen Deutschland verbündeten Staaten (England, Frankreich, USA), bes. in der Zs. Westalliierte, b Seit früherem 17. Jh. in der heute veralteten Bed. 'eheliche Verbindung, Heirat', bes. von hohen Standespersonen (—» Mesalliance), vor allem in der Zs. Allianzwappen 'Vereinigung der Wappen des Ehepaares in einem Schild, Heiratswappen'. Allianz a: 1519 Urkundenb. NdRhein IV 2,637 in deser aliancien [zwischen Karl V. u. d. Herzögen v. Cleve u. Jülich] sullen . . uyssgescheiden syn deghene vur datum derseluer aliancien mit unss off eynchen van unss verschreuener verbontenisse synt gewest (DWB N.); um 1608 Jud v. Venedig 188 habe ich Befehl, eine sichere Vnd Bestendige allianz wieder den Türcken mit diesser durchlauchtigen herrschafft . . Zu schliessen; 1623 Apokalypsis A 2b Der gross Magor hat vnsere Alliance begehrt, wie zugleich auch der mechtig König in China vnd Japonia; 1647 (Wrede, Altköln. Sprachschatz Wlb) ob er nit mit die angebene theter geßen und gedruncken oder sonsten eine alleans zu samen gemacht? (DWB N.); Chemnitz 1648 Krieg I 261 eine Haubtalliance aller Evangelischen Chur-/ Fuersten vnd Staende des Reichs (JONES); Böckler 1665 Schola militaris 315 Hülfe oder Aliance; Fr. W. I. 1667 Polit. Test. 55 Alliancen seindt zwar gutt, eigene Krefte noch besser, darauf kan man Sich sicherer verlassen; 1669 (Dtsch. Ztg. 17. Jh. Nr. 13) Mons. Collbert hat sich bey dem König in Engelland sehr beklagt/ daß die von der dreyfachen Alliantz untereinander eine privat Liga gemacht hätten; Abr. a S. Clara 1683 Auf, auf ihr Christen 55 vnser Allianz ist mit den Engeländern; Brulig 1683 Wien 399 die zwischen Ihro kayserl. May. vnndt Fohlen geschlossene alliantz; Mencke 1710 Unterredung 288 ob nicht Venedig noch sich Kayserlich erklärt? Ob auch die Alliantz mit Holland lange währt; Riederer 1715 Trig. Paragramm B 6a Daher dan seine Krön sich mit der Kayserlichen in Alianz liess ein; Elis. Charl. 1717 Er. Ill 108 die graffin von Hannaw solle gar reich sein und hatt gutte alliancen; 1750 Unterredungen v. d. Reiche d. Gei-
ster I 113 denn da sonst das cörperliche Wesen eines rechten Menschen aus der Erde bestehet, und auf derselben seine Wohnung seyn soll, so ist hiergegen diese Nation [Holländer] gewohnt, mit dem Wasser-Element in der genauesten Alliance zu stehen; Kreittmayer 1769 Grundriß I 49 Öffentliche Bedürfnisse und Alliancen sind Sachen, welche nur souverainen Häuptern .. gebühren; 1785 Gedanken ü. d. Unruhen 174 Die Alianzen oder Verbindungen, welche die Regenten unter einander zum Vortheil ihrer Staaten treffen, sind sehr veränderlich und wilkürlich; Schiller 1790-92 G. Kr. (H. VIII 197) Gleich nach geschlossener Allianz ging der König über die Elbe und vereinigte sich . . mit den Sachsen; Rehfues 1814 Reden II 10 Wenn eine Allianz von wenigen Staaten unsicher ist, . . so wird die Coalition von vielen völlig unzuverlässig; Goethe 1820 Rez. Manzoni, Carmagnola (WA I 41.1,200) die Florentiner haben die Republik um Allianz gegen den Herzog von Mailand angerufen; Buchholz 1821 Taschenbuch 255 Bei dieser Gelegenheit war auch die Rede von der heiligen Allianz; Heine 1835 Romant. Schule 63 mitten in Deutschland, im Lande wo jenes Ungeziefer, der Knoblauch, der Tabak und das Kreuz, in heiliger Allianz, überall herrschend ist; 1848 Grenzboten I 2,188 ihr Gläubigen der heiligen Allianz; Droysen 1851 York I 304 zur Verhandlung eines Allianzvertrages mit Preußen; Scherr 1865 Blücher III 100 Daß er für seine Person ein Anhänger der Allianz mit Napoleon war, konnte hierbei gar nicht ins Gewicht fallen; Ranke 1877 Erhebung Preußens 108 Zwischen Rußland und Preußen sollen die alten Verhältnisse wiederhergestellt und ein Vertrag der Freundschaft und Allianz geschlossen werden;
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Riehl 1885 Vortrage U 190 Darum reden wir und schon im Worte steckt die Allianz — von einer „historischen Anthropologie"; Fontäne 1898 Br. II 2,470 in Gott sei Dank verschwundenen Tagen der Polizeialliance, die in der Geschichte den anspruchsvollen Namen „Heilige Alliance" führt; Peters 1904 England 114 Jene sind für ein starkes Heer und eine mächtige Flotte, sowie Allianzen mit fremden Mächten; 1916 Deutschland I 265 Seitdem die „heilige Allianz" einen romantischen Einfall des Kaisers Alexander I. von Rußland ins Praktische übersetzt hatte, war das Verhältnis zwischen Rußland, Österreich und Preußen ein freundschaftliches gewesen; Heilborn 1929 Revolutionen 179 Friedrich Wilhelm III. war eben doch als recht aktiver Teilhaber der Heiligen Allianz beigetreten; Pirchegger 1937 Deutschesten. Ill 45 Darauf löste Metternich die Allianz mit Frankreich; Münch. N.N. 17.4.1943 Hier stehen sich nicht nur Staatengruppen und Allianzen in einem Ringen gegenüber; Süddtsch. Ztg. 26.2.1949 Acheson hat bestätigt, daß es ursprünglich die Absicht der USA war, eine „große Allianz" unter Einschluß Italiens und Skandinaviens zu schaffen; Rehfisch 1951 Hexen 279 Madame ist eine Verehrerin Molieres .. und glaubt unerschütterlich an ihre Allianz mit dem Teufel; Süddtsch. Ztg. 13.6.1957 Aus Metternichs Heiliger Allianz der Fürsten wird in unseren Tagen langsam das Gebilde, von dem seine demokratischen Gegner träumten, eine Heilige Allianz der Völker; Offenburger Tagebl. 21.8.1962 die im Vorjahr gegründete „Allianz für den Fortschritt" reicht offensichtlich nicht aus, um Südamerika an der westlich-demokratischen Stange zu halten; FAZ 21.5.1966 Immer wieder wird öffentlich erklärt, daß es im Sinn der atlantischen Allianz sei, einen bewaffneten Konflikt zu vermeiden; ebd. 22.8.1970 Der Irak, andere arabische Länder .. seien eine „Allianz des Hasses" gegen Ägypten eingegangen; ebd. 13.10.1971 die Unternehmer bildeten eine „unheilige Allianz zur Verhinderung von Reformen"; Welt 19.6.1974 die erstaunliche Allianz des nordirischen protestantischen Arbeiterrats . . mit den paramilitärischen protestantischen Straßenorganisationen; Zeit 13.9.1985 für die europäischen Bündnispartner Amerikas sind Solidarität der Sicherheit, stabile Abschreckung und das Bemühen um Entspannung die politischen Grundpfeiler der westlichen Allianz; MM 7.6.1988 menschengerechte Ziele könnten nur der Allianz von Mensch und Natur entspringen; Spiegel 30.11.1992 [bei der] Privatisierung der Deutschen Bundespost Telekom haben sich merkwürdige Allianzen gebildet. alliieren: 1692 Gesch. Kees H 193 dass durch diese gute Harmonie das Postwesen zu beidenseiten . .
verbessert werden könte, wenn man sich noch vertraulicher . . mit einander vernehmen und alliiren würde; Götz v. Berlichingen 1731 Lebensbeschr. 169 eigene Herren . . so sich nobiles Dominos geschrieben und mit denen Herren von Hohenlohe sich alliiret gehabt; Kreittmayr 1769 Grundriss l 42 sich mit einem von beeden zu alliiren; Goethe 1793 Br. (WA IV 10,90) Er versteht sein Handwerk und weiß mit wem er sich zu alliiren hat; Brachvogel 1858 Bach I 100 alliiren Sie sich mit mir, und Sie sollen ein Staatsmann comme il faut werden; Klabund 1915 Soldatenlied 103 Die Kaiserin hat sich mit den Franzosen alliiert. alliiert: Hoppe 1628 schived.-poln. Krieg 619 der Krone Schweden alliirten Unterthanen; Weingarten 1673 Fürstenspiegel I 392 die allijirte ReichsVölcker; 1715 Berl. geschr. Ztg. 324 daß das alliirte Corps vor diesem Orthe starck auf der Huht seyn müste; Gemmingen 1774 Briefw. 71 das mit der Geistlichkeit alliirte Weib; Scharnhorst 1797 Denkwürdigkeiten I 385 Unterricht für die Cantonnirungen der kaiserlichen und alliirten Trupen, in den Niederlanden; Goethe 1822 Campagne (WA I 33,177) das furchtbare alliirte Heer; Pückler-Muskau 1866 Briefw. IV 126 wie sonderbar hat es sich gefügt, daß Italien und Preußen jetzt alliiert sind!; Raabe 1879 Zum wilden Mann 10 Viele Rambergsche und Chodowieckische Kunstschöpfungen . . die drei alliirten Monarchen in drei verschiedenen Auffassungen auf dem Leipziger Schlachtfelde; Kapp 1919 Br. 28 weil ich nicht der Mann bin, alliierte Schikanen zu erdulden; N.Z.Z. 9.9.1943 Bei der Landung alliierter Truppen im Gebiet von Neapel handelt es sich um eine gross angelegte „Amphibien-Operation", die von starken alliierten Streitkräften durchgeführt wird; Welt 2.9.1949 der alliierte Beschluß vom 11. September 1945 sieht Einstimmigkeit der vier Besatzungsmächte bei der Zulassung neuer Parteien vor; ebd. 11.1.1954 ein neues Ehegesetz . ., das das alliierte Gesetz von 1946 ablösen soll; Grzimek 1959 Serengeti 113 er hatte zweifellos mit geringsten Hilfsmitteln den ganzen Krieg hindurch große Teile der alliierten Truppen in Ostafrika gebunden; Hochhut 1963 Stellvertreter 27 der alliierte Rundfunk meldet, daß zahlllose ermordet werden; FAZ 27.12.1965 sowohl die drei alliierten Stadtkommandanten als auch ein Sprecher des Senats verurteilten das unmenschliche Verhalten der Zonensoldaten; MM 13.6.1985 die Einsatzzentrale, das Hauptquartier der alliierten Luftstreitkräfte in Europa, leitet das Training der Piloten von Ramstein in der Pfalz; Zeit 21.2.1986 irgendwo im Lande ist ein Anschlag auf eine alliierte Militäreinrichtung begangen worden; Spiegel 7.12.1992
alliiert, Alliierter Auf den alliierten Kriegsschiffen herrscht Verständnis für die Deutschen. Alliierter: Wallhausen 1616 Manuale (Gl.) Allies. Verbundtgesellen; Opitz 1634 (Reifferscheid 675) der mit denn . . Alliirten biesher getroffenen confoederation zue wieder (beide JONES); 3644 Vollkommener Kapitän 183 seinen Alliirten und Bundtsgenossen zu succurrieren; Abr. a S. Clara 1683 Auf, auf ihr Christen 125 es ergreift nunmehr Leopoldus vnser allergnädigster Käyser die Waffen mit seinen Alliirten; 1684 Getrost. Europa A2b Spanien und derselben Cron Alliirte fanden solche Proceduren umb desto wunderlicher; Abr. a S. Clara 1688 Judas 7 256 da kombt der höllische Feind mit allen seinen Alliierten; 1689 Polit. Fliegenwedel I 30 Fürnemlich aber hätte er sich an die Mit-Alliirten zu attressiren/ dieweil ohne dieselben keine Proposition abgenommen .. werden könte; Friedrich l. 1700 Br. 83 dann die allyrten Ihre trouppen vom Rhein und Italien werden zurücke ziehen müßen; Elis. Charl. 1702 Br. l 280 Ich kan leicht gedenken, wie alle alliirten sich über könig Wilhelm todt werden betrübet haben; Walther 1737 Sing. Magdeb. / 8 [die Stadt Magdeburg] mit ihren Alliirten Wolmirstedt, Jerichau; 1786 Journal d. Moden I 353 Ihr eigenes und Ihres Alliirten Staatsinteresse; Knigge 1789 Umgang H 146 Jeder gute Mann hat mit seinen eigenen Angelegenheiten genug zu thun, so dass es vergebens ist, Alliirte zu suchen, weil Diese bey der ersten Gelegenheit, wo es eigene Sicherheit gilt, davonlaufen; 1796 (Laukhard 1792 Leben III 224) die Alliirten .. erobern .. Verdun; Goethe 1811 Dichtung u. Wahrh. (WA l 26,155) die Gefangenen waren jedoch Anzeichen einer für die Alliierten unglücklichen Schlacht; ders. 1821 Wander jähre (WA I 25.1,162) ich vernahm, daß die Ameisen Alliierte meines Schwiegervaters [des Zwergenkönigs] geworden; Savigny 1822 Beziehungen z. Hessen / 81 in demjenigen, was sie darin vermissen, haben sie zwei starke alliirte, meine frau und Arnim (DWB N.); Moltke 1827 Freunde I 53 die unerschütterliche Ruhe des jungen Mannes hatte imponiert, so lange er da war, und der mächtig eingewurzelte militärische Respekt war sein Alliierter gewesen; Raabe 1864 Hungerpastor 213 er hat manchen unserer früheren Alliierten auf dem Gewissen; Wilhelm II. 1892 Kaiserworte 16 unser Alliierter von Roßbach; A. Weber 1910
alliiert, Alliierter s. Allianz
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Kampf 280 die Genossenschaften [sind] die Alliierten der Gewerkschaften; 1923 Polit. Handwb. I 40 Alliierte und assoziierte Mächte; Berl. lllustr. Nachtausg. 3.3.1933 Der alte Alliierte, der da noch lebt, fordert die Vorbereitung und die Hingabe; Th. Mann 1945 Reden u. Aufs. (W. XI 1099) das Kriegsziel der Alliierten ist die Sicherung des Friedens; ND 7.5.1949 so wie es anläßlich der Einigung der Alliierten über Viermächtebesprechungen Glückliche gibt, gibt es auch Leidtragende; Welt 10.3.1954 wir empfanden den Beutezug der Alliierten unter unseren Geistesarbeitern nach 1945 als einen schmerzlichen Verlust; FAZ 18.1.1966 auf dem Flugplatz wurde er von Vertretern der westlichen Alliierten, der Bundesbehörden und des Senats verabschiedet; Welt 6.1.1969 gegen die Bedenken des Berliner Senats hat die sowjetzonale Reichsbahn von den drei Westalliierten die Genehmigung erhalten, einen eigenen Funkbetrieb innerhalb Westberlins einzurichten; FAZ 2.2.1972 Er müsse den sowjetischen Freund und Alliierten aufsuchen, um die Nahost-Politik .. zu überprüfen; Welt 8.5.1974 als Begründung führen die Alliierten an, daß schon bei früheren ähnlichen Veranstaltungen der NPD die öffentliche Ordnung bedroht gewesen sei; MM 13.8.1986 der Regierende Bürgermeister Brandt ersucht die Kommandanten, Patrouillen an die Grenze zu schicken, damit die Berliner sehen, daß die Westalliierten noch da sind; ebd. 4./5.9.1993 Denn schon am 23.724. September widmeten sich die Allierten jenen Stadtteilen [zur Bombardierung], die bis dahin verschont blieben. Allianz b: Nicolai 1633 Br. a. Wedel (Sonden 467) die nunmehr geschlossene heurathsalliance (JONES); Elis. Charl. 1705 Br. I 411 Ich habe im sin, daß, wen der junge margraff von Anspach ahnkommen wirdt sein, daß vielleicht woll eine doppelte alliance werden wird; Sperander 1727 A la mod Sprach 26 f. Bey hohen Standes-Personen wird das Wort Alliance auch von ehelichen Verbindungen und Vermählungen gebrauchet; Mörike um 1840 Musa 3 daß eine Verbindung, eine Allianz mit mir . . von größter Ersprießlichkeit sei (WDG); Spielhagen 1872 Voran III 60 wenn nun Mesalliance nicht einmal das rechte Wort wäre, wenn es sich um eine Alliance, das heißt um eine wirkliche Verbindung, um eine legitime Ehe handelte; Curtius 1950 Welt 64 während sein .. Siegelring ein gräfliches Alliancewappen trägt.
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Allotria
Allotria PL, im 20. Jh. auch als Sing. N. aufgefaßt (s. Belege 1953, 1993), im früheren 17. Jh. in der Gelehrtensprache aufgekommen, zurückgehend auf griech. PL 'fremdartige, nicht zur Sache gehörige, abwegige Dinge' (zu 'anderen gehörig, fremd (-artig), ausländisch', zu 'ein anderer, verschieden, fremd'), bis ins 20. Jh. selten auch mit latinisierter Flektion (bes. im Dat. PL Allotriis), im 18. Jh. vereinzelt in griech. Schreibung, im 18.719. Jh. selten die latinisierte Nom. Sing.-Form Allotrium (s. Belege 1773, 1832), seit dem 19. Jh. gelegentlich auch mit eindeutschendem PL Allotrien. Zunächst in Anlehnung an das griechische Vorbild für 'nicht zur Sache gehörige, fremde Dinge, Nebensachen' (s. Belege 1688, 1773), von daher auch 'Nichtiges, unnütze Dinge, Ungereimtheiten, fremdartige, unfachmännische Beschäftigungen', z. B. Kunst, bes. Schriftstellerei als dilettantische Nebentätigkeit (—» Dilettantismus; s. Belege 1791, 1860, 1870, 1923, 1933); seit dem 19. Jh. zunehmend übertragen verwendet in der heute dominanten Bed. '(mit Lärm und Tumult ausgeführter) vergnüglicher Unfug; dummes Zeug, Dummheiten, Albernheiten, Narretei, Schelmereien, Possen, Theater', bes. in den Wendungen (allerhand) Allotria treiben, anstellen; laßt doch das Allotria! Mengering 1642 Gewissensrüge 1420 Nein, nein, manche Gesellen bringen offtmals [in den Predigten] gar allotria ein, vnd die sich auff jhre Zuhörer vnd derselben Zustand reimen als wie ein Faust aufs Auge; Thomasius 1688 Monats-Gespräche I 598 Du fangest auf deine alten Tage wunderlich Zeug an, daß du deine Zeit mit Schulbüchern verderbest und also lauter allotria fürnimmst; 1710 Neue Bibliothek IX 780 als welcher mit allotriis und einem Mist .. unnützer Sachen angefüllet ist; Lober 1723 Studente 80 Und wie du diese Einrichtung [Tagesplan] deines Gedächtnüß halben zu Papiere bringen kanst, so unterstehe dich ausser dem Nothfalle niemahlen selbige [Tagesordnung] zu übertreten, und durch allotria deinen Endzweck zu hemmen; 1738 Kurze Excerpta 4 seine monita seynd schlecht, und lauter , so zum Wercke selber nicht gehören; Philippi 1743 Reimschmiedekunst 202 [wenn einer] durch viele Umschweife und allotria sich auf sein Haupt-Thema spielen will; 1756 Leipziger Avanturieur l 168 Dieses schmerzte mich dermassen, daß ich alle allotria aus dem Wege zu schaffen, . . [mich] mit Ernst entschloß; Nicolai 1762 Literaturbr. Vlll 393 Die Allotria bleiben Allotria; Goethe 1773 Rechtsanwaltschr. (DjG 373) Ich setze . . seinen übrigen eingestreuten Allotriis und Weitschweiffigkeiten allgemeinen Wiederspruch entgegen; ebd. Hl 385 bringt Gegner in der schönen Ordnung die er beobachtet ein Allotrium herein .. eine Kleinigkeit . . die er nur so merckwürdig zu machen sucht (GWB); Kindleben 1781 Studentenlex. 80 wenn der Lehrer sich bei dem Vortrage derselben [Logik, Metaphysik] nicht bey unnützen Subtilitäten und allotriis aufhält; Hermes 1791 Literar. Märtyrer I
78 für Allotria [Anm.: Fremde Beschäftigungen] also bleibt weder Zeit noch Geld übrig; Gotter 1802 Nachlass 229 Wer sein halbes Leben allotria getrieben hat, taugt nicht zu Geschäften; Laukhard 1802 Leben V 286 die Acten sind, wegen der vielen darin vorkommenden Allotria [spaßige Vorkommnisse] . . gar sehr erbaulich zu lesen; Rumohr 1832 Denkwürdigkeiten HI 97 Dieses Allotrium doch nur des Beyspiels willen; Pückler-Muskau 1834 Tutti-Frutti IV 284 Zuerst erscheint eine Vorkost en macedoine, worin auch etwas mit unterläuft von der Politik und Regierungskritik, nebst vielen ändern Allotrien, die gar nicht dahin gehören; Kurz-Mörike 1838 Brieftv. 125 Aus den Halbgedanken, die ich für Sie hinwarf, ersehen Sie eigentlich nichts, als daß mir der Kopf von Allotriis voll ist; Mahler 1860 Milit. Bilderbuch 243 Im Uebrigen würde ich Ihnen rathen, sich mehr mit . . dem Exercierreglement . . als mit Poetasterei und sonstigen Allotrien zu beschäftigen; Fontäne 1860 Br. 11 1,213 Zeit zu solchen Allotriis [Besuche bei fremden Leuten]; Springer 1870 Berl. Prospecte 40 dass man die Schriftstellerei nicht . . als Allotria, sondern als eigentlichen Lebensberuf treiben müsse; Spielhagen 1890 Finder i 83 trotz der Allotria, die ich [als Knabe] sonst trieb; ebd. I 85 zu den lyrischen Allotriis [dichterischen Versuchen] waren epische gekommen; Lübke 1891 Lebenserinn. 61 als er plötzlich einen Schüler Allotria treiben sah; Haym 1902 Leben 140 ich fuhr fort, allerlei litterarische Allotria zu treiben; Oberländer 1903 Jägerhaus a. Rhein 265 von uns, stets zu Spott und Allotria aufgelegten Jungen; DürckKaulbach 1918 Erinn. 133 nach sechs sehr genussreichen und lustigen Wochen, die mit schönen Par-
Allroundtien, mit Musik, Tanz und sonstigen Allotria reich geschmückt waren; Werfet 1920 Mörder 42 [Buben, die) Allotria treiben . ., soviel sie nur wollen; Heer 1923 Tobias Heider 156 [der] jeden künstlerischen Einfall eines Zöglings zu „Allotria" stempelte; Th. Mann 1924 Zauberberg (W. Ill 788) die Gäste trieben Allotria wie eine unbeaufsichtigte Schulklasse; Harnack 1927 Werkst. 116 theologische Allotria behandeln; Werfel 1928 Abituriententag 225 Sie [Schüler] sind jung und erwidern meine Hingabe mit Unaufmerksamkeit, Geschwätze .. und hundert ändern Allotriis; Koch 1932 Geist 148 Wiederholungen, kurze Fragen, Bemerkungen, jene „Allotrien" der Rede; 1933 „Duden"-Sammlung o. S. daß der . . Biedermeiermaler Spitzweg jahrelang als Provisor in der . . Hofapotheke beschäftigt war und seine Kunst als „Allotria" in seinen Mußestunden betrieb; Dtsch. AZ. 12.1.1935 Allotria im Studierzimmer; Volksgemeinschaft 1.8.1936 Wir trieben tausend Allotria, lachten, sangen; Münch. N.N. 15./16.4.1944 Allotria in der „Allotria"
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(Überschr.) Die Wirtin in der berühmten KünstlerGesellschaft wurde 80 Jahre alt; Th. Mann 1947 Faustus (W. Vi 100) Kretzschmar . . begünstigte es sogar, daß dieser . . Jüngling auch musikalisch vorauseilte und sich mit Dingen zu schaffen machte, die ein pedantischer Mentor als Allotria verpönt haben würde; 1953 Bildungsfragen 11 beruhigte ich [Heuss] die Teilnehmer durch mein rundes Bekenntnis zum „Allotria", zum Spieltrieb der Jugend, zu den unnützen Dingen; Muschg 1981 Gegenzauber 253 Als nächster kam Roland von Aesch zu Wort. . im Einzig Möglichen Blatt, das sich seinen Allotria über Film und Musik bisher immer verschlossen hatte (DUDEN 1993); Zeit 8.11.1985 neben diesem bekanntesten Ergebnis der Allotria, die der Herr Professor treibt, erscheinen seit den sechziger Jahren Aufsätze und Glossen Ecos in italienischen Zeitungen; Spiegel 11.1.1993 Die Erklärungsfrist für die Prozeßbeteiligten endet am Montag abend. . . Von da an ist eine Entscheidung möglich. Sie könnte dem unwürdigen, den Rechtsstaat schädigenden Allotria ein Ende machen.
Allround-, im frühen 20. Jh. aufgekommenes Anfangselement, meist von Subst., entlehnt aus gleichbed. engl. allround, auch all-round (aus all 'alles' und round 'rundum, ringsum, vielseitig'), in Zss. häufig mit Bindestrichschreibung, gelegentlich auch getrennt und klein geschrieben (s. Beleg 1969). a Zunächst in der Verbindung Allroundman M. (-; Allroundmen), seit Mitte 20. Jh. auch Allroundmann (vgl. gleichbed. engl. allround man) 'jmd., der (fast) alles kann, in jeder Hinsicht fähig, auf vielen Gebieten kompetent ist', dafür seit den 70er Jahren auch Allrounder (vgl. gleichbed. engl. allrounder), von daher in ähnlichen Verbindungen in bezug auf Personen für 'jmd., der auf seinem Gebiet umfassend (aus)gebildet, fähig ist', z. B. Allroundkaufmann, -künstler, -politiker, -sportier 'Sportler, der sein Können in mehreren Disziplinen beweist, z. B. Zehnkämpfer' (s. Beleg 1949), vgl. auch Allroundgenie 'in allem genialer, vielseitig begabter Mensch' und Allroundtalent (s. Belege 1954, 1961), nur bezogen auf Personen für 'jmd., der vielseitig, allgemein begabt ist' (—* Talent 2b); häufig auch in bezug auf Sachen und Sachverhalte, z. B. Allroundgerät, -mittel, -auto, -wohnraum, -kostüm, -mantel 'Mantel, der zu vielen Gelegenheiten paßt, vielseitig verwendbar ist' (s. Beleg 1949); seit Mitte 20. Jh. auch als Adv. allround, z. B. allround interessiert, talentiert (s. Belege 1955, 1964). b Seit früherem 20. Jh. selten auch im Sinne einer Lokalpräp. verwendet für 'überall ringsum', in Verbindungen wie Allroundreederei 'alle Kontinente ansteuernde Schiffahrtsgesellschaft' und Allround-Elastic als Bezeichnung für einen sich rings um den Körper elastisch verhaltenden, hautähnlichen Stoff. Allround- a: Wilhelm II. 1927 Leben 239 Er war, was der Engländer einen „Allround Man" nennt; Süddtsch. Ztg. 19.3.1949 Allround-Skifahrer in Oberstaufen (Überschr.) „Zehnkampf" der Skifahrer könnte man diese schwerste und schönste Skikonkurrenz auch nennen; NZ. (Basel) 9.5.1949 all
round-Wissen; ebd. 22. 5.1949 „Allround"-Wettermantel (Überschr.) Jäger, Fischer, Wanderer und Velofahrer sind alle begeistert von seinen Eigenschaften (Anzeige); Süddtsch. Ztg. 17.11.1950 Allround-Wettbewerb quer durch die wichtigsten Sportarten; ebd. 17.2.1953 Herbert von Karajan,
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vom Pfeil des Ehrgeizes, sich der bewundernden Welt als ein Allround-Genie zu präsentieren, allzuscharf getroffen; ebd. 15.8.1953 Heutzutage sind Balkone sozusagen Freiluftzimmer und AllroundWohnraum; ebd. 4.9.1953 Der Londoner Lewis Grant Wallace . . ist ein Allround-Mann des Erfolges: Filmdrehbuch, Hörspiel, Fernsehspiel, Reklame — und dazu noch ein Theaterstück; ebd. 6.7.1954 das zarte Koloraturstimmchen des Allround-Talents; Zeit 24.11.1955 Er muß alle drei bildenden Künste all-round meistern (AWB); Offenburger Tagebl. 28.10.1959 Allround-Bildung für Jedermann (Überschr.); Süddtsch. Ztg. 13.2. 1961 Toni Sailer . . gibt sich als Allround-Talent des weißen Sports, auf Skiern, auf Schlittschuhen, beim Eishockey; Offenburger Tagebl. 6.9.1962 der Allround-Polizeibeamte, der nicht nur nach dem Verkehr sieht, sondern der auch den Einbrecher nebenan bemerkt; ebd. 9.3.1963 Stets geschmackvoll ist man auch im schicken All-roundKostüm angezogen; ebd. 6.3.1964 der bekannte Allroundartist . ., der durch seine akrobatischen Vorführungen, seinen Twist auf Stelzen und durch seine Entkleidung auf dem Rad die Zuschauer begeisterte; FAZ 4.10.1964 Charmante junge Dame . . all-round-interessiert (Anzeige); Strecker 1969 Frauenträume 104 Margaret Mitchell hatte ein journalistisches Handwerk gelernt als allround Reporterin; Welt 6.12.1969 der redegewaltige AllroundKünstler der Politik; ebd. 25.2.1969 Winterfahreigenschaften . ., die den Käfer zu einem AllroundAuto machen; Offenburger Tagebl. 26.4.1969 Rentner, früh. Allround-man in Großbetrieb (Anzeige); FAZ 23.2.1970 Aktiver Allroundsportler (Anzeige); ebd. 19.5.1970 2 vitale Allroundmen, 32 u. 33, .. jahrelange Erfahrung im Außendienst als Kaufmann, Klinik- und Praxisbesucher, wollen sich verändern (Anzeige); 1973 Adac-Ztg. VI 75 der
Opel ist ein handliches Allround-Auto; Zeit 18.10.1985 Wocker war ein allround-Journalist, einer aus der rar gewordenen Kategorie, die Bildung, Sachkenntnis, Lebenserfahrung und das Profil einer vorwiegend politisch orientierten Arbeit nicht davon abhielten, sich lustvoll auf berufliche Seitensprünge einzulassen; MM 24.11.1987 der Allround-Mann der Mannheimer Kunstszene; ebd. 29.12.1987 das medizinische Allround-Genie; ebd. 11.5.1988 Ein Allround-Talent, das seine oberste Maxime gleich zu Beginn verkündete: „Ein Stückchen Rockshow, ein bißchen Chansonabend, ein wenig Jazz und viel Revue"; Sanders 1992 Sprachkritikastereien 31 .. bis hin zu vielhundertseitigen „Sprachratgebern", grammatisch-stilistischen Allround-Werken, die umfassende Belehrung in allen Sprachdingen versprechen. Allrounder: Welt 19.4.1970 Wir stellen vor allen Dingen Modefachleute . . ein — jedoch haben auch Allrounder eine Chance; Spiegel 26.1.1987 Als Allrounder, schildert Wasmeier den psychologischen Vorteil seines Multi-Talents, „bin ich nicht krampfhaft auf eine Disziplin fixiert" (beide AWB); Süddtsch. Ztg. 28.9.1993 Was Wunder, daß sich auch der Allrounder Martin Waiser zu einer Homestory bereitgefunden hat. Allround- b: 1938 Münch. N.N. CLXXIX o. S. Hapag und Lloyd als sog. „aIIround"-Reedereien nehmen unter den deutschen Schiffahrtsgesellschaften eine Sonderstellung ein; Dtsch. AZ. 25. 6.1944 in der Zeit der all-round-Offensiven gegen Deutschland; Stuttgarter Ztg. 12.9.1959 Kein Wunder, daß 40 Millionen Playtex-Schlüpfer bisher gekauft wurden, denn Playtex living .. formt wie jugendliche Haut. ., lebt mit dem Körper dank der völlig nahtlosen Allround-Elastic (Anzeige).
Allure F. (-; -n), Anfang 19. Jh. (gebucht 1806 bei Heuberger) entlehnt aus frz. allures (PL), auch allure (Sing.), 'Gewohnheiten, Manieren, Benehmen, Verlauf (< mittelfrz. allure^ altfrz. aleure 'Gang(-art), Lauf, zu altfrz. aler 'gehen' < gleichbed. vulgärlat. *alare (vgl. mlat. alare}, wohl gekürzt aus lat. ambulare 'zwanglos umhergehen, wandeln, spazieren'; —»Allee, —»· ambulant), im 19. Jh. selten in der französisierenden Form Allure(n). Häufig im PL und in Verbindung mit wertenden Attributen verwendet in der Bed. 'auffallende Umgangsformen, Gewohnheiten, Manieren, Formen des Benehmens' (—» Air1, —> Attitüde), z. B. gute, feine, vornehme Allüren haben (s. Belege 1855, 1905, 1918, 1953, 1954, 1965), meist eher abwertend gebraucht für 'aus dem Rahmen fallendes, ungewöhnliches Benehmen; auf Wirkung bedachtes unnatürliches, aufgesetztes, künstliches, geziertes Betragen, arrogantes, eigenwilliges Auftreten, Gehabe, Gebaren' (vgl. Affektation, —* affektiert), vor allem auf Verhaltensweisen von Personen bezogen, bes. in Wendungen wie seine Allüren beibehalten, ablegen, verlie-
Allure
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ren; die Allüren einer großen Diva annehmen, nachahmen, mit den Allüren eines Künstlers auftreten; aristokratische, komische, merkwürdige, schlechte Allüren haben; sich an jmds. Allüren gewöhnen, ein Mensch ohne Allüren/von guter Allüre; als Grundwort vor allem in den Zss. Künstler-, Starallüren 'eitles, launenhaftes Benehmen (wie ein Künstler oder Star)'. Pückler-Muskau 1831 Br. e. Verstorbenen III 31 Der Handel dagegen ist unbedeutend, und die ganze Allüre der Stadt [Utrecht] .. und Menschen mehr aristokratisch; ders. 1840 Südöstl. Bildersaal l 236 So ein scheues Reh [Mädchen] hat uns ganz unbekannte Allüren; Gutzkow 1850 Ritter IX 426 Aber von den Regierungen verfolgt werden, . . von der Aristokratie verdammt und verketzert werden, das entspricht freilich nicht den Allüren dieser Aesthetik; 1853 (v. Simson 1900 Erinn. 320) Sie wissen auch, daß man mir aristokratische Allüren mehrfach zum Vorwurfe gemacht hat; Freytag 1855 Soll u. Haben l 166 beide von großem Unternehmungsgeist und untadelhaften Allüren; Nordau 1881 Kreml U 213 litterarische Allüren; Fontäne 1882 L'Adultera l die seiner Lebensstellung entsprechenden Allüren; Gottschall 1885 Totenkl. 286 man kann die Allüren der auf die große Masse wirkenden Volksführer . . nicht ohne weiteres auf die Apostel der Legitimität übertragen; Fontäne 1891 Unwiederbringlich 271 daß die rechte Liebe von diesem versteckten Hochmut, der nur in Demutsallüren einhergeht, nichts wissen wolle; Lubliner 1896 Riviera 65 daß die Kleinheit des Fürstenthums das Herrscherpaar veranlaßt, auf die Allüren großer Herrscher zu verzichten; Fontäne 1898 Zwanzig 147 junge Leute von Durchschnittsallüren; Zander 1904 Neue Welt 20 seinen militärischen Allüren nach; Böhme 1905 Tagebuch 188 Sie ist sehr gebildet und hat tadellos vornehme Allüren; Th. Mann 1910 Nachtr. (W. XIII 399) daß er die realistisch-bürgerliche Allüre [im Roman] bis ans Ende . . mit aller Genauigkeit festzuhalten weiß; Lasker-Schüler 1913 Gesichte U 168 ein sogenanntes Fräulein, allerdings, sie trägt einen Federhut und hat die Allüren ihrer Dame abgesehen; Duncker 1918 Liebe 11 Das schöne Mädchen mit den vornehmen Allüren; Wohlmuth 1918 Schauspielerleben 75 zwei elastische Gestalten, mit allen Allüren vollendeter Aristokraten; Th. Mann 1918 Reden u. Aufs. (W. XII 104) es war eine romantische Jünglingstäuschung und Jünglingsallüre, wenn ich mir ehemals einbildete, ich opferte mein Leben der Kunst; Förster 1922 Ethik 33 den herrischen Allüren, die in unsere sozialen und rechtlichen Verhältnisse gar nicht mehr hineinpassen; 2929 Süddtsch. Monatsh. XXVI 673 Allüren des Siegers; Stegemann 1930 Tage 97 ein Bauer mit Edelmannsallüren; Berl. Illustr. Nachtausg. 9.3. 1933 In diesem Zimmer .. sitzt kein Star mit den
Allüren einer vielbewunderten Künstlerin, da spricht keine Frau, die an Bewunderung so gewöhnt ist, . . da sitzt . . ein Mensch!; Abendroth 1935 Pfitzner 133 daß Sie . . ein von Theaterrücksichten, Primadonnenlaunen und Tenoristenallüren belasteter . . Hofkapellmeister sind; v. 'Wahlendorf 1936 Erinn. 139 den deutschen Botschafter, . . der in Aussehen und Allüren den Grandseigneur aus der besten vormärzlichen Zeit verkörperte; 1943 Heeresverwaltung 400 Überlegenheit und wahres Führertum vertragen sich auch nicht mit Arroganz und frechen Herrenallüren; 1945 Festg. f. Korrodi 39 gefiel sich der Kritiker in den Allüren eines Priesters der Göttin Kunst; Th. Mann 1949 Reden u. Aufs. (W. XI 256) ein Mann von schlichter Liebenswürdigkeit . ., ohne eine Spur der Tyrannenallüren des Anstaltsgewaltigen deutschen Stils; Kesten 1952 Casanova 62 trat Casanova mit den Allüren eines Hochstaplers auf; Bonn 1953 Gesch. 38 Lasalle .. besass die grosse theatralische Allüre, die man Mitte des 19. Jahrhunderts von einem Tribun erwartete; Th. Mann 1954 Krull (W. VII 554) ich hatte es dort mit einem .. vertrauenerweckenden Manne von guter Allüre zu tun; Süddtsch. Ztg. 9.5.1964 herbe Worte der Kritik an den „kleinlichen Krämerallüren und kurzsichtigen Ambitionen"; ebd. 22.2.1965 Er ist erwachsen, er hat Allüren bekommen. Allüren können schlecht und gut sein; Bildztg. 16. 3.1967 von ihr sind keine königlichen Allüren bekannt; ebd. 22.3.1967 ein Star ohne Starallüren; Welt 5.6.1969 [die] aufgesetzten Allüren bei den handelnden Personen; ebd. 12.11.1969 beide Künstler, die ohne clowneske Allüren sicherlich weniger Absatz gefunden hätten; Pross 1971 Söhne o. S. eine Justiz mit den Allüren der Reichswehr, das trägt die Anarchie mitten in die Gesellschaft; Jungblut 1971 Die Reichen o. S. wird man .. unwillkürlich an die Allüren reicher Gutsbesitzersöhne aus den Kreisen des Landadels erinnert; FAZ 21.8.1971 Wollen Sie mich vor Junggesellenallüren bewahren? (Anzeige); Fest 1973 Hitler 198 ob er nicht . . die linkische Allüre zu einem Mittel der Selbstinszenierung erhob; Hildesheimer 1977 Mozart 99 Man stelle sich derlei Allüren bei Mozart vor!; Zeit 5.4.1985 sich selbst zeigt er in der Allüre des überlegenen Spötters und melancholischen Dandys; Sloterdijk 1985 Zauberbaum 15 Es wird sich niemand von den Rokoko-Allüren und den rhetorischen Sprüngen des Texts täuschen lassen; MM 20. 8.1985 unbewußte
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Ignoranz und bewußte Allüren; ebd. 6. 9.1986 beflügelt von den monarchischen Allüren des Landesvaters; Zeit 19.12.1986 sie zieht die Register, und die Töne, die Allüren sitzen auch, doch alles wirkt sehr zusammengesetzt; ebd. 13.3.1987 von den Kommilitonen trachten sich die Preppies durch besonders konservative Allüren und eine uniformartige Kleidung zu unterscheiden; MM #.5.1987 Horst Janssen — Enfant terrible, mit seinen . . Starallüren und sonstigen Bedürfnissen und Vorlieben Lieblingsobjekt der für diese Fälle zuständigen Presse; ebd. 29. 7.1987 so wie auch Cornelia Froboess noch die unnatürlichen Töne der Schauspie-
lerin Irene Herms herumträgt, im Grunde aber mit burschikoser Allüre nur die Verzweiflung überschminkt; ebd. 16. 9.1987 von der heroischen Allüre ihrer Rollen vollkommen in Besitz genommen; Borst 1988 Barbaren 340 Wehe dem Handwerker, der sich wie Veit Stoß in Geldgeschäften Künstlerallüren erlaubte; 1992 Vogue deutsch IV 60 Als Star kam für uns nur Liz Taylor in Frage — eine Diva mit Glamour und Allüre, trotz oder gerade wegen all ihrer offensichtlich zur Schau gestellten menschlichen Gelüste; Spiegel 30.11.1992 Liebeneiner lenkt das Geschehen ohne dramatische Allüren.
Almanach M. (-s; -e, früher vereinzelt -s), im frühen 15. Jh. vereinzelt, seit frühem 16. Jh. kontinuierlich nachgewiesen, eventuell über gleichbed. mittelniederl. almanag (vgl. frz. almanach, ital. almanacco, span, almanaque, engl. almanac] entlehnt aus mlat. almanac, almanachus 'Kalender; über mehrere Jahre gültiges astronomisches Tafelwerk mit Angabe der wahren Planetenörter' (wahrscheinlich zurückgehend auf ibero-arab. al- manaha 'Kalender', das den europäischen Sprachen über die der Astronomie kundigen Araber Spaniens vermittelt wird), im 15.716. Jh. häufig in meist lat. Kalendertiteln bezeugt, z. B. Peurbachs „Almanach pro pluribus annis" (Wien 1460), anfangs auch in Schreibungen wie Almanag, Almanak. Zunächst für 'Kalender mit astronomischen und meteorologischen Daten, Jahresprognosen, poetischen Beigaben u. ä.', dabei werden die Beigaben seit dem 16./ 17. Jh. zunehmend zur Hauptsache, so daß der Kalender oft sekundär wurde oder ganz fortfallen konnte, von daher dann in der Bed. '(mit einem Kalender verbundenes) der Unterhaltung und praktischen Belehrung dienendes Jahrbuch mit einer bebilderten Sammlung von Texten aus verschiedenen Sachbereichen, z. B. Theater, Mode, Reisen, Politik und bes. Literatur', als Grundwort in Zss. wie Damen-, Moden-, Reise- und Musenalmanach (bes. 18.719. Jh.) 'jährlich erscheinende Anthologie mit noch unveröffentlichten poetischen Versuchen, Gedichtsammlung' (—> Anthologie). Heute speziell auch für 'aus besonderem Anlaß oder aus Werbegründen veröffentlichter, meist illustrierter Querschnitt aus der Jahresproduktion eines Verlages, bes. mit Textproben noch unveröffentlichter Bücher; Verlagskatalog', z. B. Insel-, Suhrkamp-Almanach (s. Beleg 1985), vgl. auch Opern-, Theateralmanach; selten auch allgemeiner für '(Jahres-)Verzeichnis, Namenliste' (s. Beleg 1987). 1423—34 Handelsrechn. Dtsch. Orden 487 mynem heren marschalke gesand czu czuwen czienten 2 almanag (FRNHD. WB); Zwinglt um 1525 W. II 1,367 darum will ich dir ein andren Almanak . . machen (MALHERBE); 1558 Lindener Katzip. 8 ir noch heut bey tag inn dem almanach oder calender gedacht wirdt (FRNHD. WB); Thurneisser 1575 Archidoxa 47a So tund jr etlich Calculieren/ Almanach/ Practic auff feil art/ Von jar/ und thun der menschen zart; Frischlin 1586 Nomendator 105b Fasti, Calendarium, Calender, Almanach; 1587
Faust 67 So lobte man auch seine Calender vnd Allmanach vor ändern; Kiechel um 1600 Reisen 107 eh ich gen Riga kam, trueg sich ein casus zu des neyen almanac oder calenders halber; Henisch 1616 Teutsche Sprach 48 Almanach, Calender . . ein Zeitrechnung, verzeichnuß; Sperander 1727 A la mod Sprach 27 Almanach, ein Calender/ ist eine nach dem Himmels-Lauf wohl eingerichtete/ und in gewisse Tabellen verfaßte Politische Zeitrechnung; Zedler 1732 Universallex. I 1291 Almenach, oder Almanach auf Teutsch ein Calender; 1772
Alphabet Frankf. gel. Anz. 36 Almanach der Musen, auf das Jahr 1772 (Überschr.) Es unterscheidet sich dieser Almanach von den vorigen darin, . . daß weniger Anecdotensucht . . darin herrscht; Schubart 1775 Dtsch. Chronik 56 Er, der uns sonst aus seinen Anthologien und Almanachen so manches herrliche Gedicht schenkte; Wekhrlin 1777 Denkwürdigkeiten 123 von diesem Augenblick wäre er . . ein abgesagter Feind der Alchymie und ihrer Günstlinge geworden. Schöne Noten in den Allmanach der Adepten aber nicht der Philosophie; Beckmann 1780 Erfindungen I 109 Von Zeit zu Zeit kamen neue Ausgaben unter dem Titel: Almanach oder newer Kalender heraus. Vermuthlich wären sie in den ersten Zeiten nach Erfindung der Druckerey, für den einjährigen Gebrauch, zu kostbar gewesen; Lavater 1781 Verm. Sehr. U 46 Gute Kinder, Sammler des Musenalmanachs, will Euch gebeten haben, nicht nur Ernsthaftes .. zu sammeln; Goethe 1796 Br. (WA IV 11,158) Ihre [Schillers] freundliche Zuschrift, begleitet von den ersten Bogen des Almanachs und den guten Zwiebäcken, waren mir sehr erfreulich .. Der Almanach macht wirklich ein stattliches Gesicht; ders. 1806 Br. (WA IV 19,244) es gibt so mancherley Zerstreuung, meistens von unangenehmer Art, deshalb ich nicht weiß, ob ich etwas erfreuliches für Ihr Tageblatt und für Ihre Almanachs zusammenbringe; 1810 Almanach a. Rom l Vorerinn. II Ein unschuldiger Almanach der bildenden Künste mit seinem Kalender, der in jedem Jahre mit einem neuen Namensverzeichnisse verdienter Künstler aus der grossen Kunstrepublik erscheinen wird . . Da wir . . die Absicht haben, in jedem Jahrgange eines der vorzüglichsten in Rom oder in Neapel befindlichen . . antiken Gemälde in treu colorirter Nachbildung zu geben; Freiligrath 1852 Poet. Episteln III 239 Almanach der Musen; Ebeling 1869 kom. Lit. II 15
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Aber einige derselben, besonders Claudius, Boie und Voß drangen darauf, daß er sie ausbesserte, und so wurden sie in verschiedenen Sammlungen, z. B. im Göttinger Musenalmanach, Voßschen Musenalmanach, Taschenbuch für Dichter u. a. gedruckt; Hermann 1908 Henriette 275 Ein paar kleine Erfolge, Angebote zur Mitarbeiterschaft für Journale und Beiträge zu Almanachen, ja sogar so eine Art Zensortätigkeit für einen großen Verlag — das war ihm mit einemmal zugekommen; Th. Mann 1911 Reden u. Aufs. (W. IX 43) verehrt von dem literarischen Nachwuchs, dem er [Chamisso] ein gütiger Berater und Förderer war, gab er seit 1832 mit Schwab und Gaudy den deutschen Musenalmanach heraus; ders. 1950 Reden u. Aufs. (W. XI 514) ich will gewiß die Gelegenheit nicht versäumen, die Ihr erster in Frankreich erscheinender Almanach mir gibt, zu einem dankbaren Erinnern an die guten Tage, die ich zu Anfang des vergangenen Sommers in Paris verlebte; Herzog 1959 Diana 20 bei der Sitzordnung im Fürstenschloß . . spielten zur damaligen Zeit Anciennität und Gothaer Adelsalmanach eine sehr gewichtige Rolle; Welt 8.11.1974 als Schillers Hören und Almanache herauskamen, herrschte die Ansicht vor, mit der Literatur gehe es gewaltig bergab; Zeit 26.4.1985 der Klassikerverlag kann uns im Frühjahr in seinem Almanach noch nicht sagen, welche zwölf Erstlingsbände . . wir im Herbst in die Scheuer unserer Bibliothek fahren können; ebd. 30. 8. 1985 die lockere Mischung aus Bedeutsamem und Bedeutungslosem, Weltbewegendem und lokalem Kolorit macht den Almanach lesenswert; ebd. 23.1.1987 Obdachlose, Nichtseßhafte, Landfahrer, entlassene Strafgefangene, entwicklungsgestörte junge Menschen, so werden sie in einem regierungsamtlichen „Bonner Almanach" 1978 aufgelistet.
Alphabet N. (-(e)s; -e), schon seit dem Mhd. (LEXER) nachgewiesene Entlehnung aus gleichbed. kirchenlat. alphabetum, (zurückgehend auf das als Benennung für die gesamte Buchstabenfolge des griechischen Sprachsystems dienende gleichbed. griech. maskuline und feminine Subst. , das aus den Bezeichnungen für die beiden ersten Buchstaben und gebildet ist, die zusammen mit der Buchstabenschrift durch phönizische Vermittlung aus dem Semitischen (< hebr. aleph, beth) übernommen wurden; vgl. etwa gleichzeitig aufgekommenes frz. alphabets, alphabet, im 16. Jh. engl. alphabet und ital. alfabeto), anfangs in der Schreibung alfabete und bis ins frühere 18. Jh. in der lat. (flekt.) Form. la Zunächst in der Bed. 'Gesamtheit der in festgelegter Reihenfolge geordneten Buchstaben eines Schriftsystems, Abc', oft in den Wendungen Namen, Wörter nach dem Alphabet ordnen; das lateinische, deutsche, englische Alphabet; das große Alphabet 'die Großbuchstaben'; das kleine Alphabet 'die Kleinbuchstaben'; als Grundwort in Zss. wie Buchstaben-, Finger-, Konsonanten-, Laut-, Morse-, Muster-,
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Real-, Runen-, Silben-, Tast-, Universalalphabet (s. Beleg 1755); als Bestimmungswort in den Zss. Alphabetspielerei, -tafel, -schloß 'Sicherheitsschloß, das nur nach Einstellung bestimmter Buchstaben geöffnet werden kann, Buchstabenschloß'; im früheren 16. Jh. Alphabetschüler 'Schulanfänger, Abc-Schütze'; bereits Anfang 15. Jh. auch in bildlichem Gebrauch, z. B. der zwölfte Buchstabe des Alphabets 'das Wertvollste' (s. Beleg um 1400). b Von daher vom späteren 17. bis ins frühe 20. Jh. auch in der übertragenen Bed. 'systematische Ordnung eines Bereichs, Grundkenntnisse auf einem Gebiet', z. B. in Wendungen wie das Alphabet der Pflanzen, der Natur, Baukunst, Politik; das musikalische Alphabet 'Reihenfolge der sieben Buchstaben c,d,e,f,g,a,h zur Bezeichnung der sieben Haupttöne einer siebenstufigen Tonleiter'; als Grundwort in Zss. wie Empfindungs-, Gedanken-, Natur-, Pflanzen-, Verstandes-, Weltalphabet. c Seit spätem 18. Jh. ebenfalls in übertragenem Sinne für 'die ganze Reihe, Palette, Skala, das ganze Spektrum von Einzelerscheinungen eines Bereichs, die unter einem bestimmten Aspekt zusammengehören', z. B. das ganze Alphabet der Leidenschaften; als Grundwort in Zss. wie Lebens-, Schimpf-, Studentenalphabet. 2 Vom früheren 17. bis ins frühe 19. Jh. als Fachwort der Buchdruckerei in der Bed. 'Anzahl von 23 Druckbogen, d. h. von so vielen gedruckten Bogen, wie das damalige Alphabet Buchstaben enthält', etwa gleichzeitig als Bestimmungswort in den adj. Zss. alphabetstark, -weise, auch übertragen gebraucht (s. Beleg 1826). 3 Vom früheren 18. bis ins spätere 19. Jh. in der Kaufmannssprache in der Bed. 'ein nach der Ordnung des Abc angelegtes Register über die Rubriken der Hauptbücher'. 4 Etwa gleichzeitig in der Fachsprache der Buchbinder für 'Schriftstempel aus Messing', im 19. Jh. im Sprachgebrauch der Buchdrucker für 'metallene Druckformen'. Dazu im 16.717. Jh. die in Analogie zu Abecedarius gebildete, meist lat. flektierte Personenbezeichnung Alphabetarius M. (-ii/-; -ii/-ien) für 'Abc-Schütze, Schulanfänger', gleichbed. mit dem im 16. Jh. selten bezeugten Subst. Alphabetist M. (-en; -en) (zu la), im späteren 16. Jh. auch bildlich verwendet (zu Ib). Seit Ende 17. Jh. die adj. Ableitung alphabetisch (ohne Steigerung), 'nach der Reihenfolge des Alphabets angelegt', z. B. eine alphabetische Ordnung, Reihenfolge, ein alphabetisches Verzeichnis, Register, Wörterbuch; ein alphabetischer Katalog 'Katalog, in dem die Verfassernamen und die Titel verfasserloser Schriften eines Bibliotheksbestandes nach dem Alphabet geordnet sind'; z. B. Namen, Wörter alphabetisch ordnen; ein Verzeichnis alphabetisch anlegen, seit spätem 18. Jh. (s. Beleg 1786) auch in der Bed. 'aus Buchstaben bestehend, auf Buchstaben orientiert', z. B. die alphabetische Schrift, alphabetisch schreibende Völker (s. Beleg 1841), vgl. die im 19. Jh. vereinzelt belegte latinisierte Form alphabetarisch (zu la). Im 19. Jh. vereinzelt die subst. Ableitung Alphabetik F. (-; ohne Pl.) 'Lehre von der Gesamtheit der Erscheinungen eines bestimmten Wissensgebietes' (zu Ib). Seit spätem 19. Jh. die verbale Ableitung alphabetisieren V. trans., 'etwas in alphabetischer Reihenfolge ordnen', Namen, Wörter, Titel alphabetisieren; auch in der adj. verwendeten Part. Perf.-Form alphabetisiert, z. B. ein alphabetisiertes Verzeichnis, Register, eine alphabetisierte Kartei, etwa gleichzeitig in dem Syntagma eine Sprache, Schrift alphabetisieren 'eine Sprache, Schrift mit Buchstaben versehen'; seit späterem 20. Jh., eventuell unter Einfluß von gleichbed. frz. alphabetiser und engl. alphabetize, vor allem auch in der Bed. 'Analphabeten Grundkenntnisse im Lesen und Schreiben vermitteln', jmdn., die Bevölkerung, ein Land alphabetisieren (zu
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la), vereinzelt auch übertragen gebraucht für 'jmdm. Grundkenntnisse auf einem bestimmten Gebiet vermitteln' (zu Ib). Seit späterem 20. Jh. das Verbalsubst. Alphabetisierung F. (-; -en) 'Bildungsaktion, die Analphabeten Grundkenntnisse in der Schriftsprache zu vermitteln sucht', z. B. funktionale Alphabetisierung 'an die Stelle von improvisierten Aktionen getretene Strategie gezielter Maßnahmen, die darauf gerichtet sind, Analphabeten Grundkenntnisse im Lesen und Schreiben zu vermitteln', als Bestimmungswort in Zss. wie Alphabetisierungsbemühung, -forschung, -grad, -kampagne, -klasse, -kongreß, -kurs, -maßnähme, -programm, -projekt, -schüler(in), -Zentrum; vgl. auch Alphabetisierungskoffer, -rucksack, in den 80er Jahren im offiziellen Sprachgebrauch der DDR für 'Koffer, Rucksack mit Bildungsmaterialien für die Alphabetisierung' (auch als Kurzwort Alphasetrucksack, Alphaset) (s. Beleg 1987)(zu la). Seit frühem 20. Jh. die wohl als Rückbildung zu —> Analphabet aufgekommene Personenbezeichnung Alphabet M. (-en; -en), zunächst für 'jmd., der lesen und schreiben kann', bes. in der Zs. Halbalphabet, dann auch in der Bed. 'jmd., der gerne liest' (zu la); vgl. daneben in dichterischer übertragener Verwendung von F. Werfel in der bewußten Gegenüberstellung von Alphabet und Analphabet gebraucht für 'Komponist, der sich als Alphabet streng an vorgegebenen Regeln orientiert und oft nur für Kritiker schreibt, im Unterschied zu einem Komponisten, der wie ein Analphabet nur seiner inneren Intuition folgt und Bedeutendes schafft (s. Beleg 1924), auch übertragen für 'Anführer, Wegweiser' (s. Beleg 1968) (zu Ib). Mitte 20. Jh. die eventuell als Rückbildung zu Analphabetismus ( —·» Analphabet) aufgekommene subst. Ableitung Alphabetismus M. (-; ohne Pl.) 'das Vorhandensein, die Verbreitung der Schreib- und Lesefähigkeit in einem Land, Gebiet'; als Grundwort in den Zss. Halbalphabetismus 'Fähigkeit, lesen zu können, ohne das Schreiben zu beherrschen' (zu la), Computeralphabetismus 'Fähigkeit, mit dem Computer umzugehen'(zu Ib). In jüngster Zeit die subst. Ableitung Alphabetisator M. (-s; -en) 'jmd., der im Rahmen der Alphabetisierungsarbeit Analphabeten Grundkenntnisse im Lesen und Schreiben vermittelt' (zu la). Alphabet la: um 1275 Altes Passional 55 der scholmeister [Zacharias] nam den sun vnde vurte in hin vf kunftich heil . . vnd ein buch er nam vnde gab im vor den buochstab des alfabetes vrhab; um 1400 Ackermann 138 Ich bins genant ein ackermann,. . Gehessig, widerwertig und widerstrebend sol ich euch [dem Tod] immer wesen: wann ir habt mir den zwelften buchstaben, meiner freuden hört, aus dem alphabet gar freissamlich gezucket; 1420 Vertrag wegen d. Schulen zu Braunschw. N.43 se enschollen nemande mehr leren in der schriver schole, wan schriven und lesen dat alfabet und düdesche boke und breve (NYSTRÖM); um 1430-1440 (Norrenberg 1880 Frauenarbeit 61) Alphabetschule; Kurreltneyer 1466 Bibel III 28 Der ander [Jeremias] fugt zuo samen sein alphabeth vnd sein schrift vnd redt von der nußgerten; ebd. V 2 [die Psalmen] iedoch werden sy zesamen gesetzt mit dem alphabet gleycher zal; ebd. VII 85 in
dem buoche bester do hab wir gemacht ein alphabet von den kleinsten buochstaben vntz auf den achten den man heyst geth; Fries 1519 Spiegel d. Arznei 86d nach ordenung des alphabets; Luther 1533 Tischreden 210a gegen jn [den Teufel] zu rechnen sind wir alphabet schüler (DIETZ); Ickelsamer 1534 rechte weis (Müller 1882 QSchr. 53) Ditz nachuolgend gantz Alphabet/ haben wir vorn an in diesem Büchlin gedruockt; Paracelsus 1538 Def. 55 dasjenige, so das Alphabet begreift, kommt in das Alphabet von außen hinein. Aber im Firmament, da ist es im Ursprung und der Litera ein Ding, als ein Exempel: Ein Baum, der da stehet, der gibt ohne das Alphabet, den Namen Baum und darf keins Alphabets zu seiner Notdurft . . Also ist das Buch des Firmaments auch, von dem kommt der Ursprung in das Alphabet; Luther 1543 vom schem hamphoras Dijb im ebreischen alphabeth, da alle buchstaben ziphren oder zahlbuchstaben
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sind (DIETZ); Neander 1583 Bedencken 15a Wenn nun ein Knabe sechs . . Jahre alt, vnd studieren sol, so muss man gemach mit jm anfahen, jn das Alphabet zu leren, . . das Abc . . ausgelernet; Thurneysser 1583 Onomast. II Von. o. S. die ersten Buchstaben, nach dem Alphabet zusetzen; ebd. der Ordnung vnd dem Alphabet nachzufolgen; Hutter 1602 Öffentlich Ausschreiben (Arens 1969 Sprachwissenschaft 78) Also zu verstehen/ daß zwar alle Buchstaben des gantzen Alphabets Radicales seyn . . Das halbe theil aber des Alphabets/ als nemlich eylff Buchstaben/ können Accidentales & Serviles geben; Hainhofer 1610 Corr. 27 sehr alt aber schön mit der feder gerissen Alphabet auof bürgament bilderweiss; Faulhaber 1613 Magia C4a im Teutschen Alphabet/ den ersten vnnd letzten Buchstaben deß ersten Worts; Henisch 1616 Teiitsche Sprach 49 Alphabet/ alphabetum, elementa, literae. Ein alphabet täffelin/ Taffei darauff die Knaben die Buchstaben machen/ oder schreiben lehrnen . . Ein Knab der das alphabet erst lernet/ puer abecedarius . . Der das alphabet/ die buchstaben nicht lean/ oder lernt/ analphabetus; Krafft 1616 Reisen 200 Alfabed oder vf teutsch Abc; Schwenter 1636 Delitiae phys. math. 7 nach dem Alphabeth geordnet; Tentzel 1689 Unterredungen 489 daß man das Lateinische Alphabet, welches allen Gelehrten bekannt; Leibniz 1696 Unvorgreifl. Gedanken 34 Aber die Worte und Reden des durchgehenden Gebrauchs könnten nützlich auf beide Weise vermittelst eines Deutungsbuchs (Lexikons) nach dem Alphabet und vermittelst eines Benennungsbuchs nach den Sorten der Dinge dargestellt werden; Morhof 1700 Unterr. 9 aus dem Hebräischen Alphabet; Wahl 1723 Poesie 23 In Erwehlung aber der Reime thut man am besten, wenn man das Alphabet durchgehet, welches denn viele Reime an die Hand giebet; Reichard 1747 Historie 180 Uebrigens ordnet er [Zesen] das gantze deutsche Alphabet also: a:b,v,w,f,p,g . .; Leibniz/Ludolf 1755 commercium epist. (Arens 1969 Sprachwissenschaft 102) Universalalphabet Ich möchte, daß die Alphabete aller bekannten Sprachen, bei denen es möglich ist, durch lateinische Buchstaben wiedergegeben würden; Moritz 1793 Grammat. Wb. I 100 Alphabet. Dieser fremde Ausdruck kann im Deutschen wohl beibehalten werden, weil er einmal allgemein angenommen, und unser ABC mit einem zu gemeinen oder geringfügigen Begriffe verknüpft ist, und überdem nicht wie ein ordentliches Wort aussieht , . Demohngeachtet aber findet Alphabet in der Zusammensetzung nicht statt; wir können nicht sagen: das Alphabetbuch, sondern es muß nothwendig heißen, das ABC Buch, oder die Fibel . . Was nun die Sache anbetrifft, so bemerken wir, daß die kleinsten Bestandtheile der menschlichen Rede die einzelnen Töne sind, welche durch
die Buchstaben im Alphabet bezeichnet werden; 1804 Merkur // 45 die fremden Alfabete; Jean Paul 1805 Flegeljahre (W. IV 804) Garrick wußte das bloße Alphabet so herzusagen, daß die Leute dazu tränten; Campe 1813 Fremdwb. II 101 Alphabeth. Auch diesen fremden Ausdruck räth Moritz beizubehalten, .. Aber 1. ist Alphabeth keinesweges schon in die Volkssprache übergegangen, also auch noch nicht für eingebürgert zu halten; Goethe-Zelter 1814 Briefw. II 91 dass dies Alphabet ein Werk des Mundes und das Metrum ein Werk des Pulses; Ersch/Gruber 1818 Allg. Enc. I 3,215 Auf jeden Fall scheint es rathsamer zu seyn, zu einem sogenannten Universalalphabete, dessen man zu richtiger Darstellung der Namen und Wörter fremder Sprachen so sehr bedarf, ein schon übliches, ziemlich vollständiges Alphabet mit den notwendigen Verbesserungen auszubilden, als ein besonderes organisches Alphabet zu erfinden; A. v. Humboldt 1847 Kosmos 161 Ein solches Lautalphabet, seiner Natur und Grundform nach ein Sylbenalphabet, war geeignet alle Bedürfnisse graphischer Darstellung von dem Lautsysteme einer Sprache zu befriedigen; Paul 1880 Prinzipien 48 Das Wort ist nicht eine Aneinandersetzung einer bestimmten Anzahl selbständiger Laute, von denen jeder durch ein Zeichen des Alphabetes ausgedrückt werden könnte, sondern es ist im Grunde immer eine kontinuierliche Reihe von unendlich vielen Lauten, und durch die Buchstaben werden immer nur einzelne charakteristische Punkte dieser Reihe in unvollkommener Weise angedeutet; Th. Mann 1901 Buddenbrooks (W. I 703) so waren neulich die Namen aufgerufen worden, die mit den letzten Buchstaben des Alphabets begannen; Littmann 1919 Wörter 8 Das Wort Alphabet ist aus dem semitischen Namen der ersten beiden Buchstaben entstanden; Th. Mann 1924 Zauberberg (W. Ill 917) Spielmarken . ., auf die mit Tinte und Feder die fünfundzwanzig Buchstaben des Alphabets gezeichnet waren; 1925 Jahrb. Samml. Kippenberg V 138 Alphabetspielerei und Schnickschnack; Kesten 1932 Scharlatan 33 Kurz erwiderte, er wäre dem Alphabet nach immer vor Lang daran gewesen; W. Krause 1935 Runen 3 Die überwiegende Mehrzahl der in- und ausländischen Runenforscher ist sich heute darin einig, daß die Runen etwa um rund 100 v. Chr. bei einem weit nach Süden vorgedrungenen Germanenstamm . . irgendwo im Alpengebiet auf der Grundlage eines der uns zwischen dem 4. und I.Jahrhundert v. Chr. überlieferten und ihrerseits aus der altgriechischen Schrift entwickelten norditalischen Alphabete entstanden ist; ebd. 11 Mit der Zeit bildet sich das vollständige punktierte Runenalphabet heraus, das nun auch die Reihenfolge des lateinischen Alphabets aufweist und runische Entsprechungen für alle lateinischen Buchsta-
Alphabet ben besitzt; Borst 1957 Turmbau 89 die neue Schrift, die die . . dem phönizisch-aramäischen Konsonantenalphabet präzisierend die Vokale hinzufügte; v. Brandt 1958 Werkzeug d. Historikers 70 Die heute und schon gegen Ende des Mittelalters gebräuchlichen, zahlreichen verschiedenen Alphabete stellen entwicklungsgeschichtlich nur Varianten dar; Partner 1964 Erben 37 Aber auch sie [die Klöster und bischöflichen Kanzleien] vermochten gewissermaßen nur „das nackte Leben" des Alphabets zu retten; Zeit 14.6.1985 Das wichtigste Kommunikationsmittel für Taubblinde, das Tastalphabet, erfand der 1821 in Mähren geborene Schriftsteller Heinrich Landesmann, als er nach dem Verlust des Gehörs im 16. Lebensjahr mit 60 auch noch das Augenlicht verloren hatte; MM 11.11.1985 durch Handzeichen, das Fingeralphabet, Gesten, Mimik und Bewegungen könne in dieser Sprache alles ausgedrückt werden; Knobloch 1986 Sprachwiss. Wb. I 443 Die Schrift hält Lautfolgen in Symbolen aus einem Code-Inventar, dem Alphabet, nach der Rechtschreibkonvention fest. Das Buchstabenalphabet ist ein natürlicher Code . . Die Blindenschrift oder das Morsealphabet sind ihrerseits Codierungen der Schrift, keine eigenständigen Transkriptionen, wie es phonetische Alphabete oder Kurzschriftsysteme sein können . . Die Signale des Alphabets sind die Grapheme. Ein für die Datenverarbeitung verwertbarer Code muß neben den Graphemfolgen des Alphabets auch festgelegte Symbole für die Kennzeichnung der grammatischen und semantischen Eigenschaften der Morpheme und Wörter enthalten; MM 19. 7.1986 Jede Information, also auch jedes der 26 Zeichen des Alphabets, Zahlen und Zeichen, läßt sich durch eine Kombination von nur 2 Zeichen, etwa der 0 und der l, darstellen; Zeit 27. 3.1987 beide benutzten sie eine Alphabet-Tafel. Alphabet (M.): Middendorf 1959 Soziologie 322 Halbalphabeten [in Italien]; 1976 Wb. d. Sozial. 18 Man unterscheidet [in der UNESCO]: a) den „Alphabeten", der mindestens einen einfachen Aufsatz über sein tägliches Leben zu schreiben und zu lesen vermag, b) den „Halbalphabeten", der nur die Lese-, aber nicht die Schreibfähigkeit aufweist, c) den „Sekundär-Analphabeten", der als „Neu-Alphabet" wieder in die Lese- und Schreibunfähigkeit zurückgefallen ist, d) den „Scheinanalphabeten", dessen Lese- und Schreibfähigkeit nach Abbruch oder Beendigung des Unterrichts infolge von fehlenden soz. Anregungen oder Schreib- und Lesezwängen sofort wieder verkümmerte, und e) den echten „Analphabeten", der überhaupt noch nicht mit den Voraussetzungen für die Erlangung der Schreib- und Lesefähigkeit konfrontiert wurde; Koeppen 1986 Zeiten (Ges. W. V 331) Als ich Al-
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phabet geworden war, acht Jahre alt, las ich die Bibel; W. Schneider 1986 Wörter 84 seit wir Alphabeten geworden sind. alphabetarisch: Wuttke 1872 Gesch. d. Schrift i das Schrifttum der nicht alphabetarisch schreibenden Völker (Untertitel); ebd. I 723 [das] Alter der alphabetarischen Schrift. Alphabetarius: 1520 Best, des Schulm. zu Eltville (Müller 1885 Schulordnungen 348) von den schuler jungen (von einem 'alphabetario', 'Donatisten'); ebd. Zw dem soll er noch haben . . von einem alphabetario VIII albos; 1529 Torgauer Visitat.-Ordn. (1881 Progr. d.Gymn.4) Der vierde sein die Alphabetarii; 1538 Speyerer SO (M. G.P. XLIX 369) Vnnd dij alphabetarien andre Verstendige nit an der lere verhindern; 1548 Ordn. d. Schule zu Bern (1901 Mitt. G. Erz.'gesch. XI 208) da sind die Alphabetarii, die buchstaben und läsen leren; 1558 Urk. betr. d. akad. Pädag. (Hautz 1846 Lycci Heidelbergensis I 58) es weren dann Alphabetarii oder Donatisten; 1570 Breslauer SO (Vormbaum 1860 Ev. Schulordnungen l 188) vom vntern Ordine . . darinn die Alphabetarii sitzen; Emmel 1592 Nomencl. l 204 Puer alphabetarius. A be ce schuler; 1594 Bestall, des dritten Lehrers an der Grünberg. Lateinschule (M. G. P. XXVII 500) Zum ändern soll er alle Dag zwo stundt . . die Donatisten undt Alphabetarios verhören; vor 1614 Catalogus puerorum der Lateinschule zu Burghausen (M. G. P. XLll 136) Schola Alphabetariorum qui simul sind Principistae, Ipsi Alphabetarii; 1626 Insp. d. Pädag. zu Darmst. (M. G. P. XXVHI 50) Die Jüngere und geringere Knaben Alphabetarii, Syllabizantes, Legentes; 1673 Ordn. d. Schule zu Boizenburg (M. G. P. XL/V 154J die alphabetarii in der untersten Classe (alle NYSTRÖM). Alphabetisator: ND 22. 8.1980 Über 170 000 solcher Alphabetisatoren — Lehrer, Studenten und Schüler der oberen Klassen — kamen im Februar dieses Jahres auf die Hochebenen und in die Flußtäler [Nikaraguas], um in einem großangelegten „Feldzug gegen die Unwissenheit" Hunderttausenden Einwohnern die Anfangsgründe des Lesens und Schreibens beizubringen; Zeit 29.3.1985 die Zahlen - 95 000 Alphabetisatoren, 400 000 Alphabetisierte . . sprechen für die Dynamik dieses Vorgangs; ebd. tagsüber gingen die Alphabetisatoren in die Lehre. alphabetisch: Leibniz 1696 Unvorgreifl. Gedanken 34 Der Sprachschatz . . wäre besser und nützlicher nach den Arten der Dinge als nach den Buchstaben
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der Worte abzufassen, weil allda die verwandten Dinge einander erklären helfen, obschon letztens ein alphabetisches Register beizufügen wäre; Riederer 1719 Paragrammatum D 8a nach der alphabetischen Ordnung; Wagner 1724 Soldatenbibl. 137 die Termini . . sind nach alphabetischer Ordnung rangiert; Baumgarten 1766 Religionsparheyen 420 Diese . . Eintheilung ist fruchtbarer, als nicht nur die „alphabetische, sondern auch die chronologische Ordnung derselben . ."; Heinse 1784-1800 Tagebücher (S. W. VII340) Der Alphabetische Katalog [der ÜB Göttingen]; Abel 1786 Seelenlehre 187 Die alphabetische Schrift macht die Rede articulirter, bestimmter, einförmiger; Wieland 1788 Geheimnis* (Ges. Sehr. XXX 201) seit Erfindung der alphabetischen Schreibekunst; Goethe 1792 Paralipomena z. Farbenlehre (WA II 5.2,224) Wem unsre Darstellung ohne diese alphabetischen Zeichen nicht genügt, der kann sie im Original leicht nachholen; Heeren 1813 Heyne 300 Nominal- oder Alphabetischer Catalog . . der neue Realkatalog; Goethe 1816 Kunst u. Alterthum (WA I 41.1,148) so kann man doch nicht abläugnen, daß jene soeben berührten, in einer lebendigen, lebhaft gebrauchten Sprache unendlich mannichfaltigen Abstufungen unter der Form eines alphabetischen Lexikons nicht bezeichnet werden können, weil wir nicht erfahren, wer sich dieses oder jenes Ausdrucks bedient und bei welcher Gelegenheit; ders. 1819 Noten u. Abb. z. Divan (WA l 7,117) Dichtarten, die wir alphabetisch zusammengestellt; W. v. Humboldt 1841 Ges. W. Ill 305 Über den Einfluß der hieroglyphischen und alphabetischen Schrift (SANDERS 1871); Wuttke 1872 Gesch. d. Schrift l das Schrifttum der nicht alphabetisch schreibenden Völker (Untertitel); Littmann 1924 Wörter 8 [vom Wort Alphabet] haben wir die neue Ableitung alphabetisch gebildet. Wir sprechen von alphabetischer Reihenfolge, aber auch von alphabetischen Psalmen, in denen jeder Vers mit einem neuen Buchstaben des Alphabets beginnt; Welt 5.4. 1949 als erster unterzeichnete in der alphabetischen Reihenfolge der beteiligten Länder Außenminister Spaak (Belgien); ebd. 12.9.1949 nach den Erfahrungen mit empfindlichen Stars wollte man diesmal wahrscheinlich streng alphabetisch vorgehen; Th. Mann 1954 Krull (W. VII 353) das Aushebungsgeschäft . . schritt . . langsam vor, und da es alphabetisch betrieben wurde, hatten die, deren Namen mit späteren Buchstaben begannen, sich auf ein langes Warten gefaßt zu machen; Heuss 1963 Erinn. 397 in dem großen alphabetischen Katalog des Mailänder Verlages Bompiani; Welt 13. 6.1969 Enzyklopädie 2000 behandelt die alphabetisch angeordneten Themen so umfassend und großzügig bebildert; Gülich 1977 Textmodelle 214 etwa 50 Handlungs-
prozesse . . stellt Bremond in einem alphabetischen Index zusammen; Zeit 25.2.1985 Regeln zur alphabetischen Titelaufnahme; MM 12.8.1985 vier Karteien, die . . von Hand alphabetisch in die Kästen eingeordnet werden mußten; ebd. 30.9. 1985 bevor endlich alphabetisch die ausstellenden Künstler aufgelistet werden; Zeit 31.10. 1986 der umfangreiche Katalog . . mit .. einer alphabetischen Übersicht über Künstler und Werke; Strauß/Haß/Harras 1989 Brisante Wörter 45 Daher kann der interessierte Leser sich über diese Position — abseits von der alphabetischen Ordnung des Lexikonausschnitts — einen systematischen Überblick über die Vernetzung des politisch-ideologischen Wortschatzes verschaffen; Zeitmagazin 30.8.1991 Die aktuelle Prioritätenliste . . in alphabetischer Reihenfolge. alphabetisieren: Duden 1880 Vollst. Orthogr. Wb. 6 alphabetisieren; Vogel 1902 Nachschlageb. 18 alphabetisieren; F. A. Weber 1908 Handwb. 35 alphabetisieren; .. nach der Folge der Buchstaben ordnen; 1915 Duden 14 alphabetisieren (abecelich einreihen); 1930-31 Gutenberg-Konversationslex. I 1291 alphabetisieren, nach der Buchstabenfolge ordnen; Die Unabhängigen 8. 7.1972 in vielen anderen Ländern werden die Soldaten während der Dienstzeit alphabetisiert (DUDEN); 1977 Einheit X/XI 1267 Literaturen zahlenmäßig kleiner, erst nach 1917 alphabetisierter Völker; Zeit 29.3.1985 das Lernen jener Erwachsenen, die 1980 alphabetisiert wurden; ebd. ein Landarbeiter und Volkslehrer . . , . . gerade erst alphabetisiert; ebd. die Zahlen - 95000 Alphabetisatoren, 400000 Alphabetisierte, eine . . fallende Analphabetenrate — sprechen für die Dynamik dieses Vorgangs; ebd. 6.6.1986 von Anfang Februar bis Ende April wurden 35000 erwachsene Landbewohner in ihren jeweiligen Stammessprachen alphabetisiert. Alphabetisierung: Boesch u. a. 1965 Das Problem der Alphabetisierung in Entwicklungsländern, unter besonderer Berücksichtiung des Weltprogramms der UNESCO (Titel); ND 21.1.1965 Weiter ist in der Resolution vorgesehen, [in Mali] in den einzelnen Regionen Komitees zur Alphabetisierung zu schaffen; 1971 Neues Pädagog. Lex. 267 seit die internationale Konferenz von Teheran im Jahre 1965 der Alphabetisierung neue Ziele setzte. Eine pragmatische Strategie der „funktionalen Alphabetisierung" mit gezielten Aktionen ist an die Stelle voluntaristischer, der Improvisation vertrauender Alphabetisierungskampagnen getreten. Nach den Grundsätzen der neuen Strategie soll die Alphabetisierung dort ansetzen, wo sie entsprechend motivierte Bevölkerungsgruppen vorfindet.
Alphabet Sie hat sich eng an die wirtschaftlichen Entwicklungsbedürfnisse anzulehnen; ND 8.7.1975 „Barricada" rief vor allem die Studenten und Oberschüler, aber auch alle anderen befähigten Einwohner auf, sich als Lehrer für die Alphabetisierung vor allem in den Dörfern zur Verfügung zu stellen, wo 80 Prozent aller Bewohner nicht lesen und schreiben können; 1976 Wb. d. Sozial. 18 Kampagnen zur Alphabetisierung . . haben bisher . . nur begrenzte Erfolge verzeichnen können, weil sowohl die lernpsychologisch-motivationellen Voraussetzungen als auch die sozialen Bedingungen und weiteren Auswirkungen einer Alphabetisierung noch zu wenig erforscht sind; Lohmann 1978 Evolution 430 Man kann die Alphabetisierung der Schrift oder die Demokratisierung eines politischen Regimes .. als Prozeß beschreiben; 1978 Handwb. d. Erwachsenenbildung 190 In den letzten Jahren ist das Schwergewicht der Bemühungen auf die Alphabetisierung gelegt worden, da man in Entwicklungsländern durchschnittlich mit ca. 70% Analphabeten rechnen muß. . . Der funktionellen Alphabetisierung/ Grundbildung wird heute im Rahmen der Erwachsenenbildung in Entwicklungsländern der wichtigste Platz . . eingeräumt; Scholz 1980 Handb. z. Alphabetisierung 5 Eine der berühmtesten Formulierungen wurde 1965 am Weltkongreß der Kultusminister in Teheran vorgelegt und von der UNESCO akzeptiert: Alphabetisierung sollte nicht zum Selbstzweck durchgeführt werden, sondern sollte dazu beitragen, daß Menschen für ihre Rolle im gesellschaftlichen und staatsbürgerlichen sowie wirtschaftlichen Bereich vorbereitet werden. Es geht also um wesentlich mehr als um die Vermittlung der elementaren Fertigkeiten des Lesens und Schreibens. Der eigentliche Lernprozeß während des Lese- und Schreibunterrichts sollte als Möglichkeit genutzt werden, um Kenntnisse zu vermitteln, die zur Hebung des eigenen Lebensstandards verhelfen"; MM 5.9.1985 die Alphabetisierung müsse eingebettet werden in ein Grundbildungssystem für Benachteiligte; ebd. 14.1.1986 einen neuen Weg will man auch in den Alphabetisierungskursen einschlagen; Zeit 13.6.1986 Elena, die älteste Alphabetisierungsschülerin, ist . . mindestens 70 Jahre alt; ebd. 15.8.1986 [ein] Mann, der zu helfen suchte, .. an Alphabetisierungs-Programmen und -Projekten mitarbeitete; 19S7 Handb. d.dt. Bildungsgesch. Hl 282 die frühen staatlichen Alphabetisierungsbemühungen des 18. Jhs.; ebd. Ill 386 Wie niedrig der Alphabetisierungsgrad, verursacht durch schlechte Schulbedingungen, soziale Elendsverhältnisse und politische Unterdrückung, in Ländern wie Bayern, Österreich-Ungarn und Mittelosteuropa bis tief ins 19. Jh. hinein gewesen sein muß; Volksstimme 16.9.1987 Alpha-Sets . . Bildungs-Rucksäcke, die
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4150 jungen Leuten in Nikaragua und Äthiopien . . die Chance geben, lesen, schreiben und rechnen zu erlernen. Alphabetismus: Süddtsch. Ztg. 23.2.1953 Das Ergebnis [des ungenügenden Schulbesuchs] ist in der Regel nicht totaler Analphabetismus, sondern ein Zustand, den man als Halbalphabetismus bezeichnen könnte; 1963 Hoffnungen 62 Der Alphabetismus, der begründet war in der Konzeption der Bestimmung des Menschen zur Mündigkeit, aber erzwungen wurde von den in der westlichen Hochkultur auftretenden Erfordernissen von Wirtschaft, Technik und Verwaltung, hat im Okzident zunächst ebenso den Zweifel an überkommenen geistigen Ordnungen, die Halbbildung und den ideologischen Pluralismus gefördert, wie er dies in ähnlicher Weise in den sogenannten Entwicklungsländern tun wird; 1987 Handb. d.dt. Bildungsgesch. III 386 Ein Haupthindernis für die Produktion, Verbreitung und Rezeption von Lektüre war der An- und Halbalphabetismus. Alphabetist: 1555 Geisenheimer Haingerichtsbuch (Mitt. G. Erz.'-gesch. III 104) die Alphabetisten [geben dem Schulmeister] zehnn Albus, die donatisten sechzehenn albus und die Grammatisten zwentzigk albus; 1571 Ratsbuch d. Stadt Bingen (Mitt. G. Erz.'gesch. IV 101) acht albos von den Alphabetisten; (beide NYSTRÖM); Nyström 1915 Schulterm. 246 Die aus dem Mlat. entlehnten Wörter auf -ist (Donatist, Grammatist, Rudimentist, Tabulist) bekommen in der Regel sofort deutsche Endungen . . (vgl. aus jüngerer Zeit Pädagogist, Choralist . ., Alphabetist, Fibelist, Rekordist). Alphabet Ib: Becher 1668 Methodvs 28 Herrn von Helmonts Alphabete naturae; Goldmann 1696 Anw. Civil Bau-Kunst, Vorr. 2b Die Glieder der Ordnungen [Stile] sind gleichsam das Alphabet der Bau-Kunst, dann wie aus 24 Buchstaben unzehlich unterschiedene Wörter und Reden zusammen gesetzet werden, also kan man durch mancherley Zusammenfügung der Glieder . . gantz unterschiedene Bauzierathen . . zusammen setzen; Zedler 1732 Universallex. I 1337 Alphabetum Chymicum, sind gewisse Characteres, welche die Chymici an statt des A. B. C und deren Zahlen brauchen; Goethe 1816-1817 Italien. Reise (WA / 32,184) [Moritz] hat ein Verstands= und Empfindungsalphabet erfunden, wodurch er zeigt, daß die Buchstaben nicht willkürlich, sondern in der menschlichen Natur gegründet sind und alle gewissen Regionen des innern Sinnes angehören, welchen sie denn auch, ausgesprochen, ausdrücken. Nun lassen sich nach diesem Alphabete die Sprachen beurtheilen, und da findet sich, daß alle Völker versucht haben sich
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Alphabet
dem Innern Sinn gemäß auszudrücken, alle sind aber durch Willkür und Zufall vom rechten Wege abgeleitet worden; Schlegel 1828 Philosophie 76 aus dem Alphabet der Natur einige Buchstaben .. und hie und da ein einzelnes Wort aus ihrer Hieroglyphen-Sprache zu entziffern; ebd. 119 aus diesem, wenngleich noch sehr unvollständigen Alphabet der Natur; Goethe 1828-29 Allg. Pflanzenkunde u. Rez. (WA II 7,93) Nachdem Linne ein Alphabet der Pflanzengestalten ausgebildet und uns ein bequem zu benutzendes Verzeichniß hinterlassen; Gutzkow 1875 Säkularbilder (Ges. W. I 8,217) Er versteht nicht einmal das Alphabet der Politik; Cassirer 1923 Philosophie I 69 Aufstellung eines derartigen „Gedankenalphabets" [bei Leibniz]; Voss. Ztg. 8.12.1929 Das im Verlag Ullstein erschienene „Alphabet der Küche". Alphabet (M.): Werfet 1924 Verdi 55 „Ah, wir waren vielleicht Analphabeten. Dies aber [die heutigen Komponisten, die nur für Musikkritiker, ästhetische Faselhänse und Kollegen schreiben] sind 'Alphabeten, Alphabeten!' Verdi mußte über dieses Wort 'Alphabeten', das er in Gedanken erfunden hatte, trotz seiner Verdüsterung lachen; Fabian 1968 Weg 96 daß . . Marx und Engels wirtschaftliche Analphabeten [seien], gar nicht zu vergleichen mit den sozial großartig wirkenden Millionären Rockefeller . . Solche Millionäre also sollten die Alphabeten unsres Jahrhunderts sein. Alphabetarius: Spangenberg 1571 Luther als Trekkejunge 17 ich [Luther] .. habe es [in den Schacht der Weisheit Gottes einzudringen] auch ein wenig versucht und wenn ichs hoch gebracht habe, bin ich gewahr worden, dass ich kaum ein Alphabetarius darinnen gewesen bin. Alphabetik: Du Bois-Reymond 1862 Kadmus oder allgemeine Alphabetik vom physikalischen, physiologischen und graphischen Standpunkt (Titel). alphabetisieren: Otto 1966 Zeit 72 Er nickte, sah sie eine Weile an und sagte lächelnd: „Sie wollen mich alphabetisieren". Alphabetismus: Zeit 1.2.1985 [der] Computeralphabetismus, der nicht einmal wirkliches Verstehen der Computertechnologie meint, sondern lediglich die schnell erlernbare Fähigkeit, mit einem Computer Umgang zu pflegen. Alphabet lc: Gotter 1787 Gedichte l 68 [der Seelenarzt sagt zu Miss Kalender, zum sterbenden Kalender] „Miss", hebt er an, „ihr Lebensalphabet ist dem Omega nah. Sie schicken sich zur Reise";
Borne 1826 Ges. Sehr, l 43 Aber mit diesem encyklopädischen Kopfe wird auch ein encyklopädisches Herz verbunden sein, das zwar alle Tugenden in sich schließen, aber auch das ganze Alphabet der Leidenschaften enthalten kann; Bierbaum 1907 Musenkrieg 26 Denn das Küssen ist das A, Und das Küssen ist das O Des Studentenalphabets; 1929 Uhu II 68a Aas, Biest, Kanaille, Dussel, Fatzke, Gauner, Halunke, Idiot . . das ganze Schimpfalphabet durch! Alphabet 2: Martin 1637 Parlement Nouveau 471 ich habes collationirt: es hat gradt zwey alphabeth; Hirsch 1662 Kirchers Musurgia 6b und weil mein Vorhaben gewesen/ nicht über ein Alphabeth diß Wercklein lauffen zu lassen; Leibniz 1668 Br. (S. Sehr. u. Br. l 1,3) welcher gestalt denn auf ein Buch nicht leicht mehr als eine Seite gehen, und iede Meße etwan ein Alphabet ohne gefähr einnehmen wird; Stieler 1683 Auditeur Ja in Meinung/ es würde derselbige einen völligen Band, zum wenigsten von dreyen Alphabeten ausmachen; Thomasius 1688 Monats-Gespräche l 175 wolte ich ein Werck von einem Alphabeth verfertigen; 1711 gelehrte Fama I 100 [ein Werk] welches 4. Alphabet austrägt; Callenbach 1714 Almanach 74 dergleichen Impertinenzien könnte man Litaney= weis herzehlen / ja gantze Alphabeta damit anfüllen; Sperander 1727 A la mod Sprach 28 Alphabet .. Item so viel Bögen Papier/ als das Abc austrägt/ so die Buchdrucker in acht zu nehmen haben; Zedler 1732 Universallex. I 1337 Alphabet . . heist in denen Buchläden und Druckereyen das A. B. C. oder eine Anzahl von 24 Bogen, nach der Zahl des A. B. C. bey welchem das W aussen gelassen wird; Es zeichnen aber die Buchdrucker die Buchstaben auf jeden Bogen unten, damit man wissen kan, wie sie in der Ordnung auf einander folgen, und sich die Buchbinder desto besser darnach richten können; 1765 Allg. dtsch. Bibliothek l 1,268 l Alphabet 8 Bogen; Kirchhof 1768 Schutzreden III 359 ein Werk von einigen Alphabeten; Rabener 1771 S. Sehr. II 224 eine schrift, zwei alphabete und sechs bogen stark (DWB); ebd. IV 35 das ganze werk möchte ungefähr ein halbes alphabet ausmachen (DWB); Behrisch 1776 Buch, Von. 6 ein alphabetstarkes Werk; Beckmann 1780 Erfindungen I 111 Fast ein Alphabet in Quart; Meissner 1784 Französ. Justizmord 61 Von der ehemaligen französischen Kriminaljustiz .. ist so manches geschrieben , . worden, daß man leicht mit dieser letzern Arbeit ganze Alphabete füllen könnte; Bahrdt 1790 Lebensbeschr. II 175 Alphabete füllen; ebd. IV 260 Es gehört ein völliges Alphabeth dazu, alle Auftritte zu schildern; Jean Paul 1795 Fixlein (W. VII 23) ich begreif es nicht, wie ein Mensch ein Werkchen schreiben kann, das kaum ein halbes Alpha-
alpin bet stark ist; Goethe 1798 Br. (WA IV 13,149) Sobald etwa ein Alphabet, rein abgeschrieben, parat liegt wird man leicht überein kommen; Schiller 1805 (S. W. IV 113) jede messe wird ein band, ohngefähr ein alphabet stark, herauskommen (HEYNE); Goethe 1817-1823 Naturwiss. Sehr., Paralipomena, Nachtr. (WA 11 13,22) Mit dem gegenwärtigen vierten Heft hat man den Abdruck dergestalt auszugleichen gesucht, daß nunmehr zwey Alphabete jedes einen Band füllen; Jean Paul 1826 S. W. // 199 Warum hat das Wörterbuch des Schmerzens soviele Alphabete und das der Entzükkung und der Liebe so wenige Blätter? (SANDERS 1871); Goethe 1828 Br. (WA IV 44,280) Es sähe prahlerisch aus herzurechnen, wieviel Alphabete ich gelesen und wieviel Buch Papier ich verdictirt habe; den. 1829 Br. (WA IV 46,56) bedenke daß ich Euch Band- und Alphabetweise, von meinem Besten, zuschicke.
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Alphabet 3: Zedler 1732 Unwersallex. l 1337 Es wird auch das Alphabet bey denen Kaufleuten das Register genannt, in welchem nach Ordnung des A. B. C. die Namen und Rubriquen derer in Kaufmännischen Haupt=Büchern befindlichen Rechnungen, quo folio sie nemlich stehen, aufgeschlagen werden können; Sanders 1871 Fremdwb. 44 Alphabet . . kaufm.: ein nach dem Alphabet geordnetes Verzeichnis über die Rubriken der Hauptbücher. Alphabet 4: Adelung 1774 Wb. I 197 Außerdem pflegen auch die Buchbinder ihre meßingene Schriftstempel .. ein Alphabeth zu nennen; Freiligrath 1846 Ca ira (Ges. Dichtungen 111 131) Heute Munition gegossen aus metall'nen Alphabeten; Sanders 1860 DWB l 23 Alphabet . . bei Buchbindern ihre Schriftstempel.
alpin Adj. (Steigerung ungebr.), im früheren 16. Jh. entlehnt aus lat. alpinus 'zu den Alpen gehörig' (zu Alpes 'die Alpen'; vgl. mlat. alpinus 'von Gebirgen, Gebirgs-'), bis ins 19. Jh. meist in der Form alpinisch, seit Mitte 19. Jh. zunehmend in der heutigen Form. a Zunächst nur auf die Alpen bezogen, dann ausgeweitet auf Hochgebirge allgemein, in der Bed. 'alpenartig, zu den Alpen gehörig, die Alpen betreffend, in den Alpen vorkommend, gelegen, für sie charakteristisch, Alpen- bzw. Hochgebirgscharakter aufweisend' (s. Belege 1888, 1959), häufig in Syntagmen wie alpines Klima, alpine Flora, Regionen und alpine (oder ostische) Rasse 'mittelgroße, untersetzte, kurzschädelige, breitgesichtige Menschenrasse, bes. im Bereich der Alpengebiete'; als Grundwort in Zss. wie außer-, hoch-, nordalpin und in den Präfixbildungen eis-, sub-, transalpin; im 19.720. Jh. vereinzelt übertragen gebraucht für 'sehr hoch, riesig' (s. Belege 1890, 1993). Dazu seit Anfang 20. Jh. das latinisierende Subst. Alpinum N. (-s; Alpinen ungebr.) 'Steingarten mit Alpenpflanzen, botanische Anlage zur Pflege von Hochgebirgspflanzen, meist für wissenschaftliche Zwecke'; in neuester Zeit auch übertragen gebraucht (s. Beleg 1993). b Seit Ende 19. Jh. nur attributiv verwendet in der Bed. 'das Bergsteigen in den Alpen bzw. im Hochgebirge betreffend' (s. Belege 1892, 1899) und 'den Skisport im Hochgebirge, bestimmte Disziplinen des Skisports betreffend' (s. Belege 1933, 1967); häufig in Wendungen wie alpine Ausrüstung, Großtat, Wettbewerbe, Disziplinen (Slalom und Abfahrtslauf), alpine Kombination. Dazu seit früherem 16. Jh. die Personenbezeichnung Alpiner M. (Alpinen; Alpinen), auch Alpine F. (-n; -n), zunächst für 'Alpenbewohner(in)' (zu a), seit Mitte 20. Jh. auch für 'Skiwettkämpfer(in)' (zu b). Seit spätem 19. Jh. die subst. Ableitung Alpinismus F. (-; ohne Pl.) (vgl. älteres ital. alpinismo), zunächst gebucht für 'Alpenkunde; wissenschaftliche Beschäftigung mit Hochgebirgen der Erde' (zu a), dann insbes. in der Bed. 'das Bergsteigen im Hochgebirge' (zu b), in neuerer Zeit auch übertragen gebraucht (s. Beleg 1958); Ende 19. Jh.
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Alpinistik F. (-; ohne PL), zunächst nur gebucht für 'Alpenkunde' (zu a), dann vor allem in der Bed. 'von den Alpen ausgegangene Bergsteigerbewegung, Bergtouristik' (zu b). Gleichzeitig die Personenbezeichnung Alpinist M. (-en; -en), Alpinistin F. (-; -nen) 'Bergsteiger(in) in den Alpen, im Hochgebirge' (zu b) und alpinistisch Adj. 'den Alpinismus bzw. den Alpinisten betreffend, zu ihm gehörend' (zu b). Mitte 20. Jh. vermutlich als Analogiebildung zu Olympiade vereinzelt das Subst. Alpiniade F. (-; -n ungebr.) 'alpinistischer Wettbewerb für Bergsteiger (bes. in den osteuropäischen Ländern)' (zu b). alpin(isch) a: Münster 1541 Cosmographei 242 er ist gestorben ab einem alpinischen oder schweytzer käß, von dem er zuo vil geitiglichen geessen hat; Londorp 1668 Acta publica I 235b den alpinischen und pyreneischen Murmelthieren nicht so bald eine Brücke über den Rhein bauen; 1742 Belustigungen d. Verstandes 59 wäre ich noch bey meiner alpinischen Mundart geblieben; so hätten mich doch wenigstens die schweizerischen Cantons . . gelesen; Matthisson 1800 frühjahrsw. V 264 alpinische Flora; Reichard 1801 Passagier 322 Schilderung der Reisen in die sogenannten alpinischen Gebirge Deutschlands; Cotta 1842 Geognosie 460 die alpinischen Findlinge; Wagner 1848 Kaukasus I 230 Doch variirten die alpinen Exemplare dieses schönen, gefurchten Käfers von denen des Steppenlandes; 1868 Geograph. Jahrb. 197 Alpine Flora Europa's; Anzengruber 1871 Ergbd. 1142 der alpinische Menschenschlag, wie er in Tirol . . vorkommt; 1888 Wien II 493 Er spielte vortrefflich die Zither . . und besang . . die Herrlichkeit der „alpinen Natur"; 1890 ZDÖAlpenver. 438 Diese Andeutungen klingen gewiss nicht sehr ermuthigend, auch war mir bekannt, dass alpine Autoritäten das Gspaltenhorn nur ganz kurze Zeit im Jahre bei Vorhandensein günstiger Schneeverhältnisse für zugänglich halten; ebd. 444 Hotelrechnung . ., die . . eine hochalpine Höhe erreichte; Ratzel 1898 Deutschland 12 Außerdem aber umschließt die Schweiz noch Teile des alten Burgund, der natürlichsten Verbindung Mitteleuropas durch Rhone und Saöne mit dem westlichen Mittelmeer, zugleich der einzigen außeralpinen; Lingg 1899 Lebensreise 105 Exkursionen in die an alpiner Flora reiche Umgebung Münchens; Woltmann 1903 Anthrop. 64 die „alpine" Rasse Mitteleuropas [ist] in ihren unvermischten Typen als westliche Abzweigung der Mongolen anzusehen; Rosegger 1914 Ges. W. Ill 233 das mächtig hinausgestoßene . . Jodeln . . ist so ausschließlich alpin, daß es ohne Älplersbrust . . nicht denkbar erscheint; Hauptmann 1918 Ketzer V 504 ein alpines, ärmliches Hirtendorf; Seidlitz 1933 Grundzüge 22 es ist damit aber nicht gesagt, daß es [das karbonische Faltenland, die im Karbonzeitalter entstandenen Gebirgszüge] auch ein alpines Hochgebirge
darstellte; Lokal-Anz. 20.1.1933 [es] wird verlangt, daß auch hochalpine Grenzsteige für den Verkehr nach und von Italien freigegeben werden mögen; Böttner 1935 Gartenbuch 132 Anfangs versuchte man, alpine Landschaften im Garten nachzuahmen, indem man Miniaturfelsen baute und dazwischen schmale Wege und wohl gar Brücken anlegte; Brandt 1936 Inn 190 Für Anzengruber war der alpine Mensch mit seinen elementaren Leidenschaften und Seelengewittern die Hauptsache, für Rosegger die alpine Sitte; Günther 1938 Verstädterung 25 Die nordische Rasse . . deren seelische Gesundheit bei Verstädterung viel schneller untergraben wird als die seelische Gesundheit etwa der ostischen (alpinen), westischen (mediterranen) oder ostbaltischen Rasse; Lutz 1950 Bayrisch 241 [Die Nazis] haben uns [Bayern] als „alpin" und „minderrassig" verschrieen und wir sollten „aufgenordet" werden; Welt 16.4.1959 der hochalpine Luftkurort; Pinkwart 1963 Mord 62 die „Sennhütte" entpuppte sich als ein Restaurant, dessen Inneneinrichtung den alpinen Hüttenstil mit Erfolg kopierte; Pillewizer 1965 Gletscherland 7 das Studium der Vergletscherung im alpin geformten Südspitzbergen; MM 16.11.1985 Erhalt des gesamten alpinen Lebensraumes; ebd. 2.5.1986 Biotop-Kartierung, bei der in den außeralpinen Räumen Bayerns 14000 Biotope festgestellt und beschrieben wurden; ebd. 27.3,1987 Murmeltiere, die Winter für Winter in alpinen Regionen tief unterm Schnee von ihrem Winterspeck zehren; Borst 1988 Barbaren 523 Die alpine Mentalität hing nicht an den Bergen und nicht in den Seelen; sie war Ergebnis des geschichtlichen Zusammenlebens in den Alpen; Süddtsch. Ztg. 24.6.1993 Nur noch rund 850 Kilometer der etwa 100 000 Kilometer betragenden Gesamtlänge größerer alpiner Flüsse [Bayerns] verliefen in ihrem natürlichen Bett; ebd. die gemeinsame Einrichtung eines alpinen Forschungszentrums; Spiegel 30.8.1993 So kam, mit alpin entblößter Oberweite, Karl Lagerfelds stattlichstes Mieder-Wild in die Skandal-Schlagzeilen — Claudia Schiffer, 23. subalpin(isch): Engelbarat 1840 Schweizer-Alpen 81 Menge alpinischer und subalpinischer Pflanzen;
alpin Berlepsch 1875 Schweizerkunde 277 die Alpenflora . . entwickelt sich entschiedener in der vierten, der subalpinen oder unteren Alpen-Region; 1966 Urania XI 42 an Birkhühnern, die sich bisher in Gebieten über 1000 m aufhielten und nun unvermittelt in subalpine Gebiete überwechselten, stellte der rumänische Ornithologe . . Änderungen in ihrem Gesang, der Paarungszeit und ihrer Nahrung fest. transalpin(isch): Hillebrand 1882 Zeitgenossen 100 ebenso vertraut waren ihm Neapel, Rom, Venedig und jede italienische Landstadt, der transalpinischen Museen nicht zu gedenken; MM 13. 4.1988 die Ausstellung „Mythos Italien - Wintermärchen Deutschland — die italienische Kunst der Moderne und ihr Dialog mit Deutschland" [wurde] eröffnet, eine Möglichkeit, cisalpine und transalpine Kunst dieses Jahrhunderts im Vergleich zu studieren. Alpiner: Micyllus 1535 Tacitus 327r haben sie das landuolck die Alpiner/ auff die nechsten höhe hinan geordnet/ die ändern fänlein knecht haben sie mitten hinein inn die ordenung dick vber eynander gestalt; Bodmer 1758 Larve 3 [sie fanden] einen furchtbaren Fremdling . . den Sohn der Eisgrauen Alpen; . . Hätte nicht dieser Alpiner an meiner Weisheit gezweifelt; ders. 1771 Karl v. Burgund 26 Ich hatte geglaubt, daß die Schweizer ein unbewaffnetes, friedfertiges Volk wären. — Es war verordnet, daß meine Niederlagen das Lob der Waffen dieser Alpiner durch alle Länder verbreiten sollten; Goethe 1779 Br. o. S. (Biedermannsche Gesprächsausg.) Auf den Alpen habe er den Homer den Alpinern vorgelesen (GWB). Alpinum: 1902 Beschlüsse schles. Landtag II 369a dem . . Vereine . . wird zur Errichtung eines Alpinums in den städtischen Anlagen eine Subvention .. bewilligt; Voss. Ztg. 28.9.1930 Vor noch nicht ganz 20 Jahren nannte man ein „Alpinum" einen Haufen Steine, der bergartig aufeinandergeschichtet war, auf dem ein tönerner Zwerg prangte, .. und wo, wenn es besonders schön war, eine künstliche Quelle aus der Wasserleitung floß .. Das „Alpinum" ist tot — es lebe der „Steingarten"; Reger 1932 Hähnchen 399 Garten mit Staudenbeeten und Alpinum; Böttner 1935 Gartenbuch 132 Der Steingarten oder das Alpinum (Überschr.); Munch. N.N. 7. 9.1941 Gewiß, der Schmuckhof ist großartiger, das Alpinum lieblicher, der Urwald mit der Quelle romantischer; Münch. Allg. 14.5.1950 Da weist der Amateurgärtner nämlich in die Ecke . . und deutet auf eine Wirrnis von Felsbrocken hin . . Zwischen den Steinen schlängeln sich schmale Wege . . in der Hauptsache aber schlingt und kreucht kümmerlich allerlei Wachstum in den Rit-
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zen des Gesteins. „Dös is mei Alpinium", erklärt der Gärtner . . Er sagt „Alpinium", denn bloß Alpinum ist ihm zu prosaisch, zu wissenschaftlich; Süddtsch. Ztg. 21.7.1951 Anläßlich des SOjährigen Bestehens des bekannten Alpinums . . veranstaltet die Direktion des Botanischen Gartens München . . eine Jubiläumsfeier mit Besichtigung des Alpenpflanzengartens; ebd. 14.5.1993 Der Berg: überwachsen von Birken und Holunder, von Winden und Brennesseln. Brocken, Bruchstücke, Steine, Trümmer, Schutt, ein Alpinum der eigentümlichsten Art, überragt von zwei gewaltigen Stümpfen, gefügt aus Sandsteinblöcken . . — die Reste der Dresdner Frauenkirche. alpin(isch) b: Meurer 1892 Bergsteiger 217 Der erste alpintouristische Verein, welcher gegründet wurde, war der englische 'Alpine Club'; 1899 ZDÖAlpenver. 107 ein Hochtourist [hat] sich gerühmt, einen „alpinen Record" geschaffen zu haben; 1911 ZDÖAlpenver. 203 eine Gebirgsgruppe zur Ausübung alpinen Schneeschuhlaufes; 1928 Brockhaus I 330b 1786 wurde der Montblanc und 1799 und 1800 der Klein- und Großglockner bestiegen. Von diesen beiden Ereignissen nahm die alpine Bewegung ihren Ausgang; Berl. Illustr. Nachtausg. 9.2.1933 Der dritte Platz der deutschen Damen ist ein ganz guter Erfolg, zumal sie die Vertreterinnen der Schweiz, die ihnen sonst in dieser alpinen Konkurrenz überlegen sind, hinter sich wiesen; Lokal-Anz. 1.6.1934 die alpine Leistungsfähigkeit der Truppe; Welt 9.11.1949 alpine Schulung; Welt 4.2.1954 am Freitag beginnen im allgäuischen Pfronten die alpinen Skimeisterschaften mit dem Spezial-Torlauf; Süddtsch. Ztg. 18.8.1955 Im Reisebüro wurde eine alpine Auskunftsstelle eingerichtet. Hier werden von einem Bergführer Auskünfte über Bergtouren der Umgebung erteilt; ND 21.12.1964 Mit einem Slalom auf dem mittleren Teil der Riesenslalomstrecke wurde . . die alpine Skisaison . . eröffnet; Pillewizer 1965 Gletscherland 169 aber Peter Wegener läßt sich begeistern [zum Bergsteigen in Spitzbergen], wenn er auch alpin keine große Erfahrung besitzt; Bildztg. 5.4.1967 die erfolgreichste alpine Läuferin dieses Winters; Zeit 20.2.1987 spürbare Rückgänge wie bei den Alpinskifahrern kommen Österreichs Tourismusmanagern schon bekannt vor; Süddtsch. Ztg. 3.2.1992 die Abfahrer jedoch sind Protagonisten einer Freiluftshow. Spielbälle von Wind und Wetter . . Kreuzbänder, Sehnen und Wirbel sind ihr hoher Einsatz beim Alpinroulette; ebd. 15.6.1993 Teilnehmer mit Bergerfahrung starten zur hochalpinen Wanderung. Alpiner: Süddtsch. Ztg. 15.1.1951 Nur die Bobfahrer, zum Teil die Eishockey-Mannschaften, die
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alpin
Eiskunstläufer und die schwedischen Alpinen waren zu Beginn der Wintersportwoche schon da; ebd. 21.5.1951 Die Elite der Alpinen und 1200 Zuschauer versammelten sich gestern zum letzten Slalom der Saison am Zugspitzplatt; ebd. 19.1. 1953 hinter diesen drei zur Zeit in Österreich führenden Alpinen steht ein ganzes Rudel höchst talentierter Anderer; ebd. 26.9.1957 Der Österreichische Skiverband hält zur Zeit in der Bundessportschule Schielleiten einen Konditionskurs für seine „Alpinen"; ND 9.4.1959 nach dem Kanadier Semmelink und dem Österreicher Mark ist Huber bereits der dritte „Alpine", der in dieser Saison auf einer westdeutschen Piste den Tod fand; Süddtsch. Ztg. 20.3.1961 In Bernau gewannen die Alpinen des Schwäbischen Skiverbands überlegen mit 45,21 Punkten den aus Spezial- und Riesenslalom bestehenden Vergleichskampf. Alpiniade: 1951-52 Bergsteiger XIX 23 1948 veranstaltete man die 5. Alpiniade der Berufsverbände [der Bergsteiger]. Alpinismus: Radics 1888 Bergfahrten 101 Die Bibliographie des Alpinismus ist im Jahr 1887 in hervorragender Weise durch eine Festschrift bereichert worden; 1895 ZDÖAlpenver. 124 Der moderne Hanswurst des Alpinismus, der auf der Kleinen Zinne nicht gestanden hat; 1896—97 Velhagen u. Klasings Monatsh. U 701 Aber im „Oben sein" liegt auch nicht der Wert des Alpinismus, sondern im „Hinaufkommen", im Bezwingen der Schwierigkeiten!; Mosso 1899 Mensch 129 Während ich hier über ihren Tod berichte, der in den Annalen des Alpinismus immer als einer der traurigsten Vorfälle verzeichnet bleiben wird; ebd. 216 Das Ideal des Alpinismus besteht darin, daß die Jugend die Alpen lieben und in der Höhe der letzten Weideplätze unter dem Zelte einem ruhigen Naturgenuß sich hingeben lerne; 1900 Die Schweiz im 19. }h. Ill 391 Seit längerer Zeit schon wird das Wort „Alpinismus" häufig gebraucht; 1901 ZDÖ Alpenver. 322 Von Alpinismus in einer Gegend sprechen wir erst dann, wenn die Berge um ihrer selbst willen bestiegen werden . . Mögen nun auch . . die Einheimischen seit Jahrhunderten ihre Berge bestiegen haben, der eigentliche Alpinismus ist jünger; i 909 Wir Luftschiffer 158 unsere der Pflege des Sports, insbesondere dem Alpinismus zugeneigte Zeit; Hoek 1920 Berge 39 Alpinismus suggeriert vielen eine Reihe von angenehmen Emotionen, von Sieg, Freiheit, Mut, Schönheit usw., die nachher nur in sehr beschränktem Maße wirklich erlebt werden; Banse 1928 Landschaft 249 Erst das ausgehende 18. Jahrhundert, der Natur mehr zugewandt, begann sich im Hochgebirge näher umzutun, und das 19. entwickelte den Alpinismus, der
die Schönheit der Gipfelflur entdeckt hat; 1931 Alpines Handb. U 7 Über den eigentlichen „Alpinismus", über das Bergsteigen in den Alpen, mag man denken, wie man will; Hübel 1940 Gipfelfahrten 101 Es ist eigentümlich, wie die Begriffe des Alpinismus im Laufe der Zeiten gewechselt haben. Was vor 100 Jahren übersehen, vor 50 Jahren staunend bezweifelt wurde, galt vor 2 Jahrzehnten als Siegespreis schwerster Kämpfe; Münch. Merkur 11.10.1950 In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, als sich die Frauen ernsthaft dem Alpinismus zuwandten; Neue Ztg. 9.9.1950 So kann es denn nicht wundernehmen, daß von der „hohen Zeit des Alpinismus" in den sechziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts bis in die jüngste Vergangenheit das Werben um den 4505 Meter hohen Gipfel ein fast ununterbrochenes war; Süddtsch. Ztg. 17.7. 1951 Nachdem die Jahre nach dem Kriege zunächst manche Verdächtigung des deutschen Alpinismus und manche Behinderung mit sich gebracht hatten, freut es die deutschen Bergsteiger, nun wieder von den Bergfreunden des Auslandes als gleichberechtigt anerkannt zu sein; ebd. 2. 8.1958 Politischer Alpinismus (Überschr.) Nikita Chruschtschow brennt darauf, auf den Gipfel zu steigen . . Sieht er sich doch keiner westlichen Dreieinigkeit gegenüber .. sondern drei Alpinisten, die sich schon am Fuße des Berges getrennt haben; ebd. 24.4.1961 Ein Bergführer sollte ihm dann die Grundbegriffe des Alpinismus beibringen; Offenburger Tagebl. 20.3.1970 Gobbi, früher Leiter einer Alpinismus-Schule der italienischen Streitkräfte, nahm an Expeditionen in den Kaukasus und nach Grönland teil; MM 5. 7.1986 der junge Pole Jurek Kukutschka (23), der in wenigen Jahren elf Achttausender sammelte und schärfster Konkurrent Messners im Wettrennen um diesen „Weltrekord" im Alpinismus ist; Süddtsch. Ztg. 28.5.1993 Vier Jahrzehnte Bergfilmwochen manifestieren ein Kapitel Zeit-, Film- und Alpinismusgeschichte. Alpinist(in): 1889 ZDÖAlpenver. 169 Die häufigsten Gesundheitsstörungen des Alpinisten, ihre Verhütung und erste Behandlung (Überschr.); Noe 1892 Bergfahrten 47 Der Brunnen-Kogel erschien wohl manchmal durch lichtes Gewölk; wie es aber möglich wäre, dorthin einen Pfad zu finden, das wissen die „Alpinisten"; Meurer 1892 Bergsteiger 36 in eingehendster Weise sind die Bedürfnisse und das Gebahren des Alpinisten und Hochtouristen in Erwägung gezogen worden; "Haeckel 1896 Briefw. 175 Da aber gegen 60 Wanderer ankamen (darunter 10 abenteuerliche Alpinistinnen), waren die beiden engen Gastzimmer überfüllt; Mosso 1899 Mensch 184 Die gewöhnliche Einteilung der Alpinisten ist die in Fels- und Gletscheralpinisten; ebd.
alpin 216 Ich gebe mich der Hoffnung hin, daß unsere Alpinisten allmählich auf den eitlen Ruhm, die steilsten Höhen erklommen zu haben, verzichten und sich mit dem großartigen Anblick unserer Berge begnügen werden, den sie aus geringeren Höhen genießen können; 1904 Jugend 607a unter Ignorierung/ jener rothen Wegmarkierung . ./ kraxelt unser Alpinist; Hoek 1920 Berge 39 Der „Alpinist" möchte sich von der „Menge" abheben, .. und alsobald tritt er einem Verein, einer möglichst großen und gut organisierten Genossenschaft bei, in der er verschwindet; Voss. Ztg. 27.3,1929 Das technische Ringen um die Bezwingung des Zugspitzgipfels wird in Alpinistenkreisen mit gemischten Gefühlen betrachtet; ebd. 17. 11.1929 Ein Triumph der Fotografie: so grausam nah und nackt haben selbst passionierte Hochalpinisten das unheimliche Wunder einer Gletscherspalte nicht geschaut, wie es der Film vor uns aufreißt; 2931 Alpines Handb. H 7 der Kletterer im Elbsandsteingebirge, in der Tatra, im Himalaja oder im Jura — sie alle nennen sich Alpinisten; Lokal-Anz. 7.1.1933 Mit einer Taschenlampe gaben sie Notsignale, die schließlich von einem Reichenhaller Hochalpinisten bemerkt wurden; ebd. 22.1.1933 Dreizehn weitere erprobte Alpinisten . . werden die Kampftruppe vervollständigen; Berl. Illustr. Nachtausg. 2.2.1933 Vorher gibt's einen fabelhaften Alpinistenfilm wahrer Berggenies; Lokal-Anz. 27. 7. 1934 Eine Gruppe von Bergsteigern . . unter der Leitung des bekannten Alpinisten Pogrebow; ebd. 15.8.1934 Durch die mutige Tat einiger Alpinisten sind fünf mit dem sicheren Tode ringende Bergsteiger im Dolomitengebiet gerettet worden; Dtsch. AZ. 10. 9.1935 Seit 1931 haben die tüchtigsten Alpinisten versucht, die Wand neuerdings zu bezwingen, aber kein Versuch gelang; Munch. N.N. 14.7.1940 Stieler war ein namhafter Alpinist, hat im Tessin und in den Dolomiten schwierige Bergtouren unternommen und in der Schweiz sein Bergführerexamen gemacht; ebd. 29.7.1941 Schriftsteller August Schupp, ein bekannter Alpinist; M.-A. Abendztg. 6.5.1944 Hervorragender Alpinist abgestürzt (Überschr.); Süddtsch. Ztg. 14.7.1951 Der zwölfte Kongreß der internationalen Alpinistenvereinigungen begann am 13. Juli in Bled; ND 2.3.1954 der höchste Berg Amerikas, der 7039 Meter hohe Aconcagua in den argentinischen Anden, wurde von sechs französischen Alpinisten von der Südseite her bezwungen; Th. Mann 1960 Reden u. Aufs. (W. IX 677) das Wort „verstiegen", zum moralischen und geistigen Urteil geworden, stammt aus der Alpinistensprache und bezeichnet die Situation, wo es im Hochgestein weder vorwärts noch rückwärts mehr geht und der Bergsteiger verloren ist; Offenburger Tagebl. 31.7.1962 Die Alpinistinnen .. und ihre beiden
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Begleiter sind am Montagmorgen aus der EigerNordwand zurückgekehrt; Heuss 1963 Erinn. 143 vom Oberrheintal aus machten wir dann, obwohl ich nie ein „Alpinist" gewesen bin, eine Paßwanderung, wie sie heute im Zeitalter des Autos wahrscheinlich kein Mensch mehr als Ferienbeschäftigung unternimmt; Böll 1963 Clown 129 [er] ist groß und schlank, . ., „Alpinist" und stolz darauf, daß er an zwei Weltkriegen teilgenommen und das silberne Sportabzeichen gemacht hat; Kant 1977 Aufenthalt 267 die . . schickten mich die . . Wand [Ruine] hinauf . . aber ich war kein Alpinist; Zeit 27.9.1985 inzwischen sind die Alpinisten — dort nicht zuletzt infolge strenger staatlicher Bestimmungen — umweltbewußter geworden; MM 5.7.1986 zwischen 10000 und 15000 Mark, muß ein Alpinist rechnen, wenn er einen Achttausender auf seiner „Wunschliste" hat; 2990 Cosmopolitan XI 81 Wanda Rutkiewicz, die berühmteste Alpinistin, verfolgt ein ehrgeiziges Ziel: alle Achttausender dieser Erde zu bezwingen; Süddtsch. Ztg. 28.5. 93 Die bisher größte Ausstellung internationaler Bergliteratur, Buchprämierungen, alpine Kunstausstellungen, Bergführer- und Alpinistentreffen von extremen Freeclimbern bis zu den ergrauten Erstbesteigern der Nadeln von Chamonix; Spiegel 9. 8.1993 Vornweg stiegen zwei italienische Alpinistinnen, die wiederum ein Hilfsbergführer ans Seil genommen hatte. Alpinistik: 1898 ZDÖAlpenver. 197 Man könnte es fast ein patriarchalisches Zeitalter der Alpinistik nennen, als sich diese wenigen Tüchtigen ungestört und ganz unter sich der schönen, noch thaufrischen Bergwelt erfreuten; 2923 ZDÖAlpenver. 244 Wir sehen beim Studium der Geschichte der Alpinistik Oskar Schuster am Beginn der Neuzeit stehen, deren erste Taten noch auf dem klassischen Boden eines „Mittelalters der Alpinistik" erscheinen; Bogeng 1926 Gesch. d. Sports 238 Wie das Mündungsgebiet eines gewaltigen Stromes möchten die neuzeitliche Touristik und Alpinistik dem Zuschauer erscheinen, breit, vielverzweigt, oft durch Seitenarme mit Nachbarströmen verbunden; 292S Sportlex. 12b Alpinistik auch Bergtouristik, ist der Sport der Bergwanderung und -besteigung; Voss. Ztg. 9.7.1929 Emil Zsigmondy, der Heros der deutschen Alpinistik, der . . den Bergtod fand; Mayer 1935 Entdeckung 306 Frühzeit der Alpinistik; Münch. N.N. 9.10.1938 Sohn des in der Topographie und Alpinistik bekannt gewordenen Steuerrates; ebd. 4.12.1944 Immer wieder hören wir von bewundernswerten Leistungen, die versehrte Männer im Sport und in der Alpinistik vollbringen; Süddtsch. Ztg. 1.8.1951 Die Stadt wußte die Bedeutung des Hauses, das einst die schönste und größte Sammlung auf dem Gebiet der Alpini-
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Altan
stik enthielt, zu schätzen; ebd. 3.1.1994 Wie hat sich die „Frauenalpinistik" entwickelt, seit Katharina Botsch und Regina von Brandis 1852 als erste „Damenseilschaft" die Laugenspitze in Südtirol bestiegen? alpinistisch: 1889 ZDÖAlpenver. l mit der ziemlich umfangreichen alpinistischen Literatur vertraut; Münch. N.N. 6.4.1940 dieser Reise [waren]
auch hauptsächlich alpinistische Ziele gesteckt; Dtsch. AZ. 10.9.1935 Die alpinistische Großtat eines Erzgebirglers (Überschr.); Süddtsch. Ztg. 9.8.1951 die Besteigung dieses Berges [erfordert] keine besonderen alpinistischen Leistungen; ebd. 11.6.1955 Bis zum 14.Juni tagt die Internationale Union der alpinistischen Vereinigungen; FAZ 11.3.1961 Alpinistische Leistung am Montblanc (Überschr.).
Altan M. (-(e)s; -e), zunächst und bis ins 20. Jh. regionalspr. (süddtsch.) auch in der Nebenform Altan(e) F. (-; -en), im frühen 15. Jh. entlehnt aus gleichbed. ital. altana (zu alto 'hoch' < gleichbed. lat. altus), anfangs auch in der ital. (flekt.) Form (s. Beleg 1615). Zunächst vor allem als Fachwort der Architektur, dann auch allgemeinspr. verwendet in der Bed. 'vom Dach- oder Obergeschoß eines Gebäudes ins Freie führende Plattform, die aber nicht frei kragt, sondern auf der gesamten Fläche oder einem Teil eines Gebäudes, auf Pfeilern, Säulen o. ä. aufliegt, also vom Boden aus gestützt wird, Söller' (im Unterschied zu —» Balkon); bes. als Bestimmungswort in Zss. wie Altandach, -zimmer, -fenster. 1417 Qu. Wien 111 2,2825 der hinder tail des kellers durchlange die alton ob dem kellerhals, das gwelb und die kamer (FRNHD. WB); Beheitn 1462 65 Buch v. d. Wienern 92 her hainrich stund auff der altan (MÖLLER); 1489 Stadtr. München U 61 Nachdem sich in täglicher erfarung befunden, das die gepeu der althänen ain schedlich werch sey (FRNHD. WB); 1508 Newe Landte 5i> mit mancherlay Solern, oder Altanen (WIS); Rivius 1548 Vitruv. 9b Althonen; Ernstinger 1579-1610 Raisbuch 70 Es hat der verstorben herzog Alphonsus an ainem end der statt ain lustigen garten zuerichten lassen, in welchem zwischen zwayen altanen ain pomeranzengarten auf 80 schritt lang und 20 brait ist, gar lustig und schön zu sehen; Hainhofer 1615 Corr. 275 ein sondern offenen thurm oben mit einer altana, für unsern Mathematicum zur astronomia vnd sternguggerey erbauwet; Neumayr v. Ramssla 1620 Reise i. Frankreich 124 So ist auch oben gegen dem Lustgarten hinauss eine offene grosse altana, dass man hinab in Gärten sehen kan; Furttenbach 1627 hin. Ital. 16 unnd rings deß Platzes herumben Althänen oder Gerüst; Ammann 1630 Reise in's Hl. Land 56 Die Häuser sind ohne gähe Dächer, Mehrentheils geweiht wie ein Altan flach, darauff man spazieren kann; 1683 Klatschmaul 20 er erwehnet eines Gebäudes . . und . . eines neuen Altans, welche[n] er in Genue[s]ischer Manier wolte verfertigt haben; Marperger 1722 Altanen la Was Altanen seyn, wird niemand so leichtlich unbekannt seyn, nemlich solche zu oberst der Häuser, Schlösser und Palläste angelegte
und unbedeckte Plätze, welche entweder über das gantze Wohn-Gebäu oder doch einen Theil und abseiten desselben gehen, und auf welchen man, vornehmlich zur lieblichen Sommers-Zeit seine Ergötzung bey angenehmen Abend-Stunden in freyer Lufft haben, und weit und breit über andere Häuser hinaus . . sehen, und an daselbst aufgesetzten Orangerien . . seine Lust haben kan; Angemann 1766 Civil-Bau-Kunst 349 Von italiänischen oder Altan-Dächern (Überschr.); Goethe 1777 Br. (WA IV 3,157) ich hatte mich . . auf einen Strohsack im Altan Stübgen niedergelegt; Stieglitz 1792 Baukunst I 20 Altandach, wird der Fußboden des Altans und überhaupt ein jedes gerades Dach genannt; Cramer 1792 Adolph l 97 Du weißt doch, daß Adolph lieber im Freien ist als in meiner engen Klause? dort hat er doch den Altan; Schiller 1798 Musen-Almanack 43 Da fällt von des Altans Rand/ Ein Handschuh von schöner Hand/ Zwischen den Tiger und den Leu'n/ Mitten hinein; Fischer 1809 Günstling 65 Oft dünkt mich, die liebe Gestalt wandle auf dem Altane; Goethe 1811 Dichtung u. Wahrh. (WA I 27,323) begeben wir uns in die freie Luft, auf den hohen und breiten Altan des Münsters; ders. 1816—17 Italien. Reise (WA I 41,66) Der helle Mondschein . . hielt nach der Rückkehr uns noch lange Zeit auf dem Altan; Schmid 1861 Schwalberl IV 3 auf dem Treppenabsatze unter der Altane; Lubliner 1896 Riviera 47 befand ich mich auf einem Altan, wie man ihn gewöhnlich bei kleinen Restaurationen an guten Aussichtspunkten findet; Eckstein 1898 Camilla 45 das
alterieren ganze bunte, flirrende Treiben von ehedem — wie unsäglich fremd blickte es jetzt von den Brüstungen dieser Altane herab auf die Gegenwart; Th. Mann 1901 Buddenbrooks (W. l 459) Sie stieg die Treppe zur zweiten Etage hinan, ließ den Altan zur Rechten liegen, ging an dem weißgoldenen Geländer der Galerie entlang und durchschritt das Vorzimmer; ebd. I 656 Er wußte sich allein in einem großen Schlafgemach, denn Gerda schlief jetzt in Ida Jungmanns Zimmer, die kürzlich . . eines der drei Altan-Zimmer bezogen hatte; Hesse 1915 Knulp 105 und nun saßen sie beide nach Tisch bei einem Glas Rotwein auf der sonnigen Altane; Muschler 1924 Bianca 406 Lange stand er auf der Altane des oberen Stockwerkes und sah übers Meer; Th. Mann 1939 Lotte (W. II 718) Auch hier
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taten hinter offenen Türen Durchblicke in weitere Räumlichkeiten sich auf, und besonders hübsch war derjenige der Schmalseite durch eine Büstenhalle auf den umrankten Altan und die zum Garten hin hinabführende Treppe; Jung 1965 Magd 3 Dunkel liefen die braungebeizten Altanen rings um das Haus; Muht 1987 Reventlow 374 Es begann mit einem Kinderparadies am Meer. Ein altes Schloß, wehende Gardinen, Gittertor, Altan, ein Steintisch unter Buchen; FAZ 27.10.1990 Auf dem Altan, von dem aus wir heute immer nur hinab auf die Stadt blicken, haben Franckes Schüler hinaufgeschaut zu den Realien des Himmels; ebd. 28.12.1990 Ein Altan ragt auf der Szene [einer Theaterbühne] wie ein gläserner Schiffsbug in den Wohnraum.
alterieren V. trans, und reflex., im frühen 15. Jh. entlehnt aus lat. alterare 'etwas anders machen, schlimmer machen' (zu lat. alter 'der andere'). 1 Zunächst in der Bed. 'etwas verändern, abändern', auch 'verschlimmern', im 17./ 18. Jh. speziell in der Medizin für 'umstimmen; austrocknen', in Syntagmen wie alterierende Heilmittel 'die Säfte verbessernde Mittel, Blutreinigungsmittel', dafür auch Alterantia PL; heute bes. in der Musik im Syntagma alterierte ('chromatisch veränderte') Akkorde. 2 Seit Ende 16. Jh., vermutlich unter Einwirkung von gleichbed. frz. alterer, in der Bed. 'jrndn. aufregen, ärgern, erschrecken, beunruhigen' (—» affizieren) und adj. verwendet in der Part. Perf.-Form alteriert, z. B. alteriert sprechen, aussehen, alteriert und zornig; gleichzeitig auch reflex, gebraucht, z. B. sich (über etwas) alterieren. Dazu seit frühem 16. Jh. das vermutlich über frz. alteration 'Veränderung, Verschlechterung; Schreck' auf mlat. alteratio 'Veränderung, Wechsel, Ablösung' zurückgehende Subst. Alteration F. (-; -en), anfangs vereinzelt in der Schreibung Alteraz und in der lat. Form, zunächst in der Bed. 'Veränderung, Verschlimmerung', speziell in der Medizin für 'krankhafte Veränderung, Störung', z. B. Alteration eines Krankheitsbildes (s. Beleg 1712); heute bes. in der Musik für 'chromatische Veränderung eines Akkordtons' (zu 1); seit spätem 16. Jh. auch in der Bed. 'Gemütsbewegung, Aufregung, Schreck, Verwirrung' (—» Affektion) (zu 2). Seit spätem 16. Jh. das Verbalsubst. Alterierung F. (-; -en) (zu l und 2). Seit Anfang 19. Jh. (CAMPE) die adj. Ableitungen alterabel, aiterativ 'veränderlich, wechselnd', z. B. aiterative Entzündung 'Entzündung mit Gewebeschädigung' (zu 1). alterieren 1: Volkslied 1414-18 (Liliencron I 233) sant Benedictus hailiger orden/ ist im conzili funden worden,/der orden het sich dividiert,/ in manig klaid gealteriert,/ die kutten verendert und verkert; W/tze/ um 1525-35 Predigt S. Cypr. R3a die selbige, erste, einige, rechte Kirche sol Restaurirt, aber nicht alterirt werden; Hohenburg 1580 Kunst d. Reitterey 3a so will die notturfft erfordern, dass man die Principia, anfang und Ursprung, wie das Haar erstlichen generiert, die färb an sich nimpt,
darnach dieselbig verkört, alteriert und herfür wächst; Paracelsus 1528 S. W. / 6,453 die inner zu alteriren sein mineral, und so dasselbig alterirt wird, so fallen die auswendigen blatern oder schuppen selbs ab; ders. 1537 S. W. I 10,502 so sich der tag und nacht scheidet oder der mon sich alterirt; Strupp 1564 Vnderricht D5b Erstlich das man neme, was ein wenig die stulgeng mit beweget, darnach die ändern tag was alteriret; Sebiz 1579 Feldbau 481 von verwesenem Mist/ wel-
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alterieren
eher . . von grosser . . hitze ist alteriert vnd verändert worden; Praetorius 1666 Anthropodemus II 258 Solche werden ziemlich von der fremden Speise . . alteriret und etwas verändert; Francisci 1672 Histor. Rauchfaß l 141 es wird in hundert tausend Jahren/ weder verbrennen noch alterirt werden; Butschky 1677 Pathmos 427 Wie das Gestirn unsere/ und andere Elementarische Körper alteriret und bewürcket; Lebenwaldt 1681 Teufels List VII 57 Man sihet ja, wie die Krauter in hitzigen Kranckheiten applicirt, gantz außdörren, den Leib aber entgegen alteriren; Lehmann vor 1688 Schauplatz 975 In Weinländern hat man zur Zeit des fermentirenden und brausenden Mostes nach der Weinlese auch eine Remission gespüret, weil die ausdämpfenden Schwefelichten Dünste die Lufft alteriret; Elis. Charl. 1709 Br. U 119 solche hertzstöß, wie den, so Ihr außgestanden, können nicht geschehen, ohne die gesundtheit zu alteriren; Ettner 1715 Hebamme 199 davon der Mensch alterirt und melancholisch wird; Günther 1721 W. VI134 alterirende Pillen, blutreinigende Tincturen; 1739 (Berg 1799 Handb. Policeyrecht VII119) Wir durch diese Verordnung Niemanden an seinen wohlhergebrachten Befugnissen und Einkünften etwas entzogen oder alterirt haben wollen; Büttner 1771 Kindermord II 83 ausser der kalten Luft, die den Umlauf des Bluts dieses aus der Wärme gekommenen zarten Kindes alterirt und gehemmet hat; Bahrdt 1790 Lebensbeschr. II160 mich an den Wein zu gewöhnen, welches mein Blut sehr alterirte; Goethe um 1790 Naturwiss. Sehr. (WA II 3,58) Fangen wir von der untersten Stufe an, wo das Licht so alterirt erscheint, daß es die besondre Empfindung dessen, was wir Farbe nennen, erregt; Goethe vor 1832 Über Landschaftsmahlerei (WA I 46,367) Die vielen Kleinigkeiten . . muß er [der Künstler] weglassen, aber so unvermerkt, daß die Wahrheit nicht alterirt werde; Meyr 1856 Ries II 14 das Erstreben dieses Ziels kann das bisherige Glück trüben und alteriren; Mommsen 1865 Reden u. Aufs. 385 Es scheint nicht wünschenswert die Grundlage des Zollvereins, die freie Einigung, durch den erzwungenen Beitritt der Eibherzogtümer zu alterieren; Blüthgen 1907 Spiritisten 169 pathologisch alterierte Personen; Th. Mann 1947 Faustus (W. VI 148) von der Einsicht jedoch in das Vermögen der Seele, die eigene, ihr zugehörige Körpermaterie zu verändern, war es nur ein Schritt . . zu der .. Überzeugung, daß auch eine fremde Seele, wissentlich-willentlich, also durch Zauber, die fremde Körpersubstanz zu alterieren vermöge. Alteration: Eberlin v. Günzbttrg 1523 W. III 124 woke got, mir wurd vrsach solchs mit einer gantze disputation zu erlegen, als ich dann ungezweyffelt auff das schierest vierundzweintzigist kommendt
jar einer alteration versieh (FRNHD. WB); Paracelsus 1526—27 S. W. l 3,167 vom blut spermatis, das wir in nostris secretis sezen, in dem kein krankheit noch alteraz ist; ders. 1530 S. W. I 8,110 Nun gehört zu solchen dingen ein wissen der revolution [Umlauf von Gestirnen], ein wissen der alteration, ein abwechslen des ascendenten ..; in solcher anderen art wer will die arznei richten und sie füren; Fischart 1575 Geschichtklitterung 272 rüstet jm ein . . Purgatz . . zu, gab jhm die ein, vnnd reiniget jhm damit alle verruckung, verschrupffung, alteration vnnd verkehrte disposition; Fugger 1584 Gestüterey 52a so ist gewiss, dass er ein Fieberische alteration oder unnatürliche Hitz in dem Leib würde befinden; Mayr 1601 Epitome cronicorum 314a jedoch/ dz die Catholische Religion in solchen Flecken/ deren Steuereinnahme zur Hälfte an das protestant. Stift geht/ ohn einige alteratio verbleibe; Fioravanti 1632 Regiment u. Ordnung d. Pestilentz 281 Zu den Alterationibus vnnd Fiebern; Kunckel 1676 Nützliche Observationes 1293 per putrefactionem und digestionem durch den motum/ oder das natürliche Feuer/ wird es Erde/ . . und diese Fettigkeit in der Erden könte man Schwefel nennen/ ob es gleich durch diese alteration aus mehr als einem bestehet (BARKE); Francisci 1680 Überzug 412 dennoch der verlust eines solchen Sterns/ in der Welt/ einige Alteration oder Veränderung wircken müsse; Rost 1680 Tagebuch 45 Die eigentliche Indisposition nun .. ist in dem bestanden, daß sich die schwarze Gall in im ergossen und also starckhe Alterationes und Fieber verursacht; Spener 1698 Leich-Predigten VIII 122 Vor etwa vier Wochen aber empfunde er eine Alteration/ welche ihn . . bettlägerig machte; Bötze 1712 Sendschreiben 10 hat die sehr gute Leibes Constitution, die sonsten von keiner Kranckheit etwas wüste, einige Alterationes verspüret, die ihn dergestalt abgemattet; Marperger 1712 Naturlex. 457 Die Unveränderlichkeit der Elementen, bestehet darinn, weil sie keine Alteration, keine Generation noch Corruption, und keine Transmutation leiden; 1736 Karlsbad 52 weil nicht nur alles ungewohntes der Natur gar leicht ein Alteration verursachen könne; 1737 Geheimnüsse 29 elementarische Kügelein . . in die Vässer übergebracht werden, wo sie eine solche Alteration verursachen, daß der Wein sich umkehrt, und die Drusten oder Hefen aufsteigen; 1850 Bundesversammlung 23 Alteration des alten Bundesrechts; Willmann 1896 Gesch. 615 Was sie gegen die Alteration des Formbegriffes zu sagen haben; Breuer/Freud 1909 Hysterie 44 In diesem Zustande übernahm ich die Kranke in meine Behandlung und konnte mich alsbald von der schweren psychischen Alteration überzeugen, die da vorlag; Riemann 1919 Musiklex. 22b Alteration, in der Mensuralnotierung des
alterieren 13.-17.Jahrhunderts die Verdoppelung des zweiten von zwei gleichen Notenwerten; Lazarus 1922 Ehrlich 40 Neuschöpfungen, die an die Stelle der Molekular- und Alterationstheorie treten sollten; Zeit 29.5.1987 er tut es hier im Klanghabitus einer Händel-Da capo-Arie, deren Stufenbaß freilich von Alterationen und querschießenden Harmonien konterkariert wird; Becker 1970 Kreislaufbefunde o. S. Bestimmungen der Dauer von Herztonalterationen des Feten. Alterierung: Fischart 1581 Dämonomania 142 von den Tugenden der Metallen vnd ihren änderungen alterirungen/ verformirungen; Praetorius 1666 Anthropodemus II 264 [die Annahme tierischer Eigenschaften bei wild aufgewachsenen Menschen erfolgt] nicht durch eine substantialische Verwandlung/ sondern durch eine accidentalische alterirung; Francisci 1676 Lust-Haus 1118 von der Kometen Ursprung . . daß nicht allein bey Sonne und Mond . . sondern auch bey den Fixsternen Selbsten/ wunderbare Verändrungen/ Alterirungen . . vorfallen; Marperger 1712 Naturlex. 1292 Die Chirurgi machen insgemein 5. Arten der Geschwulsten, als 1) die Entzündung von Aufwallung und Alterirung des Geblüts und der Säffte; Willamowitz 1881 Briefw. 100 Du hast hier die Probleme gestellt, an deren Lösung die Wissenschaft weiterarbeitet. Ich fände eine Alterierung dieser Fundamente schade. alterieren 2: 1597 fönt. rer. Austr. II 58,252 Des herrn brobsten so baldt alterirts und erhitzts gemüet; Albertinus 1599 Spiegel 290 affectioniere dich nicht zu den Neuerlicheiten, damit sie dich nicht alterieren; 1609 Aviso Nr. 33 Bl. A3a selbiger König habe das Buch . . alsbald verbrennen . . lassen/ darüber sich der Engl. Ambr. sehr alterirt; 1622 Wöchentliche Zeitung (Kinnemark 143) alterirt und zornig (BRUNT); Perez 1627 Landstörtzerin 282 So bald mich derselbige erblickt/ sprach er gantz alteriert vnnd verändert; Londorp 1633 Acta publica IV 379b dz sie sich darüber mit Fug nicht zu beschweren/ viel weniger . . sich im geringsten zu alterirn; Nicolai 1633 Br. a. Wechel (Sonden 427) dass der Churfürst über diesen handell sich alterirt hatt (JONES); Schupp 1658 Relation A7b Ihre Majestät aber Hessen sich öffentlich mercken, daß sie einen schlechten Gefallen darob hette, wie man dann spürete, daß sie sich darüber zimlich alterirten; v. d. Behr 1668 Reise n. Java 104 der .. Capitain . . welcher es alsobald zu wissen bekam, sich sehr darüber alterirte; Tentzel 1689 Unterredungen 399 Er wird zwar etwas alteriret, last sich aber nichts mercken; Chilemont 1702 Kriegs- u. Staatsrat I 286 Über diesen piquanten Bescheid wurde der Türckische Ambassator
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sehr alterirt; 1720 Recueil X////X/V 128 Ich alterire mich auch gar nicht darüber (BRUNT); Fleischer 1730 Herr v. Lydio I 335 Ihre Frau Liebste hat sich dergestalt darüber alteriret und bekümmert, daß sie abortiret und vor zwey Tagen ihr junges Leben eingebüsset; Barth 1734 Tagebuch 185 wie sich der Kommandant über die Zeitung des Todes seines Vetters Anfangs sehr alterirt . . habe; Pfaff 1756 Von den Zähnen 96 Wenn der Patient alteriret und bange wird; Goethe 2795 — 96 Lehrjahre (WA I 22,276) Ich war unbeschreiblich alterirt und afficirt, oder wie soll ich es ausdrükken; Gotter 1802 Nachlass 402 Alteriren Sie sich nicht; Eckstein 1895 Hartwig 155 Frau Hartwig, die das Bedürfnis fühlte, sich trotz der entzückenden Sonntag-Nachmittags-Stunden ein bischen zu alterieren; K. Mann 1952 Wendepunkt 40 Sie weiß so gut wie wir,. . daß der Zauberer sich wegen der fehlenden Himbeeren kaum sehr alterieren würde (DUDEN); Th. Mann 1901 W. I 192 beruhigen Sie sich! Sie alterieren sich (WOG); ebd. 575 und dann ist die Hauptsache die, daß Mutter sich über meinen Schritt nicht mehr alterieren kann; Böhme 1905 Tagebuch 18 Vater sah sehr rot und alteriert aus; Zuckmayer 1961 Uhr 23 Soll ich mich alterieren?; Süddtsch. Ztg. 2.2.1993 Auch wenn sich damals niemand über diese Entscheidung alterierte. Alteration: Fischart 1572 Aller Praktik Grossmutter 546 entstund alsbald ein solche änderung und Alteration meines Gemüths in mir (RÜTTER); Albertinus 1598 Sendtschreiben I 50a der Zorn sey anders nichts, als ein anzündung deß geblüts, vnd ein alteration vnnd bewegung deß Hertzens; 1633 (Gaedeke 1885 Wallensteins Verhandlungen 145) daß mein [Feldmarschall] geschwinder Abzugk bei der armee etwaß alteration . . verursachen möchte; Schütz 1661 Reflexiones oder reiffliche Vberlegungen 357 wie es doch käme/ daß er bey allen/ ja seiner selbst eigenen Kinder . . Begräbnuß also unverenderlich sich bezeigte und keine Alteration noch Traurigkeit spüren liesse; 665 Relation aller Fürnemmen Historien LI1 Hier in Hamburg ist grosse alteration wegen entstandener 2 grosse faillementen (BRUNT); Elis. Charl. 1705 Br. 1413 Es ist mir aber nur bang vor eine sache, . . daß es gar eine zu starcke erinnerung wirdt im ahnfang geben, so alteration verursachen mogte; Nehring 1689—97 Manuale o. S. Alteratio, gall. Alteration, die Gemüths=Bewegung/ der Zorn/ die Entrüstung/ Veränderung (BRUNT); Menantes 1709 Satir. Roman II 80 Hierauf wurde Selandern . . die Ader geöffnet, damit ihm eine so entsetzliche Alteration nicht zu viel schaden möchte; Callenbach 1714 Quasi Mundus 49 ich fühle eine Alteration, es komt mir mit einer Schauder an (BRUNT); Schnabel 1731 Felsenburg I 39 Ich hätte wegen
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hefftiger Alteration über diese Reden den Augenblick in Ohnmacht sincken mögen; Bengel 1751 Brüdergemeine 542 (Zinzendorf, Materialien Reihe II 10) Das geistliche Zubringen bey der Gemeine, oder das Gute, . . wird bey einem solchen Confluxu derselben in eine neue und freye Circulation gebracht, und diese würde, ohne die Alteration der heilsamen Lehre, noch viel fruchtbarer gewesen seyn; Goethe 1814 Aufgeregten (WA I 18, 37) [Magister:] Darf ich fragen, gnädige Gräfin, wie Sie sich befinden? [Gräfin:] Wie Sie denken können, nach der Alteration die mich bei meinem Eintritt überfiel; Werther 1861 Kl. Deutschland II 183 er konnte bei dem unaufhörlichen Kinnladenkrampfe, den er durch Schreck und Alteration bekommen hatte, nichts weiter hervorbringen; Raithel 1909 Annamaig 113 war bange, es könnte sich
was anspinnen, wie das bei Alteration aus Liebe bisweilen vorkomme; Wassermann 1910 Masken 300 Weinen Sie jetzt nicht, Mama, ich halte keine Alteration mehr aus; Th. Mann 1922 Reden u. Aufs. (W. XI 834) wenn er aber hinzufügt, ein geborener König sei darum besser als ein gemachter, weil der beste Mensch eine solche Erhebung nicht ohne Alteration ertragen könne, während dem, der so geboren sei, nicht schwindele. Alterierung: Abele 1654 Gerichtshändel I l einen Cardinal . . abgemahlt .. welcher auch die . . unannehmliche Einloggierung seiner Person [im Gemälde] nicht ohne sonderbare alterirung gefunden; Meurer 1892 Bergsteiger 32 einer allgemeinen Alterierung oder Erschütterung des Nervensystems.
alternativ Adj. (Steigerung ungebr.), seit spätem 15. Jh. in der lat. Adv.-Form alternative 'abwechselnd, wechselweise' (< mlat. alternativus Adj. 'zweideutig, Änderung bewirkend', vgl. gleichbed. lat. alternatim Adv.), erst seit dem 18. Jh. unter Einfluß von gleichbed. frz. alternatif zunehmend als Adj. in der heutigen Form (zurückgehend auf lat. altern(at)us 'abwechselnd', zu alternare 'etwas abwechseln lassen, mit etwas abwechseln', zu alter 'der eine von zweien, der andere'; —> alternieren). a Bis ins 20. Jh. selten gebraucht im Sinne von 'je nach Wahl, wechselweise, zwischen zwei Möglichkeiten die Wahl lassend', dann weiterentwickelt zu der Bed. 'eine von zwei oder mehreren Möglichkeiten darstellend', oft in Syntagmen wie etwas alternativ entscheiden, alternativ zu etwas sein, etwas alternativ zur Wahl stellen; in attributiven Syntagmen, mit denen Handlungs- und Verfahrensweisen bezeichnet werden, wie alternative Lösung, einen alternativen Vorschlag machen; als Bestimmungswort in Zss. wie Alternativvorschlag, -lösung, -Veranstaltung, auch mit Bindestrich Alternativ-Entwurf 'von der Opposition eingebrachter Gesetzentwurf. Dazu seit späterem 17. Jh. die subst. Ableitung Alternative F. (-; -n), anfangs in der gelehrtenlat. Form Alternatwa, dann wohl unter Einfluß von gleichbed. frz. alternative in der heutigen Form, zunächst bes. in der Diplomatie in der Bed. 'Entscheidung zwischen zwei Möglichkeiten', mit stärkerer Betonung des Entweder-Oder-Aspektes auch für 'Zwang zur Entscheidung', häufig in Syntagmen wie vor einer Alternative stehen, sich vor die Alternative gestellt sehen, vor die Alternative gestellt sein, werden; dann auch in der Bed. 'Möglichkeit des Wählens zwischen zwei oder mehreren Dingen, Möglichkeiten, Personen; zweite, andere Möglichkeit', in Syntagmen wie (k)eine, echte, falsche, zwingende, realistische Alternative; verschiedene Alternativen zur Lösung eines Problems, eine Alternative anbieten, aufstellen, vorschlagen. Als Grundwort in Zss. wie Anlage-, Handlungsalternative. b Ausgehend von einem bestimmten umweit- und gesellschaftspolitischen Standpunkt seit den 70er Jahren schlagwortartig verbreitet zur Charakterisierung von Handlungsweisen, Programmen, Produkten usw., die zugleich als Kritik an und Gegenvorschlag zu den bestehenden Verhältnissen in der als umweltzerstörend bewerteten Industriegesellschaft aufgefaßt werden sollen, in der Bed. 'einen anderen Weg
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suchend, eine andere Lebensweise vertretend, für ein menschen- und umweltfreundlicheres Leben eintretend' (—> ökologisch), heute oft mit Übergängen zu a (s. Beleg 1987). Häufig in Syntagmen wie alternativer Lebensstil, alternative Ernährung, Waschmittel, Kunst, Kultur, Energiequellen sowie alternativ leben, wählen; bes. in festen Verbindungen wie alternative Energien 'erneuerbare, regenerative Energien (Luft, Wasser, Licht) im Ggs. zu Erdöl und Kernkraft' und alternative Landwirtschaft 'Gesamtheit verschiedener Produktionsformen und Methoden der Landwirtschaft, die sich an ökologischen Prinzipien orientiert und den Einsatz chemischer Produkte zur Ertragssteigerung ablehnt'. Oft als Bestimmungswort in Zss. wie Alternativbewegung 'Bewegung mit dem Ziel, nicht durch politischen Kampf gegen die von ihr abgelehnte Gesellschaft, sondern durch vorbildhafte alternative Lebens-, Wohn- und Arbeitsformen umweltfreundliche und menschenwürdige Lebensverhältnisse zu schaffen', Alternativkost, -projekt, -szene, -kultur, auch als zweites Glied in addierten Adj. wie grün-alternativ, links-alternativ, radikal-alternativ. Dazu die erst in jüngster Zeit belegte Personenbezeichnung Alternativer M. (Alternativen; Alternativen), auch Alternative E (-n; -n), meist plur. verwendet, 'jmd., der einer Alternativbewegung angehört, Angehörige(r) der Alternativszene', meist in Texten der öffentlich-politischen Diskussion; vgl. auch die Nebenform Alternativler(in); in neuester Zeit die modewortartige Bildung Alternative (vgl. ähnliche Bildungen wie Anarcho —> Anarchismus, Brutalo —> brutal). alternativ a: 1488 Urkundenb. NdRhein IV 1,546 was des in der constitucion under der gülden bullen . . nit uszgedruckt ist, sail es in dem Meeutschen archicancellariat zusehen beider ertzbischouen, auch yrer beider bottschaften alternatiue und ungeuerlich gehalten werden; 1611 fönt. rer. Austr. II 60,607 Nach benandter zeit zu yeder Veränderung solle alternative ainmal ain Catholischer, das andermal ain landtman der Augspurgischen confession zuegethan zu ainem burggrafen erkhiest und durch gleiche stimen erwöhlt; 1620 Landrecht Preussen IV 80 Da sich auch zutrüge/ daß zwey dinge alternative/ dieses oder jenes verkaufft/vnd eins vor der liefferung vnder ginge; Liebe 1678 Wörter-Büchlein Jlb al-ter-na-tive: wechselweise; 1708 Academic zu Liegnitz B2a ein so genandter Director (welcher . . alternative von uns resolviret und verordnet werden soll); 1738 Steir. Gerichtsbeschr. 359 Daß die übernehmung alternative geschehen und das erstemahl die übergaab der delinquenten bei dem bächl Rogatniz, das anderemahl aber herwerts der pruggen bei Gauzen et sic successive alternatim besehenen; 1749 Samml. Dorfu. Baurenrechte II 4c dieweil die in der Sentenz dem Appellanten nachgelassene drey Puncte nicht conjunctim, sondern alternative, ihm vorgeschrieben worden; Baumgarten 1766 Religionspartheyen 126 sie meynen, daß sie die Vertheidiger eines geoffenbarten Lehrbegriffs und einer genauen Bestimmung desselben sehr in die Enge treiben können, wenn sie diese alternativam gebrauchen: entweder . ., oder . .; Thomas 1788 Fuld PrR. I 276 bei
alternativen Schuldbestimmungen gewöhnlicher weise dem schuldenden theile ein kurrecht eigen ist (DRW); Droysen 1852 York II 59 Noch ist es mir nicht gelungen, Herrn v. Stein ordentlich zu sprechen, er ist beständig alternativ beim Kaiser und bei Kutusoff; 1880 Entscheidungen Civilsachen l 289 eine ausdrückliche Erklärung darüber, ob die Ausführung des Auftrages in der einen oder anderen alternativen Weise erfolgt sei; Achelis 1890 Theologie I 258 Allein als alternative Formen des Lehrganges sind die Analyse und Synthese nicht zu verwerten; 1899 Beschlüsse schles. Landtag II 102a Betreffs der Auflage von gebrannten Spirituosen ist an dem Prinzip . . festzuhalten, jedoch die Normierung einer alternativen und fakultativen Steuerbasis . . ins Auge zu fassen; Kaestner 1924 Vererbungswiss. 5 es kommt nur die eine Eigenschaft zum Vorschein, während die andere unterdrückt wird. Das ist die so wichtige Form der Vererbung; Kelsen 1934 Rechtslehre 146 Die Inhaltsbestimmung der einzelstaatlichen Rechtsordnung durch das Völkerrecht erfolgt . . durch eine keine Verfassungsgerichtsbarkeit einsetzende Verfassung in einem alternativen Sinne; Welt 25.8.1949 bei der Volksabstimmung soll die Alternativfrage: Wiederherstellung der früheren Länder Baden und Württemberg oder Bildung des Südweststaates, gestellt werden; FAZ 10.10.1959 der Ausschuß [hat] zwei Alternativlösungen ausgearbeitet; Bergengruen 1962 Kranz 125 „Das klingt ja beinahe so alternativ wie Spitze oder Knopf!"; Zeit 29.3.1985 die Opposition darf und muß ihre eigene Politik defi-
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nieren;. . sie darf und muß alternative Möglichkeiten aufzeigen; MM 10.9.1986 dort werden jährlich die Angaben über vorgenommene Tierexperimente und neuentwickelte alternative Testmethoden veröffentlicht; Zeit 10.10.1986 auch die Behauptung, daß ein moderner Industriestaat alternativlos auf Kernkraft angewiesen sei, ist ein bloßer Mythos. Alternative: Leibniz 1670 Securitas publica l 231 Beruhets also auf der Alternativa, ob der König in England stille friedliebende, oder aber monarchische, despotische Consilia führe; Krämer 1681 Leben a. Seehelden 902 Sie hätten Ihro Majest. auch die Wahl zweyer Alternativen gegeben; 1700 Monatl. Auszug Sept. 590 dadurch man Franckreich bewegen wolte den Frieden zubelieben/ Flandern in Ruhe zulassen und eine Alternativam anzunehmen/ die man vorher schon proponirt hatte; Lünig 1719 Theatrum cerem. I 862b er hat sobald in die besagte Alternativ ohne Veränderung eines einigen Puncts gewilligt; Zschackwitz 1723 Karl VI. 99 als legte er ihm diese verdrießliche Alternative für, entweder zu den beyden Königen zu stossen, oder seine feste Plätze einzuräumen; Möser 1776 Patriot. Phantasien 44 Allein darinn muß ich Ihnen mit Ihrer Erlaubniß widersprechen, daß irgend ein Land in Deutschland . ., sich in der schrecklichen Alternative, entweder Hungers zu sterben, oder die Kornausfuhr zu verbieten, befunden haben; Schiller 1788 Br. II 23 Wahrhaftig, gnädiges Fräulein, Sie handeln auch sehr grausam an der armen Komödie, daß Sie sie gerade in dasjenige Licht stellen, wo sie sich am allerkläglichsten ausnimmt, nämlich in eine Alternative mit Ihnen; ebd. H ISO Freilich ist mir diese Beschäftigung bei ihm lieber als keine; aber muss denn just diese Alternatife seyn?; Laukhard 1797 Leben IV 67 Freyheit oder Tod ist ihre einzige und ewige Alternative; Goethe 1816-17 Italien. Reise (WA I 30,83) wenn man die in der Frage liegende Alternative trennt, so läßt sich hundert Jahre hinüber und herüber sprechen; 1857 Träumereien 340 man mußte siegen oder untergehen. Wo eine solche Alternative eintritt, da werden auch außerordentliche Kräfte aufgeboten; Hartmann 1869 Philosophie 6 Es handelt sich hier um eine einfache Alternative; Nordau 1884 Lügen 273 Es handelt sich darum zu wissen, ob die Dürftigen hungern, weil die Erde für sie keine Nahrung in genügender Menge hervorbringt, oder . ., weil die Nahrung, obwohl vorhanden, nicht an sie gelangt. Nun denn, die letztere Alternative können wir unbedingt ausschließen; Brandt 1901 OstAsien I 301 Der Dampfer wurde über eine Stunde von der Polizei zurückgehalten, aber als dieselbe sich schließlich vor die Alternative gestellt sah, entweder den Dampfer endgültig zurückzuhalten oder
uns mit Gewalt von Bord desselben zu entfernen, wählte sie den dritten Weg und schickte uns unsere visierten Pässe an Bord; Münch. N.N. 5.1.1941 Denn dies ist für England jetzt die Alternative: entweder ein Bestandteil der europäischen Wirtschaftsordnung unter deutscher Führung zu werden — oder ein Bestandteil der panamerikanischangelsächsischen Ordnung unter Führung der Vereinigten Staaten; ebd. 29.6.1944 Finnlands Regierung hat nach gründlicher Prüfung der Lage die zweite Alternative gewählt; Süddtsch. Ztg. 31.5.1951 Es gibt Alternativen, die auf den ersten Blick recht einleuchtend sind und die eine Wahl leicht zu machen scheinen; Rosenstock-Huessy 1955 Mensch (Übers.) 14 Er will uns so weit bringen, daß unsere Begriffe ihre Starrheit verlieren, ihre Fixierung an Systeme, die ein Eigenleben führen, insbesondere an falsche Alternativen; Jaspers 1958 Atombombe 156 niemals aber wird der Freiheitswille des Menschen, durch den er sich erst als Mensch weiß, diese Alternative als zwingend anerkennen; Bollnow 1962 Mass 115 nur wo es eine Alternative zwischen zwei Möglichkeiten gibt, die sich mit den Mitteln rationaler Erkenntnis nicht (oder noch nicht) entscheiden läßt und in der sich dennoch entschieden werden muß, da gibt es eine Meinung; Böll 1963 Clown 275 es gab also außer Schwarz, Dunkelbraun und Blau noch eine Alternative, die Rot zu nennen wieder zu euphemistisch und zu optimistisch wäre; FAZ 17.2.1966 die Satzung sieht als Alternative einen Ersten und Zweiten Stellvertreter des Vorsitzenden vor; Welt 8.12.1969 um zu optimalen Produktionsserien zu kommen, bleibt der Textilindustrie nur die Alternative Kooperation oder Konzentration; Wehdeking 1971 Kirchengutsgarantien (Jus Ecclesiasticum XII o. S.) der Verfasser sah sich . . vor die Alternative gestellt, entweder zukünftige Erörterungen oder seine Arbeit zu entlasten; Welt 13. 2.1974 eine Alternative, wie sie in dieser Frage vorausgesetzt wird, gibt es nicht; Sloterdijk 1983 Kritik 85 Alle metaphysischen Alternativen sind gleichwertig und unentscheidbar; MM 28.2.1985 ein Familienfreibetrag soll das Zusammenleben mehrerer Generationen als Alternative zu einer Heimunterbringung alter Menschen erleichtern; Zeit 12.4.1985 statt über die simple Alternative Arbeitszeit oder Freizeit zu streiten, müssen die Tarifpartner die Fortbildungszeit als dritte Möglichkeit in ihre Verhandlungen einbeziehen; ebd. 18.10.1985 wo es irgend geht, sichert er sich den ausbaufähigen Nebenjob als Dauerlösung, als Ersatzqualifikation mit später vorzeigbarer Berufserfahrung, als — wenn auch zähneknirschend — eingeplante Alternative zur diplomierten Arbeitslosigkeit nach dem Studium; ebd. 24.1.1986 es gibt leider zu den Aktien gegenwärtig kaum reizvolle An-
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lagealternativen; MM 11.11.1987 wie bereits erwähnt, stehen mehrere Alternativen zur Wahl; Haubrichs 1988 Geschichte 151 Meisterhaft hat dabei das Lied in steter Steigerung der Intensität des Gesprächs die Handlungsalternativen bis zur Ausweglosigkeit abgebaut; MM 22.6.1988 der Transrapid müsse angesichts überlasteter Flughäfen auch als Alternative für Flugverbindungen eingesetzt werden.
zeichnet hatte, weil sie das ermöglicht, was sie selbst wollen: die Entwicklung von Alternativen; Spiegel 7.12.1992 die dem Biotop alternativer Latz- und Karottenhosenträger entsprungene Oversize-Mode [hat sich] durchgesetzt; Süddtsch. Ztg. 12./13.12.1992 Alternative Gaststätten neben Musikkneipen und düsteren Kellerlokalen; ebd. 17.12.1992 Alternative Therapien werden auf ihre Wirksamkeit überprüft.
alternativ b: Welt 27.6.1974 zeitliche Harmonisierung der Angebotsminderung bei schwerem Heizöl durch gleichzeitige Bereitstellung alternativer Energieträger; 1982 Alternative Ernährung 72 Wer den Ratschlägen der Alternativernährer folgt, seinen Fleischkonsum reduziert, den Süßigkeiten entsagt, und dafür Geschmack und Genuß aus Vollkorngerichten, Rohkost und Gemüsen gewinnt, wird nicht mehr ausgeben fürs Essen; 1984 Chemie im Haushalt 86 Der Markt an alternativen Waschmitteln nimmt ständig zu. Der umweltbewußte Verbraucher von Waschmittel ist als Marktlücke entdeckt worden; Zeit 5.4.1985 das Bild der deutschen Sektion prägten in den siebziger Jahren alternativ gestimmte junge Leute, Studenten zumeist, die ein politisches Aktionsfeld außerhalb der herkömmlichen, in ihren Augen diskreditierten Organisationen suchten; ebd. 19.4.1985 die Nach68er- und Alternativgeneration, die schließlich in die Grünen mündete; MM 3.10.1985 was noch vor kurzem als unsinnige, utopische Forderung der Alternativen Liste (AL) galt, wird in diesem Winter, zumindest für ein paar Tage, Wirklichkeit werden: die autofreie Stadt Berlin-West; Zeit 12.9.1986 Fraueninitiativen, autonom und alternativ; ebd. 3.10.1986 die Frage, ob eher die Yuppie-Kultur oder die Alternativszene Nachwuchs erhält, hängt von der jeweiligen ökonomischen Situation und von den Funktionen einer Stadt ab; MM 15. 8.1987 denn der Streit zwischen Schulmedizin und Alternativmedizin ist nicht nur ein Streit um die Inhalte der Therapien; MM 2.5.1988 die „Ökobank", die erste grün-alternative Bank der Republik öffnete nach vierjährigem Hickhack um die Genehmigung am Samstag ihre Kontore; Süddtsch. Ztg. 30.5.1988 Ein wenig Geduld beim Zuhören und ein wenig Nachdenken hätten auch den Alternativsten im Publikum klarmachen können, daß Popper genau deswegen die westliche Gesellschaft als die historisch beste be-
Alternative(r): Zeit 18.1.85 Es mag ja ein Klischee sein, daß Silberkränze ins Theater, Kleinbürger in den Karnevalsverein und Alternative in die Szenekneipe gehen; ebd. 1.2.1985 trotz aller Vorhersagen, nach denen die Grünen und Alternativen im Parteiengefüge der Bundesrepublik nur eine Episode sein würden, braucht sich die Berliner Alternative Liste (AL) erst einmal keine Sorgen zu machen; ebd. 10.5.1985 Die Bitte an die jungen Menschen lautet: Lassen Sie sich nicht hineintreiben in Feindschaft und Haß gegen andere Menschen, gegen Russen oder Amerikaner, gegen Juden oder Türken, gegen Alternative oder Konservative, gegen Schwarz oder Weiß; MM 21.9.1987 die Angst geht um bei den Alternativen, wieder in die Parlamentslosigkeit abzutauchen; ebd. 12.8. 1986 Esoteriker, Alternative, ein paar Gärtner und technisch Interessierte, so schätzt Gödecke sein Publikum ein; ebd. 13.2.1988 daneben aber auch ganz Alternative mit selbstgestricktem Pullover zur knallgelben Hose und baumelndem Ohrring; Khein-Neckar-Ztg. 19.2.1988 Als „technikfeindlich" will sich der Alternative [Schily] nicht apostrophiert wissen. Nur wollen die „Grünen" die sanfte Energie, die dem Menschen angepaßte. Alternativler: Zeit 4.10.85 Alternativlern und Vegetariern versucht man seit längerem Rohkost bereitzuhalten; ebd. 3.10.86 die „Reurbanisierung" wird getragen von beruflich Erfolgreichen und von Alternativlern, denen (wenigstens teilweise) der alternative Lebensstil aufgezwungen worden ist. Alternative: Spiegel 18.10.1993 der eigenwillige Alternativo . . ist zugleich ein Repräsentant jener neuen Mittelschichten, die mit einem zeitgemäßen Verständnis von Teilhabe und problemoffenem Umgang in die oft immer noch patriarchalisch-autoritär geprägte Politikwelt der Altparteien vordringen.
alternieren V. intrans., um 1600 entlehnt aus lat. alternare 'zwischen zweien abwechseln' (zu alter 'der andere'; —·· alternativ). In der Bed. '(zwischen zwei Möglichkeiten) wechseln, (sich) abwechseln, einander ablösen', adj. in der Part. Präs.-Form alternierend vorwiegend fachspr. gebraucht,
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alternieren
zuerst in der Kanzleisprache, z. B. alternierende Häuser 'Fürstenhäuser, die in der Herrschaft oder in gewissen Vorrechten miteinander abwechseln', in Politik und Diplomatie, z. B. alternierender Kaiser (s. Belege um 1650, 1710), im Theater alternierende Besetzung 'Besetzung, die in der Darstellung einer Rolle mit einer anderen abwechselt' (s. Belege 1800, 1988), in der Botanik alternierende Blattstellung 'besondere Anordnung der Blätter am Stiel einer Pflanze' (s. Beleg um 1790), in der Medizin alternierendes Fieber 'Wechsel zwischen fiebrigen und fieberfreien Zuständen, Wechselfieber' und Verslehre alternierende Verse 'Verse, die einen regelmäßigen Wechsel zwischen unbetonten und betonten bzw. langen und kurzen Silben aufweisen' (s. Beleg 1835), in der Mathematik alternierende Folge, Gruppe, Reihe 'Reihe mit wechselnden Vorzeichen einzelner Glieder' und in der Elektrotechnik alternierender Strom 'Wechselstrom'. Dazu Ende 19. Jh. vereinzelt die subst. Ableitung Alternierung F. (-; -en). Seit frühem 17. Jh. die auf (flekt. Form von) lat. alternatto 'Wechsel' zurückgehende subst. Ableitung Alternation F. (-; -en), zunächst in der Bed. 'Wechsel, Abwechslung', bes. in Politik und Diplomatie für 'Wechsel der Reihenfolge im diplomatischen Verkehr' (s. Belege 1757, 1804), dann speziell als Terminus der Sprachwissenschaft 'das Auftreten von Varianten eines Graphems, Morphems, Phonems' und der Metrik 'Wechsel zwischen Hebung und Senkung', weitgehend gleichbed. mit vereinzelt belegtem Alternanz F. (-; -en), auch als Terminus der Botanik 'Wechsel zwischen ertragbringenden und ertraglosen Jahren bei Obstbäumen'. Seit früherem 19. Jh. als Terminus der Diplomatie das auf lat. alternates, Part. Perf. von alternare (s. o.) zurückgehende, selten bezeugte Subst. Alternat N. (-(e)s; ohne PL), gleichbed. mit Alternation. alternieren: 1600 Steir. Gerichtsbeschr. 443 Der von der Herrschaft Stainach mit der herrschaft Fritstein alternirente burgfridsdistrict . . hat in seiner extension . . eine kleine viertl stund in der lenge; 1616 fönt. rer. Austr. U 60,692 das burggrafenamt und einnemberdienst zu gewissen iahrn zwischen unser alternirt und die catholischen gleichfalls gebraucht; Andersen um 1650 (Olearius 1696 Reisebeschr. II 59b) die Holländer hätten vor Zeiten im Gebrauch gehabt/ dem König in Persien ein und andere feine Raritäten und Sachen zu verehren/ wormit sie ihn bewegen kunten/ alles nach ihrem Willen zu erhalten/ aber nun geschehe solches nicht mehr: er fürchtete/ der König würde auch alterniren; Spener 1699 (Kramer 1861 Beitr. Francke 417) Aber als eine beständige besoldung eines prof. Theol. könte es nicht sein, weil ein Lutherischer und Päpstischer Propst zu alterniren pflegen; Köhler 1710 Schles. Kern-Chronicke l 285 Ober, und Nieder-Beuthen . . müssen von Jahr zu Jahr in dem Rang miteinander alterniren; Lucae 1711 Europ. Helicon 370 aber die ändern Fakultäten sollten alterniren; Carlowitz 1713 Baum-Zucht 230 Dabey hat man auch zu überlegen/ welche Art Bäume gerne in die Breite/ und welche lieber in die Höhe wachset/ um bey dem Versetzen damit zu alterniren; Rohr 1718 Staatsklugheit 785 Bey de-
terminirung des Ranges derjenigen Bedienten, die miteinander concurriren, ist wohl gethan und gebräuchlich, daß sie mit einander alterniren; 1757 Rechtverf. Maria Ther. 15 Ebenso alternieren auch die Herzöge zu Sachsen ernestinischer Linie seit 1705 miteinander (DRW-Archiv); Gedicke 1789 Schulschr. l 207 wie dieses mit alternirenden Lehrern beider Konfessionen besetzt werden sollte; Goethe um 1790 Naturwiss. Sehr. (WA U 6,327) bei'm Aufsteigen des Wachsthumes die beiden folgenden Blätter und Augen regelmäßig alterniren; Jean Paul 1795 Fixlein (W. VII 227) auf dem Bocke saß die Primanerbank . ., alternierend, wie etwan beim Bauerntanze die Pursche einander im Streichen und Raspeln der Baßgeige ablösen; Schütze 1800 Handwb. f. Schauspieler 13 Alterniren nennt man, wenn zwei oder mehr Schauspielglieder abwechselnd in einem Rollenfache spielen; Goethe 1800 Br. (WA IV 15,100) Sie wissen daß es bey uns mit dem alterniren nicht geht .. Einer würde den ändern in der Gunst des Publikums verdrängen; Gönner 1804 Staatsrecht 24 Vergleich der alternirenden fürstlichen Häuser über ihren Rang auf Reichsconventen 1640; Jean Paul 1805 Flegeljahre (W. IV 730) daß das Spinett alternierend von einem Semester zum ändern in den Häusern der beiden Dioskuren stand; Schiller vor 1805 Br. IV l Ihre
alternieren eigene Art und Weise zwischen Reflexion und Production zu alterniren, ist wirklich beneidens- und bewundernswert!! (KEHREIN); Görres 1821 Europa 37 im alternirenden Vorherrschen der beyden chemischen Kräfte; Hahnemann 1824 Organon 231 Diese letzten alternirenden Krankheiten; Bürger 1835 W. 521 Mit alternirenden männlichen und weiblichen Reimen (KEHREIN); Holtet 1863 Letzte Komödiant III 235 Alle wollen sie die geprüfte Dulderin sein [Theater], und da heißt's wieder: alterniren!; Busch 1899 Tagebuchbl. (1870-80) H 115 Plan von einem alternierenden Kaiser; Kolb 1914 Wege 17 Höchstes Entzücken alternierte da mit entschiedener Verwirrung; Reibnitz 1928 Gestalten 110 Dasselbe gilt für das Placement bei Festlichkeiten, jedoch mit der Maßgabe, daß an jeder folgenden gesellschaftlichen Veranstaltung ein Alternieren im Range eintritt; Voss. Ztg. 3.1.1931 Schon im nächsten Jahre sang die Malten alternierend mit der Materna die Kundry in den ersten Aufführungen des „Parsifal"; Flohn 1942 Witterung 97 dieses „Alternieren" der Eintrittszeiten typischer Witterungsregelfälle; Th. Mann 1947 Faustus (W. VI 605) nirgends decken die Bläser die Streicher, sondern sparen diesen stets Klangraum aus und alternieren mit ihnen, nur an ganz wenigen Stellen sind Streicher und Bläser zum Tutti vereint; Welt 10.9.1954 Volksfeste alternieren mit Prozessionen, Gebeten und Gesängen; Siefert 1970 Meßgenauigkeit o. S. danach herrscht im Neuwerker Fahrwasser ausgeprägt alternierender Strom parallel zur Wattkante vor; Zeit 25.10.1985 er macht auch bisher als verschollen geltende Arbeiten zugänglich, so vor allem die Folge „im Garten der Mondpomeranzen", die alternierend „im Gehölz der Mondpomeranzen" heißt; ebd. 24.4.1987 lediglich die Tagesordnungspunkte wechseln alternierend; MM 14. 7.1987 in der Titelpartie alternierten zwei zwar unterschiedlich geartete, aber gleich bewunderte Soprane; ebd. 24.11.1987 alle zwei Jahre wird, alternierend zwischen Nord und Süd, in der Bundesrepublik das „Forum junger Kunst" für Künstler bis 35 Jahre ausgeschrieben; ebd. 2.1.1988 die Karlsruher „Iphigenie auf Tauris" wird in zum Teil alternierender Besetzung aufgeführt; Süddtsch. Ztg. 4.1 5.9.1993 Der Europäische Filmpreis „Felix" wird am 4.Dezember wieder in Berlin vergeben. Dem 1988 gegründeten Preis, der alternierend in den europäischen Hauptstädten vergeben werden sollte, drohte nach der vergangenen Verleihung aus Kostengründen ein schnelles Ende; Spiegel 14.2. 1994 Peter Schneider gehört zu jenen Autoren, die von 13 europäischen Zeitungen in diesen Wintermonaten alternierend nach Sarajevo geschickt wurden.
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Alternanz: A. v. Humboldt 1845-50 Kosmos I 211 Die Erschütterungs-Wellen werden . . keineswegs in der inneren Natur ihrer Alternanz und periodischen Intumescenz untersucht (KEHREIN). Alternat: Heffter 1844 Völkerrecht 327 Stehen die betheiligten Staaten in gleichem Range oder in Streit darüber, so müssen gewisse Auswege benutzt werden, insbesondere: . . eine gegenseitige Abwechselung (Alternat); 1928 Brockhaus I 344b Alternat . . im Völkerrecht die unter Staaten gleichen Ranges getroffene Verständigung, daß ihre Vertreter an fremden Höfen den Vorsitz abwechseln. Alternation: 1623 Politik Max I. v. Baiern 11 1,273 Anm. was auch durch obgeschribne alternation in religione für ain praeiuditium, zwischen baiden stammen aber für ain ewige materia bellorum verursacht wurde; Heiden 1660 Grundfeste 120 mit vorwenden/ daß man Saltzburgischen theils das Ertzherzogliche Hauß Oesterreich dißfalls gutwillig zur alternation komen lassen; Hörn 1669 Käyserthumb l/ll 211 Es hat aber dieselbige alternation und Abwechselung/ als die da unbillig war/ Keyser Carl IV. in der Goldenen Bulla wieder abgeschaffet und aufgehaben; Leibniz 1670 Dtsch. Sehr. I 187 Da auch einer oder der ander solche Summa nicht stellen könnte, sollen etliche mit einander zusammentreten, und sich des Voti, es sey nun durch Alternation oder sonsten, zu vergleichen erlaubt seyn; Schlöpke 1704 Chronik Bardewick 366 Wie denn auch mit Approbation des Rom. Stuhls endlich die resolution würcklich gefasset wurde/ das Stifft Bardewick mit dem Stiffte Veden zu vereinigen/ und solte in solcher Vereinigung jenes mit diesem die alternation und legale Niessung aller beneficien und Intraden haben; Köhler 1710 Schles. Kern-Chronicke l 441 bey dem vornehmsten Ambte [solle] die Alternation Statt finden; Lünig 1720 Theatrum cerem. 18 Bey der Aufruffung der Votorum hat man ratione derer Fürstlichen Sächsischen Häuser, . . von den Special Rahmen gäntzlich abstrahiret, damit aber doch die AlternationsOrdnung beobachtet würde, es also gehalten; Struve 1731 Reichs-Historie 232 das Hauß Braunschweig . . erhielt die Alternation im Stifft Oßnabrüg, daß Wechsels-weise ein Catholis. und Evangelis. Bischoff, dieser allezeit aus dem Hauß Hannover seyn solte; 1757 Rechwerf. Maria Trier. $15 Den vielfältigen kollegialischen Ordnungs- und Rangstrittigkeiten wird sowohl auf der geistlichen als weltlichen Fürstenbank durch die Alternation . . abgeholfen (DRW-Archiv); Moser 1774 Reichstage 167 Vollzug der jährlichen Alternation; Schütze 1800 Handwb. f. Schauspieler 13 Bei einer kleinen Truppe sah ich eine ungewöhnliche
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Altruismus
Alternation. Eine Anfängerin spielte die Eulalia, und blieb im zweiten Acte stecken . . die Direktrize [sprang] ein; Gönner 1804 Staatsrecht 24 Alternationsrezess zwischen den alternirenden fürstlichen Häusern und dem herzoglichen Hause Holstein; Devrient 1849 Tagebuch l 488 Worauf diese Alternation beruht, will ich nicht untersuchen; Rathenau 1912 Kritik d. Zeit 177 Die Alternation zweier patriotischer und respansabler Regierungsparteien verleiht der Politik die Stetigkeit eines arithmetischen Mittels; Haecker 1922 Satire 93
Wenn einem jeden und den ganzen Tag mit irritierender Alternation nichts anderes einfällt, als daß ihm jetzt etwas einfallen müßte; 1930 Zfrz. Sprache Llll 39 die von Saran seit 1904 vertretene Lehre von dem Alternationsprinzip im Rhythmus des französischen Verses. Alternierung.· Busch 1899 Tagebuchbl. (1870-80) II 47 Alternierung der Kaiserwürde zwischen Bayern und Preussen.
Altruismus M. (-; erst in neuester Zeit mit dem Pl. Altruismen), im späteren 19. Jh. aufgekommene Entlehnung aus gleichbed. frz. altruisme, einer um 1830 analog zu egoisme von dem frz. Philosphen Comte geprägten Bildung (zu autrui, altfrz. auch altrui, und lat. alter 'der andere, der Nächste'). Bildungs- und fachspr. in der Bed. 'selbstlose Haltung dem Nächsten gegenüber, Nächstenliebe, Uneigennützigkeit, das Wohl der anderen Menschen anstrebende, soziale, moralische Grundeinstellung', bes. im Ggs. zu —> Egoismus. Dazu seit Ende 19. Jh. das Adj. altruistisch 'selbstlos, uneigennützig, auf das Wohl der anderen Menschen bedacht', im Ggs. zu egoistisch (—»· Egoismus), und im 20. Jh. selten die Personenbezeichnung Altruist M. (-en; -en) 'jmd., der uneigennützig denkt und handelt, der für andere lebt, altruistischer Mensch', im Ggs. zu Egoist (—» Egoismus). Altruismus: Lange 1866 Mill's Ansichten 5 hat Comte den Namen des „Altruismus" erfunden; Nordau 1883 Lügen 310 Ein einziges Grundprinzip muß die Gesellschaft beherrschen und dieses Grundprinzip kann nur entweder der Individualismus, das heißt der Egoismus, oder die Solidarität, das heißt der Altruismus sein; Möller-Bruck 1899 Neutöner 7 der praktische Altruismus; Eucken 1903 Aufs. 3 „Altruismus" im Gegensatz zum Egoismus; Knoop 1909 Br. 106 die Begriffe Egoismus und Altruismus; Ebertin um 1910 Alles verstehen 84 Er aber war ein Schöngeist, ein Phantast und Allerweltsbeglükker, der in seinem Altruismus am liebsten alle Menschen froh und zufrieden gesehen hätte; Th. Mann 1921 Reden u. Aufs. (W. IX 72) Der Gegensatz von Egoismus und Altruismus ist in der Liebe gänzlich aufgehoben; Voss. Ztg. 16.4.1929 die Verbände seien im Innern harte Egoisten, nach außen nähmen sie zur Verfolgung ihrer selbstsüchtigen Zwecke die Maske des Altruismus an; Tönnies 1931 Soziologie 218 Hypothese des natürlichen Altruismus; 1940 Naturvölker 52 der überkommene Stammesaltruismus; 1950 Neue Rundsch. 285 Idee der unpersönlichen Wohlfahrt, eines Gemeinschafts-Altruismus; FAZ 15.2.1971 die Bereitschaft zum Altruismus dauerte nur Sekunden; Zeit 17.10.1986 Schon sehr früh hat Musil wieder betont, daß Altruismen kei-
nen Zweck erfüllen und der Egoismus sein Recht fordere; ebd. 14.11.1986 Sponsoren und Sammler (die auch über eine gute Portion Altruismus verfügen müssen); MM 16. 4.1988 Seine Freunde sagen von ihm, er sei der personifizierte Altruismus; Süddtsch. Ztg. 12.10.1993 Was hätte Moses gedacht bei einem Leichenfund im Anzeigenfriedhof mit der Deklaration „Ihr Leben war Dienen"? Ihres, das der nimmermüden Tochter, Gattin, Mama, Oma, die ihr Leben selbst-los (welche sprachliche Denunziation) verbracht hat. Sie war niemals bei sich, sondern stets bei den anderen. Zum Fürchten. Als Alte muß sie mit sozialen und emotionalen Almosen zufrieden sein. Reiner Altruismus — ein fundamentaler Irrtum. Altruist: 1908 Zukunft LXIV 104 Eine eigentliche Philosophie konnte der nicht haben, der . . vielleicht nichts mehr war als ein Wandelhaftes, .. jetzt mit dem Einen Optimist, jetzt Altruist, jetzt Pessimist und Relativist; 1923 Almanach d. Musikbücherei 191 Wagner, der musikdramatische Altruist; Asch 1929 Firma 169 Die Masse brauchte einen Führer. . . einen selbstsüchtigen gelassenen Mann, der . . ihnen einreden konnte, daß er für ihr Wohl arbeite, . . während er in Wirklichkeit nur seine eigenen egoistischen Ziele verfolgte. Einen selbstsüchtigen Altruisten. Einen egoistischen
Amalgam Wohltäter; de Man 1932 Massen 46 während der anfangs noch so erfolgreiche Ichsüchtige seinem Werk das eigene Grab gräbt, feiert das Werk des Altruisten ewige Auferstehung; Zeit 21,6.1985 natürlich sind Galeristen und eine Kulturbehörde ebensowenig Altruisten wie Kaufleute und Zahnärzte. altruistisch: Kleinpaul 1892 Sprache 451 daher jenes den Menschen gewissermassen egoistisch, dieses altruistisch erscheinen mußte; Tb. Mann 1910 Reden u. Auf$.(W. XI 724) Demütigende Lebenserfahrungen . . sollten ihn .. altruistisch gestimmt haben; ders. 1918 Reden u. Aufs. (W. XU 23) Ich fand kürzlich gedruckt, Schopenhauer sei „sozialaltruistisch" gewesen, und zwar weil seine Sittlichkeit im Mitleid gegipfelt habe; Dombrowski 1919 System i 211 altruistische Pflicht; T/7. Mann 1921 Reden u. Aufs. (W. 7X 72) ob Liebe eigentlich ein altruistisches Gefühl und nicht vielmehr ein egoistisches sei; Meinecke 1924 Idee 261 die geselligen
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und altruistischen Triebe im Menschen; Klein 1925 Generaldirektor 54 „Sagen Sie einmal, sind Sie immer so altruistisch, oder tun Sie nur so? Denken Sie immer zuerst an die anderen?"; Voss. Ztg. 18.12.1930 Altruistische Motive pflegen die Dispositionen eines industriellen Werkes nicht zu bestimmen; v. Wahlendorf 1936 Erinn. 93 zu dem wahrlich nicht altruistisch, sondern recht real denkenden England; T/7. Mann 1945 Reden u. Aufs. (W. XII 949) ein Mit-Leiden, das keineswegs nur altruistischer Art ist; Sloterdijk 1983 Kritik 103 Die bürgerliche Moral will einen altruistischen Schein aufrechterhalten; Zeit 22.3.1985 eine gewisse altruistische, anderen Menschen zugewandte Haltung; ebd. 1.11.1985 Altruistisch ist ein Verhalten, das anderen Vorteile bringt; ebd. rein altruistisch und nicht von einem versteckten Eigeninteresse motiviert; ebd. 20.3.1987 die höchste Vollendung eines altruistisch-rücksichtsvollen Liebeslebens; Spiegel 2. 8.1993 Doch viel lieber gibt Meyer-Wölden den Visionär, der entrückt, altruistisch und schlichtweg gut ist.
Amalgam N. (-s; -e), im frühen 16. Jh. entlehnt aus gleichbed. alchimistenlat. bzw. mlat. amalgama (vermutlich zurückgehend auf arab. atnal al-gama'a 'Durchführung, Werk, Akt der Vereinigung', weil die Amalgamierung von Quecksilber mit anderen Metallen in den Büchern der Alchimisten oft mit körperlicher Vereinigung verglichen wird; nach anderer, wenig wahrscheinlicher Herleitung auf arab. al-malgam 'erweichende Salbe' zurückgehend, gebildet aus dem arab. Artikel al und griech. 'Erweichungsmittel, weicher Körper', zu griech. 'weich machen'), bis ins 19. Jh. vorwiegend in der Form Amalgama. a Fachspr. in der Chemie als Bezeichnung für die Legierung von Quecksilber mit anderen Metallen, speziell zur Gewinnung von reinem Metall, z. B. Blei-, Gold-, Silber-, Zinnamalgam, heute bes. in der Zahnmedizin in der Zs. Amalgamfüllung 'Zahnfüllung aus Silber- oder Kupferamalgam'. b Seit späterem 18. Jh. bildungsspr. und häufig übertragen verwendet für 'Mischung, Verquickung, Durchdringung, Vereinigung, innige Verbindung von nicht Zusammengehörigem, Kombination verschiedenartiger Elemente, Gemisch unterschiedlicher (auch gegensätzlicher) Bestandteile', vereinzelt auch eher abwertend für 'Mischmasch, Sammelsurium, Durcheinander' (s. Beleg 1993). Dazu etwa gleichzeitig das aus gleichbed. mlat. amalgamare übernommene, trans, und reflex. Verb amalgamieren, fachspr. für 'Metalle und Quecksilber zu Amalgam vermischen, verbinden', z. B. Zinn mit Quecksilber amalgieren; selten auch für 'Gold, Silber u. ä. mit Hilfe von Quecksilber aus Erzen gewinnen' (zu a); seit spätem 18. Jh. auch übertragen verwendet für 'Verschiedenartiges oder Gegensätzliches miteinander verbinden, vereinigen, vermischen', gelegentlich auch reflex, von Personen und Institutionen für 'sich mit etwas oder jmdm. verbinden' (s. Belege 1807, 1929) und selten im Sinne von 'assimilieren, adaptieren, sich einverleiben' (s. Belege 1881, 1921); im 19. Jh. vereinzelt die Präfixbildung veramalgamieren und im 20. Jh. die adj. Gelegenheitsableitung amalgamierbar (zu b). Seit Anfang 17. Jh. das Verbal-
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Amalgam
subst. Amalgamierung F. (-; -en) 'das Legieren von Metallen mit Quecksilber' (zu a), seit Ende 18. Jh. häufig übertragen verwendet für 'das Vereinigen, Verschmelzen auch 'Assimilation' (zu b); seit späterem 17. Jh. das aus (fielet. Form von) gleichbed. mlat. amalgamatio entlehnte Subst. Amalgamation F. (-; -en) 'Herstellung von Amalgam', insbes. 'Verfahren zur Gewinnung von Gold und Silber aus Erz mit Hilfe von Quecksilber', bes. in der Zs. Amalgamationsprozeß (zu a), seit Anfang 19. Jh. selten übertragen gebraucht für 'Verbindung (zu einer Gruppe, Organisation), Vereinigung; Vermischung, Verschmelzung' (zu b). Amalgam a: Paracelsus 1525 S. W. l 2,163 das quecksilber leg in ein barchant oder liderin sack, druks durch, so findestu ein amalgama dahinden. Das selbige amalgama laß abriechen, so findestu ein lötiges, guts rein kupfer do; Toxites 1574 Onomastica 390 Amalgama . . Des golds vnd Silbers verleibung mit dem quecksilber; Fiorauanti 1604 Krön d. Artzney 419 Mach ein Amalgama auss feinem Silber vnd Quecksilber; Lebenwaldt 1680 Teufels List 123 Andere nehmen an statt deß Mercurij ein Amalgama von Mercurio vnd Goldt; Uffenbach 1728 Tagebuch 19 fülleten die Lücken mit einem Amalgama, nehmlich blosen Quecksilber und englisch Zinn, so darin verknetet würde; Zedler 1732 Uniuersallex. I 1636 Amalgama, . . bedeutet ein durch den Mercurium vivum, oder Quecksilber, aufgelösetes und durch dessen Beymischung in eine wie Wachs geschmeidige Masse gebrachtes Metall; Beckmann 1780 Erfindungen I 44 Das Quecksilber vereinigt sich sehr leicht mit fast allen Metallen, und macht mit denselben, wenn es in Menge zugesetzt wird, einen Teig, der sich knaeten laeßt, und Amalgama genant wird; Goethe um 1790 Naturwiss. Sehr. (WA II 13,468) Der Quecksilber-Minen zu Muschel-Landsberg erwähnte man gleichfalls .. man faßte Hoffnung, schönes krystallisirtes Amalgam von dorther zu erhalten; Küster 1801 Reise l 322 Amalgama, d. h. das gewonnene Silber; Klaproth 1807 ehem. Wb. I 69 Amalgam. Quickbrei. Amalgama . . Man verstehet darunter die Verbindung des Quecksilbers mit den Metallen; Poppe 1837 Technol. Unwersalhandb. l 34 Unter Amalgama oder Quickbrey versteht man diejenige breyartige Masse, welche durch Auflösung eines festen Metalls in Quecksilber entstanden ist; ders. 1837 Erfindungen 231 man bedeckte . . ihre [Glastafel] eine Seite mit Stanniol . ., worauf überall Quecksilber ausgebreitet war. Dies Amalgama erhärtete bald auf der Glastafel; Wittstein 1847 ehem. Handtvb. 49 Amalgam . . nach Olaus Borrichius . . ist das Wort durch Verstümmelung entstanden aus malagma (etwas Weiches, Erweichendes, von malasso) - nennt man die Verbindung (Legirung) des Quecksilbers mit irgend einem ändern Metalle; ebd. Amalgam, natürliches, nennt man ein zinnweisses, metallglänzendes . . Mineral;
Th. Mann 1909 Hoheit (W. II 186) war Spoelmanns Vater nach Südamerika übergesiedelt, . . und als Goldwäscher, Amalgam-Mühlenbesitzer und Bergwerksunternehmer hatte er fortgefahren, das gelbe Metall ohne Umwege den Flüssen . . zu entreißen; Lettenbaur 1927 Morgen 182 Amalgam; MM 15.3.1985 die Zahnärzte werden aufgefordert, sich um Ersatz für das quecksilberhaltige Zahnfüllmittel Amalgam zu bemühen; ebd. 28. 8.1987 Zahnärzte sollten bei Schwangeren umfangreiche Zahnbehandlungen mit Amalgam vorerst vermeiden; ebd. 22.10.1987 immer wieder tauchen kritische Stimmen zu dem Füllungsmaterial Amalgam auf. Amalgamation: Ercker 1672 Aula subterranea 75 amalgamation; Becher 1682 Glücks-Hafen 62 Die Extraction per Mercurium ist . . die beste ../ in dem keine Tinctur etwas nutzet/ welche nicht in der Amalgamation den mercurium annimmt; Rudolff 1729 Unterricht von der Amalgamation (Titel); Zedler 1732 Universallex. I 1636 Etwas . . langsamer geht die Amalgamation von statten, wann durch das Feuer der Rauch des Mercurii an die in einen Kolben .. darüber gehangene Metalle . . anfällt und nach und nach sich mit denenselben vermischet; Beckmann 1780 Erfindungen I 50 Robertson giebt in der Geschichte von Amerika . . das Jahr 1574 für die Einführung der Amalgamation an; Goethe 1790 Br. (WA IV 9,231) ob man nicht .. die .. Rohsteinarbeit ersparen und die gewonnenen Schliche gleich zur Amalgamation bringen könnte; 1801 Ztg. f. Naturforscher III 9 Amalgamations Methode zu Joachimsthal; Klaproth 1807 ehem. Wb. I 69 Amalgamation. Verquickung . . So nennt man denjenigen metallurgischen Proceß, der jetzt auf mehreren Hütten befolgt wird, um das Gold und Silber aus ihren Erzen . . zu ziehen; 1817 Fortschritt nationalök. Wiss. 199 Anm. Einführung des Amalgamations-Prozesses; Wittstein 1847 ehem. Handwb. 49 Amalgamation heisst im Allgemeinen die Operation der Bildung einer Legirung von Quecksilber mit einem ändern Metalle; 1956 Wiss. Annalen 508 Grobzerkleinern, Feinmahlen, Sieben, Waschen der Erze, und schließlich Amalgamation; Lüert 1971 Bergbau o. S. nach Entdeckung
Amalgam des chemischen Verfahrens der Silbergewinnung mittels Amalgamation. amalgamieren: Paracelsus 1529 S. W. l 7,114 nement mercurium corporalem, amalgamirn in mit sovil zin; ders. 1567 S. W. l 14,415 solvirn, cementirn, fixiren, reserberirn, coagulirn, gradirn, rectificirn, amalgamirn, purgirn, von solchen Sachen und stücken sind der alchimei vil bücher vol geschriben; 1611 Triumphwagen Antitnonii 308 mit amalgamiren vnd figiren; Becher 1682 Glücks-Hafen 35 welche Tinctur, oder tincturischer Schweffei/ sich nicht mit Quecksilber amalgamirt; Ettner 1697 Chymicus 192 Ich habe wohl vermeinet, diesen Praecipitat mit seinem eigenen Mercutio zu amalgamiren; 1717 Probier- u. Scheidekunst 54 amalgamieren; Halle 1761 Werkstäte d. Künste l 50 Amalgamiren (verquikken) [des Silbers]; Becker 1780 Erfindungen l 49 riß man . . die alten Halden [von Silbergruben] auf, und amalgamirte auch solche, so wie man es . . mit den Halden zu Kongsberg in Norwegen gemacht hat; ders. 1795—99 Erfindungen IV 579 Dieß Verfahren ließe sich wohl auf die jetzt gebräuchliche Vergoldung in Feuer durch Amalgama deuten, zumal da den Alten das Amalgamiren bekant gewesen ist; 1801 Ztg. f. Naturforscher III 27 amalgamirt; Jacobi 1840 Galvanoplastik l oder wie man es in der Kunstsprache nennt, amalgamiren; 1882 Brockhaus l 516 Das Amalgamieren geschieht. . in den Werkstätten der Goldarbeiter; 1886 Buch d. Erfindungen IV 236 amalgamiert sich das Silber zuweilen mit Quecksilber; 1956 Wiss. Annalen 508 in den Fässern wurde durch Zugabe von Quecksilber das Gold amalgamiert. Amalgamierung: Hippodatnus 1600 Irrwege 30 daß etliche sublimationes deß mercurij von seinen eigenen cörpern geschehen, welche sich mit jhm durch die amalgamirung biß ins innerste vereinigen vnd vermischen; Becher 1682 Glücks-Hafen 60 wird von der Materi nichts separirt/ als die faeces terrae, welche der Mercurius . . in der Amalgamirung ohne diß nicht annimmt; Dinier 1829 Leben 237 Anm. Amalgamirwerk, altes Schmierwerk; Dub 1863 Anwendung 33 die . . Amalgamirung des Zinks betrachten; 1977 Lex. Antike 31b weit früher wendete man . . A(malgamierung) zur Feuervergoldung an. Amalgam b: Hamann 1761 Briefw. II 104 die Schwärmerey der Sinnen, die Spitzfindigkeit der Leidenschaften, ein so sonderbar Amalgama des Witzes; Jean Paul 1795 Fixlein (W. VII 198) In der Liebe ist das Amalgama der Gegenwart mit der Phantasie noch inniger; Goethe 1798 Br. (WA IV 13,96) eine gewisse Mittelgattung von Dramen . .
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das Heitere neben dem Tristen . . allein beides ist alsdann nicht auf seinen höchsten Gipfel geführt, sondern zeigt sich mehr als eine Art von Amalgam; Schaller 1808 Stuziade III 273 durch das Amalgama von Indiern, Negern, Christen; Glassbrenner 1836 Bilder I 186 dieses Amalgama von Begeisterung, Schönheit und Wahrheit; Hettner 1850 Schule 138 Schiller nennt den Alarcos wiederholt .. „ein seltsames Amalgama des Antiken und Neuestmodernen"; Rose 1884 Revanche 311 m i t . . der maßlos gemischten Gesellschaft, .. dieses soziale Amalgam; Bahr 1925 Liebe 1267 Amalgambildung zwischen Christentum und Heidentum; ebd. I 344 ein blosses Amalgam, . . jenes scheussliche Gemisch von Junkertum mit Bourgeoisie wilhelminischer Prägung; Lettenbaur 1927 Morgen 182 Die deutsche Marine war . . neben dem auswärtigen Dienst das beste Amalgam für das Einheitsbewußtsein unter den deutschen Stämmen geworden; Th. Mann 1930 Erz. (W. VIII 690) das [Okkulte] . . dazu neigt, sich mit Humbug und . . Mogelei vexatorisch zu vermischen, ohne daß dieser Einschlag etwas gegen die Echtheit anderer Bestandteile des bedenklichen Amalgams bewiese; ders. 1941 Reden u. Aufs. (W. XII 908) bei Schopenhauer, in dem Elemente dunkler und tiefer Reaktion mit solchen eines hohen Humanismus in unlöslichem Amalgam verbunden sind; Adorno 1963 Prismen 72 Sein Denken ist ein Amalgam aus Positivismus und historischem Materialismus; Welt 14.10.1964 Gesellschaftsstruktur des französischsprachigen Teils von Kanada .., in der sich soziale mit kulturellen und politischen Momenten zu einem Amalgam von bislang nicht vorhanden gewesener Sprengkraft verschmolzen haben; Mayer 1965 Nachbem. z. Sartre, Wörter 204 sonderbaren Amalgam aus Corneille und Pardaillan; Sloterdijk 1983 Kritik 124 Ein neues Amalgam aus Liebe und „Ehrgeiz fürs Kind" bildet sich heraus; Zeit 31.5.1985 dieses Amalgam von Politik und einem aktiven Protestantismus; ebd. 1.8.1986 indianische Mythen und Legenden der Konquistadore . . vermengen sich zu einem Amalgam, das Elemente uralter Dichtung, Traum und Wirklichkeit zu Literatur verschmilzt; ebd. 13.3.1987 für die nächste Platte . . stellt er sich ein Amalgam aus arabischer Popmusik und afrikanischen . . Klängen vor; ebd. 1.5.1987 es könnte und wird wohl ein Amalgam aus allen diesen Elementen sein, das keine Scheidekunst mehr auseinanderzwingt; Süddtsch. Ztg. 6J 7.3.1993 Eine Multikultur kann es nicht geben, nicht im Sinne eines Amalgams, eines allgemeinen Breis mit vielen Bestandteilen. Amalgamation: Goethe 1800 Br. (WA IV 15,108) daß durch die Verbindung des reinen und abentheuerlichen ein nicht ganz verwerfliches poeti-
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Amalgam
sches Ungeheuer entstehen könne, hat sich . . bestätigt, indem aus dieser Amalgamation seltsame Erscheinungen . . hervortreten; 1851 (Brentano 1871 Arbeitergilden I 137) Diese [Organisation] überragte alle ändern so sehr an Zahl der Mitglieder, . . dass sie der Gesellschaft auch nach der Amalgamation vollständig ihren Stempel aufdrückte; ebd. 1172 Der für die Amalgamation festgesetzte Termin war der 1. Januar 1851; Donai 1864 Union 289 daß sie eine allgemeine Amalgamation (Blutvermischung) der Schwarzen und Weißen herbeiführen wollen; 1928 Handb. d. Englandkunde l 259 Die Amalgamation [des Normannischen und des Angelsächsischen] vollzog sich in der Stille, seitdem um die Mitte des 14. Jahrhunderts in den Schulen nicht mehr Französisch, sondern Englisch die Lehrsprache geworden war; Sahm 1936 Vereinigte Staaten 111 Die biologische Verschmelzung („Amalgamation") sah man . . als aussichtslos .. an. amalgamierbar: Dtsch. AZ. 18.12.1935 Hinzu k o m m t . . ein kühler . . Humor, der . . in der Schilderung nordamerikanischer Verhältnisse . . und ihrer dem europäisch Gewöhnten so schwer amalgamierbaren Mischung von Phantastischem und Plattem sich bewährt. amalgamieren: Schiller 1781 W. XXI11 27 was die Amalia betriff so glaube ich kommt sehr viel darauf an wie solche gespielt wird, das unschuldige Einfache des Betragens amalgamirt sich dann mit dem Text; Goethe 1790 Tagebücher (WA III 2,11) so amagalmirt war der Begriff von Religion und Kunst; 1798 Athenäum I 1,65 ist unsere Sprache aus fremdartigen Bestandtheilen erwachsen, aber sie sind so amalgamirt, dass man den verschiednen Ursprung nicht einmal bemerkt; Haug 1805 Epigrammen I 367 An Gelde hat er Überfluss./ Und hungert, durstet, friert!/ Der reiche Mann und Lazarus/Sind hier amalgamirt; Benzel-Sternau 1806 Gespräche 290 Im Menschen und Menschenheil amalgamirt sich der scheinbare Kontrast zu lauterem Gold; Werner 1807 Br. II 92 welches jeden, der sich mit der Gemeinheit dieses Pöbels weder amalgamiren kann noch will, deshalb für einen Tollhäusler erklärt; Massenbach 1809 Friedrichs d. Gr. Unterredungen 66 Anm. Friedrichs Verfahren, das eroberte Volk mit dem erobernden zu amalgamiren, ahmete man nicht nach; Glassbrenner 1836 Bilder a. Wien I 207 er amalgamirt Spiel und Gesang so innig, daß man Eines über das Andere vergißt; Immermann 1838 Oberhof 103 die Sympathien des . . Reichs und der neuen Deutschheit amalgamierte, oder wenigstens zusammenschweißte; Schwarzenberg 1844 W. II 72 denn nur so [durch Wandern] amalgamirt man sich mit des-
sen [Landes] inneren Bestantheilen; 1851 (Brentano 1871 Arbeitergilden 137) auch die grösseren Gesellschaften unter den amalgamirenden, diejenigen, welche Zweige über das ganze Land verbreitet hatten, verschwanden alle vor der Journeymen Steam Engine; 1852 Prutz'Museum H 209 müßte . . ein Theil des Volks sich bei jeder Eroberung ohne Schwierigkeit den Eroberern amalgamiren lassen; Rodenberg 1860 Insel d. Heiligen II 247 die Armuth und das Verbrechen . . haben sich . . mit dem . . Bodensatz des . . Elends . . amalgamirt; Nordau 1881 Kreml I 85 Die asiatischen Stämme, die es [Rußland] unterwirft, amalgamiert es sich; Redlich 1920 Österr. Staatsproblem I 484 daß . . diese sich . . mit der starken Tradition der politischen Nation Ungarns . . erfüllt und amalgamiert hatten; Curtius 1921 Barres 146 Frankreich zu amalgamieren; Th. Mann 1924 Zauberberg (W. Ill 855) man müßte sein Leben wegwünschen, womit es sich amalgamiert hat, und das kann man eben nicht; Borchardt 1929 Reden 364 der Verlag ist tollgewordener Selbstzweck, der sich selber mit dem Sortimenter machtmäßig und wirtschaftlich zu amalgamieren trachtet; Höpker 1936 Rumänien 60 die Magyaren zu amalgamieren; Th. Mann 1948 Reden u. Aufs. (W. IX 727) Naturgeschichte, Kunst, Sitten . ., alles amalgamiert sich bei mir; Süddtsch. Ztg. 5.12. 1952 amalgamierende Anziehungskraft; 1954 Begegnungen 87 [Berlin der 20er Jahre ist] geeignet . ., Menschen verschiedenster Art zu amalgamieren; Jolles 1956 Kunstanschauung 175 das Amalgamieren von Ich und Welt; MM 13. 6.1969 Durch sie [Erziehung] werde das Volk im Lande der Väter amalgamiert und die Verschiedenheit der Einwanderer eliminiert; Schwendter 1973 Subkultur 174 Die Hippies amalgamierten sich um 1963 — 65 aus Neuen Linken und Resten der Beat-Generation; Zeit 6.2.1987 der Patriotismus geht. . viele Verbindungen ein; er amalgamiert sich . . in Frankreich mit den Idealen der Revolution; Lukoschik 1990 In u. Out 119f. Magnum-Island ist zwar ziemlich amerikanisiert, aber spannenderweise amalgamieren sich dort auch jede Menge japanischer Einflüsse; Süddtsch. Ztg. 11.10.1993 Verhoeven hat. . nicht diesen oder einen anderen Fall dokumentiert, sondern deren viele amalgamiert. veramalgamieren: Kohl 1841 Reisen II 87 Mit Nachbarvölkern veramalgamiert (SANDERS 1871). Amalgamierung: 1797 Berlin. Archiv II 61 die Amalgamirung von beiden [persönliches und allgemeines Wohl] ist ein von Kant erwiesenes Unding; 1798 Merkur (W.) II 211 Amalgamirung, die das Direktorium mit ihnen [Helvetiern] vornehmen will; Seyfert v. Tennecker 1826 Artillerie-Fuhrwesen 9 Amalgamirung und Vermischung der Unter-
Amateur officiere mit so verschiedenen Eigenschaften und Kenntnissen; Pönitz 1843 Militär. Br. U 7 Der Himmel- und Höllenpförtner warf sich in seiner Herzensangst den Chemikern in die Arme, welche ihm einen Amalgamirungsprozeß vorschlugen, dem der Scheidungsprozeß des Guten und Bösen . . folgen sollte; Kohl 1852 südöstl. D. l 341 Amalgamirung und das Aufgehen der Nationalitäten in einen spezifisch östreichischen Typus; Schneider 1898 Paris 111 18 Amalgamirung moderner Gegensätze; 1911 — 12 Pan U 564 die künstliche Amalgamirung des zünftigen Handwerks mit dem System des Industrialismus; 1917 Beifried I 480 Aber diese Gegensätze .. hätten die erstrebte „Amalgamierung" sicher nicht verhindert; 1923 Polit. Handwb. H 849 der vom Antisemitismus bestrittenen Amalgamierung der deutschgesinnten Juden; Höpker 1936 Rumänien 38 gegenseitige Durchdringung und Amalgamierung; 1969 Festschr. a. Lentze 43 wechselseitige Assimilation, besser Amalgamierung, verschiedener Kulturen; Knilli 1970 Lautsprecher
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o. S. durch die völlig mechanische, durch Kombinationen . . der elektronischen Kraftzufuhr herbeigeführte Amalgamierung der . . einzeln . . produzierten Klänge; Hocke 1976 Tagebücher 363 die kunstvoll-verwegene Amalgamierung von Archaik und Avantgardismus; Zeit 22. 8.1986 in der Amalgamierung eines Stils mit den modernen Klangmitteln; ebd. S. 6.1987 es [Musikstück] konfrontiert vorgestern, gestern und heute und erwartet vom Interpreten die Amalgamierung dieser zeitlichen und ästhetischen Schichten; Lukoschik 1990 In u. Out 53 Eine Amalgamierung polarer Gegensätze; Sanders 1992 Sprachkritikastereien 119 eine geradezu alchimistisch anmutende Amalgamierung von Stilkritik und Sprachwissenschaft; Süddtsch. Ztg. 12./J3.12.1992 Amerika .. erhält durch seine transkulturelle Situation, durch seine mimetische Gier nach Amalgamierung jenen großartigen kreolischen Ausdruck, wie er uns dann in Dichtungen des Cubaners Jose Marti . . begegnet; ebd. 19./ 20. 6.1993 Einsamkeit und Überhöhung gehen eine eigentümliche Amalgamierung ein.
Amateur M. (-s; -e), Mitte 17. Jh. aufgekommen, über gleichbed. frz. amateur zurückgehend auf lat. amator 'Liebhaber, Verehrer, Freund' (zu amare 'lieben, verehren, Gefallen an etwas finden, etwas gerne tun'), anfangs selten auch mit frz. Pl.-s, im 19. Jh. unter engl. Einwirkung selten in der Pl.-Form Amateurs (vgl. bes. c). a Zunächst in Anlehnung an das Lat. selten in der veralteten Bed. 'Liebhaber, Verehrer'; dazu die ebenfalls veraltete adj. Ableitung amatorisch (< lat. amatorius 'zum Liebhaber oder zur Liebe gehörig') in der Bed. 'verliebt, Liebes-'. b Seit spätem 18. Jh. unter frz. Einwirkung für 'Freund der schönen Künste und Wissenschaften, Kunstliebhaber', dann zunehmend auch allgemeiner verwendet und auf unterschiedliche Lebensbereiche ausgedehnt in der dominanten Bed. 'jmd., der eine bestimmte Tätigkeit nicht berufsmäßig oder fachmännisch ausübt, sondern sie aus Freude an der Sache, aus Liebhaberei, Interesse, zum Vergnügen oder als Hobby betreibt', gelegentlich auch eher negativ konnotiert mit „unsachkundig, nicht-fachmännisch, laienhaft, dilettantisch" (s. Belege 1779, 1845, 1909, 1968, 1970), dabei weitgehend gleichbed. mit (unqualifizierter) Laie, Nichtfachmann, —» Dilettant, im Ggs. zu —»Experte, —> Spezialist; z. B. im Syntagma ein reiner Amateur und seit Ende 19. Jh. als Bestimmungswort in Zss. wie Amateurfotograf, -forscher, -funker, -politiker, -Historiker, -filmer, -koch, -musiker, -detektiv, -film, -funk, -foto, -tanz, -theater 'Liebhabertheater', Amateursportler (vgl. c), seltener auch als Grundwort in Zss. wie Foto-, Funkamateur. c Seit Mitte 19. Jh., eventuell unter engl. Einwirkung, zunächst und bis heute selten für 'Sportliebhaber' (vgl. b; s. Belege 1844, 1931, 1967), dann speziell im Bereich des Sports in der Bed. 'aktiver Sportler in einem Verein, der eine bestimmte Sportart regelmäßig, aber nicht als Beruf bzw. nicht gegen Entgelt betreibt' (Ggs. Berufssportler, Professioneller, —> Profi), vermutlich stärker verbreitet erst im Zusammenhang mit den 1894 durch P. de Coubertin ins Leben gerufenen Internationalen Olympischen Spielen, bei denen als Teilnehmer nur Amateure zugelassen werden, bes. in
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Amateur
der Zs. Amateurbestimmungen 'international gültige Bestimmungen zur Kennzeichnung des Begriffs Amateur', dafür auch Amateurstatut, als Bestimmungs- und Grundwort bes. in den Zss. Amateurliga, -mannschaft, -boxer, -sport; Rad-, Box-, Staatsamateur 'Sportler, der offiziell zwar Amateur ist, jedoch vom Staat in einem Maße unterstützt wird, daß sich seine Voraussetzungen nicht von denen eines professionellen Sportlers unterscheiden'. Dazu seit spätem 18. Jh. die veraltete subst. Ableitung Amateurschaft F. (-; ohne PL) 'Wesen, Eigenschaft eines Amateurs' (zu b); seit frühem 20. Jh. die (eventuell in Anlehnung an gleichbed. frz. amateurisme gebildete) subst. Ableitung Amateurismus M. (-; ohne PL) vereinzelt für 'Liebhaberei' (zu b), meist für 'Gesamtheit der Bestrebungen und Vorgänge, die mit dem Amateursport zusammenhängen' (zu c); seit früherem 20. Jh. die adj. Ableitung amateurhaft, eher abwertend für 'unsachgemäß, dilettantisch, stümperhaft, unprofessionell' (zu b), vereinzelt auch 'wie ein Amateursportler' (zu c), gleichzeitig die subst. Gelegenheitsableitung Amateurtum 'Wesen, Status eines Amateursportlers' (zu c) und Mitte 20. Jh. die seltene, aus lat. re- 'wieder' und Amateur gebildete verbale Ableitung reamateurisieren V. trans., 'einen Berufssportler offiziell wieder zum Amateur machen, in den Amateurstatus zurückführen' (zu c). Amateur a: Schock 1657 Studenten-Leben 46 lasset michs wissen, wann er [junger Mann] zu ändern Jungfern gehet . . ihr hättet keinen beständigeren Amatour [!] als ihn bekommen können; Brachvogel 1858 Bach I 140 die Schöne liebt das Gold so sehr, daß sie sich herab gelassen . . zwei Männer in ihrem Kabinet zu verstecken, ehe der Amateur kommt. amatorisch: Heinr. Julius Herzog v. Braunschweig 1593 Schausp. 227 wie er nun vor das hauß kömpt, brauchet er amatorische possen; Olearius 1647 Reisebeschr. 292 als ich .. verliebet war in eine verehelichte Dame . . vnd ich . . meine amatorische Passiones zu verstehen gegeben; Gervinus 1835-42 Dtsch. Gesch. l 298 er hatte begonnen als Schüler Ovid's, mit amatorischen Gedichten voll .. antiker Mythologie. Amateur b: Sturz 1779 Sehr, l 197 Weh dir Kranken, wenn du in die Hände eines Amateurs fällst, der dich wie einen Apparatus betrachtet, um an der Veränderung deiner Farbe . . die Wirkung seiner Versuche zu beobachten; 1781 Dtsch. Museum I 44 Ein Amateur wol [in der Landwirtschaft], aber nicht als Oekonom, zum Pläsir wol, aber nicht zum Nuzen; Karl August 1783 Br. a. Merck 363 die amateurs, Kenner und Gens de lettres; 1784 (Festschr. a. Friedländer 342) ein Amateur, der [Kupferstiche] gleich geniessen will; Bretzner 1787 Leben I 213 Die Auszierung des Zimmers selbst sah so wenig einer Schneiderwerkstatt ähnlich, daß man dasselbe eher für das Museum eines Amateurs der schönen Künste und Wissenschaften angesehen
haben würde; Schubart 1789 Vaterlandschronik 182 Ammateurs und Femmes de bon ton, die alle in drei Stunden Astronomie lernen wollen; 1826 (Corti 1827 Rothschild 372) Amateurgesellschaften spielen französische Theaterstücke; Schwarzenberg 1844 W. // 33 gekommen . ., dem [Afrika-]Feldzuge als Amateur beizuwohnen; Kohl 1845 Paris I 28 Die deutschen Augen sind Wolkenamateurs; wie die Berge möchten sie die Segler der himmlischen Lüfte fesseln und von ihnen einsaugen den heimlichen Strom, der in's Herz mündet; ebd. // 230 [im Louvre] sind die copirenden Künstler und Künstlerinnen und die Gaffer, „Connaisseurs" oder „Amateurs"; Wachenhusen 1861 Freisch. 178 So sind Sie Amateur [Beobachter im Krieg, nicht Soldat] solcher Ereignisse?; 1870 Humor im Felde I 22 ein Engländer, der bereits den böhmischen Feldzug . . als amateur [Schlachtenbummler] mitgemacht [hatte]; Bucher 1881 Parlamentarismus 202 Eine Liebhaberei für auswärtige Politik bringt nichts ein als die Feindschaft des auswärtigen Ministers — wenn der Amateur sich nicht bei Zeiten will kaufen lassen; 1890—91 Velhagen u. Klasings Monatsh. / 697 daß es verboten ist, das Denkmal auf dem Niederwalde zu photographieren. „Wenn man mit einer Handkamera dahinkommt," so schreibt man dem Amateurphotographen vor, „stellt sich der Aufsichtsbeamte daneben, um im Gebrauchsfalle dem Photographen sogleich das Protokoll zu machen"; Lichtwark 1894 Die Bedeutung der Amateurphotographie (Titel); Gilly 1896 Fesseln 1152 ich habe .. noch Liebhabereien genug. Einen feinen Amateurapparat habe ich bei mir — male ein bißchen. Natürlich nur
Amateur Landschaft. Die Photographieen dienen mir als Anhalt; 1896 Naturwiss. Wochenschr. 170 dem Amateur-Photographen, deren es jetzt so viele gibt; 1901 ZDÖAlpenver. 306 die sportsmässigen Bergsteiger — Amateurs wie Professionals; 1902 Jahrb. f. Landeskunde v. Niederösterr. 183 In unseren Tagen hat man die Amateur-Photographic, welche es jedermann gestattet, sich seinen Bedarf an örtlichen Erinnerungsbildern selbst . . zu befriedigen; Münsterberg 1904 Amerikaner I 101 ein politischer Amateur; 1904 Naturwiss. Wochenschr. XIX 717 Die nicht berufsmässig geübte Photographic, die sogen. Amateur- oder Liebhaberphotographie; 1909 Die Woche 1280 England, das älteste Land der Amateure, zeichnet sich [auf einer Photo-Ausstellung] .. durch . . delikate .. Bromsilberbilder aus. Deutschland läßt die ganze Entwicklung, die die Amateurphotographie in den letzten zwanzig Jahren durchgemacht hat, noch erkennen; 1909 Technik u. Wirtsch, II 439 die Gefahr der Laienherrschaft [im Bereich der Verwaltung] . . Ihr verdanken wir die Einrichtung, die er treffend „Amateurkommissionen" nennt. Die Entschließungen der ehrenamtlichen Vertreter der Bürger werden . . oft Mangel an Sachkunde zeigen; Troeltsch 1913 Restaurationsepoche IV 270 Kennertum und Amateurwesen; Poppenberg 1913 Rokoko 10 der Vormittag der Pariserin [der Rokokozeit]. Die Goncourts, die zärtlichsten Amateure der Kulturgeschichte, haben ihn uns vorgezeichnet; Kolb 1914 Wege 41 dass der Begriff des Amateur-Katholik so wenig wie der des Amateur-Soldaten existiert; Th. Mann 1921 Reden u. Aufs. (W. IX 67) das Motiv der Erziehung angehend, . . habe ich Tolstoi . . als pädagogischen Amateur in unser Gespräch eingeführt; Shaw 1928 Der Amateur-Sozialist (Titel); Voss. Ztg. 10.11.1929 Frank Heller hat sich einen neuen Amateur-Detektiv [für seinen Roman] erfunden; Remarque 1929 Westen 203 Es sind . . schmale Amateurfotografien; 1930 Die Dame H. XXIII 14 ist ein charmanter Mensch . . mit der verträumten Schmierigkeit des Amateur-Chemikers und ewig verätzten Fingern; ebd. H. XXX 11 Man erkannte sogar in diesen fremden Tänzen den Gegensatz zwischen Amateur und Künstler; Voss. Ztg. 19.1.1930 Sollten die Liebhaberbühnen sich jetzt . . alle „Amateurbühnen" nennen; ebd. 24. 5.1930 die Sonne . . schien so prall, daß selbst natürliche Amerikaner erstaunt waren, von dem Unbehagen von uns Amateur-Amerikanern gar nicht zu reden; Bert. Illustr. Nachtausg. 21.2.1933 Außer den „Offiziellen" [Sendern] hört man in diesem Wellenbereich die Amateure mit Telegraphic und Telephonic; Lokal-Anz. 12.9.1934 ein Amateurfilm in des Wortes wahrer Bedeutung, technisch gewiß nicht vollkommen; Mayer 1935 Entdeckung 267 ein guter Amateur-Botaniker; Macdo-
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nell 1940 Gentleman 17 war . ., mit einem Wort, eine Art Amateur-Heiliger. Berufsheilige sind mir immer ziemlich grässlich vorgekommen; Münch. N.N. 26.10.1941 einen . . Vergleich zwischen dem „ernsten" Strategen Churchill in diesem Krieg und dem „Amateur"-Strategen Lloyd George während des Weltkrieges zu ziehen; ebd. 3.14.6.1944 Sie [Idee] entspringt also nicht dem sportlichen Eifer einiger Amateurpolitiker, ihr Urheber ist das amtliche London; 1948 Neue Rundsch, 53 reine „Amateure". Sie wechseln von einer Partei zur ändern hinüber; Münch. Allg. 14.5.1950 Wenn der Amateurgärtner nach Feierabend zwischen den Beeten werkt; Süddtsch. Ztg. 13.11.1950 das Hotel . ., in dem die Amateur-Tanzmeisterschaft . . ausgetragen wurde; Weizsäcker 1950 Erinn. 144 [Ribbentrop] Amateur als Aussenminister; Süddtsch. Ztg. 7. 7.1951 geriet ich . . an einen Photographen aus Leidenschaft, der sich gerade mit wildem Elan seinen Weg vom Amateur zum Professional bahnte; ebd. 11.8.1951 beginnt die erste internationale Zusammenkunft von Amateur-Astronomen; ebd. 20. 9.1952 daß der politische Laie, der „Amateur", auf der lokalen, überschaubaren Ebene nebenberuflich tätig sei; ebd. 27. 9.1952 Der Buchhändler . . erhielt . . die Goldmedaille als bester Amateurzauberer der Welt; ebd. 30.12.1958 Der Amateurfunker ist nach landläufiger Vorstellung ein Bastler, dem es Spaß macht, sich mit gleichgesinnten Bastlern . . in der Welt in Verbindung zu setzen; Offenburger Tagebl. 29.3.1961 Touristen, .. die ins Ausland fahren, sollten die Abfertigung an den Grenzen nicht dadurch aufhalten, daß sie sich als „Amateurschmuggler" betätigen; Koeppen 1961 Frankreich 93 In der Kathedrale bemühten sich Photoamateure krampfhaft, das Dunkel zu photographieren; Böll 1963 Clown 300 der professionelle Habitus ist der beste Schutz, auf Leben und Tod zu treffen sind nur Heilige und Amateure; Stuttgarter Ztg. 12.1.1965 Amateur-Bergsteiger versuchten vergeblich, Hilfe zu bringen; ebd. 13.2.1968 Abgeordnete des Bundestages können heute nicht mehr so wie weiland Josef Filser als Amateure ihre Bänke drücken: sie sind gezwungen, ihren bürgerlichen Beruf entweder nur noch mit der linken Hand zu betreiben oder vorübergehend aufzugeben; FAZ 13.4.1968 Die Amateur-Verwaltung der Professoren [an der Uni] ist revisionsbedürftig; Süddtsch. Ztg. 12.4.1969 Ostermeiers Ausflug in die Amateurpädagogik kann von einem pädagogisch orientierten Berufsverband bestenfalls registriert werden; Offenburger Tagebl. 11.2.1970 ein ausgesprochen dilettantischer Amateur-Diplomat; ebd. 16.4.1971 Festival des Internationalen Amateurtheaters in Berlin (Überschr.); MM 12.4.1985 zugleich als Interpreten neben Berufsmusikern auch Amateurmusikanten einzubeziehen;
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Amateur
Zeit 17.5.1985 unzählig sind die „Boxen", die zumeist jugendliche Computeramateure . . eingerichtet haben; MM 19.12.1985 nunmehr aber grub Ronconi nicht nach alten Werken, sondern versuchte, als Amateur-Archäologe ein realistisches Ägyptenbild auf die Bühne zu stellen; Zeit 21.2.1986 ein Amateurhistoriker hatte die ganze gelehrte Zunft herausgefordert; ebd. 8.8.1986 unsere Moderatoren sollen natürlich klingen, wie Amateure, denn Amateure sind Liebhaber, und wir lieben das Radio; Stern 3.6.1987 das war nur eine Amateur-Pianistin; Spiegel 30.7.1990 Auch Amateure können sich mit ein wenig technischem Geschick heimlich ins Telefonnetz einklinken; FAZ 28.8.1990 mit professionellen oder dem Amateurstatus zugeneigten Liebesdienerinnen; Spiegel 15.2.1993 Die attraktive Frequenz gehörte dem aufgelösten DDR-Fernsehen, inzwischen wird sie im Kabelnetz von den alternativen Amateuren des FAß („Fernsehen aus Berlin") gehalten. amateurhaft: Nora 1932 Am Färbergraben 39 Nicht amateurhaft-oberflächlich, sondern aus stärkster Vertiefung in Stoff und Geschichte, aus einem Eifer, von dem er mit entzückter Drastik behauptete: „Die Leidenschaft des Sammlers verhält sich zur bloßen Liebhaberei wie das Vaterwerden zum Fensterin!"; Offenburger Tagebl. 6.10.1959 Filmbericht über eine Kreuzfahrt in dänischen Gewässern, einem Streifen, der in seiner amateurhaften Ferienerinnerungsmanier Segelfreunde beglückte; Zeit 1.2.1985 die mutigsten Stücke laufen nicht in den winzigen, halb amateurhaften Theaterstudios; MM 25.2.1988 sie sind aber weder amateurhaft noch niedlich, sondern deuten in ihrer bewußten Form- und Farbgebung . . bereits auf Grewenings spätere Arbeiten hin; Süddtsch. Ztg. 12.113.12.1992 Die Bundesregierung . . beobachtet mit einigem Unbehagen die Bremer Aktivitäten [Kulturgüteraustausch mit Rußland], die man hinter vorgehaltener Hand gern als „amateurhaft" bezeichnet. Amateurismus: MM 10.9.1987 erklärte er . ., er werde jetzt nur noch als Kunstlehrer tätig sein und betrachte seine künftige Malerei als Amateurismus. Amateurschaft: 1780 Dtsch. Museum I 152 Sein Genie erstreckt sich fast auf alle Arten der Amateur- und Connoisseurschaft; Fontäne 1871 Kriegsgef. 149 Meine Amateurschaft [Liebhaberei] für romantische Plätze. Amateur c: Kohl 1844 brit. Inseln 111 345 die Teilnehmer [an einem Wettlauf] sind . . auch Gentlemen (gentlemen amateurs), die aus Liebhaberei die
Kunst des Laufens betreiben; ebd. Ill 364 Die Amateurs Gentlemen (unter denen Esquires sowohl als Honourables sich finden) [beim Kricketspiel]; 1884 (Gaza 1912 Rudersport 19) Amateur ist [laut Satzung] jeder, der das Rudern nur aus Liebhaberei mit eigenen Mitteln betreibt . . und dafür keinerlei Vermögensvorteile in Aussicht hat; 1893 (Bogeng 1926 Gesch. d. Sports 323) Deutscher Athletischer Amateur-Verband; 1894 (Harbott 1926 Olympia 193) Sportliebhaber (Amateure), nicht Sportleute von Beruf (Professional); Kircher 1927 Fair Play 65 die wiedererstarkende Amateur-Tendenz [im englischen Sport]; 1929 Sport u. Sonne Dezemberh. 870 Mit den Rundreisen der Vereinsmannschaften fing es an. Daß darunter der Amateurcharakter des Sportes leiden mußte, bedarf keines Zweifels; Voss. Ztg. 30.3.1930 Jetzt stellt sich heraus, daß ein „olympischer Amateur" nicht mehr existiert. . . Jeder Sportverband soll das mit seiner Amateursatzung machen, was er will; ebd. 26.9.1930 daß man den Amateurgedanken aufs neue erweitert und . . unter Beachtung dieses Amateurgedankens eine den wirtschaftlichen Zeitverhältnissen angepaßte Auslegung der Amateurbestimmungen schafft; Lokal-Anz. 17.3.1931 in einem Länderkampf für die Ehre des Sports einzutreten. Dieses Problem ist noch immer ungelöst. Aber es muß einmal gelöst werden, wenn man nicht diejenigen Lügen strafen will, die den Amateur, den Sportsmann aus Liebhaberei, immer wieder mit dem Schimmer der Ritterlichkeit . . umkleiden, die nichts weiß von Gewinnsucht und Geschäftstüchtigkeit; ebd. 9.3.1933 dem jungen Mittelstürmer Niclas . ., der übrigens als einziger Amateur unter lauter Berufsspielern steht; ebd. 17.8.1934 Getrennt starten Amateure und Berufsfahrer auch über völlig verschiedene Distanzen [Radsport]; NZ. (Basel) 30.5.1949 Was geschieht mit .. ausrangierten Berufssportleuten? Ist deren menschliche Tragödie oft nicht ebenso schlimm wie diejenige der Amateure, die dem Sport ihre Jugend opferten; Welt 22.10.1949 der achtfache deutsche Kunstlaufmeister und Amateur Horst Faber wird mit seiner Braut . . als Eistanzpaar auftreten; ebd. 28.1.1964 wies auf die gewaltige Entwicklung des Spitzensports hin, der die Grenzen zwischen dem Leitbild des Amateurs und dem des Profis verwische; Süddtsch. Ztg. 4.10.1965 Die NOKs akzeptierten . . einen . . Vorschlag . ., der einer Neudefinition des Amateurs gilt. Danach ist ein Amateursportler derjenige, „der Sport nicht um des finanziellen Gewinns willen, sondern als Ergänzung anderer Tätigkeiten des Studiums und der Arbeit treibt". Diesen Amateuren soll finanzieller Ersatz „nur für gerechtfertigte und nachweisbare Ausgaben" geleistet werden, „die im Zusammenhang mit ihrer sportlichen Vorbereitung" entstehen; Bildztg. 6.4.1967 denn sie sind Amateure und keine Be-
Amazone rufssportler; ebd. 9.5.1967 daß ein russischer Amateur [im Sport] kein Amateur ist, weiß jeder; FAZ 30.12.1967 dürfte trotz des Widerspruchs, daß mancher Olmpiasieger 1968 kein Amateur sein wird, auch das olympische Jahr ein Jahr der Amateure sein; ebd. Der Trennstrich zwischen Amateuren und Profis wird beim Wimbledon 1968 . . ausradiert. Die besten Nichtberufsspieler können jetzt offen zur Kasse gehen . . was uns zu der vielzitierten Bezeichnung „Scheinamateur" bringt; ebd. Die Millionen . . Tennisfreunde in aller Welt zahlen . . Mitgliedsbeitrag, um als Liebhaber ihres Sports, als richtige Amateure, Tennis zu spielen; Welt 5. 9.1969 wenn der westliche Reiter zugleich auch Besitzer eines verdienenden Pferdes ist, gerät er in das Kreuzfeuer der amtierenden Prinzipienwächter eines antiquierten Amateurstatuts; FAZ 20.1.1972 hat der Präsident des Internationalen Olympischen Komitees . . zugegeben, daß es vielleicht in den kommunistischen Ländern „Staatsamateure" geben könnte; ebd. 10.2.1972 Verletzungen der Amateurbestimmungen durch die französische alpine Rennläuferin Annie Famose; Welt 13.2.1974 noch keine Entscheidung über neue Amateurregel; Zeit 28. 6.1985 zum erstenmal wagt es ein Großmeister [im Schach], gegen eine Reihe starker Amateure blind-simultan . . zu spielen; ebd. 9.8.1985 mit den Zugängen aus dem Amateurlager hat der HSV jetzt 24 Spieler im Kader; MM 14.2.1987 als Amateursportler spiele ich für einen Verein; Zeit 8.5.1987 nachdem die „Schilegende" Karl Schranz . . von den olympischen Winterspielen ausgeschlossen worden war, weil er angeblich gegen den Amateurparagraphen verstoßen hatte. amateurhaft: Welt 13.4.1964 ein wunder Punkt war nicht zu erkennen, es sei denn, man kreidet Maass an, daß er zu amateurhaft stürmte; ebd. 15.9.1969 dabei trainieren sie doch — beinahe amateurhaft — sechs Stunden in der Woche.
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Amateurismus: Voss. Ztg. 16.11.1926 Ein neuer Fall von akutem Amateurismus ist bekannt geworden. William „Big" Tilden soll ein Angebot des Managers .. abgelehnt haben, in dem ihm dieser 75 000 Dollar bot, falls „Big Bill" Professional werden wollte; ebd. 29.9.1929 Viele Nicht-Amateure sind selbst die einzigen, die noch glauben, daß man an ihren Amateurismus glaubt. . . In Wien . . hat man . ., um dem Schein-Amateurismus den Garaus zu machen, wenigstens im Fußball das Berufsspielertum eingeführt; Berl. Illustr. Nacbtausg. 14.4.1932 Als Grund für seine plötzliche Abreise gab Zabal [Langstreckenläufer] an, „es treibe ihn, aus der korrupten europäischen Atmosphäre mit ihrem verdorbenen Amateurismus zu entfliehen"; Prager Montagsbl. 16.12.1935 der Sportverein kehrt zum . . Amateurismus zurück; Offenburger Tagebl. 17.9.1958 Krise des Staatsamateurismus? (Überschr.) Gespräch mit dem russischen Staatstrainer der Leichtathleten; Stuttgarter Ztg. 28.9.1967 Avery Brundage - Gralshüter des Amateurismus (Überschr.) . . Der in Chicago .. beheimatete Multimillionär . . ist ein glühender Verehrer der olympischen Idee und gewissermaßen der „Gralshüter" des Amateurismus im Sport; Süddtsch. Ztg. 1.8.1969 Vor allem .. liege ihm daran, daß Amateurismus und Olympische Spiele ein Ganzes bleiben. Amateurtum: Lokal-Anz. 17.3.1931 Man kann sich sehr wohl vorstellen, daß mancher feste Wille zum Amateurtum schwankend wird, wenn man vernimmt, daß große Boxer in wenigen Kämpfen Millionen erwarben. rcamatcurisieren: Süddtsch. Ztg. 28.2.1951 bin ich der Meinung, daß Herr Rittberger, der sich als ehemaliger Berufsläufer erst beim internationalen Eislaufverband reamateurisieren lassen muß, wenigstens bis zur Erlangung seiner Amateureigenschaft etwas ruhiger sein sollte; Offenburger Tagebl. 7.4.1960 die reamateurisierten Vertragsspieler.
Amazone F. (-; -n), schon im Mhd. (LEXER) entlehnt aus lat. Amazon (< gleichbed. griech. , Name eines kriegerischen Frauenvolkes der griechischen Mythologie, weitere Herkunft ungeklärt. Volksetymologisch hergeleitet aus griech. $ 'Mutterbrust, Brustwarze' und verneinendem griech. -, also 'brustlos' oder 'einbrüstig', basierend auf der Vorstellung, daß die Amazonen die rechte Brust amputierten, um so den Bogen besser spannen zu können; vielleicht auf den Namen eines iranischen Volksstammes zurückgehend), anfangs selten in der lat. Pl.-Form Amazones, vom 17. bis ins 19. Jh. auch in der Nebenform Amazonin, l Meist plur. verwendeter Name für Angehörige eines berittenen kriegerischen Frauenvolkes in Kleinasien, das ohne Männer lebte. Einmal im Jahr verkehrten sie
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mit Männern benachbarter Völkerschaften, um den Fortbestand ihres Volkes zu sichern; doch nur die Mädchen zogen sie auf und bildeten sie zu Kriegerinnen aus. Darstellungen der bildenden Kunst und Literatur (Herkules-Sagen, Ilias) zeigen die Amazonen als zweibrüstige, kühne, kämpferische, ideal schöne, etwas muskulöse Jungfrauen, meist in Kampfsituationen. Als Bestimmungswort in Zss. wie Amazonenkönigin, -heer, -schlacht. 2a Ausgehend von diesen Eigenschaften schon im 16. Jh. übertragen gebraucht, zunächst in der Bed. 'kriegerisches Weib, Kriegerin, Reiterin, Heldin, Mannweib' (s. Belege 1654, 1761); auch für 'männlich erscheinende Frau', 'sportlich wirkende Frau von knabenhaft schlankem Aussehen', 'reitende Frau' (s. Belege 1795-96, 1967); 'in Soldatenlagern mitlebende Frau' (s. Belege 1533-34, 1798, 1817, vor 1956); seit dem frühen 20. Jh. 'selbständige, mutige, starke, kämpferische Frau' (s. Beleg 1935), gelegentlich mit der Konnotation „männerverachtend". Dazu seit Mitte 16. Jh. die adj. Ableitung amazonisch in der Bed. 'jungfräulich, einer Amazone ähnlich, nach Art einer Amazone; kriegerisch, streitlustig', gleichbed. mit der seit frühem 19. Jh. nachgewiesenen adj. Ableitung amazonenhaft. b Seit der Mitte des 18. Jhs. zunächst allgemein für 'Reiterin', dann als fachspr. Bezeichnung des modernen Reitsports für eine Turnierreiterin, vgl. auch engl. amazon und frz. amazone 'Reiterin'; oft in Zss. wie Amazonenkleid 'Damenreitkleid', -Hütchen, -habit und Amazonenspringen. Amazone 1: um 1160 Herbort 14490 Eez rite vnder des/ Die frowe amazones/ Vo amazonien lande . ./ mit Schilde vn mit swerte; Pfaffe Lamprecht 12. Jh. Alexander 68 a diu urliuges wip die sin Amazones genant (BENECKE/MÜLLER/ZARNCKE); K. v. Megenberg 1349-50 Buch d. Natur XXII 12 der manne pain sint sterker wan der frawen pain, an allain an den frawen, die Amazone haizent (FRNHD. WB); ebd. XXII 492 die frawen haizent amazones und die reitent in den wapen (FRNHD. WB); 1469 Augsburger Chronik 281 si machten auch alle jar ain marck nicht ferr von irem land, da komens hin und ander leut von ändern landen, da empfiengen si kinder von frembden mannen, und was si der kind an die weit prachten, so gabens die knäblach den vätern auß irem land und die mädlach behieltens und lerntents vechten und streiften, darumb hieß mans Amazones; Steinhöwel 1473 Boccaccio (Übers.) 52 Die linken brüst Hessen sie unversert zu narung den kindern, die geboren werden solten, darvon die gehaissen wurden Amazones; Schumann 1559 Nachtbüchlein 255 Dann es seind inn Amazonia nichts dann weyber und streytten mannlicher dann bißweylen die mann. Dise Amazones faren alle jar nur ein mal über ein wasser in ein insel, da seind nichts dann mann darinn . .; Ernstinger 1579—1610 Raisbuch 121 begrebnus . . ainer königin der amazonischen weiber . . welche wider die manner gekriegt, wie dann etliche solcher amazones zu ross mit den männern streittent, am grabstain herumb eingebauten zu sehen; Spangenberg 1591 Adels-Sp. I
433b Von den streitbaren Weibern/ die Amazen genandt. (Überschr.) Wovon aber solche Kriegsüchtige Weiber diesen Namen haben/ das man sie Amazones nennet/ sind mancherley meinungen; Henisch 1616 Teutsche Sprach 62 Amazones/ seind Weiber vnd Jungkfrawen gewesen// von den Gotten herkomend/ welcher Königin gewesen Pentisilea, seind also genant q. ohne brüst/ oder dutten/ . . von denen schreibt man/ das sie streitbar gewesen/ vn vil krieg geführt haben/ welcher regierung noch zu Alexandri Magni Zeiten gewehret/ aber bald darnach jr regierung vntergangen; Opitz 1624 Poemata 70 Auch hier ist Streit und Krieg. Ich will nicht viel vermelden/ Wie die Amazonen gleich allen hohen Helden/ Sich mit der Faust erzeygt, die Brüste weggebrandt,/ Den Spieß daran gesetzt, und auff den feind gerandt; Abr. a S. Clara 1701 Ur-Merkur 49 Wer weiß nicht um die heroischen Taten der Amazonen; 1759 Modeztg. U 66 Was die Tapferkeit betrift, so wird sie unter einer gewafneten Amazone vorgestellet; Potter 1776 Archäologie III 89 sie stellten ihre Bogen in gerader Richtung gegen den Leib, und zogen die Hand nach der rechten Brust zurück. So machten es die Amazonen; Grecourt 1787 Auserlesene W. (Übers.) II 265 Das weiß ich wohl, das Reich der Amazonen/ War just das Gegentheil von diesem Land./ Dort lebten ohne Mann die Weiber/; Goethe 1799 Achilleis (WA I 50,282) das Amazonengeschlecht, dem Männer verhaßt sind; ebd. 50,283 Aber sei mir gepriesen, wenn du unweibliche Schaaren/ Wilder Amazonen zum Todeskampfe heranführst;
Amazone ders. 1811 Dichtung u. Wahrh. (WA l 26,92) [Alerte] rühmte sich, die Königin der Amazonen zum Führer ihres weiblichen Heeres [Spielzeug] zu besitzen; Wickede 1854 Soldaten-Leben III 93 Ich hatte ihr einen kleinen tüchtigen griechischen Klepper gekauft, auf dem sie nach Männerart reitend wie eine Amazone umhersprengte; Ettmüller 1865 Herbstabende l 20 kriegerische Frauen gab es schon . . Die griechischen Amazonen sind ja weltbekannt; 1911 Kavallerie-Monatsh. VI 330 Ferner finden wir in der antiken griechischen Mythologie die mit den germanischen Walkyren allerdings nicht zu vergleichenden Amazonen; Presber 1912 Von Ihr 227 Es gibt Frauen, die gleichen Napoleon . . Man kann sie sich — wie die alten Amazonen - ohne Pferd gar nicht vorstellen; MM 17.1.1985 Kulturgeschichte, sei es nun die der Amazonen, der Griechen oder der Franken, gehört ebenfalls zum Themenbereich „Pädagogik, Philosophie und Psychologie"; Zeit 13.12.1985 mit Pfeil und Bogen kämpfen die Amazonen; ebd. Griechen und Amazonen: beide tragen die linke Brust frei; MM 23.10.86 zwischen Kasachstan und dem Lande der Amazonen; Zeit 6.2.1987 wie bei Hildorfs Vorbildern hat man auch bei ihm das Gefühl, daß jede männliche Biographie bei Ödipus beginnt (und das Leben der Frau bei den Amazonen); ebd. 8.5.1987 ausgehend von den Schriften der Antike stellt sie zunächst das Vorwissen zusammen, mit dem die Eroberer die phantastischen Entdeckungen zu verstehen versuchten: die Amazonen, Kannibalen, .., die edlen Wilden, . ., die Insel der Seligen, . . zählten seit jeher zum festen Gedankengut der Europäer; Süddtsch. Ztg. 23.3.1993 Die Welt der Skythen ist voller Kampf und kreisender Bewegung .. Die übereinandergeschichteten Leiber aus einem Amazonenfragment scheinen vom Kampf in einen Strudel geschleudert. Amazone 2a: Turmair 1533-34 S. W. IV 152 die Mäzen .. nennens Amazones; Martinius 1654 Tartar. Krieg 26 Unter denen Obristen so hülff brachten, war eine Frau welche wir mit recht die Sienesische Amazon oder Penthesileam nennen mögen, . . und sie war nit allein von manlichem Gemüht, sondern hatte auch manskleider an; 1696 Persien (Olearms 1696 Reisebeschr. I 18a) Das sind wahrhafftige Amazonen, die so geschickt/ als der beste Bereiter/ ein Pferd zu reiten wissen; Grimmelshausen 1670 Courasche 46 es wären wol ehe Amazones gewesen/ die so Ritterlich als die Männer gegen ihren Feinden gefochten hätten; Winckelmann 1755 Gedanken 13 Michael Angelo ist vielleicht der einzige, von dem man sagen könnte, daß er das Alterthum erreichet, aber nur in starcken musculösen Figuren, in Cörpern aus der Helden-Zeit; . ., nicht in weiblichen Figuren, welche unter seiner
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Hand zu Amazonen geworden sind; Fielding 1761 }. Andrews (Übers.) 456 Adams [fiel] rücklings der Länge nach über das Bette, wo ihm diese Amazone nach ihres Herzenslust maulschellirte und zerkratzte; Goethe 1773 Götz Ul (Var.) (WA I 13.2,315) unsere Weiber sollen eher Äbtissinnen eines Klosters als Amazonen gleichen, die sich nirgends gut ausnehmen, als im Ritterbuch; ders. 1795-96 Lehrjahre (WA l 22,43) Philine, die zu dieser Erscheinung große Augen machte, war eben im Begriff zu rufen und die schöne Amazone um Hülfe anzuflehen, als diese schon erstaunt ihre Augen nach der wunderbaren Gruppe wendete, sogleich ihr Pferd lenkte, herzuritt und stille hielt; ebd. 23,33 Fräulein Theresen . . ein Frauenzimmer, wie es ihrer wenige gibt; sie beschämt hundert Männer, und ich möchte sie eine wahre Amazone nennen, wenn andere nur als artige Hermaphroditen in dieser zweideutigen Kleidung herumgehen; Vulpius 1798 Rinaldini l 34 Rinaldo lag unter einem Baume, als sich ihm Fiorella, eine Amazone seiner Bande, nahte; Schiller 1800 W. VIII 143 Die stolze Amazone da zu Pferd,/ Die übern Krummstab setzt und Bischofsmützen; Brentano 1817 W. II 17 außer der alten Wirtin, die Tabak rauchte und in ihrer Jugend als Amazone unter den Wurmserschen Husaren gedient hatte; Holtet 1822 Farben (Jahrb. D. Bühnenspiele I 193) O Sie aller Mädchen Krone,/ O Sie muth'ge Amazone!; Goethe vor 1832 WA I 40,368 Wir hätten aber doch dieses Werk lieber Bekenntnisse einer Amazone überschrieben . . weil diese Benennung charakteristischer wäre. Denn es zeigt sich uns wirklich hier eine Männin, ein Mädchen wie es ein Mann gedacht hat; Wolff 1887 Hagestolze 303 zumal sie wusste, dass Juliane, die wie zur Amazone geboren war, zu Pferde stets am fröhlichsten und zugänglichsten war; Huch 1893 Ursleu 140 In Galeiden war ein ziemlich planloses Gemenge von Altem und Neuem, so dass sie bald eine gepuderte Rokokodame, bald eine Amazone der französischen Revolutionszeit oder auch eine Walküre aus nordischem Heidentum hätte sein können; Henne-am Rhyn 1897 Kulturgesch. VII 179 [die „moderne" Frau] ist lediglich eine moderne Amazone, welche selbst um den Mann wirbt; Zobeltitz 1902 papierene Macht I 58 Sie war ungemein einfach gekleidet und hatte doch etwas Großes, Stolzes und Königliches an sich. Und ein Nimbus herber Jungfräulichkeit schien sie zu umschweben wie die Amazonen des Altertums, denen sie glich mit ihrer hohen Figur und den starken Schultern; Huret 1909 Berlin 100 Ritt im Tiergarten, aber sein Beispiel findet, von einigen Offizieren und nicht ganz untadeligen Amazonen abgesehen, keine Nachahmung; Dombrowski 1919 System I 206 geistige Amazonen; Holzapfel 1931 Frauen fliegen 7 die
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Amazonen der Luft [Fliegerinnen]; Lokal-Anz. 13.1.1933 eine Anzahl kommunistischer Frauen auf der Tribüne [erhob] einen ohrenbetäubenden Lärm. Es handelte sich zum Teil um dieselben „Amazonen", die bereits in der letzten Sitzung . . in den Sitzungssaal eingedrungen waren; Dtsch. AZ. 3. 2.1935 Es war ein unverantwortliches Spiel, das sie im vollen Bewußtsein ihrer Macht über die kühne Sehnsucht der Männer trieb. Sie war im wahrsten Sinne des Wortes eine Amazone; und jeder, der sich mit ihr messen wollte, mußte sein Leben preislos einsetzen; Münch. N.N. 8.5.1938 Amazonen stechen in See (Überschr.); Süddtsch. Ztg. 24.9.1954 Erneut hatte sich der Verfassungsausschuß des Landtages mit den Damenringkämpfen in einem Münchner Lokal zu befassen, und zwar auf Grund der Eingabe einer der Amazonen, die sich gegen das von eben diesem Ausschuß vor Monaten stark befürwortete Verbot dieses „Sportes" wendet; Bild 29.7.1955 Manguin will die Frau in der kommenden Saison als „Amazone" sehen: eine strenge, damenhafte Linie, die ein wenig an die korrekten Reiterinnen der Jahrhundertwende erinnert; Brecht vor 1956 Stücke XII 320 Wir sind verheiratet nach Soldatenart . . wir legen ihn [Degen] auf den Boden, der junge Held springt zuerst darüber und die Amazone hinterher; Bild 12.1.1967 sie war eine schlanke Amazonengestalt; Zeit 2.8.1985 Lasset uns einmal im Buch nachsehen, ob dieses ein verkleidetes Frauenzimmer, eine Amazone oder eine Person aus der verkehrten Welt ist?; ebd. 6.3.1987 da muß Katharina, die „typische" Frau, Fernsehjournalistin, Mondsüchtige, Amazone, ihre Kultursendung unterbrechen; 1991 Cosmopolitan IV 182 Als Frau kann man nur in der Rolle der Amazone das Publikum erobern; Süddtsch. Ztg. 26.10.93 Zum Beweis, daß seine neue Rolex „Oyster" (Auster) diese Probleme [Gehäuse, die dem Eindringen von Schmutz und Nässe kaum etwas entgegenzusetzen hatten] nicht mehr hatte, legte er ein Exemplar ans Handgelenk der Amazone Mercedes Gleitze. Diese durchschwamm damit . . den Ärmelkanal. amazonenhaft: Goethe 1816—17 Italien. Reise (WA l 30,68) Die Heilige steht im Vordergrunde, als habe sie siegend das Land in Besitz genommen. Sie ist sehr edel, amazonenhaft jungfräulich, ohne Reiz gebildet; Wolff 1822 Hund d. Aubri (Jahrb. D. Nachspiele l 50) Madam Walter (Etwas amazonenhaft, aber in tiefer Trauer) [Bühnenanweisung]; Carus 1835 Reise II 326 das Heranreiten der oft amazonenhaft gekleideten Damen mit grossen Strohhüten und wehenden Schleiern; Eichendorff 1839 W. Ill 172 Ganz Paris sprach von der jungen, reichen Gräfin Diana, einer amazonenhaften, spröden Schönheit; Kohl 1845 Paris I 126 von einer
jungen Dame . ., die etwas Amazonenhaftes in ihrer Kleidung hatte; Hansjakob 1879-1909 Jugendzeit l 167 Mädchen, die in ihrer Kindeszeit schon knaben- und amazonenhaft auftreten, geraten in der Regel nicht und geben entweder Blaustrümpfe oder unbrauchbare Hausfrauen, oft gar Hausteufel ab; Heer 1908 Laubgewind 186 der fußfreie Lodenrock, die hochgeschnürten Bergschuhe und der eisengespitzte Stock in ihrer Hand, all das Amazonenhafte, das jetzt in ihrer Erscheinung lag, stand ihr vorzüglich; Brahm 1913 Krit. Sehr. I 116 wenn nur eine Schauspielerin recht hoch gewachsen ist, wenn sie eine Neigung zum Amazonenhaften zeigt, so halten unsere Theaterleiter sie für die geborene Johanna d'Arc; Sydow 1926 Kultur 47 Alles Amazonenhafte, Penthesileaartige der romantischen Phantasie lag Goethe fern; 1927 Sittengesch. d. Lasters 90 Blendend schön ist das Weib .. Stolz und amazonenhaft tanzt sie; Edschmid 1928 Gagaly 165 Als sie auf dem Divan lag, in Strümpfen und einer kurzen amazonenhaften Unterwäsche; Thiess 1929 Erziehung 72 Kein vernünftiger Mensch wird aber daraus schließen, daß mit der Eroberung dieses Rechtes [Wahlrecht] sogleich eine neue amazonenhafte Frauengeneration aus dem eidgenössischen Boden schießen würde; Zeit 9.8.1985 die Gottesanbeterin nähert sich mit ausgestreckten Vorderbeinen und streichelt — gar nicht amazonenhaft — das Männchen mehrmals; ebd. 13.12.1985 nachdem ihr der Geliebte durch einen Herold seine Werbung hat vortragen lassen — sehr Kleistisch-amazonenhaft als Bitte zu tödlichem Zweikampf — kann Penthesilea nur . . stammeln . .; Süddtsch. Ztg. 2./3.10.1993 Der einzig richtige Halt allerdings, den sie so dringend benötigt, wird ihr von ihrem amazonenhaften Idol Tante Freda (Mutters brustamputierter Schwester) gewährt. Amazonin: Micraelius 1639 Altes Potnmerland II III 56 wie auch die Amazoninnen oder HeldenWeiber/ durch welche Asia ist bezwungen worden/ . . Gothen aus Dennemarck oder Schweden selten gewesen seyn; Harsdörffer 1644 Gesprechspiele l 209 eine treffliche Amazonin; Weingarten 1673 Fürsten-Spiegel l 232 waren ihr [Mädchen] 600 Reuter zu geordnet/ mit welchen sie als eine andere Amazonin ausgangen; Haugwitz 1684 Maria Stuarda 30 Wer weiß nicht der Amazoninnen/ So Helden-müthiges Beginnen; Lohenstein 1689 Arminius l 521 b vom Gemüthe eine Amazonin; 1719 (Abr. a S. Clara 1710 Kramer-Laden III 296) die grosse Heldin und rare Amazonin Judith; 1722 Discourse III 155 Lob, das ihr als Amazoninnen in dem Schreiben (wie die ändern in dem Fechten gewesen) verdienet; Winkler 1767 Heldin 304 beherzte Riesenmänner, und männliche Amazonin-
Ambiente nen; Hess 1796 Durch flüge d. Deutschland I 165 Zum Andenken dieser Nordhäuser Amazoninnen ist am Rathhause ein Stern eingemauert; Möser 1820 Patriotische Phantasien III 74 Unsre deutschen Amazoninnen (SANDERS DWB); Hebbel 1835 W. I 9,47 es sei nicht genug, dass Natalie sich als Heldin bewährt habe, sie müsste mit Siebenmeilenstiefeln fortschreiten und Amazonin werden; Hailbronner 1837 Cartons I 39 an dem aristokratischen Eigendünkel der belgischen Amazonin. amazonisch: Rivius 1548 Vitruv. 92b Plinius schreibt von der landschafft Italie/ das solche geformiert sey wie ein Eyche laub/ vil lenger wann breiter/ sich am spitz gegen der lincken seit bigent/ der gestalt eins Amazonischen Schilds; Thurneisser 1569 Archidoxa 20b Und die Amazonischen Weiber. Mit Semiramis/ die auch vor zeitten/ Beriembt seind gwest/ in Sturm/ und Streitten; Ernstinger 1579-1610 Kaisbuch 121 haben wir . . gesehen . . ain alte begrebnus .. das soll ainer königin der amazonischen weiber gewest sein; Fischart 1582 Geschichtklitterung 31 bei den Amazonisch Metzen vnnd Hetzen oder Hexen; Spangenberg 1591 Adels-Sp. l 451b das streitbare Amazonische Weib; Dilich 1598 Hisior. Beschr. 13 ein außländische Jungfraw vngewöhnlicher manier . . mit schwerdt/ schildt vnnd Sturmhauben bewapnet/ . . Demnach man aber den Amazonischen Habiet darauß erkennet/ hat man sie in den grossen Saal geführet; Grasser 1610 Schatzkammer 588 Amazonische Ritterin; Zesen 1645 Rosemund 51 dise wahr auf Amazonisch gekleidet; 1700 Monatl. Auszug Mai 243 Derjenige Imperiali ../ hat anitzo ein curieuses Werck dieser Art/ unter den Titul der Amazonischen Smyrna, unter der Feder; Zachariae 1778 Poet. Sehr. I 330 Dianensee. Ein warnender Name Amazonischer Schönen, die mit verwegenen Händen, Pferd, und Ehmann regieren, und Huth und Freyheit uns rauben; Musäus 1782—87 Volksmärchen I 49 wegen der, nach amazonischer Gewohnheit, zerstörten rechten Brust; Goethe 1818 Br. (WA IV 29,107) Pferdehals und Männerbrust .. dazwischen . . einen Amazonenbusen . . Sieht man . . die übrigen amazonischen und centaurischen Gebilde . . so findet man überschwengliche Kunst;
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Marholm 1903 Psychologie d. Frau II 6 Männer mit Augenaufschlag, geblähten Nüstern und gespannten Zügen sind schon der Übergang nicht gerade in das Weibliche, aber in das Amazonische; Unterhaltungsblatt der Voss. Ztg. 15.10.1926 In der Ilias wird berichtet, daß der Trojanerkönig Priamus der Helena erzählt, wie er als junger Mann seinen Bundesgenossen gegen den Einbruch „amazonischer Männinnen" half; Kommerell 1940 Geist 208 [Penthesilea] bricht das amazonische Gesetz nicht, wenn sie ihn [Achilles] als Beute wählt; Nelissen-Haken 1958 Häuser 225 Der Mut, die amazonische Kühnheit dieser Gräfin imponierten mir. Amazone 2b: Geliert 1747 Schwedische Gräfin IV 401 Sie ging in Amazonenkleidern; 1793 Journal d. Moden VIII 167 die Ritterin . ., die . . ein eignes Corps von 2000 französischen Amazonen errichten . . soll; Kohl 1845 Paris // 139 englische Amazonen; Stirling-Clarke 1862 Das Pferd und die Amazone. Anleitung zur Reitkunst für Damen (Titel); Rose 1884 Revanche 3 Amazonen und Kavaliere sprengen die Avenue zum Triumphbogen heran; ebd. 329 brillante Equipagen, stolze Reiter und Amazonen; Wolff 1887 Hagestolze 303 zumal sie wußte, dass Juliane, die wie zur Amazone geboren war, zu Pferde stets am fröhlichsten und zugänglichsten war; Lokal-Anz. 28.1.1933 das Pferd einer Amazone machte sich nach dem ersten Umlauf selbständig und verschwand in der Richtung nach dem Abreiteplatz; Berl. Illustr. Nachtausg. 3.2.1933 bei dieser auf zahllosen internationalen Turnieren erprobten Amazone; Lokal-Anz. 3.3. 1933 Heute traten die Turnierreiterinnen in Dortmund zu einem Amazonen-Jagdspringen . . an; BZ am Mittag 6.6.1933 Dressurprüfung für Amazonen; Dtsch. AZ. 25.8.1935 Als unsere Amazonen um ihre Berücksichtigung im Rennsport rangen, haben wir uns für Damen-Rennen eingesetzt; Münch. N.N. 3.9.1941 Vom Triumphbogen zur Porte Dauphine traben auf breitem Kiesweg Reiter und schlanke Amazonen, und überall . . sieht man Pferde und Wagen; Süddtsch. Ztg. 10.6.1952 Zum „Deutschen Amazonenpreis" klettern Damen aus Wien, Berlin, Hamburg und München in den Wagensitz.
Ambiente N. (-; ohne Pl.), im frühen 20. Jh. entlehnt aus gleichbed. ital. ambiente (zurückgehend auf fielet. Form von lat. ambiens, Part. Präs, von ambire 'um etwas herumgehen, etwas umgeben', —> Ambition; vgl. älteres engl. ambient, frz. ambiant), anfangs gelegentlich auch in der ital. Form. a Zunächst vorwiegend und bis heute als Fachterminus in der Kunst, besonders Malerei, für 'alles, was eine auf einem Gemälde dargestellte Gestalt umgibt, das ihr Atmosphäre verleiht und ihr Wesen kennzeichnet, z. B. Licht, Luft, Gegenstände '.
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Ambiente
b Im frühen 20. Jh. vereinzelt, seit Mitte 20. Jh. häufig bildungsspr. verwendet in der Bed. 'die spezifische Umwelt, Umgebung und das Milieu, in dem jmd. lebt; die besondere Atmosphäre, die eine Persönlichkeit umgibt oder einem Raum, einem Stadtteil, einem Kunstwerk sein unverwechselbar charakteristisches Gepräge, Kolorit verleiht' (—»· Aura, —»· Fluidum, —»· Air 1 ), z. B. das Ambiente einer Persönlichkeit, eines Kunstwerks, einer Ausstellung; das historische Ambiente eines Stadtviertels; das kulturelle, geistige Ambiente Italiens, Europas; ein elegantes, großstädtisches, neues Ambiente; etwas verleiht einem Gegenstand ein typisches Ambiente; ein Bühnenbild im Ambiente des Rokoko; eine Melodie mit volkstümlichem Ambiente; heute auch oft in der Werbung verwendet. Ambiente a: 1924 Meyers Enz. l 460 Ambiente, .. in der Malerei die Umgebung des Körpers. Sie muß weich und luftig gemalt sein, wenn die Körper harmonisch im Raum aufgehen sollen; 1928 Brockhaus l 375 Ambiente, [Umwelt] in einem Gemälde die Umgebung des Körpers, der atmosphärische Raum (Licht, Luft), in dem ein Körper dargestellt wird; 1952 Brockhaus l 232 Ambiente, . . in der Kunst das eine Gestalt Umgebende, das ihr Atmosphäre verleiht: der Raum, die Dinge, Licht und Luft. Ambiente b: Friedeil 1927 Kulturgesch. l 267 Wenn man die einzelnen kulturgeschichtlichen Zeitalter auf ihre allgemeine Stimmung und Temperatur, ihr Kolorit und „Ambiente" hin betrachtet, so wird man zumeist an irgendeine Tageszeit und Witterung erinnert werden; Hülsen 1947 Zwillings-Seele II 145 in dem wenig erquicklichen ambiente einer kleinen möblierten Wohnung [in Italien]; ebd. U 200 Tito Magri an Capo le Case ist eine dieser Osterien .. hier sitzt der elegante Flaneur .. neben dem einfachen Arbeiter . . und beide gleich glücklich in diesem echt römischen ambiente; FAZ 3. 9.1950 ein an sich ernsthaftes Thema . . die Begegnung eines Architekten und einer Pianistin, die sich wieder trennen müssen, weil die künstlerische Arbeit ein privates Glück nicht auf die Dauer erlaubt, das nur zu oft unter dem schablonenhaften italienischen Ambiente — Capri, Florentiner Villa — verschwindet; 1954 Archiv f. Kulturgesch. XXXVI 296 Ohne das venezianische ambiente ist Goldoni ebenso undenkbar wie etwa ein Canaletto; FAZ 1954 Nr. 122 die italienische Enklave Campione . . in der schweizerischen Umgebung ein Ambiente von eigenartigem, malerischem Reiz; Stuttgarter Ztg. 5.3.1959 das äussere Ambiente, das Elendsquartier bei den Docks; Rüegg 1960 Blütezeiten 15 in diesem humanistischen Ambiente [Basel]; Adorno 1961 Noten II 213 Was in diesem Ambiente [der Alten in Becketts „Endspiel"] an Humanität fortwest: daß die beiden Alten den letz-
ten Zwieback miteinander teilen, wird durch den Kontrast zur transzendentalen Bestialität abstoßend, der Rückstand der Liebe zur schmatzenden Intimität. Soweit sie noch Menschen sind, menschelt es; Mühlmann 1962 Homo 80 Dem deutschen Worte „Umwelt" entsprechen im Französischen „milieu" und „ambiance", im Spanischen „medio", im Italienischen „ambiente", im Englischen „environment"; Welt 21.3.1969 die Atmosphäre der kleinen österreichischen Dörfer, das Salzburger Ambiente sind scharf getroffen; Offenburger Tagebl. 3.11.1971 Antiquitäten fürs wohnliche Ambiente! Von höchst graziler Architektur und Dekoration ist ein Aachen-Lütticher Porzellan-Schauschrank; Hildesheimer 1977 Mozart 155 Über den Streichern und Oboen erklingt, Ländliches andeutend, ein Jagdmotiv der Hörner, es entsteht ein pastorales Ambiente; Jens 1983 Reden 167 [Luthers] vielleicht größte . . Begabung, die sich erweist, wenn er das Ambiente der Weihnachtsgeschichte beschreibt, biblische Genreszenen mit behutsamem Wort übersetzt; Zeit 29.3. 1985 aber im subkulturellen Ambiente (und ohne Zweifel stammt das Gros der „Männerbewegten" aus diesem Milieu) wirkt manches seltsam anachronistisch; MM 21.5.1985 in diesem Ambiente von schier unglaubwürdiger Schönheit; Zeit 25. 10.1985 Schloßruine, Heiliggeistkirche, Alte Brücke, Alte Uni, die kleinen Palais und quirligen Gäßchen, Burschenherrlichkeit und verklärte Erinnerungen sind allenfalls das ehrwürdige Ambiente, mit dem man die klügsten Köpfe und Vertreter möglichst zukunftsträchtiger Fächer an den Nekkar zu holen gedenkt; ebd. 18.4.1986 die Kulturpolitik verleiht den Städten ein interessantes und freundliches geistiges Ambiente, das dazu dienen muß, das reale Ambiente zu verschönern; ebd. 13.5.1986 der wilhelminische Neubarock bildet . . ein Ambiente für die Exponate; ebd. 18. 7.1986 die Museumsinsel, Fontanes Welt, Romanisches Cafe und das Ambiente von Züricher IntellektuellenKlubs; Lukoschik 1986 Shaky 121 Elefantenprozession unter Palmen im subtropischen Ambiente;
Ambiguität Hoppe 1986 Jubel-Deutsch 20 Ambiente, Jubeldeutsch der Innenarchitekten, Möbelfabrikanten und Feuilletonisten, die selbst dem fadesten Milieu, der mißlungensten Raumgestaltung ein Ambiente abgewinnen; 1986 Sibylle VI10 weil dieses Verbum [„behagen"] sogleich die Assoziation von Behaglichkeit hervorruft und die wiederum das Bild von der Schrankwand und den unvermeidlichen grünen Topfpflanzen als Ambiente des Heimchens am Herd; MM 14.5.1987 atemberaubend die Solokadenz des ersten Satzes, die . . fast ein wenig pompös im Ambiente dieses eigentlich recht schlichten Satzes stand; 1990 Elle X 328 In einem Ambiente aus italienischer Renaissance und coolem styling; 1991 Esquire XI o. S. Im Peugeot 605 SV 24 setzt ein edles Ambiente in Holz und Leder neue Maßstäbe an Exklusivität; Zeitmagazin 11.10.1991 Schinkel. . integriert charakteristische Einzelheiten der klassischen Antike, der Renaissance und des
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italienischen Landhausstils vorsichtig in das Ambiente der preußischen Hauptstadt und der Gartenlandschaften um Potsdam; 1991 Esquire XI 30 Zu echtem Broadway-Nightclub-Ambiente gehören eben Piano, Kontrabaß und amerikanischer Slang; Süddtsch. Ztg. 15.12.1992 [die von Yehudi Menuhin begründete musikalisch-philantropische Bewegung] Live Music Now . . die sich zweierlei zum Ziel setzt: Jungen begabten Musikern die Chance zu Auftritten zu verschaffen, jedoch nicht im üblichen Ambiente öffentlicher Konzertsäle, sondern in Krankenhäusern, Strafanstalten, Flüchtlingsheimen; 1992 Vogue deutsch IV 140 Selbst wenn er [Busnelli] ausgeht, hört er nicht auf, Lifestyle und Ambiente seiner Mitmenschen zu studieren; Süddtsch. Ztg. 30.3.1993 das . . Ambiente einer toskanischen Villa; ebd. 21.6.1993 das Warten vor dem ersten Take im coolen postmodernen Studio-Ambiente.
Ambiguität F. (-; -en), seit Mitte 17. Jh. selten, erst seit Mitte 20. Jh. kontinuierlich nachgewiesen, wohl unter Einfluß von gleichbed. frz. ambiguite aufgekommene gelehrte Entlehnung aus (flekt. Form von) gleichbed. lat. ambiguitas (zu ambiguus 'zweifelhaft, ungewiß, zweideutig, doppelsinnig', zu ambigere 'bezweifeln, unschlüssig sein, schwanken', aus amb(i)- 'ringsum, um . . herum, auf beiden Seiten' und agere 'in Bewegung setzen, treiben, handeln', demnach eigentlich 'etwas nach zwei Seiten hin treiben, über etwas von zwei Seiten nachdenken'), a Zunächst in der selten bezeugten, erst Mitte 20. Jh. von der modernen Sprachwissenschaft wieder aufgenommenen Bed. 'zwei- oder mehrdeutiger sprachlicher Ausdruck, doppelsinniges Wort, semantisch oder syntaktisch mehrdeutige sprachliche Äußerung' (s. Belege 1647, 1680, 1971), z. B. der Text weist viele Ambiguitäten auf, ist voller Ambiguitäten; Ambiguitäten verwenden, vermeiden; seit frühem 18. Jh., meist ohne Pl. gebraucht, auch im Sinne von '(Eigenschaft der) Zwei-, Mehrdeutigkeit, Doppelsinn einer sprachlichen Äußerung (die semantisch durch Polysemie oder Homonymie bzw. syntaktisch durch unterschiedliche Zuordnung entstehen kann)' (s. Belege 1727, 1760, 1961, 1969), z. B. die Ambiguität eines Wortes, einer Wendung; die Ambiguität eines Satzes auflösen, aufheben, monosemieren, die Ambiguität als Stilmittel verwenden; lexematische, phonologische, semantische, syntaktische, strukturelle Ambiguität; als Grundwort in den Zss. Konstituenten-, Morphem-, Satzambiguität. b Seit frühem 18. Jh. in der seltenen, meist fachspr. verwendeten Bed. 'Zweifel, Zweifelhaftigkeit, Ungewißheit, Unsicherheit', im 20. Jh. bes. in der Philosophie des Existentialismus präzisiert als Bezeichnung für ein konstitutives Element der Beziehung zwischen Mensch und Welt, z. B. Philosophie der Ambiguität (M. Merleau-Ponty), Moral der Ambiguität (Simon de Beauvoir), vgl. auch die Ambiguität im politischen Leben, Ambiguität der Geschichte. Dazu seit dem 17. Jh. (HECHTENBERG) das selten bezeugte, auf lat. ambiguus (s. o.) zurückgehende Adj. ambig, meist in der lat. Form, unter frz. bzw. engl. Einwir-
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Ambiguität
kung auch ambigue bzw. ambiguos; nur gebucht in der veralteten Bed. 'zweifelhaft, unsicher' (zu b); dann, zunächst ebenfalls nur gebucht, erst in der 2. Hälfte 20. Jh. von der modernen Sprachwissenschaft neu belebt für '(lexikalisch oder syntaktisch) mehrdeutig, doppelsinnig', bes. von sprachlichen Äußerungen, z. B. ambige lexikalische Einheiten, Wörter, Wendungen, eine ambige Formulierung (zu a). Anfang 19. Jh. (CAMPE) das aus gleichbed. lat. ambigere (s. o.) entlehnte, meist gebuchte und heute veraltete Verb ambigieren 'zweifeln, unschlüssig sein' (zu b); in neuerer Zeit von der Sprachwissenschaft wieder aufgenommen in der latinisierenden Präfixbildung disambiguieren V. trans, 'die Ambiguität eines sprachlichen Ausdrucks durch Zuordnung mehrerer syntaktischer Strukturen oder semantischer Interpretationen aufheben, einen sprachlichen Ausdruck eindeutig machen, vereindeutigen, monosemieren', vereinzelt auch in der Nebenform desambiguieren; dazu das häufiger als das Verb belegte Verbalsubst. Disambiguierung E (-; -en), vereinzelt auch die Nebenformen Desambiguierung und Entambiguisierung (zu a). Ambiguität a: Greflinger 1647 ComplementierBüchlein c 6b die ambiguitäten und zweifelhaffte Worte, Sprüche, Reguln; ders. 1680 Ethica Complementoria 49 Da hergegen durch eigen-nützige vnbeständige affectionirte ambiguitäten und auff Schrauben gesetzte Meinungen nicht selten gute Dinge gehindert und verwarloset werden; Sperander 1727 A la mod Sprach 31 Ambiguitaet . . Umschweiff/ zweydeutiger Verstand; Zedler 1732 Universallex. l 1678 Ambiguitas, . . wenn z. E. ein Wort zweydeutig ist, und man nicht weiß, in welchem Verstande man es nehmen soll; Gottsched 1760 Handlex. 1692 Zweydeutigkeit, oder die Ambiguität befindet sich in solchen Wörtern und Redensarten, welche auf eine doppelte Weise verstanden werden können, oder einen ähnlichen Klang haben; z. E. leiden, erdulden, und Leyden, die Stadt. Thau, der auf die Erde fällt, und Tau, ein Schiffseil; Campe 1813 Fremdwb. 104 Ambiguitaet, die Zweideutigkeit, Doppelsinnigkeit . . Radlof hat Zweisinn dafür gesagt, welches aber nicht die Eigenschaft, zweideutig sein, sondern die zwei Sinne oder Bedeutungen die ein Ausdruck hat, selbst bezeichnet. Für jene müßte man Zweisinnigkeit sagen. So sind auch Doppelsinn und Doppelsinnigkeit verschieden; Krug 1832 Handwb. d. philos. W/55. / 120 Ambiguität (von ambiguus, zweideutig) ist Zweideutigkeit. Im Ausdrucke . . entsteht sie meist aus einem verworrenen Denken, zuweilen aber auch aus Unkenntniß der Sprache, indem man dadurch verleitet wird, die Wörter so zu brauchen und zu verbinden, daß sie einen zwiefachen (vielleicht gar mehrfachen) Sinn zulassen. Der Ausleger muß alsdann den wahren Sinn, der doch nur ein einziger sein kann, auszumitteln suchen; was aber oft sehr schwierig ist; Pierer 1888 Konversationslex. l 718 Ambiguität, Zweideutigkeit, Doppelsinnigkeit; Kayser 1961 Kl. literar.
Lex. l 19 Ambiguität . . Mehrdeutigkeit, so daß verschiedene Interpretationen möglich sind. Eine spezielle Form der Ambiguität ist die Amphibolie, bei der die Bedeutung der Wörter klar, ihre Einordnung in die Konstruktion aber unbestimmt ist. Ambiguität. . ist in scherzhaften und Jugendschriften häufig. Sie ist besonders von der amerikanischen Literaturwissenschaft als elementares Phänomen der Dichtersprache hingestellt und untersucht worden; Bierwisch 1963 Grammatik d. dt. Verbs (Studia Grammatica II 9) [eine Sammlung von Texten] enthält .. keinerlei Feststellung über Grammatikalität, strukturelle Ähnlichkeit, Ambiguität usw.; Heibig 1969 Kl. Wb. linguist. Termini (Deutsch als Fremdspr. H 4, Beil.) Ambig(uität), Mehrdeutig; Eigenschaft einer sprachlichen Erscheinung, der mehrere syntaktische Strukturbeschreibungen oder semantische Interpretationen zugeordnet werden können; Chomsky 1969 Aspekte d. Syntax-Theorie (Übers.) 36 In dem angeführten Beispiel ist die Ambiguität ziemlich durchsichtig; Heringer 1970 Theorie d. dt. Syntax 63 Diese Ambiguität ist im Gegensatz zu der des vorhergehenden Beispiels nicht bestreitbar; U. Engel 1970 Regeln zur Wortstellung (Forschungsber. d. IDS V 114) Die Ambiguität des Bezugs wird andererseits dadurch in gewisser Weise eingeschränkt, daß bei einem Teil der Substantive nur Temporaladverbialia stehen können; Wotjak 1971 Untersuchungen 102 [die] Beschreibung . . der durch die formale Analyse bzw. vielmehr durch Bezugnahme auf unser „Sprachgefühl" .. festgestellten Anomalien und Ambiguitäten; ebd. 116 die Fähigkeit .. des muttersprachlichen Sprechers . ., potentielle Ambiguitäten zu eliminieren; ebd. 117 die Untersuchung semantischer Ambiguitäten; Heibig 1973 Gesch. d. neueren Sprachwiss. 304 Chomsky spricht es ausdrücklich als distributionalistisches
Ambiguität Mißverständnis an, wenn die Ambiguität des Satzes . . erklärt wird durch die Ableitung aus den beiden Kernsätzen; Althaus/Henne/Wiegand 1973 Lex. d. germ. Linguistik 180 Als weitere notwendige Bedingung für das Vorliegen mindestens des Idioms .. wird die Ambiguität eingeführt; Abraham 1974 Terminologie 21 Ambiguität ist die, vom Wesen der Sprache her nicht notwendige, de facto aber in allen bekannten Sprachen auftretende Eigenschaft einer Teilmenge der Sätze, mehrere Interpretationen zuzulassen. Doppel- bzw. Mehrdeutigkeit eines Satzes kann verschiedene Ursachen haben, demzufolge verteilt sich die Beschreibung und Explikation der Ambiguität auf verschiedene Komponenten und Repräsentationsebenen in der Grammatik; 1975 Kl. Wb. sprachwiss. Termini 31 Ambiguität, selten auch Amphibolic: Mehrdeutigkeit sprachlicher Äußerungen auf verschiedenen sprachlichen Ebenen in einem Text; Bußmann 1983 Lex. d. Sprachwiss. 75 Ambiguität, Eigenschaft von Ausdrücken natürlicher Sprachen, denen mehrere Interpretationen zugeordnet werden können, bzw. die unter lexikalischem, semantischem, syntaktischem u. a. Aspekt in der linguistischen Beschreibung mehrfach zu spezifizieren sind: Damit unterscheidet sich Ambiguität von dem komplementären Begriff der .. Vagheit; Lerchner 1984 Sprachform v. Dichtung 252 Ambiguität . . semantische oder syntaktische Mehrdeutigkeit. Sie ist dann gegeben, wenn im Aufnahme- und Verarbeitungsprozeß eines Zeichens verschiedene Varianten des Verstehen« möglich sind. Semantische Ambiguität wird in der Regel im Kontext durch Monosemierung ausgeschlossen; de Vries 1989 Dialektik 184f. Im folgenden möchte ich dieses Verständnis der, wie es scheint, prinzipiellen Ambiguität des philosophischen Redens über das, was anders wäre als das Bestehende, anhand einer Darstellung der Gedankenfigur der Dialektik der Aufklärung kurz belegen. ambig: Pierer 1888 Konversationslex. l 718 Ambigu, zweideutig, doppelsinnig; Meyer 1893 Kl. Konversations Lex. I 60 Ambigu (frz.), zweideutig; Heibig 1969 Kl. Wb. linguist. Termini (Deutsch als Fremdspr. II 4, Beih.) ambig: mehrdeutig; Eigenschaft einer sprachlichen Erscheinung, der mehrere syntaktische Strukturbeschreibungen oder semantische Interpretationen zugeordnet werden können; Althaus/Henne/Wiegand 1973 Lex. d. germ. Linguistik 180 Damit werden . . Phrasen mit unikalen Konstituenten und auch nicht wohlgeformte Phrasen aus der Idiomatik ausgeschlossen, weil beide nicht ambig sein können; Heibig 1973 Gesch. d. neueren Sprachwiss. 305 Ein ambiger Satz muß aber prinzipiell mehrere Strukturbeschreibungen erhalten, die zumindest in der Tie-
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fenstruktur differieren; Lerchner 1984 Sprachform v. Dichtung 252 Ambiguität — (Adj. ambig) — semantische oder syntaktische Mehrdeutigkeit. ambiguos: Th. Mann 1947 Faustus (W. VI 323) wahre Leidenschaft gibt es nur im Ambiguosen und als Ironie; ders. 1955 Reden u. Aufs. (W. IX 900) man muß der Behauptung widersprechen, welche Tieck in seiner reichlich ambiguosen Wallenstein-Kritik aufstellt. disambiguieren: Heibig 1969 Kl. Wb. linguist. Termini (Deutsch als Fremdspr. II 6, Beil.) Disambiguieren (Desambiguieren) Eindeutig machen; die Ambiguität aufheben durch Zuordnung mehrerer syntaktischer Strukturen oder semantischer Interpretationen; Bräuer/Bartels 1979 Wb. lexikolog. Termini 23 disambiguieren, Die Ambiguität bzw. Mehrdeutigkeit sprachlicher Erscheinungen aufheben, d. h. die aktuelle Bedeutung eines Wortes oder die intendierte syntaktische Beziehung ermitteln; Bußmann 1983 Lex. d. Sprachwiss. 102 „Er sah das Schloß vor sich liegen" wird durch den Zusatz „und hob es auf" als > Vorrichtung zum Schließen < im Unterschied zu > Gebäude < disambiguiert; ebd. So sind die beiden Lesarten des Satzes „Die Wahl des Vorsitzenden fand Zustimmung" zu disambiguieren; Zeit 14.11.1986 es liegt daran, daß die sture Logik des Rechners schon über kleine Gestaltabweichungen der Buchstaben stolpert und daß ihr selbst hier schon das „Disambiguieren" schwerfällt. Disambiguierung: Heringer 1970 Theorie d. dt. Syntax 95 Die sogenannte kontextuelle Disambiguierung kann mit Hilfe unserer Schreibweise auch dargestellt werden . . Damit wird die sogenannte Disambiguierung durch allgemeine Kontextregeln miterledigt; Wotjak 1971 Untersuchungen 129 die Disambiguierung semantisch mehrdeutiger Sätze; ebd. 210 Für die Modellierung der komplizierten semantischen Vorgänge, die zur Disambiguierung, Paraphrasierung und semantischen Anomalie führen, ist die paradigmatische Analyse der semantischen Strukturen .. eine notwendige . . Voraussetzung; Lewandowski 1973 Ling. Wb. l 152 Disambiguierung [disambiguation]. Beseitigung von Zweideutigkeit/ Mehrdeutigkeit, die durch lexikalische, grammatische oder syntaktische Ambiguität verursacht wird . . Die Disambiguierung eines Ausdrucks wird meist durch Kontext .. möglich; Heibig 1973 Gesch. d. neueren Sprachwiss. 315 die Disambiguierung dieser potentiellen Ambiguitäten durch die Projektionsregeln; 1975 Kl. Wb. sprachwiss. Termini 66 Häufig ist jedoch die syntaktische Umgebung innerhalb des Satzes nicht ausreichend für die Disambiguierung; Bußmann 1983 Lex. d.
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Ambition
Sprachwiss. 101 Disambiguierung — [. . Auch: Entambiguisierung, Monosemierung] Vorgang und Ergebnis der Auflösung lexikalischer oder struktureller Mehrdeutigkeit . . sprachlicher Ausdrücke durch den sprachlichen oder außersprachlichen Kontext; 1985 Lex. Sprachwiss. Termini 56 Disambiguierung: Auflösung, Aufhebung der Mehrdeutigkeit von Wörtern oder Sätzen; Zeit 7.11.1986 was unser Sprachverständnis ganz ohne Aufhebens erledigt, ja ohne daß man es auch nur merkte, ist für den Computer eine rechnerische Kraftanstrengung, die auch größere Exemplare an den Rand ihrer Kräfte bringt: die „Disambiguierung", die Vereindeutigung. Ambiguität b: Sperander 1727 A la mod Sprach 31 Ambiguitaet/ Ungewißheit/ Zweiffei/ Zweiffelhaftigkeit; Krug 1832 Handtub. d. philos. Wiss. I 120 Findet die Zweideutigkeit im Charakter statt, so heißt sie moralische Ambiguität, auch Duplicität, und ist ein um so größerer Fehler, je weniger einem Menschen von solchem Charakter beizukommen, da er, wie ein Aal, jedem entschlüpft, der ihn irgendwo festhalten will; Wust 1936 Ungewißheit IV 185 Alles wird jetzt für ihn [den Menschen, der
sich an das Absurde des Religiösen wagt] hier doppeldeutig. Eine eigenartige Ambiguität macht sich bemerkbar, so daß das Recht auf zwei Seiten zu liegen scheint; ebd. IV 193 Die Ambiguität, die für die religiöse Wertsphäre so charakteristisch ist; 1966 Humanismus u. Terror 31 Ambiguität im politischen Leben; 1971 Hist. Wb. d. Philos. l 202 Allen Zeiten gilt die Ambiguität als tadelnswert und vermeidbar. So kritisiert z. B. Pascal die Ausnutzung der Ambiguität von Begriffen, die der Erschleichung von Argumenten und der Verminderung des klaren Sprechens dient; ebd. l 203 Die Grundlage der Moral der Ambiguität ist für S. de Beauvoir die Ambiguität der menschlichen Existenz, die in nie endender Sinngebung wurzelt . . Die Moral der Ambiguität fordert vom Menschen, in dem Bewußtsein, der Kontingenz der Welt verhaftet zu bleiben, dem Anspruch der freien Selbstverwirklichung gerecht zu werden; 1974 Handb. d. Psychol. l 1040 Toleranz gegenüber unrealistischen Erfahrungen, Instabilität und Ambiguität; ebd. I 1081 wenngleich Seaborne (1962) der 'Ambiguität' des Reizmaterials bei der Untersuchung des Konformitätsdruckes auf Wahrnehmungs-Urteile keine große Bedeutung beimißt.
Ambition F. (-; -en), im früheren 16. Jh. über gleichbed. frz. ambition entlehnt aus (flekt. Form von) lat. ambitio 'Ehrgeiz, eifrige Bemühung, Eitelkeit', eigentlich 'das Umhergehen als Bittsteller, vor allem bei den Wählern in der Absicht, persönlich um Stimmen zu werben; Bewerbung um ein politisches Amt; Streben nach Ehre, Rang und Macht' (zu atnbire 'um etwas herumgehen, als Bittsteller herumgehen', aus amb(i)- 'herum, von zwei oder mehreren Seiten her' und ire 'gehen'; —* Abitur, —» Ambiente). Eher bildungsspr. und häufig im PL verwendet in der Bed. 'auf ein bestimmtes Ziel gerichtetes Streben, (beruflicher) Ehrgeiz', auch 'ehrgeizige Bestrebungen, Pläne, Ziele, Absichten' und selten abwertend für 'Eitelkeit, übertriebene Ehrsucht' (s. Belege 1581, 1770), vor allem in Politik, Kunst, Sport und Wirtschaft, z. B. in den Wendungen politische, künstlerische Ambitionen, keine Ambitionen haben 'mit dem gegenwärtig Erreichten, z. B. seiner beruflichen Stellung, zufrieden sein; nicht weiterkommen, nicht aufsteigen wollen'. Dazu seit Mitte 16. Jh. die über gleichbed. frz. ambitieux auf lat. ambitiosus 'um etwas herumgehend, nach Ämtern, nach Ehre und Rang strebend, ehrgeizig' zurückgehende adj. Ableitung ambitiös, anfangs in der lat. Form, im 17./18. Jh. auch in der frz. Form, seit dem 19. Jh. in der heutigen Form, in der Bed. 'ehrgeizig, sehr strebsam, auf Geltung und Einfluß abzielend', gelegentlich auch abwertend gebraucht für '(übertrieben) geltungsbedürftig' (s. Beleg 1727); etwa gleichzeitig das auf lat. ambire (s. o.) zurückgehende, bis ins 19. Jh. selten nachgewiesene Verb ambieren 'sich um etwas (z. B. eine Stelle) bewerben, bemühen; etwas anstreben, nach etwas trachten'; seit Anfang 19. Jh. (CAMPE) das eventuell unter Einfluß von
Ambition
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gleichbed. frz. ambitionner aufgekommene, zunächst nur gebuchte, seit spätem 19. Jh. selten belegte Verb ambitionieren 'aus Ehrgeiz nach etwas streben, für etwas gelten wollen', seit frühem 20. Jh. vor allem in der adj. verwendeten Part. Perf.-Form ambitioniert, eher bildungsspr. für 'ehrgeizig, strebsam; anspruchsvoll', zunächst von Personen, z. B. beruflich ambitioniert sein, ein ambitionierter Künstler, Sportler, Nachwuchsspieler, dann häufig auch allgemeiner, z. B. ein ambitioniertes Projekt, Vorhaben, ein ambitionierter Film, ambitionierte Pläne; in jüngster Zeit die subst. Gelegenheitsableitung Ambitioniertheit F. (-; ohne PL). Ambition: Scheurl 1536 Briefbuch U 168 die mishellung, zweiung oder ambicion zwischen Nassaw vnnd den hertzogen von arschott; Schöpper 1550 Synonyma 60 Ambitio, Ehrgeitz, ehrsucht, ehrdurst; Putherbus 1581 Von Verbot deren Bücher (Übers.) 2b [des Teufels Lockungen sind:] hoffart, Ambition, versettiglichen geitz, vnkeuschheit, gelüsten aller sinne; Eyzinger 1590 Relationen l 123 Die natur der Ambition oder Ehrgierichkeit ist dermassen geschaffen/ daß sie regiern wil; Schupp 1657 Freund i. d. Not 58 dieses Werck [Veröffentlichung] will sich auch nicht länger aufschieben lassen. Ich will nicht hoffen, dal? ein ehrlicher kerl seyn werde, der dir dieses werde übel ausdeuten, bevorab, weil es nicht aus ambition, sondern aus Noht . . geschiehet; Leibniz 1670 Denkschr. Reich II 59 Ambition; 1689 Polit. Fliegenwedel I 73 als ob man nichts dann Frieden verlangte/ da doch bekannt wäre/ was für unbeschreibliche Ambition im Herzen gehegt wurde; Gansler 1698 Lugenschmid I 95 Ambition oder Ehrgeitz; Elis. Chart. 1698 Er. I 105 Ihre ambition, über die menschen zu regiren wollen, ist . . eine größere Sünde, alß ein unschuldig spectacle zu sehen; Linde 1706 Ged. b3a die Menschen haben . . eine natürliche Ambition, dass sie sich . . vor der Sünde . . hüten; Vischer 1709 Informator 125 Ein Quintlein oder Scrupel von Ambition, oder auch Geld-Geitz, ist doch immer dahinter; Fassmann 1719 Kriegs- u. Soldätenstand 9 Ambition und Herrschsucht; Wagner 1724 Soldatenbtbl. 83 er hatte Verstand/ Hertzhafftigkeit und Ambition; Fleming 1726 Soldat 123 Er muß eine noble Ambition besitzen, um mit der Zeit von dieser niedrigsten Stufe durch seine Meriten sich auf eine höhere Staffel zu schwingen; Friedrich Wilhelm I. 1731 briefl. (Klepper, In tormentis 107) Denn die Ambition, die moderiret ist, ist recht und löblich, hingegen die Hoffart stinkend; Trenck 1745 Leben 34 Nachdem ich . . meinen Mörder vor meinen Füssen kniend um das Leben bitten sähe, befahl mir meine Ambition, ihm das Leben zu schencken, und mich über seine That zu beschweren; Michaelis 1770 Räsonnement II 58 die ganze Ambition manches Professors . ., weil er selbst und andere mit ihm die academische Ehre nach der Anzahl der Zuhörer messen; Hase 1779 Aldermann I
I 1 ein Junge . . der sich sehr gut ziehen lässt, er ist immer sehr lebhaft, aber er hat eine Ambition, die ihm über alles geht, und ihm ein Air giebt, als man von einem Jungen von 12 Jahren kaum erwarten kann; Blücher 1782 Br. 6 Aus Ambition habe ich gedient, und bin die Anweisung meines Chefs . . treulich nachgekommen; 1788 Journal d. Moden III 233 politische Ambition; Laukhard 1792 Leben I 306 hatte ich den Herrn Rath an der Ambition angegriffen; Foote 1789 Industrieritter (Übers.) IV 48 Also hast Du gar keine Ambizion? Keinen Sinn für was grosses?; Goethe 1814 Br. (WA IV 24,93) Gott erhalte deinen Humor! Ich habe keine weitere Ambition; Szarvady 1852 Paris l 293 Dr. Beron hatte damals noch keine Ambition, die über die Coulissen der großen Oper . . hinausginge; ebd. l 369 Seine Ambition und seine Anschauung der Republik hätten einen Cromwell aus ihm machen müssen; Mahler 1860 Milit. Bilderbuch 19 Es trat . . auch der Fall ein, daß ich als nachahmenswerthes Beispiel dem blasenden Theil der Exerciertwerdenden empfohlen wurde, und dadurch, „bei der Ambition gefaßt", schlechterdings mich zehn Minuten lang sehr zusammennehmen mußte; Nordau 1881 Paris I 190 Kant hat reine . . Geister, Napoleon unreine, kleinliche Leidenschaften, Ambition, Egoismus, Neid, Eitelkeit vor Augen gehabt; ders. 1884 Lügen 21 wenn eigennützige Ambition . . die elementaren Volksleidenschaften zu ihrem Nutzen arbeiten läßt; Leibig 1887 Erlebn. 27 Beim Aufbruch nahm uns [freiwillige Soldaten] unser Führer, wie er das gerne that, beim Ambitionszipfel, und forderte uns . . auf, recht stramm aus dem Städtchen herauszumarschieren; 3908 Zukunft LXV 215 grosse Ambitionen; Th. Mann 1910 Reden u. Aufs. (W. XI 722) manch . . lyrisches Detail des Artikels läßt keinen Zweifel an den dichterischen Ambitionen des Herrn Urhebers; Hauptmann 1911 Ratten (V 460) [den] literarischen Ambitionen, die einen hier in der Grossstadt anfliegen, habe ich keinen Wert beigelegt; Kircher 1926 Engländer 60 während sich seine große politische Ambition nicht erfüllte: Lord Derby ist sechzig Jahre alt geworden, ohne Premierminister . . gewesen zu sein!; Voss. Ztg. 19.4.1929 er will Geld verdienen und hat durchaus keine anderen Ambitionen; Berl.
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///«sir. Nachtausg. 27.4.1933 die künstlerischen Machthaber hatten andere Ambitionen; Th. Mann 1939 Lotte (W. II 505) lehnte er jede poetische Ambition, jede Beziehung zur Welt des schönen Geistes . . ab; Finter 1941 Angesicht 10 die von Jugend an vorhanden gewesenen künstlerischen Ambitionen; Süddtsch. Ztg. 16. 6.1953 daß nach der Bundestagswahl neue Männer in Bonn Politik machen. Ehard selbst versicherte: „Ambitionen habe ich keine"; ND 4.2.1954 welche Zerrissenheit in den Reihen der bürgerlichen Parteien herrscht und mit welchem Zynismus die Führer . . ihre persönlichen Rivalitäten und Ambitionen austragen; Welt 4.2.1954 sie hat in dieser Saison Ambitionen, Weltmeisterin zu werden; FAZ 16. 6.1961 Dame . . mit einigen geistigen Interessen, doch nicht ohne hausfrauliche Ambitionen (Anzeige); ebd. 6.1.1966 bis jetzt hat Kiesinger keinerlei Ambitionen auf dieses Parteiamt bekundet; Bildztg. 12.6.1967 wir 60er hatten auch Ambitionen im Pokal; FAZ 19.10.1967 Junger Speditionskaufmann mit Ambitionen auf dem Exportsektor; ND 8.4.1969 die atomaren Ambitionen des Bonner Militärklüngels; FAZ 17.1.1972 daß eine Umformung der Streitkräfte nötig werde. „Wir müssen das Ambitionsniveau senken, und wir müssen eine neue Zielsetzung bekommen"; Welt 2.1.1974 der Trotzkist Ernest Mandel, dem wegen seiner anarchistischen Ambitionen . . die Einreise in die Bundesrepublik verweigert worden war; Hildesheimer 1977 Mozart 73 Der Entschluß, auf die Verwirklichung eigener Ambitionen zu verzichten; Zeit 11.1.1985 diese . . Einsicht zwingt die Großen immer wieder zum Versuch des Ausgleichs, wie verschieden ihre Interessen, Ambitionen und Ziele sonst sein mögen; ebd. 8.2.1985 die . . Ausstellung bezieht ihren Wert aus der didaktischen Ambition; MM 22.6.1985 einen kleinen Einblick in ihre lyrischen Ambitionen gab sie ebenfalls bei ihrer Lesung; Zeit 13. 6.1986 auch als Trainer hat er Ambitionen; ebd. 16.8.1986 zum anderen ist Burt, das Energie- und Ambitionsbündel, einfach Washington-müde geworden; ebd. 14.11.1986 seit März 1981 spielen sie zusammen — das ist nicht viel für ein Nachwuchsensemble, das Ambitionen hat, ganz nach oben zu kommen; Köhlmeier 1988 Helden 86 Ich bin vorausgegangen . . Nicht weil ich Führerambitionen hatte; MM 5.2.1988 die Ambition, über den engen Fachbereich hinaus die ganze Umwelt des Menschen zu formen, zum Gesamtkunstwerk zu gestalten; Spiegel 15.2.1993 Rühes unverhüllte Ambitionen, Kohl dereinst auf dem Chefsessel im Kanzleramt zu beerben. ambieren: Lauterbeck 1556 Regentenbuch 9a So hat Julius Cesar/ die Bischoffliche ampt auch ambirt vnnd begert; Seckendorff 1691 Reden 208 de-
ren/ die ohne merken vornehme Dienste ambiren oder in dieselbe einplumpen; Lucas 1711 Helicon 706 mueste einer gedencken/ daß er . . koente in Krieg gerathen/ oder eines jungen Printzen Hofmeister und Officier werden/ welcher die Militz ambirte; Sperander 1727 A la mod Sprach 31 Ambiren/ wornach trachten; Zedler 1732 Universallex. I 1679 Ambire, heist eigentlich soviel als herumgehen. Weil aber diejenigen, so um ein Amt anhielten, um den Marckt und ändern Orten, wo sich die Leute zu versammlen pflegen, herumspatzirten, . . so bedeutet Ambire so viel als um ein Amt anhalten; Goethe 1809 Er. (WA IV 21,84) Die Göttlingische Stelle [Chemie-Professur] wird . . von vielen ambirt; Wit v. Dörring 1830 Fragmente l 88 da es nicht wenig dazu beitrug, mich der Partei, deren Beifall ich ambirte, bekannt und werth zu machen; Ranke 1841 Briefwerk 308 Zum Historiographen bin ich nicht ernannt. . . Du denkst Dir wohl, dass ich nicht ambiere; Fontäne 1894-95 Effi Briest 25 das klingt ohnehin so nach Generalstab, worauf er, glaub' ich, ambiert (DUDEN 1993). ambitionieren: Stieler 1885 Kulturbilder 146 er wettet wie andere Freunde des Sport [!] und ambitioniert es entschieden, daß er . . bei landwirtschaftlichen Festen . . als Sachverständiger oder Preisrichter erscheint; Th. Mann 1918 Reden u. Aufs. (W. XII 105) als sei die hieratische Atmosphäre, der Meisterstil dieser Erzählung ein persönlicher Anspruch, etwas, womit ich mich zu umgeben und auszudrücken nun lächerlicherweise ambitionierte — während es sich um Anpassung, ja Parodie handelte; ders. 1939 Lotte (W. II 602) mich will fast Eifersucht ankommen, da ich den Platz der stellvertretenden Mutter, auf den ich ein wenig ambitioniere, besetzt finde; ders. 1947 Faustus (W. VI 495) daß die spätkulturelle .. ambitionierende Erneuerung des Kultischen zu Mitteln greift, die nicht nur dem Stadium seiner kirchlichen Sittigung . . angehören; Hülsen 1947 Zwillings-Seele II 62 dass Thomas Mann diesen Preis . . sehr ambitionierte; ebd. II 196 habe den Posten schon lange ambitioniert; Th. Mann 1951 Reden u. Aufs. (W. X 806) unfähig zugleich eines unbefangenen Hedonismus (wie er ihn zeitweise ambitioniert und . . vorherrschend macht). ambitioniert: Colerus 1929 Kaufherr 119 Natürlich gelang mir kein einziges Carambol, obgleich ich sehr hastig um den Tisch herumschritt, . . obgleich ich mich wie ein ambitionierter und erregter Spieler betrug; Schoepflin 1931 gesund 190 spricht etwas grosszügig und scheint sehr ambitioniert; Tritsch 1954 Erben 28 von den allzu Strebsamen, allzu Ambitionierten; Süddtsch. Ztg. 12.8.1955 daß sie [Festspiele] als sommerliches Zentralereig-
Ambivalenz nis, nicht nur als ambitioniertes „Nebenbei" empfunden werden; Stuttgarter Ztg. 27.8.1960 gehören die dümmliche Anna . . und vor allem der ironische Lord Bolingbroke zu den beliebten Rollen ambitionierter Schauspieler; Süddtsch. Ztg. 6.2. 1965 daß man keine künstlerisch ambitionierten Filme mehr drehen [kann]; Stuttgarter Ztg. 8.8.1969 daß die Chancen für den ambitionierten Film in der Bundesrepublik . . minimal sind; 1970 Durch d. schöne Welt Aprilh. o. S. jede ambitionierte europäische Hausbibliothek; FAZ 24.9. 1970 intellektuell ambitionierte Zeitschriften; Geitel 1971 Ballett o. S. die Gsovsky ändert ihren künstlerischen Kurs, es lockt sie zu ambitionierten Experimenten; Zeit 4.1.1985 lange bevor ambitionierte Talentchen im Fernsehen . . überhaupt beginnen; ebd. 2.8.1985 Perucci gibt sich ambitioniert: „das kulturelle Niveau soll stetig steigen"; MM 5.8.1986 die ambitionierten Pläne haben bislang bei weitem nicht die Erfolge gezeitigt, die . . erforderlich wären; Zeit 3.10.1986 Ehrgeiz politisch ambitionierter Eliten in unserem Land; ebd. 27.3.1987 die Moden und Trends wechseln immer rascher, ambitionierte Aufsteiger kommen kaum noch nach; ebd. 22.5.1987 delikate, ambitionierte Malerei; 13.6.1987 ambitionierte, .. durchgeprobte Inszenierungen; ebd. 20.11.1987 die Partnerwahl für beruflich engagierte und ambitionierte Frauen ist nicht leicht; ebd. 24.3.1988 ein ambitioniertes Multi-Media-Projekt präsentierte Reffert nun als eine Art Konzert-Performance; Spiegel 15.2.1993 Nahezu täglich beantragen politisch ambitionierte Jordanier im Innenministerium die Zulassung einer neuen Partei. Ambitioniertheit: Zeit 10.5.1985 wollte er, was in Deutschland üblich ist, den Leuten durch eine angestrengte Ambitioniertheit Eindruck machen, sie liefen ihm weg. ambitiös: Schöpper 1550 Synonyma 60 Ambitiosus, Ehrgeitzig, rhumgierig, rhumsüchtig [!], ehrdürftig; Wallhausen 1616 Manual (Gl.) Ambitieus.
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Ehrgeitzig (JONES); Rist 1642 Rettung A8r solliche ambitieuse Gesellen; ebd. E5v euwre ambitieuse grandesse (JONES); Wagner 1724 Soldatenbibl. 104 In Portugall muste er einem ambitieusen Bastarde die Spitze biethen; Sperander 1727 A la mod Sprach 31 Ambitieux, stoltz/ ehrgeitzig/ ehrsüchtig/ z. E. es ist ein ambitiöser Mann; Krezschmer 1744 Vorschläge 80 jeder ambitieuser Koch sinnet und künstelt jetzo nur, wie er neue Speisen inveniren möge; Joh. G. Müller 1802 Briefw. 301 Er schildert ihn als einen höchst ambitiösen, in seinem Hauswesen ziemlich zurückgekommenen Mann (darum vermuthlich Finanz-Minister), aber zugleich als sehr pfiffig; Prokesch f. Osten 1850 Er. 115 hier, wo man in großer Abhängigkeit von Lord Palmerston liegt und seiner zu allen ambitiösen Plänen bedarf; Th. Mann 1929 Reden u. Aufs. (W. X 230) Dürer, Goethe, Schopenhauer, .. die deutsche Welt mit dem ambitiösen Schauspielertum ihrer selbst; Bäumer 1937 Park 171 Sie waren übereingekommen, so viel wie möglich der Freiheit und der Stimmung zu überlassen. Nur keinen ambitiösen Historismus, sagte Otta. Man hatte zu einem Sommerfest im Jahre 1800 eingeladen und ein paar Stichworte für die Kostüme gegeben; Th. Mann 1940 Nachtr. (W. XIII 353) eine weitere Folge der ambitiösen Zweideutigkeit dieser Kunst ist eine ebensolche Zweideutigkeit aller höheren Kritik; Adorno 1958 Noten I 17 die ambitiöse Transzendenz der Sprache über den Sinn hinaus mündet in eine Sinnleere; Welt 21.3.1969 angesichts der ambitiösen Investitionen, die man plane; ebd. 8.8.1974 die Dramaturgie ist konventionell . . — und doch zieht man sie jedem ambitiösen Thriller a la „French Connection" vor; ebd. 30.12.1974 der alte Feldmarschall habe den immer noch politisch ambitiösen Militärs als Kristallisationspunkt dienen sollen; Zeit 3.10.1986 werden für Donald Bächlers freundlich naive Bildfiguren abstrakte Formen zum Spielmaterial, dieweil . . Anzinger das ambitiöse Laokoon-Thema noch einmal in Ton brennt; 1991 Wiener V 55 Schmidt geht die Sache [Inszenierungen] entsprechend ambitiouös [!] an: . . 13 Premieren in der ersten Spielzeit.
Ambivalenz F. (-; -en), Anfang 20. Jh. von dem Psychiater E. Bleuler, eventuell nach dem Vorbild von —* Äquivalenz, gebildet aus dem lat. Präfix amb(i)- 'ringsum, um . . herum, auf beiden Seiten' und —» Valenz 'Wertigkeit' (< spätlat. valentia 'Stärke, Körperkraft, Fähigkeit', zu lat. valens, Part. Präs, von valere 'stark, kräftig, gesund sein'). l Zunächst als Fachwort der Psychologie in der Bed. 'gleichzeitiges Nebeneinanderbestehen oder kurz aufeinanderfolgendes Aufkommen von (antagonistisch) entgegengesetzten Gefühlen (z. B. simultane Zu- und Abneigung), Wertungen, Trieben,
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Denkweisen; Doppelwertigkeit (von Gefühlen); Zwiespältigkeit gegenüber einer Person oder Sache', z. B. affektive, psychische, simultane, konsumtive Ambivalenz; die Ambivalenz von Gefühlen, Handlungen, Beziehungen, Verhaltensweisen; ein Gefühl der Ambivalenz; die Ambivalenz eines Charakters; die Ambivalenz von gut und böse, von Liebe und Haß; eine Ambivalenz zwischen Zärtlichkeit und Gereiztheit; als Bestimmungswort in den Zss. Ambivalenzanlage, -grad, -prinzip, -Verhältnis und Ambivalenzkonflikt 'Konfliktverhalten, das dadurch hervorgerufen wird, daß jmd. einem Zielobjekt mit sowohl positiven als auch negativen Gefühlen gegenübersteht, was bei psychisch Kranken ein gebrochenes und damit psychisch und sozial belastendes Verhältnis zur Umwelt erzeugt'; als Grundwort in den Zss. Gefühls-, Triebund Liebe-/Haß-Ambivalenz. 2 Seit früherem 20. Jh. bildungsspr. verwendet in der Bed. "das Nebeneinander verschiedener (gegensätzlicher) geistiger Strömungen und Phänomene innerhalb einer Epoche, Vielschichtigkeit und (zuweilen auch nur scheinbare) Widersprüchlichkeit von Sachverhalten, Prozessen, Zwiespältigkeit', z. B. die Ambivalenz des Mittelalters; die geistesgeschichtliche, kulturelle Ambivalenz einer Zeit; die Ambivalenzen in der Geschichte; die Ambivalenz von Kunst und Künstlertum; als Grundwort in der Zs. Kulturambivalenz; oft, im Pl. verwendet, auch für 'widersprüchliche und vielschichtige Erscheinung'; seit Mitte 20. Jh. in der Literaturwissenschaft für 'das Nebeneinander von alternativen Entscheidungsmöglichkeiten; weltanschauliche Unsicherheit und Unentschiedenheit (in modernen Dichtungen)'. 3a Gegen Mitte 20. Jh. bes. in der Fachsprache der modernen Sprachwissenschaft in bezug auf semantische Sachverhalte in der Bed. 'Unbestimmtheit, Vagheit', z. B. semantische Ambivalenz; die Ambivalenz des Wortes, einer sprachlichen Äußerung; die Ambivalenz ist im Text angelegt; seine Rede enthielt viele Ambivalenzen; als Grundwort in der Zs. Wortambivalenz; auch, oft im Pl. verwendet, für 'widersprüchliche, vielschichtige und vage Bedeutung, Äußerung'. b Etwa gleichzeitig in der Phonetik für 'Doppelwertigkeit eines Buchstabens, der für zwei verschiedene Sprachlaute (Phoneme) stehen kann', z. B. phonetische Ambivalenz; in der Graphologie für 'Doppelwertigkeit von Schriftmerkmalen'; auch für 'DoppelWertigkeit einer Klasse von Substantiven, die sowohl männliche als auch weibliche Personen bezeichnen oder gegensätzliche Bedeutungen haben können' (z. B. die Ambivalenz des französischen Substantivs böte für 'Wirt' und 'Gast'). Dazu seit Anfang 20. Jh. die ebenfalls von E. Bleuler geprägte adj. Ableitung ambivalent, zunächst in der Bed. 'gegenüber derselben Person oder demselben Gegenstand zugleich (antagonistisch) gegensätzliche Gefühle habend, doppelwertig und deshalb oft in sich widersprüchlich, zwiespältig', z. B. ambivalente Gefühle, Regungen, Handlungen, Reaktionen, Wertungen, Beziehungen; eine ambivalente Einstellung, Haltung; ein ambivalentes Verhältnis zu jmdm., zu einer Sache haben; ein ambivalentes Image; eine ambivalente Rolle spielen; ambivalent reagieren; ein (simultan, sukzessiv) ambivalentes Verhalten; Neurotiker mit ambivalenten Komplexen; jmd. ist sexuell ambivalent (zu 1); seit Mitte 20. Jh. bildungsspr. verwendet für 'vielschichtig und widersprüchlich, zwiespältig', z. B. ambivalente Strömungen einer Epoche; eine ambivalente Darstellung (zu 2); im frühen 20. Jh. vereinzelt, seit etwa Mitte 20. Jh. häufiger in der modernen Sprachwissenschaft in der Bed. 'semantisch vielschichtig, unbestimmt, vage', z. B. ein ambivalentes Wort; diese Äußerung ist
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ambivalent (zu 3a); ungefähr gleichzeitig für 'phonetisch doppelwertig', z. B. ein ambivalenter Buchstabe; auch für 'als Schriftzeichen doppelwertig'; gleichzeitig auch für 'sowohl männliche als auch weibliche Personen bezeichnen oder antagonistisch gegensätzliche Bedeutungen ausdrücken könnend', z. B. ein ambivalentes Substantiv (s. Belege 1981, 1986) (zu 3b). Ambivalenz 1: Freud 1912-13 Totem 111 Solche im Unbewußten versteckte Feindseligkeit hinter zärtlicher Liebe gibt es nun in fast allen Fällen von intensiver Bindung des Gefühls an eine bestimmte Person, es ist der klassische Fall, das Vorbild der Ambivalenz menschlicher Gefühlsregungen; ebd. 118 daß das Tabuverbot als das Resultat einer Gefühlsambivalenz zu verstehen ist; 1912 — 13 Pan IX 203 Demgegenüber betonen wir die Einheitlichkeit unserer Auffasssung, wenn wir all diese Vorschriften aus der Ambivalenz der Gefühlsregungen gegen den Feind ableiten; Bleuler 1914 Die Ambifalenz (Titel); 1914 Jahrb. f. Psychoanalyse 285 Überaus wichtig für die Trieblehre ist das psychische Phänomen der Ambivalenz (Bleuler), worunter das gleichzeitige Vorhandensein gegensätzlicher Antriebe, Gefühle oder Gedanken zu verstehen ist, wie es nach Bleuler dem Negativismus der Schizophrenen zugrunde liegt; Freud 1915 Triebe (1911-24 metapsychol. Sehr. 53) Die Tatsache, daß . . neben einer Triebregung ihr (passiver) Gegensatz zu beobachten ist, verdient die Hervorhebung durch den trefflichen, von Bleuler eingeführten Namen: Ambivalenz; Bleuler 1916 Lehrb. d. Psychiatrie 285 Die Ambivalenz. Das gleichzeitige Lachen und Weinen ist eine Teilerscheinung der schizophrenen Ambivalenz. Der schizophrene Defekt der Assoziationswege macht es möglich, daß Gegensätze, die sich sonst ausschließen, nebeneinander in der Psyche existieren. Liebe und Haß gegenüber der nämlichen Person können gleich feurig sein, ohne einander zu beeinflussen (affektive Ambivalenz . .). Der Kranke will zugleich essen und nicht essen; er tut das, was er nicht will, ebensogut wie das, was er will (Ambivalenz des Willens; Ambitendenz); er denkt zu gleicher Zeit: „ich bin ein Mensch wie ihr", und „ich bin kein Mensch wie ihr". Gott und Teufel, Abschied und Willkommen sind ihm gleichwertig und zerfließen zu einem Begriff (intellektuelle Ambivalenz); Freud 1917 Trauer (1911 -24 metapsychol. Sehr. 117) Das Verhältnis zum Objekt. . wird durch den Ambivalenzkonflikt kompliziert; ders. 1920 Br. 135 Was Sie [Stefan Zweig] mit Vermeidung des Kunstwortes „Dualismus" nennen, heißt bei uns „Ambivalenz". Diese Gefühlsambivalenz ist auch ein Erbstück aus dem Seelenleben der Primitiven; 1926 Imago XII 523 Wie klar umschreibt er [Carus] z. B. die Ambivalenz: „Heftige Liebe und heftiger Haß finden sich . . nicht selten — nur nach verschiedenen Rich-
tungen wirkend — zugleich in der Seele vor . ."; V. v. Weizsäcker 1927 Arzt 48 [Besonders gehört hierher,] was in der Psychologie als Ambivalenz der Gefühle und Affekte bezeichnet wurde: die Vereinigung von Liebe und Haß, Mut und Furcht; Th. Mann 1929 Reden u. Aufs. (W. X 718) das Verhältnis zu „Maman", in seiner Ambivalenz von Zärtlichkeit und Gereiztheit durch pädagogische Tyrannei, gehört zu den schönsten Werten dieses Lebens; Lange-Eichbaum 1942 Gerne 154 müssen wir uns mit dem Begriff der Ambivalenz vertraut machen, Bleuler . . hat ihn geprägt; er ging aus von der echten Ambivalenz der schizophrenen Geisteskranken, die wir Ambivalenz im engeren Sinne nennen wollen; Th. Mann 1945 Reden u. Aufs. (W. X 504) ein Buch der kritisch gebrochenen, verhängnisschweren Liebe, in welcher das Negative und Positive in schmerzlicher Ambivalenz verschwimmen; Hellpach 1949 Pax 38 schon im Bereich der simplen Ausdrucksphänomene unseres alltäglichen Erlebens begegnet uns diese „Ambivalenz", diese „Zwiewertigkeit" der physischen Entladungen oder Nichtentladungen unserer Innerlichkeit; Th. Mann 1953 Reden u. Aufs. (W. X 813) die konsternierende Ambivalenz des Menschlichen, die kein Urteil zuläßt wie „der Mensch ist böse" oder „der Mensch ist gut"; ders. 1955 Reden u. Aufs. (W. IX 910) [Schiller] .. hat diesem Charakter [Octavio Piccolomini] dieselbe psychologisch realistische und letzten Endes unwertbare Ambivalenz verliehen wie seinem Helden; 1957-58 Wirk. Wort I 22 Die Leidenschaft erweist in der dämonischen Übermächtigkeit des wehrlos sich preisgebenden Mädchens ihre Ambivalenz; Welt 27.10.1969 hinter der Ambivalenz der Beziehungen der beiden Männer steckt noch mehr als eine unterschiedliche gesellschaftspolitische Konzeption; Sloterdijk 1983 Kritik 49 Eine Ambivalenz der Gefühle; Schipperges 1985 Garten 38 Eine Lebensphase voller Ambivalenz ist angebrochen, voll wehleidiger Stimmung . . einerseits und andererseits voll Ehrsucht und Arroganz; Zeit 21.11.1986 die komplementären Werte von Hell und Dunkel, von Gut und Böse schaffen Zwischenräume der Ambivalenz, ohne die das Nachdenken und Argumentieren über beides nicht möglich wäre. ambivalent: Bleuler 1910 Psychoanalyse Freuds (1910 Jahrb. f. psychoanalyt. Forschungen U 726)
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Ambivalenz
Warum die Wünsche, die beim Erwachsenen den Traum beherrschen, meist ambivalent sind, kann ich nicht befriedigend erklären . . In den Halluzinationen und Wahnideen der Dementia praecox finden wir fast nur ambivalente Komplexe; ebd. Anm. Ambivalent: von entgegengesetzten Gefühlen zugleich betont; ders. 1916 Lehrb. d. Psychiatrie 92 Solche ambivalente Gefühlsbetonungen sind aber beim Gesunden die Ausnahme . . Ambivalente Komplexe sind es hauptsächlich, die die Pathologie .. beeinflussen; Freud 1916 Vorlesungen 382 allein solche gegensätzliche — oder besser gesagt: ambivalente — Gefühlseinstellungen, die beim Erwachsenen zum Konflikt führen würden, vertragen sich beim Kinde eine lange Zeit ganz gut miteinander; ders. 1920 Br. 135 Sehr deutlich ambivalent sind auch die nicht neurotischen Russen, ebenso wie die Gestalten Dostojewskis in fast allen Romanen; Delekat 1929 Gemeinschaft 10 dass alle Sympathiegefühle . ., wie unsere Mediziner sagen, ambivalent sind, d. h. dass es keine Zuneigung gibt, die nicht eine mehr oder weniger latente Abneigung in sich schliesst; Friedeil 1931 Kulturgesch. Ill 577 Es ist jedoch hier . . ganz unmöglich, die Psychoanalytiker einer falschen Diagnose zu überführen, da sie sich durch fingerfertige Taschenspielerei mit'Begriffsattrappen wie „ambivalent", „invertiert", „symbolisch", „verdrängt", „übertragen", „sublimiert" jeder Desavouierung zu entziehen verstehen; Th. Mann 1939 Reden u. Aufs. (W. XI 953) Heinrich Heine, in seiner ambivalenten, halb bejahenden und halb ironisierenden Art; K. Mann 1952 Wendepunkt 11 Die Beziehung zwischen den beiden ist problematisch, doppeldeutig, geladen mit ambivalentem Gefühl; Musil 1953 Mann 1158 Et hatte mit keinem Wort etwa die Absicht gehabt, von der Liebe als einem der zeitgemäßen zwiespältigen Gefühle zu sprechen, die man nach neuestem Geschmack „ambivalent" nennt, was ungefähr besagt, daß die Seele, wie es unter Gaunern geschieht, immer mit dem linken Äug zwinkert, wenn sie mit der rechten Hand schwört; Benn 1953 Rede im Kolbe-Museum (Ges. W. IV 436) Der Lyriker muß vielleicht in zwölf Reihen eines Gedichts das ganze Sein nicht ambivalent, sondern in Ruhe und Statik bilden . . Der Künstler kann nicht ambivalent bleiben, er muß handeln, er muß glauben; Th. Mann 1954 Reden u. Aufs. (W. IX 836) Kleists ambivalentes Verhältnis zur katholischen Kirche; FAZ 25. S. 1970 Alles verlief dezent und mit einer gewissen kontrollierten Festlichkeit, wie es dem ambivalenten Verhältnis der Amerikaner zur Olympiade entspricht; Kunert 1973 Bibliothek 19 Aufgeladen von einer ambivalenten Spannung wie von Elektrizität, erwartete ich schlaflos den nächsten Morgen; Hildesheimer 1977 Mozart 82 Mozarts mit Recht höchst ambivalente Gefühle
diesem Gönner gegenüber; Zeit 15.2.1985 gerade in dieser Bemerkung wird die ambivalente Reaktion deutlich, die Renoir bis auf den heutigen Tag auslöst; ebd. 3.10.1986 Hannah ist zudem ja auch die einzige Person in dem Film, die nicht ironisch gebrochen, nicht ambivalent, nicht mal ernst und mal komisch betrachtet werden kann — sie ist eindeutig; Fruttero 1986 Palio (Übers.) 138 Er war . . ein widersprüchliches, ambivalentes Schema, das mit der einen Hand nahm, was es mit der anderen gab. Er bestand zu 50% aus Geheimnis, aber die anderen 50% entpuppten sich als eine Banalität; MM 16.11.1987 das ambivalente Verhältnis zwischen militanten Autonomen und friedlichen Demonstranten. Ambivalenz 2: Benn 1934 Doppelleben (Ges. W. IV 163) der Künstler ist es, der weitermuß, sammelt, gruppiert — . . durch absolute transzendente Schwerpunktbildungen, . . nur so schafft er etwas jenseits von Relationen und Ambivalenz; ders. 1949 Ptolemäer 39 Ambivalenz. Der Phänotyp des 12. und 13.Jahrhunderts zelebrierte die Minne, der des 17. vergeistigte den Prunk, der des 18. säkularisierte die Erkenntnis, der heutige integriert die Ambivalenz, die Verschmelzung eines Jeglichen mit den Gegenbegriffen; ders. 1953 Rede im Kolbe-Museum (Ges. W. IV 435) gibt es irgendwo einen bedeutenden Begriff, unter dem sie [die Welt] zu betrachten ist; Es gibt einen: es ist die Ambivalenz .. Der [französische] Professor [der Philosophie] nennt ihn die Perception ambigue und glaubt ihn nachweisen zu können in der Kunst, in der Sprache, der Religion, der Biologie, er sagt, der heutige Mensch erlebt als sein eigenstes Wesen die Kontingenz aller Dinge, im Bösen liegt das Gute, in der Sexualität der Geist . . Da nun aber dieser Begriff der Ambivalenz wirklich einer der wenigen ist, unter dem man die Lage des heutigen Menschen begreifen und erklären, aber auch stilistisch erfassen kann; Musil 1930-52 Mann 1423 Die Möglichkeit, das Leben mit seinen Ambivalenzen zu beenden, befreit die ihm innewohnende Freude; 1956 Ostdtsch. Wissenschaft II 275 wenn wir mit Huizinga der Meinung sind, daß Antinomie und Ambivalenz als ein notwendiges Charakteristikum modernen kulturwissenschaftlichen Denkens gelten müssen; 1956-57 Wirk. Wort V 257 Pongs stellt einander die Begriffe Ambivalenz und Einfalt zur Kennzeichnung grundlegender menschlicher Haltungen gegenüber . . Ambivalenz ist ihm richtungsloses, unentschiedenes Schweben zwischen Werten, daraus entsteht mit der Zerstörung jedes Wertgefühls Werteverwirrung und Wertezersetzung; Süddtsch. Ztg. 31.7.1957 [die] Schauspielpremiere eines neuen Stückes, das, wenn es auch formal in seinen vier festen Akten fast klassisch
Ambivalenz daherkommt, doch erschreckend ist in seiner modernen Ambivalenz; 1958 Dt. Literaturztg. Ill 225 In der tiefschürfenden Frage nach der Existenz des Bösen wird die Ambivalenz des Dämonischen aufgedeckt; Rüegg 1960 Blütezeiten 35 Hat er [Erasmus] nicht recht, wenn er im Leben der Menschen überall Ambivalenzen sieht; Grimm 1963 Strukturen 171 Ambivalenz der Welt; Hesse 1964 Br. 526 Es wird mir nichts schaden, über diese Widersprüche und Ambivalenzen nachzudenken; FAZ 28.1.1970 Bedrohungs- und Abschreckungssysteme — Das mag angehen, wenn man sich über jene Ambivalenz klar wird; Schwendter 1973 Subkultur 24 Bolte betont auch die Kulturambivalenz, wie er die Dialektik zwischen Subkulturen und Gesamtgesellschaft nennt; Fleischer 1978 Geschichtsprozeß 157 Ambivalenz besteht vor allem insofern, als eine ziemlich idealistische Inhaltsbestimmung des Geschichtsprozesses . . neben einer betont materialistisch-naturalistischen Modusbestimmung geschichtlichen Prozedierens zu stehen scheint; de Vries 1989 Dialektik 196f. Wir müssen solche und ähnliche Formeln Horkheimers und Adornos vielleicht nicht nur so verstehen, als sei eine Aufhebung der skizzierten Ambivalenzen vorstellbar; FAZ 4.7.1990 In seltsamer Ambivalenz erleben sich die meisten außerhalb der Universität als hilflose Illiteraten; ebd. 19.10.1990 Schopenhauer unterscheidet zwischen Stolz und Eitelkeit, ein Versuch, die Ambivalenz der Hoffart . . nun theologisch entschärft, in das Register der Leidenschaften einzuzeichnen. ambivalent: Röpke 1946 Civitas 26 Ein Buch nämlich, das sich bemüht, das Getrennte zusammenzufügen zu einem wohlausgewogenen Ganzen, das differenziert, nuanciert und den ambivalenten Charakter eindeutig scheinender Dinge kennzeichnet; Benn 1949 Ptolemäer 128 Asiatisches durchkreuzte sehr häufig meine individuelle Penetranz, als deren Echtestes ich immer das Amorphe empfand, das Ambivalente; Borst 1957 Turmbau 322 Daß nun auch die Zahlensymbolik ambivalent wurde, vesteht sich fast von selbst; 1958 Dt. Literaturztg. Ill 223 Das 2. Kapitel, „Entartung aller Arten", verfolgt, wie schon mit den „Buddenbrooks" das Problem der Entartung, der Dekadenz, ambivalent gesehen; FAZ 7.12.1970 Die Berlin-Formel, die die Erklärung des Warschauer Paktes enthält, ist freilich so ambivalent wie eh und je; Zeit 8.11.1985 nach etwa 10000 Jahren zutiefst ambivalenter sozialer Evolution müssen wir wieder in die biologische Evolution eintreten; MM 8.2.1986 obwohl der Rabe in der deutschen Mythologie ein durchaus ambivalentes Image genießt; Zeit 19.9.1986 ambivalente Methoden der Wirtschaftspolitik; MM 9.6.1988 sein faszinie-
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rend ambivalentes Verhältnis zur Sprache; Seel 1989 Moderne 55 Dadurch gewinnt die Kunst im Szenarium der Selbstauslegung einen strikt ambivalenten Status; Süddtsch. Ztg. 15.12.1992 Und selbst das Spiel mit dem Schrecken, von den Nachtstücken der Romantik bis zu den Horrorfilmen unserer Tage, war immer eine sehr ambivalente Therapie für eine mißglückte Humanität. Ambivalenz 3a: Hausmann 1959 Zeichen VII 31 Ambivalenz des Wortes; 1971 Meyer Enz. II 27 Wortambivalenz: Mehrdeutigkeit oder Vielschichtigkeit von Wörtern; Lerchner 1984 Sprachform 49 Das [das Überlagern der Semantik von Wörtern, Sätzen und Absätzen durch Klangstrukturen in der poetischen Kommunikation] geschieht konkret in vielerlei Weise, sei es in der Funktion einer Vereindeutigung (Disambiguierung) einer Aussage oder ihres Gegenteils, der Erzeugung von Vagheit und Unbestimmtheit (semantischer Ambivalenz); ebd. 252 Ambivalenz — (Adj. ambivalent) Doppelwertigkeit. In bezug auf semantische Sachverhalte: Unbestimmtheit, Vagheit; Strauß'/Haß/Harras 1989 Brisante Wörter 192 Dabei ist bereits innerhalb von Verwendungsweise 2. eine sich in unterschiedlichen Kontexten zeigende Komplexiktät oder Ambivalenz angelegt; ebd. 196 die Ambivalenz ist häufig auch beabsichtigt. ambivalent: Freud 1916 Vorlesungen 196 So hieß im Altägyptischen ken ursprünglich stark und schwach. In der Rede schützte man sich vor Mißverständnissen beim Gebrauch so ambivalenter Worte durch den Ton und die beigefügte Geste; MM 25.4.1986 ambivalente Äußerungen von amerikanischen Politikern; Strauß/Haß/Harras 1989 Brisante Wörter 40 Wörter mit ambivalenter Wertung; ebd. 261 Entsprechend den Verwendungsweisen (a) und (b) von Nationalismus werden auch diese Ausdrücke mit ambivalenter (negativer oder positiver) Wertung gebraucht. Ambivalenz 3b: 1966 Brockhaus l 435 lautliche Ambivalenz heißt die doppelte Geltung eines Buchstabens; 1971 Meyer Enz. II 27 In der Phonetik ist Ambivalenz die Bezeichnung für die Doppelwertigkeit eines Buchstabens, wenn ein Buchstabe des Alphabets nicht eindeutig einem Laut (Phonem) entspricht, sondern zwei verschiedenen Lauten (Phonemen) entsprechen kann; Knobloch 1986 Sprachwiss. Wb. l 106 Ambivalenz, phonetische, Doppeldeutigkeit eines Alphabetzeichens, das für zwei Sprachlaute steht. ambivalent: 1981 Kleines Wb. sprachwiss. Termini 31 als ambivalent im engeren Sinne wird eine morphologische Klasse von Substantiven angesehen,
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Seit Anfang 19. Jh. das aus gleichbed. frz. ambulance entlehnte Subst. Ambulanz F. (-; -en), bis ins spätere 19. Jh. auch in der frz. Schreibung, zunächst in der Bed. 'bewegliches Lazarett, Feldlazarett', bes. in dem aus frz. hospital ambulant lehnübersetzten Syntagma ambulantes Lazarett, seit früherem 19. Jh. häufig auch für 'Kranken(transport)wagen' (s. Belege 1831, 1870), etwa gleichzeitig in der Bed. 'nichtstationäre medizinische Betreuung' (s. Belege 1832, 1855), von daher, etwa seit Mitte 20. Jh. weiterentwickelt zu 'medizinische Einrichtung (in einer Klinik) für die nichtstationäre Behandlung von Patienten', z. B. eine orthopädische, zahnärztliche, chirurgische, psychiatrische Ambulanz; eine Ambulanz für Hörschwächen; gleichzeitig auch für 'Sanitäts- und Behandlungsraum für Erste Hilfe in Betrieben' (s. Beleg 1987); seit früherem 19. Jh. bes. in der Zs. Ambulanzwagen 'Kranken(transport)wagen'; im 20. Jh. als Bestimmungswort in Zss. wie Ambulanzdienst, -einsatz, -fahrer, -flug, -gehilfe, -hotel, -Hubschrauber, -karte, -räum, -sirene, -transport, -zug; etwa gleichzeitig auch als Grundwort in Zss. wie Betriebs-, Fach-, Instituts-, Kinder-, Krankenhaus-, Land-, Männer-, Schmerz-, Spezial-, Werksambulanz (s. u. Ambulatorium); im frühen 19. Jh. vereinzelt auch übertragen gebraucht in der Wendung in ambulance 'in Bewegung' (s. Beleg 1825) (zu b); im 19. Jh. vereinzelt für 'Bahnpostwagen' (zu a). Seit spätem 19. Jh. das zu dem lat. Adj. ambulatorius (s. o.) gebildete Subst. Ambulatorium N. (-s; Ambulatorien) 'medizinische Einrichtung (mit mindestens zwei Fachabteilungen) für die nichtstationäre Behandlung von Patienten', z. B. ein zahnärztliches, stomatologisches, orthopädisches Ambulatorium; ein klinisch-diagnostisches Ambulatorium, ein Ambulatorium für innere Krankheiten: im 20. Jh. als Grundwort in den Zss. Betriebs-, Land-, Röntgenambulatorium; weitgehend gleichbed. mit Ambulanz (s. o.) (zu b). ambulant a: Goethe 1776 Br. (WA IV 3,92) schick ich Ihnen . . die unterschriebnen und vollzognen Papiere zurück, fahren Sie fort mir das nötige zuzufertigen, und ich will meine Expedition ambulante bestmöglichst besorgen; Schlosser 1786 Langmesser 137 Der Philosoph ambulant Leuchsenring macht unserm Freund (Lavater) viel Mühe. Vielleicht habe ich ein Mittel gefunden, diese summende Hummel von ihm wegzutreiben; 1798 Merkur I 434 [der Gedanke] von einer wandelnden Republik (republique ambulante); Campe 1813 Fremdwb. 105 Ambulant, z. B. . . eine ambulante Troupe. Wir haben dafür theils das alte fahrend, ein fahrender Ritter, die fahrende (bewegliche) Habe; . . theils wandernd oder herumziehend, z. B. eine solche Schauspielergesellschaft; Goethe 1816-17 Italien. Reise (WA l 30,20) Wenn die Freunde über den ambulanten Wetterbeobachter und dessen seltsame Theorien gelächelt haben, so gebe ich ihnen vielleicht durch einige andere Betrachtungen Gelegenheit zum Lachen; Borne 1821 Postschnecke (Ges. Sehr, l 64) seinen Hut, als sein ambulantes Warenschild und Muster; ebd. l 67 Man sollte nicht die Leidtragenden, sondern die Leichen selbst auf Hochfürstlich Turn = und Taxisschen fahrenden Postwagen zum Begräbnisse füh-
ren, damit sie Zeit gewönnen, aus dem Scheintode zu erwachen . . Wäre dieses nicht eine sehr gute ambulante Totenschau; Scharold 1825 Medizinalwesen l 10 die Mitglieder dieser Art von ambulanter Hof-Akademie [Karls des Großen]; Goethe 1828 Naturforscher (WA II 13,449) man . . erfreue sich zuerst, wenn im Vaterland sich Gesellschaften und zwar ambulante, von Ort zu Ort sich bewegende Gesellschaften hervorthun; Lewald 1836 Aquarelle II l [jene] Lords, die mit ihrer persönlichen und angebornen Herrlichkeit zugleich ihren ambulanten Palast im ersten besten Hafen des Continents ausschiffen lassen; Engels 1848 V. Paris n. Bern (MEW V 472) mobile Kolonnen und ambulante Guillotinen mußten gegen die eigensinnigen Bauern gerichtet werden; Marx 1850 Klassenkämpfe i. Frankreich (MEW V/i 41) So registrierte und regelte sie [die konstituierende Nationalversammlung] die Tatsache der Diktatur Cavaignacs, indem sie das stationäre, unverantwortliche Erbkönigtum durch ein ambulantes, verantwortliches Wahlkönigtum ersetzte; Holtet 1854 Schneider I 251 [die umherziehenden Schauspieler, die] schwarzes Brot aus ihren ambulanten Speiseschränken holten; ebd. II 244 ihre kleine ambulante Haushaltung; Knies 1857 Telegraph 101
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Führte dieß [der zunehmende Postverkehr] auch zu der schon erwähnten Einrichtung der ambulanten Postexpedition, so bleibt doch den fixirten Bureaux zumal in Großstädten eine große Arbeit zu bewältigen; Holtet 1863 Letzte Komödiant U 233 „Ist es nicht eigentümlich", warf Iffland dazwischen, „daß dieser hier gegenwärtige Mann, in dem wir entschieden einen braven Schauspieler anerkennen, es nicht weiter bringen konnte; daß er bei ambulanten Truppen sich ungenannt und ruhmlos fortquält; Reinhardt 1869 Dintenklexe I 37 Ein ambulanter Klavierspieler; Rose 1884 Revanche 142 [das] Frankfurter Judenmädchen, das aus einer ambulanten Kneipensängerin zur grössten Tragödin geworden war; Hoffmann 1891 Stolpenburg 170 Ihr Hauptspaß war, ihre Mitmenschen aus dem Hinterhalt zu photographieren . . Das taten sie theils von ihren Fenstern aus, . . theils auch auf ambulantem oder peripathetischem Wege, . . mittels eines kleinen teuflischen Maschinchens; Fontäne 1895 Poggengpuhls 241 Die vierte Lagerstätte, von mehr ambulantem Charakter, war ein mit Rohr überflochtenes Sofagestell; Horix 1895 Erlauschtes 127 Die ambulante Bataillons-Kanzlei; Wassermann 1919 Wahnschaffe II 213 Die Hymnen ambulanter Literaten und Beobachter über Rußland begannen ernstlich zu langweilen; 1923 Polit. Handwb. I 42 Ambulanter Gerichtsstand; Moreck 1928 Liebe 194 [die Droschke als] ambulantes Absteigequartier für Gelegenheitsliebe; Berl. Illustr. Nachtausg. 15.6.1931 da die Behörden für den ambulanten Zeltzirkus dieselben Bestimmungen zugrunde legten; Munch. N.N. 8.9.1944 Sämtliche ambulanten Schaustellerbetriebe, die bisher auf Jahrmärkten usw. ihr Gewerbe betrieben, werden stillgelegt; Dtsch. AZ. 9.1.1935 ambulante Wahlbüros; Literatur Kurier 10.5.1950 [die Story] wendet sich an den „ambulanten" Leser; BZ 22. 7.1956 Auch für die „ambulanten Urlauber", für solche also, die keinen festen Urlaubsplatz suchen, sondern ihre Ferien in Bewegung verbringen wollen, könnte getrost mehr getan werden als bisher; Partner 1964 Erben 165 fraglos wird man sich den Korbinian dieser Jahre nicht als einen ambulanten Heilsbringer vorstellen dürfen, sondern als einen erfahrenen und klugen Kirchenmann, dessen Autorität auch die weltlichen Gewalten respektierten; ebd. 295 die traditionellen Stützpunkte dieser ambulanten Art der Regierung waren die zahlreichen, über das ganze Reich verstreuten Pfalzen. Ambulanz: Noe um 1885 Alpenbuch U 1,164 „Ambulanz"; Münch. N.N. 2.11.1941 Vor 90 Jahren liefen die ersten Bahnpostwagen in Bayern . . Man hieß sie „Expeditionsbüros" oder „Ambulanzen", und in Bayern ist so eine Ambulanz zum erstenmal
1851 auf der Strecke München—Augsburg gefahren, ambulatorisch: Laukbard 1797 Leben IV 1,488 In Frankreich sind alle Justizämter ambulatorisch: Keiner bleibt lange . . Prokurator, Beysitzer u. s. f. Alle wissen den Punkt, wo sie abgehen müssen: daher haben auch alle den größten und stärksten Beweggrund, recht zu thun und das Gesetz nicht zu beleidigen; Pütter 1798 Selbstbiogr. H 743 Von dem Schauspiele hatte ich also wenig sehen können. Ich hörte aber auch bald, daß ich nichts dabey verlohren hatte, weil es nur eine ambulatorische Gesellschaft war. ambulieren : Sperander 1727 A la mod Sprach 32 Ambuliren/ spazieren gehen in der Stube/ oder sonst hin und hergehen; Goethe 1779 Br. (WA IV 4,16) ich muss dir gestehen dass ich als ambulirender Poeta sehr geschunden bin; Mutius 1811 Br. 130 Der alte Blumenbach . . sein Vortrag besteht in der ambulierenden sehr freien Unterhaltung mit seinen Zuhörern; Stephan 1813 Erziehung 203 [daß es gut wäre,] ausser den stehenden Besoldungen [der Lehrer] auch noch ambulirende zu haben; Penzoldt 1930 Powenzbande 56 war euer Vater lange schon auf, um ein wenig durch die taufrische Landschaft um Mössel zu ambulieren; ders. 1958 Liebende 47 Sie sollten kein so unglückliches Gesicht machen, junger Freund, wenn Sie an der Seite dieser einmaligen Frau ambulieren dürfen; Böll 1966 Dienstfahrt 12 Als die Verhandlung begann, mußte Justizwachtmeister Sterck . . den Zeugen das Ambulieren auf dem Flur untersagen; ebd. 168 Oberleutnant Heimüller . ., der in offenbar wenig froher Stimmung allein zwischen alten Bäumen ambulierte. ambulant b: 1778 (Richthofen 1836 Medicinal-Einrichtungen I 44) Feldlazarethe: . . bewegliche (hospital ambulant); 1803 Revolutions-Almanack (Suppl.) 119 im Schlosse Sieghartsstein ein so genanntes wandelbares Spital (Hospital ambulant) einquartiren; Goethe 1806 Bericht a. Berthier (WA I 53,508) Ein Clinicum, welches zwar eigentlich nur ambulant ist, aber doch auch an verschiedenen Orten Zimmer und Betten zu seinem Dienste hat; Campe 1813 Fremdwb. 105 Ambulant, z. B. ein ambulantes Lazareth . . Wir haben dafür theils das alte fahrend, . . theils fliegend, ein fliegendes Lazareth (Krankenhaus); Richthofen 1839 Haushalt d. Kriegsheere l 604 bewegliches Feldlazareth (hospital ambulant); 1920 Kulturarbeit 207 [In Bayern hatte jede Stadt Seel-, Schwester- oder Bruderhäuser]. Da die Insassen solcher Häuser in der Hauptsache die Hauskrankenpflege — ambulante Pflege würde man-heute sagen — besorgen, gab es
ambulant Bruderhäuser nur selten; Munch. N.N. 11./ 12. 9.1943 [vor dem Truppeneinsatz] wird der Genesende wiederholt dem Truppenarzt vorgestellt, der den Tauglichkeitsgrad bestimmt, fachärztliche (ambulante) Behandlung befiehlt; NZ. (Basel) 17.4.1950 Die Kommission sah sich die ambulante Schulzahnpflege des Kantons Schaffhausen an; Hunke 1960 Erbe 118 Nicht nur Kalifen und Sultane . . gründeten Krankenhäuser neben ambulanten Sanitätsstationen; 1966 Studium Generale XII 735 mögen ambulante Untersuchungen zum Geisteszustand schneller ablaufen, so kann doch . . nur eine längere stationäre Behandlung . . ein wirkliches Persönlichkeitsbild ergeben; Offenburger Tagebl. 5.10.1971 Der Zeitpunkt der Anklageerhebung hänge nun davon ab, ob die strafrechtliche Verantwortlichkeit Todorovs „ambulant" festgestellt werden kann; 1971 Gesundheit V 155 bekanntlich gibt es Unterschiede zwischen stationärer und ambulanter Behandlung; 1973 ebd. l 4 stehen sich Arzt und Patient in der ambulanten Sprechstunde gegenüber; 1973 ebd. IV 101 Die Patienten . . in den zwölf ambulanten Behandlungsstellen . . mußten ärztlich versorgt werden; Zeit 8.2.1985 was halten Sie von dem Vorschlag der Grünen, die Pflegeheime ganz abzuschaffen und durch ambulante Hilfe zu ersetzen; MM 6.5.1985 die Frage, ob Mannheim ausreichend mit Heimplätzen und Pflegeplätzen, mit mobilen Diensten und ambulanten Hilfseinrichtungen versorgt ist; ebd. 10. 7.1985 die Beschäftigung von ambulanten Sozialpflegehelferinnen; ebd. 27.5.1986 die Verbesserung ambulanter Sozialdienste wie fahrbare Mittagstische, Altentagesgaststätten und Altenclubs, ambulante Krankenpflege, Sozialstationen, Wäschewaschdienste, Nachbarschaftshilfen, Telefonketten sowie Vorlesedienste und Schreibdienste; ebd. 12.11.1986 daß die bestehenden stationären und ambulanten Einrichtungen für Drogenabhängige diesen wachsenden Personenkreis nicht sachgerecht betreuen können; ebd. 11.7.1987 darüber hinaus haben sich Diakonie und Caritas sowie die Arbeiterwohlfahrt für ein Modellprogramm des Bundes beworben, das den Ausbau ambulanter Hilfen für Aidskranke im Rahmen der Sozialstation vorsieht; ebd. 3.8.1987 das aus zwei Ärzten und zwei Krankenschwestern sowie einem Psychologen bestehende Team der ambulanten Nachbehandlung unterstütze den jeweiligen Hausarzt; ebd. 15.10.1987 Ambulante Behandlungsstelle für Suchtkranke und Suchtgefährdete; ebd. 4.6.1988 favorisiert wird inzwischen die ambulante Dialyse (Blutwäsche); ebd. 8.6.1988 Dr. Walter Baumhauer verlangte einen massiven Ausbau der ambulanten Dienste, die es den älteren Menschen ermöglichten, trotz gesundheitlicher Beeinträchtigungen zu Hause wohnen zu bleiben.
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Ambulanz: um 1803 Feldmann (1911-12 ZFDW XIII 248) Ambulanz. Im „Nouveau Diet." wird 1803 „ambulance" für „fliegendes Lazareth" als neu gebucht. Das Wort ist während der Revolutionskriege aufgekommen und dann bald auch nach Deutschland gedrungen; K. Ch. Mülller 1814 Verdeutschungswb. d. Kriegsspr. 6 Ambulance, Eilsunde, Fluchtsunde; 1816 Allg. Literatur-Ztg. U 283 Ambulance, das leichte Feldspital, heißt hier [im Verdeutschungswörterbuch der Kriegssprache von K. Ch. Müller] Eilsunde, Fluchtsunde; Heinsius 1818 Wb. l 93b Ambulance, . . fliegende Heilanstalt (Lazareth); Aster 1819 Festungen 18 Die zur Errichtung der beständigen, und der flüchtigen Hospitäler (Ambulance) ausgewählten Ortschaften; Metternich 1825 Br. a. Gentz (Gentz 1877 Gesch. 74) Ich [Metternich] sollte im Grunde stets in ambulance sein, wie es die Spitäler im Kriege sind; Grabbe 1831 (W. Hl 296) Viele Verwundete, auf Ambulanzen werden vorbeigefahren; Görres 1832 Ges. Sehr. XV 419 Die Charite sofort, oder das Almosenpflegehaus von sechs Schwestern bewohnt, die in beständiger Ambulanz die Armen und Kranken der Stadt aufsuchen; Roos 1832 Leben 109 Ambulance-Wagen; Debntnner 1849 Schweizerkomp. 185 Wenn man „ambulanza" rufen hörte, wüste man, dass wieder einer getroffen war; Wickede 1854 Soldaten-Leben II 3 ich . . besorgte, daß er zu unserer Ambulance gebracht ward; Nierendorf 1854 Perle 25 Gemälde von Matou: der Erfinder der Ambulance; Nürnberger 1855 Amerikamüde 351 Zur Zeit der Fieber sind . . die Schüler Aeskulap's hier Landes stark unterwegs, indem sie . . den gesteigerten Bedarf . . durch das System der Ambulanz befriedigen; Rüstow 1858 Mtl. Handwb. I 15 Ambulance, leichtes Feldlazareth zur Besorgung der Verwundeten in nächster Nähe des Schlachtfeldes; 1861 Allg. Mil.Enc. I 399 Unter Ambulance versteht man diejenige Abtheilung der Feld-Sanitätsanstalten, welche dazu bestimmt ist, in Gefechtsfällen den Verwundeten und Kranken so nahe und so schnell als möglich Beistand, vorzüglich ärztlichen Beistand zu schaffen; ebd. in den großartigen Massenkämpfen zu Napoleon's I. Zeit . . machte sich eine Ambulance, eine wandernde Feld-Krankenanstalt — ein AufnahmeSpital, leichtes Feldlazareth, Gefechts-Sanitäts-Abtheilung, oder wie man es sonst nennen mag — recht unabweislich nothwendig; ebd. Die sogenannte Ambulance volante von Larrey war vorzugsweise zur Thätigkeit auf den Verbandplätzen bestimmt; ebd. In manchen Armeen nennt man die feldärztlichen Wagen (Arznei-Verbandwagen) Ambulancen; Martens 1864 Militärverpflegung 111 140 fahrende Feldspitale (Ambulancen); Dahn 1870 Kriegsrecht 14 die Wagen, welche Verwundete und Kranke führen (Ambulancen); Stem 1S72 Heerwe-
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ambulant
sen 88 Ambulanzwägen; Billroth 1881 Br. 279 Die Ambulanz ist enorm geworden und beschäftigt die Assistenten täglich noch 2—3 Stunden nach der Klinik; die Aufnahme erfolgt so ausschließlich aus der Ambulanz, daß immer Patienten aus dieser vorgemerkt sind zur Aufnahme; Dahn 1894 Erinn. IV 1,441 Sanitätssoldaten und Ambulanzen; Kraus 1899 (Fackel XXV11 1) in dem Ambulanzwagen ist statt Heißluftröhren ein kleiner eiserner Ofen angebracht; Kussmaul 1903 Jugenderinn. 407 auf dem „Pflasterkasten", der Ambulance, aufzusitzen; 1914 Reichspost CCXLl 3 Dr. Berghausen hat den Schwerverletzten in der italienischen Ambulanz behandelt; Tb. Mann 1949 Reden u. Aufs. (W. XI 256) und wieder stand dort eine Ambulanz bereit, deren Rollbahre mich bald,. . in das bereitgestellte . . Zimmer führte; Siebeck 1949 Medizin 116 Dafür sind in vielen Städten besondere Ambulanzen und Fürsorgestellen eingerichtet; Bredel 1953 Enkel 177 Sanitäter schleppten in Decken Verwundete . . zur Ambulanz; Th. Mann 1953 Erz. (W. VIII 948) Der Tochter erklärte er mit Entschiedenheit, daß die Verbringung der Patientin, am besten mit Ambulanz, in die gynäkologische Klinik geboten sei; FAZ 16.5.1959 die Krankenstationen der Schutzboote sind im doppelten Sinne „Ambulanzen", die als schwimmende Hospitäler nur Durchgangsstationen sein können; Bildztg. 12. 7.1967 noch mehr Zustrom als das Schiff hat die Ambulanz der „Helgoland"; Spiegel 10.6.1968 eine Ambulanz schaffte den tödlich Getroffenen . . mit dem Lastenfahrstuhl ins Erdgeschoß: Mittelbayer. Ztg. 6. 7.1970 Ambulanzwagen, die die Opfer in Krankenhäuser bringen sollten, wurden durch ein Verkehrschaos rund um das Gelände aufgehalten (beide AWB); 1972 Gesundheit I 9 Die Kinderabteilung der Klinik verfügt neben der Ambulanz auch über eine stationäre Abteilung; ebd. VI 169 Die Eltern können . . den Kinderarzt in der Ambulanz konsultieren; 1985 ebd. Hl 93 Gegenwärtig stehen mehr als 1600 Ambulatorien und Ambulanzen . . zur Verfügung; Zeit 12.4.1985 Wilson Airport . ., von wo aus sie [die Verletzten] sofort in einer bereitstehenden Ambulanz ins nächste Krankenhaus gebracht wurden; MM 12. 7.1986 rund 1000 Patienten, die jährlich die Ambulanz der Psychosomatischen Klinik aufsuchten; Fruttero 1986 Palio (Übers.) 127 des toten Puddu . ., dessen Leiche . . inzwischen eine Ambulanz fortgeschafft hatte; MM 13.8.1987 die BASF richtete um 1870 eine eigene Ambulanz mit Werkarzt . . ein; Spiegel 30. 7.1990 Der VEB Buntgarn . . unterhielt bisher drei Kindergärten, zwei Kinderkrippen, drei medizinische Ambulanzen. Ambulatorium: 1885 Enc. Jahrb. d. gesamten Heilkunde XXIII 63 Besteht die Einrichtung, dass auch
ausserhalb der Anstalt wohnende mittellose Kranke ärztlichen Rath in der Anstalt einholen können, so sollten für Zwecke eines solchen Ambulatoriums . . ein oder mehrere zweckentsprechende Zimmer vorhanden sein; Becher 1924 W. VII 545 Lazarette marschierten, Ambulatorien, Krankenhäuser; Lokal-Anz. 20.6.1934 Durch die Schließung der weder für die Kasse noch für den Behandlungszweck vorteilhaften Ambulatorien sind auch die Familien der Versicherten in den Genuß der freien Arztwahl gelangt; 1947 Orion II516 Während des ersten Welttkrieges bedient sie selbst die Apparaturen in dem von ihr geschaffenen Ambulatorium; ND 20.8.1953 Im Jahre 1951 wurden z. B. in den einzelnen Bezirken 28 neue Ambulatorien geschaffen, wo die Patienten von morgens bis abends ärztliche Betreuung in Anspruch nehmen können; Baur 1956 Schriftspr. i. Österr. 74 während das „Ambulatorium" einen ärztlichen Behandlungsraum bezeichnet; ND 28.11.1969 in allen Krankenhäusern, Kliniken, medizinischen Laboratorien und Ambulatorien wird . . Bilanz gezogen; ebd. 3. 9.1974 in den von der Republik Südvietnam verwalteten Gebieten sind Ambulatorien und Sanitätsstellen entstanden; ebd. die PAIGC . . hatte 1973 schon neun Krankenhäuser und 116 Ambulatorien errichtet; 1985 Gesundheit III 93 Gegenwärtig stehen mehr als 600 Polikliniken, 1600 Ambulatorien und Ambulanzen . . der Bevölkerung .. zur Verfügung; Zeit 8.11.1985 mit diesem Programm hat sich unsere Dispensary in Howrah nach kürzester Zeit in ein großes Ambulatorium gewandelt. ambulant c: Reimann 1839 Dtsch. Volksfeste 187 ambulanter Bierwirth [im Wiener Prater]; Stahr 1848 Italien II 466 Ambulante Verkäufer boten Cigarren und Esswaren . . an; 1863 Bilder a. Paris l 355 Die Procession der ambulanten Straßenkrämer; Nordau 1879 Seifenblasen 23 der schlanke, schwarzbärtige, träumerisch blickende, sonnverbrannte Orientale, der . . seinen ambulanten Kram etablirte und .. die Käufer erwartete; Lokal-Anz. 28.3.1933 die . . Gilde der „ambulanten Handelsleute", die . . ihre Waren vom Wagen weg verkaufen; ebd. Meist verkaufen die „Ambulanten" billiger, oft aber führen sie Waren minderer Güte; ebd. 5.6.1934 das ambulante (fliegende) Gewerbe hingegen sucht die Kundschaft auf, allerdings meist nicht den einzelnen Kunden in seinem Hause, sondern die Stelle, wo Kunden zu erwarten sind; ebd. 25.11.1934 Jeder ambulante Gewerbetreibende; Münch. N.N. 15.5.1944 Zum Ausgleich der etwa ausgefallenen Verkaufsstellen wird vielfach der ambulante Handel mit dem Verkauf von Lebensmitteln beauftragt; V. B. 7.6.1944 „Ambulante" helfen reparieren .. diese Ambulanten, Kesselflik-
amerikanisieren ker und Scherenschleifer, Drahtbinder und Wanderklempner, Schirmflicker und Siebmacher, haben gerade im Kriege . . erhöhte Bedeutung bekommen; Münch. N.N. 2.12.1944 Auch wo durch den Luftterror zwangsläufig Versorgungslücken entstanden sind, konnten sie vielfach durch den ambulanten Lebensmittelhandel rasch wieder geschlossen werden; Welt 28.9.1949 Messe- und Marktkalender für das ambulante Gewerbe; Süddtsch. Ztg. 23.2.1950 Gab es vor dem Krieg in Bayern etwa 16000 Ambulante, so ist deren Gilde heute bereits auf nahezu 35000 angewachsen; ebd. 30.12.1950 Der ambulante Handel ist in gleichem Umfange zugelassen; ebd. 17.2.1951 Das Gewerbe ambulant betreiben; ebd. 11.3.1953 bei den ambulanten Händlern seien die Obst- und Gemüsepreise überprüft worden; Münch. Stadtanz. 17.9.1953 „Goldtrauben . .", bietet eine ambulante Obstlerin an; Welt 14.4.1959 [damit] wird sich demnächst das Bundesverfassungsgericht befassen müssen, weil sich Händler des ambulanten Gewerbes durch das Ladenschlußgesetz in ihrer Existenz bedroht fühlen; Zeit 15.2.1985 [Handwerker] vom ambulanten Schlüsselservice; 1987 Vahlens Gr. Wirtschaftslex. I 58 ambulanter Handel, Teil des Einzelhandels. Er ist nicht an feste Standorte und offene Verkaufsstellen gebunden. Zum ambulanten Handel gehören Hausierer (Wanderhandel), die private Haushalte aufsuchen und die angebotenen
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Waren mit sich führen, Markthandel (wichtigster Teil die Wochenmärkte, daneben Weihnachtsmärkte u. a.), Straßenhandel (Obstkarren) und Verkaufswagen, deren Inhaber als Spezialisten Waren (Obst, Gemüse, Eier, Fische und sonstige Frischwaren) anbieten, teils größere Sortimente führen und vorzugsweise in Regionen mit dünnem Einzelhandelsnetz zu finden sind (mobile Supermärkte). Ambulant: 1743 Schatzk. V 264 Ambulant, wird zu Amsterdam von den Mäklern oder Wechselagenten gesagt, die vor dem Stadtrathe keinen Eid abgelegt haben; 1902 Sprachver. 9 Ambulant = Winkelmakler, Pfuschmakler (beide SCHIRMER, Kaufmannssprache). ambulatorisch: Nordau 1881 Paris I 286 der Stand der „femmes de menage" oder ambulatorischen Wirthschafterinen (in Süddeutschland sagt man „Zugeherinen"), bestimmt, einem hauptsächlich von Junggesellen empfundenen Bedürfnisse zu genügen. ambulieren: Rehfues 1813 Spanien I 88 bei jedem ambulirenden Gewerbe; Borne 1822 Schilderungen a. Paris (Ges. Sehr. II 41) der ambulirende Pastetenbäcker; Petersen 1870 Genrebilder 197 des ambulirenden Sonnen = und Regenschirmhändlers.
amerikanisieren V. trans, und reflex., im früheren 19. Jh., eventuell unter Einfluß von gleichbed. engl. americanize, gebildete verbale Ableitung von amerikanisch Adj., —» Amerikanismus. a Zunächst in der Bed. 'jmdn., sich, etwas nach dem Vorbild der USA ausrichten, den Verhältnissen, der Lebensweise, Kultur und Sprache der USA anpassen, angleichen', auch leicht abwertend gebraucht (s. Belege 1900, 1926, 1949); in Wendungen wie die Bevölkerung, Lebensweise amerikanisieren; oft in der adj. verwendeten Part. Perf.-Form amerikanisiert, auch superamerikanisiert, z. B. amerikanisierte Einwanderer, die (super)amerikanisierte Jugend, eine amerikanisierte Sprache; seit früherem 19. Jh. vereinzelt, seit Anfang 20. Jh. häufiger in Zss. und Kombinationen wie nord-, südamerikanisieren und angloamerikanisieren, seit frühem 20. Jh. auch in Präfixbildungen wie über-, veramerikanisieren mit der älteren Nebenform veramerikanern (s.u.). b Seit Anfang 20. Jh. in der Fachsprache der Wirtschaft für 'einen Betrieb, eine Firma mit US-amerikanischem Kapital ausstatten (und unter amerikanische Leitung stellen)', einen Betrieb, die Industrie amerikanisieren; selten auch in der adj. verwendeten Part. Perf.-Form amerikanisiert, z. B. die amerikanisierte Wirtschaft. Dazu seit späterem 19. Jh. das Verbalsubst. Amerikanisierung F. (-; selten -en) 'Anpassung an die Verhältnisse, Lebensweise der USA', z. B. die fortschreitende Amerikanisierung eines Landes, einer Sprache, als Bestimmungswort in Zss. wie Amerikanisierungsbemühungen, -Bestrebungen, -Bewegung und in Bildungen wie Ver-, An-
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amerikanisieren
gloamerikanisierung (zu a); seit Anfang 20. Jh. in der Bed. 'Ausstattung eines Betriebes mit US-amerikanischem Kapital (und Unterordnung unter amerikanische Leitung)', z. B. die Amerikanisierung der Industrie, Wirtschaft (zu b). Seit frühem 20. Jh. das eventuell aus engl. americanization entlehnte, weitgehend gleichbed. Subst. Amerikanisation F. (-; selten -en) (zu a und b) Im frühen 20. Jh. die nur vereinzelt belegte subst. Ableitung Amerikanisierer M. (-s; -) für 'jmd., der jmdn., sich, etwas dem Vorbild der USA anpaßt' (zu a). Gleichzeitig die vereinzelte Nebenform amerikanern mit der schon seit späterem 19. Jh. selten nachgewiesenen Präfixbildung veramerikanern und dem Verbalsubst. Veramerikanerung F. (-; selten -en) (zu a); vgl. auch die im 20. Jh. vereinzelt belegten Nebenformen amerikanieren und amerikanifizieren (zu a). amerikanisieren a: Creuzer 1831 Br. a. Boisseree (1937 ZG Oberrhein XC 257) Auch Ihre übrigen Freunde . . sitzen . . wie ich stille — während die ganze Welt .. in Bewegung ist . . — namentlich in unserer Kammer, wo besonders die Freiburger Tagesheroen unser Ländlein mit Macht und Aufsehn zu nordamerikanisiren bemüht sind; Engels 1851 Br. (MEW XXVII 569) Dein größtes Hindernis wird aber [in New York] sein, daß die brauchbaren Deutschen, die etwas wert sind, sich leicht amerikanisieren; Görtz 1852 Reise l 261 Der Franzose seinerseits ist dem Yankeethum so über die Massen fremdartig, dass deren keiner sich je amerikanisirt; Douai 1864 Union 93 Die AntisklavereiBestrebungen dieser Partei . . müssen auch den Irländern mittelbar zu Gute kommen, d. h. sie amerikanisiren; Pröbel 1866 Kl. polit. Sehr. I 118 auf die "Weise, dass er [der deutsche Einwanderer] sich amerikanisirt ohne sich zu deseuropäisieren; 1867 Grenzboten XXVI 1,286 die Radicalen, welche mit ihm [Bright] England amerikanisiren wollen, übersehen das scheidende Moment, welches die Demokratie in den Vereinigten Staaten allein ermöglicht und berechtigt — den Raum; Gerstäcker 1867 Penchuenchen l 214 Freilich hatten sich schon Einzelne südamerikanisirt (SANDERS 1871); 1869 Gartenlaube 73 die Literatur . . zu amerikanisiren; Kapp 1876 Amerika I 335 ihnen [den Kindern der deutschen Einwanderer] . . Interesse an der teutschen Litteratur einzuflößen, welche in ihren späteren Jahren als das beste Präservativ gegen das zu weit gehende Amerikanisiren dienen wird; Hopp 1877 Sternenbanner 205 hat seinen Namen etwas amerikanisirt; Grosse 1896 Ursachen 60 Deutschland hat sich amerikanisiert; Hansjakob 1900 Volkstrachten Vorw. o. S. unsere Zeit, die alles gleich macht und amerikanisiert; Potenz 1904 Land 2 während früher Europa die Welt europäisiert hat, will, wie es scheint, Amerika nunmehr seine Mutterländer amerikanisieren; Münsterberg 1904 Amerikaner I 46 Amerika europäisiert sich und Deutschland amerikanisiert sich; Harden 1910 Köpfe 72 in Scharen anglisiren und amerikanisiren
sich der Heimat entfremdete Deutsche; Foerster 1911 Schuld 148 wie schnell durch eine ganze Reihe höchst zweckmäßiger pädagogischer Veranstaltungen die Jugend der Einwanderer amerikanisiert wird; G. Hauptmann 1912 Ausgew. Prosa II 286 Wir müssen erst . . alle amerikanisiert und dann zu Neueuropäern werden; Oncken 1914 Aufs. I 107 hatte er [Franz Lieber] sich politisch und geistig amerikanisiert; Weber 1922 Aufs. z. Wiss. 526 Unser deutsches Universitätsleben amerikanisiert sich; Zielesch 1926 Jugend 131 Die Schulbehörden [in den USA] suchen den indianischen Nachwuchs zu amerikanisieren; 1926 Jahrb. Sammlung Kippenberg VI10 Je mehr die Welt sich mechanisierte und amerikanisierte; 1928 Dtsch. Rundsch. LIV 249 Die neue Baukunst.. will lediglich praktisch sein, den Menschen zum Einleben in unsere hastende Lebensweise führen, sie will Europa amerikanisieren; Sahm 1936 Vereinigte Staaten 62 [Neger, Indianer] werden . . immer zu den Menschengruppen gezählt, die „amerikanisiert" werden sollen; Süddtsch. Ztg. 6.1.1949 Karl Valentin äußerte sich damals schon resigniert: „München wird amerikanisiert . ."; NZ. (Basel) 15.12.1949 Eine Polizei mit ehemaligen Berufsoffizieren an der Spitze könnte die Bundesrepublik allzuleicht „südamerikanisieren"; Welt 11.12.1954 auch sonst sind wir auf dem Wege, uns in der Hinsicht zu „amerikanisieren", daß wir schadhaft gewordene Gebrauchsartikel nicht immer wieder reparieren lassen, sondern uns schneller . . zu Neuanschaffungen entschließen; 2955 Archiv f. Kulturgesch. XXXVII 393 Obwohl im Laufe der letzten 50 Jahre Teile von Brasilien nordamerikanisiert wurden, hat der typische Brasilianer doch eine tiefe Abneigung gegen eine Standardisierung; MM 20.8.1987 aber die Jungen . . amerikanisieren sich, tragen die Haare lang, nerven ihre Umwelt mit überlauter Rock-Musik. angloamerikanisieren: Bonn 1953 Gesch. 167 Wisconsin war noch sehr deutsch, obgleich seine
amerikanisieren größte Stadt Milwaukee viele ihrer deutschen Züge schon verloren hatte. Seine Bürger deutscher Abkunft, die es zu etwas gebracht hatten, angloamerikanisierten sich sehr rasch. überamerikanisieren: Berl. lllustr. Nachtausg. 20.1.1931 Amerika . . war übertrumpft, überamerikanisiert worden. amerikanern: Federer 1925 Regina Lob 235 amerikanert. veramerikanisieren: Diederichs 1927 Er. a. Haifeld (Diederichs 1936 Leben u. Werk 436) Außerdem ist ja die deutsche Presse zum großen Teil so veramerikanisiert, daß sie im Kulidienst verantwortungslos geworden ist; NZ. (Basel) 24.2. 1950 Basel veramerikanisiert sich. Immer neue Selbstbedienungsläden werden eröffnet. veramerikanern: 1860 Hausblätter IV 398 ein Geck, welcher seinen deutschen Vornamen veramerikanert hat; 1875 Dtsch. Rundsch. IV 244 ob der Eingewanderte sofort seine Eigenart . . aufgeben soll, um sich, wie es . . Robert Collyer . . 1874 . . verlangte, sofort zu veramerikanern; Eckstein 1892 Dombrowsky I 129 Ich will das altgewordne Europa ein bischen veramerikanern. Veramerikanerung: Schmilz 1914 Frankreich 305 [die] Gefahr der Veramerikanerung; Stapel 1925-38 Stapeleien 264 Das Anschwellen des Reformertums ist ein Zeichen unserer fortschreitenden Veramerikanerung, das ist: die Dogmatisierung des Geistes. amerikanieren: Dix 1934 Raum 77 Aber der weitaus grösste Teil war amerikaniert und hatte die englische Sprache angenommen. amerikanifizieren: Pleschinski 1993 Ostsucht (Süddtsch. Ztg. 18.3.1993) „ . . Wie kann es aber auf dieser Welt . . eine solche Quälerei des Daseins, eine solche Verschränkung aus SED-Kampf um Weltniveau, frustrierten Gesichtern und Zuchthaus geben wie Halle-Neustadt!" Mein versickerndes Lachen war satanisch amerikanifiziert. Amerikanisation: 1931 Handb. d. Amerikakunde 255 So mußte die americanisation zu einer der dringendsten Aufgaben der öffentlichen Schule werden; Sahm 1936 Vereinigte Staaten 112 Erziehung in Amerikanisation wird hiermit definiert als Unterricht in der amerikanischen Sprache, in der amerikanischen Regierungsform, in Geschichte, Vaterlandsliebe und in solchen Themen, die dazu dienen können, den Sinn für die Pflichten des Staatsbürgers zu fördern.
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Amerikanisierer: Voss 1926 Ges. Reden 258 Was ich wünschte, das die Amerikanisierer einsehen möchten, ist dies, daß unsere ganze kollektive Gesellschaft weit interessanter sein würde, wenn fremde Kulturen ermutigt würden, weiterzubestehen. Wenn ich ein Amerikanisierer wäre, würde es mein Ideal sein, wenigstens siebzig Sprachen, Literaturen und Kulturen nebeneinander über das ganze Land verbreitet zu sehen und sie tief und kräftig Wurzel fassen zu lassen . . Die schlimmsten Feinde der Zivilisation in Amerika sind die Amerikanisierer, die, anstatt alle diese Völker zu ermutigen, an ihren Sprachen, Literaturen, Sitten, Gewohnheiten und Lebensansichten festzuhalten, die Nächte schlaflos damit zubringen, um neue Mittel und Wege zu ersinnen, ihnen das Leben zu verbittern. amerikanisiert: 1858 Hausblätter IV 373 ein ächter „amerikanisirter" Deutscher; 1859 ebd. l 77 In dem Privat-Boardinghouse . . hatten wir ein schon amerikanisirtes Mädchen, die acht oder zehn Monat in Amerika war; ebd. I 78 seine schon amerikanisirten Landsleute, die Wirthe; Douai 1864 Union 245f. Es gehört ein scharfes Auge und ein langer Aufenthalt im Lande dazu, wenn ein Fremder rasch und sicher den Abkömmling der Cavaliere des Südens den kürzlich eingewanderten Britten, den amerikanisirten Deutschen oder Holländer alter Einwanderung, den amerikanisirten Irländer, Welschen oder Schotten und endlich den eigentlichen Yankee von einander unterscheiden will; Reichensperger 1872 Phrasen 91 [ein] amerikanisirter Engländer; 1882 Brockhaus I 551 vereinzelte amerikanisierte deutsche Wörter; Göhre 1891 Fabrikarb. 101 der Streit . . kühlte sich . . immer wieder an der jovialen Gelassenheit des kaltblütig aber nicht geschickt opponierenden amerikanisierten Baiern; Reich 1909 Leben 500 Das rastlose Hasten der amerikanisierten Geschäftsgroßstadt [Berlin]; 1910-11 Lit. Echo 1782 Ein uniformiertes und amerikanisiertes Zeitalter; 1911 Grenzboten III 339 und vollends in einer amerikanisierten Zeit ist die Flucht in die Einsamkeit oft nur die notgedrungene Selbsthilfe der Künstler; 1912 Pan III 14 [der] Typ des amerikanisierten modernen Menschen; Sombart 1919 Soz. 191 Ausdrucksformen des amerikanisierten Bürgertums; Haifeld 1927 Amerika 17 [der Einwanderer] wird, auch wenn er nach fünf Jahren durch Ableistung des Bürgereides papierene Rechte erworben hat, stets nur „Amerikanisierter" sein, weil er im Auslande geboren ist, und auch seine Kinder werden „Amerikanisierte" bleiben, weil die Eltern im Ausland geboren sind. Erst in der dritten Generation wird sich die Wirkungskraft dieses natürlichen Gesetzes einer Nation verlieren; Borchardt 1927 Reden 341 Wilhelm
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amerikanisieren
von Humboldts Sprachwissenschaft gegen die Afterkritik amerikanisierter deutscher Professoren zu verteidigen; Münch. N.N. 21.10.1942 in den amerikanisierten Großstädten Südafrikas sind die sonst so üppig ausgestatteten Läden leer geworden; Frisch 1957 Homo faber 205 die Welt als amerikanisiertes Vakuum, wo sie hinkommen, alles Highway, die Welt als Plakat-Wand zu beiden Seiten; MM 2.5.1985 der „Silicon-Valley-Sound", der amerikanisierten Popfans in aller Welt so gefällt; Zeit 25.10.1985 Seilars ungewöhnliche amerikanisierte Version der „Sommergäste" [Gorki-Gershwin-Montage]; ebd. 16.5.1986 das Ringen um einen . . eher farblich bestimmten, vielleicht amerikanisiert russischen, empfindungsstarken Beethoven, der schon Chopin und Tschaikowsky vorausahnte, superamerikanisiert: Welt 18.1.1964 der superamerikanisierte Kaufmann mit den Alltagsmanieren eines Wallstreet-Managers. veramerikanisiert: 1930-31 Schweizer. Monatsh. X 274 unserer — veramerkanisierten — europäischen Kulturwelt; NZ. (Basel) 6.3.1950 Island mit seiner veramerikanisierten Hauptstadt Reykjavik. Amerikanisierung: Douai 1864 Union 92 die katholische Kirche . . sucht ihre [der Gläubigen] Amerikanisierung nach Kräften zu verhindern; ebd. Sie [die katholische Synode von 1856] erklärte sich dieses für die Fortdauer des Katholicismus im Lande so bedrohliche Ergebniß aus der allzuraschen Amerikanisirung der Irländer; 1866 Preuss. ]ahrb. XV11 609 Amerikanisierung der Deutschen; 1868 Magazin d. Ausld. XVIII 711 Die Naturalisation und Amerikanisierung von Einwanderern; Du Bois-Reymond 1877 Reden I 280 [man gewöhnte sich daran,] die gefürchtete Überwucherung und Durchdringung der europäischen Cultur mit Realismus und das reissend wachsende Übergewicht der Technik als Amerikanisierung zu bezeichnen; Polenz 1904 Land 159 Die Amerikanisierung ist den Yankees bisher glänzend an Teutonen, Kelten und Galliern geglückt; ebd. 402 Amerikanisierung der Kultur hieße Veräußerlichung, Mechanisierung, Entgeistigung; Dehn 1904 Neubildungen 248 Der bekannte englische Apostel des Weltfriedens [Stead] machte darin [in seiner Schrift „Die Amerikanisierung der Welt"] allerlei Angaben, um die Amerikanisierung Englands auf dem Gebiet der Religion, der Literatur und Presse, der Kunst, Wissenschaft und Musik, des Theaters, des ehelichen und gesellschaftlichen Lebens, des Sportwesens, der Eisenbahnen und Schiffahrt u.s.w. zu beweisen; Glasen 1913 Salutismus 73 Es handelt sich, .. um eine Amerikanisierung, Demokratisierung und Ri-
tualisierung: Tendenzen, welche zur selben Zeit dort in der katholischen Kirche auch hervortraten und von Leo XIII. als „Amerikanismus" .. verworfen wurden; Liebknecht 1914 Ges. Reden Vll 86 Besonders auf dem Gebiete der politischen und wirtschaftlichen Moral ist die Amerikanisierung, die Demoralisation Trumpf; Meisel 1917 Monogamie 59 mit der zunehmenden Schärfe der geschäftlichen Lebensformen auf allen Gebieten, mit der immer größeren Unsicherheit der Existenz .. mit dem Anwachsen des luftleeren Raumes zwischen dem Einzelmenschen und der Gesellschaft, kurzum — mit der Amerikanisierung des Lebens; Jäger 1925 Antike 5 dass wir nach einer kurzen Hochblüte und Renaissance [von Bildung und Bildungswesen] am Ende des 18. und am Beginn des 19.Jahrhunderts der Amerikanisierung mit Riesenschritten entgegengehn; Bonn 1927 Geld 160 Das amerikanische Erziehungssystem ist im Laufe der Jahrzehnte . . demokratisch geworden . . Es . . erzwang unter anderem auf diese Weise die äußere Amerikanisierung der Einwanderer in der zweiten Generation; Th. Mann 1928 Reden u. Aufs. (W. X 703) [das Buch L. Lewisohns „Der Fall Herbert Crump" kann dazu beitragen,] jene Europäisierung Amerikas zu erzielen, die das Gegenstück zu unserer vielberufenen Amerikanisierung bilden sollte; 1931 Handb. d. Amerikakunde 256 Teilzeitschulen .. die der „Amerikanisierung" der Neueingewanderten dienen; Sahm 1936 Vereinigte Staaten 41 die „Amerikanisierungsbewegung" . ., die es sich zur Aufgabe machte, für Denkungsart und Lebensweise der amerikanischen Bevölkerung bestimmte Normen aufzustellen, die man als typisch amerikanisch ansah; ebd. 109 Es hat sich besonders seit dem Kriege ein Begriff herausgebildet, . . nämlich der der „Amerikanisierung". Eine Zeitlang sprach jeder davon, es war das große Schlagwort nach dem Kriege. Die Schwierigkeit bestand nur darin, daß jeder etwas anderes darunter verstand. Der eine meinte damit nur einen Erziehungsvorgang, der andere wollte auch die blutmäßige Vermischung der Bevölkerung als Amerikanisierung aufgefaßt haben. Hayes meint, Amerikanisierung sei Anglozierung; Th. Mann 1945 Reden u. Aufs. (W. XII 140) das Eindringen neudeutschen Geistes, die Amerikanisierung des deutschen Lebensstils äußerte sich dort in einer gewissen plumpen Korruption, einem Schieber- und Unternehmertum von eigentümlich naiver Note; de Man 1951 Vermassung 201 daß auch in Amerika eine . . Elite den gleichen Verfallserscheinungen, die wir Amerikanisierung nennen, Widerstand bietet, und daß sie sie als Entamerikanisierung empfindet, als die Negation der Ideale ihrer Vorfahren; Carstensen/Galinsky 1963 Amerikanismen 31 Die „Amerikanisierung" des Deutschen ist wohl weiter fortge-
amerikanisieren schritten, als allgemein angenommen wird; F. C. Müller 1964 Wer steckt dahinter? 15 Das Schlagwort Amerikanismus . . wird . . auf alle Anzeichen und Bestrebungen einer Amerikanisierung des täglichen Lebens wie der Technik und Wirtschaft angewandt; Pieper 1970 Überlieferung 12 die Amerikanisierung des Alltagsdeutsch nach dem II. Weltkrieg ist im Grunde ein völlig analoger Vorgang; Galinsky 1979 Das amerikan. Englisch 71 Im Zusammenhang der kulturellen und technologischen „Amerikanisierung" Europas und der Welt wächst das Interesse des Forschers am sprachlichen Amerikanismus; Zeit 4.4.1986 ausführlich beschreibt der Katalog die Jugendfeindlichkeit der fünfziger Jahre, die Amerikanisierung der Jugend, den „Umbruch vom Sparkapitalismus zum Konsumkapitalismus" und am Beispiel der Teenager-Kultur den Wechsel „vom moralischen zum kommerziellen Code in der Jugendfrage"; 1986 Amerika u. d. Deutschen 666 Sowohl der Begriff 'Amerikanisierung', der um die Jahrhundertwende Verbreitung fand, als auch der Parallelbegriff 'Amerikanismus', der in den zwanziger Jahren in fast ideologischer Form propagiert wurde, enthielten viel Ambivalenz und tendierten eher zum Negativen; ebd. [in Steads Studie „Die Amerikanisierung der Welt .."] heißt es, daß Amerikanismus bzw. Amerikanisierung mit Modernisierung gleichgesetzt wurde; ebd. 667 Die Unterscheidung zwischen ökonomischer und kultureller Amerikanisierung ist grundlegend; ebd. 669 als offizielle Politik der Weimarer Republik galt, gingen der Kampf gegen Amerikanisierung und der Kampf gegen die neue Republik oft ineinander über. Angloamerikanisierung: Dehn 1904 Neubildungen 249 England wird . . von der Union . . überflutet, . . wenn es sich nicht entschließt, sich freiwillig zu amerikanisieren, d. h. Hand in Hand mit der Union zu gehen und mit ihr einen großen Bund der gesamten angelsächsischen Welt zu schließen, der dann mit überlegener Macht die Anglo-Amerikanisierung der übrigen Länder und Völker betreiben könnte; Lamprecht 1906 Americana 99 Dabei darf man sich die Anglo-Amerikanisierung dieses zentralen Drittels [Teil Nordamerikas mit New York als Zentrum] gegenüber seinem ursprünglich allgemeinerem Teutonismus — auch Skandinavier waren hier früh vertreten — als nicht zu rasch fortschreitend denken. Veramerikanisierung: 3915 — 16 Polit.-anthropolog. Monatsschr. XIV 530 [die] Veramerikanisierung der Bindestrich-Amerikaner. amerikanisieren b: 1903 Grenzboten HI 676 Ist erst unser Handel im guten Sinne „amerikanisiert",
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dann brauchen wir wirklich nicht zu verzagen; Hirsch 1926 "Wirtschaftswunder 243 in der Mechanisierung der Arbeit folgt der europäische Landwirt . . dem amerikanischen. Ob unsere Industrie sich „amerikanisieren" soll, ist ihren Sprechern ein theoretisches Problem. Amerikanisation: Bonnet 1926 Unternehmertum 125 den Geschäftsleuten zu sagen, daß man sie nicht in den Reihen der organisierten Industrie vermissen soll, wenn das Signal für den Amerikanismus ertönt. Im Jahre 1920 engagierte die Organisation den Exbürgermeister Öle Hanson von Seatle im Staate Washington für eine Redetour von drei Monaten, die dem Thema „Amerikanisation" gewidmet sein sollte. amerikanisiert: Kisch 1926 (Lit. Welt I 1) Opper . . ist der willige Geschäftsträger eines amerikanisierten Zeitungsbetriebs; ND 6.7.1949 [der Einfluß der USA, der] den amerikanischen Geldgebern einen gewinnbringenden Absatz der von einer amerikanisierten westdeutschen Industrie erzeugten Güter garantieren soll. Amerikanisierung: 3905 Preuss. Jahrb. CXX 338 Die Anlage von Kapitalien im Auslande durch die führenden Weltmächte, die politischen Rückwirkungen der Staatsbankrotte, der größerbritische Zollverband . . die Amerikanisierung der Erde; Kleinschmitt 1928 Werkstätten 23 In vielen deutschen Industrieunternehmungen stehen wir mitten in den Vorbereitungen der Umstellung auf moderne Produktionsmethoden, die meistens in der Richtung von Serienfabrikation und Typisierung der herzustellenden Produkte liegen. Die Öffentlichkeit gebraucht für diese Entwicklungsrichtung vielfach den Ausdruck „Amerikanisierung der deutschen Wirtschaft" . . „Für Erhaltung deutscher Qualitätsprodukte! Gegen die fortschreitende Entseelung der Fabrikarbeit!" so heisst der Kampfruf dieser Gruppen, mit dem sie gegen die Amerikanisierung zu Felde ziehen; 1932 Südamerika 47 die Nordamerikanisierung der südamerikanischen Rohstoffwirtschaft; 1970 Di. Volksztg. Nr. 44 zur wachsenden Amerikanisierung der Industrie ist in den letzten Jahren eine ganze Literatur entstanden; FAZ 2.2. 1972 eine fortschreitende „Amerikanisierung" der Zubehörindustrie; Norden 1973 Herrscher 221 seiner Kapitaloffensive und der damit einhergehenden Amerikanisierung der Wirtschaft anderer Länder; 3986 Amerika u. d. Deutschen 667 Obwohl die Amerikanisierung auf dem Gebiet wirtschaftlicher und industrieller Organisation wichtige.Innovationen gebracht hat, wird sie als ein Phänomen kultureller Entfremdung gewertet, das man vermeiden müsse.
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Amerikanismus M. (-; Amerikanismen), Mitte 18. Jh. vereinzelt, erst seit frühem 19. Jh. häufiger nachgewiesen, unter Einfluß von gleichbed. engl. americanism gebildete subst. Ableitung von amerikanisch Adj., das auf den 1507 von WaldseemüllerRingmann zu Ehren des italienischen Seefahrers Amerigo Vespucci vorgeschlagenen Eigennamen als geographische Bezeichnung für den Erdteil Amerika zurückgeht, anfangs auch in der Schreibung Americanism, —* amerikanisieren. la Zunächst vereinzelt in der Bed. 'typische Besonderheit des alten Amerika'. b Seit späterem 19. Jh., meist plur., in der selten belegten Bed. 'ein für Amerika, die USA typisches Merkmal, Charakteristikum, eine für Amerika, die USA typische Erscheinung'. 2 Seit früherem 19. Jh. (LADENDORF), meist ohne PL verwendet, in der Bed. Orientierung am Lebensstil, an der Lebensweise und Kultur der USA, Anpassung an die Verhältnisse der USA, Nachahmung der US-amerikanischen Lebensart', häufig schlagwortartig gebraucht, einerseits positiv wertend für 'Sympathie für die USA als Land der Demokratie, Toleranz, Selbstbestimmung, der freiheitlichen Lebensgestaltung, des Individualismus und als Land der unbegrenzten Möglichkeiten', andererseits auch, besonders vom früheren 19. bis etwa Mitte 20. Jh., vor allem aus europäischer Sicht, oft mit kritischer Abneigung gegen Bestrebungen gebraucht, die als typisch amerikanisch, aber als europafremd empfunden werden, im Sinne von 'als modernistisch geltende, oft übertriebene Orientierung an äußerem Besitz, Reichtum, praktischem Erfolg, an der Herrschaft der Technik, der Riesenbetriebe, an kritikloser Nachahmung des nordamerikanischen Lebensstils, wobei zuweilen geistige Werte vernachlässigt werden' (s. Belege 1869, 1870, 1889), von Vertretern des Nationalsozialismus (s. Belege 1931, 1943, 1944) und später aus kommunistischer Sicht in der politischen Propaganda verwendetes Kampf- und Schimpfwort, dann seit Mitte 20. Jh. seltener abwertend gebraucht in bezug auf die amerikanische Überzivilisation, auf Gigantismus, Massenmechanisierung des Lebens (s. Beleg 1961), aber auch mit positiver Wertung in bezug auf Demokratie, Freiheit, wirtschaftlichen Liberalismus, Dynamik der ständigen Veränderung, Technisierung, Beherrschung des Wirtschaftsmarktes durch Trusts (vgl. 4); Anfang 20. Jh. als Grundwort in den Zss. Kultur-, Neu-, US-Amerikanismus und in den subst. Kombinationen Anglo-, Antiamerikanismus. 3a Seit späterem 19. Jh., häufig im PL, in der Bed. 'für das amerikanische Englisch charakteristische Besonderheit', als zweites Glied in subst. Kombinationen wie Anglo-, Indoamerikanismus. b Dann auch für 'aus dem amerikanischen Englisch in eine andere Sprache entlehnte oder nach amerikanisch-englischem Muster in einer anderen Sprache gebildete sprachliche Eigentümlichkeit im lexikalischen oder syntaktischen Bereich (die in dieser anderen Sprache fremd wirkt)'; als Bestimmungswort in Zss. wie Amerikanismenaufnahme, -forschung. c Selten in der Bed. 'in die amerikanische Sprache aufgenommenes und ihr angeglichenes Fremdwort'. 4 Seit späterem 19. Jh., meist im Sing., in der Fachsprache der Wirtschaft für 'Vertrustung, Gigantismus'. 5 Ende 19. Jh. als meist sing, verwendete Bezeichnung für eine zu dieser Zeit in den USA entstandene modernistische, liberalistische Reformbewegung im amerikani-
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sehen Katholizismus, die eine Annäherung an die moderne Kultur und amerikanische Lebensweise suchte. Dazu seit spätem 19. Jh. die subst. Ableitung Amerikanist M. (-en; -en), zunächst in der Bed. 'Wissenschaftler auf dem Gebiet der Erforschung der Geschichte, Kultur und Sprachen des alten Amerika', gleichzeitig als Bestimmungswort in der Zs. Amerikanistenkongreß 'seit 1875 alle zwei Jahre stattfindender internationaler Kongreß der Amerikanisten' (zu la); im frühen 20. Jh. für 'Wissenschaftler bzw. Student, der sich besonders mit der Erforschung von Sprache und Literatur, auch mit Geschichte und Kultur der USA beschäftigt' (zu 3a und 3b); in neuerer Zeit vereinzelt auch in der Bed. 'Komponist, der sich bemüht, ähnlich wie Gershwin u. a. typisch amerikanische Musik zu komponieren' (zu Ib). Seit frühem 20. Jh. die subst. Ableitung Amerikanistik F. (-; ohne Pl.) in der Bed. 'Wissenschaft von der Sprache und und Literatur, auch von der Geschichte und Kultur der USA', als Grundwort in den Zss. Ibero-, Lateinamerikanistik 'Wissenschaft von den Sprachen, Literaturen, von Geschichte und Kultur der spanisch- oder portugiesischsprachigen Bevölkerung Amerikas' (zu 3a und 3b); seit Mitte 20. Jh., als Zweig der Völkerkunde für 'Wissenschaft von der Geschichte, Kultur, Urbevölkerung und von den Sprachen des alten Amerika, besonders der vorkolumbianischen Zeit' (zu l a). Seit früherem 20. Jh. die adj. Ableitung amerikanistisch (ohne Steigerung), zunächst in der Bed. 'sich amerikanisch gebend, in übertriebener Weise amerikanische Lebensart nachahmend' (zu 2); etwa gleichzeitig für 'die Amerikanistik betreffend', z. B. die amerikanistische Forschung, ein sprachliches Problem aus amerikanistischer Sicht darstellen (zu 3a und 3b); auch für 'typisch für Amerika, die USA' (zu la und Ib). Im frühen 20. Jh. die seltene neoklassische Kombination Amerikanologie F. (-; ohne Pl.) 'Wissenschaft von Geschichte, Kultur, Lebensweise und von den Sprachen des alten Amerika', weitgehend gleichbed. mit Amerikanistik (zu la). Amerikanismus la: Schönaich 1754 Ästhetik 207 Ist das nicht ein Nachen oder ein Kahn? Dieses aber ist gemein; jenes hingegen belehret uns, daß Rath Bodmer auf seinen epischen Reisen auch Amerika besegelt hat; denn die Kähne der Wilden pflegen einige so zu nennen. Die ganze Seite [der Dichtung von J. J. Bodmer] enthält eine Figur, die wir den Amerikanismus nennen; 1951 Archiv f. Kulturgescb. XXXIII 258 zu zeigen, welche Problemkreise sich öffnen, wenn so oft vom „Amerikanismus" die Rede ist. . Und trotzdem erhebt der Name „Amerikanismus" berechtigten Anspruch auf etwas Eigenständiges; ebd. XXXHI 261 Die einigende Konzeption des Amerikanismus iberischer Prägung hat in der neuen Geisteshaltung der Städte ihre stoßkräftigsten Verfechter gefunden. Amerikanist: Petri 1879 Handb. d. Fremdwörter 48 Americanist, ein Kenner der amerikanischen Sitten, Sprache und Altertümer der vorcolumbianischen Zeit; 1885 Meyer Konversationslex. l 484 Amerikanist, ein Gelehrter, der auf Amerika be-
zügliche Studien betreibt, insbesonders solche, welche sich auf die vorkolumbianischen Zustände des Erdteils und seine Entdekkung beziehen. Die Forschungen dieser Art haben in neuester Zeit eine Art Mittelpunkt erhalten durch den internationalen Amerikanistenkongreß, welcher 1875 unter Führung der Pariser Societe americaine de France in Nancy begründet wurde; Pierer 1888 Konversationslex. l 755 Zusammenkünfte von Forschern, die sich mit Entdeckung prähistorischer Zustände Amerikas befassen und die man Amerikanisten nennt; 1888 Z/Ethnologie XX 48 Amerikanisten, wer sich philologisch mit den altamerikanischen Sprachen gelehrt befaßt; 1930 Geogr. Z. XXXVI 557 Nach dem Vorbild der Vereinigungen der Amerikanisten ist in Paris eine Gesellschaft der Afrikanisten .. gegründet worden; Dtsch. AZ. 1.1.1935 nach . . dem Vortrag, den Jaime Cortesao auf dem Amerikanistenkongreß von 1926 . . gehalten hat; 2951 Archiv f. Kulturgesch. XXX1I1 255 nennen wir hier nur den [Aufsatz] von Wahrhold Drascher (Deutsche Amerikanisten) . ., der
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uns einen wertvollen Abriß gibt der Lebenswege von Hermann Wätjen .. , Karl Sager . ., Georg Friderici. . und Kurt Bauer . ., der sich um die Kenntnis der chilenischen Geschichte und der deutschen Einwanderung in Chile sehr verdient gemacht hat; ebd. 1 257 Amerikanismus — Indianismus — Iberismus. Auf dem 29. Amerikanistenkongreß (September 1949 in New York) konnten beachtliche Beweise dafür vorgelegt werden; 1971 Spiegel XX 159 „Einen echten Hit, ein Wunder" nennt denn auch der Amerikanist und Maya-Spezialist Dr. Michael D. Coe . . das durchaus lesbare New Yorker Ausstellungsstück. Amerikanistik: Termer 1953 Die Hochkultur der Maya und ihre Erforschung durch die moderne Amerikanistik (Titel); 1955 Archiv f. Kulturgesch. XXXVH 374 Bei der starken Spezialisierung der modernen Amerikanistik (man denke z. B. an die „Mexikanistik" und „Mayistik"), die es dem Einzelnen unmöglich macht, das ganze weite Gebiet der amerikanischen Völker- und Kulturkunde zu beherrschen, wird man es verstehen, daß auch bei Disselhoff gewisse Lieblingsgebiete . . stärker hervortreten als andere; ebd. XXXVIH 376 So bedeutsam auch die Fortschritte der Amerikanistik in den letzten Jahrzehnten gewesen sind, so wird doch . . vieles aus der rätselvollen Vergangenheit des indianischen Kontinents unserer Erkenntnis für immer verborgen bleiben; 196# Brockhaus l 67 Amerikanistik . . Erforschung der Eingeborenen Amerikas und ihrer Geschichte in vorspanischer Zeit. amerikanistisch: 1955 Archiv f. Kulturgesch. XXXVII 374 Sein [Disselhoffs] Werk [„Geschichte der altamerikanischen Kulturen"], das sich noch mehr als an den amerikanistischen Fachmann an die interessierten Laien wendet, ist die Krönung seiner bisherigen, erfolgreichen Feldarbeiten in Mexiko, Ecuador und Peru, wo er 1953 zunächst als Chefarchäologe einer . . Expedition, dann aber selbständig . . Ausgrabungen machte. Amerikanologie: 1919 Zwiebelturm 44 Amerikanologie. Amerikanismus Ib: 1860 Unterhaltungsbl. d. Münch. Ztg. l 320 Die „Critic" bezeichnet dergleichen unkünstlerische Juxtapositionen [den Bau des Zentralbahnhofs neben den Kölner Dom] als „Amerikanismen" — als ob solche Contraste des Heiligen und des Profanen nicht auch in Alt-England und selbst in Westminster vorkämen; 1952 Saeculum III 343 „Amerikanismus" bezeichnet die für den Amerikaner typische Lebensform und Lebensauffassung; Süddtsch. Ztg. 27.5.1955 Ar-
nulf Schröder, der es [das Familienstück] inszenierte, hat der Versuchung widerstanden, das Schwankhafte herauszukitzeln und „gute alte Zeit" etwa durch Amerikanismen zu beizen; Offenburger Tagebl. 24.2,1961 Daß Amerika daneben aber an spezifischen Problemen leidet, an Amerikanismen [z. B. Überzivilisierung und Größe], die in dieser Kombination und diesem Ausmaß eben bisher nur in den USA anzutreffen sind, wird dabei oftmals übersehen. Amerikanist: Süddtsch. Ztg. 13.12.1963 Aaron Copland [,der] in seinem eigenen Land als „Amerikanist" gilt, d. h. als (neben George Gershwin) führender Repräsentant einer Komponistengruppe, welche sich bemüht, „typisch amerikanische" Musik zu schreiben. amerikanistisch: Süddtsch. Ztg. 13.12.1963 Aaron Copland — nicht „amerikanistisch". Aaron Copland . . scheint . . sich aber auch der europäischen Musik überhaupt verbunden zu fühlen .. vielleicht zum Erstaunen derjenigen Hörer, die wußten, daß Copland in seinem eigenen Land als „Amerikanist" gilt. Amerikanismus 2: Oppenheim 1866 Verm. Sehr. 148 Anglomanie und Amerikanismus, Ur-Germanentum, Gallophobie und Russenfurcht, Alles ward abwechselnd zum Schiboleth dieser inhaltsbedürftigen, und ach! so inhaltsarmen Gemüther; Blankenburg 1869 Kämpfe d. nordamerikan. Nation 41 Wie überhaupt die Nation dem plötzlich enorm steigenden materiellen Wohlstande nicht gewachsen zu sein schien, so begann namentlich in den großen Städten „Amerikanismus" der Inbegriff von Materialismus und lächerlichen Überschwenglichkeiten zu werden. In Ermangelung von Adel, Titeln und ändern Kriterien fester gesellschaftlicher Positionen suchte man durch ostensible Schaustellung des Reichtums zu imponieren (LADENDORF); Gutzkow 1870 Lebensbilder II 104 Er [Beneke] ging mit Locke, Hume, Jeremy Bentham. Letzterer vertrat die Anwendung der Philosophie auf praktische Fragen der Neuzeit. Einem Mann wie Gans [1798-1839] fehlte es für diese Richtung nicht an dem ablehnenden Schlagwort: „Amerikanismus" (LADENDORF); Hiltebrand 1873 Frankreich 291 Die wahre Gefahr Deutschlands ist der Amerikanismus; Hornberger 1878 Essays 106 Pflegen wir nicht die moderne Barbarei mit ihrer Erfindung scharfsinniger Maschinen und plumper Ideen, äußerer Verfeinerung und innerer Stumpfheit einfach „Amerikanismus" zu nennen?; ebd. Ein Dichter wie Howells beweist, daß es in Amerika noch etwas anderes giebt als „Amerikanismus", beweist es vielleicht besser als die That-
Amerikanismus sache, daß in Amerika Jahr aus Jahr ein unzählige Ausgaben von Shakespeare, . . veröffentlicht werden. Der Amerikanismus vertrüge sich am Ende ganz wohl mit dem Byzantinismus; Conrad 1889 Isar l 120 Der ideallose amerikanische Mensch . . wird auch im alten Europa der Mensch der Zukunft sein; heute kann man schon in gewissem Sinne den Juden als Vertreter des Amerikanismus bei uns bezeichnen. Verjudung heißt eigentlich Amerikanisierung (LADENDORF); Hofmannsthal 1891 Tagebuch e. Willenskranken (Prosa I 24) In der Demokratie mußte ihn [Amiel] das abstoßen, was er „Amerikanismus" nennt, worunter er mit nervöser Frauenlogik alles ihn Irritierende, Egalitarismus, Maschinenlärm, Parvenütum und Egoismus begreift; Ratzel 1893 Polit. u. WirtschaftsGeogr. 603 Ein Beispiel der groben Entstellung geschichtlicher Thatsachen . . Jenes gilt besonders von dem auf die Spitze getriebenen Amerikanismus, den in den letzten Jahren Blaine und McKinley vertraten; Vierkandt 1896 Naturvölker 463 wirtschaftlichen Spiritualismus, den man gewöhnlich als Mammonismus oder Amerikanismus zu bezeichnen pflegt; Polenz 1903 Land 269 Jung Amerika zeigt bereits die Wachheit des Yankees, das schnelle Zufassen und Ganz-bei-der-Sachesein, das für viele Erfolge des Amerikanismus eine Erklärung gibt; Liman 1904 Kaiser 228 Denn der moderne Amerikanismus vertieft sich weder in Kunst und Wissenschaft, noch treibt er sie um iherer selbst willen, sondern er huldigt ihnen als einem Sport oder als einem geschickten Mittel zum Zweck; Lamprecht 1906 Americana 123 es wäre eine der reizvollsten Aufgaben amerikanischer Geschichtsforschung, gerade hier, wo das Neue einer wirklich eigenen amerikanischen Kultur . . schöpferisch zutage tritt, die eingehendsten Untersuchungen über den zunehmenden Amerikanismus anzustellen; 1911 Grenzboten H 109 und so [wurde] — das erste Zeichen des heutigen Amerikanismus — das wirtschaftlich Notwendige zur Norm des Schönen erhoben; Sueß 1916 Erinn. 147 1862-Junil866. Bei meinem Eintritte in die Lehrtätigkeit gefiel man sich darin, jede Berührung mit dem Leben als Banausentum oder Amerikanismus verächtlich zurückzuweisen; 1918 Türmer XX 389 Wörter . . die neuerlich alle aus der Münze der Intellektuellen stammen, Amerikanismus . . stammt . . aus dem neuen Deutschland. Aus dem Mittelpunkt Berlin; doch auch das vordem engländernde Hamburg trägt starke Züge dieses ungermanischen Amerikanismus; Keyserling 1919 Reisetagebuch II 811 das Furchtbare am Amerikanismus ist, daß er den Menschen arm macht. Wie er alle Werte auf den einen der Quantität reduziert, so reduziert er die ganze Psyche auf einen Apparat zum Geldverdienst; T/?. Mann 1921 Reden u. Aufs. (W. IX 65)
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[in Goethes „Wilhelm Meister" ist] die ganze gesellschaftlich- ökonomische Entwicklung des neunzehnten Jahrhunderts: die Industrialisierung der alten Kultur- und Agrarländer, die Herrschaft der Maschine, der Aufstieg der organisierten Arbeiterschaft, die Klassenkonflikte, die Demokratie, der Sozialismus, der Amerikanismus selbst, nebst sämtlichen aus diesen Veränderungen erwachsenden geistigen und erzieherischen Konsequenzen vorweggenommen; Kircher 1926 Engländer 312 Das Geld war Mr. Aitkens Sprungbrett in die Politik und . . in den Journalismus . . obwohl seine Legitimation keine andere ist als guter Verstand und „success" in Kanada! Das ist Amerikanismus. Der Geist des gebildeten England rebelliert gegen solches Abenteurertum; Ziegler 1926 Amerikanismus (Welttvirtsch. Archiv XXIII 1,89) Diese Tiefe der Menschheit mit dem anscheinend so oberflächlichen Tatbestand des Massismus in einem ungeahnten Zusammenhang zu gewahren, wäre dann die grundsätzliche Leistung des Amerikanismus, gleichsam seine werbende Idee, mit welcher er in den Kreis der älteren Weltvölker ebenbürtig eintritt; Halfeid 1927 Amerika u. d. Amerikanismus 116 Amerikanismus stellt ja schließlich . . den neuen Typus einer Gesellschaft dar, die mit Europa nur die Wurzel gemein hat, im übrigen aber unsere gesamte bisherige Überlieferung . . auf den Kopf stellt; 1929 Dtsch. Rundsch. LV 67 das Streben nach einem Lebensausdruck, der in Amerika zu Hause ist, nach einem höheren Amerikanismus, dem amerikanischen Geist in der Literatur, ein Streben nach dem geistigen Amerikanertum, recht eigentlich das Problem der amerikanischen Literatur; Friedell 1931 Kulturgesch. HI 577 Es gibt keine Realitäten mehr, sondern nur noch Apparate: eine Welt von Automaten, . . Es gibt auch keine Ware mehr, sondern nur noch Reklame, . . Man bezeichnet all dies als Amerikanismus. Man könnnte es ebensogut Bolschewismus nennen . . In Rußland und in Amerika herrscht dieselbe Anbetung der Technik; 1931 Handb. d. Amerikakunde Vorw. VIII die Richtung auf das Herausarbeiten der Besonderheit der amerikanischen Volksart als lebendiger Grundkraft und gestaltender Lebensmacht der amerikanischen Kultur. Bei solcher Art der Betrachtung kann in dieser „Amerikakunde" auf den so gefährlichen wie irreführenden Gebrauch von Schlagwörtern wie Amerikanismus und Amerikanisierung verzichtet werden; Laum 1933 Geschlossene Wirtschaft 481 Gibt es eine Dichtung, die die geistige und materielle Not, in die „Rationalismus", „Amerikanismus", „Neue Sachlichkeit" die Menschen gebracht hat, ergreifender schildert als der Roman des jungen Ungarn Bela Balazs, Unmögliche Menschen; Nikolai 1934 Probleme der Zeit. Bolschewismus, Faschismus, Neuamerikanis-
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mus (Titel); Heusler 1935 Br. a. Thalbitzer 165 Denn von ihm [von diesem zweiten Bahnhof] müßt ihr ohnedies aufbrechen nach Hispanien. Vivant congressus! vivat Americanismus! vivat aeternus Americanista!; 1943 ZfGeopol. XVIII 246 Der Gedanke, den ganzen Amerikanismus als eine riesige Krankheit des abendländischen Geistes anzusehen, mag .. grotesk anmuten; V. B. 25.5.1944 die Weltherrschaftspläne des Sowjetbolschewismus und des US-Amerikanismus; Th. Mann 1948 Reden u. Aufs. (W. IX 740) das Romantische und das Klassische, Gotik und Palladio, Kerndeutschtum und vornehme Ablehnung des Patriotisch-Popularischen, Heidentum und Christentum, das Protestantische und das Katholische, Ancien regime und Amerikanismus, — man findet es alles bei ihm [Goethe]; Süddtsch. Ztg. 28. 9.1953 „Fancy Free", das Ballett von Jerome Robbins mit der Musik von Leonard Bernstein stellt den Amerikanismus so dar, wie man sich ihn hier vorstellt: Drei Matrosen trinken, lieben, raufen, tanzen. Sie leben ein fröhliches Jazz-Dasein; Offenburger Tagebl. 18.8.1959 Unter „Amerikanismus" möchten wir dabei die Begleiterscheinungen einer bestimmten Stufe der industriellen Entwicklung verstehen, in der die Produktion entbehrlicher Güter weniger Mühe macht als die Bewältigung der Probleme, die ihr Überschuß beschert; ebd. 3.6.1961 Zwanzig Kilometer vor Washington wächst in diesen Wochen ein neues Monument des Amerikanismus aus den grünen Wiesen von Maryland: Eine massenproduzierte Stadt. Dieses neue „Levittown"; Schwarz 1967 Wortgeschichte 131 In Zusammenhang mit den Ereignissen von 1848 steht das Anschwellen der Auswanderung, besonders nach den USA und damit das Schlagwort europamüde, Amerikanismus; 1986 Amerika u. d. Deutschen 662 Der durch Hollywoods Hegemoniestreben systematisch vorangetriebene Machtkampf um das Monopol der Massenkultur in Deutschland rief bereits ab Mitte der zwanziger Jahre bei den deutschen Intellektuellen zunehmend Kritik am scheinbar unaufhaltsamen 'Kultur-Amerikanismus' hervor; Frankf. Rundsch. 23.1.1988 Das in seiner Mehrheit konservative Bildungsbürgertum teilte das Vorurteil rechter Intellektueller . ., der egalitäre Freiheitsbegriff der westlichen Demokratie sei . . eine Mixtur von Bolschewismus und Amerikanismus. Angloamerikanismus: 1943 Wissen u. Wehr 323 Schon aus dieser kurzen Charakterisierung des Davis-Buches, eines hohen Liedes vom Anglo-Amerikanismus, geht . . die . . Vorstellung hervor, daß das gesamte Verkehrsgebiet des Atlantik fortab unter so fest verschweißte amerikanisch-englische .. Kontrolle kommen müsse.
Antiamerikanismus: Süddtsch. Ztg. 2. 7.1949 Ein sich verstärkender Anti-Amerikanismus ist in England nämlich nicht zu verkennen; ebd. 4.1.1954 Man sei dort [in Washington] im Hinblick auf die Länder südlich des Rio Grande geneigt, Nationalismus und Anti-Amerikanismus mit Kommunismus gleichzusetzen; Stuttgarter Ztg. 14.1.1961 US-Botschafter warnt vor Antiamerikanismus . . Botschafter Whitney sagte weiter, er sei davon überzeugt, daß der Antiamerikanismus ebenso wie seine häßliche Schwester, die Anglophobie, nicht aus dem Herzen komme; FAZ 16.2.1963 Gefährlicher als diese Zuneigungen [bei uns zu Frankreich oder zu England] aber ist der alteingesessene Antiamerikanismus, der . . auch wieder auftaucht, denn er bietet sich als verbindendes europäisches Element an; Welt 24.8.1974 die Woge des Antiamerikanismus in Athen und Nikosia; MM 15.5.1985 schwer getroffen vom „primitiven Antiamerikanismus", rückte Brandt seine Beiträge fürs deutsch-amerikanische Verhältnis . . ins rechte Licht; Zeit 24.5.1985 die Fronten lassen sich (. . wenn vom Gegner die Rede ist) auch weniger freundlich beschreiben, etwa so: mangelnde Friedensfähigkeit, Kalte Krieger, Raketenpartei. . oder Neutralismus .. Verharmlosung der Sowjetunion, neuerdings Antiamerikanismus oder .. Kriminalisierung der USA; MM 11.4.1986 Reagens Außenpolitik attackierte er scharf, betonte zugleich ausdrücklich, man dürfe deshalb dennoch nicht in Antiamerikanismus verfallen; 1986 Amerika u. d. Deutschen 668 Klaus Schwabe hat gezeigt, wie der Antiamerikanismus der Kriegsjahre von der politischen Rechten in Deutschland lebendig erhalten wurde, besonders in der Zeit nach dem Ende der Inflation 1923; ebd. 669 Adolf Halfeld, . . dessen Buch „Amerika und der Amerikanismus" (1927) für den Antiamerikanismus eines großen Teiles der kulturellen Elite zur Bibel wurde; Süddtsch. Ztg. 28.6.1993 Die APO komplementierte Adenauers Westpolitik auf den Ebenen der politischen wie der privaten Kultur. Anti-Amerikanismus wittern dahinter bis heute nur reaktionäre Deppen. amerikanistisch: Günther 1934 Verstädterung 37 ein Übel bleibt Massengeist für alle abendländischen Völker . . für jeden, der den Massengeist in seiner „amerikanistischen" Ausprägung verfolgt. Amerikanismus 3a: 1861 Archiv f. d. Studium d. neueren Sprachen XXIX 63 Americanismen. Die gegenwärtig . . erscheinende New American Cyclopaedia .. enthält in dem Artikel Americanismen Manches, was den Lesern dieser Zeitschrift nicht uninteressant sein dürfte, . . Die Americanismen werden nun in verschiedene Klassen eingetheilt, nämlich 1) Ganz neue Wörter, z. B. sparse, town-
Amerikanismus ship, caucus; ebd. XX1X 66 Schliesslich sei noch erwähnt, dass in America zwei Sammlungen von Americanismen erschienen sind, die eine von John Pickering in Boston 1816, die andere von John Russell Bartlet in New York 1848; Rüssel 1864 Tagebuch (Übers.) 159 Sie [die Frau Lincolns] ist sehr verschwenderisch in der Anwendung des Wortes „Sir", welches jetzt ein auf eine gewisse Klasse beschränkter Amerikanismus ist, obgleich es früher ebenso häufig in England angewendet wurde; 1882 Brockhaus l 551 Amerikanismen nennt man die Eigentümlichkeiten, welche die englische Sprache in Amerika angenommen, und die Modifikationen, welche sie dort erfahren hat; 1931 Handb. d. Amerikakunde 156 f. So finden wir also seit Gründung der Republik auf sprachlichem Gebiet eine ähnliche Doppelheit der Einstellung England gegenüber wie auf allen anderen kulturellen Gebieten. Die einen, konservativ, englandfreundlich und traditionsliebend, suchen .. die möglichste Identität des amerikanischen und des britischen Englisch zu bewahren und betrachten jeden „Amerikanismus" (der Ausdruck wird seit 1784 auf sprachliche Besonderheiten angewandt) mit Mißtrauen . . Die anderen . . betonen . . die abweichenden Tendenzen in Aussprache, Wortwahl und Syntax . . Auf dem Boden nationaler Voreingenommenheit . . hat sich das entwickelt, was man als den Streit um die Amerikanismen bezeichnen kann; Paulovsky 1943 Das Eindringen und die Aufnahme von Amerikanismen in das britische Alltagsenglisch der Gegenwart (Titel); F. C. Müller 1964 Wer steckt dahinter? 15 Als Amerikanismen bezeichnet man auch die immer zahlreicher werdenden Eigentümlichkeiten des in Nordamerika gesprochenen Englisch; Galinsky 1975 Amerikan. u. brit. Englisch 47 Die lexikalen und syntaktischen Amerikanismen; ders. 1979 Das amerikan. Englisch 284 [die] Schwierigkeit, von Frühsiedlern mitgebrachte Indo-Amerikanismen europäischer Sprachen von den erst während der Besiedlung entstandenen zu sondern; Wächtler 1980 Was ist ein Amerikanismus — heute? (Arbeiten a. Anglistik u. Amerikanistik V 154,) Es hat wenig Sinn, Wörter wie O. K., jogging, baby sitter, motel und fan zu 'Amerikanismen' zu machen; ebd. V 156 Ein lexikalischer Amerikanismus ist eine Wortform bzw. Wortbedeutung, die . . nur oder vorwiegend oder als normbedingt bevorzugte (häufige) Zweitmöglichkeit im (nord-)amerikanischen Umlaufraum des Englischen gebraucht wird; Strauß/Haß/Harras 1989 Brisante Wörter 200 einige isolierte individuative Ismen, die zum Bereich Sprach- und Literaturwissenschaft gehören, . . Ismen, mit denen sprachliche Ausdrucksformen und Verfahrensweisen, insbesondere stilistische Eigentümlichkeiten bezeichnet werden: Anglizismus, Amerikanismus.
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Angloamerikanismus: Lehnen 1986 Der angloamerikan. Einfluß 77f. Die angloamerikanischen Fachtermini sind zum Teil auf noch merkwürdigere Weise entstanden und in die internationale Fachsprache gelangt als die umgangssprachlichen Angloamerikanismen; Sanders 1992 Sprach kritikastereien 75 Andere Zeiten, andere -ismen: die Angloamerikanismen stehen derzeit im nichts weniger als polemischen Kreuzfeuer moderner sprachpuristischer Kritik. Amerikanist: Friederici 1926 Hilfsivörterbuch für den Amerikanisten (Titel); 1951 Neuphilolog. Z IV 233 von den genannten Universitäten trat eigentlich nur der Anglist und Amerikanist Professor Walther Fischer aus Marburg als aktiver Teilnehmer in Erscheinung; ebd. VI 417 Als Ergebnis der Münchner Amerikanisten-Tagung wurden den Kultusministerien der westdeutschen Länder . . Wünsche und Anregungen zugeleitet; Galinsky 1975 Amerikan. u. brit. Englisch 47 Allen Walker Read, einer der Amerikanisten der New Yorker Columbia University; Süddtsch. Ztg. 9./10.10. 1993 Als sie [Eva Hesse] . . mit dem FriedrichMärker-Preis für Essayistik ausgezeichnet wurde, beklagte der Münchner Amerikanist Klaus Poenicke in seiner Laudatio, daß Eva Hesses .. Leistung immer noch nicht ganz die ihr eigentlich zukommende Würdigung gefunden habe. Amerikanistik: Schönemann 1921 Amerikakunde 7 Das führt zu der dringenden zeitgemäßen Forderung einer wissenschaftlichen Amerikakunde oder Amerikanistik, die eine Art angewandte Geschichte zu sein hat. Allein das gundliche Studium des geschichtlichen Werdens der Vereinigten Staaten wird Amerikas Geist, seine Kultur, seine Wirtschaft und Politik klarstellen; ebd. 10 Schließlich wurde ich allen Ernstes gefragt, ob es denn eine amerikanische Philologie gebe, denn wenn Amerikanistik nicht Philologie ist, hat sie natürlich keinen Sinn; Müller 1933 Hamburger Beiträge zur Amerikanistik (Titel); 1951 Neupilolog. Z. VI 412 Die Amerikanistik im gegenwärtigen Universitätslehrplan; ebd. eine doppelte Zielsetzung der zur Zeit herrschenden Theorie und Praxis der deutschen Amerikanistik. Einmal wird nachdrücklich das Studium der amerikanischen Sprache und Literatur betont.. Zum ändern aber bedeutet „Amerikanistik" auch amerikanische Kultur im weitesten Sinne; ND 26.3.1964 zum 400. Geburtstag William Shakespeares bringt die . . Zeitschrift für Anglistik und Amerikanistik zwei Jubiläumsausgaben heraus; Galinsky 1979 Das amerikan. Englisch 47 [Wylds Publikation] A Short History of English, deren dritte „durchgesehene und erweiterte" Auflage im Jahr 1927 erschien, schlägt einen Bogen
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Amerikanismus
nach rückwärts, von der Grundlegung«- zur Vorbereitungsphase der sprachwissenschaftlichen Amerikanistik; ebd. 83 [H. L. Menckens 1919 erschienenes Buch „The American Language" steht am Anfang] der beginnenden sprachwissenschaftlichen Amerikanistik; Viereck (1982 Zf. Dialektologie u. Ling. XL1X 354) in der 1945 beginnenden Ausbauphase der sprachwissenschaftlichen Amerikanistik sind die komplizierten Probleme, die mit der Verpflanzung der englischen Sprache auf den nordamerikanischen Kontinent im 17. Jh. . . zusammenhängen, jedoch bis jetzt nicht zufriedenstellend beantwortet worden; ebd. 359 Obwohl H. Galinsky . . die Sprache des Afro-Amerikaners — vielleicht etwas überraschend — als das zweite Hauptthema der Grundlegungsphase der sprachwissenschaftlichen Amerikanistik ausmacht; Zeit 17.5. 1985 Studenten, die sich . . auch auf die nur noch dem Namen nach „kleinen Fächer" der Ethnologie, Orientalistik oder Lateinamerikanistik [orientieren]; ebd. 20.9.1985 am Institut für Anglistik und Amerikanistik Erlangen-Nürnberg . . ist . . 1986 die Stelle eines/einer Professors/Professorin . . für Amerikanistik . . zu besetzen (Anzeige). Iberoamerikanistik: 1955 Arch if f. Kulturgesch. XXXVII 370 eine gute Tradition zu zwei Hauptzentren der deutschen Hispanistik und Ibero-Amerikanistik. amerikanistisch: Friederici 1947 Amerikanistisches Wörterbuch (Titel); 1951 Neuphilolog. Z. IV 414 [die] Vorlesungsverzeichnisse weisen fast durchweg ein bemerkenswertes Angebot an amerikanistischen Programmen auf; Galinsky 1979 Das amerikan. Englisch 296 [Einwirkungen des amerikanischen Englisch auf die Sprachen der afrikanischen Sklaven] haben wohl. . erst nach 1945 in der speziell amerikanistischen Interferenzforschung Widerhall gefunden. Amerikanismus 3b: Bucher 1882 Kl. Sehr. 232 Das Verdienst, den Caucus, mit dem auch der Amerikanismus „Planke der Plattform" anstatt Artikel des Programms seinen Einzug in die englische Publizistik gehalten hat, und eine Menge anderer liberaler und radikaler Lokalvereine unter einen Hut gebracht, zu der „großen liberalen Partei" vereinigt zu haben, gebührt Herrn Chamberlain; Paulovsky 1943 Das Eindringen und die Aufnahme von Amerikanismen in das britische Alltagsenglisch der Gegenwart (Titel); Donau-Ztg. 28. 6.1944 Die spanische Sprache blieb, mit Ausnahme einzelner, den Eigenarten der neuen Welt entsprossener „Amerikanismen" über mehr als 4 Jahrhunderte hinweg in völliger Reinheit erhalten; Süddtsch. Ztg. 2.4.1962 Deutsche lieben Amerikanismen . . [die deutschen Gesprächspartner konnten] von „O. K."
bis „Sex", eine lange Liste an Amerikanismen aufzählen, die in der Bundesrepublik zum täglichen Sprachgebrauch gehören. Der Münchner Publizist Walter von La Röche nannte die Vorliebe der Deutschen für Amerikanismen einen „Snobeffekt", der mit Vorliebe im Geschäftsleben und in der Werbung angewandt werde; Carstenseni'Galinsky 1963 Amerikanismen der deutschen Gegenwartssprache. — Entlehnungsvorgänge (Titel); ebd. 14 Eine systematische Untersuchung ergab, daß die deutsche Presse [nach 1945] etwa durchschnittlich einen Amerikanismus oder Anglizismus pro Seite verwendet; Fink 1968 Amerikanismen im Wortschatz der deutschen Tagespresse (Titel); Engels/ Wehr 1975 Der Gebrauchsanstieg der lexikalischen und semantischen Amerikanismen in zwei Jahrgängen der Welt (Titel); Steenbeck 1977 Impulse 332 Es gab hier überhaupt viele Anglismen oder richtiger Amerikanismen in der deutschen Umgangssprache; Galinsky 1979 Das amerikan. Englisch 296 Amerikanismen, die durch freigelassene und vor allem nach Liberia . . rückgewanderte Abkömmlinge in Amerika geborener Sklaven und Nachkommen dieser Abkömmlinge in westafrikanische Sprachen eingegangen sind; Viereck 1980 Studien z. Einfluß d. engl. Sprache 26 In der zitierten Dissertation definiert Barbara Engels-Wehr sieben Typen von Amerikanismen. Angloamerikanismus: Stepanova/Cernyseva 1975 Lexikologie (Übers.) 53 Obgleich nicht immer festzustellen ist, welche Entlehnungen aus dem amerikanischen und welche aus dem britischen Englisch kommen, ob es also Amerikanismen oder Anglizismen sind (weswegen auch in der Fachliteratur solche Entlehnungen vielfach Anglo-Amerikanismen genannt werden), handelt es sich aber nach 1945 vorwiegend um Amerikanismen, denn Großbritannien wurde als Weltmacht in wirtswchaflticher Hinsicht in der Nachkriegsentwicklung von den USA überflügelt; Lehnen 1986 Der angloamerikan. Einfluß 19 die Art der Übernahme von Angloamerikanismen in den Allgemeingebrauch [ist] von ihrer äußeren Form abhängig; ebd. 12 Der aussichtslose Kampf Etiembles . . und seiner französischen Zeitgenossen gegen die Angloamerikanismen erinnert an Dr. Samuel Johnsons . . Abneigung gegen die Gallizismen; ebd. 24 Allgemein bekannt sind auch die Angloamerikanismen (das) Doping mit dem Verb dopen; Viereck 1980 Studien z. Einfluß d. engl. Sprache 258 Aspekte der Wortbildung des Anglo-Amerikanismus im lexikalischen System des Deutschen. Amerikanismus 3c: 1882 Brockhaus l 551 Amerikanismen nennt man . . auch vereinzelte amerikanisierte deutsche Wörter, wie lagerbeer (Lagerbier), steal (Stiel), standpoint (Standpunkt) u. s.w.; 1931
Amnestie Handb. d. Amerikakunde 170 Das Französische .. lieferte unter anderem geographische Bezeichnungen wie cooly . . und prairie (seit 1773 belegt, von Southey 1815 als Amerikanismus zugunsten des älteren savanna . . verpönt); ebd. 171 Die Holländer konnten infolge ihrer intensiven Siedlungstätigkeit im 17. Jh. einen ziemlich nachhaltigen Eindruck im frühen amerikanischen Wortschatz hinterlassen, zum Beispiel boss, der häufige Amerikanismus für 'Herr, Meister' . . Recht geringfügig sind die Entlehnungen aus dem Deutschen . . Amerikanismus ist wohl hinterland (Lehnübersetzung auch back-country) . . Echte Amerikanismen auf dem Gebiete des Erziehungswesens sind Kindergarten (auch kindergarden) und Seminar 'Seminarübung an der Universität'. Amerikanismus 4: Dühring 1871 Nationalökonomie 377 daß der Amerikanische Nationalökonom [Carey] . . ein eignes positives, keineswegs specifisch Amerikanisches sondern überhaupt nur wahreres System der politischen Oekonomie aufgestellt hat. Erst weit später hat er dem Amerikanismus in seiner ausgeprägten Gestalt mehr Rechnung getragen; 1910 Technik u. Wirtsch. 405 Der „Amerikanismus" hat sich zu einer Gefahr für unsere Kultur ausgewachsen, die schwerer wiegt als die Bedrohung unserer wirtschaftlichen Stellung auf dem Weltmarkte durch das Anschwellen der amerikanischen Gütererzeugung, als selbst die nicht zu unterschätzende Gefahr der Abhängigkeit unseres Rohstoffbezuges von amerikanischer Wirtschaft und — was schlimmer ist — amerikanischer Wirtschaftswillkür; Goldschmidt 1918 (Weltbühne 612) Schon die riesenhafte Ausbreitungssucht W. Wertheims war kennzeichnend für den „Amerikanismus" Neu-Berlins; Troeltsch 1922 Geist 40 In dieser Lage erwuchs auch bei uns jene harte Verstandesmäßigkeit und kühle Rechenhaftigkeit des reinen Geschäfts-, Fach- und Berufsmenschen, jener finanzielle und industrielle Machtsinn und erbarmungslose Wettkampf, den wir Amerikanismus nennen; ebd. 184 Es ist lediglich ein Wahn, zu glauben, daß es möglich sei, die ganze technisch-kapitalistische Unterlage, das, was man heute bei uns gerne und sehr einseitig „Amerikanismus" nennt, einfach zu beseitigen oder zu ignorieren; Bonnet 1926 Unternehmertum 125 Im Sommer 1918 wurde der Feldzug [„Industrieerhaltungsfeldzug") aufgehoben, aber die Organisation hat nicht aufgehört, den Ge-
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schäftsleuten zu sagen, daß man sie nicht in den Reihen der organisierten Industrie vermissen soll, wenn das Signal für den Amerikanismus ertönt; Voss. Ztg. 20.10.1926 Abkehr vom Amerikanismus . . die Resolution gegen die für die kulturelle Fortentwicklung der Filmkunst gefährliche Vertrustung; lies also: Amerika; 1939 ZfGeopol. XU 858 Es begann sich ein kapitalistisches Unternehmertum spezifisch spekulativer Prägung auszubilden . . Die Erscheinungen des sog. „Amerikanismus"; Offenburger Tagebl. 7.5.1969 Ein Amerikaner, Professor Dr. Walter Adams von der Michigan State University warnte die Europäer vor zuviel Amerikanismus: „Wenn wir die Ausdehnung des Gigantismus in unserer Wirtschaft dulden, wie lange wird es dann noch dauern, bis die moderne Industriegesellschaft die Regierung selbst kontrolliert?". Amerikanismus 5: 1892 (Baumgarten 1928 Wanderfahrten 133) Was Ireland in seinem Kampfe gegen die deutschen Pfarrschulen erstrebte, war eine Art Americanismus; ebd. Erzbischof Ireland ist auf dem Wege nach Rom. Ich fürchte, derselbe wird dort geschickt manövriren und viele täuschen, um dann zurückkehrend mit noch größerer F. . . heit den reinsten Americanismus auf den Thron zu erheben; Braun 1904 Amerikanismus, Fortschritt, Reform (Titel); Glasen 1913 Salutismus 73 Tendenzen, welche zur selben Zeit dort in der katholischen Kirche auch hervortraten und von Leo XIII. als „Amerikanismus" zum größten Teil verworfen wurden; 1924 Meyer Enz. l 487 Amerikanismus, Richtung im amerikanischen Katholizismus, die unter Anlehnung an die nationale Eigenart die Selbstverwaltung in kirchlichen Angelegenheiten und die Anforderungen moderner Kultur berücksichtigt. Hauptvertreter war Thomas Hecker; 1931 Handb. d. Amerikakunde 295 Daran [an Heckers Lehre] knüpfte sich einige Jahrzehnte die Bewegung des „Amerikanismus", ein Vorläufer des Modernismus; 1957 Staatslex. l 304 Die modernistische Reformbewegung, die um die Jahrhundertwende im amerikanischen Katholizismus eine gewisse Rolle spielte, weil sie versuchte, auf Kosten dogmatischer Bindung und kirchlicher Autorität den liberalistischen Zeitströmungen entgegenzukommen, ist längst der Einsicht gewichen, daß ein solcher falsch verstandener theologischer Amerikanismus mit den bodenständigen christlichen Überlieferungen des Landes nicht zu vereinbaren ist.
Amnestie F. (-; -n), im späteren 16. Jh. entlehnt aus lat. amnestia, griech. 'das Vergessen und Vergeben des erlittenen und begangenen Unrechts', (zu griech. $ 'uneingedenk, vergessend'), im 16.717. Jh. in der griech.-byzantin. Form Amnistia und bis ins 18. Jh. auch in der griech.-lat. (flekt.) Form Amnestia.
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Amnestie
Vor allem im juristischen Bereich in der Bed. 'Begnadigung, Straferlaß (für meist politische Vergehen); durch ein bes. Gesetz verfügter genereller Verzicht auf Vollstreckung bestimmter Strafen (je nach Stichtag und Strafmaß begrenzt)', oft anläßlich bes. Ereignisse (s. Belege 1703, 1886), selten auch ohne strafrechtlichen Bezug (s. Belege 1816, 1931). Schon im 17. Jh. in der verdeutlichenden Zs. General-Amnestia bzw. General-Amnestie (konkurrierend mit Generalpardon) sowie in Wendungen wie eine Amnestie fordern, verkünden, erlassen, unter eine Amnestie fallen. Als Grund- und Bestimmungswort in Zss. wie Alters-, Selbstamnestie; Amnestiedebatte, -gesetz, -erlaß, -dekret. Dazu seit spätem 17. Jh. die verbale Ableitung amnestieren V. trans, 'begnadigen, jmdm. durch Gesetz Straferlaß zubilligen'; seit frühem 20. Jh. selten das Verbalsubst. Amnestierung F. (-; -en). Amnestie: Spangenberg 1561 Wahrh. Bericht B 7a amnistia; Friedensburg 1597 Discurs 10 Amnistiam; 1618 Acta publica l 245 [ein Teil der kaiserlichen Räte hat sich] von . . der erfolgten Amnestie selbst ganz ausgeschloßen; 1632 Gutachten (Irmer 1131) bei der generalamnestie (JONES); I637-45 Instruktionen 382 amnistie; Suter 1665 Lustgärtlein 56 Es sagte ein Prediger zu seinen Bauren: Die Amnistia seye eine herzliche Sach/ und ohne solche könne kein beständiger Fried geschlossen werden; Stossgebauer 1661 Wächterstimme 315 In privat bürgerlichen und weltlichen Sachen ist die Amnestie offt sehr gut, und ein heilsam Mittel, Streitigkeiten beyzulegen; Francisci 1677 Trauersaal Hl 1175 es hat Eur keyserl. Majestät . . mich .. noch neuer Hulde versichern lassen. Welches dann eine überflüssige Verzeihung und Amnistie .. ist; ders. 1687 Trauersaal U 1058 er [der Angeklagte] berieff sich . . auf die ins gemein ertheilte Amnestia oder Verzeihung; 1689 Polit. Fliegenwedel I 14 der lex oblivionis und amnestia für dergleichen belli suasores; Bohse 1703 Frühlings-Früchte 488 er .. Hess so fort .. eine Amnestie wegen des . . Auffstandes . . publicieren; 1714 Friedens-Tractaten A 2a Es soll beederseits ein ewige Vergessenheit, und Amnistie, oder Aufhebung seyn alles dessen, was vom Anfang dieses Krieges bis daher geschehen; ebd. B 3a eine ewige Vergessenheit und beederseitige Amnestie, oder Aufhebung aller Unbilden, Schmachen und Beleidigungen; 1743 Critischer Versuch I 199 Sein gnädiger Herr könne sich anjetzo auf die überreichte Supplication nicht resolviren, sondern hätte die Sache in Amnestiam gezogen; Kreittmayr 1769 Grundriss l § 25 Das wesentlichste Stück eines Friedensschluß ist punctum amnestiae . . wodurch nämlich die vorige Freundschaft wiederum erneuert, und alles, was man . . Leid einander gethan hat, abolirt und in ewige Vergessenheit gestellt wird; Schiller 1792 W. IX 313 Edikt . ., welches jedem seiner [des Verschwörers] Mitschuldigen, der die Waffen sogleich niederlegen würde, Amnestie zusicherte; Heynatz 1797 Antibarbarus H 398 Amnestie; Lavater 1798-1800 Nachgelass.
Sehr, l 85 eine Amnestie der . . Staatsverbrechen; Kortum 1799 Jobsiade 208 Nachdem aber jeder gebührliche Strafe erhalten,/ Habe er wieder seine Gnade lassen walten,/ Und mit landesväterlicher Hulde sie/ Erfreuet durch völlige Amnestie; Goethe 1811 Dichtung u. Wahrh. (HA IX 214) meine Mutter und Schwester . . kamen . ., im Namen des nun besser unterrichteten Vaters mir eine völlige Amnestie anzubieten; Platen 1816 Briefw. I 348 um deine gnädigst verwilligte Amnestie, mein sehr geliebter Freund, nicht . . zu verscherzen, . . so beeile ich mich, deinen Brief . . zu beantworten; Eylert 1843 Charakter-Züge Fr. W. III. l 391 Das grosse Wort einer totalen Amnestie, die welterlösende Lehre der allgemeinen Sündenvergebung; Dahn 1870 Kriegsrecht 34 Mit dem Friedensschluss pflegt man sogenannte Amnestie als selbstverständlich verbunden zu betrachten, d. h. es sollen Civil- und Strafverfolgungen wegen Verletzungen . . ausgeschlossen sein; Anzengruber 1886 W. IV 79 der Kaiser hat' ein' Bub'n g'kriegt, und da is . . a Amnestie ausg'schrieb'n word'n; Th. Mann 1927 Reden u. Aufs. (W. XI 763) Amnestien sind ergangen; Kurz 1931 Vanadis 520 in der großen Amnestie, die er [Ehemann] vorauserteilt hatte, war kein Raum für ihre Liebe zu Roderich; Berl. Illustr. Nachtausg. 24.6.1932 Die erste Abstimmung vollzog sich unter Verzicht auf namentliche Abstimmung in einfacher Form auf die politische Amnestie; v. Wahlendorf 1936 Erinn. 219 Da erhielt ich . . ein Schreiben des Gerichtes, daß infolge der allgemeinen . . Amnestie auch mein Verfahren niedergeschlagen worden sei; ND 19.1.1954 Gruppen ehemaliger Strafgefangener [wurden] auf Grund des Amnestieerlasses der Regierung der UdSSR entlassen; FAZ 10.1.1966 eine Protestdemonstration . .; damals waren die Bildung freier akademischer Vereinigungen und eine Amnestie für fünf im Sommer 1965 gemaßregelte Professoren verlangt worden; Welt 28.5.1969 tatsächlich sind bisher mehrere Amnestie-Dekrete erlassen worden; ebd. 27.10.1969 eine Generalamnestie für politische Häftlinge hat der Staatspräsident . . verkündet;
Amok Zeit 9.3.1985 das geplante Scheidungsfolgenrecht („Unterhaltsamnestie" nannte es eine CDU-Juristin); MM 30.6.1986 eine begrenzte Amnestie für politische Straftäter; ebd. 16.9.1986 Jaruzelskis selbstbewußte Amnestie-Aktion; Spiegel 30.7. 1990 Die Präsidentin der DDR-Volkskammer .. hat vergeblich versucht, in der DDR eine Amnestie für Wahlfälscher zu erreichen; Süddtsch. Ztg. 24.6.1993 Von den Fachverbänden des deutschen Sports ist die vom Sportverbund erlassene Amnestie für Bundestrainer mit Dopingvergangenheit zu DDR-Zeiten begrüßt worden. amnestieren: Brulig 1683 Wien 399 general pardon . ., in krafft dessen nit allein die zurück gebung der abgenommenen vnndt confiscirten gutter beschehe, sondern auch die ienigen, welche von denen kayserl. regimentern discediret . ., pardoniret, vnndt wiederumb amnestiret werden sollen; Borne 1831 W. V 82 wären meine Prophezeiungen eingetroffen, hätten sie das Buch . . zerrissen. Sie sind jetzt gnädig . . sie amnestieren mich; 3859 Allg. Mtlitair-Enc. II Im Mai 1847 amnestirt, kehrte er nach Portugal zurück; Weiss 1882 Leben Jesu II 567 so konnte er . . den Verurteilten amnestiren; Riehl 1888 Lebensrätsel 239 Nach 20 Jahren wurde ich begnadigt auf Grund erneuter Prüfung meines Prozesses und dann noch amnestiert dazu; Münch. N.N. 4.5.1938 In Großdeutschland wird Straffreiheit gewährt für Straftaten, die aus politischen Beweggründen begangen worden sind. Und zwar werden die leichteren Fälle, d. h. diejenigen, bei denen lediglich Geldstrafe oder eine Freiheitsstrafe von nicht mehr als sechs Monaten erkannt
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oder zu erwarten ist, unbedingt amnestiert; Süddtsch. Ztg. 17.7.1954 Nicht amnestiert werden Hochverrat, Staatsgefährdung, Landesverrat; 1966 Studium Generale XII 735 immer wieder hört man die Empfehlung, die der Geschichte angehörenden grausigen Taten beiseite zu lassen, sie, soweit sie bereits abgeurteilt oder noch nicht verjährt sind, zu amnestieren, endlich einen Schlußstrich unter die alten Vorgänge zu ziehen; Welt 28.5.1969 den Vorwürfen, daß es willkürlich verhaften lasse und daß seine Militärjustiz unnachsichtig hart verurteile, hat das Regime der Obristen von Zeit zu Zeit immer wieder den Hinweis auf seine angebliche Großzügigkeit im Amnestieren entgegengehalten; Hirsch 1979 Leute 135 es waren in seiner Abteilung noch einige andere Amnestierte; MM 9.11.1985 die anderen vier wurden wegen Mitwisserschaft für 15 Jahre eingesperrt und jetzt amnestiert. Amnestierung: Dombrowski 1920 System III 142 Amnestierung; 1923 (1966 Gesch. Arbeiterbewegung III 660) sofortige Freilassung und Amnestierung solcher Verfolgter, die im Interesse des proletarischen Befreiungskampfes tätig waren; LokalAnz. 6.1.1933 6000 Amnestierungen in Preußen (Überschr.); Heuss 1946 Bosch 26 nach ihrer Amnestierung; ND 27.1.1954 die jüngsten Amnestierungen von Strafgefangenen in deutschen Strafanstalten; Welt 16.5.1974 Vorlage über die Amnestierung auch politischer Häftlinge; Zeit 28.12.1984 Spendenwaschanlagen, Steuerhinterziehung, der Versuch der Selbstamnestierung — das Publikum wandte sich mit Grausen ab.
Amok M. (nur in festen Verbindungen bzw. als Bestimmungswort in Zss., daher ohne flekt. Formen), im späteren 17. Jh. entlehnt aus malaysisch amuk 'sich beim Kampf in einer Art Rausch rasend gebärdend, wild wütend (sein)'. Zunächst auf die malaysischen Verhältnisse bezogen im Sinne einer ethnologischen Beschreibung der Kampf(spiel)gebräuche, erst seit dem 20. Jh. allgemeiner verwendet, anfangs in der festen Verbindung Amok laufen 'in einem rauschhaften Panikzustand blind aggressiv (re) agieren, seine blinde Zerstörungswut an Personen, Tieren oder Sachen ausleben', mit der Präp. gegen auch 'Zustände, Institutionen, Ideen, Meinungen u. ä. kritisierend angreifen, gegen etwas eifern' (s. Belege 1920, 1985), meist von Menschen, häufig auch übertragen verwendet (s. Belege 1949, 1955, 1957, 1962, 1986, 1987), im 20. Jh. die feste Verbindung Amok fahren, negativ konnotiert mit „fanatisch, wahnsinnig, geistesgestört"; bes. in den entsprechenden Zss. Amoklaufen und deren Ableitungen Amoklauf, -läufer, -läufertum, amokläuferisch (s. Beleg 1993), Amokfahrt, -fahrer; gelegentlich auch in der Zs. Amokschütze 'jmd., der in blinder Zerstörungswut um sich schießt', vereinzelt dichterisch in dem Wortspiel Amok-Laufbahn 'Karriere durch Amokverhalten' (zu Amoklauf und Laufbahn 'Karriere', s. Beleg 1945).
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um 1660 (Reisebeschreibung) Amoc welches so viel ist als courage, oder schlag todt (PFEIFER); Heydt 1744 Africa u. Ost-Indien 50 Amock-Spieler; Görtz 1854 Reise El 158 das berüchtigte Amuck-Laufen der Malayen auf Java; Binz 1886 Phartn. 54 von den malaysischen Amok-Läufern; 1891 Beitr. z. Anthropologie IX 3 Wenn sie [Javaner] aber fanatisiert oder sonst aufgeregt sind, werden sie leicht blutdürstig; und wenn dann noch ein Opium- oder Haschischrausch dazu kommt, dann morden sie zuweilen blindlings in einem Anfalle von Manie Alles, was ihnen in den Weg kommt: das ist das sogen. Amok-Machen; Heutig 1920 Entartung d. Rev. 9 die Dauerrevolution züchtet jene psychischen Menschenfresser, jene sozialen Amokläufer, die in Schreckenszeiten gegen die Kultur anlaufen; Wolff 1927 Suchten 2 Der Javaner wird, vom Stechapfel berauscht, zum Amokläufer; Stein 1929 Schmied 72 Manche halten ihn für einen Amokläufer. Für einen Wahnsinnigen, der um sich schlägt und sticht, bis er selber wie ein reißendes Tier niedergestreckt wird; Voss. Ztg. 6. 7.1929 Ein Amokfahrer am Kurfürstendamm (Überschr.); Dtsch. AZ. 28.11.1931 Die gestern von dem Finkenburger Amokläufer durch Messerstiche schwer verletzte Wirtschafterin . . ist. . inzwischen gestorben; Th. Mann 1938 Reden u. Aufs. (W. XI 940) Verteidigung gegen die Barbarei und das politische Amokläufertum aller Art; ders. 1941 Reden u. Aufs. (W. XII 909) der Amoklauf gegen alles, was Menschen bindet und sittigt; 1943 Deutschlands Gegner 295 [Leidenschaftlichkeit der Malaien,] die sich sogar bis zu dem berüchtigten „Amoklaufen" steigert; Münch. N.N. 22.123.8.1942 Es kommt jetzt ein dämonischer Zug von Amoklaufen und Zerstörung in die Kriegsführung unserer Gegner; Th. Mann 1945 Reden u. Aufs. (W. XI 119) Ich glaube nicht, daß seine [Hitlers] Amok-Laufbahn sehr lang sein wird, glaube nicht, daß das schwer genug gestrafte, grausam ernüchterte deutsche Volk viel Lust haben wird zu dem romantischen Mordkitsch, den man ihm heute noch zumutet; NZ. (Basel) 21.5.1949 bazillärer Amokläufer; Th. Mann 1950 Reden u. Aufs. (W. XI 304) eine amoklaufende Technik; Süddtsch. Ztg. 26.9.1953 Rowdies am Steuer . . fahren schnell und sie fahren Amok; ebd. 6.11.1953 Sechs Menschen mußten am Mittwochabend ihr Leben lassen, weil ein
amoklaufender Invalide von der fixen Idee besessen war, seine Nachbarn seien an der Kürzung seiner Rente schuld. . . Nach der Wahnsinnstat erschoß sich der Mörder selbst; ebd. 19.8.1955 Zwei unbemannte Tanks der britischen Armee vollführten in der Nacht zum Donnerstag einen Amoklauf, überfuhren ein Zeltlager britischer Truppen . . und töteten vier Soldaten; ebd. 25.8.1955 Ein Angehöriger der amerikanischen Luftstreitkräfte . . lief am Mittwochvormittag in dem amerikanischen Luftstützpunkt Manston Amok, erschoß dabei drei Menschen und verwundete acht weitere Personen. Der Amokläufer war mit einem Karabiner und einer automatischen Pistole bewaffnet; Bauer 1957 Verbrechen 81 es gibt Amokläufer ohne Mord und Totschlag; Süddtsch. Ztg. 29. 7.1957 die Amokfahrt des [führerlosen] Straßenbahntriebwagens; Stuttgarter Ztg. 12.3. 1959 Amokläufer in St. Moritz (Überschr.) Ein 39jähriger Däne hat am Mittwoch in einem Amoklauf in St. Moritz neun Menschen verletzt; ebd. 30.3.1960 Anklage gegen drei Amokfahrer (Überschr.); Offenburger Tagebl. 23.5.1960 Blindwütig um sich schießend, hat ein Philosophiestudent im Frankfurter Westend am Samstagmorgen ein Blutbad angerichtet. . . Der Amokschütze . . erschoß sich danach selbst; Süddtsch. Ztg. 20.3.1962 Im Zentrum von Brüssel hat eine Amok laufende Kuh zwei Personen verletzt und beträchtlichen Sachschaden angerichtet; Zeit 10.5.1985 Als eine tote Fliege in den Computer fällt, läuft die Überwachungsmaschinierie Amok; ebd. 11.10.1985 Von Hentig läuft gegen die Staatsschule Amok; ebd. 3.10.1986 es ist das Notsignal einer kranken Seele, ein Amoklauf des Gefühls; MM 20.11.1986 Krebs ist, wenn die Zelle Amok läuft; Stern 27.5.1987 Den Alleingang der Bayerischen Landesregierung nennt Hermann Heinemann (SPD) .. prompt einen „gesundheitspolitischen Amoklauf"; MM 10.3.1988 Christian Habicht spielt darin einen burischen Sicherheits-Experten, der, über Schutzmethoden referierend, . . in einem verbalen Amoklauf den Teufelskreis der Gewalt vorführt; Zeitmagazin 23.8.1991 Im vergangenen Jahr lief einer von ihnen, ein geistesgestörter Tunesier, Amok und verletzte acht Personen; Spiegel 15.3.1993 Es ist, als wäre Collard amokläuferisch dem Tod entgegengerast, um ihm in den Arm zu fallen.
amoralisch Adj., Anfang 20. Jh. aufgekommene, aus dem Negationspräfix —» a-2 und —> moralisch gebildete Ableitung. Bildungsspr. verwendet in der Bed. 'nicht moralisch, im Widerspruch zur herrschenden Moral stehend, sich über moralische Grundsätze hinwegsetzend, sie verletzend, sich außerhalb moralischer Bewertung befindend, ohne sittliche Bindungen existie-
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rend' (vgl. immoralisch), vor allem im sozialen und künstlerischen Bereich, meist abwertend zur Charakterisierung von Einstellungen, Haltungen, Verhaltens- und Handlungsweisen verwendet, seltener auch von Sachen, z. B. in Syntagmen ein amoralischer Mensch, eine amoralische Handlungsweise, ein amoralischer Film, Roman, oft auch eher neutral gebraucht in fachlichen (philosophischen, psychologischen, politischen u.ä) Zusammenhängen (s. Belege 1911, 1938, 1941, 1987). Dazu etwa gleichzeitig das ebenfalls mit dem Negationspräfix —> a- und —> Moral gebildete Subst. Amoral F. (-; ohne Pl.) 'Mangel an Moral und Gesittung', z. B. jmdn. der Amoral bezichtigen; die subst. Ableitung Amoralismus M. (-; ohne Pl.) 'gleichgültige oder feindliche Einstellung gegenüber den geltenden Normen der Moral; Weltanschauung, die alle Moralgesetze und moralische Wertungen ablehnt', bes. in Kunst, Philosophie und Politik (s. Belege 1919, 1931, 1948, 1983); die zu Moralist (-» moralisch, —» Moral) gebildete Personenbezeichnung Amoralist M. (-en; -en) 'amoralischer Mensch; Anhänger des Amoralismus' (vgl. Immoralist), mit der vereinzelten adj. Ableitung amoralistisch 'den Grundsätzen des Amoralismus folgend', und die subst. Ableitung Amoralität F. (-; ohne Pl.) 'Haltung, Lebensführung, die keine Moral für sich anerkennt'. amoralisch: Freud 1911—24 metapsychol. Sehr. 204 Vom Standpunkt der Triebeinschätzung, der Moralität, kann man sagen: das Es ist ganz amoralisch, das Ich ist bemüht, moralisch zu sein, das Über-Ich kann hypermoralisch und dann so grausam werden wie nur das Es; 1915 — 16 Polit.-anthropolog. Monatsschr. XIV 233 daß er [Nietzsche] in seiner . . Renaissanceschwärmerei das „Amoralische", das „Jenseits von gut und böse" mit seinem dem Heldentume verwandten „Übermenschentume" verquickt hatte; Dombrowski 1920 System 242 hatte die Katholiken . . verdammt. Dem war der Katholik von vornherein ein amoralisches Subjekt gewesen; Thiess 1927 Gesicht 163 Sie [Kunst] wird moralisch sein, während alle reine Objektivität amoralisch ist; Niekisch 1929 Gedanken 60 [daß ich] amoralisch — nicht unmoralisch — handle; Friedeil 1931 Kulturgesch. Hl 525 das Disharmonische, Morbide, Amoralische, Asoziale, Perverse bis zum Irrsinn und Verbrechen; 1933 vom Gestern 86 wird . . der Dämonie des amoralischen, ohne Kompass und Rangordnung zerfliessenden Lebens das ewige Gesetz der Form gegenübergestellt; Welt am Montag 9. 7.1934 Noch einmal tut Heß das Vergangene ab, diese harte, schicksalhafte Abrechnung mit der „amoralischen krankhaften Männersekte dieser Meuterer"; Huizinga 1938 Parerga 30 eine alte Lehre, die Lehre vom amoralischen Staat .. Macchiavellis und Hobbes; Th. Mann 1941 Nachtr. (W. XHI 704) bildete er eine . . antihumane Lehre aus, deren Lieblingsbegriffe Macht, Instinkt, . . Übermenschentum, naive Grausamkeit, die „blonde Bestie", die amoralisch triumphierende Lebenskraft waren; ders. 1945 Reden u. Aufs. (W.
XII 399) nicht, daß wir geckenhaft genug wären, die Lebensform des Künstlers als eine unmoralische, amoralische Lebensform . . der Neugier des Bürgers zu empfehlen; Neue Ztg. 15.6.1950 Hundhammer nannte das „Abraxas"-Ballett .. ein Stück ohne Zielsetzung mit amoralischer Tendenz. Die Bayerische Staatsoper sei nicht dazu da, um einen „Geschlechtsverkehr mit dem Satan" zu finanzieren. Diese Art Kunst verletze alle religiösen Gefühle; Williams 1953 Ges. 211 Der amoralische Leviathan; Welt 7.5.1954 wegen amoralischer und antisozialer Schreibweise wurden . . die vier Schriftsteller . . aus dem Verband der Schriftsteller der Sowjetunion ausgeschlossen; Brentano 1962 Literatur 69 Frau Chauchat [im Zauberberg] ist amoralisch; Portner 1964 Erben 20 nichts deutet darauf hin, daß er jemals in seinem bewegten, durch und durch amoralischen Leben von einem Tausendjährigen Reich träumte; Zeit 6.12.1985 es ist Posse und philosophisches Drama zugleich, ein Stück der derben Slapsticks und der endlos-geistreichen moralischen (und amoralischen) Plädoyers; ebd. 21.2.1986 daß ich für dieses Land eine amoralische oder gar unmoralische Außenpolitik befürworte; Kultermann 1987 Kunsttheorie 112 Es war . . Kant . ., der den entscheidenden Schritt in der Emanzipation und Definition der ästhetischen Sphäre leistete, die er als a-moralisch, a-logisch und un-real zu definieren suchte; FAZ 29.4.1991 Der Immobilienhändler Leo, ein amoralischer Genußmensch, hat es auf Palast und Grundstück seiner einstigen Geliebten abgesehen; Süddtsch. Ztg. 19.120.12.1992 Die anderen aber lehnen zwar die „Moderne" und ihre verwerfliche, amoralische Lebensweise ab, nicht hingegen modernste Waffen, Atomkraftwerke, High-Tech.
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Amoral: Dombrowski 1920 System 73 Die Amoral begann, unsere Seelen zu zerfressen; Friedell 1931 Kulturgesch. Ill 573 Sklavenaufstand der Amoral; Ortega y Gasset 1931 Aufstand 208 Sich der Amoral schlechthin zu entschlagen, ist unmöglich; Hocke 1936 Weg 49 Was hätten Du und ich für merkwürdige Kinder bekommen können, wenn sie die Schönheit der Mutter und von beiden Seiten die intelligente Amoral geerbt hätten!; Süddtsch. Ztg. 5. 7.1955 die Ehrenrettung Sartres vor dem Vorwurf des Nihilismus und der Amoral; Niebelscbütz 1961 Spiel 135 mit ebenso ausgesprochener Irreligiosität, Gotteslästerung und Amoral; MM 8. 2.1986 daß Goethes romantischer Schwärm von friedlicher Dreierbeziehung alsbald philiströs vereinnahmt und ins Arsenal der Ausreden bürgerlicher Amoral aufgenommen wurde; ebd. 12.10.1987 diese Dokumentation .. zeigt .., was passiert, wenn Menschen durch die Geldgier und Amoral von Geschäftemachern benutzt und entwürdigt werden; Süddtsch. Ztg. 27.1.1993 Die Amoral der Frauen, ihr .. Mangel an Verantwortungsbewußtsein, ihre unbesiegbare Brünstigkeit kennzeichnen sie als Anti-Mütter [in einem Film]. Amoralismus: Bergmann 1913 Maschine 39 Es lockt ihn, . . allen Frömmlern und Tugendwächtern zum Trotz einen ungeheuerlichen Amoralismus hervorwachsen zu lassen; 1919 Dtsch. Rundsch. CLXXVIII220 des heidnisch-römischen Amoralismus [in Gides Roman „Immoraliste"]; Curtius 1921 Barres 227 Skepsis, Ästhetentum, Relativismus, müder Determinismus, Amoralismus: alle diese Seelenverfassungen, die Barres für den Bau seines Nationalismus verwertet, sind Äußerungen eines niedergehenden Lebensgefühls; Friedell 1931 Kulturgesch. Ill 506 [Wedekinds] Amoralismus, der in der zweiteiligen Lulutragödie kulminiert; Ritter 1948 Machtstaat 137 zu dem naiven Amoralismus des echten Macchiavelli findet auch der Deutsche nicht mehr zurück; Süddtsch. Ztg. 21.3.1955 gedachte . . der christlich-humanen Gesinnung eines Beamten, der ethische Erwägungen, Grundsätze des Naturrechts über den Amoralismus einer nur noch pragmatischen Staatsraison gestellt hatte; Hocke 1976 Tagebücher 83 Sein [Stendhals] Zynismus ist Bestandteil einer .. epikuräischen Lebenskunst, sein Amoralismus eine säkularisierte Rechtfertigungslehre für einen „mailändischen" Kult der Passion; Sloterdifk 1983 Kritik 341 Der ästhetische Amoralismus der großen Kunst bedeutet eine Schule der Bewußtwerdung. Amoralist: Ludwig 1922 Goethe I 160 Da ist der Amoralist [Goethe], der in Herkules' Maske gegen Wieland wettert; ebd. Ill 415 Wie er im Politischen Macht als solche bewundert, so sind die Zeitgenos-
sen, die er zuletzt am stärksten verehrt, die mächtigen Amoralisten seiner Epoche: Napoleon; Voss. Ztg. 29. 9.1929 In Joseph Fouche [Polizeiminister Napoleons] . . zeichnet Stefan Zweig .. das Bild eines großen Charakterlosen, eines absoluten Amoralisten; Süddtsch. Ztg. 13.1.1952 der Dichter [Wedekind] sei ein „Amoralist" gewesen; Kesten 1952 Casanova 145 hat er eine falsche Vorstellung vom luziferischen Glanz des Amoralisten, ja des Immoralisten; Sloterdijk 1983 Kritik 339 für den Amoralisten ist das Leben nicht Gegenstand, sondern Medium. amoralistisch: Th. Mann 1945 Reden u. Aufs. (W. Xll 210) will man es als politische Wirkung Nietzsche's ansprechen, daß er einige Grubenbesitzer . . bewog, sich für Renaissancemenschen zu halten, oder daß ein paar dumme Jungen und Fräulein ihn dahin verstanden, sie müßten sich amoralistisch ausleben, — in Gottes Namen das ist nicht ernst. Amoralität: 1909 Stimmen d. Zeit LXXV1 547 Daß es [das Wort Lebenskunst] Unmoral bezeichnet, geben die Lebenskünstler, die sich ihrer Amoralität . . rühmen, selber zu; Schmilz 1911 Brevier 114 die ganze Amoralität der Lebenswertung [einer Dirne]; Schmilz 1914 Frankreich 147 wir haben in Deutschland im letzten Jahrzehnt Beispiele aufgeblähter Liederlichkeit gesehen, die sich Amoralität nannte; Friedell 1928 Kulturgesch. 2 die wüste Desperadoroheit und hemmungslose Amoralität [der Kriege im 17. Jh.]; ebd. Ill 361 Zusammenhang des modernen Börsenkondottieres mit der Amoralität des Renaissancemenschen; Ortega y Gasset 1931 Aufstand 209 Wie konnte man an die Amoralität des Lebens glauben?; Petzet 1944 Falkkenberg 70 vorurteilslos bis zur vollkommenen Amoralität; Schmid 1949 Geist 13 die Amoralität der Macht [in der Politik]; Bonn 1953 Gesch. 208 den Berufsrevolutionären, die Lenin herangebildet und mit dem Geist rücksichtsloser Amoralität erfüllt hatte; Stuttgarter Ztg. 8.11.1961 [der Film ist] ein Ragout aus vielen Bestandteilen . .: Backfischtragödie . ., rührendes Kinderidyll, morbides Sittenbild welscher Amoralität, Edelgangsterstory; Zeit 1.2.1985 eine solche Verbindung im schiefen Licht einer gewissen Illegalität und Amoralität zu betrachten; ebd. 6.3.1987 einerseits war das Feuilleton nicht so exponiert wie der politische Teil, andererseits zeigten die . . Versuche, Amoralität und Menschenfeindlichkeit bloßzustellen, daß die „Frankfurter Zeitung" den Zensurapparat wiederholt intellektuell überforderte; Spiegel 6.9.1993 Gelten moralische Prinzipien überhaupt als universale Konstanten? Oder gilt das Geschichtsprinzip der Amoralität auch für den einzelnen Menschen im Geschichtsprozeß?
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amorph Adj. (ohne Steigerung), im frühen 19. Jh. eventuell unter Einwirkung von frz. amorphe 'gestaltlos' aufgekommen, über gleichbed. gelehrtenlat. amorphus zurückgehend auf griech. Ohne Gestalt, formlos, mißgestaltet' (aus dem Negationspräfix cc- (—»· a-Präfix) und 'Gestalt, Form'), anfangs auch in der Nebenform amorphisch gebucht. a Fachspr. in den Naturwissenschaften in der Bed. Ohne regelmäßige Form, Gestalt', speziell in der Mineralogie für 'glasartig, massiv, nicht kristallin, ohne Kristallform', vor allem zur Charakterisierung von festen Körpern (z. B. Gläsern), deren Moleküle nicht regelmäßig angeordnet sind, z. B. amorphe Stoffe, amorpher Zustand; auch in der Biologie für Ohne feste Körperform, Gestalt, ungestalt, mißgebildet', z. B. amorphe Körperformen. b Seit Anfang 20. Jh. häufig bildungsspr. und übertragen gebraucht in der eher abwertenden Bed. Ohne klar erkennbare Gliederung, ungegliedert, unstrukturiert, strukturlos, gestaltlos, ungeformt, desorganisiert', auch 'gesichtslos, ohne Profil, Kontur', bes. bezogen auf künstlerische, soziale u. a. Phänomene, selten auch auf Personen, in Wendungen wie amorphe Masse, Elemente, amorphes Bild, amorpher Begriff, Typ. Dazu seit Anfang 19. Jh. die nur gebuchte gelehrtenlat. Bildung Amorpha Pl. (subst. N. zu gelehrtenlat. Adj. amorphus) in der Bed. 'gestaltlose, unregelmäßige Bildungen, Unformen', bes. in der Biologie auf niedere Lebewesen bezogen (zu a); seit früherem 19. Jh. die subst. Ableitung Amorphismus M. (-; ohne Pl.) 'Mangel an regelmäßiger Form, bes. kristalliner Struktur' (zu a), im 20. Jh. im sozialen und künstlerischen Bereich selten auch übertragen verwendet im Sinne von 'Gestaltlosigkeit; Mißgestaltung' (zu b); etwa gleichzeitig (gebucht 1838 bei Heyse) das selten nachgewiesene, auf griech. 'Mißgestalt, Häßlichkeit' zurückgehende Subst. Amorphie F. (-; -n), meist fachspr. für 'Gestalt-, Formlosigkeit, amorpher Zustand', vereinzelt 'Mißgeburt' (zu a), auch gebucht für 'Mißgestaltung' (zu b); im 20. Jh. vereinzelt das als Personenbezeichnung verwendete subst. Adj. Amorpher M. 'Mensch ohne Profil, haltloser Mensch' (zu b). amorph a: Goethe 1822 Maximen u. Reflex. (HA XII 36) die schönste Metamorphose des unorganischen Reiches ist, wenn beim Entstehen das Amorphe sich ins Gestaltete verwandelt; 1827ff. Ausld. IXL 948a Amorpher Basalt (SANDERS 1871); 1833 Bayer. Annalen (L.) 345 es gibt mehrere [Aggregate], bey welchen die Krystallisation spurlos vorübergegangen ist, und die daher gestaltlose oder amorphe Körper genannt werden können; 1852ff. Natur XIV 279b Amorpher Phosphor (SANDERS 1871); Wittstein 1847 Etymolog.chem. Handwb. l 63 Amorph, . . gestaltlos . . nennt man einen Körper, der kein krystallinisches Gefüge besitzt, z. B. Glas, Opal; 1868 SB. München l 135 Gehalt amorpher Kieselerde; 1882 Brockhaus I 570 Amorph . ., gestaltlos; Hochstetter-Bisching 1898 MG. 2 Nicht individualisierte Mineralien, denen jede Gesetzmäßigkeit fehlt, werden amorph genannt; Göhels 1971 Töpferhandwerk, o. S. stellen Glasuren . . durchsichtige Stoffe dar, die unter der Einwirkung hoher Temperaturen
miteinander Salze bilden, hierbei schmelzen und in den amorphen ( . . unkristallinischen) Zustand übergehen; Strühel 1971 Mineralogie o. S. sie ist eine sehr wichtige Eigenschaft der Kristalle, die sich dadurch von den isotropen oder auch amorphen Stoffen unterscheiden; ebd. manche dieser strukturlos aussehenden amorphen Mineralien gehen aus einem amorphen Zustand mit zunehmendem Alter in den kristallinen Aggregatzustand über; ebd. Stoffe, die auch mit Hilfe röntgenographischer Methoden keine kristallinen Eigenschaften mehr aufweisen, nennt man röntgenamorph; MM 22.3.1986 kann statt des kristallinen Siliziums als Material Silan verwendet werden, das nichts anderes ist als amorphes und verflüssigtes Silizium; ebd. 8.4.1986 Kunststoff hart wie Stahl (Überschr.) . . die Beherrschung von kristallinen und amorphen, glasartigen Zuständen, um Kunststoffe beständiger gegenüber mechanischen Einflüssen . . zu machen; . . andere Versuche laufen
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darauf hinaus, kristalline mit amorphen Strukturen zu verbinden. Amorphie: Valentin 1847-51 Physiologie (Reg.) Amorphie; 1882 Brockhaus l 570 Amorphie . ., Formlosigkeit, insbesondere Mißgestaltung eines organischen Körpers, Mißgeburt; auch gleichbedeutend mit Amorphismus. Amorphismus: 1833 Bayer. Annalen (L.) 345 Ueber den Opal und den Zustand der Gestaltlosigkeit (Amorphismus) fester Körper; 1882 Brockhaus I 570 Amorphismus . ., bedeutet soviel wie Gestaltlosigkeit, Strukturlosigkeit der festen Körper und ist der Gegensatz vom krystallinischen Zustande. . . Auch das für gewöhnlich amorphe Glas wird durch sehr langsames Abkühlen krystallinisch. amorph b: Schmitt 1904 Idealstaat 207 Da Bakunin das Individuum auf sich stellt, so proklamiert er die von keinerlei Normen und Regeln geordnete, die „amorphe Gesellschaft". . . Diese Formlosigkeit der Gesellschaft wird mit dem Namen Kollektivismus bezeichnet; Th. Mann 1913 Reden u. Aufs. (W. X 62) so blieb der Plan als amorphe Notizenmasse liegen; ebd. X 168 jenes Fluidum, das [bei okkulten Vorgängen], in verschiedenem Dichtigkeitszustande, als amorphe, nicht organisierte Masse den Körper des Mediums verläßt; Friedell 1928 Kulturgesch. II 4 [der 30jährige Krieg] hatte . . trotz seiner gigantischen Masse und formidablen Zerstörerkräfte etwas Amorphes, Asyndetisches, Anekdotisches; Münch. N.N. 31.12.1940 Aber sonst ist das Jahr 1941 auch uns ein Buch mit sieben Siegeln - wie noch jedes neubeginnende Jahr, seit die Menschheit sich gewöhnt hat, die amorphen Zeitmaße durch Zäsuren aufzuteilen und so erst übersehbar zu machen; Gross 1943 wirtschaftspolit. Tendenzen 6 den amorphen Charakter der amerikanischen Wirtschaft; 1943 Dieppe 59 [Bolschewisten als] vertiertes Untermenschentum und personifizierte Bestien, zerlumpt, amorph; 1943 Geopolitik 309 Häufung amorpher Massen aus entwurzelten Individuen; Röpke 1948 Gesellschaftskrisis 24 Zusammenballung und Verklumpung in ungegliederten, strukturlosen und amorphen Massen; Süddtsch. Ztg. 14.2.1950 Der Föderalismus . . sollte ebenso sehr dem bindungslosen Individualismus . . wie der „amorphen Vermassung" entgegenwirken; Offenburger Tagebl. 5.10.1959 endlose Kolonnen blaugekleideter . . Wesen marschierten [im Alptraum eines Chinabesuchers] als amorphe Masse durch das Schlafgemach; Heuss 1963 Erinn. 248 in einem amorphen und verwirrten Volk; Fränkel 1964 Deutschland 35 des amorphen Begriffs „westliche Demokratie"; Welt 11.4.1964 Greco schuf auch Aktfiguren, . .
die durch die teigige Pinselführung des Künstlers etwas fast Amorphes erhalten haben; Offenburger Tagebl. 1.10.1971 der . . Wahlfreiburger begreift die . . Breisgaumetropole als eine Summe von Klein- und Mittelstädten mit einem gemeinsamen Großstadtkern. Von daher hebt sie sich . . deutlich von anderen, „amorph" ausgeweiteten Großstädten ab; Sloterdijk 1983 Kritik 234 Vor unseren Augen haben sich die Städte in amorphe Klumpen verwandelt; Zeit 4.1.1985 die Bedeutung des Fernsehens für die Vermittlung historischer Kenntnisse . . muß .. relativiert werden, angesichts einer amorphen Masse von Rezipienten; ebd. 24.1.1985 Wuchernde Formen und amorphes Fleisch . . Plastiken und Zeichnungen von Emil Cimiotti; ebd. 3.5.1985 für ihren gewöhnlich Undefinierten, amorphen Alltag hat die Alltagsgeschichte bisher keine eigenen wissenschaftlichen Begriffe entwikkelt; ebd. 10.5.1985 dem amorphen Theatergroßbetrieb Düsseldorf; MM 16.9.1986 Arp wechselt zwischen „amorphen" Formen, . . zwischen gewölbten und eingesenkten, gekerbten, geschliffenen und polierten Oberflächen; Zeit 5.12.1986 Grau ist nicht Harmonie, . . sondern gestaltlos, amorph, Un-Farbe; ebd. 30.1.1987 mit einer relativ amorphen Organisationsstruktur waren wir in der Lage, in der Friedens- und Umweltpolitik sehr konkrete . . Konzepte auszuarbeiten; MM 10.3.1987 er vereinte in seinen abstrakten Bildern geometrische und amorphe, organische Elemente zu kompakten Formen; ebd. 15.3.1988 während die „Geteilte" von 1983 und der ein Jahr später entstandene „Kopf" als .. amorphe Masse den Raum träge beherrschen; ebd. 28.3.1988 aus den seltsam amorphen, gesichtslos ineinander verschlungenen Leibern in Rottönen entstanden .. Landschaften, und die Figuren verwandelten sich in pfanzenhaft wuchernde . . „Dinger"; Meier 1988 Im Anfang 21 auch das Symbol geht auf eine Urform zurück, die von amorpher und energetischer Natur zu sein scheint; de Vries 1989 Dialektik 195 der Gesang der Sirenen, d. h. der Ruf der amorphen Natur; Süddtsch. Ztg. 12./13.12.1992 Die . . Zeitschrift . . brachte es fertig, Pogromstimmung durch die . . Veröffentlichung der „Juden"-Liste zu entfachen — eine amorphe Stimmung des Verdrusses in einer Atmosphäre der Verunsicherung. Amorpher: Mezger 1951 Kriminologie 180 Die formlosen Verbrecher (Überschr.) Man kann sie auch „Amorphe" nennen. Sie bilden eine wohlcharakterisierte Gruppe von Menschen, . . die sich kriminell in verschiedenartiger Weise, ihrer formlosen Natur entsprechend meist gleichzeitig in mannigfacher Richtung, als polymorph auswirkt. Amorphismus: 1919 Dtsch. Rundsch. CLXXV1U 136 Inzwischen hat aber der soziale Amorphismus reißende Fortschritte gemacht, und heute kann
amortisieren man keine bestimmt umrissene Gesellschaftsgruppe mehr erkennen, deren Kulturbedürfnis ein . . geregeltes . . Bedürfnis nach Werken der Malerei zu verbürgen vermöchte; 1924 Kunstwissenschaft 43 hat er im Kunstschaffen seiner Zeit nichts als Skizzismus, Subjektivismus, Amorphismus gesehen . . Amorphismus in der Kunst. . hat verhängnisvoll
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die . . Verständnislosigkeit der höfischen Kreise für die neue Kunst gesteigert; Wätzold 1924 Kunsthistoriker II 268 Form contra Formentartung. — Den theoretischen und praktischen Formenhaß . . bezeichnete Justi als „Amorphismus". Im Technischen der Malerei fällt dieser Begriff zusammen mit Skizzismus, mit dem wilden Pinselfuchteln.
amortisieren V. trans., auch reflex, (vgl. 3b), seit früherem 18. Jh. nachgewiesene Entlehnung aus mlat. a(d)mortizare 'absterben; weltliche Güter unter die Obhut, Gerichtsbarkeit der Kirche stellen, an die tote Hand (manus mortua] veräußern; auslöschen, tilgen, eine Schuld abtragen' und frz. amortir '(ab)töten, (ab)schwächen, dämpfen; Schulden abtragen; Güter abbuchen, abschreiben' (< altfrz. amortir 'töten, in die tote Hand geben' < vulgärlat. "'admortire 'ertöten, abtöten', wie mlat. admortizare gebildet zu vulgärlat. mortus 'tot, gestorben' < gleichbed. lat. mortuus, zu mors, Gen. mortis 'Tod', zu mori 'sterben'), anfangs auch in der frz. beeinflußten Nebenform amortieren, schon seit der 2. Hälfte 18. Jh. mit Endungserweiterung -isieren in der heutigen Form. 1 Zunächst im kirchenrechtlichen Bereich in der selten belegten, bis Anfang 20. Jh. gebuchten Bed. 'weltliche Güter der kirchlichen Gerichtsbarkeit unterstellen, in die tote Hand, d. h. in kirchlichen Besitz überführen' (s. u. Amortisation). 2 Seit Ende 18. Jh. im Rechtswesen in der seltenen, veralteten Bed. 'etwas (bes. Schuldurkunden) für ungültig, nichtig (d. h. für „tot") erklären', vereinzelt auch im Sinne von 'dämpfen' (s. Beleg 1822). 3a Seit Anfang 19. Jh. in der Finanzwirtschaft für 'eine finanzielle Schuld ratenweise tilgen, abtragen', z. B. eine Hypothek, ein Darlehen amortisieren, b Seit frühem 20. Jh. bes. im Zusammenhang mit der Rentabilität von Betrieben, Investitionen in der heute dominanten Bed. 'die Anschaffungskosten für etwas durch die Erträge decken, wieder einbringen (und dabei eventuell Gewinn erzielen)', z. B. die Kosten für die Maschinen amortisieren; meist reflex, gebraucht sich amortisieren 'sich bezahlt machen', z. B. die Investitionen amortisieren sich rasch. Dazu seit frühem 19. Jh. das seltene Verbalsubst. Amortisierung F. (-; -en) (zu l, 2 und 3a) und in neuester Zeit die vereinzelte adj. Ableitung amortisierbar 'abschreibungsfähig', bes. von Investitionen (zu 3b). Dazu schon seit frühem 18. Jh. das aus mlat. admortizatio 'Absterbung, Tilgung; Veräußerung weltlicher Güter an die Kirche, an die tote Hand (manus mortua)' und frz. amortissement 'Schuldentilgung, Abschreibung' (< altfrz. amortissement 'Veräußern weltlicher Güter an die Kirche') entlehnte Subst. Amortisation F. (-; -en), anfangs vereinzelt in der mlat. Form, selten in der Schreibung Amortization und bis ins frühere 20. Jh. gebucht das gleichbed., aus dem Frz. übernommene Subst. Amortissement. Zunächst im Bereich des Kirchenrechts in der heute nur noch historisierend gebrauchten Bed. 'Überführung von weltlichen Gütern in kirchlichen Besitz', bes. in der Zs. Amortisationsgesetz (vgl. mlat. leges de non amortizando] als Bezeichnung für Gesetze, mit denen Städte und Territorien gegen das Anwachsen des Kirchengutes ankämpften (zu 1); etwa gleichzeitig im Rechtswesen in der seltenen Bed. 'Auslöschung, Abschaffung, Ungültigkeits-, Nichtigkeitserklärung von (Schuld-)Urkunden'
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(zu 2); seit spätem 18. Jh. in der Finanzwirtschaft für 'planmäßige Abtragung, ratenweise Tilgung einer Geldschuld', bes. von Anleihen und Hypotheken, z. B. eine langfristige, kurzfristige Amortisation, vor allem als Bestimmungswort in den Zss. Amortisationskasse (18./19. Jh.) 'Kasse zur Abtragung von (staatlichen) Schulden', Amortisationsfonds 'Tilgungsfonds', Amortisationshypothek 'Hypothek, bei der der Schuldner zur Tilgung eines Darlehens jährlich gleichbleibende Leistungen erbringt' (zu 3a); seit früherem 20. Jh. in der heute dominanten Bed. 'Deckung der für Betriebsmittel (z. B. Maschinen) aufgewendeten Anschaffungskosten aus dem erwirtschafteten Ertrag, Rückfluß von in Betriebsmitteln investiertem Kapital in Form von Kostenersparnissen oder Gewinn; allmähliche Abschreibung des Kapitals, das zur Anschaffung von Gebrauchsgütern investiert wurde', z. B. in der Zs. Amortisationsdauer 'Zeitspanne, in der investiertes Kapital wiedergewonnen wird' (zu 3b). amortisieren 1: Zedler 1732 Universallex. l 1769 Amortizatio generalis ist, wann keine Special-Verzeichniß derer amortizirten [Güter] gemacht wird, sondern unter dem allgemeinen Namen, was ein solches Convent von zeitlichen Gütern besitzt, enthalten ist; Möser 1769 S. W. V 23 weil die Pacht . . zuerst auf amortisirten [in Kirchenbesitz übergegangenen] Gründen eingeführt wurde. Amortisation: Nehring 1717 Lex. 73 krafft dieser . . Amortisation müssen die Geistliche in KriegesZeiten . . dem Könige eine Anzahl Soldaten stellen; Zedler 1732 Universallex. l 1767 Amortizatio, ist eine Versetzung liegender Gründe aus der weltlichen Gerichtsbarkeit unter die Geistliche, gleichsam als in eine todte Hand; Springer 1769 Raisonnement 285 eine Landesherrliche Stifftung durch ein Amortizations-Gesetz . . zu erhalten; 2779 Baiern 13 Amortisations-Gesez; Rothammer 1785 Maximilian 111. 94 Es erschien das berüchtigte Amortizationsgesetz in Baiern — zwar 1672 bereits entworfen, aber nur auf die unbeweglichen Güter eingeschränkt. Dises Gesetz war jetzt auf alles weltliche Vermögen ausgedehnt, welches die Klöster an sich zu bringen unfähig sein selten; ebd. 95 Indeß hatte das Amortisationsgesez Maxens bei dem Ausland Bewunderung, und bei dem Einland . . Haß und Widerspruch aufgeregt. — Man betrachtete diesen Schritt als eine . . Kränkung der Geistlichkeit, und klagte über harte Schmälerung der heiligen Orden; Westenrieder 1788 Beyträge l 247 Amortizationsgesetze wie bey den Geistlichen .., die vermög der Gesetze, die sie sich selbst machten, die Güter nur an sich bringen, aber dem Staate nicht mehr zurück geben konnten; Jenisch 1800 Geist u. Charakter 11 467f. Ein kraftvolles, alle Fälle umfassendes Amortizationsgesetz machte den Anfang. Die Jesuiter-Güter und mehrere der unnützen Klöster des Landes wurden eingezogen; Scheylmann 1903 Säkularisation I 10 Doch auch die anderen Klöster . . sollten die Wirkungen des
neuen Geistes erfahren, zunächst durch die Amortisationsgesetze, welche sorgfältig wachten, daß die „tote Hand" nicht viel Vermögen erwerbe; 1903 HZ. XCI170 Der Kampf um die adligen Güter in Bayern nach dem 30jährigen Krieg und die ersten bayrischen Amortisationsgesetze; 1911 — 14 Wb. d. Staatsrechts l 92 Begriff der Amortisationsgesetze und das Gebührenäquivalent (Überschr.) . . Wegen der Unveräußerlichkeit des K[irchen]Guts und wegen der kirchlichen Immunität wurde die K[irche] . . im Mittelalter manus mortua genannt, da sie ihr Vermögen gar nicht .. herausgab und dieses so dem Weltverkehr entzogen war. Die Zuwendung an die K[irche] war daher eine Tötung für den Weltverkehr und hieß admortisatio; 1969 Festschr. a. Lentze 377 gegen die tote Hand gerichtete Amortisationsgesetzgebung. Amortisierung: 1838 Histor.-polit. Blätter f. d. kathol. Dtld. 411 Die Unterwerfung des katholischen Volkes unter diese Ordnung schien . . gesichert, die Amortisirung des römischen Stuhles [wurde] durch diplomatische Verhandlungen eingeleitet. amortisieren 2: Goethe 1797 Br. (WA IV 12,320) schrieb ich . . ein Blatt, wodurch ich Sie bat das bewußte Kästchen der Überbringerinn .. zu übergeben und wodurch ich zugleich jenen bey mir zu Hause aufgehobnen Archivschein amortisire; Berghaus 1800 Handb. f. Kaufleute 344 amortiren, einen Wechsel oder Schuldschein, der verlohren gegangen, . . für ungültig erklären; Poschinger 1819 Banken l (3. Lief. 35) so werden . . diese [abhanden gekommenen] Urkunden durch öffentliche Zeitungen auf Kosten des Eigenthümers amortisirt; Görres 1822 Ges. Sehr. XIII 349 [der Verfasser versuchte,] die Heftigkeit der bevorstehenden Reaction durch die erhobenen Gegensätze zu amortisiren und zu mäßigen; 1824 Baier. Int'Bl. (Isar) 286 zu Verlust gegangenen Obligationen wurde . . in
amortisieren den öffentlichen Blättern der Auftrag ertheilt, in Zeit von 6 Monaten den rechtlichen Besitz derselben nachzuweisen, als sie sonst nach fruchtlosem Ablaufe dieses Termins für amortisirt erklärt würden; ebd. 848 wird nach bereits längst abgelaufenem Termine von 6 Monaten diese Schuld- und Hypothek-Urkunde als kraftlos und amortisirt erklärt; Edler 1841 Terminologie d. Kaufmanns 14f. amortiren oder amortisiren, auch mortificiren, heisst. . für nichtig erklären, löschen und wird gebraucht . . für die gerichtliche Ungültigkeitserklärung eines verloren gegangenen Wechsels (SCHIRMER, Kaufmannssprache); Springer 1868 Berlin 43 wie eine amortisirte Kassenanweisung; Rehm 1914 Bilanzen 181 Amortisierte Aktien sind Vermögensgegenstände ohne Wert. Amortisation: Sperander 1727 A la mod Sprach 33 Amortisation, heist bey denen Juristen/ Abschaffung eines Dinges/ daß es ab/ und gleichsam todt sey; 1804 (Berg 1799 Handb. Policeyrecht V 113) Wenn zur Zeit der geleisteten Cession, das cedirte Instrument nicht mehr von Kräften ist; entweder, weil der Schuldner den Betrag der Forderung, an den ersten Kreditoren und Cedenten, gegen bloße Quittung bezahlt, und dieser die gerichtliche Amortisation des Instruments, unter dem Vorwand, daß solches verlohren gegangen, bewürkt hat; 1828 Baier. Int'Bl. (har) 390 AmortisationsDecret (Überschr.) Der . . ergangenen öffentlichen Aufforderungen ungeachtet, hat Niemand die . . zu Verlust gegangenen Staats-Obligationen vorgewiesen, oder auf eine derselben geltende Ansprüche gemacht; Faucher 1877 Culturbilder 55 daß das für verkaufte Baustellen . . eingegangene Geld nicht. . zur Amortisation der Genossenschaftsantheile .. verwendet werden könnte; Poschinger 1897 Bundesrat II 406 das Aufgebot und die Amortisation verlorener und vernichteter Schuldurkunden; Weiter 1912 Geschäftsmann 377 soll bei dem Gerichte des Zahlungsortes die Nichtigkeitserklärung (Amortisation) des Wechsels beantragt werden; Rehm 1914 Bilanzen 177 Die Aktien- und Geschäftsanteilseinziehung (Aktienamortisation); Passow 1922 Aktiengesellschaft 234 Einziehung („Amortisation") von Aktien. . . Es wird . . im Statut bestimmt, daß die Aktien mittels Auslosung allmählich zum Zwecke der Amortisation wieder eingezogen werden sollen . ., wodurch der einzelne Aktionär diesem Verfahren ohne weiteres unterworfen ist (Zwangsamortisation). . . Die Einziehung (Amortisation) von Aktien kann nur erfolgen, wenn sie im Gesellschaftsvertrag angeordnet oder gestattet ist; Creifelds 1988 Kechtswb. 41 Amortisation .. Im Gesellschaftsrecht liegt A[mortisation] vor, wenn eine Aktie . . eingezogen wird und dadurch erlischt.
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Amortisierung: 1828 Baier. Int'Bl. (Isar) 14 Da nun diese Urkunde zu Verlust gegangen, und die Erben derselben . . um Amortisirung derselben . . gebeten haben,. . wird der . . Innhaber dieser Urkunde aufgefordert, in Zeit von sechs Monaten dieselbe . . vorzuweisen, als sonst dieselbe für kraftlos erklärt werden würde; ebd. 850 Amortisirung dieser Documente. amortisieren 3a: Goethe 1806 Er. (WA IV 19,177) Die Museumsrechnung . . ist angekommen. . . Ich möchte mit meinem Aufborgen, Abzahlen, etatsmäßigen Leisten und Amortisiren Ew. Excellenz nicht ungeschickt erscheinen; Edler 1841 Terminologie d. Kaufmanns 14 f. amortiren oder amortisiren . . heisst tilgen .. und wird gebraucht .. von der Loskaufung von Zinsen (SCHIRMER, Kaufmannssprache); Freytag 1855 Soll u. Haben l 33 dann zahlen Sie ein halbes Procent zu an die Landschaft, und durch das halbe Procent wird noch amortisirt das Capital; Kretschman 1870—71 Kriegsbr. 267 Der Staat gibt eine Unterstützung, die nicht zurückgezahlt werden braucht, dann eine Beihilfe, die mäßig verzinst und amortisiert wird; Faucher 1877 Culturbilder 361 Auch die Möbeln . . sind . . in der Miethe zu verzinsen und zu amortisiren; Welt 21.12.1964 die chilenische Regierung übernimmt die Rückzahlgarantie und damit das Währungsrisiko, das nicht klein ist, denn die Hausbesitzer können ihre Hypotheken im Verlauf von 27 Jahren amortisieren. Amortisation: Schlözer 1779 Briefw. histor. Inhalts V 25 Aus verschiedenen von Sr Majt accordirten Beihülfen, nützlichen Einrichtungen, und Ersparungen, . . entstehet ein sicherer AmortisationsFond, welcher allen Teilhabern zu gute kömmt; ebd. V 301 Die erste . . Grundlage zu einem jeden ZalungsPlan ist diejenige Summe, welche zu Abstoßung der Schulden ausgesetzt werden kan, der Amortisations Fundus; Reichenbach 1787 Beyträge VII 25 Auswärts Negocen zu veranstalten, Amortisationsfonds zu errichten, und ähnliche reelle Finanzoperationen fielen niemandem bey; I790 (Berg 1799 Handb. Polizeyrecht V 891) Es kann den Interessenten von den eingeschriebenen Schulden nichts gelöset werden, . . dagegen aber kürzet die Kasse ihren Verlust an der Amortisation der Kapitalien, in so weit solche genöthiget wäre, die aufzunehmenden Gelder höher als zu drey Procent zu verzinsen; Jenisch 1800 Geist u. Charakter II 171 Diese Gränze [für die Höhe der Schulden] hat man . . festzustellen gesucht, und zwar, ausser der . . Verminderung der Zinsen, durch den Amortisations- oder Tilgungs-Fond . .: man liefert nämlich jährlich l Million zur Abzahlung; Goethe 1805 Br. (WA IV 19,17) Die . . naturhistorische Gesellschaft
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. . Man suchte einen kleinen Amortisations-Fonds zu successiver Tilgung ihrer Schulden; 1810 Fahnenbergs Magazin I 15 Amortisationskasse; Büchler 1814 Baden Einl. U Die seit dem Jahre 1808 errichtete Amortisations-Casse, ist eine für die Tilgung der Staatsschuld .. wohlthätige Anstalt; Borne 1822 Schilderungen a. Paris II 48 Sobald der Frühling kommt, verlassen die Engländer Paris, um nach der Schweiz, nach Italien . . zu reisen. Ihnen ist die Reisekasse eine Spar- und Amortisationskasse. Wenn in Deutschland ein . . Schuldner die Flucht nimmt, um sich vor seinen Gläubigern zu retten, flüchtet ein Engländer, um seine Gläubiger zu befriedigen; Marwitz 1823 Nachlass U 386 Amortisations-System für die alten Schulden; Ancillon 1828 Vermittlung l 127 Theorie der graduellen Amortisation der Staatsschuld; Schiebe 1833 Kaufmann. Handwb. 6 Amortisations-Casse, Tilgungskasse; Hansemann 1837 Eisenbahnen 61 Dieser [Gewinn] wird . . halb den Aktionären ausbezahlt und halb zur Amortisation des Anlage-Kapitals angewendet; Szarvady 1852 Paris l 81 die Summe .., welche die Amortisationskasse jeden Tag zur Tilgung der öffentlichen Schuld bestimmt; Knies 1853 Eisenbahnen 9 Reservefonds, Amortisationsfonds . ., zu denen die Klugheit oder die Nothwendigkeit drängt; 1857 Staatswb. l 201 Wenn man das Wort „Amortisation" gewöhnlich durch „Schuldentilgung" erklärt, so wird die mit demselben zu verbindende Idee nicht ganz genau ausgedrückt; denn es ist vielmehr darunter die allmälige Entbürdung eines Vermögens, einer Person oder gewerblichen Anlage von einer Kapitalbelastung zu verstehen, und mithin sowohl eine Schuldzahlung, wie eine Kapitalswiederherstellung; Spielhagen 1877 Sturmflut I 243 Amortisation, das heisst Tilgung der Schulden (SCHIRMER, Kaufmannssprache); Poschinger 1879 Bankwesen II 167 Anm. Abrechnung der Amortisationsund Verwaltungskostenbeiträge; Hertling 1893 Naturrecht 27 Amortisation des auf Gebäude und Maschinen verwendeten Capitals; Lange 1894 Arbeiterfrage 332 daß für landwirtschaftliche Verbesserungsanlagen . . ebenso gut eine Amortisationsperiode angesetzt werden muß, wie für andere Kapitalanlagen, da sie innerhalb gewisser . . Perioden der Prosperität sich rentiren müssen; Weber 1909 Industrien 26 die Sachkapitalgeldkosten [stehen] mit einer der Verbrauchszeit der Sachkapitalien entsprechenden geldmäßigen Amortisationsquote zu Buche; 1909 Technik u. Wirtsch. II 439 kann Tilgung (Amortisation) die gleiche wirtschaftliche Wirkung wie Abschreibung haben; Arnholds Wochenber. 6.12.1930 laufen alle Tilgungshypotheken .. bis zu dem . . vereinbarten Endtermin weiter, . . besonders bei Amortisationsdarlehen; Lokal-Anz. 10.2.1933 daß die . . fiskali-
sche Belastung der Kraftfahrzeuge . . nicht viel hinter den Kosten zurückbleibt, die für die Verzinsung und Amortisation des in den Wagen investierten Kapitals zu verrechnen sind; ebd. 26.2.1933 die jährliche Zins- und Amortisationslast; ebd. 12.3.1933 Bei einer Amortisationshypothek mit variabler Annuität bleiben sich . . die Zinsen nur prozentual. . gleich; Dtsch. AZ. 2.1.1935 Tannery wurde Direktor des Amortisationsfonds . . zur Tilgung der nationalen Schuld; Bert. Börsenztg. 15.5.1935 Amortisationshypotheken oder . . Abzahlungshypotheken . ., bei denen die Tilgung in . . gleichbleibenden Beträgen erfolgt; 2937 Volkswirt 817 Verzinsung und Amortisation des investierten Kapitals; 1967 Bild d. Wiss. l 21 der Kapitalaufwand beträgt etwa l Million Dollar, und obwohl die Primärenergie kostenlos ist .., wird allein Amortisation und Verzinsung der einmaligen Investition den Sonnenstrom für zivile Zwecke undiskutabel machen; Welt 5.9.1969 die Amortisation von Pferd und Stall nicht gerechnet, betragen die Aufwendungen für Futter, Pflege, Tierarzt . . rund 8000 Mark pro Springpferd; MM 19.6.1986 Metallerze sollen statt Amortisationsraten an die UdSSR geliefert werden; ebd. 11.11.1987 bei Teilamortisationsverträgen werden nicht alle Kosten während der Mietdauer amortisiert, sondern es wird ein Restwert von der . . Anschaffungssumme erst am Ende der Grundmietzeit fällig. Amortisierung: Stein 1850 industr. Ges. 27 Amortisirung des Anlagekapitals; 1929 Nord u. Süd L1I 194 während England mit großen Schwierigkeiten eine vollkommene Amortisierung seiner Schuld in 50 Jahren vorbereitet, während Frankreich kaum mit Amortisierung beginnt,. . werden die Vereinigten Staaten, . . ihre Schuld in 20 Jahren amortisiert haben; Lokal-Anz. 2.5.1934 den größten Teil der kurzfristigen Schulden in langfristige umwandelten und Deutschland für Zinsen und Amortisierung ein Moratorium von einem oder zwei Jahre gäben; NZ. (Basel) 9.4.1949 Amortisierung der Staatsschuld. amortisieren 3b: Keyserling 1926 Welt 88 amortisiert sich; Baum 1929 Menschen 172 Sie müssen . . die neuen Maschinen für das neue Verfahren amortisieren. Dabei können Sie nicht einfach Ihre alten Maschinen gehörig abschreiben; Voss. Ztg. 6.9.1931 daß er [Vertrag] auf 10 Jahre läuft, denn sonst amortisieren sich seine erheblichen Umbau- und Einrichtungskosten nicht; Lokal-Anz. 7.9.1933 Die zum Bau notwendigen Mittel werden sich . . durch Vermietung der Halle in . . kurzer Zeit amortisieren; Possony 1938 Wehrwirtschaft 62 dass sich . . ein Bomber in 200 Flugangriffsstunden amortisiere. Man kann also sagen,
Amouren ein Bomber werde sich niemals amortisieren; Welt 14.7.1949 daß die Herstellungskosten deutscher Filme durch die Einnahmen der Kinotheater nicht amortisiert und daher nicht gesenkt werden könnten; Bildztg. 23.5.1967 es kostet zwar ein paar Mark, doch wird sich diese Investition rasch amortisieren; ND 12.11.1969 während sich bisher eine Grube frühestens im Laufe von 12 bis 15 Jahren amortisierte, wird „Zofiowka" bereits in . . vier Jahren die Investitionskosten gedeckt haben; MM 11.4.1986 [Er] ist . . zuversichtlich, daß sich die . . 700000 Mark teure „Schau des Jahres" durch Eintrittsgelder und Verkauf von Katalogen, Postkarten und Plakaten fast spielend amortisieren wird — den zu erwartenden Gewinn hat er bereits verplant für zwei Projekte; Zeit 1.8.1986 mit Sicherheit aber dürften sich die Investitionskosten . . in 15 Jahren amortisieren; ebd. 26.9.1986 eine Ausgabe, die sich schon bald amortisiert hätte; ebd. 3.4.1987 in knapp vier Jahren soll sich die Investition amortisiert haben; N.N.N. 20.9.1989 während die Brückenbauer . . die Kosten . . durch Brückenzoll amortisieren wollten (DUDEN 1993). Amortisation: Possony 1938 Wehrwirtschaft 62 Unter Zugrundelegung eines sehr vagen Begriffs
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von „Amortisation" hat man ausgerechnet, dass sich z. B. ein Bomber in 200 Flugangriffsstunden amortisiere; 1938 Jahresber. dt. Forstver. 238 weil die Anschaffungskosten und damit die Amortisation der [Last]Autos in Deutschland geringer sind; Heuss 1951 Qualität 28 Die Maschine als Bedienerin des Marktes .. ist, schon um ihrer Amortisation willen, im Konsumgüterbereich auf „Serie" eingestellt; Stuttgarter Ztg. 17.3.1959 [er] attakkierte . . die von gewissen Zeitschriften geforderte Novitätensucht, den verhängnisvollen Kult des Materiell-Mechanischen und die „Amortisationsperiode des Architekten, der weiß, was in den nächsten dreißig Jahren bestehen wird"; Welt 5.9.1969 wenn man die heute im internationalen Springsport üblichen Anschaffungspreise für . . Spitzenpferde zugrunde legt, kann bei normaler Amortisation dieses empfindlichsten Sportgerätes kaum ein Gewinn erwirtschaftet werden; MM 11.8.1987 sie [Geräte] sind derartig teuer, daß eine Amortisation kaum zu erwarten ist. amortisierbar: Habermas 1985 Unübersichtlichkeit 18 in dem Maße, wie der Hausbau zur amortisierbaren Investition wird, lösen sich die Entscheidungen über den Kauf und Verkauf von Grundstücken.
Amouren PL, im späten 18. Jh. entlehnt aus gleichbed. frz. amours, PL von amour 'Liebe' (< lat. amor 'Liebe, geliebter Gegenstand, Liebling', plur. auch 'Liebschaften, Liebeleien, Buhlschaften', zu amare 'lieben'; —> Amateur), früher selten in der frz. Form. Vgl. die schon im Mhd. ebenfalls aus dem Frz. übernommene, bis ins 19. Jh. nachgewiesene Sing.-Form Amour, früher auch Amur, zunächst für 'Liebe, Verliebtheit' und 'Liebste, Geliebte', im 19. Jh. auch in der Bed. 'Liebesbeziehung' (s. Belege 1827, 1836, 1851, 1855). In der Bed. 'Liebschaften, Liebesabenteuer, -romanzen, -affären, -Verhältnisse', häufig eher scherzhaft-ironisch gebraucht, vereinzelt auch für '(Liebes-)Tändelei(en), Liebelei(en)' (s. Beleg 1851). Vgl. daneben gleichbed., schon im Mhd. bezeugtes, heute veraltetes Amourschaft F. Dazu das schon Mitte 16. Jh. vereinzelt, seit früherem 17. Jh. selten, erst seit Anfang 20. Jh. kontinuierlich nachgewiesene, über gleichbed. frz. amoureux auf mlat. amorosus 'liebevoll, geliebt, Liebes-' zurückgehende Adj. amourös (ohne Steigerung), bis ins 20. Jh. auch in der frz. Form, zunächst für 'jmdm. geneigt, in jmdn. verliebt; liebevoll, zärtlich' (s. Belege 1645, 1753, 1816, 1921), seit dem 20. Jh. zunehmend in der Bed. 'Liebschaften betreffend, von Liebesabenteuern, -beziehungen handelnd, Liebes-', z. B. eine amouröse Geschichte, amouröse Abenteuer, Beziehungen, und vereinzelt auch für 'der Liebe zugetan, Liebesabenteuer suchend' (s. Beleg 1963). Amouren: Schiller 1784 S. W. IV 87 Ich will dem Naseweis den Appetit nach meinen Amouren verleiden (KEHREIN); Hauff 1825 S. W. V 11 und ihn, der in seiner Jugend wohl so zwanzig Amouren und Amürchen gehabt hatte, konnte nichts
mehr ärgern als ein fühlloses Herz; ders. 1827 Jud Süß 402 deine Amour mit der Jüdin ist überdies jetzt ganz und gar nicht an der Zeit (DUDEN 1993); Nestroy 1835 Geist 20 in meiner Gegenwart von Mädeln und Verliebtsein sprechen. Da müsst's
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Amouren
mich erzählen lassen, ich könnt' euch meine Amouren bataillonweis aufmarschieren lassen; Glassbrenner 1836 Bilder 13 meine Amour mit Marien; Sternberg 1836 Galathee 43 [eine Fürstin hatte] eine standesgemäße amour gehabt; Guseck 1851 Salvator H 206 eine harmlose Tändelei, eine amour d'une saison; Kossack 1855 Stereoskopen 221 Gleich unser poetisches Wort „Liebe" widersetzt sich der mißbräuchlichen Anwendung auf Verhältnisse, welche unsere überrheinischen Nachbarn ohne Bedenken mit „amour" bezeichnen; Hornberger 1870 Essays 75 als handle es sich um die wichtigsten Angelegenheiten, erzählt uns Flaubert Frederics verschiedene Amours; 1876 (Heyse 1924 Ges. W. II 4,399) [ein junger Mensch] hatte an allen Ecken und Enden irgend eine schmachtende Schöne sitzen, so daß er bei seinen vielfachen Amouren wie ein Landarzt bei seinen chronischen Patienten die Runde machte; 1910-11 Pan l 360 Deine hoffentlich schönen Amouren; Bahr 1927 Zauberstab 164 von den Amouren des Äschylos und Sophokles ist uns nichts überliefert; Stegemann 1930 Tage 136 ich werde mich freuen, , . zu erfahren, wie weit er die Geschichte meines Lebens getrieben hat und ob er auch nicht zuviel von Abenteuern und Amouren erzählt, die wie Unkraut im Weizen stehen; Friedeil 1931 Kulturgesch. Ill 89 verzärtelter Knabe . ., der an nichts zu denken scheint als an Amouren; Th. Mann 1939 Lotte (W. II 474) daß Ihr Name .. allezeit unter den Frauennamen glänzen wird, die die Epochen seines erlauchten Werkes bezeichnen, und welche die Kinder der Bildung werden zu memorieren haben wie die Amouren des Zeus; Macdonell 1940 Gentleman 276 ihren ehebrecherischen Amouren; Münch. N.N. 15.9.1942 Den Göttern ging es einst um Amouren, die man mit Kabalen zu gewinnen suchte; Süddtsch. Ztg. 16.3.1949 Vielen amerikanischen Soldaten sind ihre „Amouren" zu kostspielig geworden; Gmelin 1950 Zyklenroman 29 Sturels Amouren mit einer üppigen Armenierin; Greiner 1953 Biedermeier 35 dass er [Nestroy] sich nicht in seinen ewigen Amouren und Leidenschaften verplemperte; Süddtsch. Ztg. 25.3.1959 Zerbinetta ist . . kein kokettes Bühnenluderchen mit nichts als Amouren im Kopf; Niebelschütz 1961 Spiel 26 [daß König Ludwig XVI. von Frankreich] auf die Bahn ruinöser Amouren geriet; Partner 1964 Erben 19 die irdischen Amouren des olympischen Gottes Jupiter; Schiff 1970 Mondurlaub o. S. keine Geschichte, keine Kriege, keine Amouren, keine Legenden; Wolf 1979 Ort 134 Dieser Kleist sieht nicht aus, als dürfe man ihm mit seinen Amouren schmeicheln; Saarbr. Ztg. 27.6.1980 In Benns Briefen an Oelze geht es um . . ganz Privates (etwa Benns späte Amouren) (DUDEN 1993); Zeit 14. 6.1985 dieser hatte in seinen „liebenswürdigen
Memoiren" einige seiner großen Amouren aufgezeichnet; ebd. 2.8.1986 erzählt von einer schwarzen Frau in New York, die gleichzeitig drei Amouren unterhält. Süddtsch. Ztg. 15.10.1993 Auf die Romanze mit ihrem Leibwächter, folgte eine intime Freundschaft mit der Reporterin Lorena . . All dies geschah . . mit Franklins Wissen . ., da ihm der Freiraum für die eigenen Amouren zupaß kam. amourös: Forster 1539—56 Frische Teutsche Liedlein 90 Ich weet ein Vrauken amorues [!]/ die ic van herten minne; Friedrich 1636 Clytie 216f. zwo/ oder drey jhrer Gespiellinnen amoureus machte (JONES); Rist 1642 Rettung E2r alle amoureuse Cavalliere (JONES); Harsdörffer 1645 Frauenzimmergespr. V 8v so seid ihr amoureus der fremden nation (JONES); Hille 1647 Palmenbaum 133 Sein . . amoureuses Gedicht (JONES); Heidegger 1698 Mythoscopia V/1 17 dise vergessen ihrer selbst offt schaendlich/ und stuemplen mit amoureusen Haendlen (FRNHD. WB); Belemnon 1728 Bauern-Lex. 18 Amoureux, . . Verliebt/ freundlich/ liebreich/ holdselig; Hederich 1753 Promt. 132 Amoureux (amorös), . . verliebt; Goethe 1809 Gespr. m. Riemer (Goethes Gespr. l 517) So ist es auch mit ändern Stimmungen des Geistes, mit der religiösen, amourösen, bellikosen und ändern (GWB); Platen 1816 Briefw. I 342 erwarte ich eine lange Epistel von Deiner Seite, nicht allein in Antwort auf meine lezte, sondern eine auskunftgebende über Deine amoureusen Seufzer; Poppenberg 1913 Rokoko 3 die amourösen Alkovenduos, wenn eine Schöne .. bei der Nachttoilette so angenehm erschreckt wird; Stern-Szana 1921 Bibliotheca 221 das erotische Element von der amoureusen und liebenswürdigen Seite zu nehmen; 1926 Sittengesch. d. Intimen 79 Ritter auf den Wegen amouröser Abenteuer; Friedell 1928 Kulturgesch. 11159 Man ist immer amourös, aber niemals ernstlich verliebt; 1930 Festschr. a. Sörgel 103 Man geht ins Konzert, sieht sich amoureuse Stücke an; 1931 Sport i. Bild l 23 Einer der . . Jugendlichen unternahm einen amoureusen Angriff auf die Gouvernante; Stegemann 1932 Herren 270 dieser tränenseligen . . amourösen Geschichte; B. N. 13.9.1943 amoureuse Affäre; Dörfler 1947 Sohn 25 was er für Gabriele fühlte, war etwas . . anderes, als was die Welt so mit amoureux meint; Süddtsch. Ztg. 13.10.1950 eine spritzige, amouröse Komödie rund um den Bayernkönig; Münch. Merkur 27.3.1954 ließ er sich wieder in amuröse [!] Angelegenheiten ein; Pentzoldt 1958 Liebende 47 Dein Jüngling gefällt mir prima, er hat so was Amouröses; Offenburger Tagebl. 24.2.1959 Komödie um erotische Standhaftigkeit und amouröse Seitensprünge; Stuttgarter Ztg. 18.6.1960 Ein amouröses Abenteuer ist für einen Autofahrer . . recht
Amphibie kostspielig geworden; Offenburger Tagebl. 5.10.1962 Der . . Königstiger . . vom Pariser Zoo . . hat Ordnung in seine amoureusen Angelegenheiten gebracht; Lynen 1963 Kentaurenfährte 185 sie war ein amouröses, mütterliches und gefräßiges, unersättliches Wesen (DUDEN); Offenburger Tagebl, 17.8,1971 Lustspiel, in dem Feydeau vier Ehepaare in eine amouröse Treibjagd verwickelte; Hocke 1976 Tagebücher 28 das Tagebuch . . ist . . in seiner Vorliebe für skandalöse Berichte von amourösen Abenteuern . . sehr ungeschminkt; Härtung 1978 Hubert 322 Dorothee verdächtigte ihn .. amouröser Abenteuer; Zeit 19.4.1985 zu
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einem beschränkten Feminismus, dessen Ziel allein die amouröse Emanzipation ist, der Ausstieg aus der Ehe, die Freiheit zum Ehebruch; ebd. der Vater . . auf der Flucht — in die Musik, in halbherzige amouröse Abenteuer; ebd. 3.1.1986 seine sprachliche Virtuosität in den Dienst wichtigerer Themen als amouröser Memoiren zu stellen; MM 28.2.1987 atmosphärisch eine amouröse Klimakunde des karibischen Kolumbien in einer „Stadt am Rande der Zeit" . ., überrascht der Nobelpreisträger für Literatur mit diesem Roman einmal mehr; Zeit 1.4.1987 Schauplatz denkwürdiger amouröser Begegnungen eines preußischen Prinzen .. mit einem bürgerlichen Mädchen.
Amphibie F. (-; -n), auch Amphibium N. (-s; Amphibien, auch Amphibia), im früheren 16. Jh. aufgekommene gelehrte Entlehnung aus lat. amphibian 'im Wasser schwimmendes und auf dem Lande kriechendes Tier', vgl. gleichbed. mlat. amphibium (< gleichbed. griech. , Subst. zu 'doppellebig, auf dem Lande und im Wasser lebend', aus 'doppel . ., beid . ., zweifach' und ßio$ 'Leben'), bis ins 20. Jh. auch in der lat. (flekt.) Form, seit der 2. Hälfte des 18. Jhs. zunehmend in der eingedeutschten Form. 1 Zunächst in der allgemeinen Bed. 'sowohl auf dem Lande wie im Wasser lebendes Tier', im 18. Jh. in der lat. PL-Form Amphibia von Linne (1748) als zoologischer Terminus auf die Klasse der Reptilien, Frösche u. ä. bezogen, seit dem frühen 19. Jh. in eingeengter Verwendung meist als plur. Bezeichnung für die Klasse wechselwarmer Wirbeltiere mit Metamorphose, die als Larven im Wasser mit Kiemen, später aber am Land mit Lungen atmen (Blindwühlen, Molche, Frösche), weitgehend gleichbed. mit dem von dem Naturforscher Lorenz Oken (1815) gebildeten dt. Klassennamen Lurche; schon seit dem 16. Jh. gelegentlich in Vergleichen verwendet (s. Belege 1542, 1797 bei Amphibie und 1792, 1938, 1963 bei Amphibium). 2 Seit frühem 18. Jh. unter Anknüpfung an die konkreten Lebensbedingungen und Lebensräume von Amphibien ('zu Land und zu Wasser') und an die den Amphibien zugeschriebenen Eigenschaften (z. B. 'kaltblütig') häufig bildlich und übertragen verwendet: a Meist zur Charakterisierung von Personen im Sinne von 'Mensch mit einer Art Metamorphose' (s. Beleg 1721 — 22), insbes. 'Wesen mit einer Doppelnatur, Zwitterwesen', auch 'jmd. mit doppelter Existenz; jmd., der in zwei Elementen, Sphären, Metiers gleichzeitig, gleichermaßen lebt, beheimatet ist bzw. sich keiner der beiden Sphären eindeutig zuordnen läßt; jmd., der unentschieden, schwankend zwischen zwei Parteien, Lagern steht', daher selten auch 'Mensch mit zweideutigem Wesen, mit ambigem, schwankendem, zweifelhaftem Charakter' (s. Belege 1732, 1784, 1838); im 18.719. Jh. gelegentlich auch in bezug auf die Empfindungslosigkeit und Kälte von Personen gebraucht (s. Belege 1799, 1819, 1835). b Seit späterem 19. Jh., zunächst gelegentlich auf die geographische bzw. geopolitische Lage von Ländern, Gebieten bezogen (s. Belege 1863, 1943 bei Amphibie und 1876 bei Amphibium), seit frühem 20. Jh. vor allem in bezug auf (militärische) Fahrzeuge verwendet, die zu Wasser und zu Land operieren können, meist als Bestimmungswort in Zss. wie Amphibienfahrzeug 'Kraftfahrzeug, das im Wasser und
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auf dem Land verwendet werden kann, schwimmfähiges Landfahrzeug, kombiniertes Land- und Wasserfahrzeug', Amphibienflugzeug 'Flugzeug, das im Wasser und auf dem Land starten und landen kann', vgl. auch entsprechende militärspr. Ausdrücke wie Amphibienmanöver, -operation 'zu Land, Wasser und in der Luft durchgeführte militärische Unternehmungen' (s. Beleg 1942). Dazu seit Anfang 18. Jh. die adj. Ableitung amphibisch (ohne Steigerung), fachspr. in Zoologie und Botanik für 'doppelllebig, im Wasser und auf dem Land lebend', meist von Tieren, aber auch von Pflanzen (s. Beleg 1713), z. B. amphibische Lebewesen, Pflanzen, eine amphibische Lebensweise (zu 1); seit frühem 19. Jh. auch übertragen gebraucht in der Bed. 'von doppelter Natur, zwitterhaft, zu zwei verschiedenen Sphären gehörend, gemischt, ambig, zweideutig' (zu 2a); seit früherem 20. Jh. bildlich verwendet für 'zum Land und zugleich zum Wasser bzw. Meere gehörend', z. B. ein amphibisches Land, bezogen auf Küstenregionen (s. Beleg 1932), etwa gleichzeitig vorwiegend im militärischen Bereich für 'zu Lande und zu Wasser operierend', z. B. in den Wendungen amphibische Kampfeinheiten, Streitkräfte 'meist aus Teilen von Heer, Marine und Luftwaffe zusammengesetzte Großverbände mit besonderer Befähigung zu Landungsoperationen', vgl. auch amphibische Operationen, Manöver und amphibische Karte 'aus Land- und Seekarten zusammengestellte Darstellung der Küstenverhältnisse' (zu 2b). Amphibie 1: Erasmus-Herold 1542 Christi. Ee Institution 85b Aber die yhenigen so vor Bürgerlichen geschaefften/ mit dem ackerbaw jr leben nit verschliessen/ die mögen doch als ein Amphibion/ das zu wasser vnd land lebt/ je der handlung gelegenheit nach sich schicken; Fischart 1581 Dämonotnania 63 Amphybia, oder Beidlebige Thier; Comenius 1658 Orbis 68 Amphibia. Beydlebige Thiere . . Auf Erden und im Wasser lebende sind: Das Crocodil . ., der Biber . . der Fischotter; Sperander 1727 A la mod Sprach 33 Amphibion,. . ein Thier/ das beydes im Wasser und auf der Erde leben kan; Wieland 1769 Ges. Sehr, l 1,287 und da er [der Mann im Mond] das ist, so ist er auch weder Fisch, noch . . Amfibion, noch Insekt; Denis 1778 Einl. II 123 Von den Fischarten, die Linnäus . . mit gutem Grunde unter dem Namen Nantes zur dritten Ordnung der Amphibien gemacht hat; Herder 1784 Ideen (S. W. XIII 46) Heere von Insekten, Amphibien, zähen Landthieren und andrer Meeresbrut; Goethe 1784 Zwischenkieferknochen (WA U 8,102) weil ich nur Schalenthiere in den Marmorn kenne und ich nicht weiß, ob man in dem eigentlichen Marmor Fische oder was noch mehr ist, Amphibien bisher gefunden hat; Köhler 1788 Anweisung 11 746 Von Amphibien hat man in Naturalienkabinetten auch viele, theils ganz in Spiritu vini aufbewahrt; Goethe um 1790 Naturwiss. Sehr. (HA XIII 178) der Schwan, die Ente, als eine Art von Amphibien, verraten ihre Neigung zum Wasser schon durch ihre Gestalt; 1796 Handb. Forstkunde l 63 Amphibien, Lat. Amphibia . . So werden diejenigen Thiere genannt, die ein Herz mit einer einzi-
gen Kammer .. und rothes kaltes Blut haben, und durch Hülfe ihrer Lunge Athem holen; theils nur im Wasser wohnen, . . theils sich auf der Erde im Trockenen aufhalten; Hufeland 1797 Kunst 247 Könnte man . . den Menschen ein Amphibion von einer höheren Art . . nennen; Schopenhauer 1803—04 Reisetagebücher 261 In einer dritten Abtheilung ist die Amphibiensammlung, deren Anzahl die geringste ist: daneben ist ein . . Cabinet von physischen Instrumenten, mechanischen Modellen; Wieland vor 1813 W. V 80 Daß sie, wie die Amphibien, im Wasser und auf dem Trocknen gleich bequem möchten leben können (KEHREIN); Hufeland 1822 Sympathie 32 In der den Fischen zunächst stehenden Thierklasse, den Ampibien; Chamisso 1827 Gewächse 14 die froschähnlichen Amphibien; Wiegmann/Ruthe 1832 Handb. d. Zoologie 162 die Klasse der Amphibien als Mittelglied zwischen beiden genannten Klassen (Vögeln und Säugetieren); Schubert 1840 Nachtseite d. Naturwiss. 155 Einige Amphibien, unter ändern einige größere Eidexarten und Schildkröten, zeigen in dem Baue der inneren Theile eine große Verwandtschaft mit dem Baue der Vögel; Kohl 1841 Südrußland II 149 Von Amphibien sollte man . . Nichts in den Steppen vermuthen, da man hier, wo fast Alles trocknes Land ist, fast nicht von einem „Amphi" der Elemente sprechen kann, und doch sind Schlangen, Eidechsen, Schildkröten und Fische äußerst häufig; A. v. Humboldt 1849 Ansichten l 31 So zwingt die Natur dieselben Thiere, welche in der ersten Jahreshälfte auf dem wasserleeren, staubigen Boden [der Steppen] vor
Amphibie Durst verschmachteten, als Amphibien zu leben; Haeckel 1866 Generelle Morphologie H CXXX Amphibien. Lurche; Hartmann 1869 Philosophie 108 sehen wir an den Wirbelthieren und zwar deren zweiter Classe von unten, den Amphibien; Knortz 1911 Reptilien und Amphibien in Sage, Sitte .. (Titel); 1966 Urania XI 22 bewegte Objekte . . lösen bei Amphibien Beutefanghandlungen aus; MM 4.4.1985 daß Amphibien bei der Besiedlung neuer Gewässer einzelne Tümpel meiden, daß bevorzugt Feuchtgebiete .. angenommen werden; ebd. 13.6.1985 die .. fortschreitende Vernichtung der Amphibien könnte schon bald katastrophale Folgen für die Umwelt . . haben; ebd. 16.8.1986 die unzähligen Amphibien, die da im Uferschlick kreuchen und fleuchen; Zeit 2.1.1987 alle Amphibien müssen ihr Winterquartier sorgfältig auswählen, damit auch bei strengem Frost die Temperatur dort nicht unter den Gefrierpunkt fällt; MM 20.1.1988 der Amphibienbestand in den stehenden Gewässern ist gefährdet; Süddtsch. Ztg. 27./ 28.3.1993 [daß] die Straßenbaubehörden nur ungenügend zum Amphibienschutz beitrügen, zum Schutz von Kröten und Lurchen. amphibisch: Carlowitz 1713 Baum-Zucht 233 unter denen Bäumen, die gerne auf feuchten und naßen Boden . . wachsen, sind die Erle, die Aspe, die Pappelweide. .. Jedoch wachset die Erle und Weide auch auf trucknen Lande, und sind diese beeden so zu reden amphibisch; Heynatz 1797 Antibarbarus II 684 zweilebigt (richtiger zweilebig) hat Moritz für amphibisch vorgeschlagen; Cuendias 1847 Spanien 28 Aber tüchtig sind sie [Nixen] jedenfalls und von amphibischer Ausdauer, denn sie leben fast den ganzen Tag im Wasser; Hauptmann 1928 Eulenspiegel 121 es ist unsre Wiege das Meer, und wir haben im Wasser/ Jahrmillionen gelebt, und wir lebten dann, später, amphibisch,/ halb im Wasser und halb auf dem Lande; Th. Mann 1933-43 Joseph (W. /V/V 28) daß . . der Mensch . . in verschiedenen zoologischen Modetrachten, amphibischen und reptilischen, auf Erden sein Wesen getrieben habe; 1967 Bild d. Wiss. 139 in Anpassung an die amphibische Lebensweise haben sie einen . . Ruderschwanz und kräftige . . Beine, mit denen sie sich in der Brandung festhalten; MM 2.12.1985 Robinsonade im Weltraum (Überschr.) . . zu den „stinkenden Krötengesichtern", wie dem Feindbild zufolge die amphibischen Fremden [in Science-Fiction-Film] . . genannt werden. Amphibium: Sperander 1727 A la mod Sprach 33 Amphibium, ein Thier/ das beydes im Wasser und auf der Erde leben kan; Zedler 1732 Universallex. I 1776 Amphibium, Amphibien, ein Thier, daß beydes im Wasser und auf der Erde leben kan, als
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die See-Kuh, Biber, Fluß-Schild-Kröten; Jean Paul 1792 S. W. / 2,58 im Flüssigen und Festen war er wie ein Amphibium zu Hause; Th. Mann 1933—43 Joseph (W. /V/V 395) seit der Mensch nicht mehr das Amphibium oder Reptil spielt, sondern seinen Weg zum Körperlich-Göttlichen . . verfolgt hat; Wolf 1938 Grenze 312 Luft- und wasserschnappend krabbelt er wie ein Amphibium in dem schäumenden Strom; Seghers 1963 Transit 244 In den unentwegt kalten Hotelzimmern . . war ich zu einer Art Amphibium geworden (DUDEN). Amphibie 2a: 1721—22 Chronik d. Ges. d. Mahler 54 daß diese Gesellschaft sich in 2 Factionen vertheilet hat . . Seyt Ihr von diesen oder von jenen? . . Wir hoffen, daß Euch diese Satyre durch eine glückliche Metamorphose aus einem Amphibio zu einem Menschlichen vertrauten Mit-Bruder unserer Societät wieder herstellen werde; Zedler 1732 Universallex. l 1775 Amphibios, ist ein griechisches Wort, und bedeutet gewisse Thiere, so halb auf der Erde, halb im Wasser leben. Daher pflegt man insgemein diejenigen Leute, so sich zu keiner gewissen Parthey schlagen, mit der sie es halten wollen, mit diesen Namen zu benennen; Wieland 1754 Timoklea (Suppl. Bd. IV 54) Diese Personen, welche du meinst, sind . . von der Gattung, die wir in der filosofischen Sprache, Halbmenschen oder Amfibia nennen; zweydeutige Komposizionen aus streitenden Eigenschaften, gut und böse, schön und hässlich; Hamann 1779 Briefw. IV 53 Nun schweb ich als ein unglückliches Amphibion zwischen Furcht und Hoffnung — hab den Schein des Geitzes von außen und den Wurm der Verschwendung von innen; Hase 1779 Aldermann H 171 ich bin ein Amphibion, ich gehöre [außer zum Hof] auch zur Stadt; Blumauer 1784—94 Virgils Aeneis (l 141) Doch der Zurückgelassenen [Passagiere an der Grenze]/ Unzähliges Gewimmel/ Schwebt lange, gleich Amphibien,/ Hier zwischen Höh" und Himmel,/ Und singet: Miseremini!/ Bis sich wer findet, der für sie/ Ein paar Siebzehner [an die Zöllner] zahlet; Schubart 1790 Chronik 386 Wer bewundert nicht dies Amphibion unter den Helden [König Gustav von Schweden], der . . zu Wasser, wie zu Land zu siegen weiss; Heinse 1794 Ardinghello III 84 Wir suchen uns zwar wie Amphibia mit eigen erfundener malerischer Tracht zu helfen (SANDERS DWB); Fr. Schlegel 1799 Lucinde 1116 Mit einem reizenden Mädchen so zu reden, als ob sie ein geschlechtsloses Amphibion wäre; Jean Paul 1799 S. W. / 8,35 so daß er [Jüngling] sie [Hofund Weltleute] für nichts als für kalte . . Amphibien, wie Linne solche definiert, ansieht; Tiedge 1804 Urania V 47 Dies Amphibion der Tugend und des Lasters; 1819 Hermes III 32 (Gombert 1908 Progr. 36) Einige kaltblütige Amphibien von der
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kritischen Gilde haben das Werk . . verschrien und verketzert; Heine 1835 Romant. Schule 164 Die meisten Literaturhistoriker . . zeigen . . uns epische Säugedichter, lyrische Luftdichter, dramatische Wasserdichter, prosaische Amphibien, die sowohl Land- wie Seeromane schreiben; Gutzkow 1838 Blasedow II212 Neu ist. . die Gattung von Schriftstellern, welche wie Amphibien halb auf dem festen Lande der Literatur, halb im Strome der öffentlichen Begebenheiten leben; 1838 Salon I 24 Amphibien, d. i. all der jungen gnädigen und ungnädigen Herrn und Damen, welche weder zur einen, noch zur ändern Klasse gehören; WagnerLiszt 1851 Briefw. l 118 Auf diese Weise ist er eine Art Amphibie geblieben, von der einen Seite versumpfend, und von der Anderen im eigenen Wasser vertrocknend; Holtet 1860 Eselsfresser // 73 In großen Städten mangelt es nie an weiblichen Amphibien [Dirnen], die für die menschliche Gesellschaft bedeuten, was jene Geschöpfe für die Thierwelt sind, die, halb dem Sumpf, der . . Pfütze, halb dem hellen glänzenden Sonnenlichte angehörig; Jagemann 1925 ]ahre 111 Wir deutsche Gesandte rangierten aber doppelt, daher Amphibien benannt, bald . . nach dem Datum der diplomatischen Beglaubigung, bald für den Bundesrat mit den nicht diplomatischen Bevollmächtigten; Hocke 1976 Tagebücher 345 machen die geistige Bildung, der moderne Verstand, den Menschen „zur Amphibie". Diesen Ausdruck haben wir schon hin und wieder verwendet. Jetzt begegnet er uns auf einer anderen Ebene. Amphibien? Menschen sind demnach nicht Lebewesen, die gleichzeitig im Wasser und auf der Erde leben können, sondern Geschöpfe, die Teil der Materie und des Geistes sind. amphibisch: Lang 1817 Reise l 16 [Mann,] der gleichsam mit einer amphibischen Kraft Vorstand des Wasser und Landbau-Amtes ist; 1832 Jahrb. d. Gesch. II 547 die „amphibische Einrichtung der Polizei, eine Schöpfung, welche die Sicherheit, die das richterliche Amt gewährt, mit der Schnelligkeit und Beweglichkeit vereinigen sollte, die dem Kriegerstande zugeschrieben wird"; Gutzkow 1852 Ritter VI 15 ich gehöre zu jenem amphibischen Theile des Bundes, der in- und außerhalb der Kirche steht [von den Jesuiten]; Peschel 1874 Völkerkunde 191 Die . . echteste und edelste Kriegswaffe ist. . das Schwert, weil es nie amphibisch für Krieg und Handwerk gebraucht werden kann; Chamberlain 1910 Br. I 195 ich finde Unterhaltung bei den empirischen Erforschern der Natur, wie auch bei guten Künstlern .. — wogegen eine amphibische „Naturphilosophie", die alles Geniale von sich weist und dennoch „Philosophie" sein will, mir höchstens — . . Sympathie . . einflößen kann; Musil 1930 Mann I 278 diese . . amphibische Zweideutig-
keit der Gefühle (DUDEN); Hocke 1956 Tagebücher 308 Als „amphibisches" Wesen mag der Diarist der Spannung von Geist und Leben ausweichen. Amphibium: Sulzer 1809 Lebensbeschr. 16 blieb ich mein ganzes Leben hindurch ein Amphibium, das mit gleicher Lust in der Welt und in dem ruhigen Wohnsitze der Wissenschaften lebt; Falltnerayer 1845 Fr. II 220 Ein häßlicheres Amphibium als der europäisierte Handelsgrieche auf seinem byzantinischen Boden besteht .. nicht. Amphibie 2b: Rodenberg 1863 Strassensängerin II 90 Immer näher treten [bei der Einfahrt in Londons Hafen] die Ufer; sie werden voller und verlieren ihre Amphibiennatur; 1931 Technik XLV 30 Der Amphibientank, die neueste Kriegswaffe. .. Es ist ein Tank, der zu Lande und im Wasser vorwärts kommt; Lokal-Anz. 15.11.1934 wird .. ein Geschwader amerikanischer Amphibien-Flugzeuge einen Massenflug über den Stillen Ozean . . unternehmen; 1935 Geopolitik XII 96 neugeartete Flugzeuge: „Amphibien" . . sog. „Gleitbootamphibien"; Münch. N.N. 15.10.1938 Ueber den Stufen des Felsennestes Massa stand . . das Amphibienauto; Feuchter 1938 Flieger 19 bei der englischen Flotte, Amphibien, d. h. Wasser-Landflugzeuge; 1942 Nachrichten VKld. 521 „Amphibien-Operationen" (kombinierte Land-, Luft- und See-Operationen) der Amerikaner; 1943 Wissen u. Wehr 153 Winston Churchill hat sein Land einmal „die grosse Amphibie" genannt; B. N. 18.6.1943 im östlicheren Teil des Mittelmeeres Amphibienoperationen eingeleitet; Münch. N.N. 1.10.1943 Er [Admiral] gilt . . als Fachmann für kombinierte Land- und Seeoperationen, was ihm in Japan den Beinamen „Amphibien-Lord" eingetragen hat; NZ. (Basel) 4.1.1950 Die Pazifikflotte wird der Atlantikflotte verschiedene Amphibienfahrzeuge leihen; Süddtsch. Ztg. 27.12.1950 Die Nachhuten des zehnten Korps, die sich als Letzte mit Amphibienpanzern einschifften; ebd. 9.5.1955 Das Amphibienflugzeug, das auf dem Wasser und an Land niedergehen kann; ebd. 26.6.1954 Seine Einheit, das „Amphibien-Rgt. Nr. l" war die Feuerwehr des Oberkommandos; Offenburger Tagebl. 19.8. 1965 Amphibien-Fahrzeuge . . setzten . . andere Einheiten im Süden der Kampfzone ab; FAZ 10.12.1970 Amphibienfahrzeuge nach Ostpakistan (Überschr.); ND 24.8.1974 Amphibienfahrzeuge und Schützenpanzer . ., die für die verschiedensten Gefechtsaufgaben eingesetzt werden können; MM 9.2.1985 der .. Ingenieur, der schon Jahrzehnte Amphibien-Geländewagen austüftelt. amphibisch: Zegula 1932 Amphibisches Land. Schlickflächen an der nordfriesischen Küste (Titel);
Amphitheater Dix 1934 Raum 70 dass Rom auf seinem Wege zur Weltmacht „amphibisch" wurde; Haushofer 1937 Weltmeere 87 amphibischen Daseins zwischen Land und Meer; 1942 Geopolittk 359 den mehrfach amphibischen Charakter des Flugzeuges; N.Z.Z. 18.8.1943 daß die Überlegenheit der Alliierten schwinden werde, sobald sie aus dem Bereich der „amphibischen Operationen" hinausgelangen; ebd. 9.9.1943 „Amphibische Übung" im Ärmelkanal; NZ. (Basel) 24.3.1949 Als Basis eines modernen amphibischen Krieges kann sich aber Spanien . . nicht einmal wirksam verteidigen; Süddtsch. Ztg. 21.7.1950 Die Seestreitkräfte der USA im Fernen Osten werden .. nicht so vollständig in Anspruch genommen, daß sie eine rotchinesische Operation gegen Formosa nicht verhindern könnten, zumal . . die rotchinesische Armee wohl kaum über die modernen Kampfmittel verfügen dürfte, die für eine großangelegte amphibische Unternehmung Voraussetzung sind; Offenburger Tagebl. 21.3.1962 übergab der Kommandeur des Kommandos amphibische Streitkräfte . . den Befehl über „U l" an den Kommandanten; Süddtsch. Ztg. 19.8.1965 Amphibischer Angriff der Amerikaner (Überschr.) . . Mit Hubschraubern und Sturmbooten wurden Einheiten der Marineinfanterie auf die Halbinsel . . gebracht; Stuttgarter Ztg. 3.10.1967 Die Pioniertat . . ist das neue amphibische Brükken- und Übersetzfahrzeug; ebd. 30.3.1968 Das
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erste amphibische Löschfahrzeug . . soll hauptsächlich dort eingesetzt werden, wo herkömmliche Feuerlöschzüge und Löschboote einen schlechteren Wirkungsgrad haben; ebd. 30.4.1968 Feuerwehr wird amphibisch (Überschr.) . . beginnt für ein neuartiges amphibisches Löschfahrzeug . . das richtige Betätigungsfeld: schneller Einsatz bei Schiffsbränden oder Unfällen auf Strömen . ., Einsatz bei Flugzeugabstürzen in . . Sümpfen; Offenburger Tagebl. 3.4.1970 Die UdSSR legte ihr Manöver „Düna" zum erstenmale amphibisch an, um zu zeigen, daß man sich auch der strategischen Kriegsführung auf zwei Ebenen zu bedienen weiß; Süddtsch. Ztg. 4./5.9.1993 Dieses Übergangsgebiet zwischen Land und Wasser mit seinen amphibischen Lebensräumen ist eine Schatzkammer von Flora und Fauna. Amphibium: v. Hartmann 1876 Studien u. Aufs. 114 das [Rußland] langlebig ist wie ein kolossales Amphibium; Paquet 1927 Städte 237 Dieses schwerfällige Fahrzeug [Fähre] vermag zwei Eisenbahnzüge aufzunehmen. . . Es ist ein Amphibium, halb Schiff, halb Bahnhof; 1928 Technik XXXIV 8 Ein modernes Amphibium. Ein kombiniertes Land- und Wasserfahrzeug wurde . . für den Marinefiskus erbaut. Das Amphibium-Fahrzeug verkehrt auf dem Lande und dem Watt als Auto und zu Wasser als Motorboot; Tranum 1935 Leben 37 ein Flugzeug-Amphibium.
Amphitheater N. (-s; -), im Mhd. vereinzelt, erst seit früherem 15. Jh. kontinuierlich nachgewiesene Entlehnung aus gleichbed. lat. amphitheatrum (< gleichbed. griech. , aus 'auf beiden Seiten, rundum, um . . herum, ringsum' und , —* Theater, also eigentlich 'Theater, in dem man von allen Seiten zuschauen kann'), bis ins 18. Jh. häufig in der lat. (flekt.) Form, seit Mitte 18. Jh. zunehmend in der heutigen Form. Häufig auf römische Verhältnisse bezogene Bezeichnung für ein antikes Freilichttheater mit stufenförmig ansteigenden, rings um die elliptische oder runde Arena laufenden Sitzreihen, das vor allem für Gladiatorenkämpfe und Tierhetzen bestimmt war (—> Arena), früher auch verdeutscht mit (öffentliche) Schaubühne, Rundtheater, Schaugebäude, Schauplatz; seit der 2. Hälfte des 18. Jhs., eventuell unter frz. Einfluß, gelegentlich auch für jedes Theater mit einer in Halbkreisform ansteigenden Sitzordnung des Zuschauerraums (s. Belege 1771, 1797, 1908; —> Balkon, —* Galerie) sowie gelegentlich für Hörsäle in Universitäten (s. Belege 1723—27, 1801; —> Auditorium). Schon seit dem 17. Jh. vereinzelt (s. Beleg 1604), seit späterem 18. Jh. häufig bildlich verwendet, bes. in bezug auf die Lage von (Küsten-)Städten und (Gebirgs-)Landschaften, vgl. die Zss. Berg-, Fels(en)-, Gebirgsamphitheater (s. Belege 1761, 1770, 1782, 1795, 1840, 1877, 1957). Dazu seit dem 18. Jh. die adj. Gelegenheitsbildungen amphitheaterartig und -mäßig, weitgehend gleichbed. mit der schon seit spätem 17. Jh. nachgewiesenen, auf gleichbed. lat. amphitheatralis/gnech. zurückgehenden adj. Ableitung am-
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Amphitheater
phitheatralisch (ohne Steigerung) der Art eines Amphitheaters; ringsum einen Zuschauerraum habend, (halb-)rund angelegt und stufenförmig ansteigend', früher vereinzelt für 'im Amphitheater stattfindend' (s. Belege 1746, vor 1871); seit Ende 17. Jh. zunehmend auch bildlich gebraucht, vor allem in Wendungen wie amphitheatralisch auf-, hinauf-, an-, emporsteigend, bes. von Landschaften, Städten und Gebäuden u. ä. Amphitheater: H. v. Langenstein 1293 Martina 435 Sus kamen siv do beide/ Der megde da ze leide/ In den amphitheatrum . ./ Amphitheatrum daz Betiutet/ Ein hof da ma vf spilt; 1. Hälfte 15. Jh. (1839 Mones Anzeiger Vlll 250) amphitheatrum, lauben; 1445 (Mone, Schauspiele d. Mittelalters U 426) amphitheatrum, lauben oder placzen; Hedio 1531 Josephus Von. Vila Amphitheatrum ein schawplatz wie ein gantzer zirckel da man überall hinzu sehen mag; Rivius 1548 Vitruv. 55a Amphitheatrum ist ein groß gebew gewesen/ wie dann das Colloseum zu Rom noch heutiges tags gesehen; ebd. 83a wo in einer Stat kein Gymnasium oder Amphitheatrum/ daz sind erbawte pletz zu mancherley Schawspilen; ebd. 166b wie auch das Amphitheatrum zu Verona von Walhen la Arena genant [wurde]; Lauterbeck 1578 Einigkeit u. Zwytracht 37b gleich wie sie solche Fechter waren, so auff dem Amphitheatre oder Schawplatz, der gantzen Welt, gegen einander aufstehen; Ernstinger 1579-1610 Raisbuch 96 an diser kirchen ligt auch das amphitheatrum Marcelli alda der cardinal Savello sain wonung hat; 1597 Kronn aller Wegweiser 207 Ein gross Amphitheatrum [in Rom], das doch halb zerbrochen [ist]; Quad 1604 Enchiridion cosmogr. 121 auff dem Gipffei hat er [Berg] einen grossen Schlund, so sich algemach niedersencket ein grot als einer Amphitheatri; Guarinonius 1610 Greuel 1183 Hernacher aber die ansehnlichen Amphitheatre, so die Römer allein darzu [zu Spielen und Übungen] erbawten; Platter 1612 (Boos 1878 Sittengesch. 282) wir zogen auf das haus, do das parlament von Tholosen wirt gehalten, und die stat ueberal, dorunder von antiquiteten ein amphitheatrum und ein gar alt haus eines praetoris, große alte seulen; Neumayr v. Ramssla 1620 Reise i. Frankr. 50 am Amphitheatro [von Arles]; Schilling 1677 Predigten 233 das Capitolium, die Engel-Burg . ., das Amphitheatrum oder öffentliche Schau-Bühn; Bohse 1703 Helicon 614 diese Stadt [Genua], welche auf einem abgehenden Berge nach dem Meere zu als ein Amphitheatrum lieget; 1706 (1905 Archiv f. Kulturgesch. Ill 216) [Schloßgarten,] welcher obenherr wie ein Amphi Theatrum angelegt ist, vndt auff denen seinen klaffterhohe mauren herabgehen; Zschackwitz 1723 Karl VI. 429 Die Mitte ihres Lagers hatte eine kleine in etwas erhöhete Fläche, welche gleichsam ein Amphitheatrum vorstellete; Haller 1723—27
Tagebücher 33 ist ein kleines Amphitheatrum [anatomischer Hörsaal] vor ungefehr 100 Zuhörer; ebd. 63 gingen wir zum Parnass, der ein amphitheatrum von kunstvollen Mazuren [Ruinen] ist; 1747 Genuesische Merkwürdigkeiten 6b Genua . . praesentiret sich als ein Amphitheatrum. Es ist die vornehmste Handels-Stadt in Italien; Ramler 1756 Einl. II 250 muß man drey Theile unterscheiden: Erstlich die Bühne oder Scene, die wir auch das Theater nennen. Zweytens das Orchester, welches wir das Parterre nennen. Drittens das Amphitheater. . . Hierauf [Orchester] erhüben sich die Stufen des Amphitheaters in einem halben Zirckel bis zur Höhe der zweyten Säulenordnung am Vordergebäude; 1758 Modeztg. I 180 Amphitheatre [im Theater]; Fielding 1761 J. Andrews (Übers.) 311 eine Reihe von Amphitheatern, durch die in Reihen gesetzten Bäume gebildet, an deren Füssen eine schöne Wiese war; Winckelmann 1762 Baukunst 82 ist. . mitten auf dem Platz der Stadt ein Amphitheater; Iselin 1770 Sehr, l 62 auf dem lieblichen Hügel . ., dem schönsten Amphitheater . ., so die Natur gebildet hat; Sulzer 1771 Theorie l 48b Man nennt gegenwärtig in unsern Schauspielhäusern den Platz, der der Bühne gegenüber mit allmählich in die Höhe steigenden Bänken angefüllt ist, das Amphitheater, weil dieser Platz in der französischen Sprache diesen Namen führt; 1782 Br. ü. schweizer. Hirtenland 3 Die Alpen . . als hundert Meilen langes Amphitheater; Moritz 1782 Reisen 5 dämmerten . . die grünen Hügel von England vor uns in blauer Ferne, jetzt entfalten sie sich von beiden Seiten, wie ein doppeltes Amphitheater; Beckmann 1784—88 Erfindungen II 394 Von Stadtmauren, Tempeln, Amphitheatern, . . sind [in Italien] . . nur unvollkommene Ueberbleibsel; Heinse 1784-1800 Tagebücher VII 334 Driburg ist ein romantisches . . Thal von einem Amphitheater waldichter Höhen umgeben; Forster 1789 Br. ü. Italien 117 Nizza liegt auf einem ins Meer hinausragenden Felsenamphitheater, von Gebirgen umgeben; Wolfling 1795 Reise I 181 das Amphitheater von Weinbergen, welche von den Citadellen bekrönt werden; Laukhard 1797 Leben IV 1,313 in einer Kirche, wo man Sitze in Form eines Amphitheaters angebracht hatte; Küttner 1801 Reise III 180 Der anatomische Hörsaal ist inwendig wie ein Amphitheater eingerichtet, indem das Subject und der Lehrer sich auf der Arena oder dem ebenen Boden
Amphitheater befinden, um welchen sich die Sitze der Zuhörer in einem Zirckel erheben; Goethe 1811 Dichtung u. Wahrh. (HA IX 497) wie man im Amphitheater . . das ganze Volk übersieht; Hussell 1813 Leipzig (Ndr. 1896) 14 dem grossen Trauerspiele, welches in einem Amphitheater von mehr als einer Quadratmeile . . aufgeführt werden sollte; Goethe 1816-17 Italien. Reise (HA XI 40) das Amphitheater ist also das erste bedeutende Monument der alten Zeit, das ich sehe; Engelhardt 1840 Naturschild. 18 Anblick des Alpenamphitheaters des Oberlandes; 1844 Histor.-polit. Blätter XIII 7 der rauchende Vesuv liege wie in einem Bergamphitheater; Scherr 1877 Gekreuzigte 8 dein Blick hängt an dem grandiosen Amphitheater der Alpen; Rolef 1887 Reisebr. 85 Jetzt hat die Regierung einen Wächter des Amphitheaters aufgestellt, nachdem . . Engländer . . Ausgrabungen veranstaltet [haben]; Th. Mann 1908 Reden u. Aufs. (W. X 55) daß . . Richard Wagner es war, der die Demokratisierung des Zuschauerraumes, seine Nivellierung . . zum Amphitheater zuerst in Deutschland [betrieb]; Friedländer 1910 Sittengesch. Rom II 559 Verzeichnis der in Italien und in den Provinzen nachweisbaren Amphitheater; Waetzold 1924 Kunsthistoriker II 135 der Naturbeobachter Goethe, der in Verona die geschichtliche Kunstform des antiken Amphitheaters begriff; Lokal-Anz. 19. 3.1933 werden in dem großartigen Amphitheater von Syrakus klassische Dramen aufgeführt; Andres 1957 Positano 9 lag die kleine Piazza zwischen dem Meer und dem schwimmenden Amphitheater der Häuser und der Berge wie eine antike Bühne da; Partner 1964 Erben 17 drang . . in die fränkischen Kernlande ein, . . warf die gefangenen Frankenkönige . . im Trierer Amphitheater ausgehungerten Bären zum Fräße vor; Süßkind 1981 Kontrabaß 44 Im Amphitheater von Orange, einem annähernd zweitausend Jahre alten Gebäude; MM 21.12.1985 auf dem . . Gelände . . sind nun als erster Abschnitt entstanden: die Montessori-Schule für etwa 500 Kinder, . . Sport- und Spielplätze, ein Terrarium, ein kleines Amphitheater; Zeit 3.10. 1986 das Amphitheater mit seinen zwei Dutzend Segmenten, Galerien und Podien müßte . . eine ideale Struktur besitzen; MM 13. 7.1987 Festspiele in der Arena von Verona, jenem mit 152 Metern Länge, 128 Metern Breite und 30 Metern Höhe zweitgrößtem Amphitheater Italiens; Spiegel 7.12.1992 Herodes . . der die Siedlung [Caesarea] von Roms Herrscher Augustus . . erhielt, revanchierte sich, indem er den bis dahin unbedeutenden Ankerplatz . . zu einer . . Metropole umbaute, einschließlich Amphitheater und Pferderennbahn. amphitheaterartig: Goethe 1816—22 Kunst u. Alterum (WA I 41.1,279) Man erfährt die kreis-
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und amphitheaterartige Stellung der Schiffe von der großen Bucht herauf; Gregorovius 1894 Nasen 7 auf dessen [des Operationssaals] amphitheaterartigen Stufen; Zeit 8.11.1985 Das Monster von München (Überschr.) . . er steigt amphitheaterartig an, ziemlich forsch. amphitheatermäßig: 1787 Journal d. Moden II 7 einen herrlichen Blick über den sich amphitheatermässig hebenden Garten; Goethe 1816—17 Italien. Reise (WA I 32,390) Der innere .. Raum im Grabmal des Kaisers Augusts ward mit Sitzen amphitheatermässig versehen. amphitheatralisch: Wegelin 1681 Gottes Finger 43 hochschätzbaren Amphitheatralische Gebauen; Olearius 1696 Reisebeschr. I 16a Diese Allee fängt sich bey dem Abhang der Gebürge an und ist in die Oval-Rundung auff Amphitheatralisch herumb geführet; Marperger 1712 Natur-Lex. 626 In der Mitten eines solchen Amphitheatralischen Hetz-, Fecht- oder Kampff-Hauses . . ist der Herren-Sitz; Shaftesbury 1746 Soliloquium (Obers.) 169 Neigung, die wir [Engländer] zu amphitheatralischen Lust- und Schauspielen hegen; 1781 Dtsch. Museum l 416 rechts nach dem Gebirge, in dem amphitheatralischen Winkel, wächst zimlich Wein; Meiners 1785 Br. Schweiz H 237 Genf . . erhebt sich amphitheatralisch an dem äussersten Busen eines majestätischen Sees; Archenholz 1787 England 87 die ungeheure Westminster-Halle, deren Höhe einer großen Kirche ähnlich und daher zu amphitheatralischen Einrichtungen sehr bequem ist; 1798 Propyläen I 1,55 ein ovales, gewissermassen amphitheatralisch.es Gebäude; 1804 Merkur (W.) III123 der Reihe amphitheatralisch angelegter Sitze; ebd. Ill 214 Die Stadt Girganti selbst liegt amphitheatralisch auf einem hohen Berge; Rehfues 1809 Br. a. Italien l 123 mit Gesträuch und . . sehr hohen Bäumen umgeben . ., die sich in der Krümmung des Flusses amphitheatralisch zusammen schliessen; Heine 1830 Italien III 283 am Fuße von amphitheatralischen Bergen, die den schönsten Meerbusen gleichsam umarmen; Wit v. Dörring 1830 Fragmente I 190 Ein großer Halbkreis, amphitheatralisch emporsteigend; Bechstein 1836 Reisetage II 83 der halbrunde und amphitheatralische Saal faßt 500 Deputirte; Vischer 1839 Br. Italien 45 Genua ist herrlich, amphitheatralisch am Meere; 1852 Prutz'Museum II 216 amphitheatralisch geschichtete Waldberge; 1855 ebd. l 9 an beiden Seiten dieses Flüsschens je eine Reihe von Häusern . . amphitheatralisch emporsteigen; Burckhardt 1865 Br. IV 199 im amphitheatralischen Hörsaal liest; Kügelgen vor 1867 Jugenderinn. 492 Das Local für diese Uebungen war ein weiter, von drei amphitheatralisch aufsteigenden Sitzreihen,
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halbkreisförmig eingefaßter Raum; Weiß vor 1871 Kost. 11144 Die amphitheatralischen Spiele (SANDERS 1871); Lingg 1899 Lebensreise 140 Die Felsen . . türmen sich amphitheatralisch um diese Stätte des Friedens; Th. Mann 1901 Buddenbrooks (W. l 184) ihnen gegenüber erhoben sich amphitheatralisch aufsteigend die Sitzreihen; Friedländer 1910 Sittengesch. Roms 323 Der Zuschauerraum mit seinen . . sich amphitheatralisch erhebenden Sitzreihen bestand aus drei Stockwerken; Th. Mann 1925 Erz. (W. VIII 640) auf den Stufen der eingebauten Treppe . . sitzt die junge Welt amphitheatralisch; Berl. lllustr. Nachtausg. 18.11. 1930 Der amphitheatralisch aufsteigende Saal des Landbeck-Virchow-Hauses; 1935 „Duden"-Samm-
lung o. S. Durch das amphitheatralisch ansteigende Parkett und die sich darüber erhebenden Ränge entsteht niemals eine Höhe, wie wir sie sonst gewohnt sind, sondern es bleibt .. eine Verbindung zwischen Zuschauer und den Vorgängen in der Arena; Bertololy 1941 Heimkehr 13 Wir fuhren am Ufer entlang mit weiss schimmernden, amphitheatralisch aufgebauten Städten; Süddtsch. Ztg. 13.12.1950 die . . in anatomischen Hörsälen bevorzugte amphitheatralische Sitzordnung; 1966 Urania XI 57 oberhalb der älteren Stadtviertel von Baku, die .. amphitheatralisch zur Hochfläche der Halbinsel emporziehen; G. Hofmann 1980 Fistelstimme 173 Der Hörsaal 320, . . ein amphitheatralisch angelegter .. Raum (DUDEN 1993).
amputieren V. trans., seit frühem 17. Jh. selten, seit späterem 18. Jh. kontinuierlich nachgewiesene Entlehnung aus lat. amputare 'abschneiden, beschneiden; kranke Gliedmaßen wegschneiden; überflüssige Teile wegschneiden, das Ganze beschneiden, verkürzen' (aus amb(i)- 'ringsum, um . . herum, auf beiden Seiten' und putare 'putzen, reinigen, (Bäume) beschneiden', also eigentlich 'durch ringsum gemachte Schnitte unnütze oder schädliche Teile wegschneiden'; —» Computer, —»· deputieren, —»· Disput). la Zunächst nur selten in der Bed. 'weg-, abschneiden, abhauen'. b Seit späterem 18. Jh. fachspr. in der Chirurgie in der Bed. 'einen (kranken) Körperteil, ein (krankhaftes) Glied operativ entfernen, abtrennen, abnehmen', auch mit Wechsel des Objekts jmdn. amputieren 'jmdm. ein Glied, einen Körperteil operativ entfernen'; häufig adj. verwendet in der Part. Perf.-Form amputiert, z. B. beinamputiert, ein amputierter Arm, der amputierte Patient 'Patient, dem ein Körperglied entfernt wurde' und gelegentlich als Subst. Amputierter M. (Amputierten; Amputierten) 'Person, der eine oder mehrere Gliedmaßen operativ entfernt wurden', bes. in den Zss. Kriegsamputierter, Amputiertentransport und Amputiertensport 'besondere Art des Versehrtensports', auch 'Bewegungs- und Kräftigungsübungen für Amputierte'. 2 Seit spätem 18. Jh. häufig bildlich verwendet für 'etwas wegnehmen, abtrennen', z. B. ein Land amputieren, von einem Staat bestimmte Teile amputieren 'von einem Staat bestimmte Gebiete abtrennen, sie ihm wegnehmen' (s. Belege 1775, 1927, 1938, 1963, 1985), etwa gleichzeitig auch für 'etwas (ver)kürzen, vermindern, reduzieren', z. B. einen Betrieb amputieren (s. Beleg 1982), auch 'Streichungen (in einem Text) vornehmen, etwas verstümmeln', z. B. einen Text, ein Theaterstück amputieren (s. Belege 1792, 1929, 1987), selten für 'etwas weglassen' (s. Beleg 1985). Dazu seit frühem 18. Jh. das auf (flekt. Form von) gleichbed. lat. amputatio zurückgehende Subst. Amputation F. (-; -en), anfangs vereinzelt in der lat. Form, zunächst fachspr. in der Chirurgie für Operative Abtrennung, Abnahme eines Körperteils', z. B. in Wendungen wie eine Amputation vornehmen, sich zur Amputation entschließen und als Bestimmungswort in den Zss. Amputationsmesser, -stumpf 'nach der Amputation zurückbleibendes Stück eines Körperteils', -täuschung 'Phantomschmerz' (zu Ib); seit späterem 18. Jh. häufig auch bildlich gebraucht (zu 2); im 20. Jh. vereinzelt das Verbalsubst. Amputierung F. (-; -en) (zu 2).
amputieren amputieren la: 1620 Landrecht Preussen IV 138 und ob wol .. sehr weitleufftig von den Rechtsgelarten disputiret wird, ob vnd wann auß den pactionibus . . eine action . . entstehe . .: so wollen wir doch solches hiemit amputiret vnd abgeschnitten haben; Leibniz 1685 W. l 4,183 die Difficultäten so sie machen sint den capitibus hydrae . . gleich, wenn eines amputirt wechst ein anders an die Stelle. amputieren Ib: Schmucker 1774 Chirurg. Wahrnehmungen H 166 Von einigen amputirten KrebsBrüsten mit glücklichem und unglücklichem Erfolg (Überschr.); Bretzner 1788 Leben 111 72 Arme und Beine zu amputiren; Hermes 1789 für Eltern II 275 wie ein abgehärteter Wundarzt, der die Säge ergreift, um einen Arm oder ein Bein zu amputiren; Nicolai 1790 Anekdoten I 337 hätte der König bloß Kosten sparen wollen, so würde Er das Amputiren einer langsamem und folglich kostbarem Heilung vorgezogen haben; Lichtenberg 1798 Hogarth IV 122 zwei Crocodille, eines mit amputirten Beinen; Kortum 1799 Jobsiade 157 Er war ungemein berühmt im practiciren,/ Durch vomiren, purgiren, klystiren,/ . . Accuschir'n und amputir'n . ./ Und dieses machte ihn durch ganz Schwabenland/ Als einen Wunderdoctor bekannt; Goethe 1810 Br. (WA IV 21,320) die vollständigen Bestecke chirurgischer Instrumente . . alles was zum Amputiren, Trepaniren und sonstigen solchen traurigen Operationen nöthig ist; Roos 1832 Leben 71 dass man auf dem Schlachtfelde amputirt; Rieht 1848 Eisele 78 wie zerschossene und amputirte Invaliden; Freytag 1870 Aufs. I 412 da richtete sich der amputirte Musketier in seinem Lager auf; Kretschman 1870-71 Kriegsbr. 81 Tresckow hat drei Schüsse, wahrscheinlich wird ein Arm amputiert werden; Gisbert 1879 Zeitarabesken 7 amputirt; Th. Mann 1909 Hoheit (W. II 30) diese Fäden können gefährlich werden, denn sie können ganze Gliedmaßen des Kindes umschlingen . ., können .. einer Hand völlig die Lebenswege unterbinden und sie allenfalls amputieren; 1935 „Duden"-Sammlung o. S. Verstümmelte Blumen sind wie amputierte Menschen; Bildztg. 14.3.1967 dem Bergmann war nach einem Verkehrsunfall vor dem Zecheneingang ein Unterschenkel amputiert worden; Zeit 13.12.1985 Reagan spielte darin einen jungen Mann, dem von einem bösartigen Chirurgen beide Beine an der Hüfte amputiert werden; Schipperges 1985 Garten 87f. War die Krankheit graugranös geworden, so mußten die brandigen Gliedmaßen amputiert werden; Zeit 8.2.1986 der Vater, bedrückend düstere Krückengestalt, beinamputiert, schweigsam, ist der Familie eine Last; ebd. 9.5.1986 das Bein mußte gleich amputiert werden, doch für eine Prothese ist der Stumpf zu kurz;
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Stern 3.6.1987 was raten Sie einer Frau, die einen kleinen Tumor hat, wenn ihr Arzt darauf besteht, die Brust zu amputieren?; ebd. Jack the Ripper, der an Scotland Yard eine Schachtel schickte mit der amputierten Brust seines jüngsten Opfers; Zeit 12.6.1987 wenn ein Finger amputiert wird, dann vergrößern sich im Gehirn die Repräsentationen der Nachbarfinger und der Handfläche. Amputation: Petit 1725 Kranckheiten u. Knochen I 260 wann man aber innerhalb 24 Stunden keine Zeichen zur Heilung wahrnimmt, so muß man die Amputation des Fusses nicht länger aufschieben; Zedler 1732 Vniversallex. I 1803 Amputatio, oder auch Exstirpatio und Extirpatio, ist eine Chirurgische Operation, da vermittelst eines dazu bereiteten Messers, Säge, Meissel, Zange, . . die vom Brand verdorbenen und erstorbenen oder überflüßigen Glieder und Theile des Leibes, abgelöset und abgenommen werden; Moritz 1785 Anton Reiser 13 war die Geschwulst und Entzündung am Fuße schon so gefährlich geworden, daß man . . zur Amputation schreiten wollte; Hermes 1792 Literar. Märtyrer U 131 sie .. bestimmten ihm beide die Todsstunde falls er nicht zur Amputation sich entschlösse; Joh. G. Mueller 198 Briefw. 122 Amputations Congress; 1801 Ztg. f. Naturforscher II l Amputation der langen Knochen an den Gelenkgliedern; Roos 1832 Leben 101 der Oberarzt . ., dem ich meine Amputations-instrumente lieh; Fuchs 1838 Gehirnerweichung 165 Er lag längere Zeit im Hospitale, wurde aber, da sein Vater die Amputation nicht gestattete, endlich ungeheilt entlassen; Gerstäcker 1848 Flusspiraten I 289 daß hier nichts anderes geschehen könne, als eine Amputation des die Kugel enthaltenden Beines; Valentin 1855 Physiologie 387 Amputationsstümpfe besitzen eine Reihe anatomischer Eigentümlichkeiten; Hohenlohe-Ingelfingen 1864-70 Leben III 59 Vor Paris verlor er als Hauptmann durch eine Granate einen FUSS und starb nach der Amputation; Hartmann 1869 Philosophie 113 Bei Amputationen stellt der Organismus eine Grenze her, welche alle bisherigen Canäle . . schliesst; Th. Mann 1909 Hoheit (W. H 30) man muß also noch dankbar sein, daß es nicht zu einer Amputation der Hand gekommen ist; ders. 1947 Faustus (W. VI 404) im Kriege nichts als Dreck, Gestank, Amputationsgreuel; Bamm 1956 Ex ovo 133 ein Mensch mit einer Amputation ist ein Verstümmelter; 1967 Bild d. Wiss. l 66 Amputationswunden Zuckerkranker durch lokale Insulinbehandlung zu heilen; Bildztg. 21.1.1967 diese kaltblütige Selbstamputation rettete dem Verunglückten das Leben; Schipperges 1985 Garten 98 Gleichermaßen wichtig scheint die Schmerzbekämpfung, etwa bei einer Amputation, der Abtrennung der Gliedmaßen bei tiefgreifenden
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Verletzungen; MM 1.3.1985 läßt sich heute bei manchen Knochensarkomen eine Amputation von Gliedmaßen verhindern; Zeit 16.8.1985 schonender Schnitt plus Strahlen sind so erfolgreich wie Totalamputationen; MM 5.11.1987 jährlich müssen 15000 nikotinabhängige Männer, Frauen und Jugendliche ihre Sucht mit der Amputation eines Gliedmaßes büßen; Süddtsch. Ztg. 18.12.1992 Die Amputationswunde ist wider jede Hoffnung fabelhaft verheilt. Amputierter: Normann um 1850 Erinn. 52 Es waren lauter schwer Verwundete, darunter mehrere Amputirte; Büchner 1872 Kraft 162 Amputirte haben ihr ganzes Leben hindurch bei Witterungswechsel Schmerzen; V. B. 4. 7.1944 Sauerbruch, der den .. Kriegsamputierten die willkürlich bewegbare künstliche Hand geschenkt hat; NZ. (Basel) 11.4.1949 Der Amputiertensport in Deutschland hat feste Gestalt angenommen und umfasst beinahe sämtliche Sportarten .. Eine der beliebtesten Betätigungen ist der Schwimmsport, welchen auch Doppelamputierte pflegen können; Welt 20. 9.1949 die meisten dieser Gelähmten .. und Doppelamputierten kommen aus der Landwirtschaft oder aus handwerklichen Berufen; Bildztg. 11.7.1967 nachdem. . einem Beinamputierten im Harz diese Würde [eines Schützenkönigs] verweigert worden war; 1973 Die Fackel IX 7 zu dem vor allem von Hirnbeschädigten und Amputierten beobachteten Phänomen, daß Wetter-Schwankungen oft heftige Schmerzen auslösen; Zeit 13. 6.1986 es ist unsäglich schwer, als Amputierter zu leben. amputieren 2: Schubart 1775 Dtsch. Chronik 227 Man hat eine gewaltige Amputation mit ihm [dem Land Polen] vorgenommen, und doch fühlt's noch Schmerzen in den amputirten Gliedern; Jean Paul 1792 S. W. Ill 1,354 es [Buch] wie einen amputirten Idor auf der Buchhändlerbörse zirkulieren zu lassen; Schopenhauer 1844 (1856-60) Sprache (Nachlass II147) wonach denn dies höchst nöthige Adjektiv „der- die- das (Pronomen der- die- das)selbe" vom Leibe der Sprache amputirt wurde; Boretius 1857 Er. 94 Kröpf . ., an dem das englische Staatswesen zum Tode kranke und der doch nicht amputirt werden könne, ohne zugleich dem englischen Staat seine Lebenskraft zu entziehen; Halbe 1896 Lebenswende 5 Ja, das Leben ist brutal. Das Beste amputirt es Einem weg; Gerstenhauer 1927 Führer 64 vom Volkskörper große Teile amputiert; Gumppenberg 1929 Lebenserinn. 235 müßte die Zurückführung aufs Mass eines „normalen" Theaterabends versucht werden, und diesen Versuch könnte nur ich selber machen, da ich allein wüßte, was ich noch am ehesten [von einem Theaterstück] opfern wolle . . und machte mich mit aller Selbst-
verleugnung ans Amputieren. Dass sich die Handlung selbst nicht verstümmeln Messe, ohne dass ihr ganzer . . Sinn zusammenbrach, wurde mir bald klar; Benjamin 1938 Br. 11 777 so viel dürfte sich . . herausgestellt haben: Daß Rußland sich die Extremität Europa hat amputieren lassen; Dönhoff 1963 Ära 75 eine halbe, sozusagen amputierte Stadt kann ja schließlich keine freie Stadt sein; Andersch 1971 Kirschen 84 Eigenschaften, die so offensichtlich zur menschlichen Natur gehören, daß, wollte man auch nur eine von ihnen amputieren, die Seele sterben würde; Hocke 1976 Tagebücher 388 Der Anthropologe, der aus psychischen . . Gegebenheiten des Menschen auf sein letztes Geheimnis schliessen will, amputiert nicht willkürlich sein noch heiles Witterungsvermögen für das Mysterium dieser dritten Kraft trans-egoistischer und extramundaner Wesenheiten; Königsdorf 1978 Träume 106 Narben brechen auf. Von der Zeit amputierte Strukturen; Tages Anz. 10. 7.1982 Für ihn ist ein derart amputierter Betrieb keine Aufgabe (DUDEN 1993); Zeit 31.5.1985 jetzt amputieren Sprecher und Schreiber den Genitiv schon bei ganz gewöhnlichen Wörtern; ebd. 2.8.1985 wollte man Bormann auf den Medizin-Posten abschieben, doch der klagte erfolgreich und darf nun die um die Medizin amputierte allgemeine Verwaltung weiter leiten; ebd. 11.10.1985 ob und warum die Deutschen es feiern sollten, daß Millionen von ihnen gefallen, in Gefangenschaft geraten . . sind; daß ihre Städte in Schutt und Asche lagen; daß ihr Land amputiert und der Rest geteilt wurde; ebd. 17.1.1986 das Bundesverfassungsgericht hat den Bundestag ermächtigt, sich durch Mehrheitsantrag selber zu amputieren; ebd. 24.4.1987 Aphorismen sind Erfahrungen, denen man die Beine amputiert hat, auf denen sie jemandem zugelaufen sind; MM 2.6.1987 Frank Croszey heißt der Täter, der Glucks Oper — hier auf deutsch mit amputiertem Schluß in der Pariser Fassung — dermaßen Gewalt angetan hat; Süddtsch. Ztg. 21./22.8.1993 Mit Schwerhörigen, denen die Sprache ohnedies nicht mehr recht zur Verfügung steht, beginnen wir, Sprache auch noch zu verstümmeln: Man beginnt zu brüllen, was der Artikulation kaum dient, man beginnt Grammatik zu simplifizieren und zu amputieren. Amputation: Lichtenberg 1773 Aphorismen II 109 wann werden die Zeiten kommen, da ein Genie .. das Maximum des Guten . . berechnen wird, ohne sich der Amputation hier oder dort zu bedienen?; Schubart 1775 Dtsch. Chronik 227 Man schnitt. . einem Menschen den Fuß weg. Des ändern Tags beklagte sich der Patient über Schmerzen im großen Zähen des abgeschnittenen Fußes. So gehts just Polen! Man hat eine gewaltige Amputation mit ihm vorgenommen; Bührlen 1833 Zeitansichten 68
Amulett während der Censor . . sich mit Anwendung solcher kleinen Amputationen [Streichungen in einem Text] begnügt, faßt der Richter mehr die Tendenzen der Preß-Artikel überhaupt ins Äug; Schaffte 1878 Bau II 192 Civilisationen, welche die Amputation und das radikale Ausrotten weniger lieben, als das stätige Bessern, werden nicht geneigt sein, das unbrauchbar Gewordene plötzlich zu beseitigen; Heyck 1928 Aussenseiter 316 Der Geldbeutel ist zwar ein besonders empfindlicher Körperteil; aber ein kleiner Schnitt sei immer noch erträglicher als eine vollständige Amputation; Voss. Ztg. 4.5.1930 die Frau ist stärker . . mit den Mächten des Lebens verbunden als der Mann. Der Mann ist nur eine Amputation vom Leben; 1932 Geopolitik IX 199 Frankreich muß wissen, daß Österreich und Ostpreußen uns nicht bloß die Schmerzen von Amputationsnarben bereiten, wie ihm selbst früher das im deutschen Reichsverband blühende ElsaßLothringen, sondern daß sie uns brennen wie offene Wunden; Dtscb. AZ. 16.1.1935 Die Spuren der 15jährigen Amputation der Saar vom deutschen Volks- und Wirtschaftskörper; Kraft 1939 Menschen 11 Fräulein L. war nicht bereit, auch nur einen Satz [des Reisetagebuchs] herzugeben . . Vor ihren Reisegefährten . . hätte sie sich dieser Amputation geschämt; Süddtsch. Ztg. 16.l 17.9.1950 Auffassungen . ., die für eine Amputation des ganzen Ostgebietes plädieren; Krauss 1965 Perspektiven 266 Amputation der spätaufklärerischen Epoche; Stuttgarter Ztg. 4. 9.1965 Die . . Be-
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merkung, in Berlin werde es sich entscheiden, ob die Bundesrepublik ein Rheinbundstaat sein werde, interpretierte der Bürgermeister mit dem Hinweis auf die . . Gefahren, die sich aus der „Amputation an der Elbe" [ergeben]; Bernhard 1967 Verstörung 103 diese ununterbrochen infame Geistesamputation; Stuttgarter Ztg. 13.4.1968 Für Schulte und Dieckhoff ist die Gewährung der Bürgschaft allerdings mit . . harten Bedingungen verbunden, die das Unternehmen zu drastischen Amputationen zwingen werden; Welt 8.11.1974 solch unnütze seelische Amputation; Zeit 31.5. 1985 manchmal . . sei es ein absurder Respekt vor dem Original, dem lieber die grammatische Amputation als die ästhetische Schande des Deklinierens zugefügt wird; ebd. 6. 9.1985 ein Mensch im Fernsehsessel ohne Fernbedienung — keine Amputation wäre schlimmer; ebd. 13.6.1986 der Tod des Lebensgefährten ist die Amputation eines Teils der Seele; ebd. 21.11.1986 Kapitulation, Teilung und Amputation des Reiches waren das Resultat eines mutwillig herbeigeführten Angriffskrieges; ebd. 8.5.1987 der Amputation fallen glänzende Texte über die russische Literatur des zwanzigsten Jahrhunderts zum Opfer; FAZ 20.9.1990 Was droht, das ist eine Amputation der sprachlichen Möglichkeiten. Amputierung: Lettenbaur 1927 Morgen 273 die Amputierung kerndeutschen Landes bis zur Brennergrenze.
Amulett N. (-(e)s; -e, früher vereinzelt auch —, s. Beleg 1596), im späteren 16. Jh. entlehnt aus gleichbed. lat. amuletum, ungeklärter Herkunft (volksetymologisch in Beziehung gebracht mit lat. amoliri 'beseitigen, abwenden', vgl. dazu auch lat. amolimentum 'Abwendungsmittel, Amulett'), bis ins 17.718. Jh. vorwiegend in der lat. (fielet.) Form. In der Bed. 'kleinerer, häufig als Anhänger getragener, oft mit Geheimzeichen und Inschriften versehener Gegenstand, der (nach abergläubischer Vorstellung) Unheil und Gefahren von seinem Träger abwehren soll', auch 'Zauber(schutz)mitter (—» Talisman), früher selten in bezug auf dessen Inschrift für 'Zauberwort, -formel, magisches Zeichen, Wunderzeichen' (s. Belege 1583, 1815; —* Abrakadabra a); gelegentlich auch bildlich und übertragen verwendet (s. Belege 1728, 1771, 1822, 1845, 1904). 1562 Crusius l 283 amuletum, was man wider böss Zuofell anhenckt; Fischart 1581 Dämonomania 489 die Latiner nennens Amuleta, . . als Praeservatif vnd Verwarungen, . . als Artzneien; Thurneisser 1583 Onomast. II 172 Zeichen, Siegel, sonst Ligaturen oder Amulethen genant; Tabernämontanus 1588 Kräuterbuch I 335b Peterleinwurtzel an den Halß gehenckt: dieweil es nun ohne Superstition
vnnd Aberglauben zugehet, kann man solche Artzeney oder Amuletum versuchen; Bapst 1596 Arzneibuch 95b Neben dem sein auch wol Amulett (denn also nennet man die Dinge, welche man von aussen anhenget oder aufbindet), welche die Frucht zur Geburt befördern; ebd. 198a die Amuleta . . werden für den schweren Gebrechen gebrauchet; Schleher 1611 Bericht 04b Amulet täfe-
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Amulett
lein am Hals tragen; Schorer 1663 Arznei d. Reisenden 107 man hängt auch allerley Sachen (Amuleta genennet) an den Hals; 1677 Macchiavell. Hocuspocus 797 Die Einigkeit wird dir ein herrlich praeservativ und amuleth gegen alle solche SchlagFlüsse; Lebenwaldt 1680 Teufels List I 51 Ich hätte bald sein Geistliches Amulet vergessen, welches er in Forma Crucis mit Hebreischen Buchstaben bezeichnet; Kuhnau 1700 Quacksalber 52 drumb nahm sie das auff den Seiten in Gold eingefaste Amuletgen, so ihr auf der Brust hieng; 1717 Geheimnüsse 8 Ein Amulethum wider die einem nachstellenden Zauberer und Hexen; Chr. Crusius 1722 Portrait aller Wiss. 45 die Amuleta, oder Dinge, die an den Hals gehencket, oder sonst am Leibe getragen werden, [um] schädliche Zufälle dadurch abzuwenden; Stoppe 1728 Ged. I 13 Mein Nahm ist ohnedem kein Amuletum nicht,/ Das vor das Fieber hilfft; Biantes 1731 Historicus 141 etlicher lächerlicher Amuletorum; . . die Amuleta, oder Angehänge, krafft deren man sich einbildet, grosse und viele Krankheiten zu heben; Griesbach 1756 Von d. Fingern 183 ein Angehänge (amuletum), wider Bezauberung; ebd. 255 Was sonst von den Amuleten bey den alten Schriftstellern gesaget wird, dass dergleichen mit Charakteren beschriebene Ringe wider allerhand Krankheiten . . dienen; Winckelmann 1762 Sendschr. 39 Amuleta bey den Alten, oder Gehenke; Lessing 1768 Antiquar. Br. (S. Sehr. X 392) das man um den Hals hänget, um dem Gifte oder anderen Schädlichkeiten zu widerstehen, mit einem Worte, ein Amulet; Michaelis 1771 a. Gleim (W. 1791 II 228) das sicherste Amulet wider alle Anfälle des Leichtsinns [ist der Anblick eines Grabdenkmals]; Meister 1775 Schwermerei I 49 den Einfluss . . der Talismane und Amulette; Blumauer 1784-94 Virgils Aeneis (I 63) Und seines Magens Quintessenz/ Bestand aus Amuletten;/ Er spie: Kaputzen, Rosenkranz'/ Und Folterbank' und Ketten; Hufeland 1797 Kunst 22 [er]hoffte man die Verlängerung des Lebens durch Talismanns und Amulete; Goethe 1815 Divan (WA I 6,7) Amulete sind dergleichen/ Auf Papier geschriebne Zeichen; ders. 1815 Br. (WA IV 25,165) Wenig fehlt, daß ich noch arabisch lerne, wenigstens soviel will ich mich in den Schreibezügen üben, daß ich die Amulette, Talismane, Abraxas und Siegel in der Urschrift nachbilden kann; Clauren 1816 Mimili (Ndr.) 68 f. Sie . . drückte mit ihrer Rechten das eiserne Kreuz an ihre Lippen, wie eine Gläubige, im Drange der Gefahr, ihr Amulett; 1820 Amalthea I 91 Amulete sind dergleichen/ Auf Papier geschriebne Zeichen; Goethe 1822 Nachtr. z. Farbenlehre (WA U 5.1,371) die analytische Methode, auf die Physik angewendet, hat mehr Übels als Gutes gestiftet . .; in der That ist sie eine Schutzwehr, ein Amulet, ein Talisman von der
furchtbarsten Art; sie beschützt Irrthümer und Wahrheiten mit gleicher Macht; Fallmerayer 1845 Orient II 19 Als Talisman und Amulett gegen die Tyrannei (SANDERS 1871); Auerbach 1856 B. 67 nähte sich Amrei zwei Flicken zusammen und den Groschen dazwischen, hing das wie ein Amulett um den Hals und verbarg es an der Brust; Holtet 1860 Eselsfresser III 165 Fromme, ideale Liebe gleicht einem Talisman, einem Amulet; Lombroso 1894 Antisemitismus (Übers.) 83 der Amulettaberglauben, in dem sich der Runenzauber der primitivsten Epochen widerspiegelt; Brandt 1901 OstAsien I 41 ihren am .. Oberarm befestigten silbernen oder ledernen Amulettbüchsen; Zander 1904 Neue Welt 241 sie gelobte sich . ., diesen Brief fortan bei sich zu tragen, als schützendes Amulett, bis sie ihre Neue Welt gefunden; Frankf. Ztg. 10.10.1910 Für uns ist Amulett ein Lehnwort aus dem Lateinischen und bedeutet meist als Anhänger gefaßte Gegenstände, denen man abergläubischerweise irgendwelche besondere heilende oder schützende Eigenschaften zuschreibt. Aber schon die Alten haben „amuletum" nicht mehr zu erklären vermocht; Laarss 1919 Amulette 20 Der Unterschied zwischen Talisman und Amulett besteht darin, daß ein Talisman gute Einflüsse heranziehen soll, während ein Amulett zur Abwehr von bösen Einflüssen dienen soll; Th. Mann 1924 Zauberberg (W. Ill 864) angetan . . mit einem Brustschmuck von Amuletten; 1932 Magazin Junih. 32 der Amulettglaube des Altertums, Mittelalters oder der Neuzeit . . ist zu suchen in der Furcht des Menschen vor dem, was ihm unverständlich und unfaßbar scheint; Lokal- Anz. 24.4.1934 Amulette gegen den bösen Blick. Fast jeder . . Neger und nicht wenige Weiße haben ein solches Amulett bei sich zu Hause oder tragen es mit sich herum; Th. Mann 1940 Erz. (W. VIII 718) in dessen Halsausschnitt ein Amulett-Beutelchen an dünner Kette hing; Münch. N.N. 29.8.1944 Ein billiges Amulett kommt [aus der Hosentasche] zum Vorschein; meist ein Christophorus; Partner 1964 Erben 140 als Amulette getragene Tigerschnekken .. [waren] im Arabischen Meer östlich von Aden zu Hause; Weiler 1970 Köln. Medaillen o. S. sie [Medaillen] dienten dem Aberglauben als Amulett und Talismann [!], um vor Gefahren und Krankheit zu schützen, als Wundertäter und allgemeiner Nothelfer; MM 30.10.1986 jeder nimmt . . vom Schreinbesuch ein kleines Amulett mit, zum Schutz des Hauses, der Familie; Zeit 12.6.1987 dann trägt man nicht mehr bloß Amulette mit magischen Zeichen, Abraxaskameen, Arsenikbeutel., um den Hals, sondern greift zu drastischeren Mitteln; MM 20.1.1988 Wünschelruten, Amulette oder den Glücksbringer Alraune gibt es [auf einer Messe] zu kaufen; HodelHoenes 1992 Leben u. Tod 105 Ein Amulett in doppelter Herzform hängt um seinen Hals.
amüsieren
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amüsieren V. trans, und heute vorwiegend reflex., im frühen 17. Jh. entlehnt aus gleichbed. frz. (s') amuser (· Anarchie. Zunächst als eher wertneutrale Bezeichnung für eine (utopische) politische Lehre und Weltanschauung sowie darauf beruhende Bewegungen, die jede Art von staatlicher Autorität und gesellschaftlichem Zwang als Form der Herrschaft von Menschen über Menschen ablehnen und eine Gesellschaftsordnung auf der Basis unbeschränkter Freiheit der Individuen nach den Grundsätzen von Gerechtigkeit, Gleichheit und Solidarität verwirklichen wollen; seit frühem 20. Jh. selten, bes. seit der studentischen Protestbewegung der 60/70er Jahre (s. Belege 1972, 1976) zunehmend als meist abwertendes Schlagwort verwendet zur Bezeichnung, oft auch zur Diffamierung von Gruppen und Bewegungen auf der linken Seite des politischen Spektrums, die das etablierte Gesellschaftssystem bekämpfen und insbes. die bestehende Rechtsordnung und Herrschaftspraxis beseitigen wollen, gelegentlich pauschal gleichgesetzt mit —> Nihilismus, —» Kommunismus, Linksextremismus (—» Extremismus), Linksradikalismus (—» Radikalismus) und vor allem —> Terrorismus.
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Anarchismus
Von Anfang an im Bereich von Philosophie, Kunst und Literatur selten auch allgemeiner gebraucht, um die Verhaltensweisen oder Produkte von Personen eher negativ zu charakterisieren im Sinne von 'Chaotik, Ordnungs-, Gesetzlosigkeit' (s. Belege 1802, 1819, 1914, 1963, 1985), z. B. philosophischer Anarchismus. Dazu die bereits Ende 18. Jh. vermutlich aus gleichbed. frz. anarchiste übernommene Personenbezeichnung Anarchist M. (-en; -en), Anarchistin F. (-; -nen), im politischen Bereich in der Bed. 'nach Anarchie Strebende(r); Gegner(in) staatlicher, gesetzlicher Ordnung, Umstürzler(in)', anfangs mit Bezug auf die französische Revolution zur abfälligen Bezeichnung der Jacobiner, von daher dann häufig als abwertendes Schlagwort gebraucht, gelegentlich gleichbed. mit Autonomer (—»· autonom) und Terrorist (— Terrorismus) (s. Belege 1798, 1809, 1969, 1978) sowie mit dem in neuester Zeit aufgekommenen Subst. Anarcho M. (-(s); -s); seit Ende 19. Jh. gelegentlich auch in der Bed. '(organisierter) Anhänger der Lehre oder Bewegung des Anarchismus' (s. Belege 1892, 1919, 1982, 1989); im 20. Jh. selten auch allgemeiner, z. B. im künstlerischen Bereich, verwendet für 'jmd., der gegen bestehende Regeln, Konventionen oder Normen aufbegehrt, rebelliert' (s. Belege 1934, 1969, 1986). Seit frühem 19. Jh. die adj. Ableitung anarchistisch 'dem Anarchismus entspringend, aus ihm hervorgehend, ihn vertretend, ihm gemäß', z. B. anarchistisch gesinnt, eingestellt sein; anarchistische Parolen, Ideen verbreiten, anarchistische Willkür, Freiheit, Verschwörung; seit spätem 19. Jh. auch allgemeiner für 'plan-, regellos, unordentlich, verwirrend, chaotisch', gleichbed. mit anarchisch, —»· Anarchie (s. Belege 1881, 1913, 1985). Dazu seit Ende 19./Anfang 20. Jh. Anarcho-/anarcho-, erstes Glied von subst. und adj. (oft auch mit Bindestrich geschriebenen) Kombinationen, in der Bed. 'dem Anarchismus (als Lehre oder Weltanschauung) ähnlich, von ihm geprägt; eine Richtung oder Variante des Anarchismus darstellend', z. B. Anarchosyndikalismus 'in den ersten Jahrzehnten des 20. Jhs. bedeutsame Arbeiterbewegung (bes. in den romanischen Ländern), deren Ziel es war, den Staat und die sozialen Klassen abzuschaffen und die Industriearbeiterschaft in Berufsverbänden und Gewerkschaften (Syndikaten) zu organisieren', die Personenbezeichnung Anarchosyndikalist 'Gründer, Anhänger des Anarchosyndikalismus' und das Adj. anarchosyndikalistisch 'die Auffassungen, Methoden und Ziele des Anarchosyndikalismus betreffend, vertretend', vgl. weitere Kombinationen wie Anarchokommunismus, -Sozialismus, -liberalismus; seit den 60er Jahren des 20. Jhs. im Zusammenhang mit politischen Protestbewegungen auch in subst. und adj. Kombinationen verwendet, mit denen Personen, Gruppen und Bewegungen sowie deren Aktivitäten meist abwertend als gewalttätig, zersetzend, terroristisch oder kriminell charakterisiert werden (s. Belege 1982, 1987), z. B. Anarchogruppen, -nihilist, -terrorist; anarchokommunistisch, -terroristisch, vgl. auch Anarcho-Look 'Lebensstil, Aussehen, Auftreten und Verhalten der Mitglieder anarchistischer Gruppen' und Anarcho-Szene 'Milieu, in dem anarchistische Gruppen agieren, sozialer Schauplatz anarchistischer Aktivitäten sowie die Personengruppen selbst und deren anarchistische Ziele' (s. o. Anarcho). Anarchismus: Krug 1802 Methoden d. Philosophierens 16 Skeptizism, philosophischer Anarchism; ders. 1819 Fundamentalphilosophie 273 Sowie . . der Dogmatismus ein philosophischer Despotismus ist, so kann man den Skeptizismus
einen philosophioschen Anarchismus nennen. Denn da er in der Philosophie gar keine sicheren Erkenntnisprinzipien zuläßt, so müßte auf dem Gebiete dieser Wissenschaft eine gänzliche Anarchie stattfinden (beide BRUNNER/CONZE/
Anarchismus KOSELLECK); Stolberg 1819 Er. 468 die öffentl. Verhandlungen . . steuern alle hin auf französischen Unsinn, Anarchismus , . Irreligion; Frantz 1862 Kritik 54 der Anarchismus, wie Proudhon lehrt, d. h. die Abwesenheit jeder Obrigkeit und obrigkeitlichen Gewalt; Schaffte 1885 Aussichtslosigkeit 11 das Wesen des Socialismus [erkennt man] aus dessen extremstem Ausläufer, dem Anarchismus; Bismarck 1885 Reden XI 125 daß die Umsturzideen des Nihilismus, Anarchismus und Socialismus an unserer Festigkeit abprallen; Willmann 1897 Gesch. Ill 946 sein [Nationalismus] Pathos ist kein Ethos, seinem Wesen nach ist er ein Zersetzungsprodukt, wie Anarchismus und Nihilismus; 1906 Walhalla 66 zu einer Zeit, wo Sozialismus, Demokratismus, Nihilismus, Anarchismus und jeder andere ismus herrschen ausser dem Christianismus; Schmilz 1911 Brevier 304 [in] ästhetischem wie moralischem Anarchismus; ders. 1914 Land 101 Auch in England ist der Anarchismus in die Kunst eingedrungen; Vierkandt 1923 Gesellschaftslehre 26 alle Arten anarchistischer Anschauungen, der politische Anarchismus, der pädagogische Anarchismus; 1930 Nord u. Süd LII1 374 Er bezeichnet sich als anarchistischen Konservativen. Sein Konservativismus ist zweifellos, sein Anarchismus dagegen zweifelhaft; N.Z.Z. 4.8. 1943 denunziert man heute seine Irreligiosität und seinen . . Anarchismus; Hobsbawn 1962 Sozialrebellen 128 Es ist kein Zufall, daß die großen Namen des italienischen Anarchismus Intellektuelle sind; Böll 1963 Clown 112 dieser romantische Anarchismus; Spiegel 4.3.1968 möchte ich hier als Pazifist ein Element der Kritik des Anarchismus aufgreifen: daß nämlich die Führer und Regierungen .. allzu leichtfertig zur Gewalt greifen; ebd. 15.7.1968 Vom ursprünglichen Grundgedanken des Anarchismus — der Abschaffung jedes gesellschaftlichen Zwanges und der Errichtung einer herrschafts- und autoritätslosen Gemeinschaft — hat sich . . nichts erhalten; ebd. 9. 9.1968 alte Herren, die noch aus der heroischen Zeit des Anarchismus zu künden wußten, von den Dynamit-, Dolchund Revolver-Attentätern der Jahrhundertwende . .: Proudhon, Bakunin, Stirner, .. Landauer; Linse 1969 organisierter Anarchismus 119 Der deutsche Anarchismus war eine Großstadt-Bewegung, getragen von der Industriearbeiterschaft; Borries 1970 Anarchismus 34 die . . Wortführer des SDS und der APO haben sich . . nie zum Anarchismus bekannt. Ideologisch sind sie Anhänger des Linksmarxismus; Oberländer 1972 Anarchismus 7 Am Ende der sechziger Jahre war die Neigung weit verbreitet, die antiautoritäre Bewegung auf Grund ihrer Tendenz zur Gewalttätigkeit in diesem Sinne als Anarchismus zu qualifizieren; Spiegel 20. l. 1975 der Anarchismusbegriff des Staatsschutzes ist. . nichts
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als eine antikommunistische Feldmarkierung; ebd. 2.6.1975 [der] Anarchismus in Westdeutschland [sei] . . Ausdruck einer kollektiv verdrängten Angst vor der Befindlichkeit heutiger Welt und Menschheit; Bock 1976 Geschichte 18 Das Etikett des Anarchismus benennt die Spezifika des studentischen Linksradikalismus nur partiell; Voser 1982 Anarchismus 13 Die seit [1980] . . häufig vorkommende pauschale Gleichsetzung von Anarchismus und Terrorismus ist vor allem deswegen irreführend, weil die Gewaltlosigkeit als der eigentliche Kern der anarchistischen Philosophie bezeichnet werden kann und nur ein sehr kleiner Teil der Anarchisten den Terrorismus in Theorie und Praxis befürworte; Zeit 11.1.1985 der Anarchismus seiner literarischen Anfänge bewog sie dazu, die deutschen Ausgaben seiner beiden ersten Romane auf die Liste des schädlichen . . Schrifttums zu setzen; Habermas 1985 Unübersichtlichkeit 49 Die Uniformität des Neuen Bauens erscheint nur als die Kehrseite dieses Anarchismus in Malerei, Musik und Literatur. Anarchist(in): 1793 (ZFDW XUI 248) alle 21 [Girondisten] waren Jacobiner und rasende Anarchisten; 1793 Journal d. Moden VIII 57 Die Parthie der Anarchisten, zu der Orlean, Robespierre, Marat, u. a. m. gehören, betreibt sein [des Königs] Todesurtheil; ebd. VIII 528 Sonderlich hatte der Vers: „Le parti qui triomphe, est toujours legitime", das Unglück[,] den Jacobinern und Anarchisten am meisten zu mißfallen; Wieland 1793 Ges. Sehr. XXXI 477 Freyheitsschwärmer und Anarchisten (PAUL); Rebmann 1797 Männer 157 Anarchisten im eigentlichen Sinne des Wortes, d. h. Leute, welche sich systematisch eine Idee von Anarchie in Frankreich gebildet hätten, und darauf ausgingen, diese Anarchie als ihren Zweck zu erreichen, giebt es gar nicht; Görres 1798 Rotes Blatt I 14 aus meinem Namen und meinen Haaren beweisen sie in einem Akrostichon, daß ich ein Blutmensch, ein Anarchist sei; Riem 1800 Reise 164 die von Babonuf geleiteten Anarchisten [in der frz. Nationalversammlung]; Pfeffel 1809 Pros. Vers. Ill 17 noch hatten die Ränke der Anarchisten den heiligen Damm der Religion nicht eingerissen; Marr 1846 J. Deutschland 108 Von dem Pfaffenverein wurde er [Verein der Jungdeutschen] gewöhnlich der Anarchisten- und Atheistenverein genannt; Raumer 1849 Br. Frankf.-Paris I 190 Die Anarchisten sind dadurch in ihren Planen gestört worden. Mögen sie nur in Berlin nicht die Oberhand wieder gewinnen; Szarvady 1852 Paris I 61 Die Pariserinnen sind Proudhon längst vorausgeeilt, in der Mode sind sie Anarchistinnen und opfern auf dem Altar der individuellen Freiheit; Nürnberger 1877 Herzenssachen 339 die .. Revolutionäre, die cre-
Anatomie Durchbruch; ebd. 152 Zu einer . . Wiederbelebung anarchistischen Gedankengutes kam es innerhalb der Protestbewegungen der 60er Jahre. Dabei handelte es sich jedoch nicht um ein Wiedererwachen der historischen anarchistischen Bewegungen, sondern um ein autonomes Wiederaufleben der anarchistischen Idee; MM 28.1.1985 Montesquieu . ., der das Kaffeehaus den einzigen Ort nannte, wo gigantische Pläne, utopische Träume und anarchistische Verschwörungen geboren werden; Zeit 17.5.1985 wenigstens anarchistisch soll die Poesie sein, wie es . . sogar Goethe gefordert habe; ebd. der anarchistische Romantiker; ebd. 5.12.1986 Fernando Arrabals anarchistisch funkelndes Prosastück; ebd. 12.6.1987 daß sich anarchistische Gruppierungen durch den Aufruf der Grünen zu terroristischen Taten ermutigt fühlten; MM 4.11.1987 die „autonomen Gruppen" zählen zu den anarchistischen Gruppierungen der „Neuen Linken". Anarcho: Spiegel 9.11.1987 Obwohl sich die Autonomen („Wir sind alle Generäle") viel darauf zugute halten, ohne militärische Hierarchie auszukommen, registrieren Polizei und Verfassungsschutz, daß die Anarchos ihr Vorgehen neuerdings straff organisieren. Anarcho-/anarcho-: 1912 Pan II 741 Glaubt nicht, daß etwa bloß gegen . . Anarchoschwärmer . . und wider Sozialdemokraten vorgegangen wird; Sombart 1919 Soz. 111 den Anarcho-Sozialismus Friedebergs und anderer deutscher „Lokalisten" wird man nicht ohne weiteres mit der neuen französisch-italienischen Doktrin [des Syndikalismus] gleichsetzen dürfen; Dombrowski 1920 System II 75 Ohne Rücksicht auf sich und die ändern schreibt er, schreit er. Linkssozialistisch. Anarchosozialistisch. Er wollte die Menschheit.. ganz von neuem wieder aufbauen; Brockschmidt 1929 Sozialdemokratie 59 Abschwenken ins anarcho-kommunistische Lager; ebd. 79 Mit Recht hat der An-
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archokommunismus, der in erster Linie eine proletarische Bewegung . . ist, seine kollektivistische Grundtendenz dem individualistischen Anarchismus gegenübergestellt; Münch. N.N. 28.12.1936 Ähnliche Zustände herrschten in Bujalance, das unter anarchosyndikalistischer Herrschaft stand; Erbler/Richter 1939 Spaniens Sozialbau 46 Unter den politischen Irrlehren in der Arbeiterschaft war der Anarcho-Syndikalismus führend; Tb. Mann 1945 Reden u. Aufs. (W. XII 385) wenn man unsere Anarcho-Sozialisten und internationalen Revolutionäre . . zum linken Flügel der Partei rechnen wollte; Spiegel 9.12.1968 Der Erztyp der Boheme . . ist der Anarcho-Nihilist; ebd. 22. 9.1975 daß es allmählich gelingt, die Anarcho-Szene auszutrocknen; Voser 1982 Anarchismus 213 In einem Kommentar . . spricht.. Hans O. Staub im Zusammenhang mit dem Attentat von Stockholm von „Anarcho-Politgangstern", die die .. „Anarchie" anstreben würden; Zeit 5.4.1985 der Anarcho-Syndikalismus hat nirgendwo solche Erfolge und Mißerfolge erlebt wie in Katalonien Mitte der dreißiger Jahre; ebd. 3.5.1985 Kristl, das Genie, der Anarcho-Bohemien, ist gerade wieder einmal dabei, gegen seinen Hauptfeind zu kämpfen, die Bürokraten; ebd. 15.11.1985 aber das ist alter Anarcho-Leim, so schnell kriegst du die Vergangenheit nicht ab; ebd. 13.2.1987 kommunistische, völkische, anarcho-religiöse, . . zionistische und Siedlungen der bündischen Jugend hatten Hochkonjunktur in der Inflationszeit; MM 25.4.1987 die Ausschreitungen signalisierten „die hohe Gewaltbereitschaft des terroristischen Potentials" in Hamburg. . . Er fürchte, daß die Anarcho-Gruppen . . eine Eskalation der Gewalt anstrebten; ebd. 22. 7.1987 Kenner der alternativen Szene halten es für wenig wahrscheinlich, daß sich die zahlreichen Gruppen . ., von den Anarcho-Syndikalisten bis zu Punks, auf einen Beauftragten einigen können; Zeit 23.10.1987 Die „Spontis" - ihr Markenzeichen: ein provozierend wilder Anarcho-Look — begriffen sich als Erben der Studenten-Bewegung von 1968.
Anatomie F. (-; selten -n), Ende 15. Jh. entlehnt aus spätlat. anatomia, anatome, griech. 'das Aufschneiden, Zergliedern (von Körpern)' (zu griech. 'aufschneiden, sezieren, zergliedern', einer Präfixbildung aus - 'auf und 'schneiden, zerteilen, ab-, durchschneiden', —>· Atom), bis ins 18. Jh. häufig in Schreibformen wie Anat(h)omy, Anatomey und in der lat. (flekt.) Form. la In der medizinischen Fachsprache zunächst für 'systematisches Zerlegen, Zergliedern eines toten Körpers zu wissenschaftlichen Zwecken, Leichensektion' (s. Belege 1536, 1769), z. B. im Rahmen einer Vorlesung (gleichbed. mit —» Sektion 3), in Wendungen wie einer Anatomie beiwohnen, eine Anatomie besuchen; von daher seit Anfang 17. Jh. (s. Beleg 1609), ohne Pl. gebraucht, zunehmend für 'Kunstfertigkeit
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Anatomie
der Zergliederung der Lebewesen' (vgl. gelehrtenlat. ars anatomica, FRISCH 1741), dann erweitert zu der dominanten Bed. c die Wissenschaft, Lehre vom Körperbau, von der Struktur der Organismen und deren Organen*, in Wendungen wie Anatomie studieren, vergleichende, pathologische Anatomie, Anatomie der Zelle, Organe; nur selten als Bestimmungs- und Grundwort in Zss. wie Anatomieprofessor; Human-, Tieranatomie. Seit früherem 18. Jh. dann auch für 'Körperbau', z. B. die Anatomie des Menschen, einer Pflanze studieren (s. Beleg 1787); gelegentlich auch eher ugs. für 'Figur, Körper eines Menschen' (s. Belege 1715, 1894, 1930, 1962). b Schon seit früherem 16. Jh. auch allgemeiner und übertragen verwendet in der Bed. 'Zergliederung, Strukturbestimmung, Analyse von konkreten und abstrakten Dingen', auch 'Struktur, (Auf-)Bau', z.B. Anatomie des Bodens, der Kunst, der Gedanken, der Gesellschaft. 2 Gleichzeitig selten als (meist plur. verwendete) Bezeichnung für künstliche, zu Lehr- und Anschauungszwecken eingesetzte Nach- und Abbildungen von Körperteilen und Organen, bes. anatomische Modelle, Präparate, z. B. aus Gips, Wachs oder Holz. 3 Seit früherem 18. Jh. in der Bed. Ort, an dem Leichen seziert und anatomische Studien betrieben werden', bes. in der Zs. Anatomiesaal 'Hörsaal für das Lehrfach Anatomie' (dafür früher auch anatomisches Theater, s. u. anatomisch], seit etwa 1800 dann auch als Bezeichnung für das anatomische Institut und das entsprechende Gebäude, bes. in der Wendung eine Leiche an die Anatomie geben. Dazu seit frühem 16. Jh. die verbale Ableitung anatomieren V. trans., anfangs auch in der bis ins 19./20. Jh. selten bezeugten Nebenform anatomisieren (vgl. mlat. anatomizare), in der Bed. 'einen toten Körper, Körperteile zergliedern' (vgl. jüngeres —> sezieren a) (zu la), seit frühem 17. Jh. (s. Belege 1615, 1797) auch übertragen verwendet für 'konkrete, abstrakte Dinge bis in die kleinsten Einzelheiten zerlegen, analysieren', z. B. die Sprache anatomieren, gelegentlich negativ konnotiert mit „kalt, nüchtern" (s. Belege 1797, vor 1813) (—» sezieren b) (zu Ib); dazu vom 16. bis ins 18. Jh. vereinzelt die subst. Ableitung Anatomierer (zu la und Ib) (s. u. Anatom) und im 18. Jh. das seltene Verbalsubst. Anatomierung (zu la und Ib). Seit früherem 16. Jh., zunächst in den veralteten gelehrtenlat. Formen Anatomist und Anatomikus (< gleichbed. spätlat. anatomicus), im 18./19. Jh. dafür die eingedeutschte Form Anatomiker, dann seit spätem 18. Jh. (wohl als Rückbildung von Anatomie) in der heutigen Form die Berufsbezeichnung Anatom M. (-en; -en) 'Kenner, Lehrer, Forscher, Wissenschaftler auf dem Gebiet der Anatomie, Facharzt der Anatomie' (zu la), seit Ende 18. Jh. auch übertragen gebraucht (s. Belege 1797, 1911) (zu Ib). Seit frühem 17. Jh. die auf gleichbed. lat. anatomicus (< griech. 'zur Zergliederung gehörig') zurückgehende adj. Ableitung anatomisch, in der Bed. 'den Bau, die Struktur des Körpers betreffend', z. B. anatomischer Defekt, anatomische Veränderungen, etwa gleichzeitig auch für 'die Wissenschaft der Anatomie betreffend', in Syntagmen wie eine anatomische Vorlesung, Sammlung, anatomisches Lehrbuch, Präparat, im 18./19. Jh. bes. in der (aus gelehrtenlat. theatrum anatomicum lehnübersetzten) festen Verbindung anatomisches Theater 'bühnenartiger Hörsaal, in dem öffentlich Leichen seziert und Vorlesungen gehalten werden' (s. Belege 1718, 1793, 1816—17); als Grund- und Bestimmungswort in Zss. und Syntagmen
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wie humananatomische Kenntnisse, pathoanatomische Befunde, pathologisch-anatomische Veränderungen, anatomisch-physiologische Gründe (zu l a). Seit dem 17. Jh. auch übertragen gebraucht für 'zergliedernd, analysierend', z. B. eine anatomische Betrachtung seiner selbst (zu Ib). Anatomie la: Brunschwig 1497 Cirttrgia 262a not ist eim yden artzet zu wissen anathomia. vnd besund er dem wund artzet; Gersdorff 1517 Feldtbuch d. Wundartzney 12a solich anatomy ist . . in bey sein etlicher . . physicis, doctoribus, chirurgicis vnd scherern . . ersucht vnd durchgrünt an aim . . todten mann mit dem sträng gericht; Fries 1519 Spiegel d. Arznei 93c Anathomy; Paracelsus 1536 S. W. / 10, 288 Sovil mügent wir wissen, waraus ein solche zerbrechliche« aus dem leib kom, das nemlich durch die anatomei, das der mensch in so vilerlei stucke gesezt ist; Begardi 1539 Index Sanitatis 5b Wissens zu haben der Anathomei, das ist auffschneidung oder eröffnung, zu besichtigen die innern Glieder der todten Cörper; Ryff 1551 Chirurgia la samt vast eygentlicher und gründtlicher, doch kurtzbegriffner Anathomi oder abteilung des gantzen menschlichen Cörpers; Peters 1557 Arzt 79 ain puch von der Anatomia oder Zerteilung der menschlichen Glyder; Rot 1571 Diet. 290 Anatomei, zerschneidung eines Todten cörpers/ Zerlegung/ also das man sehe wie alle glider/ glenck/ jnnen vnd aussen/ hinten vnd vornen/ an haut/ fleisch/ bain vnd ädern geschaffen sein; Fischart 1582 Geschichtklitterung 296 Ferner gingen sie publicas Lectiones zuhören, . . zu den Doctormalen, . . Comödien, Anatomien; Quad 1609 Teutscher Nation Herligkeit 417 ein herrlich Opus nachgelassen in welchem die gantze Anatomey gantz künstig verzeichnet; Platter 1612 Tagebuch 192 den 14 novembris hult man ein anatomy im alten theatro . . eins knabens, . . es kamen über die Studiosen vil andre herren und burger darzu wie auch damoisellen; ebd. 326 von D. Vesalio ein anatomij ze Basel gehalten; Rinckhart 1613 Eisleb. Christi. Ritter 80 Weil jhr . ./ . . auch gar wol abgericht,/ Wo Menschlichs Hertz im Leibe ligt,/ Als der jhr bei Anatomj/ Gewesen viel; Böhme 1624 Theosophia 11 159 allhier muß ich den grund weisen dem suchenden, denn der doctor kan ihme den nicht weisen mit seiner anatomic; Perez 1626 Landstörtzerin 12 Anatomia; Ettner 1700 Apotecker 730 MUSS ja einer oder der andere bey mir seyn/ so kan doch der andere der Anatomie [eines Arztes] beywohnen; Brockes 1715 Kindermord 476 Wie hab'ich mich am Fleisch' aus Deiner Dint' ergetzet,/ Wenn ich so reden darf? Durch Dein' Anatomie/ Wird mir ein würklichs Fleisch vor Augen hingesetzet; Crusius 1722 Portrait aller Wiss. 42 f. Die Anatomiam, oder Kunst den menschlichen Körper zu zerlegen; Hagedorn 1762 Mahlerey l 269 Kenntnis
der Perspectiv und Anatomie; Lichtenberg 1764—71 Aphorismen I 20 Es ist in der That ein . . Vorurtheil, daß wir die Geographie . . eher lernen . . als die . . Anatomie; Justi 1769 Betr. 132 hat er der Anatomie eines ungezweifelt unschuldigen Mädchens beygewohnt; Dressler 1777 TheaterSchule 156 Die Statuen müssen ganz nach dem Sinn der Anatomie seyn; Sturz 1779 Sehr, l 34 sie [Malerin] deutet die Anatomie des Nackenden ungewiß . . an; Goethe 1787 Er. (WA IV 8,251) Ich habe eine solche [Nelke] gefunden da aus der Hauptblume, vier andre herausgewachsen waren . . ich habe sie sorgfältig gezeichnet, auch die Anatomie davon in die kleinsten Theile; Forster 1791 W. IX 290 Seine [Campers] . . Verdienste um die Naturgeschichte, die Anatomie und Wundarzneikunst sind allgemein bekannt; Bartsch 1821 Anleitung z. Kupferstichkunde I 68 Sehr geringe und zarte Erhöhungen und Vertiefungen im Umrisse des Nackenden wird der, welcher eine gute Kenntnis der Anatomie hat . . auch besonders bemerken; Pfeil 1829 Forstl. Verb. a. dt. Waldbäume 53 so hat wieder die Pflanzenphysiologie und Anatomie den Zweck, das innere Leben der Gewächse kennen zu lehren; Feuerbach 1845 Br. a. s. Mutter l 7 als ich 6 Uhr Abends nach der Anatomiestunde noch still hineinschleiche; Röscher 1854 System I 34 Gerade so, wie auch die Anatomie mit ihrer Trennung der einzelnen Knochen, Bänder, Muskeln . . die nothwendige Vorschule der Physiologie bildet; Hesse/ Wartegg 1894 Andalusien 65 So trippeln sie in's Wasser, und hofft man dafür beim Heraustreten etwas von ihrer Anatomie entdecken zu können, so sind schon Duennas bereit, die diesen Najaden sofort große Mäntel überwerfen; Kästner 1930 Mann 18 das Kleid sitzt stramm auf der Anatomie und läßt keinen Raum für die Phantasie; Seidel 1930 Himmel 130 Schon hat er . . zwei eiserne . . Muskelstränge entblößt, die nun anfangen, meiner Anatomie mit weniger Kunst als ungeheurer Energie zu Leibe zu gehen; Dtsch. AZ. 1.12.1940 Zur physiologischen Pflanzenanatomie (Überschrift); Brecht vor 1956 Sehr. z. Politik l 58 Es rentiert sich für die Kleiderfabrikanten, daß sie nicht Anatomie lernen, infolgedessen brauchen sie nichts zu wissen davon, daß der Mensch manchmal sein Knie biegt, infolgedessen muß die Hose nicht darauf eingestellt werden; Thielicke 1956 Amerika 50 Auch die schönsten Beine und die schwenkbarste Anatomie zeichnen nicht den Besitzer, sondern die Gesamtheit aus, der das alles gehört (CARSTENSEN/
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GALINSKY); Böll 1957 Irisches Tagebuch 46 Alles, was nicht Stein war, . ., schön ausgebreitet am düsteren Hang wie zur Anatomiestunde das Skelett eines Dorfes; Grass 1962 Blechtrommel 252 an dieser günstigeren Lage mag es gelegen haben, daß ich es im Studium der weiblichen Anatomie etwas weiter brachte als im Studium meiner Meister Goethe und Rasputin; Neutsch 1973 Gatt 66 die Anatomie des Menschen rauf und runter; Heym 1974 Lasalle 332 es gibt nur einen Weg: sie beim Schöpf nehmen oder beim nächstbesten handlichen Teil ihrer Anatomie; Sloterdijk 1985 Zauberbaum 39 Vorn, auf einem leicht erhöhten Podium, stand ein Anatomietisch mit steinerner Platte; MM 13. 7.1985 Kurse der mikroskopischen und makroskopischen Anatomie; Zeit 22.11.1985 das Muster der Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen gleichzeitig lebenden Organismen, das durch die vergleichende Anatomie aufgedeckt wurde; Stern 16.6.1987 in 3000 Stunden hat er Anatomie, Physiologie und Homöopathie gepaukt; 1989 Börsenbl. (Leipz.) 998b man sollte an die Anatomie des Ingenieurs, die Psychologie des Ingenieurs und den Stoffwechsel des Ingenieurs denken. Anatom: Michaelis 1785 Mos. Recht H 1,2 Zergliederer dafür wird verwendet Anatom; Goethe um 1790 Naturwiss. Sehr. (WA II 7,186) Daubenton, als Anatom, fortwährend im Trennen und Sondern begriffen, hütet sich irgend das, was er einzeln gefunden, mit einem ändern zusammenzufügen; Moritz 1793 Grammat. Wh. l 122 Anatom oder Anatomiker; Beckmann 1800—1805 Erfindungen V 478 Man hatte dazu, außer dem Schnitte, den Galen, wie die neuen Anatomen, für gefährlich erklärte, noch eine Weise, nämlich durch Brennen diejenigen Theile [des Schweins] zu zerstöhren oder zu vernarben, durch welche die Befruchtung geschieht; 1814 Brockhaus I 192 Meckel, Loder usw. sind als berühmte Anatomen der neuesten Zeit der besonderen Erwähnung würdig; PücklerMuskau 1831 Br. e. Verstorbenen IV 178 das Gerippe im Steinsarge,. . ist nach Aussage der Anatomen eine junge Frau; Billroth 1876 Lehren 84 Chirurgie und Anatomie haben wohl viele Berührungspunkte, doch identisch sind sie nicht; es kann jemand ein vortrefflicher Anatom sein und keinen Tropfen Operateurblut in sich haben; 1921 Süddtsch. Monatsh. XVIII 2,44 Wie der Anatom, um Bau und Struktur der Organe und Gewebe zu ergründen, den Leichnam „sezieren", zergliedern muss; Bamm 1956 Ex ovo 232 für den pathologischen Anatomen ist Krankheit eine durch Färbung der Zellen im Mikroskop nachweisbare . . Veränderung; Zeit 7.2.1986 Nikolas Tulp . ., der Anatom aus Rembrandts berühmten Gemälde; Wuke-
tits 1987 Darwin 60 Sir Richard Owen . ., ein bahnbrechender Anatom und Paläontologe. anatomi(si)eren: Paracelsus 1525-26 S. W. I 2,183 was toter Cörper domit [mit Terpentin] gesalbt werden und anatomisirt, das faulet nimer; ders. 1531 S. W. l 9,143 da were Not, das in solchen krankheiten der Mensch anatomirt wurd und besehen auf diesem Tartarum; Thurneysser 1569 Archidoxa Bg. J2r Anatomieren, vnd beschreiben/ Die adrenn/ neruen mans/ vnd weyben./ Wie inwendige/ glider gstalt/ Vnd gformiert sind/ wirt abgemalt; Platter 1612 (Boos 1878 Sittengesch. 155) Es wardt einer ze Basel enthauptet, deßen corpus begert von der oberkeit herr Hans Leuw, pfarher zu Riechen, der sich fir ein artzet außgab, solches ufzeschneiden oder ze anatomieren; Albertinus 1618 Hirnschleiffer 183f. wann er [Wundarzt] einen todten Menschen anatomieren oder auffschneiden will; Dannhauer 1642 Catechismus Milch l 246 solt man manches Hertz anatomiren und schauen können, wie viel Greuel, wie viel Abgötterey würde sich finden; Ettner 1697 Doctor 202 der Fürst läßt den Leder Anatomicum, den Sattler,/ holen und den Sattel anatomiren; Lehmann 1699 Histor. Schauplatz 983 Man hat schöne Pest-Ordnungen gemacht/ die inficirten Leichen anatomirt/ durch diesen Schnitt den Gifft zu exploriren; 1716 Berl. geschrieb. Zeitungen (hg. v. Friedländer 1902) 490 Die ohnlengst justificiret Weibsperson ist, nachdem sie anatomiret, vorgestern . . begraben worden; Fleming 1719 Jäger II 122a es werden aber nicht alleine Menschen . . anatomiret . . sondern auch die . . Thiere; Justi 1741 Dtsch. Memoires I 293 Verschiedene Secten .. sind der irrigen . . Meynung gewesen, dass es unrecht sey, die Körper der Verstorbenen zu anatomiren und aufzuschneiden; i 757 Samml. wiss. u. Kunst-Stücke 329 diesen durchscheinenden Salzkörper wollte ich nun wieder anatomiren; Hamann 1769 S. W. II 435 die Sache, . . zu bewundern, .. zu beurtheilen, .. zu anatomisiren, Mumien aus ihnen zu machen; Goethe um 1790 Naturwiss. Sehr. (WA II 13,151) Die Frucht des Cacktus ist ein aufgeschwollenes sogenanntes großes Blat. Es wäre . . interessant, eine genau zu anatomisieren und mit dem grünen Blat zu vergleichen; Jean Paul 1813 S. W. III 6,350 bist du nicht im stände, mir heute abends einen Hasen fein anatomieren zu helfen?; Tieck 1837 Sehr. XXV 156 Gespenster kann man nicht unter die Lupe und das Mikroskop bringen und sie noch weniger seziren und anatomiren; Kohl 1845 Paris I 26 Das Anatomisiermesser (SANDERS 1871); Bäuerle 1858 Mem. I 42 ich war zu jener Zeit schon zehn Jahre praktischer Arzt; ich anatomirte, secirte wie alle meine Collegen.
Anatomie Anatomierer: Böhme 1612 Urscbr. l 289 für disen Spiegel fodert der geist die medicus, sonderlich aber die antamirer [sie!] vnd menschen Schinder. Anatomierung: Rädlein 1711 Spr.-Schatz l 61a Anatomirung, f. Zergliederung; Marperger 1712 Naturlex. 1399 die alten Anatomici [haben sich] zu Zeiten des Galeni allein mit Anatomirung der Affen beholffen; 1724 (Buchner 1922 Ärzte u. Kurpfuscher 247) Auch soll jede der Universitäten derer [Exekutierte] so viel bekommen, daß die Studiosi Medicinä sich bey der Anatomirung exerciren können. Anatomicus/Anatomiker: 1569 theatrum diabolorum 223b er ist ein erfahrner anatomicus; Frischlin 1586 Nomenclator 136a Anatomicus, Ein Anatomist, Auffschneider eines Cörpers; Wedel um 1600 Hausbuch 207 anatomicus; Harsdörffer 1657 Trincir Buch 180 Meister der Zergliederkunst Anatomici; Abr. a S. Clara 1685 Gack 208 von denen Anathomicis; Ettner 1700 Apotecker 1091 die Anatomici schreiben von einem Puncto saliente,/ auf deutsch/ nenne ich es die lebende Seele; Weber 1734 Lex. Enc. 82a Anatomicus . . Leib-Zerleger, der todte Cörper auffschneidet; Philippi 1743 Keimschmiedekunst 69 Anatomicus; Geliert 1746 S. Sehr. I 212 Ein Anatomikus trat in die Kerkerstube,/ Und that auf seinen [des Verurteilten] Leib dem einen ein Gebot; Herder 1772 S. W. V 45 diese Behauptung . ., war . . damals . . der Anatomiker gemeine Meinung; Jean Paul 1789 S. W. 111 1,273 Reinigung des anus-cerebri (wie die Anatomiker die Gehirnkammern nennen); Goethe um 1790 Naturwiss. Sehr. (WA 11 7,185) Dieser [Daubenton] .. ist ein genauer scharfer Anatomiker; l 801 Zig. f. Naturforscher Hl 43 Anatomiker; Thümmel 1803 Reise IX 250 indem der anatomicus . . auf die knochen derer hinblickt, die noch vor kurzem . . sich an seiner tafel des lebens erfreuten; Gretschel 1828 Leipzig u. s. Umgebungen 234 die Sammlung .., unter den Anatomikern Haase und Rosenmüller außerordentlich vermehrt. anatomisch: Hild 1624 Anatomy 138 in Anatomischen Büchern; Francisci 1681 Rechenschafft 1083 bey den anatomischen Zergliederungen eröffnet man und entdeckt das allergeringste Aeder- und Mäuslein; 1718 (1952 ZG Oberrhein 100) anatomisch Theater; Frisch 1741 Teutsch-lat. Wb. 26 Anatomie-Platz theatrum anatomicum; Chomel 1750 Lex. I 391 ANATOMIsche Abbildung, des menschlichen Cörpers, nach dem Leben in Wachs verfertiget; Reinhard 1761 Sehr. HI 403 Die anatomische Schaubühne müste mit allerhand Skeleten von Menschen und Thieren ausgezieret und mit einer Menge von anatomischen Zubereitungen ver-
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sehen sein; 1785 (Gessner 1801 Briefw. 106) wir fanden viel Festigkeit in der Zeichnung . . und richtige Angebung der anatomischen Theile; Laukhard 1792 Leben l 88 innerhalb den drei Jahren . ., [ist] nur ein einziger Kadaver auf dem anatomischen Theater . . secirt worden; Hippel 1793 Kreuz- u. Querzüge l 59 Die Aegyptier, fuhr er fort, hatten die Gewohnheit, ein Todtengerippe bei ihren Gelagen aufzustellen; und wenn man der Sache näher tritt, so war außer diesem theatro anatomico der Magen das zweite theatrum anatomicum; Jacobsson 1793 Technol. Wb. VI 648 Obduction, (Wundarzt) ist so viel, als Section, anatomische Zerlegung und Untersuchung; Goethe 1795 — 96 Lehrjahre (WA / 22,260) manche Arten von anatomischen Präparaten, Menschenhaut, Knochen, Mumien und dergleichen; 1814 Gesetze Univ. Landshut 15 Secir-Übungen auf dem anatomischen Theater; Goethe 1816-17 Italien. Reise (WA I 30,89) Besonders ist das anatomische Theater ein Muster, wie man Schüler zusammenpressen soll. In einem spitzen hohen Trichter sind die Zuhörer über einander geschichtet. Sie sehen steil herunter auf den engen Boden, wo der Tisch steht; Chamisso 1834-35 W. I 142 die reiche Schaedelsammlung des Berliner anatomischen Museums; Hettner 1850 Sehr. 329 Ihre Unschuld ist dann keine sittliche, sondern . ., nur noch eine anatomische; Keller 1855 W. XIX 27 Sie zeigten ihm bereitwillig ihre anatomischen Atlanten; Riehl 1861 Land u. Leute 32 Man begann die Theile der Wissenschaft zu zergliedern, wie man eine Leiche zergliedert, und als anatomische Präparate gingen daraus hervor die „sieben freien Künste"; Levenstein 1912 Arbeiterfrage 77 anatomische und histologische Untersuchungen des Nervensystems; Dengler 1930 Waldbau 339 der anatomische Bau des Holzes; Bamm 1956 Ex ofo 91 für eine Krankheit nach der anderen konnte man die entsprechenden pathologischanatomischen Veränderungen an der Leiche nachweisen; Kerndl 1967 Stücke 192 In deinem Alter hab ich schon das Stubenmädchen . . auf ihre anatomische Beschaffenheit untersucht; v. Karolyi 1971 Anthropometrie o. S. die Grundlage für jedes Studium und jede Arbeit in der Anthropologie sind gründliche humananatomische Kenntnisse; Kunert 1972 Schreiben 185 doch übten Herzen eine geringere Faszination aus als die weniger verborgenen anatomischen Details meiner Zuhörerinnen; MM 17.9.1985 mit Feder, Tusche, Kreide und Wachs zeigt er skelettartige Figuren mit großen Schädeln, transparent und anatomisch strukturiert; Zeit 11.4.1986 je weiter wir in der Entwicklung zurückgehen, desto größer ist die anatomische Übereinstimmung zwischen den Embryonen miteinander verwandter Tiere; Königsdorf 1988 Lichtverhältnisse 33 und sie sei anatomisch für das Kinderkriegen nicht eingerichtet.
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Anatomist: Fries 1529 Spiegel d. Arznei 83 b Anatomist; Begardi 1539 Index Sanitatis 2a auss Galeno und ändern Anathomisten; Rivius 1548 Vitruv. 102a nit allein den Artzen vnn Anatomisten; Ruef 1554 Hebammenb. 41 es [das Kind im Mutterleib] hat . . sich gäntzlich gewendet . . wiewol aber etliche anatomisten das widerspiel schreiben; Maaler 1561 Die teütsch spraach 24v Anotomist/ Der ein todten cörpel auffschneydt; Frischlin 1586 Nomenclator 136a Anatomicus, Ein Anatomist, Auffschneider eines Cörpers; Fioravanti 1604 Krön d. Artzney 96 Zu Rom war ein gewaltiger Anatomist, der heylt alle Wunden mit Terpenthin; Albertinus 1612 Tummelplatz 129 es bezeugen die Anatomisten oder medici, daß vom Haupt zwo Nerfen . . hinab zu den Augen gehen; Perez 1626 Landstörtzerin l 55 ein erfahrner Medicus, Wundartzt/ Anatomist; Weisse 1767 W. Ill 306 die jungen Herren sind immer in der Kenntnis der weltlichen Schönheiten gute Anatomisten; 1771 Bibliothek d. Stutzer 202 Anatomisten; 1803 Br. v. d. Univ. 25 Anatomist; Mozin 1856 Wb. Ill 66b Anatomist. Anatomie Ib: Paracelsus 1525-26 S. W. I 3,461 das ander opus ist von der anatomei der krankheit . . und ist anatomia medica; ders. 1531 S. W. l 9,173 dan do ist die anatomia der erden und des wassers; ders. 1538 Def. 73 Anatomia der Künste; Perez 1626 Landstörtzerin 4 Ja ich bekenne dir meine liebe Feder/ daß du mir .. Gelegenheit gegeben die suesse Anatomy deiner Natur zu beschreiben; Herder 1765 S. W. I 80 freilich ist diese Anatomie der Gedanken schwerer, als so von oben her .. zu bestimmen; Möser 1786 W. X 253 bei der Anatomie der Totaleindrücke geht vieles von dem Eindruck des Ganzen verloren; Jenisch 1789 Menschenbildung 54 gleichsam geistige Anatomie der Geistereigenthümlichkeiten; Novalis vor 1801 W. HI 134 Aber in seinen [Gottes] Geschöpfen läßt sich die Anatomie der Weisheit und Kunst sehen; Simrock 1838 Rheinland 9 Anatomie der Gefühle; Hofmannsthal 1893 Prosa I 149 Man treibt Anatomie des eigenen Seelenlebens; Willmann 1897 Gesch. III 794 Gedankenanatomie; Klee 1908 Tagebuch 200 Man kann von einer besonderen Anatomie des Bildes sprechen; Friedeil 1931 Kulturgesch. III 73 Stendhal ist einer der feinsten und reichsten Meister der Seelenanatomie; Brecht 1956 Sehr. z. Theater IV 246 Anatomie der Handlung; Glaser 1964 Spießer 143 Sigmund Freuds Schriften zeigen die Anatomie dieser Gesellschaft mit ihren verborgenen Trieben und gekappten Lüsten; Hocke 1976 Tagebücher 38 die systematische Anatomie des eigenen Ichs; Zimmer 1986 Redens Arten 117 Anatomie eines Wun-
sches; MM 9.2.1985 Anatomie und Physiologie der Erdkruste; Zeit 3.5.1985 die Anatomie unserer eigenen unbewußten Alltagsrituale. Anatom: F. Schlegel 1797 Griechen u. Römer l 191 wenn der kritische Anatom die schöne Organisazion eines Kunstwerks erst zerstört, in elementarische Masse analysirt; Dronke 1846 Berl. II 229 der alte Anatom, der schon so lange Geschichte zergliedert; Hornberger 1875 Essays 298 historische und philologische Anatomen; Gutzkow 1878 Longinus 65 Selbst-Anatom; Meyer 1911 Aufs. I 139 Anatom des Theaters; Tb. Mann 1921 Reden u. Aufs. (W. IX 147) die Bekanntschaft mit jenem merkwürdigen Mann, dem „plastischen Anatomen", einem Bildhauer, der zugleich aus Wachs oder sonstiger Masse anatomische Zergliederungen anfertigt; }oho 1949 Peyrouton 186 Wie ein Anatom geht er vor, der das Gewebe zergliedert. anatom(is)ieren: Scheit 1551 Grobianus 123 wann du [bei Tisch] die Krebs nach Ordnung woltst anathomieren, wie du soltst; Fischart 1575 Gargantua 23 wie vernünfftig [der Hund] das marckbein anatomirt; Messerschmid 1615 Narrheit 47 anatomirn vnd zermetzlen die Sprache; Albertinus 1618 Hirnschleiffer 183 f. Gott . . sihet vnnd betrachtet vns in der Nähe, er anatomiert vns gleichsam; Weise 1675 Kl. Leute 264 wer allen melancholischen und einsamen Spatziergängern die Gedancken anatomiren solte; Thomasius 1701 Kl. Sehr. 82 Hernach aber beschriebe er das Tantzen und anatomirte die definition etliche Wochen; Rabener 1752 Satiren HI 116 da mich mein Beruf in die Umstände setzte, die Natur der Bauern genauer zu anatomiren; Schiller 1797 Nat. l 326 Anatomieren magst du die Sprache, doch nur ihr Cadaver,/ Geist und Leben entschlüpft flüchtig dem groben Scalpell; Novalis vor 1801 W. III 239 Um sich selbst zu begreifen, muß das Ich ein anderes ihm gleiches Wesen sich vorstellen, gleichsam anatomieren; Wieland vor 1813 W. III 183 Mit unbarmherziger, kunstrichterlicher Strenge wird jeder Reiz anatomirt (KEHREIN); Hebbel 1838 S.W. II 1,209 das Urtheilen der meisten Menschen ist ein vergleichendes Anatomiren; Tholuck 1853 Vorgeschichte d. Rationalismus l 1,174 dazu ist die Erklärung der Schriftsteller nichts mehr als ein mechanisches Analysiren und logisches Anatomiren; Burckhardt 1856 Br. Ill 249 ihr tagebuchartiges Schildern und Anatomiren der eigenen Anschauung und Empfindung; Gervinus 1860 Leben 141 [er war] in eine Periode der Zweifel und des Verzweifeins gefallen, wo sich sein Verstand, alle ändern Gei-
Anatomie steskräfte unterdrükkend, gewöhnte, anatomiren und zu analysiren.
Alles zu
Anatomierer: Fischart 1574 Aller Praktik Großmutter 601 Vesalische Schelmenanatomierer; Lindenborn 1740 Diogenes I 3 Diogenes, ein rechter anatomirer der kleinen weit. Anatomierung: Zinzendorf 1732 Socrates 159 als wolle er [Socrates] nur gewissen Personen in diesem Stande, durch Anatomirung und Abschilderung ihrer Schwachheiten ins besondere wehe thun; Bonaventura 1804 Nachtwachen 137 Ich möchte mich selbst, wie ich bin, geschickten Psychologen zur Secirung und Anatomirung vorlegen. Anatomiker: Goethe 1769 Br. (WA IV 1,209) meine Briefe, sollen Sie auf die Reitze des Landlebens, in Prosa und Versen aufmercksamer machen, trutz Hirschfelden dem Anatomicker der Natur; Wölfßn 1899 Klass. Kunst 66 die Anatomiker unter den Florentiner Künstlern hatten Kämpfe nackter Männer schon immer behandelt. anatomisch: Abr. v. Frankenberg 1675 Nosce te ipsum. Das ist. Gründliche Durchsuchung und eigentliche Nachforschung, wie der Mensch in scharffer anatomischer Betrachtung seiner selbst . . sich selbst erkennen lernen solle und müsse (Titel); 1862 Hausblätter l 100 Ich habe mich, seit diese Leidenschaft über mich kam, zuweilen anatomisch durchforscht; Dehmel 1905 Ausgew. Br. 67 ich las sie [Schrift] mit einem wahren Vergnügen an der gradezu anatomischen Schärfe ihrer systematischen Zerlegung; Fraenkel 1957 Staat 266 Machiavellis reduzierende Methode, . . das anatomische Präparieren der Machtstruktur des Politischen (DUDEN); Zeit 1.5.1987 nicht als ein rasender Poet, sondern als anatomisch genau formulierender Handwerker hat Uhland viele seiner besten Gedichte geschrieben. Anatomie 2: Paracelsus 1531 S. W. l 9,139 sie . . berümen sich großer anatomien, so sie haben und gebrauchen; Harscht 1580 Lemnius' Geheimnisse 123 welcher alter harmgang von der blase in nabel/ und heutiges tages in anatomien zusehen, ob er uns schon nichts mehr nütze; Goethe um 1790 Naturwiss. Sehr. (WA U 7,177) frühere Briefe Cuviers . . merkwürdig durch die in den Text charakteristisch und meisterhaft eingezeichneten Anatomien von durchforschten niedern Organisationen; ebd. 8,115 eine künftig bleibende Sammlung . . einzurichten, so geschähe dieses durch die Sorgfalt der Herren . . welche sich der Geschicklichkeit des Prosectors . . zu diesem
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Zweck zu bedienen wußten, indem sie neben der menschlichen Anatomie auch manches für Thierzergliederung Bedeutendes zugleich mit ausarbeiten ließen; Gessner 1801 Briefw. 290 Auch das Studium der Pferde nach der Natur unterlasse ich gar nicht . . und ziehe eine grosse Anatomie von Gyps fleissig dabey zu Rathe; Goethe 1816-17 Italien. Reise (WA I 32,294) Ferner habe ich . . einen Fuß modellirt, nach vorgängigem Studio der Knochen und Muskeln . . Ich habe einen Skelettfuß, eine schöne auf die Natur gegossene Anatomie; ders. vor 1832 Lebens- u. Kunstgang M. Wagners (WA l 48,71) er . . zeichnete . . nach Gips und Anatomie; Zeitmagazin 19.10.1990 das Anatomiemodell des Deutschen Hygienemuseums. Anatomie 3: 1741 Belustigungen d. Verstandes 554 Sein Körper ward auf die Anatomie verkauft, um die nöthigsten Schulden zu bezahlen; Bärens 1754 Über Göttinger (Jahrb. Gesch. v. Göttingen I 92) Man setzt an der hiesigen Anatomie aus, dass nicht wenigstens ein Cörper alle Winter öffentlich systematisch demonstrirt wird; Heumann vor 1760 Geseze 342 Zum Behuf der Aerzte und Wundärzte [werden] beständige Anatomien unterhalten; Fielding 1761 J. Andrews (Übers.) 201 eines Anatomiesaals; Hermes 1778 Sophiens Reise III 15 Seit meinem Vorfall auf der Anatomie, fühlte ich indessen, nun erst sei ich sicher gegen die Fleischeslust; Gädicke 1811 Studirende 22 Gegenüber und darneben liegen die Gebäude der Academic der Wissenschaften und der Künste, die Bibliothek, die Anatomie; Hebbel 1837 S. W. l 124 Ich glaube, wenn mich nichts vom Selbstmord zurück hielte, so war's der Gedanke, auf die Anatomie geschleppt und dort zerschnitten zu werden; Strauss 1847 Ausgew. Br. 191 Z. Hatte [Christine] . . so viel zusammengespart, um ehrlich begraben zu werden zu können, weil sie die Anatomie fürchtete, der sie als Spitälerin anheimgefallen wäre; Conrad 1885 Gesellschaft l 646b dann wandert seine irdische Hülle ohne Erbarmen in die Anatomie, um .. dem Messer der jungen Mediziner zu verfallen; Hasenclever 1922 Gobseck 75 Man soll mir ein Armenbegräbnis geben. Ich bin zu alt für die Anatomie; Werfel 1939 Himmel 18 Ich habe einen Freund gehabt . ., der war bei der Anatomie bedienstet (DUDEN); Beseler 1957 Garten 144 jenes Toten . ., der . . in der grüngekachelten Anatomie . . ohne Schädeldecke aufgefunden worden war; Zeit 15.1.1985 wer an nackten Bildseulen ein Ärgernis nimmt oder an den nichts auslassenden Wachspraeparaten der Anatomie.
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Anciennität
Anciennität F. (-; -en ungebr.), Ende 17. Jh. entlehnt aus frz. anciennete 'Alter, Dienstalter' (zu ancien 'alt' < vulgärlat. antianus, zu lat. ante 'vorher'), anfangs häufig in der frz. Form, bis ins 19.720. Jh. auch in der frz. beeinflußten Schreibung Anciennetät. Zunächst vor allem im Bereich von Militär und Behörden, dann auch allgemeiner verwendet in der Bed. 'Dienstalter, Amtsalter, Dienstzeit', z. B. nach der Anciennität aufsteigen, avancieren, eine Stelle nach der Anciennität besetzen, bes. auch für 'Reihenfolge, Rangfolge nach dem Dienst-, Amtsalter', z. B. das Prinzip der Anciennität einhalten, heute veraltend, nur noch gebräuchlich in der Zs. Anciennitätsprinzip 'Prinzip der Beförderung nach dem Dienstalter, nicht nach der Leistung', bes. bei Beamten und Militärpersonen, auch für 'Prinzip, nach dem bestimmte Vorteile vor allem auf Grund der Wartezeit, nicht aus anderen Gründen vergeben werden', z. B. Studienplätze nach dem Anciennitätsprinzip verteilen. 1699 Staatsspiegel l 6 Nach dem Rechte der Anciennete dem Hn. Quentel die Posses gewisser Weinberge und deren Zubehör/ so er vor diesem als einer der von den vier Aeltesten genossen .. zurück gegeben werde; Lünig 1719 Theatrum l 548b nach der unter denen geheimden Raethen reglirten Anciennete (BRUNT); Döhler 1724 Mäuse-Fallen 29 weil die Professores juris mit denen Regierungs-Räthen nach der anciennete rouliren; Fleming 1726 Soldat 156b die Meriten, die Capacite, den Rang und die Anciennete der Officirer wissen (BRUNT); v. Heimendorf 1726 Pomona 175 die erste Geburt und Anciennete; Rohr 1729 Zeremonmiellwiss. H 271 Die Kayserlichen .. Räthe gehen allen ändern vor, und unter sich haben sie ihren Rang nach ihrer Anciennite; Zedler 1732 Universallex. II121 Anciennete, das Alter. So saget man: Diese oder jene Officiers und Bedienten haben den Rang nach der Anciennete unter sich, nemlich nach der Zeit, wie sie zu ihren Chargen oder Bedienungen sind erhoben und befördert worden; 1752 Leipz. Sammlungen Vlll 353 Man machts . . in den Krieges-Verfassungen, wenns recht zugehet, und nicht Geldbloßer Bluts-Adel oder eine alleinige ununterscheidende Anciennität, verderbliche Ausnahme macht, auf diese Weise; Eggers 1757 W. // 549 Anciennete oder Alter; Michaelis 1770 Raisonnement U 334 Anciennetät in der Juristenfacultät; Smollet 1772 Klinkers Reisen (Übers.) II 155 bin während meines Dienstes Lieutenant geworden, als mich die Anciennetät traf; 1772 Corp. jur. metallici 515 die aus Mangel der Arbeit feyernde Bergleute nach der Anciennität zu fördern; Sturz 1779 Sehr. II 377 avanzirten wir alle nach der Anciennetät; Möser 1780 S. W. VI 264 so mussten die Herzogskinder ihre Anciennete so gut wie Andre abwarten; Kindleben 1781 Studentenlex. 159 Dessen [des Prorektors] Wahl pflegt nach der anciennete im Januar zu geschehen; ebd. 200 die . . Professoren sitzen nach der Ordnung der Fa-
kultäten und nach der Anciennete; 1782 Schlözers Staatsanz. l 297 Die wirklichen HofRäte, die Obrist-Lieutenants, . . (und mit diesen der Obriste von Tilling in seiner bisherigen Anciennete, wie auch der Regierungs-Rat Röder in seiner zeitherigen Anciennete) rouliren unter sich; Archenbolz 1787 England III 414 dessen erledigte Stelle auch nicht verkauft, sondern nach der Anciennität besetzt wird; Scharnhorst 1797 Denkw. l 91 Die Befehlshaber der Divisionen . . kommen zu ihren Posten durch Anciennete; 1800 Auszug Verordnung Ingolstadt 5 Das bisherige Fortrücken von einer Katheder zur ändern aus einem Anciennete-Rechte soll nicht mehr statt haben; Jean Paul 1803 S. W. / 10,91 Zuletzt, da endlich nach der Anciennete der Mahlgäste auch seine Reihe kam; Goethe 1811 Dichtung u. Wahrh. (WA l 28, 135) nun folgten die Ritter, nach ihrer Anciennität; 1823 Eos 142 Anciennetät, du stille redliche Lohnerin, durch dich kann noch was werden der Mensch, wenn er auch lang nicht mehr ist; Heine 1830 Italien (III 312) den Vorrang der Anciennität; Borne 1831 W. VI 234 Geht es nach der Anciennität der Leibschmerzen oder wird nach Gunst verfahren?; Niedermayr 1836 Belohnungen 42 Anciennete [der Offiziere]; Burckhardt 1839 Br. I 126 Gonzenbach's bizarrem Anciennetätssystem; Bismarck 1851 Polit. Reden I 397 die Hoffnung auf Avancement ist . . ihnen durch das Anciennetätsreglement . . bedeutend verkürzt worden; 1559 Aug. Mil. Enc. l 550 Anciennetät, das Dienstalter beim Militär; Kroneuml 1860 Kapitän l 3 Anciennetäts-Verhältnisse: den 15. März 1786 adeliger Kadet der Hochfürstlichen Leib-Garde; Feuerbach 1864 Br. a. s. Mutter II 120 Ein Kommen meinerseits hat keinen Sinn, da ich für mein Vaterland noch nicht das richtige Anciennitätsalter habe, was auf eine ehrenvolle Aufnahme rechnen kann; Hartmann 1866 Erlebnisse 211 Nach ihm folgte in der Anciennetät ich, dann der Major Schweitzer; Fischer 1876 Preu-
andante ßen 131 ihm [dem Richter] gewährte auch das Anciennetätsprincip Schutz und Sicherheit; Wickede 1878 Leutnant 115 streng nach Rang und Anciennetät der Männer mußte verfahren werden; Werner 1880 Erinn. 398 da ich der Anciennetät nach der ältere Off icier war; Poschinger 1897 Bundesrat III 8 Diese Verhältnisse folgen . . so klar aus dem Gesetz, daß irgend eine Anciennitätsbestimmung vollkommen entbehrlich ist; Velde 1901 Renaissance 66 Anspruch auf Anciennität; Nordegg 1907 Berl. Gesellschaft 140 Der Benjamin . . des diplomatischen Korps ist, der Anciennität nach, der Gesandte des jungen Königreichs Norwegen; 1909 Technik u. Wirtsch. U 449 Preußen . . läßt nach
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dem Grundsatz des „Anciennetäts-Avancements" in die . . entscheidenden Stellen fast nur alte Männer; Heuss 1927 Politik Wb. 9 Anciennetät bedeutet Dienstalter, für Aufrücken im Beamtentum und für gewisse repräsentative Rechte wesentlich; Dtsch. AZ. 27.9.1944 Jeder [Franzose] beruft sich darauf, früher als der andere in die Emigration . . oder die Widerstandsbewegung eingetreten zu sein, und fordert, daß diese Anciennität die Hierarchie des Nachkrieges bestimme; Herzog 1959 Diana 20 Selbst im Hirschabschuß, nicht nur bei der Sitzordnung im Fürstenschloß, spielten zur damaligen Zeit Anciennität und Gothaer Adelsalmanach eine sehr gewichtige Rolle; 1986 Brockhaus l 545 Anciennität. .. Dienstalter; Dienstalterfolge.
andante Adv., Anfang 18. Jh. entlehnt aus gleichbed. ital. andante, eigentlich 'gehend' (Part. Präs, von andare 'gehen', umstrittener Herkunft, eventuell aus vulgärlat. *ambitare, Intensivbildung zu lat. ambire '(herum)gehen'; —» Ambition, —* Ambiente). Als musikalische Tempo- und Vortragsbezeichnung verwendet in der Bed. 'langsam, gemessen, ruhig, mäßig bewegt' (vgl. andere Tempobezeichnungen wie —* adagio, —»· allegro), gelegentlich durch Zusätze näher bestimmt, z. B. in den ital. Syntagmen piu andante, andante molto, andante con moto, die ein gesteigertes Andante fordern, im Unterschied zu meno andante, andante moderate, die ein gemäßigtes Andante vorschreiben; häufig auch subst. verwendet für 'langsames, mäßig bewegtes Tempo' (s. Belege 1790, 1819, 1934, 1962, 1970); seit spätem 18. Jh. auch bildlich gebraucht, z. B. andante spazieren, schweben (s. Belege 1782, 1923, 1935). Dazu seit früherem 18. Jh. das Subst. Andante N. (-(s); -s, auch Andanti) 'Musikstück, in mäßigem Tempo zu spielen; mäßig langsamer Satz (einer Sonate, Sinfonie)', z. B. in Zss. wie Andantesatz, -thema; gelegentlich auch bildlich verwendet (s. Belege 1793, 1965). Vgl. daneben das Mitte 18. Jh. aus gleichbed. deminutivem ital. andantino übernommene Adv. andantino 'etwas schneller als andante zu spielen' mit dem entsprechenden Subst. Andantino N. (-(s); -s, auch Andantini) 'weniger langsam (als andante) zu spielendes Musikstück', auch 'kleines Andante'. andante: Walther 1708 Praecepta 40 Andante .. gantz langsam, und gleichsam Fuß für Fuß fortgesetzet; Zedler 1732 Universallex. U 140 f. Andante, dieses Wort trifft man sowohl bey ändern Stimmen, als auch solchen General-Bässen, die in einer ziemlichen Bewegung sind; Trichter 1742 Ritterlex. 45 Andante, Heißt mit gleichen Schritten, und wird so wohl bey ändern Stimmen, als auch bey solchen General-Bässen, so in einer ziemlichen Bewegung sind,.. angetroffen . . Der Affect, welcher dadurch erregt werden soll, ist die Hoffnung; Sulzer 1771 Theorie I 50 Andante. . . Bedeutet in der Musik einen Taktgang, der zwischen dem Geschwinden und Langsamen die Mitte hält; Withof 1782 Academ. Gedichte 128 So blüht die Rose
Lust, die lange sich erhält./ Wobey die Nerven sanft und meist andante schweben; Wezel 1790 H. u. U. II 313 das Orchester hüb .. ein sanftes Andante an; 1792 Wiener Musenalmanach 54 Such' Einklang in des Ehekonzerts/ Andante stäts zu bringen:/ Unisono muss Herz an Herz/ Im Ehestande klingen; Wieland vor 1813 W. VI 232 Ungeachtet die Musik mit der angenehmsten Abwechslung von Allegro und Andante immer fortdauerte (KEHREIN); E. T. A. Hoffmann 1819 S. W. X 179 Von der heroischen Stärke des Rezitativs stieg sie herrlich hinein in die wahrhaft kätzliche Süßigkeit des Andantes; Dinter 1829 Leben 331 Sie blickte auf das daliegende Notenblatt und sagte: Von wem ist doch dieß Stück? Ach, vom Herrn Andante! [in
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andante
Verwechslung der Tempobezeichnung mit dem Komponisten] Ja, das soll ein großer Compositeur sein!!!; Jahn 1867 Mozart IV 630 Bei Mozart .. ist Andante, „in gehender Bewegung" keineswegs schlechthin Bezeichnung eines langsamen Tempos; Tucholsky 1923 Ges. W. /1091 In einer .. beschaulichen Landschaft spazierten freundliche, langsame Menschen andante Hand in Hand; Th. Mann 1934 Reden u. Aufs. (W. IX 427) Richard Wagner meinte, das eigentliche deutsche Tempo sei das Andante; Hausenstein 1935 Wanderungen 12 mit den Füßen [durch eine fremde Stadt gehen] . ., das heißt, nach dem ihnen innewohnenden Metrum, rennend nicht, nicht laufend, auch nicht schleppend, sondern gehend, „andante"; Grass 1962 Blechtrommel 251 da lernte ich das Blasen, Klimpern, . . ob Generalbaß oder Kontrapunkt, ob es sich um Zwölftöner, Neutöner handelte, den Einsatz beim Scherzo, das Tempo beim Andante; Schweizer 1970 Sonatenform o. S. die Hauptstimme des STh . . wird im Andante amoroso .. in gleicher Funktion als 1. Ss. T . . charakterlich variiert; Zeit 11.1.1985 heroisch wirkt der Film schon durch seine Aufforderung, sich auf den Andante- und Adagio-Rhythmus dieser Geschichte . . einzulassen; MM 28.5.1985 nicht „instrumentaler Belcanto" wird zum zentralen Ziel, sondern erdnahe Kraft, .. — auch im Andante cantabile ist das zu beobachten; Zeit 12.12.1986 sie kennt . . nicht die Regieanweisungen des Librettos und von der Partitur im großen und ganzen die Tempi — und die bewegen sich zumeist zwischen Lento und Andante, Adagio und Moderate; Stern 3.6.1987 in der Partitur steht „Adagio" (langsam, gemessen), er spielt statt dessen ein singendes, manchmal swingendes „Andante". Andante: Mattbeson 1739 Kapellmeister 208 Bey Untersuchung grösserer Instrumental-Stücke wird sich . . diese ungemeine Verschiedenheit in Ausdrückung der Affecten . . noch viel deutlicher spüren lassen, wenn die Verfasser rechten Schlages sind: da z. E. ein Adagio die Betrübis; . . ein Andante die Hoffnung; .. ein Allegro den Trost . . zum Abzeichen führen; Quantz 1752 Flöte 139 Also müssen diese Arten von langsamen Stücken: Cantabile, Arioso,. . Andante . ., u.s.w. von einem pathetischen Adagio, sehr unterschieden werden; Nicolai 1755 Zustand d. schönen Wiss. 29 daß die Componisten, nachdem sie sich . . schämen, daß sie bishero nur Sarabanden, Polonaisen und Sicilianen gemacht, nunmehr ein Allegro, Andante . . ia sogar Stücken a tempo giusto sezzen; Lessing 1767 Dramaturgie (S. Sehr. IX 294) der zweyte Satz, ein Andante mit gedämpften Violinen; Schubart 1774 Dtsch. Chronik 319 das süsse melancholische Andante aus -moll; Lessing vor 1781 W. VII 149
Der zweite Satz, ein Andante mit gedämpften Violoinen und concertirenden Fagotten, beschäftigt sich also mit dunkeln und mitleidigen Klagen (KEHREIN); Nicolai 1783 Reise l 129 Nachdem die Arie geendigt war, . . kam eine . . Sinfonie; . . darauf kam ein Andante, .. endlich wieder ein Schlendrians-Allegro; Hippel 1793 Kreuz- u. Querzüge l 225 Das Angstgeschrei der Wittwen ist den Herren Kriegsknechten ein Allegro, die Thraenen der verwaisten Töchter ein Herz erquickendes Andante; Schleiermacher 1808 Briefw. m. s. Braut 222 wenn ich zu einem . . Andante einen selbstgemachten Text sang; Schumann 1834 Ges. Sehr, l 48 Gewiß ist, daß Beethoven im Andante scherzoso selbst eintritt; Cornelius 1860 Ausgew. Br. I 508 Ich habe eines rein technischen Arrangements halber gerade das letzte, das ich Ihnen schickte, in das melancholische Andante . . verlegt; Engel 1884 Tonkunst 335 Jenen [Satz] als Scherzo oder Menuett, diesen als Adagio oder Andante; Heyse 1910 Gertrud 119 Nun zählte ich leise den Takt und . . wir stimmten mit breitem Strich das Andante an; Th. Mann 1921 Reden u. Aufs. (W. IX 91) als er in Moskau an Tschaikowski's Seite dessen D-DurQuartett hörte, da begann er bei dem Andante zu schluchzen; Thiess 1927 Gesicht 209 Das Andante durfte nicht klärend, sondern mußte vorbereitend, Scherzo und Adagio mußten fortbildend, steigernd . . wirken, mußten Spannung schaffen, die dann im Finale zu gewitterhaftem . . Ausbruch kam; Th. Mann 1947 Faustus (W. VI 369) das Andante und Menuett von Milandre (1770) zu wiederholen; 1965 Aspekte 101 seit im internationalen Jugendstil Bildtitel wie „Sonnensonate", „Sphärenklang" oder auch „Andante" oder „Scherzo" üblich wurden; MM 8.11.1985 schon im Allegro kündigte sich die gesangliche Linie von Violine und Cello an, die dann dem gehaltvollen Andante-Satz die lyrische Stimmung verlieh; ebd. 6.2.1987 so ein träumerisch dahinfließender Satz wie das Andante cantabile. andantino: Maser 1773 W. // 220 ob das . . piano, andante, andantino . . ertheilet werden soll; 1842 Brockhaus l 330 Das Andantino steht .. zwischen Andante und Allegretto in der Mitte; Hirsch 1979 Wh. Musik 25 andantino . . ein wenig bewegt, etwas schneller . . als andante. Andantino: Quantz 1752 Flöte 139 diese Arten von langsamen Stücken: Cantabile, . . Andante, Andantino, Largo; C. Ph. E. Bach 1762 Versuch II 262 Im Andantino und Allegretto wird zur Cadenz sowohl der Sextquartaccord, als auch der folgende Dreyklang kurz von unten hinauf gebrochen; 1842 Brockhaus I 330 Oft bezeichnet auch die Überschrift Andantino nur ein kleines, kurzes Andante;
Anekdote Jahn 1867 Mozart I 220 ein Andantino . . von leichterer Bewegung; Storm 1874-75 S. W. IV 188 Schon war ich auf der letzten Seite des Andantino;
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1977 Herderlex. Musik 12 Andantino, Bezeichnung für einen musikalischen Satz in diesem [andantino] Bewegungscharakter.
Anekdote F. (-; -n), im früheren 18. Jh. aufgekommen, über gleichbed. frz. anecdote zurückgehend auf griech. 'nicht Herausgegebenes, nicht Veröffentlichtes' (N. Pl. von 'nicht veröffentlicht', aus verneinendem - bzw. ccvvor Vokal (—»· a-Präfix) und 'aus dem Hause gehen, unter die Leute bringen, veröffentlichen, herausgeben'), ursprünglich Titel einer Geschichtensammlung von Prokop (6. Jh.), in der dieser über bisher nicht veröffentlichte, auf Gerüchten basierende byzantinische Zeitereignisse berichtet. Bis ins 19. Jh. selten in der (latinisierten) griech. Form Anekdoton N. (-s; Anekdota), häufiger auch in der Diminutivform Anekdötchen. a Zunächst selten in der an das Griech. angelehnten, bis ins frühere 20. Jh. gebuchten Bed. 'etwas noch nicht Herausgegebens (und daher nicht bekannt Gewordenes); noch unveröffentlichte bzw. zum erstenmal herausgegebene Schrift(en)'. b Etwa gleichzeitig in der Bed. 'kurze, meist witzig-unterhaltende (unbeglaubigte) Erzählung, die eine (historische) Persönlichkeit, eine soziale Schicht, eine Epoche u. ä. durch eine merkwürdige oder interessante Begebenheit in treffender, oft geistreich pointierter Weise charakterisiert; denkwürdiges, für Eigenart, Wesen und Geist einer Person oder einer Zeit charakteristisches Geschichtchen', gelegentlich auch leicht abwertend für 'pikante (auf Gerüchten beruhende) Klatsch- oder Skandalgeschichte (aus der Privat-, Intimsphäre)' (s. Belege 1790, 1911, 1920, 1985), häufig mündlich (als gesellschaftlicher Konversationsstoff) weitergetragen (s. Belege 1743, 1753, 1761, 1805, 1832, 1990), seit spätem 18. Jh. zunehmend auch als literarische Kunstform (s. Belege 1774, 1815, 1845, 1923), bes. in Wendungen wie eine kleine, hübsche, wahre, pikante Anekdote (über jmdn.) erzählen, hören, eine Anekdote zum besten geben, kursierende Anekdoten; vor allem als Bestimmungswort in Zss. wie Anekdotenjäger '(Reise-)Schriftsteller, der seine Berichte mit interessanten, sensationellen Einzelheiten oder Neuigkeiten (bes. über Personen) ausschmückt', Anekdotenkrämer 'Person, die bei jeder Gelegenheit ihren Vorrat an Geschichten (vor einem Publikum) ausbreitet', Anekdotenerzähler, -Schreiber, -sammler, -Jagd, -sucht, seltener auch als Grundwort in Zss. wie Künstler-, Kriegs-, Jagd-, Geschichtsanekdote; gelegentlich auch für den erzählten Inhalt selbst in der Bed. 'historische Merkwürdigkeit, merkwürdige, geheime oder noch nicht allgemein bekannte Begebenheit, interessanter Vorfall, Umstand, kleines denkwürdiges Vorkommnis, Geschehnis, Denkwürdigkeit' (s. Belege 1790, 1881, 1904, 1908, 1934, 1941, 1956, 1963); selten auch in der Malerei für 'Nebensächlichkeit, unwichtige Einzelheit' (—» Accessoires), bes. in der Zs. Anekdotenmalerei 'Genremalerei, die das Anekdotische, insbesondere unbedeutende Einzelheiten, in aufdringlicher Weise hervorhebt' (s. Beleg 1905). Dazu im 19.720. Jh. die seltenen adj. Bildungen anekdotenartig, -haft, -weise 'im Stil, in der Art einer Anekdote' und seit Mitte 19. Jh. die adj. Ableitung anekdotisch (ohne Steigerung) 'in Form einer Anekdote verfaßt', auch 'mit Anekdoten arbeitend' und selten für 'nebensächlich' (s. Belege 1985, 1986), in Wendungen wie anekdotische Zeit-, Gesellschaftsbilder, ein anekdotisch gewürzter Vortrag; seit etwa Mitte 20. Jh. die nur gebuchte subst. Ableitung Anekdotik F. (-; ohne Pl.) 'Gesamtheit der
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Anekdote
Anekdoten über eine bestimmte Persönlichkeit, ein historisches Ereignis o. ä.' (alle zub). Anekdote a: Weber 1734 Enc. 85 Anecdotos . . noch nicht herausgegeben, Anecdota, solche Schriften, die noch im MS [Manuskript] aufgehoben liegen; Philippi 1743 Reimschmiedekunst 80 Anecdoten oder unherausgegebene Poesien; Bengel 1751 Brüdergemeine (Zinzendorf, Materialien Reihe U 10) Dieser Unterschied zwischen des Ordinarii Schriften ist erheblich. Wann man bey seinen gedruckten Apologien stehen bleibt, und wann man noch so viele Anecdoten gleichen Schlags in Händen hätte, so möchte einer, der gar nicht für ihn eingenommen ist, sich dennoch bereden, seine Gegner wären gar zu schlimme Spinnen, und thäten ihm . . Unrecht; Lessing 1753 Br. Vlll 121 mein Anekdoten; Goethe 1775 (WA l 38,39) Anekdote zu den Freuden des jungen Werthers (Titel); Erdt 1786 Anl. f. Bibliothekare 106 Fünftes zeigte er [in seiner Paläographie] die Anekdoten, die noch nie erschienen; Böttiger 1811 Ideen l Von. XXVll Es war. . hierbei. . keineswegs um Anecdota [mündliche, ungedruckte Erläuterungen zu Kupfertafeln] zu thun; Wieland vor 1813 W. VI 71 Da dieser Zufall jederzeit eine Anekdote [nicht bekannt Gewordenes] geblieben (SANDERS 1871); Böttiger 1837 Uterar. Zustände Vorr. l 9 Dies handschriftlich vorgefundene Actenstück, das als ein Anecdoton zu betrachten ist; 1843 Brockhaus l 339 Anekdota nannten die Alten Alles, was schriftlich noch nicht bekannt gemacht worden war, in welchem Sinne der Geschichtsschreiber Procopius .. seine „Geheimen Geschichten" .. mit dem Namen „Anecdota" bezeichnete. . . Anekdoton heißt eine einzelne solche [nicht oder zum erstenmal veröffentlichte] Schrift; vor 1871 DVjS XLVH 369 Abschrift jenes kostbaren Anekdotons Goethe's (SANDERS 1871); 1882 Brockhaus l 635 Anekdota . . nannten die Alten in der Literatur alles, was schriftlich noch nicht bekannt gemacht worden war. Anekdote b: Philipi 1743 Reimschmiedekunst 79 Wenn ein kriechender Poete sich mit seines gleichen, oder niedrigem, in poetischen Briefwechsel einlasset, bleiben es meistens Anecdoten, die kein Buchhändler des Papiers und Druckes werth achten will; Ramler 1749 a. Gleim I 192 Ich erfahre viele Anecdoten, das Reich der schönen Wissenschaften betreffend von ihm; Naumann 1753 Zärtlichkeit 28 ist er der beste Gesellschafter, den man sich wünschen kann. . . Weil er viel . . gelesen hat, so sind seine Unterredungen voller Anecdoten; 1761 Geheimnisse 105 Ich habe . . einige kleine Nachrichten, oder sogenannte Anecdoten von dem bisherigen Kriege angeführet; Geliert u. a. 1764 Br. (S. Sehr. IX 360) Von diesem Gedichte muß ich
Ihnen im Vorbeygehn eine kleine Anekdote erzählen; 1765 Allg. dt. Bibl. l 1,217 er setzt Erzählungen und Anekdoten mitten aus dem Zusammenhang herausgerissen hin; Bülau 1766 Nationalgeist 138 alle diese höchstrühmliche Eigenschaften durch erdichtete Anekdoten und verläumderische Anmerkungen zu vergiften; Herder 1767 D. Literatur (S.W. I 477) Man ist gleichsam nach den Anekdoten eines solchen Mannes begierig; 1772 Fankf. gel. Anz. 12 aber, daß Abbts Andenken mit ärgerlicher Anekdotensucht geschändet werden soll, weil er, während seines Rintelischen Professorats, in Briefen an seine Berliner Freunde ein Wörtchen gegen Rinteln fallen lassen, das hat uns verdrossen; ebd. 36 Es unterscheidet sich dieser Almananch von den vorigen darin, zu seinem Vortheil, daß weniger Anekdotensucht . . darin herrscht; ebd. 300 Wir wissen nicht, durch was für einen Zufall diese Abschrift. . einem der .. Zeloten aus der verächtlichen Classe der Anekdotensammler. . in die Hände fiel; Rust 1774 Antiquitäten I 300 Man verstecke sie [Inhalte] immerhin unter den Namen Anekdoten, historischer Anekdoten. Anekdoten, Romanen und Mährlein bleiben doch immer ziemlich gleichdeutige Wörter; ebd. I 378 Eigentlich sollte es .. heissen: Schauplatz lust- und lehrreicher .. Mordgeschichte, aus dem Harsdörfer, Zinkgraef . . und anderen Deutschen und Französischen Anekdotenkrämern zusammen getragen, für müßige und leere Köpfe; Lavater 1781 Verm. Sehr. II 134 Sind's Geschichtchen, Anekdoten, die erzählt werden; ebd. II 336 wirft er um sich mit falschen Urtheilen, Nachrichten, Erzählungen, geheimen Anekdoten; Riesbeck 1784 Br. e. reisenden Franzosen 14 [sie] haschen allenfalls am Stadtthor, am Gasthof, bey ihrem Wechsel . . ein Anekdötchen, woraus sie uns den Charakter und Geist eines Volks gar geschickt herauszuklauben wissen; 1784 Teufscher Merkur 11 82 Ich definire mir Anekdote so, daß sie eine charakterisirende Herzens- oder Geistesäusserung einer Person enthalte; Blumauer 1784-94 Virgils Aeneis (I 82) Die saubre Miß nun that zur Stund/ Dieß Heirathsanekdötchen/ Dem Mohrenkönig Jarbas kund/ Im nächsten Zeitungsblättchen; Hermes 1789 für Eltern l 40 Anecdotenjäger wussten das [Nichterscheinen eines Buchs] aber damals ganz anders zu erklären; Knigge 1789 Umgang I Vorr. Ill nichtswürdige AnecdotenSammlungen; Nicolai 1790 Anekdoten I 76 Diese . . Anekdoten wurden nach fremden Ländern übergetragen, und nicht wenig Leute beurtheilten den Charakter des Königs nach diesen unrichtigen Erzählungen; ebd. I 77 .Anekdoten und Charakterzüge aus dem Leben Friedrichs II.; ebd. IV 83 daß
Anekdote er sie [Anekdote] für wahr hielt, weil sie von einem Anekdotenliebhaber oft erzählt .. ward; 1790 Beobachter 3 alle skandalösen Anekdötchen aus allen Kabineten, Klosets und Boudoirs; 1791 Journal v. u. f. Deutschland II 755 Ein besonderer Anekdoten-Almanach könnte vielleicht sein Glück machen, wenn er mit Auswahl und Witz ausgeführt würde; Goethe 1795-96 Lehrjahre (WA I 21,289) Die Anecdote, daß Racine sich zu Tode gegrämt habe, weil Ludwig der Vierzehnte ihn nicht mehr angesehen, . . ist mir ein Schlüssel zu allen seinen Werken; Fülleborn 1802 Rhetorik 36 Anekdote, Geschichtchen; 1804 Er. v. d. Universität 156 [ich würde] mit politischen Begebenheiten oder allerhand Anekdotenkram das Papier voll machen; Goethe 1805 Winckelmann (WA I 46,35) Geschichten und Anekdoten cursirten, deren mannichfaltige Anwendung nicht allein die Gesellschaft unterhalten, sondern auch belehren sollte; Bouterwek 1807 Ästhetik 335 eine Art von Anekdotenstyl; Goethe 1815 Br. (WA IV 25,415) Im Morgenblatt fängt man an den Ungeheuern Reichthum der orientalischen Anecdoten zu nutzen; Kephalides 1818 Italien I 175 [die Schweizer am päpstl. Hof] müssen . . das Stichblatt der römischen Anekdotenkrämereyen und ihrer Witzeleyen abgeben, denn bekanntlich ist die Satire . . ein alter, eigenthümlicher Zug im Charakter der Römer; Goethe 1821 Wanderjahre (WA I 25.2,109) Eben so begegnen wir kleinen Anecdoten ohne Zusammenhang. . . Hie und da treffen wir auf ausgebildetere Erzählungen; ders. 1826 Br. (WA IV 41,48) Und so beweisen Anecdoten des Privatlebens wie der Weltgeschichte, daß wir uns eigentlich mit Albernheiten, Gefahr und Noth herumschlagen; Sternberg 1832 Nov. I 7 ET wusste tausend Anekdötchen, mit denen er Markt machte und in den Häusern herumging; Gaudy 1839 W. V 46 Die Konversation . . ging auf die Kantate des Herrn Rammler . . über, auf Anekdötchen aus den Zeiten der Tabacksregie; Hettner 1845 Sehr. 27 In der Poesie . . ist es jene idealisierende Bearbeitung geschichtlicher Stoffe, die man in Ballade und Drama im weiteren Sinne dramatisierte Anekdote nennen mag; Gerstäcker 1848 Flusspiraten I 174 eine Menge von Jagdanekdoten und Abenteuern; Holtet 1860 Eselsfresser U 239 Den gelehrten Herren empfiehl mich. Besonders dem Historiker, der immer so hübsche unanständige Anekdoten einzuweben weiß; Hillebrand 1881 Jahrh. d. Revol. 285 Man erinnert sich der Anecdote Alfred de Vigny's, der einst als dienstthuender Page . . der . . Zeuge eines . . Auftrittes zwischen dem Cäsar und Pius VII. war; Hallier 1889 Kulturgesch. 405 Die Biologie, früher kaum mehr als eine Sammlung von Anekdoten, gestaltete sich zu einem . . Wissenszweig; Fontäne 1898 Zwanzig 36 einem freundli-
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chen Anekdotenerzähler; Th. Mann 1901 Buddenbrooks (W. l 273) Gott weiß, worin eigentlich die Pointe der Anekdote bestand; aber in seinem Munde war sie von ungeheurer Komik; ders. 1904 Erz. (W. VIII 352) die folgende Anekdote ist mehrfach verbürgt; 1905 Walhalla I 26 die Anekdotenmalerei, die mit aufdringlichsten Mitteln den Beschauer durch wohlfeile Mätzchen lockt; Th. Mann 1908 Erz. (W. VIII 411) erzählte jemand die folgende Anekdote, die sich nach seiner Versicherung buchstäblich so, wie er sie wiedergab, in der eleganten Gesellschaft seiner Vaterstadt ereignet haben sollte; Liebermann v. Sonnenberg 1911 Glückszeit 170 Von ihm will ich eine Anekdote erzählen, die auch darauf schließen läßt, daß er nicht mehr der Held von [18]66 war; zur Megede 1911 Quitt 95 Klatschgeschichten und Anekdoten; Werfel 1920 Mörder 245 Stammtischgast, der . . Zötchen und Anekdötchen zum Besten gibt; Dalitzsch 1923 Studien zur Geschichte der deutschen Anekdote (Titel); Licht 1929 Kulturkuriosa 11 waren . . die Griechen ein überaus anekdotenreiches Völkchen; v. Below 1930 Erinn. 7 daß der alte Wrangel sich . . keineswegs . . als . . Anekdotenlieferant der älteren Jahre darstellt; Kesten 1932 Scharlatan 15 Albert hörte die Anekdote gern, weil er ihre Erzählung für einen Beweis besonderen Vertrauens hielt; Th. Mann 1934 Reden u. Aufs. (W. XI 439) ich will Ihnen, da Sie mir gerade zuhören, eine kleine .. Anekdote erzählen, die mir kürzlich begegnete; ders. 1941 Reden u. Aufs. (W. IX 655) ich meine, daß sich auf diese Anekdote eine nachdenkliche Erzählung, ja ein Roman gründen ließe; Kesten 1952 Casanova 169 Hier spottet ein Anekdotenerzähler über den ändern; Th. Mann 1956 Reden u. Aufs. (W. XI 529) ich habe mir den Stoff nicht ausgedacht; er kam zu mir als Anekdote aus dem Leben, als Vorkommnis, von dem ich hörte und das mich packte; Heuss 1963 Erinn. 75 meine spätere gute Beziehung zu Hermann Müller beginnt mit dieser Anekdote; ebd. 209 die Agentur betrachtete das wohl als eine amüsante Anekdote; wir reflektierten über den Tisch hinweg: „heißt das, daß der Krieg im Innern bereits verloren ist"; ebd. 318 es blieb mir . . eine für beide Männer charakteristische Anekdote im Sinn; Welt 11.4.1964 wenige überlieferte Anekdoten bezeugen seinen scharfen Geist; Staiger 1966 Grundbegriffe 107 die welthistorische Entscheidung aber bildet nur den großen Rahmen für ungezählte Anekdoten, Berichte über Land und Leute, fremde Sitten und Kulturen, Gebräuche und Einrichtungen; Meyerowitz 1971 Der jüd. Witz o. S. der jüdische Witz, die bedeutsame Anekdote mit der philosophischen oder sonst tiefsinnigen Pointe; Sieburg 1971 Napoleon o. S. sie sind eine Fundgrube für Napoleon — Anekdoten aller Art, soweit sie das Hofleben,
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Familiäres und Persönliches betreffen; Plessen 1984 Stella 43 Eine Anekdote. Ken hat sie sicherlich schon hundertmal erzählt; Zeit 11.1.1985 gab George Shultz für die . . Medienvertreter, die keine Fragen stellen durften . . aber doch eine Anekdote zum besten; ebd. 1.2.1985 aus Leningrad stammt der Stoff einer Anekdote, die öffentlich nicht erzählt wird, weil sie sich um einen Mächtigen rankt; . . in Moskau gibt es so viele Gerüchte, und der Mächtige, wie gesagt, der ist immer noch einer der Mächtigsten, und das Ganze ist sicher auch nur eine Anekdote; MM 23. 7.1985 vielleicht wäre die Landshuter Hochzeit auf immer zu einer Anekdote verblaßt, hätte nicht der Historismus . . die schlummernden Mächte der Vergangenheit aufgeweckt; Zeit 9.8.1985 um diese Frage weben sich zahllose Anekdoten; ebd. 11.10.1985 die Anekdote mag übertrieben sein, aber man muß Woody Allan wirklich die Dinge aus der Nase ziehen; MM 22.8.1986 wie . . einflußreich der Marabout von Touba ist, davon zeugt eine Anekdote, die in Senegal kursiert; Zeit 24.10.1986 die Anekdote, diese männliche Form des Erzählens, die jedes noch so tragische Mißgeschichick auf die handliche Länge eines kleinen Bieres verkürzt; ebd. 5.12.1986 [seine] Lieder wurzeln . . in Volkslied, Märchen, Fabel, Anekdote, Witz, Gleichnis, Ballade; MM 18.8.1987 mit lukullischen Genüssen waren im Orient immer wieder phantastische Anekdoten verbunden; ebd. 28.6.1988 kein Anekdötchen aus jener anekdotenreichen Zeit; Zeitmagazin 19.10.1990 nach einem anekdotengarnierten Essen, natürlich a la George Sand; Spiegel 7.12.1992 lernte er das Fabulieren schon am Eßtisch, wo dieselben Anekdoten im Lauf der Jahre poliert, verfeinert und immer wieder umgearbeitet wurden. anekdotenartig: Stahr 1847 Italien II 375 Das Anekdotenartige, das Gerücht (SANDERS 1871). anekdotenhaft: Bank vor 1871 Bild I 317 Anekdotenhafte Einzelzüge (SANDERS 1871); 1928 Querschnitt 353 Auch er ist symbolisch, während Chaplin oft nur anekdotenhaft ist; v. Wahlendorf 1936 Erinn. 96 nun kommt ein kleines, durch die beispiellose, fast geistvoll anekdotenhaft anmutende Unverfrorenheit einer Frau interessantes Histörchen; Zeit 7.6.1985 was den Moskauern Gesprächsstoff liefert, sind . . die anekdotenhaften Begleitumstände seiner [Gorbatschows] Amtsführung; MM 30.6.1987 es [Buch] besteht aus anekdotenhaften Erinnerungsgeschichten zu bestimmten Wörtern, die den Autor in seiner Kindheit . . ihres besonderen Klanges .. wegen in Bann geschlagen .. haben. anekdotenweise: Goethe 1819 Noten z. Divan (WA I 7,98) Wie gränzenlos hartnäckig und widersetz-
lich Günstlinge sich gegen den Kaiser betrugen, wird von glaubwürdigen Geschichtsschreibern anekdotenweis' überliefert. anekdotisch: Auerbach 1851 Deutsche Abende 150 In der anekdotischen Auffassung (SANDERS 1871); Gutzkow 1878 Longinus 65 einige Gedichte Hebbels , . werden anekdotisch fortleben; Gottschall 1885 Totenkl. 267 daß ein Buch, das nur aus rein literarischem Interesse geschrieben war, so plötzlich diese anekdotische Bedeutung gewinnen und mir eine solche lärmende Masse von Reclamationen zuziehen könne; Tb. Mann 1906 Reden u. Aufs. (W. X 17) halten die Leute sich für berechtigt, auf Grund der Äußerlichkeiten auch alles übrige für wahr, anekdotisch kolportiert, für Ausplauderei und sensationellen Klatsch zu nehmen, — und der Skandal ist da; ders. 1921 Reden u. Aufs. (W. X 616) ein Stück Literaturgeschichte . . zieht in anekdotisch-lustigen Bildern vorüber; ders. 1926 Reden u. Aufs. (W. XI 75) das Anekdotische amüsierte, jede Pointe ward aufgefangen; Friedeil 1928 Kulturgesch. II 4 [der 30jährige Krieg] hatte . . etwas Amorphes, Asyndetisches, Anekdotisches; Süddtsch. Ztg. 22.5.1950 Festreden [des Bundespräsidenten] .., die schon jetzt versprechen, . . zu anekdotischer Berühmtheit zu gelangen; Heuss 1961 Bücherwand 188 Fontäne kultiviert den leichten Fluss, das Sprunghafte, das Anekdotische einer Unterhaltung; Partner 1964 Erben 288 hat er die anekdotischen Details dem großen Geschichtsbild maßgerecht eingeordnet und sich .. den Niederungen des Hofklatsches bewußt ferngehalten; Leibfried 1970 Identität o. S. dieses Textstück zeichnet sich durch zwei .. Konstituenten aus: durch das Anekdotische und durch das Witzige; Hocke 1976 Tagebücher 49 Die anekdotische Kleinmalerei verdrängt das pathetische Fresko. Die Vorliebe für menschliche Eigenarten, Liebenswürdigkeiten und Schwächen, für den „human background", wird immer auffallender; Zeit 15.2.1985 ist die Unterscheidung, ob die Modelle bekleidet sind oder nicht, für die Wirkung des Bildes von . . anekdotischer Bedeutung; ebd. 29.3.1985 Landschaftsmalerei . . gibt es erst seit . . dem Jahr 600, als die einzelnen Disziplinen wie Portrait, Figur, Tierdarstellung und anekdotisches Genre sich emanzipierten; ebd. 29.3.1985, Lit. beil. Fritz breitet die Verworrenheit . . nicht episch oder anekdotisch aus; ebd. 14.6.1985 die Entwicklung des wissenschaftlich-technischen Zeitalters in Form einer anekdotisch ausgeschmückten Chronologie der Ereignisse zu inszenieren; MM 25.3.1986 Corinth entledigt sich des anekdotischen Beiwerks, inhaltlich wie formal; Zeit 15.8.1986 die . . Alltagsbeobachtungen bestehen . . aus lauter in sich abgeschlossenen Einzelszenen, die unauffällig anekdotisch und mit
anglisieren versteckten Pointen die formale Kontrolle eines strengen Dramaturgen verraten; ebd. wer kein Wissenschaftshistoriker ist, kann Wichtiges von eher Anekdotischem nicht mehr unterscheiden; ebd. 23.1.1987 daß der englische „Vortizismus" eine . . anekdotische Nebenerscheinung des italic. . \ 17.2.1987 - -! -, - wer, annischen Futurismus war; MM statt in Bildern zu denken, Claudels Text anekdotisch vortragen läßt, der betrügt den Zuschauer ..
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um die schönste Seite der Schauspielkunst; ebd. 22.4.1987 wenn plötzlich neben einem dunklen Rot ein sattes Grün auftrumpft, .. begreift man das Anekdotische dieser Bilder; ebd. 23.3.1988 der anekdotische Ausschnitt aus dem Passionsge, , . , .. . , j· j· · n \* schenen; ebd. 31.3.1988 die traditionellen Merkmale einer anekdotischen oder illusionistischen Malerei.
anglisieren V. trans., auch reflex., im späteren 18. Jh., eventuell unter Einfluß des im 17. Jh. üblichen engl. Verbs anglize (vgl. dazu heutiges engl. anglicize), aufgekommene verbale Ableitung von lat. Angli(i) Pl. 'der von Tacitus erwähnte westgermanische Volksstamm der Angeln', vgl. etwa gleichzeitig aufgekommenes frz. angliciser, bis ins 20. auch in der seltenen Nebenform englisieren (vgl. bes. 2). l Zunächst in der Bed. 'jmdn., sich, etwas den englischen Verhältnissen, der englischen Lebensweise, Kultur und Sprache anpassen, angleichen', in Wendungen wie die Bevölkerung anglisieren; oft in der adj. verwendeten Part. Perf.-Form anglisiert, z. B. ein anglisiertes Land, ein anglisierter Name; Mitte 19. Jh. selten auch in der Bed. 'einen Text in die englische Sprache übersetzen' (s. Belege 1852, 1859). Dazu seit Ende 18. Jh. das Verbalsubst. Anglisierung F. (-; selten -en) 'Anpassung an die Verhältnisse, Lebensweise, Kultur und Sprache der Engländer', z. B. die fortschreitende Anglisierung eines Landes, einer Sprache, der Lebensweise, Sitten und Gebräuche. Dazu schon seit früherem 18. Jh., häufig im PL, das Subst. Anglizismus M. (-; Anglizismen), anfangs selten auch in den latinisierten lat. (flekt.) Formen Anglicismum (Akk. Sing.), Anglicismi (Nom. PL), in der Bed. 'charakteristische Besonderheit der englischen Sprache', dann insbes. für 'aus dem Englischen in eine andere Sprache entlehnte oder nach englischem Muster in einer anderen Sprache gebildete sprachliche Eigentümlichkeit im lexikalischen oder syntaktischen Bereich (die in dieser anderen Sprache fremd wirkt)'; seit dem 20. Jh. als Grundwort in den Zss. Pseudo-, Werbeanglizismus und meist plur. als Bestimmungswort in Zss. wie Anglizismenforschung, -gebrauch, -Verwendung, -Wörterbuch; daneben von Anfang 19. bis ins 20. Jh. selten auch in der ohne Pl. verwendeten, heute veralteten Bed. 'besondere Vorliebe für England und englisches Wesen' (s. Belege 1810, 1939). Dazu gegen Ende 19. Jh., eventuell unter Einfluß von gleichbed. engl. anglist, die wohl in Analogie zu Germanist, Romanist gebildete subst. Ableitung Anglist M. (-en; -en), auch Anglistin F. (-; -nen), in der Bed. 'Wissenschaftler(in) bzw. Student(in), der (die) sich besonders mit der Erforschung der englischen Sprache und Literatur, auch mit der englischen Geschichte und Kultur beschäftigt'; etwa gleichzeitig die subst. Ableitung Anglistik F. (-; ohne PL) 'Wissenschaft von der englischen Sprache und Literatur, auch von der englischen Geschichte und Kultur', z. B. Anglistik studieren, das Studium der Anglistik aufnehmen, seit dem 20. Jh. als Bestimmungswort in Zss. wie Anglistikstudent(in), -Studium; seit früherem 20. Jh. die adj. Ableitung anglistisch (ohne Steigerung) in der Bed. 'die Anglistik betreffend', z. B. die anglistische Forschung, ein sprachliches Problem aus anglistischer Sicht darstellen. Seit Ende 19. Jh. vereinzelt auch die gleichbed. Nebenformen Anglizist M. (-en; -en), Anglizistik F. (-; ohne Pl.) und das Adj. anglizistisch.
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2 Seit Ende 18. Jh., vereinzelt bis ins frühe 20. Jh., auch in der Nebenform englisieren, in der Fachsprache der Tierzüchter für 'einem Pferd die niederziehenden Schwanzmuskeln operativ durchschneiden und es daran gewöhnen, den Schwanz hoch zu tragen, einem Pferd den Schwanz stutzen und es an das Emporrichten des Stumpfes gewöhnen', ein Pferd anglisieren; auch in der adj. verwendeten Part. Perf.-Form anglisiert, englisiert, z. B. ein anglisierter Falbe, ein englisierter Schimmel. anglisieren 1: Schönaich 1762 Er. (1896 Zfvgl. Lit. gesch. N. F. X 471) Die Vergleichung, die der Hamburger [Correspondent] zwischen Ihrer [Scheffners] Einsamkeit und Kronegks seiner machet, thut Ihnen zu viel Gewalt. MUSS man denn, um von der Einsamkeit zu schreiben so schwermüthige Bilder und Phantaseyen denken undeutsch werden, anglisiren und wie Herrenhuter schwärmen?; 1786 Journal d. Moden l 260 [England brachte bessere Modelle im Wagenbau und Geschirrmachen] so wenig auch die Franzosen, die doch auch in diesem Stücke gewaltig anglisiren, dies zugeben wollen; Carl August 1775-1828 Br. a. Goethe (Briefw. Carl August — Goethe I 200) Lasse ich den hiesigen Garten verändern und anglisieren (SANDERS 1871); Goethe 1795-96 Vorbereitung z. 2. Reise n. Italien (WA I 34.2, 196) [Schema über neuere Baumeister und Baukunst] Porta/ Alte Villen/ Fontana/ Neue Anglisirende; Herder vor 1803 S. W. XXVIII 489 Daß St. Jonas es [das Drama Sakontala] nicht anglisiren wollte (KEHREIN); Kohl 1844 England u. Wales I 213 Das südliche Wales . . ist weit mehr anglisirt als das nördliche; Marx 1852 Br. (MEW XXVIII 195) eine Erklärung für die englischen Blätter, .. die Du aber besser und conciser anglisieren sollst; ders. 1859 Br. (MEW XXIX 399) müßte ich einige Wochen nach Manchester kommen, um die Sache [die Politische Ökonomie für die englische Ausgabe] mit Dir zusammen zu anglisieren; Rodenberg 1863 Strassensängerin II 109 Hier . . in diesen von den berühmten Straßen des Welthandels, Cornhill . . und Bishopsgate verdeckten Quartieren der schlechtbezahlten Arbeit, des Elends und folglich des Verbrechens, . . Hier, von einer dünnen englischen Bevölkerung zusammengehalten und selber nur halb anglisirt, wohnt in den dumpfigsten Gassen und ruinenartigsten Häusern der Auswurf; 1892 (Heyking 1926 Tagebücher 97) dass ganz Burma sich mehr und mehr anglisiere; Th. Mann 1901 Buddenbrooks (W. I 348) [er war verheiratet] mit einem Fräulein Puttfarken aus Hamburg, einer Dame mit butterfarbenem Haar und übermäßig leidenschaftslosen, augenscheinlich anglisirenden, aber außerordentlich schönen und regelmäßigen Gesichtszügen; Seiner 1902 Burenkämpfe II Vorr. 4 besitzt die englische Nation nicht das Assimilationsvermögen der Amerikaner, sonst gäbe es
keine Kap- und Natalburen mehr und auch die Freistaatburen wären schon längst anglisiert; Peters 1904 England 139 solcher [englischer] Nationalstolz wirbt anwerbend auf alle Fremde . . Er ist die Ursache, daß die starke fremde Einwanderung, welche unausgesetzt nach Großbritannien strömt, in der zweiten Generation regelmäßig völlig englisiert ist; Harden 1910 Köpfe 72 in Scharen anglisiren und amerikanisiren sich der Heimat entfremdete Deutsche; Veith 1913 Wb. f. d. Deutschen I 61 anglisieren .. englische Bräuche nachäffen; Klemperer 1914—23 Sonderart 11 Frankreich ist nicht anglisiert worden; Brieger 1921 Pastell 103 La Tour gibt sich . . in Paris als englischer Maler aus, ist in Wesen und Sitten gänzlich anglisiert; Th. Mann 1928 Nachtr. (W. XUI 829) er ging zur englischen Handelsmarine, diente als Offizier auf englischen Segelschiffen, anglisierte sich völlig; 1928 Sozialgesch. 303 ist die deutsche Bevölkerung Neuschottlands längst anglisiert, man kann sagen „anglisiert" auch insofern, als die Bevölkerungsbewegung nur noch eine ganz unwesentliche ist; Th. Mann 1945 Reden u. Aufs. (W. XU 361) wir haben eingesehen, daß ohne Demokratie in der Welt keine Geschäfte mehr zu machen sind, daß man sich anglisieren muß, um Geschäfte zu machen; ders. 1947 Faustus (W. VI 566) „. . Knappi", sagte er [Schildknapp] (so nannte er anglisierend sich selbst und wurde auch allgemein so genannt); Zeit 19. 7.1985 warum sollte Pennsylvanien . . eine Kolonie von Fremdlingen werden, die bald so zahlreich sind, daß sie uns germanisieren, anstatt daß wir sie anglisieren. anglisiert: Jean Paul 1785 S. W. III 1,180 und schneiden Sie nicht auf das Kerbholz, das schon meine anglisirten Sitten und Reden füllen, auch noch die Sünde eines vernachlässigten Briefes; 1791 Journal d. Moden VI 32 in anglisirter Gestalt; Jean Paul 1799 S. W. I 8,303 hat nicht alles auf dieser anglisierten Kometenkugel seinen Anhang; 1800 Journal d. Moden XV 461 eine allerliebst anglisirte Griechin; Görtz 1852 Reise I 20 Henry F. Fisher aus Texas (trotz seines anglisirten Namens ein guter Deutscher); Rodenberg 1860 Insel d. Heiligen II 220 Die Grenze des anglisirten Irlands; 1867 Magazin d. Ausld. XXXVI 626 Ein englisier-
anglisieren tes siamesisches Wort (SANDERS 1871); Katscher 1886 Nebelland 147 Der anglisierte Deutsche „schbieks de Inglisch langwisch only" . ., er liest grundsätzlich nur englische Zeitungen; Kaiser 1911 Lebenserinn. 207 der so konservative und anglisierte Historiker [Dahlmann] war nicht frei von dem Gebreste, etwas zu bockbeinig auf Recht und Ehre gehalten zu haben; Th. Mann 1924 Reden u. Aufs. (W. X 642) jener anglisierte Pole Joseph Conrad, den die westliche Welt so liebt; 1925 Anglica l 121 des anglisierten Hindutums; 1929 Handb. d. Englandkunde II 211 Schlimmer noch steht es um eine weitere Form der englischen Kirchenmusik, den anglisierten Plainsong; ebd. II257 Die OxfordBewegung, Kardinal Newman, Pusey bis hin zu dem kürzlich verstorbenen anglisierten österreichischen Katholiken Baron v. Hügel; ebd. II 264 noch in dem anglisierten Polen Joseph Conrad . . und seinen moralisierenden und oft auch politisch tendenziösen Seefahrergeschichten wirkt dieser Typus [Defoes Robinson als Erziehungsroman und Abenteurergeschichte] nach; Drascher 1936 Vorherrschaft 90 Der anglisierte Inder; Münch. N. N. 24.3.1941 anglisierter Amerikaner; Bonn 1953 Gesch. 167 Dieser Teil meiner Aufgabe brachte mich in Berührung mit den einfachen, noch nicht anglisierten Deutschen in den kleineren Städten; 1974 Sprachdienst V 73 Anglisierte Aussprache. Anglisierung: Jean Paul 1794 S. W. III 2,19 Der Briefträger behielt den Brief — deiner Anglisierung wegen — 8 Tage lang in der Tasche; Engels 1870 Geschichte Irlands (MEW XVI 493) Der Name Waterford selbst ist nur die hier sinnlose Anglisierung des altnordischen Vedhrafiördhr, was entweder Sturmbucht (Wetterföhrde) oder Widderbucht bedeutet; Teuber 1881 Jugendleben l 134 Anglisirung . . der lichtblauen Pantalons; 1888 Grenzboten 60S Sollte es gelingen, einen größern Strom deutscher Kolonisten nach Kanada zu leiten, so dürfte man wohl mit Recht hoffen, daß auf demselben Grund und Boden, wo die französischen Habitants seit den Tagen Ludwigs XIV. ihre Sprache, Religion und Sitten bewahrt haben, auch das deutsche Element sich nachhaltiger als in den Vereinigten Staaten der Anglisirung erwehren würde; Treitschke 1897 Politik l 285 Anglisirung der Sprache; Busch 1899 Tagebuchbl. Ill 235 Auch erzählte er mir folgendes Beispiel von der Anglisierung der jetzigen kaiserlichen Familie weiblichen Teils; Peters 1904 England 275 Anglisierungsprozeß der überseeischen Welt; Schmitz 1914 Land 257 hässlichen Anglisierung [Irlands]; Bülow 1916 D. Politik 257 Er ist überzeugt, daß englische Herrschaft und die ihr folgende Anglisierung eine Wohltat ist; Thiess 1923 Gesicht 147 Gutzkow . . trug die Kunstphysiognomie der neuen Mehrheit, die nach
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Politisierung, Demokratisierung, Anglisierung und Maschinisierung des Lebens rief; Brauer 1936 Im Dienste Bismarcks 231 Anglisierung Ägyptens; Hellpach 1944 Völkerpsychologie 73 Anglisierung der kontinentalen, namentlich norddeutschen Lebensformen gegen Ausgang des vorigen Jahrhunderts; Th. Mann 1945 Reden u. Aufs. (W. XU 132) seine Teilnahme am Schicksal Deutschlands beschränkt sich litararisch auf die Abwehr politischer Anglisierung; Ganz 1957 Einfluß 16 Die Personalunion mit England führte zu einer Anglisierung des Adels und des gebildeten Bürgertums; MM 25.7.1985 diese Anglisierung des höheren indischen Bildungswesens; Zeit 13.9.1985 die Anglisierung walisischer Schüler durch das Erziehungssystem.
Anglist: Luick 1896 Die fremden Bestandteile im engl. u. im dt. Wortschatz (1897 Wiss. Beih. z. Z. d. allg. dt. Sprachvereins Xll/XIll 70) „Wie kann denn", rief er aus „ein Anglist ein Anhänger der Sprachvereinsbestrebungen sein, ein Anglist, den seine Fachstudien so deutlich lehren, welchen Segen die Sprachmischung wie die Rassenmischung bringt!"; Thomas/Krüger 1903 Ber. z. Muret/Sanders 11 Anglist, anglicist, das Wort wird gebraucht in N. and Qu. 9 th S. 474, aber noch in Gänsefüßchen, so daß man ersieht, daß es dort erst versuchsweise gebraucht wird; Engel 1918 Entivelschung 25 Anglist: Englischforscher; Schönemann 1921 Amerikakunde 10 ein richtiger Anglist müsse eben „alles" in der englischen Sprache und Literatur umfassen"; Koenig 1922 Gr. Wb. d. dt. Sprache 32 Anglist, der, der englisches Sprachstudium betreibt; Kircher 1926 Engländer 253 Mr. Hobbs — es mag sein, daß ihn die gelehrtesten Anglisten des Kontinents nicht kennen; Brandt 1936 Zwischen Inn u. Themse. Lebensbeobachtungen eines Anglisten (Titel); Th. Mann 1947 Faustus (W. VI 220) seine Abneigung gegen das Deutschtum, das er verkörperte (ein Widerwille, der ihn übrigens mit dem Anglisten und Anglomanen Schildknapp zusammenführte); 1951 Neuphilolog. Z. IV 233 von den genannten Universiäten trat eigentlich nur der Anglist und Amerikanist Professor Walther Fischer aus Marburg als aktiver Teilnehmer in Erscheinung. Daneben griffen . . der Anglist Professor Walther Hübner und der Philosoph und Sprachwissenschaftler Ernst Otto häufig förderlich in die Debatte ein; ebd. IV 295 Bei dieser Überproduktion an Anglisten kann nur ein geringer Teil der Absolventen Aussicht auf eine Anstellung im Staats- oder Gemeindedienst haben; Hermlin 1954 Nähe 71 Chao Mi ist zweiunddreißig, Anglist, Sohn eines Shanghaier Kaufmanns; 1964 Muttersprache 346 das Werk .. bietet . . in seinem über-
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anglisieren
sichtlichen Aufbau und in seiner klaren Darstellung auch den deutschen Anglisten und Germanisten reiche Anregungen; 1970 Jahresber. DAAD o. S. sprach sich der Vorstand dafür aus, daß . . in Deutschland auch ein entsprechendes Programm für die Ausbildung deutscher Anglisten in Großbritannien und britischer Germanisten in Deutschland entwickelt wird; Heiduczek 1977 Tod 154 Die Philosophiestudenten, Anglisten, Germanisten, Historiker und Theologen, zwischen denen ich saß, kritzelten die Seiten ihrer Kolleghefte voll; 1986 Der angloamerikan. Einfluß 108 Für den Anglisten im deutschsprachigen Raum hat es zweifellos einen Reiz, Anglizismen im Gebrauch der deutschen Gegenwartssprache nachzugehen; Zeit 17.4.1987 Mario Praz, der italienische Anglist, zitiert dieses Gedicht in seinem . . Buch; MM 17. 7.1987 der Anglist Professor Norbert Platz erklärte, seit 1980 habe in Mannheim die Zahl der Magisterstudenten um 340 Prozent zugenommen und liege heute bei etwa 1040 Studierenden; Sanders 1992 Sprachkritikastereien 62 der Anglist Broder Carstensen mit seinem Band „Beim Wort genommen". Anglistik: 1896 Engl. Studien XXII 319 Anglistik; Schöffler 1921 Ratgeber für das Studium der Anglistik (Titel); Koenig 1922 Gr. Wb. d. dt. Sprache 32 Anglistik, die Lehre von der englischen Sprache und Literatur; Ebisch 1931 Ratgeber für das Studium der Anglistik (Titel); Brandt 1936 Inn 94 Mehr als mir damals bewußt wurde, hat das Burgtheater mein Verhältnis zu Shakespeare und hiermit meinen weiteren Lebensweg bestimmt, ich darf sagen, für die Anglistik mich begeistert; ebd. 102 In Wien wurde ich nach richtiger Anglistik erst recht hungrig; ebd. 264 f. [der Kaiser sagte:] „Fahren Sie fort, in diesem Sinne durch Shakespeares Geist und Humor auf die Studentenschaft zu wirken; ich danke Ihnen" . . Das war deutliches Programm für die Anglistik; 1951 Neuphilolog. Zs. IV 415 diese beiden Disziplinen [Amerikanistik und Anglistik] als eine eine besondere, legitime Ausweitung der der Anglistik heute gestellten Aufgabe; ebd. die Fortschrittlichkeit und Anpasssungsfähigkeit der deutschen Anglistik; 1952 Zeitschrift für Anglistik und Amerikanistik (Titel); ND 26.3. 1964 zum 400. Geburtstag William Shakespeares bringt die . . Zeitschrift für Anglistik und Amerikanistik zwei Jubiläumsausgaben heraus; Schirmer 1965 Zur Geschichte der deutschen Anglistik (Titel); Finkenstaedt 1975 Zwischen Diktat und Oberseminar, oder: Das 2. Jahrhundert der deutschen Anglistik (Titel); 1976 Arbeiten aus Anglistik und Amerikanistik (Titel); 1977 Humanistische Tradition und progressives Erbe der Leipziger Anglistik/Amerikanistik. WO Jahre Lehrstuhl
für englische Sprache und Literatur (Titel); Haenicke 1979 Gesch. d. Anglistik 53 1881 verfügen alle deutschsprachigen Universitäten . . über neuphilologische Lehrstühle. Die Anglistik ist in Berlin, Wien, Leipzig, Bonn, Straßburg, Breslau und Halle durch einen Ordinarius oder Extraordinarius vertreten; ebd. 242 Außerhalb Straßburgs hat die im Seminar vollzogene Trennung zwischen Anglistik und Romanistik richtungweisend gewirkt; Viereck 1980 Studien z. engl. Einfluß 74 Der Befund, daß Anglistikstudenten am ehesten die „richtigen" Genuszuordnungen vornehmen; Zeit 31.5.1985 im Fachbereich Anglistik ist .. eine C3-Professur für Neuere Englische und Amerikanische Literatur zu besetzen; ebd. 20.9.1985 [das] Institut für Anglistik und Amerikanistik der Universität Erlangen-Nürnberg; ebd. 24.10.1986 in Leeds hatte er sein Studium der Anglistik und Theaterwissenschaften abgeschlossen; MM 3.6. 1986 eine junge Anglistikstudentin, die sich . . nach dem Examen erkundigte. anglistisch: Brandl 1936 Inn 121 der erste anglistische Ordinarius in Berlin; 1951 Neuphilolog. Z. IV 295 Auch der „British Council" hat laufend durch Schenkungen von vor allem noderner englischer Literatur die anglistischen Studien auf das tatkräftigste unterstützt; 1968 Anglistische Forschungen (Titel); 1970 Anglistische Studienreform (Titel); 1976 Anglistische Arbeitshefte (Titel); Haenicke 1979 Gesch. d. Anglistik 42 Aus der Periode der Einrichtung neusprachlicher Professuren an nahezu allen deutschsprachigen Universitäten und der ersten rein anglistischen Professuren an einigen Universitäten in den 70er Jahren [des 19. Jhs.] konnten keine hochschuldidaktischen Dokumente ermittelt werden; ebd. 242 Boehmers Straßburger „Erlebnisse" [Eduard Böhmer erhält 1872 eine ordentliche Professur für romanische und englische Philologie in Straßburg] mögen die philosophische Fakultät in Halle veranlaßt haben, mit der anglistischen Professur ein selbständiges englisches Seminar zu beantragen; 1986 Der angloamerikan. Einfluß 5 Verdienst . . der anglistischen Wissenschaft; ebd. Ergebnisse auf anglistischem Fachgebiet. Anglizismus: 1744 Neuer crit. Almanack B 4 Anglicismen; L. A. v. Gottsched 1750 Witzling 30 die von den wässerichten Dichtern insgemein Anglicismi genennet werden; Schönaich 1754 Ästhetik 150 Geistschöpfer. So pfleget man auf neu deutsch Gott anzureden: es ist ein sehr artiger Sproß von zweenen zusammen gewachsenen Stämmen: der eine Stamm ist ein Gallicismus; der andere ein Anglicismus; Hamann 1768 Briefw. II 406 Sharp .. wendet einen anglicismum an den er als ein junger
anglisieren Voltaire selbst in England über den Zuschauer gehört; Moritz 1783 Reisen 146 Die Deutschen, welche lange hier [in London] gewesen sind, reden fast in lauter Anglicismen, als: es will nicht thun, anstatt, es ist nicht hinlänglich, . . Ja einige sagen sogar: ich habe es nicht geminded, ich habe mich nicht daran erinnert, oder daran gedacht; ders. 1793 Grammat. Wb. 1123 Anglicismus. Einen Anglicismus machen, heißt, im deutschen Ausdruck eine englische Redensart, auf eine ungewoehnliche Weise, nachbilden: Im Plural gilt von dem Worte die deutsche Endung: Anglicismen. — Die Endung auf mus verursacht nur einige Haerte; so daß man den Begriff Anglicismus lieber umschreiben kann: ein dem englischen nachgebildeter deutscher Ausdruck; welche Umschreibung sich denn auch auf Gallicismus, Germanismus u.s.w. anwenden ließe; Jean Paul 1795 Hesperus (W. II 740) ich bin vielmehr fest versichert, sie ertrügen den tugendhaftesten Mann von der Welt ebensogut wie den schlimmsten, und das bloß, weil er ein Anglizismus, ein homme de Fantaisie, ein Naturspiel wäre; Campe 1808 Wb. 117 Anglicismus, eine Eigenheit der Englischen Sprache, Englische Spracheigenheit; Goethe 1810 Farbenlehre. Hist. Paraiipomena (WA II 4,470) Voltaire giebt sich damit ab. Beyde waren in England gewesen und vom Anglicismus imbuirt. Die gute Gesellschaft huldigt durchaus Newtonen; Mendelssohn-Bartholdy 1831 Briefw. m. Klingemann 86 namentlich gibt es einige Engländerinnen hier, wo ich alle meine Anglicismen wieder versuche; Marx/Engels 1885-94 Kapital (MEW XXIII 33) Der Stil war daher lebendiger, . . aber auch nachlässiger, mit Anglizismen versetzt; ebd. XXI11 34 Was den Stil betrifft, so hatte Marx . . das Maß gegeben, wie weit ich gehn durfte in der Entfernung englischer technischer Ausdrücke und sonstiger Anglizismen; Hofmannsthal 1891 Zur Physiologie d. modernen Liebe (Prosa 113) Daß [in Bourgets Buch] .. den meisten Raum psychologische Paradoxe, Theaterklatsch, Analyse des modernsten Gesellschaftstones mit seinen Anglizismen und dekadenten Neubildungen einnehmen; 1900 Grenzboten 142 Übrigens sind wir Deutschen auch mit der Zeit empfindlicher gegen Anglizismen geworden und danken für Worte wie Chinamann und Wendungen wie „von Nerven verschont sein"; Jung/Pearls 1901 Übungen zur Einstudierung aus dem Deutschen ins Englische mit Auswahl von Mustersätzen . . Anglicismen (Titel); 1935 Festschr. E. Tappolet 18 Lieber die Anglizismen und den Soldatenargot gibt es gute Handbücher; Th. Mann 1939 Reden u. Aufs. (W. X 358) der ästhetische Anglizismus, der Goethe darin zugeschrieben wird, läßt an den Einfluß denken, den der englische bürgerliche Roman der Richardson, Fielding, Goldsmith tatsächlich auf ihn ausgeübt hat; Debrunner
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1959 Moderne Gallizismen und Anglizismen im Deutschen (Titel); Zindler 1959 Anglizismen 2 Ein Anglizismus ist ein Wort aus dem britischen oder amerikanischen Englisch im Deutschen oder eine nicht übliche Wortkomposition, jede Art der Veränderung einer deutschen Wortbedeutung oder Wortverwendung (Lehnbedeutung, Lehnübersetzung, Lehnübertragung, Lehnschöpfung, Frequenzsteigerung, Wiederbelebung) nach britischem oder amerikanischem Vorbild; Stuttgarter Ztg. 11.6. 1960 Einer Öffentlichkeit, der die saloppen Anglizismen des modernen „marketing" längst zum gängigen Alltagsvokabular geworden sind; 1964 Muttersprache 353 unter der Wirkung der in den letzten zwanzig Jahren übernommenen Anglizismen; Galinsky 1979 Das amerikan. Englisch 301 [die] Erkundung der Britizismen, Anglizismen und Amerikanismen des Deutschen; Viereck 1980 Studien z. Einfluß d. engl. Sprache 11 Die Zahl der lexikalischen und semantischen Anglizismen . . hat im Laufe der letzten Jahrzehnte ständig zugenommen: Stickel 1984 Einstellungen z. Anglizismen (Festschr. f. S. Grosse 279) Anders als zu Beginn dieses Jahrhunderts, als der Einfluß des Englischen auf den deutschen Wortschatz von der muttersprachlichen Germanistik aufmerksam beobachtet und zumeist als Gefahr für das Deutsche bekämpft wurde, sind die Anglizismen im heutigen Deutsch kein bevorzugtes Thema der heimischen Germanistik. Dieses Untersuchungsfeld wird seit dem Kriegsende vor allem von deutschsprachigen Anglisten und anglophonen Germanisten bestellt; Zeit 8.3.1985 daß dieser Zustrom von Anglizismen keine vorübergehende Erscheinung ist und die Mehrzahl der zugeströmten Wörter und Wendungen auch nicht wieder verschwinden, wollen manche nicht wahrhaben . . immer wieder springen Anglizismen dort ein, wo es bisher überhaupt keinen deutschen Ausdruck gibt . . zu den offenen treten auch immer mehr heimliche Anglizismen: Wörter und Wendungen, die sich auf den ersten Blick so urdeutsch ausnehmen . . und die dennoch englischer Herkunft sind; ebd. 5.12.1986 die . . holprige, an Anglizismen reiche Übersetzung; 1986 Der angloamerikan. Einfluß 76 in Carstensens geplantem umfangreichen Anglizismen-Wörterbuch; Strauß/Haß/Harras 1989 Brisante Wörter 200 einige isolierte individuative Ismen, die zum Bereich Sprach- und Literaturwissenschaft gehören . . Ismen, mit denen sprachliche Ausdrucksformen und Verfahrensweisen, insbesondere stilistische Eigentümlichkeiten bezeichnet werden: Anglizismus, Amerikanismus, Gallizismus . .; Sanders 1992 Sprachkritikastereien 74 Zum Beispiel gibt sich Aktivitäten in dieser modischen Pluralform als Anglizismus zu erkennen (englisch activities); ebd. 116 Als Krankheit gelten insbesondere die Fremd-
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Anglo-, anglo-
wörter, namentlich Anglizismen; Süddtsch. Ztg. 18./19. 9.1993 Nicht umsonst sei das Bild des Werbemanns heute das eines buntbebrillten, sinnlose Anglizismen faselnden Schönlings.
anglizistisch: 1896 Engl. Studien XXII 335 [die] anglizistischen Vorträge; Sanders 1992 Sprachkritikastereien 75 die Gefahr einer anglizistischen Überfremdung des Deutschen.
Sendschreiben an seine Frau Base das Scherzwort stumpf schwänzen dafür gebildet; Heinsius 1840 Vollst. Wb. i 78 Angiisiren, engländern, stutzschwänzen (von Pferden); 1861 Allg. Mtl. Enc. III 359 Engiisiren, den Schweif der Pferde verstutzen und zum Hochtragen gewöhnen; Pierer 1888 Konversationslex. l 890 Angiisiren; ebd. V 106 Englisieren, aus England stammende, neuerdings aus der Mode gekommene Durchschneidung der Schweifmuskeln des Pferdes, die ein besseres Tragen des Schweifes bezweckt; 1901 Grenzboten 214 [man] nannte es damals „anglisieren", und kein Herrschaftspferd erschien damals anders als englisiert.
anglisieren 2: Campe 1808 Wfc. 117 Angiisiren, dem Pferde den Schweif abhauen und den aufgeschlitzten Stumpf gewöhnen, sich in die Höhe zu richten. Wir können diese von den Engländern angenommene Barbarei engländern nennen. Ich mag kein Pferd engländern lassen. Trapp hat in dem
anglisiert: Wolf 1793 Dulder J 106 anglisirte Falbe; 1800 Journal d. Moden XV 461 der kurze Schweif der anglisirten Pferde; Zur Megede 1897 Quitt 218 den anglisirten Schwänzen; 1901 Grenzboten 214 kein Herrschaftspferd erschien damals anders als englisiert.
Anglizist: 1891 Eng/. Studien XV 360 leser der „Englischen Studien", neuphilologen oder speciell anglicisten; 1925 Geschichtswiss. l 39 Anglizist [für sonst übliches Anglist].
Anglo-, anglo-, seit späterem 18. Jh. nachgewiesen in Entlehnungen aus dem Frz. und Engl. (—» Anglomanie), seit früherem 19. Jh. unter Einwirkung von gleichbed. frz. anglo-, engl. anglo- als Anfangselement von im Dt. gebildeten subst. und adj. Kombinationen (zurückgehend auf lat. Anglus, Angli Pl. 'Volksstamm der Angeln', —> anglisieren). l Zunächst in der Funktion als Bestimmungswort vor allem des ethnisch-kulturellen Bereichs verwendet in der Bed. r aus England stammend, Englisch als Muttersprache sprechend', in Kombinationen zuerst noch mit, seit Anfang 20. Jh. zunehmend ohne Bindestrich geschrieben. a Bes. auf Angehörige von Bevölkerungsteilen englischen Ursprungs bezogen, in subst. und adj. Bildungen wie Angloamerikaner M. (s; -), Angloamerikanerin F. (-; -nen) 'Amerikaner(in) englischer Abstammung; Amerikaner (in), dessen (deren) Muttersprache Englisch ist', mit dem dazugehörigen Adj. angloamerikanisch 'die Angloamerikaner betreffend, von ihnen stammend, zu ihnen gehörend', z. B. die angloamerikanische Bevölkerung; die angloamerikanische Literatur, Kultur, Anfang 20. Jh. die subst. Ableitungen Angloamerikanertum N. (-s; ohne Pl.) für 'das Wesen, Vorhandensein, die Anzahl und Verbreitung von Angloamerikanern in einem Land, Gebiet', gleichbed. mit Angloamerikanismus M. (-; ohne Pl.)(—*· Amerikanismus 2), auch (mit Pl.) in der Bed. 'für das amerikanische Englisch charakteristische Besonderheit; aus dem amerikanischen Englisch in eine andere Sprache entlehnte oder nach amerikanisch-englischem Muster in einer anderen Sprache gebildete sprachliche Eigentümlichkeit' (—» Amerikanismus 3a und b); Anfang 20. Jh. die dazugehörige verbale Ableitung angloamerikanisieren V.trans. 'jmdn., sich, etwas der Lebensweise der Angloamerikaner anpassen' (—> amerikanisieren a) mit dem Verbalsubst. Angloamerikanisierung F. (-; -en). Vgl. seit früherem 19. Jh. (zunächst oft auch noch mit, heute in der Regel ohne Bindestrich geschriebene) analoge Bildungen (und ihre Ableitungen) wie Anglo-In-
Anglo-, anglo-
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dien für 'das ehemalige Britisch-Ostindien', Angloinder 'Inder englischer Abstammung', im 19. Jh. auch für 'Bewohner des ehemaligen Britisch-Ostindien', Mitte 19. Jh. selten auch Angloindier und das Adj. angloindisch und weitere analoge Bildungen wie angloarabisch, -australisch, -irisch, -kanadisch und Angloaustralier, -kanadier. b Seit Mitte 19. Jh. als historische Bezeichnung in der Bed. 'auf den westgermanischen Volksstamm der Angeln und ihre Sprache bezogen', im 19. Jh. noch mit, im 20. Jh. in der Regel ohne Bindestrich geschrieben, in subst. und adj. Bildungen wie anglofranzösisch, -normannisch 'von den normannischen Eroberern nach England verpflanzte und dort gesprochene französische Mundart', Anglonormannen PL, vgl. analoge Bildungen wie anglofriesisch 'nordseegermanisch, ingwäonisch', das seltene Adj. anglosächsisch für 'angelsächsisch', selten Anglosaxonen Pl. für 'Angelsachsen', Anglosaxonia für 'Land, Gebiet der Angelsachsen', anglokeltisch. 2 Seit Mitte 19. Jh. in (heute in der Regel mit Bindestrich geschriebenen) adj. oder subst. Kopulativ-Komposita vor allem des politischen, wirtschaftlichen oder kulturellen Bereichs, wie z. B. anglo-amerikanisch, im Unterschied zu angloamerikanisch (vgl. la) bes. seit 1945 in der Bed. 'Großbritannien und Amerika betreffend, mit englischen und amerikanischen Komponenten (versehen); etwas, das sich aus politischer, ökonomischer oder kultureller Sicht gemeinsam auf England (bzw. Großbritannien) und Amerika bezieht', z. B. in Wendungen wie anglo-amerikanische Beziehungen, Einflüsse; eine anglo-amerikansiche Politik; die anglo-amerikanische Verteidigung im Zweiten Weltkrieg; anglo-amerikanische Autoren, Wissenschaftler; selten auch die anglo-US-amerikanische Politik; meist plur. in den im politischen, ökonomischen und kulturellen Bereich verwendeten subst. Kombinationen Anglo-Amerikaner PL, im Unterschied zu Angloamerikaner (vgl. la) bes. seit 1945 in der Bed. 'die Engländer bzw. Briten und die Amerikaner' (s. Beleg 1949), Anglo-Amerikanismus M. (-; ohne PL) 'enges Bündnis zwischen Großbritannien und USA' (s. Beleg 1943), gleichbed. Anglo-Amerikanertum (s. Beleg 1943), Anglo-Franzosen PL für 'die Engländer bzw. Briten und die Franzosen' (s. Beleg 1855). Vgl. etwa gleichzeitig analoge Bildungen wie anglo-afrikanisch, -arabisch, -asiatisch, -australisch, -chinesisch, -französisch, -irisch, -russisch, -schwedisch, -südafrikanisch. 3 Im früheren 19. Jh. in subst. und adj. Bildungen in der Funktion eines Bestimmungswortes in der Bed. 'auf die anglikanische Kirche bezogen, gerichtet', zur Bezeichnung von speziellen Richtungen der anglikanischen Kirche, z. B. das aus gleichbed. engl. anglo Catholicism entlehnte Anglokatholizismus M. (-; ohne PL) für 'katholische Richtung der anglikanischen Kirche' und die dazugehörigen Ableitungen Anglokatholik M. (-en; -en), anglokatholisch Adj.; im früheren 20. Jh. auf Irland bezogen, vereinzelt die analoge subst. Bildung Angloprotestantismus M. (-; ohne Pl.) 'protestantische Richtung der anglikanischen Kirche in Irand' und das dazugehörige Adj. angloprotestantisch. Anglo-, anglo- la: 1838 DV/S U 30 Nähert sich doch bereits schon der Anglo-Amerikaner auffallend — als Festländer — dem deutschen Wesen; Humboldt 1846 Br. a. K. A.Varnhagen v. Ense 223 Indeß gründen die nüchternen Anglo-Amerikaner ein westliches, China's Handel bedrohendes Weltreich; Kohl 1844 brit. Inseln l 343 Anglo-indische
Schulen; Görtz 1854 Reise III 113 in anglochinesischen Haushalten; ebd. 311 der reiche zurückkehrende Anglo-lndier; Kürnberger 1855 Amerikamüde 328 von der anglo-amerikanischen Rasse haben sie den Sport für Pferde angenommen; Douai 1864 Union 2 die irländische Einwanderung in Amerika . . war . . an Zahl viel zu gering, als daß
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Anglo-, anglo-
sie in größerem Maßstabe zur Gestaltung des angloamerikanischen Volkscharakters beigetragen haben sollte. Wir werden übrigens . . Beweise liefern, wie leicht sich die Irländer in der zweiten Generation dem angloamerikanischen Wesen verähnlichen. Viel früher endlich als mit Irländern sind die Angloamerikaner mit Deutschen und Franzosen massenhaft in Berührung gekommen . . Wir haben also ein .. Recht, die Abänderung des angelsächsischen Volkscharakters zum angloamerikanischen hauptsächlich auf Boden und Klima zurückzuführen; ebd. 150 die Yankeeinnen . . sind in der Regel keuscher und sittsamer als andere AngloAmerikanerinnen; Marx 1867 Entwurf e. Vertrags z. ir. Frage (MEW XVI 446) In den Kämpfen gegen die Elisabeth fochten die katholisch gebliebenen Anglo-Iren mit den Einheimischen gegen die Engländer; ebd. XVI 450 Durch Vereinigung der legislativen Organe und des Zollsystems von Britannien und Irland wurde der Kampf zwischen den Anglo-Iren und den Engländern beendet; ebd. Das anglo-irische Unterhaus stimmte für das Gesetz; Engels 1870 Br. (MEW XXXI1 429) daß diese Periode für die Iren und Anglo-Iren . . die alte Bummelei von vor der Invasion fortsetzte; Kapp 1876 Amerika l 8 Dieser [Kontinent] gehörte fortan den Anglo-Amerikanern; Brandt 1901 Ost-Asien l 31 die anglo-indischen Offiziere und Beamten; ebd. I 74 einige Geheimnisse der anglo-indischen Küche; 1910 Vietor-Festschr. 320 Angloaustralische Literatur; Oncken 1914 Aufs. I 116 angloamerikanische Kultur; Friederici 1926 Hilfswb. f. d. Amerikanisten Einl. XVIII Engländer und Anglo-Amerikaner traten ihren Eingeborenen nicht in dem Maße näher, wie die Spanier, Portugiesen und Franzosen; Müller-Ross 1939 Irland 48 Fünf Sechstel des Landes [Irland] befanden sich im Besitz englischer und angloirischer Protestanten; Th. Mann 1945 Reden u. Aufs. (W. XI 988) ich habe keinen Unterschied gefunden zwischen DeutschAmerikanern und Anglo-Amerikanern und ItaloAmerikanern; Hellpach 1949 Fax 24 der angelsächsische Sport. . kam aus den am wenigsten militärischen Völkern des Abendlandes, die beide, Briten wie Angloamerikaner, der Idee und Realität des „Volkes in Waffen" völlig fremd und abweisend gegenüberstanden; Welt 15.6.1959 das Nationalgefühl des Anglokanadiers; Zeit 26. 9.1986 ein angloamerikanischer Wortgebrauch; ebd. „tut mir leid" . . ist ja nicht nur die deutsche Übersetzung des angloamerikanischen „I 'm sorry"; Strauß/Haß/Harras 1989 Brisante Wörter 639 kreativ ist zunächst nach angloamerikanischem Vorbild im Bereich der Psychologie und deren Anwendung vor allem in der Unternehmens- und Betriebsführung verwendet worden; Sanders 1992 Sprachkritikastereien 75 Andere Zeiten, andere -is-
men: die Angloamerikanismen stehen derzeit im nichts weniger als polemischen Kreuzfeuer moderner sprachpuristischer Kritik. Anglo-, anglo- Ib: Gervinus 1853 Gesch. II 209 bis zu der anglonormannischen Periode der Literatur, bis ins 12. und 13. Jahrhundert; Niendorfl854 Paris 62 Meinem anglo-, nicht deutsch-französischen Accente; Ratzel 1897 Polit. Geogr. 136 anglokeltischen Gemeingefühl; Quincke 1908 Kostümkunde 86 Normannen, Anglo-Normannen und Engländer (1000-1200); Th. Mann 1939 Reden u. Aufs. (W. X 351) die Artus-Romane sind Prosa-Auflösungen des anglo-normannischen Heldengedichts, der Gralsepen; 1960 Studia Neophil. XXXII 341 „anglofriesisch" . . heute meist dafür 'nordseegermanisch' ('ingwäonisch'); Krieger 1970 (Quellen u. Darst. z. h. Gesch. XV 37f.) vor der Begründung der anglonormannischen Herrschaft über Südwestfrankreich (1154); Zeit 27.9.1985 die Leute waren anglosächsischer Herkunft und seit mehreren Jahrhunderten im Lande. Anglo-, anglo- 2: Wagner-Scherzer 1854 Reisen i. Nordamerika I 187 Die Anglo-Amerikaner; 1863 Bilder a. Paris II153 So ging es mit der anglo-americanischen Kriegsfrage und später mit Polen; Engels 1855 Feldzug i. d. Krim (MEW XI 216) daß die Russen . . versuchen werden, die Alliierten . . zu beschäftigen . . und dann sich mit ihrer Gesamtkraft gegen die Anglo-Franzosen zu kehren; Ranke 1867 S. W. XLVII 125 eine Diversion von anglorussischer Seite fürchte der Kaiser nicht; 1888 Wien I 143 Die Anglo-Österreichische Bank; Th. Mann 1918 Reden u. Aufs. (W. XII 83) „nicht ohne jenen tiefen Ekel", mit dem der deutsche Geist selbst sich gegen die anglo-französische Ideenwelt erhoben habe; Harden 1927 Versailles 44 der anglo-russische Bund; Münch. N.N. 16.7.1942 die anglo-amerikanische Kriegführung; 1943 Wissen u. Wehr V/V/ 320 der anglo-anerikanische Seebund; ebd. In dem Kampf zwischen Land- und Seebund wäre es daher heute vordringlichste Aufgabe, einem von unzertrennlichem Anglo-Amerikanertum getragenen Atlantiksystem auch Dauerhaftigkeit zu verleihen; 1943 ebd. IX/X 222 Arthur Hamilton Lee, .. bester Typ eines Anglo-Amerikaners; ebd. IX/X 323 Schon aus dieser kurzen Charakterisierung des Davis-Buches, eines hohen Liedes vom Anglo-Amerikanismus, geht .. hervor, daß das gesamte Verkehrsgebiet des Atlantik fortab unter so fest verschweißte amerikanisch-englische, sich auf genügend Landmacht . . stützende Kontrolle kommen müsse; 1943 ZfGeopol. XX 246 Gebiete . ., die dem üblichen Bild Angloamerikas nicht mehr entsprechen; ebd. XX 249 Die beiden Ausgänge des europäischen Mittelmeeres stehen unter an-
Anglomanie gloamerikanischer Kontrolle; ND 19.1.1949 um von den Anglo-Amerikanern eine maximale materielle und ideelle Hilfe zu bekommen; ebd. 21.4.1949 die sowjetischen und anglo-amerikanischen Streitkräfte im Kampf gegen den Faschismus; ebd. 10.6.1949 als Ergebnis dieser angloamerikanischen Politik; ebd. 23.10.1949 wirtschaftliche Vereinigung der anglo-amerikanischen Besatzungszone Deutschlands; Th. Mann 1952 Reden u. Aufs. (W. X 396) eine Jury distinguierter anglo-amerikanischer Schriftsteller; ND 27.1.1954 [die] Politik des anglo-amerikanischen Bündnisses; ebd. 14.6.1959 Anzeichen eines Auseinanderklaffens zwischen dem west-deutschen und dem anglo-amerikanischen Interesse an den Ost-West-Beziehungen; Welt 8.12.1959 angloamerikanische Ölgesellschaften; Ardenne 1972 Leben 137 fühlte ich mein Institut besonders durch die vorausgesehenen anglo-amerikanischen Luftüberfälle bedroht; Zeit 25.1.1985 [die] Zerstörung durch anglo-amerikanische Bomber; ebd. 4.10.1985 als Schluß ihrer anglo-asiatischen Historiengemälde; ebd. 27.12.1985 die Entwick-
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lung, die zwei Jahre später, am 15. Dezember 1985, zur Sensation des anglo-irischen Abkommens von Hillsborough führte; 1991 Sprachreport 11 5 Hier geht es vor allem um den Einfluß anglo-amerikanischer Serienprodukte. Anglo-, anglo- 3: 1844 Histor.-polit. Blätter Xlll 690 die Anglokatholischen; 1876 Die Gegenwart IX 47b „High-Church" ist nichts anderes als die seit 1833 neu aufgekommene „anglokatholische" . . Partei der „englisch-Bischöflichen" oder „Staatskirche", die in England selbst „the Anglican Church" . . heißt; Müller-Koss 1939 Irland 47f. Statt unter Zwang zum Angloprotestantismus überzutreten — die Gesamtzahl der Konvertiten betrug von 1703 bis 1788 weniger als 5000! — und sich dadurch materielle Zukunftsmöglichkeiten zu verschaffen, wandte sich der idealistisch-religiöse Ire nur um so mehr der katholischen Kirche zu; ebd. 50 angloprotestantische Iren; Süddtsch. Ztg. 9./10.10.1993 Sein [Eliots] Anglokatholizismus gefiel besonders Holthusen und solchen Leuten.
Anglomanie F. (-; ohne Pl.), im späteren 18. Jh. entlehnt aus gleichbed. frz. anglomanie (vgl. gleichbed. jüngeres engl. anglomania) (aus anglo- (—* Anglo-, anglo-) und griech. 'Raserei, Wahnsinn', —»· Manie), vereinzelt auch in der latinisierten Form Anglomania. In der Bed. 'übertriebene Schwärmerei für alles Englische, Nachahmung englischen Wesens, alles Englischen'; dazu im späten 18. Jh. vereinzelt die verbale Ableitung anglomanisieren V. intrans., in der Bed. 'Sympathie für alles Englische zeigen, alles Englische nachahmen', seit frühem 19. Jh. das Adj. angloman, auch anglomanisch 'für alles Englische schwärmend', etwa gleichzeitig die Personenbezeichnung Anglomane M. (-n; -n), auch Angloman M. (-en; -en) 'jmd., der für alles Englische schwärmt', auch Anglomanin F. (-; -nen) und im früheren 19. Jh. die subst. Ableitung Anglomanismus M.(-; ohne Pl.) 'Nachahmung alles Englischen, übertriebene Schwärmerei für alles Englische'. Vgl. weitere Kombinationen wie das im früheren 19. Jh. aus engl. anglophobia, frz. anglophobie (aus anglo- und griech. 'Furcht, Schrecken') entlehnte Subst. Anglophobic F. (-; ohne Pl.) 'Abneigung gegen alles Englische, Englandfeindlichkeit' mit der gleichzeitig belegten Personenbezeichnung Anglophobe M. (-n; -n), auch Anglophob (-en; -en) 'jmd., der alles Englische haßt, Englandhasser' und dem Adj. anglophob 'alles Englische hassend'; seit späterem 19. Jh. aus gleichbed. frz. anglophilie (aus anglo- und griech. 'Liebe') entlehntes Subst. Anglophilie F. (-; ohne Pl.) 'Vorliebe, Sympathie für alles Englische, Englandfreundlichkeit'; gleichzeitig die subst. Ableitung Anglophile M. (-n; -n), auch Anglophil (-en; -en) 'jmd., der für alles Englische schwärmt, Englandfreund', auch Anglophilin F. (-; -nen) und das Adj. anglophil 'England, seinen Bewohnern und seiner Kultur sehr aufgeschlossen gegenüberstehend, englandfreundlich'.
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Anglomanie
Vgl. auch adj. Kombinationen wie das im späten 19. Jh. vereinzelte anglozentrisch (aus anglo- und lat. centrum 'Mittelpunkt' < gleichbed. griech. , —»· Zentrum) 'England, alles Englische in den Mittelpunkt stellend; auf England, alles Englische orientiert', z. B. etwas aus anglozentrischer Sicht beurteilen, und das in neuester Zeit aus gleichbed. frz. anglophone, engl. anglophone (aus anglo- und griech. 'Laut, Stimme, Klang, Ton') entlehnte Adj. anglophon 'englischsprachig, englischsprechend', z. B. die anglophone Bevölkerung eines Gebietes, die anglophone Literatur Südafrikas. Anglomanie: Sturz 1768 Sehr. I 57 Zum Theil sind wir durch die Anglomanie der heutigen Franzosen gerächt; Mauvillon/Unzer 1772 Dichter II 7 war die Anglomanie durch Richardsons Romane eben aufgekommen; Leisewitz 1779—81 Tagebücher U 44 Ich traf also in dem ziemlich artigen, nur mit vieler Anglomanie angelegten Garten Gottern und seine Schwestern an; 1781 Dtsch. Museum H 157 die liebe Anglomanie, welche seit 20 Jahren die schnöde Gallomanie aus mancher deutschen Provinz verjagt hat; 1784 Leben d. Eulenspiegel l WO Die Anglomanie grassirt epidemisch unter deutschen Gehirnen; ebd. I 129 dass man, auch ohne Anglomanie, Tag und Nacht mit argen Anfechtungen zu kämpfen hat; 1786 Journal d. Moden I 249 Wenn es wahr ist, was man unsere Damen beschuldigt, dass sie so gut, als ein grosser Theil unserer modischen Männer, von der Anglomanie angesteckt wären; ebd. Ill 338 eine der englischen Moden, die unsre Anglomanie so gern nachahmt; Gentz 1804 Staatsschr. l 64 der Ruf meiner 'Anglomanie'; Goethe 1810 Farbenlehre 11 (WA U 4,141f.) Anglomanie. Die Engländer sind vielleicht vor vielen Nationen geeignet, Auswärtigen zu imponiren . . bemerken wir nur, daß die Klage über Anglomanie von früherer Zeit bis zur neuesten in der französischen Literatur vorkommt; ebd. 4,469 Drang der Franzosen nach England, nach einem geschlossenen Frieden, Ursprung der Anglomanie. Engländer gehen ebenso nach Frankreich. Warum keine Gallomanie entsteht; Campe 1813 Fremdwb. lila Anglicomanie, wofür man auch Anglomanie hört, die ausschweifende, närrische Liebe zu Allem, was Englisch oder Engländisch ist. Man könnte Engländerei dafür bilden; so wie Französelei f. Gallicomanie. Im Scherze könnte man auch wol von Einem, der Alles, was Englisch ist, anstaunt und nachahmt, sagen: er hat die Englische oder Engländische Krankheit; ungeachtet dieses, eigentlich verstanden, eine wirkliche Krankheit bedeutet. Aber darin läge denn eigentlich der Scherz; Müller 1817 Sehr, l 250 der gemeinen Anglomanie . ., die sich mit einzelnen Fragmenten der Verfassung und der Sitten von England brüstet; Schwerz 1823 Ackerbau l 203 Wahr ist es, daß die Engländer und während einer gewissen Zeit die
Anglomanie einiger Deutschen, . . den Werth des Compostes übertrieben; Pückler 1834 Landschaftsgärtnerei 11 f. Wenn ich hier England besonders hervorhebe, so geschieht dies weder aus Mode noch Anglomanie, sondern aus der festen Überzeugung: daß in der Kunst eines würdigen und . . gentlemanartigen Lebensgenusses . . England uns noch lange ein unerreichtes Vorbild bleiben wird; 1838 DVjS l 266 in den Friedensjahren nach dem 7jährigen Krieg, wo die Gallomanie, Anglomanie und Gräkomanie in Deutschland um die Herrschaft stritten; Bucher 1855 Parlamentarismus 21 Es sind Fälle vorgekommen, die eine Anglomanie [der deutschen Presse] konstatiren; Rasch 1863 London H 40 in Deutschland seit Jahrhunderten, besonders in der liberalen Partei. . Mode geworden, Alles anzubeten, was jenseits des Kanals passirt, und ich habe Freunde in Deutschland, welche in ihrer Anglomanie so weit gehen, dass sie sogar über das in Wasser gekochte englische Gemüse . . in Entzücken gerathen können; Oppenheim 1866 Verm. Sehr. 48 Wie frei auch das brittische Volk sei, die Reaktion wird sich bei uns immer der Anglomanie zu bedienen suchen; ebd. 148 Anglomanie und Amerikanismus, Ur-Germanenthum, Gallophobie und Russenfurcht, Alles ward abwechselnd zum Schiboleth dieser inhaltsbedürftigen, und ach! so inhaltsarmen Gemüther; Fontäne 1868 Oderland 235 Thaer verspottet die Schriften über Landwirtschaft, in denen die „Anglomanie" sich breit macht; Monteton 1875 Sonst 144 die Anglomanie ist jetzt so Modesache; 1885 Salon II 346 die Anglomanie, eine seit etlichen Jahren in New York grassirenden Art von Rabies; Treitschke 1894 Gesch. V 10 Wie die Anglomanie mit dem Ende der 30er Jahre überall in Mitteleuropa . . überhandnahm; Zur Linde 1903 (Moritz, Reisen Einl. V) Ein fundamentaler Unterschied besteht zwischen der Anglomanie des Rationalismus und der des Sturmes und Dranges. Moritz gehört durchaus zu den Stürmern und Drängern; Peters 1904 England 223 Auch in den übrigen Teilen der zivilisierten Welt beruht das britische Prestige zum guten Teil auf seinem gesellschaftlichen Ansehen. Dieses ist es, welches der Anglomania der höheren Klassen in fast allen Ländern ihre
Anglomanie Grundlage gibt; 1915 Lebenssucher 208 Das Zeitalter des Intellektualismus und der Technik ist zugleich das des Amerikanismus und der Anglomanie; Th. Mann 1918 Reden u. Aufs. (W. XU 83) an der verdammlichen Anglomanie der modernen Ideen sei zuletzt die ame fran^aise so dünn geworden und abgemagert, daß man sich ihres sechzehnten und siebzehnten Jahrhunderts . . heute fast mit Unglauben erinnere; /. Roth 1929 Rechts u. links 70 Es war, als hätte die Weltgeschichte der Anglomanie Bernheims recht gegeben; Schramm 1943 Hamburg 25 Andrerseits glaubten Beobachter nun auch ausgesprochene Anglomanie in Hamburg feststellen zu können; Blochwitz/Runkewitz 1971 Polit. Wortschatz 269 Nach dem zweiten Weltkrieg steigt die Zahl der englischen Lehnwörter ins Unermeßliche, so daß schon von einer Anglomanie gesprochen werden kann .. besonders der Anzeigenteil gewährt einen tiefen Einblick in den Grad der dort erkennbaren Anglomanie; Zeit 5.4.1985 Anglomanie grassierte damals in der guten Gesellschaft, was Mode, Geschmack und Sitten anbetraf — man denke an Adolf Loos' Propaganda für englische Sachlichkeit auf allen Gebieten des Lebens und der Kunst; ebd. 25.11.1985 überhaupt war vor allem die Presse verantwortlich für diesen seit Jahren heftigsten Ausbruch von Anglomania. angloman(isch): E. T. A. Hoffmann 1820 Irrungen (S. W. X1I1 58) Der Baron . . wäre, hätte er nicht das Aufsehn und den Spott anglomanischer Grafen und Barone gefürchtet, von Stund' an nichts anders als neugriechisch gekleidet einhergegangen; Goethe 1829 Er. (WA IV 46,139) Das liebe Volk, (und so sind unsere charmanten anglomanen Freundinnen auch) glauben, man sey dazu da, ihre Bedürfnisse zu befriedigen, ihren Wünschen und Grillen Vorschub zu thun; Bucher 1881 Kl. Sehr. 199 eine Überlegenheit der damaligen russischen Diplomaten über die damaligen englischen, . . die niemand bestreiten wird, der die Entstehung des Königreichs Griechenland und der Schlacht bei Havaria nicht bei deutschen, liberalen, anglomanen Geschichtsprofessoren, sondern im „Portfolio" und bei Prokesch nachgelesen hat; Heilborn 1929 Revolutionen II #8^.Was an dieser Mode — bis in die neunziger Jahre! — irgendwie repräsentativ ist, wird derart von England bestimmt. . da ich wußte, daß trotz aller anglomanen Tendenzen der Ueberrock doch noch nicht als Morgenanzug bei Hofe eingeführt ist, so zog ich den Frack an und erlaubte mir nur die schwarze Halsbinde; Hellpach 1949 Pax 23f. Und die Invasion des angelsächsischen Sportes über den deutschen Nordwesten, der durch die hannoversche lange Personalunion und den Kommerz der Hansestädte immer etwas „angloman" geblieben war, wurde darum als eine Art Er-
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lösung begrüßt, weil hier endlich „Leibesübung" aufkam, die weder mit dem Pflichtturnen der Schule noch mit dem Zwangsdrill der Armee etwas zu schaffen hatte; Lukoschik 1990 In u. Out 31 Die anglomanen Sprach-Akrobatiker. Angloman(e): 1833 Österr. Archiv III 531 Werdet nur einmal mit Leib und Seele deutsch ihr Anglomanen und Gallomanen!; Beurmann 1836 Skizzen 215 Er ist Anglomane im ganzen Sinne des Wortes; Kohl 1841 brit. Inseln l 398 während wir im vorigen Jahre die französischen Anglomanen alle nach EU eilen sahen; Hammer-Purgstall 1852 Erinn. (1940 Fontes II 70,163) seit meiner Rückkehr aus England galt ich allgemein als Anglomane; Oppenheim 1866 Verm. Sehr. 196 Wir haben auch den Anglomanen mit steifem Halskragen, der so außerordentlich correkt ist; ebd. die Anschauungen der Anglomanen, je nachdem ihnen etwa Dahlmann oder Gneist die Einrichtungen Alt-Englands mundgerecht vorschnitt; Treitschke 1894 Gesch. V 129 deutschen Anglomanen; Mayer 1899 (Dtsch. Rundsch. C 189) indem ich Lord Byron gesehen und gekannt hatte und ihr, als einer Anglomanin und Gräcomanin, willkommenster Berichterstatter werden sollte; Brandes 1903 Gestalten 219 Er nennt Holberg einen Anglomanen; friedeil 1928 Kulturgesch. II 209 Montesquieu, der erste grosse Anglomane in Frankreich; v. Wahlendorf 1936 Erinn. 92 Ich galt stets als Anglomane und war es auch, aber mein Urteil basierte nicht auf der seitens der Deutschen geradezu kindlichen Unterschätzung Englands, sondern auf richtiger Wertung von Englands Gentleman-Ideal, seiner politischen Vernunft, seinem echten Nationalstolz und seinem unerschütterlichen, mit der Fähigkeit gepaarten Willen zum Herrschen; Th. Mann 1947 Faustus (W. VI 220) seine Abneigung gegen das Deutschtum, das er verkörperte (ein Widerwille, der ihn übrigens mit dem Anglisten und Anglomanen Schildknapp zusammenführte); Fries 1974 LuftSchiff 78 Denn Lehmann, bei aller patriotischen Gesinnung, zeigt sich als Anglomane. anglomanisieren: 1787 Journal d. Moden II 268 Unsere Damen, die ein bischen anglomanisiren. Anglomanismus: Kohl 1841 Petersburg 60 Die deutsche Literatur befand sich immer in der Klemme zwischen der frischen Begeisterung für die jungen Blüthen der russischen Literatur und zwischen der beständigen Vorliebe für die französische, sowie zwischen dem auch hier in der Newa nachklingenden Anglomanismus.
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Anglomania
Anglophilie: Sanders 1871 Fremdwb. 60 Anglophilie, Freundschaft zu ihnen [zu den Engländern]; Klemperer 1946 L. T. /. 204 Zahnbehandler F .. war ganz und gar bestimmt von einer närrischen Anglophilie; R. Schneider 1965 Tage in W. 239 Vielleicht ist es nur unsere verdammte deutsche Intellektuellen-Gallophilie oder Anglophilie oder wie die Philien heißen mögen; Kunert 1976 Hüte 10 [der Junge Henry war] Zielscheibe des patriotischen Stockschwingers wegen seines Vornamens, der für ausrottenswerte Anglophilie galt. anglophil: Sanders 1871 Fremdwb. 60 anglophil, . . die Engländer liebend, ihnen zugethan; Holstein 1905 Papiere IV 292 Da die Zensur .. schärfer als je gehandhabt wird, unterliegt es . . keinem Zweifel, daß sowohl die deutschfeindliche wie die anglophile Tendenz den Absichten der maßgebenden Stelle entspricht; B. N. 16.12.1943 der anglophile Nationalökonom Lujo Brentano; Dtsch. AZ. 9.5.1944 der anglophile Regent und Schwager des Herzog von Kent; Münch. N.N. 2.12.1944 In Chicago geboren, wuchs Edward Stettinius in einem ausgesprochen internationalen anglophilen Klima auf; Süddtsch. Ztg. 7.4.1951 Es verlautet, daß die Stellung des anglophilen Ministerpräsidenten Noury Said erschüttert ist; FAZ 28.3.1970 Germanist . ., möchte eine attraktive, anglophile jg. Dame kennenlernen und heiraten; 1990 Stadtmagazin III 30 der Single hast Du witzigerweise mit „Shut up" einen englischen Titel verpaßt. Zugeständnis an den anglophilen Publikumsgeschmack oder Zufall?; Lukoschik 1990 In u. Out 116 der Turbo-Trender pflegt das Fliegenfischen. Das erfordert anglo-philen Sportsgeist. Anglophil(e): Kehrein 1876 Fremdwb. 32 Anglophil m., die Engländer Liebender; Fechter 1955 Menschen 30 Sie nannte sich selbst eine große Anglophilin, weil die Engländer die schönsten Hundeund Pferderassen gezüchtet hätten und weil sie die einzigen Europäer mit einem richtigen und natürlichen Patriotismus seien. Anglophobic: Kohl 1844 brit. Inseln l 398 Natürlich rufen solche Manieren [Übernahme englischen Geschmacks] auch wieder die Gegensätze stärker hervor, und bei vielen Franzosen mag daher eben gerade jetzt bei dieser neu aufgetauchten Anglomanie die Anglophobic heftiger als früher grassiren; Marx 1854 Er. (MEW XXVIII 355) Wenn man die geheimen Dokumente von 1830-1848 liest, bleibt kein Zweifel, daß England den L[ouis] Ph[ilippe] abgesetzt hat, und daß der würdige „National" trotz und infolge seiner blinden Anglophobic unbewußt ein Hauptwerkzeug grade der englischen Politik war; Langwerth v. Simmern 1903 Deutschtum
und Anglophobic (Titel); Bonjour 1934 Schweiz II 53 Anglophobic der Schwarzen Presse [im Burenkrieg]; Stuttgarter Ztg. 4.4.1959 Mendes-France bedauerte auch die vorherrschende Anglophobie im französischen staatlichen Rundfunk. anglophob: Liebknecht 1918 Ges. Reden IX 472 Die „öffentliche Meinung" der großen Masse der Bevölkerung war alles andere als anglophobem Gehetz zugänglich; Harden 1927 Versailles 27 anglophoben Deutschland; ß. N. 14./15.11.1942 Darlan sei anglophob. Anglophob(e): Kohl 1844 brit. Inseln l 398 während wir im vorigen Jahre die französischen Anglomanen alle nach EU eilen sahen, um der Königin Victoria ihre Huldigungen darzubringen, blieben die Anglophoben in Paris zurück und drohten mit antibritischen Demonstrationen, wenn die Königin bis dahin vordringen sollte; 1900 Dtsch. Revue II 256 Dass ein Mann wie Mommsen anscheinend Anglophobe geworden sei, das konnte ich nicht glauben; Liebknecht 1918 Ges. Reden IX 472 Die „Anglophoben" als Kriegsschürer: Jagow, sagt man, sei vor den Anglophoben aus Besorgnis vor der „öffentlichen Meinung" zurückgewichen. Wenn hier „öffentliche Meinung" etwas anderes sein soll als öffentliche Meinung eben der Anglophoben, so ist es Humbug; 1943 Wissen u. Wehr IX/X 318 die Anglophoben der Keep-out-of-warGruppen, die von der Charter [Atlantik-Charter, die 1941 zwischen Großbritannien und USA vereinbart wurde] überhaupt nichts wissen wollten. anglophon : Stickel 1984 Einstellungen z. Anglizismen (Fesischr. S. Grosse 279) Dieses Untersuchungsfeld [die Beobachtung des Einflusses des Englischen auf den deutschen Wortschatz] wird seit dem Kriegsende vor allem von deutschsprachigen Anglisten und anglophonen Germanisten bestellt; MM 1.2.1985 Geld nennt man „Franga" das aber ist im anglophonen Kenia und Tansania nicht zu verstehen; Zeit 29.3.1985 die anglophone Literatur in Westafrika, Ostafrika und Südafrika; MM 17.11.1986 tatsächlich ist er der erste, der im Verhältnis zum Nachbarstaat Ghana die Kluft zwischen anglophonem und frankophonem Afrika überwunden hat; Sanders 1992 Sprachkritikastereien 74 Die Anziehungskraft anglophoner Fremdbezeichnungen hat zudem bemerkenswerte, weil im Englischen gar nicht existierende Eigenkreationen gezeitigt wie Tiven, Smoking, jobben, Jetten oder den Showmaster. anglozentrisch: Du Bois-Reymond 1878 Reden l 331 Beide Werke sind . . aus anglocentrischer Perspektive verfasst.
animalisch
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animalisch, jünger auch animal, Adj., im frühen 16. Jh. aufgekommene gelehrte Bildung zu lat. animal 'Lebewesen, Geschöpf; Tier' (zu anima 'Luft(-hauch), Atem, Seele, Leben', vgl. animalis 'lebend, beseelt'; —» Animus, —> animieren), a Zunächst in der Bed. 'für Tiere charakteristisch, vom Tier stammend, auf tierischen Ursprung hinweisend, tierisch', z. B. in Wendungen wie animalische Speisen, animalischer Geruch, Dünger, oft in Gegenüberstellung zu —>· vegetativ a, —» vegetabilisch und mineralisch, z. B. in Syntagmen wie animal(isch)e Funktionen 'Lebensfunktionen des tierischen und menschlichen Organismus, bes. Funktionen der Sinnes- und Bewegungsorgane' (im Unterschied zu den vegetativen Funktionen der Verdauung), animate Kost 'Fleisch, Fisch u. ä.'. b Seit Anfang 18. Jh. auch zur Charakterisierung von Personen und ihren Geisteszuständen, Verhaltens- und Handlungsweisen verwendet in der Bed. 'tierhaft, wild, ungebärdig'; auch eher positiv für 'urwüchsig-kreatürlich', bes. im Syntagma animalischer —> Magnetismus; auch stärker pejorativ im Sinne von '(grob-)sinnlich, triebhaft, ungezügelt, bestialisch', in Syntagmen wie animalischer Trieb, Haß, animalische Gier (s. Beleg 1987). Dazu von Mitte 17. bis Anfang 19. Jh. die selten bezeugte subst. Ableitung Animalien PL, auch in lat. Form Animalia, in der Bed. 'tierische Körper oder Stoffe', z. B. Versteinerungen, Fleischspeisen (im Ggs. zu —» Vegetabilien) (zu a). Seit spätem 18. Jh. die verbale Ableitung animalisieren V. trans, 'einen Stoff in tierische Substanz verwandeln, bes. Nahrungsmittel in den Verdauungsorganen zu organischen Stoffen umwandeln', auch als fachspr. Bezeichnung für ein Verfahren, Zellulosefasern durch Behandlung mit Eiweißstoffen wollähnlich und damit für Wollfarbstoffe aufnahmefähig zu machen, mit dem im 20. Jh. selten nachgewiesenen Verbalsubst. Animalisierung F. (-; -en) sowie dem schon seit Ende 18. Jh. nachgewiesenen Subst. Animalisation F. (-; -en) 'Verwandlung in tierische Substanz' (zu a). Gleichzeitig die auf spätlat. animalitas 'Tierheit' zurückgehende subst. Ableitung Animalität F. (-; ohne Pl.) 'tierisches Sein, tierische Wesensart' (zu a). Seit Anfang 19. Jh. die selten bezeugte subst. Ableitung Animalismus M. (-; ohne Pl.) 'die Lebenstätigkeit der Organismen überhaupt; die tierische Natur, das Wesen des tierischen Lebens' (im Ggs. zum Pflanzenleben) (zu a); auch übertragen für 'sinnliches, wildes, triebhaftes Verhalten, Wesen' gebraucht (zu b); daneben in neuerer Zeit auch für 'enge magische oder religiöse Bindung an bestimmte Tiere oder Götter in Tiergestalt und deren Verehrung, Tierkult' (s. Beleg 1986). Vgl. daneben das schon seit dem 17. Jh. selten nachgewiesene, aus lat. animal (s. o.) übernommene Subst. Animal N. (-s; Animalia) 'lebendes Wesen, Tier', meist in lat. Syntagmen wie animal disputax 'streitsüchtiger Mensch', animal scribax 'Schreibsüchtiger' und bes. animal rationale 'der Mensch als vernunftbegabtes Wesen' (—» rational la). animalisch a: Paracelsus 1529-32 S. W. / 2,363 im laviren scheiden sich . . das vegetabilisch und animalisch vom mineralischen teil; ders. 1529—32 S. W. I 14,23 das ist aber wol war, das animalische Spermaten hie [bei Hexenbuhlschaften] mit genomen werden; Ficinus 1537 Buch d. Lebens 24b die dritt tugent ist, dasz sie mit jrer krefftigen sterck vnd rässen wolriechenden krafft den natürlichen geist vnd tugent zusamen treibt, vnd den animalischen geist versamlet vnd sterckt; Fischart 1581
Dämonomania 325 eyne Vegetativische/ Vitalische und Animalische Seel pleibet nit dest weniger/ wann schon die Sinn/ Bewegung und Verstand auffgelößt und entbunden sein; Böhme 1612 Morgenröte (Wackernagel, Leseb. Ill 1,577) daß der gantze Leib zittert und der animalische Geist triumphiret; Meiszner Stoltzius 1624 Lustgärtlein 38b Animalische Ding. Das ist/ alles was Thierisch ist vnd das leben hat/ oder/ alle lebendige Creaturen; Croll 1629 Traktat 16 sie werden auch von denjenigen
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sehr schwerlich gefast, welche die Cabalistische Brunnen ohne Grund noch nicht versucht, noch anders, als die Animalische vnd Weltliche Weißheit erkennet; Messerschmidt 1723 Sibirien II 186 Ich . . bäte also, wenn etwas von animalischen, mineralischen und vegetablen [!] Kuriositäten hieherumb befindlich, mir selbiges wissen zu lassen; Edelmann 1740 Göttlichkeit d. Vernunft 307 eine Krafft und Eigenschafft des animalischen Menschen; Zinzendorf 1748 Discurse 172 darum hat sie Gott ins animalische Wesen so weit herunterkommen und mehr an der thierischen Natur participiren lassen als an der geisterischen; Wieland 1781 Ges. Sehr. I 10,110 Hippokrates traf, . . unsern Naturforscher bey der Zergliederung verschiedener Thiere an, deren innerlichen Bau und animalische Ökonomie er untersuchen wollte; Musäus 1787'-88 Volksmärchen U 20 Hühner und Tauben . . bluteten neben dem verbuhlten Puterhahn ihr animalisch Leben aus; Goethe um 1790 Naturwiss. Sehr. (WA II 8,250) Diese Geschöpfe haben einen lebhaften Nahrungstrieb . . einige sind auf animalische Nahrung begierig, auf vegetabilische die meisten; ebd. 8,456 nicht allein die Grunderden sind in ihrem natürlichen Zustande weiß, sondern auch vegetabilische und animalische Stoffe können, ohne daß ihr Gewebe zerstört wird, in einen weißen Zustand versetzt werden; J 793 Neues Götting. histor. Magazin 612 dass animalische Speisen den Menschen stärker machen, als vegetabilische; Pückler-Muskau 1830 Br. e. Verstorbenen I 70 Dreimal leerte ich darauf den animalischen Becher [Kuhhorn]; Kolb 1831 Rheinbayern I 122 Die gewöhnliche Düngungsart ist die animalisch-vegetabilische; Berlepsch 1875 Schweizerkunde 379 animalische Speisen, wie beim Älpler; Justi 1867 Br. a. Italien 128 animalische und vegetabilische Seedelicatessen; Heyse 1900 Ges. W. II 2,666 Seitdem . . habe ich ein für allemal darauf verzichtet, etwas Menschliches oder Animalisches zärtlich ins Herz zu schließen; Wundt 1913 Elemente d. Völkerpsychologie 50 Während der Mann [der Waldvölker] für die animalische Nahrung durch die Jagd sorgt; Th. Mann 1924 Zauberberg (W. III 506) die Pilze . . — Produkte tierischen Stoffwechsels, Eiweiß, Glykogen, animalische Stärke also, fanden sich in ihrem Aufbau; Croy 1971 Faustregeln f. Farbfotos o. S. wir sehen vielmehr auch mit unserem Intellekt und mit unserem Gedächtnis; also nicht nur körperlich-animalisch, sondern auch seelisch-psychisch; Brennecke 1977 Monk 133 Von den Ställen wehte animalischer Geruch herüber; MM 11.1.1985 Kunst-Postkarten, auf denen Damen in Phantasie-Roben zu sehen sind, die meist irgendwelche animalischen Formen aufweisen; Zeit 21.6.1985 statt der erwarteten animalischen Rarität sprangen langschwänzige Languren elegant von
Baum zu Baum; Süddtsch. Ztg. 27./28.3.1993 Seine mineralogischen und fossilen, vegetabilen und animalischen Objekte, die archäologischen Funde . . erweisen sich keineswegs als kunterbunte Anhäufung von Curiosa; Spiegel 2.8.1993 Die beiden hochbegabten animalischen Darsteller, der Pitbull und eine Schildkröte namens Tito Tortuga. animal: Goethe um 1790 Naturwiss. Sehr. (WA II 6,446) Wir wenden uns . . zu dem was Gestalt hat. Das unorganische, das vegetative, das animale das menschliche deutet sich alles selbst an, es erscheint als was es ist; ders. 1810 Gespr. m. Riemer Vegetabile Geister und animale Geister, etwa wie Pflanzen und Tiere, Weiber und Männer, jene, die gleichsam einen Boden verlangen, in dem sie sich befestigen und ihre Nahrung daraus ziehen (GWB); Westhoff 1865 Stoff 260 Alsdann verwendet der Organismus dieses sein Blut, um seine vegetativen und seine animalen (dynamischen) Organe daraus zu bilden; Haeckel 1866 Generelle Morphologie l 125 Die sogenannten „animalen" Kräfte der Empfindung und Bewegung, welche von der Nerven- und Muskel-Substanz ausgehen; Ranke 1868 Physiologie 26 animale Gewebe; Carus 1871 Abstammung d. Menschen I 217 Die Eskimos leben ausschließlich von animaler Kost; Schaffte 1875 Bau I 39 Gewebeformen .., welche den s. g. „animalen" Lebensverrichtungen als . . Grundlage dienen; Haeckel 1899 Welträthsel 184 von denen .. die äußere [das Hautblatt] die animalen Funktionen der Bewegung und Empfindung vermittelt; Bernheim 1903 Methode (Reg.) animale Triebe; Schmid 1926 Seelenleben 23 Welches sind im allgemeinen die Aufgaben des tierischen Lebens? Nicht andere als die der Selbst- und Arterhaltung, also das rein animale Leben zu pflegen; Münch. N.N. 23.3.1944 [ein] Vortrag über „Robben als Raubtiere des Meeres", der die dramatische Entwicklung der animalen Stammesgeschichte im Assimilationsprozeß der Wale und Robben veranschaulichte; Zeit 6. 6.1986 der/die Bewerberin soll . . gute Kenntnisse auf dem Gebiet der Molekularbiologie und Zellbiologie animaler Zellen . . haben (Anzeige). Animal: Harsdörffer 1643 Gesprechspiele III 390 daher wird der Mensch animal rationale genennt; Bollnow 1962 Mass 14 Das Wesen des Menschen als eines animal rationale ist neu zu bestimmen; Süddtsch. Ztg. 19./20.12. 92 weil der Mensch sich als ein animal supervacuum erweise, ein „Letztling der Schöpfung". Animalien: Glauber 1653 Mir. Mundi 10 Animalien; ders. 1655 Op. Min. I 58 Unsere vegetabilia, animalia und Metallen . . sind unauffgeschlossen
animalisch blieben; ebd. l 65 Alle die jenige vegetabilia, animalia, und mineralia, welche wir Gifft nennen, und dem Menschlichen Geschlecht, wenn sie beygebracht werden, nach dem Leben streben; ebd. II 36 Und wann durch die prädestinirte Zeit die vegetabilien, animalien und mineralien wieder vergehen und zu nicht werden, so ziehet ein jedweder elementum das seinige . . wieder zu sich; Stranitzky 1724 Hl. Nepomuk 185 Animalia; Fischer 1771 Mineralogie 106 Animaliengallerie; Ritter 1810 Fragmente 92 In den Vegetabilien ist die Differenzierung am höchsten; es liegt Alles auseinander. In den Animalien ist sie geringer. Animalisation: Hufeland 1795 Pathogenie 229 Animalisation; ders. 1797 Leben 225 Diese wichtige Operation der Assimilation und Animalisation ist das Geschäft zuerst des absorbirenden und Drüsensystems; Görres 1798-99 Ges. Sehr. I 353,8 Assimilation und Animalisation; Novalis vor 1801 W. Hl 151 Krankheiten der Pflanzen sind Animalisationen; Goethe 1814 Br. (WA IV 25,97) Der wichtige Punct, wo das erste, im Wasser sich zeigende Leben durch Licht und Trockene gegen die Vegetation, durch Finsterniß und Feuchte gegen die Animalisation hingezogen wird, hellt sich immer mehr auf. animalisieren: Herder 1784 S. W. Xlll 178 Der einzige Elephant ist ein Grab von Millionen Krautern; aber er ist ein lebendiges, auswirkendes Grab, er animalisiert sie zu Theilen sein selbst; Hufeland 1797 Leben 225 Alle Bestandtheile, ja selbst die feinsten Agentien der Natur, die in uns einströmen, müssen animalisiert werden; Thaer 1809 Landwirthschaft I 273 Abgemagertes und entkräftetes Vieh giebt von derselben Futterung nicht so vielen und so kräftigen, so stark animalisirten Dünger, als wohl genährtes und starkes Vieh; 1878 Buch d. Erfindungen V 468 Gemischte Gewebe müssen wie Baumwollzeug eine Grundbeize erhalten, vorher aber gut gebleicht sein, auch werden sie vorher animalisirt; Gröber 1910 Wahrnehmungen 18 Am schlimmsten hat durch die naturalistische Kunst und Literatur die Frau gelitten. Sie, die vorher vergeistigt worden war, ist nun animalisiert; Dominik 1936 Vistra 241 auf chemischem Gebiet ist man der Naturwolle in der letzten Zeit durch Schaffung der sogenannten animalisierten Faser einen Schritt nähergekommen. Animalisierung: Voss. Ztg. 27.10.1926 Je selbstverständlicher das Sexuelle wird, desto größer ist die Gefahr einer Animalisierung der Geschlechtsgemeinschaft, eines Herabsinkens des Geschlechtlichen aus der sittlichen in die nichts als biologische Sphäre; Sombart 1938 Menschen 84 Ziele: der Animalisierung oder Vertierung des Menschen . . nä-
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her zu kommen; Zeit 19.12.86 die Ausstellung stellt gleich auf die Tierszenen scharf ein, die von 1907/08 an Marcs eigenwilligen Beitrag zu einer „Animalisierung der Kunst" ausmachen. Animalismus: Novalis vor 1801 W. Ill 133 Unsre Sinne sind höhere Tiere. Aus ihnen entsteht ein noch höherer Animalismus; 1986 Brockhaus l 591 Bezeichnung für die kultische Verehrung bestimmter Tiere, die als „beseelt" angesehen werden (Begleitgeister). Der Animalismus gehört zum Vorstellungsgut von Jägerkulturen und findet seine konkrete Ausformung in Ritualen vor Beginn und während der Jagd und in Vorschriften zur Behandlung der Jagdbeute; Spiegel 30.8.1993 Sie [die Schweine aus Orwells „Farm der Tiere"] sind es auch, die das letzte der Sieben Gebote des Animalismus — „Alle Tiere sind gleich" — mit dem kleinen, zukunftweisenden Zusatz versehen: „Aber manche sind gleicher." Animalität: Kleuker 1777 Gedanken Paskais 532 Wie man die animalischen Differenzen bei den Insecten durch Flügel, Klauen und Fühlspitzen bezeichnet, ob diese gleich keine systematischen Zeichen der innern Animalität sind; 1787 Götting. Histor. Magazin I 470 dass man nicht bloss über die ehelichen Bedürfnisse der Mönche Berechnungen anstellen, sondern die ganze Animalität derselben unter einen ziemlich sichern Calcul bringen kann; Schiller 1788 Nat. (W. XXV 67) aber ich glaubte daß meine Bekanntschaft mit Dir überhaupt mir einige Aufschlüße über Deine Animalität könnte gegeben haben; Goethe um 1790 Naturwiss. Sehr. (WA II 13,216) wie sich nun das Gebilde der Nagetiere hin und her wiegt und keine Grenzen zu kennen scheint, so findet es zuletzt sich doch eingeschlossen in der allgemeinen Animalität und muß diesem oder jenem Tiergeschlecht sich annähern; Hufeland 1822 Sympathie 12 Dieses Fortschreiten des thierischen Lebens zu immer grösserer Vollkommenheit, welches wir von den höchsten Stufen der Animalität bis zu dem Menschen wahrnehmen; ebd. 56 so wie die gesamte organische Natur in zwei . . Pole, Animalität und Vegetabilität, zerfällt; Vaerst 1851 Gastrosophie II 153 Braten, die auf der höchsten Stufe der Animalität stehen, wie die vom Wild und grossen Schlachtthieren; Th. Mann 1921 Reden u. Aufs. (W. IX 125) das sinnlich Patriarchalische, die innig lebensverbundene Animalität dieser Heiligkeit, ist von einem unmittelbaren Beobachter wie Gorki . . aufs stärkste empfunden worden; Voss. Ztg. 17.10.1926 Der Schauspieler muß den Sport als Künstler treiben, üben und erleben in der Menge seiner körperlichen und geistigen Bewegungen, in seiner Aesthetik und . . in seiner Animalität; Friedell 1928 Kulturgesch. II 36 Aus seiner [Rubens'] immer jubelnden, immer sinnes-
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freudigen Animalität spricht das gute Gewissen; La Bedoyere 1955 Und einiges 166 verbinden sich in jeder menschlichen Tätigkeit tiefste Animalität mit höchster Geistigkeit; FAZ 13.8.1971 Um Kinder aus dem Drill der Internatserziehung ausbrechen und offenbaren zu lassen, was an Animalität in ihnen steckt, bedarf es heute keiner Robinson-Situation mehr. animalisch b: Arnold 1700 Kirchen- u. Ketzer-Historie III 53 a Was aber Gott . . durch die Propheten so offt über Jerusalem/ daß darinn viel wilder thiere/ bestien und animalische menschen vorhanden/ geklagt; Herder 1784 S, W. XIII 143 Noth und Gefahr entwickeln bei Menschen, ja bei ganzen Nationen, die animalisch leben, auch thierische Geschicklichkeiten, Sinnen und Kräfte; Heinzmann 1788 Beob. 331 ein harmloses Geschöpf, das gar keine Empfindung und Gedanken zu haben schien, als die von den ganz animalischen Bedürfnissen; E. T. A. Hoffmann 1814 S. W. I 87 Die Nacht ist kühl, genieße daher etwas von meiner animalischen Wärme; 1852 Prutz' Museum I 778 So schwül und vollgedrängt das Zimmer war, eine Unannehmlichkeit, welche die Kunst des Magnetiseurs förderte, indem die mit animalischer Wärme und Ausdünstungen geschwängerte Atmosphäre ein trefflicher Leiter des magnetischen Fluidums ist; ebd. II 881 animalisch-magnetische Behandlung; Gutzkow 1878 Longinus 79 Das animalisch in uns Wohnende muss man verklären können und zum Guten und Schönen verwenden; Henne-am Rhyn 1897 Kulturgesch. 441 Der animalische Magnetismus Mesmers und der Somnambulismus Du Potets u. A. waren die nächsten Vorgänger des heutigen Hypnotismus; Th. Mann 1903 Erz. (W. VIII 262) ein Anfall von animalischem Wohlbefinden; ders. 1918 Reden u. Aufs. (W. XII 26) sie ist nicht animalisch, sondern intellektuell, nicht düster, sondern geistreich; Mehring 1927 Paris 139 animalisches Plärren, geckerndes Gelächter, krähendes Musizieren entluden sich über die Ankommenden; Th. Mann 1936 Reden u. Aufs. (W. IX 489) eine große und opferreiche Umkehr, meint er, sei wohl nötig, um zu sehen, wie die Welt aus dem Wesen der Seele „gegeben" wird; denn das animalische Wesen des Menschen sträube sich dagegen, sich als den Macher seiner Gegebenheiten zu empfinden; Stenbock-F. 1949 Henriette 77 Und die gegenseitige Beeinflussung lebender Wesen, meine Verehr-
ten, durch jenen Stoff nannte Mesmer den animalischen Magnetismus; 1956 Aufbau IX 835 Die Dichter dieser Schule [Vitalismus] bejahten das Leben in jeglicher Form und versuchten, ihre grenzenlose animalische Freude am Leben in ihre Dichtung einströmen zu lassen; Bamm 1956 Ex ovo 134 auch diesem Vorhaben ist Geistesstärke angemessener als der animalische Drang zum Hamstern; Böll 1963 Clown 182 langsam bewegte ich sie [die Augen ] hin und her . ., um jene Wirkung zu erzielen, die Kritiker . . „diese erstaunliche Fähigkeit, animalische Melancholie darzustellen", genannt hatten; Welt 3.4.1964 wie human ist der Mensch, wie animalisch ist er; MM 23.4.1985 besonders eindrucksvoll die Reihe der Kreuzigungen . . der leidende Mensch im Zentrum, nur ein Formenknäuel, schrecklich zugerichtet, ein animalisches Gebilde ohne Hoffnung; Zeit 18.10.1985 selbst Jutta Hoffmann rettet sich (zu) früh in die Demut der Büßerin, läßt die schön animalische Lebenslust einer jungen Frau nur ahnen; Zeit 26.12.1986 die angeblich animalische Geschmeidigkeit, die gazellenhaften Bewegungen der schwarzen Läufer; Zeit 30.1.1987 ich glaube, es müßte furchtbar sein, immer so zu leben, im Vollgefühl all der animalischen Triebe, die das Leben durch die Zeiten wälzen; Schneider 1988 Seele 69 Er war kraftvoll, animalisch, versoffen und etwas beschränkt; Süddtsch. Ztg. 12.3.1993 (Magazin 19) die Sexualität. . verschwand nicht einfach, . . sie wurde aggressiver und animalischer. Animalismus: Ball 1919 Kritik 11 Geister wie Renan, Baudelaire, . . haben wie in einer Vorahnung . . den limbus patrum geschaffen, der den gott- und geistlosen Animalismus unserer Zeit richtet; Th. Mann 1921 Reden u. Aufs. (W. IX 84) man vergleiche damit Beschreibungen seines Wesens aus der Zeit, da er sich aus der unlösbaren Wirrnis der geistigen Probleme in den heiligen Animalismus des Ehe- und Familienlebens geflüchtet hatte und mit jenem Talent von Bärenart und -kraft, das die Kritiker ihm nachrühmten . ., die beiden Roman-Epen .. schuf; ebd. IX 94 Tolstois Animalismus, sein unerhörtes Interesse für das körperliche Leben, sein Genie im Sichtbarmachen des leiblichen Menschen, ist oft gradezu als anstößig empfunden worden, auch von der russischen Kritik, .. die sich über die Schlüpfrigkeit mancher seiner Szenen entrüstete.
animieren V. trans., Ende 16. Jh. entlehnt aus frz. animer 'das Leben geben, beleben, beseelen, beherzt und mutig machen' (< gleichbed. lat. animare, zu anima 'Luftzug, Wind, Hauch, Seele, Leben' und animus 'Geist, Seele, Mut' < griech. 'das Wehen, Lufthauch, Wind'; vgl. Anima, —»· Animus, —» animalisch).
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la Zunächst im 17. Jh. überaus häufig, bis ins 19. Jh. nur noch selten in der Bed. 'jmdm. Mut zusprechen, jmdn. ermutigen, jmdn. beherzt und getrost machen', bes. im militärischen Bereich, z. B. die Soldaten, Truppen animieren, b Etwa gleichzeitig in der Bed. 'jmdn. zu etwas ermuntern, anregen', anfangs meist mit präp. Objekt für 'jmdm. Lust zu etwas machen', z. B. jmdn. zum Reden, Singen, Tanzen, zu einem Streich animieren; seit frühem 17. Jh. (Beleg 1626) in der Bed. 'jmdn. in angeregte Stimmung versetzen, anregen, aufmuntern, inspirieren', zunächst mit unpersönlichem Subjekt etwas animiert jmdn., später auch jmd. animiert jmdn., etwas; häufig in der adj. verwendeten Part. Perf.-Form animiert 'angeregt, inspiriert, lebhaft', in Wendungen wie eine animierte Gesellschaft, in animierter Stimmung sein, sich animiert unterhalten; im 19. Jh. vereinzelt auch reflex, sich animieren 'sich engagieren, sich anregen'. c Seit frühem 19. Jh. in der leicht abwertenden Bed. 'jmdn. (in einer Gaststätte, Bar o. ä.) zum übermäßigen Trinken alkoholischer Getränke anregen', meist mit persönlichem Subjekt jmd. animiert jmdn., auch mit sachlichem Subjekt etwas, bes. alkoholische Getränke animieren jmdn.; ebenfalls häufig als Adj. im Part. Perf. animiert 'vom (übermäßigen) Alkoholgenuß in eine angeheiterte Stimmung versetzt', z. B. in der Wendung eine ziemlich animierte, angeheiterte Runde; als Bestimmungswort in Zss. wie Animierbar, -betrieb, -kneipe, -mädchen, -tänzerin, -trinker, -wirtin, -dame 'in Bars und (Nacht-)Lokalen angestellte, entsprechend aufgemachte Frau, die die Gäste, bes. Männer, zum Trinken alkoholischer Getränke anregen soll', -lokal 'Nachtlokal, in dem die Gäste von Animierdamen zum Trinken alkoholischer Getränke angeregt werden'. d Vom frühen 17. bis ins spätere 19. Jh. in der seltenen Bed. 'jmdn. gegen jmdn. aufhetzen, aufbringen'; vereinzelt auch für 'jmdn. zornig machen'; vgl. dazu das (1838 bei Heyse) gebuchte Part. Perf. animiert in der heute nicht mehr üblichen Bed. 'gereizt, aufgebracht' (vgl. animos, —* Animosität). 2a Ende 16. Jh. in der bis Ende 18. Jh. belegten, bis ins 19. Jh. gebuchten Bed. 'jmdm., einer Sache Leben verleihen; jmdn., etwas lebendig machen, beleben, beseelen, befruchten' (s. o. das lat. Etymon anima; vgl. heute in der medizinischen Fachsprache noch gebräuchliches reanimieren 'erloschene Lebensfunktionen durch künstliche Beatmung, Herzmassage u. a. wiederbeleben' und Reanimation, Reanimierung). b In jüngster Zeit, vermutlich unter erneuter Einwirkung von gleichbed. frz. animer (vgl. gleichbed. engl. animate), neubelebt im Bereich der Trickfilmtechnik in der Bed. 'Gegenstände, Zeichnungen, Figuren, Puppen in einzelnen Bewegungsabläufen filmen, um den Eindruck der Bewegung unbelebter Objekte zu vermitteln', also eigentlich 'künstlichen, toten Figuren, Gegenständen Leben schenken, Bewegung und Leben verleihen'. 3 Im 17.718. Jh. vereinzelt in der aus der mittelalterlichen Alchimistensprache stammenden Bed. 'Metalle fermentieren, umwandeln'. Dazu schon seit Mitte 16. Jh. (CHOLINUS/FRISIUS) das aus lat. animatio 'das Beleben' entlehnte Subst. Animation F. (-; -en), zunächst in der lat. Form, erst seit spätem 17. Jh. auch in der eingedeutschten Form, in der nur gebuchten, im 20. Jh. vereinzelt belegten Bed. 'Belebung, Beseelung' (zu 2a); im 17.718. Jh. fachspr. als Bezeichnung für das Fermentieren von Metallen (zu 3). In neuerer Zeit, vermutlich unter Einwirkung von gleichbed. frz. animation (vgl. gleichbed. engl. animation),
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fachspr. in der Trickfilmtechnik in der Bed. 'filmtechnisches Verfahren, mit dessen Hilfe man unbelebten Objekten im Zeichentrickfilm Bewegung verleiht'; als Bestimmungswort häufig in Zss. wie Animationsfilm 'Zeichentrickfilm', Animationsfilmer, -filmkunst, Animationsstreifen, -technik, vgl. auch Computeranimation 'Herstellung eines Bildes, Animationsfilms mit Hilfe von Computern' (zu 2b). In neuester Zeit, eventuell unter frz. Einfluß, auch in der Bed. 'im Rahmen einer Unterhaltungssendung oder Show erfolgende Anregung zu einer Tätigkeit, Handlung o. ä.' (s. Beleg 1992), z. B. Straßenanimation, Animationsfoto, auch für 'Serviceleistung eines Reiseunternehmens, vielfältige Anregungen für eine abwechslungsreiche Freizeitgestaltung', bes. in den Zss. Freizeitanimation, Animationsangebot, -programm, -Zentrum (zu Ib). Dazu seit früherem 17. Jh. das seltene Verbalsubst. Animierung F. (-; -en) 'Ermutigung, Aufmunterung, tröstlicher Zuspruch' (zu la), vereinzelt auch 'Anregung zu einer Tätigkeit' (zu lb). Im frühen 18. Jh. das aus gleichbed. lat. animator übernommene Subst. Animator M. (-s; -en), bis Anfang 20. Jh. nur gebucht in der Bed. 'jmd., der das Leben gibt, Beseeler' (zu 2a). Seit Mitte 20. Jh. auch für 'Anreger, jmd., der Anregungen zu etwas (einer Tätigkeit, Veranstaltung o. ä.) gibt', dann auch 'Unterhalter, Initiator, Moderator', konkurrierend mit häufigerem Animateur (s. u.), bes. in der Zs. Kulturanimator (zu lb). Gleichzeitig (vgl. älteres engl. animator) in der Filmbranche auch in der Bed. 'Trickfilmzeichner' (zu 2b). In neuerer Zeit die aus gleichbed. frz. animateur (< lat. animator, s. o.) übernommene Berufsbezeichnung Animateur M. (-s; -e) 'Angestellter eines Reiseunternehmens, der die Aufgabe hat, für die Unterhaltung und abwechslungsreiche Freizeitgestaltung einer Reisegesellschaft zu sorgen' (zu lb). Vgl. daneben das im früheren 18. Jh. aus gleichbed. ital. animato (< lat. animatus 'beseelt') entlehnte Adv. animato, als Vortragsbezeichnung in der Musik in der bis heute gebuchten Bed. 'lebhaft, belebt, beseelt, allegro' (zu 2a). animieren la: Albertinus 1601 Kriegsleut Weckuhr 233b die Soldaten . . mit trostlichen vnd beherzten Worten zu animiren vnd beherzt zu machen; Carolus 1614 Relation 26b darüber die Einwohner wol etwas anmimirt, seind aber doch gar zaghafft; 1619 Acta publica H 27 haben die herren Generalen . . die Kleinmütigem dardurch [durch Truppenhilfe] animiret; 1626 Theatrum amoris 414 die auch nit kondten sich faul bey dieser Gelegenheit erzeigen/ als durch Lirianders Exempel animirt vnnd auffgemundert/ welcher an allen enden wol gewaffnet sich mit einer Piquen in der Handt/ zu forderst auff das Schiff gestellet hatte; Purttenbach 1630 Architect, mart. Vorr. 2 sie seyen befugt/ noch viel dapffere heroische Ingenia vnd Geschlecht auffzumuntern/ dieselbige zu der wahren Strenuitet vnd Dapfferkeit zu animirn; 1631 (Frauenholz 1935 Heerwesen II 1,62 Anm.) der König . ., welcher sie [die Truppen] dapfer animirte; 1633 Konstanzer Belagerung 39 In der Statt wäre man wegen dises eingebrachten Newen ansehnlichen Succurs sehr wol behertzt vnd animirt; Bür-
ster 1647 Schwed. Krieg 86 wie nit weniger der Cardinal Infante sampt dem Herzogen von Lodtringen mit ihrer Praesenz und beweglichem Zusprechen nit allain unsere Soldaten stark animirt, sonder auch dieselben stark angetrüben haben; Schupp 1657 Freund i. d. Not 51 Gott . , machte ihn [Gideon] zu einem General und animirte ihn also, daß, wann er wider seine Feinde zu Feld zog, rieffen seine Landsknecht . .: Hier Schwerd des Herrn und Gideon; 1691 Pfaltz 69a um die Soldaten zu animiren, und zum Angriff zu zwingen; Stieler 1695 Zeitungs Lust u. Nutz 495 Animiren/ beherzt und getrost machen/ einen Mut einsprechen; 1700 Das Neueste v. gestern f/ 7 daß alle vnd jede Bauren/ so jetzo die Waffen ergreiffen/vnd für das Vaterland ehrlich streuten wollen/Zeit jhres Lebens der Leib-Eygenschafft befreyet seyn sollen/ welches dann dise hertzhafft animiret; Wächtler 1709 Manual 37 Animiren . . behertzt machen; Apinus 1728 Grammatical. Lex. 33 Animiren . . behertzt machen; Sperander 1727 A la mod Sprach 35 Animiren/ einen aufmuntern/ behertzt machen/
animieren auffrischen/ einem ein Hertz einsprechen; Alexis 1852 Ruhe V 232 Es geschieht auch wohl in guter Absicht, um die Soldaten zu animiren. Animierung: Opitz 1633 (Quellen geist. Lebens I 664) Animierungsschreiben; Stieler 1695 Zeitungs Lust u. Nutz 495 Animirung/ Aufmunterung/ tröstlicher Zuspruch; Wagner 1724 Soldatenbibl. 327 Hierher gehöret auch die Stiftung der Invaliden = Häuser. Zu verwundern ist es/ daß man weder bey den Römern noch Griechen dergleichen lieset/ da man doch fast nichts unterließ/ was zur Animirung der Bürger/ um sich dem gemeinen Besten aufzuopffern/ gereichen konte. animieren Ib: Albertinus 1599 Geistl. Spiegel 227 junge Leute animiren zum Gehorsam; 1626 Theatrum amoris 190 als ob die Lieb . . [Lirianders] Blick mit eben dem Fewer animieret; ebd. 402 daß die Vollkommenheit jhres Gemüths/ der jenigen so jhre Schönheit animiret/ im wenigsten nichts nachgebe; ebd. 366 [die] Ruderer . . welche animirt von Gegenwart jhrer Princessin/ vnd auffgemundert durch Lieblichkeit der Harmony/ all jhrer Arm Krafften auff Arbeit der Ruder anwanden; Moscherosch 1643 Insomnis Cura 7 Es wäre aber noch eine andere [Ursache, das Werk zu schreiben], die ich nicht offenbaren wolte, so mich vielmehr animiret vnnd getrieben; Furttenbach 1655 Hospitals-Gebäw 2 mit sehr holdseligem anmuthigen Discurs mein Vorhaben animirt dass ich nit müde werden solte, biss das meine Wercklein .. [gedruckt wären]; Birken 1669 Ulysses Vorr. 3b worbey . . Herr von Liliern . . mich zu solcher Arbeit [Reisebericht] animiret hat; 1687 (Buchner 1925 Religion 187) Den 18. dito wollen die ThumHerrn den Jesuiten die Kirche zu schließen/ weil sie ihre Studenten zu diesem Exces animiret; Leibniz 1691 S. Sehr. u. Br. l 6, 68 Wenn M. h. H. noch mit H. Sivers correspondiret, bitte zu versuchen, ob er nicht zu animiren, eine Beschreibung der Gründe der Handwercke und deren Terminorum, vorzunehmen; Schönberg 1693 Ausführt. Berginformation l 80 so ist . . darauff zu sehen/ daß sie durch Freyheiten und glimpffliche Bezeugung/ zu freudigen und beständigen Bergbau animiret werden; Ettner 1700 Apotecker 928 ihn auf allerhand Arten darzu [ihn zu töten] animirt; 1700 Das Neueste v. gestern II 7 daß alle vnd jede Bauren . . Zeit jhres Lebens der Leib-Eygenschafft befreyet seyn sollen/ welches dann dise hertzhafft animiret; Elis. Charl. 1703 Br. I 314 [die Komödie] mehr capable ist, die tugendt zu animiren, alß eine schlechte predig; 1704 Heidelberger Urkundenb. l 407 auch allenfalls andere cantzleiverwandten zu animiren, daß sie horis extraordinariis die collegia frequentiren; Wächtler 1709 Manual 37 Er hatte
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ihn darzu animiret; Gregorius 1715 Neueröffn. Schauplatz l 177 Hierzu [das Zölibat aufzugeben] mochte ihn wohl die schöne Gräfin animiret haben; Justi 1741 Memoires l 366 [der Capitaine des Guides muß die Leute,] so gute Dienste leisten können, mit kleinen Beschenkungen animiren; Winkeltnann 1751 Br. I 108 Wir haben neulich den ersten Tomum der prächtigen Wienerischen Ausgabe vom Hippocrates erhalten, welcher mich animieren wird, den Gott der Ärzte noch einmal zu lesen; ders. 1755 Br. I 167 Man animiret mich, ich soll schreiben; 1768 D. falsche Spieler 101 Die Spielergesellen animiren die Zuschauer zusetzen oder zu wetten; Novalis 1788 W., Br., Dokumente 111 77 das Essen [soll] delikat, aber auch animierend sein; Goethe 1791 Br. (WA IV 9, 261) kann ich . . melden, daß ich seit gestern die Phänomene der Farben . . auf das einfachste Principium reducirt habe. Vorzüglich bin ich durch einen Widerspruch Herders dazu animirt worden der diesen Funcken herausschlug; Moritz 1793 Grammat. Wb. I 123 Animiren: (jemand irgend wozu) anstatt aufmuntern oder anreizen, hört man im gemeinen Leben, und kann es unter die Sprechunarten zählen, da die deutschen Ausdrücke dasselbe sagen; Kant 1798 Anthropologie (Ges. Sehr. VII 281) Die Regeln eines geschmackvollen Gastmahls, das die Gesellschaft animiert; Jean Paul 1805 S. W. I 10, 365 und doch animiert Reden ein Gesicht unglaublich; Campe 1813 Fremdwb. 111 Animiren, anreizen, ermuntern, beleben, anfeuern; wofür auch befeuern gefunden wird; Pückler 1831 Br. e. Verstorbenen IV 333 doch fand ich nachher, als er [General Mina] sich im Gespräch animierte, allerdings eine Veränderung der Züge; ebd. III 10 Die Unterhaltung bei Tafel wurde bald sehr animirt; Mendelssohn-Bartholdy 1837 Br. II 86 daß es [das Lied] allgemeinen Jubel erregte und die ganze Gesellschaft animierte; Gutzkow 1850 Ritter l 323 Jeannette . . die . . unter der Dienerschaft ebenso belebend und animierend wirkte wie Melanie; Alexis 1852 Ruhe 111 146 „Jetzt wird sichs zeigen!" rief Walter animiert; Brachvogel 1858 Friedemann Bach l 239 Bei Sebastian Bach war alles, selbst die ausgelassenste Freude, das, was wir, wenn wir animirt sind, Blödsinn treiben nennen, Musik; Hebbel 1858 S. W. /// 6,151 nun ergab sich ein so animirtes Gespräch; Hackländer 1866 Künstlerroman IV 364 jetzt unterhalten sich der Herr Staatsrath auf höchst angenehme, sehr animierte und vergnügte Art; Justi 1872 Winkelmann II 32 ein sehr animirtes Concert; Keller-Heyse 1888 Briefe. 425 Ich las dann das Werklein und sah, daß er verneint, was Du bejaht hast! Das animierte mich zur Diskussion; Fontäne 1895 Effi Briest 56 Ich habe Dich nur in eine animierte Stimmung bringen wollen; Gilly 1896 Fesseln I 7 den . . Musiklehrer Wein-
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haupt .. konnte er nur im Rücken sehen, wie er eine Polka herunterdrosch und mit tiefer Baßstimme zum Tanzen animierte; Zander 1904 Neue Welt 41 bei animiertem Geplauder entschwinden die köstlichen Stunden; Huch 1904 Pitt u. Fox 43 Herr Sintrup . . machte animierte Augen; Dauthendey 1911 Maja 50 Sie hat eine smarte Figur. Eine noch viel animierendere Figur als die Ihre, Maja; Reger 1912 Briefw. m. Georg v. Sachsen-Meiningen 112 Die Herren des Orchesters gaben sich alle Mühe, und das Publikum war in beiden Städten sichtlich sehr animiert; Lindau 1916 Nur Erinn. 79 die animierende Tätigkeit der bezahlten Klatscher; Feuchtwanger 1923 Herzogin 263 Er machte Spaße, stachelte an . . er verstand gut, die Herren zu animieren; Tucholsky 1924 Ges. W. l 1248 die Leute waren animiert und vergnügt wie sonst erst nach einem guten zweiten Akt; Curtius 1926 (Lit. Welt 11 4) Ein peinliches Zeitungsdeutsch macht sich breit: „animieren", „prominent", „unentwegt", „glattweg"; Berl. Illustr. Ztg. 1930 Nr. 37 In der Diele ist inzwischen eine Menschenansammlung von animierten und aufgekratzten Lohwincklern zusammengekommen wie beim Jahrmarkt; Brach 1931 Schlafwandler I 15 nun fiel es Joachim erst ein, dass er doch selber zu dem Kasinobesuch animiert hatte; Brecht 1942 Arbeitsjournal 263 Chöre, die zum Kauf von Coca Cola animieren; Th. Mann 1945 Reden u. Aufs. (W. XII 307) den vermenschlichten Staat, die literarisierte, erotisch animierte Politik mit psychologischer Denkweise und formaler Eleganz, die Politik mit Damenbedienung, — wir werden sie haben!; Dublin 1947 Amazonas 624 Und du glaubst, wir warten hier bloß darauf, um uns von dir zu Dummheiten animieren zu lassen?; Winckler 1956 Bomberg 316 erschien in animiertester Laune Graf zu Osterholt; BZ 26.6.1958 leidenschaftliche Fußballanhänger zu wütenden Reaktionen zu animieren; Süddtsch. Ztg. 2.10.1959 Mario animiert .. das Publikum, die echt neapolitanische Pizza zu versuchen; R. Schneider 1960 Gefängnis 95 „Bravo! Bravo!" schrie die Menge und klatschte animiert in die Hände; Hilpert 1963 Liebe 66 Kollegen . ., die sich, vor allen Dingen bei Komikern, immer zu freundschaftlichen und unbegründeten Lachsalven animiert fühlen; Welt 14. 7.1964 einige Ensembles haben Witz und Nerv, .. so daß man sich eigentlich nie langweilt, sondern animiert zuhört; Zeit 24.1.1986 zögern die meisten deutschen Kreditinstitute nicht, ihre Kundschaft auch weiterhin zum Kauf von Aktien zu animieren; Zimmer 1986 RedensArten 98 der uns beständig zu allen möglichen Schandtaten animieren möchte; MM 19.11.1992 [die Zuschauer] werden von Amateurgruppen zum Mitmachen animiert; Spiegel 7.12.1992 [die TopDesigner und Massenkonfektionäre wollen] die
schmale Modelinie durchsetzen und so die . . Kaufmuffel zum Nachrüsten animieren. Animateur: Becker 1962 Quantität 400 Etwas von der aktiven Minderheit kann man zum Beispiel im angelsächsischen „opinion leader" oder im „animateur" der französischen Erwachsenenbildung kennenlernen; Offenburger Tagebl. 22.1.1970 Animateure sorgen für die richtige Urlaubsstimmung; Zeit 28.12.1984 betrachten wir den Oberkellner neuerer Prägung staunend als Mischung aus Gentil Animateur, Geschäftsführer und Gabriele Henkel; ebd. 4.1.1985 die Parteien .. als eine Art von Impressarios und Animateuren des politischen Betriebs; ebd. 18.1.1985 abzusehen ist . ., daß die Freizeitparks und die Disney-Lands . . eigene Bildungsabteilungen mit Animateuren bekommen; ebd. 27.9.1985 im Club Mediterranee heißen Animateure oder Lehrer „GO"; ebd. 21.3.1986 wie es jener Ex-Studioschüler tat, der sich dank seines Töpferkurses und seines wahrscheinlich freundlichen Äußeren als Animateur bei einem Ferienklub verdingen konnte; MM 12.4.1986 rund 1000 Angestellte werden hier arbeiten, darunter allein 170 „Animateure", Fremdenführer für die erwarteten zehn Millionen Besucher jährlich; Zeit 5.9.1986 heute sitzen Beziehungsspezialisten und Schulanimateure statt Kathedergötzen und Spinatwachteln vor der Tafel und arbeiten an der Verwirklichung der Idee von der Schule für die Kinder; MM 21.5.1987 [daß] eine Figur, die als „der Animateur" ausgewiesen ist, Büchners Satz von der blutigen Verkörperung der (Polit-)Phrasen aufsagt; Stern 27.5.1987 rund 70 Mitarbeiter, darunter von Ort zu Ort engagierte Artisten und Animateure, sollen dafür sorgen, daß „Luna Luna" den Leuten täglich heimleuchtet ins Reich ihrer Kindheit; MM 29.4.1988 der Animateur, der Gute-Laune-Lieferant, der Interpret der Rossini-Musik saß leider versteckt im Orchestergraben. Animation: Walther 1973 Schmetterling 152 Eine solche Animation steigert die Leistung; Zeit 25.1.1985 Fluchtpunkt und Reservat, Treffpunkt und „multifunktionales Animationszentrum" — auf diese sozialen Funktionen sind unsere Wohnungen vor allem ausgerichtet; ebd. 22.3.1985 die Geschichte der Jugend; biologische, psychologische und soziologische Aspekte der Pubertät; die Sozialisationsinstanzen Familie, Jugendverbände, Massenmedien, Freizeitanimationen . . werden . . diskutiert; ebd. 13. 9.1985 im Halbschlaf mischen sich Fetzen der Erinnerung an fünf Wochen Heimaturlaub und die Animationen eines Dienstleistungsunternehmens zu einem Potpourri der Irritation, der Konfusion, der Absurdität; MM
animieren 3.4.1986 sie überrumpelt das Publikum mit Attraktionen, die dem Animationsarsenal eines Vergnügungsparks entstammen könnten; Zeit 9. l. 1987 oder beflügelt sie schlicht die Animation des ganz individuellen Spieltriebes?; Gerlach 1987 Jungfernhaut 20 Wer kreativ bleiben will, der benötigt Animationen; MM 28.5.1988 und so bunt ging 's weiter: Musiktheater neben Kabarett, Chansons und Performances, Straßenanimation und Tanz, Dramenlesungen und Clowns; R. Schneider 1988 Seele 127 Als wir an einem Nachtclub vorübergingen, entdeckte ich, wie es Sigbert Mattukat . , heftig zu den Schaukästen zog, wo die üblichen Animationsfotos hingen; MM 16.9.1992 Von Animation bis Reanimation . . [die] Schwimmeisterin, die sich in den technischen Details des Bades [wie im Rettungsschwimmen, in Erster Hilfe und Reanimation] ebenso auskennt wie in der Animation der Badegäste aller Altersgruppen; ebd. 13.11. 1992 Unsere Shows sind Animation im weitesten Sinne mit einem Schuß Erotik; Süddtsch. Ztg. 11.5.1993 Animation in der Art einer Hinführung zur Natur oder sportlicher Angebote. Animator: B. N. 7.10.1943 Igor Wyschinski, sei der Welt als Animator des Moskauer Prozesses von 1936 bekannt geworden; FAZ 14.9.1970 Animatoren (Leute, die Anregungen zu Kongressen und Kongreßpunkten geben, aber selber keine Kongresse abhalten); MM 20.3.1985 mit einem Verkaufsschlager rechnen die auf Kircheneinrichtungen spezialisierten Unternehmen jedoch vor allem bei ihrem angebotenen „liturgischen Animator"; ebd. 9.6.1988 einmal mehr sieht er sich in der Rolle eines „Kulturanimators" und hofft, daß dem Festival . . Modellcharakter zukommen wird. Animierung: Berolzheimer 1914 Moral 237a Animierung zur Börsenspekulation. animieren Ic: Pückler 1819 Briefw. u. Tageb. V 226 Dein Vater . . sprach, vom Weine animirt, so laut, daß ich jedes Wort vernahm; Schlesinger 1852 London l 347 Die Meisten hatten wahrscheinlich volle Bierflaschen mit in's Haus gebracht. . waren daher etwas animirt; Kretzer 1880 Genossen 41 zu einem „Gläschen" animirt; Herold 1885 Eisenbude 93 Die Flasche Rheinwein war von solcher Güte, daß sie Kubiak nicht nur zu Liebesschwüren mit weitreichender Perspektive animierte; Zapp 1896 Off töchter H 119 Ei animierte nicht zum Trinken; Fontäne 1898 Zwanzig 660 [das Geburtstagsfest] Punsch, Grog . . sehr animiert; Sehr 1898 ArmeeHumor 99 [die Offiziere] waren ein klein wenig das, was vom Feldwebel aufwärts animiert, von ihm abwärts bes[offen] heisst; K. Kraus 1899 (Fakkel XX 2) Jüngst hat der Director einer Variete-
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bühne .. zugestanden, dass die weiblichen Mitglieder seines Ensembles für ihn nur nach der Vorstellung, als Animiermädchen, in Betracht kommen; Oehmel 1899 Lucifer (Ges. W. X 12) sonst wird uns . . das Bayreuther Malheur passieren, daß ein zum Nationalheiligtum emporposauntes Erbauungswerk allmählich zum Animierlokal internationaler Schlaraffen wird; 1900 Festschr. d. Hans. Geschichtsver. 125 Frauenspersonen, die einen Bierausschank, eine Art „Animierkneipe" haben; Viebig 1900 Tägl. Brot 70 Die schmerzenden Glieder dehnend, schimpfte er laut auf das verdammte Geschäft, das ihn zum Animier-Trinker nötigte; 1903 Arbeitertheater 364 Sie war 5 Jahre Fabrikarbeiterin, ist dann aber Animierkellnerin geworden, um mehr vom Leben zu haben; Klenz 1910 ScheltenWb. 76 a Animiermädel (die den Gast zu vielem Trinken und Freihalten „ermuntert"); Döblin 1918 Wadzek 335 Die Kulanski soff gewohnheitsmäßig als Animierwirtin; Weinheber 1925 Waisenhaus 111 fuselige Schnäpse . ., die von zwei aus der besseren Konjunktur eines Wiener Nachtlokals ins Provinzielle herabgekommenen Animierdamen serviert wurden; Moreck 1926 Sittengesch. d. Kinos 185 eine Animierbar, die dem Zweck dient, zum Genuß von alkoholischen Getränken . . zu animieren ders. 1928 Liebe 160 des großstädtischen Animierbetriebs; Werfel 1929 Barbara 246 Mila aber war nicht die einzige Frauensperson an diesem Ort. Sie teilte ihr animierendes Amt mit Vilma und Bronislava; Tempo 27.2.1930 Sie hatten nur mit den Gästen zu tanzen und mußten sie animieren; Scharrer 1930 Art 215 Tausende von Lokalbesitzern, deren Groschenorchester durch schmierige Schlager zum Saufen animierten; Brach 1931 Schlafwandler l 75 jäh und heiß stieg die Scham in ihm auf, weil er . . sie in der verhaßten Animiertätigkeit belassen hatte; Siemens 1947 Leben 40 zahllose Animierkneipen, von der mit schäbiger Eleganz aufgeputzten bis zur primitiven Kaschemme, in denen das schlimme Gewerbe der Kuppelei betrieben wurde; Bartsch 1955 Tür zu 42 man fühlte sich ein wenig animiert von weichen und bitteren Getränken; 3956 Börsenblatt 10 Ein kleines Ostseebad und eine Animierbar am Kurfürstendamm — das sind die Schauplätze dieses mitreißenden Romans vom Schicksal des Bauernmädchens Marie; 1957 Aufbau VII 90 eine zierliche Animierdame mit elegantem Haarputz wirft lockende Blicke um sich; Stuttgarter Ztg. 25.6.1962 er konnte nicht bestreiten, daß er Geld aus der Animiertätigkeit der Mädchen verdient habe; ebd. 7.9.1963 Er hatte an einem Abend in München, wo er einem Animiermädchen in die Hände gefallen war, 200 Mark verbraucht; R. Schneider 1965 Tage in W 17 an dem anderen [Tisch] ein sehr bunt angezogenes Animiermädchen; 1965 Wochenpost
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XVII 26d im Nachtclub, . . [wo] die schönen Beine einer Animiertänzerin das Auge und eine gefällige Musik das Ohr erfreuen; Offenburger Tagebl. 2.3.1971 Dem Vater gelang es jedoch, die beiden . . Männer in Gespräche zu verwickeln und sie zu so reichlichem Alkoholgenuß zu animieren, daß die beiden Arbeiter in Streit gerieten. animieren Id: I626 Theatrum amoris 332 wolte sie doch . . alle die rasende Wueth vnd Furien eines beleydigten Gemueths / wider jhr eigen Leben animieren vnd waffnen; 1633 (Gaedeke 1885 Wallensteins Verhandlungen 203) daß Geschrey wirdt den Feindt sehr animiren; Bessel 1666 Schmiede d. polit. Glücks 151 Zu diesem gerichtlichen Streit animirte er die Partheyen gegen einander so viel müglich; 1684 Getrost. Europa E 2a Es haben auch Ihre Kgl. Majestät ihnen schöne Regalen, und fürtreffliche Privilegia ertheilt, umb sie desto mehr wider den Feind zu animiren; 1696 Insul Formosa 49 b daß Coxinga, . . die Sinesische Colonie . . wider die Compagnie animirte und anhetzete; Apinus 1728 Grammatical. Lex. 33 Animiren . . verhetzen, aufwiegeln; Marsellus 1741 Kriegs-Staat 32 dass man den Feind in seiner bösen Intention noch mehr animiere; 1781 Corpus juris Fridericianum l 1,110 muß er [der Richter] aber auch den etwa gegeneinander animirten Partheyen, die aus der Sache selbst hergenommene Bewegungsgründe zum Vergleich, nachdrücklich vorstellen; Alexis 1852 Ruhe IV 50 Warte nur, Lieber, wenn die gutgesinnten Bürger die Straßenjungen gegen sie animiren; Ranke 186790 S. W. XLVU 253 Wie er schon immer die Verbindung Preußens mit Rußland als eine Feindseligkeit gegen die Alleinherrschaft Frankreichs im südlichen und westlichen Europa ansah, so wurde er durch die Nachricht, daß die Russen sich anschickten, in die Moldau einzudringen . . doch wieder gegen Preußen animirt. animieren 2a: 1598 (Aretin 1839 Bayerns auswarf. Verh., Urkundenband 12) animiren, vnd bewegen; Porta 1612 Magia C 5b weil von Gott Mens, von Mente die Seel herkommet: Diese aber alle/ das jenige/ welches folget [alle Geschöpfe] animiret oder lebendt machet; Albertinus 1612 Schaw Platz 930 animiren und lebendig machen; Hirsch 1662 Kirchers Musurgia (Übers.) 237 und gehet also der Luft von der Windladen in die Pfeifen / dardurch sie animirt und lebendig gemacht werden; ebd. 123 Darm und Fell werden in so viel instrumenta animirt und lebendig gemacht; Becher 1682 GlücksHafen 21 Dann er hat einen animirten/ und lebendigen Geist; ebd. 147 durch welche Seele das jetzt besagte Instrument deß Feuers innerlich bewegt wird zu selbiger Form/ welche der Künstler verlangen thut. Dahero/ wann diese informirende Krafft
eingegossen wird in die Materi/ so wird die Materi animirt und lebendig gemacht/ durch diese seine lebendmachende Wärme/ und durch die von der Seelen animirte Feuchtigkeit; 1684 Der Hof 32 dieweilen der Verstand dess Königs alle diese Dinge [am Pariser Hof] animirt; Marperger 1712 Naturlex. 361 Conceptio, die Empfängniß, selbige geschieht, wenn der geistreiche Manns-Saamen . . durch die Trompeten zu dem Eyer-Stock gehet, ein Eylein animiret, welches denn nach und nach durch die Wurmbewegung . . der Trompeten in den Grund der Gebähr-Mutter sincket; Zinzendorf 1738 Berl. Reden (Hauptschr. I 67) Der geistliche Tod, den aller Menschen-Same in sich trägt, muß erst durch den Tod JEsu Christi überwunden, unser Leben in seinen Tod begraben, und von seinem Leben wieder animirt werden; Summering 1796 Organ d. Seele 41 Die tiefsten .. Denker . . fanden das Animirtseyn — Belebtseyn — einer Flüssigkeit nicht nur wahrscheinlich, sondern zu den Erscheinungen des Lebens selbst nothwendig; Goethe 1796 Er. (WA IV 11,176) Vielleicht wäre die Frage: Läßt sich . . a priori einsehen, daß die Feuchtigkeit der Hirnhöhlen das gemeinschaftliche Sensorium enthält? umgangen worden . . so wie Sie in der folgenden aufgeworfenen Frage: Kann eine Flüssigkeit animirt sein? vielleicht das Wort belebt unzweideutiger gebraucht hätten. Animation: Näf 1954 Bilder 86 [im Bild „Enseigne de Gersaint" von Antoine Watteau] bleibt dagegen die bezaubernde Animation der ganzen Szene. animato: Walther 1732 Musical. Lex. 37 Anima, oder Animato (ital.) bedeutet so viel als allegro. animieren 2b: 1984 Film u. Fernsehen VIII 24 Wiederum werden Kinderzeichnungen und Knetfiguren animiert. Animation: Welt 22.4.1974 besonders berücksichtigt wurden bei der Auswahl neue Wege in der sozialen Dokumentation und im Animationsfilm; 1978 Filmspiegel V 21 Karel Zeman, einer der Pioniere des tschechischen Animationsfilms; ebd. Werke, in denen er auf dem Gebiet des Tricks, der Animationstechnik und des Bühnenbildes experimentierte; 1984 Wochenpost XLH 7 Immer aber galt seine Liebe der filmischen Animation; 1984 Film u. Fernsehen VIII 23 Der Film bekam den ersten Preis der Kategorie Animation; ebd. VIII 24 Lucas Clavijo, der . . einen ersten Animationsstreifen vorstellte; 1985 Wochenpost XVI 30 Der Animationsfilmer muß also jede Bewegung, die eine Figur machen soll, nach Sekunden abschätzen, danach die Einzelbilder errechnen und den Bewe-
Animismus gungsablauf in die Reihe der Einzelaufnahmen zerlegen; 1985 Filmspiegel XXVI 28 Wie Walt Disney wandte sich Attila Dargay aber auch der Langmetrage-Animation zu; MM 3.5.1985 der tschechische Animantions-Avantgardist Jan Svankmejer . . fand . . die meiste Aufmerksamkeit der verschiedenen Jurys; 1986 Filmspiegel XX 27 Und ganz zufällig kam ich zur Animation. Denn als 1950 Todor Dinow von seinem Hochschulstudium aus Moskau in die neugegründete Multiplikationsabteilung (später Studio für Animationsfilme) nach Sofia zurückkehrte, scharte er sofort einige namhafte Zeichner . . um sich . . Und so wird er auch . . weiterhin zur erfolgreichen Entwicklung der bulgarischen Animation beitragen; Zeit 4.7.1986 keine der Animationen hat uns davon überzeugen können, daß es sich hier um die „fortgeschrittensten Experimente auf dem Gebiet der Kunst" handelt; MM 28.8.1986 die wenigen erhalten gebliebenen Beispiele dieser seltenen Mischung aus Slapstick und Animation konnte man jetzt in Vevey besichtigen; Zeit 3.4.1987 zappelige, ruckartige Animation; MM 8.10.1987 diesmal wurde er in den drei Sparten Animation, Grafik und Komposition ausgeschrieben; ebd. erster Preisträger in der Kategorie Computer-Animation wurde der Amerikaner John Lasseter, der bei Walt Disney jahrelang Erfahrungen mit dem Animationsfilm gesammelt hat; 1987 Filmspiegel XVIII 30 Animationsfilmschaffende; ebd. die Breite und Vielfalt des . . Animationsfilmschaffens; 1988 ebd. VI 30 [Gespräche] zu Animationsfilmen Fjodor Chitruks mit diesem Nestor . . [der] Animationsfilmkunst; 2988 ebd. XXVI 6 [der] Spezialpreis der Internationalen Jury für Animation; 1989 Wochenpost XXV 14 Da Trickfilm eigentlich nichts mit Filmtrick zu tun hat, setzt sich der Begriff Animationsfilm durch. Animator: Süddtsch. Ztg. 26.4.1950 Sind die Hauptphasen der Handlung vom Chefzeichner, vom „animator", festgelegt, werden die Zwischen-
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partien durch Hunderte von Phasenzeichnern ausgefüllt; 1985 Wochenpost XVI 30 Bei der Gestaltung ihrer Rolle, die der Animator — der Figurenbeweger — Phase um Phase, Einzelbild nach Einzelbild, fotografiert, liegen sie flach auf dem Arbeitstisch; 1989 Filmspiegel XVIII 24 Zunächst hat Günter Ratz seit 1981 eine Gruppe junger Leute hier im Studio extern zum Animator qualifiziert. Das sind heute gute Leute, gute Animatoren. Auch Otto Sacher hat sich sehr um die Berufsgruppe bemüht. Das ist wichtig, weil der Animator . . der Schauspieler des Trickfilms ist, er gibt den toten Dingen das Leben. animieren 3: Becher 1682 Gliicks-Hafen 65 Der Philosophische Mercurius aber ist etwas besser digerirt/ und capabel gemacht/ die hitzige Form des Golds desto bequemer anzunehmen. Er ist wiederumb zweyerley/ entweder der gar gemeine Mercurius, so durch Zusatzung hitziger metallischer Cörper/ erwärmt/ und animirt ist/ oder der auß den Metallen und Mineralien selbsten gezogen ist; Carlowitz 1713 Sylvicvetvra oeconomica 212 Denn die Asche [des Holzes] hat ein fixes Saltz/ welches durch den Regen solviret und von der Lufft animiret wird. Animation: Becher 1682 Glücks-Hafen 19 Die ältesten Philosoph! aber haben zween Weg erfunden/ diese conjunction und animation [von argentum und aurum] zu vollnbringen; ebd. 20 Der ander Weg der Animation und Solution, welche durch die künstliche conjunction volnbracht ward/ ist/ daß sie die corpora entweder durch Hülff des Argenti vivi vulgaris, oder animati . . in langer/ oder kurtzer Zeit in naturam vegetativam, das ist/ in ein Wachsen brachten; Zedler 1732 Universallex. 336 Animatio, ist ein dunckles Wort der Alchymisten, welches sie bey Veränderung der Metallen gebrauchen, wenn nemlich die Terra alba foliata mit dem Aqua sulphuris philosophica, oder coelesti, soll fermentiret werden.
Animismus M. (-; ohne PL), Anfang 18. Jh. von dem deutschen Mediziner und Chemiker G. E. Stahl zu lat. anima 'Lufthauch, Seele, Mut' geprägter Begriff (MITTELSTRASS, RITTER) (vgl. auch animus 'Geist, Seele, Mut' und animare 'das Leben geben, beleben, beseelen, beherzt und mutig machen'; —» animieren la, 2a, —> Animus). a Zunächst als Bezeichnung für die von Stahl begründete medizinische und philosophische Lehre, nach der die menschliche Seele als oberstes Prinzip des lebenden Organismus gilt und für alle normalen und krankhaften Vorgänge im menschlichen Körper verantwortlich gemacht wird (—» animieren 2a). b Im späteren 19. Jh. von dem englischen Anthropologen E. B. Tylor übernommen und erweitert zu der Bed. 'philosophische Lehre, nach der den Naturerscheinungen
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und unbelebten Gegenständen Bewußtheit, Beseeltheit, Seele, aber keine individuelle Personalität zugeschrieben wird' (RITTER) (—* animieren 2a). Dazu Anfang 20. Jh. die Gelegenheitsableitungen Uranimismus und Präanimismus (s. u. gleichbed. Animatismus). Dazu seit Mitte 19. Jh. die Personenbezeichnung Animist M. (-en; -en) 'Anhänger, Vertreter des Animismus' (zu a und b) und Ende 19. Jh. die adj. Ableitung animistisch 'zum Animismus gehörend, vom Animismus geprägt' (zu a und b). Vgl. daneben Animatismus M. (-; ohnePl.), von dem englischen Religionsethnologen R. R. Marett 1909 (nach lat. animatus 'belebt, beseelt, das Leben, eine Seele habend') als Abgrenzung von dem weiteren Animismusbegriff Tylors geprägte, zu Beginn des 20. Jhs. ins Dt. übernommene Bezeichnung für den als eine bestimmte Form des Animismus anzusehenden Glauben primitiver Religionen an die Allbelebtheit (nicht Allbeseeltheit) aller Dinge und Erscheinungen der Natur. Dazu gleichzeitig die adj. Ableitung animatistisch 'dem Animatismus entsprechend'. Animismus a: Mozin 1856 Wb. Hl 81b Animismus . . (System des geistigen Princips für die organische Tätigkeit); 1893 Allg. Dt. Biogr. XXXV 780 Georg Ernst Stahl [1660—1734], hervorragender Naturforscher und Arzt, von epochemachender Bedeutung . . für die theoretische Medicin als Schöpfer der Lehre vom Animismus; ebd. 785 Dieses von St[ahl] aufgestellte Princip vom Animismus; Freud 1912—13 Totem 125 Animismus im engeren Sinne heißt die Lehre von den Seelenvorstellungen, im weiteren die von geistigen Wesen überhaupt; Tischner 1934 Gesch. d. Homöopathie //104 Stahl [Georg Ernst, 1660—1734] ist der Begründer des „Animismus"; Kainz 1941 Psychologie / 301 Der Physiologe M. Verworn . . erklärt die ähnliche phylogenetische Tatsache . . aus der durch die Konzeption der Seelenidee hervorgerufenen Geistesrevolution. Nach Bühler . . dagegen, der nicht geneigt ist, dem Animismus diese Rolle zuzugestehen, wird diese Wendung . . durch das Aufkommen der Sprache . . bewirkt; 1959 Fischer Lex. Medizin 183 Alle überlieferten Vorstellungen über die Prinzipien der Heilwirkung (Magie, Animismus . .); Ritter 1971 Hist. Wb. d. Philos. l 316 Animismus . . Den Begriff selbst übernahm er [Tylor] aus der älteren Psychologie, vor allem aber in Anlehnung an seine Verwendung bei dem deutschen Mediziner und Chemiker G. F. Stahl (1660-1734); Mittelstraß 1980 Enz. Phil. u. Wiss. theone l 117 Animismus . . ursprünglich die von G. E. Stahl (Theoria medica vera, 1708) entwickelte Auffassung, daß alle organischen Vorgänge im Körper über Gehirn und Nervensystem durch ein immaterielles seelisches Element gesteuert werden. Animist: 1S56 Mozin Wb. III 81b Animist m. Phys. (Anhänger des Animismus) animiste. animistisch: 1893 Allg. Dt. Biogr. XXXV 785 Erst dem großen Haller war es vorbehalten, die Wahr-
heiten der animistischen Lehre mit den physikalischen Theorien wieder in Einklang zu bringen; Th. Mann 1936 Reden u. Aufs. (W. IX 489) Er [Freud] macht ihr [der Philosophie] zum Vorwurf, daß sie . . wohl gar an die Intuition als Wissensquelle glaube und geradezu animistischen Neigungen fröne, indem sie an Wortzauber und an die Beeinflussung der Wirklichkeit durch das Denken glaube. Animismus b: Büchner 1898 Sterbelager 183 daß der Animismus der Urzeit, diese früheste Vorstufe der Religion, in modernisierter Gestalt wieder neu auflebt; Lindner 1901 Geschichtsphilos. 166 Diese Kulturzeitalter sind folgende: Animismus, . .; Wernle 1901 Anfänge unserer Religion 18 Gerichtspredigt der Propheten, . . uralter Animismus, vom Vergeltungsdogma umgestaltet; Gomperz 1905 Weltanschauungslehre l 57 weil es sich . . hier um den Dingbegriff der Praxis handelt, habe ich nur von einer Belebung, nicht aber von einer Beseelung der Dinge gesprochen, und möchte auch den Ausdruck Animismus nur im ersteren Sinne verstanden wissen; Büchner 1909 Arbeit 153 In dem Zusammenhange .. sind sie wohl vor dem Schicksal gesichert, unter das Schlagwort des „Jagdaberglaubens" oder dasjenige des jetzt Mode gewordenen „Animismus" gebracht zu werden; Kabisch 1910 Religion 29 von dem mächtigen Kraftstrom des Gefühls einer gesicherten Existenz, der aus dem Animismus in Gestalt des Ahnendienstes in das Leben sich ergießt; Freud 1911—24 metapsychol. Sehr. 77 Die psychoanalytische Annahme der unbewußten Seelentätigkeit erscheint uns einerseits als eine weitere Fortbildung des primitiven Animismus; Wundt 1912 Elemente d. Völkerpsychologie 138 Um so mehr haben hier [in Afrika] Animismus und Fetischismus . . üppige Blüten getrieben; ebd. 191 So mündet hier der Totemismus unmittelbar
Animismus in den Seelenglauben oder Animismus ein; Preud 1912—13 Totem 127 das notwendige psychologische Erzeugnis des mythenbildenden Bewußtseins und der primitive Animismus dürfte als der geistige Ausdruck des menschlichen Naturzustandes gelten; ebd. 142 Die erste Weltauffassung, welche den Menschen gelang, die des Animismus, war also eine psychologische . . Der Animismus war aber dem primitiven Menschen natürlich und selbstgewiß .. Wir . . dürfen . . den Versuch machen, was der Animismus von der Natur der Dinge lehrt, in die menschliche Seele zurückzuversetzen . . Es ist wenig mehr aus der Erfahrung über den Präanimismus zu sagen, da man noch kein Volk angetroffen hat, welches der Geistervorstellungen entbehrte; Spann 1914 System 77 Den Animismus, die Allbeseelung; Scheler 1916 Formalismus 421 Der Animismus Totem gegenüber — den Avenarius heranzieht — setzt die Bidlung der Idee „Ich", „Seele" offenbar voraus; Feuchtwanger 1930 Erfolg U 218 Er verbot sogar dem Freidenkerverein den Vortrag eines bekannten Forschers über Animismus bei den Papuas; 1935 Anthropos XXX 755 E. B.Tylor[s] . . Begriff des „Animismus"; Krieg 1946 Marquarts Vortr. ü. Grenzgebiete d. Biologie 76 Animismus, vielleicht Totemismus, schließlich Mystizismus beherrschten sie; Horkheimerl'Adorno 1947 Dialektik 15 Die Entzauberung der Welt ist die Ausrottung des Animismus; Ceram 1949 Götter 355 Mit dem Einmarsch ins Reich der Azteken trafen die Spanier zum erstenmal nicht mehr auf Wilde, bei denen die Religion nur in leicht zu erschütternden Riten und Bräuchen bestand, aus einem primitiven Animismus; Ritter 1971 Hist. Wb. d. Philos. I 316 Dieser . . Ur-Animismus wurde . . dann auf alle übrigen Erscheinungsformen der Natur übertragen, indem man den Tieren und Pflanzen sowohl wie den Steinen, Gewässern, Bergen, Sternen, ja selbst Geräten, Schmucksachen usw. persönliche bzw. „Gegenstandsseelen" . . verlieh; ebd. I 317 R. R. Marett, der die Begriffe Präanimismus und Animatismus schuf; ebd. l 318 Piaget definierte Animismus als die Tendenz des Kindes, Objekte als lebende, mit Bewußtsein und Willen versehen zu betrachten; Fries 1974 Luftschiff 236 Vermutlich hatte Kaiser II. seine Tage als Produzent von Vogelscheuchen geendet, . . Abfallprodukte seiner vergeblichen Versuche, ihnen das Fliegen beizubringen, eine Niederlage seines Animismus, und auch der Wind würde vergeblich versuchen, ihnen Luft unter die Arme zu machen und die Stoffetzen zu beleben, vogelgleich; Ch. Meier 1978 Prozesse 54 die im Zeichen des modernen Animismus und moderner Hostifikationen verbreiteten Annahmen über den Subjektcharakter der „herrschenden Schichten"; Zeitmagazin 18.10.1991 Ob die zum Teil anrührend altmodisch anmutenden Animis-
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mus-Strategien der Werber wirklich funktionieren oder ob wir Salamanders Lurchi als Plüschtier ordern . . hat die Werbeforschung bisher überraschend wenig ventiliert. Animist: Niebergall 1911 Person 114 Der Mensch ist von Hause aus Animist, und dieser animistische Grundzug ist schier unausrottbar; Scheler 1916 Formalismus 421 auch kein Animist läßt den Stein das Tier ebenso „wahrnehmen", wie das Tier den Stein wahrnimmt; Friedell 1928 Kulturgesch. 11 256 Das große Aufsehen, das diese Beobachtung [der galvanischen oder Berührungselektrizität] erregte, wurde in erster Linie durch die mysteriöse Erscheinung des zuckenden toten Tierkörpers hervorgerufen, in der die „Animisten" die Äußerung einer geheimen über den Tod hinaus währenden Lebenskraft erblickten; denn die Sehnsucht nach Wundern war .. in diesem rationalistischen Zeitalter durchaus nicht ausgestorben. animistisch: 1895 Mitt. d. Anthropol. Ges. XXV 1,5 Erörterungen . . über die Bedeutung des Seelencults, welcher .. gegenwärtig als etwa gleichberechtigte Wurzel religiöser und mythologischer Vorstellungen neben die früher fast allein beachtete animistische Personification der Naturphänomene getreten ist; Gomperz 1905 Weltanschauungslehre l 61 Fast mit den Worten Humes dagegen erklärt Gomperz . . die anfängliche „theologische" Denkweise der Menschheit (die sich mit der von uns als „animistisch" bezeichneten nahezu völlig deckt); Freud 1912-13 Totem 126 Die Mehrzahl der Autoren neigt zu der Annahme, daß diese Seelenvorstellungen der ursprüngliche Kern des animistischen Systems sind, daß die Geister nur selbständig gewordenen Seelen entsprechen und daß auch die Seelen von Tieren, Pflanzen und Dingen in Analogie mit den Menschenseelen gebildet wurden; ebd. 127 die . . animistischen Vorstellungen bei den verschiedensten Völkern . . die animistische (mythologische) [Weltanschauung]; Rathenau 1917 v. kommenden Dingen 154 daß in den Winkeln ihres [der Welt] Gewissens allerorten noch Glaubensreste der Zeiten, transzendenter, mythologischer, fetischistischer und animistischer Herkunft sich vorfanden; Kittel 1921 Religion 82 Es ist ein Stück animistischer Weltanschauung, über das die Jahwereligion lange keine Macht gewann. Weil es zu tief in der Seele des Volkes haftete und zu eng mit längst eingebürgerten Bräuchen verwachsen war, wurde es all die Jahrhunderte hindurch zäh festgehalten; Gräbner 1924 Weltbild 9 animistische Weltanschauung . . aus den Anschauungen von Tod und Schlaf gewonnen; Werfel 1928 Abituriententag 130 Mit schweren Köpfen . . drängten wir uns zusammen und diskutierten über Du Preis Lehrmeinun-
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gen oder Aksakows animistische Theorie von der Freizügigkeit noch auf Erden lebender Intelligenzen; Kriss 1933 Volkskunde H 13 animistische Strömungen; Liek 1933 Welt d. Arztes 151 Um die Mitte des vorigen Jahrhunderts machte der Arzt sich frei von naturphilosophischen, vitalistischen, animistischen Spekulationen; 1961 Natur u. Heimat I 29 Den alten animistischen Glaubensvorstellungen folgend, konnte auch auf dem Grabhügel ein Baum wachsen, der als Träger des Lebensprinzipes (der anima) des Verstorbenen angesehen wurde; K. L. Schneider 1968 Bildhafter Ausdruck 63 Die verbale Metapher beherrscht bei Heym nicht quantitativ aber qualitativ das Feld. Nur mit ihrer Hilfe kann der Dichter sein dämonisch-animistisches Weltbild entwerfen; Ritter 1971 Hist. Wb. d. Philos. l 318 Neuere Überlegungen knüpfen an Piagets Ansatz an, animistisches Denken in Zusammenhang zu sehen mit der Entwicklung des kausalen Denkens überhaupt und die Neigung, anderen Personen Verantwortlichkeit für bestimmte Ereignisse zuzuschreiben; Fühmann 1974 Erfahrungen 85 Dieser Auffassung von Literatur liegt ein merkwürdig animistischer Glaube zugrunde; Mittelstraß 1980 Enz. Phil. u. Wiss.theorie l 117 Nach dem englischen Athropologen E. B. Tylor (1832—1917) wurzelt alle Religion in animistischen Vorstellungen; ebd. Animistische Vorstellungen gelten heute in Ethnologie, Religionswissenschaft und Entwicklungspsychologie als gegenüber ursprünglichen mythischen Formen der Religion abgeleitete Phänomene; Zeit 5.6.1987 Godards Bilder sind animistisch, er macht die Dinge zu Akteuren.
„Animatismus" gebraucht wird, beschränken wir auf den Seelenglauben, Geisterglauben; Freud 1912-13 Totem 125 Man unterscheidet noch Animatismus, die Lehre von der Belebtheit der uns unbelebt erscheinenden Natur, und reiht hier den Animalismus und Manismus an; ebd. 142 Unsere psychoanalytische Betrachtung trifft hier mit einer Lehre von R. R. Marett zusammen, welcher ein präanimistisches Stadium dem Animismus vorhergehen läßt, dessen Charakter am bestem durch den Namen Animatismus (Lehre von der allgemeinen Belebtheit) angedeutet wird; Spann 1923 Gesellschaftslehre 328 Animatismus . . gleichbedeutend mit Präanimismus bei Marett; Brzoska 1931 Auffassung 9 Ein Wort noch zu Ausdrücken wie Animismus, Animatismus und ähnliches, die man mit Wendungen wie „Fuß des Berges", „Bauch des Gefäßes" u. a. vielleicht gern in Verbindung bringt; Ritter 1971 Hist. Wb. d. Philos. l 317 Eine . . Einschränkung erfuhr der Animismus durch die Theorie des Präanimismus, derzufolge der Mensch zunächst noch keinen Seelenglauben besaß, sondern die Natur algemein für belebt hielt (daher auch Animatismus) . . und dabei einzelnen Dingen, Erscheinungen oder Lebewesen eine besondere magische Wirk- bzw. Ausstrahlungskraft zuschrieb . ., die das Kräftespiel in der Natur bestimmt; ebd. R. R. Marett, der die Begriffe „Präanimismus" und „Animatismus" schuf; Mittelstraß 1980 Enz. Phil. u.Wiss. theorie I 117 Animatismus tritt in dieser Diskussion als eine eingeschränkte Form des Animismus auf: statt des Glaubens an eine Allbeseelung wird der Glaube an eine Allbelebung an den Anfang primitiver religiöser Auffassungen gesetzt.
Animatismus: Nilsson 1911 Primitive Religion 13 Den Ausdruck „Animismus", der oft auch für
animatistisch: Nilsson 1911 Primitive Religion 19 animatistische Auffassung.
Animosität F. (-; -en), im frühen 17. Jh. entlehnt aus (flekt. Form von) lat. animositas 'Herzhaftigkeir, Mut; Leidenschaftlichkeit, Gereiztheit, Heftigkeit (im Zorn)'. 1 Zunächst bis ins 18. Jh., ohne Pl. verwendet, in der Bed. 'Mut, Beherztheit, Kühnheit, Tapferkeit', vereinzelt auch 'Verwegenheit, Dreistigkeit' (s. Beleg 1727). 2 Seit späterem 17. Jh., eventuell unter Einwirkung von gleichbed. frz. animosite, in der Bed.'zornige, hitzige Leidenschaftlichkeit, Gereiztheit, Heftigkeit, aufgebrachtes, gereiztes Wesen, Erbitterung', seit dem 18. Jh. zunehmend auch für 'Widerwillen, Abneigung, Feindseligkeit, Feindschaft, Haß', gelegentlich auch, meist plur., für 'feindselige Einstellungen, Handlungen, Äußerungen' (s. Belege 1768, 1867, 1968, 1970), in Wendungen wie gegen jmdn. Animositäten haben, verspüren. Dazu seit früherem 17. Jh. das aus lat. animosus 'herzhaft, mutig; ungestüm, hitzig, leidenschaftlich' entlehnte Adj. animos, zunächst in der veralteten Bed. 'herzhaft, mutig, tapfer' (zu 1). Seit Anfang 19. Jh. für 'leidenschaftlich erregt, aufgeregt, gereizt, aufgebracht, erbittert' (—»· animieren Id) und bes. 'feindselig', heute nur noch selten verwendet (zu 2).
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Dazu das im früheren 18. Jh. aus dem Ital. übernommene, bis heute gebuchte Adv. animoso, als musikalische Vortragsbezeichnung für 'lebhaft, munter' (zu 1). Animosität 1: Wallhausen 1616 Kriegskunst z. Pferdt Vorr. Vlll Ist dir nicht eingedenck bey Reinberg/ als die Cavallerey auff die 500. zu Fuß ohne Fußvolck erlegete/ . . darunter auch ein tapffer junger Heldt . . wegen seiner grossen coragie vnd animositet, (so zu beklagen) bliebe; Furttenbach 1630 Architect, mart. Vorr. 2a daß . . sie vmb dero dapffere animositet, vnd wolfundirten experienz willen/ sehr weit vnd ansehnlich befürdert worden; 1689 Polit. Fliegenwedel I 77 als ob Frankreich die Augspurgische Defensions Lige nicht achten thäte/ sondern Animosität genug hätte/ die Bundsgenossen solcher Lige mit neuen Zumuthungen zu beunruhigen; Weissenbruch 1727 Zigeuner-Bande 53 und hat man nicht nöthig, mit ihrer Antwort sich lang aufzuhalten, indeme solche allemahl in negat & nescit bestanden, mithin alles mit der grösten Animosität abgeleugnet worden; Sperander 1727 A la mod Sprach 35 Animosität/ Hertzhafftigkeit/ Großmut; Zedler 1732 Universallex. II 338 Animositaet, Animosite, wird Hertzhafftigkeit .. genennet; Bürckhle 1742 Process II 575 Worgegen nicht irret noch hindert, was jenseitiger Anwaldt . . deblatterirt, und sich dabey nicht scheuet, zu Verkleinerung derer .. Reichs-Ständen mit einer hochsträfflich- und vermessentlicher Animosität zu sagen, Königlich-Fürstlich- und Gräfliche. animos: Micraelius 1639 Altes Pommerland I 544 Welche Legation auch bemelter Lasky/ als er am Kayserlichen Hofe lange warten muste/ . . so animoß vnd behertzet ablegete; Duez 1642 Diet. 31 Behertzt/ Animosus; Weingarten 1673 FürstenSpiegel I 117 und ist selbige [die kämpfende Republik] in solchem widerwerthigen Zustand immer animoser, wo nicht gar miraculos erschienen; Zedler 1732 Universallex. II 338 Animosus, behertzt, hertzhafftig, tapfer, frisch, muthig, großmüthig, kühn, wacker, resolut. animoso: Zedler 1732 Universallex. II 338 Animoso, anime, beseelt, belebt, frisch, welches die Musici sehr brauchen; Walther 1732 Musical. Lex. 37 Animoso (ital.) anime (gall.) beseelt, belebt, frisch. Animosität 2: Duez 1664 Diet. 30 Animosete . . Verbitterung / feindschafft/ zorn/ entrüstung/ vnd haß/; Leibniz 1698 Dtsch. Sehr. I 362 In Religionssachen haben Sie der reinen evangelischen Lehre, darin Sie erzogen, beständigst beigepflichtet . . gleichwohl aber gegen die Andersgesinnte keinen Haß oder Animosität, sondern Moderation erwiesen, und eine christliche Concordiam gewünschet;
Elis. Charl. 1702 Br. I 282 die königin [von England] . . sprach davon [vom Tod des englischen Königs Wilhelm] ohne einige annimositet; ebd. 1719 IV 133 [der Streit um die 80. Frage des Heidelberger Katechismus] weist nur animossitet ohne probe undt man solte nicht so hart reden gegen etwaß, so doch daß gedächtnuß deß leyden undt sterben Christi ist; Sperander 1727 A la mod Sprach 35 Animosität . . zuweilen aber heist es auch: Feindschafft/ Haß/ Widerwillen/ Verbitterung; Zedler 1732 Universallex. II 338 Animositaet, Animosite, wird . . Hitze, Verbitterung genennet, daher man spricht, es ist zwischen beyden Parrheyen eine große Animositaet, welches so viel sagen soll: Sie sind so erhitzet und verbittert gegen einander, daß keiner dem ändern weichen wollen, dergleichen einige Zeit hero in England zwischen den Torys und Wighs gewesen; Wieland 1758 Ges. Sehr, i 4,508 sie waren auch von einem fast unerträglichen Stolz und von einer heftigen Animosität gegen die anderen Secten eingenommen; Herder 1768 S. W. 353 Alle Seiten [der Hällischen Bibliothek] wimmeln von „Alamodisch denken", . . Animositäten; Kant 1783 Ges. Sehr. X 337 Das letztere glaube ich nicht von Ihrem Götting'schen Freunde annehmen zu können, der, gantz ungereitzt, seine ganze recension hindurch, . . nichts als animositaet athmete; 1783 Unterrichtswesen d. Großherzogtümer MeckL, Schwerin u. Strelitz II 313 Bei nötiger Bestrafung der Kinder muss der Lehrer durchaus von allem wilden Feuer der Affekten, von aller Animosität gegen Eltern und Kinder frei sein; Moritz 1793 Grammat. Wb. l 124 Animosität. Die deutschen Wörter Haß, Erbitterung, machen diesen fremden Ausdruck ganz entbehrlich; Goethe 1804 Br. (WA IV 17,217) Recension des Reilischen Werks . . dringt . . mit Animosität auf die schwachen Seiten dieser Schrift, läßt dem Guten wenig Gerechtigkeit widerfahren und schließt auf eine sehr tückische Weise; 1816 Aug. Lit.-Ztg. II 62 daß er auch in ändern schwedischen Provinzen . . keine Wirkung von Nationalhaß oder Animosität gegen Dänemark gespürt habe; Matthisson 1825 Sehr. V 334 Der einzige Sterbliche, gegen den ich ihn jemals mit einer leichten Schattirung von Animosität reden hörte, war Voltaire; Pückler 1835 Semilasso II 148 Ich könnte nicht die mindeste Animosität gegen ihn haben; Heine 1836 Br. II 127 Indem ich wünsche, daß mein Benehmen . . keineswegs als politische Widersetzlichkeit . . am allerwenigsten aber als Animosität gegen preußische Behörden gedeutet werde, will ich die Gründe . . erörtern; Laube 1837 Reisenovellen 5 daß man so viel Animosität gegen das Berlinische findet: davon liegt
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der Grund in ganz ändern Dingen; F. List 1846 Sehr. Vlll 804 Wir glauben, damit den Beweis zu liefern, daß uns keinerlei persönliche Animosität leitet; Heine 1851 Br. III 337 Der buchhändlerische Succeß des Buches kann mir viel schaden, da er Animositäten hervorruft; Ranke 1867-90 S. W. XLVII 257 Napoleon habe mit den Deputirten von der Nothwendigkeit gesprochen, eine Nationalrepräsentation einzurichten, um in derselben ein Gegengewicht gegen die königliche Autorität zu bilden, so dass künftighin ein Krieg nicht durch Intriguen oder Animositäten herbeigeführt werden könne; 1871 Westermann's Jahrb. XXX 541 zeigte kaum die Sprache der französischen Blätter eine so starke Animosität gegen Preussen als die Kundgebungen des österreichischen Staatskanzlers; Bismarck 1875 Polit. Reden VI 33 Die Organe der Ultramontanen . . reizen zur Animosität gegen den protestantischen Theil der Bevölkerung; Th. Mann 1901 Buddenbrooks (W. 1275) Wer den alten Familienzwist in Form einer allgemeinen und unbestimmten Animosität hegte und bewahrte, das waren vielmehr seine Damen: seine gutmütige und beschränkte Gattin nicht sowohl wie die drei ältlichen Mädchen, die weder die Konsulin, noch Antonie, noch Thomas ohne ein kleines giftiges Flämmchen in den Augen anzublicken vermochten; Paulsen 1909 Aus meinem Leben 196 Zeller behandelte die Angelegenheit ohne persönliche Animosität, obwohl ich auch gegen ihn polemisiert hatte; Th. Mann 1939 Lotte (W. U 577) Aber das ist es eben, daß die vom Geburtsadel im Grunde vor Animosität bersten gegen den Verdienstadel; ders. 1942 Reden u. Aufs. (W. XI 475) Obgleich sie doch selbst nicht ledig geblieben war, konnte sie eine grundsätzliche Animosität gegen Schwiegersöhne nie ganz unterdrücken; ders. 1947 Faustus (W. VI 284) es war klar, daß eine gewisse Animosität des Contadino gegen das studierte Familienmitglied sich hier unter einem allerdings gut gewählten Verwände Luft machte; Hesse 1950 Br. 332 Seither haben die Leute, die nicht gern denken, die Schwärmer für Blut und Boden, Volksgemüt und Volkszorn, die Animosität gegen das, was sie „Geist" nennen, die Angst vor dem Denken und Urteilen, die Scheu vor Kritik und genauer Formulierung weitergepflegt; Dürrenmatt 1956 Panne 223 sein Klient habe schwer unter ihm zu leiden gehabt, sich auch in eine wahre Animosität gegen ihn hineingesteigert, ihn zu stürzen versucht; Kayser 1957 Groteske 120 die „Animosität des Ob-
jekts": Welt 14.10.1964 die uralte Animosität zwischen Dorf und Stadt; Süddtsch. Ztg. 5.12.1968 [ein] Beitrag zur Demokratisierung der Gesellschaft und zum Abbau falscher Animositäten; FAZ 9.2.1970 Assistenten und Studenten waren nicht kooperationsbereite Personen, die der Sache dienen wollten. Sie pflegten ihre gruppenspezifischen Animositäten und dienten bedingungslos ihrer Ideologie, dem Dogma von der (formalen) Demokratisierung der Universität; FAZ 4.12.1971 das Austragen persönlicher Animositäten unter Fachministern; Zeitmagazin 3.10.1991 Unbeabsichtigt provozieren sie mit ihrem dynamischen Marktwirtschaftstritt unfreundliche Stimmung. Mir ist unbehaglich bei diesen deutlichen Animositäten. animos: Goethe 1804 Br. (WA IV 17,80) Diese Recension [Overbecks Rezension von Schlegels Blumensträuße italienischer, spanischer und portugiesischer Poesie] können wir nicht wohl abdrucken, weil sie animos ist ohne gründlich zu seyn . . einen Mann wie Schlegel . . dürfen wir nicht wie einen Schüler abfertigen; Frhr. vom Stein 1808 Briefw., Denkschr. u. Aufzeichn. II 416 dass er sich theils zu . . animosen Kritiken . . hinreissen ließ; DrosteHülshoff 1838 Br. I 286 so glaube ich doch, daß diese Zeitung ein sehr animoses Blatt ist; Dingelstedt 1847 Jusqu'a la mer 171 die giftigen, harten, animosen Worte; Alexis 1852 Ruhe II 4,68 „Ich war in einer animosen Laune, Wer widersteht einem Impuls?"; Freytag-Ernst v. Sachsen-C. 1860 Briefw. 147 Im Stillen freilich hat mich peinlich berührt, daß das ausführliche Gutachten der Commission . . besonders animos gegen mein Stück war; Rodenberg 1860 Insel d. Heiligen I 114 [der Wärter, der] mit einem animosen Fusstritt den Fidibus austrat; Vischer 1879 Auch Einer l 32 „Animos", fuhr er fort, — „haben Sie denn auch nur schon beobachtet, wie das fallende Papierblatt uns verhöhnt? .."; Brahm 1890 (Freie Bühne für modernes Leben I 728) Ich verstehe nicht, wie Sie als Schriftsteller so animos sein können; Grosse 1896 Ursachen u. Wirkungen 82 Unser Specialulk aber war, den Scharfsinn der leitenden Häupter durch animose Fragen zu reizen; ebd. 364 ein früherer Professor aus Nürnberg, der sich bald als animoser Gegner P. Heyses und seiner Freunde demaskierte; 1957 Wiss. Annalen I 22 [Die Redaktion] meinte, dieses Dokument sei durchdrungen „von einer animosen Voreingenommenheit . .".
Animus M. (-; ohne PL), seit frühem 18. Jh. nachgewiesene Entlehnung aus lat. animus 'Geist, Seele, Mut'. l Zunächst in der juristischen Fachsprache für 'Wille, Absicht, Vorsatz', bis ins 20. Jh. gebucht, bes. in lat. Wendungen wie ex animo 'mit dem Vorsatz, in der
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Absicht', animo occidendi 'in der Absicht zu töten', animo defendendi 'in der Absicht, sich zu verteidigen'. 2 Seit spätem 18. Jh. in der Bed. 'Mut, Herz, Gemüt, Gesinnung', bes. in lat. Wendungen wie uno animo 'eines Sinnes, einmütig', animi causa 'zur Ergötzung des Gemüts, zum Vergnügen'; seit späterem 19. Jh. bes. für 'Geist', z. B. der Animus der Revolution. 3 Anfang 19. Jh. vereinzelt in der Bed. 'Lust, Stimmung, Schwung', bes. in den ugs. Wendungen (keinen) Animus zu etwas haben '(keine) Lust zu etwas haben'. Vgl. das im früheren 19. Jh. aus ital. animo entlehnte Subst. Animo N.(-s; ohne PL), vorwiegend regionalspr. (bes. österr.) für 'Lust, Stimmung, Schwung', z. B. (kein) Animo (zu etwas) haben; gleichzeitig auch für 'Vorliebe', z. B. ein Animo für etwas haben. 4 Seit spätem 19. Jh. regionalspr. und ugs. verwendet in der Bed. 'Ahnung, Vorahnung, innere Eingebung', meist in der Wendung einen Animus haben. 5 Seit frühem 20. Jh. in der Fachsprache der Psychologie (nach C. G. Jung) in der Bed. 'im Unbewußten der Frau verankerte Vorstellung vom Seelenbild des Mannes'. Vgl. dazu das gleichzeitig aus lat. anima 'Luftzug, Windhauch, Seele, Leben' entlehnte Subst. Anima F. (-; -s) 'im Unbewußten des Mannes verankerte Vorstellung vom Seelenbild der Frau'. Animus 1: Sperander 1727 A la mod Sprach 35 Animo injuriandi u. nocendi aus bösem Gemüt oder der Meynung einen zu schänden oder auch zu schimpfen/ und des Sinnes einem zu schaden; Zedler 1732 Universallex. H 338 Animus . . der Vorsatz, die Absicht. Animi causa, Lust halben. Animo defendendi, aus der Meynung sich zu retten oder zu wehren; Iffland 1795 Schemverdienst (Theatral. W. IV 61) Sie sollen deßhalb keinen bösen Animum gegen mich hegen; Campe 1813 Fremdwb. Ill Animus. Dieses Lat. Wort, welches eigentlich das Gemüth, die Seele bezeichnet, wird von unsern Rechtsgelehrten noch immer für das Deutsche Absicht gebraucht. Animus occidendi, die Absicht zu tödten. Hierher gehören auch die Kanzelleiblümchen: Animo deliberato, mit Vorsatz, absichtlich, mit Überlegung; Animo defendendi, zur Vertheidigung, oder in der Absicht sich zu vertheidigen; Pfister 1814 Criminalfälle 131 animus occidendi.
Geist, den animus der Revolution, wie konnte ihn ein Hartig, Fiquelmont richtig auffassen?; Raabe 1890 S, W. /// 5,132 Heinrich Stopfkuchen - . ., mit allem Humor und Animus, aber auch mit der dazu gehörigen Faust für die Sache; 1932 ZfGeopol. IX 271 Europa vermittelte, neben dem animus economicus, stets auch geistige Güter; Heidegger 1954 Was beißt Denken? 96 Animus meint zwar jenes Sinnen und Trachten des Menschenwesens, das überall von dem her, was ist, bestimmt und das heißt gestimmt bleibt; Th. Mann 1955 Reden u. Aufs. (W. IX 927) welch ein Leben! verbracht in nie rastender, immerfort vorwärts, aufwärts drängender Tätigkeit, im Zustande — so müssen wir es uns denken — eines motus animi continuus.
Animus 2: Hermes 1789 für Eltern l 357 Sie kennen ihn . . und wissen . ., dass er ein wakrer Kerl ist — dieser nun hat Animum [ein Mädchen zu freien]; Keller 1854 Leben, Br. u.Tageb. II 358 Paul Heyse [ist] ein wirkliches und schönes Talent, welches aber noch gar keinen rechten Animus hat; Raabe 1864 Hungerpastor 137 Unser Vorteil besteht gerade auch darin, daß wir mit einem freieren, geistigeren animus in solches Elend, in solchen Tod [für Schicksal, Ehre und Glück der deutschen Nation] gehen; Bucher 1868 Kl. Sehr. 162 Um den Animus [der Versammlung] zu beurteilen, müßten die Geschworenen die Einladungen zu dem Meeting in Betracht ziehen; Kudlich 1873 Rückblicke l 154 Und gar den
Animo : Nestroy 1838 S. W. VI 532 Das Geld gibt mir wieder neues Animo; Mater-Rothschild 1879 Handelswissenschaften II 383 Animo (SCHIRMER, Kaufmannssprache); Mendelssohn 1841 Br. 169 Es macht mir große Freude zu sehn, mit welchem wüthenden Animo sie alle dabei sind; HahnHahn 1844 Oriental. Br. 12 ich hatte keinen Animo [zu schreiben] in dem unglückseligen Lande [Griechenland]; Waldmüller 1884 Darja 123 Ich hatte als Kind nicht das Freuen gelernt. Das holt sich nicht nach. Starke Knochen — Muskeln und Sehnen wie für zehn, aber kein Animo; auf dem Grunde des Herzens Missmut; Busch 1896 Tanzmeister 12 das Animo des Ballsaales; Fischer 1904-1936 Schwab. Wb. VI 2, 1514 Animo .. m.:
Animus 3: Campe 1813 Fremdwb. 111 Man hört auch, besonders in der Rothwälschen Sprache der Hochschüler keinen Animum zu etwas haben, d. i. keine Lust, keinen Trieb.
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Lust, Neigung, in Oschw. weit verbr.; Schirmer 1911 Kaufmannssprache 12 Animo n. 'Kauflust, Nachfrage', mod. Börsenausdruck (aus dem Ital.); Werfet 1924 Verdi 471 Der Dirigent taktierte ohne Animo; Baur 1956 Schriftspr. i. Österr. 96 Der italienische „animo" begegnet uns wieder im österreichischen „Animo" (Neutrum = Lust, Schwung, . . ÖWb). Animus 4: Sünde 1885 Farn. Buchholz 2 Habe ich irgendwo einen Animus, so trifft er auch ein und zwar mit einer Genauheit; Georgy 1900-02 Berl. Range l 107 Nun geht Ihnen wohl ein Animus auf, Herr Amtsrichter? (BBWB); Müller-Fraureuth 1906 Sachs. Volkswörter 109 Hat jemand einen Animus von etwas, so wird ihm sicher eine Ahnung vorschweben; ders. 1911 Wb. d. obersächs. Mundarten I 22 Animus Ahnung, Furcht, Hoffnung in der Redensart: en Animus haben; lat. animus Hauch, Atem, Geist an Ahnung angelehnt; H. Meyer/S. Mauermann 1921 Der richtige Berliner 9a Animus m., Ahnung; z. B. „Ick hatte jleich den richtijen Animus"; Lauff 1927 Perdje Puhl 334 Mein Animus sagt mir: wo Perdje herumstreicht, da fallen die Körner aus; Stammler 1954 Kl. Sehr. 144 Aus der Juristensprache ist die scherzhafte latinisierende Bildung Ahnimus, angelehnt an lat. animus „Absicht", in die gemeindeutsche Alltagssprache gedrungen und seit den achtziger Jahren verbreitet, in Berlin: Nun geht Ihnen wohl ein Ahnimus auf , . wie in Sachsen: bis ersch endlich animuste; 1956 Hamb. Wb. 117 Animus m. . . Ahnung (scherzh.): ik heff so'n Onimus; dor hett he keen Onimus van; Philipp 1960 Apoll 86 . . damit das Publikum einen Animus kriegen sollte von det unheimliche Gewicht, was er tragen konnte (BBWB); 1976 Brandenburg-Berl. Wb. l 116 ahnen . . Dazu berl. A(h)nimus, m. 'Ahnung, Vorstellung' (Anlehnung an lat. animus; um 1870 wohl in humanistisch gebildeten Kreisen aufgekommen); Berger 1989 Verfährt 172 Ich kann mir nicht helfen, aber ich habe so den Animus, als ob das irgendwie mit dem Kram zusammenhängt, den sie von Schuster übernommen haben. Animus 5: Jung 1916 Psychologie d. Unbewußten 161 Anm. l Dieses Männliche in der Frau habe ich als Animus bezeichnet, und das entsprechende Weibliche im Mann als Anima; 1927 ZfMenschenkunde IV 253 Nach Jung ist die Seele des Mannes
weiblich (anima), die der Frau männlich (animus). . . Da der Reiz ihres Leibes von selbst die Beziehung zum Manne schafft, hat ihre Seele, der Animus, eine andere Aufgabe. Sie ist, wie gesagt, männlich. . . Daher ist der Animus der Frau logoshaft. . . Der Animus ist das Erkenntnisorgan der Frau . . leitet sie wesentlich bei der Wahl des Mannes .. der Animus entwickelt sich parallel mit der Anima des Mannes; Ritter 1971 Hist. Wb. d. Philos. I 314 Anima und Animus heißen in der komplexen Psychologie C. G. Jungs Archetypen des Kollektiven Unbewußten des Menschen. Die Anima ist als Archetyp das Bild und Prinzip der weiblichen Natur im Unbewußten des Mannes, der Animus das Bild und Prinzip der männlichen im Unbewußten der Frau. Anima: Jung 1916 Psychologie d. Unbewußten 161 Anm. l Dieses Männliche in der Frau habe ich als Animus bezeichnet, und das entsprechende Weibliche im Mann als Anima; ebd. 196 Ich erwähne insbesondere den Typus . . der Anima . . nebst einer unbestimmten Anzahl von Archetypen; 1927 ZfMenschenkunde IV 253 Nach Jung ist die Seele des Mannes weiblich (anima), die der Frau männlich (animus). Die Anima ist eroshaft und dient dem Mann, um Beziehungen zu schaffen, sowohl zur Welt als auch zum Geist, zum Ewigen . . den Mann [leitet] seine Anima bei der Wahl der Frau; 1936 Zeitwende XII 1,221 Dem erwachsenen Mann tritt an die Stelle der Eltern ein Wunschbild der Frau, das der unbewußten Weiblichkeit seines eignen Innern entstammt und häufig seine Liebeswahl bestimmt. Jung nennt dieses dem Bewußtsein des Mannes entzogene Urbild der eignen Seele die „Anima"; sie bildet den Gegensatz zu seiner „Persona"; Ritter 1971 Hist. Wb. d. Philos. l 314 Die Anima ist als Archetyp das Bild und Prinzip der weiblichen Natur im Unbewußten des Mannes; Rhein-Neckar-Ztg. 12./13. 9.1992 Es geht [in Thomas Schäfers Darstellung von Mann und Frau im Märchen] nicht nur um Frauen . ., sondern auch um Männer im Märchen, die sich von Muttersöhnchen zum Mann mausern . ., die die Nöte einer Männergemeinschaft kennenlernen . . und die Angst vor der Anima (Schäfer greift methodisch auf die Jungsche Märchendeutung zurück, die auch von Verena Käst und Marie-Louise von Franz vertreten wird) wie vor der „femme fatale" zu überwinden lernen müssen.
Annalen PL, im frühen 16. Jh. entlehnt aus gleichbed. lat. annales (zu ergänzen: libri 'Bücher') (subst. Pl. von annalis Adj. 'ein Jahr dauernd, das Jahr betreffend, jährlich, Jahres-', zu annus 'Jahr'; —» Anno), zunächst meist in der lat. (flekt.) Form, seit dem 18. Jh. in der eingedeutschten Form.
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In der Bed. 'nach Jahren geordnete Aufzeichnungen historisch bedeutsamer Ereignisse, chronologisch angeordnete Geschichtswerke, Jahrbücher' (im Unterschied zu —+ Chronik), früher selten auch in erweitertem Sinne von 'Überlieferung, Geschichte' (s. Belege 1772, 1812); häufig als Titel von jährlich erscheinenden Druckschriften (s. Beleg 1827). Als Grundwort in Zss. wie Hof-, Kloster-, Reichs-, Theaterannalen; auch übertragen verwendet, z. B. die Annalen der Menschheit (s. Belege 1776, 1867, 1932, 1945, 1985) und bildungsspr. häufiger in der Wendung etwas geht in die Annalen ein 'etwas ist so bedeutsam, daß es in die Annalen aufgenommen wird, unvergessen bleibt'. Dazu seit späterem 17. Jh. die subst. Ableitung Annalist M.(-en; -en) 'Verfasser von Annalen', seit Anfang 19. Jh. die seltene adj. Ableitung annalistisch 'den Annalisten, die Annalenschreibung betreffend' und seit späterem 19. Jh. das seltene Subst. Annalistik F. (-; ohne Pl.) 'Geschichtsschreibung in Form von Annalen; Erforschung von Annalen'. Annalen: Luther-Emser 1521 Str. I 74 f. dan sie auff yren vnkeuschen leben also vorstarret waren, das gemeyn priesterschafft Mentzer bistumbs wy Lampertus in annalibus suis schreibt yren ertzbischoff; Nazarei 1521 Gott 34 Leß einer die Annalia vnd hystorien; Hedio 1531 Josephus I 257 eüwere öffentliche Annales vnnd jar biicher; Franck vor 1542 Chronica 139 a nun so man nit allein die Poeten, sunder auch die Annales eben besihet, so find man kaum ein Fürsten . ., der nit . . dem gemeinen nutz grossen vnfall zugericht; Stumpf 1548 Chronick H 354 a von diser oberzelter Bischoffen regierung find ich kein Verzeichnung jrer . . handlungen, villycht auß vrsach daß die Annales oder geschienten von jar zu jar nit verzeichnet worden; Golius 1579 Onomasticon 148 Annales, Chronik oder Geschichtsbücher; Sperander 1727 A la mod Sprach 35 Annales, Jahr-Bücher, Jahr-Geschichte, Geschlecht- und Geburts-Register; i 772 Frankf. gel. Anz. 144 Alle Werke Shakespeares sind daher fliegende Blätter aus dem grossen Buche der Natur, Chroniken und Annalen des menschlichen Herzens; Müller 1773-79 Br. Vorr. Ill Annalen der deutschen Litteratur; Behrisch 1776 Buch Vorr. Xll Die Annalen der Welt stellen keinen Helden, keinen Gesetzgeber, keinen Dichter von ausserordentlichen Talenten auf; Grecourt 1787 W. II 75 Kurz Narren giebt's von allen Ständen. Mit klärlichen Beweisen angefüllt sind die Annalen, die den Satz bestärken; Matthisson 1791 Frankreich (U 278) Annalen der Weltgeschichte; Goethe 1801 Tag- u. Jahresh. (HA X 456) Es war der Tätigkeit Ifflands vorbehalten, . . durch eine glänzende Darstellung dieses Meisterstücks sich für alle Zeiten in den Theaterannalen einen bleibenden Ruhm zu erwerben; ders. 1812 Br. (WA IV 23, 162) Das Vorübergegangene kann unserm innern Äug und Sinn als gegenwärtig erscheinen durch gleichzeitige schriftliche Monumente, Annalen, Chroniken, Doku-
mente, Memoires . . Sie überliefern ein Unmittelbares; Seume 1813 Mein Leben l 43 Von den Kollegien, deren ich mich aus dieser Periode mit vorzüglichem Vergnügen erinnere, waren Morus' Vorlesungen über die Annalen des Tacitus unstreitig das erste; Goethe 1827 Tagebücher (WA III 11,15) Den 18. Theil der Annalen des Museums [Annales du Musee francais] vorlegend; Heine 1835 Romant. Schule 119 Er [Steffens] lebte zu Jena, als die Schlegel dort ihr Wesen trieben, und sein Name erklingt häufig in den Annalen der romantischen Schule; Fuchs 1838 Gehirnerweichung 164 So verhielt es sich in nachstehendem Krankheitsfalle, den ich . . schon an einem ändern Orte — in Puchelts Annalen Bd. 9 — mitgetheilt habe; Neue Rhein. Ztg. 23.6.1848 (MEW V 119) Das war der erste Tag der Junirevolution, ein Tag ohnegleichen in den revolutionären Annalen von Paris; Mahler 1860 Milit. Bilderbuch 60 Dieses sogenannte Commißvermögen haben geistvolle militärisch-juristische Philosophen unter dem schönen Namen matrimonium militare commissum in die Annalen der Naturgeschichte der Krieger verzeichnet; Hesslein 1867 Negerbarone 4 in den Annalen des erfolgreichen Fortschritts; Mosso 1899 Mensch 129 Während ich hier über ihren Tod berichte, der in den Annalen des Alpinismus immer als einer der traurigsten Vorfälle verzeichnet bleiben wird; 1903 Grenzboten IV 295 die Annalen der Strafanstalten wissen von manchem Fall zu erzählen; Kesten 1932 Scharlatan 218 Er hat mich zur Strecke gebracht . . mit einer meisterlichen Heuchelei, wie sie selten ist in den Annalen menschlicher Vorstellung; Th. Mann 1945 Reden u. Aufs. (W. XI 118) das Land, das sich zu Verbrechen verführen ließ, unerhört in den Annalen der Menschheit, wird eingenommen; Müller 1954 Mars Widm. 5 Bloße Annalen zu hinterlassen kann sich ein Dichter erlauben, der das Wesentliche in Dichtungen ausspricht; Partner 1964 Erben
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204 ein Blitz setzte diese, wie die Fuldaer Annalen berichten, 855 in Brand; ebd. 288 er fungierte als königlicher Geheimsekretär . . und überwachte die Niederschrift der Hofannalen; ebd. 332 mit einigem Stolz vermerken die Klosterannalen auch, daß zwei Schwestern Irmengards ebenfalls den Schleier nahmen; Zeit 8.11.1985 in den Annalen der Menschheitsgeschichte ist kein größeres Verbrechen aufgezeichnet als jenes, das unser Volk an den Juden verübt hat; MM 21.3.1986 nach den Aufzeichnungen der Klimatologen wird der Winter 1985/86 als eine der ungewöhnlich langen kalten Jahreszeiten in die Annalen der Klimatologie Südwestdeutschlands eingehen; ebd. 18.6.1988 Applaus vom Premierepublikum für einen „Götz", der sicher nicht in die Annalen der Theatergeschichte eingeht; Borst 1988 Barbaren 56 die Fränkischen Reichsannalen, die am Karlshof selbst entstanden sind; Spiegel 2.8.1993 Im „Picknick der Vampire" sind das die Storys um Graf Dracula und Anverwandte, längst als Klassiker in die Annalen der Popkultur eingegangen. Annalist: Praetorius 1665 Katzen-Veit C5a Noch andere Annalisten, welche die Sache wollen näher suchen . . die stehen in den Gedanken, als wenn Katzen-Veit ein Weiber Placker . . wäre; Birken 1677 Heldensaal 386 Die Annalisten geben ihm 58 Jahre; Schottgen 1745 Gesch. Conrads d. Großen 12 Doch der Sächsische Annalist . . hat uns hier gewiße Nachricht gegeben; 1772 Frankf. gel. Anz. 103 [er] bemerkt bey jedem Staat die Epochen, wann er angefangen, .. wann er christlich geworden, seine ersten Annalisten bekommen; Musäus 1781 Physiognom. Reisen IV 67 das Wort des alten sächsischen Herzog Wilhelms, das derselbe, laut des Annalisten Müllers Zeugniß, dem Rath zu Buttstädt . . anheim gab; Beckmann 1790—92 Erfindungen 111 230 Daß sie die Erfinderinn dieser Kunst sey, bezeugen alle Annalisten des Sächsischen Erzgebürges einmüthig; Goethe 1804 Winkkelmann (WA l 46,7) Nicht auf Besitz, sondern auf Wirkung war es angesehen, und um so mehr ver-
dient die höhere Cultur dieses Landes einen Annalisten; Beck 1812 Mittelalter 17 Die häufigen Klagen über die Dürftigkeit der Geschichtsschreiber des Mittelalters, die man mit dem verächtlich gewordenen Namen von Annalisten und Chronikschreibern bezeichnet; Wuttke 1875 Zeitschriften 21 Als Annalisten oder vielmehr Efemeridenschreiber denken sie [Zeitungsschreiber] allerdings nicht, wie der wirkliche Geschichtsschreiber . . an die Nachwelt, sondern haben den Eindruck auf ihre Zeitgenossen im Auge; 1952 Brockhaus l 296 Ähnlich wie im Altertum knüpften auch im Mittelalter die ersten Annalenverfasser (Annalisten) an den Kalender an; 1971 Meyer Enz. II 251 Die Verfasser der Annalen (Annalisten) pflegen allerdings auch . . die eigene Zeit ausführlich zu behandeln. Annalistik: Curtius 1866 Alterthum u. Gegenwart 281 Als sich nun der Geschichtsschreiber vorn Sänger trennte . . fand er im griechischen Staatenleben freilich keinen Stoff zu einer äußerlich registrierenden Annalistik; Nitzsch 1873 Die römische Annalistik von ihren ersten Anfängen bis auf Valerius Antias (Titel); 1966 Studium Generale XII 749 gewiß enthalten diese Listen naturgemäß nur mehr oder weniger ausführliche Notizen über Einzelergebnisse oder Regierungsjahre, bilden aber eben doch tatsächlich den Anfang der Geschichtsschreibung, des Aufzeichnens dessen, was gewesen ist (Annalistik); 1971 Meyer Enz. II 251 Dies Gliederungsschema findet sich auch in der Annalenschreibung (Annalistik). annalistisch: Niebuhr 1812 Rom. Gesch. l bald wurden .. flache Ideen über historische Treue, Ordnung und Vollständigkeit herrschend, welche zu der annalistischen Behandlung auch der längst vergangenen Zeiten führten; 1952 Brockhaus I 296 Nach dem 2. Pun. Krieg wurde die annalistische Darstellungsweise zur Form, in der man Geschichte schrieb; Borst 1988 Barbaren 153 Der annalistischen Form zum Trotz gibt Hermann die frühmittelalterliche Geborgenheit in Gottes Zeitenordnung auf.
annektieren V. trans., im früheren 16. Jh. entlehnt aus lat. annectere 'anknüpfen, anheften, anbinden' (Präfixbildung aus ad- 'zu, an, hinzu, heran, herbei' und nectere 'binden, knüpfen'), im 19. Jh. unter engl./frz. Einfluß auch in der Schreibung annexieren (vgl. bes. 2). l Bis ins spätere 19. Jh. gebräuchlich in der Bed. 'etwas anhängen, anknüpfen, anbinden', seit Mitte 17. Jh. gelegentlich schon mit dem Nebensinn des Gewaltsamen, Widerrechtlichen (s. Beleg 1647). Dazu seit früherem 16. Jh. das (aus gleichbed. lat. annexum, Part. Perf. von annectere, s. o., übernommene) zunächst vor allem lat. (flekt.) Subst. Annexum, später
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eingedeutscht Annex M. (-es; -e) 'Anhängsel, Zubehör' (—»Appendix), nur noch bildungsspr. verwendet; früher und in neuester Zeit vereinzelt auch für 'Anbau, Seitenbau' (s. Belege 1616, 1871, 1984). 2 Seit Mitte 19. Jh. im historischen Zusammenhang mit der Einverleibung des Staates Texas durch die USA (1845) unter Einwirkung von engl. annex, frz. annexer in der Bed. 'etwas (vor allem Land, Territorium) gewaltsam und widerrechtlich in Besitz nehmen, sich aneignen, einverleiben', gelegentlich auch für 'stehlen' (s. Belege 1871, 1888) und seit Ende 19. Jh. auch übertragen verwendet für 'jmdn./etwas mit Beschlag belegen' (s. Belege 1897, 1958). Dazu seit späterem 19. Jh. das Verbalsubst. Annektierung F. (-; -en), auch Annexierung (s. Beleg 1867), 'das Annektieren, das Annektiertwerden', gelegentlich auch als Grundwort in Zss. wie Gebiets-, Landannektierung. Dazu seit etwa Mitte 19. Jh. das zunächst durch amerikan.-engl. annexation (of Texas) semantisch beeinflußte, seit ca. 1860 mit der Annektierung Savoyens durch Napoleon III., der diesen Vorgang in Anlehnung an das amerikanische Beispiel mit frz. annexion bezeichnet, sowie im Zusammenhang mit der Expansionspolitik Preußens in bezug auf die norddt. Staaten (seit 1864) rasch verbreitete, auf mlat./spätlat. annexio 'Hinzufügung; Verknüpfung' zurückgehende Subst. Annexion F. (-; -en) in der Bed. 'gewaltsame und widerrechtliche Aneignung fremden Gebietes', dabei das an das Amerikan.-Engl. angelehnte gleichbed. Annexation bald zurückdrängend; häufig als Bestimmungswort in Zss. wie Annexionsangst, -beschluß, -frage, -gelüste, -krise, -lust, -plan, -politik, -ziel. Dazu etwa gleichzeitig die Personenbezeichnung Annexionist M.(-en; -en) 'Anhänger der Annexionspolitik', unter amerikan.-engl. Einfluß aufgekommenes gleichbed. Annexationist M.(-en; -en) zurückdrängend; das Adj. annexionistisch, auch annektionistisch (ohne Steigerung), bes. häufig in attributiven Verbindungen wie annexionistische Bestrebungen, Pläne, eine annexionistische Partei, Politik; seit frühem 20. Jh. das Subst. Annexionismus M.(-; ohne Pl.) 'Bestrebungen, die auf eine Annexion abzielen, sie herbeiführen'. annektieren 1: 1534 Württemb. Geschichtsqu. XXII 114 Die caplani-pfründ daselbst ist von herzog Eberhart dem Jungern loblicher gedechtnus gemelter pfarr annectiert und incorporiert worden, wurt durch sein helfer versehen; ebd. XXII 233 Pfar mit der annectierten caplonei 144 fl.; Christoph v. Wirtemb. 1554 Briefw. III 26 sambt darinnen angezogen und auch annectierten und zusammengepunden Schriften; 1599 brandenb. Schöppenstuhlsakten III 120 der . . lehnbrief, cujus copia sub lit. C annectiret . . worden; Albertinus 1599 Guevaras Sendschreiben III 48a dann Kumernuß und Creutz seynd uns gleichsam annectiret und angehengt; Bürster 1647 Schwed. Krieg 119 Und alß man dan alldort aineß march und uffbruchs verhoffte, haben sie erst aller orten daß sommerquartier annectiert und angefangen; Wächtler 1709 Manual 37 annectiren, anhängen, z. E. ich will es in meinem Briefe unten annectiren; Sperander 1727 A la mod Sprach 36 Annectiren, anhängen, anknüpfen, beyfügen, anbinden; Boltz 1752 Amts-Actua-
rius 146 Also finde mich auch gemüßiget, solche hiemit reprotestando zurück zu geben, mit annectirten freundlich Ersuchen, mich künftig mit dergleich ohnstatthafften Zunöthigungen zu verschonen; Zimtnermann 1847 Diebe 371 nach der protokollarischen Verwarnung, welcher bei Taschendieben gewöhnlich noch der Nachsatz annectirt wird, . .; Marx 1859 Br. (MEW XXIX 398) so daß F. Freiligraths Gedichte annexiert sind zu den Schriften von Gottfried und Johanna; Tholuck 1862 Vorgesch. II 2,129 auch mich zugleich auf das a. 1647 hiervon aufgesetzte und den actis visitationis im Saalkreise annektirte Bedenken zu referiren hochnöthig gefunden. Annex: Paracelsus 1531-32 S. W. / 9,29S in dem Olimpischen geist ligt die kunst gabalistica mit iren annexis; Wallhausen 1616 Kriegsmanual (Gl.) Anex [!] ist dasjenige so im Wall an ein Ravelin gemacht wirdt; Kindleben 1781 Studentenlex. 55
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der Doktor der Weltweisheit, welches [Wort] gemeinglich ein annexum der Magisterwürde ist; vor 1871 Natur II 295 Die Engländer haben [in der Ausstellung] ihren Kochapparaten einen eigenen Annex in Gestalt eines . . Landhauses gewidmet (SANDERS 1871); Faucher 1877 Culturbilder 272 Der Garten des Luxembourg-Palastes . . dient zugleich als Annex zu der Sammlung für moderne classische Bildhauerwerke, welche das untere Geschoß des Luxembourg-Palastes füllt; 1882 Brockbaus I 661 Annex Zubehör, Anhang, Beilage; MM 20.1.1972 Vereinbarungen mit der DDR werden . . in Annexen, Protokollnotizen oder Erklärungen gesondert festgehalten; N.Z.Z. 4.4.1984 Seit der Annex des Opernhauses im Rohbau steht (DUDEN 1993). annektieren 2: Marx/Engels 1850 Revue (MEW VII 435) Während so die nordwestlichen Staaten eine ganz neue Bedeutung erlangt haben, ist Oregon in wenig Jahren kolonisirt, Texas und NeuMexiko annexirt, Californien erobert worden; Hase 1862 Polemik 205 Nachdem Gaeta gefallen und durch Volksabstimmung auch das Reich beider Sicilien annectirt war, konnte eine Nationalversammlung von Abgeordneten aus all' diesen einander so lang entfremdeten Ländern 1861 das Königreich Italien verkünden; Marx 1867 Kapital (MEW XXIII 751) Diese Ländereien wurden verschenkt, zu Spottpreisen verkauft oder auch durch direkte Usurpation an Privatgüter annexiert; 1867 Grenzboten XXVI 3,144 Savoyen bot das erste Paradigma für das moderne Zeitwort annektieren; 1870 1. Internationale 525 Bismarck war es, der mit demselben Louis Bonaparte konspirierte, um . . Deutschland an die Hohenzollerndynastie zu annexieren; vor 1871 Globus VI 165 Ein Gauner, der sich irgend etwas Brauchbares annexiert (SANDERS 1871); Lindau 1877 Br.42 Sie Ärmste, die Sie in einer der neu annectirten Provinzen wohnen; Nordau 1881 Paris 333 elsässische Auswanderer, die ihre annektirte Heimat verlassen; Kist 1888 Erlebnisse 62 militaria — einige Armaturstücke, die meine Burschen auf dem Schlachtfelde annektiert hatten; Fontäne 1897 Stecblin 77 Ich dachte schon, Woldemar würde von Ihnen annektiert werden; Johnston 1917 Mensch enverst. 9 Der Handel von Manchester . . läuft Gefahr, ein wichtiges Absatzgebiet zu verlieren, weil Italien Tripolis annektiert hat; Remarque 1929 Westen 154 Sie disputieren darüber, was wir annektieren sollen. Der Direktor mit der eisernen Uhrkette will am meisten haben: ganz Belgien; Berl. lllustr. Nachtausg. 25.8.1933 In Ermangelung eines trockenen Gegenpunktes zu den großen japanischen Inseln verlegten sie ihren Start nach der von ihnen annektierten Insel Jap in der Südsee; Dtsch. AZ. 28.7.1935 die unterlege-
nen Tiere ziehen ab, um sich in ändern noch nicht annektierten Gebieten niederzulassen; Tb. Mann 1945 Reden u. Aufs. (W. XU 138) sieh ihn dir an, deinen deutschen Bürger von heute, . . der nicht zögern würde, fünfhunderttausend Menschen und das Doppelte zu opfern, um Briey zu annektieren und Herr der Welt zu sein; ND 7.5.1949 weil sie in dem von Holland annektierten Emmericher Gebiet deutsche Lieder gesungen hatten, wurden mehrere Deutsche verhaftet; Borst 1957 Turmbau 280 nicht lange danach annektierten die Byzantiner Armenien; Dürrenmatt 1958 Versprechen 27 daß an den Sonntagen die Städter das Dörfchen in Strömen annektierten; Partner 1964 Erben 282 dem Heiligen Vater bestätigte er die Pipinsche Schenkung — ein Akt, der ihn jedoch nicht hinderte, die Städte des Exarchats Ravenna selbst zu annektieren; MM 15.8.1986 die preußischen Tugenden, Patriotismus, Sparsamkeit, Disziplin, Ordnung, Fleiß, blieben, von Hitler annektiert und pervertiert, lange Zeit hindurch suspekt. Annektierung: Poschinger 1866 Bundesrat I 86 Bin ich recht unterrichtet, so ist eine Depesche aus Paris eingegangen, die . . ziemlich kategorisch fordert, .. daß Preußen auf diese weitergehenden Annektirungen verzichte oder Frankreich entsprechende Kompensation gewähre; Engels 1867 Br. (MEW XXXI 279) Sie werden ohne viel Murren .. die lausigen Garantien, die in der preußischen Verfassung noch waren, verschachern gegen die indirekte Annexierung von 6 Millionen Kleinstaatlern; Kapp 1876 Amerika 90 Der kürzlich verstorbene Thomas H. Benton von Missouri war der erste, welcher den Plan einer Annexirung von Texas . . eifrig befürwortete; Kronberg 1929 Jugend 114 Die Snakes aus Amerika siedelten ganz zu den Londoner Snakes über. Natürlich unter vollkommener Annektierung Margits; Münch. N.N. 26. 6. 1944 Es sei auch von der Annektierung französischer Besitzungen im Karibischen Meer und im Atlantik die Rede gewesen; Zeit 29.3.1985 ich meine, daß eben die Annektierung dieser Gebiete eine existentielle Gefahr für den Staat Israel bedeutet. Annexation: Göriz 1852 Reise I 155 daß es [die Einverleibung von Canada] nicht wie bei Texas durch Annexation (ein naiver Ausdruck), sondern durch förmliche Eroberung wird geschehen müssen; Marx 1860 Vogt (MEW XIV 549) Er wiederholte seine Befürchtung, daß für den Fall einer Ausdehnung der sardinischen Herrschaft in Italien die Annexation Savoyens an Frankreich beschlossen sei; 1862 Staats-Wb. VII 348 Diesen Satz wird man früher oder später auch auf die neueren italienischen Annexationen anwenden müssen; Engels
annektieren 1865 Br. (MEW XXXI 461) Es existierte eine förmliche Allianz zwischen beiden, die so weit gekommen war, daß Lassalle nach Schleswig-Holstein gehn . . und da für die Annexation der Herzogtümer an Preußen auftreten [sollte]. Annexion: Almers 1857 Marschenbuch 161 Wiederum hat hier der große Umschwung der letzten Jahre, die Annexion der . . Marschen durch Preußen . , segensreich auf die Hebung der Intelligenz eingewirkt; 1860 Kladderadatsch 29 Annexion beider Lippen an Preußen (LADENDORF); ebd. 63 Indem wir dem Fürstlich Reuß-Pl. Kriminalgericht für den neuesten, von ihm so geistreich erfundenen Euphemismus für „Annexion" danken, ermangeln wir nicht, denselben allen Untertanen . . zu geeignetem Gebrauch unentgeltlich zu überlassen (LADENDORF); Freytag 1865 Aufs. I 256 Ein großer Theil der liberalen Preußen ist für Annexion, ein Theil der liberalen Süddeutschen ruft seine heimischen Regierungen auf zum Schutz gegen die Annexionswünsche der preußischen Regierung; Treitschke 1865 Br. U 416 so wird uns Deutschen, weil wir freiwillig den Particularismus nicht aufgeben, der ganze Jammer der Annexionspolitik zu Theil; ders. 1865-71 Hist. 536 Napoleon III hat sein berufenes Wort Annexion dem amerikanischen annexation nachgebildet (SANDERS 1871); Engels 1866 Br. (MEW XXXI 206) Wie es scheint, wollen die Russen den Krieg, der Zweck scheint Wiederherstellung Polens unter russischer Herrschaft und womöglich Annexion der Moldau; Gervinus 1872 Hinterlass. Sehr. 19 Mit dem Experiment der Annexionen und mit allerlei gewagten Connivenzen gegen den . . vierten Stand ist die Zersetzung in dem Processe der gährenden Gesellschaft rasch beschleunigt worden; Kapp 1876 Amerika II 91 Van Buren . . konnte es jetzt um so weniger auf einen Krieg mit Mexiko ankommen lassen, als die nördlichen Staaten für den Annexionsplan noch nicht gehörig bearbeitet und gewonnen waren; Bodenstedt 1879 Leben l 157 daß durch hohe Begabung hervorragende Männer zur katholischen Kirche übergetreten sind, während die Protestanten sich ähnlich glänzender Annexionen aus dem katholischen Lager kaum werden rühmen können; Meding 1881 Memoiren l 50 indem sie fortwährend die preußischen Zustände verherrlichten und indirect eine Annexionspolitik als wünschenswerthes Ziel hinstellten; Ratzel 1897 Polit. Geogr. 197 Bei der Annexion maß das Basuto-Land 30000, das Sulu-Land 22000 qkm; Kumpmann 1916 Imperialismus 43 Wie denn sogar in diesem bisher so über Erwarten glücklich verlaufenden Krieg in Deutschland recht selten „Annexionen" über das Maß des militärisch und wirtschaftlich unbedingt Erforderlichen hinaus ver-
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langt werden; Lokesch 1927 Fortf. von Sehen, Kulturgesch. 716 in dieser Zeit wirkt die Annektion des Gattentitels, ohne daß diese von der Frau durch ihre Kenntnisse erworben worden wäre, ebenso lächerlich wie geschmacklos; Berl. lllustr. Nachtausg. 2.3.1934 Ende März sind die Franzosen mit ihren weitgehenden Annexionsplänen am Widerstand Wilsons . . gescheitert; Dtsch. AZ. 8.9.1935 In diesem Bericht wurde bereits erklärt, daß die Litauer im Grunde die glatte Annektion des Memelgebietes erstreben; Th. Mann 1938 Reden u. Aufs. (W. XII 835) es war nicht der Anschluß, den man der Republik auch in seiner mildesten, bloß ökonomischen Form verweigert hatte, es war die Annexion, die Eroberung; 1939 Berl. Monatsh. 685 deutsche Annektionsgelüste auf südamerikanische Staaten; ND 13.2.1949 Ministerpräsident Arnold . . fand sich lediglich dazu bereit, Befürchtungen über die Folgen der anglo-amerikanischen Annexion des Ruhrgebietes zum Ausdruck zu bringen; Welt 15.5.1954 das Gewicht geschichtlicher Kräfte kann man weder durch Annexion noch durch eine Europäisierung, die nur ein Etikett für Annexion darstellt, aufheben; Jaspers 1958 Atombombe 144 Max Weber plädierte von Anfang an für einen Frieden ohne Annexionen und ohne Entschädigungen; ND 7.2.1969 eine Petition . ., die sich gegen die Annexion arabischer Gebiete und die Unterdrückung der dort lebenden Bevölkerung richtet; Welt 2.1.1974 dieser Parteienblock ist aber ein starker Fürsprecher einer Annexion des Westufers; Fuchs 1986 Schinderhannes 7 Man rechnete mit einer baldigen Annexion des linken Rheinufers; Zeit 10.4.1987 1938, nach der Annexion Österreichs durch Hitler, geht er nach Frankreich. Annexionismus: Dombrowski 1920 System II 227 Die Flugschrift . . trug der Zeitströmung ein bißchen Rechnung und versuchte den Annexionismus kräftig abzubauen; Bergsträsser 1952 Gesch. 179 die Vorkämpfer des Annexionismus . . [als] Gegner jeder innenpolitischen Weiterbildung; Herzfeld 1961 Aufs. 32 Wendung [Meineckes] gegen den Annexionismus; Heuss 1963 Erinn. 220 die Verwandtschaft mit dem Historiker der „Kriegskunst", der . . von Anbeginn einer der schärfsten Gegner von jeglichem Annexionismus gewesen, führte mich als Jüngsten in diesen Kreis; 1971 Meyer Enz. II 253 Annexionismus, seit dem 1. Weltkrieg geläufige Bezeichnung für Bestrebungen, die die gewaltsame Aneignung fremden Staatsgebietes ohne Rücksicht auf das Selbstbestimmungsrecht der von der Annexion betroffenen Bevölkerung zum Ziel hat. Annexionist: Mommsen 1865 Reden 374 Die öffentlichen Blätter haben bei Besprechung der letz-
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Anno
ten Verhandlungen mich öfter als „Annexionisten" bezeichnet; Engels 1867 Br. (MEW XXXI 276) Dies hab ich von 2 Leuten, die vor Kurzem da waren und selbst Annexionisten und Hannoveraner sind; Oncken 1914 Aufs. I 84 unter den Annexionisten ließ Kapitän Mahan keinen Zweifel darüber, daß es sich bei Hawaii nicht um einen bloßen Einzelfall . . handle; 1919 Grenzboten IV 89 die belgische Annexionspolitik; Dombrowski 1920 System 36 Hugenberg und mit ihm die gesamte Rüstungsindustrie zählten sich zu den wildesten Kriegsfanatikern und Annexionisten; 1923 ElsassLothringen Heimatstimmen l 75 Smeets, der Schützling der französischen Annektionisten; Hiltebrandt 1930 Erinn, a. Bülow 26 Der Abgeordnete, der ja bis dahin Annexionist gewesen war, sagte mir lächelnd . .; Lochner 1955 Unerwartete 146 war Dr. Gustav Stresemann [vor dem I.Weltkrieg] ein entschiedener Nationalist und Annexionist gewesen; Flake 1960 Abend 242 Es gab nicht nur die Annexionisten; die Sozialisten spalteten, die Geister erhitzten sich; Stuttgarter Zig. 9.10.1964 Für den DOD waren schon unter dem 5. August WDR-Intendant von Bismarck ein „Verzichtmemorandist", die Polen „Annexionisten". annexionistisch: vor 1871 Natur XX 179 Annexionistische Petition (SANDERS 1871); Friesen 1880
Erinn. II 222 Wenn Flathe . . diesen Thatsachen gegenüber sagt: „die Presse erfuhr .. keine Behelligung", so hat er hierbei eben nur die annexionistische [die Annexionspolitik Preußens unterstützende] Presse, die allerdings nicht behelligt, sondern beschützt wurde, im Auge; Hertling 1919 Jahr 120 die Vorstellung zu zerstören, als werde dieses [Deutschland] durch eine annexionistische Kriegspartei regiert; 1923 Elsass-Lothringen. Heimatstimmen I 75 Die Straßburger Freie Presse .. bringt einen Artikel über Smeets, der zugleich eine scharfe Zurückweisung der französischen annexionistischen Rheinlandpolitik bedeutet; Bergsträsser 1952 Gesch. 179 Da die Militärs durchweg annexionistisch .. eingestellt waren, so lagen in diesen Stimmungsvorgängen neue . . Elemente zukünftiger Spannung; ND 26.1.1959 weil Deutschland 1871 unter annexionistischen Vorzeichen . . geeint wurde, darum waren die Weichen für den ersten Weltkrieg gestellt; ebd. 19.6.1964 Kräfte . ., die durch ihre annexionistischen Bestrebungen . . Europa nicht zur Ruhe kommen lassen; ebd. 8.4.1969 mit einer Anerkennung der DDR .. handele sich Bonn lediglich den Verzicht auf seine annektionistischen Pläne ein; Fest 1973 Hitler 110 Das war um so fataler, als sie .. sich immer unverhohlener zu einem annektionistischen Siegfrieden bekannt hatte.
Anno, auch anno (abgekürzt a. oder A., früher auch ao. oder Ao.), im späteren 15. Jh. übernommen aus der in mittelalterlichen Urkunden verwendeten lat. Datumsangabe anno 'im Jahre' (Ablativ von annus 'Jahr'; —* Annalen). Meist in Verbindung mit nachgestellter Datierung bzw. beigefügter Jahreszahl in der Bed. 'im Jahre', z. B. Anno 1564 erbaut, wobei die Hunderter- und Tausender-Stelle oft nicht besetzt ist, z. B. Anno 64 erbaut; früher bes. im Syntagma Anno Domini (als Abkürzung a. D. oder A. D. oft als Inschrift an alten Häusern) 'im Jahre des Herrn, d. h. nach Christi Geburt', das als Vorbild dient für weitere, im 19. Jh. aufkommende, meist ugs. oder scherzhaft verwendete Verbindungen wie Anno dazumal, regionalspr. auch Anno dunnemals, 'früher, in jener (alten, vergangenen) Zeit, vor langer Zeit, einstmals' und Anno Tobak 'alte (längst überholte) Zeit; in, aus alter (längst überholter) Zeit; (zu) Großvaters Zeiten', z. B. dieser Hut ist noch aus/ von Anno Tobak, Anno Tobak war alles noch anders. 1460 Bautzener Stadtgerichtsb. 145 noch tode siner muter .. sal W. an siner muter angefelle . . greifin. . . Anno 1460, feria quarta post Lucie; Tucher 1464—75 Baumeisterbuch 295 Auf die Zukunft unsers herrn des keissers heer gen Nuremberg anno 71 Jacobi; Zorn 1570 Wormser Chronik 122 Anno 1266 hat herr Conrad von Strahlenberg . . sich mit allem ernst und beharrlich denen von Worms widersetzt; Sattler 1608 \Verbungsbuchl II 91 Geben in vnserem Schloß N. den N. Januarn/ Anno N.;
Grimmeishausen 1673 Michel 66 Empfehlung nechst freundlicher Salutation, mit datum, Anno, post scriptum; Morhof 1682 Unterricht 478 eines ändern Anonymi, von dem zu Magdeburg Anno 1605 ein Buch heraußgekommen; Thomasius 1701 Kl. Sehr. 53 Dieses ist mein erstes Teutsches Programma, so ich in Leipzig Anno 87. verfertiget; 1710 Neue Bibl. IX 781 anno 1605. scheinet er gebohren zu seyn; Fleming 1726 Soldat 93 In der Lebens-Beschreibung Ihrer Majestät, so anno
Annonce 1710. zu Nürnberg . . herausgekommen; Goethe 1766 Er. (WA IV 1,33) [Temperatur] fast so tief als Ao. 40; Wolf 1793 Dulder I 98 sucht' er nach so manchem ehrwürdigen Manne, der seit Anno 20 in Wittenberg studirt hatte; Jäger 1835 F. Schnabel 41 Dies datirte sich von dem .. Einzüge der Kronprinzessin . . in Halle, anno 1822; Marx/Engels 1845 heil. Familie (MEW U 113) der kritische Welterlöser wurde geboren anno 1843; Bechstein 1854 Hexen 245 nachdem schon Anno vierunddreißig der hiesige schöne Flecken . . in Asche gelegt war; Burckhardt 1873 Er. a. Preen 66 Wer hätte anno Tobak das geweissagt; 1886 Salon I 159 wenn er wirklich sein Gänschen von anno dazumal noch liebte; Hopfen 1893 Elend III 32 der alte Kamerad erinnerte sich wohl flugs, daß er anno Tobak mit Dir in demselben Regiment gestanden [hat]; Th. Mann 1901 Buddenbrooks (W. l 9) nach dem Katechismus, wie er soeben Anno 1835 . . neu revidiert herausgegeben war; Huret 1909 Berlin 142 weil wir Anno Siebzig Krieg miteinander geführt haben; Frankf. Ztg. 1.12.1914 Kriegszeiten von Anno dazumal; Th. Mann 1926 Reden u. Aufs. (W. X 880) dem Faschismus, diesem europäischen Rückschlag gegen den Liberalismus von Anno dazumal; Bamberger 1931 Anno Tobak. Allerlei Ernstes und Heiteres (Titel); Münch. IIlustr. Presse 1932 Nr. 3 Zeitung von Anno Tobak (Überschr.) Es ist ein Vergnügen . ., in alten Zeitungen zu blättern; Tempo 15.7.1932 Im „Kuhstall" hat er begonnen — das war Anno dunnemals eine Kneipe in der Invalidenstraße; 1935 AfdA L1V 145 „Anno Tobak" — ursprünglich Anno Dowack, nach . . Schröder wohl entstanden aus einer scherzhaften Ergänzung von Anno Do.[mini]; Schwenzinger 1937 Jahr 7 Solche Anschauungen stammen doch aus Anno Tobak!; B. N. 4.10.1943 Kino von anno dazumal; ND 29.12.1949 kommt da Anno 1949 irgend so ein Eulenspiegel frisch aus einem westdeutschen Nazi-Internierungslager nach Schö-
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neberg; Th. Mann 1952 Reden u. Aufs. (W. XI 696) er starb an gebrochenem Herzen, Anno achtunddreißig; Süddtsch. Ztg. 2.1.1959 Ein simples Rezept lag der purifizierenden Regie zugrunde: Man spielte werktreu, Oxford anno Tobak, mit Komment und Plüsch; Grass 1962 Blechtrommel 147 das war Weihnachten anno dreißig; Stuttgarter Ztg. 31.7.1969 Omas rundes Goldfischglas von Anno dazumal; Zeit 15.2.1985 das nämlich ist „nostalgisch" und bringt den empfehlenden Hauch von Anno dazumal; ebd. 5.4.1985 an .. den Eigentumsschutz . . wird Anno 2030 womöglich kein Rentner einen Gedanken verschwenden; ebd. 5. 7.1985 der römische Feldherr Sulla . ., der anno 80 v. Chr. Volterra erobert hat; MM 12.10.1985 es war anno 1493, als der Bäckermeister Veit Gundlinger in Augsburg Hochzeit feierte; ebd. 6. 5.1986 auf den Straßen fahren noch Pferdekaleschen von Anno dazumal; Zeit 6.6.1986 ziemlich trostlose Stellagen einer Bühnenbildkunst von anno dunnemals; ebd. 24.10.1986 „wir sin mit sehenden ougen blint", so klagte Anno 1191 der Minnesänger Heinrich von Rugge; MM 8.1.1987 der Ausbruch des Vesuv, der Anno Domini 78 die Städte Pompeji und Herculaneum verschüttete; Zeit 23.1.1987 altväterliche Jacken und KinderAnoraks von anno dazumal; ebd. 17.4.1987 so etwas nennt sich Anno 1987 „Erholungsgebiet"; MM 11.4.1988 was haben Eurydike und die vielen so erheiternd proper in die Eleganz von anno dazumal gekleideten Götterherrschaften für Funktionen in Havergals Kulissenwelt?; Rhein. Merkur 9.3.1990 auf diesem historischen Grund hatte anno 1817 eine der ersten Protestkundgebungen der deutschen Geschichte stattgefunden; Frankf. Rundsch. 30.7.1990 gab es Diskussionen, ob Trotzki und/oder Lenin anno Tobak mit dieser Prognose . . Recht gehabt hätten; Zeitmagazin 3.10.1991 Bärbel Bohley kann sich anno 1991 über den irrationalen Drang des Geldes . . nur amüsieren.
Annonce F.(-; -n), im späten 18. Jh. entlehnt aus frz. annonce 'mündliche oder schriftliche Mitteilung, Vorankündigung, Zeitungsanzeige' (zu annoncer 'bekanntmachen, verkünden, ankündigen, voraussagen', altfrz. anoncier 'verkündigen, ankündigen, berichten' < gleichbed. lat. annuntiare, aus ad- 'zu, an, hin(zu), heran' und nuntiare 'melden, berichten, verkünden, anzeigen', zu nuntium 'Nachricht, Anzeige', nuntius 'Bote; Nachricht'; —> Nuntius, —* denunzieren). In der Bed. 'Ankündigung, Bekanntmachung', dann vor allem 'Zeitungsanzeige, Inserat', bes. in Syntagmen wie eine Annonce aufgeben, eine Annonce in die Zeitung setzen, sich auf eine Annonce melden; häufig als Grund- und Bestimmungswort in Zss. wie Heirats-, Klein-, Werbe-, Zeitungsannonce; Annoncenbureau, -expedition 'Vermittlungsstelle für Zeitungsanzeigen', Annoncenteil 'Teil einer Zeitung, der nur oder vorwiegend Annoncen enthält'.
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Annonce
Dazu etwa gleichzeitig das aus frz. annoncer (s. o.) entlehnte V.(in)trans. annoncieren, zunächst in der Bed. 'anzeigen, ankündigen, öffentlich bekanntmachen, bekanntgeben' (s. Belege 1784-94, 1984), früher selten auch reflexiv (s. Beleg 1778); seit Anfang 20. Jh. wohl im Anschluß an Annonce in seiner Bed. 'Zeitungsanzeige' seltener auch für 'eine Annonce in einer Zeitung aufgeben, in einer Zeitung inserieren' (s. Belege 1909, 1912, 1926, 1932, 1939); im 19. Jh. vereinzelt das Verbalsubst. Annoncierung F.(-; -en) und seit früherem 20. Jh. die im Hotel- und Gaststättengewerbe verwendete französisierende Berufsbezeichnung Annonceuse F.(-; -n) 'Angestellte in Hotels, Restaurants, die Bestellungen der Gäste an die Küche weitergibt'. Annonce: Bretzner 1787 Leben II 258 Das Erste und Wichtigste, was die Hausmutter nun zu besorgen hatte, war, den Herrn Pfarrer von der Geburt dieses Kindleins zu benachrichtigen und die Taufe zu bestellen. So angenehm dem Hirten der Gemeine sonst auch eine dergleichen erfreuliche Annonze zu seyn pflegte, so verstellete sich doch seine Geberde ein wenig, als er hörte, dass es ein uneheliches Kind sey; 1787 Journal d. Moden II 141 Ich habe . . in einer Pariser Annonce . . gelesen, . .; Goethe 1794 Br. (WA IV 10,213) Das Verschweigen der Nahmen, die ja doch in der Annonce genannt werden sollten, im einzelnen; Schiller 1794 Briefw. (W. XXVII 94) weil ich mich in meiner Annonce an das Publikum auf unsere Keuschheit in politischen Urtheilen berufen werde; Heinzmann 1800 Frühstunden 204 Diese [Kaufleute] lassen die Pakets austragen, die man in der Stadt zu vertheilen hat, die annonces, für jedes 100 Exemplare solcher ausgetragenen Blätter wird nur 5 Sous bezahlt; Uhland 1807 Briefw. I 54 Seckendorf . . gibt . . eine Monatsschrift heraus, welche — wie es in der Annonce heißt — . . der ästhetischen Bildung der Menschen gewidmet seyn soll; Hauff 1826 S.W. IV 213 sie werden die Brieftasche öffnen, unter hundert Empfehlungsbriefen, Annoncen von Gasthöfen . . ein Seidenpapier hervorziehen, das ein Pröbchen Haar von der Stirne der Geliebten enthält; Gebhard 1843 Schopenhauer 112 das Versprechen, Ihre Anzeigen (ich meine nicht Rezensionen, sondern Annoncen) mit keiner Belobung begleiten zu wollen; Szarvady 1852 Paris l 313 Balzac suchte sich diesen Uebelstand aus den Annoncen zu erklären, deren Pächter es dem Journale nicht erlauben, die Bücher kritisch anzuzeigen, weil sonst die Annonce und die Reclame überflüssig werden würden; Schlesinger 1852 London I 44 Die Annonce ist allgegenwärtig wie Gott der Schöpfer; Keller 1854 Leben II 330 Ich las die Inhaltsanzeige jener Nummer in Zeitungsannoncen; Knies 1857 Telegraph 60 Für die Zeitung wird wie für die Annonce als Leser das gesamte Publikum gewünscht; Freiligrath 1860 Br. l 147 Aus den Annoncen der Köln. Ztg. sehe ich, daß Engels' Vater kürzlich gestorben ist; Gisbert 1879 Zeit-Arabesken 3 Neben
ihrer Vorliebe für den Tagesklatsch ist nämlich ihr Sinn für die verschiedensten Arten von Annoncen bemerkbar; Kleinpaul 1892 Sprache 446 es hat dann nur noch die Bestimmung, auf den Namen, wie eine Zeigehand im Tageblatt auf eine Annonce, hinzuweisen; Harden 1892 Apostata N. F. Vorr. VII wird mein bester Stolz sein, den zu ödem Stallknechtdienst bei Annoncenverlegern jetzt oft erniederten Rittern vom Geiste genug zu thun; Th. Mann 1897 Erz. (W. VIII 134) ich las diese Annonce mit Aufmerksamkeit und ich war gleich darauf entschlossen, den Basar zu besuchen; Zander 1904 Neue Welt 243 Sie opferte den auch in London beutegierigen Agenturen, bezahlte die Annoncen; Perfall 1904 Künstlerblut 82 Ein Weib, das sich in sein langes Haar hüllt, wie man es in Zeitungsannoncen sieht; Breuer/Freud 1909 Hysterie 85 es scheint mir nicht leicht möglich, daß der Mann, der sich dieses Aufzuges in seiner Annonce rühmt, selbst vor dessen Benutzung gewarnt haben solle; Eberle 1912 Großmacht 52 Die Annonce ist die Grundlage der ganzen modernen Wirtschaftsorganisation geworden; Böhmer 1915 Sklavinnen 339 So kam sie nun häufig zu Lulu und Raschel, die sich auf ihre Annonce hin bei ihr vorgestellt hatten; Bücher 1921 Volkswirtschaft II 303 Die meisten Unternehmungen .. pflegen eine bestimmte Summe für Reklamezwecke auszuwerfen und es einer der zu diesem Zwecke bestehenden Vermittlungsanstalten (Annoncenexpeditionen, Reklameanwälte . .) zu überlassen, Art und Umfang der damit möglichen Werbung zu bestimmen; Graf 1925 Gesicht 339 In einer Frontzeitung hatte ein Spaßvogel folgende Heiratsannonce einrücken lassen; Grosser 1926 Mann 73 Class nahm die erstbeste Zeitschrift . . zur Hand und sah den Annoncenteil durch; Baum 1928 Willfüer 138 Fräulein Willfüer, hinter einem Pfeiler geduckt, liest Annoncen, jene mehrdeutigen Annoncen auf der letzten Seite, welche Rat und Hilfe versprechen; Gebauer 1932 Kulturgesch. 428 Das erste große Annoncenbureau eröffnete 1855 die Firma Haasenstein; Kesten 1932 Scharlatan 20 indem sie ihm noch sagte, der Sargvertreter, der Annoncenvertreter einer Zeitung und einige Verwandte seien eingetroffen; Th.
Annonce Mann 1949 Reden u. Aufs. (W. XI 298) in diesen Tagen geschah es, daß eine Annonce mir vor Augen kam, die mich . . wie ein toller Irrtum anmutete; Welt 20.2.1954 Werbeagentur mit Sitz in Frankfurt am Main beabsichtigt, 2 neue Mitarbeiter einzustellen: Disponent für die Annoncen-Expedition; Jaeger 1966 Freudenhaus 9 Sie hatte auf seine Annonce geantwortet, in der er sich anpries; Becker 1969 Jakob 114 Nur das Talent für gelungene Annoncenteile scheint ihnen geblieben zu sein; Zeit 18.1.1985 desgleichen findet man im Werbeteil und Annoncenteil der Zeitungen immer mehr Bildung im Angebot; ebd. 5.4.1985 eine kleine Annonce in Basses Blatt, einem Anzeigenblatt . . hat in der Gemeinde Wahlstedt im Kreis Segeberg für Aufregung gesorgt; MM 5.9.1985 man sei, so erzählte die Wormserin, sowohl mit Lieferanten als auch mit Kunden über Zeitungsannoncen in Verbindung getreten; ebd. 2.1.1986 solche und ähnliche Inserate tauchen nach Angaben von Helmut Hartmann immer häufiger in den Annoncenspalten der deutschen Tageszeitungen auf; Zeit 15.8.1986 im Mittelpunkt von Heiratsannoncen stehen Gehaltsangaben und Vermögensangaben; MM 27.3.1987 die Leihmutter aus der Umgebung Freiburgs hatte im November auf die Annonce eines Wormser kinderlosen Studienrats geantwortet. Annonceuse: Berl. Hlustr. Nachtausg. 13.6.1933 Es sind 66 Kellner, Köche, Küchenmädchen und Annonceusen der Firma Aschinger angeklagt, die in verschiedenen Bierquellen Speisen verkauft haben sollen, ohne einen ordnungsmäßigen Bon zur Abrechnung vorzulegen; Mannheim. Ztg. 31.3. 1943 Annonceuse und 2. Küchenbeschließerin, welche in kalter Küche bewandert ist, ges. (Anzeige); Süddtsch. Ztg. 29.11.1952 Der Kellnerbon fliegt in der Rohrpostkapsel nach oben zum Tisch der Annonceuse; 1965 Wochenpost IV 12 Wir suchen aus dem Kreis der nichtberufstätigen Bevölkerung dringend folgende Arbeitskräfte: Annonceusen, Bedienungskräfte, Kellner mit Frack, Büffettiers (Anzeige). annoncieren: Müller 1778 Fausts Leben 32 er hat gelogen, da er sich in den Zeitungen als der erste [Übersetzer] annoncirt hat; Blumauer 1784—94 Virgils Aeneis (l 292) Auf morgen war es [das Duell] annoncirt; 1786 Journal d. Moden l 151 So annoncirte sich Herr Delacroix in einem der hiesigen . . Blätter; Bretzner 1787 Leben II 162 Die komische Einfalt und Offenherzigkeit der Bäuerin hätte jedem ändern, der nicht so nahe mit dem Seegen des Himmels, den die Erzählerin hier annonzirte, verwandt war, ein Lächeln abgezwungen; Rahel Varnhagen 1794 Buch 88 überhaupt werd'
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ich heute nach meinem Sinn ausgehen können, weil die Tante zu morgen packt, und mir diese Freiheit schon annoncirt hat; Hoffmann 1796 Briefw. l 81 die pedissequa [Zofe], welche die Ankunft annoncirte, sprach viel von wiederhergestelltem Frieden; 1813—15 Prinzenbr. 180 So eben war der Tyrann von Lych hier um zu anonciren, daß Perponcher morgen nach Holland abgehet; 1841 Europa l 570 Wenn eine deutsche Sängerin sich als Sängerin der großen Theater Deutschlands annonciren würde; Engels 1847 Br. (MEW XXVII 87) Plötzlich reklamierte Heilberg Schweigen und annoncierte: Die Rede von Weerth auf dem free-trade congress erscheine morgen in einem Supplement des „Atelier"; ]oh. v.Bismarck 1870 Br. 21 Eben beim Thee große Freude über eine Berliner Depesche, die Papachens Rückkehr für übermorgen annoncirt; Reichenbach 1880 Roman e. Bauernjungen 148 „Schlag acht", annoncierte er [beim Kartenspiel]; 1896 Kirchenpol. Br. Nr. 177,8 Noch deutlicher ist der Pariser „Univers", der es in seiner Nummer vom 11. Juni angezeigt findet, nun ganz offen die demnächstige Gründung der italienischen Republiken zu annoncieren; Dauthendey 1903 Br. a. s. Frau 51 Wenn ich da [in Restaurants] anschreibe und zugleich annonciere, daß ich einen Kursus im Seidensticken einführe und zugleich im eleganten Stadtteil Privatstunden gebe, so wird doch zu verdienen sein; Kainz 1909 Br. 162 Ich hatte den Hund, Friedin nämlich, annonzieren lassen, 50 Frs. Belohnung; Weiver 1912 Geschäftsmann 239 Die weitaus am meisten gebräuchliche Form der Reklame ist das Annoncieren in öffentlichen Blättern; Schaffner 1917 Dechant 428 Und was hat es für einen Sinn, daß du dich wie ein Glücksbringer ausführlich hier im Haus annonciertest; Bahr 1925 Tagebuch l 92 darum scheint's mir so gefährlich, wenn jetzt von einigen unter uns eine neue klassische Kunst annonciert wird; v. Molo 1926 Licht 111 ET annoncierte, daß er einen PrivatDefektiv suche. Ich war ohne Stellung, auf Grund der Annonce lernte ich ihn kennen; Kesten 1932 Scharlatan 367 Drei Tage später gaben Stefan Roß und Maria Thurn ihre Verlobung bekannt, auch annoncierten sie in einigen Zeitungen; K. Mann 1939 Vulkan 216 Der Abend war nur in den Blättern der deutschen Emigration annonciert worden; Fest 1973 Hitler 204 Dessen Frau . . ihn wiederum mit dem ehemaligen Freikorpsführer Walter Stennes zusammenführte; sie annoncierte Hitler dabei als den „künftigen Messias"; 1974 Spiegel XXVI 119 Winkler . . annonciert seine neue Groteske süffisant als „Fernsehen, das niemand .. geistig überfordert"; Neue Kronen Ztg. 12.5.1984 wollte Mauhart seine Pläne nicht via Medien annoncieren (DUDEN 1993); Zeit 21.2.1986 das Gedicht annonciert Nachbarschaft; ebd. 17.4.1987 statt der
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annullieren
Waldschneisen und Lichtungen Warntafeln, die dem Näherkommenden annoncieren, daß er sich auf einem Gelände befinde, wo unverzüglich von der Schußwaffe Gebrauch gemacht wird; MM 15.5.1987 etwa 90 Millionen wird der bereits annoncierte siebte Drehrohrofen für die Rückstandsverbrennung erfordern; Spiegel 9.7.1990 Vor der Polizei sagte der Rentner, mindestens zehnmal habe er annonciert und jeweils nur wenige Antworten bekommen; ebd. 28.2.1994 Zwei Länder haben bereits ihre Schwierigkeiten annonciert: In
Niedersachsen darf . . kein katholischer Feiertag fallen; Bayern will keinen seiner 14 Festtage aufgeben. Annoncierung: Kraus 1899 Fackel 111 2 Die „neue Freie Presse", die seit jeher bereitwillig die kostenlose Annoncierung jedes fernher klingenden Ruhmes übernimmt, läßt nun schon seit zwei Jahren . . jeden Schritt überwachen, den Mark Twain auf Wiener Boden unternimmt.
annullieren V. trans., im frühen 16. Jh. entlehnt aus spätlat. annullare 'zunichte machen' (präfigierte Ableitung von nullum 'nichts', N. von lat. nullus 'keiner, niemand mehr'). Zunächst vorwiegend als juristisch-politisches Fachwort verwendet in der Bed. 'etwas für ungültig, für (null und) nichtig erklären, widerrufen, außer Kraft setzen; vernichten', in Wendungen wie ein Urteil, Gesetz, Testament, einen Vertrag, Beschluß, Auftrag, die Ehe annullieren, im 20. Jh. häufiger auch allgemeiner und übertragen gebraucht für 'etwas nicht (als gültig) anerkennen', z. B. ein Tor, eine Wettkampfentscheidung annullieren (s. Belege 1932, 1934, 1954), auch 'etwas nicht beachten, mißachten, ignorieren', z. B. den Tod, die ganze Welt annullieren (s. Belege vor 1946, 1957, 1986) und 'etwas aufrieben, beseitigen', z. B. Kontraste, Unterschiede annullieren (s. Belege 1986, 1987); dazu seit frühem 18. Jh. das Verbalsubst. Annullierung F. (-; -en) 'Ungültigkeits-, Nichtigkeitserklärung; Vernichtung', selten übertragen für 'Aufhebung; Mißachtung' (s. Belege 1930, 1947); im 19./20. Jh. vereinzelt die gleichbed. subst. Ableitung Annullation F. (-; -en). annullieren: Brandts 1519 Gesch. 522 das wür [der Kaiser] . . die [Protestation] . . hiemit. . widersprochen, anuliert vnnd vernicht haben wellen; Gobier 1536 Prozeß 7a Annulirn, Caßirn: Ist ein ding abthun vnd zernichtigen. Als so einer, wes er gehandelt, nichts mehr sein wolt lassen, oder so er sein Testament vnd anders wider zerbricht vnd vernichtiget; Macholt 1560 Formular- oder Schreibebuch 132 vnd gleichwol die Attentata officio sua auffgehoben/ reuocirt vnd annulirt werden; Carolus 1609 Relation 35a die angeschlagene Mandata zu annuliren; 1626 Apocalypsis C3a Siegel vnd Brieff . . sollen cassirt, annullirt vnd von keiner Werth sein; Schupp 1658 Relation a. d. Parnaß 22 daß selbiges alsobald wieder cassiret und annulliret werde; Francisci 1672 Histor. Rauchfaß l 190 Die Gleichnuß von der Gleich-Wage deß Gewässers in den Röhren/ womit Herr Kircherus des Liceus Meynung/ von gleicher Proportion des Oels zu den Flammen . . zu annulliren trachtet; 1708 Leopold d. Große II 257 es setzte noch einen großen Tumult, daß fast der gantze Accord [Vertrag] wäre annulliret worden; 1713 Europ. Fama 21 der . . neue Plan, Geld in die Hof-Cassa zu schaffen, ist annulliret [worden]; Sperander 1727 A la mod
Sprach 36 Annuliren/ soviel als cassiren/ abschaffen/ vor nichtig erklären/ aufheben/ z. E. ein Gesetz oder Edict, Testament; Philippi 1743 Reimschmiedekunst 153 annuliret und aufgehaben [!]; 1787 Journal v. u. f. Deutschland II 307 dass . . vorige Ehe also annullirt werden könte; 1789 (Hillebrand 1881 Revolution 143) „Sie brauchen sich keine Mühe zu geben die polnische Nation zu annulliren; sie arbeitet selber daran," schreibt Katharina im Januar 1789 an Grimm; Goethe 1797 Br. (WA IV 12,270) [Ersatzblatt für eine zurückzugebende Quittung] so lange zu verwahren, bis ich es . . gegen den Originalschein, dessen Kraft ich jedoch hiermit annulire [!] und aufhebe, auszuwechseln im Stande seyn werde; Wieland vor 1813 W. XL1 35 Der König kassirte und annullirte alles, was der dritte Stand bisher beschlossen hatte (KEHREIN); Bauer 1836 Überschw. I 126 so sei der Kontrakt als annulliert zu betrachten; Schiebe 1845 Corr. 15 Die Einkaufsordre auf Caffee wird annullirt (SCHIRMER, Kaufmannssprache); Müller 1861 Wartesalon 33 annulliert; Mommsen 1876 Reden u. Aufs. 404 die .. Promotion zu annullieren; Heyck 1928 Aussenseiter 221 Ein Dreimächtevertrag annullierte den ändern, ein Usurpator ver-
anomal drängte den ändern; Der Montag 11.4.1932 Nach längerer Beratung des Schiedsgerichts wurde der [Wett-]Lauf annulliert; 12 Uhr-Blatt 24.4.1934 In beiden Spielen wurden . . zwei Tore annulliert; Th. Mann 1940 Reden u. Aufs. (W. XII 874) auf diese friedliche Weise werde Deutschland . . nicht nur den Schandvertrag annullieren, sondern die Herrschaft der Welt erwerben; G. Hauptmann vor 1946 W. /// 234 oft . . habe ich damit [mit dem Motto] die mich umgebende Welt annulliert (WDG); Th. Mann 1946 Reden u. Aufs. (W. Xll 685) es werden . . die innerpolitischen, das heißt freiheitlichen und sozialen Folgen der Niederlage annulliert; Hiller 1950 Köpfe 211 das Charmante in der Literatur zu devaluieren, aber nicht, es zu annullieren; Welt 17.5.1954 das Rennen wurde annulliert und die Einsätze zurückgezahlt; Frisch 1957 Homo faber 68 Es war die Zeit, als die jüdischen Pässe annulliert wurden; ebd. 94 Die Primitiven versuchten den Tod zu annullieren, in dem sie den Menschenleib abbilden; Welt 21.2.1964 die Vereinigten Staaten sollten von vornherein einwilligen, den Vertrag von 1903 zu annullieren; Bildztg. 18.4.1967 Vatikan annullierte Schauspieler-Ehe; Welt 1.10.1969 Zentralkomitee annulliert auch Beschlüsse aus der Invasionszeit; Lohmann 1978 Evolution 420 f. Die Hypothek läßt sich nicht einfach annullieren, aber man könnte an eine „Umschuldung" denken; Zeit 18.4.1986 während der Ehrgeiz altmodischer Verleger darin besteht, Anzeigenteil und redaktionellen Raum säuberlich zu trennen, bemühen sich diese Zeitschriften, den Unterschied optisch zu annullieren; ebd. 23.5.1986 ob die Bundesrepublik Atomstrom aus Nachbarländern bezieht und ob sie Abnahmeverträge mit Cattenom (Frankreich) annulliert; ebd. alle Erfahrungswerte annullierend, . . beginnt Pina Bausch . . ihr neues TanztheaterStück; ebd. 6.2.1987 schon einmal haben die Amerikaner Schulden annulliert: als sie die Geldeinlösungspflicht stornierten; MM 13.3.1987 den Kontrast zwischen den Polen Schwarz und Weiß . . und endlich auch den Punkt, an dem diese Gegensätze wieder verschmelzen zu einem Ganzen, das die Kontraste zu annullieren scheint; Reich-Ranicki 1988 Th. Mann 66 Hier wird . . viel gelobt,
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doch zwischendurch gibt es Sätze . ., die das soeben gespendete Lob unvermittelt annullieren. Annullation: Falck 1840 Handb. Privatrecht IV 349 Es muß auf Annullation der Ehe geklagt und die Ehe von dem Richter für nichtig erklärt werden; Mozin 1856 Wb. Ill 88a Annullation . . Jur. (Vernichtung, Umstoßung); 1933 Volk u. Reich 131 Annullation von Rentengütern. Annullierung: 1720 Schweinfurth Pflichten u. Ordn. 207 nebst Annullirung deß Contracta; Mommsen 1876 Reden u. Aufs. 404 diese Annullierung [der Promotion] öffentlich bekannt zu machen; 1908 Zukunft LXII 77 Annullierung des Freispruches; 1922—23 Schweizer. Monatsh. 11 240 Annullierung der Kriegsschulden; Wilke 1930 Erinn. 186 die Annullierung der Entfernungen durch das Auto; Lokal-Anz. 25.8.1933 Der Vertreter .. des Evangelischen Oberkirchenrates protestierte gegen diese Annullierung des Abkommens; Th. Mann 1947 Faustus (W. VI184) das war ein bedeutender . . Entschluß, der, gewissermaßen unter Annullierung der Zwischenzeit, an weit zurückliegende Augenblicke unseres gemeinsamen Lebens wieder anknüpfte; 1950 Wort u. Wahrheit V 555 [es sei] verfrüht, von einer Annullierung des Vertrags von Verdun .. zu sprechen; Süddtsch. Ztg. 8.19.7.1950 Das Parlament stimmte mit großer Mehrheit für die Annullierung eines Beschlusses aus dem Jahre 1946; ND 19.2.1959 haben .. die Annullierung dieses Beschlusses gefordert; Welt 5.6.1969 möglich ist nur die Annullierung der Ehe; FAZ 1.12.1971 Beispiellos war die . . Niederlage eines zweifachen .. Weltpokalsiegers, beispiellos auch die Annullierung [eines Tores]; MM 7.6.1986 hat sich die indische Regierung mit der Abschaffung der den Prinzen . . verfassungsmäßig verbrieften Rechte — auch wenn die Annullierung von einer Parlamentsmehrheit beschlossen wurde - praktisch eines Verfassungsbruchs schuldig gemacht; Spiegel 18.10.1993 Seine Klage beim . . Verfassungsgericht . . führte zur Annullierung der letzten Bürgerschaftswahl.
anomal Adj. (ohne Steigerung), Mitte 18. Jh. entlehnt aus spätlat. anomalos, anomalus 'der (grammatischen) Form nach mit der Regel nicht übereinstimmend, unregelmäßig' (< griech. 'uneben, ungleichartig, ungleichmäßig', aus verneinendem - bzw. - vor Vokal und h (—» a-Präfix) und 'gleich, eben (-mäßig), glatt', zu 'gleich, ähnlich, eben'; —+ homo-), zunächst in der eingedeutschten Form anomalisch, seit früherem 19. Jh. in der heutigen Form. Im Unterschied zu —» abnorm häufig fachspr. und gelegentlich bildungsspr. verwendet in der Bed. 'unregelmäßig, regelwidrig, nicht regelgerecht (entwickelt, verlau-
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anomal
fend), untypisch, vom Durchschnitt abweichend, außerordentlich, ungewöhnlich, seltsam, bizarr', meist bezogen auf Mängel, Fehler, Abweichungen vor allem des menschlichen Verhaltens und Aussehens (im Ggs. zu —» normal, durchschnittlich, gewöhnlich, der Erwartung, Erfahrungsnorm entsprechend); selten auch adv. zur Verstärkung einer Aussage für 'sehr, außergewöhnlich' (s. Belege 1949, 1951; —» abnorm). Von Anfang an in verschiedenen Wissenschaftsdisziplinen gebraucht für 'von der jeweils definierten Norm abweichend, dem Gesetz-, Vorschriftsmäßigen nicht entsprechend', z. B. in der Sprachwissenschaft für 'abweichend von der grammatischen Regel' (vgl. den Grammatikerterminus Anomalen, —» Anomalie), in der Medizin und Psychologie für '(psycho-)pathologisch auffällig, krankhaft', in der Physik z. B. in Syntagmen wie anomale Dispersion (speziell in der Optik als Bezeichnung für eine von der Regel abweichende Ausbreitungsgeschwindigkeit einer Lichtwelle) oder anomaler Schall (speziell in der Akustik als Bezeichnung für einen Schall, der sich von der Regel abweichend verbreitet) und in der Astronomie mit der seit früherem 19. Jh. (1838 bei Heyse) gebuchten, aus gleichbed. frz. anomalisüque übernommenen Nebenform anomalistisch, meist in dem aus frz. annee anomalisüque lehnübersetzten fachspr. Syntagma anomalistisches Jahr als Bezeichnung für eine Zeitgröße, die definiert wird vom Umlauf der Erde um die Sonne. Vgl. auch die in neuester Zeit mit Anomal(o)- als erstem Bestandteil gebildeten fachspr. Kombinationen Anomaloskop als Bezeichnung für ein Gerät zur Prüfung des Farbensinnes, bes. der Abweichungen vom normalen Farbensehen, vor allem im Rotgrünbereich (Medizin, seit 1906) und Anomalodesmata 'Unterklasse der Lammellibranchia' (Paläontologie, seit 1889). Dazu seit früherem 20. Jh. die subst. Ableitung Anomalität F. (-; -en) 'Regelwidrigkeit, Merkwürdigkeit', gleichbed. mit Abnormität (—* abnorm), Anormalität (—» anormal) und im Unterschied zu dem häufigeren fachspr. Internationalismus —* Anomalie nur selten nachgewiesen. anomal: Marpurg 1753 Fuge i 99 Anomalisch heißt diejenige Ausweichung, die in die Töne geschieht, die nicht in der Haupttonleiter enthalten sind; Hamann 1770 W. IV 361 in der anomalischen oder verirrten Gicht; Bispink-Laukhard 1794 Br. l 55 Ich habe von ändern Emigranten gehört, dass manche das Ludwigskreuz anomalisch trügen; Laukhard 1797 Leben 1V,1 6 Dies brachte ihn um alle Hoffnung, . . je versorgt zu werden, und dieß um so mehr, da die dortigen Versorgungen ohnehin immer sehr anomalisch vor sich gingen; Reit 1803 Rhapsodien 62 in anomalischen Zustande; Goethe 1814 Br. (WA IV 24,354) so gern ich mich mit allem beschäftige was mich über den regelmäßigen und anomalen Gang der Naturkräfte aufklären kann; Gaudy 1839 W. IV 68 das anomale Gepräg der fremdartigen Münze; Mommsen 1866 Rom. Gesch. III 465 nicht die anomale sullanische, sondern . . die gewöhnliche republikanische Dictatur; Ranke 1876 W. VIII 359 Und so war die öffentliche Gewalt einigermaßen eingerichtet, aber allerdings in den anomalsten Formen; Du Bois-Reymond 1889 Reden II 637 die paradoxe Tatsache der anomalen Dispersion in den Lösungen mehrerer mit sogenannten Oberflächenfarben metallisch glän-
zender dichroitischer Körper; Eitzen 1929 Irrgarten 158 ano(r)mal; Welt 6.7.1949 In einem solchen Falle wäre es . . nicht mehr notwendig, die überschüssige Kaufkraft durch anomal hohe Steuern zu sterilisieren; Süddtsch. Ztg. 28. 7.1951 Nach Ansicht des Münchener Wetteramtes wird der Sommer bleiben wie er anfing, nicht anomal heiß, nicht zu trocken und ohne eine beständige Hochdrucklage; ND 25.4.1959 daß die Lage in Berlin wirklich anomal und gefährlich ist und irgendwie zu einem Ende gebracht werden muß; Grass 1962 Blechtrommel 173 Natürlich sahen die beiden in mir das anomale, bedauernswerte Zwergenkind, kamen sich selbst gesund und vielversprechend vor; Welt 20.11.1969 Von da bis zum Gegenpart, wonach Sportler demnach „normal anomale Lebewesen" sein sollen, ist es nicht weit; 1972 Hörzu IV 63 Dennoch werden diese Menschen [Homosexuelle] von der „normalen" Mehrheit als Außenseiter, als „anomal, dekadent oder krank" abgetan; Hildesheimer 1977 Mozart 252 nach seinem Tode drängte es viele zur Aussage über ihn, darunter so manchen, den Mozart zu Lebzeiten durch sein anomales Gebaren verunsichert haben mag. . . das exzentrische, mitunter absolut rätselhafte und un-
Anomalie berechenbare Verhalten in seinen letzten Jahren; Zeit 22.11.1985 Verständlich macht der Evolutionsgedanke ferner das Vorkommen von Tieren mit intermediären Merkmalen, die man sonst als etwas Anomales ansehen würde, wie etwa Reptilien, die ein Federkleid, und Fische, die Lungen besitzen; MM 25.3.1988 die Azidose, ein anomaler Säureüberschuß.
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Anomalität: Kwasnik 1941 Chemiker 65 Anomalitäten in der Formelbildung; Einem 1956 Beiträge 89 das Erlebnis der Anomalität des künstlerischen Zustandes; MM 6. 2.1987 So könne eine Anomalität im Neutrotransmitter zu einer Anomalität in dem Bild führen, das wir uns von der Umwelt machen; Zeit 10.4.1987 Es ist Millers Frau, die das Böse, die Anomalität verkörpert.
Anomalie F. (-; -n), Ende 17. Jh. entlehnt aus spätlat. anomalia '(formale) Abweichung von der Regel, Ausnahme' (< griech. 'Unebenheit, Ungleichheit, Ungleichförmigkeit', zu , —» anomal). Vorwiegend fachspr. und häufig im PL verwendet, zunächst in der Grammatik zur Bezeichnung der Unregelmäßigkeiten bei der Verbflexion (s. u. Anomalon); seit früherem 18. Jh. (gebucht 1727 bei Sperander) auch in der Wetterkunde und bes. in der Astronomie zur Bezeichnung der Unregelmäßigkeiten im Lauf eines Planeten (s. Beleg 1842); im 20. Jh. zunehmend auch in vielen anderen, vornehmlich naturwissenschaftlichen Disziplinen (z. B. in der Biologie, Geophysik, Kristallographie, Physik, Medizin, Paläontologie) verwendet als Terminus für das von der jeweils definierten Gesetzmäßigkeit Abweichende, das Regelwidrige oder für Ausnahmeerscheinungen aller Art; in Syntagmen wie Anomalien beim Wachstum feststellen, eine physische, geistige Anomalie zeigen, aufweisen und als Grundwort in fachspr. Zss. wie Magnet- und Schwereanomalie (Physik), Triebanomalie (Psychiatrie), Chromosomenanomalie (Biologie) und Brechungsanomalie (Optik). Seit spätem 18. Jh. (s. Beleg 1775) auch allgemeiner und eher bildungsspr. verwendet in der Bed. 'Unregelmäßigkeit, ins Auge springende Ausnahme, auffallende Variante, befremdliche Regelwidrigkeit, Irregularität, Verstoß gegen die eingeführte Ordnung, Absonderlichkeit; außergewöhnliche Mißbildung, Perversion, krankhafte Neigung', vor allem in bezug auf menschliches Verhalten, Befinden und Aussehen (im Ggs. zum Normalen, Durchschnittlichen, Gewöhnlichen, erwartet Regelhaften, Gesunden), vgl. gleichbed. Anomalität (—» anomal), Anormalität (—» anormal) und Abnormität (—>· abnorm). Dazu das seit Ende 17. Jh. nachgewiesene, bis ins frühe 20. Jh. gebuchte Subst. Anomalen N. (-; Anomala) 'unregelmäßiges Verb', vereinzelt auch allgemein für 'Regelwirdiges' verwendet (s. Beleg 1795), und das seit dem 19. Jh. gebuchte, aus Anomal(o)- und dem Suffix -logie gebildete Subst. Anomalologie E (-; ohne PL) 'Lehre von den Unregelmäßigkeiten der Verbflexion'. Anomalie: Lehmann 1699 Hist. Schauplatz 413 so viel Anomalien der Gebirgischen Witterung; 1702 Evang. Schulordnung III 79 Wenn sie denn . . die erste Declination fertig können, nimmt man die andere .. sagt ihnen aber nichts von Anomalien oder Regeln, die dabey vorkommen; Vischer 1709 Informator 113 Man kann im Französischen mit den Verbis auxiliaribus, etre und avrir, viel richten; da hingegen im Lateinischen hunderte Anomalien sind; Sperander 1727 A la mod Sprach 37 Anoma-
lie, wider die Regel/ . . Ungleichheit. Ist ein SchulWort/ welches so viel bedeutet/ als daß ein Wort oder Redens-Art von denen gewöhnlichen Regeln abgehe. In der Astronomie werden alle Abweichungen der Sterne von ihren Graden und gewöhnlichen Lauff also genannt; Chomel 1750 Physical. Lex. 452 Anomalia, anomalie, heist in der astromonie eine Ungleichheit und scheinbare Irregularität in dem lauffe der planeten. sie ist dreyerley, als eccentrii, media, vera (DWB N.); Wieland 1775
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anonym
Ges. Sehr. 114,64 kleine Unvollkommenheiten, unbedeutende Anomalien . ., die von wirklichen Schönheiten merklich überwogen . . werden, machen einen Karakter noch nicht zur Karikatur; Musäus 1781 Physiognom. Reisen II173 Waldanomalien im Erzgebürg; ders. 1787-88 Volksmärchen I 85 Anomalien der feinen Lebensart; Goethe 1795-96 Lehrjahre (HA VIII 445) Um diese Anomalie an einer der Ordnung dergestalt ergebenen und in den reinsten Kreisen sich bewegenden Person zu erklären, sind wir genötigt, einen neuen Mitspieler in dieses vielumfassende Drama noch zuletzt einzuführen; Laukhard 1797 Leben IV 1,280 daß die Universitäten zu den lächerlichen Anomalien gehören, welche das Menschen Geschlecht verhunzen helfen; Sartori 1812 Reise 1142 zur Kenntnis der Anomalien des Klima's von Eisenerz; Littrow 1842 Wunder d. Himmels 792 Anomalie eines Planeten ist der Winkel, welchen sein Radius Vektor (seine Entfernung von der Sonne) mit der großen Achse seiner elliptischen Bahn bildet; Szarvady 1852 Paris I 340 kein Symptom von Selbstherrschaft, ohne die eine Republik nur eine lächerliche Anomalie bleibt; Latz 1869 Alchemie 36 Da die Sachlage eine solche ist, so findet man weiter keine Anomalie darin; Th. Mann 1901 Buddenbrooks (W. I 663) Was er aber mit besonderer Ausführlichkeit . . beschrieb, war eine scheußliche Anomalie, die er in letzter Zeit an sich wahrgenommen hatte und die darin bestand, daß er an gewissen Tagen, das heißt bei gewisser Witterung und Gemütsverfassung, kein offenes Fenster sehen konnte, ohne von dem gräßlichen und durch nichts zu rechtfertigenden Drange befallen zu werden, hinauszuspringen; ders. 1909 Hoheit (W. II 33) „Königliche Hoheit", sagte er bittend, „scheinen sich die kleine Anomalie, die man am Körper des Prinzen ausfindig gemacht hat, so sehr zu Herzen zu nehmen"; ders. 1926 Reden u. Aufs. (W. XI 38) Er spricht vom „Tonio Kroger", vom „Tod in Venedig"; und indem er .. auf die Erforschung der Anomalie eingeht, die in der Tatsache des Künstlertums beschlossen liege, bewährt er den hier herr-
schenden Willen, zu verbinden, Beziehungen herzustellen, Verwandtschaften aufzuweisen; Voss. Ztg. 5.9.1931 Rentenkurs-Anomalien; Borst 1957 Turmbau 46 Jede fremde Sprache galt als Anomalie; ND 7.11.1959 die Entdeckung von Riesenerzlagern in der Kursker Magnetanomalie; Welt 28.5.1969 Die Tatsache, daß es in Griechenland politische Gefangene gibt, beweist die Anomalie, die durch die Diktatur geschaffen worden ist und auf die sich die Diktatur auch weiterhin stützt; Hildesheimer 1977 Mozart 284 Wir, die wir in der Deutung äußerer Manifestation psychischer Anomalien erfahrener sind als Mozarts Zeitgenossen; Zeit 14.5.1986 Die traditionelle Psychiatrie sieht in der Perversion noch immer eine biologisch fundierte Triebanomalie; MM 2. 7.1986 An manchen Stellen rechnen die Heidelberger Sedimentforscher schon jetzt mit solchen Anomalien; ebd. 2.9.1986 bei der Mukoviszidose, einer Stoffwechselanomalie; ebd. 11.9.1986 ein Gegengewicht gegen die nationalstaatliche Anomalie eines gefährdeten Volkes; ebd. 11.6.1987 Mit einem Positron-Emissions-Tomographen (PET) kann man nun im Anschluß an ein Elektrozephalogramm (EEG) die für die Anfälle verantwortlichen Anomalien nicht beseitigen, auch werde die Brille nicht überflüssig; Ortheil 1992 Agenten 117 Ich hatte eine Freundin im Laden, die ertrug die Hatz nicht, die bekam dann Anomalien, doppeltes Sehen, kleine verdrehte Pupillen. Anomalen: Stieler 1691 Lehrschr. 2 So frage sich doch einer nur/ . . was declination und conjugatio auf teutsch heiße/undwie viel deren an der zahl in unserer spräche eigentlich/ auch welche darunter analoga und welche anomala seyn (DWB N.); Jean Paul 1795 Fixlein (W. VII 87) daher Fixlein daselbst mit dem Fräulein die Anomala trieb; Chamisso 1819 W. II 86 Die . . Regelmäßigkeit der . . Sprache, die ohne alle Anomala dem Gesetz der Nothwendigkeit folgt; Curtius 1886 Kl. Sehr. I 139 Die Masse der Anomala überwucherte bei weitem den kleinen Bestand regelmäßiger Verba.
anonym Adj. (ohne Steigerung), im frühen 17. Jh. vereinzelt, seit Anfang 18. Jh. kontinuierlich nachgewiesen, über gleichbed. spätlat. anonymos, anonymus zurückgehend auf griech. $ (aus dem Negationspräfix - bzw. - vor Vokal (—» aPräfix) und , Nebenform von 'Name', also eigentlich 'nicht Namen habend'; —» Pseudonym, —»Synonym), anfangs vereinzelt in der lat. (flekt.) Form und in lat. Syntagmen wie scripta anonyma 'anonyme Schriften', dann bis ins 18. Jh. meist in der eingedeutschten Form anonymisch und seit spätem 18. Jh. zunehmend in der heutigen Form.
anonym
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Eher bildungsspr. verwendet in der Bed. Ohne Namensnennung, ohne (Angabe des) Verfasser(s); ungenannt, namenlos; namentlich unbekannt', bes. in bezug auf den Verfasser eines Schriftwerkes, z. B. in den Wendungen anonymer Verfasser, Autor; jmdm. anonym schreiben, etwas anonym herausgeben, das anonym erschienene Buch, anonyme Anzeige, anonyme Schriften, dafür auch Anonyma PL 'Schriften ohne Angabe des Verfassers', ein anonymer ('seinen Namen nicht nennender') Anrufer, einen anonymen ('vom Absender nicht unterzeichneten') Brief bekommen, ein anonymer Kritiker, Brief Schreiber, anonym bleiben wollen 'nicht namentlich erwähnt, genannt werden wollen'; selten, nur adv., im Sinne von 'inkognito', z. B. anonym reisen (s. Beleg 1823); vgl. daneben das Anfang 19. Jh. aus gleichbed. frz. societe anonyme lehnübersetzte Syntagma anonyme Gesellschaft, eigentlich 'namenlose Gesellschaft', als Bezeichnung für eine Handels- oder Aktiengesellschaft (s. Belege 1810, 1859). Seit dem 18. Jh. gelegentlich auch übertragen gebraucht für 'noch keinen Namen, Ruf, kein Ansehen erworben habend, in der Öffentlichkeit, in bestimmten Fach-, Gesellschaftskreisen noch unbekannt, nicht allgemein anerkannt, noch nicht weithin angesehen, noch nicht berühmt', z. B. anonyme Künstler (s. Belege vor 1803, 1988); in neuerer Zeit vor allem auch eher abwertend im Sinne von 'unpersönlich, ohne persönliche Note, ohne Gesicht, durch Fremdheit geprägt', z. B. anonyme Wohnblocks, anonymer Stil (s. Belege 1980, 1985, 1986, 1988, 1991), und 'keine persönlichen Beziehungen zulassend, persönliche, menschliche Kontakte verhindernd, ausschließend, ohne Kontakt', z. B. der anonyme Staat, die anonyme Behörde, Hochschule (s. Belege 1910, 1956, 1958, 1985, 1986). Früher selten auch subst. Anonymer M. (s. Belege 1772, 1776, vor 1803). Dazu ebenfalls seit frühem 17. Jh. das zu lat. anonymus Adj. (s. o.) in der Gelehrtensprache gebildete, bis Anfang 20. Jh. auch lat. (flekt.) Subst. Anonymus M. (-; Anonymi, Anonymen), im 18. Jh. vereinzelt auch in der rückgebildeten Form Anonym, in der Bed. 'namentlich nicht genannter Autor, Ungenannter', z. B. der Verfasser ist ein Anonymus aus dem 17. Jahrhundert, selten auch übertragen für 'ein Nichts, ein Niemand' (s. Beleg 1896). Seit spätem 18. Jh. die subst. Ableitung Anonymität F. (-; Pl. ungebr.), früher dafür selten auch Anonymie, 'Verschweigen des Namens; das Nichtbekanntsein, Nichtgenanntsein, Namenlosigkeit', z. B. die Anonymität des Verfassers, die Anonymität wahren, lüften, aufgeben, preisgeben; aus der Anonymität heraustreten, sich in Anonymität hüllen 'ungenannt bleiben'; seit Anfang 20. Jh. häufig übertragen gebraucht für 'Unpersönlichkeit, Fremdheit; Kontaktlosigkeit', z. B. in den Wendungen die Anonymität der Großstadt, des politischen Systems, der Universität; in neuerer Zeit das trans. V. anonymisieren 'den Namen verschweigen, geheimhalten; (aus einer Statistik, einem Fragebogen o. ä.) den Namen einer Person, persönliche Daten löschen, tilgen', bes. in Wendungen wie eine Statistik anonymisieren, anonymisierte Daten, Fragebögen, mit dem Verbalsubst. Anonymisierung F. (-; Pl. ungebr.). anonym(isch): Mundus 1619 Rosenkreuzbruder 21 bin ich auch inn einen Authorem Anonymum gerathen; 1715 Fama XL11I 494 scripta anonyma; Elis. Charl. 1720 Br. V 280 Ich empfange gar offt von den verfluchten anonimen schreiben; Zinzendorf 1732 Socrates I 5b Ein .. Philosophus, . . schrieb
mir einmahl nach Dreßden, wie er den Catechismos, so ich unter meinem Namen herausgegeben, und die anonymische Schriften von meiner Feder unmöglich unter einen Hut bringen könte; 1758 Freye Gedanken ü. Staats-Schr. (Acta Publica Sammelbd. XVII 7) Daher entstehen nun die scripta
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anonymica et pseudonymica, bey welchen sich die Verfasser nicht nennen, oder einen erdichteten Namen annehmen; Baumgarten 1766 Religionspartheyen 73 darin [hat] er unter dem Schein, diese anonymische Schrift zu bestreiten, . . die Spöttereyen ausgebreitet; Bülau 1766 Zum dtsch, Nationalgeist Alb eine Pflicht gegen einen ieden anonymischen noch lebenden Schriftsteller, so lange er seinen Namen nicht nennt, ihn ungenannt zu lassen; Haller-Gemmingen 1772 Briefw. 39 Ewerer Excellence habe ich die Ehre einen Anonymen zuzuschicken; Schubart 1774 Dtsch. Chronik 509 einen anonymischen Verfasser; Michaelis 1776 Räsonnement IV 2a anonymisch zu schreiben; Behrisch 1776 Buch 40 dass ein anonymischer Verfasser ein anonymisches Buch schreibt; Hamann 1776 S. W. IV 429 die fahrende Ritter aber fechten oft gleich Anonymen; Beckmann 1784—88 Erfindungen U 599 Die anonymischen Schriften sind nach dem Hauptworte ihrer Titel geordnet worden; 1786 Über d. Benennung Pfalz-Baiern. (Anzeige d. Verlegers o. S.) Ich . . weis wol, dass man insgemein wenig von anonymischen Schriften halte; Ersch 1788—96 Verzeichnis aller anonymischen Schriften . . des Gelehrten Teutschlands (Titel); Hermes 1791 Literar. Märtyrer 1143 ein anonymes Werkchen; Crome 1791 Wahlcapit. 31 Schriften anonymisch zu drucken; Laukhard 1792 Leben 56 in einem anonymischen Briefe; Schiller 1794 Br. IV 186 der Erscheinung des anonymen Geistes; Gotter 1802 Nachlass 251 einen anonymen Brief; 1803 Literar. Blätter 27 Verzeichnis anonymischer Schriftsteller; .. anonym auftreten [als Schriftsteller]; Herder vor 1803 W. XV 233 Sie bleiben Ohnnamen, Anonymen (KEHREIN); Hegel 1806 Einrichtung (XX 42) Werden die Kritiken anonym gegeben, so haben sie den äussern Schein, Produkte . . des ganzen Instituts zu seyn; Mayr 1809 Gen.-lndex Baiern 17 Anonyme Anzeigen; 2810 Fahnenbergs Magazin l 16f. Das Handelsgesetzbuch [in Frankreich] nennt diejenige Gesellschaft eine unbenannte, deren Teilhaber bloße Aktieninhaber sind. . . Diese Art von Gesellschaften war bisher in Frankreich noch unbekannt. . . Nach dem Artikel 37 des Handelsgesetzbuches kann nun eine anonyme Gesellschaft nur mit Erlaubniß der Regierung bestehen; ebd. 17 societe anonyme .. eine unbenannte Gesellschaft; Goethe 1823 Br. (WA IV 37 204) Dießmal habe ich diese Epoche [Goethes Geburtstag] still und gleichsam anonym in Elbogen gefeyert; Robert 1824 Hochzeit (Jahrb. D. Bühnenfestspiele IV 111) Wir geben alle . . viel zu viel/ Auf diesen anonymen Brief, der sicher/ Von einem unerzog'nen Menschen kommt; Lang 1833 Reise XI 52 [da] schon das Tridentiner Conzilium alles anonyme Schreiben verboten . . hat; Bauer 1836 Oberschw. l 103 nun erschien es [Buch] über-
dies anonym, oder unter verändertem Namen; Kohl 1845 Paris I 31 die in Paris so sehr beliebten anonymen Briefe; Laube 1847 Karlsschüler 32 Es ist . . wahrscheinlich, daß er anonym gefährliche Schriften drucken läßt und damit Geld erwirbt; Gutzkow 1858 Zauberer II 154 [in] anonymen Briefen; 1859 Staats-Wb. IV 678 Diese Formen [der Gesellschaftsunternehmung] sind unter dem Artikel Gesellschaft (anonyme) bereits besprochen. . . Das Wesen dieser . . Kompagnieen [Kreditanstalten] findet sich . . im Artikel „anonyme Gesellschaft"; Holtet 1860 Eselsfresser II 145 hatte die anonyme Zuschrift . . eine so heftige Erschütterung in ihm hervorgebracht; Auerbach 1861 Gesellschaftswesen 205 Die Bezeichnung anonyme Gesellschaft ward dem Vereine in der Handelswelt und von Handelsgesetzen gegeben, weil er . . kein benanntes Individuum zu seinem Träger hat; Holtet 1863 Letzte Komödiant I 174 Anonyme Briefe; Mehrheimb 1888 Psychodramen I 56 Es ist mir . . eine Broschüre zugefertigt worden, . . anonym herausgegeben; Henne-am Rhyn 1897 Kulturgesch. Vll 213 anonymer Schmähbrief; Duimchen 1902 Mittel 223 als er zwei oder drei Jahre darauf, auf anonyme Briefe hin, . . noch einmal zurückkehrte; Wassermann 1910 Masken 347 Der Sturm moderner Existenz . . verurteilte ihn zu anonymem Elend; 1912 Technik u. W'irisch. V 466 wenn die Verantwortung von der juristischen Person, der anonymen Aktiengesellschaft, übernommen wird. Auch fühlt sich das eigene Gewissen noch dann beruhigt, wenn die Anonyma sich durch höheres Gehalt und Tantiemen erkenntlich zeigt; Berolzheimer 1914 Moral 221 Die anonymen Vermögen; Benjamin 1918 Br. I 187 Wir möchten ihm anonym ein Buch schicken; Passow 1922 Aktiengesellschaft l Anm. Nach französischem Vorbilde wurde die Aktiengesellschaft auch in Deutschland früher vielfach als „anonyme Gesellschaft" (bisweilen auch verdeutscht als „unbenannte Gesellschaft") bezeichnet; Schlegel 1922 Kulturgrotesken 163 ich hätte einen anonymen Schmäh- und Verleumdungsbrief . . geschrieben; Lettenbaur 1927 Morgen 361 Was sie [die Zurückgekehrten] in der Welt gewirkt haben, bleibt anonym; Man 1932 Massen 17 zu anonymeren Formen der Machtausübung [gelangen]; Berl. Illustr. Nachtausg. 21.2.1933 Die Sitzung wurde mit einer Mitteilung des Vorsitzenden . . Dr. Truppner eröffnet, daß ihm eine anonyme Karte zugegangen sei; 2935 „Duden"-Sammlung o. S. „anonyme Gremien", in denen sich oft die gefährlichsten Einflüsse Geltung verschaffen konnten; Münch. N.N. 4.15.3.1944 indem sie [Japanerinnen] anonym in große Flugzeugfabriken eintraten und dort als unbekannte Arbeiterinnen arbeiteten; Benn 1949 Ptolemäer 53 Aktiengesellschaft oder wie schon der Begriff sagt: Societe anonyme;
anonym Welt 14.7,1949 als anonyme Verfasser werden mehrere bekannte Kritiker angesehen; Kesten 1952 Casanova 50 das erste Mädchen, das sich ihm ergab, tat es .. anonym im Dunkeln; Heimpel 1956 Kapitulation 80 weil diese Fürsorge [des Staates] gesetzlich geregelt, und weil sie anonym geworden ist; Borst 1957 Turmbau 264 in einer anonymen syrischen Schrift, der sog. „Schatzhöhle"; Jaspers 1958 Atombombe 161 in der totalen Herrschaft .. ist dieser Zustand erreicht, der dem Prinzip .. der anonymen Maschinerie entspricht; ebd. 398 [das] Aufgesogenwerden durch einen anonymen, menschenfremden Apparat; ebd. 399 der . . Totalitarismus will .. in einem . . Machtwillen anonym werdenden Charakters, den Menschen selber verändern durch totale Planung; Stuttgarter Ztg. 6.4.1959 Die Schnellzüge in der Schweiz, die bisher schmükkende Beinamen wie „Diplomat" oder „Helveticus" hatten, werden . . wieder anonym unter ihren Zugnummern verkehren; Bollnow 1962 Mass 109 dem Vordringen der anonymen Massenkräfte [im Staatsleben] Widerstand zu leisten; 1963 Dies Univ. X 53 Struktur des „anonymen Staatswesens"; ebd. X 56 Entstehung und Erhaltung „anonymer Gemeinschaften"; 1965 Aspekte 79 Begriff der anonymen Verantwortlichkeit; Bildztg. 13.6. 1967 einer unserer prominentesten Kicker — er möchte anonym bleiben, um nicht von seinen Anhängern zerrissen zu werden; Welt 13.3.1969 daß heute der Preisabstand zwischen Markenware und anonymer Ware sehr gering geworden ist; FAZ 16.2.1972 Das Kapital ist in unserer Gesellschaft nicht anonym. Es ist weitgehend die Sache von Hunderttausenden von Anteilseignern; Dülmen 1977 Reformation 52 der anonymen Flugschrift „Teutscher Nation Notdurfft . ."; Strauß 1980 Rumor 208 die Meldung des anonymen Denunzianten; Saarbr. Ztg. 27.6.1980 sie wohnen in anonymen Hochhäusern; MM 24.1.1985 Krebsdaten zentral und anonym [speichern]; Zeit 15.3.1985 der Stand der Richter . . steht klar abgegrenzt dem Laienpublikum gegenüber, meistens anonym, als Stand; ebd. 5.4.1985 mittelalterliche Kunst sei ihrem Wesen nach anonym, der Künstler trete fromm . . hinter seinem Werk zurück; ebd. 3.5.1985 Kritik, die gegen die Gängelung durch anonyme Bürokratien aufbegehrt; MM 21.5.1985 während . . die Aktionäre . . anonym bleiben und ihre Anteile frei handeln können, . . ist der Handel mit gebundenen Namensaktien ohne das Mitwirken der Gesellschaft ausgeschlossen; Zeit 28. 6.1985 nicht zuletzt wegen der vielen Kontakte, die auch im anonymer werdenden Lernbetrieb Hochschule noch immer geschlossen werden können; MM 27. 7.1985 weil die Fotographie so verbreitet und allgemeinverständlich ist, scheint sie anonym zu sein — eine Technik ohne Gesicht; Zeit 16.8.1985 die App-
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parate sind so undurchsichtig, die Mächte so anonym geworden; ebd. 24.1.1986 das erste Buch hatte er vorsichtshalber anonym erscheinen lassen; ebd. 7.3.1986 war .. Wissenschaftlern verwehrt worden, Berufe von Heiratenden . . zu erheben — und zwar anonym, also ohne daß Namen genannt wurden; ebd. 11.4.1986 die Abstimmung ist anonym; MM 14.4.1986 die anonymen Drohungen bis hin zum Mord reißen nicht ab; Zeit 13. 6.1986 wo es gelungen sei, Massenwohnungen in kultivierter Form zu schaffen — keine anonymen Wohnsilos; MM 23.6.2986 es gibt . . viele . . Untersuchungen zu diesem Phänomen [Musik als Droge] einer Gesellschaft, die . . doch eher anonym und kontaktarm durch den Alltag geht; ebd. 29. 7.1986 während . . vieles der mittelhochdeutschen Heldenepik anonym blieb, trat in der höfischen Epik und der Lyrik des Minnesangs der Urheber hervor; ebd. 14.4.1987 da ist nichts von der anonymen Kälte und Sterilität eines Industrieprodukts; Stern 3.6.1987 weil die Bereitschaft bei Ärzten .. gewachsen ist, Krankheitsfälle anonym an das zentrale Erfassungsregister zu melden; ebd. 10.6.1987 stießen die . . Staatsanwälte . . durch eine anonyme Anzeige auf die manipulierten Abrechnungen; MM 15.7.1987 der Slogan „die Volkszählung ist anonym" habe die Bürger mehr als irritiert; ebd. 27.7.1987 anonyme Alkoholiker richteten Kontaktstelle . . ein; ebd. 22.8.1987 die Grünen berufen sich auf einen anonymen Informanten; Zeit 23.10.1987 der Autor ist dem Text untergeordnet, er schreibt unpersönlich, anonym, tritt allenfalls als Vermittler auf; ebd. 25.11.1987 das Bankgeheimnis wird nicht angetastet, weil die Banken . . die Quellensteuer insgesamt in einer Summe und anonym ans Finanzamt abführen sollen; MM 13.5.1988 Wolfgang Neumanns Aegisth bleibt weitgehend anonym; nicht einmal der Tenorstimme ist eine Annäherung an die Figur anzuhören; ebd. 13. 6.1988 die Phantasie der meist anonymen Künstler kannte keine Grenzen; ebd. 15.6.1988 Aidskranke werden anonym zusammenleben; Spiegel 30.7.1990 Ein anonymer Hinweis, daß eine West-Frau in einer Ost-Klinik abgetrieben habe; 2991 Elle II 94 Der Wohnstil ist kühl, fast anonym; Spiegel 30.11.1992 Bei der Polizei . . kündigt ein anonymer Anrufer mehrfach Gewalttaten gegen Ausländer an. Anonymie: Forster 1788 W. XI 126 Mancherley Fälle giebt es, wo die Anonymie gleichgültig, verzeihlich, ja sogar nothwendig ist; Herder 1793 — 95 Br. (S. W. XVII 305) In Büchern spricht Alles zu Allem; niemand weiß zu Wem? Oft wissen wir auch nicht, Wer spreche? denn die Anonymie ist die große Göttin des Marktes; ders. vor 1803 W.
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XI 171 Wie hätte ich ein Recht, Anonymie zu verlangen (KEHREIN). anonymisieren: Wohmann 1977 Nachrichtensperre 407 Bei einem für die Zeitung nennenswerten Unfall meiner Mutter würde man sie aber ganz genauso als alte Frau anonymisieren; MM 24.1.1985 die Daten sollen an dieser Stelle zentral anonymisiert werden; . . an die Forschung würden nur anonymisierte Daten weitergegeben; Zeit 1.11.1985 der Gedanke, deswegen zu anonymisieren, zu schwärzen, zu tilgen, ganze Passagen zu vernichten . . — dieser Gedanke muß Historiker auf die Barrikaden treiben; MM 4. 7.1986 leider ist die Darstellung im Mannheimer Morgen nicht in anonymisierter Form abgefaßt; Zeit 12. 6.1987 die entscheidende Phase, in der die Fragebögen in den Rechnern anonymisiert werden sollen, ist noch unklar; MM 10.12.1987 die Namen der Gesprächspartner werden in den Protokollen sofort anonymisiert; Süddtsch. Ztg. 4.10.1993 Kaum ein Franzose hat seinerzeit verstehen können, warum sich die ordnungsliebenden Teutonen massenhaft einer anonymisierten Volkszählung widersetzt haben, aber zwischen den Jahren überall brav ihrer Meldepflicht nachkommen; ebd. 25.2.1994 Bereits jetzt hat er von einem Zeitschriftenverlag ein Schmerzensgeld für die Kinder erstritten, weil das bunte Blatt Namen und unzureichend anonymisierte Photos veröffentlicht hat. Anonymisierung: Dtsch. AZ. 14.5.1944 sind die Beziehungen . . eine Heraushebung des Geschäftlichen aus der rein sachlichen Sphäre des Geld-Ware-Tausches. Das Geschäft wird durch die Beziehung wieder persönlicher; man könnte sagen, daß die Beziehung eine Ent-Anonymisierung des Geschäftes darstellt; Mühlmann 1962 Homo 13 Das Bevölkerungswachstum . . hat . . eine wachsende Anonymisierung . . der . . Beziehungen zwischen den Menschen bewirkt; Zeit 31.5.1985 wenn erst jeder Hochschullehrer seine Studenten persönlich kennt, ist das ein erster Schritt, die Anonymisierung zu stoppen; ebd. 22.5.1987 es ist richtig, daß man die Anonymisierung von Volkszählungsdaten durchbrechen kann; Spiegel 6.12.1993 Den . . süßen Südfrüchten und der Kohle aus den Gruben Kolumbiens sieht man den Schweiß von . . ausgebeuteten Menschen nach ihrer Anonymisierung auf dem Weltmarkt natürlich nicht mehr an. Anonymität: Musäus 1779 Physiognom. Reisen III 180 Unter allen Mänteln ist indessen keiner bequemer für die Herren, als der Mantel der Anonymität; Müller 1789 Emmerich VI 175 Anonymität; Lindenau 1790 Beleuchtung 4 wenn so ein federführender Wicht im Mantel der Anonymität her-
vorschleicht; Crome 1791 Wahlcapit. 31 So wenig ich die Anonymität gänzlich aus der Schriftstellerwelt verbannt sehen möchte, da es gewisse Gegenstände und Personen giebt, über welche nur ein anonymischer Schriftsteller .. schreiben wird; W. v. Humboldt 1792 Br. a. Brinkmann 27 Dann hasse ich alle Ungelegenheiten, die das Drucken hervorbringen kann, ob ich gleich wohl durch Anonymität gedekt wäre, da das Druckenlassen an sich eine insipide Sache ist; Goethe 1794 Br. (WA IV 27,299) daß ich . . die absolute Aufhebung aller Anonymität in Druckschriften für die größte Wohlthat halte die man einer Nation .. erweisen könnte; Laukhard 1802 Leben V 297 Einiges habe ich anonymisch herausgegeben, und finde es noch nicht nothwendig, meine Anonymität in dieser Hinsicht aufzugeben; Wolf 1803 briefl. (Schütz, Leben I 481) Mit dem Recensir-Wesen ist es . . unangenehm für Jemand, der gern ruhig seinen Weg geht, wenn Anonymität nicht anonymisch ist; und so muss es ja der Natur der Sache nach sein, sobald mehr als Einer eine Recension kennt; Hegel 1806 Einrichtung (XX 43) Anonymität der Verfasser; Steffens 1817 gegenwärtige Zeit II 834 Wer ein kühnes Wort zu sprechen wagt, muss seine Person wagen, hinter der Anonymität verbirgt sich der schlechte Sinn; Heine 1835 Romant. Schule 56 da der Verfasser einige Zeit seine Anonymität zu bewahren wußte und man vergebens ihn zu erraten suchte, .. ward das Interesse des Publikums noch künstlich gesteigert; Szarvady 1852 Paris l 250 die Frauen spielen ihre Rolle mit eben dem Erfolge unter der Republik wie unter der Monarchie, und sie haben um so leichteres Spiel, als sie . . ihre fürchterliche Anonymität behalten. Ihr Einfluß ist in jeder Beziehung namenlos; 1855 Prutz'Museum l 702 die Speculation mit dem „Fechter von Ravenna" [von einem ungenannten Autor] ist so glänzend eingeschlagen, warum sollte sie es nicht öfters? Uns fällt bei diesem ganzen AnonymitätsSchwindel immer der unglückliche Dramatiker Zwengsahn ein mit seinem „Dschingiskhan"; Linde 1877 Br. 101 die . . ernst gemeinte Anonymität des Verfassers; Nordau 1881 Paris II 235 Anonymität; Honig 1882 Mannszucht 225 An sich ist es schon unmännlich, sich hinter Anonymität zu verstecken; Haym 1902 Leben 260 Mommsen, der eifrigste Verfechter des Anonymitätsprincips; Hashagen 1910 Kandidatenzeit 75 Anonymität; Rathenau 1917 v. kommenden Dingen 39 Die Arbeit des Proletariers geniesst zwar jene lockende Anonymität der Abhängigkeit, er erhält nicht Befehle, sondern Anweisungen; Bücher 1921 Volkswirtsch. II 238 Die Anonymität in den Zeitungen; Mehring 1927 Paris 22 lieber in der Anonymität der Erste als in der Öffentlichkeit der Zweite; Voss. Ztg. 17. 9.1929 Dieser Trost . . bleibt den unteren Kri-
anonym minalbeamten nicht. Sie sind zur dauernden Anonymität verdammt. Mag einer von ihnen sich auch noch so hervorrragend bei der Aufklärung eines Verbrechens ausgezeichnet haben, es wird immer das Verdienst seines Vorgesetzten bleiben; Kesten 1932 Scharlatan 222 er habe mich aus dem Nichts und der Anonymität zum zweiten Direktor der Konzentra AG gemacht; Benjamin 1933 Br, 599 Dazu kommt, daß man . . doch gut tut, jene Anonymität zu suchen, die einem eine große Stadt gibt; Lokal-Anz. 28.12.1934 Begünstigt wurde der Skandal . . durch die Anonymität der parlamentarischen Demokratie, die über das Treiben der eigentlichen .. politischen Kräfte den Schleier der Phrasen legt; Dtsch. AZ. 4.12.1935 Die „Anonymität" des großen Kapitals . . wird, wenn man ihren Begriff .. auf das Verhältnis zum Unternehmer ausdehnt, durch die schweren Papiere teils gefördert, teils behoben; Halbe 1935 Jahrhundertwende 145 diese wundervolle Anonymität des Lebens und Schaffens [in München]; Sieburg 1935 Gott 277 die [frz.] Radikalsozialisten, denen es gelungen ist, aus der Provinz so etwas wie einen Mythos zu machen. Sie sind eine Partei der geistigen Anonymität; Süddtsch. Ztg. 28.5.1946 Durch die „Anonymität" der Ware während der Prüfung [durch das Gewerbeaufsichtsamt] ist eine gerechte Beurteilung gewährleistet; Hülsen 1947 Zwillings-Seele I I 1 2 1 das System der Anonymität, der maskierten Bravi; Paulsen 1948 Gerechtigkeit 22 die „Anonymität" des Fortschritts, ihre jede menschliche Daseinsgestaltung immer wieder blind sprengende Gewalt; Süddtsch. Ztg. 9.6.1951 daß der Mensch nur in der Anonymität der Masse so schlecht ist, wie er sein kann; ebd. 4. 6.1952 Die Zeiten Harun al Raschids sind seit längerem vorüber. Wollte er nachts . . in Bagdads . . Straßen .. hören, was man von ihm dachte, zog er . . einen .. Trenchcoat an, stahl sich durchs Hinterpförtchen des Serails, und schon trat er in den Schatten der Anonymität. Man erkannte ihn nicht!; 1955 Akzente 434 Anonymität der lokalen Wohltätigkeitsveranstaltung; Bamm 1956 Ex ovo 161 diese eigentümliche Anonymität naturwissenschaftlicher Entdeckungen; Jens 1959 Götter 28 Die Anonymität aber kennt keine Größe, die Helden-Spur verliert sich im InsektenStaat; Stuttgarter Ztg. 14.2.1961 Was . . stört, ist die Anonymität der exklusiven Kanzlergespräche, die Verhandlungen hinter verschlossenen Türen; Partner 1964 Erben 34 sie hat etwas von der Anonymität und Geräuschlosigkeit eines Verwaltungsaktes; Stuttgarter Ztg. 5.8.1966 Der Wunsch nach Anonymität im Einkauf ist . . das große Handicap der Geschäfte im Dorf und in der Kleinstadt. Nicht umsonst haben die Versandhäuser hier ihr bestes Publikum; FAZ 3.1.1972 wie sehr das Verbrechen von der Anonymität einer Großstadt
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begünstigt wird; MM 9.4.1985 dem Informationsbedürfnis setzt das Recht der Betroffenen auf Anonymität Grenzen; Zeit 21.6.1985 die Anonymität privater Sammler bleibt auf Wunsch gewahrt; ebd. 28.6.1985 die stille Anonymität in der Universität; ebd. 16.8.1985 wenn bei einem Test die Anonymität zugesichert wird; ebd. 27.9.1985 die meisten seiner Kollegen schützte . . die Anonymität eines akademischen Systems; MM 14.11.1985 für sie gehören . . Happy-Ends und Anonymität des Verfassers zu den Kennzeichen des trivialen Produkts; Zeit 9.5.1986 Anonymität sicherten die Statistischen Landesämter den Befragten zu; ebd. 23.5.1986 beklagen Mieter besondere Erscheinungen wie Isolation, Anonymität, menschenfeindliche städtebauliche Struktur; ebd. 7.11.1986 sie suchen die Anonymität der Stadt; MM 4.6.1987 sie möchten mehr persönliche Beziehung .. beim Einkauf und nicht die Anonymität des Supermarktes; ebd. 28. 7.1987 die Graffiti reißen die Sprayer heraus aus ihrer Anonymität, geben ihnen das Gefühl, bekannt zu sein; ebd. 19.11.1987 getreu dem Grundsatz der Anonymität werden keine Mitgliederlisten geführt; Süddtsch. Ztg. 12./13.12.1992 Die Studenten fliehen vor der Anonymität deutscher Massenuniversitäten; Spiegel 15.2.1993 Er flüchtet sich in die Anonymität, die die Zugehörigkeit zu einer Nation oder Stammesgemeinschaft bietet. Anonymus: Mundus 1619 Rosenkreuzbruder 21 bin ich auch inn einen Authorem Anonymum gerathen — Auff dise Worte nun habe ich am Rand besagten Anonymum also angeredt; Zinkgref 1628 Apophthegm, l 323 Anonymi. Deren Nammen von den Authorn nicht gesetzt werden; Praetorius 1666 Anthropodemus l 76 Es spricht aber bei E. ein Anonymus also; Morhof 1682 Unterricht 478 noch eines ändern Anonymi, von dem zu Magdeburg Anno 1605 ein Buch heraußgekommen; Thomasius 1688 Monats-Gespräche 83 Dieser war von einem Authore Anonyme Anno 1663 [veröffentlicht worden]; ebd. 297 der Anonymus . . giebt vor/ daß er mit den Vornahmen Ludwig Royer heisse; ebd. 587 daß zwey neue Tractätchen herauskommen . ./ deren eines Herr D. Rango zu Stettin/ das andere ein Anonymus verfertiget; Tentzel 1689 Unterredungen 37 Von den Anonymis haben Placccius und Deckerus absonderliche Schrifften heraus gegeben; Leibniz 1703 Dtsch. Sehr. II 207 daß ein Anonymus in einer gewissen Abhandlung einiger Fragen vom Kirchenfrieden .. und ihre Famam gerettet hat; Ludwig 1705 Ges. kl. t. Sehr. 90 haben in Augspurg ein Anonymus und Anton. Faber in der Staats-Cantzeleey gar ein loebliches Werck angefangen; 1711 gelehrte Fama 527 Zu Berlin befindet sich ausser der Königlichen Societal auch eine an-
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anormal
dere/ welche sich Societatum Anonymorum nennet/ und bey ihrer . . Zusammenkunfft von allerhand gelehrten Zeitungen . . discuriret; 1711 Neue Bibl. IV 289 Fridericus Geislerus ist der erste/ welcher in dem Anhang zu seiner Dissertation . . eine Entdeckung einiger anonymorum und pseudoanonymorum gegeben; .. hierauf entdeckte anno 1674. Vincentius Placcius auf 1500. dergleichen Autorum; Zedler 1732 Universallex. II 435 Anonymus, wird ein solcher Auctor genennet, der eine Schrifft oder Buch ohne Nennung seines Nahmens heraus giebet; 1735 Helfet. Bibl. I Vorr. 4b in des Placcii Catalogo Anonymorum et Pseudonymorum; 1753 Gleim-Ramler II 81 Die Schrifften dieser Verfaßer müßen auch specificirt werden; ingleichen die Schrifften der Anonymorum, die es verdienen; 1758 Freye Gedanken ü. Staats-Schr. (Acta Publica Sammelbd. X V I I 1 2 ) Ich kan also nicht absehen, was für ein Nutzen die Anonymos und Pseudonymos, oder wider die Verfasser der Schriften ohne und unter erdichteten Namen zu gewarten haben; Michaelis 1768 Räsonnement l 4a ein Anonymus zu bleiben; 1773 ebd. IV 317 über den Sprachgebrauch darf ein Anonymus (der Nähme ist ja selbst nicht deutsch) nichts sagen, der sich so oft fremder Wörter schuldig macht; Hamann 1780 Briefw. IV 226 Mache mit der Bekenntnis meiner Schuld den Anfang, weil eben die Gründe für den kundbaren Niemanden ein Anonym zu seyn, mich zu einer . . Erklärung gegen einen Mann von Ihrem Namen und Verdiensten bestimmen; Knigge 1790 Umgang 378 für jenen Herren Anonymus zu halten, der ein garstiger, schadenfroher Spitzbube ist; Schiller 1796 Br. V 99 Hier hat ein ehrlicher Anonymus sich der Hören gegen Reichardt angenommen; Kotzebue 1799 Silberne Hochzeit (VIII 136) Er meint wohl, weil Er so ein Anonymus ist, so dürfe Er sich zum Recensenten aufwerfen; Kortum 1799 Jobsiade 271 schrieb der Autor Hieronimus/ Aus Bescheidenheit immer als Anonymus; Goethe 1821 Br. (WA IV 34,271) eine alte Landkarte . . daß sie nicht von Ribera sey, sondern von einem Anonymus; Lang 1833 Reise XI 52 [politische Richtungen] mit oder ohne Namen, Anonymus, welche letztere gar die allerschlimmste Art ist; Engels 1840 (ME W Erg.bd. II 101) Mit ebensoviel Geist als Gelehrsamkeit wies der Anonymus . . alle die Verkehrtheiten nach; Marx/Engels 1845 heil. Familie (MEW II 155) so schreibt ein Anonymus an Herrn Edgar, der als Mitglied der heiligen Familie ebenfalls ein vornehmer Herr ist; Liliencron
1896 Poggfred (XI103) Erst steckst du, ein Anonymus, mich ein; Wilhelm 1921 Schrifttum H 106 Diese Anonymi sind sich bewusst, ein carmen zu schreiben, das losgelöst von ihrer Urheberpersönlichkeit bestimmt ist, ein Sonderleben als Werkpersönlichkeit zu entfalten; 1929 Preuss. Jahrb. CCXVJil 409 Vor längerer Zeit hatte ein Anonymus einen sehr anständigen Preis .. für das beste [Bühnen-JStück ausgesetzt; Winnig 1930 Proletariat 31 Anonymus — das unbekannte Es; Siiddtsch. Ztg. 1946 Juli Wir kennen ihn [Hitler] wieder und erkennen in ihm den Anonymus der Gegenwart, der aus der . . Zurückgezogenheit der gewollt Abseitigen jetzt .. auch in die werdende Demokratie den Schürhaken der Unruhe . . tragen will; Tritsch 1954 Erben 311 daß der Thomasverlag in Zürich .. ein . . Pamphlet wie das von Douglas Reed über den großen Plan des Anonymus übersetzte, veröffentlichte; Kantorowicz 1959 Tagebuch I 552 Ein Anonymus, der als „ein gläubiger Katholik" zeichnet, entrüstet sich (DUDEN); Welt 11.3.1959 ein Anonymus hatte sie mit der Behauptung mobilisiert, dort sei eine Explosion erfolgt; ebd. 17.10.1969 lähmende Stille liegt über ihnen, und wo der Mensch in ihnen auftaucht, präsentiert er sich als ein stummer Anonymus; Zeit 4.10.1985 die einzig gesicherte . . Identität ist ein anderer Anonymus: der „Meister des Amsterdamer Kabinetts"; ebd. 8.11.1985 das halbe Dutzend Verfassernamen wird als Pseudonyme für einen einzigen Anonymus angesehen, der einerseits subtile Anspielungen, andererseits krude Irrtümer zu vermitteln scheint; ebd. 4.7.1986 Bach und ein Anonymus des 14. Jahrhunderts; MM 27.9.1986 da klingt wenig Sympathie mit dem unterlegenen Revolutionär aus der Schrift eines zeitgenössischen Anonymus; Zeit 17.10.1986 ein Anonymus formuliert in der Streik-Zeitung seine klammheimliche Freude über den Tod des Generalbundesanwalts; ebd. 1.5.1987 es machte ihm Spaß, Ludwig Uhland, wenn ihm, dem Anonymus, von einer Liedertafel die Tür gewiesen wurde, . . während der Intonation eines Uhland-Gedichtes, bei der er als einziger schwieg; Süddtsch. Ztg. 14.115.8.1993 Wo doch nun von einem besorgten Anonymus sogar schon Ozon-Warntafeln auf hiesigen Kinderspielplätzen aufgestellt werden; Spiegel 23.8.1993 So hätten „unbekannte Täter" jüngst die Schilder seiner Kanzlei abgeschraubt, klagte Gravenreuth. Und ein bitterböser Anonymus schickte ihm das Computerspiel „Kill Gravenreuth" ins Haus.
anormal Adj. (ohne Steigerung), seit früherem 19. Jh. (gebucht 1838 bei Heyse) nachgewiesen, unter Einfluß von gleichbed. frz. anormal (vgl. schon mlat. anormalus 'von der Regel abweichend') vermutlich kontaminiert aus —* anomal und —» nor-
Antagonismus
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mal (eventuell auch neugebildet mit dem Negationspräfix —»· a- 'nicht, un-' und älterem normal). In der Bed. 'nicht normal, unnormal, in der Weise nicht üblich; ganz anders, als man es von der Erfahrungsnorm her kennt, in deutlichem Widerspruch zum Erwarteten, Konventionellen, Standardisierten, Üblichen stehend', im medizinischen Bereich vereinzelt für 'krankhaft, abartig', im Unterschied zu weitgehend gleichbed. —» abnorm und —» anomal jedoch seltener fachspr. gebraucht (Ggs. —»· normal), z. B. in Wendungen wie einen anormalen Eindruck machen, unter anormalen Bedingungen, Verhältnissen leben, ein anormaler Zustand, anormal veranlagt sein; vereinzelt auch adv. verwendet zur Verstärkung einer Aussage, z. B. ein anormal kalter Winter. Dazu seit frühem 20. Jh. selten die subst. Ableitung Anormalität F. (-; -en) 'Regelwidrigkeit, Abweichung vom Normalen, Fehler', weitgehend gleichbed. mit Abnormalität, Abnormität (—> abnorm) und Anomalität (—+ anomal). anormal: Kaabe 1867 W. 1,40 die plötzliche und so gänzlich anormale Rückkehr [des Sohnes]; Gutzkow 1879 Longinus 79 Hebbel blieb . . beim Gelüsten, Anormalen stehen; Nordau 1883 Lügen 162 Von dem so gebildeten Paare ist dann der weibliche Theil ein anormales Wesen; 1920 Imago VI 3 Die Panik schafft also unproportionelle Kräfteverhältnisse im Mechanismus der Seele und entlarvt sich als anormaler Seelenzustand; Th. Mann 1922-23 Nachtr. (W. XIII 40) Es handelt sich um eine okkulte Gaukelei des organischen Lebens, um Vorgänge, deren anormale Realität mir unbestreitbar scheint, untermenschlich-tief verworrene Komplexe, die, zugleich primitiv und kompliziert wie sie sind, mit ihrem wenig würdevollen Charakter, ihrem trivialen Drum und Dran den ästhetisch stolzen Sinn wohl gar abstoßen mögen; ders. 1924 Zauberberg (W. Ill 912) Man hatte ihm atemlos gemeldet, etwas Anormales liege vor, es sei eine Allwissende aufgetreten, eine Jungfrau mit Stimmen; Westdtsch. Beob. 15.8.1933 Und in diesem Notizbuch, mit ungelenker Hand geschrieben, standen einige bedeutungsvolle Worte, aus denen geschlossen werden konnte, daß ein Anormaler Besitzer und Verlierer dieses Notizbuches sein müsse; Benjamin 1938 Er. II 801 Die Isolierung, in der ich lebe, zumal arbeite, schafft eine anormale Abhängigkeit von der Aufnahme, die das, was ich mache, findet; Andres 1954 Portiuncula 241 Ich habe ein fast anormales Gedächtnis; Tucholsky 1957 Deutschland 190 Sein Verhalten sei also psychologisch leicht anormal; Jaspers 1958 Atom-
bombe 145 Kriege waren lokal und wurden als anormal, als letzte Rückfälle in eine überwundene Vergangenheit empfunden; Offenburger Tagebl. 27.7.1961 Kennedy betonte, daß heute nicht die Freiheit von Westberlin „anormal" sei, sondern die ganze Lage in dem geteilten Deutschland; Welt 8.12.1969 es wäre falsch, wenn die für die Wirtschaftspolitik Verantwortlichen glaubten, die deutsche Textilindustrie könne . . anormale Einfuhren verkraften; 1975 Spiegel XII 159 das Leben in Nordirland scheint unter anormalen Bedingungen ganz normal abzulaufen; MM 30.5.1985 unter Verwendung eines . . Zirkulationsmodells, einmal bei normaler Oberflächentemperatur des Meeres, zum anderen bei der anormalen Temperaturverteilung des El Nino-Ereignisses von 1982/83, könnte man eine . . Änderung der Luftdruckverteilung errechnen. Anormalität: Schaffner 1917 Dechant 355 Der Küster schwatzte vieles über das Gewitter und wo es eingeschlagen habe, welche alten Leute sich an ähnliche Anormalitäten erinnerten; Worringer 1918 Formprobleme 118 Die Renaissance bringt den großen Gesundungsprozess, . . der mit allen mittelalterlichen Anormalitäten aufräumt; MM 27.4.1985 Künzel macht auf einem Spektogramm Stimmen farbig sichtbar und kann so bei einer Gegenüberstellung bestimmte typische, auf den Sprecher zugeschnittene Sprachmerkmale, Anormalitäten oder sich wiederholende Sprachfehler überzeugend nachweisen.
Antagonismus M. (-; Antagonismen), im späten 18. Jh. aufgekommene latinisierte Bildung zu griech. . 'Widerstreit' (zu 'gegeneinander kämpfen, miteinander streiten, rivalisieren', aus -, bzw. - vor Vokal, und 'um etwas kämpfen', zu 'Kampf(-platz), Wettstreit'; —> Agonie), anfangs auch mit verkürzter Endung Antagonism.
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Antagonismus
a Eher bildungsspr. verwendet, zunächst vor allem in Philosophie und (Gesellschafts-) Wissenschaften, dann auch allgemeiner in der Bed. '(unüberbrückbarer) Gegensatz, (unversöhnliche) Gegensätzlichkeit, Widerstreit, Konflikt, Rivalität, Gegnerschaft', häufig in bezug auf unausgleichbare Gegensatzpaare verwendet, bes. in Wendungen wie der Antagonismus zwischen Bürger und Künstler, der Antagonismus der Klassen, Kulturen, Geschlechter, der unversöhnliche Antagonismus zwischen beiden Staaten, die Antagonismen in der Gesellschaft; im 20. Jh. die gleichbed. Gelegenheitsbildung Antagonie F. (-; -n). b Seit Ende 18. Jh. in der Medizin (bes. Physiologie, Biochemie) selten nachgewiesen in der Bed. 'gegeneinander gerichtete Wirkungsweise, Gegenwirkung, Hemmung', vor allem bezogen auf die gegensätzliche Wirkung von Körperteilen, z. B. Muskeln, Nerven, oder von Stoffen, z. B. Hormonen, Salzen, Arzneimitteln, z. B. der Antagonismus der Beuge- und Streckmuskeln. Dazu schon seit späterem 16. Jh. das aus gleichbed. spätlat. antagonista/griech. entlehnte Subst. Antagonist M. (-en; -en), anfangs auch in der lat. (flekt.) Form und vereinzelt in der Schreibung Antegonist, zunächst in der Bed. 'Gegner, Gegenspieler, Widersacher, Rivale' (—»Protagonist) (zu a); seit frühem 18. Jh. auch im medizinischen Bereich für 'Träger einer entgegengesetzten Wirkung, Funktion; entgegengesetzt wirkender Körperteil oder Stoff (zu b). Seit Ende 18. Jh. die adj. Ableitung antagonistisch, zunächst nachgewiesen in der Medizin für 'entgegenwirkend, hemmend, aufhebend' (zu b), seit frühem 19. Jh. auch allgemeiner in der Bed. 'mit unvereinbaren gegensätzlichen Eigenschaften (ausgestattet), widersprüchlich, widerstreitend, feindlich, unversöhnlich', bes. in Wendungen wie antagonistische Gefühle, Klassen, Kräfte, Widersprüche, eine antagonistische Gesellschaft, mit der im 20. Jh. nachgewiesenen gleichbed. latinisierenden Gelegenheitsbildung antagonal (zu a); Anfang 19. Jh. vereinzelt die bis ins frühere 20. Jh. gebuchte verbale Ableitung antagonisieren 'mit jmdm. im Widerstreit liegen; widerstreiten, widerstreben, entgegenwirken' (zu a). Antagonismus a: Kant 1784 Ges. Sehr. VIII 20 Das Mittel, dessen sich die Natur bedient, die Entwikkelung aller ihrer Anlagen zu Stande zu bringen, ist der Antagonism derselben in der Gesellschaft; Herder 1787 S. W. XIV 234 So gehet wie in der Maschine unsres Körpers durch einen nothwendigen Antagonismus das Werk der Zeiten zum Besten des Menschengeschlechts fort; ders. 1796—97 Er. (S. W. XVIII 289) In Verhältnissen des Menschengeschlechts müßte keine Regel, in seiner Natur keine Natur herrschen, wenn nicht durch innere Gesetze dieses Geschlechts selbst und den Antagonismus seiner Kräfte diese Periode [der Verbrüderung aller Nationen] herbeigebracht würde; Schiller 1797 Br. (H. XIII 433) dass ein Teil des poetischen Interesse [!] in dem Antagonism zwischen dem Inhalt und der Darstellung liegt; Kant 1798 Ges. Sehr. VII 35 Dieser Antagonism, d. i. der Streit zweier mit einander zu einem gemeinschaftlichen Endzweck vereinigten Parteien . . ist also kein Krieg; Arnim 1802 Liebesleben 13 Wir sind noch in dem Zustande des natürlichen Kriegs
aller gegen alle, dieser Antagonismus hebt die Trägen und stärkt die Schwachen; 1802 Eunotnia II 312 Der nicht befriedigte Magen treibt den Menschen zur Zerstörung, der Geschlechtstrieb treibt ihn zur Erhaltung, der Antagonismus beider Kräfte ist das vollkommenste Analogen der Newtonischen Centrifugal- und Centripetalkraft; Becker 1803 Dichtkunst 74 Antagonismus des Selbsterhaltungs- und Geselligkeitstriebes; Schiller vor 1805 W. XVIII 28 Dieser Antagonism der Kräfte ist das große Instrument der Kultur (KEHREIN); Bouterwek 1809 Gesch. V 215 Antagonismus des antiken und italienischen Geistes; Harl 1812 Kriegs-Pol. Wiss. 505 Antagonismus gegen Zeit-Geist und Zeit-Bedürfnisse; Troxler 1812 Blicke 125 der Grund von all den noch nicht ergründeten Zuständen und Verhältnissen .., in welchen alle die . . Crisen . . ihr gemeinsames verborgenes Element haben, worin aller Antagonismus und alle Metamorphose begründet ist; Heine 1835 Romant. Schule 46 der Antagonismus zeigte sich sogar in den Sprachformen beider Übersetzer; 1839 DVjS l
Antagonismus 192 Antagonismus, der sich in der Naturbetrachtung zwischen den Ideenkreisen der verschiedenen Völker bemerklich macht; Steinmann 1843 Mefistofeles IV 53 Antagonismus zwischen Juden und Christen; Schopenhauer 1844 Welt 633 Attraktionskraft und Repulsionskraft, durch deren Antagonismus die Materie besteht; 1857 Kompass 41 Antagonismus zwischen England und Russland; Eilers 1860 Wanderung V 161 gegen die beiden grossen Bundesmächte einen Antagonismus zu organisiren; Streubel 1861 Viel Feind 19 [den] staatlichen Antagonismus zwischen Nord und Süd; Hundt v. Haften 1863 Rechte I 40 Der Geist ist zugleich ein Organismus, Dualismus und Antagonismus von Kräften, eine Einheit sich gegenseitig bedingender .. Fähigkeiten; Mommsen 1865 Reden u. Aufs. 395 Ob die Zwangsehe zwischen dem Herzog von Schleswig-Holstein und dem König von Preussen die Elemente der Eintracht oder . . die eines dauernden Antagonismus in sich schliesst; Baumgarten 1870 Volk 108 dass . . der Zollverein . . von dem particularistischen Antagonismus gegen Preussen ernstlich bedroht wurde; Nordau um 1880 K. U 273 Der Antagonismus zwischen Stadt und Land besteht in Frankreich wie in allen Kulturstaaten; Dilthey 1883 EM. l 15 Antagonismus zwischen dem Philosophen und dem Naturforscher; Kraus 1895-99 Br. Beil. Nr. 175 [kam es] zu offenem Antagonismus gegen das aufsteigende Preussen; Hertling 1897 Kl. Sehr. 72 Antagonismus zwischen der Krone und einer übermächtigen Aristokratie; Windelband 1902 Präludien U 290 Dieser nie ganz zu lösende Antagonismus steckt in dem Begriffe der absoluten Persönlichkeit; Binder 1909 Plebs Vorr. Ill Solange es eine Wissenschaft der römischen Geschichte gibt, hat das Vorhandensein der beiden Stände und der Antagonismus zwischen ihnen,.. den Blick des Forschers auf sich gezogen; Goldmann 1915 Militär. 37 Der Antagonismus zwischen dem militaristischen und dem antimilitaristischen Geist; 1916 Deutschland l 458 [den] unversöhnlichen Antagonismus Preussens und Österreichs; 1924 Deutschlands Erneuerung 287 den Konflikt noch durch den latenten Antagonismus der Rassen verschärfen; Benjamin 1935 Br. II 694 die Emanationslehre . ., zu der . . meine Mimesistheorie den stärksten Antagonismus darstellt; 1937 Volk u. Reich 366 Antagonismus zwischen dem Westen und dem Osten, Europa und Asien; Th. Mann 1947 Faustus (W. VI 404) das brutale Auflodern des Antagonismus zwischen den beiden Nationen . . Deutschland und Frankreich; Curtius 1950 Welt 477 Gegensätze regionaler Antagonismen; Rossenstock-Huessy 1955 Mensch (Übers.) 94 Der Dual befähigt uns, die unzähligen Paradoxe unserer Vernunft zu überwinden. Antagonismus und verwirrende Konflikte
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werden auf Polaritäten einer höheren Einheit zurückgeführt; Adorno 1958 Noten l 88 das lyrische Gebilde sei stets auch der subjektive Ausdruck eines gesellschaftlichen Antagonismus; ders. 1960 Reden 64 objektive und subjektive Antagonismen; Wagner 1965 Historiker 103 dem Burckhardtschen Antagonismus von Geschichte und Zeitgeist; Staiger 1966 Grundbegriffe 199 Antagonismus von dramatischer Spannung und komischer Entspannung; FAZ 12.10.1970 Der bestehende Antagonismus [Berlinproblem] müsse durch praktische Ergebnisse überwunden werden; Emmerich 1971 Volkstumsideologie o. S. Ideologie der organischen Volksgemeinschaft, . . die nicht erst unter dem Faschismus von den Herrschenden eingesetzt wurde, um den tatsächlichen Klassenantagonismus im durchaus nicht organischen Volk zu verschleiern; Welt 17.6.1974 Gerechtigkeit und Einfachheit sind allemal Antagonismen im Steuerrecht; Hocke 1976 Tagebücher 298 Der Antagonismus von Größe und Elend des Menschen bleibt gleichsam in einer Vorstufe des Bewußtseins stecken; Fleischer 1978 Geschichtsprozeß 175 Wo Marx das bevorstehende Ende der bürgerlichen Gesellschaft und mit ihr des sozialen Antagonismus überhaupt voraussagt; Zeit 26.4.1985 daß aller Antagonismus, alles Gegeneinander . . einem Wechsel der Perspektive entspricht; ebd. der Interessengegensatz von Arbeit und Kapital wird zunehmend von einem Interessenantagonismus zwischen Stamm- und Randarbeitnehmer beziehungsweise Arbeitslosen überlagert; ebd. 27.3.1987 Politik und Medien, Politiker und Journalisten soll das nicht eigentlich ein Antagonismus sein?; Althoff 1990 Verw. 2 Es wird zu prüfen sein, inwieweit ein grundsätzlicher Antagonismus genossenschaftlicher und herrschaftlicher Gruppenbindung vorhanden war. Antagonie: 1917 Lit. Echo XIX 490 Man mag . . zugeben, daß unter Kultur nicht etwas rein Geistiges zu verstehen ist, und wird doch jederzeit brutale Willensimpulse dem rein geistigen Lebensgehalt zu opfern bereit sein, wenn die Kultur, wie bei uns in Deutschland, unter der Antagonie der beiden Schaden zu nehmen droht; 1927 Natur XVIII 22b Jener Urtsoff . . konnte in jener Stufenleiter der heutigen Substanz keine Unterkunft finden, da sie sämtlich aus ihm sich erst entwickeln und als Gegensätze unter sich und unstetem „Widerstreit" untereinander als solche Antagonie entstanden. antagonisieren: Goethe 1803 Br. (WA IV 17,294) Gelegenheit . . die ernsten Äusserungen in der Erscheinung bald übereinstimmender bald antagonisirender Grund-Naturen öffentlich zu vernehmen. Antagonist: Spangenberg 1562 Teuffels Karnöffelspiel c4b vnnd hette doch der Narre hiezu kein
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Antagonismus
vrsach, war niemand sein Antagonist oder widerpart; 1649 Wurm 20 auff die Wahlstatt . . mit einem langen Rauffdegen, wie [von] seinem vermeynten Antagonistam gefordert; Lebenwaldt 1681 Teufels List VI136 Theophilus. Ey mein Antagonist/ du bist schier in einen Zorn gerathen/ vnd seynd alle argumenta von dir widerholt worden; 1683 Klatschmaul 34 [daß] Feinde die besten Freunde waren? Die gesamte Compagnie welche anietzo stärcker als vorhin/ weil noch etliche andere von Adel des Herwärts Befreunde den Cynthium zu beschmausen in Soldaten Habit nebst den Hn. Seid und dessen Antegonisten [!] dem Adlichen Informatore Mirando darzu kommen; 1705 Herrschaft d. Männer 34 Solte aber dieses [Gebot] vielleicht die Antagonisten nicht scharff genug fassen; Gichtel 1710 Send-Schr. V 571 [Jakob Böhmes] ärgste Antagonisten und Verfolger; Fassmann 1729 Narr 177 diese . . Meynung, welche sie nun so lange Jahre wieder ihre Antagonisten verfochten hätten; 1742 Sammig, crit. Sehr. Ill 208 Werffet insonderheit euren Antagonisten den Geist des Widerspruchs vor; Philippi 1743 Reimschmiedekunst 51 Wie gieng es unserm ehemaligen großen Antagonisten, dem Günther, dessen .. Gedichte . . für Meisterstücke einer fliessenden Poesie ausgegeben werden?; Trenck 1745 Leben 65 Denn mein Antagonist, der Auditor von Esseck . . anreitzte, mich nach Esseck vor Gericht zu citiren; Edelmann 1752 Selbstbiographie 34 Ich . . nahm . . einen ändern Sprachmeister, und zwar des Herrn Roux allerstärkesten Antagonisten, Namens Provansal an; Wieland 1757 Ges. Sehr. I 4,145 Herr Reinhard habe etwas gesagt, daß sich hören lasse, er sey ein starker Antagonist von Leibniz!; Mauvillon u. Unzer 1771 Dichter l 54 f. daß ich . . der Zuhörer und Schüler des Schülers eines ihrer Antagonisten gewesen bin; Schlettwein 1773 Angelegenheit II 185 Sich zu einem Zunfftgenossen erklären, heist sich zu einem Antagonisten von einem Menschen erklären; Lichtenberg 1775 Aphorismen II 210 da es ihr gäntzlicher Mangel an Feder und Dinte nicht anders verstattet, [als daß die Neuseeländer] bei gelehrten und ändern Disputen ihre Antagonisten auffressen; Hippel 1781 Lebensläufe HI 1,136 Das war im Kurzen der Lebenslauf der Antagonistin meiner Mutter; Kollonetz 1785 Verf. 40 O der Schmerbauch! der Schmerbauch! dies gewaltige Idolum der Österreicher, dieser unversöhnliche Antagonist der wahren Weisheit; Bretzner 1788 Leben III 112 der Antagonist des Vergnügens, der Zwitterbruder Nachdenken; Cogniaczo 1791 Gestaendn. IV 147 ein Antagonist des preussischen Interesses im Ministerio; Laukhard 1792 Leben I 210 Die Antagonisten der Orden; Rebmann 1795 Ludwig 367 Ich bildete mir ein, meine beiden Antagonisten vielleicht dadurch am ersten zu versöh-
nen, wenn ich mich von der grossmüthigsten Seite zeigte; Heinzmann 1795 Pest d. Lit. 188 Antagonisten eines bekannten Schriftstellers; 1797 Geissel 269 die eine ist die Antagonistin der ändern [Modedame]; Laukhard 1802 Leben V 63 der bisherige Häscherhauptmann Bär, der Erzantagonist aller Studenten; ebd. V 79 mich gegen die etwaigen Vorwürfe meines Antagonisten zu verwahren; Goethe 1811 Dichtung u. Wahrh. (WA I 27,77) Die Schweizer [Bodmer u. Breitinger] traten auf als Gottscheds Antagonisten; Wit v. Dörring 1830 Fragmente I 91 mein Antagonist hatte genug zu thun, um Hut und Stock aus der Gosse zu suchen; Ampere 1840 Weg (Übers.) 7 Rosini und Larmigniani . . beide Antagonisten, zugleich Freunde, haben . . sich gestritten; Kohl 1845 brit. Inseln III 363 Die Antagonisten hetzen sich dabei [Cricketspiel] nicht zu solcher Feindseligkeit, wie beim Ringen, Boxen; 1862 Hausblätter I 89 Unterhaltung, in der nicht einmal von jenen . . Anzüglichkeiten die Rede war, an denen es sonst, wo zwei so verschiedene Antagonisten zusammenkommen, niemals zu fehlen pflegt; Chamberlain 1910 Br. I 197 So wird er arme Gelbweiße zwischen den zwei sich widersprechenden Antagonisten vollends zerquetscht; Bülow 1916 D. Politik 296 mein politischer Antagonist und persönlicher guter Freund; Dirk 1924 Cigarette 10 ihr [der Zigarette] Antagonist, die Cigarre; Michalik 1931 Flottenbau 61 Antagonisten; Th. Mann 1938 Reden u. Aufs. (W. IX 572) stellen wir fest, daß man zum Antagonisten eines Denkers werden und doch geistig vollkommen sein Schüler sein kann; Eppelsheimer 1955 Schild 61 die ewigen Antagonisten des Festlandes, Franzosen und Deutsche; Stuttgarter Ztg. 14.11.1967 Ein . . atomarer Vorsprung böte die . . Gelegenheit, dem weltpolitischen Antagonisten den Willen aufzuzwingen; Offenburger Tagebl. 31.8.1971 Man kann den Streit der beiden Antagonisten von Brüssel nicht . . erklären; Zeit 24.1.1986 zum Inbegriff wurden nur zwei von ihnen, Toscanini und Furtwängler, Antagonisten von Grund auf; ebd. 16.1.1987 Pater Gabriel und Mendoza . . bekämpfen sich erst, dienen dann gemeinsam einer Sache, um schließlich, wieder als Antagonisten, dafür zu sterben; MM 1.10.1987 in den letzten Wochen sind einige Bücher zum Historikerstreit erschienen — darunter auch von den beiden Hauptantagonisten Nolte und Habermas. antagonistisch: Goethe 1829 Maximen u. Reflex. (WA l 42.2,188) Zwei eklektische Philosophen könnten . . die größten Widersacher werden, wenn sie, antagonistisch geboren, jeder von seiner Seite sich . . dasjenige aneignete, was ihm gemäß wäre; Görres 1836—42 Mystik l 146 Zusammenwirken des antagonistisch sich Widersprechenden (KEHR-
Antagonismus EIN); Burdach 1842 Blicke I 27 den entgegengesetzten (antagonistischen) Lebenszustand; Fontäne 1878 Br. II 1,385 wegen meiner antagonistischen Stellung zu diesem Stücke; Braun 1881 Bilder l 359 Ihre Stellung [des Gouverneurs und des Statthalters] gegeneinander war natürlich im höchsten Grade antagonistisch; Hirth 1894 Lokalisationstheorie 66 antagonistische Systeme; Joel u. Fraenkel 1924 Cocainismus 16 die antagonistische Wirkung von Alkohol und Cocain; ND 29.4.1954 daß es Klassenkampf gibt, solange antagonistische Klassen bestehen; Welt 10.9.1964 wird der Gang der Ereignisse in der Welt nicht durch den Kampf der antagonistischen Klassen und der einander entgegengesetzten Systeme bestimmt, sondern durch den Kampf einiger Mächte; FAZ 28.10.1970 angesichts des .. bestehenden antagonistischen Verhältnisses zwischen den beiden Staaten; Fleischer 1978 Gescbichtsprozeß 170 Die „Macht der Verhältnisse" zeigt sich . ., indem die Menschen . . unter einer Art von Induktion ihrer assoziierten und antagonistischen Bezugspartner in eine Verhaltensweise eingewiesen werden; Zeit 3.1.1986 weil die alten antagonistischen Kräfte (Kunst gegen Moral, Freiheit gegen Sittlichkeit) in diesem exemplarischen Fall . . wieder aufeinander losrasen durften; ebd. 14.11.1986 es ist eine zweifelhafte Sache unter Menschen, die antagonistische Zuständigkeiten haben; Zimmer 1986 Redens Arten 131 zwei antagonistisch getrennte semantische Blöcke. antagonal: Haecker 1922 Satire u. Polemik 86 Was man Tod nennt, ist nur die Zustandsbenennung antagonal dem äußeren Zustande, welcher das Leben ist. Antagonismus b: Hufeland 1795 Pathogenie 191 Die Gesetze des Antagonismus, oder des aufgehobnen Gleichgewichts (Überschr.) Wenn ein Muskel . . in Bewegung gesezt wird, so wirkt diese Anstrengung wie ein Reiz auf die entgegengesezten, und sie werden dadurch . . in Thätigkeit gesezt. Man nannte diese daher die Antagonisten; 1802 Neues Hannover. Magazin 537f. das Ursächliche krankhafter Zufälle, . . eine anorganische Natur, Opportunitäten, pathologischen Antagonismus, . . animalische Crystallisation und Vegetation . . findet man hier; Reil 1811 Ges. kl. Sehr. U 268 [der] merkwürdige Antagonismus zwischen der oberen und unteren Hälfte der Gebärmutter; Puchelt 1826 System d. Med. I 50 Die Wechselwirkung, welche in der Bedeutung des Organismus liegt, äussert sich in manchen Verhältnissen . . theils unter der Form der Sympathie, theils unter der des Antagonismus. In jener werden je zwei oder mehrere Glieder auf gleichartige Weise verändert, . . in diesem findet bei Aufregung in dem einen Theile Vermin-
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derung der Thätigkeit . . Statt; Neumann 1829 Krankheiten 140 der natürliche Antagonismus zwischen Nerven und Gefäßen hat zur . . Folge, daß jede Verminderung der wirksamen Gefäßsphäre die der Nerven erweitert; Ratzeburg 1859 Standortgewächse 268 daß ein Antagonismus besteht zwischen der Periode der Befruchtung und einer anderen, die man in der Bildung von neuen Knopsen . . suchen muß; Uexküll 1909 Umwelt 150 Bisher kannten wir bloß den Antagonismus der Muskeln; 1927 Natur XVIII 219b ein Antagonismus der Keimdrüsen; Pschyrembel 1977 Klinisches Wb. 61 Antagonismus . . Gegenwirkung . ., gewöhnl. v. Muskeln. Antagonist: Woyt 1716 Gazophylacium 56 Antagonista, ein Gegner oder Widerpart; wird in der Anatomie einigen Mäuslein als ein Zuname beygeleget, z. E. Abductor und Adductor, das ab- und anziehende Arm-Mäuslein sind Antagonisten: siehe auch Musculus; Richter 1786 Wundarzneykunst II 94 Auch bey frischen Extravasationen koennen Convulsionen entstehen, die Folgen der Laehmung eines Antogonisten [!], nicht eines Reizes sind; Hufeland 1795 Pathogenie 191 Man nannte diese [entgegengesetzte Muskeln] . . die Antagonisten; Valentin 1846 Physiologie 254 Man nennt .. zwei Muskelgebilde, welche . . einander entgegenwirken, Antagonisten; Hartmann 1869 Philosophie 45 es entstehen nur deshalb keine Bewegungen der Glieder, weil die Wirkungen der entgegengesetzten Muskeln (Antagonisten) sich aufheben; Hermann 1896 Physiologie 325 Gleichzeitige Contraction der Antagonisten kommt . . vielfach vor. So contrahiren sich . . Beuger und Strecker des Ellbogengelenks; Pschyrembel 1977 Klinisches Wb. 61 Antagonist . . Gegenwirker, gewöhnl. v. Muskeln; Zeit 11.4.1986 wenn die Abkömmlinge die Rezeptoren besetzen, ohne Schmerz auszulösen (also als „Antagonisten" wirken), wären hochwirksame Schmerzhemmer gefunden; . . Snyder und Nova Pharmaceutical hoffen .., mit ihren Antagonisten den Schmerz besiegen zu können; Süddtsch. Ztg. 10.2.1994 Die Antagonisten produzieren Substanzen, die in ihrer Wirkung den Antibiotika ähneln. antagonistisch: Hufeland 1795 Pathogenie 191 Man nannte . . diese Bewegung [der entgegengesetzten Muskeln] antagonistische Bewegung; Görres 1804 Ges. Sehr. Ill 39 dem willkürlichen Muskelsysteme .., das wieder eine neue Triplicität im Nerven, Muskel, Knochen zeigt, und ausserdem in ein Direktes und ein Antagonistisches zerfällt; ebd. III 97 jede Bewegung [wurde] durch eine antagonistische gehemmt; Neumann 1829 Krankheiten 100 Wir läugnen . . keineswegs, daß die Thätigkeit der
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Antenne
Centralorgane des Kreislaufs und der kleinen Gefäße oft antagonistisch erfolgen könnte; Hufeland 1836 Ench. med. 155 antagonistische [Ursachen für Krankheit] durch Unterdrückung einer organischen Thätigkeit, wodurch eine andere hervorgerufen und bis zum Grade der Entzündung erhöht werden kann; Valentin 1846 Physiologie 255 Arbeit antagonistischer Muskeln; ders. 1855 Physio-
logie 562 Man unterscheidet . . die Beuger oder Flexoren und die Strecker oder Extensoren als die beiden entgegengesetzten oder antagonistischen Muskelmassen; ß. N. 2.9.1943 antagonistische Symbiosen; Cotta 1971 Orthopädie o. S. hierdurch jedoch wird möglicherweise die antagonistische Muskelgruppe überbelastet, so daß sie ebenfalls mit schmerzhaften Verspannungen reagiert.
Antenne F. (-; -n), im späten 15. Jh. entlehnt aus spätlat. antenna (< lat. antemna 'Segelstange, Rahe', seit Ende 15. Jh. in der lat. Wissenschaftssprache unter Einfluß von griech. 'Segelstange, Fühler' auch in der Lehnbed. 'Fühlhorn, Fühler (von Insekten)', die von vielen europäischen Sprachen übernommen wird, vgl. 2a ), anfangs in der lat. Form. l Zunächst in der bis ins 18. Jh. selten bezeugten, bis bis ins frühere 20. Jh. gebuchten Bed. 'Segelstange, Rahe'. 2a Seit Anfang 19. Jh. als Fachwort der Zoologie in der Bed. 'Fühler, Fühlhorn bei Insekten, Schnecken und Krebstieren'. b Anfang 20. Jh. neuentlehnt aus gleichbed. ital. antenna (< spätlat. antenna, s. o.), das von dem Italiener Marconi (1895), dem Erfinder der drahtlosen Telegraphic, wohl in Anknüpfung an die ältere Bed. 'Fühlhorn' des ital. Wortes bzw. an die Funktion von Insektenfühlern, Reize und Impulse wahrzunehmen (vgl. 2a), auf den Bereich der Funktechnik übertragen wurde in der Bed. 'stabförmige Vorrichtung zum Empfangen und Senden elektromagnetischer Wellen', z. B. eine Antenne auf dem Dach anbringen, installieren, eine Sendung per Antenne empfangen, als Grundund Bestimmungswort in Zss. wie Außen-, Dach-, Empfangs-, Fernseh-, Radio-, Gemeinschafts-, Radar-, Auto-, Zimmerantenne; Antennendraht, -mast, -stab und Antennenwald 'Häufung von Antennen auf Hausdächern'; seit frühem 20. Jh. (s. Belege 1925, 1928 — 29) häufig übertragen verwendet im Sinne von 'Gefühl, Gespür, Vorausahnung' (—* Sensorium b), bes. in den Wendungen (k)eine Antenne für etwas haben '(k)ein Gefühl, Gespür, (k)einen Sinn für etwas haben' (s. Belege 1978, 1979), die richtige Antenne für etwas haben 'das richtige Gefühl für etwas, die richtige Einschätzung von etwas haben'. Antenne 1: Melber 1481 Voc. o. S. Antemne, . . die holtzer die vberzwerch oben am segelbaum cruczwegß geen; Golius 1579 Onomasticon 182 Antenna, das zwerchholtz am segelbaum/ daran der segel gehefft; 3599 Oriental. Indien III 82 die Segelstang (Antenna) dess ändern Schiffs; Moscherosch 1643 Gesichte 237 die Segelstang Antennae; Beier 1722 Vom Handwerkszeuge 148 Antenna instrumentum nauticum. . . Die SeegelStangen; Zedler 1732 Unifersallex. II 498 Antenna, ist das Creutz, woran die Seegel hiengen, welche Daedalus erfunden haben soll. Antenne 2a: Oken 1805 System d. Biologie 135 wenn sie [Nachtfalter] sich die Antennen . . schon verbrennt haben, lassen sie doch nicht ab; Schubert
1808 Nachtseite d. Naturwiss. 261 daß die Antennen an dem Kopf derselben [Insekten] ihnen zum Fühlen gegeben sind; Baer 1828 Entu/ickelungsgesch. 247 Die Sinnesorgane, wenigstens die Augen und die Antennen, gehören . . der obern Fläche oder derjenigen an, die wir die Bauchseite nennen würden; Tschudi 1853 Thierleben 499 Der Kopf ist deutlich vom Leib abgeschnürt; die Antennen sind fadenförmig; Carus 1871 Darwin l 49 Ameisen haben ein ziemlich beträchtliches Vermögen, sich mit Hülfe ihrer Antennen unter einander verständlich zu machen; Kerner 1887 Pflanzenleben I 114 die Borsten gleichen den Antennen und Schwimmfüßen dieser Krebse; Haeckel 1913 LW. 355 „Fühlhörner" oder Antennen; 1967 Bild d. Wiss. I 68 würden sie [Gerüche] von den empfindlichen Ge-
Antenne ruchsorganen in den Antennen der Ameisen nicht sofort wahrgenommen werden; MM 6.6. l986 das Männchen, das im Vergleich zum Weibchen wesentlich größere Antennen (Fühler) besitzt, riecht und findet damit das Weibchen im Laub eines Baumes. Antenne 2b: Fleming 1906 Wellen-Telegraphie (Übers.) 25 Anm. Zur Zeit der ersten Versuche Marconis wurden verschiedene Theorien zur Erklärung der Wirkungsweise seiner Antennendrähte aufgestellt; ebd. 28 läßt sich . . die Energie des Senders auch auf andere Weise vermehren, nämlich durch Vergrößerung der Antennenkapazität. Zu diesem Zwecke pflegt man statt eines einzigen Antennendrahtes deren zwei oder mehrere zu verwenden, die . . nebeneinander in die Höhe geführt werden. Auf diese Weise entstehen die sogenannten „Vielfach-Antennen"; Halbe 1916 Ges. W. VII 134 An der äußeren Längswand befanden sich die notwendigen Apparate, Antenne, Umschalter, Sender; Bahr 1925 Liebe I 71 Mein lieber Freund Andreas Latzko ist einmal mit einer „Antenne des Mitleids" verglichen worden; Sternheim 1926 Schule v. Uznach IS Nieder die Technik! Mechanik, Motoren, Antennen!; Höhne 1928 Reportage 92 Er näherte seine rechte Hand einem Metallstab, der als Antenne aus dem Zentralkasten zwischen vielem Gerät emporragt; Dominik 1928 Uraniden 6 Aus der Antenne des Riesenschiffes spritzte der Befehl des Höchtskommandierenden durch den Äther; 1928-29 ZfMenschenkunde IV 114 Sensibilität darf als ein allgemeines Kennzeichen mediumistischer Wesensart [von Menschen] bezeichnet werden. Solche starke Empfänglichkeit für „Schwingungen" und Eindrücke aller Art läßt Medien nach außen hin gute „Antennen", gute Aufnahmeinstrumente sein; Baum 1929 Menschen 94 wie er dort stand .. und die fünf Stockwerke hinaufstarrte, bis dahin, wo die Antenne unter dem ungefärbten Himmel hängt; 1930 Dtsch. Rundsch. CCXXII 220 geistige Antenne; F. Wolf 1933 Briefw. 262 Ich glaube, .. wir dürfen dem Zuschauer [im Theater] — wenn wir seine Antennen richtig treffen — schon etwas eignes Denkvermögen zutrauen; Lokal-Anz. 3.9.1934 [wir] treiben hilflos vor dem Sturm, mußten Notantenne errichten; 1934 „Duden"-Sammlung o. S. Bei den bisherigen Antennenleitungen hielt ein Gummikordel den Abstand des Leiters vom Gummimantel; 1935 Wehrtechn. Monatsh. 389 erst die Einführung der „Antenne" (vorn lateinischen „antenna" = Segelstange, zoologisch: Insektenfühler) durch den Russen Popoff gab die Grundlage für eine praktische Ausnutzung der Hertzschen Entdeckung; . . der erste, der erkannte, daß man die Hertzsche Entdeckung und die drei genannten Erfindungen nur zusammenzufassen
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brauche, um den Gedanken einer drahtlosen Nachrichtenübertragung zu verwirklichen, war der italienische Physiker Marconi. Sein Verdienst ist es, als erster im Jahre 1897 eine drahtlose Verständigung [hergestellt zu haben]; v. Falkenhayn-Groeben 1937 Kreis 15 [künstlerische Arbeit] ohne hohe Protektion, ohne andere Bindung als die gespannte Antenne zu Bezirken der Kunst und eigner Phantasie; 8 Uhr-Blatt 22.4.1937 Noch beweiskräftiger für die Fernorientierung der Vögel mittels „Geheimantenne" war ein anderer Versuch; Münch. N.N. 30.9.1940 Errichtung von Einmast-Antennen, Gemeinschafts-Antennen; ebd. 4.15.7.1942 Der „Antennenzauber" [Radiosendung] von 20.20 bis 22 Uhr vermittelt eine bunte Folge volkstümlicher . . Musik; Tritsch 1954 Erben 149 Antennenwesen; ebd. 273 Antennen Wirklichkeit; Gail 1958 Weltraumfahrt 84 die allerersten Satelliten hatten elastische Stabantennen nach verschiedenen Richtungen wie Autoantennen ausgestreckt; Offenburger Tagebl. 13.7.1962 deine Antenne für Idealismus ist nicht groß; Grass 1962 Blechtrommel 179 selbstherrlich schlief ich mit eingezogener Antenne auf einem Berg Post, der nachrichtenträchtig die Welt hätte bedeuten können; FAZ 3.11.1962 viele Vermieter sind . . Besitzer eines Fernsehempfängers —, sie haben aber oft etwas gegen Außenantennen. „Gestatte ich einem Mieter . ., daß er eine Antenne auf dem Dach anbringt, dann kann ich es anderen Mietern nicht mehr verbieten; einen Antennenwald auf meinem Haus aber brauche ich nicht zu dulden"; ND 4.4.1964 die Fernsehantennen auf den Dächern der Städte und Dörfer werden wachsen wie Pilze nach dem Regen; Offenburger Tagebl. 29.2.1966 Der Antennenwald wächst immer weiter (Überschr.); Bildztg. 12.7.1967 wenn wir hier unsere Autos parken, verschwinden garantiert Antennen, Außenspiegel usw.; Offenburger Tagebl. 15.11.1967 „Westantennen" unerwünscht (Überschr.) Die Grundstückseigentümer in der „DDR" sind . . darauf hingewiesen worden, daß sie Fernsehantennen für den Empfang westlicher Sender auf ihren Grundstücken verbieten können; Flechtheim 1970 Futurologie o. S. unserer Bundesrepublik fehlt die Antenne in die Zukunft; Offenburger Tagebl. 18.3.1971 Die Frauen sollten die „richtige Antenne" haben für die aus dem Lot geratene Welt; 1971 Tintenfisch IV 60f. es kamen die anspruchsvollen intellektuellen Schöpfungen der goldenen zwanziger Jahre zur Sprache: „Du hast wohl nicht alle Antennen am Sender", „Deine Verstärkeröhre ist geplatzt"; FAZ 1.4.1971 die Antenne für interne Schwierigkeiten der französischen Regierung zu schärfen; Welt 16.5.1974 Geländewagen mit wippenden Antennen rasen durch die Straßen; 197« Hörzu XU 171 Kinder haben sehr feine Antennen für Ungerechtigkeiten; MM
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Anthologie
13.114.6.1979 wenn der . . Arzt „keine Antenne" für organisch-geistige Zusammenhänge hat; Zeit 8.2.1985 wird der Kunstmond jetzt über dem westlichen Indischen Ozean plaziert, von wo aus seine Antennen die gesamte westliche Sowjetunion belauschen können; ebd. 5.4.1985 wer seine Hörfunkprogramme über das Kabel und nicht mehr per Antenne bekommt, der wird vom Tonrundfunkempfang fast völlig abgeschnitten; ebd. verbieten immer mehr Städte und Kommunen ihren Bürgern das Aufstellen von Antennen für den Fernseh- und Rundfunkempfang; ebd. so besteht im mittelfränkischen Pappenheim „zum Schütze des Altstadtbildes" . . ein Antennenverbot für den „historischen Altstadtkern"; ebd. 26. 7.1985 sie . . bekannte gegenüber NBC, wenn sie merke, daß jemand ihren Mann ausnutzen wolle, dann „fahren bei mir alle kleinen Antennen aus"; Fruttero 1986 Palio (Übers.) 137 er musterte . . das Dachprofil
auf der Suche nach einer anheimelnden Antenne; MM 19.3.1986 als erstes bis jetzt bekanntes Lebewesen [Schnabeltier] auf dieser Stufe der Evolution hat es . . im wahrsten Sinne des Wortes eine Antenne für elektrische Ströme; Zeit 12.12.1986 im zentralistischen Staat müßte die Regierung stets alle Antennen ausfahren; ebd. 26.12.1986 riesige Antennen sollen erstmals die Schwerewellen kosmischer Katastrophen registrieren; MM 22.5.1987 es scheint, als suchten sie die Kommunikation mit den Kräften des Universums — schlanke Messingpfeile . . oder die feinen Antennenfühler aus Draht weisen auf diesen kosmischen Bezug hin; ebd. 29.1.1988 werden die ankommenden Schallwellen aufgefangen wie mit einer Radarantenne; ebd. 31.5.1988 für den Nutzen des Unnützen hat freilich nicht jeder eine Antenne; Spiegel 6.9.1993 30 Jahre lang hat Wilkinson mit immer raffinierteren Antennen dem Urrauschen aus dem Kreißsaal des Alls gelauscht.
Anthologie F. (-; -n), im frühen 18. Jh. entlehnt aus griech. 'Blumensammlung, Blütenlese', als literarischer Titel für eine Sammlung von griechischen Epigrammen, in der die einzelnen Dichter mit Blumen in einem Kranz verglichen werden (zu 'Blumen, Blüten sammelnd', aus 'Blüte, Blume' und 'auflesen, sammeln'), anfangs in der latinisierten Form Anthologia. Eher bildungsspr. verwendet in der Bed. 'Sammlung von ausgewählten (als bes. schön oder vorzüglich empfundenen) literarischen Texten (meist Gedichten und kürzeren Prosastücken); Blütenlese, Florilegium', z. B. in der Wendung eine Anthologie moderner Lyrik herausgeben, im 20. Jh. selten auch übertragen gebraucht (s. Beleg 1986). Dazu seit späterem 18. Jh. die adj. Ableitung anthologisch (ohne Steigerung), 'in der Art einer Anthologie, ausgewählt', z. B. eine anthologische Sammlung; etwa gleichzeitig die subst. Ableitung Anthologist M. (-en; -en), dafür seltener auch Anthologe M. (-n; -n), 'Verfasser, Herausgeber einer Anthologie; Sammler von Gedichten'. Anthologie: 1725 Anl. z. Poesie 125 Die Grienen [!] haben in Sinn-Gedichten die Bahn gebrochen, und man hat ein Buch, welches Anthologia heisset, in welchem man deren sehr viel beysammen findet; Wieland 1757 Ges. Sehr, l 4,415 Man findet eine große Anzahl griechischer Epigrammen in der bekannten Anthologie, die von Maxismus Planudes gesammelt worden; Gleim-Uz 1761 Briefw. 315 [in angenehmer Gesellschaft läßt sie Kostproben ihrer Muse hören:] Epigrammen, dergleichen keine Anthologie schöner hat; Winckelmann 1763—68 Kunst III 47 Codex der griechischen Anthologie; Michaelis 1766 Satyren (1791 W. 1112) [Buch-Modetitel wie] Empfindungen . ., Theater, . . Fragment, Bibliothek, Einfalle, Rhapsodien, Museum, Wälder, Brief, Anthologie, Versuch; Hippel 1767-68 S. W. XIII 36 Schmids Anthologie der
Deutschen müssen Sie lesen; Lichtenberg 1768 Aphorismen I 161 Christoph B. . . mehr eine Anthologie der Deutschen, als ein Deutscher; Schubart 1775 Dtsch. Chronik 56 Er, der uns sonst aus seinen Anthologien und Almanachen so manches herrliche Gedicht schenkte; Meister 1777 Beiträge II 81 [die] poetischen Anthologien; Schiller 1781 Br. (XXIII 29) von meinem vorhabenden Allmanach, oder besser, Anthologie; Goethe 1784 Br. (WA IV 6,391) Herder ist über der Anthologie und ist im Übersetzen . . glücklich und übersetzt glücklich; Heinzmann 1791 Feyerstunden d. Grazien 1791 Vorr. 2 Poetische Anthologie, das fremde Wort hat aber nicht gefallen; daher tauschte ich es jetzt gegen ein deutsches aus; Herder 1792—97 Br. Anhang (S. W. XVIII 322) wird man auch die Anthologie . . in ihrem Werth schätzen und lieben;
Anthologie 1798 Berlin. Archiv i 186 Epigramme aus der griechischen Anthologie; Kurz 1843 Schillers Heimatjahre U 37 als Schiller, bald nach Veröffentlichung der Räuber, seine Anthologie unter dem wunderlichen Titel einer sibirischen Gedichtesammmlung begann; Laube 1847 Karlsschüler 50 Wo sind denn unsre symbolischen Bücher? . . Wo sind die Räuber [von Schiller] und die Anthologie? . . ich habe . . die Bücher daher gelegt!; Gutzkow 1878 Longinus 67 Anthologiefabrikanten mit ihren 100—150 „Dichtern"; Eckstein 1889 Camilla 31 lyrische Anthologie; Benjamin 1910 Er. \ 28 daß Goethe ein genialer Dichter ist, .. daß er nicht in eine Anthologie gehört; Th. Mann 1919 Reden u. Aufs. (W. X 575) daß in einer Anthologie, die nicht von falscher Feierlichkeit beherrscht wäre, zwei oder drei seiner [Fontanes] Alters-Knittelversgedichte nicht fehlen dürften; ders. 1921 Reden u. Aufs. (W. X 592) das nächste Heft soll als Anthologie erscheinen, der russischen Erzählkunst gewidmet sein; ders. 1925 Nachtr. (W. X1H 410) ein zweibändiger Herder ist da, ein Abriß alter Geschichte, eine kleine Anthologie von klassischen Äußerungen über die Kunst der Griechen; 1945 Freundesg. f. Korrodi 15 Als Eduard Korrodi seine schönste Anthologie, das „Geisteserbe der Schweiz", zum erstenmal herausgab; Welt 20.2.1954 fast eine Volkskunde, fast eine literarische Anthologie, . . fast eine Kulturgeschichte — das alles ist der EnitKalender 1954; Niebelschütz 1961 Spiel 337 Anthologie ist Blütenlese . . und der Anthologe ein Parasit. Zu Deutsch: er schmarotzt; Staiger 1966 Grundbegriffe 235 Epigramme . . zählt man zur Lyrik und pflegt sie von jeher in lyrischen Anthologien mitzuführen; ND 8.4.1969 die Herausgabe einer Anthologie mit den besten Wettbewerbsarbeiten; Dedecius 1971 Deutsche o. S. im Jahre 1952 war . . eine kleine Anthologie deutscher Lyrik erschienen; Welt 8.11.1974 im Vorwort einer Anthologie („Klassische Blumenlese"), die nur Stücke jener vorhin genannten Matadore enthielt, war [folgendes] zu lesen; Zeit 11.10.1985 hier ist eine neue Anthologie über Graz erschienen; MM 6.12.1985 schrieb Andre Breton Ende der dreißiger Jahre in den Notizen zu seiner „Anthologie des schwarzen Humors"; Zeit 10.1.1986 „Silverado" ist eine faszinierende Anthologie aller Westernmotive, eine atemlose Hommage an den Western als Arena für das elementare Drama von Gut gegen Böse; ebd. 21.3.1986 die zahlreichen Anthologien des Verlagsprogramms beweisen, daß . . [die] Herausgeber sich . . der Mühe unterziehen, Literatur für Jugendliche durch gekonnte Selektion anzubieten; ebd. 23.5.1986 die Gedichtanthologie als Waffenkammer; ebd. 3.10.1986 aus produktionstechnischen Gründen blieb es leider bei einer Auswahl aus Monteverdi-Madrigalen und einer An-
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thologie mit internationalen Volksliedern; MM 2.7.1987 Zumbach, bisher als Herausgeber von Anthologien mit phantastischer Literatur hervorgetreten; Spiegel 28.5.1990 Wann je ist auf noch nicht 200 Seiten erschöpfendere Auskunft gegeben worden als in dieser Ego-Anthologie über sich selbst?; Süddtsch. Ztg. 6.9.1993 Den Auftakt macht zum erstenmal in einer Dada-Anthologie München mit den Galerien Goltz und Thannhauser als Forum internationalen Avantgardegeschehens. Antholog(e): Jean Paul 1792 S. W. l 2,123 O es gehören andre Herzen . . dazu . . um einzusehen, warum . . Sokrates groß und die Anthologen edel sind!; Nürnberger 1877 Herzenssachen 8 wir . . wollen uns sachte verabschieden, da erwischt uns der Zeitungsantholog beim Zipfel und nöthigt uns noch sein Bestes auf, ein paar ganz exquisite und superfeine Blümchen [Gedichte], die schon ihres romantischen Fundortes wegen zarten Seelen interessant sein müssen; Niebelschütz 1961 Spiel 337 Anthologe heißt jener freche Mensch, der auf den Wiesen der Dichtung wandelt und Flurschaden stiftet. Blumen brechend, die nicht ihm gehören, schleicht er schamlos dahin, rupft aus, was ihm gefällt, bindet den Raub in leichte Sträuße, veräußert sie unter dem irreführenden Namen eines Herausgebers. anthologisch: Hamann 1768 S. W. IV 312 und eben so viel zum Theil kurzweilige und anthologische Nachrichten; Bode 1774 Tristram 111 84 raubte aus der anthologischen Schatzkammer ein solches Kleinod; Kurz 1843 Schillers Heimatjahre Hl 88 da fällt mir ein . ., daß ich dir an jenem anthologischen Abend mein Fürstengedicht gab — hast du's nicht bei dir? Ich hab's einem von den Mannheimern Schauspielern versprochen, und mein Exemplar der Anthologie ist mir abhanden gekommen; 1945 Freundesg. f. Korrodi 15 Hugo von Hoffmannsthal, . . Begründer eines neuen anthologischen Stils; Th. Mann 1949 Reden u. Aufs. (W. XI 553) es ist ein sinnvoller Zufall . ., wenn ein Teil jenes melancholischen Jugendwerks . . in auszeichnendem anthologischen Rahmen wieder erscheint; Erpenbeck 1964 Vorhang auf. Vorw. o. S. Für anthologisch Voreingenommene: Werft mir bitte nicht vor, es fehle dies oder das; Hocke 1976 Tagebücher 12f. bitte ich gerade diesen Leser, . . die Vorbemerkung zum anthologischen Teil im zweiten Buch nachzulesen. Anthologist: Lessing 1770 S. Sehr. XVII 312 ich laufe sonst Gefahr, daß man mir es mit mehrern so macht, wie es der Schurke von Anthologisten mit der alten Jungfer und der Freundschaft ge-
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Anthropologie
macht hat; Schiller vor 1805 W. U 385 das Buch musste eben dick werden. . . Was kümmerte es den Anthologisten, ob er unter die Narzissen und Nelken auch hie und da Stinkrosen und Gänseblumen bindet (DWB); 1856 Weimarer Jahrb. V W Anthologisten (Überschr.). Bienen sammeln den Saft und Staub der Blüthen zu Honig/ Aber der Litterat machet die Blüthen zu Geld; Groth 1856 Briefw. 205 Ich glaube, daß ich ihn nicht zu fragen brauche; jeder Anthologist nimmt ja ohne mich zu fragen; Hebbel 1857 S. W. Hl 6,2 nichtsdestoweniger haben sie [Gedichte] sich sowohl beim Publicum, wie bei der Kritik und leider auch bei den Anthologi-
sten, durchgesetzt; Kesten 1929 Mensch 9 einige Gedichte .. wurden von Benzmann oder Bethge oder einem ändern Anthologisten jener Zeit in eine Blütenlese aufgenommen; 1945 Freundesg. f. Korrodi 19 Die deutsche Schweiz ist doch nicht nur ein Land echter Rustizität, sondern auch alter Urbanität. Darum fanden wir es besonders sinnvoll, daß unser Anthologist einen Rektor . . zu seinen Maturanden von der Urbanität sagen läßt: „Sie ist nicht nur eine ehrliche Höflichkeit . ., sondern . . eine . . intellektuelle und sittliche Blüte"; Benn 1954 Ges. W. IV 341 Es ist also kein Zweifel, die lyrischen Autoren müssen den Anthologisten dankbar sein.
Anthropologie F. (-; selten -n), Anfang 18. Jh. in der gelehrtenlat. Form Anthropologia 'wissenschaftliche Beschäftigung mit dem Menschen' aufgekommen (wohl ohne direkten Bezug auf das griech. Adj. 'über den Menschen redend' gebildet aus Anthropo-, zu griech. 'Mensch', und -logie, Basiswort mit der Bed. 'Wissenschaft, Kunde, Lehre', zu griech. 'Wort, Rede; Kunde; Vernunft', zu 'sammeln, sagen, sprechen, vortragen', also eigentlich 'die über den Menschen redende Wissenschaft'; vgl. deutlich älteres gleichbed. frz. anthropologie, engl. anthropology), seit früherem 18. Jh. in der heutigen Form. In der allgemeinen Bed. 'Wissenschaft, die den Menschen, seine physische und geistige Natur, zum Gegenstand hat, und dabei insbes. seine Abstammung, Entwicklung, seine körperlichen und seelischen Eigenschaften sowie die Verhaltensweisen in der Auseinandersetzung mit der Umwelt erforscht; Wissenschaft von den Menschenrassen und ihrer Geschichte; Menschenkunde' (in Abgrenzung von anderen Wissenschaftsdisziplinen wie Völkerkunde, — Soziologie, Abstammungslehre, Rassenkunde u. ä.); je nach der von der jeweiligen Wissenschaftsrichtung bevorzugten Auffassung vom Menschen mit unterschiedlichen Ausprägungen und Gewichtungen: im 18. Jh. als Verbindung von Physiologie, Anatomie und Psychologie, von Kant („Anthropologie in pragmatischer Hinsicht") um die philosophische Betrachtung menschlichen Handelns erweitert; im 19. Jh. die naturwissenschaftliche Betrachtungsweise mit Anatomie, Genetik, Entwicklungsgeschichte (unter Einbeziehung der Ethnologie) verbindend; im 20. Jh. eher geisteswissenschaftlich, philosophisch und moralisch orientiert, heute wieder vorwiegend naturwissenschaftlich ausgerichtet (s. u. Anthropologismus), in verdeutlichenden Syntagmen wie medizinische, biologische, psychologische, philosophische, moralische, geistige, politische, soziale, vergleichende Anthropologie und als Grundwort bes. in den Zss. Kultur-, Sozialanthropologie bzw. in der Kombination Paläoanthropologie 'Wissenschaft von den ersten Menschen, vom Urmenschen'; häufig in Buchtiteln verwendet und selten für 'Lehrbuch der Anthropologie' (s. Belege 1773, 1798, 1837, 1903, 1959). Dazu seit Mitte 18. Jh. die adj. Ableitung anthropologisch (ohne Steigerung), anfangs vereinzelt in der gelehrtenlat. Form anthropologicus, 'die Anthropologie betreffend, zu ihr gehörend, mit den Methoden der Anthropologie arbeitend; Herkunft, Entwicklung und Wesen des Menschen erforschend, menschenkundlich', z. B. anthropologische Forschungen, Methoden, Untersuchungen, Wissenschaften, Studien, in neuerer Zeit vereinzelt auch die verkürzte Form anthropolog; etwa gleichzei-
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tig die Berufsbezeichnung Anthropologe M. (-n; -n), anfangs auch Anthropolog, 'Forscher, Lehrer auf dem Gebiet der Anthropologie'; seit späterem 19. Jh. die subst. Ableitung Anthropologismus M. (-; ohne PL), zunächst (1870 bei Heyse) gebucht für 'Lehre, die über der menschlichen Vernunft nichts Höheres anerkennt', seit Anfang 20. Jh. selten belegt als Bezeichnung für die vor allem von L. Feuerbach vertretene Auffassung, daß die naturwissenschaftlich orientierte Anthropologie die grundlegende Wissenschaft vom Menschen sei; in neuerer Zeit vereinzelt die verbale Ableitung anthropologisieren 'jmdn./etwas unter anthropologischem Aspekt betrachten, etwas unter diesem Aspekt darstellen' mit dem Verbalsubst. Anthropologisierung F. (-; -en). Vgl. daneben Anthrop(o)-, anthrop(o)- als Anfangselement von zahlreichen, seit dem 18.719. Jh. nachgewiesenen (teils entlehnten, teils in der internationalen Wissenschaftssprache bzw. im Dt. selbständig gebildeten) subst. und adj. Kombinationen wie anthropomorph(isch) Adj. (< gleichbed. lat. anthropomorphos/griech. ) 'von menschlicher Gestalt, menschenähnlich, vermenschlichend; die menschliche Gestalt betreffend', Anthopomorphismus M. (-; selten Anthropomorphismen) 'Vermenschlichung, Übertragung menschlicher Eigenschaften auf Nichtmenschliches; Personifikation; menschliche Eigenschaft an nichtmenschlichen Wesen', Anthropogenic F. (-; ohne Pl.) 'Entstehungs- und Abstammungsgeschichte des Menschen', Anthropolatrie F. (-; ohne Pl.) 'gottähnliche Verehrung von Menschen, Menschenkult', Anthroposophie F. (-; ohne Pl.) 'von der Theosophie abgeleitete Wissenschaft, deren Anhänger, die Anthroposophen, davon überzeugt sind, die übersinnliche Welt erforschen zu können', anthropogen Adj. 'vom Menschen verursacht, durch den Menschen beeinflußt', anthropoid Adj. 'menschenähnlich', anthropozentrisch Adj. 'den Menschen in den Mittelpunkt stellend' u. v. a. Anthropologie: 1711 Fama V 366 Es ist dieses das sechste . . Buch der bißanhero von dem Herrn D. Grapio ventilirten und edirten Theologiae Polemicae, in welchem de Anthropologia, oder von dem dreyfachen Zustande des Menschen . . gehandelt . . wird; 1712 ebd. XVII 336 Die gantze Theologia, besonders Christologia u. Anthropologia wird kürtzlich angewiesen/ und die vornehmsten dabey fürfallenden Controversien decidiret; Marperger 1712 Naturlex. 87 Anthropologia, Rede von den Menschen, ist das special Theil von der Physic, in welchem die Beschaffenheit und der gantze Zustand des Menschen erkläret wird; Zedler 1732 Universallex. II 522 Anthropologia, . . eine Rede vom Menschen, ist das Special-Theil der Physic, in welchem die natürliche Beschaffenheit und der gesunde Zustand des Menschen abgehandelt . . wird. .. Anbey ist auch noch dies zu mercken, daß, wenn man das Wort Anthropologie [!] überhaupt nehmen will, auch die Lehre von der moralischen Beschaffenheit des Menschen zugleich mit abzuhandeln, ja auch die Vernunfft-Lehre dahin zu ziehen wäre; Philippi 1743 Witz u. Geschmack 221 Daher die Cosmologie, Pneumatic, Anthropologie und Physic zu den Wahrheiten vom ändern Range billig gehöret; Wieland 1758 Ges. Sehr. I 4,561
ebenso gewiß ist es, daß wir weder vernünftig noch glücklich leben können, wofern wir nicht aus dieser Göttlichen Anthropologie die Einrichtung unsers Lebens und die Regeln unserer Actionen und Bestrebungen ziehen; Basedow 1764 Philalethie I 14 Anthropologie oder die Lehre vom Menschen; Herder 1769 S. W. IV 25 sie [Ästhetik] ist ja selbst ein Theil, ein schwerer Theil der Anthropologie; Kant 1773 Ges. Sehr. X 145 Ich habe die Recension der Platnerschen Anthropologie gelesen; 1776 Götting. Taschen-Calender 62 Skize [!] von Anthropologie; Kortum 1791 Lebensgesch. 34 Im 3. halben Jahr hörte ich [im Studium] nebst der Physiologie und Pathologie wieder die Therapie und die medicinam forensem, nach Hebenstreits Anthropologie; Eschenburg 1792 Lehrbuch 103 Anthropologie, oder die Lehre von der menschlichen Natur; W. v. Humboldt 1795 Plan (I 377) Plan einer vergleichenden Anthropologie; Goethe 1798 Br. (WA IV 13,348) das Ganze [Kants „Anthropologie in pragmatischer Hinsicht"] für eine Anthropologie nicht liberal und artig genug; . . es scheint mir auf einige tadelnswürdige, wie auf einige lobenswürdige Seiten der menschlichen Natur nicht genug Gewicht gelegt; ders. 1798 Br. (WA IV 13,353) Zum l'hombre wünsche ich Glück! Sie werden in der Anthro-
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pologie selbst die Apologie des Spiels finden; 1807 Verordnung Studium Univ. Landshut 5 Psychologische Anthropologie [als Lehrfach der Theologie]; Steffens 1822 Anthropologie l l Die Anthropologie, ihrer Wortbedeutung nach, ist von einem so unermeßlichen Umfange, daß sie wohl benutzt werden könnte, das Höchste aller menschlichen Erkenntniß überhaupt zu bezeichnen. Die Anthropologie wäre demnach Philosophie im ausgedehntesten Sinne; Hillebrand 1822—23 Anthropologie als Wissenschaft (Titel); Schulze 1826 Psychische Anthropologie (Titel); Krause 1828 System d. Philos. 18 In allen .. systematischen Versuchen findet sich Theologie und Kosmologie, . . Physiologie oder Naturphilosophie, Psychologie, Anthropologie; ebd. 271 nannte man . . die Wissenschaft vom Menschen, die Anthropologie, eine materiale Wissenschaft; Vollgraff 1832 Täuschungen 7 Resultate der politischen Anthropologie; Wolf 1835 Erziehung 107 der medicinischen Anthropologie; Burdach 1837 Anthropologie für das gebildete Publicum (Titel); Reichlin-Meldegg 1837—38 Psychologie des Menschen mit Einschluß der Anthropologie (Titel); Virchow 1849 Abh. 7 Seine [Humanismus] Basis ist die Naturwissenschaft, sein eigentlicher Ausdruck die Anthropologie; ebd. 19 Anthropologie. Ich verstehe unter dieser Bezeichnung die Erfahrungswissenschaft vom Menschen überhaupt; Treitschke 1859 Gesellscbaftswiss. 65 die soziale Anthropologie . . fordert die Natur des Menschen als Prämisse und Grundprinzip aller sozialpolitischen Forschungen; Holtet 1860 Eselsfresser II 13 ob er in Henrich Steffens Anthropologie die ihm gewidmete Stelle seiner Aufmerksamkeit gewidmet habe. Worauf er freilich entgegnete: solche unwissenschaftliche Faseleien lese er nicht; Meyr 1866 Gespr. 338 Sofern diese [philosophische Empirie] die Philosophie einerseits auf Anthropologie und Psychologie, andererseits auf Erkenntnißlehre und Geschichte der Philosophie zu beschränken glaubt; 1881 ZfEthnologie 1 201 Weitere Beiträge zur Anthropologie der Tiroler; Waitz 1883 Pädagogik Einl. LXXI Anthropologie der Naturvölker; Dilthey 1883 Einl. I 29 Die Theorie dieser psychophysischen Lebenseinheiten ist die Anthropologie und Psychologie; Riehl 1885 Vortr. II 190 Eine aufsteigende moderne Wissenschaft ist die „Anthropologie"; man könnte sie bereits eine Modewissenschaft nennen. In den Tagen von Steffens und Herbart dachten die Philosophen bei dem Worte Anthropologie an eine metaphysische Psychologie, an eine Art Naturphilosophie des menschlichen Geistes; 1889 Landes- u. Volksforschung 384 der unbestimmte Name Anthropologie; Waldeyer 1898 Aufgaben 9 dass der Vater der Anthropologie, der alte Blumenbach, ein Deutscher war; Martin 1903 Anthropologie als Wissenschaft und Lehrfach (Ti-
tel); 1906 Anleitg. z. wissenschaftl. Beobachtungen l Anthropologie im weitesten Sinne umfasst die ganze Menschheit von dem ersten Auftreten menschlicher und menschenähnlicher Wesen bis auf den heutigen Tag. Im engeren Sinne des Wortes gliedert sie sich in drei Teilgebiete: physische Anthropologie, Ethnographie und Urgeschichte; Woltmann 1906 Politische Anthropologie (Titel) . . Ueber den Einfluss der Descendenztheorie auf die Lehre von der politischen Entwicklung der Völker; 1910 Stimmen d. Zeit LXXV11 459 In diesem Doppelbändchen wird der ganze menschliche Organismus . . behandelt. .. Die ganze Darstellung . . setzt aber . . manche Kenntnisse voraus, wie man von einem Grundriss auch keine ausführliche Anthropologie erwarten kann; Haeckel 1913 LW. 367 Auch hielt Kant Vorlesungen über „Pragmatische Anthropologie"; Posner 1921 Virchow 64 „Deutsche Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte" begründet; Gottl-Ottilienfeld 1925 W. 341 dieser Anspruch, den die Nationalökonomie der „historischen Anthropologie" gegenüber erhebt; Scheler 1929 Weltansch. 11 vom Wesensbilde des Menschen aus, das die „philosophische Anthropologie" erforscht; Thurnwald 1931 Gesellschaft l 9 die ältere Auffassung von der „Anthropologie", wie sie im 18. Jh. üblich war; Th. Mann 1936 Reden u. Aufs. (W. IX 500) daß man in Freuds Lebenswerk einmal einen der wichtigsten Bausteine erkennen wird, die beigetragen worden sind zu einer . . sich bildenden neuen Anthropologie und damit zum Fundament der Zukunft; Sombart 1938 Menschen o. S. Versuch einer geisteswissenschaftlichen Anthropologie; 1942 Zfdtsch. Kulturphilos. Vlll 229 Die . . unter dem Namen einer philosophischen Anthropologie zusammengefaßten Bemühungen um ein tieferes Verständnis der menschlichen Natur; Gersemann 1943 Lebensform 15 Wir überlassen es . . der geistigen Anthropologie, aus dem uns als fertiges, geschichtlich gewordenes Ergebnis vorliegenden Nationalcharakter die ursprüngliche Anlage von der aufsummierten Vergangenheit zu sondern; Müller-Armack 1949 Diagnose (Reg.) Anthropologie, biologische, geisteswissenschaftliche, theologische; Muhs 1954 Gesch. U 11,369 Die Religionskunde wird für Feuerbach . . zur Anthropologie, Gott zur Schöpfung des Menschen; v. Brandt 1958 Werkzeug d. Historikers 14 Jeder .. Historiker kann in die Lage kommen, . . jede beliebige Wissenschaft als Hilfswissenschaft heranzuziehen — sei das nun . . Anthropologie oder Mathematik, Semitistik oder . . Germanistik; Schelsky 1959 Ortsbestimmung 11 auf einer Tagung über „Pädagogische Anthropologie"; 1959 Dies Univ. II 89 Das Wort „Anthropologie" verlor . . den bisher universalen Sinn; 1961 Theorie u. Praxis 56 Anthropologie als biolo-
Anthropologie gische Gruppenwissenschaft; Hengstenberg 1966 Philosophische Anthropologie (Titel); 1967 Bild d. Wiss. II 94 studierte an der Universität Wien Ethnologie und Anthropologie; Trimborn 1971 Völkerkunde o. S. die physische Anthropologie weiß, daß alle derzeit lebenden Varietäten, die sog. „Rassen" der Menschheit, zur einen Spezies . . Homo sapiens gehören; v. Karolyi 1971 Anthropometrie o. S. die ersten Ansätze für . . systematische Messungen am menschlichen Körper wurden in der zweiten Hälfte des 19.Jahrhunderts gemacht, besonders deutlich sind sie in . . der Kriminalistik bzw. der Kriminalanthropologie zu sehen; Hocke 1976 Tagebücher 12 Eine moderne, eine .. existentielle Menschenkunde, die von der philosophischen Anthropologie ausgeht .., muß zwangsläufig die verschiedensten menschlichen Erfahrungen . . beachten und darstellen; Habermas 1985 Unübersichtlichkeit 42f. Arnold Gehlen. In seiner bedeutenden Anthropologie hatte er . . die unwahrscheinliche Plastizität und Versehrbarkeit des menschlichen Wesens betont, das nicht durch Instinkte festgelegt [ist]; Zeit 3. 5.1985 gibt es Historiker, welche die Kulturanthropologie als großen Anregungsspender, als methodisches Vorbild . . betrachten und eine ethnologisch inspirierte Kulturund Sozialgeschichte fordern; MM 18. 6.1985 dieser Gelehrte [Plessner] . . war Mitbegründer der modernen philosophischen „Anthropologie" und vereinigte in seiner Person Naturwissenschaft, Soziologie und Philosophie; Zeit 27.9.1985 verschmolzen die Rassentheorien [Gobineuas] mit den . . Vererbungsgesetzen [Mendels] zu einer neuen, politischen Anthropologie; MM 3. 2.1986 daß Anthropologie und Ethnologie seit den vierziger Jahren keineswegs hinter der Zeit zurückgeblieben sind; Zeit 28.11.1986 er las Entwicklungspsychologie . . und vertiefte sich in Anthropologie und Mythologie; ebd. 1.5.1987 dennoch . . sei sein Unterfangen gewaltig: eine Theorie der „Menschenwissenschaften" zu begründen, in der Philosophie, Psychologie, Geschichte, Anthropologie aufgehoben werden; ebd. 8.5.1987 die Sektion Paläoanthropologie des Senckenbergmuseums in Frankfurt; MM 18. 7.1987 eine an Jean Paul erinnernde poetische Anthropologie . . voller Witz und gelehrter Anspielungen; Altner 1991 Naturvergessenheit 35 daß die von Singer eingebrachten Bewertungskriterien (Interessengleichheit bei Leidensfähigkeit und Selbstbewußtsein) . . aus einer sehr einseitigen und willkürlichen Anthropologie abgeleitet sind. Anthropolog(e): Schubart 1774 Dtsch. Chronik 201 nun glaube ich fast, was der Anthropologe Plattner sagt; Goethe um 1798 Rezension z. Heinroth (WA I 41.2,163) daß der Anthropolog sein Menschenkind bis in die Vorhöfe der Religion füh-
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ren könne; Wieland vor 1813 W. 222 Psychologen und Anthropologen; 1815 Crit. Magazin IV 85 Eine Bemerkung setze ich noch hinzu, welche die Physiologen und Anthropologen bey der Lehre vom Einflüsse der Mutter auf die Frucht brauchen mögen; Platen 1817 Briefw. l 431 bin ich auch den Schriften geneigt, die von der menschlichen Physiologie handeln, aber . . nur in so ferne, als sie in die Psychologie einschlägt; nur als Anthropolog, aber keineswegs als Zoolog oder Mediciner; 1870 Geograph. Jahrb. 311 Der Anthropologe kennt nur Menschenrassen; Carus 1871 Abstammung I 213 aber Pallas zeigte zuerst, das diese Ansicht nicht haltbar ist, und ihm sind fast alle Anthropologen gefolgt; Hartmann 1879 Völker Afrikas 40 Anthropologen; Meinen 1880 Ernährungstheorie 145 Der berühmte . . Geograph und Anthropolog Oskar Peschel schreibt in seinem bedeutendsten Werke „Völkerkunde"; Rieht 1885 Vortr. 190 Den älteren Medizinern war der Anthropolog freilich ein ganz anderer Mann, kein bildlicher Anatom der Seele, sondern ein wirklicher Anatom des Leibes, ein Physiolog; Woltmann 1905 Anthropol. 64 Die Anthropologen haben von jeher die Ungleichartigkeit des Pigments und der Schädelform als die spezifischen Merkmale angesehen, welche das Menschengeschlecht in einzelne Rassen sondern; Gottl-Ottilienfeld 1925 W. 340 Die Deutung der [kulturellen Ausgrabungs-jFunde . . kann . . unmöglich dem mehr naturwissenschaftlich geschulten und auch naturwissenschaftlich denkenden Anthropologen überlassen bleiben; Berl. Illustr. Nachtausg. 2.2.1933 Diese Behauptung der Anthropologen stellt der Film unter Beweis. Eine Forscherexpedition sucht die Artgenossen jenes prähistorischen Menschen; Welt 3.4. 1964 da ein Anthropologe ihm nicht eindeutig sagen konnte, worin der Homo sapiens sich vom Sinanthropus unterscheidet; Müller-Thurau 1984 Köpfe 63 Den englischen Anthropologen Sir Arthur Keeth führte der Sortiereifer . . direkt in die Lächerlichkeit. Es ging ihm um die Frage: Wo hört das Tier auf, wo beginnt der Mensch?; Zeit 25.1.1985 zeigte der Anthropologe . ., wie grundlegend sich unsere Essensgewohnheiten verändert haben; ebd. 3.1.1986 am nächsten kommt Kubelkas Kochkunst-Theorien wahrscheinlich der französische Strukturalist und Sozialanthropologe Claude Levi-Strauss; ebd. 15.8.1986 bisher nahmen die meisten Paläoanthropologen an, daß sich die Hominiden-Linie vor gut zwei Millionen Jahren . . in zwei Äste aufgespaltet hatte; ebd. 10.10.1986 auch der Naturphilosoph .. Spencer und der etwas anrüchige Anthropologe Sir Francis Galton galten .. als Exzentriker; ebd. 20.3.1987 jetzt will sich ein Anthropologe zu Herrn Lorenz' These vom spontanen Aggressionstrieb äußern;
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Spiegel 7.12.1992 Die Provinz Quiche . . ist heute ein Land der Witwen und Waisen. Sie [Frauen] führen die Anthropologen zu den Gräbern, in denen sie ihre Männer und Kinder vermuten; ebd. 2.3.1993 Die Kulturanthropologin .. beschäftigt sich mit der Kultur des Dorfes. anthropolog: Kunert 1973 Bibl. 130 anthropologe und soziale Indizien für einen Erkennungsdienst der Menschenkunde. anthropologisch: Schlözer 1756—60 Gelehrsamkeit i. Schweden 481 Olof Öhrlin[s] . . de poema anthropologica, oder [von] den Strafen der Sünden, welche unmittelbar und nothwendig aus der menschlichen Natur fliessen; Herder 1785 S. W. 250 Aber wie weit sind wir noch von der Erfüllung dieses anthropologischen Wunsches!; Forster 1791 W. XI 237 Die hier befindlichen Erläuterungen seines . . anthropologischen Grundrisses; Kant 1795 Z. ew. Frieden (Ges. Sehr. VIII 374) wozu [zur wissenschaftlichen Erkenntnis des Menschen] ein höherer Standpunkt der anthropologischen Beobachtung erfordert wird; Goethe 1800 Weiber (WA l 18,310) schrieb ich damals die Symptome dieser halb moralischen, halb physischen Krankheit in einen Aufsatz zusammen, den ich das Capitel von den Schälken nannte, weil ich es mir als einen Theil anderer anthropologischer Bemerkungen dachte; Borne 1822 Ges. Sehr. II 24 und beide [Polizei und Spieldirektion] teilten sich wechselseitig ihre anthropologischen Erfahrungen mit; Athenstädt 1823 Eur. II 207 Man muß die Welt und den Menschen kennen, und es lassen sich nur dann anthropologische und psychologische Abstractionen richtig und gemeinnützig machen; Schopenhauer 1840 Moral 76 sei man eingedenk, daß er [Wille] jede anthropologische Begründung . . des kategorischen Imperativs als einer Tatsache des Bewußtseins in der Grundlegung ausdrücklich . . ablehnt, weil sie empirisch sein würde; Grillparzer 1848 Spielmann (XIII 41) Das ganze Wesen des alten Mannes war . . wie gemacht, um meinen anthropologischen Heißhunger aufs Äußerste zu reizen; 1876 Geograph. ]ahrb. 337 Bericht über den Stand der anthropologisch-ethnologischen Forschung; Treitschke 1897 Politik I 98 eine jede positive Religion enthalte einen geologischen Mythus über die Entstehung des Kosmos, einen anthropologischen Mythus, und zum dritten einen Codex der Moral; 1900 Naturwiss. Wochenschr. 507 Über die verschiedenen Methoden der anthropologischen Forschung; Bumöller 1908 Der Mensch. Ein anthropologischer Grundriss (Titel); Th. Mann 1924 Zauberberg (W. Ill 434) auch von der dortigen Menschenart . . ließ er Herrn Ferge erzählen, von dem asiatischen Einschuß ihres Geblütes, den
hervortretenden Backenknochen . ., und lauschte mit anthropologischem Anteil; 1934 AfdA Llll 210 auf der Linie der Kindermannschen Forderung nach einer anthropologischen Literaturgeschichte; Th. Mann 1940 Nachtr. (W. XIII 164) diese anthropologische Neugier nach dem Ursprung und Ziel des Menschen; Gersemann 1943 Lebensform 15 die . . mit Händen zu greifende Charaktergrundlage des Westbalkans, die anthropologisch als „dinarisch" zu bezeichnen [ist]; Süddtsch. Ztg. 1951 Ende Aug. findet . . die zweite anthropologisch-soziologische Konferenz statt; Th. Mann 1954 Krull (W. VII 596) ist er Paläontolog seines Zeichens und lebt . . in Lissabon, Begründer und Direktor des hiesigen Naturhistorischen Museums, das ich . . besichtigt habe, und dessen wissenschaftliche Darbietungen sowohl in paläozoologischer wie paläoanthropologischer Beziehung .. meinem Herzen . . nahegegangen sind; 1957 Kathol. Glaube I 349 im Zustand einer „anthropologischen" Wende; Bollnow 1962 Mass 26 die anthropologische Bedeutung des Hauses konnte darum erst dort zum Problem werden, wo die Welt in ihrer Unwohnlichkeit . . entdeckt wurde; Kofier 1962 Theorie 16 ist es dem Fortgange der Wissenschaft anheimgestellt, alle Geheimnisse als geheimnislose Äußerungen des .. bestimmten anthropologischen und soziologischen Gesetzen . . folgenden Lebens zu enthüllen; 1966 Studium Generale XU 736 zu allem kommt . . noch die Tatsache, daß der einfache Ausdruck „völkerkundliche Sicht" eine Vielfalt sozial-anthropologischer Methoden umschließt; Brückner 1971 Protokolle o. S. daß wir zum Bereich der anthropologischen Wissenschaften gehören, wenn wir dem Menschen das Primat vor seinen Schöpfungen geben, wird wohl nicht bestritten werden; Welt 7.10.1974 befinden wir uns auf dem Wege zur kulturanthropologisch begründeten Historic, die Einheit ermöglicht und Vielfalt herausfordert; Dülmen 1977 Reformation 9 Angeregt wurde dieser Versuch durch die Beschäftigung mit anthropologischen Erklärungen millennarischer Bewegungen in der Geschichte; Fleischer 1978 Geschichtsprozeß 158 Diese Perspektivenverschiebung hatte für den Geschichtsbegriff . . Folgen. Es waren damit . . einige der geschichtsanthropologischen Grundaxiome zurückzunehmen; Zeit 27.9.1985 Labor Auschwitz (Überschr.) . . die Wände seines anthropologischen Kabinetts in der früheren Zahnstation waren nicht mit den Augenpaaren Hunderter ermordeter Kinder dekoriert; MM 29.10.1985 daß anthropologische, kulturelle und soziale Fragen, die durch die neuen Techniken aufgeworfen werden, zu wenig bedacht wurden; Zeit 21.3.1986 je länger Sexualwissenschaft besteht .., desto radikaler hat sie sich aus anthroplogischen, philosophischen,. . theoretischen Bezügen
Anti-, antigel st; MM 2.5.1986 da Benn 1933 glaubte, der Nationalsozialismus k nnte „eine neue anthropologische Qualit t und einen neuen menschlichen Stil" hervorbringen; Zeit 8.5.1987 die Vorfahren der afrikanischen Bev lkerung waren demnach die ltesten, eine Schlu folgerung, die durch die bisherigen arch ologischen und anthropologischen Fakten gest tzt wird; Altner 1991 Naturvergessenheit 35 Besonders kra zeigen sich die anthropologischen Defizite der Singerschen Ethik bei der Einsch tzung des F tus und des neugeborenen Kindes. Geht man . . von den anthropologischen Befunden des Zoologen . . Portmann aus, . . so entf llt hier jede M glichkeit, . . irgendwelche Stadien .. als nicht- oder als untermenschlich auszuschlie en. anthropologisieren: Zeit 24.5.1985 hier darf ein in lauter strukturalistischer oder anthropologisierender Emphase fast schon weggeblendetes Geschichtsbewu tsein wieder staunen lernen. Anthropologisierung: Muhs 1954 Gesch. II 11,369 l t sich Feuerbachs Anthropologisierung des
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G ttlichen mit dem transzendentalen Begriff des Religi sen nicht vereinbaren, da sie Gott verneint. Anthropologismus: Windelband 1904 Pr ludien l 166 Wenn wir die Werte des geistigen Lebens, welches das geschichtliche ist, f r den letzten Inhalt aller Wirklichkeit ansehen, . . so wird wohl erwidert: das sei und und bleibe Anthropologismus und Anthropomorphismus. Ob man denn immer noch nicht gelernt habe, da unser gesamtes Geschlecht . . in einem entlegenen Winkel des Universums eine beschr nkte, auf kurze Frist gespannte Existenz abspielt!; Jodl 1911 Vom Lebenswege l 13 Karl Prantl, der den Hegeischen Panidealismus im Sinne Feuerbachs zum Anthropologismus umbildete und aller spekulativen Unklarheit . . das Wort „Unerkennbarkeit des Absoluten" als eine auf deutschen Kathedern damals noch selten geh rte Mahnung zu positivistischem Denken entgegenwarf; Nitzschke 1932 Geschichtsphilosophie 36 Diese Br cke der Historischen Schule .. zu einem realistischen Anthropologismus ist nicht zu untersch tzen. Es ist die Wendung von der Vernunft zum Menschen; ebd. 127 Anthropologismus des Neuhegelianismus.
Anti-, anti-, vor Vokal und h (nach griech., nicht heutiger Regelung) meist Ant-, ant- (z. B. Antagonismus, Anthelix). Pr fix von subst. und adj. Kombinationen, zur ckgehend auf die griech. Pr p. αντί in den Bed. 'gegen ber; gleich; anstelle von; gegen, in Austausch mit', h ufig auch als pr fixales Wortbildungselement mit der Bed. '(da-, ent-)gegen' in (subst., adj. und verbalen) Kombinationen, mit denen Gegen berliegendes, Gleiches, Stellvertretendes, Gegengerichtetes oder im Gegenzug Erfolgendes relativ zu dem in der Basis Genannten bezeichnet wird, z. B. αντίποδες '(die mit) entgegengekehrte(n) F e(n), Gegenf ler, Antipoden', aus αντί und πόδες Pl. (zu πους 'Fu '), άντίγραφον 'Ab-, Zweitschrift, Antigraphum', άντιβασιλεύς 'Stellvertreter des K nigs, Interrex', άντίφωνος 'wider-, entgegent nend', άντιθερμαίνειν 'ebenfalls erw rmen'; von daher zahlreiche (bes. subst.) bernahmen ins Lat., z. B. anticategoria 'gegen eine Klage eingereichte Klage, Gegenklage', antidotum 'Gegengift, Gegenarznei', antipathia 'Unvertr glichkeit zweier Dinge, Antipathie', antiphona 'Wechselgesang, antipodes 'Gegenf ler', antisophista 'Gegensophist; Grammatiker von entgegengesetzten Grunds tzen', antitheus 'Gegengott; feindlicher D mon, Widersacher Gottes', antitheta 'Gegens tze'. Zun chst nachgewiesen in direkten Entlehnungen oder ber das (M)Lat. bzw. die romanischen Sprachen vermittelten Kombinationen aus dem Griech., die jedoch nicht als unmittelbare Vorbilder f r die Entwicklung dt. Wortbildungsmuster mit and- angesehen werden k nnen, z. B. Antichrist (schon im Ahd.) 'zweiter Christus (der Endzeit); endzeitlicher Gegenspieler Christi', Antiphon (Anfang 15. Jh.) 'Wechselgesang im Gottesdienst', —» Antinomie und —* Antithese (fr hes 16. Jh.), —» Antipode (Mitte 16. Jh.), —» Antipathie (sp tes 16. Jh.), —» Antagonismus (sp tes 18. Jh.).
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Anti-, anti-
Seit der zweiten Hälfte des 17. Jhs. allmählich als Wortbildungselement (und zwar im Ggs. zum Griech. nur als Nominal-, nicht auch als Verbalpräfix) im Dt. wie in anderen modernen europäischen Sprachen produktiv werdend, bes. im politischen und wissenschaftlich-fachspr. (medizinischen/pharmazeutischen) Bereich, in neuerer Zeit vor allem auch im Bereich von Technik, Produktnamengebung bzw. Warenzeichenbildung. Ganz allgemein wird anti- in Kombinationen verwendet, die Gegenstände (Sachen oder Personen) bezeichnen oder charakterisieren, die (in bestimmter Weise) gegen die im Basiswort genannten Gegenstände (Sachen oder Personen) gerichtet sind. l Im späten 17. Jh., wohl nach dem Vorbild von Antichrist, Schlagwort der Reformationszeit im Sinne von '(endzeitlicher) Gegenspieler Christi', aufgekommen und seither als produktives Wortbildungselement nachgewiesen, zunächst vor allem im politischen, dann auch im soziokulturellen, religiösen, moralischen, weltanschaulichen und wissenschaftlichen Bereich in oft schlagwortartig verwendeten Kombinationen, die eine ablehnende, gegnerische, feindliche Einstellung/eine Gegenhaltung/ Gegenposition/Gegenbewegung/Gegnerschaft/Feindschaft gegenüber den in der (subst. oder adj.) Basis genannten Sachen/Sachverhalten bezeichnen oder (häufiger) die Vertreter solcher Einstellungen/Bewegungen usw. bzw. die Art der Bewegung oder die Haltung ihrer Vertreter näher charakterisieren: Zunächst in Personenbezeichnungen wie Antikardinalisten (1681), Anti-Cartesianer (1688), Anti-Bourbonisten (1702), Anti-Miltoniarer (1743), Antiliturgist (1749), Anti-Deutscher (1752), Anti-Klopstockianer (1771), Anti-Preuße (1783), Antimonarchianer (1785), Anti-Freimaurer (1786), Anti-Empfindsamer (1788), Anti-Kantianer (1791), Antirepublikaner (1797), Antinewtonianer (1800), Antibaptist (um 1800) 'Gegner der Taufe', Antiphysiognomist (um 1800) 'Gegner der Wissenschaft von der Physiognomie', Antideist (um 1800), Antiklassiker (1826) 'Gegner der klassischen Kunstauffassung', Antitrinitarier (1779, in der latinisierten Form Antitrinitarü schon im 16. Jh.) 'Gegner der Lehre von der Dreifaltigkeit (Trinität)', Antihegelianer (1830), Antikonstitutionalist (1831) 'Verfassungsgegner', Antipatriot (1831) 'Vaterlandsfeind', Antirevolutionär (1831) 'Gegner der Revolution', Antireformer (1836), Antiliberaler (1837), Antisophist (1863), Antimoralist (1863), Antiaristokrat (1870), Antiannexionist (1870) 'Gegner der Annexionspolitik, des Annexionismus', —>· annektieren), Antisemit (um 1879) 'Gegner des Judentums', Antiklerikaler (1897), Antiimperialist (1904), Antifaschist 'Vertreter des Antifaschismus, Gegner des Faschismus', Antibolschewist, Antisozialist, Antimonarchist 'jmd., der gegen die Staatsform der Monarchie eingestellt ist', Antimaterialist 'Gegner des Materialismus', Antipreuße 'Gegner des Preußentums; Preußenfeind', Antigaullist, Antispießer, Antialkoholiker 'Alkoholgegner, Abstinenzler' (—* Alkohol). Dabei handelt es sich bei einem Antifaschisten um den Träger oder Anhänger des Antifaschismus (als Bewegung), jedoch nicht um eine gegen die Träger des Faschismus eingestellte Person, bei einem Antialkoholiker um einen Gegner des Alkohols, jedoch nicht um einen Gegner von Alkoholikern. Übergänge zwischen beiden Lesarten sind jedoch möglich: Antikommunist 'Gegner des Kommunismus', auch (?) 'Kommunistenfeind, -nasser'. Dann auch in entsprechenden (subst.) Bezeichnungen für Gegenbewegungen oder gegnerische Einstellungen wie Antichristianismus (17. Jh.71718), Antiplatonismus (1784), Anti-Lutherismus, Anti-Pietismus (beide 1790), Antisymbolismus (um 1800,
Anti-, anti-
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Herder bei Kehrein 1876), Antiprotestantismus (1801), Antikatholizismus (1812), Antipatriotismus (1831), Antiroyalismus (1838), Antiliberalismus (1838), Antispiritualismus (1863), Antirationalismus (1870), Antimoralismus (1870), —» Antisemitismus (um 1879), Antimilitarismus (um 1900) 'Ablehnung jeder Form von militärischer Rüstung', Antiimperialismus (1904), Antigermanismus, Antihistorismus, Antifaschismus 'Gegnerschaft gegen Faschismus und Nationalsozialismus', Antibolschewismus, Antimaterialismus, Antiklerikalismus (1912) 'kirchenfeindliche Haltung', Antiintellektualismus (um 1920), Antikommunismus (1931), Antiamerikanismus (—» Amerikanismus), Antikolonialismus (1956), Antiparlamentarismus, Antirassismus, Antizionismus, Antispießertum, Antideutschtum. Etwa gleichzeitig auch in entsprechenden (adj.) Charakterisierungen, z. B. antiästhetisch (1755) 'unästhetisch, gegen das Ästhetische eingestellt', antijesuitisch (1775), antikatholisch (1787), antipatriotisch (1794), antiklassisch (1796), antirevolutionär (1797), antirepublikanisch (1800), antiphysisch (um 1800), antibarock (um 1800), antitheatralisch (1804), antianarchisch (1809), antiaristokratisch (1811), antitrinitarisch (1811) 'die Lehre von der Dreifaltigkeit ablehnend', antimonarchisch (1812), antisexualistisch (1812) 'gegen das Linne'sche Sexualsystem gerichtet', antikonstitutionell (1813) 'verfassungswidrig', antigallikanisch (1813) 'gegen die Franzosen feindlich gesinnt', gleichbed. mit antigallisch (1838), antiphiliströs (1821), antisozial (1826) (—*· asozial), antinational (1828) (vgl. anational, —»· a-Präfix 2), antidemagogisch (1830), antipreußisch (1830), antiministeriell (1838) 'gegen das Ministerium oder die Regierung gerichtet', antipatriotisch (1838), anticivisch (1838) 'unbürgerlich, gegen die Bürgerpflicht verstoßend', antimoralisch (1840) (—" amoralisch), antiethisch (1840), antiklerikal(isch) (1840), antifreischärlerisch (1860), antigeistlich (1860), antidespotisch (1863), antidemokratisch (1870), antievangelisch (1870), antifanatisch (1870) 'der Glaubensschwärmerei feindlich (gesinnt)', antiplatonisch (1870), antiannexionistisch (1871), antiimperialistisch (1904), antifeministisch (1905), antimonarchistisch (1922), antifaschistisch (1928), 'gegen den Faschismus gerichtet', antimaterialistisch, antisozialistisch 'gegen den Sozialismus eingestellt', antiamerikanisch 'gegen Politik, Kultur und Lebensart der USA eingestellt' (Ggs. proamerikanisch), antipreußisch, antidemokratisch 'gegen die Demokratie gerichtet', antiautoritär 'autoritäre Normen, Autorität ablehnend' (—> autoritär), antibürgerlich, antiklerikal, antichristlich 'gegen das Christentum eingestellt' (vgl. aber Antichrist), antikirchlich, antihuman (vgl. ahuman, —> a-Präfix 2), antideutsch usw. 2 Seit der 2. Hälfte 17. Jh. in ganz unterschiedlichen Kombinationen bzw. verschiedenen (Fach-)Bereichen in der allgemeinen Bed. '(jmdm.)/etwas entgegenwirkend; gegen etwas wirksam'. a Seit Ende 17. Jh. (HECHTENBERG) nachgewiesen als fachspr., wohl auf neulat. anüdotum 'Gegenmittel, Mittel gegen eine Krankheit' als Muster zurückgehendes, im Dt. produktiv werdendes Wortbildungselement vor allem in Kombinationen der medizinischen/pharmazeutischen Nomenklatur, mit denen Heilverfahren und Arzneimittel bezeichnet werden, die gegen die in der Basis genannten Krankheiten, krankhaften Erscheinungen oder Krankheitserreger usw. wirksam sind: Zunächst in aus dem Griech. latinisierend (oder seltener aus dem Lat. direkt) übernommenen (oder im Dt. latinisierend lehngebildeten) Adj., deren Basis auf Lehnsuffix endet (vor allem -icus, -icitus, seltener -ivus, -ilis) und die als Attribute zu Subst.
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wie medicamentum, remedium (oft im Pi. medicamenta, remedia) verwendet werden, z. B. Antaphrosidiacum (medicamentum, remedium) bzw. Antaphrodisiaca (medicamenta, remedia) (zu lat. aphrodisiacus < griech. $ e zum Liebesgenuß gehörig', —»· Aphrodisiakum), Antinephriticum (remedium) (zu lat. nephriticus < griech. $ 'bezüglich der Nierenkrankheit'), Antifebrilia (medicamenta), zu febrilis (< lat. febnlis 'leicht Fieber erzeugend', zu febris 'Fieber') oder Antitussiva (remedia) (zu tussivus, zurückgehend auf lat. tussis 'Husten'); seit dem früheren 18. Jh. (Zedler 1732) zunehmend auch in substantivierter Form in meist im N. Sing, -icuml-ikum oder PL -ica/-ika gebrauchten Kombinationen: z.B. Antirheumaticum/Antirheumatica 'Mittel gegen Rheuma(tismus)' (vgl. aber Antirheumamittel bei 2b), Antiasthmatica 'Mittel gegen Bronchialasthma', Antiphlogistica 'Mittel gegen Entzündungen', Anthelmintica (remedia) 'Wurmmittel', Antitussiva 'hustenstillende Mittel', Antisepticum 'fäulniswidriges Mittel', Antiepileptica 'Mittel gegen Krämpfe und Epilepsie', Antineuralgicum 'Medikament gegen Neuralgie; schmerzstillendes Mittel', Antidepressivum 'Medikament gegen Depressionen', Antidiabeticum 'Medikament gegen Diabetes', Antikonzeptivum 'die Konzeption (Empfängnis) verhütendes Mittel' (vgl. aber Antikonzeptionsmittel bei 2b); vgl. auch Kombinationen wie Antitranspirant 'schweißhemmendes Mittel', Antitoxin 'Gegengift des Körpers gegen von außen eingedrungene Gifte', Antivitamin 'Stoff, der die Wirkung eines Vitamins vermindert oder aufhebt' usw.; (vgl. auch im technischen Bereich Termini wie Antistaticum 'Präparat zur Verhinderung der durch Reibung entstehenden elektrostatischen Aufladung von Kunststoffen' und Antistatikmittel bei 2b). Seit Mitte 18. Jh. auch in entsprechenden adj. Termini, deren Basis auf indigenes Suffix -(it)isch endet und die im Unterschied zu den latinisierenden Entsprechungen (auf -icus usw.) zunächst nur in Syntagmen als Attribute zu (Arzneimittel, Heilverfahren oder der Heilung dienende Stoffe bezeichnenden) Subst. verwendet werden, z. B. in antineuritisch(es Vitamin), antiseptisch(e Wundbehandlung), antiphlogistisch(es Mittel), antiphlegmatisch(e Diät), antiskorbutisch(e Pflanzen), dann aber auch absolut zur Charakterisierung der Wirkungsweise von Arzneimitteln oder Heilverfahren gebraucht werden, z. B. antiseptisch 'keimtötend, desinfizierend (wirkend)', antispasmodisch 'krampflösend', antiphlogistisch 'entzündungshemmend', antibakteriell 'gegen Bakterien wirkend', antiallergisch 'gegen Allergien wirkend', antiviral 'gegen Viren gerichtet' usw. (vgl. auch adj. Kombinationen bes. des technischen Bereichs wie antistatisch 'elektrostatische Aufladung verhindernd oder aufhebend'). b Seit frühem 19. Jh. auch in dreigliedrigen Kombinationen, die Sachen/Sachverhalte bzw. Personen(-gruppen) bezeichnen, für die gilt, daß die im dritten Glied genannten Sachen/Sachverhalte bzw. Personen(-gruppen) den im zweiten (subst. oder verbalen) Glied genannten Sachen/Sachverhalten bzw. Personengruppen entgegenwirken, diese verhindern, sich diesen widersetzen oder ihnen Widerstand leisten: Zunächst nachgewiesen in aus dem Engl.-Amerikan. entlehnten Eigennamen für Gesellschaften, Vereine u. ä. wie Antibreadtaxmen, Anti-duelling Association, Anticornlawsociety; dann als produktives Wortbildungselement in dt. Kombinationen, die auf engl.-amerikan. Vorbilder zurückgehen bzw. sich auf (bes. politische) engl.amerikan. Verhältnisse beziehen, vor allem in Eigennamen für Gesellschaften wie Antikorngesetzligue (vgl. engl. Anti-Corn Law League (bei Heyse 1870), Name eines
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1838 in Manchester gegründeten Vereins, der sich für die Abschaffung der Getreidezölle und die Einführung des Freihandels einsetzte), Antiministerialpartei (Campe 1813 Opposition'), Anti-Sklaverei-Gesellschaft (vgl. engl. Anti-Slavery Society, Name einer 1823 in England zur Bekämpfung der Sklaverei gegründeten Organisation), Anti-Ku-Klux-Klan-Gesetz, Anti-Kanal-Tunnel-Verein, vgl. auch Antichampagner-Verein (1845); im späten 19. Jh. gelegentlich in im Dt. lehngebildeten Bezeichnungen für nach engl.-amerikan. Vorbild entstehende Gesellschaften u. ä. wie Antisklaverei-Komitee, Antisklaverei-Bestrebungen (1864), Antisklavereigesellschaft (1866), Antisklavereikongreß (1889/90 in Brüssel), Anti-Thierquäler- und Anti-Vivisections-Verein, Antibettelverein. Seit Anfang 20. Jh. zunehmend in Kombinationen wie Antichinesen-Bewegung (1896), Antiduell-Liga/-Kongreß/-Bewegung (1908), Anti-Rationalisierungspoeten, Antipanzerkreuzgesinnung, Anti-Streß-Wochen, Anti-Philhellenenlieder, AntitrustGesetze, Antikomintern-Pakt und in neuerer Zeit überaus produktiv in oft okkasionellen Bildungen des öffentlichen Sprachgebrauchs wie Antiinflationspolitik (1944), Anti-Kommunisten-Gesetz (1950), Anti-Streik-Gesetze, Antimodernisteneid 'der für katholische Geistliche (von 1910—1967) vorgeschriebene Eid, sich modernistischen Lehren zu widersetzen', Antirassismusprogramm '1969 verabschiedetes Programm des Weltkirchenrates zur Bekämpfung des Rassismus', Anti-Reagan-Parolen, AntiAlkohol-Beschlüsse, Anti-Spuck-Kampagne '(in China) staatlich verordnete Kampagne gegen das Ausspucken auf der Straße', Anti-Papst-Komitee, Anti-Rassismus-Bewegung, Anti-Tiefflug-Aktivist, Antistörbetrieb, Antiamerika-Erklärung, AntiEstablishment-Stück, Anti-Barzel-Kampagne, Antidemontage-Demonstration, AntiAusländer-Parole 'Parole gegen Ausländer', Antidrogensong 'Song gegen Drogen', Anti-Aids-Kampagne, Anti-Atom-Bewegung. Ebenfalls seit etwa Anfang 20. Jh. wohl unter erneutem engl.-amerikan. Einfluß aufkommende fachspr. Kombinationen in den Bereichen Medizin, Pharmazie und Technik sowie in der Warenzeichenbildung wie Anti-Hair-Cream, AntigrauhaarFaktor, Antiluftschluckleine (vgl. engl.-amerikan. antisquid line), Antitotgangfeder (vgl. engl.-amerikan. antibacklash spring), Antiklopfzusatz (vgl. engl.-amerikan. antiknocking additive) und in neuerer Zeit ebenfalls produktiv in Bezeichnungen für pharmazeutische bzw. technische Erzeugnisse sowie in der Produktnamengebung wie Antidröhnbelag 'Anstrich oder Belag zur Verhinderung des Dröhnens von Blechteilen in Blechkonstruktionen', Antihaft-Beschichtung 'Beschichtung von Töpfen und Pfannen zur Verhinderung des Anhaftens, Anbrennens von Speisen', Antirheumamittel 'Medikament gegen Rheuma' (vgl. 2a), Antikonzeptionsmittel 'empfängnisverhütendes Mittel' (vgl. Antikonzeptivum bei 2a), Antistatikmittel 'Mittel zur Verhinderung der elektrostatischen Aufladung von Kunststoffen', Antiraketenrakete 'Rakete zur Bekämpfung von Raketen' (vgl. engl.-amerikan. anti-missile missile; vgl. aber Antirakete bei 4a), Anti-Raketen-Waffen, Anti-Bakterien-Formel, Anti-ReflexBildröhre, Anti-Blockier-System (vgl. Antiblockierung bei 2d), Antibabypille 'empfängnisverhütendes Mittel in Pillenform'. c Seit späterem 19. Jh. in zweigliedrigen (semantisch dreigliedrigen) Kombinationen, in denen (im Unterschied zu 2b) das mittlere (zweite) Glied ausgespart ist: Dabei wird in der Basis jeweils nur das Subjekt genannt, das sich gegen etwas Bestimmtes richtet, das Objekt ist erst aus dem weiteren Kontext zu erschließen, z. B. Antibewegung für Antialkoholbewegung, Antigefühl für Anti-Westen-Gefühl, Anti-Parole für
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Anti-Reagan-Parole, vgl. auch Anti-Bund (1916), Anti(Rauchen)Bestrebungen (1924), Anti-Mittel, Anti-Präparat, Anti(Blutgerinnungs)faktor, Anti-Propaganda, Anti-Gruppen, Anti(Alkoholgehalt/-spiegel)Tablette. d Etwa gleichzeitig in zweigliedrigen (ebenfalls semantisch dreigliedrigen) Kombinationen, die Mittel und Präparate, seltener auch technische/medizinische Verfahren/ Maßnahmen/Methoden bezeichnen, die den in der Basis genannten (meist unerwünschten) Sachen/Sachverhalten entgegenwirken, sie verhindern oder beseitigen, zum Schutz vor ihnen dienen sollen. Im Unterschied zu 2b ist hier das letzte Glied (z. B. -mittel) ausgespart: Anfangs nachgewiesen in (aus dem Engl.-Amerikan.) entlehnten Produktbezeichnungen wie Antimacassar 'Kissenschutz zur Verhinderung der Beschmutzung durch (Macassar-)Haaröl' (< gleichbed. engl.-amerikan. macassar), vgl. AntimakassarStuhl (1868); erst in jüngster Zeit, vermutlich unter erneutem engl.-amerikan. Einfluß, als produktives Wortbildungselement bezeugt: Zunächst in der Produktnamengebung, z. B. Antikleber 'Kunststoff mit bes. glatter Oberfläche, der ein Festsetzen von Leim, Teig u. ä. an Maschinenteilen verhindert', Antichlor (schon 1870 bei Heyse) 'Mittel zur Beseitigung von Chlorrückständen' (vgl. gleichbed. engl. antichlor), Antifouling 'Schutzanstrich für Boote und Schiffe zur Verhinderung des Ansatzes von pflanzlichen und tierischen Organismen' (< gleichbed. engl.-amerikan. anti-fouling, zu fouling 'Schmutz, Bewuchs'), Antiskating 'mechanische oder elektronische Vorrichtung am Tonarm eines Plattenspielers, die den stärkeren Druck der Abtastnadel auf der Innenseite der Schallplatte ausgleicht und damit die einseitige Abnutzung von Abtastnadel und Schallplatte sowie Klangverzerrungen verhindert' (< gleichbed. engl. antiskating), dafür auch Antiskating-Vorrichtung (vgl. 2b); dann auch in Warenzeichen bes. für Produkte des täglichen Gebrauchs wie AntiRost 'Rostschutzmittel', Antifloh 'Bürste gegen Hundeflöhe', Antiblack 'Reinigungspaste', Antirutsch 'Streusalz zur Verhinderung des Ausrutschens', BlendaxAntibelag 'Zahnpasta mit einem Wirkstoff gegen Zahnbelag', Anti-Frost 'Frostschutzmittel', Anti-Trieb 'Präparat gegen den Paarungstrieb von (Haus-)Vögeln', Antibeschlag 'Mittel, das das Beschlagen von (Brillen-)Gläsern, Fensterscheiben, Spiegeln u. ä. verhindern/beseitigen soll', Anti-Rheuma als Bezeichnung für eine Leib- bzw. Wärmedecke gegen rheumatische Erkrankungen, vgl. auch Anti-Stress, Anti-Kalk; seltener auch fachspr. in Technik und Medizin, z. B. Antiblockierung 'Vorrichtung zur Verhinderung des Blockierens der Bremse im Auto' (vgl. Antiblockiersystem bei 2b), Antikonzeption 'Schwangerschaftsverhütungsmaßnahmen, -methoden' (vgl. Antikonzepivum bei 2a). 3 Im späteren 17. Jh. vereinzelt, nur im 18. Jh. häufiger nachgewiesen, wohl über das Neulat. in umdeutender Anlehnung auf das Lat. (vgl. Anticato 'Der Gegencato', d. h. ein zweites Buch mit dem Titel „Cato") zurückgehendes, heute kaum noch produktives Wortbildungselement in Buchtiteln bzw. titelähnlichen Kurzbezeichnungen für Schriften, die eine Widerlegung desjenigen Werkes oder eine kritische Bezugnahme, Erwiderung auf dasjenige Werk enthalten, dessen Autor oder Titel im Basiswort genannt ist: z. B. Anti-Prae-Adamitae, Titel eines Werks, das sich gegen die in einem anderen Werk mit dem Titel Prae-Adamitae vertretene These wendet, daß es vor Adam Men-
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sehen gegeben habe, Anti-Machiavell, Titel der zunächst (1739) französisch abgefaßten, dann ins Dt. übersetzten (anonymen) Schrift Friedrich des Großen, die eine Widerlegung der Staatslehre und der politischen Grundsätze Machiavellis enthält, Anti-Ovid 'Versdichtung Wielands (1752), die sich gegen Ovids „Liebeskunst" wendet und die Liebe „ohne Kunst", d. h., die „wahre" und „schöne Art zu lieben" besingen will', Anti-Goeze 'gegen den Hamburger Pastor Goeze gerichtete Schrift, in der Lessing (1778) den Humanitätsgedanken im „Nathan" verteidigt', Anti-Lucretius (um 1800), Anti-Hegel (um 1829), Anti-Dühring (um 1878), Anti-Klages; vgl. auch Antibarbarus 'Lehrbuch der Sprachrichtigkeit', eigentlich 'Titel von Büchern, die zur Vermeidung von Sprachwidrigkeiten anleiten' (vgl. aber Buchtitel wie AntiStruwwelpeter, die 4b zuzuordnen sind). 4 Seit dem 18. Jh. in partieller Übereinstimmung mit dem griech. anti-Wortbildungsmuster (s. o.) als Wortbildungselement in dt. Kombinationen selten nachgewiesen (vgl. 4a), seit Mitte 20. Jh. häufiger bezeugt in Kombinationen mit zahlreichen Entsprechungen in anderen europäischen Sprachen, deren Status als Vorbild, Analogieoder Parallelbildung nicht immer zu klären ist (vgl. 4b). a Zunächst in Kombinationen zur Bezeichnung von Sachen/Sachverhalten, die zu den in der Basis genannten Sachen/Sachverhalten derselben Art/Kategorie im Gegenzug, in Gegenreaktion erfolgen (z. B. Antikritik), ihnen in Abweichung entsprechen (z. B. Antirakete), bzw. die den in der Basis genannten Sachen/Sachverhalten derselben Art/Kategorie genau entgegengerichtet, entgegengesetzt sind (z. B. Antityp) oder das strukturelle Gegenstück zu ihnen darstellen (z. B. Antiteilchen): z. B. Antikritik (1791) 'Kritik, die auf eine Kritik antwortet', Antirevolution (um 1790) 'Revolution, die gegen eine andere Revolution erfolgt' (heute durch Gegen-, Konterrevolution ersetzt), Antityp (Campe 1813) 'einem bestimmten Menschen, Charaktertyp genau/diametral entgegengesetzter oder umgekehrt entsprechender Typ, Gegenbild, Gegenexemplar', Antikurs 'der einem bestimmten (politischen) Kurs genau entgegengerichtete Kurs, (politischer) Gegenkurs', Antirakete 'Rakete gegen eine Rakete, eine zur Vernichtung von Raketen einsetzbare Rakete'; Antiteilchen 'einem Elementarteilchen zugeordnetes Teilchen mit derselben Masse, aber entgegengesetzter Ladung und umgekehrtem magnetischem Moment; Komplementärteilchen', Antikathode 'die der Kathode gegenüberstehende positive Elektrode in einer Röntgenröhre', Antikörper 'im Blutserum als Reaktion auf das Eindringen von Antigenen gebildeter Abwehrstoff', vgl. auch Antimaterie, Antinukleon, Antiproton, Antineutron. b Seit der 2. Hälfte des 20. Jhs. bes. im kulturellen, öffentlich-gesellschaftlichen Bereich häufiger nachgewiesen in Bezeichnungen für bewußte, alternative Gegenentwürfe oder kritische Gegenbilder zu den in der Basis genannten Sachen oder Sachverhalten (vor allem verfestigten Formen und Strukturen des politischen und Kulturlebens): Mit Bezug auf Sachen und Personen in der Bed. 'das Gegenteil von etwas oder jmdm. darstellend bzw. verkörpernd; die für eine Sache oder Person typischen Eigenschaften, die üblicherweise erwartet werden, gerade nicht aufweisend bzw. bewußt ablehnend; in Auseinandersetzung mit der traditionellen, überkommenen Form von etwas gestaltet oder in Absetzung davon erfolgend, dem traditionellen Bild/Klischee von etwas widersprechend, eine ganz andere Art von etwas verkörpernd':
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z. B. Antitheater, Sammelbezeichnung f r verschiedene Richtungen des modernen experimentellen Theaters, das mit der Tradition des illusionistischen, psychologischrealistischen, b rgerlichen Theaters bricht, um zu neuen zeitgem en Ausdrucksformen und M glichkeiten der Kommunikation zu f hren, Antiroman (vgl. gleichbed. frz. antiroman, vermutlich 1949 von Sartre gepr gt) 'Roman, der in Auseinandersetzung mit oder im Widerspruch zum traditionellen Romanverst ndnis und zu traditionellen Romanformen geschrieben ist', Anti-Utopie 'Utopie, die eine negative Zukunftsentwicklung entwirft', Antipsychiatrie 'Form einer alternativen Psychiatrie, die sich gegen die herrschende Anstaltspsychiatrie wendet', Antiuniversit t 'sich von der etablierten Form der Universit t absetzende, alternative Universit t', vgl. auch Antischule, Antistaat, Antikunst, Anti-Oper, Anti-Western, Antischnulze, AntiAtheismus, Antipartei; h ufig speziell auch mit Bezug auf Personen bzw. Personentypen, z. B. Antiheld (vgl. seit Ende 19. Jh. nachgewiesenes engl.-amerikan. anti-hero) 'passive Hauptfigur in Drama und Roman, die einen bewu ten Gegenentwurf zum traditionellen, aktiv handelnden Helden darstellt', Anti-Star 'der ganz andere Typ von Star', so auch Antifu baller, Antip dagoge, Antisoziologe, Anti-Literat, Anti-Rebell, Anti-Tyrann. 5 Daneben schon seit Mitte 16. Jh. mit topologischer Funktion in der Bed. 'gegenber (liegend)' in entlehnten oder im Dt. gebildeten Kombinationen: a Zun chst im geographischen Bereich in Bildungen wie Ant-arcticus (Cholinus/ Frisius 1541) 'Stern des Himmels gegen Mittag', antarktisch(er) Pol 's dlich(er Pol der Erdkugel)' (< lat. antarcticus 's dlich'/griech. ανταρκτικός 'dem Norden gegenber'), vgl. Antarktis 'die um den S dpol gelegenen Land- und Meergebiete, S dpolargebiet' und Antarktica 'S dpolarkontinent'; Antilibanus/Antilibanon (Zedler 1732), Name f r das dem Libanon gegen berliegende, von ihm durch eine Talebene getrennte Gebirge (< gleichbed. lat. Antilibanus/gnech. Άντιλίβανος, aus αντί und Λίβανος); Antitaurus, veraltete Bezeichnung eines Teiles des Taurus (< gleichbed. griech. Άντίταυρο$); Anti-Atlas, Name eines Gebirgszuges im S den Marokkos, der durch das vulkanische Massiv des Dschebel Sirua mit dem Hohen Atlas verbunden ist. b Daneben seit der I.H lfte des 18. Jhs. auch im medizinischen Bereich in Termini zur Bezeichnung von K rper- oder Organteilen wie Anthelix 'die dem Helix der Ohrmuschel gegen berliegende Windung' (< gleichbed. griech. άντθελιξ); Antitragus 'kleiner H cker, der dem Tragus gegen berliegende Teil der Ohrmuschel' (< gleichbed. griech. άντίτραγος); Antithenar 'Hohlhandwulst an der Kleinfingerseite gegen ber dem Daumenballenwulst' (vgl. griech. θέναρ 'H hlung der Hand und des Fu es'). antichambrieren V. intrans., im sp teren 18. Jh. aufgekommene Ableitung zu Antichambre 'Vorzimmer' (s. u.), also eigentlich 'sich im Vorzimmer aufhalten, herumtreiben' (vgl. gleichbed. frz. faire antichambre). Zun chst in der veraltenden Bed. 'im Vorzimmer einer hohen Pers nlichkeit (lange) warten, um von dieser zu einer Audienz, einer Unterredung empfangen zu werden, einem Vorgesetzten, einem H heren seine Aufwartung machen' (s. Beleg 1906), von daher vereinzelt eher abf llig f r '(w hrend des Wartens im Vorzimmer) sich unterhalten und seichtes, hohles Zeug schwatzen' (s. Beleg 1947), dann zunehmend in der dominanten Bed. 'ein Gesuch, ein Anliegen durch wiederholtes, beharrliches
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Vorsprechen (z. B. bei einer Behörde, einer einflußreichen Person) durchzubringen suchen' (s. Beleg 1960), von daher auch abwertend für 'um Gunst, Protektion betteln, liebedienern, kriechen, schmeicheln, katzbuckeln' (s. Belege 1856, 1930). Dazu schon seit Anfang 17. Jh. das aus gleichbed. frz. antichambre (< gleichbed. ital. anticamera, aus anti- (< lat. ante) 'vor' und camera 'Zimmer' < lat. camera 'gewölbte Decke, Wölbung, Kammer') entlehnte Subst. Antichambre F., auch N. (-; -s, früher auch Antichambern), im 16.-18. Jh. auch die ital. Form Anticamera und früher die Nebenform Anti(s)chamber, in der Bed. 'Vorzimmer zu Kabinett oder Audienzzimmer einer hohen Person, Wartezimmer für Besucher und Dienerschaft', gelegentlich auch abfällig für Ort seichter Unterhaltung' (s. Belege 1772, 1814) und selten bildlich verwendet, z. B. Antichambre des Herzens, des Todes (s. Belege 1794, 1818). antichambrieren: Smollet 1772 Klinkers Reisen (Übers.) l 201 wenn man noch bey ihm antichambrirt, so will ich meinen Neffen hinführen, damit er einen solchen Auftritt sehe und ihn vermeiden lerne; denn . . ein freyer Brite [macht] niemals eine schlechtre Figur, als in der Antichambre eines Ministers; Jean Paul 1797 S. W. l 5,454 Warum soll ich so lange antichambrieren, eh' ich den Lesern gerade die Gründe vorzähle; ders. 1804 S. W. /// 3,58 mein voriges erstes Antichambrieren in Zedwiz bei der Abreise; Heine 1824 Br. I 166 Ich habe in Berlin viel antechambrirt; Cornelius 1849 Ausgew. Br. l 89 Ich . . muss nun suchen, . . mich im Salon geltend zu machen — antichambrieren und intriguieren! — so kommt man hier in Berlin zu was; Mommsen 1856 Rom. Gesch. I 755 es zeigte sich, dass niemals kriechender geschmeichelt wird als wenn Könige antichambriren; 1863 Bilder a. Paris l 253 die eigentlichen Machthaber im Reich, mußten oft bei der Montespan antichambrieren und hingen von ihrem gnädigen Lächeln ab; Gilm 1863 Familienbr. 276 Ich bin geistig und körperlich ganz aufgerieben. Das Antichambrieren soll ein kranker Mann bleiben lassen; v. Francois 1873 Reckenburgerin 119 Eine halbe Stunde mochte auf diese Weise vergangen sein, ich war des Antichambrierens und der romantischen Schauer herzlich müde geworden; Fontäne 1876 Br. 1,379 Antichambrieren und Petitionieren in Geheimratszimmern; Heyse 1906 Ges. W. M 4,500 Eine Viertelstunde später trat sie bei dem Polizeidirektor ein, der die reizende Operettendiva nicht hatte antichambrieren lassen; Kaiser 1911 Lebenserinn. 160 Es war ein stetes Kommen und Gehen und man wartete ohne zu antichambrieren oder nach der Uhr zu sehen; Heer 1930 Erinn. 15 um Titel und Orden antichambrieren; Dörfler 1947 Sohn 220 Antichambrieren, das heisst schweifwedeln, Schönmehl-reden, intrigieren; Bredel 1953 Enkel 482 hatten die Bankiers und Rüstungskapitalisten den seit Monaten antichambrierenden Hitler an
die Macht geschoben; Süddtsch. Ztg. 8.8.1957 Ein Referatsleiter erklärte, bei ihm hätten an einem Tag 20 Abgeordnete vorgesprochen, um für Firmen ihres Wahlkreises, . . oder für ihre eigene Firma zu antichambrieren; Andersch 1960 Rote 250 wie müßte ich in Deutschland wegen einer Abtreibung antichambrieren (DUDEN); Zeit 27.9.1985 lange hatte Spiekermann zuvor vergebens auf den Chefetagen der deutschen Chemieund Pharmaindustrie antichambrieren müssen, um Investoren .. zu gewinnen; MM 8.1.1986 noch kurz vor dem Krieg antichambrierte der 34jährige erfolglos bei den Verlagen; Zeit 21.2.1986 nur ließ Rauschning Goring „in der Wandelhalle vor den Arbeitsräumen Hitlers" antichambrieren; Spiegel 15.6.1992 Er antichambrierte mit Lyrik bei dem verehrten Meister, er bewarb sich als Assistent; Süddtsch. Ztg. 4.3.1993 Eines hatten Kohl und Jenninger jedoch nicht geahnt: Der Rosenheimer Fleischhändler Josef März antichambrierte bereits . . in Ostberlin; Zeit 10.9.1993 An diesem letzten Freitag im August sind es ein paar weniger . . Sie haben nicht das übliche Billett erworben, sondern fünfzig Mark für eine Karte bezahlt. Haben dafür teilweise schon im Januar bei der Stiftung Weimarer Klassik zu antichambrieren begonnen. Anticamera: Ernstinger 1579—1610 Raisbuch 91 in dem palast dei conservator! ind in der anticamera sein etlich schöne bilder zu sehen; Hainhofer 1613 Relation 202 Vnd hab Ich in dess Kaysers anticamera, biss Ihre Mayt. die lehen ceremonias fürgenommen, darseider mit herrn Adam von Herberstorff . . vil guter conversation gehalten; 1620 Acta publica III 132 Frühe vmb 7 Vhr solten die deputirte . . sich in die Antecameram verfügen; Altert 1627 Tagebuch 29 haben sie unterdessen in jetzo gemeldeter Ritterstube aufgewartet, bis die Offiziere, Kammerherren und andere Aufwärter sich präsentirt, darauf die Herren Gesandten in antecameram (so das Vorzimmer ist) vor der kaiserl.
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Audienzstube . . eingegangen; Weise 1693 Näscher 53 die Partheyen in der Anti Camera zu verhören; Beer 1700 Staats-Mann 72 nach ihrer Ankunft zu Hofe/ heisset er ihn etwas in der Anticamera verziehen (CARMESIN); Abr. a S. Clara vor 1709 Wein-Keller 363 [am Hof] fliegen in der Antichamera die Lügen herum; ders. vor 1709 Kramer-Laden Hl 421 diese [das Fürstentum Siebenbürgen] stehet schon . . in der Anti-Camera; Weinlig 1784 Br. II 29 In der Anticamera erscheinen vier merkwürdige alte Statuen von Bronze; Hülsen 1947 Zwillings-Seele H 253 Allein deswegen spüre ich in einem Winkel meines Herzens eine kleine Regung von Stolz darüber, der in eine anticamera der Geschichte eingegangenen Dolmetscherkompanie VII einmal . . angehört zu haben. Antichambre: Ernstinger Anfang 17. Jh. Kaisbuch 226 Das alt schloss ist zwar gross und mit graben umbgeben, aber das neue ist schöner, da wir gesehen unter anderem ain schöne cammer, cabinet des königs und antichambre mit khünstlichen gemal werckh und schönen caminen; 1664 Unterr.-Wesen Meckl.-Schwerin II 124 Umb halb 11 sollen sie essen, aber die Mahlzeit so bald verrichten, daß sie gegen die Tafel hie oben in der Antichambre sein; 1691 Thomasius (1938 Dtsch. Lit. in Entwtckl. reihen. Aufklärung, l 72) Es habe sich nämlich ein Mensch von mittelmäßigen Alter ganzer drei Jahre hinter einander täglich in des Kardinals Antichambre zur Aufwartung antreffen lassen; Elis. Chart. 1696 Br. l 59-60 Wir aßen alle tag mitt einander; meine antichambre war nur zwischen meiner cammer undt ihr cabinet; Goldmann 1696 Anw. Civil Bau-Kunst 149 ein Vorgemach oder Antichambre; Sturm 1702 Arch. mil. 11 indem sich die Antichambre bereits mit denen angefüllt befindet, die mich sprechen wollen; Stieve 1715 Hoff-Ceremoniel 224 die erste Anti-chambre oder Vor=Saal [ist] mit Hallebardiren und Schweitzern besetzet; Philo 1722 Ruhm d. Tobacks 84 Diejenigen/ so einen Schwefel-Faden hierzu nehmen/ die gehören in Plutonis Anti-Chambre, oder in das Papistische Fegefeuer; 1767 (AIfieri 1924 Leben (Übers.) 85) Ich begriff schon damals sehr deutlich, dass die Fürsten alle miteinander nur ein Gesicht haben, und dass alle Höfe nur ein einziges Antichambre sind; Wieland 1771 Kombabus X 278 Man kennt die Vögel am Gesang./ Dieß Antischambervolk urtheilet gern vermessen; i 772 Frankf. gel. Am. 152 Die geschmacklosesten Concetti herrschen in den Galanten/ Antichamberwitz in den Comischen/ Alletagsgedanken in den erhabenen Stücken; Richter 1781 Reise Wien-Paris 69 In den Antichambern sind Bouticken von aller Art; /. G.Müller 1782 Lindenberg IV 39 an der Thür zu horchen war auch nicht praktikabel, weil die Antischamber be-
ständig mit Domestiken angefüllet war; Obermayr 1784 Bildergalerie 18 die Bedienten in den Antichambern; Goethe 1791 Br. (WA IV 9,268) Zur Nachricht daß ich zwar aus der Antichambre des Grabes, dem Bette meyn ich, wieder in's gemeine Leben wiedergekehrt; ders. 1794 Circe (WA I 53, 126) in der ersten Antichambre [des Herzens]/ Stehen alle mit einander,/ Alle Seufzer, alle Wünsche,/ Dir nur aufzuwarten da; 1798 Revolutions-Almanack 203 ins Gefängnis Plessis .., das bekanntlich die Todes-Antichambre hiess; Jean Paul 1799 S.W. I 8,157 In der Antichambre — diesem höhern Bedientenzimmer . . — standen noch Leute genug; Goethe 1814 Buch d. Unmuths (WA I 6,97) Und so fand ich's denn auch juste/ In gewissen Antichambern,/ Wo man nicht zu sondern wußte/ Mäusedreck von Koriandern; 1818 Die Wage 1179 Eine Musik die nur bis ins Ohr, dieses Vorzimmer des Herzens gelangt, und, wie alles was sich in Antichambren aufhält, zwar geschmeidig ist und angenehm, aber auch flach, ohne Leben und ohne Liebe; Lang 1842 Memoiren l 148 Stadtmährchen, Theater- und Antichambrebegebenheiten; Hebbel 1848-49 S. W. i 10,61 Er wurde nämlich acht Tage hinter einander in die fürstliche Antichambre bestellt, um dort regelmässig vier bis fünf Stunden zu warten, und sich, ohne vorgelassen zu werden, wieder zu trollen; Kaufmann 1851 Oestreich 69 der Universitätsplatz bildete die Antichambre der Aula; Holtei 1858 Erz. Sehr. XXXIV 116 Wie ward mir doch, als man mich in eine Antichambre wies, wo es von Uniformen und Toiletten wogte; Werther 1861 Kl. Deutschland I 120 er befindet sich in der Antichambre und harrt ihrer Befehle; Hamerling 1870 Danton VI 66 In der Antichambre der Guillotine sind wir alle gleich; Francois 1883 Briefw. 108 Auch in meiner Antichambre — zu deutsch Vorsaal — lagerten und tummelten sich circa zwei Dutzend Vaterlandsverteidiger; Wiegler 1916 Figuren 25 Der Engländer erstickte im Gedränge der Antichambre; Krebs 1919 Meister 38 Ferner soll er Vor- und Nachmittags in der „Antichambre" erscheinen und abwarten, ob eine Musik befohlen sei; BZ am Mittag 26. 4.1930 Die Herren Generale, was unsere Gesetze machen, sind Vorzimmergenerale, die ihr ganzes Leben nur in einer Antichambre gesessen sind; Hiltebrandt 1930 Erinn. a. Bülow 13 Wie Bismarck nach seiner Entlassung, war er damals zu der Anschauung gekommen, daß „das schlechteste Parlament noch immer besser wäre als das beste Antichambre", und daß „ein Monarch leichter zu betrügen sei als ein ganzes Parlament"; Dörfler 1947 Sohn 223 wenn du in Paris antichambrieren musst durch alle Antichambres hindurch; Niebelschütz 1949 Bürgerin 26 Ihre Antichambre sitzt voller Menschen; Sloterdijk 1985 Zauberbaum 133 Man betrat, ein Antichambre durchquerend, den ovalen hellen Salon.
antik
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antik Adj. (Steigerung ungebr.), Ende 17. Jh. entlehnt aus gleichbed. frz. antique (< lat. antiquus 'vormalig, alt'), bis Anfang 19. Jh. auch in der frz. Form, seit Mitte 18. Jh. zunehmend in der heutigen Form. a Zunächst, eventuell unter Einwirkung von älterem antikisch (s. u.), in der Bed. 'alt, altertümlich; aus einer vergangenen Stilepoche (jedoch nicht der Antike) stammend oder sie nachahmend', z. B. antiker Schmuck, antike Möbel, antik eingerichtet sein. b Seit Ende 17. Jh. im Zusammenhang mit dem Aufblühen kunst- und kulturgeschichtlicher Studien wohl neuentlehnt aus gleichbed. frz. antique in der Bed. 'das griechisch-römische Altertum und seine Kultur betreffend, zu ihm gehörig, aus ihm stammend, der Antike eigentümlich; in Geist und Geschmack des klassischen Altertums'; gelegentlich in Gegenüberstellung mit Antithesen wie „romantisch" und „modern" (s. Belege 1800, 1818). Häufig in Syntagmen wie antikes Drama, das antike Griechenland, antike Kunstwerke; im 16.718. Jh. selten die Personenbezeichnung Antiker M. (Antiken; Antiken), auch Antike F. (-n; -n) 'Künstler(in) des klassischen Altertums'. Dazu das schon seit Anfang 16. Jh. nachgewiesene, aus lat. antiquus (s. o.) entlehnte Adj. antikisch, im 16.717. Jh. in den Nebenformen antiquisch/antichisch, weitgehend gleichbed. mit antik a, heute veraltet; seit Mitte 16. Jh. in der Bed. 'aus der Antike stammend', auch 'dem Vorbild der Antike nachstrebend, in der Art der Antike, sie nachahmend', gelegentlich abwertend verwendet (s. Belege 1805, 1834, 1930) (zu b). Daneben seit Mitte 16. Jh. das auf lat. (littera) antiqua r alt(e Schrift)' zurückgehende Subst. Antiqua F. (-; ohne PL), als Terminus der Druckersprache in der Bed. 'gerade stehende lateinische Druckschrift, deren Großbuchstaben auf die lateinische Quadratschrift und deren Kleinbuchstaben auf die sogenannte Humanistenschrift zurückgehen, Lateinschrift'. antik a: 1691 Pfalz 8a güldene und silberne Medaillen, so nicht antiq seyn; Elis. Chart. 1701 Br. I 223f. ich habe ein reqeüil von den neuen medaillen . . Daß kleine vom könig in Preussen ist über die maßen woll geprächt, die antiquen seindt nicht schönner; Küchelbecker 1726 S. Denis 63 Das Scepter Dagoberti, von Silber und vergoldet, auf eine sehr antique Facon gearbeitet; Richter 1728 Altane 4a nach Antiquer Art; Rohr 1729 Zeremoniellwiss. II 74 mit mancherley Trinck-Geschirr von antiquen und neuen Sorten; 1734 Last am Rhein-Strom 33 Landau . . einer berühmten — so wol schönen als antiquen Reichs-Stadt; Florin 1749 Hausvater II 386a auch stehen längst der Galerie zwey Reyhen [Gemälde] theils antique; Hermes 1778 Sophiens Reise IV 94 Freilig, der Mann ist alt: aber sein Deutsch war doch mehr antik als ichs erwartete; Hirschfeld 1779 Gartenkunst I 65 Gleich am Fuße derselben, da wo, sich der Wald endigt, steht ein dunkler antiker Turm; v. Gemminger 1780 Hausvater A 3b Ein biederer, thätiger, deutscher Mann, bekannt mit der Welt; antiker Grundsätze über seine Familie; 1791 Journal d.
Moden VI 438 ein widerliches Gemische von antiquen und modernen Geschmacke; Voigt 1799 Robert i 196 Wer gesund macht, heißt bey uns Doktor; aber die antiken Herren, die meinen guten Vater kränker gemacht haben, als er erst war, sind bey mir keine Doktoren; Thümmel 1805 Reise X 154 Kaum ward ich laut, als mich, in einer fremden Antiquen Pracht, ein großer Junker-Troß . . in seine Mitte schloß; Schmeller 1815 Tagebuch I 305 Erst in den Jahren 1520 usw. nach antikfranzösischen Mustern aus rothen Sandsteinquadern erbaut; Eichendorffl854 Drama 139 ein antik eingerahmter Spiegel; Spitzer 1880 Wagn. 77 Sie sah nämlich eine Frau von wunderbarer Schönheit in antiker, faltenreicher Gewandung, zu deren Füssen ein idealer Jüngling ruhte; 1884 Buch d. Erfindungen l 457 Die verbreitetsten Schreibstoffe des Mittelalters waren Pergamente und Papier; doch dauerte der antike Gebrauch der Wachstafeln noch bis in die neuere Zeit fort; Lübke 1891 Lebenserinn. 277 nach Hause eilend besorgte sie ihre Wirthschaft mit aller Pünktlichkeit, was freilich bei der antiken Bedürfnislosigkeit, welche man sich in
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Rom bald angewöhnt, leichter war; Brusse um 1908 Holland 9 [in alten holländischen Häusern] worin durch die Jahrhunderte hin auch der antike Hausrat in Ehren gehalten ist; Berl. Illustr. Nachtausg. 13.2,1933 der 6-Zylinder „Bergmeister" mit einem schwarz-weißen Kabriolettaufbau, Antiklederpolsterung und schwarzem Gummiverdeck; 1945 Freundesg. f. Korrodi 34 Das Jüngstvergangene ist „altmodisch", das weiter Zurückliegende ist „antik"; Langgässer 1950 Vergänglichkeit 226 ein kleines Gartenhaus . . mit eigener Küche und Bad und antiken Möbeln, die genau so schief stehen wie das Häuschen; Süddtsch. Ztg. 7.3.1961 Bei den Einrichtungsgegenständen für das gepflegte Heim ist der Zug zum Antiken nicht zu übersehen. Vor allem die Lampen und Leuchter sind gern alten Öllampen, Kerzenhaltern oder Petroleumlampen des Empire nachgebildet; FAZ 16.6.1961 Wenn wir hier in der Alten Welt eine Renaissance-Truhe „antik" nennen, so lassen die Amerikaner diese Bezeichnung schon für einen Wagen gelten, der noch vor vierzig Jahren lief; ebd. 29. 7.1971 300 Jahre altes Bauernhaus . . behaglich und antik möbliert (Anzeige); MM 13.1.1986 die für alle Bilder gleichbleibende offene Simultans/ene .. besteht nur aus einem goldverzierten Tisch und zahlreichen Antikstühlen. antikisch: Dürer 1506 Br. a. Pirkheitner (Nachlass 22) Auch sind mir ihr viel Feind und machen mein Ding in Kirchen ab und wo sie es mügen bekummen. Noch schelten sie es und sagen, es sei nit antickisch Art, dorum sei es nit gut; Rivius 1548 Vitruv. 22b nach antiquischer manier; Scheidt 1551 Grobianus 20 Ein langer Rock dir auch wol steht, Der dir biß auff die knoden geht, Das ist auff antiquisch manier, Vnd grober einfalt rechte zier; Scheidt nach 1552 Heimfahrt 32 Ir haupt mit adelicher zier/ Geschmückt auff Antiquisch manier; Fischart 1575 Geschichtklitterung 434 allerhand grosse Antiquische geschirr; 1577 Münchener Jesuitenspiel (=Forsch. z. Kulturgesch. Bayerns III 19) zwei Fechter mit den Antiquischen Tartschen; Quad 1609 Herligkeit 212 vnser Fraun Kirch .. / angefangen im jähr 1307. wechs jähr in den hohen vnnd vberauß schonen Fenstern gemelter Kirchen im Chor/ mit gar antiquischen Buchstaben/ .. angezeichnet steht; Spangenberg 1621 Lustgarten 18 kunstreiche antiquische Bilder; Chemnitz 1648 Schwed. Krieg l Ib daß manchmahl kein eintziges Warzeichen/ oder doch gar weinig antiqvische stücke davon vbrig bleiben; um 1650 Inventarium (Reber 1892 Maximilian l. 34) ein antiquisch geschnittenes Weibsbild in golt gefasst; Grimmelshausen 1669 Simpl. 297 in ein Antiquisch Meergrün Kleid angethan, in welchem man mir den gantzen Hals, das Obertheil der Brust, die Arme
biß hinder die Elenbogen, und die Knye von den halben Schenckeln an biß auff die halbe Waden, nackend und bloß sehen konte; ebd. 381 Antiquischer weg in Hennegaw [Randbemerkung]; Weigel 1681 Weegweiser 469 die [Statuen] man genau zu betrachten etliche Tage vonnöthen haben würde/ massen sie alle wunderschön und antichisch sind; Tieck 1798 Sehr. XVI112 ich habe dergleichen immer mit überlegten Vorsatze gethan, weil mir dieser Weg kürzer und besser schien, als die antikischen Trachten eines jeden Landes und eines jeden Zeitalters zu studiren. antik b: Goldmann 1696 Anw. Civil Bau-Kunst Vorw. 3b etliche antiche Dorische Seulen; Sturm 1714 Anw. (Architektur) Gb nach Art der antiquen vier-säuligten Haupt-Seule; Küchelbecker 1730 Hof 733 ein schönes und kostbares Müntz-Cabinet, so nicht nur mit modernen, sondern auch mit vielen antiquen Müntzen reichlich versehen ist; Winkelmann 1747 Br. I 76 Ich entsinne mich in selbigem Buche von einer liegenden nackenden Frau aus dem Palais Borghese in Rom (von einem antiken Marmor) wo der Künstler . . in lauter ununterbrochenen Kreisen seinen Stiele fortgesetzt; Lessing 1754 S. Sehr. V 278 Ich will hoffen, daß man keine getreuere Uebersetzung von mir verlangen wird. Genug für mich, daß purissimus, oder wenn man die Lesart ein wenig antiquer haben will, putissimus, der Allerreinste heißt; 2765 Allg. dtsch. Bibl. l 2,2 antikes Kunstwerk; Herder 1767 D. Literatur l 451 eingekleidet in die Morgenröthe einer antiquen Allegorie; Herder-Nicolai 1771 Briefw. 58 ich fürchtete aus einer langen Reise nach Italien, eine Liebe für antike Kunst, und antike Philologie entstehen zu sehen; Knüppeln 1784 Charakteristik v. Berlin 22 Einige schöne Brücken mit korinthischen und jonischen Säulen zieren die Stadt und geben ihr ein antiques Colorit; Goethe 1788-1800 Einl. in d. Propyläen (WA I 47,396) warum sind sie [die Alten] unerreichbar weil wir uns von . . den Maximen entfernen die sie ausübten; und lieber allerley Ursachen aufsuchten als uns diese einzugestehen warum uns das Antike unerreichbar ist; 1795 Journal d. Moden X 4 das . . Farbengemisch dieser Vasen, verbunden mit der ächtantiken elliptischen Form; Schlegel 1796 W. / 2,17 Da nun Schönheit wirklich Ziel und Gesetz der antiken Poesie war; ders. 1798 W. l 2,206 Alles Antike ist genialisch; 1800 Athenäum III 122 ein bestimmtes Merkmahl des Gegensatzes zwischen dem Antiken und dem Romantischen; Goethe 1800-1816 Maximen u. Reflex. (WA l 48,214) Antike Tempel concentriren den Gott im Menschen; des Mittelalters Kirchen streben dem Gott in der Höhe; Hölderlin 1801 W. VI 1,427 Der herrliche Jupiter ist denn doch der letzte Gedanke beim
antik Untergange eines Sterblichen, er sterbe nach unserem oder nach antiquem Schiksaal, wenn der Dichter dieses Sterben dargestellt hat, wie er sollte; Goethe 1818 Tag- u. Jahresh. (WA I 36,136) ein ähnlicher Widerstreit des Antiken und Modernen, wie . . auch in Deutschland , . man mußte von dorther auch über Classisches und Romantisches polemische Nachrichten vernehmen; ders. 1827 Br. (WA IV 43,164) Gypsabgüsse von denen in England befindlichen antiken Terracottas; Matthisson 1828 Reiseskizzen (Nacblass l 43) Die Parthie vom Theater durch die Kolonnade bis zum Kursaal mahnt, durch ihre ächtantike Architektur, an den reinen Baustyl von Hellas; Waiblinger um 1830 Umgebungen Vlll 198 die edeln und hohen Frauen . ., Gesichter nach acht antikem Schnitt; Droste-Hülshoff 1842 S. W. 980 Bei dem neuantiken Schlosse Herstelle hat die Landschaft ihren Höhepunkt erreicht; Knies 1857 Telegraph 63 In jenen antiken Stadtstaaten konnten mittelst des Heroldes u. dgl. „Nachrichten an Alle", gleichsam wie in einem Exemplar für die vielen Empfänger, ausreichend verbreitet werden; Paul 1880 Principien 200 die übliche Unterscheidung der Redeteile, wie sie von den antiken Grammatikern übernommen ist; Birt 1910 Provence 130 die Venus von Arles, eine Griechengöttin, in Arles selbst im Jahre 1651 ausgegraben, ein Meisterwerk der antiken Plastik; v. Brandt 1958 Werkzeug d. Historikers 97 Das Registerwesen ist in Übernahme und Fortsetzung spätantik-römischen Brauches zuerst an der päpstlichen Kurie ausgebildet worden; Koeppen 1961 Frankreich 41 Das schönste am antiken Theater von Orange ist seine Mauer; Stuttgarter Ztg. 18. 7.1962 Früher fertigte der Meisterimitator Glas für industrielle Zwecke, vor ungefähr anderthalb Jahren aber begann er, antikes Glas zu kopieren; Partner 1964 Erben 224 eine neue Blüte erlebte damals die lateinische Dichtung in England — die schönste nachantike Blüte überhaupt; Staiger 1966 Grundbegriffe 127 ein wesentlicher Unterschied zwischen dem Epos und dem Roman, der, nach spätantiken Vorläufern, als eine christliche Erfindung den Menschen in zeitlicher Spannung als wesentlich sich entwickelndes Wesen zeigt; Zeit 25.10.1985 das Motiv des Scheiterns durchwirkt den antiken Mythos von Agamemnon bis Ödipus, von Kassandra bis Sisyphos; MM 10.3.1986 ein in antike Strophen gefaßtes, idyllisches Bild von einer sizilianischen Landschaft; ebd. 4.10.1986 anders als Ruinenstädte des Altertums, die das abgestorbene Ende eines Zeitalters sichtbar machen, läßt sich in Trier Spätantikes und Frühchristliches nicht mehr klar voneinander trennen; Süddtsch. Ztg. 8.3.1993 Sicherer als andere bedient er [Walter Jens] sich der in den fünfziger Jahren als literarische Sujets beliebten antiken Stoffe;
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Spiegel 7.12.1993 Hippokrates, der antike Allgemeinmediziner, verschrieb Honig, Krauter und ein Gemisch aus Wasser und harzigem Wein. Antike(r): Rivius 1548 Vitruv. 124b Augenscheinliche Figur der abtheilung vnd Symmetri der Jonischen Basament/ von macherley gesims vnd zierden/ nach der ler Vitruvij vnd gebrauch der Antiquen mancherley verendert; Herder 1767 S. W. l 383 man [wird] .. eine neue Antike, oder ein Moderner nach altem Geschmack; 1784 Journal v. u. f. Deutschland 5 die Manier der Griechen oder sogenannten Antiken. antikisch: Ryff 1547 Manier d. Possament l von den aller ältesten Antiquischen wercken; ders. 1548 Architectur 75a das antiquisch maurwerck; Quad 1601 Memorabilia mundi 126 drey andere hochberhümbte Männer der antiquischen Heyden; Hainhofer 1611 Relation 71 Zwischen iedem fenster stehn 6 Antichische brustbilder fein gleich gesetzt mit von gold auf schwartzem stain darunder geschriben; Sturm 1699 Civil Baukunst 197 Von den Pyreneischen Gebürgen bringet man auch weissen Marmor/ der aber so schön nicht ist/ aber eben die Eigenschafften als der Antikische hat/ ohne daß er nicht so hart ist; Comenius 1769 Orbis II 247 Antichische Gefässe; Schlegel 1805 Europa 11,2 130 Die neueste französische Schule scheint beide Grundirrthümer verbinden zu wollen; das leere falsche Ideal in antikischer Nachahmerei und den grellsten Effekt; Wackernagel 1831 Kl. Sehr. II 56 so lange man von den eingewohnten antikischen Irrthümern nicht abgieng, blieb ein Hexameter immer eine Curiosität; Regis 1832 Gargantua 157 an grossen antikischen Gefässen; ebd. l 295 Alsobald schnitzt' Epistemon, in der neun Musen Namen, neun schöne hölzerne Bratspieß auf antikisch; 1834 Kunstblatt 340 Braucht man z. B. einen Spitznamen für das verfehlte Antike, so stellt sich ungerufen das Antikische ein; Keller 1876—77S.W. VI 185 Hiermit nahm er ein Schleiertuch .. drapierte sich damit die Hüften, als ob er antikisch unbekleidet wäre; Frankf. Ztg. 1.11.1904 Schinkels antikischer Bau, das Alte Museum; Th. Mann 1919 Erz. (W. VIII552) jeden Augenblick, während er im Unterholz pirscht, höre ich ihn laut aufquieken, weil ein Dorn ihn geritzt, ein schnellender Zweig ihn getroffen hat; und laßt ihn beim Sprung über ein Gitter sich ein wenig den Bauch geschunden, den Fuß verstaucht haben, das gibt ein antikisches Heldengeschrei; Breysig 1925 Werden I 57 Wäre sein Schöpferwillen ganz durchgedrungen, aus dem Dom des Papstes von Rom wäre ein in der Höhenwirkung so gotisches Werk entstanden, wie es nur mit den antikischen Sprechweisen und den noch antikischeren Worten der Formensprache
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antik
der Renaissance darzustellen möglich gewesen wäre; Hausenstein 1930 Bad. Reise 14 Karlsruhe ist eine antikische, eine humaniore Stadt, die ein wahrhaftiges Forum besitzt, eine wahre Agora; Th. Mann 1930 Erz. (W. VIII 665) eines Tages nämlich hatte ihn im Wasser ein Taschenkrebs in die Zehe gezwickt, und das antikische Heldenjammergeschrei, das er ob dieser winzigen Unannehmlichkeit erhob, war markerschütternd und rief den Eindruck eines schrecklichen Unglückfalls hervor; Hausenstein 1935 Wanderungen 78 eine klassische Villa ludovicianischen Stils, mit antikischen Säulen und Loggia; Th. Mann 1939 Lotte (W. II 397) aus der antikisch hohen Gürtung ihres Kleides aus leichtem, geblümten Stoff, .. schien ihr weit entblößter Busen . . lustig hervorkugeln zu wollen; Feuchtwanger 1952 Narrenweisheit 354 So auch wurde, auf hohem, antikisch feierlichem Wagen, der Leichnam durch die Straßen der Stadt Paris geführt; Pfeiffer 1959 Gedicht 72 wobei die zweite dieser Strophen in Versen gipfelt, die eine Atmosphäre von antikischem Daseinsglück . . einfangen; Zeit 17.10.1986 die Bilder [wurden] verrätselt und mit gelehrten Zitaten aus der antiken Ruinenwelt versehen, wie es auf der Ausstellung durch das große, restaurierte antikische Architekturpanorama des Heemskerck aus Baltimore eindrucksvoll demonstriert wird; MM 31.1.1987 „Frieden", Teil zwei, suggeriert vor allem durch die Frauengruppe in Weiß edle, antikische Harmonie; ebd. 8.3.1988 Pasolinis Dialoge sind nicht realistisch, sondern poetisch, antikisch gehoben und durch Alltagstöne gebrochen; Spiegel 11.6.1990 Wer anders .. könnte so verwegen sein, eine zum Zeitgeist schroff querstehende, mit dem Tragödienmotiv vom schuldlos schuldig werdenden Menschen gar antikisch grundierte Fabel in Bilder umzusetzen?; ebd. 5. 7.1993 ein antikischer Marmorjüngling im kalifornischen Getty Museum. Antiqua: Fugger 1553 Formular 92 Diese Litteras oder Buchstaben setzt man auch vnter die Lateinischen schriefften, wirt von etlichen Antiqua, von etlichen aber Rotunda genant; ebd. 130 diese schriefft ., ist etwas langsame zuschreyben yedoch behender weder die Textur, Rotund, Antiqua, Römischen oder die grosen Grichischen Litteras; 1573 Frankf. Zunfturk. l 143,16 Mittel fractur. Mittel Schwabacherin. Rheinlender. Mittel antiqua, seind all in einer grösse (FRNHD. WB); Friderici 1684 Cryptographia 83 so suche ich erstlich in dem Clavi das P, darbey stehet C. T. A. das ist: Cursiva, Teutsch, Antiqua, derhalben muß ich in dem Hülff-Worte das s aus cursiva, das i aus Teutscher Schrifft, und das m aus antiqua nehmen, und also zusammen schreiben: sim; Marperger 1712 Naturlex. 84 Antiqua, ist eine Art von Buchdrucker
Schrifften, welche in aufrechte stehenden Buchstaben bestehet; ebd. 1130 Die Lateinische [Schrift] wird in Antiqua, welches ein gerader Buchstabe ist, und Cursiva, so etwas geschoben, oder inclinata ist, eingetheilet; Gessner-Hager 1740 Buchdruckerkunst I 55 Anm. Auf solche Weise ward erstlich die grobe lateinische Schrift verfertiget, welche dannenhero Antiqva (die alte) heißt; Wildenhayn 1743 Ehren-Gedicht a. d. Buchdruckerey 88 Antiqua und Cursiv sind bey Lateinschen Werkken; Wieland 1757 Ges. Sehr. I 4,239 Aldus Manutius war der Erfinder der verschiedenen Arten von Buchstaben, die man Antiquas und Currentes nennt; Christ 1776 Lit. u. Kunstwerke 334 Aus der ändern aber ist mit der Zeit, von den Schreibern und Buchdruckern, die runde Schrift der Lateiner (rotunda), oder wie sie bey den Buchdruckern genennet wird, die Antiqua nebst der Kursiv (Italica), ausgekünstelt worden; Freiligrath 1846 W. / 364 Von der Hitze bald geschmolzen, brodeln Perl und Diamant,/ Brodeln Kolonel und Korpus; hier Antiqua, dort Fraktur [Umgießen der Typen in Druckerei]; 1855 (1916 Uhlands Briefw. IV 133) so wird doch durch den gemeinsamen Gebrauch der Antiqua die Verschiedenheit weniger in die Augen stechen; 1884 Buch d. Erfindungen I 505 Im vorigen Jahrhundert kam die Fraktur, die allerdings weder die angenehme Rundung der Antiqua, noch das Markige und Imponierende der gotischen Schrift besitzt, fast ganz in Mißkredit; Grosse 1896 Ursachen 120 Das sie sich der Antiqua bedienten, antwortete ich im Kurier mit griechischen Lettern; Breuer/Freud 1909 Hysterie 47 Sie begann wieder zu schreiben, aber in eigentümlicher Weise; sie schrieb mit der gelenken, linken Hand, aber Antiqua-Druckbuchstaben, die sie sich aus ihrem Shakespeare zum Alphabet zusammengesucht hatte; Benjamin 1919 Br. I 225 Fractur ziehe ich, besonders bei kleinem Druck der Antiqua vor; Moszkowski 1922 Inseln 16 Er [Buchband] sah alt aus, zerwühlt und zerbeult, aber seine AntiquaLettern ergaben nicht den geringsten Sprachsinn; Th. Mann 1924 Reden u. Aufs. (W. X 641) die Erzählungen Stevensons, welche . . als überaus schmucke, . . in scharfer Antiqua gedruckte Bände erscheinen, die des Verlages bibliophile Herkunft verraten; Roth 1929 Rechts 30 Auf dreifach gefalteten Papier, . . marschierten die breiten Antiqualettern, ein wenig verwöhnt, ein wenig gespreizt, in großen Abständen; Zweig 1934 Einsetzung 289 der junge Offizier . . wedelte mit dem Flugblatt, das, in Antiqualettern würdevoll bedruckt, die .. Ordonnanz .. heraufgebracht hatte; v. Brandt 1958 Werkzeug d. Historikers 78 Jene „lateinische" Schrift (Antiqua) ist bekanntlich das Ergebnis eines gelehrten literarischen Irrtums. Die Neigung der italienischen Humanisten, . . auf die
Antike Schätze der Antike zurückzugreifen, verführte zu der Annahme, die Schriftform, in der ihnen die meisten antiken Schriftsteller überliefert waren, sei eben die antike Schrift; Lammen 1971 Romantheorie o. S. Hervorhebungen [sind] durch Sperrdruck, Fettdruck, Antiqua usw. durchgängig kursiv
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wiedergegeben; MM 29.12.1986 in seiner „Werkstatt" wird noch nach dem klassischen MonotypeVerfahren gesetzt, in einer der rund 800 Schriften, deren Matrizen mit ihrem Reichtum an schönen, klassisch geschnittenen Antiqua-Typen er sich . . zusammengekauft hat.
Antike F. (-; -n), Ende 17. Jh. entlehnt aus gleichbed. frz. antique (—» antik), bis ins 18. Jh. auch in der frz. beeinflußten Form Antique (vgl. bes. 1). 1 Meist im PL verwendet in der Bed. 'Kunstwerk des klassischen Altertums, bes. Statuen', oft in Zss. wie Antikensammlung, -saal, -kabinett, -galerie 'Altertumssammlung, Sammlung alter Kunstwerke'; im 18.719. Jh. selten bildlich (s. Belege 1761, 1780, 1801, 1815) und gelegentlich allgemeiner gebraucht für 'Altertümer, altehrwürdige Gegenstände, Bräuche' (s. Belege 1784, 1843). 2 Seit späterem 18. Jh., wohl unter erneuter frz. Einwirkung, ohne Pl. verwendet als Epochenbezeichnung für die Zeit des griechisch-römischen Altertums sowie für die Gesamtheit seiner Kultur- und Kunstprodukte, oft in Wendungen wie die klassische, römische, griechische Antike, die Kunst, Welt der Antike, das Studium der Antike. Dazu seit Anfang 19. Jh. die Ableitung antikisieren V. (in)trans., in der Bed. 'altertümeln, nach Art der Antike gestalten, antike Formen nachahmen' (vgl. archaisieren, —» Archaismus), häufig adj. verwendet in der Part. Präs.-Form antikisierend für 'antike Formen nachahmend', in Wendungen wie antikisierende Dichtung, antikisierender Stil, und seit späterem 19. Jh. das seltene Verbalsubst. Antikisierung F. (-; -en) (zu 2). Antike 1: Leibniz 1696 Dtsch. Sehr. I 389 Ein Maler, Bildhauer und Baumeister studiret an den Antiken, und formirt sich daraus ein Vorbild; Elis. Charl. 1711 Er. 230 Waß ma tante mir schickt, wirdt mich gewiß frewen; den dero gnaden rührt mir daß hertz recht, zu dem so liebe ich die antiquen sehr; Marperger 1712 Naturlex. 263 wenn man also von einer Antique reden will, so saget man, daß der Kopff von Marmor und buste von Porphir oder Ertz sey; Winkelmann 1754 Br. l 159 Den vorigen Sonntag habe ich den Schatz von hiesigen Antiquen gesehen; Gottsched 1760 Handlex. 106 Antiquen. Unter diesem Namen versteht man die Stücke der Malerey Baukunst und Bildhauerey der berühmtesten Künstler des Alterthums; Mendelssohn 1761 Philos. Sehr. II 116 Die Figuren der Natur werden von allen Kennern der Bildhauerkunst unter die Antiken gesetzt; Hagedorn 1762 Mahlerey I 67 . . Antiken . . Man giebt, wie bekannt, diesen Namen allen Werken der Mahler, Bildhauer, Giesser, Steinschneider und Baukünstler, die . . von der Zeit des macedonischen Alexanders bis auf den Einfall der in die Werke der Kunst wüthenden Gothen in Italien gemacht wurden; L. Mozart 1764 Br. II 222 dazu kommt noch ein in gold gefaßtes Carniol Ringel mit einem antique-Kopf und eine Menge kleinigkeiten; Schu-
bart 1780 Originalien 78 Eine Antike ist ihr Gesicht, werth in einen Ring gefasset zu werden; 1782 Leipz. lntelligenz-Bl. 38a Den 4. März . . soll . . eine vorzüglich gewählte schöne und rare Gemälde- und Kupferstichsammlung . ., wie auch verschiedene dabey befindliche artige und rare Antiquen, . . versteigert werden; Obermayr 1784 Bildergalerie 99 Der Ursprung der Prozessionen verliert sich in das graue Alterthum. Sie müssen uns also wenigstens als Antike ehrwürdig seyn; Goethe 1786 Tagebücher (WA 111 1,208) Die Anticken sind schön. Ein Endymion gefiel mir sehr wohl; ders. 1786 Br. (WA IV 8,35) Ich habe die Briefe nur sauber geleimet und nicht gesiegelt, sieh zu daß du etwa eine saubre Antike findest und siegle jeden; Schubart 1791 Ges. Sehr. u. Schicksale l 145 Mein größtes Vergnügen fand ich im Antikensaale, wo die unschätzbaren Denkmale des griechischen hohen Genius in sehr schönen Gipsformen aufgestellt sind; Schopenhauer 1800 Journal 237 Gegen Abend giengen wir in den Antiquen-Saal, den wir bei Fackelschein sahen, weil die Statuen sich dann wegen des Schatten und Lichts besser ausnehmen; Brentano 1801 W. V 251 Es sind lauter Antiken [die Bäume des Parks], erwiderte er, bis auf einige neue, die mein Vater gepflanzt hat; Goethe 1813 Br. (WA IV 23,239) daß mir zum Neuenjahre eine
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Antike
merkwürdige Antike in's Haus gekommen. Es ist eine Halbherme . . ein bärtiger Bacchus . . aus den Zeiten Hadrians; ders. 1811 Dichtung u. Wahrh. (WA l 28,84) In Mannheim . . eilte ich . . den Antikensaal zu sehn, von dem man viel Rühmens machte; Hebel 1815 Er. 550 Es hat mir schon oft trübe Stunden gemacht, daß wahrscheinlich nach der Auferstehung der Todten so viele alte merkwürdige Grabsteine und Inschriften werden verwahrlost werden und zu Grund gehen, ia die Erde selbst, ihre eigene und älteste Anticke; Borne 1822 Sehr. H 687 eine Szene, die im Antikenkabinette zu Florenz spielt; Immermann 1836 W. V 161 Ich besah Gemälde, Antiken, Ruinen; Hebbel 1843 S. W. 2,229 Das Albrecht-Dürer-Haus in Nürnberg wurde . . besehen . . ich erfuhr, daß es eine moderne Antike, eine restaurierte Alterthümlichkeit sey; Villers 1878 Er. e. Unbekannten I 254 An dem Zeithilfswort „sein" erleben wir aber dasselbe wie an mancher Antike, wo Arme, Beine . . sich von verschiedenen Statuen stammend zu einer einzigen zusammenfanden; Mommsen 1879 Reden u. Aufs. 238 Musealassistenten . . denen die Verwaltung des Münzkabinetts, des Antikenkabinetts, der Statuensammlung zum größten Teil anvertraut ist; Heyse 1900 Ges. W. HI 4,347 Dem [Freund] war ich einmal im Museum unter den Antiken begegnet; Hauptmann 1918 Ausgew. Prosa IV 118 allerlei wertvolle Seltenheiten, darunter bemalte etruskische Tonvasen, und einige andere Antiken aus Bronze und Marmor waren im Zimmer aufgestellt; ders. 1930 Leidenschaft II 58 Studierzimmer . ., wo alles, Bücher, Abgüsse nach Antiken, Stehpult, Teppich, noch seine alten Plätze hat; Lokal-Anz. 22.10.1934 Im Antikentempel im Park von Sanssouci hielt heute . . Pfarrer Viebig . . eine kurze Andacht; Frisch 1957 Homo faber 122 „vorgestern schon habe ich Sie gesehen — unten bei den Antiken - und gestern auch"; Renn 1966 Zu Fuß 194 Die Plastiken waren mir von Gipsabgüssen bekannt, und von ihnen hatte ich mir begeisterte Reden der Antikenschwärmer anhören müssen; Zeit 20.2.1987 man findet überdies Bestandsaufnahmen des Gewesenen; nostalgische Antiken-Begeisterung, Ruinen-Romantik, klassizistische Strenge; MM 14.6.1988 der Senat sah sich dadurch in der Lage, dem Antikenmuseum Preußischer Kulturbesitz mit 2,5 Millionen Mark beizustehen; Süddtsch. Ztg. 31.3.1993 Hamiltons Antikensammlung .. stammte zu einem erheblichen Teil. . aus Raubgrabungen in Pompeji. Antike 2: Hagedorn 1762 Mahlerey 42 Es giebt in der Antike schöne Faunen, wie schöne Apolle; Nicolai 1787 Beschr. VIII 129 Höchst wenige, . . verstanden . . die edle Bildung in der Antike zu studie-
ren; Goethe 1801 Tag- u. Jahresh. (WA I 35,97) freute mich seiner fortgesetzten Bemühungen, durch Studium der Antike sich der Einsicht zu nähern, wie der bildende Künstler mit dem Dichter zu wetteifern habe; Westenrieder 1812 Neue Beyträge I 436 Diesen Augenblick . . ist die Antike wieder, was sie schon öfters war, grosse Mode, . . so dass man auf allen Meubeln, in allen Winkeln der Kaffeehäuser . . die lieben Antiken sieht; Goethe 1816-17 Maximen u. Reflex. (WA I 48,207) Mancher hat nach der Antike studirt und sich ihr Wesen nicht ganz zugeeignet; ders. 1816—32 Sehr. z. Kunst (WA l 49.1,259) Das Studium der Antike gibt die Gestalt, sodann aber die Natur Gewandtheit und letztes Leben; Chamisso 1834-35 W. I 423 und von den kurzgezählten Stunden [in London] . . mußte ich mehrere widmen, Beruhigung im Anschauen . . der Antike zu suchen; Hebbel 1836 S. W. III 1,111 Ich lebe jetzt in München um hier die Antike zu studiren; Vischer 1860 Krit. Gänge N. F. I 35 Einst als junger Mensch, der noch keine Ahnung hatte vom hohen Styl, von classischer Einfalt und Großheit, vom südlichen Land und seiner Natur und wie man in ihr die Antike fühlen und verstehen lernt, stand ich zum erstenmal vor diesen Fresken; Falke 1866 Gesch. d. mod. Geschmacks 347 So wurde . . die Antike als die Kunst der Republiken, kraft der Revolution, in den allgemeinen Geschmack eingeführt; Fontäne 1878 Ges. W. l 1,567 In Front der beiden Dragoner, ziemlich die Mitte der Flurhalle einnehmend, stand ein der Antike nachgebildeter Faun; Tb. Mann 1901 Buddenbrooks (W. I 745) Gipsabgüsse nach der Antike standen auf den Wandborten, und in einem großen Schranke gab es allerhand Holzklötze und Puppenmöbel, die ebenfalls als Modelle dienten; Modersohn-Becker 1903 Er. u. Tagebuchbl. 198 Jetzt fühle ich tief, wie ich an den Köpfen der Antike lernen kann; Strich 1928 Dichtung 79 Diese westliche Zivilisation ist das eigentliche Erbe, die Fortsetzung und die Verwandlung der Antike; Voss. Ztg. 1.3.1930 Es scheint das Schicksal der Antike zu sein, daß sie in den verschiedensten Epochen der europäischen Kunstgeschichte unter den gegensätzlichsten künstlerischen Maximen immer wieder von neuem zeitgemäß wird; Tb. Mann 1939 Reden u. Aufs. (W. IX 593) der Ausgang des Altertums, die Zeit des Kampfes zwischen Antike und Christentum muß nach ihrer Geistesverfassung der Reformationszeit sehr verwandt gewesen sein; Stemplinger 1948 Volksglaube 22 Wie die Dämonen zwischen den Göttern im Olymp, in Meeren und Flüssen wie in der Unterwelt und den Menschen eine Verbindung herstellen, so dachte sich die Antike den ganzen Kosmos mit seinen Sternen, Elementen, Mineralien,
Antike Pflanzen, Tieren und Menschen in wechselseitiger Sympathie oder Antipathie; Kästner 1949 Lottchen 99 Er malt gerade an einer klassischen Szene aus der Antike; Rehm 1951 Götterstille 11 Antike aber ist für das Renaissance-Italien römische Antike; Welt 18.9.1954 eine Modeveränderung in der Antike oder im Orient war fast immer die Begleiterscheinung eines Wechsels im Gesamtstil; Bamm 1956 Ex ofo 211 die Hybris des Physikers Archimedes steht in einem unüberbrückbaren Gegensatz zur Frömmigkeit der Antike; Partner 1964 Erben 66 das frühe Mittelalter schloß im Münzwesen nach kurzer Unterbrechung unmittelbar an die Antike an; Kunst und Prägung gründeten sichtbar auf römischen Erfahrungen; 1967 Bild d. Wiss. l 15 die moderne Altertumswissenschaft hat uns gezeigt, daß es schon in der Vorzeit und Antike Hochkulturen mit allen ihren geistigen und wirtschaftlichen Aspekten gegeben hat; Zeit 28.12.1984 daß unangenehme, schwere oder schmutzige Arbeiten besser von Maschinen als von menschlichen Sklaven verrichtet werden sollten, war schon in der Antike eine weit verbreitete Meinung; MM 18.10.1986 für immer unter Wasser liegen werden aber auch zahlreiche Stätten der Antike; Süddtsch. Ztg. 23.3.1993 Stationen aus der Kunstentwicklung der klassischen Antike bis zum Einbruch des christlichen Mittelalters. antikisieren: Herder vor 1803 S. W. XXV// 275 Endlich wird uns alles Gefühl von einzelner Wahrheit und Bestimmtheit hinwegantikisiert (KEHREIN); Goethe 1804 Biogr. (WA l 36,265) verlangte sie . . das Mädchen von Andros aufführen zu sehen. Ich erinnere mich .. nicht wie sie dieses antikisirende Maskenwesen mochte aufgenommen haben; ders. 1809 Wahlverwandtschaften (WA I 20,255) die Taille, von der bei den modernen antikisirenden Bekleidungen der Frauenzimmer wenig sichtbar wird, [war] höchst zierlich; 1834 Kunstblatt 340 Braucht man z. B. einen Spitznamen für das verfehlte Antike, so stellt sich ungerufen das Antikische ein; soll das Kneten in jenem schlüpfrigen Teige bezeichnet werden, so gibt Antikisiren einen anständigen Tadel dafür ab; Vischer 1848 Ästhetik II 2,518 Die Aufklärung war durchaus antikisirend; sie war es selbst in dem engeren Sinne, daß sie eigentlich antike Stoffe, Formen, Mythen vorzog; Hettner 1850 Schule 120 ein neues Experiment, die antikisierende Kunsttheorie in das moderne Drama einzuführen; 1866 Grenzboten l 17 Von der antikisirenden, zierlich fältelnden Gewandung der Statue Luisens; Fischer 1891 Beiträge z. Literaturgesch. Schwabens l 45 Schon Klopstocks Poesie hat, wenn man vom Inhalt absieht, einen entschieden antikisierenden Charakter; ebd. l 216 gelehrt-antikisierende Poesie; Th. Mann 1902
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Erz. (W. VIU 197) über den festlichen Plätzen und weißen Säulentempeln, den antikisierenden Monumenten und Barockkirchen .. spannte sich strahlend ein Himmel von blauer Seide; Wölfflin 1918 Kunst A. Dürers 155 Dürer hat vor der italienischen Reise stärker „antikisiert" als nachher; Th. Mann 1924 Zauberberg (W. Ill 532) Ihr antikisierender Staatskult muß Sie zum Verfechter positiver Rechtsauffassung machen; Friedell 1928 Kulturgesch. U 498 Die französische Revolution begann sofort damit, alles und jegliches zu antikisieren, jedoch viel weniger in der griechischen als in der für die gallische Seele weit suggestiveren lateinischen Form; Voss. Ztg. 23.4.1929 Besichtigung des vielgerühmten, vielgescholtenen Pergamonmuseums, dieses mit lautem Lob und noch lauteren Lästerungen reichlich bedachten, modern antikisierenden Riesenbaues; Welt 18.9.1954 die antikisierende Mode des nachrevolutionären Directoire in Frankreich mit ihren seitlich geschlitzten Hemdgewändern zeigte einen ersten Schritt in Richtung der Befreiung des Beins; Renn 1966 Zu Fuß 92 Er hielt antikisierende Girlanden und süßliche Kinderszenen für Kunst; Kunert 1973 Bibliothek 215 Auf jenem [Bild], das sie in Tanzpose festhält, in einem langen schleierartigen Gewand, trägt sie eine antikisierende Larve; Zeit 28.12.1984 die Bühne glich einem Frührenaissancebild: antikisierende monumentale Architekturteile rahmten die Szene; MM 22.3.1988 wenn er auf dem Parkhausdach zwei antikisierende Vasen aufstellt; ebd. 6.5.1988 Regisseur Erhard Fischer läßt in dem hellen Tunnel seine antikisierten Figuren immer hart am Schmierentheater entlang agieren, was die grotesken Verhandlungen noch steigert; Spiegel 30.11. 1992 Unter den Decken der Oberlichtsäle prangt antikisierende Dekorationsmalerei; Süddtsch. Ztg. 15J16.5.1993 ein rechtschaffenes antikisierendes Kleinepos. Antikisierung: Burckhardt 1869 Ges. W. Ill 134 jene vagierenden Kleriker des 12. Jahrhunderts . . dieselbe freie und mehr als freie Lebensansicht, und von derselben Antikisierung der Poesie wenigstens der Anfang; Keyserling 1926 Welt 93 Die intellektuelle Höherwertigkeit des neuen ZuStands erwies sich zunächst darin, daß das, was psychologisch betrachtet Antikisierung war, ein gänzlich Unantikes, nämlich die moderne Naturbeherrschung einleitete; Dünninger 1967 Wegsperre 95 Die Volkskunde ist . . über diesen unter dem Einfluss von Altertumskunde und Religionswissenschaft erfolgenden Versuch humanistischer Mythisierung und Antikisierung dieser Erscheinungen . . hinausgekommen.